AN > Smithsonian = Institution « AB Libraries Gift of HERMAN L. LANG Brehms Tierleben Elfter Band. Allgemeine Ilaturkunde. Brehms Tierleben. Vierte, neubearbeitete Auflage. Unter Mitarbeit von Prof. Dr. Ludwig Heck, Dr. Sriedrich Hempelmann, Prof. Dr. Richard Heymons, Dr. Max Hilzheimer, Prof. Dr.William Marihall 7, Prof. Dr. Heinrich Simroth, Dr. Otto Steche und Prof. Dr. Sranz Werner herausgegeben von Prof. Dr. Otto zur Stralien. 13 Bände. Mit etwa 2000 Abbildungen im Text und auf mehr als 500 Tafeln in farbendruck, Aung und Holzichnitt fowie 13 Karten. Der Nlenic. Von Prof. Dr. Johannes Ranke. Dritte Auflage. 2 Bände. Mit 695 Abbildungen im Text (1714Einzeldaritellungen), 7 Kärten und 64 Tafeln in Sarbendruck, Atung und Holzichnitt. Völkerkunde. Von Prof. Dr. Sriedrich Raßel. Zweite Auflage. 2 Bände. Mit 1103 Abbildungen im Text, 6 Karten und 56 Tafeln in Sarbendruck und Holzichnitt. Die Pflanzenwelt. Von Prof. Dr. Otto Warburg. 3 Bände. Mit mehr als 900 Abbildungen im Texf und iiber 80 Tafeln in Sarbendruck und Abung. Pflanzenleben. Von Prof.Dr. Anton Kerner von Marilaun. Dritte, von Prof. Dr. Adolf Hanfen neubearbei- tete Auflage. 3 Bände. Mit über 600 Abbildungen im Text, I Karte und etwa 80 Tafeln in Sarbendruck, Atung und Holzfchnitt. Erdgelchichte. Von Prof. Dr. M. Neumayr. Zweite, von Prof. Dr. V. Uhlig bearbeitete Auflage. 2 Bände. Mit 873 Abbildungen im Text, 4 Karten und 34 Tafeln in Sarbendruck und Holzichnitt. Das Weltgebäude. Eine gemeinveritändliche Himmelskunde. Von Dr. M. Wilh. Meyer. Zweite Auflage. Mit 29] Abbildungen im Text, 9 Karten und 34 Tafeln in Sarbendruck, Aung und Holzichnitt. Die Tlaturkräfte. Ein Weltbild der phyfikaliichen und chemifchen Ericheinungen. Von Dr. M. Wilh. Meyer. Mit 474 Abbildungen im Text und 29 Tafeln in Sarbendruck, Ättung und Holzichnitt. et Leipzig und Wien Bibliographiiches Inftitut. Brehms Tierleben Allgemeine Kunde des Tierreichs. Mit etwa 2000 Abbildungen im Text, über 500 Tafeln in Sarbendruck, Kupferäßung und Holzichnitt und 13 Karten. Vierte, vollitändig neubearbeitete Auflage, herausgegeben von Prof. Dr. Otfo zur Straiien. Säugetiere — Zweiter Band. feipzig und Wien Bibliographifches Inititut 1914. Alle Rechte vom Verleger vorbehalten. Copyright 1914 by Bibliographisches Institut Meyer, Leipzig. Die Säugetiere Von Alfred Brehm. Neubearbeitet von Ludwig Heck und Illax Hilzheimer. Zweiter Band: Nagetiere (Heck) — Robben (Hilzheimer). . Mit 94 Abbildungen nach Photographien auf 20 Doppeltafeln, 30 Abbildungen im Text, 15 farbigen und 4 Ichwarzen Tafeln von B. Geisler, K.£L. Hartig, W. Kuhnert, P. Maßel, 6. Müßel, P. Neumann und W. Watagin. \THSONIAT “an 13 ZUUE feipzig und Wien UBRARIES Bibliographiiches Inititut 1914. Vorwort. Huch diefer zweite Säugetierband braucht ein Borwort — jhon aus dem Grunde, weil hier ein zweiter Bearbeiter auftritt in der Berfon des Deren Brivatdozenten Dr. Mar Dilzheimer, der jegt zur Zeitung der naturwiflenjchaft- lichen Abteilung des Märkifchen Mufeums in Berlin berufen worden tft. Er bat fich durch viele willenschaftliche Arbeiten und zufammenfaliende Säriften namentlich über die Dausfäugetiere und ihre Berwandten, neuerdings auch durch ein Handbuch der Biologie als gemeinverjtändlicher Darfteller einen Namen gemacht. Seiner Mitarbeit it mit befonderem Dante deswegen zu gedenken, weil er es verjtanden bat, die Bearbeitung der ihm übertragenen Kapitel in einer angejtchts der Schwierig: feit der Aufgabe vecht kurzen Zeit im Geifte der neuen Auflage durchzuführen und dem Gefamtwerfe organisch einzufügen. Daß er als Mitarbeiter herangezogen wurde, erklärt fich aus dem allgemeinen Verlangen der Abnehmer unferes „Iierlebens”, das ganze Werk binnen möglichjt kurzer Frift in Händen zu haben. Diejes all- gemeine Verlangen machten Verlag und Herausgeber fich zu eigen, und Prof. Dec willfahrte gern dem ausge)prochenen Wunfche nach Beichleunigung. Diefem Wunjche fommt auch der Umstand entgegen, daß durch den anfangs veröffentlichten Brofpekt des ganzen Werkes die Zahl der Säugetierbände unabänderlich auf vier feitgelegt it, die weitere Bearbeitung fich alfo innerhalb diefer Grenzen halten muß. Das fann fie aber um jo eher, als den niederen, bisher etwas jtiefmütterlich behandelten Säugetierordnungen bereits ihr Necht geworden ift; auch den Nagetieren, der weit- aus größten Säugetierordnung. Sie nimmt dementiprechend den größten Teil diejes Bandes ein und hat eine zufammenhängende gemeinverftändliche Darftellung von Jolhem Umfang und jolcher Ausführlichkeit bis jest ganz gewiß nicht erfahren. sn diefem Sinne jeien als Einzelbelege aus unferen Bande bejonders genannt die Naturgejhichte der befannten und wichtigen Nagetiere, wie eS Dafe und Kaninchen, VIII Vorwort. Hatte und Maus, Biber und Eichhorn Find: fie dürfen wohl den Wert populärer Monographien beanjpruchen. Und ähnlich mag man die Slluftration einjchägen, die allein auf 1S photo- graphiichen Tafeln 87 Nagerbilder von um jo höherem urkundlichen Ierte bietet, als fie zum guten Teile Jolche Tierarten zeigt, Die weiteren Kreifen im Bilde überhaupt noch nicht zur Anfchauung gebracht worden find. Bei den Farbentafeln gilt ähnliches vom Pfeifhafen, der Borkenvatte, dem Feh-Eichhorn. Die Borten- vatte hat Geisler- Dresden geliefert, der allein Studtenmatertal von diejem bis jeßt nur einmal lebend dagewejenen Nager beftst, und mit der Darjtellung des fibirischen Feh-Eichhorns führt fich ein rufftscher Tiermaler in unfer „Dierleben“ ein, W. Watagin, von deifen hervorragenden Können die folgenden Bände weitere Beweile liefern werden. Biblivgraphifches Jnftitnt. Suhalts=Üiberjicht. 8. Ordnung: Nagetiere (Rodentia). 1. Unterordnung: Doppelzähner (Duplici- dentata). Yamilie: Pfeifhajen (Ochotonidae). Ceite Ochotona. . . N a ee Bimerapfeifhnfe, O-pusiluspalur ... 23 Sibirifcher Pfeifhafe, O. alpinus Pall. . 14 Dtogono, O. dauricus Pal... ... 15 DEroyleis ge ee 6 OSmtalus Sour ma. a era 16 OßerythrowskBüchn. 1... 2 2a +16 Or melanostomus Büchn. 2... ORPEMSEPEH RICH en +18 Familie: HYajen im weiteren Sinne (Leporidae). Romerolagus . . | NRomeros Haje, R. alten: Mers; ER Nesolagus . . al Sturzohr- Kaninchen, N etgchen Schl. 2 Caprolagus . . . ar m22 Rauhfaninchen, C. Penis Benkdonn E22 Oryctolagus . . . 23 Europäiiches Sanınden 0. einieulus L. 23 Hausfaninden . . . . kl, nd Nothafe, ©. erassicaudatus Je Geoffr. Sl Oyeanyikae Those. 51.4. 2.0. 0034 „Bl Sylvilasus . . 52 Ameritanifches Sanincen, S. Mordanus AU AR Be er a a a; Tapeti. . - 21.9008 Coftarica-Xapeti, 7. sabbi Auen a Limnolagus . . . 53 Sumpflaninden, 5 Haktıntria Ben 2208 Wafjerfaninchen, L. aquaticus Bachm. . 53 Lepus (eigentlihe Halen) . - . . ......55 Macrotolagus . . 4... +08 M. californicus an. a) u. «56 Meftexensis’Wirhe .. . 2 Ban 0 06 M. melanotis Mearns . M. alleni Mearns Lepus . Bräriehaje, 1 dampesteig Basen Beränderliher Hafe, L. americanus Eral. L. a. virginianus Harl. Polarhafe, L. areticus Zeach L. a. bangsi Rhds. . L. labradorius Mill. Novviiher Schneehafe, L. due Stiicher Schneehafe, L. t. hibernieus Bell Dublinhafe, L. t. lutescens Barr.- Ham. Alpenjchneehafe, L. varronis Mill. Feldhafe, L. europaeus Pall. e. occidentalis Winton e. mediterraneus Wagn. . . aquilonius Dlas. . lilfordi Winton . . caspius Ehrbg. eyrensis Sat. . lehmanni Sev. craspedotis blanf. . tolai Pall.. yarkandensis Gthr. . tibetanus Wirh.. . peguensis blyth . siamensis Bonh. . oiostolus Hodgs. . pallipes Hodgs. . . hypsibius Blanf. . ruficaudatus Geoffr. dayanus Blanf. . . nigricollis F. Cum. . aegyptius Desm. isabellinus Ortzschm. habessinicus Ehrbg. Ss . somalensis Hgl.. Seite 56 56 59 DO JIDNNN DI Qu D SI] SI www HH © 8 art X Seite I salaesJlent ge... 12 InScapensis.Zı 2220 24 I saxatılise RL. Our ld Iezech iM sch L. capensis ochropus Wagn. . . . . 125 Ti svictorisew Rosen 12b 2. Unterordnung: Ginfadzähnige (Simplici- dentata). Sektion: Sfahelfhweinförmige (Hystrico- morpha). Yamilie: HYafenmänfe im weiteren Sinne (Visca- ciidae). Chinchilla . . . 126 Große Chinchilla, ch. N Wirk. 126 Wollmaus, Ch. laniger Mod. . . . . 129 Lagidium (Hajenmäufe im engeren Sinne) . 130 Cupier3 Hajenmaus, L. peruanum Meyen 130 Vscacta ee a Biscacha, V. viscacia Mol. Me or 32 Samilie: Meerjchiweindyenartige (Caviidae). Hydrochoerus . . 2136 Wajjerichiwein, H. Daher Brei. 505.136 Cavia. . . ee enden 0. oreelide fe: ARE LTE) Struppmeerfhweinden . . . .. . 14 Angorameerfhweinden . . ....... 14 Aperea, C. aperea Erdl.. . . .. . 146 EutlerS Uperea, C. cutleri Benn.. . . 147 Kerodon . . . er 1AR Bolivia-Mtoto, x bolivieneis w Ih. ei, Spir-Molo, K. spixi Wagl.. . .—. . 14 Teljen-Mofo, K. rupestris Wied . . . 147 Dolichotis . . . N Mara, D. atagonica a DAT Bwerg-Mara, D. salinicola Burm. . . 151 zamilie: Agntiartige (Agoutidae). Dasyproct were ent ly Yguti, D. aguti e IRRE 192 Gelbrüden-Agutt, D. eroconota een 153 Uzaras Aguti, D. azarae Leht.. . . . 157 Mohren-Aquti, D. fuliginosa Wagl. . . 158 Merifanijcher Aguti, D. mexicana Sauss. 158 Schopf-Mquti, D. prymnolopha Wagl. . 158 Myoprocta: ...,. 2 4 We rl Ucuchhy, M. acouchy Erz. . . .. . 158 Aguti . . . er 10 Pafa, A. paca IL oe A 159 Dergpafa, A. taczanowskii Slam io Inhalts-Überjigt. samilie: Dinomyidae. Seite Dinomys. . A Bafarana, D. N eanckti Pirs. RE Rn 0 Hamilie: Baumftachelichweine (Coöndidae). Coendu (Greifitadler) . . . . . . 165 Baumjtachler, ©. novae-hispaniae Brian, 166 Cuiy, ©. villosus F. Cu. . . .:: . 166 Sreifftachler, C. prehensilis L.. . . . 169 Erethizon. . . N ea, alyıı Urjon, E. te DE ee Eu epixanthus Brat, ven gamilie: Erdjtadhelichtweine (Hystricidae). Atherura (Qualtenitadhler) . . . . 3 176 Afrikanischer Quajtenitachler, A. ahidann URN 0 177 Sndiicher Sunttentiadiler re ENT, 178 Hystrix . . 7 Ctaheliwein, H. tete I H. africae-australis Pirs. . . . _. 184 Haarnafiges Stadhelichwein, H. hirsuti- rostris Brdi. . . . 185 BWeinihmanz Sladelihwein, H. Is Sykesa ne: a Bengalijches Saheiätuen, H. benga- lensisy Bl RE a Himalaja-Stachelihwein, H. hodgsoni Gray 157 Langjchwänziges each, H. onen, cauda Marsdn . . . 157 Savaniiches Stadelihwein, N javanica VO ae ale) Familie: Trugratten (Octodontidae). Terfelratten (Capromyinae). Myocastor . . . let) Biberratte, M. coypus ee ls) Capromys (Baumtatten) 2.22. me zz Hutia-Conga, C. pilorides Pal. . . . 193 Thryonomys . . sp Bi et Nohrratte, Th. Swinderlänus Temm. . . 194 Zanzenratten (Echimyinae). Ecehimys (Lanzenratten) . . . gr Sania, E. armatus Js. a ler Proechimys (ssaeltatten) nn ale Cayenneratte, P. cayennensis Desm. . 197 Kannabateomys ri Singerratte, K. amblyonyx Wagn. . . 19% Eigentlihe Trugratten (Octodontinae). Octodon (Straudirtatten) = ri Degu, O. degusMol. . „air. 7.200 Ctenomys (Rammtratten) . . 2... .....200 € pundti Nrrg. an Snhalts-Überjidt. Seite C. torquatus LZeht. . 201 Tufotufo, ©. magellanicus Ben. 201 Spalacopus . 203 Familie: Kammfingerartige (Ctenodactylidae). Ctenodactylus . E 203 Kammfinger, C. Bundi Pall. 203 Pectinator 204 Familie: eornaefnurie Weaeiän). Pedetes : Springhaje, P. caffer Pall. Settion: Mausförmige (Myomorpha). Familie: Springnager (Jaculidae). Springmäufe im engeren Sinne (Jaculinae). Alactaga . ; 212 Ppferdejpringer, N allen ms 212 A. suschkini Sat. 215 A. williamsi Thos. . 216 Alactagulus . N N car 20 A acontlon“ Pollen rer 216 Pygeretmus. . . . 216 Matti htwanzfpringer, Pp. otyros Leht. 216 Jaculus : 216 Kufenipringmaug, ” peulas 7 . 216 Pfeilfpringmaus, J. sagitta Poll. uw 228 Große Springmaus, J. orientalis Erxl. 228 Hüpfmäuje (Zapodinae). Zapuse. on .. rd. 2) Seibhüpfmaus, 2. hadsopins Zimm, 2022) Napaeozapus . . za Waldhüpfmaus, ne insignis a. 231 Streifenmäuje (Sicistinae). Sieista . . a Eheitenmaus, S. subtilis Pall. ei Familie: Tajchenmänje (Heteromyidae). Tajhenjpringmäufe (Dipodomyinae). Divodomys . , 233 Tajchenjpringer, D. hilkipet @iat Y 233 ee (Känguruhmäufe) 234 Drds Känguruhmaus, P. ordi W an . 234 Nihardjons Känguruhmaus, P. richard- soni Allen . al Familie: Tafchenratten (Geomyidae). Geomys A 238 Tajchenratte, 6. elun ha , 238 Familie: Blindmansartige im engeren Sinne (Spalacidae). Blindmäufe (Spalacinae). Spalax 241 Blindrianz, S. ahlus Pal 241 S. ehrenbergi NArg. S. hungaricus Nhrg. S. micerophthalmus Güld. Wurzelratten (Rhizomyinae). Rhizomys Große et aife, Rh. sumatrensis sRaffl Tachyoryctes Slänzender Schn el m fer, T. snlendana Rüpp. Familie: Sandgräberartige (Bathyergidae). Bathyergus . : i Strandagräber, B. maritimue Em. i Georhychus . Kapijcher Blemull, G. capensis Pall Damara-Blefmull, G. damarensis Og. . G. zechi Mtsch. . Myoscalops . Silbergrauer er, M. arankaeines reus Pall. Heterocephalus Nadtmull, H. elaßer Rüpp. Fornarina : i Somali- Nactmull, F. phillipsi Thos. Familie: Mangartige (Muridae). Mullmäufje (Myotalpinae). Myotalpa 30for, M. apa Pall. Wühlmäuje (Mierotinae). Ellobius . Mull- een E. Alpine Pall.. E. lutescens Thos. . Prometheomys h P: en Sat. i Lemmus . i Art Gemwöhnlicher Sermning, 1 ans Ic Sibirifcher Yemming, L. obensis Brants Waldlemming, L. trimucronatus Rich. Dierostonyx (Gabelfrall-Lemminge) Halsbandlemming, D. torquatus Pall. . Doppelkralliger Yemming, D. hudsonius Pall. Synaptomys eenmningmäufe) Cooper3 Lemmingmaus, S. cooperi Baird Fiber . Bifamratte, F ba Microtus (eigentliche Rear Neofiber : Runbihmanz Bifintzaiie x. alleni True L. schistieolor Lillj. 246 246 247 247 248 248 248 248 249 249 249 249 DVD D DVD oQ (3%) XI Arvicola Wafjerratte, Me terrestris m A. amphibius Z. A. sherman Shaw . Pitymys ; Fichtenmaus, P. un Dee. Kurzohrige Erdmaus, P. subterraneus Selys . Lagurus Sraufemming, 1. agurds Pall. Microtus . } Schneemaus, M. ialis Martins R Kattenföpfige Wühlmaus, M. ratticeps Keys.-Blas. M. r. stimmingi Nhrg. Wurzelmaus, M. oeconomus Pall. Erdmaus, M. agrestis L. Teldmaus, M. arvalis Pall. . M. socialis Pall. M. parvus Sat. Benniylvaniiche Feldmaus, M. ee vanicus Ord . Brewers Strandmaus, M. er Baird Evotomys Walbtwühlmaus, E. Heer Mehl, Notrüdenmaus, E. gapperi Vig. E. g. ochraceus Mill. . E. g. rhoadsi Stone Phenacomys Ph. celatus Me Waldratten (Neotominae). Neotoma . Bennj Evarime Waldratte, N. nn vanica Stone lorida- ee Teonoma . Dergratte, T. cinerea Ord N. floridana Ord Schlingenzähner (Sigmodontinae). Sigmodon li S. Hiapidue Sa et 0000 Peromyscus . ; VBeißfußmaus, p. neohun Raf, veithrodon . - Staninchenmaus, R. ennenloides Wirk. . Ichthyomys Ä Silchratte, I. ol Thos. Snjelmäuje (Nesomyinae). Nesomys . no: N. rufus Ptrs. Eliurus (Bilhjehwanz) Seite 284 254 285 285 291 291 291 292 292 294 294 296 2% | 299 300 306 306 307 309 309 309 all all | 31 | sll sıl Snhalts-Überfit. Hamifter (Cricetinae). Cricetus Hamiter, C. ericetus Fi ®. Graurüdenhamifter, C. ce. canescens Nhrg. C. c. rufescens Nhrg. . C. c. nehringi Misch. . Mesocricetus..,. Goldhaniter, M. auratus Wirk. Schwarzbrufthamiter, M. nigrieulus Nhrg. Dobrudfchahamiter, M. newtoni Nhrg. Cricetulus . & Grauhamiter, C. er Pall. Fojjile Hamiter . | Mystromys . ae Wefjihmwänzige örfehnaus =. albicads datus A. Sm... Mähnenratten (Lophiomyinae). Lophiomys . ee L. imhausi A. M.-E. L. aethiopicus Pirs. Mäuje im engeren Sinne (Murinae). Mus Epimys (Ratten) Hausratte, E. rattus L. Hgyptiiche Ratte, E. r. es ne Geoffr. 5 E. r. caledonicus Wagn. . E. r. novae-zelandiae Bull. . E. r. jacobiae Wtrh. 3 Wanderratte, E. norwegicus re E. humiliatus A. M.-E. . Mettadratte, E. mettada Gray. Maoriratte, E. exulans maorium Hutton Goldratte, Darlingsratte, E. chrysophilus Winton . Langichivanzratte, E. dolichurus Smuts . Wahlbergsratte, E. paedulcus Sund. . Damtararatte, E. damarensis Winton Weißnajenratte, E. coucha A. Sm. Weißfußratte, E. colonus Brants . E. auricomis Winton . Weißjchwangzratte, E.erythroleucus Teemm. , Notrücdenratte, E. rufinus Temm. . Baummwatte, E. nigricauda T’hos. . Einjtreifentatte, E. univittatus Pirs. . Tullbergtatte, E. tullbergi Thos. . Abof, E. hypoxanthus Puch. Mus. : Hausmaus, M. nel n. A QTabafmaus, M. m. poschiavinus Fatio . Selbbauchmaus, M. muralis Barr.- Ham. Baltrermaus, M. gentilis Brants . Wagners Maus, M. wagneri Eversm. Inhalts-Überfict. M. spretus Lat. . M. spicilegus Petenyi . Waldmaus, M. sylvaticus L. ER Gelbhalsmaus, M. s. wintoni Barr.- Ham. M. s. hirtensis Barr.- Ham. . Hebridenwaldmaus, M. =. Winton . M. s. islandicus Thien. M. s. arianus Blanf. S Berdmores Maus, M. arts Bl ah Micromys . ; Brandmaus, M. agrarius all. Bmwergmaus, M. minutus Pall. . Leggada Supdijche Felbmaug, ” ndez Gran y. L. minutoides Smith . hebridensis Nesocia Indische Befkratte, N. behkinlensis ee Y Cricetomys . © Hamiterratte, C. daran Wirh. Eosaccomys . : $ Tajchenratte, E. enpegiria En h Acomys (Stahelmäufe) . A. cahirinus E. @eoffr. A. wilsoni T'hos. A. spinosissimus Pirs.. Arvicanthis . Streifenmaug, a harbaros L. A. b. pulchellus Gray. ; Striemenmaus, A. pumilio N A. dorsalis A. Sm. . A. neumanni Misch. Hamjtermaus, A. abyssinicus Rüpie. Golunda . Vandeleuria . Langjhwänzige Demunauz, v. oleraface benn. Crateromys . : Ehnnenhlrgs. Stiefentalte, C. bergi A. D. Meyer Mallomys = Wollvatte, M. rothschildi Thos. Batomys (Bujchratten) . Carpomys (Frucdtratten) Uromys (Mojaiihwanzmäuie) Pogonomys . Chiruromys (Greiffehtoanzmäufe) Conilurus (Springratten) Auftraliiche u Gould Ascopharynx Nehbraune Gould schaden- C. hirsutus Springratte, A. cervinus Seite 364 364 397 369 369 370 370 3 3A 356 357 3172 375 375 XII Baummausartige (Dendromyinae). Seite Dendromys . A ren Schwarzitimige Alchermais, D. nigri- frons True . .. 3831 Stleine Klettermaus, D. pumiko Wan 38l Limacomys . 331 Steatomys Ben. ct! Süpafrifanifghe ne S. pratensis Pins 381 Dhrenratten (Otomyinae). Otomys 5 381 O. brantsi R 3 3831 Ohrenratte, O. irroratus Bränts 381 OÖ. unisulcatus F. Cuv. 382 ennmäufe (Gerbillinae). Gerbillus . i 383 Sndiiche ne @. Indiens ne 383 Rhombomys 383 Rh. opimus Leht. ; 383 Niejenrennmaus, Rh. o. bipantens Büchn. 333 Gerbillus . 385 Stleine Wiftenmaus, G. gerkiilon 01. 385 Meriones . ; 385 Große Küftenmans, M. hast Roz. 385 Psammomys L 388 Sandrennmaug, P. Boa Öntzschm. 388 Pachyuromys (Didjhwanzmäufe) 389 P. duprasi Lat. . 389 P. auricularis Smith 389 Borfenratten (Phloeomyinae). Phloeomys 390 Ph. cumingi Wirk. 30 Jajenratten (Rhynchomyinae). Rhynchomys 3a Rh. soricoides Thos. 391 Hydromyinae. Crunomys 392 Wildbadmanz, c. fallax Thos. 392 Chrotomys . 392 Buntmaus, Ch. iitche: „di Thos. > 392 Celaenomys . : 393 Dunfelmaus, C. ech Thos. 393 Xeromys . SE: ..: 393 Zandmaus, X. myoides T’hos. . 393 Hydromys j er... 394 Auftraliiche © Schwimmtatte, H. chryso- gaster E. @eoffr. . 394 Familie: Schlafjmansartige (Myoxidae). Platacanthomyinae. Platacanthomys £ Stadelbild), P. Inaetrar Blyth 3% 395 REN Inhalts-Überficht. Seite yphlomys 0.9.02 a 300 T. einereus A. M.-Er 2.00 7002277396 Echte Schlafntausartige (Myoxinae). Glis® ., 100 ee er 2396 Giebenjichläfer, G. she . . .....396 G. 79. caspiens Sahne Dyromys. . . ee) DBaumjchläfer, m nrtedula Pal. 6 AG Griechischer ar, D. n. wingei Nhro.. » -» . 407 Tiroler Baumfchläfer, D. n. itermedius Nr ee ee Eliomys . . 2. u Saxtenfchläfer, R. en N As E. sardus Barr.-Ham.. ... .. 0.0. 414 Graphiurus . . et al Mausjchläfer, er murinus Des. SEA: G. coupei F. Cu. ... . . 414 Brillenjchläfer, G. ocularis Smith. 2 RALA G. platyops Thos. . . . ER. Bwergjchläfer, G. nanus Warten AAN Dieihiwanzichläfer, G. crassicaudatus IN a ee LO (es Peukis olaun nn Soc, ee ln Muscardinus . . ss) Hajelmaus, M. Beellanasic: nr 5) M. a. anglicus Barr.-Ham.. . . .. 45 M:na. speciosus Dehne . :'. . . .. 415 Celtion: Eihhornförmige (Sciuromorpha). Jamilie: Biberartige (Castoridae). Castor. . . a ET ar 02 Biber, C. fiber m BERN DD Stanadabiber, ©. canadensis RR 20 Alan Carolinabiber, C. c. carolinensis Rhds. . 456 jamilie: Biberhörnchen (Aplodontidae). ApIodontsasr a ne ach eh ee a ee) Jamilie: Hörndhenartige (Sciuridae). Eihhörncdhen (Sciurinae). Marmota. . . 20, BAR) DIN! Ipenmurmeltier, M. marmota m le Bobaf, M. bobak P.L. 8. Müll. . . . 477 M. baibacina Brdi.. . . 2.2..2...48 M-@bungei. Kasc, „48 M."sibirica Radde ”, , Roee 7482 3 M. dichrous An- ders... . 2488 | Goldmurmeltier, u aurea a ass Lanafhmwänziges ı M. caudata Js. Geoffr. Eisgraues Murmeltier, aM. pruinosa En Gelbbäuchiges Munrmeltier, M. flaviven- ter Aud. Bach. BE Waldmurmeltier, M. monax L. Cynomys. Präriehund, C. sosialis Rap e Weftliher Präriehund, C. lewisi Ana. Bach... $ alber Ziejel, c. fulwus ehe : Citellus : Ziejel, C. eikellns L. 5 Berlziejel, C. suslica Güld. . Colobotis . Kötlicher Ziejel, C. Fufesens Keys, Bl. Mugojariicher Ziejel, C. mugosaricus Leht. C. musicus Menetr. B Barrys Biejel, C. parryi rn Eversmann-Ziejel, C. eversmanni Brdt. . Nichardjons Ziejel, C. richardsoni Sab. . Ictidomys. E Sranklins Ziejel, 1E franklini‘ Sab. Streifenziejel, I. tridecimlineatus Mitch, Xerospermophilus . : Kennicott3 Ziejel, X. ebeeee Kenmzoi Nerifanijcher Ziejel, X. mexicanus Leht. Otospermophilus Ä Obrenziejel, ©. grammurus Sa Ä Eutamias RE 8: Burumduf, E. ee Gm. E. speciosus Allen . Tamias , Hadee, T. striatus L. T. st. lysteri Rich... Xerus. Sdilu, X. Tutilus en Biejelhörnchen, X. erythropus E. en: Sabera, X. e. leucoumbrinus Rüpp. . Geosciurus RM Stapijches Bortenhöniden, G. capensis Kerr . ER ENSHALE Atlantoxerus. BER: Nordafrifaniiches Geopomnde, n getu- lus L. Epixerus . . ee Großes Beten, E. ebi Temm. Wilfons Niefenhörmdjen, E. le Du Chaillu . Protoxerus . E Mr Öfpalmenhörndhen, P . nn Wirh. . Paraxerus Snhalts-Überjicht. Böhms Streifenhörnchen, P. böhmi Rehw. Notjchwanzhörnchen, P. palliatus Pers. . Saint-PBauls-Hörnchen, P. pauli Misch. Deerfußhörncdhen, P. cepapi A. Sm. . Funisciurus . . F. lemniscatus Dec. Meafa, F. isabella Gray . 5 Kleines Rotichenfelhörnchen, F. nyeshopns F. Cw. . Gelbbauchhörnchen, F. anrieulatne ee Bügelftrichhörnchen, F. congieus Kuhl . Myrsilus . 5 Söhfenbaumhörnden, M. Shbihni der DE Heliosciurus. Notarmhörncden, H. Eifobrachiatas w ih Sraufußhörnchen, H. gambianus 0g. . Rhinosciurus Najenhörncden, Rh. Schl. : : Lary, Rh. en. a A Funambulus, i Balmenhörncdhen, r. almarum, m A Dreiftreifenhörncden, F. tristriatus Wtrh. Ratufa (Riejenhörnchen) Köniashörnden, RB. indica Fön Selarang, R. bicolor Sparrm. . Sciurus 3 Brevojts Eibnorn. 8. rockt De 2 Nojtbauchhörnden, 8. Gray . 5 Ningpohörnchen, = c. ningpoensis Bon, Styans Hörnchen, S. styani Thos. . Chinahörnden, S. chinensis Gray. Graufopfhörnchen, S. caniceps Gray . Gelbbauchhörnchen, S. pygerythrus Js. Geoffr. Eroufikhörnden, S. isefnanus 1. EB. Drangehörnchen, S. concolor Blyth Platanenhörnchen, S. notatus Bodd. . Bindenhörnchen, S. vittatus Raffl. ee S. nigrovittatus Horsf. Eichhorn, S. zülgadis 7 ZTrangfaufajijches Eisen, malus Güld. : Grauhörnden, S. earolinensis Gm. > Goldbauhhhörnchen, S. aureogaster F. Cun. laticaudatus Müll, castaneoventris S. ano- Seite 527 527 527 528 528 528 528 529 930 530 530 530 530 530 530 531 53l 531 531 531 532 532 532 9. Ordnung: Nobben oder Jamike: Ohrenrobben (Otariidae). Eumetopias . Stellers Geelöie, E uharne Schreb. Kaliforn. Seelöwe, E. californianus Less. 583 583 589 S. a. hypopyrrhus Wagl. Wechjeleichhorn, S. variabilis Js. en, Tamiasciurus Hudjonhörnchen, T. huudkonien Eral. Guerlinguetus (Fudhsihiwanzhörnden) . G. niger L. G. n. rufiventer Geoffr. Brajildörndhen, G. aestuans ii G. ae. hoffmanni Ptrs. i Bwerghörncdhen (Nannoseiurinae). Nannosciurus N. exilis Müll. Schl. Whiteheads a headi 7'hos. Myosciurus . : M. minutus Du Chailtu & N. Sluahörncdhen (Petauristinae). Petaurista y QTaguan, P. oral Tick. P. alborufus A. M.-E. P. leucogenys Temm. . Eupetaurus . Wolliges Flughörnchen, E. cinereus nos. Sciuropterus S. sagitta L. . nr Flughörmcen, S. russicus Tiedem. S. momoga T'’emm. . Hylopetes. Bmeraflunhömden, Glaucomys Aljapan, G. Solana n white- H. spadiceus Blyth I .{J oO I. Familie: Dornjhiwanzhörndyen (Anomaluridae). Eigentlicdhe lurinae). Anomalurus . DBeecrofts Dornfätwanshömeen, Ri De | Otaria | cerofti Fras. B Notrüdiges Dornjchwanzh Bendhen, A ery- thronotus A. M.-E.. - Nojtbäuchiges Bonjwangtörnden orientalis Ptrs. : Tlugbildartige Tdiusnaeh Idiurus Alugbildh, 1. Misch. Zenkerella Bomihmanzbileh, 2. insignis Met. Slofienfüßer (Pinnipedia). Mähnenzobbe, 0. byaonis lan. Arctocephalus . $ Ceebär, A. ursinus 7 R Dornjhwanzhörndhen (Anoma- XVI Inhalts-Überfict. Seite | Seite Süpdaftifanifcher Seebärt, A. pusillus | Ph..h. annellata Nds. . ..... 67 ISchreba 2 ee 599 Ph. h. gichigensis Allen . . . a Südamerifaniicher Seebät, Re australis ©atteltobbe, Ph. groenlandica Fabr.. el Zimmer .. ... 599 . Blajeniobben (Cystophorinae). Familie: Seehunde (Phocidae). Cystophora (Mübentobben) . . 2... 620 Echte Seehunde (Phocinae). | Klappmübe, C. cristata Er. . . . . 620 Halichoerus . . . 613 | Maerorhinus (Glefantentobben) . . .. 622 Ktegeltobbe, H. grypus a Südliche Elefantentobbe, M. oa r 622 Phoca. . . . 614 Nördliche Elefantenrobbe, M. angusti- Gemeiner eh, Ph. en in . 614 Tostrisi@ille sn ee Ningeltobbe, Ph. hispida Schreb.. . . 615 Kafpiicher Seehund, Ph. h. caspica @m. 616 FSamilie: Walrojje (Odobenidae). Phahe sibimea/Gma# 2 22 20 ...20.1.7.6162)- Odobenuszer 2 Pe ig Ph. h. ladogensis Nordwist . . . . 617 | Waltoß, O. rosmarus rn en la) Ph. h. saimensis Nordquist . . . . . 617 ©. obesus. 2. Zn. 2 52 2 Berzeichnis der Abbildungen. Farbige lie Seite Pfeifdafe - - - i en en 5) Europäijches Baninen a EEE EE| Ipthaleı —-- = .: . een Fed SElDDAferE me a EN FE 2012 Seen ER N LE Melone ee IT Gtaliellamens =. U: un um a.a 178 Bihertalter - . - Rn 2.0189 Wüftenfpringmaus . . 2 22.20.20. 216 | Borlenentlee en a u ae. 0. en 890 BDO ne na A DINDER EN Alt u ter 40:56 Sehe te. % a ae U EIRRER 21:3 Kafpiicher ee se NET IWOlEDBS ne. 2 en ee el inäzze aaa Nagetiere l . -. 5 ar a!) 1. Himalaja = Pfeifhafe. 2. Bita. 3. Nadte Wildkaninchen (3 Tage alt, blind) im aufgegrabenen Neit. Sunghafen im oberivdijchen Lager. Nagetiere II (Rafjefaninhen). . . . ... 48 1. Engliide Schede, Häfin. 2. Holländer, Nammler. 3a. Blue and tan, NRanımler, b. Black and tan, Hälin. 4. Angorafaninchen, Namntler. 5. Widderfaninhen, Häfin. 6. Belgifches Niejentaninchen, Nammnıler. Pr Sogeerrsliin ee. 2... RR 20. 1a} 1. Tolai=Hafe. 2. Kalifornifcher Ejelhafe. 3. Kleine Chinchilla. 4. Biscadha. Asalierichimein >. Aue oa... 136 | Mageliere IV. . . . a 140 15 a neerio meinen 2. Angorameerichweinchen. Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 3. Aperea. 4. Spir= Mofo. Mara Kagetiere V 1. Zwerg - Mara. 2. Palarana. 3. Gejhwänzter Aguti. 4. Bafa. Vagetiere VI. 1. Greifitachler. 2. Wolliger Baumjtacdler. 3. Sndischer Quraftenjtachler. 4. Lanafchwänziges Stachelichwein. Nagetiere VII 1. Schwanz des Stadelichtweins. 2. Südafritanifches Stachelichwei. 3. Baumtratte. 4. Nohrratte. Nagetiere VIIL 1. Kammfinger. . Degu. . Kayenneratte. . Wüftenfpringmaus. . Zeldhüpfmaus. 6. Pferdejpringer. Nagetiere IX . 1. Zech8 Bleimull. 2. Gilbergrauer Erdbohrer. cp wm 3. Blindmaus, tot, bo der Geite. 4. Blindmaus, in der Freiheit. 5. Rattentöpfige Wihlmaus. 6. Wajjerratte. Jagetiere X 1. Bijamratte. 2. Nejt der Bijamratte. 3. Feldmaus. 4. Waldwühlmaus. 5. Slorida = Waldratte. Nagetiere XI . 1. Weißfußmaus. 2. Kaninchenmaug. 3. Hamiter. 4. Müähnenratte. II 166 184 200 180) 1 [o7) XVII Kagetiere XII 1. Hopptiiche Natte. 2. Hausratte, 3. Wanderratte. 4. Brandmaus. 5. Hausmaus. . Waldmaus. Nagetiere XIII . Zivergmaus. 2. Sudifche Peitratte. 3. Hamjterratte. Vagetiere XIV 1. Stadhelmaus. 2. Striemenmaus. 3. Aıuftraliiche Springratte. 4. Obhrenratte. 5. Große Wüftenmaus. 6. Diejhwanzmaus. age 1% 2. 3 4. {or} a) = etiere XV Siebenjchläfer. Auftralifche Schwimmtratte, Tiroler Baumijchläfer. Gartenjchläfer. 5. Hajelmaus. Nagetiere XVI 1. Biber, flach auf dem Yaffer lie en 2. Biber, Holz [chneidend. 3. Biber. 4. Biberdamm in einem alten Elbarın bei War tenburg. 5. Wafferburg des Bibers mit Kanälen („Ges ichleife“) im Großtühnauer See. 6. Waljerburg des Kanadabibers in Neubranıt ichweig. kagetiere XVII . 1. Alpenmurmeltier. 2. PBräriehund. 3. Waldmurmeltier. 4. Biejel. 5. Berlziefel. 6. Barıys Ziejel. agetiere XVIIL 1. Riefenhörnchen. 2. Kapiiches Borjtenhörnden. 3. Blatanenhörnchen. 4. Goldbauchhörnden. Taguan Mähnenrobbe Seite 334 | 380 396 464 ou [e8) [0} Berzeihnis der Abbildungen. Jobben I . E: Seebären auf den Bribhlotinfeln. 2. Gemeiner Seehund. 3, Stegelcobbe. Nobben IL 1. Mönchsrobbe. ' 2. Waltopfopr. 3. Elefantenrobbe, Weibcheir. 4. Elefantenrobbe, Männchen. Abbildungen im Tert. Nagetierichävdelmitdem Staumusfel (vom Aguti) ı Oberjchädel- und Unterjchädelftüc mit bloß- gelegten Bad- und Nagezähnen (vom Biber) Dberjchädel vom Wafjerjchwein . Baczähne von Eichhornartigen mit Übergang von Hödern zu Schmelzfalten . Stopf des Eichhorns von unten Spuren der Wirfungsmeije der unteren Nage- zähne des Eichhorns an Zirbelnüfjen Kurzohr- Kaninchen Linfer Vorderfuß 1) des Hajen 2) de3 Kaninchens Gojtarica- Tapeti Sumpffaninchen Nordiicher Schneehaje Schädel 1) vom Belgifchen Kiefenfanindien und 2) vom Hafen, von unten. e Schädel 1) vom Hajen und 2) vom Wildfanin- chen, von der Seite Bemwegungsformen des Hajen . Cupiers Hajenmaus Springhaje . ' Fuß einer Springmaus . Tajchenjpringer. Tajchenratte . Große Wurzeltatte Somali-Nadtmulf. Mull- Lenming Berglemming Graulemming Schneemaus. Streifenziejel Ajapan Notrüdiges Dornfwanghöengien Sfelett de3 Seehundes . | Klappmübße . Achte Drdnung: Nagetiere (Rodentia). Die Nagetiere jind, im allgemeinen gejprochen, die Heinen Pflanzenfreijer unter den Säugetieren, und ihre Stleinheit, im Verein mit dem Blanzenfrejjertum, gewährleijtet ihnen überall das Fortfommen. Sie haben fich nicht nur alle Weltteile und alle Zonen, jondern innerhalb diefer auch jegliche Oberflächenform der Erde zu eigen gemacht, mit einziger Ausnahme des Meeres. hr Urtenreichtum ijt ebenjo groß wie ihre Kopfzahl erjtaunlich: die Nager machen mehr als ein Drittel der heutigen Landjäuger aus, fie füllen einjchließlich der fojjtlen Formen mit 2754 Arten einen ganzen Band des Trouejjartichen Säugetier- fatalogs und bilden jo recht die „große Mafje” des „Heinen Volkes” im Säugetierreich. Sie find wohl lältige Schädlinge für ven Menfchen, aber das tägliche Brot vieler Naubtiere und Naubvögel. Sn der Ordnung der Nager jehen wir ein durchaus in jich abgejchlojjenes Ganzes vor ung. Man braucht ihnen bloß in den Mund zu fehen, um fie jofort und unzweifelhaft als das zu erfennen, was jie find. Zwei zu großen Nagezähnen ausgebildete Schneidezähne in beiden Kiefern und das Fehlen der Eczähne find das allen gemeinjame Merkmal. Die Ordnung umfaßt die verjchiedenften Geftalten. Jr den meisten Fällen ijt der Kör- per walzig und ruht auf niederen Beinen von meift ungleicher Yänge, da die Hinterbeine gewöhnlich etiwas, oft viel länger jind als die Borderbeine; der Kopf jißt auf einem furzen, diden Halje; die Augen ind groß und treten gewöhnlich ftark hervor; die Lippen jind fleiichta, mit Schnurren bejeßt, jehr beweglich und vorn gejpalten; die Borderfühe Haben in der Regel 4, die hinteren 5 Yehen, und dieje Zehen find mit mehr oder weniger jtarfen Strallen und Nägeln bewaffnet, auch zuweilen durch Schwimmmhäute verbunden. Das Haarkleid it fait immer am ganzen Körper von gleicher Länge und höchitens an den Ohrjpigen pinjelartig verlängert oder am Schwanze bujcig. Co haben die Nager jchon in ihrer äußeren Erjcheinung eine jehr ausgeprägte Eigenart, namentlich der Nagetierfopf ift ganz unverkennbar durch die Außenlinien: das vorn jchief abgejtußte Profil, das ihm das Nagegebi; verleiht. Sonjt aber jind die Körperformen der Nagetiere äuferjt mannigfaltig im Zujammenhang mit ihrer mannig- faltigen Lebens- und Bewegungsmweile. Da gibt es Exdläufer bzw. Hlüipfer und Springer, die im Verhältnis zu ihrer Körpergröße wahrhaft unglaubliche Säbe vollführen können; ferner Crdwühler, und zwar jo auzfchlieglich unterirdifch lebende Wurzelfrejjer, daß die außer Gebrauch gejebten Augen vollftändig verfümmern. Da bildet fich die Stletter- und Springkunft im Baumgezmweige zu jolcher Kunftfertigfeit aus, dag — ein Parallel- fall zu gewiljen eichhornähnlichen Siletterbeutlern und dem Flattermafi —, unterjtübt Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 1 9 8. Ordnung: Nagetiere. durch den Fallichirm der verbreiterten Seitenhaut ziviichen Vorder- und Hinterbeinen, ichlieglich weithin reichende Schwebeiprünge von einem Baume zum andern ausgeführt werden fünnen. lnderjeits finden wir auch Die gerade entgegengejette, langjame und ichwerfällige Stletterfunft mit Hilfe des Greifjchwanzes durch einige füidamerifanische Baum- nager vertreten, die damit ein Gegenjtüc wieder zu anderen Stletterbeutlern und den füd- amerifaniichen Wideljchwanzaffen bilden. Und doch vifenbart fich bei genauerer Betrach- tung ein gewiljer, von Haade („Schöpfung der Tierwelt”) auf allgemeine Eigenjchaften de3 Nagerjchwanzes an fich zurücgeführter Gegenjab in der Wirfungsweile des Nager- greifichwangzes, die bei den Greifjtachlern und einer Maus Neuguineas eine Greiffläche auf der Nücheite des Schwanzes erzeugt hat. Der Nagerjchwanz hat nämlich das Bejtreben, Jich nach oben zu richten, jo 3. B. der Schwanz der Eichhörnchen, der Quaftenftachler, der Chinchillas, Biscachas, der Hafen, der Maras und vieler anderer. Das mußte, da e3 eine Eigentümlichfeit bedeutet, Die im Bau des Nagerjchtvanzes begründet ift, bet denjenigen Nagern, die den Schwanz zum Feithalten an den Baumäften gebrauchen, zur Erzeugung einer Greifjläche auf der Oberjeite führen. Bei dem befannten PBelznagetier, der Bijam- ratte, Haben mir allerdings den von der Seite abgeplatteten Nuderjchwanz, der im Wajjer auch ohne Ziveifel von der Seite jchlängelnd bewegt wird. Der Biberjchwanz hingegen (die „Biberfelle”) folgt mit jeiner Abplattung und Bewegung von oben nach unten wieder der allgemeinen Neigung des Nagerjchiwanzes. So fehlen jchlieflich unter den Nagern auch die Schwimmer und Taucher nicht, die in Flüffen und Teichen vollfommen zu Haufe find und im Wafjer jelbjt jogar ihre Wohnftätte fich zu errichten verjtehen vermöge der hochaus- gebildeten und bis ing einzelne getriebenen Inftinkte, die gerade dem Nagetier eigen jind. Kur die Nagetiere verfügen über Kunftfertigfeiten im Wohnungsbau, die man einiger- maßen mit denen der Vögel vergleichen Fann, und das ganze Wejen und Auftreten vieler Nager hat gerade durch dieje Bauinftinkte etivas jo Fertiges und Bollfonmenes mit allem Anjchein des Bernünftigen und Zielbewwußten, daß man noch gar feine Dichterjeele zu haben braucht, um zur Bermenjchlichung jolcher Kleinen „braven und ordentlichen” vierfühigen „Dausbejiger” im Sinne der Tierfabel förmlich herausgefordert zu werden. So erjcheint ung da3 Nagetier vielfach nach Keibesbau jomwoH! wie nach injtinktiven Fähigkeiten als ein Höhe- punft unter den Säugetieren in £örperlicher und geiftiger Anpaffung an die verjchtedenartig- ten Lebensumstände, immer unter Wahrung des einen mwejentlichen Nagetiercharafters. Anderjeits Haben wir freilich wieder alle Urjache, den Nagern feine große allgemeine Entmwidelungshöhe zuzujchreiben troß aller feinen Anpaffungen im einzelnen. Das beweilt ichon ihr Feines, ungefurchtes Gehirn, und auch an jo manchen anderen Einzelzügen ihrer störperbejchaffenheit tritt es hervor. „Ariprünglichen Charakter hat”, jagt Weber, „zunächit die Hautdece bewahrt in dem jehr häufigen Auftreten von Neften des Schuppenfkleives, namentlich auf dem Schwanze, jerner an den Öliedmaßen.” Dft „tritt bei guter Ausbildung der Schuppen die Behaarung zurücd, was Anlaß gibt zu den jogenannten nadten Schwänzen vieler Nagetiere”. Die Haare jelbit zeigen in ihrer Bejchaffenheit alle Übergänge vom feinen Seidenhaar der Chin- chilla durch) allerlei Borftenhaare Hindurch bis zum derben Nafjelpanzer des Stacheljchweins, dejjen jtärkite Stacheln jo die find, dal; man Federhalter daraus machen fan. „Überhaupt it der Unterjchied zwifchen Haaren und Stacheln in der Hauptfache ein quantitativer; jo wird es begreiflic), daß bei Erethizon und Sphingurus (zwei Gattungen Baumjtachel- Ihmweine), injoweit jie in Silimaten mit jahreszeitlichem QTemperaturwechjel leben, das Allgemeines. 3 wärmere Haarkleid im Winter zunimmt, im Sommer dagegen das Stachelffeid.” CS gibt auch einen unterirdiich wühlenden Nager (Heterocephalus), der jajt ganz nackt it. Anderjeits liefern die Nagetiere, namentlich die Wajjernagetiere, neben den marderartigen Naubtieren die beiten Pelziwerfe. Mit der Lebensweije im Wafjer verbindet oder verjtärkt jich wenigjteng die Einrichtung des Haarkleides, daß auf dem Numpfe zwijchen den feineren Haaren längere, dicfere al3 „Srannenhaare” auftreten. Sie halten eine Luftlage beim Tauchen fejt und be- wirken jo, daß der mehr oder weniger wollige Pelz troden bleibt. Haare fünnen durch Berwimperung der Zehen, durch Ausbildung einer Haarbürjte am Fukrande den Fuß zu einem Schwimmfuß machen. Ausgiebiger gejchieht dies durch Schmwimmhäute, Die wieder mehr oder weniger vollftändig fein fünnen. Ziveizeilige Behaarung des Schwanzes mag eine Rolle jpielen bei baumbewohnenden Nagern, die weite Sprünge wagen. Noch bejjer find verjchiedene Nager hierzu ausgeftattet, nämlich mit Slughäuten, die als Fallihiem wirfen. Dies fönnen einfache Seitenflughäute zwifchen Vorder- und Hinterbeinen jein, die bei manchen Arten vorn bis an die Handwurzel, hinten bis an die Zehen reichen; e3 Fanın aber auch eine Vorderflughaut zwifchen Unterkiefer und Arm und der Anfang einer Hinter- fughaut zwifchen Hinterbeinen und Schwanz hinzufommen. Hautdrüfen find in Form acinöfer Talgdrüfen an den Haarbälgen allgemein vorhanden, auch bei den Stachelträgern, während tubulöfe Schweißdrüfen allem Anjcheine nad) fehlen. Die Hautdrüfen häufen fich zu umfangreichen Drüjenjäden in der Gegend des Afters und der Geichlechtsorgane: das berühmtefte Beijpiel dafiir jind die Bibergeiljäde. Die Milcy- drüfen fönnen bruft- und bauchjtändig fein, ausnahmsweie auch ganz abweichend ver- lagert werden: hoch an die Rumpffeite, nach der Achjelhöhle und jogar auf den Oberjchentel. Die Zahl der Ziben (2—18) wechjelt jehr mit der Zahl der Jungen. Die Nägel der Gliedmaßen haben in der Negel die Krallenform, wie jie namentlich zum Stlettern und Scharren notwendig ift; bei einigen Samilien, die man früher deshalb als Hufpfötler zufammenfaßte, nehmen jie auch mehr breite, platte Yujjorm an. Am Schädel fällt die Heine Hirnhöhle auf, an der nur wenige Schädelfnochen jich be- teiligen. Die großen Najenbeine erjtrecden fich immer jehr weit nach vorn, jo daß die äußeren Kafenlöcher ftets endftändig find, zumeilen jelbjt jchräg nach unten jehen. Man dente an das eigenartige, vorn abgeftuste Nagetierprofil! Die Zmwijchenkieferhälften jind, den großen Tagezähmen entjprechend, ebenfalls groß und reichen bis zu den Stirnbeinen hinauf. Im weiteren mweifen natürlich vor allem diejenigen Schäpelteile fennzeichnende Sonder- bildungen auf, die mit den Musfelanfägen für den Unterfiefer und mit jeiner Bewegung, alfo mit dem Nagen, zu tun haben. Wie bei allen faufräftigen Säugetieren ijt der sochbogen immer volfftändig: das Sochbein ift vorhanden, das feinen Mittelteil bildet. Sein vor- derer Anja am Oberfieferbein erleidet aber eine auffallende Veränderung. Dort, wo ir fonft nur ein eines Loch zum Durchtritt von Nerven und Blutgefähen finden (Foramen infraorbitale), jehen wir bei den Nagetieren eine große Lüde, die an Umfang der Augen- Höhle aleichfommen fann (Canalis infraorbitalis) und einen abgeipaltenen, bejonderz weit nach vorn veichenden Teil des hauptjächlichen Saumusfels (Musculus masseter) zu jeinem Anjfab am Oberfieferbein durcchläßt. Anderfeits ift auch der Anjab diejes Kaumustels am Unterfiefer viel breiter, an ftarfen Musfelleiften viel weiter nach vorn ausgedehnt, und in allen diejen Verhältnifjen ebenjo wie in der Geftaltung des Unterfiefergelenfes jelbjt laljen fich die verfchiedenen Nagetierformen als verschiedene Stufen darjtellen, die einigermahen den Weg der Spezialifierung der Nagetätigfeit anzeigen und jomit auch ein Licht auf 1* 4 8. Ordnung: Nagetiere. Abftammungsgeichichte und Entwicelungshöhe innerhalb der Nagetierordnung jelbit werfen fönnen. (Weber nac) 9. Winge.) Das Charakteriftiiche der Nagebewegung ift nämlich, daß der Unterkiefer weniger von unten nach oben oder nach den ©eiten, jondern vielmehr von vorn nach Hinten und umgefehrt arbeitet. Dazu gehört, daß die Gelenfpfanne, die das Schuppenbein am Schädel für den Unterkiefer bildet, die Form «einer Längsrinne hat, in der der Gelenffopf des Unterkiefer von vorn nad) Hinten und umgekehrt hin und her laufen fann. Dieje Einrichtung fann aber jehr verjchteden weit gehen und in jehr verjchiedenem Grade andere Unterfieferbewegungen gejtatten oder ausjchliegen. Bet den Hafen und Berivandten, die fich auch im Gebiß al3 die wwenigjt einjeitig ausgebildeten Nager darjtellen, it noch eine ausgiebige Seitenbeiwegung des Unterfiefers auf vvaler Gelenkfläche möglich, und auch beim Biber und einigen anderen Gattungen hat dieje noch eine größere Breite. Die Eichhörnchen haben überhaupt nur eine Feine, einfache Gelenfgrube ohne jcharfe Be- grenzung. Sehr jtarf ausgeprägt dagegen tft ihre jeitliche Bejchränfung durch einen inneren und äußeren vorjpringenden Stamm bei den jüdamerifa- nischen Meerjchmweinchenähn- fihen, Aqutt, Bafa, Capy- bara. — Der harte Gaumen der Nagetiere ijt jehr ver- engt, beim jüdafrifanischen Strandgräber 3. B. jo jchmal, daß die beiden Badzahn- reihen fait aneinanderjtoßen. Erfannauchdurcheinentiefen Nagetierfhädel mit dem Kaumustel (vom Aguti). Nach) einem Präparat de3 Ran jeht En N Mufeums für Naturkunde in Berlin. N natürlicher Größe hi den (Daje). Ferner ermweilt jich natürlich der Unterftefer durch das Nagegejchäft jtark beeinflußt. Zunächft find bei der Unterordnung der Simpli- cidentata jeine beiden Hälften meijt gegeneinander beweglich, eine jehr eigenartige Einrich- tung, die im ganzen Säugetierreiche nur bei den Känguruhs noch einmal wiederfehrt und den Eichhörnchen z. B. beim Aufiprengen von Nüfjen jehr zuftatten fommt. Sie jeßt voraus, daß die beiden Unterfieferhälften vorn nur jehr Iofe verwachjen find, und ein Duermusfel (Musculus transversus mandibulae) am Unterrande von einer Hälfte zur andern verläuft, dejjen YJufammenziehung die Spiben der beiden unteren Nagezähne voneinander entfernt. Die wurzellojen, zeitlebens wachjenden Nagezähne, die mit hohlen Unterrande ihrer Nährpapille aufjisen, erjtreden jich meist in großem Bogen tief in den Stiefer hinein, im Unterkiefer wohl gar durch dejjen ganze Länge hindurch bis zum Gelenffopf am Hinterende. Die Länge und Lage der Schneidezähne und ihrer Zahnhöhlen ift bei den verjchiedenen Kagetiergattungen und arten jehr verjchieden, bei jeder einzelnen aber jtet3 genau gleich, und unfer vortreffficher Schäpdelfenner Nehring Hatte daher jchon 1875 („Zeitjchrift für die gejamte Naturwilienfchaft”) erfannt, „daß die Länge-und Lage der Schneidezahnalveolen ein wichtiges Mittel zur Beftimmung fofiiler Nagetierkiefer bilden Tann”, wenn die Zähne jelbjt gar nicht erhalten find, auch vom Sliefer nur ein Bruchftüc vorliegt. Ebenjo hat aber das Merkmal für die Shitematif der heute lebenden Nager jeine Bedeutung. Der Nage- zahn ijt der einzige in jeder Kieferhälfte noch übriggebliebene Schneidezahn; nur bei einer Allgemeines. B) Heinen Minderheit von Nagern, den Hajenartigen im weiteren Sinne (Lagomorpha), die man deshalb auch zu einer bejonderen Unterordnung (Duplieidentata, Doppelzähner) ex- hoben hat, jist den oberen Nagezähnen, wie ein Nebenhöcer, noch der Neft eines zweiten an, und diejelben Nager haben auch ihre eigentlichen Nagezähne noch in einem wjprüng- ficheren Zuftand erhalten, injofern al3 dieje auf ihrer Hinterjeite ebenfalls mit Schmelz bedeckt jind, allerdings nur in ganz dünner Lage. Bei weitaus der größten Mehrzahl der Nager aber bejchränft fich der Schmelzüiberzug auf die Vorderjläche der Nagezähne, während diefe im dibrigen nur aus dem meicheren Zahnbein be- jtehen; ebendadurch bildet jich bermöge der ungleichen Ylb- nußung die befannte meißel- artige Schärfe des Nagezah- ne3 heraus. Die Abnubung it von MeGillavry an einem jungen Staninchen auf 3 mm für fieben Tage bejtimmt worden. Wenn Durch b- brechen eines Nagezahnes die Abnnußung des gegenjtän- digen plößlich aufhört, jo m B- wächit diefer vajc weiter, | RT A tritt in einem engen Bogen Ber T, —Z HL aus dem Maule hervor und FL \ ——T ff rollt jich widderhornartig ein, R uf, = 7 wodurch natürlich die Ernäh- u IT 4 rung des Tieres in höchtem a Srade erjchwert wird. Be- Kg HARTIC— jonders von Hafen, Sanin- chen, Eichhörnchen, Mur- meltieren find derartige Mif- bildungen befannt. Unter drücung des Milchgebiffes ift eine allgemeine Tendenz der Nagetiere, die in verjchte- denem Grade jich äußert. (Neber.) Auch an den Bachzahnreihen im ganzen hat jich bei den Doppelzähnern der urjprüng- fichere Zuftand erhalten: die beiden Oberkieferreihen find weiter voneinander entfernt als die unteren, und die Kauflächen fteigen oben wie unten nach innen empor. Mit anderen Worten: die oberen Badzähne, die weiter nach außen ftehen, find außen höher al3 innen, die unteren, die weiter nach innen ftehen, innen höher als außen und erlauben jo noc) eine getwilje freiere Beweglichfeit de3 Unterfiefers. Bei der größten Wehrzahl der Nager, den Einfachzähnern (Simplicidentata), die den Heinen Nebenjchneidezahn oben nicht haben, ift gerade das Gegenteil der Fall, was nır noch bei dem „Nagebeutler” Wombat, jonjt im ganzen Säugetierreiche nicht wieder vorfommt: die beiden oberen Badzahnreihen jtehen näher beifammen al3 die unteren, und die Kauflächen fteigen oben wie unten nach außen auf, wodurch zwar die Sleitbewegung des Unterfiefers von vorn nach Hinten nicht gehindert DOberfhädel=- und Unterfhädelftüd mit bloßgelegten Bad- und Nages zähnen (vom Biber). Nehte Schädelhälfte von außen gejehen. Nach) einem Prä= parat des Mujeums für Naturfunde in Berlin. 3a natürlicher Größe. 6 8. Ordnung: Nagetiere. wird, twohl aber jede gemeinjame jeitfiche Bewegung jeiner beiden Äfte. Nur jene Drehung jedes Aftes für jich um jeine Längsachje nach außen fan noch tattfinden, wie jie oben bereits beichrieben wurde, und jo muß das Tier auch fauen: durch „Herausbrechen”, wie der jchwedijche Nagetierforjcher Tullberg in jeinem miaßgebenden Werke jagt, d. h. durch mechjel- jeitiges Umfippen der Unterfieferhälften. Der feinere Bau des Nagerbadzahnes zeigt in der Hauptjache quergeitellte Schmelzleijten, die bei der vor- und rücwärts gleitenden Unz- terfieferbewegung oben und unten in der ganzen Breite des Zahnes üiber- einander wegreiben. Diejer Badzahn- bau ijt aber nicht überall in der Voll endung vorhanden. So haben Die Eichhornartigen (Sciuridae), die ihren Unterfiefer auch noch mehr in jenk rechter Nichtung bewegen, höcerige DBaczähne mit langen Wurzeln und niedrigen Stronen. Meijt werden indes die Wurzeln fürzer und die Stronen länger; jchließlich werden erjtere gar nicht mehr gebildet, und leßtere wachjen zeitlebens. Sn demjelben Jahre, 1904, als Webers „Säugetiere erjchtenen, deren Auffaffung wir ine Vorjtehenden haupt- jächlich gefolgt jind, ging aus dem Hoologiichen Injtitut der Univerjität Breslau von Thilo Krumbach, dent da- maligen Alistenten des Inititutes, jeßi- gen Leiter der Station Nodigno, eine eingehende Arbeit hervor über „Die unteren Schneidezähne der Nagetiere, nach Oejtalt und Funktion betrachtet”, die jich mit Erfolg bemüht, „an einigen durrchgearbeiteten Beijpielen den äufe- N ren Bau der Schneidezähne zu zeigen“ Oberjhädel vom Wajferfhmein, von unten gejehen. Nach und damit „einen Beitrag zur göjung einem Schädel des al a in Berlin. 2/3 natürs der Gleichung bon Funktion und Form zu geben”. Krumbach jtüst ich „vor allem auf Tycho Tullberg: ‚Über das Syftem der Nagetiere‘, Upfjala 1899. Diejes Werk bringt eine folche Fülle neuen anatomijchen Materials, und das in jo durchgearbeiteter som, daß es ohne alle Frage die wichtigste Kiterarifche Grundlage auf dem Gebiet der Kagetierfiunde darjtellt.” Im Anjchluf daran haben jich duch Krumbachs Unterfuchungen die Querjchnittjormen der unteren Schneidezähne bei den Nagetieren al3 prinzipiell wichtig eriviejen, um nach Nahrung und Xebensweife alsbald mindeitens fechs in ihrer Nagefähigkeit verjchieden abgeänderte und abgeftufte Nagergebißtppen unterjcheiden zu fönnen, und zwar 1. den Leporiden- (Hajen-) Typus oder den Typus der Nindenfchaber. „Der Ausdrud GA: - 7 Be A Allgemeines. 7 Rindenjchaber joll die Höchjtleijtung ausorüden, aljo Kräuter- und Grasnahrung, Furz, was meicher ift als Rinde, einjchliegen.“ Zmijchen den hierhergehörigen Formen bejtehen aber „überall gleitende Übergänge” von dem am wenigjten leijtungsfähigen Gebik des Hajen und Saninchens, dejjen obere und untere Schneidezähne mit geraden, zu einer geraden Linie jich zufammenfügenden Endfanten „wie die Blätter einer geraden Schere gegen- einander” wirken, über das der Biscacha, wo die gemeinjame Sante der Schneidezähne jeitlich jchon etwas gefrümmt ift und obere und untere „twie die Blätter einer in der Schneide gebogenen, jonjt aber geraden Schere (Blechjchere) gegeneinander wirken”, zu den des Stacheljchweins, das jchon Holz nagen fan, weil die zwei Unterzähne „eine gleichmäßig nach oben und vorn gefrimmte Schneide” haben und vermöge diejer Srim- mung „gemeinjam wie ein Stehlhobel” wirken. Auf dem hiermit erreichten Standpunkte bleiben die Oberzähne aller übrigen hier erwähnten Nager ftehen, „während die unteren Schneidezähne fich immer mehr differen- zieren”. Beim 2., dem Capdtiden- (Meer- jchweinchen-) Typus oder dem Typus der Blatt und Fruchtfrejjer, bildet jeder einzelne Zahn „eine gejonderte Duer- jchnittform, d.h. z.B. die ziwei Zähne mwir- fen beim Benagen von Ninde wie zivei jelbjtändige Stehlhobel”, im egenjaß zum Stachelichwein. „Was hier aber mehr interejjiert, ijt die Art, wie durch verjchte- dene Stellung des Unterfiefers in den Badzähne von Eihhornartigen mit Übergang von Kauflächen der Ober: und Unterzähne Hödern zu a on. Weber, „Die Säuge- Stufen entjtehen”, und zivar ijt e3 am häufigiten, „daß die Unterzähne die Saufläche der oberen ferbenz, jchalen- oder ftufenartiq ausnagen“. Dies erklärt jich durch die Bor- und Nücdwärtsbewegung des Unterkfiefers im Verein mit dem harten Schmelzbelag auf der Borderjeite der Zähne, der jich weriger ab- nußt. Seder Gelenffopf des Unterkiefers nämlich „bewegt fich in einer lateral (badfen- wärts) und medial (zungenmwärts) jcharf begrenzten tiefen Rinne, die hm — da auker- dem die Unterkieferhälften nahezu unbeweglich verbunden jind — nur eine jchlittenartige DBemegqung in der Richtung der Längsachje des Schädel3 erlaubt”. Was beim 3., dem Muriden- (Mäufe-) Typus oder dem Typus der Allesfreijer, „an neuen Elementen hinzutritt, das hängt jamt und fonder3 mit dem Crjcheinen eines jeparaten Musfels zwijchen den Unterkieferhälften, de3 Musculus transversus mandibulae, zujammen. Diejer Muskel, der hier zum erjtenmal durchgreifend in Tätigkeit tritt, . . . er- Höht die Leiftungsfähigfeit der an fich Schon getrennten Zahnjpigen gleich um einige Grade dadurch), daß er die Zähne verjtellbar macht, die Tiere aljo bewehrt und auf Beute Hinweilt”. sn diejer „Möglichkeit, die Zähne auch aß Fangzähne zu gebrauchen“, erblict Krumbach „eine beträchtliche Überlegenheit diejes Typus gegenüber dem vorigen, möchte dieje Eigen- haft auch gleichzeitig für die hier zum erjtenmal entjchievden auftretende Vorliebe für Sleifchnahrung verantwortlich machen”. Der 4., der Sciuriden- (Eihhörnchen-) Typus oder der Typus der Nußbrecher, „gat Zähne, die vom erjten Typus die gejchlojfene Auerfignittform des Zahnpaares 8 8. Ordnung: Nagetiere. und vom dritten Die Beweglichkeit der Unterfieferhälften aufnehmen”. Cr bringt die Leiftungsfähigfeit des Nagergebijjes auf die Höhe, zumal zugleich die PBarabelforn der Zähne aufs vollfommenfte durchgeführt wird. „Parabofijch gejchnittene Säulen aber — gleichviel welchen Querjchnittes — haben gegen Zug und Drud, die in der Nichtung der Abizifienachje wirken, überall gleiche Feitigkeit: ein dritter und bejonders nachorüclicher Hin- weis auf die zu erwartende Hohe mechaniiche Beanspruchung Diefer Zahnjorm.” — „Wozu aber dieje ausgejucht differenzierte Jorm“ dient, diefe Frage beantwortet Krumbach durch Bejchreibung der geradezu raffiniert anmutenden Art und Weife, wie die Eichhörnchen Nüfje annagen und aufjprengen. „Ein Eichhörnchen, das ich feit 1Y/, Fahren beobachten Fann, frigt mit Vorliebe Zirbelnüfjje. ES erareift eine jolche Nuß ftet3 jo, daß es mit jeiner rechten Hand ihre ebene släche, mit der Iinfen die bauchige fejtpält und das jpige Ende der Kuf nach vorne gewendet hat. Dann beginnt e8 zu nagen, d. h. es benußt die Oberzähne — wie alle Nager — als Widerlager und jtemmt mit den unteren unter jchaufelnden Be- wegungen des Sliefers ein Loch in die Nuß. Kaum ijt das Koch gebil- det, jo gibts momentan eine Pauje im Nagen, und gleich darauf jpringt die Nub in zwei Hälften ausein- ander: der Kern ijt frei... Zum DBenagen und Aufjprengen fejtjcha- liger, ölhaltiger Samen aljo dient GE epatgnen ac san Bucamatk eier wer Men aa hun Der Hocifferengierte Yan. fiefers. Nach) einer Zeihnung von Th. Krumbad. „Bon Diejem Stlettertiertypus aus beurteilt, erjcheinen die beiden folgenden und legten Typen al3 je ein Nückchritt: jeder nimmt nur gewilje Eigentüm- Tichfeiten de3 Seiuridentypus auf und unterdrücdt die anderen. Vielleicht Haben wir darin eine Anpafjung an ihre erzeptionellen Wohngebiete zu jehen — die Steppe und den Nand der Aüfte.” ES jind 5. der Urctomyiden- (Murmeltier-) Typus oder der Typus der Steppenfräuterfrejjer und 6. der Dipodiden- (Springmaus-) Typus oder der Typus ver Wüftenfträucherfrejier. Da3 Nagergehten mit jeinen glatten Halbfugeln erjcheint erjt dann im richtigen Lichte, wenn man bevenft, daß die Nager meijt Feine Säugetiere jind, eine Vergrößerung der Hirnrinde duncd) Faltenbidung aljo entbehren können, ohne daß dadurch das Verhältnis der Hinrindenmajje zur Körpermaffe allzu ungünstig wird. Anderfeits treten bei den größten zormen Windungen am Großhien auf; immer aber find dejjen Halbfugeln fo Hein, daß; das Kleinhien jreiliegt. — Daß unter den Sinnen der Geruch obenan fteht, bemeift die ftarke Ausbidung der Nafenmufchen und die große Ausdehnung der Najenräume am Schädel, Allgemeines. 9 der diefer ja nicht zum mwenigjten fein geichiwungenes Profil verdankt. ES jind fünf, beim Stachelichwein jogar jechs Niechwillfte jederjeits in der Inöchernen Naje vorhanden. Ylber auch das Gehörorgan ift gut entwidelt: die Schnede Hat 31/;—5 Windungen. Das Baufen- bein fann Sich mit feiner Gehörblafe unter Beteiligung des Zigenbeines ganz außerordentlich aufblähen bei den Wültenfpringmäufen. Das äußere Ohr Fann jehr groß jein, wie beim Hafen, oder bis auf einen Hautring zurüdgebildet, wie bei der Blindmaus und anderen Erdmwühlern. Eine geringere Rolle im Leben des Nager jpielt wohl das Auge: nur natür- Yich bei einem Heinen Säugetiere, das meift niedrig an der Erde jißt, aljo doch nicht weit jehen fann! Bekannt ift der eigentümlich ftarre Blid, mit dem ung 5. B. der Haje tie geiites- abmvejend anfchaut, als ob er mit offenen Augen fchliefe. Ein twoiljenjchaftlicher Unterjucher, WW. Harris, gefteht in der Zeitjchrift „Brain“ (1904), daß er nicht imftande war, beit Nageın „woendwelche beftimmte Augenbewegungen iiberhaupt zu bemerken“. Bewegungen zu jehen, was für die Sicherung eines wehrlofen Tieres das Wichtigite ift, vermögen aber natürlich auch die Nager fehr gut; es jei nur wieder an den „Männchen over Stegel machen- den” Hafen erinnert und andere, wie Murmeltier, Ziejel, die jich gern auf ziwei Beine erheben, um Aundjchau zu halten. Auch das Eich- Hörnchen fieht gewiß; mit feinen großen Schönen Augen jehr gut, wohin e3 beim Slettern zu fpringen hat; bei der Nahrungsaufnahme richtet e3 jich aber, wie wohl alle Nager, nun nach dem Geruch. — Schließlich hat : auch der Taftjinn für das Nagetier feine große Bedeutung; dafür jind a N a DR ein biindiger Beweis die ftets Fräftig, oft geradezu Eolojjal enttwwidelten terennagesähnedes Schnurhaare am Maule, die diefem Sinne beim Durchfriechen durch RR End Höhlen und enge Offnungen dienen. SE Am Nagetierkopfe fällt fonjt noch die furze, Häufig gejpaltene Dberlippe auf, die die Nagezähne jehen läßt und dadurc das charakterijtiiche „Dajen- maul“ bildet. Die Mundhöhle wird durch den mächtig entwidelten Vorderaft des Stau- musfels in der Mitte fehr verengt und in einen vorderen und hinteren Teil getrennt. Durch) diejen mittleren Engpaß und den gleichfall3 engen Schlund gehen nur fein gemahlene Futtermafjen hindurch, wie fie ja auch der Nager einzig und allein verjchluct. Eine mert- wirdige Einrichtung, für die vorläufig wohl eine genügende Erklärung fehlt, it, dab die innere Badenhaut behaart fein kann. Man hat fie mit den allbefannten, nur beim Schnabel- tier und altweltfichen Affen twiederfehrenden Badentafchen in Beziehung bringen wollen, die durch Einftülpung der Mundfchleimhaut entjtehen, aber in der Hauptjache jtets haarlos find. Nur ihr Anfang, der von der äußeren Haut des Mundtvinfel3 gebildet toird, it be- Haart, und diefem Anfang hat A. Brandt die behaarte „Snfel” auf der Innenbade der Hafen und anderer gleichgejeßt. Diejen echten, inneren Badentajchen, die beim Hamiter bis auf die Bruft Herunterreichen und durch einen bejonderen Musfel beivegt werden, jtehen Die äußeren „Taffchen” der danach jogenannten Tajchenratten (Geomys) gegenüber, die behaarte Ein- jtiilpungen der äußeren Badenhaut find. Beide Arten dienen dem Aufjpeichern von Futter- vorräten, die äußeren Fönnen aber natürlich nur mit den Bfoten gefüllt werden. Auf der Zunge kommen bei Baumftacheljchtveinen (Synetheres) verhornte Papillen vor, auf dem vorderen Zungenrücen des Erdftachelichtweines (Hystrix) jogar Hornjchuppen. Bon den Speicheldrüjen ift die in der Ohrgegend hinter dem Stiefergelent am jtärkjten ausgebildet. Sie fann fehr bedeutenden Umfang annehmen, und das tft nicht mehr wie natürfich bei der zum Teil fo trodenen Pflanzennahrung der Nager, deren Stärfemehlgehalt 10 8. Ordnung: Nagetiere. fräftiger Auffchliegung durch auflöjende Säfte bedarf. Mit der Pflanzennahrung der Nager hängt gewiß auch die mehr oder weniger weit fortgejchrittene Teilung des Magens zu- jammen, die jich namentlich bei ven Mausartigen im weitejten Sinne (Muridae) beobachten läßt. Der innere Grund diejer Teilung ijt die örtliche Trennung der beiden Hauptaufgaben des Magenz, der Aufjpeicherung und der Berdauung. Demgemäß bejchränkt fich der Dritfen- belag auf einen bejtimmten Teil, während ein anderer, der, nur noch al3 Sammelbehälter dient, jogar verhornte Innenwand haben fann. Die verhältnismäßig große Känge jomoh! des Dünn- al3 des Diddarmz3 ift jchlieplich ebenfalls auf die weniger gehaltreiche Plan- zennahrung zu beziehen. Der Blinddarnt jehlt nur den Schlafmäufen (Myoxidae); bei allen übrigen Nagern ijt er jehr lang, bei den Hajenartigen (Leporidae) 3. B. länger als der ganze Körper. Das läßt darauf jchliegen, daß er für das Nagetier — wiederum in jeiner Eigenjchaft alS Pflanzenfrejjer — eine große Bedeutung hat. Ganz neuerdings hat der rusjiiche PhHjiolog Uitjanzerw „bei einer Neihe von Kaninchen die Verdauung jämtlicher wejentlicher Bejtandteile einer an Zelluloje reichen Nahrung vor und nach Ausschaltung des Blinddarms genau bejtimmt”. Aus den von ihm gefundenen Zahlen geht hervor, daß der Blinddarnı auf die Verdauung derjenigen Nährjtoffe, zu deren Bewältigung im Magen und Dünndarın Fräftige Berdauungsjäfte abgejondert werden (Eiweiß, Fette und fticjtofffreie Srtraftjtoffe), feinen deutlichen Einfluß hat. „Sehr erheblich ift dagegen die Bedeutung des Dlinddarms für die Verdauung der Nohfajer und der diejer nahejtehenden Pentojane” (ge- twiljer Kohlehydrate). (Neferat von Zung.) — Die Gallenblafe, die ja nur ein Sammel- behälter für die aus der Yeber ausgejchiedene Galle und deshalb in der Säugetierreihe ein jehr wenig bejtändiges Organ ift, Fanın auch bei den Nagern fehlen, jo bei den Mausartigen. Harn- und Gejchlechtswerfzeuge weijen jehr eigenartige Form- und Lageverhältnifje auf, die in der Wiljenjchaft vielfach als Beweije niederer Entwicelungsjtufe der Nager ge- deutet werden und in der Praxis die Gejchlechtsbeftimmung anı lebenden Tiere oft recht erjchtveren, zumal die Hoden nur zur Fortpflanzungszeit äußerlich jichtbar Hervorzutreten pflegen und Gejchlecht3- und Afteröffnung fich zu einer Art äußeren Kloafe vereinigen fönnen. Das it 3. DB. beim Biber der Fall, dejjen Männchen außerdem durch mächtige VBorhaut- prüfen, die Bibergeiljäce, ausgezeichnet ift. Die Abjonderung der männlichen Nebendrüfen gerinnt jofort nach der Begattung zu einem Pfropf am Eingang der weiblichen Gejchlecht3- wege und jichert jo den Verbleib des Samens darin. Der Schwanz der Nagetiere tritt in den verjchiedeniten Formen auf, kann hier ganz jtummelig verfümmert und dort zu einem hochwichtigen Hilfswerfzeug bei der Drts- bewegung ausgebildet jein. Die Nager verbreiten jich iiber alle Exrdteile und finden fich in allen Stlimaten der Breite und Höhe, jomweit die Pflanzenwelt reicht. Doch fanın man durchaus nicht von allen Nage- tierformen jagen, daß jie auf der ganzen Welt zu Haufe jeien; vielmehr find wejentlich nur die Mausartigen im weitejten Sinne Weltbürger. Wir wollen hier nicht davon jprechen, daf Hausmaus, Haus- und Wanderratte vom europäischen Kulturmenschen über die ganze Erde verjchleppt worden find: auch ohne jein Zutun lebten mausartige Nager in allen Exdteilen, waren jogar in Australien fech8 Gattungen Mäufe im engeren Sinne vertreten, Die — bezeic)- nenderweile — ihre nächjten Verwandten, nach neueren Unterjuchungen von Ofdfield Thomas, auf den Hochgebirgen von Celebes, Bornev und den Philippinen haben. Auch auf den poly- nejischen Sinjelgruppen fommen neben Fledermäufen Mäufe vor, und eine echte Maus (Mus exulans Peale, maorium Hutt.) ift das einzige eingeborene Landjäugetier Neufeelands. Auch Allgemeines. all Madagaskar hat jelbft nach der neueiten Namengebung nur jieben Gattungen im weiteren Sinne mausartiger, im engeren hamjterartiger Nager, die jebt als eine bejondere Familie gelten, während Eichhörnchen und alle anderen Nagerfornen, die das benachbarte Afrika jo zahlreich bevölfern, vollfonmmen fehlen: ein weiterer Beweis für die früihe Yostrennung und daraus folgende zoologijche Selbjtändigfeit des uralten madagafjiichen Feitlandes! Auf den großen Feftländern find Hafen und Eichhörnchen am weitejten verbreitet: fie leben jomwohl in der Alten wie in der Neuen Welt, auf der nördlichen twie auf der füdlichen Halbfugel. In der Verbreitung aller übrigen Nager nimmt aber Südamerika eine auffallend bevorzugte Stellung ein. Faft alle jeine zahlreichen Nagergattungen jind ihm eigentümlich, fonmen jonft nirgends vor; nur ganz wenige teilt e3 mit Nordamerika, und die dann noch übrigen find allverbreitete Hafen und Eichhörnchen. Und wenn wir Hinzufügen, daß auc) aus den heute jpärlicher bedachten jüdlichen Landesteilen namentlich von dem rührigen argentinischen Baläontologen Ameghino eine wahre Fülle ausgejtorbener Nagetiere bejchrie- ben worden ift, unter denen Riejenformen jo wenig fehlen wie bei den Zahnarmen, jo tritt die ausgeprägte zoologifche Eigenart Südamerikas auch durch feine Nager wieder unverfenn- bar hervor, und e3 erweift jich auch für diefe Säugetierordnung als ein bejonderes Ent- pwiclungszentrum. Nordamerika hat dagegen nur wenige ihm eigentümliche Nagerformen, über die Hälfte muß e3 mit Südamerifa oder Europa-Aiten teilen; jie jind ihm ofjenbar, wie noch jo manche andere Säugetiere, hier- oder dorther durch Wanderung zugefommen. Das zoogeographiich „eigentliche Afrika füdlich der Sahara Hat unter den Nageın eben- falls feine Bejonderheiten; doch zeigt e8 bei weiten nicht die gleiche Ausjchlieglichkeit mie Sidamerifa, und die Ländermafje der nördlichen Halbfugel, Europa-Aien-Nordamerita, läßt durch ihre Nagergattungen wieder diefelben engeren Beziehungen erfennen tie durch andere Säugetierformen. Manche Nagetiere leben paarweife, andere in Zamilien und nicht wenige jcharenmeije zufammen, vertragen fich auch gut mit anderen Tieren, ohne jich jedoch mit ihnen zu befajjen. Bei Gefahr ziehen fie fich jo jchleunig wie möglich nach ihren Verjteden zurüc; aber nur die alleriwenigiten find Hug genug, Berfolgungen auf fiftige Weije zu vereitelt. Cigen- tinmfich ift, daß viele, die zu fchtwach find, größere Wanderungen zu unternehmen oder der Strenge des Winters zu widerjtehen, Vorräte einfammeln und in unteriwdiichen Kanımern aufipeichern. Nicht wenige verbringen den Winter in einem totenähnlichen Schlafe, ver- fallen in Erftarrung und erhalten fich von ihrem im Sommer reichlich aufgejpeicherten Fett, das bei den in jeder Hinficht Herabgejtimmten Lebenstätigfeiten nur allmählich aufgezehrt wird. Im Verhältnis zu der geringen Größe der Nager ift ihre Bedeutung jehr erheblich); jie erjcheinen uns al3 unfere läftigften Schädlinge. Hätten nicht auch jie ein ungezähltes Heer von Feinden gegen jich, und wären fie nicht Seuchen und Sranfdeiten mancherlei Art in hohem Grade unterworfen: fie würden die Erde beherrjchen und verwüjten! Der ununterbrochene Bertilgungsktieg, der gegen fie geführt toird, erhält in ihrer erjtaunlichen Fruchtbarkeit und Bermehrungsfähigfeit ein Gegengeticht, das nur zu oft Übertviegt. Jeden- falls tritt fein anderes Säugetier in jolcher Kopfzahl, in jolchen Unmafjen auf wie zeitteije Feldmaus und Lemming. Solche erzeugungstüchtige Arten werden oft zu jurchtbaren Ver- mwüftern des menjchlichen Bejiztums. Der Menjch ift aljo gezwungen, jich dem Heere der Feinde diefer Tiere anzufchliegen. Wirklich befreunden Fann er jich bloß mit Höchit me- nigen Gliedern diefer zahlreichen Drdnung, und von diejen wenigen find nur einzelne der gähmung würdig. 12 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Pfeifhajen. ©o jcharf die ganze Ordnung der Nagetiere durch ihre wejentlichen Merkmale gefenn- zeichnet und gegen die übrigen Säugetierordnungen abgegrenzt ift, jo jchtwierig tft die weitere Einteilung im einzelnen. Sedenfalls gilt für die Nagetieriyitematif heute noch, was Giebel ichon 1859 jagte: „Eine natürliche Einteilung und Anordnung der Familien ijt bei den viel- fachen Schwankungen der äußeren Charaktere und bei dem Mangel hervorjtechender Diffe- venzen in der inneren Organijation mit den größten Schtoierigfeiten verknüpft. Zahlreiche Berjuche nach den verjchiedenjten Prinzipien jind bis auf die neuejte Zeit veröffentlicht worden; jte alle bemweijen die innige Berwandtjchaft der einzelnen Familien und Gattungen untereinander und zugleich die Unzuläfjigfeit der Iimearen Anordnung.” Diejes Bekenntnis eines der legten Vertreter der alten, jedem Abjtammungs- und Blutsverwandtjchafts- gedanfen in der Shitematif abholden Zoologenfchufe vor Darwin ift zu Iehrreich, als daf; wir e3 nicht hierherjegen jollten: die Stammes- und Berwandtjchaftsbeziehungen im Tier- reich jind eben viel zu mannigfaltig, als daß jie fich Durch die Reihenfolge auf den Blättern eines Buches ausdrücen Teen; fie gleichen vielmehr den Ajten und Zweigen eines im Naume fich ausbreitenden Baumes. Gemijje unzmweideutige Kinotenpunfte Haben jich in der Nagetierjpitematik allerdings jejtlegen lajjen, nicht zum wenigiten dank der Mitarbeit des hier jchon viel genannten Londoner Sleinjäugerforichers Ofdfield Thomas, und neuer- dings haben fowohl der Däne 9. Winge al3 der Schwede Tullberg ich auf demjelben Ge- biete noch weiter bemüht — allerdings nicht, ohne zu Zujammenjtellungen zu gelangen, die für ein Werf, wie das unferige, nicht geeignet jein dürften. Wir werden, ohne dieje größeren Gruppen augeinanderzureigen, die natürlichen Nagerfamilien in möglichjt un- geziwungener Folge aneinanderzureihen juchen. Bet der Schilderung der Gattungen und Arten diejer reichhaltigjten aller Säugetierordnungen müjjen wir allerdings alle Formen ausichliegen, die nicht irgendwie ein allgemeines Interejje haben. 1. Unterordnung: Doppelzähner (Duplicidentata). Wir beginnen mit den Hafenfürmigen im weiteren Sinne (Lagomorpha), die den ganzen Inhalt der Unterordnung der Doppelzähner (Duplicidentata) ausmachen. Hier ind Nagetiergebiß, Stieferform und -beivegung noch nicht jo einjeitig auf die Spibe ge- trieben, die Gebiß- und zugehörigen Schädelverhältnijje ähneln noch mehr denen der übrigen Säugetiere. Wie bei Diejen jtehen rechte und linfe Zahnreihe unten näher zujammen als oben, und die Gelenfgrube für den Unterkiefer ijt breit, diejer aljo vieljeitiger beweglich. Außerdem find die Nagezähne auch Hinten mit Schmelz überzogen, hier allerdings nur ihwad. Die am fchärfiten unterjcheidende Einzelheit ift aber, daß oben hinter dem großen Hauptjchneidezahn, wie ein Nebenhöder, eine „serje”, roch je ein zweiter verfümmerter jitt in Form eines Heinen, jtumpfen, fast vierfeitigen Stiftes. Hierdurch erhält das Gebif ein jo eigentümliches Gepräge, da die Hafen geradezu einzig Dajtehen. 5—6 mwurzelloje, aus je 2 Blatten zujammengejebte Badzähne finden fich außerdem in jedem Stiefer. Der Blind- dar hat eine Spiralfalte. Die Unterordnung der Doppelzähner teilt ich wieder in zwei natürliche Zamilien, Die jich außerlich wenig ähnlich find. Die Vfeifhafen (Ochotonidae) find Hein und Furzohrig, mit ungefähr gleichlangen Border- und Hintergliedmaßen; die eigentlichen Hajen (Lepo- ridae) größer, langohrig, mit verlängerten Hintergliedmaßen. Außerdem haben die erjteren ein vollitändiges, die leßteren ein unvolljtändiges Schlüfjelbein; dazu fommen Schädel- und Gebißunterjchiede (Pfeifdajen , Hafen 5 echte Badzähne). Bwergpfeifhaje. 13 Bei den Hauptjächlich in Innerajien und Nordamerika heimijchen Pfeifhajen (Ocho- tonidae) haben die oberen Nagezähne eine beträchtliche Breite und find tief gerinnelt, vo- durch fie in zwei Spiben geteilt werden, die unteren jind Fein und ziemlich jtark gekrümmt. Die Zehen jind auf der Unterjeite jtarf behaart: eine bei Hochnordiichen und Hochgebirgs- tieren oft wiederfehrende Eigentümlichkeit. Der Schwanz tt äußerlich nicht fichtbar. Sämt- liche lebenden Pfeiihajen find Gebirgs- oder wenigitens Hochjteppentiere, und e3 jieht aus, als ob in der Stammesgejchichte ihre beite Zeit bereit3 vorüber wäre. Denn während alle heutigen Arten einer Gattung angehören, führt Troueffart im Säugetierfatalog nicht weniger als drei fojjile Gattungen mit 20 Arten und Unterarten auf, die alle zur jüngeren Tertiärzeit (Mio-, Pliozän) und im Pleiftozän Europa und zum großen Teile Deutjchland (Weikenaur, Steinheim, Eppelsheim) bewohnten. Wie Nehring in feinen „Steppen und Tundren” zuerft nachgemiejen hat, gehören jie zu den Tieren, „welche nach der Eißzeit durch das jteppenartig gewordene Deutjchland bis zum Nhein und weiter vordrangen“. Auch im hohen Norden jteigen Pfeifhafen bis in die Tundra herab. hr Hauptgebiet find aber die zentralafiatifchen Berge; in feiner Öebirgsgruppe vom Himalaja bis Kamtfchatfa wird man jie vergeblich fuchen, aber die transfajpijchen Steppenmiüften jegen ihrer Verbreitung eine feharfe Grenze; weder im Kaufajus noch in Stleinafien oder Syrien findet jich ein Pfeifhaje, jchon im rufjiichen Turfejtan fcheinen fie zu fehlen. Nur eine Art (Ochotona pusillus Pall.) geht in der ebenen Steppe bis zur Wolga weitlich. (Kobelt, „Die Verbreitung der Tierwelt.) Diejer 3wergpfeifhaje, Ochotona pusillus Pall. (Lagomys), ein nur 14,5 cm langes Tierchen mit weichem, graubraunem, unterjeit3 weißlichem Pelz und weiß gefäumten Ohren, verdient hier vorangeftellt zu werden, weil er, in Ofjtrußland, an der Wolga und auf dem Ural heimijch, Heute noch zur europäischen Säugetierwelt gehört. Doch macht W. U. Lind- Holm, von dem „Der Zoologijche Garten” (1901) Tagebuchnotizen „Zur Kenntnis des Zmwerg- pfeifpafen” bringt, dazu die Einfchränfung: „Nach Karelin joll fich fein Vorkommen im europäijchen Rußland nur auf die Täler des Objchticht Syrt3 bejchränfen” (Mittellauf des Uralfufjes nördlich vom Kafpifchen Meere). Der Ziwergpfeifhaje, der von den Bafchkiren de3 obengenannten waldlojen Hügellandes „Sätildäk turfan” genannt wird, bewohnt dort „Die zwischen den Hügelfetten fich erjtredenden Täler und Niederungen. Ein von ihm be- vorzugter Standort find die dichten, geftrüppartigen Miniaturwäldchen der Zivergmandel (Amygdalus nana) und der ‚Tichiliga‘ (Caragana frutescens), die fich längs der Taljohlen hinziehen. Hier jucht er Dedung und Schuß vor jeinen zahleeichen gefiederten Feinden. Am Flußufer fand ich ihn gleichfalls nur an mit Weiden und Hedtofengebüfch geihüsten Stellen. Sn der offenen, mit Seidengras (Stipa pennata) bededten Steppe habe ich ihn fo gut wie nie gejehen. Er liebt jungfräulichen Boden; ängjtlich jegliches Kulturland meidend, bezieht er Brachfelder, die an jein Wohngebiet ftoßen, nur ungern, und auch dann nur, wenn jich bereits ftattliche Artemisia-Stauden darauf erheben.” Die Baue find bei der Ge- jelligfeit des Tieres „jtet3 nur wenig voneinander entfernt. Sie beitehen aus einem Sejjel, in den bon der Oberfläche 3—5 röhrenartige Gänge führen. Won diefen Röhren find die meijten jchräg angelegt; doch führt ftetS eine jenfrecht in den Kejjel. Die Länge diefer Ieb- teren jchwanft nach meinen Mefjungen je nach der Bodenbejchaffenheit zwijchen 50 und 0 em, und der Ktejjel befindet fich dementjprechend in der angegebenen Tiefe. Alle Röhren haben etwa 8 em im Durchmeffer. Der Zwergpfeifhaje it ein ausgejprochenes Nachttier, da3 am Tage nur bei trüber Witterung feinen Bau verläßt. 14 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Pfeifhajen. „Sobald der Frühling endgültig in der Steppe feine Herrjchaft angetreten hat, was gewöhnlich mit Beginn des April gejchieht, jo regt fich auch jchon der Paarungstrieb bei diejem Heinen Nager. Er äußert fich durch) das eigenartige Pfeifen (das dem Schlage unjerer Wachtel ähnlich Fingen joll)... Ob diefe Stimmäußerung beiden Gejchlechtern oder nur dem männlichen zufommt, wage ich nicht zu entjcheiden.” Die Baarzeit „erreicht ihren Höhepunft im Mai, währt jedoch bis in die zweite Hälfte des Juli hinein“, wahrjcheinlich weil mehrere Würfe hintereinander gemacht werden wie bei unjeren Hafen und Kaninchen. Vom zweiten Drittel des Juni an fand Lindholm Junge, die etiva halb jo groß twie erwachjene Tiere waren, aber jich bereit3 von den Alten getrennt hatten. Die Stimme it „ein fünf- bis achtmal ziemlich fchnelf nacheinander ausgejtoßener, einjilbiger, metalliich Eiingender, im Tone all mählich finfender Pfiff, der am beiten mit ‚tichiof, tichiof, tichtof‘ (fünf bis achtmal wieder- holt) wiedergegeben werden fann. Fremd berührt diefes Pfeifen das Ohr des Ausländerz, der e3 zum erjtenmal vernimmt. hm liegt jedenfalls die Vermutung näher, daß e3 der Kehle eines ihm unbekannten Vogels als der eines Säugetieres entftammt. Der Ziverg- pjeifhafe nährt jih von verjchtedenen zarten Pilanzenteilen. Seine beliebtejten Futter- pflanzen find die niedrigen, feinblätterigen Artemisia-Irten, die in der Steppe oit rajen- artig größere Stellen bededen. Wie eine ganze Anzahl anderer Nagetiere hat auch er jic) an die Wafjerarmut jeines Standortes anpajjen müjjen; denn, von Gewäljern meijtens weit entfernt, it er Darauf angewiejen, feinen Durft durch den fpärlich und nicht regel- mäßig fallenden Tau und die jeltenen Negengüjje zu löjchen. „Da der Ziwergpfeifhaje nicht zu den Winterjchläfern gehört”, zugleich aber „Die Schneejchicht gerade an feinen Standorten, nämlich in den Tälern und Niederungen, danf den Anmwehungen der Schneejtürme die größte Diefe erreicht”, jo muß er wie einige Wühl- mäufe „während des Winters zwijchen Schneejchicht und Bodenoberfläche” ein halb unter- iwdisches Leben führen. — Nac Lindholm find Gehör und Geruch jehr jcharf entwickelt, das Geficht aber jchwächer. Der Ziwergpfeifhafe it „wenig jcheu, Fäßt den Menjchen nahe heran- fommen und ftürzt dann eilfertig dem nächjten feiner Röhrengänge zu, um darin zu dver- Ihmwinden. Übrigens jcheint diefe Dummmireiftigfeit ihren Grund eben in dem jchwächer entwidelten Sehvermögen zu haben.” Der Menjch verfolgt den Zwerapfeiihafen nicht, „it aber trogdem fein ärgiter Feind, da er ihm durd) den AUcderbau große Territorien unbemwohn- bar macht, und auf diefe Weije leider am erfolgreichjten zur Ausrottung Diejes Heinen, interejjanten und durchaus unfchädlichen Nagetieres beiträgt". Sin der Pleiftozänzeit verbreitete jich der Yivergpfeiihajfe noch jehr viel weiter nach Weiten, über Mitteldeutichland, England, Belgien, Frankreich; Nehring fand ihn im Löß don Bejteregeln beiMagdeburg und im Diluvium von Thiede bei Braunfchweig und machte ihn mit einigen anderen Keinen Steppennagern (Springmäufen, Hamftern, Lemmingen) zum Yaupt- jtüspunfte feiner Theorie von einer Steppenperiode Norddeutjchlands zwilchen den Eiszeiten. Dasjelbe gilt für den doppelt jo großen Sibirijchen oder Alpen-Pjeifhajen, Ochotona alpinus Pall. (Lagomys). Diejer erinnert in Geftalt und Größe an das Meer- ihmweinchen; doch ift der Kopf länger und jchmäler und die Schnauze weniger ftumpf. Der Leibesbau ift gedrungen, der Schwanz äußerlich ganz unfichtbar und nur durch einen Heinen Fetthöcer angedeutet, daS mittelgroße eirunde Ohr auf der Außenjeite fat nadt. Auf der DOberjeite ift der raube, dichte und Furze Pelz auf rötlichgelbem Grunde fein jchwarz ge- jprenfelt, während die Seiten und der Vorderhals einfarbig rojtrot erjcheinen; die Unterjeite e ee RO ERRNSETE TER ET RER Pfeifhale. Sibirijher Pfeifhaje. Dtogono. 15 und die Beine find Ficht odergelb; die Kehle ift graufich, die Außenfeite der Ohren jchwärz- Yich, die Innenfeite gelblich. Einzelne Stüde find einfarbig tiefichtwarz gefärbt. Erwachfene Alpenpfeifhajen werden etiva 25 cm lang. Die eriten Mitteilungen über das Leben der Pfeifhajen Hat Ballas gegeben, Radde hat weitere Beobachtungen veröffentlicht, Prichewalifi neuerdings beider Berichte wejent- lich vervollftändigt. Der Alpenpfeifdaje gehört der ganzen ungeheuren Gebirgsfette des Nordrandes Jnner- und Hinterajiens an, fommt aber, nach Trouefjart, auch in Kamtjchatfa vor. Er bevorzugt, nad) Radde, die jwaldigen Gegenden und meidet die fahlen Hochiteppen, in denen er durch eine zweite, auf unferer Farbentafel abgebildete Art, den Otogono (zu deutich: der Kurzjchtwänzige) oder die Ogotona (O. dauricus Pall.), erjeßt wird. Diejer Pfeifhaje wählt, nach Prihewalitis Erfahrungen, zu feinem Aufenthalte ausjchlielich einen twiefenartigen Teil der Steppe, namentlich wenn diejer hügelig ijt, tritt aber auch im Bai- falgebirge nicht allaufelten auf. Sn der nördlichen und jüdöftiichen Mongolei begegnet man ihm Häufig; in der wüjtenhaften Gobi dagegen fehlt er fajt überall ganz. Kleine, jelbjtgegrabene Höhlen und natürliche Feljenrisen jind die Wohnungen der Pfeiihajen. Shre Bauten jtehen jtet3 in Siedelungen von wechjelnder, regelmäßig jedoch erheblicher Anzahl der einzelnen Höhlen, jo daß man da, wo man eine von diejen entdect hat, ihrer zehn, Hundert, ja jelbit taufende wahrnehmen fan. Bei hellem Wetter liegen die Tiere bis Sonnenuntergang verjteckt, bei trübem Himmel find jie in voller Tätigkeit. Nach Ein- tritt ftrenger Winterfälte verlajjen die Ogotonen, obaleich fie auch dann wach bleiben, ihre unterirdischen Wohnungen nicht; jobald aber die Kälte nachläßt, fommen jie zum Vorjchein, jeßen fich vor dem Eingang nieder, um fich an der Sonne zu wärmen, oder laufen, laut pfei- fend, eiligjt von einer Höhle der andern zu. rn ihrem Veen paaren jich Neugier und Furcht. Einen nahenden Menjchen oder Hund betrachten fie jo lange, daß der eine wie der andere bis auf 10 Schritt an jie heranfommen fann, bevor jte, nunmehr aber blitjchnell, in ihrer Höhle verjchtvinden; bald jedoch überwindet Neugierde die Furcht: nach einigen Minuten zeigt jich am Eingange der unteriwdiichen Wohnung wiederum das Köpfchen des Tieres; es jpäht ängftlich in die Runde und erjcheint, jobald der Gegenjtand des Schredens Jich ent- fernt hat, jofort wieder auf der alten Stelle. Nadde nennt die Pfeifhajen tätige, friedliche und jehr fleißige Nager, die große Vorräte von Heu jammeln, in regeltechter Weije jtapeln und zumeilen mit breitblätterigen Pflanzen zudeden, um fie vor dem Regen zu jchüigen. Die Ogotona beginnt Schon Mitte Juni für den Winter zu jammeln und ijt zu Ende des Wto- nat3 damit aufs eifrigite bejchäftigt. Sie ift nicht wählerijch: two fie nicht gejtört wird, nimmt jie wohl gern die jaftigjten Sträuter an, begnügt fich aber an Orten, wo mutiwillige Sinaben ihre Borräte zerjtören oder das weidende Bieh jie auffrigt, mit Pflanzen, die jonjt von den Tieren verjchmäht werden. Die von ihr zufammengetragenen Heuhaufen erreichen 12 bis 15 cm Höhe und 15—30 cm Durchmejjer; wenn die Feljen zerklüftet find, werden die Riten als Scheunen benußt. Zu dem Baue führen jchmale Pfade, welche die Pfeifhajen aus- getreten haben, und zu deren beiden ©eiten fie die furzen Gräjer abweiden. Stört man die fleißigen Sammler in ihrer Arbeit, jo beginnen jie diefe bald aufs neue, und manch- mal jchleppen jie noch im September die bereits vergilbten Steppenpflanzen zufammen. Benn der Winter eintritt, ziehen fie vor ihren Höhlen Laufgräben unter dem Schnee bis zu den Heufchobern; dieje Gänge find mannigfach gekrümmt und gewunden, und jeder einzelne hat jein Luftloch. 16 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Pfeifhafen. Der Schrei des Alpenpfeifhajen, den man noch um Mitternacht vernimmt, ähnelt den Ruf unjeres Buntjpechtes und wird, felten öfter al3 dreimal, rafch Hintereinander wieder- holt. Die Dgotona pfeift nach Art der Mäufe, aber lauter und heller und fo oft hinterein- ander, daß ihr Auf wie ein jchrilfender, zischender Triller Eingt. Zu Anfang des Sommers wirst das Weibchen, laut Ballas, gegen jechs nadte Junge und pflegt fie forgfältig. Die Pfeifhajen Haben viele Feinde, weil fie als Heine, majjenhaft vorfommende Nager eine natürliche und bequeme Raubtier- und Raubvogenahrung find. Sie werden zivar von den YJägern Oftjibiriens nicht verfolgt, aber fortwährend von Manuffage, Wolf, Korfjak, von verjchiedenen AUdlern und Falken belauert und ziehen im Winter die Schnee-Eule, ihren ge= jährlichiten Gegner, geradezu herbei. Aber auch der Menjch jchädigt die Harmlofen Nager, weil er die mühevol! gejammelten Vorräte raubt. Syn fchneereichen Wintern treiben die Mongolen ihre Schafe in jolche Gegenden, wo viele DOgotonen leben, oder füttern ihre Isferde mit dem don diejen gejtapelten Heu. Sm Säugetierbande der „Wijjenschaftlichen Nejultate” von Brichewalifis Reifen nach Zentralajien hat der Petersburger Ufademifer und Säugetierfundige Eugen Büchner eine ganze Neihe weiterer Pfeifhajenarten gejchildert, von Mübel prachtvoll abbilden lafjen und auch Prichewalifis Notizen über ihre Lebensweije zujammengetragen. Dieje mögen hier noc) Blab finden, fomweit jie Neues berichten. OÖ. roylei Og. (Taf. „Nagetiere I”, 1, bei ©. 18), vom Himalaja (KRafchmir bis Sikfim), Ganjı, Nanfchan, Sidoft-Tibet, Moupin, wählt zu feinem Aufenthalt die Gebüjche der hochalpinen Zone, von wo er auch in den Baumgürtel hinunterjteigt; offene Wiejenflächen werden bon ihm gemieden. — O. rutilus Sev., aus Turfeitan, Nanfchan, Kajchmir, Yadaf, Gilgit, Nordoit-Tibet, Ganju, lebt auf den Steinfeldern des oberen Teiles der alpinen gonen, auf einer abjoluten Höhe von fait 4000 m, zum Teil in wajjerlofen Schluchten; doc) fommt er auch etivas niedriger auf den Alpentwiejen, in Steinen an den Bächen vor, auf Steinfeldern in den längs der Flüjfe angefchwemmten großen Geröllhaufen. Diejer Pieifhaje Fettert ganz vorzüglich an beinahe jenkrechten Feljen Hinan. Mitte Juli war der Pelz noch nicht ganz ausgehaart, und die Weibchen Hatten Junge oder waren (wahrjcheinfich zum zweiten Male) trächtig. — O. erythrotis Büchn., in Ganju und Nowoft-Tibet (Burchan- Budda-Gebirge), wählt zu feinem Aufenthalte die ödejten Felspartien und Geröllager, wo er auch jehr gejchidt auf den fteilen Abhängen umherläuft. Beim Anblid eines Men- chen jeßt er jich auf jeine Hinterbeine, fauert jich zufammen und gleicht dann dermaßen einem Steine, daß man ihn faum unterjcheiden fann. „Süchje, Wölfe, bejonders aber Bujjarde, Habichte, Falken und jogar Adler (Aquila bifasciata)”, berichtet Büchner, „vertilgen täglich eine unzählige Menge diejer Pfeifhajen. Die Buffarde (Archibuteo hemilasius) nähren fich jo ausschließlich von Ogotonen, daß jogar bei der Wahl ihrer Winterquartiere in der Gobi in erjter Linie die Anzahl der in Rede tehenden Nager den Auzfchlag aibt. Bei der befannten Fruchtbarkeit diejer legteren fann nur eine Derartige Bertilgung ihre übermäßige Vermehrung verhindern.” in jchönes Beijpiel für den natürlichen Gleichgewichtszuftand in der unverfälichten, vom europäijchen Kulturmenfchen noch unverlegten Natur! Ähnlich mögen auch in unferer eigenen Heimat die Mäufejahre und Hamfterplagen verhindert worden jein, ehe wir jelbjt jie jozujagen heraufbejchiworen Durch mwidernatürliche Verminderung des Naubzeuges. „sm August 1883 auf dem Marjche von Ula-fchan nach Urga fonnte man in der Gobi Weitere afiatiihe Pfeifhajen. 117 iiberalf in der Nähe der bewohnten Höhlen nicht eben große Heuhaufen von 2—4, zumeilen jogar 7—8 Pfund wahrnehmen, welche zum Winter gefammelt waren und jebt getrochnet wurden. Syn diefem Heu fanden wir verjchiedene Gräjerarten, Artemisia, Kompofiten und Papilionaceen, zuweilen auch Ztveige des Heinen, ftacheligen Karaganftrauches vor. Dieje Kräuter waren jorgjältig in Form von Haufen immer in der nächjten Nähe der Röhren- mindung zujammengelegt; zuweilen fonnte man wahrnehmen, daß auc) Heu, wohl zur Aus- jütterung des Lagerz, in die Höhle gejchleppt, das alte Heu herausgeiworfen war. Sr den Tälern, in welchen viel Jris wächlt, jammelt der Ogotono auch diefe Pflanze, wobei er fie gleichfalls zuerjt vor jeiner Wohnung herumjtreut und ordnet.” Bon O. melanostomus Büchn. heißt e3: „Diejer Peiihaje jiedelt jich in nicht befon- ders tiefen Höhlen an, die am Häufigjten auf abjchüfjigen Wiefenabhängen angelegt werden; auch bewohnt er in großer Anzahl vollftändig ebene Flächen, doch tut er dies weniger gern, wohl aus dem Grunde, weil ftarfe Negengüfje Hier jeine Baue unter Wafjer feßen, wobei er in Menge umfommt. m nördlichen Tibet lebt er jorwohl auf den (vorzugsweije nörd- lichen) Wiejenabhängen der Berge als auch auf den hier von Cobresia tibetica bejtandenen hügeligen Sümpfen, den fogenannten Moto=jchirifi. Sein Wohngebiet reicht bis gegen 6000 m abjoluter Höhe, niedriger al3 3000 m ift er nirgends angetroffen worden. Sr den ihm zufagenden Gegenden durchlöchert diejer Pfeifhaje mit jeinen Bauen durchgehends die Oberfläche. Yumeilen jtehen auf einem Areal von mehreren Duadratwerjten wenigjtens zwei, drei Höhlen auf jeden Duadratfaden; an jolchen Stellen ift ein fchnelles Reiten ge- radezu unmöglich, da das Pferd in diefe Höhlen Durchbricht und fortwährend ftolpert. Die Pieifdajen jelbit Hufchen vor dem Wanderer beftändig hin und her oder figen unbemweglich vor den Nöhrenmündungen. Diejer Nager ift übrigens ziemlich vorfichtig. Beim Berlafjen des Bauez jtrect er gewöhnlich zuerjt feinen Kopf aus der Röhre vor, hebt ihn in die Höhe und jpäht lange Jeit umher; in einer folchen Lage kann er zumeilen ftundenlang unbeweglich daligen... Die Nanzzeit fällt in den Frühling, Doch vergeht dDiefe Periode ganz unmerklich, tie überhaupt bei den Heinen Nagern. Adler, Bufjarde und Falken nähren jich während ihres Durchzuges durch Tibet fajt ausichließlich von diejen Pfeifhafen und Halten fich zu diefer Zeit in großer Anzahl in den Steppen des Kufusnor, jpeziell wegen der hier in Menge vorkommenden Pfeifhajen, auf; teilmweije bleiben diefe Räuber hier auch zum Winter... Ende Juni 1880 fam im Gebiete de3 Kufu=-nor nach mehreren ftarfen Negengüfjen eine unzählige Menge diejer Bfeifdajen in ihren Behaufungen um; viele Tiere, welche noc) Zeit hatten, ihre Baue zu verlafjen, ertranfen jpäter oder famen infolge des falten Negens um. Sn den Steppen lagen überall die Leichen diejes Tieres herum, welche jest von Naben, Nilanen, Bufjarden und Mdlern aufgeräumt wurden. Wahrjcheinlich treten derartige Fälle jomwohl hier als in ganz Tibet, wo Sommerregen gleichfalls jehr Häufig find, nicht jelten ein. Diefe Sommerregen jind den Pfeifhafen derart Yäftig, daß fie die Tiere zuweilen zu einer Auswanderung aus den Tälern in die Berge zwingen; jo begegnete W. Noboromjft in der Abenddämmerung am 7. Juli 1880 in den Bergen nicht weit vom Kufu-nor einer Herde von etiva 50 Pfeifhafen, welche jich vor den Negengüfjen retteten und in gedrängten Haufen längs dem Fluß AUra-chaldfyn-gol Hinaufliefen, um trodnere Stellen aufzufuchen. „Dort, wo jich Bjeifhafen anjiedeln, frejien fie das Gras und alle feine Wurzeln, die jie aus der Erde ausgraben, volfftändig auf, jo daß nicht jelten große Wiejenflächen jomwohl im Öebiete des Stuku-nor als im nördlichen Tibet ganz fahl werden. Dann fiedeln die Tiere in die Nachbarschaft über, während die abgemweidete Fläche fi binnen furzem neu begrünt, Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 2 18 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Pfeifhafen. um mit der Zeit wahrjcheinlich wieder von Pfeifhajen bewohnt zu werden. Diejer Pfeif- haje (O. melanostomus) lebt immer zujammen mit zwei oder jogar drei Arten von Exrd- finfen (Montifringilla mandelli Zume, ruficollis Blanf. und blanfordi Zume), welche in den Höhlen diejes Nagers die Nacht verbringen, dorthin jich bei Gefahr retten und dort auch brüten. Die Verbreitung diejfer Vögel it eng an die der Pfeifhajen gebunden... „ie nichtsbedeutend Ddiejer Pfeifhaje an und für jich.auch jein mag, fo übt er doc) in der Mafje einen nicht unmefentlichen Einfluß auf die Umarbeitung und Veränderung der von ihm bewohnten Gegenden aus. So liefern die entblößten Flächen des Lehmbodens und die von Millionen Pfeifhafen aus den Höhlen gegrabene Lehmerde ein ergiebiges Material für den Löhjtaub, der von Stürmen aus den Steppen des Kufusnor-Gebietes in da3 benachbarte China getragen wird und ganz allmählich den Kufusnor felbjt verjchüttet. Derjelbe Pfeifhaje jpielt in Veordtibet gleichfalls eine bedeutende Nolle in der Umarbeitung der Erdoberfläche. Die unzählige Menge diejer Nager dDurchlöchert mit ihren Bauen nicht jelten durchgängig große Flächen des tibetaniichen Hochplateaus; die eingefallenen oder die unter Negenwajjer gejebten Höhlen werden fortwährend durch neue erießt. Die aus- gegrabene locere Yehmerde wird von Winden Davongetragen oder durch Negen von den Gebirgsabhängen abgejpült, und es bleiben entblößte Stellen und mehr oder weniger große Löcher nach. Außerdem Iodern dieje Nager beim Ausgraben verjchiedener Gras- wurzeln den Boden auf und verunftalten damit die Oberfläche noch mehr. Diejen Um- tänden ift e8 auch zuzujchreiben, daß man im ganzen nordöftlichen Tibet, ganz bejonders auf den Gebirgsabhängen, jo häufig Fahle Stellen antrifjt, aber eine Wiejenfläche jelbjt nur bon einigen Quadratfaden Ausdehnung vergeblich fucht. Da Stürme und Negengüfje die von den Peifhajen geloderte Erde von den Bergabhängen fortführen, und der größte Teil diejer Erde in den Gebirgstälern abgejegt wird, jo befördert außerdem noch dieje Exrdarbeit der Pfetihajen, in Verbindung mit anderen Faktoren, ein jchnelleres Verjchütten der Ge- birgstäler und jomit auch eine Ausgleichung im Nelief des Landes.“ Welch tiefgreifenden Einfluß übt aljo jolch Kleines Nagetier auf die ganze Erdober- flächengeitaltung feiner Heimat jeit grauer Vorzeit fchon Durch die ununterbrochene Arbeit jeiner vieltaujendföpfigen, in die Millionen gehenden Mafien, die troß aller Verfolgung und Bernichtung in unerjchöpflicher Fruchtbarkeit jich immer wieder erjegen! Und ver- gegenmärtigt man ich die Entjtehung der Löhablagerungen als fturmvermwehter Staub- majjen, wie fie der große Geograph Ferdinand dv. Nichthofen zuerjt Har erfannte in China, dem größten Lößgebiete der Erde, dann muß vor unjeren Augen zugleich die Bedeutung der Mitarbeit des Bfeifhajen mwachjen, diefes Kleinen, weiteren Streifen ganz unbekannten Nagerz; denn auch bei uns gibt es Lößjchichten, und in ihnen liegen als Beweije einer dilu- bialen Steppenzeit Deutjichlands Pfeifhafenrefte. Nicht weniger als fünf Arten lebten da- mals in Süddeutjchland nebeneinander, und das mag fo zu erklären fein, daf fie fich ähnlich in etwas verjchieden geartete Standorte teilten, wie oben von den heutigen Arten nner- ajiens gejchildert. ac) dem Vorftehenden it um jo mehr zu bedauern, daß nur in ganz jeltenem Aus- nahmejalle vielleicht ein lebender Pfeifhafe in irgendeinem Tiergarten gezeigt werden fonnte. Von einer amerifanifchen Art, dem Pifa, Ochotona princeps Rich. (Taf. „Nage- tiere I”, 2), aus den nördlichen Nocdy Mountains, bringen Stone und Cram in ihren „„Ame- rican Animals“ wenigjtenz zwei jehr gute Uugenblidsaufnahmen, vom freien, twildlebenden Nagetiere 1. 1. Himalaja-Pfeifhaie, Ochotona roylei Og. 1/3 nat. Gr., s. S. 16. — Lewis Medland, F. Z. S.-Finchley, N., phot. 2. Pika, Ochotona princeps KRidı, lf2.nat. Gr:, Ss. 5.18. Doubleday, Page u. Co. phot. 5. Nackte Wildkaninchen (3 Tage alt, blind) im aufgegrabenen Neit. S.20 u. 105. S. 20, 34 u: 35. — Aus „Natur“: 4. Junghalen im oberirdiichen Lager. - Aus „Wild und Hund“, Achim v. Arnim-Wiepersdorf b. Reinsdorf (Mark) phot. Pifa. 19 Tiere gewonnen, die diejes vermöge der verhältnismäßig großen Ohren bedeutend hajen- ähnlicher erjcheinen lajjen. Nach Merriam jollen die amerikanischen Pfeifhajen oder Pifas troß ihrer Furzen Beine jehr rajch laufen fönnen und von ihren Bauen zu ihren Weide- gründen beträchtliche Entfernungen zurücklegen. Die Heuftapel für den Winter machen jie ebenjall3. Sie jcheinen nie fett zu werden, und ihr abgemagertes AUusjehen hat ihnen bei den Bergleuten gewijjer Gegenden den Namen „Hungerratten” eingetragen. * Die zweite natürliche Familie der Doppelzähner find die Hajen im weiteren Sinne (Leporidae). Shre allgemeinen Kennzeichen jind: gejtredter Körper mit hohen Hinter- beinen, langer, gejtrecter Schädel mit großen Ohren und Augen, fünfzehige Vorder- und vierzehige Hinterfüße, dicke, Höchit bewegliche, tief gejpaltene Lippen mit jtarfen Schnurren zu beiden Geiten und eine dichte, falt wollige Behaarung. Kur auf Madagaskar und im Auftralifchen Reiche wiirden ohne Zutun des Menjchen Hafen jehlen; gegenwärtig aber jind auch in Auftralien und Neujeeland zwei Arten weit verbreitet. Die Hafen leben in allen Slimaten, in Ebenen und Gebirgen, in offenen Fel- dern und Feljenjpa'ten, auf und unter der Erde, furz überall, und wo die eine Art aufhört, beginnt eine andere, die Gegend, welche von Ddiejer nicht ausgebeutet wird, hat in einer anderen einen zufriedenen Bewohner. Alle nähren jich von weichen, jajtigen Pilanzen- teilen; doch fann man jagen, daß fie eigentlich nichts verjchonen, was fie erlangen fünnen. Sie verzehren die Pilanzen von der Wurzel bis zur Frucht, wenn jte auch die Blätter niedriger Kräuter am liebften genießen. Die meiten leben in bejchränftem Grade gejellig und halten jehr treu an dem einmal gewählten oder ihnen zuerteilten Standorte feit. Hier liegen jie den Tag liber in einer Vertiefung oder Höhle verborgen; des Nacht3 dagegen ftreifen jie umber, um ihrer Nahrung nachzugehen. Sie ruhen, ftrenggenommten, bloß in den Mittags- jtunden und laufen, wenn fie fich jicher fühlen, auch morgens und abends bei hellem Sonnen- jchein umher. Ihre Bewegungen find ganz eigentümlicher Art. Die befannte Schnelligkeit der Hafen zeigt fich bloß während des vollen Yaufes; beim langjamen Gehen bewegen jie jich im höchiten Grade ungejchickt und tölpelhaft, jedenfalls der langen Hinterbeine wegen, die einen gleichmäßigen Gang erjchweren. Sie „hoppeln” dann, d. h. jie beiwegen jich nur mit den Borderbeinen abmwechjelnd und fchrittweije, jchieben aber die Hinterbeine gleichzeitig hüpfend nach; das macht auch ihre Spur (vgl. Abb., ©. 90), namentlich im Schnee, jchon weithin fenntlich. Doch vermögen fie auch Wendungen aller Urt im jchnelfften Laufe zu machen und offenbaren dann eine Getwandtheit, die man ihnen nicht zutrauen möchte. Das WBajjer meiden fie, obwohl jie im Notfalle über Flüjje jegen. Unter ihren Sinnen fteht vielleicht der Geruch obenan: aber auch das Gehör er- reicht Hier eine Ausbildung wie bei wenig anderen Tieren, unter den Nagern jicherlich die größte; das Geficht ift fchtwächer, doch ebenfalls nicht jchlecht enttwidelt. Die Stimme ift ein dumpfes Sinurren, bei Angjt ein lautes, Hlägliches Schreien. Unterjtüst wird die Stimme, die man Übrigens nur felten hört, durch ein eigentümliches Aufklopfen mit den Yinter- beinen, das ebenjowohl Furcht wie Zorn ausdrückt und dadurd) den Genojjen ein NVar- nungszeichen geworden it. Genaue Beobachter nennen die Hajen geradezu boshaft und unfriedfich im Höchiten Grade. Allbefannt ift ihre Furcht, ihre Aufmerkfjamfeit und Scheu, weniger befannt die Lit, die jie fich aneignen und mit zunehmendem Alter auf eine wirklich bewunderungswiürdige Höhe jteigern. Auch ihre Feigheit it nicht jo arg, wie man glaubt. o* 20 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Man tut ihnen jedenfalls unrecht, wenn man dieje Eigenjchaft jo hervorhebt wie Linns, der den Schneehajen für eivige Yeiten mit dem Namen eines Feiglings gebrandmarft hat. Wenn auch die Vermehrung der Hafen nicht jo groß it wie bei anderen Nagern, bleibt jie Doch immerhin jtarf genug, und der alte Ausjpruch der Säger, daß der Haje im Frühjahr jelbander zu Felde ziehe und im Herbite zu 16 zurückehre, Hat.arı Orten, wo das Leben unjerem Lampe freundlich Tacht und die Verfolgung nicht allzu jchlimm ift, feinen vollen Wert. Die meilten Hajen werfen mehrmals im Jahre, manche 3—6, ja bis 11 Junge; fait alle aber behandeln ihre Spröhlinge in einer überaus Jeichtjinnigen Weife, und daher fommt es, daß jo viele von Diejen zugrunde gehen. Außerdem ftellt ein ganzes Heer von Feinden dem Shmadhaften Wildbret nach, in jedem Erdteile andere, aber in jedem gleich viele. Für unjer Deutjchland hat Wildungen die Feinde in einem fujtigen Reim zufammengeftellt, den ich hiermit al beiten Beweis der Menge anführen will: „Menjchen, Hunde, Wölfe, Lüchfe, Kaben, Marder, Wiejel, Füchle, Adler, Uhu, Naben, Krähen, Seder Habicht, den wir jehen, Elftern auch nicht zu vergeffen, Alles, alles will ihn — frefjen.” Kein Wunder, daß bei einer folchen Mafje von Feinden die Hafen fich nicht jo ver- mehren, tie es jonft gejchehen wiirde — ein Glück für uns, daf dem fo ist; denn jonjt würden jte unjere Feldfrüchte rein auffrejjen. Sn allen Gegenden, two fie jtarf überhandnehmen, werden jie ohnehin zur Yandplage. Wenn wir die beiden Hafenartigen unferer Heimat, den Hafen und das Kaninchen, betrachten, fo will es jcheinen, al3 ob jich der ganze Inhalt diefer Nagerfamilie ohne weiteres in zwei Lager jpalten lajjen müßte, die mit tiefgreifenden Unterjchieden einander gegen- überjtehen. Sind doch unjere beiden Hajenartigen in ihren einzelnen Körperverhältnijjen, in Yebens- und Fortpflanzungsweije jo verjchieden, dat zwischen diefen nahen Verwandten ein unzweijelhafter Fall fruchtbarer Vermifchung bis jet Faum nachgetwiejen werden fonnte, obwohl namentlich belgische Liebhaberfreije dDiefe Bermijchung für jo jelbjtverjtändfich hielten, daß fie längjt den Namen Leporiden für die angeblichen Mifchlinge erfunden hatten und mit jolhen ganz gewohnheitsmäßig hHandelten und züchteten! Unfer Haje hat jehr verlängerte Hinterbeine, verhältnismäßig langen Stummelichwanz und überfopflange Ohren; er drückt fich über der Erde nur in ein ganz flaches Lager und wirft wenige, bereits behaarte und jehende, der DOrtsbewegung fähige Junge. Unfer Kaninchen dagegen hat wenig verlängerte Hinterbeine, verhältnismäßig Furzen Schwanzftummel und unterfopflange Ohren; es gräbt fich unterirdiiche Höhlen und wirft in diejen viele nackte und blinde, der Ortsbewegung zunächft unfähige Junge (Zaf. „Nagetiere I”,3u.4, bei ©. 19). Da gibt e3 gar feinen Zweifel, was Haje, was Stanin- chen ist. Anders, jobald wir die Fülle der ausländischen Formen mit heranziehen. Dann finden wir, wie Schon H. Schlegel in den „Notes“ feines „Leyden Museum“ (1880) hervorhebt, dap die Scheinbar zufammengehörigen Körperverhältnifje im einzelnen beliebig wechjeln, dat e3 3. B. Arten gibt, wie den füdafrifanifchen Berghafen (L. saxatilis), die noch längere Ohren haben als unjer Zamıpe, und wieder andere, wie den japanifchen Kurzjchwanzhajen, die troß furzer Ohren und furzen Schwanzes durch ihre langen Hinterbeine zu Hafen geitempelt werden. Und was die Lebens und Fortpflanzungsweife anlangt, für ung Hier das Wich- tigjte, jo Hat man den Eindrud, al3 ob darin Yängit noch nicht alles, genau erforjcht, Feititünde, als ob Sammelreijende und mwiljenjchaftliche Bearbeiter jich bis jegt weit mehr mit der Romeros Hafe. Kurzohr-Kaninden. 21 Artbefchreibung als mit der Lebensfunde der Hajenartigen bejchäftigt Hätten. Doch darf man wohl annehmen, daß weitaus die Mehrzahl der bejchriebenen Arten Hafen im engeren Sinne find und nur wenige jich näher an unfer Kaninchen anjchliegen. Wir ftellen dieje boran, weil fie mit ihren fürzeren Hinterbeinen noch weniger einjeitig in einer bejtimmten Lebensrichtung ausgebildet erjcheinen. Die neun Gattungen und Untergattungen, in die die Familie der Hafenartigen (Leporidae) heute zerfällt, fönnen wir hier nur injofern be- rüfjichtigen, als fie durch bemerfenswertere Eigentümlichkeiten dazu auffordern. NRomeros Hafe von den Hängen des mexifanijchen Vulfans Popotatepetl, Romero- lagus nelsoni Merr., den Hart Merriam erjt im Jahre 1896 entdect, bejchrieben und dem langjährigen Minifterrefiventen Merifos in den Vereinigten Staaten, Don Romero, zu Ehren benannt hat, entfernt fich von allen übrigen Hafen und nähert jich den Peiihajen dadurch, daß er gar feinen fichtbaren Schwanz hat. Durch die Längenmaße der Ohren und Hinterbeine jchließt ex fich anderfeits dem Kaninchen an, und auch im Schädelbau gleicht er diefem fehr. Ir anderen Einzelheiten des Sinochenbaues weicht er wieder ab; jo hat er ein ganz vollftändiges Schlüfjelbein und nur jechs Rippen, die mit dem Bruftbein gelenten. Er bewohnt Rinnfale in dem hohen Grafe, das die Abhänge des Berges bedeckt. Ganz abjonderlich und vom Hafen jchon im Außeren noch ungleich mehr abweichend als das Kaninchen find zwei indifch-malatifche Hafenartige, die deshalb hier Aufnahme fin- den mögen, zumal e8 zugleich die einzigen altweltlichen Arten find, von denen mir wiljen oder mwenigftens annehmen dürfen, da fie eine mehr Faninchenartige Vebensweile führen. Bor Jahren war im ehrwürdigen Amfterdamer Garten ein ganz jonderbares, furz- ohriges, troßdem aber unbedingt Hafenartiges Tier zu jehen, das jchon durch jeine mert- wirdige Farbenzeichnung auffallen mußte; denn e3 Hatte gar nichts von der unauffälligen „Wildfarbe” feiner Verwandten, jondern war bunt, Hell und dunfeltot gebändert, jo un- gefähr wie manche graue Hausfagen oder auch wie das Dunenkleid eines Zajanen- oder Wildentenficens. Diefes „jeltiame Hazje” war das jumatranische Kurzohr-Staninchen (Abb., S. 22), Nesolagus netscheri Schl. (Lepus), gerviß das eigenartigite Tier aus der ganzen Hafenjamilie und auch in feiner Heimat anfcheinend jehr jelten. Denn mir hören von Schle- gel, der e3 benannte, nährend fein Nachfolger Jentinf die Artbejchreibung kieferte, dab es jelbft den Eingeborenen unbekannt twar, als Netjcher, ein hoher Beamter der jumatranijchen Kolonialverwaltung, ihm das exjte Spirituseremplar aus dem Hochland von Padang an der Siüdmweitfüfte der Injel überfandte. Man begreift Schlegel3 Überrafchung angefichts diefer unertwarteten Bereicherung feiner Leidener Mufeumsichäge: war man doch bis dahin überzeugt, daß hajenartige Tiere im Malatischen Archipel überhaupt nicht vorfämen. Der erfahrene Spftematifer fand aber jofort den natürlichen Anfnüpfungspunkt in einer ähn- fich abweichenden Hafen- oder bejjer gejagt: Kaninchenform vom indiichen ejtlande, dem Naub- oder Borjtenfaninchen. %.3. dan Bemmelen fpricht in einer eingehenden Arbeit iiber den Gegenftand, in jeinen 1909 exjchienenen Unterfuchungen „Über den Unterjchied zwijchen Hajen- und Ktaninchen- ichädeln“, die Anficht aus, Netjchers Hafe, diefer „auf primitivem Standpunkt verharrende Leporide”, jei „ein Nelikt aus der Vorfahrenreihe der eigentlichen Hafen und Kaninchen”, und ftellt auch die Gründe für diefe Auffaffung zufammen: nicht weniger al3 zwanzigerlei verschiedene Schädelmerfmale, „um damit die entgegengejeßte Anficht zu bekämpfen, nad) 22 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. welcher wir es in Nesolagus mit einer Durch den Einfluß des tropijchen Urwaldes rücd- gebildeten Form zu tun hätten”. Er erwähnt aber doch „auch einige wenige Hinfichten, in welchen Nesolagus jich weiter vom urjprünglichen Zeporidentypus entfernt Hat als die höch- jten Lepus-Arten”. Der ausgezeichnete englische Paläontolog und Dfteolog Forjyth Major jagt in feiner Irbeit „On fossil and recent Lagomorpha“ (,‚Trans. Linn. Soc.‘ 1899): „Mus dem Bau feiner VBorderbeine darf mit Gewißheit gejchlojjen iwerden, daß er ein fchlechter Läufer ift, und er dürfte unter Umftänden ein Höhlengräber jein; doch ift er unzweifelhaft weniger Grabtier als Caprolagus.“ A / DEI LE a ER KurzohrsKaninden, Nesolagus netscheri Schl. 1a natürliher Größe. Das Rauh- oder Borjtenfaninchen, Caprolagus hispidus Pearson, vom Sitd- juße des Himalaja, aus Bhutan und Affam, namentlich dem jumpfigen Teraigebiet, hat für ein hafenartiges Tier ebenjo auffallend furze Ohren wie Netjchers Haje, Feine Augen und faum längere Hinter- als Vorderbeine. Auch die abweichende Färbung finden wir bei ihm wieder: Die im allgemeinen dunfelbraune Farbe der Oberjeite entjteht aus einer Miichung von Schwarz und dem Bräunlichweiß der Unterfeite, das am Bauche heller ijt als an der Bruft. Ganz eigenartig it der raube, borjtige Pelz, auf den der Artname Bezug nimmt. Die Lebensweile it, nach Blanford, nur fehr ungenügend erforicht. Das Tier joll Höhlen graben wie unjer Staninchen, aber nicht jo gejellig zufammenhaujen. Nach Ausjage ver Eingeborenen nährt e3 jich Hauptjächlich von Wurzeln und Baumrinde; fein Fleiich wäre weil wie Staninchenfleiich. 1898 gibt %. F. Pollof, der das merfwürdige Tier jelbit gejehen und gejagt hat, noch einige nähere Nachrichten, nacı) denen diejer in Sammlungen jo jeltene und wenig befannte Nager in den „„Dooars“ am Yuße der „Bhootan hills“ jogar jehr Häufig it; Vollof Hat ihn an den Ufern des Brahmaputra unterhalb Dhoobri gejehen. Wildkaninchen. Nauhfaninchen. Europäifches Kaninden. 23 Die Ohren nennt er jehr furz und breit, daS ganze Tier von jehr dunklem Farbenton, unter- jegtem Bau und Faninchenartiger Erjcheinung, mit Heinen Augen, kurzen, ftämmigen Gfie- dern und kurzen Schnurrhaaren. In Dacca heikt es „schwarzes Kaninchen”, und die Schi- fariefoldaten behaupten, daß e3 zuzeiten mwühle wie das gewöhnliche Karnidel. C3 bewohnt dichten Busch, Hohes Gras, Bambuspidichte und ähnliche Orte, wo es fich der Beobachtung entziehen fann, und bei diefem verborgenen Leben ift e8 jchwer aufzufinden und zu er- langen. Bollof jchoß gewöhnlich eins oder zwei bei jedem SJagdausflug, den er in die Dovars machte, und gelegentlich war das Tier auch im Bafar von Dacca zu verfaufen, wenn e3 von eingeborenen Schifaries in der Schlinge gefangen worden war. Die Eingeborenen verjicherten ‘Bollof, daß e3 wenigitens jechs Junge auf einen Wurf bringe. Sm ganzen äußeren Anjehen, namentlich auch durch die jprenfelige „Wildjarbe”, dem Hajen bedeutend näher jteht das Europäische Kaninchen, Oryctolagus cuniculus Z. (Lepus); e3 unterjcheidet jich aber vom Hafen durch weit geringere Größe, gedrungeneren Bau, fürzeren Kopf, fürzere Ohren und fürzere Hinterbeine. Die Körperlänge des Tieres beträgt 40 cm, die Schwanzlänge 5,3 em, das Gewicht des alten Nammler3 2—3 kg. Das Dhr ift Fürzer al3 der Kopf und ragt, wenn man es niederdrüct, nicht bis zur Schnauze vor; es hat feinen jchwarzen Spibenfled wie beim Hajen, jondern nur einen ganz jchmalen ihwarzen Nand. Der Schwanz it oben jchwarz und unten weiß, der übrige Störper mit einem grauen PBelze bekleidet, ver oben ins Gelbbraune, vorn ins Notgelbe, an den Seiten und Schenfeln ins Lichtrojtfarbene fpielt und auf der Unterjeite, an Bauche, der Stehle und der IJnnenjeite der Beine, in Weiß übergeht. Der VBorderhals ijt rojtgelbgrau, der obere wie der Naden einfarbig rojtrot. Farbenabweichungen find nach Schäffs „Jagdtierfunde” beim Kaninchen im wilden Yu- Itande entjchteden häufiger als beim Hajen. Verhältnismäßig am zahlreichjten jind jchwarze Stüde. Der bayriihe Foritzoolog Fürjt Hat bei Ajchaffenburg gelegentlich gelbe Wild- faninchen beobachtet. Nehring berichtete über zwei blaugraue, in Der Gegend von Wittenberg gejchojjene Stücke, und ein fuchsrotes wurde 1898 bei Stojel erlegt. Ein jehr auffallendes Stück bejchreibt Fr. Ernit („Deutjche Fägerzeitung”, XX). ES war jchwarz mit bis zum Sußgelenf gelbbraunen Läufen und jchwarzer, oben etwas weiß melierter Blume; mit an- deren Worten: jchwarz mit rotem Brand, wie man beim Tedel und anderen Hunderajjen jagt, englijch „black and tan“. Überblickt man überhaupt diefe Schäffjche Lifte von Zarben- abänderungen des Wildfaninchens, jo zeigt fich jofort, daß es, wie nicht anders zu erwarten, diejelben find, die wir beim zahmen Stallfaninchen wiederfinden. Merkwürdigerweije fehlt nur die jonjt Häufigjte Uusartung, der Albinismus. Weiße und weißjchedige Wildfaninchen fennt Schäff nicht, und auch anderwärts find feine Nachweije von folchen zu finden, ob- wohl die weiße Farbe beim Hausfaninchen diejelbe wejentliche Nolle jpielt wie bei den übrigen Haustieren. Der tiefgehende Unterjchied in der Yebensweije gegen den Hafen läßt uns nach Unter- jchieden im Körperbau fuchen, die fich erjichtlich darauf beziehen: man darf erwarten, dab die Fähigkeit, Höhlen zu graben, an der Ausbildung der Armfnochen des Kaninchens jich irgendwie ausprägen müjje gegenüber den reinen Schnelläufergliedern des Hafen. Dazu finden wir aber erjt in der genannten „Sagdtierkunde” (1907) Schäffs eine vergleichende Ylb- bildung der Unterarmfnochen des Hafen und des Kaninchens nebjt richtiger Würdigung der Unterjchiede. „Beim Kaninchen ift der Unterjchied in der Stärfe zwijchen Elfe und 24 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Speiche viel geringer als beim Hafen, und die eritere Fiegt in ihrer ganzen Lärige neben, nicht hinter der Speiche... Der Hafe ijt ein vorwiegend laufendes Tier, bei dem Die grabende Tätigkeit fich nur auf das Ausjcharren des offenen Lagers bejchränft, wogegen das Kaninchen ein eminenter Gräber it, deijen Vordergliedmaßen durch die jtärfere Ent- midelung der Elle jorwie durch die Lagerung neben der Speiche zum Graben bejonders ge- eignet find.” — Über den Gegenfat in der Färbung der Muskelfafer zwifchen dem weißen Tleijch des Kaninchens und dem Dunkeln des De it nur aus der allgemeinen Schul- meinung heraus zu urteilen, da die ftarf rot gefärbte Musfelfajer, das dunkle Fleiich, Tanger, ausdauernder Bewegung dient, die Schwach gefärbte Tsajer, Das weibe Fleijch, Dagegen im Augenblid zwar kräftiger Leiftungen fähig, aber ebenfo rafch auch zum Er- müden geneigt it. Wenpdet man Dieje Srundanjchauung auf den gegenjäh- lichen Befund bei Hafen und Staninchen an, jo fpringt ohne weiteres Die Be- ziehung heraus zwijchen dem dunklen Sleiiche des Hafen und feinem Dauer- läufertum auf freiem Felde und zwi- chen dem weihen Fleijche des Stanin- chens und feinem Höhlenbewohnertum in gejchüßter Dietung, von der es jich nie weit entfernt, um bei jeder Ge- fahr vajch Hineinfligen zu Fönnen. Diejes einjeitige Verhalten des Klanin- chens geht jo weit, daß es, von jei- nem Bau abgejchnitten, manchmal gar nicht den Berjuch zu längerer EN Slucht macht. So erzählt ein eng- Zinter Vorderfuß 1) des Hafen und 2) de3 ER N Se = nn dap Präparaten des Mujeums der Sandwirtigaftlien Hodfhule in Berlin. ihm jeine Tochter eines Tages ein gejundes, ausgewachjenes Kaninchen gebracht Habe, das fich, wie gelähmt, von ihr hatte greifen Yaffen, nachdem es fich vor ihrem Heinen Hunde wiederholt im Graje niedergedrüct hatte. Ein Unterjchied im feineren Bau des Dber- und Unterhaares, in feinem Ausjehen unter dem Miktojfop, beiteht zwischen Hafe und Kaninchen nicht, obwohl gerade dieje Ein- ;elheit oft ein Üüberrafchend ficheres Mittel an die Hand gibt, nahe verwandte, fehr ähnliche Arten Scharf zu unterjcheiden. Der befannte Berliner Anatom Waldeyer jagt darüber zu den photographijchen Abbildungen in feinem „Atlas der menfchlichen und tierifchen Haare“: „Das Örannen- und Flaumbhaar von Hafen und Kaninchen ift nicht Scharf unterfchieden, indem alle möglichen Übergänge vorfommen.” Das macht e8 um fo eher erflärkich, daf im Januar 1894 in Dahl bei Bork a. d. Lippe von WU. Bedmann ein Wildfaninchen mit außerordentlich langem Belzhaar erlegt wurde, fo daß e3 den Eindrud eines Angorafaninchens machte. Wildfanindhen: Unterfchhied vom Hafen. Heimat. Ausbreitung. 235 Auch an den Sohlen der Hinterläufe war das Haar jehr lang. Die Pelzhaare waren durch- fchnittlich 15 cm in der Länge. Das Stüd wurde der Sammlung des Provinztalmujeums in Münfter überwiejen und in den Jahresberichten der Yoologijchen Sektion 1895 bejchrieben. Dbmwohl das Kaninchen oft viel mehr Junge wirst als der Haje, jcheint ein Unterjchied in der Zibenzahl nicht zu bejtehen; man findet dieje wenigjtens überall nur ganz allgemein für die Hajenartigen mit fünf Baar angegeben, zwei Baar brujt- und drei Baar bauchjtändige. Fat alle Naturforjcher nehmen an, daß die urjprüngliche Heimat des Kaninchen Südeuropa war, und daß e3 in allen Ländern nördlich von den Alpen exit eingeführt wurde. Plinius erwähnt e3 unter dem Namen Cuniculus, Ariftoteles nennt e Dasypus. Ifle alten Schriftjteller bezeichnen Spanien als jein Vaterland. Strabo gibt an, daß e3 von den Ba- learen aus nach Stalien gefommen jei; Plinius verjichert, e3 vermehre fich in Spanien zu- mweilen ins Zahllofe und bringe auf den Balearen Hungersnot durch Berwültung der Ernte hervor. Die Injelbervohner erbaten jich vom Staifer Auguftus Soldaten zur Hilfe gegen dieje Tiere, und Kaninchenjäger waren dort jehr gejuchte Leute. Die Nachrichten aus dem Mittelalter und der Neuzeit Hat E. Hahn mit äußerjtem Fleihe zufammengetragen in jeinem gehaltreichen Buche „Die Haustiere und ihre Beziehungen zur Wirtjchaft des Menjchen”, das überhaupt eine wahre Fundgrube für derartiges Ge- ichichtsmaterial ift. Hahn gibt uns auch fehr fchöne Auskunft über den Namen des Kaninchens, das im Mtertum zuerft von dem griechiichen Gefchichtichreiber Polybius fir die Snfel Korjifa al3 kyniklos erwähnt wird. Daraus ift offenbar das lateinijche cuniculus, der deutjche und andere Namen entjtanden, auch im Altfranzöfischen hieß der heutige, an „lepus“ an- fliingende lapin: conin- oder conil; nur das englijche rabbit ijt jelbjtändig abauleiten. „Einen wirklichen Aufjehwung nahm die Zucht und Verbreitung der Kaninchen exit im jpäteren Mittelalter, und zwar nach zwei recht verjchiedenen Seiten hin. Einmal zog man zahme Kaninchen, die dafür ja jehr geeignet waren, im gejchlojfenen Raum in den Stlöftern.... Dann aber begann man auch, an den weltlichen Höfen Kaninchen in Gehegen zu halten, um den Damen, die doch auch Dabei fein jollten, eine müheloje und eher ziemliche Jagdvergnüs- gung zu geben. Das nahm mit dem wachjenden Lurus eher zu als ab. Weil man aber Doch Die Schädlichkeit de3 Kaninchens fennen lernte, anderjeit3 jeine große Genügjamfeit er- Yaubte, Kaninchen zu halten, wo fein anderes Wild fortfam, und e3 fich leichter als irgendein größeres Wild, 3. B. Hirjche und Nehe, an Bord der Schiffe transportieren fie, jeste man das Kaninchen vielfach auf Snfeln aus... Sm allgemeinen jcheint aber die Anfiedelung des Kaninchens, namentlich des wilden, langjamer erfolgt zu fein, al3 man eigentlich denken jolte...” So war das Tier gegen Ende des 16. Jahrhunderts wild weder im Rheinland noch in Schlefien befannt. „Selbft Fleming in feinem ‚Teutjchen Jäger‘ (1724) fannte im damaligen Kurfachjen noch feine wilden Kaninchen... Eine befondere Bedeutung, wenn auch für die zoologijche und botanische Geographie Feine jehr erfreuliche, erlangten die Kaninchen im Zeitalter der Entdedungen. Aus anerfennenswerten Gründen der Nenjchlichkeit festen ihon die PRortugiefen, um Schiffbrüchigen ihre Eriftenz zu erleichtern, auf Heinen und größeren Snjeln, die fie ohne Tiere trafen, außer Ziegen auch Kaninchen aus. Bereit3 Der erjte Stolonifator von Porto Santo neben Madeira, Percotrello, brachte 1418 dorthin Kaninchen mit, die freilich fpäter ducch ihre großen Verwüftungen die Kolonijation geradezu gefährdeten." Das Bortojanto-Kaninchen ift fpäter in der Sturm- und Drangzeit des Dar- winismus abermals zu einer gewijfen Berühmtheit gelangt als Beijpiel nachweisbarer Ab- änderung eines Tieres während befannter Zeit. Deshalb wurde e& von Haecdel Lepus 26 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajen im weiteren Sinne. darwini genannt; Matjchte will aber an dieje Abänderung exit glauben, wenn jie jich nicht nur dem enalijchen, jondern auch dem portugiejischen Kaninchen gegenüber als jtichhaltig erweilt. Mit den Stüden des Liljaboner Mujeums aus dem Tajogebiet verglichen, ift Dies angeblich nicht der Fall. Nach Trouejjart („„Bull. Soc. nat. d’acel.“ Januar 1910) find dieje ihwärzlichen PBortojanto- Kaninchen bis zur Größe einer ftarfen Wanderratte herunter- gekommen und kreuzen jich nicht mehr mit europäischen Kaninchen jpäterer Einführung. — „sn Südafrifa Haben die vorjichtigen Holländer die Anfievelung der Kaninchen auf dem ejtlande durch ftrenge Strafbeitimmungen immer zu verhindern gewußt... %. %. Nein (1881) fannte das Kaninchen für Japan faum; dagegen joll jich jeßt (1892) eine wilde Spe- fulation in Kaninchen nach Art des Tulpenschwindelsder Japaner bemächtigt Haben. Schlimm jteht es mit Auftralien und Neufeeland. Hier haben fich die wilden Kaninchen, die der lei- digen Jagd wegen ausgejeßt wurden, zu einer fürchterlichen Landplage entwidelt. Sie jollen jogar hier ihre Lebensweije etivas verändert haben, indent jie nicht jo viel graben, dafiir aber gelernt haben, in dem fnorrigen Gejtrüpp des auftraliichen Bufches ziemlich Hoch zu Fletiern; auch in Neujeeland find jte jehr jchäplich geworden.” DTegetmeyer legte 1888 in der Yuniißung der Londoner Zoologischen Gejellichaft die jchlanferen, jchärfer und diinner befrallten Füße eines jolchen „Sletterfaninchens‘ vor. Die eingefandten VBorder- läufe ftammten von einem Staninchen, das man tot 3m über dem Erdboden in den Iliten eines Afazienbufches eingeflenmt fand. Ebenfo jieht man die Fraßjpuren der Tiere mehr als 4 m über dem Boden an der zarten Ninde der Feinesiwegs ftarfen Büjche. Die ganze lage jtammt von englischen Kaninchen her, die im Jahre 1859 durch einen gewiljen Autin im Bajjeon Park bei Geelong (Staat Victoria) ausgejeßt wurden. An manchen auftraliichen Orten, wo die Kaninchen zu Taujenden leben, fann man oft auf 10 Meilen weit feine Kaninchenhöhle finden; die Jungen werden in Nejtern (Lagern) auf dem Boden beobachtet, ohne das geringjte Obdach, während an anderen Pläben die Höhlen in großer Zahl vor- handen jind. Während der heifen Jahreszeit werden die Kaninchen auch am Rande in Wafjerlöchern nur mit dem Kopfe über dem Wajjer gejehen, wie jie auch bei der Wande- rung nach beijeren Futterpläßen oder bei der Verfolgung durch Hunde nicht unbeträchtliche Ströme überihrwimmen. Die Kaninchen leben eben in Auftralien oft unter Verhältnifjen, unter denen milde europäische Kaninchen, plöglich hineinverjegt, ficherlich untergingen. Der Berichterjtatter beobachtete auf jeiner Reife oft Taufende von Kaninchen munter lebend, während er jie andermärts zu Hunderten tot liegen jah. Wie ihm gejagt wurde, waren jalz- haltige Bilanzen während der heißen Zeit das einzige Futter der Tiere, und two dieje dabei nicht genügend Wajjer hatten, gingen fie zugrunde. Geradezu troftlos ijt Der Bericht des Direktors Loir vom bafteriologiichen Inftitut in Syoney, dejjen Inhalt Dr. E. Müller im „Zoologijchen Garten” 1894 auszugsweije wiedergegeben hat. „Heute ijt die ganze Gegend von der Südgrenze Victorias bis zur Kowarenze von Queensland nichts al3 ein großes Kaninchengehege, und Schäfereien, die jonjt 120000 Schafe zählten, Haben heute nur noch den vierten Teil. Taujende von Heftaren Landes find von den Pächtern verlajjen und Taufende von Perjonen ruiniert. Eine vor zwei Jahren erfolgte Schäßung der Kaninchen ergab ungefähr 20 Millionen diefer Nager, eine Zahl, die aller Wahrjcheinlichkeit nach noch zu tief gegriffen ist... Zwei Jahre genügen diejen Nagern, um reiche Weideländer in Wüften zu verivandeln, fo daß man heutzutage Hunderte von Kilometern ducchreijen fan, die jeder Vegetation entbehren... Kurz vor dem Werfen verläßt das Weibchen die Kolonie und wandert oft 4-5 km weit, um weichen, VWildfaninchen: Ausbreitung. Schädlichkeit. 27 tonigen oder jandigen Boden aufzujuchen, in dem es leicht ein Neft aushöhlen fan. Nach 3 Wochen verlajjen die jungen Kaninchen den Bau und bilden alsbald eine neue Slolonie... 4 Monate jpäter werden die Weibchen Mütter; auch jte wandern, wie vorher gejagt, 4—5 km, um ein Net zu bauen, aus dem jie nach ungefähr 5 Wochen zurückkehren, während die Jungen jich in der Nejtgegend anjtedeln. Man rechnet, dat die Kaninchen auf diefe Weife in 3 Jahren ungefähr 100 km zurüclegen.” Alle bisher zur Vernichtung diefer Plagegeifter angemwendeten Nittel find ohne rechten Erfolg gewejen. Neuerdings umgeben die Pächter ihr Land mit Umzäunungen von eng- majchigem Eijendraht, die ungefähr 1 m hoch find und 10 cm tief in den Boden gehen, jomit vor allen Dingen gegen neuen Zuzug jchügen und innerhalb des umgrenzten Raumes die Vernichtung erleichtern. Längs den Zäunen jtarben die Kaninchen zu Millionen und bil- deten wahre Leichenmwälle, mit deren Hilfe dann von den nachfolgenden die Zäune über- ichritten wurden. Oft genügt aljo nicht einmal eine Einzäunung, man hat in der Entfer- nung von 1km eine zweite errichten müjjen. Ziwilchen Neufüioiwales und Sipdauftralien it ein 519 km langer Zaun gezogen, dejjen Kojten jich für den Stilometer auf 1200 Marf belaufen. Als Mittel zur Vernichtung der Nager wendet man Gifte, wie Arjenif, Steychnin und Phosphor, an. So vergiftet man z.B. mit Arjenif die Wajjerbehälter, ein Berfahren, da3 Jich allerdings nur in der trodenen Jahreszeit bewährt, da die Kaninchen nicht zur Tränfe fommen, jolange jie friiches Gras haben. Man hat dann jchon bis zu 10000 Leichen nach einer einzigen Nacht an jolcher Tränfe gefunden. Wirfjamer ift noch das Strychnin. Man taucht Zweige von ungefähr 20 cm Länge in einen Strychninteig und jtect dieje in gemwijjen Entfernungen in die Erde. Die Schafe rühren dieje Ziveige nicht an, wenn man jie nur jorgfältig aller grünen Blätter entblößt, oft aber findet man um jie s—10 Kaninchenleichen. Ein drittes bewährtes Mittel jind Oetreideförner, Durch Phosphor und Strychnin vergiftet. Hunde, Hagen, Wiejel, Hermelin und Frettchen find ebenfalls gegen die Slaninchen ins Feld geführt worden. So hat die Regierung von Neujeeland in den Jahren 1887—1888 nicht we- niger als 2000 Frettchen gefauft, die jich jehr nüßlich erwiefen Haben. Fajt noch bejjere Nejultate hat man mit Hermelin und Wiejel gehabt, da dieje aus reiner Mordluft würgen. Selbit die Elektrizität Hat man neben vielen anderen abenteuerlichen Mitteln für die Ver- tilgung der Kaninchen in Borjchlag gebracht. ber man liejt immer noch und immer iieder in den Zeitungen, daß die auftraliiche Bundesregierung dem Erfinder eines wirklich wirt jamen Mittel3 zur Vertilgung der Kaninchen ein jtattliches Bermögen al3 Prämie veripricht. Wie Hoch man in Auftralien den durch die Kaninchen angerichteten Schaden bemertet, ijt daraus zu erkennen, daß die Regierung von Neujüdmwales in einem Jahrzehnt etwa 15 Mil- fionen Mark zur Bekämpfung des Übels aufgewendet und jchlieglich eine Belohnung von 500000 Marf demjenigen zugefichert hat, der ein durchichlagendes Mittel gegen dieje Land- plage, d. h. zur Vernichtung der Kaninchen, erfinde. Um jich einen Begriff von der Ktanin- chenplage in Auftralien, und was fie für den Schaffarmer bedeutet, zu machen, genügt es, einen Bli auf die Zahlen zu werfen, die Mr. Allan, der „Hauptinjpektor” der Kaninchen für Victoria, in feinem Bericht an den Minifter für Landwirtichaft angibt. Allan jagt (1908), dab während der legten fünf Jahre durchjchnittlich jährlich 19648000 Ktaninchenbälge erpor- tiert worden find, während etwa eine Million Bälge jährlich in der Kolonie verbraucht werden. Nach Abzug der aus den benachbarten Staaten eingeführten Bälge jchäst Allan die Zahl der in jedem Jahre jeit 1903 in Victoria getöteten Kaninchen auf 131, Millionen. Auch bei uns it das Staninchen längjt jowwohl forjt- wie landiwirtjichaftlich ein großer 28 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Schädling geworden; in beiden Beziehungen bejteht nur injofern vielleicht ein gemijjer Unterjchied, al3 es Waldjchaden nur in der Wintersnot, Feldfchaden aber das ganze Yahı jozufagen als tägliche Brot macht. Altum widmet ihm in feiner „Foritzoologie” jchon 1876 ein ausführliches Kapitel und hat noch in jeiner legten Lebenszeit 1900 über „Durch wilde Staninchen angerichtete Schäden und gegen fie anzumwendende Mafregeln” in der „geitichrift für Fort und Jagdmwejen“ berichtet. Er fchreibt dem Staninchen eine größere foritlihe Bedeutung zu al3 dem Hafen, und zivar zunächjt wegen „jeines zahlreichen Zu- jammtenlebens an einzelnen Stellen. &3 jchält dort nämlich in ftrengen, jchneeigen Wintern in oft höchjt ausgedehnter Weile. Dann aber greift e3 fchälend eine weit größere Zahl von Holzarten an und nagt endlich weit jchärfer al der Hafe”. Am einzelnen legt Altum den Bericht eines Oberförjters Goedefe aus „Heteborn, einem reichbejegten Saninchenreviere”, zugrunde. Wenn tiefer Schnee den Staninchen längere Zeit den Bejuch des Feldes ver- bietet, ijt mehrfach beobachtet worden, daß jte jich mehrere Tage der Nahrung ganz enthielten, bis jie endlich durch den heftigjten Hunger zum Benagen der Hölzer getrieben wurden. So= lange fie vom Stamm getrenntes Neisholz finden, vergreifen fie fich nicht leicht an noch jtehendem, jondern benagen jene3 bis zur Abhiebftelle, fcheuen fich alfo nicht etwa vor der jtärferen Rinde am unteren Stammende. Die Kaninchen verjchmähen feine Holzart, mit alleiniger Ausnahme des Holunders (Sambucus nigra). Bei jungen Stämmchen wird die Rinde oft ringsum oberhalb des Wurzelfnotens bis auf eine Höhe von 60 cm, je nach der Höhe des gefallenen Schnees auch darüber, abgenagt. Solche Bejchädigung verurjacht natur- gemäß das Eingehen der Stämme und nötigt bei ausgedehnterem Schaden zum Abhieb des Holzes. Auch Forjtjchaden dur) „Schneiden“, vollftändiges Abnagen und Fällen, junger Stämmchen wurde Altım berichtet und durch Fraßjtüde belegt: junge, bis dreijährige Stie- fern aus der Umgegend von Emmerich; Kiefernpflugfurchenjaat und Kiefernjährlingspilanzen aus dem Langenjelboßder Gemeindeivalde, wobei nicht nur die Triebe abgejchnitten, jondern auch Die Nadeln jtellenweije abgeäft waren; 1 ha vierjährige Schwarzfiefern in Merfeld bei Dillmen wurden völlig vernichtet. Außerdem aber feharrt das Kaninchen auch oft Bilanzen aus. m Forjtrevier Lawefum wurden jogar Eichenpläßejaaten vollftändig ruiniert; die Kaninchen Frasten die im Frühling gelegten Eicheln teils jofort, teils nach, bereits erfolgten Keimen aus und äften jie. — Ludwig Schufter Haben jeine „Kaninchenftudien” („Zoologijcher Beobachter” 1907) in Gonfenhein bei Mainz zu der Anficht geführt, daß im Nadelvald immer nur Berbiß>, niemals Schälfchaden entjteht, im Laubwald umgekehrt. „Der Schaden im Nadelvald... ift ein ganz ungeheuerlicher und verurfacht jahrelange und mühjelige Nach- bejjerungen in den Stulturen.” DerMangel an allen frischen Grün im Snnern des modernen Kunjtnadelwaldes treibt die Kaninchen, namentlich zur Winterzzeit, zum Berbiß der jungen Kiefernpflanzen. Die einjährigen Seßlinge werden natürlich am liebjten befrejjen, und zivar frißt das Kaninchen „die Nadeln bis auf kurze Stümpfchen rund um den Trieb ab, läßt aber die unterjten, dem Boden am nächjten ftehenden Nadeln in der Regel unverjehtt ... Etwas anders geftaltet fich der Verbiß bei der auch gerne angegangenen Fichte”, die „erft im dritten oder vierten Lebensjahr ins Freie gebracht” wird. „Das Kaninchen fchneidet hier meijt nur die Kinofpen und die jüngften Triebe ab... Altere Kiefernpflanzen (eventuell aber auch einjährige) werden oft am Boden abgefchnitten und dann meift, ohne daß fie noch weiter beachtet und beäft würden, liegengelafjen; hier ift wohl nur der Trieb des Ktanins, jeine Nagezähne abzunusen, Veranlafjung zur Beichädigung. Die Weimutsfiefer wird ebenfalls meijt nur abgefchnitten.... Anders im Laubwald. Hier nimmt der Schälfchaden Wildfaninhen: Forit- und Feldihaden. Bertilgung. 29 oit ungeheure Dimenjionen an. Dennoch wird er in den Laubwäldern der Oberföriterei Mainz nicht gerade drücdend gefühlt, weil das Staninchen Die unedlen Holzarten bevorzugt und die Hauptbejtandbildende Holzart, die Eiche, ihrer jtarfen Borfe und auch wohl ihres Gerbjäurereichtums wegen verjchont. In eriter Linte vergreift e3 ich an der forftlich gänzlich untergeordneten Hainbuche” und „benagt, da die Rinde der Hainbuche lange Jahre weich und dünn bleibt, von Diefem Baume jelbjt noch die jtärferen Stämme und auf eine bedeu- tende Höhe hinauf; e3 richtet jich Dabei auf den Hinterläufen auf, und jo zeigt jich die Nage- tätigfeit noch bis zu einer Höhe von 50cm tiber dem Boden. Auch die wertvolle und glatt- tindige Ejche ift dem Schälen ftarf und noch bis in höheres Alter ausgejeßt; gleiches qilt von der mwertlofen, jchon fast als Forjtunfraut zu betrachtenden Ejpe.” Über die Feldichäden der Kaninchen fagt Rörig in feiner „Tierwelt und Landimirt- ichaft”: „Da fie fich ungern weit von ihren Bauen entfernen, jo tritt der durch fie angerichtete Schaden viel deutlicher hervor al3 der vom Hafen verurjachte; denn jie äjen plabweije exit alles Genießbare ab, ehe fie weiter vorrüden, frejjen die Pflanzen auch bis zur Wurzel auf und zerjtören jo die gejamte Vegetation in der Nähe der Walo- und Schonungsränder. unge Saaten werden meijt völlig vernichtet, und nur wenige Halme, die meijt nicht das Abmähen wert find, gelangen zur Reife; den Stlee-, Gerradella- und Lupinenjchlägen geht e3 nicht bejjer, und oft genug beträgt die Zone der völligen Bernichtung 50 m und mehr.” Diefe „Gründlichkeit”, mit der das Kaninchen wirft, „Itellt es in eine Kategorie mit manchen anderen Yandmwirtjchaftlichen Schädlingen, gegen welche Mafjenvertilgungsmittel zur Aln- wendung fommen müfjen. Da, wo die Kaninchen jo überhand genommen haben, daß man duch Frettieren, Abihuß und Fangen ihrer nicht mehr Herr werden fann, bleibt nichts anderes übrig, alS zu dem zwar nicht weidmännifchen, aber jehr wirfungspollen Schwefel- fohlenftoffverfahren feine Zuflucht zu nehmen. Der Schwegelfohlenftoff, eine Höchit unan- genehm nach faulendem Nettich riechende Flüfjigfeit von mweißlicher oder gelber Zarbe, hat die Eigenschaft, fehon bei jehr niedriger Temperatur zu fieden und dementjprechend Leicht zu verdunften. Diefe Berdunftungsgafe jind fchmwerer als die Luft, jinfen alfjo zu Boden und mifchen fich mit der dafelbft befindlichen Luftichicht. Tiere, die folche Luft einatmen, werden von Übelfeit und Lähmungserfcheinungen befallen, jchnell bewußtlos und gehen in furzer Zeit ein, ohne daß jie vorher bejondere Schmerzen zu empfinden jcheinen; denn jie machen, wenn die Luftmifchung zu wirfen anfängt, feine jähen Fluchtverjuche, jondern er- geben fich, ihrer geiftigen und förperlichen Kräfte offenbar jehr jchnell beraubt, widerjtandslos in ihr Gejchid. Das Schtefelfohlenftoffverfahren, das im Anfang viele Gegner hatte, ift aljo ein durchaus Humanez Mittel, ich diefer Schädlinge zu entledigen, da e3 die Dauer der Todesangft, die bei Anwendung von Eifenfallen oft außerordentlich lange währt, auf ein Mindeitmaf bejchränkt.” AS einzigen Nachteil diefer Vertilgungsmethode bezeichnet Rörig, „Daß die auf folche Weife getöteten Kaninchen dem menjchlichen Konfun verloren gehen“. Eine intereffante Feftitelflung der in einer beftimmten Zeit verbrauchten Ajungsmenge fonnte DOtto-Mörs machen. Für 24ftündige Abwejenheit fie er einem gezähmten, noch nicht einmal ausgewachjenen Wildfaninchen an Futter zurüd: 2 große Blumentöpfe voll 35 cm hoher Infarnatkleeftengel, 2 mittelgroße Grünfohlpflanzen, 2 große Weißbrotjchnitten. Alles war bei jeiner Rücfehr vertilgt. Diefes Kaninchen lebte in anderem Bejit nach 815 Jahren noch) („Zoologijcher Beobachter” 1911). Auch dem Weinbau fann das Kaninchen jchädlich werden. Darüber liegt in den Jahres- heiten des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg ein jehr feijelnder Bericht 30 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. des Stuttgarter Naturforichers Julius Hoffmann aus dem Jahre 1899 vor, der eine „Ka- ninchenplage in ven Stuttgarter Weinbergen“ feitjtellt, während wilde Slaninchen bis dahın in Württemberg ganz unbefannt waren. Dieje Stuttgarter Weinberg-Kaninchen ftammten aber auch von zahmen ab, find troß der ihnen ungünftigen jchweren Böden fchnell verwildert und in ihrem Außeren den wilden völlig ähnlich geworden. Shre rafche Vermehrung ift durch zwei milde Winter und dadurd) begünftigt worden, Daß fie jich begnügten, hinter Mauerjteinen uf. Furze Röhren zu graben, um jich und ihre Jungen zu verbergen. So haben jte eS fertig gebracht, jich ganz anderen al3 den ihren wilden Artgenojjen zujagenden Berhältniffen anzupaffen und fich in bedenflicher Weife zu vermehren. Hoffmann meint mit Recht, wirklich wilden mit ungejchwächten Injtinkten wäre dies vielleicht nicht gelungen. Schließlich mag noch die einleuchtende, weil in eigener Erfahrung begründete Bejchtwerde des Bejisers einer Spargelanlage aus der „Deutjchen Sägerzeitung” (1906, Nr. 34) hier Vlat finden, der über empfindlichen Staninchenjchaden KHagt. Er behauptet, „daß alljährlich die Kaninchen, auch wo jolche gar nicht jo jehr häufig find, im Auguft bis Oftober vom Walde, jelbjt wenn Diejer 400—600 m dom Spargelfelde entfernt ift, nach der um dieje Sahreszeit einer jechs- bis achtjährigen, Dielen Siefernjchonung ähnelnden Spargelplantage hinrücen und hier die erhöht liegenden Spargelbeete unterwühlen, die Wurzeln der Pflanzen Dadurch vielfach bloßlegen und jomit dem Wachstum der Pflanzen wejentlich jchaden“. So macht fich diejer gleich immer zahlreich auftretende oder wenigjtens bald fich jehr vermehrende Schädling für alle Die verjchiedenen Zweige der Fort und Landwirtichaft ganz empfindlich bemerkbar, und es ijt nur qut, daß feine Verbreitung in unjerem Bater- lande immer noch „Iporadijch” zu nennen ift, wie AUltum jagt; d.h. das Kaninchen fommt in Deutjchland zum Unterjchied vom Hafen, der wohl nirgends ganz fehlt, in der Negel nur in jolchen Gegenden und an jolchen Orten vor, die ihm bejonders zujagen. Mit diejer Ein- Ichränfung aber ift das wilde Kaninchen (Starnidel) gegenwärtig über ganz Süd- und Mittel- europa verbreitet und in manchen Gegenden überall gemein. Die Länder des Mittelmeer beherbergen e3 immer noch am zahleeichiten, obgleich man dort feine Schonung fennt und e3 zu jeder Jahreszeit verfolgt. Ir England wurde es der Jagdluft zuliebe in verjchiedene Gegenden verpflanzt und anfangs jehr hoch gehalten; noch im Jahre 1309 fojtete ein wildes - Kaninchen ebenjoviel wie ein Ferkel. Im nördlichen Ländern fann e3 nicht gut leben: man hat vergeblich verjucht, e3 in Rußland einzubürgern. In Ungarn fommt es, nad) Mojjijovics, ausgejeßt zwar gut fort, it aber von Natur wild dort nicht zu Haufe. Friedel und Bolle („QWirbeltiere der Provinz Brandenburg”, 1886) nennen e3 „im (alten) Sal. Botanischen Garten jowie in den Sandhügeln der Stadtteile Gejundbrunnen, Wedding und Moabit, aljo innerhalb Berlins, gemein”. Im Grunewaldvorort Halenjee guete es im Sommer 1907 noch frühmorgens unmittelbar neben dem Niejenrejtaurant „Zerrajjen” durch den Zattenzaun auf die Straße. Sonft ijt in Deutjchland im ganzen eine Verbreitung von Weiten nach Dften fetzuftellen, im Gegenjaß zu dem allgemeinen „Zug nac) dem Weiten”, jeden- jalß aber im Zufammenhang mit dem weftlichen Herfommen des Tieres. Co ift das Ktaninchen neuerdings von Hejjen ins mweitliche Bayern vorgedrungen, und 1911 hatte es jich, laut der „Deutjchen Sägerzeitung”, fogar fehon im VBorjpeffart eingeniftet. Ein interefjantes Sondervorkommen des Kaninchens ift das auf den friefischen Injeln und den Kordjeeinfeln überhaupt, auf den erjteren um fo interejfanter, al3 hier, auf Juift und Baltrımm, der feltene Fall vorliegt, Daß man des eingeführten Kaninchens auch einmal wieder Herr wurde. Man hat e3 auf den genannten Injeln neuerdings ausgerottet und Wildfaninhen: GStellenweife Verbreitung. Küften- und Injelvorfommen. 31 den ivertvolleren, zugleich aber, was die Hauptjache ijt, in den Dünen weniger jchädlichen Hafen dafür eingeführt. ALS man Durch Befeitigung und Bepflanzung das unheimliche, gefahrdrohende „Wandern“ der Dünen abzuftellen begann, wurde die fegensreiche Wirkung diejer Foftjpieligen Maßnahmen durch die Kaninchen nur zu oft in Frage gejtellt, zumal die Iprichwörtlich fruchtbaren Nager fich jest ungleich ftärfer vermehrten als früher, weil jie in den befeftigten Dünen ficherere Schlupfmwinfel und in dem angepflanzten Sandhafer (Arundo arenaria) und Stranddorn (Hippopha& rhamnoides) reichlichere jung fanden. Die Sa- ninchenbauten eröffneten bei Sturmfluten dem Meerwajjer wieder Eingang in die feit- gelegten Dünenmälle, diefe wurden zugleich durch Zerjtörung der Pflanzendede wieder ge- fodert, und Zufammenbrüche und Überfchwenmungen waren die unglücliche Folge. Auf anderen Nordjeeinjeln dagegen, jo z.B. auf den SfelligsRods, ganz gefährlichen Feljenneitern an der Südmeftfüfte Srlands, two die Kaninchen zu Anfang des Mittelalters von Mönchen und Klausnern eingeführt wurden, erfreuen fie ich wohl für alle Zeiten ungejchmälerten Ge- deihens. Auch auf den weitiriefiichen, zu Holland gehörigen Snjeln und auf Norderney gibt e3 noch viel Kaninchen. Ebenjo hat Schweden jeit 1904 einen Borgejchmad erhalten, wie vajch ein Land zur Kaninchenplage fommen fan. Bon jchwediichen Jagdliebhabern angejtellte Berjuche, das deutjche Wildfaninchen an geeigneten Plägen einzubürgern, jind ztvar regelmäßig jehlgejchlagen; dagegen gelang die Einbürgerung weit über Erwarten und ganz wider Willen mit einem halben Dußend gewöhnlicher Hausfaninchen, die ein Kleiner Befiger auf einer zum füdfchwendischen Län Halland gehörigen Schäreninjel freiließ, um jie mitfamt den Jungen fpäter wieder einzufangen. Das hatte aber feine Schmwierigfeiten. Ein anjehnlicher Teil der Nachfommenschaft Hatte es nämlich vorgezogen, in den nahen Klippenwaldungen jejten Stand zu nehmen, wo ihnen in dem jteinigen, höhlenreichen Ge- lände weder mit Menfchenhand noch mit Hunden oder jonjtwie beizufommen war. Jung und alt ging auf die Slaninchenjagd, ein alter Waldaufjeher joll binnen weniger Donate über 3000 Stüd zur Strede gebracht haben; trogdem Tieß fich feine wejentliche Abnahme jeit- stellen, vielmehr müfjen die Befiber des angrenzenden Strandgebietes in der Furcht leben, daß die Kaninchen bei fortichreitender Überhandnahme zur Winterszeit über das Eis nad) dem Feitlande rücden und auch dort fich einniften werden. Das Bemerfenswertejte an dem Falle ift, dat nicht das Wildfaninchen, fondern das Hausfaninchen und jeine Nachfommen fich jo hart und ausdauernd gezeigt haben. Merkfwürdig ift auch die Schnelligkeit, mit Der jich die ausgejeßten Tiere äußerlich ihrer veränderten Umgebung angepaßt haben. Die Haar- zeichnung ift faft ausnahmslos blaugrau oder auch rein weiß: dasjelbe Gewand, mie es der nordiiche Haje trägt! („Wild und Hund“, 14. Dftober 1904.) Im allgemeinen verlangt das Kaninchen hügelige und fandige Gegenden mit Schluchten, Felsflüften und niedrigem Gebüfch; am meiften liebt e3 junge, trodene Sliefernbeitände, Kurz Drte, wo e8 fich möglichft verftedden und verbergen fan. Hier legt es jich an geeigneten, am liebjten an fonnigen Stellen ziemlich einfache Baue an, gern in Gejellichaft, oft jiedelungs- mweije. Jeder Bau bejteht aus einer ziemlich tiefliegenden Kammer und in Winkel gebogenen Köhren, von denen eine jede wiederum mehrere Ausgänge hat. Dieje jind Durch das häufige Aus- und Einfchlüpfen gewöhnlich ziemlich erweitert; die eigentliche Röhre aber ijt jo eng, dat; ihr Bervohner gerade durchkriechen fann. Jedes Paar hat jeine eigene Wohnung und Duldet darin fein anderes feiner Art; wohl aber verjchlingen fich oft die Röhren von mehreren Bauen, und man findet mitunter die verjchiedenartigften Fremdlinge al3 Gelegenheitsbewohner darin. So jprengte laut „Field“ ein irifcher Frettierer an einem Tage ein Wiejel, einen großen 32 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Kater, elf Ratten und an einem anderen Tage zwei Füchje, an einem dritten einen Fuchs, eine Kate und ein Hermelin aus Kaninchenbauten. Auch „jene tiefen Schächte, die Der Grünjpecht und der Graufpecht in die Ameijenhaufen unjerer Wälder fchanzen, werden vom Kaninchen gern zum Einjchieben benußt. &3 erweitert den vom Specht getriebenen, bisweilen 3/, m tiefen Stollen, der in janjter Neigung nad) der Mitte des.Ameijenhügels führt, noch ein Klein wenig, namentlich am Ende der Nöhre, und der jchönfte und zweifellos auch beit- wärmende Nuheplaß ift Hergejtellt; ausgefragte Erde und Genijt, Kaninchenwolle und die nicht zu verfennende Lojung zeigen dem Beobachter an, daß der Lapıb Bejit von der Ameijenburg ergriffen und es jich in ihrem Innern bequem gemacht hat. Db allerdings dieje Lagerftätte auch den Anforderungen der Sicherheit entjpricht, darf man billig bezivei- fen; denn wenn ein Fuchs, Marder oder jonftiges Raubtier das Kanin im Ameijenhaufen überrafcht, jo it das Tier in jeinem Schacht, der feinen zweiten Ausgang und Fluchtweg bejigt, wie in einer Maufefalle gefangen.” (2. Schufter.) — Sn feinen Höhlen jißt das Staninchen, joweit e3 feiner urjprünglichen Lebensweile treugeblieben tt, fait den ganzen Tag verborgen, falls das Bujchwerf um den Bau herum nicht fo dicht ift, daß es fajt un- gejehen feiner Nahrung nachgehen Fan. Sobald der Abend anbricht, rüct e3 auf fung, aber mit großer Borjicht, indem e3 lange fichert, ehe e3 den Bau verläßt. Bemerft e3 Ge- fahr, jo drückt e3 jeine Erregung durch jtarfes Aufichlagen mit den Hinterläufen aus, und alle eifen jo jchnell wie möglich in ihre Baue zurück. Wie die oben angeführten Beijpiele zum Teil jchon beweijen, hängt das Kaninchen aber durchaus nicht jo einjeitig an trocfenem Gelände, daß es jich nicht auch einmal in feuchten Nevier anfiedelte. So leben nach Mit- teilungen de3 Grafen B. Brühl auf dem Gebiete feines väterlichen Majorates Pförten in ver Niederlaufis Kaninchen zahlreich und regelmäßig auch in den junpfigen Niederungen; bezeichnendermweije graben jie jich aber Dort feine tieferen Baue, mit denen jie al3bald ins Grumdmwafjer geraten würden, jondern jigen einfach in dichten Büjchen oder höchitens in ganz flachen Röhren unmittelbar unter der Erdoberfläche, jo daß Das jonjt oft jo wenig ergiebige Staninchentreiben dort ftetS reiches Weidmannsheil bringt, weil die Heinen grauen Scheine, aller jicheren Baue bar, vor dem Eopfenden Treiberjtoc wohl oder übel immer mieder aus ihren oberflächlichen Verftecen herausfahren müfjen. Eine gewilje „Anpafjungsfähigfeit”, ja jogar „Abänderung der AUrtgetvohndheit” jchrei- ben überhaupt die Beobachter dem Wildfaninchen zu. Unter beiden Stichivorten behandeln jowoHl 9. Dtto-Mörs als Ludiwig Schufter die weitausholende, unjere ganze Naturanjchauung berührende Frage: „Sit Das wilde Kaninchen in der Gegenwart in einem Fortjchritt vom Höhlenbemwohner zum Freilandbewwohner begriffen?" Dtto geht davon aus, daß es am tiederrhein eine Menge geradezu idealer Kaninchenreviere gibt, Wo e3 weder an pajjendem Baugelände noch an reichlicher Aung gebricht, zumal diefe Reviere dur) eifrige Jagd- tätigfeit mit Flinte und Frett vor Übervölferung bewahrt werden. Trogdem fieht man die Kaninchen dort andere Ortlichkeiten bejiedeln, die für ihre natürlichen, angeftammten Le- bensgemohnheiten weniger geeignet erjcheinen müjjen. So bewohnten jie in der Diürre des Sommers 1904 „jelbft Sumpfgelände, dicht mit Nohr und Schilf beivachjen”, und „auc) nach der Dürre, al3 jich längft wieder die gewöhnliche Wafjermenge eingejtellt hatte, fonnte man jie dort noch beobachten... Dft habe ich fie mitten im Wajjer auf einem trodenen Erlenjtode jisen jehen, zu dem fie, von Kaupe zu Kaupe jpringend, hingelangten. Solche Stellen find zum Lager fehr geeignet... Sie gewähren einen unbedingten Schuß gegen die Raubjäuger, Die einmal der Fährte nicht folgen fünnen, jodann aber auch, jelbjt wenn fie Wildfaninhen: Baue. Dberirdiiche Lager. 33 Witterung erhalten jollten, die Näjje jcheuen. m lesten Grunde ijt aber auf eine Ber- mehrung folcher Kaninchen nicht zu Hoffen; denn ihre bei trocdener Witterung angelegten, furzen Baue zur Aufnahme der Nachfommenschaft werden leicht beim exjten heftigen Ge- mwitterregen oder bei anhaltenden Niederjchlägen jo unter Wafjer gejebt, dat die Jungen erjaufen. Nicht jelten findet man jpäter die Jungenbaue jolher Kaninchen auf hochgelegenen Feldern in der Nähe waijerreicher Gebiete... Man darf wohl behaupten, daß Kaninchen jich überall da, two fie fich jeßhaft machen, auch jchnell die günftigjte Wohmungsgelegenheit ausfundfchaften. Sp wohnen jie ohne bejondere Bauanlage ziwiichen den Balten und Bret- tern größerer Holzlager oft mitten in den Städten, nad) Rörig jogar unter den aufgejtapelten Gifenbahnjchwellen und jonftigem dort angehäuften Betriebsmaterial auf den Lagerplägen des alten Hamburger Bahnhofes in Berlin. Bei Mörs am Niederrhein benußen jie das freie Yager einer Zementröhrenfabrif, um den Raum zwiichen je zwei Röhren al3 Fünftlichen Bau zu verwenden. Ar Feldbrandziegelöfen dienen ihnen die Feuerungszüge in ähnlicher Weife nicht nur zum Wohnen, jondern auch al3 Sabbaue. Neilighaufen jind ihnen als Erjag für Erdbaue nicht minder lieb. Auf den Stiefernfulturen des Forjtes Sternewald bei Sterfrade, die teilmweije auf faltem Moorboden, teilmeije auf feitem, lehmigem, grobfiejigem Grunde jtehen, wohnen fie in den bis 0,50 m tiefen Abzugsgräben, die von Heidefraut volfftändig übertwuchert find, daß faft fein Lichtitrahl in jie dringen fan. in diejen Gräben haben jie auch ihre Wechjel. Höchft jelten graben jie noch eigene Baue.” Die merkmür- digfte Anpafjung bleibt aber doch die folgende jeiner Zeit in „Weidwerf in Wort und Bild“ bejchriebene. Wilde Kaninchen hatten fich in einer ganz dicht verwachjenen Stiefernjchonung jogar Gänge zmwifchen dem niedrigften Aftwerf geichaffen, Über das jie regelmäßig hinweg mwechjelten. hnliche Wohnungen findet man am Niederrhein in dicht verwachjenen Heden, die nicht jelten durch Abnagen des Gezmweiges röhrenartige Gänge aufmweijen, in denen Die Kaninchen wohnen. Aus diejen tatfächlichen Beijpielen jchließt Otto jehr richtig auf eine „riejige Anpafjungsfähigfeit”, man möchte fast jagen: Anpafjungsluft der Kaninchen, die ftellenweije jo weit geht, daß fie gar feine eigenen Baue mehr anlegen und im beiten alle nur noch Sabbaue ausführen. Und gemwiljermaßen von der entgegengejegten Seite beleuchtet 2. Schufter diejelbe Sache: erfolgreiche Waldtreibjagden bei Schnee und jtärferer Kälte, die beweijen, daß die Karnidel troß Schnee und Froft ihre Baue nicht bezogen hatten; anderjeits wieder erfolglofes fünfjtündiges Frettieren im Februar bei richtigem Hundemwetter, Schnee- ftiüirmen im Wechjel mit wolfenbruchartigen Regenfällen und ftarfen Hageljchauern. „C3 iprang auch nicht ein einziges Kaninchen vor dem Frettchen. Alle Baue waren leer. Dagegen trieben die Frettierer öfters Kaninchen unter Gebüfch und Strauchwerf auf... Aus alledem ergibt fich, daß das Kaninchen zum Schuge gegen die Witterung den Bau gar nicht mehr bezieht; eine andere Veranlafjung, einen Bau aufzujuchen, hat e3 aber nicht." in Schuters Wirfungs- und Beobachtungsgebiet, der Oberförfterei Gonjenheim bei Mainz, wurden des Halb auch mit der Schweelfohlenjtoffmethode nur jehr unbefriedigende Erfolge in der Ka- ninchenvertilgung erzielt; dagegen ftie Schufter auf feinen Waldgängen mehr als einmal Kaninchen aus ganz freiem Lager, das genau einem Hajenlager glich. Er behauptet Daher, „daß das Kaninchen im Waldgebiete — ausdrückich zu betonen im Waldgebiete — ein Frei- wohner geworden ift.” — Bon den jchottifchen Hochmooren wird jogar berichtet, daß dort Kaninchenwiürfe iiber der Erde in Grasbüfcheln gefunden wurden; „Field“ (1909) erklärt dies in feiner Anttvort ziwar für ein ungewöhnliches Worfommnis, doc) jeien ihm bereits viele derartige Fälle befannt. Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 3 34 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. Die Bewegungen des Kaninchen3 unterjcheiven ich wejentlich von Denen des Hafen. Im erjten Augenblice übertrifft eg diejen an Schnelligkeit, immer an Gemwandtheit. Cs verjteht das Hafenjchlagen meifterlich, und erfordert einen vortrefflidh eingeübten Heshund und einen quten Schügen. Dadurch macht es einen ungleich verjchmibteren und fchlaueren Eindrud als der Haje, der jich lebten Endes immer auf jeine ‚Dauerläufe verläßt. Tat- jächlich ilt es faum auf der Weide zu bejchleichen und weiß bei Gefahr faft immer noch ein Schlupfloch zu finden. Wollte e8 geradeaus forteilen, jo wide e8 von jedem mittelmäßig guten Hunde jchon nach quter Zeit gefangen werden; fo aber jucht e8 in allerlei Gejtrüpp, in Seljenpalten und Höhlen Schuß und entgeht meift den Nachftellungen feiner Feinde. Auch ein Fall von anjcheinendem Sichtotjtellen ijt durch „Field“ (1911) befanntgeworden, in dem das beim Ajen überrafchte Kaninchen erst, mit angelegten Löffeln fich niederdrücend, regungslos verharrte, dann langjam auf den Rüden rollte und die Hinterläufe fteif aus- Itrectte — wie tot. Nach etwa zehn Minuten richtete es fich plößlich wieder auf, gab das befannte Alarnzeichen Durch Aufjchlagen mit den Hinterläufen und flüchtete in die Diefung. Die Sinne des Hugens, Bernehmens und Witterns find ebenso fcharf, vielleicht noch fchärfer als bei den Hafen. Sn jeinen Sitten hat das Ktaninchen manches Angenehme. &3 ijt gejellig und vertraulich, die Mütter pflegen ihre Kinder mit großer Hingebung; nach A. und 8. Müller werden dieje „von der Mutter jorglam gejäugt und jogar von dem Vater behütet, der den Stleinen mehr durch jeine ungejtümen Zärtlichfeitsbezeugungen als durch Bosheit jchaden fann. Soojt die Alte, morgens und abends, zur nächjten Ajung auf Schonungen oder das Teld riickend, den Bau verläßt, verjtopft fie behutjam den Eingang der Röhre mit Erbe. Später, nach dem Ausgehen der Jungen, jtellen Dieje jich Dem Vater vor, der, wie die Mutter, dann jehr anmutig und pofjierlich mit dem Heinen, niedlichen Volfe vor dem Baue jpielt. Dies geichieht namentlich morgens und abends, bei ftiller, heller Witterung auch nach- mittags zum bejonderen Crgögen des Beobachters. Die Flüchtigfeit der Tiere auf Kleine Streden wird hier jchon dem aufmerkfjamen Auge auffällig”, und dieje Ylüchtigfeit zu üben umd alles andere für das jpätere Ktaninchenleben Notwendige, das ijt ja auch Der einzige Grund und Zwed diejer Spiele. Wie bei gejellig lebenden Tieren überhaupt ftellt ji ein engeres Verhältnis zwischen Alten und ungen, ja vielleicht jogar mit dem Stanımdater einer ganzen Gejellichaft her. Sn den Monaten Februar und März beginnt die Nammelzeit der Kaninchen. Wie bemerkt, hält das Baar treu zufammen, wenigjteng viel treuer als das Hajenpaar; doch ann man nicht behaupten, daß das Kaninchen in Einweibigfeit lebe. Das Kaninchen geht „30 Tage tragend, ijt aber geeignet, fogleich nach dem Wurfe fich wieder zu begatten und bringt deshalb jeine Nachfommenjchaft jchon binnen Sahresfriit auf eine bedeutende Höhe. Bis zum Oftober jeßt es alle 5 Wochen 4—12 Junge in einer bejonderen Stamı- mer, die e8 vorher mit jeiner Bauchmworle reichlich ausgefüttert hat. Einige Tage bleiben die Kleinen blind, und bis zum nächjten Sabe der Mutter verweilen fie bei ihr im warmen Keit und jaugen.” Co Dietrich aus dem Windell. Die alte Schulmeinung von der Fort- pflanzung des Kaninchens hat aber in Der neueften Zeit mancherlei Berichtigungen erfahren müjjen, namentlich feit ınan auch die etivas wechjelnde Art und Weije, die Jungen unter- zubringen, mit der offenfundigen Neigung zum Wechjel in den Lebensgewohnheiten über- haupt verknüpft. Was Otto darüber jchreibt, macht durchaus den Eindrud guter Beobac)- tungen und fogiiher Schlüjfe, wenn e3 auch bis dahin Gültigem teilweije widerjpricht. „Sehr viele Jungkaninchen werden in den großen Bauen gejeßt... Die Aufzucht an diejen Wildfaninhen: Fortpflanzung. Jungenpflege, 89 Pläßen ift wohl im allgemeinen die Regel. In nicht unbeträchtlicher Zahl aber findet man am Niederrhein auch nur für den Ziwed der Jungenablage angelegte 1—2 m lange Röhren“, die wejentlich Den Zweck haben, die Brut vor dem alten Nanımler zu verbergen. „Man findet jolche Baue nicht nur in den Waldungen und in der Nähe des Gebitichrandes, fondern jelbit mitten auf großen Aderflächen und in Gärten mitten zwijchen bewohnten Häufern. Be- achtenswert tft das Berhalten des Mutterfaninchens am Bau. Wie es jcheint, befucht e3 die ungen nur während der Nacht. ES gibt ihnen vielleicht innerhalb 24 Stunden nur einmal Milch. ES ift bei diejen Tieren nicht notwendig, daß die Alte jie erwärmt; denn die nackten ungen (Taf. „Nagetiere I", 3, bei ©. 19) liegen in einem Nejte von Bauchwolle, die vor dem Seßen vom Mutterfaninchen jelbft ausgezupft worden ift. Damit diefe nun in den furzen Bauen nicht jo leicht Hunden, Sagen, Füchien, Mardern und ähnlichem Raubzeuge zur Beute fallen, jcharrt das alte Staninchen jedesmal vor dem Fortgange die Röhre von außen mit Erde zu. Gemöhnlich vermwittert es dann noch die Stelle Durch Lojung und Urin. Durch die Verwitterung des Jungenbaues wird mwahrjcheinlich Die Witterung der ungen jelbit abgejchwächt. Aus der Anlage diejer Baue tft erjichtlich, dat das wilde Sanin- chen auch ganz gut ohne ein weitverzweigtes Nöhrenjpitem ausfommen fann. Diejer Schritt zur primitiven Jungenbauanlage it vielleicht ein Schritt dahin, daß das Wildfaninchen einjteng noch einmal völliger Freilandbewohner wird. Für ältere Kaninchen bejteht durch- aus feine Notwendigfeit, einen Bau als Zufluchtsitätte zu bejigen, wenn nicht Die hilf- lojen Jungen in ihn gejegt und durch ihn bejchübt werden müßten.” Dieje Auffajjung wird von engliichen Beobachtern im „Field“ bejtätigt, wo die Dezembernummern von 1909 einen Austaujch von Erfahrungen über das Schließen der Brutröhren durch die Kaninchen brachten. Hugh Wormabd in Heathfield Hat den ganzen Vorgang an der Zibbe eines ge- zähmten Wildfaninchenpaares täglich mit angejehen und jchildert höchit anziehend, wie Die Alte Später den Berjchluß des Abends öffnete, als die Jungen jehen und laufen fonnten. Dann jtampfte jie vor dem Loche auf und gab ein quiefendes Grunzen von jich, ein Zeichen, auf das die Jungen nur warteten: jofort famen jie alle fünf heraus, um zu jaugen, ich toßend und balgend an der Mutter Seite und eines das andere wegdrängend. Ein anderer Liebhaber bejchreibt genau, wie eine Hausfaninchenzibbe die Sägejpäne ihres Käfigs zum Höhlenverjchluß zu verwenden wußte. Ein dritter Hat aber die Brutröhre von Wildfaninchen auch bei Tage offen gejehen, jogar das Hinterteil der Alten darin wahrgenommen und das Geräujch der jaugenden Jungen gehört. Sn bejonders trodenen Jahren, wie 1911, wo laut „St. Hubertus“ die „Starnidelplage an der baprisch-heiftichen Grenze” bejonders jchlimm war, jieht man jelbjt Ende Dftober noch ganz Eleine Kaninchen. Die Karnidel dringen dann aus dem Nadelwald in Die Felder, namentlich die Maisfelder, vor und graben fich Dort überall Baue. Dann it ihnen aber ihwer beizufommen, auch mit dem Frettchen, weil diejes unter der Erde rajch die unent- widelten Jungen greift und jich dann ftundenlang nicht wieder jehen läßt. Sn warmen Ländern find die Jungen bereits im fünften, in falten im achten Monate fortpflanzungsfähig, doch erreichen fie exjt im zwölften Monat ihr völliges Wachstum. Pen- nant hat jich die Mühe gegeben, die mögliche Nachfommenjchaft eines Kaninchenpaares zu berechnen. Wenn man annimmt, daß jedes Weibchen in einem ‘jahre jiebenmal jegt und bei jedem Sabe 8 Junge bringt, würde dieje Nachfommenichaft binnen 4 Jahren die ungeheure Zahl von 1274840 Stüd erreichen können. Schäff bemerkt aber dazu jehr richtig, „Daß die erjtaunlich Hohe Ziffer Pennants aus dem Grunde ganz unzutreffend ijt, weil jie zur 3*+ 36 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. Borausjegung hat, Daß alle Nachkommen am Leben bleiben und zur Fortpflanzung gelangen, was in Wirklichkeit nicht vorfommt.” Smmerhin kann auch in unjerem mitteleuropäifchen Klima und troß unjeres jtarfen, regelmäßigen Jagdbetriebes die Vermehrung ganz erjtaunlich jein. Bon einem jolchen Falle berichtet der reichsländiiche Forjtmann und Wildfenner Kruhöffer aus feinem Beobachtungsgebiete, indem er zugleich den [chäpdlichen Einfluß überhandnehmen- der Staninchen auf den Hafenftand beftätigt. „sn einem Waldfompler von etiwa 1000 ha im Zufammenhang ... waren vor etiva 20 Jahren noch jo viele Hafen, daß man hier die beiten Jagden im ganzen Bezirke machte. 200 Stüd an einem Tage wurden bei der Treib- jagd häufig erlegt, nachdem zuvor jchon beim Bufchieren viele abgejchofjen waren. Um dieje Beit ftellten fich nun aus der Nachbarjchaft die erjten Kaninchen ein... Obwohl die Ka- ninchen hier zu dem jagdbaren Wilde gehören und für den Jagdpächter auch einen gemiljen Faftor bilden, indem davon auf einer Treibjagd oft 200-300 Stüc erlegt wurden, jo gab man nicht nur den Foritichugbeamten den Abjchuß frei, jondern es befamen auch einzelne weitere Berjonen das Necht zum Frettieren und Fangen. Auf dDieje Weije gelang es, in der Zeit von einem Jahre in dem fraglichen Walde 13150 Stüd von diejen Schädlingen zu ver- tilgen... Mittlerweile waren aber die Hafen dort nur noch jo vereinzelt, daß jelten bei einer Treibjagd mehr al ein Dußend erlegt wurde...” E35 ift in früheren Zeiten mehrfach behauptet worden, daß SKtaninchen, abgejehen vom Hafen, jich auch mit anderen Tieren begatteten und Junge zur Welt brächten; alle hierauf bezitglichen Angaben entbehren jedoch volljtändig der Bejtätigung. Die Zeitungsnachrichten von angeblichen Miichlingen zwilchen Kaninchen und Kate und andere derartige Gerüchte erflären fich aus Fällen von Mißgeburten ftummeljchwänziger Katzen und Ägnfichem. ft doch bis heute beiten Falles exit ein einziges Mal der Nachweis gelungen, daß das Klanın= chen mit dem Hajen ich freiwillig fruchtbar paart! Die Behauptung, dies jei der Fall, it zuerit von dem verdienten, durch die Entdeckung des Sprachzentrums im Gehirn unfterb- lichen Anthropologen Broca in Baris ausgejprochen und von ihm auch der Name „Leporiden” erfunden iworden. Geht man aber dem Urjprung diejer jogenannten Leporiden oder Hajen- faninchen, von denen die franzöfiichen und belgijchen Züchter jchon jeit Jahren reden — neuerdings jind fie jtiller geworden —, jchärfer nach, jo jtellt jich immer heraus, dat Zeugung und Geburt diejer Tiere durchaus nicht unter „ziwingenden” Bedingungen jtattfanden und man daher auch noch lange nicht als wiljenjchaftliche Tatjache behaupten darf, wirklich auf dem gewöhnlichen, natürlichen Wege durch freiwillige Kreuzpaarung Hajenfaninchen ge= zlichtet zu haben. Der Trugjchluß aus gutem Glauben fonnte in Züchterfreifen gefürdert merden Durch die jtattliche Größe, zu der man die modernen Stallfaninchen herangezüchtet hat, und der hartnächge Widerftreit der wiljenfchaftlichen Kreije gegen die Leporiden erklärt jich ebenjo leicht aus der wejentlichen Verjchiedenheit, die bei Haje und Kaninchen gerade in der Fortpflanzungsweile hervortritt. Hans Friedenthal, der eifrige Erforjcher tierijcher Bermandtichaft und glückliche Exrperimentator auf dem neuartigen Gebiete der Blutflüjjig- feitsreaftionen, hat allerdings einmal einen Wurf Kaninchen erhalten, die faum etwas an- deres als wirkliche Hafenmifchlinge, Xeporiden, jein fonnten, weil jte „von einem graugelben Kaninchen ohne jchiwarze Ohren und Schtwanzipige geworfen” find, „welches nach der Geburt von Jungen nur mit männlichen Hajen zujammen war”, und zwar unter Berjchluß des Erperimentators in den Berjuchsitällen des Berliner Phyfiologifchen Inftitutes. Da diejer Wurf aber vereinzelt blieb, weder diejelbe Kaninchenzibbe noch andere von demjelben Hafen weitere Würfe brachten, jo hielt Friedenthal Superfötation (Überbefruchtung) von dem Wildfaninhen: Vermehrung. Vermiihung. Leporiden. 37 (egten Wurf echter Staninchen her fir möglich und veröffentlichte in vielleicht übergroßer Gemiljenhaftigkeit nichts iiber die Sache, zumal „die Färbung in feiner Weije an eine Hafen- järbung erinnerte... Allerdings fiel auf, daß die Jungen jchon am zweiten Tag aus dem Neite Frochen und durch die Alte wieder hineingebracht wurden. Die Haare waren aber nicht auffällig entwidelt. Der Wurf bejtand aus 7 Jungen, von denen mehrere jchivarz waren.” Sie jind in Spiritus aufbewahrt; die anatomische Unterjuchung jteht noch aus. — Soweit jolde in früheren Fällen gemacht wurde, wie 5. B. von Hermann dv. Nathufius- Hundisburg: „Über die jogenannten Zeporiden“ (1876), hat fie immer ganz unztweideutig und uneingejchränft die Schädel und anderen Körperverhältnijje reinblütiger Kaninchen aufgezeigt. Der genannte Vorkänpfer wiljenjchaftlicher Züchtungsfunde in Deutjchland jtellte mit Tieren aus der damals viel beredeten Leporivenzucht des Franzojen Gayot jo- wohl meitere Züchtungen als anatomijche Unterfuchungen vom neugeborenen bis zum erwachjenen Tier an mit all der Sorgfalt und Genauigkeit, die ihm eigen war: niemals lief; Jich in Yebensweije oder Sinochenbau auch nur die geringjte Spur entdeden, die auf Bei- milchung von Hajenblut hätte gedeutet werden fünnen. Auch Nehring Hat die Leporidenfrage zeitlebens genau verfolgt, jedes angebliche Streu- zungsjtüc, das ihm zugejchieft wurde, genau unterjucht; jo 1903 noch einen 5°/,pfündigen, beim Grafen Otto zu Wejterholt-Syjenberg in Wejtfalen erlegten Ranımler: e3 waren inımer reinblütige Kaninchen! Nehring jah die Sache an jich nicht für ganz ausjichtstos an, twierwoh! er jreimütig befannte, daß jeine jahrelangen Berjuche, Durch Freuzweijes Zujammenbalten bon Hajen- und Kaninchenpaaren Mifchlinge zu erzielen, nicht den geringjten Erfolg gehabt haben. Er hielt einen Erfolg aber für möglich, „bejonders wenn man einen jtarfen, grauen Kaninchenrammler mit einer Felohäfin zufammen paart.” Dies ijt übrigens im Berliner goologischen Garten während des legten Jahrzehnts wiederholt gejchehen, jobald jich Durch zahme Feldhäfinnen die Gelegenheit bot: ohne jeden Erfolg! Das Außerfte, was erzielt werden fonnte, war, daß jich beide Tiere in ihrem gemeinjamen Stalle einigermaßen ver- trugen. Cine. bejondere Schwierigfeit, die Hilzheimer jehr richtig Hervorhebt, ift die, dal der Feldhaje Jich jchwer mit der Gejangenjchaft ausjöhnt und im gefangenen Zuftand Schwer fortpflanzungsluftig und fortpflanzungsfähtg wird. Ganz neuerdings (Februar 1912) Hat freilich der Landwirtichafts- und Jagdzoolog $. Nörig von der Biologischen Neichsanftalt in Dahlem bet Berlin einen offenbaren Hajen- Kaninchenmifchling aus der freien Wildbahn in Tangjtedt, Bezirk Hamburg, wiijenjchaftlich genau unterjucht und im Auftrag des Neumannjchen Initituts für Jagdfunde in Veudammıden Befund in der „Deutjchen Jägerzeitung” jo ausführlich mit vielen Wbbildungen bejchrieben, daß e3 genügt, hier darauf Hinzumweijen. Diejes merkwindige Stüc fteht allerdings zioiichen Hafen und Kaninchen, aber dem Kaninchen näher als dem Hafen in allen den unterjchei- denden Merkmalen des Schävdels und Gliedmaßenffeletts, die wir beim Hajen jehildern werden, und e8 zeigte auch auf gewiljen Teilen jeines Körpers die eigentümliche Seiden- behaarung, die ebenjo von den alten Gahotchen Leporiden befchrieben wird, dort indes nur von jolchen, die angeblich jchon Durch Inzucht von Mifchlingen erzeugt waren. Ein äußerst jeltenes Borfommmis werden Hajen-Saninchenmijchlinge wohl immer bleiben: ijt Doch das Verhältnis des Hafen zum Kaninchen anjcheinend in der Freiheit jchon nicht immer das bejte! Allerdings fteht darüber in Jägerkreiien Meinung gegen Meinung, Beobachtung gegen Beobachtung, und diejer Widerjpruch löjt ich nur dadurd), daß eben beide Parteien, jede in ihrem Beobachtungsgebiet, vecht haben. Mit anderen Worten: 38 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. während in gewiljen Fällen und gemwiljen Gegenden das Kaninchen nachweislich eine ver- treibende, „vergrämende” Wirkung auf den Hafen und jogar auf das Reh ausübt, haut in anderen Gegenvden in ebenjo gut beglaubigten Fällen alles friedlich zufammen. Der nieder- rheiniiche Jägerbeobachter ©. A. Dtto erzählt darüber („Deutjche Jägerzeitung”, 4. Januar 1906): „Ein Haje näherte jich langjam dem Holze und war bis auf wenige Gänge dortjelbjt angelangt. LS er gerade äjte, fuhr aus dem Holz ein Karnidef auf den arglofen Löffelmann los, der jichtlich erjchredt einen ‚Seitenjprung‘ machte. Der feine Kobold fuhr jo lange mit jeinen Angriffen fort, die darin bejtanden, daß er fortwährend den Hajen anrempelte, bis legterer plößlich gegen jeinen Heinen Feind zu trommeln anfing, ein Bild, das mehr als fomijch war. Dieje Verteidigung jchien jedoch das Sarnidel exit recht zur Wut zu reizen; denn e8 wiederholte jo lange jeine blißjichnellen Angriffe, bis der Löffelmann vorzog, das Feld zu räumen und jchleunigjt im Walde zu verichwinden. Das Kaninchen blieb auf der Bildfläche und äjte, als wenn nichts gejchehen jei.” Wen fällt da nicht die Nedensart aus dem Vollsmunde ein: „Das Starnidel hat angefangen”? Ludwig Schufter fonnte in Aheinhejjen das Gegenteil fejtjtellen: daß Haje jowohl wie Kaninchen diejelben Ottlichkeiten in großer Zahl bewohnen und, jomeit jich das eben jeititellen läßt, in Eintracht und Frieden miteinander leben. Der Hannöverjche Faunijt 9. Köns dagegen teilt in „Wild und Hund“ (9. Yuguft 1904) mit, daß in jeinem Forichungsgebiete „Die Anjicht verbreitet ift, der Haje weiche vor dem Sla= ninchen zurüd. Übrigens habe ich jelbft die Beobachtung gemacht, daß in einigen Jagden, in denen die Kaninchen jehr zunahmen, die Hajen auffallend zurücgingen. Auch ich habe in einigen Jagden gefunden, daß Diefungen, die ftarf mit Staninchen bevölfert waren, von den Nehen auffallend gemieden werden”, und ein Einjender des „St. Hubertus” hat mit eigenen Augen gejehen, wie ein geringer Dreilaufhaje von einem SKaninchenrammier „im Kacden gefaht und troß jeines Sträubens und Sllagens auf der Stelle totgebijjen” wurde. Die Kreuzung zwilchen zahmen und wilden Kaninchen ift erklärlicherweife int all- gemeinen nicht jchwieriq, da fich beide Formen äufßerft nahe ftehen und einen fehr lebhaften Gejchlechtstrieb entwideln. Ein jolcher Fall, der jich 1909 im Revier Nadenheim (Nhein- hejjen) zutrug, ijt nur dadurch interejjant, weil die betreffende „jchwarzweiß geichedte Kta- ninchenhäjin” ihrem Befiser entlief, „aber nach zehn Tagen wider Erwarten in ihr altes Heim zurüdfehrte und ungefähr drei Wochen jpäter in einer Scheuer etwa zehn Junge jeßte... Dieje Hochzeitsreifen wiederholten fich jpäter noch) zweimal”, nachher fekte das Kaninchen einmal 15 und einmal 12 Junge in einem Stall zu Haufe; einmal blieb es jechs ochen lang aus. Das Merfwürdigjte ift dabei, „Daß das weibliche Hausfaninchen immer wieder nach Haufe zurüdfehrte, und daß e3 nach der jechswöchigen Abmwefenheit nicht ver- wildert war”. Ungefähr die Hälfte der Jungen war „grau und jchwarz“, die übrigen „genau wie die wilden Staninchen gefärbt... Die Gewohnheiten ihres Vaters hatten jich gut auf die „gungen vererbt; denn dieje hatten bald in dem Stall einen regelrechten Kaninchenbau hergerichtet und waren jehr jcheu, während das alte Muttertier jehr zahm war.” (Karl Derhjeimer-Wendelsheim, „Deutjiche Jägerzeitung”, 1910.) Die ung des Kaninchens ift durchaus die des Hafen. Aber e3 verurjacht viel mehr lichtbaren Schaden als diejer. „Was das Eichhorn auf dem Baume“, jagen die Gebrüder Müller, „it das Staninchen auf dem Boden, den e3 fiedelweife nach allen Richtungen unter- öhlt, hierdurch allein fchon den Waldbeftänden, namentlich dem Nadelholze, auf jehr loderem Boden Schaden verurfachend.” Daß das Kaninchen trinkt, ift vielfach behauptet und beftritten worden. Nach jeiner ganzen Eigenart wird man mit Th. Zell mehr zu legterem neigen müffen. Wildfanindhen: Betragen gegen Hafen. Kreuzung mit Hausfaninchen. Aung. Feinde. Schmaroger. 39 „Die Schwäche des Kaninchens liegt darin, daß es nur auf furze Streden jchnell it... Miühßte nun das Kaninchen täglich zum Trinken ein Waljer aufjuchen, jo könnte man wohl behaupten, daß es in abjehbarer Zeit von jeinen Feinden ausgerottet wäre. Daher ift von vornherein anzunehmen, daß es jich mit dem Tau der Gräjer, überhaupt mit dem Safte der Pflanzen begnügt.” Hier ift auch der Ort, den Bericht über eine merkwürdige, gewiß aber jehr wohl- befönmliche Gejchmadsabirrung eines Stallfaninchens einzufügen, den der originelle Miün- jterer Zoologe Landois 1899 im Jahresbericht des mweitfältichen Provinzialvereing für Wilfenfchaft und Kunft gibt: „In Telgte fiel e3 der melfenden Wagd auf, dab eine Ziege plöglich gar feine Milch mehr gab. Eines Tages beobachtete das Mädchen, wie ein in dem Biegenftall eingejperrtes Staninchen (Lapin belier) jich auf die Hinterbeine erhob und das Euter der Ziege ausjaugte. Nachdem darauf der Milchdieb aus dem Stall entfernt war, gab die Ziege wieder Milch wie vordem... Weiterhin beobachtete ngenieur Breitfopf in Wolfenbüttel Kaninchen beim Melfen der Ziegen...” Wo die Staninchen jich jicher fühlen, werden fie unglaublich frech. Ein englischer Fafanenliebhaber erzählt im „Field“, dab auf den Pfiff eines Wärters drei Kaninchen immer eher an der Jutterjtelle waren als die Fafanen und das Korn vor den Füßen des Mannes wegfraßen. m Wiener Prater hauften jie früher zu Taufenden, liefen ungejcheut auch bei Tage umher und lieken jich weder durch Rufen noch durch Steinwürfe im fen ftören. Man hegt jie nirgends, jondern exlegt fie, wo man nur immer fan, jelbjt während der allgemeinen Schonzeit. Dejjenungeachtet find jie ohne Hilfe des Frettchens nicht aus- zurotten; nur wenn fich in einer Gegend der Jltis, das Große Wiejel und der Steinmarder ftark vermehrt haben, oder wenn e3 dort Uhus und andere Eulen gibt, bemerkt man, daß fie fich vermindern. Die Marderarten verfolgen jie bis in ihre Baue, und dann jind die Kaninchen faft immer verloren, oder die Uhus nehmen fie bei Nacht von der Weide weg. Wenn wir jet vielfach über die läftige und jchädliche Vermehrung des Kaninchens und an- deren „Ungeziefer3” zu Hagen haben, jo dürfen wir auch hier wieder nicht vergeljen, daß wir dieje Übel zum Teil jelbft großgezogen haben durch die unnatürliche, übermäßige Ver- minderung des Raubzeugs: eine jener Störungen des natürlichen Gleichgewichts auf der Erde, die der Kultumenjch vermöge feiner Machtmittel fortgejegt und in immer jteigendem Maße zu getvilfen unmittelbaren Nußziweden fich erlaubt, ohne die mittelbaren Folgen in der Kette der natürlichen Zujammenhänge überjehen zu Fünnen. Schmarogende „innere” Feinde hat auch das Kaninchen in Geftalt verjchiedener Wurmparafiten. So hat e3 im Diedarm und Blinddarm einen Heinen Madenmwurn ( Oxyuris ambigua Rud.) mit dem Hafen gemeinfam; außerdem fißt noch ein hinten verdicter Beitjchen- wurnt (Trichocephalus unguiculatus Rud.) im Didarın und ein Palifadenmwurn (Stron- gylus strigosus Dujard.) in den übrigen Eingemeiden, namentlich der Lunge. Cin Band- wur (Taenia pectinata Goeze) heftet fich im Dünndarm an, und die Finnen von zwei Bandwirmern (Cysticereus pisiformis von Taenia serrata Goeze und Coenurus cerebralis von Taenia coenurus Sieb.) entwicfeln fich in der Leber und im Gehirn des Kaninchens, aus dem al3 Beutetier und Zwijchentoirt fie dann in ihre eigentlichen Wirte, die Naubtiere, gelangen. Ein einzelliger Schmaroger (Coceidium cuniculi Riv.) bejegt in verjchieden großen, mit der gelblichen Mafje zerfallener Gallengänge erfüllten Kapjeln die Leber und verurjacht, nach Megnin, die in Frankreich „„gros ventre“ genannte trankheit, Die dort jchon große Verheerungen unter den Kaninchen angerichtet hat („Bull. Soc. Nat. d’acel.‘“, 4. ser., tom. V) und deshalb auch al3 Vertilgungsmittel für Auftralien empfohlen worden ijt. 40 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. wei eigenartige Gewohnheiten unjeres Tieres beleuchtet 2. Schujter noch in jenen Kaninchenjtudien. „Wer Fan wohl Auskunft Darüber geben, warımı der Feine Nager jeine Lojung jo gerne auf demjelben Plate, wenn möglich einer Heinen Erhöhung, immer wieder zu deponieren pflegt? Man findet öfters jolche Kaninchenaborte, wo zweifellos tagelang ein oder mehrere Kaninchen fich gelöft und einen ordentlichen Berg von Erfrementen aufgehäuft haben... Merkwirdig ift auch der mächtige Scharrtrieb des Kaninchens”; denn nur aus ihm, nicht als „angefangene Höhlen“ erklärt Schufter „jene majjenhaften Vertiefungen“, die der Beobachter in Kaninchenrevieren an jandigen Plägen, namentlich an Hängen überall ausgejcharrt findet, und die falt noch mehr als die Baue jelbjt ein Stennzeichen des Starnicel- reviers jind. Schujter glaubt nicht, daß dieje oft reihenmweije nebeneinander angebrachten Vertiefungen nur von jungen Staninchen, wie wohl behauptet worden tft, gejcharrt werden; er möchte jie vielmehr jo erklären, daß der Scharrtrieb, den das Kaninchen nun einmal in jich hat, einer jteten Auslöfung und Befriedigung bedarf.“ Die Kaninchenjagd, das „Karnideltreiben” und die Dürjtige Landjchaft, in der es vor jich zu gehen pflegt, jchildert der befannte Jagdjchriftiteller „Dberländer” (Nehfus-steht), indem er uns mit jenem friichen, anjchaulichen Wort „Quer durch Deutiche Jagdgründe” führt. „Der Fuß verjinkt im loceren Sandboden der Stiefernheide, deren Düjtere Bejtände einen jeltjamen Stontraft bilden zu dem fahlen Gelb der Sandflächen. Sn den jüngeren Schlägen und Stulturen wuchert die Erifa, jene bejcheivene Pflanze, welche jich gerade da- durch, daß jie iiber den dürftigjten Lagen als Floras einziges Kind das Auge erfreut, jo viel Sreunde erworben hat... Um den näheren und weiteren Befannten und Jagdfreunden eine hochmwillfonmtene Gelegenheit zu bieten, jich ‚jo recht jatt zu jchießen‘, veranftaltet der SJagdherr Spezialtreibjagden auf Karnidel... Was bei diefen Treibjagven hHauptjächlich den Durchjchnittsjäger angenehm auffällt, ift das gänzliche Fehlen der jonjt üblichen Vor- Jichtsmaßregeln... Sich laut unterhaltend, Wie reijend und belachend, jchreitet die Jagd- gejellichaft von Trieb zu Trieb, während in der Ferne das Gejohle der den Bogen um- Ichlagenden Treiber verfündet, daß auch dort feinerlei Zivang herrfcht... Um jo wichtiger ericheint dagegen das Wetter, weil bei rauher, regnerijcher Witterung die Mehrzahl der Kaninchen den jchüikenden Bau aufjucht, jo daß eine unter jolhen ungünjtigen Umjtänden unternommene Treibjagd jicherlich ein jchlechtes Nejultat ergeben müßte... Gefechtsfertig iteht die Schüßenlinie auf der Schneije; das Gejohle der Treiberjchar verfündet den Be- ginn des Triebes, und in den Flanken fallen vajch hintereinander die eriten Schüfje als Bemeis dafür, daß die dichte Schonung ihren Auf als ‚guter Trieb‘ auch heute wieder be- währen wird. Sebt werden jchon vorn in der Front des Treibens vor den beiten Ständen die erjten Starnidel jichtbar. Sie bieten vorerft fehr leichte und deshalb ziemlich reizloje Biele, da jie geraume Zeit jtilljigen und, in den Lücen auf fürzefte Dijtanz niedergedon- nert, ein ruhmlojes Ende finden... Sehr bald ändert fich jedoch die Situation. Die Treiber rücden näher; ein Hornjignal verbietet das Schießen in den Trieb, mwojelbit Hunderte von Ktarnideln durcheinander fligen. Von der dichten Treiberwehr gedrängt, beginnen die Ya- pins zuerit einzeln, dann aber dußendweije über die Schneije durch die Schüßenlinie nad) der jenjeitigen Kultur zu flüchten. Und wie flüchten die blaugrauen, behenden Heinen Sterle — wenn ein Gummiball, mit aller Kraft über die Erde gejchleudert, bald hier, bald dort an einen Stein rennend, forthüpft, jo bietet ex ungefähr das Bild eines angftvolf flüchtenden Ktarnidels. Gar fein Vergleich mit dem geraden, regelmäßigen Lauf des Hajen, den man in obligates Radjchlagen übergehen läßt, indem man Lampe mit der Flinte nachfährt und eine Wildfaninhen: Lojungspläge. Scharrübungen. Jagd. 41 Handbreit vor feinem Kopfe abfommt. Wer etwas Ähnliches bei einem flüchtenden Karnidel perjuchen wollte, würde jehr rajch einen gewaltigen Unterjchied zwischen Haje und Kaninchen fonftatieren fönnen. Der Schuß nach dem Starnidel erfordert, genau wie bei der Befajjine, ein blisjichnelles Abkommen, wie es nur gewandten Schügen eigentinnlich ift, welche fich auf einen Schnappjchuß verjtehen. Nicht mit Unrecht hat man deshalb das Karnidel die ‚vier- läufige Befafjine‘ genannt.“ Auch die nächtliche Jagd mit dem Scheinwerfer wird empfohlen, der das Wild zugleich biendet und beleuchtet („Wild und Hund“, 1910; „St. Hubertus“, 1912). In Spanien jollen, nach v. Wildungen, die Jäger die Kunft verjtehen, Kaninchen jeden Gejchlechts und Alters durch deren auf einem Strohhalm oder Blatt nachgeahmtes Gejchrei Herbeizuloden. Bei ung fennt man dieje Jagdart anjcheinend nicht, und e3 tft auch nicht ohne weiteres ein- zujehen, welches Gejchrei dabei nachgeahmt wird. Ein Wehflagen hat allerdings auch das Kaninchen. Dem befannten Jäger und Beobachter Otto-Mörs tft e3 wiederholt vorgefom- men, daß ein lauflahm gejchojjenes Kaninchen noch eine Strede weit fortlief, dann plößlic) liegen blieb und gellend aufquietichte, in Tönen jo jchrill, wie man jte jonjt nie Hört. sn der Negel bleiben jolche Tiere mit dem Kinochenftumpf an einem Reife Hängen und erleiden dann in dem gleichen Augenblid einen bejonders großen Schmerz. — Merkvindiges Ver- halten eines Slaninchens nach Schüffen jchildert Hanke, ForjtHaus Dohnaheide, als eigenes Erlebnis. Das Tier blieb bei jeinem Erjcheinen jisen und drüdte ji) nur platt auf die Erde, als der Beobachter immer näher fam. Nach dem erjten Schuß, der Hinter dent Sta- ninchen einfchlug, rührte es jich nicht und ebenjowenig nad) dem zweiten, obwohl es jeßt „ordentlich mit Sand bejprist wurde. Erjt der dritte Schuß ließ es im Feuer dverenden“. Dieje Darftellung erinnert in etwas an die Schilderung des „Sichtotjtellens“, die wir oben nach einem englischen Beobachter wiedergegeben haben. Ob beim Kaninchen nicht mitunter gewilje Schredlähmungszuftände eintreten, die diejes auffallende Benehmen veranlajjen? Kommen doc jogar Todesfälle vor, ohne daß jich eine beftimmte Einzelurjache nachweijen läßt! In einem jolchen Falle dachte man an „Hibjchlag beim Kaninchen“ („Deutjche Jäger- zeitung“, 1911), weil jolche, an einem jehr heigen Erntetage aus einem Haferjchlag heraus- getrieben, noch eine Weile umhertaumelten und dann verendeten. Vorher hatte man jie im Hafer hin und her laufen, mit den Läufen aufjchlagen und jogar angjtvolf pfeifen hören, wie fie es, Frank gejchoffen, tun. Die eingegangenen zeigten feinerlei Verlegungen; bei allen aber war aus den Mundwinfeln ein Streifen Flüfjigfeit ausgelaufen, wie ein dünner Faden, nach beiden Seiten des Haljes hinab. Diejenige Sagdart, die nicht das Kaninchen als unterhaltendes Wild weidmännijch be- jagt, jondern vielmehr den böfen Land- und Forftwirtfchaftsichädling zu vertilgen jivebt, ift der Kaninchenfang mit dem Frettchen, das „Frettieren”, wie wir leider ftatt des bejjer deutjchen Fretten jagen. Fir den Fang find, umgefehrt wie für das Treiben, triibe Tage die beiten, weil dann die Kaninchen im Bau fisen. Die meijten Röhren werden verjtopjt und vor Die übrigen Heine Neße, die jogenannten „Kaninchenhauben”, vorgelegt. Dieje ziehen fich Dur) eine Struppvorrichtung zu einem Beutel zufammen, jobald ein Kaninchen aus dem Bau hineinfährt auf der Flucht vor dem gefürchteten, mit Klingelhalsband und Maulforb Hinter- her friechenden Frett. Auf diefe Weife fan man mit der nötigen Ausdauer ein ganzes Revier von der ftet3 Folonienweije auftretenden Kaninchenplage befreien. E. Franke hat Dazu durd) „Das Frettchen, jeine Zucht, Pflege und Drefjur zur Jagd auf Kaninchen“ die praftiiche Anleitung gegeben, während theoretisch der weidgerechte Amtsrichter Berger in Lijja „Die 42 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren ©inne. Stellung der wilden Kaninchen im Zivil- und Strafrecht” Flargelegt hat. Nach $ 15 des Gejetes vom 11. Juli 1891 (Wildjchadengejeb) jind dieje mit Ausnahme von Hannover und Kurheiien im ganzen Stönigreich Preußen nicht jagobar, jondern „den freien Tierfang unter- worfen”. Es fann ihnen alfo jeder mit dem Frettchen nachjtellen, auch auf fremden Gelände, und das hat natürlich mancherlei Unzuträglichkeiten und Streitfälle im Gefolge; denn oft jind die Kaninchenfänger „die beiten Brüder nicht”. Berger macht daher die Gejegesvor- Ichläge: Die wilden Kaninchen werden für jagdbar erflärt. Die Schonzeit der wilden Kanin- chen fällt fort. Bei Überhandnehmen der wilden Kaninchen werden zuverläffige und fach- fundige Berjonen, wie jie jich int Yaufe der legten Jahre in Preußen unter den Frettierern herausgebildet haben, mit ihrer Vertilgung behördlich beauftragt. Da das Frettchen ein recht unverläßlicher Jagdgehilfe ijt und jeinen Heren manchmal tundenlang äfft, wenn e3 nicht wieder zutage fommen will, jind die Beftrebungen jehr erklärlich, e3 durch einen „Kaninchentedel” zu erjegen, Durch Jnzucht oder Kreuzung mit anderen Heinen Hunden eine Ywergform unjeres befannten Krummbeins zu jchaffen, die in Röhren von 10 cm Weite einjchliefen Fann. Dieje Bejtrebungen haben auch bereits einen Verein ins Leben gerufen, dem aller Erfolg zu gönnen und zu wünjchen ift. Denn auch das Kaninchen dürfen wir heute nicht mehr nur als Schädling betrachten. Soviel Borurteil bei uns in Deutjchland auch noch gegen den Genuß jeines Fleijches vor- handen jein mag, die Zahlen werden doch immer jtattlicher, die den Berbrauch von Sa- ninchenmildbret angeben. So fonnte der jtädtijche Berfaufsvermittler Franz Andreas für 1906 nur aus der Berliner Zentralmarkthalle jchon 163400 Stüd angeben, die ein Gejamtgemicht von 122500 kg und einen Gejamtmwert von 97500 Mark daritellten. Zur Jagdnaturgejchichte des Kaninchens gehört jchließlich noch ein Wort über O©pur, Lojung und Stimme. Die Spur gleicht natürlich „Tajt genau der des Hajen, abgejehen von den entjprechend geringeren Maßen, die etiwa denen der Spur eines halbwüchjigen Hafen gleichfommen. Auch die Lojung tft Hajenartig, Doch geringer im Durchmeifer”, d.h. fie beiteht aus fejten, Heinen, beinahe fugeligen Kotballen, die gewöhnlich in größerer Zahl auf einmal abgejeßt werden. Stimmlaute läht das Kaninchen „ungefähr ebenjo jelten hören wie jein größerer Better. Nur in der Angft und aus Schmerz ftöht e3 ein helles, dDurchdringendes freiichendes Pfeifen aus.” (Schäff, „Sagdtierfunde”.) Ein prächtiges Stüd Tierpfychologie hat uns der Meiftervogelwirt R. IH. Liebe in Gera gegeben, indem er mit dem ihm eigenen genialen Berjtändnis für die Tierfeele (,„3Zoo- fogijcher Garten”, 1859) „Gefangene Wildfaninchen” jchilderte, deren Begabungen er mit echtem Foricherjinn auf alle möglichen Proben gejtellt Hatte. In dem Alter, warn er jie aus dem Bau nahm: „nachdem fich die Augen jeit drei oder vier Tagen geöffnet haben“, jind jie „gegen das Licht jehr empfindlich”. Später fommen fie in einen Drahtbauer ohne abgedunfelte Berjtecfe, aus den jie täglich zweimal herausgelafjen werden, damit jie jich Löjen und Bewegung machen fünnen. Einen Kleinen, in einem Winfel der Stube aufgeitellten Abort in Gejtalt eines flachen, halb mit Sägejpänen gefüllten Käftchens „nehmen die meiften ohne weiteres freiwillig an und halten fortan jo Stube wie ihren Bauer mujfterhaft reinlich. Wenn eines fich anfänglich Vergehen gegen das Reinlichfeitsgejet der Stube zu feyulden fommen läßt, ... hilft ein nach dem Tier im rechten Augenblick gewvorfenes Tuch oder der- gleichen in kurzer Frift mit vollftändigem Erfolg ab... Selbitverjtändlich darf man aber die Kaninchen, folange fie in ihrem Reinlichkeitsfaften jigen, nicht ftöven, — am mwenigjten jte darin einfangen. Solche Reinlichfeit bringt man allen den Tieren leicht bei, die jchon MWildfaninhen: Zagdrechtliches. Kaninchentedel. Spur. Lojung. Stimme. Gefangenleben. 43 jrei lebend derlei Löjungspläße juchen, wie z.B. jungen Hamjtern, Dachjen, Mardern (Kaben und Hunden). Yung ausgehobene Stallfaninchen lajjen jich bei weitem nicht jo mühelos an die Neinlichfeit gewöhnen wie ihre wilden Vettern, und gar manche darunter werden nie reinlich. Feld- und Schneehafen bringt man jolche Reinlichteit ebenfalls nicht bei. Noch in der zarteften Jugend, in welcher die Wildfaninchen nur mit Milch genährt werden, verraten jie befjere Anlagen als die Stallfaninchen unter gleichen Umjtänden. Sebt man die Tierchen auf den Tijch, dann mwiljen jie die Gefahr des Abgrundes zmwijchen Tijchrand und Stubendiele jehr richtig zu jchäßen, und vermeiden, ängjtlich prüfend, unter langjamem Heben und Senfen des Kopfes mit dem Näschen und den Eleinen Löffeln jichernd, diejent gefährlichen Abgrund zu nahe zu fommen. Junge Stallfaninchen fallen anfangs gedanfenlos (e3 jei mir diejer nicht ganz paijende Ausdrud geitattet) regelmäßig Hinunter.“ Ferner zeichnet jie eine gewilje „Einfennigfeit” aus, „eine jehr große, jajt jHlaviiche Anhänglichkeit an einen bejtimmten Pfleger”, der aber, was da3 Merkmwiürdigite bei der Sache ift, gar nicht einmal der erjte und einzige eigentliche Pfleger, d. h. Verabreicher der Nahrung, zu fein braucht. So hatte Liebes Frau ein ganz junges Wildfaninchen mit Deilch aufgezogen, das aber trogdem zu ihm eine ganz abjonderliche Zuneigung Fundgab. „Spazierte das Tierchen”, jchreibt Liebe, „auf dem Tijch Herum und geriet in Furcht,.... dann eilte esjofort zu mic und verbarg jich im Rocdärmel oder hinter ver Wejte. Später... |prang es mir auf den Schof und juchte den Schuß meines Armes auf oder den des Nocjlügels.” Trat Liebe „ins Zimmer, dann wußte Nuffel das fofort, Hajpelte jich jchnüffelnd heran, vergemiljerte jich mittel3 feines feinen Näschens und drücte dann jeine Freude in einigen Streuzjprüngen aus”. Bald „nachdem e3 der Milch entwöhnt war, nahın es von meiner Frau feinen Biljen mehr entgegen — Überhaupt von niemand außer von mir... Und doch war das Tier Durch feine jchlimme Behandlung, durch feine üble Erfahrung irgendwelcher Art zu jolcher Ub- neigung und Vorliebe veranlagt worden. Mein Landsmann und langjähriger Freund U. Brehm Hat ftundenlang fich mit demjelben bejchäftigt und gemeint, ihm, dem bewährten Tiermwirt, gegenüber fönne jene Abneigung nicht ftandhalten; aber der Liebe Mühe war ver- foren... Brehm jchob feinen Arm unter den meinigen und feine Hand mit dem Zmwiebad zwischen den Fingerjpigen unter meine Hand, damit das Futter doch ganz verwittert jei: Abermals umfonit, die Naje des Kaninchens war feiner als unjer Stlügeln,... immer jah man deutlich, daß nur die Naje dem Tiere die entjcheidenden Merkmale darbot, Feineswegs aber das Gejicht oder das Gehör... Der Geruchsjinn ijt augenscheinlich der am beiten ent- wicelte Sinn; das beftändig auf- und niederzudende Näschen unterhält in erjter Linie die Berbindung des Tieres mit der Außenwelt... Den Grad der piychichen Erregung durch Yupendinge fann man ablefen an dem Tempo, in welchem jich die feine Naje bewegt. An einem Stüd Zwiebad, in vielfaches Papier getwidelt, fann man jehen, mit welcher Schnellig- feit jie von dem Inhalt Kenntnis hat.” Eigentümlich ift es, daß die Wildfaninchen bei all jolchen Mühen fich der Vorderpfoten gar nicht bedienen; dagegen fommt es vor, daß jie „mit beiden Vorderpfoten ärgerlich auf den Ballen Iosdrejchen, der ihren Zähnen beharrlich Widerftand leiftet” und jo „zuleßt ihren Zorn erregt”. Übrigens ijt auch „das Gehör jicher nicht jchlecht”; Liebe will e3 „aber jcheinen, als ob das Gehör dev Wildfaninchen verjchiede- nen Arten von Schall gegenüber jehr ftumpf und anderen Arten gegenüber wieder jehr viel feiner ist... Mufikalifche Klänge äußern fast gar feine Wirkung; dagegen achten die Tiere auf ganz jchtvache Geräusche, was man an der Bewegung der Löffel erfennen Fan, noc) beijer aber aus dem augenblidfichen Innehalten im Kauen, wenn je gerade frejjen. Start 44 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren ©inne. tönende Schläge erjchreden jie; der Donner macht gar feinen Eindrud. Wenn fie jich jon- dierend auf unbefanntem Terrain vorwagen”, dann jind die Köffel „in befonderer Tätig- feit und jtehen jelten jymmetriich gleich, jondern meijt verjchteden, der eine 3. B. nach der Seite und nac) unten, der andere nach vorn gerichtet. Offenbar jpielt hier das Gehör eine bedeutende Rolle. Man fann das auch daraus abnehmen, daß die Tiere gegen eine ganz leije Berührung der feinen Haare, welche an der Jnnenjeite der Ohrmuichel ftehen, jehr emp- findlich find.” Liebe hält es für „möglich und jogar wahrscheinlich, daß das Vibrieren diefer Haare dem Tiere beim Wahrnehmen Hilft.. „Daß die Kaninchen ebenjo wie die Safen bei hellem Tageslicht nicht ehr schartficitig jind, ift eine längjt befannte Tatjache.” Deswegen ift e3 aber doc) ein Vorurteil, „Daß in der Dämmerung und Dunkelheit das Sehpermögen der taninchen ein jehr gutes jei”. Als Liebe, „mit dem Experiment vorgehend, das Verhalten der Tiere prüfte”, fand er „nicht ein einziges Mal, da jie im Dänmterlicht bejjer jehen al3 die Menjchen”. Ihren Tagjchlaf unterbrechen jte aber in der Gefangenfchaft leicht und find „bei dem Hleinjten Anlaß zur Hand, auch fogar um die Mittagszeit... So lernen fie jehr rajch das Stlappern der Teller und Beftede ver- jtehen, wenn zur Mahlzeit gededt wird, ... fonmen dann, wenn die Yamilie jich an den Mittagstiich gejegt hat, Heraus und warten neben ihrem erwwählten Liebling, mag das Mann oder rau fein, Hübjch auf“, indem fie, „wie die Hindchen rechts und link, bettelnd und mit der Naje jchnüffelnd einen Stegel (‚Männchen‘) machen. Dauert e3 gar zu lange, ehe jie ein Stücken Brotrinde oder Startoffel erhalten, dann werden jte wohl auch ungeduldig und jpringen ihrem Herrn auf den Schoß. Gelingt der Sprung, dann wiljen fie recht qut, dab man jte nicht Hinabgleiten Tajjen will, und unterfuchen, indem fie die Borderläufe auf die Tiichfante legen, ohne alle Scheu mit den ewig beweglichen Näschen die Düfte, die über dem Tijche lagern, und vor allem die Biljen, die auf der Gabel zum Munde wandern.“ Lieber al3 mit ihresgleichen „gehen jie mit dem Menjchen, der jte Dazu anregt, auf ein Spiel ein: jie jpielen Hajchens mit der Hand, wenn man je zu jich auf Das Sofa ruft, veritecen jich vor derjelben und kommen dann, leife und vorjichtig fichernd, von einer anderen Seite heran, prügeln auch die Hand leife mit den Vorderpfoten, beigen aber dabei nicht — auch nicht Schwach und im Scherz. Eine bejondere Liebfojung, die jie ich hie und da gegen- jeitig eriweijen, ijt die, daß fie jich die Schnauzen ableden, und dieje Liebfojung übertragen jie auch auf ihren Herrn: wenn er ruhig in der Dämmerung auf dem Sofa liegt, fommen fie jehr gern herauf, juchen jchnüffelnd das Gejicht auf und beleden Lippen und Bart. Das jtärkjte Zeichen inneren Wohlbehagens und freudiger Stimmung fcheinen aber die Streuz- jprünge zu fein... Ohne bejonderen Anlauf, während Iangjamen Hoppelns oder auch im Siten, jchütteln vergnügte Kaninchen plöglich den Kopf und fpringen aufwärts, indem fie jich mit allen vieren zugleich vom Boden abftogen, etwa einen bi3 anderthalb Fuß Hoch. Dabet machen fie in der Luft in der Regel eine wunderliche Drehung, jo daß die Körperachje gegen vorher mehr oder weniger rechtwinklig zu liegen fommt. Dieje Freudenbezeigung verliert jich erjt, wenn die Tiere in das höhere Alter gelangen“, und Liebe vergleicht jte jehr treffend mit den „Bocjprüngen” junger Wiederfäuer. Auch Beweije, dat „Die Individuen Jich als Jndividualitäten entwiefeln“, führt er an und folgert daraus, „wie jehr man jich hüten muß, auf Grund einer Einzelbeobachtung generalifierend auf Eigenschaften der ganzen Art Schlüjje zu ziehen. Eins meiner Wildfaninchen hatte fich angewöhnt, die Stubendielen zu benagen... Ein anderes fand ein bejonderes Vergnügen darin, in ein bejtinmtes Stleid meiner Zrau Vöcher zu beigen.” Aber ihren Genofjen „fiel es nicht ein, Jich dDiefe Untugenden Wildfaninhen: Gefangenleben. — Hausfaninden. 45 anzueignen”. Bei einem „hatte jich eine große Antipathie gegen einen meiner Benjionäre herausgebildet”: es Fannte ihn „jchon don weiten am Tritt, ... ftellte fich ihm Inurrend in den Weg und wollte ihn nicht pajjieren lajjen, over es lief hinter ihm drein und verfuchte, ihn in die Stiefel zu beißen”. Ebenjo jind „die Lieblingsbijjen des einen deshalb nicht das Leibgericht des andern... Außerordentlich rajch ommen die gezähmten Wildfaninchen zu der feften Überzeugung, daß jie in ihrem Neinfichkeitsfäftchen fich in unantaftbarer Sicher- heit befinden. Hat das Tier in jeinem Mutmillen irgendetwas verübt, wovon e3 weiß, daß Strafe folgt, dann flieht es jchleunig, jobald der Herr ins Zimmer tritt, in den Kajten und verläßt diejen nicht eher, als bis jener jich wieder entfernt hat... Das Bewußtjein des Fehl- trittes hält aber nicht länger als eine halbe Stunde, höchitens eine Stunde an...” Sr großer Neugier „unterjuchen jie alles, was ihnen am Weg liegt; zunächit jtellen fie aber eine gründ- liche Borunterfuchung mit der Naje” an. „Ausdrud des Nißbehagens ift ein eigentümliches ‚Schnödem‘ mit den Hinterläufen”, ähnlich wie e3 die Haben oft mit den Vorderpfoten machen. Das Aufitanıpfen mit den Hinterläufen hat verjchtedene Bedeutung. „Nach der Jichtlichen Wirfung auf die anderen zu jchliegen, jind Dieje Schläge bisweilen Warnungs- lignale, welche jchleunige Flucht in die Baue veranlajjen, — bisweilen Sammeljignale, namentlich die Jungen zu den Alten rufende, — jehr ojt aber auch vollfommen folgen- Ioje Äußerungen irgendeines Affeftes... Schred, Furcht, Zorn, Ärger und Liebe werden Jicher für gewöhnlich durch das Aufichlagen der Hinterläufe ausgedrüdt.” „Liebe” bedeutet hier jo viel als Sorge um die Jungen. Das Hausfaninchen ijt Heute als TFleijch- wie als Belztier von der größten Bedeutung. Namentlich aber fann an einer Stelle wie diejer, von wo das Wort Hinausdringt in die weite- jten Kreife, gar nicht eindringlich genug jein Wert und Nuben als Bolfsnahrungsmittel ge- predigt werden angejichts der bedanerlichen Tatjache, daß das Staninchen bei uns als jolches troß zunehmender Teuerung alles übrigen Fleijches immer noch nicht annähernd fo gewürdigt twird, twie e3 das verdient, und wie das in Frankreich, Belgien, England längjt gejchteht. Nur albernen, läppiichen Vorurteils wegen! Denn wenn Bedenken irgendwelcher Art berechtigt wären, jo hätte fie der Engländer gewiß auch, dem doch Gejundheit und Storreftheit über alles geht. ©o aber ift er jein „‚rabbit“ jo qut und jo gern wie jedes andere Fleiich. Nlöge es bei uns auch bald jo werden und jeder, wenn auch nicht jein Huhn im Topf, jo Doch jein Karnicdel in der Panne haben! Über die Abftammung des Hausfaninchens hat im Gegenjaß zu der der größeren Hausjäugetiere nie die geringjte Unklarheit bejtanden. Wir Haben es — wiederum ein Öegen- jaß zu den übrigen fämtlich aus dem Dften ftammenden Hausjäugetieren — aus jeiner jlid- mwejteuropäifchen Heimat erhalten: es ift unzweifelhaft ein Abfömmling des wilden; denn diejes fann man in furzer Zeit zähmen, jenes verwildert binnen wenigen Donaten voll ftändig und erzielt eine Nachfommenjchaft, die zur Färbung des wilden zurückkehrt. Man hält die zahmen Kaninchen in einem gepflafterten oder gedielten Stalle, in dem man Fünjt- liche Schlupfiwinfel angelegt hat, entweder lange Kaften mit mehreren Löchern oder Fünftliche Baue im Gemäuer, gibt ihnen viel Stroh und teocfnes Moos, jhüst jie gegen die Kälte im Winter und füttert jie mit Heu, Gras, Blättern, Kohl ujw. Leicht ann man fie gewöhnen, jich die ihnen vorgehaltene Nahrung jelbft weqzunehmen; ganz zahm aber werden jie jelten, und wenn man jie angreift, verjuchen fie gewöhnlich zu fragen und zu beißen. Gie jind tve- niger verträglich al3 die wilden. Zujammen aufgemwachjene leben zwar jehr gut miteinander; 46 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren ©inne. fremde aber werden von der Iniwohnerjchaft eines Stalles oft arg gemißhandelt, ja jogar totgebijjen. In Sachen der Liebe wird tüchtig gekämpft, und manche tragen dabei ziemlich bedeutende Wunden davon. Das Weibchen baut in jeiner Höhlung ein Net aus Stroh und Moos und füttert e3 jehr Schön mit feinen Bauchhaaren aus. ES wirft gewöhnlich zroijchen 5 und 7, manchmal aber auch mehr Junge. Lenz hat jich die Anzahl der Jungen, die ein Weibchen in einem Jahre geworfen hatte, aufgejchrieben: Ant 9. Januar brachte das Weib- chen 6, am 25. März 9, am 30. April 5, am 29. Maid, am 29. Juni 7, am1. August 6, am 1. September 6, am 7. Oftober 9 und am 8. Dezember 6, in einem Jahre aljo 58 Junge. Bei guter Nahrung werden die Kaninchen zumeilen jehr dreift, Fragen und beißen nicht bloß den, der jie fangen will, jondern auch aus freien Stücken andere Tiere, namentlich wenn dieje ihren Neid erregen. Ein Schwager von Lenz hatte einen alten Slaninchenrammler bei jeinen Yämmern. „US die Fütterung mit Ejparjette begann, behagte dieje dem alten Herrn jehr gut, und er hätte gern das ganze bifchen jelbjt in Bejchlag genommen. Er jegte jich aljo dabei, grunzte, biß nach den LYämmern, jprang jogar einem auf den Hals und gab ihm die gähne tüchtig zu fojten. Zu Hilfe eilende Leute warfen ihn zwar herab; ex bi aber immer mieder nach den Yänmern, bis er fortgejchafft wurde. Ein anderer bif einer jungen Ziege die Beine blutig, jprang der alten auf das Genid und bi fie in die Ohren. Er mußte ab- geichafft werden.” Sehr alte Rammler beigen zuweilen auch ihre Jungen oder das Weib- chen oder verloden diejes, jeine Kinder jchlecht zu behandeln. Wenn eine Kaninchenmutter ihr Geheck nicht qut jäugt oder gar totbeißt, gibt e3 nur ein Mittel, die Jungen zu retten: Abjperrung des Rammiers. Während um die Mitte vorigen Jahrhunderts, ja vor einigen Jahrzehnten noch die Kaninchenzucht in Deutjchland faum mehr als ein Stinderjpiel war oder zum mindeften als fomijche Liebhaberei galt, um die Erwachjene fich jchief anjehen lajjen mußten, ift jie heute eine ganze Wijjenjchaft geworden, der auch bei uns eine ganze Neihe Fachwerfe, Fach- zeitungen und Fachvereine dienen, und es ift zuverjichtlich zu hoffen, daß diefe ihre echt volfsfreumdliche Sache zu immer größerer Blüte bringen werden. Das wird der Bolfs- ernährung und damit dem Bolfswohl mehr nüten als manche andere unjerer unzähligen Wohltätigfeitsveranftaltungen von heute; denn e3 wird nicht nur die Kranken weniger franf, jondern die Gefunden gejünder machen. Im Bormwort zu einem „Saninchenbuch”, das die „Zierbörje” verdienftlicherweije im Jahre 1894 als Beilage gab, jagt der Verfafjer H. Neuen- dorf: „Das Kaninchen, welches bejonders in England, Frankreich und Belgien planmäßig gezlichtet wird, liefert vielen taufend Berjonen ficheren Berdienft, Fleisch und jonftigen Nuben bei Feinem Alnlagefapital und erhöht jo den Nationalwohlitand obiger Länder um jährlich viele Diilfionen Mark... m der Nahrung find Kaninchen jehr genügjam, begnügen fich mit Abfällen der Küche, der Scheune und des Gartens, beanspruchen weder foftipielige Futter- mittel noch Räume. Dadurch, daf man Abfälle, welche bisher geringe oder feine Verwertung janden, hier nußbringend verwenden fann, ift der Nuben faft ein doppelter und dreifacher zu nennen. Das Fleiich ift nahıhaft und wohlichmecend, ähnlich Dem Hühner- und Kalb- jleijch, Dabei leicht verdaulich und deshalb Berjonen mit schwachen Magen jehr zu empfehlen. ‚sn England und Frankreich findet man Kaninchenfleifch in allen Zubereitungen bei arm und reich vertreten.“ Und in feinen Schlußbetrachtungen beweijt Neuendorf den Nährwert des Ktaninchenfleiches zahlenmäßig: es enthält nach Analyfen von Stöver „in fettfreier Geftalt 75 Prozent Wajfer und 25 Prozent fefte Bejtandteile. Hühnerfleifch bejteht aus 77 Prozent Bajjer und 23 Prozent fejten Beftandteilen. Beftes fettfreies Ochjenfleifch hat 72 Prozent Hausfaninhen: Vermehrung, Bösartigfeit. Nubzucht. Volkswirtjchaftliche Bedeutung. Nährwert. 47 Wafjer und 23 Prozent jejte Bejtandteile. Hieraus geht hervor, daß Kaninchenfleiich dem Hühnerfleifch überlegen it und dem bejten Ochjenfleiich an Nährwert wenig nachjteht... Sn England und Frankreich Tefert das Staninchen den Sonntagsbraten für den Arbeiter-, Bauern- und Kleinbürgerjtand; dem Feinichmecer bietet es Abmechjelung und dient zur Befriedigung jeines verwöhnten Gaumens. Jr jleischarmen Gegenden, zur teilmeifen Ilb- hilfe der Fleijchnot bejtimmt, wird es von Heinen Rentnern, Arbeitern, Beamten, Hand- mwerfern uw. als Nebenbejchäftigung und wegen des jicheren Nubens gezlichtet. E3 erfreut jich deshalb die Kaninchenzucht einer allgemeinen Beliebtheit bei an und reich.“ Nur darf man nicht die Faljche Rechnung aufitellen, dab, weil 20 taninchen, Deren Stall und Futter ohne große Kojten zu bejchaffen ift, einen ganz hübjchen Nußen abiverfen, nun 200 Stück 1Omal oder gar 2000 100mal jo viel bringen müßten. Vor diefem Trugjchluß warnt das maßgebende englijche „Book of the rabbit““ ausdrücklich, indem es jehr treffend auf die vielberegten Nubgeflügelzuchtanftalten Hinmweift und mit trodenem, echt angeljächjiichem Humor Hinzufügt, der einzige, der an jolcher Kaninchenfarm etwas verdiene, werde wohl der Mann jein, der die Kaninchen zur Einrichtung liefere. Das Motto der Kaninchenzucht mag aljo jein: „Viele Wenig geben ein Biel”, wie e3 ja auch Neuendorf jeinen Staninchen- buche vorausjeßt. Trotdem bejteht jeit 1908 in Berlin, Eberswalde und Heegermühle auch ein Großbetrieb al3 „Deutjche Kaninchen-Großzucht-G. m. b. 9.”, die nach dem „Yagd- freund“ 1910 „für das verflojjene Gejchäftsjahr eine Hohe Dividende zur Auszahlung bringen fonnte“, und deren Leiter, 2. E. Adam, daher 1910 auch für Ofterreich ein gleiches Unter- nehmen mit dem Site Wiener-Neuftadt in$ Leben rief. Welche erftaunlichen Gejamtergebnijje aber in den Staninchenländern die Durch das ganze Wolf verbreitete Stleinzüichterarbeit hat, das mögen einige Zahlen veranjchaulichen, die jomwohl die ältere „Seflügel- und Kaninchenzucht” von Th. HuperzNeumied als die 1901 in dritter Auflage erichienene „Nationelle und einträgliche Kaninchenzucht” von D. 9. Has- bach-Gleiwiß übereinftimmend bringen. Nach einem Berichte, den Emil de Laveleye im Namen jämtlicher Yandwirtjchaftlicher Vereine Belgiens dem Internationalen Landivirt- ichaftlichen Kongreß zu Paris im Jahre 1878 über die belgijche Landwirtichaft überreichte, werden allein auf dem Marfte zu Oftende wöchentlich 300000 Staninchen zur Ausfuhr nad) London verkauft, wo der wöchentliche Verbrauch wenigitens eine halbe Million, der tägliche etwa 75000 Stüd beträgt. Frankreich züchtet jährlich 5 Millionen, nach anderen Angaben jogar 100 Millionen im Werte von 350 Millionen Frank, von denen Paris jährlicy 3 Wil lionen verzehrt. Ir England wurden, wie Lord Malmesburh 1872 dem englischen Oberhaufe mitteilte, jchon vor etwa 40 Jahren jährlich 650000 Zentner Kaninchenfleijch im ungejähren Werte von 32250000 Mark verbraucht. Der Bischof von Derby verkauft aus jeinem Gehege jährlich 12000 Stück Bälge. Hasbach gedenft dann der Anregung zur Kaninchenzucht, Die Deutjchland Durch den Krieg 1870 erhielt, nachdem „unfere Krieger im Feindesland mannig- jache Gelegenheit gehabt, ich an einem jaftigen Lapinbraten zu ergögen”, und zählt als „Nußungen des Kaninchens” außer Fleisch und Fell noch Haare, Pfoten und Dung auf. „Beim gejchlachteten Kaninchen find die ungeniegbaren Abfälle äußerjt gering. ch habe in diejer Beziehung verjchiedene Verfuche angeftellt und gefunden, daß die Mitteilungen eines älteren Züchters, wonach bei Schlachtung von Kaninchen vom Gejamtgemwicht 15 Prozent für Blut und ungenießbare Eingeweide und 10 Prozent für Balg und Läufe abzujegen find, und daß 12 Prozent Fett, 30 Prozent Kochfleifch und 33 Prozent Bratenfleijch übrigblieben, durchaus zutreffend find. Bei welchem anderen Schlachttier Haben wir ein ähnlich günjtiges 48 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Berhältnis?... An wohlichmedenditen ijt das Fleisch der 5—8 Monate alten Tierchen im Gewicht von 4—5 kg. Das FFleijch älterer Kaninchen, darunter verftehe ich jolche, die älter als 11% Jahre jind, hat jehr an Kraft und Wohlgejchmad verloren.” Zu jchmadhafter Zu- bereitung verhilft ein befonderes Kaninchen- Kochbuch von L. Pröpper, das mehr als 100 Rezepte enthält; jo für Kaninchenjuppe, Frifaijee, Nagout, Harbonaden von Kaninchen, Kaninchen falt in Gelee, Kaninchenbraten, Kaninchenroulade, geräuchertes Kaninchen. Auf die Verwertung der Slaninchenfelle, die in getrodnetem Zustande bei den Züchtern aufgefauft werden, baut fich heute eine großartige Snduftrie auf, nachdem die Abnahme der edlen Belztiere die Nachahmungsfunt in der Künfchnerei auf eine früher ungeahnte Höhe getrieben hat. Ebenjo jtark it der Verbrauch an Kaninchenhaaren, feit jedermann einen Silzhut trägt. Hasbach gibt an, „daß in Frankreich jährlich für mehr als 30 Millionen Frank Kaninchenbälge in der Hutfabrifation verbraucht werden, und daß der Wert des aus ihnen hergerichteten Pelziwerfs die Summe von 10 Millionen Frank noch um ein Beträchtliches überjteigt. Syn Gent werden mehr als 2000 Arbeiter durch die Zubereitung und das Färben ver Felle bejchäftigt.” Nach E. Braß tft die Staninchenpelzbereitung auch heute noch faft ganz auf Belgien und Frankreich bejchränft, die jährlich 12—15 Millionen derartig zugerichteter, gejchorener und (meijt auf Seal) gejärbter Felle liefern; die belgischen jind Kleiner und im Belzwerf geringer als die franzöjiichen. In Deutjchland haben wir diefem blühenden Sn- duftriezweig unjerer wejtlichen Nachbarländer bis jest nur eine einzige große Fabrik in Unfel am Niederrhein an die Seite zu jeben, die jährlich etwa 3 Nüllionen Saninchenfelle ganz in der franzöfischen Art herrichtet; jie wurde 1870 von einem aus Frankreich aus- gerwiejenen ARheinländer gegründet. Außer den gewöhnlichen wildfarbigen verarbeitet Frank- reich jährlich noch etwa 500000 Silberfaninchen, von denen die beiten in ihrer hübjchen Naturjarbe belajjen und nur die geringeren als Nachahmungen gefärbt werden. Dagegen ind die Hauptitapelpläge für Naturfelle vom furzhaarigen, rein weißen Albinofaninchen, alles in allem etwa 2 Millionen, Bonisch-Liija in Deutjchland und die galizischen Handels- jtädte. Sie liefern die Nachahmung von echtem Hermelin und werden, ebenjo mie die anderen Nachahmungen, immer jchöner und jchöner hergeitellt. Gute Hermelimimitation trägt jich vorzüglich und Yäßt ich unzählige Male reinigen, während echter Hermelin durch das Reinigen gelb wird. Das lang- und jeidenhaarige Angorafaninchen Hat jich troß ver- jchiedener Verjuche in der modernen Nauchwareninduftrie bis jet gar feine Bedeutung erwerben fünnen. Die Niejenmajjen von Fellen des Wildfaninchens, die Australien jährlich auf den Weltmarkt wirft, SO—100 Millionen, dienen, ebenjo wie die deutichen Wildfanin- chenfelle, einzig und allein der Filzfabrifation. Ku- und Liebhaberzucht haben zufammengemirft, um eine ganze Reihe feititehenvder Kaninchenrajjen zu erzeugen, die fich recht gut vererben. Zunächjt Hat man die Neigung zur Ausartung ins Weiße, die eine jtändige Begleiterjcheinung der Haustierjchaft ift, benußt, um einige ganz allerliebjte Farbenfaninchenrafjen zu erzielen. Wir nennen das Holländer- faninchen (Taf. „Nagetiere II”, 2), vom holländischen Bauern des Fleifches wegen jeit lange gehalten, vom engliichen Sportsmann aber erft zur Vollendung gezüchtet in jeiner eigen- artigen, ganz regelmäßigen und jymmetrifchen, wildgrauen, blauen, jchwarzen oder gelben, Ohren und Schwanz einjchliegenden Farbenzeichnung, die wir ähnlich nur von „Mantel“ und „Maste” des Bernhardiners und Collies fennen. Ferner das Himalajafaninchen, das zwar mit diejem indischen Hochgebirge nicht3 als den Namen gemein hat, aber doch wohl aus China jtammt; e3 joll gewijfermaßen als Verkörperung der Fruchtbarkeit dort jährlich zu Nagetiere II. (Raiiekaninchen.) Alle Abbildungen aus der Zeitschrift „Der Kaninchenzüchter“, Leipzig, mit freundlicher Erlaub nis des Verlags. 1. Engliiche Schecke, Hälin. S. 49. — Wird bis 3 kg schwer. 2. Holländer, Rammler, S.48. — Wird bis 3 kg schwer. 3. a) Blue and tan, Rammler, b) Black and tan, Hälin, S.49. — Werden je bis 3 kg schwer. Ser 5 Ye ee ug Bi m ne b ZESTIL. 4. Angorakaninchen, Rammler. S. 50. — Wird bis 4 kg schwer. 5. Widderkaninchen, Hälin. S. 50. — Wird 4-41/a kg schwer. 6. Belgiiches Rieienkaninchen, Rammler. S. 49. — Wird bis 8kg schwer. Hausfanindhen: Fellverwertung. Rajfen. 49 Taujenden am Ultare geopfert werden, um gute Ernte zu erbitten, und im Londoner Z00- logischen Garten als Chinejisches Kaninchen benannt worden jein, als es jeinerzeit zuerjt ein- geführt wurde. Seine Färbung ijt die denkbar eigenartigjte und reizvollite: weiß mit roten Augen, aljo anfcheinend ein vollftändiger Albino; trogdem aber Ohren, Najenjpise, Schwanz und Pfoten Schwarz. Das Allermerfwürdigjte an der merkwürdigen Farbenzeichnung ift aber, daß bei den ungen nicht die geringjte Spur davon zu bemerfen ijt, dieje vielmehr als rein weiße Albinos das Neitverlajjen; erit nach drei Monaten erjcheinen die jchtwarzen Masken. Möglichit gleichmäßig über den ganzen weißen NRörper jollen dunkle Flede verbreitet fein bei den Englifhen Scheden (Taf. „Nagetiere II”, 1). Über den Rüden verläuft ein dunffer Längsftrich; die Ohren und ein TFled um die Augen jind ebenfalls dunfel. Neuerdings hat man in England auch noch „Black and tans“ und „Blue and tans“ (Taf. „Nagetiere 11”, 3) hervorgebracht, d.h. ein neues Farbenfaninchen durch diejenige Zerlegung der gejprenfelten Wildfarbe herausgezüchtet, die beim Tedel und den glatten Binjchern gewöhnlich ift: jchwarz mit rotem „Brand” an Kopfund Läufen. Die genannten Zarbenkaninchen dringen jedoch faum über den Kreis der zünftigen Liebhaber hinaus. Anders die, mit denen ein Nutzwed verfolgt wird. Das Bolnische Kaninchenhatten wir oben Schon erwähnt, den einfachen, rein weißen, totäugigen Albino, der in Volen und Galizien manchem Heinen Mann einen Nebenverdienit durch fein Fell und zugleich billiges Fleifch bringt. Ebenfjo das Silberfaninchen, dejjen Fell einen heller oder dunkler grauen, aber auch bräunlichen, gelblichen oder bläulichen Grundton haben fan. Der wertvollite Farbenjchlag ijt der mittelgraue, und der jilberähnliche „Reif“ des Felles wird durch zweierlei gefärbte Haare erzeugt: blaugraue mit jchwarzer Spibe und ganz weiße. Die Ausfärbung, das „Ausjilbern”, dauert aber mehrere Monate, ähnlich wie bei den Himalajas; die jungen Silberfaninchen find ext tiefichwarz, jamtartig glänzend. Weitaus die größte Bedeutung hat natürlich das doppelt nugbare, Fleifch und Belz- mwerf liefernde Belgijche Riejenfaninhen (Taf. „Nagetiere II”, 6), das urjprünglich in der Provinz Flandern zu Haufe ist, von da aber fich Yängjt die ganze Welt der Nubfaninchen- züchter erobert. dat. Wo fieht man Heute in Deutjchland noc) die unanjehnlichen, mweißgejcheck- ten oder gelben „Stallhafen” des vorigen Jahrhunderts, die, unruhig und jchlecht maftfähig, im Pferde-, Bieh- oder Hoßjtall ein unnübes Leben führten, wahllos fortgepflangt und den Kindern zuliebe nur eben geduldet? Heute jpreizt jich an derjelben Stelle die hajengraue, langlöffelige Gejtalt des behäbigen belgijchen Riejen, mit der mehrfach quergefalteten Hals- wanıme, den 60—70 cm Naje-Schwanz-Länge und 6—8 kg Gewicht ein Fetthanmel im feinen. Der befannte belgijche Rajjetierfenner van der Snidt hat (vgl. „Chasse et Pöche“, 1910) auf der Ausftellung in Wondelgem bei Gent eine Häfin des Züchter Simartele von nicht weniger al® 9 kg 350 g prämiert. Sie prangte in der Auslage eines Schlächterz, und die ganze Arbeiterbevölferung Gent3 zog vorbei vor diefem Wunder. Ein wahrer Tett- fumpen! Sm Bauche figt nämlich das Gewicht, in dem Fett, das um die Eingeweide auf- gehäuft ift. Man verfteht e3 vollfonmen angefichts der Größe, Farbe und namentlich der 15—18 cm langen Ohren, daß man hartnädig immer wieder glaubte, dem Niejen- faninchen eine Beimifchung von Hafenblut zufchreiben zu müjjen. Heute weiß man all- gemein, daß das nicht zutrifft, bewundert aber nur um jo mehr die gejchicte Zuchtwahl, die das Haustier auf die dreifache Größe und Schwere der wilden Stammform emporzu- bringen verjtand. Und die heutigen deutfchen Züchter haben dabei ihren belgischen VBor- gängern offenbar mwader nachgearbeitet; denn die dritte Auflage von Starfe-Marpmann, „Das Belgiihe Riejenfaninchen, jeine Zucht und Pflege” (Leipzig 1906), Bene fühn, Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI Band. 50° 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. daß wir heute den Belgiern „entjchieden über” find, daß es „die eveljten und in allen Nafjeeigenjchaften vorzüglichjten Belgiichen Riejenfaninchen in Deutjchland“” gibt. Möge es nun bald hier auch die meilten geben, und mögen Millionen der nüßlichen Tiere Mil- lionen zu unjerem Nationalwohlitand beitragen! Dagegen günnen wir gern und neidlos dem Engländer ein. echtes Stind feiner Züchter- laune, das verweichlichte, in überheiztem Stalle gehaltene Wivderfaninchen (lapin belier, lopear rabbit; Taf. „Nagetiere IL”, 5, bei ©. 49) mit jeinen jchlaff Herabhängenden, von Spite zu Spibe bis 66 cm Hafternden Ohren. Man beginnt ziwar bei diejer NRajje jich jeßt vom äuper- jten Extrem abzuwenden und härtere Mittelfjormen mit Fürzeren Hängeohren vorzuziehen, die auch hier ihre guten Eigenschaften Haben mögen; aber das jchlaffe Hängeohr an jich bleibt doch immer jchon ein Zeichen einer gemwiljen Entartung. Wie bei jeder reinen Sportzucht, poird auch beim Widderfaninchen großer Wert auf Hußerfichkeiten, 3. B. eigenartige Farben- zeichnung gelegt, und die Liebhaberjprache hat dafür die abjonderlichjten Namen erfunden (Mapdagasfarfarbe, Schildpattfarbe ujw.). — Auch das jeidenhaarige, mit Haaren bis zu 20 und 25 cm Länge begabte Ungorafaninchen (Taf. „Nagetiere II”, 4, bei ©. 49) hat heute nur noch Liebhaberbedeutung; fein Haar wird nicht mehr verjponnen — jedenfalls, weil e3 jich fire Diejen Jwecf auf die Dauer doch nicht bewährt hat. Die Nafje, die meijt weil; mit toten Augen, als reiner Albino, oder auch blau auftritt, joll wirklich aus Stleinajien, aus der Gegend der Stadt Angora, ftammen, wie die Angoraziege, und jo wäre das Seidenhaar, tie bei diejer, mit dem trodenen Hochlandsklima in Zufammenhang zu bringen. Als „Pelzfaninchen der Zukunft” wurde, etwas verfrüht, die erjt Biberfaninchen, dann nach der braunen Farbe allgemein Havannafaninchen genannte Najje angepriejen, die zu Anfang diejes Jahrhunderts in Nordfrankreich und Holland zuerft hHerausgezüchtet wurde. Dies Kleine, zierliche, gejtreckte Kaninchen tritt bi3 jebt nur in einem Hauptfarbenjchlage auf, der nach der Bejchreibung des Kaninchenfundigen BP. Mahlich „eine tiefbraune Dede mit blauer Unterfarbe hat”. Diejes Fell jollte in Der Naturfarbe verarbeitet werden fünnen und Erjag für den Edelmarder bieten. Jndes, fährt Mahlich fort: „vem Felle des Havanna- fanincheng jehlt zurzeit noch das eigentliche Grannenhaar des Edelmarders. Diejes aber gibt exit dem Pelze jeinen Wert. Db es der Züchterfunft gelingen wird, diejes Haar dem Stanin- chen anzuzlichten, muß abgewartet werden.” Nächit der weißen Maus und dem Meerjchweinchen ift das Staninchen vermöge derjelben Eigenjchaften (handliche Größe, Häufigkeit, Billigkeit und Harmlojigfeit) ein beliebtes Ver- juchstier der modernen Erperimentalforichung und als „Verfuchskarnidel” in diefem Sinne bereits Sprichtwörtlich geworden. Auch zu den hHochbedeutjamen Blutreaftionsverjuchen von Sriedenthal, Uhlenhuth und anderen, ausländischen Forjchern, die in ganz ungeahntem Maße die Verwandtichaft verjchiedener Tierformen im Shftem auch als eine wirkliche Blutsver- mwandtjchaft im eigentlichen Sinne des Wortes erweijen, Hat das Kaninchen grundlegendes Material geliefert und dabei jeine nahe Verwandtjchaft mit dem Hafen troß der Gegenjäße in der Lebensweije aufs unzmweideutigite zu erfennen gegeben. Ebenjo war es mit jeinen verjchiedenartigen Nafjen jehr geeignet zu wiljenjchaftlichen Streuzungsverjuchen, um zu er- proben, ob das in unferer Zeit exrjt zur verdienten Anerkennung gefommene Mendeljche Gejeb, Das der alte Brünner Abt gleichen Namens jchon an Kulturpflanzen jeines Stlofter- gartens herausgefunden hatte, auch fin Tiere Gültigkeit habe. EC. C. Hurft Hat zu diejem Ziwed eine lange Reihe planmäßiger, durch mehrere Generationen fortgejester Züchtungen zwijchen zwei möglichft verjchieden ausjehenden Kaninchenrafjen, dem weißen Angora- und DjoyJoy Hausfaninhen: Rajjfen. VBerjuhstier. — NRothaje. 51 dem belgijchen Hajenfaninchen, angejtellt und gefunden, daß die Kreuzungen durchaus nicht regellos in die Mitte zwijchen beide Ausgangsformen fielen, jondern unverkennbar dem Mendelichen Gejete folgten. Nad) jeinem Berichte, den er 1905 der Londoner Linne-Gejell- ichaft vorlegte, glich die erite Generation aus der Freuzwetien Paarung ganz dem belgiichen Elterntiere: dejjen Merkmale waren, um in Mendels Sprache zu reden, dominierend, die des Angora rezejjiv (traten zurück). Dagegen brachten dieje grauen, furzhaarigen, dunfel- äugigen Mijchlinge, denen man gar nichts Davon anjehen fonnte, daf jie Halbblut vom weißen, langhaarigen, rotäugigen Angorafanin waren, unter jich in zweiter Generation nicht weniger al3 14 verjchtedene Kreuzungsformen hervor, und zwar 7 Furzhaarige und 7 lang- haarige vom hajengrauen Belgier auf der einen biS zum weißen Angora auf der anderen Seite, dDazwijchen aber die Übergänge vom einen zum anderen durch Weißichedung und Schwarz, in der Mitte den Furzhaarigen weisen Albino neben dem grauen, hajenfarbigen Angora. Mehrere diejer Zwiichenformen erjichtenen in demjelben Wurf, und von jedem Halbblutelterntiere fonnte man je nach der Berpaarung jie alle erzielen. Jm weiteren Ver- laufe der Miichlingszucht prang dann das Mendeljche Gejet deutlich Heraus mit jeinen regel- mäßigen Spaltungen in reine Nücjchlags- und gemijchte Zwijchenformen nach ganz be- immtem Prozentjab. ES waren vier Merfmalspaare zu erfennen: Sturz und Seidenhaar, Wildfarbe und Albinismus, graue und Schwarze Farbe, Einfarbigfeit und Schedung, und dieje wurden unabhängig voneinander vererbt, jo daß aljo der Mlbinismus durchaus nicht an dem Seidenhaar und ebenjowenig die Wildfarbe am Furzen Haar hing, vielmehr mild- farbige Angoras und furzhaarige Albinos fielen, auch Schwarzes und jchwarzicheciges Kurz- und Angorahaar auftrat. ©o ijt das Kaninchen ein Hochwichtiges Tier, das jich mit den verjchiedenartigiten Jnter- ejjen des Menschen, mit der praftiichen Wirtjchaft jo qut wie mit der wijjenjchaftlichen For- ichung auf das engjte berührt: daher war ihm auch hier ein breiterer Raum zu gönnen. Mit dem Kaninchen zu Dderjelben Gattung eingereiht jteht im Supplement des Trouefjartichen Säugetierfatalogs nur noch eine einzige Art, der Nothaje, roode haas oder klip-haas der Kapfolonijten, Oryetolagus crassicaudatus Js. Geoffr., von den Hoc)- ländern Südafrifas, der Kapfolonie, Natals und Transpaals, der jich in einer Unterart OÖ. ce. nyikae Thos. bi3 Nord-Nyafjaland verbreitet. Er gehört nicht nur nach Schädel- und Knochenbau zum Kaninchen, jondern auch in jeinen Lebensgewohnheiten jagt man ihm Kaninchenähnlichkeit nach. Der englijche Sammler WhHte, der als Gejchenf des Gouverneurs Sir Harıy Fohnjton aus Nord-Nyafjaland vom Nyifaplateau 1897 unter anderem auch ein Paar Feljenfaninchen ins Britische Mufeum brachte, jcehreibt dazu: „Gejchofjen in feljigem Gelände auf den höchiten Spiten des Nyifaplateaus in ungefähr 7000 Fuß Höhe. Es ijt ein richtiges ‚Feljenfarnidel‘, ein Name, der hier gewöhnlich auf die Dajjies (Klippjchliefer) an- gewendet wird. ES hat alle Gewohnheiten der Daijies, lebt zwijchen Feljen an völlig fahlen, ungededten Stellen und ist jehr jchwer zu jchiegen, weil es fich in die Felsipalten verjchlieft. Es it jehr bejchränft in feinem Vorkommen, lebt folonienmweije und findet ji nur an jolchen Ortlichfeiten, die fir feine Gewohnheiten und jeine Lebensmweije pafjen.“ Bei Trouefjart folgt dann eine Neihe von 36 ameritanijchen Hajenarten, die unter der alten Grayjchen Gattung Sylvilagus zujammengefaßt, innerhalb diejer aber wieder in die Untergattungen Limnolagus, Romerolagus, Tapeti, Sylvilagus, Mierolagus, Brachylagus 52 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. zeripalten werden. Auch abgejehen von dem merfwitrdigen, oben (©. 21) bereits gejchilderten Romerolagus, der in mancher Beziehung ganz abfeits jteht, jcheint e3 jich Hier um eine be- jondere Hajengruppe zu handeln. Denn die darauf folgende Hauptgattung Lepus, der Kern der ganzen Hafenfamilie, enthält in ihren beiden Untergattungen Lepus und Macrotolagus, namentlich der leßteren, rein neumeltlichen, ebenfall3 39 amerikanische Arten und Unter- arten, die in Nordamerifa jüdlich bis Merifo neben der Hauptgattung Sylvilagus vorfommen. Das deutet aber nach den modernen tiergeographiichen Anfchauungen, wie fie für die Säuge- tiere von Matjchie verfochten werden, in ver Kegel darauf hin, daß wir e3 mit zwei zivar nahe, aber Doch nicht nächjtverwandten Gruppen zu tun haben, da jolche geographiich ich zu ver- treten, nicht aber in dDemjelben natürlichen Gebiete nebeneinander zu leben pflegen. Völlig im Einklang damit unterjcheivet Hornaday unbedenklich auch in Amerifa ziwiichen Hajen (hare) und Kaninchen (rabbit) und bedauert nur die ganz unentjchuldbare Verwirrung, die die fahrläffige Anwendung des Namens „Jack rabbit“ auf die echten Hafen des Weitens angerichtet habe, zumal ein eigentliches Kaninchen in Gejtalt des „Cotton tail“ ein allbe- fanntes Tier der Dftjtaaten ift. VBierzig Fuß vom Nationalmujeumsgebäude in Wajdington bat es fich, von Kindsnöten gedrängt, eine flache Köhre in den weichen Boden gegraben und Dort jeine Jungen aufgezogen, und auf dem Grundjtüce des Landwirtichaftsminijteriums haben jedes Jahr ein oder zwei Paare ihren Bau. Unter diefen Umständen Dürfen wir getrojt die Gattung Sylvilagus als die Staninchen Amerikas betrachten und behandeln, wenn bei ihnen auch allem Anjcheine nach der Grabinftinft noch mehr zurücdgebildet ijt als bei unferen Kaninchen, wo wir exit den Beginn diefer Nücdbildung zu erfennen meinen. Smijchen den geilen kann man das auc) bei Stone und Cram herauslejen, die ein Nejt mit jungen Cotton tails photographiich abbilden und in der erflärenden Unterjchrift von dejjen Wollbededung und den blinden Tierchen jprechen. Ganz neuerdings ft die Kaninchennatur von E. W. Neljfon in Nr. 29 der „North American Fauna“ auch ausdrüdlich feitgelegt worden. Das Amerifanijche Kaninchen, Sylvilagus floridanus Allen (sylvaticus), it von den modernen Syitematifern feiner Heimat, Allen, Miller, Bangs, nach den verjchiedenen geographiichen Formen, Die es in den verjchtedenen natürlichen Öebieten Nordamerifas bildet, in eine ganze Menge von Unterarten zerjpalten worden, die wir hier natürlich nicht einmal nennen fünnen. Sm amerifanifchen Volfsmunde heißt das Tierchen bezeichnendermeije „Baummollichwänzchen‘ (Cotton tail), nach der weißen Unterjeite feiner Blume, die ihm wie ein Baummollbaujch hinten anhaftet. Sonjt hat es oben Die befannte graue Staninchen- farbe in verfchiedenen Abtönungen und wird daher auch Gray rabbit = Graues Kaninchen genannt; unten ift e3 wei; mit einem braunen Bande quer über die Bruft. Die Größe ent- jpricht ungefähr der unjeres Kanins. Auch darin ift das Baummollichwänzchen ein echtes Kaninchen, daß e3 jich in jeinem ganzen großen Verbreitungsgebiete (von den Neuengland- jtaaten und Minnejota bis in die Halbinjel Yufatan) nirgends hat austotten lafjen, viel- mehr heute noch das meiftgejehene Wildfäugetier der Union ift. Ebenjo find zum Dauer- rennen feine Hinterläufe zu Furz und zu „weich“; aber was ihm an Ausdauer fehlt, erjeßt e3, genau wie unjer Heimer Sandflier, durch Firigfeit und Berfchmigtheit. Zudem hat die Natur e3 derart Durch eine Schußfärbung begünftigt, daß e3 von feiner Umgebung faum zu unterjcheiden it und oft erjt Dicht vor den Füßen, die es eben zertreten wollen, heraug- fährt. Wie heimlich es in unmittelbarer Nähe des Menschen nicht nur jein Leben zu friften, jondern auch jeine Jungen aufzuziehen verjteht, ift oben jchon gejchildert. Wenn es die Amerifanifhe Kanindhen. Wafferhajen. 93 Wahl hat, bevorzugt es einen Schlupfmwinfel unter einem großen Baume, dejjen Wurzeln Menjch und Tier hindern, e8 auszugraben. Feljenjpalten jind ihm ebenfalls willfommen; aber oft muß e3 auch erfahren, daß hohle Stümpfe und Bäume und Neifighaufen für den Bewohner rajch zu einem Ende mit Schreden führen. &3 jchläft niemals im freien Tageslicht, wenn jeine Feinde auf den Beinen jind. Wenn „ver Mann mit der Flinte” fommt, drüdt es fich nieder und liegt jo jtill, als wenn es ausgeitopft wäre, nur jelten atmend und mit feiner Wimper zudend, aber immer bereit, aufzujpringen. Seine jcharfen Augen und Ohren mejjen jeden Meter, den der Feind näherfommt, bis Diejer auf Schuß- weite heran ift. Dann aber fliegt eS wie ein langer, grauer Streifen über Baumjtümpfe und jauft in die Löcher fo flinf, daß in zwei, drei Sefunden nur noch die Blume als weiße Signalflagge Abjchted winkt, bevor e3 verjchmwindet. Vie die Hajen Hält auch der Baummollichwanz beitimmte „Pälje” ein, und diejen folgt im Winter der nowdifche Habicht (Goshawk), jogar laufend nach Hartnädiger Habichtsart, namentlich da, too jie unter Gebüjch Hinführen, was das „Stoßen“ von oben hindert. Das geichieht wohl, um die Kaninchen ins offene Holz Hinauszutreiben, wo mehr Ausficht it, jie zu fajjen, für den zweiten Habicht des im Winter jtetS zufammen jagenden Paares, der dort wartet. Sogar die gewöhnliche. Strähe bringt es fertig, Kaninchen zu töten, wenn der Neujchnee tief und weich genug ift, daß das jonjt jo flinfe Baummwollichwänzchen nur langjam von der Stelle fan. Das Kaninchen liebt bejonders jolche Stellen, mo Dornige Beerenjträucher und zerjtreute junge Fichten und Birken zwijchen den verrotteten Stümpfen einer älteren Baumgeneration wachjen; aber es richtet jich auch in jedem anderen alde ein, jei es Hoch- oder Niederwald, und ebenjo beherbergt alleinjtehendes Bujchiwerf, wenige Schritte im Geviert, mag e3 nun hart am Wege oder in der Ede einer Wieje liegen, leicht eine Kaninchenfamilie. Alfo auch in der Neuen Welt „überall zu Haufe”! Dagegen macht das Baumwollichwänzchen faum irgendwelchen fühlbaren Schaden. Die Jungen trifft man im Sommer oft allein unter Farnı- und anderem Straut. Überbfict man bei Troueffart die weiteren 12 zurzeit als jelbjtändig anerfannten Haupt- arten der Untergattung Sylvilagus auf ihr geographijches Vorkommen, jo zeigt jich, dab jie hauptfächlich im Weften und Süden heimifch find. Mittel- und Südamerika bis Brafilien und Paraguay einjchließlich werden von 14 Arten der Untergattung Tapeti Gray bewohnt. Aus diejer bilden wir auf ©. 54 das Coftarica-Tapeti, Tapeti gabbi Allen, der bebujchten Waldblößen Eoftaricas ab, das den Begriff „Hafe“ jehr lehrreich erweitert mit jeinen Furzen Ohren und feinem bis auf einen fleinen Höder in der Haut verfümmerten Schwanze. Bleibt noch die Untergattung Wafjerhafen oder, bejjer gejagt: Wafjerfaninchen (Limnolagus Mearns), mit 7 Arten und Unterarten, die jebt E.W. Nelfon (‚North American Fauna“, Nr. 29) durch ihre nackten, blinden Jungen als echte Kaninchen exwiejen hat. Sie ift die interefjanteite von allen: zeigt jte doch die Anpafjungsfähigfeit dev Taninchenartigen Hafen im glänzendjten Lichte durch die Gewöhnung ans Waffer, ans Leben im Sumpfe! Zeider jpielt diejes Leben fich aber an jo jchwer zugänglichen Orten ab, daß mir nur jehr wenig von den merkwürdigen Tieren wifjen. Die beiden bejtbefannten Arten jind noch das Sumpffanincden, L. palustris Bachm. (Albb., ©. 55), aus dem stüjtentiefland von Nord- carolina, Georgia und Florida, nur 45 cm lang, Unterjeite des Schwanzes grau, Ohren fürzer als beim Baumwollichwanz, und das Wajjerfaninchen, L. aquaticus Bachm., 54 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Euren bom unteren Mijjijippt nördlich bis Sipillinois, 53 cm lang, Unterjeite des Schwanzes weiß, Ohren länger ala beim Baumtwolljchwanz. Bet beiden Arten find die Fühe nur jpärlich behaart, offenbar eine Anpajjung an die veränderte Xebensweife. Das Sumpffaninchen ift ein Bewohner der niederen Kitenftriche in den Südftaaten. 63 ijt ein wenig größer als der Baumwollchwanz, mit,dem es fich oft vergejellichaftet, >>> = Fi A - DD =: —e—Z \\ Mn N W) U A G CoftaricasTapeti, Tapeti gabbi Allen. 1/a natürliher Größe. (Bol. Text, ©. 53.) und unterjcheidet jich von ihm noch durch die jpärlichere Behaarung, namentlich die fait nadten züße. E38 it unverfennbar ein Tier der feuchten Sümpfe, das nicht zögert, das Vajjer anzunehmen und, aufgejchrect, fich in den tiefften Morait zu ftürzen. Nach Bach- mann läuft e$ auf der Erde niedrig dahin und fann nicht jo leichte, Fräftige und fchnelle Sprünge machen tie der Baummolljchwanz. Bermöge der kurzen Ohren und Gliedmaßen und jeiner ganzen plumpen Erjcheinung erinnert e3, wenn man e3 jo durch Matjch und Moder platichen jieht, etwa an eine große Natte. Nach Audubon und Bachmann werden die 6 oder 7 Jungen in einem großen überwölbten Nejte abgelegt, das oft aus einer Binfen- art beiteht und einen Eingang von der Seite hat: wieder eine neue Abänderung der Wohn- Itätte, weder freies Hajenlager noch unterirdijcher Kaninchenbau. Die Sümpfe des unteren Mifjijjippi beherbergen das große Wafjerfaninchen, dejjen Lebensweije der des Fleineren Sumpffanins, foviel wir twiljen, ganz ähnlich if. Hinzu= Sumpffaninden. Ejelhafen. 99 zufügen wäre nur, daß L. aquaticus qut taucht und große Streden unter Wajjer |hwimmt. Ferner jollen die Waijerfaninchen im Winter großenteil von den Wurzeln der Wajjer- pflanzen leben, die fie mit ihren Elauenbewehrten Vorderfühen ausjcharren. Der ameri- fanifche Farmer hält fie der furzen Ohren wegen, die dem Kopf hnlichfeit mit dem eines Bullenbeifers geben, für eine Hundeart und nennt jie waterdogs. Sie jind in denjenigen Gegenden des Miffiijippitales, wo es weite Streden jtehender Gemwäljer gibt, jehr häufig und zu Zeiten, wenn der Wajjeritand niedrig tft, nicht jchwer zu fangen. Sumpffaninden, Limnolagus palustris Bachm. 1 natürliher Größe. (Vgl. Text, ©. 53.) Wir fommen zum Kern der ganzen Familie und zugleich zur legten Hauptgattung, Lepus L., den eigentlichen Hafen, zu denen auch Meifter Lampe, der Grundpfeiler unjerer heutigen Feldjagd, gehört: 103 Arten und Unterarten aus allen Exdteilen mit Ausnahme von Auftralien, Mitte- und Siüdamerifa, ein Teil der nordamerifanijchen wieder in Die bejondere Untergattung Macrotolagus Mearns abgejpalten. Diefer wifjenichaftliche Name („Srofohrhafe”; eine Art Heift zudem noch M. callotis — Schönohr) begegnet fi) im Sinne mit dem Spottnamen, den die Ymerifaner in den Prärien des Weftens den unerwünfchten Mitefjern auf ihren Objtplantagen, Feldern und Viehmweiden gegeben haben: Jack rabbits, d.h. Cjelhafen, wegen der mächtigen, über fopflangen Löffelohren; Langlöffel könnte man deutjch auc) jagen. Dank ihrer praftiichen Bedeutung hat auch das Landwirtfchaftsminifterium der Union ich für die Ejelhajen inter- ejjiert und von einem feiner für jolche Zmede angeftellten Staatszoologen, Palmer, eine jehr vieljeitige Abhandlung ausarbeiten Yaffen, die uns im folgenden al3 Quelle dienen joll. 56 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. Danach Handelt e3 jich, abgejehen von einer jpäter zu jchildernden Art mit ganz weißer Schwanzblume, hHauptjächlich um die folgenden Arten mit oberjeits [chwarzem Schwanz: Calı- fornia Jack Rabbit, Macrotolagus californicus Bachm. (Taf. „Nagetiere III”, 2, bei©. 122): am leichtejten fenntlich Durch die hell rötlichgelbe (buff) Unterjeite des Numpfes und Schwan- ze3; Slörperlänge, von der Najenjpige bis zum Ende des Schwanzivirbels gemejjen, über 59cm, Dhren 13—15 cm; Heimat: Kalifornien mwejtlich der Sierra unter 3000 Fuß Meereshöhe. Texan Jack Rabbit, M. texensis oder texianus Wtrh.: Unterjeite des Körpers und Schwanz zes weiß; Körperlänge beinahe 65 cm, Ohren über 17 cm. Die weiße Unterjeite unterjcheidet den teranifchen Ejelhajen gewöhnlich von dem falifornifchen; aber die leßteren werden in den Hügeln am San Soaquin Valley oft jo hell in der Farbe, daß fie den weißbauchigen jehr ähneln. Heimat von M. texensis: vom Feljengebirge weitlich bi8 Dregon zur Sierra Nevada in Kalifornien, von Zentral-Spaho und Sidoft-Wafhington jüdlich bis Merifo. Eastern Jack Rabbit, M. melanotis Mearns, der öftliche Verteter des vorigen mit fatteren Yarben und fürzeren Ohren; der jhwarzjchwänzige Ejelhaje des nordamerifanischen Dftens, unter den Palmer, einerlei, ob e3 num eine Spezies oder eine Subjpegies it, alles einbezieht, was öftlich des Feljengebirges und von Mittelteras nordwärts bi3 Nebrasfa vorfommt. Allens Jack Rabbit, M. alleni Mearns, der größte und fchönjte Haje des Südweitens; auch aus der Entfernung gut zu unterjcheiden durch die grauen Körperjeiten und das Weil am Hinter- teile; Länge über 64 cm, Ohren beinahe 20 em; Heimat: Südarizona und Sonora. Jirgends in den Vereinigten Staaten und vielleicht nirgends in der Welt, ausgenommen Australien, find Hafen jo zahlreich wie in einigen Teilen Saltforniens. Aber obwohl der Kalifornijche Ejelhafe jchon 1837 bejchrieben wurde und der Teranijche 1848, hat man doch neuerdings exit die Grenzen ihrer Verbreitung genau bejtimmt. Der Kalifornier it nirgends jo zahlreich wie der Teraner, in manchen Gegenden jogar jelten; aber daran ijt nur die Bejiedelung jchußd und Die verjchtedenen Mittel, die man zu jeiner Vertilgung angewendet hat. Ban Dyfe (‚Southern California“, 1886) findet faum ein Tier anmutiger als diejen Hafen, ob er nun leicht Dahinjagt über die Ebene vor dem langgejtreckten Windhunde oder, aus feinem Lager herausgeftogen, in hohen Fluchten davonjaujt, rüctwärts fchauend, als wenn er ein bejjeres Bild des Störers mitnehmen wollte, oder, anhaltend und fich auf die Hinterfühe erhebend, jenfrechtfteht und aus ficherer Entfernung beobachtet, dann abermals jich lang ftrect und Boden unter fich nimmt wie ein Nenner, bis er eine Meile weit weg ijt. Yumeilen am frühen Morgen oder abends fieht man ihn wohl, tie im Spiel, über die Ebene laufen: vielleicht 2, 3 Meilen rennt er jo meijt in vollem Laufe. 68 braucht einen guten Windhund, um den beiten Ejelhajen zu überholen, und der langjamite hält immer noch zwiichen jich und einem gewöhnlichen Hund jeden beliebigen Abjtand. Der Teranijche Ejelhaje ift im allgemeinen ein ausgejprochener Bewohner der Wirten und Ebenen. In Südarizona und der Coloradvwälte in Kalifornien jieht man ihn gewöhnlich einzeln oder in Feimen Trupps von zweien, dreien, während in Kanfas, Diteolorado und einigen Teilen des Großen Bedens oft gewaltige Mengen zufammen ge- junden werden. Geine Häufigfeit oder Seltenheit hängt ab von örtlichen Bedingungen: ein ungewöhnlich alter Winter, eine Epidemie oder ein trodenes Jahr, in dem das Futter jpärlich it, Fan feine Zahl jo vermindern, daß er da jelten ist, wo er fonft zahlreich war. Wenn aber die Lebensbedingungen günjtig find, vermehrt er fich hervenmweife und ijt dann in ungeheurer Zahl vorhanden. Darüber erzählt Sudley 1884 aus Südweit-daho: „Die Hajen waren dort jo zahlreich, daß unjer Kommando von 60 Mann fat eine Woche von Gjelhajen. 97 ihnen lebte.” m Sommer 1891 jah Palmer jelbit groge Mengen gleich füolich der Stadt Bafersfietd. Wenigjtens 100 waren immer zugleich im Gejichtsfreis, und fie waren jo ver- traut, daß fie faum auf die des Weges fommenden Gejpanne achteten und Menjchen auf wenige Fuß heranfommen ließen, ehe jie flüchteten. Eine eingehendere Tebensjchilderung aus Arizona gibt Coue3 (‚American Naturalist‘“, 1867): Dort ift die Art das ganze Jahr jehr gemein und in jederlei Gelände zu Haufe, ob- wohl natürlich grafige Wiejen und offene Blögen, überjtreut mit Gejträuch, Eichengruppen oder Dornbüfchen, bevorzugt werden. Die Wildwafjerichluchten oder „Wajchbütten”, wie fie genannt werden, die aus den Bergjchluchten Herausführen und dicht mit „Schmier- holz” (Dbiono, Atriplex canescens, eine Art Melde) bejtanden find, find Lieblingspläße. Die Hafen äfen viel von diefer Pflanze und treten jich Heine Wege durch die Büjche, auf denen fie gemächlich umherhoppeln. Wenn fie in Auhe äjen und feine Gefahr argmöhnen, bewegen fie jich mit einer gewifjen trägen Läfjigfeit, najchen hier vom Bujche über ihrem Kopfe und dort vom Grafe zu ihren Füßen. Sie find (al3 echte Hafen) durchaus nicht eigentlich gejellig, obwohl befonders verlodende Verhältnifje viele von ihnen auf demjelben Flede verfammeln können. Sie graben (wiederum als echte Hafen) feinen Bau, jondern machen ich ein Lager zurecht (englifch „form“, wohl entlehnt vom Bilde der Kuchenform), in dem jie fich niederdrüden. Dieje Lager Hält Coues nicht für dauernd; er glaubt viel- mehr, daß fie, warın und wo nötig, in einem pafjenden Bufche hergerichtet werden. Nur zur Fortpflanzungszeit mag e3 anders fein. Die Zahl der Jungen toird gewöhnlich auf 2 oder 3 in einem Wurfe angegeben; Coues fand aber bis 6 in einer trächtigen Hälin. jn der Gegend feiner Beobachtung (Fort Whippfe) wurden die Jungen im Juni geboren. Soll wohl heißen: die eriten Jungen; denn bei der zeitweife riefigen Vermehrung müjjen wir Doch an- nehmen, dat mehrere Würfe einander folgen bis in den fchönen, milden nordamerifanijchen Herbit hinein. Der Terashafe hat einen langen, jhrwingenden Galopp und macht ausgiebige Sprünge, manchmal über Büfche von 4 Fuß (1,22 m) Höhe: jeßt fehwebt er in der Luft, alfe vier Füße eng zufammen herunterhängend, und jet berührt er den Boden und prallt wieder von ihm ab mit wunderbarer Schnellfraft. So läuft er einige Hundert Ellen weit; dann hält er plöglich ein, jet fich aufrecht und läßt feine langen, vor Aufregung zitternden Ohren in jeder Richtung fpielen, um einen Laut von der ihn verfolgenden Gefahr aufzufangen. Der Öftliche Ejelhafe ift nur durch jorgfältige Vergleichung einer Reihe von Erem- plaren als befondere Form zu erfennen. In einigen Teilen von Kanjas und in Südoit- Colorado ift er jehr zahlreich und wird in großen Mengen vertilgt, auch viel auf den Weärkten der Städte verfauft. Nach Attwater bleibt er, jelbjt jung aufgezogen, immer wild und jeßt fich zur Wehr. Er wird viel zu Hebjagden gebraucht und ift einer der beiten Hajen für diejen Sport. Eine interefjante Probe auf feine Schnelligkeit wurde („American Field“, 1894) auf den Prärien von Oftcolorado bei Burlington gemacht. Einige Hafen wurden los- gelafjen, nachdem man ihnen einen oder zwei Tropfen Anisöl auf den Zubjohlen bver- trieben hatte, und dann eine Meute von fünf Hunden auf ihre Fährte gejeßt. Der erite und der zweite Hafe wurden in ungefähr 20 Minuten niedergelaufen; aber um den dritten zu überholen, einen „alten Schwarzihwanz“, brauchten die Hunde beinahe 2 Stunden. Der Bejchreiber fügt Hinzu, daß diefe Hajen im Kreife zu laufen pflegen. Sie machen ein Nennen von etwa 2 Meilen; dann aber werden jie matt, und wenn die Spur nicht verloren geht, holen die Hunde fie ficher ein. Über Allens Ejelhafen jagt Price: „Sch Habe ihn nie mit der rafchen, reigenden Flucht 58 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. des Terashajen aufjpringen jehen. Er hat eine träge, anjcheinend unbeholfene Gangart, und doch macht er lange Sprünge und geht mit überrajchender Gejchtwindigfeitüber den Boden hin. So verjchieden wie er in Farbe und Wejen von allen anderen amerikanischen Hafen ijt, muß man fich wundern, daß er jo lange unbejchrieben blieb“ (bi8 1895, „Bull. Am. Mus. Nat. Hist.‘“). Num einige Beijpiele, bis zu welchen Mafjen fich die Ejelhafen in begrenzten Gebieten vermehren fünnen. Sn Modoe County, Nordfalifornien, wurden in 3 Monaten fait 25000 getötet, auf einer LYandjtrede von nur 6—8 Meilen im Umfreis. Bet Bafersfield fanden einige Treiben jtatt in einem Revier, das nicht einmal eine Duadratmetle Umfang hatte. Im eriten Treiben wurden an einem Nachmittag 1126 Hafen getötet; jobald dieje erledigt waren, wurde dasjelbe Feld zum zweitenmal übergangen und noch 792 erlegt. Eine Woche jpäter hielt man auf demjelben Boden zwei Treiben ab; das erjte ergab 2000, das zweite iiber 3000 Hafen, weil man ein angrenzendes Feld mitgenommen hatte. &3 wurde gejchäßt, daß auf diefem Nevier in I Tagen alles in allem etwa 8000 Hafen getötet worden waren. Das „Kern Country Echo“ gibt an, daß von Januar bis März 1888 im ganzen 40000 Hafen auf den Treiben um Balerzfield getötet worden jeien, und nimmt dabei auf eine Schäßung bezug, nach der zwei Drittel Häfinnen mit einer Durchjchnittszahl von 31, Jungen gemwejen jeien. Auf diefer Grundlage wurde berechnet, daß Die 40000 Hafen, wenn jie noch 2 Monate am Leben geblieben wären, jich auf 135000 vermehrt hätten. „Wenn man bedenft, was ein einzelner Haje anrichten fann, jo mag der Schaden, den ein jolches Heer macht, faum ge= tinger jein als der einer Heufjchredenplage.” Sn Ada County, Zdaho, wo man unter dem Yrämienjyitem 15 Jahre hindurch Die Hafen fyitematijch vertilgte, wurden im leßten Diejer Sahre, 1895, mehr Ktopfhäute eingeliefert und mehr Geld für jolche ausgegeben als in irgend- einem Jahre vorher, jeit 1878 das Prämiengejeg in Kraft trat. Man darf annehmen, daß die Ejelhajen in ihrer Fortpflanzungszeit mehrere Würfe bringen, angeblich alle 6 Wochen einen von Durchjchnittlich 3—4 Jungen. Da dieje nun in ungefähr 2 Monaten ausgewachjen iind, jo mag man fich einen Begriff machen von dem Nahrungsbedarf der ganzen Majje. Die Hajenfrage wurde eine Lebensfrage für die betroffenen Viehzucht-, AUder- und Objt- bauftaaten des Weitens. Von Gift und Fünftlicher Verbreitung anjtedender Stranfheiten fam man bald wieder ab, und ebenjo durfte man jich von den natürlichen Feinden der Hafen feine mwejentliche Hilfe verjprechen. Smmerhin lernte man den Coyote oder Präriewolf, den man daraufhin bisher gar nicht angejehen hatte, als recht wirfungspollen Hajenvertilger ihäßen und hob die Prämie wieder auf, die man einjeitig zugunften der Schafzüchter auf jeinen Stopf gejeßt hatte. Wieder eine jener gewaltiamen Störungen des natürlichen Gleich- gemwichts in der tierijchen und pflanzlichen Umgebung, die der europätfche Kulturmenjch mit unfehlbarer Sicherheit, wie feinen Schatten, mit jich bringt, indem er bewußt oder un- bewußt Nähr- und Wohngelegenheit vernichtet, manchmal aber auch neu jchafft! Auf dieje Weije muß auch die übermäßige Vermehrung der Ejelhafen unter den heutigen Stultur- verhältnijjen ihrer Heimat zu erklären fein: wahrscheinlich durch die Bebauung und Be- pflanzung jener früher vollfommen mitten und öden Gegenden, die durch ihren Fünjtlichen Planzenmwuchs jet da Hunderten und Taufenden Nahrung bieten, wo im Zeitalter des Ssndianers Faum einige wenige ihr Leben frijten fonnten. Armer Langlöffel: erit baut man Futter für Dich, und dann jchlägt man dich tot, wenn du es auffrigt! — Der Unions- bürger der Wejtitaaten fieht in den „‚drives“ immer noch das beite Mittel, fich feiner Schad- hajen zu erwehren. Die Anfänge diefer Treiben follen übrigens bis in die Indianerzeiten zurüdgehen. Heute bringen die „Hafentage” die gefamte Bevölferung ganzer Bezirfe auf die Gjelhajen. Präriehaje. 59 Beine: fein gefunder Mann darf jich diejer gemeinnüßigen Pflicht entziehen; zugleich aber wird das Hajentreiben ein Felt, das mit Exrtrazügen Teilnehmer auch aus der Ferne anlodt. Große Flächen werden umitellt, die darauf befindlichen Hajen nach Möglichkeit in eine Um- zäumung getrieben und dort totgejchlagen. Wie Balmers photographiiche Aufnahmen zeigen, liegen dann die Leichen jo dicht, daß man buchjtäblich den Erdboden nicht fieht. Die Ver- tigung ift dabei die Hauptjache; aber natürlich wird die Beute auch nach Möglichkeit aug- genußt. Was noch gut ausjieht, bringt man auf den Markt; wo Prämien gezahlt werden, ichneidet man den „Sfalp“ mit den Ohren ab als Beleg. Die Körper benubt man als Schmweinefutter, zum Düngen oder jchafft fie beifeite. Die Felle werden fait nur von den Indianern des Großen Bedens benußt, die in Zdaho, Nevada und Utah von jeher ich die Kleider daraus machten; Daher der Name Hajenindianer. Palmer führt unter feinen Jack Rabbits auch den Bräriehajen, Lepus campestris Bachm., auf, der fich von jenen jchon äußerlich Durch ganz weisen Schwanz unterjcheidet. Er leitet ung zu den Hafen im alferengjten Sinne über. Übrigens fommt er niemals in folchen Mafjen vor wie die jhwarzichwänzigen Langlöffel, auch unter den günftigjten Umftänden nicht. Uns intereffiert an ihm bejonders, daß er ein „veränderlicher Haje”, im Sommer grau, im Winter weiß, ift und fo bis zu einem gemwiljen Grade die Verbindung heritellt zroi- ichen den Ejelhajen und den Polarhajen. Sonit ijt eg eine große Urt, beinahe 60 em lang, mit über fopflangen Ohren, langen, jtarfen Hinterläufen und weißem, gar nicht jchwarz gezeichnetem Schwanze. Er verbreitet jich über Oftfanada und das Tal des Sastatjchetvan bis nach Kanfas und zur Sierra Nevada. Obwohl er PBräriehaje heißt, jibt er Doch hoch in den Bergen, wenigiten3 im Sommer, höher al3 irgendein anderer Haje. Palmer jah ihn 10000 Fuß hoch in der Sierra Nevada, und im Feljengebirge hat man jeine Spuren meit über der Baumgrenze gefunden, nahe den höheren Berggipfeln. E3 it faum anzunehmen, dag Ejelhajen den Winter in folchen Höhen zubringen; doch muß die obere Grenze ihres Winteraufenthaltes noch feitgetellt werden. Neichliche Afung auf den Hochgebirggmatten und über der Baumgrenze loct fie jedenfalls aus geringeren Höhen hinauf, ebenjo wie be- baute Felder in der Ebene fie aus der Ferne anziehen. Sm Gebirge und im nördlichen Teile ihres Berbreitungsgebietes werden fie im Winter ganz weiß; aber in Kanjas, Nebrasta, Wafhington und anderwärts nahe der Siüdgrenze ihres Vorfommens verfärben fie ihren Pelz nur teifweife oder werden nicht alle weiß. Ir Südoregon follen die Hajen des höheren Gebirges im Winter weiß; werden, während fie ein wenig niedriger nur undollitändig ber- färben und in den Tälern überhaupt feinen weisen Pelz anlegen. Nach Coues, der ihn auf den „Großen Ebenen” beobachtet hat, ijt der Präriehaje durchaus nicht gefelfig. Wenn er etwas bevorzugt, jo find e3 die Unfrautbejtände, die Die Salbeibufchregion am beiten aufzumeifen hat; dort findet er Schuß, den ihm das niedrige, fraufe Gras des mwelligen Prärielandes nicht bietet, und ebenfo eine vielfältigere ung. In manchen Gegenden fommt er jedoch auch recht zahlreich vor. Filher jah 20 beifammen bei Colby in Kanjas, und weiter nördlich wird er in großen Mengen auf den Markt geliefert. Ein Kommiffionshaus in St. Paul, Minnefota, erhielt in einem Winter 12000 Stüd aus Nord- und Süddafota, und aus dem Staate Wafhington famen Silagen über Feld- und Objtichaden; bei Prescott, Wallawalla County, wırde eine Johannisbrotpflanzung, die auf Waldland angelegt tar, von mweißjchwänzigen Ejelhajen zerjtört. Mehr aus dem Süden, aus der Ge- gend zwijchen John Day und Umatillafluf jchreibt 3... Lord: „Al wir losritten, bemerite 60 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. ich Fährten; fie bedecten den Boden jo dicht, daß ich zuerjt bei mir dachte: von einer großen Schafherde, als wenn die Tiere da eingepfercht gewejen wären. Sch Hatte faum Zeit, nach- zudenfen, welches Tier hier jo zahlreich fein fünnte, als die Hunde unter den wilden Salbei- bitjchen heraus zivet oder drei Hafen Hochmachten. Wir jahen dann Mengen von jolchen und ichojjen mehrere; aber das Wildbret jchmedte jo jtreng nach wilden Galbei, von welchem dieje Hafen Hauptjächlich leben, daß man e3 nicht ejfen fonnte... Der Balg des Prärie- bajen ijt lang und jeidig und hat genau die Farben des Sandes und der Dürren Blätter unter den Büjchen, wo er jein Lager macht. Wenn er jich nicht bewegt, ijt e3 unmöglich, ihn bon jeiner Umgebung zu unterjcheiden, mag man auch unmittelbar auf feinen Rüden nieder- jehen.” Hochgemacht, ift jolcher Haje im Vu auf und davon. Coues bejchreibt jeine charafte- riitiiche Gangart Dabei folgendermaßen: „Zunächjt drücdt er fich nieder in der Hoffnung, verborgen zu bleiben, bis die Furcht ihn Hoch treibt. Dann macht er einen Sprung in die Luft mit langgeitredtem Körper und aufgerichteten Ohren. Sm Augenblid, wo er den Boden berührt, ijt er auch chon wieder hoch mit eigenartig federndem Nud, mehr wie der Nüdjtog eines Gummiballs al3 wie eine Musfelleiftung. Cr fommt gar nicht richtig her- unter und jammelt fich zum nächiten Sprung, fondern es fieht aus, als wenn er mit fteif aus- geitreckten Beinen nur eben den Boden berührte und durch Die eigene Clajtizität wieder in die Höhe flüge. Die Bewegung erinnert auffallend an das ‚Boden‘ eines Maultieres, eine Sache, die den Leuten im Wejten nur zu vertraut ift. Mit einer Reihe diejer rucdweijen Süße eilt das Tier in geradem Laufe davon; da tft nicht? von den Siniffen und dem Hafen- ichlagen der Fleineren Hajen. Hat er einen VBorjprung gewonnen und feine Furcht legt Jich, jo werden feine Sprünge weicher, und er jebt jich in jeiner Spur mit einem Nucd auf die Haden nieder, zu lauern und zu laufchen. Die Stellung in jolchen Augenbliden ift höchit charafterijtisch: einen Borderlauf ein wenig vorgejchoben und die Ohren gejpißt in entgegen- gejegter Nichtung. Ein Hafe in joldher Stellung ift immer auf der Hut, und der leijejte Anı- teiz jeiner Furcht genügt in folchem Augenblick, um ihn von neuem zu feinen federnden Sprüngen anzutreiben. Er ift die jchönjte Verförperung wachjamer Furcht.” Coues jah den Präriehajen niemals Männchen machen mit vom Erdboden erhobenen Vorderfüßen und bezweifelt, ob er dieje Stellung überhaupt annimmt, außer auf Augenblide. Wenn der Präriehafe zwar jchon ein veränderlicher Haje mit weißem Winterbalg war, aber doch noch ein Bewohner des Graslandes oder wenigitens offenen Geländes, jo it der eigentliche, gewöhnlich in Amerika jo genannte Beränderliche Hafe, Lepus ame- ricanus Erzl., auch injofern ein echter Schneehaje im altweltlichen Sinne, als er, wie jein eutopätfcher Verwandter, mehr im Walde lebt. Die Waldgebiete des nordöftlichen Nord- amerifas jind, nad) Stone und Cram, feine Heimat; dort verbreitet er jich füdweitlich der Alleghanies entlang bis Weftoirginien, im äußerjten Dften wird er füdlich von Maine jelten. Lenn man bedenkt, dag New York etwa unter der Breite von Neapel und die genannten Staaten etwa unter 40—45° nördl. Br. liegen, was in der Ulten Welt etiva Italien und Südfrankreich entjpricht, während unjer Deutfches Reich faum unter 47° nach Süden reicht, und das Gebiet des europäischen Schneehafen noch nördlicher Tiegt, jo tritt der Unterjchied in der Verbreitung der alt- und neumeltlichen Arten recht grell zutage: bei uns ausschließlich nordiiche und Hochgebirgstiere, reichen fie jenjeit3 des Dzean3 ungleich weiter jüdlich, bis in Breiten, die im mwejtlichen Europa faum einen Winter im gewöhnlichen Sinne Haben. Der Beränderliche Haje heißt in der amerifanijchen Yägerjprache auch „Schneejchuh-starnidel”, Beränderlicher Haje. 61 mwahrjcheinfich nach feinen langen, jtarf behaarten Hinterläufen, hat eine Körperlänge von 48—49 cm und ift im Sommer oben rotbraun bis matt rojtfarbig, unten weiß, im Winter ganz weiß, nur mit jchmalem braunen Rüdenftreif. Jm füdlichen Teile feines Verbreitungs- gebietes bleiben manche Stüde auch im Winter teilweife braun. Löffel und Hinterläufe jind weniger verlängert, jtehen in ihrem Längenverhältnis zum Körper in der Mitte zwifchen denen des amerifanijchen Ktaninchens und der Ejelhajen. Dies mag wohl mit dem Aufent- halt im Walde zufammenhängen, der eine andere Bewegungs- und Lebensmeije mit fich bringt. Troßdem tft der Veränderliche ein echter, ungejelliger Hafe, der fich nur ein offenes Lager auf der Erde macht. Stone und Cram jagen von der nördlichen Abart (L. a. virgi- nianus Harl.): Winter und Sommer und bei jedem Wetter hat er fein bejjeres Dbdach ala das niederhängende Gezmweig eines mmergrüng, zwijchen das jich jeder einzeln verfriecht, um jich gegen den Sturm zu fchügen und vor jeinen Feinden zu verbergen. Offenbar jchläft er nie mehr als Halb und ift immer auf dem Sprunge, herauszufahren im Augenblid, two er die Witterung des Fuchjes oder Wiejels erhält oder das Sinaden eines Fußtrittes von ferne vernimmt. Wenn er Hunger verjpürt, wagt er fich auch jo hinaus und hoppelt nach dem nächiten „Paß” oder der „Heerjtraße”, die gemeinjam von allen Hajen der Nachbarjchaft benußt wird. Dieje Hajenpäfje find gewöhnlich hübjch gerade und verfolgen das ganze Jahr über denjelben Lauf, indem fte fich Dabei oft eine Viertelmeile weit und mehr als eine Art unterbrochener Pfade fortjegen, mit vielen Geitenpfaden und Kreuzwegen von geringer Länge, die nad) den Afunggitellen hinführen. Nachdem die Hafen den Bäfjen eine furze Strede gefolgt jind, jchlagen fie jich gewöhnlich aufs Geratewohl ins Unterholz, hier und da nagend, an jungem Laub und Snojpen najchend und Herumjchnuppernd nach zerjtreutem Gras und Stlee, wie er jelbjt im tiefiten Walde noch aufjprießt. Die jungen Hafen haben auch feinen anderen Schuß als die Blätter über jich und müjjen ganz unbejchüßt gelajjen werden, jo oft die Mutter für fich jelbit Futter juchen geht; die alten Männchen follen nicht nur gar fein Verantwortlichfeitsgefühl für die Aufzucht der Jungen zeigen, jondern fie jogar mit einer gewijjen Wolluft töten, wenn fie Gelegenheit dazu haben. Sobald die Jungen fähig jind, für jich felbft zu forgen, oder noch vorher, wenn man nach dem äußeren Ausjehen urteilen darf, werden jie ihrem Schicjal überlaffen und müfjen fich jelbjt erhalten, jo aut fie fönnen. Futter finden fie in diejer Jahreszeit leicht genug; den zahlreichen Feinden zu entgehen, die fie umlauern, muß viel jchwerer fein, und es ift zu bezweifeln, ob vom Dugend auch nur einer groß wird. Venn der Winter herannaht und der Froft ihnen die fung abfchneidet, jehen fich auch die Beränderlichen Hajen mehr und mehr auf die Ainde junger Bäume und Büjche an- gemwiejen, auf Birken, weichen Ahorn und wilde Apfelbäume. Wenn die Knojpen der grauen Birfe zu jchwellen beginnen, wie jie da3 im Nachtwinter fehon tun, jcheinen Die Hajen dieje fung jeder anderen vorzuziehen, und wandern oft bedeutende Streden auf der Suche nach Bäumen mit niedrigen Äften oder Gruppen junger Bäume vom lesten Jahre, deren Spigen noch in ihrem Bereiche find, und ein Hafe, der jich aufrecht auf die Hinterläufe itellt, wie das in diefer Zeit ihre Gewohnheit ift, reicht viel höher, als man auf den erjten Blie glauben möchte. Die jtarfen Stöde der Brombeere und junge Bäume von 1 cm Durd)- mejjer jchneiden dieje Hafen am Boden oder auf der Schneedede ganz ab, um zu den Ziveigen und Sinojpen außerhalb ihres Bereiches zu gelangen. Gewöhnlich verbringen jie den Tag bemwegung3los niedergedrüct, Halb fchlafend unter Dedung, obwohl fie auch nicht abgeneigt ind, um Mittag fich zu jonnen, namentlich in der zweiten Hälfte des Winters. Gegen 62 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Sonnenuntergang gehen fie auf Mjung aus, und bald nach Sonnenaufgang find fie wieder zurüd im Lager. Troß jeiner Größe und der bedeutenden Stärke jeiner Hinterbeine, Die er zu guter Lebt jo Fräftig al3 Verteidigung zu gebrauchen verjteht, ftrampelnd und um fich ichlagend, wenn er ergriffen wird, fcheint der norwdiiche Haje die Beute aller, auch der flein- Iten Naubtiere de3 Waldes zu werden. m Norden foll der amerikanische Zobel oder Fichtenmarder einer jeiner fchlimmften Feinde fein, und es fit richt unwahrjcheinlich, daß Der amerifanische Nerz oder Minf auf feinen Streifen durch höheres Land hin und wieder einen erwijcht. Sogar vom Hermelin und Heinen Wiejel weiß man, daß jie erwachjene Hafen erlegen; die Zungen und hHalbwüchjigen fallen ihnen gewiß jehr leicht zum Opfer. Der ge- fährlichhte und unabläfjigite Feind ist aber wohl der Fuchs. Nach dem, was fie jelbjt gejehen haben, meinen Stone und Cram, daß die Füchje auf der Hajenjagd zufammentirfen, wie die europäischen, indem einer fi) am Hajenpajje auf die Lauer legt und die Hajen faßt, jobald jie den Pak annehmen, um den anderen Füchjen zu entwijchen, die fie vom Lager aufgetrieben haben. Die Habichte, der große graue Sauz, Uhus und Schnee-Eulen greifen fie entweder unverjehens aus Dem Jmmergrün heraus oder verfolgen jie im Fluge durch das Unterholz. Zu Diejer Feindejchar Fommt fchlieglich noch der Menjch, der den Schnee- hajen im Herbit und Winter mit Hunden jagt und in verjchtedenartigen Fallen und Schlingen fängt. Trogvem bedeutete nach der Darjtellung von Stone und Cram die Befiedelung der Heimat der Schneehajen durch den weißen Mann für diefe eher eine Berbefjerung ihrer Lebensumjtände al3 eine vermehrte Gefahr, weil nun ihre natürlichen tierifchen Feinde, die Wölfe, Luichje und marderartigen Raubtiere, die zugleich gute Pelztiere find, Deswegen jehr vermindert, zum Teil fogar ausgerottet wurden. „Bi3 um die Mitte vorigen Yahr- Hunderts war der Schneehaje jo noch gemein und offenbar die einzige Art im Süden des Staates New Hampjhire. Da trat das Feine, graue Rabbit oder Cotton tail (Baummoll- Ihmwänzchen) in die Erjcheinung. Obwohl es faum halb jo groß, viel Fürzer auf den Beinen und noc) furchtfamer und wehrlofer ijt, erweilt fich jebt, daß die größere Art (der Schnee- haje) in demfelben Maße verjchwunden ift, wie Die Kleinere an Zahl zunahm.” Hiernach jcheint es alfo, al ob im nördlichen Nordamerifa zmwifchen dem Beränderlichen Hafen und dem dortigen Kaninchen ähnliche Verhältnifje gejpielt haben, wie fie unjere Jäger und Hajenbeobachter zur Erörterung der Frage veranlaften: VBerdrängt das Kaninchen den Hajen? Allem Anjchein nach weicht Der VBeränderliche Hafe, der wohl ein echtes Urwaldtier it, vor der europätjchen Bodenkultur, Die der Weihe ins Land gebracht hat, zurücd, während da3 Kaninchen ganz im Gegenteil gerade mit ihrer Hilfe fich ausbreitet. Nach Stone macht der Beränderliche Haje in Zeiträumen von 7 oder 8 Jahren noch Vorjtöße in fein altes Gebiet, verjchwindet aber immer wieder. Eine Kolonie glaubt Stone zu fennen, die an einem niedrigen, fichtenbeitandenen Berghange ununterbrochen jeit den Sndianerzeiten hauft. Sonft aber Hält er die immer wieder auftauchenden Schneehafen für Wanderer aus dem Norden, die von demjelben Triebe nach Süden geführt werden wie die Lemminge und in geringerem Maße die meijten Fleineren Pelztiere des Nordens. Stone verfolgte jelbit fait 2 Meilen meit jolche einzelne Wanderjpur, die feine halbe Meile von feinem Haufe ab nach Cidojten führte, faum einmal einige Nuten von der geraden Richtung abwich und ohne Wahl über offene Felder und Wiejen führte; fie verlor fich jchlieglich in den Schneewehen, und der Verfolger fragte fich, „was wohl aus dem einfamen Wanderhafen geworden fein möchte, wenn er bis and Meer herangehoppelt war, deijjen Braufen man jchon deutlich hören konnte”. Ein gemwijjer True aus Pittsfield, New Hampjhire, jehreibt 1899 an Stone Veränderliher Haje. Polarhafe. 63 nach Umfrage bei den alten Fuchsjägern, aljo der Zunft, die ein Interejje daran Hatte, ihrem Belzwild jeine Nahrung zu erhalten: „Die weigen Nabbits oder Jads, wie fie hier genannt werden, find allermeijt verjchwunden; die wenigen übriggebliebenen finden fich nur in den dichten Wäldern. Al Grund, warum jich die Hajen verziehen, wird (ganz wie bei uns mancherjeit3; Hec) angegeben, die Kaninchen bijjen die jungen Hafen tot. SKa- ninchen jind fehr häufig, wie es die Jads vor dem lebten Jahrzehnt waren. Die eriten jollen von einem alten Fuchsjäger aus Mafjachujett3 vor etwa 30 Jahren hierher gebracht worden fein.” In Nordamerika jpielt alfo in den Streit zwifchen Hafen und Kaninchen auch noch das Sonderinterefje der Pelzjäger hinein; aber der Schneehaje war jtellenmeije me- nigftens aus anderen Gründen jchon verjchwunden, ehe zu feinem Erjaß für die Belzfüchie da3 Baummwollichwänzchen Fünftlich eingeführt wurde. Sehr angenehm berührt e8 an Stones Daritellung des amerifanijchen Schneehajen, daß er nicht den geringjten Zweifel hegt über eine Hauptfrage aus dem Schneehajenleben: wie nämlich der Farbenmwechjel zuftande fommt. Nur durc) Haarwechjel! „Ulle Säuge- tiere, im nordischen Klima wenigjtens, werfen ihr Haar zweimal im Jahre, befommen einen dieren Pelz für den Winter und einen dDünneren für den Sommer, und bei unjerer Art ijt der Winterpelz weiß, während das Sommerfell braun ijt; aber das einzelne Haar ändert niemals feine Yarbe von dem geitpunft an, wo eS auf der Haut zum Borjchein fommt, bis e3 wieder ausfällt. Der Wechjel von Braun zu Weiß geht im Herbjt vor jich, und für furze Zeit jteht das Tier dann etwas gejcheckt aus”; aber „im Laufe weniger Wochen oder noch fchneller wird e8 ganz weiß, und wenn auch eine Zeitlang das Braun noch in Tleden zu fehen it, fo it doch die allgemeine Wirkung derer, die ich auf dem Schnee gejehen habe, fo, daß mindeitens die Hälfte tatjächlich weißer erjchten al3 die Schnee- fläche, über die fie hinliefen.“ Beim amerikanischen Schneehajen ijt, nach Braß, das Leder zu dünn, um das Fell als Belzmwerf verwertbar zu machen; der Balg fann daher höchitens zur Filzfabrifation dienen. Eine gewifje Neuerungs- und Einführungsfucht, die heute in unjeren Süägerkreijen ftect als Übertreibung des an fich jo chönen Hegerfinnes, hat auch den Gedanken in die Sagdprejje geworfen, den Veränderlichen Hafen Amerifas bei uns auszujegen. Zur Ein- führung bei uns eignet er jich aber nicht, weder für die Jagd, da er unglaublich feit im Lager figt, noch des Wildbrets wegen, da das Verhältnis zwijchen Heulen und Aüden jehr zuun- guniten des leßteren ausfällt. Der Marktpreis beträgt in Amerika 10—20 Cent, ein Beweis, daß er auch in feiner Heimat nicht jehr begehrt wird. („Dtich. Jägerztg.”) Der Volarhaje, Arktifche oder Weiße Hafe, Lepus arcticus Leach (glacialis), lebt jo Hoch im Norden Amerikas, daß er das ganze Jahr über weiß bleibt; nur die Obhrjpigen find fchwärzlich. Sm Sommer hat er aber einige wenige lange, jehwärzliche Haare über den Nücden zerjtreut, und Ohren und Geficht find leicht grau überflogen. Ein Sommer- fleid ift aljo Doch vorhanden, was ja auch jelbtverftändlich ift; bei den verwandten Formen bon Zabrador (L. labradorius Mill.) und Neufundland (L. a. bangsi Rhds.) geht auch die jichtbare Veränderung meiter. Der echte Polarhafe der arktifchen Region ift auf den Schnee angemwiejen, zum Schub gegen das Unmetter und alle anderen Feinde. Sein Heim ijt ein Loch in einer Schneemwehe oder eine Spalte in einem ausgebrochenen Feljen, und jein Futter Sirfchzungenpilze, Flechten und die Zweige arktiicher Zwergbäume, die jo wetterhart find wie er jelbjt. In dem langen, 64 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. trüben Winter des hohen Nordens hat er jedenfalls wenig Feinde zu fürchten außer dem Blaufuch® und in den wenigen Wochen des jogenannten Sommers die Edelfalfen und die arftiichen Eulen. Wenn der Polarhafe nicht auf eine jpärliche Ajung ausgeht, fit er nieder- gedrückt in jeinem Lager, des trodenen Treibjchnees nicht achtend, der ihn oft ganz einhüllt, während er jchläft. Wenn dann der Edelfalfoder die Schneeeule in Sicht fommen, abgezeichnet gegen den düjteren Himmel, drüct er jich nur noch tiefer in den Schnee; wenn aber der Polarfuchs mit Räubergelüften auf feiner Spur daherfchleicht, dann fommt e3 meift zu einem Nennen auf Leben und Tod iiber Meilen feiter Schneefläche. ES ift merfwürdig, daß gerade ein Glied aus einer der dDünnhäutigiten und wehrlojeiten Säugetiergruppen jich jehr wohl imjtande erweilt, den Härten des Volarlebens zu troßen; aber man hat diefe Polarhafen auf Eisfeldern gefunden und zugefrorenen Meeresteilen zwanzig Meilen vom nächiten Yand. — Sperdrups, des waderen Nanjengefährten, „Neues Land“, d. h. Nordgrönland und die be- nachbarten Küjtenftriche, jcheinen der bevorzugte Tummelplab des Polarhajen zu fein. Überall begegnete ihm die zweite norwegifche Polarerpedition, und immer wieder jebte ebenjomwohl fein jcharenmweijes Auftreten in Erjtaunen wie die argloje Vertrautheit, Die das vollfommen menjchenunfundige Tier verriet. Am Foulfefjord wurden die erjten aus der Ferne für wilde Renntiere gehalten, ein ähnlicher Srrtum, wie er bei gewijjem Wetter auch unjeren Jägern hier pajjiert. Sperdrup und feine Leute ftreiften infolgedefjen die ganze Nacht umber, ohne Renntierfährten zu finden. „Hafenfcharen aber jahen wir fat auf Schritt und Tritt.” Man machte reiche Jagdbeute an folchen, deren einziger Fehler darin beitand, daß jie jo groß und fett und fo fchwer zu tragen waren. Die Reifenden agen zum Abend Hajenjuppe. „So fette Hajen habe ich noch nie gejehen: es lag ein halber Zoll Fett auf der Suppe!” Al beim Übergang über einen Fluß das blafige, hohle Süßtwafjereis Frachte, jprang am anderen Ufer eine merfwindige Geftalt auf. „Sie war fchneemweiß;, ging auf zwei Beinen und jah geradejo aus wie ein Heiner Junge, der im Hemd herumläuft... Daß es ein Haje war, wurde mir exit Ear, al3 er 300—400 m von mir entfernt war... Sedenfalls it e3 eine Tatjache, daß die Hafen hier oben lange Streden auf den Hinterbeinen laufen...“ Sperdrups Erfahrung geht dahin, daß die Hafen jener Regionen ich recht Häufig im Winter zufammenjchliegen und ein anderes Gebiet auffuchen. „Über die Urfache wage ich mir fein bejtimmtes Urteil zu erlauben ... doch daß e3 auf irgendeine Weife mit der Nahrungsfrage zujammenhängt, glaube ich ganz bejtimmt.” Und aus feinen „glüclichen Sagdgründen” auf Mojchusochjen, von dem danach fo genannten „Fleischhügel” auf der amerifanifchen Seite erzählt Sperdrup: „Du Tieber Himmel, was gab es hier Hafenspuren! Zahlloje Fährten gingen Freuz und quer in allen möglichen Richtungen!” Als Sperdrup aus dem Tale den Bergabhang Hinanftieg, jchien er fich mitten auf einer Heerftraße zu befinden. Der Schnee war an vielen Stellen zu richtigen Wegen feitgetreten. Dann erblickte Sperdrup plößlich auf einer nicht weit entfernten Fläche einen ganzen Haufen weißer Punkte. &3 jah beinahe aus, als lägen weiße Steine auf dem mageren Boden. In Wirklichkeit bedeutete jeder einzelne weiße Punkt dort Hinten einen Hafen. Sperdrup „fonnte bald 31 Tiere zählen. Dreißig davon jagen die ganze Zeit über völlig regungslos da; fie fchienen zu jchlafen. Der Ein- undoreißigjte war anfcheinend der Wächter. Er ging zwifchen den anderen umher und war die Wachjamfeit jelbft. Alle Augenblide richtete er ich auf den Fußfpigen auf und horchte gejpannt; da er aber nichts Verdächtiges entveden fonnte, feste er jedesmal jeine Runde zwijchen den Reihen fort. So ließ er Sperdrup ganz nahe heranfommen, weil diefer immer jtilfe jtand, bis der Hafe fich wieder beruhigt hatte. Endlich aber fuhr diejer auf einmal in PBolarhaje. 65 die Höhe, rannte wie verrüdt um die ganze Herde herum und fchlug dabei mit den Hinter- läufen auf die Erde, daß es förmlich nallte. Dann jagte er den Abhang hinauf und die ganze Sejellichaft in einer fangen, geraden Linie hinterdrein. CS jah aus, alS werde eine lange weiße Schnur über die Halde und den Lanorüden gezogen. Un zwei andere einzelne Bolar- hajen fam Sperdrup durch vorjichtiges Zidzadgehen noch näher heran, jo daß er zulegt nur noch drei, vier Meter von ihnen entfernt war. „Es war wirklich rührend, diefe großen, ver- trauengjeligen Polarhafen ein paar Schritte von mir ruhig an Wurzeln nagen zu jehen!“ Weniger vertraut war eine andere Hajenjchar. „Ste wurden bald auf mich aufmerkfam und zogen fich Yangjam zujammen; jchlieglich waren jie auf dem Landrüden zu einem meißen Klumpen gejchart, und dann ordneten jie jich mit den Köpfen nach innen und den Hinter- fäufen nach außen. Der Haufe war aber fo groß, daß fich mehrere Reihen umeinanderzogen, und num war e3 für jeden einzelnen eine Zebensfrage, in den innerjten Ning zu gelangen. Sie drängten, pufften und bijjen einander, jo daß te laut jchrien, und während des be- jtändigen Schreiens um den Plab dreht jich der Ring langjam im Streife wie ein Mühlitein. Das war das Karree der Rolarhajen!” An flacher Fjordküfte, wo Candwerder weit vorjprangen, etwas oberhalb der Flut- marfe hatten die Hafen jicherlich ihren Weideplab; denn dort war alles weit und breit zer- fraßt und zerjcharrt. Bei genauerer Unterfuchung jtellte fich heraus, daß alle Spuren vom Weideplage nach dem Treibeife hinunterführten; feine einzige zeigte fandeintwärts. Tags- über hielten fich die Hafen wohl draußen in den Höhlen und Grotten des Treibeijes auf, die ihmen viel ficherere Verjtede vor Füchfen und Wölfen gewähren fonnten al3 die offenen, ungejchügten Ebenen des Flachlandes. „Sch jelbit Habe wiederholt die Erfahrung gemacht, daß man gerade an Orten, wo es um dieje Zeit buchjtäblich von Hafen wimmelt, tage- und nächtelang vergeblich nach ihnen fuchen fann, wenn die Jahreszeit vorbei ift, in der jich das Treibeis als Verjted für jie eignet. Sie ziehen dann tiefer ins Land hinein; denn in einer Gegend, die ihnen feine Zufluchtsorte vor ihren Feinden bietet, Fönmen fie jich nicht aufhalten. Seit wir von der Trofdfjordenge auf den Fjord Hinuntergefommen waren, hatten wir unter- mwegs überall im Treibeife Hajenfährten gejehen. Selbit in der Mitte des Fahrmwajjers fanden pir fie in großer Zahl.” Im vierten Frühling der Expedition, „am 28. April gelangten wir an ein großes Getwäfjer, das in nördlicher Richtung tief ind Land einjchnitt... Wir tauften den Fjord ‚Hafenfjord‘, und zwar nicht ohne Grund. Wohin wir nur blidten, jahen wir Hajen faufen; überall wimmelte e3 von ihnen. Sie jtürmten umher, al3 ob jie alle halb verrückt wären. E&3 war mitten in der Raarungzzeit...” Eine Menge überrafchender Züge aus dem Leben des Polarhajen, die allem Anjchein nach diefen allein auszeichnen! Auch auf die Frage, wovon jolche Scharen in diejen hohen Breiten leben mögen, et halten wir bei Sperdrup wenigjtens mittelbar eine Antwort durch die „Überficht über die botanischen Arbeiten der Expedition”, die deren Botaniker, Herman G. Simmons, der Neifebejchreibung anfügt. Wenn am Foulfefjord und auf Ellesmereland 70 Arten höherer Pflanzen vorfommen, das Land dort in großer Ausdehnung grün war, oder mit anderen Worten: die Vegetation, nicht das Geftein, den Farbenton weiter Flächen der Landjchaft be- jtimmte, üppiger Pflanzenmwuchs auch die Umgebungen des alten Estimoortes Ita bededte, weil überall der Boden von Millionen dort niftender Krabbentaucher jtarf gedüngt wird, jo fann man fich jchon eher denfen, wie die gejchilderten Hafenmengen ihr Xeben frijten. Sie werden ich, zeitweife wenigjtens, von überallher an folchen bevorzugten Plägen zujammen- icharen; da fünnen jie dann „mitten im ewigen Eife” jogar fett werden! Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. D 66 8. Ordnung: Nagetiere. Kamilie: Hafen im weiteren Ginne. g q Ö > Der Nordiiche Schneehafe der Alten Welt, Lepus timidus Z. (variabilis), hat in unjerer Wijjenjchaft das merfiwürdige Schicjal gehabt, daß auf ihn der allbefannte lateinijche Yrtname timidus, der Furchtfame, übertragen werden mußte, der jeit Linnes Zeiten den Tierfundigen für unjeren heimischen Helden des Hajenpaniers geläufig war. Es fann aber Nordifher Ehneehafe, Lepus timidus L. 1/5 natürlider Größe. gar fein Zweifel jein, daß der geniale Schöpfer der zoologischen und botanischen Namen- gebung mit feinem Lepus timidus den Schneehajen gemeint hat: fommt Doch in Linnes Heimat, Schweden, gar feine andere Hajenart vor! So tft der Schneehaje das beite Schul= beijpiel Dafür geworden, daß man Die Linnejchen Namen durchaus nicht immer ohne weiteres für unjere Deutjchen und mitteleuropäifchen Arten anwenden darf, wie man das jozujagen als jelbitveritändlich betrachtet hat bis in unfere Tage, bis die moderne Syitematif ung eines Kordiihe Schneehajen. 67 bejjeren belehrte. Sie zeigt uns ferner, daß es nicht angeht, die nowdifchen Schneehajen Europas und Aliens alle zufammenzumerfen, jondern geboten ift, fie mindejtens al3 Unter- arten zu unterjcheiden. Wie jollte auch ein Tier, das von Ysland über Schottland, die Sfan- dinavische Halbinjel und das übrige Nordeuropa und Nordafien bis auf die japanische Nord- injel Jejjo jich verbreitet, nicht verjchtedene geographifche Formen bilden! Zunächit unter- jcheiven jich alle nordiichen Schneehajen dadurch, daß der Schwanz auch oberjeits weiß und das Ohr Fürzer als der Kopf iit. Aber auch der allgemeine Färbungscharafter des Sommer- fleides it ein anderer: e3 fehlt dag Hellbraune, Weißjprenfelige, was unjer Lampe hat, der ganze Ton ijt dunkler, jhmusßig rotbraun, oben jchrwärzlich, nach hinten von Grau überflogen, am Bauche jchmußig weißlich. Schwarz it nur ein NRandjtreifen der Ohripise, der bejonders am Winterfleive deutlich hervortritt. Ferner Üft der ganze Kopf plumper, im Kajenteil dider und die Behaarung auf den Sohlen der Hinterläufe ganz auffallend ftarf und bünrjtenartig jtarı, jedenfalls im Zufammenhang mit dem Laufen auf dem Schnee. Der Schneehaje erjcheint jchwächer und ftarkläufiger, weil jein Numpf fehmächtiger und feine Läufe verhältnismäßig ftärfer und länger jind al3 beim Feldhajen. Der Jrijche Schneehafe, Lepus timidus hibernicus Bell, unterjcheidet jich von allen anderen dadurch, daß er im Winter nicht wei wird, jondern wieder ein farbiges, ähnlich rot- braunes oder fuchjiges Kleid anlegt: offenbar eine Folge des meilt jehr milden Winters der grünen Injel; denn wenn einmal ein jtrenger Winter eintritt, wird auch der Haje mehr oder weniger weiß, und anderjeits it in Süpdjchweden Die Berfärbung ebenfalls meijt unvolljtändig. Sn der Grafichaft Dublin gibt es eine jehr merfwindige Lofalform, die oben hell- braun oder zimtfarbig ift, und Barrett-Hamilton meint, fie fünne ein fehrreiches Licht Darauf werfen, wie aus einer plößlich auftretenden Abänderung Mutation, englijch sport) eine Art entitehen mag. Die trijchen Hafen haben nämlich die Neigung, in diejer Nichtung abzuändern; denn unter den auf der Injel Mull, Weitjchottland, eingeführten ift ein ähnlicher „Sport“ aufgetreten, und obgleich man derartige blajje Farbenabänderungen wohl als eine gewijje Ent- artung nach dem Albinismus hin betrachten muß, jo jcheint ihnen Doch eine große Vererbungs- fraft innezumohnen, mittels deren jie jich gegen die gewöhnliche Form behaupten: in der Grafichaft Dublin fommt heute nur noch der heller ausgeartete, zimtfarbige Haje vor! Barrett-Hamilton hat diejen hellen, zimtfarbigen Dublinhajen aus dem oftiriichen stüftenitrich von Malahide bis Balbriggan als bejondere Unterart bejchrieben (L. t. lutescens Barr.-Ham.) und bemerft dazu, obwohl dieje Form vielleicht noch nicht genügend „Tirtert” jet, um heute jchon als Unterart gelten zu fönnen, jo jei fie doch auf dem beiten Wege Dazu, bereits nahe daran, und er habe ihr die verdiente Aufmerkfjamfeit zuwenden wollen auf die auj- fallendite Weife, die jtatthaft it: Dadurch, daß er jie mit den trinären Namen einer Unterart belegte. Lönnberg möchte in einem gewijjen Gegenjage dazu feine verjchiedenen Unterarten des Schneehajen gelten lajjen, wenigitens die von Nilffon für Standinavien unterjchiedenen nicht, weil er es für unmöglich hält, eine fcharfe Grenze zwiichen diejen Subjpezies zu ziehen. „Oben im Norden und auf den Gebirgen find alle Hafen im Winter jchneemeih, und die jchwarze Ohrenfante ift fehmäler. Ir Schweden jind die Hajen nur ausnahms- werje ganz weis, gewöhnlich vielmehr graublau, und die jchiwarze Ohrenfante ijt etwas breiter. Nach Norden werden allmählich die jchneemweihen Hafen zahlreicher, jo daß in einigen Gegenden etwa ein Drittel weiß ijt, etwas nördlicher die Hälfte, dann zweit Drittel uji., Die übrigen jind blau. Dies jteht offenbar in Beziehung zu der Zeit, während welcher der Boden wu. 5* 68 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. mit Schnee bededt ift, und ähnliche allmähliche Übergänge findet man bei den feinen Wiejeln, Eichhörnchen.“ (Brief an Hed, 1907). Über den Farbenmwechjel des Schneehafen hatte man lange Zeit faljche Anfichten, indem man Umfärbung ohne Härung annahm. 1894 wies aber Allen beim amerikanischen Schneehajen zweimaligen Haarwechjel im Jahre nad) (‚„‚Bull. Amer. Mus. Nat. Hist.“), und 1899 folgte Barrett-Hamilton mit dem Beweisjtüd eineg in der Frühjahrshärung befind- lichen Balges vom Schottifchen Schneehajen, Den er der Londoner Hoologijchen Gejelljchaft vorlegte. Auch im Berliner Zoologischen Garten hatte man durd) Antupfen mit Anilin- farbe längjt feitgeftelft, daß der Farbenmwechjel Durch Haarwechjel vor fich geht. Anders fann es auch nicht wohl jein, troß der jeltenen Ausnahmefälle „über Nacht gebleichter Haare‘ beim Menjchen, die man für nachgemwiejen hält. Im allgemeinen ift aber nach unjeren heutigen Begriffen das Säugetierhaar, ausgerwachien, ebenjo wie die Bogelfeder, ein totes, d.h. vom Stoffwechjel abgejchlofjjenes Gebilde, in dem vielleicht noch geringfügige Zarbenänderungen Durch Luft und Licht, nicht aber ein vollitändiges Verjchwinden der yarbe vorfommt, ge- jchweige denn ein Wiederauftreten von Farbe, nachdem urjprünglich Weiß, d.h. fein Sarbitoff, vorhanden war. Lönnberg jchreibt darüber an Hed: „Dies ift ... unjeren älteren Fauniften ganz qut befannt gewejen; jo 3. B. Liljeborg (‚Schwedens und Norwegens Wirbel- tiere‘, 1874)". Diejen zitiert Lönnberg weiter: „Wie wir beobachtet haben, tt die Herbit- härung etwas langjamer als die Jrühjahrshärung. Während der Herbithärung haben mir erfahren, dat Naden, Hals und der Hintere Teil des Numpfes zuerjt weil; werden.” Über die damit angejchnittene Frage, tnmieweit die Umfärbung mit Temperatur und Witterung Schritt hält, finden fich ganz widerjprechende Angaben. vd. Qoewis teilt aus einem „ungemein milden Herbite” mit („Zool. Garten”, 1879), „Daß das Ausfärben der Noorjchneehühner, Holzhafen und Eichhörnchen zur gewöhnlichen Zeit erfolgte”. Dagegen berichtet Seton PB. Gordon („Country Life“, Dezember 1907), daß „in dem milden Herbite, wo faum ein einzelner Schnee- fall in den jchottijchen Hochlanden vorfam, der blaue Haje jeine Farbe weniger jchnell änderte als in jchneereichem Herbite. Auf einem befannten ‚Hajenberge‘ hatten einige überhaupt faum die Farbe gemwechjelt, während jie zu früherer Zeit des Jahres vorher, als aber Die Berge im Herbit jtändig mit Schnee bedect waren, meift jchon weiß waren wie ihre Umgebung.“ Über das Leben der Schneehafen der ruffiichen Oftfeepropinzen berichtet v. Loemwis in einer Arbeit über „Die wildlebenden Haartiere Livlands” („Zool. Garten”, 1888). „Der Holzhaje war früher jehr gemein, er nimmt aber mit dem Schwinden der Dichten Wälder und bemwachjenen NMoräjte mehr und mehr ab. Sch fürchte, es gibt jebt bereits ganze Kirch- jpiele in Livland, in denen der weiße Hafe nicht mehr angetroffen wird.” Und in jeinen „Be- merfungen über den Schneehajen in Livland“” (,„Zool. Oarten”, 1887) fügt er hinzu: „Das Nie- derhauen und Austoden der laufchigen, dunfeln Wälder gemijchten Bejtandes, das oft abjicht- fiche Austotten größerer Ejpenbeitände, das auch hierzulande allmählich) immer allgemeiner angewandte Durchforiten der Waldjchläge, aber namentlich) das Reinigen der feuchtgründi- gen, Saubholzreichen Waldniederungen und der Grasmoore zu Heujchlägen und Weidemiejen ind Die Urjachen des langjamen, aber ficheren Abnehmens, wenn nicht gar Ausjterbens unjeres Holzhajen. Seine Erijtenz verträgt jich eben nicht mit zufammenbhängenden $tultur- flächen, mit forftmännifch geordneter Berirtjchaftung der Wälder; Diejelbe verlangt ur- wüchjiges Aeidengejtrüpp, wildwuchernde Wurzelichößlinge der Ejpen, undurchoringliche Zannendidichte und namentlich auch einige Ruhe vor Biehherden, Hunden und Menjchen.” Die findet er im einigen oftpreußifchen Grenzforiten, jo in Rominten, dem Leibrevier Nordiiher Schneehaje. 69 unjeres Kaifers, jest vielleicht beijer als in Rußland. Er fommt wenigjtens innerhalb der Grenzen unjeres Reiches vor: der Nordiiche Schneehaje gehört zur deutjchen Tierwelt! Dies wird von der berufenen Stelle, dem fal. Oberföriter Baron dv. Sternburg in Nominten, brieflich bejtätigt, der jelbjt ebenjo wie jeine Nachbarn in der Rominter Heide mehrere Erent- plare erlegt hat. Das fommt aber verhältnismäßig jelten vor, weil wir unjere Treibjagden nur an den Feldrändern abhalten, die der Schneehaje meidet. Er Hält jich in den inneren, ruhigen Teilen des Waldes, wechjelt nie auf das Feld. Er ift recht eigentlich ein Tier des Wal- de3 und läßt fich jehr jchwer treiben, geht nicht vorwärts, jondern drückt jich Durch die Treiber. Zu Qoewis’ Kinderzeit (etwa um 1850) „fehlte der Holzhaje feinem größeren Gute; in allen einigermaßen erheblichen Waldjtüden haufte er entweder allein oder Dominierend, jeden- falls aber mit dem ‚Litauer‘ (dem einwandernden Felohajen) gemeinjchaftlich. Die leidige Kultur nagt energifch an feiner unfchuldigen Eriitenz, und auf walo- und bujchlojen Ebenen icheint er durchaus nicht leben zu können.” Aus alledem geht deutlich genug hervor, daß auch) der altweltfiche Schneehafe, wie der amerifanijche, ein ausgejprochenes Waldtier it und Jich mit unjerer wejteuropäifchen Kultur und Bodenbearbeitung jchlecht verträgt. Der ein- geborene Waldhafe verichwindet, und unjer Feldhaje breitet jich aus. Die erhöhte Yandes- fultur bringt nicht nur neue, befjere Haustiere, jondern auch neues, bejjeres Wild mit; denn daß der Schneehaje fomwohl vor der Flinte geringere Weidmannzfreude als auf dem Teller geringeren Genuß bietet, Davon dürfen wir wohl nach dem Beijpiel jeines amerifanijchen Verwandten überzeugt fein. Und doch darf nicht verjchwiegen werden, daß Martenjon glaubt, in Livland eine gewijje Anpafjung der Schneehajen an die neuen Bodenkulturverhält- nifje feititelfen zu fönnen. „Sch habe feit vielen Jahren bemerkt, daß der Schneehaje gleich dem Feldhajen immer mehr und mehr feine Hung auf dem Winterfornfelde jucht, jich aljo darin auch der fortfchreitenden Landfultur anzupafjen begonnen hat. Noch im verwichenen Dftober habe ich bei etiwas Spurfchnee zwei Schneehafen, deren Spuren ich von ihren Futterplägen auf einem Roggenfelde aus aufnahm, gejchojjen, und zwar auf einem mit Wacholder und einzelnen Bäumen beftandenen Heujchlage, wo auch Feldhajen anzutreffen find. Solche Anpaffung des Schneehafen dürfte feine rajche Verminderung, über welche allgemein geklagt wird, vielleicht etwas verzögern”, jedenfalls aber die Gelegenheit zum Bujfammentreffen und zur Mifchung beider Hajenarten noch vermehren. Sn der oben angezogenen Arbeit bejchreibt v. Loemwis noch eine jehr interejjante Eigentümlichfeit des baltifchen Schneehajen, die er mit Recht als neu für die Wijjenjchaft bezeichnet: das ijt eine Brunftitimme. „Wenn man im Frühjahr durch unjere einjameren, größeren Wälder wandert, hört man des Abends, jelten um Mitternacht, meijt aber vor dem Morgengrauen, einen eigentümlichen, ziemlich lauten Auf, der Herborgeftohen, recht rajcı einigemal wiederholt wird und ungefähr jo Klingt: Hu-hu-hu-hu-hu ufw.” Auch Greve hat im Moskauer Gouvernement diefen Paarungsruf des Schneehajen vernommen. Nach Greve rückt der Schneehaje abends früher heraus und geht morgens jpäter ins Lager al3 der „Litauer”, weshalb man beim Hafenjprengen, falls die Spuren des heim- fehrenden Feldlampe von Später fallendem Schnee verdedt werden, oft noch Die Spuren des „Weißen“ im nahegelegenen Walde vom Rande aus aufnehmen fan. Greve hat „im Mtos- fauer und Wladimirjchen Goupdernement Schneehajen zu jeder Jahreszeit tagsüber nur im Walde getroffen; freilich waren diefe Wälder jehr oft Hein, parkartig und nicht dicht, wenn auch genügend mit Unterholz (Wacholder, Hajelnuf, Weidenarten) bejtanden. Nachts rüdten fie oft zu dem auf dem Felde in ‚Gubben‘ zufammengelegten Getreide, auf Heujchlägen 70 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Hajen im weiteren Sinne. an die Heujchober heran, um zu äjen. Ja, auch in die Gemitje- und Obitgärten nicht allazumweit bom Walde gelegener Gehöfte und Dörfer machten jie Erfurfionen, um auf den Beeten itehengebliebene Kohlitrünfe und die Ninde der DObitbäume zu befnabbern. In größeren Waldfompleren bearbeiten jie die Ninde der Ejpe mit Vorliebe, was auch Plesfe bejtätigt, und im Smolenjfer Gouvernement hat Förjter Dohrandt an eigens für den Holzhajen ge- fältten Ejpen Fallen fir den Luchs, diefen Erbfeind des exjteren, mit Erfolg gejtellt. Der Luchs findet jehr bald den Hafen an jeinen Futterpläßen durch jein feines Gehör heraus, da man das Nagen auch mit dem minder feinen Menjchenohr auf 40 Schritt in der nächt- lichen Waldjtille vernehmen fann. Auf die Frage, ob der Schneehafe jtändiger Bewohner der Tundra, der nordijchen, in der Tiefe meijt vereilten Moositeppe, jei, antivortet Greve, daß ihm der Aufenthalt dort wohl behagen dürfte, weil die Tundra jtellenmweije mit dichten Strauchwerf und Heinen Wälochen, allerdings nicht hochjtämmiger Bäume, bejtanden ift. Nach Plesfe (Brief an Hed) zeigt es jich, daß infolge der Stellung jeiner Schneidezähne Der Haje jtehenden Stämmen ungefährlich it, gefälltes Holz aber mit Leichtigkeit benagen fann. Hat der Waldhafe jein Quartier im Jungholze, jo bejucht er auch die angrenzenden Felder und äft dort vornehmlich Winterforn. Von jeinem Waldlager trennt er jich nur im Spätjommer, zur Zeit, wenn das noch ungejchnittene Getreide ihm jowohl Nahrung als Wohnung bietet. Ber anbrechender Morgendämmerung oder bald nach Sonnenaufgang jucht der Waldhaje jein Lager auf, in welches er jtch mit den üblichen Borjichtsmaßregeln (genau tie der Felohaje) begibt. Er verdoppelt jeine Spur, d. h. fehrt auf derjelben zurüc, macht dann einen riejigen Sab zur Seite und wiederholt Diejes Manöver bis zu dreimal, ehe er jich niedertut. Die Spur des Waldhajen tft bedeutend breiter als die des Feldhajen und leicht bon diejer zu unterjcheiden. Wie feit der Haje in jeinem Lager jigt, hängt ganz bon der Witterung ab. „Bei Harem, namentlich frojtigem Wetter ift der Haje leicht rege und verläßt das Lager, jowie er ein verdächtiges Geräufch hört. Bei najfem Wetter muß man exit an den Baum flopfen, unter dem er jißt, um ihn zu bewegen, das Lager zu verlajjen. Bei jtarfem Schneefall und bejonders anhaltendem Schneegeftöber läßt er jich jo verjchneien, daß mir Fälle befannt find, wo Jäger auf Schneejchuhen über den Hafen hinmweggefahren jind. Sein Verhalten im Lager hängt auch davon ab, wie weit die Färbung jeines Pelzes mit der Umgebung übereinjtimmt. Der noch braune Waldhaje it nach Schneefall äußerjt furchtiam und drück jich lieber im Lager; anderjeits macht e3 der weiße Haje ähnlich, wenn die Schnee- decke abgetaut ijt.“ Das ift wohl jo zu erklären, dat das die ganze Umgebung verändernde Auftreten oder Berjchwinden der Schneedede einen tiefen Eindrud auf das Tier und diejes bejonders ängitlich macht. „Je nach der geographijchen Breite jchwanft auch der Zeitpunkt für die periodijchen Erjcheinungen im Leben des Waldhajfen. Die Brunft beginnt in den jüdlicheren Breiten bereits Ende Januar, fällt bei uns (Gegend von St. Betersburg) meift in den Februar und verjchiebt jich in höheren Breiten wohl noch um einige Wochen. Als Regel möchte ich wohl annehmen, daß fie mit dem erjten anhaltenden Taumwetter zufammen- fällt. Dementjprechend fällt auch die Zeit des erjten Wurfes manchmal noch in den März, meijt aber in den April. Die Anzahl der Würfe ift ebenfalls von der geographijchen Breite des Wohnortes abhängig. In den jüdlichen Teilen des Verbreitungsgebietes jollen bis fünf Lürfe im Jahre vorfommen, bei uns find e wohl nur vier und im höheren Norden drei oder auch noch weniger. Ende April fit bei ung gewöhnlich die zweite Rammelzeit; ich habe wenig- jtens um dieje Zeit mehrfach aus dem Schiem während der Birfhahnbalz den Liebesreigen des Waldhajen mit angejehen. 3 gibt Dabei ziemlich ernite Schlägereien und NRaufereien; Nordiiher Schneehaje. Zt vornehmlich werden ausgiebige Ohrfeigen ausgeteilt, mitunter aber auch das Gebif; an- gewendet. Daß hierbei nicht unbedeutende Berlegungen und jelbjt tödliche Verwundungen vorfommen, wird |chon Dadurch wahrjcheinlich gemacht, day Waldhajen auf dem Transport in gemeinjamer Berpadung fich jehr häufig zu Tode beifen. Der Wurf befteht aus 4—5 Jungen; der erite und legte erliegt aber häufig den ungünjtigen Witterungsverhältnifjen unjeres Frühlings und Herbites. Die Anzahl der Walohajen it jomit immer Schwankungen unterworfen, und zwar läßt jich als Regel aufitellen, daß nach trodenen Sommern die Mald- hajen häufiger, nach nafjen jeltener find. Viele fommen auch durch die Überichwemmungen um, die Durch rafches Tauen großer Schneemajjen eintreten. Endlich herrjchen unter den Waldhajen epivemijche Strankheiten. Sie leiden in gewijjen Jahren jehr an einer Bandivurm- franfheit, deren Finnenfapjeln in den Nüden- und Schultermusfeln abgelegt werden. erner habe ich auch andere, mit Flüjjigfeit gefüllte Blajen im Waldhajen gefunden. Die Flüjjig- feit in diejen Blajen jteht unter hohem Drud und jprigt meterhoch heraus bei undorjichtiger Dffnung. Zahlreich find natürlich auch die Feinde des Waldhajen, die mit ihm viel leichteres Spiel haben als mit dem ungleich verjchmigteren Feldhajen. Der Bauer fängt ihn hier mit Leichtigfeit im Tellereifen an einem gefällten Ejpenjtamme, lauert ihm in der Dämmerung an den Waldrändern auf oder locdt ihn Durch Nachahmung des Kocktones der Hälın während der Rammelzeit heran. Weiomännijch werden auf den Waldhajen Treibjagden veranitaltet, oder er wird mit Braden gejagt oder endlich nach frijchem Schneefall gejpürt und gejprengt.“ Sein Fleifch ijt aber nach Joh. vd. Fijcher „hart und unjchmadhaft, ... weshalb er auf dem Markte nur die Hälfte des vorigen (Feldhajen) foitet.‘ Nach dv. Yoerwis’ Bemerkungen unterjcheidet jich in jeinem Betragen und NVejen „Der Holzhaje vom Litauer für den aufmerfjamen Beobachter nicht wenig. Yon Hunden ver- folgt, jtürmt er nicht jo eilig ins Weite (obgleich er meift rajcher als der Feldhaje zu laufen imftande it), jondern jucht mehr durch Tijtiges ‚Hafenjchlagen‘, Durch Wiedergänge und dreiftes Feitliegen die Feinde irrezuführen und fich dadurch ihrer zu entledigen. Oft jah ich den Hafen, von langem Wiedergange furz abjegend, jich lagern, während die laute Meute nur wenige Schritte von ihm flüchtig vorübereilte. Dann aber jprang er faum 10 Schritte hinter dem Nücden feiner Verfolger in die Spur hinein und lief num in großen, rajchen Säten ftet3 in derjelben rückwärts. Namentlich bei loderem Schnee führt er auch die ge- übtejten Hunde irre. Im Herbit entfommt er derart bei Barforcejagden fait ausnahmslos, während fein Vetter meiit unfehlbar an den Sattel gelangt.“ Auf der Sfandinavijchen Halbinjel findet jich nach Lönnbergs brieflichen Nit- teilungen der Schneehafe überall auf den Feldern wie im Walde. Doch liebt ex Die meilen- weiten, ununterbrochenen Nadelmwälder nicht, jondern fommt da nur jparjam vor. Liegt aber im Walde eine Sleinbauerhütte mit einigen Üderchen, dann leben oft einige Hajen in der Umgebung. Amt fiebiten find ihnen jolche Gelände, wo Felder und aus Yaub- und Nadelholz gemijchte Wälder, recht vielfältig verteilt, die (Rark-)Landichaft bilden. Auch) auf den Infeln in den Schären jind Schneehafen jehr Häufig. Wo jie jich aber auf dem Feitlande nach Belieben verteilen fünnen, (eben fie — zum Unterjchied vom Feldhajen — nicht dicht nebeneinander, fondern jeder einzelne hat jeinen eignen Bezirk, bald größer, bald kleiner, je nach den Verhältniffen. Während der Begattungszeit wandern die männlichen Hafen oft meilenmweit. Auf dem Gebirge find die Schneehajen in der Birfen- und Grau- mweidenzone häufig, fommen aber noch Höher, jogar in der Flechtenzone, vor. Einfendungen an unfere deutjche Jagdprejje aus Schweden befräftigen Lönnbergs 12 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. Meinung über den Schneehajen noch weiter; namentlich lajjen fie feinen Zweifel, daß der Um- freis, den er ji) als Wohngebiet wählte, beim Schneehajen erheblich weiter gejtect ijt als beim Teldhajen. Hand in Hand mit diejer Vorliebe für ein zwanglojes Umherjtromern innerhalb eines größeren Stammreviers geht bei ihm eine gewijje Unverträglichfeit mit jeinesgleichen: „Gejell- ichaften” fiebt und gibt er nicht. Deshalb ift es aber auch bei ihm „mit der Schonung allein nicht getan; denn ich fenne eine ganze Reihe von großen und vorjorglich gehegten NAevieren, in denen troß aller Sorgfalt und Mühe Fein richtiges Gedeihen unter den Hajenbeitänden Plab greifen will. Sn Gimo (Upland) 5. B., einem der beitbejegten Jagpdiitrikte Mittelfchmedens, betrug die Strede eines ganzen Jahres (1905/06) nicht mehr als insgejamt 576 Hafen, und das auf einer Betriebsfläche von 83000 Heftaren... Nach dem Gejamtareal alfo netto zwei Hajen auf je 300 Hektar Waldfläche. Etwas bejjer liegen die Dinge in den Schonenjchen Nevieren.“ Auf Trolleholm (7500 Hektar) betrug die Jahresitrecde 97 Hajen, auf einem Blefinger Bejit noch günjtiger: auf 5000 Hektar 376 Hajen. Die befanntgegebenen Abjchufziffern für den Ge- jamtbereich Schonens zufammengerechnet, ergeben auf je 31 Hektar Jagdfläche einen Hajen. Den Shottiihen Schneehafen in feinen früheren und jeßigen Lebensverhältnijjen jchtidert 9. B. Macpherjon („Country Life“, 1907), ein offenbar fehr guter Kenner der Hoch- lande, mit jener fcharfen Beobachtungsgabe und dem praftifchen Sinn, der unjeren Stammes- brüdern jenjeits des Kanals eigen ijt. Er beginnt gleich mit einem Gefichtspunft, der gar nicht oft genug hervorgehoben werden Tann, weil er in Den meisten Yändern heute den le&ten und triftigiten Erflärungsgrumd für den Zuftand der Tier- und Pflanzenwelt liefert: Die Störung des Gleichgewichtes in der Natur durch den europäischen Kulturmenjchen. Dieje brachte im jchottiichen Hochlande Durch die Vertilgung und Verjcheuchung des Naubzeugs zunächjt ein Überhandnehmen des Schneehafen (dort mountain hare, Berghafe, genannt) mit jich, durch die die Schafzüchter gejchädigt werden. Damals entitand Die Nedensart, daß drei Hafen joviel frefjen wie ein Schaf. Sobald aber die Hochlandbahn ihre Geleife nordmwärts vorjchob, wurden Die Berghajen, die bis dahin nur dem Verbrauch an Ort und Stelle gedient hatten, zu Taufjenden in die großen Snduftriejtädte des Südens gejchiet und erzielten da gute Preije, bis diefe Durch die Einführung gefrorenen Fleifches aus dem Ausland wieder gedrüdt wurden. VBermindert wird ihre Zahl noch durch die Zunahme der Hirjchparfe, weil dieje gewöhnlich mit einer Aufforitung des Moorlandes verbunden üt. Macpherjon fennt Fälle, wo Schafweiden, die früher von blauen Hafen wimmelten, im Laufe weniger Jahre nach der Aufforjtung ganz von Ddiejen verlaffen waren. Den Grund findet er unfchwer darin, Daß der harte, alte Grasmwuchs, welcher nach dem VBerjchwinden der Schafe jich bildet, dem Hafen nicht fo gut fehmecdt wie die jungen, zarten Halme, die auf einer begangenen Schafweide immer wieder nachwachjen. Hier meidet aljo anjcheinend der Schneehaje den Wald. Freilich wird es wohl der öde, moderne Kulturkiefernmwald fein; aber man hat doch auch jonft aus Wacpherjons Schilderung den Eindrud, al3 ob der fchottifche Schneehaje mehr ein Bewohner de freien Hochmoores wäre. Der jchwerfte Schneejturm ficht den Derghajen wenig an. Auf der gefrorenen Oberfläche des Schnees legt er nachts unglaub- liche Streden zurüd und bejucht in großer Zahl tiefer gelegene Neviere. Der Farbenwechjel ijt in dem fchottifchen Hochlanden vollitändig; aber die Jungen befommen im erjten Sabre das weihe YWinterkleid fpäter als die Alten und behalten oft den ganzen Winter durch einen leichten braunen Ton auf dem Rüden — je mehr, je fpäter im Jahre fie geboren find. Seine volle Größe erreicht der fchottifche Schneehafe nicht vor dem zweiten Jahre. ES ijt Nordiiher Schneehaje. 73 wahrjcheinlich, aber mehr in geringeren Höhen, daß während der Frühlings- und Sommer- monate zwei Würfe gemacht werden. Die Zahl der Jungen tft Durchjchnittlich 2—5; Die im Frühling geborenen pflanzen jich exit im nächjten Jahre fort und bringen dann nach Mac- pherjons Meinung nicht mehr als einen Wurf. In dem nowdjchottiichen Beobachtungsgebiete unjeres Gewährsmannes zeigen die Schneehajen wenig Neigung, in den Stlippen und eljen- bergen zu haufen; vielmehr ziehen jie jich nur zum Schuße vor jehweren Schneejtitmen dort- Hin zurück und, um ihren Feinden zu entwijchen. Auf den Hebriven dagegen benußen fie die Feljen wie die Kaninchen ihren Bau. Macpherjon möchte das jo erklären, daß auf diejen Snfeln Füchfe und andere Raubtiere jelten find, während auf dem Feitlande gerade die Seljenfchluchten Reinede als Schlupfwinfel dienen und der Wildfage, two jte noch lebt. Da die Berghafen wohl einen jehr guten Gehör- und Geruchsjinn haben, die jeitliche Stellung ihrer Augen fie aber hindert, genau zu jehen, was unmittelbar vor ihnen auf dem Wege liegt, jo werden fie leicht dem Wilddieb zur Beute, Iafjen jich im hellen Tageslicht jo gut toie nachts in Schlingen fangen. 3 it ein beliebter Stniff der Wilddiebe, die Hajenpäjje über die Beragipfel mit Schlingen zu belegen und dann die Hafen von unten nach oben zu treiben. Wenn nach Satfonfchluß die Sportsjäger die Moore verlajjen haben, die Schafherden in den Talgründen meiden, dann macht fich der Wilddieb Hinter den Hajen. — Hajentreiben find auf dem Hochlande aus den oben berührten Urfachen heute lange nicht mehr jo ergiebig wie in früheren Tagen. Die größte Strede, von der Macpherjon in neuerer Zeit hörte, betrug 300; aber fie muß heute entjchieden als ungewöhnlich groß angejehen werden, während früher in demjelben Revier das Doppelte und Dreifache erzielt wurde. Die Art wandert bis zu einem gewifjen Grade, und fo ift der Schaffarmer, wenn er fie auch gründlich vertilgt hat, doch jederzeit plöglichem Einbruch der Hajen von den Höheren Bergen ringsum ausgejebt. 63 ift zu fürchten, daß im Laufe der Zeit die Berghafen ausgerottet werden, da jie Farmern und (Moorhuhn-)Jägern gleichermweife Läftig find und felbit der blutigjte Anfänger an ihrer Sagd wenig Vergnügen findet, wohl aber der Führer eines jungen (Vorjteh-) Hundes fort- während durch jie gejtört wird. Trogdem würde Macpherjon ihr Berjchwinden bedauern aus dem praftiichen Sägergefichtspunfte, daß eine befchränfte Anzahl Hafen in einem Nioor- Hühnerrevier die Aufmerffamfeit der Füchfe und anderen Naubzeuges von diefem Wilde ab- fenft. In übermäßiger Zahl verfchmugen jie das Revier mit ihrer Lofung und äjen Dlengen jungen Heidefrautes weg, das jo zuträglich für das Moorhuhn ift. So fteht es heute mit dem jehottiichen Schneehajen, feine Tage fcheinen beinahe gezählt. Und warum? teil er feine Gnade gefunden hat vor den Augen des modernen Sagdherın, in dejjen Hand Heute ein qutes Teil des Schicjals unferer Höheren Tierwelt Tiegt. Auch in der Pelzinduftrie fpielt der Schneehafe heute eine Rolle, namentlid) der ruj- jifche. Sibirifche weiße Hafenfelfe werden feit ettva drei Jahrzehnten vorteilhaft verwertet: jie werden jehhwarz, braun, blau oder Luchsfarbig gefärbt, auch gejchoren und dem Pelze der SHinchilla ähnkich gefärbt und fodann zu jehr gefällig ausfehendem, aber unhaltbarem Pelz- werfe verarbeitet. Bon diejen Fellen fommen jährlich 2—3 Millionen in den Handel; in der allerneuejten Zeit ift aber die Nachfrage wieder zurüdgegangen. Die weißen werden jegt, jchwwarz gefärbt, Hauptfächlich zur Fabrikation von Fünftlichen „Schweigen“ verwendet. Man verarbeitet aber auch den fogenannten graufpigigen Schneehajen, d.h. Felle des Früh- jahrs- oder Herbitfanges, dejjen Grannenhaare bereits grau find, während die Unterwolle noc) weiß it. Die ganz grauen Sommerfelle taugen nur zur Anfertigung von Hutmacherfilzen. 74 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Auf den Tiermarkt gelangt der Nordische Schneehaje nicht gerade oft; freilich ijt da wohl auch die Nachfrage nach ihm nicht jonderlich groß. Wie es jcheint, gewöhnt er fich nicht ganz leicht in Die Gefangenjchaft ein; das fann aber bei einem Blatt- und Senojpenfteijer des Waldes, wie er e3 it, nicht weiter veriwundern. Neinzucht des Nordijchen Schnee- hajen in der engen Gefangenschaft des Zoologiichen Gartens ditrfte bi jeßt noch nirgends gelungen, allerdings aber auch faum irgendtio jehr ernithaft eritrebt worden fein; in Schweden jelbit muß jie nicht allzu fchiwer jein, Da jich Jagdliebhaber, wie Yönnberg jchreibt, in feinen Gehegen Schneehajen züchten, um die Jagd zu verbejjern. Dagegen bejaß der .befannte Drnithologe Prof. U. König in Bonn eine Mifchlingszucht zwifchen Schnee- und Feldhajen, über die er brieflich Das Folgende mitteilt. Er erhielt durch Bermittelung jeines Bruders in Betersburg zwei Schneehajenrammler, denen er in Bonn zwei Feldhäfinnen zugejellte, „Schon nach wenigen Tagen hatte der jtärfere Schneehajenrammler jeinen Rivalen bejeitigt, indem er mit den Borderläufen dermaßen auf ihn losjchlua, daß er bald Darauf einging. Die Begattung war fait jedesmal von Erfolg begleitet. Zumeijt wurden zwei Junghäschen ge= jeßt, indejjen auch jchon vier auf einmal. Der Mutterhaje nahm jich jeiner Siinder hingebend an. Trogdem gelang es nur jelten, die allerliebiten Dinger großzuziehen. In halbwüchiigen Zujtande gingen die meilten ein. edoch Hatte ich auch die Freude, einige Stücde heran- wachjen zu jehen. Dieje ftimmten in ihrem Hußern ganz mit den Baftardhajen überein, denen ich bei Petersburg in der Freiheit begegnet war. Nur erwiejen je jich durchweg als unfruchtbar, und zwar in beiden Gejchlechtern. Wenigjtens gelang es mir nicht ein einziges Mal, troß unermüdlicher, immer von neuem unternommener und auf mehrere Jahre jich ausdehnender VBerjuche, die Bajtarde zur Fortpflanzung zu bringen... Hinzufügen möchte ich noch, daß jich die Mischlinge nur im Winterhaar deutlich als jolche abhoben. Die durch Haarmwechjel herborgegangene Sommertracht neigte zum Charakter der Feldhajen hin und wies, miftojfopijch betrachtet, feine wejentlichen Unterjchtede von jenen auf.“ ‚snterejjante Beobachtungen über das Gefangenleben teilt auch Grill- Stodholm („gool. Garten”, 1863) mit. Er erhielt Ende April zwei wenigjtens eine Woche alte Junge, die troß gleicher Behandlung ein ganz entgegengejebtes Benehmen zeigten. „Der eine wurde jehr bald jo zahm, daß er mir auf dem Fuße nachfolgte, wenn ich im Zimmer hin und her ging, auf meine Schultern Eletterte, wenn ich auf dem Sofa jaß, und eine wirkliche Xeiden- ichaft hatte, meine Hände zu leden. Der andere Haje hingegen wurde niemals freundlich, niemals zahm, jondern zeigte bejtändig Furcht, weshalb er endlich jeine Freiheit wieder er- hielt. — Zwei andere, im Auguft geborene Hajen, aljo vom dritten Wurf des Jahres, die don meimem Nachbar einen Monat gefangen gehalten waren, jeste ich im September in ein Drahthaus, worin jich ein Teich für Wafjervögel befand. Wenn jemand hineinfam, Iprangen jie ins Waljer, und wenn diejes flach war, lagen jie oft jo, daß nur der Kopf zu jehen war. Kamen fie aber in tieferes Wafjer, jo jchwanmmen fie mit Leichtigkeit.” Diejes jonderbare Benehmen dürfte wohl al3 Gegenjtücd zu dem törichten Hineinjtürmen der auf den Kordjeeinjeln eingebürgerten Feldhajen in die Buchten des Wattenmeeres aufzufaljen jein, feinesfalls aber zu irgendwelchen Schlüffen auf das Freileben berechtigen. Auch in der Freiheit mijchen fich beide Hajenarten. Schon 1877 erklärte D. dv. Loemwis in jeinen „Bemerkungen“ („Zool. Garten”), binnen 20 Jahren mindejtens ein Dutend in Händen gehabt zu haben, an deren tatjächlicher Mifchlingsnatur durch fofortige Ver- gleiche, Durch genaue Meffungen der verjchiedenen Körperverhältnifje ujtw. gar fein Zweifel auffommen konnte. Wfeste-Petersburg berichtet Darüber in einem Briefe an Hed: „AUS ich Nordiiher Schneehaje. 15 noch am Mufeum tätig war, unterjuchte ich jtet3 unjere Jagditreden aufs genauejte auf diejen Punkt hin und Habe eine ganze Reihe von Stüden präparieren fajjen. Wie von vornherein anzunehmen war, hat jich dabei herausgeitellt, daß es Bajtarde gibt, bei denen der Typus des Feld-, und jolche, bei Denen der des Wald-(Schnee-)Yajen boriwiegt. Endlich fanden fich auch Eremplare, bei denen nur Anzeichen von Bajtardblut vorhanden waren. Solche Stüde glaube ich als Angehörige zweiter und dritter Generationen anjprechen zu müjjen, bei welchen durch Kreuzung ihrer Baftardvorfahren mit reinblütigen Tieren einer der beiden fraglichen Hajenarten dieje leßtere ganz vorherrjchend geworden tft." Auc, Lönnberg-Stodholm hat im Sahre 1905 (‚‚Proc. Zool. Soc.“) derartige Mifchlinge unterjucht, die neuerdings auch in Südfchweden vorfommen, jeit dort der Feldhaje zu Jagdzweden Fünjtlich eingeführt ijt. Bei einer folchen Mifchlingshäfin, die der jegige König Guftad Adolf von Schweden im Dftober 1904 bei Sfabersjö in Schonen jchoß, fand Yönnberg für die bezeichnenden Störpermaße der Ohren und des Schwanzes mittlere Zahlen zwiichen Feld- und Schneehaje; die Känge der Hinterbeine dagegen übertraf die beider Arten. Auch in der Färbung zeigte jich die Nijch- fingsnatur des Tieres, das fich im Übergang vom Sommer- zum Winterfleide befand. Es waren 3. B. die vorderen oberen Schnurrhaare Schwarz, die unteren und hinteren weiß. Der allgemeine Farbenton der Oberjeite des Rumpfes war graubraun, heller als das Sommerfell des Schneehafen, aber weniger roftrot al3 das des Feldhajen. Die Schädelunterjuchung ergab, dat die Najenbeine des Mifchlings in der Geitalt ganz die Mitte halten zwijchen den beiden Elternarten. hnlich war e3 auch mit den Jochbogen; doch glichen diefe mehr denen des Schneehafen, und dasjelbe gilt für den vorderjten oberen Lüczahn, der den fomplizierteren Bau des entjprechenden Schneehajenzahnes mit drei Schmelzfalten aufwies. Er zeigte zu- gleich, welch ein Fräftiges Tier der Mifchling war, in mancher Beziehung jtärfer als die Eltern. So jcheint namentlich feine Kaufkraft entwidelt gewejen zu jein, mit größerer Mahlfläche, als der Durchjchnitt der Elternarten jie hat. Das brachte eine jtärfere Enttwidelung der Wius- fein mit fich, die die Sliefer bewegen, und mit der Verjtärfung der Staumusfeln wurden wieder die Knochen verändert, die zu ihnen in Beziehung jtehen. Das alles zeigt uns, meint Lönnberg, wie leicht jogar jolche charakteriftiiche Berhältnijfe am Schädel jich ändern können. Im Dezember, nachdem alfo auch in Schonen alle Hafen ihr Winterfleid angelegt haben mußten, jchiefte Graf Thott noch einige Eremplare: darunter wieder einen Mijchling, der aber dem Feldhafen viel mehr glich al3 der frühere. Lönnberg möchte ihn daher für ein Er- gebnis zweiter Kreuzung zwijchen einem Mifchlinge und einem Feldhajen halten, zumal er allem Anfchein nach auch das Gegenstück dazu, Dreiviertelblut vom Schneehajen, bejist. Das erite derartige Stür wurde ihm im Januar 1905 von dem Gute Vrams-Gunnarstorp in Schonen zugeschickt, das dem Gouverneur Tornerhjelm gehört. Noch mehr alich ein anderer Miichling aus dem Revier Börringe des Grafen Bed-Friis dem Schneehajen, namentlich auch im Schädelbau durch Form und Größe der Najenbeine und Jochbogen. Dagegen war von den drei Schmelzfalten des vorderjten Lüczahnes im Oberfiefer die dritte nur wenig ausgebildet, und der Zahn näherte jich Dadurch dem des Feldhajen. Die Mifchlingshafen müfjen aljo, entgegen den Königichen Erfahrungen, mit ihren Elternarten fruchtbar jein; Graf TIhott und feine Wildhüter haben auch beide Arten oft genug in der Paarung beobachtet. Unter diefen Umständen muß nun entweder jozujagen eine neue Art entjtehen, welche die Unterjchiede der beiden urjprünglichen Arten verwijcht durch unbegrenzte Kreuzung, oder eine gewinnt die Oberhand und züchtet fich mehr und mehr wieder rein heraus, während die andere zuriickgedrängt wird und schließlich verjchtoindet. 76 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Diejes Tebtere jcheint an einigen Orten in Schonen, 3. B. in Sfabersjö, der Fall zu fein. ©o berichtet Graf Thott an Yönnberg, zuerjt nach Einführung des „deutjchen Hafen“ jeien Stüde, die man als Miflchlinge habe anjprechen müjjen, recht zahlreich gewejen; jpäter aber wurden jie jeltener und feltener, fo daß unter den erjten 200 Hafen, die 1904 gejchofjen wurden, nur ein einziger (der oben zuerit bejchriebene) herauszufinden war, der zweifelhaft jein konnte; alle anderen konnte man als richtige Feldhajen 'anjehen. Auch hier jcheint aljo der Schneehaje den fürzeren zu ziehen; das braucht aber nicht an mangelnder Vererbungs- fraft, jondern fann auch, wie anderswo, einfach daran liegen, daß ihm der heutige Boden- fulturzuftand Schonens nicht mehr zufagt und er daher jozujagen von jelbit verjchwindet. — Aus demjelben Grunde rückt ja auch in Nordweitrußland der Feldhaje ohne Zutun des Men- chen immer weiter vor, und dort jind Daher Bajtardhajen eine jo wenig jeltene Erjcheinung, daß man jchon einen eignen Namen (Tumak) für jie hat. König, der dadurch eben zu feiner Miichlingszucht angeregt wurde, bezeugt, Daß auf den Treibjagven in der Umgebung von Petersburg, die er mitzumachen Gelegenheit hatte, dieje Bajtardhafen jogar von den dortigen Bauern als jolche immer richtig angejprochen wurden. „Während der Schneehaje — von den Nufjen Bjälak, d.h. der Weiße, genannt — in Dortiger Gegend bei weiten der häufigere war, war unjer mitteleuropätscher Feldhaje eine bedeutend jeltenere Erjcheinung. Die rufjischen Bauern nannten ihn im Gegenjag zu dem Schneehafen Russak. Diejenigen Stücfe aber, welche offenbar Mischlinge zwischen Feld- und Schneehajen waren, nannten jieTumaki. Dieje erfannte man auf den eriten Blick als tatjächliche Baltarde ; das bejtätigte zunächit die Yarben- vertetlung. Während der Rüden im Winterhaar jene jchöne, reinweige Färbung zeigte, wie fie vem Schneehafen eigentümlich ift, waren Kopf, Flanken und Hinterteil rotbraun. Die Läufe dagegen waren weiß mit Rotbraun gemifcht. Die Behaarung an fich war dicht, das Haar jelbjt weich und lang; die Lichter auffallend dunfel, nahezu Schwarz.” — Auch der deutjch-rusfiiche Sagdfauniit Martenjon fennt den Bajtardhafen jehr qut, hat „wohl fünf von ihnen erlegt, und zwar den fünften, eine ettva zwei- oder dreijährige Häfin, noch unlängjt („Neue Balt. Weidmannsblätter”, 1907) auf dem Gute Malup. Diejer Baftard hatte feinen Lagerplaß etiva eine halbe Werjt vom Feldrande entfernt im Walde. Unausgemworfen wog er 101/, Pfund rufjisch, = 4,2 kg, aljo etwa 2 Pfund mehr als Durchichnittlich der Schneehaje wiegt. Die Körperlänge betrug 55 em, die Länge der Löffel 13 cm. Geine Hinterläufe glichen denen des Schneehajen... Die Schnurrhaare find weiß und jchwarz, und die Jris it gelbbraun.” Die Schädelmaße deuten auf den fürzeren Stopf des Schneehafen hin. Die Färbung ijt nach Greve „bei diefen Blendlingen eine jehr verjchiedene, nicht immer jo, wie jie Nartenjon bejchreibt; aber immer fann der erfahrene Beobachter und Jäger fofort die etiva vorhandenen Merkmale der beiden Stammeltern mehr oder weniger ausgeprägt vorfinden.“ Mag da3 Lebensbild des Schneehajen in verjchiedenen Teilen feines ungeheueren Verbreitungsgebiete3 fich etwas verjchieden malen: überall bleibt er ein Charaftertier des feuchten nowdiihen Wald- und Moorlandes, einerlei ob Hoch= oder Tiefland; überall bleibt er verbunden mit Schnee und langem Winter. Eine Ausnahme macht nur Srland; ja: hier auf der grünen Smaragdinfel, wo faum jemals längere Zeit Schnee liegt, ijt der Schnee- haje jogar die einzige Hafenart. Seine gegenwärtige Verbreitung wird nur verjtändlich durch die Berbreitungsgefchichte im Zufammenhang mit den legten Ereigniffen der Erdgejchichte, die ja einzig und allein Licht auf die jegige Verteilung der Tier- und Pflanzenwelt werfen fann. Die Eiszeit ift e8, Die ung hier zum VBerjtändnis verhilft. Während diefer merkwürdigen, in ihrer Entjtehung heute noch unerflärten Kälteperiode unserer jüngjten erdgejchichtlichen Nordiiher Schneehaje. Alpenjchneehaje. 77 Vergangenheit, des Diluviums, waren mit dem nordijchen Stlima auch nordijche Tiere und Bilanzen bis auf die jüdeuropätichen Hochgebirge, Pyrenäen, Alpen und Kaufajus, heute noch Borfommensinjeln des Schneehajen, vorgerüct, und als jpäter Schnee und Eis wieder zurüchwichen, war Stland bereits eine Injel, jo daß nachrüdende jüdlichere Formen, namentlich unfer mitteleuropäijcher Feldhaje, feinen Eingang fanden. Co ijt troß milden Stlimas der Schneehaje bis heute auf Srland der einzige Haje geblieben, während andermwärts jchon jeit geraumer Zeit und mehr und mehr der Feldhaje ihm jein Gebiet jtreitig macht. Und mit Erfolg: ist er doch, urjprünglich ein Steppentier, Heute der Haje der Kulturjteppe, der fünjt- lichen Gras- und Getreidefläche! Neuerdings Hat man übrigens, wie Barrett-Hamilton („Irish Naturalist“, 1898) mitteilt, und Scharff-Dublin beitätigt, in einem Teile des nord- iwifchen Tieflandes (Strabane), wo feine Schneehajen waren, Feldhajen eingeführt, Die jich gut vermehrt haben, und dasjelbe berichtet „Country Life“ (Augujt 1907) vom irijchen Hajen aus einem engliichen Bar. Viele fofjile Nefte des Schneehajen finden jich in den diluvialen Schichten und Höhlen der Länder nördlich der genannten jüdeuropäifchen Hochgebirge und lajjen einen Schluß zu auf das damalige Klima diefer Gegenden. Deshalb ift es aber auch von nicht zu unterjchäßen- der Wichtigkeit, einzelne Knochen des Schneehafen von den entjprechenden des Feldhajen ficher unterjcheiden zu fönnen, und K. Th. Liebe hat jich auf diefem, von jeiner Domäne, dem heimischen Wogelleben, weit abliegenden Gebiete ein danfensmwertes Berdienft erworben, indem er die „Verjchiedenheiten am Snochengerüft des Feld- und Schneehajen” („Bool. Garten”, 1850) genau gejchildert hat. Der Alpenfchneehaje, Lepus varronis Mill., it im Supplement 1904 des Trouej- jartjchen Säugetierfataloges als jelbjtändige Hauptart genannt, auf Grund vergleichender Unterfuchungen (,‚Proc. Biol. Soc. Wash.‘“, 1901) des amerikanischen Syjtematifers, der ihm jeinen neuen Namen gegeben und ihn dadurch wijjenjchaftlich Höher bewertet hat als die verjchiedenen nordijchen Schneehajenformen. 3 ift von vornherein wahrjcheinlich, dat das ganz bejchränfte, injelartige Vorfommen auf den Alpen tiefergehende Berjchiedenheiten herausgebildet hat; denn jchon am lebenden Tiere glaubt man jolche zu erfennen. DerYllpen- ichneehaje erjcheint auf den erjten Blick zarter und zierlicher als der robujte, difüpfige Nufje: PBlesfe bejtätigt dies; auch der Haffische Schilderer des Tierlebens der Ulpenwelt, 3. d. Tjehudi, jpricht es aus, indem er den „ganzen Rumpf” als „Kleiner, zarter, jchmaler“ bezeichnet gegen den des gewöhnlichen Hafen. Ebenjo verlangt er für jeine fchweizerifchen Alpenhajen nach eignen Meffungen eine Ausnahme von Blajius’ allgemeiner Angabe über Schneehajen: „Das angedrücte Ohr ragt nicht bis zur Schnauzenfpige vor”; bei jeinen Eremplaren eriiejen ji die Ohren entjchieden länger al3 der Kopf, wenn fie auch „Die Schnauze nur um ein Weniges” überragten. Nach unferer heutigen Naturauffaffung und — in diejem Falle dürfen wir jagen: Naturerfenntnis bildet der Alpenjchneehafe mit dem Alpenfchneehuhn, das eben- falls alle jeine Verwandten im Norden Hat, eine Neliftenfauna der Alpen, d.h. ein Über- bleibjel aus der leßtvergangenen Periode unjerer Erdgefchichte, der Eiszeit. Leben und Eigenart des Tieres jchildert dv. Tfehudi wejentlich auf dem gegenjäglichen Hintergrunde des Feldhafen. Der Alpenfchneehafe „it munterer, lebhafter, dreifter, hat einen fürzeren, runderen, gewölbteren Stopf, eine Fünzere Nafe, kleinere Ohren, breitere Baden; die Hinterläufe find länger, die Sohlen ftärfer behaart, mit tief gejpaltenen, weit ausdehnbaren Zehen, welche mit langen, jpigen, Frummen Nägeln bewaffnet jind. In der Regel ijt der 78 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Alpenhaje etwas kleiner als der Feldhafe; doch gibt e8 auch 6 kg jchwere Rammler; in Bünden wurde jogar einer von 7,5 kg Gewicht gejchofjen.”“ Solche Gewichte erklärt Fatto (‚„Faune des Vertebr&s de la Suisse‘) fir ganz jeltene Ausnahmen: die meiften, die er unterjuchen konnte, twogen erheblich weniger als Feldhajen desjelben Alters. Ferner Hören wir von ihm, daß der Schneehaje zwar überall auf den Alpen von etiva 1300 m Höhe an vorfommt, aber auf dem nahen Jura ebenjo vollitändig fehlt. Nach Fatios Schilderung, Die jich wohl mehr auf die fran- zöjtiche Schweiz bezieht, geht der Alpenjchneehaje in der guten Jahreszeit mit der Schnee- grenze jogar bis 3200 m hinauf und jigt am Tage oft auch unter einem AUlpentojenbujch. In jeiner Xebensweije findet Fatio jchwache Anklänge an das Kaninchen, indem er ihm eine Itärfere Neigung, jich in Löcher zu verfriechen, zujchreibt, und jich dabei auf eine Angabe v. Tjehudis jtüßt, daß der Schneehaje bei Bedarf jogar Murmeltierbaue annimmt. Auch joll ex weniger einjiedlerisch leben und jich im Winter bisweilen zu Kleinen Trupps vereinigen. Bon öjterreichiich-ungarischen Vorkommen des Schneehajen nennt Mofjtjovics: Bielz in Siebenbürgen (Zwergwacholderregion am Netyezat, Burzenländergebirge bei Türz- burg), Steiermark, Tirol, Niederöfterreich. „Er wird im gejamten eigentlichen Alpengebiete bis zum Öletjcher und Schneeberg als ‚blauer Haje‘ im Sommer einzeln bis 2700 m über dem Meere vorfommen, im Winter aber, wenn auch jelten, doch auch unter eine Seehöhe von 1000 m herabgehen. Seitteleg vermutete das Borfommen des Alpenhajen in der Zips, Liptau, im Gömörer und Sohler Kıomitate; Kornhuber nennt ihn gar nicht; und nach U. Kocyan hat in der Nordtatra den wahren Alpenhajen noch niemand erlegt.” Db der Schneehaje des ungarischen Hochgebirges mit dem der Alpen übereinstimmt oder nicht, jcheint noch niemand unterfucht zu haben. „nenn im Dezember die Alpen im Schnee begraben liegen“, jchildert vd. Tichudi, „ut diejer Haje jo rein weiß wie der Schnee; nur die Spigen der Ohren bleiben jchiwarz. Die Frühlingsjonne erregt vom März an einen jehr merfwinrdigen Zarbenwechjel. Er wird zuerit auf dem Nücden grau, und einzelne graue Haare mijchen jich immer reichlicher auch auf den Seiten ins Weihe. Im April jieht er jonderbar unregelmäßig gejchedt oder bejprengt aus. Von Tag zu Tag nimmt die dunfelbraune Färbung überhand, und endlich erit im Mat it je ganz vollendet, dann aber rein einfarbig, nicht gejprenfelt wie beim gemeinen Hafen, welcher auch eine derbere Behaarung hat als der Alpenhaje. Jm Herbite fängt er jchon mit dem erjten Schnee an, einzelne weiße Haare zu befommen; Doch geht, wie in den Alpen der Sieg des Winters jich rajcher entjcheidet als der des Frühlings, der Farbenmwechjel im Spätjahre jchneller vor ich und ift vom Anfang Dftober bis Mitte November vollendet. Wenn die Gemjen Schwarz werden, wird Ihr Nachbar, der Haje, weiß. Dabei bemerfen wir folgende merfwindige Erjcheinungen. Zunächit vollzieht fich die Umfärbung nicht nach einer feiten Zeit, ondern richtet jich nach der jeweiligen Witterung, jo daß fie bei früherem Winter früher eintritt, ebenjo bei früherem Frühlinge, und immer mit dem Farbenmwechjel des Hermelins und des Schneehuhns, welche den gleichen Gejegen unterliegen, Schritt hält. „m Sommerkleide unterjcheidet jich der AUlpenhafje injoweit von dem gemeinen, daß jener olivengrauer ift mit mehr Schwarz, Diejer rötlichhraun mit weniger Schwarz; bei erjterem bleibt der Bauch und ein Teil der Löffel weiß, bei diefem wird die Unterjeite gelb und weiß.” Kac) Beobachtungen an Schneehajen, Die ich pflegte, gejchieht die Berfärbung von unten nach oben, derart, daß zuerjt die Läufe und zulett der Rüden weiß werden. Sie begann bei dem von mir beobachteten Tiere am 10. Dftober und war bis zu Ende des Monats jo weit fort- gejchritten, dai die Läufe bis zu den Sinien oder Beugegelenfen, der Naden und der Hintere Alpenjchneehafe. 79 Teil der Schenfel weiß waren, während die übrigen Körperteile zwar lichter als anfangs er- jchienen, aber doch noch nicht eigentlich umgefärbt waren. Das Fell fah um diefe Zeit aus, als ob es mit einem durchjichtigen, weißen Spißenjchleier überdect wäre. Im November nahm das Wei außerordentlich rafch, und zwar auf der ganzen Oberjeite gleichmäßig zu, das Grau verjchtvand mehr und mehr, und Weiß trat überall an die Stelle der früheren Färbung. „Der Schneehaje”, berichtet Tjcehudt weiter, „it in allen Alpentantonen ficher in der Höhe zu treffen, und in der Regel wenigjtens ebenjo zahlreich wie der braune in dem unteren Gürtel. Am Tiebiten Hält er jich zwischen der Tannengrenze und dem ewigen Schnee auf, ungefähr in gleicher Höhe mit dem Schneehuhne und dem Murmeltiere, zmiichen 1600 und 2600 m über dem Meere; doch ftreift er oft viel höher. Lehmann jah einen Hafen dicht unter dem oberiten Gipfel des Wetterhorns bei 3600 m über Dem Meere. Der hohe Winter treibt ihn etwas tiefer den Alpenmwäldern zu, welche ihm einigen Schuß und freie Stellen zur Ajung bieten, doch geht er nicht gern unter 1000 m herab und zieht fich fobald tie möglich. wieder nach jeinen lieben Höhen zurüc.” Über „Schneehafen in Talvevieren” verbreitet fich der Jagdichriftiteller Hans Sam- mereyer, in dem öjterreichiichen „Weidmannsheil” (1910), fommt aber jchließlich zu dem Er- gebnis, daß eine einheitliche Begründung Diejer bald hier, bald da immer wieder beobachteten Talwanderungen nicht gegeben werden fünne, wenigitens bis jeßt nicht. Und vielleicht deshalb überhaupt nicht, weil der Alpenhaje aus verjchtedenen Gründen abjteigt? Mteiit jcheint e3 allerdings, alS ob die winterlichen Witterungs- ind Afungsverhältnifie ihn dazu veranlajjen, wie die Gemje; denn die in Talrevieren erlegten Alpenhafen find meijt weiße Winterhajen. Sammereyer fennt aber auch einen Fall jtändiger Anjiedelung in der Tiefe, und zwar aus dem Nevier des befannten jteiriichen Jägers und Jagdjchriftitellers B. Stroi- nigg-Judenburg. „Dort fommen feit einiger Zeit jtändig AUlmbajen vor.” Nach) Sammereyer „gibt e8 überhaupt feine jcharfe Grenze zwijchen dem Vorkommen der beiden Hajenarten”; hat er doch „ebenjo oft den Feldhajen, in diefem Falle eigentlich richtiger Waldhajen, 2000 m über dem Meeresipiegel auf freier Alm noch über den legten Waldausläufern als den Schneehajen tief im Walde herunten gejehen und vor den Braden erlegt. Und das zu den . berjchiedenjten Zeiten und bei verjchiedener Witterung.” Nebenbei bezeichnet unjer Ge- währsmann den Schneehajen als einen „unglaublichen Virtuojen im Foppen der Hunde” und meint: „Wer jeine Braden zu recht tüchtigen Hafenhunden heranbilden will, der lajje jie fleißig Schneehajen jagen, und er wird jehen, daß ihnen der Feldhaje dann feine Schtwierig- feiten mehr macht.” Deshalb glaubt Sammereyer auch nicht, daß ein erheblicher Teil der „Schneehajen in Talrevieren” von den Hunden hinabgejprengte Stücde jind; Dagegen hält er es für „jehr leicht möglich, daß die Almbhajen zweier parallel laufender Gebirgszüge, Die durch ein Tal getrennt find, eben durch diejes Tal von einem zum anderen Gebirge wech- jeln, wie dies ja auch bei anderem Wilde, Gams, Rotwild, Neb, oft beobachtet wird.“ „sm Sommer [ebt unjer Tierchen”, jagt Tiehudi, „ungefähr jo: Sein Standlager üt z;iwijchen Steinen, in einer Grotte oder unter den Leg- und Zwergföhren. Hier liegt der Rammler gewöhnlich mit aufgerichtetem Kopfe und ftehenden Ohren. Die Häfin dagegen pflegt den Kopf auf die Vorderläufe zu legen und die Ohren zurücdzujchlagen. Frühmorgens oder noch öfters jchon in der Nacht verlajjen beide das Lager und meiden jodann auf den jonnigen Grasitreifen, wobei die Löffel gewöhnlich in Bewegung jind und die Naje herum- \hnuppert, ob nicht einer ihrer vielen Feinde in der Nübe fei, ein Fuchs oder Baummarder, welcher freilich nur jelten bis in diefe Höhe ftreift, ein Adler, Falfe, Rabe, vielleicht auch ein 30 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. LWiejel, das des jungen Hajen wohl Meijter wird. Seine liebjte Nahrung beiteht in den vielen Stleearten, den betauten Muttern (Mutterfraut, Pyrethrum), Schafgarben und Violen, in den Biwergmweiden und in der Rinde des Seidelbaites, während er den Eifenhut und die Geranten- jtauden, welche auch ihm giftig zu jein jcheinen, jelbjt in den nahrungsärmiten Wintern un- berührt läßt. it er gefättigt, fo legt er jich der Länge nad) ins warme Gras oder auf einen ionnigen Stein, auf welchem er nicht leicht bemerkt wird, da feine Farbe mit der des Bodens übereinjtimmt. Waffer nimmt er nur jelten zu fich. Auf den Abend folgt eine weitere Afung, wohl auch ein Spaziergang an den Feljen hin und durch die Weiden, wobei er jich oft hoch auf die Hinterbeine jtellt. Dann fehrt er zu jeinem Lager zurüd. Des Nachts ift er der Verfolgung des Fuchjes, der Sltifje und Marder ausgejest; der Uhu, welcher ihn leicht bezwingen würde, geht nie bis in diefe Höhen. Mancher aber fällt den großen Raubvögeln der Alpen zu. Un- längjt hafchte ein auf einer Tanne lauernder Steinadler in den Appenzeller Bergen einen fliehenden Alpenhajen vor den Augen der Jäger weg und entführte ihn durch die Luft. „Sm Winter geht’3 oft notdürftig her. Überrafcht ihn früher Schnee, ehe ex fein dDichteres Winterfleid angezogen, jo geht er oft mehrere Tage lang nicht unter feinem Steine oder Bujche hervor und Hungert und friert. Ebenjo bleibt er im Felde liegen, wenn ihn ein jtarfer Schneefall überrajcht. Er läßt jich, wie die BirF und Schneehühner, ganz ein= jchneien, oft 60 cm tief, und fommt exit hervor, wenn ein Frojt den Schnee jo hart gemacht hat, daß er ihn trägt. Bis dahin jceharrt er jich unter diefem einen freien Plat und nagt an den Blättern und Wurzeln der Alpenpflanzen. Sit der Winter völlig eingetreten, jo jucht er jich in den dünnen Alpenwäldern Gras und Rinde. Gar oft gehen die Alpenhajen auc) in diejen Sahreszeiten zu den oberen Heuftällen. Gelingt es ihnen, durch Hüpfen und Springen zum Heu zu gelangen, jo jegen fie fich darin fejt, oft in Gejelljchaft, frejjen einen guten Teil weg und bededen den Vorrat mit ihrer Lofung. Allein um dieje Zeit wird gewöhnlich das Heu ins Tal gejchlittet. Dann meiden die Hajen fleifig der Schlittenbahn nad) die ab- gefallenen Halme auf oder juchen nachts die Mittagslager der Holzjchlitter auf, um den ASutterreit zu holen, welchen die Pferde zurüdgelafjen haben. Während der Zeit des Heu- holens verjtecen jie jich gern in den offenen Hütten oder Ställen und jind dabei jo vorfichtig, daß ein Haje auf der vorderen, der andere auf der hinteren Seite jein Lager aufjchlägt. Nahen Menschen, jo laufen beide zugleich davon; ja, man hat jchon öfters beobachtet, wie der zuerit die Gefahr erfennende, jtatt das Weite zu juchen, erjft um den Stall herumlief, worauf dann beide miteinander flüchteten.” Weiteres zur Lebensfunde des Alpenjchneehajen bringt Dr. M. Merd („Die Jagd“, 1910). Er jehildert jein Treiben an Harem, fonnigem Spätjommerabend: „Da Hujcht ein Schatten über das Gejtein und wieder einer — und drüben, wo die Yiwergieide und der Alpenjteinbrech jtehen, die würzigen Kinder unferer Gebirgspflanzenmwelt in reicher Ge- jellichaft mit ihren gejättigten Farben, da treibt jich’S herum, befannt von Gejtalt, aber fremd- artig in diefem Gehaben, jo unitet-jcheu, jo energifch in der gejamten Aktion, jo gewandt und hurtig — das müfjen doch Hafen fein!” Merck beftätigt auch, daß der Alpenjchneehaje noch weniger al3 die Gemje in jeinem Worfommen an die Höhen oberhalb des Waldgürtels gebunden, höchjtens von der Kultur, namentlich dem Weidebetrieb, dahinauf gedrängt it. „Er ift jogar in ganz geringer Erhebung jchon anzutreffen, jeine charafteriftiiche Spur findet jich nicht gar jelten in unmittelbarer Nähe tiefgelegener Neftaurants und Unterfunftshäufer. Die Spur erjcheint im Schnee breiter, fräftiger (al3 die der Feldhajen). Dies rührt von der tobufteren Bejchaffenheit der Läufe her, wie auch der Bergjchuh derber und breiter ijt und AUlpenjchneehaje: Fortpflanzung. Jagd. Gefangenleben. sl jein muß... Schüfje erjchreden ven Alpenhajen nicht bejonders. Im jeiner Heimat jind Knall und Prall ihm don dem Steinjchlag und ähnlichen Schalfquellen her nichts Außer- gemöhnliches. Dagegen vernimmt er das ‚Steindeln‘ und Slirren der Schuhnägel oder der eifenbejchagenen Spibe des Bergitods mit großer Feinhörigfeit.” „Ebenjo Hitig in der Fortpflanzung wie der gemeine Haje, bringt die Schneehäfin (nach Tjehudi) mit jedem Wurfe 2—5 Junge, welche mit einem mweihen Tlec an der Stirn verjehen jind, jchon am zweiten Tage der Mutter nachhüpfen und jehr bald junge Kräuter frejjen. Der erjte Wurf Fällt gewöhnlich in den April oder Mat, der zweite in den Juli oder Yuguit; ob ein dritter nachfolge oder ein früherer vorausgehe, wird öfters bezweifelt, während die Jäger behaupten, vom Mai bis zum Oftober in jedem Monate Junge von Biertelsgröhe angetroffen zu Haben. Der Sabhaje trägt jeine Frucht 30 Tage. E3 1jt fait unmöglich, das Getriebe des Familienlebens zu beobachten, da die Witterung der Tiere jo jcharf ift und die ungen fich außerordentlich gut in allen Nigen und Steinlöchern zu veriteden veritehen. „Die Jagd hat ihre Mühen und ihren Lohn. Da fie gewöhnlich exit jtattfinden fann, wenn die Alpenfette im Schnee liegt, ift je bejchwerlich genua, vielleicht aber weniger un- jicher als auf anderes Wild, da des Hajen friiche Spur feinen Stand genau anzeigt. Wenn man die Weidgänge, welche er oft des Nachts im Schnee aufzumwühlen pflegt, entdect hat und dann der Spur folgt, welche jich einzeln davon abzmweigt, jo jftößt man auf viele Wider- iprünge freuz und quer, welche das Tier nach) beendeter Mahlzeit, von der e3 ich nie ge- tadeswegs in jein Lager begibt, zu machen pflegt. Bon hieraus geht eine ziemliche Strece weit eine einzelne Spur ab. Dieje frümmt jich zuleßt, zeigt einige wenige Widergänge (in der Negel weniger al3 beim braunen Hafen), zuleßt eine ring- oder jchlingenförmige Spur in der Nähe eines Steines, Bufches oder Walles. Hier wird der Haje liegen, und zwar oben auf dem Schnee der Länge nach ausgeitreckt, wobei er mit den Slinnladen etwas Fappert, jo daß jeine Löffel bejtändig in zitternder Bewegung jind. Sit das Wetter aber taub, begleitet bon eijigem Winde, der jo oft in jenen Höhen herrjcht, jo liegt der Haje entiweder im Schuße eines Steines oder in einem Scharrloche im Schnee feit. So fann ihn der Jäger leicht ichießen. Trifft er ihn nicht, jo flieht zwar der Hafe in gewaltigen Säten mit jtürmijcher Eile, geht aber nicht allzumweit und fommt leicht wieder vor den Schuß. Das Krachen und Kalten jchrect ihn nicht; ex ift dejfen im Gebirge gewöhnt. Es jtört auch die anderen nicht auf, und oft bringt ein Jäger 3—4 Stüd heim, welche alle im Lager gejchojjen wurden. Die Fährte des Alpenhafen hat etwas Eigentümliches: fie beiteht aus großen Säben mit verhältnismäßig jehr breitem Auftritte. Im Laufe breitet er die Zehen, welche ihm dann wie Schneejchuhe dienen, weit aus und finft nicht leicht ein. Sagt man ihn mit Hunden, jo bleibt er viel länger vor dem Vorjtehhunde liegen als fein Vetter im Tieflande.” Das Wildbret it, nach Fatio, weniger wohljchmedend als das des Feldhajen. „Auffalfenderweife ift der Alpenhafe leichter zu zähmen als der gemeine, benimmt jich ruhiger und zutraulicher, hält aber felten lange aus und wird jelbjt bei der reichlichjten Nah- rung nicht fett. Die AUlpenluft fehlt ihm allzubald im Tale. Jm Winter wird er aud) hier weiß... Die Bermifchung des gemeinen Hafen mit dem Alpenhajen und die Herborbringung bon Baltarden ijt oft bezweifelt worden. Doch wird jie durch genaue Nachforichung beitätigt. So wurde im Januar im Sernftale, wo überhaupt die weißen Hajen viel öfter Hinabgehen als irgendtvo jonit, ein Stüc gejchoffen, welches vom Stopfe bis zu den Vorderläufen braun- tot, am übrigen Körper rein weiß war, in Ammon ob dem Wallenjee vier Stüd, alle von einer Mutter jtamımend, von Denen zwei an der vorderen, zwei an der hinteren Körperhälfte Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 6 82 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. rein weiß, im übrigen braungrau waren. Im Bernjchen Emmentale jchoß ein Jäger im Winter einen Hajen, welcher um den Hals einen weißen King, weiße Vorderläufe und eine weiße Stirn hatte. Ob jolche Baftarde fruchtbar waren, it nicht ausgemittelt worden.“ Nach eignen Beobachtungen fann ich betätigen, daß mindejtens gefangene Hajen beider Arten miteinander fich fruchtbar vermifchen. Der oben erwähnte Schneehafe, welchen ich über Sahresfrift pflegte, feßte am 2. Jumi drei Junge, Blendlinge von ihm und dem Feldhajen. Sch fam gerade dazu, als das Tier eben geboren hatte und die Jungen troden- lecte. Die Mutter decte Dieje Dabei jehr gejchteft mit beiden Beinen zu, jo daß man jie exit bei genaueftem Hinjehen wahrnehmen konnte. Alle drei Junge gediehen und blieben am Leben, famen mir jpäter jedoch aus den Augen. Lampe, der Feldhaje, Lepus europaeus Pall., früher fäljchlich timidus (vgl. Schnee- baje, ©. 66), erreicht 75 em Gejamtlänge, wovon nur Scm auf den Schwanz fommen, und 30 cm Höhe, ein Gewicht von etwa 5—6 kg; in jeltenen Fällen joll ein alter Rammler auch 7 und 8, ja9 kg jchwer werden. Die Färbung des Balges ijt mit wenigen Worten nicht leicht zu bejchreiben. Der Pelz beiteht aus furzen Wolk und langen Grannenhaaren; eritere jtehen jehr dicht und find jtarf gefräufelt, die Grannen jtarf, lang und auch etivas gefräujelt. Das Unterhaar ijt auf der Unterjeite der Stehle rein weiß, an den Seiten weiß, auf der Oberjeite weiß mit jchhwarzbraunen Enden, auf dem Oberhalje dunfeltot, im Genicd an der Spite weik, das Oberhaar der Oberjeite grau am Grunde, am Ende braunjchwarz, toitgelb geringelt; Doch finden jich auch viele ganz Shwarze Haare Darunter. Hierdurch erhält der Pelz eine echte Erdfarbe. Er ijt auf der Oberjeite braungelb mit jchwarzer Sprenfelung, am Halje gelbbraun, weißlich überlaufen, nach Hinten weißgrau, an der Unterjeite weiß. Jam ändert die Färbung auch im Sommer und Winter regelmäßig ab, und die Häfin jieht rötlicher aus als der Haje. Meijtens aber it die Färbung vortrefflich geeignet, unjeren Nager, wenn er auf der Erde ruht, den Blicken jeiner Gegner jchon in einer geringen Entfernung zu entrüiden. Die Sohlen der Füße ind dicht und weich behaart. Viele junge Hafen zeichnen jich Durch den jogenannten Stern oder eine Blejje auf der Stirn aus, die, nach Tjcehudi, auch die jungen Alpenjchneehajen haben jollen; in jeltenen Fällen tragen jte dieje Färbung auch in ein höheres Alter hinüber. Dbmohl unjer heutiger Jagdbetrieb einen Hajen im allgemeinen faum ein jolches Alter erreichen läßt, daß jein Wildbret wirklich minderwertig wird, hat es Doch eine gewilje praf- tiiche Bedeutung, junge und alte Hafen unterjcheiden zu können, und Dieje Frage tjt Daher in der Jagdprejje wiederholt aufgerollt worden. Ströfe ijt Dabei auf Grund vieler Proben zu dem Ergebnis gefommen („Dtiche Sägerztg.”, 1908), dat es jolcher Erfennungszeichen wohl eine ganze Anzahl gibt, eins allein aber nur in den feltenjten Fällen zu jicherer Ent- jheidung ausreicht. Natürlich haben die meiften jährigen Hafen jchwächere Knochen und Musfeln als ältere und jehen deshalb leichter und Schlanker aus. Aber durchgehende Färbungs- unterjchiede am Kopfe oder jonjtiwo find nicht vorhanden, und die Angabe in dem weit ver- breiteten Kochbuche von Henriette Davidis, alle jungen Hafen hätten bis zum zweiten Jahre ein weißliches Flecichen an der Stirn, trifft exjt vecht nicht zu. Die übrigen Zeichen, Feitigfeit der Stnochen und Stnorpel, der Haut an den Löffeln, haben ja mit dem Alter ohne Zweifel etwas zu tun; nur muß man die Prüfung immer unter denjelben Bedingungen anwenden, aljo die Löffel jtet3 an der gleichen Stelle einreißen ımd einen frifch gejchojjenen Hafen anders beurteilen als einen, der im Kühlhaufe bereits mürbe geworden it. Seldhaie. Haje: Körperbejchreibung. Gfelettunterfchiede vom Kaninchen. Farbenabänderungen. 83 Mehrere auch praftijch für Bejtimmungen wichtige Eigentümlichfeiten des Schädels und Sfelett3 führt Schäff in jeiner Jagdtierfunde auf. Die Gaumenbildung ift ein qutes Mittel zur Unterjcheidung von Hajen- und Kaninchenjchädeln und zur ficheren Entjcheidung über angebliche Bajtarde. Ganz bejonderz ijt e3 die Breite des hinteren Ausfchnittes der Gaumenbeine, der jogenannten Choanen oder hinteren Najenöffnungen; dieje ift beim Hafen breiter als die halbe Länge der Badzahnreihe, beim Kaninchen ettva jo breit wie ein Drittel der Baczahnreihe. Ein weiterer Unterjchied zwijchen Haje und Staninchen Liegt in dem nach hinten gerichteten Fortjab des Jochbeines, das beim Hafen Hein und jchtwach, bei dem viel fleineren Wildfaninchen aber über Doppelt jo groß wie beim Hajenilt. (Val. Abb., S.84.) Auch die Stnochen des Unterarms zeigen charafterijtiiche Abweichungen im Zujammenhange mit der Lebensweije. Beim Hajen, der nicht gräbt, tritt die Elle, der längere, oberhalb des Ellenbogen- gelenfes einen nach oben gerichteten Fortjat entjendende Knochen, jchon etwas zurüd: üt dünn, jchlanf, vieljchtwächer als die Speiche und außerdem, mit Yusnahme eines feinen Teiles, völlig Hinter der Speiche gelegen. Beim Sta- ninchen dagegen ijt der Unterjchted in der Stärfe zwijchen Elle und Speiche viel geringer, und die eritere liegt fajt in ihrer ganzen Känge neben der Speiche. (Val. Abb., ©. 24.) Auffallende Farbenabänderungen ein- zelmer Stüce jind beim Hafen felten, viel jel- tener als beim Staninchen; doch fommen die gewöhnlichen Farbenausartungen des ganzen Balges ins Weiße, Schwarze und Note auch bei ihm vor, und ebenjo gibt es Weißicheden auf der normalen Grundfarbe in allen Ä Schädel D vom Belgiiden Niejenfanindhen und Abitufungen der Menge Des Weiß. Dieje 2) vom Hafen, von unten. Hintere Najenöffnungen (n) bei den größeren Kanindhenjhädel fhmäler als bei dent kleineren Scheden jind noc) Die häufigite Sarbenjpiel- Hajenfhädel. Nah Präparaten des Zoologifhen Mufeums - . ‚ . D . Q ; + = s 9 -T} aezei a yon art. Das Interejjanteite üt dabei vielleicht, der Landwirtihaftligen Sodhjäule, Berlin, gezeichnet vo K. 8. Hartig. dat die weißen Hajen anjcheinend nie ganz Sr weiß jind. Wenigjtens wird von ihnen nie das entjcheidende Kennzeichen des vollitändigen Albinismus, das rote Auge, angegeben, twohl aber von einigen rotgelben, jemmelgelben, mweiß;gelben, die demnach eher als echte Albinos anzufprechen wären als die weißen. YUhn- liches fehrt übrigens beim Stallfaninchen wieder, wo es jowohl rote mit Albinoaugen als weiße mit dunfeln Augen gibt. Eine geographijch begrenzte und durch Anzucht befeitigte Farbenabänderung find wohl die jchiwarzen Hafen von der bei der Girondemündung ge- fegenen Injel Dleron, von denen im „Bull. Soc. nat. d’acel.“ (Januar 1910) gehandelt wird. M. Magaud D’Aubuffon bezeichnet dort diefe Hafen als Abfömmlinge deutjcher im 18. Jahr- hundert eingeführter Hafen, die ihren Standort in gewiljen Kalkfeljengegenden haben und jic) mit den eingeborenen Hafen nicht freuzen. ITrouejjart fügt die Bemerkung hinzu, daß nad) einem phHfiologijchen, von Darwin beitätigten Gejeß in einem vereinzelten Berbreitungsgebiet lange eingebürgerte Tiere, die einer langjamen Entartung verfallen find, reuzungsverjuchen mit der typiichen Spezies widerjtreben. Befanntes Beijpiel: die taninchen von Porto Santo. Mipbildungen jcheinen beim Hafen häufiger zu jein als bei anderen Tieren unjerer 6* 84 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. freien Natur; jie find es aber nicht, man muß nur die große Fruchtbarkeit und Kopfzahl be- denfen. &3 fommen da allerlei Mißgeburten vor, die meilt auf die Dauer nicht lebensfähig find, namentlich früher aber mit Vorliebe in Mufeen und Naritätenfabinetten verewigt wurden. So Hajen mit 5 und noch mehr Käufen, mit doppelter Blume, drei Köffeln, mit einem großen Zyflopenauge, mit verfinzten Löffen oder ganz ohne jolche, Doppelmif- geburten mit zwei Köpfen oder zwei Hinterleibern, „Hajenfeiler” mit hauerartig aus dem Maule herausmwachjenden unteren Nagezähnen, denen e3 an der nötigen Abnubung fehlte, nachdem fie einmal durch irgendwelche Urjachen, vielleicht einen Schuß, außer Berührung mit dem oberen Schneidezahnpaar geraten waren. Diejes pflegt jich dann im Bogen einzurollen, und das Tier muß schließlich elend verhungern, weil es feine Nahrung mehr aufnehmen fan. Ganz gemeiner Schwindel von jeiten der Berfertiger und Berfäufer und törichter Alber- glaube auf jeiten der Stäufer und Sammler find jchließlich die „gehörnten Hafen“, die aber in früheren Zeiten durchaus ernit genommen, von dem befannten Sagdkupferitecher Nidinger in gutem Glauben Dargeitellt und jogar von dem trefflichen alten Säugetierjyjtematifer Schre- ber bejchrieben wurden. Dieje „Kunftwerfe” verdanfkten ihr Scheindajein gejchietten Aus- jtopfern, die mittel3 geeigneter Knopfipießer oder Kehfümmerer ven Raritätenjammlern früherer Sahrhunderte das lieferten, was jie haben wollten. Heute wijjen wir, daß ein Gehörn jich nur Schädel Dvom Hafer und Q vom Wildfaninden von der Seite = erh ronle a Hinterer Kohbogenfortfat () beim größeren Hafen jchwächer als beim Heineren Stinhaut eines Wiederfäuers Wildfanindhen. Nac En nn der Landwirtfhaft- Hilden fann, der die nötigen Ein- richtungen dazu bejigt. Ein ge- mwijjes tiefergehendes wijjenjchaftliches Interejje im Lichte unferer heutigen Naturanjchauung hatte ein „tecfelbeiniger Haje”, den Nehring 1886 der „Gejellichaft naturforjchender Freunde” zu Berlin vorlegte. Er war von normal gebauten Eltern in der Gefangenschaft gezüchtet und dann in den Berjuchsitall der Berliner Landmwirtfchaftlichen Hochjchule übergegangen. Die Stnochen jeiner Bordergliedmaßen unterjchieden jich von denen eines gewöhnlichen Hajen genau in derjelben NLeije, wie Die eines Tedels von denen eines geradbeinigen Hun- des, und fafjen jo vielleicht einen gemwifjen Schluß auf jprungweife, plögliche Entjtehung diejer Frummbeinigen Hunderajje zu. Der alte männliche Haje heit Nammler, der weibliche Häfin oder Sabhaje; unter sunghajen, Später Halbwüchjigen verjteht man die Jungen, unter Dreiläufern die, welche drei Viertel ihrer vollfommenen Größe erreicht haben. Die Ohren heißen in der Weidmanns- Iprache Löffel, die Augen Seher, die Füße Läufe; das Haar wird Wolle, der Schtvanz Blume, die Haut Balg genannt. AJm Übrigen gebraucht man fiir Freund Lampes Tun und Lajjen noch folgende Weidmannsausdrüde. Der Haje äft, er jitt oder drückt fich, ex ritet zu Felde, KT HARTIG. Haje: Mipbildungen. Weidmannziprache. Verbreitung. Standorte. 85 um Hung zu fuchen, und zu Holze, um zu ruhen, und folgt dabei feinem Baffe oder Wechjel, er fährt ins Lager oder in die Vertiefung, in welcher er bei Tage jchläft, und fährt aus ihr heraus; er wird vom Jäger oder Hund aus dem Lager herausgeitogen. Cr rammelt, Die Häfin jeßt ihren erjten, zweiten, dritten oder vierten Sab; er ijt qut oder fchlecht; er Hlagt, perendet, wird ausgemweidet und gejtreift ujtm. Ganz Mitteleuropa von Frankreich bis zum Kaufajus it die Heimat unjeres Hafen. Seine Nordgrenze erreicht er in Schottland, im jüdlichen Schweden und in Nordrußland, jeine Südgrenze in Südfrankreich und Norditalien. Fruchtbare Ebenen mit oder ohne Ge- Hölz und die bewaldeten Vorberge der Gebirge jind die bevorzugten Aufenthaltsorte; doch jteigt ex in den Alpen bis zu einer Höhe von 1500 m it. M. und im Staufajus bis zu 2000 m empor. Er zieht gemäßigte Länder den rauhen entjchieden vor und wählt aus Liebe zur Wärme Felder, die unter dem Winde liegen und gededt jind. Alte Rammler zeigen jich weniger mwählerifch in ihrem Aufenthaltsorte als die Häfinnen und Junghafen, lagern ich oft in Büfchen, Rohrdicichten und hochgelegenen Berghölzern, während jene in der Wahl ihrer Lager immer fehr forgfältig zu Werfe gehen. Gujtad Jäger fennzeichnet im Anjchluß an die volfstiimlichen und mweidmännifchen Standortsnamen Feld-, Bujch- und Waldhaje die Abänderungen des Hajenlebens folgendermaßen: „Der Hafe it der Hauptjache nach ein Bewohner des offenen Landes und fehlt im Herzen großer zufjammenhängender Waldreviere fait vollitändig; Dagegen tritt er, wenn auch jparfam, jofort auf, wo der Wald zahlreichere Tüden in Gejtalt von Wiejen und Feldern hat. Der Säger unterjcheidet diefe Hafen als Waldhajen von den Feldhajen; ja er jchiebt zwijchen dieje beiden noch eine dritte Sorte, den Bujchhajen, ein. Der Feldhaje geht gar nicht in den Wald, auch bei Tage nicht, ex Liegt jelbft im Winter jtets auf freiem Felde. Der Bufchhaje mwechjelt dagegen regelmäßig zwijchen Wald, d. h. den Vorhölßgern, und den Feldern. Bei Tage liegt er in erjteren, rüct abends in das Feld und zieht morgens wieder zu Holze. Davon macht er nur im Herbft zur Zeit des Blätterfalls eine Ausnahme: das Rajcheln der fallenden Blätter jest jein ängjtliches Gemüt in jolche Aufregung, daß er den Wald wochenlang vollftändig verläßt. Den echten Waldhajen geniert das nicht; diejer it bei Tage jtets im Walde, geht nur im Sommer, und auch da nicht immer, jo weit in Die Rorhölzer Heraus, dag er Aung auf Feldern nehmen fann, und zieht fich, wenn die Yelder geräumt jind, dauernd in den Wald zurüd. Die, welche auch im Sommer ganz im Walde bleiben, fajien jich mit der ung auf den Waldwiejen genügen.“ Unterfchiede im Leben und Wefen zwijchen Feld- und Waldhajen hebt ein ölterreichi- icher Jägerbeobachter, Wöber, noch weiter hervor in humoriftijcher, deshalb aber nicht mwe- niger von genauem Studium zeugender Form. „Der Feldhafe ift ein Vagabund, der, wenn e3 ihm gerade einfällt, zu jeder Stunde des Tages nach Genoffen fucht, mit ihnen balat, der feine Mahlzeit, feinen Wechjel einhält, der fich fein Lager nach Gefallen heute da und morgen dort bereitet, mit wenigen Worten gejagt: ein Lumpenleben führt. Der Waldhaje hingegen hält jtets feinen Wechjel, jchiebt jich jtet3 in das gleiche Yager ein, jofern er nur in Ruhe ge- lajjen wird, und rüct, dem Nehe gleich, zu beftimmten Stunden des Morgens und Abends auf Hung aus... Der Waldhafe ift fcheuer, vorjichtiger als fein Bruder im Felde und hat alle Gewohnheiten anderer Waldtiere angenommen. Der Waldhaje lebt 53. B. jtets paar- mweije, während man den Feldhajen oft in ganzer Familie antreffen fan. So hatte ich Ge- fegenheit, zwei Baar Waldhajen ein volles Jahr hindurch zu beobachten, welche morgens wie abends auf eine Kleine Lichtung zur ung ausrüdten, fonnte jedoch niemals eine 0,0) Ö 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Annäherung der beiden Ehepaare bemerfen. Jedes Baar reipeftierte gewiljenhaft den Alje- pla des anderen, ohne voneinander Notiz zu nehmen.” Nur einen Fall gibt es nach Wöber, in dem die Waldhajen „jofort ihren Wohnfig verlajjen, und in das offene Feld flüchten. Das gejchieht dann, wenn nach heftigem Schneefall plöglich Taumetter eintritt und ganze Klumpen weichen Schnees von Büjchen und Bäumen fallen.” Einem unter jolchen Umjtänden beobachteten Hajen im Gebirgsrevier konnte Wöber „deutlich genug anmerfen, wie ärger- (ich ihm Das Flatjchende Geräujch der fallenden Schneemajjen Hang; denn er machte jeden Augenblid einen kurzen Bogenjprung und legte häufig, verhoffend, die Löffel zurück”. Gleich anderen Nagern unjerer Flur, Hamjtern und Feldmäujen, ift der Haje jeiner urjprünglichen Eigenart nach ein Steppentier, wie es jeine nächiten Verwandten und Ver- treter in den anderen Erdteilen, namentlich Ajten und Afrika, heute noch find. Wir betrachten ihn al3 einen der Einwanderer aus dem Djten, die uns die Steppenperiode nach der großen Eiszeit brachte, und die Jich dauernd bei ung eingebürgert haben, um jo mehr, als ihre Xebens- bedingungen Durch den Ackerbau noch verbejjert wurden. Heute it der Haje der hervor- jtechendjte Bewohner unjerer Wiejen und Felder, die, im Grunde genommen, nicht anderes als Fünftliche Kulturjteppen jind, und hat, durch die fortjchreitende, mit der Kultur ver- bundene Verminderung des Naubzeugs in feiner Vermehrung noch weiter begünitigt, als Nustier eine große wirtjchaftliche Bedeutung, während man ihn in früheren Jahrhunderten faum erwähnte, jicher nicht als hegewürdiges Wild für den Herrenjäger betrachtete. Wehr- (08, dem Naubzeug und dem hungrigen Bauerndolf preisgegeben, mögen die Hajenbejtände auch gering genug gewejen jein, geringer, als daß jie für den Lebensmittelmarft groß ins Gewicht fallen fonnten. Der große Umjchwung zuguniten des Hajen ijt eigentlich exit in unjeren Tagen eingetreten. So jagt Ludwig Dach über ojtpreußiiche Jagdverhältnijje noch 1900 in der „Deutjchen Jägerzeitung”: „Wo wir vor etwa 30 Jahren 20 Hajen jchojjen, erlegt man jegt an einem Tage 200, 300 und mehr, je nach Pflege und Bodenverhältnijjen.” Lestere erlauben mitunter feine erhebliche Bermehrung des Hajen. So ijt z. B. in den Torf- mooren an der rheinisch-weitfäliichen Grenze zwijchen Nuhr und Lippe der Hajenbeitand heute noch jehr gering. Ein Ortsfundiger jchreibt der „Deutjchen Sägerzeitung“” (19. 9. 1909): „Mehr als einen Hajen fann man in der Regel auf 100-150 Morgen nicht rechnen.” „im allgemeinen“, jagt Dietrich aus dem Windell, dejjen Lebensjchilderung Yamıpes ich für die gelungenjte halte, „it der Haje mehr Nacht- als Tagtier, obwohl man ihn an heiteren Sommertagen auch vor Untergang der Sonne und noc) am Morgen im yelde umberjtreifen jieht. Höchjt ungern verläßt er den Ort, an welchem er aufgewachjen und groß geworden it. Findet er aber dajelbit feinen anderen Hafen, mit dem er jich paaren fannı, oder fehlt es ihm an fung, jo entfernt er fich weiter als gewöhnlich. Aber der Sat- haje fehrt, wenn die Baarungszeit herannaht, wie der Rammler zur Herbitzeit, wieder nach der Geburtsitätte zurüd. Fortwährende Nuhe hält ihn bejonderz feit, fortgejeßte Verfolgung vertreibt ihn für immer. Der Feldhaje bewohnt größtenteils die Felder und verläßt jte nur, wenn es regnet. Wird das Stüd, in welchem er jeine Wohnung gebaut hat, abgehauen, jo geht er an einen anderen Ort, in die Rüben-, Saat-, Krautfelder ufw.” Doch find ihm Kohl- und NRübenarten nicht folche Xederjpeije, wie der Volksmund vom „Häschen im Kohl” be= hauptet; Dagegen jcheint er der Peterfilie bejonderen Vorzug zu geben. „Im Spätherbit wählt er nicht zu frische Sturzäcder, nicht zu feuchte, mit Binjen bewachjene Vertiefungen und Felder mit Olfaat, welche dann nächjt dem Wintergetreide den größten Teil jeiner Leide ausmacht. Solange noch gar fein oder wenig Schnee liegt, verändert er jeinen Wohnort Haje: Steppentier. Nachttier. Nahrung. Hajenfteige. 87 nicht; nur bei Nacht geht er in die Gärten und jucht den eingejchlagenen und aufgeichich- teten Kohl auf. Fällt jtarfer Schnee, jo läßt er jich in jeinem Lager verjchneien, zieht jich aber, jobald das Unwetter nachläßt, in die Nähe der Stleefelder. Bekommt der Schnee eine Eistinde, jo nimmt der Mangel immer mehr überhand, und je mehr dies gejchieht, um jo ichädlicher wird der Haje den Gärten und Baumjchulen. Dann it ihm die Schale der meiiten jungen Bäume, vorzüglich die der Afazie und ganz junger Lärchen, jowie der Schwarzdorn ebenjo willfommen tie der Braunfohl. VBermindert jich durch Taumetter der Schnee, oder geht er ganz weg, jo zieht jich der Haje wieder zurüd, und dann it grünes Getreide aller Art jeine ausjchliegliche Weide. Bis die Winterjaat zu jchofjen anfängt, äjt er dieje; hierauf rüit er dor Sonnenuntergang oder nach warmem Negen etwas früher aus und geht ins Sommergetreide. Auch diefe Saat nimmt er nicht an, wenn jie alt wiwd, bleibt aber in ihr fiegen, bejucht abends frijch gepflanzte Srautfelder, Rübenjtüce und dergleichen.“ In Sägerkreifen hat man vielfach die Frage erörtert, ob „die jichtbar ausgetretenen Steige im Korn” von Hafen herrühren. Nach U. Bütorw („Deutjche Jägerzeitung”, 1909) jind es unzweifelhaft „Hajeniteige”. „Gewöhnlich wern das Korn in die Ühren jchießt, wird e3 dem aufmerfjamen Beobachter jchon auffällig, daß der Haje am Werke it, jich hier ‚Straßen‘ anzulegen. Man findet lange Streifen im Korn, die jich Durch am Grunde abgejchnittene Halme, die freuz und quer liegen, wie jie gerade fallen, bejonders — oft jchnurgerade — verfolgen lajjen. Die ‚Gänge‘ find anfangs nur jchmal, weiten jich aber jchliehlich Durch Be- nutung oft bi8 zur Handbreite aus. Und jchließlich benußt der Haje nur dieje Steige, die oft auch von ‚Wafferfurchen‘ aus mitten in das Kornfeld abbiegen. Bejonders auffällig werden dieje Steige in Getreidefeldern, die unmittelbar dem Walde benachbart jind. jeder Beob- achter fan die Probe auf die Tatjache machen, daß der Haje fait nur diefe ‚Hänge‘ benußt. Wechjelt vor ihm ein Hafe über den Weg, jo nimmt er entweder eine ‚Wafjerfurche‘ an oder er läuft noch ein Stüdchen am Kornjchlage entlang, um plößlich in diejen einzubiegen. Hier markiert fich immer mehr oder weniger der Steig in den jchon hervorgehobenen Neri- malen. Ganz ficher ift von einwandfreien Beobachtern auch die Tatjache erhärtet worden, daß der Haje dieje ‚Hänge‘ immer wieder annimmt, jich aljo im Halmenmeer immer auf be- fannten ‚Straßen‘ bewegt. Ein zuverläffiger Augenzeuge berichtete, daß er den Hajen unmit- telbar dabei überrajcht habe, die Halme abzufchneiden (ohne fie zu äjen), wobei ihm noch der Gedanfe gefommen jei, in diejer Dünnftehenden Saat hätte Lampe wirklich nicht Veranlajjung, jich Päffe auszuschneiden.” Er tut es aber doch, und zwar ganz ausnahmslos mit einer wahr- haft eifernen Beharrlichfeit. Das befräftigt eingehend U. Beijer, offenbar ein Zoritmann, aus eigner Erfahrung. („Deutiche Jägerzeitung“, Nr. 18, 1910.) „Daß der Haje Sommer und Winter mit aller Zähigfeit jich feinen Steig fauber hält, erkennt der Foritmann alliährlic) zu jeinem Leidwefen, wenn er Neupflanzungen auf Schlägen, Lichtungen uf. ausführt. Bei unjerem gegenwärtigen Spitem der Engpflanzung fann es natürlich nicht umgangen werden, daß da und dort einmal direft auf den Hajenfteig hingepflanzt wird, und überall, two Dies ge- jchieht, wird man anderntags die betreffenden Pflanzen jchon abgebijjen finden, abgejchnitten vom jcharfen Zahn, der den Hafen verrät. Will eg nun der Zufall einmal, daß die Ktultur- jchnur auf einem geradlinig fich hinziehenden Hajenjteig gezogen twird, jo verfällt alsdann Die ganze lange Pflanzenreihe dem Verderben, und... man wird mit Zug und Recht von Wild- ichaden reden können. Dak der zur Mjung ausrücdende Haje einem feinen Paphindernis aus- weichen möchte, fällt ihm nicht ein, er bejeitigt eg mit Gewalt, und ob es eine jchiwache oder jtärfere Pflanze, Laub- oder Nadelholz ift, der haaricharfe Zahn bezwingt das Hindernis.“ ’ ‚88 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajen im weiteren Sinne. „ußer der Rammelzeit”, fährt Windell fort, „während welcher alles, was Haje heißt, in unaufhörlicher Unruhe ijt, bringt Diejes Wild Fast den ganzen Tag fchlafend oder jchlummernd im Lager zu. Nie geht der Haje gerade auf den Ort foS, wo er ein altes Lager weil; oder ein neues machen will, jondern läuft exit ein Stüc über den Ort, wo er zu ruhen gedenft, hinaus, fehrt um, macht wieder einige Säbe vorwärts, dann wieder einen Sprung jeitwärts, und erfährt jo noch einige Male, bis er mit dem weitejten Saße an den Plab fommt, two er bleiben will. Bei der Zubereitung des Lagers jcharrt er im freien Yelde eine etwa 5—8 cm tiefe, am hinteren Ende etivas gemwölbte Höhlung in die Erde, welche jo lang und. breit ift, daß der obere Teil des Nücens nur jehr wenig jichtbar bleibt, wenn er die Borderläufe aus- Itredt, auf diefen den Kopf mit angejchlofjenen Löffeln ruhen läßt und die Hinterbeine unter den Leib zujammendrücdt. Sn diefem Lager fchüßt er fich während der milden Jahres- zeit leidlich vor Sturm und Negen. m Winter Höhlt er das Lager gewöhnlich jo tief aus, daß man von ihm nicht3 als einen feinen jchwarzgrauen Punkt gewahrt. Se nach der Bitterung, namentlich je nach der Richtung des Windes, pflegt der Hafe jeine Lage zu ändern und jich auch recht genau nach der Geitalt des Geländes zu richten: fo wendet er in unebenen Gegenden am Hange den Kopf wohl ausnahmslos talwärts." „Hat er irgendeine Gelegenheit gefunden”, fährt unjer Gewährsmann fort, „unter dem Schuße der Dunfelheit feinen jehr guten Appetit zu jtillen, und tft die Witterung nicht ganz ungünftig, jo wird faum ein Wiorgen vergehen, an welchem er jich nicht gleich nach Sonnenaufgang auf trodfenen, zumal jandigen Pläßgen entweder mit jeinesgleichen oder allein Herumtummelt. Luftige Sprünge, ab- mwechjelnd mit Streislaufen und Wälzen, find Hußerungen des Wohlbehagens. Der alte Haje läßt fich nicht jo Teicht überliften und rettet jich, wenn er gejund und bei Kräften ift, vor den Nachjtellungen feines Erzfeindes fait regelmäßig durch die Flucht. Dabei fucht er durch Hafenjchlagen, welches er meijterhaft verjteht, jeinen Feind zu übertölpeln. Nur wenn er vor rajchen Windhunden dahinläuft, jucht er einen anderen vorzuftogen und drückt jich in vejjen Wohnung, den vertriebenen Befiter faltblütig der Verfolgung überlafjend, oder er geht gerade in eine Herde Vieh, Fährt in das erjte bejte Nohrdidicht und fchwimmt im Notfalle auch über ziemlich breite Gemwäjjer. Kaum jemals aber wagt er, jich einem lebenden Ge- jchöpfe anderer Art zu widerjegen, und nur wenn Eiferfucht ihn reizt, läßt er fich in einen Kampf mit jeinesgleichen ein. Zumeilen fommt es vor, daß ihn eine eingebildete oder wahre Gefahr derart überrascht und aus der Fafjung bringt, daß er, jedes Nettungsmittel vergefjend, in der größten Angjt hin und her läuft, ja wohl gar in ein jämmerliches Klagen ausbricht.” Der Haje it ein jehr reinliches Tier, und das führt nach Nothes liebevollen Beobach- tungen dazu, daß er „im Lager öfter aufrecht fißt: er macht fleißig Toilette. Schon in der Dämmerung, bisweilen noch außerhalb der Sajje, beginnt er die Säuberung des ganzen Körpers... Die Vorderläufe werden beledt, dann zunächjt die Löffel bis über das Geäfe heruntergezogen und grümdlich gereinigt... Dann wird ein Männchen gemacht und Der ganze Kopf gewaschen. Zulebt fommt Der übrige Körper an die Reihe. Solche Beichäftigung jindet tagsüber mehrmals ftatt. Man muß darüber erjtaunen, dat der Balg des Erlegten, der aus einem Lager herausfuhr, two der Boden mit zahllofen Frümeligen, fajt jtaubfeinen Neiten organijcher Abfälle bedeckt ijt, jo jauber ift, ‚wie gelect‘. Smmermwährend wird auch die Wolle gejchlichtet, fie Darf nicht verfilzen. So vergeht der Tag, und der Waldhafe rückt nun in das Feld. Dabei muß aber ein Sandbad genommen werden. An geeigneter Stelle wird haltgemacht, und nach forgfältigem Sichern erfolgt ein Wälzen im Sande, aber nur während weniger Sekunden: die Gefahr ift zu groß. ES war jedoch zu jchön: nach furzem Hafje: Lager. Reinlichfeit. Furchtjamfeit. Schnelligfeit. 89 Kampfe zwifchen Furcht und Begierde des Zaghaften jehen wir den weißen Bauch noch einmal oben; dann aber fährt der Haje wie ein Blib in die Deckung hinein. Das Verderben hat fich vielleicht genähert. Solches Bad wird auch des Morgens beim Einlaufe in das Holz genommen, bisweilen in Gejelljchaft von nahen Verwandten... Durch mwiederholtes, hef- tiges Schütteln wird der Sand aus dem Balge radifal entfernt.“ Bor allen unbefannten Dingen hat der Haje eine außerordentliche Scheu, und deshalb meidet er auch jorgfältig alle Bopanze, welche in ven Feldern aufgeitellt werden, um ihn abzuhalten. Dagegen fommt es auch vor, daß alte, ausgelernte Hafen jich außerordentlich dreijt zeigen, jich nicht einmal durch Hunde vertreiben lafjen und, jobald jie merten, daß; dieje eingejperrt oder angehängt find, mit einer Unverjchämtheit ohnegleichen an die Gärten beranfommen und fich fozufagen unter den Augen der Hunde äjen. Lenz hat mehrmals gejehen, daß Hafen jo nahe unter jeinem Fenjter und neben den angefejjelten Hunden Hin- ichlüpften, daß der Schaum aus dem Nachen der entrüfteten Hunde ihnen auf den elz jprigte. Noch weniger jcheut fich der Haje vor dem Menjchen und jeinem alltäglichen Ge- triebe, jobald er einmal gemerkt hat, daß fich das alles in Feiner Weije auf ihn bezieht. „Aus diefen Grunde”, jagt Rothe, „fit er auch fo häufig direkt neben einer Chaufjee oder einem öffentlichen Wege, wo viele Menfchen und Wagen vorüberfommen“, wo aber „tatjächlich nur in den jeltensten Fällen ein PBafjant ihn bemerkt, weil eine große Übung dazu gehört, den Hajen in gut gewählten Lager figen zu jehen.” Hat er einmal in der Morgendäm- merung das Lager allzu dicht an einem Wege genommen und bemerkt er den Fehler beim Borbeigehen eines Fußgängers, jo läßt er diefen vorüber und drückt fich dann vorjichtig fort. An den Böjchungen der Chaufjeen jind Häufig derartige, gleich wieder verlajjene und nicht bon neuem angenommene Xager. Sagt dem Hafen eine Cafje bejonders zu, und erfolgt feine Störung, fo benubt er jie längere Zeit. Das ermöglicht die Entmwicelung jeines Flohs (vgl. unten). „Steht jemand in der Nähe des Lagers till, jo fährt der Haje bald heraus, weil er qlaubt, gejehen zu werden. Er unterjcheidet mit Sicherheit unter den am Lager Borüberfommenden. Sr der Nähe einer Kultur, an steiler Böfchung, dicht am Wege, tvo die pflanzentragenden Arbeiter den ganzen Tag hin und her gingen, jaß ein Haje mitten auf einer Wurzelbrücde. Niemand hatte ihn gejehen, obwohl er nicht im geringjten gedecdt war. Mit der Büchsflinte vorbeifommend, jah ich ihn figen, fie ihn jedoch ganz unbeachtet. AS ich nach 10 Minuten zurüctem, war er fort.” Die Schnelligkeit des Hafen im Laufe rührt größtenteils daher, daß er jtark überbaut iit, d. h., daß feine Hinterläufe länger als die vorderen find. Hierin liegt auch der Grund, daß er bejjer bergauf al3 bergab rennen Fann, und daß in feiner Spur (bb., S. 90) die Ab- drüce der Hinterläufe ftet3 vor denen der Worderläufe liegen. Wenn er ruhig ft, hoppelt er, wie der Käger fagt, d. h. er bewegt fich in Furzen, langjamen Sprüngen; wenn ihm daran ‚liegt, jchnell fortzufommen, wenn er im Sinne des Jägers flüchtig wird, in jehr großen Säben. Beim Entfliehen hat er die Eigentümlichfeit, daß er ohne bejonderen Grund in einiger Entfernung von jeinem Lager einen Kegel macht, d. h. die Stellung eines „jchön” machenden Hundes annimmt; it er dem ihm nachjagenden Hunde ein Stüd voraus, jo jtellt er jich nicht nur auf die vollftändig ausgeftredten Hinterläufe, jondern geht auch wohl jo ein paar Schritte vorwärts und dreht fich nach allen Seiten um. Zu der Frage: „Wie fchnell läuft ein Haje?” fchreibt ein Autofahrer der „Kölnijchen Beitung”: „Das geblendete Tier jieht nur einen Ausweg: die vom Scheinwerfer grelf beleuch- tete Straße; exit wenn die Straße eine Wendung macht und der Schein vorübergehend in 90 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajen im weiteren Sinne. den Graben und auf freies Feld hinübergleitet, findet er Rettung aus der Gefangenjchaft der Lichtitrahlen und jigt plößlich, wohl zu jeinem nicht geringen Erjtaunen, im tiefiten Dunfel. Bei diefem Wettlauf fann man die Gejchtwindigfeit eines Hajen leicht fejtitellen. Sobald ihn die Lichtjtrahlen eingefangen haben, mäßigt man die Gejchiwindigfeit des Automobilz, bis der Abjtand zwijchen Automobil und Tier gleichbleibt. Ein Blie auf den Gejchtwindig- feitsmefjer zeigt uns die Gejchmwindigfeit des Hajen: auf ebener Strafe 22—25 km in der Stunde, bergab aber faum 20 km.” llber dieje Angabe gehen aber die Beobachtungen K.£- HARTIG, > .. K. £-HARTIG. - Bemwegungsformen des Hajen. Darunter die entfprehende Spur: a) in Lager, jitend und hoppelnd, b) flüchtig. anderer Autofahrer weit hinaus. Dr. Weichert in Bad Schweizermühle berechnet in einem einzelnen, bejonders far liegenden Falle Die Gejchtwindigfeit eines 600 m weit vor jeinem Auto Herrennenden Junghajen auf „mindejtens 45 km, wenn nicht mehr” in der Stunde („td und Hund“, Kr. 23, 1910). Auch ©. Weber „fann bloß bejtätigen, daß der Haje jogar auf längere Streden bei SO km-Tempo reichlichen Abjtand vom Wagen gehalten hat“. Leber hat „jogar die Gejchwindigfeit von SO km überjchritten, ohne dem Hajen näher zu fommen”. Gin alter Lofomotivführer berichtet der „Deutfchen Yägerzeitung” aus jeiner 2Sjährigen Tätigfeit, „daß bei einer Stundengejchtwindigfeit von 50—60 km die Hajen big 2 km neben der Majchine herliefen”. Gewöhnlich gibt der Hafe nur dann einen Laut von jich, wenn er jich in Gefahr jieht. Haje: Stimme (Klagen). „Schlafen mit offenen Augen”. 9] Diejes Gefchrei ähnelt dem Feiner Kinder und wird mit „Silagen“ bezeichnet. Die Redaktion der „Deutjchen Zägerzeitung” bemerkt dazu gelegentlich (1911): „Der angejchofjene Haje Hagt — aus Schmerz — beim Schuß gar nicht jelten, vor allem dann, wenn er den im Trieb oder auf dem Anftand Harrenden Schüben nicht eräugt hat. Namentlich jcheint der hohe Vorder- (aufichuß, welcher die Funktionen der Blattjchaufel jtört, diejen Effekt zu haben. Der Hagende Haje verendet gewöhnlich bald und nicht weit vom Anjchuß, welchen er flüchtig verläßt. In jolchen Fällen hat dag Korn nicht nur den Knochen lädtert, jondern auch) die Lunge gefaßt. Hajen mit Schüffen auf die Keulen bzw. die Hintere Partie überhaupt Hagen nur bei Annähe- rung eines Menjchen oder Hundes. Die Knochen des Hinterlaufes bzw. Streuzes jcheinen daher weniger empfindlich zu jein, obwohl doch der Haje gerade durch derartige Berlegungen (Wirbelfäule, beide Hinterläufe) bei vollem Bewußtjein an die Stelle gebannt wird.” Auch beim Überfall durch das Wiejel bricht der Hafe in lautes Stlagen aus. „Ein zweiter Stimm- (aut, jagt Schäff in feiner „Jagdtierfunde”, „der aber jelten gehört wird und wenig befannt ift, ift ein leifes, dvumpfes Murren oder Murfjen. ch habe es jelbjt nur einmal auf dem IAn- itande im Sommer gehört, und zwar von einem Hafen, der mit tiefer Naje dicht bei mir vorbeihoppelte, augenscheinlich ein Rammler auf der Fährte einer Häfin.” Angejichts der leß- teren Deutung berührt e3 eigentümlich, in der „Deutichen Jägerzeitung“ (Ver. 18, 1894) zu fejen, wie. Scheliha-Perjchüs, alser „einer leichten Erfältung wegen ganz neue Gummijchube, die noch den fcharfen Gummigeruch hatten“, trug, plöglich hinter jich „einen eigenartigen Ton“ hörte und „beim Ummenden einen Hajen in einer Entfernung von mindeitens SO Schritten“ bemerkte, „der laut murfjend und fangjam hoppelnd“ genau jeinen Fußjpuren folgte. Die Junghafen ftoßen mitunter ein gemwijjes Quiefen aus, und ein Gegenjtüc dazu bilden „Warntöne” der Häfin, die Findeifen-Nobit gehört hat („Deutjche Jägerzeitung“, 1907). Er beichreibt fie als „ein fnurrendes, murrendes, jchnurrendes, furzes — rurt”, das jtets „im Zufammenhang mit dem Laufflopfen” hervorgebracht wurde. „Auch bei jich treibenden Hafen habe ich diefes ‚Murkjen‘ gehört.” Eine gemilje Bejtätigung des Schäffjchen Erleb- nijjes und ein gewifjes Gegenftüc zu den Schilderungen vom Brunftruf des Schneehajen ! Unbegreiflicherweije hatte fich bis in unfere Tage die Vortellung und Volfsredensart hartnädig forterhalten, der Haje jchlafe mit offenen Augen: ein Vorurteil, das offenbar dadurch entitanden war, daß der Haje vollfommen regungslos in jeinem Lager jißt, als ob er jchliefe, und man auch an jeinem Auge, da3 etwas eigentümlich Starres hat, Feinerlei Leben und Bewegung wahrnehmen fan. Wenn der Menjch ihn jo beobachtet, ijt unjer (anglöffeliger Held aber tatfächlich von behaglicher Siefta weit entfernt, befindet jich viel- mehr im Zuftande gejpanntejter Aufmerfjamfeit, und nur fein angeborener Schußinjtinkt Hält ihn zu unbeweglichem Ausharren nieder, weil er mit feinem erdfarbigen Balge in der Acerfurche jehr wohl überjehen werden und unerkannt bleiben könnte. Dagegen hat man zwar eingemwendet, daß die vierfüßigen Feinde des Hafen, vor allem dev Fuchs, Najentiere iind; aber deshalb find fie nicht blind, und der Wind fteht auch nicht immer gut. Ferner jind die Raubvögel, wie alle Vögel, ausgejprochene Augentiere, und in den anderen Weltteilen verfolgen auch die fchlecht riechenden Katentaubtiere den Hafen. Er tut aljo im allgemeinen ganz gut, wenn er in feinem Lager recht feit liegt: wenn diefe Cigenart nicht vorteilhaft wäre, würde jie fich nicht bei ihm herausgebildet Haben. Aber Schäff — und mit ihm jeder fritiiche Beobachter — fan auch „auf das bejtimmtefte verfichern, daß der Haje wie jedes andere Säugetier beim Schlafen die Augen fehließt. Tut er legteres bei ruhigem Liegen nicht, fo jchläft er eben nicht“. Wohl aber jchläft er, wie alles Wild, mitunter ganz erjtaunlic) 92 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajen im weiteren Sinne. feit. So berichtet ein Beobachter unterm 15. 10. 1909 dem „St. Hubertus”, er habe „auf einer Kuhmeide” einen Hajen „mit zur Seite gejtredten Läufen inmitten der Kühe” ge- funden, der jo feit jchlief, daß es möglich war, „vem Kirummen zweimal mit der Hand den Nücden zu jtreicheln, ehe er erwachte”. Zwei andere neuerdings vielerörterte Hajenfragen jind: das Springen und Bas Schwimmen. Nimmt der Haje freiwillig höhere Hindernijje irgendwelcher Art und geht er ohne Scheu ins Wajjer? Beide Fragen jind im allgemeinen zu bejahen auf Grund viel- facher Zeugniffe in der Jagdprejje. Jedenfalls fann man im Neviere des befannten Jäger- beobachters Findeijen-Nobik Hindernijje nehmende Hafen „jeden Tag jehen, wenn man fich nur die Mühe nimmt, in die Weinberge zu gehen. Die Weinbergsmauern find oft 2, 3 und mehr Meter hoch” und auf fie hinauf „jebt oft Meifter Lampe in Fühner Flucht und rettet fich über fie hinweg”. hnliches berichtet J. Pascolotti aus Gradisca im Kart, oo jedes einigermaßen brauchbare Stüdchen Land mit einer Trodenmauer umgeben ijt. „Außerhalb diejer Felder findet der Haje blutwenig oder gar nichts — daher muß er hinein... Er mußte bier lernen, Diejes Hindernis zu nehmen, — und hat e3 gelernt.” Inden Fürjtlich-Schtwarzen- bergjchen Torfmooren bei Mayerbach- Fleigheim (Süidböhmen) wurde wiederholt ein Haje beobachtet, der von einem der 21, m hoch mit jenfrechten Seitenwänden „aufgefajtelten” Torfhaufen abjprang: er „konnte nur durch einen gewaltigen Hochiprung in fein ausgejuchtes Lager gelangen”. — Aber auch Freiiprünge über Draht- und andere Zäune macht der Haje ohne Bedenfen. E83 ijt daher nicht haltbar, wenn bei Wildjchadenfragen geltend gemacht worden it, jolche Hinvernifje fünne der Haje nicht |pringend überwinden, und eg müjje daher am Boden irgendwo eine zum Durchfriechen geeignete Stelle vorhanden jein. Stein Zweifel, das bezeugen Dtto dv. Mörs und andere Beobachter: daß der Hafe aus freien Stücen recht anjehnliche Hochjprünge macht! Wozu hätte er auch feine langen, jtarfen Hinterläufe? Für Ihwimmende Hafen ijt wiederum Findeifen-Nobit Augenzeuge. Am Aheinhafen bei Karlsruhe hörte er „nicht allzu entfernt einen Slatjch NS Wafjer ... und dann Schwamm ganz gemächlich, in gleichmäßigem Tempo, ohne zu plätjchern, jo wie der bejte Fijchotter, ein Haje quer durch den Kanal, ... jtieg Freuzvergnügt und feelenruhig aus dem hier zirka 40—50 m breiten Wajfjerbette, — jchüttelte jich in aller Gemütlichkeit das Wajjer aus dem Kamijol, hoppelte den Damm hinauf, drüben hinunter und verichwand im nächiten Star- toffelftüc”. Allen Anjchein nach „wurde der Haje nicht ins Wafjer gezwungen, dazu jah jein Benehmen viel zu altgewohnt aus”. — Aus dem Wejergebiete, Gegend von Ninteln, erzählt N. Bolbracht, der langjährige Pächter der Veltheimer Gemeindejagd, daß dank den jährlichen Überjchwemmungen die Hafen fich dort vollfommen an das Schtoimmen gewöhnt haben und die Wejer für jie, ebenjo wie für Die Nehe, weder in ihrem Liebes-, noch in ihrem jonjtigen Leben ein Hindernis bildet. Einmal jah Volbracht jogar von hoher Böichhung einen Hafen mit einem mächtigen Sab in den Fluß jpringen und an das jenjeitige Ufer jchwim- men. Der Hegemeilter a. D. N. Otto hat Hafen bei Emmerich unter anderem jogar den ganzen Ahein durchqueren jehen, der dort wohl 400—500 m breit ift und fehr jtark ftrömt („Deutjiche Jägerzeitung”, Ver. 51, 1909). Am weiteiten jcheint das Wajjerleben des Hafen aber in den niederöfterreichiichen Donauauen getrieben zu werden. Nach der „Dfterr. Forjt- und Jagdzta.” wurden dort Hafen beobachtet, die offenbar auf einer „Heinen, muldigen Schotterbanf untertags unbedingte Ruhe und Sicherheit” genofjen, „um endlich abends per Wafjer zur Aung auszumechjeln”, d. h. jeden Tag zweimal eine „tiefe, etwa 20 Schritte breite, tote Wafjerader durchichwammen”. Geradezu „als Diftanzjehwimmer” bewies jich Haje: Springen. Schwimmen. Wajjerschen. Leben auf dem Eije. 93 ein Hafe, der, auf einer Yandzunge der Auen in die Enge getrieben, von deren Spite „mit einem gewiß 5 m langen Sprunge in ©ee jtach”, worauf er eine Wafjerjtrede von min- dejtens 400 m zurüdzulegen hatte. Er tat da3 mit jteif aufgerichtetem Kopfe, die Löffel dicht an den Hals angelegt, mit den Schulterblättern über Wajjer. Noch ftärfere „Beweije jener Ausdauer und Unverzagtheit Tieferte in demjelben Gebiete ein Feldhaje bei einem Norditurme mit 8 Grad R Kälte... Er flüchtete in langen Säben über das Randeis dem offenen Wajjer zu, das er jofort in meijterhaftem Langtempo durchjchwanmm.” Aber „auch am jenfeitigen Ufer war Randeis, und minutenlange Anjtrengungen, diejes unter die Läufe zu befommen, fcheiterten an dem Abjcherben des dünnen Eifes und an dem fortwährenden Ausgleiten. Sp, nur mit Kopf und Bruft gegen den Eisrand gejtemmt (er wurde genau mit dem Glaje beobachtet), hielt der wacfere Haje volle 12 Minuten aus, bis ihn endlich ... ein glücklicher Gewaltiprung aus jeiner fatalen Lage befreite.” Man joll dabei nie vergejjen, daß allen Säugetieren mit ganz wenigen Ausnahmen (vielleicht nun dem Stamel nicht) das Schwimmen angeboren it und im Notfalle alle es üben. Weniger ehrenvoll für das Hajen- herz, gejchtweige denn für den Hajenverjtand it das Benehmen der auf Juijt eingeführten und heute bereits äuferjt zahlreich dort vorhandenen Hajen auf der Flucht vor dem Menjchen. Bor Heintoth, der jich zur Beobachtung des Vogelzugs im Herbite dort aufhielt, gingen jie überall in den Dünen auf; aber gerade als ob fie noch gar nicht angefangen hätten, fich mit ihrer Snjelheimat vertraut zu machen, verjtanden fie es nicht im geringjten oder machten mwenigitens gar feinen Verjuch, das Waffer zu vermeiden, jondern fuhren ohne Bejinnen, man möchte jagen: ohne Bejinnung bon der Düne in das Wattenmeer hinunter und flüch- teten weit in diejes hinaus, dat das Wafjer hoch aufiprigte. YAnderjeit3 mag aber auch die entgegenftehende Schilderung Wöbers nicht verjchtviegen werden, der „nur von der großen Wafjericheu unjeres Lampe zu erzählen” weiß, und zwar aus dem Gebiete der ungarischen Sümpfe und Donauüberjchiwemmungen. Dieje un- geheuren Sümpfe „wandeln fich im Frühjahr nach der Schneejchmelze in unabjehbare Meere, deren Wafjer den Horizont begrenzen, und aus denen feine Bodenerhebungen gleich Injeln ragen”. Dort fißen die Hafen, „eng aneinandergedrüdt”; „pudelnaß, abjcheulich an- zufehen, gleichen jie in diefem Zuftande eher Tiergejpenftern als Xebewejen“. Vielleicht hatten fie jchon redlich ihr Heil im Schwimmen verfucht und das Land war nur gar zu weit entfernt? Auf diefe Erklärung deuten auch „viele arme Teufel” von Hafen, die Wöber „halb erfroren und volffommen erjchöpft bei den Löffeln” in jein Boot hob, mit dem er ohne jede Scheu jofort gierig aufgenommenes Heu, Mais und Gerfte auf die „Hafeninjeln” brachte. Auf dem Eife jelbjt findet jich Lampe fehr qut zurecht, twie die „Neuen Baltijchen Weid- mannsblätter” jehr einleuchtend jchildern, und Eis ohne Schnee ift für ihn qute Zeit, wenn im Spätherbite weite Flächen der niedrig belegenen Heufchläge, Viehtveiden und Wälder jpiegelglatt poliert ind. „NRuht e3 jich doch auf dem Eife um fo ficherer, al3 hier die Lager- jpur aud) der feinften Spürnaje des Feindes nur jchwer und überhaupt nur auf ganz Furze Zeit wahrnehmbar, dem Auge aber gänzlich unfichtbar ift... Häslein fann aljo im Frieden ihlummern. Muß es aber doch einmal aus dem ficheren Verjted aufjpringen, dann dauert e3 nicht lange, bis es außer Sicht ift, und der Feind von der Verfolgung abjtehen muß. Denn dank jeiner mit dichten Bürften verfehenen Läufe fann der Haje fait ohne zu gleiten über das Eis dahinjagen; nur ab und zu jieht man auf dem mit dünnfter Schneedede belegten Spiegel einen ‚Wijcher‘”. Weder der Hund noch der Fuchs fünnen auf dem Eife den Hafen je ein- holen, und auch das jchnellite Tier, der Windhund, fchießt, jobald der Haje einen Hafen macht, 94 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. in gerader Richtung noch weit über die Eisfläche dahin. Auch „die Braden fünnen auf dem Eije nicht viel ausrichten; nur wenige jehr feinnajige und gemwiegte Hunde vermögen auch hier, allerdings nur unficher, Die Spur zu halten”. Der fundige Jäger weiß; aber jebt allein, „wo er den Hafen zu juchen hat. Düt jchußbereitem Gewehr jchweift er durch Heu- ichlag und Weide und hält fich bejonders an alle eis- und wacholderbededten Flächen und die Umgebung ganz fahler Eispartien; leßteres, weil Lampe, Der hier erjt lange feine Lager- tänze aufgeführt hatte, häufig mit einigen Säben unter einem dicht an jolchem Eije ge- fegenen Bujche Dedung jucht. Er fährt nur dann heraus, wenn er merft, da es ihm gilt oder er fich entdeckt glaubt, d. h. in folgenden Fällen: wenn der Feind jich allzujehr nähert, wenn er Direft auf Das Lager losjteuert, wenn er längs der Lagerjpur geht und wenn er itehen bleibt und jich zum Lager wendet. Um den nahenden Feind recht genau beobachten zu fönnen, horcht Lampe nicht nur änajtlich auf, jobald er irgendein Geräufch vernimmt, jondern ... redt jich, um die nahende Gefahr zu beurteilen und die Flucht zu rechter Zeit und nach der richtigen Seite hin bemerfitelligen zu fünnen, oft — auch) im Lager — in Die Höhe... Sicherheben und Sichdrüden folgen bisweilen mehrmals aufeinander. In einigen Fällen, zumal in dichtem Gejträuch, geht’ aus der Lagerjtatt zunächjt noch in einen be- nachbarten Busch, und hier wird wieder ein wenig Veritecdens gejpielt, bis man doch endlich gezwungen Üt, das Weite zu juchen.” Dieje jagdlichen Erfahrungen baltiicher Hajenjäger, die zugleich ein Stüc örtlicher Naturgejchichte des Hafen find, haben für uns ihr Neues und Cigenartiges, wie denn überhaupt in den rufjiichen Dftjeepropinzen eine mweidmännijche Elite durch Tradition jich fortzuerben jcheint. Schade, dat davon auf literariichem Wege jo wenig zu uns dringt! | Da Lampe auch Schnee qut verträgt, erhellt daraus, dat man in unjerer Jagdprejje auf die Frage: „Welche Wildgattungen lafjen jich einjchneien?” ihn voranitellt. Man be- hauptet jogar, daß er bei tiefem Schnee mit darauffolgendem Froft jich Höhlen und Gänge in die Schneededfe eingräbt, die er anjcheinend ganz fidel bewohnt. Dem mwiderjpricht der offenbar alterfahrene „Jäger Unverdrofjen”, indem er das Vorkommen folcher „Hajenröhren“ bei außerordentlich jtarfem Schneefall zwar bejtätigt, ihre Entjtehung aber anders erklärt: „per Krumme muß bon unten auf einjchneien, von oben her in den Schnee hinein gräbt er jich nicht”. Nichts it von dem Hafen zu jehen, wenn er fich hat einfchneien lajjen, nur ein Loch, welches dem Stundigen verrät, daß Dort unter der Schneedede der biedere Krumme in jeinem Tunnel jich drüdt... Tritt man nun abjichtlich oder unverjeheng in jolches Loch, jo gerät Lampe in eine arge Silemme, aus der nur ein Gemaltjtreich Rettung bringen fann. Kterzengerade fährt er durch die nachgiebige Dede jeiner Behaujung, nicht ohne bei den nächiten paar Fluchten noch einige Ballen Schnee auf jeinem Nüden ein Endchen mit- zunehmen. Auch dem fundigen Jäger fann er in jolchem Fall übel mitjpielen, der ihn durch Seltitampfen des Schnees über jeinem Winterlager aus diefem heraustreiben wollte. „Auf einmal wanfte der Boden unter meinen Füßen, und der Haje jchoß, wie auf eine Nafete gejpießt, aus jeinem Winterlager in den Wald, während ich mich etwas unfanft auf den Rüden legte und meine beiden Schüfje in die Luft fuhren, weil ich im Fallen mit dem Finger die Drücer berührt hatte.” Obwohl der Hafe aljo im Schnee fich beitens einzurichten ver- jteht, muß er fich doch an den eriten Schnee immer wieder gewöhnen, wenn Jäger Un- verdrojjen jeine Beobachtungen nicht täufchen. Das Spurenbild beweilt e3 far, daß eine gemijje Umruhe bei dem neuartigen Anblid in ihn fährt; das fann fich aber auch daraus erklären, dat; Lampe für jeden Witterungsumfchlag ungemein empfindlich ift, und zwar ganz Hafe: Leben im Schnee. Sinne. 95 befonders dann, wenn Das Wetter jich verjchlechtert. Darauf führt Jäger Unverdrojjen auch das mehr oder weniger gute „Halten“ im Lager auf der Suchjagd zurüd. „Der Haje hat anderes Wetter im Kopf”, jagt dann der Jäger ärgerlich. Jr der Tat wird fich, wenn der Haje auffallend jchlecht Hält, in der Folge jtet3 ein Umjchlag einftellen, meijt ein Wetter- jturz, und fo ift es höchitwahrfcheinlich, daß auch die Borboten des Schneemetters jorvie diejes jelbjt nicht einprucslos an ihm vorübergehen. Dazu kommt aber noch die plöglich eintretende Helligfeit des Schneelichtes, die auf ihn jo zu wirken jcheint, als ob er, der Doch gerade vor Beginn des Winters jo ungemein pünktlich lebt, plöglic) jeden Mafitab Für die Zeit verloren habe. Denn entgegen feiner jonjtigen Gewohnheit erjcheint er beim eriten Schnee wider Erwarten früh auf der Bildfläche, jo daß er, allerdings nur unter Aus- nußgung des Schneelichtes, jelbjt an Dezembertagen noch mit der Flinte auf dem Anjtand geichofjen werden fann. Lange aber dauert diejer Zuftand nicht, und man wird dann an mondjcheinlojen Abenden vergebens auf ihn warten. Sn der erjten Schneenacht beiveat jich der Hafe im Felde verhältnismäßig wenig umher, namentlich dann, wenn die weiße Dee gleich eine ziemliche Stärfe erlangt hat. Möglicherweije wirft der ungeswohnte Anblid auf den Srummen jo ftark, daß er im Banne einer gewijjen Befangenheit jich nicht weit -herausmwagt. All diefe Unjchlüffigfeit in jeinem Wejen jchwindet aber bald wieder. Wenn nur der Schnee ihn nicht von der gewohnten, an der Erde befindlichen Ajung vollfommen abjchneidet! Fehlt dann die Hand des Hegers im Nevier oder jind nicht wenigitens Biütjche oder Laubholzjtämmchen vorhanden, von deren Ninde der Haje notdürftig jein Dajein zu friften vermag, jo geht er ein. Sn diejer Notlage entiwidelt er aber ein vorzügliches Orts- gedächtnis und behält jelbjt unter dem alles gleichmäßig zudedenden Schnee die Stellen, mo er jchon Afung gefunden hatte. Durch das Witterungspermögen wird er die Antvejenheit neuen oder noch übriggebliebenen Futters faum unter dem Schnee feititellen fönnen; denn auch jeine Naje wird bet jtarfem Frojte verjagen tie die Der anderen Säugetiere und des Menjchen, weil der Froft in fürzejter Zeit jedem Stoffe die ihm eigentümliche Witterung nimmt und zugleich Die Geruchsnerven lahmlegt. So fann unjer Haje wohl den Menjchenauch bei jtarfem Frojte wittern, weil ihm dejjen Gegenmwart Durch die jeweils frijche Witterung verraten wird; aber das Futter unter dem Schnee wird er mittels jeiner Naje höchiteng bei Taumetter auf furze Entfernung wahrnehmen. Troßdem bemältigt er diefe Schwierigkeit danf jeinem Orts- gedächtnig jpielend, wenn nur dauernd an den gleichen Pläten gefüttert wird. m übrigen ist, um zu den Sinnen überzugehen, der Geruchjinn des Hajen, wenn er wohl auch Hinter dem Gehör zurüciteht, durchaus nicht jchlecht und vermag unter gemijjen Vorausjegungen jehr wohl, das Tier vor Gefahren zu jcehüßen. Die Entfernung, in der der Haje eine Gefahr wittert, ijt oft gar nicht Flein, und wenn zumeilen durch Beobachtungen auf dem Anjig feitgeftellt werden konnte, daß der Hafe jchlecht „mwindet”, fan es jich nur um Ausnahmen handeln, die die Regel beitätigen. Denn wechjelnde Luftitrönnungen, Gelände- falten, jtark duftende Lupinen- und Rapsbreiten find recht wohl imjtande, den Gebrauch des Geruchsjinnes zu behindern. Wenn aber die ausrücenden Hafen vom Jäger Wind befommen, werden jie jich jtet3 empfehlen in der vom Feinde abgewendeten Richtung, und bei Wald- treibjagden jchneiden jene Schüßen, die fchlechten Wind haben, jtets viel jchlechter ab. Cs it genau zu jehen, wie die Hafen, welche fangjam anhoppeln, jicheren Wind nehmen. Wenn jie das Geringite mit der Witterung aufnehmen, jchlagen jie einen Hafen. Nur in volliter Alucht jcheint das Witterungsvermögen fowohl wie das Gejicht durch die Todesangit jehr beeinträchtigt zu werden. Mitunter verjagt aber die Naje des Hajen auch ohne jeden 96 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajen im weiteren Sinne. abjehbaren Grund in faum glaublichem Maße. Sit es doch Schäff jelbit 3. B. pajjtert, daß, als er im Walde zeichnend faß, ein Haje bis an ihn, der vollfommen unbemweglich blieb, heranhoppelte und mit der Naje an der auf jeinen Knien liegenden Mappe jchnupperte! ach jolchem Erlebnis tft e8 wohl zu verjtehen, wenn Schäffs „Sagdtierfunde”, entgegen der boritehend mitgeteilten Meinung aus Jägerkreijen, da3 Geruchsvermögen des Hajen „ent- ichieden wenig entwidelt” nennt. Schäff glaubt, „Daß'der Haje jein fortwährend in ichnuppernder Bewegung befindliche Geruchgorgan hauptjächlich zur Unterjuchung und Prüfung feiner Afung benußt”. Dies und die Kontrolle der Atemluft ift allerdings, ganz allgemein gejprochen, die erjte und urjprünglichite Aufgabe der Naje. — Das Gehör jteht beim Hafen unbejtritten obenan; darauf lajjen fchon die langen Löffel jchliegen. — Das Auge, dem Schäff die zweite Stelle an Ausbildung und Bedeutung zufpricht, hat Die Schwäche vieler anderer Säugetieraugen: es it mehr zum Wahrnehmen von Bewegungen als zum Erkennen ruhender, unbewegter Gegenjtände befähigt. „Den regungslos da- jtehenden Säger läuft der Hafe bis auf furze Entfernung an, um jofort abzufchwenfen, wenn eriterer die geringite Bewegung macht.” Ber Schäffs oben gejchildertem Erlebnis genügte „eine leichte Handbewegung, — und mit einem Cab war der Befucher verjchwunden”. „Diezels Niederjagd” gibt auch in der neuen Auflage feinerlei Ubjchägung der Sinnes- organe des Hafen, und Altum und die Gebrüder Miller bringen ebenfalls nichts Darüber. Sp möge denn hier nur noc) gejagt werden, daß Die oben mitgeteilten Sägererfahrungen, welche auf gutes Witterungspermögen des Hafen fchliefen, den Wert zwingender Er- perimente Doch nicht beanfpruchen fünnen. Denn wer will mit Sicherheit jagen, daß e3 ausichlieglich nur Geruchseindrüde jein fönnen, auf die die beim Waldtreiben anhoppelnden Hafen reagieren: fünnen e3 nicht ebenfogut Feine Bewegungen der zum Schießen ich vor- bereitenden Schügen jein, die fie hören oder jehen? Die Schärfe der Sinne und überhaupt Die ganzen geiftigen Fähigfeiten lobt jchließlich auch Nothe-Görlig in feiner vergleichenden Studie „Haje und Fuchs” („Deutjche Jäger- zeitung”, 1900), welche die Frucht der reichen Erfahrung feines langen Sägerlebens ijt. „Das Gehör des Geplagten ijt ausgezeichnet... Das Spiel der Löffel ift die Sprache des Hajen. Seine Affekte und Gedanfen werden dadurch in beredtejter Meife ausgedrückt. Beunruhigung, Erjtaunen, Furcht, Entjegen — alles macht jich jehr charakteriftiich in der Stellung jener Organe bemerkbar. Das Männchen‘ und der ‚Segel‘ ergänzen Dieje Zeichen- iprache... Wer bei Schnee und Mondjchein auf dem Pak einen Hajen jchießen will, muß jehr qute Dedung nehmen; jonjt macht der Haje 120 Schritt dor dem Stande des Schüben ein Männchen und geht zurüd... Zieht aber der Jäger ein weißes Hemd über, jegt er eine Nachtmüge auf und bededt er den Fußjad, in den er, am Boden fibend, die Beine ge- jtecft hat, mit Schnee, jo läuft ihm der Hafe auf freiem Felde vor die Füße...” Hier st e3 alfo das Auge, auf das diejer vertraut, und das ihn exit dann verläßt, wenn der Feind fich der Umgebung gleichmacht. Unter anderen Umständen bewahrt ihn wieder das Gehör vor dem Berderben. „Der Berjuch, einen Hajen anzufchleichen, der auf einem Wege in ge- ichlojjener Dikung täglich zu einer beitimmten Zeit äfend jichtbar wird (aljfo ein echter Wald- haje), mißlingt jtets. Das fcharfe Gehör vereitelt jeden Berjuch des Schüben, am Nande des Weges Schußgerecht heranzufommen, und auf dem Wege jelbjt vereitelt dies das Geficht, weil Lampe ununterbrochen nach beiden Seiten den Weg entlang äugt. Zu rechter Heit fappt er die Löffel an und fährt in die Diefung hinein. Nun glaubt wohl der Jäger jeinen Zweck leicht zu erreichen, wenn ex ich am Afungsplage mit gutem Winde anftellt. Der Haje: Sinne. Anitinkte. 97 Haje fommt aber nicht Heraus... Der Jäger jtellt jich nicht mehr an, und jofort fit der Haje wieder pünktlich auf feinem A fungsplage.” Wie geht das zu? „Auf dem Wege äfend, ijt der Haje durch jein Gehör und Geficht bollfommen gejchüst; Ichußgerecht am Afungsplaße unbemerft Stand zu nehmen, hindert er aber den Schügen dadurch, daß er fein Lager jehr nahe am Wege an jolcher Stelle wählt, von wo aus er eine genügende Strede feiner Im- gebung ficher fontrollieren fan.” Das jieht jehr raffiniert aus, ergibt jich aber im Leben des Tieres wie von jelbit; der Haje geht eben nur jo weit in die Didung hinein, bis er fich gedeckt fühlt, und das erlaubt ihm dann noch die nötige Kontrolle über den borbeiführenden Weg. Damit foll aber nicht abgejtritten werden, daß der Hafe jein Lager jtets entjprechend wählt, um rüdwärts feine Spur, namentlich deren le&tes Ende, die Widergänge und Abjiprünge überbliden zu fünnen. Nothe hat darüber und über das ganze Benehmen des Hafen im Lager jehr jchöne und eingehende Beobachtungen gejammelt. Cr belehrt zunächjt feine jüngeren Weidgenojjen, daß der Haje exit dann „liegt“, wenn er erlegt ift. Jm Lager „fitt” er, und diejes heißt daher auch die „Sajje”. Er behält dort jtets eine jiende Stellung bei, „auch dann noch, wenn er jich bei Annäherung eines Feindes in der Sajje drüdt, wobei er immer den Körper Hauptjächlich auf die Keulen und Hinterläufe jtüßt. „Durch Anwendung des Fernrohrs fünnen wir uns überzeugen, daß der Haje, wenn er jich ungefährdet glaubt, in der Sajje jich häufig aufrichtet und umheräugt. Das gejchteht ganz bejonders dazu, jeine legten Widergänge und AUbjprünge zu beobachten.” Hat er doch in Diejer Richtung feine natürlichen, ihn mit der Naje verfolgenden Feinde, den Fuch8 und in früheren Zeiten noch den Wolf, zu erwarten! „Sobald er nun wahrnimmt, daß ein Feind jeine Spur verfolgt und jich von Widergang zu Widergang dem legten Abjprunge nähert, fährt er aus dem Lager heraus und flüchtet.” So bemerkt der Jäger manchmal „mit Exjtaunen, daß einige hundert Schritt von dem Wege, auf dem er hinjchreitet, plößlich ein Haje aus dem Lager heraus- fährt... Bei Schnee würde flar zu erfennen gewejen fein, daß der Jäger auf einem der legten Widergänge entlang gefommen tar”, aljo in einer Weife jich näherte, die den Hajen fraft jeines anererbten Initinktes zur Flucht antreibt. In diefem Falle ganz unnüber- und unnötigerweife! Ebenjo folgt er in anderen Fällen dem Menfchen gegenüber zu jeinem Berderben dem umgefehrten Injtinkte, jich feit im Lager niederzudrüden, wenn der Fuchs bon ungefähr vorbeifommt, ohne ihn zu wittern. „Wer bei Schnee einen Hafen im Lager anjchleichen will, erreicht niemals jeinen Zwed, wenn er die Spur direft verfolgt; er muß Bogen schlagen um den mutmaßlichen Ort des Lagers, die fich immer mehr verengen; dann hält der Haje nicht jelten derartig, daß man ihn beinahe treten fan.” Durch dieje Beijpiele bom Hajen wird es underfennbar, wie e3 zugeht, daß uns ein Tier manchmal erjtaunlich Flug ericheint und dann wieder unbegreiflich dumm. 3 folgt eben meift feinen angeborenen Jn- jtinkten; dieje find aber auf die natürlichen Feinde aus dem Tierreiche zugejchnitten und nicht auf den Menjchen, am wenigsten auf den Kulturmenjchen von heute, und lafjen daher diejem gegenüber das Tier gar häufig im Stich. ©o lehren uns Rothes tatfächliche Beobachtungen als angeborenen Jnitinkt jelbjt eine ganz Fomplizierte Eigenheit des Hafen erfennen, die man zunächit nur durd) zielbewußte Denkarbeit, um nicht zu jagen raffiniertes Klügeln des Tieres ertlären zu fönnen glaubt: das it die umjtändliche Manier, wie der Haje mit Widergängen und Abjprüngen fein Lager bezieht. „Dieje Eigentümlichfeit des Hafen tft ein vererbter Trieb, er fann nicht durch Nach- ahmung bei der neuen Generation entjtehen; denn der Junghafe macht den Widergang mit dem Abjprunge in einem jo frühen Lebensalter, da; er bis dahin unmöglich Gelegenheit Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 7 98 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajen im weiteren Sinne. gehabt haben Fann, diejes Fomplizierte Erperiment bei jeinen Vorfahren zu beobachten... Schon im Alter von drei Wochen zeigt er die einfachjte Form Diejes überaus merfwürdigen Schugmittels. Anstatt Direkt in das Lager zu rüden, läuft er vielmehr auf jeiner Spur eine Strede zurücd, und zwar fo forreft, daß die Mittellinien der Hin- und Nücjpur genau in- einanderfallen, macht jodann einen weiten Abjprung, wenn möglich mit dem Winde, und rüct num exit in das Lager. Von Woche zu Woche entwidelt jich das Verfahren weiter. Widergang und Abiprung werden jedesmal ziwvei-, dreimal wiederholt. Mit zunehmendem Alter verjchärfen ich Die Sicherheitsmaßregeln immer mehr; ich habe Fälle beobachtet, in denen der Haje exit nach dem jiebenten Abjprung in das Lager gegangen war." Wie er Widergang und Abjprung auch verfolgt vom Feinde anwendet, jchildert Rothe ebenfalls aus eigenem Erlebnis. „Einer meiner Tedel hatte mich in dag Nevier begleitet und fand einen Hajen; er jagte andauernd, und ich nahm Dedung, um Beobachtungen zu machen. Nach einiger Zeit fam der Hafe Dicht vor mir flüchtig vorüber, machte einen Widergang, dann einen weiten Abjprung mit dem Winde, hoppelte noch fünf Schritt und blieb nun fißen... Bald darauf langte der Tedel vor mir an, und der Haje lief ihn auf faum zehn Schritt vorbei, ohne jich zu rühren; er machte dann ein Männchen und äugte dem Hunde nad). Exit als dDiejer, nachdem er iiber das Ende der Spur ein Stücd hinaus gelangt war, einen Bogen jchlug, um die Fortjeßung Der Spur zu juchen, jeßte der Haje jich wieder in Bewegung.” Zu Diejem anscheinend jo faltblütigen, wohlüberlegten Verhalten in vollem Gegenjab itehen die zahllofen Hafengejchichten, die unjeren Lanıpe als den befannten fopflojen „Unajt- bajen” Daritellen. Der „Manöverhaje”, der wie verrüct zwischen den vorrüdenden Schügen- Iinien hin- und herrajt, bis er, vollitändig erjchöpft, irgendeinem Mitläufer in Die Hände fällt, it längjt eine jtändige Erjcheinung, die nur noch Heiterkeit erregt; aber ein von den Dorfjungen gejagter Haje am Sonntagmorgen in der Dorfitraße, den Gottespdienit jtörend und jchließlich zwischen den Füßen einer drallen Bäuerin fejtgeflemmt, das ift jchon ein fel- tenerer Fall. In Scherenboftel auf Bremer Gebiet hat er fich im April 1906 zugetragen. &3 gibt indes auch mutige, jogar „bijfige” Hafen, die freilich die Negel vom mwehrlojen Furcht- bajen nur bejtätigen. In Berjchino beobachtete der großfüritliche Hilfsjäger Reimann beim Einfangen von Hafen mit dem Nebe, daß einer „bereits einige Fäden des Nebes Durc)- gebijjen hatte und noch weiter big“. Derjelbe Haje faßte dann den Hilfsjäger, der ihn an den Hinterläufen hochnahm, „am Iinfen Bein oberhalb des Sinies mit den Schneidezähnen“, jo daß der Mann jich „nur mit einem ziemlich ftarfen Rud“ befreien konnte. Bei näheren Zujehen bemerfte er zu feinem „nicht geringen Gritaunen, daß aus einer ziemlich großen Wunde gehörig Blut riefelte... Zur Überrafchung aller Beteiligten fam am nächjten Tage ein anderer Jäger mit einer blutenden Hand an uns heran und Klagte, daß er, wie er einen Hajen aus einem Staften herausnehmen wollte, von diejen in die Hand gebifjen worden jet. Wahrjcheinlich ift er auf denjelben bifjigen Hafen gejtoßen, der mich tags vorher gebijjen hatte.“ Beim Kaninchen als gejelligem Tiere ift die Spielluft ein natürlicher Wejenszug, der in feiner Naturgejchichte jtets genannt wird; aber auch der ungejellige Haje verrät mitunter diejelbe Neigung. Jm jugendlichen Alter it Dies ganz und gar nichts Bejonderes, weil Die „ungen der meijten Säugetiere durch nediiches Spiel mit ihresgleichen ihre Kräfte zu üben pflegen. Ammerhin ijt ein Yweifampfjpiel zwifchen einem Junghajen und einer Schtvarz- drojjel, wie e3 Balb in „Wild und Hund” 1907 nach Augenschein jehr anziehend jchildert, ein jo eigenartiges Vorkommnis, daß es hier Erwähnung verdient. „Auf einen verjchtwie- genen Waldpfade hoppelte Stleinlampe, der jeiner Winzigfeit nad) der Hajenmama jich nur Haje: Initinkte. Furchtjamfeit. Bifjigkeit. Spielluft. Heimatftetigkeit. Wanderungen. 99 vorübergehend entzogen zu haben jchien, und auf diejer Erfurjion begegnete ihm eine Schtwarz- drofjel. Der exjte jtürmijche Anlauf des Gelbjchnabels veranlaßte das Häschen, fich in Rofitur zu jegen und jeine Heinen Borderläufe al3 Trommelfchlägel zu gebrauchen, um fich des An- greifers zu erwehren. Diejer hatte es jedoch, wie jich bald erkennen ließ, nicht ernt gemeint; denn er retirierte, um nach einigen Berbeugungen zum zweiten Gange anzutreten. Dies- mal hatte e3 die Amjel auf Häschen3 lange Löffel abgejehen; denn nach ihnen fchnappte fie, den Hajen verjchiedene Male in langjamem Fluge umfreifend. Diejer drehte jich wie ein Kreijel und gebrauchte als Abwehrmittel immer jeine Vorderläufe. Wenn die Drofjel fich niederließ, dann ergriff auch) er die Offenjive und jagte im ‚Hoppelgalopp‘ auf den in ge- ducter Stellung ihn erwartenden Vogel los, der ihn nun wieder überflog und das alte Spiel von neuem beginnen ließ. Das dauerte eine geraume Zeit, bis das Häschen müde zu jein jchten und feiner jchwarzen Partnerin durch fein pajjives Berhalten zu veritehen gab, dal; e3 nicht mehr mitmachen wolle.” — Ein ähnliches, feines gemütvollen Anftriches halber noch anziehenderes Borfommmis jchildert „Field“ (Ver. 2922, 1908). Um ein feines Anwejen in Hallingdal, wo nur zwei alte Leute hauften, bewegte jich eine Auerhenne mit ihren Stücken wie ein zahmes Huhn. Wenn jie aber des Abends mit ihrer Brut aus dem Walde fan, Itand jie jtets jtill, als ob jie auf etwas wartete, und jiehe da, es tauchte ein Junahaje auf, der jich ebenfalls ihrer Führung anvertraute. Wenn die Henne dann mit ihren Jungen aufs eld 309, jprang er lujtig um jeine gefiederten Kameraden herum, und das ging jo fort bis zum Herbit, als die jungen Auerhühner jchon fait jo groß waren wie die Alte. Der Haje hängt im allgemeinen jehr feit an jeinem Geburtsorte, und bei der großen Zahl jeiner Feinde fann er jo an der Scholle Heben, ohne Gefahr, jein Heimatsrevier da- durch zu übervölfern. Guftad Jäger, der, wie Rothe, eine geijt- und humorvolle Vergleichung zipiichen „Fuchs und Has“ angejtellt Hat („Wanderungen durch das Tierreich aller Zonen“), erklärt jo die oben jchon erwähnte, verhältnigemäßig weitgehende Herausbildung von Stand- ortsvarietäten beim Hafen. Feld-, Bufch- und Waldhaje „iind auch im Ausjehen verjchieden, namentlich in der Farbe, und am meijten unterscheiden jich Feld- und Waldhaje; denn legterer it viel lebhafter gefärbt. Man fann es furz jo bezeichnen: der Waldhaje hat mehr das Not- braun der dürren Blätter und dürren Tannennadeln, der Feldhaje mehr das fahle Braun einer Erdjcholle, und ganz bejonders licht find die Hafen, die auf jandigem Boden leben. Man jieht aljo, daß es jich bei dDiejen Unterjchieden um Anpafjungen an die Farbe des Unter- grundes handelt, auf dem die Tiere leben. Dieje Genauigkeit der Anpafjung wäre nicht er- Härlich, wenn man nicht wüßte, daß der Hafe ein äußerft Heimatitetes Tier ift: er hält jich mit Hartnädigfeit an jeinen Geburtsort, fehrt immer und immer wieder dahin zuriid und ent- Ichließt jich nur, wenn ihm das Leben gar zu fauer gemacht wird, zu einem Wohnungswechjel.“ Das fommt aber doch vor, und jo gibt es auch „Hajentwanderungen”, mwenialtens zeitweije. Über jolche Wanderungen und ihre natürlichen Urfachen Hat &. U. Otto berichtet („Die Jagd“, 1907). „Wenn z.B. die rauhen Novdembermwinde zu blajen anfangen, und es jtellt jich hierzu Stojt oder Schneefall ein, werden jene Hafen, welche erponierte Feldhochplateaus bewohnen, mit Sicherheit die Tieflagen, welche ihnen bejjeren Schuß gegen Witterungsunbill gewähren, aufjuchen, um den Winter über dort zu bleiben. Umgekehrt ziehen jich die Hafen aus feuchten Kiederungen in gejchügte, trodene Höhenlagen, welche durch Geländefalten, Naine, Heden und Gräben natürliche Dedungen gegen Wintersnot aufweijen. Wenn Wald in der Nähe it, wird auch diejer Zufluchtsort gerne angenommen.” Umgefehrt beobachtet man, „daß die für gewöhnlich im Walde wohnenden Löffelmänner an jonnigen Herbjt- und Wintertagen Te: 100 8. Ordnung: Nagetiere. Pamilie: Hafen im weiteren Sinne. mit Vorliebe ins Feld rücden, um fic) die wärmende Sonne auf den Balg fcheinen zu lajjen. Bei jchlechtem Wetter (Schnee, Negen, Schladwetter, Sturm) ziehen jte jich wieder in den ichüßenden Wald zurüd... Nicht nur landiwirtjchaftliche Arbeiten größeren Umfanges, Schafherden, Truppenübungen, wildernde Hunde und zu jtarfe Ausübung der Suchjagd fönnen den die Nuhe über alles fiebenden Lampe aus dem Revier vertreiben; auch tief- eingreifende forjtliche Arbeiten (Holzhiebe, Schälarbeiten Kultivierungen, Abtriebe uftv.) veranlafjen eine allgemeine Flucht aus den beunruhigten Waldabteilungen in andere tom plere oder aufs Feld... Typijch jind die Hafenwanderungen größeren Umfanges, die im Winter von den fogenannten Winterlagen (Schattenjeite) in die Sommerlagen jtattfinden. Manche Reviere, deren eigentümliche Lage und Formation im Winter der Sonne den Zu- tritt verwehren, entblößen jich in der rauhen Jahreszeit falt gänzlich von Hafen, während der Pächter der jonnig gelegenen Nachbarjagd famoje Abjchußrefultate erzielt. Auch der geologische Untergrund fann am Ausbleiben der Löffelmänner, die 3.8. gipshaltigen Boden nicht lieben, jchuld fein. Bei jtarfem Frojt vertreibt mitunter die Unmöglichkeit, fich Lager zu jcharren, die Hafen majjenhaft aus ihrer urjprünglichen Heimat...” Ganz neuerdings it unter der Spibmarfe „Der Haje hält jich dort am liebjten auf, two er gejegt wurde” im „St. Hubertus” aus Jägerkreifen zur Frage der Ortsbejtändigfeit des Hafen noch einiges beigejteuert worden, was wohl Aufnahme in die Naturgejchichte verdient, zumal damit Be- obachtungen darüber an die Öffentlichkeit famen, toie rajch der Hafe fogar in dasjelbe Lager iieder zurüdfehrt. So jchreibt der befannte weitfäliiche Bradenjäger Freiherr dv. Klein- jorgen (Nr. 1 vom 7. 1. 1907): „Beobachtungen Darüber, warn der Haje wieder in jein Lager zurückehrt, fann man bejonders qut bei der Bradenjagd machen. Die Löffelmänner jind dort auch in den beten Nevieren nicht jo dick gefät, daß VBerwechjelungen vorfommen fönnten; auch fennt man einen bejtimmten Hajen an jeinem Gebaren vor den Hunden, das noch lange nicht bei allen Hajen gleich ift — im Gegenteil! —, dem Wechjel, den er einhält, ujw., leicht wieder. Jch habe nun gefunden, daß von den Hunden gehegte Hajen meilt Schon am nächjten Tage wieder an ihrem gewohnten Blake waren. Sehr lange und jehr weit aehette Hajen find allerdings oft am nächjten Tage noch nicht wieder ‚zu Haufe‘, ganz bejtimmt aber fannı man fie dort dann am zweiten Tage wiederfinden. ch habe nie gefunden, daß ein Haje — vorausgejegt natürlich, daß ihm im Verlaufe der Jagd nicht ‚auswärts‘ noch etwas zugeitoßen war, jo daß er überhaupt nicht wiederfommen fonnte — länger fortgeblieben wäre als eine Nacht; wenn nicht in der erjten, jo wechjelt er ficher in der zweiten zurüd. Ein Haje, der von Braden gehebt wird, hat zunächit Das Beitreben, in einem weiten Streife wieder zu jeinem ‚Bott‘ zurüczufehren. Deshalb wartet der Braden- jäger gerade darauf und weiß ganz genau, wenn die Sagd nach dorthin abging, fommt jie von jener Seite zurüd, und danach wählt er jich feinen Stand. Sit es dem Hajen mög- (ich, 3.8. wenn die Hunde inzmwijchen ‚verloren‘ haben oder doch jehr weit zurücdgeblieben jind, jo jucht er jich in der Nähe feines vor der Jagd innegehabten ‚Bottes‘ zu drüden. Slüdt es dem Hajen das erjtemal nicht, wieder an jeinem gewohnten Plage Ruhe zu finden, jo fehrt er in immer weiteren Streijen oft noch ein=, zweimal vor den Hunden zurücd. Much nach) der Jahreszeit ijt fein Berhalten vor den Hunden ein ganz verjchiedenes. m Anfange der Sagdzeit flüchten die Hafen vor den Braden meift talwärts und halten mit Vorliebe Wege ein, fpäter flüchten fie bergauf, geradeaus und jehr eilig, ohne jich) um Wege und Vechjel zu Kimmern, quer durchs Gebüjch. Bei einem der erjten Bradenpreisjagen zeigte uns einmal ein Haje, wie groß das Bejtreben jeiner Art, im Bogen zurüdzufehren, ijt. E8 Haje: Ortsbeftändigkeit (Bradenjagd). Wanderungen ausgefeßter Hajen. 101 war damal3 noch Beitimmung für die Preisjagen, daß das Wild exit bejchojjen werden durfte, wenn die Hunde es 10 Minuten gejagt hatten. Die von den Schügen ringsum ab- geitellte ‚Bergnaje‘ war etwa 10 Morgen groß. Die Hunde fanden jehr bald, und der Haje fam oben aus den Fichten heraus, zehn Schritte an einem Schübßen, der ihn — wie oben erwähnt — durchlajjen mußte, vorbei und flüchtete ins Feld. Die Jagd ging nun vor unjer aller Augen quer durchs Feld hinauf ins Holz, längs der Bergfante fort, wieder herunter ins Feld. Lampe wollte zurüd. Im Felde traf er aber auf ein Miitfuhrwerf, dejjen Führer mit der Peitjche zu fnallen begann und den Hajen zurücjcheuchte. Yampe ging aljo wieder zuritd bis ins Holz, ließ jich dort ein Stüd jagen, fam dann im Bogen wieder ins Yeld und nun fchnurstrads auf das Feldföpfchen los, two er gejejjen hatte. Beim Einpajjieren aus Dem Felde in die Fichten jchoß ihn derjelbe Jagdteilnehmer, der ihn bejtimmungsgemäß vorher hatte paffieren lajjen müfjen. — Überhaupt hat gerade der Bradenjäger die bejte Gelegenheit, die Finejfen und Eigenarten des jo oft nichtachtend und verächtlich angejehenen ‚strummen‘ fennen zu lernen. Sch erinnere mich noch jehr gut eines alten Nammlers, der im ‚Dümpel‘, einem mächtigen Fichtenbejtand, jaß und uns fange genarrt hat. Wir fonnten ganz Jicher fein, da er oben herausging, wenn wir unten jtanden, und unten, wenn wir oben angejtellt waren. &3 hat lange gedauert, bis er überlijtet war. Was gehört dazu, wie ich es erlebte, daß ein Hafje, den die Braden ‚jichtig‘ auf einem offenen Wege hebten, plößlich einen Sprung zur Seite auf einen jchmalen Felsvorjprung machte, und jich dort drüdte, während die Hunde tie toll unter ihm herumfuchten und nicht verjtehen konnten, daß die Spur mit einem Male zu Ende war? Ähnlich machte es ein anderer Haje, aber nicht einmal, jondern jedesmal, wenn er gejagt wurde. Er ließ jich ein Stüd hegen und jprang dann aus voller Flucht in die Gabel einer Hainbuche, die jich etwa 0,75 m über dem Boden in zwei Stämme teilte. E3 war ung ein NRätfel: jedesmal war an diejer Stelle wie auf einen Schlag die Jagd aus. Schlieklich Fam ich hinter feine Schliche, da ich mit meiner Vor- jtehhündin der Jagd nachging. Da dieje mit hoher Naje juchte, fand fie den Schlauberger, den e3 gar nicht genierte, daß die Braden auf der Suche nach ihm oft jo nahe an ihm borbeifligten, daß fie ihn mit ihrem Rüden fait jtreiften.“ Ein anderer Beobachter hat es in einem Falle jelbjt ausprobiert, twie zähe der Hale zu feinem Lager zurücfehrt („St. Hubertus”, Nr. 5 vom 17. 12. 1909): „Bei der legten Neuen (Neufchnee) machte ich einen Löffelmann hoch, der mir bald aus den Augen entjchwand. Sch verfolgte num feine Spur, die in einer etwa eine halbe Stunde weiten Ellipje wieder ins Lager zurücführte. ALS ich dort anlangte, wurde mein Hafe zum zweiten Male flüchtig, und wiederum machte ich mir die Mühe, feine Spur im Schnee zu verfolgen. Diesmal war die Eltipfe, Die Lampe auf feiner Tour befchrieb, nahezu eine Stunde lang in der Ausdehnung. Aber der Hafe hatte feine Safje, aus der er an einem Tage in einem Zeitraum von nicht ganz zwei Stunden zweimal verjcheucht worden war, wieder angenommen...” Mit anderem Maßitabe zu mejen find die „Wanderungen“ ausgejester Hafen, Die nach aufregendem Fang und verwirrendem Transport in fremder Gegend jich wiederfinden. Man kann ihr Schiefjal einigermaßen verfolgen, jeit man angefangen hat, jie mit numerierten Wildmarfen zu zeichnen. Aber auch fie entfernen fich, wern man nach den bis jegt borliegen- den Berichten urteilen darf, faum weiter al3 30 km vom Ausjeßungsorte. (Val. „geitjchrift des Allgem. Deich. Jagdichugvereins”, Nr. 52 vom 25. 12. 1909.) Nur ein ungarijcher, von SchulgNahmib bei Lehnin in’der Mark Brandenburg ausgejester und durch Löffeleinjchnitt gezeichneter Haje wurde von d. Arnim-Gerswalde in Briejen, Kreis Templin (Udermart) 102 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajen im weiteren Sinne. gejchojjen, war aljo mehr als 10 Meilen (etwa 75km) weit gewandert, hatte jich dazu aber auch vom Februar bis Dftober Zeit gelajjen („Deutjche Jägerzeitung”, Nr. 50, 1910). Das Zahlenverhältnis der beiden Gejchlechter zueinander und, was damit zujfammen- Gängt, namentlich auch das Erfennen der beiden Gejchlechter des Hajen am Ausjehen und Benehmen, das find gleichfalls Fragen, die, weil fie mit dem Gedeihen des Hajenjtandes eng zufammenhängen, die Jägermwelt lebhaft bejchäftigen und ebenjo für die Naturgejchichte ihre Bedeutung haben. Bon einem Übermwiegen der Rammler fann aber dabei nach den Statijtifen, die Schäff zufammenftellt, gar feine Rede fein; im Gegenteil, mögen die Zahlen der unterjuchten Hajenftreden groß oder Fein jein (fie gehen bis beinahe 13000): immer war ein Übertviegen der Häfinnen undverfennbar, und Schäff meint mit Recht, daraus den beruhigenden „Schluß ziehen zu dürfen, daß durchweg mehr Häfinnen al3 Nammler vorhanden find bzw. gejeßt werden“. Smmerbin hat es jomwohl jägerijches al3 naturgejchichtliches Jnterejje, äußere Ktenn- zeichen zu wijlen, durch Die man am lebenden Tiere in der Freiheit das Gejchlecht des Hafen unterjcheiden fan. Solche Merkmale werden auch vergleichsweije angegeben, jowohl im Yusjehen als im Benehmen; allerdings lajjen fie jich draußen in der Gejchwindigfeit viel- leicht num unjicher anwenden. Nach Dietrich aus dem Windell ijt das Seitenhaar der Hafın heller gefärbt, die Schulterblätter des Rammlers find mehr brauntot; Schäff betätigt nad) jeinen Wahrnehmungen diejen Farbenunterjchted. Jm Benehmen hält Diezel für fait das einzige ziemlich jichere Kennzeichen des Nammlers das befannte Schnalzen mit der Blume, d. h. nach Schäff: daß der Kammler nad) dem Aufjtehen aus dem Lager auf der Flucht fortgejeßt rudtweife Bewegungen mit der Blume mache, twogegen die Häfin Dies nur bei den eriten 4—6 Sprüngen tue. Während diejer hält jie zivar die Blume bisweilen noc) etwas hoch und jchnaizt wohl doch einige Male damit; allein nie jet fie diejes Schnalgen fort, vielmehr drückt fie fpäterhin die Blume ziemlich feit an den Leib, jo daß fie weit länger zu jein jcheint als die des Nammlers. Der Nammler trägt auch das Hinterteil oft etwas jchief und läuft rascher und flüchtiger als die Häfin. Das Laufen der Häfın ift langjamer und jtetiger, ihre Haltung bleibt fich mehr gleich. Der Kopf ift größer, der Leib länger, der Bauch niedriger und weißer, die Haltung des Hinterteils nie jchief, jondern gerade. „Nach den angeführten Kennzeichen”, meint Schäff zum Schluffe, „Fan man im freien Felde, jolange noch fein Schnee liegt, das Gejchlecht eines aufjtehenden Hajen in der Nähe ziemlich richtig beurteilen.” Diezel jelbit jchiekt die einjchränfende Bemerkung voraus: „vom Frühjahr bi zum Herbite irrt jich der aufmerkfjame Beobachter nur jelten, allein von diejer ‚Zeit an wird e8 mit jedem Tage Schwerer und im Winter endlich faft ganz unmöglich.” Gerade dann fommt es aber für den Jagdbetrieb am meijten darauf an! Ein offenbar gewiegter Kenner gibt („Deutjche Jägerzeitung”, 1906) noch einige weitere Unterjcheidungszeichen, die jich praftifch meift gut bewähren, zum beiten. „Die Häfın ist befanntlich weit feiter im Lager al3 der Nammler. Hafen, die man auf der Saat mit den Füßen herausitoßen fann, jind meijtens Häfinnen, die man im Spnterejje der Weidgerechtigfeit zu jchonen hat. Die Nammler jtehen meijt viel früher auf und bei froftigem oder windigem Wetter häufig jchon außer Schußmweite. Beim Anfiß follen jene Hafen, die jehr bald auf der Bildfläche erjcheinen und gleich beim Austritt aus der Waldgrenze phlegmatijch zu äjen beginnen, als Häfinnen anzujprechen jein; der Rammler fommt jpäter und flüchtiger, auch beginnt er erjt in einer gewijjen Entfernung vom Walde mit dem fen. Beim Abftöbern von Waldrändern und Feld- hölzchen ijt der in flottem Tempo jehr bald erjcheinende und die Dedkung mit hochgeitellten Haje: GSeichlechtsverhältnie. Gejchlechtsfennzeichen. NRammelzeit. 103 Löffeln verlafjende Lampe fait immer ein Ramnıler. Die Häfin fommt langjam hoppelnd zum Vorjchein und fehrt, Falls nicht plöglich Hund oder Treiber hinter ihr auftauchen, am Rande des Gehölzes wieder um und verjchwinvdet in der Dedunag.” Die Rammelzeit beginnt nach harten Wintern Anfang März, bei gelinden jchon im Februar, jelbit im Janıar, im allgemeinen um jo eher, je mehr der Hafe Nahrung hat. Zu Anfang diefer Zeit jchwärmen, nach Dietrich aus dem Windell, unaufhörlich Rammler, Häfinnen juchend, umher und folgen ihren Spuren, gleich den Hunden, mit zur Erde gejenfter Naje. Sobald ein Paar fich zufjammenfindet, beginnt das Streislaufen und Slegel- ichlagen, wobei anfangs der Saßhaje immer der vorderfte it. Aber nicht lange dauert es, jo fährt Ddiefer an die Seite, und ehe der Nammler es verjieht, gibt ihm die Hälin An- feitung, was er tun joll. Sm möglichjter Eile bemüht jich nun der Rammtler, jeine Ge- (ehrigfeit zu beweifen, ift aber dabei jo ungezogen, mit den jcharfen Nägeln der Hälin große Klumpen Wolle abzureigen. Kaum erbliden andere feines Gejchlecht3 den Glüclichen, jo eilen fie heran, um ihn zu verdrängen oder wenigiteng zu jtören. Anfänglich verjucht e3 jener, feine Häfin zur Flucht zu bewegen; aber jie zeigt nur jelten Luft dazu, und jo hebt jebt ein neues Schaufpiel an, indem die Häjin von mehreren Bewerbern verfolgt und geneckt, endlich von dem behendejten eingeholt wird. Daß unter jolchen Umständen nicht alles ruhig abgehen fann, verjteht fich von jelbjt. Eiferjucht erbittert auch Hafengemüter, und jo ent- iteht ein Kampf, zwar nicht auf Leben und Tod, aber Höchit lujtig für den Beobachter. Zmei, drei und mehrere Rammler fahren zufammen, rennen aneinander, entfernen jich, machen Kegel und Männchen, fahren wieder aufeinander (03 und bedienen jich Dabei mit im ihrer Art ganz Fräftigen Ohrfeigen, jo daß die Wolle umherfliegt, bi endlich der Stärkite jeinen Lohn empfängt, oder noch öfters fich betrogen fühlt, indem jich daS Weibchen mit einen der Streiter oder gar mit einem neuen Anfümmlinge unbemerkt entfernt hat. Glaubtwirdige Säger verfichern, daß diefe Zweifämpfe zwifchen verliebten Hafen, jo unfchuldig jie auch ausjehen, zumeilen doch nicht ohne Verlegungen abgehen, weil ie nicht jelten auf ihrem Revier erblindete Hafen angetroffen haben, denen bei jolchen Kämpfen die Lichter ver- wundet wırden. Gelegentlich wird auch eine Häfin jo ernithaft mißhandelt, daß jie lange fiimmert oder jogar verendet. Die auf den Kampfplägen umherliegende abgefraßte Wolle dient dem Jäger al3 Zeichen, daß die Rammelzeit wirklich angebrochen ift, und in bejonders milden Jahren wird jich jeder Tierfreund in acht nehmen, nunmehr noch auf das Wild zu jagen, wenn auch noch nicht gejegliche Schonzeit it. Wie übermächtig in der Fortpflan- zungszeit die Begierde des männlichen Hafen ift und alle anderen Gefühle bei ihm übertäubt, beweiit ein Erlebnis des befannten Wild- und Jagdhundfenners Karl Brandt, der erzählt („St. Hubertus”, 1905), „er habe einem Hafen einen Lauf abgejchoffen und ihn nun mit den Augen verfolgt, um zu jehen, two ex fich drücle. Eine Häfin aber, die vor dem Stranfen plöglich aus der Safje gefahren jei, habe diejen allen Schmerz vergejjen lafjen, und er habe jic) ihr gewidmet”. Bei Bewertung folcher Tatjachen darf übrigens nie vergefjen werden, dal; das Tier fein Menfch ift und jelbft zwwifchen verjchiedenen Menfchenrafjen, z.B. Europäern und Negern, im Ertragen von Schmerzen die erjtaunlichiten Unterjchiede bejtehen. Wenngleich jowohl Diezel als Schäff die Iandläufige Meinung bon etwa dreigig- tägiger Trächtigfeitsdauer des Hafen beibehalten, jo möge doc) eine gelegentliche Bemerkung Nehrings hier Plat finden, der „die Nichtigkeit diefer Annahme fchon jeit langem bezweifelt und „eine Trächtigfeitsdauer der Häfin von 35 Tagen als wahrjcheinlich” hingejtellt hat. „Wenn man bedenkt, daß; die Kaninchen ihre Zungen nach einer Tragzeit von 28 Tagen nadt 104 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. und blind zur Welt bringen, während die jungen Hafen volljtändig behaart und jehend ge- jeßt werden, jo erjcheint e3 jchon von vornherein wenig einleuchtend, daß ein Zeitunterjchied bon nur zwei Tagen genügen follte, um eine jo bedeutende Differenz in der fürperlichen Ent- twicelung herbeizuführen.“ Gewöhnlich feßt die Häfın ziwiichen Mitte und Ende des März das erite, im Auguft daS vierte und legte Mal. ymmerhin gibt es über Die gewöhnliche Saßzeit hinaus frühe und jpäte Hajenfäge; auch Befruchtungen zu ganz anderer Jahreszeit jind beobachtet. So werden („Deutjche Sägerzeitung”, 1904 und 1907) zwei Fälle aus Weitfalen und VBorpom- mern mitgeteilt, two gegen Ende November zwei hochtragende Häfinnen gejchoffen wurden, die ihre zwei rejp. vier Jungen in einigen Tagen hätten jegen müjjen. Natürlich ift aber mit Sicherheit anzunehmen, daß dieje alsbald wieder eingegangen wären, und ebenjo ijt es gewiß; den ganz ausnahmsmweije frühen Hajenjägen ergangen, die im Winter 1908/09 von Ende, Mitte und Anfang Januar, ja jogar von Ende Dezember gemeldet wurden. Der milde, jchneeloje Dezember hatte da die Hajen bereits zur Fortpflanzung jchreiten lafjen, allerdings tmwohl durchweg vergeblich. PBajjtert dies doch noch oft genug mit den erjten Frühjahrsjägen! Solche find chon von Mitte Februar befannt. Aus diejer Zeit berichtet die „Deutjche Jäger- zeitung” (1906) von eimem Junghajen, der in Mörlbach (Mittelfranken) „Hinter einem Düngerhaufen im Felde jaß und jich allem Anjchein nach troß der ungünftigen Witterung ganz wohl fühlte”. Vielleicht durch den Mijt gewärmt. Sogar Anfang Februar fand Kerz- Bodenheim a. Ah. jchon einen und jein Bruder im Jahre vorher Anfang November ander- jeits noch zwei. Das macht jeine Behauptung erklärlich: „Yon Ende Januar bis Oftober findet man bei ung junge Häschen...” („Wild und Hund“, 3.5.1907). Und auch von den jpätejten Säben fommt manchmal was auf. So einer der beiden eben erwähnten vom Anfang November: er „wurde als gut entwidelter ‚halber Haje‘ bei einer Treibjagd Ende „yanıar bon einem Hunde gefangen”. Anderjeits fing am 21. März 1907 ein Terrier bei Haubinda einen SJunghajen, der bereits vier Pfund wog, aljo auch jehr früh gejeßt und gut Durchgefommen jein mußte. Bon den frühen oder jpäten Säben haben zum Durchfommen vermöge unjerer Witte- tungsverhältnijje die jpäten Septemberjäge die bejjere Ausjicht; erfahrene Hajenjäger und -heger treten daher fir Verlängerung der in Preußen z.B. jchon Mitte September endigen- den Schonzeit bis 1. Dftober oder wenigitens freimwilliges Schonen des Hafen bis dahin ein. „Die alte Häfin und auch jede junge Häfin, die im Februar, März oder April gejebt wurde, jegen im Laufe des Monats September noch Junghafen... Yede Häjin, die im September zur Stredfe fommt, hat entweder erjt vor furzer Zeit gejeßt oder fie Hat inne. Die im Sep- tember gejeßten Ssunghajen finden überall, jelbit in Stoppelfeldern hinreichende Dedung, jpäter auch an allen Orten pafjende Mung. Der Sagdichug im Feldrevier ift nie jo groß tie im Frühherbit; denn die Hühnerfuche bringt täglich Jäger und Hund ins Revier...“ Der erite Sat bringt nach althergebrachter Annahme 1 oder 2, der zweite 3—4, der dritte 3 und der vierte wiederum 1—2 Junge; in ganz ungewöhnlichen Fällen umfaßt ein Sat auf einmal 5 und mehr Junge. Die Erklärung eines gewijjen Zwiejpaltes unjerer Be- obachtungen, daß wir uns einerjeits nicht allzu felten von größerer Jungenzahl (bi3 5 oder gar 6 Stücd) beim Hafen überzeugen, im Ntevier aber faum einmal mehr als zwei Jung- hajen beijanmnen jehen, findet Wawerjig-Glogau, der drei Jahre hintereinander je einen Saß bon fünf Hajen in einem Neft beobachtet hat, jehr einfach darin, „daß die Jungen jchon jehr zeitig auseinanderlaufen”; jedenfalls ift aber die Sache noch befonderer Aufmerfjamfeit Haje: Tragzeit. Sabzeit. YJungenzahl. Zuftand der Neugeborenen. Säugezeit. _ 105 aller Jäger wert, die zugleich Heger und Beobachter find. A. Bütow und Georg Sterz geben uns denn auch „Zur Biologie des Hajen“ in diejer Richtung noch fehäßbares Material („Wild und Hund“, 8.5.1907). Bütomw fand einjt einen Sat bon drei, die er zufammen in der aufgemachten Hand bequem halten fonnte, unmittelbar an einer Chaufjee vor. Sie waren noch nicht aufgepluftert und darum teilmeife nod) na um Dftern herum ohne jeden Schuß einfach aufs Land gejebt. Junghafen, die S—10 Tage alt jein fonnten, hat Bütomw jchon immer einzeln angetroffen, was eritens dafür jpricht, daß jie jchon früh aus- einanderlaufen, und zweitens, daß fie jich in dDiefem Alter auch bereits verjorgen fünnen. ©o jah er einmal zwei falt gleichitarfe Junghajen, deren jeder fich an einem Baume, zwijchen den zutage tretenden Wurzeln, fein Yager ausgejucht Hatte. Die Entfernung zwijchen beiden Zagern betrug etiwa 20 Schritt, jo daß man wohl der Meinung jein konnte, beide Hajen gehören zufammen. Trogdem jind Bütow und Kerz nicht der Meinung, dab die Häjin ihre Jungen an verjchiedenen Stellen jege. Vielmehr überrajchten Kterz und jein Bruder im Mai 1903 eine Häfin beim Segen. „ALS wir nachjahen, fanden wir zwei friichgejebte Häschen. Eine Stunde jpäter famen wir wieder Dort vorbei, und nun waren es vier Häschen. Aljo, trogdem die Häfin von ung gejtört worden war und uns beobachtet hatte, jeßte jte Die zwvei legten Häschen nicht an eine andere Stelle.“ Das Wochenbett ift eine höchit einfache Vertiefung an einem ruhigen Orte des Waldes oder Feldes: ein Mifthaufen, die Höhlung eines alten Stodes, angehäuftes Laub oder auch ein bloßes Lager, eine tiefe Furche, ja endlich der flache Boden an allen Orten. Die Jungen fommen mit offenen Augen und jedenfalls Schon jehr ausgebildetzur Welt (Taf. „Nagetiere I”, 4, bei ©. 19). Manche Jäger jagen, daß fie jofort nach der Geburt fich jelbit trodnen und pugen müfjen. Wie gut die Junghajen gleich nach der Geburt auf ihren Fleinen Läufen find, lehrt der Bericht eines Förjters aus der Neumark, der beim Nevidieren der Stajtenfallen einer zahmen Fajanerie in einer zugejchlagenen Falle eine Häfin mit vier eben gejegten Junghajen fand. Er jtellte die Falle ab, und jchon nach einer halben Stunde war die Hajenfamilie nicht mehr drin. — Durch die Frage: warn und wie lange fäugt die Häjın ihre Jungen? hat man in unjeren Jagdzeitungen immer einmal wieder den Schleier des Geheimnijjes zu lüften berjucht, der begreiflicherweije über den intimen Einzelheiten der Jungenaufzucht des Hajen liegt. Wer vermöchte auch eine einzelne Häfin jo genau zu fontrollieren, daß er jagen Fünnte, mie oft täglich und mwie lange überhaupt fie ihre Jungen aufjucht, um ihnen Nahrung zu bieten? Wie fie e3 macht, das hat Wöber durch einen glüclichen Zufall einmal mit anjehen fönnen. „Die Mama legte fich feitlich auf den Boden fo, daß nur die Vorderläufe unter die Bruft zu liegen famen, die Hinterläufe jedoch jo geftellt waren, daß das ganze Gejäuge den Kleinen zugänglich war. Doch die Alte zeigte bei dem Nährgefchäfte nur wenig Geduld, iprang plößlich mit einem gewaltigen Saße auf alle vier Läufe, nachdem jie bo 4 Mi- nuten in der zum Säugen der Jungen nötigen Stellung mit gejchlofjenen Lidern ber- harıt hatte.” Über die Säugezeit geht die Meinung jebt dahin, da fie 2—3 Wochen währt; länger fann jie gar nicht gut dauern, wenn man die verjchiedenen in der bejjeren “Jahres- zeit rajc) aufeinanderfolgenden Süße bedenkt. Dieje und der alsbald wieder rege Ge- ichlechtstrieb der Häfin find aber feinesfalfs ein geniigender Grund für die unmwahrjcheinliche Annahme, daß die Junghafen nur 3—5 Tage gejäugt würden; denn auch bei anderen Säuge- tieren vertragen fich die verjchiedenen Fortpflanzungspflichten des weiblichen Gejchlechtes jehr qut miteinander. Daß die Häfin fich jo wenig bei ihrem Sate aufhält, ift, nach Nothe, nur zum Beften der Junghajen. Sie nimmt ihr Lager weitab von ihnen, denn jie hat eine 106 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. jehr jtarfe Witterung; jähe jte aljo „bei den ungen, die eine jehr jchtwache Witterung haben, jo daß fie der Fuchs nicht leicht findet, um jo weniger, als fie unter jtarf riechen- den Gegenjtänden jigen, jo würde der das frijche Lager revidierende Fuchs die Junghajen finden und verzehren”. Bei Annäherung eines Feindes läßt die Häfin gewöhnlich ihre Sungen im Stich, obwohl auch Fälle befannt jind, daß alte Häfırınen die Brut gegen Naub- vögel und Naben verteidigt haben. Ebenjo liegen Beobachtungen vor, daß fie dasjelbe aus eignem Antrieb gegen den Storch tun, diefen aljo ohne weiteres als Feind ihrer Jungen erfennen. So erzählt Beter Bajchen aus Mecklenburg, wie ein Haje einen auf einem großen Sleeichlage umherjtolzierenden Storch plöglich annahm, jcheinbar ohne jeden Grund. Die Erklärung für Diejfes Erlebnis bildete ein zweites vier Wochen jpäter in Bommern. Wuc) hier erjchien der Störenfried in Geitalt eines Storches. Unjer Beobachter fand aber dicht neben der Stelle, two der Haje gejejien hatte, zwei erit wenige Stunden alte Junghajen. E3 liegen fogar Beobachtungen vor, daß die Junghafen jelber jich zu verteidigen juchten, und zwar in zartejtem Alter Schon. So berichtet ein Lejer der „Deutjchen Jägerzeitung“ (1908), wie ein vielleicht zwei Tage altes Häschen, das er wieder ing Nejt zu feinen Ge- ichwijtern jeßen wollte, ganz giftig zirpend nach ihm herumgefahren jet. Bon dem eriten Sabe gehen die meisten Jungen zugrunde: der Übergang aus dem warmen Mutterleibe auf die falte Erde ift zu jäh; Das Kleine Gejchöpf erjtarrt und geht ein. Und wenn es wirklich auch das fchwache Leben noch friftet, drohen ihm Gefahren aller Art, jelbjt vom eignen Bater. Der Nammler benimmt jich manchmal wahrhaft abjcheulich gegen Die jungen Häschen und peinigt fie, wenn er fann, zu Tode. Wenn jolches bei Naubtiervätern einfach auf Fleifchhunger zurückzuführen ift, jo verjagt bei einem Pflanzenfrejjer wie dem Hajen jede Erklärung für diejes ganz widernatürlich erjcheinende Gebaren. Das Alter der Junghafen auf einige Tage genau anzufprechen, dazu gehört, nac) Rothe, viel Erfahrung; „ein Hauptmerfmal beiteht in den Falten und Kiniffen der Löffelchen. Zuerjt jind die Siniffe in den Löffeln ganz jeharf, weil die Jungen jehr eng im Körper der Mutter beifammenliegen. Ganz allmählich exit verlieren jich diefe. Schon in den allererjten Xebens- tagen forgt der Sunghafe jelbjt für feine Sicherheit und zeigt jich Dabei rege und jehr gejchidt. Zu Hilfe fommt ihm die natürliche Furchtfamfeit, jeine Haupteigenjchaft. Er verkriecht jich unter Neijig, Borfe und andere decende Gegenjtände. Auf einer von Flugjand gebildeten Düne, die fich Durch [pärlichen Graswuchs und einige Kufjeln etivas gefejtigt hatte, fand Rothe eine enge, ein halbes Meter tiefe Röhre und holte ein etiva 10 Tage altes Häschen heraus, das er gleich wieder Hineinjchlüpfen ließ. Nachdem er fich etwa 50 Schritt entfernt hatte, fehrte er zurück und war num nicht mehr imstande, das Tierchen wiederzufinden, — weder in der Röhre noch fonjtivo in der Gegend.” Der YJunghaje folgt aber dabei ohne Bewußtjein dejjen, was er tut, nur jeinem ererbten Flucht- und Dedungsinftinkt, der im Zufammenhang mit dem reifen Zuftande des Vteugeborenen und jeinem verhältnismäßig jelbitändigen Yeben gleich in den eriten Tagen bei ihn auf eine erjtaunliche Höhe getrieben tft, weil alle diejenigen unfehlbar zugrunde gehen, die diejen Snitinft nicht Haben. Der Junghaje belehrt uns aber, daß Dasjelbe Ziel: Erhaltung der Art, Durch unbewußte, rein triebmäßige Anpafjung er- reicht werden fanın — mohlgemerft bei einem Tiere, das fich reichlich vermehrt und der natürlichen Zuchtwahl dadurch genügende Unterlage bietet. Denn troß ihrer angeborenen Kunft, fich unfichtbar zu machen und ficher zu verfriechen, bübßen jährlich noch eine Unzahl Junghafen ihr Leben ein Durch die Unbilden der Witterung und durch das Naubzeug. Da unfer Haarraubzeug meift: mit der Nafe jucht, jo ift zu Haje: Junghafen. Frühe Selbftändigfeit und Feinde. Entmwidelung und Lebensdauer. Jagd. 107 bezweifeln, wie dies Th. Zell in jeinen volfstümlichen Schriften mehrfach getan hat, ob ihm gegenüber die Dedung für das Auge, die Sicherung dor dem Gejehenmwerden genügt; dieje ift deshalb aber nicht weniger nüßlich und notwendig: gegen die Raubvögel und Strähen. Wie dieje Hinter den Junghajen her jind, bemweifen die jährlich in unferer Jagdprefje ein- faufenden Berichte derartiger Erlebnijje. So bemerkte Sauerwein („St. Hubertus“, 1906) bei Hannover eine Krähe, die einen Junghajen annahm; nach einigen vergeblichen Stößen fam eine zweite Krähe, und nun ging die Jagd gemeinschaftlich 108. Nach kurzer Zeit war der gute Lampe ins Jenjeits befördert. Und Hugo Otto berichtet („Deutjche Fägerzeitung“, 1907), daß jpielende Sinaben nahe bei Mörs einen jchreienden Hajen hörten. Sie liefen hin und bemerften nun, daß eine Strähe den armen, noch nicht halbwüchligen Scrummen mit ihrem Schnabel bearbeitete. Anjcheinend reiht jich auch unjere einzige heimijche Gift- ichlange, die Kreuzotter, gelegentlich den Feinden des Junghajen an. Ein Beobachter in Eichendorf (Württemberg) hörte im Junt 1909 auf einer nahegelegenen Wieje einen Hajen flagen und fah dann eine etiwa 0,75 m lange Streuzotter einen Junghajen im Genid halten („St. Hubertus”, 1909). Eine junge Hajenfamilie verläßt nur ungern die Gegend, in der jie geboren twurde. Die Gejchtoifter entfernen fich wenig voneinander, wenn auch jedes jich ein anderes Lager agräbt. Abends rücken fie zufammen auf jung aus, morgens gehen jie gemeinjchaftlich nach dem Lager zurüd, und jo währt ihr Treiben, welches mit der Zeit ein recht fröhliches und frijches wird, fort, iS jie halbwüchjig jind. Dann trennen jie jich voneinander. Nach 15 Monaten find fie erwachjen, jchon im exjten Lebensjahre aber zur Fortpflanzung geeignet. Die höchite Lebensdauer, welche der Haje bei ung erreicht, dürften 7—8 Jahre jein; es fommen aber Beifpiele vor, dat Hajen allen Nachitellungen noch längere Zeit entgehen und immer noch nicht an Altersjchwäche jterben. Sm erjten Viertel des 19. Jahrhunderts war in meiner Heimat ein Nammler berüchtigt unter den Jägern: mein Vater fannte ihn feit 8 Jahren. Stets war es dem Schlaufopfe gelungen, jich allen Nachitellungen zu entziehen; exit während eines jehr ftrengen Winters wurde er von meinem Vater auf dem Anjtande erlegt. Beim Wiegen ergab jich, daß er ein Gewicht von 9 kg erreicht hatte. Über die weid- und nichtiweidgerechte Jagd des Hafen, die für die große Menge der Gelegenheitsjäger überhaupt die Jagd it, jind Bücher gejchrieben worden; gleichzeitig bildet jie natürlich einen ftehenden, immer wieder erörterten Gegenjtand unjerer Jagdprejje. Nach meinem Gejchmad gewähren dem Jäger die Suche und der Anjtand das meilte Vergnügen, weil jie immer in Spannung erhalten und des Jägers am windigjten find. Diejer hat auf der Suche Gelegenheit, fich als Weidmann zu zeigen, und jchöpft auf dem Anjtande manche Belehrung, weil er die Tiere, nicht die Hafen allein, jozujagen noch in ihrem Hausanzuge antrifft und ihr Benehmen im Zuftande gänzlicher Ruhe und Soralofigfeit beobachten Tann. Mancher Zäger zieht den Waldanstand jeder anderen Jagd vor; denn das Sühelte, Die Yoff- nung, ift hier des Weidmanns treue, unzertrennliche Gefährtin. — Durch Rudolf Kloß’ zahlen- mäßig belegte Beobachtungen haben wir ung jedoch überzeugen müjjen, dab die Hajenjuche mit dem Vorftehhund der Auin des Beitandes ist; denn „der jtets vorjichtige Nammler hält fajt nie die Annäherung des Hundes aus, jondern gibt jchon auf bedeutende Entfernungen Ferjengeld, während die Häfın in unglaublicher Sorglojigfeit den Vorjtehhund fait immer aushält und daher dem Feinde zum Opfer fällt”. Auf einen Revier, oo der Jagdherr nur diefe Jagd ausübte, dafür aber feine Treibjagden abhielt, fonnte Kloß feititellen, „daß im Beitraume von vier Jahren 379 Häfinnen und 71 Rammler gejchofjen wurden... Ein riefiges 108 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Nachbarrevier, das bald nachher in die Hände eben Diejes Herrn überging, hatte urjprünglich einen durchjchnittlichen Ubjchuß von etwa 500 Hafen zu verzeichnen. Nachdem es jich 10 Jahre in den Händen des genannten Pächter befunden, war der Abjchuß auf 40—50 gejunfen.“ Bis zu einem gewijjen Grade entgegengejebt wirft die Bradenjagd, wie jie in Gebirgs- revieren, 4.8. des Sauerlandes, geübt wird. Bei ihr „Fommen gerade in erjter Linie die Rammler vor3 Rohr”, und zwar wiederum, weil „ver Rammler ftets früher aufjteht‘“, die Bracfe aber „viel lieber eine frijche Fährte arbeitet als lange nach feitjigenden Hafen jucht“. Aus dem großen Gebiete der Hajenjagd und Hajenhege Dürfen ung, genau genommen, hier nur jolche Dinge interejjieren, die ein naturgejchichtliches Licht auf das Tier werfen oder die große wirtschaftliche Bedeutung tlluftrieren, die der Hafe bei feiner großen Kopfzahl Heute für Kulturland und Kulturmenjc hat. So mag ein Wort über feine Widerjtandsfähigfeit gegen Schußverlegungen hier Plat finden. Dieje tft bei rajcher Bewegung, voller Flucht des Tieres ganz auffallend viel geringer als bei langjamem Hoppeln oder Stillfiten. Ein er- fahrener Hajenjäger rät deshalb jchon jeinen jüngeren Weidgenojjen, auf einen Hafen, der ihnen in voller Flucht beim Treiben auf 60 Schritt ficher ift, beim Anfib am Waldrande höchitens auf 40 Schritt zu jchteßen, wenn jie nicht am Schußort „nur Wolle, aber feinen Hafen” finden wollen. Beim Treiben dagegen ein ein- oder mehrmaliges Überjchlagen, ein furzes, Frampfhaftes Zuden mit den Hinterläufen, und um Freund Lampe ift es gejchehen. Bom Abfenern des Schufjes bis zum Berenden des Hafen jind manchmal faum 4—5 Se- funden verjtrichen: in jo kurzer Zeit kann fein Wild verbluten, jelbjt dann nicht, wenn durch Schrotförner die mwichtigjten Streislauforgane — Herz, große Blutgefäße — durchbohrt werden. Ein PBreburger Arzt, der jich mit diejer Frage feit vielen Jahren bejchäftigt, hat jelbjt einmal bei Neujchnee mit grobem Hagel (Nr.2) auf einen (jedenfalls im Lager jiben- den) Hajen gejchojjen, der nach dem Schujje jcheinbar unverleßt in voller Flucht das Weite juchte, dann aber fich plößlich verendet auf die Seite legte. Beim Abbalgen und Auswerfen ergab jich, daß ein Schrotforn die rechte Kammer und die ganze Herzmusfulatur durch- ichlagen hatte. Mit einer derart tödlichen Verlegung eines jo wichtigen Organs fonnte der Haje noch über 200 Schritte flüchten. Das fchnelle Verenden des in voller Flucht bejchojjenen Hajen läßt jich Daher nur Durch eine plögliche Lähmung des Zentralnervenjgitems erklären. Dur das Aufichlagen und Eindringen der Schrotförner in den Wildförper erleidet diejer eine Erjchütterung, für welche wir in Ermangelung eines bezeichnenden deutjchen Ausdrudes das engliiche Wort ‚shock‘ gebrauchen. Die nervenerjchütternde Wirkung des Schrotjchujjes twird aber gejteigert oder gemindert, je nachdem die Muskulatur im Momente des Treffens fich im Zujtande höherer oder niederer Spannung (Zujammenziehung) der Musfelfajern befindet. Se größer die Anjtrengung eines Stücdes beim Flüchten ist, dejto größer ift die Spannung der Muskulatur, welche ji im höchiten Grade einer jolchen Musfelfontraftion beinahe bretterhart anfühlt. Höchit Draftiich fchildert — offenbar aus reicher Eigenerfahrung — 2.=T. „Krankgejchojjene Hafen“ („Deutiche Jägerzeitung”, 1910). Er meint: „Kranke end- gültig zu erledigen, das jcheint, wie ung immer wieder jelbjt jehr gute Schügen beweijen, bisweilen ein förmliches Kunftjtüc zu fein! Ant leichtejten wird man noch mit dem vorder- laufftanfen Hafen fertig. Geitwärts, vorwärts und nach oben jchlenfert in den verzivid- tejten Bogenlinien der abgejchojjene Lauf, aber das alles hemmt Lampes Eile feineswegs. Schneller als ein gejunder Löffelmann bricht er bei uns durch, halb armslang legen wir ihm die Rohre vor den Kopf, und al3 nun der Finger den Abzug berührt, wijjen wir, daß das Rad, welches der Stranfe jeßt jchlägt, das legte in feinem Hafenleben ijt.“ Und weiter: Haje: Jagd. Widerftandsfähigfeit gegen Schuß. Hafenquäfe. Hafenjchäden. 109 „Sobald ein Schüge — denn Jäger fann man in diejem Falle nicht gut jagen — gemwohn- heitsmäßig feine Batronen an Hafen jpart, von welchen ex glaubt, daß jie ihm nicht mehr entfommen fünnen, erblüht ihm auf den Treibjagden von Zeit zu Zeit immer wieder eine höchft unangenehme Überrafchung. Wenn die Treiber heran jind und von dem Matador in stolzer Bofe zum Apportieren der gejchojjenen Stüde aufgefordert werden, pafjtert es näm- fich gar nicht jelten, daß folch ein angeblich verendeter oder doch wenigjtens an den Boden genagelter Haje — fort ijt oder fich unter den Händen des Treibers noch jchleunigjt emp- fieplt”. Trogdem moiderftreitet 8.-T. der vielfach ausgefprochenen Überzeugung, daß Lampe ein hölfifch zähes Leben befitt. Hart ift ver Haje nur gegen Wildbretjchüjje (Schüfje ins Fleifch), während er auf Berlegungen der edlen Körperteile unbedingt reagiert. R.-T. möchte daher mit Sicherheit behaupten, daß jie in allen jenen Fällen nicht getroffen wurden, welche Anlaf zu dem Märchen von der Zählebigfeit des Srrummen gegeben haben und heute noch geben. Und die Weidmannserfahrung, daß gerade Franfgejchojjene Hafen „jo jeher tot zu friegen” find, erklärt er jehr einfach und einleuchtend aus dem Mangel an Übung unferer heutigen Jäger im Schießen auf ein langjam bewegtes oder unbemwegtes Ziel. Von einer gewilfen naturgejchichtlichen Bedeutung ift eine Jagdart, die man in den Fachwerfen faum erwähnt findet: die Hafenquäfe, die darin beiteht, mit der hohlen Hand oder einem feinen Inftrument das Klagen des Hafen nacdhzuahmen. Dementjprechend it jie eigentlich zum Reizen des Fuchjes bejtimmt; aber es fommt vor, daß aud) Hafen geradezu blindwiütig, wie aller Sinne beraubt, darauf reagieren. So erzählt Fürjt-Nleuburg a.d. D. („Wild und Hund“, Nr.20, 1909): „Neulich {prang mir auf das Hajengejchrei im lichten Hoch- holz ein Hafe und beäugte aus etwa 12 Schritt Entfernung mich und den unangeleint neben mir fißenden Hund längere Zeit. Endlich wollte er jich empfehlen, machte aber auf ein paar Töne mit der Quäfe jofort wieder fehrt. Diejes Spiel wiederholte jich wohl fünf- bis jechsmal. Hierbei nahm er uns einmal mit jolhem Ungeftüm an, daß mein Hund — der jich offenbar bedroht hielt — aufftand und nach ihm jchnappte, was ihn aber von meiteren Attacken nicht abhielt. Zuleßt jegte er fi) in einer Entfernung von 70 Schritten und beob- achtete ung, bis er durch einen vorbeifommenden Radler verjcheucht wurde.” Wenn Rammler auf die Quäfe pringen, jo deutet man das als „Eiferfucht”, jet bei ihnen die Vorjtellung voraus, „eine Häfin werde von einem anderen Rammler vergewaltigt”; dagegen erklärt man „das Anlaufen der Häfinnen auf das Gejchrei damit, daß fie die Jungen in Gefahr alauben und, von Mutterliebe getrieben, zur Hilfe hexbeieilen wollen”. Demfelben Beobachter, der die leßtere Erklärung gibt („Deutfche Sägerzeitung”, Nr. 39, 1903), find aber „Ende Septem- ber” zwei Häfinnen angelaufen, eine fogar zugleich mit einem Fuchs, „... e& famen Fuchs und Hafe von zwei Seiten her twje rafend auf mich zu, beide nur auf das Gejchrei achtend und jich gegenfeitig nicht bemerfend, fo daß ich exit den Fuchs und dann den Hafen in guter Dou- blette umlegte”. BomHilfsjäger Birke-Brücfenbergi. R. wird jogar mit jeinem vollen Namen verbürgt („Deutjche Jägerzeitung”, Nr. 29, 1898), daß mitunter der „Hafe auf das Reizen mit Flagendem Ton antwortet”. Und das war abermals eine Häfin. Wie joll man jolches Verhalten verjtehen? Da lernt man fich bejcheiden und auf alle Deutungen verzichten. 63 geht eben nicht immer an, mit menfchlicher Logik fich in die Tierjeele hineinzuverjegen und jo ihre Regungen in menjchlich befriedigendem Sinne jich verjtändlich machen zu wollen. Das wichtige Kapitel der Hafenjchäden, das auch die Negierungen und Bolfspertre- tungen wiederholt bejchäftigt hat, betrachten wir hier aus dem Gefichtspunft, wie fich die Ernährung des Hafen bei feiner heutigen hohen Kopfzahl einerjeits, bei unferem land- und 110 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajen im weiteren Sinne. forstwirtjchaftlichen Kulturzujtand anderjeits gejtaltet hat, wie der Haje Jich mit unjeren heu= tigen, in beiden Beziehungen Fünftlich Hochgetriebenen Berhältniffen abzufinden weiß. Er tut das fchlecht und recht, wie er eben fann, und jedenfalls hat, wenn geklagt wird, nicht er ichuld, jondern wir felber. Das hat der allbefannte Hajenheger unferes Kaijers, Luther- Budom, mit treffendem Humor ausgejprochen, indem er zur „Winterfütterung des Hafen“ („Weidmann”, 1898) das Wort ergriff. „Da aber Fam der ihn jehr verehrende Menfch mit jeiner Stultur, jchuf große Feldmarfen mit einerjeits Höchftem Überfliuß von Sommeräfung und anDderjeits größtem Mangel an Winteräfung, ... und der Jäger trat auf und jchaffte ihm in weiten Gebieten oft fajt alles vom Halje, was ‚ihn frejjen‘ will, ... und da haben wir nun die Winterfalamität für beide ‚beteiligten reife‘: für den in jeber Weije vor Feinden ge- ihüßten und jich aljo oft jehr jtarf vermehrenden Hafen und fir den Jäger!” Den Hafjennagejchaden beleuchtet Staats dv. Wacquant- Geozelles im Sinne des Waturforjchers mit der liebevollen Einzelfenntnis unjerer heimischen Natur, die ihm eigen it („Weidmann“, 1898). Nach feiner gut belegten Daritellung tt es ein großer Jrrtum, daß auch der Hajennagejchavden, aljo das vom Chaufjeeaufjeher, Obitzüchter und Baum- jchulenbejiger gefürchtete Benagen der Objtbäume, eine Direkte Folge ungeeigneter Winter- fütterung jei; denn der Hafe ijt im Winter unter anderem auch auf das Benagen der Rinde und Berbeißen der Zweige verjchiedener Bäume direft von der Natur angewiejfen worden. Ganz abgejehen davon, daß unjer Yamıpe die bei natürlichem Verlauf der Dinge einer jehr itarfen Abnußung unterworfenen Schneidezähne unter unnatürlihen Berhältnijjen ab- jichtlich abjchleifen muß, um ihrem allzu ftarfen Wachstum gewaltjam vorzubeugen, hat Mutter Natur ihm aroße Vorliebe für gewilje Begetabilien auf die Zunge gelegt, vor allem für eine größere Anzahl bitter jchmedender Pflanzen, und zwar jowoh! Gräfer und Kräuter al3 auch Sträucher, Zweige und Stammrinden. Beim Offnen de3 Magen3 nimmt man dann oft jofort einen jonderbaren, bitter-füßlichen Geruch wahr, einen Duft, der jedem nur einigermaßen Kundigen mitteilt, daß eine ganz bejondere Mung vorliegen muß. Staats v. Wacquant- Geozelles nimmt uns nun im Geijte mit auf die Hajenäjung. Die größte Delifatejje für unjeren Lampe ijt die gemeine Schafgarbe (Achillea millefolum Z.), deren itarfer Bitterjtoff ein wirffjamer Bejtandteil jo manchen Brufttees und Sträuterpulvers ift. Zu jeder Jahreszeit fan man den Hafen die Blätter Diejer Pflanze gierig äjen jehen; oft ijt viele Tage, ja Wochen hindurch eben die Schafgarbe die erjte Afung des zu Feld rüden- den Lampe, der jelbit ihren Wurzelitod, 3. B. auf frijch gebrochenen Sturzädern (auch auf gefrorenen), losjcharrt und nimmt. Seht gut jchmedt ihm ferner der Ackerklee (Trifolum arvense L.), ein jtopfendes traut, aus dem ebenfalls ein Bittertee bereitet wird, die entjeglich bitteren Stengel des gemeinen Taujendgiüldenfrauts (Erythraea centaurium Z.), jchließlich auch die Früchte der gemeinen Eberejche oder Wogelbeere (Sorbus aucuparia a) die Den Bitterjtoff fir viele Magenbittere und Gebirasjchnäpfe ltefert. Dazu fommen im Winter die Stengel der Heidel- oder Blaubeere, die Heide, die Spiben des gemeinen Ginjters, die Jinde der Ejpe (AUjpe, Zitterpappel), des Weißdorns und des Wildobjtes. Lebende, zum Teil bittere, aromatijch riechende ung it Lebensbedirfnis fir den Hafen: unjer Lampe will eben Hafenäjung, fein Kaninchenfutter, und it jogar dem Sohl vorläufig noch abhold, fiquriert nur im Fibelbuche ftändig als Häschen im Kohl. Sit es da num zu verwundern, daß er in bedrängten Zeiten mit Vorliebe die ganz natürliche ung, die Rinde junger Objt- bäume, der Ejpe oder der ihm ebenfalls zufagenden jungen Mfazien und des Goldregens benagt? „Der Hafennagejchaden hat nicht zugenonmen, weil mit unnatürlichen Stoffen Haje: Nagefchaden (Aung). Gejamtnugen und -jchaden. KT gefüttert wird, jondern er it größer geworden mit der Hebung der Niederjagd, die heute oft Hunderte von Hajen dort bejigt, wo früher vielleicht nur einige Dußend lebten; ex ijt größer geworden mit der gleichzeitig jich ausbreitenden Dbjtkultur, die zumeilen (in Baum- ichulen) geradezu Apfelmälder gejchaffen Hat; und er ift arg geworden, weil die Kultur der Natur unmöglich machte, dem Hafen im Winter draußen genügend fung zu bieten...“ Nieder das alte Lied vom gejtörten Gleichgewicht der Natur, das jich an allen Eden und Enden rächt! Einen Wink zur Abhilfe gibt Staats dv. Wacquant- Geozelles, indem er fortfährt: „Das im Winter vom Gärtner ausgeäftete lebende Holz der Objtbäume wird dem Hajen ftet3 die liebfte Afung bieten und im Verein mit Ejpenzmweigen hoffentlich auf manchen Revieren das ich feindlich gegenüberjtehende Trifolium ‚Gärtner= Haje= Sagdbejiter‘ ver- jöhnen helfen!“ Den Hijtoriichen Verlauf der ganzen Sache jchildert Luther ganz im Ein- Hang mit der Staats v. Wacquant- Geozellesichen Auffajjung an dem Einzelbeijpiel der Entitehung und Vergrößerung der Späthichen Baumjchulen bei Berlin, die an jein Nevier angrenzten: „Die Hafen nagten die Rinde der ihnen am beiten jchmedenden Baumarten und liegen den jpeziell für fie gepflanzten Grünfohl unbeachtet”, bi8 die Baumjchule mit einem Drahtzaun umgeben wurde. Beobachtungen aus dem Winter 1905/09 bemweijen übrigens, dab es Fälle gibt, wo Hunger als Urjache für das Schälen des Hajen gar nicht in Betracht fommen fan. Aus der Billwärder Marjch in der Gegend von Hamburg werden Hajenjchälichäden aus einer Obit- baumjchule berichtet unter Umftänden, daß der Befiger mit berechtigtem Galgenhumor jagen fonnte: „Die Hafen frejjen jich erjt im Grünfohl jatt, und dann pußen fie jich die Zähne an der Ninde meiner Objtbäume!” Und Freiherr Teuffel dv. Birfenjee Hat die Hajenjchäl- ichävden an feinen Objtbäumen gerade immer nur dann gehabt, wenn unter diejen Stlee und Luzerne am üppigiten ftanden. Er führt das Schälen des Hafen daher nur auf fein „Berlangen nach Gerbjäure” al3 Gegenmittel gegen die Folgen der majtigen Sleeäjung zurücd („Deutjche Jägerzeitung“, 1909). — Den Vorwurf, daß Hajen in Spargelfeldern nennenswerten Schaden anrichten follen, hat Schäff durch entjprechende Berjuche mit gefangenen Hafen („Deutjche Jägerzeitung”, 1905) entkräftet, die er Grünfutter entbehren ließ. Sobald ihnen dann „ausnahmsmeije jolches in Gejtalt von Kohl und Salatblättern, Zweigen von Weiden, Linden und Vogelbeerbüfchen, Blättern von Löwenzahn, wilden Sauerampfer ujw. gereicht wurde, äjten jie es jtetS mit großer Begierde”. Spargelfraut dagegen rührten jie faum an. Dagegen fann, wie wir früher gejehen haben, das Kaninchen jehr wohl zum empfindlichen Schädling im Spargelfeld werden. Über den Gejamtnußen und -jchaden des Hafen herrjchen verjchiedene Anjichten, je nachdem man vom wirtichaftlichen oder jagdlichen Standpunkte urteilt. Der unbejangene Richter wird den Hafen unbedingt als fchädliches Tier bezeichnen müjjen. Jr den meijten Gegenden unferes Vaterlandes macht ex fich aber als folches aus dem Grunde wenig fühl- bar, weil er überall nur zu nafchen pflegt und fomit feine Plünderungen auf einen großen Kaum verteilt; mwegitreiten aber läßt ich der von ihm verurfachte Schaden nicht. Jr Ge- marfungen, in denen Taufende und mehr Hafen alljährlich erlegt werden, — laut „Deutjcher Sägerzeitung“, 1906, bei Alzey in 2 Tagen 2500, in zwei anderen rheinhejitiichden Gemarfungen, Eibesbüdesheim und Albig, fogar 1300 und 1400 an einem Tage! — macht fich der Durch die Hajen herbeigeführte Berluft an Futter jehr wohl bemerkbar. „Nac) den von Dettweiler auj- gejtellten Berechnungen“, jagen die Gebrüder Müller, „bedarf ein zu 21, kg Fleiichgetoicht angenommener Haje nahe an 50 kg vorzüglichen Heues, um jenes Gewicht hervorzubringen, 112 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajen im weiteren Sinne. ähnlich wie Dies nach Fütterungsverjuchen bei Stallvieh gefunden worden ijt. Anderthalb- taufend in den Gemarfungen von DOdernheim und Alsheim in Hejjen in einem Jahre ge- ichoffene Hajen jtellen jonach, 50 kg Heu zu 3,50 Mark gerechnet, einen Schaden von 5250 Mark dar, d.h. die angeführte Anzahl Hafen verzehrt durchjchnittlich für die angegebene Summe Felbderzeugnijje. Obgleich gegen dieje Berechnungen Einwendungen mancher Urt erhoben werden fönnen, find doch die Dettweilerjchen Betrachtungen vom nationalöfonomijchen Standpunfte aus zu würdigen, weil jie den allerdings jehr jchiwierigen und jchwanfenden Maßjtab der Wertberechnung an den von den Hafen verübten Schaden legen.“ Darf nun auch die Schädlichkeit des Hafen als bewiejen gelten, jo it damit noch feine3- weg3 gejagt, daß man ihn ausrotten joll. Man jorgt ohnehin genug für jeine Verminderung, und diejenigen, denen er erjichtlich jchädlich und Fäjtig wird, haben e3 in der Hand, jeinen Beitand nach Belieben zu verringern; denjenigen aber, welche jich für unbedingte Vertilgung des Nagers ausjprechen, läßt jich erwwidern, daß das Jagdvergnügen und das wohljchmedende Wildbret des Hafen Doch ebenfalls Berüdjichtigung verdienen. Wir müfjen uns überhaupt gewöhnen, und ländliche Gemeindevertretungen von weiterem Blid haben das längjt ge- lernt, die Jagd nach ihrer wirtjchaftlichen Bedeutung zu würdigen. Dieje Bedeutung it, wie Jagd und Hege fich in unjerer Zeit entiwidelt Haben, gar nicht zu unterjchäßen: bilden doch heute jchon in gar mancher ländlichen Gemeinde die Einnahmen für die Jagdpacht den mwejentlichjten Teil aller öffentlichen Einfünfte überhaupt, ganz befonders natürlich in der Nähe großer Städte! Und allermeift ift der Haje das gemeinnüßige Tier, Dem die Land- gemeinden es verdanken, daß dieje Einnahmequelle jo reichlich fließt. Anderjeits it er es aber auch, der in erjter Linie dem Sagdpächter ermöglicht, von den Stojten der Jagd wieder etwas einzubringen. Allein in der Berliner Jentralmarfthalle wurden nad) amtlichem Yus- weis im Jahre 1906 beinahe 282 000 Hafen verfauft, die ungefähr ein Gejamtfleifchgemwicht von 1700 000 Pfund und einen ungefähren Gejamtwert von 843 000 Marfdaritellen. Mit anderen Worten: in Berlin ift man jet jeden Winter gegen 2 Millionen Pfund Hajenmilobret auf! Für das Königreich Preußen fommen natürlich noch ganz andere Zahlen heraus: nach einer amtlichen Statiftif über den Widabjchuß in Preußen vom 1. April 1885 bis 31. März 1886 wurden in diejer Zeit 2373500 Hafen gejchofjen, die ein ungefähres Fleijchgemwicht von 14 bis 15 Millionen Pfund gehabt haben dürften. Hieran fnüpft der befannte Wirtjchaftszoolog Nörig (Brief an Hed) ganz interejfante Berechnungen über die Verbreitung der Hajen auf Die Gejamtwald- und -jeldfläche des Königreichs. Danac) füme auf 64 ha Wald und 12 ha Feld je 1 Haje. Nörig fügt aber gleich berichtigend Hinzu: „Offenbar — wie auc) in den Er- läuterungen der amtlichen Statiftif ausgejprochen wird — bleibt das Ergebnis der amtlichen Umfrage hinter der Wirklichkeit erheblich zurüd, nach unjerer Kenntnis der jagolichen Ber- hältniffe in Preußen um mindeitens 50 Prozent. Ir Waldgegenden mit leidlichem Hajen- beitande rechnet man jchon auf 10—20 ha 1 Hafen; im Feld wird in Schlejien und Sachjen auf 2—21, ha 1 angenommen. Daneben gibt es natürlich auch NAeviere, die im Ertrage hinter der amtlichen Angabe zurüdbleiben. Als Minimum darf man wohl für Preußen 3 Millionen Hajen, d. h. auf je 10 ha Feld und 20 ha Wald 1 Hafen, annehmen. Für Deutjchland fäme unter Zugrundelegung derjelben Verhältniszahlen ein Gejamtbeitand bon 4800000 Stüd Hajen heraus.” Kein Wunder, dat diefe Säule des modernen Sagdbetriebes auch in der Jagdgejek- gebung eine entjprechende Rolle jpielt, ja, daß „Lampe, der Haje beinahe das Bürgerliche Sejeßbuch zu Falle gebracht hätte”, bei der Frage, ob auch der Haje unter das Schadwild Hafe: Schaden. Boffstirtfchaftliche Bedeutung. Balgnugung. Namen. Krankheiten. 113 zu rechnen, für ihn ebenfalls Wildjchadenerjat zu leijten jei. Nach mehr als fünfjtündiger Debatte erfolgte namentliche Abjtimmung darüber, ob Der Hafe in der Lifte des Schaden- wildes zu belajjen fei over nicht. Yon 252 anmwejenden Abgeordneten des Reichtstages jtimmten 178 mit Nein, 69 mit Ja (Berger, „Der Weidmann”, 1899). Außer dem mit Recht gejchäßten Wildbret des Hajen nut man auch dejjen Bald. Namentlich die Haare werden zur Herjtellung von Filzhüten verwendet. Sährlich fommen mindejtens 5—10 Millionen Felle in den Handel zum Preife von 30—90 Pfennig das Stüd. Die deutfchen Winterhafen jind die beiten und brachten im Durchichnitt 60 Pfennig das Fell, bis im Jahre 1912 eine fünftliche Preistreiberei auf 1,60 Mark einjeste. Sie mißglüdte aber durch Eugen Zufammenhalt der Abnehmer, die zu Ende der Saijon nicht einmal mehr 1 Mark zahlten. Über Ursprung und Bedeutung des Hajennamens „Lampe“ aus der Tierfabel, der bis in das niederdeutjche Mittelalter zurüctreicht, läßt fich nichts Beitimmtes jagen; ein Zufammen- hang mit dem Stamme de3 lateinischen lepus und ähnlich lautenden Bezeichnungen des Kaninchens in verfchtedenen Sprachen (franzöfiich lapin, altolämijch lamper) erjcheint aber nicht ausgefchloffen. — Der Jägerjcherzname „Krummer” beruht auf richtiger Beobachtung einer jehr bezeichnenden Eigentümlichfeit des Hafen, die ihn zugleich in einen gewiljen Gegen- jab zum Kaninchen bringt. Während diejes nämlich wegen feiner fürzeren Hinterläufe bei tafcherer Bewegung alsbald den Rüden durchdrüct, Hält der Haje, auch wenn er ganz flott dahin- geht, ich immer noch frumm, und erft, wenn er in voller Flucht ausreißt, jtredt ex jich lang. Die Krankheiten des Hafen werfen ähnlich den Hafenjchävden ein grelles Streiflicht auf die verfimftelten Verhältniffe, die wir in unferem Überfulturland gejchaffen haben. Der Volfsmund jagte zwar dem Hafen bon jeher eine gewijje Neigung zu allerlei Stranfheiten nach, und die drolligite Ausgeburt diefer Volfsmeinung ift der „venerische” Haje, an den heute vielleicht noch mancher glaubt. Doch das jpielte früher alles feine große Nolle, der Hafenbejat war nirgends übermäßig, jo daß die Gefahr einer Verunreinigung des Erobodens mit Seuchenfeimen weit geringer war als heute und Übertragungen von Krankheiten von einem Hafen auf den andern nicht jo leicht vorfommen fonnten. Auch nahm der Fuchs manchen franfen Hafen weg; in feinem Darme gingen viele gejundheitsjchädliche Würmer des Hafen (Magenmwiürmer, Yungentwürmer) zugrunde. So fonnten größere Epidemien nicht auffommen. Sn den legten Jahrzehnten haben wir jolche aber vielfach gehabt, gerade, jeit wir ung überall reichlichere, vielerorts fogar riefige Hajenbeftände auf unjeren Feld- marfen herangezogen haben. Sit das der Kohn für die pflegliche Behandlung des Neviers, für die weidgerechte Handhabung des Abjchuffes und die unermüdliche Naubzeugvertilgung? ‘a, und ein gerechter, namentlich für die leßtere Übertreibung des Nubmildjchubes, die die natürliche Gefundheitspolizei des Neviers befeitigte und dafür ihr im Übermaß; gehegtes Wild Heinen, aber nicht minder gefährlichen Feinden überlieferte, den Krantheitserregern, gegen die der Wildhüter oft machtlos üft. Unter diefen Umftänden ift eg doppelt erfreulich, aus Jäger- und Hegerkreifen jelbjt Stimmen zu hören, die fich gegen die allzumeit getriebene, wohlmeinende, aber übel- wirkende Störung des Naturgleichgewichts erheben, gegen den unnatürlichen Zuftand, daß die Flur weit und breit von Hafen wimmelt und von Raubzeug leer ift. Denn diejer Zuftand gibt den Nährboden ab für mancherlei Keime jfeuchenhafter Krankheiten. So für die Traubenkoffenfrankheit, wie fie der treffliche Jagdveterinär Ströje in Berlin- Zehlen- dorf genannt hat, die von einem Spaltpilz (Staphylococcus pyogenes albus) erregt wird Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 8 114 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. und ausgedehnte Eiterungen in der Haut, im Unterhautzellgewebe, in den Musfeln fo- wie in inneren Organen, ferner Entzündungen verjchiedener Körperteile erzeugt. Nach Bürgis genauen Unterjuchungen und vielfachen Kontrollverfuchen mit Kaninchen (,„Zentral- blatt für Bafteriologie ujw.”, Bd. 39) im Veterinärpathologijchen Snititut der Univerfität Bern wird dieje Krankheit durch den Hajenfloh (Spilopsyllus cuniculi = Pulex gonio- cephalus) übertragen, in dejjen Speicheldrüfen die Stapfiylofoffen reichlich nachgemiejen werden fonnten. — Die zuerit von Pfeiffer auf ihren Erreger, ebenfalls einen Spaltpilz (Bacterium pseudotuberculosis rodentium) zurüdgeführte „Pjeudotuberfulofe der Hafen“ (Ströje, „Deutjche Sägerzeitung”, 1905) fann ebenfalls epivemijch auftreten und hat z.B. in Frankreich Mafjenjterben der Hafen verurjacht, über die jchon vor einer NReihe von Jahren Lignieres eingehend berichtet hat. Diejer faljche Tuberfelbazilfus ift viel plumper und dieer als der echte und ruft in verjchtedenen Organen Veränderungen, insbejondere fäjige Herde in der Zunge hervor, die den Durch Tuberfelbazillen veranlaßten jehr ähneln; er findet fich auch bei anderen Nagetieren (Kaninchen, Hamjter, Hausmaus). Die Übertragung von Tier auf Tier erfolgt im mwefentlichen durch die Afung. — Die Coccidiofe (Erreger Eimeria stiedae nach Zeucart), die das Stallfaninchen fo oft heimjucht, tritt auch beim Hafen oft auf und führt nicht jelten zu Mafjenverluften. Von anderen Anfektionsfranfheiten des Hafen jeien erwähnt die Hämorrhagiiche Septifämie, die durch eine blutige Entzündung der Luftröhre und des Stehlfopfes gefennzeichnet ift; die Huftenjeuche, ferner eine am Kurzmwildbret und inneren Organen auftretende Stranfheit, deren Erreger noch unbekannt ift (Bollinger bejchrieb jie als „Syphilis des Hafen”), und die brandige Lungenentzündung, die Ströje in einem Revier der Provinz Brandenburg jeuchenhaft auftreten jah. — Die in Sägerfreijen weit ver- breitete Anficht, daß die Hafen infolge der Anwendung künstlicher Düngemittel oft mafjen- haft eingehen, trifft nach dem Ergebnis neuerer wijjenjchaftlicher Unterjuchungen nicht zu. Snnenjchmaroger aus der Klafjfe der Würmer juchen den Hafen mitunter arg heim. PBlattwirmer erzeugen die fogenannte Zeberfäule, Fadenmwiürmer die Lungen- und Magen- wurmjeuche; Bandipiimer finden fich im Darm und Finnenblajen jehr oft an der Xeber- oberjläche. Doch beruhigt der Gießener Beterinärpatholog Dlt die FJägerwelt („St. Hu- bertus“, 1909) dahin, daß die Eingeweidewürmer durchweg für den Menjchen unfchädlich ind. Namentlich gilt dies von der oben genannten Finne, dem YJugendzujtande eines Hundebandmwurmes (Taenia serrata), die jich im Menjchen nicht weiter entwidelt. Yinnige Hafen find jomit nicht für den Menfchen, fondern nur fir Hunde gejundheitsichädlih. Von Außenjchmarogern plagt den Hajen neben Zeden (Ixodes), Läujen (Haemodipsus 1yrio- cephalus) und Laufmilben (Trombidium), welc) leßtere Hautentzündung erzeugen fönnen, der oben bei der Traubenfoffenfranfheit bereit3 genannte Floh, dejjen Gedeihen auf den Hafen zugleich eine gewilje Sehhaftigfeit Yampes verrät, wie jte von Nothe unmittelbar beobachtet ijt. „Denn wenn wir uns aus der Entwidelungsgejchichte diefer Anjeften ver- gegenwärtigen, daß die pflanzenfrejjende Larve und die am Boden ruhende Puppe zu ihrer Entwidelung 4—6 Wochen benötigen, jo ergibt fich ohne weiteres, daß nad 1—1!, Nonat die junge Generation von Flöhen den Hafen in feinem Lager wiederfindet”, twieder- finden muß, wenn fie weiter gedeihen joll. Die epivemijchen Krankheiten unter unjeren heutigen Hajenbejtänden hat man vielfach mit dem Ausjegen fremder Hafen in Verbindung gebracht, das neuerdings jo Mode geiworden it, daß manche Händler jehr gut davon leben fünnen. &3 gejchieht zur „Blutauffriichung und zur Verbejjerung des Wildftandes”: an fich gewiß eine erftrebenswerte Sache, aber. doch ein Hafe: Schmaroger. Ausjegungen. 115 Schlagwort, das unjere jegige Jägerwelt vielleicht ettvas allzufehr beherrjcht. Der befannte hannöverjche Fauniit 9. Löns jchreibt jogar aus jeinem Beobachtungsgebiete („Jagd“, 1905): „Seitdem zur Blutauffrifchung böhmifche, wohl immer aus Hafengärten ftammende, aljo körperlich wohl größere, aber degenerierte und vermweichlichte Hafen eingeführt wurden, haben jich jeuchenartige Krankheiten bei den hannöverjchen Hajen viel mehr und viel jchlim- mer gezeigt als früher; in den legten zwei Jahren konnte ich fejtitellen, daß fajt überall dort, wo Böhmen importiert waren, ein Mafjjenjterben von Hafen eintrat.” Anderfeits wieder berichtet der oftpreußiiche Gutsbefiger U. Bränder („Deutfche Jägerzeitung”, 1906) hoch- befriedigt über die Erfolge des Ausjegens ungarijcher Hafen auf jeiner und benachbarten Gut3- jagden (Wenzfen, Nehjau, Neumeiten), wo die Sahresitreden jich jeitdem verooppelt haben. Wenn zwei dazjelbe tun, ijt es eben nicht dasjelbe; in diejen Falle jchon deshalb nicht, weil die ausgejegten Hafen nicht immer gleich gut und für den Zwed geeignet jein werden. Ylber das fohnte wohl, ein jolches Nevier mit friich eingejegten fremden Hafen einmal unter täg- liche, ganz genaue Fritsche Beobachtung zu nehmen: Dabei fünnte gar manches nterejjante über Eingerwöhnungs- und Anpaffungsfähigfeit, Neigung zum Vermifchen und hnliches her- ausfommen. Nur zu oft jcheint ja der unerwünschte Erfolg einzutreten, daß die ausgejegten Hafen binnen fürzejter Frijt mehr oder weniger jpurlos wieder verjchwinden. Syn diejem Sinne erzählt ein deutjch-ruffiicher Berufsjäger, Siebenliit-Tula (Zentralrußland), die er- ftaunlichiten Dinge („Wild und Hund“, Nr. 12, 1909). Die merfwirdigiten, eigentlich ganz unbegreiflichen Erfahrungen wurden in den zentralrufjischen, 200 km im Umfreis mejjenden Revieren eines Großfürjten gemacht, wo die Hajenjagd nicht mit der Flinte, jondern nur mit Windhunden vom Sattel aus betrieben wurde. Für dieje qlanzvollen Jagden wurden große Mengen, einmal gar 1000 Hafen, angefauft und ausgejegt. Aber jelbjt wenn dies erjt am Morgen des Jagdtages jelber gejchah, erzielte man fein wejentlich bejjeres Ergebnis als früher: die ausgejegten Hajen waren weg, als ob fie der Erdboden verjchlungen hätte, und die Hajen, die vor die Hunde famen, gehörten fajt ausnahmslos zum alten Bejtande. Wenn diefe „Erfahrungen“ nur nicht auf Vorgängen beruhen, die Stebenlijt eben nicht erfahren bat! Dagegen will man am Karft im öfterreichijchen Küftenlande die Beobachtung gemacht haben, daß nach Uusjeßung ungarischer Hafen die zur Strede fommenden Hajen an Stärke und Gewicht die der vorhergegangenen Jahre weitaus übertrafen. Zwei Jahre nachher wurde auch noch einer der ausgejeßten im Nevier an den fupierten Löffeln erkannt („Deutjche Sägerzeitung”, Ver. 44, 1909). — Am meijten fcheint der Erfolg dadurch gefichert zu werden, daß man die Auffrischungshafen im Revier zunächit innerhalb eines Gatters Junge jegen läßt und dann exit diejes öffnet. Nudolf Klob fommt durch intereffante Mifchlingszuchten in Gefangenjchaft zwijchen jhwachen märfischen und ftarfen böhmifchen und tirofer Hafen zu der Überzeugung, daß die Häfin ihre Stärke bejjer vererbt als der Nammler. Demnach wären zur Aufbejjerung Häfinnen, nicht Rammler, auszufegen. („Wild und Hund“, Nr. 9, 1909.) Wie weit die ausgejegten Hafen wandern, ift 1909 mehrfach feitgejtellt worden, nachdem man die Tiere mit Wildmarfen verjehen hatte. Dabei find nicht weitere Wanderungen als über 20 km nad)- gewiejen worden, allerdings mit Durchjchwimmen von Flüfjen („Ztichr. d. Allg. Deutjchen Sagdichugpereins”, Nr. 617, 1909). Auf den Nordjeeinfeln, wo man neuerdings den Hajen an Stelle des dünenjchädlichen Kaninchens eingeführt Hat, gedeiht er allem Anfchein nach jehr gut, troß aller Unmirtlichteit und Süßtwajjerarmut. Von Langeoog und Spieferoog werden in den Jagdzeitungen ganz 8*+ 116 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. anjehnliche Herbititreden gemeldet. „Die im Sonnenbrande glühenden, im Winterjturme eisitarrenden Dünen und ihr jpärlicher Pflanzenwuchs jagen dem Lampe fichtlich zu; auc) Salzpflanzen äjter. Bedürfte er des Sükwaljers zum Trinken, jo müßte man an der einzigen Duelle Wangeroogs täglich Hunderte von Hajen jehen. Aber > Sonnenglut und Salz- pflanzen trinft er nicht.” Sehr gut jcheinen die Einbürgerungsverjuche mit beufichen Hajen außerhalb unjerer Grenzen zu gelingen, jofern man jie nur nicht zu weit nach Norden verjegt. m höheren Korden ARuflands find jolche Verjuche allerdings fehlgejchlagen: eine andauernde Kälte von mehr als 18% C jcheint der Feldhaje Doch nicht zu vertragen; das hat jich auch, in Schweden gezeigt („Wild und Hund“, 1898). Aber in der jüdlichen Hälfte der jchwediichen Südpropinz Schonen hat der eingeführte deutjche Feldhafe den einheimijchen Schneehajen jchon fait vollitändig verdrängt, wie der Stodholmer Zoolog Könnberg brieflich mitteilt (Dezember 1907) und, dadurch ermutigt, hat man ihn jet auch jüdlich von Göthenborg und in der Nähe von Stodholm ausgejegt: unjer YXampe tjt eben als Wild in jeder Beziehung, lebend und tot, dem Schneehajen mweit vorzuziehen und auch jeinen noch näher verwandten geographiichen Ver- tretern in anderen Ländern! Geradezu märchenhaft lauten die Schilderungen, die aus Ar- gentinien fommen, über die folojjale Vermehrung weniger dort ausgejegter Hajen binnen noch nicht zwei Jahrzehnten. Schon der tüchtige, leider längit verjtorbene Sammelreijende Wie hatte uns jeinerzeit Darüber berichtet, und Matjchte brachte daraufhin 1899 in „Natur und Haus” eine Mittetlung über „Hafen in Argentinien”. Nach Matjchte „hat der deutjche Konjul in Rojario, Herr Tietgen, im Jahre 1890: 8 deutjche Hajen auf der Eitancia Hanja bei Canada de Gomez ausgejeßt. Dieje fühlen jich dort in den immergrünen Sleefeldern heimijch und haben jich jo vermehrt, daß der Haje Dort demnächit zur Landplage werden wird“. Und 1902 berichtet Freiherr Marjchald dv. Bachtenbrod in „Wild und Hund” aus Paunero, „daß mir hier in Argentinien bereits einen jehr bedeutenden Bejtand von deutjchen Hafen aufzumeijen haben ... auch breiteten fie jich jehr bald über große Teile der Provinzen Buenos Aires und Cordoba aus. Hier in unjerer Gegend, im Herzen der Republif, dem Süden von St. Louis und Cordoba, war e3 ein Franzoje, der jich von feinem deutjchen Verwalter zwei Nammler und zehn Häfinnen aus Sachjen vor nunmehr jechs Jahren hierher bringen ließ... Hier tun Fücje, Bampasfagen, Adler, Windhunde der Gaucho3 und leßtere jelbit mit den jelten fehlenden Bolas dem Gejchlecht derer von Lampe noch jtarfen Abbruch, und dennoch beginnt bei einzelnen jagdunfundigen Großgrundbejitern, die Zehntaufende von Morgen ihr Eigen nennen, bereits das Stöhnen über Wildjchaden, ... wenngleich in unjerer, nur zur Viehzucht geeigneten und von Raubzeug mwimmelnden Gegend die Vermehrung nicht jo bedeutend ijt wie in jenen mehr Aderbau treibenden Provinzen...” 1906 war aber nad) den Schilderungen eines anderen Deutjchen (B....haus, „Deutjche Jägerzeitung”) die Frage bereits „nicht mehr die, ob man wohl einen Hafen jchießen, jondern vielmehr, wie man mehreren Taujenden zugleich den Garaus machen fan. Die argentinischen Hajen find etwas Itärfer und jchwerer als ihre deutjchen oder böhmischen Verwandten... So zahlreich jind fie geworden, daf man bereits mit vem Plane umgeht, fie ebenjo wie die auftralifchen Kaninchen in geftorenem Zujtande zu Taujenden nach Europa zu jenden.” AJm Dftober 1907 endlich berichtet Hajt-Buenos Aires („St. Hubertus”): „Heute wurde hier ein Gejeß befannt ge- geben, nach welchem die Hafen al3 Plage angejehen und infolgedejjen für vogelfrei erklärt werden.” Dann schildert Haft die eigenartige, dem Reiter- und Steppenland angepaßte Form de3 argentiniichen Hajentreibens, bei dem feitlich aufgepußte Gauchos derart al8 Treiber Hafe: Einbürgerungen. Jagdgefchichte. Sprichwörter. 117 dienen, daß je zwei einen von Pferd zu Pferd befeitigten, ettva 100 m langen Eifendraht auf dem Boden hinjchleifen und jo jede Kreatur im Revier unbedingt zum Aufjtehen bringen. In der Mitte des Drahtes gehen die Schügen hinterher. Was nach rückwärts ausfommt, wird bon anderen Gauchos mit ihren Wurffugen am Lederriemen unfehlbar zur Strede gebracht. Alle... jchtwingen fie über ihrem Haupte ..., und für den Hafen gibt es fein Ent- fommen: bald liegt er, richtig eingerollt in dem Lederriemen, verendet am Boden... So haben mwir vier Tage gemwirtichaftet. ch habe nicht annähernd eine dee, was zufammen- gejchofjen wurde; Doch dürfte es die Zahl 10000 mweit überjteigen. Die Hajen wurden jpüter bon Snechten zujammengefahren und in langen Gräben verjchartt.” Aljo heute jchon itellenmweije diejelbe Hajenplage wie im nordamerifanijchen Weiten! Und das noch nicht zwei Jahrzehnte nach der eriten Einführung! Mit derartigen Maßnahmen fann man gar nicht vorfichtig genug fein. Cie bleiben niemals das Privatvergnügen eines einzelnen, jobald jie gelingen. Auch nad) Auftralien und Neujeeland hat jich unjer Haje leicht verpflanzen lajjen. In Südauftralien war er jtrichweije jchon in den 1880er Jahren jo häufig, daß man, wie Haade in der vorigen Auflage unjeres Werfes mitteilte, oft für jchöne Stüde nur etwa 1 Marf zahlte. Die in Neujeeland eingebürgerten Hafen find, laut Rt. v. Yendenfeld, „nicht ge- wohnt, vor Feinden flüchten zu müjjen, recht faul geworden und laufen vor dem Säger jo langjam davon, daß fie jehr leicht zu treffen find“. Diejer glänzenden Gegenwart unjeres Yampe mit der weiten Verbreitung in über- jeeijche Länder und nur zu gutem Gedeihen dajelbit jteht eine recht bejcheidene vaterländijche Bergangenheit gegenüber. Als Niedermild jpielte der Haje bei den fürjtlichen und vornehmen Hochtwildjägern vergangener Sahrhunderte dem KRothirich und dem Wildjchwein gegenüber gar feine Rolle, ebenjowenig wie fein feindliches Gegenjtüd, der Fuchs, und zu den Zeiten vollends, da in den viel weiter al3 heute ausgedehnten Wäldern Deutjchlands der Wolf noch) zahlreich haujte, wird der Haje gewiß deito jpärlicher vertreten gemwejen jein. Die „Herren“ he&ten den Hajen höchitens einmal mit Windhunden oder liegen den Beizpogel draufitoßen. Kurfürit Johann Georg V. von Sachjen (1611—55) erlegte während der Zeit feiner Re- gterung im ganzen 65700 Stüd Wild, darunter aber jo wenige Hajen, daß jie gar nicht mit vermerkt jind. Landgraf Ludwig VII. von Hejjen-Darmitadt erlegte von 1735 bis 1760 weit über 3000 Stüd Rotwild, aber nur 246 Hajen, obwohl er alles jchoß, was ihm vor die Büchje fam, jo unter anderem auch 720 Lerchen. Aus Landaus „Gejchichte der Jagd und der Falfnerei in beiden Hejjen“ geht aber hervor, daß jchon des genannten Ludwigs ebenjo meid- gerechte und jagdfreudige Ahnen, wie z.B. ein Schriftftüd Philipps des Großmütigen von 1553 beweift, bejondere Hajenhegebezirfe unterhielten und zu deren Schuße jehr jtrenge Ver- ordnungen erliegen. Eine jolche landgräfliche Hajenhege war die Umgegend von Kajjel: „bei höchiter Pön und Straf, auch des Landgrafen jchwerer Ungnade” mar es dort Bürgern und Bauern verboten, einem Krummen durch Hunde oder jonjtwie zu nahe zu treten, und es waren „allenthalben im Felde Säulen mit de3 Landarafen Wappen” aufgerichtet, „Damit jedermann die Hege ferne und fich dDanad) richten möge”. Andertwärts dagegen übten die Bürger der Städte die „Hajenjagd in alter Zeit” („St. Hubertus“, 1906) fleißig, jo unbedeu- tend auch) die Beute meijt ausfiel, und zwar gewöhnlich nur auf dem Anjtand mit der Fern- waffe, Armbrujt, Balejter und fpäter Feuergewehr. Hauptjächlich aber wurde der Haje mit Garnen gefangen, was man in Sachjen und Thüringen „Hajenlaujchen“ nannte. Bolkstümlich und als Speije beliebt war er bei uns von jeher; das beweijen jchon die 113 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. heute noch umlaufenden Redensarten, in denen jein Name vorfommt. Bor allem „Da liegt der Haje im Pfeffer!” vd. h. der mittelalterlichen, reichlich mit Pfeffer gewürzten Brühe, die man zu Fleisch und Filchen aß; ferner aus dem Bilde der Hebjagd: „Viele Hunde jind des Hajen Tod!” und „Wer weiß, wie der Haje läuft!” An feine jprichwörtliche Furcht jamfeit fnüpft offenfichtlich der „Hafenfuß” an, der bei jeder Gelegenheit „das Hafenpanier ergreift”. Dagegen dürfte es wenig befannt fein, daß auch der „Schabernad” vom Hafen herzuleiten ift, und zwar aus dem Steltiichen, wo diejer Name des Hajen foviel wie Langohr bedeutet: der Langohr, Der dem Menjchen durch Schaden an Objt, Garten- und Feld- früchten Heinen oder größeren „Schabernad” fpielt. Als „Dfterhas”, der den Kindern „Eier legt”, verjinnbildlicht er die Fruchtbarkeit des anbrechenden Frühlings durch jeine eigene Fruchtbarkeit. Das rege, vielfach überrege Gejchlechtsfeben fiel allen Völkern auf, die Hafen beobachten fonnten, und it vielleicht der Grund, warum manchen orientalischen VBölfern bon ihren Priejtergejeßgebern der Genuß von Hajenfleisch verboten wurde, nach dem uralt eingewurzelten Ölauben, daß die Haupteigenjchaften des Tieres auf den Menjchen übergehen, der jein Fleifch ift. Die Römer dagegen liebten Hajenfleijch jehr und hatten den Volfs- glauben, daß e8 jchön mache; in diefem Sinne gebrauchen ihre Dichter, namentlich der jcharfe Martial, manche ironijche, ungalante Wendung. Gefangene Hajen werden leicht zahın, nehmen ohne Weigerung alle Nahrung an, die man den Saninchen füttert, jind jedoch weich und jterben leicht dahin. Bringt man junge Hafen zu alten, jo werden jie regelmäßig von diejen totgebijjen. Anderen jchwachen Tieren ergeht e3 jelten bejjer: im Gehege von mir gepflegter Hafen fand ich eine getötete, halb auf- gefrejjene Ratte. Mit Meerjchweinchen vertragen jich die Hafen qut. Yung eingefangene Hajen gewöhnen jich jo an den Menjchen, daß jie auf dejjen Auf herbeifommen, die Nah- rung aus den Händen nehmen und Kunftjtüdchen ausführen lernen; alte dagegen bleiben immer ungelehrig und lernen faum ihren Pfleger fennen. Die Gefangenen jind nett und munter, verlieren ihre Zurchtjamfeit jedoch nicht. „Lächerlich fieht es aus”, jagt Lenz, „wenn man in den Stall eines Hafen mit einem weißen Bogen Papier oder jonjt einem ähnlichen Dinge eintritt. Der Hafe gerät ganz aus der Faljung und fpringt wie verrücdt meterhoch an den Wänden in die Höhe.” Anderjeit3 gewöhnen jich Hafen jedoch auch nach und nad jelbit an ihre erklärten Feinde. Der füniglich bayrijche Nevierföriter Fuchs zu Wildenberg in Unterfranfen hatte, wie die „SJagdzeitung” erzählt, einen ausgewachjenen gezähmten Hajen, der mit den Jagdhunden ein und diejelbe Lagerjtätte teilte, mit ihnen auch aus einer Schüfjel fraß und bejonders die Zuneigung eines auf der Jagd fcharfen jungen Hühnerhundes jich in dem Grade erworben hatte, daß diejer ihm durch Beleden uftv. alle Freundjchaftsbezeigungen angedeihen fie, obgleich der Hafe ihn und andere Hunde durch Trommeln auf Kopf und Rüden oft jehr rücjicht3los behandelte. Als bemerkenswert fügt der Beobachter noch Hinzu, daß bejagter Haje nichts lieber fra al3 Fleijch jeder Gattung und nur in Ermangelung dejjen grünes Futter zu fich nahm. Kalb- und Schweinefleifch, Leber- und Schwartenmwurft brachten ihn in Entzüden, jo daß er tanzte, um diejer LXecfer- bijjen teilhaftig zu werden. Die fünftliche Aufzucht mit der Flache geht nicht immer glatt vor fich, und es mag dabei, um Ducchfällen vorzubeugen und der Borliebe des Hafen für bittere Pflanzenftoffe entgegen- zufommen, empfehlenswert fein, der verdiünnten Kuhmilch einige Tropfen einer Abfochung von Eichentinde beizumijchen. Ein Billenbejiger in einem Vororte Berlins hat damit wenig- tens gute Erfahrungen gemacht bei feinem „Sajenbaby”, deifen Entwicelung und Eigenart Hafe: Gefangenleben. Zucht. 119 er allerliebft fchildert („Weidwerf in Wort und Bild“, 1907). Er erhielt das Tierchen, einen oder zwei Tage alt, al3 Überlebendes von zweien, unmittelbar nachdem das andere bon einer Krähe getötet worden war, die vor jeinem Hunde abftrich. Am 15. Tage fing der Junghafe an, jelbjtändig im Gemüjegarten die erjten Afungsverfuche zu machen. 10—11 Wochen alt, war er bereits „Dianas bejter Freund” und vergnügte fich mit der Yang- haarigen auf dem Hundehofe. Nach mehr als 6 Monaten noch nahın er dreimal täglich, morgens, mittag3 und abends, jein Fläfchehen, das etiva die Größe einer Eau de Cologne- Tlajche Hatte. Das ift gewiß eine Gefangenjchaftserjcheinung; aber jungen Tieren foll man in der Gefangenschaft jo fange Milch geben, als jte jie nehmen; es ijt und bleibt doch da3 beite Nahrungsmittel. Die Hajenmutter hat in der Freiheit mittlerweile jchon Drei weitere Würfe zur Welt gebracht und zwingt wohl auch durch ihr feltenes Erjcheinen Die Hungrigen Jungen fehon innerhalb der erjten 14 Zebenstage zu felbjtändigen Afungsver- juchen. Der Junghaje folgte jeiner Pflegerin, der Frau des Billenbefigers, „auf jeinen Kamen hörend, auf Schritt und Tritt, jelbit bi3 in jeinen Zwinger. Siben wir im Garten, jo fommt er dicht an uns heran, animiert uns, mit ihm zu jpielen, und vollführt die jonder- barjten Sprünge, jich uns immer wieder jo dicht wie möglich nähernd. Fremde unterjcheidet er jchon am Tritt und ft vor diejen jcheu und argwöhnijch; ebenfo fürchtet er meinen zweiten Hund, einen Forterrier, der ihm allerdings auch nicht gewogen it.” Der erite Fall von Fortpflanzung des Hafen in einem zoologischen Garten tjt wohl Der 1883 zu Münjter beobachtete. „Die alte Häfin Hatte für ihr Wochenbett durchaus feine Bor- fehrungen getroffen ..., das Junge mußte jich mit der nadten Erde begnügen. Die Alte belecte das Junge gleich nach der Geburt, und diejes lief jofort umher. Entfernte jich die Mutter von ihm, jo lief e3 gleich hinterher, wußte alfo jeine Ernährerin zu erkennen, obgleich noch drei andere Hafen in dem Gelaf eingejperrt waren ..., alle aber liegen das Junge ganz unbehelligt.” Bei jeiner weiteren „Hajenzucht in enger Gefangenfchaft” („Zoologifcher Gar- ten”, 1885) fonnte Landois feine Beobachtungen fortjegen. „Die jungen Hafen halten jich ven ganzen Tag über von der Mutter getrennt in einem Verjtede. Die Mutter jucht die Stleinen niemals bei Tage auf. Ext des Abends, jobald die Sonne untergegangen, kommen die ungen hervor, fuchen jofort die Mutter auf und fangen an zu jaugen. Bei dem geringjten gefahrdrohenden Geräusche Duden jich die Jungen feit an den Boden.” Bei den alten Hafen war ein Albino und bei den Jungen auch. Lebteren jah Landois nach) 3 Wochen „zuerjt bei Tage umberlaufen, aber auch da nur kurze Zeit”. Ex bekräftigt ausdrüdlich, Daß alle jeine Hafen „jehr viel trinken, namentlich wenn fie mit Teodenfutter (Hafer und Heu) gefüttert werden. Bei jaftiger Krautnahrung trinken fie allerdings viel weniger. Da der Haje ein ausgeprägtes Nachttier ift, fonnten wir an unjeren Gefangenen fo recht bemerken. Tags- über fißen jie wie verjteinert, geduckt. Abends bei einbrechender Dämmerung gehen jie auf Nahrung aus. Und dann beginnt der Kramall, fie heben fich, jpringen drüber und drunter, taufen jich, daß die Wolle ftiebt. Der Wärter konnte nachts des Rumors wegen häufig nicht Ichlafen... Das Saugen des jungen Albinos konnte ich wiederholt beobachten. Der Sauger verfährt dabei außerordentlich behende: er ergreift eine Zite, macht in einer Sekunde ettiva jechs jchnelle Saugbewegungen und ergreift fofort eine zweite Zibe, jaugt wieder gegen jechsmal, und jo geht’3 der Reihe nach alle vier Zigen durch, um bei der erjten bon neuem zu beginnen.” Die jungen Häschen, denen die mütterliche Nährquelle jo jelten zuteil wird, haben es eben gelernt, jie rajch und gründlich auszunußen. „Daß der halbwüchjige Haje nicht allein noch an feiner eigenen Mutter jog, jondern auch die Zißen der fremden Mutter 120 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. unjeres feinen Albinos aufjuchte”, ijt weiter feine „merkwürdige Verirrung”, wie Landois meint, jondern eine ganz gewöhnliche Gefangenfchaftsericheinung, die man im zoologifchen Garten bei Tieren, die zu mehreren zufammengehalten werden, wie Hirjche, Büffel, Kängus- ruhs, regelmäßig beobachten Fann. „Anjer” Feldhaje jieht natürlich in verjchiedenen Gegenden Deutjchlands — und erjt echt Europas — deutlich verjchieden aus, und wenn ein Dftpreuße von „jeinem” Hafen Ipricht, ein Niederrheiner und ein Bayer, jo tjt das Tier, das er meint, wifjenjchaftlich ganz gewiß nicht genau dasjelbe. m bejonderen hat Dr. Thienemann, der treffliche Vogelwart von Rojfitten, auf die Neigung zu lehmgelber Farbe bei ven Hafen der Surijchen Nehrung aufmerfjam gemacht. Snerhalb der Grenzen unjeres Deutjchen Reiches hat man indes bis jeßt nicht verjchtedene Hajenarten oder -unterarten aufgejtellt, obwohl man dies ficherlich bier ebenjoqut hätte tun fünnen wie in anderen europäischen und außereuropätfchen Känder- gebieten, wo es gejchehen it. Zum mindejten it anzunehmen, daß ein Weichjelhaje, ein Dderhaje, ein Elb- und Aheinhaje und ein Donauhafe jich unterjcheiden lajjen werden nicht nur an bverjchiedenen Farbentönen des Telles, jondern auch an gewiljen feineren Schädel- und Zahnmerfmalen. llerdings it dies heute vielleicht fchon mehr oder weniger erjchwert durch die Ausjegungen fremder (meift wohl Donau-) Hafen, wenn wirklich tiefer gehende Bermijchungen ftattgefunden haben. Die Zahl der außerdeutjchen Hafenarten und -unterarten aus der Alten Welt da- gegen, die in Trouejjarts Supplement, aljo bis 1904, unterjchteden werden, beträgt nicht weniger als 56, und inzwijchen find noch weitere Hinzugefommen. Sie find al3 geo- graphijche Vertreter des deutjchen Feldhajen im Weiten, Süden und Often zu betrachten und werden auch von der neuejten Shyitematif jämtlich derjelben Untergattung Lepus im engiten Sinne zugerechnet. ©eit da3 altbefannte „Lepus timidus“ Linnds auf den Schneehajen übergehen und für den Feldhajen das PBallazjche „„Lepus europaeus“ angenommen werden mußte, ijt e3 Klar, daß diejer Name, dem Forjchungsgebiet feines Schöpfers entfprechend, in erjter Linie einem nordrufjiichen, mit anderem Worte: nordofteuropäijchen Hafen zukommt. Eine folche nordöftliche Form unterschied jchon Blafius, nannte fie aber, da für ihn der mitteleuropäifche Haje noch L. timidus war, L. aquilonius Blas. und bezog auf fie auch den Nilffonjchen L. medius Ndss. Er fennzeichnet Diejen Hafen Durch „jehr Dichte und lange Behaarung mit dichtbehaarten, ziemlich langen Ohren, jtarfem Anflug von Weiß auf den Körperjeiten und Schenfeln, im Winter mit grauem Rüden, graumeißen Seiten und Schenfeln”. Auf den eriten Blick unterjcheidet ihn aber neben dem hellen Winterbalg fchon die Größe: man muß jtaunen, wenn man 5.8. bei den Moskauer Wildhändlern die riefigen mweißgrauen Yeld- Hafen der Gegend neben den viel Kleineren reinweißen eigentlichen Schneehafen hängen fieht! Hilzheimer, der neuerdings („Sahreshefte des Vereins für vaterl. Naturkunde in Württent- berg“, 1908), „Die Hafenarten Europas” näher unterfucht hat, möchte in Europa vier Ver- breitungszonen verjchiedener Formen des europäiichen Hafen einjchließlich des Schneehajen annehmen, die ungefähr gleiche Himatijche Berhältniffe umfasjen und daher von Nordmweit nach Südojt verlaufen, entiprechend dem immer fontinentaler, d.h. im Winter fälter werdenden Klima. Die erfte Zone erjtrect fich von England über Frankreich und Spanien, Jtalien, Griechenland und die Türkei wahrscheinlich bis nach Kleinafien; doch ift von hier (und ebenfo aus Belgien) noch zu wenig über Hafen befannt. Sie umfaßt die füdlichen, Fleinen, lebhaft Hafen der Alten Welt. 121 gefärbten Hajenformen. Die zweite Zone, von den Vogejen über Deutjchland, Dfterreich- Ungarn, Rumänien, Südrußland jich Hinziehend, wird von größeren, düfterer gefärbten Hajenformen bewohnt, die im fontinentalen DOften auch jchon anfangen, zum Winter weiß zu werden, namentlich auf Rüden und Oberjchenfeln Handbreit vor dem Schwanz. Die dritte Zone, von Seeland in Dänemark über die Oftfeeländer, Betersburger und Moskauer Gegend bis Charkomw, gehört der oben jchon genannten medius-aquilonius-ruppe umd die bierte (Arland, Schottland, Skandinavien, Nordrußland) dem Schneehajen an. „Über die Hajen Wejteuropas und Nordafrifas” Hat der früher am Londoner Mufeum al? Säugetier- Initematifer tätige de Winton eingehendere Studien gemacht (‚„Annals and Magazine of Natural History“, 1898). Er bejchreibt und benennt den füdenglischen Feldhafen aus der Grafjchaft Herefordihire als bejondere Unterart L. europaeus occidentalis, zumal diefe meit- europäische Form nicht nur wärmer, mehr rötlich gefärbt, fondern auch fleiner ift, 2,5 cm firzere Hinterläufe hat. Ferner den L. lilfordi Winton (granatensis), dem er fogar den Nang einer jelbjtändigen Art zufpricht: es ift der füdjpanifche Hafe aus der Gegend von Sevilla, aljo vem Flußgebiete des Guadalquivir. Sein auffallendjtes Merkmal ijt der jcharfe Unterjchted zwijchen der rötlich hafenfarbigen, aber mit langen, weißjpißigen Grannenhaaren hinten und in den Weichen bejonders gezierten Oberjeite, die viel mehr gemellt und gelockt ift al3 bei unferem Hafen, und der bis auf ein dunfelfahles Kehlband fchneemweiken Unter- jeite. Den L. mediterraneus Wagn. hat der treffliche Zohann Andreas Wagner, dem mir die Heute noch wertvollen Supplemente des Schreberjchen Säugetierwerfes verdanken, 1841 der Wifjenjchaft zugeführt. ES ift der Hafe Sardiniens, der heute nur noch al3 Unterart (L. europaeus mediterraneus) gilt. Er ijt über ein Drittel Feiner als der unjrige; die Glied- mapßen find jchmächtiger, die Ohren verhältnismäßig länger, nur an den Rändern dicht be- haart, jonjt nadt, Höchitens jpärlich mit furzen Härchen überflogen. Die Erforjchung der Hafen der Kaufafusländer und weiterhin auch des ruffischen Ajiens hat Satunin im Faufafischen Mufeum von Tiflis umfafjend in Angriff genommen und jchon ein gut Stüc gefördert. Sm feiner Arbeit über „Die Säugetiere des nordöftlichen Zis- faufaftens” (Tiflis 1907) fommt jchon der L. caspius Eihrbg. des alten Berliner Säugetier- forichers Ehrenberg aus dem fandigen Küftenjtreifen am Kafpijchen Meere wieder zu Ehren; und die „Mitteilungen des Kaufafischen Mufeums“ (1907) über „Neue und wenig befannte Säugetiere aus dem Kaufafus und Transfafpien” bringen dann den Heinen Steppenhajen Dittransfaufajiens als neue Hafenart (L. eyrensis Sat.) fraft „jeines augenjcheinlichen Unter- jchtedes von dem Feldhafen nördlicherer Gegenden... Längs dem Kurafluffe habe ich ihn bejonders in Menge angetroffen, weswegen ich ihn auch nach dem Namen diejes Flufjes (Kyros oder Cyrus im Altertum) benannt habe.” Über ihn jagt fchon Guftad Nadde, der verdiente Erforjcher der faufafischen Tier- und Pflanzenmelt, Schöpfer und erite Leiter des Tiflijer Mufeums: „Die Hafen in der Muganfteppe und auf den Diinen find jahrmeije un- glaublich häufig, in anderen Jahren viel rarer; man ift der Meinung, daß jie nicht jelten bon verheerenden Epivemien heimgefucht werden.” Und Satunin fügt hinzu: „Der Hafe hält ji) an offenen Stellen auf und liebt bejonders folche, die mit feinem Gejtrüpp be- wachjen jind; in den Talyjcher Wäldern aber fommt er durchaus nicht vor. Wievielmal im Jahre die Häfin hier Junge zur Welt bringt, fonnte ich nicht genau feititellen; ich fand jedenfalls jchon zu einem Drittel erwwachfene junge Hafen Ende März, und trächtige Hä- jinnen traf ich fajt den ganzen Sommer an... Sn den von mir unterfuchten Weibchen fand ich gewöhnlich je 3 Embryonen.” 122 8. Dronung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. Die nächjten Verwandten jeines Talyicher Berghajen jucht Satunin ganz natürlicher- und folgerichtigermeije unter den weitafiatischen Hafenarten: dem transfajpifchen L. lehmanni Sev., dem L. eraspedotis Blanf. aus Balutjchijtan und dem, was Büchner bei feiner Be- arbeitung der Prichemwalifyichen Ausbeute jonjt noch alsL. tolai Pall. (Taf. „Nagetiere IIT“, 1) zujammengefaßt hat. Satunin jieht darin eine Gruppe aftatifcher Hajenarten, „telche hauptjächlich durch eine ftarfe Entwidelung der rötlich-rojtfarbigen Haarfarbe auf dem Kaden, der Bruft und der Unterjeite des Haljes ausgezeichnet ift”. Es jind die Hafen des mwejtlichen Sinnerajien, die hier in den verjchiedenen natürlichen Yändergebieten jich nachbar- lic) gruppieren. Den Bereich desL. tolai Pall., den Büchner weit nach Weften ausgedehnt hatte, bejchränfte Satunin in feiner neueften Arbeit: „Über die Hafen Zentralafiens“ (1907), auf Grund des inzwijchen ftarf angewachjenen VergleichSmaterials im Petersburger Mufeum wieder auf das VBorfommen der typijchen Driginaljtücde, nach denen Pallas jeinerzeit die Art aufgejtellt hatte, d. h. auf Transbaifalien (Gebiet des Selengaflujjes), und fügte zu= gleich noch eine ganze Reihe neuer Arten mehr aus dem Dften der innerafiatijchen Wilten und Hochiteppen, aus der Mongolei, der Gobi und Dfttibet, Hinzu, „die von den legten Erpeditionen PB. 8. Kozlovs und anderer Neifenden aus Zentralajien gebracht” worden waren. Über das Leben diefer Wüftenhafen des innerjten Ajien, die er noch als L. tolai zujammenfaßt, jagt Büchner nach PBrichewalify unter anderem: „Da diejer Hafe jich von Saljolaceen, auch von Saraul nährt, die reich an wajjerhaltigen Säften find, jo fühlt ex ich jehr wohl auch in den vollitändig wajjerlofen Gegenden der Gobi; doch hat er zumeilen während der Sommerhite nicht wenig von Durjt zu leiden, und V. M. Prichewalffy fand in Brunnen mehrmals ertrunfene Hafen... Während der vierten Erpedition, Ende Januar 18855, fand N. M. Prichewaljfy feine Hafen im Altyn-tag (im Tale des Kurgan-ffai), tvo jie 1877 häufig angetroffen wurden. Nach Ausjage der Eingeborenen waren die Hafen hier wahrjcheinfich an den Folgen des jtrengen Winters eingegangen... Die allgemein für die Hajen gebräuchliche Bezeichnung lautet nach N. M. Prichemwaljty mongolifch Tolai...” Wiät dem ojtturfejtanifchen L. yarkandensis Gthr. treten wir dann jenfeit3 des Tian- Ihangebirges in das Tarimbeden und Zobnor ein, d. h. in die Mitte des innerafiatifchen Hoch- landes, und L. tibetanus Wirh., der Hafe von Wefttibet, Oftafghanijtan und -balutjchijtan führt uns anderjeit3 nach Indien. Er muß wohl in Erfcheinung und Wejen bis auf Die langen Hajenohren etivas Staninchenartiges haben. Wenigitens fonnte Lydeffer „das wilde Kaninchen bon Aftor” nicht anders bejtimmen, das ein alter indifcher Kofonialoffizier, Greig, 1910 im „Field“ aus jeinem Marjchtagebuche jcehilderte. ES flüchtete fich in Felfenhöhlen, hatte weißes Fleisch und, wo e3 vorfam, konnte man überall die jedem Jäger befannten „strager” (angefangene Baue) in der Erde jehen. Alle die genannten Hafenformen unter- jheiden fich nicht nur äußerlich in der Farbe, Größe und verhältnismäßigen Obhrenlänge, jondern auch tiefer gehend in Schädel- und Zahnmerfmalen. sn Hinterindien und der zugehörigen Snjelwelt fehlten angeblich (Blyth) Hafen im engiten Sinne der Gattung Lepus; nur aus den indochinefischen Grenzgebieten hatte man unbeitimmte Nachrichten von jolchen, und auf der anderen Seite reicht tatjächlich der Pegu- haje (L. peguensis Blyth) von Burma nur bis ins obere Pegu. An der Srramwaddimündung gibt es feine Hafen, und ebenfo fehlen fie jenjeits des Arafangebirges, das das Jrramaddital im Weiten begrenzt, in dem öftlichen Süftenftreifen des Golfs von Bengalen. Dagegen be- jand fich unter einer Heinen Säugetierfammlung aus Siam, die Bonhote 1901 bearbeitete, ein Hajenjchädel und unter einer zweiten 1902 auch ein Balg, auf den er dann den Nagetiere II. > EEE, ; 1. Tolai-Haie, Lepus tolai Pall. /5 nat. Gr. ‚; s. S.-122. Dr. O. Heinroth - Berlin phot. AR HEHE 2. Kaliforniicher Eielhafe, Macrotolagus californicus Bachm. \/6 nat. Gr., s. S.56. — Nach einer Photographie aus „New York Zoological Park“. 3. Kleine Chinchilla, Chinchilla laniger Mol. 1/5 nat. Gr., s. S. 129. — P. Kothe-Berlin phot. Be x Rn er. £ 3 . I ee 4. Viscacha, Viscacia viscacia Mol. 1/5 nat. Gr., s. S.132. — W. S. Berridge, F. Z. S.- London phot. ER ET TEETE ERITEBELT Hafen der Alten Welt, 123 L. siamensis Bonh. gründete: dies bedeutete die Zerjtörung eines tiergeographifchen Vor- urteils, an dem man jeit Blyth und Stoinhoe feitgehalten Hatte! 63 folgen die Hafen Tibets und der Himalajaländer (L. oiostolus Hodgs., L. pallipes Hodgs., L. hypsibius Blanf.), die Blanford in ein bejonders interejjantes Licht rückt Dadurch, daß er jie für nahe verwandt mit dem Schneehajen erklärt. Tatjächlich leben diefe Hafen, die in feiner „Fauna of British India“ al Wol- und Hochlandshaje gehen, nach feiner und Büchners (Prichewaltys) Angaben in ganz erjtaunlichen Höhen von 5000 m und mehr; e3 wird aber nirgends gejagt, daß jie im Winter weiß würden. Die lodige, wollige Be- haarung wird allerdings mehrfach hervorgehoben, und Büchner gibt nach Prihemwaljiys Notizen auch bemerkenswerte Einzelheiten aus der Lebensweije, jo Lieblingsaufenthalt an Slüffen zwifchen Steinen, Benubung verlajjener Korjakfuchs- und Murmeltierbaue, ver- hältnismäßig frühes Herausfahren und Flüchtigwerden vor dem Menjchen. Über den gewöhnlichen indischen Hafen, dejjen toiijenjchaftlicher Name, L. ruficau- datus @eoffr., auf feinen oberjeits rotbraunen Schwanz Bezug nimmt, hören wir bei Blan- ford einiges. Sr vielen Teilen Nordindiens, two er oft gejchofjen und gelegentlich auch mit Windhunden gehebt wird, ift er gemein vom Fuße des Himalaja an; nach Dften geht er bis Afam. Am Indusgebiet (Sind, Weit-Najputana und Südweit-PBunjab) wird er durch den Sindhajen, L. dayanus Blanf., erjebt, der entjprechend der Natur feiner Heimat mehr eine Wiüftenform it. Verfolgt, nimmt er nicht jelten feine Zuflucht zu einem Fuchg- oder an- deren Bau. Blanford fand in mehreren Fällen die Häfin nur mit einem Jungen tragend; Hodgjon dagegen fand zwei und hält diefe Jungenzahl für die gewöhnliche. Die jüdliche Hälfte Jndiens vom Godavarifluß und der Gegend von PBoona in Dekfan ab nebit Ceylon bewohnt der Schwarznadenhaje, L. nigricollis F. Cw., der Durch einen großen jchivarzen oder braunjchtwarzen led im Genid genügend gefennzeichnet ijt. Er geht auch in die Berge hinauf und findet jich Häufig in den Nilgiris, wo er feinen Schlupfwinfel oft in hohlen Bäumen hat. Nach Davijon bringt er gewöhnlich ein Junges auf einen Wurf, nicht jelten aber auch zwei.. In den Nilgiris pflanzt er jich Hauptjächlich von Dftober bis Januar fort. Unfere Kenntnis der vorderajiatijchen und nordoftafrifanischen Hafen verdanfen mir wejentlich der Forjcherarbeit von Hemprich und Ehrenberg, die 1830 als Ausbeute gemein- jamer „Naturgejchichtlicher Reifen durch Nordafrika und Weftajten” in den Foliomappen ihrer „Symbolae physicae“ die lateinijchen Befchreibungen lieferten. Neuerdings haben dann hauptjächlich de Winton und der treffliche Anderjon in feinem auch mujtergültig ilhuftrierten Lebenswerk „Zoology of Egypt‘ da3 übrige getan, jo daß wir Heute über diefe Hajenarten einigermaßen unterrichtet jind. Auffallende Ohrenlänge bei jchmächtigem Körperbau und blajjen Farben iit ein gemeinjames Merkmal der meijten afrifanifchen Hafeıt. Dieje Hafen (L. aegyptius Desm., L. isabellinus Ortzschm., L. habessinicus Ehrbg.), arabijch Erneb genannt, habe ich auf meiner kurzen Neife im Frühjahr 1862 ebenjo häufig in der tiefliegenden Samhara als auf den Hochebenen der Bogosländer gefunden und als ganz eigentümliche, dDummreifte, alberne Gejchöpfe fennen gelernt. Die Gebirgs- und Küjtenbervohner Abejjiniens halten, obgleich fie zum Teil Mohammedaner und zum Teil Chrijten jind, die mojaischen Gejee noch hoch in Ehren und verachten daher auch das Wild- bret des Hafen. Nur hiermit fann ich mir die Dummmodreijtigfeit des langlöffeligen und langläufigen Gejellen erflären. ernab von den Orten, wo weniger bedenkliche Europäer wohnen, it der Haje überall außerordentlich häufig. Zumeilen jpringen bier, jechs, acht Stüc zugleich vor dem Jäger auf. Im Lager, mit dejjen Anfertigung der Erneb fich feine 124 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Mühe gibt, gewahrt man ihn, dank feiner Gleichfarbigfeit mit dem Boden, nur fehr felten; er jteht auch immer ziemlich früh auf, weil er, wenn ein Geräufch ihn aus dem Schlafe jchreckt, jich exit Darüber Gemißheit verjchaffen will. Gemahrt er nun blioß einen heran- fommenden Menjchen, jo beeilt er jich nicht im geringiten wegzufommen, jondern läuft ganz gemächlich und langjam meiter, dem eriten beiten Bujche zu, jebt jich Darunter in der be- fannten Stellung nieder und richtet einfach feine Löffel nach der bedenflichen Gegend Hin. Die Büjche, welche die bei ihm jehr beliebten Ebenen bededen, find jo dürftig, fo licht, jo Durdhiichtig, dat man ihn auf Hundert Schritt Entfernung immer noch jehen fann; gleich- wohl läßt er einen jorglos bis auf dreißig Schritt herankfommen, geht dann weiter und wieder nac) einem Bufche zu, two er genau Dasjelbe wiederholt wie vorhin. Nicht einmal nach einem Fehlichuffe verändert er jein Wejen: troß des erjchredenden Stnalles und des unzweifelhaft bernommenen Pfeifens der Schrotförner jchaut er nach einigen Minuten dem Schüßen von neuem jo widerwärtig zudringlich in das Rohr wie früher. Wenn man nicht auf ihn jchießt, fann man ihn aus demjelben Bufche tagelang nacheinander herausjagen; denn man mird ihn immer und immer wieder an dem einmal gewählten Orte finden. Ganz anders ver- hält jich Die Sache, wenn ein Hund, und wie man hieraus mit Recht jchliegen fann, ein Fuchs, Schafal oder Wolf den Erneb aufjheucht: dann gebraucht er jeine Läufe genau mit der- jelben Ausdauer wie Freund Lampe. Dank jeiner Behendigfeit entfommt er auch meijtens dem bierbeinigen Säger; dafür lauert freilich in der Höhe ein gar jchlimmer Feind, der Naubadler nämlich, welcher nur auf folche Gelegenheit wartet, um auf den über eine fahle Fläche megeilenden und jomit einige Augenblide lang unbejchügten Nager herabzuftogen. Er nimmt ihn ohne weiteres vom Boden auf und erdrofjelt den ihm gegenüber Wehrlojen, noch ehe diejer recht weiß, was ihm gejchieht, in feinen gewaltigen Fängen. — Ühnliches erzählt Dsfar Neumann von dem Hajen des Somalilandes, L. somalensis Hgl., den er ge- wöhnlich mit der zwerghaften Madoquaantilope aus demjelben Bujche herausfahren jah. Aus Weitafrifa verzeichnet das Trouejjartiche Statalogjupplement von 1904 nur eine einzige dort ausichlieglich heimische Art, den L. salae Jent. aus Benguella und Mojjamedes, der jüdlichen Küjtenzone der portugiejifchen Kolonie Angola. Im übrigen wird dem Hajen des Kaplandes weite Verbreitung nac Norden zugejchrieben, bis zum Kongo im Weften und zum Kilimandjaro im Dften. Tatjächlich fehlen Hafen auch in Weftafrifa nicht, und unter den Ein- geborenen gibt e3 dort Jagpliebhaber, die zwar mit ihren Steinichloßflinten nicht auf Flüch- tiges Wild Schießen, dafür aber von den gemeinen Dorfhunden etliche, die dann mwertgehalten werden, wirklich zur Jagd abgerichtet haben. Sie durchjtöbern mit ihnen Gejtrüpp und Gras- beitände und hegen jie, wenn ein Haje aufgejtoßen wird, diefem nach, wobei jie natürlich jelbjt um die Wette mitlaufen. Sie müjjen e3 auch, wenn fie etwas vom Wildbret Haben wollen; denn die Hunde jchneiden den Hafen an, jobald fie ihn gegriffen haben, und frejjen ihn auf, wenn nicht ihr Herr jehr bald heranfommt. Merkwirdig ift es immerhin, daß Dieje perfüimmert ausjehenden Hunde den jchnellen und Hafen fchlagenden Hafen einzuholen vermögen; e3 gelingt ihnen aber fait regelmäßig innerhalb eines Yaufes von 300—500 Schritt Länge, und eine Fehljagd gehört, wenigitens in flachem Gelände, zu den Ausnahmen. on den beiven altbefannten Hnjenarten Südafrikas, dem jchon von Linnd benannten Ktaphajen, L. capensis Z., und dem Berg- oder Feljenhafen Cuviers, L. saxatilis F. Cuv., hat nur der Staphafe, der bedeutend Kleiner ijt und ein gröberes und an den Füßen jo furzes Haarkleid hat, daß die Strallen faum bedect werden, die außerordentlich weite Berbrei- tung nad) Norden, wie oben angegeben; der Feljenhaje, der auch viel längere Gliedmaßen Afrifanifhe Hafen. 125 und bon langen Haaren bededte Strallen hat, ift allem Anfchein nach auf die höheren Berg- bezirfe Südafrifas bejchräntt. Der taphaje bewohnt, nach W. 2. Sclater, unbebautes Land und mit zerjtreutem Bufchtwerf bewachjene Stellen. (An den Menjchen und feinen Aderbau jcheint fich noch feine außereuropäiiche Hajenart gewöhnt zu haben.) Man fann ihn oft im Morgendämmer und des Abends auf den Grasfleden der Wege fich äfen jehen. Werfolgt, hält er ftets die Löffel hoch, nimmt jeine Zuflucht unter die Erde, imo ex fan, obgleich er fich (als echter Haje) jelbjt feinen Bau gräbt. Deshalb jchägen ihn die Kapengländer auc) nicht al3 Heswild und benußen für ihre Reitjagden ftatt feiner lieber Kleine Antilopen. — Sonft gleichen die füdafrifanischen Hajen in ihrem Wejen durchaus nicht dem Erneb, fondern unjerem Feldhajen. Sie jind jcheu wie diefer und nicht leicht zu jchieen, da fie beim Flüchten in der Steppe durch Gejtrüpp und Graswuchs qut gededt werden. Jhr Benehmen muß auch auf die menjchlichen Eingeborenen ihrer Heimat den Eindrud bejonderer Schlau- heit gemacht Haben; denn während in unjerer Tierfabel Meijter Lampe in der Regel der Betrogene ilt, jpielt in den entjprechenden Bolkserzählungen der Sulus und Hottentotten der Haje geradezu die Rolle unjeres Reinefe Fuchs, und für boshafterweije faljch ausgerichtete Botjchaft it ihm jo vom Mondgott der „Mund gejpalten” worden. Nur einmal war er nicht auf dem Pojten: als die Schwänze unter die Tiere verteilt wurden, wagte er fich wegen ichlechten Wetters nicht aus jeinem Lager heraus, und die anderen Tiere, die er beauftragt hatte, ihm eine jolche Zter mitzubringen, Tießen ihn aufjigen. Aus unjeren afrifanijchen Kolonien it die Ausbeute an Hajenarten bis jet gering. Aus dem zoologijchen Weitafrifa, d. h. der Waldregion um den Meerbujen von Guinea, dürfen wir allerdings feine Hafen erwarten: jie fommen dort ebenjomwenigq vor wie andere Steppentiere. Aber in den Hinterländern, mehr im Innern, find fie vorhanden, und jo hat Matjchie bereits im Jahre 1899 einen L. zechi Mtsch., einen Heinen, furzohrigen Hafen mit heller Schwanzoberjeite bi auf den dunfeln Mittelitreif, aus Togo, dem um dieje Stolonie hochverdienten Grafen Zech zu Ehren benannt. Eine am 2. April erlegte Häfin enthielt 3 Embryonen... Jim übrigen fünnen wir bis jet nur aus Deutjch-Ditafrifa zwei Hajen- formen anführen: den oderfüßigen Hajen mit dem rojtgelben Nadenflek (L. capensis ochropus Wagn.), den Wagner jchon 1844 vom Kaphajen abtrennte, der aber neuerdings diejem als Unterart wieder untergeordnet wird, und den viel blajjeren, mehr grauen und hell federfarbigen L. vietoriae T’hos., aus dem Innern, vom Südufer des Viftoriajees. Den deutjchoftafrifanischen Hafen fand Emin Pascha „an der Kite jelten, im Innern gemein. Liegt jehr feit”. Böhm erwähnt eine Eigentümlichfeit, die bei mancher Hajenart Die Ver- wendung des Felles erjchwert. Diejes „it jo auferordentlich zart, daß es nicht gelang, einen brauchbaren Balg zu erhalten. Die Eingeborenen jengen dem Hafen einfach die Haare ab, ohne das Fell abzuziehen... Man trifft ihn niemals in einer Schamba (bebautes Feld), jon- dern jtet3 im offenen Vori oder in der Boga (Steppe). Sein Schwanz gilt als Ganga” (Zaubermittel). Auf Stuhlmanns großer Sammelreife für das Hamburger Mufeum bon Pangani füodlich biS ins Vortugiefiiche (1888/89), deren Säugetierausbeute Noad-Braun- jhtweig bearbeitete ebenjo wie die Böhmfche, fand fich der Hafe überall Häufig und wurde oft von den Trägern gefangen, denen er ein großer LXederbijjen mar. 2. Unterordnung: Einfachzähnige (Simplicidentata). Dieje, welche die Hauptmafje der ganzen Ordnung ausmachen und als Schneidezähne oben wie unten nur die beiden befannten großen Nagezähne haben, beginnen wir mit den 126 8. Drdnung: Nagetiere. Yamilie: Hafenmäufe im weiteren Sinne. ausschlieglich Füdamerifanischen Formen, Die jich äußerlich noch am beiten an die Hajen- artigen anjchliegen laffen, wenn auch innerlich faum irgendwelche bejonders nahe VBermwandt- ichaft beiteht. Wir treten damit zugleich in die zweite größere Nagergruppe ein, die man neben den Hajenfürmigen (Lagomorpha) unterjchieden hat: die Stachelfchweinförmigen (Hystricomorpha), deren Schwerpunkt in Südamerifa liegt. ‘Sie werden durch gewilje Cigentümlichfeiten des Gebifjes, Schädel- und Gliedmaßenbaues enger zufammengehalten, jo daß fie auch die neuejte Syjtematif als nähere Verwandte noch gelten läßt. Shre Merk- male jind: der untere Hintere Fortjab des Unterfiefers (Processus angularis) entjpringt an der Außenfeite; Fochbogen ftark, Schien- und Wadenbein vollfommen getrennt. Exit in der Neuzeit ijt man befannter geworden mit den Mitgliedern einer Fleinen Familie amerifanijcher Tiere, deren Felle jchon jeit alten Zeiten von den Ureingeborenen Siüdamerifas benußt und auch jeit Ende des achtzehnten Jahrhunderts in Menge nach Europa ausgeführt wurden. Die Hajenmänje im weiteren Sinne (Familie Viscaciidae, früher Lagostomidae) könnte man äußerlich als Mittelglieder zwijchen den Mäufen und Hafen bezeichnen. Wenn man jie Kaninchen mit langem, bufchigem Schwanze nennt, hat man ihre fürzejte Bejchreibung gegeben. Doch unterjcheidet fie jelbjtverjtändlich von den Hafen icharf und bejtimmt das Gebif. Die Badzähne ind wurzellos, zeigen 2—3 gleichlaufende Schmelzblätter, und die Reihen nähern jich vorn einander. Der feinjte Pelz, den Säugetiere überhaupt tragen, dedt den Leib mehrerer hierhergehöriger Gattungen. Seine Färbung it ein lichtes Grau mit Weiß und Schwarzbraun oder Gelb. Alle Hajenmäufe bewohnen Südamerika, und zwar größtenteils das Gebirge noch in bedeutender Höhe zwilchen den fahlen Felfen unter der Schneegrenze; nur eine Art lebt in der Ebene. Natürliche Höhlen oder jelbitgegrabene Gänge bilden ihre Wohnungen. Alle jind gejellig, manche bewohnen familienweife eine und diejelbe Höhle. Wie Die Hafen dem Lichte abhold, zeigen jie jich am meilten in der Dämmerung oder in der Nacht. Sie find ichnelle, lebhafte, behende Tiere und auc) in ihren Bewegungen halb Kaninchen, halb Mäufe. Das Gehör fcheint der am beiten entwidelte Sinn zu fein. hr Verjtand ijt ge- ring. Wurzeln und Flechten, Zwiebeln und Ainde, auch wohl Früchte bilden ihre Nahrung. Shre Vermehrung it ungefähr ebenjo groß wie die der Hafen. Manche Arten richten Schaden an oder werden mwenigitens dem Menfchen durch Das Unterwühlen des Bodens läftig, alle aber nüßen durch ihr Fleifch und Fell. Die Chindillas (Gattung Chinchilla Benn., früher Eriomys) zeichnen jich durch dien Kopf, breite, gerumdete Ohren, finfzehige Vorder-, vierzehige Hinterfüße und den langen, außerordentlich weichen und jeidenhaarigen Pelz vor ihren Verwandten aus. Die Baczähne find aus drei Schmelzblättern gebildet. Man fennt bloß zwei Arten Diejer Tiere, die große Chinchilla, Chinchilla brevicaudata Wtrh., und die Fleine Chinchilla oder 8ollmaus, Chmchilla laniger Mol. Gritere wird 30 cm lang und trägt einen 13 cm, mit ven Haaren aber 20 cm langen Schwanz. Der gleichmäßige, feine, überaus weiche Pelz it auf dem Nücden und an den Geiten mehr als 2 cm lang; die Haare find an der Wurzel tief blaugrau, jodann breit weiß geringelt und an der Spite dunkelgrau. Hierdurch) erjcheint die allgemeine Färbung jilberfarben, dunfel angeflogen. Die Unterjeite und die Fühe find rein weiß; der Schwanz hat oben zwei Dunkle Binden; die Schnurren fehen an ihrer Wurzel Ihmwarzbraun, an der Spite graubraun aus. Die großen Augen find jchwarz. Chinchilla. 127 Schon zur Zeit der fa verarbeiteten die Peruaner das feine Seidenhaar der Chin- hilla zu Tuchen und ähnlichen jehr gefuchten Stoffen, und die alten Schriftfteller, wie Acofta und Molina, geben ziemlich ausführliche, wenn auch nicht eben getreue Schilderungen des wichtigen Tieres. m achtzehnten Sahrhundert erhielt man die eriten Velze als große Selten- heiten über Spanien, im vorigen wurden jie zu einem gewöhnlichen Handelsartifel; aber erjt im Jahre 1829 vermochte Bennett Ausführlicheres über das Tier zu berichten, nachdem er e3 fich lebend verjchafft und in England längere Zeit beobachtet Hatte. Der Neifende, welcher in früheren Jahrzehnten von der mwejtlichen Kite Südamerikas die Kordilferen emporklimmte, gewahrte, wenn er einmal eine Höhe von 2—3000 m erreicht hatte, oft meilenweit alle Feljen von Chinchillas und Hafenmäufen (Lagidium) bededt. Ir Peru, Bolivia und Chile mitjjen dieje Tiere überaus häufig gewejen fein; denn wir erfahren bon älteren NReifenden, daß jie während eines Tages an Taufenden borübergezogen find. Das fommt heute nicht mehr vor: wie alle wertvollen PBelztiere, Hat man auch die Chinchilla der Austottung nahe gebracht! Die Lebensjchilderung muß daher mehr oder weniger auf vergangene Zeiten zurüdgreifen. Auch an heilen Tagen fieht man die Chinchillas vor ihren Höhlen fien, aber nie auf der Sonnenjeite der Feljen, jondern immer im tiefiten Schatten. Noch häufiger gewahrt man fie in den Früh- und Abendftunden. Ste beleben dann das Gebirge und zumal die Grate unfruchtbarer, fteiniger und feljiger Gegenden, two die Pflanzenwelt nur noch in dürftigiter Weije jich zeigt. Gerade an den fcheinbar ganz fahlen Felswänden treiben fie fich umher, fich ungemein jchnell und lebhaft bewegend. Mit überrajchender Leichtigkeit Flettern fie an den Wänden Hin und her, auch wenn diefe gar feinen Anjab zu bieten fcheinen. Sie jteigen 6—10 m jenfrecht empor, mit einer Gemwandtheit und Schnelligkeit, daß man ihnen mit dem Auge faum folgen fann. Obwohl nicht gerade fcheu, Tajjen jie fich doch nicht nahe auf den Leib rücken und verschwinden augenblicklich, jobald man Miene macht, fie zu verfolgen. Eine mit Hunderten bedecte Felswand erjcheint noch in derjelben Minute tot und leer, in der man einen Schuß gegen jte abfeuert. Jede Chinchilla ift eiligft in einer Felsipalte verjchtwunden, al3 ob fie durch Zauber dem Auge entrüct wäre. Se zerklüfteter Die Wände, um fo häufiger werden jie von den Chinchillas bewohnt. Früher fam es manchmal vor, daft der Neifende, der, ohne den Tieren etivas zuleide zu tun, oben in jenen Höhen Naft hielt, von diefen Feljen- beiwohnern geradezu umlagert wurde. Das Gejtein wird nach und nach lebendig; aus jeder Riße, aus jeder Spalte Iugt ein Kopf hervor. Die neugierigjten und vertrauendften Chinchillas wagen jich auch wohl noch näher herbei und laufen fchließlich ungefcheut unter den Beinen der weidenden Maultiere herum. Yhr Lauf ift mehr eine Art von Springen als Gehen, erinnert aber an die Bewegungen unjerer Mäufe. Wenn fie ruhen, fiten fie auf dem Hinter- teile, mit an die Bruft gezogenen VBorderbeinen, den Schwanz nad hinten geitredt; fie können Jich jedoch auch ganz frei auf den Hinterbeinen erheben und eine Zeitlang in diejer Stellung erhalten. Beim Klettern greifen fie mit allen vier Füßen in die Riten des Gefteins ein, und die geringjte Unebenheit genügt ihnen, um mit volfftändiger Sicherheit Fuß zu fafen. Über die Fortpflanzung der Chinchilla ift noch nichts Genaueres befannt geworden, obwohl jie jich im Londoner Tiergarten vermehrt hat. Im ihrer Heimat hat man zu jeder geit des Jahres trächtige Weibchen gefunden und von den Eingeborenen erfahren, daß die Anzahl der Jungen zwijchen 4 und 6 fchtwanfe; Näheres wei; man nicht. Die Jungen werden jelbjtändig, jobald fie die Feljenrigen verlajjen können, in denen fie das Licht der Welt er- blictten, und die Alte Scheint fich von dem Augenblide des Auslaufens an nicht mehr um ihre 128 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafenmäuje im weiteren Sinne. Kachkommenjchaft zu fümmern. In ihrem Baterlande wird die Chinchilla oft zahm gehalten; nach Europa gelangte jie nur fehr jelten. „Es geht mit ihr wohl“, jchreibt Hecd, „wie mit den meijten feinen Pelztieren: jte bringen tot jchon ein jchönes Stüd Geld ein; warum joll man jich alfo damit plagen, fie am Leben zu erhalten? Das ijt das Geheimnis, warum man jo wenig Pelztiere in unferen zoologijchen Gärten jieht: Und die Chinchilla ift mit ihrem diftinguiert grauen, wahrhaft unglaublich feinen, Rauchtwerf — zartflaumig wie ein Hauch! — eines der am vornehmiten wirkenden ‘Belztiere, jo recht das Pelztier der Damen. Für fie ausfchlieglich wird Chinchillafell verwendet. Echtes und unechtes! Denn Kaninchen und Schneehafe lajjen jich trefflich ‚auf Chinchilla arbeiten‘, in den Leipziger Kürfchner- dororten verjteht man jich meifterlich darauf, und ‚Chinchillafanin‘, ‚Chinchillahaje‘ werden heute viel gehandelt, um jo mehr, als das echte Material immer jpärlicher und teurer wird.” Die Anmut ihrer Bewegungen, ihre Neinlichfeit und die Leichtigkeit, mit welcher fie jich in ihr Schidjal findet, erwerben der Chinchilla bald die Freundjchaft des Menjchen. Sie zeigt jich jo harmlos und zutraulich, daß man jte frei im Haufe und in den Zimmern umber- laufen lajjen fan. Nur durch ihre Neugier wird jte läftig; denn jie unterjucht alles, was jie an ihrem Wege findet, und jelbjt die Geräte, die höher geitellt jind, weil es ihr eine Stleinig- feit ift, an Tifch und Schränfen emporzuffimmen. Nicht jelten [pringt fie den Leuten plößlich auf Kopf und Schultern. Shre geiitigen Fähigkeiten jtehen ungefähr auf gleicher Stufe mit denen unjeres Kaninchens oder Meerjchweinchens. Man fann auch bei ihr weder An- hänglichfeit an ihren Pfleger noch Dankbarkeit gewahren. An der Gefangenjchaft ijt jie bei weitem nicht jo lebhaft wie im Freien, und niemals legt jie ihre Furchtjamfeit ab, wenn fie auch, wie Haade an dem Männchen eines im Frankfurter Tiergarten gehaltenen Bärchens erfuhr, gelegentlich ein wenig auf einen vermeintlichen Angreifer (osfährt und ihn mit ihrem Harn bejprigt. Mit trocdenen Kräutern üt je leicht zu erhalten. Jm Freien frißt jie Gräfer, Wurzeln und Mooje und gebraucht die Borderpfoten, um ihre Speije zum Munde zu führen. Sn früheren geiten joll die Chinchilla bis zum Meere herab auf allen Bergen ebenjo häufig vorgefommen jein tie in der Höhe; gegenwärtig findet man jte bloß hier und da und immer nur vereinzelt in dem tieferen Gebirge. Die unabläfjige Verfolgung, der fie ihres elles wegen ausgejegt it, hat jie in die Höhe getrieben. Man hat jchon von alters ber ihr eifrig nachgeitellt und wendet auch jet noch falt genau diejelben Sagpweijen an wie früher. Die Jndianer veritehen e3 auch meijterhaft, das peruanijche Wiejel, Mustela agılıs, zu zähmen und zur Jagd der Chinchilla abzurichten; dann verfährt man genau jo tie unjere Frettchenjäger oder überläßt es dem Wiejel, das von ihm im Innern der Höhle getötete Tier jelbit herbeizuichleppen. Tiehudi erwähnt, dal ein einziger Kaufmann in Molinos, der weitlichiten Ortjchaft der La PBlata-Staaten, früher alljährlich 2—3000 Dubend Ehinchillafelle ausführte, jchon im Jahre 1857 aber nur noch 600 Dußend in den Handel bringen fonnte. „Mehrere der indianischen Jäger”, jo berichtet er, „beklagten jich in meiner Gegenwart über die große Verminderung Diefer Tiere und die jtet3 vermehrte Schwierigfeit ihres Fanges. Das jind die Folgen der unabläfjigen, unnachjichtlichen Verfolgung. Der Chinchillajäger, jobald er den Erlös jeiner Beute verpraßt hat, fauft aus einem Vorjchuffe auf Fünftige Jagden einige Lebensmittel und begibt jich damit in die wildeiten Gebirgsteile. Hier jtellt er in den ihm ihon befannten oder bei feinen bejchwerlichen Wanderungen durch feinen Adlerblid neu- entdecten Siedelungen vor die Eingangslücher Schlingen aus ftarfem Noßhaare oder ein- fache Schlagfallen und wartet, in einiger Entfernung mwohlverftecdt, auf den Erfolg. Die Chinchilla. Kleine Chinchilla. 129 neugierigen Chinchilfas fahren, jobald jie jich ficher glauben, jchnell aus ihren Verjteden und bleiben entweder in den Schlingen hängen oder werden von den Fallen totgejchlagen. Der Indianer eilt herzu, Löft jie aus und richtet feine Fangmwerkzeuge von neuem. Nun aber dauert e3 länger, ehe die eingejchüichterten Tiere wiederum ihren Bau verlaffen. Sind mehrere von ihnen gefangen, jo bleiben die übrigen auch wohl 1—2 Tage in ihren Höhlen, ehe jie von neuem wagen, in3 Freie zu gehen, ein Berjuch, den jie gewöhnlich mit dem Leben bezahlen. €3 ift leicht einzufehen, daß der zähe und geduldig ausharrende Indianer auf diefe Weije eine ganze Siedelung ausrotten fan; denn fchließlich treibt der Hunger die legten Chinchillas der Gejelljchaft doch in die Schlingen.” Sn Nord- und Mittelchile wird die große Chinchilla durch die fleine „Baitard- Chinchilla” oder Wollmaus, Chinchilla laniger Mol. (Taf. „Nagetiere III”, 3, bei ©. 123), erjeßt. Sn der Lebensweije jcheint diefe Art ganz der vorigen zu ähneln, wie fie ihr auch in der äußeren Geftaltung und der Färbung des Pelzes naheiteht. Sie ijt aber viel fleiner; denn ihre gejamte Länge beträgt höchitens 35—40 cm, wovon der Schwanz ungefähr ein Drittel wegnimmt. Die dicht jtehenden, weichen PBelzhaare werden auf dem Nüden 2 cm, an dem Hinterteile und den Seiten 3 cm lang. Ihre Färbung ift ein lichtes Ajchgrau mit dunkler Sprenfelung; der Unterteil und die Füße find matt graulich oder gelblich angeflogen. Auf der Oberjeite des Schwanzes find die Haare am Grunde und an der Spibe fehmubig weiß, in der Mitte braunfjchwarz, die Unterjeite des Schwanzes aber ift braun. Auch von der Wollmaus famen erjt auf vielfache Bitten der Naturforjcher einige Schävel und jpäter lebende Tiere nach Europa, obwohl fchon jehr alte Reijende fie erwähnen. Molina machte ung ums Ende des 18. Jahrhunderts mit ihr befannt. Im Jahre 1829 ge- langte eine lebende Wollmaus nach London und wurde von Bennett bejchrieben. Sie war ein jehr janftes Gejchöpf, das aber doch bisweilen zu beißen verjuchte, wenn es nicht recht bei Zaune war. Selten war fie jehr Iujtig, und nur zumeilen jah man ihre fonderbaren Sprünge. ©ie jete jich gewöhnlich auf die Schenfel, fonnte jich aber auch auf die Hinter- beine jtellen und in diejer Stellung erhalten; die Nahrung brachte jie mit den Vorder- pfoten zum Munde. Bei ungewöhnlichem Lärm verriet fie große Unruhe; fonjt war fie ruhig und janft. Körner und jaftige Pflanzen jchien fie mehr zu lieben als trodene Kräuter, die wiederum die Chinchilla jehr gern fraß. Beobachtungen, die ich jelbjt an einer gefangenen Wollmaus machen fonnte, jtimmen im mejentlichen mit BennettS Angaben überein. Doch bewies meine Gefangene, daß fie mehr Nacht- ald Tagtier it. Sie zeigte fich bei Tage zwar ebenfalls munter, jedoch nur, wenn jie gejtört wurde. ALS fie einmal ihrem Käfige entjchfüpft war und fich nach eigenem Belieben im Haufe umbertreiben fonnte, verbarg fie fich hHartnädig bei Tage, trieb es aber dafür nachts um fo lebhafter. Man fand ihre Spuren überall, in der Höhe wie in der Tiefe. Sie erfletterte Gejtelle von I—2 m Höhe mit Leichtigkeit, wahrjcheinlich fpringend, und ducchfroch Riten und Offnungen von 5 em Durchmeffer, Drahtgeflechte z. B., die wir zu ihrer Abjperrung al3 genügend erachtet haben mwirden. Ihr Gang ift ein eigentümliches Mittelding ziwiichen dem Laufen eines Kaninchens und dem jabweifen Springen des Eich- horns; der Schwanz, der in der Ruhe jtet3 nach oben gefrümmt getragen wird, ftrect fich, jobald das Tier den Lauf bejchleunigt. Beim Siten oder wenn fie aufrecht fteht, ftütt fich die Wollmaus leicht auf den Schwanz; fonft twird diejer immer frei getragen. Die Vorder- füße werden im Sigen eingezogen und an die Bruft gelegt. Die langen Schnurren jind Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 9 130 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafenmäufe im weiteren Sinne. fortwährend in reger Bewegung; die Ohren, welche in der Auhe teilweije nach Hinten fallen, richten jich, jobald ein verdächtiges Geräufch vernommen wird, ganz nach vorn. Dem Lichte entflieht die Wollmaus fait ängitlich, jucht auch immer die Dunfeliten Stellen. Hier jest jie jich mit zufammengezogenem Leibe feit. Eme Höhlung wird jofort al3 Zu- fluchtsort benußt. Fhre Stimme, ein jcharjes Sinurren nach Art des Kaninchens, ver- nimmt man nur, wenn man fie berührt. Sie läßt dies ungern zu, verjucht auch, wenn jie gepadt wird, fich Durch plößliche, jchnellende Bewegungen zu befreien, bedient jich aber niemals ihres Gebijjes zur Verteidigung. Heu und Gras zieht fie jeder übrigen Nab- rung dor. Körner jcheint jie zu verjchmähen, jaftige Wurzeln berührt fie faum. Ob fie trinkt, it fraglich; fait jcheint es, al3 ob fie jedes Getränf entbehren fünne. m Londoner Tiergarten, wo diefe Art der Yamilie regelmäßig gehalten wird, hat jie jich wiederholt fortgepflanzt; ebenjo im Berliner Garten. Die Südamerifaner ejjen das Fleijch beider Chinchillas jehr gern, und auch europätjche Keijende jcheinen fich mit ihm befreundet zu haben, obwohl fie jagen, daß man es mit dem unjeres Hajen nicht vergleichen fünne. Die Ehinchillas der hohen Stordilleren werden, laut Tjchudi, bejonders gejchäßt, da jte längere, Dichtere und feinere Haare haben und ein weit Dauerhafteres Pelzwerf liefern als die der Hüfte. IJrı Amerika verfertigte man neuerdings nur noc) Hüte aus der Wolle; denn die Sunftfertigfeit der Ureinwohner, jie zu Deden und Kleidertoffen zu verweben, it mit ihnen ausgejtorben. Sm europätichen PBelzhandel unterjcheidet man, laut Zomer, zwei Arten Felle: Die der größeren echten Chinchilla, Die lang- und feinhaarig find, und Die furzhaarigen der Heineren „Baltard-Chinchilla” ; erjtere galten 1908, nach Braf, 60—80 Narf, lebtere 12—30, im Durchjchnitt 2OMarf. Bon jenen fommen jebt jährlich nur noch etwa 5—6000, von diejen 15000 Felle in den Handel. Zum Bergleich jegen wir, nach Lomer, die entiprechenden Stüc- und Preiszahlen aus dem Jahre 1890 noch einmal hierher; fie zeigen grell auf, wie jich auch bei diefem edlen Pelztiere binnen faum 20 Jahren die Verhältnifje zuunguniten geändert haben: 15—25 Mark und 20000 Stüd; 1—5 Mark und 200000 Stüd. So fteuern ipir der Austottung beider Chinchillaarten entgegen. Die chilenische Regierung hat übrigens Doc) jegt eine mehrjährige Schonzeit mit jtrengem Fang- und Ausfuhrverbot verfügt. Bedeutend längere Ohren, der fürperlange, auf der ganzen Dberjeite bujchig behaarte Schwanz, die vierzehigen Füße und die jehr langen Schnurren unterjcheiden die Mitglieder der zweiten Öattung, welche man Hajenmäufe imengeren Sinne (Lagidium Meyen) genannt hat, von den eigentlichen Wollmäujen. m Gebiß jtehen jich beide Gattungen jehr nahe, in der Lebensweije ähneln jie jich fajt vollitändig. Man fennt bis jeßt mit Sicherheit bloß zwei Arten, die beide auf den Hochebenen der Stordilleren, und zwar Dicht unter der Grenze des ewigen Schnees, in emer Höhe von 3—5000 m über dem Meere, zwijchen fahlen Feljen (eben. Sie find ebenjo gejellig, ebenjo munter und gewandt wie die Wollmäufe, zeigen die- jelben Eigenschaften und nähren jich mehr oder weniger von den gleichen oder mindejtens ähnlichen Pflanzen. Von den beiden Arten bewohnt die eine die Hochebenen des jüdlichen Peru, Chiles und Bolivias, die andere den nördlichen Teil Berus und Ecuador. Eritere, Cuviers Hafenmausg, Lagidium peruanum Meyen (cuvieri), hat ungefähr Kaninchengröge und -geftalt; jedoch find die Hinterbeine viel mehr verlängert als beim CHindillas. Hajenmäufe. 181 Kaninchen, und der lange Schwanz läßt jich exit recht nicht mit dem unferer Hafen vergleichen. Die Ohren find ungefähr 8 cm lang, an ihrem äußeren Rande etwas eingerollt, an der Spige gerundet, außen jpärlich behaart und innen falt nadt; der Rand trägt eine ziemlich dichte Haarbürjte. Der Pelz ijt jehr weich und lang und hat eine ajcharaue Gejamtfärbung, die an den Seiten etiwas lichter ijt, jich mehr ins Gelbliche zieht. Der Schwanz ift unten und an den Seiten furz, oben lang und jtruppig behaart, Die Färbung der Haare dort bräun- fichjichwarz, hier wei; und jchwarz, gegen die Spiße hin ganz jchwarz. Bejonders auffallend jind die langen, bis an die Schultern reichenden jchwarzen Schnurren. Cuvier3 Hajfenmaus, Lagidium peruanum Meyen. Ya natürlicher Größe. Bon diefem Tiere ftammen die Felle, die al3 „‚Chinchillones“ in den Handel fommen. Seit beide Chinchillas jo jehr abgenommen haben, find es etwas mehr, immerhin einige Taujend, die mit 20—30 Mark das Stücd bezahlt werden, aljo heute jo hoch im Preije jtehen mie vor 20 Jahren die echte Chinchilla. Auch ein böfes Zeichen für die herrichende „Pelz- not”, die man jelbit heraufbejchtworen hat durch eine gedantenlofe, alles vernichtende Raub- mwirtjchaft! — Die Hajfenmaus muß übrigens in Peru auch als Wildbret eine Rolle jpielen; anders jind briefliche Nachrichten von Harttvig- Jquique über eine „vizcacha“ gar nicht zu deuten: nennt Doch auch der alte Molina das heutige Lagidium peruanum Lepus vizcacha! Hartiwig jchreibt: „Die Bizcacha lebt an ganz unzugänglichen Felswänden und ijt nur mit der Büchje zu erreichen. Speziell in Peru wird fie viel gegejjen, und ich Habe ihr Fletjch in den großen Hotels Limas jehr jchägen gelernt. Die Vizcacha it ein in den alten Jnfa- liedern vielverherrlichtes Tier. Noch heute gibt es ein uraltes Indianerlied, das (frei überjegt) * 2 132 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafenmäufe im weiteren Sinne, jo anfängt: ‚Sch wollte eine Vizcacha meiner Geliebten zum Trojte enden, aber die Vizcacha war jcehnell und floh über Schnee und Berge.” Der Bertreter der dritten Gattung, den auch wir Viscacha (fpr. wisfaticha) nennen, Viscacia viscacia Mol. (Taf. „Nagetiere III”, 4, bei ©. 123), früher Lagostomus tricho- dactylus, ähnelt mehr der Chinchilla als den Arten der vorhergehenden Gattung. Der ge- drungene, furzhaljige Leib hat jtarf germölbten Rüden, die Vorderbeine find furz und vierzehig, die fräftigen Hinterbeine doppelt jo lang als jene und dreizehig. Der Kopf ift die, rundlich, oben abgeflacht und an den Seiten aufgetrieben, die Schnauze kurz und ftumpf. Auf Lippen und Wangen jigen Schnurren von fonderbarer Steifheit, die mehr Metall- als Horngebilden ähneln, große Federfraft bejisen und fingen, wenn man über jie jtreicht. Mittelgroße, aber chmale, jftumpf zugejpißte, fajt nadte Ohren, weit auseinanderjtehende, mittelgroße Augen, die behaarte Naje und tief eingejchnittene Oberlippen tragen zur weiteren Kennzeichnung des Stopfes bei. Die Fußjohlen find vorn behaart, in ihrer hinteren Hälfte aber nadt und jchmwielig, die Handjohlen Dagegen ganz nadt. Kurze, von weichen Haaren umfleidete Nägel bewaffnen die Vorderfüße, längere und jtärfere die Hinterfüße. Die Badzähne, mit Aus- nahme der oberen Hinterjten, zeigen zwei Schmelzblätter, der Hinterte hat deren drei. Ein ziemlich Dichter Pelz bededt den Leib: die Oberjeite gleichmäßig verteilte graue und jchiwarze Haare, weshalb der Rüden ziemlich dunfel erjcheint; der Kopf ijt graulicher al3 Die Seiten des LXeibes, eine breite Binde, die jich über den oberen Teil der Schnauze und der Wangen zieht, weiß, der Schwanz jchmubig weiß und braun gefledt, Die ganze Unter- und die Srnen- jeite der Beine weiß. Die Leibeslänge beträgt 50 cm, die des Schiwanzes 18 cm. Die Viscacha vertritt ihre Familienverwandten im Dften der Anden; ihr Wohngebiet ind die Banıpas von Buenos Aires bi Patagonien. Ehe der Anbau des Bodens jo weit gediehen war wie gegenwärtig, fand man jie auch in Paraguay. Wo fie noch vorkommt, tritt fie in großer Menge auf. An manchen Orten trifft man jie jo Häufig, daß man bejtändig, jedoch niemals am Tage, nur des Abends, zu beiden Seiten des Weges ganze Rudel jien ltieht. Gerade die einfamiten und wüjtejten Gegenden find ihre Aufenthaltsorte, doch fommt jie bi dicht an Die angebauten Gegenden heran; ja die Neifenden mwiljen jogar, daß die jpanijchen Anjiedelungen nicht mehr fern find, wenn man eine Menge „VBiscacheras” oder Baue unjeres Tieres findet. In den jpärlich bewachjenen und auf weite Streden Hin fahlen, dirren Ebenen gräbt ich die Biscacha ausgedehnte unterirdische Baue, am liebjten in der tähe von Gebüjchen und nicht weit von Feldern entfernt. Die Baue werden gemeinjchaft- fi) angelegt und auch gemeinjchaftlich bewohnt. Nah W. 9. Hudjon febt die Viscacha gewöhnlich in Gejellichaften von 20 —40 Köpfen und bildet jo die Biscacheras genannten Kolonien, die 12 —15 Baue enthalten, manchmal aber auch das Doppelte oder Dreifache. Solch eine Biscachera bededt 100— 200 Duadratfuß. Die Baue find jehr verjchieden in ihrer Vusdehnung; manche öffnen jich in weite Kejjel, von denen weitere Röhren ausitrahlen, während andere eine Verbindung mit den Nachbarn heritellen. Die ganze Viscachera bildet einen Hügel durch die Erde, die die Tiere aus den Bauen herborbringen. Sie wird immer auf den offenen Ebenen angelegt, und die Eingänge der zufammengejeßten Gemeinjchafts- baue haben manchmal bis 90 em Durchmefjer. Der Einzelbau hat gewöhnlich die Form einesY. Bon Hudfon hören wir auch, daß außer der befannten Höhleneule noch zivei Feine Bögel mit der Viscacha in Wohnungsgemeinjchaft leben: ein Exrdffeiber (Geositta), der an der Seite in ihren Gängen brütet, und eine Schwalbenart (Atticora), die die verlajjenen Biscada. 133 Höhlen in Bejik nimmt. Sie muß wohl ähnliche Lebensgewohnheiten haben wie unjere Uferjchwalbe; denn andere Nijtgelegenheiten als auf und in der Erde bietet die Pampa eben nicht. Ferner jteilt Hudjon richtig, daß das Paar Höhleneufen (Speotyto), das man oft auf dem Viscachahügel fiten fieht, jich in der Regel jeine Höhle jelbit gräbt, manchmal aber auch einen der Baue an den Seiten des Hligels bezieht. Der ganze Erdboden in der Nähe der Bauten ift jorgjältig von allem Pflanzenmwuchs gejäubert, der Überrejt davon beim Eingang aufgehäuft, und diefe Gewohnheit ijt es, durch welche die Tiere dem Landwirt jo jchädlich werden. Ihre gewöhnliche Nahrung find Gras und Getreide, mitunter frejjen jte aber auch Wurzeln; in der Trodenzeit jind fie auf verdorrtes Gras und Diiteln angemwiejen. Solange die Weide grün tft, brauchen fie fein Wajjer; aber der erite Negenguß in der Trodenzeit bringt jte jofort aus ihren Höhlen heraus, um das lang entbehrte Naß einzujaugen. m Winter verlafjen fie jelten ihre Baue, ehe es dunfel wird; im Sommer aber fommten jie jchon vor Sonnenuntergang zum Vorjchein, und dann bietet eine Viscachera ein wirklich fejjendes Schaujpiel. Gemöhnlich erjcheint zuerjt eines der alten Männchen und feßt jidy gemütlich an einen hervorragenden Bla auf dem Hügel; es hat offenbar gar feine Eile, feine abendliche Mahlzeit zu beginnen. Wenn man ich von born nähert, rührt es fich nicht, jondern jtarrt den Störenfried Dummodreiit an. Wenn man nac) einer Seite geht, beliebt e8 nicht einmal den Kopf umzudrehen. Bald fommen noch andere Viscachas hervor, jede einzelne macht aber exit in aller Auhe halt an der Mündung ihres Baues. Die Weibchen, fenntlich an der bedeutend geringeren Größe und der heller grauen Farbe, jegen jich aufrecht auf die Haden, wie um eine bejjere Ausjicht zu gewinnen, und verraten durch verichiedene Laute und Gebärden, daß Furcht und Neugier in ihnen fampfen. Die Augen auf den Zudringlichen geheftet, Duden jte von Zeit zu Zeit den Kopf nieder und geben zugleich tief aus dem Innern einen Ton von jich. Wenn die Gefahr näher- fommt, jtürzen dann plößlich alle zugleich mit einem Schredensschrei in ihre Baue hinein. Sn die Tiefe getrieben, jtoßen jie einen eigentümlich grungenden Ton aus. Göring hörte niemals, daß die Biscachas beim Laufen grungten, vernahm aber, jo oft er fich einer Höhle näherte, jtet3 das laute Gebelfer der Anjajjen. Sn ihren Bewegungen haben die VBiscachas viel Ähnlichkeit mit den Kaninchen; doch itehen jie diefen an Schnelligfeit bedeutend nach, obwohl fie munterer, Yujtiger und mehr zum Spielen aufgelegt find. Auf ihren Weidegängen jcherzen jte fait fortwährend mitein- ander, rennen hajtig umher, jpringen grunzend übereinander weg, jchnauzen jich an ujm. Wie der Schafalfuchs tragen jie Die verjchiedeniten Dinge, die jie auf ihren Weidegängen finden, nach ihren Höhlen Hin und fchichten fie vor der Mündung zu wirren Haufen. So findet man, nach Darwin, „rings um jede Gruppe von Viscachahöhlen viele Biehfnochen und -hörner, Steine, Dijtelitrünfe, harte Exrdflumpen ujw. auf einen Haufen zufjammen- getragen, der oft eine ganze Schubfarrenladung ausmacht”. Dak es immer harte Gegen- jtände jind, Fönnte vielleicht die Erklärung erlauben, fie dienten gelegentlicher Abnugung der Nagezähne, die auf der baumlofen Bampa nicht wohl anders geübt werden fanı. Doc) jand Schrend vd. Nobing an diefen von den Viscachas zufammengejchleppten Hörnern und Knochen niemals Spuren ihrer Zähne. Er fommt daher auf die Vermutung: „Vielleicht er- leichtern jie jich in der einförmigen baumlojen Ebene auf dieje Weije die Orientierung, da ihre Sehjchärfe bei dem falt jtändigen Aufenthalt unter der Erde jehr gering it. Wir fonnten uns jelbit in weißen Anzügen bis auf zehn Schritte an fie heranpirschen.“ Auch durch Zufall in Berlujt gefommene Gegenjtände, die ihnen ganz entjchieden nicht den geringiten Nußen 134 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajfenmäufe im weiteren Sinne. gewähren, tragen die VBiscachas vor ihren Bau, und die Gauchos gehen daher, wenn jie etwas vermijjen, zu den nächiten Viscacheras hin, um vor allem dort das Verlorene zu juchen. Darwin erzählte ein glaubwürdiger Gewährsmann, daß er auf nächtlichem Kitte feine Uhr verloren. Am Morgen jei er zurüdgefehrt, habe bei allen Viscachahöhlen längs des Weges gejucht und jie da, wie erwartet, bald gefunden. Aus dem Innern ihrer Wohnungen ent- fernen die Tiere jorgfältig, was nicht hineingehört, auch die Leichen ihrer eigenen Art. Die Biscacha ift durchaus fein fruchtbares Tier: das Weibchen bringt im September einen einzigen Wurf, der gewöhnlich aus 2, gelegentlich aus 3 Jungen bejteht. Da es außer- dem ungefähr 2 Jahre bis zur Gejchlechtsreife braucht, jo jind Die ungeheuren Mengen um jo bemerfenswerter, in denen e3 auf den Pampas vorhanden war, ehe die Landwirte ihren Vernichtungsfrieg begannen. Göring jah immer nur ein Junges bei den alten Viscachas. &3 hielt jich jtets in nächiter Nähe jeiner Mutter. Die Alte jcheint es mit vieler Liebe zu be- handeln und verteidigt es bei Gefahr. Eines Abends verwundete mein Gewährsmann mit einem Schujje eine Mutter und ihr Kind. Lebteres blieb betäubt liegen; die Alte aber war nicht tödlich getroffen. Als jich Göring näherte, um jeine Beute zu ergreifen, machte die Alte alle möglichen Anjtrengungen, um das Junge fortzujchaffen. Sie umging es wie tan- zend und jchten jehr betrübt zu jein, als jie jah, daß ihre Anjtrengungen nichts fruchteten. Beim Näherfommen unjeres Jägers erhob fich die Alte plößlich auf ihre Hinterbeine, jprang fußhoch vom Boden auf und fuhr fchnaubend und grunzend mit jolcher Heftigfeit auf ihren Feind [08, daß diejer ich durch Stöße mit dem Flintenfolben des wütenden Tieres erwehren mußte. Erit als die Alte jah, daß alles vergeblich und ihr Junges nicht zu retten war, 30q jte jich nad) ihrem nahen Baue zurüd, jchaute aber auch von dort aus noch immer mit jicht- barer Angjt und grimmigem Zorne nach dem Mörder ihres Slindes. Wenn man die Jungen einfängt und jich mit ihnen abgibt, werden jie zahm und fönnen, wie unjere Kaninchen, mit Leichtigfeit erhalten werden. Nicht jelten trifft man Biscachas auch in europätjchen Tiergärten an; eine im Frankfurter Garten gehaltene war, nach Haade, ftets ftumpffinnig, mirrifch und voll boshafter Wut. Über ein 1890 im Berliner Garten gehaltenes Baar, das auch zur Fortpflanzung jchritt, jchreibt Hed: „Die VBiscacha bat es hier bis jet nicht über einen ganz jtümperhaften Anfang zu einem Baue hinaus- gebracht, obwohl ihr die jchönjte Gelegenheit geboten ilt. Wenn man freilich die furzen, in weichen Haaren fait veriteckten Strallen der Vorderfüße und die eigentümlich ungefügen Fuß- balfen der Hinterbeine mit dem jtarfen, aber jtumpfen und ungejchiett wegjtehenden Nagel der Mittelzehe betrachtet, jo will es einem gar nicht jcheinen, als ob die VBiscacha von Mutter Natur zum Erdgräber bejtimmt wäre. Jr anderer Beziehung bereitete mir unjer Viscacha- paar eine dejto angenehmere Überrajchung. Die Tiere waren gerade in ihr Winterquartier gebracht worden, da bemerkte der Wärter am nächjten Morgen beim Reinigen, durch ihr bejonders grimmiges Wejen aufmerffam gemacht, daß jie zwei leine, flinfe Gejchöpfe, leibhaftige Abbilder ihrer jelbjt, mit ihren Leibern zu deden fuchten: jie hatten über Nacht ein Pärchen Junge gebracht, ein in unjeren zoologijchen Gärten noch nicht vorgefommener oder wenigjtens nicht in weiteren Streifen befannt gemwordener Fall, der einige interejjante biologiiche Betrachtungen ermöglichte. Neben der eigentümlichen Zage der ganz an den Seiten des Leibes heraufgerücdten Milchdrüfen verdient hier bejonders die wahrhaft rüh- rende väterliche Pflichttreue des Biscachamännchens rühmend hervorgehoben zu werden. Nachdem. eines Tages die Jungen durch eine jchadhafte Stelle aus dem Käfig gejchlüpft waren, rih der Ulte in faum glaublicher Kraftanjtrengung das ftarfe Eifenblech des Fußbodens Viscacha. — Foifile Riejenformen. 135 mit den Nagezähnen auf, und als die Steinen nicht gleich wieder zum Vorfcheine famen, da blieb der Bater in Strämpfen tot auf der Stelle. Hauptjächlich getoiß infolge der über- mäßigen förperlichen Anftrengung; doch glauben wir nicht zu weit zu gehen, wenn wir auch der ungeheuren jeelifchen Erregung, in der jich das Tier ohne Zweifel befand, einen nicht unmejentlichen Anteil an dem plöglichen Tode beimejjer.’ Man jtellt der Biscacha weniger ihres Fleijches und Felles halber al3 wegen ihrer unterirdischen Wühlereien nach. An den Orten, wo fie häufig ift, wird das Reiten wirklich lebensgefährlich, weil die Pferde oft die Deden der jeichten Gänge durchtreten und hier- durch wenigitens außerordentlich aufgeregt werden, wenn jte nicht jtürzen und dabei ihren Reiter abwerfen oder gar ein Bein brechen. Der Landeingeborene erfennt die Biscacheras jchon von weitem an einer fleinen, wilden, bitteren Melone, die vielleicht von den Tieren gern gefrejjen wird. Dieje Pflanze findet fich immer da, wo viele Viscacheras find, oder umgefehrt: dieje werden da angelegt, wo die Pflanzen nach allen Seiten hin ihre grünen Nanfen verbreiten. E3 ijt jomit ein Zeichen gegeben, die gefährlichen Stellen zu vermeiden. Man verjucht die Biscachas mit allen Mitteln aus der Nähe der Anjiedelungen zu ver- treiben und wendet buchjtäblich Feuer und Wajjer zu ihrer Vernichtung an. Das Gras um ihre Höhlen wird weggebrannt und ihnen fomit die Nahrung entzogen; ihre Baue werden unter Wajjer gejebt und jie jelber gezwungen, jich ins Freie zu flüchten, wo die außen lauernden Hunde jie bald am Stragen haben. Göring wohnte einer jolchen Viscachajagd bei. Man zog von einem größeren Kanal aus einen Graben bis zu den VBiscacheras und ließ nun Wajjer in die Röhren laufen. Mehrere Stunden vergingen, ehe der Bau gefüllt wurde, und bis dahin vernahm man außer dem gewöhnlichen Schnauben nicht3 don den jo tückijch verfolgten Tieren. Endlich aber zwang fie die Wafjersnot zur Flucht. Angjtlich und wittend zugleich erjchienen jie an den Mündungen ihrer Höhle, jchnaubend fuhren jie wieder zurück, als jie außen die lauernden Jäger und die furchtbaren Hunde ftehen jahen. Aber höher und höher jtieg das Wafjer, größer und fühlbarer wurde die Not: endlich mußten fie flüchten. Augenblidlich waren ihnen die wachjamen Hunde auf den Ferjen; eine wütende Jagd begann. Die Biscachas wehrten jich wie Berzmweifelte; doch eine nach der anderen mußte erliegen, und reiche Beute belohnte die Jäger. Unjer Gemwährsmann beobachtete jelbit, dal getötete Biscachas don ihren Genojjen nach dem Innern der Baue gejchleppt wurden. Er jchoß Viscachas aus geringer Entfernung; doch ehe er noch zur Stelle fam, waren die durch den Schuß augenblicklich getöteten bereit3 im Innern ihrer Höhlen verjchtwunden. Auher dem Menjchen hat das Tier noch andere Feinde. Die wilden Hunde und Füchje auf der Steppe verfolgen die Biscacha leidenschaftlich, wenn fie jich vor ihrer Höhle zeigt. Doch würde ihre Zahl jich faum vermindern, täte der mehr und mehr fich verbreitende Anbau des Bodens ihr nicht gar jo großen Abbruch. Der Menjch wird auch hier durch die Befitnahme des Bodens zum verderblichiten Feinde des Tieres. Die Indianer ejjen das Fleifch und benugen auch wohl das Fell der Viscacha, obgleich dieje3 einen weit geringeren Wert hat al3 das der früher genannten Verwandten. Auc) die Nager hatten ihre Zeit der Riejenformen, und gerade eine Verwandte der Viscacha, eine riefenhafte Hafenmaus (Gattung Megamys Laur.), ift e3, die in diefem Sinne hier Erwähnung verdient. Sie hatte Ochjen- oder gar Nashorngröße und wurde in fieben ber- Iihiedenen Arten größtenteils von Ameghino aus dem älteren Tertiär, den Dligozänfchichten, Argentiniens und Patagoniens zutage gefördert. — Stattliche Tiere, wenigjtens von der 136 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Meerihmweinchenartige. Größe eines Bären, waren auc) die Angehörigen der bedeutend jüngeren Kamilie Castoroi- didae (d. h. Biberähnliche, Gattungen Castoroides und Amblyrhiza) aus dem Dilupium oder Bleitozän Nordamerifas und Wejtindiens, die man im Shyjtem unmittelbar neben die Hajenmäufe jtellt, weil fie troß ihrer Biberähnlichkeit im Schädelbau und allgemeinen Aus- jehen nach Zittel „ein typisches Hyftricomorphen-Gebiß” Haben. Und zwar nähern fie fich, nach Flower und Lhdeffer, hierin ebenfowohl der Chinchilla wie der Capybara, nehmen aljo, wie jo viele fofjile Kormen, eine gemwijje Mittelitellung ein. * Die Capybara oder das Wafjerfchwein (Gattung Hydrochoerus Briss., Überjeßung des deutjchen Namens) jtellt man mit jenem zwerghaften Verwandten, dem Meerjchweinchen, das ihm auch äußerlich ähnelt (Gattung Cavia nebjt Untergattung Kerodon), und der mehr bajenartigen Mara, auch Bampahaje genaniıt (Gattung Dolichotis), neuerdings in die Fa- milte Der Meerjchweinchenartigen (Caviidae) näher zufammen und zerlegt damit zugleich die größere, früher jehr geläufige Nagergruppe der Hufpfötler (Subungulata), die noch die AUgutis und PBafas (Heute Familie Agoutidae) enthielt, und der man auch ein Höchit jeltenes und merkwürdiges Nagetier Südamerikas, die ebenfalls als jelbjtändige Familie (Dino- myidae) geltende Gattung Dinomys, zurechnen muß. Die Gruppe der Hufpfötler war in- jofern nicht ohne Berechtigung, als die Krallen der zugehörigen Nager, nach Weber, tatfäch- ich „einigermaßen -Hufform annehmen“: „injoweit die Zehen den Boden berühren, treten jie auf den Nagelrand auf, während zugleich die Zehenballen in größerer Ausdehnung ver- hornen“, jo daß aljo das Nagelglied wirklich in einem Hufartigen Hornfchuh mehr oder weniger drinfteckt. Weber erklärt die Hufpfötler auch al3 „nach Art der Huftiere für fchnelle Fortbewegung eingerichtet”, fieht in ihnen Läufer und begründet dies durch einen Tat- beitand, der allerdings zum Teil bei den meijten jchon äußerlich zu erkennen ift: „hohe Läufe mit Ausbildung von Kielen auf den Hauptgelenfen, Rücdbidung des Schlüffelbeing, die faft bis zu dejjen Schwunde führen fann; mehr fielförmigen Bruftforb und fchmäleres Bruftbein; jomwie Neigung zur Nüdbildung der feitlichen Zehen, namentlich) am Hinterfuß... Mehr ab- jeit3 jteht die noch urjprünglichere peruanifche Dinomys mit faum geänderten fünfzehigen Gliedmaßen, breiterem Brustkorb und langem Schwanz“. Bier Badzähne in jeder Reihe von ungefähr gleicher Größe und große, breite, vorn gewöhnlich weiß gefärbte Nagezähne bilden da3 Gebik. Nach der Bildung der Badzähne trennen jich die beiden Familien. Bei den Caviidae find diefe Zähne mwurzellos, und die oberen Neihen laufen vorn beinahe zu- jammen, bei den Agoutidae haben fie halbe Wurzeln und bilden gleichlaufende Reihen. Das Wafjerfhmwein, Capybara oder Kapivara (nach Göldi eigentlich capi-i-uara, d.h. in der Guaranisprache „Herr des Grajes“), [panijch Carpincho, Hydrochoerus capybara Erzd., it das größte und plumpfte Mitglied der ganzen Drdnung. Seinen deutjchen Namen trägt e3 mit einigem Recht nach feiner Gejtalt und der borjtengleichen Behaarung jeines Körpers. Seine Kennzeichen jind: Kleine Ohren, gejpaltene Oberlippe, Fehlen des Schwangzes, fuze Schwimmhäute an den gehen und ftarfe Hufnägel fowie der höchjt eigentümliche gahnbau. Die riefenhaft entwidelten Schneidezähne haben bei geringer Dicke mindeitens 2 cm Breite und auf der Borderfeite mehrere flache Rinnen; unter den Badzähnen tft der legte ebenjo groß wie die drei vorderen. Der Leib ift auffallend plump und did, der Hals furz, der Kopf länglich, hoch und breit, ftumpffchnauzig. Ziemlich große, rundliche Augen treten weit hervor; die Ohren find oben abgerundet und am vorderen Rande umgeftülpt, Wailerichwein., nt . ro x Capybara. 137 hinten abgejchnitten. Die hinteren Beine find deutlich länger alg die vorderen, die Vorder- füße vierzehig, die hinteren dreizehig. Ganz eigentümlich ift eine Hautfalte, die After und Gejchlechtsteile einjchließt, jo dab äußerlich Männchen und Weibchen nicht unterjchieden werden fönnen; ferner bei den fortpflanzungsfähigen Böden eine Hautorüfe auf Dem Najen- rüden, auf die Göldi erneut aufmerffam macht: fie Tiefert zur Brunitzeit eine gelblichweiße Abjonderung von Mojchusgeruh. Bon einer beitimmten Färbung des dünnen, groben Pelzes fan man fchwer reden: ein ungemwiljes Braun mit einem Anjtrich von Not oder Bräunlichgelb verteilt jich über den Leib; Doch unterjcheidet Göldi, der während feiner langjährigen jüdamerifanischen Wirkjamtfeit viele Taujende gejehen hat, die rötlichen nord- brajilianijchen von den gelblichen füdbrafilianischen Stüden, und ein Feines Nudel im Schön- brunner Zoologiihen Garten machte ihm Durch „fahlgelbe, fait flachsfarbene, fträhnige, enorm lange Behaarung” einen ganz überrajchenden Eindrud. Ein erwachjenes Wajjer- jchwein erreicht ungefähr die Größe eines jährigen Hausjchweines und ein Gewicht von 50 kg. Die Körperlänge beträgt über 1 m, die Höhe am Widerrifte 50 cm und mehr. Die Kapybara ijt über das ganze waldige Sidamerifa verbreitet, d. h. fie findet fich bom Orinoco bis zum La Plata oder vom Atlantifschen Meere bis zu den Worbergen der Kordilleren, nach Göldi noch in 800 m Höhe. Hier und da it jie ungemein häufig, 3.8. auf der Injel Marajo in der Amazonasmündung, wo Göldi Herden von 100 Stüd und mehr jah. An bewohnten Stellen wird jte nur abends und morgens gejehen; in menjchenleeren, wenig bejuchten Flußtälern dagegen bemerkt man jie auch bei Tage in Mafjen, immer in nächiter Nähe des Flujjes, entweder weidend oder wie ein Hund auf den zufammengezogenen Hinterbeinen jitend. Snethlage hat die Capybara ebenfalls an dem Hauptflufje Rio Avary) der Snjel Marajd majjenhaft gejehen, aber mehr in dem offenen Camposgebiet des Snnern als in dem dichten Waldgürtel des Injelrandes. „Südlich vom Amazonas, wenigjtens joweit der Wald vorherrjcht und die Campos zurüdtreten, jind Capybaras jehr viel jeltener, oder man jieht fie doch jehr viel jeltener.” Das entipricht ganz ihren Anforderungen an die Landjchaft. Dieje beftehen, nach Göldi, Hauptjächlich darin, daß wenigitens hier und da größere Streden möglichit ruhiger Wafjerläufe vorhanden jind mit ausgebreiteten Taljohlen, die link und recht3 ausgiebige Entwidelung einer recht dichten monofotylen Begetation (Öräjer, Helt- eonien, Arazeen uf.) von nicht viel über Mannshöhe aufweilen. Wo es nicht an derartigen Schlupfwinfeln zum Berfte während der heißen Tagesjtunden gebricht, vermag jich Die Capivara jelbit in fchon leidfich bewohnten Gegenden noch mit bemerfensiwerter Zähigteit zu erhalten. Das wäre allerdings nicht der Fall, wenn fie als Wildbret auch nur einiger- maßen in Betracht fäme. Flachgelände, wo abtwechjelnd ausgedehnte Gras- und Sumpf- pflanzenbeftände mit Heineren Waldpartien an die Fluß- oder Seeränder herantreten, find ihr bevorzugter Aufenthaltsort, feuchttvarme Tümpel ihr Eldorado. Wo der Wald an das Ufer heranreicht, betritt fie ihn höchitens in einer Gürtelbreite von wenigen Schritten und lediglich, um im Schatten ein Mittagsichläfchen zu halten. Dagegen wagt fie jich auf offener Grasflur gelegentlich wohl bis auf 1 km vom Flußrand weg. Der Gang ift ein langjamer Schritt, der Lauf nicht anhaltend; im Notfalle jpringt das Tier aber auch in Säten. Dagegen fchtwimmt es vortrefflich und jegt mit Leichtigkeit über Gemäjjer. Ein eigentliches Lager hat das Wafjerichwein nicht, obwohl es ich an be- borzugten Pläßen des Ufers regelmäßig aufhält. Seine Nahrung bejteht aus Gras, Wajjer- pflanzen und aus der Rinde junger Bäume, und nur da, wo ed nahe an Pflanzungen wohnt, fällt e8 zumeilen über Wafjermelonen oder Mais, Reis und Zuderrohr her und richtet dann 138 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Meerfchweinchenartige. unter Umftänden jehr bedeutenden Schaden an. Daß die Kapivara namentlich nachts munter ift, fonnte Göldt vielfach an den Flüjjen Südbrafilieng, in den Staaten Minas, Rio und Säo Paulo wahrnehmen. Sn mondhellen Nächten hat er ihnen ftundenlang zugejchaut, wie fie, eine nach der anderen, entiweder dvorjichtig fichernd, lautlos den Strom herab- ihwanmtn, um etwa auf einem flachen Feljfenriff zu landen, wder aus einer Graswieje heraustraten und auf einer Sandbant jich zu Heinen Nudeln verfammelten. Das Wajjer- jchwein ift ein jtilles und ruhiges Tier. Schon auf den erjten Anblic wird es jedermann Elar, daß man e3 mit einem höchit ftumpfjinnigen Gejchöpfe zu tun hat. Niemals jieht man e5 mit anderen jeiner Art jpielen. Entweder gehen die Mitglieder einer Herde langjamen Schrittes ihrer Nahrung nach oder ruhen in jißender Stellung. Von Zeit zu Zeit fehren jie den Kopf um, um zu jehen, ob jich ein Feind zeigt. Begegnen jie einem jolchen, jo eilen fie nicht, die Flucht zu ergreifen, jondern laufen langjam dem Wafjer zu. Sm höchiten Schreden aber jtürzen ie jich eiligjt mit einem Schrei ins Waffer und tauchen unter. Wenn fie nicht gewohnt jind, Menjchen zu jehen, betrachten fie dieje oft lange, ehe jie entfliehen. Das Mlarmgejchrei, das Azara Durch „ap” ausdrückt, it jo Durchdringend, daß man es vierteljftundenmweit vernehmen fann. Außerdem gibt es, nach Göldi, noch ein ebenjo „Durch- Dringendes Pfeifen, das von den am Stragen gepadten Jungen in der AUngjt ausgeitogen wird“, Schließlich bei jung und alt ein leifes „Winfeln oder Wiehern, bei dem die Haut der Baden und des gejamten Borderleibes in zitternde Bewegung verjeßt” wird. CS drüdt eine angenehme Gemütsbewegung aus: in der Freiheit zur Begrüßung der näher zu- jammengehörigen Familienmitglieder, in der Gefangenjchaft zur Begrüßung des Pflegers und als Bettellaut. Alles Anwendungen, die jich für den Stenner der Tierjeele ganz folge- richtig eine aus der anderen entwicdeln! | Über Fortpflanzung und Jungenaufzucht hat jich neuerdings durch Züchtungen im Kölner und Leipziger Tiergarten einiges feititellen lajjen. Danach jcheint eine bejtimmte Brumftzeit nicht zu bejtehen; wenigjtens wurden in Leipzig von demjelben Paare im De- zember 1910 zwei Junge geboren, im DOftober 1911 wiederum zwei, im Auguft 1912 drei und im Mai 1913 vier. Die Tragzeit umfaßt aljo 5, —51, Monate. Das Kölner Paar brachte nur einmal ein Junges, das nach zwei Jahren noc) nicht ausgewachjen war. Es hatte nach) Wunderlich Angaben ungefähr die Größe eines Aquti, war nur viel plunper gebaut. In Form und Färbung glich e3 ganz den Alten, und wenn es zwijchen den Vorder- beinen der Mutter jaß, um an ihr zu trinken, war es gar nicht von ihr zu unterjcheiden und leicht zu überjehen. Nach Schilderung des Ajiiitenten Siniefche vom Leipziger Garten wurde bei der legten Baarung dort das Weibchen vom Männchen unter Beißen und Pfeifen falt 34 Stunde lang heftig getrieben und beim Sprunge mit den Vorderfüßen fejt um- Hammert, von deren Stlauen und den Biljen der Nücden des Weibchens viele vernarbte Wunden trägt. Dabei jchreien und pfeifen beide Tiere laut. Die Jungen folgen jofort nad) der Geburt der Mutter, indem jie deren lodendes Grunzen und Pfeifen mit ähnlichen leifen Tönen beantworten. Stniejche beobachtete Schon am erjten Tage, daß die Jungen eifrig an Drot- und Rübenftücdchen herumfnabberten. Die Mutter jäugt jie ungefähr zwei Monate; dann aber jtößt fie fie jo unjanft ab, daß fie jofort von ihr getrennt werden müfjen. Auch unter jich jind die Jungen dann jehr unverträglich, ftoßen und beißen jich fortwährend, jo daß man jte ebenfalls trennen muß. Eine eigentümliche Erjcheinung, dieje Unverträglichkeit in der Gefangenschaft bei einem Tiere, das in der Freiheit jo außerordentlich gejellig lebt! Der Fang ift leicht. Wenn Göldi auf der Injel Marajd große Herden von 50—100 Stüd Capybara. 139 aus der Grasebene nach dem Flujje jich zutreiben Tieß, hatte er jchließlich oft eine Ausbeute bon zwei und drei Dußend größerer und Heinerer Jungen, die allerdings gegen die Öefangen- nahme jich nicht nur mit durcchoringendem winjelnden Pfeifen wehrten, vergleichbar dem vielfach dverjtärkten Quiefen des Meerjchweinchens etiva, jondern auch mit fcharf wie ein Rafiermejjer jchneidenden Bifjen, vor denen man jich in acht nehmen mußte. Defto fchiwerer dagegen war die Eingewöhnung. Schon in der erjten Nacht bei der Überfahrt im Segel boot ging ein Drittel oder gar die Hälfte ein, und wenn nad) Wochen und Monaten noch 8—10 Stüdk übrig waren, mußte man zufrieden jein. Sn der Neuzeit it das Tier öfters lebend nach Europa gefommen, aber nie in Mafjen, und bejonders haltbar it es auch nicht, wenngleich manche Stüde in z00logi- ihen Gärten fünf Jahre und mehr gelebt haben. ch Habe eins längere Zeit gepflegt. &3 war mir in hohem Grade zugetan, fannte meine Stimme, fam herbei, wenn ich es tief, freute jich, wenn ich ihm jchmeichelte, und folgte mir wie ein Hund. ©o freundlich war e3 nicht gegen jedermann: jeinem Wärter, der es zurücdtreiben wollte, fprang es ein- mal gegen die Bruft und biß dabei jofort zu, glüdlicherweije mehr in den Rod als in den Leib. Folgjam konnte man es überhaupt nicht nennen: es gehorchte nur, wenn es eben wollte. Sein Gleichmut war mehr ein jcheinbarer als wirklicher. Sobald ich es rief, jprang e3 unter Ausjtogen des oben bejchriebenen Schreies ins Wajjer, tauchte unter und itteg langjam am anderen Ufer in die Höhe, Fam zu mir heran und murmelte oder Ficherte in Höchit eigentümlicher Weije vor fich Hin, und zwar Durch) die Naje, wie ich mich genau überzeugt habe. Sch Fann die Bewegungen des Wajjerschtweines nicht plump oder jchmwer- fällig nennen. Es läuft jelten rajch, fondern gewöhnlich gemächlich mit großen Schritten dahin, jpringt aber ohne Mühe über meterhohe Gitter weg. Jim Wajjer bewegt es jich meijterhaft. Es Schwimmt in gleichmäßigem Zuge fchnurgerade über breite Gemäjjer, ge- tadejo jchnell, wie ein Mann geht, taucht mit einem Sprunge wie ein Bogel und vermeilt minutenlang unter dem Wajjer, jhwimmt auch in der Tiefe fort, ohne jich in der beabjich- tigten Richtung zu irren. Seine Fütterung verurjacht gar feine Mühe. Es fribt allerlei Pilanzenjtoffe wie ein Schwein, braucht viel, aber durchaus fein gutes Futter. Frijches, jaftiges Gras ift ihm das liebite; Möhren, Rüben und Sleienfutter jagen ihm ebenfalls jehr zu. Mit feinen breiten Schneidezähnen mweidet e3 wie ein Pferd, trinkt auch, tie Diejes, jchlürfend, mit langen Zügen. Die Wärme liebt es, ohne jedoch die Kälte zu fürchten. Yloch im November jtürzt es fich ungejcheut und ungefährdet in das eisfalte Wafjer. Bei großer Hige jucht es unter dichten Gebüjchen Schatten, gräbt fich hier wohl auch eine jeichte Wer- tiefung aus. Sehr gern mwälzt es fich im Schlamme, ift überhaupt unreinlich und liederlich: jeine Haare liegen Freuz und quer über- und durcheinander. &3 wide ein ganzes Schwein jein, übernähme das Waffer nicht feine Reinigung. In diefes jeßte, nach Haade, eine in Frank jurt lebende Capybara auch ftet3 ihren Kot ab, jelbft wenn man ihr nur einen ganz Eleinen Saufnapf gab. Gegen andere Tiere zeigt Jich das Wafjerfchtwein teilnahmlos. ES fängt mit feinem Streit an und läßt jich bejchnuppern, ohne fich nach dem Neugierigen auch nur um- zujchauen. Doch zweifle ich nicht, daß e3 fich zu verteidigen weiß; denn es ift nicht jo Dumm und janft, wie e3 ausjieht. So berichtet He: Als er jeinerzeit im Kömer Garten zwei Capybaras zujammenbrachte, fielen fie fofort derart übereinander her, dab jte mehrere Bih- wunden davontrugen und ein abgebrochener Nagezahnı auf dem Kampfplag zurüclieb. Auffallend war mir der Wechjel der Milchnagezähne meines Gefangenen. Ste wurden durch die zweiten, welche ungefähr nach Ablauf des eriten Zebensjahres dDurchbrachen, ganz 140 8. Ordnung: Nagetiere. : Familie: Meerichweinchenartige. allmählich abgejtoßen, jaen eine Zeitlang wie eine Scheide auf und fielen ab, noch ehe Die nachfommenden ausgebildet waren. Das Gebif; war eine Zeitlang äußerjt unregelmäßig. Nach den Berichten aller Neijenden genießen das Fleisch der alten Capivara Faum die Spndianer und Neger, weil e3 einen eigenen, mwiderlichen, tranigen Beigejchmad hat. Da- gegen verjichert Göldi aus eigener Erfahrung, daß das Lendenftüd junger Tiere, nad) Wild- bretart gebeizt, einen wohlichmedenden Braten liefert. Die Dice, fait Fahle Haut ift außer- ordentlich jchwammig und weich, Liefert ein Leder, welches das Wafjer leicht durchdringen läßt, und wird Deshalb nur zu Riemen, Fußdeden und Reitjätteln benubt. Die Botofuden- mädchen reihen die Nagezähne des Tieres aneinander und verfertigen ji) Daraus Arm- und Halsbänder. Anderweitigen Nubßen gewährt das Tier, nach Göldi, neuerdings durch fein Fett, da3 angeblich einen ftarfen Zodgehalt aufweilt und im Süden des Staates Minas 3.8. „bereits einen HandelSartifel von gar nicht zu unterfchägender Wichtigkeit" bildet. ©o muß alfo jet auch das arme, Dumme Wafjerichivein dran glauben! Die füdamerifanijschen Biehhirten jagen das Wafjerichivein zu ihrer Beluftigung, in- dem fie e8 unvermutet überfallen, ihm den Weg abjchneiden und e3 mit ihren Wurfjchlingen zu Boden reißen. Häufiger jagt man es vom Strome aus. „Syn einem jener leichten Kähne”, jagt Henjel, „welche nur einen Menjchen fajjen, birjcht man ohne Hörbaren Auderjchlag in den itillen Buchten der großen Gemwäjjer, wo die Kapybara häufiger ijt. Schon in einiger Ent- fernung hört man das Sinirjchen und Nafpeln der mächtigen Badenzähne, welche die Wajjer- pflanzen verarbeiten, und fann man jich ohne Geräufch nähern, jo gewahrt man bald das plumpe Tier, wie e8, halb im Wafjer jtehend, an den Bontederien jich gütlich tut.” Gemöhn- lich aber wird in gänzlich unwerdmännijcher Art auf das harmloje Tier losgehtallt. Heut- zutage probiert, wie Göldi jagt, jeder Ausflügler vom Motorboot aus an ihm feine Flinte, und die Biehfarmer jehen das gern, weil fie, wie alle Stolonijten dem eingeborenen Wilde, dem Wafjerichwein Berwüjtung der Weiden nachjagen. Für jeine Größe und robujte Ktörpermajje ijt das Tier merfwürdig empfindlich gegen Schrotjchüffe, denen e3, nach Göldi, regelmäßig erliegt, wenn auch erjt nach Stunden und Tagen; zunächjt taucht e3 unter und verbeißt jich an Wurzelftrünfen. Wa3 weiter aus ihm wird, danach) fragt fein Menjch. Un- veriwundet entfommene jchwimmen minutenlang unter Wafjer davon und jtreden dann erjt am anderen Ufer unter jchügendem Didicht gerade eben nur die Najenjpite jichernd hervor, um jofort weiter weg zu tauchen, wenn es ihnen in der Umgegend noch nicht geheuer jcheint. Außer dem Menjchen dürften Jaguar und Alligator die jchlimmiten Feinde der Kapybara jein. Tag und Nacht ift am Lande der Jaguar Hinter diefem bequemen Wilde her, und in den ASlußniederungen it e3 wahrjcheinlich die häufigjte Beute, die ihm zum Opfer fällt, jozu- jagen fein tägliches Brot. Aber auch der Alligator erhebt jchweren Tribut von den Capy- bararudeln; das ergibt fich, nach Göldi, „aus der bezeichnenden Tatjache, daß im Magen großer Alfigatoren gar nicht jelten große Stugeln, fogenannte Aegagropila, gefunden werden, die aus filzartig zufammengeballten Haaren von Capybaras beitehen.“ Unjer allbefanntes Meerjchweinchen, Cavia porcellus Z. (cobaya), ijt bald nad) der Entdedung Amerikas im 16. Jahrhundert durch Die Holländer zu uns gebracht worden. Gesner Fennt es bereits. Nach Nehrings Unterfuchungen jftammt e8 von der Cavia cutleri Benn. in Peru ab, two es fchon zu den Zeiten der Infas al3 Haustier gehalten wurde. Die Nehringichen Meerjchweinchenforichungen als folche verdienen in diefem Werke furze Wiedergabe, weil fie zugleich grundlegend und abjchliegend find: völlige Klarheit über Nagetiere IV. Il. Struppmeerichweinchen. 1/2 nat. Gr., s. S. 141. stud. L. Heck - Berlin phot. 2. Angorameerichweinchen, von der linken Seite gelehen. 1/3 nat. Gr., s. S. 141. Aus der „Geflügel- Welt“, Chemni Mit frdl. Erlaubnis des Verlags. 3. Aperea, Cavia aperea Erxl. l/3 nat. Gr., s. S. 146. Georg E.F. Schulz - Friedenau phot. u Fat 4. Spix-Moko, Kerodon spixi Wagt. 1/3 nat. Gr., s. S. 147. — Georg E. F. Schulz - Friedenau phot. Capybara. Meerjchmweinden. 141 Abftammung und Entitehungsgejchichte des Hausmeerjchmweincheng haben fie exit gejchaffen. Nehring geht von der unanfechtbaren Vorausjegung aus, dat nur Kulturböffer fich Haus- tiere herangebildet haben, und daß man daher die Stammform und den Ursprung des Meer- ichweinchens in dem alten jüdamerifanijchen Kulturlande, in dem Infareiche Peru fuchen müfje. Tatfächlich fürderten denn auch Reif und Stübel aus einem altperuanifchen Gräber- feld neben Hunde- und Lamamumien aud) jolche von Meerjchweinchen zutage. Sie fchieten jie an Nehring al3 den berufenen Bearbeiter ein, und diejer jtellte feit, daß die Hausmeer- jhmweinchen der vorjpanifchen Zeit Perus von der wilden Zorn des Landes fich noch nicht jo weitgehend unterschieden wie unjer europäijches Meerjchweinchen von heute. Somwohl in der Farbe (noch viel gejprenfelte Wildfarbe, wenig Weiß, gar fein Schwarz) als in der geitrecteren und feiter gefügten Schädelbildung jtehen jie der wilden Stammart noch bedeutend näher, und dieje Mitteljtellung in der Körperbejchaffenheit Harmoniert wieder jehr jchön mit der zivijchen völliger Freiheit und enger Gefangenjchaft mitteninne jtehenden Haustierjchaft, in der die Veruaner ihre zahmen Meerjchweinchen in und bei ihren Hütten hHerumlaufen ließen. Außer einfarbigen Meerjchweinchen, von denen die weisen am häufigjten find, jieht man gewöhnlich nur dreifarbige: weiß, gelb und jchwarz gejchedte. Haade hat aber zwijchen den Meerjchweinchen, die im Frankfurter Tiergarten zu Fütterungszweden gehalten werden, wiederholt Stüce angetroffen, die nur gelbweiß gejchedt waren; jolche Stüde haben jtet3 tote Augen. Nach Nehrings Unterfuchungen an den Meerjchweinchenmumien von dem Totenfelde von Ancon in Beru fehlten den Infa-Meerjchweinchen jtets Die Schwarzen Flede. Sie waren entiweder einfarbig weiß oder rötlichhraun oder, wenn zweifarbig, rötlichbraun, be- ziehentlich gelbweiß gejchect. Bet uns trifft man auch Meerjchweinchen mit braunjchwarzen, mäujefarbenen und gelblich afchgrauen Fleden. Dreifarbige, mit ajchgrauen anjtatt der ihmwarzen Flede, find nach Haades Beobachtungen nicht jelten; auch bei diejen find die Yugen immer rot. Sn neuerer Zeit ift das Struppmeerfchweinchen fehr beliebt geworden, eine Nafje mit längerer, an verjchiedenen Körperitellen eigentünmliche Wirbel bildender Behaarung. Am meijten aber werden von Liebhabern die Angorameerjchweinchen gejchäßt, deren langes, jchlichtes Haar auf der Erde nachjchleifen muß (Taf. „Nagetiere IV”, 1 u. 2). Das Meerichweinchen gehört zu den beliebtejten Haustieren aus der ganzen Ordnung der Nager, ebenjomwohl jeiner Genügjamfeit wie feiner Harmlojigfeit und Gutmütigfeit halber. Wenn man ihm einen luftigen und trodenen Stall gibt, it es überall leicht zu er- halten. &3 frißt die verfchiedeniten Pflanzenftoffe, von der Wurzel an bis zu den Blättern, Körner ebenjogut wie frische, faftige Pflanzen, und verlangt nur etwas Abwechslung in der Nahrung. Wenn e3 jaftiges Futter hat, fan e8 Getränk ganz entbehren, obwohl es namentlich Milch recht gern zu jich nimmt. CS läßt jich überaus viel gefallen und verträgt jelbjt Mißhandlungen mit Gleichmut. Deshalb ift e3 ein höchit angenehmes Spielzeug für Kinder, welche ich auch am eifrigjten mit feiner Zucht abgeben. In feinem Wejen erinnert es in mancher Hinficht an die Kaninchen, in anderer wieder an die Mäufe. Der Gang ilt nicht eben tajch und beiteht mehr aus Sprungjchritten; doch ift das Tier nicht tölpelhaft, jon- dern ziemlich gewandt. Gewöhnlich fit es auf allen vier Füßen, den Leib platt auf den Boden gedrüdt; meiftens läuft es ohne Unterbrechung in feinem Stalle umher, am liebjten längs der Mauer hin, wo es fich bald einen glattgetretenen Weg bahnt. echt Hübjch jieht e3 aus, wenn eine ganze Familie beifammen ijt. Dann folgt eines dem anderen, und Die ganze Reihe umfreijt den Stall vielleicht Hundertmal ohne Unterbrechung. Die Stimme bejteht aus einem Grunzen, das dem Tiere wohl den Namen Schwein verjchafft hat, und 142 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Meerfchweinchenartige. aus einem eigentümlichen Murmeln und Quiefen. Das Murmeln jcheint Behaglichkeit auszudrüden, während das Quiefen immer Aufregung anzeigt. Männchen und Weibchen halten jich zufjammen und behandeln einander zärtlich. Nein- fich, wie die meilten Nager find, ect eins Das andere und benußt auch wohl die VWorder- füße, um dem Gatten das Fell glatt zu füämmen. Schläft eines von dem ‘Paare, jo wacht das andere für jeine Sicherheit; Dauert es ihm aber zu lange, jo jucht e8 durch Leden und Kämmen den Schläfer zu ermuntern, und jobald diejer die Augen auftut, nict es dafür ein und läßt nun fich bewachen. Das Männchen treibt jein Weibchen oft vor jich her und jucht ihm feine Zuneigung und Anhänglichkeit auf jede Weije an den Tag zu legen. Auch die gleichen Gejchlechter vertragen Jich recht gut, folange e3 jich nicht darum handelt, den beiten Plat beim Frejjen oder Nuhen zu erhalten. Zwei verliebte Männchen, die um ein Weibchen jtreiten, geraten oft in Zorn, nirfchen mit den Zähnen, ftampfen auf den Boden und treten fich gegenfeitig mit den Hinterfüßen, paden jich auch wohl an den Haaren; ja es fommt jogar zu Kämpfen, bei denen die Zähne tüchtig gebraucht werden und manchmal ernite Berwundungen vorfommen. Streit und Kampf enden erit dann, wenn jich ein Männchen entjchteden in den Bejit eines Weibchens gejebt hat. Seit Nengger hat man dem Meerjchweinchen eine ganz bejondere Fruchtbarkeit nach- gejagt. Mit Unrecht. Auch diefe Frage hat Nehring Fargejtellt („Zool. Garten“, 1891). „Diejenigen Meerjchweinchen, welche ich in dem Kleinen zoologijchen Berjuchsitalle des mir unterjtellten Inftituts der gl. Landwirtichaftlichen Hochjchule gezüchtet Habe, haben bisher falt ausnahmslos nur je zwei Junge in einem Wurfe zur Welt gebracht, aljo genau Die Zahl, welche bei den wilden Meerjchweinchen (inSbejondere bei Cavia aperea) üblich ift, und auf welche auch jchon die Zmweizahl der Zigen bei den Kapien hindeutet... NUlle mir be- fannten Züchter bezeugten übereinjtimmend, daß die übliche Zahl der Jungen eines Wurfes zivei betrage, bei älteren Weibchen jet die Dreizahl auch nicht jelten, Die Bierzahl fäme fchon ziemlich jelten vor; die Fünfzahl wurde mir als jehr jeltenes Martimum angegeben! SHier- mit harmonieren die Beobachtungen, welche Bijchoff in feiner berühmten Schrift über die Entwidelungsgejchichte des Meerjchtweincheng (Gießen 1852) mitgeteilt hat... Ein von mir gezüchtetes Weibchen wurde bereits im Alter von 7—8 Wochen begattet und brachte nad) 63 Tagen 2 Junge zur Welt." Große Frühreife müjjen wir aljo dem Meerjchweinchen zu= jcehreiben nach diejen jorgfältigen Zuchtverfuchen unjeres Gewährsmannes, die ja auch Die Tragzeit ein für allemal auf Durchjchnittlich 63 Tage, zuweilen bis 66 Tage, jeitgeitellt haben. Alfo volle I Wochen: ebenjoviel wie bei einem großen Hunde und mehr wie nod) einmal joviel al bei dem ungleich größeren Kaninchen! Gegenüber diejen Vergleichstieren jpiegelt die lange Tragzeit des Meerichtweinchens fich wider in der Größe, hohen Entmwidelung und geringeren Zahl feiner Jungen eines Wurfes. Die Kleinen fommen volfitändig enttvicelt zur Welt, werden mit offenen Augen geboren und jind Schon wenige Stunden nad) ihrer Geburt imstande, mit ihrer Mutter umberzulaufen. Am zweiten Tage ihres Lebens fiten jie manchmal bereits mit bei der Mahlzeit und lafjen jich die grünen Pflanzen, ja jogar die Körner, faft ebenjogut jchmeden wie jene. Gleichwohl fäugt fie die Mutter 14 Tage lang und zeigt während diejer Zeit viel Zärtlichkeit und Sorgfalt für fie, verteidigt fie, hält jie zujammen ufw. Sotvie die Stleinen jelbjtändiger werden, erfaltet die Mutterliebe, und nach ungefähr 3 Wochen, zu welcher Zeit die Alte jich regelmäßig fehon wieder gepaart hat, be- fümmert fie fich gar nicht mehr um die früheren Sprößlinge. Der Vater zeigt jich von allem Anfang an jehr gleichgültig gegen dieje, jogar feindjelig, und oft fommt e3 vor, dap Meerihweinden. 143 er jie totbeißt und auffrißt. Nach S—I Monaten haben fie ihre vollfommene Größe erreicht. Bei quter Behandlung fönnen fie ihr Yeben auf 6—8 Jahre bringen. Nengger hatte gegen die jelbitverjtändliche Abjtamımung des Meerjchmweinchens von einer der wilden Arten geltend gemacht, daß die zahmgehaltene Aperea (die brafiliiche Wild- form) ihre Farbe nicht verändere und mit dem Meerjchweinchen jich nicht paare. Beide Be- hauptungen gingen aus einem Werke ins andere über und galten allgemein als Tatjachen, bis in den Jahren 1892/93 durch Reim- und Streuzungszuchten mit Apereas im Berliner Boologijchen Garten und im Nehringjchen Snjtitut das Gegenteil beiiejen wurde. Nehring faßt die Hauptrejultate der Züchtungsverjuche in folgende Säbe zujammen („Gejellich. Naturforjch. Freunde“, 1898): „Cavia aperea pflanzt fich in Reinzucht nicht nur einmal im Sahre fort, wie Nengger behauptet, jondern mindejtens zivei- bis dreimal. Die Zahl der Jungen eines Wurfes beträgt zwar gewöhnlich nur zwei, doch fommen auch Würfe von drei Sungen nicht jehr jelten vor. — m allgemeinen bleibt die gleichmäßige feinmelierte Färbung auch bei den in Gefangenschaft gezüchteten Nachfommen der ©. aperea bejtehen;; dennoch fam ihon bei einem der eriteren Würfe der in Reinzucht gezüchteten Apereas ein Junges zur Welt, das einen weißen, länglichen Fled am Numpfe aufzumweijen hatte. — Die Kreuzung von C. aperea und C. cobaya fann ohne Schwierigkeit ausgeführt werden, jowohl zwischen C. a. Männchen und ©. c. Weibchen als umgefehrt. — Die Baftarde find fruchtbar jomohl bei jogenannter Anpaarung, d. d. Vermijchung mit einer der Stammarten, al3 auch bei Paarung untereinander. Lebteres Nejultat erjcheint bejonders interejjant. Die Trächtigfeit der Bajtarde dauert, twie bei C. cobaya, dDurchjchnittlich 63 Tage. — Die Haarfarbe der wilden Art wird mit auffallender Zähigfeit vererbt (unter zahlreichen Halbblütern nur zwei mit etwas Fledenbildung; alle übrigen mwildfarbig). Dasjelbe ift von den Doppelbaitarden aus der Paarung von Bajtarden untereinander zu jagen: jie waren durchweg twoildfarbig. — Auch in der Schädelform, namentlich in der Form der Najenbeine macht fich das Apereablut bei den Bajtarden in hervorragender Weije geltend. — Die Fledenbildung, welche wir an dem Haarkleide des Hausmeerjchtweinchens gewöhnlich beobachten, ift erjt durch Domeitifation ent- tanden; eime geringe Beimijchung vom Blute des wilden C. aperea genügt, um die aleich- mäßige Haarfarbe der Wildform wieder zur Entwicelung zu bringen. Auch diejenigen Baltarde, welche drei Viertel Blut von C. cobaya in jich haben, find meiftens wildfarbig; einige von ihnen zeigen einen deutlichen Melanismus, indem fie einfarbig glänzend jchwarz erjcheinen. “ Nehrings triftige hitorifche Gründe, das Meerjchtweinchen aus Peru herzuleiten, wer- den durch den gegenwärtigen Befund dort noch weiter geitübt. Neil; bezeugte Nehring, „dab Dieje Tierchen die hauptjächlichite Fleifchnahrung der in abgelegeneren Gegenden Perus wohnenden Indianer bilden, und daß er jelbit bei feinem dortigen Aufenthalte nicht jelten gebratene Meerjchweinchen mit Appetit gegejien habe... Als . %. v. Tjehudi die abgelegeneren Gegenden Perus bereifte, fand er die Meerjchweinchen in den Jndianer- hütten noch ebenjo zahlreich vor, wie folche in der Zeit vor der Entdedung Amerifas vor- . handen gewejen zu fein jcheinen... Der eriticende Rauch und die mefitifchen Dünfte, die fortwährend den engen Raum erfüllen, und eine Menge Meerjchweinchen, die Die ganze Nacht hindurch den Schlafenden über Geficht und Körper weglaufen, bringen den Reifenden jet zur Verzweiflung." („Peru, Neifejfizzen”, 1846.) Auch aus den fpanifchen Auf- zeichnungen, welche bald nach der Eroberung Berus niedergejchrieben find, liefert Nehring den Beweis, da das Meerjchweinchen bei den Beruanern vor der Entdeckung Amerikas jhon ein allgemein verbreitetes Haustier war und von ihnen als die zahme Form des 144 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Meerjchweindenartige. dortigen wilden Meerjchweinchens betrachtet wurde. &3 wird in diejen Schriften, 3. B. bei Garcilaffo und in den peruanifchen Berichten der Relaciones geograficas de Indias, meijt als „indifches Kaninchen” bezeichnet, aber auch mit dem heute noch gültigen Eingeborenen- namen „Cuhy” belegt. Unjer deutjcher Name „Meerichweinchen” erklärt fich leicht für ein fleine3 Tier, das aus einem fernen Lande übers Meer zu uns gebracht worden ijt und fett und rund wie ein winziges Schweinchen ausfieht. Dagegen erweckt der englifche Name „Guinea -pig‘“ (Guinea- Schwein) geradezu eine falfche Borjtellung von der Heimat des Tierchens, und jelbit im öftlichen Südamerifa, wo das Tierchen, nad) Gößi, erjt neuerdings häufiger gehalten wird, bejonders in medizinischen Snitituten, hat man feinen bejjeren Namen als „‚Porquinho da India“; man macht fich dort allerdings auch gar feine Gedanfen über die Verwandtfchaft mit der eingeborenen Aperea. Wenn man fich viel mit Meerjchweinchen bejchäftigt, fann man fie ungemein zahm machen. Niemals verjuchen jte zu beißen oder font von ihren natürlichen Waffen Ge- brauch zu machen. Das Feine Kind fann unbejorgt mit ihnen jpielen; fie lajjen jich auf den Schoß nehmen, mit umbherjchleppen ujw., ohne jich deshalb mißvergnügt zu zeigen. Kenn man ihnen etwas zu frejjen gibt, jind fie überall zufrieden. Aber dafür befunden jie auch jelten wahre Anhänglichkeit, jondern find jo recht aller Welt Freund. &3 gibt jedoch auch Ausnahmen. „Ein Meerjchweinchen, welches meinen Kindern gehört”, jchreibt Friedel, „be= grüßt meinen Sohn, jobald es dejjen Schritte hört, mit lauten, aufgeregtem Quiefen; wenn er ihm Futter gibt, regelmäßig mit dankbarem, lauten Trommeln; meine Heine Tochter nicht mit Quiefen, jondern nur mit feifem Murmeln; meine Frau und mich niemals mit Trommeln. Wenn meine Frau jpät abends das Zimmer pajjtert, worin das Tier hauft, wird fie von ihm regelmäßig mit Häglihem Quiefen um einen Bifjen angebettelt; bei mir jchweigt das Tier, weil e3 weiß, ich gebe ihm jo jpät nichts mehr. Das Tier vermag aljo vier Perjonen genau zu unterjcheiden. Auch macht e3 Kunftjtücichen, ftellt fich auf Befehl tot und jpringt auf Bes fehl wieder in die Höhe.” Gegen Falte und nafje Witterung jehr empfindlich, erfranfen die Meerjchweinchen, wenn man jie rauhem Wetter ausjebt, und gehen dann leicht zugrunde. Einen bejonderen Borjchub haben die Meerjchweinchen der Wifjenjchaft geleiitet. Biichoff hat fie zu Unterfuchungen über die tierifche Entwidelung verwendet und ihnen dadurd einen ehrenvollen Pla in unjerem wijjenjchaftlichen Schrifttume gejichert. Und neuerdings, jeit die Bazillenforschung, die Smpfverfuche und die Serumtherapie zu jo un- geahnter, für die Menjchheit jegensreicher Blüte gelangt find, it das Meerjchweinchen aus dem SKinderjpielzeug zum mwifjenfchaftlichen Haustiere geworden, das an feiner Forjchungs- Itätte mehr fehlen darf. Deshalb wird denn auch jeine Zucht bereit3 zu Ermwerbszmweden getrieben. Wie die Zeitungen berichten, „it die Züchtung von Meerjichweinchen in großem Mapitabe in legter Zeit auf den Dörfern bei der Tüpferjtadt Bunzlau in Niederjchlejien eingeführt worden. Manche ländliche Bejiger haben dort jtet3 einen Bejtand von 100—150 jolcher Tierchen. Die Meerjchweinchen werden durch einen Zmwijchenhändler monatlich auf- gekauft, wobet für das Stüd 60 Pfennig bezahlt werden. Sn einer Anzahl von 400—500 Stück werden die Tiere dann nad) Berlin transportiert.” Nachdem dank Nehring die Frage der Abjtammung des Meerjchweinchens erledigt und in Übereinftimmung damit von Thomas der Name Cavia porcellus auzjchlieglich auf dieje Haustierform befchränft worden ift, jehen wir heute einigermaßen far über den Jr- halt der Gattung. Das Allgemeininterefjante für unfere ganze Anjcehauung, für unfere Wilde Meerfhmweinden. 145 Yuffaffung des Begriffes der Art ijt dabei, daß der Syitematifer nicht umhin fann, die wilde Stammform (Cavia cutleri) und das von ihr abgeleitete Haustier (Cavia porcellus) zufolge der Schädel- und anderer Unterjchiede als zwei jelbitändige Arten gleichwertig nebenein- anderzuftellen, obwohl er feinen Augenblid zweifelt, daß das Haustier der unmittelbare, nicht nur blutspderiwandte, jondern ausjchlieglich dasjelbe Blut führende Nachfomme der Wildform ift, defjen Verjchiedendeit einzig und allein auf die veränderten Xebensverhältniffe im Haustierjtande zurüczuführen it. Die Gattung Cavia Pall. fennzeichnet jich Durch den Schwund des Schwanzes und des eriten und fünften Fingers der etwas verlängerten Hintergliever. Die Krallen find verbreitert, wie beim Hufpfütler zu erwarten. Das wilde Meerjchweinchen erinnert gewiß auf den eriten Blick jchon jehr an feinen allbefannten zahmen Verwandten, und doch unterjcheidet es von Diefem Eleinen, weißbunten Diebauch jenes manchmal fchwer bejchreibliche Etwas, das dem geübten Auge das wilde Tier jtet3 jofort vor dem Haustiere fenntlich macht. Vor allem hat es nichts Buntes an jich, fondern die echte, eintönige, graubräunlich geiprenfelte „Wildfarbe”; ferner ijt die Ge- italt fchlanfer und leichter, Das ganze Tierchen daher viel flinfer und beweglicher: wie eine Maus oder Natte hujcht es eilfertig Hin und her, verjteht es, auf furze Entfernungen jich jehr gut vor jeinen Feinden in Sicherheit zu bringen. Namentlich aber erfennt man an der feineren Modellierung des zierlicheren, Fleineren Kopfes das wilde Tier. Da3 wilde Meerjchweinchen verbreitet jich in einer ganzen Anzahl verjchtedener Arten oder geographifcher Formen über den größten Teil Südamerifas, und zwar leben die faum rattengroßen Tierchen da ebenjomwohl im Tieflande, jogar in der fumpfigen Niederung, tie jie der Dften des Erdteils bietet, alS auf den feljigen Hochebenen der Wejtitaaten. immer aber müjjen die Tierchen, die mit ihren furzen Beinen und dem verhältnismäßig jchweren Leibe natürlich nicht befonders fchnell und noch weniger ausdauernd laufen Fönnen, in un- mittelbarer Nähe ihrer Nahrungspflanzen, allerlei Gras und Kraut, gejchügte Verjtede haben; wenn ihnen daher nicht, wie am Urwaldrand und im Sumpfe, dichtes Gebüjch, namentlich ltachlige Heden zur Verfügung jtehen, graben fie jich Höhlen, die jie gejellig anlegen, in manchen Hochländern Boliviens 3. B. fo zahlreich, daß der ganze Erdboden unterwühlt ilt. Sonjt jeheint über das Freileben in der Fach- und Neifeliteratur bis jegt jehr wenig nieder- gelegt zu jein, „und doch joll das Tierchen von Guayana bis Argentinien ganz gemein, jtellen- weije, wie ich aus mündlichen Berichten von deutjchen Anfiedlern in Brafilien weiß, jo- zujagen in jedem Bufch und Graben anzutreffen fein. E3 wird aber weder gejchojjen noch gefangen noch fonjtwie beachtet, fondern einfach als ‚Ungeziefer‘ ignoriert” (Hed), und jo erklärt es fich jchließlich, Daß 1891 die erjten ihrer Art in den Berliner Garten gelangten. Das Ergebnis vieler Nehring zuliebe gejchriebener Briefe an deutjche Landsleute in Südamerika! Seitdem fonnte der Berliner Garten fie öfter zeigen, und feit einiger Zeit (1906) beherbergt er auch Vertreter der zweiten Untergattung (Kerodon), der MoFfos genannten Gebirgsformen. Sicherlich werden die Unterjchiede im Leibesbau feine tiefer gehende Trennung der Berg- und Talmeerjchweinchen erlauben als die in die beiden Untergattungen Cavia im engeren Sinne und Kerodon F. Cuwv. (Cerodon); der Tiergärtner aber, der jie beide neben- einander zu halten und zu pflegen und namentlich in dem zugemwiefenen Raume feitzuhalten hat, daß jte nicht „ausrücen”, — der erklärt beide ebenfo ficherlich für „grundverfchiedene Tiere. Denn während die gewöhnlichen Apereas aus dem Tieflande für den Pfleger bequeme Erodfriecher jind, die feinerlei Umftände und Schwierigfeiten machen, gehören die Mofos Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 10 146 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hajfenmäufe im weiteren Sinne. zu den gefährlichiten Springern, die im zoologischen Garten unter den Kleinjäugern über- haupt vorfommen fünnen. „Das wird jedem Tierpfleger jchneller Far, als ihm Tieb üt“, ichreibt Hed, „wenn er verjucht, die Heinen Ausreißer auch nur einigermaßen im Freien zu halten. Glattgebügelte Jement- und NRohglasiwände, die 1,20 m hoch jind, überwinden die nur rattengroßen Rader troß fehief nad) innen gewendeter Eifenjpisen nach einigen Ver- juchen Teicht mittel8 mehrerer aufeinander folgender Querfprünge übered. Yon niedrigem Steingerölf jpringen fie über 1m hoc) auf ein gläjernes Vordach, das fie an weiteren Spazier- gängen hindern foll. Deshalb Habe ich gegenwärtig (Januar 1907) den Kampf mit meinen Miokoz, in dem ich immer wieder den Fürzeren 30g, aufgegeben umd lafje fie gewähren. Weit entfernen fie fich Doch nicht von ihrer rechtmäßigen Wohnung, und dem Publikum machen fie erhöhte Freude, wenn fich einer ganz außerhalb der Gehege am Nagetierberge zeigt. Celbit der behendeite Aktionär und AUbonnentenjunge fann jich nicht rühmen, je einen erhafcht zu haben.” Und daß fie echte Feljentiere find, verraten Die Mofos am auffallendjten Dadurd, daß man fie im Berliner Garten nie zu längerer Ruhe auf ebenem Boden fiten fieht wie Die Upereas im Nachbargehege; immer fuchen fie jich zu Diefem Yimede einen der rundlichen Ge- rölfjteine aus, die in ihr Gehege gelegt find, und verjtehen jich auf diefem jo anjchmiegend niederzudrüden, jogar mit 1 oder 2 Jungen, daß man fofort jteht, fie gehören ihrer ganzen Natur und Neigung nach dahin. Auch durch häufiges Männchenmachen auf den Hinterläufen bemeijen fie ihr lebhafteres, gemwandteres Wefen, und feine Formenunterjchiede fennzeichnen jie dem fchärferen Blick fofort: die Ghiedmaßen find länger, der Leib jchlanfer als bei den Apereas, und der gejtredtere Kopf hat Durch feine Schlanfe Bogenlinie fein ganz eignes Profil. Schlieglich Hebt Wagner in den Schreber-Supplementen noch einen interejjanten Unterjchied in der Fußbildung gegen die Apereas hervor, Der wohl ebenfalls zu der abweichenden Be- wegqungsweije und dem berjchtedenen Standort in Beziehung fteht. Während die Apereas Ktrallenzehen mit fpigen, vorjpringenden Nägeln haben, „enden bei ven Mofos die Zehen mit verdiekten Ballen, und die Nägel, welche beträchtlich breit, getwölbt, längs der Mitte gefielt und jchnell zugejpißt find, find fo kurz, daß fie die Zehenballen faum überragen”: aljo eine gewilje Annäherung an die Fußbildung, wie fie in der Vollendung die größten Birtuojen im Feljenklettern und Seljenfpringen unter den Stleinfäugern, die Klippfchliefer (Procavia), zeigen, die gar nicht mehr zu den Krallenfäugetieren gerechnet werden fünnen. Die befanntejte Art der Talmeerjchweinchen (Untergattung Cavia im engeren Sinn) ift die eigentliche Aperea, C. aperea Eral. (Taf. „Nagetiere IV“, 3, bei ©. 141), au Süd- brafilien, die im Vorjtehenden fchon jo vielfach erwähnt wurde, daß hier faum noch etwas von ihr zu fagen übrigbleibt. Jin offenen Gelände gräbt fie jich Höhlen, während fie jonft unter dem Schuße der Pilanzendede lebt. Ein ähnliches Verhältnis, wie bei unjeren Kaninchen jebt Plab greift! Wo Graswuchs an feuchten Bodenftellen vorhanden, fonnte Göldi im Staate Nio Janeiro und den umliegenden Landesteilen diefes herzige Tierchen als regelmäßigen Be- wohner fennen lernen, und zwar in der Ebene jomwohl als bis über 1000 m hinauf im Orgel- gebirge. Allerdings verrät fich feine Anmwejenheit meift nur durch die zwischen dem Graje veritreute Zofung; tagsüber befommt man die Aperea nur durch Zufall zu Geficht. Will man fie im Freileben beobachten, fo muß man die Dämmerung abwarten. Bor Sonnen- untergang läßt fie fich nicht leicht bliden. Wenn man aber ihre Standorte einmal ausgefund- Ichaftet Hat, erfennt man leicht zioischen dem Grafe die von ihr hauptjächlich innegehaltenen Pfade und Fährten. Und weiß man die, fo fällt e3 gar nicht befonders fchwer, fie in beliebiger II I III NN Na N :. | SEN a IN Mara. Wilde Meerfihweinden. Mara. 147 Anzahl zu fangen, mit großen Drahtmausfallen, die mit frifchen Maiskförnern gefödert werden. Sn Paragıtay) lebt jie, nach Nengger, an den Waldrändern in Gefellichaften von 6—15 Stüd zwiichen den dichten Mafjen der Bromelien (Ananasgewächfe) und geht nie weit weg von ihren ausgetretenen Pfaden. Cutlers Aperea, Cavia cutleri Benn., die eigentliche Stammform des Meerjchwein- cheng, ijt eine etwas Fleinere Art und unterjcheidet ich außerdem noch durch fehtwärzlichen Ton der Allgemeinfärbung, obwohl die Weichen und befonders die Unterjeite ins Bräunliche fpielen. Unter den Mofos ijt e3 der auf ven Anden (beim Titicacajee) in 10—12000 Fuß Höhe lebende Bolivia-Mofo, Kerodon boliviensis Wtrh., der dort in großen Kolonien auftritt und in gemijjen Gebieten den ganzen Erdboden unterwühlt. Er ift oben gelbgrau, Kehle, Unterjeite und Füße weißlich; Nagezähne vorn vrangefarben. — Der Spir-Mofo, Kerodon spixi Wagl. (Taf. „Nagetiere IV“, 4, bei ©.141), der gewöhnlich im Berliner Garten gehalten und gezüchtet wird, lebt in Brafilien (Bahia, No de Janeiro) und ift oben dunkler, unten heller grau. Ein munteres, behendes Tierchen und gar nicht heifel, weder im Futter, noch im Wärmebedürfnis, an bejjeren Wintertagen immer im Freien. (Hed.) Cr ift übrigens, nach Göldi, gar Fein Felfentier, [jondern fommt „in den mehr ebenen Landjtrichen mit ausgiebigen, zufammenhängendenm Graswuchs vor”. — Der oben graue, unten weißliche Feljen-MoEo, Kerodon rupestris Wied, lebt ebenfalls in Brafilien, aber nur in felfigen Gegenden, wo er Die Spalten und Riten bewohnt, fich aber feine Höhlen gräbt. Göldi nennt ihn „ein Charafter- tier Der jteinigen Bergeinöden des Sertäo von Nord-Münas und Bahia ab bis nad) Maranhäo hinauf”. Die Indianer jagen ihn viel und nennen ihn „hoh”. In Piauhy und Ceara und den anjtogenden Kültenjtaaten muß er jogar zu Zeiten der durch periodiiche Trodenheit her- borgerufenen Hungersnot die Hauptfleiichquelle abgeben. Bei den Brafiltianern der Serra de Jbiapaba bei Fpu im Staate Ceara heißt, nach Snethlage, der Spir-Moto allein „Moch”, der Feljen-Mofo „Prea”. Beide werden, weil ihr Fleijch al3 Lederbijjen gilt, fortwährend verfolgt und find daher jo jcheu, daß Snethlage und ihr Präparator troß häufiger Spuren und geduldigen Wartens an befannten Ajungsplägen nicht eins der Tierchen zu Geficht befamen. Ein Höchit fonderbares Wültentier, die Mara, Dolichotis patagonica Shaw, ijt der Ver- treter einer le&ten Gattung (Dolichotis Desm.) der Familie der Meerjchweinchenartigen. In mancher Hinficht an die Hafen erinnernd, unterjcheivet fie fich von diefen Hinlänglich Durch die Hohen Beine und die fürzeren und ftumpferen Ohren. Der Leib ift jchwach, geitredt und born etwas dünner als hinten, die Beine find ziemlich lang, die hinteren länger als die vor- deren, die Hinterfüße drei-, Die horderen vierzehig, die Zehen hier Furz, dort ziemlich lang, an beiden Füßen aber frei und mit langen, jtarfen Krallen bewehrt. Der etwas jchmäÄchtige Hals trägt einen zufammengedrüdten, an der Schnauze zugejpibten Kopf mit langen, ziem- fich jchmalen, abgerundeten, aufrechttehenden Ohren und mittelgroßen, lebhaften Augen. Der Schwanz fit Furz und nach aufwärts gefrümmt. Die verhältnismäßig Heinen Badzähne zeigen eine jtarfe mittlere Schmelzfalte. Das Fell ift weich, Dicht und glänzend; die Haare jind kurz und fiegen glatt am Leibe an. Die Färbung ift auf der Oberjeite ein eigentümliches Braungrau mit feiner weißer Sprenfelung. An den Seiten und auf den äußeren Teilen der Füße geht diefe Färbung in eine hell zimtfarbene über. Ein jchwarzer led, der über der Schwanzgegend fit, wird durch ein weißes, oberhalb des Schwanzes jich Hinziehendes 10* 148 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajenmäufe im weiteren Sinne. Band jcharf abgegrenzt. Die ganze Unterjeite ift weiß, geht aber auf der Bruft in ein helles Bimtbraun über, das bis zur Kehle reicht, während die Gurgel wieder weiß ausjieht. Glän- zend Schwarze Schnurren ftechen lebhaft von den übrigen Haaren ab. Bei erwachjenen Tieren beträgt die Länge des Leibes 50 cm, wovon der Stummeljchiwanz nur 4—5 cm tweg- nimmt; die Höhe am Widerrifte aber fann bis 45 cm erreichen und läßt das Tier auf den eriten Anbfick eher einem Heinen Wieverfäuer al3 einem Nager ähnlich exjcheinen, zumal in der Bewegung. Dann verjchtwindet die flüchtige Ähnlichkeit, die die Mara im Siten mit einem furzlöffligen, jehr ichwach- und langläufigen Hafen allenfalls noch Hat, und wenn man fie auf den dünnen, vorn und hinten ziemlich gleichlangen Beinen jtehen oder langjam jchrittweije gehen jieht, jo glaubt man wirklich, einen Zwerg aus dem Hirjch- oder Antilopen- geichlechte vor jich zu haben. Der Galopp dagegen tft wieder mehr ein Mittelding zwijchen dem des Hajen und des Huftieres, obwohl auch bei diejer rajchen Bewegung das Empor- ichnellen auf allen vier Yäufen auffallend an gemwijje Antilopen erinnert. Weber nennt die Mara „eine zum jchnellen Laufe ausgerüftete Cavia mit großen Ohren, großen Augen- wimpern ujto.”, und dieje leßtere Eigentümlichkeit verdient allerdings befondere Erwähnung, teil jie jonft in der Familie nicht wieder vorkommt. Der Schädel ijt Dadurch gefennzeichnet, daß die vielen Nagern eigene Verjchmälerung des Gaumens nad) born zu auf die Spibe getrieben üt; jie geht jo weit, daß die entjprechenden Lückzähne der beiden Stieferjeiten jich mit ihren inneren Eden berühren. Schon von Darwin erfahren wir, daß die Mara in Südamerika nach Norden nicht über den 37. Grad jüdl. Br. hinausgeht, wenigitens im Often. Die jteinige und wajjerarme Wüjte Patagoniens it ihre Heimat. Dort, mo die Sierra Talpaquen dieje Wüjte begrenzt, der Bo- den feuchter und pflanzenreicher zu werden beginnt, verjchtwindet fie gänzlich. Nach Weften hin reicht jte bis in die Nähe von Mendoza und jomit bi3 zum 33. Grad fühl. Br.; es üt möglich, daß jie fogar noch in der Umgegend von Cordoba in Argentinien vorfommt. Früher war jie viel gemeiner al3 gegentwärtig, wo fie nur in Gegenden noch häufig ift, in denen fie die Unmirtlichfeit des Landes am meilten jehüßt. Ungeachtet diejer Häufigkeit hält es nicht gerade leicht, das Tier zu erlangen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil man e3 ziemlich jchwer zu jehen befommt. Entweder liegt e8 in jeiner Höhle verborgen oder hat jich platt auf die Erde gedrüct und wird dann durd) fein echt erdfarbiges Kleid den Blicken leicht entzogen. Dazu fommt noch feine Scheu und Furchtjamfeit. Die Mara ergreift bei der geringiten Gefahr jofort die Flucht. Dabei folgt die Gejellichaft, Die jich gerade beieinander befindet, einem Leittiere in Furzen, aber ununterbrochenen Sägen und ohne von der ge- taden Linie abzumweichen. Darwin fah die Mara mehrmals in figender Stellung vor ihrem Bau, erfuhr jedoch, Daß fie, ganz gegen die Gewohnheit der Nager und anderer Höhlentiere, häufig von ihrem Wohnorte jich entferne und in Gejellichaft mit anderen meilenmweit umher- jtreife, ohne gerade regelmäßig nach ihrem Bau zurüczufehren. Sie ift ein volfjtändiges Tagtier, obwohl fie während der Mittagshige ihren Bau aufjucht. Shre Nahrung beiteht in Pflanzen, deren Wurzeln und Ninden. Sr manchen Gegenden Patagoniens, wo auf dem hejigen Boden nur wenig Dürre und dornige Büjche ein erbärmliches Dajein friiten können, it fie das einzige lebende Tier, da3 man bemerkt. Über die Fortpflanzung wird von früher- her berichtet, daß das Weibchen zweimal im Jahre zwei Junge werfe. Das zurzeit (1912) im Berliner Garten gehaltene Marapaar hat jeit 1909 regelmäßig Junge gebracht, aber jedes Jahr nur einen Wurf, zweimal von 2 und zweimal von 1 Jungen, zweimal im Juli, einmal im Juni und einmal im November; leßterer Wurf war nur eine Totgebunt. Mara. 149 Sn der nächiten Nähe von Mendoza fommt die Mara, laut Göring, nur noch jehr jelten vor, öfter bemerft man jie weiter im Süden. Am häufigiten findet jie jich in Einöden, die nicht vollfommene Wüften, jondern bujchreich ind. Hier jieht man fie in Gejellichaften von 4-8, zuweilen aber auch in Herden von 30—40 Stüd. Die gleichen Gegenden bewohnt mit ihr das jchöne Helmfteißhuhn, Calopezus elegans, Dort Martinette genannt, und man darf mit aller Sicherheit Darauf rechnen, dag man da, wo der Vogel gefunden wird, auch Die Mara bemerken fann, und umgefehrt. Die Mara zählt zu den wenigen Säugetieren, die jich gerade im Sonnenschein recht behaglich fühlen. Wenn jie jich ungejtört weiß, legt fie jich entweder auf die Seite oder platt auf den Bauch und jchlägt dabei die Handgelente der Borderfühe nach innen um, wie fein anderer Nager e3 tut. Zumeilen reden und dehnen jich die ruhenden recht vergnüglich ; beim geringjten Geräufche aber jeßen jie jich auf, jtemmen jich auf die Vorderfühe und hinten auf die Ferje, jo daß die Pfoten in der Luft jchweben, verweilen, jtarır wie Bildjfäulen, ohne die geringite Bewegung in diejer Stellung und äugen und laujchen fcharf nach der Gegend hin, von der das Geräufc Fam. Währt diejes fort, fo erheben jie fich vollends, bleiben eine Zeitlang jtehen und fallen endlich, wenn es ihnen jcheint, daß die Gefahr näherfommt, in einen eigentümlichen, jehr oft unterbrochenen Galopp. Sie laufen bloß wenige Schritte weit weg, jeßen ich nieder, jtehen auf, laufen twieder eine Strede fort, jegen ich von neuem, gehen dann vielleicht 50—100 Schritte weiter, jeßen fich nochmals und flüchten num erjt, aber immer noch in gleichen Ubjäben, weiter. hr Lauf fördert dennoch ziemlich rajch; denn je jind imjtande, Süße von 1,5—2 m zu machen. Shre Nahrung beiteht aus den wenigen Gräfern, welche ihre arme Heimat erzeugt; jie fommen jedoch auch in die Pflanzungen herein und lajjen e3 jich in den Feldern, namentlich in den mit Sllee bejtandenen, vortrefflich jchmecden. Sie beißen die Gräjer ab, richten fich dann auf und frejjen in jißender Stellung, ohne dabei irgend etwas anderes als die Stiefer zu beivegen. Dabei hört man ein ziemlich lautes Geräujch, und es nimmt jich höchit eigen- tümlich aus, die langen Grashalme und Blätter jo nach und nach verjchwinden zu jehen, ohne daß man eigentlich etwas von der Kaubewegung wahrnimmt. Saftige Speijen ge- nügen vollfommen, um den Durjt zu löjchen. Eine mit Grünzeug gefütterte Mara erhielt während ihrer ganzen Gefangenjchaft nicht einen Tropfen Wajjer. Sn Mendoza beobachtete Göring eine erwwachjene Mara längere Zeit in der Ge- fangenjchaft. Für Liebfojungen zeigte je jich jehr empfänglih; wenn man jie Fraute, frümmte fie den Nüden, bog den Kopf zur Seite, al3 wolle jie die ihr wohltuende Hand jehen, und ließ dabei ein höchjt behagliches, aber unbejchreibliches Quiefen oder Grungzen vernehmen. Die Stimme hatte durchaus nicht® Unangenehmes, jondern im Gegenteil etwas Gemütliches und Anjprechendes. Die Mara ift außerordentlich vorjichtig und wählt fich zum NAuhen oder zum Frejjen immer die bufchlofen, lichteren Stellen aus. Deshalb it e gar nicht leicht, ihr jchußrecht auf den Leib zu rüden. Im Lager läßt fie ich nie überrafchen; ihre Sinne jind jo jcharf, daß fie jchon aus großer Entfernung die Annäherung eines Feindes wahrnimmt. Am feichtejten erbeuten fie geiibte Reiter mittels der Wurffugeln. Bei anhaltendem Laufe er- müdet jie doch und wird bon rajchen Pferden nach einiger Zeit eingeholt. Jndianer und Gauchos jagen fie mit Leidenfchaft, hauptfächlich des Felles halber, das zu ebenjo hübjchen wie weichen Fußteppichen und Deden verwendet mwird. Sn europäifche Tiergärten gelangt die Mara nicht jelten (Handelswert 100—150 Mark) und hält jich da ganz gut, obwohl man in der Regel fein größeres Gehege für jie übrig hat, 150 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hajenmäufe im weiteren Sinne in dem fie fich jelbft die Höhle graben könnte. Wo dies möglich ift, wie z.B. im Parijer Afffimatifationsgarten, bürgert fie ich volljtändig ein und lohnt durch Fortpflanzung. Sie fann in jedem Park ohne Schaden gehalten werden, weil fie nur Gras frißt, fein Holz jchält. Für den ländlichen Privatliebhaber vollends it fie ein jehr dankbares Tier, zumal jie aud) jehr winterhart it, Kälte ganz gut vertragen fan. Friedrich Falz-Tein, der Schöpfer eines wahren Tierparadiejes auf feinem Gute Ascania Nova im tauriichen Goudernement nördlic) der Krim, hat fogar die angenehme Erfahrung gemacht, daß er jeine Maras ganz frei über- wintern fann, troß eines Winters, der mit feinen tagelangen Schneejtirmen deshalb nicht weniger „ruffiich” it, weil ex füdruffiich it (bi3 — 30°). Das erflärt jich daraus, daß die dortige Kälte meift eine trodene Kälte ijt, während das nakfalte Wetter, da3 auch bei uns Menjchen und Tieren am meijten jchadet, faum vorfommt. Talz-Feinz Maras bejuchen dann die Schußhütten, die er auf feiner eingezäunten „Tieriteppe” für jeine verjchieden- artigen Pfleglinge aufgeftellt hat. Sonft nehmen fie gerne die Höhlen an, die ihr Pfleger ihnen graben läßt, haben fich aber jelbjt bi jeßt feinen Bau angelegt. Sie leben jtreng paarweife und nehmen paarweife ein ganz bejtimmtes Nevier in Anfpruch, aus dem jte jeden anderen ihresgleichen hinausbeigen. Sn der Höhle wirft das Weibchen ein Junges, da3 in diefer exit anderthalb Wochen Feitjibt, dann von den Alten mitgeführt wird. Wie feit die Paare aneinander hängen, zeigte jich bei Falz-zein auf eine ganz überrajchende und geradezu rührende Art und Weife. Er ließ fich einit aus Paris zur Blutauffriichung ein neue3 Paar fommen und hielt dejjen beide Gejchlechter mit denen jeines alten Paares freuzmweife den ganzen Sommer in je einem engen Stalle zufammen, um die Tiere um- zupaaren. Als er deijen ficher zu fein glaubte, fieß er beide neu zufammengeitellten Paare auf die Tierfteppe hinaus. Da nahm jich aber das alte Männchen fofort wieder fein altes Weibchen und bi das neue Männchen derart ab, daß diejes an feinen Wunden einging. Das neue Weibchen paarte fich dann mit einem überzähligen, in Ascania geborenen Männchen. — In Frankreich, wo dank dem Klima des Landes und dem Temperamente der Bewohner die Wogen der Afklimatijationsbeitrebungen immer bejonders hochgingen, hatte jchon vor Sahrzehnten ein ebenfo fenntnisteicher wie liebevoller Tierpfleger, Z. M. Cornely, auf jeiner idylfifchen Befigung bei Tours Maras glüclich eingebürgert und andere Liebhaber mit jeinen Zuchtproduften verjorgt. Bon ihm erhielt auch der Barijer Afklimatijationsgarten jeine Mara3 und der diefem naheftehende Pierre-Amedee Pichot in Sevres, der jie in jenem PBarfe vollfommen frei laufen läßt und regelmäßig züchtet. Bei ihm zeigen die Maras deut- fich ihre Abneigung gegen das Gehölz und verraten fo, daß jie Tiere der weiten, freien Steppe find. Seite an Seite liegen fie da, die Köpfe nach entgegengejegten Nichtungen gemendet, beherrichen jo den ganzen Gefichtsfreis und jehen eine Gefahr von allen ©eiten fommen. Pichot hatte von Cornely und aus dem Afklimatifationsgarten gehört, daß die Maras ihr Junges in einem flachen Erdbau zur Welt bringen, diejen aber nicht jtändig bewohnen. Sein erite3 Baar verfäumte diefe Vorbereitung und wurde von der Geburt überrajcht. Hußerit Fomisch war nun die Verlegenheit der Alten und des Jungen, welches von Geburt an fofort faufen kann. Das Kleine fchien feine Stinderftube zu verlangen, und die Alten Durch- juchten mit ihm in allen Richtungen kreuz und quer den Park nach einem pafjenden Quartier. Endlich famen fie an die Ti eines leeren Pferdeitalles, das Junge lief hinein und Froch unter die Haferfiite. Hier nahm e3 nun feinen bleibenden Wohnfib. Die Alten famen mehr- mals de3 Tages an die Stalltür; hinein wagten fie fich aber nicht: fie riefen ihr Stleines, diejes fam auf die Schwelle, um an feiner Mutter zu faugen, und verjtecte jich dann alsbald Mara. Kleine Grau-Mara. 151 wieder in jeinem Schlupfiwinfel. Pichot ließ dann am Fuße einer Lärche einen Holzfajten in die Erde eingraben und mit einem Finftlichen Zugange verjehen. Diefen „Bau“ haben dann jeit 1890 alle jeine Maras treu angenommen und dort bis 1904 jchon über 100 Junge zur Welt gebracht. Die Jungen haben die Grabarbeiten fortgejegt und jich einen richtigen Bau angelegt. Sn diejer unterirdiichen Wohnung it Plab für mehrere Zamtlien, und die Wohnung it oft von Würfen jehr verjchiedener Größe bejebt, da die Jungen den Bau nicht eher verlafjen, um jich dem Nudel anzujchliegen, bi3 jie beinahe die Größe der Alten erreicht haben. Auch bei Pichot zeigt jich die Anlage der Mara zur Einehe deutlich, und die Baare halten treu zufammen. Sie werfen 1—3 Junge, und das Männchen ber- läßt das Weibchen während des Gebärens nicht, entfernt vielmehr mit Entjchiedenheit alle ungebetenen Gäfte. Wenn aber die Kleinen glücklich da find, lajjen die Maras Verwandte und Freunde heranfommen und ftellen fie ihnen richtig vor. Wenn die Eltern zum Bau fommen, um die Jungen faugen zu lafjen, rufen fie fie durch ein eigentüimliches Pfeifen an den Eingang. Einmal wollte eine weibliche Mara, die ihr Junges verloren hatte und nun unter ihrem ftroßenden Gejäuge litt, mit einer glüdficheren Genojjin die Mutterpflichten teilen. Sie hatte aber eigentümliche Gewohnheiten, fieß die Jungen nicht in ihrer Be- haufung, fondern führte fie troß Regen und Wind im najjen Grafe und in Wafjerpfügen ipazieren, jo da die wirkliche Mutter mehrmals Hinter ihrer gefährdeten Nachfommenjchaft herlaufen mußte, um fie unter ihr rechtmäßiges Obdac) zurücdzubringen. Eines Wiorgens — die wachjame Mutter hatte gefehlt — war die „Bonne‘ mit einem jungen verjchtvunden, das jie unter einem Haufen Holz am anderen Ende des Parfes verjtedt hatte. Die Mutter machte fich auf die Suche, und ehe der Tag vergangen war, hatte jie ihr Junges mwieder- gefunden umd brachte e3 nach Haufe. Aber die Kindsdiebin verzichtete nicht auf ihren Plan, ein eines für fich allein zu haben. In der Nacht, bei Mondjchein, während die Naras nach ihrer Gewohnheit weit weg vom Bau nächtigten, fam fie an daS Loch heran und rief. Allein die Kleinen famen nur bis an den Eingang, weiter folgten jie ihr nicht. (d’Herbe- vilfe, „Sport universel illustre“, 1904.) Auf einer anderen Bejigung, beim Comte de Fels, hat man fogar fchon eine Treibjagd auf Maras abgehalten — mit der fröhlichen Schießluft, die den Franzojen auszeichnet. Lange Jahre kannte man im Tierhandel und in den Tiergärten nur die gewöhnliche große patagonische Maraart mit der fchwarzweißen Duerzeichnung über die Steulen. Da famen auf der jährlichen Tierverfteigerung im Antwerpener Garten Heine Maras zum Ber fauf, mehr eintönig braungrau, jedenfalls ohne die Keufenbänder. Sie wurden zivar als Junge der gewöhnlichen Art bezeichnet, erregten aber doch das Interefje und die Zweifel der Kenner. Ein Stüc gelangte in den Berliner Garten, veränderte fich während mehrerer Jahre weder in der Größe noch in der Farbe und wurde daher als die Ziwerg-Mara oder Kleine Srau-Mara, Dolichotis salinicola Burm. (Taf. „Nagetiere V”, 1, bei ©. 158), feitgeitellt, die der große deutfch-argentinifche Naturforjcher Burmeifter 1875 (,‚Proc. Zool. Soc.) be- ichrieben hat. Er erkannte fie fchon „Durch die noch größeren Ohren als neue Art” gegen die befannte patagonifche und führt die vertwunderliche Tatjache, daß fie jo lange unbefannt bleiben fonnte, auf die abgelegene Heimat zurüd: die „Salina“ genannte Salzmwüfte Snner- argentiniens, die damals exjt durch die zentralargentinifche Bahn erjchlojjen wurde. An dieje Salina früpfte er den toiffenschaftlichen Namen an (= Salgwüjtenbewohner), und mar fönnte das Tier daher auch deutich Salzwüjten-Mara nennen. Die Einwohner nennen es 152 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Agutiartige. Cunejo (Kaninchen) wie alle Kleinen Nagetiere des Landes. Dft jieht man drei Stüde zu- jammen, die Eltern mit ihrem noch nicht jelbjtändigen Jungen. Das Tier ift jehr behende und entwifcht mit großer Schnelligfeit unter die feinen Büjche jtachliger Leguminojen, Die in diefem Landesteil gemein jind. Sn den dichtejten diejer Büjche hauft es, und dort jcheinen auch feine Baue zu fein. Ganz fahle Flächen vermeidet es, wie die patagoniiche Mara. * Die nächjtverwandte Familie, die Agutiartigen (Agoutidae), jind teils Hochbeinigere, elegante, teil3 plumpere, unterjegte Nager mit langem, eigentümlich gewölbten Profil, feinen runden Ohren, meijt nadtem Schwanzjtummel und Hinterbeinen, die merklich länger als die vorderen find. Dieje haben vier Zehen und eine Fleine Daumenmwarze, während die Hinterfüße in bloß drei vollfommen getrennten, jehr langen Zehen enden. Alle jind mit ftarfen, breiten, wenig gefrümmten, Hufartigen, an den Hinterfüßen bejonders ent- wieelten Srallen bewehrt; nur auf der Daumentmwarze figt ein Kleiner platter Nagel. Die eigentlichen Agutis (Dasyprocta 71.) haben einen leichten und feinen Bau, machen daher einen angenehmen Eindrud, zumal fie auch in jehr gefällige, zum Teil fogar jatte und lebhafte Farben gekleidet find. Das Gebif ift ftark; die flachen, platten Ntagezähne treten bejonders hervor, fchon weil das obere Paar ziemlich lebhaft rot, das untere gelblich gefärbt üt; Die rundlichen Badzähne zeigen eine einzige einjpringende Schmeßfalte und mehrere Schmelzinjeln. Die Agutis finden fich paarweije oder in Heinen Gejelljchaften in waldigen Ebenen, namentlich in den dichtejten Wäldern der Flußniederungen; doch gehen einige auch bis zu 2000 m ü. M. im Gebirge empor. Der oder das Uguti, Guti oder, wie er feines hübfchen elle twegen auch wohl heikt, der Goldhaje, Dasyprocta aguti Z., eines der jchmuciten Mitglieder der ganzen Familie, hat dichte und glatt anliegende Behaarung; das raube, harte, fait borjtenartige Haar zeigt lebhaften Glanz und rötlich-zitronengelbe, mit Schwarzbraun untermifchte Färbung, ift drei- bis viermal dunkel fchtwarzbraun und ebenfooft rötlich-zitronengelb geringelt und endet bald mit einem hellen, bald mit einem dunfeln Ringe, wodurch eben die gemijchte Färbung hervorgerufen wird. An einigen Leibesitellen mwaltet Das Gelb vor, indem das Schwarz entweder ganz verjchtwindet oder nur einen fehmalen Ring bildet. So fommt e3, daß die Gejamtfärbung fich verändert, je nachdem jich das Tier bewegt, je nachdem die Beleuchtung eine verjchiedene und endlich je nachdem das Haar hier länger und dort fürzer ft. Das Geficht und die Gliedmaßen deden bloß furze Haare, das Hinterteil längere und das Kreuz tie die Schenkel folche von fait Sem Länge; die Kehle ift nadt. An Kopf, Naden, Borderrüden und an der Außenfeite der Gliedmaßen herrcht die rötliche Färbung vor, weil die Sprenfelung hier jehr dicht ift; am Hinterrüden und in der Sreuzgegend erjcheint das Tier gelblicher, weil hier die Sprenfelung untergeordneter üft. Je nach den Jahreszeiten ändert jich die allgemeine Färbung ebenfallz; fie ift im Sommer heller und im Winter dunkler. Die Leibeslänge eines erwachjenen Männchens beträgt 40 cm, die de3 Schwanzjtummels bloß 1,5 em. Brafifien im Gebiete de3 Amazonenjtromes und das öftliche Peru find die Heimat der Cutta. So heißt das Tier dort nämlich im Spanijchen allgemein, abgeleitet von dem alten Smdianermwort „akuti“, das durch die großen franzöfifchen Naturgejchichtichreiber Buffon, Desmareft zu „Agouti” wurde. Göldi erklärt die Wortbedeutung als „Früchte aufjtechendes (benagendes) Tier”. Im unteren Amazonasgebiet wird D. aguti, nach Göldi, durch den Agufis. ı Azaras Aguti, 2 Mohren-Aguti, 3 Aguti, 4 Schopf-Aguti. 2 Aguti. 153 Gelbrüden-Aguti, D. croconota Wagn., exjeßt, der bejonders im Mündungsdelta, 3. B. auf der Injel Marajd, jehr häufig, Heiner von Geftalt und auf dem Hinterrüden ganz grell jafranfarbig ift. An den meijten Orten ift ver Aquti recht zahlreich, bejonders in den Fluß- niederungen Brafiliens. Hier wie überall bewohnt er die Wälder, die feuchten Urwälder ebenjo wie die trodeneren des inneren Landes, treibt jich aber auch auf den angrenzenden grasreichen Ebenen herum und vertritt dort die Stelle des Hafen. Jm freien Felde fommt er nicht vor. Gewöhnlich findet man ihn über der Erde, in hohlen Bäumen nahe am Boden, und öfter allein al3 in Gejellfchaft. eder hat, nad) Göldi, jein Wohnrevier mit einem pajjen- den Schlupfwinfel, das er gegen andere verteidigt. Doch gibt e3 auch gewijje Lieblingspläge, ähnlich wie bei uns in hafenreichen Gegenden. Snethlage-PBara berichtet von einem jolchen am Kingu — e8 war am Rande eines Keinen natürlichen Campos, wo diejer an palmen- reichen, aber ziemlich trodenen Urwald grenzte —, imo eine ganze Anzahl Goldhajen im Graje aufjprangen, um jchleunigjt in den Wald zu flüchten. Sonft liegt der Goldhaje tagsüber für gewöhnlich ruhig in feinem Lager, das er jich aber, nach Göldi, nicht erjt durch mühevolfe Grab- arbeiten herftellt, jondern in einem natürlichen Berjted wählt, einer unterhöhlten Baum- twurzel, in einem umgejtürzten und ausgefaulten Baumjtamme, unter Felstrümmern. Nur da, too er fich vollfommen jicher glaubt, ftreift er auch bei Tage umher. So überrajchte Sneth- lage im Gebiete der jüdlichen Nebenflülje des unteren Amazonas gar nicht jelten eines oder das andere diejer Tiere, das, ehr in feine Bejchäftigung vertieft, meijt mit einer Frucht im Maule, durch den Wald trottet. Sowie e3 den Menjchen einmal bemerft hat, beginnt ein geradezu rajendes Flüchten, bei dem es jchnell unfichtbar wird. Mit Sonnenuntergang geht der Goldhaje auf Nahrung aus und verbringt bei guter Witterung die ganze Nacht auf jeinen Streifzügen. Cr hat, wie Nengger berichtet, die Gewohnheit, jenen Aufenthaltsort mehr- mals zu verlajjen und wieder dahin zurüdzufehren; hierdurch entjteht ein jchmaler, oft 100 m langer Fußteg, der die Lage des Wohngebietes verrät. Bringt man einen Hund auf dieje Fährte, jo gelingt es, falls fich das Lager nicht im Didicht befindet, fajt regelmäßig, des Tieres habhaft zu werden. Die Hunde verbellen ihr Wild, und man fann es dann aus feiner Höhle hervorziehen oder ausgraben. Wird der Aguti aber die Ankunft der Hunde zeitig gewahr, fo entfernt er fich augenblidlich, und feine Gemwandtheit, jein jchneller Lauf bringen ihn dann bald aus dem Bereiche feiner Verfolger. GHDi ftellt die Cutia im Einklang mit der Bedeutung ihres alten ndianernamens hauptfächlich als Fruchtfreffer Hin, der fich ebenfomwohl das jaftige Fleijch weicher wie Die Samenferne holziger Früchte fehmeden läßt. Am Amazonenftrom tragen mehrere ein- heimijche Sruchtbäume mit mehligem, eidotterfarbigem Fleifch geradezu den Namen „Cutta- Speije” (Acutitiribä). Die großen Sapucajaferne verzehrt fie ebenjo gern wie der Menjch, und mit der größten Kunftfertigfeit öffnet fie die verjchiedenen PBalmnüfje (Indaja, Ayıt, Inajs). AS ginge e3 an einer Drehbanf mit Mafchinenbetrieb, jo flinf wird die ziijchen den Vorderpfoten bewegte Nuß ihrer Fleifhumhüllung entledigt, und von einem jteinharten Kern fliegen die Späne buchjtäblich weg, al wenn fie vom Drechiler mit jcharfem Stahl- meißel abgejchtotet würden. Die Cutfa fennt die Standorte ihrer Lieblingsfrüchte und jucht dieje ebenjo regelmäßig auf wie ihre Tränfen an einem Ninnfal mit Harem Wafjer, das ihr offenbar Bedürfnis ift. Bei Überfluß, wo etwa eine Palme ihre mächtige Fruchttraube entleerte, legt die Cutia fich aber auch Vorräte an, Proviantveritede, wie Göldi jagt, aller- dings in wenig umfaffender und forgfältiger Form, indem fie einfach eine Frucht bei- jeite trägt und in ein trichterförmiges Exrdloch einfcharrt. Das gejchieht mit einer gemiljen 154 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Agutiartige. fieberhaften Eile der jtrampelnden Borderfüße, und noch drolliger ıjt es, nach Göldi, an= ujehen, tie jie immer wieder nachichaut und ihren Schab wieder mo andershin trägt, als ob jie Entdedung und Beraubung fürchtete. Da fte ficher einen Teil der vergrabenen Früchte vergißt, jo trägt fie wohl auch zur Verbreitung der betreffenden Pflanzen bei. Der Aguti it, nach GBldi, aber auch ein gieriger Cier- und Bogelräuber, der an den Nejtern der erd- brütenden Steif- und Zahnhühner und an jungen Baumhühnern manchen Schaden tut. Cr tötet die jungen Bögel durch einen Biß in den Kopf und verzehrt zuerit das Gehirn. Als ängftliches Tierchen ift der Aquti vielen Gefahren preisgegeben, jo daß ihn eigent- lich nur die außerordentliche Gemwandtheit feiner Bewegungen und die jcharfen Sinne vor dem Untergange retten fönnen. Syn der Öefangenjchaft zeigt er jich aber mitunter auch recht ftreitluftig, zumal wenn man mehrere Arten zufammenfperren muß. Dann fan man es erleben, daß fie jic) an Schultern und Rüden über fingerlange, weitklaffende Wunden bei- bringen, an denen eines oder das andere eingeht. Zm Laufe macht der Aguti Sprung- jchritte, die aber jo fchnell aufeinander folgen, daß e3 ausjieht, als eile das Tier im gejtredten Galopp dahin. Der ruhige Gang ift ein ziemlich langjamer Schritt. Unter den Sinnen fcheint der Geruch am jchärfiten entmwidelt, aber auch das Gehör jehr ausgebildet, das Gejicht da- gegen ziemlich blöde zu jein. Die geiltigen Fähigkeiten find jehr gering, nur ein gemiljer Drtsjinn ist vorhanden. Yım übrigen fällt die große Neinlichfeit auf. Die Toilette füllt, nach GHhi, einen großen Teil des Tagesprogrammes der Cutla aus. Yeden Augenblid jebt fie jich auf die Hinterbeine und pußt ji) mit den Borderpfoten Kopf und Geficht. Ar Laut- äußerungen läßt fie bei Ürger und Zorn ein Fauchen hören, verbunden mit Sträuben der ver- längerten Sinterleibshaare, bei angenehmer Erregung, alfo bejonders während der Brumitzeit, ein ähnliches von Zittern der ganzen Körperhaut begleitetes Wiehern wie die Capybara. Auch das Trommeln mit den Hinterfüßen, das man vom Kaninchen fennt, übt fie manchmal. Über die Fortpflanzung der freilebenden Agutis fehlen noch genaue Nachrichten. Das Männchen fucht ein Weibchen auf und jagt ihm nach unter Pfeifen und Grunzen, bis e3 das anfänglich jehr [pröde Weibchen jeinem Willen geneigt gemacht hat. Bald nad) der Begattung lebt jedes Gejchlecht einzeln für jich. Das Weibchen bezieht jein altes Lager wieder md richtet e8 zur Aufnahme der Jungen ein, d. h. poljtert es möglichit dicht mit Blättern, Wurzeln und Haaren aus, bringt auf diefem weichen Lager die Jungen zur Welt, jäugt fie mehrere Wochen und führt jie chlieglich noch einige Zeit mit umber, um fie bei den eriten Weidegängen zu bejchüßen. Gefangene AUgutis pflanzen jich nicht felten fort. Schon Nengger erzählt, daß ein Pärchen, das Parlet bejat, nach langem Werben und Verjagen jich paarte, und daß das Weibchen nach jechswöchiger Tragzeit zwei, leider tote Junge warf. Sm Boologijchen Garten in PBard fallen die Würfe von 1—2 Jungen gewöhnlich in die Monate der Winter- regen (anıtar bis April); im Jahre 1910 erhielt man jedoch um dieje Zeit, ebenjo wie von den Pelaris, gar Feine Nachzucht, wohl aber je einen Wurf im Dftober und November. Ir London, Amjterdam, Köln und anderen zoologijchen Gärten hat man ebenfall3 Junge ge- züchtet. „Zweimal“, jagt Bodinus, „haben wir fchon Junge von unjeren Agutis gezogen, das eritemal zivei, da3 zweitemal nur eins. ch hatte Dabei Gelegenheit, zu beobachten, daß das Weibchen fein großes Zutrauen zu der Kinderliebe des Vater hat. Die Fleinen Tierchen liefen, obwohl etwas fchwach auf den Füßen, bald nach der Geburt umher, ähnlich tie Die neugeborenen Jungen vom Meerjchweinchen. Nahten jie fich dem Vater, jo jtürzte die Mutter mit geiträubten Haaren auf fie zu, ergriff fie mit dem Maule und trug fie in Aguti. 155 eine Ede — ein Verfahren, welches das bejorgte Tier mehrere Tage fortjegte, bis die Stinder die Mutter zu fennen jchienen und die gefährliche Nähe des Herrn Papas vermieden. Nach 4—5 Tagen fchien der Bater an den Anblid der Sinder gewöhnt und die Gefahr befeitigt zu jein. Meijt juchten fich die Stleinen in irgendeinem Schlupfwinfel aufzuhalten und famen, jobald ji Ehluft einftellte, mit quiefenden Tönen heran, mit zärtlicdem Anurren begrüßt bon der Mutter, welche, auf den Hinterfüßen jisend, fie jaugen lieh. Unpermutetes Geräufch verjagte fie in ihren Schlupfmwinfel, bis jie, mehr an die Umgebung gewöhnt, fich allmählich frei zu bewegen begannen und der Mutter folgten. Wenige Tage nach der Geburt benagten jte jchon das Futter der Alten und wuchjen ohne irgend bemerfliche Umjtände allmählich heran. Bei der Geburt tragen die Tierchen gleich das Gepräge der Alten und weichen nur unbedeutend in den äußeren Formen ab.” Auch von mir gepflegte Agutis haben geboren, am 2. Februar bei ziemlich jtarfer Kälte und wahrjcheinlich im Innern der jehr geräumigen Höhle, die meine Gefangenen nach eigenem Belieben und Ermejjen innerhalb ihres Geheges fich ausgegraben hatten. Ich fand eines Morgens die getöteten Jungen mit zerbijjenem Kopfe vor dem Eingange der Höhle liegen und vermutete, daß dDiejer Mord von anderen Gutis, welche in demjelben Ge- hege wohnten, begangen worden war. Der Erwähnung wert jcheint mir zu fein, daß meine gefangenen Gutis alle Leichen aus dem Innern des Baues herausjchleppten und vor ihrer Köhre ablegten. Wie die Jungen, war auch ein alter Guti, der im Innern der Höhle ver- endet jein mochte, von den übrigen ins Freie gebracht worden. Diejes Verfahren der Tiere Iteht mit ihrer großen Neinlichfeit im innigjten Zujammenhange. Nengger erzählt, daß der Guti, jung eingefangen und jorgjam aufgezogen, fait zum Haustiere wird. „Sch habe”, jagt er, „mehrere Ugutis gejehen, welche man frei herumlaufen (ajjen konnte, ohne daß fie entwichen wären; jogar mitten in großen Wäldern, ihrem Aufent- halte im freien Zujtande, entweichen fie nicht, wenn fie einmal gezähmt find. &3 ijt aber nicht jowohl die Anhänglichkeitt an den Menjchen, fondern die Angewöhnung an ihren Aufenthaltsort, welche bei ihnen den Hang zur Freiheit unterdrücdt. Sie find dem Menjchen nur wenig ergeben, unterjcheiden ihren Wärter feineswegs don anderen Perjonen, ge- horchen nur jelten jenem Aufe und juchen ihn nur dann auf, wenn jie der Hunger drängt. Auch lafjen fie jich ungern von ihm berühren; jie dulden feinen Zwang, leben ganz nach ihrem eigenen Willen und können höchitens dazu gebracht werden, ihre Nahrung an einer beitimmten Stelle aufzufuchen. Übrigens verändern fie im häuslichen Zuftande ihre Lebens- art injomweit, daß fie mehr bei Tage herumlaufen und bei Nacht ausruhen. Gewöhnlic, wählen jie irgendeinen dunfeln Winfel zu ihrem Lager und politern dasjelbe mit Stroh und Blättern aus, zuweilen aber auch mit jeidenen Frauenjchuhen, Schnupftüchern, Strümpfen ujw., welche jie in feine Stüde zernagen. Sonjt richten fie mit ihren Zähnen wenig Schaden an, außer wenn man fie einjchließt, wo fie dann alles zerftören, was für ihr Gebiß nicht zu hart it. Ihre Bewegungen jind jehr leicht. Sie gehen entweder in langjamen Schritten, wobei fie bloß mit den Zehen auftreten und den Rüden ftark wölben, oder jie laufen im gejtreckten Galopp oder machen Sprünge, welche an Weite denen unferes Hafen nichts nach- geben. Laute geben jie jelten von fich, außer wenn fie gereizt werden; dann lafjen jte einen pfeifenden Schrei hören; doch Inurren fie zumeilen, aber nur ganz leije, wenn jie an einem verborgenen Orte irgend etivas zernagen. Werden fie in Zorn oder in große Furcht gejebt, jo fträuben fie ihre Nüdenhaare, und es fällt ihnen dann oft ein Teil davon aus. Man ernährt jie mit allem, was im Haufe gegejjen wird. Cine Lieblingsipeije jind die Rojen. 156 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Agutiartige. Sowie eine von diejen Blumen in ihre Wohnung gebracht wird, wittern fie ihr Borhandenjein auf der Stelle und juchen fie auf. Die Nahrung ergreifen fie gewöhnlich mit den Schneide- zähnen und nehmen jie dann zwischen beide Daumenmwarzen Der Vorderfühe, indem jie jich tie das Eichhörnchen auf die Hinterfühe jegen. Sch jah fie nie trinken, jedoch jollen fie nach Parlets Beobachtungen das Wafjer lappend zu fich nehmen." Bodinus jagt mit Necht, daß die zierliche Geftalt, das jchöne Ausjehen und die Nein- lichfeit die Aqutis für alle Liebhaber jehr empfehlenswert machen. Die von Bodinus ge- haltenen waren fo zutraulic) geworden, daß fie Dargereichte Xederbijjen aus der Hand nahmen und augenblidlich verzehrten. Andere Gefangene ergögen hauptjächlich durch die obenerwähnte Eigentümlichfeit des Tuttervergrabens. Außerft Fomifch fieht e3 aus, wie jorgjam jie fich Dabei umjchauen, und wie jorgfältig fie bemüht find, ihre Schaßbergerei un= gejehen zu verrichten. Naht fich ihnen ein anderes Tier, jo jträuben Sie fofort das Haar und gehen zornig auf den Störenfried [o3. Futterneidisch fcheinen fie überhaupt im höchhten Grade zu fein; ihre jchwächeren Mitgefangenen müfjen fich jeden Bijjen jtehlen, welchen fie genießen wollen, und jelbit jtärferen Wohnungsgenofjen, 3.8. Bafas und Murmeltieren, machen jie die Nahrung ftreitig. Dasjelbe beitätigt neuerdings Snethlage aus dem Zoologijchen Garten in Para, wo die Ugutis „Durch Unverträglichkeit ihresgleichen und anderen Tieren gegen- über viel Mühe und Verdruß machen. Schwere Bißwunden fommen gar nicht felten vor; daß es Junge gab, merkt man manchmal erst, wenn man die zerfleijchten Leichname findet, und ein zu einem Nudel gejebter Fremdling ijt meijt unrettbar verloren.” Die Neinlichkeit der von mir gepflegten Gutis zeigte ich bei jeder Gelegenheit. Cie hielten fich jelbit fortwährend in Ordnung und vermieden jorgjam, fich irgendwie zu be- ichmugen. Ihre Baue waren ftetS vortrefflich imftande. Sie verdanften diefe eigentlich einem Murmeltiere, welches ich in ihr Gehege jeßte. Bis zur Ankunft diefes Wohnungs- genojjen hatten fie nicht daran gedacht, jich eigene Höhlen zu graben, fondern mit den für jie hergerichteten Schlupfwinfeln, die mit Heu und Stroh wohl ausgepolitert waren, gern jürlieb genommen. Sobald das Murmeltier zu ihnen Fam, änderte fich die Sache. Der Sohn der Alpen fand bejagten Schlupfwinfel durchaus nicht nach feinem Gejchmad und machte von feiner Hunjtfertigfeit fofort Gebrauch. Er begann zunächit eine fchief nach unten führende Nöhre zu graben und arbeitete dieje im Verlaufe der Zeit zu einem vielfach ver- zweigten Bau aus. Yedoch hatte er fich verrechnet, wenn er glaubte, für fich allein gearbeitet zu haben; denn die Gutis fanden den Bau nach ihrem Behagen und befuhren ihn gemein- Ichaftlich mit dem rechtmäßigen Befiber; ja e3 fchien, al3 habe diejer jie erit da$ Graben gelehrt: denn fortan arbeiteten auch fie mit Ausdauer und Eifer an der Vervollfommnung der unterivdiichen Wohnung. Das Murmeltier fette feine Belehrungen fort, indem es Heu und Stroh nad) dem Arnern der Höhle fchleppte; die Gutis ahmten aud) diejes nach, und binnen Furzer Zeit hatte fich die ganze Gejellichaft beitmöglich eingerichtet. Ende Sep- tember verjchwand das Murmeltier den Blicken, wahrscheinlich weil e3 bereits in Winter- Ichlaf gefallen war; e3 blieb jomit wenigjtens der größte Teil Des Baues den Gutis zu un- umjchränkter Verfügung. Bon nun an jchleppten fie jehr viel Heu und Stroh in das innere, räumten aber von Zeit zu Zeit wieder ordentlich aus, worauf fie neue Vorräte eintrugen. Sie blieben den ganzen Winter Hindurch in diefer angeeigneten Herberge, weil e3 mir un- möglich war, fie zu fangen. Al ftarfe Kälte eintrat, zeigten fie fich nur auf Augenblide, um zu jrejjen, und zwar bei Tage ebenjogut wie des Nachts. Die Kälte fchien ihnen zwar unangenehm, aber nicht fehädlich zu fein; mwenigjtens hielten fie zu meiner größten Aguti. Azaras Aguti. 157 Überraschung bedeutende Kältegrade vortrefflich aus. Erjt der fallende Schnee wurde ihnen (äftig und einem von ihnen verderblich. Unter den vielen Feinden, die den Aguti bedrohen, jtehen die größeren Haben und brafiliichen Hunde obenan; aber auch der Menjch ift dem jchmuden Nager feineswegs wohl- gefinnt, und der Jäger jieht in ihm nächit dem Stletterftacheljchtweine das verhaßtefte Tier. „Kaum hat er”, jchildert Henfel, „jich angejchiekt, mit jenen Hunden die Berge zu befteigen, da finden jchon die Hunde eine Fährte und jagen laut und Hitig auf ihr die Xehne entlang, bis in der Ferne ihr Standlaut Nachricht gibt, daß jie das Wild feitgemacht haben. Mit Sngrimm hat der Jäger bei dem eriten Laute der Hunde erfannt, welchem Wilde die Jagd gilt; fluchend folgt er der Jagd und jteht enplich vor dem Stamme einesKiejen des UIrmwaldes, welcher, im Innern ausgefault, auf dem Boden liegt und der Vermwejung anheimfällt. Hier arbeiten die Hunde an allen Löchern und Kiffen mit mehr Eifer al8 Erfolg. Noch wideriteht das Holz des Stammes ihren Zähnen, und nur aus dem Innern hervor Hört man das Snurren de3 Guti. Nicht ohne Mühe jind endlich die Hunde abgerufen, und der Jäger beginnt höher zu jteigen, da entwidelt fich eine neue Jagd, und verzmeifelnd verläßt jener das Revier; denn die beiten Stunden für die Jagd find jchon verftrichen. Sm den meilten Fällen it es nicht möglich, das Tierchen feitzumachen. Der Gutt fennt alle hohlen Stämme jeines Ge- bietes und flüchtet vor den Hunden in den nächiten beiten, um ihn augenbliclich durch eine Offnung am entgegengejebten Ende wieder zu verlajjen. Bevor die Hunde den Ausgang finden, ift er jchon längjt in einem anderen Stamme, um das Spiel fo lange zu wiederholen, bis die Hunde, entmutigt und ermüdet, die Jagd aufgeben. Man wird nın den Haß des Sägers begreifen. &3 gibt Gegenden im Urmwalde, in denen wegen der Menge der Gutis eine ordentliche Jagd gar nicht zuftande fommt." Nach) Badermann-Eanit („Zehn Jahre in Britiih-Guayana”, 1911) wird dort die Aqutijagd des Balges wegen geübt und deshalb, weil die Tiere in den Plantagen viel Schaden anrichten. Man verwendet mit gutem Erfolge die auch in Nordamerika für nächtliche Jagd jehr gebräuchliche Blendlaterne over elektrijche Tafchenlaterne. Wenn der Jäger jich mit einer jolhen auf dem Aaqutimwechjel anftellt und das nahende Tier, das fich Durch fein Laufgeräufch und feine pfeifenden Töne deutlich anfündigt, plößlich mit dem blendenden Lichte bejtrahlt, fo ijt der Aguti wie gelähmt und fan bequem erlegt werden. Nach Snethlage-PBara findet übrigens im Amazonasgebiete Heute das „Ihmadhafte, wenn auch etiwas trodene Fleifch” der Cutia viele Liebhaber. Nach Göldi behauptet e3 die zweite Nangjtufe gleich hinter dem beften Wildbret des Landes, der Bala, und wird in den Küftenftädten von Hotel und Privatleuten gut bezahlt. Die wilden Jn- dianer Südamerikas verwenden, nach Göldi, die auf einem Schaftgriff befeitigten Nage- zähne der Cutta, die eine Schneidefante, feharf wie ein Nafiermefjer, haben, beim Täto- tieren umd Verzieren ihrer Tongefäße. Der grüne oder Azaras Aguti, Dasyprocta azarae Leht., neben dem gelbroten der häufigite in den zoologischen Gärten, neuerdings vielleicht noch häufiger, führt über zu einer anderen Farbengruppe der Agutis, die fich in dunkle, grünlich-chroärzliche, höchitens Durch jilberigen Anflug aufgehellte Töne fleidet. Er fommt aus dem füdlichen Brafilien, Bolivien und Paraguay, alfo dem Teile Sidamerifas, von wo zurzeit die meiften lebenden Tiere ausgeführt werden, und.ift deshalb heute in den Tiergärten eine gewöhnliche Erjcheinung, die allerdings auf den Bejchauer nicht fo auffallend wirkt wie die des vorgenannten nörd- lichen Verwandten, weil die lebhafte Färbung der Hinterhälfte fehlt, dieje vielmehr ebenfalls 158 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Agutiartige. graugrünlich geiprenfelt it, im einzelnen gejprochen, auch dort die Haare jchwarz und gelb geringelt find. Am Berliner Garten hat diefe Art im Jahre 1905 eine Mifchlingszucht geliefert mit einer zur jelben Farbengruppe gehörigen, noch dunkfleren, dem Mohren- Aguti, D. fuliginosa Wagl., aus Mexiko, Yucatan, Guatemala, Cojtarica, das namentlich am Hinterrücden auf jehwärzlicdem Grunde durch lange, weiße Gtichelhaare einen ganz eigenartig hübjchen Silberanflug erhält. Die übrigen Arten fommen nur gelegentlich zu Ku wir fünnen daher nur einige wenige furz erwähnen, wobei wir ung in der Hauptjache an Mlftons Bejchreibungen halten (Proc. Zool. Soe.‘, 1876). Durch diefe wurde „ein qut Teil der Verwirrung”, wie der Berfajjer fich ehr richtig ausprüdt, befeitigt, in welche Namengebung und geographifche Verteilung der Gruppe geraten waren, weil die Agutis, von Merifo und den Antillen bis Brafilien und Paraguay verbreitet, in diefem weiten Gebiete „eine ganze Reihe zwar qut bezeichneter, aber nahe verwandter geographijcher Nafjen“ bilden. &3 it interejjant zu fehen, tie fchon Alfton ich außerjtande erklärt, durchgehende Schädelunterjchiede zu finden, und lich genötigt fieht, e3 bei äußeren Merkmalen beenden zu lajjen, von denen er die Farbe der langen Haare am Hinterrücden al3 das zuverläjjigite erkennt. Göldi Fakt die Verbreitung der AUgutis fo auf, daß an der Nord- und Güdgrenze nur je eine Art vorkommt: in Mexiko D. mexicana, in Südbrafilien und Paraguay D.azarae. Dieje wird im inneren und mittleren DBrafilien durch D. aguti erjeßt. Mit der Annäherung an das amazonilche Waldgebiet und die tropijch-äquatoriale Zone tritt aber dann eine „Sormen-Aufjpaltung” ein in einer Mannigfaltigfeit, daß teils nebeneinander, teils nacheinander in jchmalen Ablöfungsftreifen nach Norden zu mindeftenz ein halbes Dugend Arten zu unterjcheiden find. Merifanifcher Uguti, D. mexicana Sauss., aus Meriko: am Äähnlichiten D. fuliginosa, aber noch dunfler ge- färbt; weniger verlängerte Haare am Hinterrüden, die durchweg [hivarz find von der Wurzel bis zur Spibe. Das übrige Haar [chrwarz und rein weiß geringelt, am Hinterrüden ganz Schwarz; Hals und Bauch weiß. Schopf-Aguti, D. prymnolopha Wagl., aus Guayana, Nordvenezuela: zeichnet fich bejonders aus Durch den Schwarzen Schopf, welchen die verlängerten Haare am Hinterkopf, und durd den noch viel längeren, glänzend fohljehmwarzen, gewölbten und am Ende zugeipikten Schopf, welchen die Haare längs der Mitte de3 Hinterrücdens bilden, wo fie weit über den After herabhängen; fie find am Grunde fahlgelb. Sonit it dag Haar fchwarz und gelb geringelt; in den Weichen fatt goldorange oder rot. Da3 Heine Acuchhy oder Gejhwänzte Aguti, Myoprocta acouchy Erxl. (Taf. „KRagetiere V", 3), aus Guayana und dem amazonischen Brafilien, unterjcheidet fich von allen anderen Arten durch feinen längeren Schwanz und ijt deshalb mit Recht von Thomas 1903 (,‚Am. Nat. Hist.“) zu einer bejonderen Gattung erhoben worden. Der Schwanz it dünn und weiß behaart und wenigitens 5 cm lang, bildet aber nicht die einzige Cigentüm- lichkeit de3 faninchengroßen, jchlanf und zart gebauten Tierchen, das fich vielmehr auch im Schädel- und Anochenbau (Schlüfjelbein) unterjcheivet. Farbe oben faftanienbraun, unten gelbrot, Beine mit orangerotem Anfluge, Füße fchwärzlich gefprenfelt; Hinter den fleiich- farbenen, fpärlich behaarten Ohren ein gelber Fled. Die Farbe der Oberfeite ijt veränder- ih und fann fich bi$ zu Schwarz verdunfeln. Das im Berliner Garten gehaltene Paar erweiit fich als fehr zahm und Tiebenswiürdig, wenngleich das Männchen nicht ganz ohne Beipkuft ift. Diefes Paar wird aber auch) allein gehalten. Dagegen it, nach Snethlage, ein jeit jechs Jahren im Zoologifchen Garten zu Para lebender „Cutiaya”, wie der Schmwanz- aguti dort heißt, „troß feiner Zierlichfeit einer unjerer wildeften und bfutgierigjten Pfleg- finge, der über viel größere Tiere Herfällt und fie erbarmungslos zerbeift”. Nagetiere V. 1. Zwerg-Nlara, Dolichotis salinicola Burm. 1/4 nat. Gr., s. S.151. — W.P. Dando, F. Z. S.-London phot. “. u Dt u Te nn “ 2. Pakarana, Dinomys branickii Pfrs. l/3 nat. Gr., s. S, 162. Prof. E. A. Göldi-Bern. phot. 3. Geichwänztes Aguti, Myoprocta acouchy Erxt. !/4 nat. Gr., s. S. 158. — Dr. O. Heinroth - Berlin phot. & PANNE 4. Paka, Agouti paca /. 1/5 nat. Gr., s. S.159. — W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. Weitere Agutiarten. Aeuhy. Pala. 159 Die oder das Rafa, Agouti paca L. (Coelogenys; Taf. „Nagetiere V“, 4), ift mit ihrem jeßigen lateinifchen Oattungsnamen (Agouti Lacep.) eines der von den heutigen Tierfundigen halb verwünfchten, halb bedauerten Tiere, die ihre jchöne, pajjende, feit eingebürgerte wifjen- ichaftliche Bezeichnung gegen ein wahres Monjtrum eines neuen oder vielmehr ältejten Namens eintaufchen mußten. Aber das unanfechtbare und deshalb unerbittliche Geje der Priorität will es jo. Die Pafa fennzeichnet fich Durch eigentümlich dien Kopf, große Augen und Heine Ohren, jtummelhaften Schwanz, furze, Fräftige Beine, fünfzehige Vorder- und Hinterfüße, borjtiges, dünn anliegendes Haarkleid und bejonders durch den merkwürdig aus- gedehnten, innen eine Höhle bergenden Jochbogen. Diejer ausgehöhlte Knochen hat Berbin- dung mit den Badentajchen, die zwar auch vorhanden find, jedoch eigentlich nur eine Haut- falte bilden. Von ihnen aus führt eine enge, nach unten fich öffnende Spalte in die Höhlung des Kochbogeng. Dieje it im Innern mit einer dünnen Haut ausgefleidet und zur Hälfte verichloffen, fo daß fie nur durch eine Heine Offnung mit der Mundhöhle in Verbindung jteht. Shre Beitimmung ift mit Sicherheit bis jebt noch nicht ermittelt worden. ALS veränderte Badentajche hat man diefe Höhlung nicht zu betrachten; Henjel hat fie jtet3 leer gefunden. Durch die Ausdehnung des Jochbogens wird der Schädel auffallend hoch und edig. Die ganze Erjcheinung des Tieres hat gegen die eleganten Agutis etivas Plumpes, und „wenn die Bafa“, jagt Göldi, „in ihrer gemächlich watjchefnden, Humpelnden Gangart daherfommt, vermutet fein Menjc) die bligartige Schnelligkeit, die jie zu entfalten vermag, wenn e3 nötig wird". Die furzen, eng am Körper liegenden Haare find oben und an den äußeren Teilen dunfel rötlichhraun, auf der Unterjeite und an der Sunenfeite der Beine gelblichweiß. Fünf Neihen weißer Fleden von runder oder eifürmiger Gejtalt laufen zu beiden Seiten von der Schulter bis zum hinteren Nande des Schenfel3. Die untere Neihe vermijcht jich zum Teil mit der Farbe des Körpers. Um den Mund und über den Augen ftehen einige jteife, rüc- mwärt3 gerichtete Fühlborjten, die Goldi „phänomenal jtarkf” nennt. Das Ohr ijt furz und wenig behaart, die Sohlen und die Zußjpisen find nadt. Ausgewachlene Männchen werden bi3 70 cm lang, etwa 35 cm hoc) und, laut Stappler, bis zu 9 kg jchwer. Göldi hebt noch das große, pechjchwarze Auge hervor und Snethlage-PBard das Fupferrötliche Leuchten der Pafaaugen im Dunkeln, jehr verjchieden von dem grümen Licht der Kabenaugen. Göldi wirft die Trage auf, ob man die Bafa nicht von den Agutis weiter abtrennen und mit der folgenden Gattung, der PBalarana, näher zujammenbringen jolle. Die Baka ijt über den größten Teil Sidamerifas, von Surinam und durd Brajilien bi Baragurad) verbreitet; auch fie hat man in mehrere Arten und Unterarten zerlegt, von denen aber nur eine Hochgebirgsform größeres Snterejfe hat und deshalb unten Furz er- mwähnt werden fol. Ze einfamer und wilder die Gegend, um fo häufiger findet man die Tafa; in den bevölferten Teilen ift jie überall felten geworden. Fhr Aufenthaltsort find der Saum der Wälder und die bebufchten Ufer von Flüffen oder fumpfige Stellen. Hier gräbt fie ich eine Höhle von 1—2 m Länge in die Erde und bringt in ihr den ganzen Tag jchlafend zu. ie ift, nach Gößdi, ein ausgeprägtes, ausjchließliches Nachttier, viel mehr als Aguti und Capypbara, und im Temperament dementiprechend ein mürrifcher Griesgram und Philifter, den nur Zorn und Gorgen aus feinem Stumpffinn aufzurütteln vermögen. Exjt mit der Dämmerung geht fie ihrer Nahrung nach und befucht dabei wohl auch die Zuderrohr- und Melonenpflanzungen, in denen fie bedeutenden Schaden anrichtet, zumal fie jehr gefräßig it und jich geradezu mäjtet. Mit Vorliebe aber hält fie jich, nad) Göldi, an die Maisfelder, und da dieje in den brafiliichen Gebirgen bis hoch hinauf gedeihen, ijt die Pafa dort 160 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Agutiartige. überall auch Bergbewohner. So hauft jie heute noch ziemlich zahlreich in den maldigen Felsjchluchten und an den tojenden Wildwäljern des Iandjchaftlich jo Jchönen, tropifch- üppigen Orgelgebirges im Hintergrunde der Bucht von Rio Janeiro und in der Serra do Mar. Sn der Wohnungsanlage tft fie als gediegener Philifter viel eigener und jorgfältiger als der leichtjinnige Aguti, und vor allem ermweift fie jich jchon Durch ihre kurzen, Fräftigen Beine und breiten Pfoten als ein ungleich bejjerer Gräber. "Stets weitet fie fich einen ge- räumigen Wohnfejjel aus, mag jie num ihren Bau unter Baummurzeln oder Steinblöcden anlegen, und jtet3 jorgt jie auch für hintere Notausgänge. Zum Schlafe ftredt jte.jich gern auf einer Unterlage trodener Blätter aus. Ste lebt paarweije und einzeln, ift, laut Tjchudi, ungemein fcheu und flüchtig, jchwimmt auch mit Leichtigkeit über breite Flüffe, fehrt aber gern wieder auf frühere Standorte zurüd. Berfolgt und von ihrem Bau abgejchnitten, jucht fie, nach Göldi, ihr Heil geradezu im Wafjer; denn da fühlt fie jich zu Haufe: fie badet häufig und anhaltend, Schwimmt und taucht vorzüglich. Das Weibchen wirft mitten im Sommer ein einziges, höchitend zwei Junge, hält fie, wie die Wilden behaupten, während des Säugens in der Höhle verjteckt und führt fie dann noch mehrere Monate mit jich umher. Göldi erwähnt noch den Volfsglauben, daß mit der Pafa, ebenjo wie mit Biscacha und Präriehund, eine große Giftjchlange, der Surufufü (Bufchmeifter), in denjelben Höhlen „Triedlich” zufammenleben joll; e3 it aber auch in diefem Falle gewiß jchwer zu entjcheiden, ivie weit man Diefem Frieden trauen fanın. „Einer von memen Bekannten”, berichtet Nengger, „welcher während dreier Jahre eine Bafa in jeinem Haufe gehalten hatte, erzählt mir von ihrem Betragen im häuslichen Zuftande folgendes: Nach einigen Monaten verlor jich ihre Wildheit allmählich, und fie fing an, fich an die Gefangenfchaft zu gewöhnen. Später wurde fie noch zahmer, Tief fich be- rühren und liebfojen, näherte fich ihrem Herrn und fremden Perjonen. Für niemand aber zeigte jie Anhänglichkeit. Man ernährte fie mit allem, was im Haufe gegejjen wurde, nur nicht mit Fleifh. Die Speije ergriff jie mit den Schneidezähnen, Flüjjigfeiten nahm lie Iappend zu fich. hr Herr verficherte mich, daß er ihr öfters mit einem Finger in die Badentajchen gegriffen und dort Speife gefühlt habe. Sie war äuferit reinlich und entledigte jich ihres Notes und Harnes immer in einiger Entfernung von ihrem Lager, mwelche3 fie jich aus Lappen, Stroh und Stücdchen von Leder in einem Winfel bereitete. Ihr Gang war ein Schritt oder ein jchneller Lauf in Säben. Das helle Tageslicht jchien jie zu blenden. Obgleich jie ich an den Menfchen und feine Wohnung, wie es jchien, gut gewöhnt hatte, war ihr Hang zur Freiheit noch immer der nämliche. Sie entfloh nach einer Gefangenjchaft von drei Jahren bei der eriten beiten Gelegenheit, welche jich ihr Darbot.” Die Haut der Baka it zu dünn und das Haar zu grob, als daß das Fell benugt werden fönnte. In den Monaten Februar und März it fie außerordentlich fett, und dann it das Stetich jehr jchmachaft und beliebt. Kappler jagt geradezu: „Das Fleijch it weiß und fett und übertrifft alle mir befannten Fleifcharten an Wohlgejchmad.” Ebenjo nennt e3 Sneth- fage-PBara den gejchäßtejten LZederbijfen der Brajilianer und meitens auch der Fremden. Die Brafiltanerin bereitet die ausgenommene Bafa im ganzen zu, indem fie fie duch heißes Abbrühen der Haare entledigt und in ihrer eigenen Haut, wie ein Spanferfel, brät oder als Wildbret mit Beigabe von Hühnerblut beizt. Der Prinz von Wied fing fie in den Ur- mwäldern häufig in Schlagfallen, und nach Snethlage- Para legen die Brafilianer vor den Pafabauen gewöhnlich fogenannte „Armadilhos" (Selbftfchüffe). „Wenn man aufmert- jam den Saum der Pflanzungen abjpürt”, jagt Henfel, „wird man bald unter den dichten Pafa. Bergpalka. 161 Rohrgrasheden den Wechjel des Tieres bemerken. Hier num jtellt der Jäger feine Schlinge, mit einem Maisfolben als Köder, und wird am nächiten Morgen feine Mühe reich belohnt finden.” Auch jagt man die Bafa mit Hunden, nach Göldi bejonders mit den furzbeinigen, tecfelartigen, eigens für diefen Zmwecf gezüchteten und eingejagten „‚pagueiros‘, die jte zu Baue hegen und aus diefem herauszufprengen juchen. Dagegen jebt jie jich aber fnurrend und fauchend energisch zur Wehr, und ohne mehr oder weniger bedenkliche Bigwunden auf beiden Seiten geht e3 dabei oft nicht ab. Der Jäger räuchert dann das Wild meijt Durch ichwelendes Feuer aus grünem Holz aus und fängt e3 an dem hinteren, in der brafiliichen Sägeriprache „„suspiro““ genannten Ausgang im Nebe. Keuerdings hat man das Tier nicht jelten lebend nach) Europa gebracht. Schon Buffon bejaß ein Weibchen längere Zeit, welches ganz zahm war, jich unter vem Dfen ein Lager machte, den Tag über jchlief, des Nachts umherlief und, wenn e3 in einen Sajten ein- gejchloffen wurde, zu nagen begann. Bekannten Berjonen leckte e3 die Hand und lieh Jic) bon ihnen frauen; dabei jtrecte e3 jich aus und gab jein Wohlgefallen durch einen jchtwachen Raut zu erfennen. Fremde Perjonen, Kinder und Hunde verjuchte es zu beißen. m gorne grunzte und fnirfchte es ganz eigentümlich. ch Habe die Pafa über ein Jahr lang be- obachtet und als ein träges, wenig anziehendes Tier fennen gelernt. Bei Tage erjcheint jie jelten außerhalb ihrer Höhlen; gegen Sonnenuntergang fommt jie hervor. Ste lebt friedlich oder, richtiger, gleichgültig mit anderen Tieren zufammen, läßt jich nichts gefallen, greift aber auch nicht an. Genügjam, wie fie ift, macht fie weder an bejonders gute Nahrung, noch an einen mwohleingerichteten Stall Anfpruch. Ihre Unempfindlichfeit gegen Stälte it aber durchaus nicht jo groß, wie Buffon und neuerdings noch Henjel meinen, die jogar von Einbürgerung jprechen. Was follte diefe auch nügen? Un derartige PBhantafien glaubt heute fein wirklich Sachfundiger mehr, obwohl die Bafa mittlerweile in zoologijchen Gärten, 3. B. dem Berliner, auch gezüchtet worden it. Die Hochgebirgsform, die Bergpafa, wie wir fie nennen wollen, A. taczanowskii Stolzmann, ift von dem Sammelreijenden Stolzmann 1885 auf der hohen SKtordillere Ecuadors 6—10000 Fuß ü. M. entdedt und dem befannten Konfervator des Warjchauer Mujeums zu Ehren benannt worden. Sie wird auch von Den Landesbetwohnern durc) einen bejonderen Namen von der gewöhnlichen Pafa der heißen, feuchten Niederung unter- ichieden und zeichnet jich dor diefer aus durch viel fürzeren Kopf, namentlich Firzeren Schnauzenteil, viel dunflere Farbe (Schwarzbraun jtatt Kaftanienbraun) und die Stellung der weißen Flede, die auf jeder Seite drei, ftatt zwei, vollitändig durchgeführte Längsreihen bilden. Das ganze Haarkleid ift überhaupt ungleich dichter und länger, an den meiften törper- jtellen mehrmals fo lang tie bei der Tieflandsform, und jchließlich fehlt es auch an erheb- (ihen Schädel- und Gebißunterjchieden nicht. In den Wäldern der angegebenen Meereshöhe ift die Berapafa auf beiden Ceiten der Anden nicht felten und gräbt jich, twie die gewöhnliche Rafa, einen Bau mit zwei Aus- gängen, in den jie jich vor ihren Feinden flüchtet. Nach Angabe des Jägers, der Stolz- mann jeine Exemplare lieferte, bewohnt immer ein Paar denjelben Bau; ein Mitte März erlegtes Weibchen war mit einem Jungen tragend und jtand vor dem Wurf. Das Fleijch jchmecdt ausgezeichnet und ift bei den Landesbewohnern jehr gejucht. Man jagt die Berg- pafa mit Hunden zu Bau; dann verjtopft man die eine Nöhre, legt in die andere Feuer und jchlägt das Tier mit einem Prügel tot, wenn e3 ji) den Ausgang erziwingen toill. Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XT. Band. 11 162 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Dinomyidae. Eine fofjile Niejenform der Agutiartigen ift der Neh-Agquti, Dasyprocta capreolus Lund, aus den diluvialen Knochenhöhlen Brafiliens: ein echter Aquti, aber von der Größe eines Nehes. ” Eine Familie für fich (Dinomyidae) bildet die auf den erjten Blid der Pafa fehr ähn- lihe Dinomys branickü Pirs., Baflarana (Taf. „Nagetiere V“, 2, bei ©. 158), wie fie nach Snethlage in ihrer Heimat heißt, deren wiljenjchaftlichen Namen ihr Bejchreiber anfnüpfte an den des durch Ausjendung von Sammelreijenden um die Tierkunde jo verdienten Grafen Branich. Das erite der Bejchreibung („Monatsber. Mfad. Wiff. Berlin”, 1883) zugrunde liegende „männliche Eremplar diejes merfwinrdigen Nagers ift von Conjtantin Seljfi in den Hochgebirgen Berus, der Montafia de Vitoc, Kolonie Amablo Maria, erlegt worden und ge- hört dem Warjchauer Mufeum. Selijfi teilt noch mit, daß es bei Tagesanbruc) in dem Hofe der Kolonie angetroffen wurde und feine Scheu zeigte, fo daß man fich ihm nähern und e3 Durch zwei Säbelhiebe auf den Kopf töten fonnte. 3 jcheine jelten zu fein, da die Be- tohner der Umgegend e3 nicht fannten.” Taczanomwifi, der Schon genannte Klonjerbator Des Warjchauer Mufeums, fchiete Fell und Schädel an Peters nach Berlin, und diefer, damals Leiter des Berliner Mufeums und einer der erjten Säugetierigftematifer, führte Die neue, eigenartige Nagetierform in die Wijjenjchaft ein. Dreißig Jahre hörte man nichts von dem Tiere: verwunderlich, aber in der Gejchichte der Mufeen nicht unerhört! Da überrajchte im Sahre 1904 Göldi vom Mufeum in Para Durch photographifche Aufnahmen der Pafarana nach zwei lebenden Erempflaren und einen Vortrag über diefe auf Dem Berner Zoologen- fongreß. hm waren die Tiere, offenbar eine Mutter mit ihrem zmweidrittelwüchjigen ungen, von einem Freunde jeines Mujeums lebend zugejchiett worden, und das Vor- fommen der Art im Gebiete des Amazonenstromes war damit erwiejen. Göldi bejtätigt durchaus die Petersichen Angaben, dat die „faliche Pafa“, wie die auch) in Para bvoll- fommen unbefannten Antömmlinge dort genannt wurden, der richtigen in Größe, Farbe und allgemeinem Anjehen jehr ähnlich ift, Durch den anjehnlichen, Halb förperlangen, dicht- behaarten Schwanz, die vorn und hinten vierzehigen Füße und die tief gejpaltene Dber- fippe dem jchärferen Blick aber ebenjofehr fich unterjcheidet. Bei näherem Zujehen werden der Unterjchiede natürlich immer mehr. Die Größe entjpricht zwar ziemlich genau Der Der Pafa; aber das Haar it rauh, von ungleicher Länge und die Farbe viel mehr mit Grau, jelbjt Weiß untermifcht, namentlich auf dem Vorderförper bis Hinter die Schultern und auf der Unterjfeite, jo daß jchlieglich nur der jchwärzliche Rüden mit den weißen Fledenreihen als durchaus pafaähnlich übrigbleibt. Von diejen Fleden find übrigens nur je zwei Längsteihen oben zu beiden Seiten des Nücdgrats richtig geordnet, tiefer nach dem Bauche herunter Itehen fie unregelmäßig. An dem etwas zugejpisten Kopfe ftehen auf den Göfdischen Auf- nahmen nach dem Leben die mächtigen weißen Schnurrhaare auffallend hervor, die bis hinter die Ohren oder gar zu den Schultern reichen. An den Stellungen der lebenden Tiere ieht man auch, daß dieje mit ihren nadten Sohlen der ganzen Länge nach auftreten. Im inneren Leibesbau nimmt die Pafarana, nach Peters, al3 urjprünglichere Form eine voijjenjchaftlich hochintereffante Mittelitellung ein zmwifchen einer ganzen Reihe näher verwandter Nagetiergruppen aus der großen Sektion der Stacheljchweinförmigen, nämlic) zwijchen den beveit3 gejchilderten Chinchillaartigen, Meerjchweinartigen, Agutiartigen und den im Anjchluß zu fchildernden Baumrattenartigen (Capromyinae). Reg-Aguti. Pafarana. | 163 Göldi gibt uns aus der Beobachtung jeiner beiden Pfleglinge ein Lebensbild von der Eigenart der Pafarana, aljo gerade das, was wir hier brauchen. Aus der jchligförmigen PBupille der Hellbraunen Augen fann man jehon jchliehen, daß die Pafarana ein mehr nächt- fiches Tier ift, und die Beobachtung bejtätigt das. Namentlich die Hinterfüe mit ganzer Sohle aufjegend, läuft das unterjeßte, wohlbeleibte Tier watjchelnd dahin. Beide Stüce GHWDIS waren friedlicher, phlegmatischer Natur und machten Feinerlei Umjtände, wenn jie nur genug zu frejjen hatten. Sie vertilgten ungeheure Futtermengen, und Frejjen war ihre Hauptbejchäftigung Tag und Nacht, wobei jie eine gemilje Vorliebe zeigten für Brot, Melonen und die Früchte verichiedener Palmenarten, wie z.B. die orangefarbene Tucumä. Beim Frefjen festen fie jich gern auf die Hinterbeine, und daber mußte man bewundern, vie gefchiet fie eine Frucht in den Vorderpfoten hielten, obwohl ihnen doch der Daumen fehlt. Solche Frucht drehte fich unter ihrem Griff wie in einer Drehbanf, und die großen Späne, welche fielen, erfüllten mit Nejpeft vor der Nagefraft der breiten, aber verhältnismäßig wenig vorjtehenden Schneidezähne. Der vorherrichende Zug im Wejen der Bafarana it Behaglichkeit und Gutmütigfeit. Haft und Unruhe fennt fie nicht. Den größten Teil des Tages verjchliefen beide in einer Eife — die Mutter lag oft über dem Jungen, wie um es zu jchügen und warm zu halten — und beide öffneten die halbgejchlofjenen Augen nur, wenn jie die Schritte des Wärters hörten, die den Entjchluß zumege brachten, langjamen Schrittes heranzufommen und auf das Futter zu warten. Dabei Tiefen jie jich offenbar mehr vom Gehör und Geruch leiten al3 vom Geficht. Das Tier ijt nicht leicht aufzuregen, läßt jich auf Kopf und Rüden ftreicheln und Frauen und gibt nur gelegentlich jein Mikvergnügen dur) ein tiefes inurren aus der Kehle zu erkennen; niemals wurde eine Neigung zum Beißen beobachtet. Aus dem Käfig gelajjen, macht es feinen Berjuch zu entwijchen und jucht nur in der unmittelbaren Umgebung nach Futter umher. Gelegentlich Fraßt e3 jich rajch mit jenen fangen Klauen; das ift aber auch die einzige Gelegenheit, wo e8 zeigt, daß e3 auch rajche Bewegungen machen fann, wenn es jein joll. Ob die Pafarana gräbt, fonnte Göldi nicht feititellen; nach der Entwidelung der Klauen fan man aber wenigjtens jo viel jagen, daß fie gut dazu ausgerüstet if. Mutter und Sohn verfehren jehr freundlich zufammen, und das nimmt einen für das Wejen der Tiere ein. Diejes phlegmatijche Wejen ijt aber eine bedenkliche Mitgift für den Kampf ums Dafein, und man dürfte fich nicht wundern, wenn die Art auf dem beiten Wege wäre, zu verichwinden. Shre offenbare Seltenheit fünnte jo eine Erklärung finden; e3 fönnte aber auch fein, daß man den eigentlichen Aufenthalt des Tieres noch) nicht fennt. Wie die Sache jeßt liegt, darf man annehmen, daß die tatjächliche Heimat der Pafarana nicht die peruanifchen Anden find, das erjte dort gefundene Exemplar vielmehr ein Srrgaft war, und das eigentliche Verbreitungsgebiet mehr auf die unerforjchten öftlichen Hänge und Tafelländer der bolivianiichen und peruanischen Vorberge beichräntt it, die an Brafilien grenzen und die Oberläufe der Flüffe Acre, Puris und Jurud in jich jchliegen. Das ift inzmwifchen durch Snethlage beftätigt worden, die die Pafarana vom oberen Amazonas mehrfach für den Zoologijchen Garten in Para erhalten hat. Sie jtaunt über Die ganz unglaubliche Kraft der großen, gelben Schneidezähne ihrer Bileglinge, die nächtlicher- weile auch die ftärkiten Drahtgeflechte durchbeigen. Im übrigen gediehen die Tiere bei Bananen, Reis und Mais, Milch mit Semmel, die fie leidenjchaftlich lebten, gut, gaben ihre Zufriedenheit durch behagliches, ihren Zorn durch ärgerliches „Murmeln” zu erkennen, ähn- fich den Tönen, welche die Meerjchweinchen herborbringen, und erwiejen jich ihren Pflegern gegenüber in einer gewiljen phlegmatifchen Weije anhänglich, mwobet allerdings die Liebe 11* 164 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Baumftacheljchweine. hauptfächlich Durch den Magen zu gehen jchien. Ein Junges erhielt Milch aus der Pipette, weil es Gummipfropfen jofort entzweibiß. „ES fannte mich ganz genau“, jchildert Sneth- lage, „und fam, jowie ich mich jehen ließ, jofort ans Gitter gelaufen, um das geliebte Getränf, das ich iym immer jelbit gab, in Empfang zu nehmen. Das jonft jo phlegmatijche Tier wurde bei jolchen Gelegenheiten förmlich jähzornig. Die unvermeidlichen Baufen, um die Pipette zu füllen, erregten jeinen Zorn und jeine Ungeduld im höchiten Mabe. Wütend Fletterte e3 dann troß jeiner plumpen Gejtalt am Gitter in die Höhe, und jein gewöhnliches janftes Murmeln wurde zu einem wütenden, jchrillen Pfeifen und Streichen...” Auffallend findet Snethlage jchlieglich mit Recht noch an der Pafarana eine gemwilje Gejchiclichfeit im Klettern, die in jeltfamem Gegenjab zu der jo überaus plumpen Gejtalt des Tieres fteht, ihm aber bei Überjchwemmungen jeines Wohngebietes, wie jie ja auch in Oberamazonien im Winter häufig vorfommen, doc zuftatten fommen mag. 3 folgen die Stacheljich weine im weiteren Sinne, die der ganzen Geftion Der Stacheljchweinförmigen den Namen gegeben haben. Sie bedürfen feiner fangen Bejchreibung binfichtlich der äußerlichen Kennzeichen ihrer Mitglieder. Das Stachelfleid, jo verjchieden es auch ausgebildet jein mag, it jämtlichen hierher gehörigen Tieren eigen. Der Leib it ge- drungen, der Hals furz, der Kopf Did, die Schnauze Furz, ftumpf und an der Oberlippe ge- ipalten, der Schwanz furz oder jehr lang und bei einer Gattung areiffähig; die Beine jind ziemlich gleichlang, die Füße vier- oder fünfzehig, breitjohlig, die Zehen mit jtarf gefrümmten Kägeln bemwehrt, die Ohren und Augen fein. Die Hinjichtlich ihrer Länge und Stärke jehr verjchiedenen Stacheln ragen in geraden Neihen aus einem jpärlichen Unterhaare hervor oder jtecfen umgekehrt zwijchen einem längeren Grannenhaare, das jo überwiegen fann, daß e3 die Stacheln volljtändig bevedt. Bezeichnend für leßtere ijt eine verhältnismäßig lebhafte Färbung. Die Nagezähne find auf der Vorderjeite glatt oder gerinnelt, die vier Badzähne in jeder Reihe mit oder ohne Wurzeln, fait gleich groß und jchmelzfaltig. E3 gibt neumeltliche Baum- und altweltliche Erdftachelichweine, und daß dieje wejent- liche Berjchiedenheit in der Xebensmweije Hand in Hand geht mit der Verteilung auf die beiden Erdhälften, deutet jchon darauf hin, daß auch tiefergehende Unterjchiede im LXeibesbau beide Gruppen trennen. Tatjächlich betrachtet man fie heute als zweit nur durch das Äufßerliche Merkmal des Stachelffeides zujammengehaltene, font aber ganz jelbjtändige Familien. Die altweltlichen Erdjtacheljchweine leben in dünn bejtandenen Wäldern und Steppen, bei Tage in jelbitgegrabenen Gängen und Höhlen verborgen, die neumeltlichen Baum- jtacheljchweine in großen Waldungen, zufammengefnäuelt auf einer Aftgabel dichter Baum- twipfel oder in einer Baumhöhlung figend. Ungejellig wie jie find, vereinigen jte jich nur während der Fortpflanzungszeit zu Heinen Trupps, die mehrere Tage miteinander ber- bringen können; jonjt lebt jedes einjam für jich. Ihre Bewegungen jind fanajam, gemejjen, träge; zumal die Fletternden Arten leiiten Erjtaunliches in der gewiß jchweren Hunt, jtunden- und tagelang bewequngslos auf ein und Dderjelben Stelle zu verharren. Yedoch wide man irren, wenn man behaupten wollte, daß die Stachelichweine rajcher und gejchiekter Bewegungen unfähig wären. Wenn einmal die Nacht eingetreten ift und jie ordentlich munter geworden find, laufen die einen trippelnden Ganges ehr rajch auf dem Boden hin, und die anderen Flettern, wenn auch nicht mit Der Behendigfeit des Eichhorn, jo doch immer gewandt genug, in dem Gezmweige auf und nieder. Die Bodenbewohner verjtehen das Graben Greifitadler. 165 meifterhaft und mwiljen allen Schtwierigfeiten, welche ihnen harter Boden entgegenjekt, zu begegnen. Unter den Sinnen jcheint ausnahmslos der Geruch obenan zu ftehen, bei den Kletterftachelfchweinen auch noch der Taftfinn einigermaßen ausgebildet zu fein, Gejicht und Gehör dagegen find bei allen Schwach. Ihre Stimme beiteht in grunzenden, dumpfen Lauten, in Schnauben, leifem Stöhnen und einem jchwer zu bejchreibenden Quiefen, das wahrscheinlich zu dem im übrigen gänzlich unpafjenden Namen „ Schwein” Veranlajjung gegeben hat. Allerlei Pflanzenteile, von der Wurzel an bis zur Frucht, bilden die Nahrung der Stacheljchweine. Nach anderer Nager Art führen fie das Futter mit den VBorderpfoten zum Munde oder halten es, während jie frejjen, damit am Boden feit. Das Wajjer jcheinen fait alle längere Zeit entbehren zu können; wahrjcheinlich genügt ihnen der Tau auf den Blättern, die jie verzehren. Über die Fortpflanzung find exit in der Neuzeit Beobachtungen gefammelt worden. Die Jungen, deren Anzahl zwijchen 1 und 4 jchwanft, fommen nach einer Tragzeit von un- gefähr 7—9 Wochen zur Welt. Für den Menjchen find die Stacheljchweine ziemlich beveutungsloje Wejen. Die erd- bewohnenden Arten werden zumeilen durch das Graben ihrer Höhlen in Feldjtüden und Gärten läftig, nügen aber dafür durch ihr Fleifch und durch ihr Stachelfleid, dejjen jchön gezeichnete, glatte Horngebilde mancherlei Berwendung finden. Die Hetternden Arten richten al3 arge Baumverwüfter nur Unfug an und nüsen gar nichts. In den reichen Gegenden zwifchen den Wendefreijen fünnen die dort lebenden Arten weder jchaden noch nüßen. Die Familie der Baumfjtachelichiweine (Coöndidae, wie jie nach der jüdamerifa- nischen Gattung heißen) hat entjprechend ihrer Eetternden Lebensweije ein volljtändiges Schlüfjelbein, in ihren füdamerifanischen Vertretern auch einen Greifjchwanz und nur vier- zehige Gliedmaßen. Die Sohlen der Slletterfüke jind mit Warzen bejest, jeitlich nach innen geitellt und fcehmiegen fich feit den Baumjtämmen und Äften an. Die Stachein find Furz, mit Haaren untermijcht und werden bon diejen vielfach überragt. Die Oberlippe der norod- amerifanifchen Gattung ift nur wenig, die der füdamerifanijchen gar nicht gejpalten, was namentlich der behaarten, ftumpf abgejtußten Nagerjchnauze der leßteren ein ganz be- ionderes Ausfehen verleiht. Die Wurzeln der Badzähne find volljtändig, ihre Krone tief bon beiden Seiten her eingefaltet. Für die Greifitachler, d. h. die mittel- und füdamerifanifchen Baumftachelichtveine mit SM etterichwanz und, abgejehen von einer nagellofen Warze an Stelle der Daumen- zehe der Hinterfühe, vierzehigen Fühen, ift jeßt Coöndu Zacep. als der ältejte und Daher alleingültige Name feitgeftellt worden; die Namen Cercolabes, Sphingurus oder Sphiggurus, Synetheres find ganz weggefallen. Früher rechnete man diejenigen Arten, bei denen das Haarkleid die Stacheln derartig überwuchert, daß dieje nur ftellenmweije hervorragen umd auf Kehle, Bruft und Bauch gänzlich fehlen, zu der Untergattung der Baumitachler (Sphingu- rus), diejenigen, bei denen die Borjten zurüc- und die Stacheln vortreten, zur Untergattung der Greifjtachler oder Cuandus (Synetheres), und Cercolabes umfahte als Hauptgattungs- name beide. Der Stachlergreifichtwanz hat feine Bejonderheit darin, daß er — gerade um- gefehrt wie der Affen- und Beutlergreifichwang — mit feinem nadten Ende von unten nad) oben greift. Haade bringt das in feiner „Schöpfung der Tierwelt“ vecht einleuchtend in Zufammenbhang mit der allgemeinen Neigung des Nagerichwanzes, jich nach oben zu richten. 166 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Baumjtahelichweine. Die Dftküjte Mexikos, jüdlich bis Guatemala, Coftarica Übergreifend, bewohnt der Baumijtachler, Coöndu novae-hispaniae Briss., ein Tier von 95 cm Gejamtlänge, wovon der Schwanz ungefähr ein Drittel wegnimmt. Die glänzenden Haare jind jehr dicht und mweich, leicht gefräufelt und fo lang, daß viele Stacheln von ihnen volljtändig bededt werden. Lebtere fehlen auf der Unterjeite, mit Ausnahme des Unterhaljes, auf der snnenjeite der Beine, der Schnauze und der Schwanzipigenhälfte, die oben nadt, unten mit fchwarzen, jeitlich mit gelben Borften bejet ift. Das Haarkleid erjcheint jchwarz, weil Die einzelnen Haare, welche an ihrer Wurzel ins Bräunliche und Lichtgraue jpielen, in einer glänzend ichwarzen Spige enden. Sehr lange Schnurren ftehen im Geficht, einzelne lange, fteife Haare auf den Oberjchenfeln und Oberarmen. Die im allgemeinen jchwefelgelb gefärbten, ihwarzipißigen Stacheln find an der Wurzel jehr verdünnt, hierauf gleichmäßig jtark und iodann plößlich zugefpißt, in der Mitte glatt und an der nadeljcharfen Spite mit abwärts gerichteten Widerhafen verjehen. Ihre Farben find natürlich am fehönften unmittelbar nad) dem Hanrwechjel; jpäter bleichen fie aus und werden vermwajchen. Sn der Augen- und Dhrgegend ftehen fie jo Dicht, daß die Behaarung nicht zum Vorjchein fommt und auc) das Ohr von ihnen volljtändig verdedt wird. Sie find hier weit fürzer und lichter gefärbt als am übrigen Körper, zumal auf dem Rüden, wo die längiten und dunfeliten jtehen. Das Auge ift auffallend gewölbt, die Jris lichtbraun, der Stern nicht größer als der Stnopf einer feinen Nadel, aber länglich geftaltet; das ganze Auge tritt wie eine Glasperle aus dem Ktopfe her- por. Solange der Baumftachler ruhig ift, gewahrt man von der Bejtachelung mit Aus- nahme der Stelle um Auge und Ohr jehr wenig; das Fell erjcheint verlodend weich und glatt, und nur, wenn das Tier jic) erzünnt, weifen verjchiedene Rauhigfeiten auf die ver- borgenen Spiten unter den Haaren. In der Erregung fträubt e3 alle Stachefn, jo daß fie freuz und quer vom Leibe abjtehen, und wenn man dann mit der Hand über das Tell gleitet, ipürt man fie von allen Seiten. Sie jteden jo loje in der Haut, daß fie bei der geringiten Berührung ausfallen; wenn man mit der Hand einmal über das Fell jtreicht, reißt man Dubende aus, von denen regelmäßig einige in der Hand ftecfen bleiben. Über das Freileben der Baumftachler und aller übrigen Kletterjtachelichweine jind die Nachrichten jehr dürftig. Das meifte wiffen wir nochüber eine nahe verwandte Art, den Cuid, den Wolligen Baumijtachler, C. villosus F. Cuv. (Taf. „‚NagetiereV I”, 2), über den Azara, Rengger, der Prinz von Wied und Burmeister Mitteilungen gemacht Haben. Er ift über Mittel- und Südbrafilien bis Paraguay verbreitet, allerorten bekannt, jedoch nirgends gemein. Seinen Aufenthalt wählt er vorzugsmweife in hohen Waldungen; doch trifft man ihn auch in Gegenden an, die mit Geftrüpp bemwachjen find. Den größten Teil des Jahres lebt er allein, und zwar in einem beftimmten Gebiete, immer auf Bäumen, in deren Öezmweige er jich gejchidt bewegt. Göldi hat jedoch in hellen Mondnächten manchmal zwei, drei und vier zufammen gejehen und hatte dadurch den Eindrud eines bis zu einem gemwiljen Grade gejelligen Tieres. Während de3 Tages ruht der Euiy in zufammengefugelter Stellung, in einer Ajtgabel jigend; nachts ichweift er umher, indem er langjam und bedächtig, aber ficher Hettert. Henjel hebt hervor, daß er in Beftalt und Färbung mit feiner Umgebung übereinftimmt. „Brafilien zählt manche Rauboögel, welche fich befonders von den Hletternden Säugetieren des Urwaldes nähren: gegen jie erhielt das Stacheljchwein eine ‚Ichügende Ähnlichkeit‘, welche bisher nicht beachtet worden ift. Sein Stachelfleid toird nämlich liberragt von langen, feinen Haaren von eisgrauer Färbung. Dieje verleihen dem Tiere, wenn e3 halb zufammengerollt und ruhig auf den Zweigen des Baumes fit, eine täufchende Öhnlichkeit mit einem Klumpen grauen Bartmoofes, und jelbit Nagetiere BEREERE! 1. Greifitachler, Coöndu prehensilis Z. 1/5 nat. Gr., s. S. 169. — Lewis Medland, F. Z. S.-Finchley, N., phot. 2. Wolliger Baumitachler, Coöndu villosus F. Cuv. 1/5 nat. Gr., s. S. 166. — W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. 3. Indiicher Quaitenitachler, Atherura macroura Z. 1/6 nat. Gr., s. S. 178. — Lewis Medland, F. Z. S.-Finchley, N., phot. 4. Langichwänziges Stachelichwein, Hystrix longicauda Marsden. 1/6 nat. Gr., s. S. 187. — W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. Baumftadler. Enid. 167 ein jcharffichtiger Jäger geht leicht vorüber, getäujcht durch die im Winde wehenden Haare des unbeweglichen Tieres, oder jchießt wohl auch ein anderes Mal in jene Schmaroger- pflanzen hinein, ohne jeiner Tat jich rühmen zu Fönnen.“ Die Stellung des Kletteritachelichweines auf Bäumen ift eigentümlich: es jibt, tie ich an meinen Gefangenen jah, auf den Hinterfüßen, hält die Vorderfüße dicht neben diefe, manchmal umgebogen, jo daß es mit den Handrüden fich jtüßt; der Kopf wird dabei jenf- recht nach abwärts gerichtet, der Schwanz gerade ausgeitrect und mit der Spibe nach oben Hafig umgebogen. Gewöhnlich verjichert es jich durch den Greifjchwanz, den es um einen Aft ichlingt, in jeiner Lage. E3 fißt aber auch ohnedies jehr feit auf den dünnften Zmeigen, weil die breiten, gewölbten Hände einen jicheren Anhalt gewähren. Im Stlettern drückt e3 die breiten, fleifchigen Sohlen feit an die Ate und umflammert fie mit den Handballen. Bei Tage bewegt es fich Höchit ungern, ungeitört wohl niemals; bringt man es aber ins Freie, jo läuft es jchiwanfenden Ganges dem eriten beiten Baume zu, Elettert rajch in die Höhe und wählt ich im Gezmweige eine jchattige Stelle aus, um jich dort zu verbergen, beginnt auch wohl zu frejien. Wenn e3 von einem Mite zu einem zweiten, entfernter jtehenden gelangen will, hält es jich mit beiden Hinterfüßen und dem Schwanze feit, jtreckt den Körper mwagerecht vor und verjucht, mit den Vorderfüßen den ins Auge gefaßten Zweig - zu ergreifen. Sn diejer Stellung, die eine große Kraft erfordert, farın e3 minutenlang ver- mweilen, auch mit ziemlicher Leichtigkeit jich feitlich hin und her bewegen. Sobald es den eritrebten Ajt mit den Borderfüßen gefaßt Hat, läßt es zuerjt die beiden Hinterfüße und jodann den Schwanz los, jchtwingt jich, durch das eigene Gemicht bewegt, bis unter den Zeig, faßt diejen mit dem Schwanze und hierauf mit den Hinterbeinen und Hettert nun= mehr gemächlich nach oben und dann auf dem Ziveige weiter. Der Baumjtachler nährt fich Hauptjächlich von Früchten, Knojpen, Blättern und Wur- zeln, die er mit den Händen zum Maule führt. Meine Gefangenen verzehrten jehr gern auch die Rinde junger Schößlinge, jedoch nur dann, wenn fie jich leßtere jelbjt auswählen fonnten. Im Käfige fütterte ich fie mit Möhren, Kartoffeln und Reis, auch nahmen jie Milchbrot an. rm Amerika ernährt man fie mit Bananen. Göldi fennzeichnet den Baum- jtachler als ganz ausgejprochenen Fruchtfrejjer und führt es darauf zurüd, daß er nicht im gejchlojfenen Urvalde, jondern an den Rändern, vor allem in der Nähe von Pflanzungen jeinen Wohnjig nimmt. Unter den Wildgewächjen bevorzugt er die verjchiedenen rga- bäume, die ein von allem Getier des Waldes gejuchtes Wildobit liefern in ihren langen, gedrehten Schoten mit jaubohnenartig, in zuderfüße, wollige Umhüllung gebetteten Früchten. Ferner geht er dem Beerenobjt der Murichbäume nach, den apfelgroßen Früchten ver- jhiedener PBajfifloren und gemwifjen einheimifchen Kufurbitazeen (Taguyä). Jr den Obit- gärten hat er e3 auf die Bananen, namentlich aber die Goyaba abgejehen, mit ihren zart- tötlichen Fleifche allerdings eine föftliche Frucht. Wo einige Goyababäume beijammen- jtehen, bleibt der Baumftachler gleich wohnen und jchläft in der Nähe unter den trodenen Blättern eines Bambusbufches oder in einem anderen ruhigen Schlupfwintel. Der Schilderung de3 Gefangenlebens toill ich Azaras Beobachtungen vorausjchiden. „Einen alt eingefangenen ließ ich in meinem Zimmer frei und ein Jahr ohne Wajjer; denn er trinkt nicht. Wenn er erjchreckt wurde, lief er mit großer Leichtigkeit; doch erreichte ich ihn immer noch, wenn ich gemächlich hinterher ging. Auch wenn er laufen will, beugt er das Gelenk zwiichen Schienbein und Knöchel nicht, gerade als ob er feinen Spielraum habe. Alle jene Bewegungen find tölpelhaft; doch Hettert er mit Leichtigkeit an irgendwelchen 168 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Baumftacheljchweine. Stode auf und nieder und Fammert fich jo feit, daß eine ziemliche Kraft erforderlich ift, um ihn mwegzubringen. Eine Stuhllehne, die Spite eines jenfrecht eingerammten Pfahles genügen ihm, um ficher zu jchlafen und auch wirklich auszuruhen. Er ift ftumpfjinnig und jo ruhig oder träge, daß zumeilen 24—48 Stunden vergehen können, ehe er jeinen Ort verändert oder jeine Stellung im geringjten wechjelt. Der meinige bewegte jich nur, wenn er frejjen wollte, und Dies gejchah in der Negel um 9 Uhr vormittags und 4 Uhr nach- mittags. Er feßte fich in den erjten Tagen feiner Gefangenjchaft auf eine Stuhlfehne, nie- mals auf etwas Ebenes; als er aber eines Tages am Fenjter emporgejtiegen war und dort die Kante des Fenjterladens aufgefunden hatte, juchte er jpäter feinen anderen Ort. Oben auf dem Laden verbrachte er jeine Zeit und jaß hier, ohne die geringjte Bewegung, einer Bildjäule gleich, in einer außergewöhnlichen Stellung. Er hielt jich, ohne fich mit der Hand oder dem Schwanze zu verjichern, einzig und allein mit den Füßen feit, legte die Hände übereinander und zmwijchen jie hinein jene Schnauze, als ob er die Hände Füjjen wollte. © jaß er, ohne fich zu bewegen, ja ohne umherzubliden, bis zur Stunde feiner Mahlzeit. Er nahm von dem ihm vorgejesten Brote, Matje, ven Maniofwurzeln, Sträutern, Blättern und Blumen außerordentlich wenig, liebte es aber, mit der verjchiedenen Koft abzumechjeln. Bielmal jah ich, daß er, die erwähnten Dinge verjchmähend, jich über dünne Holzitengel bermachte, ja jelbit, daß er gediegenes Wachs anging. Er bif oder fragte nie und fügte au) niemand Schaden zu. Seine Notdurft verrichtete er während des Fraßes, und Dabei achtete er nicht Darauf, ob fein Kot und Harn auf die Nahrung fiel. „Der Geruch ift der ausgebildetite Sinn. Ych beobachtete, wenn ich Schofolade tranf oder mit Blumen in das Zimmer trat, daß mein Baumftachler jeine Schnauze erhob, und durfte mit Sicherheit folgern, daß er den Duft auf ziemliche Entfernungen wahrnahm. Seine Schwanzjpiße ijt jo empfindlich, daß er fich jogleich aufrafft und zufammenjchredt, wenn man ihn dort ganz leife berührt. Manchmal wendete er fein Haupt, wenn er bei jeinem Namen genannt wurde. Für gewöhnlich jah er fich nicht um, fondern tat gerade, als ob er nicht jehen könne, und ließ jich berühren, als wäre er von Stein; fam man ihm aber zu derb, jo jträubte er feine Stacheln, ohne jich im übrigen zu bewegen.“ Meine gefangenen Baumftachler fahen während des ganzen Tages, in der ange- gebenen Weile zufammengefauert, ruhig in ihrem Kaften und begannen exit nach Sonnen- untergang langjam umherzuffettern. Wenn man fie berührte, liegen fie auch ihre Stimme vernehmen, ein ziemlich leifes, dem Winjeln eines jungen Hundes jehr ähnliches Quiefen. Eine Berührung war ihnen entjchieden unangenehm; doch machten jte, wie dies auch Bur- meifter fehr richtig jagt, „niemals einen Berfuch zur Flucht, Jondern hießen den Feind ruhig heranfommen, two er auch war, ducten fich nieder, fträubten die Stacheln und winjelten, wenn fie berührt wurden”. Die von mir gepflegten Baumjtachler machten feine Berjuche, ih aus ihrer Kifte zu befreien; Burmeijters Gefangener dagegen arbeitete, wenn man jeinen Kaften nachts mit dem Dedfel verjchloß, fich Schnell und heftig eine Öffnung, indem er das Holz in großen Fegen abnagte. Auffallend ericheint es, daß AUzaras Baumitachler fein Wafjer trank; denn diejenigen, welche ich beobachtete, verlangten jolches regelmäßig. Sobald fie gefrejjen hatten, nahten fie fich ihrem Saufnapfe und jchöpften hier mit der breiten Hand eimige Tropfen, welche fie dann behaglich abledten. Sehr unangenehm und ganz eigentümlich ift der Geruch, den fie verbreiten. Wahrhaft entjeßlich wurden meine Gefangenen von Heinen, braunen Läufen oder lausähnlichen Tieren geplagt. Dieje Schmaroger jagen bisweilen zu Hunderten an ein und derjelben Stelle, am dichten in der Cuiy. Greifjtachler. 169 Schnauzengegend, und Tießen jich weder Durch Kraben vertreiben, noch durch perfiiches Ir- jeftenpulver, zu dem wir unjere Zuflucht nahmen, entfernen. Nengger berichtet, daß jich beive Gejchlechter der jonit einjam lebenden Tiere während de3 Winters auffuchen und dann eine Zeitlang paarweije leben. m Anfange des Sommers ihrer Heimat, d. h. gegen Anfang des Dftoberz, wirft das Weibchen 1—2 Junge. Azara, der ein trächtiges Weibchen unterjuchte, fand nur ein Junges, das wie jeine Mutter be- reit3 mit Stacheln bededt war. Genaueres über die Fortpflanzungsgejchichte vermag ich nicht mitzuteilen. Da das Äußere des Baumftachlers wenig Einladendes hat, wird er von den Bervoh- nern PBaraguays nur jelten eingefangen und aufgezogen; demungeachtet entgeht er den Nachitellungen nicht. Die Wilden verzehren das Fleijch, Das des unangenehmen Geruches wegen bon den Europäern verjchmäht wird. Gleichwohl jtellen auch dieje ihm eifrig nach. Durch Henfel erfahren wir den Grund des uns unverjtändlichen Ingrimms der Einheimi- jchen. ‚Die Stacheln find nämlich an ihrer Wurzel fo fein und jteden jo loje in der Haut, daß fie bei einem ganz unbedeutenden Zuge herausfallen: fie bleiben daher in dem frem- den Körper haften, jobald jte nur mit der Spibe eingedrungen jind. Erareift nun ein Hund das ruhig am Boden liegende Sletterjtacheljchwein, welches nicht daran denkt, zu entfliehen, jo bohren fich ihm nicht nur unzählige Stacheln in die Weichteile des Nachens und bleiben darin figen, fondern dringen auch vermöge ihrer Widerhafen und durch die Bewegungen des Humdes immer tiefer ein. Das unglüdliche Tier fann den Rachen nicht Schließen und muß, wenn nicht bald Hilfe fommt, nach qualvollen Leiden durch Anjchwellung der Kachenhöhle und des Ktehlfopfes erjtiden oder verhungern. Daher gehen manche Jäger nur mit einer Zange berjehen in ven Wald. Unter jolchen Umständen ijt es wohl erklärlich, wenn der ‘Jäger des Ur- rwaldes fein Gejchöpf, jelbjt nicht die Giftichlangen, jo hakt und fürchtet wie das Stacheljchwein. 63 wird daher jedes ohne Gnade getötet, obgleich das Tier jonjt ganz unjchädlich ft und auch feinerlei Nugen gewährt. Merkwürdigerweije findet man beim Ozelot oft einzelne Stacheln unter der Haut, jo daß man annehmen muß, dieje abe wage es, das Stacheljchwein anzu- greifen — mit welchem Erfolge, läßt jich natürlich mit Sicherheit nicht feitjtellen. Welche Berwundungen die eingedrungenen Stacheln herbeiführen können, jah ich bei einem meiner Hunde, dem ich den größten Teil der Stacheln herausrig. ch befühlte den Hund jeden Tag mehrere Male und faßte die hervorgefommenen Spiten mit der Greifzange, mittel3 welcher fie fich ehr leicht Herausziehen Tießen, den legten Stachel 309 ich nach 6 Wochen an der Ceite des Haljes heraus.” Azara hat die Stacheln mehrmals im Note des Jaquars gefunden. Der Greifjtachler oder Cuandu, Coöndu prehensilis Z. (Taf. „Nagetiere VI’, 1, bei ©. 166), hat im allgemeinen die Gejtalt des Baumftachlers, ijt jedoch merklich größer und er- jcheint Fräftiger gebaut. Göldi jpricht von feiner blafig aufgetriebenen Stirn. Seine Länge beträgt 1,1 m, wovon 45 cm auf den Schwanz fommen. Die Stacheln beginnen jchon am Geficht, jegen jich über den ganzen Oberleib fort, befleiden die Beine bis zum Wurzelgelent hinab, die obere Schwanzhälfte und auch den ganzen Unterleib, liegen jedoch feineswegs glatt am Körper an. Einzelne ziwijchen ihnen hervortretende Haare werden größtenteils von ihnen überdedt. Die Stacheln fteefen ehr Iofe in der Haut, jind alle von gleicher Geitalt, hart und ftark, fat rund, glatt und glänzend, an der Wurzel jchtwach, im übrigen gleich- mäßig did, nadelförmig und gegen die jehr feine Spite hin plößlic) ftark verdünnt, erreichen auf dem Hinterrücen eine Länge von ungefähr 12 cm, verkürzen jich gegen den Unterleib 170 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Baumftaheljchweine. allmählich und gehen auf dem Bauche nad) und nach in wahre Borjten über, die auf der Unterjeite des Schtwanzes wieder jtachelartig, d. h. fteif und ftechend werden. Ihre Farbe ift ein lichtes Gelblichweiß, unterhalb der Spibe aber tritt eine dunfelbraune Binde lebhaft hervor. Das Haar auf Naje und Schnauze ijt rötlich), Das des übrigen Leibes rotbraun; Dazmwijchen jind einzelne weißliche Borften eingejtreut. Die j a itarfen und langen Schnurren, die jich in Längsreihen ordnen, jehen jchtvarz aus. Über das Freileben des Greifitachlers ift wenig befannt. Das Tier bewohnt einen ziemlich großen Teil von Südamerika, nämlich Venezuela, Guayana, Trinidad und das amazonijche Brafilien, und ift an manchen Orten feineswegs jelten. Nach Art jeiner Ber- wandten verjchläft es den Tag, in der oben angegebenen Stellung in einem Baummipfei jigend; nachts läuft es langjam, aber gejchiet im Gezmweige umher. Seine Nahrung beiteht in Blättern aller Art. Das Fleijch wird von den Eingeborenen gejchäßt, und auch die Stacheln finden vielfache Verwendung. Bei manchen Indianerftämmen werden fie in der Kurpfufcherei benußt, weil man glaubt, daß jie wie Blutegel wirken, wenn man jie in die Haut des Stranfen einbohrt. Kappler berichtet vom Greifitachler: „Das Tier ... hat eine eigentümliche Art zu jigen, nämlich nicht der Quere, jondern der Länge nach auf einem Zweige, den es mit jeinen Hinterfüßen umflammert... Die VBorderfühe hält es gegen den Kopf und bleibt in diejer Stellung manchmal den ganzen Tag. Sein Geruch ift jehr fein.” Das jchließt Kappler aus folgendem Erlebnis. Als er einjt ein totes Weibchen unter der Galerie jeines Haufes fiegen hatte, jchlug jein Neffe des Abends einen zweiten Greifjtachler mit dem Stode tot. 63 „war ein Männchen, das, obwohl der nächte Wald menigjtens 300 m entfernt war, doch vielleicht das tote Weibchen gerochen hatte.” Snethlage-Bara findet den Greifjtachler in der Gefangenjchaft ebenjo jtumpfjinnig wie hinfällig, möchte aber beides, wohl mit Recht, darauf zurücfüihten, daß wir ihm im z00- logischen Garten Feine auch nur einigermaßen entjprechenden Lebensbedingungen zu jchaffen vermögen. Für läfiggenojjen fönnen die Greifjtachler leicht lebensgefährlich werden, „Da die jehr leicht ausfallenden Stacheln, die die Cuandus, erjchreckt, geradezu unter einem rafjelnden Geräufche von fich fchütteln, in die Haut eindringen und mittels ihrer feinen Widerhafen jich immer tiefer einbohren, bis jie nach einigen Tagen ganz im Körper verjchwunden find“. Sch habe zwijchen einem von mir gepflegten Cuandu und dem Baumjtachler im Be- tragen feine wejentlichen Unterjchiede bemerfen können, allenfalls da der Cuandu nur höchit jelten auf den Baumzmeigen jeines Käfigs feine Nacht- oder richtiger Tagruhe hält, jondern jich immer auf dem ihm bereiteten Heulager niederjeßt, ja fich fürmlich darin ver- birgt, indem er ich unter das Heu einwühlt. Die Stimme ift etwas ftärfer al3 beim Baum- jtachfer, diefer aber ganz ähnlich. Berührungen läßt er fich nicht fo ruhig gefallen wie feine Verwandten, jondern verfucht, den jich ihm Nähernden Durch plößliches Borwärtsbewegen zu jchreden; möglich it, daß er dabei beabjichtigt, von feinem Stachelpanzer Gebrauc) zu machen. Wenn man ihn einmal am Schwanze gepadt hat, läßt er jich berühren, ohne fich zu verteidigen: jo fan man ihn auf den Arm jegen und hin und her tragen, ohne daß er daran denkt, nad) anderer Nager Art um fich zu beißen. In der Erregung fträubt ex feine Stacheln nach allen Seiten hin und erjcheint nun fast noch einmal fo dick, al3 er wirklich ift. Seine Färbung wird dann, weildas Gelb des Stachelgrundes zur Geltung fommt, eine andere. Weitere Greifftachlerarten und -unterarten hier zu erwähnen, hat feinen Zwed: jie verteilen jich über Mittel- und Südamerika, jo weit das Waldland reicht; in Argentinien Greifftachler. Urjon. 178 fommen jie nicht mehr vor. Nur die abweichende nord- und innerbrafilifche Gattung Chae-. tomys Gray mag noch genannt werden. Sie unterjcheidet fich durch den rattenähnlich be= ichuppten und mit furzen Boriten befleideten Greifjchtvanz und die furzen, welfig gebogenen Stacheln des Numpfez, die nach hinten länger und dünner, borjtenartig werden. ac Nordamerika übergehend, fommen wir zu einer Stachelichweingattung, vem Urfon (Erethizon, F. Cuv.), die durch ihr ganzes Hußere, den größeren, fchweren Körper und den furzen, breiten Schwanz, unverfennbar in der Mitte jteht ziwifchen den amerifanifchen Greij- und den altweltlichen Erpdjtachlern, wenn jte jelbjt auch troß plumper Körpergeitalt noch ein unzmweifelhafter Baumjtachler ift. Auch bei ihr haben wir, wie bei jo manchem nordameri- fanifchen Tiere, zwei Hauptformen zu unterscheiden, eine öjtliche, den eigentlichen Urjon oder das Kanadiiche Baumjtacheljichwein, E. dorsatus Z. (j. Sarbentafel), altbefannt, jchon von Linne bejchrieben, und eine weitliche, E. epixanthus Bradt., mit mehr Gelb, von dem PBetersburger Akademiker Brandt 1835 abgetrennt und von amerifanijchen Shitematifern (Mearnıs, Merriam, Allen) neuerdings noch um Drei Unterarten bereichert, die fich von Alaska über Kalifornien bis Merifo verteilen. Den Urjon unterjcheiden der gedrungene Leib und der furze, abgeflachte oder breitgedrücte, oberjeits mit Stacheln, unterjeits mit Borjten bejegte Schwanz von den jüdamerifanischen Stletterjtachelichweinen. Körperlänge 80 cm, wovon der Schwanz 19 cm wegnimmt. Der Kopf tjt furz, Did und ftumpf, die Schnauze abgeitußt, die Keinen Najenlöcher find durch eine Halbmondartige Klappe mehr oder weniger verichließbar. Die Oberlippe ijt deutlich, aber nur wenig gejpalten und zeigt jo den mittleren Zujtand zwischen neu= und altweltlichen Stacheljchweinen, ebenjo wie die Yehenzahl der Füße. Dieje jind nämlich vorn vierzehig und daumenlos, hinten fünfzehig, die Krallen lang und ftarf, die Sohlen nadt, mit netfürmig geriefter Haut befleidet. Ein dicer Pelz, der auf dem Naden bis 11 cm lang wird und an der Unterjeite und Schwanzjpige in jcharfe Boriten jich verwandelt, bedecdt den Leib. Ziwifchen den Haaren und Borjten jtehen auf der ganzen Oberjeite bis 8 cm lange Stacheln, welche größtenteils von den Haaren überdeckt werden. Die Färbung ift ein Gemijch von Braun, Schwarz und Weiß; die Haare Der Ober- (ippe jind gelblichhraun, die der Wange und Stirn lederbraun, fchwarz und weiß gemijcht, die langen Rumpfhaare ganz jchiwarz oder ganz weiß, oder jchwarz an der Wurzel, weiß an der Spite, die des Unterleibes braun, die des Schwanzes gegen die Spiße hin [chmubig weiß. Cartiwright, Audubon, Bachmann und der Prinz von Wied haben uns das Leben und Treiben des Urjons ausführlich gejchildert. Das Tier bewohnt die Waldungen Nord- amerifas, vom 67. Grad nördl. Breite an bis Virginien und Kentudy, und von Labrador bis zu den Felsgebirgen. In den Waldgegenden weitlich vom Mifjouri ijt es nicht gerade jelten, in den öftlichen Ländern dagegen fast ausgerottet. „Der Urfon“, jagt Cartrright, „it ein fertiger Sletterer und fommt im Winter wahrjcheinlich nicht zum Boden herab, bevor er den Wipfel eines Baumes entrindet hat. Gewöhnlich bewegt er jich im Walde in einer geraden Linie, und jelten geht er an einem Baume vorüber, e3 jei denn, daß Diejer zu alt jei. Die jüngjten Bäume liebt er am meijten: ein einziger Urfon richtet während des Winters wohl Hunderte zugrunde, Der mit den Sitten diefer Tiere Vertraute wird jelten vergeblich nach ihm juchen; denn die abgejchälte Rinde weift ihm ficher den Weg." Audubon verjichert, er jei durch Wälder gefommen, in denen alle Bäume vom Urjon entrindet worden waren, jo daß der Bejtand ausjah, als ob das Feuer darin gewütet habe. Namentlich Ulmen, Bappeln und Tannen waren arg mitgenommen worden. Mit feinen braunen, glänzenden Zähnen 172 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Baumftadheljchweine. jchält der Urjon Die Ninde jo alatt von den Zweigen ab, als hätte er die Arbeit mit einem Mefjer bejorat. Man jagt, daß er regelmäßig auf dem Wipfel der Bäume beginne und nieder- mwärts herabiteige, um die Zweige und zulebt auch den Stamm abzufchälen. Der befannte amerifanische Biologe Hart Merriam hat „viele Hemlodstannen gejehen, die vom Uxjon fo vollitändig abgenagt waren, daß fie feinen grünen Trieb mehr hatten, nicht an dem dünnjten te. E38 jcheint unglaublich, da ein jo großes und Schweres Tier weit genug hinaus Klettern fann auf die Afte und Zweige, um die Blätter an den Spigen zu erreichen; aber e3 verteilt jein Gewicht, indem e3 mehrere Zweige zufammennimmt, dann mit jeinen mächtigen Slauen die Spigen zurücdbiegt und durchs Maul zieht. Hoc in den Baummipfeln bleibt es jo oft unbemerft, wird für ein Strähen- oder Habichtsneit gehalten‘. — Auch Edmund Goes, ein deutjch-amerifanischer Jägerbeobachter, der in jenen „Amerifantschen Sagdbildern” „Das amerifanische Stacheljchwein und jeine Tätigkeit im Urwalde” gejchildert hat, bezeichnet als dejien hauptfächlichite jung die jungen Triebe „der Nadelbäume, von denen e3 wiederum Spruce- und Baljamfichte bevorzugt, weshalb jein Wildbret einen harzigen Beigejchmad bejigt”. Man darf mit ziemlicher Sicherheit darauf rechnen, den Urjon monatelang alltäg- fich in derjelben Baumbhöhlung zu finden, die er jich einmal zum Schlafplage gewählt hat. Einen Winterjchlaf hält er nicht; Doch tft e3 wahrjcheinlich, daß er jich während der fältejten Wintertage in gedachte Schlupfwinfel zurüdzieht. Sn folchen Baumlöchern oder in Feljenhöhlen findet man auch das Nejt und in ihm im April oder Mai die Nachfommenschaft. Goes neigt über die Fortpflanzung „zu der An- jicht, daß das Stacheljchwein zumeift nur ein Junges im Mat zur Welt bringt, da jich bei vielen getöteten Exemplaren im April oder Mat immer nur ein Junges in der Tracht vor- fand... Im der Nanzzeit (März, tie mir jcheint) fann man dieje Nager des Nachts und zuweilen auch am Tage ein greuliches Liebesfonzert vollführen hören, das in einem jchred- (ichen Gegrunge und Gejchrei beiteht und, jo harmlos e3 ist, einem Neuling im Walde die Haare zu Berge treiben fan.” Der Indianerglaube, daß die Mutter feine Ziten habe, ijt wohl Dadurch) zu erklären, daß die Zigen, wie bei manchen anderen Nagern, am Körper nad) beiden Seiten hinaufgerüct find und in der gewohnten Gegend unten am Bauche vermißt werden. Die aus dem Nejte genommenen und in Öefangenjchaft gehaltenen Jungen gewöhnen jich bald an ihren Herrn und an die Umgebung. Man ernährt fie mit allerhand Pflanzen- itoffen, auch nehmen fie Brot jehr gern. Wenn man jie im Garten frei umherlaufen läßt, beiteigen jie Die Bäume und frejjen hier Ninde und Blätter. Audubon erzählt, daß ein von ihm gepflegter Urjon nur dann fich erzüunt Habe, wenn man ihn von einem Baume des Gartens, den er regelmäßig beitieg, entfernen wollte. „Unfer Gefangener war nach und nach jehr zahım geworden und machte jelten von jeinen Nägeln Gebrauch, fonnte deshalb auch gelegentlich aus jeinem Käfige befreit und der Wohltat eines freien Spazierganges im Garten teilhaftig gemacht werden. Er fannte uns; wenn wir ihn riefen und ihm eine jühe Kartoffel oder einen Apfel vorhielten, drehte er jein Haupt langjam gegen uns, blidte uns mild und freundlich an, jtolperte dann langjam herbei, nahm die Frucht aus unferer Hand, richtete jich auf und führte diefe Nahrung mit jeinen Pfoten zum Maule. Oft fam er, wenn er die Tür geöffnet fand, in unfer Zimmer, näherte jich ung, rieb jich an unferen Beinen und blite uns bittend an, um irgendeine feiner Lecdereien zu erlangen. Vergeblich bemühten mir ung, ihn zu erzürnen: er gebrauchte jeine Stacheln niemals gegen uns. Anders war es, wenn ein Hund fich näherte. Dann feßte er fich augenblicklich in Verteidigungszuftand. Die Naje niederwärts gebogen, alle Stacheln aufgerichtet, und den Schwanz Hin umd Urfon. 173 her bewegend, zeigte ex jich fertig zum Klampfe. Ein großer, wütender, im höchiten Grade jtreitluftiger Bullenbeißer aus der Nachbarjchaft jprang eines Tages mit offenem Maule auf den Gewappneten los. Der Urjon jchien in demjelben Augenblide auf das Doppelte jeiner Größe anzujchwellen, beobachtete den anfommenden Feind jcharf und teilte ihm recht- zeitig mit jeinem Schwanze einen jo wohlgezielten Schlag zu, daß der Bullenbeißer augen- blidlich feinen Mut verlor und jchmerzgepeinigt laut aufjchrie. Sein Maul, die Zunge und Naje waren bedect mit den Stacheln jeines Gegners. Unfähig, die Kinnladen zu schließen, floh er mit offenem Maule unaufhaltiam über die Grumdjtüde. Obgleich die Leute ihm jofort die Stacheln aus dem Munde zogen, blieb der Kopf doch mehrere Wochen lang ge- ihwollen, und Monate vergingen, bevor die Schnauze geheilt war.” Der Prinz von Wied fing einen Iron am oberen Miffouri. „US wir ihm nahe famen, jagt er, „Iträubte das Tier die langen Haare vorwärts, bog jeinen Kopf unterwärts, um ihn zu veritecfen, und drehte jich Dabei immer im Kreife. Wollte man es angreifen, jo fugelte es jich mit dem Borderleibe zujammen und war alsdann wegen jeiner äußerit jcharfen, ganz (oder in der Haut befeitigten Stacheln nicht zu berühren. Kam man ihm jehr nahe, jo rüttelte e3 mit dem Schwanze hin und her und rollte jich zufammen. Die Haut ist jehr weich, dünn und zerreiibar, und die Stacheln jind in ihr jo Ioje eingepflanzt, daß man jie bei der ge- tingiten Berührung in den Händen jchmerzhaft befeitigt findet.“ Bon der Wahrheit vorjtehender Angaben Audubons und des Prinzen von Wied be- (ehrte mich ebenjo empfindlich wie überzeugend ein Urjon, den Finjch für mich in Nord- amerifa angefauft und mir überbracht hatte. Sch unterjuchte die Weichheit feines wolligen Felles und Fam jo nach und nad) mit der Hand bis an die Schwanzjpiße; kaum aber be- rürhrte ich dieje, jo jchlug er jchnell den breiten Plattjchwanz von unten nach oben, und ein itechender Schmerz in meinen Fingerjpigen befehrte mich, daß feine Abwehr nur zu qut geglückt war. Achtzehn Stacheln waren jo tief in meine Fingerjpigen eingedrungen, daß ich jelbjt nicht imftande war, fie herauszuziehen, vielmehr Mügel bitten mußte, mir zu Hilfe zu fommen. Bon nun an wurden fernere Verjuche nur mittels eines Stöcdchens ausgeführt und dabei bemerkt, daß der Schlag mit dem Schwanze heftig genug war, um die Stacheln auch in das harte Holz des Verjuchitäbchens einzutreiben. Bedenft man, daß der ganze Unterrücen mit ebenjo feinen Stacheln wie der Schwanz bededt ift und le&terer gegen den Unterrüden gejchlagen wird, fo ift wohl zu begreifen, daß es nicht leicht eine zweckdienlichere Bewaffnung geben fann, al3 der Urjon jte bejitt. Abgejehen von diefem Schwanzichnellen vermochte der Urjon mir wenig Teilnahme einzuflößen. Still und langweilig ja er am Tage auf ein und derjelben Stelle, ein dicker Kugelballen ohne Bewegung und Leben. Erit nach Sonnenuntergang gefiel er jich, ein wenig im Käfige umberzuffettern. Obwohl hierin feineswegs ungejchiet, betvegte er jich Doch weder mit der Sicherheit, noch auch mit der Gemwandtheit der Greifitachler, beivies vielmehr eine ähnliche Haft, wie die Bodenjtachel- chweine jie beim Laufen zeigen. Ein höchjt unangenehmer Geruch, dem von Greifitachlern ausgehenden entichteden ähnlich, verjtänferte den Käfig und machte das Tier auch denen mwidermärtig, die e3 mit Teilnahme betrachteten. An die Nahrung jtellt der Urjon feine Anjprüche; doch verträgt er größere Hige nicht. „AB der Frühling vorjchritt”, berichtet Audubon, „überzeugten wir uns, daß unfer armes Stacheljchwein nicht für warme Länder gejchaffen war. Wenn es heiß wurde, litt e3 jo, daß mir es immer in jene fanadijchen Wälder zurüdwünjchten. 3 lag den ganzen Tag über feuchend in jemem Käfige, jchien bemwegungslos und elend, verlor jeine Frehlujt und verichmähte alle Nahrung.” 174 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Baumftahelichweine. Neuerdings it der Urjon nicht gerade jelten auf den Tiermarkt gefommen; im Frühjahre 1907 hatte der befannte Tierhändler Hagenbed fogar einen ganzen Affenpavillon jeines Tier- parfes mit einer großen Menge der merfwinrdigen Stachelnager bevöffert, und viele Weibchen brachten Dort Junge, Die jehr entwidelt, mit Stacheln, zur Welt fommen. Die Negel ijt eins; diefelbe Zahl, Die auch in zoologijchen Gärten, 3. B. dem Berliner, beobachtet ift. Stone und Cram erklären für den hartnädigjten Feind des Urfons den großen Fifch- marder,. vem e3 manchmal doch irgendwie gelänge, ihn an der Kehle zu fajjen, wo er am mwenigjten gejchüßt ift, und dabei die unangenehme Berührung mit den Stacheln zu vermeiden. Den großen Kasten follen die Stacheln, wenn jie aus Hunger den Urjon angreifen, durch die Musfelbewegungen tiefer und tiefer in den Körper dringen, bis fie einen edlen Teil erreichen und das Raubtier jo doch Schließlich noch den Waffen des Urfons erliegen muß viele Wochen, nachdem e3 ihn verjpeijt hat. Dagegen berichtet Goes: „Der Bär fchlägt den Nager mit einem Tabenjchlage zu Boden, ungeachtet dejjen, daß er fich die Pranfe mit Stacheln jpidt.” Der Fuchs „weiß den ftacheligen Waldberwohner gejchidt auf den Nüden zu werfen und unternimmt feinen Angriff von der jtachellojen, fait nadten Bauchjeite aus, meijt mit Erfolg. Bahllofe Nejte gejchlagener bzw. gerijjener Stacheljchweine jamt dabei befindficher Bifiten- farte und Spurenabdrüden haben Ddieje Annahme betätigt”. Durch diefe Erfahrungen von Goes erhält der „unüberwindliche” Stachelpanzer eine ganz eigentümliche Beleuchtung. Die Kletterbewegung des Urjons vergleicht Brandes jehr bezeichnend mit der einer Spannerraupe und hebt Dabei auch die Verwendung des Schwanzes gebührend hervor. Nach jeiner Schilderung Flettern die Urjons, „indem fie den Baumftamm mit allen Vieren umgreifen, jich möglichjt nad) vorn ausitreden, um dann die Hinterbeine ganz an die vorderen heranzuziehen, wodurd natürlich der auch für die Spannerraupe charafteriitiiche Kaben- bucdel zujtande fommt. Außerdem benußen fie aber auch den unten Furz behaarten, ab- geplatteten Schwanz am Stamm ebenjomwohl wie auf den dDünnjten Zweigen zur Stübe, zum Feithalten und zum Nachjchteben”. SoeS nennt die Bewegungen des Urjons auf dem Boden jehr langjam und unbeholfen. Bernimmt das Tier feinen Feind, jo bewegt es fich in kurzen Galoppjprüngen dem nädjiten Baume zu, wobei es jedoch leicht eingeholt werden fann, und baumt jodann in gleichem Tempo auf. „Erjtaunlich ift feine Fähigkeit, fich auf ganz dünnen, fchwachen Aften balancierend zu erhalten, wobei es jich, mit der dicken, folbigen Aute den Körper jtübend, vor- und rüdmwärts bewegt... Im ganz ftrenger Winterzeit ift e3 weniger rege, wie das ja auch an anderen Tieren des Waldes ohne irgendwelchen Winterjchlaf zu beobachten it... Für den Anjiedler machen fich diefe Nager oftmals in unliebfamer Weije bemerfbar...” So bejuchen fie Die bon den Waldfarmern angeleaten Salzleden des Hochmwildes „und vergrämen diejes durch ihr geräufchvolles Krnabbern von der Xede, wo es der Hintermwäldler, erhaben über alle Ge- wijjensbiffe deutjcher Weidgerechtigfeit, fir Küche und Salzfaß niederfnallen möchte”. Ebenjo liebt e3 der Urfon, nach Goe3, „ven Anfiedelungen Bejuche abzujtatten und alle etwa außen- gelaffenen Werkzeuge, oder vielmehr deren mit dem Schweiße der Hände getränfkten Stiele zu benagen und fo, zumeilen in einer einzigen Nacht, eine ganze Anzahl folcher zu ruinieren“. Schließlich hat er auch die Neigung, „alle im Walde fich vorfindenden Gemweihabmwürfe, Kadaverreite uf. zu benagen und volljtändig aufzuzehren”. Goes führt alles dag auf eine „ungemeine Vorliebe diefer Tiere für Salz und jalzhaltige Gegenftände” zurüd. Sonit fennt man aber einen derartigen Salzhunger gerade von Nagern nicht und erklärt das Be- nagen harter Gegenjtände, 3. B. das Zerjchroten von Abwurfitangen durch Eichhörnchen, Urfon. 17.5 mit dem Bedürfnis, die Nagezähne Fräftig abzunugen. Goes erlebte jelbft „ein recht draftijches Beifpiel des vorher Gejagten”, ald er „Durch Das Nagegeräufch eines in voller Tätigkeit befindfichen Stachelichweines auf einen Plat aufmerkjam gemacht wurde, wo ehemals ein in einem Holzfällerlager gefallenes Pferd gelegen hatte, das (Dejjen Skelett) von diejen Nagern fchon nahezu aufgezehrt war”. Eine für amerifanijche Urwaldverhältniffe „nüßliche Tätigfeit“ des Urjons jieht Goes darin, daß jener im jtrengen Winter „auf Hemlod3-, Spruce- und Balfamfichten, bis zu den äußerften tragenden Äjten gelangend, eine folche Maffe von jungen Trieben abnagt, daß rings um den betreffenden Baum der ganze Boden dicht bedeckt it. Das edle Hochmwild pflegt ji) an jolchen Plägen gerne einzufinden, und daß es die ihm unabfichtlich gebotene Aung annimmt, bewies mir fehon oftmals der Augenjchein“. Über den Kalifornifchen Urfon, E. epixanthus Brdt., und zahm gehaltene Eremplare aus Arizona (Unterart couesi Mearns) berichtet der botanische Sammelteifende Purpus („Natur und Haus”, Jahrg. 13). In Kalifornien liebt der Urfon „ganz bejonders die Ninde und Nadeln der Douglastanne und einer Kiefernart (Pinus flexilis). Das Tier frigt aber auch Laub, Kräuter und verjchtedene Gräjer, ferner die Ninde von Weiden, bejonvders einer folchen, die unferer Salweide (Salix caprea) ähnlich ift... E3 zieht die Rinde der Äjte der des Stammes vor und veriteht dieje jehr gejchict abzujchälen... Sn den Can Francisco Mountains in Arizona findet jich der Urjon in zerffüfteten Bafaltfelfen in einer Höhe von 2—3000 Fuß, bejonders da, wo Douglastannen und die bereit3 erwähnte Pinus flexilis twachjen.” Zwei Junge fand Purpus in den Francisco Mountains „bei einer botanijchen Tour in einem Weidenbufch, dejfen Rinde fie abzunagen im Begriff waren. Die Tiere jahen aus wie Haarbüfchel und waren etwas über fauftgroß”. Ehe Purpus einen Behälter herbei- holen fonnte, „waren die Tierchen verjchtwunden; als wir jedoch die Umgebung genauer unter- juchten, fanden wir fie zwifchen Steinen verjtect. Man jah nichts als ein paar ihrer langen, grauen Haare herborjchauen. Die Tierchen hatten jchon ihren Stachelpanzer und mwehrten jich tapfer. Im Anfange zeigten fie fich jehr wild und wollten nichts frejjen; e8 dauerte jedoch nicht Tange, fo fingen fie an, Milch zu trinken; ferner benagten fie Weidenruten und fraßen die Nadeln von Tannen und Kiefern. Sie machten die Reife mit... Ar den Hotels fiegen wir fie oft frei im Zimmer herumlaufen, ebenfo auf vem Dampfer. Die Tiere ge- mwährten uns auf der langen Reife viel Unterhaltung, waren jehr lebhaft, namentlich des Nachmittags, pielten miteinander und Fugelten fich auf dem Boden herum... Sie nehmen ihr Futter in die Vorderpfoten wie die Eichhörnchen. Die Tiere find jehr zahım geworden. Sie Flettern einem die Beine hinauf und auf den Rüden, unterfuchen und beriechen alles. Sn ihrem Bimmer ftehen ein paar Heine Kiefernbäume, in denen fie jich zur Auhe und zum Schlafen niederlafjen. Sie figen auf den Hinterbeinen mit übergeneigtem Kopfe und herab- hängenden Borderpfoten. Ihr Gang ift jehr unbeholfen, und watjchelnd fommen jie heran, wenn man das Zimmer betritt, um ihr Futter in Empfang zu nehmen. Manchmal laufen jie aber auch ziemlich rafch, machen fogar Sprünge... Das Weibchen tft Heiner und viel janfter als das größere Männchen. Erfteres beißt nie, während das Männchen zumeilen zubeißt, wenn e3 aufgehoben wird. Das legtere gibt auch einen eigentümlichen Inurrenden Laut bon fich, der furz nacheinander ausgejtoßen wird, wenn man e3 aufheben till. Wenn die Tiere hungrig find oder das eine das andere nicht fieht, jo geben fie einen grungenden Ton von fich, der etwa wie ‚on, on‘, durch die Naje geiprochen, lautet und vajch nach- einander ausgeftoßen wird. Bringt man die Tiere ins Freie oder in ein anderes Zimmer, jo fträuben fie fofort die Haare und zeigen die Stacheln.... Die Tiere find jehr reinlich und 176 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Erdftahelfchmweine. riechen gar nicht...” Purpus hat auf jenen „vielen Reifen im Weiten nur etwa S—9 Ur- jons gejehen”. Das Tier macht jich jtets jofort „zur Abwehr bereit, die darin beiteht, daß es einem den jtachelbewehrten Nücfen zumendet”. Purpus’ Freund, Herr Hochderffer aus Flagitaff, Arizona, hatte einen Stier, der eines Tages von der Weide zurücdtam, feine Nafe gejpiett mit den Stacheln eines Urfons. Um dieje zu entfernen, mußte das Tier zu Boden geworfen werden. „Der Ochje war wahrjcheinlich beim Weiden auf einen Urfon geitogen und hatte ihn bejchnüffelt.” Der Urjon wird von Jahr zu Jahr jeltener. „m mweitlichen Connecticut”, jo erzählte William Cafe jchon Audubon, „war das Tier noc) vor einigen Jahren jo häufig, daß ein Säger gelegentlich der Eichhornjagd 7 oder S im Laufe eines Nachmittags erlegen konnte, und zwar in einer Entfernung von 3 oder 4 (englijchen) Meilen von der Stadt, während man jeßt vielleicht nicht ein einziges dort finden würde.” Audubon erhielt einen fanadijchen Luchs, welcher den Angriff auf ein Stachelichwein jchwer hatte büßen müjjen. Das Raubtier war dem Tode nahe, jein Kopf heftig entzündet und der Mund voll von den jcharfen Stacheln. Den erlegten Urjfon wijjen nur die Sndtaner entjprechend zu benußgen. Das Fleisch des Tieres wird von ihnen jehr gern gegejjen und joll auch den Weißen munden. Das Tell it, nachdem die Stacheln entfernt jind, jeiner angenehmen Weiche halber brauchbar; die Stacheln werden von den Wilden vorzugsmweije zum Schmud ihrer Jagdtajche, Stiefel ujw. verwendet. Nach Burpus färben jte die Sivurindianer in Dafota rot, gelb, blau und grün. „sc jah jolche Mofafjins (Indianerjchuhe) am Little Nifjourt in den Badlands von Montana, welche jehr hübjch ausjahen.“ B Mit der Familie der Erdjtacheljchtweine (Hystricidae) gehen wir in die Alte Welt über, deren wärmere Länder dieje ausjchlieflich auf und in der Erde lebenden Formen be- wohnen. Sie unterjcheiven jich Durch die längeren und jtärferen Stacheln, gejpaltene Ober- fippe, eine Daumenmwarze an den Vorder- und vollitändig ausgebildeten Daumen an den Hintergliedern, Fräftige Grabfrallen und nacte, glatte, geradegeitellte Sohlen. Das Schlüijel- bein ijt undvollitändia, und die jchmelgfaltigen Badzähne haben nur unvollitändige Wurzeln. Die Duaitenjtachler oder Stachelratten (Atherura @. Cuv.) muß man wegen ihres längeren und deshalb urjprünglichere Verhältnijje zeigenden Schwanzes jomwie wegen des weniger entwidelten Stachelfleivdes als minder vollfommene Erdjtachelichweine betrachten. Sie jind verhältnismäßig Fein, haben furze, nackte Ohren, vierzehige Vorderfüße mit Hleinerer Daumentwarze, fünfzehige Hinterfühe und einen fangen Schwanz, der teilweije mit Schuppen beffeidet it und am Ende eine pinjelfürmige Quajte aus Horngebilden trägt, Die weder Stacheln noch Haare noch Borjten jind, jondern eher PBergamentitreifen ähneln. Dieje Ge- bilde jind bald gleich breit, lanzettartig, bald mehrfach eingejchnürt und wieder erweitert, jtehen dicht nebeneinander und ragen ziemlich weit über das Ende des Schwanzes hinaus. Die Rüden und Seiten bededenden Stacheln jind furz, aber jehr jcharfipigig, beachtens- wert auch wegen einer tiefen Ninne, die längs der Mitte verläuft. Zroifchen ihnen treten furze, jcharfe Borjten hervor. Die Unterjeite des Leibes ijt mit Haaren befleidet. Die geo- graphiiche Verbreitung der Duaftenjtachler it von der eigenartigen Zerrijjenheit (einerjeits Wejtafrifa, anderjeit3 Hinterindien und Nachbarinjeln), die wir bei einer ganzen Anzahl von Säugetiergruppen miederfinden. Afrifanifher Duaftenjtachler. KAT, Der Afrifanifche Duaftenjtachler, Atherura africana Gray, von Sierra Leone bis Angola verbreitet und jebt öfters lebend nach Europa gebracht, ijt ein verhältnismäßig ichlanfes Tier von höchitens 60 cm Länge, wovon ein Drittel auf ven Schwanz gerechnet werden muß. Die Stacheln find flach, längsgefurcht, jehr Icharfipikig und an der Spiße widerhafig, jehmußig weiß an der Wurzel, graubraun im übrigen gefärbt, einzelne jeit- fiche weißjpigig. Sie nehmen von vorn nac) Hinten an Länge zu: die auf den Schultern jtehenden werden etiwa 4 cm, die auf dem Hinterrüden jigenden fait 11 cm lang. Die Hornblättchen der Schwanzquafte find gelblichweih. Ein bräunlichweißes, ziemlich dichtes und weiches Fell bekleidet die Unterjeite; jehr lange, braune Schnurren mit weißer Wurzel jtehen zu beiden ©eiten der Schnauze. Über da3 Freileben des Quaftenftachlers ift nur wenig befannt. Büttifofer berichtet darüber aus Liberia folgendes: „VBerlafjene Termitenbauten bilden twillfiommene Wohn- pläße für diefe Art. Doch habe ich in den maldbededten Abhängen des Cape Mount- Gebirges einen Bau diefer Tiere gefunden. Er war unter den Wurzeln eines jtarfen Baumes angelegt und hatte jechS verjchiedene Ausgänge, die leider nicht alle frühzeitig genug auf- gefunden und verjtopft werden fonnten, jo daß nur ein junges don ettwa acht in unjeren Belit fam. Am Fuße des Cape Mount-Gebirges, ganz nahe am Strande, befand jich ein ähnlicher Bau zwifchen hohen Felfentrümmern; doch war e3 hier nicht möglich, dejjen Be- wohnern beizufommen.” Ein dritter Bau wurde im Steilufer eines Flufjes und ein vierter wiederum im Gefelje entdecdt. Aus dem Betragen gefangener Duaftenjtachler darf man ichliegen, daß die Sitten denen anderer Bodenjtachelichweine ähneln. ch habe das Tier wiederholt lebend gejehen und auch längere Zeit beobachten fünnen. Wie da3 gemeine Stacheljchtvein liegt e3 bei Tage möglichit verborgen in dem ihm Hergerichteten Schlupf- winfel, am liebjten in fein Heulager eingewühlt; mit Sonnenuntergang wird e3 lebendig und läuft dann mit großer Behendigfeit, aber trippelnden Ganges in jeinem Gehege umher. Seine Bewegungen find gleichmäßig, rafch und durchaus gejchiett. Über Steintrümmer und andere erhabene Gegenftände Hlettert es mit Leichtigkeit hinweg, und auf dem Boden hufcht e3 gejichtvind dahin. Der Schwanz wird öfters aufrecht getragen, das Stachelfleid gejträubt. Leßteres gejchieht namentlich, wenn das Tier erzürnt ift: dann rafjelt e3 auch mit der Quaite, aber weit weniger geräufchboll al die übrigen Stachelichweine. ‚Gegen den Pfleger beweijen jich die Duaftenftachler weit zutvaulicher als ihre Ver- wandten und machen dadurch einen meit günftigeren Eindruck al3 das gemeine Stachel- ihmwein. Sie fommen, wenn man ihnen Nahrung vorhält, ohne Bedenken herbei und nehmen dieje zierlich weg, lafjen jich überhaupt behandeln, ohne jofort in Erregung zu geraten. Auch unter fich leben fie verhältnismäßig friedlich. Die Gatten eines ‘Paares iheinen fich jehr zu lieben, liegen bei Tage dicht nebeneinander, laufen abends zujammen umher und puben, fragen und lecfen jich gegenfeitig, auch zwifchen den Stacheln, die Das eine dann jo weit auseinander fträubt, daß das andere mit der Klaue oder Zunge zroijchen ihnen hHindurchfommen Tann. Doch habe ich freilich ebenjo erfahren, daß eine beiden bor- getvorfene Lederei den Frieden ftören und Streit erregen fan; ja, ich habe infolge eines jolchen Streites den Gatten eines Paares verloren: der andere hatte ihm im Zone einen Bif in den Kopf verjegt, der feinen Tod herbeiführte. 63 jcheint, als ob die Duaftenftachler nicht fo Lichticeheu wären wie die übrigen Stachel- ichweine. Bei Tage freilich wenden fie fich immer vom Lichte ab, und ihr großes, leb- haftes Auge jcheint die Helle fehmerzlich zu empfinden; fie werden aber oft bereits vor der Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 12 178 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Erdftahheljchweine. Dämmerung munter. Ein feit längerer Zeit im Berliner Garten lebendes Exemplar it (1908) vollitändig erblindet, weiß fich aber mit Hilfe des Taftgefühles feiner langen Schnurr- haare, wohl auch des Geruches, jehr gut zurechtzufinden. Der Sndifche Duaftenftachler, Atherura macroura L. (Taf. „Nagetiere VI”, 3, bei ©. 167), aus Malaffa, Burma, Alam und Kotjchinchina, hat troß feines wiljenjchaftlichen Namens (— „Langjehwanz”) einen verhältnismäßig kürzeren Schwanz, der nur ein Viertel bis ein Drittel der Gefamtlänge ausmacht, und ijt größer, jonft aber dem Afrifanischen ehr ähnlich. Die eigentlichen Stacheljchweine (Hystrix Z.) find an ihrem Furzen, gedrungenen Leibe, dem dicken, ftumpfichnäuzigen, auf jtarfem Halfe jigenden Stopfe, dem Kuren, mit hohlen, federjpulartigen Stacheln bejegten Schtwanze, den verhältnismäßig hohen Beinen, den fünfzehigen Vorderfüßen und dem außer allem Verhältnis enttwidelten Stachelfleive feicht erkennbar. Bezeichnend für fie find außerdem die Feinen, rundlichen Ohren, die breite Oberlippe und die gejpaltene Nafe. Das Stachelffeid bevedt Hauptjächlich die legten zwei Dritteile oder die Hinterhälfte des Leibes, während das Vorderteil mit Haaren oder Borjten, meist mähnig, bekleidet ift. Die Stacheln find die größten, die überhaupt vorfommen. Das Stachelfchwein, Hystrix cristata L., übertrifft unjeren Dach8 an Größe, nicht aber an Länge und erfcheint vermöge feines Stachelffeides viel dicfer und umfangreicher, als e3 wirklich it. Seine Länge beträgt 65 em, die des Schwanzes 11 cm und die Höhe am Widerrifte 24 em; das Gewicht dürfte 15 kg faum jemals überfteigen. Bloß an der funzen, ftumpfen Schnauze und an der Nafe jigen einige Haare; die die Dberlippe ijt mit mehreren Reihen qlänzender chwarzer Schnurren bedeckt, und folche Boriten ftehen auch auf Warzen itber und hinter dem Auge. Längs des Haljes erhebt ich eine willfirtich aufrichtbare Mähne aus starken, nach rücwärts gerichteten, fehr langen, gebogenen Borjten. Dieje Boriten iind dimm und biegfam, teils weiß, teils grau gefärbt und endigen meijtens mit weißen Spiten. Die iibrige Oberjeite des Leibes bedecden nebeneinander geitellte, ange und kurze, glatte, jcharf gefpitte, abwechjelnd dunfel- oder fchwarzbraun und weiß gefärbte, Ioje im Selle feitiitende und deshalb Teicht ausfallende Stacheln, zwifchen denen überall borjtige Haare fich einmengen. An den Seiten de3 Leibes, auf den Schultern und in der Streuz- gegend find die Stacheln Fürzer und ftumpfer al3 auf der Mitte des Rückens. Die dünnen, biegjamen erreichen eine Länge von 40 cm, die furzen und ftarfen dagegen werden nur 15—30 cm Yang, aber bi3 0,5 em die. Alle find im Inneren hohl oder mit jhwammigen Mark angefüllt, Wurzel und Spiße meiftens weiß gefärbt. Die Fürzeren Stacheln find jchwarz- braun und weiß geringelt, an der Wurzel und Spiße ebenfalls meijtens weiß. Den Schwanz bededen verjchteden gebildete Stacheln von etwa 5 cm Länge, aber faft 7” mm Dide (Taf. „Nagetiere VII“, 1, bei ©. 184). Cie beitehen aus abgejtusten, dünnmandigen, am Ende offenen Röhren, die angejchnittenen Federkielen gleichen, ihre Wurzeln Dagegen aus langen, diinnen umd biegjamen Stielen. Alle Stacheln fünnen mittel eines großen, Fräftigen Musfels, der fich unter der Haut des Tieres ausbreitet und einer ftarfen Zufammenziehung fähig ift, wilffirtich aufgerichtet und zurückgelegt werden. Die Unterjeite des Leibes ift mit dunfelbraunen, rötlich geipikten Haaren bededt; um Die Kehle zieht fich ein meikes Band. Die Krallen find dunfel Hornfarbig, die Augen jchwarz. Die Einrichtung und Wirkung der Schwangrafjel im einzelnen hat Brandes gemein- verjtändlich gefchildert. E38 „stehen am Schanze zwei Arten von Stacheln: Dünnere, ıpıI2PDIS uam Sndifcher Duaftenftahhler. Staheljchwein. 179 ipiße, und didere, die wie abgejchnitten ausjehen”. Lebtere bejtehen „nur aus einer ganz dünnen Wandung und gleichen einer Federjpule. Sioliert man ein jolches Gebilde, jo dvrängt fich der Vergleich mit einem hohen Champagnerglaje auf; es läßt jich nämlich ein Kleiner Fuß, ein dünner Hal und ein hohes Gefäß unterjcheiden. Die kleinen, majjiven Stacheln ftehen zwifchen den felchglasartigen gleichmäßig verteilt”. Nun erinnere man fich an „die zitternde Bewegung des Schwanzes, die die verjchtedenartigen Stachelbildungen zufammen- ichlagen läßt: die Kelchgläfer werden zu Gloden und die majjiven Stacheln zu den aufßer- halb der Gloden angebrachten Klöppeln.“ Über Hornzähne auf der Zunge des Stacheljchweins hat neuerdings Brian eingehende Unterfuchungen gemacht (Gegenbaurs „Morpholog. Jahıb.”, Bd. 37). Sie bilden auf dem vorderen Teile der Zunge, durch einen Ziwifchenraum getrennt, zwei gleichgroße Gruppen nebeneinander, find „in hintereinander jtehenden Querreihen angeoronet und dienen offen- bar dazu, die Nahrung zu zerreiben. Durch ftarfe Muskeln aus dem mnern der Zunge fönnen fie in der günftigjten Stellung fixiert werden.” Das gewöhnliche Stacheljchwein findet man längs der Stüjte des Mittelmeeres, zumal in Algerien, Tripolis, Tunis. In Unteräggpten, two e3 vorfommen joll, habe ich jeine Spuren nie gejehen. Das übrige Afrifa bewohnen ganz nahe verwandte, äußerlich faum zu unter- icheidende Arten. In Europa lebt e3 in der Campagna bei Nom, in Kalabrien, Sizilien und in Griechenland, vielleicht auch in Spanten. Die Alten fannten das Stacheljchwein recht qut, verdunfeln aber feine Naturgejchichte durch Fabeln. Plinius gibt an, daß es jeine Stacheln durc) eine Spannung der Haut fort- ichleudern fönne, und Oppian führt diefe Behauptung weiter aus in übertriebener, phan- taftiicher Schilderung, die jo recht auch dem Geifte des wundergläubigen Mittelalters ent- iprach und fich daher durch die ganzen naturgejchichtlich unfruchtbaren Jahrhunderte fort- erhielt, bis jie in der Neuzeit Buffons Widerfpruch Herausforderte. Jr unjeren Tagen hat num $. Boffeler in einem ausgezeichneten Lebensbilde des Stachelichweins (Meermwarth, „Säugetiere“, 3. Bd.) gemwichtige Hinmweije beigebracht, daß auch diefem Aberglauben, wie fo manchem anderen, gewijje Tatfachen und richtige Beobachtungen zugrunde liegen. Wäh- rend jeiner langjährigen Tätigkeit auf der wifjenschaftlichen Verfuchsitation Amant in Deutjch- Dftafrifa wurden ihm von einem Farmer Stachelichtveinftacheln gezeigt, über mannshoch in der Rinde eines Baumes ftecend, an dejjen Fuß ein Stachelfchwein im Schwanenhals ge- fangen worden war. Sie konnten nicht wohl anders dorthin gelangt jein, als aus der Haut herausgejchleudert durch das plößliche Aufrichten mittels der Hautmusfulatur im Augenblide de3 jähen Schredens und Schmerzes, den dem Tiere die zujchlagende Falle verurjachte. Der Fänger war aber gänzlich ahnungslos und gerade deshalb ein um jo unverdächtigerer Zeuge, als er annahm, das Tier jei mit der Falle an der lette den Baum ein Stücd emporgeklettert. Das Stachelichwein lebt einfan. Bei Tage ruht eS in langen, niedrigen Gängen, die e3 jich jelbft in den Boden wühlt; nacht3 fommt e3 heraus und ftreift nach jeiner Nabh- rung umher, nach Pflanzenitoffen aller Art, Diteln und anderen Sträutern, Wurzeln und Früchten, der Rinde verjchiedener Bäume und mancherlei Blättern. ES beit die Nahrung ab, fat fie mit den Vorderzähnen und Hält fie mit den Vorderpfoten feit, jolange es friht. Alle Bewegungen find langjam und unbeholfen; der Gang ijt träge, bedächtig, der Lauf nur wenig rafch. Bloß im Graben hat das plumpe Tier einige Fertigkeit. m Winter joll es mehr al3 gewöhnlich im Baue verweilen und manchmal tagelang dort jchlafend zu- bringen. Einen wirklichen Winterjchlaf Hält es nicht. 12* 180 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Erdftahelichweine. Wenn das Stacheljchwein irgendiwie beunruhigt wird oder fich gefährdet glaubt, dreht e3 dem Störenfried jofort den Rüden zu, richtet jeine Stacheln auf und läßt unter zitternder Bewegung jeines Schwanzes ein heftiges Rafjeln hören: offenbar ein injtinftives Gebaren, Feinde abzujchreden, ein Schußinjtinft. Diejer hat zunächit auch Erfolg; denn unmillfürlich hemmt der Nahende jeinen Schritt. Er wird gewarnt, und die Schwanz- tafjel des Stachelichweins übt alfo eine Wirkung, welche den Vergleich mit der entjprechen- den Einrichtung am Klapperjchlangen- und Storpionjchmanze herausfordert. Darauf hat neuerdings (Proc. Zool. Soc.‘, 1906) BocoE vom Londoner Garten gebührend aufmerkfam gemacht. Das Benehmen der Stachelichweine des Nachts, wenn jie jich draußen herum- treiben, it ganz verjchieden von dem der meijten nächtlichen Tiere. Statt jich leife zu be- wegen wie die leßteren, machen jie allen Anjcheine nach jo viel Geräujch wie möglich, indem fie mit ihren Stacheln rajjeln und heijer qrunzende Kehllaute ausjtoßen, was man beides auf beträchtliche Entfernung hören fann. Jhre Nähe wird auch noch auf andere Weije angezeigt, nämlich durch die leuchtende Weiße ihrer Stacheln, die, in Der charafteriftijchen Fächerform aufgerichtet, im Dunkeln ganz deutlich fichtbar jind und den Beobachter injtand- jegen, genau zu jagen, wo das Tier jich befindet, was durch das Najjeln allein nicht möglich it. Doch find Stacheln und Färbung nur Warn und Ubjchredeinrichtungen. Achten jtärfere Tiere ihrer nicht, jo find Stachelichweine wegen ihrer außerordentlich dünnen Haut leicht zu töten. Ein Hund, der darauf drejjiert ijt, reißt binnen weniger Sekunden eins in Stüce, wenn er es einmal von unten oder von born außerhalb des Stachelpanzer3 gepact hat; jo berichtet Simons, ein füdafrifanischer Sammelteijender, und die warnenden Eigentümlich- feiten der Stacheljchweine erklären jich aljo daraus, daß jie zwar die Berteidigungseinrichtung des Stachelpanzers, fonjt aber nur eine jehr geringe Widerjtandsfähigkeit bejiten. Das drohende Gebaren des Stacheljchweins im Verein mit dem Stachelfleide erjcheint dem modernen Naturforscher ganz jelbjtverjtändlich als eine höchit wirfjame Schußeinrichtung. Aus diefem wahrjcheinlichen Gedanfengang heraus hat denn auch Pocod mit Necht darauf hingewiejen, wie jehr das im Dunkeln rajjelnde, jtampfende und grunzende Stachelichwein jich bei jeder Begegnung bemerkbar macht, mit anderen Worten auf jeinen Stacheljchuß geradezu pocht. Da möchte man allerdings mit Pocoed die Erzählungen von Yöwen, Tigern und anderen Raubtieren, die angeblich recht gern und oft Stacheljchweine frejjen, entweder ganz ins Neich ver Fabel verweijen oder höchitens als jeltene Ausnahmen gelten lajjen und die in den Lippen und PBranfen von Naubtieren gefundenen Stachelreite viel mehr al3 Be- weije mißglüdter Angriffe denn al folche gelungener Tötungen auffaljen. Werm nur nicht Pococds eingehende und einleuchtende Darlegungen im ‚‚Field‘“‘ (Nr. 3037, vom 11. März 1911) jo viel gut begründeten Widerjpruch gefunden hätten! Aber in den nächiten Nummern der genannten Zeitjchrift wınden aus Afrika und Indien jo viele eigene Erlebnijje vom Gegenteil erzählt, daß man in dem ganzen Glauben an die Wirkung des Stacheljchußes irre werden fönnte. Wir hören allerdings aus Südafrika von einer gefledten Hyäne, die Buren tot fanden mit einem Stachelfchweinftachel im Halfe, und Ähnliches aus Zentralindien von einem Tiger, dejjen von Hyänen und Schafalen zerfrejjene Nejte zufammen mit denen eines Stachel- Ihwweines gefunden wurden, nachdem man vierzehn Tage vorher in derjelben Gegend einen Tiger mehrere Stunden der Nacht andauernd hatte brüllen hören, wasTiger nur vor Schmerzen tun. Anderjeits fand man beim Abftreifen von Leopardenfellen öfters Stacheln jotwohl in den Lippen als in den VBorder- und Hinterpranfen, ohne zugleich Spuren einer Entzündung nachweijen zu fünnen, und beim Tiger bezeichnet man das al3 eine ganz gewöhnliche Sache. Stahelichwein. 181 Sa, Tiger und Leopard jollen geradezu verjejjen jein auf Stacheljchweine: jtafen doch einem alten, erfahrenen, von nachweisbarem Büffelraub wohlgenährten Tiger je ein Stachel- ichweinftachel in der Bruft und der jtark entzündeten Pranfe! Das ijt nicht anders denkbar, als daß die Naubtiere lernen, da3 Stacheljchwein troß jeiner Stacheln zu töten, und es läßt jich weiterhin auch nichts Stichhaltiges einwenden auf die aufgeiworfene Frage, mwarım man den großen Sagen die nötige Intelligenz nicht zutrauen jollte, des Stachelichweins durch gejchietes Belauern und einen jchnellen Tagenhieb Herr zu werden. Zumal einem piel Fleineren und ungejchieteren Naubtiere, dem jüdafrifaniichen Honigdachje, geradezu igftematische Verfolgung des Stacheljchweines in feinem eigenen Erdbau nachgejagt wird. Nach) Bowfer-Grahamstoron öffnet der Honigdachs den Stacheljchweinbau immer von oben, genau über dem Stejjel; Borfer fing bei jolcher Gelegenheit zwei diejer Räuber, deren Wägen noch vollgepftopft waren von frijchem Stacheljchweinfleijch. Darüber, wie jie die Stachel- wunden ertragen, jagt er rüichts, betont aber, daß jolche Berlegungen bei Hunden mochen- lang eitern, bis die leßte Stacheljpige aus dem Körper entfernt it. Nach alten Angaben ericheinen im ‚Field‘ jchließlich jogar die NRiejenjchlangen als Feinde und Bemältiger des Stacheljchweins. Da wird in den hochangejehenen „Philosophical Transaetions“ nicht nur bezeugt, daß bei Bombad jchon im Jahre 1744 eine tote Riejenjchlange gefunden worden jei, der Stacheljchweinftacheln zwifchen den Nippen herausfamen, jondern e3 folgt auc) noch die weitere, ungleich intereffantere Beobachtung, daß eine Niejenjchlange ein Gemölle von jolchen Stacheln ausgeworfen habe al Beweis glücklicher Tötung und Verdauung eines Stacheljchweins. Dah den Menjchen die Stacheln des Stacheljchweines jehr empfindlich verrwunden fönnen, follte, wie Qandoi3 berichtet, der Tierwärter Nikolaus des Zoologijchen Gartens zu Minfter erfahren, als er den Auftrag erhielt, das Tier von einem Behälter in einen anderen zu ichaffen. „Das gereizte Tier fonzentrierte jich rüchvärts auf den Wärter und durchbohrte mit jeinen fteifen, geraden Stacheln nicht allein die Hofe, jondern auch die Waden jeines ver- meintlichen Feindes. Acht Stacheln drangen vollitändig durch das Fleijch. C3 wurde des Nachts noch ärztliche Hilfe notwendig. Nach Behandlung mit Sarbo! hat die Verlegung weiter feine nachteiligen Folgen gehabt.” Sie it aber nach Bofjeler „nicht nur eine me- chanifche Verlegung. Die Wunde blutet jchlecht und Hinterläßt recht nachhaltige und aus- jteahlende Schmerzen, oft auch Anfchwellungen. In der Nähe der Gelenfe der Finger fann fie zudem mehrtägige Unbewealichfeit des getroffenen Gliedes verurfachen. Dieje Begleit- ericheinungen müfjen als eine Art Giftwirfung angefprochen werden, die eine weitere Unter- juchung verdiente, um fo mehr, als fie auch bei anderen Stacheltieren feitzuftelfen ijt.” Sie kann faum anders al3 mit dem Fett (Hauttalg) zufammenhängen, das in jehr merklichen Nahe den Stacheln anhaftet und gemwiß auch den fennzeichnenden Geruch des Stacheljchweinesverurjacht. Die geijtigen Fähigkeiten des Stachelfchtweins erjcheinen gemeinhin ebenjo gering wie die feiner Verwandten; doch wird unfer Urteil vielleicht ungünitig beeinflußt Durch die hemmenden Verhältnifje der engen Schaugefangenfchaft, in der man das Tier gewöhnlicd) jieht. Wenigjtens zeigte ich ein Stachelfchwein, das Vofjeler in jeiner großen Tierliebe al3 freien Hausgenofjen hielt, „troß eines gewijjen PBarfüms und der Nagezähne”, von ungleich vorteilhafterer Seite. Die ihm angemwiejene Wohnfijte mit Stroh- und Heulager bildete bald nur noch feinen Ruheort, den e3 von jelbit abends oder, wenn eS ganz ungeitört fein (wohl fchlafen?) wollte, auch tagsüber auffuchte. Alfo auch beim Stacheljchwein, wie bei vielen anderen Nachttieren, die Umtwandlung zum Tagtier, jobald in der Gefangenichaft 182 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Erdftacheljchweine. das Kahrungsbedürfnis am Tage ohne Schwierigkeit oder Gefahr befriedigt werden fann! Bojjelers Stachelichwein trollte jich in den ihm zugänglichen Räumen oder im Freien mit um jo größerer Zuverjicht und Emjigfeit herum, je genauer es mit feiner Umgebung ver- traut wurde. Siwiichendurch jtredte es jich vor den Füßen feines Herrn an einem jonnigen Vläschen oder im Winter vor dem warmen Dfen behaglich aus: Bisweilen auch trottete es wie ein Hund Hinter feinem Pfleger her, ledte ihm die Stiefel oder gab durch Scharren feinem Berlangen nach Nahrung Ausdrud. Ebenjo wußte es, angelehnte Türen zu öffnen oder Durch Grunzen und Kraben an einer verjchlojjenen Türe Einlaf zu begehrten. Seht bald nahın e3 das Futter aus der Hand und jegte (wie jedenfalls im Freileben auch) jeinen Kot an einer beitimmten Stelle ab, wurde aljo auf feine Weije ftubenrein. &3 lernte auch bis zu einem gewiljen Grade, ich den Wünjchen jeines Pflegers durch Gewöhnung zu fügen, indem e3 jich 3. B. Nageverjuche an Möbeln abgewöhnen lief. Erjtaunlich Hartnädig und abgefeimt zugleich war e3 dagegen in dem Bejtreben, jich auch verbotene LXederbijjen anzueignen, worin Voffeler e3 abjichtlich auf die Probe ftellte. ALS e3 Durch) Zuruf erjchredt und der Raub ihm wieder abgenommen worden war, jchien es jich das zur Xehre dienen zu lajjen und verhielt jich über eine halbe Stunde ganz ruhig an jeinem Stammplab. Als aber Bojjelers Aufmerffamkeit nur wenige Minuten abgelenkt wurde, war e3 jofort mit der größten Weintraube aus der Fruchtichale unter das Sofa entiwijcht und wehrte jich gegen die Wegnahme. Derjelbe Vorgang wurde oftmals abjichtlich herbeigeführt, auch bei Lampenlicht. StetS mit gleicher Sicherheit und Geduld trug Das Tier die Masfe der Gleichgültigkeit, bejjer fait, als ein Affe es verjteht, genau jo lange, bis die Aufmerkjamfeit feines Heren eingejchläfert war. Vollfommen geräujchlos bewegte es Jich dann den Möbeln entlang über den halben Umfang des großen Zimmers nach der Frucht ichale Hin und entnahm ihr vorfichtig — merfwürdigermweije nie die von ihm jonft jehr ge- Ihäßten Nüjje oder Mandeln, jondern jtet3 nur jaftige Früchte, die es gegen jeine jonjtige Gemohnheit ohne Schmaßen verzehrte, jobald e3 jich an dem gejchüßten Plabe unter dem Sofa in Sicherheit gebracht hatte. Wie Bofjeler3 Stacheljchwein bei diefen Verjuchen ich zu beherrjchen, zu beobachten und den richtigen Augenblid wahrzunehmen wußte, das ift immerhin und auf alle Fälle eine recht achtbare geiftige Leiftung! Weniger imponierend dagegen und jchwer erklärlich ijt eine ungemeine Wehleidigfeit des Stachelichweines, die Bojjeler durch mehrere Exlebnifje belegt. Sie ift um jo merfwitrdiger, als fie anjcheinend nur für die Gliedmaßen gilt. Ein Hund bif einjt einem Stacheljchweine Bofjelers eine mehr als 4 cm lange Wunde in feinen feiiten Nadenfamm. Diejes jpickte ihm zwar zur Strafe das Gejicht mit jech® Stacheln, wandte jich aber jofort wieder gelafjen jeiner Be- Ihäftiqung mit einer Mohrrübe zu. AlS dagegen das oben gejchilverte Eremplar jich ein Borderbein gegen eine Türe jtieß, gebärdete e3 jich wie vor Schmerzen rajend, mwälzte jich unter nerhöjem Pujten und Atenftoßen, jammerte und Eagte in mitleiderregenden Tönen. Das getroffene Bein wurde, obwohl vollfommen beweglich und nur anfangs wenig ge- ihmwollen, ganze jechs Wochen nicht benußt, und tagelang wimmerte der Weichling aufs Häglichite, fobald man fich ihm nur näherte oder fein Lager nachjehen wollte. Um das Glied ja recht zu chonen, wurde vorwiegend die jonjt ungewohnte Seitenlage eingenommen. sn einem zweiten ähnlichen Falle hatte ein noch junges Exemplar ein volles Jahr bei jonit tadellojem Befinden gelegen, bevor es fich wieder bewegte, und nach diefer Zeit ertvies fich das Vorderbein al3 jeitwärt3 gewachjen, entweder infolge einer Verrenfung oder eines Bruches des Dberarmes. Auch in diefem Falle war das verlegte Glied ficher längit Staheljchwein. 183 gebrauchsfähig und wurde nur aus übertriebener Wehleidigfeit jo enorm lange gejchont, daß der Patient längjt verhungert wäre, wenn er jich nicht in Gefangenfchaft befunden hätte. Und im Gegenjage dazu wieder die ebenfalls von Bofjeler bezeugte Erfahrung, daß zufällig ins Tellereijen geratene Stacheljchweine fich das eingeklenunte Bein regelrecht abjchneiden: faum zu erflärende Widerjprüche im Verhalten ein und desjelben Tieres! Nach dem verjchiedenen Klima der Heimatsorte ändert fich die Heitder Paarung. Man fan annehmen, daß jie überall in den Anfang des Frühlings fällt, in Nordafrifa in den Januar, in Südeuropa in den April. Um dieje Zeit juchen die Männchen die Weibchen auf, und beide leben mehrere Tage zujammen. Das Weibchen wirft 60— 70 Tage nach der Be- gattung in jeiner Höhle auf ein ziemlich weiches und mit Blättern, Wurzeln und Sräutern ausgepolitertes Neit 2—4 unge. Die Tierchen fommen mit offenen Augen und furzen, weichen, eng am Körper anliegenden Stacheln zur Welt; dieje aber erhärten jehr bald und wachjen außerordentlich rafch, objchon fie ihre volle Länge erjt mitdem höheren Alter erreichen. Sobald die Jungen fähig jind, jich ihre Nahrung zu erwerben, verlafjen jie Die Mutter. Auch gefangene Stachelichiweine pflanzen jich nicht jelten fort. „Eines Tages“, jchreibt mir Bodinus, „ward zu meiner Freude ein junges, joveben geborenes Tierchen im Käfig gefunden. 3 hatte etiwa die Größe eines jtarfen Maulwurfes, war mit jparjamen, jehr furzen Stacheln bedecdt und Froch mit einiger Mithe, obwohl noch naß und an der Nabel- ichnur hängend, im Käfige umher. Meine Sorge, daß der Vater jich unnatürlich beweijen möchte, war unnötig; er betrachtete den jungen Sprößling zwar neugierig, befümmerte ich dann aber nicht bejonders um ihn, während die Mutter unverdrofjen zunächit den Meutter- fuchen und die Nabeljchnur zu verzehren begann. Gie fraß jie vollitändig mitjamt der Kabeljchnur bis auf die Länge von 1,5 cm. Nunmehr lecte jie ihr Junges, welches jogleich die Bruftiwarzen juchte. Bekanntlich liegen diefe vorn an der Seite des Schulterblattes; die fie umgebenden Stacheln find aber durchaus fein Hindernis für das Säuggeichäft. Das unge jaugte noch, als es über die Hälfte der Größe jeiner Eltern erreicht Hatte, während ji) die Eltern bereit3 wieder begattet hatten. Auch dafür jind die Stacheln fein Hindernis, wie man wohl vermuten jollte: das Weibchen jchlägt den Schweif aufwärts, jo daß Die Schmweifitacheln fait auf dem Nüden liegen.” „Die Alte”, berichtete mir Mübel, „it eine ausgezeichnete Mutter; denn jie nährt nicht allein, fondern jchüßt auch ihre Kinder nach Kräften. Sobald man jich ihr naht, jagt jte die Kleinen in den Hintergrund des Käfigs, jtellt fich quer vor fie hin und geht, nac)- dem jie den Befchauer einige Zeitlang angegloßt, nach Urt der Strandfrabben jeitlich vor- ichreitend, Kamm und Stacheln fträubend, fauchend, mit dem Schwanze rajjelnd, ab und zu auch wohl mit einem Hinterbein aufitanıpfend, herausfordernd auf den Störenfried (o2. Verhält man jich ruhig, jo läft die Erregung nach; Kamm und Stacheln legen jich zurüd, Fauchen, Nafjeln und Stampfen enden, und alle Furcht oder Bejorgnis jcheint vergejjen zu jein: eine einzige Bewegung aber, und das alte Spiel beginnt von neuem. Da bringt der Wärter Futter: Brot oder Rüben. Die Mutter ergreift ein Stücd Brot mit den Zähnen, trägt es ihren Jungen zu, welche bisher, dumm in die Weite glogend, den Ereignijjen zu= geschaut und Höchitens bei der Flucht nach Hinten ihre ftummelhaften Stacheln zu jträuben verjucht hatten, legt es vor jenen auf den Boden und hält es mit beiden VBorderfüßen feit. Die Jungen lajjen fich nicht lange nötigen, jondern beginnen jofort fnabbernd ihr Mahl; eins aber unterbricht diejes, und nach der Muttermilch verlangend, nähert e3 fich der erbjen- großen Bruftzibe, welche von ungefähr 2 cm langen, jtrahlenförnmig dem Leibe anliegenden, 184 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Erdftachelichweine. gelbbraun und jchwarz gefärbten Stacheln umgeben ift, und faugt mit fräftigen Zügen... An jeder Seite der Iangjtacheligen Mutter hängt eines der furzbejtachelten Jungen, ohne die einmal gefaßte Ziße loszulajjen; denn die Stleinen geben jich mit ganzer Seele dem Saugen hin... Endlich löfen fich die Jungen, verjuchen jchüchtern auch ihrerjeit3 Befanntjchaft mit dem Fremdlinge anzufnüpfen, erjchreden über irgendwelche Bewegungen vesjelben, eilen, durch eigenartige Kopfbewegungen, durch Schnauben und Rajjeln der Alten gewarnt, im vollen Zaufe der Tiefe des Käfigs zu und gewinnen glüdlich das dort für jie gebettete Strohlager.” Dad da3 Stacheljchwein dem Menjchen Schaden bringe, Fann man eigentlich nicht jagen, wenigjtens mit allgemeiner Bedeutung nicht; denn e3 ijt nirgends Häufig, und die Ver- wüjtungen, Die e3 zeitweilig in den jeiner Höhle nahegelegenen Gärten anrichtet, fommen für die Allgemeinheit faum in Betracht. Da, wo es lebt, hält es fich in Einöden auf und wird deshalb felten läjtig. Gleichtwohl verfolgt man e3 eifrig. Die Stacheln finden vielfache Ber- wendung, und auch das Fleijch wird hier und da benußt. Man fängt den ungejchidten Wanderer entweder in Schlagfallen, die man vor jeiner Höhle aufitellt, oder läßt ihn durch eingeiibte Hunde bei feinen nächtlichen Ausgängen feitmachen und nimmt ihn einfach vom Boden auf oder tötet ihn vorher mit einem Schlage auf die Naje. Sn der römischen Campagna gilt feine Jagd als ein befonderes Vergnügen; e3 läßt jich auch gar nicht leugnen, daß die Art und Weije, wie man dem Tiere hier nachitellt, etwas Abjonderliches und An- ziehendes hat. Das Stacheljchwein fegt feine Höhlen am Tiebjten in den tiefen Gräben an, welche die Campagna durchfurchen, und streift, wenn e3 zur Nachtzeit ausgeht, jelten weit umber. Sn dunkler Nacht nun zieht man mit gut abgerichteten Hunden zur Jagd hinaus, bringt dieje auf die Fährte des Wildes und läßt jie juchen. Ein lautes, zorniges Bellen ver- fündet, daß fie einem der Stachelhelden auf den Leib gerückt find, und zeigt zugleich die Gegend an, too der Kampf zwijchen beiden jtattfindet — falls man überhaupt von Kampf reden fann. Sebt zünden alle Jäger bereitgehaltene Fadeln an und nähern fich damit dem Schauplage. Sobald die Hunde die Ankunft ihrer Herren bemerfen, heulen jie laut vor Freude und gehen wütend auf ihren Widerpart [o3. Das Stacheljchwein jeinerjeit3 jucht jie zurüdzutreiben, indem es in allen Tonarten rafjelt, grungt und fnurrt und jich joviel wie möglich Durch jeine nach allen Seiten abjtehenden Speere zu jchügen jucht. Schlieglich bildet die Sagdgenojjenjchaft einen Kreis um das Tier und feine Verfolger, und bei der grellen Beleuchtung der Fadeln wird es leicht, e3 in der vorher angegebenen Wetje zu be- twältigen und entweder zu töten oder lebend mit nach Haufe zu nehmen. Sn früheren Zeiten noch mehr als jet zogen Staliener mit folchen gezähmten Tieren bon Dorf zu Dorf, wie die Savoyarden mit den Murmeltieren, und zeigten das auffallende Seichöpf für Geld. Bei nur geringer Pflege ift e3 leicht, das Stachelfchwein S—10 Jahre lang in der Gefangenschaft zu erhalten. Man fann jogar ein Beijpiel aus dem Hamburger Zoologifchen Garten aufführen, daß es 21 Jahre lang aushielt. Wie Haade berichtet, it e3 im Frankfurter Garten vorgefommen, daß ein Stacheljchweinmännchen fein Weibchen, mit dem e3 Jahr und Tag friedlich zufammengelebt hatte, aus unbekannter Urjache tötete, indem es ihm eine handgroße Bißwunde auf dem Nücen beibrachte, auf Deren Grund die Eingeweide herborzuquellen drohten. Für die füdliche Hälfte Afrifas hat Peters eine zweite Stacheljchweinart, Hystrix africae-australis Pirs. (Taf. „Nagetiere VIL”, 2) aufgefteltt, die fich Hauptjächlich auf Schädel- unterjchiede gründet. Ste fommt auch in Deutfch- Oftafrifa vor und lebte fange Jahre als Nagetiere VII. 1. Schwanz des es Stachelichweins, Hystrix cristata Z. S. 178. — W.S . Berridge, F. Z. S.- London phot. 8% N ÄANL X ZINK IN N RKKAT AKA WERE x KANAL CA ı SU a) 2. Südafrikaniiches Stachelichwein, Hystrix africae-australis Pfrs. 1/6 nat. Gr., s. 5.184. — W. S. Berridge, F. Z. S.- London phot. 3. Baumratte, Capromys pilorides Pall. 1/5 nat. Gr., s. S. 193. — P. Kothe - Berlin phot. 4. Rohrratte, Thryonomys swinderianus Temm. 1/5 nat. Gr., s. S. 194. — P. Kothe-Berlin phot. Stahelfhwein. Dftaftifanifches und Haarnafiges Stadeljchwein. 185 Gejchent Wißmanns im Berliner Garten. W. L. Sclater bezeichnet fie als böfen Schädling für die Landwirte und Gärtner des Staplandes, weil jehr erpicht auf Kürbiffe, Melonen, Kartoffeln, Mais und andere Gartengewächle. Am Kap jagt man das Stachelfchwein im Mondfchein mit Hund und Speer; das Fleifch Schmeckt jehr gut. — Auch in Deutjch- Dft- afrifa, und zwar in Sijalagavenplantagen bei Mifindani, jah 9. Grote einige Male durch Stacheljchweine verurjachten Schaden. Die Agave war jedesmal bis in die Wurzel zerftört, und die äußeren Blätter lagen Freuzfürmig um den in der Erde jtedenden Reit der Wurzel. Neuerdings („Sib.-Ber. Berl. Ge. Naturf. Freunde”, Berlin 1910) hat F. Müller fich mit vergleichenden Schädelunterjuchungen über deutjch-oitafrifantiche Stacheljchweine bejchäftigt und noch mehr Arten aufgeitellt. Danach jieht e8 ganz jo aus, al3 ob die der europätjch- nordafrifanischen Art nächitverwandten Formen im Außeren fich zwar faum unterjcheiden lajjen, wohl aber ganz erhebliche Schädelunterjchiede aufweijen. Auch die gemähnten ajtatischen Formen unterjcheiden jich von den europätjchen haupt- jächlich im Schädelbau. Der rufjiiche Afademifer Brandt bejchrieb daher jchon im Jahre 1835 in jeiner Arbeit über neue ausländijche Nagetiere nach faufafischen Stüden ein Haar- najiges Stadhelichwein, H. hirsutirostris Brdt., das auch das Äußere Merkmal einer dicht- behaarten Schnauze und Naje hat. Und von der anderen Geite, au VBorderindien und Ceylon, brachte Shyfes fein Weißjchwanz-Stachelfchwein, H. leucura Sykes, dem er nach der zarbe der Schwanzjtacheln feinen wiljenjchaftlichen Namen gab. AJm übrigen wurden beide jo ähnlich befunden, daß jte im Trouefjartichen Säugetierfatalog heute noch als eine Art (leucura) gehen, deren Verbreitung jich dann vom Kaufafus und Vorderafien über den Himalaja bis nach Ceylon erjtredt. Satunin-Tiflis hat aber die Erfahrungen der modernen Spitematik für jich, wenn er in jeiner Arbeit über Die Säugetiere des Talyjchgebietes und der Muganjteppe („Mitt. Kauf. Muf.”, 1905) e3 „jchiwierig findet, Die völlige Spentität einer Stachelichweinart auf diejem ungeheuren Gebiete anzunehmen”, Brandts Artnamen wieder heritellt und für jeine jowie die von Aadde gejammelten Eremplare in Anspruch nimmt. Ein Haarnafiges Stachelfchweinmännchen des Berliner Gartens twog nach Hein- roth bei feinem Tode 13,5 kg. Oatunin gibt uns auch jehr erwünjchte Einzelheiten über daS Leben. „Sn den Grenzen des Kaufajus lebt das Stacheljchwein nur im Waldgebiet des Streijes Lentoran”, aljo im jüdöftlichen Kaufajien, an der Südweitfüjte des Kafpiichen Meeres, und hält jich im Gegenfaß zu feinen transfajpiichen Artgenofjen niemals auf freier Steppe auf, jondern bevorzugt dichtbewachjene Gegenden. Die undurchbringlichen Didichte au Rubus arme- niacus, Smilax excelsa, Mespilus germanicus, Pyrus communis, zumeilen noc) Paliurus australis und Phragmites (Brombeeren, Stechwinden, Mifpeln, Schilf), die Schafal- und Sumpfluchs beherbergen, gewähren auch ihm fehr bequeme Unterjchlupfe. ES fommt aber auch Häufig im Hochftämmigen Walde vor, mır wählt e3 dann Stellen mit dichtem Unter- holze. Fajt alle Baue, die Satunin fah, befanden fich nicht weit von Dichten Holunderbüfchen und Aolerfarn, dejjen Wurzeln unjerm Tiere offenbar al3 Nahrung dienen. Man fann jtets, ohme zu fehlen, auf die Nähe eines Stacheljchtveines aus den Spuren feiner Tätig- feit jchließen, die fich in den ausgegrabenen und darauf abgenagten Wurzeln des Adler- jarns verrät. m allgemeinen ift das Stacheljchwein ein Bewohner des unteren Wald- gürtels; Satunin hat es aber auch einmal im Alpengürtel gefunden, wahrjcheinlich war e3 auf der Nahrungsjuche dorthin borgedrungen. 156 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Erdftahelichweine. Der Stachelfchweinbau jteht immer an Höher gelegenen Stellen, jo daß; er bei den häufigen und jtarfen Negengüjjen nicht mit Wajjer vollaufen fanın, und zwar gräbt ihn das Tier entiveder jelbit, oder e3 nimmt (nach den Angaben der Jäger) häufig auch fertige Dachs- baue in Bejit. YZumeilen lebt das Stacheljchwein jogar mit den früheren Bejigern des Baues zujammen darin, natürlich in verjchiedenen Abterlungen! Satunin jelbjt grub in einem Bujchdidicht nördlich von Lenkoran aus einem Bau’ein Stacheljchwein und Drei Dächje aus. Der vom Stachelichwein jelbjt angelegte Bau hat eine Länge von 2 m und mehr, geht aber nicht tiefer als 70 cm. Die Nöhre verläuft dabei zwijchen den Wurzeln der Sträucher, was das Graben jehr erjchtwert; der Eingang tft jehr gut verborgen durch überhängende Zweige von Brombeeren und anderen Gemwächjen. Einmal hat Satunin aber auch einen jehr großen und alten Bau gejehen, dejjen riejiger, Halbkreisförmiger Ein- gang völlig offen war. Das läßt darauf jchließen, daß auch in den übrigen Fällen die an- icheinend jo „Eunjtvolle Maskterung” des Höhleneinganges fein bewußtes Werf des Tieres, jondern eine natürliche Folge des üppigen Dicfichtiwuchjes ift. Der Gang hat im Durch- jchnitt eine halbkreisfürmige Gejtalt mit flachem Boden und gemwölbter Dede, läuft unter flachem Winfel nach unten, macht eine Wendung und endet in einer großen Kammer, die ebenfalls eine ungefähr, aber nur unregelmäßig halbfugelfürmige Geftalt hat. ltere Baue bejigen mehrere Gänge; jolche hat Satunin auch aufgedeckt, blieb aber jtet3 im Zweifel, ob jie nicht vorher von Dächjen angelegt worden waren. Im Kaufafus trifft man das Stacheljchwein nicht jelten auch am Tage an. Seine Kahrung bilden Dort außer den Wurzeln des jchon genannten Holunders und Adlerfarns auch Sauerampfer und verjchtedene andere Bilanzen, im Frühling friiche Triebe, jpäter Wurzeln. Das Tier liebt ferner alle Gemüfe und Gartenfrüchte, befucht Deswegen die Gärten und richtet da furchtbare VBerwültungen unter Gurken, Kürbijjen, Melonen und anderem an, wobei e3 jowohl das Kraut, bejonders junges, als die Früchte vertilgt. Deshalb jiedelten jich früher die Stachelichweine in und bei den Gärten art, vo fie ihre Baue an den Sanälen anlegten; jest aber jind fie wegen des großen Schadens, den jie machen, hier völlig aus- gerottet. Im Herbit nährt jich das Stachelichwein von verichiedenen wilden Früchten: Äpfeln, Birnen, Pflaumen, Eicheln, jchliegt fich alfo damit der Gefelljchaft an, die man in jhönen Herbjtnächten unter Birnen- und Pflaumenbäumen antreffen fan. Die Jäger in Lenforan haben bemerkt, daß es fich jehr vor dem Wildfchwein fürchtet und, jowie es diejes mittert, jchnell flüchtet. Satunin beitreitet, wie alle anderen Beobachter, daß das Stachelichwein einen Winterjchlaf hält; es ift ihm aber nicht gelungen, feitzuitellen, wovon es jich im Winter nährt. Wenn fein oder wenig Schnee liegt, jebt es feine tägliche Nahrungs- juche fort, ohne die Slälte zu beachten; wenn aber tiefer Schnee fällt, zeigt e3 jich zwei, Drei Tage lang nicht und verbleibt in jeinem Bau. Bielleicht nährt es ich in diejer Zeit von den Stengeln des Adlerfarns und des Holunders, die Satunin zuweilen bei ihm im Bau fand: ein Anfang des Vorratfammelns, das bei anderen Nagern jo hoch ausgebildet ilt. Sn Lenforan werden die Jungen im August zur Welt gebracht, und der Wurf beiteht aus zwei Stüd. Solange Talyjch ausschließlich von Mohammedanern bewohnt war, die nur eis bauten und jogar die Weizenkultur für eine Sünde anfahen, brachte das Stacheljchwein ihnen fajt gar feinen Schaden. AS aber rufjische Anjiedler ins Land famen und Gemiütje- und Weinbau einführten, lernte das Stacheljchwein fchnell diefe Genüffe jchäßen, und e3 entbrannte ein Krieg gegen den ungebetenen Feinjchneder, der die völlige Ausrottung des Tieres in der Umgebung der ruffiichen Anfiedelungen zur Folge hatte. Satunin hat niemals Haarnafiges Stabelfhwein. Indifhe Stadeljchweine. 187 bon einem der Berufsjäger in Lenkoran gehört, daß er Nejte eines von Naubtieren zer- tifienen Stachelichtweines gefunden hätte, und glaubt daher, daß dejjen Stachelrüjtung e3 genügend vor den einheimijchen Heineren Raubtieren, wie Sumpfluchs und Schafal, jchüst. Bon den größeren Naubtieren, Wolf, Luchs und Bären, jagt Satunin nichts. Zum Schluffe deutet er noch an, daß er, dem allgemeinen Sägerglauben in Lenforan entjprechend, ein willfürliches Wegichleudern der Stacheln beim Stacheljchweine nicht „Fategorijch verneinen” möchte, aber „für verfrüht” hält, das mitzuteilen, was er über dieje Sache weiß, die feines Crachtens „noch weitere Beobachtungen” erfordert. Zu H. hirsutirostris rechnet Nehring auch diluviale Stachelfchtweinteite, die er jelbit aus der Hoejchs-Höhle in Oberfranken (Bayern) zutage gefördert hat. Dasjelbe gilt für anderes |pär- fiches Material aus der Gegend von Pottenftein, ebenfalls Oberfranken, und von Saalfeld in Thüringen. Nehring ift daher der Meinung, daß diefe Funde nicht „al3 ein Beweis für das Hineinragen der jüdeuropäifchen, rejpeftive nordafrifanischen Zauna in unjere Dilupialfauna hingeftellt”, jondern „bejjer aus dem Ojften als aus dem Süden hergeleitet werden” fünnen. Dem vorwderindifchen Weißichwanz-Stacheljchwein, Hystrix leucura Sykes, das einen weniger gewölbten Schädel und fürzere Najenbeine hat, jagt Blanford eine Vorliebe für felfige Hügel nach und fügt die abweichende Angabe Hinzu, dab es häufig gejellig lebe. Das heit in diefem Falle vielleicht nur: benachbarte Feljenlöcher bewohnt? Won der ver- hreiteten Sucht der Nager, Knochen zu benagen, bringt Blanford das jchöne Beijpiel eines im Walde gefundenen Elefantenzahnes, den er jelbit gejehen Hat: tief eingeferbt von den Zähnen eines Stachelfchweins. Die Zahl der Jungen beträgt nach Blanford 2—4. Sterndale hat ein indifches Stachelfchwein fich gegen Hunde erfolgreich mehren jehen. Er ftie; auf mehrere Eingeborene, die eifrig von obenher den Bau eines Stacheljchtveines aufgruben, während zwei Hunde am Nöhrenausgange Wache hielten. ALS erjtere den Stejjel trafen, fuhr das Stachelfchwein jählings heraus und rajjelte aufs höchite erziient zwijchen die Hunde. Dabei rutjchte es mit gejpreizten Stacheln fehr Hurtig und gejchiet rüchvärts wie feitwärt3 hin und wider und hatte im Nu beide Gegner derartig getroffen, dah jie heufend zurücdwichen und einer der Leute mit einem Artichlag auf den Kopf des erbojten Stachelhelden die zwar jehr drollige, aber für die Hunde feineswegs ungefährliche Rauferei beenden mußte. Dem einen war ein Stachel tief in den oberen Hal3 gefahren, dem anderen je einer in den Unterkiefer und in das Geficht Hart am Auge; diefer jaß fo tief und feit in der Wunde, daß 63 große Anftrengung erforderte, den heulenden Hund davon zu befreien. Die Hinterindifch-chinefiichen Stacheljchweine bilden eine Gruppe für jich (Acanthion F. Cwv.), die im Gegenjaß zu den vorjtehenden auf den erjten Blick jchon durch jchwache Ent- wicelung oder Fehlen der Nadenmähne fich unterfcheidet. Den Übergang macht in diejer Be- ziehung das furzmähnige Bengalifche Stacheljchwein, Hystrix bengalensis Blyth, aus dem öftlichen Bengalen, dem anftoßenden Südvorland des Himalaja (Afjam) und dem weitlichen Hinterindien (Arafan, Burma). Die übrigen Formen richtig auseinanderzuhalten und geogra- phijch zu begrenzen, ift wohl eine der vielen heiffen Aufgaben, die der heutigen Säugetier- igftematif obliegen, nicht aber ung hier. Wir nennen deshalb nur das mähnenloje Himalaja- Stadhelfchwein, H. hodgsoni Gray, da3 Blanford in feiner Fauna Britisch Indiens neben dem bengalifchen noch anführt, und das Langichwänzige Stacheljchwein, H. longicauda Marsden (Taf. „Nagetiere VI”, 4, bei ©. 167), das 1810 von Sumatra bejchrieben worden it. 188 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Trugratten. Weil im Tierhandel nicht allzu jelten und deshalb auch manchmal im BZoologischen Garten gezeigt, wäre jchlieglich noch das Savanijche Stacheljchwein, H. javanica F. Cwv., aus Java zu erwähnen. Während die vorgenannten Formen in der hinteren Körperhälfte hell und langjtachelig ericheinen, ijt das Javaftachelfchwein fofort durch feine dunffere, bis auf daS helle Halsband aller Stachelfchweine, braunichtvarze Farbe, auch des Hinterrückens, und die verhältnismäßig furzen Stacheln fenntlich. Ein jehr fettes Weib- chen des Berliner Gartens wog, nad) Heintoth, bei jeinem Tode 8,5 kg. Weitere Arten verbreiten jich über Borneo, die Philippinen und Sitdojtchina mit der Injel Hainan. * Eine nicht eben fehr zahlreiche, aber mannigfaltige und eigentümliche Familie ratten- ähnlich ausjehender Nager bevölfert Südamerifa und Afrifa und bildet durch Dieje Ver- breitung eine Stüße für die Annahme einer früheren Landverbindung zwijchen beiven Feit- (ändern. 3 find Die wegen einer gewifjen äußeren Ähnlichkeit mit Ratten fogenannten Trugratten (Octodontidae). Jhre Ohren find Furz, breit und jpärlich behaart, die Füße bier- oder fünfzehig, der Schwanz tft verjchteden lang und oft ringelartig gejchuppt wie bei den echten Ratten: hiermit 1jt die Nattenähnlichkeit diefer Tiere aber erichöpft. Der Pelz er- icheint bei einigen Trugratten weich und fein, bei anderen jtraff, borjtig, ja jogar mit einzelnen platten, der Länge nach gefurchten Stacheln untermijcht, und der Schwanz wird nicht nur haarig, jondern jogar bujchig. Das Gebif zählt 4, ausnahmsmeije 3, gemwurzelte oder wurzelloje Badzähne in jeder Reihe, deren Kauflächen3—4 Schmelzfalten am Rande haben und an der ab- gefauten Strone häufig die Forın einer 8 bilden; Daher der wiljenjchaftliche Name (AUchtzähner). Die Trugratten leben in Wäldern oder in offenen Gegenden, Die einen in Heden und Bujchwerf, die anderen in den Straßenanpflanzungen, zwijchen Feljen, an den Ufern von Slüffen und Strömen, jelbjt an der Kitite des Meeres. Gewöhnlich wohnen jie gejellichaft- (ich in jelbjtgegrabenen unterivdischen Bauen mit zahlreichen Mündungen. Einige jind echte Wühler, die, wie die Maulwürfe, Haufen aufwerfen und faft bejtändig unter der Erde verweilen; andere halten fich in Didichten auf und Klettern gejchidt auf Bäumen umher. Shre gewöhnliche Arbeitszeit ift die Nacht; nur wenige find auch bei Tage tätig. Sie jind im ganzen plump und Schwerfällig; doch muß man dagegen bei einigen gerade die große Schnelligkeit bewundern, mit der jie fich auf den Bäumen oder auch unter der Erde be- wegen. Manche Arten jind wahre Wafjertiere und verjtehen das Schwimmen und Tauchen ganz vortrefflich. ©opiel man bis jet weiß, verfallen die Trugratten nicht in einen Winter- ichlaf; gleichtvohl tragen fich einzelne Nahrungsporräte ein. Unter ihren Sinnen stehen Gehör und Geruch obenan; das Gejicht zeigt jich namentlich bei ven unterirdijch lebenden, wie jich faft von felbjt verjteht, verfümmert. hre geiitigen Fähigkeiten find gering. Die Gefangen- ichaft ertragen fie meijt ziemlich leicht, find neugierig, beweglich, lernen ihre Pfleger fennen und ihnen folgen und erfreuen durch ihr zierliches Wejen. Ihre Vermehrung it bedeutend; denn die Zahl ihrer Jungen Schwanft zwijchen 2 und 7; aber fie werfen, wie die meijten anderen Nager, mehrmals im Jahre und fönnen zu Scharen anmwachjen, die inden Pflanzungen und Feldern Schaden anrichten. Bejonders bemerkenswert find bei diejer Fruchtbarkeit der reife, weitentwidelte Zuftand, in dem die Jungen geboren werden, und die jeitlich vom Bauche heraufgerücte Lage der Milchdrüjen des Weibchens, die man neuerdings in Be- ztehung zu der Größe und Zahl der Jungen bringt; fie fönnen jo befjer jaugen. x yprogig Biberratte. 189 Wir reihen die Familie der Achtzähner im weiteren Sinne (Octodontidae), die in Trouefjarts Supplement twieder in die drei Unterfamilien der Achtzähner im engeren Sinne (Oetodontinae), Zanzenratten (Echimyinae) und Ferfelratten (Capromyinae) zer- fallen, in die Sektion der Stacheljchweinförnigen ein, obwohl die Gelehrten über ihre Stellung und Bewertung im Nagetierjgjtem noch nicht ganz einig find. Weber betrachtet jie, nach Winge, als zwei jelbitändige Yamilten: Capromyidae und Octodontidae in einem etwas engeren Sinne, der nur noch die Echimyinae in fich jchließt, und fügt, ebenfo wie Trouefjart, als weitere jelbitändige Familie die Kammfinger (Ctenodactylidae) an, was wir infolgedejjen auch tun werden. Die größten Achtzähner, darunter eine für uns Europäer al3 Belztier bedeutungsvolfe Gattung und Urt, enthält die jiid- und mittelamerifanische Unterfamilie ver Ferfelratten (Capromyinae), von den übrigen wohl abgegrenzt durch Unterjchiede in der Bildung der Paufenhöhle am Schäpdel, der Bemwurzelung und Schmelzfaltung der Baczähne. Unter ihnen jteht im Bordergrunde des Interejjes durch ihren bereits erwähnten Wert als Pelztier die Biberratte oder der Sumpfbiber, die Kutria (d. h. eigentlich Dtter) der ipantichen Amerikaner und unjerer Stürjchner, Myocastor coypus Mol. (Myopotamus coypu). Der Leib ift unterjeßt, der Hals furz und did, der Kopf did, lang und breit, jtumpfjchnauzig und platt am Scheitel; die Augen find mittelgroß, rund und vorjtehend, die Ohren Klein, rund und etivas höher als breit; die Gliedmaßen Furz und kräftig, die hinteren ein wenig länger als die vorderen, alle Füße fünfzehia, an den Hinterfüßen die Zehen aber bedeutend länger als an den vorderen, durch eine breite Schwimmhaut verbunden und mit langen, jtarf ge- hümmten und jpißigen Strallen, die inneren Zehen der Vorderfüße mit einem flachen Nagel bewaffnet. Der lange Schwanz tjt drehrund, würfelartig gefchuppt und ziemlich reichlich mit dicht anliegenden, jtarfen Borjtenhaaren bejebt. Die übrige Behaarung ift dicht, ziemlich lang und weich und beiteht aus einem im Wafjer falt undurchdringlichen, Furzen, weichen, flaun- artigen Wollhaar und längeren, weichen, jchwach glänzenden Grannen, welche die Färbung beitimmen, weil jie das Wollhaar vollitändig beveden. Sm Gebiß erinnern die jehr großen, breiten, herborjtehenden gelbroten Nagezähne an den Zahnıbau des Bibers; die Baczähne ind halbgewurzelt und oben durch zwei Schmelzfalten jederjeit3 ausgezeichnet. Der Sumpfbiber erreicht nahezu Die Größe des Fijchotters: feine Leibeslänge be- trägt gewöhnlich 40—45 em und die des Schwanzes fajt ebenjoviel; doch findet man zu- mweilen recht alte Männchen, die einen vollen Meter Gejamtlänge bejigen. Die Färbung der Haare ijt im allgemeinen trübgrau am Grunde und rötlichbraun oder braungelb an der Spite; die langen Grannenhaare find dunkler. Gewöhnlich fieht der Rüden fajtanien- braun und die Unterfeite graubraun aus, Najenipite und Lippen find weiß oder Fichtgrau. Nicht wegzuleugnende Farbenabänderungen von graugelblicher und hellbrauner Shprenfe- {ung bis in3 Rofttote hängen wohl mit verjchiedener geographijcher Herkunft des tmeit- verbreitenden Tieres zufammen. Ein großer Teil des gemäßigten Südamerika ift die Heimat diejes wichtigen Pelz- tieres. Man fennt den Sumpfbiber beinahe in allen Ländern, die jüolich vom Wendefreife des Steinbodes Ttegen. Cein Verbreitungskreis exjtrect jich vom Atlantijchen bis zum Stillen Weltmeere über das Hochgebirge hinweg und vom 24. bis zum 43. Grad füdl. Breite. Er bewohnt, nach) Rengger, paarweife die Ufer der Seen und Flüffe, vorzüglich die jtilfen 190 8. Drdnung: Nagetiere, Familie: Trugratten. Waffer da, wo Wafjerpflanzen in Menge vorhanden find. Jedes Paar gräbt fich am Ufer eine metertiefe und 40—60 cm weite Höhle, in der e3 Die Nacht und zumeilen auch einen Teil des Tages zubringt. Der Sumpfbiber ijt ein vortrefflicher Schwimmer, aber ein ichlechter Taucher. Auf dem Lande bewegt er fich Iangjam; denn jeine Beine jind, wie Azara jagt, jo kurz, daß der Leib fait auf der Erde aufjchleift;, er geht deshalb auch nur über Land, wenn er fich von einem Gemäjjer zum anderen begeben will. Bei Gefahr ftürzt er fich augenblicklich ins Wafjer und taucht unter.’ Seine geiftigen Fähigkeiten find gering. Klug fann man ihn nicht nennen, obgleich er feinen Pfleger nach und nach fennen Yernt. Alt eingefangene Tiere beigen mie rajend um fich und verichmähen gewöhnlich die Nahrung, fo daß man jie jelten länger als einige Tage erhält. Sn jedem Tiergarten ift der Sumpfbiber heute ein jtändiger Bewohner; in irgendeinem Wafferbeden wird er ficherlic) gehalten. „Der Sumpfbiber”, jagt Wood, „üt höchit Furzweilig in feinem Gebaren. Jch habe jeinen jpakhaften Gaufeleien oft zugejehen, und er hat mich im höchiten Grade gefejjelt durch die Art und Weije, wie er jeine Be- figung ducchichwimmt und dabei jedes Ding, das ihm neu vorkommt, aufs genauejte prüft. Sobald man ein Häufchen Gras in fein Beden wirft, nimmt er es augenblidlich in jeine Vorderpfoten, fehüttelt es heftig, um die Wurzeln von aller Erde zu befreien, jchafft es dann nach dem Wafjer und mäjcht e3 dort mit großer Getwandtheit.” Gefangene Sumpfbiber, die ich pflegte, trieben fich mit wenig Unterbrechungen den ganzen Tag über im Wajjer und auf den Ufern umber, ruhten Höchjtens in den Mittags- jtunden und waren gegen Abend bejonders lebendig. Sie befunden Fertigkeiten, die man faum von ihnen erwarten möchte. Ihre Bewegungen find allerdings wever lebhaft noch anhaltend, aber doch Fräftig und gewandt genug. Shren Namen Biber tragen jie nicht ganz mit Necht; denn fie ähneln in ihrem Wefen und in der Art und Weije ihres Schtwim- mens Wajjerratten mehr als Bibern. Solange fie nicht beunruhigt werden, pflegen jie geradeaus zu fchtroimmen, den Hinterleib tief eingejenft, ven Kopf bis zu zwei Dritteln jeiner Höhe über dem Wajfer erhoben, ven Schwanz ausgejtrecdt. Dabei Haben die Hinter- füße allein die Arbeit des Auderns zu übernehmen, und die Borderpfoten werden ebenjo- wenig wie bei den Bibern zur Mithilfe gebraucht. Aber auch der Schwanz jcheint nicht als eigentliches Ruder zu dienen, wird mweniaftens jelten und wohl faum in auffallender Weije bewegt. Im Tauchen find die Sumpfbiber Stümper. Sie fünnen jich zwar ohne Weihe in die Tiefe des Wafjers begeben und dort gegen eine Minute lang verweilen, tun dies jedoch feineswegs jo häufig wie andere fehrwimmende Nager und auch nicht in jo gelenfer und zierlicher Weije. Die Stimme ift ein Fagender Laut, der gerade nicht unangenehm Elingt, als Kodruf dient und von anderen erwidert, deshalb auch oft ausgejtogen wird. Erzüent oder gejtört, läßt das Tier ein ärgerliches Brummen oder Sinurren vernehmen. Gras it die liebite Speife des Sumpfbibers, er verjchmäht aber auch Winzeln, Sinollenfrüchte, Blätter, Körner und in der Gefangenschaft Brot nicht, frißt ebenfo recht gern Fleijch, 3. B. Fifche, ähnelt alfo auch in diejer Hinjicht den Ratten, nicht Dem Biber. Das Gras wird von ihm gejchiett abgemeidet, nicht zerjtüdelt oder zerjchnitten, Hingerworfene Nahrung mit den Pfoten erfaßt und zum Maule geführt. Gegen den Winter treffen gefangene Sumpfbiber Vorkehrungen, indem fie da, wo fie fünnen, beftändig graben, in der Abjicht, fich größere Höhlen zu erbauen. Läht man fie gewähren, fo bringen jie in furzer Zeit tiefe Gänge fertig, fcheinen auch deren Kefjel weich auszupolitern, weil fie von ihnen bor- geiworfenen Futterjtoffen, namentlich Gräfern, eintragen. Biberratte. 191 Sn neuerer Zeit hat Hagmann über das Gejangenleben und die Fortpflanzung unjerer Tiere im Zoologijchen Garten zu Bajel berichtet. Dort war ihnen al3 Heimat ein großes fünft- fiches Wafjerbedfen angetiejen, an das jich eine Felsgrotte anfchließt, Die eine 2 qm große, mit Erde überdecte Höhle birgt. „Bei Eintritt der falten Wintertage wurde da3 Lager auf das reichlichite mit Stroh verjehen, alle Zugänge bis auf ein Feines Einfchlupfloch mit wärmendem Dünger verjtopft. Dieje Vorkehrungen haben ausgereicht, den Tieren ein genügend warmes Winterlager zu jchaffen. Die Sumpfbiber zeigten fich überhaupt gegen Schnee und Kälte durchaus nicht empfindlich, fie ergingen jich jeden Tag einige Zeit im Freien, verzehrten dort ihr Futter und badeten, jomweit es die Eismajje des Bedens erlaubte. Die Tiere überjtanden jo den Winter qut, und der anbrechende Frühling fand jie beide im beiten Wohljein. Um 2. Mat 1884 beobachtete der Wärter Nachfommenjchaft, die er im eriten Augenblie für Ratten hielt, bis ihm Die Hellgelbe Färbung der Mumd- und Wajenteile auffiel und ihm die Sache Kar machte. Sch jah die jungen Tiere noch am Abend, jie waren in der Größe geringerer Meerjchiweinchen und mochten jedenfalls jchon einige Tage alt jein; jie gingen ziemlich herzhaft mit den Alten, nahmen bereit3 an deren Abendbrote teil und waren äufßerjt lebhaft in ihren Bewegungen. Die fünf jungen Tierchen eigneten jich rajch da3 zutrauliche Wejen ihrer Eltern an und blieben bei diejen ruhig jigen, auch wenn eine große Zahl von Befuchern das Gehege umftand, um das niedliche Bild diejes Familien- febens zu betrachten. Das weitmajchige Drahtgeflecht der Umzäunung gejtattete den Heinen Tierchen dDurchzufchlüpfen, auf der anliegenden Rajenfläche zu meiden und jich zu tummeln, was man ihnen wohl erlauben fonnte, da jte jofort zurücflüchteten, jowie fich ihnen jemand zu nähern juchte, und fie feinen Schaden anrichteten. Die Alten, lüitern gemacht durch Die Jungen, rijjen mit ihren jcharfen Schneidezähnen oft Löcher in das Drahtgeflecht, um eben- fall3 an den Ausflügen ihrer Kinder teilzunehmen. Den Winter 1884/85 verbrachten fünf übriggebliebene Tiere (2 Alte und 3 Junge) in beiter Gejundheit und Eintracht. Gegen das Frühjahr aber jchienen die Alten der Jungen überdrüfjig zu werden; insbejondere duldete das alte Männchen das junge nicht und verfolgte es auf das heftigjte. Daraufhin verfauften mir die jungen Tiere. Am 23. Februar 1886 jtarb das alte Männchen, das wir aber jchon am 19. März durch ein ausgewachjenes, prächtiges Stücd erjegen fonnten. „uch diefem Tiere fam die ihm von ung gebotene Welt zu Klein vor. E3 zeigte auch fremden Perjonen gegenüber durchaus feine Scheu, und wenn wir e3 in jein Becden zurüd- zutreiben oder e3 mit einem Fangjade zu ergreifen juchten, jo jebte e3 fich zur Wehr, indem e3 faut fnurrte und um fich biß. Diejes Tier benubte den oberhalb des Gartens vorbei- fliegenden Rümelinbach, der ftet3 reichlich Waffer führt, zu feinen Wanderungen. Wie zu erwarten, blieb der Ausreißer einmal gänzlich weg. Wochen vergingen, und nod) hatte ich feine Spur bon feinem Berbleiben, al3 am 9. Dftober der Gärtner des Bottminger Schlößcheng, das eine Feine Stunde vor dem Tiergarten entfernt im Tale liegt, das Tier erichojjen brachte. Durch den Rümelinbach war der Sumpfbiber in den dortigen Schloßteich gelangt und von dem Gärtner nach langem Anftehen als ‚Fiichotter‘ abgejchojjen worden. Dem Auswanderer konnte es in jeinem 8-10 Wochen andauernden Landaufenthalte nicht jchlecht gegangen fein; denn er war jehr qut bei Leibe. „m 25. Mat 1887 erhielten wir aus Dresden ein Paar halberwachjene und am 13. Auguft ein Baar ertvachjene, aus Argentinien eingeführte Sumpfbiber. Beide Paare wurden zujammengebracht. Aber e3 zeigte fich, wie früher, daß das ftärfere Männchen berrjchte und fein zweites neben jich Duldete; deshalb fahen wir ung genötigt, das verfolgte 192 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Trugratten. Männchen wegzunehmen. Das andere Männchen lebte nun mit den beiden Weibchen in beitem Einvernehmen, das nicht ohne Folgen jein jollte. Am 19. Januar 1888 zeigte fich in der Höhle zahlreiche Nachfommenjchaft; ... das eine Weibchen hatte 6, das andere jogar 7 Junge geworfen. m Juni verfauften wir jämtliche Junge. Um 1. Auguft hatte das eine Weibchen wieder 5 unge, die wir Ende Dftober verfauften. Am 17. November hatte nun auch das andere Weibchen zum zweiten Male geboren und zwar 6 Stüd... „Da die Wartung der Sumpfbiber jo einfach, die Fütterung fo leicht und billig ift und auch die Fortpflanzung feine Schwierigfeiten bietet, jo it das Halten Ddiefer Nager jedem Tierfreunde, der einen hierzu geeigneten Plaß beißt, zu empfehlen; mehr noch: es wäre wohl des Verjuches wert, eine Heine Kolonie von 4—5 Stüd in einem gejchüßten Walde, der einen Teich oder ein ruhig fliefendes Wafjer nebit genügendem Grasmwuchje in fich birgt, auszufegen. Nach den an unjeren Ausbrechern gemachten Erfahrungen glaube ich, daß Diefe Tiere genügend Nahrung finden würden und jich wohl auch über den Winter zu halten wühßten, ohne dem Walde oder der Landwirtjchaft erjichtlichen Schaden anzutun.” Derartige Hoffnungen find vielleicht gerade bei der Biberratte weniger unangebracht als anderstvo, zumal das Tier bei uns auch ohne Schwierigkeit zur Fortpflanzung jchreitet. unge Biberratten jind heute ein ganz alltäglicher Zuchterfolg, von dem man in Tiergärtner- freifen gar nicht mehr jpricht, und die Tiere werden in einigermaßen günjtigem Klıma das ganze Jahr ungeheizt gehalten. ihres mwertoollen Balges halber verfolgt man die Biberratte eifrig. BiS zum Jahre 1823 wurden jährlich 15— 20000 Felle auf den europätichen Markt gebracht. Jm Jahre 1827 führte die Provinz Ente Rios nach amtlichen Angaben des Zollhaufes Buenos Aires 300000 Stüd aus, und noch jteigerte jich die Ausfuhr; denn zu Anfang der dreißiger Jahre wurden nur aus den Sünpfen von Buenos Mires und Montevideo gegen 50000 Felle allein nach England gejandt. m neuerer Zeit fommen, nad) Zomer, jährlich etwa 1,5 Million Selle in den Handel, von denen ettwa zwei Drittel, die geringeren, zur Filgbereitung dienen, und ein Drittel, die lang- und dichthaarigen, nachdem jie Durch Nupfen von ihrem Dber- haar befreit jind, zu Belzbejäßen verarbeitet werden, und zwar jowohl in natürlicher als auch in Fünftliher Färbung. Der Hauptauffchrwung fam erjt dann, al3 man verjtand, die Felle derart zu enthaaren, daß feine Spur des Grannenhaares mehr zurüdblieb. Die Mehr- zahl der Felle geht nach Hamburg, two der Hauptmarkt dafür ift, ein Teil auch nacı Leipzig direft. Bei der Nutria Hat ganz im Gegenjab zu fajt allen anderen Pelztieren der Rücken viel geringeres Pelziwerf als der Bauch, weshalb auch die Felle meijtens auf dem Rücken beim Abitreifen aufgejchnitten find. Die beiten elle liefert Patagonien, namentlich das Gebiet am Nio Chubut und feinen Zuflüffen; doch fommen von dort wenig. Dann folgen die Buenos-Mires-Felle aus dem mittleren Argentinien und hierauf die jogenannten Flores, die meiit in Beutelform geliefert werden, d. h. gejchlojfen abgeftreift durch einen Schnitt zwijchen den Hinterbeinen. Die Felle aus Uruguay, die jogenannten Montevideos, jind flach (Furzhaarig), aber groß. Am zahlreichiten hHauft das Tier in dem noch fajt gar nicht bejiedelten großen Wald- und Sumpfgebiet des Gran Chaco; doch find die Felle von hier des warmen Klimas wegen von geringer Qualität. Der Fang im Sommer hat jeßt ftarf nachgelafjen und jolt fünftig, in Argentinien wenigjtens, ganz unterbleiben. Auch bei diefem Pelztier wird Schonung nötig, und man hat fie ganz neuerdings durchgejegt. Die als Pelzwerf brauchbaren Felle werden mit 3—12 Mark das Stüd bezahlt. Das weiße, wohljchmecfende Fleijch wird an vielen Orten von den Eingeborenen gegejjen, in anderen Gegenden aber verjchmäht. Hutia-Conga. 193 Man jagt die Sumpfbiber in Buenos Aireshauptfächlich mit eigens abgerichteten Hunden, die jie im Waffer auffuchen und dem Jäger zum Echuß zutreiben oder auch einen Kampf mit ihnen aufnehmen, obgleich der große Nager jich mutig und fräftig zu wehren weiß. Auf den jeichteren Stellen feiner Lieblingsorte und dor den Höhlen jtellt man Schlagfallen auf. Ziemlich bedeutende Größe, Kurzer, gedrungener Leib mit hräftigem Hinterteil, furzer, difer Hals und ziemlich fanger und breiter Kopf mit gejtredter, jtumpf zugejpister Schnauze, mittelgroßen, breiten, fait nadten Ohren und ziemlich großen Augen fotvie gejpaltener Ober- fippe, ftarfe Beine, Hinterfüße mit fünf und Vorderfüße mit vier Zehen, die jäntlich mit fangen, jtark gefrümmten, zugejpisten, jcharfen Stralfen bemehrt jind, nebjt einer Daumen- warze, die nur einen Plattnagel trägt, mittellanger, befchuppter und jpärlich mit Haaren bejeßter Schwanz, reichliche, fehlichte, ziemlich grobe, rauhe und glänzende Behaarung endlich find die äußerlichen Kennzeichen der mittelamerifanifchen Baumratten (Capromys Desm.). Die Badzähne find mwurzellos; die oberen zeigen außen eine, innen zwei tiefe Schmelzfalten. Sm Leben verraten fich die Tiere als baumbemwohnende Verwandte der Biberratte. Wenn man das plumpe Tier im Berfandfiftchen ankommen fieht, fann man ztvar jeine Zmeifel nicht unterdrüden, ob e3 wirklich auf den Baum gehört. Gibt man ihm aber zum Stlettern Gelegenheit, jo bemweijt es alsbald, daß es im Gezmweige zu Haufe ijt: die Baumratten des Berliner Gartens fuchen jtetS die Höhe und figen meist der Länge nach auf einem Ate ihres Kletterbaumes. Man unterfcheidet Heute zehn Arten und Abarten und hat zwei jogar als Gattungen (Procapromys von Venezuela und Plagiodontia von Haiti) abgetrennt. Baumtatten werden fchon von den ältejten Schriftjtellern erwähnt, find aber doch exit in der Neuzeit näher befanntgeworden. DOpiedo gedenkt in feinem im Jahre 1525 erjchienenen Werfe eines dem Kaninchen ähnlichen Tieres, das auf San Domingo vorfomme und die Hauptnahrung der Eingeborenen ausmache. Bereits dreißig Jahre nach der Entdedung Amerikas war das Tier Durch) die Jagd bedeutend vermindert worden. Eine, und zwar die für uns wichtigjte Art, die Hutia-Conga, Capromys pilorides Pall. (fournieri; Taf. „Nagetiere VIL”, 3, bei ©. 185), lebt neben zwei anderen auf Kuba, it aber hier in den bewohnteren Teilen bereit3 ausgerottet. Cine weitere ijt von Jamaika und den Bahama-Snfeln bejchrieben. — Die Leibeslänge der Hutia-Conga beträgt 45—59 cm, die Schwanzlänge 15 cm, die Höhe am Widerrijte 20 cm, das Gewicht 6—8 kg. Die Für- bung des Pelzes ift gelbgrau und braun gejprenfelt, am Kreuze mehr rotbraun, an der Bruft und am Bauche fehmusig braungrau; die Pfoten find Schwarz, die Ohren dunkel, die Brujt und ein Längsftreifen in der Mitte des Bauches grau. Dft ift die Oberjeite jehr Duntel; dann find die Haare an der Wurzel blaßgrau, hierauf tiefjchwarz, jodann rötlichgelb und an der Spibe wieder jchwarz. An den Seiten, namentlich in der Schultergegend, treten ein= zelne weiße Haare hervor, Die etiva3 ftärfer find. Die Hutia-Conga bewohnt die dichteren und größeren Wälder und lebt entweder auf Bäumen oder im dichteften Gebüfche, nur bei Nacht herborfommend, um nad Nahrung auszugehen. Ihre Bewegungen im Gezweige find nicht eben gejchwind, jedoch gejchickt, während fie auf der Erde wegen der ftarfen Entmwicelung der hinteren Körperhälfte jich ihwerfälliger zeigt. Beim Klettern gebraucht fie den Schwanz, um jich feitzuhalten oder das Gleichgemwicht zu vermitteln. Am Boden fett fie jich oft aufrecht nach Hafenart, um in die Runde zu jchauen; zuweilen macht fie furze Sprünge, tie die Staninchen, oder läuft Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI Band. 13 194 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Trugratten. in plumpem Galopp wie ein erfel dahin. Unter ihren Sinnen ift der Geruch am beiten entwicelt; die ftumpfe Schnauzenjpige und die weiten, fchiefgejtellten, mit einem erhabe- nen Rande umgebenen und durch eine tiefe Furche getrennten Najenlöcher find bejtändig in Bewegung, zumal wenn irgendein neuer, unbefannter egenjtand in die Nähe fommt. Die Hutia-Conga ift im allgemeinen furchtfam und gutmütig, auch gejellig und freundlich gegen andere ihrer Art, mit denen fie jpielt, ohne jemals.in Streit zu geraten. Wird eine von ihren Verwandten getrennt, jo zeigen beide Teile viel Unruhe, rufen jich durch jcharf- pfeifende Laute und begrüßen fich bei der Wiedervereinigung durch Dumpfes Grungzen. Selbjt beim Freffen vertragen fich die Tiere gut und jpielen und balgen fich untereinander, ohne jemals die heitere Laune zu verlieren. Bei Verfolgung zeigt jich die Baumratte mutiger, als man glauben möchte, und wie alle Nager beiht jie heftig um fich, wenn fie ergriffen wird. Sn der Wildnis leben die Tiere von Früchten, Blättern und Ntinden. Gefangene zeigen bejfondere Neigung zu jtarkriechenden Pflanzen, wie Minze, Melijje, die andere Nager meijt verjchmähen. Über die Paarungzzeit fehlen Beobachtungen; die Anzahl der Jungen wurde durch wiederholte Züchtungen im Berliner und Frankfurter Garten auf eins bis drei feitgejtellt. Sie werden behaart, jehend und lauffähig geboren, jind gelblicher al3 die Alten und haben eine jchwarze Schwanzjpige. Das Männchen des Berliner Paares kümmert jich mindejtens ebenjo eifrig um die Jungen wie das Weibchen, an dejjen Hinter der Schulter gelegenen BZiten die Kleinen, neben ihm jigend, faugen. Die Tragzeit beträgt 72 Tage. (Hed.) Sn manchen Gegenden Kubas verfolgt man die Hutia-Conga des Fleiiches wegen; namentlich die Neger find diejer Jagd leidenschaftlich ergeben. Sie juchen ihr Wild ent- weder auf den Bäumen auf oder fegen nachts Hunde auf die Fährte, die es wegen jeines langjamen Laufes bald einholen und leicht überwältigen. Der Größe und allgemeinen Erjcheinung nac) wollen wir hier den jtattlichiten Nager anjchliegen, ven Afrifa nächit Stachelichwein und Hafen bejitt, ohne zu verjchweigen, daß zwar Weber es mit Vorbehalt auch noch tut, Trouejjart im Supplement aber den geographi- jchen Sprung von Südamerika nach Afrifa vermeidet und die Öattung Thryonomys Fitz. in die nächite afrifanifche Familie, zu den Kammfingern, ftellt, mit denen jie allerdings äußerlich faum mehr gemein hat als mit anderen Nagern. Das jind alles, bei Tichte betrachtet, nur Beweije, wie jchwer für manche Nagetierform der richtige Plab im Shitem zu finden, tie Schwer überhaupt die nähere Einteilung der Nagetiere it. Das Tier, das uns Diejes lehrreiche Beijpiel gibt, Heißt Nohrratte oder Borjtenferfel, Thryonomys swinderianus Temm. (Aulacodus; Taf. „Nagetiere VII”, 4, bei ©. 185). Es ijt ein gedrungen gebauter Nager mit ecdigem, furz- und breitjchnauzigen Ktopfe, Heinen, nadten, halbrunden Ohren und furzen, vierzehigen Füßen mit Daumenjtummeln. Die gehen tragen jtarfe, jichel- fürmige Stralfen, der dünne Schwanz erreicht ungefähr die halbe Länge de3 etiva 50 cm langen Slörpers. Sm Gebijje jind bejonders Die oberen Nagezähne eigentümlich Durch drei auf der inneren Hälfte der Vorderjeite verlaufende Furchen, die vem Tier jeinen bisher ge- bräuchlichen wijjenjchaftlichen Namen Aulacodus (= Furchenzahn) verjchafft Haben. Die Badzähne gleichen Denen der Baumratten. Das Gewicht beträgt nach den in Wejtafrifa borgenommenen Bejtimmungen etwa 4 kg, manchmal 5 kg. Die Behaarung beiteht aus glatten, ftachelähnlichen Borften mit biegjamer Spite. Sie find am Grunde ajcharau, in der Mitte Dunkler und an der Spite, vor der meijtens ein bräunlichgelber Ring fteht, fehtwarz gefärbt. SKımm und Oberlippe find mweißlich, die Bruft fehmugig gelblich, der Unterleib Kohrratte. 195 bräunfich mit graubrauner Sprenfelung. Die Behaarung der Ohren ijt gelblichweiß, die Schnurren jind weiß und jchwarz gefärbt. Neben diejer zuerjt von Temmindbejchriebenen Urt, die feine Schwimmhäute hat, unter- ichied Heuglin im oberen Nilgebiete eine zweite, Thryonomys semipalmatus Hgl., mit deut- lichen Schwimmhäuten anden Hinterfüßen. Snzroijchen Hat man noch weitere Arten aufgejtellt. Die Verbreitung der Nohrratte erjtredt jich nach unjerem jeßigen Wifjen durch das öft- fiche Afrika füdmwärts bis zum Staplande und umfaßt im weitlichen Afrika jowohl Ober- als Niederguinea. Binnenmwärt3 wurde jie von R. Büttner im Kongolande noc) am Kuango beobachtet und in Oftafrifa von Böhm noch am Tanganjifa. DieRohrratte gehört zur Säugetier- welt unjerer jäntlichen afrilanijchen Stolonien; aus tamerum hat jie der Berliner Garten jchon wiederholt lebend erhalten. Syn Niederguinea, von Mayımba bis Ambriz, wird fie von den Eingeborenen Sibeje, in Südoftafrifa Jvondue genannt, von den Nubiern im oberen Nil- gebiete Fahr-el-buHf und von den Idam-Iyjam Remvo oder Alimvoh, im Suaheli Ndeji. Sn ihrer Xebensweije jtimmen die verjchtedenen Arten im mwejentlichen wohl überein. Sie leben nicht gejellig und bilden feine größeren Vereinigungen, finden jich aber an ihnen aufagenden Orten ziemlich Häufig. Stets halten jte jich in der Nähe von Gemäfjjern auf und haufen vorzugsweije an deren Uferjtrichen in Dichten Gras-, Nohr- und Schilfbeitänden jomie im durchwachjenen Gejtrüpp. Nach Schweinfurth graben jich die im Norodoiten Afrikas vorkommenden tiefe Löcher. Aus Niederguinea ijt dies nicht befannt; ebenjo be- richtet Büttifofer nichts Darüber aus Liberia, und aucy Drummond jagt von den in Süd- oftafrifa beobachteten: „Ste graben fich feine unterwdischen Wohnungen, flüchten aber, wenn jie aus ihren Beritedfen im Graje und Nöhricht vertrieben werden, in irgendwelche Höhlen und Klüfte des Gefeljes oder auch in verlafjene Baue anderer Tiere.” Ihre Nahrung, Gräjer, Wurzeln und Sinollen, finden jie hinreichend an den Ufern der Gemäfjer und in den feuchten Niederungen. Im Liberia jtiften jte, laut Büttifofer, in ManioF-, Neis- und Maispflanzungen großen Schaden. In Weftafrifa ift unjer Tier überhaupt fchlecht be= leumundet, weil eg nach bejtimmter, freilich aber nicht eriviefener Verjicherung jomwohl der Eingeborenen als der Europäer das Elfenbein benagen und manchen fchönen Zahn ver- unitalten joll. Der Uugenjchein jpricht jedoch dagegen. Unjer Tier mag gelegentlich auc) Elfenbein benagen; die bei weitem meilten Schnittitellen an Stoßzähnen rühren aber von viel Heineren und wahrjcheinlich verjchtedenartigen Nagern her. mmerhin ift es jehr be- merfensiwert, daß auc) im fernen Nordojten Afrikas die Rohrratten in der gleichen Weije be- ihuldigt werden. „Den Nam-Njam”, jchreibt Schweinfurth, „iind fie wohlbefannt, Haupt- Jächlich Durch Die Verheerungen, welche fie in den Elfenbeinvorräten anzurichten pflegen... Die Kyam-Njam befolgen nämlich die Gewohnheit vieler afrifanijcher Völker, indem jie ihr Elfenbein, um e3 vor der Möglichkeit Friegerifcher Überfälle, vielleicht auch um es gegen ein Brandunglüd ficherzuftellen, dem nafjen Grunde der Sumpferde anvertrauen.” Die Rohrratte wird von Eingeborenen wie von jagdluftigen Europäern verfolgt, weil jie einen mohljchmedenderen Braten liefert als irgendein anderes afrifanijches Säugetier. Wenigitens ftimmen alle angeführten Gemwährsmänner darin überein, daß ihr Fleijch dor- trefjlich jei: es ijt fettreich und ähnelt dem eines derben Spanferfels, ift auch frei von itgendwelchem abjtogenden Beigejchmad. Da die Haut, obwohl did, jehr leicht zerreift und ziemlich feit mit der darunterliegenden Feiftfchicht verachjen ift, pflegt man fie nicht zu entfernen, jondern bloß die Borjten abzufengen und dann das Wildbret im ganzen wie ein Spanferfel zuzubereiten. Die Jagd wird mittel3 Fallen oder mit Hunden oder 13* 196 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Trugratten. mit Hilfe des Feuers ausgeübt und das Wild, wenn ihm die Hunde nicht den Garaus machen, gejpeert, gejchojfen oder totgejchlagen. Bei der Einzeljagd wird Aufjuchung und Erlegung der Nohrratte durch ihre Gewohnheit erleichtert, feitzuliegen mie etwa unjer Haje und ebenjo auch Wechjel zu Halten, d. h. auf den Pfaden zu flüchten, Die jie jich durch das Dieficht gebahnt hat. Dies machen ich die Eingeborenen in Weftafrifa zunuße, indem jie auf dieje Wechjel lange, aus feinen Splinten gearbeitete, fifchreufenähnfiche Körbe legen und feitwärt3 unter fpigem Winkel flügelähnlich verlaufende furze Zäune Herrichten. Die aufgefcheuchten Rohrratten fahren in diefe Korbfallen hinein, manchmal mehrere hinter- einander, und bleiben darin jteden; denn ihr biegjames Gefängnis ijt jo eng, daß jie jich darin nicht ummenden fünnen, jo daß fie, hilflos eingeflenmt, ihren Verfolgern in die Hände fallen. Lohnender find zu gemijjen Zeiten größere Treibjagden, bei denen Menjchen, Hunde und Feuer zujfammentirfen. Wenn in der Trodenzeit manche Gemäfjer verjiegen und weite Streden der Grasbeitände niedergebrannt jind, veriammeln fich die Rohrratten notgedrungen in den verjchont gebliebenen Reiten der Didichte. Diefe werden nun umitellt, angezündet und die flüchtenden Tiere von jedermann in jeiner Weife erlegt. So gejchieht e3, nad Schweinfurth, auch im oberen Nilgebiete. „Die Aohrratten hatten nun aller- dings die üble Gewohnheit, jtet3 bis zum legten Augenblide zu warten und erjt mit ver- jengtem Felle und mit verbrannten Füßen die Flucht zu wagen, fo daß man underjehrte Bälge nicht fo leicht zu erlangen vermochte. Ar manchen Stellen, wo das vom Steppen- brande verjchont gebliebene Gras in bejonderer Dichtigkeit angetroffen wurde, brauchten die mich begleitenden Djur mit ihren Lanzen nur aufs Geratewwohl Hineinzuftechen, wie in Die von Fiichen wimmelnden Lachen der zurüdgebliebenen Alt- und Hinterwäfjer des Flujjes, um etliche von den Nohrratten aufzufpiegen.” — Emin PBajcha fchreibt: „Sn den breiten Schilfrändern, welche die Wafjerläufe von Lado durchziehen, findet man jchmale Pfade gebahnt, Die zum Wafjer leiten.” 3 jind die Wechjel der Aohrratte. „Selbjt in den Ihlimmiten Bandanusdicichten, in welche jo leicht fein anderes Tier fich Hineintvagt, findet man ihre Wege. Gie gräbt fich Höhlen, in welchen fie den Tag über auf weichen Graje liegt, um früh und gegen Abend ihrer Nahrung nachzugehen...” Über die Fortpflanzung unjeres Tieres ift nur befannt, daß ein trächtig in den Ber- finer Garten gelangtes Weibchen 3 gleich jehende, behaarte und bemegqungsfähige Junge warf, die rajch heranmwuchjen. Die Rohrratte fommt im Tierhandel nur ganz jelten und ausnahmsmeije einmal vor. Im Berliner Garten hält jie jich neuerdings ganz gut, fommt aber dem Publikum faum zu Geficht, da fie ihre angeborene Scheu nicht ablegt. % Wir fehren nach Südamerifa zurüd und gehen zu der großen, 9 lebende Gattungen mit 65 Arten enthaltenden Unterfamilie der Kanzenratten (Echimyinae) über, fo genannt ' bon ihrer rattengroßen und tattenähnlichen Gejtalt und merkwürdigen Borftenjtacheln, die hei ihnen vorfommen. Dieje jind abgeplattet, zugejpigt und gerillt wie ein Speer- oder Tanzenblatt; daher der deutjche Itanıe, während Der lateinifche einfach „Stachelmaus” bedeutet. Die beiden befanntejten Gattungen find Echimys und Proöchimys, und diejen find auch vorzugsmeife die bejchriebenen Stacheln eigen. Cie verbreiten fich in zahlreichen Arten hauptjächlich über die Nordftaaten Südamerikas und das amazonifche Brafilien; nur wenige gehen bis nach Paraguay oder nach Panama. E3 find in der Hauptfadhe Waldbewohner, Frucht und Wurzelfrefjer; tierische Nahrung feheinen fie zu verfchmähen. An Bälgen der Sania. Cayenneratte. 197 gewöhnlichen Jgel- oder Cayenneratte, Pro&chimys cayennensis Desm., fonnte jchon Pictet 1840 im Genfer Mufeunt feititellen, daß die jüngeren Tiere noch gar feine Stacheln haben, jondern diefe erjt im fajt erwachjenen Alter erjcheinen. Sie find auch anfänglich biegjam, borjtenähnlich und werden exit jpäter, nach mehreren Härungen jedenfalls, roirkfiche lanzen- ipigenförmige Stacheln. Die Fgelratten jind durch lange, jchmale Hinterfühe und einfachere Beichaffenheit der Backzähne ausgezeichnet vor den eigentlichen Lanzenratten (Echimys F. Cwv., früher Loncheres), von denen ebenfalls eine ganze Reihe verjchiedener Arten be- ichrieben find, über deren Leben aber anjcheinend jehr wenig befannt it. Die Angehörigen der ganzen Unterfamilie müfjen ein merfwirdig verborgenes Leben führen; das bejtätigt auch Snethlage-PBard, aus deren Mitteilungen für die Lebensfunde einiges zu jchöpfen it. Die häufigste Lanzenratte von Yard, Echimys armatus Js. Geoffr., dort Sania ge- nannt, wird ohne den weniger als Fürperlangen Schuppenjchwanz gegen 25 cm lang und it oben braun, Schwärzlich gemijcht, unten heller, ins Gelbliche jpielend, gefärbt. Onethlage traf fie einmal in einem überjchivemmten Bachrevier, wenig unterhalb von Monte Ulegre, two da3 Tier, obwohl e3 gegen Mittag war, in den überhängenden Zweigen, nicht hoch über dem Wafjer, ganz munter umherfletterte und leicht gejchojjen werden fonnte, weil e3 von dem herannahenden Boote gar feine Notiz nahm. Den Präparator des ‘PBard- Mujeums machte in einem Vororte von Cametd ein Bewohner auf eine Lanzenratte auf- merfjant, die in der Aitgabel eines nicht jehr Hohen Baumes am Rande des Weges zujammen- gerollt jchlief. ES war ein Männchen, und das zugehörige Weibchen jollte nach Ausjage des Eingeborenen, der die Tiere fchon länger beobachtet hatte, etwas unterhalb der Aitgabel in einem Loche des Stammes gehauft haben, bis es von Kindern totgejchlagen worden mar. Nach Burmeifter joll diejelde Lanzenrattenart „aus [oder ineinandergefügten Blättern” jich ein Neft vom Umfange und der Geitalt einer großen Melone bauen. Die oben jchön rötlichhraune, unten jcharf abgejebt weiße Cayenneratte, Proöchimys cayennensis Desm. (Taf. „Nagetiere VIII”, 3, bei ©. 200), Schwanz mit weißem Haarpinjel an der Spite, vertritt die bereits gekennzeichnete Gattung der Jgelratten (Proöchimys Allen, Echimys). ©ie ijt bei Para die häufigjte nicht nur ihrer Gattung, jondern der ganzen Unterfamilie: wird fie doch von Knaben in dem Sumpfwald ziwiichen der Stadt und dem Rio Guama oft gefangen und zum Kauf angeboten! Snethlage brachte ihr zu= liebe einige Tage auf der zum Überfchwenmungsgebiet gehörigen Flußinfel Manapiri bei Baido zu, mo e3 von den Tieren derart winmelte, dab am jelben Abende zwei Stüc hinter- einander in derjelben Falle gefangen werben fonnten. Troßdem befam Snethlage in dem üppigen Gemirre des prachtvollen tropifchen Pflanzenmwuchjes fein Stüd zu Geficht. An den Gefangenen fonnte fie aber eine ganz merkwürdige Eigentümlichfeit beob- achten, die bei Eivechjen und Blindfchleichen allgemein befannt und unter ven Säugetieren bei Schlafmäufen feitgejtellt ift. Faft die Hälfte ihrer Cayenneratten hatten verjtünmelte Schwänze, die meijtens jogar von der Wurzel ab fehlten. Die Stelle, an der da3 Abbrechen des Schwanze3 ftattfindet, Ternt man beim Abziehen der Fellchen leicht, und zwar in recht unliebjamer Weije, kennen. Nicht nur find einige der Schwanztwurzelwirbel verkimmert, jondern auch die ohnehin mürbe Haut der Ratten ift an diejer Stelle jo dünn, daß jie troß aller Borjicht fait regelmäßig zerreift und ein häßliches Anfliden nötig macht. Dieje Abjonderlichfeit erklärt man in den anderen vergleichsweije genannten Fällen als eine 198 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Trugratten. Schußeinrichtung, vermöge deren das Tier jeinen Feinden entwijcht, indem e3 ihnen jein Schwanzende überläßt, und im Falle der Cayenneratte wird es wohl ebenjo zu erklären fein. Vielleicht waltet aber doch ein Unterjchied ob, derart, daß bei den Sgelratten nicht wie bei den Reptilien und auc) bei ven Schlafmäufen der abgebrochene Schwanz wieder nachwächit; menigitens führt Snethlage bei ihren im Hoologijchen Garten Para gehaltenen Cayenne- tatten zwar einen Fall von „Schtwanzabmwerfen” an, aber feinen von Regeneration. Auch in Cameta am linfen Tocantinsufer fand Snethlage die Cayenneratten vorwiegend in der VBarzea (Überjchwemmungsgebiet), womöglich jogar an den täglich von der Flut ichwach überjpülten Bächen (garapes), troßdem aber auc) hier am Boden oder nicht hoch über diefem. Sm den Negennächten jchtenen fie fich in ihren Löchern zu halten. Die Weib- chen waren um dieje Zeit (Januar) fait alle tragend mit 2, in einem Falle mit 3 Embryonen. Nach Snethlages Beobachtungen an Gefangenen frißt die Cayenneratte mit Vor- fiebe die Früchte bejtimmter Palmen, insbejondere der Tucuma (Astrocargium tucuma). Sie ift ein harmlofes, friedliches Tier, das fich auch dann, nicht zur Wehr jest, wenn man es anfaßt, fondern höchitens ein jehr eigenartiges, an das Weinen Eleiner Kinder erinnerndes Auäfen von jich gibt. Sm einem Falle biß jedoch ein jtärferes Stüd ein jchmwächeres tot und richtete es übel zu. Jr ihren Bewegungen erinnern die Tiere mehr an Agutis als an Ratten, weil fie jchreitend und verhältnismäßig hoch auf den Beinen umherlaufen, mit aufgeredtem Kopfe, der durch feinen Umrif und die Zorım der Ohren ebenfalls etwas Yguti- oder Meerjchweinchenähnliches hat. Ein Weibchen warf bei Snethlage 4 Junge, die — ebenfalls wie junge Meerjchweinchen — die Augen weit offen hatten und jofort jehr beweglich waren. Bereit3 am zweiten Tage fand die Pflegerin eins auf einer Banane ligend und deutlich freijend. Sonjt aber hingen die Jungen in den eriten Tagen fait bejtändig an den Zigen der Mutter, die fie jehr liebevoll und ängjtlich betreute. Nach drei Wochen waren Die Jungen ganz jelbjtändig und jagten jich des Abends jtundenlang unter fort- währenden leifen Quiefen im Käfig umber, zanften jich aber nie ernithaft. Eine veriwandte jtachellofe Angehörige der Unterfamilie fanden Henjel und Göldi Gelegenheit, näher zu beobachten: Kannabateomys amblyonyx Wagn., die brajilijche Singerratte, wie jie hier genannt werden mag in Anlehnung an den tiljenjchaftlichen Namen der nächitverwandten Gattung (Dactylomys Js. Geoffr.), von der jie Sentink 1891 erit abgezmweigt hat. Sie hat mit diejer die „abjonderliche Geitaltung der Füße” gemein: „pie vierzehigen Borderpfoten bejiten zwei Durch) ihre Länge in die Augen jpringende Mittel- zehen, Die durch ihren aufliegenden, kurzen und Ioderen ‚Kuppennagel‘, fönnen wir jagen, Ähnlichkeit gerinnen mit der Fingergeftalt der Halbaffen und des jüdamerifanifchen Nacht- affen. Die Hinterpfoten find fünfzehig; drei mittlere Zehen find länger und mit jpißeren Krallen verjehen, die erjte und fünfte find fürzer und tragen ftumpfere Nägel. Das Ausjehen der Fingerratte ift im übrigen völlig rattenartig; im Leben und in voller Bewegung dürfte das Tier mit jeder anderen Natte verwechjelt werden”. Diejes gleichartige Ausjehen der Natten hält Göldi mit Recht für eine der Haupturjachen der mangelhaften Kenntnis. Tat- jache tft, daß die Fingerratte jelbjt den zoologifchen Sammlungen des brafilifchen National- mujeums gefehlt hat bi8 in die Mitte der achtziger Jahre. Henfel it wohl jeit Natterer3 Zeiten der erite gemejen, der etwas tiefere Einblide getan hat in die Lebensmweife des interejfanten Nager3 („Zool. Garten”, 1872). Seine Leute nannten dieje Fingerratte ganz treffend Bambusratte; denn jie lebt vorzugsmeije an den Fingerratte. 199 Ufern der Flüffe, wo jie mit baumhohem Bambustohre dicht bewachjen find. Da, too defien junge Schößlinge abgefrefjen jind, fanıı man das jeltene Tier vermuten, das bei Tage jtets verborgen it. Fährt man dagegen in windjtilfer Nacht und bei dem hellen Scheine des Vollmondes in der Cana unter jenen Bambusdidichten hin, jo entdedt man wohl zufälligerweije gegen den hellen Nachthimmel und hoch in den Stronen der Bambujje das fleine, rattenähnliche Tier, wie es auf den jchtwanfenden Zweigen mit bligähnlicher Schnellig- feit auf und nieder flettert. „Merkwiürdig ift die Eigentümlichkeit, daß die Fingermaus die glatten Rohrjtengel beim Stettern zwijchen die zweite und dritte Jehe der Hinterfüße nimmt, und daß danach dieje beiden Zehen gebaut find.” Man jollte eher erwarten, über die Be- nußung der verlängerten Zehen des Borderfußes etwas zu erfahren! Aber auc) Göldis eigene Beobachtungen bringen darüber nichts. Er jah das Tier zuerjt auf einer Dienjtreije in die Weinbaudiftrifte der Provinz Säo Paulo, nicht weit von der Stadt jelbit. ES war nad) einem nächtlichen Gewitter an einem „jchmalen Bache, dejjen Ufer eine hohe Bambushede einfaßt“, und „es dauerte auch gar nicht lange, bis aus jener Hede ein auffallend greller Auf, wie ‚qui, qui, qui‘ Kingend (in abnehmender Stärke), an unjer Ohr drang, erjt an einer Stelle, dann bald an verfchiedenen zugleich. So oft der Mond eine jener Bartien beleuchtete, gerwahrte man ein Tier von Eichhorngröße an den Bambustohren auf und nieder Klettern mit einer erjtaun- lichen Fertigkeit und Behendigfeit. Hin und wieder jah man eines jeine Stletterübungen unterbrechen — wer in der Nähe war, fonnte ein vom Benagen der Bambusfnojpen her- rührendes fnifterndes Geräufch vernehmen. Solche Augenblide waren denn auch die ein- zigen, two e3 möglich wurde, einen Schuß anzubringen. Auf die Ratte während des Stletterns zu feuern, dürfte auch für einen recht geübten Schügen unter zehnmal neunmal ein frucht- (ojes Unternehmen fein. Das vorhin erwähnte Gejchrei jchien mir jedesmal dann bejonders ausgejtoßen zu werden, wenn zwei Natten, bon verjchiedenen Seiten her fommend, jich im Tafelwerf der Bambushede begegneten. Die Fingerratte jcheint eben auch den bijjigen und gehäffigen Charakter zu bejigen, der uns an der gefamten Rattenfippjchaft befremdet... Der Mageninhalt beitand ausjchlieglich aus zernagten Bambusfnojpen... ine bei Tage ausgeführte Belichtigung jener Bambushede zeigte deutlich die verwüjtende Tätigkeit Der Fingerratten. Überall waren die Spiten fahl, an einzelnen Stellen, zumal an den jüngeren Halmen, waren die Blattwirtel auf eine Entfernung von 2—3 m weggeftejjen. Die Bambus- hede jchien die fortwährenden Bejchädigungen der neuen Triebe empfindlich zu fühlen: die fahfgefrejjenen Halme befanden jich in einem Zuftande völligen Vergilbens. Der Befiger jener Fazenda wußte mir mitzuteilen, daß einmal auch ein Humpenförmiges, aber leeres Neit zivi- ichen den Bambustohren gefunden worden fei, das vermutlich der Fingerratte angehört hätte. Er verglich dies Nejt mit demjenigen des europäifchen Eichhorns... 3 wurde mir verfichert, da& die Fingerratten in jener Gegend jahrein jahraus in zahlreicher Gejellichaft ihr Wejen treiben, und daß fie auch an anderen Stellen der Umgebung der Stadt Säo Paulo zu finden jein müfjfen für denjenigen, der aus dem fpeziellen Charakter ihrer Verwüjtungen an den Spiten der Bambusalleen ihre Anmwvejenheit zu erkennen verftehe.” Gößt it „überhaupt der Überzeugung, daß die Fingerratte in den mittleren und füdlichen Provinzen Brafiliens feinesiegs das jeltene und jchter aufzutreibende Nagetier it, für da man jie immer noch hält”. Lebend ift diefe Gattung oder eine Verwandte aber wohl noch nie dagemejen. * Rein füdamerikanifch find auch die eigentlichen Trugratten (Octodontinae). Bor ihnen leben die Strauchratten (Oetodon Benn.) in Chile, Peru und Bolivia. Der Leib 200 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Trugratten. it gedrungen und furz, der Hals Furz und did, der Kopf verhältnismäßig groß, der Schwanz endet meijt in einen Pinfel; die Hinterbeine find merklich länger al3 Die Vorderbeine; alle Füße haben fünf freie, befrallte Zehen. Meittelgroße, ziemlich breite und aufrechtitehende, an der Spige abgerundete, dünn behaarte Ohren, mittelgroße Augen, gejpaltene Dberlippe zeichnen den Kopf aus, glatte, ungefurchte und pie Nagezähne, wurzellofe Badzähne, deren Kauflächen fait einer arabijchen 8 gleichen (daher der Name Octodon), da$ Gebiß. Die Be- haarung des Körpers ift reichlich, wenn auch furz, das Haar troden und raud. Der Degu, Octodon degus Mol. (cumingi; Taf. „Nagetiere VIII", 2), it oben bräun- Yichgrau, jchwärzlich untermifcht, unten graubräunlich, auf Bruft und Naden dunkler, an der Schwanzmwurzel lichter, fajt weiß. Die Ohren find außen dunfelgrau, innen weiß, die Schnurren zum Teil weiß, zum Teil fchwarz; der Schwanz ijt oben und an der Spibe jchwarz, unten bis zum erjten Drittel jeiner Länge hellgrau. Die Gejamtlänge beträgt gegen 26 cm, wobon etwas über ein Drittel auf den Schwanz fommt. „Der Degu”, jagt Pöppia, „gehört zu den häufigiten Tieren der mittleren Provinz von Chile. Hunderte bevölfern die Heden und Büjche; felbit in der unmittelbaren Nähe befebter Städte laufen fie furchtlos auf den Heerjtraßen umder und brechen ungejcheut in Gärten und Fruchtfelder ein, imo jie Durch mutwilliges Zernagen den Pflanzen fait eben- joviel Schaden tun wie durch ihre Gefräßigfeit. Selten entfernen fie fich vom Boden, um die unteren Üfte der Büjche zu erflettern, warten mit herausfordernder Kühnheit die An- näherung ihrer Feinde ab, ftürzen aber dann in buntem Gewimmel, den Schwanz aufrecht tragend, in die Mündungen ihrer vielverziweigten Baue, um nad) wenigen Augenbliden an einer anderen Stelle wieder herborzufommen. Das Tier gleicht in feinen Sitten viel mehr einem Eichhörnchen als einer Ratte. &3 fammelt, ungeachtet des milden Klimas, Vorräte ein, verfällt aber nicht in einen Winterjchlaf.” Die Zeit der Paarung, die Dauer der Tragzeit jowie die Anzahl der Jungen jcheint troß der Häufigfeit des Tieres bis jebt noch nicht befannt zu fein. Man fann eben bloß jhhließen, daß der Degu einer großen Vermehrung fähig ijt, und glaubt, daß er jährlich zwei Würfe von je 5—6 Jungen bringt. Die Gefangenjchaft erträgt er jehr leicht, wird auch bald recht zahm. ch erhielt eine Gefellichaft von fünf Stüd diefer Ratten, habe mich aber nicht mit ihnen befreunden können. Stil! und regungslos fahen die Tiere am Tage in zufammengefauerter Stellung auf einem Aite des Sletterbaumes in ihrem Käfige, und erit wenn die Nacht hereinbrach, begannen fie jich zu rühren, aber auch dann noch befundeten lie feineswegs die Negjamkeit unferer Eichhörnchen oder Bilche. An die Nahrung jchienen jie feine Anjprüche zu machen, vielmehr mit dem gewöhnlichiten Nagerfutter zufrieden zu jein. Bijjig find fte nicht, zutraulich ebenfowenig. Die Welt um fie her fehien fie einfach gleichgültig zu laffen. Jm Londoner Tiergarten haben fich einige Pärchen fortgepflanzt und Sunge gebracht; Die von mir gepflegten Gefangenen find nach und nach dahingeftorben, ohne jemals Baarungsgelüfte zu zeigen. Nach den Erfahrungen des Londoner Gartens fommen die Jungen vollfommen behaart, überhaupt jehr entwidelt zuc Welt und öffnen ihre Augen jpäteftens einen Tag nad) der Geburt. Sr den Iekten Sahrzehnten jcheint der Degu nur ganz vereinzelt wieder nad) Europa gefommen zu fein. Bon Siüdbrafilien bis zur Magellanftrafe hinab dehnen die Kammratten oder Tufo- tufo3 (Ctenomys Blainv.) ihre Heimat aus. Sie ähneln noch entfernt der vorigen Gattung; Nagetiere VII. l. Kammfinger, Ctenodactylus gundi Pall. l/2 nat. Gr., s. S. 293. — P. Kothe-Berlin phot. ty Degu, Octodon degus Mol. 1/2 nat. Gr., s. S. 200. — W.S. Berridge, F. Z. S.-London phot. 3. Cayenneratte, Proöchimys cayennensis Desm. l/3 nat. Gr., s. S. 197. Snethlage-Bertram, Parä, phot. 4. Wültenipringmaus, Jaculus jaculus Z. 1/2 nat. Gr., s. S.216. — Lewis Medland, F. 2 .-Finchley, N., phot. 5. Seldhüpfmaus, Zapus hudsonius Zimm. 2 nat. Gr., s. S. 229. — P. Kothe - Berlin phot. 6. Pferdeipringer, Alactaga saliens Gm. 1/9 nat. Gr., s. S.212. — Falz-Fein, Ascania Nova, Südrußland, phot. Degu. Tufotufo. 201 die Heinen Augen und die noch viel Heineren, fait im Pelze verjtedten Ohren aber deuten auf ein unterirdifches Leben Hin. Der Körper it gedrungen und walzenförmig, der Hals furz und did, der Kopf ebenfalls Furz, ftumpfichnauzig, der Schwanz furz, die und ftumpf- jpigig. Die Beine find furz und die fünf Zehen der Füße mit tüchtigen Scharrfrallen bewehrt. Das Haarkleid Tiegt glatt an, ift furz am Stopfe, etwas länger am Körper; feine Grannen- haare treten einzeln aus dem Pelze hervor. Welche mächtigen Größenunterjchtede in der langen Reihe verjchtedener Arten obmwalten, die im Trouefjart beinahe zwei Seiten ausfüllt, zeigen Nehrings jhöne Schädelabbildungen („Sib.-Ber. Naturf. Freunde”, 1905): zwijchen C. pundti Nhrg. aus der argentinischen Provinz Cordoba und C. torquatus Leht. aus Uruguay ein Verhältnis von 1:3! Ähnliches fehrt bei den Blindmäufen (Gattung Spalax) twieder. Eigentümlich ift das Vorkommen derartiger Nager in einem Höhengürtel der Sor- dilferen, wo der Pflanzentwuchs bereit3 aufgehört zu Haben fcheint. Tjcehudt berichtet, daß ihn in den gänzlich pflanzenlofen Wülten einzelner Hochebenen der Stordilleren die vielen taufend Löcher von Kammratten in Erjtaunen gejeßt haben. „Wovon mögen jich wohl Dieje Tiere hier nähren? Troß langen Nachvenfens konnte ich dieje Frage nicht genügend be- antworten, zumal andere Neijende, namentlich Philippi, die Wüjte in Sommermonaten bereijt haben umd fie an Stellen, too die Erde von Stammratten wie ein Sieb Durcchlöchert war, ebenjo Dürr, jandig und ohne den geringsten Pflanzenwuchs fanden, wie ich jie im Winter getroffen habe. Sollte vielleicht hier ein unterirdiicher Pflanzenmwuchs vorkommen, welcher jich bisher dem Auge des Forjchers entzogen hat?" Der Neijende, der zum erjten Male jene Länder betritt, hört verwundert die eigen- tümlichen, voneinander abgejchiedenen, grunzenden Laute, die in regelmäßigen Sivijchen- räumen gleichfam aus der Erde herausschallen und ungefähr den Silben Tufotufo entjprechen. Wir bejchreiben nur eine Art der nach ihnen benannten Kammratten, den eigentlichen Tufotufo, Ctenomys magellanicus Benn. Da3 Tier fommt an Größe ungefähr einem halbwüchjigen Hamfter gleich; der Leib mift 20 cm, der Schwanz 7 cm. Die Färbung der Oberjeite ift bräunlichgrau mit gelbem Anfluge und jchwacher jchwarzer Sprenfelung. Die einzelnen Haare find bleifarben, gegen Die Wurzel und an den Spiben größtenteils alchgrau, ins Bräunliche ziehend. Einige dünn gejtellte Grannenhaare endigen mit Ichwarzen Spiten; auf der Unterjeite fehlen dieje Grannenhaare, und deshalb erjcheint Die Färbung hier viel Yichter. Kinn und Vorderhals find bla fahlgelb, die Füße und Der unter der Behaarung ringelichuppige Schwanz weiß. Bir verdanken die für uns gültige Entdedung und die erjte Bejchreibung des Tufotuto dem auch um die Naturgefchichte der füdlichiten Spitze Amerikas hHochverdienten Darwin. Der Tufotufo wurde zuerjt am öftlichen Eingange der Magellanjtrage und von Dort aus nac) Norden und Weiten Hin in einem ziemlich großen Teile PBatagoniens gefunden. Aus- gedehnte, trodene, fandige und unfruchtbare Ebenen geben ihm Herberge. Hier Durchtwühlt er nach Maulwurfsart große Flächen, zumal des Nachts; denn bei Tage jcheint er zu ruhen, obtwohl man gerade dann jeine bezeichnende Stimme oft vernimmt, die ihm jeinen ein- geborenen Namen verjchafft hat. Der Gang auf ebenem Boden ift jehr jchwerfällig und un- beholfen; das Tier vermag nicht über das geringjte Hindernis zu fpringen und ijt jo ungefchickt, daß man es außerhalb feines Baues leicht ergreifen fanın. Unter den Sinnen dürften Geruch und Gehör am meijten ausgebildet fein; das Gejicht ijt jehr jtumpf. Wurzeln der Gejträuche bilden Die ausschließliche Nahrung des Tieres, und von Ddiejen jpeichert eS auch hier und da 202 8. Ordnung: Nagetiere. Familien: Trugratten und Kammfingerartige. Vorräte auf, obwohl es vielleicht feinen Winterjchlaf Hält. Nach Hudjon trifft man den Tufo- tufo auf der argentinischen PBampa, wo ein jandiger Yanditrich oder eine Reihe von Sand- Dünen jich Hinzieht. Man jteht ihn nicht, aber man Hört ihn. Tag und Nacht ertönt jeine Stimme laut hallend geich einer Reihe von Hammerjchlägen: wie wenn die Ziverge tief unter der Erde am Armboß arbeiteten, erjt mit jtarfen, gemejjenen Schlägen, dann heller und Härter. Neuerdings erfuhr Heck noch einige3 aus Briefen des Frau R. Liejegang, welche die Tiere in unmittelbarer Nähe ihrer Ejtancia San Jorge im Rio-Negro-Gebiet Uruguays täg- (ich beobachten fonnte. Auf den Anhöhen dort, welche die Tufotufos mit Vorliebe bevölfern, muß man im Umfreis von 1—2 ha mit aller Vorjicht reiten, um nicht zu ftürzen, da die ganze Strede unterwühlt it. Ebenjo janf Schrend von Nobing bei der Birjch auf Darwinjtrauße (Rhea darwini) in den Medanosdünen von San Antonio (Nordpatagonien) jtändig bis zum Stnöchel ein: Der Boden war parallel zur Oberfläche rings unterminiert von den Samm- tatten. Nach Liejegang müjjen diefe aber auch jenfrechte Röhren graben, in die jie fich bineinfallen lajjen, wenn jie ütberrajcht werden. Ferner veritopfen jte offenbar die Nöhren- mündung hinter jich, wenn jte zu Baue fahren; denn ehe jie gegen Sonnenuntergang er- jcheinen, jieht man jie jtetS etwas Sand hochwerfen und den Kopf herausiteden, um zu jihern. Das geht aber biigjchnell, und es gehört eine bejondere Gemwandtheit dazu, bei diejer Gelegenheit Tufotufos zu erlegen. Macht man irgendein Geräusch oder die geringite Bemegung, jo jind jte jofort wieder unter der Erde verjchwunden. Auf das Sllappern des Kodaks, mit dem Frau Liejegang für unjer „Tierleben” einen um Meterlänge von einem Bau entfernten Tufotufo photographieren wollte, war dag Tier mit einem Sabe wieder in jeinem Loche und hatte diejes auch außerordentlich jchnell mit Erde verjchloffen. Wenn e3 genug regnet, jprießt um die Tufotufobaue ein jpärlicher Graswuchs, und e3 fonnte beobachtet werden, daß die Nager davon äften. Da die von ihnen bewohnten Stellen aber alfermeift fast fahl find, fommt Frau Liejegang ebenfalls ganz von jelbjt auf die Vermutung, daß je von Wurzeln leben müßten. Da die Tiere an diefen unfruchtbaren Stellen feinen Schaden machen, läßt man fie meijt gewähren, obwohl man, nach Liejegangs Erfahrung, jie durch Umpflügen leicht vertreiben fan. Daß fie voll von einem Ungeziefer, ähnlich ven Hühnerläufen, find, lädt auch nicht gerade ein, fich mit ihnen zu bejchäftigen, und wird gewiß dadurch gefördert, daß fie allermeift in ihren Bauen beifammenhoden. Daß die Kolonie bei San Sorge jchon jeit Jahrzehnten als Tufotufohügel befannt ist und fich jeitdem zwar under- fennbar, aber nur unbedeutend vergrößert hat, faßt Liefegang wohl mit Recht als Beweis nur mäßiger Fortpflanzung auf. MS die Hauptfeinde bezeichnet jte Die Eulen, die jie öfters auf den Nattenhügel hat herabjtoßen jehen, und das jteht ja auch mit der mehr nächtlichen Lebensweije der Tufotufos vollfommen im Einklang. Den hHämmernden Ruf, die erite Silbe ziemlich gedehnt, die zweite ganz furz, Hält unjere Beobachterin für eine Art Borjpiel, das dem Erjcheinen der Tiere über der Erde vorangeht; wenigjtens hörte jie das unterirdijche Hämmern halbe Stunden lang aus den Bauen ertünen, ehe die eriten Tufotufos hervorfamen. Über die Fortpflanzung, die Zeit der Paarung und die Anzahl der Jungen fehlen zurzeit noch genaue Nachrichten. Gefangene, die Darwin hielt, wurden bald zahm, waren aber jtumpfjinnig. Beim Frejjen nahmen jie die Nahrung nach Nagerart zwijchen vie Vovderpfoten und führten fie fo zum Munde. Die Patagonier, Die in ihrer armen Heimat feine große Auswahl haben, ejjen aud) das Sleijch des Tufotufo und ftellen ihm deshalb nach. Lebend ift der Tufotufo wohl noch nicht in Europa gemejen, in neuerer Zeit wenigjtens nicht. Tufotufo. Kammfinger. 203 Die naheftehende Gattung Spalacopus Wagl. aus Chile unterjcheidet jich durch Ver- fümmerung de3 äußeren Obhres: eine weiter vorgejchrittene Anpaffung an das unteriwdijche Withlerleben. N Damit find die amerikanischen Gruppen der Sektion der Stachelichweinförmigen erjchöpft, und wir gehen wieder nach Afrika Über zu den jeßt als jelbitändige Familie betrachteten Kammfingerartigen (Ctenodactylidae), benannt nad) der wichtigjten Gat- tung Otenodactylus Gray. Der Hauptvertreter ift der Algerien, Tunis, Tripolis bemohnende eigentliche Kamm- finger, der Gundi der Araber, Ctenodactylus gundi Pall. (massoni; Taf. „Nagetiere VIIL”, 1, bei ©.200). Das im ganzen 17,5 cm fange Tier ift bräunlich roftfahl mit jchwarzer Sprente- fung auf dem Rüden und hat einen unterjegten, jchwerfälligen Leib, diden, ftumpfichnauzigen Kopf mit furzen, rundlichen Ohren, mäßig großen Augen und ungemein langen, jteifen, boriti- gen Schnurren, ftarfe Gliedmaßen, deren hinteres Paar länger als das vordere ift, und bier- zehige, nadtjohlige Füße mit furzen Sralfen, die hinten unter abjonderlichen Borjten teil- weije verjtect find. Unmittelbar über den kurzen, gefrümmten hinteren Zehen nämlich liegt eine Reihe von hornigen, fammartigen Spißen, über ihnen eine zweite Reihe von jteifen und über diejen eine dritte Reihe von langen und biegjamen Borjten. Bon diejer ganz einzig dajtehenden Fußbildung leiten jich fonohl der deutjche al3 auch der lateinijche Name Des Tieres her. E3 joll feinen „Bürftenfamm” zum Busen des Telles verwenden; doch dürfte dies als Entjtehungsurfache fauım genügen. Der Schwanz tft ein nur 1,5 era langer Stummel, aber ebenfalls mit langen Borjten befleidet. Die Nagezähne find jchwach und ftark gerümmt, die drei Badzähne jeder Reihe oben länglich und fchmal, außen gebuchtet, die unteren nad) hinten an Länge zunehmend und die Form einer 8 daritellend. „Sm den von den Beni Ferah bewohnten, mwildromantijchen Tälern des Dichebel Ares”, fchildert Buvry, „und zum Teil auch in den die öftliche und mweitliche Sahara be- grenzenden füdlichen Höhenzügen Algeriens zeigt jich in den Wintermonaten zur Mittags- zeit auf vorjpringenden Felsblöden ein feiner Nager, der, mit dem Kopfe dem Tale zu- gewendet, dicht an den Fels gedrüct, gleichjam ein Teil davon zu jein jcheint. E3 ijt der Gundi der Araber, der hier in Felslöchern und überlagernden Steinen lebt und jich durch große Behendigfeit und feines Geficht und Gehör auszeichnet. Bei dem geringiten ber- dächtigen Geräufche zieht ex fich hüpfenden Laufes in jeinen nahen Schlupfrinfel zurüd, der gewöhnlich alfen Anftrengungen des Jägers Troß bietet. Die geeignetjte Zeit, Diejes merkwürdige Nagetier zu beobachten, ift der Morgen. Sobald die Sonne ihre erjtei er wärmenden Strahlen auf die hohen Feljenwände jendet, erwacht der Gundi, und von allen Seiten her beginnt eine Wanderung diefer Tiere ins Tal hinab, den Feldern zu. Behende rutjchend und laufend, erreichen fie binnen Furzen das Getreide, für jie ein nilliommenes Zutter, nagen, auf den Hinterbeinen fiend, die Halme durch und verzehren, mit den Norder- fügen nachhelfend, den oberen Teil der Schößlinge. Doch halten fie jich nicht immer jtreng an grünes Futter, gehen vielmehr nach echter Nagerart auch Körner an. Mit dem Er- wachen des Menjchenverfehrs auf Straße und Feld fommen fie, nachdem jie getrunten, zu ihren Höhlen zurüd. Wie oft im Jahre fie Zunge werfen, fonnte ich nicht in Erfahrung bringen; doch verjchaffte mir die Unterfuchung einiger Weibchen Gemißheit, daß jie im Monat Februar und anjcheinend regelmäßig drei Junge erzeugen. Während der Brunit joll e3 zmwijchen den Männchen zu Kämpfen auf Leben und Tod fommen, 204 8. Drdnung: Nagetiere. Yamilie: Springhafenartige. „Ungeachtet des verjtedten Zagers des Gundis gelingt e3 ziemlich leicht, ihn zu er- beuten, und zwar mit Hilfe von Haarjchlingen, die an Ausgangslöchern befejtigt werden, und in denen das Tier jich mit den Hinterfühen veriwidelt. Die erivachjenen Araber geben jich nicht die Mühe, den Gundis nachzuftellen; ihren Kindern aber macht der Fang Ber- gnügen, und das zarte, dem Hühnerfleijch wenig nachjtehende Wildbret bietet einen will fommenen Braten. Auch verwendet man den weichen, janttartigen Pelz zu Sädchen, die als Geldbörfen dienen.” Paul Spab hat unter anderen Verdienjten um die Erforjchung der tunefischen Tier- welt auch das, die erjten Gundis lebend in den Berliner und Frankfurter Hoologijchen Garten gebracht zu Haben. Die fahlgelben, fnapp hamjtergroßen Tierchen hielten jich da eine Zeitlang ganz gut. Der Vertreter im Somalilande unterjcheidet jich äußerlich Durch längeren, bujchigen Schwanz und ift als befondere Gattung (Pectinator Blyth) abgetrennt worden. Die neuere und neuejte Nagetierjgjtematik jchreibt fo mancherlei Zerreifungen und Bereinigungen vor, Die aus Leben und Ausjehen der betreffenden Nager oft jchiwer zu ber- jtehen, al wifjenjchaftliche Borjchriften aber doch zu rejpektieren find, wenn wir auch hier, wo uns in erjter Linie das lebende Tier angeht, die Begründungen aus Schädel- und Zahnumterjchieden nicht immer im einzelnen wiedergeben fönnen. Unter diefen Umjstän- ven jchließen wir die Sektion der Stachelichweinförmigen nicht ab, ohne ihnen, mit Trouejjart, noch den Springhafen (Gattung Pedetes 77.) al3 Familie der Springhajen- artigen (Pedetidae) einzuordnen. Der Springhaje, Pedetes caffer Pall., untericheidet jich von den übrigen, Eleine- ren Springnagern, mit denen er früher zujammengeftellt wurde, wejentlich durch fein Gebiß, da in jedem Stiefer vier zweihöderige Badzähne jtehen, weicht aber auch außerdem merklich von jenen ab. Der gejtrecte Leib wird nach Hinten allmählich dider, der Hals ift ziemlich dic, jedoch abgejegt vom Leibe und viel beweglicher al3 bei den Springmäufen; die Borderbeine find zwar jehr furz, aber viel Fräftiger als bei jenen, ihre fünf Zehen mit Itarfen; langen, jcharfgefrümmten Krallen bewehrt, während die Hinterglieder, lange, Fräf- tige Sprungbeine, vier an bejonderen Mittelfußfnochen jißende Zehen haben, die mit ftar- fen und breiten, aber ziemlich kurzen, fajt Hufartigen Nägeln bewaffnet find. Die Hintere Mittelzehe übertrifft die übrigen an Länge; die Furze Außenzehe ijt jo Hoch geitellt, daß fie faum den Boden berührt. Der jehr lange, Fräftige und Dichtbufchige, an der Wurzel noch dünne Schwanz wird Durch Die reichliche Behaarung nach der Spite zu dider und endet mit einem jtumpfjpißigen Haarbüjchel. Der Kopf ijt ziemlich groß, hinten breit, an den ©eiten zujammengedrüdt, die Schnauze mäßig lang, ziemlich ftumpf, die Mundjpalte Elein, die DOberlippe nicht gejpalten. Große, hochgewölbte und deshalb herbortretende Augen, mittellange, jehmale und fpißige Ohren erinnern an die Springmäufe, die Schnurren dagegen iind verhältnismäßig furz. Das Weibchen trägt vier Ziben auf der Bruft. Die lange, dichte, reichliche und weiche Behaarung des Springhafen ift auf der Oberjeite roftbräunlich- fahfgelb mit fehwarzer Beimifchung, weil viele Haare mit fehwarzen Spigen endigen, auf der Unterfeite weiß, am Schwanzende jchwarz. Sn der Größe bleibt das Tier hinter unferem Hajen zurüd: die Leibeslänge beträgt ettva 45 em, die des Schwanzes etwas weniger. Springhaje. 205 mpg 1oyw soyopaa ’alvgburadg gg Rpıumou c/; AI SRG 206 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Springhafenartige. Der Springhaje bewohnt dürftige Gegenden und jelbjt wiültenartige Steppen. Er it über einen großen Teil des füplichen Afrika verbreitet, fommt vom Kaplande im Weiten nordmärts mindeitens bis nach Angola und im Dften jicher noch in Deutjch-Dftafrifa vor. Er ift jtellenweije recht Häufig, ebenjomwohl in gebirgigen Gegenden mie in offenen Ebenen, und lebt manchmal in fo großer Anzahl zufammen, daß er fürmliche Anfiedelungen bildet. Wie die Springmäufe gräbt auch er unteriwdische Baue mit langen, gewöhnlich feicht ver- laufenden und vielfach verzweigten, nach einem tieferen Stejjel führenden Gängen. Meift bewohnen mehrere Paare, ja ganze Familien einen jolchen Bau, und oft jiedeln fich in manchen Gängen des bewohnten Baues wilde Bienen an, die aljo friedlich mit dem Bau- bejiger die Wohnung teilen. Die Hottentotten jagen, daß diejer beim Graben ebenjo fein Gebil; wie die Vorderfüße brauche. Guftad Fritfch gibt an, daß der Springhaje die Röhren jeines Baues am Tage jorgfältig verichlofjen Hält. Lichtenftein erfuhr, daß e3 nicht jo leicht it, ihn auszugraben. Das Neb, welches jeine Gänge bilden, mar fo vielfältig, daß es ganz unmöglich wurde, dem Springhajen alle Wege abzujchneiden. Da er ein Nachttier ift, beginnt erjt mit der Abenddämmerung fein wahres Leben. Er fommt langjam aus feinem Bau hervor, Friecht mehr als er geht auf allen vieren dahin und fucht fich Wurzeln, Blätter und Sämereien zur Nahrung. alt jede Minute richtet er jich auf und laufcht; denn er ist bejtändig Höchjt unruhig. Wenn er nicht frißt, pußt er fich, und wenn er jich nicht pußt, zeigt er jich bejorgt um jeine Sicherheit. Bisweilen läßt er ein Srunzen oder Mecdern hören. Die Nahrung führt er, wie die Springmäufe, mit den furzen Borderfühen zum Munde. So langjam er jich bewegt, wenn er auf allen vier Füßen dahin- geht, jo jchnelt ift jein aus rasch aufeinander folgenden Säßen bejtehender Lauf. Mit den langen Hinterbeinen fchnellt er jich vom Boden in die Höhe und tritt mit den Hinterfüßen wieder auf, ohne fich nach vorn zu überftürzen. Die Vorderbeine bleiben über der Bruft gefaltet. Gemwöhnlich beträgt die Weite jeiner Sprünge 2—3 m, wird er aber verfolgt, jo jteigert er feinen Lauf derartig, dab dann die Durchichnittliche Weite ziwijchen 6 und 10 m beträgt; jo geben übereinftimmend Forfter und Sparrmann an. Dabei legt er eine Leichtig- feit an den Tag, Daß es ausjieht, al3 wäre er gar nicht imftande, zu ermüden, und jo ent- fommt er denn auch regelmäßig jeinen Feinden. Nur die Näfje lähmt jeine Behendigfeit. Die Hottentotten verjicherten Lichtenftein, daß der Springhafe bei Negenmetter niemals aus jeinem Baue fomme, und daß es bei heftigem PBlabregen leicht wäre, ihn mit den Händen zu ergreifen, jo matt würde er durch die Näfje. Und wenn man nun gar Wajjer in die Baue feite, fönne man jo viele Springhajen fangen, al3 man wolle. Das Weibchen wirft im Sommer 3—4 Junge, die längere Zeit von der Mutter ge- jäugt werden und dann mit ihr ausgehen, auch lange denjelben Bau bewohnen. Beim Eintritt der Regenzeit foll die ganze Familie oft tagelang, in zufammengeroliter Stellung eng aneinandergerüdt, im Inneren des Baues verweilen. Die Gefangenjchaft hält der Springhafe bei quter Pflege leicht und dauernd aus; doc möchte Heck dahingeitelft fein lajjen, ob die anfcheinende Zahmheit und Zutraulichfeit des Nachttieres nicht vielmehr durch eine bei ihm natürliche Schlaftrunfenheit und Stumpfjinnigfeit am Tage zu er- Hören ift. Wenigjtens fchlugen jeine Verjuche, Springhajen des Berliner Gartens im Jnter- ejje der Bejucher an das Tageslicht zu gewöhnen, volljtändig fehl: die Tiere jchliefen im Gehege den ganzen Tag über genau jo hartnädig zufammengerolft wie in der Höhle. Sonit macht jeine NReinlichfeit den Springhafen beliebt, und feine Fütterung verurjacht ebenfalls feine Mühe: Weizen, Brot, Salat und Kohl genügen ihm volfftändig. Er jchläft jitend, Springhaje. 207 birgt den Kopf zwijchen den Schenfeln und drüdt mit den gefreuzten Worderpfoten die Ohren iiber die Yugen weg. „Wer ihn zuerit tagsüber in feiner Schlafitellung fennen lernt”, ichildert Hec, „wird faum recht wijjen, mas er eigentlich vor fich hat; denn er fieht nicht biel mehr als eine Mafje weicher, glänzender, hübjch jandgelber Haare. Doch da fommt der Wärter mit dem Futternapf, und das Offnen der Türflappe des Käfigs bringt Leben in den Haarfnäuel in der Ede. Ein Teil diejes Stnäuels Löft jich ab und legt fich als bufchig, aber doch deutlich zweizeilig behaarter Schwanz mit jchwarzer Spibe auf Die Erde Hin; zu feinen beiden Seiten jchieben ich dann, beinahe ebenjo lang, zwei mächtige Sprungbeine mit eigentümlich jtumpfen, platten, Hufartigen Nägeln hervor; jchließlich erheben ich auch Kopf und Körper, und das ganze Tier jtrect fich, jo recht wie ein erwachender Langjchläfer, behaglich auf dem Rüden im Sande aus. Die feinhäutigen, wenig behaarten Ohren hängen noch jchlaff am Ktopfe herab, die Augen jind Halb gejchlojjen und die ganz kurzen Borderbeine unter dem Sinn gefreuzt. Uber nun fommt das Tier mit einem elaftiichen Schwunge ganz auf die Beine, und indem fich die Ohren stellen und die Augen ganz öffnen, überzeugen wir uns, daß die leßteren groß, dunkel und langmwimperig, fait Schön zu nennen find. Der Springhafe präjentiert fich jest, auf den Hinterbeinen aufgerichtet, einige Augenblide in . ganzer Figur, um gleich darauf jpielend feinen Käfig mit einem Sabe von einer Edfe bis zur andern auszumejjen. Nicht lange übrigens, jo erregt der friich gefüllte Futternapf die gebührende Aufmerfjanteit, und das Tier bewegt jich, nad) Kaninchenart hüpfend oder eigentlich noch mehr friechend, gemächlich darauf zu, wobei die furzen Borverbeine ebenfalls auf die Erde aufgejeßt werden. Am Ziele wird jedoch gleich wieder die offenbar bequemite, aufgerichtete Haltung eingenommen, und der Springhaje beginnt feine Mahlzeit in jeiner ganz eigenartigen Weije, die auf mich, als ich te zum erjtenmal beobachtete, einen geradezu verblüffenden Eindrucd machte. Auf den Hinterbeinen neben dem Futternapf jibend, mwür- digt er dejjen Inhalt Scheinbar gar feines Blickes, jondern faßt nur wahllos und gleichgültig, aber Doch ehr flinf und eilfertig, mit einer Borderpfote hinein, flemmt ein Korn, ein Stückchen Brot oder Mohrrübe zwijchen Die eingejchlagenen Strallen und den ganz bejonders geformten und ausgebildeten Ballen der Handfläche und führt jo die Nahrung zum Munde. Niemals nimmt er unmittelbar mit diejem etwas auf: jelbit ein Nafenjtüd, das ich ihm zur Probe Dingeben ließ, wurde nicht abgemweidet, fondern ebenfalls mit den Vorderpfoten abgepflüct, und wenn man dazu die ganz auf die Unterjeite des Kopfes zurüdgerüdte Lage der Wiund- ipalte betrachtet, jo möchte man fait die Anficht ausiprechen, daß der Springhaje auf eine andere Weije jeine Nahrung gar nicht zu fich nehmen Fünne.” Bei den holländischen Anjiedlern ijt die Sagd des Tieres jehr beliebt; denn das Fleijc) roird gejchägt und der Balg in ähnlicher Weife verwandt wie der unjeres Hafen. Man jagt fajt nur bei hellem Mondfchein, indem man ich da, two e3 viele Löcher gibt, anjtellt und lauert, bi3 ein Springhafe in die Nähe fommt. Nach Fritich joll man zumeilen in einer einzigen Mondjcheinnacht gegen ein Dußend diefer behenden Tiere erlegen. 63 joll hier nicht verjchwiegen werden, daß der dänijche Anatom Winge in feiner anatomijchen Einteilung der Nagetiere, der auch der hier jo oft angeführte Weber folgt, den Springhajen in eine Gruppe (Anomaluroidea) zufammenjtellt mit ganz merkwürdigen, fughörnchenartig ausjehenden Nagern Afrikas, den Eletternden Dornjhwanzhörnchen, die von einem Springnager auf den erjten Blick jo verjchieden zu jein jcheinen, wie Nager überhaupt nur fein fünnen. Winge gründet jeine Zujammenjtellung auch nur auf 208 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Springnager. Schädel-, Gebik- und Sfelettmerfmale und findet jte dadurch noch weiter gejtüßt, daß er ein Verbindungsglied zwijchen den beiven nach Sörpergeitalt und Lebenswetje jo ver- ichiedenen Formen in der tertiären Nagergattung Issiodoromys Blainv. jieht. Smdem wir zur Familie der Springnager (Jacwlidae) übergehen, treten wir in eine neue, große Sektion der Nager ein, in die der Mausförmigen im allerweiteiten Sinne (Myomorpha). Außerlich ift dieje überhaupt faum zu fennzeichnen: find doch die ge- jamten Nager befanntermaßen in allen hauptjächlichen Merkmalen jo gleichartig, daß man zmweds weiterer Einteilung zu Sfelett-, Schädel- und Gebißunterjchieden greifen muß! Solche - {ind bei den Mausförmigen am Sfelett Berwachjung der beiden Unterjchenfelfnochen am unteren Ende; am Schädel Zufammenjegung des fchlanten Jochbogens nur zum geringeren Teile aus dem Sochbein, das jich nur jelten nach vorn ausdehnt, gewöhnlich vielmehr durch einen langen Fortjab des Oberfiefers von unten gejtüßt wind; am Gebiß Höchitens ein, häufig gar fein Lüczahn im Ober- oder im Ober- und Unterfiefer. Die Springnager (Jaculidae, Dipodidae) erinnern in ihrem Bau einigermaßen an die Känguruhs. Dasjelbe Mifverhältnis des Leibes wie bei diejen zeigt fich auch bei ihnen. Der hintere Teil des Körpers ijt verjtärkt, und die Hinterbeine überragen die vorderen wohl drei= bis jechsmal an Länge; der Schwanz tjt ebenfalls jehr lang und gewöhnlich amı Ende zweizeilig bequajtet. Der Stopf it jehr die und trägt Die verhältnismäßig längjten Schnurren aller Säugetiere überhaupt: Schnurren, Die oft ebenfo lang find wie der Körper jelbjt. Die großen Augen deuten auf nächtliches Xeben, jind aber lebhaft und anmutig wie bei wenig anderen Nachttieren; mittelgroße, aufrechtitehende Löffelfürmige Ohren von einem Drittel bis zu ganzer Kopflänge bezeichnen das Gehör als nicht minder enttwidelten Sinn. Der Hals ist jehr Die und unbeweglich, der Numpf jchlanf. An den Heinen Borderpfoten finden jich gewöhnlich 5 Zehen, an den hinteren 3, zumeilen mit 1 oder 2 Ufterzehen. Der Pelz it Dicht und weich, bei den verjchiedenen Arten und Gattungen jehr übereinjtimmend, nämlich dem Sande ähnlich gefärbt. Die Nagezähne find bei einigen glatt, bei anderen gefurcht; die Anzahl der Badzähne beträgt 3 oder 4 für jede Reihe; auch jigt oben ein ftummelhafter Zahn vor den 3 eigentlichen Badzähnen. Den Schädel fennzeichnet der breite Hirnfajten md die ungeheuren Gehörblajen. Die Halswirbel, mit Ausnahme des Atlas, verwachjen oft in ein einziges Knochenftüd. Am Mittelfuße verichmelzen die verjchiedenen, nebeneinander liegenden Knochen in einen einzigen, an Dejjen Ende Die Gelenfföpfe für die einzelnen Zehen jtehen. Die Springnager bewohnen vorzugsweije Afrifa und Ajien; einige Arten reichen aber auch nach Südofteuropa herüber, und eine Unterfamilie ift falt ganz auf Nordamerika beichränft. Sie find Bewohner des trodenen, freien Feldes, der grasreichen Steppe und Der Düren Sandmwülten, aljo eigentliche Wüftentiere, wie auch die Färbung augenblicklich er- fennen läßt. Auf lehmigem oder jandigem Boden, in den Niederungen, jeltener auf An- höhen oder an dichten, bufchigen Wiejenfäumen und in der Nähe von Feldern fchlagen fie ihre Wohnfige auf: felbitgegrabene, unterivdiiche Höhlen mit vielen verzweigten, aber meijt jehr jeichten Gängen, die immer mit zahlreichen Ausgängen münden. Bei Tage in ihren Bauen verborgen, erjcheinen fie nach Sonnenuntergang und führen dann ein heiteres Leben. Außer ihrer Hauptnahrung, Wurzeln, Zwiebeln, mancherlei Körnern und Samen, Früchten, Blättern, Gras und Kräutern, verzehren fie auch Snfeften, ja jelbit Heine Vögel, Springmäuje. 209 gehen jogar Nas an und frejjen unter Umjtänden einander auf. Die Nahrung nehmen jte zu fich in halb aufrechter Stellung, auf das Hinterteil und den Schwanz gejtüßt, das Futter mit den Vorderpfoten zum Munde führend. Shre Bewegungen find eigentümlicher Art. Der ruhige Gang unterjcheidet jich von dem des Kängurubs infofern, als fie in rajcher Folge ein Hinterbein vor das andere jegen; bei eiligem Laufe aber fördern jie jich jprungmeije, indem jie jich mit den Fräftigen Hinter- füßen hoch emporjchnellen, mit dem ziweizeiligen Schwanze jteuern und Das Gleichgeticht er- halten. Dabei legen jie die Borderbeine entweder an das Stinn oder, wie ein jchnellaufender Mensch, gefreuzt an die Bruft, jcheinen dann auch wirklich nur zwei Beine zu haben. Dann verjteht man den wiljenjchaftlichen Namen Dipodidae (= Zweifüher). Die größeren Arten vermögen gewaltige Säbe auszuführen. Ein Sprung folgt unmittelbar auf den andern, und wenn die Tiere in voller Flucht find, jteht man eigentlich bloß einen gelben Gegenitand, der in flachen Bogen wie ein Pfeil die Luft durchichießt. Mit ebenjo großer Behendigfeit graben fie am Boden, troß der jchwachen Borderfüße, die diefe Arbeit Hauptjächlich ver- richten müffen. Während fie weiden, gehen jie, ebenfall3 wieder wie Känguruhs, auf vier Beinen, jedoch jehr langjam und immer nur auf Furze Zeit. m Siten ruhen jie auf den langen, bis zur eigentlichen Ferje dem Boden aufgelegten Hinterfüßen. Alle Arten find jcharfjinnig, namentlich feinhörig und fernjichtig, und miljen daher drohenden Gefahren leicht zu entgehen. Außerft furchtjam, jeheu und flüchtig, fuchen jie jich bei jeder Störung jo eilig wie möglich nac) ihrem Bau zu retten oder ergreifen, wenn ihnen dies nicht möglich wird, mit rafender Schnelligkeit die Flucht. Jhre Stimme beiteht in einer Art von Winfeln, dem Gejchrei junger Kaben ähnlich, bei anderen wohl auch in einem dumpfen Grunzen. Uber man hört nur jelten überhaupt einen Ton von ihnen. Bei geringer Wärme verfallen jie in Winterjchlaf oder erjtarren mwenigjteng auf furze Zeit, tragen aber nicht, wie andere Nager, Vorräte für den Winter ein. Gefangene Springnager find über- aus angenehme und anmutige Gejellichafter des Menjchen; ihre Gutmütigfeit, Sanftmut und Harmlofigfeit erwirbt ihnen jedermann zum Freunde. Alle Arten jind durchaus un- ihädlich. Die freie Wüfte bietet ihnen jo viel, daß jie nicht nötig haben, das Bejigtum des Menjchen zu plündern. Sn der Familie der Springnager vereinigt man jegt drei Unterfamilien. Yon diejen find die afrifanifch-afiatifchen Springmäufe im weiteren Sinne (Jaculinae), die auch nad) Südofteuropa hineingehen, ganz abjonderlich geitaltet und jehr befannt, die vorwiegend nordamerifanischen Hüpfmäufe (Zapodinae), die zweite Unterfamilie, weniger extrem gebildet und weniger befannt, und die Streifen- oder Birfenmäufe (Sicistinae), Die dritte, von ganz unfcheinbarem, mausartigem Ausjehen und fajt unbefannt, obwohl gerade fie auch in Nordeuropa vorkommen. Der Leibesbau der Springmäuje im weiteren Sinne (Jaculinae) legt im Zu- jammenhang mit ihrer Zebens- und Bewequngsweife der eingehenderen Betrachtung den Gedanken an die Anpafjung ganz bejonders nahe, weil die verjchiedenen Gattungen der Unterfamilie durch Verjchiedenheiten im Skelett, insbefondere der Hinterbeine, jich als ver- jchiedene Stufen der Anpafjung des Nagetierförpers an die jpringende Bewegung daritellen. Weit ausgebildet als Springer ift fchon die Gattung Alactaga. Bei Ddiejer, den jo- genannten Pferdejpringern, find innere und äußere Zehe des Hinterfußes zu Afterzehen geworden, die den Boden bei der Drtsbewegung gar nicht mehr berühren und nur beim Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band, 14 210 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Springnager. Graben, beim Hinterwärtsjchteben der mit den Vorderfühen losgefragten Erde, allenfalls in Betracht fommen. Nur die Afterzehen haben noch ihre gejonderten Mittelfußfnochen; diejenigen der drei Hauptzehen jind volljtändig zu einem runden Röhrenfnochen verwachjen, der an jeinem unteren Ende drei Gelenkföpfe trägt, — eine jonjt nur bei Vögeln vorfommende Bildung. Die Hinterbeine jind fait viermal jo lang als die Worderbeine, jo daß dieje nur, wenn das Tier jich ganz auf die Ferjen niederläßt, etiva un! zu weiden, leicht auf den Boden aufgejeßt werden. Sn allem übrigen, insbejondere auch, was Schwanz und Hals anlangt, Itimmen die Pferdejpringer volljtändig mit den Springmäufen im engiten Sinne überein, und auch die Grenze, welche durch den Fußbau zwijchen beiden Gattungen noch bejteht, wird jchließlich vermwijcht durch den Bierzehigen Pferdeipringer, A. tetradactylus Leht. (Scarturus), der nur noch eine, und ziwar Die äußere, Afterzehe bejitt, während bon der anderen, äußerlich wenigitens, gar nichts mehr zu jehen it. Er leitet Dadurch über zu der Gattung Jaculus (Dipus), den eigentlichen Spring- mäujen, den typischen Springern, welche uns die Anpafjung des Nagetierfürpers an ganz bejtimmte, und zwar jehr jchwierige Lebensverhältnijje bis zur denkbar höchjten Vollendung durchgeführt zeigen. Die eigentümliche Ausbildung der Bewequngswerfzeuge und ander- jeit3 die hohe VBervollfommnung der Sinnesorgane ermöglichen es den Springmäufen, geradezu in der Wüfte zu leben, an Orten, welche faum die Möglichkeit zum Leben zu bieten jcheinen, und ivo in der Tat auch jonjt nur einige wenige Vögel, auf weiten Wohn- gebiete zerjtreut, ich Fiimmerlich ernähren. Daf; ein Kleines Säugetier, das jolchen harten Kampf ums Dajein glücklich beiteht, an Schnelligkeit der Bewegung und Schärfe der Sinne gewiljermaßen mit dem Vogel mwetteifern muß, um die jpärlich verteilte Nahrung zu finden und eine genügende Menge davon fich zu eigen zu machen, um die Feinde, geaen die es über der Erde wenig oder gar feinen Schuß gibt, in der Ferne Schon wahrzunehmen und rechtzeitig zu fliehen, das Dürfte wohl von vornherein einleuchten, und dann wird e3 wohl auc) Faum mehr verwunderlich erjcheinen, daß Die Springmäufe in der Tat gerade in den bedeutungspolfften Eigentümlichfeiten ihres Leibesbaues eine unleugbare Ähnlichkeit mit den Vögeln zeigen. Nicht nur, dat an den Hinterbeinen, die fait jechsmal fo Yang ind als die Worderbeine, von Afterzehen fcehon gar nichts mehr zu jehen it: der einzig übriggebliebene Mittelfußfnochen jomwie füntliche Nöhrenfnochen der hinteren Leibeshälfte enthalten beim ausgewachienen Tiere gar fein Mark mehr, jind aljfo jehr leicht und Dabei jpröde und hart wie ein Bogelfnochen, fo daß man den Mittelfuß einer Springmaus jehr wohl auf den eriten Blick für den entjprechenden Sinochen eines Vogels, etiva eines Kleinen Negenpfeifers, halten fann. Im übrigen tragen alle Sinochen des Hintergliedmaßen- jfelettes von dem breiten Beden an ausgeprägt die Cigentümlichfeiten an jich, wie fie jehr Itarfe Musfel- und Sehnenentwidelung mit jich bringt: jo insbejondere Die Schenfel mit ihren Stark herbortretenden Kanten und tief einjpringenden Ninnen und das Ferjenbein, das einen langen Hebelfortjab für die Sehnen der Springmusfeln entiwidelt, indes die Sußmurzel fonft jehr zurücdgebildet it. Während jo die obere Partie des Hinterbeines in hervorragender Weije für die aftive Leiltung des Sprunges geeignet erjcheint, eriveijen fich die Zehen mit ihrer Ausstattung für die pajjiven Nebenleiftungen gleichfalls vorzüglich befähigt. Zunächit find die Zehen jehr furz, meijt nur zweigliederig, und nur wenig, nur bon oben nach unten beweglich, die Strallen rechtwinklig nach oben jtehend eingelenft, jo dal jie beim Sprunge niemals hindern fünnen. Ferner ift das Nagelglied mit einer mehr- fachen, elaftijchen Schtwielenunterlage verjehen, die den Fall nach dem Sprunge bricht. Springmäufe. 211 Ebenjo wirft auch die lange, bürjtenartig nach unten vorjtehende Behaarung der Zehen, die zugleich das Ausgleiten beim Sprunge im lojen Sande verhindert. Wie bei allen jpringenden Tieren, it auch bei den Springmäufen ein jehr wejent- liches Hilfswerfzeug zur Bewegung der Schwanz, der als Sprungfeder und dritte Stüße des Körpers dient. Er ijt aber nur an der Wurzel jtarf musfulös, und nur da haben Die Wirbel gegabelte Dornfortfäge und jtarfe Querfortjäßge; jchon vor der Mitte verfümmern beide mit der abnehmenden Muskulatur. Entjprechend diejer abweichenden Bejchaffenheit pird der Schwanz der Springmäufe auch ganz anders verwendet und getragen als bei den Känguruhs, mit denen der Vergleich wohl bejonders naheliegt: nämlich in einem flachen, nach oben gefrümmten Bogen, der jich nicht oder faum über die Horizontallinie erhebt, die durch die Schwanzmwurzel geht. Nur das Ende, etiva das leßte Viertel, liegt platt auf, und feine ftraffe, ziveizeilige Behaarung hat wohl diefelbe Wirkung wie die Bürjtenhaare der Zehen des Hinterfußes. Schlieklich bleibt noch als jehr bedeutungspolles Kennzeichen der vollendeten Anpafjung der Springmäufe an ihre eigentüms liche Bewegungsweije der furze und wenig be= mwegliche Hals zu erwähnen übrig: nur der erjte und zweite Halswirbel gelenfen aufeinander, alle übrigen find miteinander verwachjen, jo daß fait ohne jede Anwendung von Musfelfraft der Kopf feit vem Numpfe aufjißt. Eine jolche bejondere Befeitigung it Die- jem Sopfe aber auch notwendig, und Damit fommen mir auf die zweite Neihe förperlicher Eigentümlichfeiten der Springmaus, die ihre vol- N LH endete Anpafjung an ihren Wohnort beweijen. Bus Ainer Seriugmand Clare Ein feines, wehrlojes Säugetier, das auf öder Sandfläche beitehen will, wo Nahrung wie Verjtede gleich jpärlich verteilt find, muß not- wendigerweije neben der Schnelligkeit dev Bewegung eine außerordentliche Enttwidelung der Sinnesorgane befisen. Eine jolche zeigt denn auch der Schädel der Springmaus durch das Größenverhältnis von Hirn- und Gefichtsteil in einer Weije, die wiederum lebhaft an die Wögel erinnert. Während die Schnauze mit den Kiefern nur als ein unbedeutender Anfab am Hirnschädel erfcheint, ift diefer außerordentlich verbreitert, geradezu breiter als fang, und zwar durch die ungeheure blafige Auftreibung der das innere Ohr umjchliegenden PBaufenfnochen und die ungewöhnliche Größe der Augen, mit der eine bejondere Aus- bildung der Jochbogen und -fortfäge zufammenhängt. Das äußere Ohr ijt dünnhäutig und fein behaart, wie bei den fcharfhörigen Fledermäufen, und wird jogar, bis zu einem gewijjen Grade wenigjtens, wie bei diefen im Schlafe zufammengefaltet. Dab aud) das Gefühl fein ausgebildet ift, beweifen die Fofofjalen Schnurrhaare, deren mittlere tatjächlich länger jind als der Rumpf des Tieres jelber. (Hed.) Der Pelz der Springmäufe ift weich, jeidenartig und auf dem Rüden am Grunde blaugrau, dann jandfarbig, an den Spiten aber jchvarz oder dunkelbraun, unten immer weiß. Die Schtwanzipiße ift ebenfalls weiß; behaart, mit einer dunkleren bis jhwarzen Stelle davor. Das Gebiß; bejteht aus 16 oder 18 Zähnen, da im Oberkfiefer entweder 3 oder 4, 14* 212 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Springnager. im Unterkiefer jtet3 3 Bacdzähne jtehen; die Nagezähne jind glatt oder gefurdht. Die Bac- zähne zeigen verjchieden gewundene oder gebogene Schmelzfalten. Gewöhnlich finden jic) 4 Zigenpaare, 2 Paare auf der Bruft, 1 Paar am Bauche und 1 Baar in den Weichen. Abgejehen vom Bau der Hinterfühe unterjcheiden auch Schädel und Gebiß die Pferde- ipringer (Alactaga F. Cw.) von den Wüjtenjpringmäufen. Der Schädel ift Hinten jchmäler und etwas gerundeter al3 bei den Verwandten; an der VBorderfläche der Nagezähne fehlt die Ninne; die Badzähne, 4 im Oberfiefer, 3 im Unterkiefer, find tiefer und vielfacher ge- faltet. Jm übrigen ähneln die Pferdejpringer ihren Verwandten volljtändig; teilweije bewohnen jte mit ihnen Dasjelbe Vaterland. Durch Die vorzüglichen Bejchreibungen von Pallas, Brandt und anderen ift uns namentlich der eigentliche Pferdejpringer, Alactaga saliens Gm. (Scirtetes jaculus, Dipus; Taf. „Nagetiere VIII“, 6, bei ©. 200), befanntgeworden. Das Tier hat nicht ganz die Größe eines Eichhörnchens: fein Leib ift 18 cm, der Schwanz 26 em lang; die Ohren haben Ktopflänge. Der Kopf trägt lebhafte, hervorragende Augen mit Freisrunden Sternen, große, lange und jchmale Ohren von mehr als Stopflänge und jehr lange, jchwarzgrau gejpibte Schnurren, Die jich zu beiden ©eiten der Oberlippe in acht Yängsreihen ordnen. Die Hinter- beine jind fajt viermal jo lang wie die Borderbeine. Die Mittelzehe it am längiten; denn die. beiden jeitlichen reichen nur bis zu ihrem eriten Gliede, und die noch übrigen fommen faum in Betracht: es find hochgeitellte furze Afterzehen, die beim Gehen nie den Boden berühren. An den Hinterfüßen find die Strallen Furz, jtumpf und jajt Hufartig geitaltet, an den Borderfüßen lang, gehrümmt und jpißig. Der ‘Pelz iit auf der Oberjeite rötlichgelb, mit Ihmwach gräulichem Anfluge, auf der Seite und den Oberjchenfeln etwas heller, auf der Unterjeite und an den Beinen innen weiß. Ein länglicher, fait jtreifenähnlicher weißer Tled zieht jich von den DOberjchenfeln bis zum Schwanze, ein ähnlicher verläuft porn über Die Hinterbeine. Der Schwanz ift rötlichgelb bis zur Duafte, diefe in der eriten Hälfte jchwarz, in der Spiße weiß, deutlich pfeilartig gezeichnet. Der Pferdeipringer findet jich zwar auch im jüdöftlichen Europa, namentlich in den Steppen ziwijchen Donau und Don, in den füdrufjiichen Gouvernements Eherjon, Taurien, im nördlichen Slaufajien und in der Strim, doch bleibt für ihn Ajien die wahre Heimat. Nach Korden Hin geht er nicht über den 52. Grad nördl. Br. hinaus; dagegen erjtredt fich jein Verbreitungstkreis bis in Die östliche Mongolei. Bei den Aujjen heißt er Semljanvi-Saez oder Erdhaje, am Jatt Tufchfantjichid oder Häschen; Die Miongolen und Burjäten gaben ihm den Namen, den Cupier zum Gattungsnamen erhob, Aafdaga oder Alagdagen; die Kalmüden nennen ihn Morin-Jalma oder Bferdefpringer und die Tataren endlich Tya-Jelman oder amelhaje. Der Pferdeipringer bewohnt die offenen Ebenen, namentlich aber lehmigen Boden; den eigentlichen Nollfand meidet er, weil Ddiejer nicht Hinlängliche Feitigfeit für feine Gänge und Höhlen bietet. Er lebt gejellig, wie feine Verwandten, Doch nicht in großen Scharen. Bei Tage ruht er verborgen in jeinem Bau; nach Einbruch der Dämmerung reift er umber, fehrt jedoch, faut Nadde, auch des Nachts wiederholt zu feiner Höhle zurüd. Seine Säße jollen in voller Flucht jo jehnell fördern, daß das beite Pferd nicht nachfommen fann. Daher jein deuticher Name. Scheu und furchtfam, ergreift er bei der geringjten Gefahr die Flucht; jelbjt wenn er ruhig weidet, richtet er fich beftändig auf, um zu fichern. Pferdejpringer 213 Wenn er verfolgt wird, hüpft er nicht in gerader Nichtung fort, jondern fpringt joviel wie möglich im Zidzad davon, bis er jeinen Verfolger ermiüdet oder irgendeine ihm pajjende Höhle gefunden hat, in der er jich augenblicklich verbirgt. Dieje Höhlen rühren meiitens bon anderen jeiner Art her und fünnen ziemlich Funjtvolle Baue genannt werden. Mehrere Bugangsröhren führen von außen jchief nach dem Hauptgange, der nicht jelten eine lange Strede, in einem bei Falz-Fein nachgeprüften Falle etwa 10 m wagerecht 20—25 cm unter der Erdoberfläche verläuft; exit jpät jenft er jich jteiler nieder zu dem geräumigen Steffel, welcher jeinerjeits wieder mit einigen Nebenfammern in Berbindung jteht. Vom Kefjel aus führt in entgegengejegter Richtung nach oben bis dicht unter Die Oberfläche des Bodens ein anderer Gang, die Fluchtröhre; dieje wird bei Gefahr vollends durchbrochen und rettet das geängitete Tier auch fait regelmäßig, da feiner der verfolgenden Feinde mwiljen fanın, in welcher Richtung fie mündet. Die jauberen, glattwandigen Röhren jind, nach Falz- Fein, entjprechend der Figur des Pferdejpringers höher als breit und zeigen im Duerjchnitt eine im ganzen Verlauf gleichbleibende Ellipjenform; der Stejjel Hat die Form eines hochgeitellten Cies mit den Durchmeijern von 25 und 20 cm. Der Sommerbau it flacher als der Winter- bau und hat fürzere, jteilere Röhren. Cigentimlich it die Gewohnheit des Pferdejpringers, alle Gänge des Baues zu verjtopfen, jobald er diejen betreten hat; aber gerade hierdurch aibt er ein ficheres Merkzeichen jeines Vorhandenjeins. Denn niemals findet man in einem Baue, dejjen Röhren unverjchlojjen jind, einen Bewohner. Vor der Mündung der Haupt- töhre Tiegt regelmäßig ein größerer oder Hleinerer Erdhaufe aufgejchichtet, wie mir Dies ja auch bei den meilten Bauen anderer unterivdijch lebenden Tiere jehen. Gewöhnlich be- wohnen 2—3 Baare ein und denjelben Bau, und deshalb finden jich wohl auch die ver- ichiedenen Nebenfammern im Stejjel. Der Aahdaga frigt Pflanzen aller Art und alle Pflanzenteile, mit Vorliebe jedoch Biwiebeln. An Gejträuchen nagt er die Rinde ab, von den jaftigen Steppenpflanzen aber frißt er nur die zartejten Triebe. Das Weibchen wirft im Sommer bis 8, gewöhnlich aber nur 5—6 Junge auf dem warmen, mit den eignen Haaren ausgefütterten Lager im Bau. Wie lange dieje Jungen bei der Mutter bleiben, wei man nicht; e3 it wahrjcheinlich, daß lie bi3 gegen den Winter hin diejelbe Wohnung mit ihr teilen. Beim Eintritt jtrenger Stälte fällt der Pferdejpringer in Schlaf. Sein feines Gefühl fündet ihm im voraus fommende Witterung an; denn man bemerft, daß er auch vor Negenmetter jich in jeinem Neite einzu- hülfen und zu verbergen fucht. Gegen den Winter hin jchließt er nach außen jeine Röhren jorgfältiger al3 gewöhnlich und rollt jich mit anderen jeiner Art auf dem weich ausgepoliterten Kefjel in einen Knäuel zufammen, um die unmirtliche Jahreszeit zu verjchlafen. Obwohl er noch in falten Nächten jich zeigt und weit mehr Kälte al3 jeine Verwandten vertragen fann, legt er fich doch, laut Radde, bereits in den eriten Tagen des September zur Winter- ruhe nieder und erjcheint vor der legten Hälfte des April nicht wieder außerhalb jeines Baues. Dies gilt aber wohl mehr für die jibirifche Steppe. Jrı Taurien ericheint der Pferde- jpringer, nach Falz-Fein, bereits im März und ift im Spätherbit bei günftiger Witterung noch im November zu jehen. Hec hat ihn dort aus feinen Höhlen herausgeholt. „CS war in den taurischen Steppen Siüdrußlands, auf den Gütern meines Freundes Friedrich Falz- Fein. In Daromfa, unmittelbar am Schwarzen Meere, wanderten wir zwar vergeblich mit der Wafjertonne auf dem DOchjentwagen von Bau zu Bau, um die huriofen Bewohner auszugießen. Die Höhlen waren alle offen, d. h. verlajjen; denn die bewohnten jind am Tage jtetS von innen mit Erde jo gut verchlojjen, dat der Baueingang nur jchiver zu 214 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Springnager. erfennen it. Man konnte aber die Einrichtung jehr jchön ftudieren, namentlich die Flucht- töhre, die das Tierchen von unten her biS beinahe zur Erooberfläche anlegt mit einem jener gejchieten, zwecmäßigen Injtinfte, wie jie viele Nagetiere auszeichnen. Bon oben, auf der Erde, jieht man höchitens ein fleines, ganz unauffälliges Loch, und durch diejes bricht dann das Tier von unten mit der dünnen Exrdfrufte durch, wenn es im Bau irgendwie gefährdet wird. Auf dem Hauptqute Ascania Nova jelbjt erwijchten wir endlich den ‚Erod- hajen‘, wie die Nujjen den Pferdejpringer nicht unzutreffend nennen, in der Nähe der Windmühle, wo die Steppe viel befahren und bemweidet wird, und der Graswuchs daher meniger Dicht und gleichmäßig fteht." Solche Stellen, ausgetrampelte Viehmweiden umd die Nähe der Wege, werden bevorzugt; denn dort ann fich der Pferdejpringer bejjer be- wegen. Nach Falz-Fein gräbt er da hauptjächlich nach den Zwiebeln des Gelbiternes, eines feinen Frühlingsblümchens (Gagea lutea). Der Makdaga wird ziemlich lebhaft verfolgt, da die Steppenbewohner jein Fleijch be- jonders lieben. Am eifrigjten jcheinen ihm die mongolischen Stnaben nachzuftellen. Sie unterjcheiden die verlajjenen und bewohnten Höhlen jehr genau und verjtehen es vortreff- (ich, das behende Tier zu fangen. Zu diefem Ende umzäunen jie den ganzen Bau auf das engjte und giegen Wafjer in die Fallröhren oder brechen mit einem Pfahle die Gänge auf. Schon beim Beginn der Verfolgung verläßt der Mlafvaga feinen Bau und jucht jich durch den verdecten Gang ins Freie zu retten. Unterläßt man es aljo, den ganzen Bau mit einem | Baune zu umgeben, fo it er gerettet. Ja jelbit danı, wenn man ihn jchon in der Hand zu haben meint, entrinnt er manchmal noch. Nur höchit jelten halten die Nomaden jener Steppen einen Alafdaga in Gefangenjchaft, obgleich ex dieje recht qut erträgt. Man hat ihn Schon öfters lebend in Europa gehabt, und ionderbarerweije verdanfen wir die befte Schilderung jeines Gefangenlebens nicht einem Naturfundigen, jondern dem Altertumsforscher Haym. Um eine Goldmünze aus Cyrene, Die auf der einen Seite einen Neiter, auf der Rücdjeite aber das berühmte Kraut Silphium und darunter einen Pferdefpringer zeigte, zu erklären, verichaffte fich Haym unjer Tierchen, hielt es über ein Jahr lang gefangen, beobachtete es jorgfältig und teilte feine Beobachtungen mit. „Bald jeßt er alle vier Fühe auf den Boden, bald jteht er nur auf den hinteren, immer aber geht er bloß auf den leßteren. Er richtet fich hoch auf, wenn er erjchreckt wird, ud (äuft jehr jchnell, fait geradeaus und hüpfend wie die feinen Vögel. ch habe verjucht, ihm verjchiedene Speijen zu geben; die erjten Drei oder vier Monate fraß er aber nichts als Mandeln, Biltazien und gejchrotenes Korn, ohne jemals zu trinfen. Man hatte mir nänı- fich gejagt, daß er dies nicht tue, und deshalb gab ich ihm auch fein Wafjer. Nichtsdeito- weniger ließ er viel Harn. Später fand ich, dak er auch Äpfel, Möhren und noch lieber Kräuter fraß, jedoch bloß jolche, Die wenig Geruch haben, wie Spinat, Salat, Nejjeln ujw., niemals Nauten, Straufeminzen, Thymian und dergleichen; ja, er trank auch gern Wajfjer, obgleich nicht immer. Brot, Zuder und ähnliche Dinge fraß er gern, Käfe und alle anderen Milchjpeifen verichmähte er hartnädig. Einmal stellte ich ihn auf den rohen Sand, und Davon dverjchlucte er jo viel, daß ich ihn wirklich jchiverer fand, als ich ihn in die Hände nahm. Schlieglich zog er allem übrigen Futter Hanfjamen vor. Er verbreitete gar feinen übeln Geruch wie ähnliche Tiere, als Mäufe, Eichhörnchen und Kaninchen. Dabei war er jo janft, dak man ihn mit aller Sicherheit in die Hände nehmen fonnte; denn er bil; niemals. Furcht- jam wie ein Haje, jcheute ex fich jelbjt vor Fleineren, unjchuldigen Tieren. Sn der falten Jahreszeit litt er viel; deshalb mußte ich ihn im Winter immer in der Nähe des Teuers halten.” Pferdeipringer. 215 Sn die zoologijchen Gärten gelangt der Pferdejpringer manchmal; in Berlin ift er, danf Falz-Fein, meijt vertreten. Es wird aber nicht viel Nachfrage nach ihm fein, weil ex fein Schauftücd abgibt, vielmehr immer exit aus jeinem Schlafwinfel aufgejtört werden muf. Dann jist er höchit unglüdlich da, das weiche, graugelbliche Fellchen wire und zerdrückt, die großen Ohren jchlaff und faltig herabhängend, die jchönen, dunklen Augen verjchlafen, nur halb geöffnet unter jchiweren Lidern: ein Halb Fomijcher, Halb Mitleid erregender An- blif! Auch die unjicheren, planlojen Bewegungen zeigen nur zu deutlich, daß diefer nächt- fihe Springinsfeld jich im hellen Tageslicht nichts weniger als wohl und heimijch fühlt. Er jucht auch, je eher, je lieber, jeine dunkle Schlafede wieder auf und wühlt jich zu- jammengefrünmt zum Weiterjchlafen in Heu ein. Bom Publikum wird er daher allermeiit überjehen, jelbjt wenn er jichtbar üft. Und doch hat Diejes Tierchen auch für unjer Vaterland jeine Bedeutung, wenigjtens für die erdgejchichtliche Bergangenheit der norddeutjichen Tiefebene. Denn die Wiljenjchaft iit ohne Zweifel berechtigt, wejentlich auf das Vorhandenjein jolcher Charaftertiere in der Borzeit eine Anjicht über die landjchaftliche und Eimatijche Bejchaffenheit einer Gegend während der betreffenden Periode der Erdgejchichte aufzubauen. Wenn Nehring in den diludialen Lehmjchichten von Thiede bei Wolfenbüttel und Wejteregeln in der Magdeburger Börde neben anderen Nagetieren der Ebene majjenhaft fojitle Neite von Springmäufjen nachgetviejen hat, und zwar, wie jich Durch Vergleich mit rezenten Steletten auf das un- zweifelhaftejte ergibt, von einer Form der Pferdejpringer, die mit dem jebt lebenden Alac- taga saliens der jüdojteuropätjchen und vorderafiatischen Steppe vollftändig iwentijich tit, jo fann man nur mit ihm in den Schluß einjtimmen, daß in der jogenannten Boitglazial- zeit unjere norddeutjche Tiefebene bis zu den mitteldeutjchen Gebirgen den landjchaftlichen Charakter der Steppe und ein fontinentales Klima, d. h. heifere Sommer und Fältere Winter als jet, gehabt hat. Dies hat aber wiederum zur VBorausjegung, daß der ganze europätjche Kontinent noch nicht die ausgebildete Küjtenentwidelung bejaß, die jeßt das Klima unferer. norddeutjichen Tiefebene feucht und verhältnismäßig milde macht. Europa muß damals, insbejondere in jeiner weitlichen Hälfte, durch die feite Yandverbindung mit Nordafrika einen viel fompakfteren Stontinent gebildet Haben. Später, am Anfang der Erd- periode, in der wir jet noch jtehen, trat dann Durch weitere Hebungen und Senfungen der Erdoberfläche eine veränderte Verteilung von Wafjer und Land ein und fand [peziell ein tiefes Eindringen des Meeres in den großen mwejteuropätjch-nordafrifanijchen Kontinent itatt. Die Folge davon war eine Anderung des Klimas und damit der Vegetation, dor allem in Weit- und Mitteleuropa: die Steppe verwandelte ich in Wald und Sumpf, unfer Vaterland nahm den landichaftlichen Charakter an, den uns Cäjar und Tacitus jchildern. Unter diefen Umftänden fonnte die diluviale Fauna feiner Steppennagetiere nicht mehr erijtieren; fie wich vor dem bordringenden Sumpfwalde zurücd in die ojteuropäijchen und ajiatiichen Steppen, wo wir fie heute noch finden. Dort, wo die Lebensbedingungen Die- jelben geblieben jind, jind auch die Tiere heute noch diejelben. (Hed.) Auch mit den anderen, bi3 in die Mongolei und Nordweitchina verbreiteten Pferde- jpringerarten hat Nehring fich jehr verdienjtvoll bejchäftigt und hier manches Hargeftellt. Er gibt dabei den eraften tiergeographifchen Anjchauungen Raum, mie jie jet immer mehr maßgebend werden, und bezweifelt, daß A. saliens in dem ganzen Gebiete der Kirgijen- iteppen verbreitet jei, möchte vielmehr mit Sicherheit vermuten, daß der neuerdings unter- ichiedene A. suschkini Sat. der Vertreter des gewöhnlichen A. saliens in der mittleren und 216 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Springnager. östlichen Rirgijenjteppe it, der gar nicht jo weit nach Ajien hineingeht. — Zivei Spiritus- eremplare der interefjanten mittelgroßen Sandjpringerart, welche DO. Thomas 1897 als A. williamsi T’hos. bejchrieben hat und die der Gejelljchaft Naturforjchender Freunde (Sib.- DBer., 1901) vorgelegt wurden, geben wieder Anlaß zu interejjantem Ausblid nach anderer Nichtung. „Das Eremplar vom Talyjchgebirge (rufjiich-perfiiche Grenze) ift 7000 Fuß ü.M., dasjenige vom Großen Ararat I000 Fuß ü.M. erbeutet worden, während Satunin ein anderes Eremplar diejer Art im Kreije Kuban, unmeit der Süfte des Ktajpijchen Meeres, im Meeres- niveau gefangen hat. Dieje Fundverhältnijje liefern von neuem den Beweis, daß die Springmäufe fomwie viele andere charakterijtiiche Steppentiere in ihrer Verbreitung feines- wegs an die Tiefebene gebunden jind, jondern daß jte Häufig auch in Gebirgen (auf Hoch- ebenen) vorkommen, jofern nur die Steppenvegetation entjprechend weit in Die Gebirge binaufreicht. Das it eine Tatjache, welche für die richtige Beurteilung mancher in Mittel- europa gefundenen Foljilreite von Steppentieren (3. B. der bei NRübeland im Harz aus- gegrabenen Neite von A. saliens) ihre Bedeutung hat." Nach Nehring it A. williamsi diejenige Art, welche auch in Berjien vorfommt, und ebenjo hat er jte für Nordiweit-Stlein- alien fejtjtelfen können, von wo überhaupt bisher feine Springmausjpezies mit Sicherheit bejchrieben war. Ferner verhalf Nehring dem Heinen Alactagulus acontion Pall. (früher Alactaga a.) der unteren Wolga aus der Gegend von Sarepta zur verdienten Anerkennung als bejondere Gattung auf Grund verhältnismäßig mweitgehender Schädel- und Gebif- unterschiede. Ebenjo verdanken wir Nehring erjt eine richtige Vorjtellung von dem Platt- Ihwanzjpringer, dem Dipus platyurus Lichteniteins, den jchon Gloger 1841 als Pygeret- mus und Brandt 1844 als Platycercomys zu einer bejonderen Gattung erhoben hatten, obwohl er gar feinen platten, jondern einen „folbig runden” Schwanz hat. Die Gattung der Wüftenjpringmäuje (Jaculus Erxl. [Dipus]) fennzeichnet jich dadurch, daß die oberen Schneidezähne eine mittlere Längsfurche zeigen, daß dor die drei regelmäßig vorhandenen Bacdzähne des Oberfiefers nur zuweilen und ausnahmsweije noch ein feiner einmwurzeliger tritt, und daß die Hinterfühe nur drei Zehen haben. Die erjte und die fünfte, die bei den Pferdejpringern als heraufgerücdte Afterzehen jchon außer Tätigkeit gejegt waren, jind hier jamt igren Mittelfußfnochen ganz geichwunden. Wenn die Arten richtig unterjchieden und geographiich abgegrenzt find, jo mug man annehmen, daß die Wüftenipringmäufe vielfach mit den Pferdeipringern zufammen vorfommen, von diejen aber in ihrer geographiichen Verbreitung fich Dadurch unterjcheiden, daf jte auch ganz Nord- afrifa, die Altasländer und das Nilgebiet bewohnen; jüdlicher und weitlicher gehen jte in Afrika nicht, gehören alfo auch nicht zur Tierwelt unjerer Kolonien. Al Bertreter der Gattung erwähle ich Die Wüftenjpringmaus, Djerboa der Ura- ber, Jaculus jaculus Z. (Dipus aegyptius; j. auch Taf. „Nagetiere VIII”, 4, bei ©. 200), ein allerfiebjtes Tierchen von 17 cm LXeibes- und (ohne die Duafte) 21 cm Schwanzlänge, ober- jeitS graulich fandfarben, unterfeits wei; gefärbt, mit einem breiten weißen Schenfelitreifen, der von rückwärts über die Schenkel jich zieht, und oben blaßgelbem, unten mweißlichem Schwarze, dejjen Durajte weiß und pfeilartig jchwarz gezeichnet ift. Über die Bedeutung diejer weißichwarzen Schwanzzeichnung und eine gemwijje Möglichkeit, beide Gejchlechter jchon nach der ganzen äußeren Erjcheinung zu unterjcheiden, entnehmen wir jehr interejjante Einzelheiten den feinen Gefangenfchaftsbeobachtungen von Schmidtlein-Leipzig („Hool. u Wüiltenipringmaus. Wiüftenipringmaus. 217 Garten”, 1895). Er jagt: „Den jefundären Gejchlechtscharafteren nach unterjcheidet jich das Männchen durch jchlanferen Körper und mehr grauen, dunkel melierten Pelz der Dberfeite von dem in der Lendengegend breiteren und mehr jandfarben mit einem Stich ins Rötliche gefärbten Weibchen.” Ferner: „Wenn ich in tiefer Dämmerung das Treiben der Tierchen belaujchte und die lautlos und fchattenhaft über den Boden hinfchwebenden Gejellen faum mehr unterjcheiden fonnte, da waren es die weißjchimmernden Schwanz- quajter, die, durch) die jcharfe, Schwarze Begrenzung in ihrer Wirkung noch gehoben, mir den Weg der Tiere verrieten. &3 it mir wahrjcheinlich, daß den gejellig lebenden Tieren bei ihrem nächtlichen Treiben mancherlei Vorteile aus diejen Fiederquaiten erwachien fönnten, jowohl im Sinne eines Fluchtjignals als zum gegenjeitigen Auffinden. Daß das Weibchen feine Jungen bei den erjten gemeinjchaftlichen Ausflügen mit Hilfe jeiner Schwanz- quafte Ioct und führt, Habe ich bejtimmt gejehen.“ Die Wüftenjpringmäufe, und wahrjcheinlich gerade die ägpptiichen, waren jchon den Alten wohlbefannt. Wir finden jie Häufig bei griechtijchen und römischen Schriftitellern er- wähnt, immer unter dem Namen der ziveibeinigen Mäuje, welche Benennung ja einen wiljenfchaftlichen Namen (Dipus) der Gattung abgegeben hat. Auch in der Bibel werden die Tiere genannt: Fejaias droht denen, die fie genießen, Strafe an. Dagegen betrachten die Araber jie nicht nur als reine Tiere, jondern erzählen auch viele hübjche Dinge von ihrer Lebensweife. Doch jcheinen fie nicht zu wifjen, daß bei den Springmäufen, wenn man jie am Schwanze fejthält, während fie zugleich einen gewijjen Gegenzug ausüben fünnen, die Schtwanzhaut an einer ganz beftimmten Stelle, ettvas weiter als ein Drittel der Gejamtlänge von der Schwanzmwurzel entfernt, abreißt und jich abjtreift. Dies hat Henneberg-Giegen 1909 nachgetwiejen in einer Arbeit, die diejelbe „Schwanzautotomie” bei unjerer Waldmaus zum Hauptgegenjtand hat („Mediz.-Naturw. Archiv”, Heft 2,7. Juli 1909). Daß eine bejtimmte Gegend für die Zerreigung präformiert ift, zeigt die in den Präparaten an diejer Stelle jehr Häufig zu beobachtende Spaltbildung in den Gemebejchichten der Schmanzhaut. Die Wüftenfpringmaus verbreitet jich über den größten Teil Nordoitafrifas, nad) Tronejjart auch über Arabien und PBalältina. Aber nur offene, trodene Ebenen, Steppen und Sandmwüjten jind ihre Wohnpläße: fie bevölfert Die dürrjten und ödejten Landjchaften und bewohnt Orte, die faum die Möglichkeit zum Leben zu bieten jcheinen. Auf jenen mit harten Gräjern bedecten traurigen Flächen findet man fie zumweilen in größeren Gejell- ichaften. Sie teilt diefe Orte mit dem Wüjterrduhn, der Eleinen Wüftenlerche und dem Wüjten- (äufer, und man begreift faum, daß auch fie dort Nahrung findet, wo jene, die neben den Gejäme doch auch viele Kerbtiere frejjen, fich nur dürftig ernähren. Jr dem harten Sties- boden gräbt fie fich vielverzweigte, tiefe Gänge, in die fie fich bei der geringiten Gefahr zurüdzieht. Nach den Verjicherungen der Araber arbeitet der ganze Trupp an diejen unter- wdischen Wohnungen. Die Tiere graben mit den jcharfen Nägeln ihrer Vorderfüße und benugen wohl auch die Nagezähne, wenn e3 gilt, den harten Kiesboden zu durchbrechen. Troß ihrer Häufigfeit gewahrt man die chmuden Tierchen ziemlich jelten. Man fan nicht gerade jagen, daß fie jehr jcheu wären; aber jte find unruhig und furchtiam und eilen bei dem geringjten Geräufch und beim Sichtbarwerden eines fremden Gegenjtandes ichleunigjt nach ihren Löchern. Auch fallen fie nur in geringer Entfernung ins Auge, weil ihre Färbung der des Sandes volljtändig gleicht und man ziemlich nahe heranfommen muß, ehe man jie bemerkt, während ihre fcharfen Sinne jie die Ankunft des Menfchen jchon auf große Entfernungen hin wahrnehmen Yafjen. Wohl darf man jagen, daß es jchmwerlich 218 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Springnager. anmutigere Gejchöpfe geben fann als dieje Springmäuje. So abjonderlich und fcheinbar mißgeitaltet jie ausjehen, wenn man jie tot in der Hand hat oder regungslos jiten jieht, jo zierlich nehmen jie ji) aus, wenn jie in Bewegung fommen. Ext dann zeigen jie jich als echte Kinder der Witte, lajjen fie ihre bewundernswerten Fähigkeiten erfennen. Ihre Bewegungen erfolgen mit einer Schnelligkeit, die geradezu ans Unglaubliche grenzt. Bei ruhigem Gange jegen fie ein Hinterbein vor das andere und laufen jehr rafch dahin. Bei großer Eile jagen fie in weiten Sprüngen davon, die jie jo jchnell fördern, daß ihre Bewegung dann dem Fluge eines Vogels gleicht; denn ein Sprung folgt jo rajch auf den anderen, daß man faum den neuen Anja wahrnimmt. Dabei tragen die Springmäuje ihren Leib weniger nach vorn übergebeugt als jonit, die Hände mit den Krallen gegeneinander gelegt und nach born gejtrect, den Schtvanz aber zur Erhaltung des Gleichgewichts jchräg nach hinten und unten gerichtet. Wenn man das Tier aus einiger Entfernung laufen jieht, glaubt man einen pfeilartig Durch Die Luft jchiegenden Gegenjtand zu gewahren. Kein Menjch it imjtande, einer im vollen Laufe begriffenen Springmaus nachzufommen, und der jicherjte Schüge muß fich zufammennehmen, will er jie im Laufe erlegen. Sogar in einem eingejchlojjenen Raume bewegt fich das zierliche Tierchen noch jo jchnell, dag ein Jagohund e3 faum einholen fann. Bruce erzählt, daß jein Windhund jich eine Biertelitunde abhegen mußte, ehe er Herr über jein gewandtes und jchnelles Opfer wurde. Fühlt jich Die Springmaus ungeftört und ficher, jo jißt jie aufrecht auf dem Hinterteile, oft auf den Schwanz gejtüßt, Die Vorderpfoten an die Brujt gelegt. Auf der Weide gräbt fie viel nach Knollen und Wurzeln, die ihre Hauptnahrung zu bilden jcheinen; außerdem ver- zehrt jie mancherlei Blätter, Früchte und Samen. Obgleich die Wüjtenmaus ein echtes Nachttier ift und ihre Wanderungen exit nach Sonnenuntergang beginnt, jieht man fie doc) auch zuweilen im helljten Sonnenjchein, jelbjt während der größten Hite vor ihrem Baue jigen oder jpielen. Sie zeigt dann eine wahrhaft bewunderungswürdige Gleichgültigfeit gegen die Mittagsglut der afrikanischen Sonne; denn man muß wijjen, daß faum ein einziges anderes Tier um dieje Zeit in der Wüjte jich bewegt, weil die brennende Hite jelbjt den eingeborenen Seindern jener erhabenen Landjchaft geradezu unerträglich wird. Gegen Kälte und Näjje da- gegen it jie im höchiten Grade empfindlich, bleibt Daher bei jchlechtem Wetter jtet3 in ihrem Bau verborgen und verfällt wohl auch zeitweilig in eine Erjtarrung, die an den Winterjchlaf der nördlichen Tiere erinnert. Lataite führt aus feiner Erfahrung ein zufälliges Beijpiel dafür an; experimentell fonnte er jedoch eine Winterjtarre feiner Springmäufe nicht erzeugen. Die Erzählungen über die Fortpflanzung in der rreiheit jtellt Latajte in feinem großen Wagermwerf(,‚Recherches zoo6thiques ete.“, 1887) dahin richtig, Daß die Hochträchtige Spring- maus, tie die Kaninchenzibbe, jich eine bejondere kurze Röhre mit einem feichten Stejjel gräbt, in dem fie ihre 2—4 Jungen wirft. Zur Ausfütterung des Vejtes verwendet fie trodene Halme, mit Vorliebe aber Kamelmwolle oder andere Fäden und Lappen; ihre eigene Xeibes- wolle wiirde dazu nicht entfernt ausreichen. Weidholz brachte in Tugurt (Inneralgerien) am 28. Sanuar 1910 ein Araber „ein Springmausneit: Mutter und 3 nadte Junge. Das Neit beitand aus Kamelhaaren, die die Springmäufe jorgjam auflejen”. (Brief an Hed.) Als Ergänzung der [hwachen Stimme der Springmaus betrachtet Latajte ein rajches Auffchlagen der Hinterfüße auf den Boden, wobei der Schwanz als Stüge benußt twird. Er nennt e8 den Wirbel oder, in Nachahmung des Geräufches, das „Tatera” und vergleicht es, jedenfalls durchaus zutreffend, mit dem befannten Klopfen des Kaninchens im Bau. Auch die Springmäufe fchlagen den Wirbel im Falle gejchlechtlicher oder jonftiger Erregung. Büjtenfpringmaus. 219 Die Araber jtellen dem Tierchen, weil jie das Fleijch genießen und ziemlich Hochjchäßen, eifrig nach und fangen es ohne jonderliche Mühe lebendig oder erjchlagen es beim Heraus- fommen aus den Bauen. Yhre Jagdweife ist jehr einfach. Sie begeben jich mit einem langen und ftarfen Stocde nach einer Anjiedelung der Springmäufe, veritopfen den größten Teil der Röhren und graben nun einen Gang nach dem anderen auf, indem fie ihren ftarken Stod in den Gang jteden und dejjen Deden aufbrechen. Die geängitigten Wüftenmäufe drängen jich nach dem innerjten Stejjel zurüd oder fahren durch eine Fluchtröhre nach außen und dann in ein vorgeitelltes Net oder jelbit einfach in den Ärmel des Obergeivandes, das der Araber vorgelegt hat. So fünnen zumeilen 10—20 Stüd auf einmal gefangen werden; menigjtens macht e8 gar feine Mühe, eine jolche Anzahl lebend zu erhalten: jagdfundige Araber bringen auf Verlangen jo viele Springmäufe, wie man haben will. Außer dem Menjchen jind Fenef und Starafal, vielleicht auch eine oder die andere Eule die jchlinm- jten Räuber, die ihnen auflauern; gefährlicher dürfte ihnen die ägyptijche Brillenjchlange werden. Dieje lebt an ähnlichen Orten wie die Springmäufe, dringt mit Leichtigkeit in deren Gänge ein umd tötet viele. Die naturkundigen Europäer, die in Igypten und Algerien wohnen, halten die Spring- maus oft in der Öefangenjchaft. ch Fan aus eigener Erfahrung verjichern, daß das Tier im Käfig oder im Zimmer viele Freude macht. Während meines Aufenthaltes in Afrika brachte man mir oft 10—12 Springmäufe zugleich. Jch räumte jolchen Gejellichaften dann eine große Kammer ein, um ihre Bewegungen beobachten zu fünnen. Vom erjten Augen- blide an zeigten jich die Gefangenen harmlos und zutraulich. Ohne Umjtände ließen fie jich berühren, machten auch nicht Niene, dem Menjchen auszumweichen. Beim Umbergehen in ihrem Zimmer mußte man jich in acht nehmen, jie nicht zu treten; jo ruhig blieben fie jißen, wenn man auf jie zufam. Unter jich ind die Springmäuje auch in der Öefangenjchaft höchjt friedlich und gejellig. Sie jchmiegen jich dicht aneinander und verjchlingen jich zu= weilen förmlich ineinander, namentlich wenn es am Morgen fühl tft; denn jchon Die geringjte Abnahme der Wärme empfinden fie. Trocdene Körner, Neis, Möhren, Rüben, andere Wurzeln und manche Früchte jcheinen ihnen bejonders zu behagen; auch Kohl und Kraut, jelbit Blumenz-, 3. B. Nojenblätter, frejien jie gern. Allein man fann jie nicht ausjchließ- lich mit jaftigen Pflanzen erhalten. Sie jind an Dürftige und dürre Kot gewöhnt. Ohne trodene Nahrung werden jie traurig, verfümmern fichtlich und jterben endlich dahin. Gibt man ihnen Weizen, Reis, etwas Milch und dann und warın eine Weinbeere, ein Stüdchen Apfel, eine Möhre oder jonjt eine andere Frucht, jo befinden jie jich wohl und halten jich jehr lange. Nach Europa fommen jie neuerdings nicht jelten. „ede Springmaus jchläft auch in der Gefangenschaft den ganzen Tag, vom frühen Morgen bis zum jpäten Abend, fommt, wenn man fie nicht ftört, auch nicht einen Augen- blit aus ihrem Nejte hervor, jondern jchläft gute 12 Stunden in einem Zuge fort. Aber auc) während der Nacht ruht jie noch mehrere Male halbe Stündchen aus. Wenn man ie bei Tage aus dem Nejte nimmt, zeigt fie fich jehr jchläfrig, fällt in der Hand hin und her und fann jich längere Zeit nicht ermuntern. Jhre Stellung beim Schlafen ijt eigentümlich. Gewöhnlich jist jie im Nejte auf den ziemlich eng zufammengejtellten Ferjen fo, daß die weiter auseinanderitehenden Fußjpisen in der Luft fchweben. Den Kopf biegt jie ganz herab, jo daß die Stirn unten auf dem Boden ruht und die Schnauze an den Unterleib an- gedrüdt wird. Der Schwanz liegt in großem Bogen über die Fußjpigen weg. So gleicht das Tier einem Ball, über dejjen Oberfläche blof die übermäßig langen Beine hervorragen. 220 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Springnager. Manchmal legt jich Die Springmaus aber auch auf die Seite oder jelbjt auf den Nücden und jtrecft dann Die Beine jonderbar nach oben; immer aber bleibt fie in diejer zufammen- gerollten Stellung. Die Ohren werden beim Schlafen dicht an den Kopf gedrüdt und an ihrer Spiße teilweije eingerollt, jo daß jte faltig, gleichjam tie zerfnittert ausjehen. Be- wegungslos liegt das Tier in dem warmen Neftchen, bis der Abend vollitändig herein- gebrochen ift. Nunmehr macht jich ein leijes Rajcheln und, Rühren im Nejte bemerflich. Die Langjchläferin pußt fich, glättet die Ohren, läßt einen leifen, wie Schwacher Huften Elingenden Ton vernehmen, fpringt plößlich mit einem einzigen Sabe durch die Neftöffnung hervor und beginnt nun ihr eigentümliches Nachtleben. Das erite Gejchäft, Das je jegt bejorgt, it daS Pußen. Syn der Reinlichkeit wird die Springmaus von feinem anderen Nager übertroffen. Fat alle ihre freie Zeit verwendet fie auf das Ordnen des feidenmweichen Yelles. Härchen für Härchen wird dDurchgefämmt und durchgeleckt, jeder Teil des Körpers, jelbit ver Schwanz, gehörig bejorgt. Einen mwejent- lichen Dienft feiitet ihr dabei feiner Sand, der ihr überhaupt ganz unentbehrlich it; jie roälzt jich mit förmlicher Wolluft darin herum, fragt und wühlt in ihm und fann jich gar nicht von ihm trennen. Beim Pusen nimmt jie die verjchtedenjten Stellungen ar. ©e- mwöhnlich jigt fie nur auf den Jehenjpigen und gewijjermaßen auf dem Schwanze. Gie hebt die Ferien ziemlich hoch empor, bildet mit dem Schwanze einen großen Bogen und temmt ihn, mit dem leßten Viertel etwa, auf den Boden auf, trägt den Leib vorn nur ein wenig erhöht und legt die Hände mit den Handflächen gegeneinander, daß die Finger- ipigen oder bejjer die Strallen ich berühren. Dabet hält jie dieje kurzen, ftummelartigen Glieder gerade nach vorn geitrecdt, jo daß jie auf den eriten Blid hin als Zubehör zu ihrem Maule erjcheinen. Wenn te jich aber pußt, weiß fie die zierlichen Gliedmaßen vortreff- lich zu gebrauchen. Ehe fie an das Glätten des Felles geht, jcharrt und wühlt jte jich eine paljende Vertiefung im Sande aus. Zu diefem Ende biegt fie jich vorn hernieder, jchiebt nun mit vorgejtredten, auseinandergehaltenen Händen und der rüjjelartigen Schnauze den Sand, oft große Mengen auf einmal, nach vorn, und fcharrt ihn da, wo er fich nicht jcehieben läßt, durch rasche Bewegungen der Hände los. Sp geht e3 fort, bi3 jte jich endlich ihr Lager zurechtgemacht hat. Jebt legt jie zuerit den Kopf in die entitandene Vertiefung und jchtebt ihn, jich vorwärts ftrecfend, auf dem Sande dahin, den oberen Teil jomwohl als den unteren, Die rechte wie die Yinfe Seite, jedenfalls in der Abjicht, das Fell zu glätten. Nachdem dies bejorgt ijt, wirft je jich plöglich der ganzen Länge nach in die Mulde und Itrecht und dehnt jich Außerit behaglich, die langen Springbeine bald gerade nach hinten, bald jenfrecht vom Leibe ab oder endlich gerade nach vorn und zuleßt jo ausitredend, daß Die Läufe hart an die Schnauze zu liegen fommen. Wenn jie jich in diefer Tage ordentlich ein- gemwühlt hat, bleibt fie oft mehrere Minuten lang ruhig und zufrieden liegen, jchließt die Augen halb, legt die Ohren an und ftreicht ich nur dann und warın einmal, al3 wolle jie jich dehnen, mit einem der feinen Pfötchen über das Gejficht. ach diejer Stredung und Dehnung beginnt das eigentliche Buben. Viele Mühe, Arbeit und Zeit fojtet ihr das Neinigen des Mundes und der Wangen, namentlich des Zeiles, wo die fangen Schnurthaare fißen, und exit nachdem fie hiermit zujtande gefommen, jest jie jich vollends auf und nimmt nun auch das übrige Fell ihres LXeibes vor. Sie padt ein Stücdchen Fell mit beiden Händen, fimmt e3 mit den Zähnen des Unterftefers durch und leckt e8 dann mit der Zunge gehörig glatt. Necht nett jieht es aus, wenn fie den Unterleib pußt; denn jie muß dann die Fußtwurzeln fehr breit voneinander biegen und den Wüftenjpringmaus. 221 Leib fugelrund zufammentollen. Die jonderbarite Stellung aber nimmt fie an, wenn fie jich in der Beugung zwifchen Mittelfußfnochen und Unterjchenfel Iecden oder überhaupt das lange Unterbein pugen will. Sie läßt dann das eine Bein wie gewöhnlich beim Siben auf den Fußmwurzeln jtehen und jchiebt das andere um die ganze Länge des Mittelfuf- fnochens vor. Der Schwanz wird immer gebraucht, um der Stellung Sicherheit zu geben. Das Kragen bejorgt jie mit den Hinterfüßen und bewegt dabei die langen Beine jo aufer- ordentlich jchnell, daß man bloß einen Schatten des Fußes wahrnimmt. Weil fie fich aber Dabei jehr auf die Seite biegen muß, jtemmt fie fich, um das Gleichgewicht zu erhalten, auch vorn mit einer ihrer Hände auf. Am Borderfopfe Fragt je fich auch mit den Händen, bewegt dieje aber weit langjamer als die Hinterbeine. Der ruhige Gang des Tieres tft ein fchneller Schritt. Die Hinterbeine werden beim Gehen am Ferjengelenf gerade ausgeitredt und jo geitellt, daß fie unter das dritte Fünftel oder unter die Hälfte Des vorn etwas erhobenen LXeibes, der durch den Schwanz im Gleich- gewicht gehalten wird, zu jtehen fommen. Nun jeßt die Springmaus in rascher Folge ein Bein um das andere vor. Die Vorderbeinchen werden, in der gewöhnlichen Weije zufammen- gelegt, unter dem Sinn getragen. Da jich die gefangene Springmaus an den Menjchen . gewöhnt, macht jie nur höchit jelten einen größeren Sprung, Hauptjächlich dann, wenn e3 gilt, ein Hindernis zu überwinden, 3. B. über ein großes, ihr vorgehaltenes Buch zu jpringen. Dabei jchwingt jte jich ohne den geringiten Anjab durch bloßes Auffchnellen ihrer Hinter- beine fußhoch und noch mehr empor. Als ich eine bei ihren Nachtwandlungen Durch eine plögliche Bewegung erjchredte, jprang jte jenkrecht über 1 m in die Höhe. Wenn man jie auf den Tijch jeßt, läuft jte rajtlos umher und fieht jorgjam prüfend in die Tiefe hinab. Selangt jie an die Kante, jo jtemmt jte jich mit ihren beiden Borderarmen auf, jonjt aber nie. Sie fommt, jelbjt wenn jie aus Höhen von 1m und mehr zu Boden jpringt, immer auf die Hinterfüße zu jtehen und läuft dann, ohne jich nur nach vorn zu büden, jo ruhig weiter, als habe je bloß einen gewöhnlichen Schritt gemacht. Stehend fann jie, dank der jtarfen Hinterläufe und des jtügenden Schwanzes, ihren Leib ebenjowohl wagerecht wie jenfrecht halten, vermag jich auch vorn bis auf die Erde niederzubeugen. Wie wichtig ihr der Schwanz zur Erhaltung des Gleichgewichtes ift, jteht man deutlich, wenn man fie in der Hand hält und tajch herumdreht, jo daß jte mit dem Rüden nach unten zu liegen fommt. Dann bejchreibt jte jofort Kreife mit dem Schwanze, offenbar, um ihren Leib wieder herumzumerfen. Beim Frejjen jeßt jie jich auf die ganzen Fußjohlen nieder, biegt aber den Leib vorn weit herab und nimmt nun die Nahrung mit einem rajchen Griffe vom Boden auf. Aus einem Näpfchen mit Weizenfürnern holt fie jich in jeder Minute mehrere Körner. Sie ver- zehrt die erhobenen aber nicht ganz, jondern beißt bloß ein Kleines Stücdchen von ihnen ab und läßt jie dann wieder fallen. Sn einer Nacht nagt jie manchmal 50—100 Körner an. Alferliebit jieht es aus, wenn man ihr eine Weinbeere oder ein Stückchen feingejchnittene Miöhre, Apfel und dergleichen Früchte hingibt. Ste padt jolche Nahrung jehr zierlich mit ven Händen, dreht jie bejtändig Hin und her und frißt fie auf, ohne fie fallen zu lafjen. Bei weichen, jaftigen Früchten, wie 3. B. bei Weinbeeren, braucht jie jehr lange Zeit, ehe jie mit ihrer Mahlzeit zu Ende fommt. An einer Weinbeere frah eine Gefangene von mir 7 Minuten lang. Sie öffnet die Beere bloß mit einem einzigen Biß und taucht in dieje DOffnung fort und fort ihre unteren Nagezähne ein, um fie jodann wieder abzuleden. So fährt jie fort, bis der größte Teil des Inhaltes entleert it. Ein Kohlblatt nimmt fie mit beiden Händen, dreht es hin und her und jchneidet dann am Rande in zierlicher Weije 222 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Springnager. Stückchen nach Stüdchen ab. Bejonders hübjch ijt auch ihre Weije, Milch zu trinfen. Sie braucht nur höchjt wenig Getränf, fan jolches, wenn man ihr nebenbei jaftige Wurzeln reicht, monatelang entbehren; täglich ein halber Teelöffel voll Milch genügt ihr. Auch Flüffigfeiten muß jie mit den Händen zu jich nehmen, taucht daher in rajcher Folge ihre Hände ein und leckt die Milch dann ab. Sie tft mäßig, braucht ber viele Nahrung, weil ie bon jedem Nährjtoffe nur wenig frißt. Ihre Lofung ähnelt der mancher Mäufe. Ihr Harn Dinterläßt feinen übeln Geruch; jeine Menge tft dazu auch viel zu gering. m Sande bemerft man überhaupt nichts von den Ausleerungen. Alle Sinne des Tieres jcheinen hoch entwidelt zu fein. Welchen unter den drei edleren ich als den höchiten anjehen joll, weiß ich nicht. Die Springmaus fieht und hört, wie Die großen Augen und Ohren befunden, jehr gut, riecht und fühlt aber auch fein. Denn wenn jie ein Korn oder ein Stückchen Möhre oder andre Nahrung zu Boden hat fallen lajjen, jucht fie e3 immer vermitteljt des Geruches, vielleicht auch der taftenden Schnurrhaare, und nimmt e3 dann mit größter Sicherheit wieder auf. Süße Früchte verzehrt jie mit jo vielem Ver- gnügen, daß man gar nicht im Zweifel bleiben fan, wie angenehm ihr Gejchmadsjinn gefigelt wird. Das Gefühl offenbart jich als Taftjinn in jeder Weije. Die Springmaus tajtet jehr fein mit den Schnurren auf den Lippen und dann noch mit ihren Borderpfoten, hauptjächlich wohl mit Hilfe der Fingerfrallen. Shre geiitigen Fähigkeiten will ich nicht eben hoch ftellen; jo viel aber ijt zweifellos, daß fie jich jehr bald an einem beitimmten Otte ein- gewöhnt, Zeute, die jich mit ihr abgeben, qut fennen lernt und eine gemwijje berechnende Kunitfertigfeit an den Tag legt. Der Bau ihres Nejtes bejchäftigt fie an jedem Morgen längere geit. Wenn man ihr Heu, Baummolle und Haare gibt und den Grundbau des Neites vorzeichnet, arbeitet fie verjtändig weiter, holt jich die Baumtollenflunpen herbei, zieht fie mit den Händen auseinander und legt jte fich zurecht, jchiebt Die Haare an den betreffenden Stellen ein und pußt und glättet Die runde Nejthöhle, bis jie den erforder- lichen Grad von Ordnung und Sauberfeit zu haben jcheint. Hervorjpringende Halme werden dann auch wohl noch ausgezogen oder abgebijjen, bis das Ganze in einen möglichit behaglichen Zujtand verjegt worden ift. Unter allen Nagern, die ich bis jeßt in der Gefangenjchaft hielt, hat mir Die Spring- maus da3 meilte Bergnügen gewährt. Jhrer Eigenjchaften wegen muß jich jedermann mit ihr befreunden. Cie ift jo außerordentlich harmlos, jo freundlich, zahm, reinlich und, wenn einmal vom Schlafe erwacht, jo munter und fo lujtigq, jede ihrer Stellungen jo eigentün- lich, und fie weiß jo viel Abmwechjelung in dieje zu bringen, daß man fich ftundenlang mit ihr bejchäftigen fan. Nagen habe ich nur dann bemerkt, wenn ich meine Gefangenen frei im Zimmer herumlaufen ließ. Dann jollen, nach) Latajte, die Springmäufe aber auch ganz Bepdeutendes leijten in einer geradezu „unbezähmbaren Nagegier”, die feinen Teppich und Möbelitoff, fein Holz, ja nicht einmal weicheren Stein unangefrejjen läßt. Überdies rät Latajte noch, den Käfig mit Blech zu benageln. Sn den Tiergärten zeigen jich die Spring- mäuje für gewöhnlich nicht als jo wütende Nager. Gegen ihren Pfleger benimmt jich die Springmaus jehr liebenswürdig. Bet der Sefangennahme wehrt fie jich natürlich; bald aber fällt es ihr gar nicht mehr ein, den zu beiken, der jie aufhebt. Man darf fie berühren, ftreicheln, umhertragen: fie läßt jich alles gefallen. Nur wenn man ihr abends den Finger durch das Gitter hält, faßt fie denjelben zumeilen und fchabt mit den Zähnen ein wenig an der Spibe, wahrjcheinlich weil fie glaubt, daß man ihr irgend etwas zum Freffen reichen wolle; zu emem ernftlichen Beißen aber Wüftenjpringmaus. 223 fommt e3 auch dann nicht. Man fönnte, glaube ich, die Springmaus in jedem Pußzimmer halten, jo groß ft ihre Gutmütigfeit, Harmlofigfeit und Neinlichkeit. Lebtere Tugend, die ihr unbeftritten fein mag, hindert jte aber durchaus nicht, wenn im Zimmer ein Spucnapf jteht, fich fchleunigit darin herumzumäßzen, daß Sand und Sägejpäne linfs und rechts heraus- fliegen. Diejes und ähnliches, nicht minder Drolliges, weiß Latajte von feinen zahmen Springmäufen zu erzählen in einer jehr ergöglichen, die Tierchen aber doch wohl etwas ver- menjchlichenden Art und Weije. Eine interejjante Einzelheit, die Latajte Dabei erwähnt, ift ein rafches, dem gemijjer Vögel ähnliches Kopfniden, das die Springmaus jedesmal ausführte in dem Augenblide, wenn fie, in einem ihrer Streiche begriffen, jcheltendes Drein- fahren ihres Pflegers erwartete. Nichts it ihr unangenehmer, al3 wenn man jie bei ihren abendlichen Lujtwandlungen außerhalb des Käfigs jtört, und nur Höchit ungern bleibt jie dann in der Hand. Sekt man fie aber auf die eine Hand und ftreichelt je janft mit dem Finger, fo fchließt jie wie verzüct die Augen zur Hälfte, rührt minutenlang fein Glied und vergigt Freiheit und alles andere. Alles in allem dürfte jich der Feine, putige Nachtgeijt ganz bortrefflich zum Stubentier eignen, zumal er auch völlig geruchlos und im Tierhandel nicht teuer ift, Höchjtens 20, manchmal aber auch nur 6 Mark foftet. Sm Sabre 1894 hat Kuftos Schmidtlein vom Leipziger Univerjitätsmujeum die ägyp- tiiche Wüftenjpringmaus gezüchtet: der erite Fall ihrer Fortpflanzung in der Gefangen- ichaft, wenigjtens der erjte öffentlich gejchilderte. Schmidtlein Hatte die Tierchen in einer Ede feines Arbeitszimmer auf Sand mit einem Schlaffijtchen Hinter einer meterhohen Drahttir abgefchlojfen. Won da konnten fie „jederzeit durch Offnen der Türe in das Zimmer herausgelajjen werden und ebenjo ohne Hebjagd wieder in ihre Mintaturwüfte zuricd- fehren. Lebteres lernten jie jo rajch, daß jchon nach wenigen Tagen ein Wink von mir ge- nügte, um jie in flüchtigen Säßen in den Stall zu treiben. Seither habe ich fait allabendlich ihnen diejfe Freiheit gegönnt, die für ihr Wohlbefinden von großer Bedeutung ijt, und über welche jie auch ihre Freude durch munteres Hinundherhufchen und phantajftiiche, über- mütige Luftiprünge zu erfennen gaben. Wenn man jich völlig ruhig verhält, jo jchwindet bald die ängjtliche Aufregung, in die fie zunächit die Gegenwart von Menjchen zu verjegen pflegt”, jie glauben „ich unbelaufcht und bieten dem Beobachter ein unverfälichtes Bild ihrer Gewohnheiten”. Schmidtlein erwähnt eine „merfwürdige Behandlung der Baum- wolle” im Schlaffajten, „die fie in lauter Feine, lodere Nöllchen und Knäuelchen zerteilen und die ganze Mafje mit zarten Nagejpänen, Die von der Innenmwand des Stajtens jtammen, durchjegen, jo dab das Nejtmaterial in furzer Zeit eine ganz eigentümliche, vliesartige Be- ichaffenheit annimmt”. Schmidtlein hatte gleich zu Anfang jämtliche Möbel „... duch dor- gelegte Gegenjtände unmwegjam gemacht; dennoch famı das Weibchen eines Tages dahinter, daß Durch Beifeitefchteben einer Schachtel da3 Unterkriechen unter einen Schrank ermöglicht jpurde. Mit wunderbarer Schmiegjamfeit jchlüpfte e3 durch den engen Spalt hinein, fam indejjen bald wieder zum Vorjcheine, worauf ich die Lüde feit verjchloß. Das Tier gab je- doch den Verjuch, von neuem einzudringen, nicht auf, jondern fehrte immer wieder an Die Stelle zurüd, und noch mehrere Tage nachher Fonnte ich beobachten, daß die einmal ge- machte Erfahrung nicht vergejjen mworden war.” Schmidtlein bemerkte nod), „daß das Weibchen immer jcheuer und wilder war als das zutraulichere Männchen“, Schmidtleins Zuchterfolg leitete ich ein durch ein wildes allabendliches Umherhegen jeiner Springmäufe, „wobet jte mit unglaublicher Schnelligkeit in engen Streifen umeinander wirbelten oder unter öfterem Nusgleiten auf den glatten Dielen durch das Zimmer jtürmten. 224 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Springnager. Das Weibchen wurde von feinem Genojjen in eigenartigen Sprüngen umtanzt, worauf das bofierende Männchen fich ihm gegenüberitellte und beide Tiere mit gejentten Köpfen einen ‚Najengruß‘ austaufchten: dabei ließ das Männchen unaufhörlich feinen Kodruf hören, einen eigentümlich jchrapenden Laut, den ich früher nie von ihm vernommen hatte. Bon dem Weibchen vernahm ich nie eine jolche Stimme, wohl aber einen hellen, jcharfen Quieflaut, jobald es beim Umbertollen von dem Männchen zu hart verfolgt oder in die Enge getrieben wurde. Die Paarungsipiele wiederholten jich nun alle Abende, abmwechjelnd mit der Hebe, bei welcher bald das Männchen, bald das Weibchen den Verfolger machte. „um die Aufregung und Scheu des legteren zu beruhigen, hatte das Männchen ein ganz eigenartiges und, wie ich wahrnehmen fonnte, jtet3 erfolgreiches Mittel. ES fing an, mit der Schnauze Sand gegen das Weibchen hinzufchaufeln, wobei e8 diejem immer näher auf den Leib rücdte und endlich jo nahe fan, daß die Schwanzquajte des Weibchens von dem borgejchobenen Sandhügel überjchüttet wurde. Stand fein Sand zur Verfügung, weil etwa die Tiere jich auf dem Fußboden des Zimmers befanden, fo machte das Männchen gleichwohl die Schaufelbewegungen mit dem Stopfe und erreichte jeinen Bejänftigungszived ebenjoqut. „sm der zweiten Hälfte des Juli jteigerte jich Die Erregung der Tiere, namentlich die Unduldjamfeit des Weibchens gegen das Männchen, und am 28. abends, nachdem ich Die Gittertüre geöffnet Hatte, jchoß Das Männchen plöglich aus dem Kajten heraus, verfolgt bom Weibchen, Das aber Diesmal ganz gegen feine Gewohnheit in jeine Behaufung zurücd- ichlüpfte und fich nicht mehr bliden fieß. Zugleich Scholl mir ein feines Quiefen im höchiten Kinderdisfant entgegen, und der Einblid in den jorgjam mit Watte rings verjchlojjenen Naum zeigte mir, daß die Geburt eines Zwillingspaares erfolgt war. Aus Rüdjicht auf das jehr erregte Weibchen wurde nun das Männchen im gegenüberliegenden Zimmerwinfel eingejperrt. &3 gewöhnte jich ohne weiters an diejen neuen Aufenthalt und verjuchte nie, den bloß einen halben Meter hohen Berjchlußgrahmen zu überjpringen. „uch der an mancherlei Seltjames im weiten Gebiete der Tierwelt gemöhnte Zoolog muß erjtaunen, wenn er das erjtemal eine neugeborene Springmaus zu jehen befommt. Das Heine, nadte, blutrote Gejchöpf, das jich Hilflos und mausartig piepend Hin und her wälzt, hat zunächit gar feine hnlichfeit mit feinen Eltern. Die Zamiliencharaftere der Dipodinen jind bei der Geburt jo gut wie nicht vorhanden. Der Körper maß don der Stin- fläche des herabgebeugten Kopfes bis zur Schwanzmwurzel 4 cm; das Worderbein 1,3, das Hinterbein 1,5, der Schwanz 2 cm; die Dide des Körpers, vom Rüden zum Bauche ge- mejjen, 1,5 cm. Der $Stopf mit feiner fonijch verlängerten Rüfjeljchnauze erinnert an den eines Schweinembryo3. Die großen Augen liegen unter der Haut, Die jie fugelig vorwölben, und durch welche jie als Dunkle Ringe Durchicheinen. Die Ohren jind furze Läppchen, Die Schnurren durch feine Härchen an der Oberlippe angedeutet. Die Vorderbeine find bereits mit gut entwidelten fcharfbekrallten Fingern verjehen, während die drei Zehen der Hinter- beine exit al3 furze Zipfelchen angedeutet find. Der Übergang des Oberjchenfel3 in den Rumpf wird von einer Hautfalte fappenartig verdeckt. Der gleichmäßig verjüngte drehrunde Schwanz it von einer geringelten Haut bedeckt und liegt jchwach nach vorne gefrümmt den Hinterbeinen an. E „Die zweite Mefjfung nahm ich am 7. August, alfo nach 10 Tagen, vor. Sie ergab als überrajchendjtes Refultat eine Längenzunahme der Hinterbeine um 1,5 cm: alfo die Doppelte Länge des Beines gegen das Neugeborene, während die Körperlänge und die des Schwarzes un 1 cm gewachjen waren. Die Schnurren waren bereits vorhanden, im übrigen jedoch Te en ME Wüftenjpringmaus. 225 feine Spur von Behaarung. Die Beweglichkeit hatte zugenommen, bejonders fiel das be- jtändige Strampeln und Streden der Hinterbeine auf. Das Muttertier... begann neben- bei um dieje Zeit eine Bejchäftigung, deren Sinn mir exit jpäter Elar werden jollte. ES war nämlich von einer wahren Nagemut befallen, die es jowohl im Inneren des Schlaffajtens als an den Wänden des Stalles auslieg. An demjelben Tage frabbelte das Junge in Ab- tejenheit der außerhalb äjenden Mutter aus dem Weite und rollte in jeiner Unbehilflichfeit über die Sandrampe vor dem Eingang des Kaftens herunter. Die Mutter fam jofort herbei, bejchnupperte das Stleine, jprang einige Male herum, faßte es dann zart mit den VBorder- händchen (nicht mit dem Maule!) und verichwand mit ihn im Inneren des Neites. „Im Abend desjelben Tages machte ich den Berjuch, die beiden Eltern im Zimmer zufammenzubringen, um zu jehen, ob ihre Unverträglichfeit nunmehr gemwichen jei. ber die wilde Hebjagd, die nun losging, zwang mich, die Tiere wieder zu trennen, und brachte mich zu der Einjicht, daß exit die allmähliche Gewöhnung durch öftere Wiederholung des Berjuches langjam den Frieden miederheritellen fünne. „Die dritte, am 12. Augujt vorgenommene Mejjung des Jungen ergab bei einer Länge von 7 cm (von der Schnauzenjpige des nunmehr gejtredten Stopfes bis zur Schtwanz- wurzel gemejjen) für das Hinterbein eine jolche von 5, das Vorderbein 2,5, den Schwanz 3,5 em. Der Durchmeifer des Numpfes vom Rüden nach dem Bauche betrug 2 cm. Das auffallendite an dem Tiere in diefem Alter war die num auftretende feine Behaarung von dunfelgrauer Farbe, welche Die ganze Oberjeite wie berußt erjcheinen ließ. 3 war das Unterhaar, das ja auch bei der ausgewachjenen Springmaus grau gefärbt it. Die Leb- haftigfeit hatte entichieden zugenommen, und oft hörte man ein feines, mausartiges Quiefen, namentlich jobald die Mutter jich mit ihm zu jchaffen machte. „In den Abenden des 15., 16. und 17. August wiederholte ich die Beobachtungen - über das Verhalten der freigelajjenen Tiere und überzeugte mich bald, daß die Annäherung itetige Fortjchritte machte. Sehr beluftigend war dabei das Betragen des Männchens, das früher al3 das Weibchen herausfam, in das offene Gehege des legteren lief, jich dor den Kalten hinitellte, und witternd dabor jtehen blieb, aber nicht den Mut zu Haben jchien, Hinein- zujchlüpfen, jondern anfing, eigentümliche Kapriofen und Luftiprünge davor zu machen, al3 ob ihm durch die Witterung die Erkenntnis des freudigen Familtenereignijjes zuteil ge- worden wäre. Bald darauf pflegte dann das Weibchen aus dem Stajten herauszujtürzen, und die Heße begann, aber nicht mehr fo ftürmifch und nachhaltig wie früher, jondern immer mehr den Charakter des Paarungzfpieles annehmend, wobei das Männchen eifrig lockte, begütigend wirklichen oder imaginären Sand feiner Gattin entgegenjchaufelte und Najen- grüße mit ihr taufchte. Auch die leßtere begann ihrerjeit3 das Männchen aufzufuchen, jo- bald fie früher als diejes ihren Schlafraum verlaffen hatte. Sie lief dann zu dem Behälter, an dejjen Verjchlugrahmen fie herumftöberte, fich hochredte, aber ebenjotvenig als das Männ- chen darauf verfiel, das nur 50 cm hohe Hindernis zu nehmen, wie es ihrer Sprungfraft ein leichtes gewejen wäre. Offnete ich die Schranke, jo lief fie jehr bald hinein, begann bon den Zutterborräten des Männchens zu frejjen, benahm fich auch in feiner Gegenmart viel berträglicher an diefem Drte als in ihrem eigenen Wohnraume, bon dent jie kn jeßt noc) ihren Genojjen bei jeder Gelegenheit vertrieb. „ln 17. August Hatte das 20 Tage alte Junge eine Länge von Sem: das Hinterbein war 7, das Vorderbein 3, der Schtvanz 4 cm lang. Sehr hübjch war in diefem Stadium die erjte Andeutung des Schwanzquaite zu fehen, indem die Schtwanzjpige 1 em lang durch Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band, J 15 226 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Springnager. ihre helle Farbe fich jcharf von dem Grau des übrigen Schtwanzes abhob. Die fünf Tage jpäter wiederholte Meffung (22. Auguft) ergab 9 cm Länge, Hinterbein 8, Vorderbein etwas über 3, Schwanz 7, Kopflänge 3 em. Sn diejem Stadium prägten fich die Charaftere der Springmaus fchon mit überrafchender Deutlichfeit aus: der Kopf war breiter md fürzer geworden, die Springbeine mächtig gewachjen und ihre Muskulatur überaus Fräftig entwidelt, die Behaarung überall deutlich, über den Rüden zwar noch dunkel, am Stopfe jedoch bereits jandfarben, das Weiß und Schwarz des Schwanzendes vollfommen deutlich ausgeprägt, zunächjt aber noch ohne Spur einer Quajtenbildung. „Um dieje Zeit fing die Mutter wieder eifrig an, in ihrem Staften zu arbeiten, md namentlich an Vormittagen hörte ich fie in der geräufchvolfiten Weije ftundenlang umer- miüdet Fragen, bohren, feilen, brechen und nagen. Sie hatte an der freien Geitenmand des Kiftchenz, two Dieje an die Rüdwand grenzt, das zentimeterdice Brett bereits durch- brochen und am 25. Augquft eine Brejche gelegt. Diejes Schlupfloch war für das Junge be- ftimmt. Als diejes, das nach den Mejjungen vom 26. und 31. Augujt eine Körperlänge bon 10, rejpeftive 12 cm bei einer Ränge des Schtwanzes wie der Hinterbeine von 9 und 11 erreicht hatte, in den eriten Tagen des September jeine Gehverjuche unter Leitung der Mutter begann, da belaujchte ich den Unterricht, der das Tierchen gemwöhnte, durch jene Geitenpforte aus und ein zu gehen! Die Mutter gab ihm durch Schieben mit der Schnauze bald rechts, bald Yinfs, durch Drängen von rüdwärts, wobei fie e8 an der Schwanzmwurzel mit den Händen emporhob, die gewünjchte Richtung, und jchon nach wenigen Tagen hatte der Unterricht jo erfolgreich gewirkt, daß das Tierchen, wenn ich e3 herausnahm und frei auf den Sandboden feste, mit nie fehlender Sicherheit jpornftreichs in den Winfel lief und in jeinem feinen Fluchtloche verichwand. „Seine Enttwidelung hatte in den fetten Tagen große Fortjchritte gemacht. Die Haltung war fejter geworden, die Sandfärbung der Oberjeite vollfommen, die Schtwanz- quafte deutlich differenziert und prachtvoll ausgefärbt, Furz: die Springmaus fir und fertig — nur noch blind, und erjt am 5. September, dem 40. Tage nach der Geburt, öffnete fie die Augen! Die eriten Gehverjuche der Kleinen waren ungemein drollig. Gie ging vierbeinig, wie ein fchreitendes Känguruh, abwechjelnd auf die weit vorgeitrecten Borderbeinchen und die nachjchiebenden Springbeine jich jtügend, nur daß die Stellung noch fteiler nach Hinten emporgerichtet war als bei jenen Springbeutlern, da der Längen- unterjchted zwijchen den beiden Gliedmaßenpaaren noch größer it. Wollte fie ich pußen und dabei die fühnen Stellungen der Mutter nachahmen, fo fiel jie um und z0g dann vor, in liegender Stellung ihre Beichäftigung fortzufeben. Aber fchon nach wenigen Tagen der Übung merkte man, wie die Springbeine mehr und mehr allein zur Verwendung famen, wie Die Benubung des Schtwanzes al3 Stüborgan erlernt wurde, und nach ungefähr einer Woche Hüpfte der Feine Schelm jchon jo munter Hinter der führenden Schwanzflagge jeiner Mutter einher, daß e3 eine Freude war. Mitte Dftober war das Junge faum durd) jeine Größe von den Eltern zu unterjcheiden; nur die Zahmheit und das jugendlich über- mütige Wejen ließen e3 leicht erfennen. „Sbmwohl die Alte fich viel mit ihrem Stinde bejchäftigte, fand fie doch Zeit, fobald die Behälter aberids geöffnet wurden, die Gejellfchaft des Männchens zu fuchen, das ftet3 eifrig fodte und fich in lebhafter, oft ftürmifcher Weife um die Gunft des Weibchens bewarb. Am 3. September gelang e3 mir dann auch, die wiederholte Paarung der beiden Tiere zu jehen, die ohne Lodton von jeiten des Männchens und in kurzen Paufen von wenigen Minuten Wüftenfpringmans. 227 erfolgte. Dazwijchen Trabbelte das Junge auf eigene Fauft aus dem Nefte, twie e3 fchien, jehr gegen den Willen der Mutter, die, jobald fie das Quiefen ihres Sprößlings vernahn, jofort herbeieilte und das unerfahrene, in die fremde Welt des Zimmers fich verirrende Kind in jehr energijcher Weife zum Nüdzuge aufforderte, jo daß; e3 jchleunigjt durch fein Hinterpförtchen wieder ins Nejt zu verjchtwinden genötigt war. Dabei hörte ich nun auch bon der Mutter einen Lodton, ähnlich der Stinme des Jungen, nur weniger laut und etwas tiefer. Welche Bedeutung die Einrichtung jenes bejonderen Einganges für das Junge haben fünnte, Darüber vermag ich nur eine Vermutung auszusprechen. Vielleicht legen die Tiere im Wüjtenboden eine Direkt zum Sejjel führende Fluchtröhre für ihre Jungen an, deren Nachbildung jene von unjerem Weibchen gejchaffene Einrichtung vorjtellt. Ich finde feider über die Bejchaffenheit der Springmausbauten feine näheren Angaben, um dar- über inS Klare zu fonımen. „Kachdenm das Junge am 16. September jeinen erjten Zimmerfjpaziergang flinf und mündig mit den Eltern gemacht hatte, der Vater auch durch liebevolles Entgegenfommen und Najengruß je Sind jomohl als jolches, wie im bejonderen als Töchterchen anerkannt hatte, durfte ich e3 wagen, fie alle drei für den Net der Nacht im Gehege des Weibchens zu bereinigen, und am Morgen des 17. fand ich fie, einträchtig aneinandergefchmiegt, im SKaften jchlafend. Bon diefem Tage an hörte die Führung des Jungen durch die Mutter auf. „Der zweite Wurf vom 30. September bejtand aus 4 Jungen, und dabei wurde. die Trächtigfeitsperiode auf rund einen Monat feitgeitellt. Daß die Vierzahl das Marimum dar- itellt, wird durch die Achtzahl der Ziten des Meibchens bekräftigt. Merfwürdigerweife hatte die Mutter diesmal weder das Männchen noch das ältere Junge aus dem Nejte vertrieben, jo daß ich alle in diefer Nacht beifammen ließ. Von Aufregung und fcheuem Wefen war bei dem Weibchen diesmal nichts zu jehen, jie ließ willig die Jungen unter ihrem Leibe hervorholen und jich wieder unterlegen, ging auch fofort nach Entfernung ihrer beiden Ge- fährten daran, ein weiches Wollbettchen für die Slleinen zu bereiten, worauf fie die Wolfe über jich zu einer dichten, jauber verjchlojfenen Kugel zufammenarbeitete, die fie vollfommen verbarg. Bewunderungswindig war auc) die Sorgfalt, mit der jie abends, bevor fie das Nejt verließ, um zu frejjen und fich im Zimmer mit den anderen herumzutreiben, die Jungen nebeneinander bettete und dann mit Wolle jo jäuberlich zudecte, da man beim Offnen des Kajtens nicht einmal die Stelle, wo jie lagen, erfennen fonnte. &3 jcheint, daß die Säug- Iinge nachts in Abmwejenheit der Mutter jchlafen, am Tage hingegen wach find und jaugen. Wenigitens hörte man zu allen Tagesitunden ihre feinen Stimmechen bald einzeln, bald vereint, während in Abwejenheit der Mutter tiefes Schweigen im Kaften zu herrjchen pflegte. „Es war ein föjtlicher und zugleich jeltiamer Anblick, die Mutter in Nejte jigen zu jehen, wie fie ihre Kinder mit ihrem Leibe bededte. Diejes Bild war um jo anmutiger, als jtets Die größte Neinlichkeit herrjchte. Nie fand ich eines der chmucken Kleinen bejchmußt, niemals das Nejtmaterial feucht, wie denn auch fein übler Geruch zu merken war.” sn einer Nachichrift fügt Schmidtlein hinzu, daß ihn das Muttertier auch am Silvejter- abend 1894 mit 3 und am 6. Februar 1895 mit 4 Jungen ütberrajcht Habe. Die Zucht hat aljo im Laufe eines halben Jahres 13 Junge geliefert: ein jprechender Beweis für die Stuchtbarfeit auch diejer Nager. Der Nuben, welchen die Wüftenfpringmäufe bringen, ift nicht unbedeutend. Die Araber ejjen ihr ziemlich gejchmaclofes Fleifch jehr geun und bereiten jich wohl auch aus den mweichen Fellchen Heine Pelze für Kinder und Frauen oder verwenden fie jonjt, zur 15* 228 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Springnager. Verzierung von Sätteln, zum Bejab von Deden ujw. Schaden bringen die Spring- mäuje natürlich nicht; fie nußen höchjtens diejenige Stelle der Wüjte aus, die jonjt von feinem anderen Gejchöpfe bewohnt wird. Auf die verjchiedenen Springmausarten können wir natürlich hier nicht eingehen, zumal fie in ihrer LXebensweije gewiß faum verjchteden jtnd. Die Verbreitungsangaben jowohl der afrikanischen als der ajiatischen Arten unterjcheiden jich bei näherem Zujehen jehr wejentlich dadurch, daß jie zu einem Teil jehr bejchränft und bejtimmt begrenzt, zum anderen Teil im Gegenjab dazu ganz allgemein und umfajjend jind, ohne weiteres von Afrika nach Vorderajien übergehen und von Europa bis nach nnerajien. So joll die eben gejchilderte ägyptiiche Wüjtenjpringmaus auch in Arabien und Paläjtina vorfommen, und die ruffiiche Pfeilfpringmaus, Jaculus sagitta Pall., zwijchen Don und Wolga anfangend, über Südjibirien, die Bucharei und das Araljeegebiet bis nach) Jnnerajien, in die jüdliche Sobimwüjte und nach Yarkand fich verbreiten! Das macht den Eindrud, als ob in der gev- graphijch-gitematischen Erforjchung der Springmäufe noch mancherlei zu tun wäre, obwohl bereits im 18. Jahrhundert Ballas und 1844 Brandt jich eingehend mit ihnen bejchäftigt haben und auch der altberühmte Berliner Forjchungsreijende und Mufjeumsleiter Lichtenftein jchon 1828 ihnen eine ausführliche, reich mit farbigen Steindruden illuftrierte Arbeit gewidmet hat, nachdem e3, wie er jelbit jagt: „ausnehmend glücklich für Die Hiejigen föniglichen Sammı- (ungen und die durch diejelben zu gewinnende Belehrung jich gefügt hat, daß gerade zur jel- bigen Zeit, al3 die Doftoren Hemprich und Ehrenberg Igypten, Nubien, Arabien und Syrien bereijten, Dr. Eversmann in Sibirien und in der Firgijischen Steppe für ung tätig gemejen it, ohne welches Zufammentreffen die höchit interejjante Bergleichung der Tiere, welche in beiden Kontinenten die unwirtbaren Hochebenen bewohnen, nicht möglich gewejen jein würde. Sm Tierhandel fommt neben der ägyptijchen Wüjtenjpringmaus am häufigiten wohl die gleichfalls aus Nordafrika ftammende, nicht nur dunkler gefärbte, fondern auch erheblich größere und deshalb fogenannte Große Springmaus, J. orientalis Erxl., vor, die man im Berliner Garten und anderwärts bereits mehrfach gehalten hat. * Die zweite Unterfamilie der Springnager, die nordamerifanijch-oftafiatifchen Hüpf- mäuje (Zapodinae), enthalten nur eine Hauptgattung (Zapus C’oues), nad) der jie benannt jind, mit drei Untergattungen. Sie ftellen troß verlängerter Hinterbeine und ausnehmend langen Schwanzes eine weit niedrigere Stufe der Anpafjung an aufrechte Körperhaltung und jpringende Bewegungsweije dar als ihre gejchilderten Verwandten. Die Mittelfuß- fnochen ihrer Sprungbeine jind zwar verlängert, aber nicht verwachjen und haben noch) alle fünf Zehen, nur daß die erjte und fünfte nac) ‚hinten verjchoben jind. Auch die Hals- tirbel jind nicht verwachjen. 1 Lüd- und 3 Badzähne oben und unten find bewurzelt. Der lange Schwanz ist auch bei der Hüpfmaus als Balancıier aufzufajjen, der das Tierchen bei jeinen ungeheuren Sprüngen im Gleichgewicht hält. ach Slades Beobachtungen, die Hart Merriam mitteilt, bewohnen die Hüpfmäufe Hoc und Tiefland, Wald und Wieje, bebautes Feld und Sumpfdicicht; überall find fie zu Haufe, aber nirgends zahlreich. Die Hüpfmaus entwicelt im Mugenblid eine Behendig- feit wie fein zweiter Nager und befigt für ein jo eines Tier eine ganz enorme Musfelfraft. Wenn fie, plößlich aufgeftört, in gerader Linie davonffüchtet, macht fie zuerjt drei oder vier Pfeilfpringmaus. Große Springmaus. Feldhüpfmans. 229 Sprünge von 8—10 Fuß (ca. 3m) Länge; aber diejes Maß vermindert jich rajch auf 4 Fuß (1,2 m). Sie macht das aber nicht immer jo; oft nimmt jie eine unregelmäßige Richtung und tut verjchiedene aufeinanderfolgende Sprünge in verichiedenem Winfel, indent jie dabei diejelbe Hauptrichtung einhält oder dieje auch ändert, wie jie will. Sie fann jehr jchnell Hafen jchlagen, wenn jie verfolgt wird, und entgeht Durch derartige Siniffe und plößliches Kiederduden dem Habicht und der Eule. Dieje planlojen Hin- und Herbewegqungen retten fie mitunter auch, wenn fie von einem Wiejel in Schreden gejagt oder von der Schwarz- natter angefallen wird. Beim Springen folgen die einzelnen Säße jo rajch aufeinander, daß die Füße faum den Boden zu berühren jcheinen. Die Länge des Winterjchlafes hängt bon der geographifchen Yage des Ortes und der Temperatur ab: in milden Wintern wird er oft für längere oder fürzere Zeit unterbrochen. Edward A. PBreble, der im Auftrage des Landwirtjchaftsminijteriums der Ver- einigten Staaten die Hüpfmäufe bearbeitet („North American Fauna“, Wr. 15) und eine Reihe neuer Arten aufgeitellt hat, gibt auch ein zufammenfafjendes Lebensbild der Tiere. Nach ein oder zwei „Frojchartigen” Sprüngen bleibt die aufgejcheuchte Hüpfmaus oft vegung3- (03 figen. In ihrem Wohnrevier hat fie feine ausgetretenen Pfade wie viele kleine Säuge- tiere, namentlich die amerikanischen Wiejenmäufe, jondern treibt jich anjcheinend wahllos umber, indem fie jich nur die natürlichen Fußtwege und offenen Stellen einigermaßen zu- nuße macht. Im Spätjommer baut jich die Hüpfmaus ein fugeliges Neit aus Gras von ettva 10 em Durchmejjer, mit einem engen Eingang an der Seite. Alle derartigen von Preble gefundenen Nejter jtanden auf Wiejen an der Erde in Dichtem Gras oder Heinen Büjchen. Eins, das er unterjuchte, bejtand nur aus jehmalen, langen Grashalmen und war ein jehr hübjches, Hleines Hein; aber obwohl es jehr Dicht ausjah, war es in Wirklichkeit jo loje gebaut, daß Preble e3 nicht zufammenhalten fonnte. Dieje Weiter find regelmäßig von zwei Hüpf- mäufen bejet, jedenfall3 einem Paar, und jcheinen nur nach Schluß der Fortpflanzungs- zeit benußt zu werden. Die Geburt der Jungen, gewöhnlich 3, geht meijt in einem unter- iwdischen Neft vor fich, manchmal aber auch in einem hohlen Baumjtumpf, und zwar jind Mai und Juni die eigentliche Fortpflanzungszeit. Manchmal dauert dieje indes auch bis zum September; dann wird jedenfalls noch ein zweiter Wurf aufgezogen. Drei „ausgepflügte” Sunge, die Preble am 25. September erhielt, waren noch jo jung, daß die hinteren Bad- zähne im Oberfiefer gerade exit Durchgebrochen waren. Obwohl man die Hüpfmaus während des Sommers in ihrem Neft oder Erdbau oft auf Futtervorräten liegend findet, weis man nicht8 davon, daß jie diefes Futter im Winter verbrauchte. Jm Winterjchlaf liegen die Tiere einzeln, nur hier und da einmal paarweije und nur ausnahmsweije über der Erde. Stone und Cram unterscheiden Feld- und Waldhüpfmäufe entjprechend den Unter- gattungen Zapus und Napaeozapus, zu denen al3 dritte noch die afiatijche, aus Szetjchwan (Weitchina) nachgewiejene Eozapus hinzutritt. Die gewöhnliche oder Feldhüpfmaus, Zapus hudsonius Zimm. (Jaculus ameri- canus; Taf. „Nagetiere VIII”, 5, bei ©. 201), ift ungefähr jo groß wie die Waldmaus; ihre Reibeslänge beträgt etwa 8 cm, die Schwanzlänge 13 cm. Das Gebiß beiteht aus 18 Zähnen, da im Oberfiefer jederjeit3 4, im Unterfiefer 3 Backzähne vorhanden jind; die oberen Nage- zähne zeigen eine Längsfurche; unter den oberen Badzähnen ijt der vordere einmwurzelige jehr Klein, die übrigen nehmen von born nach hinten an Länge ab. Der Leib ijt gejtredt, nach Hinten etwas dider, der Hals mäßig lang und Did, der Kopf lang und jchmal, Die 230 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Springnager. Schnauze mittellang und zugejpißt, der Mund Klein und zurüdgeftellt; die mäßig großen Ohren find eifürmig geitaltet, Hoch und jchmal und an der Spige abgerundet, die Augen ziemlich Fein, die Schnurren mäßig, aber doch noch von mehr al3 Kopfeslänge. Die furzen, dünnen Vorderfüße haben 4 Zehen und 1 Daumenwarze, die wohl dreimal längeren, verhältnismäßig jchmächtigen, nadtjohligen Hinterfüße dagegen 5 Zehen, von denen die beiden äußeren beträchtlich fürzer als die 3 mittleren find. Alle Zehen, mit Ausnahme der Daumenwarze an den Borderfüßen, die einen Plattnagel trägt, werden durch furze, ge- frümmte, jehmale und zufammengedrücdte Krallen bewehrt. Der jehr lange, runde Schwanz ijt Schon an der Wurzel dünn, verihmächtigt fich immer mehr und endet in eine feine Spibe, ijt geringelt und gejchuppt und nur jpärlich mit furzen Haaren bededt. Die glatte, an- liegende und Dichte Behaarung it auf der Oberjeite dunfel leberbraun, braungelb unter- mijcht, an den Seiten braungelb mit jchwacher jchiwarzer Sprenfelung, ar der Unterjeite weiß gefärbt. Zumeilen nimmt die bräunlichgelbe Färbung der Seiten einen ebenjo großen Kaum ein wie die Rücdenfarbe; im Winterkleide dagegen wird fie gänzlich verdrängt, und das Dunfelbraun des Rüdens verbreitet jich bis zur Unterjeite. Die Ohren find fchwarz und gelb, die Mundränder weiß, die Hinterfüße oben graulich, die Borderfüße weißlich behaart. Der höhere Norden von Amerika ijt die Heimat der Feldhüpfmaus. Sie findet jich bon Mijjouri an bis Labrador in allen Pelzgegenden und von dem Gejtade des Atlantifchen bis zu dem des Stillen Meeres. Hier lebt jie an Dicht bebujchten Wiejenrändern und in der Nähe von Wäldern, bei Tage verborgen, bei Nacht gejellig umherjchweifend. Shre Höhlen jind ungefähr 50 cm tief, in der fälteren Jahreszeit auch noch tiefer. Vor Beginn des Winters baut jie eine Hohlfugel aus Lehm, rollt jich in ihr zufammen, fchlingt den Schwanz um den Leib umd liegt hier in vollfommener Erjtarrung bi zum Eintritt des Frühlings. ym Sommer ift jie außerordentlich Hurtig und hüpft ungemein gewandt und jchnell auf den Hinterbeinen umher. Davis konnte eine Hipfmaus, die in der Nlachbarjchaft von Quebec aus dem Walde in ein weites Feld geraten war, exit in der Zeit von einer Stunde fangen, objchon ihm noch drei Männer jagen halfen. Sie lief jich erjt ergreifen, nachdem fie voll- jtändig abgehebt und ermattet war. m Walde joll die Hüpfmaus gar nicht zu fangen fein. Sie jegt hier mit Leichtigkeit über niedere Biliche weg, über die ein Mann nicht jo leicht jpringen fann, und weiß dann immer ein jicheres Pläschen zu finden. Yudubon bezweifelt, daß es noch ein Säugetier gibt, das ihr an Gewandtheit gleichfommt. Gewöhnlich Friecht die Hüpfmaus zwijchen Gras und Blättern herum, jo daß fie un- bemerft bleibt, und nur, wenn Gefahr droht, macht jie von ihrer Sprungkraft Gebrauch, deren Wert zum guten Teil auf der plölichen Überraschung beruht, die fie dem Feinde bereitet. Jeach Stone und Cram ijt die Hüpfmaus entjchieden noch weniger intelligent als andere Mäufe: jte jpringt einer Kate oder einem anderen Feinde geradesiwegs in die Stlauen, jtatt nach der entgegengejeßten Seite. Auf diefe Weije ertrinkt jie auch oft in Milchkürbeln und Wafjereimern, wovor jie ein wenig Vorficht wohl behüten würde. Stone beobachtete und verfolgte eine Hüpfmaus am Flufufer, die dann durch ihre planlofen Sprünge ins afjer geriet, dort aber dem jtarfen Strome jtandhielt und gegen diejen zu einem treibenden Ute Schwamm. Auf den lief fie entlang bi3 zum anderen Ende und fchwamm bon da wieder ans Zand, wo fie zwijchen dem Treibholz und Schotter unter dem überhängenden Ufer berichwand. An häufigjten jieht man die Hüpfmäufe, unmittelbar nachdem die Wiejen und Heujchläge im Auguft gemäht find: offenbar wandern fie dann, aus ihren gewohnten Stand- orten vertrieben, wie verloren und verirrt umher auf der Suche nach einer neuen Heimat, Feldhüpfmaus.. Waldhüpfmaus. Birfenmaus. 251 oder e3 fann auch jein, Daß die Sommerdürre jie wegtreibt zum Wafjer. Die Hauptnahrung beiteht allem Anjchein nach tie die der anderen Draußen lebenden Mäufe in der Hauptjache aus Grasjamen; zeitwweife bringen aber Beeren, Pilze und mwahrjcheinlich auch Infekten ettwas Abwechjelung in dieje Soft. Audubon hat die Feldhüpfmaus in Oefangenjchaft gehabt. Nach feinen Berichten läßt jich das fchmude Tierchen ohne Schwierigkeit Halten. „sch bejaß ein Weibchen”, jagt er, „vom Frühlinge bis zum Herbite. Wenige Tage nach feiner Einferferung warf es zwei unge, die prächtig gediehen und im Herbite faft ausgewachjen waren. Air jchütteten ihnen 1Fu8 hoch Erde in ihren Käfig; hier gruben fie fich einen Bau mit zwei Ausgängen. Ge- mwöhnlich verhielten jie jich jchiveigjam; brachten wir aber eine andere Maus zu ihnen in den Käfig, jo jehrien fie (aut auf, wie ein junger Vogel aus Angit, zeigten jich überhaupt jehr furchtiam. Bei Tage Tiefe fie jich niemals außerhalb ihrer Baue jehen, nachts aber lärmten fie viel im Käfige Herum. Ylles, was wir in ihr Öefängnis legten, war am nächiten Morgen verichwunden und in die Höhlen gejchleppt worden. Sie fragen Weizen, Mais, am liebjten Buchweizen. Hatten jie mit diefem eine ihrer Kammern gefüllt, jo gruben jte jich jofort eine neue.” Auf dem Tiermarkt war die Hüpfmaus früher jo gut wie unbefannt. Der Berliner Boologische Garten erhielt im Jahre 1908 durch Frend-Wafhington zum erjtenmal ein Baar Hüpfmäufe, jehr ähnlich den afrifanifchen Springmäufen, aber weniger langbeinig und aufrecht in der Haltung, der Kopf länger, zugleich aber auch im Verhältnis zum Körper noch dieer. Am 9. Dftober warf das Weibchen im Schlaffajten drei nadte, blinde Junge, die am 17. bereits Haare und die Augen offen hatten. Am 20. zeigten fie jich außerhalb des Stajtens. Die WaldhHüpfmaus (Untergattung Napaeozapus Preble mit der Yauptart N. insignis Mill.) ist der Feldhüpfmaus in den meijten Beziehungen ähnlich, aber weit jatter in der Farbe. Sie hat ihre Heimat in den tiefen, fühlen Wäldern an den Gebirgsbächen unter dem Schuge der Tannen und Zorbeerbüjche und jcheint die Nähe des Menjchen zu meiden, der die andere Untergattung nicht abhold ift. * Die Mitglieder der dritten Unterfamilie, die Streifen- oder Birfenmäufe (Sicı- stinae, früher Sminthinae), haben feine erheblich verlängerten Hinterbeine, überhaupt äußerlich gar nicht8 Springnagerartiges, jehen vielmehr aus wie etwas langohrige und (angföpfige Mäufe und wurden nur wegen ihres Gebijjes von H. Winge hierher zu den Springmausartigen bverjebt. Die wichtigjte Art der einzigen Gattung Sieista Gray, die eigentliche Streifen- oder Birfenmaus, Sicista subtilis Pal. (Sminthus vagus), oben gelblichhraun, jehtvarz über- flogen, unten gelblichweiß, mit jchwarzem Rücdenftreif und jehr langem Schwanz, lebt im Norden und Dften Europas und in Aien. Bon Schweden und Finnland tommt fie Durch das rufjische Neich nach Süden bis in die Krim und den Kaufajus vor. Auch die bis jeht nur dem Namen nach befannte „Knopfmaus” (Button Mouse) der Orkadeninjeln glaubt Foriyth Major auf jie beziehen zu dürfen („Zool. Garten”, 1905). Jr Wien geht S. sub- tilis bis nach Turfejtan und zum Senifjei. Über Leben und Wejen berichtet Giebel nach älteren Quellen: „Hält fich in dünnen 232 8. Ordnung: Nagetiere. Familien: Springnager und Tafchenmäufe. Birfengehölzen auf und nährt fich von Gejäme. Sie flettert gejchiett an Stengeln und ftarfen Gräjern empor, wird leicht zahm, fann aber nicht viel Kälte ertragen und verjchläft den Winter in Baumlöchern.” Im Sommer „tagsüber unter Steinen, Baumjtämmen und in Mäufelöchern veriteckt, abends munter”. Schon Pallas hebt aber die Neigung zum Schlafen hervor. Der zujammengerollten Schlafitellung verdankt die Maus auch ihren orfadiichen Namen „Knopfmaus”. Sie hält nicht nur einen Winterjchlaf ab, jondern zeigt auch in der bejjeren Jahreszeit eine fait un- begrenzte Schlafjucht. Die Beweije dafür liefern der ungarische Beobachter Kochyan (Mojji- jovics, „Tierleben öjterreich-ungariicher Tiefebenen”) und andere. „Die im Käfig gehaltenen Streifenmäufe jchliefen auch jehr viel im Sommer, noch mehr bei veränderlichem Wetter, bei +10° C... Selbjt bei ganz warmer Witterung fan e3 ihr einfallen, jich zuc Kugel zujammenzurollen, einzujchlafen und falt zu werden, und man muß fie dann lange be- arbeiten, bis fie wieder recht erwacht." (9. Winge.) Der großen Schlafjucht und den dadurch bedingten verjtedten Aufenthaltsorten wird es wohl zuzuschreiben fein, daß das Tier verhältnismäßig jelten gefunden wird, abgejehen Davon, daß es äußerlich leicht mit einer jungen Brandmaus zu verwechjeln ijt. Jedenfalls ijt bei der Streifenmaus die Fähig- feit, jederzeit bei nur einigermaßen jinfender Temperatur rajch in einen wirklichen Er- Starrungsichlaf zu verfallen, ganz außerordentlich ausgebildet, ungleich mehr als bei allen übrigen Winterjchläfern, und das würde das Tierchen unbedingt zum bevorzugten Studien- objeft bei Unterjuchungen über die rätjelvolle Erjcheinung des Winterjchlafes machen, wenn es nicht jo jelten und jchwer zu haben wäre. Lebteres erklärt Forfyth Major, der alles literarijche Material über die Streifenmaus jehr jorgfältig zufammengetragen hat, jehr ein- leuchtend im Anfchluß an einige Funde fojjiler Nejte des Tierchens, die Nehring aus dem Diluvium von Nußdorf bei Wien bejchrieben hat. Danach kann fein Zweifel darüber fein, daß die Gattung Sieista in den mweitlichen Teilen ihres gegenwärtigen Verbreitungsgebietes ein Üiberbleibjel der Steppenperiode ift, da fie ja im Dften vorzugsweije in den Steppen Dfteuropas und Ajiens lebt: fie hat jich von der Steppenperiode bi3 zur Gegenwart „Durch- gejchlafen”. Aber auch in der genannten paläarktijchen Fauna ijt fie ein Anachronismus; mehr als alle andere Jaculiden, die höher jpezialijiert jind, hat die Streifenmaus Be- ziehungen zu gewijjen mitteloligozänen Nagern: im Schädelbau zu der Gruppe, die Winge zu jeinen Anomaluridae gejtelft hat, jpeziell im Gebiß zu Omegodus Pomel (Eomys), den der genannte goologe für den primitiviten Jaculiden hält, während er mit ebenjopiel Be- rechtigung auch zu den Anomaluriden gerechnet werden fann. Alfo eine der altertümlichen und urjprünglichen Sammelformen, wie fie heute noch vielfach auf der Erde vorhanden, aber immer mehr im Berjchtwinden begriffen jind! Vielleicht darf man hier eine Nord- und Mittelamerika angehörige, früher als Familie Saccomyidae zujammengefaßte Nageraruppe, Die der jogenannten Tajchennager, anreihen. Dieje Abteilung enthält jehr verjchieden geitaltete, teilmweije zierliche und hübjche, teilmeije unschöne, in ihrem Wejen, ihren Sitten und Gewohnheiten wenig befannte Nager, die fich von allen übrigen dadurch unterjcheiden, daß fie verichieden lange oder tiefe, nicht im Munde, jondern außen auf der Badenfläche jich öffnende, innen mit furzen Haaren ausgefleidete Badentafchen befigen. Diejes eine Merfmal genügt, um die hierher zu zählenden Arten der Drdnung von allen Verwandten zu unterjcheiden. &3 genügt aber nicht, um eine twirklich Birfenmaus. Tafchenfpringer. 233 natürliche Gruppe zu bilden, und jo finden wir denn bei Trouejjart die mehr mausartigen Tajchennager einjchlieglich der fänguruhbeinigen FZormen, Die den eigentlichen Springnagern ähneln, al3 jelbjtändige Zamilie (Heteromyidae) den plumpen, unteriwdijch hwiühlenden Tajchentatten als einer zweiten jelbjtändigen Zamilie (Geomyidae) gegenübergejtellt. Das Gebiß ftimmt der Anzahl der Zähne nach mit dem der Eichhornnager wie der Stacheljchtweine überein und bejteht außer den Nagezähnen in jedem Stiefer aus4 Badzähnen mit gejchloffenen und ungejchlojjenen Wurzeln. Am Schädel, dejjen Umri mit dem Jochbogen fait vieredig er- icheint, find die Schläfenbeine außerordentlich enttwidelt und reicht das Jochbein vorn bis zu dem Tränenbein; Schien- und Wadenbein find verwachjen, die Füße fünfzehig, Die vorderen jtärfer befrallt al3die hinteren. Der Pelz beiteht ausjtraffen, jteifen Orannen ohne Grundhaar. Tafhenfpringer, Dipodomys phillipsi Gray. Ye natürlicher Größe. Tajchenmänje (Heteromyidae) nennt man die Mitglieder der erjten Familie mit ichlanfem, zierlichem Leib, verlängerten Hinterfüßen, langem Schwanze und jpißiger Schnauze, Tafchenfpringmäufe (Dipodomyinae) die Vertreter der erjten und herbor- tagendften Unterfamilie. In ihrer Geftalt ähneln legtere den Springmäufen; der Kopf üt groß, breit und platt, das Dhr abgerundet, die innere Zehe an allen Fühen verkümmert, aber noch mit einer Kralfe verjehen, der Schwanz jo lang oder länger als der Körper, ganz, an der Spiße pinfelartig behaart; die Hinterfüße zeichnen fich Durch ihre Länge aus; Das Sebi enthält wurzelloje Badzähne. Aus der Gattung Dipodomys Gray, ift der Tafchenfpringer, Dipodomys phillipsi Gray, die befanntejte Art. Yon der Gejamtlänge, 30 em, fommen ungefähr 17 cm auf den Schwanz; das Weibchen ift um etwa 2 cm fürzer als das Männchen. Auch die Färbung erinnert an die der eigentlichen Springmäufe: der Kopf mit den Ohren, der Rüden und die Hinterfchenfel find lichtbraun, die Seiten, die Unterjeite, ein über den Schenfeln nach dem Schwanze zu verlaufender Streifen, ein zweiter, der jich von den Ohren herab nad) 234 8. Ordnung: Nagetiere. Familien: Tajchenmäuje und Tajchenratten. den Schultern zieht, und endlich die Schwanzjpite jind weiß; an den Leibesjeiten geht dieje Färbung in das Gelbliche über. Soviel man bis jeßt weiß, bejchränft jich die Heimat diejes ebenjo hübjch gefärbten fie lebendigen Tierchens, von dem heute eine lange Reihe verjchiedener Arten und Unter- arten umterjchieden werden, auf Kalifornien, Texas und Meriko. "Hier lebt e3 in den üdejten und ärmften Gegenden, auf Stellen, die ein wüjtenhaftes. Gepräge zeigen und nur jpärlich mit riefenhaften, wunderbar geformten Kaktusarten bejegt jind. Aus der kurzen Lebens- ichilderung, die Audubon gibt, geht hervor, daß e3 in jeinem Wejen und Betragen vielfach mit den Wiüftenfpringmäufen übereinjtimmt. Es erjcheint exit mit der Dämmerung außerhalb jeiner Höhle und trippelt dann regelmäßig zwijchen den Steinen umher, den Menjchen weder fennend noch fürchtend. Ir jeinem Wohngebiete bemerft man außer den vielen Eidechjen und Schlangen faum ein lebendes Wejen weiter und fragt jich Daher mit Ntecht, mie e3 möglich ijt, daß ein Säugetier fich dort ernähren fan. Höchjtwahrjcheinlich lebt der Tajchenjpringer ebenfall3 von Samen, Wurzeln und Gräjern und fanır, wie die meijten Wiüftenjpringmäufe, das Wafjer längere Zeit volljftändig entbehren oder begnügt fich mit den Tautröpfchen, die fi) des Nacht3 auf einzelnen Pflanzen niederfchlagen. Über Fort pflanzung und Gefangenleben fehlen immer noch Beobachtungen. Eine zweite Gattung derjelben Unterfamilie, ebenfalls mit verlängerten Hinterbeinen, bilden die Sängurubhratten der amerikanischen Naturgefchichte, Känguruhmäufe (Pero- dipus Frtz.), wie wir fie lieber nennen wollen, um Berwechjelungen mit den befannteren auftralifchen Beuteltieren vorzubeugen. Drds KRänguruhmaus, P. ordi Woodh., aus Texas, Neumerifo und Arizona, Kopf und Rumpf etwa 11, Schwanz etiva 14 cm lang, oben oefergelb, am Rumpfe jchwärz- lich überflogen, unten weiß, ebenjo die Seiten der Naje, ein Fled hinterm Ohr und ein Quer- band über die Steulen, nennen Stone und Cram „einen anderen nächtlichen Bewohner der jandigen Ebenen des Siüdmweitens”. Sie macht fich ein unterirdijches Nejt mit zahlreichen, ineinander laufenden Nöhren; das Ganze bildet einen niedrigen Erdhaufen, der jehr leicht einbricht, und dem daher Die ortsfundigen Pferde und Maultiere jehr jorgfältig ausweichen. Ein folches Neft, das Seton Thompfon unterjuchte, lag unter den jchligenden Dornen eines Büjchels jogenannter Spanischer Bajonette und Dijteln, und dieje hielten jehr wirfungs- voll alle etwaigen Verfolger von den neun Zugängen ab. Dieje Öffnungen führten zu einem mehr oder weniger veriwidelten Syjtem von NRöhren, die eine in die andere Jich öff- neten auf eine Art und Weije, daß ein Eindringling viel eher zu einem anderen Ausgang geführt wurde als in das Veit. Diejes war durch einen Furzen Seitengang zu erreichen, der bon einer der obigen Nöhren ausging; er wurde von dem Tierchen vor dem Berlafjen offen- bar mit Erde verftopft, um das Vet vor jeder Störung zu jehügen. Das Neit hatte eine die PBoljterung von feinen Halmen und ausgerifjenem Seidengra3 und war mit Federn mweic) ausgefüttert. Zwei andere mit Sonnenblumenjamen gefüllte Kammern waren offenbar Vorratsräume. Die Maus jelbit, die Thompfon einige Zeit in Gefangenschaft hielt, war die VBerförperung raftlojer Tätigkeit: alles lebte an ihr von den ducchjcheinenden Spiten der Nafe und Ohren bis zum Ende des zudenden Schwangzes. Sie konnte ihren Käfig mit einem Sprunge durchfreuzen, und „da jah ich, welchen Zweck der mächtige Schweif hat. Bei den außerordentlich weiten, fliegenden Sprüngen, die das Tier macht, leijtet der Quajt am Ende diejelben Dienjte wie die Federn für den Pfeil. Er Hält das Tier auf feiner Bahn Drds Känguruhmaus. Richardfons Känguruhmans. 2535 in der Luft gerade... E&3 war der unermüdlichite Fleine Gräber, den ich je jah. Dieje Heinen, tojigweißen Pfötchen, nicht viel größer als eine Bleijtiftjpige, wurden nimmer müde zu wüh- (en und warfen die Erde in Heinen Sprigern zwifchen den Hinterbeinen hindurch wie eine Dampfjchaufel. Das Tierchen unterhöhlte ext die ganze Erdimaffe durch und durch, und ich zweifle nicht, daß es mehrere ideale unterirdiiche Wohnungen hergeitellt und wieder zerjtört, viele unterivdijche Verbindungen gejchaffen hat. Darın machte es fich ein nächtliches Geschäft daraus, Hügel aufzumerfen und Schluchten einzugraben, wo e3 ihn qutdünfte.” Thompfon hatte Grund, zu vermuten, daß das jchwache, vogelähnliche Gezwitjcher, das BVBiehhirten und andere Leute zuweilen auf den Ebenen hören, der Känguruhmaus zuzufchreiben ift. Die verwandte Nichardjons Känguruhmaus, Perodipus richardsoni Allen, preilt Hornaday als ein wahres „Elfchen”, eine der fchönften und anziehendjten Formen unter allen amertfanijchen Mäujen. Hoch aufgerichtet auf ihren Hinterbeinen fteht fie da wie ein twin- ziges Ktänguruh und Hüpft auch jo umher, die Vorderpfoten Dicht unter das Kinn eingezogen und jajt im Fell veritecdt. Das Haar it weich, feidig, ziemlich lang und oben von fahl- brauner Farbe. Kopf und Rumpf zufammen etwa 11, Schwanz über 14 cm lang. Die Badentajchen find groß und werden angeblich zum Herausbringen des Sandes aus dem Bau benußt. Sn den trodenen und unfruchtbaren Gegenden des weiten Südmwejtens vom (früheren) Jndianerterritorium bis Arizona und Kalifornien, wo die Wüjtenjtreden augen- icheinlich nichts als Sand bieten, Kakteen, Yuccas und Salbeibüfche, halten dieje munteren Tierchen aus. Offenbar jind fie jowohl feuer- als wajjerfeit, meint Hornaday weiter mit gutem Humor; fein Hitegrad ficht fie an, und fein Wafjermangel fan ihre Lebensgeiiter auch nur im geringiten nievderdrüden. Wie die meiiten Ratten und Mäufe leben jie nächt- (ich, und, jegen wir hinzu, das Hilft ihnen, das Leben in jenen Gegenden zu ertragen. Einige bauen jich zujammen große Hügel aus Erde und Sand von 1—3 Fuß (ca. 90 cm) Höhe und 5—10 Fuß (ca. 3 m) Durchmejjer, die von Kejjeln und Röhren wabenartig durd;- zogen jind. Dieje Bauten werden oft auch von Slapperjchlangen und Eidechjen bewohnt, und die Känguruhmaus tt zweifellos ein wichtiges Gericht auf der Speijefarte des Wilten- flapperers. Im Wejen ijt jie äußerit janft und beißt nie, wenn man fie greift; aber zugleich iit jte jo zart, daß fie in Gefangenschaft nicht lange lebt, und wenn man jie noch jo jorg- jältig und jachgemäß pflegt. R Während die Tajchenmäufe den zierlichiten Nagern gleichen, erinnern die verwandten Tajchenratten (Geomyidae) an die plumpjten Glieder der Ordnung. Der Pelz beiteht aus jtraffen, jteifen Grannen ohne Grundhaar. 20 Zähne, 1 mächtiger Schneidezahn und 4 wurzelloje, länglihrunde Badzähne mit einfacher Kaufläche in jedem Siefer bilden das Sebi. Der breite und Fräftige, zwijchen den Augenhöhlen eingezogene Schädel hat große sochbogen und außerordentlich entiwicelte Schläfenbeine. Hart Merriam hat den „Pocket-Gophers“, wie die Amerikaner die Tajchenratten nennen, eine eingehende Studie gewidmet („North American Fauna“, Ver. 8, 1895). Ein- feitend enttwidelt er den Leibesbau aus den Erfordernijjen des unterivdijchen Lebens, das jie alle führen; deshalb find auch alle die zahlreichen Arten äußerlich jehr gleichförmig. E3 jind furzbeinige, dDicleibige Tiere ohne deutlich abgejegten Hals, ohne jichtbare äußere Ohren und mit jehr Heinen Augen. Die Füße find ftark entwicelt zum Graben; die VBorderfühe bejonders Fräftig, mit langen, Kummen Srallen bewaffnet, deren Zujtand vom Alter des 236 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Tajchenratten. Tieres abhängt und von dem Boden, in dem es arbeitet. Sie wachjen lebenslänglich weiter, und ihre Spigen nußen fich in hartem Boden ab, jo daß fie di und ftumpf werden; in jandigem Boden finden fie nicht genug Widerftand und werden dann länger und jchmäler, als natürlich ft. Die Zehen find an den Seiten mit Borjtenreihen bejeßt, die offenjichtlich verhüten, daß Erde zwijchen die Finger fonmımt. Der mittellangd Schwanz ijt dic, fleijchig, gewöhnlich Haarlos und mit empfindlichem Taftfinn begabt. Beim Graben gebrauchen die Gopher ihre mächtigen oberen Nagezähne wie eine Hade, um die Erde aufzulodern. Zugleich leiten die Vorderfühe eine doppelte Tätigkeit, jie graben und drüden die Erde rück- ärts unter den Körper, während die Hinterfüße Dieje noch weiter zurücichteben. Wenn das Tier eine genügende Menge Hinter jich angehäuft hat, dreht e3 jich plößlich in der Nöhre um, und indem es die Handgelenfe unter dem Kinn zujammtenlegt, die Handflächen aber jenfrecht jtellt, drängt es fich jelbjt mit den Hinterfüßen vorwärts und jchtebt Die Erde nach born hinaus ins Freie. Dort bildet dieje dann einen Fleinen Hügel, ähnlich wie ein Maul- wurfshaufen. Viele Arten haben eine nadte Schwiele oder Najenmwulit auf der Borderhälfte der Naje, die beim Graben der Röhren ebenfalls tüchtig helfen muß. Wenn dieje Schiele itarf entwidelt ift, find die unterliegenden Najenbeine hoch gewölbt oder aufgetrieben. Ein Gopher aus Vermont in Teras, Geomys lutescens Merriam, den Merriam einige Monate lebend hielt, überrajchte ihn jehr dadurch, daß er ebenjo rajch und leicht rückwärts laufen fonnte wie vorwärts. Dies machte fich bejonders bemerkbar, wenn das Tier im eigenen Quartier einem Laufgang oder jonjt gewohnten Wege folgen fonnte. Wenn es Futter nach einem feiner Zagerräume brachte, drehte es fich jelten um, fondern lief ge- wöhnlich rücwärts zu dem Lagerplaß, fehrte zurüd, um mehr zu holen, und wiederholte dies immer wieder, an ein Weberjchiffchen auf feiner Bahn erinnernd. Der Schwanz tft nadt bei den meilten jüdlichen Arten und mehr oder weniger be- haart bei den nördlichen; die legteren haben im Winter viel mehr Haare am Schwanze als im Sommer. An dem vorgenannten lebenden Gopher jah Merriam, daß er beim Nücdwärtslaufen feinen Schwanz als Tajtwerfzeug gebrauchte. Wenn der Gopher auf weichen Boden läuft, hält er feine Vorderfüße mit den Sohlen nach unten wie andere Tiere; auf hartem Boden aber jchlägt er jie einwärts und läuft auf dem äußeren Sohlentande, jo daß ihm die langen Krallen nicht im Wege find. Man fan auch beobachten, daß die Borderfüße in der Ruhe ebenfalls oft jo gehalten werden. Wenn fie als Schaufel dienen, um Ladungen Erde oder Sand aus dem Wege zu jchaffen, werden fie unter die Bruft zurücgezogen, jo daß die Handgelenfe ganz nahe beieinander und Die langen Krallen nach außen jtehen. Die Lippen mit einer dünnen Behaarung ziehen fich in die breite Lücke zwischen Schneide- und Badzähnen hinein, io jte jich in eine Nute am Dach der Mundhöhle legen und ebenjo eine Abtrennung diejfer am Unterkiefer bewirfen, indem jie eine zwerchfellartige Teilung zwijchen Schneide- und Badzahnregion bilden. Die Offnung darin ift Hein, liegt ganz unten und fann vollftändig gejchlojfen werden entweder Durch die fleifchige Zunge oder Durch die haarigen Lippen jelbit, die jich aneinanderlegen und nur einen jenfrechten Schli lajjen. So ziehen fich die Lippen — wenn der Ausdrud „Lippen“ für dieje Fellfalten an- geimendet werden darf — rings um die unteren Nagezähne, an deren Grund das Fell hinten . angeheftet ift, jo daß es zurückgezogen werden fan. Dann läßt es einen freien Raum unter der Stelle, wo der Zahn aus feiner Höhle herbortritt und gibt dadurch den unteren Schneide- zähnen größere Freiheit beim Nagen. Bei der vor- und rüdmwärtsbohrenden Bewegung Tajchenratten. 237 des Kiefers bleibt das Fell anjcheinend auf der Stelle, während die unteren Nagezähne tafjch vor- und rüctwärts jpielen. Zived: diejer zwerchfellartigen Teilung, die die Mundhöhle in zwei Räume fcheidet, ift offenbar, Erde und Holzipäne vom Eindringen in den Mund abzuhalten, namentlich während der verjchiedenen unterivdiichen Tätigfeiten des Tieres. Die innen behaarten, außerhalb des Mundes im Gejicht jich öffnenden Badentajchen werden ausschließlich zum Futtereintragen benubt, nicht um Erde fortzujichaffen, wie oft irrtümlich vermutet wurde. Die Gopher jind „große Sammler” und tragen in ihren Borrats- fammern vielmal mehr zufammen, al3 fie verbrauchen fünnen. Die Badentajchen reichen riihtwärts bi3 zur Schulter und find jo befeitigt, daß fie nicht volfitändig ausgejtülpt werden fönnen, ohne dat diefe Verbindungen zerreigen. Während der hintere Teil der Tajche durch den Muskel zurücgehalten wird, der von ihr bis zu den Lendentwirbeln reicht, Fann die be- haarte Innenfeite, die den Gejichtsjeiten unter dem Auge und vor dem Ohre aufliegt, um- gefehrt und vorgejtülpt werden, jo daß fie wie ein Lappen von dem Mundtoinfel niederhängt. An feinem zahmen Gopher, der ihm Sartoffelitücichen aus der Hand frab, beobachtete Merriam, wie das Vorratsfutter in die Badentajchen gelangt. Die Art zu frejjen offen- barte eine ganz unerwartete Gejchieflichfeit im Gebrauch der plumpen Borderfühe und Klauen. Wenn der erjte Hunger gejtillt war, füllte das Tier eine oder beide Badentajchen. Seine Bewegungen waren fo rasch, Daß es außerordentlich jchwer war, ihnen zu folgen und genau zu jehen, wie die Sache vor jich ging. Der gewöhnliche Verlauf war folgender: ein Stück Kartoffel, Nübe oder anderes Futter wird mit den Schneidezähnen gefaßt und dann jofort in die VBorderpfoten weitergegeben, Die wagerecht gehalten werden, die Klauenjpiben gegeneinander gefrümmt. Wenn das Futter zerkleinert werden muß, wird es in diejer Haltung zugerichtet. Dann wird das Stüc rafjch quer über die Bade gejchoben mit einer Art wifchender Bewegung, die e3 in die offene Mündung der Tajche Hineinjtopft. Manch- mal genügt ein Wifch mit einer Hand; ein andermal werden wieder beide Hände gebraucht, namentlich wenn das Stüd groß ift. In jolhen Fällen ziehen die langen Krallen der einen Pfote den unteren Tafchenrand nieder, während mit der anderen das Futter hineingejtect wird. Das Merkwirdigjte bei dem ganzen Gebrauch der Tajchen ijt, wie jte entleert werden. Die Vorderfüße werden gleichzeitig jo weit Hinten an die Kopfjeiten gelegt, bis jie das Hinterende der Tajchen erreichen, dann werben fie fejt gegen den Kopf gepreht und rajch bortwärt3 gefchoben. Auf diefe Weije entleert fich der Inhalt glatt vor die Fühe des Tieres. Manchmal ist aber auch wiederholtes Streichen nötig. Das Gebiß ift ein hochjpezialifierter Mechanismus zum Zerjchneiden und Spalten der Nahrung; außerdem helfen die Schneidezähne aber nebenbei noch als Beil, Brecheijen und Hade die verichtedenartigen Hindernifje übertinden, die dem Tier entgegentehen, wenn e3 jeine Gänge in die verjchiedenen Bodenarten treibt. Im Einklang mit den ganzen merkwürdigen Anpaffungen des Schabeapparates fteht die bejondere Art und XLeije der Befejtigung der Zähne mittels der Knochenhaut der Zahnhöhle, derart, da dieje Die Zähne nicht einfach üiberkleidet, fondern nur den Zementbändern feit anhängt, die Schmelzflächen aber frei läßt. So ift jeder Zahn an einem oder mehreren jenfrechten Poljtern aufgehängt, welche jich von der Wurzel bis zum Zahnfleifch ausdehnen. Dieje Befejtigungsmeije jchüßt nicht nur den zarten Zahnpulp am Grunde vor Drud, jondern gibt auch den jchneidenden Nüändern eine höchjt wirffame Elaftizität. Bei den meilten Gopherarten fommen zwei Färbungen vor: eine bleigraue oder dunkle und eine Faftanien- oder gelblichbraune. Im ganzen genommen ift die braune Farbe 238 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Tafchenratten. bei weiten die gemöhnlichite. Das bleigraue Fell glänzt gewöhnlich mehr oder weniger metalliich und jpielt zumeilen jogar in den Negenbogenfarben: eine Eigentümlichkeit, die jich bei unterirdischen Säugern mehrfach findet! Manche Arten mweijen je nach der Sahres- zeit zwei jehr verjchtedene Färbungen auf. So fehlt 3. B. manchmal in Sommer der dunkle NRücenftreif, und das fann nicht immer Folge der Abnugung der Haare fein. Gejchlechtsunterjchiede in der Größe und den Merkmalen des Schädel3 gehen durch die ganze Gattung Durch und find bei manchen Arten außerordentlich jtarf ausgebildet. Die Weibchen find immer bedeutend Feiner als die Männchen. Bei den Tajchenratten im engjten Sinne (Geomys Raf.) zeigen die oberen Schneide- zähne eine Jurche in der Mitte und find die Ohren verfümmert. Won den vielen Arten, die man neuerdings unterjchieden hat, mag uns die am beiten befannte ein Bild der Familie geben. Die Tajchenratte oder der Gopher, wie er im Lande jelbit heißt, Geomys bur- sarius Shaw (canadensis), ijt etwas Feiner als unfer Hamfter, jamt dem 6,5 cm langen Schwanze35 cm lang, und jteht in der äußeren Erjcheinung etwa zwischen Hamjter und Maul- wurf mitteninne. Der Pelz ijt ungemein dicht, weich und fein. Die Haare jind an ihrer Wurzel tief graublau, an ihren Spiten rötlich auf Der Oberjeite und gelbgrau auf der Unter- jeite; der Schwanz und die jpärlich behaarten Füße Haben weifliche Färbung. Der Name Gopher wird übrigens in einzelnen Gegenden auc) verjchtedenen anderen Nagern (Ziejeln) beigelegt, und die Tajchenratte dann als „„Pocket-Gopher“ unterjchteden. Der Gopher verbreitet jich über das öjtlich von dem Feljengebirge und weitlich vom Maffiiitppt und zwijchen dem 34. und 52. Grad nördl. Breite gelegene Land. Er führt ein unterirdische LZeben und wirft Haufen auf, Die denen unjeres Maulwurfs jehr ähneln. Manchmal geben feine Wiühlereien der Oberfläche beinahe das Ausjehen gepflügter Felder; zu anderen Beiten, zumal im Winter, bemerkt man jeine Tätigfeit faum. Bloß während der warmen Jahreszeit fommt er ab und zu einmal auf die Oberfläche der Erde; die falte geit jcheint er zu verjchlafen. Namentlich Audubon und Bachmann bejchreiben fein unter- iwdiiches Leben ziemlich genau. „Sm einem Garten, in welchem wir mehrere frijch auf- geiworfene Hügel bemerften, gruben wir einer Tafchenratte nach und legten Dadurch mehrere ihrer unterivdischen Gänge nach den verjchiedeniten Richtungen hin bloß. Einer von den Hauptgängen verlief ungefähr 30 cm tief unter der Erde, außer wenn er die Gartenmege freuzte, wo er dann tiefer janf. Wir verfolgten den ganzen Gang, welcher Durch ein breites Gartenbeet und unter zwei Wegen hinweg noch in ein anderes Beet verlief, und fanden, daß viele der beiten Pflanzen durch diefe Tiere vernichtet worden waren, indem te Die Wurzeln gerade an der Oberfläche der Erde abgebijjen und aufgefrejjen hatten. Die Höhle endete in der Nähe der Pflanzung unter einem Nojenbujche. Hierauf verfolgten wir einen anderen Hauptgang, der bi3 an das Gemwurzel eines großen Buchenbaumes lief; hier hatte die Natte die Ninden abgenagt. Weiter und weiter unterjuchend, fanden wir, daß viele Nöhren vorhanden waren und einige von ihnen aus dem Garten hinaus in das Feld und in den nahen Wald führten, wo wir dann unjere Jagd aufgeben mußten. Die Haufen, welche dieje Art aufwirft, find ungefähr 30—40 cm hoch und Stehen ganz unregelmäßig, manchmal nahe beieinander, gelegentlich auch 10-, 20-, ja jogar 30mal weiter entfernt.“ tere Gänge find innen feitgefchlagen, die friichen nicht. Hier und da zweigen fich Neben- gänge ab. Die Kammer wird unter Baummurzeln in einer Tiefe von etwa 1,5 m angelegt; Gopher. 239 die Nöhre ent jich fchraubenförmig zu ihr hinab. Dieje Kammer ift groß, ganz mit weichem Grafe ausgefleidet, einem Eichhornneite nicht unähnlich, und dient Dem Tiere zum Ruhen und Schlafen. Das Neft, in dem das Weibchen Ende März oder Anfang April jeine 5—7 Jungen zur Welt bringt, ift der Kammer ähnlich, jedoch innen noch mit den Haaren der Mutter ausgekleivet. Wie öfter das Neft des Maulmurfes umgeben esNundgänge, von denen aus die Röhren fich abzweigen. Bom Nefte aus führt ein Gang zu einer größeren Höhlung, der Borratsfammer. Sie ift gefüllt mit Wurzeln, Erdfrüchten (Kartoffeln), Nüjjen und Sämereien. In den Morgenftunden bon 4 bis 10 Uhr arbeitet die Tajchenratte am eiftigjten Se ser G Mönlzet u Kadun — u > —S — = ed Far en. —Zym sn ee a geeae Z , E — 2007 —— Zu ue TEE u — > a — 2 ___ x — —_ Tajhenratte, Geomys bursarius Shaw. Ya natürlicher Größe. am Weiter- und Ausbau ihrer Wohnung, unzweifelhaft in der Abjicht, jich mit Speije zu verjorgen. Wenn der Ort reich an Nahrung ift, werden in diefer Yeit 3-5 m Höhlung her- geitellt und 2-5 Hügel aufgeworfen; im entgegengejeßten Falle durchwühlt das Tier größere Streden und arbeitet länger. Zumeilen unterbricht eS die Arbeit wochenlang; es jcheint dann von den aufgejpeicherten Vorräten zu zehren. Beim Aufwerfen der Erde, das der Gopher nach Art de3 Maulwurfes bewerkitelligt, läßt er feinen Leib jo wenig als möglich fichtbar werden und zieht fich augenbliclich wieder in die jichere Tiefe zurüd. Auf dem Boden erjcheint er, um jich Dürces Gras für feinen Wohnraum oder das Veit zu jammeln und, nad) Audubon, um fich zu fonnen. Sein vortrefflicher Geruch und das ausgezeichnete Gehör fichern ihn hier vor Überrafchungen; bei vermeintlicher Gefahr jtürzt er fich augen- blielich in die Tiefe, auch wenn er fich exjt durch Neugraben eines Schachtes den Eingang erztvingen müßte. Gopherbauten jcheinen weder Anfang noch Ende zu haben, jagt Vernon Bailey. Sie werden von Jahr zu Jahr ausgedehnt und vergrößert, und oft mißt, was ein 240 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Tafchenratten. einzelnes Tier gewühlt hat, eine englische Meile und mehr, wenn man es in eine gerade Linie überträgt. Am Ende des Jahres mag man den Gopher oft feine zwanzig Nuten von der Stelle finden, wo er ausging; aber er wandert eben nicht mit dem Kompaf. Set geht er einige Fuß weit nach einer zarten Wurzel, dann wendet er jich zur Seite, jtößt auf einen Stein und macht eine zweite Wendung. Eine Schicht weichen Bodens treibt ihn wieder in eine andere Richtung und jo weiter durch taujend Frumme Umwege. Dr. Goode bejchreibt das Wühlen jelbft folgendermaßen: Die Gopher graben durch Bohren mit der Nafe und tajches Schaufeln mit den langen, Frummen Vorderklauen, während die Hinterfühe durch Stoßen mithelfen. Ste jchieben die Erde unter dem Körper weg und jchleudern jie mit großer Kraft nach Hinten auf eine Entfernung von 20—25 cm. Sn jeinen Röhren foll jich der Gopher mit der Hurtigfeit des Maulwurfes bewegen. Beim Frejien jest er jich oft auf die Hinterbeine nieder und gebraucht Die vorderen nach Eichhörnchenart. Zum Schlafen rollt er jich zufammen und birgt den Kopf zmwijchen den Armen an der Bruft. Seine erjtaunlich großen Badentajchen treten, wie bei anderen Nagern auch, mehr und mehr nach außen hervor, je voller jie werden, und gewinnen dann eine länglich-eifürmige Geftalt, Hängen aber niemals jadartig zu beiden Seiten der Schnauze herab und erjchweren dem Tiere feine jeiner Bewegungen. Die gefammelten Nahrungs- vorräte jchüttet e3 zumeilen gleich von außen her durch einen jenfrechten, jpäter zu ver- itopfenden Schacht in jeinen Speicher. Der Schaden, den der Gopher anrichtet, fann jehr bedeutend werden. Das Tier ver- nichtet zuweilen Durch Abnagen der Wurzeln Hunderte von wertvollen Bäumen in wenigen Tagen und vermwültet oft ganze Felder durch Anfrejjen der von ihm jehr gejuchten Stiuollen- früchte. Deshalb wird der Menjch auch ihm, das jonjt nur vom Wafjer oder von Schlangen zu leiden hat, zum gefährlichiten Feinde. Man jegt dm Maulmwurfsfallen aller Art, nament- (ich Heine Tellereifen. Groß ist die Anjtrengung gefangener, jich zu befreien, und gar nicht jelten, freilich aber nur nach Verluft des eingeflemmten Beines, gelingt ihnen jolches. YAudubon hat mehrere Tajchenratten wochenlang gefangen gehalten und mit Sinollen- gemwächjen ernährt. Sie zeigten jich überrajchend gefräßig, verjchmähten Dagegen zu trinken, obgleich ihnen nicht bloß Wafjer, jondern auch Milch geboten wurde. An ihrer Befreiung arbeiteten jie ohne Unterlaß, indem jie Kijten und Türen zu durchnagen verjuchten. Stlei= dungsitüde und Zeug aller Art chleppten fie zufammen, um jich ein Lager davon zu bilden, und zernagten es natürlich. Much Lederzeug verjchonten fie nicht. Einmal hatte jich eine bon Audubons gefangenen Tajchenratten in einen Stiefel verirrt: anjtatt umzufehren, fraß fie jich an der Spibe einfach Dur). Außer der Fortpflanzungszeit leben die Gopher einzeln. Sie find jehr angriffsluftig und fämpfen nicht nur heftig untereinander, jondern gehen auch ohne Zögern auf den Menjchen [o3, wenn er jie fern vom Bau überrascht und fangen will. Diejes jtreitbare Üejen liegt in vielen Nagern drin, und zwar naturgemäß in denjenigen, die zum lüchten nicht gewandt genug jind. Auch der wohlbefannte deutjch-amerifanische Beobachter und Vogelwirt Nehrling hat über den Gopher in Texas Erfahrungen gejammelt. „Unter den Nagetieren ijt dem teranischen Farmer feines fo verhaßt wie der ‚Salamander‘.” So heißt der Gopher merk- mwürdigerweife im Süden der Union. „Ullerwwärts, namentlich an den fruchtbariten Stellen der Felder, jieht man die frifch ausgefchartten Erohaufen. Die Eingänge zur Wohnung jind immer ziezad- oder fchraubenförmig, jo daß das Wafjer nicht leicht eindringen fann. Gopher. Blindmauz. 241 Sc fand in den Borratsfammern große Kartoffel und Bataten, Erdnüfjfe, Maisförner und =folben, Hafer ujw. €3 ijt rätjelhaft, wie die Heinen Tierchen die großen Kartoffeln und Bataten einzujchleppen vermögen! E3 jind jehr jcheue Tiere, die fich nicht Leicht bei ihrem Tun und Treiben überrumpeln lajjen... Wenn man einen gefangenen Salamander auf einer freien Stelle laufen läßt, jo jucht er nicht zu entrinnen, jondern er fcharrt mit bewunderungswürdiger Schnelligkeit, anjcheinend mit allen vier Füßen zugleich, einen Eingang in die Erde, und im Nu ift er dem Auge des Beobachters entjchwunden.” * Wir fehren jebt nach der Alten Welt zurüd, um hier die übrigen Erdwühler und Wurzelfrejjer anzureihen, joweit jie nicht zu den Wühlmäufen im wiljenjchaftlichen Sinne gehören: die Blindmausartigen oder Wurfmäufe. &3 find ungejtalte, häßliche, fait ganz unterirdiich lebende Nager. Der Leib ijt plump und walzenförmig, der Kopf Di, breit, flachitirnig und ftumpfjchnauzig; die Augen find außerordentlich Klein oder liegen gänzlich unter der äußeren Haut verborgen; die jehr Fleinen Ohren entbehren meijt äußerlich ficht- barer Mufcheln; meijt fehlt auch der Schwanz oder ijt im Pelze veritect. Die fünfzehigen Süße find fait gleichmäßig entwidelt, aber doch, wie bei den Maulwürfen, die vorderen jtärfer al die hinteren. An dem Hinten fehr breiten, vorn abjichüffigen Schädel fällt befonders der in zwei ungleiche Üfte geteilte Sochfortjat auf. Das Schlüffelbein ift fehr Fräftig, der Oberarm breit und jtark. Die Schneidezähne find breit und flach, die 3, 4 oder 6 Bad zähne in jedem Siefer gefaltet und mit Wurzeln verjehen oder wurzellos. Die Wurfmäufe bewohnen meiit trodene Ebenen der Alten Welt und durchwühlen nach) Art der Maulwürfe den Boden auf weite Streden hin. Keine Art lebt gejellig; jede wohnt einzeln in ihrem Bau und zeigt auch das mürtische, einfiedlerische Wejen des Maul- wurfes. Lichtjcheu und unempfindlich gegen die Freuden der Oberwelt, verlajjen die Wurf- mäufe nur höchit jelten ihre unterirdifchen Gänge, arbeiten meijtens auch hier nicht einmal während des Tages, jondern Hauptfächlich zur Nachtzeit. Mit außerordentlicher Schnellig- feit graben jte, mitunter jogar jenfrecht, tief in den Boden hinein. Auf der Erde ungemein plump und unbeholfen, bewegen jte jich in ihren unterivdiichen Gängen bor- und rückwärts mit fajt gleicher Gewandtheit. Shre Nahrung beiteht nur in Pflanzen, meistens in Wurzeln, Knollen und Siviebeln, die jte aus der Erde wühlen; ausnahmsweife frejjen einige auch Gras, Rinde, Samen und Nüfje. Die in falten Gegenden wohnenden jammeln fich ziwar Nahrungsporräte ein, verfallen aber nicht in einen Winterfchlaf, fondern arbeiten rüjtig weiter zum Nachteile der Felder, Gärten und Wiejen. Glüdlicherweije vermehren fie ich nicht jehr ftarf, fondern werfen bloß 2—4 Junge, für die fie ein Nejt herrichten. sn Trouejjarts Supplement werden zwei Familien, Blindmausartige und Gand- mulfartige (Spalacidae und Bathyergidae), unterjchieden. Die Blindmansartigen in diejfem engeren Sinne (Spalacidae) jesen jich wieder zujammen aus den eigentlichen Blindmäufen (Spalacinae), bei denen die verfümmerten Augen vom Fell überzogen find, und den Wurzelmäufen (Rhizomyinae), die zivar offene, aber jehr Feine Augen haben. Die befanntejte Art der Gattung Spalax Güld. ift die Blindmaus, Spalax typhlus Pall. (Taf. „Nagetiere IX“, 3 u. 4, bei ©. 248). Der Kopf ift jtumpfjchnauzig und ftärfer Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 16 242 „ 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Blindmausartige. als der Aumpf, der kurze, unbewegliche Hals fo Did wie der Schiwanzloje Leib; die Beine find furz, und die Füße haben ziemlich Schwache Zehen und Strallen. Die Blindmaus wirhlt auch mehr mit dem Kopf al3 mit den Gliedmaßen. Die faum mohnforngroßen Augen liegen unter der Haut, fünnen alfo zum Gehen nicht benußt werden. Die Körperlänge beträgt 20 cm. An dem Ddiden Kopfe ift der Schädel abgeplattet, die Stirn flach, Die Schnauze jtumpf gerundet, die Nafe dick, breit und Fnorpelig, mit runden, weit auseinander jtehenden Löchern. Gewaltige, dicke und gleichbreite, vorn meißelartig abgejchliffene Nagezähne ragen tveit aus dem Maule hervor; die drei Badzähne in jedem Stiefer zeigen feine Schmelzbuchten, und ihre Kauflächen ändern fich, jobald die Zahnkronen jich abzufchleifen beginnen, ununter- brochen. An den Borderfühen jtehen die Scharrfrallen weit voneinander ab und find nur am Grunde durch eine Furze Spannhaut verbunden. Der Schwanz wird durch eine fchrwach hervorragende Warze angedeutet. Ein dichter, glatt anliegender, weicher Pelz, der auf der oberen Seite etwas länger al3 auf der unteren ift, bedeckt den Körper; ftarre, borjten- ähnliche Haare bededen die Klopfjeiten von den Najenlöchern an bis zur Augengegend und bilden eine bürjtenartige Haarkante, die beim Wühlen eine Rolle fpielt. Die Zehen find nicht mit Haaren befleidet, die Sohlen aber ringsum mit ftarren, langen, nach abwärts gerichteten Haaren eingefaßt. m allgemeinen it die Färbung gelbbräunlich, ajchgraulich überflogen, der Kopf lichter, nach hinten bräunfich, die Unterfeite dunfel ajchgrau mit weigem Längsjtreifen an der Hinterjeite des Bauches und weißen Fledchen zwijchen den Hinterbeinen, die Mundgegend wie das Kinn und die Pfoten jchmußig weiß. Früher nahm man nur Ddieje eine Art an, deren geographiiche Berbreitungsgrenzen infolgedejjen jehr weit gezogen werden mußten, Europa, Ajten und Nordafrika umfpannten. Snzwijchen haben aber Nehring, Satunin und Mehely jich mit den Blindmäufen be- ichäftigt, und ihren genauen und erjchöpfenden Arbeiten verdanken wir es im wmejent- lichen, daß Süitematif und Geographie der Gattung heute ziemlich Flargeftellt und auc) zur Stammesgejchichte bereits einige Unterlagen vorhanden find. „Die Blindmäufe”, jchreibt Nehring, „fonmen einerjeits in Niederungsiteppen, jofern dieje frei bon Überfchtwenimunger find, ariderjeits auch in Hochiteppen vor. hr DVer- breitungsgebiet umfaßt das füdöftliche Europa, das weitliche Ajten und einen Kleinen Teil bon Afrifa (Unteräggpten).” 2.9. Mehely, der Säugetierkuftos des Budapeiter Mertonalmufenns hielt fchon 1904 auf dem Internationalen Zoologenfongreß zu Bern einen Vortrag über die Abftammung, die Phylogenie, der Spalax-Arten und teilt diefe (Brief an Hed) in „vrei Formenfreije” ein: „L. Spalax ehrenbergi Nhrg. Steine Formen mit rotbräunlidem Pelz. Tripolis, Ägypten, Paläftina, Syrien. 2. Spalax hungaricus Nhrg. Mittelgroge Formen mit grauem oder graurvötlichem Pelz. Stleinajien, Transfaufajien, Balfanhalbinfel, Dobrudicha, Ungarn. 3. Spalax microphthalmus @üld. Große Formen mit mausgrauem oder hell jilber- grauem Pelz. Galizien, Bufowina, Südrußland, Zisfaufajien, Sirgifenjteppen.” „Spalax typhlus Pall. geht in Sp. microphthalmus @üld. auf.“ 1908 hat v. Möhely dann in Prospalax priscus Nhrg. „Die plivzäne Stammform der heutigen Spalax-Atten“ entdeckt, Dadurch, daß er dieje älteite Wurfmaus, die Nehring nur al3 Art aufgeitellt hatte, an einem bejjer erhaltenen Unterkiefer aus dem Somitate Baranya al3 bejondere Gat- tung erkannte, von der die Übrigen abgeleitet werden fünnen. Für diefen bedeutungs- vollen Schluß waren dv. Mehely namentlich „die Form und Lagerung der Musfelfortjäße” Blindmaus. 243 an dem Unterkiefer maßgebend, und im bejonderen jcheint es ihm „zweifellos zu fein, daß der heutige Spalax ehrenbergi der unmittelbare Abfünmling von Prospalax tt”. Wie fait alle Wurfmäufe, wohnt auch die Blimdmaus in fruchtbaren Gegenden und hauft in unterivdifchen, weitverzweigten Bauen, deren Vorhandenjein man an zahlfofen Haufen ertennt. Lebtere find jehr groß, viel größer als die des Maulftwurfes, aber nicht hohe, jondern auffallend flache Hügel. Der ungemein twinflige Gang verläuft in geringer Tiefe unter der Oberfläche, Durchjchneidet feuchte, mit Wafjer förmlich gefättigte Täler, über- oder vielmehr unterjchreitet Bäche und Flettert an den Gehängen der Bergwände empor. Hier und da zweigt jich ein Nebengang ab, mündet wohl auch auf der Oberfläche. Während de3 Winter werden die Gänge jo dicht unter der Grasnarbe angelegt, daß ihre erdige Überwölbung Höchitens 2 cm did zu fein pflegt und der darüberliegende Schnee die eigent- liche Dede bildet. Die Blindmaus Hält feinen Winterfchlaf, arbeitet daher fortwährend, nach Berjicherung der Kirgijen am eifrigjten in den Mittagsjtunden und bei Sonnenfchein, am trägjten Des Morgens und bei Regen. Beim Graben foll fie die jtarfen Schneidezähne benugen, um da3 Wurzelwerf zu durchnagen und die Erde, die zwifchen den Wurzeln liegt, zu zerkleinern. Die losgejchartte Erde wirft fie mit dem Sopfe in die Höhe und fchleudert jie dann mit den Vorder- und Hinterbeinen zurüd. Sie lebt ebenjowenig gejellig tie der Maulwurf, viel häufiger aber in größerer Nähe mit anderen ihrer Art zufammen. Um die Beit der Paarung fommt fie manchmal, um fich zu fonnen, auch bei Tage auf die Ober- fläche, eilt jedoch bei vrohender Gefahr jchleunigjt wieder ihrem Baue zu oder gräbt fich, wenn jie nicht augenblidlich die Mündung findet, mit überrafchender Schnelligkeit in die Erde ein, im Nu den Bliden jich entziehend. Häufiger noch als in den Mittagsitunden foll jie am frühen Morgen und in der Nachtzeit aus ihren Gängen hervorfommen. Sp ungejchidt und täppijch, wie man gewöhnlich angibt, find Die Bewegungen der Blindmaus nicht. Wie je ich unterirdijch benimmt, hat man neuerdings im Berliner Garten an lebenden Eremplaren beobachten fünnen, die man in einem halb mit Erde ge- füllten Olasfaften hielt. Bei der Wühlarbeit fommt, wie zu erwarten, die merkwürdige Biürftenfante zur Geltung, die ji) vom Mundwinfel quer über die Baden zieht. Die Bürjtenfante wird einfach auf die Erde aufgejeßt und Dieje durch rafches Heben und Senfen des Kopfes weggejchoben. Die Füße und Strallen leijten Dabei wenig oder nichts, twie nach ihrer fchwachen Ausbidung jchon anzunehmen. Während die Sinne font wenig enttwidelt jein dürften, jcheint da3 Gehör eine her- borragende Nolle zu fpielen. Man hat beobachtet, dat die Blindmaus gegen Geräufch jehr empfindlich ift und hauptjächlich durch den Gehörfinn geleitet wird. Wenn fie jich im Freien befindet, fißt fie mit emporgerichtetem Kopfe ruhig vor der Mündung ihrer Gänge und laufcht Höchit aufmerkfjam nach allen Seiten hin. Bei dem geringiten Geräufch hebt jie den Kopf noch Höher und nimmt eine drohende Stellung an oder gräbt fich jenfrecht in den Boden ein und verfchtwindet. Wahrjcheinlich trägt auch der Geruch bei, den fehlenden Sejichtjinn bis zu einem gemwifjen Grade zu erfegen. Ihr Wefen jcheint mit dem anderer, wenig fluchtgewwandter Nager übereinzuftimmen. Man bezeichnet jie al3 ein mutiges und bijjiges Gejchöpf, das im Notfalle feine kräftigen Zähne in empfindlicher Weife zu gebrauchen weiß, ergriffen heftig jchnaubt und Fnirfcht und wütend um fich beißt. Eine von uns ge- fangene benahm jich ruhiger, verfuchte nicht, fich zu befreien, zappelte auch nur wenig, als wir fie im Genic gepackt hatten und feithielten. In dem ihr angemwiejenen Gefängnifje lief; jie ein jchwaches Quiefen vernehmen; andere Laute hörten wir nicht. 16* 244 8. Dridnung: Nagetiere. Familie: Blindmausartige. Die Blindmaus nährt ich, wenn nicht ausschließlich, fo Doch vorwiegend von pflanz- fihen Stoffen, bejonders von allerlei Wurzelwerf. Finden fich in ihrem Wohngebiete Pflanzen mit tiefgehenden Wurzeln, jo fenkt jie ihre Gänge im Winter bis unter die hart- gefrorene Krufte de3 Bodens, wenn nicht, jchürft fie jene flachen Wege dicht unter dem Schnee. Winterborräte hat man in ihren Gängen nocd) nicht aufgefunden, wohl aber Keiter, die aus den feinsten Wurzeln zufammengebaut jind. Sn einem folchen Neite wirft das Weibchen inn Sommer feine 2—4 Jungen. Die neuejten Beobachtungen, die uns durch Plesfes freundliche Vermittelung zugäng- (ich gemacht find, verdanken wir Sfilantjeff aus dem Wolgagouvernement Saratow und Nojifor aus dem nördlichen Kaufajus (Terefgebiet). Sfilantjeff berichtet: „Der Blindmoll bewohnt allenthalben die Schwarzerdeiteppen und bevorzugt die Geländejenfungen. Die Haufen haben einen Durchmejjer von 14—21 Zoll (35—55 em); ich zählte bi3 64 folcher Hügel in einer Neihe. Am Tage, zur heißeiten Zeit, trifft man den Blindmoll wohl auch auf der Erdoberfläche, wobei man jeinem ganzen Benehmen leicht anmerft, daß man e3 mit einem blinden Tiere zu tun hat. Er bewegt jich nämlich jtet3 in gerader Linie vorwärts, ebenfo über die Steppe wie auf einem Fahrmwege, wo er Gefahr läuft, überfahren zu werden. Bei diefen Spaziergängen hebt er häufig den Kopf mit den wulftigen Baden und horcht, ob Gefahr im Anzuge it. Beim geringsten Geräufche wendet er den Kopf in die Richtung der vermeintlichen Oefahr, nimmt eine Kampfitellung an und bringt, wenn es ihm gelingt, jeinen Feind zu erreichen, diejem mutig Bißwunden bei, die man nicht fo Leicht vergißt.” Nofjikomw jchreibt: „Der Blindmolf fehlt im nördlichen Kaufafus nur der Höchiten Alpen- region... Er hält feinen Winterjchlaf und zieht jich zur Winterzeit nur tiefer in die Erde zurüd: im Januar grub ich einen Blindmoll aus einer Tiefe von 11 Fuß (gegen 4m) heraus. sn der Ebene haben die Blindmolle Ende Mat alten Stiles bereits volljtändig entwidelte Sunge, die, während man ihnen nachgräbt, fich rafch-in der Erde verflüften. Jm Gebirge erbeutete ich am 23. Juni a. ©t. ein trächtiges Weibchen mit 3 Embryonen. Gr der Ge- jangenjchaft hielten alt eingefangene nur wenige Tage aus; die Jungen lebten etiva einen Monat, gingen aber dann troß jorgfältiger Pflege ein.” Der Blindmoll fügt dem Menfchen im ganzen geringen Schaden zu, obgleich ihm viel Böfes nachgejagt wird. Die Auffen nennen unfere Wurfmaus übrigens Slapufch oder die Blinde; in Galizien heißt jie Ziemnibifaf und in Ungarn Földi-fölöfk. * Bei den indijch-oitafrifanifchen Wurgelratten (Rhizomyinae) erjcheint die Anpaf- jung an ein unteriwdifches Wühlerleben noch weniger weit getrieben: jie haben, wenn auch fleine, jo doch offene Augen, Furze, äußere Ohren und einen fichtbaren Stummel- oder halblangen Schwanz. Schädel- und Gebißunterjchtede find natürlich auch vorhanden, und die indischen und afrifanischen Angehörigen der Unterfamilie teilen fich nach den beiden Gattungen Rhizomys und Tachyoryctes. Die indiihen Wurzelratten (Rhizomys Gray) haben vorn nur eine jehr Eleine, ver- fümmerte Daumenzehe, die aber eine Stralle trägt. Der Schwanz ift alfermeift nadt, nur mit wenigen zerjtreuten Haaren bejeßt, aber nicht bejchuppt, 1/,—!/, jo lang wie Kopf und Nunpf zufammen. Die mächtigen Nagezähne find glatt, vorn braun gefärbt. „Die Bad- zähne gleichen am meijten denen von Spalax... Der Schädel hat eine jehr ausgezeichnete Form, zunächit an Spalax fich anfchließend.” Blindmaus. Wurzeltatte. 245 Sn Britiich-Indien fommen drei Arten vor; eine füdchinefijche, 1000 m hoch gejam- melt, und eine ofttibetanijche aus Mupin fchliegen jich an. Bom Freileben aller weiß man nur wenig, und in die Zoologijchen Gärten fommen fie hHöchit jelten. „Die Wurzeltatte”, ichreibt Hed in feinem Begleitwort zu der erjten Abbiloung einer lebenden Wurzeltatte, die Heinroth auf dem Heimmeg von feiner Neuguinea-Erpedition dem Berliner Garten mit- brachte („Sluftr. Ztg.”, 1902), „it bei näherem Zufehen ein ganz abjonderlicher Nager mit dem mächtigen, eigen, in manchen Anfichten wie ‚stiliftert“ wirkenden Kopfe und den durch die breitgejpaltene Dberlippe fait in ihrer ganzen Länge bloßliegenden Meifelzähnen. Ber- möge ihres dien Kopfes, ihrer etiva rattengroßen, aber viel plumperen und jchwereren ers T— => 2 Mm r — _- Zr ar F—— m = — Er = — — a mu! = -- — _—— Tzuf [Neumann = nz m.® Leben zer» Große Wurzelratte, Rhizomys sumatrensis Rafl. 1/5 natürlider Größe. Öeftalt, ihrer furzen Beine und ihres halblangen Schwanzez, dejfen Haut wie beim echten Nattenichwanz ringelförmig eingefchnürt ist, muß die Wurzelratte fozufagen als die Bull- dogge erjcheinen unter den verjchiedenen Gattungen der unterirdifch lebenden, nach Aur= zen grabenden Nager, die von allen die größten Kraftitücde vollführt. Ihre Füße mit den weichen, beim Laufen gejpreizten Zehen und den verhältnismäßig Furzen Strallen jind allerdings nicht gerade auffallend ausgebildete Grabfüße, und es ift aljo auch möglich, daß fie in den Sumpfdidichten ihrer Heimat mehr oberirdifch lebt; darauf deutet ihr zweiter Name ‚Bambusratte‘ Hin, und wenn fie wirklich die harten Bambusitengel abnagt (um zu den zarten Schößlingen zu gelangen?), jo Kann fie ja ihre riefigen Schneidezähne prächtig gebrauchen.” &3 ift aber auch möglich, daß die Nagezähne beim Graben gebraucht werden. Vielleicht leiften fie Dabei fogar die Hauptarbeit, die Erde zu lockern und loszubeigen? Diejer Gedanfe drängt fich angefichts der Schwachen Füße und Krallen jchon bei den Blindmäufen auf, und er fehrt hier verjtärft wieder, zumal wenn man jich erinnert, daß die Beobachter die Nagearbeit des amerifanijchen Gophers in diejer Weije bejchreiben, und daß bei ihm 246 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Sandgräberartige. die Zmweiteilung der Mundhöhle jchon auf Abweichungen vom gewöhnlichen Gebrauch der Zähne hindeutet. Hed jchließt: „Was die Wurzelratte mit diejen fürcchterlichen Werkzeugen feiften fann, hat fie ung bereit3 gründlich gezeigt... Sch rate jedem Kollegen dringend, eine Wurzelratte nur hinter Glas und Eifen zu halten, und beides recht dick und derb zu wählen; fie befreit jich jonjt in einer Nacht und bewältigt Dabei Leijtungen im Nagen, die wirklich ans Unglaubliche grenzen.” Auch der Negierungsapothefer Willens, ein verdienter Freund des Berliner Zoologijchen Gartens, weis davon ein Lied zu fingen. Er jchreibt (Brief an Hecd, 1904): „Einmal jchon habe ich Das Tier mit großer Mühe aus der Tiefe meiner Grund- mauern tvieder ausgraben müfjen. Weder jtarfer Draht, noch beites Holz Fanı feinen rie- figen Nagezähnen widerjtehen. Deshalb muß jest eine Zinkfilte ihm als Wohnung dienen.” Die größte Art it die Große Wurzel- oder Bambusratte, Rhizomys sumatrensis Raffl. (Abb., ©. 245; Kopf und Rumpf werden zufammen zmwijchen 40 und 50 cm lang), aus Sumatra und Hinterindien, namentlich der Halbinjel Malaffa und Siam, Tenafferim. Die Entdefung, dat e3 auch in Afrika Wurzeltatten gibt, verdanken wir dem Frank furter Abejjinienforjcher Nüppell, der für fie auch jchon Die befondere Gattung Tachy- oryctes Rüpp. aufgeitellt hat. Die älteite Art, T. splendens Rüpp., der Glänzende Schnellwühler, wie die Überjegung des mwifjenfchaftlichen Namens lautet, nach feinem zimtfarbigen, im Leben goldglänzenden Felle jo genannt, gehört auch zur deutjch-vitafrifa- nijchen Säugetierwelt. * Die neuerdings al3 jelbjtändige Samilie betrachtete Gruppe der Sandgräberartigen (Bathyergidae) oder Maulwurfsratten fennzeichnet jich vor den vorhergehenden Durch gemwilje abweichende Formverhältnijje des Unterktefers und das Gebiß, in dem Lüc- zähne auftreten können. 3 find echt afrikanische, nur auf die Athiopifche Region füdlich ver Sahara bejchränfte Nager und zugleich die legten, die durch ähnlich weitgetriebene Anpaffung an ein unterivdiiches Wühlerleben im Hußeren an den Maulwurf erinnern. Hierher gehören: die Strandgräber oder Sandmulfe (Bathyergus), die Erdbohrer oder Blekmulle (Oattungen Georhychus und Myoscalops) und die Nadtmulle oder Kahl tatten (Heterocephalus). Der Strandgräber, Sandmull, Bathyergus maritimus @m., die befanntejte Art der Gattung Bathyergus IZ., ift ebenjo unfchön wie die übrigen hierhergehörigen Tiere, plunp gebaut, mit walzigem ARumpfe, breitem, ftumpfen Sopfe, ohne Ohrmufcheln, mit jehr Kleinen Augen und breiter, Inorpeliger Najenjpise, Hirzen Beinen und fünfzehigen, durch riefige Scharrnägel bewehrten Pfoten. Born it die zweite, Hinten die dritte Zehe die (ängjte. Der Pelz ift dicht, außerordentlich weich und fein; lange, ganz jteife Schnurren umgeben den Kopf; der jtummtelhafte Schwanz trägt einen ftrahligen Haarbüfchel. Auf- fallend lang find die weit vorragenden, Schwach gebogenen, weißen Nagezähne, Deren oberes Paar durch eine tiefe Rinne förmlich geteilt it. Unter den vier Badzähnen in jeden Kiefer it der Hinterjte der größte. Die allgemeine Färbung des Pelzes ift weiß, oben gelblich, unten grau überlaufen. Die Länge beträgt einjchlieglich des 5 cm langen Schwanzes 30 cm. Der Strandgräber ift über einen verhältnismäßig Heinen Teil Südafrifa verbreitet; am häufigiten findet er fich am Vorgebirge der Guten Hoffnung. Sandige Küftengegenden Wurzelratte. Schnellwühler. Strandgräber. Kapijher Blegmull. 247 bilden jeinen Aufenthalt, und jorgfältig meidet er jeden feiteren und pflanzenreicheren Boden. Sein Leben ift unterirdijch. Er gräbt jich tief im Sande lange, verzmeigte Röhren- gänge, Die von mehreren Mittelpuntten ausjtrahlen und untereinander vielfach verbunden find. KReihenweije aufgeworfene Haufen bezeichnen ihren Berlauf. Die Gänge find weit größer al3 die des Mauiwurfes, da das fait Hamftergroße Tier jelbftverjtändlich Röhren von größerem Durchmefjer graben muß. Wie es jcheint, ift der Strandgräber emjig bemüht, überall dem Eindringen der äußeren Luft zu wehren, tie er denn überhaupt ein im Höchjten Grade Lichticheues Gejchöpf it. Kommt er durch irgend- einen Zufall auf die Erde, jo fan er faum entfliehen. Er verjucht dann, jich auf Höchit unbeholfene Art fortzufchieben, und zeigt jich ängjtlich bemüht, wieder in die Tiefe zu ge- langen. Greift man ihn an, jo jchleudert er heftig den Vorderleib umher und beißt wütend um fi. Die Buren Hafjen ihn außerordentlich, weil er den Boden jo unterwühlt, daß häufig die Pferde von oben durchtreten und Gefahr laufen, die Beine zu brechen, ja, daß jelbjt Menjchen jich bejchädigen. Gewöhnlich wirft er morgens um 6 Uhr oder nachts um 12 Uhr feine Haufen auf. Dies benugen die Buren, um ihn durch Selbitjchüifje zu vertilgen, die fie mit einer Mohrrübe oder anderen Wurzel füdern. uch leitet man Wafjer in feine - Baue, um ihn zu erjäufen. Er nährt fich von Knollen und Wurzeln. Erdbohrer von der Gattung Georhychus ZU. gibt e3 eine ganze Reihe verjchiedener Arten, die vom Kap bis Togo und zum Blauen Nil reichen, in Deutjch- DOjtafrifa aber zum Teil durch die nächjtvervandte Gattung Myoscalops T’hos. vertreten werden; leßtere unterjcheidet jich dadurch, daß fie nicht nur 1, jondern gewöhnlich 3 Lüdzähne hat. Bei Georhychus fann aber der eine auch noch fehlen, und Myoscalops fann nur 2 haben. Die oberen Nagezähne find vorn glatt. Die Erbbohrer find äußerlich dem Strandgräber jehr ähnlich, aber erheblich Heiner und Durch ganz Heine Krallen ausgezeichnet. Das läßt darauf ichliegen, daß auch die Erdbohrer, wie die Blindmäufe, mehr Kopf- als Strallenmwühler find, worauf ja ihr Name „Exrdbohrer” ebenfalls jchon Hindeutet. Die Mehrzahl der Arten hat gewöhnlich, aber nicht immer, einen weißen Fled oben auf dem Sopfe, und dieje Blep- mulle find auch die größeren, ungefähr 20 cm, die anderen Arten, die nie eine Blejje haben, nur etwa 12 cm lang. ; Der Kapiiche Bleßmull, Georhychus capensis Pall., it oben rojtbraun, an den Seiten blafjer, unten bleigrau, auf dem Kopfe dunkler, fat [chwarz; um Naje und Wiund, um die Augen und Ohröffnungen und oben auf dem Kopfe ftehen Gruppen weiher Tlede. Das Fell ift weich und dicht; äußere Ohren fehlen; der Schwanz ift fehr kurz, did und walzig, mit weißen, jteifen Borjten bejebt. „Der Blegmull findet fich jowohl in der unbebauten Sandmwüijte als im Kulturland und wühlt hier auf diefelbe Art wie der Sandmull, indem er in Ziwifchenräumen Erdhaufen aufwirft, die den Verlauf feiner Röhren anzeigen. Dieje gehen nicht tief in die Erde hinab und verzweigen fic) von Zeit zu Zeit in blind endigende Seitenröhren. Die Hauptröhre endet in einer rundlichen Kammer mit glatten Wänden. Hier jtapelt das Tier jeinen Yutter- borrat an Knollen und Zwiebeln auf. Auf dem Lömwenrumpfhügel, der gerade über Kap- jtadt Hinmweagfieht, ift die Häufigite Zwiebel die von Sparaxis grandiflora, einer \ridacee; hier wird man in jolcher Kammer den Boden bededt finden mit einer Lage trodener äußerer Hülfblätter der Zwiebeln und oben auf diejer eine Anzahl von Zwiebeln felbit; von allen 248 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Sandgräberartige. ‚it die Heine Stnojpe an Der Spike jorgfältig abgebifjen, jo daß fie nicht feimen fönnen. Jm tiefer Tiegenden Gelände jammeln die Blegmulle oft die Knollen der ‚Schweinelilie‘ (Ri- chardia) und, wenn ein Garten in der Nähe ift, Startoffeln, auf die fie ausnehmend erpicht zu fein fcheinen. Auch diefe verhindern fie am Keimen, indem jie die ‚Augen‘ abbeiken.” (W. 2. Sclater, „Mamm. 8. Afr.“) Das Tier überträgt aljo feinen ererbten Injtinkt auf eine eingeführte Stulturpflanze, die feinen Voreltern, als fie jich diejes zwedmäßige Ver- fahren aneigneten, völlig unbekannt war. Eine tierpfgchologijch Höchit bedeutfame Tatjache! Bon den größeren Arten mit weigem Kopffled fer noch der Damara-Blekmull, G. damarensis Og., erwähnt, weil er jedenfalls auch zur Tierwelt Deutjch-Süpwejtafrifas gehört. Aus Togo hat Matjchie einen G. zechi Misch. (Taf. „Nagetiere IX“, 1) bejchrieben und dem verdienten Gouverneur, Grafen ech, gewidmet. Was Deutjch-Dftafrifa und die Nachbarländer von Erdbohrern enthalten, gehört zu der zweiten Gattung, Myoscalops T'hos. Der Silbergraue Erdbohrer, M. argenteocinereus Pirs. (Taf. „Nagetiere IX”, 2), von Mojambif, Deutjch- und Britiich- Dftafrifa, tft, nach Böhm, „Häufig in den Feldern, findet fich aber auch im Walde. Einmal außerhalb der Erde, in die er jich mit außer- ordentlicher Schnelligkeit einzugraben verjteht, ift er Außerjt unbehilflich und vermag fich nur jehr langjam fortzubeiwegen. Gefangene jegen jich mit hochgehobenem Kopfe und grunzendem Fauchen heftig zur Wehr, und e3 fcheint die Wut, welche Durch ihren ganzen Körper zuct, jie fat wahnfinnig zu machen. Borgehaltene Stöcdchen zerjplittern fie mit einem einzigen Biß; Doch haben viele eine jo winzige Mundöffnung, daß jie nicht ordentlich zubeißen fönnen.” In dem Magen und Darmfanale fand Peters unter einer breiartigen Mafje zerjtücelte Leibesringe von Snfekten. (Matjchie, „Säugetiere DOAfTIfa3“.) Bofjeler Hat den Erdbohrer neuerdings al3 Schädling der Sifalhanf- und Kautjchur pflanzungen in Deutjch-Dftafrifa nachgewiefen und dabei nach eigenen Beobachtungen eine jehr anjchaufiche Schilderung feiner Wühlweije gegeben („Pflanzer”, 1907). „Er gräbt fich, wie der Maulwurf, Gänge im Boden und fucht fich dabei feine Nahrung. Ab und zu wirft er, wie der Hamiter und Maulwurf, Heine Erdhaufen aus. Das Graben gejchieht nicht allein mit den Fräftigen Vorderpfoten, wird vielmehr durch die Schneidezähne unterjtügt. Mit diejen pact das Tier ziemlich große Erdflumpen und Iodert die Erde. Die Borderpfoten ltoßen das losgelöfte Material den Hinterbeinen zu, die es weiter nach rüdwärts befördern. Bon Zeit zu Zeit wird Die nicht Durch Andrüden an die Seiten des Ganges zur Befeitigung verbrauchte Erde an Die Oberfläche gejchafft. Auf feinem Wege angetrosfene Wurzeln beift der Erdbohrer ab oder frißt Davon. Bejonders zujagenden Biljen, wie Manihot-, auc) Mhogofnollen und den jaftigen Wurzelitöden der Sijalagaven gräbt ernadh... Das Wühlen gejchteht ohne Haft, geht aber Doch ziemlich rafch vonftatten. Auch das Gehen auf dem Boden it langjam, unbeholfen. Außer Wurzeln fammelt der Erdbohrer auch Sämereien nebit Snjeften ein, weshalb er fich nächtlicherweile über Die Erde begibt... ©eitört, läßt das bon mir feit einiger Zeit beobachtete Junge einen Eläglichen, ch wachen Auf hören, jperrt daS Maul weit auf und Hält das Gebif dem Angreifer entgegen; e3 warf jich oft fait Ihhnelfend nach der Seite der Berührung, bil aber nicht in vorgehaltene Gegenjtände. ‘jede Erjchlitterung des Bodens läßt das Tier nervös zufammenzuden; fein Schlaf ft leicht und an feine bejtimmten Zeiten gebunden. Jr der Schlafitellung wird die Schnauze zwijchen die Vorderbeine verjenkt.” Nagetiere IX. 1. Zechs Bleßmull, Georhychus zechi Misch. !/2 nat. Gr., s. S. 248. — W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. 2. Silbergrauer €rdbohrer, Myoscalops argenteocinereus Pfrs. I/2 nat. Gr., s.S. 248. — Prof. J. Vosseler- Amani phot. SET 221 BEER, uk Re BEN ri unse a 3. Blindmaus, Spalax typhlus Pall., tot, von der Seite. 2 nat. Gr., s. S. 241. — Aufn. aus dem Zoologischen Garten -Berlin. 27° WR | 4. Blindmaus, Spalax typhlus Pall., in der $reiheit. !/5 nat. Gr., s. S:. 241. — H. Rettig- Malcoci-Tulcea, Rumänien, phot. bs 5. Rattenköpfige Wühlmaus, Microtus ratticeps Keys. - Bl. l/2 nat. Gr., s. S. 296. — P. Kothe-Berlin phot. 3 = . re U 6. Waiierratte, Arvicola terrestris Z. 1/2 nat. Gr., s. S. 284. — P. Kothe-Berlin phot. Damara-Ble5mull. Zedhs Blegmull. Silbergrauer Erdbohrer. Nadtmulle. 249 Die Gattung der Nadtmulle oder Kahlratten, Heterocephalus Rüpp., Hauptart H. glaber Rüpp., jchon von Rüppell aus Südabejfinien und Schoa bejchrieben, gehört zu den abjonderlichiten Heinen Säugetieren, die man fich tiberhaupt denfen Fan: eben durch ihre Haarlofigfeit. Sie find ungefähr jo groß wie eine Maus, jehen aber mit ihrer nadten Haut und den Keinen Augen aus wie blinde Nejtjunge eines größeren Tieres. Aus dem nicht bejonders großen Stopfe jtehen die Nagezähne hervor, äußere Ohren fehlen, Schwanz und Gliedmaßen find von mittlerer Länge. Die Augen find jo gut wie gebrauchsunfähig, die Behen jeitlich mit Haaren befranft; fonft ftehen nur hier und da zerjtreute Haare. Trob der Haarlofigkeit fieht man deutlich, daß die äußere Haut fich in den Mund hinein und hinter den Schneidezähnen quer durchzieht. An den Lippen und Mundwinfeln find Schnurr- haare vorhanden, und vier oder fünf jolcher Haare entjpringen auch von einer Gefichtstwarze auf jeder Seite. Die Augen find deutlich offene Schlite, aber die diden, fleifchigen Lider bededen die winzigen Augäpfel, die faum einen halben Millimeter im Durchmeffer haben. Die Ohren find einfache Löcher. Kopf und Körper find, obwohl fie nackt fcheinen, bei näheren SomalisNadtmull, Fornarina phillipsi Thos. Natürlihe Größe. Nach „Proc. Zool. Soc.“, 1885. Zujehen doch mit feinen, jpärlichen Haaren bededt, die aber fein Haarkleid ausmachen, weil jie jo fein und der gelblichen Haut jo ähnlich gefärbt find, daß man fie faum fieht. Der Schwanz trägt ähnliche Borjtenhaare, twie fie am Munde jtehen, aber dünn gejät. Die Füße jind fir ein ausfchlieglich wühlendes Tier ganz befonders ausgeftattet. Die Zehen vorne find im Verhältnis zum Handteller lang, länger als bei den Erdbohrern und auf dem hinteren Zeile der Handflähhe mit zwei ungewöhnlich jtarfen Schwielen verjehen; die übrige Hand- fläche it ganz weidh. Die Hinterfüße find ganz ähnlich geftaltet, Haben nur noch längere gehen. Das Merkwürdigite am Fuße find aber die Haarfranfen, die an die der Hinterfühe ver Wafjerfpigmaus erinnern; die Haare find nur länger, mehr vereinzelt und viel feiner. Der Wert diejer Betwimperung, durch die die Fußbreite vermehrt wird ohne Vermehrung der Lait, it fir ein zeitlebens im Iofen Sande wühlendes Tier offensichtlich. Thomas Hält die Nacdtmulle für „heruntergefommene” Exrdbohrer, die jich für ein ausjchließlich unterivdifches Leben fpezialijiert haben. Für ein folches Leben find ihr Haar- lojer, maulwurfsförmiger Körper, ihre beinahe gejchlojfenen Augen und borjitenbejeßten Füße wunderbar geeignet, während anderjeit3 jotwohl der Mangel eines fchügenden Haar- Heides al3 der des Sehvermögens ihnen verhängnisvoll würde, wollten jie ich auf der Erde bewegen, fich den jengenden Strahlen der afrifanifchen Sonne und den Angriffen einer Schar bon Feinden ausjegen, denen fie Durcch ihr unterivdisches Yeben entgehen. Dieje Auffafjung ergab fich für Thomas ganz natürlich aus den Schilderungen E. Lort Phillips’ vom lebenden Tiere. Diejer jchreibt über eine verivandte Art, Fornarina phillipsi 7’hos. (,‚Proc. Zool. Soe.‘“, 250 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. 1885) in jeinem Tagebuch: „Heute brachten mir die Schwarzen ein merfwürdiges Tierchen ing Lager... Als wir es auf die Erde jegten, fing e3 eifrig an zu wühlen und benußte die Zähne, um die Erde damit zu lodern.” Und brieflich an Thomas: „Diejes Tierchen, von den Somalis ‚Sarumfer‘ genannt, wirft jtellenweije Gruppen von Miniaturkratern auf, die genau Vulkane in Tätigkeit darjtellen. Wenn die feinen Tiere an der Arbeit waren, pflegte ich jte zu beobachten und fand, daß fie die [oje Erde aus ihren Gängen auf den Boden des Sraters brachten und fie von da mit großer Kraft in die Luft warfen in einer Folge von taschen Stößen; aber fie jelbjt famen niemals aus dem Dunkel ihrer Höhlen hervor.” %* Einen Schritt enger zieht fich der Kreis unferer Betrachtung um den Begriff der Maus, die für alle Welt zugleich der Inbegriff des Nagers it: wir fommen innerhalb der Seftion der Mausförmigen im allerweiteiten Sinne (Myomorpha) zur Familie der Mans artigen (Muridae) in dem engeren Sinne, wie jie Trouejjarts Katalogjupplement faßt. Dort füllt diefe Gruppe mit ihren Gattungs- und Artennamen 112 Seiten von 256, aljo beinahe die Hälfte des Ganzen. Mit anderen Worten: wir jind bei der Hauptmajje der Kager angelangt, an ihrem Hauptherd, der eine gewijje Mitteljtellung in der ganzen Drd- nung einnimmt mit Beziehungen zu allen übrigen Nagerformen. Keine andere Familie der Ordnung veriteht es, jo gründlich uns zu belehren, was Kager jind, als die, welche die Mäufe umfaßt. Ein allgemeines Bild von der Gejamtheit ijt jchwer zu geben. Denn in ihrer Öejamtgeitaltung nähern fich viele Mäufe anderen Yamilien der Ordnung: jtacheliges Örannenhaar erinnert an die Stacheljchweine, echte Schwinmfühe, furze Ohren und Beine an die Biber, dick behaarter Schwanz an die Eichhörnchen ujw. Mit jolchen äußerlichen Ubänderungen der allgemeinen Grundform jteht der Bau des Ge- bijjes mehr oder weniger im Einflange. Gewöhnlich find die Nagezähne chmal und mehr die als breit, mit fcharfmeißeliger Schneide oder fcharfer Spite, an der Borderjeite glatt oder gemwölbt, weil oder gefärbt, auch wohl durch eine Kängsrinne geteilt. 3 Bacdzähne in jeder Reihe, die von vorn nach hinten an Größe abnehmen, bilden meijtens das übrige Gebik. Sie jind entweder jchmelzhöcerig, mit getrennten Wurzeln oder quergefaltet oder jeitlich eingeferbt. Viele jchleifen fich durch das Kauen ab, und dann erjcheint die Fläche eben oder mit Faltenzeichnung. Bei einigen Arten fommen wohl auch Badentajchen vor, bei anderen fehlen jie gänzlich; bei den einen ift der Magen einfach, bei anderen jtarf eingejchnürt ujtw. Die Mäufe jind Weltbürger. Sie bewohnen alle Gegenden und Slimate, ziehen zwar die Ebenen gemäßigter und mwärmerer Länder dem rauhen Hochgebirge oder dem falten Norden bor, finden jich aber Doch jo weit, wie Die Grenze des Pilanzentwurchjes reicht, Dent- zufolge auch noch in unmittelbarer Nähe des ewigen Schnee3 der Gebirge. Wohlbebaute Gegenden, Fruchtfelder, Pflanzungen find unbedingt ihre beliebtejten Aufenthaltsorte, jump- fige Streden, Flußufer und Bäche bieten ihnen jedoch ebenfallS genug, und jelbjt dürre, trocfene, mit wenig Gras und Bujchwerf bewachjene Ebenen gewähren ihnen noch die Möglich- teit zu leben. Einige meiden die Nähe menjchlicher Anfiedelungen, andere drängen fich Dem Menjchen al3 ungebetene Gäfte auf und folgen ihm überallhin, wo er neue Wohnorte gründet, jelbit über das Meer. Sie bevölfern Haus und Hof, Scheuer und Stall, Garten und Feld, Wieje und Wald, allerorten mit gefräßigem Zahne Schaden und Unheil anrichtend. Nur die mwenigiten leben einzeln oder paarweife, die meiften lieben die Gefelligfeit, und manche Arten Allgemeines. 251 wachjen zuweilen zu ungeheueren Scharen an. Bei fait allen ift die Vermehrung eine ganz außerordentliche; denn die Anzahl der Jungen eines einzigen Wurfes fehwanft zwifchen 6 und 21, und die allermeijten pflanzen jich mehrmals im Jahre, ja jelbjt im Winter fort. Gemwandt und behende in ihren Bewegungen, Fönnen jie vortrefflich laufen, fpringen, flettern, Schwimmen, verjtehen es, fich durch die engjten Öffnungen zu zwängen oder, wenn jie feine Zugänge finden, mit ihrem jcharfen Gebijje jolche Wege zu eröffnen. Cie find ziemlich Hug und vorjichtig, ebenjo aber auch dreift und mutig, ihre Sinne durchgehends fein, objehon Geruch und Gehör die übrigen bei weitem übertreffen. Sie frejjen alle e- baren Stoffe des Pflanzen- und Tierreiches. Samen, Früchte, Wurzeln, Ninde, Steäuter, Gras, Blüten, ihre natürliche Nahrung, werden nicht minder gern von ihnen verzehrt als Kerbtiere, Würmer und andere tieriiche Koft. Beim Menfchen jchmarogend, nehmen jie auch Fleifch, Fett, Blut und Milch, Butter und Käfe, Haut und Sinochen, und was jie nicht freffen können, zernagen und zerbeißen jie wenigjtens, jo Bapier und Holz. Dabei verwüjten fie regelmäßig weit mehr, al jie verzehren, und werden hierdurch zu den allerunangenehn- iten Feinden des Menjchen, die notwendigerweije feinen ganzen Haß heraufbejchwören. Wafjer trinfen fie im allgemeinen nur jelten. Nur jehr wenige jind harmloje, unjchädliche . Tiere und haben wegen ihrer zierlichen Geftalt, der Anmut ihrer Bewegungen und ihres anjprechenden Wejens Gnade vor unjeren Augen gefunden. Hierher gehören namentlich auch die Baufünftler in diejer Zamilie, welche die Funftreichiten Nejter unter allen Säuge- tieren überhaupt anlegen und durch ihre geringe Anzahl und den unbedeutenden Nahrungs- verbrauch wenig läjtig werden, während andere, die in ihrer Weije auch Baufinftler find und größere oder Fleinere Höhlen anlegen, fich gerade hierdurch verhaßt machen. Einige Arten, welche die fälteren und gemäßigten Öegenden bewohnen, Halten einen Winterjchlaf und tragen vorher Nahrungsvorräte ein; andere unternehmen zeitweilig in ungeheueren Scharen Wanderungen, die ihnen aber gewöhnlich verderblich werden. Für die Gefangenschaft eignen jich wenige Arten; denn bloß der geringite Teil aller Mäufe erfreut Durch leichte Zähmbarfeit und Verträglichkeit mit anderen feiner Urt. Die übrigen bleiben auch im Käfig unangenehme, unverträgliche, bijfige Gejchöpfe, welche die ihnen getwiomete Liebhaberei und Pflege jchlecht vergelten. Eigentlichen Nuten gewähren die Mäufe nie; denn wenn man auch von diejer oder jener Art das Fell benußt oder jelbit das Fleisch ift, fommt beides doch nicht in Betracht gegen den außerordentlichen Schaden, den die Gejamtheit der Familie anrichtet. Nicht zu vertvundern bei reichlich jich vermehrenden Pflanzenfrefjern! Exit fchafft ihnen der Kulturmenfch mit feiner Garten-, Feld- und Forjt- poirtjchaft künftlich Mengen von Nahrung; wenn fie aber dann mafjenhaft auftreten und jich über diefe Nahrung hermachen, verdammt fie „Der Herr der Erde” als Belt in Tiergejtalt und mwäünfcht alles Verderben der Hölle auf fie herab. Die Geifter, die er rief, jie wird er um fo feywerer toieder Io3, al3 er zugleich ihre natürlichen Feinde, die Kleineren Naubtiere und die Raubbögel, vermindert, weil dieje auch feinem Nugwild nachitellen. Diefe Störung de3 Gleichgewichts in der Natur Fönnen wir ja nicht gut vermeiden; wir müjjen nur ihre ihädlichen und läftigen Folgen als eine notwendige Kehrfeite unjerer Kultur erkennen lernen. Die riefige Familie der Mausartigen teilt man heute in nicht weniger al$ 12 Unter- familien ein, deren wichtigjte die Wühlmäufe (Mierotinae, früher Arvicolidae), die Hamiter (Cricetinae) und die eigentlichen Mäufe (Murinae) find. Früher jtellte man Mäufe und Wühhnäufe als felbftändige Familien einander gegenüber und rechnete die Hamfter zu den Mäufen; neuerdings hat man fich aber überzeugt, da die Hamfter auch Beziehungen zu 252 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. den Wühlmäufen haben, dieje mit den eigentlichen Mäufen verbinden. Dadurch jah man jich veranlaßt, alle drei Gruppen in eine Yamilie der Mausartigen näher zujammen- zurüden und innerhalb diefer als Unterfamilien gleichwertig nebeneinander zu ftellen. Mäufe und Wühlmäufe bilden den Hauptinhalt Der Mausartigen, und um fie herum grup- pieren fich dann die übrigen Unterfamilien, die zum Teil jehr Klein find. Wir beginnen mit der Unterfamilie der Mullmäufe (Myotalpinae), weil wir durch die einzige hierhergehörige Gattung (Myotalpa Kerr, früher Siphneus) gut ar die lebt- behandelten Wühlnager anjchliegen können. Die Mullmäufe beweijen ihre Mijchnatur am beiten durch die wechjelnden Schidjale, Die ihre jyitematifche Stellung im Laufe der Zeiten erfahren Hat. Cupier und Desmareit rechneten fie zu den Lemmingen, Pallas zu den Blindmäufen; das Richtige wird alfo wohl fein, fie al3 eine Übergangsgruppe zioijchen beiden zu betrachten und zwijchen beide zu jtellen, d. h. nach unferer Anordnung an den Anfang der Familie der Mausartigen, noch vor die Unterfamilie der Wühlmäufe, die wir mit den Lemmingen eröffnen. Man könnte jie dementjprechend auch Lemmingmulle nennen. Lemming- oder wühlmausartig gemildert ift Die äußere Geltalt, bejjer gegliedert als bei den vorhergehenden Erdbohrern, nicht mehr ganz fo unbeholfen und fadartig, mit furzem, aber jichtbar hervoritehendem Schwanz. Auch die Augen find zwar Klein, aber Deut- lich geöffnet, und ein erhöhter Rand auf der Hinterjeite der Ohröffnung deutet das äußere Ohr wenigitens an. Namentlich aber jind die Nagezähne lange nicht fo ungeheuer groß und breit, gewijjermaßen als Erjaß dafiir aber Die drei mittleren Krallen der arofen, Fahlen Borderfühe jehr lange, jcharfe, jichelförnige Grabfrallen. Sie und die breite, ftumpfe, vor- Itehende Naje bejorgen zufammen das Grabgejchäft; die drei großen Mittelfrallen vorn fragen auch harten, fteinigen Boden auf und zerreißen entgegenjtehendes Wurzeliverf, die Zähne wirfen dabei nicht mit. Die Nahrung der Mullmäufe beiteht aus allerlei Sinollen und Zwiebeln, wie jie auf den Hochebenen ihrer Heimat reichlich gedeihen. Dieje erjtreckt fich über das rufjiihe Alien bis nach Nordchina, geht aber nach Norden nicht viel über den 50. Breitengrad hinaus. Die ältejte befannte Art, Kopf und Rumpf 20 cm, Schwanz 5 cm lang, oben gelb- grau, unten weißgrau, um die Schnauze weiß und auf dem Scheitel oft mit einem weißen led, ijt der Schon von Pallas 1778 bejchriebene Zofor der Slirgijen, Myotalpa aspalax Pall. (Siphneus zokor), den man deutfh Gewöhnliche Mullmaus oder Lemmingmull nennen fönnte; Schreber nennt ihn Scharrmaus. Cr fagt von ihm: „Daurien, und zivar die Gegend jenfeit feiner Schneegebirge, zwijchen dem ngoda- und Argunfluß, bringt Dieje Maus, nach des Herrn Brofejjor Ballas Bemerkung, häufig hervor; am Abafan fand er lie jelten; der Herr Hofrat Yarman entdedte fie jenjeit des Srtifch zwischen dem Alet und Tiharyich. Sie liebt [chwarzes Erdreich oder feiten Sand, worin fie Röhren, oft von einigen hundert Klaftern, mit der Oberfläche der Erde oder dem Rajen parallel gräbt, und daraus in mäßigen Entfernungen große Erdhaufen aufwirft... Shre Nahrung beiteht in Ziwiebel- und Wurzelwerk: in Daurien vornehmlich von Dem dortigen jcharlachroten Türkifchenbunde (Lilium pomponium) und vielleicht von einigen Stisarten; um den Abalan und am lei bon dem Hundszahne (Erythronium dens canis)... Shre Stimme ijt, wenn jie gefangen wird, aus girrenden Furzen und fchwachen Tönen zufammengefet. Sie ijt nicht blind, ob- gleich ihre Augen Hein find. Gie ift fehwer zu fangen.” Zofor. Wühlmäufe. 253 Ein Bofor, den ich laufen fah, Hujchte mit der Schnelligfeit einer Ratte über den Boden dahin, eilte einem Bache zu, ftürzte jich Fopfüber ins Wafjer, Schwamm rafch ein Stück: in ihm fort und verfchwand eilfertig in einem hier ausmündenden Loche.. Daß wenigften diefe Art vortrefflich Käuft und [hwimmt, verficherten einjtimmig alle von mir befragten Kirgifen. * Die Unterfamilie der Wühlmäufe (Microtinae) umfaßt eine unüberjehbare Anzahl bon Heinen, einander jehr ähnlichen Nagetieren, die vielfach an die eigentlichen Mäufe im engiten Sinne erinnern. Außerlich unterjcheiden fie Hauptfächlich der plumpere Körperbau, der dide Kopf, die ganz verjteckten oder nur wenig aus dem Kopfhaare hervorragenden Ohren und der furze Schwanz, der höchitens zwei Drittel der Körperlänge erreicht. Im Gebik finden fich 3 Badzähne, Die aus mehreren in der Mitte jchtvach gefnicdten Platten beitehen und feine eigentlichen Wurzeln haben, bei einzelnen auch, wie die Nagezähne, beitändig nachtwachjen, bei anderen dagegen fich wurzelartig jchliegen. Ihre Kaufläche ericheint ziezadförmig, weil an den Seiten tiefe Zurchen zwifchen den einzelnen Platten berablaufen. Hierzu treten noch Eigentümlichkeiten des Sinochengerüftes. Der Schädel it am ©tirnteile jehr verengert, der Jochbogen weit abitehend. Die Wühlmäufe bermohnen den Norden der Alten und Neuen Welt. Sie leben ebenjo- wohl in der Ebene wie im Gebirge, auf bebauten Lande wie auf ziemlich wüjten, auf Fel- dern, Wiejen, in Gärten, an den Ufern von Flüffen, Bächen, Seen, Teichen und wohnen in jelbitgegrabenen Höhlen und Löchern. Faft alle meiden die Nähe des Menjchen; nur wenige fommen zuweilen in feine Ställe und Scheuern oder in feine Gärten herein. Shre Baue be- itehen aus längeren oder fürzeren, einfacheren oder verzweigteren Röhren, die jich vor ande- ven oft durch große Flachheit auszeichnen; manche aber bauen hüttenförmige Kejjel, andere mehr oder minder funjtvolle Wohnungen. Die meijten wohnen einzeln oder paarweije zu- jammen; doch vereinigen jte jich gelegentlich zu bedeutenden Scharen. FhreNahrung nehmen fie vorzugsweije aus dem Pflanzenreiche, manche verichmähen aber auch tierijche Stoffe nicht. Biele tragen jich Wintervorräte ein, obgleich jie feinen Winterjchlaf halten. Jim übrigen ähneln fie den eigentlichen Mäujen fait in jeder Hinficht. hre Lebensweife ift fast die gleiche ivie bei jenen; ihre Bewegungen jind ziemlich rafch, jedoch nicht jo behende und gewandt wie die echter Mäuje. Wenige Arten fünnen Flettern, aber fat alle veritehen das Schwimmten meijterhaft, einige leben beinahe gänzlich im Waffer, andere monatelang mwenigitens im Schnee, mo fie jich lange Gänge ausgraben und funftreiche Nefter bauen. Einzelne Arten unternehmen, wahrjcheinlich vom Nahrungsmangel getrieben, große Wanderungen, und Die jen haben wir e3 vielleicht zuzuschreiben, daß gegenwärtig mehrere Arten in Europa heimijc geworden find, die früher anjcheinend auzfchlieglich in Ajien lebten. Unter ihren Sinnen jtehen Geruch und Geficht obenan. Shre geiftigen Fähigkeiten find gering. Ulle vermehren jich ftarf, manche Arten geradezu in unglaublicher Weife. Dem Menschen bringen fajt jänt- liche Arten nur Schaden und werden deshalb mit Recht gehaßt und auf jede Weife verfolgt. Die verjchiedenen Wühlmäufe ftimmen im allgemeinen jehr überein, und die Arten lajjen fich jchtvieriger erfennen al3 die der meiften übrigen Säugetiere. Manche unterfcheiden ji) durch Diannigfaltigfeit der Yebensweife, des Aufenthaltes und der Verbreitung jehr auffallend, während jie in der Gejtalt und Färbung einander außerordentlich nahejtehen. Deshalb jind die Unterfuchungen über fie noch feineswegs abgejchlojjen. Al die ficherjten Anhaltspunkte bei Bejtimmung der Arten gilt die Bildung der Baczähne, der fich einige 254 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Eigentümlichfeiten des Schädel3 anjchliegen; auch die bezügliche Größe der Ohren it von Bedeutung. Die Färbung dagegen zeigt vielfache Schwankungen; junge Tiere find durch- gängig trüber gefärbt als die Alten, und dieje in Gebirgsgegenden wieder dunkler und trüber als in der Ebene. Wir bejchränfen uns hier auf die wichtigiten Arten. Den Anfang müjjen wir mit den näcjten Verwandten der voritehend gejchilderten Mullmäufe machen, mit der Gattung Ellobius Frsch., die wir deutsch Mull-Lemminge nennen fünnen, nachdem wir jene auch Lemmingmulfe genannt haben. Sie führen eben von den Mullmäufen zu den Lemmingen über und damit zugleich in die Unterfamilie der Wühlmäufe ein. Lhdekfer nennt jie Angehörige der Wühlmausgruppe, die ganz bejonders an ein unterivdisches, maulwurfsähnliches Leben angepaßt find und fich Deshalb beträchtlich bon den anderen Formen unterjcheiden, aber den gewöhnlichen Bau der Badzähne haben wie alle Wühlmäufe. Außerlich find fie gefennzeichnet Durch plumpen, rundlichen Kopf, der unmerkflich in den waligen, maulwurfähnlichen Rumpf übergeht, Durch Fehlen der äußeren Ohren, jehr Keine Augen, Furzen Schwanz und Gliedmaßen und die breiten fünfzehigen Füße, Die aber zum Unterjchied von denen der Mullmäufe auch vorne nur ganz furze Stralfen tragen. Die Nagezähne ftehen erheblich vor, und ihr Schmelz ift gewöhnlich weiß, hat nicht den gelben oder Drangeton, der bei den gewöhnlichen Wühlmäufen vormiegt. Die MullLemminge, deren e3 nur wenige Arten gibt, jind in der Hauptjache auf Mittel- und Nordaften bejchränkt; eine Art reicht allerdings bis Afghanijtan und Nord- balutjchiitan (Duetta) nach Süden, und eine anderegehtnach Ofteuropa (Südrußland) hinein. Zur europätjchen Säugetierwelt gehört ver Mull-Lemming, Ellobius talpinus Pall., ein 9,5 em Länge erreichender Nager mit 1 cm langem, im Pelze veritecktem Schwanz. Er fommet in Südrußlanıd (Halbinjel Serim, Steppen des nördlichen Kaufafusgebietes) vor, dann aber auch in Turfejtan (Steppen um Aitrachan) und lebt nur in der Ebene, hier aber jomwohl in dirrem, unfruchtbarem Gelände als in bebauten Feldern und Gärten. Ferner verbreitet jich diejelbe Mull-Lemmingart über Innerafien, namentlich Südfibirien mit dem ausgedehnten Hochlandgebiete des Altai. Dies hat neuerdings Büchner wieder nachgewiejen und durch jeine Unterjuchungen der Brzewalfkifchen Ausbeute feitgeitellt, „Daß die Färbung bei Ello- bius nicht als jpezifisches Merkmal angejprochen werden Fanı, da diejelbe einer Variabilität unterworfen it, wie wir fie felten im Bereiche ein und derjelben Spezies zu beobachten Gelegenheit haben. Die reiche Ellobius-Sammlung unferes afademijchen Mufeums bejitt eine große Reihe von Exemplaren, die in den verjchiedeniten Tönen gefärbt jind, und läßt ung zwoifchen den ertrem gefärbten Tieren die Übergänge auffinden. Angefangen von ein- farbig fchwarzen Eremplaren, liegen mir z.B. bräunlichichwarze, dunfelbraune, hellbraune, gelblichbraune, dunkel bräunlichgelbe Bälge vor, in den verjchiedenften Nuancen, bei einigen die Töne blafjer, bei anderen wieder intenjiver. Sn demjelben Grade wie Die Oberjeite baritert auch die Unterjeite: Dunfelrotgelb, Nojtgelblich, Gelb, Grau und Weiß jind Die- jenigen Töne, die im verjchiedener Nuancierung fich auf der Unterfeite finden. Doc) märe Die naheliegende Annahme, Daß Dieje jo verjchieden gefärbten Exemplare vielleicht verichtedenen geographiichen Formen angehören, irrig, da fich die einzelnen Yarietäten gevaraphifch nicht ausschliegen. So fommt beijpielsweife im Goudernement Mtrachan, wo die gewöhnliche dunfelbraune Form Die vorherrfchende ift, neben diejer auch Die ganz |hwarze, die bräunlichichtvarze und die gelblichbraune Varietät vor.” Anjcheinend aljo ein Mull-Lemming. 299 ähnlicher Zuftand wie beim Mäufebujjard und der Kampfjchnepfe, wo faum zwei Stücke jemals jich gleichen! Als „liebjte Nahrung” des Mull-Lemmings bezeichnet Schreber Erdnüfje, die Knollen deS Lathyrus tuberosus und die von der Phlomis tuberosa; an der untern Wolga nährt er jich vornehmlich von den Zwiebeln der Tulpe. N. Sarudny Schreibt: „Der Mull-Lemming zählt zu den gemeiniten Nagern im Oren- burger (Sidural) Gebiet. Die echte, mit den hohen Stipa-Örasbüjcheln beivachjene Steppe vermeidet er und bevorzugt die mit anderem Gras bejtandenen Steppen, namentlich wenn dieje3 Gras nicht zu Dicht und Hoch ift. Auf der Erdoberfläche läuft er unbeholfen, beijer auf unebenen Gtellen als auf glatten; unter der Erde ift er aber jehr flinf und läuft in feiner Höhre rücdwärts jchneller al3 auf der Erde vorwärts. Seinen Bau verläßt er nicht felten. Mulls2emming, Ellobius talpinus Pall. Natürlihe Größe. Nah Büchner, „Wijjenfhaftlihe Nefultate Przewaljfi= Reifen“. St. Petersburg 1389. Am Tage entfernt er fich nicht weiter als fünf Schritt von der Röhre und fällt troßdem häufig Bufjarden, Weihen, Krähen und Mömen zur Beute; in der Nacht wagt er fich fünfhundert Schritt und noch weiter weg. Seine Hauptnahrung find die Zwiebeln von Iris, Tulipa und Allıum; er geht aber auch Gräfer und deren Wurzeln an und zieht leßtere vielleicht allen anderen bor. Einmal zog ic) einen angefrejjenen Frojch aus einer Röhre des Mull-Lemming®. Erjchredt, gibt er einen piependen Ton von fich; außerdem hörte ich, namentlich zur Nachtzeit, zroitjchernde Laute von ihm. Der Mull-Lemming durchitreift teils über, teils unter der Erde ziemlich bedeutende Streden. Während der Sommermonate zieht ex fich in die Flußtäler und Geenniederungen hinunter; im Herbite, und zwar in der zweiten Hälfte September und im Oftober, geht die Mehrzahl wieder auf die Höher gelegenen Pläße und in die Steppe. Dieje Streifereien jind aber nicht zu verwechjeln mit den eigentlichen Wanderungen, Die im Falle zu jtarfer Vermehrung ftattfinden. Solche Wanderungen habe ich zweimal be- obachtet. Jr der zweiten Hälfte des August 1881 vermehrten jich Die Mulf-Lemminge jehr jtark beim Stojafendorfe Neichinka und wanderten von da zum größten Teile das Uralfluß- tal entlang. m Jahre 1888 zogen die Tiere in Mafjen aus den Tale der Kazgalfa nach den Hügeln des Objchtii Syrt. Die Wühlereien des Mull-Lemmings find namentlich im Herbite 356 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. jehr ftark; um Ddieje Zeit jind die aufgeworfenen Hügel jo zahlreich und dicht beifammen, daß zwischen zweien faum ein Menjchenfuß Plab hat. Wahrfcheinlich werden jebt die Winter- quartiere gegraben, die tiefer in der Erde und Häufig von vielen gemeinjam angelegt werden.“ Sarudny ftimmt (nach Plesfe) der Anficht Eversmanns bei, daß der Mull-Lemming feinen Winterfchlaf Hält, Hat allerdings darüber feine unmittelbaren Beobachtungen gemacht. Er glaubt, daß die zahlreichen, im Herbit angelegten Gänge dazu dienen, um die im Winter aufgegrabene Erde, die nicht an die Oberfläche befördert werden fanıı, aufzunehmen. „m Winter find weder die Mull-Lemminge fichtbar noch friich aufgeworfene Erdhügel. Solche erjcheinen aber jofort, jobald der Schnee weggetaut und die Erde im Frühling bloßgelegt it. Der Mull-Lemming lebt in Kolonien, die je nach der vorhandenen Futtermenge bald jehr zahlreich, bald Klein find. Er wirft bis viermal jährlich; ich felbft fand 2, 3 und 4 Junge im Nefte, habe aber von Würfen gehört, die 7 Junge enthielten. Jr der warmen Sahreszeit lebt der Mull-Lemming in Gängen, die im Nafen oder unmittelbar unter diejem angelegt find, demnach alfo nicht tief unter der Erdoberfläche liegen. Die Nejtmulde jelbjt wird aber jtet3 tiefer angelegt, und es führen janft geneigte Röhren zu ihr hinab, entweder gerade oder jpiralig gewunden. Gie hat eine Höhe bi3 12 cm, eine Länge bi3 18 cm und eine Breite bis 13 cm, ift mit Heu und zahlreichen Artemisia-Stengeln (der Charafterpflanze der Salz- iteppe) ausgefüttert und hat bald einen, bald zwei Zugänge. Außerdem legt der Mul-Lem- ming in den oberen Nöhren noch eine zweite Mulde an, die er mit friichem Grafe ausfüttert; fie dient nur al3 Vorratsfammer und Nuheplab, aber nicht als Kinderjtube. Zumeilen ijt auch das eigentliche Nejt durch eine Röhre von 7—15 cm Länge unmittelbar mit einer Kammer verbunden, in der Vorräte von Zwiebeln, Wurzeln und Kräutern aufgejpeichert ind. Der Mull-Lemming gräbt Hauptjächlich nachts, am frühen Morgen und abends; ich habe ihn aber auch in der heigejten Mittagszeit an der Arbeit gejehen.” — Aus dem nörd- lichen Kaufafus (Terefgebiet) berichtet Rojjifow: „Bejonders zahlreich ijt die Art im Flach- fande; fie meidet hier nur die feuchten, zufammenhängenden Waldungen und die Wiefen, die vom Hochwafjer überfchwemmt werden. Sonjt fann man fie an Waldrändern, auf Waldwiejen, in Gemüfe- und Obftgärten, ja felbit auf den Marftplägen inmitten der An- jiedelungen treffen. Sr den Borbergen und auf den Hochebenen ift fie weniger zahlreich und fehlt dem Hochgebirge ganz. Hält feinen Winterjchlaf; ihre Nejter fand ich im Winter 56 Fuß tief. An warmen Wintertagen farnn man frifch aufgeworfene Erdhügel finden, Bewmeije der Tätigkeit der Tierchen. Ende April fand ich jchon Junge im Nejte.“ Thomas hat 1897 einen Ellobius lutescens T’hos. vom armenifchen Hochlande am Nau- jee, aljo aus dem Taurusgebiete, unterfchieden, und Satunin hat diefe Art nad) den Schädel- merfmalen bejtätigt. Zebterer entdedte jie in der Nähe eines rufjiichen Wachtpoftens im Talyjchgebiet an der perjijchen Grenze, über 2000 m hoch, auf einer „typifchen Hochiteppe, durchjegt mit zahlreichen Felsdurchbrüchen. Diejer Nager wählt zu feinem Wohnort die ebenen Wiejenjtüce und gräbt unter der Erde lange, aber flache Gänge, welche eine Wellen- (inie mit vielen kurzen Sadgäßchen nach beiden Seiten bilden. Lebtere werden wohl bei der Nahrungsfuche gegraben, welche allerlei Wurzeln zum Gegenftande hat. Hußerlich wird der Gang durch zahlreiche Heine Erdhaufen angedeutet, welche das Tier beim Graben auf- wirft. Gewöhnlich nehmen die Gänge eines Nejtes (eines Paares?) einen Flächenraum bon zirfa 6 m im Durchmefjer ein; einmal jedoch fam ein Gang von über 10 m Länge vor, der aufgegraben werden mußte, bevor man an das Neft gelangte. Die Gänge verlaufen Mull-Lemminge. 297 unter der Erde in einer Tiefe von nur 16 cm, das’ Neft aber ftecft 40 cm tief. Das für die Aufzucht der Jungen bejtimmte Veit Tiegt noch viel tiefer, ungefähr 1 m und mehr unter der Gröoberfläche. Seitwärts vom Neit, zumeilen in bedeutender Entfernung, befinden jich die Borratsfammern: Fugelfürmige Kammern von 20 cm Durchmeijer, welche mit Wurzeln und anderen Vorräten, aber jtet3 gleichartigen, angefüllt find. In einer folchen Kammer (agen lange Wurzeln, in einer anderen eine Art Nüfje (3 Pfund). In einem Bau wınden einige Feine Zwiebeln gefunden, obgleich die Entfernung bis zum Gemüfegarten nicht weniger als 200 m betrug. Die Eingeweide des in diefem Bau gefangenen Eremplares tochen jtarf nach Zwiebeln. Offenbar verfügt diefer Nager über eine außergewöhnliche Grabfähigfeit; denn zumeilen jind jeine Gänge in einem Humus-[ehmigen Boden angelegt, der jo feit it, daß man beim Ausgraben die ganze Zeit mit der Spithade arbeiten muß. m März 1899 wurden zwijchen den Poiten Kalvjaz und Gjapüf aus einem Bau drei Junge ausgegraben, die wohl nicht älter als eine Woche waren. ch Fann nicht genau angeben, iwiediel Junge geworfen werden, und ob die drei Stücd einen ganzen Wurf daritellten, da beim Ausgraben, als wir ung dem Nejte näherten, die Alten ihre Jungen in Nebengänge ichleppten, wo einige jehr wohl unbemerkt bleiben konnten.” Der Örenzoffizier „beobachtete, _ tpie diefe Nager auch bei einer Kälte von —5° C ihre Grabarbeit fortjegten und Erdhaufen aufwarfen. Schnee war damals nicht gefallen”. (Satunin, „Säugetiere d. Talyjchgebietes und der Muganjteppe”, in „Mitt. Kaufaf. Muf.”, Bd. II, 1905.) An die Mull-Lemminge jchlieft jich noch am beiten ein jeit 1901 entdecter faufafischer Nager aus der Unterfamilie der Wühlmausartigen an, der im übrigen ganz allein steht. Der Bejchreiber, Satunin-Tiflis, berichtet über diefe merkwürdige, von ihm Prometheomys genannte Gattung, die er auf dem Pak der Grujintschen Heerjtraße erhielt, im „Zool. An- zeiger”, 1901: „Nach dent prismatijchen Bau der Zähne ziehe ich diefe Gattung zur Unter- fantilie der Microtinae, obgleich jte einige bejondere Eigentümlichfeiten aufweilt und über- haupt jich von allen übrigen Angehörigen diejer Unterfamilie fcharf unterjcheidet... Die Zahl der Schmelzjchlingen auf den Badzähnen ijt geringer al3 bei irgendeiner anderen Form der Mifrotinen und erinnert am meilten an die Zähne von Ellobius... Das aufer- gewöhnlich Heine Auge mift nur 2,5 mm im Längendurchmeijer und wird fait ganz vom Telze bededt." Dies deutet man gewöhnlich auf unterirdifches Leben, und es wäre eine weitere Ähnlichkeit mit den Mull-Lemmingen. Dagegen jind „die Ohren qut enttidelt, mit halbrundem Außenrand, am Nande außen und innen dicht mit Haaren bewachjen... Die Strallen der Bordergliedmaßen jind lang... Die Kralle der Mittelzehe des Borderfußes erreicht eine Yänge von 8mm. Auf der Sohle des Hinterfußes befinden jich vier Sinorpel- mülte.“ Das ganze Tier ijt „von der Größe einer fleinen Wafjerratte. Nur der vordere Zeil der Naje zwijchen den Nafenlöchern und um dieje herum ift fahl; der ganze Körper ijt mit jehr dichten, Tangen Haaren bededt. Einzelne Haare auf dem Nücden find bis 13 mm (ang. Die Sohlen der Füße find nur im vorderen Teile fahl, hinten dagegen dicht behaart. Die Farbe des Pelzes ijt fajtanienbraun, die Füße heller... Der die Schwanz tft dicht mit furzen Haaren bevedt und etwas fürzer als die Hälfte der Körperlänge einjchließlich Kopf... Das einzige Eremplar diejes jeltenen Tieres, ein Männchen, wurde von Dr. W. ©. Schapojchnifom unter blühenden Anemonen unweit des Kreuzberges auf der Grufinijchen Heerjtraße in der Hauptfette des Kaufafus etwa 6500 Fuß (2200 m) Hoch gefangen und in Spiritus fonjerviert.” hm zu Ehren heit das Tier P. schaposchnikowi Sat. Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 17 258 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Die Lemminge erinnern unter den Wühlmäufen in Öejtalt und Wejen an die Hamiter: fie find bejonders gedrungen gebaute, ftußjchhwänzige Mitglieder der Gejamtheit. Der ver- hältnismäßig große Stopf ift dicht behaart, die Oberlippe tief gejpalten, Das Auge Fein; die auch auf den Sohlen dicht behaarten Füße tragen, zumal vorn, große Scharrkrallen. Der leßte untere Backzahn beiteht wie der lebte obere aus vier Prismen und zeigt auf der Stau= fläche fünf Schmeßzjchlingen; der Schädel tft jehr breit, das-Zochbein auffallend hoch. Die Lemminge zerfällt man heute in zwei Gattungen. Die eigentlichen Lemminge (Lemmus Link, Myodes) haben ein äußeres, allerdings nur Furzes und ganz im Pelze verjtechtes Ohr und fünfzehige Fühe mit großem, plattem Daumennagel. Die Halsband- (emminge (Dierostonyx Glog., Cuniculus) haben ein ganz verfiimmerte3 äußere Ohr und an den Vorderfüßen nur noch einen rüdgebildeten Daumen mit verfiimmertem Nagel, dagegen zwei fehr lange Mittelfrallen; in den Gebikverhältnijien jind fie den Wühlmäufen im engeren Sinne ähnlicher. Beide Lemminggattungen fommen in den nordiichen Einöden beider Erdhälften vor; die eigentlichen Lemminge jind aber doch mehr altweltlich, Die Hals- bandlemıminge mehr neumeltlich. Die befannteite Art der Gruppe, der Öewöhnliche oder Berglemming, Lemmus iemmus L. (Myodes), ijt ein berühmtes, um nicht zu jagen: berüchtigtes Tier. Er erreicht eine Gejamtlänge von 15 cm, wovon höchitens 2 cm auf das Stubichtwänzchen fommen. Der reiche und lange Pelz ist jehr anjprechend gezeichnet. Bon der braungelben, im Naden gewäjjerten Grundfärbung heben fich jchwarze Flede ab; von den Augen laufen zwei gelbe Streifen nach dem Hinterfopfe. Der Schwanz und die Pfoten find gelb, die Unterteile einfach gelb, fait jandfarbig. — Weißlinge fommen vor, anjcheinerd aber jelten. Der Lemming war lange das rätjelhafteite Tier ganz Sfandinaviens. Ext Linne ichilderte in den jchwedischen Abhandlungen vom Sahre 1740 den Lemming der Natur ge- mäß und jo ausführlich, daß man feiner Bejchreibung nicht viel hinzufügen fann. Sch jelbit habe Lemminge im Jahre 1860 namentlich auf dem Doprefjeld zu meiner Freude in großer Menge angetroffen und mich durch eigene Anjchauung über fie unterrichten fünnen. Dort wohnte einer neben dem andern, und man jah und hörte oft ihrer S—10 zu gleicher geit. Heute wijjen wir genau über die eigentliche Heimat, den natürlichen Standort des Berg- lemmings Bejcheid, dank der neueren Unterjuchungen von Collett (‚„Myodes lemmus, its habits and migrations in Norway“, 1895) und den neuejten von Efman („Die Wirbeltiere der.arftifchen und fubarftijchen Hochgebirgszone im nördlichjten Norwegen“, 1907). Er it im arktiichen Europa (Norwegen, Lappland, Kolahalbinjel), Aien und Grönland ein Be- wohner der fogenannten jubalpinen Region, d. h., um mit Efman zu reden, der über dem Nadelwald liegenden Birken und der auf dieje folgenden Graumeidenzone. Mit diejen pilanzengevgraphiichen Zonen rüdt er im Süden jeines Berbreitungsgebietes an den Ge- birgen hinauf und fteigt im Norden bis zum Meeresipiegel hinab. Die Tiere find ganz allerliebit. Sie jehen aus iwie Fleine Hamfter und ähneln diejen auch vielfach in ihrem Wejen. hr Gang it trippelnd, aber rajch, wenn auch der Menjch fie leicht einzuholen vermag. Auf der Flucht zeigen fie fich itberaus gejchict, indem fie, jelbit in dem äraften Sumpfe, jede trocene Stelle herauszufuchen und als Brüde zu benugen wijjen. Wenn man fie in ein größeres Wafferbeden oder in ein Flüfchen wirft, quieten und nmuvren fie jehr ärgerlich, juchen auch jo jehnell wie möglich das trodene Land wieder zu gewinnen. Das jchließt aber nicht aus, daß jte freiwillig, rein zum Vergnügen, ins Wajfer Berglemming. 259 gehen. Vielmehr jah Prof. Koch-Heidelberg „viele Tiere, die ich am See Baikijaure (bei Soffmoff in Lappland) zwischen gefällten Baumjtämmen herumtrieben, ohne jeden Zivang und ohne jedes Zeichen von Scheu oder Unbehagen auf die am Uferrand gelagerten Steine flettern, dort eine Weile nach allen Seiten Umjchau halten und zulest mit einem feinen Pumps ins Waffer gleiten, in das jie wohl 10—15 m weit hurtig und gejchiet Hinaus- ichwammen. Dann machten fie fehrt und Schwammen in bejter Stimmung und ohne Zweifel mit Luft und Behagen wieder ans Ufer zurüd, mo jte jich das Wafjer vom Stleide jchüittelten und ein Weilchen ausruhten.“ Gewöhnlich verraten die Lemminge jich jelbit. Sie jiben oft ruhig und wohlverfteck in ihren Köchern und wiinden jicherlich nicht von den Borübergehenden Berglemming, Lemmus lemmus Z. 1/2 natürlider Größe. bemerft werden; aber die Ericheinung eines Menfchen erregt jie viel zu jehr, als daß; jie ichweigen fünnten. Mit lautem Grunzen und Quiefen nach Meerjchiweinchenart begrüßen fie den Eindringling in ihr Gehege. Nur während fie umherlaufen, ergreifen fie, wenn man auf jie zugeht, die Flucht, eilen nach irgendeinem der unzähligen Köcher und jegen jich dort feit. Dann gehen fie nicht mehr zurüd, jondern lajjen es darauf anfommen, tot- geichlagen oder weggenommen zu werden. Sobald man in nächjte Nähe ihrer Höhle gelangt, ipringen fie daraus hervor, quiefen, grunzen, richten jich auf, beugen den Kopf zurüc, jo dab diejer faft auf den Rüden zu liegen fommt, und fchauen nun mit den Fleinen Augen jo grimmig auf den Gegner, das man wirklich unfchlüffig wird, ob man fie aufnehmen joll oder nicht. Wenn fie einmal geitellt jind, denfen fie gar nicht daran, wieder zurüczumeichen. Hält man ihnen den Stiefel vor, jo beißen fie hinein, ebenfo in den Stod oder in die Öewehrläufe, wenn jie auch merfen, daß fie hier nichts ausrichten fönnen. Manche bijjen ich jo jet in meine Beinffeider ein, daß ich fie faum wieder abjchütteln fonnte. Bei jolchen Kämpfen geraten fie in große Wut und ähneln dann ganz den bösartigen Hamjtern. Wenn man ihnen recht vajch auf den Leib fommt, laufen fie rückwärts mit aufgerichtetem Stopfe, 17* 260 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. jolange der Weg glatt ift, und quiefen und grunzen dabei nacı) Leibesfräften; ftogen jie aber auf ein Hindernis, jo halten jie wieder tapfer und mutig jtand und lafjen jich lieber fangen, als daß jie jich durch einen feinen Ummeg freizumachen juchten. Zumeilen jpringen jie mit fleinen Säten auf ihren Gegner [os, jcheinen jich überhaupt vor feinem Tiere zu fürchten, jondern tolldreift jedem Gefchöpfe entgegenzutreten. In den Straßen werden viele iiberfahren, weil fie fich troßig in den Weg ftellen umd nicht weichen wollen. Die Hunde auf den Höfen beißen eine Menge tot, und die lagen verzehren wahrjcheinlich jo viele, daß jte immer jatt find; wenigjtens fünnte ich mir jonft nicht erklären, daß die Katen der PRoitwechjelitelle Fogstuen auf dem Dovrefjeld ganz ruhig neben den Lemmingen bor- übergingen, ohne jich um jie zu befümmern. Im Winter jchürfen jie jich, wie bemerft, lange Gänge in den Schnee, und in diejen hinein bauen jie jich auch, wie ich bei der Schnee- ichmelze bemerfte, aroße, Didwandige Nejter aus zerbifjenem Graje. Die Nefter ftehen etwa 20—30 em über dem Boden, und don ihnen aus führen lange Gänge nach mehreren Seiten hin durch den Schnee, von denen die meilten jich bald bis auf die Moosdece herab- jenfen und dann, wie die Gänge unjerer Wühlmäufe, Halb zwijchen dem Moofe und halb im Schnee weitergeführt werden. Aber die Lemminge laufen auch auf dem Schnee umher oder jegen menigitens über die großen Schneefelder in der Höhe des Gebirges. Die Hauptnahrung der Lemminge find die wenigen Alpenpflanzen, die in ihrer armen Heimat gedeihen, namentlich Gräjer, Nenntierjlechten, die Kätchen der Yiwerg- birfe und wahrjcheinlich auch allerlei Wurzeln. Soviel ic) erfuhr, tragen fie jich nichts für den Winter ein, jondern leben auch dann von den, was fie unter der dien Schneedede finden, zumal von den Stnojpen der bedecdten Gejträuche. Großen Schaden bringen fie nicht; Denn da, wo jie wohnen, aibt es feine Felder, und in die Häufer fommen jie nicht herein. Doch jagte mir ein Bewohner der Lofoten, daß die Slartoffelfelder in manchen Jahren von den Lemmingen gebrandichast würden. Die Tiere wühlen fich lange Gänge in den Ilder und bauen jich ihre Höhlen unmittelbar zwijchen die Wurzelfnollen, von denen jie dann in aller Gemächlichkeit leben. Ihre Heimat ist übrigens nicht immer reich genug für ihre Anjprüche; dann jehen jich die Lemminge genötigt, ihre berühmten Wanderungen anzutreten. Mit Plesfe muß man der Überzeugung fein, daß nur auf Grund der Yebensweije des Tieres eine genügende Erklärung feiner Wanderungen gegeben werden fann. Man fann daher nichts Beijeres tun, als diefem trefflichen Forfcher zu folgen, der in jeiner „Überficht der Säugetiere und Vögel der Stolahalbinjel” (Petersburg 1884) jo wertvolle eigene Be- obachtungen und erjchöpfende LKiteraturjtudien über den Gegenjtand bietet, daß nur hier und da noc) eine Ergänzung durch Efman möglich it. Plesfe bejtätigt zunäcdjit den Berg- femming al8 ausgejprochenen und ausjchließlichen Bewohner der jubalpinen Region, mit der er gegen den Meeresipiegel herauf- und herunteriteigt. Dieier Pflanzengürtel, den der Lemming immer bewohnt, wenn er nicht auf der Wanderung begriffen ift, und der aljo als jeine eigentliche Heimat angejehen werden muß, it Anderfons Regio subalpina, und zwar derjenige Teil derjelben, der mit einzelnen Sträuchern von Juniperus communis (Wacholder) und einem dichten Geitrüpp von Betula nana (Ziwergbirfe) bedecdt ijt. Der Lemming ift jo ftreng an diefe Region gebunden, daß in den Zeiträumen zwijchen zwei Wanderungen feine horizontale und vertifale Verbreitung mit der Ausdehnung Diejer Fflanzenzone übereinjtimmt. Ohne einen Fehler zu begehen, fünnen wir daher behaupten, daß, wenn der Lemming in der Diluvialperiode England, Frankreich, Belgien, einen großen Zeil Deutjchlands fomwie Polen bewohnt hat, zu jener Zeit dajelbjt die Regio subalpina Berglemming. 261 vertreten war. Mit dem Zurücweichen diejer Region, das infolge der Milderung des Klimas eintrat, hat fich auch der Lemming allmählich nach Norden zurücdrängen lafjen, bis er auf jein heutiges Gebiet bejchränft ward. Was jeine vertifale Verbreitung betrifft, jo hängt diejelbe volfjtändig von der geographiihhen Breite des betreffenden Bunftes ab, da amı Eis- meer der Lemming auf der Höhe des Meeresniveaus jtändig vorkommt, während er weiter jündfich Höher und höher zu jteigen hat, um in feiner Heimatlichen Zone zu bleiben. Efmans „Meinung nad) it eg aber nicht beiviejen, daß nicht noch der alleroberite Teil der Nadel- mwaldzone, die Nadelwaldgrenze im weiteren Sinne, hierher gehört. Hier bilden nämlich die Nadelbäume nur jtellenmweije gejchlojjene Bejtände, und die Birke mitderjelben niedrigeren Vegetation wie in der Birfenzone herrjcht mancherorts vor. Während lemmingreicher Jahre it die Fortpflanzung in diefen Gegenden fjehr lebhaft, und ich konnte im Verhalten der Tiere feinen Unterjchied der Birfenzone gegenüber bemerfen. Daß die Tiere während femmingarmer Jahre hier von einem Zoologen noch nicht gefunden worden find, bemeiit jehr wenig; denn während jolcher Jahre entgehen jie auch in den höheren Gegenden ge- wöhnlich völlig der Aufmerkfjamfeit, obgleich hier die Vegetation weniger al3 dort jie ver- bergen würde. Weder 1900, 1901 noch 1899, als ich in den jemtländiichen Hochgebirgen den halben Sommer zubrachte, wurde ich eines einzigen Yemmings gewahr, und doch fannı fein Zweifel darüber herrichen, dat das Tier vorhanden war.” Dies läht jich nur durch die verborgene Xebensmweije erklären, wie fie Plesfe im folgenden jchildert: „Die die Schicht von Moojen und Flechten, welche in der Heimatzone des Lemmings den Boden bedeckt, erleichtert dem Tierchen in höherem Grade die Einrichtung feiner Wohnung. m Ddiejer Schicht braucht der Lemming nur Gänge auszufrejjen, die in das Innere der Erde nicht ein- dringen, aber unter und zwifchen den Wurzeln der Sträucher, namentlich der Zwergbirke, ihren Verlauf nehmen. Nach Martius’ Bejchreibung führt das Eingangsloch in eine Galerie, die jich fpäter in zwei Arme teilt, deren jeder eine Länge von etiva 80 cm Hat; von den beiden le&teren gabelt jich ein Arm wieder. Ein Ausgang bildet die Regel, zwei oder drei find nur felten. Faft alle diefe Baue befanden jich entweder unter Mooshügeln oder unter verfaulten Baumftubben, die mit einer Moos- oder Flechtenjchicht bedecdt waren. m einem der oben bejchriebenen Lemmingbaue fand Martius auch ein zylinderfürmiges Nejt von 18 em Länge und Sem Breite, welches den Bau volfjtändig ausfüllte und unten dider war als oben. Sn der Nichtung der Offnung des Baues befand fich im Zylinder des Weites ebenfall3 ein rundes Eingangsloch. Diejes Net bejtand aus Stengeln einer Grasart, Die in dem oberen Teile der Länge nach, in dem unteren dagegen der Quere nad) gelegt waren. Ztwifchen diejen Stengeln befanden fich Stüde von anderen Pflanzen. Nach Collett find die Baue des Lemmings häufig mit feinen eigenen Haaren ausgefüttert; Martius hat in einem Nejte auch trocene Blätter als Unterlage gefunden.“ Die Lemminge machen fich aber noch oberivdifche Winternefter, und dieje hält Eiman für ein „Mittel, um die ungefähre Häufigkeit der Tiere während des Winters zu bejtimmen. 63 find Fugelige Gebilde aus Riedgräfern, die ziemlich fofe iibereinander zufammengeflochten find, mit einem Eingang an der einen Seite. Dieje Nejter werden auf der Bodenober- fläche gebaut und ragen frei in den Schnee hinauf. Nach dejjen Abjchmelzen jind fie Daher feicht bemerfbar, jofern fie nicht vom Schmelzwaijer weggefpült worden jind, was natürlich das Schicjal jehr vieler Nefter wird. In den Jahren 1900 und 1901 hatte ich insgejamt nur ein paar folcher Nefter gefehen, und zwar nur in zerjtörtem Zujtande, jo daß e3 ebenjo möglich war, daß jie von der legten Lemmingperiode jtammten als vom legtgenannten 262 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Winter. Der Unterjchied 1904 gegenüber war jehr erheblich. Ar allen oberhalb der Baum- grenze gelegenen Gegenden, die ich in dDiefem Sommer bejuchte, jowohl in der Torre als in der Lule Lapmarf, waren die Nejter jehr zahlreich; oft jah ich mehrere in 10—20 m Abjtand zufammen, befonders auf ebenen Sumpfwiejen, two die ee majjenhaft vor- famen und Exrdlöcher unter Steinen jelten waren.” Nach Eman geben auch die Wechjel der Tiere Aufjchlug über ihre Häufigkeit während des vorhergegangenen Winters. Solche Wechjel werden nur während des Winters unter dem Schnee ausgegraben, und zwar in der Weife, daß die Tiere bei ihrem VBordringen, wie auch Collett bemerft, die unterjten Teile der Pflanzenjtengel wegfrejien, jo daß leßtere herunterfallen, wodurch die Wechjel nach der Schneejchmelze als in die Vegetationsdecfe des Bodens eingejenfte Kanäle jichtbar werden. Nach einigen Jahren werden fie von den twieder heraufivachjenden Keinen Pflanzen verdect, und man bemerft dann jelten Spuren bon ihnen, jo 3. B. 1901. Während des Sommers nach einem Lemmingjahre dagegen, mie 1904, dDucchfreuzen dieje Wechjel den Boden überall, bald nach einem oberirdischen Nejte, bald in eine unteriwdiiche Höhle führend. Sn den eben bejchriebenen Wohnungen verbringen die Lemminge auch den Winter, ohne in einen Winterjchlaf zu verfallen. Nach Plesfe find alle jfandinavischen Forjcher darin einig, daß ihre Tätigkeit im Laufe des ganzen Winters nicht aufhört. Die Yemminge graben unter dem Schnee Gänge, verjehen diefe mit Luftlöchern und nähren fich während diejer Zeit ausjchlieglich von denjenigen Pflanzenitoffen, die jie um ihre Wohnung herum unter dem Schnee antreffen. Auch Blesfe hat von einem Zujammentragen von Winter- vorräten nie etwas gehört. Auf Eollett und andere zuderläfjige Beobachter gejtüßt, hebt Plesfe ferner eine Seite des Wejens des Lemmings gebührend hervor, die fir das Verjtändnis der merkwürdigen, in Natur- und Menschenleben der Umgebung tief einjchneidenden Lebensäußerungen des Tierchens von größter Wichtigkeit ift: jeine nächtliche Natur, vermöge deren er am Tage nur dann jeinen Nuheplab verläßt, wenn er aus diefem aufgejchredt wird, regelmäßig aber in der Nacht hervorfommt. Dies erklärt das Überrafchende der jcheinbar plößlich, wie „vom Himmel gefallen”, auftretenden Maije bei ven Wanderungen. Mlesfe gibt aus eigener Erfahrung die Beijpiele dafür. „Auf der großen Taibola, zwijchen der Station Kiga und dem Flufje Kola beobachtete ich in der Nacht eine ziemlich bedeutende Wanderung de3 Lemmings, während ich im Laufe des Tages in den benachbarten Gegenden auch nicht einen auftreiben konnte. Ir der Stadt Kola, wo es während meines Aufenthaltes dajelbit von LYemmingen wimmelte, verbargen fie jich den Tag über Hauptjächlich unter den gedielten Stegen für Fußgänger und erjchienen exit beim Beginn der Abenddämmerung. Treo des jehr hohen Preijes, den ich bot, wurde mir nur ein einziger Lemming im Laufe einer Woche gebracht, weil um die Zeit, warın die Yemminge ihre Schlupfwinfel verlajien, Die bon mir mit dem Fang beauftragte Jugend jchon jchlief.“ Tritt ein Menjch dem Lemming in den Weg, jo fucht diejer fich in der Regel durch die Flucht zu retten und irgendeinen Schlupfwinfel zu erreichen. Sieht aber der fliehende Zemming, daß er von feinem Verfolger erreicht wird, jo dreht er fich mitten im Laufe um, erhebt jich auf die Hinterbeine, wirft den Kopf zuriick und beginnt feinen Angriff auf den gend. Er pfeift laut nach Urt der Ziefel, fmurrt grimmig, beilt endlich wie ein junger Hund und wirft fich fauchend auf den Gegner. Um das Tier vollftändig zu beruhigen, genügt e3 aber, jich aufzurichten und fich den Anschein zu geben, alS wenn man e3 nicht weiter Berglemming. 263 beachte. Das Tierchen benußt jolche Augenblide unverzüglich, um fich wieder in die jchleu- nigite Flucht zu begeben, bleibt jedoch immer bereit, jein früheres Manöver anzumenden, wenn der Verfolger Miene macht, ihm nachzueilen. Auf diejelbe Art begegnet der Lemming auch Hunden und anderen Tieren, twoobei er natürlich meilt umfommt. Wenn natürliche Hindernifje jich den Lemmingen entgegentellen, jo weichen dieje in den jeltenjten Fällen, iondern juchen mit Gewalt vorwärts zu fommen. Gelbit die reigendjten Ströme, tie der Kolafluß, halten die Leniminge auf ihrer Wanderung nicht auf. Der Lemming it ja ein aus- gezeichneter Schwimmer und jeßt bei Winpftilfe mit ziemlicher Leichtigkeit über breite Seen, obgleich e3 oft vorfommt, daß einzelne oder ganze Majjen dabei ertrinfen. Martius jtellte Verfuche mit dem Lemming an, um dejjen Fertigkeit im Schwimmen beurteilen zu fönnen; er warf zu diefem Ziwecde die Tiere in der Mitte des Muonioflujjes ins Wafjer und über- zeuate fich, daß alle das Ufer erreichten. Ihre Tollfühnheit tritt auch in den Fällen jehr deutlich zutage, wenn jie in reißenden Strömungen ihren Untergang finden. Selbjt in den Augenblieen, wenn die Tiere jchon vom Strudel fortgerijjen find, ertönt noch ihr mitendes Pfeifen und Bellen. Trob ihrer Fähigkeit zum Schwimmen und troß ihres Mutes finden doch eine Menge von Lemmingen den Tod in den Wellen, und jehr oft jieht man am frühen Morgen ganz frische auf den Wellen treibende Yemminge, die während ihrer Wanderung in der verflofjenen Nacht ertrunfen find. Da die Fortpflanzungsgejchichte des Lemmings im engjten Zufammenhange mit jeinen Wanderungen fteht und von diejen fchwer zu trennen ift, jo hält jie Pleste mit Recht für geeignet, „um die Daritellung feiner Wanderungen überjichtlicher zu machen... Nach Collett unterjcheidet jich die Fortpflanzung in den Wanderjahren bedeutend von derjenigen außer- halb derjelben, und zwar jowohl durch die Anzahl der Jungen eines Wurfes als auch durch die Anzahl der Würfe... Nach Collett finden zwei Würfe jährlich jtatt, in den Wanderjahren folgen fich aber die einzenen Würfe fchnelfer. Da in den Wanderjahren die Flimatijchen Verhältniife günftiger find als gewöhnlich, jo ift wohl anzunehmen, daß die Lemminge jich in folchen Jahren früher paaren, früher den erjten Wurf zur Welt bringen und Dadurch jo viel Zeit erübrigen, da ein (vielleicht auch mehr als ein) überzähliger Wurf ftattfinden fann. Was die Anzahl der Jungen in einem Wurfe betrifft, jo hat Collett in gewöhnlichen Jahren 5, zuweilen fogar nur 3, jelten 7—8, in den Wanderjahren aber jogar I—10 gefunden. Nach Collett3 Beobachtungen find die Jungen des erjten Wurfes zum Herbit jchon fortpflanzungs- fähig. Würfe auf der Wanderung fommen wohl auch vor; doch jcheint es, daß nur zufällig einzelne trächtige Weibchen mit in den Strudel fortgerifjen werden, bejonders da nach Angabe von Coffett die bedeutende Mehrzahl der Wanderer aus Männchen beiteht und ich (Bleste) unter allen Lemmingen, deren ich habhaft werden fonnte, nur ein Weibchen erhalten habe.“ Nach Ehman ift auch in der eigentlichen Heimat, in der Birfen- und Graumeiden- zone, während der meijten Jahre die Fortpflanzung recht bejcheiden, und Lemminge find dort eine jehr jeltene Erjcheinung. Dagegen find in „Lemmingjahren” nicht einmal die Hälfte der Weibchen ohne Embryonen; die Würfe folgen daher dicht aufeinander, und man findet nun Embryonen im Uterus der Weibchen fchon, wenn die Jungen Des vor- hergehenden Saßes noch blind find. Dies dürfte das Gemöhnliche jein; denn man jieht oft halberwachjene Junge, welche noch zufammen umbherjtreifen und jich in zufällig in Belik genommenen Höhlen oder dergleichen verjteden. Sie find offenbar ausihrem ehemaligen Neite verjagt worden, wahrjcheinlich weil ihre Mutter jchon einen neuen Sat Junge geworfen hat. „Xuch Hat mir Dr. N. Holmgren mitgeteilt, daß er 1903 in den Nadelmäldern von Gellivare 264 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. faum halberwachjene Junge fand, welche Embryonen enthielten, allerdings in geringerer Anzahl als die alten Weibchen. Jch muß mich an Collett anjchliegen, wenn er behauptet, daß die Lemminge jich in gemiljen Jahren viel intenjiver als jonft fortpflanzen. Nach einer anderen, von Plesfe vertretenen Auffaljung beruht die Verjchiedenheit der Jndividuenzahl darauf, daß gemijje Jahre für das Winterleben der Jungen günjtig, andere ungünjtig find. Sch halte es für jehr wahrjcheinlich, daß dieje beiden Faktoren zufammenmirfen. Daß aud) die Witterung eine Nolfe jpielt, dafür jpricht unzmweideutig der Umstand, daß gleichzeitig mit den Lemmingen noch andere Nager jich einer bejonders ftarfen Bermehrung erfreuen.“ „Bährend der lemmingreichen Jahre wird das Gebiet der Art beträchtlich erweitert. ES it von mehreren Forjchern feitgeitellt worden, daß jich die Tiere dann auch in den Nadel- mwäldern fortpflanzen, mwenigjtens in den oberen, was ich bejtätigen fan... Etwa 250 m unterhalb der Nadelwaldgrenze waren die Tiere jehr gerne und befanden jich Ende Juni in reger Fortpflanzung.“ Ebenjo geht die Gebietsermeiterung nach oben vor jich: „auch in der unteren Flechtenzone pflanzten fie jich 1903 fort”. (Efman.) Die Wanderungen der Lemminge jelbit behandelt Plesfe in derjelben logischen und erichöpfenden Weije wie ihre übrigen Lebensverhältnijje. Hier nur das Allernotwendigite daraus. „Nach den neueren Forichungen hat es fich erwiejen, daß bedeutendere Wanpde- tungen in jehr verjchiedenen Zeiträumen jtattfinden... Sch betone hier bejonders diejen Umftand, da nach Eollett die Lemminge alljährlich) wandern, jedoch in jo engen Grenzen und in jo geringer Anzahl, Daß diefe Wanderungen der Bevölferung entgehen.” Die Frage, ob alle Lemminge ihre Heimat verlajjen oder nicht, möchte Plesfe ohne Zögern dahin be- antworten, daß unbedingt nicht alle Yemminge ihre Heimat verlajjen, daß vielmehr ein Teil zurüdbleibt. Nur ift nach dem Aufbruche der Wanderer die Anzahl der Xemminge an ihren gewöhnlichen Aufenthaltsorten jo gering, daß fie meijt nicht bemerft werden. Nicht weniger maßgebend ift auch der Umftand, daß die Mehrzahl der Wanderer Männchen find. Es jcheint aljo, dal fich Der Wandertrieb Hauptjächlich Der ungepaarten Männchen bemächtigt, daß dieje, zunächlt auf der Suche nach Weibchen, jozujagen wider Willen ins Wandern geraten. Aus den vorliegenden Angaben über die Jahreszeit, in welcher die Wanderungen ltattfinven, glaubt Plesfe den Schluß ziehen zu dürfen, daß im Laufe des Frühlings, Sommers und Herbites feine genaue Zeit zu beftimmen ift, in welcher die Lemminge wan- dern, und dieje Anjicht wird noch durch Die Beobachtung von Collett bekräftigt, welcher be- hauptet, daß in den Jahren der großen Wanderungen die Lemminge im Laufe des ganzen Sommers ihre Heimat verlajjen, eine Schar der anderen folgt und jie im Flachlande einholt. Die Richtung der Lemmingwanderungen geht in der Hauptjache vom Gebirge zur Ebene. Das ergibt jich mit Sicherheit aus unzähligen unmittelbaren Beobachtungen. Aus diejen folgert dann Plesfe jehr richtig weiter, daß die Weltgegend, nach der der Lemming zieht, von der Richtung des Gebirgszuges abhängt, auf welchem der Kemming jeinen Wohn- ort hat. So fommt es, daß im größten Teile Sfandinaviens die Kemminge genau mweit- öjtlich oder umgekehrt wandern, während die im rufjiichen und im benachbarten finnijch- normwegijchen Lapmarfen, wo der Gebirgszug die Richtung Oft-Weft annimmt, nach) Norden und Süden ziehen. Daran jchließt jich das weitere Beobachtungsergebnis, daß die Xem- minge gewijje Zugftraßen haben, die jie den anderen vorziehen, weil fie wegjamer jind. „Dährend ich im Jahre 1880 zugleich mit einer Wanderung von Lemmingen mich) dom „smandrtajee nach Kola begab, waren Die Tierchen troß ihrer Menge an manchen Stellen nicht zu finden. Sch fand folche auf der ganzen Strede von 18 Werft nur an einer Stelle. Berglemming. 265 Dieje Stelle, die auf der 12. Werft lag und mir auch jchon von den Lappländern als ein Ort bezeichnet wurde, two fich Lemminge gezeigt hätten, war ungefähr !/2 Werft breit. Aus diefer Beobachtung glaube ich den Schluß ziehen zu dürfen, daß hier fich eine der Wander- itraßen des Lemmings befand.“ Dei Diejer Gelegenheit bejtätigt ‘Plesfe durch eigerre Be- obachtungen die Schilderungen Linnds und anderer, „laut welcher die einzelnen Lemminge einer Schar wohl alle in einer und derjelben Richtung wandern und daher als zu derjelben Schar gehörig angejehen werden fönnen, jedoch jeder Lemming in einer gemwiljen, bisweilen ziemlich beträchtlichen Entfernung von den anderen feines Weges zieht... Auf einer Ent- fernung von einer halben Werft längs dem Wege fonnte man fortwährend LVemminge hören, die alle in derjelben Richtung liefen und den Weg Freuzten. Schon in einiger Entfernung hörte man auf der rechten Seite des Weges das leife ‘Pfeifen des herannahenden Lemmings, welcher dann jchnell über ven Fußiteig Hufchte und auf der anderen Seite des leteren in derjelben Richtung feinen Weg fortjegte, wobei er immer leije pfiff. Doch war das Pfeifen des einen Lemmings noch immer hörbar, während fich von der rechten Seite de3 Weges abermals eine3 oder mehrere der Tierchen hören Tießen, die jich dem Wege aus der- ielben Richtung näherten. Zuweilen konnte man ganz deutlich vernehmen, wie die Lem- minge fich auf ihren Wegen begegneten; das Pfeifen wurde lauter, man vernahm das leije Bellen und inunren der Tiere, e3 entitand ein Kleiner Slampf, worauf beide Kämpfer ihren Weg in der früheren Richtung fortjeßten. Infolge diejer Kämpfe, ohne die es bei Be- gegnungen nicht abgeht, halten fie woHl abjichtlich darauf, in einiger Entfernung voneinander und nicht in dichten Haufen zu wandern. Sr größeren Scharen jammeln fie jich nur dort an, two jie auf größere Hindernifje ftoßen, z.B. an den Ufern der Flüjje und Seen.“ Zur Frage der Richtung der Lemmingwanderungen liefert Ehman eine jehr wejent- fiche Ergänzung durch den Nachweis, daß fie die Tiere nicht nur nach unten in Die Napdel- mwälder, jondern auch in entgegengejeßter Richtung führen, was indes bisher überjehen worden ift. Auch „in den oberjten Teilen der Flechtenzone finden wohl in jedem Lem- mingjahre Wanderungen Statt, und 1903 hatte ich mehrmals Gelegenheit, jie zu beobachten. Meiftens wanderten die Tiere einzeln, bald über die feinen vom Schnee freigelajjenen Tundraflede, bald iiber die großen Schneefelder oder die Gletjcher, und jie erreichen oft auf diefen Zügen die Höchjten Gebirgspartien. So fand ich auf dem Gipfel des Pärtetjäffo Maffen ihrer Erfremente in einer Höhe von über 2000 m, und derartige Funde an an- deren jehr hohen Orten waren gewöhnlich. Auf den Gletjchern jah ich mehrmals in den Firngebieten fowohl wandernde Tiere als ihre Fährten. Dr. Hamberg hat mir mitgeteilt, daß er einmal im Auguft einem Lemmingzug in großem Maßftabe auf dem Pärteglacieren begegnete. Er jah felber wohl gegen Hundert Tiere den Gletjcher Hinaufwandern, aber nicht in gefammelter Maffe, jondern ziemlich zerftreut mit etwa 50—100 Schritt Zwijchen- raum. Der Zug fehien beinahe die ganze Breite des Gletjchers, die etiva 2 km beträgt, einzunehmen und bewegte jich langjam in der Richtung gegen den Luottolafo, jedes Tier folgte aber nicht einer geraden Bahn, fondern lief hin und her; die mittlere Richtung war jedoch zweifellos am Gletjcher hinauf. Die Tiere fchienen jehr aufgeregt zu jein, und es ift zu vermuten, daß die meiften auf dem Gfletjcher umfamen. Anzeichen früherer jolcher Wanderungen wurde ich felbft einige Male gewahr. Auf demjelben Gtletjcher, dem Paärte- glacieren, forwie einem anderen, dem Suotasglacieren, fanden jich auf dem niederen jchree- freien Gebiet jehr zahlreiche Lemmingleichen, welche etwa im joeben angegebenen Abjtand fagen oder noch ettvas dichter, und auf einem dritten Gletjcher, dem Nikfaglacieren, war ein 266 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. großes Gebiet mit Leichen überjtreut, welche jo dicht lagen, daß man auf jedem Duadrat- meter 1—2 Stüd zählte.” AS legte Grundurjache der Lemmingwanderungen will Efman Nahrungsmangel nicht gelten lajjen. Auch an Orten, wo die Lemminge am dichtejten zujammenleben, fieht man von einer Bejchädigung der Vegetation nur jehr wenig. "Nur hier und da fieht man einen Weidenftrauch, dejjen Borfe abgenagt worden ift; an Gras, Flechten und Moos gibt e3 iiberall Überfluß, und jede Gegend würde unzweifelhaft eine mehrmals größere Zahl von Lemmingen ernähren fünnen als die jie bemohnende. Coflett und Plesfe zogen daher den unverträglichen Charakter des Lemmings zur Erklärung heran. Efman ftellt aber diejer Auffaljung mwiderjprechende Beobachtungen entgegen. „Syn der freien Natur (und in ihrer eigentlichen Heimat) jind die Tiere gar nicht jo unduldjam gegeneinander, daß die Hoch- gebirge ihnen auch bei der intenjipiten Vermehrung nicht Pla genug geftatten jollten. Wenn ich mich auf den Boden jeßte und mich ganz ruhig verhielt, fonnte ich oft 5-6 Lemminge in meiner unmittelbaren Nähe jehen, und jte vertrugen das Zufammenleben ebenjogut wie irgendeine andre Tierart. Auch leben im Winter anfcheinend mehrere zufammen; denn ich habe in ihren Winternejtern bis zu 4 Tiere tot gefunden.” Efman ging das Verjtändnis für die Lemmingwanderungen jchließlich auf durch forgfältige Beobachtung und Berüdjichtigung Jämtlicher in Betracht fommenden Eigentümlichfeiten jowohl des Tierchens jelbit als jeiner norwegijch-lappländischen Heimat. Beide müjjen zufammentirfen, um die auffallende und viel beredete Erjcheinung der Kemmingmwanderungen, eine der merfwürdigiten im ganzen Säugetierreiche, hervorzurufen. Da der Lemming, wie die meilten feinen Nager, jehr frucht- bar und in jeiner eigentlichen Heimatregion Nahrung für ihn in Hülfe und Fülle vorhanden it, jo vermehrt er jich in günftigen Wetterjahren ganz außerordentlich. Das wird aber in feinen menjchenleeren Wohngebieten bei jeiner verborgenen Lebensweije gewöhnlich überjehen, und erit im zweiten Sabre, nachdem die Kopfzahl bereit3 bedeutend angejchiwollen it, macht es fich durch die Überfülle der exjcheinenden Tierchen nach außen bemerkbar. Dann tritt zunächit das ein, was Efman mit dem Tiergevgraphen Kobelt „das Drängen gegen die Artgrenze” nennt: die Lemminge leben und vermehren ich nicht nur in ihrer Birfen- und Graumeidenzone, fondern ebenjowohl auch unterhalb, in der Nadelholz-, tie oberhalb in der lechtenzone. Soweit handelt e3 jich um nichts anderes als eine ganz natürliche Aus- breitung. Dieje wird aber jehr jchnell gejtört dadurch, daß die Tierchen bei der eigenartigen DOberflächengeitaltung mit den vielen jchroffen Gebirgszügen, die Norwegen und das an- toßende Nachbarland auszeichnet, alsbald andere Yebensbedingungen vorfinden, die ihnen, den ausgeprägten Charaktertieren der mittleren Bergzone, offenbar nicht zufagen. Und nur dadurch fommt die Unruhe über fie, die jie immer weiter treibt und zu den ungeheuren Scharen zufammendrängt, die plößlich, wie vom Himmel gefallen, in den Städten der Ebene erscheinen und jich durch feinen Fluß oder See, ja jelbjt das Meer nicht vom weiteren Vor- dringen abhalten lafjen. Norwegens „Lemmingjahre” find alfo durchaus mit unjeren „Mäufe- jahren“ zu vergleichen, und die Gejtalt Der verhängnispollen Wanderungen, die alle Wanderer zum Tode und feinen einzigen zurüd in die Heimat führen, nimmt die „Lemmingplage“ nur vermöge der eigenartigen Erdoberflächengeitaltung ihres Heimatlandes an. Im norwdiichen Ajien und Amerika, wo andere Lemmingarten leben, zeigt jich ihre Vermehrung in ähnlicher Form wie bei uns die „‚Mäufeplage”, und überall ftelft die Natur bald das Gleichgewicht durch anftedende Krankheiten wieder her. Auch den wandernden Lemming befällt eine „Qemmingpeft” und reibt feine Scharen noch rafcher auf, al3 dies Berglenming. 267 die Menge der anderen Fährlichkeiten ohnehin jchon tun würde. Ar großen Lemming- jahren jtellt ji), nach Collett3 Beobachtungen, gegen Herbft namentlich bei den alten Männchen eine Hautkranfheit ein: über der anjchwellenden Schtwanztmwurzel wird der Unter- rücen mehr oder weniger haarlos und bedeckt fich mit zahlreichen borfigen Knötchen. Diefe fand Zohan-Dffen mit einem Bakterium gefüllt, daS er alS Streptotrix lemmi bejchrieb; Golfett hält e3 aber für wahrjcheinlicher, daß e3 nicht diejes, jondern ein andres, noch un- befanntes, ijt, welches die wandernden Lenminge jchlieglich alle dahinrafit. Bei ihren Mafjenwanderungen fommt e3 vor, daß die Lemminge wirklich alles Ge- niegbare auffrejjen. ©o lejen wir von einem norwegijchen Mitarbeiter des „St. Hubertus” aus dem Februar 1908 über Lenimingjchäden: „Bo ein Lemmingheer in Erjcheinung tritt, ift es in wenigen Tagen, ja Stunden mit der Vegetation zu Ende. Grasmälle und Weidepläße werden in meilenmweiten Umfreife biS auf die Grundmwurzeln dDurchwühlt und vernichtet. Tritt Schneefall ein, jo wird das Vernichtungsiwerf mit verdoppelter Energie unter dem Schuße der hartgefrorenen Krufte fortgejegt. Sind der, Wiefen und Matten genügend bearbeitet, dann geht es an das Wurzeliverf der Jungholzbeitände, die von Millionen geichäftiger Zähnchen mit Windeseile der jchüßenden Nindenhülfe entkleivet und dem Verderben preisgegeben werden. Gleich fühlbar, wenn nicht jchlimmer noch, jind die Nachwehen, die ein jolches Phänomen in jagdlicher Beziehung nach jich zieht. Die Orte, wo der Lemming gehauft hat, werden jahre- lang vom Wilde gemieden. Die Elche treten meilenweite Wanderungen an, um fich dem Machtbereich der Nagerichwärme zu entziehen. Schneehühner und Birkwild verjtreichen auf ungeahnte Entfernungen, und jelbjt das genügjame Nenntier jcheint durch die mwider- lichen Ausdünjtungen der Lemmingpläße jo geniert zu werden, daß es ohne weiteres jeine Lieblingsitandorte preisgibt, um in den unzugänglichen Berghängen Zuflucht zu finden. Die fragliche Ausdünjtung muß von derartig fräftiger Bejchaffenheit fein, daß dem Wilde jelbjt im zweiten Jahre nach dem Durchzuge noch der Aufenthalt an den verwititeten Plägen zumider it, und erfahrene Själjäger rechnen im allgemeinen mit einem Zwijchenraum bon 5—6 Jahren, ehe der Wilditand in einem von Lemmingen verheerten Reviere jeine alte Höhe wieder erlangt. Wie indejjen alles in der Welt unter verjchiedenartigen Gefichts- punften gewidigt werden fann, jo fehlt e3 auch in diefem Falle nicht an Leuten, die in dem Ausbruche einer Lemmingplage ihr Gutes erbliden. Der unerfättliche Heißhunger zwingt die Tiere, bei ihrer Nahrungsaufnahme tief in die unteren Exdjchichten einzudringen, die auf dieje Weije mit vollfommener Grimdlichfeit Durchwühlt, zernagt und zermürbt werden, und zwar in einer räumlichen Ausdehnung, die feines Menjchen Hand unter Diejen un- mwirtlichen Breiten je bewältigen könnte. Damit ift alsdann der erjte Anjtoß zu einem groß- artigen VBerwitterungsprozejje gegeben, der nach Verlauf einer entjprechenden NRuhefrift dem natürlichen Fruchtertrage de3 wilden Bodens auf Jahre hinaus zugute fommt.” sm verflojjenen Jahrzehnt Haben fich Die Lemmingjahre gehäuft. Schon im Dftober 1906 hatte die Tagesprejje darauf aufmerkfjam gemacht, daß wieder Lemmingjahre bevor- jtänden, daß „gerade in Diefem Herbit die Lemminge aus ihren eigentlichen Aufenthaltsorten in den Gebirgsgegenden von Schwedijch-Norrland auf der Wanderung nach den Stüften- gegenden an der Bottnifchen Bucht begriffen” waren. Auch 1909 war ein Lemmingjahr. Darüber lieferte ein Mitarbeiter der „Norwegifchen Jagd- und Filchereizeitung” Beobacdh- tungen, die im „Field“ (Ver. 2973, 09) wiedergegeben find. m Dftober begann der Abjtieg von den Fjelds immer in mweitlicher Richtung. Allerliebjt muß das Benehmen der feinen 268 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Wanderer beim Übergang über eine Brüce gewejen fein. Der Berichterjtatter jah das zwei- einhalb Stunden im Mondjchein mit an, und währenddeljen famen etwa 500 Stüd an ihn vorüber. Erjt war am Ojtufer eine Menge, am Weitufer fein einziger. Gegen 9 Uhr abends aber famen fie. Exit einer, der äußerjt vorjichtig vorging, fortwährend beilte und aufmerffam auf Das Summen der Telegraphendrähte horchte. ALS diefer Führer die Brücfe Halb iiber- ichritten hatte, tauchten andere am Dftende auf. Viele beiten immer und immer wieder. Bevor der erjte drüben anlangte, waren 18 auf der Brücde zu zählen. Sie hielten öfters an und jchnüffelten in die Luft, genau wie ein Hund, der Wildwitterung anzieht. Exit waren die feinen Wanderer überall auf der Brücde. Bald aber hatten fie jich zu einem Zuge auf der rechten Seite vereinigt, und wenn nun einer auf die linfe Seite geriet, jo hielt er an, z0g die Luft ein und wechjelte hinüber auf die rechte Seite, wo er dann mweiterlief. „iD0d“ berichtet unterm 31. Auguft 1907 von dem jeltenen Falle einer Rücdtwanderung. m Winter nach der großen Wanderung 1902 waren die Lemminge vom Südufer des Selbojees vollfommen verjchwunden, am Nordufer aber große Mengen zurücgeblieben. Als nun der Frühling fam, fehrten fie zu Taufenden über den See zurück auf der Eisdede, die jich in einer Wacht gebildet hatte, um ihre Hochfjelds wieder zu erreichen. Das Eis brach bald; aber unerjchroden warfen jich die Lemminge ins Wafjer und Shwammen über: auf den vorjpringenden Landzungen jammelten fie ji) und begannen von da ihre lange Schwimm- reife. An einer Stelle lag ein großes Floß Bauholz nahe am Land verankert, das von einem Dampfer mweggejchleppt werden follte. Auf diejer guten Gelegenheit jammelten fich die Lemminge in jfolchen Mengen, daß die Stämme von ihnen zu leben fchtenen. Der beite Bertilger der Tiere ift das Stlima. Ein najjer Sommer, ein Falter, früih- zeitiger, jchneelojer Herbjt tötet jte millionenweife, und dann bedarf es, wie erflärlich, längerer Jahre, bi3 die Vermehrung ein jolches peitartiges Hinjterben wieder einigermaßen ausgleicht. Außerdem Haben die Xenminge eine Unzahl von lebenden Feinden. Man darf wohl jagen, daß Sich alle Raubtiere ganz Sfandinaviens von ihnen mäjten. Wölfe und Füchje begleiten jie meilenmweit und frejjen, wenn e3 Lemminge gibt, nichtS anderes; der Vielfraß jtellt, wie ich jelbit beobachtete, unjeren Tieren eifrig nach; Marder, Yltijje und Hermeline jagen zur Yemmingzeit nur fie; die Hunde der Lappen jehen in einem Lemmingjahre Feitzeiten, wie folche ihnen, den ewig Hungrigen, nur jelten wiederfommen; die Eulen folgen den Zügen; die Schnee- Eule findet fich fajt ausihlieglich an Orten, two e3 Yemminge gibt; die Bujjarde, namentlich der Nauhfußbufjard, find ohne Unterlaß be- müht, die armen Schelme zu vertilgen; Naben füttern mit ihnen ihre Jungen groß, und Kträhen und Elftern fuchen die bijjigen Gejchöpfe, jo qut e8 gehen will, auch zu vernichten; jelbjt Die Nenntiere jollen, wie vielfach behauptet wird, zumeilen Yemminge frejjen oder jte mwenigjtens, wahrjcheinlich erzürnt durch die Kampfluft der Keinen Kerle, mit den Borderhufen totjchlagen. Höchit jpakhaft fieht es aus, wenn eine Strähe fich an ein Lemmmngmännchen wagt, das fich nicht qutwillig feiner Feindin überliefern will. Sch hatte das Glüd, einen jolhen Zweifampf mit anzujehen. Der Menjch wird nur, wenn er jich felbit in größter Not befindet, zum Yeinde der Zemminge. Sr allen hochgelegenen Gegenden Sfandinaviens läßt er die Tiere fchalten und walten, wie fie wollen. Er weiß fie auch nicht zu benugen; das Fell ift nicht viel wert, und vor dem Fleifche hegt er, wie leicht begreiflich, ungefähr denjelben Abjcheu, den wir bor dem Rattenfleifche haben. Die Lappen aber werden oft durch den Hunger getrieben, Lenmminge zu verfolgen. Wenn ihnen alles Wildbret mangelt und die von ihnen jo ficher Berglemming. Oblemming. 269 gehandhabte Büchfe nichts mehr bringen will, müfjen fie zum Hirtenjtode greifen und Lem- minge fehlagen, um ihr Leben zu frijten. Dem Menfchen bringen die Kleinen Nager, wenn jie jich mafjenhaft anhäufen, eine ganz bejondere Krankheit, das jchon 1520 erwähnte und jchon damals auf die Lemminge zurücgeführte „Lemmingfieber”. Dieje „„Lemaensot‘“ fängt nach Urel Sohannejjen mit jtarfen Fiebererjcheinungen an, auf welche große Mattigfeit, Lendenjchmerzen und Drüfen- anjchwellungen am Halfe, in der Eifenbeuge und in den Leijten, oft diphtheritifcher Belag im Rachen und mitunter eine Art Nejjelausjchlag folgen. Todesfälle fonmen aber nur jelten vor. Auf dem regelrechten Tiermarkt beim Händler ijt der Lemming faum jemals zu haben, nur gelegentlich von den Einwohnern feiner Standorte und Wandergebiete. Daher ijt er auch in den zoologischen Gärten eine Seltenheit: es gab bei uns nicht einmal eine Abbildung nach dem Leben von ihm, bis 1889 zum erjtenmal einige in den Berliner Garten famen und von Meifter Mügels Stift in mujtergültiger Weije verewigt wurden. Sie hielten eine geraume, allerdings nicht allzulange Zeit aus und zeigten in der Gefangenschaft gar nichts bon dem bijjigen und angriffsluftigen Wejen, das dem Lemming in der Freiheit nach- gejagt wird, waren vielmehr alferliebjte Tierchen, halb jcheu, halb zahım wie andere fleine - Nager auch. Untereinander vertrugen fte fich gut. Anders war e3 mit einer zweiten, viele Jahre jpäteren Sendung: bei ihr traten die aus der Freiheit befannten Lemmings- eigenschaften auch im Benehmen gegen den Wärter und untereinander deutlicher zutage. Heute unterscheidet man natürlich mehrere Lemmmingarten und -unterarten und zweifelt nicht mehr daran, daß auch der Lemming jeine ganz bejtimmten Ausprägungen Eleinfter geographifcher Einheiten hat wie jedes andere Säugetier. Wie nahe fich aber dieje ver- ichiedenen Yemmingformen ftehen, das fennzeichnet am beiten Nehrings Ausjpruch, nad) deifen jorgiamen Unterfuchungen fie nur „al3 gut charafterifierte Varietäten betrachtet werden dürfen”. Er fam zu diefem Ergebnis durch Schädel- und Gebißitudien am Sibi- riichen oder Oblemming, L. obensis Brants, dem öftlichen Vertreter des norwegifchen, der, in Europa öftlich vom Weißen Meere beginnend, durch Die Tundra der Samojeden über den nördlichen Ural durch ganz Nordfibirien jich verbreitet. Diefen Oblemming hält Nteh- ting für „das Urbild der Sippe”, von dem die anderen abzuleiten jind. Die Unterjchiede zwiichen dem norwegischen und dem Oblemming „bejchränfen fich beinahe auf eine ab- mweichende Färbung des Haarkleides; außerdem fcheint jener etwas größer und Fräftiger zu jein. Schon die für eine arktifche Tierart auffallend geringe Ausdehnung feines (des Nor- mwegers) Verbreitungsgebietes, welches fich auf Skandinavien und das nordmweitliche Ruf- fand bejchränft, fpricht dafür, daß M. lemmus eine Iofale, feit der Eiszeit entjtandene Ab- ziveigung des M. obensis ijt.” Außerlich unterfcheidet jich der Oblemming, abgejehen von feiner geringeren Größe, durch weniger bunte, jchedige Färbung; nach Middendorffs Farbentafeln ijt an jeinem Sommerfleide das Schwarz auf den Kopf befchränft, im Winterkfeide überhaupt Faum angedeutet. Das graubraume, ganz feldmausähnliche Jugendfleid, das tatjächlich zu Ver mwechjelungen Anlaß gegeben hat, ijt dagegen, nach Efman, von dem der norwegischen Art mwejentlich verjchieden, „und die bei den alten Tieren der beiden Arten vorhandene, freilich jehr geringfügige Farbenähnlichkeit ift daher nur eine Konvergenzerjcheinung”, d. h. eine nachträgliche VBerwilchung urjprünglicher Verjchiedenheit: ein Grund mehr, an der Att- jelbjtändigfeit des norwegischen Zemmings feitzuhalten. 270 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Auch der Standort macht einen bedeutjamen Unterschied gegen den Norweger: der Dblemming ijt fein Berg- und Hochlandstier, fondern im Gegenteil ein ausjchlieglicher Be- wohner der Moositeppen des nordjibiriichen Tieflandes, der eigentlichen Tundra. „Obgleich er dort”, jagt d. Middendorff, „wo das Flachland des Nordrandes von Sibirien wenig liber 70° nördl. Br. vom Eismeer begrenzt wird, die Stüften diejes lößteren zu erreichen jcheint, jo fand ich ihn im Taimyrlande Doch faum über 74° nördl. Breite hinaus. Auch nijtet er gern und zahlreich innerhalb des Strüppelmwaldes, der die Baumgrenze umgibt. Seine Iqua- torialgrenze fennen wir noch nicht; Doch muß jte nahe mit der Grenze des Hochitämmigen Waldwuchjes zujammtenfallen.” Der zweite deutjch-rufjiiche Erforscher Sibiriens, Schrenf, jchildert das Tierchen nach Beobachtungen in der Samojedentundra. „Der Boden mancher Flächen zeigte jich von zahl- Iojen Gängen und Pfaden der Heinen Tierchen durchwebt, die von den hiefigen Rufjen mit dem Namen der ‚Mäufe‘ (mymı) bezeichnet, von den Samojeden aber pise genannt werden.” Schreber- Wagner führt den Oblemming unter dem rufjischen Namen Pestruschka auf. Sinjeh berichtet über den Oblemmuing in feiner „Neife nach Weitjibirien”: „Der Lemming war ungemein Häufig auf der Tundra, nördlich bi3 zum 68. Grade, und wir beobachteten ihn täglich jehr oft. Neben der vorherrichend jemmelfarbenen Färbung erlangte ich auch einen ins Note fallenden und jah fait jchwarze.” Schrenf jpricht noch von Wanderungen des Oblemmings: „Das Tierchen erjcheint in diejen Gegenden in regelmäßigen Wande- rungen, die zu Ende des Wat bis in Die Mitte des Juni über das Uralgebirge in die Ebenen gelangen und jich wejtlich über die drei Samojedentundren bis an das Weiße Meer und jüdlich bis an die Waldgrenzen verbreiten; denn in der Waldregion wird der Lemming nicht angetwoffen... Flüchje und Eisfüchje folgen regelmäßig den Wanderungen des Lem- mings, von dem jie hauptjächlich ihre Nahrung nehmen, und dejjen häufige Erjcheinung daher mit Recht als ein Segen für die Einwohner der Tundra betrachtet wird, indem jelbige in vergleichen Jahren ergiebige Jagd haben.” Bon einer Lenmmingwanderung auf Nowaja Semlja, die wir nach dem heutigen Stande unjerer ienntni3 nur auf den jibirischen Tundralemming beziehen fünnen, entwirft der deutjch-ruffiiche Jagdzoologe Martenjon-Maluıp ein äußerft fejjelndes Bild nad) St. Noj- Nilow, „der zwanzig Sahre lang im Norden Nuflands, darunter mehrere Jahre in Nomwaja Semlja gelebt hat, und dejjen Darftellung den Eindrud der Wahrheitstreue macht." Er läßt jeinen Gemwährsmann jelbjt erzählen: „Der Mai ift Herangenaht, die rötliche Sonnenfcheibe bleibt Tag und Nacht iiber dem Horizont, und die Bolarnatur erwacht zu regem Leben. Bejonders zahlreich, in Scharen von Taufenden, jtreichen die Naubmöwen niedrig über das Gelände. Das jei, meinen die Sa- mojeden, ein Anzeichen, daß Die Wanderung der Lemminge bald eintrete. Und in der Tat, als ich eines Morgens aus der Hütte trat, ergo fich ein Strom diejer Tiere heran, oder matjchierten fie wie eine Heeresmajje einher, überall fich nach Kräften gegen ihre jchreienden und fliegenden Feinde wehrend. Someit man auch von erhöhten Standpunft und mit be- twaffneten Augen blieen mochte, überall die beweglichen Neihen der Mäufe und über ihnen die freifenden Mömen. Auf jedem Hügelchen und Steine aber hodten Schnee -Eulen, Die jich bereits fatt gefrefjen hatten, und weiterhin am Fuße der Berge Iungerten die Eisfüchje umher, füllten ihre Rachen mit Mäufen und jchleppten dieje zu ihren Schlupfiwinfeln. Am Sube eines Felsblodes liefen eine Menge Leniminge hin und her, wie gequält von der Ungemißheit, wie diejes Hinderni3 zu nehmen fei; einige fprangen gegen diefe Wand, um DOblemming. Waldlemming. 271 zurüczufallen und jeitwärts einen Ausweg zu juchen, andere bijfen ärgerlich in den Stein und zerbrachen ihre Zähnchen oder fragten ihn mit ihren Nägeln, noch andere verfuchten fich unter dem Schnee Durchzumühlen, und nur wenige, denen e3 wunderbarerweife gelungen jvar, den Bloc zu erflettern, zogen hajtig meiter. „sc verließ num diefe wie vom Wahnfinn getriebenen Tiere und begab mich ang Ufer, dejjen Tonfchieferfelfen abjagweie fteil abfiel und mit Alfen, Tauchern und anderen Bögeln zu Taufenden bejett war. Doch auch dort gab’s für die Lemminge feinen Halt. Gleich chwarzen Tropfen jtürzten jie fich iiber 30 m tief auf das Ufereis hinab: von der Seite jah es aus wie ein Waflerfall. Während ein Teil der Mäufe fopfüber abjtürzte, Fralften jich andere von ihnen an die VBorjprünge an und fielen von Abjas zu Abjat. Die dort in Maijen befindlichen Tauchenten mwichen ihnen aus und liegen fie ztwiichen ihren Nejtern friedlich vorbei. Auf einem Ummvege gelangte ich nun auf das Ufereis hinab. Dort lagen zu Hunderten tote Mäufe, während Taujende jich zum offenen Meere fortbeweaten. Um weiter beobachten zu Fünnen, begab ich mich meerwärts bis zum Freieije, obgleich das bei dem Landivinde, der das Eis leicht abtreiben fonnte, nicht ohne Gefahr war. Auch hier drangen die Lemminge unaufhaltfam vor, Hetternd, jpringend, fallend und jich durch den . Schnee bohrend. Hier und da hielten Hunderte von ihnen an der Eisfante einige Augen- blie ftill, das Gejicht zur blauen See gewandt, als hätte Der Meeresduft fie beraufcht, oder als wandle jie Furcht an vor der unbefannten Ferne. Dann aber richteten jie jich in die Höhe, eilten wieder vorwärts und ftürzten jich in das falte Seewaljer. Ziiichen den Eis- icholfen und über fie hinweg jchwimmen und flettern die Mäuje wie wahnjinnig und un- enttwegt in der einmal angenommenen Nichtung vorwärts, ob auch) jchon der Tod unter ihnen aufgeräumt hat und jich überall ihre Dunfeln toten Körperchen auf den Wellen jchau- fein. Sch jchreite längs der Eisfante einher, zwei Werft weiter — immer dasjelbe Schaufpiel der ich vom Uferrande herabiwerfenden Mäufe, nur daß hier und da ein Trupp Seehunde die Schwimmenden abfängt und gierig verjchlingt. „Sech8 Tage und Nächte dauerte diefer Zug, und wir befanden uns durch ihn wie im Belagerungszuftande. Am zweiten Tage änderte der Zug, da ftarfer Wogengang ein- getreten war, jeine Richtung und ergoß jich dem Weftufer entlang zur Karifchen Pforte hin.“ St Uralgebiet jcheinen, nach Schrenk, auch einigermaßen regelmäßige Nücwande- rungen jtattzufinden: „Sm Herbit pflegt der Lemming öftlich über das Gebirge zurüd- zumandern. Eine nicht. geringe Anzahl bleibt jedoch auf der europätichen Seite zurücd, die in den Tundren überwintert... Alle Tiere, die jebt (21. Juli) auf der Tundra angetroffen wurden, waren folche, Die hier überwinterten.“ gu dem norwegischen Berg- und dem fibiriichen Moorlemming gejellt jich als dritte altweltliche Art der Waldlemming, Lemmus schisticolor Lillj., der in der Stufen- leiter der Standorte die mittlere Stelle, die Nadelwaldregion, einnimmt. Das trennt ihn icharf von dem gewöhnlichen Norweger, mit dem er fonft ungefähr diefelbe geographijche Verbreitung (Skandinavien und Finnland) hat. Denn nach Plesfe ijt Fein Zweifel, daß bei normalen Berhältnijjen, d. h. wenn feine Wanderungen des Berglemmings ftattfinden, die beiden Arten ganz verjchiedene Gebiete bewohnen, M. schisticolor ein typijcher Ver- treter der Zauına de3 aus Abies excelsa bejtehenden Waldes ijt, während M. lemmus in der Regio subalpina auftritt. M. schisticolor fieht wie eine Wühlmaus aus: erheblich Heiner als die beiden anderen Lemmingarten und ajcharau gefärbt, nach Giebel mit einem 272 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. großen rotbraunen Fled auf dem Unterrüden. Ferner unterjcheidet er ich äußerlich noch darin, daß die Klauen an den Vorderfüßen bedeutend fürzer jind als an den Hinterfüßen und folglich das umgefehrte Verhältnis zeigen wie bei M. lemmus. Schließlich jind, nach Blesfe, noch in den Schädelwerhältnijfen jcharfe Eonjtante Unterjchtede nachzumeifen. Snmerhin jteht, nach Nehring, „auch er (M. schisticolor) dem M. obensis ojteologijch jo nahe, daß er gewiljermaßen al3 eine mit den Jugendcharafteren (Färbung!) des M. obensis verjehene Zwergform erjcheint. Seine geographiiche Verbreitung ift, joviel wir milien, ebenfall3 eine relativ bejchränfte, und ich jehe auch in ihm vom paläontologischen Stand- punft aus eine Abzweigung des M. obensis“. Plesfes Neijegefährte, W. Larvromw, fand vier tote Waldlemminge auf dem Weißen Meere in der Nähe der Kujajhaja Guba, wenig füdlicher als Ktandalaffcha, treibend, und diejer Fund ift von ganz bejonderem Syntereife, weil er deutlich beweilt, daß in Demjelben Sahre, two der Berglemming wanderte, auch der Waldlemming eine Wanderung unter- nommen hatte. Ferner endigt die Wanderung ebenfall3 im Meere, da die erbeuteten Stüde bejtimmt ertrunfene Wanderer waren. — Genauere Beobachtungen über die Wan- derungen des Waldlemmings find von Sädbom gemacht und von Leche auszugsweije wiedergegeben worden („Zool. Garten”, 1873). Sädbom fand im Herbit 1871 überall in der Umgegend von ©vartä (Brovinz Nerife, 599 nördl. Br.) die Tiere des Morgens tot an und auf den Eijenbahnjchienen. Die Wanderungen wurden ftetS des Nachts in der Richtung bon Nordmweiten nach Süden unternonmen. Auch in entlegeneren Gegenden, im Walde bei Sparta, wurden mehrere tote Waldleniminge gefunden, alle am Halje verivundet. Wahr- jcheinlich Gefallene in den Kämpfen der wandernden Kemminge untereinander, wie fie Plesfe beobachtet hat! | Koch eine andere abweichende Feititellung Sädboms gibt Leche wieder, an deren tatjächlicher Nichtigkeit aber faum ein Zweifel erlaubt jcheint. Während font allgemein bon einer großen Überzahl der Männchen unter den wandernden Yemmingen die Nede ift, maren von der großen Menge Lemminge, die man (1872) an denjelben Stellen bei Sparta und Heljelfors gefunden, die Mehrzahl Weibchen und auch nur zur Hälfte ausgewacjen. Dies wird allerdings al3 ein Beweis angejehen, dat die Waldlemminge, wenn jie auc) nicht ihre eigentliche Heimat in den nahegelegenen Wäldern gehabt, doch feine bejonders große Wanderung gemacht haben, zumal fie jchon Anfang Juli oder wahrjcheinlich noch früher da waren, wenn man fie auch nicht früher beobachtet hatte. Die amerifanijchen Lemmingformen zeigen ebenfalls jehr deutlich den Wandel der Anjchauung in der Syjtematif. Früher fprach man in der nowijchen Naturgejchichte mit Borliebe von „zirfumpolaren”, jowohl in der Alten als in der Neuen Welt vorfommenden Arten und betrachtete auch den Tundralemming als eine folche: der amerifanijche L. tri- mucronatus Rich. aus Nordalasfa erjcheint in der Hauptausgabe des Trouejjartichen Sa- talogs von 1897 nur al3 Unterart von ihm; im Supplement 1904 werden aber beide als jelbitändige Arten geführt, und feine Lemmingjpezies ift mehr zirfumpolar. Genau jo ging es mit der zweiten Lemminggattung (Dierostonyx @log.), den Gabel- frall-Lemmingen: in der Hauptausgabe nur eine zirfumpolare Art (D. torquatus Pall.), mit einer amerifanischen Unterart, im Supplementband dieje al3 jelbjtändige Art (D. hudsonius Pall.) anerfannt und noch mit drei Unterarten verjehen. Waldlemming. Halsbandlemming. 273 Shren mwifjenjchaftlicden Namen, der Gabel- oder Doppelfralle bedeutet, hat die Gat- tung von einer zeitweijen GejtaltSveränderung der beiden Mittelfrallen des Vorderfußes, dejjen Daumen nur nod) als Heine, hHornbededte Warze auf der Unterfeite jist. Während nämlich die dritte und vierte Stralle im Sommer am Grunde nur jtärfere Ballen haben und an den Spigen jchlanfer, gejtredter und jchärfer jind als bei den gewöhnlichen Lemmingen, mächjt diejer untere Ballenteil zum Herbit plöglich vor bis zu gleicher Yänge mit der eigent- fichen Kralle oder gar noch länger und ftärfer, breit und poljterähnlich. Gegen Ende de3 Winters gräbt ji) die Grenzlinie zwijchen diefer Ober- und Unterfralle immer tiefer ein, bis feßtere jchließlich abfällt. Der amerifaniiche Forjcher Couez, der eine genaue Bejchreibung diejer merfwürdigen Bildung gibt, bringt jte mit verjtärfter Grabtätigfeit des Tieres in Be- ziehung, das in unterivdiichen Röhrengalerien übertwintert, während es im Sommer mehr frei und oberixdiich lebt. Die beiden „Doppelfrallen” find auf der Höhe ihres winterlichen Wach3- tums über 1 cm lang. Aber auch jonit ijt die Gattung wohl gefennzeichnet. Bor allem fehlen die Zahnunterjchiede nicht, die von jeder Säugetiergattung verlangt werden: die Baczähne ind einfacher geitaltet, denen der gewöhnlichen Wühlmäufe ähnlicher. Schließlich ijt die äußere Ohrmuschel gejhwunden, nur noc) eine nadte Hautfalte Hinter der Ohröffnung übrig. Die einzige altweltliche Art der Gattung nach heutiger Auffafjung, der durch Ballas und Middendorff befanntgewordene Halsbandlemming, D. torquatus Pall. (Myodes), ein feines Tier von weniger als Feldmausgröße, tt in feiner Verbreitung auf die Alte Welt, den nördlichen Ural und das nördliche Sibirien bi3 Kamtjchatfa bejchränft. Smmer noch ein ungeheures Gebiet, in dem jich der Halsbandlemming aber jtet3 nördlich von oder, in der Meereshöhe, über jedem Baummuchs Hält! Er ergänzt und vertritt jich jo mit feinen bereits gejchilderten Verwandten aus der Wald» und Zwergmwaldzone und endet die Stufen- feiter der Verbreitung der Lemminge nad) oben. Daher fommt denn auch bei diejem „Wärmehafjer” (Misothermus hat ihn Henjel genannt) etwas zum Vorjchein, was Den tiefer und jüdlicher lebenden Arten der Gattung Lemmus fehlt: ein weißes Winterfleid. Midden- Dorff widmet den verichtedenen Färbungen des Halsbandlemmings in den berjchiedenen Altersitadien und Jahreszeiten ausführliche Bejchreibungen und viele Abbildungen. Man erjieht aus ihnen, daß das junge Tier zunächjt oben bräunlichgrau, unten heller gefärbt it, ungefähr wie unjere Feldmaus. Die Hellgraue Farbe der Unterjeite zieht jich dann an den Leibesjeiten herauf, und es bleibt nur auf dem Nücden ein rötlicher Ton, der beim alten Tier im Sommer jich verdunfelt und ausdehnt. Die Herbitfleiver bilden im ihrer Aufeinanderfolge einen deutlichen Übergang zum weißen Winterfleid durch Einengung der dunklen Farbe von unten her. Der deutjche und der wijjenjchaftlihe Artname Mnüpfen daran an, daß von der rötlich, gelblich und jchwärzlich gewäjjerten Oberfeite ein qraues Kackenband ich mehr oder weniger deutlich abhebt. Der Halsbandlemming ift, nach dv. Middendorff, ein Bewohner des Eisbodens und fehlt als jolcher dem gefamten außerrufjifchen Europa, ja jogar dem rujjijchen Lapplande; da- gegen reicht er nordwärts, jo weit nur Feitland vorhanden, und gleichfalls auf die Injeln des Eismeeres hinüber; ja jogar auf dem Polareije fand Parı) ein Sfelett diejes Tieres unter 82° nördl. Br. Die Sidgrenze der Verbreitung des D. torquatus greift gar nicht oder nur unbedeutend in die Waldgrenze hinein; two er aber legtere judmwärt3 zu Überjchreiten jheint, folgt er doch nur den unbewaldeten Höhenzügen. Der Halsbandlemming darf als das am meijten charafterijtiihe Landfäugetier der waldlojen arktiichen Gebiete bezeichnet Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. | 18 274 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. werden. Middendorff rechnet ihn zu den „Hhperborealen Eistieren” und bemerkt, daß Diejer Nager jelbit in jenen hohen Breiten ein entjchiedenes Höhen- und Feljentier jet. Die Nejter jchildert Martenjon nach Nofjilomw von Nomwaja Semlja: jie „befinden jic) unter den Schneelagern auf trodenem Sandgrunde, find aus Gräjern gebildet und haben die Geftalt von flachen Ballen mit einem Dunchmeffer von etwa 20 cm. ln der Unterfeite it ein Eingangsloch, zu dem ein etiva zwei Zoll breiter, im Boden ausgewühlter Gang führt. Außerdem führen noch mehrere gewundene Pfädchen nach verjchiedenen Richtungen, immer aber zu Moo3- und Grasplägen. Unwmeit des Nejtes war unter einem Steine eine fleine Grube, die Vorratsfammer, in der allerlei Würzelchen lagen.” Über die Winter- färbung jagt Martenjon: „Un 30. September trat Schneefall und Frojt und Damit der lange nordische Winter ein... Zu feiner (Nofjtlows) VBermunderung hatten fich die Hals- bandlemminge um diefe Zeit gleichham plößlich verfärbt. Die Grannenhaare und Schnurr- haare waren weiß, die Unterwolle aber grau.” Nebenbei Iejen wir auch bei Martenjon- Noffilorw, daß die Halsbandlemminge auf Nowaja Semlja „nur Heine güge unternehmen“. Der amerifanische Vertreter des Halsbandlemmings, der DoppelfralligeLemming, tie er bei Schreber-Wagner, oder Schedenlemming (Pied Lemming), wie er in Der amerifanischen Naturgejchichte Heißt, D. hudsonius Pall., wurde auf Grund einiger Felle aus Labrador von Ballas in feinem großen Nagetierwerfe benannt und bejchrieben, zugleich mit der altweltlichen Art, aljo fchon von dem Entdecker fir verfchieden von diefer gehalten. NAußer- fich ift er allerdings fehr ähnlich: Diefelbe jchwarzgelblich und grau verwaschene Sommer- färbung und Dasjelbe weiße Winterfleid. Stone und Cram geben an, daß der arbenmechjel zum Winter und Sommer bon einer vollftändigen Frühlings- und Herbithärung begleitet jet. Die geographiiche Verbreitung reicht Durch das ganze arftijche Amerifa, von Grönland bis zur Hudjonbat und durch Nordfanada bis Alaska, beichränft jich aber überall auf Die „barren grounds‘, d. h. die öden Tundren oberhalb der Baumgrenze. „Ein ganz unerwartet jüdfiches Vorfommen ift dasjenige auf der Snjel Unalafchfa (im Beringsmeere füdlich vom 54. Grade nördl. Br.), doch geht allerdings auch der Eisfuchs am Beringämeere bis zu denjelben Breiten hinab.” (v. Middendorff.) Bon den jfandinavijchen Polarforjchern Nathorft und Kolthoff wurde der amerifanijche Halsbandlemming in feiner Heimat beobachtet. „Kolthoff fand ihn 1900 in größerer Zahl bei der Madenzie-Bucht (Dftgrönland, 73° 30 nördl. Br.)... Die Höhlen der Lemminge be- tanden aus einem Hauptgange mit zwei Ausgängen, dejjen Länge von I—3 m und dar- über jchwanfte. Ungefähr in der Mitte des Ganges war eine größere Fejjelartige Erweiterung gegraben, und hier befand fich das recht große, aus feinem, zernagtem Grafe gebaute Veit, das Ausgänge nad) beiden Seiten hatte. Bon diejer Erweiterung aus führte ein fchmälerer, 1!/e—2 m langer, jadgafjenartiger Gang zu einer größeren, Tellerfürmigen Erweiterung, in der ausjchlieglich die Lojung des Tieres gefunden wurde, und zwar in jolcher Menge, Daß fie mehr als die Hälfte Der Grube füllte. Mitten im Seitengange war eine Fleine Er- weiterung, welche wahrscheinlich al3 Rejerveverftec dienen follte, und in der mehrmals ein Wurf halbwüchjiger Junge gefunden wurde. Diefe Jungen waren wahrjcheinfich vom hoch- trächtigen Weibchen dahin gebracht, wenn ein neuer Wurf in Ausficht ftand; denn wenn im Geitengange halbwüchlige Junge gefunden wurden, fand man immer neugeborene Junge im Neite. E3 ergab fich alfo, dak das Weibchen fchon von neuem wirft, wenn die Jungen des eriten Wurfes Halbwüchfig find. Ein Wurf zählte in den meiften Fällen 3, ein paarmal nur Halsbandlemming. Schedenlemming. 275 2, vereinzelt 4 und einmal 5 Junge. Sn den bejchriebenen Yemmingneftern oder Gruben wurden niemals ältere männliche Lemminge gefunden. Diefe wohnten für fich in einem einfachen furzen Gange, der oft nur einen Ausgang hatte und ohne Neft war. Auch Winter- wohnungen wırden gefunden. Sie hatten die Größe eine Menjchenkopfes, gewöhnlich fugehtunde Gejtalt und jeitlichen Eingang. Sie lagen zur ebenen Erde, waren erfichtlich unter dem Schnee gebaut und durch die Schneefchmelze bloßgelegt." (Lorenzen, „Brome- theus”, Nr. 861.) Die neugeborenen Jungen find nadt und blind. Schon nach ein paar Tagen wächit ihnen ein einfarbig dunfelgraues Haarkleid ; aber exit nach etiva 14 Tagen öffnen fich die Augen, und dann erhält der Pelz ein fchtvarzes Nücdenband. Die hübjche Sommertracht der Ulten legen jie exit nach etwa zwei Monaten an. — „Dah der arön- ländische Lemming nicht in einen Winterjchlaf verfällt, geht daraus hervor, daß er mit jolcher Xeidenjchaft Vorräte jammelt, und daß er ein bejonderes Winterfleid Hat, was im allgemeinen nicht bei ven Tieren der Fall ift, die in Winterjchlaf fallen. — Im Schlafe nehmen die Lemminge recht eigentümliche und dverichiedene Stellungen ein. Teils fiten fie auf dem hinteren Teile des Nüdens, in Feine Kugeln zufammengezogen und alle vier Füße nach oben; teils liegen jte auf dem Nüden und jtreden alle viere in die Höhe. Nachts jind fie mehr in Bewegung...” Nacdy Stone und Cram unternimmt auch der amerifanifche Halsbandlemming, wie der altweltliche, feine ausgeprägten Wanderungen. „Die von Kolthoff nach Schweden mitgeführten Lemminge gediehen bortrefflich in der Gefangenjchaft und brachten jchon im erjten Jahre mehrere Würfe zur Welt. Sie zeigten ausgeprägten Ordnungsjinn und wußten jich in ihren Kleinen Käfigen vortrefflich einzurichten. Ihren natürlichen Bedürfnifjen genügten jte ausschließlich in einem Keinen Blechkaften, der zu diefem Zwecke in einen bejonderen Raum geitellt war, Hatten ihre bejtinmten Schlafpläße und trugen ihr FZutter jtet3 an einen bejtimmten Pla, um es zu verzehren. Neu gerworfene Sunge wurden nicht von den Stameraden beunruhigt; vielmehr verließen leßtere den Raum, in dem fie vorher gemeinjam gejchlafen hatten. Namentlich ein Weibchen zeigte große Be- jorgni3 um feine Jungen und griff einen in die Nähe fommenden Finger teil3 mit den Borderpfoten, die e3 in der Aufregung mit der Geichwindigfeit von Trommeljtöcen be- wegte, teils mit den Zähnen an. Als die Jungen herangewachjen waren und die Wohnung verließen, fonnte e3 ftundenlang eines nach dem anderen wieder zurücjchleppen, indem es jie bald im Genid, bald an einem Beine mit den Zähnen padte, und wie jehr die Kleinen jich auch jperrten, fie mußten mit... ©ie freijen fait alle Bflanzenftoffe, zeigen aber be- jondere Vorliebe für Gras, Blätter vom Löwenzahn, Weinbeeren, Heidewurzeln ı. dal. Beim Freien halten jie nach Art der Eichhörnchen das Futter zwifchen den Vorderfüßen und verzehren erjtaunlich jchnell und viel. Sicherlich Jammelt diefer Kemming Wintervorräte; denn er trägt jein Futter auf bejondere Stellen und jcheint überhaupt aufs Tragen erpicht zu jein, wobei er den Mund jo voll als möglich nimmt. Dabei macht er auch erheblichen Kraftaufwand. Eine ganze Stunde fann er fich mit einem größeren Ziveige abmühen, und zeigt jich jeine Mühe vergeblich, jo zerbeißt er ihn und geht ziweimal damit... Während die älteren Lemminge in der Freiheit getrennt leben, vertragen jie jich in der Gefangen- Ichaft wohl mit denjenigen, mit denen fie von Anfang an im Käfig zujammen waren; da= gegen jind die Verjuche, Tiere aus verjchiedenen Käfigen zufammenzubringen, mißlungen.“ Solche ausgeprägte Charaftertiere rauher nordijcher Berg- und Moorgegenden, wie die Lemminge, die lebend heute jtets nur in ganz bejtimmten Stlimaten und Landichaften 18* 276 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. getroffen werden, jind gewiß auch in ihren fojjilen Sinochenteiten bejonders Fräftige Be- mweije dafür, daß an der Funditelle in der erdgejchichtlichen Vergangenheit einmal diejelben Himatifchen und landjchaftlichen Berhältniffe geherricht haben, mie jie heute Vorausjegung des Vorfommens von Kemmingen find. Dementjprechend jpielen die fojjilen Lenmminge in Nehrings „Tundren und Steppen der Jebt- und Vorzeit” eine große Rolle. „Es zeigte fich, bei genauerem Zufehen, daß an vielen Orten in Mitteleuropa die Lemminge und zahl: reiche andere Kleine Säugetiere, welche man bis dahin verhältnismäßig wenig beachtet hatte, die Spuren ihres ehentaligen Vorhandenjeins zurüdgelafjen haben.” Sogar aus Portugal find folhe Spuren durch Gadotmw befanntgeworden. („Sib.-Ber. Naturf. Freunde”, 1899.) Mehr im Dften Europas handelt e3 jich meilt um den Ob- und den Halsbandlemming, und gerade deren Spuren jind ganz bejonders bemweisfräftig; denn ihr ganzes Dajein ift mit den Eriftenzbedingungen, welche die Tundra bietet, derartig verwachjen, daß fie unter anderen Verhältnifjen auf die Dauer nicht leben fünnen. Wenn wir aljo beide Arten in Mitte- und Wejteuropa fojjil finden, jo jind wir überzeugt, daß zu ihren Lebzeiten, während der diluvialen Eiszeiten, auch unjer Vaterland arktiiche Tundra war wie heute das nördlichite Rußland und Norbjibirien. An die Lemminge jchliegen wir als nächjtvervandte Gattung die von der neueren amterifanischen Shyitematif vielbearbeiteten Lemmingmäufe (Synaptomys Baird) an, die durch geriefte obere Schneidezähne ausgezeichnet find; Baczähne und Schädel haben fie wie die Lemminge, das Hukere von den Feldmäufen. Die ältefte und befanntejte Art, Coopers Lemmingmaus oder der „Faljche Xemming“, Synaptomys cooperi Baird, wird jchon 1857 von Baird bejchrieben. Farbe jepiabraun mit eingeftreuten jchwarzen Haaren, manche Stüde mehr rötlich, andere mehr grau. Ohren fehr furz, vom Haar über: dect. Mit den Unterarten verbreitet jich die Lenimingmaus von den Neuenglanditaaten einerjeit3 nach Kanada, anderjeits nach Kanjas und Birginia. Kalte Torfmoore jcheinen im Dften ihre Lieblingspläße zu fein; doch ijt es bei der Natur ihrer Schlupfmwinfel tatfächlic) unmöglich, viel Einbli in ihre Lebensweife zu ge- innen. Wenn man aber jo glücklich war, einen flüchtigen Schein von einem der Tierchen wahrzunehmen, nicht mehr als ein Stücfchen braunes Fell, jo it die Maus, wie Stone und Kram erzählen, auch jchon blißjchnell in einem der Laufgänge verjchwunden. m geijtigen Wejen jcheint alfo doch jchon die furchtiame Mausnatur an die Stelle des toll- fühnen Lemmingmutes getreten zu fein. Die Bifamratte oder Ondatra, Musk-rat, auc) Musgquafh (indianisch) ge nannt, Fiber zibethicus Z. (Taf. „Nagetiere X”, 1 u. 2), die einzige nubbare Art aus der ganzen Unterfamilie der Wühlmäufe, fan man als eine große Waiferratte mit langem Schmwanze, breiten Hinterfüßen, jtumpfer Schnauze und Furz behaarten und verjchließ- baren Ohren bezeichnen. Die Borderfüße haben vier Zehen und eine Daumenmwarze, Die Hinterfüße fünf am Grunde durch eine Furze Schwimmhaut verbundene Zehen, die wie der Mittelfuß jeitlich mit langen Schwimmhaaren bejest find und ziemlich ftarfe Krallen tragen. Der Schwanz ift jeitlich zufammengedrüct, gegen das Ende zweifchneidig und mit Keinen Schuppen bejett, zwifchen denen an den Seiten, dieje jüumend, Furze, ziemlich dünnitehende, aber glatt anliegende Härchen hewvortreten. In der Nähe der Geichlechtsteile list eine Drüfe von der Größe einer Heinen Birne, die nach außen mündet und eine weiße, Nagetiere X. R ; ’ N zerujen PN we 1. Bilamratte, Fiber zibethicus Z. I/3 nat. Gr., s. S. 276. — L. Medland, F. Z. S.-Finchley, N., phot. 3. Seldmaus, Microtus arvalis Pall. 1/2 nat. Gr., s. S. 300. P. Kothe-Berlin phot. 4. Waldwühlmaus, Evotomys herceynicus Mehl. 1/2 nat. Gr., s. S. 309. — Douglas English-Hawley, Dartford, phot. REM s SR “ 5..Slorida- Waldratte, Neotoma floridana Ord. 1/2 nat. Gr., s. S.312. — P. Kothe-Berlin phot. Fofjile Lemminge. Cooper3 Lemmingmaus. Bijamratte. 277 ölige, jehr ftarf nach Zibet riechende Flüfjigfeit abjondert. Der Leib ift gedrungen, der Kopf rundlich, ziemlich furz und breit, die Schnauze dic und abgeftumpft, die Oberlippe geipalten und feitlich mit langen Schnurren bejeßt; die Ohren find faft unter dem Pelze veritect, die Augen Kein, die Hinterbeine entjchieden länger al3 die vorderen. Das Fell ist dicht, glatt anliegend, weich und glänzend, fein Wollhaar außerordentlich zart, fein und kurz, das Grannenhaar jtark glänzend und doppelt jo lang als jenes. Die Oberjeite hat braune, bisweilen gelbliche Färbung, die Unterfjeite ift grau, hier und da rötlich angeflogen, der Schwanz fehwarz; die Schwimmhaare an den Zehen find weiß, die Strallen rötlich hHorn- farben. Selten begegnet man dunklen Abänderungen, häufiger Weißlingen. Erwachjene Männchen werden etwa 58 cm lang, wovon auf den Schwanz ungefähr die Hälfte fommt. „Der Schwanz liefert die Triebfraft bei der Schwimmbewegung des Tieres”, jagt Hornaday; man fann hinzufügen: durch feitwärts Schlängelndes Ausjchlagen. Damit hängt auch feine eigentümliche, von der Seite plattgedrücte Form zujammen mit der Kante oben und unten. Außerdem it er jozujagen ein jehr bequemes drittes Bein, wenn das Tier aufrechtfteht, um jich umzujehen oder beim fen im Unterholz einen höheren Zweig zu er- reichen, und er gibt ihm auch verjtärkten Antrieb, wenn es fopfüber in das Wafjer Hinabtaucht. Die Bilamratte, von der man neuerdings natürlich auch mehrere Arten und Unter- arten unterjcheidet, bewohnt die zwilchen dem 30. und 69. Grade nördl. Br. gelegenen Länder Nordamerifas, verbreitet jich von Oftfanada und Labrador bis in die jüdlichen Ver- einigten Staaten (Arizona) und vom Atlantifchen bi3 zum Stillen Ozean. Am häufigiten fommt das Tier in dem majjerreichen Kanada und in Mlasfa, Hier bejonders nördlich von der gleichnamigen Halbinjel, um Briftolbat im Nufchagafgebiete, vor. Die grajigen Ufer größerer Seen oder breiter, langjam ftrömender Flüffe, Itiller Bäche und Simpfe, am liebften aber nicht allzu große, mit Schilf und Wafjerpflanzen bedecdte Teiche find die Auf- enthaltsorte der al3 Pelztier gejchägten Ratte. Hier bewohnt fie familien- oder volfweije eine bejtimmte Stelle. Anderjeit3 gehört jie aber nach dem übereinjtimmenden Zeugnis der neuejten amerifanischen Naturgejchichtichreiber zu den Tieren, die jich von der europätjchen Kultur nicht haben zurücdrängen und austotten lajjen, jondern von ihr jogar Nuben zu ziehen willen. Namentlich fommt ihr, nach) Stone und Cram, die fortwährende Ber- minderung ihrer natürlichen Feinde zugute, und, obwohl mehrere Monate im Jahre un- abläjfig gejagt und gefangen, leben ihre Kolonien weiter, ohne fich von dem Streijchen der Sügemühle oder dem Rauchen der Fabrifichlote jtören zu lajfen. Sie finden jich eben mit den Schattenfeiten der Zivilifation ab und nehmen die Vorteile der Stauteiche des Menjchen wahr, unfähig, ich felbjt derartiges Herzurichten wie der Biber. Nach Hornaday hat man die Bilamratten nicht einmal aus den großen Waldparfs der Stadt New York ausrotten fönnen. AS drei Sümpfe in dem neuen Zoologijchen Park dort (im Bronze Park) aus- gehoben und in Teiche verwandelt wurden, fanden fich alsbald die wilden Bijamratten aus dem Bronzfluffe ein, ergriffen jofort Befit davon und find bis heute dageblieben. Da jie an den Lilienfnollen und den meijten anderen Wafferpflanzen viel Schaden jtiften, jind jie an Schmuckteichen faum zu dulden. In ihrer Lebensweife ähnelt die Bifamratte in mancher Hinficht dem Biber. Ye nachdem, ob hohes oder niederes Ufer, find die Baue, wie bei dem Biber, entweder einfache Kefjel unter der Erde mit mehreren Ausgangsröhren, die jäntlich unter Wafjer münden, oder Burgen über der Erde. Lebtere, die vorzüglich im Norden angelegt werden, find rund und fugelfürmig oder fuppelartig und ftehen auf einem Schlammhaufen, jo daß je den 278 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: MauSartige. Wafjerjpiegel überragen. Ihre Wandungen werden aus Schilf, Riedgräjern und Binjen hergeitellt und mit Schlamm gefittet. Das Innere der Burg it eine einzige Klammer von 40—60 em Durchmefjer. Zu ihr führt eine auf dem Boden des Wafjers miündende Röhre. Andere, blinde Röhren laufen von ihr aus und gehen ein Stüd unter der Erde fort, tverden auch nach Umftänden mehr oder weniger verlängert; denn jie jollen eigentlich bloß zu den Wurzeln der Waffergewächje führen. Im Winter füttert die Bifamratte ihre Kammern mit Wafjerlilienblättern, Gräjfern und Schilf weich aus und jorgt, nach) Audubon, da- durch für Luftwechjel, daß fie die Stuppelmitte ihrer Hütte mit foje zufammengejchichteten Pflanzen bedecdt, die eben genug friihe Luft zus oder die verbrauchte ablajjen. Solange der Sumpf oder Teich nicht bis auf den Grund ausfriert, Tebt fie Höchit behaglich in der warmen, durch die dicke Darüiberliegende Schneedecde noch befonders gejchügten Wohnung. Dringt die Kälte jo tief ein, daß der Bijamratte freier Ausgang verivehrt wird, fo leidet fie erheblich von dem Ungemache der Verhältniffe, und manchmal gehen viele Hunderte einer Anfiedelung zugrunde, weil es ihnen nicht gelingt, Amungslöcher durch die Eisdede zu brechen und diefe durch Ausfleivung mit Schlamm für längere Zeit offenzuhalten. Nichardfon, der diefe Angaben über die Baue macht, fügt Hinzu, daß nur in fehr jtrengen Wintern die Tiere in wirkliche Not geraten; denn jte bauen meijt in tiefere Sümpfe und Teiche oder in die Nähe von Quellen, wo das Wajjer nicht zufriert. Sit der Grund, auf dem der Bau errichtet werden foll, zu tief, jo wird er durch Anhäufung von Schlamm und Erde erhöht, ift er zu jeicht, befonders ausgegraben. Dabei hält die Bijamratte immer darauf, daß fie auch zu Zeiten der Überfchtwemmung gefichert ift und in der Nähe etwas zu frejien hat. Deshalb wählt fie am liebiten Gewäjjer, die einen möglichjt gleichmäßigen Stand haben und reich an Gewächjen jind. Denn fie lebt faft ausjchlieglich von Wajjer- pflanzen, obgleich man in den Bauen von mehreren auch ausgefrejjene Mufchelichalen ge- funden hat. An gefangenen beobachtete Audubon, daß jie Mujcheln jehr gern verzehrten. Die weichichaligen wußten fie mit jcharfen Biljen zu öffnen; bei den hartichaligen warteten jte, biS fie jich jelbjt aufichloffen, fuhren dann fchnell zu und töteten durch Bijje den Be- wohner des feiten Gehäujes. Wenn in der Nähe einer Anfiedelung Gärten und andere Planzungen liegen, erhalten dieje oft Bejuch von Bifamratten und werden dann in emp- findficher Weife gebrandjchagt. Auch diefe Wühlmäufe verwüjten weit mehr, als jie ver- zehren, weil jie zwiichen den Wurzeln tiefe Höhlen graben und außer den Pflanzen, die lie abbeißen, noch viele entwurzeln und ummerfen. Audubon und Bachmann Haben die Sitten und Gewohnheiten des Tiere3 gut be- ichrieben. „Bifamratten“, Heigt e3 in ihrem Werfe, „ind jehr lebendige, jpiellujtige Ge- ichöpfe, wenn jie in ihrem eigenen Elemente, im Wajler, jich befinden. Sn einer ruhigen Nacht farın man in einem Mühlteiche oder tiefen, abgelegenen Gemäljer viele von ihnen jehen, wie jie fich beluftigen und nach allen Richtungen hin und wieder jchwimmen, lange, glänzende Streifen im Wafjer hinterlafjend, während andere einige Augenblide lang bei Biticheln von Gras oder an Steinen oder Blöcen verweilen, von wo aus jte die auf dem Waffer jchwimmende Nahrung erreichen fünnen, und andere an den Ufern des Teiches jigen, bis jie dann eine nach der anderen, wie die Fröjche, in das Wafjer jpringen. Zu- weilen fieht man eine von ihnen vollfommen ruhig auf der Oberfläche des Teiche3 oder Stromes liegen, ihren Leib weit ausgebreitet und jo flach wie möglich gehalten. Ab und zu gibt jie einen furzen Schlag mit dem Schwanze, falt wie e3 der Biber tut, und ver- |htwindet dann biißjchnelf unter die Oberfläche des Wafjers. In einer Entfernung von Bijamratte. 279 10 oder 20 m fommt das Tier jpäter wieder zur Oberfläche empor und vereinigt fich viel- leicht mit feinen Kameraden zur Jagd oder jeßt das alte Spiel fort. Zu derjelben Zeit bechäftigen fich andere mit Einfammeln des Futter3 an den grafigen Ufern, indent fie die verjchiedenften Arten von Pflanzenmwurzeln ausgraben und ruhigeren Pläen zuführen. Wenn man fein Gewehr abjchießt, während die Bifamratten jo bejchäftigt find, beginnt eine entjegliche Flucht und Verwirrung. Dusende von ihnen tauchen auf den Sinall oder ver- ichwinden in ihren Höhlen, und zwar mit einer Gejchmwindigfeit ohnegleichen. Selbit bei Tage, wenn jie nur unvolllommen jehen, iit e3 außerordentlich jchwer, eine im Schwimmen zu erlegen, weil jie, auch wenn man die beiten Gewehre führt, in das Wafjer getaucht find, ehe der Hagel fie erreicht.” Jr die Enge getrieben, wehren fie jich übrigens troß ihrer Furchtiamfeit nach Kräften. Bulger erzählt von Bifamratten, die nicht nur feinem Kleinen Hunde, fondern auch ihm nach Hamjterart entgegentraten und jo angriffsluftig waren, daß er jich genötigt jah, jie mit dem Stode abzuwehren und endlich zu erjchlagen. Das Warnjignal ift ein jcharfer Schlag des musfulöjen Schtwanzes auf das Wajfer. Witmer Stone hat darüber Beobachtungen angeitellt: „Hinter mir lag ein finjteres Sumpf- dicficht mit alten, jtarfen Hemlodtannen, wo die Uhus laut einander zuriefen. Solange dieje jich in der Entfernung hielten, hatten die Bijamratten gar nicht acht auf das Ge- jchrei; aber im Augenblid, wo ich einer Eule anttvortete, indem ich den hohlen, tiefen Ton nachahmte, ehtwang die nächjte Bifamratte ihren Schwanz in die Luft und jchlug ihn flach auf das Wafjer. Nun war es Höchjt ergöblich, die Folge von Schlägen zu hören, die ein- ander anttoorteten längs des Wafjerlaufes, immer weiter jich entfernend und gefolgt dom plöglichen Untertauchen der Tiere. Die großen Uhus gehören zu den jchlimmften Feinden der Bifamratte, weil fie geduldig Stunde um Stunde in ihrem Hinterhalt auf den Tannen- äften lauern und dann plößlich herausitreichen über die Wiejengründe ohne jedes Teder- taufchen. Wenn ein Fuchs bei Dunfelwerden jchnuppernd das Ufer entlang fommt, fan man den warnenden Schwanzjchlag aus den veritedten Buchten und Winkeln hören zwijchen den Binfen hervor, jobald die Bijamratten Wind von ihm haben.” Im April und Mai, nachdem die Tiere ihre Winterbaue verlafjen haben, paaren jic) die Gefchlechter. Das Weibchen wirft in feinem Bau oder in einer ErdHöhle 3-6 Junge, und zwar mehrmals im Jahre. Den ganzen Sommer und Frühherbit leben die jungen Bijam- tatten friedlich mit ihren Eltern zufammen, obwohl nicht eigentlich unter ihrem Schuß, nur daß fie auf deren Warnungszeichen hören; fie paddeln und waten in den austrodnen- den Flüffen und Teichen herum oder jchlafen zufammengerollt zu einem Heinen, braunen Haarball, feit am Uferrand, verjtect im Wajjerlilien- und Binfendidicht, in dem jie gut ausgetretene Pfade von Ort zu Drt haben. Im späten „Indianerfommer“ fommmt aber dann die Wanderzeit: die Tiere machen jich auf den Weg und fchweifen unftet umher, durchjtöbern fremde Wiefengründe und Wafjer- fäufe, bald alfein, bald zwei oder drei Familien zufammen, und legen jic) eine neue Burg oder Höhle an, wenn das Ufergelände ihnen zufagt. Vielleicht ziehen jie aber aud) wieder weiter und Iaffen ihr Werk halb vollendet fiegen, bis fie zulegt den Plat finden, der ihnen amt beiten behagt und fich für den Winter da niederlaffen, um nun für Monate ein filch- ähnliches Leben unter dem Eije zu führen. ung eingefangene Bifamratten werden leicht zahm, wie iiberhaupt diefe Wühlmaus fi) durch ein auffallend fanftes Wefen auszeichnet: Audubon jagt, daß man auc) die größeren Jungen, ohne gebiffen zu werden, mit der Hand fangen könne. Alte Tiere bleiben 280 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. bifjig und unzugänglich, find auch nur in Kiften zu halten, die vollitändig mit Blech aus- geichlagen wurden. Eine Bifamratte, Die Sarrazin gefangen hatte, nagte in einer einzigen Nacht durch hartes Holz ein Zoch von 8 cm Weite und 30 cm Länge und entwijchte, indem jie einen großen, jchweren Stoß, der ihr im Wege lag, verrüdte. Auch das Wühlen wenden dieje Nager oft zum Schaden der Mühlteichbefiger an oder graben Löcher durch Flußdämme und fegen die anliegenden Wiejen dadurd der Überfchvemmung aus. Doch verfolgt man fie weniger de3 Schadens wegen, den fie anrichten, als des Nubens halber, den jie bringen. Das Fell wird, obwohl manche Menfchen es wegen des ihm lange an- baftenden Sibetgeruches nicht gern haben, gegenwärtig zu VBelzen, Kragen und Muffen verwendet und majjenhajt verbraucht, das Fleijch dagegen nur von Indianern gegejjen; denn der erwähnte Zibet- oder Mojchusgeruch durchdringt e3 fo Stark, daß es Europäern vollftändig ungenießbar ift. m Frühling wird die Bifamratte gejagt und gefangen wegen ihres Felles. Man jchießt fie, wenn fie auf den angejchwollenen Flüffen Schrwimmt oder am Ufer ausruht, und fängt fie im Eifen, da3 man unter Wafjer an ihre Ausitiege ftellt. Dft lodt fie fchon ein Stüdchen Apfel, Baltinafe oder Mohrrübe hinein, das man an einem Stöckhen einen Fuß über dem Eijen anbringt. Die bejte Witterung ift im Frühling der Mofchus der alten Männchen. Diejer ijt in zwei flachen, 2—3 em langen, eirunden Säden enthalten, die zwijchen den Hinterbeinen Tiegen und frei zutage treten, jobald man das Fell abftreift. Diejer Mojchus- oder Bifamgeruch, von dem das Tier feinen Namen hat, ist fo ftarf, daß er den geiwerbsmäßigen Tallenftellern während der ganzen Frühlingsfangzeit anhaftet. Die Fallen jtellt man jo, daß fie ins Wafjer ftürzen miüfjen, um die gefangenen Tiere zu erjäufen. Unterläßt man dies, fo werden leßtere von den Kameraden umringt und nad) Nattenart behandelt, d. h. in Stüde zerrifjen und fodann aufgefrefjen. Wenn eine Bijam- tatte gejchoffen und nicht augenblicklich aufgenommen worden ift, umgeben fofort die über- lebenden den Leichnam ihres Gefährten und tragen ihn nach ihren Höhlen, um ihn un- gejtört zu verzehren. Außer dem Menjchen ftellen Luchs und Fuchs, Minf und Marder, Adler, Uhu und Schnee-Eule der Bijamratte nach. sn den zoologijchen Gärten fah man die Bifamratte früher faum, ebenjowenig wie die übrigen berühmten Pelztiere: weil diefe tot Geld bringen, nimmt fich Fein Fänger die Mühe, fie am Leben zu erhalten. Der Berliner Garten erhielt die erite Bijamratte durch die Gefälligfeit William T. Hornadays vom New Norfer Zoologijchen Staatsparf. Weitere lieferte dann Dr. Frend)-Wafhington, dem die zoologijchen Gärten neuerdings mancherlei interejjante nordamerifanijche Tiere verdanfen. Seitdem ijt die Bijantratte regelmäßig im Nagetiertümpel des Berliner Gartens vertreten, wo man e3 ihr durch eine halb ins Wafjer gelegte hohle Weide und allerlei Nijtitoffe möglichjt wohnlich und angenehm zu machen fucht. Dieje gute Abjicht ihres Pflegers Haben die Tierchen auch wohl zu wür- digen gewußt und fich in der ihnen angemwiejenen Abteilung ganz nach ihrer Eigenart ein- gerichtet. Wo der Baum aus dem Wajjer Herausragt, umgeben jie ihn mit einem mäch- tigen Haufen Neijer und anderen Genijtes, das fie in einer Nacht mit erftaunlichem Eifer und Gejchief zufammentragen, und Darunter, in einem ficheren, trodinen, emporgefrümmten Zeile des hohlen Stammes, befindet fich das eigentliche Nejt, in dem fie, behaglich bei- jammen fiegend, den Tag verjchlafen. Ein Gang führt von da unter Waffer, aus dem jte gervöhnlich des Abends auftauchen, zwei andere auf das Land in der Richtung des Stalles. Dort wird ihnen das Futter gereicht, und diejes Holen fie fich Stüd fir Stüd in die Bifamratte. 281 Neiferburg, um e3 hier in aller Ruhe zu verzehren. Da fie in der Freiheit, wo die Gegend belebt ift, ein fehr Heimliches, nächtliches oder wenigjtens abendliches Leben führen, muß, wer fie jehen will, jchon einmal eine Dämmerjtunde daranmenden: fie find jozufagen nur ein Ledferbijfen für die Stenner unter den Bejuchern. Dieje werden aber reichlich belohnt, wenn fie mit einiger Geduld ausharren. E3 ijt allerliebit anzujehen, mit welchem Eifer eins ums andere der Tierchen in kurzen, Hoppelnden Galoppfprüngen dem Feljenftalle zueilt und mit einem Stüdchen Brot oder Mohrrübe im Maule wiederfehrt. Beiwundernsmert find die Schwimm- und Tauchfünfte, wobei die Schiffejchraubenbemwegung des eigentümlichen, „hoch- fant” geitellten Schuppenjchwanzes deutlich wird. Dagegen hat Hed das aus der Freiheit be- ichriebene Warnungsfignal, das Aufklatichen des Schwanze3 auf das Wafjer, niemals gehört und ebenjomwenig irgend etwas von Mojchusgeruch wahrgenommen, obwohl jich die Bijam- tatten im Berliner Garten mehrfach fortgepflanzt Haben. Ir der Baarungszeit Schwimmen beide Gejchlechter des Abends, unmittelbar nachdem jie zum Vorjchein gefommen jind, mit bejonderer Heftigfeit und Hartnächgfeit dicht hintereinander her. Die Begattung felbit erfolgt gewöhnlich im jeichten Wafjer am Ufer, wo die Tiere Grund haben; der aufmerf- jame Wärter behauptet aber mit aller Beftimmtheit, fie auch im tieferen Wafjer während des Umbherfchwimmens beobachtet zu haben. Über Trag- und Wurfzeit hat Hed bis jest nichts Genaues feititellen fönnen, weil das Nejt nur dann einigermaßen zugänglich ijt, mern das Wafjer abgelafjen wird und man begreiflicherweije Bedenken trägt, die Tiere zu jtören. Für das Jahr 1907 fonnte aber der erite Wurf etiva auf Anfang Mai, der zweite auf Ende Auguft angenommen werden. Al3 die Jungen des eriten Wurfes im Auguft verkauft wurden, waren jie nicht mehr viel Feiner als die Alten, aber dunfelbraun, erheblich dunkler als die mehr rot- braunen Eltern gefärbt. Geboren werden jie nadt und blind und jehen dann ganz ähnlich aus wie gewöhnliche Neitratten. Der Nijthaufen enthielt mitunter noch ein Nebenneit, dejjen Bmedaber nicht zu erfennen war. Auch fand fich manchmal eingetragenes Futter, aber nie viel. Ein ganz jonderbares Erlebnis mit den Bijamratten des Berliner Gartens möge hier noch erzählt werden, weil es geeignet erjcheint, ein eigentümliches Licht auf das viel um- ftrittene Kapitel der Tierjeelenfunde zu werfen. Eines Tages hatte ein Min (amerifa- nifcher Nerz) fich Durch das Gitter feines Käfigs gezwängt und war und blieb verfchwunden, troß mehrfachen Abfuchens unferes benachbarten „Bierwaldjtätter Sees” und feiner njeln. Da fand man ihn am anderen Tage, als das Nagetierbedfen gejcheuert wurde, im Nejte der Bifamratten wieder, friedlich zwijchen diejen liegend und offenbar gar nicht von ihnen ge- fürchtet und geflohen, obwohl er eine getötet und halb aufgefrejfen hatte. (Hed.) Die Bijamratte ift daS verbreitetite Pelztier Nordamerikas, und es ijt bisher an- icheinend nicht die geringite Abnahme ihrer Zahl zu bemerfen — zum Unterjchied von den meiften bejjeren Pelztieren. Sn der Bifamratte jehen toir, fagt Hed an anderem Drte, den Träger und Lieferanten des „Bijam”, jenes hübjchen Fellchens, dem neben dem grauen jibirischen „Feb“ heutzutage Hauptfächlich die große Aufgabe obliegt, den Majjenbedarf an bilfigeren, aber doch im Naturzuftand, ungefärbt und unverändert, verwendbaren Pelz werfen zu deden. Bijam ift heute ein Mafjenartifel geworden, von dem jährlich jieben Millionen Stüd verarbeitet werden, und die deutjche Hochburg hierfür it der Yabrikort Markranftädt bei Leipzig. Der für Herrenpelzfutter bejtimmte Bijam bleibt, wwie das Tier ihn liefert. Für Damenpelzwerf wird er „auf” Nerz, Zobel, Sfunf gefärbt, in den ent iprechenden braunen und fchwärzlichen Farbentönen für tragen und Mügßen, jchwarz „auf Seal”. Man fpricht dann von Nerz-, Zobel-, Stunf- und Sealbifam. Beider Schwarzfärbung 282 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. auf Seal wird duch eine bejondere Art der Zurichtung das Oberhaar gelodert und dann — der neuejte Triumph moderner Rauchtwareninduftrie — mittel3 Elektrizität entfernt. Daher das englijche „electric seal“. Die meijten Bijamfelle liefert Minnejota, die beiten fommen aus den nordöftlichiten Staaten New York, New Serjey, Connecticut und Penniglvanien. Während das Fell früher eine geringe Rolle jpielte, fommen jebt, nach) Braß, von der Hudjonbat-Co. jährlich etwa 5 — 600000 Stüd, von den Vereinigten Staaten durchjchnitt- ih 3 Millionen Stüd nad) London, mindeitens 1 Million geht direft nach Leipzig, und etwa 2 Millionen werden in den Bereinigten Staaten und Kanada jelbit verbraucht, jo daß die Jahresausbeute mindejtens 7 Millionen Stüc beträgt. Dabei ijt aber, jeit man angefangen hat, auch bei diefen Tieren Schonzeiten einzuführen (von April bis Oftober- Kovember), feine Abnahme zu verjpüren. Der Gedanke, ein jo nu&bares und mit der modernen Kultur verträgliches PBelztier in Europa einzuführen, lag nahe, und er ijt 1906 in Böhmen ausgeführt worden. Jm Sommer 1909 ging die Notiz durch alle Zeitungen, und die Fürftl. Colloredo-Mannzfeldjche Domänendireftion Dobtifch teilt Heck auf Anfrage des näheren mit, „daß über Initiative Seiner Durchlaucht des hochgebornen Herrn Fürjten zu Colloredo-Mannzfeld vor 3 Jahren tatjächlich amerikanische Bifamratten eingeführt und auf der Domäne Dobiijch bei Prag an einem großen See (Teiche) ausgejegt wurden. Seither verbreiteten jich diejelben über ganz Mittelböhmen jo, daß jie jchon in der Nähe Prags, PBilfenz, ja jogar bei Tabor in Süd- böhmen beobachtet und erlegt wurden”. Auch in Böhmen machte man „die Beobachtung, daß die Bijamratte feineswegs rein vegetarijch lebt, jondern es wird jchon apodiktijch feitgeitellt, daß fie die gemeine Teichmujchel, dDiefen Nahrungsfonfurrenten des Karpfenz, bon mweither durchs Wafjer jchleppt, um jie an einer erhöhten Stelle vor ihrem Bau zu verzehren, dort ganze Berge ihrer Mufchelfchalen hinterlajjend; außerdem frift jie aber auch Strebje und tote Stiche, ja je joll die Fleineren Fiiche auch nach Art des Dtter3 fangen. Ir einer Hinficht dürfte jedoch ihr Nugen den geschilderten fleinen Schaden an Teichbefagmaterial (Krebs- und Karpfenja) überwiegen, nämlich durch ihre Beftreben, verfrautete Teiche von Schilf, Kalmus uf. zu reinigen, um daraus haufenähnliche Sommerbaue im feichten Wafjer zu machen. So it ein mehr als 10 ha großer Teich der fürftlichen Domäne, dejjen eine Hälfte fait ganz verwwachjen war, jo gründlich gereinigt worden, daf faum die Hälfte des ehemaligen Schilfes noch vorhanden ijt. Nur in Teichen mit Dämmen ohne Steinverfleidung wird die Ratte durch ihren Bau, dejjen unter dem Wajferjpiegel befindliche Eingänge mit dem Wafjer- itande mwechjeln, einigermaßen unangenehm; ebenjo macht fie auf in Wafjjernähe befind- fihen Wiejen jtarf befahrene Wechjel.” Auch von der Fürftlic) Schwarzenbergischen Herr- ichaft Vojjiow in Böhmen aus, wo fie „in einem umgitterten, betonierten Teiche gehalten” wurden, follen, Zeitungsnachrichten vom Augujt 1909 zufolge, ausgebrochene Bijam- tatten fich verbreitet und bereits fo jtarf vermehrt haben, daß jie dur, „Wühlen in Teic)- anlagen jchon lältig geworden” find. Die nächitfolgende Riefengruppe der eigentlihen Wühlmäuje (Gattung Miero- tus Schrank) ift heute wieder fo vielfach zerteilt, dat bei Trouefjart 15 Untergattungen und 127 Arten ohne die Unterarten aufgezählt iind. Hier fannı natürlich nur eine jehr Heine Auswahl der allerwichtigiten getroffen werden, und unter diejen verdient wieder am meijten Beachtung der häufigfte hHeimifche Vertreter, die Feldmaus. Den Lemmingen und Bijam- tatten nähern fich die Wühlmäufe durch Übergangsformen an, unterjcheiden fich aber im Bifamratte. Rundihmwanz-Bijamratte. 283 allgemeinen fchon äußerlich von den legteren durch Stleinheit, von den erjteren durch graue „Mausfarbe”, jchlanfere Gejtalt und längeren Schwanz. Doch ändern die Mitglieder der Öattung Mierotus, nach Gerrit Miller, dem neuejten amerikanischen Bearbeiter, in der äußeren Erjcheinung ausnehmend ab. Einige gleichen Lemmingen jo völlig, dad man fie mit diefen vereinigt hat; andere find dem Wafjerleben angepaßt und haben infolgedefjen mehr da3 Hußere der Bifamratte. Noch andere bringen die meijte Zeit ihres Lebens unter der Erde zu; bei ihnen find Augen, Ohren und Schwanz zurücdgebildet, die Worderfüße vergrößert und das Fell jo verändert, daß man fie für Maulwürfe halten könnte. Die große Mehrzahl zeigt aber feine folche bejonderen Anpafjungen, und immer ift der Schwanz länger als die Hinterfüße und der Daumen mit einem Kleinen, verfinmmerten Nagel verjehen. Der Schädel ift in jeinem vorderen Teile viel jtärfer al3 bei den eigent- fihen Mäufen, worauf am lebenden Tiere der Fräftige Kopf jchon Hindeutet; Daher finden jich, nach Aörig, in den Eulengemwöllen die Feldmausjchädel jtet3 mehr oder weniger unver- jehrt, während die anderen Mäufejchädel in Stüde zerfallen find. Sonijt bietet der Schädel feine greifbaren Unterjcheidungsmerfmale, wohl aber die Zähne. Die oberen Schneide- zähne jind niemals gerieft, und die Zahnpulpa der unteren hat einen ganz charafterijtiichen Berlauf im Unterkiefer, drängt die Wurzeln des zweiten und dritten Badzahnes mehr zur Seite als bei irgendeiner anderen Gattung. Die Badzähne befommen niemals Wurzeln, jelbit im höchjten Alter nicht, und diejes Merkmal allein jchon unterjcheidet die Gattung von allen übrigen. Das Muster der Schmelzfalten ändert bei den verjchiedenen Untergattungen ganz beträchtlich ab und fennzeichnet dieje neben vielen anderen Eigentümlichkeiten. — Die geographiiche Verbreitung der Gattung reicht auf beiden Exrvhälften von der Grenze des Tierlebens im hohen Norden und auf dent Hochgebirge bis zur Grenze der Tropen. Die Rundjchwang-Bifamratte, Neofiber alleni True, einzige Art der Unter- gattung Neofiber True, aus Florida nähert fich in Schädel- und Zahnmerfmalen der echten Bifamratte, wie aus ihrem Namen fchon zu jchließen, unterjcheidet fich aber durch den dreh- runden, aljo weniger fir Schwimmzmecfe veränderten Schwanz und ebenjo weniger den Wafjerleben angepaßten Zußbau. Das Fell dagegen mit dem ausnehmend dichten, wolligen Unterhaar und dem jchimmernden Glanz der längeren Grannenhaare ijt dem echten Bijanı jehr ähnlich. Ob das Tier Mofchusdrüfen hat, ift heute noch unjicher. Ju Schmelzfalten- mufter der unteren Baczähne und im Huferen erinnert die Rundfchwanz-Bifamratte auch an unjere Wafferratte, während fie die Gejtalt der oberen Badzähne twieder mit dem jo- genannten Graufemming (Untergattung Lagurus) gemein hat. Wegen all diejer Übergänge und verbindenden Eigenjchaften findet fie hier Erwähnung. Sie ift gemein in den Süßtwaffertümpeln und Sümpfen des Inneren von Florida und auf den Salziteppen an Indian River, baut fich, nach Bangs, ein großes, eirundes Weit, manchmal wie bei der Bifamratte im Waffer über den Spiegel hervorragend, manchmal auc) zwijchen den Mangtovenmwurzeln oder gar in einem hohlen Baumftumpf. Die Wafjernejter haben unten zwei Öffnungen, die, wenn jie nicht von Wajjer bedeckt jind, mit unterirdijchen Gängen in Verbindung jtehen. Obwohl auch der Rundihwanzbijam ein guter Schwimmer ift, fieht man ihn im Waffer doch felten nach Art des echten Bijamzs fich bewegen. Nach Chapman nährt er fich von einem faftigen Grafe, das reichlich an den Wohnplägen mächit. Um die jüngeren, zärteren Schößlinge zu erlangen, macht jich das Tier eine Art Plattform aus den dieferen Stengeln, auf der es fit und behaglich die Spiten um jich herum abält. 284 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Dieje Plattform wird immer dicker, je mehr Futter in der Nähe wächjt, weil die Ratte alle härteren Stüde, die jte verihmäht, darauf Tiegen läßt. An die Rundihwanz-Bifamratte wollen wir die Wafjerratten anreihen, die, jeit man auf feinere Oebißunterjchtede Gewicht legt, ebenfalls in eine bejondere Untergattung (Arvicola Lacep.) zu verweilen find. Für dieje hat man, laut Blafius, folgende Merk- male zu beachten. „Der erite Badzahn im Unterkiefer hat auf der Kaufläche fieben Schmehfalten und außen vier, innen fünf Schmelzleiften, der zweite fünf einfache Schmelz- ihlingen und außen und innen drei Längsleiften ; der zweite Badzahıı am Oberfiefer hat pier Schmelzichlingen und außen drei, innen zwei Länggleijten. Das Ziifchenjcheitelbein it am Hinterrande in der Mitte erhaben, nach den Seiten hohl abgerundet, born in eine Mitteljpise ausgezogen, feitwärts jchief abgejtußt und in lange, fchräg nach außen und Hinten borgezogene Spiben verlängert.” Kaum ein anderes feines Säugetier macht fich mehr bemerflich und verhaßt als die Wajjerratte, Scher-, Reut-, Hamjter- ud Mollmaus, Arvicola terrestris L., Unterart amphibius L. (Taf. „Nagetiere IX”, 6, bei ©. 249), einer der jchädlichiten Nager, zugleich ein Tier, das wiederholt der Janfapfel ziwijchen den Naturforichern gemwefen ijt. Die einen jagen, daß es nur eine Art von Wajjerratten gäbe, die anderen, daß die Scher-, Moll- oder Neut- maus, welche allen Gartenbefigern wohl oder vielmehr übel befannt zu fein pflegt, wegen ihrer verjchiedenen Lebensweije, troß ihrer großen Öhnlichfeit mit der Wafjerratte als jelb- tändige Art betrachtet werden müjje. Auffallend bleibt die Verjchiedenheit der Xebensweije innerhalb unjerer Tierform immerhin. Die Wafferratte lebt, wie ihr Name jagt, am und im Wafjer, namentlich an ftillitehendem, wohnt hier in felbitgegrabenen unterirdischen Bauen, die vom Wafjerjpiegel aus fchief nach oben anfteigen und in einen weiten Stefjel münden, und ihr eigentliches Wohnzimmer geht von hier aus gewöhnlich nach dem Waffer hinab; fie treibt jich in diefem umder, jucht hier ihre Nahrung und denkt nicht daran, größere Reifen zu unter- nehmen. Die Schermaus dagegen lebt unter Umftänden wochen- und monatelang fern vom Wafjer und jcheint fich wenig darum zu befümmern, gräbt lange, flache Gänge nach Maul- mwurfsart, wirft dabei die Pflanzen um, welche über den Gängen ftehen, verzehrt Die Wurzeln und fchadet dadurch) weit mehr, als der Maulwurf jemals durch jeine Wühlereien fchaden fann. Die hejiiihen Tierlebenschilderer Gebrüder Mitlfer halten noch 1882 in „Tiere der Heimat” den Glauben an zwei verjchiedene Arten zuderfichtlich aufrecht, eben meil fie von der Beobachtung des Lebens ausgehen; fie führen aber auch gewilje Größen- und Farben- unterjchiede an, welche für ihr oberhejlisches Beobachtungsgebiet wohl ihre Nichtigfeit haben mögen. „Schon gemwilje äußere Geitaltungszeichen der Schermaus und ihre Färbung im Vergleich zur Wafjerratte fichern ihr das Necht einer bejonderen Art. Dffenbar it jie Feiner und Furzichwänziger al3 die jehr verwandte Wafjerbewohnerin. Während Die Wafjerratte dunfel bis zum Schwärzlichen gefärbt erjcheint, zeigt die Schermaus bei aller Keigung zu Abänderungen nach der helleren oder dunfleren Färbung hin doch immer das Charafteriftifche des rötlichen oder gelben Schimmer3 der Dberjeite und das Hellere des Bauches und der Kehle.” — Der gedankfenreiche Guftad Zäger trifft den Ausweg, indem er in „Deutfchlands Tierwelt, nach ihren Standorten eingeteilt” 1874 von „Snitinftrafjen“ Ipricht. Nach ihm ift unfer Tier „dadurch merkwürdig und Gegenjtand vielen Streites gemejen, daß e3 nicht nur nach den Gegenden, die e8 bewohnt, ziemlich abändert, jondern Wafjerratte. 285 auch in zwei biologische Rafjen fich gejondert Hat. Troß ihrer jo ganz verichtedenen Lebens- mweife unterjcheiden fich diefe beiden Rafjen weder äußerlich noch durch innerliche Merfmale. Fir den neueren Tierfenner Hat dies nichts Auffallendes an fich, da man noch mehrere folcher Raffen fennt, die jich nur durd die Verjchiedenheiten des Ynitinftes auszeichnen, und die man deshalb auch Inftinktraffen nennen fann.” Pfeiffer-Schaffgaufen macht 1883 („gool. Garten”) noch auf eine Eigentümlichkeit derin jeiner Heimat „Nuelmaus” genannten LSandrafje aufmerffam, die möglicherweije zu einer Unterjcheidung führen könnte: „ein haarlofes, drüfenartiges Hautorgan in beiden Flanken, welches jich mehr oder minder ent- widelt, aber wahricheinlich immer zeigt... Bei der Nuelmaus ijt das angeführte, drüfige Drgan bei beiden Gejchlechtern bis 1,5 cm fang und Smm breit und mit einer jchorfähn- fichen, wachsartigen Sekretion bededt... Wozu diefe Hautdrüfe dient?” Dieje Schlukfrage Pfeiffer beantwortet Gerrit Miller mittelbar dadurch, daß er von einer „Mojchusdrüfe” an den Seiten bei der Untergattung Arvicola Spricht; danach wide diefe Seitendrüje ihre Bedeutung für das gegenjeitige Auffinden der beiden Gejchlechter Haben. Miller führt die Drüfe aber unter den Merfmalen der ganzen Untergattung auf, jehreibt fie aljo allen Arten und Ubarten zu. Die Wafferratte ift 21—24 em lang, wovon auf den Schwanz 6,5—8,5 em fommen. Der Bel; ann einfarbig genannt werden; denn die graubraune oder braunjchtwarze Ober- jeite geht allmählich in die etwas helfere, weißliche oder graue bis jchtwarze oder jchivarz- graue Unterjeite über. Bon der gewöhnlichen Wanderratte, die Fäljchlich oft „NWafjerratte” genannt toird, weil man fie auch am Waffer findet, unterjcheidet die eigentliche Wajjerratte fofort der dicke, runde, kurze Kopf mit auffallend kurzen, nicht aus dem Pelze hervortretenden, faum ein Viertel der Kopflänge erreichenden Ohren und der furze Schwanz, der ziwiichen 130 und 140, ringsum gleichmäßig und ziemlich dicht mit Furzen, jteifen Haaren bejebte Schuppentinge trägt. Die Najenfuppe ist fleifchfarben, die Jris Schtwarzbraun, die Schnurren jind Schwarz, zumeilen mit weißen Spiten, die Vorderzähne braungelb. Mancherlei Ub- mweichungen in der Färbung fommen vor. So war die Wajjerratte, nach Altum, 1864 („Bool. Garten”) in der nächjten Umgebung von Münjter leider jehr gemein und variterte zum Teil fofal: tieffchtwarz, graufchtwarz, braungrau, erdgrau; die tiefjchiwarzen waren die Heinjten, die erdgrauen die größten. Im Waljer Tale Vorarldergs war fie, nach Bruhin, 1867 („Zool. Garten”) fo Häufig, daß allein auf dem Brühl, einer mittelgroßen Wieje in St. Gerold, in einem Frühling 1000 Stüc, darunter mehrere gefledte, gefangen wurden. So verbreitet jich das Tier in einer ganzen Menge verjchiedener geographiicher Formen nicht nur iiber Europa, jondern auch über Afien und Nordamerika. Trouefjart gibt in jeinen „Mammiferes d’Europe“ (1910) an: A. amphibius Z. für Großbritannien, A. terrestris L. fir Skandinavien und Weftrußland, A. scherman Shaw für das weitliche Mitteleuropa, auch) Deutjchland. Aus dem europäifchen Rußland ift die Wafjerratte für die entlegeniten Orenz- gebiete nachgemiejen: für die Kolahalbinjel von Plesfe, für den Kaufajus von Satunin. In Rußland fehlt jie, nach Plesfe, „nur im äußerften Norden, two die baumloje Tundra auftritt“, und geht auch im Gebirge bis zur Birfenregion hinauf. Nach Satunin it jie „an allen für ihr Leben pafjenden Plägen, wie an Flüffen, Bächen und Teichen”, im nordöjtlichen Ktau- fafus mwenigjtens, „gewöhnlich”. Satunin hat auch Wafferratten aus dem Goudernement Eriwan und aus den Beriefelungsfanälen bei Tiflis erhalten. „Beim Vergleich mit Erem- plaren aus dem Mosfaufchen Streife fonnte ich feine Unterjchtede, weder im äußeren Bau noch in der Bildung der Zähne, finden.” („Museum Caucasicum“.) 286 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Wafjerratten und Schermäuje erinnern in ihrer Lebensweije vielfach an die Maul- wiürfe, aber auch an die Bilamratten und andere im Wajjer lebende Nager. Die Baue in der Nähe der Gemäjjer jind regelmäßig einfacher als die in trocfneren Gärten und Feldern. Dort führt, wie bemerkt, ein fchiefer Gang zu der Kammer, Die zuzeiten jehr weich aus- gefüttert wird; hier legen jich die Tiere Gänge an, die viele‘ Hundert Schritte lang fein fönnen, und bauen die Sammer in einem der größeren Hügel. Meift ziehen jich die langen Gänge Dicht unter der Oberfläche des Bodens dahin, höchit jelten tiefer, als die Planzen- wurzeln hinabreichen, oft jo flach, daß die Bodendecde beim Würhlen förmlich emporgehoben wird und die Bededung des Ganges aus einer nur 2—3 cm diden Erdichicht beiteht. Solche Gänge werden jehr oft zeritört und unfahrbar gemacht; aber die Schermaus ijt unermüdlich, jie auszubeijern, jelbit wenn jie die gleiche Arbeit an einem Tage mehrere Male verrichten müßte. Manchmal laufen ihre Gänge unter einem Fahrıwege Hin und dauern eben nur jo lange aus, als der Weg nicht benubt wird; gleichwohl ändert das Tier die einmal gewählte Richtung nicht, Jondern verrichtet Tieber die Arbeit immer wieder von neuem. Syn diejen Bauen lebt die Schermaus paarweile; aber ein Paar wohnt gern dicht neben dem andern. Das Tier Jäuft nicht bejonders fchnell, gräbt jedoch vorzüglich und Shwimmt mit großer Meiiterichaft, wenn auch nicht jo qut wie die Wajjeripigmaus. An jtillen Orten fieht man jie ebenjowohl bei Tage wie bei Nacht in Tätigfeit; doch ift fie vorfichtig und entflieht, jowie fie fich beobachtet fieht, in ihren Bau. Nur wenn fie fich zwifchen dem Schilfe umhertreibt, läßt fie jich leichter beobachten. Was das Bolf „Waflerratte” nennt, it daher in den allermeiiten Fällen jicher weiter nicht3 als unjere gewöhnliche Natte, die Wanderratte, die ja ebenfalls eine ausgezeichnete Schwimmerin it und in allen öffentlichen Barfanlagen fich einnijtet, zumal wenn Dort Schwäne und Enten gehalten und gefüttert werden. Unter den Sinnen der Wajjerratte Scheinen namentlich Gejicht und Gehör vortrefflich ausgebildet zu jein. Shre Nahrung wählt jie vorzugsmweije aus dem Pflanzenreiche, und da- durch wird fie oft iiberaus jchädlich, zumal wenn fie in Gärten ihren Wohnfis aufichlägt. Sie läßt fich nicht fo leicht vertreiben, und wenn fie fich einmal eingeniftet hat, geht jie freitwillig nicht eher weg, al3 bis fie alles Genießbare aufgefrejjen hat. „Eint”, erzählt mein Vater, „hatte fich eine Schermaus in dem hiefigen Pfarrgarten angejiedelt. Ihre Wohnung lag in einem Wirjingbeete, aber jo tief, dag man das ganze Beet hätte zerjtören müjjen, wenn man jte dort hätte ausgraben wollen. Mehrere Gänge führten von der Sammer aus in den Garten. Wenn e3 bejonders still war, fa fie hervor, bif ein Ktohlblatt ab, faßte es mit den Zähnen, 30g e3 zum Loche hinein und verzehrte e3 in ihrer Höhle. Den Bäumen fraß jie die Wurzeln ab, und zwar jelbit folche, Die bereits eine ziemliche Größe erlangt hatten. Aber es war jehr jchwer, Die Maus zu erlegen; jobald jich jemand jehen ließ, verjchwand fie in der Erde. Erjt nach 14 Tagen gelang es, jie zu erlegen, und zwar bon einem ihretiwegen angelegten Hinterhalte aus. Sie hatte mir aber bis dahin faft den ganzen Garten vermijtet.” Ühnnliches berichtet Altum aus dem Gebiete der Forjtwirtichaft. Ihm ift „etwa außer dem Biber feine andere hiefige Säugetierjpezies befannt, welche in ihren einzelnen Sndi- biouen ein jolches Verderben anzurichten imjtande wäre wie unjere große Wühlmaus... sträftige, armsdide Bäume beginnen im beiten Wachstum plößlich zu welfen, und beim Infaffen der Stämme fühlt man fofort, daß fie nur mehr ganz locfer im Boden ftehen; mit geringem Sttaftauftwande lafjen fie fich umlegen und ausziehen. Der Fraß diefer größten Bühlmaus ift aus der Geftalt der Nagewunden fofort mit Leichtigfeit zu bejtimmen. Ihre Wafjerratte. 287 jehr feharfen und Fräftigen Nagezähne jchneiden unter der Erdoberfläche das Holz mit Hinterlaffung feharfer und langer Eindrüde durch... Ganz jchwache Pflanzen und feine Wurzeln fchneidet fie in einem Gange (Schnitt) ab, jtarfe aber partienweife, jo daß ftets auf Fleineren (Teil-) Flächen die Zahneindrüde parallel Taufen und eine größere Fläche demnach mit verjchiedenen Nagedejjins bededt it. Nach meinen Erfahrungen wie nad) fremden Angaben it fie der Eiche am meiften jchädlich. In Baumfchulen habe ich ganze Neihen junger Eichen Durch fie vernichtet gejehen.” Aber auch für die Buche wird fie verderblich; ferner liebt jie Ahorne und foll gern an Weiden und Erlen gehen. Nach Be- richten aus Schotten im hejjischen Vogelsberg wınden in dortigen Pflanzfämpen Tau- jende von Eichen und Ahornen vernichtet. Nadelholzpflanzen blieben verichont. Zu Ihngen bei Stalw im mwürttembergijchen Schwarzwald wurden „in einem lichten Stiefernbejtande von 60—70 Jahren mit jhönem, Fräftigem Eichennachwuchs von 5—12 Jahren Mitte März die jtärferen Eichenftämme bis zu einem Durchmefjer von 2—3 Zoll im Boden fegelförmig ab- genagt. Auf einem Flächenraume von 4 Morgen waren dort 219 Stämme vernichtet.” An Teichen tut die Wafjerratte verhältnismäßig viel weniger Schaden, den einen freilich abgerechnet, daß jie die Damme durhmwühlt und jo dem Wafjer einen um- erwünjchten Ausfluß verjchafft. Dort verzehrt jie vorzugsmweije Rohritengel, und zwar auf ganz eigentümliche Weife. Sie baut ji) nämlich einen fürmlichen Speifetijch. „Dieje Eptijche”, jagt mein Vater, der die Wafjerratten vielfach beobachtete, „jind auf umgefnick- ten Rohritengeln angebracht, einige Zentimeter über den Wajjeripiegel erhaben, und be- jtehen aus grünem Seggengraje. hr Durchmefjer beträgt 20—30 cm. Sie find aus einer feiten, dichten Majje aufgebaut und oben ganz platt; denn fie dienen den Wajjerratten nur als Auhepläße und Speijetafeln. In unjeren Nenthendorfer Teichen leben die Tiere im Sommer beinahe ausjchlieglich von Rohrjtengeln. Dieje beigen jie an der Oberfläche des Wafjers ab und tragen jie im Rachen nad) dem nächten Ehtische. Auf ihm angefom- men, richten fie fich jenfrecht auf, fajjen den Nohritengel mit den Borderfüßen und fchieben ihn jo lange fort, bis jie an den oberen, marfigen Teil fommen; jebt halten fie ihn feit und verzehren die ganze Spike. Sind fie mit einem Nohrjtengel fertig, dann holen fie lid) einen andern herbei, behandeln ihn auf ähnliche Weife und fegen, wenn fie nicht geitört werden, Dieje Arbeit jo lange fort, bis jie völlig gejättigt find. Aber fie lafien fich bei ihren Mahlzeiten nicht gerne beobachten und jtürzen jich bei dem geringsten Geräusche oder beim Erbliden eines auch in ziemlicher Ferne vorbeigehenden Menichen jogleich in das Wajjer, tauchen unter und Schwimmen einem ficheren Berjtedfe zu. Haben fie aber ihre Mahlzeit un- gejtört vollendet, dann legen ste fich zujammengefauert aufden Eptifch und ruhen aus.” „Ver folgt man aufmerfjam die beliebten Gänge der Wafjerratten”, fügen die Gebrüder Müller Hinzu, „Die namentlich unter den hohlen Uferwänden und der Dedung von dichten Büjchen und Baummurzelausichlägen Hinziehen, fo entdedt man auch hier plattgetretene Pläße, die e3 verraten, daß fie zu regelmäßigen längeren Aufenthaltsorten der Tiere dienen.” Neben den Rohre verzehren die an Teichen wohnenden Wafjerratten allerlei Pflanzen- wurzeln und jaftige Gräjer, unter Umftänden auch Früchte; die Neut- und Schermäufe aber gehen alle Gemüje ohne Unterjchied an und vernichten weit mehr, als fie wirklich brauchen. „ES find Beijpiele befannt”, jagt Blafius, „daß durch diefes Tier in einzelnen Feldern und Feldmarfen über die Hälfte der Getreideernte umgefonmen ift. Sie freijen die Halme über der Wurzel ab, um die hre zum Falle zu bringen; doch holen fie, als ge- Ihiefte Kletterer, ebenjo die Maiskörner aus den Ähren oderreifes Objt vom Spalier und 288 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. den Bäumen herab.” „Wie überaus Fchädlich fie der Foritfultur im Niede wird, ift all- befannt; Taujende von Kulturpflanzen fallen ihr alljährlich zum Opfer, jogar jtarfe Kana= denjer Bappeln bis 30 cm Stoddurchmeifer werden von ihr durch Abnagen bis an den Splint entrindet und zum Abjterben gebracht. Eine Niedparzelle im Drauriede (Herrichaft Darda) führte infolge der durch die Mollmaus hervorgerufenen Verwültung jogar den Namen ‚Mäufefraß‘. Das beite Mittel, jte zu vertilgen, ift Die Bejegung der von ihr bes fallenen Waldteile mit jtarfen Schweinen, welch leßtere jte begierig aufjuchen und verzehren, teiltweije auch vertreiben.” (Mojjiiovicz.) m Wafjer müfjen Kerbtiere und deren Larven, fleine Fröfche, Fifche und Strebje den Wafjerratten zur Mahlzeit dienen, auf dem Lande ver- folgen fie Feld- und andere Mäufe, den im Grafe brütenden Vögeln nehmen jie die Eier weg, den Gerbern frejien jie ganze Stüdfe von den eingeweichten Tierhäuten ab ujmw. Schacht, der befannte Beobachter aus dem Teutoburger Walde, jah einjt, wie die Scher- maus eine Feldmaus von einem Gebüjch zum andern eifrig verfolgte, und es ilt daher erflärlich, wenn man in einem von Schermäufen bewohnten Neviere jelten andere Mäufe findet. m Herbjte erweitern jie ihren Bau, indem jie eine Vorratsfammer anlegen und dieje durch Gänge mit ihrem alten Nejte verbinden. Die Kammer füllen fie aus nahe ge- fegenen Gärten und Feldern mit Exrbjen, Bohnen, Zwiebeln und Kartoffeln an und leben hiervon während des Spätherbites und Frühjahres oder folange das Wetter noch gelinde it. Exit bei jtarfem Frojte verfallen jte in Schlaf, ohne jedoch dabei zu erjtarren. Nur jehr jelten gewahrt man die Fährte einer Wafjerratte oder Schermaus auf dem Schnee; in der Negel verläßt Dieje den Bau während der fälteren Jahreszeit nicht. Doch jcheint fie bisweilen Wanderungen zu unternehmen. Einen Ausnahmefall, daß die Schermaus durch das Eintragen von Wintervorräten dem Menfchen auch nüßlich werden fann, Schildert Filcher-Sigtwart aus dem Wiggertale in der Schweiz („Zool. Beobachter”, 1907). „An einer Stelle mitten in einer Wieje fanden wir nahe beieinander, jeweilen bei einem Maufeloche zwei ziemlich große Haufen der ver- dicten und verfürzten unteren Stengelglieder des Paternoftergrajes (Arrhenatherum tube- rosum Gilib.), die fleiichige inollen bilden. Dieje aneinandergereihten Klügelchen, die dem Teile einer Baternofterjchnur oder eines Nojenfranzes gleichen, dienen der Schermaus zur Nahrung. Hier befand ich diefe Sammlung deswegen auf der Erde, weil die VBorrat3- fammer von den Mäufen vor der Schneejchmelze zwischen der Erde und der über Y/, m dicfen Schneejchicht angelegt worden war. Wir jahen dazu hin- und davon wegführende Gänge, die nur zur Hälfte in der Erde angelegt waren, deren obere Wölbung vor der plößlich ein- getretenen Schneejchmelze aus Schnee bejtanden hatte. Viele der inöllchen waren auch angefrejlen. Der ganze Borrat mochte aus über 200 jolcher Gebilde beitanden haben. Für die Schermaus, die jonjt durch ihre Schädlichfeit befannt ift, bildet dieje Tatjache eine qute Empfehlung; denn die Bauern fennen das Raternojtergras als ein jchwer aus- zurottendes Unkraut. Snzwilchen ift von mehreren Landwirten unferer Gegend beitätigt worden, daß fie häufig unter der Erde Borratsfammern finden, die nur mit folchen Sinöll- chen diejes Grajes angefüllt ind.“ Die Bermehrung der Wafjerratten und Schermäufe ift bedeutend. Drei- bis viermal im Jahre findet man in dem unteriwiichen warmen, weich ausgefütterten Nejte 2—7 „unge, oft in einem Nejte folche von verjchiedener Färbung zufammen. „Die Tiefe der Eröhöhle, in der das Neft errichtet wird“, jagt Landois, „chrwanft zwifchen 30—60 cm. gu ihr führen ftet3 mehrere Gänge. Das Neit jelbit füllt die Erdhöhle vollftändig aus, ift Wafjerratte. 289 fugelig, hat einen Durchmefjer von 15—20 em und beiteht aus einer Unzahl äußerft feiner, trocener Wurzelfäjerchen. Didere Wurzelfafern und Wurzeln werden ,beim Baue ver- mieden und jomit ein Nejt hergeitellt, welches in bezug auf jeine Weiche und Wärme viele Vogelneiter bejchämen Fönnte.” Zumeilen findet man die Neiter in dichtem Geftrüpp un- mittelbar über der Erde, manchmal auch im Nohre. Ein jolches Neit bejchreibt Blafius. „E3 jtand 1 m hoch über dem Wafjerjpiegel, wie ein Rohrjängerneft zwiichen drei Schilf- jtengel eingeflochten, etwa 30 Schritte vom trodenen Ufer ab, war fugelrund, aus feinen, weichen Grasblättern gebaut, am Eingange zugejtopft, hatte außen etiwa 10 cm, inmwendig wenig über 5em im Durchmefjer und enthielt ziwei Halberwachiene Junge von fohlichwarzer Färbung. Eines der alten Tiere, welches bei meiner Annäherung fich vom Nejte entfernte und ins Waffer jprang, war ebenfalls Schwarz von Farbe. Die Alten fonnten nur jchwin- mend zum Nejte gelangen und waren dann gezwungen, an einem einzigen Schilfitengel in die Höhe zu Hettern. Hätte ich das Neit beim Aufjuchen von Rohrfänger- und Krontaucher- nejtern nicht zufällig gefunden: e3 würde mir nie eingefallen fein, an ähnlichen Orten nach Wajjerrattennejtern zu juchen.” Der Paarung gehen lang anhaltende Spiele beider Gejchlechter voraus. Nament- (ich) da3 Männchen benimmt jich jehr eigentümlich. E3 dreht fich manchmal jo jchnell auf dem Wafjer herum, daß es ausjieht, al3 ob e3 von einer ftarfen Strömung bald im Wirbel bewegt, bald herumgemwälzt würde. Weitere „anmutige Szenen aus dem Cheleben der Wajjerratte” jchildern die Gebrüder Müller. „Sn der Abenddämmerung, wo das rege Leben diejes Nager beginnt, umfreift und umtanzt, hHochaufgerichtet wie ein Wajjertreter, das Männchen jein Weibchen umd jucht fich Durch jolches pofjierliches Gebaren die Gunft des Weibchens zu eriverben. Bald dreht und mälzt es fich zur Rechten oder zur Linken, bald rudert e3 der ausweichenden Gattin lebhaft erregt nach und vergikt auf Dieje Weije oft jich jelbit und die Sorge um die jonft jo ängjtlich gewahrte Sicherheit." Das Weibchen jcheint zwar ziemlich gleichgültig zuzujehen, erfreut jich aber doch wohl jehr an diefen Künjten; denn jobald das Tiebestolle Männchen mit jeinem Reigen zu Ende it, Schwimmen beide gewöhnlich gemütlich nebeneinander, und dann erfolgt faft regelmäßig die Begattung. „üicht minder unterhaltend”, fahren die Gebrüder Müller fort, „und von zärtlicher Fa- milienneigung zeugend, jind die Spiele, welche die Mutter mit den Stleinen bei ihren abendlichen Ausgängen treibt. Hier jieht man fie zu mehreren auf einem Häufchen im Wajjer unter- und übereinander purzelnd und Hujchend vereinigt, dort eilen mehrere der Führerin nad), welche eine Beute ji) angeeignet hat und nedend dieje den Jungen borenthält. Dann jammelt jie mit eigentümlichem, leifem Lodton an vertrautem Bläschen im Schilf oder Rohr, das von den NRatten zur Tafel ausgetreten it, die Kleinen und legt ihnen die Lecerbijjen in Gejtalt von Fröfchen, Krebjen oder auch Uferjchneden, Würmern und Kerbtieren vor. Oder wenn Alte und Junge zufammenfisen und die herzugetragenen Snollengewächle und Gemiüfje oder Wurzeln und marfige Nohritengel verzehren, jo jteht man jie auf den Hinterbeinen aufgerichtet jiten, die Vorderfüße handartig gebrauchen und die Köpfe beim Nagegejchäfte bald nach diejer, bald nac) jener Seite wenden, um bor allem das Beliebtejte auszumählen.” Wenn die Mutter die Slleinen in dem einen Nejte nicht für ficher Hält, jucht fie nach einem jichereren Orte, jchleppt jie im Maule Hin und jchwimmt dabei mit ihnen über breite Flüffe und Ströme. Die eigene Gefahr vergejjend, läßt fie jich bisweilen mit der Hand erhafchen; aber nur mit Mühe fann man dann das unge, das fie trägt, ihren Zähnen entwinden. „Werden die Jungen”, jagt Fisinger, Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 19 290 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. „zufällig mit der Pflugfchar ausgeadert und nicht jogleich getötet, jo eilt die Mutter fchnelf herbei md jucht. je rajch in einem andern Loche zu verbergen oder trägt fie, wenn ein folches in der Nähe nicht gleich aufzufinden ift, unter das nächite Bujchwerf, um jte einft- meilen dort zu jehügen. Geraten die Jungen durch einen plöglichen Angriff in Gefahr, jo verteidigt fie die Mutter mit Kühnheit und Gejchid, Ipringt Hunden, Kaben, ja jelbjt dem Menjchen entgegen und verjebt den Berfolgern oft ‘heftige Bilje mit ihren jcharfen Zähnen. Nach drei Wochen führt fie ihre Stleinen aus der Höhle und trägt, während Dieje auf dem Nafen oder auf Pflanzenbeeten frejien, die zarten Sprojfe von verjichievenen Gräfern, bejonder3 aber Erbjen, die Lieblingsnahrung der Jungen, in ihre Höhle ein. Die Kleinen beginnen nun auch bald ihre Grabverjuche und werden jchon in zarter Jugend auf Wiejen und Acerfeldern und noch mehr in Gärten jehr jchädfich.” Die gefährlichiten Feinde der Schermaus find Wiejel und Hermelin, weil jte ihr in die unterirdischen Gänge und felbit in das Wafjer nachfolgen. Beim Verlajjen ihrer Röhren wird fie auch von Waldfauz und Schleiereule, von Yltis und Habe erbeutet; nad Altum zur Zugzeit auch von der Sumpfohreule in den Dünen der Nordjeeinjeln, wo der fatale Schädling durch Abnagen der Wurzeln des Strandhafers den Dünenbefeitigungen gefährlich wird. m allgemeinen aber ijt die Schermaus gegen die Näuber ziemlich gejichert und fordert um fo dringender unnachlichtliche Berfolgung von feiten des Menjchen Heraus. ‚allen oder eingegrabene große Töpfe, deren glatte Wände ihr, wenn fie bei ihren nächt- lichen überiwijchen Spaziergängen hineingefallen it, das Entfommen unmöglich machen, Ihüßen ebenfalls wenig gegen fie, weil jie beide möglichjt vermeidet, und jo bleibt nur ein Mittel zur Abwehr übrig: ihre Gänge zu öffnen, jo daß Licht und Luft Hineindringen. „Schon einige Minuten, nachdem dies gejchehen”, jagt Schacht, frühere Angaben von Lan- 0018 beitätigend, „fommt jte herbei, ftect neugierig den Kopf zur Tiire heraus, jchlüpft wieder zurüd und fängt bald darauf an, unter der eröffneten Nöhre eine neue zu graben. Um fie herborzuloden, legt man ihr auch wohl eine Beterjilienwurzel, ihre Lieblingsjpeife, vor die Öffnung. Beim Hervorfommen bläft man ihr das Lebenslicht aus. Freilich ift es fein edles Weidwerf, auf Nattenvieh zu jagen, diejes Wild aber immerhin einen Schuß Pulver wert.” Die Gärtner Weitfalend nehmen, wenn andere Bertilgungsvorkehrungen des mahlos Shädlichen Wühlers fehlichlagen, ftets zu diefem erprobten Mittel ihre Zuflucht. Für die Gefangenschaft eignet fich die Wajjerratte wenig. Sie ijt ziemlich weichlich, verlangt deshalb gute Pflege und wird niemals ordentlich zahm. Entiprechend ihrer Überzeugung von der Artjelbjtändigkeit der nur auf dem Lande lebenden Schermaus widmen die Gebrüder Müller Diejer noch eine bejondere Lebensichil- derung, aus der allerdings manches zu denken gibt. „Die Schermaus legt ihre Baue ftets in trocdenem Gelände an, jelbjt in der Nähe oder dicht an den Ufern der Gräben, Flüffe und Teiche, und Ddiefe Baue münden nicht an der Uferwand nach dem Wafjer zu. Gie meidet überhaupt das Wajjer und den Sumpf und fehrt fich dem trodenen, bebauten Lande mit entjchiedener Neigung zu. Wie follte auch die bis hoch in Gebirge fern von allem Gewäjjer hinaufgehende Schermaus ein und dasjelbe Tier mit der vorher gejchil- derten Art jein, die jo fichtlich an das Wafjer gebunden ist und hier folonienweije, aljo ge jellig febt, mithin auch nach diefer Richtung mit der größtenteils einzeln auftretenden Ver- wandten nichts gemein hat! Syn der Heimat unjeres VBaterd befand jich ein zur Pfarrei gehöriger Feldgarten in der Nähe eines Mithlgrabens, wo die Schermaus zahlreich ver- treten war, aber niemals im Wafjer von den forgfältig bemühten Beobachtern gejehen Vafjerratte. Fihtenmaus. NKurzohrige Erdmaus. 291 wirrde. Endlich jtellt jich auch die Form der Baue bei der Schermaus mwejentlich anders dar als bei der Wajjerratte. Der Bau, in welchem das Nejt nach Art der Feld- und Haus- mäufenefter angelegt ijt, bejteht unter einem ausgeivorfenen jtärferen Erdhügel in einem runden Kejjel, zu dem mehrere Gänge führen.” Die Gebrüder Müller Tiefern auch noch eine „Bejchreibung der Taggänge im Gegenjaß zu den erwähnten Hauptgängen. Da fich das Tier ftet3 an der Oberfläche Hält, jo drückt e3 die Erde über jich in die Höhe, jo daß der Gang eine Wölbung nad) oben erhält. Wenn nun der Boden jpröde ilt, jo jpringt er hier und da in Heine Nifje und zerbröcdelt fich, wodurch dann Dffnungen in den Gängen ent- jtehen. Bon den Maulwurfsgängen umterjcheiden jich die Gänge der Schermaus dadurch, daß jie viel mehr als jene hin und her ziehen, und daß die Yuswürfe von größeren Schollen begleitet find. Wenn man dieje unterivdiichen Streifereien verfolgt, jo wird man jich bald überzeugen, daß diejelben nach dem eigentlichen Leben der Pflanzen, ihren Wurzeln ge- tichtet jind und ganze foftbare Pflanzenbeete verwüjten. Kein Wunder, daß der Schermaus denn auch mit Gewehren, Fallen und Hunden der Strieg erklärt it! Am exfolgreichiten bewähren fich die Schnell- und Zangenfallen, mit welchen die Maulwürfe gefangen werden.” Die durch die Untergattung Chilotus Baird aus dem nordamerifanijchen Weiten mit der Schermaus verbundene Untergattung Pitymys Mac Murtrie enthält nicht nur die ameri- fanijche Fichtenmaus, P. pinetorum Lee., jondern auch eine europätjche, von Belgien und sstanfreich bis nad) Deutjchland verbreitete Art (P. subterraneus Selys); deshalb verdient fie hier wohl Beachtung. Sie ift ausgezeichnet durch ihr bejonders furzes und dichtes Fell, das bei der Fichtenmaus ganz maulwurfsartig ijt, Heine Augen und Ohren und einen flachen Schädel mit meift jehr furzen Stirnbeinen. Die Fihtenmaus, die fich in den atlantiichen Staaten Nordamerifas von Nerv Norf bis Florida verbreitet, ijt oben roftbraun, unten jilbergrau und hat ein jo weiches, jeidiges Fellchen, das man an den Maulwurf denkt, zumal fie dDiejem auch durch ihre Kleinen Augen und Ohren gleicht. Diefe Übereinftimmung fommt von der gleichen Lebensweife; denn die Fichtenmaus tft jo ausjchlieglich unterivdiich wie feine andere Maus. Stone hat manche in Öängen gefangen, die er für das Werk von Maulwürfen hielt, und ijt itberzeugt, daß viel Schaden, den man der amerikanischen Yeldmaus zujchreibt, vor ihrer jeiden- haarigen Verwandten verurjacht it. Die in Deutjchland vorfommende Art, die Kurzohrige Erdmaus, wie jte Blajius treffend nennt, P. subterraneus Selys, oben ajchgrau mit mehr oder weniger rojtjarbigem Anflug, an den Seiten heller, unten und an den Füßen graumeiß, liefert den Beweis, daß auch bei uns noch manches Tier jo gut wie unbefannt lebt. Und doch gehört jie unbedingt zu unjerer Heimijchen Säugetierwelt; denn Blajius erhielt jie vom Niederrhein, aus Wejt- falen, Braunfchweig, dem fächjischen Vogtlande und aus Bayern, und ihm „icheint, daß jie in Belgien, Weit- und Mitteldeutfchland und Frankreich ziemlich allgemein verbreitet ift. Sie lebt, nach de Selys, bejonders auf feuchten Wiejen, in Gemüfegärten, in der Nähe der Flüffe und, wie ich Hinzufügen muß, nicht jelten auch auf fultivierten Feldern und Berg- twiejen, nährt jich in der Regel von allerhand Wurzeln und dergleichen, richtet in Gemiije- gärten daher zumeilen große VBerwültungen an und häuft Vorräte von Lebensmitteln in ihren Bauen auf. Sch Habe mich überzeugt, daß jie, wie die meiiten übrigen Arten der Gattung, auch Würmer und Snjekten nicht verjchmäht und in der Gefangenjchaft jogar jich 19* 292 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige, an ihresgleichen vergreift... Da jte wenig Bedürfnis hat, Die Oberfläche zu betreten, jo jorgt jie Dejto emjiger für unterivdifche Unbejchränftheit, indem jte einen weit zahlreicher verzieigten Nöhrenbau anlegt al3 die nahe verwandte gewöhnliche Feldmaus.” Sn den Borratsfammern fand Dehne im Dezember über Y/, kg Wurzeln, jede Art gejondert und gereinigt: Zömwenzahn, Quede, Hatnanemone, Sauerampfer, Sinöllchen der gemeinen Butterblume, einige Zwiebeln, Möhren und Bogelmilch. Die Niederlagen waren etiva 30 cm tief unter dem Najen der niedrigen Wiejen des Löhniger Grundes an- gebracht und hatten 16—21 cm im Durchmejjer. Mehrere ziczadkfürmige, ganz flach unter dem Najen fortlaufende Gänge führten zu ihnen und verbanden jte. Selten vermehrt fich diefe Maus, die auch nur vier Ziten hat, jo jtarf wie ihre Ver- wandten. Im ihren weich ausgepoliterten Neitern findet man allerdings fünf- bis jechsmal im Jahre 3—5 Junge; aber von diejen gehen, weil die Niederungen oft überichwemmt werden, regelmäßig viele zugrunde. Man fann die Jungen mit Aunfelrüben, Möhren, Paitinafen, Kartoffeln, Apfeln und Kürbisförnern leicht großziehen und lange erhalten; bei Brot und Getreideförnern verhungern jie aber in wenigen Tagen. Dehne hatte ein Sunges jo gezähmt, daß er es in die Hand nehmen und mit jich herumtragen fonnte, obgleich er ihm nicht ganz trauen durfte, weil es zuweilen, jcheinbar unmijjentlich, zu beißen verjuchte. Mit anderen Wühlmäufen verträgt jich Diefe Art nicht. Wenn man fie mit jenen zujanmen- iteckt, entjteht ein wütender Kampf, und die jchwächere wird, wenn fie nicht baldigit abgetrennt wird, der jtärferen regelmäßig unterliegert. Über die Graulemminge (Untergattung Lagurus Glog.), namentlich über die Haupt- art (L. lagurus Pall.; Eremiomys), fünnen wir glüdlicherweije Ausführlicheres berichten ver- möge VBerdeutjchungen aus der rujjtichen Fachliteratur, Die wir, twie jo manchen anderen wertvollen Beitrag hier, der jteten Hilfsbereitjichaft Plesfes und Büchners verdanfen. Büchner jelbit hat den Graulemming in jeinen „Säugetieren der Prichewalifireijen” behandelt und von Mübel abbilden lajien: eine graugelbliche, ganz lemmingartig Furz- gejchwänzte Feldmaus mit jchwarzem Maljtrich lang über den Kücden, die auch Milfer mit ihren näcjiten Berwandten eben wegen des furzen Lemmingjchtwanzes im Shitem bon den eigentlichen Feldmäufen getrennt halten möchte, obwohl er jonjt feine Durcchgehenden Unterjchtede von diejen findet. Über die heutige geographifche Verbreitung der Hauptart fügt Büchner (brieflich an Hed) Hinzu: „Das Verbreitungsgebiet des Graulemmings erjtredte ich früher von den Steppen am Mittellaufe des Uralflujies bi3 an den Jenijjei. Sarudnd fand ihn in großer Anzahl bei DOrenburg, längs der Sjafmara und auf dem Objchticht-Shyrt (Süduralgebiet) und jtellte damit feit, daß das Verbreitungsgebiet ich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts fjtark nach Norden ausgedehnt hat. Ein noch größeres Interejje beanjprucht aber die Tatjache, daß dieje Art Ende des vorigen Jahrhunderts auch die Wolga über- ichritten Hat und in das Tichernofjem- (Schwarzerde-) Gebiet eingedrungen ift. Der Grau- fenıming fommt jegt in den Gouvernements Sjaratomw, Woronejch und Charfomw nicht nur überhaupt vor, jondern tritt hier jtellenmweije jchon in jo folofjalen Mengen auf, daß er der Landmirtichaft beträchtlichen Schaden zufügt; namentlich haben die Winterjaaten ftarf von ihm zu feiden.” Vielleicht ein Seitenftüd zur Ausbreitung der Wanderratte? Die Haupt- Heimat iit aber immer noch die Kirgifenfteppe öftlich von Wolga und Ural bis nach Innerajien. ac) Sarudnny bewohnt der Graulemming „mit Vorliebe die lehmigen, mit Artemisia Kurzohrige Erdmaus. Graulemming. 293 (krautige Wermutpflanze) beitandenen Steppengebiete und dringt von hier aus auch in die Steppen der Schwarzerde ein, die mit dem büjcheligen Stipa-Graje bewachjen find; im teodenen Sandgerölle fommt er aber auch vor. Wie die eigentlichen Lemminge unter- nimmt er zuweilen Wanderungen. So jegten im Jahre 1880 große Mengen über den Fluß Dr und überjchiwemmten die Steppe am Af-tjube. Mit Beginn de3 Schneefalles hörte die Einwanderung auf; im Laufe des nächiten Winters und Sommers waren die Tier- chen aber in der Gegend jehr zahlreich und richteten am Getreide viel Schaden an. Im Herbit 1881 begann Die Wanderung aufs neue, und zwar in wejtlicher und jüdmeitlicher Richtung. Zm Juli und August 1882 erjchien der Graulemming mafjenhaft in den Steppen am Unterlaufe des \Slef (linfer Nebenfluß des Ural) und drang bis an das linfe Ufer des Ural vor, jedoch ohne Diejen zu überjchreiten. Im Früh- jahr 1884 fand er jich aber ichon ehr zahlreich an Der Tichernaja Rutjchka, aljo auf der rechten Seite des Ural- flufjfes. Sie vermehrten fich bier ftarf und zogen noch im Herbite des Jahres weiter nach Norden. Auf der Wan- derung bildeten jie weit aus- gedehnte Herden, jelten kleine Häufchen biS zu vier beijan- men. Die Breite der ganzen wandernden Kolonne betrug jedenfalls zeitweije nicht we- niger al3 einen Silometer, und nur beim Übergang über Graulemming, Lagurus lagurus Pall. 1/2 natürlider Größe. Flügchen jcharten jich Die Tierchen ziemlich dicht zufammen. Che jie jich entjchlojjen, über einen Fluß zu jegen, liefen fie längere Zeit am Ufer hin und her. Die Wanderung erfolgte frühmorgens und abends etwa drei Stunden vor Sonnenuntergang; wahrjcheinlich Dauerte fie auch die Nacht durch.“ Alles ganz wie bei den eigentlichen Yemmingen! Die Baue des Graulemmings find unverzmweigt, Furz und liegen nur wenige Zoll unter der Erdoberfläche. Am Ende des Ganges, zuweilen aber auch jchon weiter vorne, befindet jich eine fugelförmige Höhlung, die das eigentliche Neft enthält. Diejes it mit Grashalmen und Artemifiaftengeln ausgefüttert und hat zwei jich gegenüberliegende Offnungen; mit Artemifiaftengeln wird auch der Gang jelbit ausgelegt und die Eingangsöffnungen beritopft. Der Graulemming wirft im Laufe eines Sommers bis jechsmal, und jeder Wurf zählt 3-7 Junge. Lieblingsnahrung find die Zwiebeln von Iris, Tulipa, Allium und Astra- galus-Samen. Animalifche Koft wird nicht verjchmäht; Sarudny hat den Graulemming Heuschreden verjpeijen jehen. In der Gefangenschaft fraß ein Weibchen zweimal jeinen Wurf auf, und dasjelbe Tier nahm auch jehr gern Fleifch, jorwohl roh wie gekocht. Der Grau- femming hat durch die Frühjahrsüberfchwemmungen jehr zu leiden; viele fommen Darin um, obwohl fie gute Schwimmer find. Wenn Schnee gefallen ift, graben die Graulemminge 294 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. ihre Gänge unter Diejen oberirdijch, meijt zwijchen den Didichten von Amygdalus nana und Spiraea crenata. Zahm mwırden Sarudnys Gefangene nicht. Prichewaljfi fand den Graulemming nur auf dem Steppenplateau des feinen Juldus in zentralen Tian Schan in einer Meereshöhe von I—10000 Fuß (über 3000 m). Er fommt dort nicht gerade häufig vor und lebt in Höhlen auf den Hochgebirgsmatten. 1 Die Untergattung der eigentlichen Wirhlmänufe im engiten Sinne, denen der ältejte attungsname Microtus verblieben tjt, hat die weitejte Verbreitung über beide Erbhälften und bejigt die größte Artenzahl (73 ohne Die Unterarten), in die jich die Alte Welt und Nord- amerifa ungefähr zu gleichen Hälften teilen. ‚Die Untergattung Mierotus mit ihrer langen Reihe von Arten bildet den Stern der ganzen Hauptgattung Mierotus im weiteren Sinne, und die übrigen Untergattungen find Hauptjächlich nach Verjchtedenheiten in der Schädel- und Zahnbildung oder auch nach äußeren Merkmalen (Zitenzahl) abgetrennt, die fie gegen die eigentlichen Microtus-Arten aufzumweijen haben, und die al3 Um- und Weiterbildungen aufgefaßt werden. Die Untergattung Microtus enthält viel mehr Arten al3 alle übrigen Untergattungen zujammen. Hat man doch darin alle Formen vereinigt, die nicht in Die anderen bejchränfteren Untergattungen pajjen und noch nicht genügend herausgebildet find, um jelbit den Rang von Untergattungen zu verdienen! Als durchgehende äußere Stennzeichen fönnen gelten: 6 Sohlenballen; Seitendrüjen in der Lendengegend bei den alten Männchen; 8 Zißen, 4 bruft- und 4 bauchjtändig; Ohren gewöhnlich über das Fell vorragend. Außerdem jind natürlich einige Backzahnmerkmale vorhanden, auf die hier nicht eingegangen werden fan. Wir jchildern die Arten im einzelnen, ohne auf alle ihre verzwidten fyjtematischen Beziehungen anders als etwa durch die Reihenfolge Rüdjicht zu nehme. Hoch oben auf den Alpen, da, wo das übrige tierische Leben jchon längjt aufgehört hat, wohnt eine Art der Untergattung, jeder Jahreszeit Troß bietend, ohne daran zu denfen, im Winter nac) Art anderer Nager Schuß im Innern der Erde zu fuchen: die Schneemaus, von dem modernen amerikanischen Syitematifer Gerrit Miller zu der bejonderen Unter- gattung Chionomys erhoben. Die Schneemaus, Microtus nivalis Martins, ijt eine ziemlich große Wühlmaus von 18 em Sejantlänge oder 12 cm Leibe3- und6,5 cm Schwanzlänge. Jhr Belz ijt zweifarbig, auf der DOberjeite hell bräunlichgrau, in der Mitte des Nücens dunkler als an den Seiten, auf ver Unterjeite ziemlich Deutlich abgejeßt graumeif. Ständige Berjchiedenheiten fommen bor. Sn der Lebensweije lajjen fich, jovtel wir wiljen, feine Unterschiede bemerfen. „Die Schneemaus”, jagt Blajius, „Hat unter allen Mäujen den eigentümlichiten Werbreitungs- freis. Sie gehört der Ulpenfette ihrer ganzen Ausdehnung nac) an. Außerdem erhielt jie Selys aus den Pyrenäen (jebt Unterart aquitanius Mill.). &3 ift mir fein Beifpiel be- fannt, daß fie in den Alpen regelmäßig unter 1000 m Meereshöhe gefunden wäre; auch bei 1300 m jcheint jie in der Negel nicht Häufig vorzufommen. Von hier aus aber findet ie jic) in allen Höhen bis zu den legten Grenzpunften des Pflanzenlebens. Sn der Nähe der Schneegrenze erjcheint jte am häufigiten, aber jogar über die Schneegrenze geht jte hinaus und bewohnt die Kleiniten Pflanzeninjeln, die mit ihren fümmterlichen Alpenfräutern jpär- (ic) bewachjenen Blößen auf der Südfeite der hohen Alpenjpigen, mitten zwifchen den Schneefeldern, imo die warmen Sonnenjtrahlen oft faum 2—3 Monate lang die wöchentlic) lich erneuernden Schneededen überwinden und die Erde auf wenige Schritte hin freilegen Schneemaus. 295 fönnen. Sm diejer großartigen Gebirgseinjamfeit verlebt jie aber nicht bloß einen jchönen furzen Alpenfommer, jondern, unter einer unvderwüjtlichen Schneedede begraben, einen 9—10 Monate langen, harten Alpenwinter; denm jie wandert nicht, obwohl fie fich im Winter Röhren unter dem Schnee anlegt, um Pflanzenwurzeln zu juchen, went die ge- jammelten Vorräte nicht ausreichen. Sein anderes Säugetier begleitet die Schneemaus ausdauernd über die Welt des Lebendigen hinaus bis zu diejen luftigen, ftarrerr Alpen- höhen; nur einzeln folgt vorübergehend al3 unerbittlicher Feind ein Wiejel oder Hermelin ihren Spuren.” Dagegen jcheint jie jelbit in ihren unmirtlichen Höhen von äußeren und inneren Schmarogern jtarf geplagt zu fein. Galli-Valeriv unterjuchte im Hygtenijch-para- jitologischen Smititut der Univerjität Laufanne („Zool. Anzeiger”, 1905) eine ganze Reihe > SI RAN \ N FERIEN a I - AR m jolcher Schmaroger, meijt neue Arten, und bejchrieb: zwei Flöhe, ein Sporentierchen (Coc- cidium arvicolae nov. spec.), einen Bandwurm, eine Milbe, deren Kolonien jich als orangegelbe Flede zwijchen den Haaren, ar den Ohren und an den Hinterbeinen anhäufen, und eine Laus in den opfhaaren. Das Leben, das die Schneemaus in ihrer unmirtlichen, traurigearmen Heimat führt, ijt Schwer zu denfen. Mar weiß, daß fie Pflanzen, Hauptjächlich Wurzeln und AUlpenkräuter, Gras und Heu, frißt und von diejen Stoffen auch Vorräte für den Winter einfammelt; aber man begreift faum, daß fie an vielen Orten, wo fie lebt, noch Nahrung genug findet. An manchen Stellen ijt es bloß eine einzige Pflanzenart, die ihr Zehrung bieten kann; an anderen Orten vermag man nicht einzujehen, wobont fie leben mag. Im Sommer freilich leidet jie feine Not. Sie bejucht dann die Sennhütten der Kuh- und Schafalpen und najcht von allem Ehbaren, was jie in den Hütten findet, nur nicht vom Fleifche. Ihre Wohnung jchlägt jte dann bald in Erdlöchern, bald in Geröll und Gemäuer auf. In der Nähe ihrer Höhle jteht man jie auch bei Tage umberlaufen, und fie ift jo vertraut, daß man je dann leicht erjchlagen oder wenigiteng jchiegen fanır. Selbjt bei hellem Tage geht jie in die Fallen. Erjchredt, 296 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. verjchwindet fie rajch zwifchen Felsblöden; doch dauert es jelten lange, bi jie wieder zum Borichein fommt. m ihren Bauen findet man zernagtes Heu und Halme, oft auch Wurzeln bon Bibernell, Enzian und anderen Ulpenfräutern. Das Nejt enthält wahrjicheinlich zweimal im Sommer 4—7 unge: Blafius hat folche noch gegen Ende September gefunden. Stommt nun der Winter heran, jo zieht jich die Schneemaus wohl ein wenig weiter an den Bergen herab; doch bis in die wohnliche Tiefe gelangt fie nicht. Ste’zehrt jebt von ihren gejammel- ten Vorräten, und wenn dieje nicht mehr ausreichen, jchürft jte jich lange Gänge in dem Schnee von Pflänzchen zu Pflänzchen, von Wurzel zu Wurzel, um jich mühjelig genug ihr tägliches Brot zu erwerben. Hugi erbeutete fie 3600 m Hoch in einer Schußhütte am Finiter- aarhorn, die weit über das Dach hinaus eingejchneit war. Auf den Tiermarkt fommen Schneemäuje nur ausnahmsweije einmal. Sm Berliner Garten hat man jie mehrfach einige Zeit gehalten, in ihrem Benehmen aber feinen Unter- jchied gegen andere mausartige Nager beobachten fünnen. Die Rattenföpfige Wühlmaus oder den Rattenfopf, Microtus ratticeps Keys.- Bl. (Taf. „Nagetiere IX”, 5, bei ©. 249), erhielt Blajius „zuerjt lebendig im Jahre 1840 im Norden von Rußland, in Uitjug welife an der Divina. Graf Keyjerling und ich über- zeugten uns fofort, daß fie noch unbekannt und als Art noch nicht bejchrieben jei. Sehr auffallend war uns der rattenähnliche Kopf, der auch die Beranlajjung zu dem jpäter er- teilten Namen wurde. Wochenlang war fie unjer Stubengenofje und betrug fich während der Zeit harmlos und gutartig wie alle ihre Gattungsverwandten. Oft war jie Tag und Nacht in Bewegung, ergab fich aber bald in ihr Schiejal, fa abwechjelnd frejjend, mit den Borderpfoten die Nahrung zum NWlunde führend, dann die Haare glättend oder zufammen- gefauert fchlafend, bis der geringjte fremde Ton fie wieder aufweckte. Nachdem wir Schädel und Gebiß unterjucht, waren wir von der Selbitändigfeit der Art überzeugt. dv. Baer hatte in demjelben Sommer diejelbe Art aus dem rufjischen Lappland mitgebracht. Später ift mir dieje Maus aus den Dftjeepropinzen und aus Sibirien, fowohl aus dem Ural wie aus dem Altai und aus Kamtjchatfa zugejchickt worden.” Neuerdings bejchränft man die Art, laut Trouejjart, auf das nowdifche und mittlere Dfteuropa, fann aber hier, nach Nehring, für Preußen eine fleinere Form mit zierlicherem Schädel al3 Unterart M. r. stimmingi Nhrg. unterjcheiden. 1892 erhielt Nehring den Nattenfopf aus der Umgegend der Stadt Branden- burg an der Havel, wo fünf oder jechs Stücd während des Spätherbites in einem Gartentreib- Haufe gefunden wurden und in die Hände des befannten Sammlers Gujtad Stimming famen. Nac) Stimming fommen dieje Mäufe in unmittelbarer Nähe der Stadt Brandenburg vor, 3. B. in dem Stimmingjchen Garten; fie jollen gut jchwimmen und zumeilen jogar tauchen. Stimming hatte diefe Wühlmaus jchon nach ihrer ganzen Lebensweije als etwas Bejonderes angejehen und berichtet fpäter noch über jie: Sie lebt hier „auf zwei Habel- injeln, gräbt unter der Wiejendede ihre Gänge, fommt bereits am Spätnachmittag ins Freie, frißt allerlei Wurzeln und frifches Grün. Der bejte Köder find friiche Zichorienmwurzeln. Sie wirft im Verlaufe ihrer Gänge Kleine Hügel (ca. 20 em Durchmefjer Haltend) auf, jchroimmt vorzüglich und taucht, befonders wenn jie verfolgt wird, ganz ausgezeichnet. Ihre Anzahl auf beiden Injeln it eine bejchränfte; denn ich habe in den legten fünf Jahren nur acht Stüd erbeutet.” Hiernach ähnelt die nowdische Wühlcatte in ihrer Xebensweije der Wajjer- tatte (Arvicola amphibius), mit der ja M. ratticeps von Blafius in einer Gruppe (Paludicola) zufanmengeftellt ift. Sm Auguft 1899 hatte Nehring fehlieglich Gelegenheit, die norodijche Rattenkopf. 297 Wühlratte „auch für die Gegend von Breitebruch im Kreife Solin feitzuftellen“, und zwar Durch zwei Exemplare, die jich im Magen einer dort frijch erlegten und dem Präparator der Berliner Landwirtjchaftlihen Hochjchule zugejchieten Waldohreule vorfanden. Und im Sahre 1904 fing Editein, Altums Nachfolger, an den Starpfenteichen der Eberswalder Forit- afademie nicht weniger al3 zehn Stüd NRattenföpfe in Fallen, die mit Mohrrübe gefödert waren („Naturwill. Zeitichr. f. Land- und Forjtwirtichaft“, 1904). Auch Rörig hat den Rattentopf jowoHl im Freileben beobachtet als in Gefangenfchaft gehalten. Er beitätigt, „Daß Arv. ratticeps die Nähe des Wajjers bevorzugt und auf feuchten Gelände zu juchen fein wird. Nach meinen bejonders in Großbruch angeitellten Exrmitte- (ungen verlaufen ihre Gänge ziemlich flach unter der Erdoberfläche und dort, wo dichte Grasnarbe die Erde bedeckt, jogar auf ihr, indem Durch den Pflanzenmwuchs hindurch Gänge gebiljen werden, die jich jtelleniveije neitartig verbreitern. Auch am jüdlichen ande des Dammes bei Eberswalde auf der Grabenjeite fand ich zahlreiche offene, nur jtellenmweije durch herabhängende Grasplaggen und Wurzelwerf verdedte Gänge...” Das Aufwerfen von Hügeln fcheint aber „nicht die Regel zu jein, da ich bei meinen wiederholten Bejuchen in Großbruc in den Monaten Mat, Oktober und Dezember jolche niemals finden fonnte. Bielleicht verhindert jie der Dort gerade jehr üppige Grasmwuchs daran. Wie dieje Hügel zujtande fommen, fonnte ich an meinen gefangenen Mäufen beobachten.“ Nörig hält jolche in äußerit praftiicher, nachahmenswerter Weife. „Wenn man Mäufje längere Zeit gejund in Heinen Behältern halten will, jo it es am beiten, ihren Käfig mit Breptorfitücden auszufüllen, in welche jte jich mit großer Schnelligkeit eingraben. In dem Torf fünnen die Mäufe natürlich nicht graben, fondern ihren Bau nur Durch Abbeigen Heiner Stückchen anlegen; dies geht aber jo Schnell vonitatten, daß 3. B. in weniger als einer halben Stunde eine Maus vollftändig verjchwunden ift.“ Yörig bildet den Gipsausguß eines jolhen Baues ab. „Man fteht hier eine Anzahl von Röhren, von denen drei in eine nach oben gerichtete große Höhle münden. Lebtere beiteht gemwiljermaßen aus drei Abjchnitten, einem unteren, der Durch Die Vereinigung der Gänge gebildet wird, und zwei darüberliegenden Abtei- lungen, die zufammen einen Raum von genau 900 cem (mit trodenem Sand gemejjen) biden. Man fann annehmen, daß die Mäufe ähnliche Gänge und Höhlen jich auch im Freien anlegen, und wird in den feinen, Maulwurfshügeln ähnlichen Haufen wahrjcheinlich den Erdauswurf diejer Höhlen zu fehen haben, die mit ihrer oberen Wandung bis Dicht an Die Dberjläche reichen... Dieje Höhlen jcheinen mehr al3 Wohn- denn als VBorratsfanmern benußt zu werden; denn wenn die (Nattenfopf-) Mäufe auch bei Überfluß an Nahrung etwas davon eintragen, fo ijt Doch feine Nede davon, daß fie etiva yjtematiich Vorräte an- häufen, wie ich Dies 5. B. bei den unter gleichen Bedingungen gehaltenen Yeldmäufen regelmäßig beobachten fan... Die Nahrung der nordiichen Wühlmaus jcheint Hauptjächlich aus Sämereien und Wurzelwerf jowie aus der Ainde weicher Holzarten md aus Gräjern zu beitehen. In Großbruch fand ich Carex- Stengel, zu Kleinen, einige Zentimeter langen Stückchen zerbifjen und zu Heinen Häufchen aufgejchichtet, in den im Graswuchs verlaufenden Gängen und nejtartigen Pläten. Im der Gefangenjchaft aber verzehrten jie am liebjten Kartoffeln und Mohrrüben, Die Samen der Sonnenblume und andere ölhaltige Sämereien, gaben dem Weizen bor dem Hafer den Vorzug und fragen regelmäßig von der Rinde zarter VWeidenzmweige einzelne Kleine Stellen heraus... Das Wajjer der Mohrrüben und Kartoffeln genügt ihnen nicht; jie brauchen jtet3 Trinkwafjfer und wären mir beinahe eingegangen, als ich in der eriten Zeit, im Glauben, daß die Wurzeln ihren Wafjerbedarf befriedigen würden, 298 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. e3 ihnen vorenthielt.” Aljo eine Ausnahme von der vielverbreiteten Bedürfnislojigfeit der Nager an Waljer! „Isnjekten verjichmähten fie... Ihren Nahrungsbedarf deden die nor- dischen Wühlmäufe gewöhnlich abends und in der Nacht, fonmen aber auch bei Tage ge- fegentlich aus ihrem Bau, um ein Weilchen an der Oberfläche umherzulaufen und ein paar Körner zu verzehren oder einen Schlud Wajjer zu trinken... Sie jcheinen an denjelben PBarafiten zu leiden wie unjere anderen einheimischen. Aiten; wenigjtens fand ich in der Leber die mehrere Zentimeter lange Finne der (Bandwurmart) Taenıa crassicollis.” Mojiijovics berichtet im „Tierleben der öjterreich-ungarischen Tiefebenen”: „Nach No- tizen de3 verewigten Kuftos am früheren Zoologischen Hoffabinett in Wien, AU. dv. Pelzeln, it höchit auffallenderweije M. ratticeps, die nordishe Wühlratte, in Fiichamend in Nieder- öfterreich nachgewiejen worden“, und endlich hat 1908 v. Möhely fir das Budapeiter Nationalmufeum,„zahlreiche Bälge und Schädel durch Karl Kunft aus dem Stomitat Bozjond erhalten”. Laut Kunft ift diefe Art in der Gegend von Gjalloföz-Somorja ziemlich häufig, viel häufiger als die Wajjerratte. Ste wählt ihre Standorte in der Nähe des Wajjers, Hält jich am liebjten im Nöhricht auf, baut unter Nohrabfällen ufw. auf der Erde ein voll- fommen rundes Nejt und Schwimmt ebenjo vorzüglich wie die Wafjerratte. Sm fojjilen Zujtande ijt M. ratticeps in zahlreichen diluvialen Ablagerungen Mittel- europas feitgejtellt worden, jo 3. B. von Nehring bei Thiede unmeit Braunjchweig, in mehreren oberfräntijchen Höhlen, am Schweizerbild bei Schaffhaujen ujw.; man darf lie aljo dort, wo jie in unjeren Breiten noch zuweilen beobachtet wird, al3 jogenanntes „Nelikt” aus der Glazialperiode betrachten. Der NRattenkopf ift ein Überbleibfel aus der Eiszeit und jomit wieder einer von den Heinen Nagern, die Schlüfje auf die frühere Eima- tiiche Beschaffenheit unjeres Baterlandes erlaubert. Sn Sibirien, und zwar vom Ob bis zum Onon, von Altaigebirge bis ins Amurgebiet, tritt neben und ziwijchen Verwandten eine Wühlmaus auf, die Wurzelmaus, Microtus oeconomus Pall., die fich zunächjt an den Nattenfopf anjchlieft. Sie ift etwa jo groß, aber ein wenig langjchiwänziger al3 unfere Feldmaus, 14,5 cm lang, wovon 4,5 em auf den Schwanz fommen, oben hell gelblichgrau, unten grau, der Schtwanz oben braun, unten weiß. Bon der Feldmaus unterjcheidet fie jich auch durch den Fürzeren Kopf, die Heineren Augen und die furzen, im Pelze fat veritedten Ohren. Pallas und Steller Haben uns anziehende Schilderungen von dem Leben diejes Tieres hinterlafjen. Die Wurzelmaus findet jich in Ebenen, oft in großer Menge, und wird bon den armen Einwohnern jener traurig-öden Gegenden geradezu als Wohltäterin be- trachtet; denn fie arbeitet hier zum Beiten des Menjchen, anjtatt ihm zu fchaden. Unter dem Nafen macht fie jich fange Gänge, Die zu einem im geringer Tiefe liegenden, großen, runden, mit einigen jehr geräumigen Borratsfammern in Verbindung jtehenden Neite von 30 em Durchmefjer führen. Diejes it mit allerhand Bflanzenjtoffen weich ausgefüttert und dient der Maus zum Lager wie zum Wochenbette; die Vorratsfammern aber füllt jie mit allerhand Wurzeln ar. „Man vermag faum zu begreifen”, jagt Ballas, „wie ein Baar jo feiner Tiere eine jo große Menge Wurzeln aus dem zähen Najen hervorgraben und zu- jammentragen fönnen. Oft findet man S—10 Pfund in einer Kammer und manchmal deren 3-4 in einem Baue. Die Mäufe holen jich ihre Vorräte oft aus weiten Entfernungen, Iharren Grübchen in den Najen, reißen die Wurzel heraus, reinigen fie auf der Stelle und ziehen jie auf jehr ausgetretenen, fürmlich gebahnten Wegen rüdlings nach dem Neite. Wurzelmaus. Erdmans. 299 Gewöhnlich nehmen fie den Gemeinen Wiejenfnopf, den Sinollenfnöterich, den Betäubenden Kälberkropf und den Sturmhut. Lebterer giltihnen, wie die Tungufen jagen, als Feitgericht; jie beraufchen jich damit. Alle Wurzeln werden jorgfältig gereinigt, in fingerlange Stücke zerbifjen und aufgehäuft. Nirgends wird das Gewerbe diejer Tiere dem Menfchen fo nüßlich wie in Daurien und in anderen Gegenden des öftlichen Sibiriens. Die heidnifchen Völker, die feinen Aderbau Haben, heben die Schäße im Herbite, wenn die Borratsfammern gefültt jind, mit einer Schaufel aus, lejen die betäubenden weißen Wurzeln aus und behalten die ichhwarzen des Wiejenfnopfes, die jie nicht bloß al3 Speife, jondern auch als Tee gebrauchen. Die armjeligen Landjaljen Haben an diejen den Mäujen abgenommenen Vorräten oft den ganzen Winter zu ejjen; was übrigbleibt, wühlen die wilden Schweine aus, und wenn ihnen Dabei eine Maus in die Quere kommt, wird dieje natürlich auch mit verzehrt.” Merkwürdig it die große Wanderluft dDiefer und anderer verwandter Wiühlmäufe. Zum Kummer der Eingeborenen machen fie jich in manchen Frühjahren auf und ziehen heer- weile nach Weiten, immer geraden Weges fort, über die Flüjje und auch über die Berge weg. Taujende ertrinken und werden von Filchen und Enten verjchlungen, andere Taujende bon Zobeln und Füichjen gefrejjen, welche Dieje Züge begleiten. Nach der Ankunft am andern Ufer eines Flujjes, den jte dDucchjchwanmen, liegen jie oft zu großen Haufen ermattet am Strande, um auszuruhen. Dann jeßen jie ihre Neije mit frijchen Kräften fort. Ein Zug währt manchmal zwei Stunden in einem fort. So wandern jie bis in die Gegend von Penjchina, wenden jich dann jürdlich und fommen Mitte Juli am Ochota an. Nach Kamtjchatfa fommen lie gewöhnlich im Oftober zurüd, und nun haben fie für ihre Größe eine wahrhaft ungeheure Wanderung vollbracht. Die Kamtjchadalen prophezeien, mern die Mäuje wandern, ein najjes Sahr und jehen jie ungern jcheiven, begrüßen jte auch bei der Nüdkehr mit Freuden. Ebenfall3 zu Microtus im engjten Sinne wird neuerdings die Erdmaus, Microtus agrestis Z. (campestris), gerechnet. Sie ift im Slörper 1O—11 cm lang, mit 3—4 cm langem Schwanz. Der erite untere Badzahır hat auf der Kaufläche I Schmelzjchlingen, außen 5, innen 6 Längsleiiten, der zweite 5 Schmelzjchlingen und außen und innen 3 Länggleiitenn, der erite und zweite obere Badzahıı 5 einfache Schmelzjchlingen und außen und innen 3 Längsleijten, der dritte endlich 6 Schmelzichlingen und außen und innen 4 Santeır; das Biwijchenjcheitelbein ijt an den Geiten ziemlich rechtwinklig abgejchnitten; das Ohr tritt wenig aus dem Pelze hervor und erreicht etwas über ein Drittel der Kopflänge. In der Färbung erinnert die Erdmaus an die Waldwühlmaus. Der Pelz ift zweifarbig, oben dunfel ihwärzlichhraungrau, nach den Weichen etwas heller, unten und an den Fühen graumelh,, der Schwanz ebenjo, oben dunkelbraun und unten graumeiß. Die Erdmaus bewohnt den Norden der Alten Welt: Skandinavien, Dünenarf, Britannien, Norddeutichland und Frankreich. Ir England und Schottland ift jie die ge- wöhnlichjte Art, und Lhdeffer nennt jie in feiner Naturgejchichte einfach „Kuzihmänzige Feldmaus”, im Gegenjag zu unjerer Feldmaus (M. arvalis), die bei ihm al3 „Feitlandg- Feldmaus“ erjcheint. Die Erdmaus Tebt gewöhnlich im Gebüfch, in Wäldern, ar NLald- rändern, Gräben, auf Dämmen ufw., aber nur in wafjerreichen Gegenden, manchmal mit ihren Verwandten zufammen. Blajius traf fie zumeilen auch in Gejellichaft der Wajjer- jpigmaus in den Neitern des großen Wafjerhuhns angejiedelt. Altum hebi hervor, daß man ihre Überrejte bejonders in den Gemwöllen der Waldohreule und des Waldfauzes findet, jie aljo in lichteren jüngeren Waldteilen mit freien Plägen und dichten Gebüjchen, nicht 300 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. aber auf dern und freien Wiejen zu juchen hat. Ihre Nahrung nimmt fie vorzugsweise aus dem Pflanzenreiche. Sie verzehrt Wurzeln, Ninden, Früchte, aber auch Kerbtiere und Fleiih. Im ihren Bewegungen ift fie jo unbeholfen, dag man jie ohne große Mühe mit der Hand fangen fanı. Dabet ift fie gar nicht feheu und erjcheint auch meijtens am hellen Tage vor dem Eingang ihrer Erdhöhlen. Das runde Weit fteht dicht unter der Oberfläche der Erde, wird aber durch dichte Grasbüfchel und dergleichen von obenher jehr geichüst. Drei- bis viermal im Jahre findet man in folchen Nejtern 4—7 Junge, die bald groß werden und von Anfang an den Alten ähneln. Sn der Gefangenjchaft fan man fie leicht erhalten. Site lebt hier auch friedlich mit anderen Artverwandten zufammert. Die Gebrüder Müller Schildern bejonders die Holznagereien der Erdmaus. „ALS Die fräftigite unter den Heineren Wühlmäufen nagt jie mit derben, fcharfen Bifjen bis in den Splint Die Holzpflanzen an. Shre Hahnfurchen gehen fait horizontal und in langen Zügen am Holze her; fie nagt auch eine Strede an den Stämmchen hinauf, denn jie fann troß ihrer icheinbaren Blunpheit Hettern.” Auch Aörig ftellt jie mehr als Forit-, denn als Feldjchädling dar: „Sie 1jt ein jehr gefährlicher Feind vieler Holzgemwächje, und es gibt faum eine Pflanze, welche jie nicht benagt. Kleine Stämmchen werden von ihr durchnagt, größere Dicht über dem Erdboden geringelt und auf Dieje Weije auch jchlieglich zum Eingehen gebracht.” Die eigentlichen Feldmäufe ähneln den Erdmäujen darin, daß der erjte untere Baczahır ebenfalls 9 Schmelgleiiten auf der Kaufläche und außen 5, innen 6 Länggleijten bat, wie auch der zweite untere Badzahıı Feine wejentliche Abweichung zeigt, unterjcheiden jich aber Durch die Bejchaffenheit Des zweiten oberen Badzahnıes, der nur 4 Schmelzjchlingen und außen 3, innen 2 Längsleijten hat. Das Zwijchenjcheitelbein it am Hinterrande erhaben abgerundet, an den Seiten verjchmälert und jcharf abgejchnitten mit einer Furzen, jchräg nach hinten und außen gerichteten Spibe. Das für uns wichtigfte Mitglied der ganzen Untergattung ift die yeldmaus, Microtus arvalıs Pall. (Taf. „Nagetiere X”, 3, bei ©. 277), ein Tierchen von 14 cm Gejamt- oder 11 cm Leibes-und 3em Schwanzlänge. Der Pelz ijt undeutlich zweifarbig, auf der Oberjeite gelblich- grau, an den Seiten heller, auf der Unterjeite jehmußig roftweiglich ; Die Füße jind reiner weiß. Mittel- und ein Teil von Nordeuropa jotwie der weitliche Teil von Mittel- und Nord- alten jind die Heimat Diejes Fleinen und für den menjchlichen Haushalt jo überaus be- deutfamen Gejchöpfes. Ir Europa reicht Die Feldmaus big in die nördlichen Provinzen Nuplands, in Ajien füdlich bis nach Perjien, weitlich bis jenjeits des Ob. rn Großbritannien und Seland, auf Island, Korfifa, Sardinien und Sizilien fehlt fie gänzlich und heißt Daher in der englischen Naturgejchichte Fejtlands- Feldmaus. Sie gehört ebenjowohl der Ebene wie dem Gebirge an, obgleich fie im Flachlande häufiger auftritt. Ir den Alpen jteigt jie bis 2000 m über das Meer empor. Baumleere Gegenden, Felder und Wiejen, jeltener Waldränder und Waloblößen find ihre bevorzugten Wohnpläße, und nicht allein das teodene, bebaute Land, fondern auch die feuchten Sumpfniederungen müfjen ihr Herberge geben. Hier legt fie fi) in den trodenen Bülten ihre Gänge und Nejter an; dort baut fie jich jeichte Gänge mit 4—6 verjchiedenen Eingangslöchern, die außen durch niedergetretene, vertiefte Wege verbunden werden. Im Herbite zieht fie fich unter Getreidehaufen zurüd oder fommt in die Wohnungen, in Scheuern, Ställe und Keller. Ir den Häujern lebt jie borzugsweije in Den Kellern, nicht auf dem Boden mie die eigentlichen Mäufe. Jm Winter Feldmaus: Standort. Wohnung. Nahrung. 301 gräbt fie lange Gänge unter dem Schnee. Wo jie fann, jammelt fie Vorräte ein, nament- (ich) Getreide und andere Sämereien; bei eintretendem Mangel aber wandert fie gejellig aus, gewöhnlich bloß nach einem benachbarten Felde, zumeilen aber auch fcharenmweije aus einer Gegend in die andere, und jet dabei über Bergrücden oder jchwimmend über breite Flüffe. Sie läuft gut, jchroimmt vortrefflich, Elettert aber wenig und unbeholfen. Das Graben veriteht jie meiiterhaft. Ste wühlt jchneller als irgendeine andere Maus und jcheimt im Höhlenbauen unermüdlich zu jein. Ihrer Kebensweije nach it jie fait ebenjojehr Tag- als Nachttier. Man jteht je auch während des glühendjten Sonnenbrandes außerhalb ihrer Baue, objehon fie die Morgen- und Ubendzeit dem heigen Mittag vorzuziehen jcheint. Wärme und Trodenheit jind für jie Lebensbedingungen; bei anhaltender Feuchtigkeit geht jie zugrunde. Trogdenm jiedelt jie jich auch auf feuchten Mooriiejen an, wenn dieje ihr jonft gute Nahrung bieten, errichtet jich dann aber „ihre Wohnung über der Erde, indem fie aus weichen Heuhälmchen ein äußerit feitiwandiges, warmes Kugelneit auf der Oberfläche der Wieje zwijchen die Gräfer baut: jehr zwedmäßige Trodenwohnungen, die jelbjt einen Negenjchauer gut auszuhalten vermögen”. ©o berichtet Staats von Wacquant-Geozelles aus dem Heger Bruche bei Osnabrüd. „Die große Wiejenfläche it zum mweitaus größten Teile mit jauern Gräjern beitanden, und da jich unter diejen verjchtedene Arten befinden, welche ziemlich viele mehlhaltige Samen tragen, und da ferner verjchiedene der dort wachjenden Pilanzen mehlige, nahrhafte Wurzeln haben, jo fühlten jich Dort auch die Feldmäufe heimijch und wohl.” Die oberirdiichen „Kugelneiter famen nicht etiva vereinzelt vor, jondern geradezu in Menge und fchtenen auch während des ganzen Jahres jo angelegt worden zu jet, da ic) eine gröfere Anzahl fand, die durch die Senje zerjtört worden waren. Bon einzelnen der Neiter führten qut ausgetretene Gänge zu den Weide- (Nahrungs) Pläben... „Anders verhielt jich die Sache in diefem Jahre (1893): ich fand Dubende auf dem Erdboden gebauter Halmneiter; aber der Grund zu diefen Bauten war durchaus nicht Teuchtigfeit, jondern die diesjährige einzig daitehende Trocdenheit. Die Dürre und Hibe war der Vermehrung der Feldmäufe natürlich jehr günitig; ... und jomit mußte der junge Nachwuchs fort und fort die elterliche Wohnung verlaffen... Doch fait unübertwindliche Schmwierigfeiten jtellten jich den um eine Wohnung verlegenen jungen Tieren entgegen; der jteinharte Boden im Weizenfelde war zu cher zu bearbeiten für die zarten, im Graben noch wenig geübten Pfoten der jungen Nager. Sie probierten hier, probierten da... Doch manche angefangene Röhre mußte aufgegeben werden... So famen recht viele Mäufe auf den Gedanken, ihre Nejter überivdifch anzulegen... Hier und da ragte ein Teil des bor- jährigen Düngers ettva3 aus der Erde hervor, oder ein jolches Häufchen Miit lag oben auf dem Erdboden: fcehnell wurde ein Zoch hineingearbeitet und ein hübjches Kugelnejt darin oder darunter aus Halmblättchen angefertigt. Andere Neiter ftanden unter dichten Diftel- blättern oder unter dem ftellenmweife heuer jehr üppigen Geranfe der AUderwinde." (St. vd. Waequant-Geozelles, „Anpaffungsvermögen der Feldmaus”, „Zool. Garten“, 1894.) Alle möglichen Bilanzenftoffe find die Nahrung der Feldmaus. Wenn je Sämereien hat, wählt jie nur dieje, jonjt begnügt fie fich auch mit frifchen Gräfern und Sträutern, mit Wurzeln und Blättern, mit Sllee fowie Früchten und Beeren. Bucheln und Nüjje, Getreive- förner, Rüben und Kartoffeln werden arg von ihr heimgefucht. Wenn das Getreide zu reifen beginnt, jammelt jie jich in Scharen auf den Feldern, beißt die Halme unten ab, bis fie fallen, nagt fie dann oben durch und jchleppt die Ihren in ihre Baue. Während der Ernte folgt jie den Schnittern auf dem Fuße von den Winter- zu den Sommerfeldern nad), friht 302 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. die ausgefallenen Körner zwiichen den Stoppeln auf und trägt noch die beim Binden der Sarben verlorenen Ühren zufammen. Sn den Wäldern jchleppt fie die abgefallenen Hage- butten und Wacholderbeeren, Bucheln, Eicheln und Nüffe nach ihrem Baue. Während der taubeiten Jahreszeit verfällt jie in einen unterbrochenen Winterjchlaf; bei gelinder Witte- rung erwacht fie wieder und zehrt dann von ihren VBorräten. Sie tft unglaublich gefräßig und bedarf jehr viel, um fich zu fättigen, farın auch das Waffer nicht entbehren. Sin hohem Grade gejellig, lebt die Feldmaug ziemlich einträchtig mit ihresgleichen, mindeitens paarweife zujammen, häufiger aber in großen Scharen, und deshalb jieht man Bau an Bau gereiht. Shre Bermehrung ist außerordentlich jtarf. Schon im April findet man in ihren warmen Neitern, die in Der Ntegel 40—60 cm tief unter dem Boden liegen und mit zexbifjenem Grafe, fein zernagten Halmen oder auch mit Moos weich ausgefleidet jind, 4—8 unge, und im Verlaufe der warmen Jahreszeit wirft ein Weibchen noch) vier- bis fechsmal. Höchit wahrjcheinlich find die Jungen des erjten Wurfes im Herbite jchon wieder fortpflan- sungsfähig, und fomit läßt fich die zumeilen ftattfindende erftaunliche Vermehrung erklären. „Anter günftigen Umftänden”, jagt Blajius, „vermehren jich die Feldmäufe in un- glaublicher Weije. ES find viele Beijpiele befannt, daß dDurd) ihre übermäßige Vermehrung auf weite Länderjtreden Hin ein großer Teil der Ernte vernichtet wurde und mehr als taufend Morgen junge Buchenjchonungen durch Abnagen der Rinde zerjtört worden jinDd. Wer jolche mäufereiche Jahre nicht erlebt hat, vermag Jich Fchiwerlich eine Borjtellung von dem fait unheimlichen, buntbeweglichen Treiben der Mäufe in Feld und Wald zu machen. Dft ericheinen fie in einer bejtimmten Gegend, ohne dat man einen allmählichen Zuwachs hätte wahrnehmen können, wie plößlich aus der Erde gezaubert. Es ijt möglich, daß jie auch itellenweije plößlich einmwandern. Aber gewöhnlich tt ihre jehr große Vermehrung an der Zunahme der Mäufebufjarde jchon wochenlang voraus zu vermuten. Jr den zwanziger Sahren (des vorigen Jahrhunderts) trat am Niederrhein wiederholt dDieje Landplage ein. Der Boden auf den Feldern war jtellenmeije jo durchlöchert, daß man faum einen Fuß auf die Exde stellen konnte, ohne eine Mäuferöhte zu berühren, und ztoifchen diefen Offnungen waren zahlloje Wege tief ausgetreten. Auch am hellen Tage wimmelte e8 von Mäufen, welche frei und ungejtört umberliefen. Näherte man ich ihnen, fo famen jie zu 6—10 auf einmal vor einem und demfjelben Loche an, um Hineinzujchlüpfen, und verrammelten ein- ander unfreiwillig ihre Zugänge. &3 war nicht fchiver, bei diefem Zujammendrängen an den Nöhren ein halbes Dutend mit einem Stodjchlage zu erlegen. Alle jchienen Fräftig und gejund, Doch meiltens ziemlich Klein, indem es großenteil3 Junge fein mochten. Drei Wochen Später befuchte ich diejelben Punkte. Die Anzahl der Mäufe Hatte noch zugenommen, aber die Tiere waren offenbar in Krankfhaften Zuftande. Biele Hatten fchorfige Stellen oder Gejchwiüre, oft über den ganzen Körper, und auch bei ganz unverjehrten war die Haut jo loder und zerreißbar, daß man jie nicht derb anfajjen durfte, ohne fie zu zerjtören. Als ich vier Wochen jpäter zum drittenmal dieje Gegenden bejuchte, war jede Spur von Mäufen verijchwunden. Doch machten die leeren Gänge und Wohnungen einen noch viel unheim- (icheren Eindrud al3 Die früher jo lebendig bewegten. Biele mochten an einer verheerenden Seuche umgefonmen fein, viele ihresgleichen aufgefrefjen Haben, wie fie e3 aud) in der Gefangenschaft tun; aber man fprach aucd) von unzählbaren Scharen, die am hellen Tage an verichiedenen Punkten über den Ahein geichwonmen feiern. Doch hatte man nirgends in der weiten Umgegend einen ungewöhnlichen Zumachs gejehen; fie fehienen im Gegen- teil überall gleichzeitig verfchwunden zu fein, ohne irgendwo wieder aufzutauchen. Die Feldmaus: Vermehrung. Wanderung. Forftjchaden. 303 tatur mußte in ihrer übermäßigen Entwidelung auch gleichzeitig ein Werkzeug zu ihrer Vernichtung gejchaffen haben. Die Witterung, eim fchöner, warmer Spätjommer, fchien jie bi3 zum legten Augenblice begünjtigt zu haben.“ Um für die Mafjen der Mäufe, die manchmal in gewiljen Gegenden auftreten, Zahlen zu geben, will ich bemerfen, daß in dem einzigen Bezirke von Zabern im Sahre 1822 binnen 14 Tagen 1570000, im Streisamte Nidda 590327 und im Streisamte Bubbach 271941 Stüd Feldmäufe gefangen worden jind. „Sm Herbite des Jahres 1856”, jagt Lenz, „gab e3 jo viele Mäufe, daß in einem Umfreife von vier Stunden zwijchen Erfurt und Gotha etwa 12000 Ader Land umgepflügt werden mußten... Auf einem großen Gute bei Breslau wurden binnen 7 Wochen 200000 Stüd gefangen und ar die Breslauer Düngerfabrif ab- geliefert, die damals find Dubend einen Pfennig bezahlte. Einzelne Mäufefänger fonnten der Fabrik täglich 1400—1500 Stüd Tiefern.” m Sommer de3 Jahres 1861 wurden in der Gegend von Alsheim in Rheinhejjen 409523 Mäufe eingefangen und abgeliefert. m gleichen Sahre nijtete fich laut Bericht Mar Schmidts, des damaligen Leiters, auch im Frankfurter Zoologijchen Garten die Feldmaus fcharenweie ein, jo daf an einem Tage oft 60 Stüd gefangen wurden. Das Jahr 1861 war offenbar ein Mäufejahr, in dem die Feldmäufe der Strankfurter Gegend infolge ungewöhnlicher Vermehrung bis an die Stadt heranrücten. Sn den Jahren 1872 und 1873 war es nicht anders. Falt aus allen Teilen unjers Vaterlandes erichollen Klagen über Mäufenot. &3 war eine Plage, der befannten ägyptifchen vergleichbar. Selbit in dem Dirren Sande der Mark zählte man auf einzelnen Feldjtücken Taujende von Seldmäufen; in dem fetten AUcerlande Niederjachjens, Thüringens, Hejjens haujten jie furcht- bar. Halbe Ernten wurden vernichtet, Hunderttaufende von Morgen umgepflügt, viele Tau- jende von Mark für Bertilgungsmittel ausgegeben. In landwirtjchaftlichen Vereinen wie in Miniiterien erivog man Mittel und Wege, der Plage zu jteuern, aber Damals noch vergeblich. Ausgejprochene Wanderungen der Feldmäufe jind ebenfalls beobachtet. Ar Mäufe- jahren tritt, obwohl nicht eben häufig, plöglich unter ihnen der Wandertrieb auf. Sie ver- lajjen jcharenmeije die Gegend, nad) einer Richtung ziehend, wobei jie fogar breite Ströme nicht jcheuen, um schließlich jpurlos zu verichiwinden. ©o jchwammen 1819 Mäufe jcharen- weije bei Ktojtheim Durch den Main, 1822 bei Oppenheim durch den Ahein. Mitte Mai 1873 fief folgende hierhergehörige Mitteilung Durch Die Zeitungen: „Eine höchit jeltiame Erjchei- nung wurde diejer Tage im Felde bei Kaltenmoor an der nach Norden abfallenden Seite des Gehölzes beobachtet. Anjcheinend bewegte jich eine riejige graue Schlange, von einem im Verhältnis zu ihrer Länge jehr dünnen Umfange, dem Gehölze zu. Bei näherem Hinzu- treten aber merkte man, daß die Erfcheinung durch ein ganzes Heer dicht Hintereinanderher laufender Feldmäufe gebildet wurde, welche fich exit dann fcheu zeigten und ihre Ordnung verließen, al3 man ganz nahe heranlief und mit Steinen dazmwijchen warf, worauf jich die Majjen in mwildeiter Flucht auflöften und jich im Gehölze verloren.” gumeilen überfällt die Feldmaus auch Waldungen. So berichtet AUltum: „Von den angrenzenden Feldern zieht fie jich jehr gern in den Wald, wenn diejer dem Felde ähn- fich, d.h. wenn er mit Gras und Sträutern betwwachjen umd nicht gejchlofien, fondern räumig oder lüdig it.” Wo dies nicht der Fall ist, „Hat der Forjtmann von diejer Wühlmaus nichts zu fürchten”: die Feldmaus „fordert ausgedehntes Terrain. Weite zufammenhängende Gras-, Getreide-, Strautflächen jind ihr die liebjten. Solche aber jtellen jtch in den Be- Itänden des Foritmannes zumeilen fait plößlich, und zwar nad) jtarfem Naupenftaße, ein. Nacd) Halbfahl- oder gar Kahliraß ... wird einerjeitS der Boden Durch den mafjenhaften 304 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Naupenfot ftark gedüngt, und anderjeit3 die Sronenpartie derart gelichtet, daß jich gar bald ein üppig wuchernder Bodenüberzug bildet, wenn der Boden überhaupt für Sraut- und Graswuchs empfänglich ift. Sm der Nähe der Felder jind alsdann die Beitandesper- jüngungen, namentlich die Buchenfulturen, durch Einwandern der Feldmäufe ernitlich be- droht.” Ihre Bejchädigungsmeife an den Holzpflanzen, ihr Fraß felbft hat fo viel Charafte- viftisches, daß e3 nicht fehwer hält, ihn tet richtig anzufprechen. Die Feldmaus „it ein ichlechter Stletterer, ihr ganzes Leben verbringt jie am oder im Boden... Diefer allbefannten Tatjache entjprechend ift ihr Nindenfraß am Holze tief, am Wurzelfnoten, jo weit der Gras- wuchs den Stamm umgibt. Gern jchält jte ferner Die bei der Buche häufig vorkommenden niedrigen, flach am Boden Hinjtreichenden, von Gras und Straut verdedten, zumeilen halb von Moojen umgebenen Üte... Von jenfrecht aufftrebenden Wiüchjen hält fie jich fern. Da die älteren Bilanzen in ihrem unteren Stammteile bereits für fie zu borfige Rinde haben, jo vergreift jte jich vorwiegend nur an ganz Schwachen, bi3 etwa finger- oder daumen- itarfem Materiale... Die Schnittflächen bilden feine Ebene, jondern find, wen e3 jich nicht um jehr junge Pflanzen handelt, ftumpf- oder jpißfegelfürmig oder federpojenförmig. Man erkennt jofort, daß die Feldmaus das Holz von der Peripherie allmählich nach innen- bin Durchichneidet. Sogar am jchwächiten Material läßt jich der Fra — unrein, höderig, mehr unjicher — unterjcheiden... Der oberirdiiche Rindenfraß ist noch leichter von jedem anderen zu unterjcheiven. Außer der Rinde wird nämlich auch der Splint, bei Schtwächerem Materiale am jtärkiten angegriffen. Diejer Angriff aber bildet in der Negel zahlloje Feine ledchen, Die Durch freigelegte Baltpartien unterbrochen werden.“ Altum jingt unter den „natürlichen Gegenmitteln” gegen die Feldinausplage zunächit den vierfüßigen und gefiederten Feldmausfeinden überzeugtes Kob: neben Fuchs und Her- melin, gervöhnlichem und Rauhfußbuffard ganz bejonders dem Fleinen Wiejel und den Eulen. „Das jchlangenartige Wiejel, nicht Dider al3 eine erwachjene Feldmaus, vermag deren Nöhren zu pafjieren und jo dieje feine beliebteite Beute in den geheimjten Schlupfwinfeln zu erreichen... Unter den Bögeln nehmen unjtreitig die Eulen die erite Stelle ein... Man findet im Durchichnitt in jedem Gemölle des Waldfauzes 1,3 Schädel der gemeinen TFeld- maus und in jedem der Waldohreule 1,6 derjelben.” uch „ver Storch fanır, wo er jich, geichart, dor feiner Abreife längere Zeit auf mäufereichen Feldern aufhält, Großartiges leiiten. Seine großen Gemölle, nur aus Mäufehaaren beitehend, bededen in itberrajchender Menge den Boden unter jeinen Nachtitandbäumen. Auch Naben, Srähen, der Turmfalf und Große Würger leijten etwas gegen die Feldmäufe.” Dagegen vertreten Die Gebrüder Meller aufs entichiedenjte die Anjchauung, „daß die völlige Schonung aller Feinde unferer Mäufe nicht ausreichen würde, Mäufejahre zu verhüten, noch weniger während leterer der ungeheuren Anzahl der verheerenden Nager wejentlichen Abbruch zu tun”. Und man möchte ihnen Necht geben, wenn jie fortfahren: „sn Normaljahren greifen diefe Nüslichen viel wejentlicher in den Haushalt der Natur ein; aber was jind je imftande, gegen Un- zählige zu leiiten? Der Magen it in außergemwöhnlichen Zeiten eben nicht größer als in ge- möhnlichen... Der Nuten unjerer mäujefeindlichen Naubtiere ift unter allen Umständen zu jchäßen; aber man hat ihn, namentlich in dem Yeßten Jahrzehnt (1870— 80), in der- jelben Weije überjchägt, wie man dies in Hinjicht der Snjektenfrejier unter den Bögeln getan.” — Mojitjopics fügt den Feldmausvertilgern aus der ungarischen Tiefebene noch) den Purpurreiher und den Grauen Fijchreiher hinzu. „Man hat Graue Reiher erlegt, die 10—12 Mäufe im Sropfe hatten.” Feldmaus: Schaden. Feinde. Krankheiten. Bekämpfung. 305 Auch in anderer Beziehung nehmen die Gebrüder Müller einen eigenen Standpunkt ein. „Sp ganz ohne Nußen jedoch für den Aderbau jcheinen die Mäufe nicht zu jein; denn die unterirdifchen Gänge Iodern den Boden und erleichtern den Zutritt der Feuchtigkeit." Das zeitweife Überhandnehmen der Feldmäufe ijt ohne Zweifel ein natürliches, d. h. ohne Verfchulden des Kulturmenjchen, nur vermöge natürlicher Witterungg- und anderer Umjtände eintretendes Ereignis, genau wie die Lemmingwanderungen, die ja von völlig menfchenleeren Gebirgseinöden herabjtrömen. Aber ebenjo zweifellos ijt e3, daß der Ylder- bau diefe Vermehrung noch ganz bejonders begünitigt, weil er Nahrung in Hülle und Fülle ichafft. Um fo froher begrüßen wir bei der Mäufjeplage den natürlichen Verlauf der Dinge, daß jede Störung im Gleichgemwichte der Natur Gegengemwichte erzeugt, Die den gewöhnlichen Zuftand wieder heritellen. So entitehen in Mäufejahren alsbald anjtedende Krankheiten unter den Nagermajjen und räumen fürchterlich unter ihnen auf. 3 jolche nennt jchon der alte pommerjche Ornitholog und Tierfenner Eugen dv. Homeder („Zool. Garten“, 1876) die „Schwanzräude”, die fich Durch Ausjchwigen eines Hlebrigen Stoffes aus dem Schwanze und nach dem Nücden zu, Ausfallen der Haare äußert und nad) feiner Meinung auch die Urjache des jogenannten Nattenfönigs ift. Ein Schmaroger der Feldmaus mag hier einjchaltend erwähnt werden, den der nicht ganz genau Eingemweihte nur von großen Huftieren, unjerem Bieh und Wilde, fennt: auch die Feldmaus hat ihre Dajjelfliege. Schon 1863 fing Hering eine Yeldmaus, „Die am Bauche Dafjelbeulen mit je einer Dftridenlarve hatte”. E3 war die Oestromyia satyrus des Wiener Spezialforichers Brauer. Den Gedanken, mittels fünftlicher Erzeugung einer anjtecenden Stranfheit unter den Feldmäufen über diefe Herr zu werden, hat zuerjt der Greifswalder Forjcher Löffler mit Glück verroirklicht in feinem befannten Mäufetyphusbazillus, für den andere Tiere und der Menfch nicht empfänglich find: eine jehr wejentliche Bedingung! — Und er Hat mit diejem Mäufebaziltus, deifen Reinfulturen in Brot den Tieren beigebracht werden, 1892 eine große Feldmausplage in der griechifchen Provinz Thefjalien erfolgreich befämpft. Jr anderen Fällen joll ihm diejer Erfolg allerdings nicht ganz treu geblieben jein; Doch mag dies an mangelhaften Material gelegen haben. Jedenfalls führt Rörig auch in feiner neuen „Tier- welt und Landwirtichaft” (1906) den Löfflerichen Mäufetyphusbazillus und das Schmwefel- fohlenftoffverfahren als die beiden mwichtigjten Befämpfungsmethoden des Mäufejchadens auf. Das Schwefelfohlenftoffverfahren hat gegenüber dem Mäufebazillus den großen Vor- zug der Bequemlichkeit in der Anwendung und der jofortigen Wirfung; es ift dagegen nicht unerheblich teurer. E3 bejteht darin, daß der Schwefelfohlenftoff, eine Hellgelbliche Flüjligfeit bon Durchdringendem Geruch und jehr großer Flüchtigfeit, aus einer dazu geeigneten anne in die Mäufelöcher eingegoffen twird. Da fein Siedepunft bereits bei 461% C liegt, jo ver- ffüchtigt er jich außerordentlich Teicht. Das jo entitandene Gas ift jchwerer als die Luft und jinft daher zu Boden, jo daß die unteren Luftfchichten mehr davon enthalten als Die oberen. Werden joldhe Luftmifchungen eingeatmet, jo erfolgt in furzer Zeit der Tod, nad)- dem Bemwußtjeinsftörungen vorangegangen jind. Sehr einleuchtend ift der Rat Nörigs, die Bekämpfung der Nagetiere auf Dem elde in der gleichen Weife in den Betriebsplan aufzunehmen wie jede andere regelmäßig wieder- fehrende Arbeit. Wenn man 5. B. dafür Sorge trägt, daß nach dem Abernten jedes Schlages fofort ein Mann mit der Schwefelfohlenftofffanne das Feldjtücd abgeht und alle vorhandenen Mäufelöcher, mögen diefelben jo jpärlich fein, wie fie wollen, in der vorjchriftsmähigen Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 20 306 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Weije behandelt, und wenn dabei auch den Rainen und benachbarten Böjchungen die gleiche Yufmerkjamfeit gejchenft wird, dann ijt das Entjtehen einer Mäujefalamität vollitändig ausgejchlofjfen, weil dieje chädlichen Nager dann niemals Gelegenheit haben, an irgendeiner unbeachteten Stelle jich in nennenswerter und jpäter für ung verhängnisvoll werdender Weife zu vermehren. Wenn mir wollen, find wir aljo dank unferer Wiffenjchaft Heute ge- wappnet gegen eine Kraftäußerung der Natur, die unfere Altvordern als Fügung des Himmels ohnmächtig über jich ergehen lajjen mußten. „Ungeziefer” pflegt man nicht aus Liebhaberei in Gefangenfchaft zu halten, und jo iit auch über Gefangenleben der Feldmaus faum etwas zu berichten. Nur in einem alten Sahrgang (1873) der Zeitjchrift „Der Zoologifche Garten“ lejen wir nach Erfahrungen von Koch und Rein (Frankfurt a. M.), daß eine bei Wiesbaden gefangene Feldmaus „jchon nad) 24 Stunden aus der Hand fraß und nach zeitweiler Wanderung im Zimmer wieder zum Hädjellager im Käftchen zurücfehrte... Sie wurde mit Äpfelfcheiben und Milch gefüttert. Um leßtere in dem vorgehaltenen Teelöffel erreichen zu fünnen, jtellte jich unjere Maus auf die Hinterbeine und erfaßte mit den Vorderfüßen den Nand des Löffels. Nach jeder Mahlzeit wurde mit den beiden Vorderfüßen eine gründliche Reinigung des Bartes und Maules vorgenommen, genau jo, wie dies alle Nager zu tun pflegen... Die Maus lief aus einem Zimmer in3 andere und jtöberte neugierig, Doch ohne Scheu, überall umher... Wenn fie gegen Abend noch einmal ihre Behaufung verließ, fonnte ich ficher fein, daß ich fie am anderen Morgen wieder darin fand.” Co jtellt fich der Feine Feldjchädling als ein recht angenehmer Zimmergenojje dar. ym Kaufafus fonnte Satunin während einer Reife im Herbit 1896, welche zur Unter- juchung der Berheerungen durch Feldmäuje in Transfaufaften gemacht wurde, nachweijen, daß die gewöhnliche Feldmaus (M. arvalıs) und eine andere rein transfaufafiiche Art (M. socialis Pall.) jich gegenjeitig ausjchließen. M. socialis bewohnt die niedrigen Gegenden und geht nicht höher als 3000 Fuß; Dann beginnt die Verbreitung von M. arvalis, welche bis über 8000 Fuß vorkommt („Mus. Caucas.‘, 1899). „M. socialis hat ihren Namen (Die Gejellige) mit Recht erhalten, da jie niemals einzeln, jondern ftets in Gejelljchaften zujammten- lebt, welche zuweilen jehr groß find. Periodijch vermehrt jie jich zu ungeheurer Menge, und dann mwird jie zu einer wahren Plage für die transfaufajtiche Landwirtjchaft. Die Baue diejer Feldmaus jind gar nicht tief angelegt, nicht mehr al3 20 cm unter der Erdoberfläche, und beitehen aus einem ganzen Syitem von Gängen, welche größtenteils noch oberflächlicher liegen, und einer zentralen Sammer, in welcher das fugelfürmige, unordentlich aus Stroh und trocdenem Graje gebaute Veit angelegt ijt. Außer Diejem Neit, mo die Jungen aufgezogen werden, gibt es noch Kammern für Vorräte von verjchievenen Körnerfrüchten. Bei ver- änderlichem Wetter mit vielem Negen werden dieje Vorräte Häufig naß und verderben, und dann trifft die Feldmäufe eine Hungersnot, während der jie jogar trodenen Mijt nicht ver- jchmähen. Die unter ihnen entitehenden Epivdemien vernichten zumeilen die Feldmäufe an einem Orte ganz und gar, und da, vo der Boden völlig Durchlöchert war, fann man ein Jahr Darauf mit aller Unjtrengung auch nicht ein Ereniplar mehr finden.” („Säugetiere Talyjch und „uganiteppe”, 1905.) Eine neue, von Satunin bejchriebene, nordfaufafiiche Feldmausart (M. parvus Sat.), „welche dem M. socialis am nächiten fteht”, unterjcheidet fich von diejem „vor allem Dadurch, daß jie bedeutend Kleiner ift als die übrigen ruffiichen Vertreter der Gat- tung; bejonders Kein find die Männchen”. („Säugetiere Steppen nordöftl. Kaufafus”, 1901.) Transfaufafijhe Feldmaus. Penniylvanijhe Feldmaus. 307 Weitere jelbitändige Arten, auf die wir hier nicht eingehen fünnen, verbreiten jich über Ajien in Gemeinjchaft mit den Angehörigen der Untergattung Alticola. Wir gehen daher zu den nordamerifanijchen Formen über, die eine noch ungleich längere Reihe von nicht weniger al3 57 Arten und Unterarten aufzumeijen haben. Siüdamerifa und Afrika bejigen feine Feldmäufe. Die befanntejte und mwichtigjte Art, von der wohl die meilten anderen abgejpalten worden jind, it die Bennjylvanijche Yeldmaus, Microtus pennsylvanicus Ord, wie ihre Gattungsgenojjen in der Heimat auch Wiejenmaus (Meadow-Mouse) genannt. Diefe - Wiefenmäufe haben den modernen amerikanischen Shyitematifern lange Zeit ein reiches Tätigfeitsfeld geboten, bis alle die verjchtedenen geographiichen Formen von Nordmeriko und dem Golf bis zu den entlegenen Injeln des Beringmeeres bejchrieben waren (Bayley, „Revision of american Voles of the genus Microtus‘“, ‚North Americ. Fauna“, Wr. 17). Das Tier hat, nac) Stone und Cram, den diden, gedrungenen Körper, die kurzen Beine und die jehr kurzen Ohren der echten Feldmaus, gleicht ihr auch ungefähr in Körpergröße und Schwanzlänge. Das Fell ijt oben dunfelbraun mit gleichmäßiger Beimischung jchwarzer Haare und geht nach) unten allmählich in Grau über. Doc ändert die Farbe der Oberjeite ganz beträchtlich ab: es gibt jchwärzliche Stücke, lohfarben getönte, und gelegentlich fommen auch ganz fajtanienbraune vor mit nur jehr wenig jchwarzen Haaren. Auch die Bauchfarbe wechjelt bi3 zu matt Notgelb. Die eigentliche Wiejenmaus verbreitet jic) von Südfanada bis Nordcarolina, weitlic) bis an den Nand der großen Ebenen, und jpielt dort diejelbe Rolle wie bei uns die Yeld- maus. &3 ist vollfommen richtig, daß jte Wiejen den dürren Feldern vorzieht; daran mag die bejondere Trodenheit des nordamerifanijchen Sommers jchuld fein. Mit Ausnahme der Schlimmiten Dürre find aber, in den Neuenglandjtaaten wenigjtens, auch die trodenjten und jandigjten Felder Das ganze Jahr von Wiejenmäufen bewohnt, und in den geiten reich- lichen Negenfalles jind dieje auf den Feldern ficher jo zahlreich wie auf den Wiejen. m Sommer bejuchen jie regelmäßig die Getreidefelder wie richtige Feldmäufe. In den Mais- feldern richten jte Unheil genug an, indem jte ihre runden Weiter von ausgejtreiften Hüljen mitten in den Garben machen und jich auf Kojten des Landwirts mäjten, big jie im Herbit beim Einernten herausgemworfen werden. Obwohl viele Wiejenmäuje auf trodenen, hochgelegenen Feldern und VBiehmweiden leben, hat die Art doch eine entjchiedene Vorliebe für das Waijer und feuchte Ortlichfeiten. Die an den Flußufern leben, werden fait zu Wafjertieren und nehmen, verfolgt, ihre Zuflucht zum Wafjer. Stone hat jie jogar oft im jeichten Waffer unter dem Eife jchwimmen und im Sommer zwijchen dem Hechtfraut und Schilf herumpaddeln jehen. Er jah jie auch tauchen und eine furze Strede unter Wafjer ihwimmen; beim Ausitieg bewies das Fell aber nach einigem Schütteln jtets, daß es für derartiges geeignet it: es war jo teocfen und flaumig wie immer. Manchmal empfängt die Maus aber bei ihrer Flucht ins Wajjer dort ein anderer Feind: der Hecht padt jie von unten. Wiejenmäufe find jogar häufig in den Salzjümpfen an der Seefüfte, nicht nur an Deren Grenze, wo Sumpf und Wald fich begegnen, und an den Rändern der Sanddünen, jondern jehr wohl auch auf den flachen, grafigen Streden und an den Ufern der Salztünıpel, die täglich mit jeder Flut vom Ozean überfchivemmt werden. Wie fie es anitellen, zu diejen Beiten der Flut zu entgehen, weiß man nicht. Natürlich) werden dann viele umfommen; aber darauf jind die fleinen Nager mit ihrer Mafjenvermehrung jchon eingerichtet. Jmmerhin 20* 308 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. glaubt Stone, daß die Mäufe in jolhen Fällen jich jelten unvorbereitet treffen lajjen wer- den: ex hat viel Zeit an den überschiwenimten Marjchen zugebracht, aber höchitens einmal eine einzelne Maus jchwimmend ihr Leben retten jehen. Shre Wechjel machen fich die Mäufe, indem jie das kurze, jteife Sumpfgras unten Dicht an der Wurzel abbeißen und jo einen Pfad von 2—3 cm Breite freilegen. Das dicht wachjende Gras neigt fich bald von beiden Seiten iiber und bildet einen Schium gegen die räuberijchen Augen der Habichte. Das abgebijjene Gras auf den Pfaden verjchwindet volljtändig, jeden- falls weil es die Mäufe auffrejjen. Die freien Stellen zwijchen den Fuchg- und Schwarz- grasitengeln wimmeln von braunen Sandhüpfern und verichiedenem anderen falzliebenden Getier, und diejes möchte Stone für das Lochmittel halten, das die Wiejenmäufe von den höheren Lagen herunterzieht: winzige Schaltiere und andere feine Wafjerbrut frejjer jie auch. Ebenjogern lajjen fich die Wiejenmäufe aber in Objtitüden und Gärten nieder, wenn das Gelände nicht zu jauber gehalten wird und die Hagen nicht zu pflichteifrig find, auch unmittelbar um die Häufer herum, namentlich wo Holzitöße find, unter denen jtie Schuß finden fünnen. Am Wafjer muß jedes gejtrandete Stüd Treibholz und jedes herabgefallene Haunbrett al3 Dach dienen für ihre geiwundenen Gänge, und häufig machen fie jogar ihr Keit aus trodenem Graje an jolchen Stellen. Sie graben aber auch einfache Baue von faum einem Fuß-Tiefe, an deren Grunde das Veit liegt. Die Jungen lernen bald, Dieje fait jenfrechten Schächte emporzuflettern, und man jieht ie oft ihre Stumpfnajen heraus- Itrecen, um jic) Die Welt draußen zu bejehen. m Winter liegen die Nejter auf der Erbober- fläche unter dem Schnee, und die Öänge führen von da nach allen Richtungen Durch Das nieder- gedrüdte Gras. Stone fand in Dielen Nejtern ganz früh im Februar jchon Junge. Die Gänge unter dem Schnee werden fortwährend ausgedehnt, jo dat die Mäufe in verhältnismäßiger Sicherheit umheritreifen und Die Stoppeln nad) Grasjamen und zarten Schößlingen abjuchen fönnen. Durch zahlreiche „Torwege” fünnen jie an die freie Luft gelangen, und daß jie nachts tatjächlich oft Draußen Freuz und quer im Schnee herumlaufen, verraten Die hinter- lajfenen Fußipuren auf dem weißen Untergrunde. Nicht jelten jteht man jte aber auch im Winterfonnenjchein ziwiichen dem SKraut- und Strauchwerf, das vom Schnee unbededt ge- blieben ift. In jtrengen Wintern greifen jie viel Die Ainde der Objtbäume und Büjche an. Dhne jo beweglich zu jein wie andere Mäufe, haben die Wiejenmäuje dafür gelernt, zu jtehen und zu fämpfen; natürlich find ihre Ausfichten aber nicht diejelben, als wenn Die großen Waldmurmeltiere jich) auf jolhe Weile verteidigen. Stein regelvechter Mausjäger zögert, fie zu greifen; unerfahrene junge Sagen und ohne Zweifel auch andere junge Tiere von gleichem Appetit werden aber beim eriten Berjuch oft tüchtig gebijjen, bis jie eine bejjere Angriffsweije finden. Wenig Tiere werden jo unabläfjig verfolgt wie Die Wiejenmaus. Solange die warme Jahreszeit dauert, muß jie fortwährend auf der Hut fein vor der Sumpfweihe und dem Sperber, die fleigig das Grasland abjuchen in den Gegenden, wo die Mäuje noch ihre Nejter bauen können. Auch die Strähen find erpicht auf die Mausjagd, die jie zu Fuße ausüben, bejonders im Spätjommer, nachdem das Gras gejchnitten it; lie find aber natürlich nicht jo erfolgreich wie die Raubvögel. Wenn der Winter herannaht, rüjten Diefe Feinde zum Wegzug, aber ihre Bläbe werden gewöhnlich von verjchiedenen Eulenarten mehr al3 ausgefüllt. Mit Ausnahme des großen Uhus und der Schnee-Eule leben dieje Zmwielichtoögel geradezu von Mäujen; Kaninchen, Eichhörnchen und Vögel, die lie fangen, find nur Nebeneinfünfte und wahrjcheinlich unerwartete Glücjchläge in der tat- jächlich endlojen Mäufejagd. Sobald dann die Wiefenmäufe merklich an Zahl abnehmen, Bremer: Strandmaus. KRötelmaus. 309 oder der Schnee für erfolgreiche Jagd zu tief wird, jeben diefe Maujer aus Nordland fich tieder in Bewegung, bejjere Jagdgründe zu juchen. Die vierfüßigen Jäger, die Füchle, Kaben und Wiefel der verjchiedenen Arten, jind zu allen Jahreszeiten da, und went es viel Wiefenmäufe gibt, jagen fie diefe anhaltend; wenn nicht, gehen jie auf andere Beute. Aus einem bejonderen Gejichtspunft interejjiert Bremwers Strandmaus von der zum Staate Mafjachujetts gehörigen Musfegetinjel, Mierotus breweri Baird; jie ijt größer als die Wiejenmaus, mit gröberem Haar, ober bla graugelblichhraun, unten graumeiß mit einem Stich ins NRötliche. Stone und Cram erklären diejfe merkwürdige blajje Maus, Die urfprünglich von demjelben Stanme herkommt tie die Dunkle Wiejenmaus des Feitlandes, für einen jchlagenden Beweis von der Einwirkung der Umgebung auf die Artbildung. Nicht nur, daß jie ihre Farbe gemwechjelt hat: auch ihre Gewohnheiten und ganze Lebensmwetje find Veränderungen unterlegen. Der jandige Boden der Injel, auf der je lebt, macht Erd- Höhlen unmöglich, außer vielleicht im Winter, und die Mäuje verbringen alfo den größeren Teil des Jahres der vollen Gewalt der Elemente ausgejegt; ihr einziger Schuß jind Stücke von Treibholz und Schiffstrümmer. Wo jte häufig find, dDurchfreuzt ein Labyrinth von mwohlausgetretenen Pfaden den Sand nad) allen Richtungen; auf diejen Pfaden laufen jte, wenn jie verfolgt werden. Die einzigen Nöhren, die vorfommten, jind furz und offenbar nur zu dem Zwede gegraben, um zu den weichen Teilen des Strandgrajes (Ammophila) zu gelangen, bon dem die Mäufe leben. Ahre überall verjtreuten Nejter oder Lager machen jie fich oben offen und groß genug, ein Tier aufzunehmen. m Herbit legen die Mäufe Wintervorräte von den weichen Stengeln des Strandgrajes an; dieje werden im Sande vergraben, immer ungefähr eine englische Mebe an einer Stelle. Die Waldwühlmäufe gelten heute als jelbitändige Gattung (Evotomys Coues), die fich von den eigentlichen Wühlmäufen dadurch unterjcheidet, daß der zweite untere Badzahıı 3 geteilte Schmelzjchlingen, außen 3 und innen 2 Länaggleijten hat, und daß das Bwifchenjcheitelbein am Hinterrande flach abgerundet, jederjeits aber in eine lange Spihe verjchmälert ift. Auch jchließt fich die in der Jugend offene Zahnmurzel mit zunehmen- dem Alter fait gänzlich. Unjere Waldwiühlmaus oder Nötelmaus, Evotomys hereynicus Mehl. (glareolus; Taf. „Nagetiere X”, 4, bei ©. 277), von 10 em Reibes- und 4,5 cm Schwanzlänge, fit zweifarbig, oben brauntot, nach den Weichen hin graufich, unten und ar den Füßen jcharf abgejebt weiß. Die Waldwühlmaus findet fich gewöhnlich in Laubwähern und an Waldrändern, ebenjo in Gebitfchen und parfähnlichen Gärten. Man fennt fie auch aus Ungarn, Kroatien, der Moldau und Rufland. Ihre Nahrung nimmt fie mehr aus dem Tier- al3 aus dem Pflanzenreiche, verzehrt vor allem Kerbtiere und Wirrmer, mag im Freien ein oder das andere Vögelchen wegnehmen und läßt fich im Käfig Fleifchnahrung behagen, verichmäht jedoch auch Getreide, Sämereien und nolfige Wurzeln nicht und geht im Winter mit Vor- liebe die Rinde junger Bäume ar. Wenn fie in einem Walde häufig auftritt, kann jie durch Benagen der Ninde von Pflänzlingen unfäglichen Schaden anrichten und große Streden junger Schonungen vollftändig verwüften. Yom Walde aus geht jie zwar jelten meit, be- jucht aber doch manchmal benachbarte Felder und tut hier dann ebenjoviel Schaden mie andere ihrer Familie. Einzeln jieht man jie in den Wäldern auch bei Tage umberlaufen, 310 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. die Hauptmafje erjcheint jedoch erjt gegen Abend. Weniger behende al3 andere Mäufe, läuft fie dann mit ihren Artgenofjen umher, jpielt und balgt jich wohl ein wenig oder flettert mit Gejchielichfeit an Baumftämmen bis zu ziemlich bedeutenden Höhen hinauf, da= bei der Nahrung nachgehend. Drei- bi3 viermal im Jahre wirft das Weibchen 4—8 nadte und blinde Junge, die in ungefähr 6 Wochen jchon die Größe der Alten erreicht haben. Das Neit jteht, jehr verjteckt, in den meijten Fällen über, dem Boden, in dichten Büjchen, ijt mit wenig Kunft, jedoch immerhin noch dicht gebaut und beiteht äußerlich aus gröberen Holzfajern, Grashalmen und dergleichen Stoffen, innerlich aus denjelben Beitandteilen, nur daß dieje hier jorgfältiger gewählt, feiner und weicher find. Der befannte Münjteraner Zoologe Landois „hatte zweimal Gelegenheit, das Nejt diefer Maus aufzufinden... Das eine fand fich im Frühling beim Abräumen vieler nebeneinanderjtehender Bohnenjtangen. Cs war fugelig und beitand rings herum aus gröberem Material, inwendig mit feinen Fäjerchen jehr weich ausgepolitert. Das andere wurde in einem Gartenhäuschen entdedt. Ein alter Sad (Kaffeejad), der benußt werden jollte, enthielt ebenfalls ein fugeliges Nejt von etwa 12 em Durchmefjer. Die alte Maus hatte das Material, woraus der Sad verfertigt, zer- frejjen, zerzauft und zu dem Nejte geformt. Im demjelben fanden jich drei völlig behaarte, jedoch noch blinde Junge. E3 ftimmt hiermit die Angabe anderer Zoologen, welche die Frucht- barfeit diefer Art eben nicht hoch, etwa auf zwölf Junge jährlich, mutmaßlich anjchlagen”. („Zool. Garten”, 1871.) — Der moderne englijche Naturjchilderer und Verfafjer der feinen „aturbücher”, Douglas English, legte einmal ein unterirdisches Gejellichaftsneit der Wald- wühlmaus mit Vorratsfammern bloß, das in einem Objtgarten nicht weit von einem eben- jolchen der langjchwänzigen Waldmaus (Mus sylvaticus) und genau in Derjelben Weije angelegt war. Mehrere Eingänge zwijchen Wurzelwerf führten in einen etwa 40 cm tief gelegenen Doppeltaum: Schlafzimmer und Vorratsfammer, wie Enalijh jagt. Die Stolonie beitand aus fünf erwachjenen Mäujen und der Vorrat aus 93 ganz dicht aufeinander ge- pacdten Hajelnüffen, die fich als vollitändig unverjehrt und jehr wohlichmedend erwiejen, aljo mit Beritändnis ausgejucht waren. („Nature Books“, Wr. 1.) „Der forjtlich wichtige Fraß der Nötelmaus”, wie Altum die Wadmwühlmaus nad) ihrer braunroten Rüdenfärbung nennt, „charafterifiert fich in mehrfacher Hinficht. Zunächit jcheint fie nur oberirdijch, aber bis weit hinauf, etwa bis 1 oder gar 4 m Höhe das Schälen der Rinde vorzunehmen. Sie benagt ferner nur die Rinde und greift nicht in den Splint ein. Die bejchädigten Hölzer fcheinen vielmehr entweder wie mit einem Mefjer bis auf den Splint glatt abgejchabt zu fein, oder e3 haften auf demjelben al3 mehr oder weniger dicht itehende Flecdchen feine Baltinjeln. Sm legteren Falle jind die einzelnen Zahnzüge oft jehr deutlich zu fehen, und zwar als jehr feine und unter jpigem Winkel links und rechts ichräg nach oben verlaufende Bijje. Endlich geht fie nur an wenige Holzarten und trifft in diejer Hinficht eine merkwürdige Auswahl. Nur an einer einzigen wird fie erheblich forit- ichädlich, nämlich an der Lärche.” Altum führt ferner noch an, auf Grund zahlreicher Zu- ihriften und forgfältiger Erfundigungen: Weißtanne (während Fichte und Kiefer gänzlich verjchont blieben); Faulbaum, weniger Aipen, äußerit jelten Salweide; Stechpalme, die in den Wäldern bei Münfter jehr häufig üt. Der Hauptfeind der Waldwühlmaus ift naturgemäß der Waldfauz; außerdem jtellen ihr Fuchs, Sltis und Hermelin, Bufjard, Rabe und Krähe nach. Doch entgeht fie durch ihren Aufenthalt im Geftrüpp vielen Feinden. Eine gefangene Waldwühlmaus ift ein niedliches Gefchöpf. Sie dauert leicht im Käfig Rötelmaus. NRotrüdenmaus. Falfhe Lemmingmaus. sll aus, wird bald recht zahm, läßt fich in die Hand nehmen und berühren, beißt aber doch ab und zu einmal ihren Wärter in die Finger. Mit anderen ihrer Art oder mit Verwandten verträgt jie jich vortrefflich. Trouefjart führt in der Hauptgattung Evotomys (zwei Untergattungen: Evotomys und Craseomys) 37 Arten und Unterarten auf, die jich über das nördlichere Europa, Mien und Amerika verbreiten, hier aber nicht näher berüdjichtigt werden fünnen. Nur der amerifanischen Notrüdenmaus, E. gapperi Vig., wollen wir, nach Stone und Cram, eine furze Schilderung widmen. Gie it ein fleinerer Vetter der Wiefen- maus, ähnlich im Bau, aber mit längerem Schwanz und immer gefennzeichnet Durch ihre fajtanienbraune Farbe. Eine Unterart (E. g. ochraceus Mill.) ijt das häufigjte Säugetier auf dem Hochgebirgs- gipfel des Mount Wafhington; jie fommt dort in jeder Umgebung vor, zwischen den Feljen, im Mooje und unter den Ziwergmweiden. Eine andere Unterart (E. g. rhoadsi Stone) aus dem füdlichen New Serjey ijt eine ausichliegliche Bemwohnerin der falten, feuchten Torfmoore, die mit den jandigen Siefern- heiden abwechjeln. Hier lebt jie tief unten im Torfmoos, teilt ihre breiten Laufgänge mit der Wiejenmaus, Lemmingmaus und den winzigen Spikmäufen. Jm Winter ift das Moor häufig bis mehrere Zoll unter die Oberfläche feitgefroren, und das zwingt danr die feinen Nager, von jolhem Futter zu leben, das jie in ihren unterirdiichen Gängen abjeits auf- geitapelt haben. Daß jie oder ihre Genojjen auch Fleijch frejjen, bemweijen die teilweije aufgezehrten Stücde, die die Trapper oft in ihren Fallen finden. Als legte Gattung der Unterfamilie der Wühlmausartigen führen wir Phenacomys Merriam auf, die Nordweitlihe Wühl- oder Falfche Lemmingmaus der amerifani- ichen Naturgejchichtsjchreiber. Mar fennt neun Arten, alle aus den Weiter der Vereinigten Staaten. Mit ihren wirklich nächiten Berwandten, den Rotrüdenmäufen, bilden jie dur) bewurzelte Badzähne Verbindungsglieder zu den folgenden Gruppen. Über das Leben weiß man auch bei der befanntejten rt, Ph. celatus Merr. (latimanus), nur wenig; Doc) gibt Gerrit ©. Miller an, daß jie Häufig die hochgelegenen, mit verfrüppelten Blaubeer- büjchen bewachjenen Heiden in Ontario bewohnt. Shren Bau fand er unter einem ber- fallenen Baumftumpf verlaufend und in einem Kefjel endend, der offenbar für das Winter- nejt bejtimmt war. Blaubeeren jchienen zu jener Jahreszeit die Hauptnahrung zu bilden. * Die näcdhjitfolgenden Stammgattungen Neotoma, Sigmodon, Nesomys teihte man früher in die Unterfamilie der Hamiterartigen ein, während jie jet mit ihren Verwandten als bejondere Unterfamilien gelten. Die Hamfterartigen in diefem weiteren Sinne fenn- zeichnet Weber durch „Wurzelzähne mit Hödern“, die auf den oberen Badzähnen in zwei Längsreihen geordnet jind mit einer mittleren Grube dazmwifchen; oben jind die äußeren, unten die inneren Höder die höchiten, und nach Abnugung erjcheinen innere und äußere Höcer an jedem Badzahrn durch Duerleiften verbunden. Hamjterartige jolcher Umgrenzung bewohnen die ganze Erde außer Auftralien; auch die einzigen eingeborenen Nager Mada- gasfars gehören hierher, und Flower und Lhdeffer jehen in der jo gefaßten Unterfamilie die urfprünglichjten Formen der ganzen großen Familie Der Mausartigen, „aus denen die 812 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. mehr fpezialifierten fich entwidelt Haben... Dieje Annahme wird durch den Umftand ge- tigt, daß die Hamfter einer der älteften Typen der Zamilie find: ihre Neite jind verhältnis- mäßig gemein in den miozänen Schichten Europas und Nordamerifas.” Die Unterfamilie Neotominae mit der Hauptgattung Neotoma Say et Ord enthält die nordamerifanifchen Waldratten. Sie fchliegen fich noch am nächiten an die Wühlmäufe an, da „ihre Zähne das prismatische Ausjehen derjenigen der Arvicolinae (Microtinae) nachahmen”. Gie jind etwa fo groß wie eine Wanderratte und haben entweder den ge- wöhnlichen Rattenjchwanz (Untergattung Neotoma) oder einen bujchigen Eichhornjchtvanz (Untergattung Teonoma); aber auch die Rattenjchwänzigen unterjcheiden fich von den ein- gejchleppten europätjchen Ratten dadurd, daß der Schwanz gut behaart ift. Die Pennjylvanijche Waldratte, N. pennsylvanica Stone, vom Alleghany- gebirge, mit faft förperlangem Schwanz und vorjtehenden Ohren, ijt oben bleigrau mit ichwarzer Sprenfelung und gelblichbraunem Unterton; Bauch und Fühe find rein weiß, Dieje beiden Körperfarben erjcheinen, fcharf getrennt, auf der DOber- und Unterjeite des Schwanzes wieder, der jo dicht behaart tft, daß die Schuppen ganz verdedt werden. Die Aleghany-Waldratte bewohnt, nad) Stone und ram, wilde, jeljige Berg- abhänge, wo fie zwijchen dem fojen Steingeröll Schuß findet oder in den Spalten und Höhlen, die dort gewöhnlich vorhanden find. Hier trägt jie ich eine Menge von Halmen, Blatt- und Nindenftüden und anderem Abfall zu einem Nejte zufammen, das fie zumeilen in regelmäßigerer, fejjelföürmiger Gejtalt baut. Sie jcheint ji von allem zu nähren, was der Wald an pflanzlicher und tierifcher Koft bietet, und in größeren Höhlen, wo Füchje oder Rotluchje ihre Beute hinjchleppen und verzehren, finden jich oft die Zahnjpuren der Waldratte an den Knochen, die die jtärferen Aäuber übriglajjen. Obwohl ganz Natte, fehlt ih Doch der widrige Geruch und der abjtogende Charakter der europätjchen Natte, und ihr dichtes, weiches Fell erinnert an das PVelzwerk der Eichhörnchen. Bon der Florida-Waldratte, N. floridana Ord (Taf. „Nagetiere X, 5, bei ©. 277), erzählt Hornaday in feiner Humoriftiichen Weife drollige Dinge. „Die wahren Gejchichten von ihren Streichen find faum zu glauben. Shre Hauptlebensaufgabe jcheint e3 zu fein, uns Menjchenkindern grobe Voffen zu jpielen... Ein Paar Waldratten in Daf Lodge, Florida, welches ich ‚par renomme‘ fannte, fchleppten zuerjt eine Menge Wafjermelonenjamen von ebener Erde eine Treppe hoch und vertecten fie unter einem Kopffijjen. Dann nahmen jie aus der Küche einen Ehlöffel voll Gurfenfamen und jtecten ihn in die Tajche einer Weite, die eine Treppe hoch an einem Nagel ding. In einer Nacht trugen fie aus einem Stajten 55 Stüd Bienenftocheftel weg und ftecten jte in einen anderen Sajten, und in der folgenden Nacht jchleppten fie in dem erjten Kaften ungefähr zwei Quart Korn und Hafer zufammen. Die weitlichen Grenzleute und andere, die im Gebiete der Waldratte leben, wijjen unzählige Gejchichten von dem törichten, aber emjigen Gebaren diejes merfwiürdigen Gejchöpfes, das übrigens im allgemeinen ganz harmlos it." Über die wichtigjte Art der Untergattung Teonoma Gray, die Bergratte, T. cinerea Ord, aus dem weitlichen Colorado, weiß der botanifche Reifende E. U. Purpus Höchit jejjelnd zu berichten auf Grund eigener Beobachtungen, die auch die eigentümliche, tief in Der Penniglvanijhe Waldratte. Florida-Waldratte. Bergratte. 313 ganzen Gattung drinjtefende Sammelluft aufs neue betätigen. „Die Bergratte ijt Haupt- jächlich Nachttier und außerordentlich beweglich. Sie lebt hier in der Grand Meja, einem 10000 Fuß hohen Gebirgszug Weiteolorados, meijt im Geklüft der Felfen, jo namentlic) der Sanditeinfeljen, welche in ihren mannigfachen Aushöhlungen dem Tiere twillfommtene und trodene Schlupfwinfel bieten. Manchmal trifft man fie aber auch in hohlen Bäumen, in verlafjenen Gruben oder alten, unbewohnten Blodhütten. Berwohnte Gebäulichfeiten dagegen meidet fie entweder oder nijtet jich darin nur in Ausnahmefällen ein. Man trifft jie gewöhnlich in Höhen von 6—S000 Fuß. Das Tier toirft 45 Junge in einem ziemlich umfangreichen Neit, welches jich manchmal auf Felsvorjprüngen außerhalb jeiner Höhle, häufiger jedoch im Baue jelbjt befindet. Zum Bau desjelben verwendet jie den jehr zähen und gejchmeidigen Bajt von Juniperus oceidentalis var. monosperma, einer der häufigiten Koniferen der Grand Meja. Sie zerfajert denjelben jehr fein und mijcht ihn mit Haaren, namentlich mit Hafenhaaren. Die Außenjeite umgibt fie mit Zweigen derjelben Stoniferen- art, ferner mit Holz, Spänen, Lumpen, überhaupt mit allen möglichen Gegenjtänden, deren fie habhaft werden fann, und die fie fortzufchleppen vermag. Das Tier hat wie die Eifter eine wahre Stehlmanie. Was es findet, wird weggejchleppt, und fall3 e3 die zu- jammengetragenen Gegenftände nicht um das Neft aufhäuft, füllt es damit die Felsipalten an oder trägt fie vor den Eingang feines Baues. Man findet daher da, too die Natte hauit, ein Durcheinander von Gegenftänden, welches oft recht Eomijch it. Durch ihre Stehlmanie werden dieje Tiere, falls fie fich in der Nähe von Wohnungen angejiedelt Haben, jehr lältig, da jie alle Haushaltungsgegenftände, Kleidungsjtüde ufr., deren fie Habhaft werden können, und die fie wegzutragen vermögen, vor ihre Höhle jchleppen. So habe ich jchon Meier, Löffel, Gabeln, Strümpfe, alte Schuhe ufw. in wirrem Durcheinander vor ihren Höhlen oder um die Nefter gefunden. Finden jie in einer verlajjenen Hütte ein Zap oder eine Ktifte, io werden diefe Behälter bis obenan vollgefüllt. So fand ich Fürzlich in einem alten Steller dort stehende Fäffer und Kiften voll aller nur möglichen Gegenftände, jogar Heine Steine waren dabei. Das Tier lebt nur von Begetabilien, Wurzeln, Samen, Früchten, jungen Pflanzen und Hauptjächlich von den zahlreich hier wachjenden Opuntien. Sobald der Herbit herannaht, fängt das Tier an, die Nahrungsitoffe zufammenzufchleppen und jeßt dieje in den Felsipalten und Höhlen auf. Während die Ratte die anderen Gegenjtände durcheinander- yoicft, jeßt fie die ihr zur Nahrung dienenden Dinge manchmal gejondert auf oder mijcht Knochen darunter, die fie benagt. So fand ich 3. B. in demjelben alten Keller da einen Haufen Opuntien, dort einen Haufen junger Pflanzen, an einem anderen Plage Wurzeln ujw. Ein hiefiger Anfiedler erzählte mir, daß er, als ex eines Tages fein Vorratshaus bejuchte, ro er jeine Zwiebeln, getrocdnetes Objt uf. aufbewahrte, nichts mehr davon vorjand. tach Iangem Suchen entdedte er diefe Dinge in einem jadartig von der Wand herab- hängenden Stück Leinwand, dafelbft jede Sorte für fich, von der Bergratte aufgehäuft.” * Die Unterfamilie der Schlingenzähner (Sigmodontinae, früher Hesperomyinae) ift mit ihren 500 Arten, darunter nur wenigen fofjilen, wieder eine jener unüberjehbaren, artenreichen Nagetiergruppen: fie muß aber in Amerifa auch die echten Mäufe der Alten Welt vertreten, die dort vollitändig fehlen. Lydeffer nennt jie in jeiner Naturgejchichte Weibfupmäufe, weil die große Mehrzahl an Bauch und Gliedern weiß gefärbt ift, und findet ihren Zahnbau im mwejentlichen jo gleichartig, daß er fie alle jamt und jonders zu Der 314 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Gattung Cricetus (Hamjter) Hinzuzieht und auf die 40 Gattungen und Untergattungen der neueiten Syitematif gar nicht eingeht. Auch wir fünnen hier nur eine ganz geringe Aus- wahl der bemerfenswerteiten Zormen treffen. Die äußere Erjcheinung jchmanft recht erheblich. Einige haben lange Schwänze und jehen mau3- oder jchlafmausartig aus, andere find wieder Hamjter- und wühlmausartig mit furzgem Schwanz; eine hat auch Stacheln zwijchen den Haaren. Der treffliche Londoner Kleinjäugerforscher Thomas macht darauf aufmerkfjam, daß im fälteren Süden Südamerifas die nördlicheren und tropifchen maus- und jchlafmausähnlichen Formen verjchwinden; fie machen den hamjter- und wühlmausähnlichen Pla, und in der Alten Welt ijt eg ein merk würdiges Gegenjtücd dazu, daß, je weiter wir nach Norden gehen, dejto weniger echte Mäufe und Schlafmäufe und dejto mehr Hamjter und Wühlmäufe vorfomment. (Proc. Zool. Soc.““, 1884.) Die Schlingenzähner haben ihren Namen von den Schmelzjchlingen ihrer Badzähne, die zum Teil auf der Oberfläche die Form eines breiten, niedrigen S annehmen. Die Baummollratte oder der Borftige Schlingenzahn, Sigmodon hispidus Say et Ord, deren Gattung Sigmodon Say et Ord heute der ganzen Unterfamilie den Namen gibt, verbreitet jich über Die Küjtengebiete der Südjtaaten am Merifanifchen Golf und fällt durch ihre weitgehende Ähnlichkeit mit der oben bejchriebenen Wiefenmaus auf, von der jie allerdings ihr langer Schwanz jofort unterjcheidet. Jm übrigen hat jie aber diejelben furzen Beine, diejelben angedrüdten Ohren, deren Offnung fait ganz vom Haar bededt ift, nur ihr Fell it länger und gröber als bei irgendeinem anderen Mitglied der Gruppe. Selbit die Backzähne zeigen Übereinftimmungen mit denen der Wiefenmaus. Die Farbe ift oben gelblichbraun, dicht mit jchwarzen Haaren durchjprenfelt, auf der Unterjeite weißlich. Der Schwanz ijt nur jpärlich behaart, jo daß man die Schuppen jieht. Wie die Feldmaus des amerifanischen Nordens unterliegt die Baummollratte großen Farbenabänderungen, und der leichtejte Unterjchied in der Umgebung bewirkt, nach Stone und ram, einen merflichen Unterjchied im Außeren des Tieres. Shre Lieblingspläge find Heden und Gräben, brachliegende alte Felder, Dämmte von aufgegebenen Neisplantagen und ähnliche Orte. Hier gräbt und baut jie jich ihr unter- irdisches Neit. Nac) Hornaday, der fie auch Sumpfratte nennt, it die Baummollratte mutig, bösartig und gefräßig. Erpicht ift fie auf Fleifch, und wenn man mehrere zufammenjpertt, jo machen fich die jtärferen feine Gemijjensbijje, jchwächere der eigenen Art aufzufrejjen. Überall, wo fie vorfommt, ift fie wegen ihrer Zerftörungsmwut herzlich unbeliebt. Die befannteite Art (Peromyscus leucopus Raf.; Taf. „Nagetiere XI”, 1) der eigent- lichen Weißfußmäuje (Peromyscus @Glog.) jpielt in Nordamerika die Rolle unjerer Haus- maus, gleicht ihr auch in Größe und Erjcheinung annähernd. Doch ft fie, nach Kydeffer, noch niedlicher alS dieje; denn fie hat neben dem langen Schwanz, den großen Ohren und den ihwarzen Perlaugen noc) den Farbengegenjat zwijchen dem jattern Rotbraun der Oberjeite und dem jchneeigen Weiß des Bauches und der Gliedmaßen. So erklärt jie Hart Merriam mit Necht für einen der fchönften und anziehenditen Bewohner der nordamerifanijchen Wälder. Unfer Tierchen ift ein gewandter Kletterer, läuft Baumftämme hinarı mit der Firigfeit eines Eichhörnchens und verfchwindet dort oft in einem Loche hoch über dem Boden. Außer Nüffen und anderen Sämereien frißt die Weihfußmaus Lebendes, was ihr in den Weg fommt, und was fie bewältigen fann; gelegentlich mag fie jich aljo auch an Heinen Vögeln "PIE SS "ID PEN /oy sndo»ana] snasAworng “snpwänzglam "IL ‘wes) pur 3U0IS :SnYy YJOA MON ‘„spewiuy uealowy“ "zo6l Nagetiere XI. 2. Kaninchenmaus, Reithrodon cuniculoides Wtrh. 1/2 nat..Gr., s. S. 316. — P. Kothe-Berlin phot. ee re er 3. Hamiter, Cricetus cricetus Z. !/3 nat. Gr., s. S. 318. — K. Soffel- Schloß Paschbach, Eppan (Südtirol), phot. 4. Mähnenratte, Lophiomys smithi Rhoads. 1/3 nat. Gr., s. S. 331. Aufn. aus dem National Zoological Park-New York. Baummollratte. Weiffußmaus. 815 bergreifen. Stone gefällt der Name Waldmaus für fie am beiten: Smmergrüne und Hart- Hölzer und Didichte von Blaubeerbüfchen, das ijt ihr Gejchmad. Doch geht jie auch ins offene Gelände hinaus, und auf den Prärien des Weitens fand jie Hornaday oft eingenijtet in den hohlen, übel duftenden Büffelgerippen, in der Hirnhöhle oder zwijchen den Kiefern der Büffelichädel, die die Felljäger nicht abgezogen hatten. Wie viele Meilen mögen diefe Mäufe von einem Büffelgerippe zum andern über die ebene Prärie zurückgelegt haben von ihren eigentlichen Schlupfwinfeln her! Die Dftitaaten beherbergen fie fait in allen AUderbaugegen- den. Bei Störungen trägt Die Mutter ihre Jungen oft am Leibe hHängend davon. 3—6 Stüd fommen in einem Wurfe zur Welt, und es erfolgen anjcheinend mehrere Würfe im Jahr. Das erite Haarkleid der Jungen ijt eintönig dunkelgrau. m den nördlichen Verbreitungs- gebieten ift das Nejt gewöhnlich in einer Baum- oder Erdhöhle untergebracht und jieht dann ganz aus wie das anderer Mäufe, ein einfacher Ballen aus weichem Graje, mit Federn und Diitelmolle ausgefleidet. Mehr im Süden baut das Tier aber ein freies Nejt aus Moos, Gras, Blättern und Rinde, gewöhnlich mehr oder weniger von Kofosnußform und einent Fuß im Durchmefjer. Es ift in der Regel an einem wagrechten Ziveige in einiger Entfernung vom Boden aufgehängt und hat feinen Eingang an der Unterjeite. Nach Stone eignet jic) die Waldmaus im Sommer die Weiter von Singvögeln in Büjchen und auf niedrigen Bäumen an und richtet jie jich für ihre Zmwede her, jo wie dies die Eichhörnchen mit Habichts- und Krähennejtern machen; dabei wartet jie gar nicht exit, biS die rechtmäßigen Bewohner aus- gezogen find, jondern als große Liebhaberin von frijchem Fleijch it jie jchon oft dabei betroffen worden, wie jie Gier und junge Vögel verzehrte. Wie die Eichhörnchen, finden auch die Waldmäufe auf der Nahrungsjuche oft einen Zugang zu den Slornböden und Bauernhöfen, zumal in harter Winterzeit; denn obwohl jie reichlich Vorräte von Nüfien und Körnern fammeln und vielleicht auch bis zu einem gemiljen Grade Winterjchlaf halten, find Doch jehr viele wach und im Gange troß allen Unmetters, juchen hier und da Futter und halten Nachleje, wo etwa einer der größeren Räuber des Waldes einen Fleischbifien übriggelafjen Hat, hungrig jeden Knochen befnabbernd, den fie finden. Auch die vertrocneten und gefrorenen Waldbeeren nehmen jie an und den Vadel- Holziamen, den die Kreuzjchnäbel und andere Vögel beim Frejjen zur Erde fallen lajjeın. Viele Waldmäufe fchlafen unzweifelhaft in Berioden, die zwijchen einigen Tagen und viel- leicht mehreren Wochen jchtwanfen; Doch bejchränfen fie jich wahrscheinlich öfter auf gemöhn- lichen Schlaf von geringer Dauer, wachen zwei-, dreimal am Tage auf und najchen an den Küffen und Körnern ihrer VBorratsfammer. Jeder verlajjene Waldmurmeltierbau wird zur Winterherberge für mehrere Familien Weiffugmäufe, denen noch bejjer gedient ilt, wenn das Vieh den Eingang halb zugetrampelt und Froft und Regen und jchmelzender Schnee ihr fangjameres, aber noch wirfungsvolleres Werk daran getan haben. Der Reit des Baues bleibt offen und gut erhalten auf Jahre hinaus: ein warmer, trodener Untergrundimweg jamt dem mit weichem Graje ausgepoliterten Kejjel, in dem die Mäufe jich nach Belieben zujammentollen fönnen. Die Heinen, zarten Tierchen fürchten die Kälte aber feineswegs. rn den bitterjten Froftnächten, wenn far und breit die Sterne unten zwifchen den Baummipfeln zu hängen icheinen, ein eifiger Wind durch die fteifgefrorenen Zweige pfeift und trodner Schnee fich hoch um die Fichtenftämme aufhäuft, jieht man jie noch viel Draußen von Baum zu Baum durch den Schnee hüpfen. Im Herbit liefern die Linden eine reichliche Ernte von Heinen, runden Nüjjen, die die Mäufe in großen Mengen unter die Wurzeln der Bäume jelbit 316 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Mausartige. eintragen. Bon diejen und ihren anderen Borräten leben jie dann, indem jie ich von Tag zu Tag etivas wegholen, und bringen e3 jo in der Regel fertig, jich in gutem Ernährungszujtand zu erhalten, jolange Schnee und Froft dauern; aber jie find jtarfe Frejjer, und deshalb wird ihre Lage jehwierig, wenn Die Vorräte auf die Neige gehen. Auf alle Fälle werden fie mäh- rend der Frühjahrsmonate mager und jchäbig, bis e3 wieder reichlich Sterbtiere und Beeren gibt. Die Weißfußmäufe haben als Nachttiere am meijten’ die Eulen zu fürchten, bejonders den fleinen Kauz und die Schleiereufe, Die jie underjehens paden. Stone it niemals einer Veißfußmaus im Sonnenschein begegnet; aber bei trüben Wetter fan man fie wohl auch am Tage einmal flüchtig jeher. Die Weiffußmäufe gehören, wie die Flughörnchen, zu den janfteiten und Harmlojeiten Tierchen; obwohl mit langen, jcharfen Zähnen bewehrt, leiten jie jelten irgendwelchen Widerjtand, wenn man jie fängt. Stone hat von ihnen auch niemals das Quiefen anderer Mäufe gehört; Doch haben jte einen jcharfen, jhwachen Locdton und zuzeiten einen tiefen, jchnatternden Schrei, jehr ähnlich einem jchiwachen Echo des Eichhornjchnatterns. Sn Ge- fangenjchaft werden fie bald zahm und zutraulich und nehmen ohne Scheu alles Futter an, das mar ihnen bietet. Der vielgereiite Hornadad erzählt Schlieplich noch Selbiterlebtes von der erjtaunlichen und ergöglihen Sammellujt der Weißfußmaus und ihrer Sucht, alles wegzujchleppen und zujammenzutragen, vermöge deren jie zur richtigen „Hamjtermaus” im Sinne unjeres Boltsmundes wird. „Einjt holten wir ung in den Wildnijjen Montanas einige alte Stümpfe ins Lager al3 Brennholz. Beim Aufipalten fanden wir in dem einen ein hauptjächlich aus Federn gemachtes Nejt mit fünf Weißfußmäufen, die jich in der Höhlung recht wohnlich eingerichtet hatten. Dicht neben das Nejt gepackt waren anderthalb Pints (18 Ungzen) jchöner, reiner Saat, wie Nadieschenjamen ausjehend, von irgendeinem Unkraut aus der Samilie der Hüljenfrüchtler. Während wir den Futterborrat bejahen und auf einen Haufen an die Erde legten, nahe bei der Zelttür, entwijchten die fünf Mäufe in die Salbeibüjche. Vahebet jtand ein alter Einjpännerwagen. Am nächiten Morgen, als der Photograph unjerer Expedition das Boliter jeines Wagenjiges lüftete und den Dedel des flachen Kajtens darunter öffnete, jahen ihn die fünf Mäufe, die Köpfe zu einer drolligen Gruppe zujammenzgeitect, überrascht und neugierig an, ohne einen Fluchtverjuch zu machen. Aber jehr bald fan an uns die Reihe der Überrafchung. Wir fanden, daf die emfigen Dinger jeden Teil ihres Nejtes und jedes Korn ihres WintervorratS aufgepadt und alles in den Sibfajten des Wagens gejchleppt hatten. Das Nejt war forgfältig wiederhergeitellt, und die Sämereien lagen daneben wie vorher. Wenn man bedenkt, wieviel Wege dazu gehörten, um all das auf der Erde Hin zum Wagen zu tragen und damit den ©ib zu erklettern, fo ijt die Emjigfeit und Behendigfeit zum Staunen. Verjuchsweije nahmen wir das Weit wieder weg, und mäh- rend die Mäufe jich nochmals in das Salbeigebüfch verzogen, jammelten wir das ganze Gejäme und fchütteten e8 auf einen Haufen an die Erde wie vorher. Jr der folgenden Nacht holten die unermüdlichen Tierchen Nejt und Gejäme zurüd unter den Wagenjis genau wie vorher. Nun lajen wir die ganze Mausfamilie auf jamt Nejt und Gejäme und nahmen alles mit nach New Norf.“ Rein füdamerifanifch, jogar aufden Süden dort, Argentinien und Patagonien, bejchränft it die Gattung Reithrodon Wtrh. Nach ihrem faninchenartigen Hußeren könnte mar jie deutjch treffend Kaninchenmaus nennen, worauf ja auch der wifjenjchaftliche Artname Weißfugmaus SKaninhenmaus Fijchratte. SJnjelmaus. 817 (R. euniculoides Wtrh.; Taf. „Nagetiere XI”, 2, bei ©. 315) hindeutet. Ein Stüd, das vor Sahren einmal im Berliner Garten lebte, jah tatjächlich aus wie ein eben dem Nejte entlaufe- nes Sungfaninchen: jehr kurzer Kopf mit hoch geihtwungenem Profil, jehr großen Augen und ziemlich große, rundliche Ohren. Dazu fommt allerdings ein halbförperlanger Schwanz! Sleichfalls füdamerifanijch it die ausgeprägte Wajjerform der Gruppe, die mander- tattengtoße Fijchratte (Ichthyomys T’hos.), mit der Hauptart I. stolzmanni T’hos., die von Thomas 1893 aus dem Innern Verus bejchrieben wurde. Er beginnt Die Bejchreibung der neuen Gattung mit der bündigen Erklärung: „Form angepaßt an ein fiichfrejjendes Waffer- leben”, und will wohl damit jagen, daß hier jchon in der ganzen Ktörperaejtaltung Die bei Nagern häufige Neigung jich ausjpricht, ihre natürliche pflanzliche Nahrung zu verichmähen und zur Fleifchkoft überzugehen. Der Kopf it auffällig plattgedrücdt, jo daß er von der Seite ausjieht wie ein Schlangenkopf. Augen und Ohren jind Hein, die Schnurrhaare lang, Itarf und weit abjtehend, das Fell kurz und dicht. Die Hinterfühe find jehr breit und fücher- fürmig, die Zehen zwar nur zum Teil, von der Wurzel her Dur) Schwimmhäute verbunden, in der VBorderhälfte aber Dafür jeitlich breit und Dicht bewimpert. Der Schwanz tjt lang, drehrund, aber in jeiner jenfrechten Fläche verjtärft durch verlängerten Borjtenbejab auf der Unterjeite. Im einzelnen finden fich am Schädel ganz erftaunliche Ähnlichkeiten mit der auftraliichen Schwimmratte (Hydromys), die ebenfalls ein Wajjerleben führt. Die oberen Schneidezähne jind einmwärts jo gegeneinander gedreht, daß jie einen nach vorn offenen Winfel bilden und ihr Schmelzbelag augenscheinlich von der äußeren Ede nach der Berüb- rungsfläche beider Zähne Hin an Die abnimmt; jo nußen jie jich in fchtefer, nach der Mittel- linie des Kopfes aufjteigender Richtung ab, und die äußeren Zahneden jtehen nach unten vor: alles „von offenbarem Nuben beim Greifen der Fiiche”, jagt Thomas. &3 Handelt jich hier um eine Anpafjung „nicht nur an ein Wajferleben”, fährt er fort, „wie jte viele Nager zeigen, jondern wirklich an ein räuberisches Fijchfrejjertum, das in der Ordnung der Nager ganz einzig dajteht. Dieje Tatjache ift glüdlich außer Frage geitellt Durch den Mageninhalt des bon mir unterjuchten peruvianijchen Stüdes an Ftiichjehuppen und Gräten, die mein Kollege Boulenger als jolche von Tetragonopterus alosa Gthr., einem Fijch mit einer Durchjchnitt- lichen Länge von ungefähr 6 Zoll (15 cm), bejtimmt hat.“ Die Mausartigen Madagasfars bilden eine bejondere Unterfamilie (Nesomyinae). Sonjt bejitt dieje Infel feine eingeborenen Nager; fie ijt ja befanntlich ein jelbjtändiges feines Feitland mit eigener Tierwelt. 1870 entdedte der Berliner Shyitematiter Peters die Gattung Nesomys, die er mitihrer Urbejchreibung der „Sejellichaft Raturforjchender Freunde” borlegte. Er jagt von diejer Injelmaus (= Nesomys), daß fie im Zahnbau jich amı nächiten den Schlingenzähnern (Sigmodon) anfchließt und jo ein neues Beijpiel von der geographijch jo merfwindigen Verwandtichaft der Fauna von Madagaskar mit der von Amerika liefert. Die einzige Urt, N. rufus Pirs., hat die Größe der Wanderratte, verhältnismäßig lange Ohren und lange, weiche Körperbehaarung mit glatten, jeidenartig glänzenden Haarjpiben. Der Schwanz ijt grob geringelt und boritig behaart; die Krallen hinten Doppelt jo groß tie born, der Daumenjtummel trägt einen abgerundeten Nagel. Die Farbe it dunfel rojtbraun mit Braungelb gemengt, am Endteil des Schwanzes unten und jeitlich weiß. 318 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Mausartige. Außerdem fei noch der Bilhichwanz (Eliurus M.-E.) erwähnt, eine von Milne- Edwards 1885 bejchriebene Gattung Kleiner, jchlafmausähnlich ausjehender Snjelmäufe, deren Schwanz am Wurzelteil bejchuppt, im übrigen aber lang behaart ift. * Die nächite Unterfamilie enthält die Eigentlichen Hamfter (Cricetinae), mehr oder weniger plump gebaute, oft auch große Mäufe mit gejpaltenen Lippen, großen Baden- tajchen und Drei bewurzelten, höderigen Badzähnen in jedem Sliefer. Die befanntejte Gattung it Cricetus Zeske, deren hauptjächlichite Srennzeichen in dem plumpen, dien Leib mit dem jehr furzen, dünnhaarigen Schwanze und den furzen Glied- maßen liegen, von denen die Hinterfüße 5, die VBorderfüße 4 Zehen und 1 Daumenmwarze haben. Das Gebiß beiteht aus 16 Zähnen, 2 Paar auffallend großen Nagezähnen und 3 einfachen Baczähnen, deren Höcer alle zufammen zwei Längsteihen bilden. Der leiblich recht hübjche, geiitig aber um fo Häßlichere, mürrijche, reizbare und zugleich mutbolle Hamjter, Cricetus cricetusZ. (vulgaris; Taf. „Nagetiere XI”, 3, bei ©. 315), wird ungefähr 30 em lang, wovon auf den Schwanz etiva 5 cm fommen. Der Leib ijt unterjebt, der Hals die, der Kopf ziemlich zugejpigt; die Häutigen Ohren jind mittellang, die Yugen groß und hell, die Beine furz, die Füße und Zehen zierlich, die lichten Strallen furz; der Schwanz it fegelförmig zugejpißt, aber etwas abgejtußt. Die dichte, glatt anliegende und etwas qlän- zende Behaarung beiteht aus fürzeren und weichen Wollhaaren und längeren und fteiferen, auch dünner ftehenden Grannenhaaren. Gewöhnlich ijt die Färbung des Oberförpers ein Lichtes Braungelb, das wegen der jchwarzipißigen Grannen ins Gräuliche jpielt. Die Ober- jeite Der Schnauze und die Yugengegend jowie ein Halsband find rotbraun, ein Fleck auf den Baden it gelb, der Mund weiblich, Die Unterjeite, auch Die Beine bis zu den Füßen herab und die Hinterbeine wenigitens innen jowwie ein Streifen über der Stirn find jchivarz, Die Füße Dagegen weiß. Meijt jtehen noch gelbe Flede Hinter den Ohren und vor und hinter den Vorderbeinen. Es gibt aber die verjchiedeniten Spielarten: manche find ganz jchwarz, andere jchwarz mit weißer Kehle, grauem Scheitel, die hellen Abänderungen blaß graugelb mit dunfelgrauer Unterjeite und blaßgelbem Schulterfled, andere oben mattfahl, unten licht- grau, an den Schultern weißlich; auch volljtändige Weißlinge werden zumeilen gefunden. Kobelt nennt den Hamijter „einen Einwanderer aus den Steppengebieten Aliens“, dejjen Verbreitung „noch deutlich feine Herkunft aus dem Dften erfennen läßt. Noch hat er Das Rheintal nur wenig überjchritten..., aber in Belgien dringt er nach) Weiten vor und twird jeßt auch auf dem linfen Maasufer immer häufiger, ... der Schweiz fehlt er, natürlich auch in England und Skandinavien”. Ir Rußland fommt er, nach Blajius, nicht nördlicher al3 bi3 zum 60. Breitengrade vor. Überall, two neuerdings von ihm die Rede ift, findet man jeine Ausdehnung nac) Weiten betont: da, wo er früher jchon einmal war und feine fojjilen Neite jich finden, fommt er jebt wieder hin. Für Frankreich legte dies Trouejjart der Akklimatifationsgejellfchaft in ihrer Sihung vom 5. Februar 1906 genauer dar, indem er einleitend den Hamjter für einen „Sprößling der Tatarei” erklärt, der jich jet von Weit- jibirien bi3 nach Paris verbreitet. „Vor 1870 war er in der Provinz Limburg und im Eljaf vorhanden; aber er hatte die Vogejen noch nicht überfchritten. Nach Frankreich Fam er exit im Gefolge des deutjchen Einmarjches, der ihn nach Weiten mitgezogen zu haben jcheint. 1874 meldetign M.E. Gayetin Lothringen und der Champagne. 1885 weilt ihn M. de Chervilfe Bilhihmwanz. Hamfter: Steppentiernatur. Verbreitung. 319 in der Umgegend von Paris nach durch einige Stüde, die ihm ein Maulmwurfsfänger brachte. Die Einwanderung Dauert fort." Südlich der Alpen jehlt er, wie Blaftus jchon angab. Nac) Mojiifopics findet er fich aber „zeittveije in Steiermark, und zwar in der Murebene, im Neudorferfelde, unweit von Wildon; er tft ferner in Niederöjterreich bei Larenburg, in Fichamend und anderswo zu Haufe. Jr Ungarn tritt er in manchen Jahren in den großen Tiederungen majjenhaft auf... In Siebenbürgen folgt er der Ebene und geht nur jo weit in die Höhe, wie fich der Getreivebau erjtrect. Er ijt ferner, nach Frit, nicht jelten in frucht- baren Gegenden Böhmens. Er findet jich ferner in (Ofterreichifch-) Schlefien und Galizien.” Seine Berbreitung in Deutjchland it Schwer furz und allgemein anzugeben, weil er al3 „typiicher Steppennager”, wie Rörig ihn nennt, jich nur in einer ganz bejtimmten Land- ichaft dauernd heimijch macht. Ein mäßig fejter, trodener und Dabei fruchtbarer Boden icheint die Hauptbedingung für fein Wohlbefinden zu fein. Er verlangt, daß die Baue, Die er gräbt, dauerhaft find, und meidet aus diefem Grunde alle jandigen Gegenden; aber er moill fich auch nicht jehr anjtrengen beim Graben und verjchont deshalb jehr feiten und jteinigen Boden mit feinen Anfiedelungen. „Wenngleich er das Stontinentalflima Ofteuropas bevor- zugt”, jagt Nehring, der fich der Erforschung der Hamjter mit bejonderer Vorliebe widmete, „jo nimmt er doch auch mit dem mehr oder weniger ozeanijchen Klima des heutigen Deutjch- fand fürlieb; aber er bewohnt hier nur folche Dijtrikte, die entweder von Natur waldarm find oder in denen der Menjch die Wälder gelichtet und durch ausgedehnten Getreidebau jteppen- ähnliche Vegetationsverhältnijje hergeitellt hat.” Seine Verbreitung in Deutjchland dürfte ferner aus dem Grunde überhaupt jchwer feitzulegen jein, weil er wohl auch heute noch twandert, fich immer noch ausbreitet. Wenigitens muß er dies im vorigen Jahrhundert noch getan haben; denn Blafius jagt in feinem 1857 erjchienenen Quellenmwerf über die Säuge- tiere Deutjchlands: „Wejtlich vom Nhein hat man ihn nur am Niederrhein aufgefunden.” Heute aber ift der Hamfter längit fehon am linfen Oberrheinufer, in Aheinhejjen und der Pfalz, ganz gemein, zeitweije eine Landplage. Nach Nehring findet er jich außer den ge- nannten Gegenden im Eljah, in einzelnen Teilen der Aheinprovinz, in einem Teile Dit- hannoverz, in fait ganz Braunjchtweig und in der Provinz Sachen, in Anhalt, im mweitlichen Brandenburg, an einigen Orten in Medlenburg- Streliß und des angrenzenden Pommern, in Schlejien, Sachjen, Thüringen und hier und da in Bayern, Württemberg und Baden; dagegen fehlt er in Oldenburg, Bremen, Hamburg, Lübed, Weitfalen, Lippe, Schlesmwig- Holitein, Meclenburg- Schwerin, fait ganz RBommern, Oftbrandenburg, Pojen, Welt- und Dftpreußen. Er „it aljo”, meint Kobelt, „offenbar füdlich der Pripetjümpfe durch Galizien und Schlefien nach Deutjchland gelangt”. Sein Vorkommen in der Provinz Hannover hat Hermann Zönz genau ftudiert und nach den maßgebenden Umständen flargelegt. „Nach der eigentümlichen, engbegrenzten Verbreitung, die der Hamfter bei uns hat, ijt es wohl als jicher anzunehmen, daß ex einmal bei uns verjchtwunden war (während der Bemwaldung nach der Steppenzeit) und von feiner mitteldeutichen Zufluchtitätte jpäter, al3 Die Lebens- bedingungen fich bei uns dadurch wieder günftiger gejtalteten, dat; große Teile Hannovers infolge der Abnahme der Wälder und der Ausdehnung des Getreidebaues zu Kulturjteppen wurden, wieder einrücdte; denn er bewohnt bei uns zwei völlig voneinander getrennte Ge- biete, nämlich einen nördlichen, zwwifchen der Aller und der Wejer zu beiden Geiten der mitt- feren Leine gelegenen größeren Bezirk und einen Kleineren, jüdlichen, der auf Goslar und Liebenburg bejchränkt ift... Nur auf jchwerem Boden, im Weizenlande, it er häufig, und dort allein wird ihm planmäßig nachgeftellt, oft jo jehr, daß er jtellenmweije völlig 320 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. verichwunden zu jein fcheint und fich erjt nach Jahren wieder zeigt. Auch dort, two fich der Nübenbau auf Kojten des Getreidebaues ausbreitet, geht der Hamjter zurücd; denn der Nübenbau bedingt einmal eine jehr tiefe Bodenkultur, die dem ruheliebenden Einjiedler nicht behagt, und bietet ihm auch, da er fein Wurzelftejjer ift, feine Nahrung.” Troßdem „verrüdte er jeit einigen Jahren die Nordgrenze jeines u us langjam, aber jicher weiter nordmwärts.. Seine Baue heftehen i im einfachiten Falle aus einer Wohnfanmter, die in einer Tiefe von 1—2 m liegt, mit einer jehrägen Ausgangs- und einer jenfrechten Eingangsröhre, und aus einem Borratsraume, der mit der Wohnfammer durch Gänge in Verbindung jteht. Jeder Hamiter hat feinen eigenen Bau, und je nach Gejchlecht und Alter des Tieres werden Die Baue verjchieden angelegt, Die der jungen Hamjter jind die flachjten und fürzeiten, die Des Weibehens bedeutend größer, die des alten Nanımlers die größten. Man erfennt den Hamjter- bau leicht an dem Erdhaufen, der vor der Ausgangsröhre liegt und gewöhnlich mit Spreu und Hülfen betreut it. Das Falloch geht immer jenfrecht in die Erde hinein, bisweilen jo gerade, Daß man einen langen Stod hineinjteden fan; doch fällt e3 nicht in die Kammer ein, jondern biegt nach unten bald in wagerechter, bald in jchiefer Richtung dorthin um. Das Schlupfloch hingegen läuft jelten in gerader Richtung, jondern mehr gebogen der Kammer zu. Den Gängen fann man jehr leicht anjehen, ob ein Bau bewohnt ijt oder nicht. Findet jich in ihnen Moos, Schimmel oder Gras, oder jehen jie auch nur rauh) aus, jo find jte jicher ver- lafjen; denm jeder Hamjter hält jein Haus und jeine Haustür außerordentlich rein und in Ordnung. Länger bewohnte Gänge werden beim Aus- und Einfahren durch das Haar jo geglättet, daß ihre Wände glänzen. Außen jind Die Yöcher etivas weiter als in ihrem Fort- gange; Dort haben jie meiltens 5—8 cm im Durchmejjer. Unter den Kammern ijt die glatt- wandige Wohnfammer die Fleinere, auch jtets mit jehr feinem Stroh, meiltens mit den Sceiden der Halme angefüllt, die eine weiche Unterlage bilden. Drei Gänge münden in jie ein, der eine vom Schlupf-, der andere vom Falloche und der dritte von der Vorrats- fammer fommend. Dieje ähnelt der exrjten Sammer volljtändig, it rundlich oder eiförmig, oben gemwölbt, inwendig glatt und gegen den Herbit hin ganz mit Getreide ausgefüllt. Junge Hamiter legen bloß eine an, die alten aber, namentlich die Nammler, die den ganzen Sommer hindurch nur einjchleppen, graben jich 3—5 jolche Speicher, und hier findet man denn auch ebenjo viele Meben Frucht. Manchmal verjtopft der Hamjter den Gang vom Wohnzimmer aus zur VBorratsfammer mit Erde, zuweilen füllt er ihn mit lörnern ar. Dieje jind jelten ganz rein von hrenhüljen oder Schalen. Wenn man in einem Baue die verjchiedenen Getreidearten getrennt findet, rührt Dies nicht von dem Ordnungsjinne des Bemwohners her, jondern weil er zur betreffenden Zeit eben nur dieje und dann nur jene Getreideart fand. m Spätherbjte trägt mancher Hamfter übrigens auch Grünfutter ein. Jr dem nach dem Schlupfloche führenden Gange weitet jich oft furz dor der Klammer eine Stelle aus, wo der Hamjter feinen Mift abzulegen pflegt. Der Nejtbau des Weibehens weicht in mancher Hin- jicht von dem bejchriebenen ab; er hat nur ein Schlupfloch, aber 2—8 Fallöcher, obgleich von diefen, jolange die Jungen noch Hein jind, gewöhnlich nur eins recht begangen wird. Das mit jehr weichem Stroh ausgefütterte Wochenbett ift rundlich, Hat ungefähr 30 em im Durch- mejjer und ift S—13 cm hoch. Bon der Nejtfammer aus gehen zu allen Fallöchern bejondere Nöhren, manchmal verbinden auch wieder Gänge diefe unter fich. Vorratsfammern finden jich jehr jelten im Neftbau; denn das Weibchen trägt, folange es Junge hat, nichts für fich ein. Der Hamfter ift troß feiner jcheinbaren Plumpheit ein ziemlich getvandtes Tier. Sein Hamfter: Bau. Bewegungen. Sinne. Temperament. 321 friechender, dem des Fgel3 ziemlich ähnlicher Gang, bei dem der Unterleib fat auf der Erde ichleppt, bejteht aus Heinen Schritten. m Borne bewegt jich der Hamfter heftiger und ver- mag dann auch ziemlich weite Sprünge und hohe Säbe auszuführen. Meifterhaft verjteht er da3 Graben. Wenn man ihn in ein Faß mit Erde ftedt, geht er augenblicdlich ans Werf. Er bricht mit den Vorderfüßen oder, wenn der Grund hart ift, mit diefen und den Zähnen Erde 103, wirft jie zuerjt unter den Bauch, Holt fie dann mit den Hinterbeinen hervor und ichleudert fie Hinter fich. Kommt er in die Tiefe, jo jchiebt er, rücdtwärts gehend, ganze Haufen auf einmal heraus; niemals aber füllt er damit jeine Badentajchen an, wie fäljchlich be- hauptet wurde. Im Wafjer bewegt er jich nicht ungefchidt, obwohl er es ängitlich meidet. Der Hamjter ift mit feinen Borderfühen ungemein gejchict und veriteht jie ganz wie Hände zu benuben. Mit ihnen führt er die Nahrung zum Munde, mit ihnen hält und dreht er die Ihren, die er enthülfen will, um die Körner in feinen Badentajchen aufzufpeichern, und mit ihrer Hilfe bringt er auch feinen PBelz in Ordnung. Zuerjt fommt der Stopf dran. Er legt beide Hände bis an die Ohren zurüd und zieht fie nach vorwärts über das Gejicht; Ddanır nimmt er einen Haarbüjchel nach dem andern und reibt ihn jo lange zwijchen den Händen, bis er ihm genügend gejäubert zu jein jcheint. Die Haare der Schenfel und des Rüdens glättet er, auf den Schenfeln und dem Hinterteil jigend, mit Zunge, Zähnen und Pfoten gemeinschaftlich, wobei er leßtere außerordentlich rajch von oben nach unten bewegt; Die Hauptarbeit jcheint hier aber mit der Zunge zu gejchehen. Wenn der Hamfter überrajcht wird, erhebt er jich augenblicklich auf die Hinterbeine und läßt Dabei die Vorderbeine herab- hängen, eine Hand gewöhnlich etwas tiefer als die andere. ©o jtarıt er den Gegenitand, der ihn in Aufregung verjeßt, jcharf an, augenscheinlich bereit, auf ihn loszufahren und bon jeinen Zähnen Gebrauch zu machen. Bei ihm als nicht fluchtgewandtem Nager ein verjtändliches Verhalten! Die höheren Sinne des Hamjter3 jcheinen ziemlich gleichmäßig ausgebildet zu fein; wenigjten3 bemerft man nicht, daß der eine vor dem andern bejonders entmwidelt wäre. Die geiftigen Eigenjchaften jind nicht gerade geeignet, ihn zu einem Liebling des Menjchen zu machen. Der Zorn beherrcht fein ganzes Wejen in einem Grade wie bei faum einem andern Nager von jo geringer Größe, Kemminge etwa ausgenommen. Bei der geringiten Urjache ftellt er jich troßig zur Wehr, fnurrt tief und Hohl im Innern, Mnirjcht mit Den Zähnen und jchlägt fie ungemein fehnell und heftig aufeinander. Cbenjo groß mie jein Born ift auch fein Mut. Er wehrt fich gegen jedes Tier, das ihn angreift, und jo lange, wie er fan. Alle Hunde verfolgen ihn mit großem Eifer, und e3 dauert immer einige Zeit, bi3 der Hamfter überwunden wird. Ungejchieten Hunden gegenüber bleibt der Hamiter jogar zuweilen Sieger. „Sobald er merkt”, jagt Sulzer, der ein ganzes Buch über ihn ge- jchrieben hat, „daß e8 ein Hund mit ihm zu tun haben till, leert er, wenn jeine Baden- tafchen mit Getreide vollgejtopft find, folche exjtlich aus; alsdann weht er die Zähne, indem er jie jehr gejchtoind aufeinander reibt, atmet fchnell und laut, mit einem zornigen Ächzen, welches fich mit dem Schnarchen eines Schlafenden vergleichen läßt, und bläft zugleich die Badentajchen dergeitalt auf, daß der Kopf und Hals viel dider aufjchwellen als der Hintere Teil des Leibe. Dabei richtet er jich auf und jpringt in diefer Stellung gegen feinen Feind in die Höhe, und wenn diejer weicht, it er fühn genug, ihn zu verfolgen, indem er ihn wie ein Frosch nachhüpft. Der Hund wird feiner nicht eher Meifter, als bis er ihm von hinten beifommen fann. Dann faßt er ihn fogleich bei dem Genid oder im NRüden und jcehüttelt ihn zu Tode.” Nicht allein gegen Hunde wehrt jich der Hamiter, jondern greift auch Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 21 322 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Mausartige. fühn den Menfchen an, jelbit den, der gar nichts mit ihm zu jchaffen haben mag. Es fommt nicht jelten vor, daß man ruhig an einem Hamfterbau vorübergeht und plöblic) Das twitende Tier in jeinen Stleidern hängen hat. „Einer attacierte mich“, erzählt Mojjtfopies, „auchend während einer Wachteljagd (in Ungarn); hierdurch wurde ich exft auf da3 neben meinen Füßen jtehende Tier aufmerfjam. Die Wut, mit der der Heine, Midwanftige Nager auf mic) losfuhr, war in der Tat pofjierlich; er bi derart um fich, daß ich ihm nur mit einem fchwachen Schrotfchufje beifommen fonnte.” Und die Hejjiichen Beobachter Gebrüpder Müller befennen: „Uns find als Stnaben die Hamiter in den Feldgärten unferer Heimat (Wetterau) wütend nach den Beinen gefahren, wenn wir uns ihren Bauen näherten. Sie marjchierten uns gerade entgegen und waren jicher, ung in die Flucht zu jchlagen. Großer Schreden ergriff te aber ftets, wenn fich ein Naubvogel zeigte oder von den lärmenden Bachitelzen in der Luft und den fich in die Heden jtürzenden Sperlingen angezeigt wurde. Entweder eilten fie unter Die Erde oder jie verbargen jich irgendwo über der Erde.” An Pferden beißt der Hamfter fih ebenfalls feit, und gegen Naubvögel, die ihn vom Boden erhoben, wehrt er fich noch in der Luft. Wenn er fich einmal eingebifjen hat, hält er jo feit, daß man ihn totjchlagen Fanır, ehe er losläßt. Dab ein jo jähzorniges Tier nicht verträglich fein Fan, it erklärlich. Die eigenen Kinder mögen nicht mehr bei der Mutter bleiben, jobald fie größer geworden find; der männ- liche Hamjter beißt-den weiblichen tot, wenn er ihm außer der Paarungszeit in den Weg fommt. In Gefangenschaft leben alte Hamfter nur jelten miteinander in Frieden; bejjer vertragen fich Junge, Die noch nicht ein Sahr alt find. Sch Habe längere Zeit in einer Stiite drei Stüc gehabt, die jich niemals zankten, fordern im Gegenteil recht verträglich beieinander hodten, meistens noch einer auf dem andern. Junge Hamjter aus verjchtedenen Nejtern fallen aber augenblicklich übereinander her und beginnen den Kamıpf auf Veben und Tod. Mit anderen fleineren Tieren verträgt fich der Hamfter natürlich noch weniger als mit jeinesgleichen, ja, er macht förmlich Jagd auf jte; Denn feine Nahrung beiteht zum guten Teile auch aus lebenden Gejchöpfen. Kleine Vögel, Mäufe, Eivechjen, Blindfchleichen, Ningel- nattern und Kerbtiere frit er noch lieber als Pflanzenftoffe, und wenn man ihm einen lebenden Vogel in feinen Käfig toirft, fpringt er eilig zu, zerbricht ihm zuerft die Flügel, dann den Kopf oder zermalmt ihm überhaupt gleich Hals und Kopf und verzehrt ihn danıı mit Behagen. Gelegentlich wird ein alter Hamfter jogar zum Jagdfrevler. Ein guter Be- obachter, LZehrer Seidler in Clojewit bei Jena, hörte bei einem Gange durch die Felder Geräusch und Tierftimmen und bemerkte an einer Stelle im Grünzeuge heftige Bewegung. Dort fand er einen Starken Hamfter auf einem etiva gleichgroßen Häschen fiten, dent er eben durch Bilfe ins Genid den Net gab. So gierig war der Räuber mit feinem Opfer bejchäftigt, Daß er den herantretenden Menjchen gar nicht bemerfte und mittels eines Stodjchlages ge- tötet werden fonnte. Ganz Ühnliches beobachtete der Landwirt Ferdinand Müller in Leifel- heim bei Worm3; ihm mwiderfuhr e3 auch, daß ein Hamfter einen Hafen, den unjer Gewährs- mann fich unter Kartoffeliteo verjtect Hatte, am Kopfe anfraf, bi8 er zurückfam („Wild und Hund“, 1909). Aus dem Pflanzenreiche verzehrt der Hamiter fo ziemlich alles, was geniekbar it, am Tiebjten wohl Getreide und Hülfenfrüchte, aber auch grüne Saaten, allerlei Kräuter, Möhren, Kartoffeln und dergleichen, ferner mancherlei Gewurzel fowie reifes und unreifes Dit. Sn der Gefangenfchaft nährt er fich auch von allerlei Gebadenen, wie Kuchen und Brot, von Butter, Küfe ufw., Eurz: er zeigt fich al3 wahrer Allesfrefjer. Auc) der Hamfter ift ein Winterfchläfer. Er erwacht, fobald die Erde aufgetaut ift, Hamfter: Umverträglichkeit. Winterfchlaf. Fortpflanzung. Entwiclung. 323 oft jchon im Februar, ficher im März. Anfangs öffnet er feine verftopften Löcher noch nicht, jondern hält fich fill unten im Bau und zehrt von feinen eingetragenen Vorräten. Gegen Mitte März erfchliegen die alten Männchen, Anfang April die alten Weibchen das Falloch. Sebt juchen fie fich bereit3 außen Nahrung, tragen auch von frijchbejäten Aderjtücen, two fie die Körner jorgfältig auflejen, Getreide in ihren Bau ein. Junge Pflanzen behagen ihnen bald mehr als die Körner, und nunmehr gehen jie diejer Nahrung nach oder nehmen ab und zu auch wohl ein ungejchidtes VBögelchen, eine Maus, einen Käfer, eine Raupe als willfommene Beute mit weg. Zu gleicher Zeit pflegen fie jich einen neuen Bau zu graben, in dem jie den Sommer zu verleben gedenfen, und jobald Diejer fertig it, paaren jich die Gejchlechter. Der Sommerbau ift gewöhnlich nur 30, Höchitens 60 cm tief, und der Kejjel mit einem weichen Nejte ausgefüttert, neben dem dann eine einzige Kammer an- gelegt wird, fall3 e3 viel Saatgetreide in der Umgegend gibt. Ende April begeben jich die Männchen in die Behaufung der Weibchen und leben, wie e3 jcheint, friedlich einige Tage mit ihnen; beide zeigen jogar injofern eine gewijje Anhänglichkeit aneinander, als fie jich gegenjeitig beijtehen, wenn es gilt, eine3 oder das andere zu verteidigen. Kommen zivei Männchen zu einem NLeibehen, jo beginnt ein heftiger Ziwveifampf, bi3 der fchwächere der Gegner unterliegt oder entweicht: man findet oft genug Nammler, welche auf ihrem Leibe tiefe Narben tragen. Alsbald nach der Paarung vertreibt das Weibchen den Nammler wieder aus feinem Bau, und e3 herrjcht zwijchen beiden wieder diejelbe Feindfeligfeit twie gegen jedes andere fremde Gejchöpf. Die Tragzeit beträgt 20 Tage; das tt im Berliner Zoologijchen Garten Durch wieder- holte Beobachtung ficher feitgeitellt worden. Jr der Freiheit wirft das Weibchen zum eriten Male gegen Ende Mat, zum zweiten Male in Juli in feinem weich und warm aus- gefütterten Nejte 6—18 Junge. Dieje fommen nadt und blind zur Welt, bringen aber ihre gähne Schon mit, wachen auch außerordentlich jchnell. Sie erhalten mit dem zweiten oder dritten Tage ein feines Jlaumhaar, das fich aber bald verdichtet und den ganzen Körper einhülft, jo daß mit 10 Tagen die fchrwarzgelbe Zeichnung zu erkennen ift. Mit 14 Tagen öffnen jie erjt die Augen und beginnen nun auch im Nejte umherzufriechen; aber mit 3 Wochen jind jie noch wenig beiwegungsfähig, Haben noch die breitgedrücdte Haltung des friechenden Nejtjungen. Die Mutter behandelt ihre Brut anfangs mit viel Liebe, duldet es auch, daß man ihr andere Junge zum Säugen anlegt, jelbjt wenn dieje nicht die gleiche Größe wie ihre Kinder haben. Sobald jedoch ihre Sprößlinge wühlen fönnen, jagt fie die Alte einfach aus dem Baue und zwingt fie, auf eigne Fauft für ihren Unterhalt zu forgen. Dies Scheint den Hamfterchen nicht eben jchwer zu werden; denn bereitS mit dem fünften oder jechiten Tage, wenn fie faum behaart und noch volfitändig blind find, mwilfen fie recht hübjch ein Weizenforn zwifchen ihre Borderpfötchen zu faffen und die fcharfen Zähnchen zu benugen. Doc) brauchen fie immerhin ein ganzes Sahr, ehe fie ihre vollftändige Größe er- reichen. Bei Gefahr entflieht die Alte, jobald fie fpürt, daß man ihr im Bau nahefommt, und verfriecht jich mit ihren Sprößlingen in das blinde Ende eines Ganges, den fie jo Ihnell wie möglich nach dem Nefte zu mit Erde zu verjtopfen jucht oder auch mit er- Itaunlicher Gejchielichfeit und Schnelligfeit weitergräbt. Die Jungen folgen ihr durch den Hagel von Erde und Sand, den jie Hinter fich wirft. Sobald die Feldfrüchte austeifen, Haben die Hamfter viel zu tun mit der Ernte. Jeder einzelne jchleppt bis zu einem Zentner an Körnern in feinen Bau. Leintnoten, große Buff- bohnen und Exbjen jcheinen allen übrigen Früchten vorgezogen zu werden. Ein Hamfter, 21* 324 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. der in einem Flachsitücde liegt, wird nicht leicht etwas anderes einernten als die Knoten. Ebenfo ift es im Erbjenfelde; Doch wilfen fich Die Tiere recht wohl in andere Arten von Feld- früchten zu jchiefen. Man hat beobachtet, daß Die alten Nammler, die Zeit genug haben, das Getreide auslejen, e3 viel jorgfältiger aufichichten als die Hamfterweibchen, die nach der legten Brut noch rajch einen Bau graben und hier Die Speicher füllen müfjen. Nur mo der Hamjter ganz ungejtört it, trägt er feine Ernte bei Tage ’ein; gewöhnlich ift die erite Hälfte der Nacht und der Morgen vor Sonnenaufgang jeine Arbeitszeit. Cr biegt mit den Vorderhänden die hohen Halme um, fchneidet mit einem Bilfe die Ühre ab, faßt fie mit den Pfoten, dreht fie ein paarmal hin und her und hat fie nun nicht bloß entförnt, fondern die Körner auch gleich in Den Badentajchen geborgen. So werden die weiten Schleppfäce gefüllt bi zum Übermaße; manchmal jchafft einer an 50 g Körner auf einmal nad) Haufe. Einen fo beladenen Hamjter hindern die vollgepfropften Tajchen am Beifen; angegriffen, Itreicht er aber Die Körner heraus und jeßt jich in Verteidigungszuftand. Anfang Oftober, wenn e3 falt wird und die Felder leer find, denkt der Hamfter ernit- fich daran, jich feine Wintermohnung herzurichten. Yuerit verjtopft er das Schlupfloch von der Sammer an bis oben hinauf jo Dicht wie möglich mit Erde, dann vermauert er fein Talloch, und zwar von innen heraus, manchmal nicht ganz bis zur Oberfläche der Erde. Das Lager iit jehr Hein und wird mit dem feinjten Stroh Dicht ausgepolitert. Hier legt er jich endlich zufammengerollt zum Schlafen nieder. Gemwöhnlich fiegt er dann auf der Seite, den Kopf zwijchen den Hinterbeinen an den Bauch gedrüdt. Alle Haare befinden fich in Der fchönften Ordnung, jtehen aber etwas jteif vom Körper ab. Die Glieder fühlen jich eisfalt an und lafjen jich jchwer beugen, fchnellen auch, wenn man fie gewaltjam ge- bogen hat, wie bei toten Tieren, jofort wieder in die frühere Lage zurüc; Die Augen find geichlojjen, jehen aber hell und Far aus wie beim lebenden und jchließen fich auch von jelbit wieder. Ein Atenholen oder ein Herzpochen fühlt man nicht. Gewöhnlich fchlägt das Herz in der Minute 14—1ldmal. Bor dem Aufwachen bemerft man zunädjit, daß die Steifigkeit nachläßt. Dann fängt der Atem an, e$ folgen einige Bewegungen; der Schläfer gähnt und gibt einen röchelnden Laut von jich, [tredt fich, öffnet Die Augen, taumelt wie betrunfen umher, verjucht jich zu jegen, fällt um, richtet fich von neuem auf, bejinnt fich und läuft endlich langjam umher, frißt auch jofort, wenn man ihm etwas vorwirft, pubt und ftreichelt jich und it endlich ganz munter. Auch im Freien müfjen die Hamfter mitten im Winter aufwachen; denn zumeilen öffnen fie ihre Yöcher im Dezember bei einer Kälte bon mehreren Graden unter Kull und laufen ein wenig auf den Feldern umher. Sn einer Stube, die beitändig geheizt wird, fann man fie das ganze Jahr hindurch wach erhalten; jie befinden fich dabei aber doch nicht recht wohl und jterben mitunter bald. E3 ijt ein wahres Glüd, daß der Hamjter, der fich zumeilen ganz außerordentlich vermehrt und dann bedeutenden Schaden anrichtet, jo viele Feinde hat. Bufjarde und Eulen, Naben und manche andere Vögel, vor allem aber Sltis und Wiejel find ununterbrochen auf feiner Fährte und töten ihn, wo und wann fie fönnen. Der Altis und das Große Wiejel folgen ihm auch in jeine unteriwdischen Wohnungen und müfjen deshalb als Die jchlimmiten aller feiner Feinde angejehen werden. Jeder Landwirt müßte in Hamftergegenden dieje beiden nüßlichen Naubtiere, wenn er jeinen Vorteil erfennen wollte, nach allen Kräften ihonen. Die Gebrüder Müller haben es mit angejehen, wie das Große Wiefel raubgierig den Bad verfolgte, „auf welchem der Hamfter vorhin in das Feld gegangen. Sn der Halt rennt e3 gegen den Hamfter an. Mit hohem Sab prallt e3 zurüd. Der Hamfter jpringt Hamfter: Ernte. Winterwohnung. Feinde. BVertilgung. 325 fauchend ebenfalls nahezu einen halben Meter Hoch, und num jtehen jich die Todfeinde Fanıpf- bereit gegenüber, das Wiejel angriffsluftig, der Hamjter zur Verteidigung bis aufs Außerfte gerüftet. Das Wiejel jpringt zur Rechten und Linken, gerade über den Hamfter weg, um ihn jeitwärts oder von Hinten anzufallen; diejer Dagegen richtet jeine Zähne und Krallen je nach den Wendungen des Feindes und jucht das Hinterteil möglichjt dicht unter den Leib zu fchieben, um eine Heinere Angriffsfläche zu bieten und um jo jchneller mit dem Vorderteil herumfahren zu fönnen. Der viel gewandtere und ausdauerndere Räuber ermüdet durch feine Kreuz- und Duerjprünge den plumpen Nager nach und nad) jo, da der Sprung in den Teaden oder an den Hals gelingt, und der Hamjter, wenn auch nicht ohne manchen abmwehren- den Biß und Krallenjchlag angebracht zu haben, unter dem blutdürjtigen Wiejel jtirbt." Man fönnte vielleicht auch zur Verfolgung und Bertilgung des Hamjters das Frettchen mehr an- wenden, al3 dies bis jet gejchteht. Ein Verfuch auf einem hannoverjchen Rittergute fiel jehr ermutigend aus. „War der Hamfter zu Haufe, jo entwidelte fich jofort im Bau ein Heidenlärn; e3 dauerte aber in allen Fällen nicht länger als etwa 3 Minuten, jo fam unjer Frettchen mit jchweißigem Fange zurüd”, und beim Nachgraben fand man „jedesmal den vom Frett erbijfenen Hamiter im Kefjel. Wohlgemerft: nicht etwa junge Exemplare, fondern ganz alte Familienväter und Mütter. Diejes Verfahren ijt gewiß für die richtigen Hamiter- gegenden von hohem Werte; denn während man zum gewöhnlichen Hamjtergraben Stunden gebraucht, Hat man beim Frettieren auf Hamjter nur wenige Minuten nötig.“ Sn einigen Gegenden zieht der Menjch gewerbsmäßig gegen den Hamiter zu Telde. Sn Thüringen 3. B. gibt e3 Leute, die jich ein Gejchäft daraus machen, die Hamjter aus- zugraben und umzubringen. Die Gemeinden in den von Hamjtern bevölferten Gegenden pflegen für jeden eine Sleinigfeit zu zahlen, für einen Rammler und ein Junges weniger, für ein Weibchen mehr. Im der Umgegend von Ajchersleben wurden 1888 allein 97519 Stück gefangen und dafür 1950 Mark Fanglohn bezahlt. Den Hauptgewinn der Jagd aber bilden die Vorräte, welche diejes eigentümliche Wild fich eingetragen hat; die Yeute wachen die Körner einfach ab, trodnen jie wieder und vermahlen jie dann mie anderes Getreide. Über die Hamfterplage in Aheinhefjen berichtet Wilhelm Schufter vom Aheinfnie bei Mainz. „Xußer in der Gemarkung Hechtsheim herrjchte die Hamjterplage 1904 auch in den Gemar- ungen Bodenheim, Yaubenheim u.a. Auf der Bürgermeifterei in Hechtsheim wurden im Zaufe des Jahres im ganzen 13408 alte und 7052 junge Hamfter eingeliefert”, für die zujam- men etwa 1800 Mark bezahlt wurden. Solche Mafregeln führen dann aber auch fait zur Ausrottung des Tiered. Bei einem Befuche, den Schufter um Weihnachten 1904 in den hein- gejuchten Gemeinden machte, überzeugte er jich, dat „lebende Tiere faum zu erhalten jeien”. „Beim Hamifterfang” („Kosmos“, 1909) hat Dtto Langenhan-Gotha jehr hübjche Beobachtungen gemacht. „Die Jagd auf diefen Nager wird mit wahrer Leidenjchaft von vielen Perjonen, vor allem auch von der Jugend ausgeübt... Ein jcharfes Grabjcheit, ein ftarfer Eifendraht und ein Sad bilden die Ausrüftung de3 Hamiterjägers.” Auf dem Erdhaufen vor dem Bau „jehen wir abgebifjene Ihren liegen, aus denen die Körner heraus- gejchält find, hier hat er ‚gedrofchen‘, d. h. die Körner von jämtlichen Hüljfen befreit, ehe er fie in den Bau brachte... Ungefähr anderthalb Spatenftiche tief führt der Gang nach unten, dann biegt er bon der Senfrechten ab... Nach einigen Spatenitichen teilt er jich... Wir graben exjt den nach linfs führenden und finden in diefem bald in einer Erweiterung des Ganges das aus Strohhalmen und Gräfern beitehende Neit..., e3 it vollitändig zerbijjen: ein Beichen, dab Junge im Bau find. Emfig graben wir weiter und jtoßen bald auf den andern 926 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Gang, der zuerjt nach rechts führte und ich jet wieder mit dem Nejtgang vereinigt... Lieder wird mit dem Drahte jondiert, da ertönt ein fernes Fauchen aus dem Gange, wir find den Jungen nahegefommen... Nach und nach befördern wir 14 ungefähr 2—3 Wochen alte Junge heraus. Dabei find wir mit Graben ziemlich bis zu dem von un3 zuerjt zu- geitopften Loche gefommen... Mit dem Drahte fahren wir Durch das veritopfte Loch; da ertönt aber auch jchon ein jtarfes Tauchen: das Weibchen Hat jich im: lebten Teile feines Baues in Sicherheit bringen wollen... Mit aufgeblähten Baden faucht e8 uns an, wittend beißt es in den hingehaltenen Draht: ein Nud mit Diefem, und hoch im Bogen fliegt e3 aus dem Bau.” Sn einem andern Bau haben wir „vie Stloafe bloßgelegt, in welcher der Hamjter feine Erfremente abjeßt... Einige Feine Fliegenarten forwie verjchiedene Käfer- arten, hauptjächlich aus der Familie der Staphylinen, von denen einige Arten, wie Quedius vexans, nur in Hamfterbauen vorkommen, wirken hier al3 Sanitätspolizei... Wir verfolgen eine andere Abzweigung des Ganges und bemerken, daß diejer Gang mit zerbiffenem Stroh und Grashalmen veritopft it": der „AUbjchluß der Vorratsfammer. Denn nachdem wir da3 Stroh entfernt haben, finden wir in einer Erweiterung des Ganges etwa 11, Kilo Gerite... Sn der trodnen, glatten Höhlung liegt das Getreide, Das der Hamfter vor dem Eintragen von allen Hüljen befreite, und das nur aus gefunden, vollwertigen Ktörnern beiteht, reinlich da wie die beite gedrofchene Frucht.” Aus einem anderen Bau „fördert der in den Gang eingeführte Draht plöglich ein Hamiterfell zutage, das zerbijjen it und nur noch einige Senochen enthält... Noch ein paar Stiche, da fliegt plößlich ein Dunfles Etwas aus dem Gange, der Spaten jchlägt Durch die Luft, und lächelnd hebt unfer Hamfterjäger einen ausgemwachje- nen Fräftigen St aus der Grube...” Der Landiwirtichaftliche Verein in Gotha zahlt für jedes Hamftermännchen und jedes Junge 5 Pf., für jedes Weibchen 25 Pf. Fangprämie und hat auf Dieje Weite im Sahre 1908 2500 Mark für Hamjtervertilgung verausgabt. Zum Vergnügen wird der Hamjter faum gehalten; man verjpricht jich eben fein Ver- gnügen von ihm. Und Doch verjichert Wilhelm Bartels („Natur und Haus“, 1909), daß er „toß jeiner ausgefprochenen Wildheit und Bösartigfeit jehr jchnell zu zähmen und leicht zu allerhand Kunftitücchen abzurichten ift.” Die Zähmung des Hamjters vollbringt Bartels auf ganz eigene Art, indem er ihn nach dem Ausgraben mit dem Spaten niederdrüct, ihm eime Strippe an das Hinterbein Fnüpft und ihn Durch einen ARud an diejer jo oft auf den Nüden wirft, als er Miene macht, auf den Fänger loszufjpringen, um diejen zu beißen. „echt lange währt es, dan jet jich der Hamjter ruhig auf das Hinterteil, als wollte er fragen, was wir denn eigentlich von ihm wollen.” Nm wird ihm vorjichtig der Spaten untergejchoben und er auf Diefe Weife nach Haufe getragen, — immer an dem Gicherheits- anfer der Strippe, Die alle Fluchtverjuche vereitelt und die Willenskraft des Hamjters ehr ichnell vollends bricht. Meiit „Üt man noch nicht zu Haufe angelangt, da ift er fchon jo weit gezähmt, daß er fich willig auf dem Arme tragen und ftreicheln läßt”. Zu Haufe wird Die Zähmung vorfichtig fortgejeßt, und „nicht lange Dauert es, Ddanır fteigt er uns auf Die Schulter, um neugierig aus dem Feniter oder auf den Tisch jehen zu können. Sebt fönnen wir auch mit der Drejfur beginnen. Das Männchenmachen‘ erlernt er amt leichtejten, wenn wir ihm einen Zederbifien, Weißbrot, Zuder ufw. in folcher Höhe vor die Naje halten, da er, um e3 zu erreichen, jich auf das Hinterteil fegen muß; nachdem diejes eine Heit- lang Durchgeführt wurde, wober natürlich immer eine bejtimmte Nedensart zu gebrauchen üt, 3.8. ‚Bud, mach’ mal fchön‘, wird der Hamfter fehon auf Die Worte Hin gehorchen. Auf ähnliche Weite find ihm noch mehrere Kunftitücde beizubringen, und der einft jo bösartige Hamfter: Gefangenleben. Zähmung. Fellnugung. Graurüdenhamfter. 327 GSejell wird bald der Liebling aller jein und uns durch jeine oft drolligen Kapriolen er- gößen; auf jeden Fall it ein Hamjter den untuhigen Eichhörnchen oder den langweiligen Meerichweinchen vorzuziehen, zumal er fojtenlos zu befommen und jehr jchön gefärbt tft." Bartels hatte einen in feinem Bejiß, der, „völlig zahın, Dabei gehorfam, alle die ihm befannten Runjtitüde auf Befehl ausführte und auf den Namen ‚Bud‘ hörte. Bud war der erklärte Liebling der ganzen Familie, er lief wohlgemut und zutraulich im ganzen Haufe umber und bettelte während der Mahlzeiten um Lederbiljen. Namentlich wenn Gäjte da waren, wurde Pud nicht müde, jich Durch ‚Männchenmachen‘ ein Stüd Zuder oder Sturchen zu exbitten. Mit Hund und Kabe jtand Bud auf fameradjchaftlihem Fuße; ja, nicht jelten benußte er das Hundehaus als Lagerjtatt: dann jchlief er jorglos neben oder auf einem deutjchen Schäferhundrüden, der jeder anderen Kreatur auf Befehl an die Gurgel jprang. Leider wurde Die Yundefreundfchaft dem Hamjter zum Berderben. Bon einer Netje brachte ich einen Schäferhund mit heim, der dem alten Freunde Buds jehr ähnlich war. Kaum hatte ich den Neuen angefoppelt und war ins Haus gegangen, da war auch Bud Herbei- geeilt, um jich den neuen Gajt anzujehen und mit ihm Freundfchaft zu jchliegen. Dieje Bertrauenzfeligfeit mußte er dann mit dem Leben büßen; denn der Hund hatte den lieben Kerl einfach gepadt und fich um die Ohren gejchleudert.“ Auch die Felle werden benubt, obgleich noch nicht in der Ausdehnung, tvie jie e3 ver- dienen; denn nach allen Erfahrungen geben fie ein ganz vortreffliches, leichtes und Dauer- haftes Belzwerf. Doch fommen („Neue Pelzwarenztg.”, 1905) einzelne Felle fait gar nicht in den Handel; fie werden vielmehr in verjchiedenen Städten Thüringens und des Yarzes, 3. B. Naumburg und Quedlinburg, alfo jozujagen an Ort und Stelle zugerichtet, zu Zuttern und Rotunden zufammengefeßt und dann nach Leipzig zum Verkauf gejchidt. ES mögen auf diefe Art jährlich mehrere Millionen Felle verarbeitet werden, die vorwiegend aus Deutjchland ftammen; denn obgleich der Hamjter, namentlich in Diteuropa, jehr verbreitet ift, hört man doch nicht, daß die Felle in den anderen Ländern gejammelt werden. zyn manchen Gegenden wird das Fleifch der Hamfter gegejjen, und es ijt auch yoirklich nicht der geringjte Grund vorhanden, gegen jolche Nahrung etwas einzuwenden; denn das Fleijch ift jedenfalls ebenjogut wie das des Eichhörnchens oder anderer Nager, deren Wildbret man mit Behagen verzehrt. „Das Blatt der Landiirtichaftsfammer der Provinz Sachjen macht darauf aufmerffam, daf der Preis für ein Schod Hamiterfelle 15 Mark beträgt, während das Fleifch des abgebalgten Hamfter3 für 5—10 Pf. verwertet wird. Welche Summen hierdurch exlöft werden fünnen, erhellt aus der Tatjache, daß auf der Feldmark der Stadt Afchersleben jährlich etwa 100000 Hamjter gefangen werden. Davon ließe jich eine Ein- nahme von 25000 Mark fir Felle und 5000 Mark für Fleifch erzielen, während zur Dedung der Kojten 5000 Mark Hinreichten.” („Die Jagd“, 1906.) Trouefjart führt im Säugetierfatalog jchon drei europäifche und eine vorderajiatiiche Unterart des Hamiters an, und e3 war ja von vornherein zu erwarten, dab ein Tier bon jo weiter Verbreitung abändert. Am interejjanteiten wird für uns der belgische Graurüden- Hamijter, Cricetus c. canescens Nhrg., vom linfen Maasufer ducch die Betrachtungen, Die jein Bejchreiber, Nehring, an ihn anfnüpfte. „Während die Oberjeite des Felles bei den mir vorliegenden deutjchen Hamftern aus den Provinzen Sachjen und Brandenburg, welche ich als typijch betrachte, eine gelblichhraune, mit vereinzelten jchwarzen Grannen untermijchte Färbung aufmweiit, zeigen zwei ausgejtopfte Hamfter aus der Gegend von Ferhe-Elins 328 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. in Belgien, die mir firzlich durch Heren Prof. Ednt. Leplae in Loudain zugegangen find, auf dem Rüden eine dunfel mausgraue Färbung... Außerdem find die belgijchen Hamiter bedeutend Heiner als gleichaltrige Eremplare aus der Provinz Sachjen“ und haben verhältnis- mäßig „große Ohren“. Nehring Iniipft daran die Vermutung: „es jcheint aljo in Belgien jich eine bejondere Varietät herausgebildet zu haben“. — Der Hamfter des Uralgebietes ift ungefehrt oben tiefer al3 der unjere, nämlich fuchligrot gefärbt, und feine tiefichtwarze Unter- jeite ft viel fchärfer abgejegt; die Ohren find Klein mit lebhaft weiß; gefäumten ande. Neh- ring nennt ihn C. c. rufescens Nhrg. („Sib.-Ber. Gef. Naturf. Freunde”, 1899). — Die dritte europätjche Unterart, Die Trouefjart zu folcher Durch die drei Namen C. c. nehringi Misch. berunterdrücdt, hat der Bejchreiber Matjchie vom Berliner Mufeum. als Art mit Den zwei Namen Cricetus nehringi Misch. in die Naturgejchichte eingeführt („Sib.-Ber. Gef. Naturf. Freunde”, 1901). Sie lebt in Rumänien, aljo im Donaugebiet, und unterjcheidet fich von unjerem Hamiter „Durch etwas dunklere Rüdenfärbung mit gelbbraunen, nicht fahlbraunen Grundton, Durch fatteres Notgelb am Kopfe und an den Halsjeiten, Durch breiten, weißen Saum am Obrrande und Durch viel zierlichere Füße; außerden find Schädelunterjchiede vor- handen.” Interejjanter aber als diefe Bejchreibung jind die allgemeineren tiergeographijchen Gefichtspunfte, Die Matjchte im Anjchluß an jeine Studien über rumänische Säugetiere aus dem unteren Donaugebiete Darlegt. „DieDonau ergießt fich in das Schwarze Meer, ein frühe- re3 Binnenmeer, nach Djten, die mitteldeutichen Flüfje eilen nach Nordweiten zum Ozean. &3 würde die allgemeine Gültigfeit Der von mir jo oft verfochtenen Anfichten in Frage Itellen, wenn die Donau-Fauna mit derjenigen des mittleren Deutjchlands übereinftimmte.” Den großen Schwarzbauchhamitern ftellt Nehring mehrere andere gegenüber, Die jogar verdienen, mit dem fyriichen Goldhamiter, C. auratus Wirh., zu einer neuen Untergattung erhoben zu werden. Nehring nannte jie Mesocricetus („Mittelhaniter”), um anzudeuten, daß jte in mancher Beziehung zmwijchen Cricetus, im engeren Sinne al3 Untergattung Der grogen Schwarzbauchhamiter genommen, und der bereit3 1867 von X. Milne-Edwards ab- getrennten Untergattung Cricetulus der Keinen, hellbäuchigen Grauhamiter vermitteln. Aus diejer Untergattung it der Kleine nordfaufafiihe Schwarzbrufthanmfter, M. nigriculus Nhrg., dadurch bejonders bemerfenswert, daß er im Gegenjaß zum gewöhnlichen Hamiter fich nicht an die Nähe der menschlichen Niederlafjungen hält; Satunin („Säugetiere d. Steppen d. nordöritl. Kaufajus”, in „Mitt. Kaufaf. Muf.“, 1901) „and ihn in der offenen, unberührten Steppe”. Durch die benachbarten Arten aus dem Nordoitfaufafus, Dagheitan, aus Tranzs- faufafien, Berjien, Stleinajien, aus Rumänien, Bulgarien vollendet fich die Untergattung zu einem gejchloffenen Ganzen, in dem ein benachbartes Glied an Das andere fich natürlich anreiht. Dis auf den Nemwtons- oder Dobrudfchahamister, M. newtoni Nhrg.! Mit dem hat e3 aber auch jeine eigene Bewandtnis. „EI erjcheint bemerkenswert”, jagt Nehring („Sib.- Der. Gef. Naturf. Freunde“, 1901), der feinem M. newtoni eine ganz bejonders beharrliche Sorjcherarbeit geiwiomet hat, „daß M. newtoni näher mit den transfaufafifchen als mit den zisfaufafischen Arten verwandt ist, und daß zwijchen der Dobrudfcha und dem Kubangebiete (alfo in Sidrußland) bisher feirt Mesocricetus nachgewiejen wurde. Dieje Umstände führen zu der Annahme, daß die Balfanhalbinfel einjt mit Sleinafien in feiter Landverbindung ge- jtanden hat..." Im DOftbulgarien, wo der Feine Schwarzbruftgamfter zuerft von Alfred Newton feitgeitellt wırrde (‚‚Proc. Zool. Soc.“, 1870), ift er alfo ein „Nelikt“, ein Über- bleibjel aus der Vorzeit, und an diefer feiner Natur braucht man um fo weniger zu zweifeln, Nehrings-, Gold-, Schwarzbruft-, Dobrudiha-, Grauhamiter. 329 alS nicht nur die Tier-, fondern auch die Pflanzenwelt Oftbulgariend Gegenftüde genug bietet. Der Schtwarzbruftgamfter ift in der fteppenartigen Niederung gefunden worden; in der Nähe von Ruftfchuf und Schumla fommt er Häufig vor, viele Belegeremplare werden, laut Klein, im Mufeum zu Sofia aufbewahrt. An anderer Stelle („Sib.-Ber. Ge. Naturf. Freunde”, 1901) jagt Nehring: Der Do- brudfchahamiter „Lebt die Steppe, welche bei Malfoci (Norddobrudjcha) eine twellige Ober- fläche hat; auf Aderland fommt er jeltener vor und ift in Dortiger Gegend bisher niemals Yandroirtichaftlich jchädlich aufgetreten”. Er „wird meijtens exit im Herbit einzeln beobachtet, wenn er die von den Feldmäufen zufammengetragenen Ührenhaufen aufjucht, aus welchen er jeinen Winterborrat zu entnehmen pflegt. Wie aus Dem beigefügten Jnhalt von zivei Backentafchen zu exrjehen ift, beiteht die Nahrung im Mat meilt aus Gräjern und Sträutern; in den erjten Tagen des Frühjahrs wurden in den Badentajchen die harten, jpiigen Samen de3 Dort unter dem Namen ‚Schuhnägel‘ vorkommenden Unkraut und Teile einer aus Sidrußland eingejchleppten Diftelart gefunden.” Das Weibchen wirft im Mat 6—14 Junge (nach Nehring erfolgt wahrjcheinlich im Sommer noch ein zweiter Wurf). „Der Bau beiteht meift aus einer flach unter der Erdoberfläche verlaufenden Röhre, welche oft bis 20 Schritt Yang ift, zuweilen aber aus zwei Röhren, von denen die eine ziemlich jenfrecht verläuft und al3 Fallrohr dient. Lebtere fcheint aber nur bei Winterquartieren vorhanden zu fein. Das Naturell des Newtonhamfters ift etwas friedfertiger als daS de3 gewöhnlichen; fobald er aber nicht mehr fliehen fann, ftellt er fich, Eappert mit den Zähnen und jpringt wütend gegen den Menjchen an.“ Zuleßt noch ein jehr interefjanter Gefichtspunft: nicht nur nach Weiten, jondern aud) nach DOften dringt die große mitteleuropäifche Hamfterform vor. „Sr Bulgarien jcheint ein ähnliches Eingreifen des C. vulgaris (cricetus) in da3 Gebiet Des Mesocricetus new- toni ftattzufinden, wie in Nordfaufajien in dasjenige des M. nigrieulus Nhrg. Unjere Sammlung (Land. Hochjchule, Berlin) erhielt im vorigen Jahre durch SF. Satunin (Tiflis) je ein Exemplar des M. nigriculus aus dem Kubangebiet und aus dem Gouverne- ment Statwropol, außerdem aber duch W. Schlüter Naturalienhandlung, Halle a. ©.) ein Cremplar de3 C. vulgaris aus Pjatigorjk in Nordfaufafier. Durch diefe Exemplare it da3 Smeinandergreifen der Gebiete von Cricetus und Mesocricetus, das jchon von Nojjt- fom und Satunin beobachtet war, von neuem bewiejen. 3 jpricht vieles dafür, daß C. vulgaris die vordringende Art ift... Bisher bilden Tirnowo in Bulgarien und Pjatigorft in Nordkaufafien, foviel mir befannt, die füblichiten Vorpoften diefer Spezies auf der Baltarı- Halbinjel und im KRaufafusgebiete.” („Sib.-Ber. Gej. Naturf. Freunde”, 1901.) In Cüd- rußland und Rumänien hat Nehring nur den Gemeinen Hamiter feititellen fönnen. Auch) bei Nuftichuf in Oftbulgarien fcheint noch der Gemeine Hamfter vorzufommen und das aus- ichlteßfiche Gebiet des Mesocricetus newtoni exit bei Schitangif und Schumla zu beginnen. Bon hier ab wird Ießtere Art wohl bis zum Bosporus und den Dardanellen verbreitet fein; fie hängt offenbar mit dem Fleinaftatifchen Mesocricetus zujammen. Nachdem von Nehring die fchon 1867 von Milne-Edwards vorgejchlagene „Aufitellung eine3 Subgenu3 Cricetulus für die Heinen, grauen, heilbäuchigen Hamjterjpezies als wohl- begründet” neu befräftigt worden ift, erjcheint fie im Supplement zu Trouejjarts Statalog als dritte Untergattung mit neun Arten, die fich von Südrußland und dem Kaufafus durch Afien bi3 nach China verbreiten. Über Leben und Wejen des Heinen Grauhamiters, 390 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Cricetulus phaeus Pall., berichtet Satunin einiges in den „Mitteilungen des Taufafiichen Mufeums” (1905, „Säugetiere des Talyjchgebietes und der Muganjteppe”). Diejer Hübjche feine Hamjter ift im ganzen faufajischen Gebiet weit verbreitet. Er varitert hier und da im der Färbung; am Schädel jedoch fonnte Satunin feine Unterjchiede zwijchen transfaufaji- ichen, füdruffischen und transfafpifchen Eremplaren finden. „Der graue Hamiter ift bei uns (in Raufajien) überall verbreitet, auch in ven Häufern zufammen mit den Mäufen, jogar in den Städten. m Freien gräbt er für jeine Größe recht ausgedehnte Baue, in Deren Tiefe er aus teodenen Gräfern fein fugelfürmiges Weit baut; in der benachbarten Stammer aber jpeichert ex wie Der gewöhnliche Hamijter Vorräte auf, Die aus Getreideförnern und Samen von Steppengräjern beitehen. Alle dieje Vorräte bringt er vom Felde in jeinen Bau in den Badentafchen heim, welche er jo volljtopft, daß er nur mit Mühe gehen fann. Trifft man ihn in diefer Zage an, fo it er leicht zu fangen. Tagsüber ijt er aber nur ausnahmsweije zu jehen, ex ift durchaus ein Nachttier. Außer Körnern frißt diejer Hamfter auch Gras, bejon- ders im Frühling, wenn das eben jich entwidelnde Grün voller Saft it. Einen Heineren Teil Diejes Grims jchleppt er auch in jeinen Bau, wahrjcheinlich, um e3 Dort ungefährdet zu verzehren; denn Feinde hat er viele.” Auch mit den fojjilen Hamjtern hat Nehring ich eingehend bejchäftigt, weil er Nejte diejer jehhaften Steppennager, die nie Wanderungen unternehmen, mit Recht al3 jtarfe Stüße feiner Theorie von einer Steppenzeit Europas anjieht, die auf die Eiszeit folgte. „Belonders interejjant ift es, Daß der gemeine Hamjter einjt weiter nach Weiten und Süd- weiten in Europa verbreitet war al3 Heutzutage. Schon die Gegend don Schaffhaufen hat heute den Hamjter nicht aufzumweijen; während der jüngeren Diluvialzeit Fam er dort vor, tie ich aus den von Dr. Nuejch am ‚Schweizersbild‘ ausgegrabenen Stnochenreiten nachweijen fonnte. Noch wichtiger ift das Vorkommen folher Nejte in Frankreich und Oberitalien, zumal dieje Funditellen weit entfernt liegen von dem heutigen Berbreitungsgebiete de3 Hamfters.” Natürlich Haben die Hamifter nicht in den zum Teil Hoch im Gebirge liegenden Felfenhöhlen gelebt, in Denen man ihre Sinochen jet findet: dieje jind vielmehr „Durch Raub- tiere und namentlich Durch Raubvögel (Eulen) in jene Höhlen transportiert worden.” Noch bezeichnender erjcheint die Tatjache, dat eine der Heinen, ziwerghaften, mäufe- ähnlichen Hamfterarten, die Heutzutage in den Steppengebieten von Sidofteuropa und Ben- tealafien haufen, ehemals in Mittel- und Wejteuropa weit verbreitet gewejen ijt. Nehring bezeichnet fie al3 Cricetulus phaeus, weil fie nach feinen Bergleichungen am beiten mit den ihm von Sarepta (an der Wolga) befannt gewordenen Exemplaren des rezenten C. phaeus itbereinftimmt, foweit ofteologijche Vergleichungen eine folche Übereinftimmung feitzuftellen erlauben. Die Neite „tammen aus der Huttonhöhle, welche zu den Somterjet- Caves (Siüdengland) gehört...” Ebenjo rechnet Nehring zu C. phaeus einen Unterkiefer, der am Noten Berge bei Saalfeld in Thüringen neben Ntejten von Alactaga saliens, Cri- cetus ericetus ufw. gefunden und ihm zur Beitimmung überjandt war. Bald darauf fan er in die Lage, den C. phaeus fossilis mit Beitinmmtheit für die Gegend von Stajchau in Ungarn fejtzuftellen, und auch von dem befannten öfterreichischen Paläontologen Woldrich werden in der Folge fofjile Zmwerghamiterreite bejchrieben aus den pleiftozänen Spalt- ausfüllungen von Zuslawig im Böhmerwalde, in den von Masfa erforjchten mährijchen Höhlen, der Certova dira und der Sipfahöhle; endlich, und zwar mafjenhaft, fand fie der mährische Forjcher Sriz-Steinik Dort in den Höhlen des Hadefertale2. Fojlile Hamfter. Löffelmaus. Mähnenratte. sl Zur Unterfamilie der Hamjterartigen gehört nach Trouejjarts Anordnung noch eine füdafrifanifche Gattung, die Joh. Andr. Wagner al3 Mystromys, Löffelmaus, aufgeitellt und als Mittelding zwischen Wüftenrennmäujen und Wafjerratten bezeichnet hat, mit leßteren im Hußeren, mit erjteren mehr im Zahnnbau übereinfommend. Wieder ein Beweis der viel- fachen engen Beziehungen, die die Nagetiere untereinander haben. „Die Geitalt ift maus- artig mit ziemlich großem Sopfe, die Ohren jind bejonders groß und breit, im Umfange ge- rumdet, auf der unteren Hälfte der Rüdjeite lang und bujchig behaart... Der Schädel ift tie der der Nennmäufe geformt, mit dem Unterjchtede, daß die Paufenfnochen Keiner, mehr denen der Feldmäuje ähnlich jind.“ DW. 8. Sclater jagt von der Weißjhmwänzigen Löffelmaus, M. albicaudatus A. Smith, daß fie auf grajigen Ebenen, aljo auf der Steppe lebt und jich dort ihre Baue gräbt; „sie ift nächtlich, aber jehr lebhaft und dreiit, namentlich bei regneriichem Wetter”. Die merkwürdige Unterfamilie der Mähnenratten (Lophiomyinae), die nur eine Gattung (Lophiomys M.-E.) mit wenigen Urten (L. imhausi M.-E. [Taf. „Nagetiere XI”, 4, bei ©. 315] aus dem Somaliland, L. aethiopieus Pirs. aus AUbejjinten und mehreren aus Bri- tiich-Dftafrifa) enthält, jchtebt fich naturgemäß hier ein. Gie unterjcheidet fich zwar von den Hamfterartigen in mancher Beziehung, hat eine entgegenjtellbare Daumenzehe, verfiimmerte Schlüffelbeine und fnöcherne Überdachung der hinteren Seitenteile de3 Schädels; nach Aydek- fer fan aber wenig Zweifel fein, daß je nur eine hochjpezialijierte Korm der Mäufjefamilie tft. Seit Milne-Edwards die erite und lange Zeit einzige Mähnenratte 1865 wijjenjchaft- lich verarbeitet hatte, hörte man nichts wieder von dem eigenartigen Nager, bis 1894 mit einem Tiertransport des bekannten Tierhändlers und verdienten Sammelreijenden Nienges aus dem Somalilande zwei Stüd lebend mitfamen. Sie fanden in dem leider mittlerweile eingegangenen Nillfchen Tiergarten zu Stuttgart bi8 zu ihrem Tode Unterkunft, weil jie iofort nach Eintreffen von dem föniglichen Naturalienfabinett dajelbft, dem altberühmten Stuttgarter Mufeum, erworben wurden. So fonnten fie von Albert Kull näher beobachtet und gejchildert werden. Sull berichtet („Zool. Garten”, 1894), „Daß es temperamentloje, icheue und ängftliche Tiere find. In einer Ede ihres Behälters, in einem Slumpen liegend, den Kopf zwischen die VBorderbeine gejtedt, eriveden jie wenig Sympathie; allein Die Sache ändert fich zu ihrem Borteil, fobald fie jich bewegen. Ein hübjch gezeichnetes, rundes Köpf- chen mit Schwarzen Perlaugen und langen Schnurrhaaren kommt zum Borjchein. Auf den Hinterbeinen nach Eichhornart fißend, wird Umfchau gehalten, mit den zierlichen jchwarzen Pfötchen das Schnäuzchen gepußt, um endlich gemächlich durch den Käfig zu trollen. Tarbe, Behaarung und Bewegung erinnern an den Dachs, die Größe ift etwa die eines JgelS; doch ift die Leibesgeftalt eher zierlich al3 plump und erjcheint uns durch die auf dem Nüden und an den Seiten etiva 5 cm lange Behaarung größer und unförmlicher. Die Füße haben nur jchwache Krallen und find mehr zum Klettern al3 zum Graben geeignet. Anden Vorder- beinen jind vier Zehen und eine deutlich entiwidelte Daumenwarze, an den Hinterbeinen fünf Zehen; die größte Zehe ift fichtlich getrennt und entgegenjtellbar. Der Kopf it kurz und jehr gewölbt, die Ohren find Hein und abgerundet, der Schwanz exjcheint bujchig und mäßig lang. Die Farbe ift ein Gemifch von Schwarz, das zum Teil ins Nötliche jchimmert, und Weiß; die einzelnen Haare des Rücens find am Grunde weiß, in der Mitte jchtwarz, an der Spite wieder weiß, was als Gejamtwirkfung eim jchönes Silbergrau hervorbringt. 392 8. Drodnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Najenrüden, Stirn, Wangen, ein Fled unter den Augen jowie die Schwanzjpige find rein weiß. Schnauze, Unterjeite des Halfes, ein Zigeljtrich über und unter dem Auge, ein langer Streifen vom Ohr bis zum Beden, ein fürzerer vom Hals über den Oberarm jowie die Füße find glänzend jchwarz. ©o fan das ganze Tierchen wirklich hübjch genannt werden; es weiß jich aber auch jehr interejfant zu machen: gereizt, fträubt e3 die langen Rüdenhaare jenfrecht in die Höhe, wodurch e3 vollfommen einem Stacheljchwein gleicht. Aufgerichtet, bilden diefe Haare einen 4 cm breiten, nach den Seiten Hin jtreng getrennten, einer Bürfte vergleichbaren Kamm; zugleich legen jie einen jtarf 2 cm breiten Streifen bloß, welcher hinter den Ohren beginnt, längs der Seiten bis zum Beden verläuft und nur mit kurzen, dicht anliegenden Haaren von gelbbrauner Farbe bededt it. Dies verleiht dem Tiere ein völlig verändertes Ausjehen und bewirkt bei jedem Uneingemeihten Höchjtes Exjtaunen.“ Kult Hat wohl recht, wenn er annimmt, daß „dieje Veränderung dem mwehrlojen Tier als Schredmittel gegen jeine Feinde dient, von welchen wohl der Diejelben jteinigen Gegenden betvohnende Karafal oder Wüftenluchs der gefährlichite jein wird“; Ktull Hat aber ficher ebenfo recht, wenn er gleich Hinzufegt, dat den Karafal und anderen Raubtieren und Raubvögeln „jedoch diefe Komödie nicht lange imponieren dürfte”. Schmidt (Menges’ Schwager), der jenen Tiertransport begleitete und „mit den Tieren und Menjchen des Somalilandes jehr vertraut ist, gab jich vergeblich) Mühe, nähere Auskunft über Benennung und Lebensweije (ver Mähnenratte) zu erhalten. Die Somalijäger jelbit kannten Feine bejondere Bezeichnung für Dieje Tiere, jondern hielten diejelben für junge Stacheljchweine. Sn ihrer Heimat it felfiges®elände ihr bevorzugter Aufenthalt, oo fie fich tagsüber in Feljenjpalten verbergen.” — Die Nahrung tft wohl, wie bei allen Nagern, vorwiegend vegetabilijch; Doch zeigt fich Die Mähnenratte in der Gefangenschaft wenig wählerisch und verzehrt mit Demjelben Gleichmut feingehadtes Fleiich, Milch, Maistörner und Grünfutter. x Die Ur- und Vorbilder der Familie, die Mäufe im engeren Sinne (Murinae), jinDd infolge ihrer Zudringlichkeit al3 Schmaroger des Menfchen in ihrem Treiben und Wefen nur zu befannt. Unter ihnen finden fich jene Arten, die jich mit dem europäifchen Kultur- menjchen über die ganze Erde verbreitet und gegenwärtig auch auf den ödejten Snjeln an= gejtedelt haben. Aber diefe anhänglichen Hausfreunde jind abjcheuliche Hausdiebe, willen jich überall einzuniften und bereiten ihrem Gaftfreunde nur Schaden und Berluft. Hieraus erklärt jich, daß alle wahren Mäufe fchlechtweg Häßliche, garjtige Tiere genannt werden, obgleich fie dies in Wahrheit durchaus nicht find, im Oegenteil vielmehr als fchmude, an= mutige, nette Gejellen bezeichnet werden müjjen. Sm allgemeinen fennzeichnen die Mäufe, die man in unferer Unterfamilie vereinigt, die jpibe, behaarte Schnauze, Die breite, gejpaltene Oberlippe, Die in fünf Reihen geordneten, langen und Starfen Schnurren, die großen, runden, tiefichwarzen Augen, die frei aus Dem Belze hervorragenden Ohren und vor allem der lange, nadte, bloß jpärlich mit fteifen Härchen befleidete, anjtatt der Behaarung mit vieredigen und verjchoben=vieredigen Schuppen bededte Schwanz. Die Borderfüße Haben vier gehen und eine Daumenwarze, die Hinterfüße find fünf- jehig. IJm Gebiß Stehen in jedem Siefer 3 Badzähne, die von vorn nach Hinten an Größe abnehmen. Fhre Kaufläche ift Höderig, jchleift jich aber mit der Zeit mehr und mehr ab, und dann entitehen quere Schmelzbänder, die in hohem Alter ebenfalls verjchtwinden können. Der Pelz beiteht aus kurzem, wolligem Grundhaar und längeren, fteifen, abgeplatteten Orannen. Hausratte und Wanderratte. 333 Schon im gewöhnlichen Zeben unterjcheidet man zwei Hauptgruppen: Ratten und Mäufe, und diefe Unterjcheidung nimmt auch die Wifjenichaft an, indem fie die Haupt- gattung Mus Z. wieder in mehrere Untergattungen teilt, von denen Epimys Tri. (Ratte) und Mus im engjten Sinne die wichtigjten find. Führt doch Trouefjart in feinem Katalog nicht weniger al3 222 Arten Natten und (mit Unterarten) 56 verjchiedene Mäufe auf. Epimys: Schwanz 210—260 Schuppentinge; Füße Diet und plump, der leßte oder fechite Sohlenballen auf dem Hinterfuße langgeftrect, bogig, nach innen Hohl; Gaumenfalten in der Mitte ungeteilt. Mus: Schwanz Höchjtens 180 Schuppentinge; Füße jchlanf und zierlich, auf der Hinteren Fußjohle nur rundliche, gedrungene Ballen; hintere Gaumenfalten in der Mitte geteilt. m ganzen find die Ratten die plumperen und häßlicheren, die Mäufe die leichteren und zierlicheren Geftalten, und die Unterfcheidungsmerfmale bedürfen immerhin einer ziemlich jorgfältigen Prüfung, haben auch nur für den Forjcher von Fach bejonderen Wert. In ihren Leben dagegen unterjcheiven jich die eigentlichen Ratten von den wahren Mäufen auffallend genug. Mit den Ratten und Mäujen in diefem Sinne ift aber der Inhalt der Unterfamilie durchaus nicht erjchöpft, ja nicht einmal der Inhalt der Hauptgattung Mus. innerhalb diejer Schließen jich noch Die gwergmäujse (Untergattung Micromys) an und zwei ausländische Untergattungen (Heliomys und Leggada). Endlich gehören zur Unterfamilie der Mäufe (Murinae), die nur in Amerika fehlt oder exit jeit dejjen Entdedfung eingejchleppt ift, auch eine ganze Reihe jelbitändiger Hauptgattungen, die jich über Afrika, mit Ausnahme von Madagaskar, über Südajten und jeine Snjelmwelt bis nach Neuguinea und Auftralien ver- breiten. Aus diejer Fülle von Formen können wir zu näherer Xebensjchilderung Hier natürlich nur eine ganz Heine Auswahl treffen, die — ebenjo natürlich — jehr zuguniten unjerer ein- heimijchen Arten ausfallen mu. Mit ziemlicher Sicherheit nahm man lange Zeit an, daß die Ratten, die gegenmärtig in Europa haufen, urfprünglich Hier nicht heimifch waren, vielmehr einwanderten. ac) allgemeinem Glauben fand jich die Hausratte zuerit in Europa und Deutjchland ein oder vor; ihr folgte Die Wanderratte. Die Wanderratte, al3 die jtärfere, vertreibt und ver- nichtet jedoch Die Verwandte und hat jich falt überall der Alleinherrfchaft bemächtigt. Dieje Alleinherrfchaft oder wenigjtens Vorherrjchaft jieht man, und die allgemeine Annahme der Einwanderung ftüßte man auf eine Angabe des alten deutjch-rufitschen Naturforjchers Ballaz, wonach im Sahre 1727 die eriten Wanderratten, aus Ajien fommend, die Wolga überjchritten und von da nach Weften in Europa jich verbreitet Haben. Dieje Einwanderungsgejchichte wurde aber von ruffiichen Naturfundigen fchon lange bezweifelt. Schon 1880 jprad) in einer Situng der zoologijchen Sektion des Petersburger Naturforjcher-Bereins Bogdanom die Vermutung aus, die Angabe von Pallas dürfte vielmehr auf die Wajjerratte (Arvicola amphibius) zu beziehen jein, nachdem Nikolffy von einer Wafjerrattenplage berichtet hatte, die er 1877 im Wolgadelta miterlebte. E3 fommt hinzu, daß weder Blanford noch ein anderer Faunift Die Wanderratte in Perjien, Indien oder Snnerajien als eingeborenes Tier fejt- zuftellen vermochte, und neuerdings (1909) Hat fchließlich Dahl in der „Naturwiljenjchaftlichen Wochenjchrift” mit Recht darauf aufmerfjam gemacht, wie wenig, genau genommen, das Pallasjche Zeugnis in diefem Falle bedeutet, weil es nicht Selbjtgejehenez, jondern Yahr- zehnte jpäter Gehörtes berichtet. Anderfeits führt Dahl aber zwei um jo bemeisfräftigere Gemwährsmänner für ein ungleich älteres Vorkommen der Wanderratte bei uns auf in Geftalt der beiden mittelalterlichen Naturgefchichtsichreiber Gesner (um 1550) und Zohniton 334 8. Ordnung: Nagetiere, Familie: Mausartige. (um 1650). Die Rattenabbildung bei Gesner ift jo gut und genau, daß man jie nach Ohren- und Schwanzlänge nicht wohl als Hausratte, jondern nur al3 Wanderratte deuten fann, und bei Sohnfton find gar auf Demfelben Bilde zwei verfchiedene Nattenfornen nebeneinander jo deutlich gekennzeichnet, auch durch helleres und Ddunkleres Zell, daß der Kundige als- bald die Überzeugung getwinnt, unfere beiden Kattenarten vor fich zu haben. Dahl gräbt auch noch eine jehr bezeichnende Stelle aus dem Tagebuch eines alten jhwäbischen Striegs- mannes, Burkhard Sticfel3, aus, der 1573 aus einem Winterlager vor Neapel von einem „Ungeziefer von Ratten, die größer denn die unjrigen, und braun“, berichtet. Das fanıı nur auf die Wanderratte gehen, und diefe müßte denn alfo um dieje Zeit mindeitens jchon bis Unteritalien gefommen fein. Sedenfalls erjcheint es Heute nicht mehr zuläfjig, die Tand- läufige Einwanderungsgefchichte Der Wanderratte noch weiter als feititehende Wahrheit zu betrachten; vielmehr muß eine gründliche und unbefangene Fritiiche Nachprüfung aller hierhergehörigen Tatfachen und Nachrichten gewünjcht werden, und dabei wäre auch ge- bührend die alte menjchliche Erfahrung zu berücjichtigen, daß gar manches oft neu und vorher nicht Dagemwejen ericheint, was nur nicht beachtet worden war, weil niemand Darauf hingetwiejen und zur Beobachtung angeregt hatte. So fünnte e3 in alten Zeiten jchon an vielen Stellen Europas und Deutjchlands auch mit der Wanderratte gegangen fein. Die Hausratte joll nach Blanford in Vorderindien heimijch jein; wenigjtens ift jte Heute noch Durch das ganze Land, ebenfo in Burma und Ceylon verbreitet, aber in abweichender, hellerer Farbe. Wenn fie aus Wien nach Europa gekommen ijt, jo muß dies jchon lange vor gejchichtlicher Zeit gejchehen fein. Wirklich fofjtle Refte find zwar nur aus dem Pleiftogän der Lombardei bejchrieben worden; aber zur Tierwelt der wejtdeutichen Pfahlbauten gehört Die Hausratte, und der englijche Baläontolog Foriyt) Major hat jie bei Pia und an anderen Dtten fejtgeitellt, der öfterreichijche Höhlenforjcher Woldrich in Böhmen jchon zur dilupialen Steppenzeit. Da fpielt aber verwirrend ein dritter Rattenname, die fogenannte Agyp- tifche oder Dachratte, Mus alexandrinus Js. Geoffr. (Taf. „Nagetiere XII”, 1), Südeuro- pas, Stleinafiens und Nordaftifas hinein, und jo mag hier gleich erwähnt werden, daß Dieje heute als gleichbedeutend mit der Hausratte erkannt, al3 helle Farbenabart von jener er- wiejen ijt. Die jorgfältigen Unterfuchungen von de ’Y8le, Poppe-Begejad und Baumgart, Die zu Diefem Ergebnis führten, eröffneten zugleich einen interejfanten Einblid in das Gebiet der Farbenänderungen im Zufammenhang mit Lebensänderungen. Die bereit jehr lange Zeit und in nördlich gemäßigten Slima eng mit dem Menfchen zufammen lebende Haus- ratte ift am ganzen Körper dunkel, fat jchwarz gefärbt; Die im Süden verbliebene und Dort mehr auch im Freien lebende Hayptiiche Ratte dagegen, wie fie 3. B. Thomas noch 1901 auf den Balearen nachgewiejen hat (‚„Proc. Zool. Soc.‘*), 1jt ebenjo gefärbt wie die oben braun- graue, unten helle Wanderratte, die in Europa erjt Fürzere Zeit der ungebetene Gaft des Menfchen it. Heute findet man aber fchon nicht allzu felten Wanderratten mit dunkler Hausrattenfarbe, Die zu Jrrtümern VBeranlaffung gegeben haben, und auch der Dunkeln Hausmaus jagt man nach, daß jte urjprünglich und in ihrer eigentlichen Heimat hell, wander- tattenähnlich, gefärbt gemwejen jet, wie e3 Heute noch ihre bei uns einheimijchen Verwandten jind, die jich nicht an den Menfchen angejchlojjen haben, jondern draußen im Freien haufen. Die dunkle Hausrattenfarbe erjcheint in Diejer Beleuchtung als die angenommene Yarbe der alteingenifteten Schmaroger im Haufe und in der Wirtfchaft des Menfchen; jie fängt auch bereits an, bei der Wanderratte aufzutreten, obwohl dieje wahrscheinlich ext feit für- zerer Zeit zum Menfchen übergegangen tft. Die Hausrattenfarbige Wanderratte wäre aljo Nagetiere XI. 1. Agyptiiche Ratte, Epimys rattus alexandrinus Js. Geoffr. !/3 nat. Gr., s. S. 334. — Douglas English - Hawley, Dartford, phot. [697 . Hausratte, Epimys rattus Z. 1/3 nät: Gr., s. S. 335. P. Kothe-Berlin phot. FE 5. Wanderratte, Epimys norwegicus ZErxl. 1/3 nat. Gr., s. S. 341. P. Kothe - Berlin phot. 4. Brandmaus, Micromys agrarius Pall. Nat. Gr., .s: S. 357: Alice Matzdorff- Berlin phot. 5. Hausmaus, Mus musculus Z. Nat. Gr., s. S. 356. — Douglas English- Hawley, Dartford, phot. 6. Waldmaus, Mus sylvaticus Z. Nat. Gr., Ss. S. 357. Douglas English- Hawley, Dartiord, phot. Ügyptiihe Ratte. Hausratte. 335 eine jogenannte Mutation im Sinne des niederländischen Pflanzenforjchers de BVries, eine plößlich aufjpringende Abänderung, die jich vererbt und jo jchlieglich zur Entftehung einer neuen Art führen, eine vorhandene in gewijjen Eigenfchaften (Hier der Farbe) vollfommen ummandeln fan. Tatfächlich darf man heute jchon von einer Zunahme der hausratten- farbigen Wanderratte fprechen, die man überhaupt exit jeit den legten Jahrzehnten Fennt, und dor unferen Augen vollzöge fich alfo mit der Wanderratte derjelbe Vorgang, der fich mit der Hausratte und exit recht mit der Hausmaus in jo weit zurücliegender Zeit bereits ab- gejpielt hat, daß ung darüber gar nichts überliefert ift. Neuerdings (1907) Hat num dv. Mehely vom Budapefter Nationalmujeum zu dem Gegen- jtande noch weiteres Material geliefert. Die Farbenänderung ins Dunkle glaubt er auf die allgemeinen Urjachen des Melanismus zurüdführen zu müjjen, wobei er „ver gefteigerten Wärme, einer ftarfen Lichtjtrahlung und der Feuchtigkeit des Standortes den größten Ein- fluß zugefteht... Zu den obigen Faktoren gejellt jich dann eine überreiche Ernährung, die — wie &. Tornier3 neuefte Erperimente erweien — jchon an und für jich zur Entwidelung melanotischer Formen führen fan. Da alle dieje Zaktoren in der freien Natur vorfommen und toir tatjächlich viele Nigrinos (dunkel gewordene Formen) fennen, die im Freien ent- ftanden find, ift e8 nicht unbedingt notwendig, anzunehmen, daß fich die Haustatte in den menschlichen Anfiedelungen aus der ägyptiichen Stammform entwidelt hat”; dv. Mehely hält e3 jogar für „viel wahricheinlicher, daß Diejelbe jchon in ihrer jegigen Form und Yür- bung nad) Europa gelangte”. Die Hausratte, Epimys rattus Z. (Mus; Taf. „Nagetiere XII“, 2), erreicht 16 cm Reibes-, 19 em Schwanz-, aljo 35 cm Gejamtlänge und ijt oberjeitS dunfel braunjchtvarz, unterjeit3 ein wenig heller graufchwarz gefärbt. Das an der Wurzel Shwarzgraue Haar zeigt grünlichen Metallihimmer. Die Fühe Haben graubraune, jeitlich etwas lichtere Färbung. An dem verhältnismäßig jchlanfen Schwanze zählt man 260-270 Schuppenringe. Weißlinge find nicht felten; ja vielleicht hat fich gerade in Form der rein weißen, totaugigen oder jchwarz- ichedigen, dunfeläugigen Ratten, Die hier und da zum Vergnügen gezüchtet und von Vogel- Händlern feilgeboten werden, die Hausratte al3 zahme Zierrafje auch da erhalten, two jie wild längft verfchtwunden ift. Stleiner al3 die Wanderratte jind dieje Zierratten, langohriger er- icheinen fie auch, die [hwarze Schedung bedeutet vielleicht ebenfalls etivas, und der englijche Faunift 3. ©. Millais behauptet gelegentlich eines Meinungsaustaufches über Albinoratten, der fich in der Sportzeitfchrift ‚The Field“ (29. 6.07) entfponnen hatte, auf das bejtimmteite, daß alle weißen Ratten, die er im legten Jahre unterjucht habe, Hausratten gemwejen jeien, ebenfo die von Ogilvie-Grant am Britifchen Mufeum gehaltenen. Daß jedoch auch die Wander- tatte Weißlinge und Scheden bildet und zu den zahmen Hierratten ihren Teil jtellt, ijt wohl ebenfalls mit Sicherheit anzunehmen. Daß der eigentümliche jcharfe Geruch, der der Haus- ratte gewöhnlich anhaftet, ihr auch fehlen kann, beweift Reefer Durch zivei Stüde feines Wejt- fälifchen Propinzialmufeums, die ihm eben wegen diefer Geruchlofigfeit zugejchidt wurden. („Sahresber. Zool. Seft.”, 1895.) — Bon einem Gelbling der Hausratte, der unterjeit3 weiß war und rote Augen hatte, berichtete Landois in der Zool. Sektion des Weftf. Prod.-VBereins 1893. Bonhote hat alfo unrecht, wenn er meint („‚Proc. Zool. Soc.“, 1910), jeine gelbe Natte, die er von einem Paar wild gefangener Haustatten aus Agypten züchtete, jet das erjte be- fannte Stüc diejer Farbe. Fhre langen Grannenhaare auf der Oberjeite, die jonft jchwarz find, waren farblos, die übrigen am Grunde grau, an der Spiße gelb. 336 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. _ Wenn man die jet jeltene Hausratte gegenüber der gewöhnlichen Wanderratte fenn- zeichnen will, jo gejchieht die am beften durch die großen, nadten, dünnhäutigen Ohren, die ungefähr von halber Kopflänge find und, nach vorn an die Kopfjeiten angebrüdt, bis zum Auge reichen, und den mehr als Förperlangen, dünnen Schwanz, der durch beide Eigen- ichaften, Länge und Dünne, bei näherer Betrachtung jofort auffältt. Das Merkmal der bedeutend geringeren, um ein Drittel Hinter der der Wamderratte zurücdbleibenden Körper- größe fan natürlich nur bei gleichaltrigen Exemplaren voll zur Geltung fommen; dagegen ift der feichtere, flachere und länger geftredte Kopf im Gegenjaß zu dem derben Schädel der Wanderratte noch ein Kennzeichen am lebenden Tiere, daS jchärferem Blide nicht entgeht. Baumgart Spricht in diefem Sinne geradezu davon, daß bei der Wanderratte der „Naubtier- charafter” befonders deutlich in der jtarfen Entwidelung der Beiß- und Kaumerkzeuge aus- gebildet ift. Seine „Vergleichenden Unterjuchungen über Mus rattus und Mus decumanus und über die Urfachen der Verdrängung der Hausratte durch die Wanderratte” haben aus jeder Einzelheit de3 Leibesbaues den Beweis ergeben, daß die Hausratte verhältnismäßig schlechter ausgejtattet und für den Kampf ums Dajein gewappnet ift als Die Wanderratte. Und dasjelbe geht aus den Lebensäußerungen hervor, Die Baumgart ebenfalls an Gefangenen beider Arten genau verfolgt Hat. Beide Arten find Allesfreijer. Sndes: „Das erite mir ütberfandte Exemplar von Mus rattus fraß fein Zleijch oder Doch nur, wenn es fange gehungert Hatte. Waren aber neben der Zleifchkoft Körner, Semmel, Milch ufro. im Käfig, jo zog e3 ftets diefe vor und ließ das Fleifch unberührt. — Bei Mus decumanus fonnte ich diefe Beobachtung nicht machen.” An körperlichen Fähigkeiten ift, nad) Baumgart, nur im Springen die leichtere Hausratte der Wanderratte tiber, „während Mus decumanus eriterer im Wafjer gewaltig überlegen ift, indem fie fchneller und jicherer [htwimmt und taucht und dabei infolge ihrer größeren Körperkraft, Ausdauer und Gemwandtheit drei- bis viermal iolange im Wafjer aushält al3 Mus rattus”. Ebenjo fam fie nach völliger Erfchöpfung „weit früher zu fich und begann früher wieder zu atmen als die Haustatte... Mithin ift auch in der Lebensenergie und Zähigfeit die Wanderratte der Hausratte Überlegen“. Baumgarts „Verfuche Haben ferner ergeben, daß Mus decumanus viel fampfluftiger ift als Mus rattus, und daß bei iht der aagrefjive Charakter beim Kampfe jtarf in den Vordergrund fritt, während Mus rattus ich meift nur auf die Defenfive bejchränft; dazu fommt, daß die erjteren ich beim Kampfe gegenfeitig unterftügen; jie greifen den Feind ftetS zu mehreren gemeinjam an. Die Hausratte dagegen ift wenig zum Kampfe geneigt ... und wird durch die feigen Art- genoffen nicht unterftügt.” Sr der Fruchtbarkeit joll nach den Angaben der Literatur Die Haus- ratte der Wanderratte nicht nachftehen; Baumgart „jedoch gelang e8 troß langer Beobad)- tung und verjchiedenster Verfuche nicht, auch nur einen Nachfommen von Mus rattus in Der Gefangenschaft zu erhalten, während fich die Wanderratte auch in der Gefangenjchaft Ieb- haft fortpflanzte... Bajtarde von beiden Rattenarten zu erzeugen, ift mir nicht gelungen.“ Albertus Magnus ift der erjte Tierfundige, der die Hausratte al3 deutjches Tier auf- führt; der Bischof von Autun verhängt Anfang des 15. Jahrhunderts den Kirchenbann über fie; in Sondershaufen feßt man ihretwegen einen Buß- und Bettag an. Bis in die erite Hälfte de3 18. Sahrhundert3 genoß fie in Europa anfcheinend die Alleinherrfchaft; von diejer Zeit an, wenn nicht Schon früher, Hat ihr die Wanderratte das Gebiet ftreitig gemacht, und ztvar mit jolchem Erfolge, daß die Hausratte fait überall hat weichen müffen. Doch ift fie zurzeit noch fo ziemlich über alle Teile der Erde verbreitet, fommt aber nur felten in gejchloffenen Majjen, Sondern faft iiberall einzeln und weit zerftreut vor. Bei und in Deutfchland ichien Hausratte: Vergleich mit Wanderratte. Gejchichte. Verbreitung. 397 jie allermeift verfchwunden zu fein; doch blieben unter anderen noch in Nordweitveutjchland (Brenn, Lüneburg) und Thüringen (bei Rudoljtadt) Fundorte der Haustatte befannt, und in neuerer Zeit haben dieje jich jogar wieder vermehrt, jeit man genauer auf das Tier achtet. Aus Bremen berichtet der Neallehrer Mefjer („Zool. Garten”, 1889): „Das... Padhaus it hier in Bremen der Ort der genaueren Beobachtung des feindjeligen Verhältnifjes zwi- ichen Haus- und Wanderratte... Wiederholt bemerfte man hier, wie die Hausratte, um den Angriffen der Wanderratte zu entgehen, an den Seilen der Winden emporfletterte. Nur bei Nahrungsmangel in den oberen Räumen fletterte jie wieder herunter, wo jie aber von der Wanderratte nicht geduldet wurde. Sr den oberen Räumen etwas hoch gelegener Pacdhäufer wird jie noch jeßt vereinzelt angetroffen, bisweilen auch in Häufern, welche in deren Nähe liegen; doch immer nur in den oberen Stocdwerfen.” Ein Schüler Mejjers ver- jicherte, „Daß in dem betreffenden Haufe in den legten beiden Jahren wohl gegen 70 Stüd, meijtens jüngere Tiere, getötet worden wären”, und berichtete weiter, „Daß dieje Ratten viel zutraulicher, gewiffermaßen jchußjuchend dem Menfjchen gegenüber jich zeigten...” Borcher- ding („Zool. Garten“, 1889) glaubt „zu der Annahme berechtigt zu fein, daß die Hausratte doch noch an mehr Stellen unjeres Nordweitens vorkommt, al3 man gewöhnlich annimmt”. Tatjächlich liefen denn auch, nachdem die Aufmerfjamfeit einmal auf das Tier gelenkt war, in der Zeitjchrift „Der Zool. Garten” eine ganze Menge Fundzeugnijje zujammen. So von FT. Römer aus Mörs, von Hartert aus Wejel am Niederrhein, aus Hamburg von Schtöth und D. Ed. Eiffe. „Sn Lüneburg herrjchte 1868 die alte Art noch vor, troßdem Die Wanderratte auch hier jchon Ende der 1830er Jahre in den Häufern an der Jlmenau auf- trat und die Hausratte immer mehr zurücdrängte; doch werden immer noch vereinzelte Stüde gefunden.” Fir Mitteldeutjchland, Thüringen, gibt Römer Funditellen an nad) FT. Negel(„Gevar. Handbuch von Thüringen“, 1894), der jich wieder auf Ü. Kirchhoff („Mittlgn. d. Gevar. Ge. f. Thüringen”, Bd. 3) ftüßt. „In Gallma auf dem Franfenwald war 1883 die Wanderratte noch unbefannt. Jr Stleinliebringen, unfern Stadtilm, wurde 1873 Die erite Wanderratte durch einen Spiß aufgebracht und von den Bewohnern angejtaunt; zehn Jahre ipäter war die Hausratte Faum noch vorhanden. Auch im fränkischen Borland des Thüringer Waldes, in Solz, weitlich von Meiningen, fannte man die Wanderratte vor 11 Jahren (1587) noch nicht, und in Sonneberg gab e3 1884 noch beide Nattenarten.” Nach Feititellungen, die der Hafjische Vogelwirt Liebe-Gera in den Jahren 1850—82 machte, hatten jich „in einem großen Walddorf des herzoglich altenburgifchen Weftfreifes, in St. Gangloff, ... beide Nattenarten in die Herrjchaft geteilt, jo daß Mus rattus mehr die Dachböden und oberen Ctagen der Häufer, die Scheunen und Gerätfchaftshäufer in den höher gelegenen Teilen des Drtes, die Wanderratte hingegen mehr die Keller und Ställe und die tiefer, dem Bach zu gelegenen Gehöfte bewohnte”. Für das Königreich Sachjen bringt der vielbelejene Marjhall in jeinen „Spaziergängen eines Naturforjcher3” nur aus den jiebziger Jahren vorigen Jahr- hunderts einige Einzelbelege. Damals „gab es in Dresden in verjchiedenen auf dem rechten Elbufer gelegenen Straßen und Gafjen noch Hausratten, ebenjo in dem eine Stunde Sehens nach Diten gelegenen Schänfhübel. Bald aber waren fie verichwunden, wenigjtens wurden jpäter in den Fallen nur noch Wanderratten gefangen. Jın Jahre 1877 kamen in der Brauerei Schloß Blanfenhain bei Crimmißjchau noch Hausratten vor; Furz darauf waren jie auch hier nicht mehr vorhanden, und es ift zweifelhaft, ob jeit jener Zeit im Königreich Sachjen noch lebende Hausratten anzutreffen find.” Dagegen erhielt aus den Oftprovinzen unjeres Vaterlandes „Der Zool. Garten” nod) Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 22 338 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. in den 1890er Jahren Nachrichten über die Hausratte; jo von Stnauthe 18% aus Schlejien (aus dem jüdlichen Teile des Zobtenberggaues, aus Schlaupig, Niederlangjeifersdorf, Silfter- wib) und aus der äußerften Oftmarf fogar von Fr. Lindner, dem jie der Rittergutsbefiger Kunert aus Wernsdorf bei Tharau, Kreis Königsberg 1. Pr., zujchiete. Anderjeits regte „Der Zool. Garten” durch alle diefe Mitteilungen auch Nachweije vom Mittel- und Ober- rhein an. Der Gymnafiallehrer Geifenheyner in Streuznacd) Hatte bis zum Jahre 1895 die Hausratte „aus dem größten Teile der Dörfer der Umgegend“” befommen, und 1898 fonnte er berichten, „daß der Kreis um Streuznach volljtändig gejchloffen tft: e3 gibt um meinen Wohnort herum jest feinen Drt mehr, aus dem ich nicht Eremplare der Hausratte mit eigenen Augen gejehen hätte”. Auch aus Linz a. Rh. erhielt er jie von Oberförjter Mels- heimer, und aus dem Eljaß berichtet der Straßburger Zoolog Döderlein („Mitt.d. Philomath. Gefellich. in Eljaß-Lothringen“, 1896; Neferat „Zool. Garten“, 1897), daß jte „in gemiljen Teilen des Landes noch häufig ist. Sie zeigt jich in Straßburg wohl ebenjooft wie die Wan- derratte, ift aber ganz auf die Gebäude bejshränft, wo fie vom Seller bis in die Dachräume, bejonders gern aber in Magazinen, und oft in nicht geringer Menge, wohnt. Auch in Dberehnheim und in Zabern fcheint jie Die Häufigere Art zu jein, Die Wanderratte ift dort ichwerer aufzutreiben. Die Hausratte verbreitet jich bis in die Hochvogefen, und die Ratten, die Förfter Waltisperger vom Hotel ‚Weißer See‘ einjandte, wo fie in Menge leben, er- twiejen fich jämtlich al3 Mus rattus.” Schließlich wurden während der eriten Jahre diejes Sahrhundert3 noch im ftädtifchen Zagerhaus zu Frankfurt a. M. eine ganze Anzahl Haus- tatten gefangen und dem dortigen Zoologijchen Garten übermiejen. Auch aus unjeren Nachbarländern liefen Nachweije der Hausratte ein, nachdem einmal die Aufmerfjamfeit darauf gelenkt war. So 1906 von ©. vd. Burg aus Olten im Schweizer Kanton Solothurn, der berichtet („Zool. Garten”, 1906), „daß in den jiebziger und achtziger Sahren die Haustatte längs des Schweizerischen Juras auf einige wenige ijolierte Gebäulich- feiten bejchränft, alfo jehr jelten war”, der „aber jchon von Mitte der neunziger Jahre an eine jtarfe Zunahme von Mus rattus feitgeitellt” zu haben glaubt. „Zurzeit ift jie an vielen Drten häufiger al3 die Wanderratte; oft wird in der einen Nacht ein Mus decumanus umd in der folgenden am gleichen Ort und im gleichen Eifen eine Hausratte gefangen. Biele Eren- plare der leßteren überjchreiten um ein Beträchtliches Die Marimalmaße der zoologijchen Verfe.” Diejer lebtere, im Original fettgedruckte Saß fan bedenklich machen, weil er den Ge- danfen an hausrattenfarbige Wanderratten aufdrängt. Aus dem Jahre 1892 liegen aber auch bon anderer Seite für Olten und Umgegend Nachweije der Hausratte vor („Zool. Garten”, 1892, Bezirkslehrer Kteller-Zichoffe und Apotheker Fiicher-Sigwart), und im Erjcheinungs- jahr jeiner „Wirbeltierwelt der Schweiz”, 1869, gibt Fatio jogar an, daß er „legthin” in Laujanne, Neuchätel und Bern noch die Hausratte in ihrer „weißbäuchigen alexandrinus- Form” vorgefunden habe; ja, er hielt e3 damals fin wahrscheinlich, daß jie auch noch ander- wärts in der Schweiz vorfomme, aber mit der Wanderratte zufammengemworfen werde. „Die Negerrajje (wie Yatio die Dunkle Hausrattenform nennt), jeit Jahrhunderten Schma- toger, hält jich an die menschlichen Wohnungen, Keller und Speicher. Was die typijche Nafje mit weißem Bauch anlangt”, jo glaubt Fatio an eine erneute Einwanderung zu Dda- maliger Zeit: „Neue Scharen Durcheilen unjere Fluren, wohnen bandenmweije in unjeren 2öäldern, fallen von da in die Gehöfte ein und erobern allmählich Dörfer und Städte, inden fie fich in den Häufern oft durch die Abflufröhren ausbreiten. So war e8 aud) eine Notte von 30—40 Alerandrinerratten, die mir am hellen Tage vor etwa zwei Jahren im Hausratte: Verbreitung. 399 Walde bei Genf quer über den Weg lief." — E. Hecht hat aus der Gegend von Nancy in den Sahren 1897—99 „mehr al3 10 Stüd echter Hausratten” erhalten, die er jeht wohl von dunfeln Wanderratten zu unterjcheiden verjteht, und möchte „Die zahlreichen neueren Mel- dungen über das Vorkommen der Hausratte an den verjchiedenften Orten” geradezu als einen Beweis dafür gelten lajjen, „Daß dieje Art fich augenblicklich in einer Zeit de3 Auf- jchtvunges, der Vermehrung und Ausbreitung befindet”. — „Noch 1879 fand fich die Haug- tatte in gewijjen Gegenden Englands, nach Claypole jogar in den Whitechapel-Dods in London jelbit. Morton Middleton ftellte 1878 ihre Gegenwart in Stodton-on-Tees in der Grafjchaft Durcham feit”, und noch 1909 meldete E. E. Phillips dem ,‚Field‘ eine an jeinem Wohnort Talgartd in Breconjhire (Wales) tot gefundene. „Giglioli jagt 1879 über die Haus- tatte in Stalien, jie jei auf dem Feitlande jowie auf den meiften Snjeln von Sizilien bi Elba jehr häufig, ja gerade auf den Feinen die ausjchließlich vorhandene Art. Im Mujeums- gebäude von Florenz war decumanus damals im Keller, rattus in den oberen Räumlich- feiten.” (Marjhall, „Spaziergänge eines Naturforichers.”) Ausdenm Bereiche der öfterreichijch- ungarischen Monarchie führt Mojjifovies die Agyptifche Ratte nur fir Südtirol an; dagegen ift „heute noch (1897) die Hausratte in DOfterreich-Ungarn ziemlich oft anzutreffen. Ich fenne jie jelbjt von zahlreichen YFundorten, aus Sidungarn, aus Niederöjterreich, Steier- mark; jie findet jich ferner noch in Tirol, Siebenbürgen (jelten), Galizien, Bufowina, Böhmen und Schlejten, angeblich auch in Kärnten bei Klagenfurt”. Anderjeits fehlte jie jchon 1861 in manchen ausgedehnten Strichen Ungarns durchaus; jo nach Seitteles in der Um- gebung von Kajchau. — Aus Rußland betätigt Greve aus eigener Erinnerung und Erfahrung („gool. Garten“, 1895) Satunin, der in jeiner Arbeit über die Wirbeltiere des Moskauer Goupdernements angibt, daß die Hausratte „jeit etwa 30 Jahren” dort verjchtvunden, aber „im Tulajchen (Goud.) noch jegt (1895) jtellenmweije vorhanden” ift. Er fügt die interejjante Bemerkung hinzu, daß „Das Bolf dort auch die beiden Arten wohl auseinanderhält, ja für jede einen bejonderen Namen hat. Die Haustatte wird ‚tschornaja kryssa‘, jchrwarze Ratte, genannt, während für die Wanderratte die Bezeichnung ‚passjuk* üblich ift.“ Aus den Staufajusländern berichten Nadde und Satunin, leßterer, daß die Hausratte „an einigen Stellen Transfaufajtens noch zahlreich, z.B. im Dorfe Muchran, Goudernement Tiflis”, vorkommt, erjterer, daß in Tiflis jelbit „beide Nattenarten noch (1899) im Sanıpfe” liegen, die Hausratte jedoch „nicht jo gemein als die Wanderratte” ift. — Bon der Einjchleppung, früheren Verbreitung und jpäteren Verdrängung der Hausratte in den überjeeijchen Län- dern gibt wieder der vielbelejene Marjhall in jeinen „Spaztergängen eines Naturforjchers” einige Proben. „Bon europäijchen Häfen aus wurde fie bereit3 im 16. Jahrhundert in überjeeijche Stolonien zu Schiff verichleppt. So zeigte fie jich jchon 1540 in Südamerika, nahm, bejonders auf den wejtindijchen Injeln, ganz außerordentlich überhand und erwies Jich al3 ein namentlich dem Zucerrohr Höchft jchädliches Tier. So tat fie Diejem allein auf Barbados jährlich für durchichnittlich 100000 Mark nach jegigem Gelde Schaden... Die Hausratte war unter anderem fchon im 16. Jahrhundert auf Jale de Bourbon (Neunion) ein- getwwandert und hatte jich hier jo vermehrt, daß fich die Koloniften gelegentlich zum Teil ge- nötigt jahen, Die nel zu verlafjen. Da erjchten gegen Ende des vorigen (18.) Jahrhunderts die Wanderratte und drängte jene in das innere, to fie 1859 im Gebirge noch jehr zahlreich war... Sn der Neuen Welt jpielte jich zwifchen den beiden beim Menschen jchmarogenden Nattenarten das nämliche Drama wie in der Alten ab. Am jüdmeitlichen Teil des Staates Ohio gab e3 1840 nur die Hausratte, zehn Jahre jpäter ausschließlich die Wanderratte, und 22* 340 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. einige Jahre Darauf wiederholte jich Die Sache im Staate Jllinois. — Sn mehreren Gegenden der Djtindiichen Archipels, z.B. im Norden und Süden der Snjel Celebes, war Ende der fiebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts Mus rattus jchon völlig verichwunden, ebenjo in der Gegend von Lyttleton auf Keujeeland und aus den Dajen der algeriichen Sahara; Dafür par decumanus eingezogen.“ Sn Borderindien hat die Hausratte heute noch Ineilore Verbreitung und größere Be- deutung, um jo größere, als fie zu den Überträgern der fürchterlichen Reit gehört, die fait unausgejegt im Lande wütet. Die eigentlichen „PBeitratten” gehören ziwar zu einer ein- geborenen Gattung (Nesocia); aber nächjt diejer ijt wohl die Hausratte am meijten beteiligt. Dieje Meinung äußerte wenigitens der Sanitätsfommifjar der indiichen Negterung bei einer Beiprechung der Nolle, welche die Flöhe der Natten bei der Verbreitung der Peit jpielen, indem er der Vermutung Raum gab, die verhältnismäßige Milde der neuejten Epidemien in Salfutta, verglichen mit denen in Bombay, Poona und anderen Städten Dberindiens, fünne darauf zurücdzuführen fein, daß in Ddiejen leßteren die Haustatte vor- herrjchte, in Kalkutta aber die Wanderratte, die vermöge ihrer etivas abweichenden Lebens- gewohnheiten mit dem Menfchen in weniger enge Berührung fomme. Der gewöhnliche Aufenthaltsort der Hausratte in talkutta jind das Dachitroh, die un- Dichten Stellen des Daches, Die Dachziegel, hohle Dielen und ähnliche Schlupfwinfel. Zum Unglüd für fie gewährt ihr aber Die Bauart der Durchjchnittshäufer Kalfuttas jolche Wohn- jtätten nicht, weil die Dächer flach und aus Mauerwerk auf Balfen gebaut find, heutzutage allgemein aus Eifen, und das mag die Erklärung fein, daß jie Dort verhältnismäßig jelten ift, nur 14 Prozent der gefamten Nattenmenge in Salfutta ausmacht. Anderjeits gibt es aber noch große Stadtteile mit ziegelgedecten Hütten; von dort wurden Hojjad Hausratten aus den oberen Räumen gebracht, namentlich aber aus den Küchen. Jm goologischen Garten Kalfuttas leben jie vielfach) auf den Palmen. Direktor Sanyal ließ dort einmal einige aus den Keitern nehmen und züchtete jie in einer ausgemauerten Grube weiter: da verloren jte binnen weniger Generationen ihre hellvötliche Farbe und wurden dunkelbraun. Ergänzend berichtet Gourlad) in Den „Records of the Indian Museum“ über die Ratten bon Dacca im öftlichen Bengalen (Brahmaputragebiet), daß bei einer Zählung im April 1907: 59 Prozent Hausratten und 41 eingeborene (Nesocia) waren, andere Arten aber über- haupt nicht vorfamen. Yußer E. rattus alexandrinus verzeichnet Trouejjart noch drei weitere Abarten der Hausratte: E. r. caledonicus Wagn. von Neufaledonien, E. r. novae-zelandiae Bull. von Keujeeland und E. r. jacobiae Wtrh. von den Galapagos. Diejes Vorkommen auf mweit- entlegenen Gipinjeln legt jchon den Schluß nahe, daß man es hier mit Abfümmlingen eingejchleppter Haustatten zu tun hat, die jeit dem Entdedungszeitalter durch ihre inju- lare Abgejchloffenheit und noch mehr wohl Durch die veränderten Lebensumftände fich zu beitimmten, von der Stammform deutlich untericheidbaren Najjen herausgebildet haben. Eine vierte Abart, die Minasratte aus Südbrafilien (Provinz Minas Geraes), wurde jeinerzeit bon dem dänischen Shitematifer Lund als jelbjtändige Art (M. setosus = borftige Natte) aufgeitellt, weil fie von allen Mausnagern des Landes (Gattung Hesperomys und Verwandte) jich Durch die langen, über den Wollpelz vorragenden Grannenhaare unter- Ihied. Lund liefert aber jelbjt gleich die Hintweife, daß auch fie nur eine abgeänderte Haus- tatte it. Denn einmal war dieje Ratte nach) den Ausfagen der Einwohner ext jeit 25— 30 Jahren vor jeiner Forfchungsreife im Lande befannt, d. H. jeit Anfang des 19. Jahrhunderts, Hausratte und Abarten. Wanderratte. S4l und ferner berichtet er, laut Schreber-Wagner, „daß er bei feinen Unterfuchungen der Haufen Keiner Knochen, die man oft auf dem Boden der Höhlen antrifft, die Sinochen von diefer Art nur in den oberen Teilen und in frischem Zujtande wahrnahm, niemals aber unter den übrigen Knochen, die unterhalb beifammenliegen und deren Einlagerungszeit öfters auf Jahrhunderte zurüdgehen mag”. Auch Wagner möchte jchon „nach den wenigen Angaben, die Lund von der Bejchaffenheit diejer Ratte mitteilt”, „mit einiger Wahrjcheinlich- feit auf die Dachratte (M. alexandrinus bzw. rattus) mutmaßen“. So jehen wir aljo hier die direkten Nachfommen einer genau befannten Tierform innerhalb genau befannter, gar nicht jehr langer geichichtlicher Zeit unter veränderten Lebensumftänden veränderte Merk- male annehmen, die jich aber nach einem Vierteljahrhundert jchon bejtinimt vererben und Dadurch aus der alten eine neue Tierform machen, der die wiljenjchaftliche Syjtematif Durch eine Namengebung gerecht werden muß. Nach dem Gewicht der bis jegt vorhandenen Unter- icheidungsmerfnale ijt dies durch Aufitellung als Abart gejchehen. Die Wanderratte, EpimysnorwegicusErzl. (Musdecumanus; Taf. Nagetiere XII, 3, bei ©. 334), ift um ein Beträchtliches größer als die Hausratte, nämlich einjchließlich des 18 cm mejjenden Schwanzes 42 cm lang, und ihre Färbung auf der Ober- und Unterjeite des Reibes verjchieden. Der Oberteil des Körpers und Schwanzes tft bräunlichgrau, die Unter- jeite fcharf abgejeßt graumeiß, die Mittellinie des Rüdens gewöhnlich etwas dunfler als die Seite des Xeibes, die mehr ing Gelblichgraue jpielt. Der Haargrund it oben braungrau, unten fichter, meift blaßgrau. Der Schwanz hat etwa 210 Schuppentinge. Schwärzlinge, Weih- (inge mit roten Augen, Falbe und Scheden fommen vor. Lebtere jind enttveder jchiwarz- weiß oder graumeiß, und faft immer find bei ihnen Kopf, Hals, Schultern und Vorderbeine nebjt einem breiteren oder fchmäleren Nüdenftreifen jchwarz oder grau, die übrigen Teile weiß gefärbt. — Bon den Farbenabänderungen haben die Schwärzlinge, wie oben bereits dargetan, das meifte AInterefje, weil fie als ein Gegenjtüc erjcheinen zu den beiden Formen der Haustatte (E. rattus und E. r. alexandrinus), um jo mehr, als eine Zunahme diejer Wanderrattenjchwärzlinge in unjerer Zeit unverfennbar ift. Pocod, der Leiter Des Londoner 300, hat aus einer Boliere dort 15 Stück auf einmal ausgraben jehen, und gewiß behält er in vielen Fällen recht, wenn er auch die weißen und jchedigen Ratten als Wanderratten anjpricht. Bon E. ©. Codburn aus Chefterfield erhielt er aber auch einen wild gefangenen Gelbling von der Wanderratte, wie er nie zubor einen gejehen hatte. „Er ift von blak jandjahler Farbe, Bauch, Schwanz und Füße weiß, Augen dunfel rojentot... Codburn teilte mit, daß ähnliche Stüde in den legten zwei Jahren auf feiner Bejibung gejfehen worden jeien; jie ichienen fich jogar allmählich auszubreiten.” Ganz nadte, haarloje Ratten jind neuerdings jowohl im Berliner al im Londoner Garten beobachtet worden; Vocod zeigte im Juni 1904 der Londoner Zoologiichen Gejellichaft mehrere Exemplare lebend vor und nüpfte daran die zutreffende Bemerkung, daß die Haarlofigfeit offenbar immer mit jtarter Yaut- runzelung verbunden ift. Ferner ließen die vorgezeigten Stücde annehmen, daß jich auch eine gewijje Augenjchwäche hinzugejell. Von jolcher machte jich bei dem im Berliner Garten 1908 gefangenen und längere Zeit gefangen gehaltenen Gremplar nichts bemerkbar. Züchtung mit einer weißen Natte ergab feine Vererbung der Haarlojigteit, jondern Die Jungen waren ganz gewöhnlich behaart und gefärbt. Ein Berliner Hautarzt unterfuchte die haarlofe Natte nach ihrem Tode und famı zu dem Ergebnis, dab die Haarlojigfeit durch nachträgliche Verödung der Haarbälge entftanden, alfo nicht angeboten gemejen jei. 342 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. An Pallas’ bisher überall gläubig Hingenommener Behauptung bon der jpäten und plögfichen Einwanderung der Wanderratte durch mafjenhaftes liberjchreiten der Wolga im Jahre 1727 find nach den oben bereit angeführten Gegenzeugniljen heute Biweifel nicht nur erlaubt, fondern vermöge jener gewichtigen Belege jogar geboten, zumal das Tier noch im vorigen Jahrhundert das nächjtgelegene Vorderajien allem Anjchein nach nicht bewohnte. \yn Turfmenien war die Wanderratte, laut U. Walter, nicht heimisch, und in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts fehlte fie noch in Asfabad und Merw, wohin jie nun wohl längjt die ruffiiche Bahn verjchleppt haben wird. Anderjeits liegen auch Zeugnijje vor, daß fie noch gegentwärtig zumeilen in Scharen von einem Orte zum andern zieht. „Mein Schwager”, ichreibt mir Helms, „traf einmal an einem frühen Herbitmorgen im Bördenjchen einen jolchen wandernden Zug, den er auf mehrere taujend Stück jchägen mußte.” Auch der Wanderratte, wie „vielen Arten von Nagetieren, jißt ein wunderbarer Wandertrieb im Leibe”, jagt daher Marjhall in feinen „Spaztergängen eines Naturforichers”. „So überfiel 1846 eine große Schar die Injel Yard im Kleinen Belt, die fie nur jchwimmend erreichen fonnte, und tat hier großen Schaden. Jm Jahre 1843 oder 1844 jtiegen jie im ehemaligen Königreiche Novara (nordital. Provinz Piemont) in Mengen vom Gebirge von Amascons in die fruchtbare Ebene und brandichaßten die Umgegend von Alova und der Hauptitadt Kovara jelbit... m Jahre 1884 ging eine Notiz durch die Tagesblätter von einer groß- artigen Rattenwanderung, die in Weitfalen jtattgefunden hatte. Die ‚Wejtfäliiche PBojt‘ berichtete damal3 aus Redlinghaufen: ‚Ein nad) Taujenden zählender Zug Wanderratten pajlierte am 16. Dezember unjeren Ort. Wie wir hören, famen jie an Stoesfeld vorbei über die Dörfer Latte, Wehlde, Börnfte. Sie Duchjichtwammen die Steyer und bei Flasheim die Lippe, worauf jie nach Nedlinghaujen wanderten. Bon da ging’ über Herten, worauf jie jich bei Grünberg in die Emjcher warfen. Bon Zerjtörungen hörte man nicht viel.‘ VBenn die Wanderratte von Epimys humiliatus A. M.-E. abjtammt — und Oldfield Thomas hält es für „jehr wohl möglich, daß dieje Die urjprüngliche Wildform Ddiejer Aller- weltspejt“ Daritellt —, jo müjjen wir ihre Urheimat nac) Nordchina verlegen, nach) Nordweit- Yofien (,Proc. Zool. Soc.“, 1898). Das Klima des Gebirges von Nordweit-zotien, auf den englijchen Starten Boheagebirge genannt, ift falt und feucht. Dicht bei Kuatun find die ganzen Berahänge noch mit jungfräulichem Urwald bedecdt. Sn jolhem unmirtlichen Yande mag wohl ein Nagergejchlecht gedeihen, das wanderluftig und allüberali dem Stampf ums Dajein vollauf gewachjen it! Wie Marjhall („Spaziergänge eines Naturforschers”) jehr jejjelnDd jchildert, ift die Wanderratte gewiß vor allem „auch, was für jie viel bequemer war und bejjer und jchneller gefördert Haben wird, auf Dem Seewege von DOftindien aus, das ichon früher von China her von ihr überzogen war, mit Schiffsgelegenheit nach Europa und vermutlich zuerjt nach England gefommen, angeblich im Jahre 1732. Wie jehr in jchalfhafter Sneonjequenz die jo überaus unjauberen Wanderratten das Wajjer und den Aufenthalt auf Schiffen lieben, ift befannt. Sie laufen nachts in den Häfen von den Schiffen entlang der Anfertaue im Gänjemarjch bis in die Nähe des Landes und durchichwimmen die legte trennende Strede, vortrefflihe Schwimmerinnen, wie jie find, mit Leichtigkeit. Cbenjo ge- langen fie umgefehrt vom Lande aufs Schiff. Sie Klettern auch, wenn fie Durjt Haben, Hoch in die Tafelage hinauf, um das Wajfer, das fich bei vorhergehendem Regen in den Falten der Segel gejammelt hatte, zu jaufen.” Im Sahre 1775 wurde die Wanderratte nach Nordamerifa verjchleppt und erlanate hier ebenfalls in fürzejter Zeit eine unglaublich große Verbreitung; doch war fie im Jahre 1825 Wanderratte: Herkunft. Berjchleppung. 343 noch nicht weit über Kingston hinaus in Oberfanada vorgedrungen, und im achten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts hatte jie den oberen Mifjouri noch nicht erreicht. Auch David E. Lank nennt jie in jeiner eingehenden Arbeit über „The brown ratin the United States“ (,,U.S.Dep. of Agr. Biol. Surv.“, Bull. No. 33) 1909 zwar „die gewöhnliche Ratte bei Häufern, Stälfen und Scheunen”, meint aber doch, daß jie mehr nur die dichtbevölferten Teile Amerifas bemwohne. Sie fommt von Panama bis Yufon und Grönland vor, mit Ausnahme der inneren Tafel- länder und vielleicht einiger Bezirke des Südens; zwijchen den Feljengebirgen und der Sierra ift fie falt ganz auf die Städte an den Bahnlinien bejchränkt. Aus Nevada, Utah, Whoming und Spaho fehlen Nachrichten von ihr. — Bon der NRattenplage in der Südjee er- zählt Dr. Diwvuzet, ehemaliger deutjcher Regierungslehrer dort („Kolonie und Heimat”, 1909): „Eine furchtbare Landplage auf den Marianen bilden die in unheimlichen Mengen hier vor- fommenden Ratten. Manche Ausjaat an Mais geht gar nicht auf, weil jie buchjtäblich von den Ratten aufgefrejjen wird. Eingeborene erzählten mir, daß fie manchmal drei= bis viermal das Feld mit Mais beitellen müjjen, bi3 die Ausjaat jo weit gediehen ijt, daß jie von den Ratten nicht mehr angegriffen wird.” Ganz bejonders läftig und jchädlich, ja geradezu verhängnispoll wurden die Ratten auf einjamen Snjeln, jo daß der allbelejene Langfavel darüber eine längere, ebenjo erjtaunliche als unerfreuliche Schilderung zujammenftellen konnte („Nattenplage auf Injeln“, „Zoot. Garten”, 1896): in mehr als einem Falle gingen die Ratten aus dem Kampfe mit dem menjchlihen Ktoloniiten als Sieger hervor! Auf der Anjelgruppe Triitan da Cunba jollen jte jich zwar mehr an die Eier und Jungen der Seevögel halten — ebenjo wie die Klaben, die zum Kampfe gegen fie eingeführt wurden. Auf Juan Fernandez aber, der Nobinjon= Snfel im Stillen Ozean bei Chile, waren jie „jo groß und ftarf geworden, daß jie in Menge Raten und Hunde angriffen und Die zu Anfang des 19. Jahrhunderts dorthin gebrachten politischen Verbrecher fich mit 6—8 Kaben umgeben mußten, um nachts wenigjtens etwas Ruhe zu haben”. Nach Blainvilles „Neifebejchreibung bejonders durch Stalien‘ (1767) jollen jogar von der griechiichen Ziegeninjel Joura auf der Gruppe der Strophaden im Konifchen Meere „vie Einwohner durch die ungeheure Anzahl Ratten vertrieben worden” fein. Damit ind aber die europätjchen Fälle nicht erledigt. „Nahe bei Frankreich liegt die SSle des Moutong, wo jich die vor ihren Feinden jicheren Natten in den legten Jahren derartig ver- mehrt hatten, daß die Schafherden die Anfel verlafjen mußten” („PBeterm. Gevgr. Mitt.”, 189). Auf Sable Jsland bei Neufchottland an der Fanadijchen Dftfüfte endlich hatten „die zahllofen Ratten und die einjt eingeführten wilden Kaninchen die vielen hügeligen Er- hebungen volfitändig mit Gängen durchzogen und fich zu Herren der Anjel aufgemworfen“. Bon den Faunijten unjerer Nachbarländer meint Fatio, daß die Schweiz die Wander- tatte Höchitmahrjcheinlich- aus Deutjchland erhalten habe: die Kantone am Nhein und am Bodenee jcheinen zuerjt von diefem jchreclichen Gafte befallen worden zu jein, durch Über- ihmwimmen des Flufjes oder durch Einfchleppung auf den Seedampfern. Bis zum Er- icheinen jeiner „Wirbeltiere der Schweiz” (1869) Hatte Fatio Belege aus Bajel, Schaffhaufen, Konjtanz und St. Gallen, jelbit gejehen hatte er die Wanderratte an der Wejtgrenze, in Zürich; aber Theobald jchrieb ihm damals, daß fie in Graubünden noch jehr jelten jei. Yatio zweifelt noch, ob jie zu jeiner Zeit jchon wirklich in Genf heimifch war; die ihm vorgezeigten Stüde waren mwenigitens alle Dachratten (E. alexandrinus). Der einzige fichere Fall, den er (bis 1869) anführen Ffann, war ein jchönes Männchen, das er nahe beim Bahnhof, totgetreten, fand. — Mojjtjopics bringt in jenem „ZTierleben der öfterreichijch- ungarischen Tiefebenen” nichts 344 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Gejchichtliches von der Wanderratte, jondern jagt nur: „Sn großer Zahl bewohnt fie auch das füdungarische Ried, jo das Wurzelwerf der an Steilufern jtehenden Bäume und Sträucher, und des Abends jieht man fie, den Fijchottern ähnlich, mit langem Sttelwajjer auf der Ober- fläche der Teiche des Nohrwaldes fchwimmen. Sie ift eine notorijche Fijchräuberin und richtet in den jogenannten ‚iichjelchen‘, wie überall, wo jie vorfommt, bedeutenden Schaden an.“ Sin der Zebensweije, in den Sitten und Gewohnheiten, im Borfommen ujw. jtimmen beide Ratten jo jehr überein, da man die eine jchildert, indem man die andere bejchreibt. Wenn man feithalten will, daß die Wanderratte mehr in den unteren Räumlichkeiten der Gebäude und namentlich in feuchten SKtellern und Gewölben, Abzugsgräben, Schleufen, Senfgruben, Fleeten und an Flußufern jich eingenijtet hat, während die Haustatte den oberen Teil des Haufes, die Kornböden, Dachfammern ujw., vorzieht, daß die Hausratte bejjer jpringt und Hettert, Die Wanderratte aber dafür die wichtige Kunft des Schwimmens und Tauchens ungleich bejjer verjteht, zugleich auch viel mehr fletjchfrejjender, räuberijcher Natur ift, wird nicht viel mehr übrigbleiben, was beiden Arten nicht gemeinjam wäre. Die eine wie die andere Art bewohnt alle nur möglichen Räumlichkeiten der menjchlichen Woh- nungen und alle nur denfbaren Orte, die Nahrung verjprechen. Vom Seller an bis zum Dachboden hinauf, vom Prunfzimmer an bis zum Abort, vom PBalaft an bis zur Hütte, überall find fie zu finden, objchon die Hausratte ihrem Namen immer noch Ehre zu machen jucht und fic) möglichjt wenig don der eigentlichen Wohnung der Menjchen entfernt. Yus- gerüftet mit allen Begabungen in leiblicher und geijtiger Hinficht, die fie zu Feinden des Menjchen machen können, hören jie nicht auf, diejen zu quälen, zu plagen, zu peinigen und ihm ohne Unterbrechung Schaden zuzufügen. Wo jte feinen Weg haben, bahnen jte jich einen; durch die jtärkiten Eichenbohlen und Durch Diele Mauern nagen und wühlen fie jic) Gänge. Sogar die Bleirohre der Wajjerleitung nagen jie Durch, um einen Ausweg oder Durchjchlupf zu gewinnen oder um zum Wafjer jelbjt zu gelangen, und verurjachen höchjt unangenehme Überfchwemmungen im Haufe. Zandois erhielt mehrfach folche Fraßitüde für das Mufeum in Münfter. Nur wenn man die Grundmauern tief einjenft in die Erde, mit fejtem Yement alle Fugen zwijchen den Steinen ausftreicht und vielleicht zur VBorjorge nocd) zwijchen dem Gemäuer eine Schicht von Glasjcherben einfügt, ift man vor ihnen ziemlich ficher. Und diejes Zerjtören der Wohnungen, diejes abjcheuliche Zernagen und Durchwühlen der Wände ijt noch das geringjte Unheil, das die Ratten anrichten. Weit größeren Schaden verurjachen jie durch die Art, wie fie jich ernähren. Fhnen ijt alles für Wienjchen Genießbare recht. Nicht zufrieden mit Diefem jchon jo reichhaltigen Spetjezettel, fallen jie aber ebenjo gierig Über andere Stoffe, zumal auch über lebende Wejen her. Die jhmusigjten Abfälle des menjchlihen Haushaltes jind ihnen unter Umständen noch immer recht; verfaulendes Yas findet an ihnen Liebhaber. Sie frejjen Leder und Horn, Körner und Baumrinde oder, bejjer gejagt, alle nur denkbaren Pflanzenftoffe, und was fie nicht frejjen fünnen, zernagen lie wenigjtens; Zuderrohr- und Staffeepflanzungen jchädigen fie manchmal in bedenflichjter Veife. Zeder größere Gutsbejiger hat erfahren, wie arg jie feinen Hoftieren nachjtellen. Sehr fetten Schweinen frejjen jie Löcher in den Leib, dicht zufammengejchichteten Gänjen die Schwimmhäute zwijchen den Zehen weg, junge Enten ziehen jie ins Wafjer und er- läufen fie dort, dem Tierhändler Hagenbed töteten fie drei junge afrifanifche Elefanten, indem jie diejen gewaltigen Tieren die Fußjohlen zernagten. „Nicht einmal vor dem Herrn der Schöpfung perfönlich”, jagt Marfhall, „macht ihre Unverjchämtheit halt: abgejehen Wanderratte: Standorte. Nahrung. Schaden. 349 davon, daß fie Leichen durch ihre Freßgier Shänden, fallen fie Feine Kinder in der Wiege und Hilfloje Kranke in ihren Betten an. m Jahre 1831 griffen fie den elfjährigen Sohn des Mitller3 zu Junfersdorf abends im Bette an, wurden zwar von den auf die Hilferufe des Sinaben mit Licht Herbeieilenden Eltern verjcheucht, Hatten aber die bodenloje Dreiftig- feit, nach deren Weggang wiederzufehren. Ein englischer Kapitän, namens Light, erzählt, wie er eines Nachts in AUden erwacht jei, weil die Beitien anfingen, ihm an den Zehen herumzufnabbern.” Im Herbit 1904 ging jogar die Mitteilung durcd) die Zeitungen, daß ein armer Teufel in Paris von den Ratten jozujagen bei lebendigem Leibe aufgefreijen tporden fei, und fie wurde Hed von dem Leiter des Parijer Afflimatijationsgartens in ihrem mwejentlichen Inhalte brieflich bejtätigt. Der unglüdliche Menjch war allerdings vollitändig betrunfen, als er zu jeiner verfallenen Hütte in der Butte aux Cailles Heimfehrte und dort im Schlafe von einer Nattenjchar überfallen wurde. Aber man fand unzweideutige Beweije, daß er von den Nagern lebendig zerfleijcht worden war und ein Kampf ftattgefunden hatte: einige Möbeljtüde waren umgejtürzt und eine Anzahl Natten zertreten. Die Ratten find übrigens durchaus nicht ftreng an den Menfjchen und jeine Nieder- laffungen gebunden. Edm. Löns erweilt jie durch eigene Beobachtungen al3 „Schädlinge der Niederjagd“. Einen 17 Köpfe jtarfen Schof junger Wildenten jah er ihnen zum Opfer falfen, fand immer die Überrefte, obwohl er zugleich binnen drei Tagen fünf ftarfe Ratten in jeinem Tellereifen fing, und in drei Fällen fonnte er eine Natte dabei erwilchen, tie jie viertelwüchjige Junghajen abwürgte. Sa, er hat jogar mitangejehen, wie jeinem „steunde im Zoologiichen Garten zu Münfter eine halbflügge Schwarzdrojjel im Moment bon einer ungeheuren Wanderratte aus der Hand gerijjen wurde und dieje, ehe man Zeit fand, dem frechen Räuber einen Fußtritt zu verjegen, jchon mit dem jchreienden Vogel in der Höhle verichwunden war“. Wenn die Ratten jich mehr als gewöhnlich an einem Orte vermehren, tjt es wahrhaftig faum zum Aushalten. Und es gibt jolche Drte, two fie in einer Menge auftreten, von der mit uns faum einen Begriff machen können. Sn Paris erichlug man während vier Wochen in einem einzigen Schlachthaufe 16000 Stüd, und in einer Abdederet in der Nähe diejer Haupt- jtadt verzehrten Ratten binnen einer einzigen Nacht 35 Pferdeleichen bis auf die Stnochen. Sobald jie merfen, dat der Menjch ihnen gegenüber ohnmächtig it, nimmt ihre Frechheit in wahrhaft erjtaunlicher Weije zu. Las Cajes erzählt, daß Napoleon auf St. Helena am 27. Juni 1816 nebjt jeinen Gefährten ohne Frühftüd bleiben mußte, weil die Ratten in der vergangenen Nacht in die Küche eingedrungen waren und alles fortgejchleppt hatten. Sie waren dort in großer Menge vorhanden, jehr böje und außerordentlich unverjchämt. Ge- wöhnlich brauchten fie nur wenige Tage, um die Mauern und Bretterwände der einfachen Wohnung des Katferz zu durchnagen. Während der Mahlzeit Napoleons famen jie in den Saal, und nach dem Ejjen wurde förmlich Krieg mit ihnen geführt. Man muhte auch darauf verzichten, Federbieh zu halten, weil die Ratten es wegfraßen; fie holten das Geflügel nachts jogar von den Bäumen herunter, auf denen es jchlief. Jr den Faktoreien an fernen Küften, wo allenthalben mit den Taufchwaren auch die Wanderratten landen, jind jie eine überaus lältige Plage und ftiften oft ernftlichen Schaden. Alle Reijenden und bejonders Sammler haben zu lagen, wie viele oft jehr jeltene und mühjam erlangte Gegenjtände dieje Duälgeiiter bernichten, und tie jehr jie durch ihre wüjten Beißereien und Hebjagden am Boden, an den Wänden und auf den Dächern die Nachtruhe jtören. „QDuajtenjtachler (Atherura afrıcana) und Schuppentiere (Manis longicaudata)”, jchreibt Pechuel-Loejche von Tichintjchoticho, 346 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. „ind uns nur einige Male lebend gebracht worden, fielen aber jogleich den Natten zum Opfer. Dieje jchlimmen Gäjte hatten jich in bedrohlicher Menge bei uns eingenijtet und fügten troß aller angewendeten Vorfichtsmaßregeln unjerer Habe und unjeren Sammlungen immer wieder Schaden zu. Wir fonnten uns ihrer nicht erwehren, weil wir, gleich Den Ein- geborenen, zu ebener Erde in Schilfbaraden wohnten und uns die Verhältnijje nicht ge- itatteten, auf Pfeilern ruhende Holzhäufer zu errichten, wie e8 in den Faktoreten üblich ift.” Auch die Seeleute find mit ihnen jehr übel daran; denn es gibt faum ein Schiff ohne Ratten, jei e8 ein jegelnder Kauffahrer, ein der Großfticheret obliegendes Fahrzeug oder der prächtigfte Schnelldampfer der Neuzeit oder ein in peinlichiter Ordnung erhaltenes Striegs- ichiff. Auf den alten Fahrzeugen find fie nicht auszurotten, und die neuen bejeben jie augenblicklich, jobald die erite Yadung eingenommen wird. Sn allen Leibesübungen find die Ratten Meifter. Sie laufen rajch und gejchidt, Hlettern vortrefflich, jogar an ziemlich glatten Wänden empor, jchwimmen meijterhaft, führen mit Sicherheit ziemlich weite Sprünge aus und graben recht leidlich, wenn auch nicht gern aus- dauernd nacheinander. Die jtärfere Wanderratte jcheint noch gejchiekter zu jein al3 die Haus- tatte, wenigjtens jchrwimmt jie bei weiten bejjer. Ihre Tauchfähigfeit ijt beinahe ebenjo groß tie die echter Wafjertiere. Die Wanderratte darf dreiit auf den Ftichfang ausgehen; denn jie ift im Wafjer behende genug, den eigentlichen Bewohnern der feuchten Tiefe nachzuftellen. Darüber wird dem „Bogtländischen Anzeiger” unterm 1. September 1909 aus Plauen glaubwürdig folgendes gejchrieben: „Ein ftattlicher Weißftjch mittlerer Größe Fam gemäch- (ich durch das stille Wafjer angejchtwommen, als eine große Waijerratte mit Blißesjchnelle taucht und den Fisch von unten her am Halfe packt. Ein mächtiges Schlagen mit dem Schwanz, und der Filch ift frei. Aber am Halje hat ihm der Biß des Nagetieres eine tiefe Wunde gejchlagen. Da jtürzen nicht weniger als drei Ratten auf den halb betäubten und auf der Seite jchwimmenden Weihfiich zu. Noch einmal rafft er jeine Kraft zufammen, ichlägt wild um fich und flieht. Doch jchon verjperren noch zwei plößlich vom Ufer her ericheinende Natten ihm den Weg. Der einen gelingt es, jich feitzubeißen, und im Nu ift der eben noch jo lebensfrohe jilbern glänzende Fijch von den jechs Näubern überfallen und — aufgezehtt. Steinwürfe vom Ufer fonnten die Raubgejellen nicht bewegen, von ihrer Beute abzulaijen. Die Vorgänge bemeijen, mwelc, gewaltige Feinde der Fiichzucht die Ratten jind.” Die Wanderratte wird vielfach geradezu „Wajjerratte” genannt, was zu Berwechjelungen mit der eigentlichen Wajjerratte, Arvicola amphibius Z., führt. Manch- mal tut jie aber auch) gerade, al ob das Waifer ihre wahre Heimat wäre. Erjchredt, flüchtet fie jich augenblidlich in einen Fluß, Teich oder Graben, und wenn e3 fein muß, jchwimmt jie in einem Zuge über die breitefte Wafjerfläche oder läuft minutenlang auf dem Grunde des Bedens dahin. Die Hausratte tut dies bloß im größten Notfalle, verjteht jedoch die Kunjt des Schwimmens ebenfalls recht gut. Unter den Sinnen der Ratten jtehen Gehör und Geruch obenan; namentlich das erjtere ift vortrefflich, aber auch das Geficht nicht jchlecht. Über ihre geiftigen Fähigkeiten brauche ich nad) dem Alngegebenen nicht mehr viel zu jagen. Eine gemilfe Schlauheit, mit der fie ich den Gefahren Der verjchiedenften Art zu entziehen und wiederum begehrte Lecferbijjen zu erbeuten wiljen, fann man ihnen wahrlich nicht abjprechen. Die Baarıng geht unter lautem Lärmen, Quiefen und Schreien vor fich; denn die Männchen fämpfen heftig um die Weibchen. Das brünftige Weibchen macht, nach Haade, allerhand jonderbare Gefichter und Bewegungen und wird unzählige Male hintereinander Wanderratte: Beweglichkeit. „Wafferratte.” Sinne. Fortpflanzung. Vermehrung. 347 von dem Männchen bejprungen. Ungefähr einen Monat nach der wirklichen Begattung, die übrigens wahrfcheinlich durchaus nicht bei jedem Sprunge eintritt, werfen die Weibchen 5—22 unge, Heine, allerliebite Tierchen, die jedermann gefallen winden, wären fie nicht Natten. „Am 1. März 1852”, berichtet Dehne, „bekam ich von einer weißen Ratte 7 Junge. Sie hatte fich in ihrem Drahtfäfige ein dichtes Net von Stroh gemacht. Die Jungen hatten die Größe der Maifäfer und jahen bluttot aus. Bei jeder Bewegung der Mutter ließen jie ein feines, durchdringendes Piepen oder Quietjchen hören. Am 8. waren fie fchon ziemlich weiß; vom 13.—16. wurden jie jehend. Am 18. abends famen jie zum eriten Male zum Vorjchein; als aber die Mutter bemerkte, daß jie beobachtet wurden, nahm fie eine nac) der andern ins Maul und jchleppte jie in das Neft. Einzelne famen jedoch twie- der aus einem andern Yoche hervor. NUllerliebjte Tierchen von der Größe der Zimergmäufe mit ungefähr 3 goll langen Schwänzen! Am 21. hatten fie jchon die Größe gewöhnlicher Hausmäuje, am 28. die der Waldmäufe. Sie jaugten noch dann und warn (ich jah jie jogar noch am 2. April jaugen), jpielten miteinander, jagten und balgten jich auf die ge- twandteite und unterhaltendjte Weije, jesten jich auch wohl zur Ubwechjelung auf den Rüden der Mutter und ließen jich von derjelben herumtragen. Sie übertrafen an PBojjterlichkeit bei weiten die weißen Hausmäufe. Am 9. April trennte ich die Mutter von ihren Jungen und jegte jie wieder zum Männchen; am 11. Mat warf jie abermals eine Anzahl Junge. Bon den am 1. März zur Welt gefommenen hatte ich jeit Anfang April ein Pärchen in einem großen Glaje mit achtzölliger Mündung abgejondert gehalten, und jchon am 11. Juni nachmittags, aljo im Alter von 103 Tagen, gebar das Weibchen jechs Junge. Troß der Weite des Glajes jchten der Mutter Doch der Raum für ihre Jungen zu eng zu jein. Sie bemühte Jich vergebens, ein weiteres Nejt zu machen, wobei fie öfters die armen Stleinen jo verjchartte, daß man nichts mehr von ihnen jah; doch fand jie dieje immer bald wieder zufammen. Gie jäugte ihre Jungen bi$ zum 23. Juni ganz gut, und jie wurden bereit3 etwas weiß; auf einmal aber waren jie alle verjchwunden: die Mutter hatte jie jämtlich geftejjen! „m Tage und nad Mitternacht Schlafen die Wanderratten; früh und abends jieht man jte in größter Tätigfeit.... Fleijch und Fett, Lieblingsgerichte für jte, entziehe ich ihnen jomie allen anderen Nagern, welche ich in der Gefangenjchaft ernähre, gänzlich, da nad jochen Speijen ihr Harn und jelbit ihre Ausdünftung jtet3 einen widrigen, Durchdringenden Geruch befommt... Sie lieben die Gejellichaft ihresgleichen. Oft machen jte jich ein gemeinz= ichaftliches Nejt und erwärmen jich gegenjeitig, indem jie darin dicht zufammenfriechen;; jtirbt aber eine von ihnen, jo machen fich die übrigen gleich iiber fie her, beißen ihr exit den Hirn- ihädel auf, freijen den Snhalt und verzehren dann nach und nac) die ganze Leiche mit Zurück lajjung der inochen und des Felle. Die Männchen muß man, wenn die Weibchen trächtig jind, jogleich abjperren; denn fie lajjen ihnen feine Ruhe und frejjen auch die Jungen am exjten.“ Bis zu welcher Unzahl die Natte jich vermehren kann, davon legt, nach Marjhall, das „berühmte Nattenneft” Paris ein erjtaunliches Zeugnis ab, namentlich wenn man aucd) in die Vergangenheit zurücjchaut. Maurice Maindron fchäßt die Zahl der Parijer Natten auf „mindejtens eine Milliarde. Jm September 1851 hielt die Zunft der Rattenfänger von Paris eine Verfammlung ab, auf der unter anderem fejtgeitellt wurde, daß jie im Jahre vorher 144361 Stüd des edlen Wildes zur Strede gebracht und deren Schwänze der Prämiterung wegen auf dem Rathaus abgeliefert Hätten.“ | „Nußerordentlich groß”, Fährt Dehne fort, „it Die Lebenszähigfeit diefer Tiere. Einft wollte ich eine ungefähr 1 Jahr alte weiße Wanderratte durch Erjäufen töten, um jie von 348 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. einem mir unheilbar fcheinenden Leiden, einer offenen, eiternden Wunde, zu befreien. Nach- dem ich jie bereits ein halbes Dußend Mal in eisfaltes Wafjer mehrere Minuten lang ge- taucht hatte, lebte fie noch und pußte jich mit ihren Brötchen, um das Wajjer aus den Augen zu entfernen. Endlich jprang jie, indem ich den Topf öffnete, in den Schnee und juchte zu entfliehen. Nun feßte ich jie in einen Käfig auf eine Unterlage von Stroh und Heu und brachte jie in die warme Stube. Sie erholte jich bald jo weit, daß man jah, das falte Bad habe ihr nicht3 gejchadet. Shre Frehluft Hatte gegen früher eher zu- al3 abgenommen. Nach einigen Tagen jeßte ich fie wieder aus der warmen Stube in ein ungeheiztes Zimmer, gab ihr aber Heu, und fie bereitete jich daraus auch alsbald ein bequemes Lager. Zu meinem Erftaunen bemerkte ich nun, daß der offene Schade von Tag zu Tag Heiner wurde; die Ent- zündung jchwand immer mehr, und nach ungefähr 14 Tagen war die Heilung vollitändig erfolgt. Hier hatte aljo offenbar das eisfalte Bad die Entzündung gehoben und dadurch) die Genejung bewerftelligt... Die unteren Nagezähne wachjen zahmen Natten oft bi3 zu einer unglaublichen Länge und find dann jchraubenförmig gewunden. Sch Habe auch gejehen, daß fie durch das Badenfell gewachjen waren und die Tiere derart am Frejjen verhinderten, daß jie elendiglich verhungern mußten.” Sn engem Gewahrjam gehaltene, qut gepflegte Ratten werden jo zahm, daß jie jich nicht bloß berühren oder von Kindern als Spielzeug verwenden, jondern auch zum Aus- und Eingehen in Haus, Hof und Garten gewöhnen lajjen, ihren Pflegern wie Hunde nach- folgen, auf den Ruf herbeifommen, furz zu Haus- oder Stubentieren im beiten Sinne werden. Sm Freileben fommt unter den Natten zumweilen eine eigentümliche Stranfheit vor. Mehrere von ihnen verfleben untereinander mit den Schwänzen und bilden dann den jo- genannten Nattenfönig. ©o viel ft ficher, dat man zumeilen eine größere Anzahl feit mit den Schwänzen verwidelter Ratten findet. Möglich, daß eine Ausjchwißung der Ratten- ichwänze ein Aufeinanderkleben derjelben zur Folge hat; man ift aber nicht imjtande, etwas Sicheres Darüber zu jagen. Ir Altenburg bewahrt man einen Nattenfönig auf, der von 27 Ratten gebildet wird; in Bonn, bei Schnepfenthal, in Frankfurt, in Erfurt und in Lindenau bei Leipzig hat man andere aufgefunden. Lebterer ist Anfang 1774 amtlich genau bejchrieben worden, und Dabei findet fich die Bejchreibung Des Arztes und des Wundarztes, Die auf Wunfc der Landjtube Die Sache genauer unterjuchten. Der betreffende Arzt teilt darüber unter anderem folgendes mit: „Am zu unterfuchen, was von der von vielen jehr fabelhaft erzählten Gejchichte Des Nattenkfönigs zu halten jei, habe ich mich am 16. Januarit nac) Lindenau begeben und dajelbit gefunden, daß in der Schenke zum Pofthorn in einem fühlen Zimmer auf einem Tijche eine Anzahl von 16 todten Ratten gelegen, Davon 15 Stüd mit den Schwänzen, gleich als ein aus vielen Enden bejtehender Strid, in einen großen Sinoten ineinander fo verwidelt, daß einige diejer Schwänze ganz in den Sinoten bis ungefähr 1—2 Zoll von dem Numpfe an verknüpft gewejen. Fhre Köpfe waren nach der Peripherie, die Schwänze nad) dem Centro, jo der aus ihnen bejtehende Sinoten ausmachte, gerichtet. Neben diefen aneinander hangenden Natten lag Die jechszehnte, die nach Borgeben des Dabeijtehenden Malers Faßhauer von einem Studiojo von der Berwidelung mit denen übrigen losgerijjen worden. „US ich vermittels eines Stüdchen Holzes den Sinoten und die an demjelben hängenden Ratten in Die Höhe heben wollte: jo bemerkte ich gar deutlich, Daß e3 mir nicht jchwer fallen würde, einige der verwicelten Schwänze auseinander zu zerren, wovon ich aber von dem Dabeijtehenden Maler mit einigem Unmillen abgehalten wurde. An der oben erwähnten Wanderratte: Lebenszähigkeit. Zahmheit. NRattenfönig. 349 jechszehnten Ratte habe ich deutlich wahrgenommen, daß ihr Schwanz, ohne die geringite Verlegung erlitten zu haben, noch an ihre befindlich, und jte aljo mit leichter Mühe von dem Knoten der übrigen losgelöft worden... Die Art und Weije, wie oft gedachte Ratten jich mit- einander fo verwidelt haben, jtelle ich mir alfo vor. Sn der wenig Tage bor der Entdedung diefer häßlichen Verfammlung eingefallenen jehr jtrengen Kälte haben dieje Tiere jich in einem Winfel zufammentottiert, um durch ihr Neben- und Übereinanderliegen fich zu er- wärmen; ohnfehlbar haben jie eine jolche Richtung genommen, daß jie die Schwänze mehr nach einer freien Gegend und die Köpfe nach einer vor Kälte mehr geichüßten Gegend zu- gewendet haben. Sollten nicht die Ercrementa der oben gejejjenen Ratten, welche nottwendig auf die Schwänze der unteren gefallen, Gelegenheit gegeben haben, daß die Schwänze haben zufammenftieren müfjen? Sit es auf diefe Art nicht möglich, daß die an den Schwänzen an= einandergefrorenen Natten, jobald jte nach ihrer Nahrung gehen wollen und mit ihren an- gefrorenen Schwänzen nicht losfommen fünnen, eine jo feite Berwidelung bemwerfitelligt Haben müfjen, daß fie auch bei bevorjtehender Lebensgefahr fich nicht mehr losreigen fünnen?” Auf eine ähnliche natürliche Erklärung deuten Einzelheiten in einer Nattenfünig- jchilderung von Lenz. In Döllftädt, einem 2 Meilen von Gotha gelegenen Dorfe, wurden im Dezember des Jahres 1822 zwei Rattenfünige zu gleicher Zeit gefangen: ein „Uchtund- stwanzigender” und ein „Bierzehnender”, die beide in demjelben ausgehöhlten Scheunen- balfen einer Förftereti jtafen. Der Bierzehnender ward lebend in die Stube des Foritaufjehers getragen, und dahin famen dann unaufhörlich Zeute, um das wunderbare Ungeheuer zu be- ichauen. Nachdem die Schauluft der Dorfbewohner befriedigt war, endete das Schaujpiel damit, daß die Drefcher ihren Gefangenen im Triumphe auf die Miftitätte trugen und ihn dort unter dem Beifall der Menge jo lange „Drajchen”, bis er jeine 14 Geiiter aufgab. Cie pacdten die Natten nun noch mit zwei Miftgabeln, jtachen feit ein und zerrten mit großer Gewalt nach zwei Seiten, biS jie drei von den übrigen losgerifjen. Die drei Schwänze zer- tijjen dabei nicht, Hatten auch Haut und Haare noch, zeigten aber die Eindrüde, welche jie von den anderen Schwänzen befommen hatten, ganz wie Riemen, welche lange mitein- ander verflochten gemwejen jtnd. Sedenfalls ftellt aber der genaue Bericht eines wifjenjchaftlich gebildeten und jachver- jtändigen Zeugen, des Gymnafialprofejjors Ahrend, wenigjtens jo viel außer Zweifel, daß ein neuerer Nattenfönig, der am 2. Februar 1880 in dem Häutelager von Erwig, dicht bei der alten Schlachthalle in Düfjedorf, von dem Fuhrunternehmer Eh. Fijcher gefunden, ohne abjichtliches Zutun eines Menjchen entitanden ift. Er ging im Jahre 1903 nach dem Tode des Bejigers Wilhelm Deders als Gefchenf in das naturhiftoriiche Kabinett des jtädtijchen Gymnafiums und Realgymnafiums über und fonnte von Ahrend genau unterjucht werden. Er beitand aus acht Hausratten, von denen eine bei der Entdedung getötet worden war; die übrigen jieben lebten, was eine ganze Reihe bei dem Funde anmwejender Perjonen bes zeugen. W. Deders brachte ihn an fich, um ihn von dem Präparator Guntermann ausjtopfen zu lajjen. „Suntermann hat die Schwänze der Tiere jorafältig von jealichem Stlebitoff ge- reinigt, jo daß nur die Verjchlingung geblieben ift... Daß bei diejer VBerwwidelung der Schwänze auch jchon der geringjte Stlebjtoff die Tiere unauflösbar verbinden mußte, wird jedem Bejchauer des Präparates jofort Kar.” — Noch neueren Datums und in einem Uni- berfitätsmujeum beglaubigt ijt ein mwejtfälifcher Nattenfönig aus dem Jahre 1907. Der Münfteraner Zoolog Neefer jchreibt darüber (Brief an Hed vom 9./6. 08): „Von Herrn Paftor Wigger in Capelle (zwifchen Münfter und Hamm) erhielt ich im Februar 1907 die 390 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Nachricht, dad in Dortiger Gegend Ende Januar ein Rattenfönig gefunden jei, der leider, ehe Wigger ihn für das Weftfäliiche Provinzialmufeum erwerben konnte, in das Zoologijche Snftitut zu Göttingen gelangte. Auf eine Anfrage meinerjeits in Göttingen nach der ‚Echt- heit‘ des Rattenfünigs jchrieb mir Herr Geheimrat Ehlers am 10./3. 07 folgendes: ‚Wie der Nattenfönig von zehn Mus rattus, der unjerer Sammlung al3 Gejchenf ütbertiejen wurde, zuftande gefommen ift, weiß ich nicht. Ar den dicht verfchlungenen Schwänzen tft eine dem Weichjelzopf zu vergleichende Bildung nicht vorhanden. Unjer Präparator hält es für aus- gejchloffen, daß die vorliegende Bildung Fünftlich gemacht fein fönne.‘” Cigentümlich bleibt e3, daß auch diejer neuejte Nattenfönig von der Hausratte gebildet ift! Unzählbar find die Mittel, die man jchon angewandt hat, um die Ratten zu vertilgen. Die gemöhnlichiten Mittel zu ihrer Vertilgung bleiben Gifte verjchiedener Art, die man an ihren Lieblingsorten aufitellt; aber ganz abgejehen davon, dab man die vergifteten Tiere auf eine greuliche Weije zu Tode martert, bleiben dieje Mittel immer gefährlich; denn die Ratten brechen gern einen Teil des Gefrejjenen wieder aus, vergiften unter Umständen Getreide oder Slartoffeln und fönnen dadurc) anderen Tieren und auch ven Menjchen gefährlich werden. Befler ift es, ihnen ein Gemifch von Malz und ungelöfchtem Kalk vorzujeßgen, das, wenn jie es gefrejfen haben, ihren Durit erregt und den Tod herbeiführt, jobald fie das zum Löjchen des Kalfes erforderliche Wajjer eingenommen haben. Die beiten Bertilger der Ratten bleiben unter allen Umftänden ihre natürlichen Feinde, vor allen Eulen, Naben, Wiejel, Haben und Binjcher, obgleich es oft vorfommt, daß Die Katen fich nicht an Ratten, zumal an Wanderratten, wagen. Dehne jah in Hamburg vor den Sleeten Hunde, Kaen und Ratten untereinander herumjpazieren, ohne daß eines Der betreffenden Tiere daran gedacht hätte, dem anderen den Krieg zu erklären, und mir jelbit jind viele Beijpiele befannt, daß die Kaben jich nicht um die Ratten befiimmern. Cs gibt aber auch Haben, die mit wahrer Leidenschaft der Nattenjagd obliegen, obgleich jte anfangs viele Mühe haben, die bifjigen Nager zu überwältigen. Cine unjerer Kaben fing bereits Natten, als jie faum den dritten Teil ihrer Größe erreicht hatte, und verfolgte jie mit jolchem Eifer, daß jie fich einftmals von einer ftarfen Natte über den ganzen Hof weg und an einer Mauer emporjchleppen lieh, ohne ihren Feind loszulafjen, bis fie ihn endlich mit einem ge- ichieten Bifje fampfunfähig machte. Übrigens ift e8 gar nicht jo notwendig, daß eine Stabe pwirklich eifrig Natten fängt; fie vertreibt dieje jchon Durch ihr Umbherjchleichen in Stall und Scheuer, Keller und Kammer. Kaum geringere Dienfte leiften Jltis und Wiejel, erjterer im Haufe, leßteres im Garten und an den hinteren Seiten der Ställe. Daß die freche Wanderratte manchmal auch undermutet ihren Meijter findet in einem Tiere, dem man das zunächit gar nicht zutraut, bemweilt nicht nur die Erzählung von Der Mutterente im Berliner Tiergarten, unter deren Schnabelhteben — und wohl auch Flügel- ichlägen — die Näuberin ihrer Dunenjungen jchließlich auf dem Najen am Ufer verendete (oder wenigjtens bewußtlos wurde), jondern auch der Bericht eines Dffiziers vom Devonjhire- Regiment an „Field“ (1907), der beim Fijchen am Walfhamfluß mit anjah, wie in einer Bucht ein Aal von 75 cm Länge unter Wajjer in drei bis vier Minuten langem Stampfe eine ausgewachjene Wanderratte übermwältigte und fein totes Opfer fehlieglich in eine Uferhöhle fchleppte. Eine ganz eigenartige, mehr fportsmäßige, fait möchte man jagen weidgerechte Art der Nattenvertilgung gibt U. v. Bismare-Antonshof bei Lifja in der „gticht. d.%.D.%.8.” befannt. Er blendet die Ratten mit der Azetylenlaterne, in deren Schein lie „entweder wie hypnotifiert fißen blieben, die Zaterne anblinzelten oder ein Stückchen Wanderratte: BVertilgung. Feinde. Peftgefahr. 35l davonliefen und wiederum in jtaunende Betrachtung verjanfen, manchmal jogar ein Männ- chen machten und jich zu pugen begannen“. Dann jchoß er jie mit dem „erprobten 6 mm- Tejching (fleine Kugelpatronen)..." Erjt recht und ausjchlieglich jportsmäßig ift die Tötung in der attenarena, dem „Ratodrom”, wie eine jolche eigenartige Anftalt vor der Borte Maillot beim Parijer Bois de Boulogne jich nennt. Hier Handelt es jich aber mehr um die Hunde, die die Ratten totbeißen, in 15 Gefunden mit 5 Stüd fertig werden müjjen; die Ratten find nur „Material”, welches von Lumpenjammlern und Stanalräumern zu 5 Sous (20 Pf.) das Stüd geliefert wird. Seht gemijchtes Publifum umdrängt die vergitterte Arena, und Die 300 Ratten, die jtets vorrätig gehalten werden, verbreiten einen unbejchreiblichen Geftanf. Sm Sampfe gegen die Wanderratte, das muß zulegt noch nachdrücklich hervorgehoben werden, entledigen wir ung nicht nur eines läftigen Plagegeiftes, jondern beugen auch einer ganz unabjehbaren Gefahr vor. Sieht doch die Wiljenjchaft Heute, wie oben bei der Haus- tatte fchon berührt, ganz allgemein in der Ratte die Überträgerin jowohl der Trichinofe, was danf umnjerer FFleiichbejchau in Deutjchland von geringer Bedeutung, als auch ganz be- jonders der orientalischen Belt, die fortwährend aus Aiten droht! Um uns diejen jchiwarzen Tod vom Leibe zu halten, ijt unfere fürjorgliche Obrigfeit Daher jtändig auf der Hut, an den Küsten wie im Inland. So berichten manchmal die Zeitungen, daß an Bord Diejes oder jenes Schiffes „peitverdächtige Ratten‘ gefunden und das Schiff daher „der Ausgajung mit dem Nattentötungsapparat unterworfen” wurde. Cbenjo richten die Bolizeipräfidenten von Berlin und Charlottenburg in gemejjenen Ziijchenräumen an alle Bewmirtichafter größerer Grumditüde, unter anderen auc) an den Berliner goologijchen Garten, eine Umfrage nach den Mitteln, die gegen die Ratten angewendet, und des Erfolges, der damit erreicht werde. E3 fann dann beruhigend geantwortet werden, daß das Ungeziefer mit dem Fort- jchreiten der Neubauten und dem PVerjchwinden pajjfender Schlupfmwinfel durch moderne und rationelle bauliche Einrichtungen in fortjchreitender Abnahme begriffen ift. Irı Däne- marf hat man es dank der verdienftlichen Agitation des Justizrats Zufchlag, der den jährlichen Nattenjchaden auf nicht weniger als 7 Millionen Stronen veranichlagt, und feiner „Liga der Nattenfeinde” im Jahre 1907 jogar zu einem Landesgejeß über die Ausrottung der Ratten gebracht, „das die Gemeinden verpflichtet, zur Vertilgung der Ratten beizutragen. Für jede eingelieferte tote Natte haben die Gemeindefaffen eine Prämie von mindeitens 8 Or (etwa 10 Pf.) zu zahlen und das tote Tier durch Berbrennung zu bejeitigen”. Wenn nur industrielle Köpfe dadurch nicht auf die Nattenzucht verfallen! Diejelbe Prämie wird übrigens dem Berjonal unferer deutjchen zoologischen Gärten jchon feit Jahrzehnten gewährt, und in deren Betriebe find die jo getvonnenen Nattenleichen ein jehr willfommenes, ja not- wendiges Futter für Raubvögel und Fleinere Raubtiere, Trichinös find die Ratten, wie zahlreiche Unterfuchungen gezeigt Haben, in einem hohen Prozentjag. So hat Heller aus 29 verjchiedenen Orten in Sachjen, Bayern, Württemberg und Ofterreich im ganzen 704 Ratten eingefammelt, von denen 8,3 Prozent trichinös waren. Bahr-Stopenhagen fand 5,12 Prozent trichinds. Der heutige Rattenvertilger, der fich viedeutig Kammerjäger nennt, arbeitet mit aller- lei geheimgehaltenen Mitteln, die fich aber meist auf das Gift der Meerzwiebel zurücführen fajjen, und fann jedenfalls den Grundjaß nicht erjchüttern, daf das bejte Mittel gegen die Ratten gute, jichere Baueinrichtungen, Ordnung und Reinlichkeit find. Wo die ungebetenen Gäjte feine jicheren Schlupfmwinfel finden, öfters geftört und bedroht werden, da verziehen fie Jich. — Der durch Anwendung in Griechenland befanntgewordene Löffleriche Mäufebazilfus 352 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. gab die Anregung, zu unterjuchen, ob e3 auch) rattentötende Bakterien gibt, denen gegen- über unjere nüglichen Haustiere angeborene Unempfindlichkeit bejigen. Im Laufe der Sahre haben dann auch verjchtedene Forjcher, wie Dany, Silatjchenfo, Wiener, Schilling, Tartafowjiy, Neumann, Dunbar und andere rattentötende Bakterien gefunden, von denen das Virus Danyf, der Sifatfchenkofche Bazillus und der Neumannjche Ratinbazillus im größeren Umfange zur praktischen Anwendung gefommen find. Dieje Mittel Hat Naebiger, der Leiter des Bakteriologiichen Injtituts der Landwirtichaftsfammer für die Provinz Sachjen, nachgeprüft und Darüber im „Sahrbuch der Deutjchen Landwirtjchaftsgejelljchaft‘ (April 1907) berichtet. Seine mit dem Slatjchenfojchen Bazillus „an weißen und grauen Natten angeitellten Fütterungsperjuche hatten zunächit ein günjtiges Ergebnis, bejonders bei weißen Ratten; nach) einer furzen Reihe von Übertragungsverfuchen jchwächte aber die Birulenz des Bazillus jo jehr ab, Daß er nicht einmal mehr die weißen Natten nach Ver- impfung in die Bauchhöhle tötete”. Über Verfuche mit dem Virus Danyk gab Naebiger in Übereinjtimmung mit anderen der Landroirtjchaftsfammer in Halle jein „Gutachten dahin ab, daß jich das Virus Dany wegen jeiner unzupverläfjigen Wirkung für die Praris nicht empfehlen fünne”. — „Mit den Natinfulturen”, heißt es an anderer Stelle, „hatte ich Ge- legenheit, mich bejonders eingehend zu bejchäftigen und größere Verjuche im Laboratorium und in der Praxis anzuitellen.” Naebiger war „beauftragt, den Ausfall der in der Praris angejtellten Verjuche unter Nütwirfung der Bertriebsitellen behufs Aufklärung von Mip- erfolgen genau zu fontrollieren. Da hat jich gezeigt, daß das Natin nach den eingegangenen Berichten im Jahre 1906 nur auf 0,65 Prozent der Stellen troß richtiger Anwendung verjagt hat. Zur Löjung der Frage, ob das Natin für unjere Haustiere unschädlich ift, find im... Baf- teriologijchen Jnititut der Landwirtichaftsfammer in Halle a. ©. zahlreiche Fütterungsper- juche an Pferden, Ktühen, Schafen, Ziegen, Schweinen, Hunden, tagen, Geflügel (bejonders Tauben und Hühnern), Kaninchen und Fiichen vorgenommen worden. Seins der Verjuchs- tiere ging zugrunde, obgleich jie viel größere Kulturmengen erhalten hatten, als von unjeren Haustieren in Wirklichkeit jemals zufällig verzehrt werden dürften. Wir verfütterten 60—120 g jejter NRatinkultur auf das Tier.” ES zeigte fich aber, „Daß gemwilje Nattenftämme eine durch) bejondere Ernährungsmweije erworbene Widerjtandsfähigfeit aufweifen. Somohl die Natin- als auch die anderen Ntattenbazillen gehören zu einer Gruppe von Bakterien (Baratyphus), welche weit verbreitet ift und nicht nur in Abfalljtätten und Schmugmwäfjern vorfommt, jon- dern auch bei gemiljen Seuchenfällen von unjeren Haustieren ausgejchieden wird. Daher beiteht die Möglichkeit der Erwerbung einer gewifjen Immunität mancher Ratten durch sreß- infeftion, wie e8 Trautmann bezeichnet.” — „Ferner erinnert er (Trautmann) daran, daß wir vielfach bei wilden, jonjt völlig gefunden Berjuchsratten eine nicht unerhebliche Milzjchwellung borfinden, welche jeht wohl al3 Überbleibjel einer früher beitandenen Snfektionsfrankheit angejehen werden fann, um jo mehr, als man jolche Befunde bei den in der Gefangenjchaft gebornen Ratten nicht fennt.” Es ift ihm auch „zufammen mit Mezinejch gelungen, den Nachweis jpezifiicher, gegen die in Frage ftehende Bakteriengruppe gerichteter Schußftoffe im Blutferum einer größeren Anzahl wilder Ratten zu führen. Dagegen gelang ihm dies nicht bei zahmen (weißen) Ratten.” Sobald die Heriteller des Natins den ihren Kulturen anhaftenden Fehler erfannt hatten, wurden jofort umfangreiche Verfuche angejtellt, um auch der erworbenen Widerjtandsfähigfeit einzelner Rattenftämme wirkffam entgegenzutreten, und das it dem „Ratinlaboratorium in Kopenhagen mitden für jolche Fälle foftenlos abgegebenen Ergänzungspräparaten Ratinin bziw. Ratin II in befriedigender Weife gelungen... Wir Wanderratte: Rattentötende Bakterien. Verfuchstier. 399 haben aljo in dem Ratin ein Mittel, das eine zuverläjjige rattentötende Wirfung ausübt, ohne für unfere Haustiere jchädlich zu fein...” Troß alledem: fo fältig und jchädlich, in gemwilfer Beziehung geradezu gefährlich die Ratte ift, ganz ohne jeden Nuben ift jie doch nicht. Gegejjen wird jie in Europa allerdings nur in Zeiten der Not, jo 1870/71 während der Belagerung von Paris; auf dem Küchenzettel der Chinefen, die überhaupt eigenartige Feinjchmeder find, joll jie aber eine jtändige Stelle einnehmen. As Pelziwerf oder Leder oder jonjtwie gewerblich wird fie nicht verwertet. Gezähmt indes find weiße und gejchedte Ratten allerliebite Stubengenojjen, die jehr zutrau- fich werden, in ihren Anforderungen jehr bejcheiden find und lange feinen jo übeln Geruch enttwideln wie Mäufe. Sogar zu öffentlichen Schauftellungen werden jolche bunte Ratten verivendet, freilich nur jozujagen als Statijten für drejjierte taken und ähnliches. Die Dabei gezeigte „Drejjur” it nur wieder ihre Zahmheit, vermöge deren jie, plößlich aus dem dunfeln Kaften genommen, herumjchnüffelnd auf dem Tifche oder Seil jißen bleiben, two der Bor- führende jie hinjeßt, vielleicht auch an jeinem Leibe umherklettern. So ahmt heute mancher Elorwon die dDämonisch-romantische Gejtalt des Nattenfängers von Hameln nach, deren alt- eingemwurzelte Volfstümlichkeit ung bemweilt, wie wichtig auch unjeren Altpordern jchon Die Nattenfrage war. So wichtig, daß Poejte und Bolksjage ich ihrer bemächtiate ! Die einzige wirkliche, in ihrem Werte aber auch gar nicht zu unterjchäßende Benusung, die die Ratte bei ung findet, it die als Verjuchstier in Der modernen Bazillenforichung und Heil- jerumfunde. Hier wetteifert je im Dienjte der Wifjenjchaft mit Kaninchen, Meerjchweinchen und Maus, und in der fogenannten Präzipitinteaftion, wie jte Uhlenhuth, Friedenthal und andere mit Blutjerum üben, zur Prüfung der Blutsperwandtichaft im wörtlichiten Sinne des Wortes, hat fie auch für die Shitematif ein Höchit beachtenswertes, um nicht zu jagen bedent- liches Ergebnis geliefert. Wie Uhlenhuth Hed mitteilt (Brief vom 3.6.08), hat er „feitgeitellt, daß fich mittel der Präzipitinreaftion Ratten- und Mäufeblut ohne weiteres unterjcheiden läßt, ja daß jich nicht einmal eine Verwandtichaftsreaftion ergibt, wie 3. B. bei Rind und Schaf”. Unter diefen Umftänden müjfen ich jtarfe Zweifel erheben an der Angabe Jvanomz, des rusfiichen Spezialforfchers auf dDiefem Gebiete, Daß es ihm gelungen jei, durch Fünitliche Befruchtung, in der er Meijter ift, Mifchlinge zwiichen Ratte und Maus zu erzielen. Mit der Verjchleppung über Die ganze Erde hat die Ratte hier und da bereits angefangen, in ganz bejtimmter Richtung abzuändern. So it fie, nach Marjhall, „auf die weitlich der Landenge von Panama gelegene, Damals wenigjtens noch menjchenleere Gruppe der Steeling- injeln bei Gelegenheit eines Schiffbruches gefommen, gemwijjermaßen verwildert und hat hier im Laufe der Zeiten eine eigene, etwas Kleinere und dunflere Nafje gebildet”. Won den Wanderratten Kalfuttas weiß Dr. Hofjad ebenfalls allerlei, aber doch lange nicht jo mweit- gehende Abänderungen zu berichten wie von den dortigen Hausratten. Am meijten machten ihn Eremplare mit zweifarbigem, unten hellerem Schtwanze ftußig; dann find auch die Haut- ichuppen unten heller, bis weiß. Die Wanderratte lebt auch in Kalkutta Hauptjächlich in den Ab- zugsfanälen, Sloafen und Ktellern, überhaupt unten in den Häufern, und nur, two die oberen Stocdwerfe aus Eifen und Stein ausgeführt find, wie jet allgemein in den modernen Häufern Kalkuttas, fängt man fie Häufig auch in den oberen Räumen, wo jie durch die weiten Regen- röhren und ähnliches Zugang findet. Aus dem Gefangenleben hebt Hojjad ihren Gleich- mut hervor im Gegenjaß zu der eingebornen Ratte (Nesocia). Jm erjten und zweiten Bezirk Ralfuttas, die zahlreiche Kornmagazine enthalten, ergaben jich bei Hojjads Auszählung nur Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 23 394 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. 26 Prozent Wanderratten, und Die eingeborene Gattung Herrjchte vor; dagegen waren aus dem dritten Bezirk, auf dem und um den ftädtischen Markt, die Hälfte Wanderratten. 63 fehlt aber auch nirgends an eingeborenen Nattenarten; überall ijt davon biel- mehr eine jolche Fülle vorhanden, daß man zur geographiichen Einteilung hat greifen mitljen, um einige Ordnung hineinzubringen. Ferner hat man'die Überficht über die ganze Mafje dadurch zu beffern gejucht, da man Sektionen und Subjeftionen aufitellte. Zur Sectio ‚„Norwegicus“ oder „„Decumanus“ in diefem Sinne, d. h. zu den engiten Verwandten der Wanderratte, gehört naturgemäß die nordchinejtfche E. humiliatus A. M.-E., die ja vielleicht die Stammform der Wanderratte ift. Auf den übrigen Inhalt der Seftion und zugleich der geographijchen Abteilung A. Mures Europae et Asiae Septentrionalis, jihirifche, chinefische, cochinchinefische, ftamefische Arten und folche von der Injel Zormoja, fünnen wir hier ebenjomwenig eingehen mie auf die füdajtatiich-malatischen Arten (B. Mures Asiae meridionalis et Malasiae). — Wus deren Gubjeftion Chrysocomus mag nur die über Vorderindien, namentlich Madras und Ceylon, verbreitete Mettadratte oder Weic)- baarige Feldratte, Epimys mettada Gray, hier genannt werden, weil Blanford ihre Furze Lebensjchtilderung nac) Elliot wiedergibt: „Die Mettadratte bewohnt nur das bebaute Feld, paarmeije oder in Kleinen Gejelljchaften von 5 oder 6, und gräbt jich da eine jehr flache, Funit- (oje Höhle unter einem Bufch oder herbergt einfach in den auf den Feldern zufammen- gemworfenen Steinhaufen, in verlajjenen Bauten der indischen Muffratte (Stof) oder begnügt Jich gar mit den tiefen Rifjen und Spalten, die während der heigen Monate in dem jchiwarzen Boden entjtehen. Große Mengen gehen jährlich zugrunde, wenn diefe Erdrijje wieder zu- jammenfallen und mit Beginn der Regenzeit fich ausfüllen. Das Fleijch wird gegejjen bon den Kulis, die Die Wafjerlöcher graben. Das Weibchen bringt 6—8 Junge auf einen Wurf. Bei Negenmangel vermehrt fich Die Mettadratte derart, daß fie eine wahre Plage wird und Die Ernte vernichtet.” Bon den Ratten Neuguineas, Australiens und Polynejiens (C. Mures Novae-Guineae, Australiae et Polynesiae) jei nur eine furze Mitteilung über das Zeben der neufeeländijchen Maoriratte, E. exulans maorium Autton, hier aufgenommen, die Marjhall nach einem anonymen Gemährsmann wiedergibt. „Sn den waldigen Teilen der Sidinjel Neufeelands erjcheinen und, wie gejagt wird, alle vier Jahre in der dortigen Frühlingszeit wandernde Natten in gewaltigen Mengen und tun jehr großen Schaden.” — „Auf dem Erdboden joll jich dieje Ratte nur Schlecht fortbewegen, aber auf Bäumen und bis an die äußerjten Spiben der gmweige ausgezeichnet Flettern; Demzufolge flüchtet jte, wenn ihr zu ebener Erde Gefahr droht, jogleich auf Diefe Zufluchtsorte. Wenn fie jich fürchtet, foll fie laut fchreien und da- durd) ihren Aufenthaltsort verraten...” Die lebte geographiiche Gruppe, die Ratten Sleinajiens und Aftifas (D. Mures Asiae Minoris et Africae), wird nicht weiter in Kleinere Seftionen uf. eingeteilt. Aus Südafrika gibt W. 2. Sclater kurze Lebensjchilderungen von folgenden Arten: Goldratte, E. auricomis Winton, aus Nyalja-, Matabele-, Majchonaland und der Kapfolonie, noch Heiner al3 die Darlingsratte, E. chrysophilus Winton, derjelben Gegenden, die der Berliner Garten 1908 lebend bejaf, d.h. etwa den dritten Teil jo grof wie die Wanderratte; oben mehr goldgelb, unten rein mweiß; fcheint nur zwifchen Fels- mwänden umd Geftein zu leben; alle Mujeumseremplare find auf „Kopjes” gefangen. Die Langjehwanzratte, E. dolichurus Smuts, jcheint dagegen ein Baumtier zu fein, Wanderratte und Berwandte, 355 macht weniagjtens ihr Neft auf Bäumen oder nimmt das eines Vogels in Befis, wie 3. B. der afrifanischen Bartpögel, ift ungefähr ebenjogtoß mie die vorigen, aber oben fahlbraun, und verbreitet fich vom Kap und Natal weit über Afrika bis zum Niger und nach Kamerun. Nach Peters fol fie ihre Jungen, angejogen an die Zigen, mit jich Herumjchleppen, wie die fild- oftafrifanische Wahlbergsratte, E. paeduleus Sund., aus Staffernland. Eine Damara- tatte, E. damarensis Winton, oben rotfahl oder tjabellfarbig, unten weiß, it von de Winton aus dem Damaraland bejchrieben, gehört aljo auch zur Deutjch-jüdweitafrifanischen Tierwelt. Die Weißnafjenratte, E. coucha A. Smith, von Südafrika bis zum Kongo und Mojambik verbreitet, ijt allem Anjcheine nach eine eingeborene afrifanijche Ratte, die jich zu- mweilen in menjchlichen Wohnungen findet, wo fie läftig werden fan; ihr Veit Hat mar jomwoh! auf Afazien- und anderen Bäumen gefunden als in Erdhöhlen; die Mufeumgeremplare find bei VBleys und Termitenhaufen oder im Haufe gefangen. Für Deutjch-Dftafrifa führt Matjchte von den vorjtehenden Arten nur E. dolichurus an, die er Baumratte nennt wegen ihrer Stletterfähigfeit. Dieje wird auch von Emin PBajcha betätigt durch die Notiz: bewohnt Baumlöcher und Flettert gut. — Bon der Weihfußratte, E. colonus Brants (Mus natalensis), die jich Durch verhältnismäßig kurzen Schwanz, jenach dem Alter verjchiedene Färbung und weiße oder gelblichweiße Füße auszeichnet, gibt Matjchte Lebensbeobachtungen von Böhm und FFiicher wieder. Böhm fand einmal ein Weibchen mit 19 Jungen. „Dieje Ratte lebt Hauptjächlich in Wohnungen und wird dort jehr lältig. Sie find infolge ihrer unaufhörlichen Beikereien oft mit Wunden bededt, und dieje entwiceln jich dann zur Regenzeit, während der auch der Heinjte Rib länger eitert, zu efelhaften Gejchwüren, jo daß die Tiere Schließlich zum Laufen unfähig werden." Nach Fiicher baut die Weiffupßratte „aus Halmen bereitete Neiter in Ufazienfträucher”. — Nad) Emin it aber Doch die gemöhnlichjte Nattenart zwijchen der Küfte und Tabora an der großen Starawanenjtraße unjere Hausratte, die Dort auf den Feldern wie in den Hütten lebt. Nach Stuhlmann findet fie fich auf Sanjibar in den Häufern der Stadt, bei Kijerama im Wald und hat im Suahelt auch einen bejonderen Namen (panja): — Die Wanderratte ift an der Sanjibarküfte jchon von van der Deden, jpäter von Stuhlmann in Bagamodo feitgejtellt worden, und auch die ägyptijche Dachratte fanden diejelben NReijenden an demjelben Ort, Osfar Neumann außerdem auf Sanjibar jelbit. Für Kamerun fehlt uns leider eine deutiche Zufammenjtellung, und für Togo haben wir nur Matjchies Säugetierlijte vom Jahre 1893. Jr Diejer erjcheinen eine Weigjichwanz- tatte, E. erythroleucus Temm., nach dem weißlichen Schwanz jo genannt; eine Notrüden- tatte, E. rufinus Temm., oben rotjchwärzlich meliert, Unterrüden rein rötlich gefärbt; und ichließlich wieder eine Baumratte, E. nigricauda T’hos., mit jchwarzem, dicht behaartem Schwanz. — Aus dem Batesjchen Bericht über Südfameruner Säugetiere jind dagegen glüclicherweife eingehende Lebensjchilderungen zu entnehmen (,‚Proc. Zool. Soc.‘‘, 1905). Nach Bates find die Mehrzahl der ratten- und mausartigen Tiere in Kamerun Bewohner der Gärten, d. h. des angebauten Landes in der Umgebung der Dörfer, und dies ijt namentlich mit all denen der Fall, die zur Gattung Mus gehören: fie werden alle mit verjchiedenen Kunftgriffen von den Schwarzen in und um die Kajjavapflanzungen (Maniof) gefangen. Die Einftreifenratte, E. univittatus Pers., Eingeborenenname „mven“, gilt für die ihädlichte an den Kafjadamwurzeln. Sie ift im Lande jprichtwörtlich wegen ihrer Gefräßigfeit, wie bei uns das Schwein, lebt und niftet in Erdhöhlen, ift dreifter und zeigt jich öfter am Tage al3die anderen. DieTullbergratte, E. tullbergi T’hos., Eingeborenenname „ndan“, lebt in hohlen Baumjtümpfen und ähnlichen Schlupfiwinfeln; fie fommt aber auch öfters in 23* 356 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. die Häufer, niftet und nährt fich da und wird zur Hausratte. Der Abof der Eingeborenen, E. hypoxanthus Puch., lebt in den Büfchen, die auf unbebautem Grund unmittelbar um die Dörfer wachjen, und baut jich Nejter aus trodenem Gras in diejen Büschen 4 oder 5 Fuß tiber der Erde. Wenn das Fleisch Iparfam ist, jagen die Dorfjungens oft „Mebof” zum Ejjen. Dies tun fie gewöhnlich mit Dunfelwerden, wenn die Ratten anfangen, draußen herum- sulaufen; dann jchlagen fie fie mit Stöden tot oder fchießen fie mit Pfeil und Bogen, oder jie freifen fie im Straut und Strauchwerf ein und treiben fie in ein Neb, unter einen alten Lappen, unter ein Stüd Baumrinde. Dieje Mebofjagd ift ein Hauptiport der Dorfjugend. Wahrjcheinlich zu demjelben Zwede umjchweben oft auch Eulen die Dörfer. Weit Fieblicher, anmutiger und zierlicher als die Ratten find die Mäuje, obwohl auc) fie troß ihrer fchmuden Gejtalt, ihres heiteren und netten Wejens arge Feinde des Menjchen find und faft mit gleichem Ingrimme wie ihre größeren Verwandten von ihm verfolgt werden. Man darf behaupten, daß jedermann eine im Käfig eingejperrte Maus reizend finden wird, und daß jelbjt Frauen, Die gewöhnlich einen zwar vollfommen ungerechtfertigten, aber den- noch gewaltigen Schreden empfinden, wenn in der Küche oder im Keller eine Maus ihnen über den Weg läuft, dieje, wenn fie genauer mit ihr befannt werden, für ein Hübjches Ge- ichöpf erklären müfjen. Weil aber die Mäufe jich überall einzudrängen twijjen und jich jelbjt an den Ratten unzugänglichen Orten einfinden, Haben jie gegen jich einen Verfolgungskrieg beraufbejchhworen, der [chwerlich jemalsenden wird. Sndes tft fein Yieifel, daß der moderne, majfive Wohnhausbau auch ihnen ungleich weniger Spiefraum und Schlupfrwinfel gewährt als die winfeligen Fachwerfsbauten unjerer Vorfahren. m Berliner Weiten z.B. dürften heute jchon viele Häufer, ja vielleicht ganze Straßenzüge fein, in denen nicht eine Maus lebt. Alle Deden und Wände von Eifen und Zement: two joll jie alfo bleiben? Und wovon jolt jie leben, wenn alle Vorräte Dicht verjchlojfen gehalten und alle Abfälle vom Müllwagen jofort abgeholt werden? Sn Deutjchland leben vier echte Mäufe: die Haus-, Wald-, Brand- und Zwerg- maus. Die drei eriteren werden überall ziemlich fchonungstos verfolgt; Die legte aber hat, jolange jie jich nicht unmittelbar dem Menfchen aufprängt, wegen ihrer ungemein zierlichen Gejtalt, ihrer Anmut und ihrer eigentümlichen Lebensweife Gnade vor jeinen Augen ge- funden. Die Wijjenjchaft hat die vier Arten und ihre ausländijchen Beriwandten nach ihren jeineren Körperverhältnijjen, u. a. auch nach der Länge der Ohren, wieder zu zwei und zwei derart abgeteilt, daß Haus- und Waldmaus die Untergattung Mus im engjten Sinne, Brand- und Jwergmaus aber eine andere Untergattung, Micromys Dehne (Apodemus Kaup), vertreten. Bei diejer erreicht das Ohr nur ungefähr den dritten Teil der Kopflänge und ragt, an die Ktopfjeiten angedrückt, nicht b1S zum Auge vor, während es bei jener die halbe Kopf- länge hat und, an die Stopfjeiten angedrüdt, bi8 zum Auge reicht. Die Hausmaus, Mus musculus Z. (Taf. „Nagetiere XII”, 5, bei ©. 335), hat in ihrer Sejtalt noch immer einige Ähnlichkeit mit der Hausratte, ift jedoch weit zarter und eben- mäßiger gebaut und bedeutend feiner. hre Gejamtlänge beträgt ungefähr 18 cm, wovon em auf den Körper fommen. Der Schwanz hat 180 Schuppenringe. Das Fell ift einfarbig: die gelblich-graufchwarze Oberfeite des Körpers und des Schwanzes geht ganz allmählich in Die etwas helfere Unterfeite über; Füße und Zehen find gelblichgrau. Weihe Mäufe mit roten Augen und Scheeden mit dunfeln Augen (vollftändige und unvoltftändige Albinos) fommen Hausmaus. Waldmaus. Brandmaus. 397 bor, werden auch als jolche weiter gezüchtet zu lebendem Spielzeug für Kinder, namentlich aber zu twiljenschaftlichen Berfuchs- und anderen (mpf-) Ziweden. CS gibt indes allem An- jchein nach auch verjchiedene Abtönungen der gewöhnlichen graubraunen Farbe, und Fatio glaubt, dieje in einen ganz bejtimmten Zufammenhang mit der Lebensweije bringen zu dürfen. Er behauptet in jeinen „Wirbeltieren der Schweiz”, dat die Hausmaus außer- ‘ordentlich abändere, je nachdem jie frei auf den Feldern und Wiejen oder als Schmaroger in den Häufern, ja jogar je nachdem jie in den Städten der Ebene oder in den Landhäufern der Alpen lebe. „Diejenigen, die im Freien leben, jind immer oben mehr rot und unten mehr weiß, die Hausjchmaroger dagegen regelmäßig mehr jchwärzlich (worauf jchon Gesner hinweiit). Die Nahrung hat auf die Haarfarbe einen jolchen Einfluß, daß man mitunter jchon Lofaldarietäten fich bilden jah lediglich durch die Wirkung einer befonderen Ernährung.” Auch Lunel, Fatios Konjervator, hat angeblich in Cette (Südfrankreich) beobachten fönnen, „daß Mäufe, Die fich ausschließlich von Vögeln zugedachter Hirje nährten, ganz rasch hellgelblich, jozujagen blond wurden“. Haarloje Mäuje zeigte Pocod 1904 der Kondoner Zoologischen Gejellichaft lebend vor, zugleich mit ebenjolchen Ratten (‚‚Proc. Zool. Soc.“, 1904). Die Waldnaus, Mus sylvaticusZ. (Taf. „Nagetiere XII”, 6, bei©. 335), wird 20 cm lang, wovon der Schwanz, der ungefähr 150 Schuppenringe hat, etwa die Hälfte wegnimmt. Sie ijt zweifarbig: Die Oberjeite des Körpers und des Schtwanzes braun=gelblichgrau, die Unterjeite nebjt den Füßen und gehen jcharf abgejegt weiß. Die Brandmaus, Micromys agrarius Pall. (Taf. „Nagetiere XII”, 4, bei ©.335), er- reicht 18 cm Gejamtlänge, der Schwanz (etiva 120 Schuppenringe) mift Sem. Gie tit Drei- farbig: die Oberjeite des törpers brauntot mit einem [chiwarzen Längsitreifen über ven Rüden vom Scheitel bis zur Schwanzwurzel, die Unterjeite nebit den Füßen jcharf abgejeßt weiß. Dieje drei Mäufe ähneln fich in ihrem Aufenthalte, ihrem Wejen und Betragen um- gemein, obgleich jede ihr Eigentümliches hat. Jr einem ftimmen alle drei überein: jie zeigen, mwenigjtens zeitweilig, große Vorliebe für den Menjchen. Alle Arten, wenn auc) die Haus- maus regelmäßiger al3 die übrigen, finden jich, zumal im Winter, häufig in den Häufern, vom Seller an bis zum Boden hinauf. Steine einzige ift ausjchließlich an Die Orte gebunden, auf welche ihr Name Hindeutet: die Waldaus lebt ebenjomwohl zeitweilig in der Scheuer oder im Haufe wie auf dem Telde, und die Brandmaus tft ebenjomwenig allein aufs Feld be- ichränft wie die Hausmaus auf die Wohnung des Menjchen, jo daß man gelegentlich die verjchtedenen Arten beifammen jehen fann. Die Hausmaus joll jchon feit den ältejten Zeiten der treuejte Genojje des Menjchen gewejen jein. Nach dem Sprachforjcher Viktor Hehn muß jie „einjt aus dem jüdlichen Ajten zu ung Herübergefommen fein, — fiel ihre Ankunft ettva mit dem Einbruch der Jndo- europäer zujammen?... Als Hausdiebin fennt die Maus fchon die voreuropätjche Sprache; denn ihr Name, der jich in Griechenland und Stalien, an der Elbe wie am ndus mieder- findet, jtammt von einem VBerbum mit der Bedeutung jtehlen.” Bereits Arijtoteles und Plinius tun der Hausmaus Erwähnung, Albertus Magnus fennt jie genau. Gegenwärtig ift jie über die ganze Erde verbreitet. Wahrjcheinlich gibt es nur wenige Orte, wo jie fehlt, und jedenfalls hat man fie da bloß noch nicht beobachtet. Auf den Sundasssnjeln 3. B. joll fie nicht vorfommen. Ihre Aufenthaltsorte find alle Teile der menjchlichen Wohnungen. Auf dem Lande hauft jie zeitweilig auch im Freien, d. h. im Garten oder in den nächiten 358 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Feldern und Wäldchen; in der Stadt bejchränft fie fih auf das Wohnhaus und jeine Neben- gebäude. Hier bietet ihr jede NRite, jede Höhle, mit einem Worte jeder Winkel, wo jie fich veriteden fann, genügendes Obdach, und bon hier aus unternimmt jie ihre meijt nächtlichen Streifzüge, wobei fie ohne Zweifel ihre graubraune „Mausfarke” jehr gut det und jchüßt. Mit größter Schnelligkeit rennt jie auf dem Boden dahin, Flettert vortrefflich, Ipringt ziemlich weit und hüpft oft längere Zeit nacheinander in furzen Süßen fort. An zahmen fann man beobachten, wie gejchickt alle ihre Bewegungen find. Läßt man jie auf einem ichief aufwärts gefpannten Bindfaden oder auf einem Stöckchen gehen, jo jchlingt jte, jobald jie zu fallen fürchtet, ihren Schwanz fchnell um das Seil, nach Urt der echten Wideljchwänze, bringt fich wieder in das Gleichgewicht und läuft weiter; jegt man fie auf einen jehr bieg- jamen Halm, jo Klettert jie auf ihm bis zur Spige empor, und wenn fic) der Halım dann nieder- biegt, hängt fie jich auf der unteren Seite an und jteigt Hier langjam herunter, ohne jemals in Berlegenheit zu fommen. Beim Stlettern leiftet ihr der Schwanz wejentliche Dienite: zahme Mäufe, denen man die Schwänze furzgejchnitten hatte, waren nicht mehr imfjtande, e3 ihren bejchwänzten Mitjchweitern gleichzutun. Ganz allerliebjt jind auch Die verjchiedenen Stellungen, die jie einnehmen fann. Schon wenn jte ruhig jißt, macht jie einen recht Hübjchen Eindrucd‘;; erhebt jie jich aber, nach Nager- art auf das Hinterteil jich jtüßend, und pußt und wäjcht fie jich, dann tft fie geradezu ein bezauberndes Tierchen. Sie fann fich auf den Hinterbeinen aufrichten, wie ein Menjch, und jogar einige Schritte gehen. Dabei ftüßt fie ji) nur dann und warn ein Fein wenig mit dem Schwanze. Das Schwimmen verjteht jie auch, obwohl jie nur im höchiten Notfalle in das Wafjer geht. Wirft man jie in einen Teich oder Bach, jo jteht man, daß jie fait mit der Schnelligkeit der Zivergmaus oder der Wajjerratte die Wellen dDurchjichneidet und dem erjten trodenen Orte zuftrebt, um an ihm emporzuflettern und das Land wiederzugewinnen. hre Sinne [ind vortrefflich: jie Hört das feinjte Geräusch, riecht jcharf und auf weite Entfernungen, jieht auch qut, vielleicht noch bejjer bei Tage als bei Nacht. hr geiftiges Wejen macht jte dem, der das Leben des Tieres zu erkennen trachtet, zum wahren Lieblinge. Sie ift gutmütig und harmlos und ähnelt nicht im geringften ihren boshaften, tücijchen und bijjigen Ver- wandten, den Ratten; fie 1jt neugierig und unterfucht alles mit der größten Sorgfalt; jie it uftig und Eug, merkt bald, wo fie gefchont wird, und gewöhnt jich hier mit der Zeit jo an den Menjchen, daß jie vor feinen Augen hin und her läuft und ihr Hausgejchäft betreibt, als gäbe es gar feine Störung für fie. Marjhall erzählt: „Der alte Kupferjtecher Schwerdt- geburth in Weimar hatte eine ganze Hede weiger Mäufe, Die jehr dreiit, ja geradezu frech waren, im ganzen Haufe herumliefen und an ihn und den Hausgenojjen auf und ab Fletterten. 63 war ein ergößlicher Anblid, den Heinen originellen Mann zu jehen, wenn er jo, jeiner Art nach lebhaft geitifulierend daftand, eine Maus auf dem Kopfe und je eine auf jeder Hand, die fortwährend in Gefahr jchwebte, bei einer bejonders nachdrüdlichen Gejte herab- gejchleudert zu werden.” Im Käfig benimmt jich die Hausmaus fchon nach wenigen Tagen liebenswinwdig; jelbjt alte werden noch leidlich zahm, und jung eingefangene übertreffen durch Sutmütigfeit und Harmlofigfeit die meiften anderen Nager, die man gefangen halten fann. Wohllautende Töne loden fie aus ihrem Berjtede hervor und lajjen jie alle Furchtfamfeit vergefjen. Sie erjcheint bisweilen bei hellem Tage in den Zimmern, wo mufiziert wird, und Näume, in denen regelmäßig Mufif ertönt, werden zuleßt ihre Lieblingsaufenthaltsorte. ac) Darihall erzählt ein gewifjer Walte in der „Natur“: Wenn er am Abend feine Klari- nette blies, ließ jich feine Maus jehen; fobald ex aber feine Bratfche herbeiholte und zu jpielen Hausmaus: Beweglichkeit. Zahmheit. Singmaus. Schaden. Alfoholliebe. 8359 anfing, dann famen die Tiere aus allen Eden hervor und trieben jich luftig im Zimmer umber, zumeilen dabei piepend und pfeifend. Die Gäjte verjchwanden, jobald die Klarinette wieder an die Reihe fam, woraus man jchliegen fann, daß wenigjtens dieje Mäuje den Stlang eines Saiteninftrumentes dem eines Blasinjtrumentes vorzogen. fters ift in verjchiedenen Zeitjchriften über jogenannte Singmäufe berichtet worden, und auch ich Habe mehrere Zujchriften ütber denjelben Gegenitand erhalten. Ulle Berichte jtimmen darin überein, daß hier und da und dann und warın Hausmäuje beobachtet werden, die ihr natürliches Piepen und Zwitjchern in einer an VBogelgejang erinnernden Weije ver- nehmen lajjen. Pechuel-Loejche hat monatelang und gleichzeitig zwei in einer Küche frei- febende fogenannte Singmäufe belaufcht. Dieje ließen fich jehr häufig zugleich hören, und ztvar vorzugsmeife in Den Dämmerjtunden der Monate Mai bis September. CS lag aber doch etwas ganz anderes und viel Unvollfommeneres darin als im Schlage, ejange oder Pfeifen eines Vogels; e3 lang rauher, abgebrochener und erinnerte darum auch wieder an mancherlei von Snjeften hervorgebrachte Töne. Das empfand auch der gute Beobachter Stoch- Wiesbaden („Zool. Garten”, 1881), der feine Singmaus bald als ein Franfes, an Atemnot feidendesTier erkannte. Noll Unterfuchung nach dem Tode der Maus bejtätigte dies, und von anderen Seiten famen ähnliche Erklärungen, Die die Sache allen poetijchen Neizes enttleideten: Schmaroger (Haarwürmer) in der entzüindeten und verengten Luftröhre, Franfhafte Berände- rungen in der unge, Finnen vom Slagenbandwurm in der gejchwollenen Leber. Alle genauer beobachteten Singmäufe ftarben denn auch in verhältnismäßig Furzer Zeit, und ihre Zahm- heit war, bei Lichte bejehen, Sranfheit und Schwäche. Dasjelbe jtellte auch Landois-Nüniter 1883 durch eigene Beobachtungen und Unterfuchungen feit. (Val. „Weitfalens Tierleben“.) Alle angenehmen Eigenfchaften unferer Hausgenofjin werden leider durch ihre Ge- näfchigfeit fehr beeinträchtigt. Dieje beweijt auf das jchlagendite, daß der Sinn des Ge- ichmades bei der Hausmaus vortrefflich entwicelt ijt. Die jpigen Nagezähne fommen Hinzu, um fie verhaßt zu machen. Wo fie etwas Genießbares wittert, weiß jie jich einen Zugang zu verjchaffen, und es fommt ihr eben nicht darauf an, mehrere Nächte angejtrengt zu arbeiten und jelbft feite, jtarfe Türen zu durchnagen. Findet jie vielNahrung, die ihr bejonders mundet, jo trägt fie fich auch noch einen Vorrat davon in ihre Schlupfwinfel. „An Orten, to jie wenig Störung erleidet”, jagt Figinger, „findet man zuweilen ganze Haufen von Wal- oder Hajel- niijen bis zu einer halben Elle hoch in Winkeln aufgetürmt und fo regelmäßig und zierlich fejt aneinandergejchlofjen und mit allerlei Abfällen von Papier oder Slleiderjtoffen überdeckt, daß man hierin faum ein Werk der Hausmaus vermuten möchte.” Wajjer trinkt jie, wenn jie andere faftige Stoffe haben fann, gar nicht und auch bei trodenem Futter nur jelten, ihlirft dagegen füße Getränfe aller Art mit Behagen. Daß fie jich auch über geijtige Ge- tränfe hermacht, beweift nachitehende Beobachtung. „Etwa im Jahre 1843, jchreibt mir Föriter Blod, „wurde ich einmal beim Schreiben durch ein Geräufch geftört und erblidte eine Maus, welche an den glatten Füßen eines Tifchchens emporkletterte. Auf diejem jtand ein ganz leichtes, glodenförmiges Schnapsgläschen, zur Hälfte mit Kümmel gefüllt. Mit einem Sprunge jaß das Mäuschen oben auf dem Glaje, bog fich vorn über, ledte eifrig und iprang jodann herunter, nahm aber noch eine Gabe von dem fügen Gifte zu jich. Durch ein Geräusch meinerjeits geftört, fprang fie mit einem Sabe vom Tijche herab und verjchwand hinter einem Glasjchranfe. Zebt mochte der Geift über jie fommen; denn gleich Darauf war jie wieder da und führte die jpaßhafteiten Bewegungen aus, verjuchte auch, obwohl vergeb- fich, den Tisch nochmals zu erfteigen. ch holte eine Kate herbei: die Maus lief auf einen 360 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Augenblic davon, war aber gleich wieder da. Von meinem Arme herab jprang die Stabe zu, und das trunfene Mäuschen hing an den Srallen ihrer Tate.“ Der Schade, den die Hausmaus Durch Wegfrejjen verjchiedener Speijevorräte anrichtet, ijt im ganzen gering; ihre hauptjächliche Schädlichfeit beruht in dem abjcheulichen Zernagen wertvoller Gegenstände. Ir Bücher- und Naturalienfammlungen haujen die Mäufe auf die verderblichite Weife und fönnen, wenn ihrer Zerjtörungstuft nicht mit allen Kräften Einhalt getan wird, unfchägbaren Schaden anrichten. — Wie eine Maus in der modernen Wirtjchaft, die mit Elektrizität arbeitet, wider Willen zur Branditifterin werden Tann, zeigt ein Vorfall auf einem Thüringer Nittergute, den der „Deutjche Tierfreund“” 1905 berichtet. Dort wurde im Stalle „hinter der Platte, an der die Solierungen angejchraubt find, eine jtark verbrannte Maus gefunden. Sie hatte beim Überlaufen der Drähte eine Verbindung zwifchen diejen hergeitellt; infolgedejjen waren die Solierungen Durchgebrannt und das Feuer entjtanden.“ Die Hausmaus vermehrt jich außerordentlich jtarf. Sie wirft 22—24 Tage nad) der Paarung 4-6, nicht jelten aber auch 8 Junge und in Jahresfriit jicherlich fünf- bi jechsmal, jo daß die unmittelbare Nachfommenschaft eines Jahres mindeitens 30 Köpfe beträgt. Eine weiße Maus, Die Strube in der Gefangenfchaft hielt, warf am 17. Mai 6, am 6. Juni 6, am 3. Juli 8 Junge. Sie wınde am 3. Juli vom Männchen getrennt und am 28. Juli jpieder mit ihm zufammengetan. Nun warf fie am 21. Auguft wieder 6 Junge, am 1. OF tober ebenfall3 6 und am 24. Dftober 5. Während des Winters ging jie gelt. Am 17. März famen wieder 2 Junge zur Welt. Eins von den am 6. Junt geborenen Weibchen befam Die ersten Jungen, und zwar gleich 4, am 18. Juli. Die Mutter Schlägt ihr Wochenbett in jedem Winfel auf, Der ihr eine weiche Unterlage bietet und einigermaßen Sicherheit gewährt. Nicht jelten findet man das Veit in ausgehöhltem Brote, in Kohlrüben, Tafjchen, Toten- föpfen, ja jelbjt in Maufefallen. Gewöhnlich ift es aus Stroh, Heu, Papier, Federn und anderen weichen Stoffen jorgfältig zufammengejchleppt; Doch fommt es auch vor, daß bloß Holzjpäne oder jelbjt Nußjchalen die Unterlage abgeben müjjen. Die Jungen jind, wenn jie zur Welt fommen, außerordentlich Hein und fürmlich dDurchlichtig, wachjen aber rasch heran, befommen zmwijchen dem jiebenten und achten Tage Haare, öffnen aber erit am dreizehnten Tage die Augen. Nun bleiben fie nur noch ein paar Tage im Nefte; dann gehen jie jelbjtändig auf Nahrungserwerb aus. Die Alte behandelt jte mit großer Zärtlichkeit und gibt fich ihrethalben jelbit Gefahren preis. Weinland erzählt ein rührendes Beijpiel ihrer Mutterliebe. „Indem weichen Bette, welches eine Hausmaus ihren Jungen bereitet hatte, entdedte man fie und ihre neun Kinder. Die Alte fonnte entrinnen, aber jie macht feine Bewegung zur Flucht! Man jchiebt die Jungen auf eine Schaufel und die Alte mit ihnen: fie rührt jich nicht. Man trägt jie frei auf der Schaufel fort, mehrere Treppen Hin= unter, biS in den Hof, und jie harıt zu ihrem Berderben bei ihren Kindern aus.“ Zu einem wirklichen Haustier oder wenigitens zum Gegenjtand der Liebhaberet ijt die Hausmaus bei den Beiwohnern Chinas und Japans geworden, die ja bekanntlich in der ftebhaberijchen Stleintier- und Pflanzenzüchtung Bewundernswertes leiten. Von Dort fommen jeit Jahren bunte Mäuje auf den europätfchen Tiermarkt: weiße, gelbe, gelb- oder blaumweiß gejchedte, die immer rote Augen, grau= oder jchwarzweif; gejchecdte, die immer dunkle Augen haben, als ganz bejondere Merfwiürdigfeit aber die fogenannte Tanzmaus, ebenjall3 in den verjchiedenen Schedfärbungen. Was diefe Maus jedoch im Leben ganz auffallend auszeichnet, das ift Die angeborene Gewohnheit, mit rajender Schnelligfeit in größeren und Keineren Kreifen herumzulaufen, meiftens aber auf einem Flede mit Hausmaus: Fortpflanzung. NRafjen. Tanzmaus. o6l unglaublicher Gefhwindigfeit Herumzumirbein. Häufig gejellen jich ziwei, feltener drei Mäufe zu folhem Tanze, der gewöhnlich in der Dämmerung beginnt und während der Nacht von Zeit zu Zeit wieder aufgenommen toird; meilteng wird er aber einzeln aufgeführt, und die unermüpdlichen Tänzer jäubern durch ihre Bewegungen den Boden ihres Behälters an manchen Stellen volfitändig von der diden Schicht Sägejpäne, Die ihn bedeeft. Auch beim gewöhnlichen Umherlaufen offenbart die Tanzmaus eine gemwijje übermäßige Lebhaftigfeit. Sie wendet jich bligjchnell und anjcheinend zwecos Hin und her und jchnuppert fortwährend in der Luft herum. Schon vor Jahren glaubte Rawis nachgewiejen zu haben, was allerdings ipieder bejtritten wurde, daß die Gewohnheit der „Tanzmaus“ jich auch im inneren Xeibes- bau auspräge: Durch Verfiimmerung der halbfreisförmigen Kanäle im Ohre, die man mit dem Gleichgewichts- und Richtungsjinn in Beziehung bringt. Neuerdings (1910) hat aber van Lennep in einer holländischen Dijjertation gezeigt, wie bei der jungen Tanzmaus ein ernährendes Organ im inneren Obhre (Stria vascularis) jehr bald zu verfümmern anfängt, was wieder andere Verfiimmerungen innerer Obhrteile nach fich zieht bis zur vollftändigen Taubheit, und fchon 1906 beobachtete Haade, der mit großen Mengen von Tanz- und Jarbenmäujen jahrelange Yucht- und Sreuzungsperfuche angeltellt hat, eine Vererbung des Tanzens („Die Gejete der Rajjenmijchung und die Konftitution des Keimplasmas“, NRour „Archiv für Entiwidelungsmechanif”): „Eine Tanzmaus, mit einer Tanzmaus ge- paart, erzeugt unter allen Umfjtänden eine Tanzmaus, ganz einerlei, ob die betreffenden Tanzmäuje Lauf- (d.h. Nichttanz-) Mäufe unter ihren Vorfahren haben oder nicht.” Da- gegen fand er, „Daß Tanzmäuje nur dann mit Zaufmäufen Tanzmäufe zeugen, wenn die betreffenden Laufmäufe von Tanzmäufen abjtammen”; ja jogar: „auch Laufmäuje, mit Laufmäufen gepaart, fünnen Tanzmäufe zeugen, wenn beide Gatten des Paares von Tanz- mäufen abjtammen”. Nun das Gegenstül! „Laufmäuje werden mit Sicherheit nur dann erzeugt, wenn mindeitens ein Gatte des betreffenden Mäufepärchens eine dDurchgezüchtete Zaufmaus, d. h. eine nur Laufmäufe zu ihren Vorfahren zählende Laufmaus ift. Und it dies der Tall, jo treten nur Laufmäufe auf, auch dann, wenn der andere Gatte eine durchgezüchtete, d. h. eine nur Tanzmäufe zu ihren Vorfahren zählende Tanzmaus it. Bei Paarıngen echter japanischer Tanzmäufe mit gewöhnlichen weißen deutjchen Mäufen habe ich immer nur Laufmäufe erhalten.” — E3 find das die Verhältnijje, die heutzutage durch die Wiederentdefung der an Pflanzen herausgefundenen Vererbungstegeln des DBrünner Prälaten Mendel als „‚Mendelismus” ein Hauptarbeitsgebiet der modernen Naturforicher geworden, von dem Hallenjer Zoologen Haeder, von Plate, dem Nach- folger Haedels in Sena, und vielen anderen in ihren Werfen über Vererbungslehre bis zu den äußerjten Schlußfolgerungen ausgebaut worden find. — An diefem Lichte gewann natürlich die Tanzmaus auch Interejje für die Shitematif. Fortugn-Amfterdam hat ein- gehende Unterfuchungen über ihren „iyjtematijchen Wert” angeftellt („Zool. Anzeiger“, 1912). Dabei ergab fich zunächit, daß jie urfprümnglich nicht aus Japan, fondern aus China jtammt: ein Japaner felber, Kifhi, führt als Beweis dafiir an, dah fie in jeinem Water- lande „Nanfin nejumi“, d.h. Nanfing-Maus, genannt wird. Ferner zeigte jich, daß die Tanzmaus von der gewöhnlichen Maus äußerlich fich nicht nur durch ihre Buntjchedigfeit unterjcheidet, eine geläufige Erjcheinung in der Haustierzucht, fondern auch Durch ein ganz unzweideutiges Kormmerfmal, das auf verichiedene Abjftammung und Artzugehörigfeit deutet. Sie hat nämlich jtets eine erheblich Eleinere Zahl Ningfalten am Schwanz, im Durch- ichnitt ftatt 180 nur 136 Schwangzringe und ftimmt darin überein mit der ruffisch-chinefifchen 362 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Vertreterin unjerer Hausmaus, der Mus wagneri Eversm. der Wiljenjchaft. Dieje it aljo als ihre Stammform anzujehen, was ja nach ihrer chinejischen Herkunft am Ende nicht mehr wie jelbitverjtändlich. och größere Bedeutung als für dieje mehr theoretiichen Vererbungsfragen, ja un= jchäßbaren praftijchen Nußen hat die Hausmaus, und namentlich’ ihr Albino, die allbefannte weiße Maus, für die Erforschung und Bekämpfung der anjtedenden und anderer Strankheiten, 3. B. neuerdings auc) für die Srebsforichung, nad) den modernen Methoden der Impfung und Heilferumgemwinnung. Sn unjeren heutigen bafteriologijchen und Hygienijchen Yabora- torien ijt jie nicht nur unentbehrliches, tagtäglich gebrauchtes Verfuchstier, fondern geradezu lebendes Aufberwahrungs- und Forterhaltungsgefäß für alle möglichen Srranfheitserreger und die ihnen entgegenwirfenden „Antiförper” vermöge ihrer Kleinheit, leichten und bil- ligen Haltung, rafchen und reichlichen Vermehrung. Der Bedarf der medizinischen Jnititute an weißen Mäufen it heutzutage ebenjo groß wie andauernd, und die Zucht daher vielfach ein jehr hübjcher Nebenverdient für industrielle Köpfe unter den jtädtifchen Stleinbürgern. Nach Hertwig und Boll („Zur Biologie der Mäujetumoren”, „Abholgn. Kal. Preuß. Afad. %ijj.” 1907), die, dem Charakter des II. Anatomijchen Inititutes in Berlin entjprechend, vom allgemein wiljenjchaftlichen Standpunft der Zellen- und Gemwebelehre aus jeit mehreren Jahren umfaljende erperimentelle Unterfuchungen über die Übertragbarkeit bösartiger Ge- ihwüljte bei weißen Mäufen machen, „jollen von hier jährlich gegen 50— 60000 Stüd weißer Mäufje exportiert werden, wobei der hiejige Verbrauch nicht mit inbegriffen tt. Der Berjand gejchieht Hauptjächlich durch Händler, die ihre Ware erjt wieder von verjchtedenen Heinen SZüchtern beziehen...” Aber auch die Liebhaberei, der reine Sport, hat jich der Mäufezucht bemächtigt, und darin jind natürlich die Engländer voran. Ar London gibt es einen Mäufeliebhaber- verein (Mouse Fanciers Club), der jedes Jahr eine Ausitellung veranjtaltet. Auf diejer werden Preije bis zu 600 Mark verteilt, und Zuchttiere, die jich durch jeltene Färbung und Zeichnung oder fonjtwie auszeichnen, für entjprechende Summen verkauft. Die Hausmaus bewährt fich deshalb als medizinisches Laboratoriumstier fo ausgezeich- net, weil jie, zumal in der befanntlich jtetS weichlicheren und anfälligeren Albinoform, für alferfei Strankheiten und Beeinflufjungen äußerjt empfänglich ift. So wurde fie z.B. früher in Bergwerfen al3 Warner benußt, um durch ihr Benehmen beizeiten auf etivaige gefähr- fihe Beränderungen der Grubenluft aufmerffam zu machen. Bon fahmännijcher Seite wird aber noch ganz neuerdings bei Gelegenheit eines jchweren Unterjeebootsunfalles in der englijchen Marine eine ähnliche Berwendung Der weißen Maus al® Warner vor Erplojionsgefahr behauptet („Berl. Tageblatt“ 16. 7. 08): „Han jucht in England dieje Gefahren dadurch herabzumindern, daß man auf den Unter- jeebooten weiße Mäuje mitführt. Dieje vierfüßigen Mitglieder der Schiffsmannjchaft jind Schon gegen ganz geringe Mengen von Gajolindämpfen außerordentlich empfindlich, werden, jobald fie die Dämpfe wahrnehmen, jehr unruhig und fangen an, dDurchdringend und jämmerlich zu jchreien. Auf diefe Weije haben fie ihre zweibeinigen Stollegen jehon oft aus Todesgefahr gerettet.“ Aber auch) die normal gefärbte Hausmaus in der Freiheit ift ein äußerjt empfindliches Tierchen, das allerlei Krankheiten im Handumdrehen erliegt. Dem Alten Teftament galt die Maus daher als das Symbol der Peft (vgl. 1. Sam. VI, 4, 5, 11, 18): wieder ein Beweis der guten Naturbeobachtung und praftifchen Yebensweisheit, die die Juden und ihre religiöfe Hausmaus und Unterarten. 363 Gejetgebung jo vorteilhaft auszeichnet! Bei uns haben mir alle Urfache, wie Landois mit Hilfe des Straßburger Botanifer3 de Bar nachgemwiejen hat („Zool. Garten“, 1883), die Hausmans z.B. al3 Verbreiter und Überträger des efelhaften Kopfgrindes anzufehen, der namentlich bei Kindern auf dem Lande vorfommt und hier, wie bei Maus und Staße, durch den jogenannten Favuspil; (Achorion schoenleini Remak) verurjacht wird. Mehrere Beobachter berichten („Zool. Garten“, 1873) über eine Zeindjchaft zroijchen Haus- und Waldmaus, wobei die erjtere der feidende Teil ift, jo daß die ganze Sache an das befannte Verhältnis von Haus- und Wanderratte erinnert. Näheres darüber bringen hir unten bei der Waldmaus. Der jchlimmite aller Feinde der Hausmaus ift und bleibt aber doch die Kate. Ir alten Gebäuden hilft ihr die Eule treulich mit, und auf dem Lande leijten Stis und Wiefel, Igel und Spikmaus gute Dienfte, bejjere jedenfall als Fallen aller Art. Schließlich wundern mir uns ficher nicht, wenn wir fehen, daß ein jo alltägliches „Haustier” wie die Maus in Volfsfage und Volfsaberglauben eine entjprechende Nolle ipielt. Zaunig erzählt Marjhall darüber: „Der Teufel nimmt gern die Gejtalt einer Maus an, und Kafpar Peucer, der Schtwiegerfohn Luthers, jah ihn als jolche unter der Haut einer Bejefjenen Hin und her friechen. Die heilige Hildegard ift gar nicht gut auf Die Maus zu iprechen und jagt von ihr, fie habe ein Heimtückhjches Wejen und triebe teufliiche Künite. Zur Zeit der Herenprozefje war eine der erften Fragen, die an die armen, gefolterten IBeibs- feute gerichtet wurde, die, ob fie nicht unter anderm auch Mäufe gemacht hätten.” Die Mäufe, die die Sage jcharenweife bei Bingen durch den Rhein fchroimmen läßt, um dort auf einer Heinen Injel im „‚Mäufeturm” (verdorben aus Mautturm, Zollturm) den Erzbijchof Hatto von Mainz aufzufreffen, müffen aber wohl Feldmäufe gewejen fein; wenigjtens ift bon Maffenvermehrungen und Mafjfenwanderungen der Hausmaus jonjt nichts bekannt. Wenn man auf Arten und Unterarten der Untergattung Mus im engjten Sinne Trouefjart3 Supplement durchjieht, jo erhält man das beruhigende Ergebnis, daß hier nicht entfernt die vertoirrende Fülle herrjcht wie bei den Ratten. „Die Bemerkung Raddes, daß die Faufafischen Hausmäufe Häufig auf dem Nüden eine Beimengung von Gelb in der Haarfärbung haben“, bejtätigt Satunin. YJm Talyjchgebiet hat er „jogar weißbauchige Mäufe gefunden”, die er zuerit für Baktrermäufe hielt, nach genauerer Unterfuchung aber „bloß für eine Farbenvarietät der gewöhnlichen Maus” anjprechen fonnte, „wie jie Häufig und überall angetroffen werden”. Es find dies wohl folche Stüde, die, wie Radde jchon in feinem ‚Museum Caucasicum“ jagt, außerhalb der menjchlichen Wohnungen „eine boll- itändig wilde Lebensweije” führen und im Einklang damit noch eine waldmausähnliche „Btdfärbung” befißen. Die erfte Unterart der Hausmaus, die Trouefjart anführt, die jhwarze Tabalmaus, M. m. poschiavinus Fatio, hat gleich ein bejonderes Interejje, weil ihre Entdedungs- geichichte ganz fo ausjieht, als ob hier die Syftematif eine neue Tierform dank einem glüd- (ihen Zufall in ihrem alfererjten Entjtehen belaufcht und twiljenjchaftlich feitgelegt habe. Fatio fand die Tabafmaus 1864 bei einem Befuche der Zigarrenfabrif Burg vor Pojchiavo in Graubünden. Fatio wollte in dem merfwinrdigen Tierchen zuerjt nur eine „Negerrajje” der Hausmaus jehen, und diejes augenjcheinliche Gegenftüd zu dem Verhältnis von Haus- und Dachtatte (E. rattus und E. alexandrinus) fejjelte ihn jchon jehr; ex fand aber dann auch Schädel- und Zahnunterjchiede und bejchrieb feine Tabafmaus infolgedejjen als jelbjtändige Art. Neuerdings wurde fie dann wieder zur Unterart erniedrigt, angejicht3 der langen Reihe 364 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. von folchen, dieman allerwärts entdedte, von den Azoren bis Jsland und Tahiti, von Igypten und Indien bis Merifo und Patagonien. Allermeift Handelt e3 jich hier um nachweislich eingejchleppte Hausmäufe, und doch find fie Heute von unjerer Hausmaus jo verjchieden, daf man ihnen im Shitem mindeitens den Nang einer Unterart zugeitehen muß. Cben- deswegen find e3 aber ficher nur veränderte flimatifche und Nahrungsverhältniffe, veränderte Lebensumstände, die dieje Farben und Formenveränderungen hervorgebracht haben. Anderjeits beißt fehon Europa jelbjtändige Arten von „Hausmäufen”: jo die große, oben graufprenfelig braune, unten jcharf abgejeßt ledergelbe Gelbbauchmaus, M. muralis Barr.-Ham., des jchottijchen Feljenetlands St. Kilda weitlich der Hebriden. Aber auch von diejer Gelbbauchmaus möchte ihr Entdeder und Bejchreiber, Barrett-Hamilton (‚‚Proc. Zool. Soe.“, 1899), nicht behaupten, daß jie ohne Hilfe des Menjchen nach St. Kilda gefommen jet, obwohl fie nach feiner Überzeugung jedenfalls jchon Sahrhunderte dort ift. Dafür bringt er den Beweis durch allgemeine Betrachtungen über die Abarten der Hausmaus, die im Gegenjag zur Waldmaus von der Ursprungsform jehr leicht abweicht. Außer den „Hausformen” der Hausmausgruppe gibt es in vielen Teilen der Erde „tldformen” von ihr, die zwar mehr oder weniger in der Größe, Schwanzlänge und Jarbe, nicht aber im Schädel und Gebiß von der gewöhnlichen Hausmaus unterjchieden werden fönnen. Solche Art ist außer der Baftrermaus, M. gentilis Brants (bactrianus), die jich bon Nordafrika über Weltajien und Südeuropa bis nach Südafien verbreitet, die oben (©.362) bei der Tanzmaus jchon genannte Wagnersmaus, M. wagneri Eversm. (pachycercus), Spnnerajiens, eine echte Hausmaus, die oft in Häufern lebt. Prichewalfki Schreibt über jie an Büchner: „Diefe Maus liebt menschliche Wohnungen; jo Frochen jeden Abend mehrere Exemplare in unjer Zelt, in welchem fie jich die ganze Nacht Hindurch hHerumtrieben. Nicht jelten fingen wir fie auch in unjeren Bacjäcden, in Kamelfilzjätteln und jelbjt in unferen zur Nachtruhe ausgezogenen Stiefeln.” Für gemwöhnlic) gräbt fie jich aber Höhlen in den Einöden der Djungarei, im zentralen Tian-Schan, am Tarim, Lobnor uf. Doch nennt fie Blanford in den wijjenschaftlichen Ergebnijjen der zweiten Yarfand-Mijjion ebenfalls „eine offenbare Hausmaus”, die in den Dörfern gefangen wurde. Schließlich gibt es auch noch eine Anzahl Mäufe von verjchiedener Farbe, Körpergröße und Schwanzlänge, die aber alle durch weißen Bauch gekennzeichnet find und fich in vielen Gegenden neben der richtigen Hausmaus finden. So M. spretus Lat. in den Atlasländern und M. spicilegus Petenyi in Ungarn, den Pyrenäen, Portugal und auf den Balearen. Auf diejen Injeln fand fie Thomas 1901 (Proc. Zool. Soe.“), nachdem er fie 1896 jchon bei Eintra in Portugal als „wildlebende Form der Hausmausgruppe” feitgeitellt hatte; weitere Beobachtung zeigte ihm aber, daß jie von der hausbeiwohnenden Hausmaus ganz verjchieden it. Ein Anzeichen, daß die balearischen Stüce jich zu einer bejonderen Injelform heraus- gebildet hätten, fand er allerdings nicht. Er jammelte M. spicilegus auch in Cerbere, einem franzöjtich-Ipanijchen Grenzorte am Oftende der Pyrenäen; fonft ift fie aus Frankreich nicht befannt, jeines Erachtens aber vielleicht weiter verbreitet, als es bis jeßt fcheint. Von ihrer im Haufe jehmarogenden Verwandten kann jie immer durch geringere Größe, viel kürzeren Schwanz und blafjere Farbe unterjchieden werden. Wir wijjen auch, daß in Wüftengegenden meilt eine Baftrermausform lebt, jo daß die Baftrermaus vielleicht in den Wüften ebenjoweit verbreitet ift wie die eigentliche Hausmaus in den Häufern. Barrett-Hamilton hält es deshalb für wahrjcheinlich, dat Baktrer- und Hausmaus Anpafjungen einer Urform an verjchiedene Verwandte der Hausmaus. Waldmaus. 369 Rebensbedingungen find, und meint, daß wir als dieje Urform vielleicht eine inneraftatijche Art, wie die Wagnersmaus, anzujehen hätten. Einige der weibauchigen Formen, Die „mild“ in Wefteuropa und anderwärts leben, wo die Hausmaus in den Häufern lebt, mögen Rück ichläge diejer leßteren auf die Stammform jein, und als zweifellos jicher nimmt Barrett- Hamilton dies an für Infelformen wie die der Salvages-Injeln zwijchen Madeira und den Kanaren, wo die Mäufe zufällig eingeführt fein müjjen. Aber daraus möchte er feineswegs folgern, daß dasselbe für die oben von den Balearen genannte M.spicilegus zutrifft, die fo- viel zierlicher und Furzjchwänziger it als die Hausmaus. Dieje jieht Barrett- Hamilton vielmehr als eine wilde Stammform der Hausmaus an, und nicht mit ihr, jondern mit un= zweifelhaften Nücjchlagsformen der Hausmaus will er die Gelbbauchmaus von St. Kilda zufammengejtellt wijjen, zumal die ähnlich abzuleitende Salvages-Maus der St. Kilda-Maus in ihrem kräftigen Störperbau vollfommen gleicht. Wald- und Brandmaus teilen die meilten Eigenschaften der Hausmaus. Erit- genannte ift, etwa mit Ausnahme der hochnordiichen Gegenden, durch ganz Europa und Mittelajien verbreitet und jteigt im Gebirge bis zu 2000 m über das Meer empor. Sie lebt in Wäldern, an Waldrändern, in Gärten, jeltener auch in weiten, baumleeren Feldern und fommt im Winter gern in Häufer, Keller und Speijefammern, jteigt aber baldmöglicht nach oben hinauf und treibt jich in Bodenfammern und unter den Dächern umher. Im ihren Bewegungen it jie mindejtens ebenjo gewandt wie die Hausmaus, unterjcheidet jich jedoch dadurc) bon ihr, daß jte meiit in Bogenjprüngen dahinhüpft, nach Art der Springmäufe mehrere Säbe nacheinander macht und exit dann ein wenig ruht. m Südpdeutjchland, 3. B. Württemberg, heißt fie Deshalb geradezu Springmaus. Nach Naddes Beobachtungen icheint ihr Gefichtjinn nicht bejonders entwicelt zu jein; denn man fann fich ihr, vorjichtig bormwärts jchreitend, bi3 auf etwa 60 cm nahen und jte ohne bejondere Mühe töten. m Freien frißt fie Kerbtiere und Würmer, jelbit Feine Vögel, oder Objt, Kirfchkerne, Nüfje, Eicheln, Bucheln und in der Not wohl auch die Rinde junger Bäume. Sie trägt jich ebenfalls einen Wintervorrat ein, hält aber feinen Winterjchlaf und zehrt bloß an trüben Tagen von ihren aufgejpeicherten Schäßen. „Al wir unfere Wohnung im Bureja-Gebirge vollendet hatten“, erzählt Nadde, „itellte jich die Waldmaus in der größeren Unterart (M. sylvaticus major Radde) für den Winter in großer Anzahl bei uns ein und jpielte uns manchen Streich, indem jie jelbit die Tijche bejuchte und Unfug auf ihnen trieb. Sie vermied die gelegten vergifteten Talgpillen und hielt jich am meijten zu den Buchweizenvorräten in unjerem Speicher; auch war fie e3, welche die Erbjen verjchleppte und fich davon jtarfe Vorräte an- legte. Am Tage wurde jie nie angetroffen, in der Dämmerungsitunde aber war jie jehr lebhaft und ungemein dreift.” Auch bei uns zulande macht jie im Haufe oft empfindlichen Schaden und hat ganz eigene Gelüfte: jo dringt fie nachts in Käfige, tötet Kanariendögel, Lerchen, Zinfen. Die Gebrüder Müller erzählen aus Oberhejjen: „Wir wiljen uns jehr wohl aus den Jahren unjerer Jugendzeit zu erinnern, twie diefe Springer mit Leichtigkeit in Bogenjäßen die Treppen hinauffprangen und dabei Beweije ihrer Behendigfeit gaben. Unjere Kanariendögel mußten wir in der Vogelitube ftets mit Sorgfalt vor ihren Angriffen wahren; denn mir machten die Erfahrung, daß fie in der Dämmerjtunde und nachts die ge- ihäßten Vögel auf ihren erreichbaren Sißen anfielen und töteten, das Fleijch bis auf Sinochen und Federn verzehrend.” 9. Schacht, der befannte Beobachter aus dem Teutoburger Walde, rühmt ebenfalls die Gemandtheit der Waldmaus im Springen und Klettern. Er jah jie jchon 366 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. in der Abenddämmerung auf feinen Zwetichenbäumen umberjteigen, um zu dem füßen Obite und vorzüglich zu dejjen Kernen zu gelangen. init fand er jogar eine große Ladung ange- freffener Zwetjchenfteine in einem Meijenfaften, die nur eine Waldmaus hineingejchleppt haben fonnte. Coejter („Zool. Garten‘, 1890) fragen Waldmäuje die Erbjen und Bohnen jogar aus den Schoten an den äußeriten Spiben der Pflanzen heraus, „in anfangs ganz unerflärlicher Weife. Erjt die feinen Zahneindrüde, die ich bei genauerer Bejichtigung an den weichen Samenschalen zeigten”, brachten ihn auf den Gedanken, „Daß Nagetiere, und bei der Sletterfertigfeit, die immerhin zu einer derartigen Räuberei nötig tar, die gemandte Waldmaus der Täter fein müfje. Dieje Vermutung fand jich dann auch beitätigt, als in den aufgejtellten Fallen in furzer Zeit eine große Menge diejer Mäufe gefangen wurde”. Häufchen von Lederbijjen, welche fie nicht qut wegjchleppen fan, bededt die Wald- maus mit Halmen, Bapierjtücdchen und dergleichen. Ein englischer Beobachter fchildert („„Field“, 1907) den Angriff einer „Langjchwänzigen Feldmaus”, wie die Waldmaus ver- toirrenderweije in England genannt wird, auf eine Blindichleiche, den er auf dem Spazier- gang mit anjah. Die Waldmaus faßte die Blindichleiche am Schwanze, der danf der be- fannten Schußeinrichtung bei eivechjenartigen Reptilien jofort abbrach. Darauf wollte die Maus mit dem Blindfchleichenfchwanze im Maule in ihrer Höhle verichtwinden, aber der Be- obachter büdte fich und hielt den Schwanz feit. Das jchrecte die Maus nicht im geringiten; fie zerrte vielmehr tüchtig, um den Schwanz wieder in ihren Bejiß zu bringen, und ließ auch dann nicht von ihrer Beute ab, al3 der Beobachter jte mitjamt diejer in die Höhe hob. Wieder hingejebt, lief fie nicht weg, jondern jchnüffelte auf Dem Boden umher nach der Blindichleiche, Die inzwijchen einige Meter weggeftochen war. Als fie Dieje wiederfand, griff fie Die Schleiche von neuem heftig an und begann, jie troß allen Sträubens nach ihrer Höhle Hinzufchleppen. Der Beobachter tötete nun die Blindjchleiche, legte jie in einiger Ent- fernung von dem Maufeloch hin und ging einige Freunde holen. Als er nach 10 Minuten zurüdfam, hatte die Maus die Blindichleiche jchon bis an die Höhle gejchleppt und fraß eifrig daran. Wenn man fie mit der Hand berührte, jchnüffelte fie nur einmal umher und wandte ich wieder zum Fraße. Schlieplich nahm man die Blindichleiche weg, und Die Maus verihwand in ihrem Loche. — Die ganze Gejchichte ift ein erjtaunlicher Beweis von der dreiiten Fleifchgier der Waldmaus, zugleich aber auch von ihrer Unfähigkeit, durch den Menjchen drohende Gefahr zu erfennen. Über die bei der Hausmaus bereits erwähnte Feindchaft zwischen diefer und der Wald- maus, die um jo mehr an das Verhältnis von Haus- und Wanderratte erinnert, als die Wald- maus anjcheinend jtet3 Sieger bleibt, lafjen wir hier Die Beobachter jelber Näheres berichten. Sarwid-Münfter „lief mehrmals in den Kajten eine Hausmaus hinein. Sobald aber die Waldmäuje Kunde davon erhielten, brach ein vollftändiger Aufruhr aus, felbjt bei Tage. Alle jebten hinter der Verwandten her, bis jie jich in einer oberen Ede des Slajtens den Ver- folgungen entzogen hatte. Höchjteng zwei oder drei Tage fonnte jich jo eine Hausmaus den Kachitellungen der Waldmäufe entziehen. Schließlich erlag jie deren Zähnen, und am Morgen fand man nur noch geringe Überrejte von ihr.” („Zool. Garten“, 1873.) oh. d. Fifcher- Gotha beginnt feinen Bericht gleich mit dem Ausdrud der Überzeugung, „daß jtellenmeife die Hausmaus die pafjive Rolle der Hausratte jpielt... Auf Befigungen, die außerhalb der Stadt liegen, wird die Hausmaus durch ihre Verwandte überall verfolgt und vertilgt." Jr eine große ausgemauerte Kammer, aus der feine Maus entjchlüpfen konnte, ließ d. Fijcher einige Waldmäufe und die vierfache Anzahl Hausmäufe hinein. „Nach acht Tagen war nicht Waldmaus. 367 eine Hausmaus mehr am Leben”, fondern alle ihren Wunden erlegen. „Auf einem ehe- maligen Gute meines Vaters wurden in den lebten Jahren Feine Hausmäufe in Stellern, Scheunen uf. gefunden, nur Waldmäufe, während früher erjtere Häufig waren. Dagegen fand man jolche noch in den inneren Räumen des Haufes. In einer Scheune bei meiner Wohnung in Gotha fing ich 156 Waldmäufe, dagegen nur 7 Hausmäufe, und zivar die feßteren in einer entfernt liegenden Abteilung de3 Gebäudes.” Fiicher glaubte jich jogar nicht zu täuschen in der Annahme, „daß die Zeit nicht fern liegt, two die Hausmaus, wenigjtens auf dem Lande, der Waldmaus weichen wird. Ob die leßtere der erjteren auch in die Städte folgen wird, ift noch abzuwarten.” („Zool. Garten“, 1873.) Neuerdings jcheint leider über diejes interefjante Gegenftüd zum Haus-Wanderrattenfriege nichts weiter beobachtet zu fein. Von dem „guten Gejchmade” der Waldmaus erzählt Lenz ein Hübjches Beijpiel. Eine feiner Schmwejtern hörte abends im Seller ein eigenes, fingendes Piepen, juchte mit Der Zaterne und fand eine Waldmaus, welche neben einer Flajche Malaga jab, der heran- formmenden Dame freundlich und ohne Scheu ins Geficht jah und fich in ihrem Gejange dabei gar nicht ftören Fieß. Die junge Dame ging fort, holte Hilfe, und es wurde mit Heeres- macht in den Keller gezogen; die Maus war mit ihrem Liedchen noch nicht fertig, blieb ruhig figen und war jehr verwundert, al3 fie mit einer eifernen Zange beim Schopfe ge- faßt wurde. Bei weiterer Unterfuchung fand fich nun, daß die Flajche etwas auslief, und daß ringsum ein ganzer Kranz von Mäufemijt lag, woraus der Schluß gezogen wurde, daf die als Trunfenbold verhaftete Maus hier jchon länger ihre Gelage gefeiert haben mochte. Die forftliche Bedeutung der Waldmaus ift nach Altums feiter Überzeugung früher überjchägt worden. Diejer vermißt bei allen dahingehenden Angaben die genaue Charatteri- fierung ihres Frahes ettva dem der Feldmaus gegenüber. Dagegen verzehrt fie in Menge Baumfämereien. In ihren Wohnungen, in denen fie Altum jelbit erbeutet hat, lagen Stie- fernzapfen mit zajerig zernagten Schuppen. Genau dasjelbe Bild zeigen Weimutstiefer- zapfen, die Hartig in einer Höhe von etwa 7m am Baum fand. Ein Oberförter teilte Altum aus Weilburg (HeifenNafjau) mit, daß auf Linden, die dort an einer durch den Wald führenden Chauffee ftehen, die Waldmaus bemüht war, die vom Vorjahr noch hängenden Samen abzufchälen. Die gleiche Beobachtung ift auch früher von anderen bereits gemacht. Hier liegen alfo fichere Tatfachen vor, nach denen die Waldmaus vorzugsweie Samenfrejjerin it. ALS Forftlich gleichgültig Fan man fie deshalb nicht bezeichnen, da bei ihrer jtellenmweije oft großen Menge ein empfindlicher Teil der Buchen- und Eichenmaft verzehrt mwoird. Auch über diefen Bunft fehlt es Altum feineswegs an beweijenden Berichten. Anderjeits bezweifelt er nicht, daß die Waldmaus auch eine Menge Infekten, die als Larven oder Puppen am Boden ruhen, vertilgt. Dadurch wird fie unzweifelhaft nüßlich. Aber fie vergreift fich auch nicht jelten an Bogelbruten, verzehrt den Inhalt der Nefter und benußt dann dieje wohl al be- queme Wohnung. Schon mancher wird überrajcht gewesen fein, wenn bei der Unterjuchung eines Nejte3 im Walde plöglich eine Maus aus diefem herausiprang. Ausgefrejjene Neiter, deren Boden zerftört ft zum Zeichen, daß; fich ein Feines Tier von unten her hineingearbeitet hat, gehören feineswegs zu den Seltenheiten. Ihr Stand und ihre Anlage zeigen, daß nur ein guter Kletterer diefe Zerftörung bewirken fonnte. So haben wir e3, nach Altum, in der Waldmaus ohne Zweifel mit einem Nagetier zu tun, das jic) im Walde jowohl von Säme- reien al3 von tierischer Koft, nicht aber von Baumrinde nährt. In Übereinftimmung mit ihrer großen Beweglichkeit Hebt die Waldmaus durchaus nicht an einem bejtimmten Standort, jondern fucht nahrungsreiche Stellen auf. Jhre Spur fann 368 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. man auf dem Schnee oft weithin verfolgen. Die Eindrüce, die ihr langer Schwanz zurüd- fäßt, bejeitigen leicht jede Unficherheit in der Beftimmung, zumal nad) Altum die Feld- maus niemals dergleichen Spuren zurüdläßt. An maftreichen Stellen hat Altum abends auf dem Anjtande alles ringsumher von Waldmäufen wimmeln jehen. Anderjeits: two Die Waldmaus im Sommer und Herbit vielfach gefangen wurde und fich oft zu drei oder vier Stück in einer Kalle befand, war fie im Winter jelten und konnte troß aller möglichen Loc- ipeifen im Frühling lange Zeit nicht erbeutet werden. Ein dichter Bodenüberzug von Ge- iteiipp ift für ihre Anmwejenheit feine Bedingung. Im Gegenteil rajcheln oft genug zahlreiche Waldmäufe im dirren Laube des Buchentwaldes, in dem fich fein Grashälmchen befindet. Von einer „tanzenden” Waldmaus erzählt Paul Kammerer-Wien („gZool. Garten”, 1900). Er hatte jie in den Dftjeedünen der Injel Ujedom gefangen und aus Berjehen einer unbeabfichtigten Hungerfur unterworfen, nach der fie halbtot mit vötlich unterlaufenen Füßen und ganz eingetrocneter Nafe in ihrem Behälter lag. „Sie erholte jich vajch und war am nächiten Tage fräftiger als je, lief aber nicht mehr in gerader Richtung, jondern be- ftändig im Kreife herum. Seitdem benimmt fie jich ganz wie eine japanijche Tanzmaus.” Sm Anatomifchen Inititut zu Gießen hat Henneberg eingehende Berjuche und For- ichungen über „Schwanzautotomie” bei der Waldmaus angejtellt, d. h. über jenes merk- windige Abreigen und Abjtreifen der Schwanzhaut, das wir jonjt nur von den Schlafmäufen fennen. Hennebergs Unterjuchungen find im „Medizinijch-Naturmwiffenjchaftlichen Archiv“ (Bd. II, Heft 2 vom 20. 7.09) niedergelegt und bemweijen ung, daß, ähnlich wie bei der Eidechje der größere Teil des ganzen Schwanzes, jo bei der Waldmaus wenigjtens die legten 6—7 Zehntel der Schwanzhaut jehr leicht abreigen und fich abjtreifen, wenn man das Tier daran feithalten will. „Die Schwanzhaut ri bei unjeren Verjuchen in allen Fällen fait genau an derjelben Stelle”, und es wurden die legten „21—22 Schwanzmirbel freigelegt. Das freigelegte Schwanzgerüft ift Feucht, jedoch meift nicht blutig... Nach einigen Tagen ijt die entblößte Schtwanztoirbeljäule vollitändig eingetrodnet und geht nun verloren.” Bei ge- nauerer Unterfuchung zeigt jich nun, „daß in dem feiten Abjchnitt jomwohl die Haut feiter mit dem Schwanzgerüft verbunden als die Haut jelbjt bedeutend mwäiderjtandsfähiger it, d.h. eine größere Zugfeitigfeit befißt al3 der autotomierbare Abjchnitt”. Jr diejem jchtwächt ichon die jchräge Einpflanzung der Haare die Verbindung der Schwanzhaut mit der Schwanz- mwirbeljäule; aber noch mehr gejchieht das durch vollfommene Spalträume im Unterhaut- bindegemwebe, die fich außerhalb und längs der Haarbälge bis zur Oberhaut ziehen. Die Bedeutung der Schwanzautotomie erjcheint im erjten Augenblid ganz jelbjt- verjtändlich als Schußeintichtung, um die Schwanzhaut in den Händen des Feindes zurüd- zulajjen, jelbft aber wenigjtens mit dem LXeben davonzufommen. Doch gibt Henneberg nur der Wahrheit die Ehre, indem er jelbjt darauf aufmerfam macht, daß dieje Einrichtung das Tier jeinen natürlichen Feinden gegenüber wenig jchügen dürfte, weil dieje, unjere Raubtiere und Eulen, die Waldmaus nicht zögernd und ungejchiet am Schwanze, wie der Menjch, jondern blißjchnelf und fozufagen mit handwerfsmäßigem Griff am Kopf, Naden oder Rüden paden. Henneberg hält e3 daher für nötig, noch die Kämpfe der Waldmäufe untereinander heranzu= ziehen und ftüßt diefe Erklärung durch den Hinweis auf unfere Wanderratten, die jich mit Vor- liebe gegenjeitig die Schwänze zerbeißen. Jedenfalls aber gehört die Schwanzautotomie der Valdmauszuden Naturtatjachen, für die im eriten Uugenblid eine jchlagende Erklärung ganz jelbftverftändlich gegeben fcheint, leider jedoch bei näherer kritischer Betrachtung nicht jtandhält. Die Waldmaus toirft jährlich zwei- oder dreimal 4—6, jeltener auch 8 nadte Junge, die Waldmaus (Unterarten). 369 ziemlich langjam machjen und den jchönen, rein rotgelben Anflug des Velzes exit im zweiten Sahre erhalten. Die Tragzeit beträgt nach) den Beobachtungen eines englischen Liebhaberz, der immer einen Käfig mit Waldmäufen auf feinem Schreibtifch ftehen hat, wie er an Hein- toth jchreibt, 25 Tage, und die Alten paarten fich am Geburtstage der Jungen fofort wieder. Im Großbritannijchen Reiche muß die Waldmaus jehr Häufig fein; denn nac) Douglas Englifh jagt man dort: die gemeinjten „wilden Tiere” jind „Langjchtwänzige Feldmäufe” und „Sungens". Englijh erklärt die Waldmaus für ein gejelliges Tier und grub denn auch im Frühling 1902 in einem Objtgarten der Nachbarfchaft eine Kleine Kolonie aus, die ztwifchen dem Wurzelgewirr drei getrennte Eingänge hatte. Diefe führten in einen doppelten Raum (Schlafzimmer und VBorratsfammer) einige vierzig Zentimeter unter der Erdoberfläche. Fünf erwachjene Bewohner waren da, und der Vorrat bejtand ganz aus Hafelnüfjen: 98 Stück, die jo Dicht gepackt waren, daß man jchwer mit den Fingern eine herausnehmen konnte. Die Küfje waren underjehrt und feine leere Schale im Bau oder in der Nachbarfchaft zu ent- deden. &3 jah aus, al3 ob der Vorrat noch nicht angegriffen worden wäre. D. English pro- bierte die Nitfje und fand fie ausgezeichnet; fie waren offenbar mit Berftändnis ausgefucht und auf gleicher Temperatur gehalten. Die Waldmaus ift jehr Hart und fo unempfindlich gegen Kälte, daß man jie auch im ftrengjten (englischen) Winter fängt. Sie gewöhnt fich zwar rajch an die Gefangenjchaft, Engliih konnte jie aber auf feine Weije zähmen. Mit ihren Hinterbeinen, die auf den erjten Blid den großartigen Springer verraten, hat ex die Waldmaus einen 15 Fuß (414 m) hohen Sat von einem Fenfter des erjten Stodes herunter machen und unverlebt weiterlaufen jeden, was aber vielleicht mehr für die Cla- jtizität ihrer Slieder als für Sprungkraft zeugt. Die verjchiedenen Arten, Unterarten oder geographiichen Formen der Waldmaus, twie man will, jind mehrfach Gegenjtand genauerer Unterfuchungen gewejen, deren Ergebnifje weit über das fachmännische Interejje des Mufeumsiyitematifers hinausgehen. Deshalb jei hier einiges davon mitgeteilt. Bon den fünf Unterarten, die man auf den britichen Injeln unterjcheidet, erwähnt Englifh die Gelbhalgmaus, Mus sylvaticus wintoni Barr.-Ham., eine jtarfe, jehr rein und jatt gefärbte Waldmausforn, bei der der zimt- oder orangefarbene Bruftfled Durch Ausdehnung in die Duere und abwärts ein Hängendes Halsband bildet; Engliih hat aber, wie er gleich hHinzufügt, viele Stüde gefangen, die nach Größe und Ausbildung diejes Fledes in der Mitte ftanden zwifchen der richtigen Wintonjchen und der gewöhnlichen Waldmaus. Dem jteht jedoch ganz jchroff entgegen die Behauptung des Verfajjers der bis jeßt umfajjendjten Arbeit über die Waldmaus, Barrett-Hamiltons („‚Proc. Zool. Soec.“, 1900), der jich wieder auf de Winton („Zoologist‘“‘, 1894) ftüßt: daß die große Waldinausform in England und Wejteuropa überhaupt in Solonien zerjtreut zwijchen den Heineren Formen febe und fich mit diejen nicht mifche, im Often aber zur alleinigen Vertreterin der Waldmaus werde. Ein äußert merfwürdiger Zuftand, den wir nur weiter unten im Yujfammenhang mit dem jegigen und früheren Alpenvorfommen des Tieres erklären fönnen. Die Waldmaus von St. Kilda, M. s. hirtensis Barr.-Ham., toird im Gegenjaß zu der obenerwähnten gelbbäuchigen Hausmaus von dort (M. muralis) nur als Unterart anerkannt, und ihrem Bejchreiber, Barrett-Hamilton, felbjt („„Proc. Zool. Soc.“, 1899) it daS nterej- jantefte an ihr, daß fie durch jchrittiweife Übergänge mit. der gewöhnlichen Waldmaus ver- bunden und die trennende stuft gegen diefe namentlich Durch das Vorkommen einer weiteren Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Banb. 24 370 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Unterart, der Hebriden-Waldmaus, M. s. hebridensis Winton, auf den dazmwifchen- liegenden Injeln überbrüdt wird. Wenn nun ein Feines Säugetier wie die Waldmaus, abgejehen von den nordischen Tundren und den großen Sandwiiiten, überall in der Balä- arktiichen Negton Europas, Ajiens und Nordafrifas vorkommt von der Oftfüjte Chinas bis zum Atlantischen Ozean, auc) auf den Infeln, z.B. Korjifa und fogar SSland (M. s. islandi- cus Thien.), und für gewöhnlich fo wenig abändert, daß. B. Barrett-Hamilton erklärt, forjifanische Stüde von irifchen oder franzöfiichen nicht unterfcheiden zu Fünnen, jo ift das abweichende Ausjehen der Waldmaus von St. Kilda ein Beweis, daß fie auf diefer Anjel jchon fehr lange lebt. Man muß jchon glauben, daß fie dort eingeboren, d.h. fchon feit jener Entwicelungszeit Der Erdoberfläche dort vorhanden tft, als noc, Landbrüden die gefamten nordeuropäifchen Snfeln verbanden. Dies muß aber anderfeits in der Exrdgefchichte wiederum eine jo junge Zeit geiwejen fein, daß ein jo „moDdernes” Tier, wie eine Maus, einiwandern fonnte, und tatfächlich geben die Meeresunterfuchungen Stübpunfte, daß noch im fpäten Tertiär ein untergegangenes Feitland von Schottland über Die Färder und Asland fogar bi5 nach Grönland fich erjtrecdte. Barrett-Hamilton fchließt jeine gemeinjame jtamme3- gejchichtliche Betrachtung der Haus und Waldmaus von St. Kilda mit der für alle jolche Fälle jehr zu beherzigenden Erfenntnis, daß diejelben Veränderungen der Lebensumstände auf verjchtiedene Tierformen verjchieden ftark und in verjchiedener Weije einwirken, daß jede Tierform ihre eigene Art und Weife hat, fich umzubilden. Fatio fcheint es bei den Waldmäufen der Schweiz, daß die im Walde und im Sommer gefangenen Stüce regelmäßiger gelb oder rot waren als die während der Nachjaifon in den Gärten und um Die &ebäude gejammelten. Er fand Waldmäufe ungefähr jo grau wie Haus- mäufe und wieder andere von brillantem Not. Der gelbe Bruftfled verwandelt fich mancd)- mal in ein volfftändiges Halsband, ein andermal fehlt er ganz. Die langen, feidenglänzenden Srannenhaare auf dem Nücden Fönnen jtark und zahlreich fein, jo daß fie eine Art Mantel bilden; jie fünnen aber jehr wohl auch ganz fehlen. Der Schwanz endlich Fann verhältnis- mäßig furz oder jehr lang jein, gut behaart oder faltnadt. Fatio meint daher (1869), daß man zmwijchen allen diejen Formen nirgends eine einjchneidende Trennung vornehmen fünne, weil zahlreiche Übergänge fie in allen Bunften verbinden. Die einzige Abart, die ihm etwas fonftanter fcheint, it die Alpenform, die immer größer und ftärfer ift, hellere, mehr gelbe Farbentöne, ein gleichmäßigeres, ftrafferes Haarkleid und einen viel weniger behaarten Schwanz hat. „Dieje Alpenwaldmäufe gehen mit der Jahreszeit gleichmäßig von einem rötlichen zu einem mehr graulichen Ton über, ohne fich aber jemals fo fehr dem Grau der Hausmaus zu nähern, wie Die Waldmäufe der Ebene.” — „Die Waldmaus it überall in der Schweiz gemein und geht in den Alpen bis zu bedeutenden Höhen, fowohl im Walde und Srummbolz al3 auf den Grasmatten.” Fatio fand fie im Berner Oberlande bis 1900 m und fing fie noch Höher im Engadin bis 2500 m über dem Meere. „Viele diefer Alpenbetwoh- ner ziehen fich zur Schlechteren Jahreszeit in die Billen und Hausfeller... Die großen Augen und die langen Hinterbeine geben der Waldmaus etwas Wüftenmausähnliches... ihre Zaufgänge liegen fo flach) unter der Erde, daß fie den Boden etwas aufhebt... Sehr gewandt und ein guter Slletterer, treibt fie ji) Die Nacht viel umher auf der Jagd nach Snfekten... Sojliktejte der Waldmaus hat man in der Schweiz viel gefunden, jowohl in den gefchichteten tiefen bei Genf als im Torf und zwijchen den Neften menschlicher Niederlaffungen, z.B. in den Bfahlbauten von Bobenhaufen.” Fatio bemerkt dazu, daß die im Kies gefundenen Stnochen Durch ihre über das Mittel hinausgehenden Mafe an die heutige Alpenwaldmaus erinnern. Waldmaus (Unterarten). Brandmaus. 37 Das gibt wohl den Schlüfjel zum Verftändnis der großen, von den übrigen fich getrennt haltenden Waldmausform. Htilzheimer dürfte faum fehlgehen, wenn er („‚Act. Soc. Faun. et Flor. Fennica“, 1911) dieje M. s. wintoni Barr.-Ham. al ein „Nelift“, ein Überbleibjel aus der Eiszeit bezeichnet, und zwar jedenfalls aus derjelben Periode, die vielfach Aus- breitung öftlicher Säugetierformen nach Wejteuropa mit jich brachte. Und das ift das ALL gemeininterejjante an der Sache! Nac Mojjtjovies fommen in derTatra „Exemplare mit weißen Sleden am Kopfe, Halfe und mit weißer Schwanzjpite ziemlich Häufig vor; im Altvatergebirge, der Höchiten Erhebung der Sudeten (Nordmähren, Schlejien), woste, wenn auch nicht Häufig, bis in die obere Krüppel- fichtenregton vordringt, ijt diefe Art nie rojtgelb, fondern nur grau gefärbt zu finden.“ Eine faufajiihe Waldmaus zählt Satunin aus dem Talyjchgebirge al3 M. s. arianus Blanf. auf; diefe Unterart geht aber, nad) Troueffart, angeblich durch Nordperjien, Turfeitan, den Tienjchan bis Gilgit, d.h. an die Nordgrenze Indiens weiter und fommt daher jotwohl in Büchner „Mammalia Przewalskiana“ als in Blanfords „Fauna of British India“ vor. Bon ajtatischen Arten wollen wir noch die bei Blanford Berdmores Maus genannte Mus nitidulus Blyth aus Burma, Pequ, Sikfim erwähnen, weil jie manchmal Stacheln hat _ und dadurch einen gemwiljen Übergang zu der Gattung Leggada bildet. Die Brandmaus, Micromys agrarius Pall. (©. 357), ijt auf einen geringeren Ver- breitungsfreis bejchränft als Die verwandten Arten: fie lebt zwijchen dem Nhein und Wejt- jibirien, Nordholitein und der Lombardei. In Mitteldeutjchland it jte fait überall gemein, im Berliner Tiergarten läuft jie einent jeden Tag über den Weg; im Hochgebirge fehlt fie, und Fatto bejtreitet entjchieden, Daß jie zur Schweizer Tierwelt gehöre. Im Kaufajus tennt man jte biS jeßt nur auf der Nordfeite. Shre Aufenthaltsorte find Uderfelder, Waldränder, Fichte Gebüjche und im Winter die Getreidefeimen oder die Scheuern und Ställe. Beim Mähen de3 Getreides jieht man jte jcharenmweije flüchten. Pallas erzählt, daß jte in Sibirien zumeilen tegelloje Wanderungen anjtellt. In ihren Bewegungen ift jie ungejchieter, in ihrem Wefen weit guimütiger oder diimmer als ihre Verwandten. ihre Nahrung beiteht Hauptjächlich aus Getreide, Sämereten, Pflanzen, Sinollen, Kerbtieren und Würmern; auf Negenmwürmer it fie nach Matjchies Beobachtungen ganz bejonders begierig: ja, Golm-Charlottenburg beobachtete jogar, wie jte „einen vollftändig ausgewachjenen Sperling, der jich vor Angjt in den Büfchen verfing, jagte und zu faffen juchte”. Sie trägt ebenfalls Vorräte ein. Im Sommer wirft fie drei- bis viermal zwifchen 4 und 8 Junge, die, twie die der Waldmaus, exit im folgenden Jahre vollftändig ausgefärbt find. Über ihre Fortpflanzung erzählt Lenz folgendes: „Bor nicht langer Zeit nahm ich ein Brandmausweibchen nebit jeinen Jungen, welche eben zur jehen begannen, in die Stube, tat die Familie ganz allein in ein mwohl- berwahrtes Behältnis und fütterte fie gut. Die Alte machte fich ein Neftchen und jäugte darin ihre Jungen jehr eifrig; 15 Tage nach dem, an welchem die Familie eingefangen und eingejperrt worden war, al3 eben die Jungen jelbftändig zu werden begannen, warf die Alte undermutet wieder 7 Junge, mußte fich alfo jchon im Freien, nachdem fie die vorigen gehedt, wieder gepaart haben. Luftig war es mit anzufehen, wenn ich die alte Brandmaus, während fie die Jungen jäugte, jo jtörte, daß fie weglief. Die Jungen, welche gerade an ihren Bißen hingen, blieben dann daran, jie mochte jo fchnell laufen, wie jie wollte, und fie fam mit der bedeutenden Lajt doch immer jchnell vom Flede. Jch habe auch im Freien Mäufe gejehen, welche ihre Jungen, wenn ich jie jtörte, jo wegfchafften.” Unter ihren Feinden 24* 372 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. jteht wohl das Wiejel obenan; wenigjtens farın man diejes mitunter jelbft am hellen Tage im Berliner Tiergarten auf der Jagd nach ihr beobachten. Bei der Brandmaus hat Henneberg-Gießen die gleiche „Schwanzautotomie” feit- geitellt wie bei der Waldmaus. Auch fie ftreift den größeren Teil ihrer Schwanzhaut ab, wenn man fie daran feithält, und „Die Unterfuchung der Nifenden zeigt, daß die Zerreigung an derfelben Stelfe ftattfindet tie bei der Waldmaus, wie denn der Bau der Schwanzhaut bei beiden Arten ganz ähnlich ijt”. ©o Shmud und nett alle Keinen Mäufe find, jo allerliebit fie jich in der Gefangenschaft betragen: das fleinjte Mitglied der Familie, die 3mergmaus, Micromys minutus Pall. (Mus; Taf. „Nagetiere XIII”, 1), übertrifft die anderen doch in jeder Hinjicht. Sie ijt be- mweglicher, gejchieter, munterer, Furz, ein noch viel anmutigeres Tierchen als die übrigen. Shre Länge beträgt 13 cm, wovon fait die Hälfte auf den Schwanz fommt. Die Belzfärbung wechjelt. Gewöhnlich it das Tier zweifarbig: die Oberjeite des Körpers und der Schwanz gelblich brauntot, die Unterjeite und die Füße jcharf abgejebt weiß; e8 fommmen jedoch dunflere und hellere, rötlichere und bräunlichere, grauere und gelbere vor; die Unterjeite fteht nicht jo jcharf im Gegenjaße mit der oberen. Junge Tiere haben andere Körperverhältnijje als die alten und noch eine ganz andere Leibesfärbung, nämlich viel mehr Grau auf der DOberfeite. Bon jeher hat die Zivergmaus den Tierfundigen Kopfzerbrechen gemacht. Pallas ent- decte fie in Sibirien, bejchrieb fie genau und bildete fie auch ganz gut ab; aber fajt jeder Foricher nach ihm, dem jte in die Hände Fam, ftellte fie al eine neue Art auf, und jeder glaubte in feinem Rechte zu jein. Exjt fortgejegte Beobachtung ergab die unumftößliche Wahr- beit, daß unfer Zwerglein wirklich von Sibirien an durch ganz Rußland, Ungarn, Polen und Deutjchland bis nach Frankreich, England und Stalien reicht und nur ausnahmsweije in manchen Gegenden nicht vorfommt. Allerdings haben die neueiten Forjchungen gezeigt, daß jich eine Neihe von Unterarten unterjcheiden läßt. Die Zivergmaus lebt in allen Ebenen, in denen der Uderbau blüht, und feineswegs immer auf den Feldern, jondern porzugsmweije in Sümpfen, im Aöhricht, in Binjen ufw. Sn Sibirien und in den Steppen am Fuße des Kaufafus ift fie gemein, in Rußland und England, in Schleswig und Holftein wenigjtens nicht jelten. Aber auch in den übrigen Ländern Europas fann fiezumeilen Häufig werden. Während des Sommers findet man das niedliche Gejchöpf in Gejelljchaft der Wald- und Feldmaus in Getreidefeldern, im Winter maffenweije unter Feimen oder auch in Scheuern, in die fie mit der Frucht eingeführt wird. Wenn fie im freien Felde überwintert, bringt jie zwar einen Teil der falten Zeit jchlafend zu, fällt aber niemals in völlige Erftarrung und trägt deshalb während des Sommers Borräte in ihre Höhlen ein, um davon leben zu fünnen, wenn die Not an die Pforte Hopft. Shre Nahrung ift die aller übrigen Mäufe: Getreide und Sämereien von ver- Ichtedenen Gräfern, Sräutern und Bäumen, namentlich aber auch Heine Kerbtiere aller Art. Sn ihren Bewegungen zeichnet ji) die Zmergmaus vor allen anderen Arten der Fa= milte aus. Cie läuft, ungeachtet ihrer geringen Größe, ungemein fchnell und Fettert mit arößter Fertigkeit, Gewandtheit und Zierlichkeit. An den dünnften Äften der Gebüfche, an Srashalmen, die fo Schwach find, daß jte jich mit ihr zur Erde beugen, jchwebend und Hängend, (äuft fie empor, faft ebenjo fchnell an Bäumen, und der zierliche Heine Schwanz wird dabei jo recht gefchickt als Wiceljchwanz benußt. Er ift nach Douglas English „eine Sache für jich”, „ein richtiger Greifjchwanz, einzig daftehend in der europäijchen Tierwelt”. Er wird ganz gewohnheitsmäßig al3 Greiforgan gebraucht und Fann in feinem Endteil forfzieherförmig I. Zwergmaus, Micromys minutus Pall, 1/2 nat. Gr., s. S. 372. — Doug!as English-Hawley, Dartiord, phot. 2. Indifche Peitratte, Nesocia bengalensis Gray. l/3 nat. Gr., s..S. 375. S. C, Mondul - Kalkutta phot. Yoyd uag-a1NOM A — 'NUE'S'S "IQ eu r/, ya Snuerqume3 SÄWOJWDDIIZ ‘2470A1211WDyY 'E Bwergmaus. 313 gewwunden werden. Er ift edig im Querjchnitt und feine flache Unterfeite offenbar ein Vor- teil beim Gebrauch. Auch im Schwimmen tft die Jwergmaus wohlerfahren und im Tauchen jehr beiwandert. So fommt es, daß fie überall wohnen und leben fann. Shre größte Fertigkeit entfaltet die Zwergmaus aber doch noch in etivas anderem. Sie ift eine Künftlerin, twie es wenige unter den Säugetieren gibt, eine Künftlerin, die mit den begabteften Vögeln zu wetteifern verjucht; denn fie baut ein Veit, das an Schönheit alle anderen Säugetiernejter weit übertrifft. Als Hätte jie es einem Nohrjänger abgejehen, jo eigentümlich wird der niedliche Bau angelegt. Das Weit fteht, je nach des Drtes Beichaffenheit, entweder auf 20-30 Kiedgrasblättern, deren Spiben zerjchlijjen und fo dirccheinandergeflochten find, daß jie den Bau von allen Seiten umfchließen, oder es hängt zwifchen t/, und Im hoch über der Erde, frei an den Ziveigen eines Buches, an einem Schilf- jtengel und dergleichen, fo daß es ausjieht, als jchwebe es in der Luft. Schacht fand e3 im Teutoburger. Walde auch „einmal wenigiteng 4 Fuß hoch in einem dichten Fichtenbäumchen”. Sn feiner Gejtalt ähnelt es am meiften einem jtumpfen Ei, 3. B. einem bejonders rundlichen Gänfeei, dem e3 auch in der Größe ungefähr gleihfommt. Die äußere Umhülfung bejteht immer aus gänzlich zerichlikten Blättern des Nohres oder Niedgrajes, deren Stengel die Grundlage des ganzen Baues bilden. Die Ziwergmaus nimmt jedes Blättchen mit den Zäh- nen in da3 Maul und zieht es mehrere Male zwijchen den nadeljcharfen Spiten durch, bis jedes einzelne Blatt jechg-, acht- oder zehnfach geteilt, gleichjam in mehrere bejondere Fäden getrennt worden ift; dann wird alles außerordentlich jorgfältig Durcheinandergejchlungen, verivebt und geflochten. Das Innere ift mit Nohrähren, mit Kolbenmwolfe, mit täschen und Blütenrifpen aller Art ausgefüttert. Eine feine Offnung führt von einer Seite hinein, und wenn man da hindurch in das Sunere greift, fühlt fich diefes oben wie unten gleichmäßig geglättet und überaus weich und zart an. Die einzelnen Bejtandteile find jo dicht mitein- ander verfilzt und verwebt, dab das Neft einen wirklich feiten Halt befommmt. Jedes Nejtchen pwird immer zum Hauptteile aus den Blättern der Pflanzen gebildet, die e8 tragen. Eine notwendige Folge hiervon ift, daß das Hukere auch fast oder ganz die nämliche Färbung hat wie der Strauch felber, an dem es hängt. Nun benubt Die Zwergmaus jedes einzelne ihrer Kunftwerfe bloß zu ihrem Wochenbette, und das dauert nur ganz urze Zeit: jo find denn Die Sungen regelmäßig ausgejchlüpft, ehe das Blätterwerk um das Nejt verivelfen und hierdurch eine auffällige Färbung annehmen Fönnte. Ältere Mütter machen immer funftvolfere Nefter als die jüngeren; aber auch bei diefen zeigt fich jchon der Trieb, die Kunft der alten auszuüben. Bereits im eriten Jahre bauen die Jungen ziemlich vollfommene Nejter, um darin zu ruhen. Man glaubt, dat jede Ziwergmaus jährlich ziei- bi dreimal Junge wirft, jedesmal 59 Stüd. Gewöhnlich verweilen diefe fo lange in ihrer prächtigen Wiege, bis fie jehen fönnen. Die Alte hat fie immer warn zugededt oder vielmehr die Tiir zum Nejte ver- ichlofjen, wenn fie die Wochenftube verlaffen muß, um fich Nahrung zu Holen. Sie ift in- zwifchen wieder mit dem Männchen ihrer Art zufammengefommen und gewöhnlich bereits von neuem trächtig, während fie ihre Kinder noch fäugen muß. Kaum find dieje dann jo weit, daß jie fich zur Not ernähren fönnen, jo überläßt fie die Alte jich jelbit, nachdem fie ihnen höchjtens ein paar Tage lang Führer gewejen it. Falls das Glück einem wohl will und man gerade dazu fommt, wenn die Alte ihre Brut zum eriten Male ausführt, Hat man Gelegenheit, jich an einem der anziehenditen Familienbilder aus dem Säugetierleben zu erfreuen. So gejchidt die junge Schar aud) ift, etwas Unterricht muß ihr Doch werden, und fie hängt auch noch viel zu jehr an der Mutter, 974 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. als da; jie gleich jelbjtändig jein und in die weite, gefährliche Welt hinausftürmen möchte. Da Hlettert nun ein Junges an diejem, das andere an jenem Halme; eines zivpt zu der Mutter auf, eines verlangt noch die Mutterbruft; diejes wäjcht und pubt jich, jenes hat ein Körnchen gefunden, das e3 hübjch mit den VBorderfüßen Hält und auffnadt; das Nejthäfchen macht jich noch im Juneren des Baues zu jchaffen, das beherztejte und mutigite Männchen hat fich jchon am meitejten entfernt und jchioimmt vielleicht bereit unten im Wafjer herum: furz, Die Familie ist in der lebhaftejten Bewegung und die Alte gemütlich mittendrin, hier helfend, dort rufend, führend, leitend, Die ganze Gejellichaft bejchütend. Man Fann diejes anmutige Treiben gemächlich betrachten, wenn man da3 ganze Net mit nad) Haufe nimmt und in einen enggeflochtenen Drahtbauer bringt. Mit Hanf, Hafer, Birnen, fügen Äpfeln, Fleifch und Stubenfliegen find die Ziwergmäufe leicht zu erhalten, vergelten auch jede Mühe, die man fich mit ihnen gibt, Durch ihr angenehmes Wejen taufend- fach. Ullerliebit jieht e3 aus, wenn man eine Fliege Hinhält. Alle fahren mit großen Sprüngen auf fie 108, paden jie mit den Pfötchen, führen fie zum Munde und töten fie mit einer Haft und Gier, al3 ob ein Yöwe ein Rind erwürgen wolle. Die Jungen werden jehr bald zahm, aber mit zunehmendem Alter wieder jcheuer, falls man fich nicht ganz bejonders oft und fleißig mit ihnen abgibt. Um die Zeit, wo fie jich im Freien in ihre Schlupfwinfel zurüc- ziehen, werden jie immer jehr unruhig und fuchen mit Gewalt zu entfliehen, geradejo, wie die im Käfige gehaltenen Zugvögel zu tun pflegen, wenn die Zeit der Wanderung heran- naht. Auch im März zeigen jie bejonderes Gelüfte, jich aus dem Käfige zu entfernen. Sonjt gewöhnen fie jich bald ein und bauen Iuftig an ihren Kunftnejtern, nehmen Blätter und ziehen fie mit den Pfötchen durch den Mund, um jie zu jpalten, ordnen und verweben jie, tragen allerhand Stoffe zufammen, kurz, fuchen fich fo gut wie möglich einzurichten. Die Ziwergmaus ijt vermöge ihrer Reinlichkeit und Zahmheit ein ideales Liebhabertier; doch fommt e3 aud) vor, daß mehrere, zufammengehalten, jich wütend befämpfen. Douglas Englifh erfuhr, daß zweimal nur ein verwundeter Überlebender auf einem unerfreulichen Haufen von Leichen blieb. Für gewöhnlich find die Zwergmäufe aber ein friedliches, gejelliges Bölfchen; zehn fan man in eine Kofosnußfchale paden, und fie jien ftundenlang zufrieden in jolch engem Quartier. D. Englifh verjorgte feine Gefangenen immer mit natürlichem Zurngerät in Öejtalt von Kornhalmen und beobachtete dann oft vier oder fünf bei gleichzeitigen Übungen. Einige machen jenkrechte Umdrehungen, wie die Eichhörnchen, andere wagerechte, wie man jie jonjt überhaupt nicht jieht, andere wieder in einem gewiljen Neigungswinkel, und dabei vergejjen fie nie den Halt mit Fuß und Schwanz, ändern nie die Ordnung ihrer Gangart. Das ift dann eine ganz einzige Borftellung bei Sonnenjchein oder auch Fünftlichem Licht. Wenn man das Gas aufdreht, jo ift das für eine oder die andere Zivergmaus das Signal, ihre Kofosjchale zu verlafjen und ein Preisturnen zu beginnen. Der beite Behälter für 4 over 5 Stüd iit ein großes, unbededtes Glasaquarium. Wie hoch man fie darin Hettern lajjen darf, fann man leicht ausprobieren; für Mäufe find fie mäßige Springer. Sn jolchem Gemwahrjam gewöhnen ie jich jehr rajch an den Menjchen, und man fann ihre täglichen Ziverg- mahlzeiten und Zwergfämpfe, zwerghaften Toilettenfünjte und Turnübungen jehr jchön beobachten. Der Kampf wird mit den Borderfüßen eingeleitet, teil zum Angriff, teils zur Abwehr. Dft Schlingen jich dabei zufällig die beiden Schwänze umeinander, weil der Schwanz injtinftiv greift, was er fajjen fann, und bei der eriten Bewegung bringen jic) dann beide gegenfeitig ausdem Gleichgewicht. Toilette wird nach getvöhnlicher Mäufeart gemacht, beginnend mit dem Schnurrbart; aber der Schwanz fommt auch dran. Bwergmaus. Indifhe Feldmaus. Afrifanifhe Zwergmaus. Indifche Veitratte. 375 Die lebte Untergattung der Gattung Mus, die wir hier aufnehmen, Leggada Gray, itt auf einen bejonderen Badzahnıhöder gegründet; ihre Arten haben ein mehr oder weniger ltachliges Fell. Bei der gewöhnlichen Jndifchen Feldmaus, L. buduga Gray, wie Blanford eine häufige indische Art nennt, hat der erjte obere Badzahn nicht immer den überzähligen Höder, und fie ftellt Dadurch die Berbindung mit der Untergattung Mus imengjten Sinne her. Jerdon behauptet von ihr, daß bei ihrer Höhle regelmäßig ein Feiner Steinhaufen läge. Die füdafrifanifche Urt (L. minutoides Smith), die Peters auch auf jeiner Neije nach Mojambif gefammelt und al$ Mus minimus Pers. bejchrieben hat, nennt W. L. Sclater einfach „Feldmaus”, was im Deutjchen leicht Mißverjtändnijje erzeugt. Sie ijt Klein und ichlanf, und Matjchie führt fie daher als (afrifanifche) Zwergmaus, da te in Deutjch- Ditafrifa ebenfalls vorfommt. Site ift oben fahl, in der Mitte dunkler durch Beimijchung ihmwarzer Haare, unten weiß. Der Schwanz ijt Fürzer als Kopf und Rumpf zujfammen und dicht mit weißen Borften bejeßt, ohne einen Endbüjchel zu bilden. Die afrikanische Bivergmaus wird manchmal in Häufern gefangen, lebt aber gewöhnlich in den Feldern, two jie jich furze Höhlen gräbt. Am meiften bei der Peft beteiligt find die eigentlichen Beltratten Indiens, Angehörige der Gattung Nesocia Gray, die dadurch eine erhöhte Bedeutung gewinnt. Das haben die oben bereit3 erwähnten danfenswerten Unterfuhungen W. C. Hofjads vom Pejtamt in Kalfutta feitgejtellt. Thomas fennzeichnet die Gattung äußerlich Durch „plumpföpfiges, wirhlmausähnliches Gepräge”, jie unterjcheidet jich aber auch jehr bezeichnend durch das Gebih. Die indischen Engländer nennen fie Maulwurfsratten, weil die Gattung ähnliche Haufen auftwirft wie der Maulwurf. Sie verbreitet fich in einer ganzen Reihe von Arten, mit denen fich auch Nehring wiederholt bejchäftigt hat, von Jndien und Ceylon nach nner- und Borderafien, bi3 Transfaspien, Paläftina, Arabien, ja jelbjt Nordägypten. Es [ind alles große, ftarf und unterjeßt gebaute Ratten mit nicht jehr langem Schwanz und hartem Haar, aber ohne Stacheln. Die Schneidezähne jind jehr breit, vorn fein gerieft, die Bad- zähne aus Querplatten zufammengejebt. Die gemeinfte Ratte in Kalfutta, und daher jedenfalls an der Verbreitung der Peit am meijten beteiligt, ift Die bengalifche Maultwurfsratte, die eigentliche Jndifche Peitratte, Nesocia bengalensis Gray (Taf. „Nagetiere XIII”, 2, bei ©.372), mäßig groß, wie eine Kleine Wanderratte, aber mit langen Grannen oder Borften auf dem Rüden. Der Schwanz hat mindestens drei Viertel der Kopf- und Rumpflänge und verjüngt fich plößlich gegen das Ende; er ift eintönig Schwarz und beinahe nadt. Seine Form ift recht bezeichnend gegenüber dem Wanderrattenjchtvanz: an der Wurzel auffallend di und an der Spibe jehr dünn. Die Kingelung ift jtarf ausgebildet, aber jehr unregelmäßig, fo daß Jich eine betinmte Gejamtzahl der Schwanzringe faum angeben läßt. Die für die Syftematif nicht unmwichtigen Sohlen- balfen find Klein und beinahe Freisrund, nicht herzfürmig. Füße (und Naje) hell purpurz, nicht fleifchfarben; verhältnismäßig Hein. Haar dünn und boritig, was den erträntten Stüden ein Halbnadtes Ausjehen gibt; oben dunkelbraun, Heller gelblich gejprenfelt, unten hellgrau bis tjabellfarben. Im allgemeinen ift die Farbe der der Wanderratte jehr ähnlich; aber der Gejamtton ijt ein fälteres, mehr ing Graue jpielendes Braun. Die Peitratte war urfprünglich eine grabende, fürnerfammelnde Feldratte; aber in 376 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Kalfutta ift fie ein ganz ausgeprägter Schmaroger beim Menjchen geworden, indem fie fich in Ställen und Kornpeichern einnijtet. Sie Höhlt maffive Badjteinmauern aus, und Hofjad fand in feinem eigenen Stall einen Schutthaufen von mehreren englijchen Fuß im Geviert bon diejer Art ausgemwiühlt, der große Klumpen Mauerwerk enthielt. Zur jelben Zeit wurde ihm ein gemauerter AbzugSfanal ganz und gar verjtopft Durch die Withlereien der Peitratte in den Hausfundamenten. hr eigentlich natürliches Wildleben draußen in den Feldern, Gärten ımd auf den Viehweiden befchreibt Blanford; dort erfennt man ihre Anmwefenheit an den großen, Maulwurfshügeln ähnlichen Erdhaufen, die vor jedem ihrer Löcher liegen. Dft befinden fich Dieje Löcher in den Böfchungen von Gräben und Weihern oder Neis- felderdämmen; im Einklang damit it die Peltratte auch eine vorzitgliche Schwimmerin und Taucherin. Shre Höhlen find ausgedehnt und von unregelmäßiger Form, oft verzweigt, zu- mweilen freisförmig und führen zu einem mittleren Kejjel oder Neft, in welchem Die Natte ge- fegentlich viel Korn zufammenträgt, manchmal ein Pfund in einem Bau. Serdon beobachtete jolche Nattenbaue, die einen Raum von 15—20 englischen Ellen im Durchmefjer einnahmen. Elliot fand immer nur einen Bewohner in jedem Bau. Die Nahrung beiteht Hauptfächlich aus Gras und allerlei Wurzeliverk fowie Körnern, wenn folche zu bejchaffen find. Sn ihrem Wejen ist die Maulwurfsratte recht wild, fträubt, wenn fie gereizt wird, ihre langen Grannen= haare und ftößt einen grunzenden Ton aus. Nach Hofjad fnurrt fie und fträubt die Haare, wenn man jte in einen Käfig jebt. Die Schnauze blutet gleich von dem heftigen AUnrennen an das Gitter, und mehrere jegen den ganzen Käfig in Aufruhr mit wilden Angriffen und Gegenangriffen untereinander. Bei den Hütten, wo Korn gefpeichert ift, und den großen Kornmagazinen ijt Der ganze Hofraum, find Sodel und Lehmmände der umgebenden Hütten wie ein Sieb Durchlöchert von ihren Höhlen. Die Kornfpeicher find aber in Kalfutta und anderwärts in Indien nachweislich die Ausgangspunfte, von wo fich die Peit verbreitet, und auf Holjads Beranlafjung tft noch obendrein nachgemwiefen worden, daß Dort gefangene Maulmurfsratten an der Krankheit litten. (Nogers, „Calcutta Plague Report“, 1905/6.) Kad) Elliot fangen die Wadaris oder Wafjergräber von Defhan, die alle Ratten ejjen, die Maulmurfsratte in großen Mengen zu diefem Zwed; an bevorzugten Pläben und zur ent- Iprechenden Jahreszeit jind fte jogar imftande, von den Kornvorräten der Ratten zu leben. Für gewöhnlich foll die Beftratte S—-10 Junge auf einen Wurf bringen; Sterndale hat aber 14 beobachtet bei einem gefangenen Weibchen, welches er jo vollfommen zu zähmen vermochte, Daß es auf feinen Namen hörte, d. h. herbeifam, wenn man rief. Eine Riefenform unter denrattenartig ausjehenden Mausnagernijtdie braune Hamiter- tatte (Gattung Cricetomys Wirh.), die nur in einer Urt (C. gambianus Wirh.; Taf. „Nage- tiere XIII”, 3, bei ©. 373) fich über das ganze tropische Afrifa von Dften nach Weiten ver- breitet. m Berliner Garten Hält man fie jowohl aus Deutjch-Dftafrifa wie aus Kamerun und glaubt die Beobachtung gemacht zu Haben, daß Die öftliche Form erheblich größer wird. Ein auffallender Schmud it der Törperlange, in der weißen Endhälfte fich jehr verdünnende Schwanz, nach dem man das Tier recht treffend auch Beitjchenfchwanz nennen fönnte. Der jpise Kopf ift mehr maus- als rattenartig, und Badentafchen rechtfertigen den deutfchen und lateinischen Namen des eine Körperlänge von 35—40 cm erreichenden Tieres. Matjchie ftellt in feinen „Säugetieren Deutjch-Dftafrifas" eine kurze Lebensgejchichte des Tieres nad) DSfar Neumann, Emin Pascha, Fifcher und Büttifofer zufammen. „Die Hamiterratte ijt überall, wo fie vorkommt, ihrer Gefräßigfeit halber berüchtigt und wird, Sndifche Peftratte. Hamfterratte. Tafchenratte. Stahelmau2. 977 vermutlich zur Vergeltung, gegefjen. Sie fommt des Nacht3, denn auch fie it mehr von nächt- licher Lebensart, in die Hütten, wird den Getreide- und bejonders den Sejamborräten jehr Schädlich und joll, wie übereinjtimmend berichtet wurde, allerlei ihr auffällige Gegen- ftände in ihr Lager fchleppen. Sie joll zwifchen Baummwurzeln jich Höhlen graben, aber auch mit Nien zwijchen Felsblöden und Geftein jich begnügen. Sie Elettert, wie Emin jelbjt jah, jehr gewwandt. Übrigens ift fie durchaus nicht bifjig; Cmin hat in Monbuttu ein Paar längere Zeit lebendig gehalten, die jich ohne weiteres aufnehmen ließen, ohne je einen Ver- juch zum Beißen zu machen.” Dasjelbe hat man im Berliner Garten erfahren, wo man zahme Hamjterratten ihrem Wärter am Körper umherflettern jeden fonnte. „Auf Sanfibar nicht jelten in der Stadt; neben den zahlreichen Wanderratten ift diefe Form, welche in den Sloafen und Wajjerlöchern der Umgegend hauft, den Warenlagern der Staufleute jehr jchäd- lich. Ste ift biffig und tapfer. Spielt in den Fabeln der Suaheli eine große Rolle.” (Fiicher.) „Lebt in verlaffenen Termitenbauten, wo jte durch die Eingeborenen nicht jelten ausgegraben wird... Sn ihrer Bewegungsweije haben jte mich immer an das Känguruh erinnert, da lie mit Vorliebe auf ihren jtarfen Hinterbeinen fiben und den Schwanz als Stübe ge- brauchen, während der dünne Vorderleib, wie bei einem Känguruh, eine aufrechte Stellung hat. Beim Gehen berühren jie mit den VBorderpfoten Faum den Boden und werfen fich oft Fänguruhartig mit den Hinterbeinen vorwärts.” (Büttifofer aus Liberia.) Die Hamiterratte hat einen jehr merkwürdigen Hautjchmaroger (Hemimerus talpoi- des WIk.): e3 ift ein zentimeterlanger Öeradflügler aus der Verwandtjchaft der Ohrwürmer und Küchenjchaben, aus einer Snjektengruppe, in der fonjt gar feine Schmaroger vor- fommen! Cr fieht eigentümlich aus, mit abgeplattetem, gänzlich flügellofem Körper und furzen Beinen. Wenn er mit der Hamjterratte bei ung in die engere Gefangenschaft fommt, fällt er anfcheinend öfter von jenem Wirtstier ab. Seine Nahrung beiteht jedenfalls aus Hautjehinn, vielleicht auch aus Fremdförpern, die auf die Haut der Katte gelangen. Wir reihen die Badenmäufe (Eosaccomys Palmer [Saccostomus]) an, die ebenfalls Badentajchen haben. m übrigen find e$ Heine Nager von Mausgröße mit ungeringeltent, iparjam behaartem Schwanz, der die halbe Körperlänge nicht erreicht. Die wichtigjte Art ift die füdafrifanifche E. campestris Ptrs., von ®.L. Sclater Tajchen- tratte genannt. Shre Badentajchen, die fich im Maule jederjeitS neben der Zunge öffnen, find fehr groß, reichen bis zu den Schultern rückwärts und bilden, wenn fie mit Stöwern ge- füllt find, zwei große Anfchiwellungen am Kopfe. So erinnert diefe Mausin mancher Beziehung an unferen Hamjter und lebt auch gewöhnlich in bebauten Feldern, to jie jich einen Bau mit befonderem Ein- und Ausgang gräbt und in Verbindung damit wohlgefüllte Borrats- fammern eintichtet. Die füdafrifanifchen Schwarzen ejjen fie manchmal. Nach Peters häuft die Badenmaus vor ihren Löchern Steinchen an, was denjelben Zweck, dieje zu verrammehr, haben fönnte wie bei den jogenannten indijchen Feldmäufen (Leggada; vgl. ©.375). Matjchie führt fie auch unter den Säugetieren Deutjch-Dftafrifas auf, und ebenjo gehört fie zur Tier- welt Deutih-Süpdweitaftifas, da fie im Damaralande vorfommt. Eine befanntere Gattung find die Stahelmäufe (Acomys Js. Geoffr.), weil die ägyp- tifche Art (A. cahirinusZ. Geoffr.; Taf. „Nagetiere XIV”, 1, bei ©.380) im Londoner Öarten regelmäßig gezüchtet wird und von da aus auch in anderen zoologijchen Gärten, 3. B. dem Berliner, fich eingebürgert hat. Sie fieht aus wie eine recht dunkle, vauchfarbene Hausmausz, 378 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. unterjcheidet jich aber durch die flachen, rinnenförmigen Stacheln, die jte jtatt der Nüden- grannen trägt. Die Stachelmäufe jind Wiüften- und Steppentiere, die jich von Syrien an über Nord» und Dftafrifa bi8 Mojambik und zur Kapfolonie verbreiten. Zwei Arten (A. wilsoni Thos. und A. spinosissimus Pirs.) verzeichnet Matjchie für Deutj-Ditafrita. Auch die zahlreiche oft- und füdafrifanische Arten enthaltende Gattung Arvicanthis Less. ijt rattenähnlich, Hat aber behaarte Ohren. Sie ıft faum von der Gattung Mus zu trennen und in der Hauptjache äußerlich durch bunte Streifen- und Fledenzeichnung unterjchieden. Eine der jchönften Arten der Gattung ift die Streifen= oder Berbermaus, A. bar- barus Z. (Mus), ein Tierchen, das einjchließlich des 12 cm langen Schwanzes etwa 22 cm an Länge erreicht. Ein jchönes Gelblichhraun oder Kötlichlehmgelb ift die Grundfarbe des Körpers. Vom Kopfe, der jchwarz gejprenfelt ift, zieht fich ein fehwarzbrauner Längs- jtreifen bis zur Schwanzmwurzel herab, und viele ähnliche Streifen verlaufen Yängs der Ceiten, aber in etwas ungerader Nichtung. Die Unterjeite ift rein weiß. Die Ohren find rötlichgelb behaart, die jchiwarzen Schnurren endigen größtenteils in eine weiße Spibe. Der Schwanz ijt oben jchwarzbraun, unten gelblichbraun. Die Streifenmaus lebt in Nord- und Mittelafrifa, bejonders Häufig in den Atlas- (ändern, fommmt jedoch auch in den inneren Steppen nicht jelten vor. Sch beobachtete fie mehrmals in Kordofan, jah fie jedoch immer nur auf Augenbdlide, wenn fie zwijchen dem hohen Graje der Steppe dahinhufchte. „Wie alle übrigen Verwandten, welche die Steppe bewohnen”, jchildert Buory, „wird die berberiiche Maus von den AUrabern jchlechtweg als Maus der Wildnis bezeichnet, verachtet und wenig beobachtet; die Eingeborenen wijjen deshalb nichts von ihr zu berichten. Man trifft jie längs der ganzen Küfte Algeriens, vorzugs- mweije in jteinigen Gegenden, zumal da, wo dirre Höhenzüge fruchtbare Ebenen begrenzen. si den Gehängen der Hügel gräbt fie jich Röhren, welche zu einer tieferliegenden Sammer führen; in Ddiefer jpeichert jie jich im Herbite Vorräte, Kornähren und Gräfer, auf und zehrt von ihnen nach Bedürfnis bei faltem oder nafjem Wetter. Die beim Zernagen der Ähren abfallende Spreu wird zur Ausfütterung der Kammer benubt. Ye nach der Jahreszeit beiteht die Nahrung in Getreide und Sämereien oder in anderen Pflanzenftoffen. Früchte, namentlich Objtjorten, find ihr ein gefuchter Lederbijjen: in den Fallen, welche ich aufjtellte und mit einem Stüde Wafjermelone föderte, fing ich viele. Ob fie auch Kerbtiere fängt und verzehrt, weiß ich nicht. „sn ihrem Wejen erinnert die Streifenmaus vielfach an die Ratten. Sie it gefräßig, aber auch bijfig und jcheut jich nicht, auf den überlegenen Feind loszugehen. m übrigen ift jie eine echte Maus und zeigt die nämliche Gelenfigfeit, Zierlichfeit und Gewandtheit in ihren Be- wegungen wie andere Verwandte. Über ihre Fortpflanzung ift mir nichts befannt geworden.” Shrer jcehmuden Gejtalt wegen Hat man die Berbermaus manchmal nach Europa gebracht. Sie verträgt unjer Klima recht gut, da fie in ihrem Vaterlande ja auch, wenigjtens zeitweilig, ziemlich bedeutende Kälte ertragen muß. Nur wenn man fie reichlich mit Futter verfieht, darf man fie ohne Scheu mit anderen ihrer Art zufammenlajfen; im entgegen- gejegten Falle frigt die jtärfere die jchwächere auf. Sm Zoologijchen Garten fieht man jie nur ausnahmsweife. Venmn die Streifenmaus in ihrer Unterart A. b. pulchellus Gray bis ins tropijche Afrika nad) Süden geht, im DOften bis zum Kilimandfcharo, im Weften bis Liberia, aljo auch zur Berbermaus. GStriemenmaus und Verwandte. Baummaus. NRiejenratte. 379 Tierwelt Kameruns und Togos gehört, jo reichen anderjeit3 füdafrifanische Arten der Gat- tung jo weit nach Norden, daß jie ebenfalls in Deutich-Dftafrifa zufammenfommen. Matjchie verzeichnet al3 Striemenmaus zunädjt A. pumilio Sparrm. (Taf. „Nagetiere XIV“, 2, bei ©. 380), der nur vier fchwarzbraune und fünf helle, nicht immer alle gleich deutlich aus- geprägte Längsbinden überden Rüden laufen. Bon ihr find mindeitens noch drei geographifche Unterarten aus Matabele-, Betjchuana- und Majchonaland anzuerkennen, die in Größe und Tarbe ganz bedeutend voneinander. abweichen. Cie findet jich auf bujchigem Gelände im Unterholßz, wo fie fich ein Brutnejt zwijchen den dürren Blättern und Zweigen macht. Shre Stimme ijt ein mehr oder weniger hartes, metallifches Zirpen. — Eine zweite Urt (A. dorsalis 4A. Sm.) hat nur einen Rüdgratitrich, und Matjchie nennt fie Deshalb (afrikanische) Brand- maus. Gie foll auf den Feldern leben und ift von Emin in den Ngurubergen, von Dsfar Neumann in torogwe am Bangani gejammelt worden, fommt aber auch im Sambejigebiet und nach Weiten bi8 Benguella vor. — Eine dritte deutjch- oftafrifanische Art, die Osfar Neumann aus der Mafjai Nyika mitbrachte, und die Matjchie ihm al3 A. neumanni Misch. wiomete, it ihr jehr ähnlich, hat aber feinen dunfeln Nüdenftrih. Deutjch bezeichnet fie Matjichie einfach als (afrikanische) Feldmaus. — Die ebenfalls hierhergehörige Heine, Derb- gebaute Hamjtermaus, A. abyssinicus Rüpp., nennt Matjchie jo von ihrem hHamjterartigen Kopfe mit innen behaarten Ohren. Das Männchen ift größer als das Weibchen und hat einen toftroten Hinterrüden, rojtrote Schwanziwurzel und Hinterjchenfel. m allgemeinen ift Die Dberjeite Schwarz, fahlbraun geitrichelt, die Unterjeite jchmubiggrau bis weiß, dünn behaart, jonft it die Behaarung ziemlich jtraff; der Schwanz viel Fürzer als der Rumpf. Sie ver- breitet jich von Abejjinien bis nach unjerer deutjch-oftafrifanischen Karamwanenjtadt Tabora und findet jich, nach) Böhm, „Häufig im Gras und zwijchen den von Ranfengewächjen (Stufur- bitazeen ujw.) ummwachjenen Ambatjchgebüfchen am Tanganjifa bei Karema”. Die anjchliefende Gattung Golunda Gray hat zwar ebenfalls den furzen, runden Kopf und das ftraffe, borjtige Haar, aber langen Schuppenfchwanz. Nacı ihrem Vorkommen in Indien und Afrifa hat man jie wieder in zwei Untergattungen (Golunda im engeren Sinne und Pelomys) geteilt. Bei Trouejjart folgen einige indijch-malatische, über die Hinterindijche Snjelwelt bis Neuguinea verbreitete Gattungen, von denen aber nur über die Langjhwänzige Baum- maus, Vandeleuria oleracea Benn., berichtet jei, daß jie auf Bäumen und Büjchen lebt und fi) dort in den Ziveigen ein Nejt aus Gras und Blättern macht. Lebteres jteht oft auf Palmen und Bambufjen, gelegentlich auch im Dach eines Haufe. Die Baummaus it ein jehr lebhaftes, gejchäftiges Tier. Die Gattung Crateromys T’hos. von Luzon ist erjt nachträglich von Thomas aus der Gruppe der großen philippinifchen Borfentatten (Phloeomys) herausgenommen worden, mit denen uns neuerdings der frühere Dresdener Mufeumsleiter U. B. Meder durch den Sammler Dr. Schadenberg genauer befannt gemacht hat. Thomas verjegte Phloeomys schadenbergi A. B. Meyer al3 Crateromys schadenbergi A. B. Meyer, Schadenberg3 Niejenratte, zu den Mausartigen, und jo ift fie mit ihren 86 cm Gejamtlänge, von denen 39 auf den Schwanz fommen, der größte mausartige Nager. Bon den Borfenratten unter- icheidet fie äußerlich der dicht, fait bufchig behaarte Schwanz, für die wijjenjchaftliche Syjte- matif augerdem Schädel und Gebiß. Gemeinjam ift ihr mit jenen die auch beiden Kusfuten . 380 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. von Celebes wiederkehrende Eigentümlichkeit, in der Färbung ganz auffallend abzuändern, durch Weißicheefung mehr oder weniger zum Albinismus hinzuneigen. Wiedie meilten Nager ift fie nächtlicher Natur, und daher läßt jich daS Leben diejer Ratte oder vielleicht Eichhorn- Natte, wie Whitehead jagt, jchwer beobachten. Der Schrei Der Niejenratte it ein fonder- bares Muntjen, das fo fchroitrend Hervorgeftoßen wird, daß es ebenfogut don einem der eigentümlichen Waldinfekten dort Herrühren könnte. f Falt ebenjo groß wie Schadenbergs Natte tft die Wollratte von Britifch-Neu- quinea, Mallomys rothschildi T’hos., die Thomas von ihrem langen, dichten Haarkleid fo genannt und dem um die Mujeumszoologie unjerer Tage jo hochverdienten Walter v. Nothicehild gewidmet hat. Ir deffen Privatmujeum zu Tring fteht das Originaleremplar ausgeitopft, nach dem die einzige Art befchrieben ift. Das wollige Unterhaar ift auf dem Rüden 30—35 mm Yang, und die verhältnismäßig fpärlichen Grannenhaare erreichen fait da3 Doppelte. Dieje Bejchreibung erinnert daran, daß auch die Kusfuten Neuguineas das- jelbe dichte, wollige Haarkleid haben. hitehead entdeckte auf der 7—8000 Fuß Hoch gelegenen, 3 Meilen langen und 1 Meile breiten Ktopfplatte des Tafelberges Monte Data (Nord-Luzon) außer der Schadenbergs- Natte noch eine ganz eigene Nagetierwelt von nicht weniger als fünf neuen Gattungen, Deren zwei, Bujchratte (Batomys T’hos.) und Fruchtratte (Carpomys T’hos.), al3 mausartig im engeren Sinne (Murinae) hier einzureihen find. Sie gehören, nad) Thomas, der die Samm- ‚Jungen VWhiteheads bearbeitete (‚‚Transact. Zool. Soc.“, 1898), zu einer Gruppe von Baume mäufen, die über den öjtlichen Teil des malaiischen Snfelarchipels- verbreitet jind. Die Angehörigen diefer Gruppe mögen vielleicht die vereinzelten Überbleibjel einer älteren Maus- faumna fein, über die die Gattung Mus jest die Borherrfchaft gewonnen hat. Tach Neuguinea und Australien führen die Gattungen Uromys Pirs. und Pogono- mys A. M.-E., dieje mit der Untergattung Chiruromys T'hos., über. Man könnte fie deutfch Mofaitihwanzmäufe und Greiffchwanzmäufe nennen. Denn bei den Mofaikichwanz- mäujen (Uromys) greifen die Schwanzjchuppen nicht Dachziegelförmig übereinander, fon- dern legen fich Kante an Kante an, wie ein Mofaik, und bei den Greiffjhwanzmäufen (Chiruromys) ift der Endteil des Schwanzes oben überhaupt ohne Schuppen, ganz nadt, nur quer gerungelt und greiffähig, aber nach oben, wie alle Greiffchwänge, die bei Nagern vorkommen; daher auch die Nadtheit oben. - Den Schluß der Unterfamilie der Mausartigen im engeren Sinne (Murinae) machen poir mit den auftraliichen Springratten (Conilurus Og. [Hapalotis]). Es jind rattenartig ausjehende Tiere mit langen Ohren und Schwänzen, namentlich aber verlängerten Hinter- beinen. Sid-QDueensland bewohnt C. hirsutus Gould (Taf. „Nagetiere XIV“, 3). Als eigene Gattung (Ascopharynx Waite) von ihnen abgetrennt ijt heute die an den Hinterbeinen fchtvarz gezeichnete, jonjt Nehbraune Springratte, Ascopharynx cervinus Gould (Hapalotis). Ihre Kenntnis verdanken wir dem Hauptmann Sturt, der jie auf einer jeiner fühnen Reifen ing Innere Auftraliens entdecdte. Sturt fütterte feine Heinen Gefangenen mit Hafer, wobei fie fich gut hielten und jehr zahm wurden. Gie hodten gewöhnlich zu- jammen in einer Ede ihres Behälters; aber wenn jie von einer ©eite zur anderen rannten, Nagetiere XIV. 1. Stachelmaus, Acomys cahirinus Z. Geoffr. Nat. Gr., Ss. S. 377. — P. Kothe-Berlin phot. 2. Striemenmaus, Arvicanthis pumilio Sparrm. Nat. Gr., s. S. 379. — W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. 6) . Auitraliiche Springratte, Conilurus hirsutus Gould. 1/3 nat. Gr., S. S. 380. Dr. O. Heinroth, Berlin phot. 4. Ohrenratte, Otomys brantsi A. Sm. 3 nat. Gr., S. S. 381. Lewis Medland, F.Z.S.-Finchley, N., phot. 5. Große _Wüftenmaus, Meriones shawi Ro2. 1/2 nat. Gr., s. S. 385. Lewis Medland, F.Z.S.-Finchley, N., phot. 6. Dickichwanzmaus, Pachyuromys duprasi Lat. 1/2 nat. Gr., s. S. 389. W.P. Dando, F. Z. S.-London phot. Wollratte. Mojaik-u. Greiffhwanzmäufe. Springratte. Baummausartige. Ohrenratte. 381 jo gefchah dies fprungmweije auf den langen Hinterbeinen, wie bei den Känguruhs, wobei fie den Schwanz wagerecht ausgeitredt hielten. Später jah Stunt große Mengen und überzeugte jich, daß die Eingeborenen jandige Kuppen aufjuchten, um Die Nehbraune Springratte als Fleischkoft für ich zu fangen. Sie lebt von zarten Pflanzenjchößlingen und muß viele Monate ohne Waffer aushalten fönnen; denn man findet fie unter Umftänden, die für längere Beit- räume jede Möglichkeit ausjchließen, folches zu erhalten. (Gould.) * Die afrikanische Unterfamilie ver Baummausartigen (Dendromyinae) enthält feine, jchlanfe, mausähnliche Nager mit langen, jpärlich behaarten Schuppenjchwänzen, ziemlich großen Ohren und jchlanfen Gliedmaßen, deren drei mittlere Zehen verlängert find: jedenfalls im Zufammenhang mit ihrem Baumleben. Für Deutfch- Dftafrifa führt Matjchte zwei Arten auf. Die Schwarzitirnige Slettermaus, Dendromys nigrifrons True, it nur vom Kilimandjcharo befannt. Dagegen it die Kleine oder Langjehwänzige Klettermaus, D. pumilio Wagn., oben braun, Unterjeite und Füße weiß, viel weiter, auch über Süpdaftifa, verbreitet und in ihrem Leben vielfach beobachtet worden. 3 ift eine zierliche, Heine Maus, die fugelrunde Neiter aus zarten Halmen im Hochgras und auf niedrigen Bäumen baut. Emin fand diefe Urt auch in Mais- und Sorghumfeldern und entvecte ein Net, das, nach Art der Webernejter wie an einer Schnur aufgehangen, ftark jchwanfte; e3 hing etwa 1,5 m über dem Boden mit nach unten fchauender Offnung. Die Langjchwänzige Slettermaus nimmt öfter auch ein Bogelneit in Belis; im Kapftädter Mufeum ftehen drei Stüd, die man in verlafjenen Webervogelneftern gefangen hat. Für Togo hat Matjchie 1893 die Gattung Limacomys abgetrennt. Auch die von Peters jchon 1846 begründete Gattung Fettntaus (Steatomys Pers.) gehört hierher. Sie ift ebenfalls Hein und mausförmig, aber furzichwänzig, Eurzbeinig und jehr plump zufolge Fettanfamımlung über den ganzen Körper. Die befanntefte, jchon von Beter3 bejchriebene Art it vie Südafrifanijche Fettmaus, S. pratensis Pirs., oben dunfel rotbraun, an den Seiten heller, unten weiß, aus Süpdojtafrifa, namentlich Mojambif. * Die Dhrenratten (Gattung Otomys F. Cuv., Unterfamilie Otomyinae) jind vatten- ähnliche Nager mit halbförperlangem, borjtig behaartem Schuppenjchwangz und breiten, born am Grunde von langen Haaren überdedten Ohren. Sie verbreiten jich vom Ktapland bis Angola im Weiten und bis Abejjinien im Dften und gehören alfo jowohl zur Tierwelt von Deutjch-Dftafrifa als von Deutjch-Südweltafrifa. Sm Gebiet de3 Dranjefluffes Yebt O. brantsi A. Sm. (Taf. „Nagetiere XIV”, 4). Weiter verbreitet ijt die mit Schwanz 30 em lange eigentliche Ohrenratte, Otomys irro- ratus Brts. „Es jcheint”, jagt Matjchie von diefer, „al ob ganz junge Tiere grau jind mit bräunlichem Tone auf dem Rüden und Kopf. Später werden fie dunkel umbrabraun und endlich graubraun mit dunkler Sprenfelung oder jandfarbig." W. 2. Selater jpricht von Farbenabänderungen mit der Verbreitung, und Thomas hat Zahnumterjchiede zwijchen ojt- und füdafrifaniichen Stüden nachgewiefen. W.L. Sclater nennt die Dhrenratte Vleyratte, 382 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. was jchon darauf Hindeutet, daß fie im fumpfigen Gelände nahe bet diejen im der Buren- Iprache jo genannten Wafjertümpeln lebt. Dort gräbt fie furze, gewundene Gänge im Gebitfch und nährt jich von Binjenwurzeln und ähnlicher Pflanzenkoft. — Eine dritte Art (O. unisul- catus F. Cwv.) findet ji) nad) A. Smith in jandigen Gegenden mit einigem Gejtrüpp. Ob jie da ijt oder nicht, Fanın man leicht entjcheiden; denn fie Häyft Heine trodene Zweige rings um die Büjche zu Halbfugeligen oder unregelmäßigen Gebilden zujfammten, oft bis zu an- jehnlicher Höhe. Diefe find nach allen Richtungen von den Gängen der Ratte durchzogen, die jich auch nach unten in die Erde erjtreden, und in diefem unterivdiichen Teile des Baues macht jich das Weibchen fein Nejt aus weichen, trodenem Grafe für die Jungen. %* Auch die Nennmäuje werden in einer bejonderen Unterfamilie (Gerbillinae) von der Berivandtichaft getrennt. hr Leib it eher unterjegt als gejtredt, der Hals kurz und did, der Kopf ziemlich Furz, Hinten breit, nach vorn zu dverjchmälert, die Schnauze zugejpißt, der Schwanz fast von Körperlänge, regelmäßig dicht behaart, zumeilen fogar gepinfelt, nie- mals nadt. Die hinteren Glieder find beträchtlich länger als die vorderen, die Füße fünf- zehig; Doch tft der vordere Daumen eigentlich nur eine Warze mil plattem Nagel, während die übrigen Zehen Furze, Schwach gekrümmte und zugejpitte Krallen tragen. Die Ohren jind ziemlich, Die Augen fehr groß. Der Pelz tft dicht, glatt anliegend und weich, auf der Dberjeite regelmäßig rojtbraun oder fahl, auf der Unterjeite heller oder weiß, ohne daß Jich jedoch diefe Färbung jcharf von der oberen abjeßt. Die Nagezähne find nreift gefurcht und Dunfel gefärbt, die Badzähne, drei in jeder Neihe, nehmen nach Hinten an Größe ab. Der Schädel ähnelt bi3 auf die ftark aufgetriebenen PBaufenfnochen den der Ratten. Das Berbreitungsgebiet der Nennmäufe bejchränkt fich auf Afrika, das füdliche Ajten und das jüdöftliche Europa. Cie leben am Tiebiten in angebauten Gegenden, finden ich aber auch in den dürrjten Ebenen und Steppen, oft in außerordentlicher Menge. Manche Arten find gejellig und vereinigen fich zu Scharen, die dann ebenfo fchädlich werden wie unjere Feldmäufe. Die meilten graben fich ziemlich feichte, unterixdijche Gänge, in denen jte den Tag verbringen. Mit Einbruch der Dämmerung fommen fie hervor, ung nach Nah- rung auszugehen. Shre Bewegungen find außerordentlich rajch und Iebhaft; einzelne jollen imitande fein, bedeutende Säbe zu machen. Scheu und furchtfam, wie die übrigen Mäufe, jüchten fie bei der geringjten Störung eiligjt nach ihren Löchern. Ihre Nahrung beiteht in allerlei Samen und Wurzeln, namentlich auch in Getreide. Auf bebauten Feldern richten jie arge Verwüftungen an, beißen die Ihren ab und jchleppen fie nach ihrer Wohnung, too jte diejelben ungeftört und gemächlich verzehren oder ausdrejchen, um die Körner für un- günftige Zeiten aufzujpeichern. Die Vorräte, die fie jich eintragen, find jo bedeutend, daß man Durch Ausgraben eine ziemlich reiche Ernte Halten fann; denn man findet oft in einem Umfreife von 20 Schritt mehr als einen Scheffel der fehönften Ihren unter der Erde ver- borgen. Wie unferen Ratten, tft den Rennmäujen aber auch tierifche Nahrung willfommen, und vorzüglich die Snjekten haben in ihnen Feinde. ES fcheint, daß fie das Wafjer zu ent» behren imjtande find; wenigiteng findet man fie nicht felten in dürren Ebenen, meilenmweit von Bächen und Brumnen entfernt, ohne daß man ihnen Mangel anmerken könnte. Der Berwüjtungen wegen, welche die Nennmäufe in den Feldern anrichten, werden fie bon den Einwohnern ihrer Heimat ebenfo gehaßt und verfolgt wie unfere Ratten. Sie zu vertreiben, ijt nicht möglich, fo eifrig man ihnen auch nachftellen mag: ihre Vermehrung ift zu Rennmäufe. 383 bedeutend. Genaueres über ihre Fortpflanzung im Freien ift nicht befannt; man weiß nur, daß die Weibchen mehrmals im Jahre ziemlich zahlreiche Nachfomntenfchaft zur Welt bringen. Bon einigen Arten rühmt man ihr angenehmes Betragen in der Öejfangenjchaft. Sie joffen fich ebenfo durch Beweglichkeit und Reinlichkeit wie Durch Sanftmut und VBerträglich- feit auszeichnen, leßtere aber nur jo lange betätigen, als ihnen nichts abgeht, fich dagegen ebenfalls als räuberische Tiere erweijen, wenn jie Mangel leiden. Der Shitematif der Nennmäuje hat jich neuerdings Latafte, der bekannte Erforjcher der Tierwelt der Atlasländer, angenommen, jo daß heute außer der Hauptgattung Gerbillus Desm. mit nicht weniger als fünf Untergattungen noch die Gattungen Meriones, Psammomys, Rhombomys und Pachyuromys unterjchieden werden, bon denen die leßtgenannte Gattung fich fehon äußerlich durch einen eigentümlichen Fettichwanz auszeichnet. Die Sndifche Rennmaus, Gerbillus indieus Hardw., Borderindiens und Cehlong, von Rattengröße, oben hell brauntot, unten weiß, wie alle Angehörige der Unterfamilie, ift mit ihren großen, dunfeln Augen und dem mindejtens Förperlangen Quaftenjchwanz einer der hübfcheften Mausnager. Sie lebt wie die anderen Arten gejellig in den offenen, jandigen Ebenen, too fie fich ausgedehnte Höhlen mit vielen Eingängen gräbt; ein im Mittelpunkt gelegener Hauptkefjel enthält immer ein Lager von trocdenen Gras. Die Jndiiche Rennmaus iit ein durchaus nächtliches Tier, das feinen Bau nur jelten am Tage verläßt. Sie hält jich oft in der Nähe der bebauten Felder, two fie vielen Schaden am Getreide tut und manchmal in folcher Menge auftritt, daß fie zur Landplage wird. Jr unangebauten Gegenden lebt fie Hauptfächlich von Gras und Wurzeln. Vorräte legt fie allen Anjcheine nach nicht a. Wie die Rennmäufe überhaupt unter den Mausartigen fozufagen die Springmäufe vorbereiten, fo bewegt fich auch die indische Art durch Springen auf den Hinterbeinen und macht jo, nad) K"hdeffer, Säbe von nicht weniger al3 12—15 englischen Fuß. Natürlich it jie auf dieje Weije fähig, jelbit einem Hunde zu entkommen. Die Indische Nennmaus it einer der fruchtbarten Nager, bringt häufig auf einen Wurf 12—15 Junge und gelegentlich wohl noch mehr. Weitere Arten fchliegen fich in den Nachbarländern Indiens, Afghaniitan, Balutjchiitan undin Berfien, an. Auch Srnerajien hat feine Rennmäufe, und Büchner hat aus Prjchewalitys Sammlungen mehrere neue Arten bejchrieben. Eine von Büchner neu aufgejtellte Forum aus der Wüfte Gobi und der Diungarei wird heute der Gattung Rhombomys zugejchoben und num al3 Unterart (Rh. opimus giganteus Büchn.) der Rh. opimus Leht. gelten gelajjen, Die mit zwei Unterarten den einzigen Snhalt diejer wegen ihrer rautenförmigen Badzahnfiguren jchon 1841 von Wagner abgetrennten Gattung bildet. Über beide, jowohl über die inner- afiatijche Unter- als über die bis nach Südrußland hinein reichende Hauptart, gibt Prichemwality etwas ausgedehntere Lebenzjchilderungen. Über Büchners Riefenrennmaus jagt er: „Sie lebt in Gejellichaft in Höhlen, welche im Iehmigen Boden der Gebirgstäler und Schluchten und vorzugsmweije dort, wo Saraul wächit, angebracht find. hre Stimme ijt ein dumpfer Pfiff, welcher dem der im Alajchan vorkommenden Nennmaus (Gerbillus opimus) jehr ähnlich it. Wie jene, fo pfeift auch diefe Urt abgebrochen und dermaßen Dump, daß jte bejtändig den Menjchen täufcht. Man glaubt nämlich die Nennmaus noch ziemlich weit entfernt, während fie nicht weiter al3 20 Schritt auf ihren Hinterbeinen vor der Nöhre fißt, in der fie jich darauf auch jchnell verbirgt. Doch fteckt diejes neugierige Tier feinen Kopf jogleich von neuen aus der Höhle. Beim Erbliden eines Menfchen oder überhaupt bei Wahrnehmung von Gefahr 384 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. laffen dieje Rennmäufe immer ihr Pfeifen ertönen, wahrjcheinlich als Warnungsruf. Dieje Art Täuft jehr jchnell Hüpfend, entfernt fich jedoch niental3 auf eine große Strede von ihrem Bau. Da fie fich von Saraul und anderen gewöhnlich jehr wajjerhaltigen Saljolazeen nährt, jo bedarf fie, wie auch andere Heine Nager der Wüfte, nicht des Wafjers... Anfang Dftober jahen wir bei den Höhlenmündungen Heu liegen, welches zum Futter für Den Winter oder auch zur Auskleidung der Höhlen vorbereitet war. Während meiner dritten zentralaftatijchen Erpedition fanden wir im April und Anfang Mai 1879 die gejellffchaftlichen Anfiedelungen diefer Art ziemlich Häufig im öftlichen Teile der Djungarei; jonderbar jedoch, daß wir fein einziges Mal die Tiere felbjt zu Geficht befamen. Sehr möglich, daß jie während des Falten Winters zugrunde gegangen waren, oder, was wahrjcheinlicher it, wegen der häufigen Winde und der Kälte ihre Baue nicht verließen. Erit in Mat wınde ein Exemplar in der Kähe des Salzjees Barkulj erbeutet.” Auch die al3 Rh. opimus Zeht. bejtimmte Rennmausform traf Brichewality „in gentral- alien nur auf dem mit Saraul (Haloxylon ammodendron) bewachjenen Flugjande des nörd- lichen Majchan, wo fie in großen Mengen vorkommt. Sie legt ihre Höhlen (mit vielen Nebenröhren) in den Hügeln des Flugjandes an. Shre Stimme tft derjenigen des Spermo- philus mongolieus ähnlich und ließe fich in Silben etiva durch pispispi wiedergeben, mas Dieje Nennmaus, an ihrer Röhre figend, an zwanzigmal hintereinander wiederholt. Man Fan das im Frühling und Sommer den ganzen Tag hindurch hören, und nur bei jchlechtem Letter verjteckt fich G. opimus in feinen Höhlen, welche er auch im Winter nur jelten verläßt. Des Morgens jchläft diefe Nennnaus ziemlich lange, mwenigjteng zeigt jie jich im Herbit nicht früher außerhalb ihres Baues, al3 bis die Sonne genügend gemwärmt hat. Bei jchönent Wetter, ge- wöhnlich gegen 9 Uhr, verlaffen endlich die Rennmäufe ihre Baue, gehen kurze Zeit ihrer Nahrıma nach und fangen darauf an, höchit fomifch auf ihren Hinterfüßen zu hüpfen, wobei jie ihren Körper volfitändig vertifal in die Höhe ausreden. Bei diejer Gelegenheit läßt die auf jolche Weijfe tanzende Nennmaus ihre gewöhnliche dumpfe Stimme vernehmen. Da in ein und demfelben Sandhügel, namentlich auf feiner füdlichen ©eite, zumeilen mehrere Dutend bewohnter Höhlen (die Nebenhöhlen nicht mit eingerechnet) angebracht find, jo re= präjentieren die aus ihnen geftochenen Rennmäufe eine ganze Gejelljchaft, welche mit ihren Tänzen bejchäftigt ift. Yon Zeit zu Zeit reißt Diefes oder jenes Tier einen Grasitengel oder einen Saraulzweig ab, führt ihn mit den Vorderfüßen zum Munde und frißt ihn auf. Doch da zeigt fich auf einmal ein Milan oder ein Fuch3 oder auch ein Denjch ... die ganze Sejellichaft gerät in Schreden: ein Teil wirft jich Hals über Kopf in die Baue, ein anderer, der mutiger it, bleibt noch auf dem Plate, verjchwindet jedoch, jomwie er jich über Die Gefahr vergetwiljert hat, im Nu in den Röhren, aus welchen fchon hier und da ein Hübjches Köpfchen neugierig wieder hervorzulugen beginnt. Am Tiebiten fit diefe Art jedoch, auf den Hinter- beinen hocdend, vor der Röhrenmündung...” Nach diefer Schilderung jcheint die Gattung Rhombomys fich ganz unverfennbar auch in der Lebensweije von der rein nächtlichen Ger- billus im engjten Sinne zu unterjcheiden; jie jcheint mehr ein Tagleben zu führen, was licher al3 eine weitere Stüße für ihre Berechtigung als bejondere Gattung anzuerkennen wäre. Die nordafrifanifchen Arten interefjieren hier bejonders, weil fie es wohl hauptjäch- lic) find, die lebend in die zoologischen Gärten, mitunter jogar in die Pflege eines Lieb- haber3 gelangen. So hat der Berliner Garten feinerzeit zuerjt durch den befannten Tunis- jammler Spaß zwei Formen erhalten: die Kleine und die Große Wüftenntaus, wie fie Wüftenmäufe. 385 dort genannt werden (Gerbillus gerbillus O7. und Meriones shawi Ro2.,; Taf. „Nagetiere XIV”, 5, bei ©.381), von denen die erjtere wenig größer als die Hausmaus, die leßtere imnter noch jehr viel Kleiner als die Ratte it. Günther- Freiburg nennt die Wüftenmäufe die angenehmiten Stubentiere, die er je bejeljen habe, und lobt vor alfent ihre „vollitändige Geruchlofigfeit... So fonnten fie im beiten Zimmer geduldet werden, jie waren abjolut jalonfähig... Die Pflege diefer Mäufe war die denkbar einfachite; ich brauchte ihnen nur alle paar Tage ihren Napf mit Hirje zu füllen fowie in ein anderes Näpfchen etwas Wafjer zu gießen. Bon der Hirfe fragen jie jo wenig, daß die Ausgabe kaum zu merfen war. Der Sand, der recht hoch den Boden bedeckte, brauchte nur ettiva alle drei Monate gewechjelt zu werden, und jonjtige Reinigungs- maßregeln waren nicht nötig. Ein Heiner Holzfaften, gefüllt mit Watte oder Holzmwolle, diente den Tieren als Schlafjtätte.” Eiffe-Hamburg, ein anderer erfahrener Liebhaber, der allerdings jeine Wüjtenmäufe ebenfalls „im Winter im Wohnzinmter hielt, möchte doch nicht unerwähnt lajjen, daß ihr Harır im größerer Menge einen ziemlich unangenehmen Geruch verbreitet und jich daher eine tägliche Neinigung des Käfigs beziehungsweife der Aborte empfiehlt. Auch riechen die Mäufe jelbjt bisweilen jehr jtark, etiva wie Antilopen in ge- Ihlofjenem Naume; in diefen übrigens nur wenigen Tagen im Jahre macht auch das Fell den Eindrud, al3 ob e3 ölig jet.” Vielleicht find dieje verjchiedenen Erfahrungen auf ver- ichiedene Fütterung und Haltungsweije zurüdzuführen. Etife reichte „Hauptjächlich Hafer und weiße Hirje, zur Abwechjelung allerlei Sämtereien, Hanf, Sonnenblumenjamen, Gerjte und Weizen”. Ferner „aßen alle gern Mehlwürnter und Küchenchaben und wußten auch mit einen Maifäfer fertig zu werden. Wafjer fönnen fie jelbit bei ausjchließlicher Körnerfütterung ganz entbehren. Vier Monate lang entzog ich ihren das Wafjer gänzlich, ohne daß dies den gering- iten Einfluß auf ihr Befinden gehabt hätte. Für gewöhnlich gab ich ihnen jedoch alle 8 oder 14 Tage Gelegenheit zu trinken, wovon das eine Männchen jedesntal, das andere jelten und die beiden Weibchen nientals Gebrauch machten; wenigjtens habe ich e3 nicht gejehen.” Günther „hatte zuerit ein Pärchen, das in vollem Frieden miteinander lebte und, wenn es nicht jchlief, jich damit bejchäftigte, den Sand zu einem Hügel aufzufchüitten oder einen tiefen Gang zu graben, in dem es mit unglaublicher Schnelligkeit hin und her lief. Beim Graben jcharrten die Mäufe den Sand mit den Borderpfoten auf, um ihn dann von Zeit zu Zeit mit den Hinterfüßen jehr Fräftig nach Hinten abzumerfen. Beim Frejien jaßen jte auf den Hinterbeinen, öffneten die Hirjeförner, die jte in den Vorderpfoten hielten, ge- hit mit den Zähnen, und ftedten dann den Kern in das Mäulchen. „ach einiger Zeit fonnte ich beobachten, daß das Weibchen die Hirje nicht mehr auf- fnadte, jondern eine Zahl von Körnern im Maul anfammelte und dieje in ihr Häuschen trug, wo e3 in einer Ede einen Haufen davon aufjchüttete, den es dann mit Sand zudedte. un hatte auch der Friede ein Ende; fobald das Männchen ich dent veritedten Magazin näherte, jprang das Weibchen Heraus, um ihren Mann mit Bifjen zu vertreiben. Ein jolcher Überfall machte fich immer jehr jpaßig. Das Weibchen fuchte das Männchen zu unterlaufen, prücdte jich mit feinem Hinterteil an dasjelbe heran und fuchte ihm nun von unten, indem e3 das eine Auge zufmff, Bilje beizubringen, während das Männchen jich aufrichtete und mit den Vorderbeinen unter fortwährenden Quiefen abzuwehren und zu fragen verjuchte. Diejes zug aber doch jtet3 den Kürzeren, und um ihm einen Erjab für das verlorene Schlaf- gentach zu verjchaffen, tat ich noch ein Käftchen in den Käfig. Aber auch das half nichts; faum war das Männchen erjreut Hineingefochen, jo erjchien auch jchon das Weibchen, bif e3 hinaus und nahm auch von der neuen Schlafitube Bejit. Das gleiche wiederholte jich, Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 25 386 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. als ich noch einen Kaften hineinjeßte: des Weibchens Habjucht jchten unerfättlich zu fein. Doch bald erklärte jich das Nätjel: das Weibchen warf 6 rojentote Junge, die, ohne Haare und mit verwachjenen Augen, feinen Schönen Anblid gewährten. Da jebt die junge Mutter beitändig in jolcher Wut war, dat das Männchen bei der geringsten Annäherung fürchterlich verbijjen wurde, jeßte ich das leßtere in einen anderen Käfig; übrigens konnte ich die Jungen jederzeit berühren, ohne daß die Alte den Verfuch des Beißens machte, und auch als die ungen jchon größer waren und in ihrem gelbweißen Fellchen und mit ihren großen fchwarzen Augen ganz allerliebit ausjahen, faßte ich jte oft an umd konnte fie an jede Stelle des Käfigs jeßen, ohne die Mutter zu erzüienen. Nur trug fie ihre Kinder dann fchnell wieder im Maule in ihr Häuschen, wobei fie oft derb zufaßte, jo daß die Stleinen recht Häglich quieften. Dabei fonnte ich die Kraft der Alten bewundern, mit der fie hocherhobenen Hauptes die jpäter ichon recht großen Jungen in vollem Laufe hin und her trug; ja, als ich dieje einmal auf den Boden eines hohen Bierglajes jeßte, holte die Mutter fie wieder heraus, indem fie mit fühnem Sprunge über den Rand des Glajes jebte. „Die Jungen mwuchjen Fräftig heran, bis auf eins, das bald einging, und als ich den Bater nun jpäter wieder dazu jeßte, zeigte e3 ji), daß auch er große Freude an ihnen hatte. Kamen fie zu ihm, jo belecdte er fie zärtlich und fchmiegte jich eng an fie; aber die Mutter, die als egoijtiiches Gemüt weder Schlafjtuben noch Siinder mit jemanden teilen wollte, bif den Vater jedesmal, wenn fie dazu fanı, weg und — böjes Beijpiel verdirbt gute Sitten — die Jungen lernten von der Mutter. Bald nämlich fonnte ich jeden Abend eine Art Volfs- belujtigung jehen, d. h., wenn Mutter und Kinder aus ihrem Meittagsjchlafe erivacht waren und auf der Bildfläche erjchienen, wurde der Vater in feinem Schlupfwinfel aufgejucht, bervorgetrieben und nun lange Zeit im ganzen Käfig herumgejagt; dabei wurde ihm mit Biljen Fräftig zugejeßt, jo daf jeine Beine und jein Schwanz bald mit Beulen bededt waren. Sch hoffte immer noch, er würde Jich einmal aufraffen und jeinen doch viel Shiwächeren Slin- dern Die Macht des Vaters zeigen; aber meine Hoffnung erfüllte fich nicht, und nad) einiger Zeit erlag er einen Wunden, gerade alsdie Mutter wieder einen Wurf von jechs jungen Mäufen hatte. Übrigens vertrugen fich fpäter auch Mutter und Kinder fchlecht miteinander; aber die Mutter führte Doch immer das Machtwort, bis eines Tages mich ein furchtbarer Lärın an den Käfig führte. Dort jah ich dann die Mutter und ihre größte Tochter im Kampfe begriffen, der jajt eine Viertelitunde lang von beiden Geiten mit großer Erbitterung geführt wurde. Endlich gewann die Junge, die Alte ergriff die Flucht, wobei erjtere fie noch nach dem Prinzip eines großen Feldheren lange Zeit im ganzen Raum verfolgte und herumjagte. Yon diejer Beit an war die Herrichaft der Mutter gebrochen, und die Tochter jpielte nun die erte Geige. „Daß die Mäufe ein gutes Gedächtnis bejaßen, erprobte ich durch folgendes Erperi- ment: Sch baute an die Glaswand des Käfigs von außen eine Treppe von Zigarrenfijten heran, die bis an den oberen Rand des Zivingers reichte. Dann nahın ich die Mäufemutter und jeste fie außerhalb ihres Heims auf den Tijch, der dem Käfig al3 Unterlage diente. Sie war jehr unruhig, wollte Durchaus in ihre Behaufung zurück und fuchte umfonst durch das las zu dringen oder durch Scharren einen Eingang zu erzwingen. Da entdedte jie die Zreppe, jprang auf die unterjte Stufe und wieder herunter, verfuchte dann aber iwieder auf andere Weije ihr Ziel zu erreichen. Nachdent fie lange Zeit hin und her probiert und auch im Laufe der Unterfuchung des Terrains viele Stufen der Treppe bejtiegen hatte, Fam jie auch auf die oberfte, fah von da in den Käfig hinein und fprang nun mit einem ©aß in den- jelben. Wie ich fie hierauf das zweitemal herausjeßte, fand fie den Weg fehon fehneller, und Büjtenmäuje. 387 jpäter brauchte ich fie bloß auf den Tijch zu jtellen, um jie jofort auf die Treppe zueilen, dieje mit großen Sprüngen erjteigen und dann in den Käfig Hinabjpringen zu jehen. „Xuch in ihrem Heim mußten die Mäufe gut Bejcheid. Jch hatte ihnen ein ganzes Labyrinth von unterirdiichen Gängen aus Pappe aufgebaut, in welchem fie nun gejchäftig hin und her liefen, hier einen Gang verjchütteten, dort einen verbreiterten; hier einen Seiten- gang mit Hirje füllten und dann zugruben, dort in die Pappe eine neue Offnung nagten oder eine alte vergrößerten; ja jogar für ihren jpärlichen, trodenen und geruchlojen Schmuß hatten fich die jauberen Tierchen einen ganz bejtimmten Gang ausgejucht. Leider waren fie über die Bejigergreifung der einzelnen Abteilungen nicht immer einer Anjicht, und oft fam e3 in den Gängen zu großen und erbitterten tämpfen. Abjoluter Friede herrjchte eigentlich nur, wenn jie, eng zujammengedrängt und ich gegenjeitig erivärmend, fchliefen. „So ftreitfüchtig jte aber untereinander waren, jo friedlich und zutraulich zeigten jie jich Dem Menjchen gegenüber, und wenn ich abends nur die Hand in den Käfig hineinftrecte, famen jte jojort herbei, um an ihr heraufzuflettern; ja, je blieben, wenn ich meine Hand wagerecht hielt, lange vergnügt auf ihr jiBen. Einen fomijchen Eindrud machte es, wenn ich mit der geballten Fauft neben eine Maus Hinjchlug; denn jtatt erjchreckt davonzujpringen, blieb jie ruhig jigen und bejchnüffelte die Hand neugierig. Sehr niedlich jah e3 aus, wenn ein Tierchen, auf der Hand figend, einen Mehlwurm verjpeiite; denn Mehlwürmer waren ihr Leibgericht, und jte jraßen dieje mit großem Appetit und der bedächtigen NRuhe des yein- ichmeders, wobei es dem Wurm allerdings übel erging, bejonders wenn jie an jeinem Hinter- teil mit dem Anbeißen angefangen hatten. „Surcht vor anderen Tieren var den Mäufen gar nicht eigen, und jo wurde eine große Ningelnatter, die ich einmal Hineinjeste, nur wenig beachtet. Ebenjo fünmterten fie jich auch um eine weiße Maus herzlich wenig; dagegen wurde eine Fledermaus heftig zerbijjen, und Snjekten wurden, einerlei ob groß oder Klein, jofort getötet und mit großer Begeijterung gefrejjen.“ Eifie brachte jeine Wiülternmäufe nicht zur Fortpflanzung, beobachtete aber an feinen beiden Männchen öfter noch eine weitere merfwirdige Erjcheinung, die offenbar mit dem Gejchlechtsleben zufammenhängt: die „blutende Bruft“. „Tatjächlich tt das weige Haar der Brut gelegentlich von Blut dunfelrot gefärbt, und es zieht jich ein rötlicher Streifen bis zum Leibe genau in der Mitte hinab... Das eine Männchen rieb jich an diejen Tagen die Bruft an jpiten Steinen, Kanten und dergleichen, oder aber e3 jcharrte jich einen Keinen Hügel und glitt dann mit der Bruft darüber hinweg...” Dieje Erjcheinung bejchränfte jich „nur auf die Männchen, und e3 befand jich der Fleck jtets in der Mitte der Bruft”. Eine erflärende Beitätigung diejer zunächit ganz unverftändlichen Beobachtung jucht man natürlich in Lataftes „Documents pour l’Ethologie des Mammiferes“, und zwar im der Premiere Serie, in der Tagebuchnotizen über Nager in der Gefangenschaft mit unermüpdlichem Beobachtungseijer und unendlichen Fleiße zu einem diefen Buche zufammengetragen find. Eine unmittelbare Er- Härung der blutenden Bruft beim brünftigen Nennmausmännchen findet jich aber auch danicht, nicht einmal eine unmittelbare Erwähnung; aus Lataftes eingehenden Schilderungen aber, die für wifjenjchaftliche Bearbeiter derartiger Fragen auf alle Fälle ein höchit wertvolles Quellen= werk daritellen, läßt jich mittelbar jchliegen, daß das brünftige Paar jich jehr wohl mit Blut be- jleefen mag, da die Begattung durchaus nicht glatt vor fich geht, jondern exit nach wiederholten Berjuchen, bei denen Blut fließt. Troß der Schmerzen, die dem Weibchen hierbei zugefügt werden, erweilt e3 dem Männchen anderjeits wieder Zärtlichkeiten, die man nad) Latajte nicht anders denn als Küfje bezeichnen fan. Das Gejchlechtsleben ijt, wie bei ven Nagern 25* 388 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. überhaupt, jo beiden Rennmäufen insbejondere ganz eritaunlich Hoch ausgebildet, und als eigen- artige Einrichtung auf diejem Gebiete mag hier noch der Scheidenpfropf (bouchon vaginal) ge- nannt werden, die bei Anmwejenheit von Blut eritarrende Abjonderung der Öejchlechtsneben- drüjen des Männcheng, die die Scheide des Weibchens nach Einffuß des Samens verjchließt. Die Sandrennmaus, Psammomys obesus Ortzschm., hat ettva die Größe unferer Wanderratte, aber einen weit Fürzeren Schwanz, da diejer bei 32 cm Gejamtlänge nur 13 cm mißt, und ift oben rötlich jandfarben, jchiwarz geiprenfelt, an den Seiten und unten fichtgelb. Die Wangen find gelblichweiß, fein Schwarz geitrichelt, die Ohren helfgelb, die Pfoten Ficht oderfarben. Bon den Schnurren find einige jchwarz, andere weiß, einige endlich an der Wurzel ichwarz und an der Spike licht. Das mwejentliche Merkmal der Gattung Psammomys Ortzschm. bilden die nicht gefurchten Schneidezähne, die nur am Innenrande eine mehr an= gedeutete als ausgebildete Ninne zeigen. Sn Haypten fieht man diefe Maus auf fandigen Stellen der Wüfte, befonders Häufig auch auf jenen Schuttbergen, die alle Städte des Pharaonenlandes umgeben. Sie legt fich vielfach verzweigte, ziemlich tiefe Nöhren und Gänge an, am fiebiten unter und ziwijchen dem niederen Gejtrüpp und den wenigen Friechenden Bilanzen, die ihre Wohnorte jpärlich genug bededen und ihr zugleich das tägliche Brot bieten. Da jie auch am Tage vor dem Baur erjcheint, fan man fie leicht beobachten. Oft jieht man ihrer 10—15 umherrennen, miteinander jpielend verfehren, von diejer und jener Pilanze najchen. Ein herannahender Menjch oder ein herrenlojer Hund verjcheucht die ganze Gejelljchaft augenblicklich; aber es dauert nicht lange, und hier und da guet wieder ein Köpfchen aus den Yöchern hervor, und wenn alles ruhig bleibt, ijt die ganze Gejellichaft in furzem wieder außerhalb der jicheren Baue. Ob fie ihrem Namen bejondere Ehre macht, lalje ich dahingejtellt jein; ich habe nicht wahrgenommen, daß fte fich durch befondere Schnelligkeit im Laufen auszeichnet. Über ihr Familienleben habe ich Feine Beobachtungen gemacht. Die Araber jehen in den Nennmäufen unreine Tiere und verfolgen jie nicht. Um jo eifriger bejchäftigen jich die Stragenhunde mit der Jagd jolch Tecderen Wildes, und oft jteht man einen diejer Köter mit der innigjten Teilnahme und lebhafteften Spannung vor einem der Ausgänge ftehen. Das Gefangenleben, namentlich die Fortpflanzung in der Gefangenschaft, Hat Dehne am beiten und ausführlichiten bejchrieben. „Am 1. September warf meine Sandrennmaus jechs Junge. Jch entfernte das Männ- chen aus dem Käfig und gab der Mutter friiches Heu, woraus jte jich alsbald ein bequemes Neft verfertigte. Die neugeborenen Jungen hatten das Ausjehen junger Wanderratten, ichtenen aber um ein wenig größer zu jein. Jhre Mutter war jehr bejorgt um fie und ver- decke fie, wenn fie das Lager verließ, mit Heu. Manchmal, namentlich in der ihr jehr wohl tuenden Mittagshite, legte jie jich beim Säugen auf die Seite, jo daß man die Jungen qut beobachten fonnte. Dieje waren jehr lebhaft und jaugten mit Begierde. Vier Tage nad) ihrer Geburt waren fie jchon ganz grau, am 6. Tage ihres Kebens hatten jte die Größe der Zweramäufe, und der ganze Oberkörper war mit einem außerordentlich feinen Zlaum von Ihieferblauer Farbe bededt. hr Wachstum ging rajch vonstatten. Am 13. Tage waren jie überall mit furzen Haaren bedeckt, der Oberkörper hatte fchon die eigentümliche, rehfahle Farbe der Alten, und die Schwarze Schwanzipige fonnte man bereits deutlich erfennen. ©ie liefen manchmal, wenn auch noch etwas unbeholfen und fchiverfällig, um ihr Lager und Sandrennmaus. Didjhwanzmans. 389 machten, obgleich noch blind, öfters Männchen und pubten jich. Die Mutter verjuchte fie aber immer der Beobachtung zu entziehen, nahm eine nach der anderen ins Maul, brachte jie eiligft nach dem Nejte zurüd und verbarg je dort jorgfältig. Wenn man längere Zeit in ihrer Nähe verweilte, wurde fie jehr ängjtlich und Tief mit der größten Schnelligkeit im Käfig herum, eines oder das andere der Jungen im Maule tragend. Man glaubte be- fürchten zu müfjen, daß jte die zarten Tierchen verlegen möchte; doch war dies nie der Fall, und die Jungen gaben auch fein Zeichen des Schmerzes oder Unbehagens. An 16. Tage ihres Lebens wurden jte jehend. Nun benagten jte jchon Hafer, Gerjte, Mais, und einige Tage jpäter fonnte man jich auch durch das Gehör von der Tätigkeit ihrer Nagezähne über- zeugen. Am 21. Tage hatten fie die Größe der Hausmäufe, am 25. die der Waldmäufje. est jaugten jie nur jelten; doch bemerkte ich dies von einigen noch, nachdent jie über einen Wonat alt getworden waren. Gie fraßen jchon von allem, was ihre Mutter zur Nahrung befam: in Wafjer gequollene Senmtel, Zwiebad, Brot, Hafer, Gerjte, Mais. Der lebtere behagte ihnen vorzüglich, wenn er frisch abgenommen und noch etwas weich war. Hanfjanen, Kürbiskörner fiebten fie fehr; aus Birnen, Apfeln und anderem Dbfte fehienen fie fich wenig zu machen: jte fojteten nur zumeilen etwas davon.” „Yen 5. Dftober gab das jeit dem 1. September abgejperrte Männchen zum erjten Male deutlich wahrnehmbare Töne von fich. Ste bejtanden aus girrenden, trillernden Strophen, in denen zum Teil etwas Melodie lag, ähnlich denen des Meerjchweinchens, nur jchmwächer. Diefer Gejang dauerte wohl eine Viertelftunde; früher hatte ich nie etwas Ühnliches von meinem Gefangenen vernommen. Am 6. Dftober bemerkte ich zu meinem großen Erjtaunen, daß die Mutter der zur Welt gefommenen Jungen jchon wieder fünf Steine geboren hatte. Sie war demnach 36 Tage trächtig gegangen und hatte jich aljo gleich nad) ihrer Entbindung twieder mit ihrem Männchen begattet.‘ Die lette Gattung der Nennmäuje, die der Dikjehwanzmäuje (Pachyuromys Lat.), die nur eine nord- und eine jüdafrifanische Art enthält (P. duprasi Lat. [Taf. „Nage- tiere XIV”, 6, bei ©.381] und P. auricularis Smith), it jchon äußerlich durch den ganz eigen- tümlichen, jchwach behaarten und daher fleijchrötlich jchimmernden, wurjtförmigen Fett ichwanz gefennzeichnet. Aber auch der Schädel hat ein auffälliges Merkmal in der riejig angejchtwollenen Gehörblafe, die jich bis über die Hinterhauptshöder ausdehnt. Die nordairifanifche Art wird manchmal lebend eingeführt; der Berliner Garten erhielt jie zuerft von dem befannten Wiener Zoologen und hervorragenden Neptilientenner Dr. Franz Werner, der jie aus der Libyjchen Wüfte mitgebracht hatte. „Ganz pußige Dinger jind es“, jagt Hed („SU. Ztg.”, 1906), „mit ihrem graugelblichen, jeivenmweichen Fell und dem runden, großäugigen topfe, den befannten Springmäufen ähnlich, die ja ebenfalls die diirren Wüjten- landjchaften Ügyptens und der anderen nordaftifanifchen Länder bewohnen. Das Sonder- barjte aber ift der die Schwanz, von dem fie ihren jehr bezeichnenden Namen haben. Schwac) behaart und fleifchrötlich jchimmernd, jieht er ganz jo aus, als ob jemand draufgetreten hätte, und erinfolgedefjen angejchiwollen wäre.” Die merkwindige Schwanzform entiteht durch Fett- anhäufungen dafelbit, die ja am Schwangze in der Säugetierwelt nicht3 Unerhörtes find; man braucht nur an die Fettjchwanzjchafe zu denken. Yon der getvaltig vergrößerten Gehörblaje „möchte man wohl annehmen, daß diefe Eigentünmlichfeit irgendwie mit dem Leben in der trodenen Steppen- und Wüftenregion zufammenhängt. Vom Leben der Didjhwanzmäufe wird jonft (nach A. Smith) erzählt, daß es nächtliche, wanderluftige Tierchen find, die jich 390 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Erdbaue graben und jich Hauptjächlich von Snjekten nähren.” Lebteres fommt beiNagern nicht allzu felten vor (vgl. unjere Brandmaus). Über die Liebesfampfipiele bei Gelegenheit der Begattung, das gegenjeitige Aufjuchen und Fliehen, Beißen und „Küffen” jowie iiber Geburt und Entwidelung der Jungen hat Latajte in jeinem obengenannten eigenartigen Werke ähn- lich eingehende Tagebuchaufzeichnungen gemacht wie bei den gewöhnlichen NRennmäufen. * Die Unterfamilie der Borkenratten (Phloeomyinae) mit der Gattung Phloeomys Wtrh. führt ung wieder auf die Philippinen, mo auch die oben (©. 379) geichilverte, äußerlich ähnliche Gattung Crateromys hauft; im Badzahnbau dagegen (der erjte aus drei, die beiden anderen aus zwei Querblättern beitehend) jchliegen jich diefe ftattlichen, mit Schwanz bis 78 em langen Mausnager an die Nennmäufe an. Die Nagezähne find jehr breit, vorn glatt. Die Schnauze ift ungewöhnlich furz und die Umriflinie des Ktopfes daher jtarf gewölbt. Die Dhren jind Kein, die Füße jehr breit und mit großen Srallen verjehen. Der Schwanz it fürzer al Kopf und Rumpf zufammen und im Gegenjat zu Crateromys nur furz und jpär- lich behaart. „Das Haar tft dicht, lang und glänzend, von graumeißer und bräunlicher Farbe mit einem dreiedig geformten, länglichen, jcharf gezeichneten, braunjchwarzen Sattel auf vem Nücden, brauner oder jchwarzer Zeichnung tm Geficht, braun und jchwarz gefärbten Schwanze und dunfeln Ohren. Die Behaarung it dachsartig zu nennen, und das drei- farbige, braun, jchiwarz und graugejchedte Ausjehen erinnert an Meerjchweinchen.” Nach U. B. Meder, dem früheren Dresdener Mufeumsleiter, der mit Hilfe des ausgezeichneten Sammler Schadenberg die größte Reihe der jeltenen Borkenratten zujammengebracht hat, ändert deren Farbe und Zeichnung in den mweitejten Grenzen ab. Meyer jagt darüber („gool. Garten“, 1890): „Man kennt jie falt ganz heil (Mlbinos), nur mit brauner Schnauze, braunem Schwanz und ebenjolchen Ohren, oder oben braun und unten heller, auch ganz braun mit Schwarz, endlich noch unregelmäßiger gejchect und mit weniger fcharf gezeich- netem dunfeln Sattel. Nächtlich lebende Cuscus- und Lemur-rten 3. B. ändern auch be- fanntlich jehr in der Färbung ab, und fo liegt in diejer verjchiedenen Farbenzeichnung der Borfenratten von Luzon auch nichts weiter al ein Bariteren derjelben Art vor; Männchen und Weibchen jcheinen in der Färbung jich nicht zu unterjcheiden.” Meder bleibt auf Grund jeines reichen Materials, das er noch mit dem font vorhandenen verglichen hat, auf das be= itimmtefte dabei, daß es nur eine Art Borfenratte (Phloeomys cumingi Wtrh.) gibt, die dann den gejamten Inhalt der Unterfamilie ausmachen würde. Über das Freileben fcheint faum etwas befannt zu fein. „Denn auch in ihrer Heimat jind fie nach ven Ausjagen von Dr. Schadenberg ... jelten, wie ferner ver Umjtand beweift, daß von den vielen wiljenjchaftlichen Neijenden auf den Philippinen nur wenige Borken- ratten erhielten... Bon den Jaorroten, unter denen Dr. Schadenberg fünf Jahre lang lebte, werden fie Alimadng oder auch Yaula genannt, und man findet fie in Erdhöhlen am Zirae-Gebirge, Diitrift Tiagan, und am Monte Malaya in Lepanto, Nordluzon. Den Namen Borfenratten erhielten fie von ihrem exrjten Bejchreiber Waterhoufe (‚Proc. Zool. Soc.‘, 1839), weil jie jich Hauptjächlich von Ainden nähren follen. Da fie aber in der Gefangenschaft Sstüchte, Gras, Salat, Wurzeln, Mais, Neis und dergleichen, jelbit Fijche gern frejjen, jo dürften fie auch im Freileben ähnliches zu fich nehmen. Gie frefjen wie die Eichhörnchen, Hiejel und einige andere Nager, indem fie fich meist auffegen und die Nahrung in den Vorder- pjoten halten..., e3 jind nächtliche Tiere, und ihre Zebensgewohnheiten follen exit jegt im Borkenratte, Borfenratte. Najenratte. 391 Dresdener Garten näher beobachtet werden.” Dorthin hatte nämlich Dr. Schadenberg 1890 vier Stücd lebend gebracht: die erjten, die in einem zoologischen Garten zur Schau geftellt wurden! „Dr. Schadenberg jagt, jie jeien jtark und biffig, und man müffe vorfichtig mit ihnen umgehen, was in Dresden auch jchon zu erfahren Gelegenheit gemwejen ift. Sie geben, gereizt, ein quäfendes Grunzen von jich und jchnurren ähnlich wie Munrmeltiere.” Über die Farbenabänderung gibt Meyer in feiner wiffenjchaftlichen Arbeit noch ein etiva3 weiter ausjchauendes Schlußwort: „E3 leben eben, wie überall fonft, Albinos mit anderen zufammen, und damit ift auch das Zufammenvorfommen aller Übergänge gegeben. Wie der Phloeomys der Zukunft ausjehen wird, läßt fich Heute nicht bejtinmen; vielleicht wird er weiß jein, wie Gymnura candida Gthr. von Borneo (Sentinf, ‚Notes Leiden Mus.‘, 1881). Heute fönnen wir nur fejtitellen, daß die Urt fich zurzeit in jehr labilem Gleichgemichte bezüglich ihres Haarkleides befindet. Db der fchtvarzbraune Phloeomys oder der hellere mit dunklem Sattel und folher Kopfzeichnung al3 Stammform anzujehen ift, wird fich wohl bei mehr Material Herausitellen... Dieje Frage wage ich nicht zu entfcheiden... Jmmerhin aber ijt im zsreileben eine jolche Bariationsbreite der Färbung bei Säugetieren etwas Aus- nahmsmeijes und fommt nur in verhältnismäßig wenigen Gattungen vor.” un Die nächjte Unterfamilie, Najenratten, Rhynchomyinae, lebt gleichfalls auf den Philippinen und enthält gleichfalls nureinne Gattung (Rhynchomys 7’hos.) mit einer einzigen Art (R. soricoides T’hos.). Diejer mußte aber notgedrungen im Nagerjyjtem ein jo hoher Rang zuerkannt werden: ijt jie doch nicht nur einer der abweichendjten Mausnager in der ganzen großen Zyamıilie der Muridae, jondern vielleicht einer der abweichendjten Nager über- haupt. Abweichend gerade im mwejentlichiten Merfinal, vem Gebik, das die vollfommen Ipigmausförmig verlängerte Schnauze enthält. &3 ift zwar jchlieglich nach Zahl und all gemeiner Anordnung noch ein Nagetiergebiß, aber was für eins! Die Zähne find ganz außer- ordentlich zurücdgebildet, im Berhältnis zur Größe des Tieres Feiner al3 bei irgendeinem anderen Nager, vielleicht jogar, abgejehen von den Walen, als bei irgendeinem bezahnten Säugetier. Die oberen Nagezähne jehr kurz, jchmal und fchlanf, ftarf gekrümmt, jo daß ihre Wurzeln im Schädel eine ganz eigentümliche Lage haben; die unteren, ebenfalls jehr jchlanf, laufen vermöge der jchrägen Begrenzung ihres vorderen Schmelzbelags in eine äußerit feine Spiße aus, jo jpi5 wie eine Nadel. Die Badzähne find jo Kein, daß jchwer einzufehen it, was jie dem Tier überhaupt noch nüsen fünnen. Bei einem der von dem Entdeder und Bejchreiber Thomas unterjuchten Stüde fehlt der Hintere untere Badzahnı auf beiden Seiten, jo daß nur noch ein Badzahn vorhanden ijt: das zeigt jehr deutlich die Richtung an, in der die fortjchreitende Nüdbildung der Badzähne geht! Mit ihrem eigentümlichen, jpismaus- ähnlichen Hußeren, dem rüdgebildeten Gebiß, der verlängerten Schnauze und ihren übrigen Merkmalen jchien dieje merfwinrdige Gattung Thomas auf den erjten Blid vollfommen ver- einzelt unter den Nagergruppen; dann fand er aber durch die Gattung Echiothrix, Jgel- tatte, von Celebes eine Verbindung zur Unterfamilie der Mausartigen im engeren Sinne (Murinae), jo daß er jeine neue Gattung Rhynchomys einigermaßen befriedigend als be- jondere Unterfamilie (Rhynchomyinae) in der Familie der Mausnager im weiteren Sinne (Muridae) unterbringen fonnte. Die etwa rattengroge Nafenratte gehört auch zur Tierwelt des merkwürdigen Tafel- berges Monte Data im inneren von Nordluzon und lebt dort 8000 Fuß über dem Meere. 392 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Der Sammler Whitehead hat leider nichts über ihr Xeben erfahren fünnen. Die Jgorroten jagten ihm, fie lebe von Gras; dies ijt aber jedenfalls unmwahr, da die Zähne für folches Futter augenfcheinlich ganz ungeeignet find. Snfeften und Würmer jind vielmehr die Nahrung, für die folche verfümmerte Badzähne pajjen. Das Auge it verhältnismäßig Hein, was den Ge- danfen nabelegt, daß die Kajenratte am Tage aufNahrung ausgeht ipie Die echten Spitmäufe. * Einige andere mausartige Gattungen von den Philippinen (Crunomys, Chrotomys, Celaenomys) bilden mit den eigentlichen auftraliih-neuguineiihen Wajjermäufen die Unterfamilie der Hydromyinae, die legte der Mausartigen im weiteren Sinne (Muridae). Sie wird mit den übrigen verbunden durch die philippinifche Gattung Crunomys, die noch drei Badzähne hat. Die anderen Mitglieder der Unterfamilie Haben deren nur zwei und bilden eben deshalb im Syitem eine Gruppe. Die durch das Gebif vermittelnde Gattung Crunomys T’hos. aus dem Gebirge des inneren Nordluzon, deren wiljenschaftlichen Namen man deutjch etwa Wildbachmaus überjegen fönnte, hat ein dicht mit Stacheln Durchjeßtes Haarkleid; nur der ziemlich Furze Schwanz it dünn behaart. Der Schädel hat jchon die charafteriftiiche Form vieler Wajjer- nager: niedrig, abgeplattet, Stirnlinie eingebogen. Durcd) das Gebik Fennzeichnet fich die Gattung als eine wirkliche Übergangsform, und der Bejchreiber Thomas bezeichnet feine Wildbachmaus daher mit vollem Nechte als „äußerjt interejjant vom Standpunkt der Ent- twiefelungslehre aus; denn fie fügt ein weiteres Glied in die Berbindungsreihe ein, die zu der ganz abweichenden Gattung Hydromys hinführt, und ijt das legte Glied, dejjen toir in diejer Keihe bedürfen”. Nach den weiteren Ausführungen ins einzelne, die Thomas anfrüpft, unterjcheidet fich Hydromys in fünf Derkmalen von einer gewöhnlichen Maus. Bon diejen find bei der zuerjt entdeckten Ziilchenform Xeromys drei mausartig, zivei wajjermausartig, und ähnliches, nur in anderer Verteilung der Merkmale, kehrt bei den übrigen Berbindungs- gliedern (Chrotomys, Celaenomys und Crunomys) wieder. Wie alle Übergangsformen, ijt die Wildbahhmaus äußert jchiwer in befriedigender Weije dem Shitem einzureihen, und Thomas erklärt, daß ex fie nur nach vielem Zögern den Wafjermausartigen eingefügt habe. Die einzige Art (Crunomys fallax T’hos.), ganz rattenartig, graubraun, mit Schwanz ettvas über 20 cm lang, wurde von Whitehead entdeckt, al3 er an einem Heinen Wildbach im Bujchwald des Hochgebirges auf den Boy mit der Bogelflinte wartete: jte juchte am anderen Ufer zwijchen großen Steinen eifrig nach Nahrung umher, und er jchoß jie glüdlich ohne zu große Bejchädigung, indem er alles Schrot bi auf wenige Ktörner aus der Batrone heraus- nahm. Das eigentümliche Gehabe hatte feinem jcharfen Blid die Gewißheit gegeben, daß es jich um etwas Anterejjantes handle. Die fnapp rattengroße Gattung Chrotomys T’hos., zu deutjch etwa Buntmaus, mit ebenfalls nur einer Art:C. whiteheadi T’hos., fteht in ihrer Färbung einzig da unter allen Mausartigen im mweitejten Sinne vermöge eines orangefarbenen, über den Kopf bis jen- jeitS der Augen fich fortfegenden Nüdgratftreifens, der beiderjeits von einem weniger jcharfen ihmwärzlichen Streifen begrenzt wird. Sie wurde von Whitehead ebenfalls auf dem Gipfel de3 Monte Data gefammelt, foll nach Ausjage der Eingeborenen von Gras und füßen Sar- tojfeln leben und fich deshalb viel in der Nähe der Anpflanzungen aufhalten. Sie muß aber auch im Tieflande vorkommen, denn Whitehead jah in Manila ein Stüd aus dem Urmwalde Wildbahmaus. Buntmaus. Dunfelmaus. Landmaus. 393 von Tarlac nördlich der Stadt; fie verbreitet fich aljo wahrscheinlich durch ganz Zuzon. Die Sarbentafel von Smit zu der Thomasjchen Bejchreibung (‚‚Transact. Zool. Soc.“ 14, 1598) zeigt auch bet diejer Zorm jchon eine einigermaßen pi ausgezogene Schnauze, im Texte wird aber davon nicht erwähnt. Dagegen jagt Thomas von der nächjtverivandten, gleichfalls auf Grund der Whitehead- ihen Sammlungen neu aufgejtellten Gattung Celaenomys T’hos., nad) ihrer düster jchwarz- braunen Farbe jo genannt, deutjch Dunfelmaus, daß man fie auf den erjten Blick Yeicht mit der Najenmaus veriwvechjehn könne. Wiederum nur eine einzige Art, C. silaceus T’hos., die auf den Monte Data bejchränkft und auch dort jelten zu fein jcheint, da binnen fünf Wochen nur zwei Stüd in der Schlinge gefangen werden fonnten. Schädel und Gebif jind aber nicht etwa jchwach, wie bei der Nafenmaus, jondern vielmehr Fräftig, ähnlich wie bei der Buntmaus, Die Augen dagegen Hein wie bei der Najenmaus und die ganze äußere Erjeheinung jpimausartig. Sn Auftralien jelbjt Haben wir bereits eine VBorjtufe zur Wafjermaus in der ebenfalls von Thomas entdeckten Gattung Xeromys 7hos., die anderjeit3 zugleich äußere Ähnlichkeiten mit der philippiniichen Wildbachmaus aufweilt. Deutjch müßten wir jie Landmaus nennen, wenn wir den wiljenschaftlichen Namen verdeutjichen wollen, den Thomas wählte, um den Gegenjaß in der Xebensweije gegen die Wajjermaus (Schwimmtratte) troß naher Iyitematischer Beriwandtjchaft zu bezeichnen. Dieje Berivandtjchaft liegt aber einzig und allein im Gebiß; Schädel und äußere Merkmale find die der gewöhnlichen Mausartigen. Thomas fann die Bejchreibung feiner neuen Gattung, von der bis jeßt nur eine Art aus Nordauftralien, Queensland, befannt ijt (X. myoides Thos.), nicht vorübergehen lajjen, ohne daran jtammesgejchichtliche Betrachtungen etiva folgenden Inhalts zu Fnüipfen. Bisher hatte man jich gejagt: Die Stammform der Wajjermaus wird ein gewöhnlicher Mausnager mit drei Badzähnen gemwejen fein, der ein Wafjerleben annahm, wie e3 unjere Wajjerratte und andere auch getan haben. Nachdem dann das Hußere an die fchwimmende Bewegung angepaßt war und die Nahrung immer ausjchlieglicher nur im Wafjer gejuccht wurde, war- delte fich auch das Gebiß in die für die Gattung charakteriftiiche Form und Zahl. Dieje ganz natürliche und in jich jelbit begründete Borjtellung tft Durch die Entdedung der Landmaus plößlich über den Haufen geworfen; denn dieje hat ohne Wafjerleben diejelben Eigentümlich- feiten des Gebiljes. rn Wirklichkeit wird aljo die Herausbildung der abweichenden Wajjer- maus etwa folgendermaßen vor jich gegangen jein. ES mögen in Auftralien, vielleicht noch in verhältnismäßig junger Vergangenheit, eine oder mehrere Arten einer landlebenden Gat- tung vorhanden gewejen fein, die mausartiges Aufere und Schädel mit einem Wajjermaus- gebiß vereinigte, aljo ungefähr das, was wir heute Keromys nennen. Cinige Mitglieder diejer Gattung nahmen ein Wafjerleben an und veränderten dadurch alle Merimale, die irgendwelche Beziehung zum Schwimmen haben, wie Größe, Form des Kopfes und Schä- dels, Bau der Schnauze (um das Wafjer zu durchjchneiden und fein Eindringen in den Mund zu verhindern), jtarke Entwidelung der Schnurrhaare, Dichte und Glanz des Felles, bejon- dere Falten in der Ohrmufchel, Schwimmhäute zwijchen den Zehen, Nüdbildung der Sohlenwülite, Vergrößerung und kräftigere Ausbildung des Schtwanzes nebit jeiner Be- haarung. Anderjeit3 blieben Zahl und Bau der Zähne und gemwilje Schädelmerfmale unver- ändert, weil von der Änderung der Lebensweife unberührt. AS Varallelfall führt Thomas 994 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. noch die beiden Bilamratten an, den jeltenen Neofiber aus Florida, der in diefem Zu= jammenbhang Xeromys, und den gewöhnlichen, weit verbreiteten nordamerifanijchen Fiber, der Hydromys entjpräche. Die ganze Familie der Mausartigen im weiteiten Sinne‘ abjchliegend, fommen wir endlich zur auftrahiichen Wafjermaus oder, in Anbetracht, ihrer ftattlichen Größe (mit dem förperlangen Schwanze über 60 cm Gejamtlänge) bejjer gejagt: Auftraliichen Shwinmt- vatte (Gattung Hydromys E. Geoffr.), die in Auftralien jelbjt durch drei Arten mit zwei Unterarten und auf Neuguinea durch eine weitere Art vertreten ift. Von ihrem abweichen- den Gebiß, das nur zwei Badzähne enthält, und jonitigen Eigentümlichkeiten des Ktörper- baues, die man al3 Anpajjungen an das Wajjerleben deutet, ift bet Schilderung ihrer Ber- wandten im vorstehenden jchon jo viel die Rede gewejen, daß wir hier ihre eigentliche Be- jchreibung furz fallen können. Die Najenjpibe ijt Dicht behaart, und die Najenlöcher fünnen feit verjchlojjen werden. Die Heinen Ohren ragen nur wenig aus dem Pelze hervor. Die auffallend langen, kräftigen Zehen der Hinterfüße jind bis auf die äußerjte durch Schwimm- häute miteinander verbunden. Der drehrunde, zugejpigte Schwanz tjt mit jtarren, anliegen- den Haaren dicht bedeckt. Am Schädel hat der Borderteil des Zochbogens jeine bejondere, bon der der gewöhnlichen Mausartigen abweichende Form. Un den beiden Badzähnen, namentlich dem exjten, der dreimal jo groß ift wie der zweite, nußt jich die Zahnjubitanz napfjürmig ab, und Die quer einjpringenden Schmehfalten ftehen als jchneidende Ränder vor, deren Schärfe mit der jonjtigen Abnugung des Zahnes zunimmt. Die ältejtbefannte Art (Hydromys chrysogaster Z. Geoffr.; Taf. „Nagetiere XV“, 2, bei ©. 396), die jehr früh, 1805, von Etienne Geoffroy Saint-Hilaire bejchrieben wurde, ist oben dunkelbraun, an den Ceiten und unten jfatt goldrötlich gefärbt und hat davon ihren Artnamen, der Goldbauch bedeutet. Die größere Endhälfte des Schwanzes ijt weiß. Schon Gould war aber nicht im Zweifel, daß Auftralien mehrere Arten beherbergt, und Peters hat noch eine aus Neuguinea Hinzugefügt. Die Schwimmratten find ausgejprochene Wajjertiere, die an jchlammigen Wajjer- fäufen und Tümpelt, aber auch an den Ufern der größeren Ströme und Heinen Meeres- buchten leben. Ziemlich jcheu im Wejen und nur nachts rege, fommen fie nicht jo oft zu Gejicht, wie man glauben möchte; fie find aber nicht fchwer zu erlangen, wenn man jie haben will. Wie man jchon am Bau der Hinterfühe jieht, ift Das Wajfer ihr Element: jie Ihiwimmen und tauchen mit der größten Leichtigkeit und entziehen jich ebenjo leicht den Bliden zwijchen dem Schilfgras, das die Ufer befäumt, oder verjchivinden nach Art der euro- pätschen Wajjerratte in ihrem Bau. Wie viele auftralijche Säugetiere, figt auch die Schwimm- ratte gern auf den Hinterbeinen: jo fieht man jie oft auf großen Steinen, Halb unter- gejunfenen Baumftämmen und anderen vorragenden Lieblingsplägen. (Gould.) Über die Nahrung jagt Gould in feiner Hauptjchilderung merkfwürdigerweije nichts, jpäter bei einer weiteren Art nur beiläufig, daß diefe von Pflanzenftoffen, Weichtieren und dergleichen (ebe. Die auftralifchen Koloniften nennen unjer Tier, nach Lydekfer, Biberratte: ein guter Jame, wenn er nicht jchon für einen befannteren füdamerifanischen Nager vergeben wäre. %* Die Zamilie der Bilche oder Schlafmansartigen (Myoxidae), zu der wir uns jebt menden, bejchließt nach unferer Anordnung die große Gruppe der Mausförmigen im aller- weiteiten Sinne (Sectio Myomorpha) und leitet im Sußeren zu der legten Nagerjektion, den Auftraliide Shwimmratte. Stadhelbild. 395 Eichhornförmigen (Sectio Sciuromorpha), über. Jr Gejtalt und Wejen jtehen die Bilche den Eichhörnchen nahe, unterjcheiden jich von ihnen aber bejtimmt durch Eigentümlichkeiten ihres Baues. Sie haben einen jchmalen Kopf mit mehr oder minder jpigiger Schnauze, ziemlich großen Augen und großen, fajt nadthäutigen Ohren, gedrungenen Leib, mäßig lange Glied- maßen, zart gebaute Füße mit vorn vier Zehen und einer plattnageligen Daumentvarze, hinten fünf Zehen, mittellangen, dicht, oft bufchig und zweizeilig behaarten Schwanz und reichen, mweichhaarigen Pelz. Die Borderzähne jind vorn flach gerundet, die unteren jeitlich zufammengedrüdt, die vier Badzähne in jedem Kiefer Haben deutlich abgejegte Zahnmwurzeln und zahlreiche, ziemlich regelmäßig jich abjchleifende, mit ihren Schmelzmwänden tief in den Zahn eindringende Querfalten. Dabei it eine fortichreitende Ausbildung nach einer ge- mwifjen Richtung Hin bei den verjchiedenen Hauptgattungen zu beobachten. Bei Eliomys iind die Höder der Badzähne noch groß und ihre Zahl wie die der Schmelzfalten gering; bei Dyromys und Glis jind die Höder Feiner und die Zahl der Schmelzfalten höher; bei Muscardinus fehlen die Höder völlig, und die Oberfläche der aus zahlreichen Schmelz- falten beftehenden Badzähne ift zu einer jehr wirkffamen Kauplatte geworden. Der Schädel ähnelt dem der Mäufe mehr al3 dem der Eichhörnchen. Der Blinddarın Fehlt. Die Schlafmausartigen find fämtlich Bewohner der Alten Welt. Hiügelige und bergige Gegenden und hier Wälder und Vorwälder, Haine und Gärten jind ihre Aufenthaltsorte. Sie leben auf und in den Bäumen, jeltener in jelbitgegrabenen Erdhöhlen zwijchen Baunt- wurzeln oder in Fels- und Mauerjpalten, unter allen Umftänden möglichit verborgen. Bei weitem die meiften durchichlafen den Tag und gehen nur während des Wiorgen= und Abend- dunfels ihrer Nahrung nach. Aus diefem Grunde befommt man jie jelten und bloß zufällig zu jehen. Wenn fie einmal ausgefchlafen haben, find jie Höcht bewegliche Tiere. Sie fünnen vortrefflich laufen und noch bejjer Klettern, nicht aber auch, wie die Hörnchen, bejonders große Sprünge ausführen. St gemäßigten Gegenden verfallen fie mit Eintritt der älteren Jahreszeit in Erjtar- rung und verbringen den Winter jchlafend in ihren Nejtern. Manche häufen fich für dieje Beit Nahrungsvorräte auf und zehren davon, wenn fie zeitweilig ertvachen; andere brauchen dies nicht einmal, da fie jich vorher jo gemäftet haben, dab jie von ihrem “Fette leben fönnen. Shre Nahrung find Früchte und Sämereien aller Art; die meiiten nehmen auch Injeften, Eier und junge Vögel zu fich. Beim Frefjen fißen fie, tie die Eichhörnchen, auf dem Hinterteile und führen die Speife mit den VBorderfüßen zum Munde. Einige lieben Gejelfigfeit und halten fich wenigjtens paarweije zufammen; andere jind äußerst unverträglich. Das Weibchen wirft während des Sommers in einem zierlichen Nejt jeine Jungen, gervöhnlich 4—5, und erzieht fie mit großer Liebe. Yung eingefangen, werden alfe Schläfer Teidlich zahm; doch dulden fie e3 nicht gern, daß man fie berührt, und alt ein- gefangene lafjen fich dies nie gefallen. Einen irgendivie nennenswerten Nusen bringen Die Bilche uns nicht; wohl aber können auch fie durch ihre Räubereien in Gärten uns Schaden zufügen. Shre zierliche Geftalt wirbt ihnen insgefamt mehr Freunde, als die meijten von ihnen verdienen. Wir beginnen mit der Unterfamilie Platacanthomyinae, weil ihr Hauptvertreter, nach dem fie genannt ift, der jüdindifche Stachelbilch von der Malabarküjte, Platacanthomys lasiurus Blyth, wieder eine Übergangsform zu jein jeheint. Mit den Bilchen hat er unter anderem gemein, daß ihm. der Blinddarm fehlt. Einen jolchen bejist aber die zweite, noch 396 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. jeltenere Gattung der Unterfamilie, die danach wohl jo genannte Typhlomys (= Blind- [darm]maus), ebenfalls mit nur einer Urt, T. cinereus A. M.-E., aus dem Inneren der Provinz Fokien in Südoftchina, die daher noch mehr den Übergang zivischen Mäufen und Schlaf- mäujen vermittelt. — Der Stachelbilc) muß ein hübjches Tierchen fein, das im Gebirge etiva 2000 engl. Fuß hoch lebt und fir die twiffenfchaftliche Syitematik durch die Figuren feiner Baczahnkronen gekennzeichnet it. Hußerlich fallen die großen, zugeipisten Ohren und der lange, nach der Spite zu immer länger und bujchiger behaarte Schwanz auf. Die Farbe it oben rötlichbraun, unten weißlich; die Länge beträgt mit Schwanz etwa 25 cm. Auf der Dberjeite jtehen ziwijchen den Haaren breite, flache Stacheln mit verdictten Rändern. Nach Mitteilung des Entdeders, eines Neverend Baker, an den Inpdienjorjcher Blyth lebt der Stachelbilch ausjichlieglich auf Hohen Bäumen, auf denen er jich Ajtlöcher aushöhlt und mit Blättern und Moos auspolitert. Die Bergbewohner behaupten, daß er viel Piefferpflanzen zerftöre und auch an der jogenannten Engels- und Jafobsfrucht (Arctocarpus incisa und A. integrifolia) ernjthaften Schaden mache; ebenjo joll er auf gärenden Balnjaft, den Baln- mein, erpicht ein. * Echte Schlafmausartige oder Bilche (Unterfamilie Myoxinae) gibt e3 nur in der PRaläarktiichen und Athiopischen Region, d. h. einerfeit3 in Europa, im nichttropijchen Afien und in Nordafrika (die Gattungen Glis, Dyromys, Muscardinus, Eliomys) und anderjeits in Afrika jüdlich der Sahara (Gattung Graphiurus). Die erite Gattung (Glis Briss., Myoxus) wird von dem Siebenjchläfer oder Bilch, Glis glis Z. (Taf. „Nagetiere XV“, 1), und feinen Verwandten gebildet. Der Siebenjchläfer gehört zu den Tieren, die dem Namen nach weit bejjer befannt find al3 von Gejtalt und An- jehen. Jeder, der jich mit der alten Gejchichte bejchäftigt hat, Fennt diejfe Schlafmaus, den bejonderen Liebling der Römer, zu dejjen Hegung und Pflegung eigene Anftalten getroffen wurden. Eichen= und Buchenhaine umgab man mit glatten Mauern, an denen die Steben- jchläfer nicht emporklettern fonnten; innerhalb der Umgebung legte man verjchiedene Höhlen an zum Nijten und Schlafen; mit Eicheln und Kaftanien fütterte man Hier die Bilche an, um jie zuleßt in irdenen Gefäßen oder Fäljern, Ölirarien genannt, noch bejonder3 zu mäjten. Wie uns die Ausgrabungen in Herkulaneum belehrt Haben, waren die zur legten Mäftung be- jtinmten Ölirarien Kleine, halbfugelige, an den inneren Wänden terrafjenfürmig abgeteilte und oben mit einem engen Gitter gejchlojjene Schalen. In ihnen fperrte man mehrere Sieben- ichläfer zufammen und verjah fie im Überfluffe mit Nahrung. Nach vollendeter Mäftung famen die Braten als eines der lederjten Gerichte auf die Tafeln reicher Schlemmer. Den Siebenjchläfer, einen Bilch von 16 cm Leibes- und 13 cm Schwanzlänge, fenn= zeichnet hauptjächlich die Geftalt feiner Baczähne, von denen zwei größere in der Mitte und Fleinere vorn und hinten ftehen, und deren Staufläche vier gebogene, durchgehende und drei halbe, oberjeit3 nach außen, unterjeit3 nach innen liegende Schmelzjalten zeigt. Der weiche, ziemlich dichte Belz tft auf der Oberjeite einfarbig ajchgrau, bald heller, bald dunkler jchwärz- fichbraun überflogen, an den Seiten des Leibes etwas fichter und da, wo fich die Nüden- jarbe von der der Unterfeite abgrenzt, bräunlichgrau, auf der Unterfjeite und der Innenjeite der Beine, fceharf getrennt von der Oberjeite, milchweiß und filberglänzend. Der Najen- rüden und ein Teil der Oberlippe zwijchen den Schnurren find gräulichbraun, der untere Teil der Schnauze, die unteren Baden und die Kehle weiß, die Schnurren fchwarz, Die 1. Siebenichläfer, Glis glis Z. 1/4 nat. Gr., s. S. 396. — P. Kothe-Berlin phot. 2. Auftraliiche Schwimmratte, Hydromys chrysogaster E. Geoffr. l/4 nat. Gr., s. S. 394. W.S. Berridge, F. Z. S.-London phot. 3. Tiroler Baumichläfer, Dyromys nitedula intermedius Nhrg. 1/2 nat. Gr., s. S. 407. — K. Soffel-Schioß Paschbach, Eppan (Südtirol), phot. 4. Gartenichläfer, Eliomys quercinus 2. 1/2 nat. Gr., s. S. 408. — K. Soffel-Schioß Paschbach, Eppan (Südtirol), phot. 5. Halelmaus, Muscardinus avellanarius Z. 1/2 nat. Gr., s. S. 415. P. Kothe-Berlin phot. Blinddarmmaus. Siebenjchläfer. 397 mittelgroßen Ohren außen dunfel graubraun, gegen den Rand Hin lichter. Um die Augen zieht ich ein dunfelbrauner Ring. Der bujchig und ziveizeilig behaarte Schwanz ift bräunlich- grau, unten mit einem mweißlichen Längsitreifen. Berjchiedene Abänderungen fommen vor. Mittel, Siid- und Dftenropa ind das Vaterland des Siebenjchläfers; doch hat man für den Süden unjeres Erdteils eine Anzahl Unterarten abgejpalten. Sn Dfterreich, Steiermark, Kärnten, Mähren, Schlejien, Böhmen und Bayer ift er häufig, in Kroatien, Ungarn und dem jüdlichen Rußland gemein; im Norden Europas, jchon im größten Teile Norddeutjchlands, in England, Dänemark, fehlt er. Des Näheren jei über feine Werbrei- tung noch) folgendes angefügt. Nach Schmiedefnecht („Wirbeltiere Europas”, 1906) ift er bei Blanfenburg am Harz in Buchenwaldungen durchaus nicht jelten. Jm Hannöverjchen it er, nach Hermann Löns („Beiträge zur Landesfauna”, 1906), ebenfalls nur für das Laub- holzgebiet des Berglandes feitgejtellt, aber an mehr Orten als die Hajelmaus, nämlich jchon durch Bechitein für Göttingen, wo er auch heute noch gar nicht jo jehr jelten it; aus Moringen erhielt ihn das Schulmufeum, aus dem Bobertale bei Barbis das Provinzial- mujeum in Hannover, Rudolf Löns fing ihn mehrfach bei Scharzfeld, Leunis ftellte ihn für Köder und Uppen bei Hildesheim, Foritineiiter Wallmann für den Oftertwald, andere firWel- Iingholzhaufen bei Osnabrüd, für Geismar bei Göttingen, für den Wohldenberg bei Derne- burg und für den Deifter feit. Bon den Nachbarländern Hannovers bejigen ihn Braunschweig und Weitfalen. Jim füdlichen Weitfalen ist er nach Wiemeyer-Warftein („Zool. Garten“, 1894) jelten; der genannte Beobachter erhielt ein altes Weibchen nebjt einem halbwüchjigen Jungen vom Boden des bei der Biljteiner Höhle ftehenden Nejtaurants, wo fie „ihr Neit in einem Heuhaufen errichtet hatten... Mitte November hatte die Mutter ihr leibliches Kind getötet und gänzlich verzehrt, trogdem Nahrung in Hülle und Fülle gereicht worden var.” Für Brandenburg jind nur zwei Funde vom Siebenjchläfer befannt (Friedel, „Wirbel- tiere der Provinz Brandenburg”, 1886, führt die Neumark, aljo die Gegend von Küftrin, an), in Schleswig-Holitein und Oldenburg fehlt er. Dagegen hat ihn Wasmuth in feine „Tabella- tische Naturgejchichte der Dftjeepropinzen, bejonders Eitlands”, mit rujjischem, ejtnijchem und lettijchem Namen aufgenommen, vielleicht gejtügt auf Oskar dv. Loetvis, nach dem der Siebenjchläfer in Lioland „nicht iiber 56° 40°, d. h. eben nur an der äußerjten Südgrenze, dem Norduferrande der Düna, und zivar tır bejchränktejter Ausbreitung von nur wenigen Weriten vorfommt... Die Dina bildet dort die Grenze zwijchen Livland und Kurlanıd.“ Zu der Säugetierwelt Sipdrußlands (Wolgagebiet, Vodolien, Wolhynien) gehört er ja einft- mwetlen noch; denn jelbjt der genaue Satunin hat Glis glis Z. im nordöftlichen Kaufajus feitgeitelt, wenn auch nur äußerft jelten und nur in den Wäldern und Gärten der Fluß- täler. („Über die Säugetiere der Steppen des nordöftlichen Kaufafus“, 1901.) Ganz neuer- dings hat er jedoch nach einem Stüd aus dem transfajpijchen Mufeum in Aschabad, das im Kopet-dagh gefangen war, eine „Kajpiiche Bilchraffe” al3 G. g. caspieus Sat. bejchrieben, die jich Durch einen weißen Streifen längs der Unterjeite des Schwanzes unterjcheidet, und zu diefer Unterart rechnet er auch den Siebenjchläfer des Talyjchgebietes in der jüdöftlichen Ede des Kaufajus, diesjeit3 des Stafpijchen Meeres. So vollzieht fich auch in der fyjtematijch- geographiichen Betrachtung und Begrenzung des Siebenjchläfers der jet überall im der Säugetierfinde zu beobachtende Vorgang, daß immer neue Arten und Unterarten ab- gejplittert werden müjjen, jobald man eine Form oder Gruppe, die man bis dahin für jehr weit verbreitet hielt, genauerer Unterfuchung unterwirit: Satunin fragt jchon nach „dem Wohnort der typiichen Art” und meint mit Recht, daß als jolcher „wahrjcheinlich Deutjchland 398 8. Drdnung: Nagetiere. Yamilie: Schlafmausartige. anzujehen ift, da der Bild) in Schweden (dem Heimatlande des großen Nomenflators Linne, der ihn benannt hat) nicht vorfommt”. („Neue und wenig befannte Säugetiere aus dem Kaufajus und aus Tranzfajpien“, 1905.) Aus Mätteldeutjchland, Dem Königreich Sachjen, hat neuerdings Zimmermann-Nochlis wiederholt ausführlichen Bericht gegeben („Zool. Garten”, 1905 u. 1906) und mißt diejem mit Recht bejonderes Anterejje bei, „da nach Fidel (‚Die Literatur über die Tierwelt des Königreichs Sachjen‘, 1901) der Schläfer anjcheinend gleich dem Siejel und ähnlich der Wan- derratte feit vorvorigem Jahrhundert in einer Weftwärtswanderung begriffen it“. Auf Grund feiner forgfältigen Feititellungen vermag Zimmermann ein einleuchtendes Bild über die Einwanderung und Ausbreitung des Stebenjchläfers in Sachjen zu zeichnen (eine Karte gibt er bei) und fommt zu der Überzeugung, „daß die Einwanderung von Böhmen aus längs der Elbe gejchehen ıjt, und daß der Schläfer zunächit die Taubwaldbeitandenen und obftreichen Gegenden Iinfs und recht von der Elbe bejegt Hat. Nördlich ift er bis zum Plauenjchen Grunde vorgedrungen und von hier aus dem Nordabhange des Erzgebirges ent- lang wejtwärts in das Gebiet des Chemnißflujjes gevandert. Diejem it er abwärts in das Gebiet der ZJwidauer Mulde und jchließlich in das der vereinigten Mulde gefolgt und hat jich von den Tälern aus über die Nachbargebiete (Laujid) verbreitet. An diejem Bilde ändert auch der Umftand nichts, daß Nachrichten über jein Borkfommen in dem weiten Landjtriche zwijchen dem Elbgebiete und dem des Chemmnibflufjes und der Mulde volljtändig fehlen. Denn zunächt halte ich es für nicht ausgejchlofjen, daß er in ihn gleichfalls noch vorkommt, und dann steht einer anderen Einwanderung in das leßtere Verbreitungsgebiet der Umjtand entgegen, daß er dabei den Stamm des Erzgebirges hätte überjchreiten müjjen. Das halte ich aber auf Grund jowohl der Himatijchen als aud) der Begetationsverhältnijje für völlig aus- gejchlojfen.” Sn der öfterreichtich-ungarischen Monarchie lebt der Siebenjchläfer, nach Mojji- jovics, „fait in jedem Stronlande. Er findet jich in Niederöfterreich, Steiermark, Kärnten und in großen Majfen in Strain, jeltener in Oberfrain; er tritt jüdlich in Dalmatien auf, weitlich in Tirol, tft in Laubwäldern Ungarns, fowohl in den füdungarischen Ebenen wie bei Pref- burg, im Ofener Gebirge, in Arva Baralja (Tatragebiet, aber nicht im Hochgebirge), in Sieben- bürgen, Galizien und zahlreich in Böhmen vorhanden. Eichen- und Buchenmwälder liebt er bejonderz, diejfen folgt er auch in die Bergregion hinauf. Im Überfchwenmmungsgebiete, im Niede überhaupt fehlt er; aber im Laubiwalde wird er namentlich im Winter bei Füllung alter Eichenüberjtänder öfter in Gejellichaft von 4—6 Stüd angetroffen..." — Auf Schweizer Ge- biet fommt der Siebenjchläfer, nach Fatio, im Tale und im Gebirge, jowohl im Jura als ın den Alpen vor, geht aber nicht jo hoch wie der Gartenjchläfer; über 1500 m hoch ijt er nicht nachgeiviefen worden. Nach Fatio fcheint er nirgends jehr häufig zu fein, während Tiehudi verjichert, daß er im Stanton Schaffdaujen „periodijch in jtarfer Zahl erjcheint”, jeine größte Berbreitung aber in dem tejjinischen Gebirge hat, wo er mit Vorliebe die Kaftanienwälder aufjucht. Sn den Niederlanden tft er, nach Nteuvens („Die Myoxidae oder Schläfer”, Sn- auguraldiljertation, 1890), „nur einmal gejehen worden, und zwar in der Provinz Limburg“. Wenige Nager dürften es dem Bilche an Gefräßigfeit zuvortun. Er frißt, jolange er irejfen fan. Eichen, Bucheln, Hajelnüfje bilden vielleicht feine Hauptnahrung, Walnüfje, Kaftanien, füßes und jajtiges Obft werden aber auch nicht verjchmäht, und tierifche Koft jcheint ihn geradezu Bedürfnis zu fein; wenigftens überfällt, miordet und verzehrt er jedes Fleinere Tier, das er erlangen ann, plündert Nefter aus, würgt junge Vögel ab, tritt überhaupt nicht jelten als Raubtier auf. Wajfjer trinkt er wenig, und gar nicht, wenn er jajtige Früchte hat. Siebenjchläfer. 399 Fra an Waldfulturen läßt jich der Siebenjchläfer wohl auch manchmal zujchulden fommen; doch ijt diefer Schade, nach Altum, faum jemals bedeutend und wahrjcheinlich mehr der Hajelmaus zuzufchreiben. Dagegen „mo er in großer Menge vorkommt, wie z. B. im jüdlfichen Krain, wird er jchon durch daS Berzehren der Buchenmajt forstichädlich. Er feheint jich dann gleichjam mardernd nach den maftreichiten Orten zu begeben”, was Mojfijovics bejtätigt. „Die Wanderzüge de3 Frainijchen Bilches im Herbite nach den maftreichjten Orten jind begünftigt durch den Zufammenhang der Wälder Jnnerkrains mit jenen Sroatiens und Bosniens einerjeit3, jenen der Julischen Alpen, des Hämus und der Dinarijchen Alpen ander- jeits. Am zahlreichjten findet er jich jüdlich des Laibacher Moores, von wo aus zwei beival- dete Gebirgszüge einerjeits öftlich über Gottjchee nach Mötling, Unterkrain und dem Balfan- gebiete Hin, anderjeits über den Schneeberg (Innerfrain) nad Fiume und dem Belebit jich eritreden. Bom Ternovaner Forite oberhalb Görz beginnend, fanın man durch das Spdrianer-, Birnbaumerwald-, Schneeberg>, Gottjcheer- und Usfofengebirge wochenlange Wanderungen unternehmen, ohne den Wald länger zu verlajjen. Das ijt die frainijche Heimat des Bilches!” Für den Landivirt fommen, nad) Nörig („Tierwelt und Landwirtjchaft”), „Die Schlaf- mäuje nur injoweit in Betracht, als fie gelegentlich jeine Objtplantagen brandjchagen”. Dies tut der Stebenjchläfer aber jtellenweije doch in recht empfindlichem Maße. So berichtet Zimmermann aus Sachen: „An den Orten jeines Borkommens tritt der die Gejelligkeit liebende Bild) jtet3 in größeren Mengen und immer jtark jchädigend auf. Hempel berichtet, daß im Chemnißtale aus Starkajten 24 alte und 56 junge Tiere Hervorgeholt worden jeien; ich jelbjt Habe im verflojjenen Jahre gleichfalls in Starfaften auf dem Nochliger Berge gegen 25 ältere und jüngere Tiere gefangen, und in den Objtanlagen des Nochliger Schlofjes find nahezu ebenjo viele erlegt worden. Auch in früheren Jahren hat man hier und auf dem Nochliger Berge Ähnlich große Mengen gefangen und getötet; ein merflicher Rüdgang in dem Bejtande des Tieres tft indejjen nicht eingetreten; vielmehr will es mir jcheinen, als ob es auf dem Nochliger Berg in jtändiger Zunahme begriffen je. Schädlich wird der Bild) in hiejiger Gegend durch die Plünderung der Objtbäume. Nicht nur, daß er des Nachts alle Früchte — Kirjchen, Pflaumen, Pfirfiche, Birnen, Apfel uftv. — angeht und in feiner unglaublichen Gefräßigfeit beträchtliche Mengen an Ort und Stelle verzehrt oder annagt und dann zu Boden fallen läßt, verjchleppt er fie auch nach jeinen Schlupfwinfeln. Sch fand einen Starfajten, in dem einige Schläfer des Tags über Siejta hielten und dejjen innere Bodenfläche etwa 20 cm im Geviert maß, nahezu 20 cm hoch mit Ktirfchfernen und Stielen, untermijcht nur mit einer ganz geringen Quantität Gras und einigen Hoßjpänen, angefüllt. Aber nicht allein im Freien räubern dieje Tiere, jondern fie dringen auch in die Gebäude ein und fahnden in diejen nach allerhand Ledereien. Jm Haufe meiner Eltern (auf dem Noch- lier Berge) war im verjlojjenen Sommer wiederholt das Bergamentpapier der im Steller jtehenden Konjervengläfer durchnagt und die eingemachten Früchte angegangen. Meine Mutter jchloß anfangs auf Mäufe und bededte die Gläjer mit jchiveren Brettchen. Wer aber bejchreibt ihr Erjtaunen, al® nach einigen Tagen die Brettchen herabgemworfen und die Früchte aufs neue angegangen waren. Für mich jtand es nun feit, daß nur Siebenjchläfer, die durch das immer offen jtehende Fenfter bequem in den Keller eindringen fonnten, al@ Räuber der Früchte in Betracht fommen fonnten.” Das bejtätigte jich, und im Einklang mit diejem Fall jteht auch der Fund eines Bilches in dem Rejtaurant Friedensburg am König- jtein, wo jich das Tier in Brot eingenagt hatte und in jeinem Magen Kompottrefte barg. „Der Siebenjchläfer ift ein ausgejprochenes Nachttier. Mit beginnender Dunkelheit 400 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. verläßt ex jeine Schlupfiwinfel und fehrt exit beim Morgengrauen wieder dahin zurüd. Ver- einzelt nur habe ich ihn auch tagsüber auf Obitbäumen angetroffen und — während meiner KRnabenzeit — dann jogar Jagd auf ihn gemacht, indefjen ftet3 mit negativem Erfolge. Er flettert qut und flink; weite Sprünge ähnlich dem Eichhörnchen macht er dagegen jelten und wagt jie — dann aber mit großem Gejchid — wohl nur, wer er verfolgt wird. Am Boden vermag er, wenngleich auch nicht mit der Gewandtheit wie auf Bäumen, ebenfalls vajch dahinzueilen, fühlt jich aber hier nie vollfommen jicher. An dem erjten aufwärtsitrebenden Segenjtand Hlettert er empor, um von ihm aus nötigenfalls auf einen noch höheren zu ge- langen. ©o fam es, als ich im verflojjenen Sommer auf dem Rochliger Berge die Starfajten nach dem Schläfer durchjuchte, wiederholt vor, daß einige entwijchte Tiere jelbit an mir und meinen Begleitern emporkletterten, um von hier aus — einige Male mit gutem Erfolg — den rettenden Sprung nach einem nahen Baume, einer Yaube oder dergleichen zur wagen. Troß ihres großen Hanges zur Gejelligfeit fommen Kämpfe unter den Artgenojjen recht häufig vor, und die Behauptung, daß die Schläfer im Hunger jogar ihresgleichen auffräßen, roird illustriert dadurch, daß zwei von mir eingefangene Bilche troß der ihnen reichlich zu= gemejjenen Nahrung einen dritten bei lebendigem Leibe angefrejjen hatten. Über das Vor- fommen des Schläfers in der Grimmaer Gegend find mir gleichfalls verjchtedene neue Mitteilungen zugegangen. Er jcheint dajelbit gleich Häufig wie in der NRochliger Pflege zu jein und tritt ebenfalls jtarf jchädigend in den Obitanlagen auf. In Grimma erbeutete Tiere befinden jich im Dresdener zoologiichen Mujeum.“ Zur Natur- und Lebensgejchichte des Siebenjchläfers mögen hier noch die genauen Aufzeichnungen des Pfarrers Jäde-Windsheim wiedergegeben jein, eines ganz ausgezeich- neten Erforjchers unferer heimijchen Tierwelt aus den jechziger und jiebziger Jahren vorigen Sahrhunderts. Er hielt die drei reichsdeutjchen Schläferarten jahrelang, namentlich um feit- zuitelfen, ob jte forstichädlich find oder nicht, und hat über die Nahrung, die er reichte, täglich Buch geführt. Aus jeinem Berichte („Zool. Garten”, 1877) geht zunächjt hervor, was für itarfe Frejjer dieje Nager jind. Drei Siebenjchläfer fragen von Ende Juli bis zum Winter- ichlaf, aljo ettva in ziwei Monaten: 272 Kirichen, 92 Birnen, 64 Äpfel, 42 Aprifofen und Ztetjchen, 56 Neineclauden, 25 Weintrauben, 526 Stachelbeeren, 245 Aprikojen-, Reine- clauden-, Pfirfichferne und Niüffe, etliche Hundert Kitrbis-, Melonen- und Gurfenferne, 24mal Weißbrot; an Snjekten große Heufchreden, Hautflitgler, Zwetflügler und endlich mehrere Hausmäuje und Hausjperlinge. Snfekten fragen jie am liebjten, und ebenjo be- obachtete auch Leydig zur Maifäferzeit, daß fie dieje Käfer allem anderen vorzogen und in eritaunlicher Menge verzehrten. Als Jädel außer anderem Futter zwet friiche Apfelbaum- zweige in den Käfig brachte, war er nicht wenig überrascht, „am anderen Morgen beide Zeige an vielen Stellen in PBlattenform oder in jchmalen jenkrechten Streifen von größerer oder geringerer Länge entrindet” zu finden. Gin andermal jtedte er „vier 60 cm lange und 2—21, em dide Birfen-, Not- und Weißbuchenfnüppel ei und jegte die Tiere auf Schmale Koft, Wafjer und Schwarzbrot. Sie gingen aud) richtig den einen Birfen- und den Rotbuchenfnüppel an, berührten aber die Weifbuche nicht. ZJüäcel bejchreibt dann die Formen des Fraßes genau und jpricht fchließlich die Überzeugung aus, daß aud) der Sieben- ichläfer nach dem „Erwachen im Frühjahr zu dem Notbehelf der Baumrinde greifen” mag, wie Hafe und Eichhörnchen, aber, bei uns wenigitens, feinen erheblichen Schaden verurjacht. Solange der Sommer währt, treibt der Siebenchläfer fich, falls die Witterung nicht gar zu Schlimm ift, almächtlich in feinem Gebiete umher. Auf jeinen Weidezügen jest ex jich Siebenjhläfer: Winterfchlaf. Fortpflanzung. 401 fajt alle Minuten einmal nach Eichhörnchenart auf das Hinterteil und führt etwas mit den Vorderpfoten zum Munde. Bejtändig hört man das Anaden von Nüffen, die er zerbricht, oder das Faller nn ausgefrejjenen Früchten, die er herabwirft. Gegen den Herbit hin fammelt erNtahrungsporräte ein und peichert diefe in jeinen Höhlen auf. Um dieje Zeit „ftroßt er be- reits von blühendem Fette”, fit aber noch jo lange wie möglich; dann denkt er daran, Her- berge für den Winter zu bereiten. Yebt macht er jich in tiefen Erdlöchern, Riffen und Spalten, Felfen und in altem Gemäuer, wohl auch in tiefen Baumhöhlungen, ein Nejt von zartem MDoS zurecht, rollt ich, gewöhnlich in Gemeinschaft mit mehreren feiner Genoijen, zufammen und fällt jchon lange vorher, ehe der Wärmemejjer auf dem Nullpunfte jteht, in vauberen Gebirgsgegenden bereit3 im Augquit, in der wärmeren Ebene exit gegen den Dftober hin, in tiefen Schlaf. „Der jpäteite Termin“, an dem Zimmermann-Nochlig den Stebenjchläfer im Freien antraf, „it der 14. Dftober 1906.” Einmal im Schlafe, zeigt er die Gefühllojigfeit aller Winterjchläfer und it vielleicht derjenige, welcher am tiefjten jchläft. Man fann ihn ruhig aus feinem Lager nehmen und wegtragen: er bleibt falt und regungslos. Im warmen immer erwacht er nach und nach, beivegt anfänglich die Gliedmaßen ein wenig, läßt einige Tropfen feines hellen, goldgelben Harnes von fich und regt fich allmählich mehr und mehr, jieht aber auch jeßt noch jehr verichlafen aus. m Freien wacht er zeitweilig von jelbjt auf und zehrt ein wenig von jeinen Nahrungsporräten. Stebenjchläfer, die Lenz übertwinterte und in einem fühlen Raume hielt, wachten etwa alle 4 Wochen auf, fragen und fchliefen dann ivieder jo feit, daß fie tot jchtenen; andere, die Galvagni pflegte, machten nur alle 2 Monate auf und fraßen. Auch beim Stebenjchläfer erleidet, wie bei den anderen Winter- ichläfern, diefe Yebensgemwohnheit durch die Gefangenjchaft eine gewilje Störung — jeden- falls, weil hier in der Regel nicht diejelben Außenumftände eintreten und auf das Tier ein- wirfen wie in der Freiheit. Dfter endet diefer geftörte Winterfchlaf aber mit dem Tode, wie e3 beim Siebenjchläfer 3. B. der Teutoburger Beobachter Schacht erfuhr. Im Freien erwacht unjer Bilch exit jehr jpät im Frühjahr, felten vor Ende April. Somit beträgt die Dauer feines Winterjchlafes volle 7 Monate, und er führt feinen Namen mit Fug und Necht. Bald nad) dem Erwachen paaren Sich die Gefchlechter, und nach ungefähr vierwöchiger Tragzeit wirst das Weibchen auf einem weichen Lager in Baums= oder anderen Höhlungen (in der Nähe von Altenburg jehr häufig in den Niftkäftchen der Stare, die mar vermittelit hoher Stangen über und auf den Objtbäumen aufzustellen pflegt) 3—7 nacte, blinde Junge, die außerordentlich jchnell Heranmwachjen, nur furze Zeit an der Mutter faugen und fich dann jelbjt ihre Nahrung aufjuchen. „Bei lement in Hermannjtadt, Siebenbürgen, öffneten am 17. Augujt geborene Junge am 8. September, aljo nach 23 Tagen, die Augen und nahmen ichon nad) 2 Tagen an den Mahlzeiten der Alten teil. Anfang DOftober wurden jie aber noch jaugend gejehen. Den bufchigen Schweif erhielten fie im zweiten Monate ihres Lebens, im Dezember hatten jie noch nicht die volle Größe der Alten. Im März des folgenden Sahres jchienen fie jortpflanzungsfähig; denn zwiichen den Männchen fam e3 manchmal zu feinen Balgereien.” („Zool. Garten”, 1892.) Niemals fteht das Nejt des Bilches frei auf Bäumen, wie das unferes Eichhörnchens, wird vielmehr jtet3 nach Möglichkeit verborgen. Sr Gegenden, two e3 viele Buchen gibt, ver- mehrt jich der Bild) jehr ftark, wie fein Wohlleben überhaupt von dem Gedeihen der Früchte abhängt. — Die Wurfzeit jcheint nach Zimmermann-Rochlig „rechten Schwankungen unter- worfen zu jein. Sch Habe 2—3 Wochen alte Tiere fchon vor Mitte Juli, um ein weniges ältere aber auch exit nach dem 15. Auguft fonftatiert. Ir diefem Jahre (1909) erhielt ich gar Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 26 402 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. erit am 18. September einen nur wenige Wochen alten Bil... Auffallend viel fommert Junge vor, die in ihrer Entwidelung Hinter ihren Gejchwiitern zurücdgeblieben find. Dder handelt e3 fich bei diefen Funden einzelner Kleinerer und jchwächlicher Jndividuen unter peiter entmwidelten um Tiere eines zweiten Wurfe, die jich in den Kreis eines anderen, jort- gejchritteneren verirrt haben?” („Zool. Beob.“, 1909.) Biele Feinde tun dem Siebenjchläfer übrigens bedeutend Abbruch. Baummarder und Sıtis, Wildfage und Wiefel, Uhu und andere Eulen find wohl jeine jchlimmiten Verfolger, und wenn er auch jelbit gegen die ftärfjten Feinde jich mit vielem Mute wehrt, fie anjchnaubt, wütend nach ihnen beißt und fogar die jchwachen Strallen bei der Verteidigung zu Hilfe nimmt: er muß ihnen doch erliegen. Der Menich jtellt ihm da, wo er häufig ilt, teils des Sleifches, teils des Felles wegen, eifrig nach. Jr Bayern fangen ihn die Landleute in ge- öhnlichen, mit Hanjkörnern geföderten Meijenkaften. „Sobald man“, jchreibt mir Weber, „an den unter den Objtbäumen liegenden, zerbijjenen Früchten das VBorhandenjein und jchädliche Wirken eines Siebenjchläfers erkundet hat, teilt man den Meijenjchlag wie für einen Bogel in eine Aitgabel. Unjer Bilch geht dem Hanfe nach, wirst den Schlag ein, ergibt jich ruhig in die Gefangenjchaft und jchläft den Schlaf des Gerechten, anjtatt den Kaftendedel aufzuheben oder die dünnen jeitlichen Holzitäbe zu zernagen und fich jo zu be- freien.” Sr Unterkrain erbeuten ihn die Bauern in Schnellfallen, die jie entiweder an den Ästen aufhängen oder vor dem ihnen genau befannten Schlupfiwinfel des Siebenjchläfers aufitellen und mit einer jaftigen Birne oder Pflaume Födern. Außerdem gräbt man teil- teile mit Objt gefüllte Fäljer in die Erde, die oben nur einen Zugang haben, ein Rohr nämlich, in dem Eijendrähte jo befejtigt werden, daß jie wohl das Hineinjchlüpfen, nicht aber das Herausfommen des Bilches geftatten. Hier fangen fich die Tiere oft in jo großer Menge, dat mancher Jäger während eines Herbites 200—400 Stüd erbeuten fan. Nach Mojitjovics fann bei diefem „in großem Stile” betriebenen Bilchfang ein jolcher Strainer Falleniteller jogar „in einer Nacht bis 500 Stüd erbeuten!" „Das lecfere Wildbret” wird dort auch gerühmt und mag dies zufolge der Obft- und Buchenmaft wohl verdienen. „Die elle fommen nach) Dimik, mit Kalf zubereitet, in Tafeln zu 16 Stüd in den Handel. Zu geiten einer Buchenvollmaft liefert Strain bis 800000 Felle = 50000 Tafeln; in jolchen Jahren repräjentiert der rainische Bilchfang (wenn man den Fleifch- und Fettwert dem Ertrag für Bälge gleichichägt) einen Wert von 50—60000 Gulden.” Die Felle müfjen wohl zu Belzfutter und anderem gleich im Lande verbraucht werden; denn auf den Weltmarkt, den Leipziger Nauchwarenmarkft z.B., ommen, nach Braß, faum einige taujend Siebenjchläferfelfe jährlich. Bei ung, namentlich in Norddeutjchland, ijt vom Siebenjchläfer nur der Name volfs- tümlich; das Tier jelbit ift jehr wenig befannt und wird verhältnismäßig jelten in der Ge- Tangenjchaft gehalten. m Hamburger Zoologiichen Garten hat es ein Stebenjchläfer auf eine Lebensdauer von 7 Jahren 6 Monaten gebracht. Sein Wejen ijt nicht gerade an- genehm, jeine größte Tugend die Reinlichkeit; im übrigen wird er langweilig. Er befindet jich fortwährend in gereizter Stimmung, befreundet jich durchaus nicht mit jeinem Pfleger und fnurrt in eigentümlich jchnarchender Wetje jeden wütend an, der jich erfrecht, ihm nahe- zufommen. Dem, der ihn ungejchiet angreift, beweilt er durch rajch aufeinanderfolgende DBilje in jehr empfindlicher Weije, daß er feinestwegs geneigt fei, fich irgendwie behelligen zu lajjen. Nachts jpringt er twie vajend im Käfig umher und wird fchon deshalb feinem Bejiter bald jehr läftig. Er muß auf das jorgfältigste gepflegt, namentlich gefüttert werden, damit er jich nicht Durch den Käfig nagt oder einen und den anderen feiner Gefährten auffrißt; Siebenjhläfer: Feinde. Nuben. Wejen. Gefangenleben. 403 denn wenn er nicht genug Nahrung hat, geht er ohne weiteres jeine Artgenojjen an umd ermordet und verzehrt jie ebenjo ruhig wie andere Heine Tiere. Auch die im Käfige ge- borenen Jungen find und bleiben ebenjo unliebenswinrdig wie die Alten. Diejes allgemeine Urteil fonnte Schäff während jeiner Tätigkeit an der Berliner Land- pwirtjchaftlichen Hochjchule beftätigen. „Einige Male erwachte er täglich, jtredte fich, jchnup- perte umher und entledigte jich jeiner Erfremente, die jtets möglichjt entfernt von dem augen- blieffichen Ruhepla& abgejeßt wurden... Er lief mit nad) unten hängendem Körper gejchickt an dem aus durchbrochenem Blech bejtehenden oberen Dedel jeines Käfigs (eines Kleinen Terrariums); dagegen konnte er jich an den vier Glaswänden natürlich nicht anflammern... Unter feinen Sinnen jcheint das Gehör am meijten entiwidelt zu jein, wie auch das große, itark hervorragende und für eine nächtliche Yebensweije eingerichtete Auge gute Dienjte im dunfeln Walde leiten wird. m wachen Zuftande ijt die große, gewölbte Ohrmujchel in fteter Bewegung, bald hierhin, bald dorthin gerichtet, um auch da3 Teijefte Geräufch auf- zufangen. Abgejehen von der Zeit des Winterjchlafes, genügte meijtens ein vorjichtiges Herantreten an den Käfig, um den im Schlaf befindlichen Stebenjchläfer jofort zu medent. Das Geruchsvermögen jcheint jchwach zu jein; wenigftens fchnupperte das Tier oft nad) im Heu verjtedten Borräten umher, wenn diejelben in nächjter Nähe lagen. Kam es ganz nahe mit der Nafe heran, jo zog e8 diejelben hervor und begann zu frejjen. Der Taftjinn ift jehr fein, die leijefte Berührung eines Haares des Pelzes veranlakte eine augenblicliche Be- wegung... Fliegen, welche lebend in den Behälter gejebt wurden, jing der Siebenjchläfer mit großer Behendigfeit, führte jie zierlich mit den Borderpfoten zum Munde und jraß jie, indem er Stüd für Stüd abbif. Bor den großen jogenannten Brummern, welche viel Ge- räufch machten, jehien ex etwas Angjt zu haben; wenigjtens fragte er oft unter ärgerlichem Knurren und Släffen nach ihnen, wenn jte in jeine Nähe famen, ohne daß er jie aber immer verfolgte und fraß... Bon den AUpfeljinen verzehrte unjer Schläfer jonderbarerweije eben- jogern die Schale wie das jaftige Fleiih. Der Kot nahm nach diejer Nahrung eine völlig orangerote Farbe an, während er jonjt dunfelichwärzlich und nach Kirichengenuß violett aus- ah... Die Früchte (Apfel, Apfelfinen), welche nur etwas Saft enthalten, jcheinen zu ge- nügen, um jeinen Durft zu stillen.” Mehrmals entwijcht, fing er ich jtets gleich in der eriten Nacht wieder in rajch hergerichteten Fallen. Das ericheint zunächit verwunderlich. Aber warum joll ein Tier, das jeiner Naturnac) gewöhnt it, fich in allen möglichen Löchern und Spalten zu verfriechen, nächtlicherweile in einer jolchen Spalte plößlich die Jalle erfennen? Darüber muß es durch perjünliche Erfahrung exit wiederholt und gründlich belehrt werden. Einem anderen Pileger, Eoefter (Hannöverich- Münden), it, „wie jchon in früheren Sahren in der Nähe Göttingen, wo der Siebenjchläfer durchaus nicht zu den Geltenheiten gehört..., die ausnehmende Vorliebe desjelben für Kalkboden, den er wohl hauptjächlich der größeren Trodenheit und der bei normalen Berhältniffen jtärfer und mannigjaltiger ent- widelten Bejtofung wegen jehr gern aufjucht, aufgefallen. Die Grenze jeines Vorfommens icheint, joweit meine eigenen Erfahrungen und die zahlreicher, in und mit dem Walde häufig verfehrender Berjonen, deren Auskunft ich hierbei in Unjpruch nahm, reichen, geradezu hier mit dem Übergang von Buntjandftein zu Kalk gezogen zu fein.” Coejter wunderte jich an= fänglich, als er feinem gefangenen Stüd Nüfje, Brot, Semmel in Milch und jajtige Früchte reichte, daß es dieje Nahrungsitoffe direkt aus feiner Hand, ja allmählich — und dies jchon am zweiten Tag — auf jeiner Hand jitend annahm, und glaubte, dies für ein Zeichen beginnen= der Zahmheit deuten zu fönnen, irrte aber. „Denn“, fährt er fort, „wenn der Siebenjchläfer 26* 404 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. auch heute (nach drei Wochen) zeitweilig Liebfojungen ruhig über jich ergehen läßt, jo nurrt und beißt er doch meiftens oder jchlägt, in äußerfter Bedrängnis auf dem Rüden liegend, mit den jcharfkralligen Pfoten in derjelben wütenden Weije auf alles 108, was ihm irgendiie zu aufdringlich zu werden beginnt, wie im Anfange der Gefangenjchaft.” Diejes Verhalten dürfte aus dem Tier felbft Heraus vielleicht jo zu verftehen fein, daß ihm der ruhig die Nahrung darbietende Menjch ift wie der Baum, ar dem die Frucht hängt, und den es ohne weiteres beiteigt. Sobald aber diejes große Etiva fich bewegt und in berührende Nähe fommt, wird e3 ebenjo fchnell dem Heinen eingejperrten Tiere zum Feinde, zur unentrinnbaren Gefahr, gegen die man fich mit Händen und Füßen verzweifelt mehren muß. Die angeerbten Jn- itinfte verlaffen die meiften Tiere eben nie! „Steigt er aus feinem -Hochhängenden Schlaf- gemach herab, jo gejchieht dies in Ruhe, ohne große Haft und Eile und nachdem vorher ein- gehend gejichert ift. Sein großes Auge, das in der Dämmerung gemiß fein zu unterjchäßender Sinn ift, muftert dabei jorgjam die Umgebung; vorzüglich aber jcheinen die Ohren, die, wie bei den Fledermäufen, in jteter zitternder Bewegung find, ein Hauptficherungsorgan zu jein. Dit hängt er fich zierlich, nur Durch Die fcharfen Strallen der Hinterzehen gehalten, an jeinem Kletterbaum fopflings auf, greift mit den Vorderpfoten am Boden Ttegende Nahrung und verzehrt fie jo frei jchwebend. .. Jr der Stube benimmt jich der Bildh am Boden ungejchict wie das Eichhörnchen, bewegt fich, den bujchigen Schwanz in janftem Bogen aufwärts ge- frünmmt, meijt fprungmweije vorwärts, dabei immer bemüht, die Zehen zufammenzuprejjen, als juche er irgendetwas damit zu umjpannen, entfaltet aber gern an allen Stuhl und Tijch- beinen, Borhängen ujiw. jeine außerordentliche Fertigkeit im Stlettern. Selbjt an dem glatten Rahmen eines großen Spiegels Eimmt er, wenn auch mit häufigen Schwierigfeiten, empor. Unter feinen Lauten hatte ich jeither nur das unmillige, im Zorn ausgejtoßene Sinurren und Schnarren vernommen. Mehrfach hörte ich aber jebt abends, wenn er in feinem Schlaf- gemach ruhig jaß oder, eben erivacht, den Kopf hervorjtredte und jich zur Tätigkeit anjchickte, ein eigenartiges, Durch Zaute Faum zu verjinnlichendes, entfernt etiva durch ‚tüt‘, ‚tüt“ wieder- zugebendes, furz hervorgeftoßenes und oft wiederholtes hohes Pfeifen, das zeitweilig fürm- lich in die furz, wie bei jedem AUtenzug, hervorgebrachten, feinen Pieptöne der jogenannten ‚jingenden Hausmäufe‘ überging. Der Sinn desjelben ift mir noch nicht recht Har geworden, jcheint jedoch Zufriedenheit ausdrüden zu jollen. „Seht interefjant ift fein Benehmen gegenüber einem zahmen Steinmarder. Oft liegt der Marder langgeftreckt, mit funfelnden Augen jeder Bewegung des Schläfers folgend, dem Käfig nahe auf dem Tisch, fauft plößlich wie ein Pfeil durch die Luft gegen das Käfiggitter, aber jchon nach den eriten Berjuchen nur mit dem Erfolg, daß der Bilch, unwillig Schnarrend ob des momentanen Schredens, entweder ruhig weiterfrißt oder auf feinen Kletterbaum jich emporfchwingt, hier — kam die Überrafchung in Geftalt des Marders zu plößlich — ftill jich niederdrüct, auch wohl einmal in jein Schlafgemach jchlüpft und von hier aus neugierig jich des Marders Einbruchsverjuche betrachtet. Dies stille und lautloje Sichniederdrüden ift übrigens für den Siebenjchläfer ein treffliches Schußmittel. Wird es in der Freiheit auch angewandt, jo mag es jehr leicht vorkommen, daß man den an fich Schon Heinen Nager auf der ganz ähnlich gefärbten Buchen- oder Eichenrinde überjieht. — Noch fomischer jieht e3 aus, wenn der Schläfer erbojt an dem Käfiggitter emporfährt, den daran fich haltenden Narder in die Pfoten zwict und fchließlich, will der Störenfried nicht weichen, fchnarrend und Inurrend in fein Gemach jich begibt oder jeine anfängliche Bejchäftigung weiter fortjebt. „uffallend war mir eine Beobachtung, die ich am 3. Oftober machte und die jich mir Siebenjchläfer: Gefangenleben. 405 am 11. wiederholte. Sch fand den Bilch jcheinbar halbtot, bei Berührung fchrwach jchnarrend und lahm in jeder Bewegung, in feinem Nejt vor und glaubte bereit3, daß die Sache einen ichlimmen Ausgang nehmen würde. Die Erklärung fand fich aber am 11. jehr einfach — ich hatte den Siebenjchläfer im Beginn jeines Winterjchlafes vor mir. Ir dem tags zuvor jehr tvenig geheizten Zimmer war nämlich die Temperatur morgens auf + 7IR gefunfen, und getreu dem angeborenen Naturtrieb, Hatte das Tierchen jich zum Schlafe niedergelegt: der bujchige Schwanz war über die Stirn gejchlagen, die Borderläufe hielten den Stopf jeitlich gefaßt, der Körper Frümmte jich im Sreisbogen jejt zufammen — in der Haltung genau eine Wiedergabe de3 vortrefflihen Bildes der Heinen Hajelmaus, jchlafend im Winterneft, in K. und U. Müllers ‚Tiere der Heimat‘. Ir diefem exit einnächtigen Zujtand reagierte der Schläfer auf Anjtöße nur wenig, wehrte mechanijch mit den Vorderpfoten, leije und heijer ichnarrend, jeden Erwedungsverjuch ab, machte jedoch feinen Gebrauch von dem Gebif. Die Augen blieben bei allen diefen Erregungen und Bewegungen gejchlojjen. Die Ktörper- temperatur betrug, joviel ich feititellen fonnte, +12°R. Nachdem das Zimmer geheizt war, erwachte er binnen 3, Stunde, beivegte jich flinf und gewandt wie jonjt im Käfig und zeigte feine Spur mehr von der eben noch jo tiefen Schlafjucht. „Kurz darauf brach der Bilch in die Stube aus. Zu meiner Überrajchung fand ich ihn am anderen Morgen ruhig in jeinem Nejte jigend wieder vor; er hatte aljo troß der mweitent und umfajjenden Wanderung in der ganzen Stube doch feine auf einem Stuhle jtehende Wohnung und den Heinen (durchgenagten) Eingang zu ihr wieder aufgefunden, ein Umstand, der, will man feinen Zufall hier mitreden lajjen, immerhin auf eine gewilje Sinnenjchärfe hinmweijt, zugleich aber auch ebenfo jicher beweilt, daß das Tier weit entfernt war, Freiheit und Öefangenjchaft, Freiheitsberaubung und Wiedererlangung auch nur einigermaßen deut- lich zu empfinden oder gar far zu erkennen, daß e3 vielmehr einfach an jeinem ererbten Jn- itinkte flebte, nach nächtlicher Streife zu dem gewohnten Schlupfiwinfel zurüdzufehren. Bon jeiner Stlettergewandtheit legte derjelbe Stebenjchläfer unter anderem auch noch einen be- jonders jprechenden Beweis ab, indem er an einer faum 1 cm jtarfen Hajelrute gewandt herumfletterte, gleichgültig, ob die Rute wagerecht oder jenfrecht gehalten wurde. Mit den nadeljpigen Krallen jeiner Zehen brachte er e3 jogar fertig, in leßterer Lage der Rute mit dem Sopfe nach unten gleich gewandt herabzuflettern.”" — Coejter brachte „den jet aufer- ordentlich feiitern Schläfer in den ziemlich falten Tagen Ende November und Anfang De- zember (1888) auf den Hausflur. Bald jchlief er hier auch wirklich feit; doch riefen dufßere Neize immer noch Bewegungen und jchtwaches Gejchret bei ihm hervor. Morgens lag er meijt wie tot eingefugelt auf dem Hinterteil da, die bufchige Rute über den Kopf geichlagen, die Naje am hinteren Ende. Doch ertwachte er noch abends und nahm Nahrung zu Jich. ym übrigen aber blieb fein Wejen träge und matt. Mit der etwas zunehmenden Kälte Mitte Dezember 1888 befand er jich oft 4—5 Tage in einem Zuftand völliger Nequngstojigkeit, der Durch nichts unterbrochen wurde. „sn völfig feiten Schlaf ließ fich mit Ausnahme der kurzen, faum bemerfbaren Atem- züge, denen in Zwifchenräumen von etwa 30 Sefunden je ein tiefer, durch Heben der lanfen deutlich erfennbarer Atemzug folgte, feine Bewegung an dem Schlafenden ent- deden, und regung3los verharrte er in jeder Stellung, in die man ihn bog. Seit Mitte Februar war er infolge der Häufigeren Bewegung jchon bedeutend gegen früher abgemagert. Eine längere, fejt andauernde Schlafperiode trat jeitdem nicht mehr ein." — Eovejters „mit dem gefangenen Siebenjchläfer angeitellte Berfuche führten, jotweit e8 die Holz-, oder vielmehr 406 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. Kindennahrung betrifft, ebenfalls zu feinem das ‚forjtichädlich‘ rechtfertigenden Ergebnis“: „mit Yusnahme der Keimpflanzen blieb alles unberührt. Dieje jelbjt wurden am unteren Teil erfaßt, Plumula und nach ihr die Kotyledonen wurden verzehrt, der Reit ward weg- geworfen und nicht mehr berührt. In einem Tage jraß er auf diefe Weife 7—12 Kteim- pflanzen... Die jungen, im Vorfommer erjcheinenden Keimpflanzen, die gerade zur Zeit jeines Erwachens den erften jchüchternen Schritt in Xeben machen, geht er aljo an, und tritt in der Freiheit wirklich ein derartiger Eingriff des Siebenjchläfers in das pflanzliche Wachstum häufiger auf, jo fann der Schaden des Tieres unter Umständen ein recht empfind- licher werden.” Einen anderen Siebenjchläfer, der Schacht im Januar gebracht wurde, Hatten die Holz= bauer jehr unmanierlich behandelt und der jchönjten Zierde, des bujchigen Schwangzes, zur Hälfte beraubt, jo daf die Schwanzwurzel einen Finger breit blutig Hervorjtand. „Um an= deren Morgen lag er ruhig da, hatte jedoch das Schwanzende amputiert.” Diejer Fall von Selbjtamputation darf den Umftänden nach wohl als jeititehend gelten und hat deshalb be- jonderes Interejje, weil derartiges neuerdings wieder jelbjt beim Fuchs im Tellereijen be- aweifelt oder vielmehr anders erklärt wird. Sowohl Eovejter al3 Zimmermann bejtätigen, daß beim Siebenjchläfer wie bei den anderen Schläfern „vie Schwanzhaut jehr leicht reißt”. Zimmermann verwahrt jich aber im Einklang mit anderen Beobachtern (Handmann) ausdrüdlich dagegen, dies als „Selbjt- verftimmelung”, als eine im Kampf ums Dafein herausgebildete Schugvorrichtung aufzu= fajjen und mit dem befannten Abbrechen des Eidechjenjchiwanzes auf gleiche Stufe zu jtellen. „Wiederholt paliterte es mir beim Einfangen von Bilchen, daß jich die Haut des Schiwanzes, wenn ich das jlüchtige Tier an diejem ergriff, loslöjte. Niemals aber gejchah dies an einer fejt bejtimmten Stelle, und mir jchien e8 auch, al3 ob diefer Borgang jich bei jungen Tieren leichter und häufiger ereignete al3 bei ausgewachjenen, älteren... Weder mit Yähnen noc) mit Füßen haben jich die Tiere dabei am Schwanze zu jchaffen gemacht.” Daß es beim Siebenjchläfer feine ganz bejtimmte Stelle ijt, wo der Schwanz abreißt, erklärt Henneberg- Gieken, der die neuejte Arbeit „Über Schwanzautotomie bei Säugern” („Med.-Naturiv. Archiv“, 1909) geliefert hat, einfach daraus, daß am Siebenjchläferjchtwang „feine derartige Ningbildung vorhanden” ist wie am Waldmausjchwanz, mit dem er Hauptjächlich erperimen- tiert hat; doch gibt auch er einen nicht autotomierbaren Abjchnitt auf etwa ein Fünftel der ganzen Schwanzlänge an. Der Baumfjchläfer, Dyromys nitedula Pall. (Myoxus, dryas), gewijjermaßen ein Müttelglied ziwiichen Sieben- und Gartenjchläfer und neuerdings als Vertreter der Gattung Dyromys Thos. angejehen, erreicht im ganzen eine Länge von 18 cm, wovon 8 cm auf ven Schwanz fommen, und it auf dem Kopf und der Oberjeite rötlichhraun oder bräunlich- grau, auf der Unterjeite Scharf abgejegt weiß gefärbt. Unter den Augen beginnt ein jchiwarzer Streifen, umfaßt, ich erweiternd, die Augen und jet jich bis zu den Ohren fort; hinter diejen jteht ein jchmusig graumeißer Fled. Der Schwanz ijt oben dumfel braungrau, an der Spibe etwas Fichter, unten mweißlich, furzhaariger als beim Siebenjchläfer und weniger bujchig. Vom füdlichen Nufland, dem Mittelpunfte feines Heimatsfreijes, verbreitet fich der Baumjchläfer nach Weiten hin bis Ungarn, Tirol, Niederöfterreich und Schlefien, fommt hier jedoch) immer nur felten vor. In feiner Zebensweife ftimmt er, joviel bis jebt befannt ift, mit GSieben- und Gartenjchläfer im mwejentlichen überein. Baumjchläfer. 407 Auch vom Baumfchläfer hat Nehring zwei neue Unterarten bejchrieben, und zivar außer dem Griechifchen vom Parnnaf (D. n. wingei Nhrg.) den Tiroler (D. n. inter- medius Nhrg.; Taf. „Nagetiere XV“, 3, bei ©. 397) aus den Dfterreichifchen Alpen, den er zuerjt ausgejtopft in der Sammlung des Gejundheitsamtes zu Berlin entdeckte, two ihm das Stid durch die rein graue Oberjeite aufftel. „Bet flüchtiger Betrachtung jieht das Tier (deshalb) wie ein ziwerghafter Siebenjchläfer aus“, und danacı erhielt es jeinen wiljenjchaft- lichen Namen gewijjermaßen als Mittelglied zwijchen Baum und Siebenjchläfer. Jedenfalls - beweift e3, daß der Baumjchläfer viel weiter nach Weiten geht al3 früher angenommen, und hier mußten ihm um fo mehr einige Worte gewidmet werden, al3 er neuerdings von Lienz im oberen Pustertal auch lebend in den Handel fommt, z.B. im Berliner und Frankfurter Boologischen Garten gewöhnlich vertreten it. Sonft ift der Baumjchläfer in der öfterreichifch-ungariichen Monarchie, laut Mojjijovicz, „nachgetiejen für Niederöjterreich (bei Wien), in Ungarn im Banat in Laubwäldern und Weingärten, in Siebenbürgen (bei Hermannjtadt ziemlich Häufig), ferner in Öalizien, Mähren und Schlefien; in Böhmen jcheint er zu fehlen... Sn der Nordtatra beobachtete Kochan das Auftreten diefer wenig befannten Art bis zu 1000 m Seehöhe, die jte nicht überjchreitet. Sie hält jich dort an das VBorgebirge, an Waldränder mit gemijchten Holzarten, ältere Schläge, Hütten und Wohngebäude. Kräuter, Knojpen, Beeren, Obit, dann auch Käje und Milch, in tvelch leßterer Kocyan viele Stüde ertrunfen vorjand, fiebt jte jehr. Sie it, wie ihre Ver- wandten, ein nächtlicher Sletterer. Aus trodenen Gräfern it ihr Findsfopigroßes Neit nicht hoch und gar nicht verjtect an Bäumchen oder im Himbeergejtrüpp angebracht. m Juni gibt e3 vier faft jchwarze Junge, die ehr langjam wachjen. Den Winterjchlaf beginnen auch dieje Tiere im Oftober und graben jich in trodener, nicht zu fejter Erde bis zu 1 oder 115 m Tiefe ein.” Dieje jedenfall wohl Ktocyan entnommene Angabe Eingt jehr verwunderlich! „mt Freien konnte Kochan das Erwachen aus dem Winterjchlafe nicht verfolgen. Die von ihm in der Gefangenfchaft überwinterten Tiere befamen einmal auch Nachfommenjchait, die ich (aber nur) jo lange vertrug, als fie ganz jung war. Im Frühjahr verbeigen fi) Männchen und Weibchen und müfjen dann getrennt werden. Die im Winter in ungeheiztem Naume gehaltenen Tiere jchlafen bis Ende Februar.” — Ein Baumfchläfer aus Oberjchlejien, Regie rungsbezirt Oppeln, unmeit der Grenze von Aufjiich-Polen, der ausgejtopft in der Samms fung der Forjtafademie Eberswalde fteht, wurde von dem dortigen Zoologen Editein eben- jall3 Nehring zur Unterfuchung zugefchiet. ES jcheint das einzige Stüd zu jein, das innerhalb unjerer deutjchen Neichsgrenzen beobachtet wurde. Die Tiroler Baumfchläfer des Berliner Gartens behalten im allgemeinen zwar ihre nächtliche Lebenstweife bei, werden abends aber doch jchon bei guter Zeit munter und erfreuen und erjftaunen dann die Befucher durch ihre blisjchnellen Bewegungen und geivandten Sprünge: twie ein Leuchten fteht man den weißen Bauch jedesmal vorbeiwijchen, wenn jte, den Rüden nach unten, an der vorderen Drahtgeflechtdede ihres Käfige dahinrennen. Gie faffen fich berühren und allerlei Mitgebrachtes vom Publikum zujteden, ohne jemals durch Fauchen oder Beißen die üble Laune des Siebenjchläfers zu befunden. Die Gattung der Gartenbilche (Eliomys Wagn.) unterjcheidet jich durch den Fury behaarten, nur am Ende mit einer Quafte gezierten, zweifarbigen Schwanz und ihre ein- facheren, am Außenrande deutliche Höder tragenden Baczähne, bei denen die Schmelz- falten wenig entwidelt jind. 408 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. DerGartenjchläfer, Sartenbilch vderdie Große Hajelmaus, Eliomys quereinus L. (nitela; Taf. „Nagetiere XV”, 4, bei ©. 397), wird im Körper höchitend 14 cm lang, der Schwanz 9,5 em. Der Kopf ift wie die Oberjeite rötlich graubraum, die Unterjeite weiß. Um das Auge läuft ein glänzend jchiwarzer Ning, der jich unter dem Ohre bis an die Halsjeiten fortjeßt; vor und hinter dem Ohre befindet jich ein weißlicher, über demjelben ein jchwärzlicher led. Der Schwanz ift in der Wurzelhälfte graubraum, in der Endhälfte ziveifarbig, oben jchwarz und unten weiß. Die Haare der Unterjeite jind zweifarbig, ihre Wurzeln grau, ihre Spißen weiß, bisweilen jchiwach gelblich oder gräulich angeflogen. Beide Hauptfarben tren- nen fich fcharf voneinander. Die Ohren find fleifchfarbig, die Schnunren jchwarz, weißjpigig, die Sirallen Ficht hornfarben, die oberen VBorderzähne Fichtbraun, die unteren lichtgelb. Schön dunfel jchtvarzbraune Augen verleihen dem Gartenjchläfer ein Huges, gewectes Anjehen. Der Gartenjchläfer, der Schon den alten Römern unter dem Namen Nitela befannt war, gehört hauptjächlich den gemäßigten Gegenden de3 mittleren und weitlichen Europa an: Frankreich, Belgien, die Schweiz, Stalten, Deutjchland, Ungarn, Galizien, Sieben- bürgen find jeine Heimat. Ar Deutjchland tft er in manchen Gegenden, 3.8. am Harz, recht Häufig, auf hannöverjchen Gebiete, nach Hermann Löns, „mit Sicherheit nur aus dem füdöftlichen Berglande befannt, in dem er aber nicht, wie jeine beiden Verwandten, nur an das Laubholz gebunden ift; denn er fommt auch im reinen Fichtenbejtande vor”. Aus der näheren oder weiteren Umgegend von Göttingen, für das Mönchstal bei Yeller- feld, am Sillierbache zwischen Drei Annen-Hohne und Elbingerode, bei Scharzjeld, für den Oolling it er nachgewiejen. Bon den Nachbarländern Hannovers beherbergen ihn Weit falen und Braunjchweig. Jim Sauerlande (Südwestfalen) ijt er, nach Wiemeyer-Warftein („gool. Garten”, 1894), exit einmal gefangen worden, und zwar, wie der Siebenjchläfer, bei der Biljteinhöhle. Über die Mark Brandenburg jagt Friedel nur: „Soll bei Eberz- walde und Freienwalde gefangen fein.” Altum erwähnt davon nichts. „Nach Dften ver- breitet er jich im Süden der Dftjeeprovinzen, Polen und Südrußland. Demidoff hat ihn in Bejjarabien, Wolhynien und an der Dftfüjte des Schwarzen Meeres gefunden.” (Neudens.) Kac) Mojjijovies ift er in feinem öfterreichiich-ungarischen Stronlande „häufig, aber in Tirol (Buftertal), Kärnten, Ungarn, Siebenbürgen, Galizien und Böhmen nachgewiejen.” „Si Holland wurde er noch nie beobachtet; ob er in Dänemark vorkommt, ift mir nicht befannt; in England fehlt er.” (Neuvens.) „In der Schweiz”, jagt Fatio, „it er zahlreicher als der Siebenjchläfer und geht hoch in die Alpen hinauf. Man findet ihn mehr oder weniger häufig in allen Kantonen und gemeinhin eher in den Gebüjchen und Gehölzen des Ge- birges als im Tale.” Fatio felbjt hat ihn an vielen Orten gefangen, injonderheit auf 1500 m Meereshöhe bei den Teufelsbergen in den Berner Alpen; Strätlt it ihm noch Höher begegnet, in einer Schäferhütte des hohen Engadins, beiläufig 2000 m über dem Meere. ach Eveiter („Zool. Garten”, 1894) jcheint auch beim Gartenjchläfer neuerdings noch weitere Ausbreitung durch Wanderung ftattzuhaben. Coejter Hatte „auf der in den Vor- bergen des Spefjarts gelegenen preußifchen Oberförjterei Flörsbach im Jahre 1891 mehrfach Gelegenheit, Notizen über das Auftreten des Gartenschläfers dortjelbit zu jammeln, der bis zu diefem Jahre, wie überhaupt die Schläferarten, in dortiger Gegend völlig unbekannt ge- wejen war. &3 ift nicht unmöglich, daß die Einwanderung von Norden oder Nordoften her erfolgte, wo beijpielsweije bei Steinau im Kreife Schlüchtern (zirka 23 km nordnordöftlich von Flörsbach) der Gartenjchläfer nicht zu den Seltenheiten gehört." Ym Yebruar 1894 mirde Coefter dann vom Lehrer Huth aus Flörsbach ein lebendes Stüd zugejchict, das Gartenjchläfer: Vorkommen. 409 „wohl bemweijen dürfte, daß die Einwanderung diejer Tiere im Jahre 1891 einen dauernden Aufenthalt derjelben dort mit fich gebracht hat“. Bei diefer ganzen Auffaljung und Dar- jtellung wäre indes nicht zu vergejjen, daß in großen Waldrevieren der nächtliche Garten- ichläfer Forjtbeamten, die nicht befondere zoologijche Neigungen und Snterejjen haben, jehr wohl unbefannt bleiben fan, auch wenn er von jeher da war. Aus dem Spejjart jelbit (Rothenbuch) Hatte jchon Altum 1869 jogar Berichte itber Foritichaden des Gartenjchläfers. Günther-London gibt Erinnerungen an den Öartenjchläfer aus den Jahren 1853 und 1854, feiner Studentenzeit. „Zu jener Zeit war diejes niedliche Tier in den Gärten und Häufern der Koblenzer Straße in Bonn ziemlich häufig. Jm und um das Boppelsdorfer Schloß war er gemein... Meine erite Befanntjchaft mit ihm machte ich in der Mitte des Sommers, als ich wiederholt an gewiljen Stellen auf der den Garten einjchließenden Nauer ausgefrejjene Schalen der großen Schnee Helix aspersa fand. Dieje hatten alle jo ziemlich an derjelben Stelle ein Zoch, durch welches die Schnede herausgefrejjen war. Zu meinem Erjtaunen war e3 der Gartenjchläfer, der auf diefe Weije dem Gärtner Erjab gab für den Schaden, welchen er im Herbite unter dem Objt antichtet.” „Daß der Öartenjchläfer im Nhein- tal bei St. Gar häufig jei, und zwar von der Taljohle an bis zum Rande des Gebirges“, war Noll „längft aus Erzählungen der Gartenbejiger befannt, die bejonders im Herbjt und Winter das Tier öfters zu Gejicht befamen. Dit jteigt es nämlich an den Spalteren an der Außenfeite der Häufer empor, fommt in die Zimmer und najcht dort von dem aufbewahrten Dbit, bejonders Pfirfichen und füßen Birnen, oder jucht jich in Betten, Türchern oder jonjtigen weichen Dingen ein Lager für den Winter zu bereiten.” Die Schwiegermutter des Aheinfeljer Dberförters „wurde einmal im Frühjabre Durch ein folches Tier erjchreckt, das die Matrabe eines unbenußten Bettes durchnagt und, in deren Roßhaaren eingemwühlt, ven Winterjchlaf verbracht hatte”. Sn jolchen Fällen pflegt man von Dreijtigfeit und ähnlichem zu |prechen; bei Lichte betrachtet, hat man aber nur den Beweis, wie Himmelweit das Tier entfernt war bon einer auch nur einigermaßen Haren Erfenntnis des Drtes, an dem e3 jich zum Winter- jchlaf einniftete. Die geringe Intelligenz und ebenjo geringe Nageluft, oder vielleicht bejjer gejagt: Nagefraft, des Gartenjchläfers erfuhr auch Fr. Helm „in den Wäldern des oberen Bogtlandes, welche fait ausjchlieglich aus Nadelwald beitehen”. Dort „scheint dieje Schläfer- art nicht jelten vorzufommen; denn überall ift fie al3 ‚Hajelmaus‘ befannt und gefürchtet. Die Landbewohner der dortigen Gegend glauben nämlich allgemein, daß, wenn ein Garten- ichläfer eine Kuh anhaucht, dieje ein böjes Euter befommt; außerdem joll der Harn des Schläfers alles, was er benebt, fofort zum Faulen bringen und er jelbjt mindeitens ebenjo giftig fein als die dort überall vorfommende Streuzotter.” Helm fing den Gartenjchläfer „mit Hilfe des befannten Meijenfajtens“, ver mit Objt und Schweinefped gefödert war. Er „itellte ihn im Walde an einer nicht gar zu dichten Stelle, ettva 1m vom Boden entfernt und gut mit Moos verpadt, auf. Der Dedel des Kaftens war jo eingerichtet, daß, wenn er zufiel, er nicht dicht Schloß, jondern ein Spalt entjtand, Durch den Luft und Licht in das Innere eindringen fonnten. Auch nicht ein einziger Gartenfchläfer — ich fing mit demfelben Kajten im Laufe eines Sommers mehrere — erweiterte da3 Loch, um ins Freie zu gelangen; alle warteten ruhig ab, bis jie exrlöft wurden: ja, ein Exemplar, welches, da ich Frankfheitshalber den Sarıg- apparat längere Zeit nicht bejuchen fonnte, in demjelben gejtorben war, hatte dies nicht einmal verjucht.“ Ebenjo bezeichnend für den Stumpflinn des Tieres ijt anderjeit3 das Er- lebnis Nolls, daß ein frijch gefangener Gartenjchläfer, mit der Falle auf den Yamiltentijch geitellt, ruhig an der halben Birne weiterfraß, die ihn in das Verderben gelodt hatte. 410 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. Der Gartenjchläfer bewohnt die Ebene wie das Hügelland, lieber aber doch Berg- gegenden, und hier vorzugsweile Laubmwaldungen, obgleich er auch im Schtwarzwalde vor= fommt und nicht allzu jelten in niederen Gebüjchen oder in Gärten fich einjtellt. Jr der Schweiz jteigt er im Gebirge bis in die Nähe der Gleticher empor. Seine Nahrung tft die des Siebenjchläfers; doch holt er jich aus den Häufern der Bergbeiwohner Fett und Butter, Sped und Schinken und frißt junge Vögel und Eier vielleicht noch lieber und mehr als fein langjamerer Verwandter, den er im Slettern und Springen unbedingt überbietet. Sein Reit unterjcheidet fich von dem des Siebenjchläfers dadurch, daß es frei jteht; doch bezieht er unter Umständen auch Schlupfwinfel im Gemäuer, alte Rattenlöcher, Maulwurfgänge und andere Höhlungen im Gejtein und in der Erde, bettet jte jich mit weichem Moo3 aus und macht jie jich jo behaglich wie möglich. Alte Eichhornhorjte werden von ihm jehr gern als Wohnung benubßt; im Notjalle baut er jich auch jelbit ein Nejt und hängt diejes frei zwijchen Baumzieige. AU. und St. Müller jchildern die Zubereitung einer jolchen Wohnung, eines Sommernejtes zur Jungenaufzucht, aus eigener Anjchauung („ITierwohnungen”, 1869). „Die Maus bildet den Rand des VBogelnejtes mittels Noosbüjcheln, in welche jte bejonders die gemeine Heidewwurzel, auch Halme, Kleines Reijergenijte und dürre Blätter unterflicht, zu einer etiva 10 em hohen Kuppel weiter und läßt über dem Vogelneitrand in der Witte der Kugel ein Feines Schlupfloch. Das Bauen gejchieht von innen heraus, indem jich das Tier in die Grundlage, hier das Vogelneft, jegt und die durch Zunge, Zähne und Pfoten zubereiteten Bauftoffe mittels Andrücens mit Kopf und Füßen allmählich über jich auftürmt. Etwaige Eden an der äußeren Wandung glättet und verjlicht Die Maus von außen. Zur inneren Bekleivung wählt diejfelbe gerwöhnlich Kuhhaare, auch Schafwolle, welche Stoffe jie ziemlich glatt zufammenfilgt. Ein jolches vollendetes Nejt hat gewöhnlich 12—17 cm im Durchmejjer und ijt ziemlich rund.” Das Winterneft jchildern die Gebrüder Miütller ebenfalls genau und bilden es nach eigener Zeichnung auch jehr jchön ab („Tiere der Heimat”, 1882). „eilt findet man es in hohlen Bäumen, aber auch in Mauerlöchern, Heufchobern ujmw. Das einzige, welches wir jahen, jtand im Wandgefach einer halb zerfallenen Erdhütte, welche Waldarbeiter errichtet hatten... Das Nejt ift beinahe ganz rund bis auf die untere ab- geplattete Fläche, welche von den Gefachgerten der Wand einige Eindrüde erhalten hat. Die Hauptjtoffe find äußerlich Moos, mit Heidetvurzen und dirrrem Eichen- und Buchenlaub untermijcht; die innere Ausfütterung bejteht aus Gras und Schafwolle. Die Wandungen jind bis fnapp 4 em dick, und das jehr dichte Neft mift über 20 em im Durchmeffer... Übri- gens jchlafen dieje Tiere nach unjeren Beobachtungen auch öfters, bejonders in gelinden Wintern, im Holzmehle hohler Bäume, zu emem Klümpchen zujammengeringelt.“ Ein anderer jüddeuticher Beobachter, der hier öfter als Gewährsmann angezogene Pfarrer Jäde-Windsheim, nennt den Gartenjchläfer „unter jeiner Sippichaft die nahezu omnivore, Rindennahrung aber verjchmähende Wanderratte” und bezeichnet damit zugleich das Ergebnis feiner dreijährigen Fütterungsverjuche auf etwaige Foritjchädlichkeit des Tieres. Dagegen erwies jich Durch dieje Jädeljchen Fütterungsverjuche der Gartenjchläfer al „unter unjeren Schläfern derjenige, welcher am meijten auf animalifche Nahrung angetiejen ift und am fiebiten Snjekten aller Art, Mäufe und Vögel frigt”. ZJäckels Gartenjchläfer fraß in 3 Jahren außer einer riefigen Menge Obft und anderer Pflanzennahrung „93 Haus>, Fzeld- und Waldmäufe, 5Smal Kalbfleifch, 13mal Reh-, Zieflein- und Schweinefleifch, 3Zmal Tregwurft und ebenjooft Sped, 68 Vögel, 7mal NRebhuhn-, Wachtel- und Entenfleifch, 151 Zaubenföpfe und 2 Eier vom Sperling; an Reptilien 2 gemeine Eidechjen, von Gartenichläfer: Aufenthalt. Nahrung. Schwanzautotomie. Fortpflanzung. 411 denen er nur die Schuppen liegen ließ, und 1 Blindichleiche; 937 Großfäfer, 3 Larven, 45 Stoßjchmetterlinge, 19 Puppen derjelben und große Partien von Kohlmweiklings- und Kohleulenraupen, endlich Hautflügler, Ameifenpuppen, Zweiflügler, tauferfe (Grillen, Maulwurfsgrillen, Heujchreden, Schwaben), Ajjelt, Taujendfüße und Spinnen in Menge... Er frißt fchwelgerifch und fällt über Mäufe und Vögel mit wahrer Mordgier der. rn einer Nacht verzehrte er 27 Maikäfer und 2 große Hausmäufe, in einer anderen 98 Maifäfer, Kopf und Eingeweide einer Wachtel, wieder einmal 101 Maikläfer und tags darauf während einer Stunde eine große Eidechje. Kann er Larven, Kaupen, Puppen, Schmetterlinge, Maikäfer und dergleichen haben, jo läßt er jede, auch die beite Fleifchnahrung warmblütiger Tiere unbeachtet.” Unter diejen Umftänden möchte man glauben, daß der Gartenjchläfer al3 Snjeftenvertilger der Forjtwirtichaft eher nüslich als jchädlich werden fünnte. Auch beim Gartenjchläfer fehren die Erzählungen vom Abjtreifen der Schwanzhaut oder gar Abbrechen des Schwanzes wieder. Schon Fatio jagt: „Beim geringjten Rud ab- brechend, heilt diejes Glied leicht und erhält troß der Verfinzung wieder diejelbe zweierlei Behaarung (die beiden Wurzelorittel furzhaarig, das Enddrittel zweizeilig, langhaarig) und diejelbe Farbe (weiße Spite) wie vorher. Wenn Haut und Muskulatur abgerifjen it, nagt das Tier fich jelbjt die nadt hervorftehende Sinochenachje ab und trägt bald wieder einen Schwanz von normalem Ausjehen, obwohl mitunter bis auf ein Drittel verkürzt.“ Dieje jehr weitgehenden Angaben bedürfen wohl noch der Nachprüfung durch den Verjuch, und das jcheinbare Wiederauftreten einer weißen Schwanzjpise erklärt jich vielleicht dadurch, daß die Haare auf bejchädigten Hauttellen oft weiß werden. Etivas Wahres muß aber doch an der Sache fein; denn auch Helm jchreibt: „Der Schwanz diejes Schläfers jcheint jozujagen jehr zerbrechlich zu fein; denn mehr als einmal ift es mir vorgefommen, daß ein Stüd des- jelben abbrach, wenn ich das Tier, e8 am Schwwanzende haltend, Hin und her jchwenfte. Der erite Gartenjchläfer, welchen ich erhielt, hatte beim Yange die Haut des Schtwanzendes ver- foren, jo daß einige Wirbel bloß lagen; aber noch am erjten Tage bejeitigte er diejes unjchöne Anhängjel, indem er die Knochen abnagte.” Ein von Noll in ähnlicher Weije gejangener Gartenjchläfer tat dies nicht. In der eriten Hälfte des Mai paaren fich die Gejchlechter. Mehrere Männchen jtreiten oft lebhaft um ein Weibchen, verfolgen fich gegenfeitig unter fortwährendem Zijchen und Schnauben und rafen förmlich auf den Bäumen umher. So friedlich jie jonft find, jo zänkiich, boshait, bijjig, mit einem Worte ftreitluftig, zeigen fie fich jet, und die ernjthaftejten Ge- jechte werden mit einer Wut ausgefochten, die man faum von ihnen erwarten jollte: häufig genug fommt e8 vor, daß einer der Gegner von dem anderen totgebijjen und dann jojort aufgefreffen wird. Nach 24-30tägiger Tragzeit wirft das Weibchen 4—6 nadte, blinde Junge, meiftens in einem hübjch zubereiteten, freiftehenden Nefte, gern in einem alten Eich- hörnchen- oder Naben-, fonft auch in einem Amfel oder Drojjelnefte, welch legtere unter Umjtänden gewaltfam in Befit genommen und jodann mit Moos und Haaren ausgepolitert, auch bis auf eine Heine Offnung ringsum gefchloffen werden. Die Mutter jäugt die Jungen längere Zeit, trägt ihnen auch, wenn jie jchon frejjen können, eine hinreichende Menge von Nahrungsmitteln zu. Kommt man zufällig an das Neft und will verjuchen, die Jungen auszunehmen, jo jchnaubt die jorgende Alte den Feind mit funfelnden Augen an, fletjcht Die Zähne, ipringt nach Geficht und Händen und macht von ihrem Gebiß den allerausgedehn- teten Gebrauch. Merkwürdig ift, da der jonft jo veinliche Gartenchläfer fein Nejt im höch- jten Grade jchmußig hält. Der ftinfende Unvat, der jich darin anhäuft, bleibt liegen und PAD 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. verbreitet mit Der Zeit einen jo heftigen Geruch, Daß nicht bloß die Hunde, jondern auch geübte Menjchen aus ziemlicher Entfernung eine jolche Sinderwiege wahrzunehmen imftande find. Nach wenigen Wochen haben die Jungen bereits die Größe der Mutter erreicht und ftreifen noc) eine Zeitlang in der Nähe des Lagers umher, um unter der Obhut und Leitung der Alten ihrer Nahrung nachzugehen. Später beziehen jte ihre eigene Wohnung, und im näch- Iten Jahre jind jte fortpflanzungsfähig. Bei bejonders günjtigem Wetter wirft das Weibchen auch wohl zum zweiten Male in demjelben Sabre. Für den Winterjchlaf jucht jich der Gartenjchläfer trodene und geichügte Baum und Mauerlöcher, auch Maulwurfshöhlen auf oder fommt an die im Walde ftehenden Gehöfte, in Öartenhäufer, Scheuern, Heuböden, Ktöhlerhütten und andere Wohngebäude, um fich dort zu verfriechen. Gewöhnlich findet man ihrer mehrere jchlafend in einem Nefte, die ganze Gejellichaft Dicht zufammengeroltt, fajt in einen Sinäuel verjchlungen. Sie jchlafen un- unterbrochen, doch nicht jo fejt wie andere Winterjchläfer; denn jo oft milde Witterung ein- tritt, erwachen fie, zehren etwas von ihren Nahrungsporräten und verfallen erjt bei erneuter Kälte wieder in Schlaf. Abweichend von den übrigen Winterjchläfern zeigen jie während ihres bewußtlojen Zultandes Empfindlichkeit gegen äußere Neize und geben dies, wenn man jte berührt oder mit einer Nadel fticht, durch jchwache Zudungen und dumpfe Laute zu er- fennen. Gelten erjcheinen jie vor Ende April wieder im Freien, frefjen nun zunächit ihre Kahrungsporräte auf und beginnen jodann ihr eigentlicdes Sommerleben. Der Oartenjchläfer it ein verhaßter Saft in Gärten, in denen feinere Objtjorten ge- zogen werden. Ein einziger reicht hin, eine ganze Pfirfich- oder Aprifofenernte zu vernichten. E53 gibt fein Schußmittel, ihr abzuhalten; denn er weiß jedes Hindernis zu überwinden, Hlettert an den Spalieren und Bäumen hinan, fchlüpft durch die Mafchen der Nebe, die dar- über gejpannt find, oder durchnagt fie, wenn fie zu eng gemacht wurden, zwängt fich jelbft durch Drahtgeflechte. Da er nun den Menjchen nur Schaden zufügt und weder durch fein ‚tleijch noch durch fein Fell den geringften Nuten bringt, wird er von Gartenbejißern, die am empfindlichiten von ihm gebrandjchaßt werden, eifrig verfolgt und vernichtet. Die beiten Fallen, die man ihm ftellen kann, find wohl Drahtjchlingen, die man vor den Spalieren auf- hängt, oder Heine Tellereifen, die man pajjend aufitellt. Befjer als alle folche Fallen jchüßt den Garten eine qute Kate vor diefem zudringlichen Diebe. Marder, Wiefel und Eulen jtellen ihm ebenfalls eifrig nach. Jür die Gefangenjchaft eignet fich der Gartenjchläfer ebenjowenig wie der Bilch. Selten gewöhnt ex fich an den Menfchen, und bei jeder Überrafchung bedient er fich fofort jeiner jcharfen Zähne, oft in recht empfindlicher Weife. Dabei hat er die unangenehmen Eigenjchaften des Siebenjchläfers, verhält fich ftill bei Tage und tobt bei Nacht in feinem Käftg umher, verjucht Stäbe und Gitter durchzunagen oder durrchzubrechen und raft, wenn ihm legteres gelingt, im Zimmer herum, daß man meint, e8 wären wohl ihrer zehn. Was im Wege jteht, wird dabei umgemworfen und zertrümmert. Bon dem räuberischen Wejen der Tiere fann man fich an den gefangenen leicht überzeugen. Sie zeigen die Blutgier des Vtejels neben der Gefräßigfeit anderer Bilche, ftürzen fich mit wahrer Wut auf jedes Kleinere Virbeltier, das man zu ihnen bringt, erwürgen einen Vogel im Nur, eine bifjige Maus troß aller Gegenwehr nach wenigen Minuten. dv. Freyberg- Regensburg hatte einft („Zool. Gar- ten”, 1873) einen Gartenjchläfer „als Eindringling und Mörder” in feiner Voliere, die an die alte Stadtmauer anftieß. Das Tier verjchleppte ihm eine Heidelerche unter die Hundehütte. „Sie hatte am Hinterkopfe Blutfpuren und war auf der finfen Ritdenfeite ohne Befeitigung Gartenjchläfer: Winterfchlaf. Schaden. Gefangenleben. Schmaroger. Giftfeftigkeit. 413 vieler Federn angeftejjen. "Auf der Iinfen Rücdenfeite war, ohne daß eine Rippe verlegt war, eine Offnung, durch welche Herz und Leber herausgeriffen und wahrfcheinlich gleich ge- jrejjen worden waren.“ Außerdem vernichtete der Nager hochintereffante Bruten mwert- voller Eroten und richtete einen Schaden von beinahe 400 Mark ar. Bon gefangen ge- haltenen Gartenjchläfern wurden laut d. Freyberg „bei Nacht und Ruhe felbft Dohlen und Eichelhäher ohne Unterjchied ermordet, jelten aber angefrejjen. Mit weißen Ratten war er ohne alle Umjtände jogleich fertig; auch mit der Wanderratte wurde er fertig, allein nur ein gejchieter Sprung Half ihm zum Siege. Kaninchen tötete er, wie alle Tiere, mit Bifjen ins Genid.” Die Gier geht jo weit, daß, nach Dr. Weber, „jieben Junge in der Ge- fangenschaft exit die Ohren der Mutter, dann deren Schwanz anfragen, hierauf die Mutter jelbjt bi3 auf den leeren Balg und endlich die Gejchwilter einander aufzehrten, bis zuleßt nur noc) ein jtarfes Männchen am Leben war”. Sie fallen aljo jelbit übereinander her. „Beim Bufammenfperren mehrerer Gartenjchläfer”, bemerft Weber, „hat man jtetS darauf zu achten, daß je erjtens fortwährend genügendes Futter, Nüffe, Bucheln, Obft, Milchbrot, Hanf, Leinfamen ujw., und Trinkivafjer haben, und zweitens, daß fie durch mäßige Wärme des Raumes, in welchem fie jich befinden, wach erhalten, d. h. vor dem Winterjchlafe bewahrt werden. Berfällt einer von mehreren gemeinjam in einem Käfige haufenden Gartenbilchen in Winterjchlaf, während die übrigen noch wach jind, fo ift er verloren: die jauberen Ge- nojjen machen jich über den Verjchlafenen her, beigen ihn tot und zehren ihn auf. Gleiches ereignet jich, wenn mehrere im Winterjchlafe liegende Gartenbilche nacheinander munter werden: der zuerjt aufgerwachte tötet dann einen der hilflofen Schläfer nach dem anderen. Der gewöhnliche Tagesjchlaf wird aus dem Grunde nicht fo gefährlich, weil der Überfalfene jchnelf erwacht und fich feiner Haut wehrt. Am hübjcheften nehmen fich gefangene Garten- ichläfer aus, wenn man jie in einem weiten, oben und unten vergitterten und dadurch luftig gemachten Rundglaje unterbringt und ihnen ein Stletterbäumchen herrichtet, auf welchen jie umherjpringen müfjen. In gewöhnlichen Käfigen hängen fie, auch wenn fie munter jind, regelmäßig an dem Gitter, nehmen hier ungewöhnliche Stellungen an und verlieren dadurch viel von ihrer Schönheit und Anmut.” Bon Schmarogern jcheint der Gartenjchläfer jehr geplagt zu fein; Noll gibt davon am Schlufje jener Schilderung eine Blütenleje. „Die großen Ohrmufcheln des Schläfers bieten in den tiefen Falten der zarten nnenfeite mancherlei Plagegeijtern Aufenthalt. So fand ich bei allen auf Aheinfels unterjuchten Tieren zahlreiche orangefarbene jechsbeinige Milben- lawven in den Falten des Ohres eingenijtet, und ziwar fo feit eingebohrt, daß bei ihrer Weg- nahme jtetS ein Teil des Oberhäutchens aus dem Ohre an dem Bohrjtachel hängen blieb; einer der Schläfer hatte eine erbjendide Jede (Ixodes) im Ohre; Flöhe fiten im Pelze der niedlichen Nager, und durch D. d. Qoewis hören toir, daß in dem Körper des Gartenjchläfers außer einem Bandtvurm auch noch andere fchmarogende Würmer gefunden wurden, nämlich Strongylus gracilis und Ophiostoma cristata.” („3Zool. Garten”, 1880.) Eine ganz merkwürdige, aus der Lebensweife faum erflärliche Eigenjchaft des Garten- ihläfers: Teitigfeit gegen Schlangengift, ift erft neuerdings entdeckt worden. Wie G. Billard in den „Comptes Rendues‘ der Societe Biologique 1909 berichtet, ift der Gartenfchläfer gegen das Gift der Kreuzotter vollfommen immun. Billard jpriste einem Weibchen, das 59 g toog, 9 mg Dttergift ein: eine Gabe, die genügt, um zehn Meerjchtveinchen zu töten. Aber eine halbe Stunde jpäter befand fich der Heine Nager deshalb nicht jchlechter und fraß etwas Apfel mit ofjenbarem Appetit. Ein Männchen wurde getötet, nachdem es ähnlich 414 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. behandelt worden war, und 1 cem jeines Blutes einem Meerjchiweinchen eingejprigt. Diejes fonnte man dann von einer Otter beißen lajjen, ohne daß irgendwelche Kranfheitserjchei- nungen folgten. Durch diefe Verfuche jcheint Elargejtellt nicht nur, daß der Gartenjchläfer gegen Schlangengift immun ift, jondern auch, daß jein Blut wie ein jtarfes Gegengift wirkt. Während feiner Gefangenjchaft war dem Männchen ein Auge von dem Fangzahn einer der Dttern ducchbohrt worden; aber trogdem dadurc) das Gift Tajt unmittelbar ins Gehirn drang und troß zahlreicher Bilje in verjchiedene Störperteile blieb jeine Gejundheit unerjchüttert. Die Gartenjchläfer der Mittelmeerländer find nad) und nach alle als jelbitändige Formen abgetrennt worden. Lebend ijt die jardintjch-Forjifanische Art, E. sardus Barr.- Ham., 1910 in den Berliner Garten gekommen durd) einen deutjchen Landsmann, U. 9. Straufe in Afuni, nach dejjen Angabe die Tierchen dort „maillonis“ heißen. In Afrika, füdlich der Sahara, lebt die Schläfergattung Graphiurus F. Cuwv., zu deutjc) Pinjelichwänze, deren verhältnismäßig Fürzerer Schwanz ganz gleichmäßig behaart ijt und nur einen Endbüjchel hat. Auch durch die jehr Heinen Badzähne tft jie gekennzeichnet, die jich durch Abnußung der Schmelzfalten napffürmig austiefen. In Deutjch-Ditafrifa fommt der Mausfchläfer, G. murinus Desm. vor, in Togo jein jehr ähnlicher weitlicher Vertreter, G. coupei F. Cuv. Erjterer hat die gewöhnliche Schläfer- farbe: oben grau, unten weißlich. Um das Auge verläuft in der Negel ein Dunkler Ring; Schwanz dicht behaart, abgeplattet, oft mehr ins Braune jpielend, zumetlen mit weißlicher Spite. Der Schwanz wird 10 cm lang, der Rumpf mit dem Stopf etwas länger. Über das Leben ftellt Matjchie folgende Angaben zufammen: „Männchen und Weib- chen wurden im November mit vier Jungen aus einem Nejt genommen. Das Net war fugeltund und hatte ungefähr 13 cm im Durchmefjer. ES jaß 11% m über dem Erdboden in einem Bufch und beitand aus Grashalmen und Streifen von Bananenblättern. m Inneren war es mit feinem Gras ausgefüttert.” (bbott.) „an findet das Tierchen meijt in Euphorbiaheden, welche die Biehparfe umgeben. Höhlen in den fajerigen alten Stämmen bilden hier ihr Verfted. Die Vermehrung muß be= deutend jein; denn man findet Weibchen mit vier Jungen im September umd darf wohl an= nehmen, daß fie, ihren Verwandten ähnlich, twenigjtens zweimal jährlich werfen. Die Jungen find jeidengrau, rojtgelblich überhaucht, nach dem Bauche zu heller, unten rein weiß. Die unbehaarten Pfoten find roja. Der Kopf it im Verhältnis zum Aumpf ziemlich groß, der Schwanz dicht behaart.“ (Emin.) „Ein Heiner Siebenjchläfer war auf den Schönen Sterfulien am Mpmwapmwabache jo häufig, daß er abends in die Zelte fam und ganz flott, an das Leinen gedrüdt, in die Höhe Flet- terte. Er glich in diejer Stellung, vom Schiwanze abgejehen, auffällig den Gedonen.” (Emir.) Die jüdafrifanischen Arten teilen fich, nach W.L.Sclater, ingroBevon etiva 15cm Slörper- länge, Kopf mit jchwarzer und weißer Zeichnung (Brillenjchläfer, G. ocularis Smith): mittelgroße mit 9Jcem Numpflänge ohne deutliche Kopfzeichnung Mausfchläfer, G. mu- rinus Desm., der aljo auch hier vorfommt und jich durch langen, jchmalen Schädel unter- iheidet von dem ungefähr ebenjo großen, breit- und jlachföpfigenG. platyops T’hos. mit weißer Schwanzipige); Heine, unter Sem Slörperlänge (Zwergichläfer, G. nanus Winton). Bom Leben weiß man wenig. Cuvier berichtet, daß ein in Paris gefangen gehaltener Pinjelihwanzichläfer. Hafjelmaus. 415 Mausichläfer einen Winterjchlaf hielt, genau wie die europäiichen Schlafmäuje; ob das in der Freiheit und in der Heimat auch der Fall ift, Hat man noch nicht beftätigen fönnen. Über den Zwergjchläfer jehrieb der Sammler G. Ü. 8. Marjhall, der ihn aus Salisbury jchicte, an Sclater: „Dieje Tiere haben die merkwürdige Gewohnheit, die Nejter der größeren unjerer beiden Gefellichaftsipinnen (Gattung Stegodyphus) als Wohnung zu benugen. Ob dies ftändige Sitte bei ihnen ift, Fann ich nicht jagen; aber ich habe jie dreimal auf dieje Neije gefangen und in drei oder vier Fällen alte Spinnennejter gefunden, die augenjcheinlich von Schlafmäufen benugt waren. Die Bauart der Spinnennejter wechjelt zwijchen einer Einzel- fammer von der Größe eines feinen Hühnereies bis zu einer Mafje jehr feit gefilgten Ge- ipinftes, jo groß wie ein Menjchenfopf und durchzogen von Gängen und Kanunern. Darin Höhlen fich die Schläfer eine tammer von pajjender Größe aus, die jie mit Jiedergräjern, den Haumigen Samen verjchiedener Blumen und auch mit einigen VBogelfedern auspolitern. Wenn ich nach dem einen Falle urteilen darf, wo ich jte mit ihren Jungen in jolchem Nejte fand, möchte ich glauben, daß je nicht nur alte, verlafjene Nejter benugen, jonvern jogar die Spinnen austreiben; denn ich war durch die Spinnen exit auf das Veit aufmerfam geworden. Sch bemerkte ungefähr 200 derjelben auf einem Heinen Bujch, offenbar in großer Aufregung und emjig bejchäftigt, ich ein neues Net zu machen.“ Eine weitafrifanijche Art von Liberia und Fernando Po, der Didjhwanzichläfer, G. crassicaudatus Jent., hat jich dadurch bejonders interejjant gemacht, daß gleich ihr Ent- deder Jentinf ein Stüd mit ähnlich „regeneriertem” Schtwanze bejchreiben fonnte, wie es Thomas von einem innerajiatischen Schläfer der Gattung Eliomys gejchildert Hat. Ein zweites jolche3 Eremplar von Fernando Bo fand Thomas dann in den Sammlungen des Britijchen Mufeums, mit einem ähnlichen, feulenförmigen, bufchigen Schwangze, der bis dahin immer als zufällig abgebrochen angejehen wurde, bei Eröffnung aber im Inneren denjelben langen, „regenerierten” Enditiel aufivie3 wie jener innerajtatiiche Schläfer. Bon vier Kameruner Schläfern (G. haedulus Dollman) aus den Sammlungen von Bates hatte einer ebenfalls den feulenförmigen Schwanz mit dem jtabjürmigen Endfnochen. * Die Gattung der Mäujebilche (Muscardinus Kaup) unterjcheidet jich ebenjalls Haupt- fächlich durch daS Gebiß von den vorigen. Der erjte obere Badzahn hat zwei, der zweite fünf, der dritte fieben, der vierte jechs, der exjte untere drei und die drei folgenden jechs Quterleijten. Auch find die Ohren Heiner als bei den vorigen. Der Schwanz ijt jeiner ganzen Länge nad) gleichmäßig und ziemlich furz behaart. Sn Europa lebt nur eine einzige Art diejer Gattung, die Hajelmaus, Muscardinus avellanarius Z. (Taf. „Nagetiere XV“, 5, bei ©. 397); ja, wir haben hier jogar den jeltenen Tall, daß auch bis heute feine weitere Art abgetrennt ijt, wenigjtens bis zum Erjcheinen des Trouejjartichen Supplementbandes 1904 nicht bejchrieben war, eine alte Gattung aljo immer noch aus einer einzigen Art bejteht. Ohne zwei Unterarten ijt e3 aber doch nicht abgegangen: die engliiche Hajelmaus ijt als M. a. anglicus Barr.-Ham., die jüditalische als M. a. speciosus Dehne bejonders bejchrieben worden. Die Hajelmaus ift eines der niedlichjten, anmutigjten und behendejten Gejchöpfe unter allen europäischen Nagetieren, ebenjo ausgezeichnet durch zierliche Geftalt und Schönheit der Färbung tie Durch Neinlichkeit, Nettigfeit und Sanftheit des Wejens. Das Tierchen ift 416 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. ungefähr jo groß wie unfere Hausmaus; jeine Gejamtlänge beträgt 14 em, wovon jajt die Hälfte auf den Schwanz fommt. Der dichte und anliegende, aus mittellangen, glänzenden und weichen Haaren bejtehende Pelz it gleichmäßig gelblichrot, unten etivas heller, an der Bruft und der Sehle weiß, AUugengegend und Ohren jind Hellvötlich, die Füße rot, die Zehen weißlich, die Oberjeite des Schwanzes ift bräumlichtot. Im Winter erhält die Oberfeite, namentlich die Ießte Hälfte des Schtwanzes, einen fehtwachen fehwärzlichen Anflug. Dies fonımt daher, weil das frische Grannenhaar jchwärzliche Spiben hat, die fich jpäter abnuben und abfchleifen. Junge Tiere find lebhaft gelblichrot. Mitteleuropa ift die Heimat der Hajelmaus. Schweden und England jcheinen ihre nörd- fichite, Toskana und die nördliche Türfet ihre jüdlichite Grenze zu bilden; oftwärts geht fie nicht über Galizien, Ungarn und Siebenbürgen hinaus. Bejonders Häufig ift jie in Tirol, Kärnten, Steiermark, Böhmen, Schlejten, Slatvonien und in dem nördlichen Italien, tie jie überhaupt den Süden in größerer Anzahl bewohnt als den Norden. Doch verzeichnet ie Friedel in feinen 1886 erichienenen „Wirbeltieren der Mark Brandenburg” jogar für den Ber- liner Tiergarten, den befannten öffentlichen Bark vor dem Brandenburger Tor, der täglich von Taufenden von Fußgängern, von Fuhrwerfen und Straßenbahnen durchfreuzt wird; ferner nach Angaben von Schalow (1868) für die dichten Hafelgebüfche von Schönholz bei Berlin. Neuere Beftätigungen fehlen wohl. Jr Hannover ift die Hafelmaus, nach Yöns, „nur aus dem Laubholzgebiete des Berglandes befannt, wurde aber überall nur jelten gefunden“. Sie „it für Göttingen jehon durch Bechftein feitgeitellt”, bei Hildesheim, im Solling, bei Goslar (früher öfter in Dohnen gefangen), im Harz, auf dem Hörzen, einem der Sieben- berge bei Alfeld, gefunden. Ir Oldenburg jehlt jie, it in Schleswig-Holitein einmal ge= fangen, font in Braunjchweig und Weitfalen nachgewiejen. In Wejtfalen wird, nach Wiemeyer-Warftein („Zool. Garten”, 1894), ihr Berbreitungsgebiet „nach Norden durch das Haarjtranggebirge begrenzt; nördlich diefes Höhenzuges trifft man jie ebenjoiwenig in der fruchtbaren Spejter Börde wie in dem jfandigen, jonnigen Münfterlande an. m jüd- lichen Teile Weitfalens, jpeziell im jogenannten Sauerlande, tritt jie überall, wenn auch nicht gerade Häufig, auf und wählt unter Vermeidung des gejchlojfenen, finjteren Hoch- waldes lichte Waldraine, junge Auffchläge, Waldheden uf. zu ihrem Aufenthalte.” Ihre Aufenthaltsorte find faft die nämlichen wie die ihrer Verwandten, und auch ihre Xebens- mweije erinnert lebhaft an die bejchriebenen Schläfer. Sie gehört ebenjogut der Ebene wie dem Gebirge an, geht aber in leßterent nicht über den Laubholzgürtel nach oben, jteigt aljo etwa bis 1500 m über das Meer empor. Nievderes Gebüfch und Heden, am allerliebiten Hajelnußpdidichte, bilden ihre bevorzugten Wohnfibke. Bei Tage liegt die Hajelmaus irgendwo verborgen und jchläft, nachts geht fie ihrer Nahrung nach: Nüffen, Eichen, harten Samen, jaftigen Früchten, Beeren und Baum- fnojpen; am liebjten aber verzehrt fie Hajelnüfje, die fie gejchict öffnet und entleert, ohne lie abzupflücden oder aus der Hülfe zu jprengen. Much den Beeren der Eberejche geht fie nach und wird deshalb nicht jelten in Dohnen gefangen. Sie lebt in Kleinen, nicht gerade innig verbundenen Gejellichaften. Sede einzeln oder ihrer mehrere zufammen bauen fich in recht dichten Gebüfchen ein weiches, warmes, ziemlich funjtreiches Net aus Gras, Blättern, 008, Würzelchen und Haaren und durchitreifen von hier aus nächtlich ihr Gebiet, fajt immer gemeinschaftlich mit anderen, die in der Nähe wohnen. Al3 echte Baumtiere Klettern jie wundervoll jelbjt im dünnsten Gezweige herum, nicht bloß nach Art der Eichhörnchen und anderer Schläfer, fondern auch nach Art der Affen; denn oft fommt e3 vor, daß jte jich mit Hajelmaus: Berbreitung. Treileben. Nahrung. Fortpflanzung. 417 ihren Hinterbeinen an einem Zweige aufhängen, um eine tiefer Hängende Nuß zu erlangen und zu bearbeiten, und ebenjo häufig jieht man jie gerade fo jicher auf der oberen wie an der unteren Seite der Äite hinlaufen, ganz in der Weije jener Waldjeiltänzer de3 Südens. Selbjt auf ebenen Boden jind fie noch recht Hurtig, wenn fie auch jobald wie möglich ihr (uftiges Gebiet wieder aufjuchen. „Die bejte Beobachtungszeit”, jagen die Gebrüder Müller, „Ut die Morgen- und Abenddämmerung oder auch die heflerleuchtete Mondnacht... Mean jtellt oder jet jich mitten in einen Hajelbujch, der von den Hajelmäujen fleißig bejucht wird, und richtet fein Augenmerk auf die Afte und Ziveige, welche fich gegen den hellen Himmel deutlich abzeichnen. Mit wunderbarer Schnelligkeit laufen die Tierchen über die Ziveige, und in den mannigfaltigiten Stellungen eignen jie jich die Nüfje an. Dft halten fie jich nur mit den Hinterfüßen, während die Borderfüße die am Zweig hängenbleibende Frucht er- fajfen und für das Nagen und Aushöhlen des Inhalts den nötigen Halt bieten. Die feinen Zähne fchneiden die Nuß in wahrhaft Eunftfertiger Weije ar, und e8 genügt eine verhältnis- mäßig jehr Heine Offnung, um die allmähliche Entleerung des Kerns mittelS der Zähne zu ermöglichen. So wandert jedes Glied des gejchäftigen Bölfchens von einer Nuß zur anderen, und das tft ein Knnuppern und Srnaden und Niederfallen der Schalenteile und nicht jelten auch der troß der Borficht der Behandlung Doch mitunter vom Ziveig fich trennenden, häufig von den Tierchen aber abjichtlich osgerifjenen und jchließlich nach der Ausbeutung weggemwor- fenen Nüfje, daß die Mühe der Beobachtung reichlich gelohnt wird Durch das ich Darbietende Bild der Anmut und Rührigkeit. Eine geräujchvolle Bewegung jchredt je alle blißichnell auseinander, und, Faum gedacht, find fie verjchiwunden, das eine in Hujchendem Lauf, das andere durch rajche Sprünge, das dritte durch einen Sprung aus der Höhe auf den Boden, wo eine Höhle oder Steingerölle die Schußgjuchenden aufnimmt.” Sn unferer deutichen Naturgejchichte Heißt e3 allgemein, die Fortpflanzungszeit der Hajelmaus falle exit in den Hochjommer, Juli, und nach) vierwöchiger Tragzeit, aljo im August und nur einmal im Jahr, werfe das Weibchen 3—5 nadte, blinde Junge in dem fugelförmigen, jehr zierlich und Eunftvoll aus Moos und Gras erbauten, innen mit Tier- haaren ausgefleideten Sommerneft, das regelmäßig im dichtejten Gebüjch und ettva meter- hoch über dem Boden zu jtehen pflegt. Arm England dagegen werden, nach Lhdeffer, ichon im Frühjahr Hajfelmäufe geboren, aber auch im September noch; e3 fommeit aljo wahrfcheinlich zwei Würfe im Jahr vor. Darauf deuten übrigens auch mweitfäliiche Be- obachtungen von Wiemeyer-Rarftein („Zool. Garten”, 1894). Die Jungen wacdhjen außer- ordentlich Schnell, Saugen aber doch einen vollen Monat an der Alten, wenn fie auch inzmwtjchen ichon fo groß geworden find, daß fie ab und zu das Net verlajjen fünnen. Anfangs treibt jich die Familie auf den nächiten Hajelfträuchern umher, jpielt vergnüglich und jucht dabei Nüfje. Bei dem geringiten Geräufch eilt alles nach dem Nefte zurüd, dort Schuß zu juchen. Noch ehe die Zeit fommıt, too fie Abjchied nehmen von den Freuden des Lichtes, um fich in ihre Winterlöcher zurüdzuziehen, jind die Kleinen bereits faft jo fett geworden mie ihre Eltern. Um Mitte Oftober ziehen jie ich wie leßtere in den Schlupftwinfel zurüd, wo jie den Bintervorrat eingefammelt Haben, und bereiten jich aus Reifern, Laub, Nadeln, Moos und Gras eine Fugelige Hülle, in die jie fich gänzlich einmwiceln, rollen jich zum Stnäuel zujammen und fallen in Schlaf, tiefer noch als ihre Verwandten; dent man fann jie in die Hand nehmen und herumfugeln, ohne daß fie irgendein Zeichen des Lebens von jich geben. Ye nach der Milde oder Strenge des Winters durcchjchlafen fie nun ihre 6—7 Monate, mehr oder weniger unterbrochen, bis die jchöne, warme Frühlingsjonne jie zu neuem Leben wachruft. Ein Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 27 418 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. Winternejt am Boden entdecdte A. Müller „in den eriten Tagen des März 1580, als das Wetter jich plößlich bei Süd und Südweft milder gejtaltete, durch ein feines Piepen unter fich”. &3 war „halb in, halb auf der Erde, mit etwas Laub bededt, angebracht” und „zeigte in feiner Unterlage eine deutliche Schicht feiner Grashalme, welche fich ohne viele Miüthe gleichjam von jeldft von den übrigen Stoffen ablöjen hieß. Auf diefem wie eine flache, rund- fiche Untertafje geformten Rofte war nım das nettejte Kugelneft zu fchauen. E$ beiteht teil- weile aus fein zerichligten Baftjchnüren von Weichholz, teils aus jchmalem Bandagraje, welche Stoffe jehr fejt und dicht, etiva 1,5 —2 cm did, mit dem verhärteten, wie trodener Schneden- ichleim glänzenden Speichel des Tierchens ineinander verfittet find. Die Wand des Nejtes tar damals überall verjchlojjen; nur machte fich bet gründlicher Unterfuchung derjelben bald eine Stelle bemerflich, an welcher die Spigen der Hälmchen und Schnürchen weniger dicht in einem gemeinjchaftlichen Müttelpunfte jich vereinigten. Dieje Stelle fie jich bequem öffnen, wodurch eine im Winterjchlafe begriffene und völlig zufammengefugelte Hajelmaus zum Vorjchein Fam... Das Mäuschen war troß des fundgegebenen Xebenszeichens durch Pfeifen noch in Erjtarrung und fühlte jich jehr fühl an.” Samt dem Nefte mit nad) Haufe genommen, lag es in tiefem Winterjchlaf bis zum 25. März. An diefem Tage wurde be- merkt, daß es einige Hajelnüjje verzehrt und, „da die übrigen Tage des März unfreundlich und troß des Sonnenjcheins durch einen rauhen Oftitrom Falt blieben, das Schlupfloch jeines Zufluchtsortes beinahe ganz verjtopft” hatte. „rn der Erjtarrung fonnte man mit bloßem Auge fein Atmen entdeden, unter dem Vergrößerungsglas aber bald einen auffallend ver- langjamten Buls; auch verriet jich das Atmen innerhalb 3—4 Minuten nur in einem rud- weijen Heben der Flanken, worauf wieder völlige Nuhe eintrat.” Auffällig reichlich ift „jeine Feine, wurm= oder nadelartige, jchwarze Kojung in 3—S mm langen, 1—1,5 mm breiten” Stüdchen. „Der Ballaft, welchen es durch Zernagen und VBerzehren der häutigen und hol- zigen Umbhüllungen der Hajel- und Weljchnußferne und Schalen in feinen Magen bringt, mag wohl zu diejer jtarfen Darmausjcheidung hauptjächlich beitragen.” Ber „11—12° R blieb die Maus ftets in ihrem Neftchen zujammengerofft, jchlafend, erwachte aber bei leijem Anhauch jogleich, während der Schlaf jchon tiefer fich erwies, jobald die frifche Luft durchs geöffnete Fenjter eindrang. Bewegte Luft oder jehr windiges Wetter jcheut die Maus, Wind ift ihr zumider.” Als am Morgen des 4. April der ettwas rauhe Wind Fräftig ins Zimmer jtieß, fand man nach einiger Zeit das Neft „nicht allein merflich aus jeiner vorherigen Lage gebracht, jo daß das bis dahin halb gegen das Fenfter gerichtete Eingangsloch dem Luftzuge abgeivendet war, jondern auch das Neft gänzlich zugeftopft. Um zu jehen, wie die Hajelmaus das Wenden des Nejtes und das Berjtopfen des Schlupfloches beiwirfe, wurde das Neft ipieder in jeine frühere Lage verjebt und das Schlupfloch geöffnet. Snnerhalb einiger Mi- nuten bemerfte man eine äußerjt rajche Kreisbeiwegung der Maus im Weite, wodurch dies in einem Halbkreije der Bewegung feines Infafjen folgte und twieder mit feiner Öffnung dem durchs Fenjter dringenden Windftoß abgemwendet lag. Kaum war das NVeft auf dieje Weije etwa im rechten Winkel umgedreht, jah man die Hajelmaus mit Vorderpfoten und Schnauze die Schnürchen und Hälmchen in dünner Zage über fich zufammenziehen, wonad) hie jich £ugelte und den Schwanz im Bogen quer über das Geficht legte... Trobdem das Tierchen nun jchon vom 1. April, aljo gegenwärtig 6 Tage, nicht mehr in einem anhaltenden Schlafe begriffen und jede Nacht auch anhaltend wach ift, zeugen feine Beiwegungen doch noch von Unficherheit und Schlaftrunfenheit. Auch ift es fichtlich reizbar, angegriffen. Das merkt man daran, daß es leicht erjchrict und jeine Bewegungen noch verhältnismäßig langjam Hajelmaus: Winterjchlaf. 419 ind.” Am „6. April, während eines längeren Sonnenblides, rückte man jeinen Behälter leije jo, daß das in jeinem Nejte Schlafende die Sonnenjtrahlen trafen und nach und nach erwärmten. Vorher, im Schatten der Stube, zählte man an dem Schläferchen alle3 Sekunden ungefähr einen Bulsichlag; in der Sonne atmete und puliierte das Tierchen zulest jo rajch, daß 1,75 —2 Bulsjchläge und fajt ebenjo viele Atemzüge in einer Sekunde erfolgten. Dennoch erivachte es nicht von jelbit durch die Erwärmung... Den unmittelbar einfallenden Sonnen- itrahlen jowohl als der arellen Helle durch jtarfes Neflerlicht weicht es mit dem Geficht aus, indem es jich in feiner Yage wendet, jo daß es zuleßt der Tichtjeite den Rüden fehrt... Yebt, wo im Garten die Blütendolden des Spitahorns (Acer platanoides) zum Borjchein fommen, reicht man der Hajelmaus allabendlich einige Dobden in den Käfig, die jte gerne annimmt. Schon vorher nagte jie das Herz der angejchwollenen Sinojpen des Spisahorns joiwie des ejchen- blätterigen (A. negundo) jo heraus, daß die Schuppenhüllen jternförmig auseinanderjtanden.“ Über den Winterjchlaf gibt noch dv. Tjeyudi „merkwindige Unterfuchungen von Mangili und anderen” wieder. „Die Erperimente mwiejen nach, daß dieje Lethargie ganz anderer Art it als die der Murmeltiere oder der Hamiter, und daß ihre Erjcheinungen bei den einzelnen Arten diejer Familie wieder nicht unbedeutend variieren. Die Heine Hajelmaus jcheint Die ichlaffüchtigite zu jein. Ein gefangenes Tierchen lag bei einem Thermometerjtand von 1° über Null in todähnlicher Erftarrung und zählte während 42 Winuten nur 147 unregelmäßige Uternzüge. Das Thermometer jan bis 19 unter Null; — da erwachte das Mäuschen, ent- fedigte jich feiner Exrfremente und begann zu frejien. Später, bei höherer Wärme, jchlief es tpieder ein und atmete bei 5° viel jeltener al3 bei 19 und immer jeltener, je länger der Schlaf dauerte, ja bis zu Unterbrechungen von 27 Minuten.” Einigermaßen einleuchtend jcheint Latajtes Schlußfolgerung, daß man Hajelmäufje während des Winterjchlafes in etwas feuchter Luft halten müjje, wie jte ja im Winter draußen tatjächlich meijt ift. Zivei, die er verlor, waren jozujagen allmählich eingetrodnet, und ihr Tod erfolgte durch Eindiung der Ktörperjäfte. So erklärt er jich auch, wie der Störper eines alten Stückes, fett und Schwer bei Beginn des Winterjchlafes, binnen zwei Monaten mager und leicht wie eine Feder werden fonnte, und er veriteht, warum ein junges jich darauf ver- Iteifte, jein luftiges Veit zu verlajjen, und jich immer wieder auf dem Fußboden des Käfigs zum Schlafen niederlegte; es juchte dort eine jchiwerere, jeuchtere Luft. „rt der trodenen Atmojphäre unjerer Zimmer verlieren die Tierchen jchnell durch Berdumjtung einen merk lichen Teil ihres Wafjers, und während des Winterjchlafes erjegen jte diejen Berluft nicht in jedem Augenblic wieder durch Speije und Trank.” Eine Gewichtszunahme während des Winterjchlafes, wie jie Horwarth und andere 3. ®. beim Siejel nachgewiejen haben, fonnte Rabus bei der Hajelmaus nicht jeititellen außer bei einem „Männchen vom 1. Oftober bis 26. November, welches am 15. Oftober zu jchlafen begann und am 26. November eine Gewichtszunahme von 3 g zeigte... Die größte Gemwichts- zunahme fällt in den Monat September”, aljo unmittelbar vor den Winterjchlaf: z.B. von 25 auf 35, von 24 auf 37, von 39 auf 43 g. Bei dem jehr regelmäßigen Winterjchlaf eines Weibchens zeigte jich „eine Gewichtsabnahme von 11 g innerhalb der Dauer desjelben, jonad) nicht ganz 2 g im Monat”. — „Eine mifroffopijche Unterjfuchung der am eriten Tage des Wiedererwachens abgegebenen Erfremente, welche fajt volle 7 Monate im Darm gemejen waren, ließ Feinerlei Fettzellen mehr von Nüjjen erfennen, während die Zellen des Sternobites (Apfelmarf) reichlich noch vorhanden waren, möglicherweije ein Beweis, daß die Fetteile der Nahrung gänzlich zur Fettbildung des Körpers abjorbiert waren. Außerdem fand jich eine 27* 420 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. Art fchlauchförmiger Gebilde in Menge vor, die in ihrer äußeren Form eine gemifje Ahnlich- feit mit den bekannten Pforojpermienschläuchen im Musfelfleiich der Schweine hatten.“ Am leichteften fängt man die Hajelmaus, nach Wilhelm Schuster, im Sommer in den v. Berlepfchichen Nijtkäften, deren Dedel fich bequem abjchrauben läßt, während die Tierchen aus alljeitig verichloffenen Niftkäften bei Beuntuhigungen meift nicht herausgeben. In Star- fäften haufen, nach Zudtvig Schufter, meijt vier, fünf oder fech8 zufammen, wie der genannte Beobachter in den Wäldern des Bogelsberges, wo er Starfäjten aushing, erfuhr; jeine Star- fälten waren in den dortigen Michhwäldern ihre beliebteiten Wohnftätten. Häufiger erhält man fie im Spätherbit oder Winter beim Laubrechen und Stöderoden. Entweder frei unter Dürren Blättern oder in ihrem Nefte liegend und mwinterjchlafend, werden jte mit dem Werkzeuge an das Tageslicht gejchleudert und verraten fich durch einen feinen, piependen Laut dem einiger- maßen achtjamen Arbeiter, der jie, wenn er fie fennt, dicht in Moos einhülft, mit nach Haufe nimmt und bis auf weiteres einbauert oder einem Tierfreunde überliefert. Hält diefer jte einmal inder Hand, jo hat erjie auch jchon fo gut wie gezähmt. Niemals wagt die Hafelmaus, jich gegen ihren Bemwältiger zur Wehr zu jegen, niemals verjucht fie zu beißen; in ver höchiten Angit gibt jie bloß einen quietjchenden oder hell ziichenden Laut von fich. Bald aber fügt fie fich in das Unvermeidliche, läßt jich ruhig in das Haus tragen und ordnet jich ganz und gar dem Willen de3 Menschen unter, verliert auch ihre Scheu, doch nicht ihre angeborene Schüchternheit und Furchtfamfeit. Man ernährt fie mit Nüffen, Obftfernen, Objt und Brot, auch wohl Weizen- förnern. Sie frißt Sparfam und beicheiden, anfangs bloß des Nachts, und trinkt weder Wajjer noch Milch. Shre überaus große Neinlichteit und die Liebenswürdigfeit und Verträglichkeit, die fie gegen ihresgleichen zeigt, die Hübjchen Bewegungen und Iujtigen Gebärden machen jie zum wahren Lieblinge des Menjchen. Im England wird fie al3 Stubentier in gemwöhn- fichen Vogelbauern gehalten und ebenjo wie Stubenvögel zum Marke gebracht. Man Fann fie in dem feinsten Zimmer halten; denn fie verbreitet durchaus feinen übeln und nur im Sommer einen bijamähnlichen Geruch, der aber jo jchwach ift, daß er nicht läftig fällt. Dbmohl die Hajelmaus jich jo leicht und gut in die Gefangenjchaft eingemwöhnt, jcheint jie da doch nur ausnahmsweije zur Fortpflanzung zu fchreiten. Aus der neueren Zeit twenig- ftens können wir hier feinen anderen Zuchterfolg mit ihr verzeichnen al® den von Profejjor Heine mitgeteilten („Kosmos”, 1910), der aber auch nur ein halber war. „Zweimal habe ich Junge von diefen Tierchen erzielt, und zwar jedesmal im Februar. Vorher jchleppt das Weibchen fein zerzupfte Watte in eine Edfe des Käfigs und baut jich dort ein Nejt als Wochen- jtube, aljo nicht in dem gemeinfamen Schlafgemach, jondern gejondert vom Männchen. Was das fiir einen Zrwed hat, follte ich bald erfahren. Das erftemal war das Junge tot, als ich e3 entdedte; das ziweitemal waren zwei prächtige Junge da, die aber von dem Männchen nacht3 gefrejfen wurden, und wie e8 jcheint, nach einem erbitterten Stamıpfe mit dem Weib- chen; denn nacht3 war ein fürchterlicher Speftafel in dem Käfig. US ich morgens nachjah, lag das Pärchen, friedlich in die Watte eingewühlt, im gemeinjamen Schlafgemacd), und das Wochenbett war leer.” Mit zwei gefangenen Hafelmausfamilien erlebte Wiemeyer-Warftein etwas jehr Sonderbares. Die eine Mutter verließ zweimal ihr Net mit ihren Jungen und legte fich zu der anderen Familie in das andere Neft, fo daß ihre Jungen beinahe erjtarıt wären. Wie- meher fonnte jogar noch „ein drittes Neft mit vier Jungen, die jedoch bereit3 ganz jelbjtändig waren... zu den zwei anderen Samilien in den einen Käfig jegen”: alle „hielten, troßdem ein bejonderes Bett für fie bereitet war, Tagesruhe in Gemeinschaft in ein und demjelben Hajelmaus: Fang. Gefangenleben. 421 Käftchen. Streit und Biljigfeit jcheinen die Hajelmäufe im Gegenjaß zu den größeren Schläfern nicht zu fennen; wenigitens zeigten meine aus drei Hamilien zufammengejegten Pflegekinder ftet3 das Bild des jchönften Kamilienfriedens. Jr der Öefangenjchaft wachjen übrigens die Heinen Tierchen jehr langjam heran, was wohl auf die veränderte Xebensweije (der Alten) zurüdzuführen fein dürfte. So öffneten jich 5.B. beiden von mir aufgezogenen ungen... exjt in der dritten Lebensiwoche — ettva am 17. Tage — die Augen, und die Ende Auguft geborenen Mäuschen waren exit Anfang Oftober, nach) 5—6 Wochen, jelbjtändig. Sr der Freiheit währt diefe Periode nach meinen Beobachtungen nur etiva 3 Wochen... Wenn ich die Jungen dem Nefte entnahm, ließen die Alten mehrfach einen Eurzen, ettva aus drei Tönen zufammengejegten janften Triller hören, der mich an den Triller der Hauben- meije erinnerte, jedoch jehr jchtwach war.” Bei feinen Studien über die Gewichtsperänderungen während des Winterjchlafes hat Rabus auch andere wiedergebenswerte Beobachtungen gemacht („Zool. Garten”, 1881). Bon feinen beiden Hajelmäufen biß das ältere Männchen dem jüngeren Weibchen den Schwanz mehrfach auf den Transporte von England nac) Deutjchland an, und diejelbe Hajel- maus biß auch, als jie einst entjprungen war, ihren Befiger und Pfleger, einen heftigen, pfeifenden Ton von jich gebend, jo tief in die Fingerjpigen, daß es ihm nicht möglich war, fie (oSzufchleudern, und er die Hand mit dem Tiere in den Käfig brachte, mo e3 endlich los- ließ. „Sm Juni 1880”, fährt Rabus fort, „machte ich den Berfuch, die Tiere zu zivingen, jich die Nitife jelbit zu öffnen, die ich biS dahin ftetS geöffnet in ihre Zutterjchale gelegt hatte, von dem Gedanken ausgehend, daß ein gleiches der Fall jei in ihrem freien Naturleben. Der Berfuch mißlang vollitändig. Sm der erjten Nacht nagten jie zirfelrunde, erbjengroße Löcher in die Schalen der Nüfje und Holten den Snhalt volfitändig heraus. Jn der darauffolgenden Nacht nagten fie die Nüfje an, ohne bis auf den Kern zu ftoßen, und in den nächitfolgenden Nächten machten jie faum dieje Verjuche mehr, jo daß fie dann in kurzer Heit jehr jchtoach und mager wurden und wohl verhungert wären, Hätte ich meinen Verjuch nicht bald wieder eingeitellt, von dejjen Folgen jte jich jedoch in einigen Tagen bald wieder erholt hatten.” Dieje Erfahrung ift wohl jo zu erklären, daß die Schalen der Nüjje draußen in der Natur nie jo hart austrocnen, al3 wenn der Menjch jie aufbewahrt. Auch bei der Hajelmaus hat man die Erfahrung gemacht, daß ihre Schwanzhaut bei haftigem, derbem Zufajjen Leicht abreißt und fich abjtreift. Man hat dies als eine Schuß- einrichtung auffafjen und in der Hajelmaus ein Säugetier jehen wollen, das „jich jelbjt ver- jtümmelt”, um der Gefahr zu entgehen, wie das bei den Reptilien in dem befannten Bei- ipiel des abbrechenden Eidechjenfchtvanzes unverkennbar it. Aber während bei der Eidechje der Schwanz nachwächit, vegeneriert wird, wurde, nach Dr. Handmanns Bericht („Naturw. Wochenfchr.”, 1905), beider Hafelmaus im entjprechenden Falle „der ganze Schtwanz nekrotijch (brandig), und das Tier ging in wenigen Tagen ein”, obwohl Handmann „die Haut jojort wieder über die Schwanztirbelftülpte und mit einigen feinen Nähten ander Wunzel annähte”. Mit den Schläfern ift die fchier unerfchöpfliche Sektion der mausfürmigen Nager im mweiteiten Sinne (Myomorpha) beendet, und wir gehen zu der leßten Sektion, den Eich- hornförmigen (Sectio Sciuromorpha), über, die durch folgende Schädel und Sfelett- merfnale zufammengehalten werden. Der Fochbogen tft jchlanf und zart, wird Hauptjächlich durch das Sochbein gebildet, nicht gejtüßt durch einen Oberfieferfortjag, der jich vüchwärts 422 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. nach unten zieht. Abgejehen von den Dornjchtwanzhörnchen (Anomaluridae), ift daS Unter- augenhöhlenloch, durch das jonjt beiNtagern ein mehr oder weniger großer Teil des Staumusfels (m. masseter) dutchtritt, Hein und eng. Der hintere Winfelfortja des Unterfiefers erhebt jich von dejjen unterem Rande, von der inneren Oberfläche der fnöchernen Zahnhöhle des unteren Nagezahnes. Schneidezähne jind oben zwei, unten einer oder oben und unten je einer vor- handen. Das Schlüjjelbein ijt wohl enttwidelt, das Wapdenbein frei, vom Schienbein getrennt. Bei der Umgrenzung der Eichhornförmigen zeigt jich wieder die Schwierigkeit einer allerjeitS befriedigenden Einteilung der Nagetiere überhaupt. Unter den Mausförmigen hoben jich die Springmausartigen (Jaculidae) heraus, und die Schläfer (Myoxidae) neig- ten zu den Eichhörnchen. Ziwijchen dieje und die Biber, an denen man wieder mancherlei Bermittelndes zwijchen Maus- und Eichhornförmigen findet, jchiebt fich noch die Feine, merkwürdige Familie der Biberhörnchen (Aplodontidae) ein, und die oben jchon als Aus- nahme genannten Dornjchwanzhörnchen (Anomaluridae) haben wieder jo viel Gemein- james mit den Sprinahajen (Pedetidae), daß die neuejte Nagerjyitematif diefe ganz von den Springmäufjen weggeitellt und mit jenen vereinigt Hat. Deshalb mag hier nicht un- erwähnt bleiben, daß der große Münchener Baläontolog Zittel, bejtärkt durch die Befunde bei gewiljen fojjtilen Nagern, aus diefen und den vorgenannten lebenden noch eine weitere Seftion, die Protrogomorpha, gebildet hatte, von denen er jagt: „Ulle diefe Formen lajjen jich in feiner der von Brandt vorgejchlagenen Hauptgruppen (Sektionen) unterbringen; jte vereinigen vielmehr Merkmale der Sciuromorpha und Hystricomorpha.” Wir beginnen mit der Familie der Biberartigen (Castoridae), die jamt ihrem an- jehnlichen Inhalt an fojjtlen Gattungen auch von Zittel zu den Eichhornförmigen geitellt tpird, aber mit der Einjchränfung: „Sm gahnbau erinnern die Eaftoriden mehr an die Hystrico- morpha al® an Die Sciuromorpha; auch ihre beträchtliche Größe nähert fie den erjteren.“ Tatjächlich ift der Biber, Castor fiber Z., der größte altweltliche Nager, auch dem Stachelichwein an Größe noch über und nur von einem neuweltlichen Stachelichweinfürmi- gen, dem Kapybara oder Waljerichtvein, übertroffen. Bei ervachjenen Männchen beträgt die Leibeslänge 75—95 cm, die Länge des Schwanzes 30 cm, die Höhe am Widerrijt ebenjo- viel, das Gewicht 20—30 kg, mitunter aber auch noch bedeutend mehr. Friedrich-Dejjau verzeichnet 3. B. einen 1891 von Elbdeicharbeitern bei Afen gefangenen Biber mit 48 kg. Der Leib it plump und ftark, Hinten bedeutend dicer als vorn, der Rüden gemwölbt, der Bauc) hängend, der Hals kurz und Did, der Kopf hinten breit, nach vorn verjchmälert, platt- jcheitelig, Furz= und ftumpfichnaugig; die Beine find furz und jehr kräftig, die hinteren etwas länger als die vorderen, die Füße fünfzehig und die hinteren bis an die Krallen Durch eine breite Schwimmhaut miteinander verbunden. Die zweite Hinterzehe trägt eine Doppel- fralle. Der Schwanz, der jich nicht deutlich vom Numpfe jcheidet, ift an der Wurzel rund, jonjt von oben nad) unten platt gedrüdt, biS 15 cm breit, an der Spiße jtumpf abgerundet, an den Nüändern fait jcehneidend jcharf, von oben gejehen eirund geitaltet. Sn Ddiejer Schwanzfelle, wie jie von der mauerfellenartigen Form heißt, erkennt Friedrich-Dejjau „ein vortreffliches Steuer, das, wie der Schwanz der Vögel, infolge jeiner horizontalen Tage die auf- und abwärtsgehenden Bewegungen zu requlieren geeignet ijt, gelegentlich aber auch als Stüße des aufgerichteten Körpers dienen fan. Das Jnnere diejes Drganes ijt mit einem im frischen Zustande roja gefärbten, fettigen Bindegewebe erfüllt, das, von einer I. Biber, flach auf dem Wailer liegend. S. 429 u. 435. — L. Medland, F.’Z. S.-Finchley, N., phot. " 2. Biber, Holz ichneidend. S. 425. — Aufgen. im Zoologischen Garten in Hamburg. 3. Biber, Castor fiber /. 1/6 nat. Gr., s.S.422. Joh. Lüpke -Groß-Lichterfelde phot. 4. Biberdamm in einem alten Elbarm bei Wartenburg. S. 437 ff. Amtmann M. Behr-Cöthen i. A. phot. 5. Waiierburg des Bibers mit Kanälen („Geichleife“) im Großkühnauer See. S. 431 ff. — Amtmann M. Behr-Cöthen i. A. phot. 6. Waiierburg des Kanadabibers in Neubraunichweig. S. 457. — C. Rungius-New York phot. Biber. 423 großen Anzahl Sehnen durchzogen, einjtmals als das beite Stück des Bibers angejehen und zu lecferer Speije zubereitet wurde.“ Die länglichrunden, fat unter dem Pelze verjtecten Dnren find Hein und kurz, innen und außen behaart und können jo an den Stopf angelegt twerden, daß fie den Gehörgang beinahe vollftändig verjchliegen. Die Heinen Augen zeichnen jich durch eine Nichaut aus; ihr Stern jteht jenkrecht. Die Najenlöcher find mit wulitigen Flügeln verjehen und können ebenfalls gejchlojjen werden. Die Mumdjpalte it Hein, die Dberlippe breit, in der Mitte gejurcht und nach abwärts gejpalten. Das Fell bejteht aus außerordentlich dichten, flodigen, jeidenartigen Wollhaaren und dünn jtehenden, langen, itarfen, jteifen und glänzenden Grannen, die am Kopf und Unterrüden furz, an dem übrigen Körper über 5 cm lang jind. Auf der Oberlippe jiten einige Reihen didler und jteifer, nicht eben langer Borjten. Die Färbung der Oberfeite tft ein jahles Braun, das mehr oder weniger ins Gräuliche zieht, die der Unterjeite heller, das Wollhaar an der Wurzel jtilbergrau, gegen die Spige gelblichbraun; die Füße jind dunkler gefärbt als der törper. Den an der Wurzel im erjten Drittel jehr lang behaarten, im übrigen aber nadten Schwanz bededen hier Heine, länglichrunde, fait jechsedige, platte Hautjchuppen, zwijchen denen einzelne, Furze, Iteife, nach rüctwärts gerichtete Haare hervortreten. Die Färbung diejer nackten Teile it ein blafjes, ichwärzliches Grau mit bläulichem Influge. Die am Schädel auftretenden Leijten und Kämme weiten in Gemeinjchaft mit dem weit vorjpringenden, breiten und gejenkten Jochbogen auf eine gewaltige Enttwidelung der Beigmusfeln hin. Mit jehr verjtändlicher Beziehung zu diejer bejchreibt Friedrich „Die dreifantigen Nagezähne. Die beiden oberen jind halbfreisförmig gebogen und erjcheinen daher bei 1O—12 cm Gejamtlänge weit fürzer als die flacher gebogenen und jchivach jpiralig gedrehten unteren, die, zwar nur wenig länger, troßdem unter der ganzen Reihe der Bad- zähne hinziehen und exit unter dem Kronfortjase (des Unterfiefers) endigen. Jnmwendig jind jie Hohl, am hinteren im Sliefer jigenden Ende jogar papierdünn, und umjchließen hier den bleibenden Zahnfeim, nehmen aber nach vorn derartig an Stärke zu, daß auf der jchräg nac) hinten abgenußten Bihfläche die Höhlung nur noch als dreiftrahliger Spalt bemerkbar wird. Die äußere, jtahlharte, orangefarbene Schneide jchärft jich beim Nagen fortwährend jelb- jtändig, da die innere Seite des Zahnes nicht mit Schmelz beffeidet it. Die dadurch be- dingte Ahnugung wird durch ftetiges Wachstum vom Grunde her wieder ausgeglichen. Durch eine weite Liide von den Nagezähnen getrennt, ftehen oben und unten jederjeit3 vier nad) Hinten an Größe allmählich abnehmende Badzähne, deren jchmelzfaltige Bejchaffenheit in dem Träger den echten Pflanzenfreijer verrät; bei denen des Oberkiefers dringen von außen her drei Schmelzleiften in gewundener Form nach innen vor, zwijchen die jich eine einzelne Schlinge von der entgegengejegten Seite einjchiebt, während die Schmelzjalten der unteren Baczähne gerade die umgefehrte Anordnung erkennen lajjen. „Bon den inneren Organen erreicht der Darm, wie bei allen Pflanzenfrejjern, eine ganz beträchtliche Länge. Zur Auflöfung des fohlehydratreichen Nahrungsitoffes jchieen große Speicheldrüfen ihr Sekret in die Mundhöhle, das weiterhin Durch die am Magenmunde liegende Kardiafaldrüfe, welche fich durch zahlreiche, weite Mündungen in die Magenhöhle öffnet, vermehrt wird. An den langen, die Nejorption des Speijebreies bejorgenden Dünn- darm jchließt fich in Geftalt eines zweiten Magens der Blinddarın an, der die Nachverdauung bejorat, und in dem fich gewöhnlich Hunderte von Keinen Saugmwürmern (Amphistomum subtriquetrum) finden. Der Darm mündet zwar getrennt von der Offnung der Gejchlechts- teile; doch liegen beide in einer gemeinfchaftlichen Vertiefung, die von einem teilmeije 424 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. behaarten Hautwuhte umfchlojjen wird. Diejer Umftand erjchtwert die Unterjcheidung der Tiere nach ihrem Gejchlechte, namentlich da auch die vier an der Bruft befindlichen Saug- jparzen nur während der Säugezeit hervortreten, fonjt aber ganz im ‘Belze verjtedt liegen und nur jchwer aufgefunden werden Fönnen.” Bei beiden Gefchlechtern finden fich im Unterteile der Bauchhöhle, nahe am After und den Gefchlechtsteilen, zwei eigentümliche, gewöhnlich voneinander getrennte, in die Ge- ichlechtSteile mündende Abjonderungsdrüfen, die Geil- oder Saftorjäde. Die inneren Wan- dungen diejfer Drüfen, mit einer Schleimhaut überzogen, die in fchuppenähnliche Säckchen und Falten geteilt ift, fondern das fogenannte Bibergeil oder Gail (Castoreum) ab, eine dunkel totbraune, gelbbraune oder jchwarzbraune, ziemlich weiche, jalbenartige Mafje von eigen- tümlich dDurchdringenden, ftarkem, nur wenig Leuten angenehmem Geruche und lange an- haltendem, bitterlichem, balfamijchem Gejchmad, welche in früheren Zeiten al3 Erampf- ftilfendes und beruhigendes Mittel vielfach angewandt wurde. „Über die Bedeutung der Kaftorbeutel fotwie der unmittelbar dahinter gelegenen Oljfäce dürfte man wohl in der An- nahme nicht fehlgehen, daß jte zur gegenfeitigen Anlodung eine wejentliche Rolle fpielen. Einmal treten fie zur Brunftzeit bejonders hervor; dann aber hat, wie Audubon be- richtet, ein dem Biberfang obliegender Trapper beobachtet, daß die Tiere an bejtimmten Landungsplägen ihre Afterdriijen entleerten, wodurch andere Biber herbeigelodt werden. Heute noch benußen die Trapper das Geil al ‚Witterung‘, um die Tiere nad) den Fang- plägen zu loden. Wie groß feine Anziehungskraft it, geht daraus hervor, daß Biber, die in einem Eifen geprellt waren, fich jchon nach einigen Tagen wieder in einer anderen Falle fingen, darunter fogar folche, die bereit3 Teile ihres Laufes im Eijen eingebüßt hatten.” (Friedrich.) „Der Biber ift ein Wafjertier”, jagt der Hamburger Tiergärtner Bolau, „ein Wajjer- und Uferbewohner. Das Wajjer ift jein Element, und danach ift jein Ktörper gebaut: vorn jchwächer, hinten dider. An dem glatten Körper mit den Furzen Ohren und den Furzen Beinen ragt nichts hervor, was die Fortbewegung im Wafjer hindern könnte. Ein dichtes Fell mit reichlichem, warmem Wollhaar, das von dem prachtvoll glänzenden Oberhaar über- tagt wird, fchüßt unfer Tier gegen die Kälte und gegen das Wajjer; der Biber wird nie bis auf die Haut naf. Schwimmhäute finden wir nur zwijchen den Zehen der Hinterfühe, nicht an den Borderfüßen. Die verjteht der Biber gefchict wie ein Paar Hände zu gebrauchen.“ Der Biber lebt gegenwärtig meist paarweije und nur in den ftilliten Gegenden zu größeren oder Fleineren Familien vereinigt. Sr bevölferten Ländern hauft er, tie der Fiichotter, meift in einfachen, unteriwdifchen Röhren, ohne daran zu denfen, fi) Burgen zu bauen. Solche fand man aber noch im vorigen Jahrhundert an der Nuthe, unweit der Elbe, in einer einfamen, mit Weiden bewachjenen Gegend, die von dem nur 6—8 Schritt breiten Flüßchen durchftrömt wird und jchon feit den ältejten Zeiten den Namen Biberlache führt. Dort beobachtete von Meyerind die Biberanfiedelungen viele Jahre und jagt folgendes darüber: „EI wohnen jeßt (im Sahre 1822) noch mehrere Biberpaare in Gruben, welche, einem Dachsbau ähnlich, 30—49 Schritt Yang und mit dem Wafjeripiegel gleich hoch laufend find umd auf dem Lande Ausführungsgänge haben. Sr der Nähe der Gruben errichten die Biber fogenannte Burgen. Sie find 2,5—3 m hobe, von ftarfen Snüippeln Eunftlos zufanımen- getragene Haufen, welche fie an den benachbarten Bäumen abbeifen und jchälen, weil fie jich Davon Äfen. Sm Herbit befahren die Biber die Haufen mit Schlamm und Erde vom Ufer des Fluffes, indem fte diefe mit der Bruft und den Vorderfüßen nach den Baue jchieben. Biber: Geilfäde. Lebensmweife. Bauten. 425 Die Haufen haben das Anfehen eines Badofens und dienen den Bibern nicht zur Wohnung, fondern nur zum Zuflucht3orte, wenn hoher Waflerjtand fie aus den Gruben treibt. m Sommer des genannten Jahres, al3 die Anfiedelung aus 15—20 Jungen und Alten beftand, bemerfte man, daß fie Dämme warfen. Die Nuthe war zu diejer Zeit fo jeicht, daß die Ausgänge der Röhren am Ufer überall fichtbar wırrden umd unterhalb deren nur noch wenige Bentimeter tief Wajjer jtand. Die Biber hatten eine Stelle gejucht, two in der Mitie des Flufjes ein Heiner Heger mar, von welchem fie zu beiden Geiten jtarfe Neijer ins Wajjer warfen und die Hiwifchenräume mit Schlamm und Schilf jo ausfüllten, daß dadurch der Wafjeripiegel oberhalb des Dammes um 30 cm höher jtand als unterhalb. Der Damm wurde mehreremal weggerilien, in der Negel aber die folgende Nacht wiederhergeitellt. Wenn das Hochwaijer der Elbe in die Nuthe hinaufdrang und die Wohnungen der Biber überjtieg, waren fie auch am Tage zu jehen. Site lagen aldann meilt auf der Burg oder auf den naheftehenden Stopfweiden.” Einzeln lebende wohnen in einfachen unterirdiichen Bauen nach Art des Filchotters. Die Baue haben eine oder mehrere Zugangsröhren oder Gejchleife von verjchtedener, ungefähr zwifchen 2 und 6 m fchiwanfender Länge, die ausnahmslos unter Wajjer münden und zu dem geräumigen, mehr oder minder hoch über dem Wajjerjpiegel liegenden Stejjel führen. Leßterer bejteht gewöhnlich nur aus einer Wohnfammer, die jorgjältig und nett mit fein zerjchleigten Spänen ausgefüllt it und al3 Schlafitätte, ausnahmsweije aber auc) als Wochenftube dient. Sn einsamen und ftillen Wäldern werden die unteriwdiichen Baue twahrjcheinlich nur al3 Notröhren benugt und regelmäßig jogenannte Burgen errichtet, über dem Boden gelegene Wohnräume der Biber, zu denen tm tieferen Wajjer mündende und bon diejen aus gegrabene Gejchleife führen. Die Burgen find badofenförmige, didiwandige, aus abgejchälten Holzjtücken und Äten, Erde, Lehm und Sand zufammengejchichtete Hügel, die im Inneren außer der Wohnfammer noch Nahrungsipeicher enthalten jollen. ABechjelt der Wajjeritand eines Flufjes und Baches im Laufe des Jahres ziemlich erheblich, oder hat ein Bach nicht die erwünjchte Tiefe, jo ziehen die Biber mehr oder minder lange und hohe, je nach der Strömung ftärfere oder fchwächere Dämme quer durch daS Gemäjjer, jtauen diejes und bilden fich jo oberhalb des Dammes freies Wafjer von jehr verjchtedener Aus- dehnung. Morgan hat vor Jahren in den pfadlojen Wäldern an den Ufern des Dberen Sees in Nordamerika mehr als 50 jolcher Dämme unterfucht, photographiert und in einem bejon- deren Werke iiber den Biber und feine Bauten ausführlich bejchrieben. Einzelne diejer Däntmte jind 150—200 m Yang, 2—3 m hoch und am Grunde 4—6 m, oben noch 1—2 m did. Gie beitehen aus aum= bis fchenfeldiden, 1—2 m langen Hölzern, die mit dem einen Ende im Boden ftedlen, mit dem anderen in das Wafjer ragen, mittel3 dünnerer Zweige ver- bunden und mit Schilf, Schlamm und Erde gedichtet werden, jo daß auf der Strom- jeite eine jajt jfenfrecht abfallende fejte Wand, auf der entgegengejebten ©eite aber eine Böjchung entfteht. Nicht immer führen die Biber den Damm in gerader Linie quer durch den Strom, und ebenjowenig richten fie ihn regelmäßig jo ein, daß er in der Mitte einen Wafjerbrecher bildet, ziehen ihn vielmehr oft auch in einem nad) unten jich öffnenden Bogen durch das Wafjer. Von den oberhalb der Dämme entjtehenden Teichen aus werden ichlieglich Zaufgänge oder Kanäle ausgetieft, um die notwendigen Bau= und Nährjtoffe leichter herbeijchleppen oder herbeiflößen zu können. Dhne die höchite Not verlafjen die Biber eine von ihnen gegründete Anjtedelung nicht. Man trifft daher in unbewwohnten Wäldern auf Biberbauten von jehr hohem Ulter. Agafitz 426 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. unterjuchte den Damm eines noch bevölferten Biberteiches, fand, daß alte, von den Tieren benagte Baumjtümpfe und Atjtüde von einer 3 m hohen Torfjchicht überlagert waren, und zog Daraus den Schluß, daß dieje Anjiedelung jeit mindejtens I00 Jahren bejtanden Haben mühjje. Biberbauten üben, wie derjelbe Forjcher hervorhebt, in Amerika einen merflichen Ein- Hußaufdielandfchaftliche Geftaltung einer Gegend aus. Die Dämme verwandeln Heine Bäche, die urjprüngfich ruhig im dunfeln Waldesichatten dahinfloffen, in eine Kette von Teichen, von denen einzelne einen SFlächenraum von 10—20 ha bededen. Sn ihrer Nähe entjtehen in- folge des Fällens der Bäume durch die Biber Blößen, jogenannte Biberwiejen, von 100 und mehr Hektar Flächenraum, die oft die einzigen Lichtungen in den noch jungfräulichen Ur- waldungen jind. Am Rande der Teiche jiedeln ich rajch Toripflanzen an, und jo bilden fich nach) und nac) an allen geeigneten Stellen Torfmoore von größerer oder geringerer Aus- dehnung. Anderjeit3 werden durch die von den Tieren ausgetiejten Stanäle manchmal auch Sümpfe angezapft und entwäjjert, jo daß in der Folge trodene, waldloje Flächen entitehen. Ilfe Arbeiten der Biber hängen mit ihren Gewohnheiten und Bedürfnifjen jo innig zu= jammen, daß man die Lebensweije jchildert, wenn man dieje Arbeiten bejchreibt. Wie die metlten Nager während der Nacht tätig, treiben fie jtch nur in ganz abgelegenen Gegenden, two je lange Zeit feinen Menjchen zu jehen befommen, auch während des Tages umber. „Kurz nac) Sonnenuntergang”, jagt v. Meyerind, „verlajjen jte die Gruben, ... jchroimmen eine Zeitlang in der Nähe der Bura, gegen den Strom fo jchnell wie abwärts, und fommen, je nachdem jte jich jicher glauben, entweder mit Naje und Stirn oder mit Kopf und Rüden über das Wajjer empor. Haben jte gejichert, jo jteigen jte ang Land und gehen 50 Schritt und noch weiter vom Fluffe ab, um Bäume zur fung oder zu ihren Bauten abzujchneiden. Sie entfernen fich von der Burg jchwimmend bis eine halbe Meile, Febren aber immer in derjelben Nacht zurüd. Auch im Winter gehen jie des Nachts ihrer Nahrung nad), verlafjen jedoch zumweilen S—14 Tage die Wohnung nicht und äjen jich mit der Rinde der Weiden- fnüppel, welche im Herbjte in die Gruben getragen, und mit denen die Ausgänge nad) der Zandjeite zu verjtopft werden.” Zweige von der Dide einiger Zentimeter beißt der Biber ohne weiteres ab; Bäume bringt er zu Falle, indem er den Stamm ringsum und ojt be- jonders auf der einen Seite nach dem Flufje zu benagt, bis er jich dahin neigt und in Das Wajjer ftürzt. Die Spur feiner Arbeiten bejteht in unzähligen flach mufjchelförmigen Ab- jchnitten, die jo glatt und jcharf erjcheinen, als ob fie mit einem leicht gebogenen Stemmeijen ausgejchlagen wären. &3 fommt vor, daß der Biber Stämme von mehr ald manngdiden Durchmejjer abjchneidet, und zwar auch noch bei uns in Deutichland. In Stedby wie in Tochheim an der Elbe hat Bechuel-Loejche abgejchnittene Stämme nicht bloß don 15 und 30 cm, jondern auch von 40 und jelbjt 60 cm Dide, und zwar in diejem Falle jtets Schwarz- und Silberpappeln, gemeijen. Einmal fällten die Tiere jogar eine 25—30 cm jtarfe Eiche. Die meijten der Bäume hatten nahe am Wajfjer geitanden und waren in diejes gejtürzt, manche aber, bejonders die jchhwächeren und darunter Ejpen, fanden fich bi8 an 200 Schritt weit vom Elbufer entfernt und teilweife in jo dichtem Wuchje, daß fie nicht einmal völlig umjinfen fonnten, jondern mit ihren Stronen in den benachbarten lehnten. Die meijten der Bäume erjcheinen ztvecflos, d. H. bloß zur Übung, aus ererbter Gewohnheit und Nageluft, gefällt, werden wenigitens nach dem Abjchneiden nicht weiter berührt; in den Weidenhegern hart am Ufer find ja auch Sinüppel viel bequemer zu erlangen. „Unfere Forftleute”, jagt der Prinz von Wied, „würden mit den Zerfiörungen, welche die Biber in den amerifanifchen Wäldern anrichten, fehwerlich zufrieden fein. Wir Haben Biber: Bauten. Holzichneiden. 427 Pappeln von 70 em Durchmejjer gejehen, welche jie abgenagt hatten. Kreuz und quer lagen die Stämme durcheinander.” Die Bäume werden zuerjt ihrer Äfte beraubt, dann in be- liebig große Stüde zerjchnitten und dieje als Pfähle verwandt, während die Äjte und Zweige mehr zum Baue der Wandungen einer Burg dienen. Alm liebiten wählt der Biber Weiden, Pappeln, Ejchen und Birken zu jeiner Nahrung oder zum Bauen; jeltener vergreift ex fich an Erlen, Rüjtern und Eichen, obgleich auch dieje feinem ZJahne verfallen. Nur um Bäume zu fällen oder um zu meiden, betritt er das Land, im Freien jtet3 jehr vorjichtig und auf möglichit furze Zeit. „sm der Dämmerung”, jagt Dietrich aus dem Windell, der eine Bibermutter mit ihren Jungen beobachtete, „Fam die Familie rajch im Wajjer herangezogen und jchhvamm bis zum Ausitiege. Hier trat die Mutter zuerit alleiı an das Land und ging, nachdem jie, den Schwanz noc) im Wajjer hängend, einen Augenblie gejichert hatte, in das Weidicht. Cilig in ihrer Art folgten ihr die drei Jungen, welche ungefähr die Größe einer balbwüchjigen State haben mochten. Kaum waren auch jte im Holze, al3 das durch jchnelles Schneiden veranlaßte, jchnarrende Getöje hörbar wurde, und nach Verlauf einiger Minuten ftel die Stange. Noch eiliger und vollitändiger wurde num der erwähnte Yaut, weil die ganze Jamılie in Tätigkeit war, um die Zweige abzujondern, vielleicht auch, um gleich auf der Stelle Schale Davon zu äjen. Nach einiger Zeit Fam die Ilte, Die das Ende einer Wetden- itange mit der Schnauze erfaßt hatte, jedoch auf allen vieren ging, zum Borjchein. Gleich- mäßig waren jämtliche Junge Hinter ihr zu beiden Seiten des Stabes verteilt und emjig bejchäf- tigt, ihn an und in das Wajjer zu Schaffen. Nach einer furzen Ruhe wurde er dann von der ganzen Gejellichaft wieder mit der Schnauze gefaßt, und Höchit eilig und ohne auszuruben, ihwanmen jtie mit ihrer Beute denjelben Weg zurüd, auf welchen jie gefommen waren.“ Bejjer als dieje und andere Mitteilungen haben mich gefangene Biber, die ich pflegte und durch die Anlage von Gejchleifen zum Erbauen von Burgen veranlaßte, über die Art und Weife ihrer Arbeiten belehrt. Einmal mit der Ortlichfeit und dem Getreide um jie herum vertraut geworden, erjchienen die in Rede stehenden Biber bereits in den legten Nach- mittagsitunden außerhalb ihres Baues, um zu arbeiten. Eingepflanzte Stämme wurden lofe bingeworjenen Schößlingen vorgezogen und ftets gefällt. Zu diejem Ende jet jich der Biber neben dem betreffenden Bäumchen nieder und nagt ringsum jo lange an einer bejtimmten Stelle, bis der Baum niederjtürzt, wozu bei einer 8 cm diden Weide oder Birke 5 Minuten erforderlich jind. Nunmehr pacdt der Biber den gejällten Baum an jeinem dideren Ende mit den Zähnen, hebt den Kopf und watjchelt vorwärts. Bismweilen jieht es aus, als wolle er die Lajt über den Rüden werfen; doch gejchieht dies niemals. it der Schößling leicht, jo trägt ihn der Biber ohne Aufenthalt dem Ziele zu; ift die Laft jchiverer, jo bewegt er jie abjagweije, indem er das aufgeladene Holzjtüc mittels eines kräftigen Nudes des Stopfes vorwärts zu bringen jucht. Aitreiche Schößlinge werden vor dem Wegjchleppen genau be- jichtigt, unter Umständen geteilt, hindernde Aftjtummel weggeichnitten, alle Holzjtüde aber zunächit ins Wajjer gejchleppt und hier entrindet oder für jpätere Zeiten aufgejpeichert. Erjt nachdem der Knüppel gejchält worden ift, verwendet der Biber ihn zum Bauen, holt ihn aus dem Wajjer heraus, jchleppt ihn nach der nächiten Burg und bringt ihn hier unter. Von einer regelmäßigen Anordnung der Bauhölzer läßt jich nichts wahrnehmen. Den Be- dürfnifjen wird in überlegt fcheinender Weife abgeholfen, an eine regelmäßige Schichtung und Ordnung der Bauftorfe jedoc nicht gedacht. Einige Sinüppel liegen wagerecht, andere ichief, andere jenkfrecht, einzelne ragen mit dem einen Ende weit über die Wandungen der Burg dor, andere jind gänzlich mit Erde überdedt; es wird auch fortwährend geändert, 4283 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. vergrößert, verbejjert. Meine Pfleglinge jcharrten jich zunächit ein muldenförmiges Loch vor dem Ende des Gejchleifes aus, bildeten aus der Iosgefraßten Erde ringsum einen feiten, hohen und dichten Damm und Heideten den Boden der Mulde mit langen, feinen Spänen aus, die eigens zu diefem Bivede zerjchleigt wınden. Nunmehr erhielt die Mündung des Sejchleifes eine Dede aus Ajtwerf, fodann wurde der Hintere Teil der Wände erhöht und ebenfall3 mit einem Suppeldach überdedt und, als auch 'diejes vollendet war, das Ganze mit Erde gedichtet. Alle erforderlichen Dichtungsitoffe, aß Erde, Sarıd, Lehm oder Schlamm, werden in verjchiedener Weije, jedoch immer nur mit dem Maule und den Händen bewegt und ausschließlich mit leßteren verarbeitet. Najenjtüde oder fette, lehmige Erde bricht der Biber ballenmweije 198, indem er Hände und Zähne benußt, padt den Slumpen mit den Zähnen, drücdt von unten die Hände, mit den Handrüden nach oben gefehrt, dagegen und twatjchelt nun, auf den Hinterfühen gehend, zeitweilig mit der einen VBorderpfote jich jtüßend, bedächtig der Bauftelle zu; lojere Erde oder Sand gräbt er auf, fcharrt fie auf ein Häufchen zufammen, jet beide Handflächen hinten an Dasjelbe und jchiebt e3 vorwärts, erforderlichen- fall8 mehrere Meter weit. Der Schwanz wird dabet höchitens zur Erhaltung des Gleich- gewicht, niemals aber als Stelle benußt. Wie bei den meijten Tieren tft das Weibchen der eigentliche Baumeifter, das Männ- chen mehr Zuträger und Handlanger. Beide arbeiten während des ganzen Jahres, jedoc) nicht immer mit gleichem Eifer. Jm Sommer und im Anfange des Herbites jpielen fie mehr, als fie den Bau fürdern; vor Eintritt ftrenger Witterung dagegen arbeiten fie ununterbrochen während der ganzen Nacht. Ste haben, wie aus den von Finger mitgeteilten Beobach- tungen Erxingers hervorgeht, ein feines Vorgefühl für fommende Witterung und juchen jich nach Möglichkeit Darauf vorzubereiten. Die von Eringer gepflegten und in einem ziemlich großen Teiche gehaltenen Biber lebten mehr noch als meine Oefangenen nach Art und Weije ihrer freien Brüder, errichteten zivar feine Burgen, gruben jich aber große und ausgedehnte Baue aus und legten jich in mehrere Abteilungen oder Kammern gejchtedene Kejjel an. Jr diefen Kammern, deren Boden mit zerjchliffenen Holzipänen ausgefüttert wurde, brachten fie der ganzen Tag und bei jtarfem Winde auch die Nacht zu, holten jich dann aber Weiden und andere Yiveige herein. Stieg das Wafjer oder drang e3 in ihre Wohnungen ein, jo gruben jie jich rajch eine neue Höhle oberhalb der früher von ihnen bewohnten; nahm das Wajjer ab, jo er- richteten fie jich unverzüglich einen tieferen Gang; ereignete es jich, daß die Exrdjchicht über ihrem Kejjel durchbrach, jo vereinigten fie fich, um noch in der auf den Unfall folgenden Nacht den Schaden wieder auszubejjern. Einige jorgten für die Yerkleinerung des hierzu nötigen Holzes, andere jchleppten die Stüde an die bejchädigte Stelle und legten jte in mannigjacher Sreuzung übereinander, während ein Teil der Kamilte damit bejchäftigt war, Schlamm aus dem Wajjer zu holen, ihn mit Rohr und Graswurzeht zu mengen und damit die iibereinander gejchichteten Holzitücke zu dichten, biS jede Offnung verjchloffen war. Vor Eintritt der Kälte zogen die Biber alle früher angefahrenen Weiden und Bappeln im den Teich, jteckten die dDiekeren und jtärferen Stämme in jchräger Richtung und mit der Krone nad) oben gefehrt nebeneinander in den Schlamm und verflochten fie mit den Yiweigen der Stämme, die jte in den verjchiedensten Richtungen darüber legten, jo daß ihr Bau einen verankerten Floße glich und ein felbit den ftärkiten Stürmen troßendes Flechtwerk bildete. Eines Abends erjchienen fie wie gewöhnlich außerhalb ihres Stefjels und machten fich, obgleich die Witterung noch ebenjo gut fchien, al3 fie vorher gewejen war, plöglich mit Haft an die Biber: Bauten. Nahrung. Bewegung. 429 Arbeit, Stämme in ihren Teich zu jcehleppen. Binnen einer einzigen Nacht hatten fie 186 Stämme von 2—3 m Länge und 8S—11 cm Dide ins Waffer gejchafft, und 24 Stunden fpäter tar der ganze Teich jeit zugejroren und bereit3 mit einer 7 cm diden Eisfrufte überdeckt. Keine andere Beobachtung tft jo wie dieje geeignet, ein fennzeichnendes Streiflicht auf die rein inftinktive Entftehung der betvundernswerten Urbeitsleiftungen des Bibers zu werfen. Er weiß nicht, was er tut; jonft wüßte er fich in der Gefangenjchaft oft bejjer zu helfen mittels alfer der Kunftfertigfeiten, die er bejist. Warum fchleppt er im Hoologifchen Garten nicht jeine Holzfnüppel alle auf einen Haufen am Gitter zufammen, um diejes zu überfteigen und jich jo zu befreien? Ex jchleppt doch fonft allnächtlich Holz genug! Aber e3 ift bei ihm im Grunde genau wie bei der Ameije: alle dieje Hochgetriebenen und fein jpezialifierten Snftinkt- fünfte verjagen, jobald fie einmal zu anderem Ywede al3 dem gewöhnlichen wirklich mit Überlegung angewendet werden follen. An diefem tirkfichen Sachverhalt ändert e3 auc) nicht3, wenn das Wittingauer Foritamt berichtet: „Der Bach, in welchem hier die Biber leben, geht durch einen Teich, der nach Verlauf einiger Jahre zur Abfifchung fommt. Sn diejer Zeit werden jäntliche Wajjer abgelajjen, und der Bach bleibt für einige Tage troden. Bei dem legten Wafjerabzuge behufs der Abfischung ist e8 vorgefommen, daß der Biber bei dem eingetretenen Wajjerabfall die Urjache des Abnehmen ergründete und, nachdem er gefunden, daß das Wajjer durch das Zapfenhaus abrinne, diejes durch Schilf und Schlamm derartig verbaute, daß fein Tropfen durchfam.” Das Auffuchen und Berftopfen von Löchern in jeinen Dämmen liegt vollfommen im Bereiche der injtinttiven Bautätigkeit des Biberz, fann ihm ebenjo unbewußt und triebmäßig angezüchtet fein, wie die injtinftive Futter- fürforge, ehe Froft eintritt, und beweiit daher gar nichts für bemwußtes Denfen und Handeln. Unter allen Zweigen, die ich meinen Gefangenen voriwerfen ließ, wählten je zuerjt jtet3 die Weide und nur in Ermangelung diejer Bappel, Schwarzpappel, Eipe, Eiche und Birfe, am wenigjten gern Erle und Eiche. Sie frejjen nicht bloß Ainde, fondern auch Blätter und die weichen Schößlinge, und zivar mit entjchiedenem Behagen. Härtere Ziveige, die jie mit den Händen fajjen und bejtändig drehen, entrinden fie äußerit zierlich und gejchiet; fie jchälen jo jauber, daß man auf dem entrindeten Zweige feine Spur eines Zahneindrucdes wahrnimmt. An Brot und Schifisziviebad, Apfel und Möhren gewöhnen fie jich bald und jehen jchließlich in Früchten Lederbijjen. Um fich aufzurichten, drückt der jitende Biber die Schwanzjpige gegen den Boden und erhebt jich nun langjamer oder rafcher, wie er will, ohne dabei einen der Füße zu be- wegen. Er kann fich beinahe, aber nicht ganz, jenfrecht jtellen und ruht dann auf den Hinter- füßen und dem Schwanze fo jicher, daß es ihm leicht wird, beliebig lange in diejer Stellung zu verharren. Beim ruhigen Liegen und beim Schlafe wird der Schwanz unter den Leib geffappt und jo dem Blide volljtändig entzogen. Der Biber fann jich aber auch jeßt ohne Anftrengung oder Gliederbewegung erheben und in den verjchiedenjten Lagen erhalten, beijpielsweije um fich zu Fragen, eine Bejchäftigung, die oft und mit jichtlicher Behaglichkeit, niemals aber Haftig ausgeführt wird. Wenn er auf der Ceite ruht, rollt er ji. Beim Gehen wird ein Bein um das andere watjchelnd bewegt; denn der faft auf der Erde jchleifende Bauch läht eine rasche, gleichmäßige Bewegung nicht zu. Bei größter Eile führt der Biber CSäbe aus, die an Plumpheit und Ungejchiclichfeit die der meijten übrigen mir befannten Landjäugetiere übertreffen. ns Wafjer fällt er blof dann mit Geräujch, wenn er geängjtigt wurde; beim gemöhnlichen Verlaufe der Dinge gleitet er lautlos in die Tiefe. Schwimmend taucht er das Hinterteil jo tief ein, daß nur Najenlöcher, Augen, Ohren und Mittelrücden 430 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. über dem Wajjer bleiben, die Schwanzmwurzel aber überflutet wird. Er liegt auf den Wellen, ohne ein Glied zu rühren, hebt auch oft noch die Schiwvanzipise, die jonjt gewöhnlich auf der Dpberfläche rubt, in jchiefer Richtung empor. Die Fortbewegung gejchteht durch gleichzeitige, jeltener durch wechjeljeitige Stöße der Hinterfüße, die Steuerung durch den Schwanz, der jedoch niemals jenfrecht geitellt, jondern immer ein wenig jchief gedreht, oft auch in entjprechen- der Richtung Fräftig und ftogmweije bewegt wird; die WBorderfüße nehmen am Schwimmen feinen Anteil. Bei rajchem Eintauchen geht der Biber vorn nieder, jtöht mit feinen breit- ruderigen Hinterfüßen Fräftig nach oben aus, jchlägt gleichzeitig den Schwanz manchmal laut flatichend auf die Oberfläche des Wajjers und verjinkt rajch in fast jenfrechter Richtung. Er fann an 2 Minuten im Wafjer verweilen, bevor ihn die Atemnot zum Auftauchen zwingt. Die Stimme ijt ein Schwacher Laut, der am richtigjten wohl als ein Geftöhn bezeichnet wird; man vernimmt jie bet jeder Erregung des Tieres und lernt bald die verjchiedenen Bedeutungen der ausgeitoßenen Laute verjtehen, da ihre Stärfe und Betonung den ge- nügenden Anhalt hierzu gibt. Unter den Sinnen jcheinen Gehör und Geruch obenanzujtehen; die feinen Augen jehen ziemlich blöde aus, das Gejicht ijt jedoch ebenjowenig verfümmert tie der Gejchnad, und auch Gefühl farın dem Tiere nicht abgejprochen werden. Bei Hochwaijer jind die Biber am beiten zu beobachten; denn dann jigen jte gelegent- lich auf ihren Burgen, mehr noch auf Kopfweiden, gejchobenen Stämmen und an bebujchten Uferhängen; bei gewöhnlichen Wajjerjtande bemerkt man jte jeltener und dann an Buhnen und in Weidenhegern. Sm diejen figen jie manchmal jo feit, daß auch Jagdhunde je vorjtehen. Der Hund von Föriter Ganger fuhr einit einem Biber ins Wajjer nach und jchwamm dort umber. Der wieder auftauchende Biber mochte ihn für einen jeinesgleichen halten; denn er jchwamm ruhig an ihn heran und ging erit, als er den Hund fait berührte und diejer nad) ihm ariff, erjchredt in die Tiefe, verjeßte aber jeinem Gegner jogleich von untenher einen tüchtigen Biß, der ein ganzes Stüc Fletich wegnahm. Der eilig ans Land jlüchtende Hund lahmte injolgedejjen lange geit. Sn den lebten Jahrzehnten hat jich der hier jchon mehrfach zitierte Dejjauer Zoologq 9. Friedrich des Bibers im Elbgebiete auf das Verdienftlichite angenommen, und jeine Be- mühungen um Schuß und Hege diejes unjeres größten und interejjantejten heimijchen Nagers find von den Landesherren, den Herzögen von Anhalt, tatkräftig unterjtüßt worden. Danf dem dürfen wir heute jagen, daß e8 um den Biber in Deutjchland eher wieder bejjer als jchlechter fteht wie vordem zu vd. Meyerinds Zeiten. Friedrich hat bereits im Jahre 1594 jeine Beobachtungen über „Die Biber an der mittleren Elbe” in einem Werfchen von priginalem Werte niedergelegt und jeitdem fortlaufend namentlich in der Jagdprejje über jeine wijjenjchaftlichen Schüßlinge berichtet, hier und da noch ergänzt und bejtätigt von anderen Anhalter Beobachtern. Über die Zebensweije des Bibers im Elbgebiet hören wir bei Friedrich, daß er jo be- timmte Ausitiege in jeinem Bereiche nicht innezuhalten pflegt wie der Fiichotter, jondern allenthalben ans Ufer geht, wo er geeignete Nahrung findet. Doch hat er „hier und da be- borzugte Landungspläge. Meijt liegen dieje, twie die des Fiichotters, im tiefen Wajjer, ind aber als Biberausitiege jofort kenntlich an den Durch die nachjchleppende Stelle ver- urjachten VBerwijchungen der durch das Gewicht namentlich in jchlammigem oder jandigem Boden tief abgedrücdten Fährte. Lofung, die auf regelmäßig bejuchten Ausjtiegen des Fijch- otters, namentlich auf jolchen mit fandigem Untergrumde, jelten fehlt”, fand Friedrich „hier niemals”; Mertens-Magdeburg hat fie aber am Lande „noch verhältnismäßig frifch gefunden Biber: Stimme. Sinne. Friedrich! Berichte. 431 zu einer Zeit, two an Hochtwafjer nicht zu denfen war, und an einem hochgelegenen Orte, two diejes niemals hingelangt.” („Zool. Oarten“, 1904.) Trogdem fann man jagen: der Biber Löft jich für gewöhnlich nur im Wafjer. Darauf lajjen auch die Erfahrungen an gefangenen im Boologischen Garten jchliegen. Einen Hinweis liefert aber außerdem „die mutmaf- Yiche Entwidelungsgejchichte der im Blinddarm des Bibers vorkommenden Saugmwürmer. Deren Eier werden im Darme... abgejebt, gelangen mit den Erfrementen nach außen und entwideln jich im Wafjer, und zwar nur im Wafjer, zu Keinen, mit Wimperhaaren ver- jehenen Embryonen, die jich dort nach Art der Infufionstierchen umhertummeln und jich alsbald eine Wajjerjchnede als neues Wohntier auswählen, um in ihr zu weiteren Stadien der Entwidelung vorzufchreiten. Würde die Young der Biber auf dem Lande abgejeßt, jo müßten die in den Erfrementen enthaltenen Eier der Würmer, rejpeftive die darin jchon vor- gebildeten Embryonen umfommen, eine Infektion der Biber mit neuen Wurmfeimer wäre nicht möglich, wwenigjteng nicht in den Majjen, wie jte eine jo große Zahl von Würmern in fait jedem Biber bedingt. „Beltimmte Wechjel Hält der Biber nur jelten zu jeinen vom Ufer etwas entjernter liegenden Holzichlägen inne: breit getretene und durch das hier fortgejchleppte Holz noch mebr verbreiterte Pfade.” Friedrich fennt ihrer aber Doch einige. Aus diejen Biberpfaden ent- Itehen auf weichem Schlamm und jchiwanfendem Mioorboden ganz von jelbit die jogenannten Biberfanäle, die man früher vom altweltlicden Biber nicht fannte und daher als einen Bor- zug, einen Beweis ganz bejonderer Intelligenz des amerikanischen Bibers pries, weil man lie von dem Tiere mit Vorbedacht ausgegraben glaubte. Im Winter 1901 fand jie aber Friedrich am moorigen, nur bei jtarfem Frojte zugänglichen Ufer des Großfühnauer Sees von den Biberbauten zu den Kahrungsitellen führend und konnte in einer eigenen Abhand- fung (Herzogl. Frieduih&-Gymnafjium Dejjau, Bericht Oftern 1901/02) nachweijen, daß jte „nicht Werfe wahrer Intelligenz, jondern lediglich die Folgen der Schwere des immer den- jelben Weg innehaltenden Tieres” find. „Nun ift aber diejer Biberpfad in dem weichen Boden bald rinnenförmig ausgelaufen, vertieft jich bei jedem Gange mehr und mehr und füllt jich aus dem mit Feuchtigkeit Durchtränften Boden bis zum Nande mit jtagnierendem Wajjer, jo daß der Biber, anjtatt zu gehen — ein pajjionterter Läufer ift er jorwiejo nicht —, von jeiner Schwimmfertigfeit Gebrauch machen fann. Da auch die Breite der Kanäle dem Umfang des Bibers entjpricht, jo jcheint mir dieje Erklärung ihrer Entitehung um jo mehr gerechtfertigt, als dabei die Frage nach dem Verbleib des vorher den Stanal ausfüllenden Materials ganz in Wegfall fommt. Diejes it gar nicht ‚ausgegraben‘, jondern vom Gewichte des Bibers auf den Grund gedrüdt. So jind... durch Innehalten desjelben ‚Wechjels‘ die DBiberfanäle am Großfühnauer See entjtanden, und die ‚beaver canals‘ entitanden und ent- jtehen.... genau auf diejelbe Weife.” Friedrich geht dann über zu der „Frage, ob jolche Biberfanäle den topographiichen Charakter (die Natur der Oberfläche) eines Gebietes zu beeinflujjen imjtande find“, und bejaht jie. „Vorausgejegt, daß jie (die Kanäle) bei ausreichendem Holzbejtande des Ufers jahrelang benußt werden, jo daß ein Zumwachjen durch Wurzelfajern neuer Sumpfpflanzen in ihnen verhindert wird, werden jie mehr und mehr den Charakter von Abzugsgräben er- halten, in denen jich das Wajjer des angrenzenden Sumpfgebietes anjammelt und legteres dadurch trodenlegt. Syn verjtärkttem Maße wird dieje Entwäjjerung jich dann vollziehen, wenn der aus irgendwelchem Grunde jinfende Wajjerjpiegel des benachbarten Teiches die Stanäle in fliegende Heine Wajjerbäche umgeftaltet. So wird das jumpfige Gelände durch 432 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. Abjterben der ihrer Erijtenzbedingungen beraubten Wajjerpflanzen ohne Zutun des Menjchen in Wiejenboden oder, was noch wahrjcheinlicher it, in Waldland verwandelt. Dieje in den amerifanijchen Gebieten gewiß häufig genug beobachtete Ummandlung der Biberfanäle in Bäche jpiegelt jich in der Sage der Jndianer von der Erjchaffung der Welt wider, wonach Manitu, der große Geit, nachdem ihm der Biber aus dem das Ull anfangs völlig bededenden Wajjer den Schlamm zur Bildung des feiten Landes heraufgeholt hatte, jeinen Gehilfen auch mit der Anlage der Flüffe und Bäche beauftragt habe.“ „Seinen Aufenthalt verrät unjer Biber jehr leicht, ... jelbjt für Nichteingemweihte un- verfennbar, ... durch jeine Nageöfonomie”, tie Friedrich Des Tieres eigenartigen Nahrungs- eriverb nennt. „20—830 cm hohe, fegelfürmige Stümpfe von Weiden, Ejpen, Bappeln, Eichen, Rüftern, Hartriegel, Eihen, Buchen, Erlen, Weißdorn, Schwarzdorn und Objt- bäumen zeigen auf ihrer Schnittfläche zahlreiche rinnenförmige, querlaufende Vertiefungen jo jcharf und glatt, als wären jie mit einem Stehlmeißel hervorgebracht; e3 find dies die Zeichen einzelner, aber gewaltiger Bijje jeiner Nagezähne. VBorfichtig geht der Biber beim VKagen zu Werke, und oft hält er den Kopf jchief, um nach oben zu jehen und jich zu über- zeugen, ob e8 etiwa angezeigt jei, vem fallenden Baume Pla& zu machen. Am Wafjer jtehende Stümpfe findet man häufig, wie auch die von Schwachen Stämmen Herrührenden, nur ein= jeitig geferbt, jo daß der Baum beim Sturze ins Wajjer fallen mußte.” Von einer wahren Niejenleiftung des Bibers ald Baumfäller berichtet Friedrich aus dem Jahre 1899 („St. Hus bertus”, Ver. 19) und belegt jeine Schilderung mit photographiichen Aufnahmen. „Un Kordoitufer des weitlich von Dejjau gelegenen Großfühnauer Sees, an dem Teile, der den Kamen ‚Langer See‘ führt, begann im November 1896 ein, vielleicht auch der Biber, der diejes friedliche Stüdchen Welt zu jeinem Aufenthalte jich erforen, eine Silberpappel zu jchneiden, die unmittelbar neben jeinem Bau auf einer Heinen, nach Wejten Hin vorjpringen= den Halbinjel wurzelte. E3 war ein jchweres Stückchen Arbeit, das Freund Bodert in An= griff genommen hatte; denn an der Schnittfläche betrug der Umfang des Baumes 1,92 m. Wohl verzagte er manchnal, Monate Hindurch ließ er die Arbeit liegen, und jchnitt für feines Leibes Notdurjt und Nahrung Weiden und Ejpen in der Umgebung; dann aber jaßte ex doc) wieder Mut, und Späne auf Späne häuften jich rings um den Stamm. Da fam Hoch- twafjer und trieb ihn hinüber nac) der Höher gelegenen Fijcherinjel. Die alten Späne hatte der Strom hinweggejchwenmt; aber bald hHäuften jich neue an, und jchon von weiten erfannte man die im Sonnenjchein Hell leuchtende, mehr und mehr die Form einer Sanduhr an- nehmenpde Schnittfläche. Sp vergingen über der Arbeit die Jahre 1897 und 1898, und als der milde Winter des lebten Jahres feine große Unterbrechung verurjachte, jtürgte im An- fang diejes Jahres der gewaltige Baum unter lautem Srachen zur Nachtzeit in den ©ee. Dat die von Bibern gefüllten Bäume... ins Waljer jtürzen, Hat man mit einem hohen Grade von Intelligenz des Tieres in Zufammenhang gebracht, indem manihmdieÜberlegung unterjchob: im Wajjer wird es dir leichter, den Baum zu zerkleinern und fortzufchaffen! Wes- halb findet man aber auch jo oft Das Gegenteil? ch meine, die Erklärung für erjteren Umftand ergibt fich ganz ziwanglos, wenn man erwägt, dat am Wafjer ftehende Bäume nad) diejer Seite hin mehr Licht Haben al3 nach der Zandjeite, wo fie gewöhnlich durch benachbarte Bäume eingeengt werden. Nach der Lichtfeite hin wird aber die Enttwicelung der IÄfte und Zweige eine viel größere, und dadurch erhält der Baum naturgemäß nach dem Wajjer das Übergericht. Hätte jener Großfühnauer Biber fi) die Sache vorher reiflich ‚überlegt‘, ich glaube, er hätte zwecmäßiger den Baum gar nicht ins Wafjer fallen lafjen; die Hauptmajje Biber: Nahrung (Schnitte). 433 der Zweige liegt ja nunmehr tief im Waffer, ift fir ihn zur fung alfo verloren: denn unter- getaucht zu fchälen, ift jelbit einem Biber unmöglich. So muß er jich nach jahrelanger Arbeit jogar mit der gröberen Rinde de3 Stammes, joweit fie für ihn erreichbar ift, begnügen.“ „Unverfennbare Biberjchnitte findet man zumeilen mehrere Meter iiber dem Erdboden. Diefelben rühren aus der Zeit der Überfehwenmmung her und geben nicht felten zu eigentiim- lichen Verunftaltungen der betreffenden Bäume Veranlafjung. Im Forjtrevier Vockerode liegt in einer der Überfchwenmung alljährlich ausgejegten Senkung eine Ejchenpflanzung von eigentümlichem Ausjehen. Die vor Jahren Hier angepflanzten Heijter wurden von Bibern bei Hochwajjer etwa 11%—2 m über dem Boden verbiffen, jchlugen unterhalb der Bißitelle wieder aus, wurden beim nächjten Hochwafjer abermals geföpft, und nun erhielten die Stämme beim nächjten Triebe derartig breitfronige Formen, daß mar fich exjt nach genauer Unterfuchung dazu entjchliegen Fan, jte für Ejchen anzufprechen.“ (Friedrich.) Mertens berichtet von einer jchön gewachjenen Nüjter bei Magdeburg an der Alten Eibe, die zweimal dicht übereinander frijch Fajt völlig Durchgefchnitten war. Solche „Doppel- Ichnitte find äußerft jelten‘, und „mo jte jonft angetroffen werden, find jie wohl immer auf Schnitte zu verfchiedenen Zeiten zurüczuführen”. Wenn diefer Baum die beiden Schnitte zeigt, mag e3 Darauf zurückgeführt werden, daß er beim erjten noch nicht gefallen ift, weil er e3 nicht fonnte” (weil die Zweige mit denen einer dicht Danebenjtehenden Rüjter völlig verjchlungen jind), jo daß das Tier nochmals anjegte; oder aber e3 haben zwei Tiere (Mutter und Kind?) zu gleicher Zeit übereinander gearbeitet. „Reben den beim Fällen der Bäume Hinterbliebenen Stümpfen werden häufig auch die Schälftüce, d. h. die der Rinde beraubten weißglänzenden Holzkerne der Aite und Stämme zu Verrätern des nächtlichen Treibens des Biber. Ir etwa meterlangen Stüden liegen jie am Ufer oder im flachen Wafjer, und namentlich die ftärferen, mit trodener Ainde ver- jehenen zeigen deutlich die Spuren der Nagezähne.”" (Friedrich.) Sn der Kreuzhorit bei Magveburg, vo die Weiden bereits faft völlig verichwunden jind, zeigen indes die Biber „ihre Anpafjungsfähigfeit in der Ernährungsfrage” und nehmen jet (Mertens, „Zool. Garten”, 1904) vorzugsweije die Eichen, jelbit die Erlen au. Der Schaden, der dadurch angerichtet wird, ijt natürlich recht bedeutend. „Eine ungejtürzte Eiche erhärtete zugleich die Tatjache, daß der Biber auch jehr wohl imftande ift, auf jchräg jtehende Zeige zu jteigen und jelbjt auf dünnen entlang zu Elettern. Der bufchige Baum mar jo gefallen, daß er, durch ftärkere fte in fchräger Lage geftübt, liegen blieb. Die Tiere — oder da3 Tier? — waren nun vom Stamme aus auf den Ziveigen entlang gegangen und hatten überall, jo weit jie Hinabreichen fonnten, oben und zu beiden Geiten die Rinde abgejchält, auf der (auch vom Erdboden wegen ihrer Höhe) nicht erreichbaren Unterfeite aber jigen fafjen. Die Spiben waren fämtlich jcharf, wie mit einem Mefjer, abgefchnitten und fort- getragen. Die Ninde und die diinnen Ziveige haben aljo zur Nahrung gedient.“ Die Biber des Berliner Zoologischen Gartens pflegen didere Stämme in erheblich Türzere, oft nicht einmal 50 em lange Stücke zu zerjchneiden und haben mit den Spänen ihr Lager im Grottenjtall Hoch aufgefüllt. Shre Lofung wird jtets im Wajjer abgejebt, von diejem auseinandergejchwenmt, ihrer löglichen Bejtandteile entäußert, und findet jich beim Ent- wäjjern des Bedens als jägejpänartiger Gru3 wieder. Der Biber geht aber auch in der Freiheit und freiwillig mitunter zu ganz anders ge- arteter Nahrung über. Das beweiit eine jchon vom Dftober 1896 ftammende Boftkarte des föniglichen Forjtmeifters Brecher-Grünemwalde bei Schönebed an der Elbe an Friedrich: „Won Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 28 434 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. mehreren Eigentümern jolcher Grundftücde an der Alten Elbe, die mit Nunfelrüben beitelft find, it wiederholt Stage geführt, daß die Biber ihnen großen Schaden durch Bejrejjen (Be- nagen wäre zu wenig gejagt) der Nunfelrüben verurjachen. Auerdem würden auch Runfel- riiben mit den Zähnen nur ausgehoben und mit ins Wafjer genommen. Die derart be- ichädigten Stellen jind oft mehrere Duadratruten groß. Auch der naturwifjenjchaftlich vor- züglich gebildete Lehrer Miüller-Schönebed, der die Zahnjpuren vom Hafen, Reh, Biber ganz genau unterjcheiden fann, hat die Biberzähne ebenjo wie ich unzmweifelhaft feitgeitellt. Sch habe jebt wieder eine ganz frijch benagte Runfelrübe an der Alten Elbe gefunden, in welcher die Biberzähne ungefähr je lem breit jo frisch und deutlich wie in Marmor oder Gips zu jehen find, jo da jeder Zweifel ausgejchlojjen it.” Wie e3 landjchaftlich „Zum Neich des Bibers”, an der Elbe und Mulde, zwiichen Warten- burg bei Wittenberg und Magdeburg, ausjieht, hat der Berliner Landesgeolog E. Meyer jehr anfchaulich gejchildert („Naturwilj. Wochenjchr.”, 1907). „Der größte Teil diejes Ge- bietes ijt anhaltinijch, und das Ausdauern des Biber dürfte großenteils mit dem Schuße sufammenbängen, den er hauptjächlich in den Bezirken genießt, die herzoglicher Privatbejit find.” Das ift gewiß richtig und verjtärkt das Dankbarfeitsgefühl aller Tier- und Naturfreunde dem andaltinischen Herzogshaufe gegenüber! Diederich-Dejjau jchildert („Wi und Hund“, 1903) eine „Waldvermüftung, wie jie fürzlich in dem am finfen Elbufer gelegenen Forjtrevier Vödderig bei Afen, dem Jagdgebiet des deutjchen Kronprinzen, jtattgefunden hat. In dem genannten Revier haben die Biber Ende September und Anfang Dftober diejes Jahres auf einer Bodenfläche von etiva Sm im Geviert nicht weniger als neun Bappeln zu Falle gebracht. Die ftärkjte Der abgejchnittenen Bappeln mißt an der Schnittjtelle 30 em im Durchmejjer, die übrigen Stämme jind zivischen 15 und 20 cm Stark... Die ausaejprochene Abjicht, Die Bäume möglichjt nahe nach jeinem Bau oder dem Wafjer hin zu werfen, Fan man dem Biber wohl faum unterjchteben; auch der vorliegende Fall jpricht nicht für eine jolhe Annahme. Nach Anficht des Förfters Michaelis in Stühren bei Ködderig tt die angerichtete Verwüjtung vermutlich das Werf eines einzigen Biberpaares, und man fann jchon an der Leitung diejes Biberpaares ermejjen, welch ungeheueren Schaden die Biber einft in den Wäldern angerichtet Haben müjjen, als jte noch in großen Stolonien die Gewäljer bevölferten: haben fie doch in Nordamerika in den Waldungen große Lichtungen, die jogenannten Biberwiejen, gejchaffen!" Aus den Stronen der nach dem Deich zu gefallenen Bäume haben die Biber einen großen Teil der Zweige entfernt. Dabei jchneiden fie felbit Aite von 3 em Dice mit einigen Bifjen glatt durch. Der Kegeljchnitt wird nur bei ftärferen Hölzern angewendet. Die abgejchnittenen Aite haben die Biber, wie man an der fcharf ausgeprägten Fährte im Graje deutlich erfennt, nach einem jenjeitS des Deich gelegenen Teiche gejchleppt, an dejjen Ufer fie ihren Bau haben. Dei Bejchreibung der Biberbauten hebt Friedrich vor allem gebührend den großen Unterjchied hervor, der ziwijchen den heutigen Wohnungen der legten Biberfamilien an der Elbe und den früheren altweltlichen oder jeßigen amerifanijchen Biberfolonien bejteht. „Am Ufer und in den Buhnen des Elbjtromes und feiner Zuflüffe, namentlich gern an den durch die Stromrequlierung abgejchnittenen alten Wajjerläufen oder an den die Elbauforften Ducchziehenden Bächen, ferner auch an Seen und Teichen, legt jich unjer Biber an hohen, der Überfchwemmungsgefaht weniger ausgejesten Stellen einen einfachen Nöhrenbau an.” „„tündet ‚das Gejchleife‘, wie man die Zugangsröhre nennt, unter Wajjer, jo verrät gewöhn- ic) nichts das Vorhandenfein eines Baues. Bei niedrigem Wafjerftande, wie ihn z.B. die Biber: Nahrung (Runfelrübe, Baumfällen). Bauten (Ufer, Reifigvorbauten). 435 Trodenheit des lebten Jahres (18%) im Gefolge hatte, fiegen vielfach die jonft unter Wajjer mindenden Röhren frei; invejjen ijt auch bei normalem Wajjeritande im ruhig gelegenen Gegenden nicht felten zu beobachten, daß die Biber offen (über dem Wafjerjpiegel) mündende Röhren zu ihrem Aus- und Einftiege zu benußen pflegen... Daß aber bei diejen Bauen neben dem gewöhnlich benußten, offenen (zutage Tiegenden) Eingange noch bejondere Fluchtröhren unter dem Wajjerjpiegel münden, zeigte jich, als eines Tages ein Dachshund unaufgefordert jolchen Bau repidierte. Kaum hatte er Hals gegeben, als auch Schon Wellen umd aufjteigende Luftblajfen die glücklich bewerfitelfigte Flucht des Bibers anfündeten. In diefem Jahre (1894) ijt der Waljeritand an den erwähnten Bauen jo weit gejunfen, daß man dieje Fluchtröhren, die zu drei und vier in verjchtedener Höhe Tiegen, deutlich jehen fann. Sleichzeitig aber zeigte jich dabei, daß neben diejen Hauptbauen auf einer Strede von etiva 3 km nicht weniger als 12—15 Heinere Baue, die gewiß nur zu gelegentlichem Unterjchlupf dienen, vorhanden waren.” Wejen und Wirkung der unteren Fluchtröhren wurde auch ganz unzmweideutig vor Augen geführt, al3 Hed einen vom verjtorbenen Herzog von Anhalt dem Berliner Garten als Gejchenf überwiejenen Biber im Revier Luifium nahe bei Dejjau jelbit einfangen und heimbringen wollte. Troßdem er den Hamen des Nebes zwijchen Bau und Wafjer mit aller Straft tief in das lodere Ufer jtieß, ging der vom Tedel ge- Iprengte Biber mit Dumpfenm Gepolter drunter Durch und lag nachher, wie zum Hohne, ganz platt und ruhig draußen im Strome. Weiter jchildert Friedrich die eigentümlichen jchroimmenden Reijigvorbauten, die er, tie den Uferbau felber, zunächjt al3 Anpafjung des Bibers an jeine heutigen Yebensumftände erklärt. „Sn Gegenden, die durch Schiffahrt oder jonitigen Verkehr beunruhigt werden, ge- hören offen mündende Baue zu den Seltenheiten; die Röhren münden fait immer unter Wajjer. Sinft hier der Wafjerjpiegel, jo daß der Zugang des Baues frei wird, jo ziehen die Biber entweder aus, oder jie verdeden die freigewwordenen Röhren durch einen Vorbau aus ineinandergeflochtenem Neijig, dejjen vorderes Ende auf dem Wafjer chroimmt und ihnen jo ein unbemerftes Entweichen in ihr eigentliches Element geitattet.” Später („St. Hubertus“, 1907) fam Friedrich dann Durch weitere Beobachtungen zu der Auffaljung, daß dieje Neijig- vorbauten wejentlich Futtervorräte für den Winter ind, namentlich für Zeiten jtrengen Frojtes, too der Biber jeinen Bau gar nicht verläßt, weil er durch die jtarfe Eisdece jeines anjtoßenden Wohngemwäfjers von der Außenwelt vollitändig abgejchlofjen ift. „Wenn der falte Wind die legten jchon loder jißenden Blätter von Bäumen und Sträuchern hHinwegfegt, dann beginnt im Ufergebüfch unjerer Flüfje und Seen um den Biberbau herum und in der Nähe ein leb- haftes nächtliches Treiben. Schon mit einbrechender Dämmerung jteigen die Biber an Land, und mit geradezu fieberhafter Tätigkeit werden Bäume und Strauchwerf gejchnitten. Breit ausgetretene Wechjel entjtehen im dichten Weidengebüfch, und deutlich zeigen die im Sande Durch das Schleppen der Zweige verurjachten Spuren, daß das gefällte Holz ins Waljer ge- bracht und jortgejchleppt worden it. Und richtig, dort im stillen Wafjer einer rechtwinkelig zur Stromrichtung vorjpringenden Buhne jehen wir es angehäuft; eine jchwimmende, dichte Dede aus den gefällten, zirka jechsjährigen Weiden des Uferbeitandes reicht etwa 8m in den Elbjtrom — mir befinden uns etwa 1 km oberhalb der Dejjau-NRoflauer Brüde — hinaus und jchaufelt, von den Wellen eines gerade vorüberfahrenden Schleppdampfers beivegt, auf und ab. Und beim Nähertreten gewahren twir einen bisher vom dichten Gebüjch verdeckt ge- wejenen großen Neijighaufen in Form eines Heujchobers, der mit der jchioimmenden Reijig- dede in ununterbrochenem Zujammenhange jteht: eine Biberhütte oder, wer es lieber vornehm 28* 436 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. nennen will, eine Biberburg (Landburg). Bis zu der etiva 21, m über den Wajjerjpiegel reichenden Suppel ijt das frische, zum Teil noch beblätterte Holz hinaufgejchleppt, ftellenmweije auch mit Schlamm verdichtet und von hier aus in unregelmäßiger Schichtung über das ihlammige und jandige Ufer hinweg in den Strom hinausgebaut. Einzelne fingerdide Stücfe jind, wie andere längs des Ufers verjtreute Zweige, bereits abgejchält,.... die weitaus größte Maije des frifchen Holzes aber ift unberührt.” Dieje Borbauten entjtehen „nur beim Beginn des Winters”, dagegen hat Friedrich „in trodenen Sommern monatelang die Röhren frei münden, die Biber ungentert heraus- und Hineinjchliefen jehen, ohne daß jie nur den Verjuch gemacht hätten, ein Neijigdecdiwerf anzulegen. Der Zived des aufgejpeicherten Holzes ijt eben ein anderer: e8 it Broviant fürden Winter. m Snneren feiner Höhle fann der Biber die Vor- räte nicht aufjtapeln, ... fie nehmen zu viel Blab weg; darum baut er jie vor dem Ausgange auf.” Was davon im nächjten Sommer noch übrig ift, mag dann auch eine ganz angenehme Dedung des Eingangs bilden. „Yom Ufer jchräg nach oben führend, geht die Röhre in mehr oder tpeniger gewundenem Laufe (daher wohl ‚Bejchleife‘) einige Meter landeinmwärts und endet meilt Dicht unter der Najendede in einer gewölbten Erweiterung, dem ‚Kejjel‘, dejien mit Gras, Moos und Schilf ausgefütterter Boden nicht felten die Überbleibjel feiner Mahl zeit, gejchälte Holzjtücde und Späne, aufweilt.” m Berliner Garten haben die Biber auf dieje Weife einen mindejtens 30 cm hohen Fußbodenbelag ihres Grottenftalles Hergeitellt. Eigentliche Wafjerburgen, die neben den Dämmen den Biber als Wafjerbaumeifter jo berühmt gemacht haben, führt er Heute im Elbgebiete gar nicht mehr auf, nur noch eine Art „alfche” Burgen, die man Landburgen nennen fünnte. Friedrich erklärt ihre Entitehung folgendermaßen: „Die notwendige Luftzufuhr bei jolchen Bauen, deren Eingang Dur) Wajjer verjchlojjen tit, Fan nicht anders als durch die über dem Stejjel liegende, meijt nur dünne Rajendede erfolgen. Zumeilen findet man indejjen einen vom Sejjel nach der Erd- oberfläche ziehenden und etiva in der Größe einer Fauft mündenden Kanal, der jich nament- lich im Winter durch das Schmelzen des darüberliegenden Schnees bemerflich macht. Ob diejer Luftjchlot abjichtlich angelegt wird oder, was wahrjcheinlicher ift, durch Einbruch der Najendede zufällig entjteht, lajje ich Dahingejtellt; jedenfalls aber jucht der Biber, jobald die Dffnung über dem Kefjel zu groß wird, diejelbe jofort zu fchließen. Rnüppel und Keifig werden herbeigejchafft und über der Bruchitelle zu einem Haufen zufammengejchichtet, jo daß er nach einigen Wochen zu einer Höhe von 2—3 m anwächlt. Wird im Herbite diejer fünftliche Holzitoß durch Schilf und Schlamm gedichtet, jo it damit ein meilerfürmiges Baus werk gejchaffen... Näumt man den Holzbau fort, jo fommt man ... zum Sejjel, der durch eine oder mehrere Nöhren mit dem Wafjer in Verbindung jteht.” „Xteben den (Land) Burgen errichten die Biber gelegentlich noch eine zweite Art von allerdings nur zeittweije bewohnten Holzbauten.” Friedrich bejchreibt einen jolchen al3 „NReljigbau, der in Gejtalt einer großen Hundehütte im Gegenjabe zu den ‚Burgen‘ einen offenen Ausgang nad) vem Lande hatte”, und erklärt ihn mit Recht für „einen Notbau, dejjen Eingang zur Zeit feines Bewohntjeins vom Wajjer bejpült war... Vertreibt das Hochtwajjer den Biber aus jeiner (eigentlichen) Wohnung, jo jucht er in der Nähe gelegenes, nicht über- chwenmtes Land zu erreichen, macht von hier zur Herbeifchaffung von Nahrung Erfur- jionen und, fall3 der Landungsplag Dedung in ausreichender Weife nicht bietet, Häuft er sinüppel und Reifig zu einer Hütte zufammen, die ihm Schiem und Schuß gewährt, bis er jenen Bau wieder beziehen Fann.“ AB „die interefjantejten Baumwerfe der Biber, deren Herftellung am meijten an Biber: Bauten (Landburg, Wafjerburg, Notbau, Damm). Deichichaden. Nachtleben. Zumwafjergehen. 437 menfchliche Sntelligenz erinnert”, bezeichnet Friedrich die Dammbauten und hebt zugleich die wenig befannte Tatjache hervor, „daß diejelben auch in unferem Efbgebiete häufig genug noch jeßt vorkommen”. Seit 1890 ift e8 Friedrich „gelungen, an verjchiedenen, ziemlich weit von= einander getrennten Punkten unferes Bibergebietes Dammbauten zu ermitteln... Al im November 1891 die Elbe einen außerordentlich niedrigen Wajjerjtand Hatte, führte der jonft quellenreiche See dem Graben nur geringe Wafjermengen zu, jo daß vielfach die Röhren der Biberbaue fichtbar wurden und den Bewohnern die Möglichkeit freier Schwimmbemwegung bei ihren nächtlichen Streifzügen benommen war. Da machte eines Tages ein Foritbeamter die auffallende Entdedung, daß das Wafjer im ‚Bruchgraben‘ ohne jede Neigung zum Abfluß bedeutend geftiegen war. Die Urjache der Stauung war bald entdedt: unterhalb der er- wähnten Biberbaue, wo der Teich jich wieder zum Graben verengt, war an einer bejonders jchmalen Stelle querdutch ein 1,5 m hoher, etiva 3 m breiter Damm gezogen, fejt genug, um dem Drucde des fait bis zum Rande gejtauten Wajjers ftandzuhalten. Daß hier das Werk von Bibern vorlag, war unschwer zu erkennen; denn das grobe Baumaterial des Dammes, welches aus ca. 1m langen und 10—15 cm ftarfen Knüppeln bejtand, zeigte deutlich die Spuren jeiner Hauer, und eine vom Holze herfommende Schleppe führte nach dem Plate, dem das Material entnommen war. Geitwärts feit in das Ufer eingeflemmt, waren die ltarfen Hölzer mit feinerem Material, namentlich mit Hafelreifig, gedeckt und fchließlich mit Ichlammigen Rajenftüden bis obenhin derartig verdichtet, daß das Ganze undurchdringlich für Wajjer und fo feit geworden war, daß man ungefährdet darüber hingehen fonnte. Die der Strömung zugefehrte Seite de3 Dammes war vom Bachgrunde aus jenkrecht Hoch- gebaut, während die abgemmendete infolge der nach oben zu abnehmenden Stärke eine jchräge Böfchung, wie bei einem fteil angelegten Wehre, aufwies. Das Bauwerk war, noch bevor ich Gelegenheit zu feiner Bejichtigung gehabt hatte, von Waldarbeitern zerjtört, aber jofort von den Bibern in der gejchilderten Weije wiederhergeitellt worden. Erjt das Frühjahrs- twajjer der Elbe war imftande, den Damım zu bejeitigen; Spuren davon find aber noch Heute, nach beinahe zwei Jahren, am Grunde des Baches Jichtbar.” Gelbitverjtändlich muß man dem Biber unbedingt entgegentreten, jobald er durch feine Dämme oder auf andere Weile Menjchen und Menfchenwerfe gefährdet. „Wenn jich Biber in Elbdeichen Häuslich niederlafjen“, jagt Friedrich jelbit, „jo ft das auf feinen Fall zu dulden. Denn wenn fchon Kaninchenbaue, fogar Mauslöcher bei Hochwajjer zu Wallbrüchen geführt haben, jo muß der weit größere Biberbau dieje Gefahr erjt recht herbeiführen. &3 läßt jich nun: freilich der Biber ausderartig gefährdeten Gegenden leicht vertreiben”, und zwar mit weniger radikalen Mitteln alS durch einfachen Abjchuß, mit dem man jedesmal wieder einige der wenigen-lebenden Naturdenfmäler vernichtet, die wir in Deutjchland heute noch haben. Auch Friedrich läßt das tägliche oder vielmehr nächtliche Yeben des Bibers exit nach Sonnenuntergang beginnen: „... an den mit offen mündenden Röhren verjehenen Bauen ericheint er zu diejer Zeit am Ausgange, um zunächit (fichernd) Umfchau zu halten und dann plöglich fait geräufchlos in das ihm befreundete Element zu tauchen”. Diejes tatjächlich ojt unhörbare Verjchwinden des großen, jchweren Tierförpers unterm Wajjerjpiegel jebt anfangs in gerechtes Erjtaunen, erklärt fich aber daraus, daß der Biber ganz jpit Kopf vor und zuerjt falt jenfrecht in die Tiefe gleitet, nicht aber mit dem Bauche jich platt und Eatjchend aufs Wafjer wirft, wie dies wajjerfremde Tiere tun, die mit dem Kopfe nicht gern untertauchen. Der Biber verjchwindet, wenn er zu Wafjer geht, zunächit immer vollfommen unter der Oberfläche und geht im jeichten Beden des Zoologijchen Gartens bis auf den Grund. 438 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Biberartige. Nieder aufgetaucht, jichert er dann abermals in jehr charafteriftiicher Art und Weije. „Die obere Kopfhälfte über Wajjer, macht er halt, dreht jich, anfcheinend, um nochmals zu jichern, mit leichter Mühe auf dem Flede herum, und die Borderläufe gerade nach vorn gejtreckt und dem Halje angelegt, zieht er, eine mehr und mehr fich ausbreitende Furche Hinterlajjend, geräufchlos dahin. Der geringfte verdächtige Laut läßt ihn aber mit laut Hlatjchendem Ktelfen- ichlage unter dem Wafferjpiegel verjchtoinden.” Dasjelbe.taten im Berliner Garten anfangs die noch nicht eingewöhnten Biber, wenn der im Schein einer benachbarten Bogenlampe jtehende Beobachter eine Bewegung machte. Diejem jpristen dann die Wajjertropfen aus dem vertiejt liegenden Beden übers Gitter bis ing Gejicht. Auf dem Lande macht der Biber zunächit einen geradezu Eläglichen Eindrud von Unbeholfenheit. Die furzen VBorder- und die mächtigen Hinterglieder wollen gar nicht jo recht zufammenarbeiten: wadelnd und watjchelnd bewegt er jich langjam dahin. „Schwerfällig it jchon jein Ausjtieg aus dem Wajjer, jchlep- pend und Scheinbar mühjan jein Gang, geradezu ungejchiet aber jein offenbar mit Aufwand aller Muskelkraft ausgeführter Galopp, wenn er, gejtört und erjchrect, dem Wafjer zueilt... Mit dem anbrechenden Tage fehrt er in jeinen Bau zurüc”; Friedrich traf „ihn jedoch auch am Tage außerhalb des Baues jchlafend an“, und zwar im April an einem abgelegenen und ruhigen Teile des Muldeufers. „Ir einer fejjelartigen Höhlung des Ufers, von einem Weiden- jtrauche halb gededt, lag er nach Hundeart zufammengekfrümmt, den auf der Stelle ruhenden Kopf dem Waller zugefehrt. Sein Schlaf jchten nicht allzu feit zu jein; denn als ihn Der Wind einige Male in den Pelz fuhr, daß die langen Grannen auseinanderjtoben, jchob er unmillig den Kopf auf der Stelle Hin und her, und ein leijes Sinurren drang zmwijchen jeinen Schneidezähnen” hervor. „Auch an anderen Stellen des Ufers fand ich gerade zu diejer Zeit im hohen, dichten Graje verjchtedene, ganz offenbar von Bibern herrührende Lagerpläße, und da anderwärts im Elbgebiet diejelben Beobachtungen gemacht worden find, jo vermute ich, daß Ddieje zeitiweile einzeln im Freien jich aufhaltenden Biber alte Männchen find, die während der Säugezeit der Jungen aus den Bauen vertrieben werden.” Amerikanische Be- obachtungen bejtätigen dieje Annahme. Aber auch Biberweibchen mit Jungen beziehen mitunter jolch offenes oder halb offenes Lager; Behr-Cöthen Hat das im Juni 1908 beim Amtsrat Elsner am Taubengraben der Elb-Saale-Niederung beobachtet. „Eine jtarfe Bibermutter mit vier Jungen liegt am jenjeitigen Grabenufer unter Weidengejtrüpp, Rohr und jchilfartigem Gras in einer Erdhöhle. Die Jungen erflettern den Nücfen der Alten, purzeln wieder herunter, und ein leijes Fauchen läßt fich hören. Auch die Alte wälzt jich öfters, Durch unzählige Flieger gepeinigt, herum.” Leben und Treiben des Bibers aus nächiter Nähe jchildert noch Stäjebter jehr anjchaulich und anziehend aus dem Ni5 oder Schwarzen Wajjer der Oberfürjterei Wörlig in- Anhalt, dejjen „hochbordige Ufer und urwaldähnlihe Wildnis wie ausgejucht jind, den Bibern als Unterjchlupf zu dienen... Der Biber ... ruderte nun auf eine von ung feine 30 Schritt ent- jernte Stelle zu, wo die gelbe Wajjerroje mit ihren Blättern eine große Fläche des jeichten Wajjers bedecdte. Hier angelangt, tauchte er in die Tiefe, hierbei jeine Stelle gleich einem Signalarm gen Himmel jtredend, und verjchwand für längere Zeit von der Oberfläche, hinter jich einen Weg von Luftblajen lafjend und jo genau die Stelle angebend, an der er jich befand. Als er wieder erjchten, hatte er um Kopf und Hals, einer fagenhaften Seejungfer gleich, Blätter, Blüten und Wurzeliverf der Nymphäe geichlungen und begab fich nach einer jlachen Schlammbanf, um fich dort zu äfen. Er nahm die wohl meterlange und fast armitarfe Wurzel der Wafferrofe, bei uns Kupe genannt, her und fing an, fie, wie wir hierzulande Biber: Verhalten im Wajjer. Bewegung an Land. Offene Uferlager. Ajung im Wafjer. Winterleben. 439 jagen, zu ‚jchroten‘, d. h. Hein zu nagen; dabei fonnte man bejtändig das jchnurpfende Ge- väusch deutlich Hören. Gelegentlich fonnte man auch ein wohlgefälliges Schnalgen, dem des Schweines ähnlich, aufs genauejte vernehmen. ber nicht nur die Wurzeln, auch die Blätter nahm er an, immer in der Haltung aller Nager, auf den Hinterlatichen jigend und die Nah- rung mit den Vorderläufen haltend.” Uuch zwei junge, diesjährige Biber fonnte Käfebier bei derjelben Gelegenheit beobachten. „Es war ergößlich, Höchit drollig und interefjant zu beobachten, wie beide jcherzend und jpielend ihr Wejen mit herabgefallenen Blättern und Neijern trieben. Schließlich jteuerten auch jie auf die Kupen zu, um fich dort zu äfen.“ Den Winter überdauert der Biber ohne Winterjchlaf, ja ohne irgendwelche Herab- jtimmung feiner Yebenstätigfeit. Dies geht, nach Friedrich, „Daraus hervor, daß der auf die Hütten fallende Schnee jehr leicht jchmilzt: in den unabjehbaren Schneefeldern Nordamerikas erfennen die Trapper die jchneelojen Erhöhungen als Biberhütten, und zwar als bewohnte. Die Borojität der Stuppel, die auch dem Atmungsbedürfnis der Beivohner genügt, läßt die Wärme ausitrahlen und bringt den Schnee zum Schmelzen. Lägen die Biber in fejten Winterichlafe, danır wäre eine derartige Wärmeentwidelung nach Analogie der echten Winterjchläfer ausgejchlojjen. Der Biber hält feinen Winterjchlaf. Die erjte Eisdedfe, die jich vor jeinem Bau bildet, finden wir meijtens zertrümmert. Wird aber die Eisjchicht zu itark, jo ergibt er jich in fein Schidjal. Ruhig liegt er in feiner Sammer; nur wenn der Hunger ıhn treibt, geht er unter das Eis, um von den untergetauchten Weidenvorräten ein Stüc nach dem anderen in den Bau zu ziehen und zu äjen, ... jobald durch die wärmer werdenden Strahlen der Frühjahrsjonne das Eis mürbe geworden it, Durchbricht er es. Am Strome überwinternde Biber befreit gewöhnlich jchon vorher der Drud des durch die Schneejchmelze jteigenden Wafjers. Durch das in die Hütte dringende Wajjer gezwungen, verläßt der Biber alsbald jein Lager, taucht in den Strom und jchroimmt, mit der rajenden Flut und den jich dDrängenden und überjtürzenden Schollen fänpfend, um einen jicheren Plat an wajjerfreter Uferjtelle zu juchen. Freilich erreicht dabei mancher die rettende Kopf- iweide oder den am nunmehr überjluteten Wiejenrande zur Uferbefeitigung angejahrenen Neilighaufen nicht. Was, infolge langer Wintersnot jchwach und matt, ins Treibeis gerät, geht unfehlbar zugrunde — bei einem im Hochtwaljer der Mulde 1895 umgefommenen Biber waren die Schädelfnochen wie in einem Mörjer zu Brei zermalmt —, und die nach Berlauf der Flut im Ufergebiüfch hängenden Kadaver beiweifen, daß der Übergang zum Frühling des Bibers böjejte Zeit ift. Wiederholt Hat man auch auf Schollen talwärts treibende Biber beobachtet, die dann gewöhnlich meilenweit unterhalb Magdeburg allzu eifrigen Yägern zur Beute fielen. Jr den Jahren 1842, 1845 und 1876, die jtch Durch Harte Winter und bejonders anhaltende und große Hochtwajjer auszeichneten, trat nach dv. Mederind3 Berichten eine ganz bedeutende Verminderung unjeres Biberbejtandes ein, und im Laufe des lebten Jahrzehntes des vorigen (19.) Jahrhunderts büßte die königliche Oberfürjterei Grüneivalde bei Schönebed den größten Teil ihrer Biber ein. Während jo die Schwächlinge zugrunde gehen, gelingt es den fräftigen und gefunden Bibern, fich zu retten. Alle nur möglichen wajjerfreien Punkte ind ihnen recht: auf den Elbdeichen, auf NReijighaufen und Kopfweiden faljen je Fuß. Wiederholt beobachtete ich im Forjtrevier Luifium bei Dejjau einen Biber, der während des Hochwajjers in einer hohlen Eiche jaß, während ein anderer in Gejellichaft eines Dachjes, eines Fuchjes und mehrerer Nehe von den unmeit der Muldemündung fiegenden Walltejten der Walderjeeburg Bejit ergriffen hatte. Sp bedauerlich num auch bei dem jpärlichen Reit beitande unjerer Biber der Verlust jedes einzelnen Eremplares ijt”, jo jcheint Friedrich „der 440 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. durch die natürlichen Verhältnifje entjtehende Abgang fein jo großes Unglüd”. „Bei den Bibern liegt die Gefahr der Degeneration noch ganz bejonders nahe, weil es jich nur noch um Reftbeftände handelt... Trogdem ift von einer Degeneration bis jegt nichts zu merken: unfere Biber ftehen an Stärfe und Gewicht feineswegs hinter den Fanadijchen zurüd. Die Erklärung hierfür farın nur darin gefunden werden, daß nur gejunde und Fräftige Eremplare zur Fortpflanzung fommen, Schwächlinge aber im Winter und Frühjahr eingehen. Die in der Inzucht beftehende Gefahr wird aber dadurch auf das geringjte Mab herabgemindert.“ Aus „Wintersnot” erklärt fich wohl auch das „auffällige Benehmen“ der Biber, das Frei- herr v.N. („Wild und Hund“, 1908) [hildert. „Am 30. Dezember vorigen Jahres ereignete jich bei einer Drücjagd auf Rotwild im Schußbezirt Kühren der Oberförfterei Lödderig ein überaus feltener Vorfall. Aus einem Weidendidicht Fam ein ftarfer Biber auf einen chauffierten Holzabfuhrweg herausgemwechjelt. Untveit davon war einer der Schüßen auf- geftelft, der eine junge Dachshündin bei fich führte; diejer ging, Da das Treiben inzmwilchen beendigt twar, mit feiner Hündin am Riemen auf den Biber loS, der nun nicht flüchtig wurde, fondern ftehen blieb, fich gegen den Hund ummendete, aber von dem Schügen berühren und streicheln fieß. ALS ich nach furzer Zeit Hinzufam, umftanden jchon mehrere Schüßen, dar- unter der Major 3. D. dv. Bünau-Bernburg, den Biber, ein recht ftarfes Eremplar, und bejahen ihn fich, während die Hündin ab und zu Laut gab. Inztoiichen jchien ihm Die Menfchenanfammlung doch Läftig zu werden und er wechjelte langjam in die Weiden zurüd. Dabei folgte ich ihm etwas und drüdte mit der Spige meines Stode3 auf die nachjchleppende Kelle; dies fchien ihm nicht angenehm zu fein, denn er wendete jich zähnefletjchend nach mir um. Danır watjchelte er mit feiner bisherigen Langjamfeit weiter und verjchtvand bald im Dikicht... Nım hat derfelde Beamte, der den Biber zuerft jah, der Forjtaufjeher Mahn- fopf, vorgeftern und gejtern am jpäten Abend, al3 er vom Anjtand auf Rotwild zurüd- fehrte, in jener Gegend auf dem Eije des großen Teufelloches, eines Waldjees von an= nähernd 0,9 ha Größe, einen Biber vergnügt Hin und her jpazieren jehen. Auch diejer ließ jich jedesmal von ihm angehen und ftreichelnd berühren. Auf der Eisfläche jind an ver- ichiedenen Stellen durch den Biber Löcher in das Ei3 gejchnitten.” Auch Franz Genthe hat fich mit Erfolg um weitere Einzelheiten über den Bejtand und die Naturgejchichte des Elbebibers bemüht und bezeichnet („Wild und Hund“, 1905) als „zioei bejonders intereffante Reviere... Die Revierförfterei Luifenthal beiMagdeburg und die nächite Umgebung von Deffau”. Aus Luifenthal erzählt er unter anderem: „Die Haufen Späne unter den ftärkiten Bäumen habe ich Ducchwühlt und als Unikum das Produkt eines einzigen Bijjes entdeckt, das (nach forgfältiger Mefjung) 1,25 cm in der Mitte did, 5,5 em breit und 11 cm lang war, tie vom Stellmacher mit dem Werkzeug herausgejchlagen. Frijch gefällte Eichen von 10-—15 em Durrchmefjer fand ich in größerer Zahl; auf einer Fläche von 5 m im Geviert lagen wohl 10—12 Stämmen, fäntlich der oberjten Ziveige beraubt... Hier zeigt jich meine3 Erachtens deutlich, daß der Biber in Ermangelung von Weiden fich völlig an Eichen hält — oder austwandert. An Nadelhölzer ijt er nac) Aevierförter Fiderts Anficht bis jeßt noch nicht gegangen... Sn den Privatrevieren wird der Biber gefangen und ge- Ihojjen, wo e3 nur möglich ift. Jedes Verlafjen der fisfalichen Reviere ift gleichbedeutend mit Vernichtung. Eine Zunahme ift ganz ausgejchlofjfen, felbft bei normaler Vermehrung.“ Auch aus den beiden anderen hervorragendften preußiichen Biberrevieren bringt Genthe Berichte der zuftändigen Forftbeamten. Oberförjter Binner-Grünemalde jchreibt unter an= derem: „Die Fifcher tun den Bibern am meiften Abbruch, abjichtlich und unabfichtlich Durch Biber: Natürliche Zuchtwahl. Vertrautheit. Verminderung. Fortpflanzung. Zucht. 441 gelegentliches Fangen indenKeufen.” Foritmeifterd. Nordenflgcht-Lödderig berichtet: „Ober- Halb AUfen, wo alte Flußbetten fehlen, tft ver Biber jeit S—10 Sahren (1887— 3) gänzlich verichwunden. Fälle von Bejchädigungen der Deiche jind mir nicht befannt geworden, ob- wohl ich 12 km Deiche habe.” „Cine allgemeine Abnahme im ganzen Elbgebiet” it auch nach Genthes Erfundigungen „unverkennbar... Si der Wurde hat augenjcheinlich eine Ver- mebhrung ftattgefunden; auch Haben jich die Tiere in legter Zeit mehrfach in Heineren Neben- flüfjen der Elbe und im Stromgebiet liegenden Altwäjjern, wo jie vorher unbekannt waren, gezeigt. Dafür Haben jte ji) aber aus der Stromelbe zurüdgezogen.” Nach Baurat Bauer- Magdeburg fann übrigens doch „ver Biber den zum Schuße ausgedehnter Kiederungen her- gejtellten Deichen böje mitjpielen. Sit bei Hochivaljer das ganze Stromgebiet überjchwenmt, dann bleibt ihm nichts übrig, als jich an Die Deiche zu retten, wo er mit unglaublicher Schnellig- feit an der äußeren Böjchung einen ‚Bau‘ ausführt. Steigt der Strom höher, jo fommt die Mündung diejer Röhre unter Wafjer,. jo daß jte von den Deichwachen leicht ütberjehen wird, während der Biber feinen Gang fchräg nach oben weiterführt, um troden zu figen. Nimmt er hierbei jeine Richtung quer durch den Deich und gräbt bis an die Binnenböfchung, jo hat er durch denjelben ein fußiweites Loch gejchaffen, Durch welches das Wafjer bei weiterem Wachjen mit großer Gewalt in die Niederung ftrömt, und wenn die Einlaufitelle unter Wafler nicht jehr bald gefunden und verjtopft wird, fo ift ein Bruch des Dammes unabiwendbar. Sm lebten Jahrzehnt jind hier zwei Fälle (bei Magdeburg und bei Wittenberg) feitgeitellt, io nur durch bejonders glücliche Umftände der Deich vor einem Bruch infolge von Biber- gängen gerettet wurde; feitdem achtet man mehr al3 früher auf diejen Umstand, dem mancher unaufgeklärte Deichbruch früherer Jahre zuzujchreiben fein möchte, und duldet die Biberburgen in unmittelbarer Nähe der Deiche nicht mehr.“ Se nach dem Wohnorte des Bibers fällt die Paarung in verjchtedene Monate. Einige jeen jte in den Anfang des Winters, andere in den Februar oder März. Friedrich gibt für den Elbebiber Februar an. Bei diejer Gelegenheit joll das Geil zur Geltung fonımen und dazu dienen, andere Biber anzuloden. Audubon erfuhr von einem Säger, daß ein Biber jeine Geiljäde an einem bejtimmten Orte entleere, daß hierdurch ein zweiter Herbeigeloct werde, der Das abgejette Geil mit Erde überdede und auf diefe wieder das jeinige ablege und jo fort, jo daß ojt Hohe, ftark nach Geil riechende Hügel gebildet würden. Männchen und Weibchen benehmen jich, wie man dies an gefangenen wiederholt beobachtete, jehr zärt- lich, jeßen jich nebeneinander Hin, umarmen fich buchjtäblich und wiegen fich dann mit dem DOberleibe Hin und her. Die Begattung gejchieht, nad) Cymouth, der al3 Borjteher der fürjt- lich Schwarzenbergijchen Kanzlei die von jeinem Gebieter im Rothenhof jahrelang gehaltenen Biber beobachten fonnte, in aufrechter Stellung, indem das Männchen jein Weibchen in angegebener Weije umschlingt, wird aber auch öfters im Wajfjer vollzogen. Nach jechz- wöchentlicher Tragzeit wirst das Weibchen in feinem trodenen Baue zwei bis drei behaarte, aber noch blinde Junge; nach) acht Tagen öffnen dieje die Augenlider, und die Mutter führt nunmehr jchon, bisweilen aber auch exit am 10. Tage, ihre Nachlömmlinge mit fich ins Wajjer. Eymouth gibt al3 Sebzeit April und Mai an; der jpätejte Wurf fand am 10. Juli jtatt. ©chon im September kämpften im Rothenhof gezüchtete Junge nicht jelten mit den Alten und mußten paarweije abgejondert werden; nur ausnahmsweije Durjte man die Sungen bis zum zweiten Jahre bei ihren Eltern lajjen. Dies gibt einen Fingerzeig, wie die regelmäßige Auswanderung der Jungbiber im Freileben zujtande fommt. Außer dem Fürjten Schwarzenberg befaßte jich in der Neuzeit niemand mit der 442 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. Biberzucht, obwohl dieje feine bejonderen Schwierigfeiten verurjacht. Ein Biberpaar, das im Jahre 1773 im Nothenhof angejiedelt worden war, hatte jich jchon 6 Jahre jpäter bis auf 14 und 10 Jahre jpäter bis auf 25 vermehrt. Ir Nymphenburg bei München hielt man ebenfalls Biber und erfuhr, daß einzelne von diejen 50 Jahre in Gefangenschaft ausdauerten. Im Boologiichen Garten zu Hamburg hat es einer auf 17 Lebensjahre gebracht. Ktanadijche Biber Haben jich dort auch in den leßten Jahren wiederholt fortgepflangt. Der Leiter des Hamburger Gartens, der ältere Bolau, jchildert ihr Familienleben launig, wie folgt: „Seit einiger Zeit jind bei den Bibern Junge, drei Hübjche, lebhafte, zuweilen jogar jchon übermütige Burjchen.” Zwei erjchtenen, „jobald fie jehend geworden waren, im Eingange des Biberbaues, eilten ohne viel Bejinnen an den Nand des Wajjers und jtürzten jich, von der Mutter jorgjam überwacht, in die Fluten, Lange aber dauerte die Freude nicht; denn bald jahte die Jrau Mama den einen und trug ihn in den Bau zurücd und dann auch den anderen in der gleichen Abjicht ...; während jte jich mit dem zweiten bemüht, rüdt der exjte hinter ihrem Rüden wieder aus, und hat jie diejen wieder gefaßt, enttoijcht ihr der andere. Sofort aber wird er von neuem gepacdt und ins Haus veriviejen. Er jeßt jich diesmal aber zur Wehr, und e3 gelingt der gejtrengen Frau Mutter exit, ihn in die Stinderjtube zurüdzubringen, nachdent je ihn buchjtäblich auf die Arme genommen, den Jih Sträubenden vom Boden aufgehoben und hineingetragen hat. Fett herricht Nude ... und die Mama Fann jich nach Herzensluft im Wajjer ergehen und nach Nahrung juchen. Aber nicht lange, und die beiven Sprößlinge erjcheinen von neuem auf der Bildfläche, die3- mal begleitet von dem gejtrengen Kern Papa. Und während die Alten bald hier, bald da nach Nahrung ausjchauen ...., belujtigen jich die Stinder mit Tauch- und Schwimmfünften...“ So gut wie ganz jrei Hat man jeit 1898 („Wrometheus”, Nr. 455, nach „„Nature“) Biber im Walhingtoner Nationalpark angejiedelt. Dort „it eine Biberfolonie in einem von einem Slüßchen ducchjchnittenen Waldtal untergebracht, die jich völlig wohl fühlt und fich fchon an ven Bejuch ver Menjchen einigermaßen gewöhnt hat. Die Biber haben dort drei Dämme, deren einer 1,2 m Höhe hat, angelegt, ... aus Hölzern, die fie jelbft abnagten und itberein- anderjchichteten. Bei jedem Damm befinden jich mehrere Baue ...” Die Ausweijung eines Bibers aus diejer Stolonie Shildert A. Radelyffe Dugmore (‚The outlaw...“. „Ann. report board reg. Smithson. Inst.“, 30. Juni 1900, Wafhington 1901; nach Dahmz, „Über den Biber ujw.”). Die Kolonie war offenbar entjchlojjen, „ein altes Tier abzufchieben. Der Wärter fam gerade Hinzu, al3 es den Biljen feiner Genojjen beinahe erlegen war. 3 wurde in einen bejonderen, umfriedigten Raum gebracht und ging hier bald daran, jich am Ufer eine Höhle anzulegen.” So entjtehen aljo die Einzelgänger, die in Erdbauten unter dem Ufer leben; es jind alte — oder auch junge — Ausgeitoßene: eine durch die ganzen gejelligen Säugetiere durchgehende Erjcheinung. Außer den Menjchen hat der jrei lebende Biber wenig Feinde. Die nordamerifanijchen Zrapper behaupten, daß er da, too er in Menge wohnt, Wachen ausitellt, welche duch lautes Auffchlagen mit dem Schtwanze gegen die Oberfläche des Wafjers die übrigen von der heran- nahenden Gefahr benachrichtigen jollen. Dieje Angabe ift jo zu verjtehen, daß bei einer Sejelfichaft von vorjichtigen Tieren mehrere leichter einen Feind jehen al3 der einzelne, jomit aljo jedes Mitglied der Anjiedelung zum Wächter toird. Da das Hatjchende Geräufch nur erfolgt, wenn ein Biber jählings in die Tiefe taucht, und dies in der Negel dann gejchieht, wenn er eine Gefahr zu bemerken vermeint, achten allerdings alle auf das weit Hörbare Ge- räujic und verichwinden, jobald fie e3 vernehmen, von der Oberfläche des Wafjer2. Biber: Zucht. Feinde. Indianerglaube. Gejchichtliches und Statijtif (Elbe). 445 Bei den amerikanischen Wilden jteht der Biber in jehr hohem Anjehen. Sie jchreiben ihm fajt ebenjoviel Verjtand zu wie dem Menjchen und behaupten, daß das vorzügliche Tier unbedingt auch eine unfterbliche Seele Haben müjje, anderer Märchen nicht zu gedenfen. Die „in Amerika häufiger beobachtete Ummandlung von Biberfanälen in Bäche und die da- durch veranlagte Veränderung von Moorgrund in feiten Boden hat ihn in nähere Beziehung zu der Erjchaffung der Welt gebracht. Manitu, der große Geiit, beauftragte ihn mit der An= (age von Flüfjjen und Bächen, als jener ihm aus der Wafjermajje, die das All volfitändig bedecte, den Schlamm zur Bildung des fejten Zandes heraufgeholt hatte”. Neuerdings ift der Biber jozujagen zum lebenden Wappentier jeiner legten Freiitatt, des Herzogtums Anhalt, geworden dank der landesherrlichen, durch Friedrich wach erhaltenen Fürjorge, und der Funfbrunnen in Dejjau zeigt einen alten Germanen, der einen Biber mit fejtem Griffe im Öenid gepadt hat. Friedrich jchreibt in feinem treiflichen Werfchen nicht nur die Naturgejchichte jeiner Schüßlinge, der „Biber an der Elbe und Mulde”, jondern auch ihre Gejchichte, der er ein bejonderes Kapitel widmet. Aus gejchichtlicher Zeit fügt der findige Genthe „Das Jagd- regiiter des Kurfürjten Johann Georg I. von Sachjjen mit 347 Stüd” Hinzu, woraus zu erjehen, „wie zahlreich der Biber in den an die Elbe anjtoßenden jächjtichen Landen noch 1650 gemwejen jein muß”. Auch zu Beginn des 18. Jahrhunderts „müjjen die Biber im anbaltischen Gebiete ziemlich zahlreich gewejen jein; denn Fürjt Leopold (‚der alte Dejjauer‘) fonnte 1714 mit dem Landgrafen von Hejjen-Kajjel einen Taujchhandel abjchließen, daß er für jeden demjelben überjandten Biber einen (‚langen‘) Nefruten eintaujchte”. — „An- fangs der jiebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts erfuhren die Lebensverhältnijje des Elbe- bibers mit einem Schlage eine Veränderung durch die Anlegung des Elbumflutfanals von der Dornburger Grenze ab, oberhalb Bresien bis Biederiß eine Metle unterhalb und nördlich von Magdeburg. Dadurch wurde der größte Teil der früher jchiffbaren Alten Elbe, welche jich unterhalb Dornburg aus der Stromelbe abzmweigt und gegenüber dem Dorje Salbfe wieder in diejelbe ergießt, durch gänzliche Abjperrung oberhalb Preien in dem Stlojterforite Streuz- bhorit und noch mehrfach in der Mitte in ein totes, jtagnierendes, unterirdijch Durch Drud- wajjer von der Elbe her gejpeiites Gemwäljer verwandelt. Dieje etwa 2 Meilen lange, ichlangenartig gewundene, fupierte Strede der Alten Elbe ijt fait durchweg beiderjeits mit mehrere Meter hohen, jenfrecht jteilen und ftrauchbewachjenen, größtenteils von Aßeiden- werdern und ausgedehnten, dichten Laubwäldern begrenzten Ufern verjehen, wodurch den Bibern, nachdem der ihre Anfiedelung früher behindernde rege Schiffahrtsverfehr gänzlich aufgehört Hatte, ein Gelände geboten wurde, wie jie es jich geeigneter nicht wünjchen Fonı- ten... Binnen wenigen Jahren nach AUnlegung des Umflutkanals zogen jte jich nach diejem Eldorado Hin ..., und während die Gebiete zwijchen dem Hauptjtrom und der Alten Elbe... vor jener Zeit faum jemals ein Biberpaar aufzumweijen gehabt hatten, wurden je nad) der- jelben ein Hauptjiß der Biber, und zivar nicht bloß in dem eben bejchriebenen totgelegten Zeile der Alten Elbe, jondern auch in verjchiedenen Lachen und Wafjerläufen im Jnneren des Neviers. Und doch muß aller Borausjicht nach eine immer weitere Abnahme jtattfinden, da die Lebensbedingungen im Laufe der Jahre immer ungünftiger werden. Die an den Elbufern in jedem Jahre mweitergeführten Abpflajterungen, der immer reger werdende Schiffsverkehr, die jortgejeßte Ummandlung der unergiebigen Elbwerder in ertragsjähigere Wiejen — alles trägt dazu bei, den Bibern das Dafein zu erjchweren.” Die neuejte Elbebiber- itatijtif liefert Amtmann Behr-Cöthen, der im September bis Dezember 1913 daS gejamte 444 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. Bibergebiet bereift, die Baue aufgefucht, die Zahl der Tiere jeitgeftellt und die bewohnten Baue in den amtlichen Meßtifchhlättern vermerkt Hat. Der Beitand betrug 112 Alte und 76 Sunge, 137 bewohnte Baue; davon entfallen auf Anhalt 40 Alte, 32 Junge und 52 Baue. Leider wird aber die zufällige oder abjichtliche Verminderung der Elbebiber durch den Menfchen wohl nicht aufhören, folange e3 eben noch Biber im Elbgebiet gibt. „Wie viele endigen nicht allein in den Stellnegen der Fischer!... Golche Fälle tommen alljährlich in fait allen Teilen unfere3 Bibergebietes vor, und daß die Filcher die jo gemachte Beute in den jeltenten Fällen abliefern, jondern fih an ihr für jo manches zerrijjene Net jchadlos halten“, ift jelbftverjtändlich. „Unabfichtlich, wie der Fijcher im Garne, fängt der Jäger den Biber im Eifen, das auf den Fijchotter gelegt ift... Durch derartige unbeabjichtigte Fang- ergebnijfe veranlaßt, haben meidgerechte Säger im Elbgebiete daS Legen von Teilereijen auf den Dtter fchon ganz aufgegeben.” Das it Hoch anzuerkennen. Das unerfreuliche Gegenftüd dazu jind die fortgejeßten gelegentlichen Tötungen von Bibern, die wohl auch durch fein Mittel zu verhindern find. Auch Jagdpächter find bei diejen Bibermorden, die heute Zeritörungen lebender Naturdenfmäler find, anjcheinend nicht unbeteiligt: |pricht Doch Baurat Bauer-Magdeburg von „Herren, die jich rühmen, ein Dußend und mehr erbeutet zu haben, und hat doch ein Herr bei Wittenberg in 3 Tagen nicht weniger al3 neun Stüd totgejchojjen!” Mertens möchte die in der Magdeburger Gegend 1904 Feitgeitellte, „wenn auch geringe Abnahme durch Auswanderung” erklären („Zool. Garten“, 1904). „Namentlich die männ- lichen Biber ftreifen ja zur Baarungszeit oft weit umher... Auffallend aber ijt das Auftreten von zwei Bibern in der Ohre, aljo weit unterhalb Magdeburg. Dieje find dort um Pfing- sten angetroffen worden; Hochwafjer war nicht gewejen, das jie mitgenommen haben könnte: jie müjjen aljo freiwillig nach Norden gewandert und danır feitwärts den Nebenfluß der Elbe einige Meilen weit aufwärts gegangen fein. Jr dem weiten Wiejentale, das oberhalb Wolmirjtedt nur zur Heuernte einigermaßen belebt ijt, haben jie jich) aufgehalten...” Der Elbebiber jucht aljo nach neuen Wohn und Futterplägen, und nac) Frhun. d. I.- Ködderig wäre e3 gar nicht jo Schwer, durch Herrichtung oder nur Freigabe folcher feine Zu- kunst etwas jicherer zu jtellen. Man brauchte nur die „Menge größerer und Fleinerer Ein- jenfungen und Schlänfen neben den noch erkennbaren alten Flußbetten‘ nicht weiter von ihren Weidenbeftänden zu reinigen und auf die magere Bachtnußgung zu Streuziweden zu verzichten. „Die Schaffung zahlreicher Kleiner Weidendidungen auf diefen für foritliche Zivede doch nicht zu gebrauchenden Flächen wide nicht nur den Bibern Schuß und Ajung gewähren, jondern auch dem Schalenwilde, dem Not-, Neh- und Dammwilde. Sie wiirde mittelbar dem Wabde nügen, indem fie diefe Wildarten vom Berbeigen und Schälen edlerer Holzarten abhielte. Hier wirden aljo zwei Fliegen mit einer Slappe gejchlagen.” („Wild und Hund“, 1905.) Hoffentlich wird diefer Vorjchlag Wirklichkeit, ehe es zu jpät ift! Sedenfall3 muß unjere Schilderung des Elbebibers der Vergangenheit und Gegenwart in den Wunjc für feine Zukunft ausklingen, daß auch unferen Kindern und Sindesfindern als lebende Naturdenknal diefer größte deutjche Nager erhalten bleiben möge, der bei ung jeine Säugetierordnung einigermaßen ebenbürtig vertritt, den ftattlichen Formen des Sü- dens der Alten und namentlich der Neuen Welt gegenüber. Auch die frühere und jegige Verbreitung des Bibers font in Deutjchland, Europa und der Alten Welt ift ein großes Kapitel für jich, über das viel Literatur eriftiert: mar hat jich überall jehr lebhaft für den Biber interefiert — als e3 zu jpät war und man nur noc) jeine Ausrottung literarijch protofollieren konnte. So jchreibt der Frankfurter Arzt W. Strider, Biber: Abnahme. Auswanderung. Gejchichtliches über Verbreitung und Ausrottung. 445 der jich durch viele Hiftorijch-zoologijche Arbeiten verdient gemacht hat („Zool. Garten”, 1868): „Noch zur Zeit des Bonifacius muß Biberfleijch in Deutfchland viel gegejjen worden jein, da Bapft Zacharias dejjen Genuß verbot. Der legte Biber in Niederjachjen wurde 1819 in Dömiß an der Elbe erlegt.” m Hannoverjchen war der Biber nach Hermann Löns, „einjt jehr verbreitet, wie jo manche von ihm ableitbare DOrt3- und Flußnamen durch die Zu- jammenfesung mit ‚Bever‘ oder ‚Beber‘ beweijen. Um 1200 lebte der Biber noch im Göttinger Stadtgraben, um 1500 an der Unterwejer... Ein Balg eines hHannoverjchen Bibers ist nicht mehr vorhanden, während im Herzoglichen Mufeum zu Braunfchweig noc) ein Stüd fteht, da® am Ende des 18. Jahırhundert3 in der Schunter bei Braunfchweig ge- funden wurde." — Für Weitfalen machte Altum 1866 („SZool. Garten“), abgejehen von der da- mals längjt biberlojen Lippe, noch ein anderes, viel länger forterhaltenes Borfommen, in der Möhne, weiteren Kreijen befannt. Ahrfangs der fünfziger Jahre wurde der legte Biber dort totgejchlagen, dejjen Balg jich ausgejtopft in der zoologischen Sammlung des Gymmajtums zu Arnsberg befindet. Friedrich weiß aber noch von einem „allerlegten” Biber aus dem Ntheingebiet. Diejer an der Möhne „hHaufende Einjiedler wırrde gegen Ende der 70er Jahre unjere3 (vorigen) Jahrhunderts infolge Aufgrabung jeines Baues vertrieben; er ging tal- wärt3 durch die Ruhr nach dem Rhein und wurde hier, nach der ‚Kölnischen Zeitung‘ vom 2. Dftober 1877, an der Werthaufener Fähre von Schiffern erjchlagen.” — Für die Mark Brandenburg bringt Friedel („Wirbeltiere d. Brov. B.”, 1886) folgendes über den Biber: „sr der Altmark (Öegend von Stendal) noch Ende des 18. Zahrhundert3 nicht jelten... Auf dem Wüttelverder an der Elbe, in der Gegend von Havelberg, find noch im vergangenen Winter (1855) mehrere Biber beobachtet worden, welche jich auch jest noch dort aufhalten... Eine Uferitelle der Spree nahe dem Plänterwald der Stadt Berlin heißt das Biberloch; vgl. außerdem die Ortsnamen Biberitein, Bibersdorf, Biberjee, Biberteich in der Provinz... Gewiß ijt, daß diejes Tier noch vor 20 Jahren (1866) an der Havel und Nuthe lebte und an der Glienider Lante mutmaßlich ein Hauptlager gehabt Hat." Nach Friedel ift auch „Babelsberg oder Babertsberg joviel wie Biberberg“. Der Gejchichte des Biber3 überhaupt, namentlich der Frage feiner früheren Verbrei- tung in Wejtpreußen, Hat jic) Dahınaz- Danzig jehr erfolgreich angenommen. Nach ihm („Zool. Garten”, 1900) ift der Biber „jeit ungefähr 100 Sahren für Wejtpreußen aus- geitorben... Unter den fojjilen Reften aus dem Weftpreußiichen Brovinzialmufeum zu Danzig fehlen jolche von diluvialer LZageritätte vollitändig... Dagegen liegen aus dem Alluvium mehrere Stüde, zum Teil von ausgezeichneter Schönheit, vor... Der jchönjte Fund wurde im Foritrevier Charlottenthal, zwijchen Klinger und Ultfließ, am Schwarz- wajjer im reife Schweß, ... 0,5 m tief im weißen Sande, 2m über dem jegigen Wajjer- jpiegel gemacht. Der Schädel de3 Tieres ijt vollftändig; auch die Schulterblätter, einige Beden- und Ertremitätenteile fowie zahlveiche Wirbel und Rippen find gut erhalten. Diejes fait vollftändige Sfelett gehört zu den bemerfenswertejten Seltenheiten”. Die interefjanteiten Belegjtücde für den Biber in Weftpreußen find aber vielleicht die ganz charakteriitiichen Biberfallen, die Dahımz genau bejchreibt, E. K. (Strauje- Berlin, „Prometheus“, 28. Februar 1900) auch abbildet, und das Allermerkwürdigite ift, daß dieje Biberfallen genau von derjelben Form im Ahonegebiet wiederfehren. Der Biber wurde von ihren beiden Flügeltürflappen „am Halje gepadt und entweder erwürgt oder unter Wajjer feitgehalten und ertränft”. Eine jolche Biberfalle befindet jich im Märkischen Dufeum zu Berlin. — Bei Ankunft des Deutjchen Ordens war der Biber nicht mehr allzu zahlreich 446 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. vorhanden, twas vielleicht auf zu woillkürlichen Abjchuß in früheren Jahrhunderten, wo das Fell als wichtiges Taufchmittel gegen arabische Erzeugnilfe galt, zurücdgeführt werden Tann. Deshalb hatte fich der Deutjche Orden den Biberfang ausdrüdlich vorbehalten: „der Biber wurde Regal und blieb Regal”. (Val. Bujad, „Über die Zeit des Verjchwindens der Biber in Preußen”, im „Preuß. Brov.-BL.”, 1836.) Um das Jahr 1400 werden in dem Marien- burger Treßlerbuch der Jahre 1399—1409 (Herausgegeben von Archivrat Dr. Joachim- Königsberg 1. Pr., 1896) „Hüte aus Biberfell erwähnt, und zivar jorohl rufjiiche twie ge- wöhnliche ..., und es ergibt jich, daß ein wuffiicher Biberhut ME. 5,64, ein preußtjcher dagegen nur ME. 1,54 gefojtet hat.” Dieje Berjchiedenheit in der Preislage ijt darauf zu- vidzuführen, „daß die Biber Polens und Rußlands wohl jchon damals wegen ihres jchö- neren, braunfchwarzen, jamtweichen Felles berühmt waren, wie fie ja fpäter mit der Be- zeichnung ‚Herren‘ (domini, nobiles) bedacht wurden, während die preußijchen, mehr rötlich gefärbten und weniger jchön behaarten gelegentlich jogar ‚Sklaven‘ (servi, rustici) hießen...” Unter den „Liebesgaben, die dem Hochmeijter bei jeinen Reifen durch da3 Yand von jeinen Untertanen dargebracht wurden, ... vergaß man auch die Biberfelle (beberzayle = Biber- zagel) nicht”. Im 16. Jahrhundert finden toir den Biber dadurch), „daß er mit dem Fijchotter die gleichen Gewäjjer bewohnte und große Nagezähne bejaß“, zu einem „gewaltigen Fijch- mörder” gejtempelt und „gewöhnlich mit einem Fijch im Maule dargeftellt. Bon Schonung einem folchen Tiere gegenüber auf eigenem Grundbefige fonnte nicht die Rede fein, zumal e3 reichlichen Erlös brachte.” Exjt im Sahre 1706 ordnete König Friedrich I. in einem Patente von Königsberg aus die Schonung diejes Tiere an, empfahl, für feine Unter- haltung zu jorgen und feine Vermehrung zu fördern. Ende 1713 und Anfang 1714 wurden bei Potsdam und Charlottenburg Biber ausgejeßt und in jeder Beziehung gejchüßt. Ohne jeden bleibenden Erfolg; denn unter dem Nachfolger „wurde dem Biber eine Behandlung zuteil, die von der vorigen durchaus verjchieden war. Die Biberjagd wurde 1765 von Friedrich dem Großen freigegeben und das Tier jo von jeglicher Schonung ausgejchlojjen: jah Friedrich in ihm Doch nur einen Feind der Kultur, der jedem Handel und Wandel an Wafjerjtraßen gefährlich werden fonnte!... Mit dem Ende des 18. Jahrhunderts geht dann der Biber auch jeinem Ausjterben mehr und mehr entgegen; am längjten hielt ex jich noch an der Weichjel und Nogat.” ES find aber „jeit 1796 verjchiedentlich Überläufer aus den benachbarten Gebieten und den Gewäljern des Bug und Narem nachgemwiejen worden”. Dahmzs bringt jehließlich noch einiges Urkundliche über Yang und Nugung des Bibers in alten Zeiten. Eine bejondere altpreußifche Fangart war die in Neuen, die mit Baumt- tinde gefödert wurden. „Sedenfalls zu den älteiten Sagdmethoden” gehörte das Speeren: „vah man auf den Biber, der aus dem Wajjer emportauchte, um Luft zu jchöpfen, ... mit langen Bifen und Harpunen jtach oder warf” (jpäter auch jchoß). Gewöhnlich aber gruben die Jäger den Bau auf und liegen einen Hund hinein, nachdem fie gegen das Wajjer ein Neb ausgejpannt hatten. „Die Hunde, die zur Jagd auf Biber und Dachs verwendet wurden, führten jchon in den Sagdgejegen der jrühejten geiten, 3. B. in der Lex Saxonum (l. Fran- corum), lex Anglorum et Werinorum, lex Ripuariorum ujw. bejondere Bezeichnungen, tie canis, qui sub terra venatur, canis bersarius, beverarius, bibracco, castorius. Sn jeinem 2erfe ‚De gentibus septentrionalibus‘ bildet bereits 1555 Dlaus Magnus eine jolche Jagd ab. AS Wertvollites von der jo gemachten Beute war unzweifelhaft das Geil gejchäßt", und zwar „Ichäßte man das al3 das wirfjamfte, das aus Falten Ländern ftammte, 5. B. vom ‚teutjchen, jchweißerifchen oder mosfowitischen Biber‘, vorzugsweije aber das jibirifche. Der Biber: Gefchichtliches über Verbreitung und Ausrottung (Geil). 447 höchjte Preis ift jedenfall 1852 gezahlt worden, als ein Förfter fiir 111% Lot ME. 276 erhielt; e3 entjpricht dies einem Werte von ME. 1533 für kg. Auch heute findet man noch das Geil in zahlreichen Pharmakopden aufgeführt; in der deutjchen ift e8 geftrichen.” — Am Schwanze ie man gleich die Hinterfeulen dranhängen, daß die Faitenjpeife ettvas reich- licher wurde. „Bejonders gejchäßt war fie bei den Kartäufern, denen der Genuß von an- derem leiiche verboten war.” — Die Hauptmenge der Felle „lieferte Litauen, und von hier famen jie nad) Danzig, um in die Welt zu gehen. Sie wurden zur Hanjazeit noch einmal, tie bereits zur nordiich-arabijchen Epoche, eine im Auslande vielfach begehrte Ware und Tamen als bevere, beverwamme, pelles castorini in den Handel... Der reiche Erlös, den jeder erlegte Biber gab, macht es uns erflärlich, daß Pultuff (Stadt nördlich von VWarjehau am Narew) im 14. und 15. Jahrhundert einen Tiergarten für Biber hatte.” „Die früheren und heutigen Wildbejtände der Provinz Oftpreußen” behandelt Start, v. Hippel ausführlich in der „Deutjchen Jägerzeitung”, 1895, und gedenft dabei auch gebüh- rend des Bibers. Syn den „Neuen preußiichen Propinzialblättern” von 1859 erzählt ein alter Weidmann: „Um 1800 fand man an den flachen Ufern des Langen Sees bei Warnen (Romintenjche Heide) noch bewohnte Biberbaue. An jenem See lagen auch die Dienftwiejen unjeres Baters3 (des damaligen DOberförjters von Warren), und um dieje zu verbefjern, wırrde der See etwas abgelajjen und die Ufer trocfengelegt, wodurc) man aber die Biber aus ihren dortigen Anfjiedelungen verjcheuchte. Ste famen jpäter auch an einigen veritedten Stellen der Nominteufer vor, und an einem jolchen Orte bei Theerbude wurde 1855 der leßte Biber von einem Holzhauer mit der Art erichlagen.” Dies jind alles Forjtorte aus dem jebigen ojtpreußijchen Leibrevier unjeres Kaijers: wie jchade, daß fie das interejjante Wild nicht mehr enthalten! Ob man e3 nicht dort wieder anjiedeln fönnte? Der allerlette oftpreußiiche Biber wurde 1844 bei Memel erlegt laut den „Neuen preußifchen Provinzialblättern”, Bd. II. Aus Siddeutjchland Haben mir jehr bejtimmte Nachrichten für Bayern („Zool. Gar- ten“, 1866) über die frühere Verbreitung, mit anderen Worten: das Ausiterben des Bibers, bon dem trefjlichen Beobachter und Yauniten Pfarrer Sädel-Sommersdorf, die in dem Schlußmort gipfeln: „Das Jahr 1860 Hat wahrjcheinlich feiner mehr erlebt”! Das Snn- gebiet jah jie länger, wie %. Reindl in den „Mitt. d. Geogr. Gef. München”, 1907, berichtet; aber jeit 1867 find fie auch dort verjchwunden. — In Hefien war der Biber im 15. Jahr- hundert noch jehr Häufig. Uber jchon im 16. Jahrhundert findet man im nördlichen Hejjen feine Spur mehr von ihm, während der Odenwald damals noch einige aufweijen konnte, wenigitens wurde noch 1596 ein Biber in der Gerjprenz gefangen. — Für den Eljaß wird, nach Strider („Zool. Garten“, 1873), der Biber in der Urkunde des Kaifers Heinrich II. von 1004, wodurch er der Sirche zu Bajel den Harthrwald jchentt, zugleich mit Hirjch, Neh und Wildfchwein al3 Häufig erwähnt. Frieje („Dfonom. Naturgejch. der chein. Departements“) fennt zu Anfang des 19. Jahrhunderts nur noch einzelne Eremplare. Sn der Schweiz be- wohnte der Biber, nad) Fatio, „ganz gemein bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts die Ufer der Flüjje und einige Seen“. Kütimedyer bejchrieb Biberrefte aus den Schweizer TZorflagern und Pjahlbauten. Auch in der Umgegend von St. Gallen war der Biber (nach &. Keller, „AUlpentiere im Wechjel der Zeit”, 1892) noch im Beginn des 19. Jahrhunderts eine twohlbefannte Erjcheinung und eine gejchägte Fajtenjpeije auf der Stlojtertafel. Sn den Benedietiones gejchieht jeiner ausdrüclicd Erwähnung: „Sit benedieta fibri caro!“ Als die Stirchenväter 1414— 18 in Konftanz zum Konzil verfammelt waren, da gab es (nad) Sriedrich) „Biber, Dachs, Dtter (Faltenjpeifen) — alles genug”. So berichtet die Speifefarte, 448 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. die „Ordnung und. Tare der Cjjenfpeijen”. Über „die leßten Biber des Alpenvorlandes” hat Friedrich genaue Erkundigungen eingezogen. Sie „lebten auf bayrijchem Gebiete an der Sur, einem Bache, der fich in die Salzach ergießt, und auf öfterreichiicher Seite in den Antheringer Auen nordweftlich von Salzburg. Noch 1867 erwähnt jie dort die ‚Allgemeine Fort und Sagdzeitung‘; doch fehon in den 70er Jahren gaben, wie mein Gemährsmann nie mitteilte, nur noch die Nefte der Baue von ihrer ehemaligen Antejenheit Kunde: Die fegten Bewohner waren den Wilddieben zur Beute geworden.” Die öfterreichiich-ungarifche Monarchie hat am längften Biber auf den böhmijchen Be- fiungen des Fürften Schwarzenberg beherbergt. E3 waren aber Fünftlich angejiedelte, die 1773 aus Polen bezogen waren. Aus den übrigen Staaten der öfterreichiich- ungarijchen Monarchie gibt zunächit Friedrich Nachrichten des f. u. E Fort und Domänenverwalters E. Böhmerle aus Hugo3 „Sagdzeitung” wieder, nach denen jich Biber „vereinzelt noc) im 2 Sahre 1865 bei Semlin auf den Injeln zwifchen Donau und Sau, 1857 in Siebenbürgen und 1860 in Galizien” fanden, aber „jegt nirgends mehr zu finden” find. „Bei Ziichantend, an der Mündung der Fiicha in die Donau, wo noch zu Beginn diejes (19.) Jahrhunderts größere Biberkolonien beftanden, wurden 1863 die beiden legten Biber erlegt.” m Jahre 1825 war der Biber, nach Fitinger („Zool. Garten”, 1865), „in Oberöjterreich an der Traun, und ztvar in der Gegend von Bernau in der Nähe von Wels, noch in ziemlich großer Menge anzutreffen, jo daß die dortigen Landleute allerdings Urjache Hatten, jich über den Schaden zu beffagen, welcher ihren Bäumen durch diefe Tiere zugefügt wurde... Jr Unteröfterreich traf man regelmäßig bi3 zum Jahre 1856 Biberbaue an der Donau, bald in diejem, bald in jenem Arme de3 Stromes, und jowohl bei Niederwalffee unterhalb Linz als auch bei Stadelau nächit Wien, bei Afpern auf einer Donauinfel, dem fogenannten Biberhaufen, bei Mannswörth und Fifchamend und ebenfo auch an der Leythe in der Umgegend von Eben- furth". Das £ u. £ Oberjtjägermeifteramt zu Wien berichtete Genthe unterm 10. No- vember 1903 aber dahin, daß der legte Biber in den Donauauen „in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts von dem damaligen Hofjäger und nachherigen Forjtmeilter Jranz Seipt am jogenannten Gänshaufen gejchoffen” wurde. — Der Iehte Biber, den Mojjijovics aus Ungarn erwähnt, erjchien 1856 unterhalb Preßburg. — „Zn Bosnien und der Herzego- wina, to die Ortsnamen Dabarpolje (Biberfeld) und Dabar (Biber) bei Sansfimojt das ehe- malige Vorfommen des Biber3 andeuten, was Sfelettfunde bei Sarajevo bejtätigen, murde infolge irrtümlicher Beobachtung noch biS in die neuefte Zeit hinein der Biber als Bewohner der Ufrina, eines Nebenflujjes der Save, angeführt." (Friedrich.) Nach ARufland leitet ung über, was A. Barthels (deutjch von Jod. Praun) in der „Deutichen Zägerzeitung”: „Von den Bibern Litauens” erzählt. Er beginnt damit, Daß auch dort der Biber „jich nur noch an den unzugänglichiten Srtlichkeiten, an einigen jelbjt in der Geographie nicht vorkommenden Heineren Flüjjen aufhält” und „van der Kurz fichtigfeit dev Eigentümer und dank dem Mangel jeder behördlichen Aufjicht wahrjcheinlich dem völfigen Untergange gemeiht if. Amı allermeiften hat jedoch zur Ausvottung der Biber die Nubholzerzeugung (beifer gejagt: Nußholzverwertung) beigetragen, infolge deren die früher die Flüffe umgebende Wildnis bevölfert und die Flüffe jchiffbar (beijer gejagt: beichifft) werden... Die prächtigften und Eoftbarften Biber von dunklem, jchwärzlichen, weichem und leichtem Haar, die jogenannten Edelbiber, erbeutete man in Litauen in den Flüffen Bobryf, Lania, Wielfa, Njemen, im Polesje (Waldland) in der Pina, im Jaliold, Kotr, Vrypec, der Slaweczna und dem Horyn; dann weiter nördlich in der Berzyna.“ Biber: Gejchichtliches über Verbreitung und Ausrottung (Ofterreich-Ungarn, Rußland). 449 Barthels fügt aber gleich einjchränfend Hinzu, daß diejfe Biber „bloß bis zum Sahre 1863 in ziemlicher Anzahl und noch Halbiwegs gejichert in einigen jtärferen Kolonien an meh- veren don völliger Wildnis umfchlojjenen Flüfjen zu finden waren, namentlich aber auf den Slleder und Davidgrodzfer Majoratsgütern des Firjten Nadziwill, auf den Nach- radzimillower des Fürjten Wittgenjtein, auf jenen der Zubeder Füriten in Bolesje fomwie in geringer Anzahl auf den Befigungen der Tyfzkiewiez und einiger anderer Edelleute, welche größere Komplere an Wald und Sumpf bejaßen. Von diejen fonnte Barthels „im Sleder Majorate des Slucker Bezirks gegen 50 an den Flüjfen Lanta und Morocza befindliche Biber- burgen aufzählen..., auch einige an der in die Berejina mündenden Brodmia im Boryjower Bezirke... Dieje (einige 10) Biberburgen erfreuten jich des Schußes des Nadzimilljchen Sagdperjonals... gegen eine bedeutende, diefem Wilde auflauernde Anzahl von Dieben... Im Zahre 1842 in jener Gegend auf Enten jagend, lernte ich zum erjtenmal einen Teil des Zaniafluffes kennen, welchen Biber betvohnten, und fah ihre Burgen. Hußerlich erfcheinen dieje wie große, Fegelfürmige Neiliahaufen inmitten des das Flußufer bededenden Weiden- gejträuche.” Es waren aljo auch jchon Biberhütten an Ufer, nicht eigentliche Burgenim Wajjer. Den Fellen legt Barthels „gegenüber den amerikanischen und jibirifchen wenig Wert” bei, „weil jte rötlich und rauhhaarig find”. ES foll übrigens „dajelbit auch weiße Biber gegeben haben”, von denen „ein Exemplar dem Dresdener Mufeum als Rarität einverleibt worden ijt“. Über „Die frithere und gegentärtige Verbreitung des Biber im rufjiichen Reiche” ließ Greve- Moskau („Zool. Garten”, 1903) einen größeren Bericht erjcheinen nach einer rujjischen Arbeit von TH. Köppen. Das Wichtigjte aus dem europätchen Rußland jet hier furz wiedergegeben. Ir Rußland fommen wir durch Funde von Biberreiten „oft zu dent Ergebnis, daß heute dort Steppen jich ausdehnen, wo früher Dichte Waldungen gejtanden haben müjjen (wiez.B. bei Odejja). Die Haupturfachen des Berjchwindens Diejes interejjanten Kagers müjjer wir Daher in der Abholzung, Entwäfjerung jumpfiger Waldpartien und in der Yagd auf idn jehen... Jr Lappland ijt der Biber augenblicklich ausgerottet...., feine Bauten fann man bei Wardöd und Mortensnes jehen — er war aljo früher hier gemein...” Wlesfe hat während feines „Aufenthalts in Lapplarıd (1880) nur erfahren fönnen, daß der Biber der Bevölkerung jehr wohl befammt, aber in dem 40er Jahren gänzlich verjchwunden tt... Sr der Schwedenzeit (bi 1809) wınzden noch die Abgaben tm Biberfellen entrichtet.” In Finn» land war der Biber um die Mitte des 19. Sahrhundert3 „jchon eine jehr große Oeltenheit, und 1880 wurde nach langer Zeit einer am Püha-Färwi-See beobachtet”. Dem fügt Mertens („Zool. arten”, 1904) aus jpäterer Zeit noch das Zeugnis eines früher in Finnland anfäjjigen Magdeburger Fabrikbefizers Hinzu, der „einen Biber im Jahre 1884 in einer Bucht des Näfi Särwi, einer Fortfegung des genannten Büha Järtoi, in der Nähe von Tammersfors” jah. Über „Das Ausfterben de3 Bibers in Livfand” gibt Oskar dv. Loetvis („Zool. Garten”, 1878) genauen Bericht. „Soweit meine Nachforschungen folches ermitteln konnten, jcheint vom Sahre 1818 ab der Biber nur noch am Mittellaufe der Aa heimijch gewejen zu fein... Hier an dem am meitejten nach Norden vorgejchobenen Bogenlauf der Aa waren auch die beiten Bedingungen zum natürlichen Schuge und verlängerten Ausdauern des allgemein verfolgten, wehrlojen Tieres vorhanden. Der jtattliche Aafluß jtrömt im diefer Gegend über 50 Werft weit fajt nur durch einjante, große Wälder und einzelne Waldwiejen..., bildet überall große, mweitbogige Altwajjer, Teiche und stellenweife auch Doppelflüfje und Injehr. Dieje Altwajjer (von den Letten attak genannt) werden zur Zeit des Hochmwajjers mit dem Flufje gänzlich verbunden. Die Aa überfchwenmt in wafferreicher Zeit die Ufergegend fait 1 Werft weit Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 29 450 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. (jtellenmweije jogar noch weiter) und jeßt derart Wälder, Wiejen, Brüche, Teiche ujtv. unter Wafjer. Dit Beihilfe der bauenden Biber mögen die Hochmwäljer in früherer Zeit noch viel bedeutendere Ausdehnung angenommen haben. Hierdurch ungejtört und in natürlich pajjenden Berhältnifjen, lebten die Biber dort verhältnismäßig recht ficher... ber bald nahte das Verhängnis auch den bisher ziemlich glücklichen Aabibern mit Riefenfchritten! Die Apotheken aus Dorpat, Wolmar, Fellin uf. gaben nad) Walk größere Aufträge auf Biber- geil zu fehr Stark erhöhten Preifen. Das brachte unter die Wilderer — und alle anmwohnenden Bauern waren zu jener Zeit jolche — ein unheilvolles Xeben... So wurde es denn durch niedrige Gemwinnfucht und beifpielloje Ordnungslofigfeit zu Wege gebracht, daß binnen 12 Sahren auch dieje allein übriggebliebenen Mvländiichen Biber jchnöde ausgerottet wurden... Die Iivländifchen Biberfelle tvaren merkwürdigermweije nicht hoch geachtet, wurden meist nur von Hutmachern benußt und verarbeitet; vielleicht, weil die Biber fat nur im Sommer erlegt wurden.“ Auch die Greve- Köppenjchen, aus dem ganzen rufjischen Neiche mit beivunderns- werten Fleige zufammengetragenen Einzelangaben laufen alle darauf hinaus, daß der Biber im europäischen Rußland durchjchnittlich ebenfofrüh ausgerottet war wie im übrigen Europa. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts var er überall, wenn überhaupt, nur noch jpärlich und aus- nahmsweife vorhanden, dem Volke gar fein befanntes Tier mehr! Und doch Fehrt auch in Nußland vielerorts und oft genug der Name „Biberfluß” (babrowka) wieder: ein Beweis, daß der Biber ehemals zahlreich da gelebt Hat! „Das Hauptbibergebiet Rußlands war und it das Dinjeprbeden”, und in diefem wieder namentlich der Bereich des größten nördlichen Nebenflufies Bripet, der die Abwäfjer der ausgedehnten Rofitnofiimpfe in dem oben bereits genannten Landesteil Bolesje fjanımelt. Greve gibt, nach Köppen, jogar eine genaue Auf- itellung, wie die Biberfolonien verteilt waren, mit zujammen etiva 314 alten und 252 jungen (aljio alles in allem 566) Individuen, die fich in 140 Familien gliederten und in 132 Bauen und 182 Uferlöchern Hauften. Köppen unterjcheivet aljo ebenfalls zivei Wohnungsformen des Bibers; ob feine Unterfcheidungen aber den Wafjerburgen und Landhütten Friedrichs entjprechen, müjjen wir dahingejtellt fein lajjen. Greve jagt allerdings: „Einige Werft nörd- lich von der Berejinamündung (in den Dijepr) fällt in diejen Fluß der Stwids, und 7 Werjt von dejjen Einfluß bildet jich ein See, in dem 1875 zwei bewohnte Biberbaue jtanden“ (Streis Netichiza, Gut Gorwal). Danach wäre vielleicht anzunehmen, daß der Dijeprbiber zufolge feiner Verminderung in der zweiten Hälfte vorigen Jahrhunderts gerade in der Um- twandlung jeiner Bau und Wohniweife begriffen war, die Friedrich beim Elbebiber als längit vollendet jchildert. Bom rpen, dem nächitnördlichen Nebenflufje des Dirjepr oberhalb Stier, hat der Berliner Zoologische Garten noch 1907 einen Biber erhalten, der aber leider mit unpaffender Nahrung aufgezogen war und nicht ange lebte. — Ähnlich wie jonft im Dryjepr- gebiete jteht es wohl auch im Gouvernement Wilna auf den früheren Sayn-Wittgenfteinjchen Gütern, die durch Heirat an unferen früheren Reichsfanzler Fürjten Hohenlohe-Schilfingsfürft gelangt waren und jebt im Bejiße der Brüder Falz- Fein find. Auch dort find Biberbauten jeltgeitellt und Fraß beobachtet, Biber jelbjt bis jebt aber weder lebend noch tot erhalten worden. Auf dem einen diefer Güter, Nalibofi, Haben die Biber jogar noch Damme gebaut vor dem Abfluß eines Sees und regulieren fich jo den Wafjerjtand. Dort haben fie auch zwei Burgen errichtet, weil fie gejchont werden; anderwärts bejchränfen jie jich auf Uferröhren. Bon der Skandinadifchen Halbinfel ift über den jchwedifchen Biber bis jeßt nichts Zu- jammenhängendes veröffentlicht worden. Könnberg teilt nur brieflich (an Hed) mit, daß der Biber: Gejchichtliches über Verbreitung und Ausrottung (Rußland und Skandinavien). 451 fette, dejjen Schädel das Stodholmer Mujeum bejist, „wahrjcheinlich etwa 1870 in Jamtland getötet” wurde. — Dagegen find wir über den Biber in Norwegen genauer unterrichtet Durch den Ehriftianier Mufeumszoologen Collett, der jeine umfajjende, photographifch illustrierte Arbeit in „Bergens Museums Aarbog‘ 1897 mit einem englijchen „Summary“ verjehen und dadurch allgemein zugänglich gemacht hat. Dadurch erfahren wir, daß, mie zu erwarten, der Biber ziwar nicht in dem allzu jchroff gebirgigen, wenig fruchtbaren Weiten des Landes, twohl aber in den breiteren und längeren Flußtälern des Ditens früher zahlreich war. Der fette Biber endete 1860 am Barangerfjord, und der am Baranger Borgebirge entjpringende Komagelojluß, Damals meit von dichtem Walde umgeben, war unter 70° 10° nördl. Breite wohl der nördlichite jemals von Bibern bewohnte Fled der Erde. Gegenwärtig find die Biber Norwegens auf wenige Flußgebiete im äußerjten Süden des Landes, etwa auf die Strede zwiichen Stragerd und Stavangerfjord, bejchränkt. Am ftärfiten bevölfert find die Ufer des Nidelo, eines reigenden und von Wajjerfällen jtellenwetje unterbrochenen, noxrd- jüdlich fließenden Stromes, der bei Arendal in das Sfagerraf mündet. Die Ufer jind durch- weg mit Zaubholz, namentlich mit Eichen, Birken und Exlen bejtanden, während die Eipe, ein Lieblingsbaum des Bibers, durch dejjen Tätigkeit im Laufe der Jahrhunderte recht jelten geworden ift. Die Kolonien erjtreden jich über SO— km von der Mündung des Flujjes an teiltweije am Hauptitrom, teiliveije an jeinen Nebenflüjjen und Altwäjjern nordwärts nahezu bis zum Niffervand, dem See, aus dem der Nidelo entipringt. Überall findet man an dein Ufern die Reifighütten, und auch Dammbauten zum Aufitauen zu niedrigen Wajjers werden mit ebenjolcher Hartnädigfeit iwie bei ung an der Elbe aufgeführt, jo daß die dadurch ver- urjachten Überjchtvemmungen den Grundbejigern zuweilen nicht unbeträchtlichen Schaden anrichten. Collett gibt auch eine Furze Naturgejchichte de3 norwegiichen Biber und be= zeichnet als jeine Hauptnahrung dort die friiche Rinde der AUjpe oder Zitterpappel (Populus tremula) mitjamt dem darunter jißenden Balt; die Dünneren Zweige werden ganz und gar verzehrt, die rauhe Rinde des Stammes anderjeit3 in der Negel verichmäht. Gezwungen durch die gebirgige Natur des Landes, Holt fich der norwegijche Biber feine ung ge- legentlich jogar von hohen Steilhängen und jchwer zugänglichen Sthippen herunter. Zu den Alungs- und Arbeitsplägen führen ausgetretene Wechjel, und dieje ziehen fich auf lange Streden am Ufer Hin; denn der Biber fällt viele Hundert Meter von jeinen Bau entfernt noch Bäume. Im ersten Frühling, unmittelbar nad) dem Aufbrechen des Eijes, jieht man nicht jelten jeine Fährte jchon im Schnee. Auf jeinen Landmärjchen, namentlich wenn er in die Jrre geraten ift, vergigt er ganz feine Scheu, und es fan jogar vorkommen, daß er jic) anfafjen läßt. Der norwegijche Biber zeigt aljo unter Umftänden dasjelbe verwunderliche Be- nehmen, wie vom Elbebiber im Winter gejchidert. Unmittelbar hinterher jtellt ihm aber Collett das Zeugnis aus, daß er, angegriffen, fich mit großem Mute verteidigt und dem Aı- greifer fürchterliche Wunden beibringen fann. Diejer Widerjpruch wird jich wohl jo er- Härten, daß das Tier, wo es jich Heimijch fühlt, auch gefährlicherer Xage ich gervachjen zeigt, in fremder Umgebung aber, wenn Ermüdung es niederdrückt, mehr oder weniger willenlos, alles über jich ergehen läßt. Des Nachts joll e3 fajt unmöglich fein, den jchwimmenden Biber zu erkennen, weil er faum den Stopf an die Luft herausitedt. Die Biber des Berliner Gartens lajjen gewöhnlich auch die langen NRüdenhaare jehen, ziwijchen denen jich das Wafjer in Tropfen und Heinen Lachen anjammelt, und bei Dejjau jah Hed einen eben dem Yangneb entronnenen Biber flach draußen auf dem Wajjer liegen, jo daß jich jogar die Schwanzfelle deutlich abzeich- nete. Nach Collett Fann der Biber mehrere Hundert Meter weit unter ajjer jchwimmen. 29* 452 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. Nächit der Ajpe benußt er in Norwegen die Birke, Eiche und zwei Erlenarten (Alnus incana und A. glutinosa) am meijten; Nadelhölzer fällt er nicht, nimmt fe aber gelegentlich zum Hüttenbau, wenn er jie treibend findet. Der Durchmeffer der gefällten Bäume beträgt in Norwegen 10—20 em, oft noch weniger, gelegentlich aber auch DIS 47 cm. Die beiden jpiß zugenagten Teile des Baumes, die jich mit den Spiten berühren, Haben zufammen eine Höhe don 30 cm. Diinne Stämme oder Ifte werden einfach quer durchgenagt. Der ftehen- bleibende Baumftumpf ift in der Regel 1, m Hoch. Nur lebende Bäunte werden angegangen und oft wieder verlaijen, ehe jie durchgenagt find. So fieht man viele Bäume mit Nage- wunden, die in der Folge nicht wieder angerührt werden. Die Späne verwendet der Biber nicht; die dimnen Bäume nubt ex volfftändig als Uung und Baumaterial aus und fchneidet jie fich in pafjende Längen auf. Eine Biberhütte mit Jungen, in die Collett im März 1896 einbrach, lag nahe bei Schiifbarem Gemäfjer, wo täglich auf einige 30 m die Holzjäller in Booten vorbeifamen. Die meilten Hütten liegen aber an ftillem Wajfer, und hier muß der Biber ich alles jelbjt herbeijchleppen. Er tut das, nach Collett, mit den Borderbeinen. Ym Berliner Garten fieht man die Biber gewöhnlich ihre Hölzer mit den Zähnen queritber nicht weit von einem Ende fajfen und jo [hwimmend Davonjchleppen. Der Bau einer Hütte nimmt, nach Eollett, wenigitens 2 Jahre (zwei Herbite, Sep- tember bis November) in Anspruch, und jedes Jahr wird daran ausgebejjert. Auch Eoflett fennt die beiden Arten von Biberwohnungen, die Friedrich al Burgen und Hütten unter- jcheidet, und bezeichnet die erjteren als heutzutage felten, amı Ufer eines Teiches gelegen, der einen jtetigen Wafjerjpiegel hat entweder von Natur oder durch Dammbauten der Biber. Die Hütten, Langbauten (elongated lodges), wie jte Collett im Gegenjat zu den Burgen, Nundbauten (round, conical lodges), nennt, jind auch in Norwegen jebt die gewöhnlichen und werden überall da am Ufer aufgeführt, wo der Wafjerjpiegel des Flujjes jchwantft. Der Eingang liegt immer am Ende des untergetauchten Teiles. Einen zweiten trifft man gelegentlich am Ufer, gedeckt Durch eine Schicht Erde oder Neifig. Selten finden fich (heute) mehrere Hütten in unmittelbarer Nachbarjchaft, gewöhnlich ftehen jte einzeln. Aus einiger Entfernung erjicheinen Eollett die norwegischen Biberbauten recht unordentlich. Ste jind aus gejchnittenen Iften, einem Teil Erde, manchmal auch einigen Steinen zufammengejeßt. Die verwendeten Stüde Haben in der NRegel —1 m Länge, zumeilen bi$ 2 m und jind ungefähr 10 cm di. Dünnere Zweige werden auch verwendet, jchlagen auf dem Dach der Burg oft Wurzel und treiben Blätter. Dünne, teodene Treibhölzer, jogar von der Fichte, die jriich nie gejchnitten wird, werden gelegentlich ebenfall® in das Ganze hineingebaut. Viele Hte find der Rinde beraubt, an anderen fit fie noch dran. Sie liegen unregelmäßig Durcheinander, und die Ziwijchenräume find mit Erde gefüllt. Die Die der Wände, die von ganz beträchtlicher Stärke und Feitigkeit find, beträgt ungefähr 14 m oder mehr. Der Zu- gang, der von dem untergetauchten Teile der Hütte aus in den eigentlichen Wohnraum führt, it in der Negel einfach, nur jelten Doppelt und etiwa 1, m hoch. Sn Iehmigem Boden wird das Innere diejer Nöhre nach einiger Zeit ganz glatt. Eine Hütte, die Collett 1896 aufbrach, war leicht zugänglich und fonnte mit der bloßen Hand geöffnet werden. Cie lag auf einem fchräg abfallenden Felfen und hatte feine Verbindung mit dem Erdboden weiter oben. Khre Einfahrt war ziemlich Eurz; das Dach bildete ein dichtes Lager von ten, über- decit mit Erde, auf welcher wieder derbe te lagen. Das Neft, in dem drei Junge faßen, lag im Mittelpunkt der Hütte und beftand aus einem Lager dünner Späne von einigen Zoll Dide, Abfall von den ten, deren Rinde der Biber gefrejjen hatte. Diefe Späne waren Biber: in Norwegen (nach Collett). 453 15—20 cm ang. Über dem Neft, 1 m weiter über der Zufahrt, befand jich noch ein Neben- raum: eine Notwendigfeit, weil der Wafjerjpiegel in einer Woche jo jehr gehoben wurde (zum Zwede der Holzflößerei), daß aller Wahrjcheinlichkeit nach das eigentliche Nejt über- ihwemmt war. Die Hütten werden jedes Jahr ausgebejjert nach den Bejchädigungen, die ihnen das Treibeis und die Holflöße angetan haben, und fünnen jo 20, 30 Sabre als Wohnung dienen. Während des Hochwajjers im Frühling und Herbit ift oft die ganze Hütte untergetaucht, große Stüde löjen fich ab und Schwimmen weg. Auch zahlreiche Erdbauten finden fich im norwegischen Bibergebiete am Flußufer nahe bei den Hütten, mit denen einige in Verbindung ftehen, die meijten aber nicht. Sie jverden bejonders von jungen Bibern bewohnt. Der Eingang liegt oft im Graje verborgen, gelegentlich auch unter Najjer; gewöhnlich führt aber ein glatter, ausgetretener Bjad vom Wajjer zu ihm Hin. Colfett hält dieje Erdbauten für den erjten Zufluchtsort, den jich die Biber Dort herrichten, io jte Jich anjtedeln und bauen wollen, und nimmt an, daß jede Hütte nur von einem Paar mit feinen (unjelbjtändigen) Jungen bewohnt wird. Die älteren Würfe, borausgejebt, daß jie nicht ausgewandert find, leben in den Erdhöhlen und Gängen der Nach- barichaft. Einzelne Heine und eilig gebaute Hütten find wahrjcheinlich nur von einem ein- zelnen Biber bejest. Auch von den Dämmen der norwegiichen Biber hebt Collett hervor, wie jejt gebaut und wie jchwer jie zu zerjtören find. Einer, den er im Juli 1895 bei Treungen unterjuchte, war über den Ausfluß eines Waldjunpfes gezogen, durch den ein Wäfjerchen tiejelte. Während diejes früher nur einen Tümpel bildete, dDehnte fich Dort jegt ein Teich von mehreren Hundert Metern Durchmefjer aus. Der ganze Damm war im Sommer 18% binnen 3 Wochen gebaut worden: er hatte 14m Länge und 2m Durchmefjer. Spuren im Schnee beweijen, daß auch der norwegijche Biber im Winter manchmal feine Hütte verläßt. Eollett jpricht auch von Wanderung des Bibers injofern, al3 die Jungen bald den elter- lichen Bau verlajjen (wahrjcheinlich von den Alten nicht mehr zugelaljen werden) und jic) einen anderen Standort juchen. Dieje Wanderungen können jich auf viele Meilen ausdehnen und über breite Gebirgsrüden erjtreden, wenn e3 dort nur Heine Bergjeen und Bäche gibt; gelegentlich gehen fie jogar ein furzes Stüd durch das Meer. Demzufolge Fönnen in ent- legenen Tälern plößlich ein oder mehrere Biber auftauchen, die verjuchen, jich da anzujiedeln. Das war 3. B. in Suldal und NRoldal 1891 der Fall. Biele gehen natürlich) auf diejer Wanderung zugrunde, zumal man faum halbwüchjige jchon wandernd findet. Als ein- zigen Stimmlaut des erivachjenen Bibers gibt Collett eine Art Sinurren während der herbit- ihen Bauarbeit an. Der Schrei des Keinen Biberjungen, den Collett im Nat 1896 jelbit hörte, gleicht menschlichen Slindergefchrei, wird aber nicht oft ausgejtoßen. Sn die Enge getrieben, gibt der Biber wohl einen Schred- oder Stlageton von fich, ftellt den Schwanz hoch, jcehüttelt ji) und fleticht die Zähne. In das Fortpflanzungsgejchäft erhielt Collett nur da- duch einen gewiljen Einblid, daß er am 24. Mat 1896 einen Bau unterjuchte: diejer barq orei Heine, etwa 14 Tage alte Junge, deren Augen fich gerade öffnen wollten. Ihre Oejamt- länge betrug 35 cm, die Breite der Schwanzfelle etwas über 3 cm. Collett hielt je einige Tage lebend; aber fie waren jehr träge und jchwerfällig, Kiegen fich nie in Erregung bringen und machten Feinerlei Fluchtverjuche. Sm September-Dftober haben die Jungen die Größe einer abe. Zwilchen den Haaren eines Biber3 von Yamli fand Collett die ausgetrocdnete Zarve eines bis dahin in Norwegen und Dänemark unbekannten Hafenfäfers (Pitomophilus), der im Wafjer jonjt träge, von einer Luftblafe umgeben, an Steinen und Pflanzen jibt; wirkliche Schmaroger dagegen hat er an den norwegijchen Bibern nicht nachweijen Fönnen. 454 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. Ir Norwegen beugte das Schongejeß von 1845 dem Ausiterben der Biber vor, und 1880 wide die Zahl der noch vorhandenen von Eods auf 60 veranfchlagt. 1883 jchäßte fie Collett auf 100, und ex hält es für wahrjcheinlich, daß die Zahl jeitvem jich gleichgeblieben oder jogar etivas geitiegen ift. Zehn Jahre jpäter jchrieb er an Friedrich, Die Biber jeien in der Zroijchen- zeit „wicht gerade zahlreicher geworden, wohl aber hätten fie jich über größere Streden hin zeritreut” — eben infolge des regelmäßigen Auswandern der Jungen. Nach weiteren Mit- teilungen Eolletts „jcheint in Norwegen die Holzflößerei der Grumd für die Zerftreuung der Kolonien zu fein; oft werden (in den jchmalen Bergmwäjjern) die den Hütten vorgebauten KReifigdeden durch die Flöße zeritört, nicht jelten jogar die Biber jelbjt getötet”. Bejonderen Schaden tun die Biber in Norwegen heute nicht mehr, weil der wichtigite Baum ihres Wohngebietes die Fichte ift, die jie nicht angehen. Anderjeits läht fich aus ihnen auch nicht viel herausjchlagen, zumal das Bibergeil der norwegischen Pharmafopöe Castoreum cana- dense jein joll, und jo werden jie glüclicherweife Faum verfolgt. AS Gejamtlängenmaß von vier ausgewachjenen Männchen des Mujeums zu Chrijtianta gibt Collett 101—109,5 cm an, für ein altes Weibchen 102,5 cm. In Wefteuropa ift heute Frankreich noch das einzige Biberland. Dort leben an der unteren Nhone, von Avignon abwärts, und an ihrem Nebenfluffe Gardon bis zum ont du Gard, dem berühmten römifchen Aquäduft, etwa 3 km oberhalb der Einmündung in die Ahone, ganz ähnlich wie bei uns an der Elbe, die legten Nejte eines Biberbejtandes. ES ift ihnen auch ein Gefchichtichreiber erjtanden in Galien Mingaud zu Nimes, der jeine Be- obachtungen im „Bulletin de la Societe d’etude des sciences naturelles“ niedergelegt hat. Außerdem gab Pichot in feiner „Revue Britannique‘ 1888 eine genaue Überficht mit Starte über die damaligen Standorte des Bibers im Nhonedelta, der jogenannten Camargue. Der Ahonebiber muß wegen der fortfchreitenden Kultur auch dort feine Vebensweije ändern und allmählich in die unbebauten Teile des Ahonedeltas auswandern. Nachdem er an Zahl jo jehr vermindert worden ift, fan ex troß feines Gejelligfeitstriebes feine Stolonte mehr bilden, und man jieht ihn nur noch in einzelnen Paaren, namentlich an der Kleinen Ahone zwijchen Fourques und SHylosrdal, augerdem an dem Nebenfluß Gardon, wenn auch jehr jelten. Mingaud läht den Ahonebiber feinen Bau im Steilufer oder den aufgetworfenen Dämmen am Fluffe ausgraben und fpricht von zwei Zugängen: der eine mündet etwa 2 m unter dem tiefiten Wafjerjtand, der zweite, jehr enge, auf der höchiten Spibe; der legtere dient nur zur Lüftung umd ift forgfältig verborgen in Kraut und Gefträuch. Der oberjte Teil des Baues wölbt fich vor und hat nur 15—20 cm Wanddide; e3 fommt auch oft genug vor, daß ex von Fußgängern eingetreten wird. Jeder Bau foll zwei Räume enthalten, die durch einen Gang verbunden find. In dem exjten, größeren, dem Vorratsraum, jtapelt der Biber jeine Holzfnitppel von 10—25 em Durchmefjer und 30—40 em Länge auf, deren Rinde ihm zur Nahrung dient. Wenn er fie abgenagt hat, wirft er das Holz ins Wajfer. Jr dem zweiten, höher gelegenen Naume wohnt die Familie. Dort wirft das Weibchen zwijchen Ende März und Ende April 2—3 Junge, manchmal auch mehr. Es macht jein Neft inmitten von Blätterjtreu und Wolle, die e3 ji) am Bauche ausreißt. Diefe Darjtellung des Biberbaues ftimmt nicht ohne weiteres mit der Friedrichichen überein. Sollte der Nhonebiber aus irgendeinem Grunde im Herbte nicht die Vorbauten von Hungsreifig aufführen, wie die Elbebiber, jondern feine Vorräte unterivdifch im Bau jelbjt anhäufen? Dann winden fie ihm leicht troden und ungenießbar werden. Oder ilt Ningauds Vorratsfammer nur die Aushöhlung des Vorrat3vorbaues durch Verbrauch? Die Biber. Kanadabiber. 455 Biber des Berliner Gartens zeigen alle gleicherweije die Neigung, dünneres Nageholz jo- wohl in die fünftlich für je Hergejtellten Wafjerburgen al in den Feljenjtall einzutragen, jo daß jie auf einem erhöhten Lager jiten. — Ein ganzes Kapitel widmet Mingaud den verichiedenen an der Ahone üblichen Methoden der Biberjagd und des Biberfanges: eine ift immer „weidgerechter” als die andere, und alle zujammen dürften wohl genügen, die legten Ahonebiber bald zu vertilgen, wenn dies nicht bereits gejchehen ift. Bon Europa nach Ajien übergehend, gewinnt man aus den Greve-slöppenjchen Zu- jammenftellungen den Eindrud, daß in Sibirien mit den Bibern ebenjo jchnell und gründfich aufgeräumt worden ijt wie in Europa. Sm Uralgebiet erütierten jie zu Pallas’ Zeit an der Kolonga, an der Sosiva und Tamda, ferner an der Konda und nördlichen Sostwa, die zum Db gehen. Sebt jind jte im Ural recht jelten geworden. Noch 1876 lebten Biber in Bauen am Oberlauf der Konda (fließt in den Srtyjch) und Steinen Soswa (geht zur nördlichen Soswa, dieje in den Ob); 1892 fanden jich noch welche im Pelimergebiet im Streije Tjumen, an der Stleinen Konda und im Gebiet Berejomwjf an der nördlichen Soswa; 1837 hatte man jie noch in der Yalpinjkaja Wolojt; hier wurden jie auch noch 1890 und 1894 beobachtet. Im rufjiichen Turfejtan dürfte der Biber auch einmal gelebt haben, da noch heute Namen (Fluß Kundusda, Zufluß der Emba; Kundus = Biber) darauf Hinweilen, bejonders in den Mugodjcharbergen. Auch Knochenfunde von Sujchkin (1894) an der Mündung des Temir, emeg rechten Embazuflujjes, wo jeßt eine Steppe it, betätigen dieje Annahme. Te weiter nach Dften, dejto Spärlicher und unflarer fliegen die Nachrichten. Überjchauen wir das Ganze, jo können wir fejtitellen, daß der Biber in Sibirien einjt bis zu den rechten Lenazuflüfjen verbreitet war. Er fehlte in der Tundra, weil fein Wald vorhanden war, und in der ur- jprünglichen Steppe aus demjelben Grunde. Ob er wirklich in Dftjibirien gefehlt Hat, wo der jtet3 gefrorene Boden dvorherrjcht, it nicht ausgemacht. Fraglich it jein Vorkommen auch im Kaufajus und Stleinaften. Nach Braf („Neue Belziwarenzeitung“, 1905) vermutet man übrigens, daß ein großer Teil der Biberfelle, die auf die Märfte des nordöftlichen Sibirien, Anadyrjk und Nifchni Kolymjf, gelangen, gar nicht aus Sibirien jtammen, jondern aus Amerika und auf dem Lege des Taufchhandels über die Snjeln der Beringjtraße von den Sndianern in die Hände der Füjtenbewwohnenden Tiehuftichen gelangen. Auch für jeinen Taufchhandel mit China (Siachta) Hat Rufland jchon in früheren Jahrhunderten große Mengen amerifantjcher Biber- jelle über England bezogen. Den vollftändigften Bericht über „Die Verbreitung des Bibers im Quartär”, d. H. in unferer jegigen Exrdperiode, hat gewiß; D. dv. Linjtow in den „Abhandlungen und Berichten des Mufeums für Natur- und Heimatkunde zu Magdeburg” (Bd. I, Heft IV) 1908 geliefert: eine ganz umfaljende, mit äußerjtem Fleige dDurchgearbeitete Kiteraturjtudie! Vom altweltlichen Biber hat man verjchiedene Arten aufgeitellt, deren Berechtigung . jedoch twieder beitritten worden ist. Dagegen bejteht Schon lange fein Zweifel mehr, daß man den fanadischen Biber des nördlichiten Nordamerika al3 bejondere Art aufzufaljen hat. Der Kanadabiber, Castor canadensis Kuhl, unterjcheidet jich von dem europätjchen durch die mehr gewölbte Gejichtslinie des überhaupt jchmäleren Kopfes und andere Eigen- tümlichkeiten des Schädels, durch das dunklere Fell und namentlich durch abweichende Ver- hältnijje des Geilfades. Wilhelm Blajius hat 1886 den endgültigen Nachweis für jeine Urtjelbftändigkeit durch jehr jorgfältige Vergleihung geführt. („Verein j. Natur. zu 456 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Biberartige. Braunjchweig”, IV. Jahresber.) Daß damit aber die amerikanischen Biberformen nicht er= jchöpft find, fann man jchon an den lebenden Stüden jehen, die der amerifantjche Tier- händler Cecil French in Wafdington feit einigen Jahren in die europätjchen zoologijchen Gärten hiefert. Darunter befinden jich folche aus dem Weiten der Vereinigten Staaten, die ebenfo hell gefärbt jind iwie Elbebiber, und jo unterjcheidet man denn auch heute, indem man den Sanadabiber auf die Ufer der Hudjonbai bejchränft, noch weitere Unterarten. Sr Nordamerika hat der Biber früher eine noch viel größere Rolle gejpielt als in der Alten Welt. Er war dort gemein, feine Zahl it aber durch die unabläfjige Verfolgung jchon jehr zujammengejchmolzen. La Hontan, der vor zwei Jahrhunderten Amerika bereijte, er- zählt, daß man in den Wäldern von Kanada nicht 4—5 Stunden gehen Fönne, ohne auf einen Biberteich zu ftoßen. Seitdem hat die Anzahl der Tiere, wie leicht erklärlich, ungemein abgenommen. Audubon gibt (1849) bloß noch Labrador, Neufundland, Kanada und einzelne Gegenden der Staaten Maine und Majjachujetts als Heimatländer des Tieres an, fügt je- doch Hinzu, daß der Biber in verjchtedenen wenig bebauten Gegenden der Bereinigten Staaten einzeln noch gefunden werde. Und Hornaday muß fich in jeiner „Amerikanischen aturgejchichte” von 1904 natürlich exit recht dahin ausiprechen, daß es auch in Nordamerika nur noc) wenig Biber gibt und nur noch in wenigen Gegenden. Da er aber verjchiedene Biberarten nicht unterjcheidet, fo bejchreibt er ven Gejamtverbreitungskreis vom Rio Grande in Texas nördlich durch die Nody Mountains einerjeits, Sierra Nevada und Kasfadengebirge anpderjeits bis zur Baumgrenze und von da wieder jüdöftlich Durch Kanada bis in die nörd- lichen Neuenglandftaaten. „Die Zahl der jeßt noch in Colorado vorhandenen Biber wird auf 1000 gejchäßt.” Stone und Eram geben in ihren „American animals“ 1902 al3 Heimat des Fanadischen Bibers das nordöftliche Nordamerika an mit dem Zufaß: „jest in den Ver- einigten Staaten beinahe ausgerottet”. Und dem Carolinabiber, den fie alS Unterart (C. c. carolinensis Rhds.) noch anführen, jchreiben jte al3 urjprüngliches Borfommen die mitt leren Tieflandftaaten des Südens zu mit ähnlicher Bejchränfung: „jet meift ausgerottet, findet fich jedoch noch in einzelnen Teilen von Nordamerika”. Nie mit diejen neueften Angaben der volfstümlichen nordamerifanischen Naturgejchichte die Statiftifen des Belzhandels in Einklang zu bringen find, jcheint jchiver erfindlich: hat Doch der Leipziger Rauchwarenfommiffionär Rob. Hermann Müller noch für die vier Kondoner Auftionen des Jahres 1906 eine Öejamtjumme von beinahe 83000 verkauften Biberfellen nac amtlichen Quellen angegeben, und Fan man doch in den Lagerräumen von Gaudig u. Blum und anderen auf dem Brühl in Leipzig die jattbraunen, oval (ohne Schwanz und Beine) zugejchnittenen Felle jederzeit aufgeftapelt jehen! Der „Hunters and Trappers Guide“ von Anderjch Bros. in Minneapolis, Minn., bringt eine Zujammenftellung der Er- gebnijje der fünf legten Fangzeiten von 1904/05 rüdwärts mit insgejamt 375500 Biberfellen im Öejamtmwerte von beinahe 2300000 Dollar. Die Zahlen über Ausfuhr von Biberfellen ind oft nicht ohne weiteres verständlich. ©o hat die befannte Weltbeherrjcherin des Pelz- handels, die Hudjon’s Bay Company, 1853 über 55000, 1873 beinahe 150000 und 1893 über 56000 Biberfelle verkauft, it aljo im Verlaufe von 40 Sahren über eine Steigerung auf das Dreifache wieder bei der Anfangsziffer angefommen. Für ihr im großartigften Maßjtabe be- triebenes Taufchgefchäft gab früher das Biberfell lange Zeit fozufagen die Einheit3münge ab. Nad) Braß („Neue Belzwarenzeitung“, 1905) fommen die beiten Felle aus den jüdöftlichen Zeilen des Hudjonbaigebietes. E3 find dies die M.R. gezeichneten aus der Faktorei Miooje River, die E.M. aus Caft Maine, dunkle, faft [schwarze Felle, die am Höchften im Preije ftehen; KRanadabiber. 457 dann folgen die Y. F., große, aber vielfach etivas (heller) bräunliche Felle. Aus (dem jiid- licheren) Slanada fommen große, gutfarbige (dunkle) Felle, die aber nicht fo rauch find wie die aus den nördlichen Gebieten. Das Gebiet des Madenzie River, weit nördlich inmitten der aus- gedehnten, unmirtlichen Barren-Grounds, Tiefert länglich getrodinete, helle Felle, während Britifch- Kolumbien eigenartig fiichfürmig getrodnete Felle bringt. „Die Vereinigten Staaten liefern jest faum mehr 20000 Felle im Jahr (auf den Londoner Markt). Die meijten fom- men aus dem Welten und Norden. Weltlich der Rody Mountains find die Biber jehr hell - farbig; namentlich das füdliche Dregon und Kalifornien liefern jajt goldblonde Felle. Auch der Alasfabiber ijt zwar jehr gut im Haar, aber bedeutend heller aß die Felle aus dem Hudionbai- gebiet, ja jelbjt als die hellen Felle von Madenzie River... Sehr gute und dunkle Biber liefert Montana... Sn den öftlichen Staaten gibt es fajt Feine Biber mehr. Jr den Süpditaaten Arkanjas, Texas uf. Fommt der Biber wohl noch vor, ift aber jelten und das Fell wenig wert.“ Bom SKanadabiber ift neuerdings auch ein Albino bekannt und im „Field“ (1907) bejchrieben worden: ein jchönes Winterfell, das ein Beamter der Hudjonbatfontpanie dem Londoner Mujeum für Naturkunde jchenfte. Hornadady gibt in feiner „Amerifanifchen Naturgejchichte” das Gewicht eines 1900 in Maine gefangenen Bibers auf etwas über 50 Pfund an. Ein ftarkes Stüd im Neuyorfer Boologiichen Park hat über 75 cm Rumpf, 30 em Schwanzlänge und wiegt 44 Pfund. Die Biberdämme möchte Hornaday nicht nur jo verjtehen, daß jte Die Eingänge der Burgen unter Wajjer Halten; er fieht fie vielmehr auch al3 „Kühlgefäß" an, auf deijen Grunde fich die auf- geftapelten Mungshößer für den Winter frifch halten, wenn die Oberfläche für lange Zeit zugefroren ift. Den Dammbau hat Hornaday jelbjt beobachten fünnen. Mit den Vorderfüßen gräbt das Tier weichen Schlammgrund auf, Hält jich Die Majje gegen die Bruft und jchwimmt damit zum Damm. Hier legt es jie an der Stelle nieder, wo jie am nötigiten it, und Eopft fie tätjchelnd feit. Um den Bau zu feitigen, trägt e3 Holzprügel herbei, 4 oder 5 Zuß lang und 21,—5 cm im Durchmejjer, von denen e3 die Ninde abgefrejjen Hat. Dieje legt e3 freuz- weije oder ungefähr fo auf den Damm und füllt die Zwijchenräume mit Schlamm aus. Wenn Biber einen mehr al3 50 Fuß langen Damm anzulegen haben, um tiefen ABajjeritand aufzufluten, fo geben jie ihm gewöhnlich eine Krümmung ftromaufiärts. Der Damım Der Biber des Neuporfer Zoologijchen Parkes ijt ungefähr 40 Fuß lang, 3 Fuß hoc) und ganz iharf ftromaufwärts gekrümmt. Cine Biberburg des Zoologiichen Parkes Hat ungefähr 15 Fuß (4,57 m) Durcchmeijer und 5 Fuß (1,52 m) Höhe; das Innere enthält in der Mitte einen über Wafjer gelegenen SKefjel, während der einzige Eingang qut unter Wajjer liegt. Stone und Cram geben eine genaue Bejchreibung, wie der amerifanijche Biber in der guten, alten Zeit gelebt und gearbeitet hat, wie aber die Zehntaufende, die auc) heute noch jährlich ihr Fell Yajjen müfjen, wohl auch heute noch Ieben. Der Damm wird oft durch weitere Dämme unmittelbar unterhalb de3 erjten verjtärkt, um Wajjer gegen den erjten aufzuftauen und diefen dadurch von einem Teile des Drudes zu entlajten. Wenn das Wajjer jteigt, werden Damm und Ufer genau überwacht, jeder Einbruch an der ©eite mwird jofort abgedämmt und der Teich fo immer wieder auf die gewünjchte Höhe gebracht. Noch heute müjjen übrigens in manchen Gegenden Kanadas die Biber durch ihre Dammbauten der Landjchaft fozujagen ihren Stempel aufdrüden; denn unter den einladenden photo- graphijchen Aufnahmen für einen „wilderness club“ in den Laurentian Mountains bringt A. Radelyfie Dugmore („Country Life in America“) nicht weniger al zwei, auf denen ein Boot über einen Biberdamm hinübergejchafft wird. Der verjtorbene Leipziger Oeolog 458 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. Hermann Credner hat „Die Beeinfluffung des topographiichen Charakters gemwiljer Land- steiche Nordamerifas durch den Biber“ des Näheren dargelegt („Petermanns Mitt.”, 1869). Wo das Tier noch in größerer Zahl, unbeeinträchtigt durch den Menjchen, feinen Oejchäften nachgehen fann, vermag e3 der ganzen Landjchaft ein ganz eigenartiges Gepräge zu ver- feihen. Mit Dieficht oder Bäumen bewachjene Täler verwandeln jich bei jeiner Tätigkeit in Teiche, wenn e8 feine Dämme anlegt. Werden dieje jpäter nach dem Verjchtouinden des Tieres aus der Gegend von den Frühlingsfluten fortgerifjen, jo läuft das gejtaute Wajjer ab, und e3 entitehen große, jumpfige Flächen, die jich mit Riedgras bededen. Dieje Pilanzen- dede macht dann wiederum jpäter mit fortichreitender Austrodnung Wiejen mit Süßgräfern Plab, die von Hirjchen aufgejucht werden. Morgan und Agaljiz Haben aber auch amerifa- nische Biberdämme unterjucht, denen fie ein Alter von vielen Hundert bi3 zu taufend Jahren zufchreiben. Das läßt fich aus der Stärke des Torfes jchließen, der zum Teil jchon die erjten Anfänge der Dämme überlagert Hat, nachden infolge der Wafjerftauung Seen, Simpfe und Torfmoore entitanden waren. Diejelben Forjcher beitreiten auch, daß bei den Damm- bauten Sinüppel irgendwie „eingerammt” würden. Die unterjten Stnüppel mögen allerdings manchmal fo ausjehen, find aber in Wirklichkeit nur übereinander gejchichtet, oft ganz regel- mäßig, parallel zueinander und zur Stromrichtung, mit dem dien Ende nach aufwärts, und mit Sand, Schlamm, Lehm, auch 1—6 Pfund wiegenden Steinen bejchtwert und ge- dichtet. Die Dämme wurden aller Wahrjcheinlichfeit nach urjprünglich nur von einer Fa- milie ausgewanderter Sungbiber angelegt, Höchitens von mehreren Familien desjelben Jahr- ganges. Später wurden fie aber wohl von anderen Generationen ausgebejjert und ergänzt, und fo fonnten mit der Zeit ganz großartige Bauwerke entjtehen, auch ohne daß man plan- mäßige, gemeinfame Arbeit einer großen Biberjchar annehmen muß. Ebenjo jind Form und Richtung der Dämme nicht die Frucht einer an Ingenieurwifjenfchaft grenzenden llber- fegung, jondern erklären fich auf viel einfachere Weife aus äußeren Urjachen. Sie verblüffen allerdings oft dadurch, daß fie eine Krümmung ftromaufwärts Haben: ohne Zweifel Die Form, die dem Wafjerdrud am beiten Widerjtand leiftet. Aber das fommt daher, daß die Biber meijt mitten im Strome an einem Feljen oder jejtgejchwenmten Holze beginnen und der Strom jelbit die nach beiden Seiten abgehenden Dammflügel abwärts drüdt. Die um- gefehrte Ausbiegung fommt ebenfalls vor, vielleicht dann, wenn die Tiere an der Seite be- ginnen, und [chließlich gibt e3 auch Damme von unregelmäßigen Verlaufe, der aber gewiß auch durch die Strömung jelbjt und zufällige Urfachen im Strombett herbeigeführt it. Man fan loderere Prügeldämme unterjcheiden, durch die das Wajjer bejtändig ducchdringt, und vollfommen dichte Dämme, über die e3 nur oben überfließt durch regelrechte, von den Bibern jelbft ausgearbeitete Abflüffe. (W. Blajius, „Der Biber”, 1856.) Das Betragen de3 gefangenen Biber anderen Tieren gegenüber ift unfreundlich, dem Menschen gegenüber mindejtens zurüchaltend; aber bald gewöhnt jich diefer Nager au eine ihm anfänglich läftige Nachbarfchaft und fügt fich der Herrichaft feines Pflegers, ohne jich indejjen Unbilliges gefallen zu laffen. Die gut behandelten dulden jchlieglich, daß man jie iebfoft, gehen auch wohl zu ihrem Wärter hin und begrüßen ihn förmlich, yoiderjeßen fich aber jeder Gewalttat, indem jie den Rücken krümmen, die Zähne weifen und nötigenfalls auch angreifen. Im Tiergarten lebende Biber betteln auch, aufwartend und ftehend, vorüber- gehende Befucher um Äpfel, Nüffe, Zuder und Brot an, nehmen diefe Stoffe gejchidt mit den Händen weg und beginnen zu ftejien, jchlagen aber den, welcher nedt, auf die Finger. Biber: Gefangenleben. 459 ung eingefangene Biber fönnen jehr zahım werden. Die Schriftiteller, welche über Amerika berichten, erzählen von jolchen, welche jie in den Dörfern der Indianer gewiljer- maßen als Haustiere fanden oder jelbit zahm hielten. „Sch jah”, jagt La Hontan, „in diejen Dörfern nichts Merfiwürdigeres als Biber jo zahın wie Hunde, jowohl im Bache wie in den Heden, two fie ungeftört Hin und her liefen.” Hearne hatte mehrere Biber jo gezähmt, daß fie auf jeinen Auf famen, ihm wie Hunde nachliefen und jich über Liebfofungen freuten. Jr Ge- jelfjchaft der indianischen Weiber und Kinder jchienen jie jich jehr wohl zu befinden, zeigten - Untuhe, wenn dieje lange wegblieben, und Freude, wenn jie wiederfehrten, Frochen ihnen auf den Schoß, legten jich auf den Rüden, machten Männchen, Eurz, betrugen jich fajt wie Hunde, die ihre Freude ausprüden wollen, wenn ihre Herren lange abwejend waren. Dabei hielten jie das Zimmer jehr reinlich und gingen immer in das Wajjer, im Winter auf das Eis, um ihre Notdurft zu verrichten. Sie lebten von den Speijen der Leute und fragen nament- fich Neis- und Rojinenpudding jehr gern, nebenbei aber auch Filche und Fleiich. Buffon befam einen aus Kanada und hielt ihn jahrelang, anfangs ganz im Trocnen. Diejer jchloß jich zwar niemand an, war aber janft und ließ fich aufnehmen und umhertragen. Ber Tiiche verlangte er mit einem jchwachen, Käglichen Tone und mit einem Zeichen jeiner Hand aud) etwas zu frejjen, trug das Empfangene jedocd) fort und verzehrte es im verborgenen. Die mehr oder weniger erwachjen gefangenen Elbebiber des Berliner Gartens erwetjen jich al3 Harmloje, jchüchterne Tiere, die den nahenden Pileger aus ihren Heinen, ausdruds- (ofen Augen merfwürdig blöde anblien, jich aber bis jegt mit niemand näher befreundet haben; freilich läßt der tägliche Dient in der großen Berliner Tierfammlung auch faum geit zu irgendwelchen Zähmungsverjuchen. Der dunkle, mit dem einen Anhaltiner zujannten- haujende Stanadier Dagegen, der jung unmittelbar aus jeiner Heimat nach Berlin fam, er- innerte nicht nur durch jein Gejchrei, jondern auch durch fein ganzes Benehmen Menjchen gegenüber an ein Sind, wollte aufgenommen fein ujtw. — jolange er Klein war. est benimmt er jich gegen Menfchen nicht anders wie die Elbebiber auch. Bewundernswert ijt die tägliche oder vielmehr abendliche und nächtliche Schälarbeit der vier großen Nager: das ganze Ufer des Wajjerbedens liegt morgens voll Späne, und jtet3 jind eine Anzahl entrindete Prügel mit einem Ende bis zu dem Feljenloch Hingejchleppt, das den Eingang zum Stalle bildet. Bemwundernswert ijt auch, wie geräujchlos die großen, plumpen Tiere vom Ufer unmittelbar unter Waffer zu tauchen verjtehen. Auf diefe Weife gehen fie jtets zu Wajjer; man jieht nie- mals, daß jie etwa den Kopf gleich über Wajjer behielten und jo vom Ufer abjchtvämmen: immer erfolgt exft ein tiefe3 Untertauchen. Wenn jie wieder auftauchen, fanın man jich von der trefflichen Wafjerdichtigfeit des Pelzes überzeugen: das Wafjer jteht in perlenden Tropfen und Heinen Lachen zwifchen den trodenen Grannenhaaren des Nüdens. Mit gemächlichen Nuderjchlägen der Shwimmfüßigen Hinterbeine gleiten jie dann im jtetiger VBorwärts- bewegung ganz jlac) im Wafjer dahin, jo daß die wagerecht ausgejtredte Schwanztfelle gerade mit dem Wajjerjpiegel abjchneidet. Anfangs, ehe fie an Menjchen gewöhnt waren, gaben die Anhaltiner auch noch öfter den Eatjchenden Schlag mit der Schwanzfelle aufs Wafjer zum beiten, der manchem neugierigen Abendbejucher aus dem vertieft liegenden Beden über das Gitter weg das Wajjer bis ins Geficht jprigte. Dies it Heck mehrfach pajjtert, als er zu jpäter Stunde noch vom Leben und Befinden feiner jeltenen Pileglinge jich überzeugen wollte. Heintoth Hat wiederholt beobachtet, daß die Biber des Berliner Gartens, wenn der von der Zandjeite angejchnittene Stamm anfängt, einzufniden, jchleunigjt Davonlaufen, und zwar fo eilfertig, wie man das jonjt nie von ihnen jieht. An einer entjernteren Stelle gehen 460 8. Ordnung: Nagetiere. Familien: Biberhörnhen und Hörnchenartige. fie dann zu Wajjer und holen jich den hineingefallenen Stammteil wieder heraus. Die Prügel, die jie in ihre Höhle jchleppen können, zermeißeln fie drin zu Spänen, aus denen fie ji) jo ein Hohes Lager auftürmen. Die Außenjchmaroger des Biberz, ein flugunfähiger, mit ven YUastäfern (Silphidae) verwandter Stäfer, Platypsyllus castoris Rits., und eine Haarmilbe, die ziemlich zu gleicher geit von mehreren Spezialforfchern, auch von Friedrich, entdedt, von Teouefjart dem fran- zöjiichen „Bibervater” Weingaud zu Ehren Schizocarpus mingaudi benannt wurde, haben deshalb eine ganz allgemeine, weit über die Fachinterefjen hinausgehende Bedeutung, weil fie ganz genau von gleicher Form und Art auf dem Elbe und Ahone- wie auf dem fanadijchen Biber gefunden worden find. Dies läßt jich gar nicht anders begreifen, als daß dieje Snjekten auf ihren Wirten fcehon fchmarogten, als die Biber noch eine gemeinjame Heimat bewohnten, und Ddieje Zeit fann gar nicht fo jehr weit zurüdltegen; fonft würden die Schmaroger eben nicht mehr gemeinjam fein. Um jo mehr aber müffen wir den Biber zu jenen jpäten Einwanderern in Nordamerika rechnen, die, wie Wapitihirich, Schnee- ziege, Didhornfchaf, Bifon, Griejelbär, ihre nächiten Berwandten in der Mlten Welt haben, und zugleich Dürfen wir wohl den Schmarogerfäfer und die Haarmilbe des Bibers als lebendige Beweije dafür anjehen, daß ihr Wirt von einem beftimmten, im Norden der Alten Welt zu denfenden Entjtehungsherd aus fich dDurd) Wanderung verbreitet und dabei in jeine heutigen Arten und Unterarten verändert hat. * Smijchen Biber und Eichhörnchen fchalten wir die nad) einer gewiljen Mittelitellung jo genannten Biberhüörnchen (Aplodontidae) ein, denen man vermöge ihres Schädel- und Bahnbaues (Aplodon oder Haplodon = Einfachzahn) im Shitem den Rang einer ganz jelbjtändigen Familie zugejteht, obwohl dieje nur eine Gattung (Aplodontia Rech.) mit wenigen Arten (A. rufa Raf.) enthält. Tullberg möchte fie beinahe al3 Urform der Eichhorn- artigen anjehen, und Hart Merriam erklärt fie wenigiteng für ein Überbleibjel (Nelikt) aus der erogejchichtlichen Bergangenheit, das Feine nahe Verwandtichaft mit einer lebenden Nager- gruppe habe. Hußerlich Iaffen fich die Biberhörnchen in ihrer Größe und Geftalt mit dem furzen Schwanze wohl noch am beiten mit Murmeltier und Präriehund vergleichen; bei genauerer Betrachtung fällt aber der ganz ausnehmend Zurze und ftumpfe Kopf mit dem gebogenen Profil und die jehr langen, ftark feitlich zufammengedrüdten und wenig geboge- nen Strallen an den Vorderfüßen auf. Die legteren haben, ebenjo wie die Hinterfühe, fünf ganz voneinander getrennte Zehen. Die Biberhörnchen Teben im Weiten der nordamerifanifchen Union, jenfeit der Feljen- gebirge in den Staaten Wafhington, Dregon, Kalifornien, und graben jich Eolonienweije ihre Baue in Hügeligen Gegenden mit viel fliegendem Wafjer; ja, diefes foll fogar oft Durch die Gänge der Tiere felber fließen: fo tief liegen die Baue! Bei Sonnenuntergang und Tagesanbruc) Eommen die Biberhörnchen hervor und gehen ihrer Nahrung nach, die wohl hauptjächlich aus Wafferpflanzen, den Stengeln von Wafjerlifien und ähnlichem bejteht, aber auch aus Baumblättern und Zweigen, denen zuliebe die Tiere fogar gewilje, aller- dings wohl nicht weitgehende Kletterfünfte an niedrigen und umgebrochenen Bäumen üben; dazu erjcheinen ihre Füße mit den felbjtändigen Greifzehen fehr geeignet. Die Familie der Hörnchenartigen (Sciuridae) „zeigt eine größere Mannigfaltig- feit“, jagt fchon 1859 der treffliche Dfteolog Giebel-Halle in feinem viel benußten, aber Biber: Schmaroger. — Biberhörnhen. — Eihhörnden. 461 wenig zitierten Säugetierwerfe, „... jorwohl in der äußeren Geftaltung der Mitglieder als in deren Lebensweile; doch find die ertremijten Formen von dem zierlichen, behenden Eich- hörnchen bis zum plumpen Murmeltier durch allmähliche Übergänge vermittelt und durch große Übereinftimmung in der inneren Organifation zu einer Familie verbunden... Back zähne find mit wenigen Ausnahmen oben fünf, unten vier vorhanden, der erite obere jehr verkleinert, einfach, hinfällig, die übrigen drei» und viertwurzelig, die jchief vier- oder drei- jeitigen Sronen mit einigen Querwülften, die fich meift abnugen. Der Schädel hat eine breite, flache Stirn mit großen Augenhöhlenfortfägen und ein jchmales oder jpaltenförmiges Unteraugenhöhlenloch; der Unterkieferwinfel ijt abgerundet, nach innen gebogen... Boll fommene Schlüfjelbeine, Unterarm- und Unterjchenfelfnochen getrennt”, was auf eine viel- fältigere Bewegqungsweije hindeutet. Bi3 ganz neuerdings teilte man die Zamilie nad) dem allgemeinen Ausjehen und der Lebensweije in zwei Hälften, deren eine die eigentlichen Hörnchen und Flughörnchen, die andere die HZiejel und Murmeltiere waren. Dabei bildeten aber fjchon die Erdhörnchen Übergangsformen, und anderjeit3 mußte mancherlei Abweichendes, Schlafmausartiges an den nächtlihen Flughörnchen auffallen. Heute ift man nun auf Grund eingehender Gebiß- unterfuchungen des englischen Dfteologen und Paläontologen Foriyth Major zu der Über- zeugung gefommen, daß man die Zamilie der Hörnchen in drei Unterfamilten zerfällen muß, deren erjte, die Eichhörnchenartigen im engeren Sinne (Sciurinae), nicht nurdie baumlebenden Eichhörnchen mit den verwandten Zwifchenformen (Erdhörnchen), jondern auch die ganz anders ausjehenden Hiejel und Murmeltiere enthält, die zweite (Nannosciurinae) die wenig befannten Hwerghörnchen der DOrientalijchen Region und die dritte (Petauristinae) die Flughörnchen. Der Leib der Eihhörncen (Sciurinae) it mehr oder weniger geitredt und trägt einen berjchteden langen, meijt dicht, oft bufchig und zweizeilig behaarten Schwanz. Die Augen ind groß und hervorjtehend, die Ohren bald Fein, bald groß, bald diimn behaart, bald mit PBinjeln verjehen. Das vordere Beinpaar tft merklich fürzer al3 das hintere. Die Vorder- pioten haben vier Zehen und einen Daumenjtummel, die hinteren Pfoten fünf Zehen. Die Hörnchen beivohnen mit Ausnahme von Auftralien die ganze Erde, gehen ziemlich weit nach Norden hinauf und finden jich im heißejten Süden, leben in der Tiefe tie in der Höhe, manche Arten ebenjogut im Gebirge wie in der Ebene. Waldungen oder wenigjtens Baumpflanzungen jind ihre bevorzugten Aufenthaltsorte, und bei weiten die größere An- zahl führt ein echtes Baumleben, während andere in unterivdijchen, jelbjtgegrabenen Bauen Herberge nehmen. Gewöhnlich Yebt jedes Hörnchen für fi); doch halten jich unter Um- jtänden größere und Kleinere Gejellichaften oder wenigftens Paare längere Zeit zufammen, und einzelne Arten unternehmen, getrieben von Nahrungsmangel, Wanderungen, wobei jie ich zu ungeheuern, heerartigen Scharen vereinigen. %. Hall erzählt, daß fich im ganzen Weiten Nordamerifas die Eichfäschen binnen weniger Jahre oft ganz gewaltig ver- mehren und dann notwendigerweife auswandern müjjen. Heujchredenartigen Schwärmen vergleichbar, fammeln jich die Tiere im Spätjahre in größere und immer größer werdende Scharen und rüden, Felder und Gärten plündernd, Wälder und Haine verwüjtend, in jüd- öftlicher Richtung vor, iiber Gebirge und Flüfje jebend, verfolgt von einem ganzen Heere von Feinden. Beim Beginn ihrer Wanderung find alle fett und glänzend; je weiter fie aber ziehen, um jo mehr fommt das allgemeine Elend, das joldhe Nagerheere befällt, über jie: jie erkranken, magern ab und fallen Hundertweije der Not und Seuchen zum Opfer. Die 462 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Natur jelbjt übernimmt die hauptjächlichite Verminderung der Tiere, der Menjch würde ihnen gegenüber ohnmächtig fein. Ahntiche Eichhörnchenwanderungen fehren nicht nur in Sibirien mehr oder weniger regelmäßig wieder, fondern fommen jogar, allerdings an- jcheinend noch) viel zu wenig gewürdigt, in unjerem eigenen Baterlande (Württemberg) vor. Fat alle Hörnchen, am mwenigjten natürlich die größeren Murmeltierarten, beivegen jich lebhaft, jchnell und behende, und zivar die meilten’ebenjorwohl auf den Bäumen wie auf dem Boden. Die Mehrzahl läuft jabiveije und tritt dabei mit ganzer Sohle auf. Die auf Bäumen lebenden Arten Klettern vorzüglich und |pringen über große Zwijchenräume weg von einem Baume zum andern. Beim Schlafen nehmen fie eine zufammengerollte Stellung an und juchen fich gern bequeme Lagerpläße aus, ruhen daher entiweder in einem unterirdischen Baue oder in Baumhöhlen oder endlich in Nejtern, die fie fich teilweije vorgerichtet oder ganz jelbjt erbaut haben. Die in falten Ländern Wohnenden wandern, wenn der Winter herannabt, oder fallen in dauernden oder unterbrochenen Winterjchlaf und jammeln fich größere oder Heinere Mengen von Borräten ein, zu denen jie im Notfalle ihre Zuflucht nehmen. Shre Stimme ijt ein Pfeifen und ein eigentümliches, nicht zu bejchreibendes Brummen, Senurren und Ziichen. Die geijtigen Fähigkeiten find gering, für die Ordnung der Nager aber verhältnismäßig bedeutend. Unter ihren Sinnen dürften Gejicht, Gehör und Geruch am meiften ausgebildet fein; einzelne befunden jedoch auch ein jehr feines Gefühl, wie fich namentlich bei Beränderung der Witterung offenbart. Alle find aufmerffam und jcheu und flüchten bei der geringjten Gefahr. Jim ganzen ängjtlich und feig, wehren fie jic) doch nad) Möglichkeit, wenn je ergriffen werden, und können mit ihren jcharfen Zähnen tüchtig verwunden. Die meijten Arten jcheinen jährlich mehr als einmal Junge zu werfen. Um die Zeit der Paarung lebt oft ein Männchen längere Zeit mit dem Weibchen, hilft ihm wohl auch an dem Ausbau der mehr oder weniger funjtvollen Wohnung, in der das Weibchen jpäter feine Nach- fommenjchaft beherbergen will. Die Anzahl der Jungen eines Wurfes fchwanft zwijchen zwei und zehn. Die Kleinen fommen jajt nat und blind zur Welt und bedürfen deshalb eines warmen Lagers und jorafältiger Pflege von feiten ihrer Mütter. Aus dem Nefte ge- nommene Sunge lajjen jich ohne bejondere Mirhe zähmen, halten auch die Gefangenjchaft lange Zeit ohne Bejchiwerde aus. Manche gewöhnen jich an ihre Pfleger und hängen mit einer gewiljen Zärtlichkeit an ihnen; doch erreicht ihr Verftand felbft bei längerem Umgange mit dem Menfchen Feine bejondere Ausbildung, und fajt regelmäßig bricht im höheren Alter das troßige und mitrische Wefen Durch, das vielen Nagern gemein zu fein fcheint: fie werden böje und bijjig, jo gutmütig und harmlos fie früher auch waren. Alle Hörnchen frejjen zwar mit Vorliebe und zeitweilig ausihhhieglich Pilanzenftoffe, verjchmähen aber, mie jo viele andere Nager, auch Fleijchnahrung nicht, überfallen jchwache Säugetiere, jagen eifrig Vögeln nach, plündern unbarmberzig deren Nefter aus und morden, als ob jie Raubtiere wären. Shrem gefräßigen Zahne fällt alles zum Opfer, was ihnen irgend- wie genießbar erjcheint. Auf Java bejuchte Haffarl Dörfer, in denen die zahlreichen Stofos- palmen nie zu reifen Früchten fommen, weil auf den Palmen haufende Eichhörnchen ftets die noch unentwidelten Früchte anbeigen und in ihrer Weiterentwidelung ftören, tie jie auch [päter die reifenden Stofosmüje anbohren, nicht allein um deren Mark zu frefien, jondern auch um Die Höhlung der Nuß zu ihrem Nefte zu verwenden. Obgleich man das Fell mehrerer Hörnchenartigen als Belziwerf verwertet, hier und da das Fleifch genießt, Fann doch diejer geringe Nuben den Schaden, den die Hörnchen unferen Nußpflanzen und den nüßlichen Vögeln zufügen, nicht aufwiegen. Sene von Haffarl erwähnten Dörfer auf Java verarmen Murmeltiere. 463 diefer Tiere wegen und werden nad) und nach verlafjen, Die Feldmarfen ganzer Dorfichaften Nordamerikas erleiden die jhwerjten Einbußen Durch die Eichhörnchen. Auch bei uns zulande jchaden fie mehr, al fie nügen. Jm großen, freien Walde mag man jiedulden, in Parkanlagen und Gärten wird man ihnen nachjtellen müjjen. Sie verwüjten mehr, als fie zu ihrer Sät- tigung bedürfen, und machen jich al8 Nejtplünderer verhaßt, rechtfertigen aljo eine Ver- folgung unfererjeits jelbft dann, wenn jte nicht in größeren Scharen auftreten. Nach Foriyth Major tft Feinerlei tiefergehende Scheidung zwijchen Eichhörnchen und Murmeltieren zuläjjig, jondern innerhalb derjelben Unterfamilie einfach Gattung neben Gattung zu jeßen, vom Murmeltier durch Ziejel und Erdhörnchen bis zum Baumbörnchen. Die jpjtematiiche Kennzeichnung der Murmeltiere (Gattung Marmota Blbeh. [Arc- tomys]) jtüßt fich auf den Bau des Schädels und die Bildung des vorderen oberen Bad- zahnes. Der Schädel ift oben jehr platt und zwijchen den Augenhöhlen eingejenft, der erjte obere einmwurzelige Badzahıı auf feiner Oberfläche etwa halb jo groß wie die übrigen. Gedrungenen Leib und kurzen Schwanz, Furze Ohren und Feine Yugen forwie nur angedeutete Badentajchen haben die Murmeltiere mit den hier auf jie folgenden Präriehunden gemein. An den Vorderfühen Fann ein Daumen vorhanden fein oder fehlen. Man findet Murmeltiere in Mitteleuropa, Nordafien und Nordamerika in ziemlich bedeutender Artenmenge verbreitet. Die meijten von ihnen bewohnen das Flachland, einige Dagegen leben gerade in den höchjten Gebirgen ihrer Heimatländer. Trodene, lehmige, jan- dige oder fteinige Gegenden, grasreiche Ebenen und Steppen, aber auch Wälder jind die Aufenthaltsorte, und nur die Gebirgsmurmeltiere ziehen die Triften und Weiden über der Grenze des Holziwuchjes oder Die einzelnen Schluchten und Felstäler ziwijchen der Schnee- grenze und dem Holgwuchje jenen Ebenen vor. Alle Arten haben fejte Wohnjige und ivan- dern nicht. Sie legen fich tiefe unterivdische Baue an und leben hier in Gejellichaften, oft in erjtaunlich großer Anzahl, beieinander. Manche haben, je nach der Jahreszeit oder den jeweiligen Gejchäften, die fie verrichten, mehr als einen Bau, andere halten jich jahraus jahrein in Dderjelben Höhlung auf. Alle find Bodentiere, ziemlich lebhaft und jchnell in ihren Bewegungen, jedoch weit langjamer als die eigentlichen Hörnchen; einige Arten er- jcheinen geradezu jchiwerfällig. Gras, Sträuter, zarte Triebe, junge Bilanzen, Sämereien, Feldfrüchte, Beeren, Wurzeln, Knollen und Ziviebeln find ihre Nahrung, und nur die wenigen, die jic) mühjam auf Bäume und Sträucher Hinaufhaspeln, frejjen junge Baumblätter und Knospen. Manche werden den Getreidefeldern und Gärten jchädlich; doch 1jt der Nachteil, den jie unjerem Befißjtande zufügen, nicht von Belang. Beim Frejjen fißen fie tie die Hörn- chen auf dem Hinterteile und bringen das Futter mit den Borderpfoten zum Munde. Mit der Fruchtreife beginnen fie Schäbe einzufammeln und füllen fich, je nach der Ortlichkeit, bejondere Räumlichkeiten ihrer Baue mit Gräjern, Blättern, Sämereien und Körnern an. Gegen den Winter hin vergraben jie fich in ihren Bau und verfallen in einen unumnterbrochenen und tiefen Winterjchlaf, der ihre Lebenstätigfeit auf das allergeringjte Maß herabjtimmt. Shre Stimme ift ein jtärferes oder fehwächeres Pfeifen oder Släffen und eine Art don Murten, das, wenn es leije ijt, Behaglichkeit ausdrückt, jonjt aber auch Zorn bekundet und bei den Präriehunden dann in ein fehmetterndes Gezeter umjchlägt. Unter ihren ©innen find Gefühl und Geficht am meijten ausgebildet; namentlich zeigen je ein jehr feines Borgefühl der fommenden Witterung und treffen danacd) ihre Vorkehrungen. Höchit aufmerfjam, vorfichtig und wachjam, jcheu und jurchtiam, ftellen viele von ihnen bejondere 464 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Wachen aus, um die Sicherheit der Gejellichaft zu erhöhen, und flüchten fich beim ge= tingften Verdacht einer nahenden Gefahr jchleunigjt nach ihren unteriwdiichen Berjteden. Nur jeher wenige wagen es, einem heranfommenden Feinde Troß zu bieten. Die große Mehrzahl jebt jich, ungeachtet ihres tüchtigen Gebijjes, niemals zur Wehr, und deshalb jagt man bon ihnen, daß jie gutmütig und janft, friedlich und harmlos jeien. Jhr Berjtand be- fundet fich darin, daß fie jich leicht bis zu einem ziemlich hohen Grade zähmen lajjen. Die meijten lernen ihren Pfleger fernen und werden jehr zutraulich ; einige zeigen jich jogar folg- jam, gelehrig und erlernen mancherlei Kunftjtücchen. Shre Vermehrung tft jtarf. Ste werfen allerdings ducchjchnittlich nur einmal im Jahre, aber 3—10 unge, und dieje jind jchon im nächften Frühjahre fortpflanzungsfähig. Man benußt von einigen das Fell und ift von den anderen das Fleijch, hält jie auch gern als artige Hausgenofjen; weiteren Nuten bringen fie nicht. Dagegen haben fich neuer- dings innerafiatiiche Arten al8 Verbreiter der mongofiichen Lungenpeft jo verdächtig ge- macht, daß die Jagd auf die in der Pelzinduftrie viel verwerteten Tiere jowohl von der rufliichen al3 von der chinejischen Negierung verboten wurde. Dben auf den Höchjten Steinhaßden der Alpen, wo fein Baum, fein Strauch mehr mwächft, wo fein Aind, faum die Ziege und das Schaf mehr hinkommen, jelbjt auf den Heinen Seljeninjeln mitten zwijchen den großen Sletichern, wo im Jahre Höchjtens 6 Wochen lang der Schnee vor den warmen Sonnenjtrahlen jchwindet, 1jt die Heimat eines fchon jeit alter Beit wohlbefannten Mitgliedes der Familie. Die Römer nannten diejes Tier Ulpenmaus, die Savoyarden nennen e8 Marmotta, die Engadiner MNarmotella, die Deutjchen, beide Namen umbildend, in der Schriftjprache Murmeltier, in der oberbayrifchen Mundart Manfei. In Bern heißt es Murmeli, in Wallis Murmentli und Miftbelleri, in Grau- bünden Marbetle oder Murbentle, in Glarus Munf. Gegenwärtig ift ung Mittel deutjchen das Tier fremder geworden, al3 e3 früher war, da noch arme Savoyardenfnaben bis zu uns und noch weiter nördlich pilgerten mit ihrem zahmen Murmeltier auf dent Nücden, um durch die einfachen Schauftellungen, die jie mit ihrem ein und alles in Dörfern und Städten gaben, einige Pfennige zu verdienen. Das Alpenmurmeltier, Marmota marmota Z. (Taf. „Nagetiere XVII”, 1) er- reicht etwa 62 cm Gejamtlänge, oder 51 cm Leibes- und Il cm Schwanzlänge, bei 15 cm Höhe. Ar den Vorderfühen fehlt zum Unterjchted von dem nächitfolgenden Vertvandten der Daumen. Die Behaarung, die aus Firzerem WolF und längerem Grannenhaar be» jteht, ift dicht, reichlich und ziemlich lang, ihre Färbung auf der Oberjeite mehr oder weniger jahlgrau, auf Scheitel und Hinterkopf jchwarz gemifcht, im Naden, an der Schwanztwurzel und auf der ganzen Unterfeite dunkel rötlichgelb, an den Beinen, den Leibesjeiten und Hinter- baden heller, an der Schnauze und an den Füßen roftgelblihweiß. Augen und Strallen find fchwarz, die VBorderzähne braungeld. Übrigens fommen vollfommen jehwarze oder weiße und perlartig weißgefledte Stüde vor. Die neueren Unterfuchungen haben ergeben, daß das Murmeltier ausjhhließlich in Europa lebt. Das Hochgebirge der Alpen, Pyrenäen und Karpathen beherbergt es, und zwar bewohnt e3 die höchftgelegenen Stellen, die Matten dicht unter Dem ewigen Ei3 und Schnee, geht itberhaupt Höchfteng bi3 zum Holggürtel herab. Zu feinem Aufenthalt wählt es freie Pläße, die ringsum durch fteile Felfenwände begrenzt werden, oder Heine enge Gebirgs- Ihluchten zwifchen einzemmen auffteigenden Spiten, am liebften Drte, die dem menjchlichen Nagetiere XVII. ı. Alpenmurmeltier, Marmota marmota /. S. 464. M. Hähnle -Reutlingen phot. 2. Präriehund, Cynomys socialis Raf. 5 nat. Gr., s. S. 489. — W. S. Berridge,, F. Z. S.- London phot. 3, Waldmurmeltier, Marmota monax /. l/5 nat. Gr., s. S. 484. Georg E. F. Schulz-Friedenau phot. S. 498. 4. Zieiel, Citellus citellus Z. Von M. Steckel-Königshütte auf dem Truppenübungsplatz Lammsdorf (Oberschl.) aufgenommen. 5. Perlzieiel, Citellus suslica Güld. on 1/2 nat. Gr., s. S. 503. P. Kothe - Berlin phot. 6. Parrys Zieiel, Colobotis parryi Rich. /2 nat. Gr., s. S. 507. — W.P. Dando, F. Z. S.-London phot. RER Alpenmurmeltier: Verbreitung. 469 Treiben jo fern wie möglich fiegen. Ye einjamer das Gebirge, um jo häufiger wird es ge= junden; da, wo der Menjch jchon mehr mit ihn zufammentraf, ift e3 bereit ausgerottet. Sn der Regel wohnt e3 nur auf den nad) Süden, Often und Weiten gelegenen Bergjlächen und Abhängen, weil es, wie die meijten Tagtiere, die Sonnenstrahlen liebt. Hier hat e3 fich jeine Höhlen gearaben, Heinere, einfachere und tiefere, großartig angelegte, die einen für den Sommer bejtimmt, die anderen für den Winter, jene zum Schube gegen vorübergehende Gefahren oder Witterungseinflülje, dieje gegen den furchtbaren, jtrengen Winter, welcher da oben feine Herrichaft 6, 8, ja 10 Monate lang feithält. Miindejtens zwei Drittel des Jahres verjichläft das merkwürdige Gejchöpf, ojt noch weit mehr; denn an den höchitgelegenen Stellen, wo e3 fich findet, währt fein Wachjein und Umhertreiben vor dem Bau faum den jechiten Teil des Jahres. Sm Genaueren jcheint die tatjächliche Verbreitung des „europäijchen Gebirgsmurmel- tieres” (um einen vorjichtigen und doch genitgend allgemeinen Ausdrucd zu wählen) durchaus nicht jehr Kar und feit zu liegen, und mit Einzelbelegen fieht e3 recht dürftig und unerfreulich aus. Nac) Langfavel-Hamburg, dem allbelefenen, bis an jein Lebensende unermüdlichen Aufjtöberer zerjtreuter Angaben über Säugetiere, gab e3 „in den hohen Teilen des Bregenzer Waldes zu Anfang der 1860er Jahre noch allenthalben diefe Tiere und noch jebt (‚Zool. Garten‘, 1893), nad König-Warthaufen, im bayrischen Ulgäu. Sm Zahre 1878 wurden in Tirol und Vorarlberg 164 Stüd erlegt; jie find nur im le&teren noch ziemlich Häufig. Nach %. Bayer ift nur noch auf der Marteller Alp die Jagd wirklich Iohnend. Bor 250 Jahren (in der erjten Hälfte des 17. Sahrhunderts) gab es Manfei oder Murmentel im wild- vomantijchen Gleirfchtal an der bayrijchen Grenze und an der Frauhütt bei Jrunsbruc, wohin jte durch die tirofijchen Herzöge verjeßt waren. m Salgfammergut wurde 1890 ein einziges erlegt. Für ganz Dfterreich betrug im Jahre 1886 die Abfchußlifte 325 Stüd, für 1837 die Ducchjchnittszahl des jährlichen Abjchuffes nach neunjährigem Turnus 214.” — „Über die Verbreitung des Murmeltieres in Bayern” macht der treffliche Beobachter und Gejchicht- ichreiber feiner heimatlichen Tierwelt, Pfarrer Zäde-Sommersdorf, fehr zahlreiche und genaue Mitteilungen. („Zool. Garten‘, 1866). Laut diejen findet fich das Tier „urjprünglich nur auf der Oft und Weftgrenze der Baprijchen Alpen, im Berchtesgadenfchen und im Algäu, twojelbit e3 jeine hHauptjächlichiten Wohnpläße hat und feinesiwegg felten ijt. An verjchiedenen Punkten des dazwijchenliegenden Gebirgszuges hat man in neuerer Zeit die Einjeung des interejjanten Tieres mit teilweije ermunterndem Erfolge verjucht.” Die Hoffnungen, die Sädel daran fnüpft, jcheinen jedoch nicht in Erfüllung gegangen zu fein; man hat wenigjtens nicht3 von weiterer Ausbreitung des Murmeltieres in den Baprijchen Alpen gehört. Dagegen erhielt der Berliner Zoologijche Garten auch in den legten Jahren noch wiederholt Angebote bon Murmeltieren aus Nenzing in Vorarlberg. „gm Forjtamtsbezivt Berchtesgaden fommen jie allenthalben, vorzüglich im Aevier Königsjee und auf der an genanntes Forjtamt angrenzenden, auf öjterreichiichem Gebiete gelegenen Forjtwartei Falled (Nevier des Saalad)- tales, Forjtamt der Saalforfte) vor, bewohnen bis zu einer Höhe von 7000 Fuß eine Menge von Bergen in hohen, jehr rauhjteinigen Lagen, welche Sand» und Schotterumterlagen haben.” Yädel gibt dann eine genaue „Aufzählung der Berge”; darunter befinden ich GÖll, Senner, Wabmann. vd. Kobell, der alte Kenner und Dichter des bayriichen Gebirges, fand „613 Yalled, wo man es die Kemmattenbretter heißt, weitum die meijten; diejer Plab ift eine Art von Kar, durch die wundervolle Kräutervegetation merkwürdig; denn man befindet jich in einem wahren Hochlandsgarten, twuchernd von Enzian, Meifterwurz, Almenharnifch, Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI Band. 30 466 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Hirfcehwurz und wie die aromatischen Sträuter alle heigen”. Auch auf den Bergen der Ramsau und im Hinterjeetal gibt e8 Murmeltiere, doch mehr nur vereinzelt; dagegen beruhen An- gaben, „Daß die Murmeltiere auch) in den Feljen des Hohen Stauffen und des Dreijejjel- fopfes im Bezirk von Neichenhall ihr Spiel haben”, nach Zädel, auf Unwahrheit”. Diefer gibt auch einen Hinweis, wie lange das Tier jchon „auf den Bergen der ehemaligen Graf- ichaft Werdenfels, alfo bei Bartenficchen, Mittenwald und Garmijch”, verichwunden jein muß: „die auf mehr denn 100 Jahre zurücgehenden Sagdrechnungen aus der bijchöflichen Zeit tun des Murmeltieres feine Erwähnung, und jelbit im Gedächtnis des Volkes hat fich... feinerlei... Tradition erhalten... An der weitlichen Grenze unferer Alpen ijt ihre eigentliche Heimat im Algäu... Ir den Sagdbezirfen Seiner Königlichen Hoheit des (verjtorbenen) Prinzen Quitpold von Bayern, in den NRevieren Burgberg und Fiihen, beivohnen jie die Berge bei Hindelang und Oberjtvorf, ... in den Oberjtdorjer Bergen, wo in allem etwa 100 Stücd leben mögen, die vordere und Hintere See- und die Laufbachalpe.”" Wo es anı Ber- mehrung und Ausbreitung mangelt und Ausjegungsverfuche mißlingen, fchreibt Säcdel die Schuld den Füchfen und Steinadlern zu; Doch „hat jich das Tier in neuerer Beit allenthalben in unjerem Hochgebirge, fowoHl im Berchtesgadenjchen aß im Mlgäu, durch Hege bedeutend vermehrt... Sm Berchtesgadenfchen allein fchäßt Nevierförjter Riebl- Königsjee die Zahl der vorhandenen Murmeltiere auf 400 und Darüber, und nach dv. Stobell fünnen in den Hinde- langer Bergen auf der Blättelalp und Wängenalp 200— 300 Stüd angenommen werden, während Nevierförjter Schemminger die auf der Bach-, Blättel-, Blatter- und Wängenalp lebenden ‚Murmeln‘ auf 500—600 Stüd fchäßt.“ Über „Die Murmeltiere in den öfterreichifchen Hofjagdrevieren” berichtet ganz neuer- dings Forjtgeometer Wotlaci-Poslic) („Die Jagd“, 1908) aus Eijenerz von einer gelunge- nen Ausfesung; ebenjo Schreiner-Graz aus feinem Jagdrevier bei Aflenz (Oberiteier). Aus diefem Revier Haben fich die Munmeltiere bereit3 in die Nachbarreviere verbreitet. Ähnliches meldete die „Bofjische Zeitung”, Berlin, im Oktober 1908 von der Nar am Semmering, ivo in den Sahren 1900 und 1901 in der Nähe der Karreralın Fünftlihe Baue für Murmeltiere errichtet und eine Anzahl diejer Tiere ausgejeßt worden waren. Die Tiere breiteten jich weiter aus, fo daß fie einerjeits bis zum Gfcheid, anderjeit3 biS zum Naß famen und neıutejtens aud) bis zum Plateau an der Raralpe vorfommen. Außerdem werden fchon einige Murmeltiere am Naßköhr und auf der Schneealpe beobachtet, ein Beweis dafür, daß die Tiere auch größere Wanderungen unternehmen. — Wer Tierfreund und Tiergeograph zugleich ift, Kiejt jo etwas mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Woher mag man Ddieje ausgejebten Murmel- tiere bezogen haben, und welche „geographiiche Form“ des Murmeltieres mag auf dieje Weije im Semmeringgebiete jebt jcheinbar „zu Haufe” jein?! — Aus der Schweiz hat wiederum Langfavel viele Einzelheiten zufammengetragen: dort „it man in den lebten Sahren eifrig bejtrebt gewejen, neue Murmeltierfolonien zu gründen”. „Sn Graubünden wurden in der legten Jagdjaijon (1892) 2944 Stüd erlegt” ; diejer Kanton Scheint aljo der Hauptverbreitungs- bezirk in der Schweiz zu fein. Aber auch „Glarus bejist im Freiberg Kärpfjtod recht viele”. Bon dort aus werden Ausjeßungen vorgenommen ins Glärnifchgebiet, vom Bättisberge nach Appenzell, zwijchen Ebenalp und Mesmer. „Die von St. Öallen vor einigen Jahren hierher verjchentten erhielten in der Alp Wejen die Freiheit; Doc) verließen jte diefen Standort, warı- derten aus und wurden im Sommer 1890 auf Garten beobachtet.” Auch aus Tirol (Latjch) und Savoyen hat mar Murmeltiere nach der Schweiz gebracht, nach dem Bannbezirf Schratten im Santon Luzern, und die Jagd wurde, ebenfo wie auf Genfen und Fafanen, 1892 im ganzen Alpenmurmeltier: Verbreitung. Anfiedelung. 467 Rantongebiete verboten. — Die Schweizer Hauptftädte tollen neuerdings alle die Ulpentiere lebend zeigen. So hat Bern außer feiner Bärengrube fich 1904 im „Hirichenpark” auch eine Murmeltierfolonie zugelegt und ihr einen „Dberländer” Heujchober aß Wohnung hergerichtet. ter ift die Kolonie in St. Gallen, über die der befannte Schweizer Tierfundige Girtanner fehon 1887 („Zool. Garten”) berichtet hat. Sie wurde ganz privatim, jozujagen heimlich von einem St. Galler Tierjveund dadurch gegründet, daß „er im Frühjahr 1879 ein Pärchen Murmeltiere, das er in feinem Haufe überwintert hatte, eines jchönen Tages ein- fach beim Schopfe nahm, in eine bei jeinem Haufe gelegene Wiejenparzelle trug und dort... freiließ.” Die Tiere lebten dort in „Freiheit-Gefangenjchaft”, wie Girtanner Jich jehr treffend ausdrückt, d. h. in der Stadt zwijchen Häufern und Straßen und Hinter „einer jchadhaft ge- twordenen hößernen Einftiedigung, aber auf natürlihem Erdboden und mit einem natür- lichen Wafjerlauf... Bald bezeichneten die charakteriftiichen Schutthalden unterhalb des Höhleneinganges und die fejtgetretenen feitlichen Fußiteige zu ihm, wie wir fie in den Alpen zu finden gewöhnt find, das Vorhandenfein eines fejtbervohnten Murmeltierbaues.” Neich- lich wurde Hingebrachtes Heu zum Baue getragen. „Mitte Oktober verjchwand unfer ‘Paar in feinem wohl mit Heu ausgepolfterten Bau, der jich in der Folge als tüchtig auswiez, zum langen Winterjchlafe”, und anderjeits „wurden unjere Murmeltiere, deren Heimjtätte in einer Meereshöhe von nur 650m, dabei fonnig gegen Süden fiegt, jchon am 29. März zum eriten- mal wieder außerhalb des Baues gejehen... m zweiten Frühjahr wurde num die Paarung zu genanntem Zeitpunkt (in den erjten Tagen nach dem Berlajjen des Winterbaues) beob- achtet, und ungefähr 10 Wochen nachher zeigte fich vermehrtes Qeben mit vervielfachten Pfei- fen in der Kolonie und fröhliches Jagen und Spielen des alten Paares mit feinen Jungen...” Snzwijchen toird wohl die ganze Kolonie längft der Bautätigkeit zum Opfer gefallen jein. hr Gedeihen beweift aber, daß das Alpenmurmeltier, das „urjprüngfich jo gut wie jeine nächjten Artvertvandten (Bobaf ufw.) auch das Tiefland bewohnt hat ..., auch heute noch jelbft in bedeutend tieferen Regionen als feinen jegigen Heimjtätten bei jonjt entjprechender Pflege fich wohl befindet und den veränderten Berhältnijfen in Hohem Grade jich anpaßt. Dabei nimmt e3 mit fterilem, für Kulturzwede nicht mehr verwertbarem Terrain gerne vorlieb, trägt zu freundlicher Belebung einer jonjt dem ewigen Tode verjallenen Wildnis viel bei, während feine nicht übergroße Fruchtbarkeit und die Zahl jeiner Feinde Gefahren und Nachteil, wie das Ausfegen des Kaninchens 3. B., abjolut nicht befürchten lajjen; denn itberall, wo der Menfch das Murmeltier ausrotten wollte, ijt e3 ihm aufs gründlichjte ge- (ungen, vielerort3 fogar, wo e3 nicht beabfichtigt war.” Girtanner meint aljo, e3 würde Jich „gerade diejes Tier zu Anfiedelungen in abjoluter oder bedingter Freiheit ganz bejonders eignen”, und das Unternehmen wäre „angejicht3 des drolligen Treibens und der Charakter- eigentümlichfeiten des harmlofen, an das GSiedelungsgebiet nur äußerjt bejcheidene For- derungen ftellenden Gejchöpfes überall da, two dasjelbe nichts Bejjerem im Wege ift, aljo an vielen abjolut unbenußt liegenden Orten, empfehlenswert. &3 wäre Sache der Alpen- vereine, der Tierjchubvereine, der Wildhüter.. . .” Sm Sura hat man im Frühjahr 1905, wie der Berner „Bund“ berichtet, einen der- artigen Verfuch unternommen: „in der Arena de3 Creur du Bent ob Boudry, von Noiraiqgue in einem Stündchen zu erfteigen... Sn der Mulde diejes ungeheuren Zirkus befindet jich ein Naturparf, den die Socist& des Parcs du Creux du Vent mehr und mehr in einen reich- bejegten Wildgarten umgewandelt und jet auch mit 28 Deurmeltieren bevölkert hat; 8 famen ausSavoyen, 14 aus Stalien und 6 vom Kärpfjtod in Glarus... Die jchwarzgelben Schweizer 30* 468 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Tiere find bedeutend größer und ftärfer als die grauen Fremdlinge.” Dieje lebtere Beobach- tung ift um jo bemerfenswerter, als fie gewiß von einer Seite ftammt, der jeder Gedanfe an moderne Shyitematif, geographiiche Abänderung und Unterartenbildung gänzlich fernliegt. Stellen wir damit Fatios Angabe in feiner „Schweizer Tierwelt” zufammen! „Das Murmel- tier ändert ab nicht nur in den allgemeinen grauen oder rötlichen Tönen, jondern auch die verjchiedene Ausdehnung der jehwärzlichen Nüdenfärbung. Mir fcheint, daß die Murmeltiere des Engadins jich fonftant von denen aus dem Berner Oberland unterjcheiden durch helleres Fell und ganz Schwache Spuren von Schwarz auf dem Rüden, während die aus den Berner Alpen im Gegenjab dazu dort immer eine Dunkle Binde oder einen Mantel tragen.” Genauen Aufjchluß über den gegenwärtigen Murmeltierbeitand in der Schweiz geben auf Grund amtlichen Materials jomohl das Eidgenöfjische Oberforftinjpeftorat in Bern als Dr. Fischer-Sigwart vom Nargauischen Tierjhußverein in Zofingen. (Briefe an Hed vom September 1908.) Danac) war das Murmeltier in der Schweiz „etwa um die Mitte des 19. Sahrhunderts jo zurüdgegangen, daß e3 angezeigt erjchten, Maßregeln zu treffen, um dieje Wildart zu erhalten. Dieje Maßregeln hatten Erfolg, und gegenwärtig ijt das Mummel- tier in allen Schweizer Alpen häufig... Das Murmeltier findet jich als jtändiger Bewohner unjerer Alpen in der Höhenzone von ca. 1600—3000 m it. M. beinahe überall mehr oder weniger zahfteich vor, und zivar meijt am Fuße und in der Umgebung von jonnig gelegenen, mit etivas Najen beffeiveten Geröllhaßen. Es wirft im Juni oder Juli 4—5 Junge und vermehrt fich daher in Gegenden, wo ihm nicht zu fehr nachgeftellt wird, rajch, objchon e3 unter dem Naubmwild viele Feinde zählt, wie Fuchs, Marder, Uhu, Kolfraben, namentlich aber den Adler. Seitens des Menjchen wird ihm am gefährlichiten das Ausgraben während jeines Winterjchlafes, das, wenn auch durch das Gejet verboten, in einigen Gegenden nod) ziemlich häufig betrieben wird.” Die neuerliche Bermehrung des Murmeltieres erklärt fich durch die „Bannbezirke”, in denen jegliche Jagd verboten tft, und die daher jeit 1876 auf die Erhaltung und Hebung der jchweizerijchen Tierwelt jo außerordentlich fegensteich gewirkt haben. Bis zum Sabre 1854, aljo nach achtjährigem Beftehen der Bannbezirfe, hatten jich in ihnen die Murmeltiere fchon jo vermehrt, „daß eine auch nur annähernde Zählung unmöglic) war”, und heute ift „in manchen Alpengegenden, jo im Santon Glarus, das ‚Munfenfleijch‘ während der offenen Jagdzeit tagtägliches Gericht”. Auf manchen Freibergen „it Die Zu- nahme fo bedeutend, daß auf Klagen der Bodenbefiter Hin wegen Bejchädigung ihrer Alpentiejen durch zahlreiche Baue der Murmeltiere wiederholt ein Abjchuß durch die Wild- hüter vorgenommen werden muß... Daß das Murmeltier in der Schweiz auch außerhalb der Sagdbanngebiete noch ziemlich Häufig vorkommt, beweift auch die Yagditatijtif des Kantons Graubünden. Nach amtlichen Erhebungen rourden in Diefem Kanton während der offenen Sagdzeit (vom 7.—25. September) im Jahre 1906: 3160 Stüc, 1907: 4404 Murmel- tiere erlegt.” AZ neuejte, in diefem Jahrhundert gelungene Wiedereinbürgerungsperjuche verzeichnet das Eidgenöfjtiche Oberforitinjpeftorat die im Bannbezirf Dent de Broc (Kanton Freiburg), Säntis, Creur du Bent (Kanton Neuenburg). Der Krafauer Mujeumsfuftos Schauer jagt 1865 („Die Murmeltiere und Ziejelmäufe Rofens und Gafiziens”): „Der Goral, Gebirgsbervohner, nennt diejes Tier Swistak, aud) Swiszez, von swistac, pfeifen. Wirft man einen Blid auf die Landfarte, jo wird man finden, daß die galizifche Grenze fich plößlich auf die Tatra, auch Zentralfarpathen genannt, drängt und ihren höchften Bunkt auf der 7000 Fuß hohen Smwinica erreicht. Innerhalb diefer Grenze gibt es heute feine Mummeltiere mehr, noch bemerkt da3 aufmerkfjame Auge Stellen, to fie in Alpenmurmeltier: Verbreitung. Anfiedelung. 469 früheren Jahren ausgegraben wurden.” Bielz („Wirbeltiere Siebenbürgens“, 1888) nennt das Murmeltier „auf unjeren Hochgebirgen äußert jelten und wahrjcheinlich Durch die Schäfer- hunde faft überall ausgerottet”. Saum bejjer jtellt Stochan in feinen „Säugetieren der Nord- Tatra” (1887/88) die Sachlage dar. „Der Menjc) ijt des Murmeltieres größter Verfolger; es werden im Spätherbfte ganze Familien ausgegraben und getötet. Der ungarijche Karpathen- verein, der galizijche Tatraverein umd die phyliographiiche Kommiljion verwenden viele Geld- opfer zum Schube diejer Tiere und der Gemjen; jonft wären beide au der Nordjeite längft ausgerottet.” Neuerliche Mitteilungen 2.0. Mehelys, des maßgebenden Kuftos am Budapejfter Nationalmufeum (Brief an Hed vom September 1908), bejtätigen, daß das Murmeltier „vom ganzen ungarischen Hochlande befannt” ift und „noch in den vierziger Jahren vorigen Jahr- Hunderts ziemlich allgemein verbreitet” war, aber „in neuerer Zeit an den meiften Standorten jpärlich geworden, hier und dort auch ganz verichwunden” 1ft. Jmmerhin gibt e3 in der Hohen Tatra heute noch mindejtens zehn gut bejette Standorte, die zum Teil geradezu nach dem Murmeltier (Svistova) heißen Murmeltiertal, Murmeltiertürme, Groß-Nabenberg). Das hat der Wiener Sagpdichriftiteller Camillo Morgan anı Drt und Stelle jich bejtätigen und von einem alten, überall dort bewanderten Karpathenjäger den Gejamtbeftand auf etiva 1300 Stüd ab- jchäßen Yajjen. — Nicht minder interejjant und für den Shitematifer ganz bejonders wichtig erjcheint aber Morgans Feititellung, „daß die Niedere Tatra überhaupt erjt ettwas über fünfzig Sahre mit Murmeltieren bejiedelt ijt und vordem folche gar nicht bejaß”, die Murmeltiere von dort aljo für Artunterjcheidungs- und Verbreitungsfragen nicht in Betracht fommen fünnen. War doch jelbjt von der zuftändigen Auskunftsitelle, der Herzoglich Sachjen-Koburg-Gothai- ihen Forftdireftion, die auf Beranlajjung des lebhaft für die Sache fich interejjterenden Prinzen Leopold befragt wurde, nicht mehr mit Sicherheit zu erfahren, woher das eine oder die ziwei Paar Murmeltiere jtanımten, die jie jeinerzeit in ihrem Tatrarevier Orlova aus- gejeßt hatte! Bon diefen it aber, nach Morgan und feinen Gewährsmännern, der heutige Bejtand in der Niederen Tatra abzuleiten. Wenn man übrigens jchon in den verjchiedenen Gebieten der Alpen jelber verjchievdene Murmeltierformen unterjcheiden Fanıt, jo wird man bon diejen auch das Karpathenmurmeltier unterjcheiden Fönnen; allem Anjchein nach fehlt es den Mufjeen nur vorläufig noch an genügendem Unterjuchungsmaterial. Sm Sabre 1885 Tieß Graf Nudolf Czernin-Morzin im Revier PBeber, bei der jo- genannten Blauhöhle im Niejengebirge, zwei Baar ausfeben. Diejer Berjuch verlief aber anjcheinend im Sande, ebenjo wie der, den „die Altenburger Forjtverwaltung vor längeren Sahren in dem unteren Reinftedter Grund“ machte. Über fein Ende gelegentlich eines Fuchs- grabens berichtet „Wi und Hund“ 1906 nach der „Senatjchen Zeitung”: „... Der ausgrabende erfahrene Raubzeugfänger befam in der engen Röhre den Kopf des Tieres zu Oeficht, hielt es für ein altes, jtarfes Kaninchen und verjuchte es daraufhin gleich mit der Hand auszuheben. Das Tier biß ihm aber beinahe den Finger durch. Auch einen Dachshund fchickte es mit Ihweißendem Yange heim, fette fich aljo ehr energifch zur Wehr. Man hörte es im Bau ein jtarfes Pfeifen ausjtoßen.” Als e3 endlich gelang, das Tier mittel3 Zange und Schlinge aus- zuheben, entpuppte es jich als ein ftarfes männliches Alpenmurmeltier. „Es ijt ein altes aus- gerwachjenes Eremplar und haufte icher jchon mehrere Jahre in dem abjeit3 gelegenen Bau. Bereits vor einigen Sahren iftin dem benachbarten Sagdrevier bei einer Treibjagd ebenfalß ein Munrmeltier gejchofjen worden, möglicheriveije das weibliche Tier von dem jest gefangenen.” Das „Porenäenmurmeltier” erbt fich zwar in der allgemeinen Naturgefchichte von Buch zu Buch fort; wenn man aber auf die mafgebenden Quellen zurüdgeht, verflüchtigt 470 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. e3 fich vollfommen ins Sagenhafte. Schon in dem 1878 erjchienen „Catalogue des Mammi- feres des Pyrenees“ von Trutat-Touloufe fuchen wir es vergebens, und Graell3’ „Fauna Mastodontologica Iberica“ von 1897 enthält es erft recht nicht. Mit Matjchie dürfen wir aljo an jeiner Eriftenz zweifeln. — Warum das Murmeltier im Kaufajus fehlt, bedarf wohl be- jonderer Erklärungsgründe, Die einftweilen wohl noch nicht zu geben find. „Daß ihm jedoch Breitengrade mit immer relativ hoher Temperatur, in denen e3 jeines Winterjchlafes ent- behren muß, nicht zufagen, bemweift fein Mangeln im Süden Europas, während es anderjeits wohl Hauptjächlih aus dem entgegengejetten Grunde den nördlichen Gebirgen in unferer Zeit ebenfalß fehlt. Doch müfjen feiner Eriftenzunfähigfeit jelbit im jüidlichen Norwegen 3. B. noch andere Urjachen zugrunde liegen, 3. B. das zu tiefe Einfrieren des Bodens ufiw., wenn wir bedenfen, daß in den Sentralalpen jo hoch oder Falt gelegene Giedelungen ge- funden werden, daß fie dem Murmeltier nicht mehr als ?/ „jährigen Aufenthalt in wachen- dem Zuftand geftatten.” (Girtanner.) Das Sommerleben ift, laut Tjehudi, jehr Furzweilig. Mit Anbruch des Tages fommen zuerjt die Alten aus der Nöhre, ftreden vorjichtig den Kopf heraus, jpähen, horchen, wagen jich dann Yangjam ganz hervor, laufen etlihe Schritte bergan, jegen jich auf die Hinter- beine und meiden hierauf eine Weile mit unglaublicher Schnelligkeit das Finzeite Gras ab. Bald darauf ftrecfen auch die Jungen ihre Köpfe hervor, Hufchen heraus, weiden ein wenig, liegen ftundenlang in der Sonne, machen Männchen und jpielen artig miteinander. Alle Augenblide jehen fie fich um und bewachen mit der größten Aufmerkfamfeit die Gegend. Das erite, Das etwas Berdächtiges bemerkt, einen Raubvogel oder Fuch3 oder Menjchen, pfeift tief und laut durch die Nafe, Die übrigen wiederholen es teilweije, und im Nu find alle verichwunden. Bei mehreren Tieren hat man ftatt des Pjeifens ein lautes Stläffen gehört, woher wahrjcheinlich der Name Miftbelleri fommt. Db fie aber iiberhaupt eigentliche Wachen ausjtellen, ijt nicht entjchtieden. Mehr jichert fie ihre mäßige Größe und fchiwarzgraus gelb gemifchte Schußfarbe vor der Gefahr, bemerkt zu werden, und ihr Yuge, bejonders aber ihr Ohr und Geruch find fehr jcharf. Während des Sommers wohnen die Murmeltiere ein- zeln oder paarweije in ihren eigenen Sommermwohnungen, zu denen 1—4 m lange Gänge mit Geitengängen und Fluchtlöchern führen. Dieje find oft jo eng, daß man faum eine Fauft glaubt durchzwängen zu können. Die losgegrabene Erde werfen fie nur zum Keinften Teile hinaus; das meifte treten fie oder fchlagen fie in den Gängen feit, die dadurch hart und glatt werden. Die Ausgänge find in der Regel unter Steinen angebracht. In ihrer Nähe findet man oft eine ganze Anzahl furzer, bloß zum Verjteden bejtimmter Löcher und Nöhren. Der SKejjel ift wenig geräumig. Hier paaren fie fich, wahrjcheinlich im April, und das Weibchen wirst nach 6 Wochen 2—4 Junge, die fehr jelten vor die Höhle fommen, bis fie etwas berangewachjen find und bi3 zum nädhjten Sommer mit den Alten den Bau teilen. Gegen den Herbit zu graben jich die Murmeltiere ihre Wintervohnung, Die jedoch) jelten tiefer al bi8 1%, m unter den Rafen Hinabgeht. Sie ijt immer niedriger im Gebirge gelegen als die Sommermwohnung, die oft fogar 2600 m über dem Meere liegt, während die Winterwohnung meift in dem Gürtel der oberjten Alpenmweiden, oft aber auch tief unter der Baumgrenze angelegt wird. Dieje num ift für die ganze Familie, die aus 5—15 Stüd beiteht, berechnet und daher fehr geräumig. Der Zäger erkennt die bewohnte Winterhöhle jomoh! an dem Heu, das vor ihr zerftreut Yiegt, al3 auch an der gut mit Heu, Erde und Gteinen von innen verftopften, aber bloß fauftgroßen Mündung der Höhleneingänge, während Die Nöhren der Sommermwohnungen immer offen find. Nimmt man den Bauftoff aus der Alpenmurmeltier: Verbreitung. Sommerleben. Winterwohnung. Bemegung. 471 Nöhrenmündung weg, jo findet man zuerjt einen aus Erde, Sand und Steinen wohl gemauerten, mehrere Fuß langen Eingang. VBerfolgt man nun diefen fogenannten Zapfen einige Meter weit, jo jtößt man bald auf einen Scheideiweg, von dem aus ziwei Gänge fich jortfegen. Der eine, in dem ich gewöhnlich Lojung und Haare befinden, führt nicht weit und hat wahrjcheinlich den Bauftoff zur Ausmauerung des Hauptganges geliefert. Diefer erhöht jich jest allmählich, und num jtößt der Jäger an feiner Mündung auf einen weiten Ktejjel, oft 8—10 m bergmwärts, das geräumige Lager der Winterjchläfer. Es ijt meift eine eirunde, badofenfürmige Höhle, mit kurzem, weichem, dürrem, gewöhnlich vötlichbraunent Heu angefüllt, das zum Teil jährlich erneuert wird. Bom Auguft an fangen nämlich die Murmeltiere an, Gras abzubeigen und zu trocinen und mit dem Maule zur Höhle zu jchaffen, und zwar jo reichlich, daß e3 oft von einem Manne auf einmal nicht weggetragen werden fan. Dan fabelte früher von diejer Heuernte jonderbare Sachen. Ein Murmeltier follte jich auf den Rüden legen, mit Heu beladen lajjen und jo zur Höhle wie ein Schlitten gezogen werden. Zu diejer Erzählung veranlaßte die Erfahrung, daß man oft Murmeltiere findet, deren Rüden ganz abgerieben ijt, was jedoch bloß vom Einfchfüpfen in die engen Höhlen- gänge herrührt. Außer diefen beiden Wohnungen Hat das Murmeltier noch befondere Flucht- röhren, in die e3 jich bei Gefahr verjtedt; wenn e3 jeine Höhle nicht erreichen Fan, ver- birgt e3 jich unter Steinen und in Feljenklüften. Die Bewegungen des Murmeltieres find fonderbar. Der Gang namentlich ift ein Höchft eigentümliches, breitjpuriges Watjcheln, wobei der Bauch faft oder wirklich auf der Erde jchleift. Eigentliche Sprünge habe ich die Murmeltiere, meine gefangenen mwenigjteng, niemalß ausführen jehen: fie jind zu jchwerfällig dazu. Sn Berliner Zoologiichen Garten befand jich jedoch 1908 eins, das ganz gewohnheitsmäßig eine recht anjehnliche Sprungleiftung bolfführte. &3 jprang vom Boden des vertieften Geheges im hoch auf einen Baumjchüter aus Eijenftäben und von da 1,2 m weit auf das Aufjasgitter, das die Futtermauer des Geheges Frönt. Dort blieb e3 in aufmerffamer Haltung jiten und ftürzte fich mit lauten Pfiff wieder in die Tiefe, jobald jemand fich näherte. Höchjt fonderbar fieht das Murmeltier aus, wenn es einen Segel macht; es jigt dann ferzengerade auf dem Hinterteile, jteif tie ein Stod, den Schwanz jenfrecht vom Leibe abgebogen, die Borderarme jchlaff herab- hängend, und jchaut aufmerkfjan in die Welt hinaus. Beim Graben arbeitet es für gewöhn- lich Yangfam, nur mit einer Pfote, bis es einen Hübjchen Haufen Erde losgefrast hat; danır wirft e3 dieje Durch fchnellende Bewegungen mit den Hinterfüßen weiter zuritd, und endlich ichiebt e3 fie mit dem Hinterteil vollends zur Höhle hinaus. Während des Grabens erjcheint e8 häufig vor der Mündung feiner Röhre, um fich den Sand aus dem Fell zu jehütteln; hierauf gräbt eS eifrig weiter. Aus unmittelbarer Beobachtung in der Halb zahmen St. Galler Kolonie Schidert Girtanner das Grabvermögen des Murmeltieres folgendermaßen: „Bei günstiger Bodenbeichaffenheit gräbt e3 jich rasch jehr tief ein, indem e3 dabei oft im Ziczad den am wenigjten Hindernijje bietenden Weg verfolgt; e3 vermag aber auch jehr bedeutende Hindernijje zu überwinden. 3 kann jich gezwungen jehen, ganz nahe unter der Erdoberfläche Hin zu graben oder aber, wie ich Dies namentlich einmal mit anjah, jo jteil abwärts, daß es bei der harten Arbeit beinahe auf dem Kopfe ftand, während bald fauftgroße, durch Die Borderfüße losgemachte Steine und Exrdjchollen in Mafje wie aus einem Srater herauf und ziwijchen und neben den weitgejpreizten, ebenfalls grabenden Hinterfüßen des in jeiner AUngjt wütend arbeitenden Tieres ans Tageslicht emporflogen.“ Frifche und jajtige Alpenpflanzen, Kräuter und Wurzeln bilden die Nahrung des 472 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Murmeltieres. Zu jeiner Lieblingsweide gehören Schafgarbe, Bärenklau, Grindwurzel, Lömwenmaul, Klee und Sternblumen, Alpenwegerich und Wafjerfenchel; doch begnügt es fich auch mit dem grünen, ja jelbft mit dem trodenen Grafe, das feinen Bau zunädhft umgibt. Mit feinen fcharfen Zähnen beißt e8 das fürzefte Gras jchnell ab; e3 erhebt fich auf Die Hinterbeine und hält die Nahrung mit den Vorderpfoten, bis es fie gehörig zermalmt hat. Zur Tränfe geht es jelten; Dann trinkt es aber viel auf einmal, jchmabt dabei und hebt nach jedem Schlude den Kopf in die Höhe, wie die Hühner oder änje. eine ängftliche Auf- merfjamfeit während der Weide läßt es Faum einen Biljen in Ruhe genießen; fortwährend richtet es fich auf und fehaut fi) um, und niemals wagt e3, einen Augenblid zu ruhen, bevor e3 fich nicht auf das forgfältigfte überzeugt hat, daß Feine Gefahr droht. Biele Beobachtungen des Freilebens des Murmeltieres zeigen, um Girtanners Wort- ipiel zu wiederholen, „daß es nicht nur ein pfeifendes, fondern auc) ein pfiffiges Gefchöpf ift, nicht bloß ein Freund harmlojen Spiels, jondern auch ein Mufter von Wachjfamfeit und Borficht, Durchaus nicht allein der jprichwörtliche Langjchläfer, Faulpelz und Tagdieb, jondern ein fleißig arbeitender, mit allen Umftänden vechnender Kolonijt, und nicht der icheue, furchtiame Höhlenbewohner bloß, fondern, wenn Not an den Mann geht, noch viel mehr ein Huger und tapferer Kämpe für fein und der Geinigen Sicherheit und Leben“. Girtanner gibt dann noch einige Beweije für feine Wehrhaftigfeit und feinen mit Stlugheit gepaarten Mut. „So berichtet Fatio, daß, als in das Gehege einer von ihm gefangen gehal- tenen Marmotte einft eine jtarfe Habe eindrang, jene jofort attactierend gegen dieje vorging, jie beim Balge nahm, fich jo wütend in fie verbiß und mit jolchem Erfolge mit ihr fämpfte, daß das Raubtier nur mit Not von dem Nager losgerijjen werden fonnte und jchwer ver- wunDdet herausgejchafft wurde.” „Ein ebenjo gewiljenhafter als erfahrener Beobachter der Alpentiere jeiner Heimat” erzählt „ven Kampf eines Murmeltieres mit jeinem blutigften Feinde, Dem Steinadler, dem er in den Graubündner Bergen zuzujehen Gelegenheit hatte... Ein Steinadler hatte eine alte Marmotte entiveder ziemlich weit vom. ficheren Bau abzu- treiben gewußt, was er jtetS gern tut, wenn die Bodenbejchaffenheit für den Stoß aus der Luft herab ungünftig ift, oder ex hatte fie entfernt vom Bau überrajcht." Er fonnte feinem Wilde aber nicht beifommen, „da die zwar geängftigte, den Kopf aber über der Gefahr den- noch nicht verkierende Marmotte fich einfach nicht auf freien Boden Hinausjagen Tieß”, jondern fich „in einem Loche des Kar3” verfteckt hielt. Der Adler Tief ich deshalb in nächjter Nähe nieder, um jie „beim erjten Erjceheinen mit rajchem Griff des mächtigen Fanges zu ialfen”. Die Anderung feiner Taktik Hatte jedoch nur eine wenigjtens ebenfo große und fftige feitens der Gejagten zur Folge. „Plöblich Fährt fie wie bejejien aus ihrem Loc) heraus direkt gegen die Beine des fast unmittelbar über ihr ftehenden Feindes los. Der auf dieje Striegsführung wohl nicht bejonnene Mdler ... macht ... einen hohen Luftjprung, den fie ihrerjeit blisfchnell zu einigen Fühnen Cäben unter ihm durch Heimmwärts benußt, um fich ebenjo fehnell wieder in dem löcherreichen Gefeljfe zu verlieren.” Der Adler will wieder über ihr fejten Fuß fajjen. „Che er dies jedoch völlig zu tun imftande ift, fährt unfere Marmotte fchon wieder heraus. Der Adler, gerade in diefenm Augenblick nicht mehr fliegend und noch nicht ftehend, Fan wieder nicht zufaljen und fliegt wieder auf, während die Mar- motte, alle Borteile des Terrain und die bejte Nichtung der Flucht gleichgut im Yuge be= haltend, wieder dahinflieht, bis fie die Fittiche ihres Feindes aufs neue über fich raujchen hört, Der fich juft niederjegen will, während fie genau das gleiche Erperiment mit bejtem Eriolge wiederholt.” Der Beobachter fieht dann noch „nach mehrmaliger Wiederholung Alpenmurmeltier: Nahrung. Geiftiges Wefen. Ausmufterung. 473 diejer prächtigen Szene” das Murmeltier in feinen Bau verjchwinden, jchnell den Kopf wieder herausjtreden und hört es, „vem Adler und jedem, der fonft noch auf der großen Bühne der Alpenwildnis aufrichtigen Anteil an feiner Errettung nehmen wollte”, durch einen Piiff „seine glücliche Ankunft verkünden”. „Eine in mancher Hinficht ähnliche, jedenfalls nicht weniger jeltene und abjonderliche Begebenheit” jah Oirtanner im Sommer 1886 in der ©t. Galler Kolonie: „zwei junge, jedoch ziemlich ausgewachjene, von einem Murmeltier unter heitigem Gepfeife in gejtredtem Galopp verfolgte Jagddunde ... Schweizer Laufhunde.” Dieje waren in das Gehege ge- drungen und hatten angefangen, „alle Höhleneingänge aufzujuchen und ihre Najen hinein- zufteden, fuhren jedoch gleich darauf erjchroden und zuweilen laut quiefend zurüd, den rich- tigen Empfang eines Najenjtübers” von dem den Eingang beivachenden Murmeltier be- jtätigend. Einer alten, ftarfen Marmotte genügte diefe Abwehr aber nicht. „Hochaufgerichtet jteht jte plöglich vor ihrem momentan nicht belagerten Bau; fünfmal, zehnmal jchmettert tajch nacheinander ihr Pfiff den Feinden entgegen, die num aber, hierdurch wohl mehr ge= lodt als vertrieben, angreifend vorgingen. Da wendet jich das Blatt, und das unmöglich Scheinende gejchieht — die Marmotte rennt in weiten Sprüngen auf die Hunde los, die Turchtbarfeit ihres AUngriffes durch Fampfmutiges Pfeifen aufs Höchjte fteigernd. Den Hunden geht e8 genau twie dem Adler; fie find völlig perpler, ftußen, die Heine Marmotte it ja gleich an ihren Füßen; dann neifen jie wahrhaftig aus, verfolgt von dem in ge- jtredtem Galopp neben ihnen herrennenden und an jte Hinaufpfeifenden Murmeltier, bis in die Edle des Geheges, wo jie fich wohl ftellen müfjen. Aber num läßt ihnen dieje wieder feine Zeit zum Angriff, eilt vielmehr fpornftreichs dem Baue zu, unterläßt e3 indejjen de3- halb doch nicht, in die am Wege liegenden Höhlen den Kopf einen Augenblid hineinzufteden... An ihrem Bau angelangt, verfriecht fie fich nicht; wieder richtet fie fich hoch auf, und wenn auch jichtbar angjtvoll erregt und hart fchnaufend, ijt jie Doch bereit, auch weiter jich zu wehren. Und wieder fommen die Hunde, und wieder rennt je ihnen entgegen, verfolgt jie bis zur Einfriedigung, und nochmal zieht fie fich im richtigen Moment zurüd bis vor ihren Bau; da endlich werden die Hunde abgerufen. Sobald hiermit die Marmotte die Gefahr als bejeitigt erfennt, eilt jie vor allem von einem Höhleneingang zum andern, was zur Folge hat, daß die Murmeltiere fehr rasch zum Borjchein fommen und ohne lange Be- denken ihr frohes Treiben wieder aufnehmen.“ „Aus dem Leben des Alpenmurmeltieres” berichtet Girtanner („Zool. Garten“, 1905) noch einen merkwürdigen Zug, der an die jogenannten Storchgerichte erinnert. Ganz wie dieje hört es fi) an, wenn ihn Anfang Oktober — aljo unmittelbar vor Bezug der Winter- baue — der Tierwärter des St. Galler Wildparfes mit der Mitteilung überrajchte, Die Murmeltiere hätten zu feinem Erftaunen große Berfammlung abgehalten, und es hätten jich dann mehrere von ihnen wie auf Kommando auf ein einzelnes Exemplar gejtürzt und es durch wütende Biffe in furzer Zeit getötet, was ex jonft noch niemals beobachtet habe. Das durch die Mordgefellen Tiegengelaffene Tier erwies fich al3 fehr alt und zum Gfelett ab- gemagert. Ausftoßung und Tötung alter und kranker Stüde ijt bei gejelligen Tieren eine gewöhnliche Erjcheinung, deren Nuten für die Gejamtheit auf der Hand Tiegt; derartige Stücfe pflegen fich meift jchon von jelbft abzufondern, zu verjteden und zu verkriechen. Daß num bei den Murmeltieren diefe Ausmufterung gerade unmittelbar vor Bezug des gemein- jamen Winterbaues jtattfindet, erklärt fich wohl ganz ungezwungen daraus, daß dann eben Die Tiere fich enger zufammenjchließen und das eine den Zujtand desandern genauer wahrnimmt. 474 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnckhenartige. Pie die meiften Winterjchläfer find die Alpernmurmeltiere im Spätjommer und Herbft ungemein fett. Sobald num der erjte Froft eintritt, frejjen jte nicht mehr, trinfen aber noch viel md oft, entleeren fich jodann und beziehen num familientweije die Winterwohnungen. Bor Beginn des Winterjchlafes wird der enge Zugang zu dem geräumigen Stejjel auf eine Strede von 1—2 m von innen aus mit Erde und Steinen, zwijchen welche Lehm, Gras und Heu eingeschoben werden, gejchiet und fejt verjtopft, jo daß das Ganze einem Gemäuter gleicht, bei dem das Gras gleichfam den Mörtel abgibt. Durch diefe Bermauerung wird die äußere Luft abgejchloffen und im Smneren durch die Ausstrahlung des Körpers jelbit eine gemwijfe Wärme hergeftellt. Der mit Diirem Heu ausgepolfterte und ringdum ausgefütterte Keffel bildet für die ganze Gejellichaft das gemeinfame Lager. Hier ruht die Zamilie dicht beieinander. Alle Qebenstätigfeit ift aufs äußerfte herabgejtimmt, jedes Tier liegt regungslos und Falt in todähnlicher Erftarrung in der einmal eingenommenen Lage. Jm Frühjahr er- icheinen die Munrmeltiere in jehr abgemagertem Zuftande vor der Offnung ihrer Winter- wohnung, jehen fich jehnfüchtig nach etwas Genießbarem um und müfjen oft weit wan- dern, um an den Eden und Kanten der Berge, da, wo der Wind den Schnee meggetrieben hat, etivas verdorrtes Gras aufzutreiben. Diejes übermwinterte Gras ijt im Anfang ihre Hauptnahrung; bald aber jprofjen die jungen, frischen, jaftigen Alpenpflanzen und ver- ichaffen ihnen wieder Straft und Fülle. Sn das wifjenfchaftliche Berjtändnis des Winterjchlafes find wir gerade beim Alpen- munmeltier durch die Forjchungen Cuenots, Regnaults, Manglis, namentlich aber durch die Berfuche von Naphael Dubois- Paris, G. Albini-Neapel und Weinland und Niehl- München während der beiden legten Jahrzehnte tiefer eingedrungen.. Das Tier beginnt da- mit, daß es die Schnauze gegen den After drückt, Augen und Maul jchließt. &3 kann dann wie eine Kugel gerollt werden, ohne zu erwachen. Magen und Darın find leer von Nah- rung, nur der Maftdarın mit einer dem Kindspech ähnlichen Mafje angefüllt. Die zufammen- gefallenen Zungen enthalten wenig Luft; das Tier Haucht etiva dreißigmal weniger Stohlen- jäure al fonft aus, in den Lungengefäßen befindet fich aber viel Blut. Der Herzichlag jinft auf '/, gegen den wachenden Zuftand. Ir zwei Monaten verliert der Schläfer nur 200— 300 g an Gewicht (aljo etwa 1/,); ex ift jelbft gegen tiefe Wunden wenig empfind- lich, das Auge für Lichteindrüde ganz unempfindlich. Bei eleftrifchen Schlägen erwacht er nicht, fondern erjt nach fortgefegtem Galanijieren. — Duboi3 hat jeine Unterfuchungen am ausführlichiten in den von der Univerfität Lyon herausgegebenen Annalen (1896) ver- öffentlicht und gefunden, daß der Winterjchlaf fi) vom gewöhnlichen Schlaf nur durch feine längere Dauer, größere Tiefe, d. h. viel ftärfer Herabgejebte Sinnesempfindlichkeit, viel ftärfer verlangjamten Stoffwechjel und einen niedrigeren Stand der Wärme unterjcheidet. Er überiwinterte feine bei Beginn des Winters friich gefangenen Verjuchstiere in Steller- räumen bei ziemlich gleichbleibender Temperatur. Mit Beginn des Winters werden Die Zeiten des gewöhnlichen Schlafes immer länger, die wachen Perioden immer Fürzer — ein Zuftand, der etwa 14 Tage dauert; dann mwechjeln Schlafperioden von 3—4 Wochen mit 12—14 Stunden des Wachjeind. Am Ende der Übermwinterung treten wieder 14 Tage mit immer kürzer werdenden Schlafperioden auf. Das Verjchiwinden und Wiederauftreten der aktiven Zebensbetätigung erfolgt in der gleichen Reihenfolge wie bei dem Eintritt und Yufhören einer allgemeinen Narkofe. Abjolutes Faften wird 6 Monate lang ohne Schaden ertragen. Während des Schlafes enthalten die Eingeweide ftetS Flüffigfeit, namentlich der Magen einen Saft ähnlich wie bei Alfoholifern und Narkotifierten. Die Verdauung ijt Alpenmurmeltier: Winterjchlaf. 475 verlangfamt, aber nicht aufgehoben: alle 3—4 Wochen erwachen die Tiere, um Slot und Harn zu entleeren, weil die Überfüllung der Harnblafe mittels Nefleres zahlreiche Atmungs- bemwegungen bewirkt. Wahrjcheinlich find in der Blafe Zuden erregende PBtomaine enthalten. Diejer Nefler, gleichjam ein „Weder”, wird jedoch unterdrücdt, wenn in der Blafe eine Fiftel angelegt wird, welche die Unhäufung des Urins verhindert. Derlei Tiere werden nicht geweckt, bleiben ohne Unterbrechung in ihrem Schlafe bis zum Tode. Das Herz und die großen Gefäße der Bruft und des Unterleibes jind bei den Winterjchläfern ungewöhnlich - Stark entwidelt; dorthin drängt das Blut während der Zeit des Winterjchlafes, während das Gehirn und feine Häute wenig blutreich find. Der Sauerftoffverbrauch bei der Atmung be- - trägt während des tiefen Winterjchlafes !/,, bi8 T/z, des normalen. Das Venenblut ift reicher an Kohlenjäure. Die abjolute Zahl der roten Blutkörperchen nimmt im Winterjchlaf ab, die relative Menge (gegen die weißen) ijt dagegen erhöht. Aus den vergleichenden Beobach- tungen über den Gehalt an Glyfogen (tieriicher Stärke) in der Leber und den Zudergehalt des Blutes ergibt fich, daß im Wachen Ktohlehydrate, im Schlafe Fette verbrannt werden. Der Harn wird Durch Nücreforption des Wajfjers konzentriert und während des winterlichen Taftens jauer wie bei Fleijchirejlern. VBergebens juchte Dubo1S nach giftigen, fchlafmachenden Stoffen im Organismus und in den Ausjcheidungen der Murmeltiere; dafür fand er aber bei der Analyje der Blutgafe jehr wichtige Rejultate. Der Sauerftoffgehalt des arteriellen Blutes im Zuftande des Wachens und der Erjtarrung ijt ungefähr derjelbe; er war jtet3 hoch, im Mittel 0,16 ccm pro 100 cem Blut. Hingegen war die Gejamtmenge der Blutgaje im ihlafenden Zuftande viel höher, durchjchnittlic) 0,37 cem gegen 0,60 ccm im wachen Zu- jtande. Diejer Unterjchied beruht auf der Kohlenfäure, welche, jchon während des twinterlichen Taftens jehr reichlich, von 0,42 cem auf 0,71 cem fteigt, wenn das Tier in Erjtarrung fällt, und biS zum Ende des Winterjchlafes jich noch weiter vermehrt. Dieje jtarfe Anhäufung erklärt jich nicht allein Durch die Langjamfeit des Blutumlaufes und der Atmung infolge der jortichreitenden Abkühlung, fondern auch und vor allem durch die leicht nachiweisbare Konzentration des Blutes, die Entwäljerung desjelben (deshydration). Die Anhäufung der Kohlenjäure im Blute und die Entwäjjerung desjelben führen eine Gelbjtbetäubung (Autonarkoje) und Gelbjtabfühlung (Autohypothermie) herbei. Ferner fand ji im Blute der jchlafenden Tiere eine größere Menge Azeton al3 beim mwachenden, und das Uzeton verlängert, wie Durch Verjuche nachgewiejen wurde, den Winterjchlaf. Daher betrachtet Dubois den Winterjchlaf des Murmeltieres al eine Autonarkofe durch Ktohlenjfäure und AUzeton. Daß die Erniedrigung der Temperatur der Umgebung nicht ausreicht, um den wahren, tiefen, mit entfprechender Abkühlung des Tieres verbundenen Winterjchlaf bei den Murmeltieren hervorzurufen, hat ©. Albini durch Verjuche bewiefen, die zeigten, daß ein Nurmeltier, durch ftartes Elektrifieren aus dem Winterjchlaf geweckt und mit Nahrung ver- jehen, wach bleibt und frißt, auch bei weit niederer Temperatur als diejenige ijt, bei welcher die Murmeltiere in den Winterjchlaf zu verfallen pflegen. — Weinland und Riehl Haben den Gaswechjel beim winterjchlafenden Murmeltier unterjucht („Zeitjchrift für Biologie”, 1907). Der Gaswechjel, d.h. die Beziehungen zwijchen der Menge eingeatmeter Luft und aus- geatmeter Kohlenjäure, geftattet nämlich Rüdjchlüffe auf die Lebensvorgänge. Vom tiefjten Schlaf, in dem die Kohlenjäureproduftion des ungefähr 3 kg jehweren Tieres pro Stilo- gramm und Stunde unter 50 bis höchftens 200 mgr beträgt, biS zum Wachjein, in dem Die Stohlenjäureausicheidung pro Kilogramm und Stunde um 1000 mgr ausmacht, zeigen jich Schwankungen in der Kohlenfäureproduftion, die jich auf rund das Zwanzigfache belaufen, 476 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Hörnchenartige. und es ijt verjtändlich, daß dementjprechend die Wärmeproduktion, die ihren Ausdrud in der vermehrten Kohlenjäureausatmung findet, im Wachjein jo außerordentlich viel größer ijt al im tiefjten Schlafe. Das Interefjantefte aber ift der Vorgang im Tier, der das Auf- wachen vom Schlaf zum Wachzuftand leiftet, und in wenigen Stunden das Tier aus der niederen Temperatur von vielleicht 99 C auf die Temperatur des Warmblüters bringt. &3 it Hat, daß hierfür ein bejonders reichlicher Stoffverbrauch, eine bejonders jtarfe Berbren- nung organischer Subjtanz ftatthaben muß, und dementjprechend jehen wir das Murmel- tier in Diefem eitabjchnitt eine jtündlihe Kohlenjfäureproduftion aufweijen, die noch weit ‘ über die des wachenden Tieres hinausgeht, nämlich bis zu 2200 mgr Stohlenjäure pro Stilo- gramm und Stunde. E3 zeigte jich auch, Daß beim Aufwachen gegenüber dem Fettverbrauch während des Winterjchlafe3 ein neuer chemijcher Vorgang in den Bordergrund tritt, näm- fich die Berbrennung von Kohlehydraten, d. h. in erjter Linie von Glyfogen, das die Tiere während der ganzen monatelangen Dauer des Winterjchlafes, die ohne Nahrungsaufnahme ablaufen Fan, immer in anjehnlicher Menge in ihrem Körper, in Leber und Muskeln, aufgejpeichert enthalten. Kagd und Yang des Murmeltieres haben mancherlet Schwierigfeiten. Der heran nahende Säger wird fajt regelmäßig von irgendeinem Gliede der Gejelljchaft bemerkt und den übrigen durch helles Pfeifen angezeigt. Dann flüchten alle nach dem Bau und erjcheinen jo bald nicht wieder; man muß alfo vor Sonnenaufgang zur Stelle jein, wenn man ein jolches Wild erlegen will. Übrigens werden die wenigften Murmeltiere mit dem Feuer- gewehr erbeutet. Man ftellt ihnen Fallen aller Urt oder gräbt jie im Anfange des Winters aus. Schon in alten Zeiten wurde ihnen eifrig nachgejtellt, und in der Neuzeit ijt es nicht bejjer geworden. Die Fallen liefern, jo einfach fie find, immer guten Ertrag und vermindern die Murmeltiere um ein Beträchtliches; die Nachgrabungen im Winter rotten jie familien- weile aus. Mit Recht 1jt deshalb in vielen Kantonen der Schweiz das Graben auf Murmel- tiere verboten. Sr den Savoyer Alpen ift von folcher Vernunft feine Rede; da gräbt man jie, nach WHtlacil, aus, wo man fan. „Wenn der Savoyer einen Murmeltierbau findet, dan eilt er jogleich ins Tal, um die zum Ausgraben nötigen Gerätjchaften (Spaten, Haden, eijerne Brechftangen und Spishaden) zu Holen. Die erjchlagenen Tiere werden auf Die Stiele der Haden gehängt, die lebendigen im zugebundenen Irmel einer Jade nach Haufe gebracht. Um fie Handelt es jich bejonders bei der Savoyer Bevölferung: fie jind recht teuer, Anlagefapital für die wanderluftigen Savoyarden, die früher noch viel mehr wie jest mit zahmen Murmeltieren umbherzogen. Die Baue werden ‚Küche‘ genannt. Die alten Haben manchmal faum noch Haare auf dem Rüden, pflegen aber jehr feijt zu fett. Ein guter ‚Bär‘ (altes Männchen) hat im September bis Oftober 1—1,5 kg Schmaß, und die Murmeltiere find wegen ihres Fettes, das bejonder3 gegen Gliederjchmerzen an- gewendet wird, jehr gejchäßt.“ | Welche Rolle das Tier heute noch in den Bayrischen Alpen fpielt und wie fich Die Staat3- gewwalt feiner dort annimmt, darüber berichtet Epenjtein-Berchtesgaden nach amtlichen Quellen. (Brief an Hed.) „Es findet ein geregelter Abjchuß jtatt (4 Prozent des Bejtandes); die gejegliche Schonzeit ift aber jehr lang, nämlich vom 31. Dftober bis 15. Auguft; Schuß- zeit alfo nur 21, Monate. Das Tier gehört zu dem vom Forftamt beaufjichtigten Wild, und unbefugter Abihuß wird ftrreng beftait... Das ausgelajjene Fett wird noch vielfach su Heimweden verwendet, 3. B. gegen Sehnenzerrungen und Musfeldehnungen, Lura- tionen ufw. Sleifchwert des Tieres, da3 13—14 Pfund fchwer wird, je nach Gejchmad! zo «. u er F i E Tea FE | e Se. Pr. Fr Bobak. Alpenmurmeltier. Bobat. 477 Die Jagdgehilfen machen jich einen lederen Braten daraus, Yafjen das Fleijch jedoch ext in Ejiig liegen, um den Erögejchmad wegzubringen. Sm Handel fommt das Fleifch nicht vor. Fettiwert (5—6 Pfund) 8 Mark; Fellwert 50 Pfennig. Das Fell ift wajjerdicht und wird von Schuftern viel zu Hausjchuhen und anderem leichten Schuhwerk verarbeitet... Auch die Zähne des MurmelS werden viel al3 Zierde auf Hüten, zu Brofchen verarbeitet und haben einen Wert von 2,—4 Mark.” Für die Gefangenjchaft und Zähmung wählt man jich natürlich am fiebften die Jungen. Man füttert fie mit verjchiedenen Pflanzenftoffen und Milh. Gibt man fich Mühe mit ihnen, jo werden jie bald und in hohem Grade zahım, zeigen fich folgjam und gelehrig, lernen ihren Pfleger kennen, auf feinen Ruf achten, allerlei Stellungen annehmen, auf den Hinter- beinen aufgerichtet umherhüpfen, an einem Stode gehen ufiv. Das harmloje und zutrauliche Tier ift dann die Freude von jung und alt, und feine Neinlichfeitsliebe und Nettigfeit ertvirht ihm viele Freunde. Mit jeinesgleichen lebt e3 nicht immer in gutem Einvernehmen; mehrere zujammengejperrte Munmeltiere greifen nicht jelten einander an, und das ftärfere beißt das Ihmächere tot. Jm Haufe fan man es nicht umberlaufen lajjen, weil es alles zernagt, und der Käfig muß auch ftark und innen mit Blech bejchlagen fein, wen man das Ducchbrechen verhindern will. Jim Hofe oder im Garten läßt e3 jich ebenjowenig halten, weil e3 fich einen Ausweg verjchafft, indem es unter den Mauern durchgräbt. Jm warmen Zimrier lebt es im Winter wie im Sommer, in falten Räumen rafit es für den Winter alles zujammen, was e3 befommen fann, baut fich ein Neft und jchläft, aber mit Unterbrechung. Während des Winterjchlafes fann man ein wohl in Heu eingepactes Murmeltier in gut verjchlofjener Kifte weit verjenden. Übrigens erhält man felbft bei guter Pilege das gefangene Murmel- tier jelten länger aß 5—6 Jahre am Leben. Das hängt wohl damit zufammen, daß es in der Gejangenjchaft Faum fo regelrecht feinen Winterjchlaf halten fan wie in der Freiheit. Trogdem hat es im Frankfurter Garten 7 und im Hamburger 10 Jahre gelebt. Was das Alpenmunrmeltier im Gebirge, ijt der im Rumpf größere und jchwerere, im Schwanz aber fürzere Bobaf, Marmota bobak P.L.S. Müll., in der Ebene: er ift das ofteuropätich-aftatiiche Steppenmurmeltier. Der ziemlich dichte Pelz ijt jahl vojtgelb, auf der Oberjeite infolge der Einmijchung einzelner jchiwarzbrauner Haarjpigen etivas dunkler, auf dem Scheitel, an der Schnauze, den Lippen und Mundivinfeln jorwie in der Yugen- gegend einfarbig bräunlich vojtgelb, am Schwanze Dunfel rojtgelb, an der Schwanzjpiße Ihwarzbraun, der Haargrund oben dunkel graubraun, unten heller braun, an Vorderhals und Kehle graumeißlich. Die Jungen find trüber gefärbt als die Alten. Schauer jchreibt in jeiner Arbeit über „Die Murmeltiere und Ziefelmäuse Volens und Galiziens” dem Bobaf nach eigener Unterjuchung auch Badentajchen zu, obiwohLl dieje der Gattung Munrmeltiere jonft fehlen jollen: „man fanı den halben Finger einer mittelmäßigen Hand einführen; mit Kraft aufgeblajen, werden fie jo groß wie Walnüjfe.” Mit Schauer bleibt zu erwarten, „daß dieje nicht unmichtige Bemerkung mit der Zeit ihre Bejtätigung findet”. Im FZußbau unter- icheidet jich daS Steppenmurmeltier jedenfalls dadurch vom Alpenmurmeltier, daß e3 am Borderjuß einen Heinen Daumen mit verfiimmertem Nagel hat. Bon dem jüdlichen Polen und Galizien an verbreitet ji) der Bobak oftwärts durcch einen Teil Jentralafiens bis zum Amur. So fteht es wenigftens auc, im Supplement des Trouejjartichen Säugetierfataloges noch. Die in der Naturgejchichte üblichen allgemeinen Berbreitungsangaben jind aber beim Bobaf jedenfalls mit derjelben Borficht aufzunehmen 478 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. wie bein Alpenmurmeltier. Nach Bielz („Wirbeltiere Siebenbürgens”, 1888) fam das pofnijche Munmeltier in früheren Jahren ebenfalls (neben dem Alpenmurmeltier) in Sieben- bürgen vor. Al Bewohner der Bufowina wird es von C. dv. Hormuzaft bejtätigt, der noch 1897 (Berxh. E £. Zool.- Botan. Gef. Wien) behauptet, daß er ein bei Czernomwiß gefunde- ne3 Gtitc jelbft gejehen habe. Die Art jei auch fon von Shirt bei Zutjchfa erbeutet worden. Anderjeit3 fucht Schauer fchon 1865 „zu beweifen, daß es feine Bobals in Polen, Galizien und Vodolien gibt...” Er will „Fed behaupten, daß fich in diefen Ländern Fein Bobaf findet”. Auch in Taurien kommt der Bobaf heute nicht mehr vor: er ift aus- gejtorben. Hed fonnte fich aber bei einem Befuche Friedrich Talz-Feins in Azcania Nova und auf den benachbarten Gütern der Familie im September 1901 überzeugen, daß man auf der Steppe dort heute noch ganz genau jede einzelne Stelle bezeichnen fanı, wo einjt ein Bobafbau war. Dort ift eine helle, leichte Erde auf den dunfferen, Iehmigen Steppen- boden heraufgeholt und fticht auffallend ab von der Umgebung. Wenn man auf einem Hügel oder Skythengrab in der Steppe fteht, fieht man jo ringsum runde, helle Tlede zer- itreut und fann fich eine Vorftellung machen von der Wohn- und Lebenstweije des Bobats, die ganz mit der des amerikanischen Präriehundes zu vergleichen ift. — Aus älterer Zeit berichtet dasjelbe aus derjelben Gegend (Nogaiiche Steppe) A. Petholdt („Reife im euro- päifchen Rußland”, 1864) „von dem Steppenmurmeltier, das bei den Polen Bobaf, bei den Sleinzuffen Baibak, bei den Großruffen Surof genannt wird und früher im füdlichen Rußland jehr verbreitet war, aber num dort als ausgeftorben betrachtet werden fanıı. Die Bobaks graben fadentiefe Gänge und werfen dabei große Erdhaufen auf, wodurch das von ihnen bejette Land ganz hügelig wird... Zwar hat der Regen und der jchmelzende Schnee fotvie die mit der Zeit zufammenfinfende lodere Exde viel beigetragen, diefe Hügel viel nied- tiger zu machen, aß fie urfprünglich waren; allein fie ftellen jich dafür nur jeßt um fo breiter dar ımd haben bei einer Höhe von I—2 Fuß einen Durchmefjer von 6, Jund 12 Fuß. Da bei ihrer Bildung die tiefer gelegene Erde über den fruchtbaren jhmwarzen Grund (Tjehernojem) aufgeworfen wurde, fo find fie ganz fahl und fünnen fchon dadurch aus der Ferne wahr- genommen werden. Merkwirdigerweife dienten die Haufen des Bobafs den Anfiedlern bei nächtlichen Steppentitten, wenn die Nacht fo finjter war, daß fein Stern jich zeigte, früher als Kompaf. Da nämlich der obere Teil der Röhre mit feiner Öffnung genau nad Süden gerichtet ift, fo bedurfte es bloß des Abfteigens vom Pferde, wenn man einen Bobathügel antraf. Dann fuchte man durch Umhertaften mit der Hand nad) der Offnung des Ganges und erfuhr fo mit Sicherheit die Himmelsgegend.” („Yool. Garten“, 1864.) Pesholot betrachtete da3 VBerjchtoinden des Bobaks in der Nogaifchen Steppe als Beweis dafür, „Daß die Ausbreitung der Arten auch ohne in die Augen fallende äußere Störungen großen Schwankungen unterliegen und im Laufe der Zeit fich erheblich verändern fann.” Weiter nordöftlich, im Sefaterinoflatwfchen Gouvernement, gibt es noch einzelne Stolonten, und in ven „Bobafhügeln” findet man Knochen und Zähne des Tieres. Sn allen Bobaffiedelungen herricht während des Sommer ein ungemein rege3 und betriebfame3 Leben. Die bereits im April oder jpäteftens im Mai geborenen Jungen find um diefe Zeit Halb erwachfen und treiben e3 jchon ganz wie die Alten, wenn jie auch deren Erfahrung noch nicht befigen. Mit Sonnenaufgang verlaffen fie mit den Ulten den Bau, (eden gierig den Nachttau, ihre einzige Zabung in den meijt wafjerlofen Steppen, von den Blättern, freffen und fpielen dann bi8 gegen Mittag luftig auf den vor ihren Höhlen auf- gemworjenen Hügel, verträumen den heifen Nachmittag auf wohlbereitetem Lager im Bobaf: Verbreitung. Treileben. 479 Snneren des Baue3 umd erjcheinen gegen Abend nochmals außerhalb des legteren, um noch einen Jmbiß für die Nacht zu nehmen. Ungern nur meiden fie die in unmittelbarer Nähe ihrer Nöhrenmündungen wachjenden Sträuter ab, bilden fich vielmehr zwifchen diefen jchmale Pfade, die fie bis zu ihrem oft 40 und 50 m entfernt gelegenen Weidegebiete führen; ebenjo ungern aber begeben fie jich auf Stellen, von denen aus fie nicht in fürzefter Frift mindejtens einen Notbau erreichen fünnen. Solange feinerlei Gefahr droht, geht es in der Siedelung faft genau in derjelben Weije her wie in einem Dorfe der Präriehunde, und ebenfo ver- Ihmwinden die Bobafs, fobald fie die Annäherung eines Wolfes, Hundes, Udlers, Bartgeiers oder eines Menjchen wahrnehmen, auf den bellenden, von vielen wiederholten Warnungsruf eine3 wachjamen Alten hin augenblidlich, nach Art ihrer Bervandtichaft Fopfüber in ihre Löcher fich ftürzend. m Juni beginnen fie mit dem Eintragen der Wintervorräte, betreiben ihre Heu- und Wurzelernte jedoch noch läljig; [päter werden jte eifriger und fleifiger. Die zunehmende Kühle beläjtigt und verjtimmt fie ungemein. Dann fieht man fie am Morgen nach einer Fühlen Nacht taumelnden Ganges, wie im Schlafe, langjam von ihren Hügeln ichleichen, und von ihrer Mumterfeit ijt fortan wenig mehr zu bemerfen. Sn den Steppen Sipdoftiibiriens ziehen fie jich ziemlich allgemein in der erjten Hälfte des September in ihre Winterbehaufungen zurüd, verftopfen den Eingang der Hauptröhre wohl 1 m lang mit Steinen, Sand, Gras und ihrem eigenen Kote und führen nunmehr bis zum Eintritt des Winters noch ein Halbleben in der Tiefe ihrer Wohnungen. Die Baue haben bei übereinftimmender äußerer Form eine in jehr bedeutenden Gren- zen Schiwanfende innere Ausdehnung und find in der Regel da am großartigjten, wo der Boden am härtejten ift. „Gewöhnlich“, bejchreibt Nadde, dejjen Schilderung ich folge, „be- trägt die Entfernung des Lagers von der Mündung des Ausganges 5—7 m, jelten bis 14 m. Diejer Haupteingang teilt jich oft jchon 1 oder 115 m unter der Oberfläche der Erde gabel- fürmig in mehrere Arme, deren jeder nicht jelten nochmals fich |paltet. Die Nebenarme enden meijtens blind und geben die Stoffe zum Verjchliegen des Haupteinganges her. Alle aber, welche nicht blind enden, führen zu der geräumigen Schlafjtelle.” Das Neft, in dem die Bobats überwintern, ijt ein anderes al3 das, in dem fie zur Sommerzeit lagern. Aln= fänglich fcheinen die Bobak3 in ihrer Winterherberge noch ziemlich munter zu fein. Gie müjjen von den eingetragenen Vorräten frejjen, denn fie erzeugen beträchtliche Kothaufen; jte müjjen auch ziemlich [pät noch munter jein, weil weder der Tungufe noch der Jltis, welche beiden die Murmeltiere ausgraben, ihrer vor Eintritt des Winters habhaft werden können. Doc) endlich fordert die falte Jahreszeit ihr Recht: vom Dezember bis Ende Februar ver- fallen auch die Bobaks in todähnlichen Schlaf, und erjt im März ermuntern fie fich wieder zu neuem Leben. Gie find die erjten Winterjchläfer, die auferjtehen. Anfänglich geht e3 ihnen jchlecht genug. Das von ihnen gejchonte Gras auf und neben ihren Hügeln ift von den Kühen abgefrejjen worden, und fie finden einen öden, faum auj- getauten Boden, auf dem in der Nähe des Einganges zu ihrer Höhle nur die hohen, trodenen Drennejjelitämmchen, vom Winde ihrer verdorrten Ylätter beraubt, und einige braune Nhabarberitengel jich ihnen zur Nahrung bieten. Sproßt das erjte Gras hervor, jo wird e3 noch nicht viel bejjer; denn der Genuß diejes Grafes verurjacht ihnen heftigen Durchfall. Kein Wunder daher, daß fie fich faum auf den Beinen halten fünnen und ihren vielen Teinden leichter al3 je und fo lange zur Beute werden, bis der pflanzenjpendende Mai ihnen twieder zu vollen Kräften und der alten Yebensluft verholfen hat. Während ihrer Hungers- not nimmt nicht allein der Adler einen und den andern Bobaf weg, fondern auch der 480 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Wolf, der bis dahin den Herden folgte, findet es bequemer und minder gefährlich, der Murmel- tierjagd obzuliegen, lauert, Hinter den Hügeln verjtect, jtundenlang auf das Wild und erbeutet jeine Maheit, wenn der infolge feines Elendes gleichgültiger gewordene Nager fich einige Schritte weit von dem jicheren Baue entfernt hat. j Zu diefen natürlichen, feineswegs erjchöpfend aufgezählten Feinden gejellt jich der Menjch. Um die Zeit des Erwachens oder erjten Exrjcheinens der Bobaf3 fattelt der jagd- treibende Tungufe oder Burjäte fein Pferd, ladet feine Büchje und zieht auf die Murmeltier- jagd. „Nach langem Winter”, jchildert Nadde, „währenddejjen er jelten Fleijch aß und fein Leben Fümmerlich in Falter Jurte frijtete, ift er begierig, jich einen Braten zu holen. Mit jeiner Kugelbüchje legt er ich Hinter die Anhöhe eines Murmeltierbaues und wartet mit Geduld, ohne fich zu regen. Ein alter Bobaf, jchon gemwibigt durch) vorjährige Erfahrungen, queft vorfichtig aus dem Loche, zieht den Kopf aber rajch wieder zurück. Der Tungufe hört nur den furzen, dem Bellen des Hundes vergleichbaren Schrei des Tieres und bleibt, die auf der Gabel ruhende Büchje zum Abfeuern bereit, ruhig regen. Nicht lange währt es, und der furzgejchwänzte, gelbbraune Erdbewohner Friecht ganz hervor, erhebt jich und blidt um jich, feßt fich wieder nieder, fchlägt den Schwanz einige Male aufwärts, bellt und läuft 3— 4 Schritt vom Eingange weg. Eine Sefunde jpäter Fracht der Schuß, und der Bobaf jtürzt zufammen. Zunächt löft der Schübe der Beute die Eingeweide heraus: den Dieje verderben den Gejchmad; hierauf jucht er, falls er Hunger hat oder jich fern von feiner Jurte befindet, eiligjt trocdnen Mift zufammen, zündet ihn an, erhigt einige Feldjteine in der Glut, jchiebt dieje fodann in den Bauch des Wurmeltieres, legt e3 jo auf die Satteldede und ver- ehrt es nach etwa 2 Stunden ohne alle Zutaten mit dem beiten Appetit. Doch das ift nur ein Notgericht, bejjer wird die Beute in der Jurte zubereitet. Frau und Sinder erivarten den Heimfehrenden jchon lange. Sie haben jeit gejtern bloß den dünnen Aufguß eines Strautes getrunfen und freuen jich alle auf das zähe Fleijch des Bobafs. Najch werden die erlegten Beutejtüde enthäutet, und währenddem fommt in dem eijernen Kejjel, aus welchem abends die Hunde fragen, Wajjer zum Sieden. Ernfthaft erteilt der Fäger jeinem die Felle abjtreifenden Weibe die Ermahnung, das Menjchenfleijch recht jorgjam vom Murmeltierfleijche zu jondern, damit erjteres ja nicht mitgefotten und zum Ärger der Gottheit verzehrt werde. Dem verwundert ihn fragenden Fremdling aber erzählt er folgendes: ‚Unter der Achjel des Murmeltieres findet man zwijchen dem Fleijche eine dünne, weißliche Mafje, deren Genuß verboten wurde, da fie der Überreft des Menfchen ift, welcher durch den Zorn des böfen Geiftes zum Bobaf verdammt wurde. Denn du mußt wijjen, daß alle Murmeltiere einft Menjchen waren, von der Sagd lebten und ausgezeichnet jchoffen. Einft aber wurden fie übermütig, prahlten, jedes Tier, jelbjt den Bogel im Fluge, mit dem erjten Schuffe zu töten, und er- züenten dadurch den böfen Geift. Um jte zu ftrafen, trat diejer unter fie und befahl dem beiten Schüben, eine fliegende Schwalbe mit der erjten Kugel herabzufchiegen. Der dreijte Säger lud und jchoß; die Kugel riß der Schwalbe jedoch nur die Mitte des Schwanzes meg. Seit jener Zeit haben die Schwalben einen Gabelichwanz; die übermütigen Jäger aber wurden zu Murmeltieren.‘ Snzwijchen ift die Suppe fertig geworden. Das Fleijch wird zuerit, und zwar ohne Brot und Sal, verzehrt, in die Brühe aber Mehl gejchüttet, zu einem dünnen Kleifter zufammengequirkt und diejer jodanır aus hölzernen Schalen getrunfen.” Che wir über die weiteren afiatischen Murmeltierarten zu den nordamerifanijchen übergehen, jei hier noch mit einem Worte der fojfilen Murmeltierfunde aus den verjchiedenen Bobak: Feinde. Jagd. — Foffile Murmeltiere. 481 Gegenden Weft- und Mitteleuropas gedacht, weil bei diejen die Artbeitimmungen exit ziwijchen Berg- und Steppenmurmeltier jchwankten. Größere Bedeutung in diefem Sinne hat ein jehr merfwürdiger und für die Einficht in die Diluvialzeit Steiermark wichtiger Murmel- tierfund am Nainerfogel bei Graz, den der befannte Zoolog Dsfar Schmidt, jpäter in Straßburg, zur Zeit jeines Wirfens in Graz 1866 bejchrieb („Berichte der f, Afademie der BVifjenjchaften in Wien“, 1866). Der Fund, bis jeßt der zweite diejer Art in Steiermark, führt nad) Schmidts Deutung unmittelbar in jene Diluvialperiode, two durch die Ausdehnung der Gletjcher in den höheren Alpengegenden die Hochalpentiere und die Alpenflora bis in die Niederungen Hinabgedrängt waren, und wofir man bisher namentlich in der Schweiz die in Steiermark vermißten Nachweije und Bejtätigungen hatte. Nehring dagegen bezieht in feinem verdienjtvollen, gar manchen älteren Srrtum umftürzenden Werfe „Über Tundren und Steppen der Yebt- und Vorzeit”, 1890, diefen Grazer Murmeltierfund ohne weiteres auf den Bobaf. Diejer Gegenjaß in der Auffajjung it es aber gerade, der die ganze Sache für weitere Streije interejjant macht. Bei jehr vielen der zahlreichen Murmeltierreite aus den dilupvialen Ablagerungen Deutjchlands, der Schweiz, Frankreichs und Belgiens, aljo Mittel- und Wejteuropas, Handelt e3 jich gewiß nicht um in die Ebene Hinabgedrängte Alpen, jondern um weit nad) Weiten vorgerüdte Steppenmurmeltiere, welche ver- möge einer für fie pafjenden Anderung des Klimas nach der Eiszeit hier eingetwandert waren. Mit abermaliger Anderung des Klimas in unfere jegige feuchte Waldperiode zogen jich) diefe Steppentiere (auch Ziejel, Springmaus, PBfeifdaje) wieder nach Djften zurüd, vo jie jegt noch ihre Yebensbedingungen in der Steppe finden. Allerdings herrjcht unter den verjchtedenen Bearbeitern der deutjchen Murmeltierfunde (Henjel, Schäff, Liebe) fein bollitändiges Einvernehmen über die Artbeitimmung, und verjchtedener Auffaljung bleibt Daher ein gemwiljer Spielraum, der zu allgemein interejjanten Annahmen nicht unbenußt geblieben ift. Eine jolche jtammt von dem als Vogelwirt befannten K. TH. Liebe-Gera, der 1874 im benachbarten Lindenthal fojjile Murmeltiere entdect hat („Zool. Garten”, 1878). Deren genaue Unterjuchung führt ihn „zu dem Schluß: Die Murmeltiere aus dem jüngeren Diluvium bei Gera find einerjeit3 größer als die ofteuropätjchen Bobals und als die Alpen- munrmeltiere, jtehen aber in ihren Eigenjchaften zwijchen beiden in der Mitte, Höchitens vielleicht den leßteren ein Hein wenig näher. Da nun aber die Artunterjchiede zwifchen Arctomys bobac und A. marmotta überhaupt jehr gering jind (im Sinochenbau), jo jind mir gerechtfertigt, wenn mwir das oftthüringijche fojjtle Murmeltier als die Stammart beider noch lebenden anjehen und ihr vielleicht ven NamenA. primigenius Kaup belajjen.” Dieje Auffaljung hat Gottfried Hagmann durch eingehende Schädelunterfuchungen, „Über diluviale Murmel- tiere aus dem Nheingebiet und ihre Beziehungen zu den lebenden Murmeltieren Europas” („Mütt. d. Geolog. Landesanft. dv. EIf.-Lothr.”, 1908), derart betätigt und bekräftigt, daß jte heute al3 vollfommen gefichert gelten fann. Ein Einzelbeweis für „Entjtehung der Arten“! Für Kaffa-Prag geht aus feinen Unterfuchungen über „Die diluvialen Murmeltiere in Böhmen” („Situngsber. d. St. böhm. Ge. d. Wijj.”, 1889) die „interejjante Folgerung hervor: 1) wäre vielleicht die geringere Größe der rezenten Alpenmunmeltiere auf eine Ber- änderung der Lebensverhältnijje zurüdzuführen, 2) dürften die gleichen Dimenftonen der beiden Arten im Dilupium für ähnliche oder gleiche Yebensverhältnijje jprechen. Sch glaube, jobald die Eriftenz beider Arten im Dilubium fichergeitellt wird, aus diefem Grunde annehmen zu fünnen, daß beide zur Diluvialzeit Steppentiere waren.” Und diejer Auffaffung fommen nun wieder Liebes weitere Darlegungen entgegen. „Der Bobat ijt ein Steppentier, und Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. al 482 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. A. primigenius war ein Steppentier. Das Wort Steppe bezeichnet aber nicht (immer) Ebene oder mit Gras bewachjene Ebene, am allerwenigiten Tiefebene, jondern vielmehr baumlojes, mit Gras, Straut und Geftrüipp bedecdtes und teilweije — mwenigitens zeitweilig — Tahles Land. Jr Weitajien reicht Die Steppe bis in die eigentlich hochalpinen Regionen, und mein verehrter Freund Brehm, der auf jeiner jüngften Neife gerade auf den Bobaf (oder naheverwandte weitajiatifche Murmeltierarten) fein Augenmerk befonders richtete, fchreibt mir: ‚m Altat geht er bis mindeitens 2000 m empor, wird jogar in dem oberen Höhen- gürtel entjchieden häufiger, als er in den Vorbergen ift.‘“ Nach Brehm wohnt dort der Bobaf auf den jüdlichen, aljo waldlojen Gehängen des Hochgebirges (nicht auf den öfter beivaldeten Nordgehängen) jo weit hinauf, als überhaupt die Eriftenz eines Pflanzenfrejjers von feiner Größe möglich it. Die Heimat des Alpenmurmeltieres ijt der Gürtel oberhalb der Baum- grenze, der ebenfalls nur mit Gras und Sträutern bewachjene Matten, wenig niedriges Gejträuch und dazmwijchen Fahlen, jteinigen Boden, aber nicht einmal höheres Gefträuch darbietet, aljo ebenfalls den Steppencharafter trägt. Sn der früheren Diluvialzeit ift Dit- thüringen und Mitteleuropa überhaupt Steppe gemwejen. Damals lebten hier ... auch Murmeltiere unter Vebensbedingungen, die ihnen jehr zujagten, wie ihre auffallende Größe beweilt. Mit der Zeit jchwand aber die erjte Bedingung ihrer Eriftenz: die Steppe machte dem Walde Blab... Bor ihm wichen die Murmeltiere allmählich zurüc, einerjeit3 in die Steppen Dfteuropas und in die waldlojen hohen Gebirge Aitenz, anderjeits in die jteppen- artigen baumlojen Regionen der Hochalpen. Dort wie hier änderten fie allmählich ein Hein wenig ab; dort wurden fie zum Bobak (und Verwandten), hier zum Murmentli.” Schon der deutjchruffiiche Naturforjcher und Nagetierfenner %. %. Brandt („Zoogeograph. und paläont. Beiträge”, St. Petersburg 1867) hatte die Frage aufgeworfen: „ob nicht möglicher- iweije Arct. marmotta ein in Europa zur Eiszeit eingemwanderter, auf die Gebirge zurüc- gedrängter, gejtaltlich etwas veränderter Bobaf fein fünne”. So erweilt jich unjer Alpen- murmeltier als Nelikt, Überbleibjel, das fich heute nur deshalb aufs Hochgebirge bejchräntt, weil ihm das tiefere Gelände durch den Wald unmohnlich gemacht wurde. E3 it jozujagen nur ein Alpenbewohner wider Willen, genau wie Schneehaje und Schneehuhn, die mit ihren eigentlichen Xebensbedingungen heute exit im hohen Norden mwiederfehren. Die Lifte der Murmeltierarten in Trouejjarts Säugetierfatalog mit den beigejeßten Heimatsangaben jpiegelt dem, der daraus zu lejen verjteht, den gegenwärtigen Stand der Murmeltierforjchung wider. Die angebliche Verbreitung ein und desjelben Alpenmurmel- tieres nicht nur über die ganzen Alpen, jondern auch über Karpathen und Bırenäen haben wir oben jchon der unleugbaren Tatjache gegenübergeitellt, daß das Tier bereits innerhalb der Alpen jelbjt für Laienaugen auffallend abändert, und ähnlich jteht es gewiß mit dem Bobaf, der von Dfteuropa bis nach Oftfibirien an den Amur reichen joll. Auch noch zwei weitere Arten, die alte M. baibacina Brdt. von 1843 und die neue M. bungei Kasc. von 1901, werden mit „Sibirien” geographijch ganz ungenügend umjchrieben; bei der legteren Handelt e3 jich wohl um das Murmeltier der unteren Lena. Die anderen ajiatiichen Arten dagegen werden in ihrem Vorkommen mehr oder weniger jcharf und natürlich begrenzt und machen Dadurch den Eindrud richtig erfannter [yftenzatischer Einheiten gegenüber den vorgenannten, noch verjchiedenerlei ungeklärt enthaltenden Sammelbegriffen. Da ijt vor allem die M. sibirica Radde aus Südfibirien, vom Altaigebirge, auf die wohl manche Angabe zu beziehen it, die dem Namen nad) dem Bobaf gilt. ©o die jchönen Naddejchen Schilderungen aus Aliatifhe Murmeltiere. 483 den Hochiteppen des tungufiichen Transbaifalien im Norden der Wiüfte Gobi. Auch Brjche- waljfi Hat nach Büchners Anficht diejes Murmeltier beobachtet, aber nicht gefammelt, obwohl jein Kofak Srintfehinomw einmal einen Bau aufgrub, „in welchem an 30 Tiere auf einem Haufen beijammen im Winterjchlaf lagen”. — Dagegen brachte Prjchewaliki drei Bälge von der Schönen, bunten Art aus dem Tianjchan mit, die nach ihrer lebhaft rötlichen Unterfeite Bweifarb-Murmeltier, M. dichrous Anders., heißt und mit größeren Tianjchantieren, wie Srbiljen, vor einigen Sahren auch lebend durch einen rujjischen Negierungsjäger aus der - Gegend des Forts Naryn in den Berliner Zoologischen Garten fam. Vom Freileben lejen wir bei Prichemwaljti-Büchner: „Bon Mitte September hatten jich die Tiere jchon alle zum Winterjchlaf in ihre Behaujungen zurücdgezogen. Sm diejer Zeit ftellten ihnen die Bären jehr eifrig nach, indent jie die tiefen Baue aufgruben; auch im Sommer gelingt es dem Bären zumeilen, einzelne unachtjante Tiere, die jich von ihren Röhren zu weit entfernt haben, zu fangen. Auf dem Plateau des Juldus und auf den benachbarten Gebirgen fommt diejes Murmeltier bis zu einer abjoluten Höhe von 11000 Fuß, d. h. bis zur unteren Grenze der fahlen Felswände und der Schuttanhäufungen, vor. Außer dem Pfeifen läßt diefes Murmel- tier zuweilen, aber jchon in der Röhre, einen bejonderen, dDumpfen Laut hören, der un- gefähr mit den Silben ‚Ewaktwafwa‘ wiederzugeben ijt. Auf den Murmeltierpfiff hören, nach Brichewaljfi, auch andere Tiere, wie 3.B. Wildichaf und Hr.” Jm Berliner Garten er- ipiejen jich die Tianfchan-Murmeltiere als ebenjolche Ausreißer wie die Alpenmurmeltiere; eins jprang jede Nacht ganz gewohnheitsmäßtg 1,20 m hoch auf das Gitter hinauf. Die goldgelbe Farbe hat dem Goldmurmeltier, M.aurea Blanf., vom Bamirplateau im rufjischen und Jarkand im benachbarten chinejischen Turfejtan den Namen gegeben. 63 teilt mit den vorgenannten Verwandten den fürzeren, jchiwarzipißigen Schwanz, Diejer ijt aber bujchiger behaart und bringt dadurd) eine gemwilje Annäherung an eine zweite Gruppe altatischer Munmeltiere, die jich Durch längeren, halbe Körperlänge erreichenden Schwanz aus- zeichnet. — Dieje zweite Gruppe (nad) Blanfords Einteilung) vertritt das Langihwänzige Murmeltier, M. caudata Is. Geoffr., von Kajchmir, namentlich Yadafh, nach dem röt- lichen Ton jeiner Grundfarbe auch Notes Murmeltier genannt, eine der größten Arten der ganzen Gattung, nach der prächtigen Farbentafel von %. Smit in Blanfords „ Mammalıa“ der Second Yarkand -Mission überhaupt ein jchönes, jtattliches Tier, an dem der lange und lang behaarte, im Enddrittel ganz jchiwarze, jont dunkel gewölfte Schwanz noch bejonders auffällt. E3 unterjcheidet jich aber auch durch feinen Auf. Adams bejchreibt diejen als lauten, Hagenden Schrei, Lydeffer als langgezogenes, jchrill Freifchendes Pfeifen. Das Langjcehwänzige Murmeltier lebt an fruchtbareren Stellen mehr am Rande der trodenen Dpländer und nicht jehr hoc). Die Felle der ajiatischen Murmeltiere, namentlich der wejt- und ojtjibirischen, werden jeßt vielfach im PBelzgemwerbe verwendet, 3. B. gefärbt als „Zobelmurmel” und noch mehr als „Nerzmurmel”. Murmeltierfelle find jegt geradezu einer der Hauptitapelartifel des Fell- handels geworden. Noch vor 30 Jahren konnte man jolche für 30 Pfennig das Stüd kaufen, jebt fteigt der Wert bis mehr als aufs Zehnfache. Am gejuchtejten jind die Orenburger Murmel, die aus der Küirgijenfteppe fommen und in ausgewachjenen ellen etiva 3,75 Mark bringen. &3 fommen jeßt etwa 11, Million in den Handel. Zahlreicher jind die Bijjfi- Murmel, die ihren Namen davon haben, daß jie hauptjächlich über die Stadt Bijjf in der Nähe von Tomjf ausgeführt werden. m ganzen fommen etiva 21%, Millionen Felle jährlich an den Markt, die jtets ettva 10 Prozent billiger jind als die Orenburger. Man unterjcheidet 31* 484 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. je nach der früheren oder jpäteren Fangzeit gelbe und blaue. Sehr jchöne Felle, die den Bijift in Qualität nur wenig nachgeben, liefert die Mandjchurei unter dem Namen Nju- tihmwang-Murmel. Sehr viel geringer find die chinefiichen, die aus den Provinzen Kanjı, einem Teile des nördlichen Schanft und der Mongolei fommen und im Handel als Ktalgan- Miurmel gehen, im ganzen jährlich etwa 1, Million. Seit 1910 haben fich num die innerafiatischen Murmeltiere, die vielfach unter vem angeblich aus dem Türkischen ftammenden Namen Tarbagan zufammengefaßt werden, eine traurige Berühmtheit erworben al3 Träger und Verbreiter der fürcchterlichen Belt, die neuer- dings in der Mongolei und Nordchina wütet. Das Berdienft, bei uns öffentlich auf dieje Gefahr aufmerffam gemacht zu haben, gebührt unter anderen dem befannten Schriftiteller Frig Bley. Unter den Tarbaganjägern war e3 lange befannt, daß man franfen Murmeltieren nicht ungefteaft ich nähern dürfe, wenn man jie, einzeln und wenig jcheu vor dem Menjchen, fern von den Höhlenfiedelungen antrifft; und wenn den Neuling etwa die leichte Erlegung jofchen Beittieres lodte, jo war er jelbjt meift der mörderijchen Stranfheit bereits erlegen, ehe er jeine unheilvolle Beute in den Handel bringen konnte, wie der Arzt Baron Budberg, ein Kenner der Verhältniffe, aus der Mandjchurei jchreibt. Bis wir hier vollends jolch ajtati- iches Mummeltierfell als Nerz- oder Zobelmurmel tragen, ijt durch die grümpliche Umarbeitung bei der Jmitation wohl jede Anfteung ausgejchlojjen. Aber daß die Peitfeime mit den Murmeltieren den Winterjchlaf überjtehen, ift durch Berjuche von Mosny und Dujardin- Beaumek im Parifer Pafteurinftitut erwiejen, und man hat jich auch überzeugt, daß die Keime an den Fellen jich längere Zeit lebensfähig erhalten, wenn die Felle nicht vollfommen getrocnet werden. Daher gereichte e8 doch zu einer gewiljen allgemeinen Beruhigung, als die Nachricht durch die Zeitungen ging, daß jowohl die rufjisch-jibirifchen als die mongolijch- chinefifchen Behörden ein Verbot der Tarbaganjagd erlafjen hätten. Die nordamerifanifchen Murmeltiere jcheinen jich zum Teil eng an die nordoft- aftatifchen anzuschließen, was bei der nahen Nachbarjchaft beider Teitländer auch weiter nicht wundernehmen fanıı. Das Eisgraue Murmeltier, M. pruinosa Gm. (Arctomys caligatus), aus Alasfa und dem fanadiichen Hudjonbaigebiet bringt Büchner in jeinen „Mammalia Przewalskiana“ in nahe Beziehung zu afiatifchen Arten, und e3 gehört tat Jächlich zu den furzichwänzigen Formen tie die meiften der Alten Welt. Eine zweite, Heinere Art dagegen, das Gelbbäuchige Murmeltier, M. flaviventer Aud. Bach., hat jchon den halb förperlangen Schwanz, ift aber im übrigen noch ein echtes Gebirgsmurmeltier, Das jich über die Felfengebirge von Texas und Kalifornien, Neumerifo und Arizona verbreitet. Von diefen, wie die altweltlichen, gejellig im offenen Berggelände lebenden Arten unterjcheidet fich in der ganzen Lebensweije jehr bedeutend das heute noch von der Kultur in den Vereinigten Staaten nicht allzufehr verdrängte Waldmurmeltier, das dort jehr volfstiimliche „Woodehuck“ oder „Ground-hog“ (Erdjchtweinchen), M. monax L. (Taf. „Nagetiere XVII”, 3, bei ©. 464), das deshalb auch in der gemeinverftändlichen Natur- aefchichte und Tierlebenfunde viel mehr Beachtung verdient, als ihm jeither zuteil getvorden ift. Es ift nämlich das einzige Mummeltier, das einzeln lebt und den Wald wenn auch nicht gerade fucht, jo doch auch nicht meidet. Hornaday nennt es „geduldet auf den Landgütern der Neuenglandftaaten”. Ex hebt ven flachen Kopf gebührend hervor und die jchwarzen Augen, die dem Tiere ein finfteres Ausjehen geben. Kennzeichnend gegen die altweltlichen Nordamerifanische Murmeltiere, Waldmurmeltier. 485 Arten ift neben dem langen und langhaarigen Schwanz auch die jpigere Schnauze. Nach dem weißgrauen Anflug auf der dunfelbraunen Oberjeite, namentlich bei älteren Stüden, heißt e3 bei Schreber daS bereifte Murmeltier. Die Unterjeite ift heller, rotbraun, Kopf, Füße und Schwanz dunkler, jchwarzbraun bis jchwarz. Früh im November geht das Waldmurmeltier, nach Hornaday, jchon fchlafen und wacht nicht wieder auf bis zum 2. Februar, dem „Erdjchweinchenstag”, twie das Volk jagt. Ühnlich beginnen Stone und Cram den Lebensabrig mit eimer Betrachtung des Winterjchlafes: ‚ununterbrochen, ohne Vorräte, im Stlima der Neuenglandjtaaten, wo die Temperatur einem Abjturz von 100° ausgejeßt tft. „Aber was weiß jelbjt das ältejte Erdjchwein von unjerem Winter?” E3 ijt für gewöhnlich das faulite Tier, das es gibt; nur wenn es jeinen Bau graben muß, dann arbeitet es fürchterlich darauf los, bis er fertig ift. Wenn der Bau aber einmal gemacht ift, verjucht e3 jelten, ihn zu vergrößern oder zu verändern, jondern verlebt jeine Tage im Genuß der Ruhe. Bald nach Sonnenaufgang fommt es zur Frühmahlzeit hervor, wenn der Tau noch auf dem Graje liegt. Das ijt wohl feine Hauptmahlzeit, wenn man es gelegentlich auch zu anderer Tageszeit äjen jieht. Mittags verivendet es mehr Zeit aufs Sonnen als aufs Frejjen. Spät am Nachmittag zeigt es jich wieder und äft bis beinahe Sonnenuntergang. Während des Sommers fan man es in angebauten Gegenden außer morgens und abends auch die Mondjcheinnächte Hindurch, überhaupt zu allen Zeiten draußen finden. Wenn aber der Herbjt herannaht und es fett und träge wird, ericheint es gewöhnlich nur bei jchönem Wetter und auc, dann nur für wenige Stunden in der wärmjten Nach- mittagszeit. Dann ijt eg in einem ganz drolligen Zujtand von Fettleibigfeit. — Der Bau hat gewöhnlich mehrere Eingänge, die durch gut ausgetretene Päfje verbunden find. Ylhn- fiche Bäjje jtrahlen nach allen Richtungen in das Gras aus, von einem Stleejtüc zum anderen und nur zu oft auch zum Bohnenjtücf oder Garten, wo das Tier das zarte Jnnere mehrerer Kohlföpfe in einer Nacht herausfrißt. Von den Bohnen jtreift es die Blätter und Schoten und alles ab, ijt auch Kornähren nicht abgeneigt und jungen Kürbisranfen; furzum: in einem richtigen Gemitjegarten mwächjt wenig, wovon es nicht gelegentlich fojtet. Cbenjo it es erpicht auf füße Apfel und anderes Obft und richtet, um dies zu genießen, fein Heim im DObitgarten ein. Wenn das Gras hoch genug tft, beivegt e3 jich gern auf den verjchiedenen Bäjjen, die e8 jich getreten hat, hier und da nach Herzenslujt nabbernd und von Zeit zu Zeit jich hoch aufrichtend, um Umschau zu halten. Andere Tiere bleiben in der Nähe des Men- ichen am Tage verborgen und wagen jich nur unter dem Schuge der Dunkelheit hervor. Das Waldmurmeltier aber gräbt jich jeine Höhle oft nur wenige Ellen von einem Jarı> baue und macht jich um die Mittagszeit in Garten breit, indem es jich einfach zu Gemüte führt, auf was e3 gerade amı meilten Appetit Hat. — Wie häufig das Tier jtellenmetje ijt oder mwenigitens in früheren Jahrzehnten war, veranjchaulicht eine jorgfältige Zujammenitellung von Bohlmann-Neumied („Zool. Garten“, 1889): „ALS ich mich einft längere Zeit auf einer ztpischen dem Michiganjee und dem oberen Mijjiijippi gelegenen Yarın aufhielt, juchte ich die Umgegend im Umfreife von einer englijchen Meile jorgfältig nach Miunmeltierhöhlen ab und legte mir zur Erleichterung einer genauen Beobachtung ein Verzeichnis der aufgefun- denen Wohnftätten an... Sn einem Sreije, dejjen Durchmejjer nicht ganz eine halbe deutjche Meile betrug, befanden fich nicht weniger alS 16 bewohnte Murmeltierhöhlen. An un- bewohnten waren mindejtens ebenjo viele vorhanden. Da der Bejiter der betreffenden yarın ausnahmsmweije ein Liebhaber des Murmeltierfleijches war, jo hatten jeine Söhne in den vorhergehenden Jahren bereits eine ziemlich große Anzahl diejer Tiere erlegt; auch befand 486 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. jich früher im Bejige des Zarmers ein Neufundländer Hund, der oft allein auf die Woodchud- jagd ging.” Aus alledem fann man allerdings „ichließen, wie viele Taujende und Aber- taujende von Murmeltieren in den Laubholzwäldern des nordweitlichen Amerifa vorhanden jind“, oder, wir wollen vorfichtiger jagen: waren. Berfolgt, reißt e3 in unjinniger Halt aus nach jeinem Bau, daß die jchwarzen Yerjen im Sonnenschein glänzen, wenn es dahingaloppiert. Hat es den Bau aber glüdlich erreicht, jo dreht es jich darin um und ftrecft wie zum Hohne die Naje heraus. rn die Enge getrieben, iit es immer bereit zu fämpfen, gegen wen und was e3 auch jei, und ein Hund, dem die nötige Erfahrung fehlt, Fann jehr wohl den Fürzeren ziehen; denn Murmeltierzähne jind nicht zu verachtende Waffen. Wenn man die Höhle aufgräbt, gelingt e8 dem Munrmeltier öfter, fich Dadurch zu retten, daß e8 jich weiter in den Boden hineinwühlt; dann füllt es den Boden hinter fich wieder auf, wie der Maulwurf, und fommt nicht eher wieder hervor, bis ge- nügende Zeit verjtrichen ift, daß es jich jicher dünft. Wie es fich in der Ywifchenzeit vor dem Eritiden bewahrt, it jchwer zu begreifen. Mit großer Staltblütigfeit läßt ein nicht weit von jeinem Bau mweidendes Murmeltier, nach Pohlmann, Fußgänger, Reiter und Wagen auf der benachbarten Landjtraße vorbeiziehen, jcheinbar ohne ich um jte zu fümmern; macht man aber Miene, vom Wege abzubiegen, um zum Schuß zu fommen, jo Hufcht es jofort in die Tiefe. Sehr anziehend ift e3, eine ganze Murmeltierfamilie bei der Afung zu belaufchen. Die munteren Jungen treiben luftig ihr Wejen im grünen Graje, während eines der alten Tiere Wache hält. Am liebiten wird dazu ein großer Stein benußt, der nicht weit von dem Eingang zur Höhle liegt. Nähert jich irgendeine Gefahr, jo ertönt ein lauter Warnungspfiff, und die ganze Gejellichaft jtürzt auf das Loch zu, um fopfüber Hineinzufallen. Der Woodchud liebt bejonders die verjchtedenen Stleearten, und jo ijt es wohl auch zu erklären, daß der jonft jo Scheue Waldbewohner jeinen Aufenthalt aus dem Jnneren der Wälder mit Vorliebe an deren Rand verlegt, weil er von dort aus leichter zu den Stleeädern der An- jtedler gelangen fan. Man findet in der Nähe von Murmeltierhöhlen oft große Fahlgefrejjene Stellen in den Slleeädern. Der vorjichtige Einjiedler entfernt fich eben nur höchjt ungern weit von jeiner Wohnung und jchlägt fein Quartier am liebjten dort auf, wo den ganzen Sommer hindurch dicht am Bau hinreichende Nahrung vorhanden ift. Pohlmann it es nur zweimal gelungen, einen Woodchud in weiterer Entfernung von jeiner Höhle anzutreffen. Biele Murmeltiere verlafjen deshalb im Sommer ihre Winterwohnungen, um eine Sommer- wohnung zu beziehen. Vermutlich it e$ der Mangel an leicht zu erreichender Nahrung, der fie dazu veranlaßt; denn die in der Nähe eines Slleeaders gelegenen Winterwohnungen werden auch im Sommer bewohnt. Sn der Wahl des Sommeraufenthalts ijt das Murmel- tier feineswegs heifel. Ein hohler Baumfjtamm, ein Holjtoß oder ein Steinhaufen ge- nügen feinen Anfprüchen, vorausgejeßt, daß die nächite Nachbarjchaft reiche Nahrung bietet. Ein mweibliches Tier mit Jungen trifft man jedoch nie in einem ähnlichen Quartier; wahr- jcheinlich zieht die bejorgte Mutter für ihre Jungen die fichere unterirdische Höhle einem Aufenthalte über der Erde vor. Stone und Cram unterjcheiden in ihren LXebenzjchilde- rungen den Woodchud der Felder und des bebauten Landes von dem der Biehmeiden, wo das Gras fürzer und füher ift und er weniger den Zorn der Landeigentümer erregt. Dort muß er weiter aufs Feld laufen, um feinen Hunger zu Stillen; deshalb ijt er aber doch immer gut bei Xeibe, und es fällt ihm nicht jeher, im Sommer das nötige Fett anzufammeln, dasihn über den Winter bringt. Auf den Viehmeiden fonnt er fich gern oben auf alten Baumftümpfen und runden, glatten Gerölffteinen und verjchmilgt dann durch feine Farbe ganz mit dem Untergrund. Waldmurmeltier. 487 Schließlich gibt es, nach Stone und ram, auch noch einen „Woodchud” der Foriten und Waldländereien, der den Namen erjt recht verdient, und dem er auch zuerft durch die alten Anfiedler gegeben worden it. Damals war aber das meijte Land im Often der Union eben Waldland! Das echte Walomurmeltier gräbt feine Höhle unter Klippen und Felfen zwijchen den Wurzeln der Hemlodstannen und Fichten, two die Sonne faum hindringt, die abjterbenden Baumjtrünfe durch- und übereinanderjtürzen und nur durch die noch ftehenden einigermaßen aufrechterhalten werden. Hier Friecht e3 zwijchen dem Unterholz; und den Falläjten herum und lebt von Beeren und Grünzeug, vielleicht auch von eßbaren Pilzen wie die Waldhühner und Eichhörnchen, die dort feine Genojjen find. Da jieht man es wohl an einem Sommernachmittag in der Sonne ausgeftredt auf einem halbumgeftürzten Stamme, offenbar froh, von den Sonnenftrahlen etwas mitgenießen zu fönnen, die in feinen Schlupf- oinfel dringen. Hier erfreut e3 jich verhältnismäßiger Sicherheit vor Menjchen und Hunden und hat nur wenig natürliche Feinde. Daher lebt es hier auch oft bis an fein natürliches Ende, und man findet nicht jelten feine Gebeine in hohlen Stämmen und an ähnlichen Orten ohne jedes Anzeichen, das auf einen gewaltfamen Tod deutete. Nur in einem hat e3 das echte Waldmurmeltier jchiverer als jeine Brüder im offenen Lande; es wird jelten jo fett und muß deshalb im Frühjahr zeitiger aus dem Winterjchlaf heraus, oft wenn der Schnee noch mehrere Fuß hoch fiegt. Solche armen Würmer müjjen jich dann Durchichlagen, jo qut wie jie fönnen, bis e8 warn wird, indem fie die jchneefreien Stellen zwijchen dem Jmmer- grün aufjuchen und heighungrig Baumrinde nagen oder was ihnen jonjt zur Nahrung dienen fann. Sie jind ganz erbärmlich mager und jo lebhaft, daß man faum das wohlgenährte Sommertier mwiedererfennt. m Sommer trifft man oft Feine Murmeltiere, nur einige Wochen alt, die allein und ohne Schu in den Feldern umberlaufen. Sie werden von ihren hartherzigen Eltern vertrieben, jobald jte für jich jelbit jorgen können. Dieje Kleinen Waijen zeigen noch feine Scheu, wern man jich ihnen nähert, jegen jich vielmehr auf die Haden und verjuchen, nach allem zu beißen, was in ihren Bereich fommt, oder fallen jogar ven Gegner wild an mit heißerem, qurgelnden Angitgejchrei. Sn der Zeit der unberührten Urmwälder, ehe der weiße Mann ins Land fan, hatte das Waldmurmeltier jicher viel mehr Feinde als jet. Bären, Wölfe, Luchje werden ihm un- zweifelhaft nachgeftellt und der indianische Jäger wird jich wohl auch nicht erniedrigt gefühlt haben, wenn er jich zu jolhem Stleinmild herabließ. Jr der Gegenwart ift das einzige ein- geborene Tier, das der Woodchud zu fürchten hat, der Fuchs. Bor diejenm firen Jäger ift es nie ficher, nicht einmal in den Tiefen feiner Höhle. m Winter, wenn der Boden nicht geftoren it, gräbt e8 der Fuchs jogar aus dem Winterquartier aus und beißt es im Schlafe tot. Ebenfo Holt er e3 in der warmen Jahreszeit aus der Erde heraus. Yir noch grö- Berer Gefahr jind aber die jungen Murmeltiere, die, noch nicht größer als eine Ratte, an jonnigen Tagen jich Schon im Strafe um den Bau herumtreiben oder vor diejent an der warmen Erde auf einem Haufen zufammen fchlafen. Zu folchen Zeiten mögen jie wohl auch die Raub- vögel leicht wegnehmen; aber Stone erinnert fich nicht, dies öfter gejehen zu haben. Da- gegen hat Pohlmann einen Fall erlebt, wo die Liebe zu den Jungen das Tier antrieb, jich ohne dringende Not der größten Gefahr auszufegen. Als er jich eines Tages einem Bau näherte, jah er, wie ein großer Woodchud mit jieben Jungen in die Tiefe Hufchte. Er ging ganz an die Höhle heran und fniete vor derjelben nieder, als plößlich das Tier, zornig fauchend und trillernd, dicht vor ihm auftauchte. ES wich jelbjt nicht, als er das Gewehr anjchlug, jondern Fam im Gegenteil noch etwas mehr hervor. 488 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Über die Jagd jagen Stone und Cram, daß jchon ein guter Schuß mit dem gröbjten Echrot dazu gehört, um das Waldmurmeltier über der Erde zur Strede zu bringen, da e8 in jeiner dien Haut und feinen feiten Schädelfnochen einen jehr wirfjamen Schuß bejigt. Die meijten werden aber im Eijfen an der Einfahrt ihres Baues gefangen. Sobald das Tier fühlt, dak das Eifen den Fuß gefaßt hat, ftrebt e8 zuriick in den Bau und zerrt mit folcher über- tafchender Kraft, daß e3 oft die Freiheit wiedererlangt. Wenn es nicht imftande ift, fich zu befreien, gräbt es alle Erde in der Höhle 108 und häuft fie vor fich auf, jo daß es der Tallen- steller dann herausholen muß, jo gut er fan. Dft beißt es fich auch den Fuß über den beiden Bügeln des Eifens ab. Nach Pohlmann ijt das Tier im Sommeraufenthalt ziemlich leicht zu erbeuten. Aus einem hohlen Baume wird es einfach durch Ktlopfen herausgetrieben, ein Steinhaufen wird abgetragen. Nücdt man ihm dabei näher zu Leibe, jo gibt es einen eigentümlichen, trillernden Laut von fich, der jich um jo häufiger und ftärfer wiederholt, je drohender die Gefahr wird. Man Fann es auch durch einen Hund herausholen lajjen. Diejer dringt eifrig mit dem Kopf in das Berftecf des Murmeltieres, um jedoch alsbald mit bfutender Schnauze zurücdzufahren. Dies wiederholt fich unter fteigender Wut auf beiden Seiten jo lange, bis e3 jchlieglich dem Angreifer gelingt, den Verteidiger der Feltung im Genid zu pacden und herauszuziehen. Dann folgt ein gewaltiges Abjchütteln, und der Kampf iit beendet. Gelingt es jedoch dem Murmeltier, jich draußen wieder freizumachen, jo jtellt e3 jich fampfbereit auf die Hinterfüße, um jich verzweifelt zu wehren. Jedes Zujchnappen des Hundes hat einen Biß nach feiner Schnauze zur Folge, und zumeilen weigert jich ein jolcher aus vielen Kopfwunden blutender Hund, noch fernerhin den jo furchtbar beißenden Kager anzugreifen. Meijtens endet der rampf durch einen riejigen Sa des aufs äußerjte gereizten Hundes, der das Murmeltier über den Haufen wirft und e3 den Zähnen jeines Seindes preisgibt. Das einzige, was vom amerikanischen Murmeltier in Yarmerfreijen allgemein ge- ichäßt wird, jcheint das Fett zu fein. Gegen den Herbit gibt es Tiere, die über 12 Pfund wiegen, und bon jolchen gewinnt man eine erjtaunliche Menge Fett. Die amerikfanijchen Farmer jchreiben diejem Fett, genau wie unjere Alpenbauern, eine erweichende, heilende VBirhmg zu und pflegen es jorgam aufzubewahren. Stones zahmes Murmeltier machte fich gern mit den Sagen zu jchaffen, die aber feine Zuneigung zu ihm hatten. Wenn es eine Milch trinfen jah, Fam es leije von hinten, fniff fie in den Naden und rannte dann in fein Verjted. Diejen Spaß jebte es oft fort, bis die Katen ich ärgerlich verzogen, worauf es jich dann jelbjt die Milch zu Gemüte führte. oh. vd. Filchers Beobachtungen aus der Gefangenjchaft („Zool. Garten”, 1875) bezeugen zunächft die große Kraft und Nagetätigfeit des Walomurmeltieres: in einer Nacht hatte es die 21% Zoll ftarken Wände feines Klaftens dDurchgenagt und war entwijcht. E83 zerbiß und zerriß Drähte von 3mm Dice. Mit dem Kopfe hob es große Steine, die fajt die Halbe Größe feines ganzen Körpers hatten, mit Leichtigkeit in die Höhe. Wärme jchien ihm an- genehm zu fein, wenn fie 170 R nicht überjtieg, höhere Temperatur jedoch läftig: e3 Tief dann in eine fühlere Stube, ftredte fich dort auf dem Boden aus und fchlug heftig mit den Flanken. Die Lebensweife war in der erjten Zeit die eines Dämmerungstieres: Schlaf den Tag und Die Nacht über; das Lager wurde dann nur auf kurze Zeit zur Entleerung verlafjen, die ftetS auf ein und derjelben Stelle gejchah. In der Morgendämmerung war es rege, pußte jich, fraß, lief umher, und das wiederholte fich gegen Abend, etwa eine Stunde vor Sonnen- untergang bis zu einbrechender Nacht. Beim Erwachen mwiederholtes Gähnen, Reden, Waldinurmeltier. Präriehund. 489 Sichpußen; dann wurde die Lojung abgegeben. Bei zunehmender Zahmbeit veränderte fich die Tebensmweije jo, daß jchlieglich die Mahlzeit des Pflegers, wobei einiges abfiel, die Hauptrichtjehnur bildete. Bei Zorn blähte fich der ganze Leib gleichjam auf, das Haar wurde jtruppig aufgerichtet. Das Tier fauchte heijer, indem es die Luft heftig, aber lange andauernd aus der Lunge ausitieß, wobei ein grunzendes Brummen vernehmbar twurde, dem jich ein trommelndes Sinurren, heftiges Zähnefnirjchen und Klappern, Ausdrüde der höchjten Wut, beigejellten. Bon Trillern jchreibt vd. Fijcher nichts. Einem Schnalzton folgte das Murmeltier aus dem Käfig heraus, jedoch nur dann, wenn es hungrig war. War es gejättigt, jo ließ es jeden Ruf unbeachtet. Auf einen Namen folgte es nicht, jchien überhaupt für Töne der menjchlichen Stimme wenig Gehör zu Haben, jelbjt wenn man dicht vor ihm laut aufjchrie; Dagegen wurde das leijejte jonjtige Geräufch jofort vernommen. Diejes Ber- halten erklärt fich wohl jo: die menjchlichen Stimmlaute werden als vom Herrn ausgehend erfannt und Daher als ungefährlich nicht beachtet. Syedes andere Geräujch Fonnte eine Gefahr bedeuten und erforderte daher mehr Beachtung. Das Tier Fannte feinen Herrn, ließ jich von ihm ftreicheln, in die Höhe heben, lief dagegen vor fremden Berjonen fort und biß dieje jogar. &3 juchte jeinen Herrn aber nur dann auf, wenn es hungrig war, und leijtete nur dann einem Anruf Folge. Deshalb jchägt dv. Fiicher feine Intelligenz als faum über die des Ktaninchens gehend. Mangel an Anhänglichkeit darf indes faum ohne weiteres als Mangel an Intelligenz gedeutet werden; hier fommt auch die natürliche Anlage aus dem Steileben (Öejelligkeit oder Ungejelligkeit) zur Wirkung, die oft erjt Durch lange Haustier- jchaft geändert wird. — Von den Sinnen jchäßt d. Fiicher das Auge des Waldmurmeltieres gewiß nicht höher, Das Gehör geringer ein als beim Hafen oder Kaninchen. Den Geruc) findet er dagegen jehr qut entiwidelt. Cbenjo den Gejchmad: das Murmeltier will reich- gedecdte Tafel haben und unterjcheidet die Qualität der Nahrung jehr gut. Alles mußte frijch jein: eine welfe Möhre, ein angefaulter Apfel wurden nicht berührt. Das Tier tranf jehr jelten, vielleicht in drei Wochen einmal. Sn der warmen Stube (am Tage 16°R, nachts nicht unter 12%) wurde ununterbrochener Winterjchlaf nicht beobachtet. Das Tier Ichlief 4—10, einmal 34 Tage hintereinander, erjchten aber, jobald ein jonniger Tag Fam, am Tijch und verlangte Zutter, verichwand bei Eintritt von jchlechtem Wetter ujo., bis im Frühjahr das Wetter bejtändig geworden war. CS hielt jich jehr rein, pußte und beledte den Pelz forgfältig mehrmals am Tage in aufrechter Stellung ganz jenfrecht zum Boden. Auc das Lager blieb jtet3 trocden und rein. Bon fojlilen Verwandten der Murmeltiere interejjiert hier Die Gattung Plesiaretomys Brav., die in drei verjchiedenen Arten aus dem Cozän Sid- und Dftfrankreichs und aus der Schweiz bejchrieben worden ijt, weil jie urfprünglich für ein Eichhörnchen gehalten wurde, in ven Schädelmerfmalen jich diejen aljo wohl annähert. Der in Nordamerifa lebende Präriehund (Gattung Cynomys Raf.; befanntejte Art C. socialis Raf. [ludovicianus]; Taf. „Nagetiere XVII“, 2, bei ©. 464), von Wejtteras und Wejtfanjas bis zum Oberlauf des Mifjouri und dem Fuße der Feljengebirge verbreitet, ver- bindet gewijjermaßen die eigentlichen Murmeltiere mit den Ziejeln; obivohl er, jyjtematijch jtrenggenommen, zu leßteren gehört, ähnelt ex eriteren doch äußerlich mehr und unterjcheidet jich von ihnen mwejentlich nur durch das Gebiß, dejjen erjter oberer einmwurzeliger Badzahn faft ebenjo groß ift wie die übrigen jehr großen, jomwie durch den furzen und breiten Schädel. Der Leib ijt gedrungen, der Kopf groß, der Schwanz jehr kurz, bujchig, oben und an den 490 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Seiten gleichmäßig behaart; die Badentajchen find verfümmert. Erwachjene PBräriehunde erreichen etiva 40 cm Gejamtlänge, wovon ungefähr 7 cm auf den Schwanz fommen. Die Färbung der Oberjeite ift bei der genannten Art ficht rötlichbraun, grau und jchwärzlich ge- mijcht, die der Unterjeite jchmußigweiß, der furze Schwanz an der Spiße bräunlichjchmwarz. Der Weftlihe Präriehund, C. lewisi Aud. Bach. (eolumbianus), eine Feinere Art mit viel fürzerem, ganz weißem Schwanz und mehr gelbem Tarbenton des Tselles, verbreitet fich wejtlich des Feljengebirges ftellenmweije von Kolumbien durch Stolorado und Arizona bi3 zur Sierra Nevada, dem weitlichen Nandgebirge der Bereinigten Staaten, und verdient befonderes Snterefje, weil er angeblich mehr Gebirgstier ift und bis über 3000 m Mteere3- höhe borfommt. Der Name „Präriehund“”, der mehr und mehr gültig geworden ift, jtammt von den eriten Entdedern, den alten fanadijchen Trappern oder Pelzjägern, her, die unjer Tierchen nach feiner bellenden Stimme benannten. Die ausgedehnten Anfiedelungen, die man ihrer Größe wegen „Dörfer“ nennt, finden jich regelmäßig auf ettvas vertieften Wiejen, auf denen ein zierliches Gras einen wunderjchönen Nafenteppich bildet und ihm zugleich bequeme Tahrung gewährt. „Zu welcher unglaublichen Ausdehnung die Anjiedelungen diejer fried- lichen Erdbewohner herangemwachjen find”, jagt Balduin Mölfhaujen 1860, „davon Fan man fich am beften überzeugen, wenn man ununterbrochen tagelang ztoijchen Heinen Hügeln hinzieht, deren jeder eine Wohnung zweier oder mehrerer jolcher Tiere bezeichnet. Die einzenen Wohnungen find gewöhnlich 5—6 m voneinander entfernt, und jeder Heine Hügel, der fich vor dem Eingange derjelben erhebt, mag aus einer guten Wagenladung Erde beitehen, die allmählich von den Bewohnern aus den unterivdiichen Gängen ans Tageslicht befördert worden ift. Manche haben einen, andere zwei Eingänge. Ein feitgetretener Pfad führt von einer Wohnung zur andern. Bei der Wahl einer Stelle zur Anlage ihrer Städte jcheint jie ein furzes, Fraufes Gras zu bejtimmen, das bejonders auf höheren Ebenen gedeiht und nebjt einer Wurzel die einzige Nahrung diefer Tierchen ausmacht. Sogar auf den Hoch- ebenen von Neumerifo, two viele Meilen im Umtfreife fein Tropfen Wafjer zu finden ift, gibt e3 fehr bevölferte Freiftaaten diefer Art, und da in dortiger Gegend mehrere Monate hindurch fein Regen fällt, man auch, um Grundmafjer zu erreichen, über 30 m in die Tiefe graben müßte, ift fat anzımehmen, daß die Präriehunde fein Wafjer brauchen, jondern fich mit der Feuchtigkeit begnügen, die zeittwweije ein ftarfer Tau auf den feinen Grashalmen zurüd- läßt. Daß diefe Tierchen ihren Winterjchlaf Halten, ift wohl nicht zu bezweifeln; denn das Gras um ihre Höhlen vertrocfnet im Herbfte gänzlich, und der Frojt macht den Boden jo hatt, daß e3 unmöglich für fie fein wide, auf gewöhnlichem Wege fich Nahrung zu verjchaffen.... Den Ausfagen der Indianer gemäß öffnet der Präriehund manchmal bei noch Falter Witte- rung die Tieren feiner Behaufung. Dies ift alsdann aber als ficheres Zeichen anzujehen, daß bald warme Tage zu erwarten find. „Einen merkwürdigen Anblid gewährt eine jolche Anfiedelung, wenn es glüdt, von den Wachen ımbeachtet in ihre Nähe zu gelangen. Soweit das Auge reicht, herrjcht ein veges Leben und Treiben: faft auf jedem Hügel fißt aufrecht, wie ein Eichhörnchen, das Heine gelbbraune Murmeltier; das aufmwärtsftehende Schwänzchen ift in immermwährender Be- megung, und zu einem förmlichen Summen vereinigen fich die feinen bellenden Stimmchen der vielen Taufende. Nähert fich der Bejchauer um einige Schritte, jo vernimmt und unter- jcheidet ex die tieferen Stimmen älterer und erfahrener Häupter; aber bald, wie Durch Präriehund: Anfiedelungen. Zujammenleben mit anderen Tieren. 491 Zauberjchlag, ift alles Leben von der Oberfläche verschwunden. Nur hin und wieder ragt aus der Öffnung einer Höhle der Kopf eines Kundjchafters hervor, der durch anhaltend herausforderndes Bellen feine Angehörigen vor der gefährlichen Nähe eines Menfchen warnt. Legt man fich alsdann nieder und beobachtet bewegungslos und geduldig die nächjte Um- gebung, jo wird in Furzer Zeit der Wachtpoften wieder den Bla auf dem Hügel vor feiner Tir einnehmen, wiederum unter unausgejeßtem Bellen. uch feine Gefährten fommen wieder, einer nach dem andern, aus den Dunkeln Gängen auf die Oberfläche, wo alsbald das harmloje Treiben diejer gejelligen Tiere von neuem beginnt.” „203 ich”, jchreibt mir Finjch, „im Oftober 1872 die Kanjas- Bacific-Eifenbahn be- reifte, wurde ich durch eigene Anfchauung mit den Dörfern des Präriehundes zuerit befannt. Das Borkommten des letteren ijt, wie das des Bijon und der Gabelantilope, an jene aus- gedehnten Hochebenen gebunden, welche, aller Bäume und Gefträuche bar, nur mit dem bezeichnenden Büffelgraje bededt find und Büffelprärien heißen. Eine jolche Brärie wird von der Kanjas-Bahn, eine ebenjolche von der Denver-Bacific-Bahn durchzogen. Hier tie dort gehören PBräriehunde zu den gewöhnlichen Ericheinungen; dagegen erinnere ich mich nicht, jte auf der Hochebene von Laramie gejehen zu haben, und auf der troftlofen, nur mit Artemifien bejtandenen Salzwüite zwischen dem Felsgebirge und der Sierra Nevada fehlen jte bejtimmt. Anfiedelungen von der Ausdehnung, wie jie von Möllhaufen gejehen wurden, bemerkte ich niemals. Wie der Bijon und die Antilope, Hat jich auch der Präriehund an das Seräujch des vorüberjaujenden Eijenbahnzuges gewöhnt, und unbefünmert darum jieht man ihn bewegungslos auf jeinem Baue jiten, den Zug ebenjo neugierig betrachtend, wie die Snjafjen ihn jelbit. Oft nämlich befinden jich die Dörfer der Bräriehunde in nächiter Rähe der Bahn, nur durch den Graben von ihr getrennt, dann wiederum begegnet man auf weiten Streden feinem einzigen Bau; denn nicht immer jiedelt der Präriehund in Dörfern jich an. Dagegen weiß jeder, der mit der Prärie und ihren Bewohnern vertraut ift — und ich befragte mich bei jehr verjchtedenen und durchaus glaubwürdigen Männern —, daß Prärie- hunde, Erd- oder Prärie-Eulen und Klapperjchlangen friedlich in einem und demjelben Baue beifammen leben.” Sn Wirklichkeit dürfte von eigentlicher Stameradjchaft, gern geübter gegenjeitiger Dul- dung faum die Rede fein. Hornaday jchreibt ganz ausdrücklich und unzweideutig: „ES it nicht wahr, daß der Präriehund in Frieden und Eintracht mit Klapperjchlange und Höhleneule denjelben Bau bewohnt. E3 ift vielmehr ficher anzunehmen, daß, wenn der jchredliche, jtreitbare Rapler in das Heim einer Präriehundfamilie eindringt, dieje jich jchleunigjt eine andere Wohnung jucht. Die Höhleneule bezieht ganz gewohnheitsmäßig verlajjene Höhlen und niltet in Ddiefen, wodurch fie die Arbeit jpart, fich jelbjt eine Höhle zu graben. m Boologishen Garten zu Philadelphia verjuchte der Direktor U. E. Brorwn, Höhleneulen und PBräriehunde zufammenzuhalten: die Eulen wurden von den Hunden jofort totgebijjen und in Stüde gerijjen.” Hed hat allerdings im Frühjahr 1907 beim Bejuche des Londoner Gartens dort Präriehunde und Eulen in derjelben Anlage vereinigt gejehen; doch jaßen die Eulen meift auf erhöhten Brettern, und vielleicht ift auch eine wirkliche Zujammen- gemöhnung der beiden Tierarten Dadurch erzielt worden, daß man beide zugleich einbrachte, aljo die Präriehunde fich nicht eher heimisch fühlen fonnten als die Eulen und daher auc) gegen dieje nicht jo angriffsluftig waren. „Surchtlos”, bemerkt Möllhaufen noch, „ucht ich der Präriehund feinen Weg ziwijchen den Hufen der mwandernden Büffel hindurch; doch der Jäger im Hinterhalte braucht jich nur 492 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. unborjichtig zu bewegen — und jcheu und furchtjam flieht alles hinab in dunkle Gänge. Ein leifes Bellen, welches aus dem Schoße der Erde dumpf heraufflingt, jowie die Anzahl Kleiner, verlajjener Hügel verraten dann allein noch den jo reichbevölferten Staat. Das Fleijch diejer Tiere it ;hmadhaft; doc) die Jagd auf fie jchtvterig und felten von Erfolg gefrönt. Manches getötete Tierchen rollt außerdem noch in die faft fenfrechte Höhle tief hinab, ehe man es er- hajchen fann, oder wird, falls man nachitehender Erzählung Glauben jchenfen darf, rechtzeitig noch durch jeine Genojjen gerettet." „Ein nach Präriemurmeltieren jagender Trapper”, erzählt Wood, „hatte glücdlich einen der Wächter von dem Hügel vor jeiner Wohnung herab- gejchojjen und getötet. An diejem Augenblid erichten ein Gefährte des Beriwundeten, der bis dahin gefürchtet hatte, jich dem Feuer des Jägers auszujfegen, padte den Leib feines Steundes und jchleppte ihn nach dem Jnnern der Höhle." Ein nur veriwundeter, objchon tödlich getroffener Präriehund geht regelmäßig verloren, weil er jich noch nach feiner Höhle zu jchleppen weiß und verjchwindet. „Eher gelingt es, derer habhaft zu werden, welche jich etwas weiter von ihren Röhren entfernt haben, und ebenjo ijt es, nach Ausjage der Präriejäger, leicht, fie auszuräuchern. Während des Baues der obenerwähnten Bahnen waren Präriehunde bei den Arbeitern ein gewöhnliches und beliebtes Ejjen.” (Finich.) Der befannte amerifanijche Shyitematifer und Tierlebenforscher Hart Merriam vom Biological Survey de3 Department of Agriculture hat in dejjen Jahrbuch für 1901 (‚The Prairie-Dog of the Great Plains“‘) den Bau näher bejchrieben. „Die Röhre fällt exft jehr fteil in die Tiefe, wendet dann beinahe in rechtem Winfel um und geht wagerecht weiter, gegen das Ende etwas anjteigend. Das Nejt ift eine jeitliche Kammer, die in Verbindung mit der wagerechten Röhre jteht, aber gewöhnlich, wenn nicht immer, etwas höher liegt als dieje. Bon einem jolchen offengelegten Bau gibt W. H. Dsgood eine genaue Zeichnung mit Maßen. Bei diejem fiel die Einfahrtsröhre fait jenfrecht bis in eine Tiefe von über 4m, tvo jie wie abgebrochen ins Wagerechte umdrehte. Der wagerechte Teil war ebenfalls beinahe 4 m lang, jein hinterjtes Drittel jotwie zwei alte Seitenfammern nebjt Zugängen mit jchtwarzer Erde gefüllt, die aus der oberflächlichen Schicht eingebracht und ehr verjchieden war von dem hell gefärbten Yehmboden, in dem der größere Teil des Baues lag. Etwa 11, m vom Ein- gang war eine Ausbuchtung, eine Art furzer Seitengang, in dem die zu Baue gejcheuchten Ziere jich wahrjcheinlich umdrehen, wenn fie nach Murmeltierart aus der Einfahrt heraus noch einmal einen Bli auf den Störenfried werfen wollen, ehe fie endgültig in der Tiefe des Baues verjchwinden. Hier fien fie jedenfalls auch, wenn fie bellen und fchimpfen, nachdem jie jich von der Mündung des Baues zurüdgezogen haben.” Ginen ganz ähnlichen Bau machten jich em Pärchen PBräriehunde, die Profefjor B. E. Zillfon, nachdem fie in feinem Snititute den Winter glücklich überjchlafen hatten, auf feinem Landjite in eine große Voliere brachte, wo fie reichlich Gelegenheit hatten, ihre befannte Grabfähigfeit auszuüben. Sn einer Ede begannen fie ihre Arbeit und waren bald außer Sicht. Binnen wenigen Tagen erhob Jich rund um das Einfahrtsloch ein Hügel von etwa 50 cm Höhe und 60 cm Durchmejjer. Das unterirdische Werk jchien aber noch nicht vollendet; denn die Tiere warfen bejtändig Erde aus der Höhle. Beim Graben gebrauchten fie ihre Vorderbeine und warfen den Boden in einige Entfernung hinter die Hinterbeine. Bon Zeit zu Zeit drehten fie fich dann um und jchoben ihn mit den Strallen weg. Sie hatten eine eigene Art, ihre Nafen al Stoßramme im Heinen zu gebrauchen, und waren auf dieje Weije ftändig dabei, die Erde um ihre Behaufung jeitzuftoßen. Viel Zeit verbrachten fie damit, aufrecht mit niederhängenden Vorderpfoten auf ihrem Hügel zu jiben; offenbar infpizierten fie dann die Umgebung. Beim leifejten Präriehund: Bauten. Schaden. Gefangenleben. 493 Geräufch ftürzten fie in ihre Höhle, auf äußerjt fomijche Weije mit dem Sch wänzchen madelnd. Kaum aber waren jie verfchwunden, jo erjchienen ihre Köpfe verjtohlen jchon wieder mit einem Ausdrud von Ungeduld und Dreiftigfeit. Obwohl offenbar jo furchtjam, Fam manch- mal doch ein gewijjer Wagemut über jie: jo Fletterten jie öfter auf Das Dach des anjtoßenden Kohlenjchuppens, und ihr haftiges, ungejchietes Strabbeln, um wieder herunter zu fommen, war dann jpaßhaft anzujehen. Um ihre unterirdiiche Behaufung zu unterfuchen, grub Sillfon im November den Bau auf. Diejer zog jich unter den Stohlenichuppen; dadurch var feine Tiefe mwahrjcheinlich beeinflußt und die Leiftung nicht jo groß, wie man zuerft ver- mutete. Die Röhren hatten einen Durchmejjer von beinahe 9 cm und waren ziemlich rund, von oben nach unten leicht abgeplattet. &3 fanden jich auch zwet jeitliche Ausbuchtungen von fugeliger Form: die eine 30cm im Durchmejjer, gefüllt mit trodenem Strafe, ornfutter ufio., die andere nur etwa 20 cm und leer. Außerdem war ein blinder Gang, eine Sadgalje von 90 cm Länge vorhanden, vollgepact mit Gras und Kleinen Mengen Erde; jte diente zweifellos dem Zived, den Winterborrat an Futter feucht zu halten, und die feite Padung war bewerf- jtelligt durch das oben bejchriebene „Nammen”. Die Gejamtlänge des Baues betrug un- gefähr 71% m. | Die Frage ift oft aufgewworfen worden, ob der Präriehund Wafjer braucht oder nicht. Der Vorbefiger des Fillfonjchen Paares hatte diefem zwei Monate nichts zu trinten gegeben, und Sillfon jelbit ift jicher, daß die Tiere von Ende Oftober bis März nicht tranfen. Wäh- rend des Dezembers trank einer viermal je im Abjtand von mehreren Tagen vor Beginn des Winterjchlafes. Im Ausjehen der Bauten bejteht ein Unterjchied zwijchen vem Mifjouri- und Columbia- Präriehund; bei leßterem fehlt die trichterförmige Erhöhung um den Eingang. Nach Lewis und Clark nahmen die Anfiedelungen der columbijchen Art manchmal 200 englijche Acer ein. Die einzenen Baue jind getrennt, und jeder hat vielleicht zehn oder zwölf Ein- wohner. Vor der Einfahrt entjteht auch ein Feiner Hügel durch die ausgeivorfene Erde; aber oft liegen drei oder vier verjchiedene Röhren, die zu einem Bau gehören, mit ihren Ein- gängen rings um den Fuß der feinen Hügel. In Kanfas jcheint der Präriehund nur wenige Tage im allerunfreundlichiten Winter fich zurückzuziehen; denn man hat ihn dort im Januar jo lebendig wie im Sommer ge- iehen. Weiter im Norden hält er aber zweifellos einen längeren Winterjchlaf. Stelfenweife muß der Präriehund zum landwirtjchaftlichen Schädling werden; denn da3 United States Department of Agriculture, Bureau of Biological Survey gibt in einem feiner Flugblätter von 1908 Anleitung zu feiner Vernichtung. VBergiftetes Korn und Schwefelfohlenftoff find die beiten und billigiten Mittel. m Winter und eriten Frühling, wenn die Nahrung fnapp ift, legt man das Steychninforn aus, das SO— Prozent der Tiere tötet mit einem Koftenauftwand von nur 10—15 Cents für den Ader Land. Die übrig- bleibenden erftit man dann mit Schwefelfohlenftoff, wofür das Miniftertum die Ktoften mit ungefähr 1 Gent auf den Bau berechnet. Über gefangene Präriehunde fchreibt Haade („Zool. Garten“, 1888) das Folgende: „Es dürfte nur wenige Tiere geben, deren Gefangenleben ich jo leicht zu einem annähernd naturgetreuen Bilde ihres Freilebens geftalten läßt twie das des Präriehundes, dejjen künft- fiche Anjiedelung mit dem anziehenden Treiben ihrer Bewohner viele Bejucher des Frank furter Tiergartens fejjelt. Hier ift den Präriehunden die Möglichkeit der Anlegung ihrer Höhlen gegeben, und an das Leben in und um die leßteren und an ihre Herjtellung ift der 494 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. vollftändige Begriff des Präriehundes jo jehr gebunden, daß das Tier im engen Stäfige ichwer twiederzuerfennen ift. Kaum hatten wir im legten Sommer unjern durch einige neue Einrichtungen verbejjerten Präriehundparf wieder bejett, als auch jchon die Grabtätigfeit der Tiere begann. Die Bejeßung war am Nachmittage erfolgt; jchon in der nächiten Nacht fonnten die Präriehunde in den neugegrabenen Höhlen Ihlafen. 63 verlohnt jich, die Baus tätigfeit unjerer Tiere genauer zu verfolgen. „Die Aufloderung von Erde und Lehm, aljo das eigentliche Grabgejchäft, wird durch die Vorderfüße bejorgt. Mit ihnen häuft der Präriehund unter feinem Bauche eine Duan- tität Erdreich an, das dann Durch die Hinterfüße weit fortgejchleudert wird. Selbjt wenn das grabende Tier fchon tief in der Höhle tedt, jieht man häufig noch Heine Erdflumpen weit herausfliegen. Bei der Vertiefung jeiner Höhlen geht der Präriehund mit großer Umficht zu Werfe. Nie beginnt er in der Tiefe des zu verlängernden Höhlenganges zu graben, denn dadurch würde er jeinen Ausweg verjtopfen oder doch wenigitens jehr verengern; nein, immer wird ganz born am Eingange der Anfang gemacht. Hier wird Die von früherer Grab- arbeit liegengebliebene Erde mit den Vorderfüßen unter den Bauch des Tieres gejchafft und mit den Hinterbeinen hinausgejchleudert, und jo verjchwindet das Tier, abwechjelnd mit Border- und Hinterfüßen arbeitend, allmählich in die Tiefe. Nach einiger Zeit fommt es zurüd und entfernt mit den Zähnen den an den Strallen der VBorderfüße Hlebenden Lehm. E3 hat den Gang etwas erweitert oder verlängert und ruht jich jet aus; aber bald wird Die Tätigfeit wieder aufgenommen, und zwar vorn am Eingange, wie immer. Auf das Graben der Gänge, deren Weite vem Präriehunde ein bequemes Aus- und Einjchlüpfen gejtattet, ijt aber das Baugejchäft feineswegs bejchränft. Ein wejentlicher Teil diejes bejteht in der Ausführung eines die Höhle vor Überfchwemmung jchügenden Walles rings um das Schlupf- loch. Zu diefem Zivede wird die herausgejchaffte Erde gefammelt. Was zu weit fortgeflogen tar, wird Durch die Hinterfüße wieder in die Nähe des Höhleneinganges gejchleudert, und nun jchiebt das Tier, da es jich um genaue Arbeit handelt, jorgfältig die Erde mit den Border- füßen vor ich her und häuft jie ring um den Eingang an. Damit fie hier aber ftegen bleibe und einen jchönen Wall bilde, wird jie hHübjch mit der Naje feitgejftampft, und zur Aus- führung diejer Befejtigung des Walles und der Wände des Einganges wählt der Prärie- hund ziwedentjprechenderweije Negentage, nach denen man rings um den Eingang die Najen- eindrüde des Tieres jteht. „Der Präriehund nimmt je nach dem Wetter zeitweilige Veränderungen mit jeinem DBaue dor. Als es im Dftober falt wurde, verjtopften unjere Präriehunde drei der fünf Eingangslöcher zu ihrem unteriwdiichen Baue, dejjen Gänge, wie es jcheint, durchweg zu- jammenhängen. Zu diefem Zwede wurden die Wälle teilweije zerjtört. Ein entgegengeiegtes Berhalten habe ich im Sommer beobachtet, wenn nach Negentagen die Sonne warn jchien und für die Austrodnung der Wohnung gejorgt werden mußte. Dann wurden, um den Abzug des Wafjerdunftes zu fördern, den ich einmal in Heinen Wolfen aus dem Baue auf- jteigen jah, Luftröhren gegraben. m Gegenjabe zu den jchrägen Laufröhren gingen jte jenfrecht in die Erde und waren beträchtlich enger als jene; auch wurde, was aus dem Mangel von Erde um ihr Ausgangsloch hervorging, ihr Bau von der Tiefe aus begonnen, nicht von der Oberfläche, denn im leßteren Falle hätten die Tiere nicht leicht auf die aus- zutrocnenden Gänge der Wohnung treffen fönnen. Sobald die Luftröhren überflüjjig waren, wurden fie wieder befeitigt. Zur wohnlichen Einrichtung des Baues gehört die Auspolfterung des Authelagers mit Heu und Ähnlichen Dingen. Bei trodenem Wetter werfen wir unjeren Präriehund: Gefangenleben. 495 Präriehunden eine Handvoll Heu hin. Mit Hilfe der Borderfüße und des Maules formen die Tiere dann Heubündel, jo did, dag der Mumd fie faum fajjen fann, und verjchwinden mit ihnen in die Tiefe. Ganz ähnlich verfahren jie mit Papier; ganze Zeitungsblätter werden in Ballen zujammengefaltet und in den Bau gejchleppt. it das Heu im Lager zu feucht geworden, jo wird e3 wieder entfernt und Durch neues erjeßt. „sm vergangenen Frühjahre betrug die Anzahl der Präriehunde in unjerem Gehege neun Stüd, zu denen |päter noch fünf junge und jechs Biejel famen. Wieviel Männchen und Weibchen jich darunter befanden, vermag ich nicht anzugeben, da die Unterjcheidung der Gejchlechter jchwierig und das zu diefem Zivede notwendige Ergreifen der Tiere ein miß- liches Ding tft. Sämtliche Präriehunde lebten durchweg im beiten Einvernehmen und waren auch gegen die iejel, die mit ihnen Ddiejelben Löcher bervohnten, jehr duldjam. Selbjt mit den Ratten, die jich im und am Prärienhundeparf eingenijtet hatten, jchienen jie auf ganz gutem Fuße zu leben; wiederholt habe ich e8 beobachtet, daß Präriehunde und Katten jich ganz freundlich gegenjeitig bejchnüffelten. Dagegen erging e3 zwei fremden PBräriehunden, die wir von Hamburg erhielten und den umnjerigen beigejellten, recht jchlecht. Sie wurden jofort heftig angegriffen und mußten jich in die Höhlen flüchten, um alsbald von deren rechtmäßigen Bejisern mit großer Gejchwindigfeit darin begraben zu werden. Nach wenigen Tagen hatten die beiden Hamburger ihr Xeben unter den Biljen der legteren lajjen müjjen. Sonit habe ich Beißereien faum beobachtet; wenn der Präriehund wirklich einmal (und bei einem außergewöhnlichen Lederbijjen gejchieht das mitunter) jeine Liebenswürdigfeit gegen- über jeinen Gemeindegenojjen vergißt, Hilft er jich mit Brügen. Nüt beiden Borderfüßen zugleich trommelt er dann auf den Gegner ein, wobei er ein unmirjches Gezeter, ähnlich dem Zanfen des Stiegliges, ausjtößt. Sit aber der Gegenitand des Streites verzehrt, jo ijt auch der Keine Zmwijchenfall vergejjen, und wieder wird mit dem Schwänzchen vergnüglic) gejchnippt, wie jtets, wenn der Öleichmut feines Trägers ungejtört ijt. Abwechjelndes Bellen, wie Möllhaufen es beobachtet hat, findet hier nicht jtatt. Bielleicht aber meint Möllhaujen damit ein plößliches, aus feinem erjichtfichen Grunde ftattfindendes Aufjauchzen, das von einem jich hoch auf die Hinterfüße jchnellenden Tiere ausgeht und von ihm und den übrigen einige Male wiederholt wird, aber gleich wieder aufhört. Man beobachtet diejes eigentün- liche Aufjauchzen nicht jelten. Jch vermag e3 nicht zu deuten; ein Warnruf tft es jicher nicht. „Der Warnruf der Bräriehunde ift jenes helle Gekläff, dem das Tier jeinen Namen verdankt. Unjere PBräriehunde lajjen es nur vernehmen, dann freilich auch regelmäßig, wenn unjere Bernhardinerhündin ‚Cora‘ jich in der Nähe des Geheges befindet. Sie fünnen dieje zwar nicht jehen, aber der Geruch verrät fie einem der Tiere, das jebt eindringlich zu Häffen beginnt. Schleunigjt verjchwinden die übrigen in den Höhlen, während der wachjame Seläffer fich in aufrechter Stellung auf den Wall eines Höhleneinganges jet und jeinen Genojjen im Jnneren durch fortgejegtes Bellen das Weiterbeftehen der drohenden Gefahr mitteilt. Verjchwindet die leßtere nicht bald, jo flüchtet jich auch die Wache unter plößlich jchneller ausgeftoßenem Gefläffe in die Tiefe. m Menjchen erbliden unjere Präriehunde feine Gefahr mehr; wenn aber zufällig fein Beobachter bei ihnen jteht und dann plößlich einer naht, jo laufen alle den Höhleneingängen zu, um nötigenfalls jich möglichit jchnell in die Höhlen flüchten zu fönnen. Sie haben fich aber bald von dem Nichtvorhandenjein einer ©efahr überzeugt, nahen fich dem Befucher, ftellen jich aufrecht vor ihm hin und machen wohl auch einige Schritte auf den Hinterbeinen gegen ihn, um jich einen Lederbijjen zu erbetteln. Lebteren entnehmen jie unmittelbar der Hand des Bejuchers, und gibt e3 etwas bejonders 496 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Sejchätes, wie Hafelnußferne, jo lafjen fie fich feber an den Zähnen in die Höhe heben, als daß fie den einmal gepadten Bijfen wieder fahren liegen. Das gewöhnliche Futter der Präriehunde ift bei ung Mais und Grünzeug aller Art. Unter legterem find bejonders Möhren geichäßt. Auch grüne Grashälmchen und, wenn nichts anderes zu haben ift, Heuhalme find willfommen. Der Halm wird zierlich mit einer Hand (jo fann man mit Recht den Vorder- fuß des Präriehundes nennen) gehalten, indem die Finger den Halm gegen den Daumen- ballen drüden. Lederbijjen für Präriehunde jind Nüfje, die man aber auffnaden muß, da die Tiere ganze Nüffe unbeachtet lajjen. Auch Heine Bögel werden gern verzehrt. Sch ver- mute, daß die Bräriehunde leßtere gelegentlich jelbjt erbeuten; denn ich Habe mehr als einmal unfere Bräriehunde beim Berzehren eines Sperlings angetroffen, von dem feiner der Wärter zu fagen wußte, wie fie ihn erhalten hatten. Bei der Frechheit der Spaben ijt e8 ja auch er- flärlich, daß gelegentlich einer die Beute der Präriehunde wird. „Nur von einem unjerer Bräriehundmweibchen haben wir bis jeßt Nachzucht erhalten. Schon jeit geraumer Zeit war ung ein Tier aufgefallen, dejjen Haarwechjel jich äußerft lang- jam vollzog, jo daß es jtellenweije ganz fahl war, und bei ebendiejem Tiere, das einen ab- gejonderten Gang für fich bewohnte und bejonders fleißig Heu und Papier eintrug, ragten die Ziben weit und deutlich jichtbar hervor. Daß e3 eine jäugende Mutter war, unterlag jomit faum einem Zweifel, zumal da das Tier jich durch Unliebenswürdigfeit gegen jeine Genofjen auszeichnete und Ddieje mitunter in ihre Höhlen trieb und dann die Eingänge jchleunigft verjchartte. Lange Wochen aber dauerte es, bis in dem Eingange zur Wochenftube das Köpfchen eines jungen Präriehundes jichtbar wurde, der jich neugierig, aber äußerft borjichtig die Welt betrachtete. Tage vergingen, ehe jich nach diefem erjten Herauslugen die jungen Präriehunde ganz herauswagten. Sndejjen fonnten wir nach und nach ihrer fünf zählen und jahen fie auch allmählich zutraulicher werden; freilich die Zahmheit der Alten hatten jie auch am Ende ihres erjten Sommers noch nicht ganz erreicht. Die jungen Präriehunde trugen ein helleres und weniger rötliches Haar als die alten. Sie gingen jehr bald ans Futter, wurden freundlich von allen Gemeindemitgliedern aufgenommen und fingen frühzeitig an, fich) an der Erweiterung und Ausbefjermmg des Baues zu beteiligen. Einen echt findlichen Zug habe ich an ihnen beobachtet. Als fie während einer Verbejjerung des Geheges von den Alten getrennt und nach längerer Zeit wieder mit diejen vereinigt wurden, fannte ihre Freude des Wiederjehens feine Grenzen. Unaufhörlich Tiefen jie den älteren Gemeindemitgliedern nach und füßten und liebfoften fie in ihrer Were. Mit Beginn des Winters hatten die Jungen die erjte Härung überjtanden und den jchönen totgrauen Pelz der Alten erhalten, jebt, zu Ende des zweiten Sommers, in einem Alter von etiva 15 Monaten, find fie ausgewachjen.“ Bei der im Berliner Garten 1909 erzielten Nachzucht von zwei oder einem Jungen war das Benehmen der Tiere anders. Die Jungen wurden im gemeinjamen Stalhrejt ge- worfen, und die Alten lagen alle auf ihnen, jo daß man gar nicht ohne weiteres die eigent- liche Mutter erfennen fonnte. Die erjten beiden Jungen wurden am 7. März gefunden und fonnten da höchitens einige Tage alt jein; amt 8. April hatten jie die Augen geöffnet und eine feine plüfchartige Behaarung angelegt. Hacde fährt fort: „Bei Eintritt der falten Witterung im Oftober oder November ziehen fich unfere Präriehunde zum Winterfchlafe zurüd. Sie bleiben den Winter über in ihrem Gehege und erfcheinen im Frühjahre ziemlich volzählig wieder. Gibt es im Winter jehr warme Tage, jo wird der Schlaf auf kurze Zeit unterbrochen.” Salber Ziejel. Ziejel. 497 Sm Berliner Garten beivohnen die Präriehunde neben den Murmeltieren, Ziejeln und Eichhörnchen ein Höhlengehege unten am Landnagetierhaufe. Freie Gelegenheit zum Graben gibt man ihnen dort nicht, weil man bei dem lojen Sandboden und den naßfalten Vintern der Mark Brandenburg damit früher jchlechte Erfahrungen gemacht hat. Jr dem Boden der Gehege find aber Röhren gelegt und rundliche SKtejjel ausmodelliert, die die Präriehunde wie ihre Berwandten alle jofort auf das bereitwilligjte annehmen und mit dem befannten Eifer voll furz zerbijjenes Heu jtopfen. Die zünftige, hHandwerfsmäßige Art und Weije, wie die Heinen Nammer und Boljterer dabei zu Werke gehen, amüjiert das Publifum ebenjojehr wie die Zutraulichkeit, mit der fie, auf ziwei Beinen jißend, aus dem vertieften Gehege emporbetteln. So jind jte ganz allgemein vielgefütterte Lieblinge, zu- gleich und dadurch aber wahre Majtichweinchen, die faum mehr laufen können. Sm der Kagetierfammlung des Berliner Gartens find die Präriehunde Diejenigen, die bis jet am mwenigjten durch Sletter- und Springkünfte irgendwelche Überrafchungen bereitet oder Schwierigkeiten verurjacht Haben. Mit dem amerikanischen Präriehund in feinen wenigen geographijchen Formen glaubte man bis in die nteuejte Zeit Die Gattung Cynomys erjchöpft und hielt jte für rein neumeltlich. Da machte Satunin 1908 im Tiflifer Mufeum durch Vergleich der Schädel die überrajchende Entdeckung, daß der Falbe Biejel, Colobotis fulvus Zeht., oder die Gelbe Ziejelmaus, wie er ihn nennt, ein altweltlicher Bräriehund, der altweltliche Ver- treter der Gattung Cynomys it und daher Cynomys fulvus Zcht. genannt werden muß. (Bol. „Beiträge zur Kenntnis der Säugetierfauna Kaufafiens und Transfafpiens”, XI.) ©ein Verbreitungsgebiet beginnt nad) Satunin „im Weiten in der Wolga=-Uraliteppe und eritreckt ich von dort nac) Diten durch das Gebiet des Nral-Stojafenheeres auf die Stirgijen- jteppe, wobei auch die jüdlichen Teile der Gebiete Turgai und Akmolinjt einbezogen werden... Nac) Süden geht das Wohngebiet längs dem Kajpiufer wenigjtens bis zum Kinverly-Meerbujen... Weiter gehören dazu der Njt-Urt, der nördliche Teil der Kijil-Stum- Wiüfte, ein Streifen am Syrdarja und die Untgebung von Santarfand und Bernoje.” Die abweichende Erjcheinung, Bewegung und Höhlenform des altweltlichen Präriehundes im Gegenjaß zu den eigentlichen Ziejeln Derjelben Gegenden war jchon Eversmann aufgefallen. „Dieje Art ift die größte, jchlankite und flinkite unter den hier in Betracht fommenden jowie unter den Ziejelarten überhaupt... Der Falbe Ziejel Hingegen macht jeine Höhle volf- fommen jenfrecht in die Erde, treibt fich einzeln und ziemlich weit von feiner Wohnung in der Steppe umher und läuft äußerft fchnell in Säten und Sprüngen, jo daß man ihn etiva wie einen SltiS vorbeifliegen jieht.” Eigentliche Präriehundgewohnheiten find dies übrigens doch nicht. Satunin meint denn auch am Schluffe feiner Unterfuchungen, die Gattung Cynomys jcheine ihm „wenig begründet, und e3 wäre vielleicht richtiger, fie al3 eine Unter- gattung des Genus Marmota anzujehen”. Alfo Übergänge vom Murmeltier durch Ziefel und Erdeichhorn bis zum Baumeichhorn! Biefel, Citellus Oken (Spermophilus) heißen Heine Arten der Unterfamilie, chmude Tierchen mit verhältnismäßig [chlanfen Leibe, gejtredtem Ktopfe, im Belze veritedten Ohren, 4 Zehen und einer furzen Daumenmwarze an den Border-, 5 Zehen an den Hinterfüßen omwie großen Badentafchen. Die Körpergeftalt ift mehr eichhornartia, Schlank, und auch der Schädel nähert jich dem Eichhörnchenfchädel. Am oberen Kiefer finden jich 5, im unteren Brehm, Tierleben, 4. Aufl. XI Band. 32 498 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. 4 Badzähne; der erjte obere Baczahn it etiva halb jo groß wie Die übrigen und mit einer hohen, jcharffantigen Quterleifte bejeßt. Der Schwanz fann ein furzbehaarter Stummtel, aber auch — ebenfalls eichhornartig — lang und zweizeilig bujchig behaart fein. Die zahlreichen Arten Diejer Gattung, die fäntlich der nördlichen Erdhälfte angehören, jich aber auf beide Halbfugeln verteilen, wohnen auf offenen und bebujchten Ebenen, einige gejellig, andere einzeln in felbitgegrabenen Höhlen und nähren fich von verjchiedenen Slörnern, Beeren, zarten Sträutern und Wurzeln, verjchmähen jedoch auch Mäufe und Feine Bögelnicht. Der (oder auch das) gewöhnliche, einfarbige Ziefel, Citellus citellus Z. (citillus; Taf. „Kagetiere XVII”, 4, bei©. 465), ein niedliches Tierchen, fat von Hamftergröße, aber mit viel Ichlanferem Leibe und Hübjcherem Stöpfchen, 22—24cm lang und mit 7 cm langem Schwangze, am Widerrift bi 9 cm Hoch und ungefähr 0,5 kg fchwer, trägt einen Ioderen, aus ziemlich Itraffen, in der Nätte dunkler geringelten Haaren bejtehenden Belz, der auf der Oberjeite gelbgrau, unregelmäßig mit Noftgelb gewellt, auf der Unterjeite rojtgeld, am Kinn und Borderhals weiß ausjieht. Stirn und Scheitel find rötlichgelb und braum gemijcht, die Augenkreije licht, die Füße roftgelb, gegen die Zehen Hin heller, die Strallen und die Schnur- ren [chivarz, die oberen Borderzähne gelblich, die unteren weißlich. Das Wolldaar der Ober- jeite ijt Schtwarzgrau, das der Unterjeite heller bräunlichgrau, das des Vorderhaljes einfarbig weiß. Die Najentuppe it Schwärzlich, das ziemlich große Auge hat fchivarzbraunen Stern. Der Ziejel findet Jich Hauptfählih im Dften Europas, bon two er fich neuerdings in Schlejien immer weiter in wejtlicher Nichtung verbreitet; um 1893 wurde er fchon von den Ihlefiischen Artilleriejchteßplägen in die zoologifchen Gärten geliefert. Er fcheint aber auch vor gut 100 Jahren chon einmal viel weiter weitlich gewejen zu fein; denn viele exit jenkrecht, dann wagerecht gegrabene, in einem Stejjel endigende Röhren, die der befannte Bogelwirt Liebe, im Alnte Landesgeologe, gelegentlich eines Waldabtriebes auf dem Wolgen bei Leubsdorf (Schleiz) Fand, Lafjen fich Faumt auf einen anderen Wiühlnager al3 auf den Ziejel beziehen, der fie vor der Aufforjtung diefer Graumadenkuppe gegraben und mit der Be- waldung den Drt spieder verlafjfen haben mußte. („Zool. Garten“, 1876.) Nac) dv. Martens („gool. Garten”, 1871) nennt übrigens Schwendfeld den Ziejel bereit3 1603 als jchle- liches Tier. Zn wiljenfchaftlichen „Führer Durch Dresden für die Naturforjcherverfamm- fung 1907” berichtet der Dresdener Mufeumsfeiter Sakobi: „AS Vertreter der Steppen- fauna hat der Biejel von Böhmen her den Kamm des Erzgebirges überjchritten und be- reits Die Zone des Elbjandjteingebirges erreicht." Und nad) feinen Studien über das Tier, die er 1903 im „Archiv für Naturgefchichte” veröffentlicht hat, bewohnt der Ziejel gegen- wärtig Schlejien vom Süden an bis fait an die Grenze von Brandenburg. Auch im König- reich Sachjen bejeßt das Tier einen Heinen Bezirk auf dem Kamme des Erzgebirges an der Mügliß und bei Gottleuba. Sm allgemeinen hat, wie e3 fcheint, der gewöhnliche Ziejel von allen verwandten Arten die größte Verbreitung. Man Fennt ihn mit Sicherheit als Bewohner des füdlichen und gemäßigten Rußland, von Galizien, Schlefien und Ungarn, Steiermark, Mähren und Böhmen, Kärnten, Krain und der oberhalb des Schwarzen Meeres gelegenen rufjiichen Provinzen. Daß er in Rußland häufiger auftritt al bei uns, geht aus feinem Namen hervor; denn diefer ift rufjiichen Urfprunges und lautet eigentlich Sustif, im Polnischen Sufel, im Böhmischen Sifel, „woraus das oftdeutjche Ziefel oder Zizel, twie Albertus Magnus fchreibt, der e3 jchon zu eitellus latinifiert hat...” (v. Martens.) Daher hat 3. B. die Regierung des Biejel: Verbreitung, Standorte. Bauten. 499 jüdruffifchen Gouvernements Taurien jchon vor Jahren eine Verordnung erlajjen, nach der jeder ländliche Grumdbejiter alljährlich jo viel getötete Ziejel abliefern muß, wie er Hektar Land bejißt: eine öffentliche Laft, die Großgrundherren, wie z.B. dem befannten Friedrich Falz- Fein in Acania Nova, jedes Jahr die Vertilgung don nicht weniger als 150000 Stücd auferlegt! Er erfüllt feine Pflicht vermöge des auch bei ung für ähnliche Zivede immer mehr bevorzugten Schwefelfohlenftoffverfahrens mit jehr gutem Erfolg; ja, er glaubt jogar, baldige Abnahme des Ziejels in Taurien vorherfagen zu können, zumal zu ungunften des . Tieres auch noch „Die rajch zunehmende Kultivierung der Steppe” wirkt, „die dem Yiejel die Möglichkeit eines gejicherten Baues raubt... Schon Ffann man nicht mehr von ‚Ziejel- jahren‘ fprechen, in denen der Ziejel zur Plage würde, und bei fortgejegter Verfolgung wird es jehr bald eine jeltene Erjcheinung in unjerem Gouvernement jein.” Nac) Salz zei bewohnt das Tier nämlich „vor allem die freie, offene Steppe, in der e3 Jich zur Ylnlage jeines weitläufigen Baues mit Vorliebe Aurzbewachjene Stellen ausfucht: Viehtriften, auf denen das Gras abgemweidet und ausgetreten it, [pärlich bejtandene Böjchungen von Rinn- jalen ufw. Tief gelegene, feuchte Stellen meidet der Ziejel, ebenjo aber auch jandiges oder aufgeadertes Land und bebaute Felder. Dagegen jiedelt er jich begreiflichertveije gern in deren Nähe an, zumal er dort auf Schwarzem Boden mit jalzhaltigen Lehmunterjchichten auch den ihm am meijten zufagenden Baugrund findet. Sm den grasteichen Teilen der Steppe fehlt der Ziejel geradezu.” Laut Herfloß hat er fich bejonders den Gijenbahnen zugewendet, deren aufgeworfene Dämme ihm das Graben erleichtern und vor Negengüjjen einen gewiffen Schub gewähren. Doch jcheut er auch unter jonjt günjtigen Lebens- bedingungen einen fejten Boden nicht und zerlöchert diefen unter Umständen jo, daß hier und da fat Röhre an Röhre nach außen mündet. Cr Iebt jtet3 gejellig; aber jeder einzelne gräbt jich feinen eigenen Bau in die Erde, das Männchen einen flacheren, das Weibchen einen tieferen. Der Kejjel liegt 1—1,5 m unter der Oberfläche des Bodens, tjt von läng- fichrunder Geftalt, hat ungefähr 30 cm Durchmefjer und wird mit trodenem Graje aus- gefüttert. Nach oben führt immer nur ein einziger, ziemlich enger und in mancherlei Krünt- mungen oft jehr flach unter der Erdoberfläche Hinlaufender Gang, vor dejjen Mündung ein feiner Haufen ausgeworfener Erde liegt. Der Gang wird nur ein Jahr lang benußt; denn jobald es im Herbite anfängt, kalt zu werden, verjtopft der Ziejel die Zugangsöffnung, gräbt fich aber vom Lagerplage aus eine neue Nöhre bis dicht unter die Oberfläche, die dann im Frühjahre, fobald der Winterjchlaf vorüber, geöffnet und für das laufende Jahr als Zugang benußt wird. Die Anzahl der verjchiedenen Gänge gibt aljo genau das Alter der Wohnung an, nicht aber auch das Alter des in ihr wohnenden Tieres, weil nicht jelten ein anderer Ziejel die noch brauchbare Wohnung eines feiner Vorgänger benußt, falls diejer durch irgendeinen Zufall zugrunde ging. Nebenhöhlen im Baue dienen zur Aufjpeicherung der Wintervorräte, welche im Herbite eingetragen werden. Der Bau, in dem das Weibchen im Frühjahre, gewöhnlich im April oder Mat, feine 3-8 unbehilflichen, nadten und blinden ungen wirft, it immer tiefer angelegt al3 die gewöhnlichen Wohnbaue, um den Stleimen hinlänglichen Schuß zu gewähren. Bemerkenswert ift, daß man vor dem Ziejelbau zumeijt feinen Erdaufwurf findet, die Löcher vielmehr wie in den Boden gejtochen erjcheinen. Talz-Teins Beobachtungen darüber Haben ergeben, daß der Ziejel die Gewohnheit hat, die Erde in jenen Badentajchen auseinanderzutragen. Eröhäufchen in der Umgebung des Baues deuten jchon darauf hun. „Berwohnte Baue“, fchreibt mir Herfloß, „Lajjen jich jofort Durch den Geruch erfennen; 32* 500 8. Ordnung: Nagetiere, Familie: Hörnchenartige. denn der Ziejel verabjäumt jelten, vor dem Einfahren jeinen Harn zu lajjen, und diejer hat einen jo unangenehm jtechenden Geruch, daß man jich jelten täujchen fan. Auffallend it die Sucht des Tieres, allerlei glänzende Dinge, Borzellanfcherben, Glas- und Eijenjtück chen 3. B., in feinen Bau zu fchleppen. Der Ziejel bejitt eine Fertigkeit im Graben, die geradezu in Erftaunen jegen und Uneingeweihten vollfommen unglaubfich fcheinen muß.“ Ein Herflo entlaufener hatte binnen einer Woche ein Loch von über 2 m Tiefe in eine HBiegelmauer gegraben, bis er wieder eingefangen murde. „ES fann feine angenehmere Unterhaltung gewähren”, jchildert Herkloß weiter, „als in den Nachmittagsitunden eines Frühjommertages Ziejel zu beobachten. Kaum zehn Minuten währt es, und in der Mündung einer Nöhre ericheint ein äußerjt niedliches Köpfchen, dejjen Have Augen bejorgt ins Grüne jpähen; der übrige Leib folgt, unjer Tierchen jegt jich auf, macht Männchen, vollendet jeine Aundjchau, fühlt fich jicher und geht an irgendiwelches Gejchäft. Binnen weniger Minuten ijt gewiß die ganze Gejelljchaft am Plate, und nun- mehr hat das Auge volle Bejchäftigung. Einige jpielen, andere pugen jich, einige befnabbern eine Wurzel, andere treiben jonjt etivas. Da ftreicht ein Naubvogel vorüber: ein gellender Pfiff, jeder rennt feinem Falloche zu, ftürzt fich Fopfüber hinein, und alles ijt in den Nöhren verjchwunden. Doch nur geraume Zeit, und das alte Spiel beginnt von neuem. Syn feinen Bewegungen it der Ziejel ein Heines Murmeltier, fein Hörnchen. Cr läuft bufchend über den Boden dahin, in rafcher Folge ein Bein um das andere fürder jegend, führt jelten einen Sprung aus und Klettert ungern, objchon nicht ganz ungefchict, jedoch immer nur nach Art der Murmeltiere, nicht nach Art der Eichhörnchen. Auch feine Stellungen beim Siben, jein Männchenmachen und endlich jeine Stimme, ein dem Loctone des Stern- beißers täufchend ähnlicher Pfiff, erinnern an jene, nicht an dieje. Obgleich der Hiejel jehr mußtrauijch und vorjichtig it, gewöhnt er jich Doch an öfter wiederkehrende Störungen, jo daß dieje ihn jchließlich nicht im geringiten mehr beläftigen. Auf einer ungarischen Bahn entdecdte ich am Ende einer im Schotter eingebetteten Schwelle eine in den Bahndamm eindringende Ziejelröhre, und gar nicht Yange, jo erichien der Ziejel. Eine halbe Stunde jpäter braufte der Zug heran, der Ziefel fuhr in feinen Bau, jehaute mit halbem Leibe heraus, ließ ruhig den Zug über jich wegrafjeln, Fam jodann wieder heraus und trieb es wie vorher. Später jtieß ich auf einen Ziejelbau unter einer Weichenjchwelle: hier Fam zur Be- unrubigung durch den Zug noch die, welche Durch das Stellen der Weiche verurjacht wurde, und gleichwohl hieß jich das Tier nicht ftören.” BZarte Kräuter und Wurzeln, 3.B. Vogelwegetritt und Klee, Getreidearten, Hiljen- frücchte und allerhand Beeren und Gemiüe jind die gewöhnliche Nahrung des Ziejels. Gegen den Herbit hin jammelt er fich von den genannten Stoffen Vorräte ein, die er Hamjterartig in den Badentajchen nach Haufe jchleppt. Nebenbei wird der Ziejel übrigens auch Mäujen und Vögeln, die auf der Erde niften, gefährlich ; denn er raubt ihnen nicht bloß die Neiter aus, jondern überfällt ebenjo die Alten, wenn jie nicht vorfichtig ind, gibt ihnen ein paar Bilje, frißt ihnen das Gehirn aus und verzehrt jie dann vollends bis auf den Balg. Seine Nahrung hält ex jehr ziexlich zwischen den Borderpfoten und frißt in halb aufrechter Stellung auf Dem Hinterteile fitend. Nach dem Frejjen pußt er jich Die Schnauze und den Kopf und ledt und wäjcht und fämmt fich fein Fell oben und unten. Wafjer trinkt er nur wenig und gewöhnlich nach der Mahlzeit. Der Schaden, den der Ziefel durch feine Plündereien verurfacht, wird nur dann fühl- bar, wenn jich das Tier befonders ftarf vermehrt. Das Weibchen ift, wie bei allen Nagern, Biejel: Freileben. Nahrung. Schaden. Fortpflanzung. Feinde. Gefangenleben. 501 äußerjt fruchtbar und wirft in den Monaten April oder Mai nach 25—30tägiger Tragzeit auf dem weichen Lager jeines tiefjten Ktejjels ein meift jtarfes Gehede. Die Jungen werden jorgfältig gejäugt, gepflegt und noch, wenn fie bereits ziemlich groß find und Ausflüge machen, bewacht und behütet. hr Wachstum fördert jchnell; nach Mionatzfrift find fie Halbmwüchjig, im Spätjommer faun mehr von den Alten zu unterjcheiden, im Herbite vollfommen aus- gewachjen und im nächjten Frühjahre fortpflanzungsfähig. Bis gegen den Herbft hin wohnt die ganze Familie im Baue der Alten; dann aber gräbt fich jedes Junge eine bejondere - Höhle, trägt Wintervorräte ein und lebt und treibt es wie feine Vorfahren. Feinde find außer den zünftigen Naubtieren und Raubvögeln die Strähen und Stolfraben, der Storch, die Sraumantelmöwe des Schwarzmeergebietes und die Trappen, die dem Ziejel eifrig nach- jtellen. Der Großtrappe gehört, laut Herkloß, nicht allein zu den Feinden der Mäuje, jondern verfolgt auch die Ziejel mit ebenjoviel Eifer wie Gejchid, tötet jie Durch einen Hieb mit dem Schnabel und verzehrt fie mit Haut und Haar. In Südungarn bejteht, nach Mojjtjovies, eine ganz bejtimmte Beziehung zwijchen dem Ziejel und dem Satjeradler, „die beide entweder von ihren früheren Berbreitungsgebieten fait gänzlich verjchwunden (Baranya= Komitat) oder noch nebeneinander zu finden jind, wie in der Frusfa Gora und dein vorgelagerten Niederungen der Iinfsjeitigen Donauufer”. Auch der Mtenjch ver- folgt die Siejel zu Nußzweden, teil3 des Yelles wegen, teils des wohljchmedenden Fleijches halber, und jagt jte mittels Schlingen und Fallen, gräbt fie aus oder treibt fie durch ein- gegojjenes Wafjer aus der Höhle hervor ujw. So kommt es, daß der ftarfen Vermehrung des Biejels auf vielerlei Weije Einhalt getan wird. Und der jchlimmite Feind ift immer noch der Winter. Schon früh im Herbite, in Taurien bereits im der eriten Hälfte des September, hat das friichfröhliche Xeben der Gejelljchaft geendet; die Männchen Haben ausgejorgt für Die Sicherheit der Gejamtheit, welche nicht nur außerordentlich wohlbeleibt und fett geworden it, jondern fich auch ihre Speicher tüchtig gefüllt Hat. Seder einzelne Ziejel zieht jich in jeinen Bau zurüd, verjtopft dejjen Höhlen, gräbt einen neuen Gang und verfällt dann in Winterichlaf. Aber gar viele von den eingejchlafenen fchlummern in den ewigen Schlaf hinüber, wenn naßfalte Witterung eintritt, welche die halberjtarrten Tiere auch im Baue zu treffen weiß, indem die Näfje in das Innere der Wohnung dringt und mit der Kälte im Vereine rajch den Tod herbeiführt. Selbjt Plabregen im Sommer töten viele von ihnen. Kac) Falz- Fein halten fie bei großer Dürre und während der heißen Monate Augujt und September auch einen furzen Sommerjchlaf und zeigen jich im Herbjt wieder, um ihre Bor- tatsfammern zu füllen. Den Winterjchlaf enden fie „bisweilen jehr früh”, gewöhnlich aber in der zweiten Märzivoche; doch hat Falz- ein Ziejel „oft Schon im Schnee herumlaufen jehen“. Gefangen, benimmt fich der Ziejel höchjt fiebenswindig. Er ergibt jich rajch in jein Schiefjal und befreundet jich nach und nach mit feinem neuen Gewaltheren. Jndejjen zeigt er manchmal die Tüden der Nager und beißt tüchtig zu. Bei guter Behandlung erträgt der Biejel mehrere Jahre Hindurcch die Gefangenjchaft, und nächit der Hajelmaus it er wohl eines ver hübjchejten Stubentiere, die man fich denfen fan. Seder Bejiser muß jeine Freude haben an dem jchmuden, gutmütigen Gejchöpfe, das fich zierlich beivegt und bald Anhänglichkeit an den Wärter zeigt, wenn auch feine Begabung nicht eben bedeutend genannt werden Fann. Ganz bejonders empfiehlt den Ziejel feine große Neinlichfeit. Die Art und Weije feines bejtändigen Putens, Wajchens und Kämmens gewährt dem Beobachter ungemeines Ber- gnügen. Mit Getreide, Dbjt und Brot erhält man den Gefangenen leicht; Fleijch verjchmäht er auch nicht, und Milch it ihm eine wahre Lederei. Wenn man ihn vorwiegend mit 902 8, Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörncdhenartige. trodenen Stoffen füttert, wird auch jein jonft jehr unangenehmer Geruch nicht läftig. Nur eins darf man nie verabjäumen: ihn fejt einzufperren. Gelingt es ihm, Durchzubrechen, jo benagt er alles, was ihm vorkommt, und fann in einer Nacht eine Zimmereinrichtung erheb- lich bejchädigen. Bemerkenswert ijt eine Beobachtung von Herkloß, Daß der Ziejel durch den Locton des Kernbeißers jich täufchen läßt und diefem antiportet. Zum Berjand müjjen Siejel, weil jie — eine bei Nagern nicht unerhörte fannibälische Neigung! — im engen Ge- wahrjam jich gegenjeitig abwürgen und anfrejjen, immer einzeln verpadt werden. Ein älterer Bericht von Tiemann-DBreslau („Zool. Garten“, 1867) beweiit, Daß der Hiejel auch in Gefangenjchaft unbejchadet jeinen regelrechten Winterjchlaf Durchmachen fanıt. „Ohne eine auffallende Beränderung im Benehmen des Ziejels wahrgenommten zu haben, fand ich ihn am Morgen de3 9. November in jenem Schlaffältchen tief in die darin befindliche Baumiolle eingebettet, in der befannten gefugelten Lage unbeweglic) fiegen. Außer einer abmwechjehtden Hebung und Senkung der Seiten waren an ihm feine weiteren Lebens- zeichen zu bemerken. Die das Stältchen umgebende Temperatur jchiwankte ziwijchen 4-3° und —-11,5'R. Unter jolchen Berhältnijjen währte der lethargifche Zuftand mit geringer Unter- brechung von nur 4 Tagen (Mitte März) vom 8. November 1859 bis zum 20. April des folgenden Jahres. Die Dauer des Winterjchlafes betrug jomit 158 Tage. Während diejer Zeit, wie auch während des viertägigen Wachens, nahm das Tier feine Nahrung zu fich, hielt aljo 162 Tage ohne Speife und Trank aus. AJm Verlauf diejer Zeit gab es auch feine Lojung ab. Das Atmen gejchah in langjan aufeinanderfolgenden Zügen, tt Deutlich wahrnehmbaren Zwijchenräumen, und e3 folgte nach mehreren jchhwächeren Einatmungen ein tiefer Atemzug. Die Zwijchenpaufen, in denen die einzelnen Atemziüge einander folgten, Ihmanften zwijchen 50 und 56 Gefunden. &3 fommen hiernach auf einen Tag 1630 Atem- züge; im wachen Zujtande Hingegen etiva 30 Atemzüge auf die Minute, mithin 42300 auf einen Tag, aljo etwa 26mal joviel al3 während des Winterjchlafes. Die Körperivärme janf auf+8'R. Dem Erwachen gehen feine auffallenden Anzeichen vorher. Am 19. April lag der Biejel noch in feinem lethargijchen Zuftande; am 20. morgens aber, als ich die obere Lage Wolle abhob, fehaute er mich mit feinen Haren Augen an wie vordem, und als meine Hand ihn erreicht hatte, hujchte er mit derjelben Gewandtheit tiefer in die Wolle hinein wie vor dem 9. November.” Im zweiten Jahre der Gefangenschaft war der Winterjchlaf aber jchon nicht jo fejtz jondern es „war injofern eine Veränderung eingetreten, als die animalijche Wärme nicht unter — 10° R herabjanf, oft jogar Höher, bis auf +13 jtieg und damit jelbjtverjtändfich ein fchnelleres Atenholen verbunden war.” 20. Januar Erwachen, 26. Schlaf, 12. Februar Erwachen ujw. abwechjehnd 21. Februar, 20. März, 24. März, 7. April, 12. April, ausgangs April endgültiges Erwachen. „Während des mehrtägigen Er- wachens nahn der Ziejel außer etwas Milch weiter feine Nahrung zu fich.” Der dritte Winterjchlaf war erjt recht unregelmäßig. „Nach einigen Wochen erwachte unjer Schläfer wieder, blieb wochenlang wach, jchlief wieder auf furze Zeit ein, exwachte wieder uff. Di3 Mai. Wenn er aufgewect war, nahm er, wie gewöhnlich, feine Nahrung zu jich und ließ nicht etwa bejondere Trägheit und Schläftigfeit wahrnehmen.” Das ist ungefähr die Art und Weife, wie auch im Zoologischen Garten die Winterjchläfer den Winter zu verbringen pflegen. Außer den Bewohnern Sibiriens und Zigeunern ejjen bloß arme Leute das Fleifc des Biejels, obgleich es nach den Erfahrungen von Herkloß vortrefflich, und zwar ungefähr mie Hühnerfleifch jchmect. Auch das Fell findet nur eine geringe Benußung zu Unterfutter, zu Berbrämungen oder zu Geld- und Tabaksbeuteln. Nach Braß, der allerdings für den Biejel: Gefangenleben (Winterfchlaf). Nuten. — Berlziejel. 805 gewöhnlichen Ziejel feine gejonderten Angaben macht, fondern alle „Susliki“, auch die afiatischen Arten, zufjammenfaßt, „werden die Felle in Rußland zugerichtet und zu Futtern zujammengenäht. SYährlihe Produktion etwa 30000 Futter. Der Preis für ein folches ihwantt zwifchen 5 und 12 Mark. Zn Jahren, wo jolche Futter gefucht find, mögen wohl eine Million Ziejelfelle verarbeitet werden.” Zu der zweiten europätjchen Biejelart, dem etwas Heineren und Furzichwänzigeren, nach jeiner dichten, hellen Fledung jo genannten Berlziejel, Citellus suslica Güld. (gut- tatus; Taf. „Nagetiere XVII”, 5, bei ©. 465), übergehend, müjjen wir uns vor allem darüber Harwerden, wie beide Arten in ihrer Berbreitung fich zueinander verhalten. Da geht nun aus Mojjtjopics’ „Tierleben der öfterreichijch-ungarischen Tiefebenen” unzmweideutig hervor, daß man die germöhnliche Art wohl als den Biefel des Donaugebietes betrachten darf. Damit it ihr Vorkommen aber nicht erjchöpfend umjchrieben: jte greift auch in den Bereich der Weichjel, Oder und Elbe über. Anderjeits wieder fchneidet der germöhnliche Biefel in Ofterreich jcharf mit der jogenannten pontijchen Flora, der füdofteuropätjch-vorderaftatischen Pflanzen- welt, zugleich ab, wie der Wiener Botaniker Kerner dv. Marilaun in feinen „Studien über die Slora der Diluviaßeit in den höchjten Alpen’ (Sib.-Ber. d. Afad., 1888) gezeigt hat. „Und doch bilden die Hier in Betracht fonmenden ‚pontischen‘ Pflanzen im Donautale und auf dent Gelände ziwijchen der Donau und den öftlichen Alpen für den Ziejel feine Nahrung, jtehen überhaupt zu ihm tm feiner erfennbaren Beziehung. Er lebt in den Oetreidefeldern, und e3 ijt nicht einzujehen, warum er nicht auch noch weiter weitlich in den Getreidefeldern von Bayern, Württemberg und Baden jic) aufhält." Bielleicht wandert er danoc) ein! Bis jest jcheint e3 allerdings, als ob das Tierchen gegen die fitddeutjchen Bundesjtaaten — wohl unter dem Einfluß des Gebirges — jeine natürliche, ererbte Berbreitungsgrenze einhielte und nur im Often außerhalb des Karpathengürtels aus der galizifchen in die fchlefische Ebene borrüde. Aus Sipddeutjchland it wenigitens noch fein Vorkommen befanntgeworden. Der Verlziejel dagegen ift eine viel „ausgejprochener öftliche Art: feine Weftgrenze jcheint daS podoliiche Plateau zu fein, von dem aus er jich nördlich über die (öjterreich- ungarische) Neichsgrenze (d. d. über die Dfthälfte Galiziens) in das rujjiiche Polen bis Lublin verbreitet”. Mar fan aber auch die geperlte Art wohl faum ohne weiteres al3 den Ziejel des Dirjeftrgebietes bezeichnen; denn Schauer („Die Murmeltiere und Ziejelmäufe Polens und Galiziens”) Hat „am Ufer des Diyjejtr an der bejjarabijchen Grenze ein einziges Grenplar gefunden”, und in der Tiefiteppe am Unterlaufe des Dirjepr lebt nach Ihrgaben Sriedrich Zalz-Feins nördlich, am rechten Ufer ein geperlter, jüdlich, Iinfs ein ungeperlter. Schauer berichtet aus feinem Beobachtungsgebiete, Boturzyfa bei Sofal am Flufje Bug in Öalizien, daß er den ganzen April hindurch vergebens auf die Perlziejel gewartet habe. „Endlich in den erjten Meaitagen ... waren wie mit einem Zauberjchlage die Susli auf der Dberwelt erjchienen.” Das nächite Jahr war Schauer im Auguft zur Stelle und jchoß gleich nach feiner Ankunft zwei Ziejel. „Der Magen, noch einmal jo groß wie der Kopf, war voll, enthielt fajt trodenes Mehl mit nur wenig grünen Pflanzenjtoffen. Der eine hatte in jeder Badentafche 62 fchöne, ausgewählte Buchtweizenfürner, der andere in jeder Baden- tajche 40 Haferkörner, die jehr jorgfältig in zwei Neihen gejchichtet lagen: fein Storn lag verfehrt, Spite neben Spite, Stielnarbe neben Stielnarbe; fie waren nicht enthülit... 63 trat unfreundliches Wetter etit, und die Susli ließen jich mehrere Tage lang nicht jehen... Nie jah ich zwei Stüde beijanmten oder einen Bau jtärfer befahren, und am 2. September -904 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. waren alle verichwunden. Nur an dem trodenen Ende einer Wieje, Die mit Feldern um- geben war, bemerkte ich noch Susli, fonft an feinem anderen Orte. Die Urfache war nicht weit zu fuchen. Alle Felder in der Nähe der Wiefe twınden umgeadert, Die Tiere in ihren Wohnungen geftört; denn fie verlaffen auf der Stelle jedes frijch gepflügte Feld... YBom 10. September an habe ich auch auf diefer Wiefe feinen Sufel mehr gejehen... sm Sommer jieht man fie manchmal bei gutem Wetter nicht, manchmal laufen fie während des Negens herum. Bevor die Sonne untergeht, find fie fchon verjchtvunden, und die Sonne fteht jchon hoch, bevor fie fich zeigen und die legten Tautropfen von den Pflanzenjtengeln ableden. Sede3 Tierchen hat fein Territorium, um das nicht jelten im Frühjahr auf Leben und Tod gekämpft wird. Am beften Tann man dies jeden auf Wiejen und Rajenhügeln. Yon einer Hauptröhre, die durch den Häufigjten Gebrauch am mweitejten geworden ift, gehen nad) drei, vier, fünf Geiten fejt ausgetretene, 1, 2, 3, 4 tlafter lange Zußfteige. Ein jeder führt zu einer Röhre, von welcher wiederum Fußfteige ausgehen, und je weiter der Bewohner zum Weizenfelde hat, defto mehr Löcher Hat er. Eine folche Nöhre Fällt jentrecht ein, und in einer Tiefe von ungefähr 3 Fuß teilt fie fich in ein, zwei, Drei mwagerecht laufende Afte, Die aber nicht mit anderen in Verbindung ftehen... Geht das Tierchen von dem Yauptloche ins Feld, fo geht e3 an feiner Nöhre vorüber, ohne einzufchlüpfen, fommt heraus, macht ein Männchen, fieht fich vorfichtig um und geht zur nächjten Röhre und fo fort bis ins Storn- feld, tvo e3 ich auch noch Notbaue gräbt, die nicht tief find und bei welchen immer Ihren und Spreu liegen... Dieje Zufluchtsbaue find wohl zu unterjcheiden von den eigentlichen Wohnbauen... Die Ziejel önnen nicht fchwimmen und gebärden fich im Wafjer ganz un- bändig und ungefchiet...” Und doch finden fie ich, nach Schauer, bei Sofal und PBoturzyfa auf beiden Ufern des Bug und bewohnen die Felder von Dörfern, die rings von Wald und Sumpf umgeben jind. „Qlte die, welche ich im September befam, hatten nur grünes Gras in dem immer vollen Magen; fie find in diefer Zeit erjtaunlich fett. Wo die Susli eine Flur bewohnen, da find fie auch Häufig, und der Schaden, den fie anrichten, ift erheblich." Ein Güterverwalter verficherte Schauer, „daß fie Maispflanzungen, viele Morgen groß, vernichten, wenn Die Samenförner feimen”. In der Gefangenschaft freien fie jogleich „und zanfen fich mit- einander immer in aufrechter Stellung, fehlagen fich mit den Händen und fehreien dabei gewaltig tie Ferfelchen”. Sie durchnagen einen Brettfaften, „machen jogar Köcher in ge- brannte Biegelfteine. Während der Arbeit treten oft Paufen ein, in denen fie ihre Schneide- zähne aneinander wegen, und zwar mit folcher Gejchwindigfeit, daß man das Schwirren einer Heufchrede zu vernehmen glaubt. So viele man ihrer auch in einen Staften zufammen- gibt, fo drängen fich alle, wenn fie ruhen oder jchlafen, auf einen Haufen und Fiegen auf- und übereinander, was doch wohl auf einen gejellichaftliden Winterjchlaf Hindeutet... Wenn fie des Nacht3 oder bei Tage feit jchlafen und man an den Käfig jtößt, jo lajjen fie, ohne zu erwachen, wie im Traume, den fehon erwähnten Pfiff Hören... Aufgeregt und zornig, Stellen fie die Schwanzhaare vertikal auf wie eine Flajchenbünfte ... Won jech5 Zwerg- adlern, die ich in Poturzyka fchoß, Hatten deren fünf jeder ein Sufel im Stropfe ... Bufjarde, Milane, Weihen, Naben find zu ungefchiet, einen Sufel zu fangen; ich Fenne fein Beijpiel, objchon ich in jener Gegend Hunderte folcher Naubvögel gefchojfen und unterjucht habe. Sit ein Naubvogel in den Lüften, fo geht Fein Sufel von der Röhre weg; die Zivergadler und Wanderfalfen fegen fich auf einen Maulwurfshügel oder eine Exrdjcholle und warten zum Fange gejchickt ven Zeitpunkt ab, wenn fich ein Sufel zu weit ins Feld gewagt hat." Später PVerlziefel. Rötliher Ziejel. Mugofariicher Ziefel. 505 ift der Perlziejel in Schauer? Beobachtungsgebiete „zugleich mit dem früherer Zeit jehr häufigen Zivergadler, die fajt immer von Suslis vollgefröpft waren, recht felten geworden.” Neuerdings hat man jich, wie nicht anders zu erivarten, überzeugt, daß die afiatijchen, namentlich die von Brandt und Milne-Edwards fängt bejchriebenen Arten und Unterarten des Biejels vollfommen zu Recht beitehen. Auch die Brandtjchen Untergattungen find neuer- dings in der Shitematif zu Ehren gefommen und wieder angenommen worden: fchlugen doch die amerifaniichen Bearbeiter (Allen, Merriam) denjelben Weg ein, um ihrer zahlreichen Ziejelarten in überjichtlicher Einteilung jyitematifch Herr zu werden. Die bisher behandelten Arten gehörten der Untergattung Citellus (Spermophilus) im engeren Sinne an. IJm oft- europäijchen Ural- und Kaufajusgebiet beginnt aber jchon eine zweite Untergattunga, Colo- botis Brdt., die jich nicht bloß durch ganz Mittel- und Noxrdafien bi3 zum Amur und nach Kanı- tichatfa, jondern auch nach Amerifa (Masfa, Kanada und Weftitaaten der Union) fortjeßt. Eine Art diefer Untergattung, der Nötliche Ziejel, Colobotis rufescens Keys.-Bl., ift noch rein europäijch. Er verbreitet jich weitlich des Uralgebirges von Sajan an der oberen Wolga bis Drenburg am oberen Uralflufje und ift von dem Forjfchungsreifenden Eversmann näher beobachtet und bejchrieben worden, der ihn Sp. undulatus nennt. „Das Baterland diejes Ziejels fängt etwa unter dem 49. oder 50. Breitengrade an und erjtredt jich von da nordwärts bis zum 56. Da, wo die niedrigen Borberge des Ural baumlos und fteppenartig werden, ivo die Gebirge Jich verflachen und hügelige Steppe bilden, daS wahre Vaterland des Bobaks, da findet fich auch fchon diejer Ziejel auf Stellen, die mehr Horizontal jind und nicht jehr hohes Gras Haben; ungleich häufiger aber weiter weitlich, wo die Steppen hori- zontal und Dürrer jind. Außerordentlich Häufig ift er in den Steppen um Drenburg jowohl auf dem rechten al3 dem Iinfen Ufer des Uralflufjes, weitwärts bis in die Gegend von Uralijf und bis ins Wolgagebiet; im Sajanischen Gouvernement trifft man ihn überall an Stellen, die waldlos find, lehmigen Boden haben und nur mit niedrigem Graje bewachjen find.” Die Schilderung des Tieres felbit jtellt Cversmann auf den Vergleich mit dem oben (©. 497) bereits gejchilderten „Falben Ziejel”, einem altweltlichen Präriehund. „Er ijt weniger behende..., lange nicht jo flüchtig; dafür entfernt er jich aber auch nicht weit von jeiner Höhle, jo dag man ihn nicht einholen Fanır, ehe er jich Hineinwirft. Von den Naubvögelr werden jedoch viele gefrejjen, bejonders jpäter im Sommer, wenn die weniger erfahrenen Sungen in der Steppe umberlaufen.” Der Mugofarijche Ziejel, C. mugosaricus Zeht., hat den Schwerpunft jeiner Ver- breitung in Turfeftan, fommt aber auch in den Mugodjcharbergen füdlich vom Ural, zwijchen Kafpischem Meer und Aralfee, vor und greift bis Sarepta nach Weiten. Über ihn jchreibt Eversmann: „Herr Brofefjor Lichtenftein Hat diefen Ziejel nach den Mugojariichen Bergen benannt, weil ich die ihm überfandten Eremplare dort gefangen hatte; er ijt aber nicht allein diejen Bergen (oder vielmehr den angrenzenden Steppen) eigen, jondern im Gegen- teil jehr weit verbreitet. Er findet jich überall in den füdlichen, unfruchtbaren Yehmiteppen, etiva vom 49. bis 45. Breitengrade; auf der Hochiteppe zwijchen dem Stajpijchen Meere und dem raljee findet man ihn nicht unter 45 Grad. An unteren Uralfluß bewohnt er Diejelben Gegenden mit dem Falben Ziejel; auch an der unteren Wolga wird er noch angetroffen und iit 3. B. bei Sarepta gar nicht felten... Er ijt der Heinjte von unjeren Biejeln und hat dabei auch verhältnismäßig den Heinften Schwanz. Der Störper, obgleich Hein, it plump 906 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. gebaut und die Beine ziemlich Furz; daher der Gang mausartig Friechend.” Cversmann gibt auch jchon ganz bejtimmte Unterjchiede in der Xebensweije der beiden vorjtehend be- Ichriebenen Arten an. „Der Rötliche Ziejel des Nordens macht jeine Höhlen jchräg in die Erde, etwa unter 50° Neigung, lebt gejellig, tft ein munteres Tier und jpielt im heißen Sonnenjchein; der Mugojariihe macht jeine Höhle weit jehräger, geht einzeln in Der Steppe auf Nahrung aus und läuft jehr langjan, jo daß man ihn leicht einholen Fanı.” Hier mag das Nötige über die fojjtlen Ziejel Deutjchlands und Wejteuropas ein- gejchaltet werden, weil es nicht die heute weitlichjten Arten find, Die dabei auftreten, jondern die joeben gejchilderten aus dem Wolga- und Uralgebiet. Die diluvialen Ziejelreite find eine der fejtejten Stügen für Nehrings Theorie von einer Steppenzeit Mittel- und Wejteuropas nach der Eiszeit; aber was er jelbjt davon bei Wejteregeln, Quedlinburg, Thiede ausgegraben hat, wa3 von Jena, Saalfeld, Böhned, Oppurg, aus einer oberfränkiichen Höhle bei Neu- mühle unter dem Nabenjtein, bei Würzburg, Tübingen, Braunheim bei Frankfurt a. M. und Curve bei Wiesbaden befannt geworden ijt, fonnte alles ohne weiteres dem Nötlichen Ziejel zugemwiejen werden, der alfo in jener Periode jich weit über unjer Vaterland verbreitet hat: der beite Beweis, daß große Gebiete Deutjchlands Damals ebenjolche Steppen waren, wie jie Heute an Wolga und Ural die Ziejel-, Bobak- und Pferdejpringergebiete bilden. Aber auch „ein Keiner Ziejel von der Größe des Mugojarischen” ift von Nehring „für Wejteregeln und für Nußdorf bei Wien in wenigen Nejten nachgewwiejen worden, und jchlieglich fehlt eine große Ziejelart, die mit dem Falben übereinzuftimmen jcheint”, ebenfalls nicht; man fennt jie von Weilbacd) am Taunus und Neumühle in Oberfranken. Bon europäifchen Ziejelarten aus der Untergattung Colobotis wäre noch C. musi- cus Mener. zu nennen al3 Beweis, daß Ziejel auch im Staufafusgebiete leben und aus den Steppen des Nordfaufajus auf die Alpeniiejen der nordweitlichen Hauptfette zu be- trächtlichen Höhen emporjteigen. König beobachtete fie in großer Anzahl am Stüfürlifol 10000 Fuß hoch, und Satunin fand fie „in allen trodenen Steppen des (nordöftlichen Staufajus-) Gebietes jehr gewöhnlich”. Alle weiter noch zu erwähnenden Ziejel gehören Nordamerifa an, das dank dem Sleiße jeiner Säugetierjgitematifer, namentlich Allens und Merriams, eine wahre Fülle verjchiedener Arten zu verzeichnen Hat. US echte Steppentiere leben die HYiejel aber auch in Amerifa nur auf der Steppe, d.h. auf den Prärien und Hochebenen des Wejtens; auf das Djftufer des Dijjijjippi greifen Faunt einige wenige Arten über. Wo jte vorkommen, treten je auch im der Neuen Welt meijt ebenjo majjenhaft auf wie in der Alten und jind neben den Jack Rabbit genannten Hafen die Hauptjchädlinge des Landwirts. Auch in Umerifa halten die nördlichen Ziejelarten einen Winterjchlaf, bei den jüdlicheren ift diefer aber jchon ganz bedeutend abgekürzt, und ganz im Süden bleiben die Ziejel den Winter über mehr oder weniger munter. Sn der amerikanischen Umgangsiprache nennt man den Hiejel vielfach Sopher und unterjcheidet den eigentlichen „Sopher” der Naturgejchichte, die Tajchenratte, als „„Pocket-Gopher“ (pocket = Tajche). E3 ijt natürlich unmöglich, Hier die der Wiljenjchaft befannten (mehr als 60!) amerikanifchen Ziejelarten und -unterarten auch nur annähernd zu nennen; nur wenige bejonders wichtige fünnen berücjichtigt werden. Da find zunächjt aus der Untergattung Colobotis einige Arten aus dem äußerjten Kordweiten der Neuen Welt, Masfa und angrenzenden Gebieten, von denen Parrys Fojjile Ziejel. Parrys Ziejel. Richardjons Ziefel. 807 3iefel, C. parryi Rich. (Taf. „Nagetiere XVII”, 6, bei ©. 465), genannt fein möge, eine dem Eversmanns-Biejel, C. eversmanni Brat., Sibiriens nahe verwandte Art. Sie lebt, nad) Richardjon, gewöhnlich in jteinigem Gelände; bejonders aber jcheint fie Kleine Sandhügel zwijchen Zelfen zu lieben, wo man oft die von mehreren Jndividuen bewohnten Bauten zufammengedrängt jieht. Einer aus der Gejellichaft jibt gewöhnlich aufrecht auf dem Gipfel des Hügels, während die anderen in der Umgebung Futter juchen. Bei Annäherung von Gefahr gibt er dag Marmzeichen, und jofort flüchten alle in die Höhlen, bleiben jedoch zwitjcherno im Eingang jigen, bi die Nähe des Feindes fie zwingt, jich in die Tiefe zurück zuziehen. Bon Wasfa dehnt Parıys Ziejel fein Verbreitungsgebiet nach Dften über das arktiiche Amerika, Kanada, bis zum Madenzieflug und auf die Melville-Injel aus; füdlich geht er mit feinen Unterarten bis in die Feljengebirge von Britifch- Kolumbien. Weiter jolich und öftlich, am Saskatjcheiwan und in den Feljengebirgen von Montana und Dakota, jchließt fih Richardjons Hiejel, Colobotis richardsoni Sab., an. Er gehört jchon zu den landwirtjchaftlichen Schädlingen der Union, denen der „Chief field agent“ Bernon Bailey dom United States Department of Agriculture in Wajhington 1893 ein „Bulletin“ gewidmet hat. Nichardjons Ziejel ähnelt in Gejtalt und Farbe jehr einen Heinen Präriehund, zumal er feine Fledung und Zeichnung Hat, über den ganzen Körper ziemlich gleichmäßig gelbgrau gefärbt ift; nur der Schwanz ijt oben jchwärzlich, feine längeren Seiten- haare aber weißlich. Die eingehendite Lebensjchilderung verdanken wir Coues, der bei einer Grenzver- mejjung längs des 49. Barallelfreifes mit diejer Art vertraut wurde. NRichardjons Ziejel „ijt eines der häufiajten Tiere des Landes, er verbreitet jich zu Hunderttaufenden über viele Duadratmeilen bis zum Ausjichluß alles anderen Säugetierlebens! Millionen Acer Land jind Ducchlöchert von jeinen Bauten. Jch jah niemals irgendwelche Tiere in jolc) übermäßiger Menge. ch bin Tage und Wochen geritten, während deren fie um mich herum jo zahlreich waren tvie die Bräriehunde in ihren Dichtbevölferten Dörfern. Shre Zahlen auf die Duadrat- meile find weitaus größer, als ich jemals von Otospermophilus beecheyi Rich. (Unterart von O. grammurus), der Peit Kaliforniens, unter den günjtigiten Bedingungen feititellen fonnte. Mit einem Worte: ihre Zahl it Legion! Wie oft Habe ich, zwijchen ihnen dahinreitend, ver- jucht, mir Darüber Harzumerden, welche Art von Boden oder welche Lagen jie bevorzugten! Wenn ich mir aber faunt irgendeine unfichere Meinung gebildet hatte, mußte ich jie gleich wieder ummerfen; denn wenn ich einige Stunden weiter ritt, fand ich die Tiere vielleicht ebenjo zahlreich an ganz anders gearteten Ortlichkeiten. Kam ich durch eine unfruchtbare, faktus- beitandene, alfalihaltige Wüjte, jo waren da jo viele, daß ich unmillfürlich Dachte: Dies jagt ihnen am beiten zu; wenn wir aber dann unten am Wafjer auf einem grajigen led unjer Lager bezogen, jo waren fie jo zahlreich wie immer. hr Gejelligfeitstrieb verjagt jelten. Einige taujend bevölfern eine Fläche jo Dicht, wie e3 die Präriehunde tun, und dann jieht man feine einzelnen Umhertreiber mehr vielleicht während einer ganzen Tagereije. Die Wahl ihrer Wohnftätten ift übrigens ganz dem Zufall überlaijen, und überdies jtoßen Die größeren Stolonien gewöhnlich aneinander an. Wenn die Tiere irgendeine Vorliebe Haben, jo ijt es die für leichteren und leichter zu bearbeitenden Boden. Sie jcheinen bejonders die leichten ‚Höder‘ der Prärie aufzufuchen, die jich einige Fuß über die allgemeine Oberfläche erheben. Dort ijt der Boden lofer, und fie haben noch den Vorteil der Überjicht über die Umgebung. Aber es liegen auch eine Menge Baue im jchwerjten Boden der Taljohlen. 508 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Sie vermeiden fteinige Stellen, gleichwohl bauen fie oft unter einem großen Stein. cd) fand auch faft wagerechte Röhren, die fie in eine fast jenfrechte Wand eingetrieben hatten; furzum: die Verfchiedenheit ihrer Wohnftätten im einzelnen ift endlos. „Eine merfiwürdige Ausnahme gibt e3 vom gejelligen Leben diejfer Tiere. Dann und warn, an ungewöhnlichen, abgelegenen Stellen, wo man, meilenmweit wohl feinen Biejel jieht, trifft man auf ein einfiedlerifches Individuum, das einen mwohlbeitellten Bau bewohnt, ganz allein in feiner Herrlichkeit. ch fchoß mehrere folcher Tiere: fie eriviejen fich alle als Männchen und, mas einzig in feiner Art ift, dieje alten Burjchen waren immer größer als der Ducchfchnitt (einige mochten das Doppelte wiegen), eigentümlich weich und hell gefärbt und enorm fett. Zuerjt hielt ich fie für eine bejondere Art, jo abweichend waren fie in vieler Beziehung. Sch nehme als ficher an, daß das alte Junggejellen find, die der Gejellichaft ent- jagt haben für ein Leben fauler Ruhe; allerdings, Hätte ich fte öfter unter ihren Artgenojjen gefunden, jo würde ich fie vielmehr für die Bajchas im Harem halten. ES jcheint jich hier um ein Gegenftüc zu den einzeln gehenden alten Büffelbullen zu Handelt, die man jo oft fern von der Herde trifft. „Das Weibchen wirft im Juni; das fchliege ich wenigjtens aus dem Umftande, daß der Juli Mengen von zweidrittelmwüchjigen Jungen hervorbringt. Die Jungen halten fic) näm- fich ftreng im Bau, bis fie ungefähr diefe Größe erreicht Haben. ch erinnere mich nicht, fleinere Herumlaufen gejehen zu haben. Das Sammeln und Aufjpeichern von Sämereien jcheint die Hauptbejchäftigung während des Sommers zu fein. Unter Taufenden, die wir im Borbeifommen nur ängitlich in ihren Höhlen verijchwinden jehen, jind notwendigermweije auch einige, die Feine Notiz von uns nehmen und nicht irgendwie Alarnı fchlagen. ch habe jolche oft beobachtet, wo das Gras höher war al3 geroöhnlich, während fie ihre Vorräte ein- fammelten. Sie erheben fich hoch auf die Hinterbeine, faljen die Spiten des Grashalmes und beißen fie ab. Dann jegen fie fich mit einem eigentümlichen Rud nieder, jigen mit gehrümm- tem Rüden ımd fteclen ihren Mundvorrat mittelS der Borderpfoten in die Badentajchen. Diefe find nicht fehr groß: beide zufammen werden faum einen gehäuften Teelöffel voll enthalten. Wenn fie richtig beladen find, machen fie fich davon nad) der Höhle. Bei der Nahrungsfuche fcheinen fie regelmäßige Wechjel einzuhalten. Bon fajt jedem langbenußten Baue fieht man einen oder mehrere Pfäpdchen ausgehen, bi8 5 cm breit, zuweilen jo gut ausgetreten, daß man fie 15, 20 Fuß weit verfolgen fan. Dieje Pfade führen oft von einer Höhle zur anderen.” Vermutlich) machen alfo auch die amerifanijchen Ziejel Zu- fluchtsbauten, wie dies ja nicht anders zu erwarten ift. „Ob noch fo eben der Boden, Die Pfade find nie ganz gerade, fie wiederholen im Heinen die abbiegenden Fußpfade der Men- jchen über die Wiefen: das geheimnisvolle Etwas, das jedes Yebewejen hindert, vollfommen geradeaus zu gehen. Obwohl eigentlich ein Pflanzenfrejjer wie die anderen Nager, ift der Ziefel doch auf Fleisch erpicht, und ich dente, daß feinen Heinen Teil feines Sommerfutters die Büffelleichen Kiefern. Wölfe jcheinen im Lande nicht Häufig zu fein, im Sommer wenig- itens nicht, und das Präparieren der Büffeljfelette wird alfo zumeijt von den Sitfüchjen, Dachjen, Stinftieren und Biefeln beforgt. Unmittelbar neben dem hHingejtredten Büffel wird mit ziemlicher Sicherheit bald ein Dachsbau eingerichtet fein, zugleich mit einer Anzahl iejelbauen. Al pofitiven Beweis diefer Neigung zum Fleifchfrejfen Habe ich mehr als einmal das Srmere der trodnenden Leichen ganz bededt gejehen mit dem eigentümlichen, leicht zu exrfennenden Mifte de3 Ziefels, während Knochen und Fleijch auf eine Art und Weife benagt waren, daß man glatttveg fagen fonnte, wer Dagewejen war. Komijch wie der Rihardjons Ziefel. 909 Ziefel in vielen Stellungen und Bewegungen ift, jieht er doch nie jo jpaßig aus, al3 wenn er quieft. Dann geht er gewöhnlich nieder auf alle viere, läßt die Sliefer mit einem Nud fallen und quetjcht den Ton heraus, indem er den Bauc) einzieht; es erinnert einen an ein Schoßhündchen. Gepacdt oder verwundet, hat er einen energischen, zwitjchernden Angjt- jchrei, jehr ähnlich dem anderer Arten”. („American Naturalist‘“, 1875.) „on den achtzehn Jahren”, fügt Bailey Hinzu, „jeit Coues dieje Schilderung veröffent- lichte, hat fich vieles geändert. Dakota und Montana jind zwar noch nicht der Garten der Welt, aber Dakota liefert ein gut Teil zum Weizenfeld der Welt. Meile um Meile wogender GSetreidefelder bededen jet den Boden, den einjt Büffel und Gopher in unbeitrittenem Befit hatten. Die Büffel find verjcehwunden, ihre gebleichten Gebeine aufgejammtelt und ver- fauft. Die Ziejel find geblieben und vermehren jich offenfichtlich zum Schreden und alfjähr- lich wiederfehrendem Schaden der Farmer. Die Vermehrung mag dadurch nur jcheinbar jein, weil man die Tiere aus dem gepflügten Lande herausprängt auf die angrenzende Prä- tie. Sowie der Pflug ihre Höhlen aufbricht und zufüllt und das Getreide aufjprießt über ihren Köpfen, ziehen jich die Ziejel an den Rand der elder, wo jie mehr natürliche Um- gebung finden und jich ihr Futter vom Feld oder von der Prärie holen fünnen. So bejegen jie ein Hleineres Gebiet, und ihre Zahl erjcheint Dadurch größer. Zur jelben Zeit werden ihre alten Feinde, die Dachje, Wiejel, Füchje und Naubvögel, vernichtet und von den Anjiede- (ungen weggetrieben, und die Ziejel vermehren fich, frei von dem bejtändigen Bernich- tungskrieg, der von ihren natürlichen Feinden gegen jie geführt wurde, hier wirklich in bedenflicher Weile. Nachdem die Lage ernjt geworden it, werden verjchiedene Mittel zur Bertilgung angewandt. Staatsbehörden bieten in der Hoffnung, die Zahl zu vermindern, Prämien mit dem einzig jichtbaren Ergebnis, die Staatsfajjen zu leeren. Männer und Stnaben werden auf manchen Farmen angejtellt, jie zu jchiegen und zu vergiften. Das Acderbauminifterium wird Häufig um Hilfe und Rat im Striege gegen jte angerufen.” Über die Art, wie fie die Ernte fchädigen, fchreibt Bollin &. Cooper von Cooperstown, Griggs County: „Nichardfons Ziejel tun am meijten Schaden, nachdem das Getreide zu ichießen begonnen hat und den Boden ganz bejchattet; dann drücden jie die Yalne nieder und beißen den oberen Teil ab auf viele Nuten rings um ihre Höhlen, anjcheinend um die Sonne den Boden bejcheinen zu lafjen. Feuchtigkeit ieben fie nicht und jind zahlreicher auf beweatem al3 auf ebenem Boden.” G.W. Sewell aus Rugby, Norddakota, jchreibt: „Wenn wir im Frühling anfangen, das Land zu bebauen, find die Ziejel überall auf den Feldern und frejjen den gejäten Weizen auf. Sie finden fich von dem herrenlojen Yande tingsum ein und frejjen den Weizen in der Zeit an, wenn er feimt, bis er d cm hoch it; dann frejjen fie die Keimblätter ab. Sie vernichten Weizen, Korn, Bohnen, wühlen lachs- jaat und Kartoffeln aus. Am 15. Juni fangen fie an, die Weizenhalme abzujchneiden und jegen das fort bis zur Reife; dann fchälen fie die Körner heraus und jchleppen jie in die Höhlen. Wo fein Getreide ift, jchneiden fie das Präriegras nieder. Mir haben jie 60—80 Acer Getreide vernichtet und an einigen Stellen 60 Prozent der ganzen Ernte.” Prof. E. B. Waldon von der Aderbaufchule Norddakota berichtet, daß Nichardjons Ziejel im öft- Yichen Norddafota neuerdings feine Verbreitung beträchtlich nad) Süden und Dften aus- gedehnt habe und viel häufiger als früher geworden fei, während zu gleicher Zeit Franklins Ziefel in demjelben Gebiet abgenommen habe; er zieht Daraus den Schluß, daß der legtere von Richardjons Ziejel vertrieben werde, wie die jchwarze Ratte von der braunen und der graue Fuchs vom roten. 510 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Sn Amenia, Caß County, Norddafota, erjchien Nichardfons Ziejel zuerjt 1887 und bat fic) jeitdem rajch vermehrt, Frankling Ziejel indejjen jich vermindert, jo daß man jeßt vielleicht nur noch ein Dußend im Laufe des ganzen Sommers zu jehen befommt. Soweit Bailey und jeine Gewährsmänner. Sie bejtätigen wieder den unausbleib- lichen Verlauf in allen von der weftenropäifchen Kultım in Befit genommenen Ländern. Dieje Kultur vermehrt die Nahrungsmengen und Nahrungsgelegenheiten gewifjer Tiere auf fünftliche Weife, jebt in unjerem Falle an die Stelle der Naturjteppe die ungleich er- tragreichere SKulturjteppe, Die man Getreidefeld nennt, und fürdert auf dieje Weije das Sedeihen der Steppennager, die ihr als Schädlinge wieder entgegenwirken. Die Erdgeiiter, die jie wider Wiffen und Willen rief, wird fie dann nicht wieder los! Zugleich fpielt fich dabei allem Anfcheine nach zwischen den amerikanischen Siejeln noch ein zweiter Vorgang ab, der in der Alten Welt ein älteres Gegenjtüd hat. Die der neuen Kultur am beiten gewachjene Art breitet fich aus und verdrängt und vernichtet die in dDiefem Sinne jchwäche- ven Verwandten: der Nichardionjche Ziejel wandert in die Heimat des FSranklinjchen ein und tritt Dort an Ddejjen Stelle. Der wiederholt erwähnte Sranklins-Ziejel, Ictidomys franklini Sab., unterjcheidet ih von dem Nichardjonjchen, obivohl er einfarbig ijt wie diejer, Doch jchon Außerlich Durch die braungraue Farbe und den längeren, bujchigen Schtvanz; er wird auc) zu einer anderen Untergattung (Ietidomys Allen) gerechnet. Seine Verbreitung erjtredt ji von den jilo- fanadiichen Staaten Sasfatjchewan und Manitoba über das Gebiet des Ned Niver (of North) und des oberen Wiljtjjippi bis nach Kanjas und Wejt-Jndiana nach Süden; feine Wejtgrenze fällt zufammen mit der Oftgrenze des Präriehundes: diejer bewohnt Die troc- neren wejtlichen Ebenen, jener die feuchten und fruchtbaren öjtlichen Prärien. Sn jenem Berhalten zur Landwirtjchaft hält diefem Ziejel Bailey ein ähnliches Sündentegifter vor, pie dem Nichardfons- Ziejel, und fügt noch Hinzu, daß er gelegentlich auch Heine Stücken auf dem Hühnerhof anfalle. „Sm gleicher Zeit aber”, fährt er dann fort, „ißt er ungeheure Mengen Sniekten von folchen Arten, die den Feldfrüchten bejonders jchäpdlich werden, und fo Fan der Ruben, den er ftiftet, den Schaden überjteigen, den er durch jeine Plünderungen in den Feldern anrichtet. Eine Prüfung des Inhalts von 29 Wagen gibt Aufichluß über die Art der Nahrung, und zwar entjchieden zuguniten der Auffaljung, daß das Tier mehr nüßlich ift." Diejes Ergebnis Shwächt Bailey allerdings gleich wieder durch den Zujaß ab: „wenn man es von feinen Felpräubereien abhalten könnte, ohne es zu vernichten, würde es der nüglichjte Bejchüiker der Landwirtjchaftserzeugnifje fein“. Denn man darf wohl billigerweije fragen, wie man diejes Ktunftjtüd fertig bringen jollte. Eine unabjichtliche Einbürgerung des Franklinfchen Ziejels hat im öjtlichen New Serjey jtattgefunden, in der Gegend von Tuderton, wo im Mat 1867 einem Mir. SHlvejter Mathis ein aus Yllinois mitgebrachtes Baar entwifchte. Samuel Sillfon fchreibt darüber im Mat 1877: „Kan findet fie heute in Winahamfer, I Meilen nördlich von Tuderton, auch 4 Meilen jüdlich und noc) viel weiter weg. Gie jind fehr gemein auf allen Farmen drei Meilen im Umreis bon Tuderton.” m Juni 1892 bejuchte E. A. Preble eigens zu dem Ziwved Tuderton, um teitzuftellen, ob dieje fünjtlich eingeführte Stolonie fich vermehrt Habe und ernjten Schaden tue. Cr berichtet: „Sie find den Einwohnern als ‚Präriehörnchen‘ befannt zum Unterjchied bon Dem eingeborenen grauen Waldeichhörnchen. Sr den legten Jahren Hat fich ihre Zahl vermindert Durch den bejtändigen Strieg, den Männer, Sinaben und Hunde gegen jie führen. Sranflins Ziejel. GStreifenziefel. oll Noch dehnt fich aber ihr Verbreitungsgebiet jtetig aus, und fie find jegt im füdlichen Teile des Staates gemein. Wejtwärts haben fie fich quer durch ven Staat zerjtreut bis nach Auburn im Salem-Bezirf am Delawarefluß und nordwärts mindeitens bis nach Ned Lion im Bur- Iington-Bezirk. Die fandigen Hochländer jcheinen einen pafjenden Boden für ihre Bauten zu liefern, die gewöhnlich in raub bewachjenen Zaunmwinfeln an Feldern und Wegen oder ge- legentlich auch im offenen Felde fiegen. Getreu ihrem angeborenen Sujtinkte gehen fie nicht in Die Dichter bewaldeten Gegenden hinein, jondern halten jich an das von Natur offene Land oder die abgeholzten Felder, Weiden und Wegeränder. Sie ind einer Anzahl von Feldfrüchten Ihädlich, ... und wenn fie überhandnehmen, nötigt dies die Jarmer oft zu einer zweiten Teldbeitellung und bejtändiger Bewachung ihres Getreide, wenn fie etiwas ernten wollen.” Der mwichtigite und verbreitetite, |chönfte und jchädlichite aller amerifanijchen Ziejel it der Streifen= oder XZeopardenziefel, Ictidomys tridecimlineatus Mitch. (hoodi; Ybb., ©. 512). Eine der Heinften Arten, nicht größer al der europätjche, it er jchlanf gebaut und hat in Haltung und Bewegung manchmal geradezu etivas Eidechjenhaftes; der Schwanz it Halb förperlang und zweizeilig-bufchtg behaart. Am beiten Fennzeichnet ihn aber Die ebenjo auffallende als anjprechende Fleden- und Otreifenzeichnung jeines Telles, von der er feinen miffenjchaftlichen Artnamen (= der dreizehnftreifige) hat. Über den Rüden ver- laufen nämlich auf der graugelben Grundfarbe jech! fchmale helle und fieben breitere dunfeldraune Längsitreifen, und jeder der legteren enthält wieder eine Neihe Feiner heller Tiefe. Auf der Nücenmitte ziehen fich die Streifen vom Stopfe bis zum Schwanze, an der ©eite find fie Fürzer. Der Streifenziejel ift im Spnneren Nordamerikas weit verbreitet, von Djt-Nichigan bis nad) Montana und Colorado und vom inneren Texas nördlich bi3 auf Die Ebenen am Sas- fatjchewan in Stanada. E3 ijt die öftlichite Form, nimmt das ganze Präriegebiet im DOften der Feljengebirge ein und tt ein echtes Prärietier, das niemals in eine Waldgegend hinein- geht. Aber jobald der Wald gelichtet und die Gegend in Aderbau genommen wird, folgt es oft ven Febern und entfernt fich beträchtliche Streden von feinen urfprünglichen Stand- orten. Sn Michigan war diefer Ziejel bis Mitte vorigen Sahrhundert3 auf die wenigen fleinen Brärien im Süden bejchränft; Anfang der 189er Jahre war aber die Südhälfte des Staates jchon fait ebenjo waldlo3 wie die urjprüngliche Präriegegend, und die Ziejel hatten jich bis zu den Big Napids im Mecojta-Bezirk ausgedehnt. Jr Minnefota beobachtete Bailey jelbjt eine ähnliche Ausbreitung, wenn auch geringeren Umfarnges. Als der Wald gejchlagen ivar, wanderten die Ziejel aus den angrenzenden Prärien ein und fanden jich bald in den ‚jeldern, die bisher noch frei von ihnen gewejen waren. Ym Wejten jeßen die Feljengebirge ihrer Ausbreitung eine Grenze; diefe überjchreiten fie nicht, wohl aber dringen fie in die Täler der Dftabhänge ein und fogar in einige Berglandichaften. Überall auf den Prärien des Mifliijippitales ift der Leopardenziefel eine vertraute Er- jcheinung, tie er durch das Gras in feine Höhle flißt oder aufrecht auf den Hinterfüßen fteht, jtrad3 und regungslos wie ein Stod. Mit feinen furzen Ohren, dem glatt gerundeten Ktöpf- chen und den jchlaff an der Seite herabhängenden Borderpfoten gibt er in feinen Außen- Imien dem Auge feinen Anhaltspunkt, und fchon auf kurze Entfernung ijt es unmöglich, ihn bon einem alten Holzpfahl oder Zeltpflod zu unterjcheiden. „Wenn das Tier jo aufrecht iteht, läßt e8 einen häufig bi auf wenige Ellen heranfommen, danır fällt es flug3 auf alle biere nieder, jtößt ein jchrilles Gezwitjcher aus und verfinkt in fein Zoch nebenan. Berhält man 512 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnckhenartige. Jich einige Minuten ruhig, jo erjcheint das Köpfchen wieder am Eingang des Baues, und die Ihwarzen Yuglein ftieren einen ganz pußig an. Entfernt man fich, jo fommt das Tier auch bald wieder heraus und beobachtet einen, wieder aufrechtitehend, folange man in Sicht ift, und hin und wieder einen Warnruf für die Stcameraden ausjtogend. Sein Ton ift ein rafcher Trilfer oder zitternde3 Zwitjchern, ein fanggezogenes ‚Ohörr-r-r-t‘ in hoher Stimmlage.” (Bailey.) NRichardjon jchreibt dem Streifenziejel ein zankjüchtiges Wejen zu, nennt ihn lebhafter, mutiger und reizbarer al3 den Nichardjonfchen. Wenn das Tierchen feine Zuflucht zum Baue nehmen muß, hört man e3 wohl feinem Ärger in einer fehrillen und harten Wiederholung der Streifenztiejel, Ietidomys trideeimlineatus Mitch. 1/2 natürliher Größe, Silbe „Sid-fi" Luft machen. Die Männchen kämpfen, wenn jie zufammentreffen, und in diejen tämpfen werden oft die Schwänze verjtümmelt. Nichardfon beobachtete mehrere Stücke mit frijchen Berlegungen diefer Art, und man trifft überhaupt felten ein Männchen mit genau jo langem Schwangze, wie ihn die Weibchen haben. Als Dr. French-Chicago dem Berliner Garten einen Transport Leopardenziefel jchiete, wurden auch gleich die unterwegs undermeidlichen Berlufte in Betracht gezogen. Des Streifenziejels Schuß umd Schtem ijt natürlich jein Bau. Dejjen Röhren Haben etwa dem Durchmejjer, jinfen eine furze Strecfe fteil ab und laufen dann wagerecht weiter. Nanchmal hebt jich eine außergewöhnlich lange Nöhre wieder bis beinahe zur Oberfläche und Fällt dann heberartig ab, wodurd) zwischen Eingang und Neft ein Schußwall gegen ein- dringende3 Wafjer gebracht wird. Viele Röhren find kurz und fcheinen nur zum Einfchlüpfen bei herannahender Gefahr zu dienen: e3 find die auch von den alttwweltlichen Ziefeln befannten Streifengziejel. 915 Zufluchtsbaue. Zu den Neitern, in denen die Ziejel den Winter verbringen und ihre Jungen aufziehen, führen Röhren von 15— 20 Fuß Länge; die Nejter liegen aber nicht tiefer als 1, Höchjtens 2 Fuß unter der Erdoberfläche. Dbmwohl viele Bauten auf glatter, nadter Erde münden, ohne irgendwie verjteckt zu jein, liegen die Eingänge doch meijt unter einem Gras- büjchel; oft fiegt auch trodenes Unkraut, ein Stüd Papier oder ein alter Lappen darüber. Auch ein deutjcher Beobachter, Vohlmann-Neumied, Hat das Freileben des Leoparden- ziejel3 ftudiert, und zivar auf der Zarın eines Landmannes im Bezirk Fond du Lac in Wis- conjin. Der Beliter „erging jich in Sagen über das durch die zunehmende Entwaldung herborgerufene Verjchtvinden des größeren Wildes" und die Vermehrung der jchädlichen Tiere. „Sy lebten Jahre war e3 3. B. mit den veriwünjchten Gophers gar nicht auszuhalten. Meine ganze Weide haben fie mir unterwithlt, und meine Gerjte haben fie ganz gehörig heim- gejucht!" Der Lieblingsaufenthalt des Leopardenziejels find nämlich die mit den ftehen- gebliebenen Stümpfen der Urmwälder bejäten Weiden in der Gegend des oberen Mijjijjippt. Sn dem vermodernden Wurzelwerf der Stiimpfe läßt fich unfer Ziefel mit Vorliebe nieder, ‚wahrjcheinlich weil ihm dort der fchwere, in der Glut des amerikanischen Sommers zu Stein erhärtende Lehmboden weniger Widerjtand bei jeiner Wühlarbeit darbietet. Und ein eifriger Gräber ift der Gopher; verdankt er doch feinen amerikanischen Namen diefer Eigen- ihaft! Die urfprünglichen Erforjcher jener Öegenden nämlich, die befanntlich franzöfischen Stammes waren, nannten den Hiejel ‚Gaufre‘, was eigentlich Honigwabe bedeutet, um damit auszudrüden, daß er die Erde wie eine Honigmwabe durchlöchere. ES gibt Weiden, auf denen jich falt an jedem der unzähligen Baumftümpfe ein Gopherloch befindet. „Den Wald meidet der Leopardenziejel gänzlich. ES ijt mir nie gelungen, im Walde einen giejel anzutreffen. Höchitens gräbt er feine Höhle zwifchen den vorderjten Bäumen eines Waldjaumes; er it durchaus ein Kind der Ebene und des leicht gewellten Landes. Gern treibt er im Sommer auch jein Wejen in und an den Steinmauern, die der Farmer aus lojen Findlingfteinen um feine Bejisung aufführt. Die Kinder der Anfiedler machen ji) Sonntags ein Vergnügen daraus, den Gopher mit der Schlinge zu fangen.” („Zool. Garten“, 1889.) Während der Fortpflanzungszeit jind die Leopardenziejel jtill und Scheu; aber im Juni und Yuli, wenn die halbwüchjigen Zungen zum Borfchein fommen, hört man ihre Stimmen jehr oft. Alte und Junge rufen jich um dieje Zeit bejtändig zu und entfernen jich nie weit voneinander. Die Zahl der Jungen eines Wurfes jcheint 7—1O zu betragen, und die Zahl der Ziben jchwanfte bei den Weibchen, die Bailey unterjuchte, zwijchen 8 und 12. Nac) Nichardjon und Kennicott werden die Jungen Ende Mai oder Anfang Juni geboren; jie jind nadt und blind und jehen aus wie Embryonen. Nach Dr. HoY, der dies an Öefangenen feitgejtellt Hat, befommen jie erjt mit 20 Tagen Haar auf dem lörper, und die Augen öffnen jich nicht dor dem 30. Tage. Sie brauchen viel länger Nahrung und Pflege von der Mutter als die meilten Nager. Während des Sommers beginnen fie, jeichte Baue zu graben, und vor Winter verlaffen fie die Mutter, um für fich felbft zu forgen. Winterjchläfer müjjen gut bei Leibe jein, weni fie jich in ihre Winterquartiere zurücziehen; das fönnten die Weibchen aber faum jein, wenn jie bis ins Spätjahr Junge aufjäugten. Der Leopawdenziefel — und wahr- jcheinlich die übrigen Arten ebenfo — bringt auch nur einen Wurf im Jahre. Gegen Herbjt werden die Ziejel jehr fett, und nach einigen Froftnächten, lange bevor Schnee fällt oder die Erde friert, verjchtoinden fie in ihre Höhlen und erjcheinen nicht wieder, biS die Erde im Frühjahr auftaut. Sm füdlichen Minnejota jieht man fie jelten nach dem Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 33 514 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. 1. Oftober ımd im Frühjahr vor dem 1. April über der Erde. DD fie die ganzen jechs Mo- nate, die fie unter der Exde zubringen, fet jchlafen, it jchwer zu bejtimmen; aber wahr- icheinlich tun fie das nicht. Große Vorräte von Körnern und Nüfjen haben fie im Herbit in ihre Höhlen eingetragen und nahe bei ihrem Nefte aufgefpeichert. Ob diefe Vorräte mäh- rend des Winter gefreffen oder für das Frühjahr aufbewahrt werden, wenn Körner und Sämereien fnapp find, muß noch feitgeitellt werden. Über den Schaden berichtet George Little, Schagmeifter de3 Lon-Bezirks in Minne- fota: Die geftreiften Gopher nehmen jehr rajch zu und ab, je nach der Witterung des Jahres. Eine Reihe trodener Jahre ift befonders günstig für ihre Vermehrung, während einige najje Sabre ihre Zahl jehr fcehnell vermindern, jedenfalls Dadurch, daß die Baue unter Wafjer ge- jeßt werden. Nach Peter Skoglund von Lake Andrem, Kandiyohi-Vezirk, tut der geftreifte Gopher den Feldfrüchten mehr Schaden als irgendein anderes Säugetier. W. Head in Britorw, Soma, fand die ausgejchälten Weizenähren in den Bauen und das Brachfeld um diefe bejtreut mit foldhen; die Körner waren in die Baue eingetragen. Kohn N. Houghton aus Grinnell, Bomweafifh-Beszirk, jah ihn aber auch wiederholt den Stohljchmetterling fangen und veripeifen und beobachtete ihn, wie er nach Wiirmern mühlte. Nach Latvrence Brumer in Lincoln, Nebraska, lebten die Ziefel früher in Höhlen auf der Prärie und „arbeite- ten“ nur am Rande der Felder; dies Jahr (1888) aber Haben fie jich ihre Höhlen in den Feldern ielbft gegraben und freffen ringsum alles Korn auf. Auch Bruner fah aber einen Gopher eine Feldmaus fangen und totbeißen. Aus Turlington, Otve-Bezirk, jchreibt William N. Hunter: Diefen Sommer mußte hier ein Zarmer zehn Ader noch einmal bejtellen, jo volffommen hatten die Gopher die Saat zerjtört! Troß bejtändiger Bertilgung nehmen fie immer mehr zu. Nach Profefjor 2. 2. Dyche in Lawrence, Douglas-Bezirk, Kanjas, meinen dort die Farmer, die Ziefel wittern die Saat, weil fie immer geradeswegs auf dieje hinab- wirhlen. Aus Stanfas und Colorado wird auch der Schaden an Melonen hervorgehoben. Horace G. Smith in Denver, Colorado, fand ein- oder zweimal Federn der Ohrenlerche (Eremophila alpestris leucolaema) vor dem Eingang von Biefelbauen und fügt Hinzu: „Die Lerche be- trachtet den Biefel augenscheinlich al3 Feind; denn ich habe oft gejehen, daß fie ihn von ihrer Kiftftelle zu vertreiben fucht, und ihre Gelege fomohl als die der ameritanijchen ‚Lerchen- ammer‘ (Calamospiza melanocorys) zerjtört gefunden, wie ich vermute, bom Fiejel.“ Aber noch mehr: die Ziefel find richtige Kannibalen, die die Toten ihrer eigenen Art auffrefen. Sie reißen das Fell in Streifen ab und Holen das Fleifch heraus. Mäufe werden gewöhnlich mit Knochen und allem verzehrt, und oft bleibt nicht3 als Felljtüde, Füße und Schwanz übrig. Bailey fehoß einft einen Ziefel, der aufrecht figend von etwas fraß, das er in den Borderpfoten hielt. E3 war eine halbverzehrte Eidechje (Eumeces fasciatus), und einige Glieder des Eidechjenfchtwanzes fteciten noch in den Badentafchen des Biejels. Profejjor Herbert Osborn in Ames, Zora, fah Anfang Juni Ziefel auf dem Spielplat der Schule im Kafen wühlen und etwas frefjen, was fie herauszogen. AS er an den Stellen nachjah, fand er überall die eigentümliche Puppe eines Crambus (Nüfjelmotte), da3 leere Gejpinft und die Höhle der Larve. Die Ziefelbaue waren auf einigen Teilen de3 Plabes jehr zahlreich, und auf einer Stelle zählte Dsborn 25 im Umkreis eines Quadratyards: ein Beweis, daß die Ziefel e3 verjtanden hatten, von den vielen Larven und Puppen Gebrauch zu machen. Shenfo ift augenfcheinlich, wo e3 viel Rafenwürmer gibt, der Biefel durchaus nicht nur ein Übel. Profeffor E. PB. Gillette von der Zotwa Erperiment-Station in Ame3 veröffentlichte 1889 das Ergebnis der Unterfuchung des Mageninhaltes von 22 Ziejeln, die zwijchen dem Streifenziejel. Kennicott3 Ziejel. 915 19. April und 2. Auguft getötet worden waren. Er fand, daß Snfektennahrung 46 Prozent ausmacht mit einer Durchjchnittszahl von 13 „ceutworms“ und „webworms“ in jedem. Leßtere waren in der größten Mehrzahl der Fälle die Larven von Crambus exsiccatus, der in Fomwa dem Sorn und Gras jehr jchädlich it. ES wird der Schluß gezogen, daß Die Siufekten, welche die iejel frejjen, fajt ausjchließlich jchädliche Arten find. Da Gras, Stlee und anderes Grünzeug reichlich vorhanden war zur Zeit, als die Ziejel getötet wurden, und troßdem alle ihre Magen oft vollgepfropft waren mit Sujekten, deren Fang ihnen viel Mühe macht, fo muß man annehmen, daß fie die leßtere Nahrung vorziehen. Unzmweifelhaft it der Nugen, den der Streifenziejel Durch Vertilgung von Snjekten und Unfrautfamen bringt, von nicht geringer Bedeutung; aber es ilt fraglich, ob er genügt, den Schaden wieder wettzumachen, den er in den Getreidefeldern anrichtet. Aus dem Gefangenleben teilt Bruhin-Nemw Cöln einige Züge mit. Er gab feinem Leopardenziefel „Milch, welche er mit Behagen jchlürfte". Das Tier liebte es, „jich jtunden- lang an die Sonne zu fegen und dabei das heimchenartige Gezirpe .... hören zu lajjen. Sr dem Zimmer, in dem ich eS frei Herumlaufen ließ, fuchte es frühmorgens die Stellen auf, welche die Sonne bejchien, und rücdte mit der Sonne vorwärts, weil der von der Sonne bejchienene led nur einige Duadratzoll maß". Sm Unmillen jchlug eg mit dem Schwanz, wie eine Stabe, in horizontaler Richtung. „ES fraß mir in furzer Zeit zwei Blaudögel, Die ihr Nachtlager unvorjichtigerweife auf dem Boden genommen, bis auf die Füße und einige edern auf.” („HYool. Garten“, 1871.) Dr. HoY erzählt: Wenn man ein Eichhorn zu einem Gtreifengopher in den Stäfig jeßt, jtürzt jich diefer im Augenblid auf den Eindringling, bringt ihm eine Wunde bei und flüchtet wieder zurück mit folder Schnelligkeit, daß faunt eine Miöglich- feit zur Berteidigung bleibt. Sobald er feinen Gegner gejchwächt hat, faßt er ihn im Genid und beikt ihn auf der Stelle tot. Während des Stampfes jtößt er ein tiefes, Schnarrendes Knurren aus, und nad) dem Tode feines Dpfers tut er jich gütlich am Gehirn und Blut. Die nächte Ziejelart, die Bailey befpricht, nennt er Kennicotts Ziejel, Xerosper- mophilus (Merriamjche Untergattung) obsoletus Kennicott. Bailey bejchräntt das Berbrei- tungögebiet auf Nebraska, Ojt-Wyoming und Sid-Dafota füdlich der Blad Hills. Er be- jchreibt die Art alS undeutlich und unregelmäßig gefledtes, matt gefärbtes, Kleines Ziejel mit faum fichtbaren Ohren und Furzem, Dünnem Schwanze. Wo es mit dem gejtreiften zufammen borfommt, wird es oft al3 das Kleine geflecdte Ziefel unterjchieden. Bailey traf es jelbit an verjchiedenen Punkten im Cherry-Bezirk, wo e3 gemeiner zu fein jchien als das geitreifte. Die Fledenziefel „waren jo jcheu und ruhig und ihre Farben und Flede gehen jo vollfommen mit der Umgebung zujammen, daß man fie jelten fieht, obwohl fie in Fallen nicht jchiver zu fangen find. Sie wählen fich gewöhnlich leichten, fandigen Boden zur Anlage ihrer Höhlen, eine Neigung, die jte mit der tänguruhmaus (Perodipus ordi) gemein haben. Dieje fommt in derjelben Gegend vor, und in ihren unbefegten Bauen fängt man oft den Fledenziejel. Die Gewohnheit der Känguruhmaus, viel mehr Höhlen zu graben, als jie bejegen und be- nußen kann, jcheint ebenfomwohl von diefem Ziejel gewürdigt zu werden als von einer Anzahl anderer Heiner Nagerarten, die fie in Beiz nehmen, anftatt fich jelbit jolche zu graben.“ Der Magen eines Fledenziefels, den Bailey unterfuchte, enthielt Sämereien und die Über- tejte einiger junger Mäufe, der eines anderen Körner und Snjekten. Weitere Magenunter- juhungen hatten ähnliche Ergebnifje, und fo darf man annehmen, daß der Fledenziefel ähnlich vielfältige Nahrung aufnimmt wie der Streifenziefel. Wirtjchaftlich ift er nicht 33* 516 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. wichtig, weil er in ven Aderbaugebieten nicht zahlreich ift. Der größte Teil jeiner Heimat iit Grasland und nur dimn bejiedelt. Der Merifanifche Ziejel, Xerospermophilus mexicanus Zeht., ähnelt jehr dem Gtreifenziejel, unterjcheidet jich von diefem aber dadurch, da die neun oder elf Längs- reihen mweißlicher Rücdenflede auf gleichmäßig hellbraunem Grunde verlaufen, und vom Slesenziejel eben Dadurch, daß dieje Fleden in Reihen ftehen, nicht unregelmäßig über den Nücden zerjtreut find. Der Merifanijche Ziejel tritt in die Vereinigten Staaten nur im füd- weitlihen Teras und im jüdlichen Neumerifo ein, verbreitet fich von da aber über das merifanijche Tafelland bis Zapotlan und Jalisco und noch jüdlicher bi8 Merifo und Drizaba. Bon abweichenden Lebensgewohnheiten weiß Bailey aus eigener und anderer Erfahrung nur zu berichten, daß der Mexikanische Ziejel mandymal auch außerhalb der Winterjchlafzeit jeinen Bau von innen zuftopft. Er gräbt ihn mit Vorliebe unter den Wurzeln des Mes- quito- (Flußharz-) Baumes. Die Röhren verlaufen — daher wohl? — nicht gleichmäßig, aber immer im Winfel, fallen nicht jenfrecht ab. Jr Neumerifo bewohnt das Tier felfiges und jteiniges Zand, jandiges Erdreich nur da, wo e3 an jteiniges anftößt. Jın Tale von Mexiko dagegen, bei Tlalpam, findet es fich nur in lojem, mehr jandigem Boden, auf den Feldern nahe der Taljohle. Gewöhnlich jind die Tiere jehr jcheu und eilen in ihre Höhlen lange, ehe man auf Schußweite heranfommt. Gie pajjen jo gut auf und fchlagen fo rafch arm, daß man nur wenige zu jehen befommt, auch wo fie verhältnismäßig gemein find. Schließlich erwähnen wir nur noch den Ohrenziejel, Otospermophilus grammu- rus Say, mit jehr großen, oft noch mit langen Haaren befraniten Ohren und jehr langen, bujchigem Schwanze: ein abmweichendes Gepräge, das am meijten äußere Berechtigung eriveilt, eine bejondere Untergattung (Otospermophilus Brdt.) zu bilden. Diefe verbreitet ji über Colorado, Dregon, Nevada, Utah, Teras, Kalifornien und Merifo und fcheint in der Hauptjache Gebiete zu beimohnen, die nach dem Stillen Ozean abmwäjjern. Syhre wirtichaftlihe Bedeutung a8 Mafjenjchädlinge ift wohl Ddiejelbe wie bei den bereit3 ge- jchiderten; vom Obrenziejel fiejt man menigitens in der Literatur feiner Heimat oft als ver „Belt Kaliforniens“. Gegen die eigentlichen Hörnchen vorrüdend, gelangen wir zu den jogenannten Baden- hörnchen, der früheren Gattung Tamias 72. Cie wurde neuerdings zerlegt in Die euro- päijch - ajtatiich -nordamerifanifche Gattung Eutamias T7rt., die den Yöwenanteil der Arten enthält, und zwei Heine, rein nordamerifanische Öattungen. Das Borhandenjein von Baden- tajchen, die bis zum Hinterhaupte reichen, und die mehr oder weniger unterirdijche XYeben3- weile ftellen die Badenhörnchen als Mittelglieder zwijchen Ziejeln und Hörnchen Hin; doch timmen fie mit leßteren mehr als mit erjteren überein. hr Gebiß ähnelt dem der Eich- hörnchen, der vordere obere Badzahn fehlt aber bejtändig. Die fünfzehigen Füße und die Beine find fürzer al3 bei den Hörnchen; der verhältnismäßig dünn behaarte Schwanz ift etwas fürzer als der Körper, der Pelz furz und nicht jehr weich, auf dem Rüden gewöhnlich durch Scharfe Kängsitreifen gezeichnet. Der Burunduf oder das Geftreifte Badenhörnchen der Alten Welt, Eutamias asiaticus Gm. (Tamias), ift bedeutend Heiner al3 das gemeine Eichhorn, ohne den 10 cm Sa ER N I he Aa FRI R I EN} als AST Burunduk. Merikanifcher Ziejel. Ohrenziefel. — Badenhörnden. 817 mejjenden Schwanz 15 cm lang und am Widerrift nicht über 5 em Hoch. Der längliche Stopf hat eine wenig borjtehende, rundliche und fein behaarte Naje, große, Shivarze Augen und furze, Heine Ohren; die Gliedmaßen jind ziemlich ftark, die Sohlen nadt; die Daumenwarze der Borderfüße ijt mit einem Heinen Hornplättchen au der Stelle des Nagels bedeckt, der auf der Haut geringelte Schwanz ringsum fchwach bujchig behaart. Feine, in fünf Reihen ver- teilte Schnurren ftehen auf der Oberlippe, einige Borjtenhaare auf den Wangen und über den Augen. Die Färbung des Furzen, rauhen, dicht anliegenden PBelzes ijt am Stopfe, Halje und den Leibesjeiten gelblich, untermijcht mit langen, weißjpigigen Haaren; über den Rüden verlaufen der Länge nad) in ungleichen Ziwifchenräumen fünf jchwarze Binden, deren mitteljte die Nücdgratslinie bezeichnet; die näcdhjten beiden ziehen jich von den Schultern zu den Hinterjchenkeln und Schließen ein blaßgelbes oder auch weißgelbliches Band zwijchen ich ein. Die ganze Unterjeite ijt graulichweiß, der Schwanz oben jhwärzlich, unten gelblich; die Schnurten find Schwarz, die Strallen braun. Sn der DOfthälfte Nordamerikas ijt das Gegenjtüd des Burunduf und feiner nächjten Gattungsperivandten der von Ontario in Kanada über die Staaten New York, Michigan, Minnejota und das Miffifjippital bis nac Virginia und Georgia verbreitete Hadee oder Chipmunf, Tamias striatus Z., der mit jeinen drei Unterarten (die befanntejte T. st. lysteri Rich.) den ganzen Snhalt der heutigen Gattung Tamias ausmacht. Er ift ungefähr gleich- groß mit dem Burunduf, im Geficht rötlichbraun, auf Stirn und Baden dunkler gejprenfelt, im Naden afchgrau, Hinterjeit3 rotbraun, unterjeit3 weißlich, ein Rüdenftreifen dunkelbraun gefärbt, ein Schwarzer Augenjtreifen oben und unten weiß, ein breiter weißer Geitenjtreifen Ichwarzbraun eingefaßt; das dunfelbraune Schwanzhaar hat graugelbe Wurzel und weißliche Spibe, fieht unterjeit3 aber rötlich aus. Der Schwanz ift fürzer und der Stopf jchlanfer als bei dem altweltlichen Gegenjtüd. Ein großer Teil des nördlichen Ajien und ein Heines Stüd Ofteuropas find die Heimat des altweltlichen Badenhörnchend. Der Wohnkreis wird etwa von den Flüjfen Divina und Kama und im Dften von dem Ochotjkischen Meerbufen und dem Golf von Anadyr begrengt. Sn Sibirien dehnt jich das Berbreitungsgebiet, mit Ausjchluß der dDauromongoliichen Hoch- iteppen, bi3 zum Amur. Der Burundut, Diehirki der Sojoten und Burjäten, Morümli der Chinejen, lebt in Wäldern, und zwar ebenjowohl im Nadelwalde wie in Birtengehölzen, am häufigiten in Zirbelfieferbejtänden. Unter den Wurzeln diefer Bäume legt er jich eine ziemlich funftlofe, einfache Höhle an, Die in gabelfürmiger Teilung zu dem Nefte und zu einer oder zwei bis drei jeitwärts liegenden Vorratsfammern führt, durch einen langen, gerwundenen Gang aber nach außen mündet. Gelten jind die Baue tief, weil die Feuchtigkeit de3 Bodens dies nicht gejtattet; Doch liegt in fälteren Gegenden die LZagerjtelle regelmäßig tiefer, al3 der Frojt reicht. Eine bejondere Eigenart hat, nach Stone und Cram, der Bau des amerikanischen CHipmunts darin, daß der Eingang ftet3 merklich enger ift al3 die übrige Röhre. Jr ge- tinger Tiefe wird dieje plöglich weiter, wenigitens doppelt jo weit wie die Mündung, und die Wände jind überrafchend Hart geglättet. Stone ftellte dabei auch fejt, daß die losgekragte Erde in den Badentafchen weggetragen wird, wie e8 Falz-Tein vom Ziejel behauptet: er fand die Häufchen des emporgebrachten gelben Untergrundes in der Nähe unter Büjchen veritedt. Die Nahrung der Badenhörnchen bejteht aus Pflanzenfamen und Beeren, vorzugs- weile aber aus Getreideförnern und Nüffen, von denen jie für manchen Winter 5— 8 kg 518 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. in den Badentafchen nach Haufe Schleppen und in den VBorratsfammern aufbewahren. Jr Burejagebirge find, aut Rapde, die Eicheln und die Früchte der mandjchurifchen Linde des Burumdufs Lieblingsipeife, wovon er bisweilen fo viel jammelt, daß noch im Frühling der nachbleibende Vorrat von Wildjchweinen und Bären aufgegraben und verzehrt wird. ln der unteren Schilfa reinigt er für feinen Bedarf jehr jorgfältig die Zirbelnüfje und bringt ihrer 11,5 kg zufammen, ebenfall3 nicht felten zum Nußen der Bären. Am Baikaljee be- wohnt er mit Vorliebe Waldungen, in deren Mitte Kleine der liegen, und mo das Getreide, welches diefe liefern, im Halme gejtapelt wird. Hiervon jammelt er oft eine erhebliche Menge, nicht felten bi8 4 kg, Ühren ein, die 2—3 kg reines Korn geben. Genau ebenjo verfährt der Chipmunf. Nach den verjchiedenen Monaten jchleppt er feine mannigfaltigen Vorräte zu- fammen, am meiften Buchweizen, Hafelnüfje, Ahornkörner und Mais. Nach Stone und Cram freffen die Chipmunfs auch alle Arten Beeren, Apfel, Birnen und Tomaten. Jm erjten Früh- ling fuchen fie die foralltoten Beeren des Jmmergrüng und der Bischofsmüsge. Einigermaßen find fie auch Räuber: Stone jah fie die großen, jchädlichen jtreifenflügeligen Heufchreden des Spätjommers jagen, indem fie dazwijchenrannten, daß dieje aufflogen, und fie pacten, wenn fie fchließlich zur Erde niederfamen. Einer diefer Dielen Burjchen muß ein vollitändig befriedigendes Frühftüd abgeben für ein Tier, das nicht größer ift ald ein Chipmunf: es wird alles aufgefrejjen bis auf die Flügel und die Enden der Beine. Wie die meijten Nager jind auch die Chipmunfs nur zu jehr auf den Nejtraub aus; doch glaubt Stone, daß jie in diejer Beziehung weniger zerjtörend wirken al8 andere Eichhörnchen und Mäufe. Er beobachtete einjt ein Paar, die am Ufer eines Miühlenteiches einige Gefledte Strandläufer bejchlichen. Der Burunduf fowohl wie der Chipmunf Halten Winterjchlaf, doch bloß eimen jehr unterbrochenen, jcheinen auch während des ganzen Winters der Nahrung bedürftig zu jein. Audubon, der im Januar einen der Baue aufgrub, fand in der Tiefe von 115 m ein großes Keit aus Blättern und Gras, in dem drei Hacdees verborgen lagen; andere jchienen fich in Die Seitengänge geflüchtet zu haben, al3 ihnen die Gräber nahe gefommen waren. Die Tiere waren zwar fchlaftrunfen und nicht gerade jehr lebendig, jchliefen aber feineswegs nach) Art unferer Winterjchläfer, jondern bijjen tüchtig um jich, al3 der Naturforjcher fie ergreifen wollte. Der Hadee legt jich nicht vor dem November, der Burunduf im füdlichen Sibirien zu derjelben Zeit, in Mitteljibirien dagegen, two die Fröjte zeitig einjegen, jpätejtens Mitte Dftober zur Winterruhe nieder. Beide verlafjen ihre unterirdischen Baue während de3 Winters nicht, halten aber einen Gang offen, auch bei eintretendem QTaumetter, bei dem man mwenigjtens den Burunduf eifrig bejchäftigt jieht, den Eingang zu feiner Höhle vor dem eindringenden Schneemwafjer zu fchüten und jonft zu reinigen. Mit der Schneejchmelze be- ginnen beide ihr Yeben auf der Oberfläche des Bodens. Die Jungen werden im Dat geboren; ein zweite3 &ehed findet man gewöhnlich im Augquft. Der Baarung gehen jehr heftige Stänıpfe unter den Männchen voraus: man berfichert, daß e3 fchwerlich rauflujtigere Streithänfe geben fünne als diefe Heinen, aber ungemein regjamen Tiere. Bejonders lebhaft jind die Badenhörnchen wenige Wochen, bevor fie jich legen. Man vernimmt dann häufiger als je ihren vollen, an das Hagende Gejchrei der Ziwergohreule erinnernden Ruf und jieht fie jelbit in eiftiger Bewegung. Was ihnen an Stletterfertigfeit abgeht, erjegen jte duch erjtaunliche Behendigfeit im Laufen. Wie Zaunfönige Hufchen fie zwijchen und unter den Biüfchen dahin, blisjchnell bald geradeaus Yaufend, bald eine Nichtung in eine andere verändernd. Nach Hornaday haufen die Chipmunfs vorzugsweife zwifchen Feljen; er nennt jie geradezu Felfenhörnchen (Rock Squirrels), zumal in Amerika die Ziejel Ervhörnchen (Ground Badenhörnden. 519 Squirrels) heißen. Sn Ermangelung von Feljen leben jie an Einfriedigungen, wo nur eine jteht; ihre Lieblingswohnftätten jind aber hohle Bäume, in die jie unmittelbar vom Erdboden aus hineinfchlüpfen fünnen. Wo fie gejchüßt werden, mie in einigen öffentlichen Barfen, werden fie jo zahm und vertraut, daß jie Futter juchend auf den Wegen umherhufchen und die Spaziergänger bis auf wenige Fuß heranfommen lajjen. Den gewöhnlichen Chipmunf des Dftens jchildert Hornaday ebenjo anjprechend wie anjchaulich: Wenn man auf dem Lande ipazieren geht, läuft einem falt überall in den Dftjtaaten diejes hübjche Heine Gejchöpf in den Weg, wie ein Schein bräunlichen Lichtes, und ruft ganz wohlgemut fein Tichip, tichip, tichip, tihip! Wenn man ftilfefteht, um e3 zu beobachten, Hält es auch an und jchaut auf- merffam her mit aufgerijjenen Augen und gejpisten Ohren; abgejehen von der rajchen Atembemwegung feiner Flanfen bleibt e8 regungslos wie ein ausgejtopftes Eichhörnchen. Yede Einfriedigung ift ihm eine Feitung. Db von Stein oder Holz, der ChipmmmE fennt feine beiten Schleichtwege, wenn Gefahr droht, und trägt in jeinem gejchäftigen Heinen Gehirn eine ganze Handlifte von Bauen und Schlupfwinfeht. Wenn er von Sinaben, Hunden oder Naubtieren verfolgt wird, fligt er Hurtig auf den oberen oder unteren Querriegeln jeines BZaunes entlang, bis er einen genügenden Schlupfiwinfel erreicht: da Hujcht ein Schein braunen Felles hinein, und man jieht nicht mehr. Am Herbit jpeichert der Chipmunk in jeinem froftfreien Bau erjtaunliche Mengen von Körnern und Heinen Nüfjen auf, und davon hat er feinen wifjenfchaftlihen Gattungsnamen Tamias, der im Griechiichen „Probviant- meifter” bedeutet. Auch im Winter läuft er an jonnigen Tagen, wenn die Telfen frei von Schnee find, über der Erde herum. Auch Stone und Cram erklären die Chipmunfs für unfraglich jehr regjame Gejchöpfe, die Sonnenschein und Wärme lieben und offene Beitände von Harthölzern, wo der Najen vom Vieh furz abgemweidet ijt. Hier graben fie ihre Baue auf jolche Art und Weije, daß dieje die Aufmerkfamfeit ihrer Feinde nicht auf fich ziehen und zugleich vom Eingang freien Aus- bli nach allen Seiten gewähren. Beim Ab- und Zugehen am Bau macht der Chipmunf Sprünge über das Gras und fcheint e3 forgfältig zu vermeiden, irgendeinen Wechjel aus- zutreten, der feinen Feinden als Führer dienen könnte. Unter fich find die Chipmunfs ein jehr gejprächiges Bölfchen? oft Hört man wohl eine Gejellihaft von einem halben Dugend und mehr an ruhigem Sommernachmittag eine jeht lebhafte Unterhaltung führen. Seder fit auf feinem eigenen Stein oder Stumpf, und ge- trennt durch Zmwifchenräume von einigen Nuten, rufen fie jich jtundenlang mit wechjelnder Modulation einen Zirp nach dem andern zu. Zeitweije verjteigen jie jich zu einem richtigen Chorgefang mit einer Art ducchgehendem Rhythmus, der jehr ergößlich it. Diefer Zirpton pird auch aß Warnungsruf benußt, indem einfach der Ausdrud eine Kleinigfeit geändert wird. Wenn ein Chipmunf ducch Annäherung eines Fuchjes oder andern Feindez in feiner Tätigkeit unterbrochen toird, in feinem Sonnenbad, oder was er jonjt gerade treiben mag, eilt er, wenn möglich, in den Bereich feiner Höhle und läßt dann aus diefer fiheren Stellung eine gleichmäßige Neihe von Mlarmrufen ertönen, folange der Feind in Eicht it. Der Alarm wird von den anderen aufgenommen, und der verjchmigte Räuber findet feine An- näherung angekündigt troß all feiner VBorficht. Wenn ein Badenhörnchen unmittelbar an- gegriffen und gezwungen wird, nach feiner Höhle zu rennen oder zwilchen den ZFeljen Schuß zu fuchen, jo unterrichtet ein fchriller, zitternder Schrei feine Genojjen noch genauer über den Standort des Feindes. Den Winterfchlaf der Chipmunfs vergleichen Stone und Cram mit dem der altmweltlichen 520 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Schlafmäufe, betonen aber al3 Unterjchied ziwiichen diefen und anderen Winterjchläfern, daß die Chipmunkfs nur mäßig fett find, wenn fie fich im Herbit zurücziehen. Wenn nad) allgemeiner Annahme mehrere Wochen vergehen, ehe fie in endgültigen Winterfchlaf fallen, fo bechäftigen fie fich fehr wahrscheinlich in der Zwifchenzeit damit, fich eine genüigende Menge Fett anzulegen, damit fie bis zum Frühjahr aushalten. m April und Mat find die Chip- munf3 ficher an jedem warmen Tag draußen im Sonnenschein, ziehen ich aber wieder zurüd und Schlafen, jobad Kälte und Schneewetter eintritt. Wenn fie aber in wachen Zuftande jind, find fie auch unzmweivdeutig wach von Sonnenaufgang bi3 Sonnenuntergang, offenbar jogar ohne Mittagfchlaf, wenn die Tage am längjten und Heißejten jind. Dem Landwirt find die Badenhörnchen durchaus nicht willfonmen. Gie gehen nad) Mäufeart in die Scheunen und richten, wenn fie in großer Menge auftreten, arge Ver- wüjtungen an. Shre gefüllten Speicher werden, iwie bei uns zulande die der Hamfter, aus- gegraben und entleert. Stone und Cram bemerfen zur Frage der Schädlichkeit, daß die Chip- munfs hauptjächlich im Frühjahr, wenn andere Nahrung napp ift, das frijch gejäte Oetreide angehen, in ihren großen, bis zu den Schultern reichenden Badentajchen erjtaunlich viel meg- Ichleppen Fönnen und fo mitunter fortfahren, bis die Saat einige Zoll Hoch ift; dann fünnen jie allerdings beträchtlichen Schaden anrichten. Keifes Korn nehmen fie jelten, Höchitens wenn die Nüfje nicht geraten find. m Weften fcheinen fie mehr Schaden zu tun und werden vom Bolfe entjchieden als eine Plage angejehen. Die Sibirier verwerten die Bälge des Bu- runduf und fenden fie nach China, wo man die Felle hauptjächlich zu Verbrämungen wärmerer Pelze benußt. Der Chipmunkf wird eifriger verfolgt als fein Bruder in Sibirien. Ein ganzes Heer von Feinden ftellt ihm nach. Die Buben üben fich an ihn in dem edlen Weid- iverf und jagen ihn mit weit größerem Eifer als die Sinaben der Sakuten den Burunduf, dem leßtere während der Nanzzeit Hinter Bäumen auflauern und ihn herbeirufen, indem jte ver- mitteljt eines Pfeifchens aus Birkenrinde den Locton des Weibehens nachahmen. Der Ehipmunk hat aber noch fchlimmere Feinde. Wiefel verfolgen ihn auf und unter der Erde, Beutelratten ftreben ihm eifrig nach, Hausfagen halten ihn für eine ebenfo gute Beute tie Ratten und Mäufe, und alle größeren Raubvögel nehmen ihn vom Boden weg, wo jie nur fönnen. Ein amerikanischer Rauhfupbufjard gilt als fein eifriger Verfolger und heißt de3- halb geradezu „„Squirrel-Hawk“. Auch die Slapperjchlange folgt, nach Öeyer, dem armen Schelme, und zwar mit ebenjo großer Ausdauer wie Schnelligkeit. Der Winter vermindert die während des Sommers erzeugte bedeutende Nachfommenjchaft der Badenhörnchen oft in unglaublicher Weife. Troß alledem find fie, in gefegneten Jahren wenigitens, überall außer- ordentlich zahlreich; die große Fruchtbarkeit des Weibchens gleicht die Verlufte wieder aus. Die Hübjche Färbung, die Zierlichkeit und Lebendigkeit der Bewegungen empfehlen Die DBadenhörnchen für die Gefangenfchaft. Ganz zahın werden fie nicht, bleiben vielmehr immer furchtjam und biffig. Dazu fommt ihre Luft, alles zu zernagen. Mit anderen ihrer Art ver- tragen fie fich nicht immer; zumal die Männchen beginnen oft Streit untereinander. Die Grnährung hat feine Schwierigkeiten; denn die einfachiten Körner und Früchte genügen zu ihrem Futter. Bei einigermaßen entfprechender Pflege halten fie mehrere Jahre in Ge- jangenjchaft aus, fchreiten hier auch leicht zur Fortpflanzung. Lebteres haben fie bis jebt im Berliner Garten noch nicht getan, dejjen Landnagetierhaus von den beiden oben bejchrie- benen Arten in der Negel die leichter zu befchaffende amerifanijche, bisweilen aber auch die jeltenere fibirifche enthält. Die Amerikaner, die in größerer Anzahl vorhanden find, haben ihre Schlaffäftchen mit mehreren Abteilungen, und fo herrjcht einigermaßen Friede unter Badenhörnhen. Ziejelhörnden. 921 ihnen. Sm übrigen Haben fie jich die Gunft des Bublitums in befonderem Maße eriworben durch ihre erjtaunlich flinfen und gewandten, dabei aber jtets hübjchen und anmutigen Be- wegungen, namentlich jedoch die bettelige Zahmtheit, mit der fie vorn am Gitter hin und her hujchen, bald hier, bald Dort das feine rojige Näschen zwijchen die Drahtmafchen ftecfend. Dem Wärter laufen jie beim Füttern und Reinemachen über die Hände. Das einzelne fibi- riiche Männchen tut das auch, zeigt fich aber dabei als tollfühner Streiter, wie das ja bei Na- gern nicht unerhört ijt; es jucht ganz ernithaft zu beißen. Einmal lief es dem Manne im Nu am Arm in die Höhe und Juchte ihn mit den fcharfen Hähnchen nach Sträften am Halje zu fneifen. Wie bei den Biejeln, it auch bei ven Badenhörnchen eine Falifornijche Art, Eutamias speciosus Allen (macrotus), nebenbei eine der Heinften, durch lange, fcharf zugejpißte Ohren ausgezeichnet. Hornaday nennt jie einen vergnügten Heinen Kobold, ganz eigenartig flinf und hübjch dabei, dem die Dhren und die weißen Harlefinftreifen ein äußert jchel- mijches und fedes Ausjehen geben. Er hält fie viel im New Vorfer Tierpark und möchte fie in mancher Beziehung al8 die dankbariten aller jeiner Höhlennager bezeichnen. Nur die Itrengite Kälte treibt jie in ihre Baue, und in der Winterftille, wenn eine Diele Schnee- dee alle anderen Bewohner der Nagergehege unter der Erde veriteckt Hält, bringt die erite Stunde Haren Sonnenjcheins ein halbes Dußend Falifornifcher Chipmunfs zutage, die fich bor ihren Löchern jonnen. Die afrikanischen Ziejel- oder Borjtenhörnchen (Gattung Xerus 7. E.) mögen wohl Häßlicher ericheinen als die vorhergehenden. Die äußeren Ohrmufcheln treten faum hervor oder fehlen ganz. In doppelter Hinficht merkwürdig aber it die Behaarung: fie Iteht nur jpärlich auf dem Leibe, jo daß fie die Haut mitunter faum dedt, und die jehr Itarren, borftigen Haare find an der Wurzel platt, von da an der Länge nach gefurcht und breit zugejpißt. Der ganze Pelz fieht manchmal aus, als wären bloß einzelne Haare auf ven Balg geklebt. Gerade durch diefe dünnere, jtarrere Behaarung Fanın aber der förper- lange, zweizeilig bujchig behaarte Schwanz fehr jchön ausjehen, wenn er in die Höhe ge- Ichlagen und jedes einzelne Haar aufgerichtet wird: dann hat er etwas von der wehenden Straußenfeder, und das ganze Tier erjcheint recht anmutig, wenn man es jo aus einiger Entfernung betrachtet. Außerlich find auch die langen, verhältnismäßig geraden Krallen fennzeichnend, im inneren Leibesbau das Fehlen der Badentajchen, der Schädel und Die Badkzähne. Der Schädel ift groß und breit, etwas in die Länge gezogen, was fich namentlich an den Stirnbeinen zeigt, hat aber nur ganz furze Hinteraugenhöhlenfortjäge. Die Bad- zähne unterjcheiden fich von denen der eigentlichen Baumbhörnchen mit ihren niedrigen, Ihalenförmigen Kronen durch mehr oder weniger wohlausgebildete Duerplatten, wodurd) ji) die Borjtenhörnchen merfwürdigerweife den Stacheljchweinen nähern und fich offenbar als ein fpezialifierter Typ unter den Hörnchen erweifen. Syn der Lebensweije find es Cröhörnchen, die fich) Baue graben. Der Schilu der Abejjinier, Xerus rutilus Ortzschm., wird im ganzen 50 cm lang, modon etwa 22 cm auf den Schwanz fommen. Die Färbung it oben rötlichgelb, an den Geiten und unten licht, fait weißlich. Der zweizeilig behaarte Schwanz ift jeitlic) und am Ende weiß, in der Mitte rot, Hier und da weiß gefleckt, weil viele feiner Haare in weiße Spiten enden. Dasjelbe ijt auch bei den Nüdenhaaren der Fall. Sn den Steppenländern fommt eine andere Art vor, die Sabera der Araber (Xerus erythropus leucoumbrinus 522 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Hörnchenartige. Rüpp., die neuerdings al3 Unterart des weitafrifanijchen X. erythropus E. Geoffr. betrachtet tpird), und zwar jehr Häufig, während der Schilu immer nur einzeln auftritt. Beide Tiere ähneln jich in ihrem Leben volljftändig. Sie bewohnen dürre Steppen- mwaldungen, die waldloje Ebene, jelbjt gebirgige, hügelige Gegenden mit fpärlichem Pflanzen- mwuch® und andere ähnliche Orte, graben ich gejchiet und rajch unter dichten Büjchen, zwijchen dem Gemurzel der Bäume und unter größeren Felsblöden tiefe und Eunftvolle Baue und ftreifen von diefen aus bei Tage umher. Man fieht fie einzeln oder paarweije auch in unmittelbarer Nähe der Dörfer. Wo die Gegend nicht feljig ift, graben jte jich unter jtarfen Bäumen Röhren von großer Ausdehnung; wenigitens muß man fo fchliegen nach den hohen Haufen, die vor ihren Fluchtröhren aufgeworfen werden. Die Baue näher zu unter- juchen, hat feine Schwierigfeit, weil fie regelmäßig zwijchen dem Wurzeliverfe der Bäume verlaufen. Wurde die Wohnung unter Felsblöcden angelegt, jo ilt e8 nicht bejjer; denn das Biejelhörnchen Hat fich fiher den unzugänglichiten Pla ausgefucht. Sm Dorfe Menfa hatte fich ein Schilu- Pärchen die Kirche und den Friedhof zu feinen Wohnfigen erforen und trieb fich Iuftig und furchtlos vor aller Augen umher. AUller- liebit jah e3 aus, wenn eines der Tiere auf die Spibe eines Grabhügels jich jegte und die bezeichnende Stellung unjeres Eichhörnchens annahm. Sch habe den Schilu wie die Sabera nur auf dem Boden bemerkt, niemal3 auf Bäumen oder Sträuchern. Hier zeigt er fich ebenfo gewandt wie unjer Eichhörnchen in feinem Wohngebiete. Der Gang tft leicht und wegen der hohen Läufe ziemlich jchnell; Doch gehen beide mehr jchrittweife als die wahren Eich- hörnchen. Sn ihrem Wejen befunden fie viel Leben und Rajtlojigkeit. eve Nite, jedes Loch wird geprüft, unterjucht und womöglich Durchfrochen. Die hellen Augen find ohne Unterlaß in Bewegung, um irgend etwas Genießbares auszujpähen. Sinojpen und Blätter jcheinen die Hauptnahrung zu bilden; aber auch Feine Bögel, Eier und Sterbtiere werden nicht verjchmäht. Selbit unter den Nagern dürfte es wenig bijjigere Tiere geben, al3 die Ziejel- börnchen e3 find. Streitluftig jieht man fie umherjchauen, angegriffen, fich mutvoll vertei- digen. AUngejchofjene oder gefangene beißen tüchtig. Sie werden auch nach längerer Haft niemals zahm, jondern betätigen bejtändig namenlofe Wut und beißen grimmig nach jedem, der fich ihnen nähert. ©uter Behandlung fcheinen fie vollfommen unzugänglich zu fein: furz, ihr geiftiges Wejen jteht entjchieden auf niederer Stufe. Ein Schilu, den ich über Jahr und Tag pflegte, blieb derjelbe vom Anfang bis zum Ende. Gefürchtet von jedem Wärter, wurde er und zur Laft. Außer feinen Hurtigen Bewegungen zeigte er nichts Anziehendes. Über die Fortpflanzung habe ich nicht3 Genaue3 erfahren können. Jch fah nur einmal eine Yamilie von vier Stück und vermute deshalb, daß die Ziejelhörnchen bloß zwei Junge werfen. Hiermit jteht die gleiche Zigenzahl des Weibchens im Einklange. hr Hauptfeind ift der Schopfadler. Dagegen jcheinen fie mit dem Heujchredenhabicht im beiten Einverjtändnig zu leben; mwenigjtens jieht man fie unter Bäumen, auf denen diefer Naubvogel fißt, jich unbeforgt umhertreiben. Unter den Säugetieren jtellen ihnen die großen 8ildhunde am eifrigften nach. Die Mohammedaner und chriftlichen Bewohner Innerafrifas lajjen fie unbehelligt, weil fie in ihnen unreine Tiere erkennen; die Neger dagegen follen das wahrscheinlich nicht unfchmadhafte Fleifch genießen. Das oben fchon genannte mweft-, inner- und oftafrifanifche Ziefelhörnchen, Xerus erythropus E. @eoffr., unterjcheidet fich von dem Schilu durch den hellen Geitenjtreifen, der von Den Vorder- zu den Hinterbeinen verläuft; e3 hat aber die Heine äußere Ohrmufchel Biefelhörnhen. Erdhörnden. 928 mit ihm gemein. Dagegen hat das Kapiiche Borjtenhörnchen zwar denjelben Geiten- jteeifen, aber Teine Spur eines äußeren Ohres und bildet deshalb eine bejondere Unter- gattung (Geoseiurus A. Sm., einzige Art G. capensis Kerr; Taf. „Nagetiere XVII”, 2, bei ©. 533). Schließlich it auch noch das Heine Nordafrifanifche Erdhörndhen von Maroffo, Algerien, Tunis zu einer weiteren Untergattung erhoben worden (Atlantoxerus F. Maj., einzige Art A. getulus Z.). Die Borjtenhörnchen gehören zu unjerer Eolonialen Säugetierwelt und verdienen auch in diefem Sinne hier berücdjichtigt zu werden. Der Schtlu fommt jüdlich biS zum Kilimandjaro, alfo bi über die Nordgrenze Deutjch-Ditafrifas vor. Matjchte nennt ihn in feinen „Säugetieren Deutjch-Dftafrifas" Punktiertes Erdeichhörnchen, von den weißen Yaar- jpigen auf dem gelblichbraunen Rüden, die diefen weiß punftiert erjcheinen lajjen. Den weit verbreiteten geftreiften Verwandten führt er in feiner furzgefaßten Lijte der Säugetiere de3 Togogebietes fchon 1893 aus Bismardburg auf: „in Erdnußpflanzungen“. Und ähnlich heißt e8 in den Notizen des fpäteren Gouverneurs von Togo, Grafen Zech, zu feinen z00l0- gifchen Sammlungen: „Fgrißt gern Erdnüffe. Das Fleifch wird von den Sratjis, AUnecho- und Anlo- und Tiehileuten gegejjen.” Aus Liberia hat Büttikofer, der treffliche Forjchung3- reifende und jegige Tiergartenleiter in Rotterdam, folgende Lebensjchiderung gegeben (Sentinf, „Zoolog. Researches in Liberia, Notes from the Leyden Museum“, Vol. X, 1887): „Diefe ungemein lebhaften Tierchen finden jich am zahlreichjten in Erdnußanpflanzungen und auch in neu angepflanzten Cafjavefarmen (Maniof), wo fie die in den Grumd eingelegten Cafjaveftecliinge ausgraben und deren Rinde abnagen. Sie graben fich Heine Baue in den Boden, legen Heine Borräte an und leben gern in Gejellichaft, oft bis jech Stüd beifanmen. hr Fleifch ift jehr Ihmadhaft, namentlich von denjenigen, die fich in Erdnußfeldern aufhalten.” Das ebenfalls gejtreifte, aber äußerlich vollfommen ohrmuschellofe Borjtenhörnchen vom Slap (Geosciurus capensis Kerr), deijjen Ohr jich in einem jchmalen, jchiefen, etwas über 1 cm larigen Schliß öffnet, Yebt im Inneren Südafrikas auf den trocknen, offenen Ebenen der Karru, verbreitet fich von da aber auch nordwärts durch die Kalahari und das Be- tichuanenland bis Matabeleland und Damaraland. So fommt e3 auch nach Deutjch-Südmejt- afrifa und wird nach dem Vorgange der Stapfolonijten dort in der Schußtruppe „Erdomänn- chen” genannt, ebenjo wie die Surifate. E3 tut jich in große Kolonien zujanmen, und man jieht e3 oft auf dem Hinterteil fien und fich jonnen; aber beim erjten Erjcheinen einer Gefahr rennt e3 mit großem Gejchnatter davon in feinen Bau. Seine Nahrung beiteht ganz aus den Bwiebelfnollen, an denen Südafrika jo reich ift; dDieje verjteht e3 mit jeinen langen, jtarfen Krallen vortrefflich auszugraben. Wenn man e3 im zoologijchen Garten durch jein Gehege laufen fieht mit dem nachgejchleiften, nicht befonders dicht, aber lang behaarten Schmeife, auf den e3 wenig achthat, ihn in die Höhe zu ftellen und von der Erde zu entfernen, jo fällt durch diefe Haltung und Bewegung troß aller Ähnlichkeiten der Unterjchied der ganzen Erjcheinung gegen die Baumhörnchen jehr ins Auge, und es leuchtet ohne weiteres ein, daß diejes Tier al3 Exrdtier nur auf der freien, teocnen, büjchelweije mit Gras und Straut be- wachjenen Ebene gedeihen fanın. Bon dem Feinen Nordafrifanijchen Erdhörnchen, Atlantoxerus getulus Z., rötlichgrau mit weißem Bauch, vier gelblichen Längzitreifen auf dem Rüden und graugebändertenm Schwanz, entwirft Vojjeler aus eigener Erfahrung ein äußerjt anjprechendes Bild des Ge- fangen- und Treilebens („Zool. Beobachter”, 1907): 924 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. „Diejes von den Beduinen Rallid genannte Nagetier ijt eines der zierlichjten und lieben3- windigiten Glieder feiner Sippe. In Sidoran (Algerien) jah ich es zuexit in Gefangenschaft, fonnte aber mit dem beften Willen feinen Befiter dazu veranlajjen, mir eines zu überlafjen. Das machte mich begierig, den Charakter diejes munteren Nagers genauer fennen zu lernen. Dazu follte ich nach Erwerbung eines jungen Männchens und zweier ertvachjener Weibchen, die Beduinenfnaben frifch gefangen hatten, jahrelange Gelegenheit haben. Schon in wenigen Tagen hatte fich das junge Männchen zum Herrjcher über die übrigen frei in meinem Wohn- raum herumlaufenden Tiere gemacht. Schildkröten und Stacheljch wanzeidechjen (Uromastix acanthinurus) feßte e3 fich dreift auf den Rüden und Tief fich jo von ihnen tragen. Auch) die Erwachenen zeigten jchon nach wenigen Tagen feine Spur von Scheu mehr, ließen fic) willig greifen und machten feine Berfuche, aus einem Heinen Körbchen, ihrem exjten Ge- fängnis, auszubrechen, obgleich fie e3 Durchnagten. Mit einer unverfrorenen Neugier ducch- mujterten fie nach jedem Wechjel der Umgebung die neuen Gegenjtände, gewöhnten jich jchnell auch an das mitteldeutjche Silima und an mwinters geheizte Zimmer. Da fie als Bodentiere wenig Hetterten, noch weniger nagten, durften fich alle drei im Arbeitszimmer frei bewegen. Sie nußten dies jofort zur Gründung eine eigenen Heims zwilchen den Federn de3 Sofas aus. Was fie an Tuch- und Bapierjchnigelchen erwijchen Fonnten, trugen fie dorthin zum Ausbau des Neftes, das fie jo anzulegen wußten, daß fie nicht ge- drückt werden fonnten. Dennoch quietichten fie unmillig, wenn jich jemand auf das Sofa jegte. Morgens wurden jie im Sommer erjt gegen 158 Uhr, winter nod) |päter munter und begaben fich fchon mit Einbruch der Dunkelheit zur Auhe. Tagsüber jpielten fie jowohl unter fich al3 mit einer Habe und einem Molukfenfafadu, den fie durch Überjpringen oder Anftogen zu erjchreden lebten, aufs drolligjte. Um Mittag hielten fie Siefta; das Männchen fuchte dazu die Hand feines ebenfalls ruhenden Herrn auf, deren Finger energijch, aber ohne verlegt zu werden, mit den Zähnen fo lange gezerrt wurden, bis e3 fich bequem da- zwischen zufammenfugeln fonnte. Mit ganz befonderer, nicht einzufchränfender Behendig- feit Hletterte e3 bei Tifch am Nächitbejten hoch und befand fich — eins, zwei, Drei — zwilchen den Gededen an der Schüffel, die e8 anlodte, oder auf dem Bierglad. Dem Gambrinus war e3 fo ergeben, dat e3 mehrere unfreiwillige Bäder davon nicht abzubringen vermochten. Ebenfo jchnell, wie e3, auf dem Glasrand ausgeglitten, fopfüber Hineingeftürzt war, ebenjo ichnell fprang e3 heraus, fcehüttelte fich und Löfchte nun wieder vorfichtiger jenen Durft, als wäre nicht3 gefchehen. Einen Augenblid fpäter konnte e3 mitten im Salat jigen und Blatt um Blatt herauswerfen, bis e8 mit einem pafjenden davonlief. Nohen Salat jchäte es dagegen nicht. Yom Überfluß ölhaltiger Früchte wurden Vorräte eingetragen und gewöhn- lich in Bantoffeln oder Stiefehn verjtedt. Mit der Zeit fonnten die fcherzhaften Ungezogen- heiten abgejchliffen werden. Das legte, feine beiden Genofjen um drei Jahre Überlebende Weibchen hatte ganz genau begreifen gelernt, an welcher Stelle e8 feine Bedinrnifje ver- richten durfte, umd wich verfchmigt dem Dienjtboten aus, wenn es fi) einmal in Diejem Punkt verfehlt Hatte. „Sonne und Salz war allen Bedürfnis. Jeden wärmenden Strahl fuchten fie auf und legten fich platt auf den Bauch, die Beine breit feitwärts nach vorn und hinten gejtredt. Der in der Ruhe dünne Schtwanz breitete fich 3.B. beim Spiel oder bei Aufregung aus, zeigte dann fchöne Querftreifung und wurde, wenn die Sonne zu ftark brannte, fchirmend über den Nüden gelegt. Bei Tifch erfchienen fie auch ohne Hunger, nur um Galz zu erbetteln. Dabei warteten fie auf und watjchelten auch ungeduldig auf den Hinterbeinen von einem zum Erdhörndhen. Baumhörnden. 929 andern, bis jie es erhalten hatten. Das lebte Weibchen hatte 5 Jahre frei in der Wohnung gelebt, war aljo etwa 7 Jahre alt geworden. Wie jeine Vorgänger blieb es big zur lebten Minute, jelbit Frank, jtetS gleich liebenswürdig und drollig... „Eine ftaunenswerte Gejchidlichkeit entfalten fie beim Fang bon größeren Snfeften, 3. B. Schwärmern, auf die fie erpicht jind, und mit denen jie lange jpielen, ehe jie ihnen die Flügel ausreißen und den Leib verzehren. „Ende Mai jchienen die Weibchen erjt abgejäugt zu Haben; das zur jelben Zeit erhaltene Sunge mochte, 5—6 Wochen alt, faum recht der Muttermilch entwöhnt gemwejen fein, jo daß die Wurfzeit etwa in die erjte Aprilhälfte fallen dürfte. „sn den Telsgebirgen um YAin-Sefra (Südoran) beobachtete ich Die Tiere zweimal im Freileben. Shre Wohnung hatten jie in engen Feljenlöchern, vor denen fich eine mit Dinner Bflanzendede verjehene Geröllhalde ausdehnte. Sie Icheinen weder in großen Gejellichaften beifammen zu wohnen, noch jich weit vom Schlupf zu entfernen.” Weitaus die meijten Mitglieder der Unterfamilie gehören der nur in Auftralien und Ma- dagasfar, auf den Südjee- und wejtindiichen Jnjeln und im füdlichen Südamerika fehlenden Gruppe der Baumhörncden an. Alle ihre Arten zeigen in Gejtalt, Bau, Xebensweije und Wejen große Übereinftimmung. So gleichartig aber auch alle Baumbhörnchen fein mögen, und fo eng die Berwandtjchaft der ganzen Unterfamilie der Eichhornartigen (Sciurinae) unzweifelhaft ift, jo Hat man doch zur Aufitellung mehrerer jelbjtändiger Gattungen und einer ganzen Reihe von Untergattungen fchreiten müjjen, gerade um dieje verjchiedenartigen Ver- mwandtjchaftsabitufungen einigermaßen richtig und gerecht auszudrüden. Das Eingt jehr un- gereimt, erklärt fich aber bei näherem Zufehen jehr einfach jo, daß die vorzüglichen Unter- juchungen des hervorragenden englifchen Baläontologen Forfyth Major: „Über einige miozäne Eichhörnchen mit Bemerkungen zu Gebiß und Einteilung der Unterfamilie der Eichhorn- artigen”, die Syitematif vor die Entjcheidung ftellten, entweder vom Murmeltier über den Präriehund, die Ziejel, Baden- und Borjtenhörnchen bis zu den Baumhörnchen einschließlich alle3 ganz eng zufammenfafjen oder unter den Baumhörnchen ebenfalls noch weitere Unter- iheidungen zu machen. Denn Major beiwie3 durch Gebißvergleichung, daß die Borjten- hörnchen viel weniger allein ftehen, als bisher angenommen, zumal zahlreiche afrifanijche jomwohl al3 einige füdafiatische Baumhörnchen enge Beziehungen zu ihnen haben in Zahn- merfmalen, die fie zugleich der großen Seftion der Stacheljchweinförmigen annähern. Die Schädelmerfmale der Borjtenhörnchen, langgezogene Yorm des Schädels, bejonders der Stirnbeine, im Verein mit finzem Hinteraugenhöhlenfortfat, gehen in derjelben Richtung, während im übrigen die Unterfamilie der Eichhornartigen ganz im Gegenteil durch breite Stirnbeine und lange Hinteraugenhöhlenfortfäge gekennzeichnet ift. Noch mehr: eine Kleine Gruppe afrifanifcher, den Borjtenhörnchen verwandter Baumbhörnchen (Protoxerus stangeri und Verwandte) fommt im Schädel durch das verhältnismäßig große Jrneraugenhöhlenloch der jtachelfchtweinartigen Form noch näher. Der Schädel diefer abweichenden Baumbhörnchen, namentlich einer Art (Epixerus ebii), gleicht bi3 auf ein Merkmal fo jehr dem der Borjten- Hörnchen, daß e3 Major unmöglich erjcheint, fie bei ven Baumhörnchen jtehen zu lajjen, wenn man die Borjtenhörnchen als jelbjtändige Gattung aufrechterhält. Dagegen gibt e3 eine andere Gruppe afrifanischer Baumhörnchen (Heliosciurus rufobrachiatus ujtv.), die nad) ihren Zahnmerfmalen nahe Berwandte unferes gewöhnlichen Eichhörnchens find, aber in der Schädelform einige Annäherung an die Borjtenhörnchen zeigen, während anderjeit3 526 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. einige Arten, die zufolge ihrer Schädelform nicht wohl von den VBorjtenhörnchen getrennt werden fünnten, durch ihre Baczahnımerkfmale wieder zu unjerem Eichhörnchen hinneigen, wie 3. B. unter den indifchen Arten das PBalmenhörnchen (Funambulus palmarum). Wie Iehrreich beleuchtet ung hier Forjyth Major, diejer berufene Schädel- und Gebiß- fenner, die Schwierigkeiten, die ji) dem mwiljenschaftlichen Beftreben entgegenftellen, den pielverzweigten Berwandtjchaften, wie fie tatfächlich vorhahden find, durd ein Shftem nach alfen Seiten auch nur einigermaßen gerecht zu werden! Bei den Nagetieren find Dieje Schwierigkeiten faum zu löfen. Nach Möglichkeit Hat fie Dfofield Thomas vom Britijh Mufeum glüclich überwunden, der al3 gleicherweije berufener Nagetierfenner Major zur Geite trat und defjen Ergebnifje fozujagen in eine praftifche Form umgoß. Er jah jich ge- ztwungen, eine ganze Reihe neuer Gattungen aufzuftellen, die alle Übergänge von den Exd- hörnchen zu den ausgejprochenen Baumbhörnchen, twie fie unfer Eichhörnchen vertritt, erkennen laffen. Gegen 400 verjchiedene Eichhörnchenformen waren bereits im Sahre 1904 wiffenjchaftlich befannt und benannt, als Trouejjart3 neueftes Supplement erjchien. Und bi3 heute hat diefe gewaltige Zahl natürlich noch zugenommen! An der Verbreitung der Eichhörnchen ift bemerkenswert, wie fie jich in einzelnen geo- graphifchen Regionen häufen. So hat 3.B., nad) Matjchte („Verbr. d. ©gt." in „Der Menfch und die Erde”) Südafrika in jeder Gegend zivar nur 2, der Sudan 4, Südoftafrifa einerjeitS und Oberguinea anderjeits je 8-9 und Unterguinea fchon 11 Arten. Vorder- indien hat 6. „Dagegen kann Hinterindien und Borneo als das Land der Eichhörnchen be- zeichnet werden; denn hier finden wir in ein und demjelben Gebiet in Siam 26, auf Borneo jogar 31 Arten nebeneinander”, wobei Matjchte allerdings 8-9 Flughörnchen mitzählt. Wir find hier wieder einmal auf einem Gebiete im Säugetierreich angelangt, wo wir gar nicht daran denken können, auch nur einigermaßen ins einzelne zu gehen, jondern uns damit begnügen müfjen, wenige, im Verhältnis zur Gejfamtzahl verjchtpindend wenige Ber- treter herauszugreifen; felbjt diefe wenigen fünnen wir aber zumeift nur nebenbei umd flüchtig erwähnen, nicht genauer bejchreiben und jchildern. Die denkbar bejte Anfnüpfung an die Borjtenhörnchen liefern die beiden afrifanischen Baumhörnchengattungen Epixerus Thos. und Protoxerus F. Maj.; die Namen drüden Ichon ihre Mitteljtellung aus. Das Große Notichenfelhörncen, Epixerus ebii Temm., von der Goldfüfte, und Wilfons Riefenhörnchen, E. wilsoni Du Chaillu, von Niederguinea, teen den Borjten- Hörnchen noch fehr nahe. Das ebenfalls fehr ftattliche Olpalmenhörnchen, Protoxerus stangeri Wtrh., mit 30 cm Numpf- und 40 cm Schwanzlänge, da3 leicht an dem auffallend weiß und jchwarz gebänderten Schwanze Fenntlich ift, bewohnt in einer Neihe von Lofal- formen die ganze afrifanifche Urwaldregion von der Goldfüfte im Westen bis nach Britifch- Dftafrifa im Dften und Angola im Süden. Den gelben Bauch möchte Büttifofer auf die gelbfärbenden, fetten Früchte der Olpalme zurücführen, von denen das Tier in Liberia allem Anschein nach lebt. Er traf es dort ftetS auf den Olpalmen, im ganzen aber nicht eben häufig. Bon der Kamerunform, die dort „mvök“ heißt, erzählt Bates (‚‚Proc. Zool. Soc. “, 1905), fte fei imftande, die jteinharte Schale der „ngali"-Nuß dDurchzunagen, die Härtejte pflanzliche Maffe, Die ihm je vorgefommen. Die Stimme bejteht nicht aus dem gewöhnlichen CSıchhörnchengefchnatter, fondern aus ganz anders gearteten Kehltönen, die abgejegt, Hart und rajch hervorgeftoßen werden. Baumhörnhen: Airikanifche Arten. 527 Hier jchließt fich eine Anzahl Heinerer Formen an, die Hauptjächlich die baum- beitandenen Teile der afrikanischen Steppentegion bewohnen und für den Often und Süden bejonders charakteriftiich find. Wir fönnen von der Gattung Paraxerus F. Maj. nur einige Arten herausgreifen. Eine hierhergehörige Art, Böhmzs Streifenhörnden, P. böhmi Rchw., hat Böhm meilt in Deutjch-Dftafrifa gefammelt, und Reichenotw hat es diefem viel- berjprechenden, aber bald dem Fieber erlegenen Afrikareifenden gewidmet. 3 trägt auf dem olivengrünen Grumde der Dberjeite auffallende gelbe und jchwarze Yängsbinden, Hat grauen Bauch und graumelierten Schtwanz. — Über das Leben findet fich einiges bei Böhm und Emin Bafcha: „Ausgeiprochenes Uferwaldtier, welches in Heinen Banden von drei bis fünf Stüd im dichten Ufergebüfch lebt und auch im Schilfe herumflettert. C3 ift nicht jehr icheu und ftößt oft ein tudendes und zmwitjcherndes Gefchrei aus, wobei e$ heftig mit dem Schwanze zudt. Ein Weibchen mit einer grünen Raupe im Maul wurde im Juli exlegt.“ (Böhm.) „Seine Nahrung bejteht in Früchten, Samen, Sinojpen und Snjekten, bejonders auc) in fetten Termiten, und auch Vögel und deren Eier dürften Faum verjchmäht werden. Die Zahl der Jungen ift Höchitens zivei, die Wurfzeit fällt in den Anfang des Juli; jedoch ift e3 auch möglich, daß ein zweimaliger Wurf jtattfindet.” (Cmin.) Eine andere oftafrifanische Art, das Rotihwanzhörncdhen, P. palliatus Pirs., die jic) mit mehreren Unterarten vom Süd-Somaliland und dem nördlichen Deutjch-Djtafrifa bis nach Mojambif und Natal verbreitet, Hat Unterjeite, Beine, Kopfjeiten, Stirn, Schnauze, Ihren, Schwanz gegen die Spibe Hin feurig roftrot, Schwanzmwurzel und Rüden unfcheinbarer dunfel gejprenfelt. Bon ihm erzählt Vofjeler („Yool. Beobachter”, 1907): „Als Schädling in den Baumtmollfeldern Bagamojos im Zahre 1905 in größerer Menge erjchienen, wurde e3 nach Ausjegung einer Prämie von den Schwarzen mit einer einfachen Falle weggefangen. Drei fo erlangte erivachjene Exemplare wurden mir überlajjen. Sie überwanden die an- fängfiche Scheu fehr jcehnell, wurden aber nicht vollfommen zahm. Dfters durchnagten fie da3 Drahtgitter ihres Käfig, Fehrten aber, wenn gejagt, von jelbit wieder zurüd. Als Futter zogen fie Körner den Früchten vor, befonder3 Mais und Erdnüfje. An den Baumbejtänden hatten fie die Kapjeln angefrejjen, um zu den Sternen zu gelangen.“ Das Saint-Paul3-Hörnchen, P. pauli Mtsch., aus der Gegend von Tanga und dem Ufambaragebirge wurde von Matjchtie dem langjährigen Bezirksamtmann d. St. Baul- Sllaire, einem unferer ältejten „Afrifaner”, zu Ehren benannt nach einem Stüd, das der Genannte lebend dem Berliner Garten überwiejen hatte. ES ijt oben dunkel, mit jtarf grün lihem Ton, unten graumeiß gefärbt, der Schwanz jchwarz mit weißen Haarjpigen. Der Stopf fällt durch die runden, breiten Ohren auf, die feine Außenlinie nirgends überragen, und Vofjeler findet daher begreiflicher- und bezeichnenderweije „in feinem Außeren viel Ähnlichkeit mit den Erdeichhörnchen”, nennt e8 aber doch, „einem Aufenthalt im hohen Urwald entjprechend”, ein „ausgejprochenes Baum- und Klettertier. An den Hochjtämmen um Amani treibt e3 jich Häufig familienweife herum, fünf bis jechs Stüd verfolgen fich jpielend und Hafchend den Lianen entlang; noch größere Zahlen finden jich auf fruchttragenden Bäumen, wie 3.8. Myrianthus arborea, zujammen und lajjen beim Streit um die beiten Bijjen häufig ein quiefendes Gezänfe hören. Schon in der Freiheit wenig fcheu, werden fie, jung eingewöhnt, in Fürzejter Zeit vollfommen zahım und bleiben dem Haufe und dent Pfleger jehr treu, jo daß man ihnen freien Lauf auch ins Freie gejtatten ann. hr Benehmen ilt allerliebjt, jelbjt der den Eichhörnchen allgemeine Charakterzug eines ausgejprochenen 528 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Eigenfinng fteht dem Kleinen, drolligen Tiere gut an. Sie find nicht nur dankbar für jede Lieb- fofung, fondern erwidern folche auch durch Beleden und Befnabbern oder Aufforderung zum Spiel, bei dem fie eine große Gewandtheit im ‚Hafenjchlagen‘ entwwideln. Aufs vorjichtigite juchen fie, ftetS zu fchleunigem Rüdzug bereit, eine neue Umgebung auszulundjchaften, wobei der Schwanz wie bei jeder Erregung von Heit zu Beit wippt und jeine Behaarung geipreizt wird. Leicht find fie zum Zorn zu reizen, wenn man jte etiva beim Frejjen jtört. Knurrend wehren fie durch Schläge mit den Borderpfoten den Störenfried ab. Die Vorliebe für Süßigfeiten, Sonne und Salz teilen fie mit anderen Artgenofjen. Mit Haustieren (Kaben, Hunden und PBapageien) lafjen jie fich leicht zufammengewöhnen. Ein wenig Herrichfucht pflegt den Spielfameraden zu imponieren. Genau merken jie die Stunden der Mahlzeiten. Wenn fie einmal dort geduldet wurden, better fie durch lautes Gebell, um aus ihrem Käfig entlaffen zu werden, jobald fie ven Stlang der Gejchirre vernehmen, und geben der Freude über die Erfüllung ihres Willens durch tolle Kreuz und Duerjprünge ANusdrufd. Wenn das lebhafte, unftete Wejen der Müdigkeit gewichen it, fuchen fie gern die Hand ihres Heren auf, um fich jtreichefn zu laffen, worauf fie oft durch behagliches Sinurren antworten. Troß eines gewiljen jähen Temperament3 neigen fie faum dazu, bifjig zu werden. Das Saint-Pauls-Eichhörnchen gehört zu den wenigen Tieren, die der Mihamba (Ein- wohner von Ufambara) bisweilen in die Hausgenofjenfchaft aufnimmt. Die Wurfzeit muß in den Oftober bis November fallen; dreimal erhielt ich im Dezember junge Tiere.” (Bojjeler.) Das vom Kilimandjaro bis in die Kapfolonie verbreitete Deerfußhörnden, tie e3 Matfchie, Graufußhörndhen, wie e3 W. %. Oclater nennt, P. cepapi A. Sm., hat „Hände und Füße odergelb, Unterfeite graumeiß biß gelblichweiß”. Der Rüden ift oliven- grau, dunfel gefprenfelt bis roftrot; diefe Zarbe mwechjelt aber jehr nach der Jahreszeit. U. Smith traf diejes Eichhorn gelegentlich auch auf der Erde; wenn e3 da überrajcht wird, jucht e3 aber jtet3 einen Baum zu erreichen und jich in einer Ajtgabel oder einem Ajtloch zu verjteden. Livingftone fand in der Höhlung eines Mopanibaumes eine Menge Sämereien, die mit grünen Blättern zugededt und von diefem Eichhorn für die Trodenzeit gefammelt waren. Der füdafrifanifche Sammler Marjhall gibt ebenfalls an, daß diefe Art fich nur da findet, two der Mopanibaum mwächlt, und daß die Mafchona das Fleiich al3 einen Lederbijjen anjehen. Sn der Urwaldzone wird die Gattung Paraxerus durch typiiche Wald- und Baun- Hörnchen der vielgeftaltigen Gattung Funisciurus Trt. erjebt. Das in Südfamerun „ösen“ genannte F. lemniscatus Zec. von Kamerun, Gabun, Ogomwe, Kongo und Angola traf Bates ebenjotwohl im gefchloffenen Hochtwald als in den Büjchen auf alten Kahljchlägen. Auch Keiter fand er oft: fie waren aus dürren Blättern und Bajtfajern zu einer vollfommenen Kugel geflochten. Ein jolches Neft, das ziwei Junge enthielt, Hatte gar feine fichtbave Offnung; die Mutter fchien diefe gejchloffen zu haben, als fie ihre Brut verließ. Das war im Februar, und in demfelben Monat brachten Bates feine Diener auch noch andere Junge, die jie gefunden hatten. Das Schnattern des „Dfen“ hört man am häufigften, es Hingt oft recht verjchieden. Die Eingeborenen drüden e3 jehr gut mit dem Worte „Nenge” aus, nur daß oft eine Silbe ichnell vielmal3 wiederholt wird, wie wenn ein Stotterer „Nenge” jagen till. — F. isa- bella Gray bejaß und beobachtete eine Zeitlang Pechuel-Loejche in Loango. Cr berichtet darüber: „Ein allerliebftes Hörnchen mit rojtgelbem Felle und zwei doppelten [chiwarzmweißen Seitenftreifen geziert, wurde mir einft lebend als Gejchenf gebracht. Die Leute nannten SMEaka. E3 fchien vollftändig erwachfen und hatte doch nur die Größe einer jtarfen Maus, Baumhörnhen: Afrikanische Arten. 5329 jo daß man e3 in der hohlen Hand bergen konnte. Binnen weniger Tage wurde e3 fo zahm, daß e3 jich fortan frei im Zimmer umhertummeln durfte. Mit fröhlichen, leifem ‚Taf, taf‘, das jedesmal von einem Wippen des breiten, bujchigen Schweifes begleitet wırzde, trieb e3 zu allen Stunden fein nedijches Spiel, war aber des Nachts weit reger als des Tage2. Seine Liebhabereien wechjelten außerordentlich rajch. Eine Zeitlang hodte e3 dann und wann, alle meine Bewegungen mit Fugen Augen verfolgend, fich pugend und fämmend, bejonder3 gern auf dem Tintenfalje; wenn ich die Feder eintauchte, prang e3 dann regel- mäßig auf meine Hand und beim Zurücziehen wieder auf den alten Plab; dann fand es meinen Kopf zum ©ibe geeignet, jpäter wieder einmal die Schulter, Froch dann auc) ins offene Hemd, in beliebige Tajchen, jo daß ich mich beim Aufftehen erjt immer überzeugen mußte, ob ich da3 winzige und manchmal eingejchlafene Tierchen nicht ivgendtvo bei mir hätte. Zur Schlafitelle Hatte ich ihm eine in ficherer Höhe angebrachte ausgehöhlte Adan- joniafrucht angewiejen. Dieje füllte e3 nun eifrig mit weichen Läppchen, Wattefloden und großen Wergbündeln, die e3 aus dem Zimmer meines Nachbars entführte und an einem als Leiter dienenden Stabe oder an der Schilfwand Hetternd Hinaufjchleppte. Das Einbringen der oft faum zu bemältigenden Majjen durch das enge Loch in der Fruchtichale machte ihm unendliche Mühe, aber von außen jchiebend, von innen ziehend, Tieß es nicht eher nach mit dem Ausfüttern des warmen Neftes, bis tatjächlich nicht3 mehr in den Hohlraum hineinzu= jtopfen ging. Bei aller emjigen Arbeit gab das niedfiche und ungemein reinliche Tierchen zeitweilig jein frohes ‚Taf, taf von fich oder Hüpfte auf einen Nuhepla und ftrich und fänmte Hurtig das in Unordnung geratene Kleid, namentlich die fangen Haare des Schtwanzes, und pußte das Fuge Köpfchen mit den großen, dunfeln Augen. Kaum war aber das weiche Kejt eine Woche benugt, jo begann e3 auch jchon wieder die mühjam hergeftellte Bolfterung auszuräumen und nach einem verlodenden Winkel am Bücherbrett zu fchaffen; nachdem diejer einige Zeit al® Schlafplaß gedient hatte, wurde ein drittes Neft in der Tajche eines zur ©eite meine3 Arbeitsjtuhles an der Wand hängenden Nodes angelegt. Dort fühlte es fich längere Zeit wohlgeborgen, und ich glaubte e8 endlich zur Ruhe gekommen. Al3 ich aber eine3 Tages meine der Ratten wegen mittel? einer am Dachbalfen befejtigten Schnur frei ihmwebenden Stniejtiefel anziehen wollte, fand ich einen davon zu einer neuen Wohnung ein- gerichtet und bis obenan mit Werg, Watte und Federn angefüllt. Da entdedte ich auch, daß der rajtloje Liebling allerlei glänzende und glatte Gegenjtände, wie e3 von Biejeln berichtet wird, zujammentrug: Zündhütchen, Batronenfapjeln, hellgefärbte Scherben und andere Dinge, darunter auch mein feit längerer Zeit vermißter Fingerhut, famen zum Borjchein. Segliches Futter: Früchte, Brot, Fleijch, Ei, war Mkafa recht, wurde artig aus der Hand genommen und in der Weije unferer Eichhörnchen verzehrt. Eine Zeitlang fahte das Tierchen eine mwunderliche Zuneigung zu meinem ebenfall3 frei lebenden Graupapagei, juchte in dejjen Nähe zu verweilen und vernachläfjigte mich bald gänzlich. ES necdte jich nicht mehr mit mir, ließ jich nicht mehr greifen und hätfcheln und wurde immer wilder, ohne indejjen bijjig zu fein. Eines Tages war es verfchwunden. Vermutlich ijt e3 troß feiner Gemwandtheit eine Beute der Ratten geworden.” Da3 Kleine Rotijchenfelhörnchen, F. pyrrhopus F. Cw., den „odön“, der nad) Tronejjart von Senegal über Liberia und Afchantiland bis zum Kongo reichen foll, jah Bates oft auf der Erde oder auf dem Fallholz umberlaufen; beim Lautgeben jtößt e3 immer nur einige wenige Silben hervor, etiva wie „Fa=pafa”. Much Büttifofer traf „Diejes zierliche Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 34 530 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Eichhörnchen ... mehr in Heinen Gehößen und Balmenbejtänden als im dichten Hochiwald. 63 baut fein Neft gern in die Achjeln der Blattftünpfe dicht an die Stämme der Olpalmen, etwa 6 Fuß vom Boden, aus Palmblattfafern gleichgültig zujammengeftellt. Jedes Neft enthält ztvei blinde Junge. In Liberia ift diejes Tierchen jtellenweije jo häufig, daß man e3 auf jeder Wafjerfahrt beobachtet. ES Hält fich dort mit Vorliebe in den Weinpalmen auf, die in dichten Beftänden die Ufer einfäumen, und verrät fich jtet3 durch jeine Stimme, die täufchend dem Zvitjchern eines Vogels ähnelt. Die blinden Neftjungen wurden mir häufig zum Kauf angeboten.” — Sehr ähnlich it daS weniger gemeine, oberjeits dunkle, unter- jeit3 oeferfarbige Gelbbauchhörncdhen, F. auriculatus Misch., daS der Bejchreiber Matjchie in feinen „Säugetieren des Togogebietes" für Bismardburg verzeichnet. — Das deutjch- oftafrifanifche, bis nach Südafrika reichende Zügelftrihhörncden, F. congicus Kuhl, hat je nach der Jahreszeit wechjelnde Färbung, hellen Ring um das Auge und von da zum Dhr zivei parallele helle Striche, ebenjo von der Schulter bis zum Hüftgelenk eine breite jweiße oder mweißgelbe Binde. Eine weitere rein afrifanische Baumbörnchengattung, Myrsilus T’hos., zeichnet fich Dur) langen Schwanz und an Protoxerus erinnernden Schädel aus. Das hierhergehörige HöH- lenbaumbhörnchen, M. aubinni Gray, das in Weitafrifa von Liberia bis zur Goldfüfte lebt, hat, nach Büttifofer, auch eine bemerkenswerte, in jeinem deutjchen Namen ausgedrücdte Lebenseigentümlichkeit. „Diejes Eichhorn wohnt, was ich an feiner der übrigen Arten be- obachtet, in Baumböhlen. Die Eingeborenen haben mich zuerjt darauf aufmerffam gemacht und fagen auch, es fei fein ‚squirrel‘ (Hörnchen), jondern eine ‚bush cat“ (Bujchfabe).” Die Gattung Heliosciurus Trt. enthält Urwald- und Steppenformen, Darunter einige befannte Arten. Das Notarmhörnchen, H. rufobrachiatus Wtrh., war jchon dor dem Erjcheinen von Matjchies „Säugetieren Deutjch-Dftafrifas” (189) aus Uganda und Kamirondo befannt und von Emin Bajcha, Stuhlmann und Oskar Baumann gejammelt. 63 Hat undeutlich gebänderten Schwanz, dunkle Ober- und helle, jchiwach behaarte Unterjeite, vojtrote Füße und ebenfolche Snnenfeite der Gliedmaßen. Sm Liberia ift diefe Art, nad) Büttifofer, die häufigite von allen und wurde an allen von ihm bejuchten Plägen gefunden. „Stellenmeije fam fie jo zahlreich vor, daß fie jeden Augenbli auf unferer Speijefarte figurierte.” Zeit- mweije ijt fie auch im Nagetierhaufe des Berliner Gartens vertreten und fällt Dann durch Die furzen, vımdlichen Ohren auf, die dem Eichhornfopf ein abmweichendes Gepräge geben. H. gambianus Og. hat undeutlich [chwarz und weiggrau gebänderten Schwanz. Sonit hat e3 graumelierten Nücden und bald mausgraue, bald rojtgraue Unterjeite. Die Füße jind immer jehmußiggrau, und danach fünnte man es Graufußhörnden nennen mit Matjchie, der Böhmfche Stüde aus Katomwa in der Landjchaft Ugunda füdlich von Tabora unterfuchte. Böhm fand das Tier „häufig im Bori, wo e3 fich ausgezeichnet zu verbergen ver- jteht, indem e3 ftetS auf der dem Jäger entgegengejebten Seite am Baume emporläuft und fich, wenn fein Aftloch oder fonftiger Zufluchtsort vorhanden ift, mit ausgejpreizten Beinen an den Stamm andrüct und fo infolge feines mit der Nindenfärbung übereinftimmenden Kolorit3 oft nur fehwer zu entdeden ijt. Angejchoffene verjuchen mit großer Energie immer wieder am Baum in die Höhe zu Klettern. Sehr lebenszäh. Zn Februar Weibchen mit zwei ziemlich ausgetragenen Embryonen, im Juli folche mit ftark angefchwollenen Zigen. An den Baumhörnchen: Smdiich- chinefifche Arten. sl Seiten de3 After3 zwei Drüfen, welche eine fcharfriechende Subjtanz abjondern. Scheint Vogeleier zu frejjen, da es vom Cliteriwitrger (Urolestes aequatorialis) verfolgt tird.” Den denkbar deutlichiten Hinweis, wie Baum- und Borftenhörnchen ineinander über- gehen, liefern die Gattungen Funambulus Zess., und Rhinosciurus Gray, namentlich leß- tere. Ganz überraschend auch in der Lebensweije. Der Name Rhinosciurus, der Najen- Hörnchen bedeutet, Früpft daran an, daß die Angehörigen diejer Gattung eine längere - Nafen- und Schnauzenpartie bejigen als die übrigen Eichhörnchen. Dadurch und durch gleiche Färbung werden fie ihren Landsleuten aus der Drdnung der Jnjektenfreijer, den Tupajas oder Spishörnchen, jehr ähnlich. Dem eigentlichen Najenhörnchen, Rh. laticaudatus Müll. Schl., von Matalfa und Borneo gibt der verlängerte Schnauzenteil des Kopfes ein jehr eigenartiges Ausjehen. Der Schädel unterjcheidet fich von dem aller übrigen Eichhörnchen durch feine Schmalheit, für einen Nager ungemein langgezogene Geftalt und bejonders durch die Yänge der Schnauze, die in der Hälfte ihrer Länge, von hinten gerechnet, ich verjchmälert und dann in gleicher Breite zu Ende läuft. Die Schneidezähne find jchwächer al3 bei den übrigen Eichhörnchen, die unteren fehr lang, ein wenig gekrümmt und ftarf nach vorn geneigt. Außerlich ift das Tier hell fuchjigrot ohne Zeichnung, und nur der dunkle, gelbgrau melierte Schwanz hat an der Wurzel einige undeutliche Duterringel. Die eigentümlich zwitterhafte Lebensweije der Najenhörnchen jchildern Müller und Schlegel an der am längjten befannten Stammart der Gruppe, dem roten, mit Drei [chiwarzen Längsftreifen über den Rüden gezeichneten Zar, Rh. insignis F. Cuv., von Walaffa, Su- matra, Java, Borneo. C3 Hlettert fchlecht und geht niemals auf jehr hohe Bäume, Hält fich vielmehr faft immer an oder dicht über der Erde auf, treibt fi) namentlich auf den um- geftürzten Stämmen herum, in deren Löchern und Spalten es auch jchläft und jeinen Sungen das Neft bereitet. Es ift ein jehr lebhaftes, ruhelojes Tierchen, daS bald Die Dürren Blätter am Boden durchichnüffelt, bald auf dem halbvermoderten Fallholze Hin und wieder ipringt. Im Wefen ift es jehr zutraulich und erinnert dadurch im einfamen Walde unmill- fürlich an unfer Rotkehlchen. Seine Nahrung befteht aus abgefallenen Früchten oder jolchen, die nahe über dem Erdboden hängen; bejonders die jaftigen, jharf aromatijchen Früchte der Eletteria-Atten liebt e3, die auf Java als PBiening, Honje und Tapocs bekannt jind. ES frißt aber auch Käfer und allerlei andere Infekten. Die Malaien der Wejtküjte Sumatras nennen e3 Toepeitanah, d.h. Erdhörnchen. Unter diefem Namen kennen e3, nach Horsfield, aud) die Savanen; dagegen haben Miller und Schlegel nie den Namen Ları) gehört; vielleicht it er ducch Mißverftändnis entjtanden, da larie „laufen“ bedeutet und das Tier ja in der Tat bejonders jchnell läuft. Bekannter ift die Hauptart der anderen Gattung, Funambulus Less., da3 PBalmen- hörnchen, F. palmarum Z. Auf dem Rüden braun gejprenfelt, ändert e3 von einem graulichen oder rötlichen Ton bis faft zu Schwarz ab, Hat aber immer drei gut ausgeprägte, weißlichgelbe oder blafrötliche Längsitreifen über den Rüden. Die Ohren find furz be- haart. E3 ift gemein durch ganz Indien (mit Ausnahme der Malabarküfte) und Ceylon, findet fi aber nur in den mehr offenen, angebauten Gegenden, namentlich in der Nähe menjc)- licher Wohnungen, nicht im dichten Walde. Hftlich geht es nicht über den Meerbufen von Bengalen hinaus, mwejtlich bis nach Sind und Balutjchiitan, ift dort aber jelten. Das Palmenhörnchen ift, nach Blanford, eines der gemeinjten und bejtbefannten Tiere 34* 532 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Smdiens und unter den wilden Tieren dort vielleicht daS zutraulichite. ES findet fich ganz gewöhnlich in Hainen, Gärten und Alleen, bejonders auf großen Bandyanen- und Pipal- bäumen, und wenn man e3 auch oft auf Balmen fieht, ijt e3 Doch nicht abhängig von diejen. Ebenjo gewöhnlich fieht man e8 auf der Erde um die Bäume herum feine Nahrung fuchen, aber nie weit tweg von diefen, und wenn e8 erjchrect wird, nimmt e3 jtet3 jeine Zuflucht ins Geztwveige. E3 bewohnt auch ganz gewöhnlich daS Dachgebälf und das Dachitroh der Häufer und fommt freiwillig in die Snnenräume hinein. Zahlteich auf bebautem Land und bei Häufern, fehlend im Wald, ift das Balmenhörnchen allem Anjchein nach ein ähnlicher „Mit- ejjer” in der Gefolgjchaft des Menjchen, wie Hausmaus, Haus- und Wanderratte e3 ficher find, und man fanıı eS vielleicht al3 die halb zum Haustier gewordene Abänderungsform des Dreiftreifenhörnchens (F. tristriatus Wirh.) erklären, das von Sikfim im Himalaja ducch ganz Indien, auch in Malabar, bis Ceylon die Wälder bewohnt. Die Nahrung bejteht, wie bei anderen Eichhörnchen, aus Sämereien, Früchten, Suofpen ujw. und, nach) MeMafter, auch Snfekten. Blanford jelbit Hat es fliegende Ter- miten frejjen jehen. MeMtafter bezweifelt, daß es Vogeleier zerjtört, aus dem jehr einleuch- tenden Grunde, weil ein Nefträuber in der Brutzeit große Aufregung unter den Heinen Bögeln erregen würde, mit denen das Balmenhörnchen auf bejtem Fuße lebt. Der Schrei ijt ein fchrilles Zirpen, ähnlich dem eines Vogels. Das Tierchen ift jehr leicht zu zähmen, teil e3 von vornherein fchon wenig oder gar feine Scheu vor den Menjchen hat. Das Weib- chen bringt, nach Zerdon, 2—4 Junge und baut ein rohes, großes Nejt aus Gras, Wolle und anderen Faferitoffen, die e3 haben Fann, im Baumgezmweige oder zumeileit auch in den Dachtraufen und dem Gebälf der Häufer. Die gleichfall3 indisch-malatifchen, faft mardergrogen Riefenhörndhen (Gattung Ratufa Gray) haben einen auf der Unterjeite furz behaarten Schwanz und oben nur vier Badzähne. Dem haben fie es zu verdanken, daß jie zu einer eigenen, jelbjtändigen Gattung erhoben find. Sonit find es, im Hußeren und im Leben, echte Baumhörnchen. Sie verbreiten jich über Vorderindien, Hinterindien und die Großen Sunda-njeln in etwa 40 Arten und Unterarten, durch deren Farbenabänderungen fie die Wandlungsfähigfeit des Eichhörnchen- felles jehr jchön veranjchaulichen. Bon unjerer Gattung find jo viele Berjchiedenheiten in der äußeren Erjcheinung nach Farbe und Zeichnung bejchrieben — Trouefjart erfennt allein 17 jelbftändige Arten an —, daß wir nur die beiden Formen des indiichen Riejenhörnchens ettvas näher betrachten fönnen, die man in den zoologijchen Gärten manchmal lebend fieht. Das ift vor allem das im Handel fo genannte Königs- oder Gewöhnliche Niejen- hörnchen, R. indica Erzl., Borderindiens. Die Färbung bejchreibt Blanford in feiner „Tierwelt Britifch- Indiens”: „das Not mehr oder weniger erjegt durch Schwarz auf Schul- tern, Mittel- und Unterrüden, Schenfeln und Schwanz; immer ein blajjes Band quer über den Scheitel, dicht vor den Ohren”. Die Unterjeite und einige bandartige Ausläufer an Kopf und Hal3 find mweißgelb gefärbt. Dhrpinfel vorhanden. Die Hinterindifch-malatischen Formen, deren befanntefter Vertreter der Jelarang, R. bicolor Sparrm. (Taf. „Nage- tiere XVII”, 1), von Java ist, haben feine Ohrpinfel und unterfcheiden fich jo leicht von den vorderindischen Formen, wie Wroughton Fürzlich gezeigt hat. Das Riefenhörnchen ift, nach Blanford, ein echtes Baumhörnchen, das nur felten auf die Erde herunterfommt und fich aus Zweigen und Blättern im Wipfel eines hohen Baumes ein großes Neft baut. Ein zahmes, das Sterndale hielt, machte jich auf mehreren Bäumen Nagetiere XVII. 1. Rieienhörnchen, Ratufa bicolor Sparrm. 1/5 nat. Gr., S:'S. 532. P. Kothe - Berlin phot. 2. Kapiiches Boritenhörnchen, Geosciurus capensis Kerr. L. Medland, F. Z. S. - Finchley, N., ‚phot. 3. Platanenhörnchen, Sciurus notatus Bodd. 1/4 nat. Gr., s. S.535. — W.P. Dando, F. Z. S.- London phot. 4. Goldbauchhörnchen, Sciurus aureogaster hypopyrrhus Wagt. 1/5 nat. Gr., s. S. 560. W.P. Dando, F.Z. S.-London phot. Baumhörnhen: Indifch-chinefifche Arten. 933 Neiter und konnte 20 Fuß (etwa 6 m) weit von einem Baume zum anderen fpringen. Das Niefenhörnchen ift zu allen Tagesitunden in Bewegung ıumd auf der Nahrungsjuche, aus- genommen etwa die heißejte Mittagszeit. Die Jungen bezeichnet Blanford als leicht zähm- bar, aber nicht jehr Hug und gelehrig. Diejen Eindrud Hatte man nicht, fondern eher den des Gegenteils, wenn man feinerzeit in einem großen Käfig des Dresdener Boologischen Gartens den Wärter bei feinen fünf KRiefenhörnchen jah, die oben ganz Schwarz, unten hellgelb waren, aljo wohl eine bejtimmte Farbenabänderung des bereit genannten Hinterindischen Yelarangs daritellten. Die aus- nehmend zahmen Tiere jagen dem Manne auf der Schulter, dem Stopfe und Fletterten ihm am ganzen Körper herum, jo daß jich immer eine Menge Zufchauer vor diefem anziehenden Bilde jammelten. E3 folgt nun der Kern der ganzen Gruppe der Baumhörnchen, die Stammgattung Sciurus Z., die in ihren zwölf Untergattungen die Fülle aller noch übrigen europäijch- aliatischen, nord= und füdamerifanischen Arten (bei Trouefjart 164 jelbitändige Arten ohne die Unterarten) enthält. Auch Hier wären zunächjt noch eine endloje Reihe hinterindijch- nalaiischer, über die ganze oftafiatiiche Snjelwelt und bis nad) China verbreiteter Arten zu verzeichnen. Wir können natürlich nur wenige nennen umd noch weniger näher jchildern. Unter diejen letteren verdient das Prevofts Eichhorn, S. prevosti Desm., un- bedingt den Vorrang als eines der jchönften Eichhörnchen überhaupt. Ganz furz gejagt, ilt es von oben nac) unten am Körper jchwarz-weiß-rot gefärbt, wie Die deutjche Flagge, und wird deshalb bei ung jehr bezeichnend auch Flaggenhörnchen genannt. ES verbreitet jic) mit zahlreichen Unterarten, die wieder eine Voritellung von der Abänderungsfülle unter den indischen Eichhörnchen geben, von der Halbinjel Malaffa über Sumatra und Borneo. Slüdlicherweije ijt es im Tierhandel nicht jelten und daher auch öfter in zoologijchen Gärten zu jehen. Sehr langlebig ift e3 da allerdings in der Regel nicht; im Berliner Garten gibt man ihm neuerdings viel Dbit, und anfcheinend hält es fich jeitven bejjer, hat ji) jogar fortgepflangt. &3 ijt ein jehr lebhaftes, mutiges Tierchen und, obwohl Kleiner als unjer Eich- horn, diejem im großen Stletterfäftg Doch unbedingt über. Manche der in Berlin gehaltenen wuchjen fich gegen ihre Gattungsverwandten zu jolhen Tyrannen aus, daß fie zeitweije zur Einzelhaft verurteilt werden mußten. Den Schlaffaften mit dem Jungen bewachten fie na- türlich aufs jchärfite; dorthin durfte fich fein Käfiggenofje auch nur in die Nähe wagen, und ebenjo war das unge bei feinen erjten Ausgängen ftetS von den ftreitbaren Alten umgeben. Sm Gegenjah zum Flaggenhörnchen fehr unfcheinbar gefärbt find zwei verwandte hinefische Arten, von denen neuerdings durch Kregyenberg und Filchner Tebendes und totes Daterial nach Berlin gelangt if. Das oberjeitS graue, unterjeitS rote Ningpo- hörncden, S. c. ningpoensis Bonh., eine Unterart des Roftbauchhörnchens, S. castaneo- ventris Gray, wurde dem Marinearzt Kreyenberg gebracht, al3 er mit einem Striegsjchiff im jogenannten Nimrodfund bei der mittelchinefifchen Stadt Ningpo lag. Diejer „Hans“ wurde jehr jchnell zahm. „Wenn ich am Schreibtisch faß”, erzählt Sireyenberg, „kam er herunter, nagte an dem Yederhalter in meiner Hand, lief auf meine Schulter, Inabberte liebfojend an meinem Ohr herum und machte jonft allerlei Mäschen. Sch fonnte ihn in die Hand nehmen, in die Tajche jteden, auch ihn Strafen; er machte wohl Abwehrbewegungen, biß auch wohl um jich, aber bif nie jo zu, daß es mir mwehgetan hätte. Nief ich ihn bei meinem Eintritt, fo 994 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. antwortete er mit einem eigentümlichen Schnarchlaut aus feinem Berjtedf heraus. Denjelben Laut gebrauchte er auch, um die Aufmerkfjamfeit auf fich zu lenfen, wenn er hungrig oder durjtig war... Bei einer jonderbaren Lederei ertappte ich ihn eines Tages.” Er hatte „eine Flajche mit einem von Militärärzten viel gebrauchtem DI” entforft „und jchlürfte nun, feine Heine Zunge wohl 2 cm in den Flajchenhals hineinfchiebend, das DI... Sein Neft hatte ex in einer Zigarrenfijte, in die er Watte, Zeugreite und dergleichen hineingejchleppt hatte.“ Styans Hörnchen, $. styani T%os., oben grau, unten gelblichiweiß, mit heller Schwanzjpige, wurde jowohl von Streyenberg als von dem Neifenden Filchner zwifchen Schanghai und Hanfau gejammelt. Auf dem VBogelmarkt der alten Chinejenjtadt Schanghai entdedte Streyenberg eine große Menge jolcher Eichhörnchen im Käfig und erfuhr, daß die Chinejen diejes Tier jchon lange zähmen. „Sn ihren did wattierten Slleidern tragen es die Kinder mit jich herum und jpielen damit.” SKreyenberg möchte jogar die Unterjchiede gegen da3 Chinahörnden, 8. chinensis Gray, auf dieje „Domeftifation” zurücführen, zumal ihm vom Berliner Wiujeum der eingejchiette Balg anfangs al3 „eine neue, noch nicht be= jcehriebene Eichhornform” bezeichnet worden war, „vie dem S. chinensis verwandt jei”. Das könnte man fich Höchitens als ein ähnliches Verhältnis wie ziwijchen Palmen- und Dreiftreifenhörnchen denken. Ebenfalls aus der Gattung Sciurus mag ferner eine Gruppe nahe verwandter hinter- indischer Eichhörnchen von braungrauer Grundfarbe und etwas verjchiedener Zeichnung hier Erwähnung finden, weil Thomas gelegentlich jeiner Bearbeitung Humejcher Sammlungen (Proc. Zool. Soc.“, 1886) die Berimandtjchaft der verjchtedenen Arten und die Entjtehung einer aus der anderen jehr geijtreich erklärt, und weil in diefer Gruppe — der einzige Fall bei Säugetieren — eine Art Hochzeitsfleid vorfommt. Schon Anderfon hatte e3 aus- gejprochen, daß man S. pygerythrus Js. Geoffr., caniceps Gray, phayrei Blyth, blanfordi Blyth, griseimanus 4. M.-E. faum als jelbjtändige Arten ftreng auseinanderhalten fünne, und Thomas findet auf Grund von nicht weniger als 70 unterjuchten Stüden fünf ver- jchtedene Formen heraus, die aber in verjchiedenem Grade ineinander übergehen. Zwei davon kommen in Nordtenajjerim bor, eine in Pegu und Oberburma, eine andere in Stanı- bodfcha und Kotjcehinchina und die fünfte in Sidtenafferim und Nordmalaffa. Ihre Be- ziehungen zueinander glaubt er nur durch die folgende Entjtehungsgejchichte einigermaßen verjtändlich machen zu fünnen. Die Stammart, die im Mittelpunfte der jetigen Berbrei- tung vorfam, mag wohl jo ausgejehen haben, wie das eigentliche Graufopfhörnchen S. caniceps don Nordtenafjerim im Sommer außerhalb der Fortpflanzungszeit Heute noch ausjieht: oben gelbgrau gejprenfelt und unten rein grau, Hals- und Numpfjeiten mehr oder weniger gelb getönt. Der Kampf ums Dajein mit feiner Zuchtiwahl nötigte dann zu reicherem Schmud, wenigjtens in der Fortpflanzungszeit, und dies wurde in den verjchiedenen Ver- breitungsbezirfen des Tieres auf verjchiedenen Wegen bewerfitelligt. Die nordweitlichen Stüde aus Burma und PBegu wurden unten jattgelb: Gelbbauchhörnchen, 8. pyg- erythrus; die öftlichen in tambodjcha uf. nahmen unten ein ftunpferes Gelb an mit weiß- lichen Füßen: Graufußhörnden, S. griseimanus. Unter beiden aber treten gelegent- (ich, jedenfalls durch NRüdjchlag, noch gewöhnliche, graubäuchige Stüde auf, z.B. in Pegu, Laos. GSitdmwärts, von Tavoy bis Malakfa, findet jich an Stelle des gelben Tones der Hals- und Rumpfjeiten ein jattes Orangerot, eine jehr hübjche Zierde für das Tier: Drange- hörnchen (8. concolor Blyth). Diefe drei Formen verändern ihre Farbe nach der Jahreszeit Baumdhörnchen: Imdisch= chinefische Arten. 535 nicht merklich. Dagegen hat bei der nächjten, die die Stammart von Nordtenajjerim in ihrer jeßigen Zorm darftellt, eine ganz verjchiedene Art von Schmud ‘Plab gegriffen, die nur während der Baarungszeit dauert: der Rüden wird dann brillant orangegelb, Seiten und Bauch bleiben jtumpfgrau: eigentliches Graufopfhörncdhen, 8. caniceps caniceps. Ferner, um die Sache noch zu veriwideln, hat die nordweitliche gelbbäuchige Form, das Gelbbauchhörnchen, jich [ud mwärts ausgebreitet und in das Gebiet des eigentlichen Graufopj- hörnchens übergegriffen. Da diejes aber jebt mit einem hoch ausgebildeten Farbenmechjel nach der Jahreszeit ausgeftattet war, wurde jenes zu noch weiterer Entwidelung jeines eigenen Farbenjchmudes getrieben und erivarb einen dunfeln braunen Streifen ziwijchen dem oberen Grau und dem unteren Gelb, der es jo Schön ausschmüct wie möglich. Das urjprüngliche graue Sraufopfhörnchen ift jo, abgejehen von dem jchmudlofen Sommterkleide der typischen Form, ganz ausgejtorben und durch jeine verjchtedenartig gezierten Nachkommen erjegt worden. Sn derjelben Arbeit wirft Thomas auch noch ein interejjantes Streiflicht auf Drei weitere hierhergehörige, Hinterindisch-malatische Eichhörnchenformen: Blatanenhörnden, S. notatus Bodd. (plantani; Taf. „Nagetiere XVII“, 3, bei ©. 533), Bindenhörnden, S. vittatus Raffl., und Schwarzbindenhörnchen, S. nigrovittatus Horsf., die zwar als Arten bejchrieben, aber faum auseinanderzuhalten jind. Unjer Forjcher war erjtaunt, als ex die Bälge geographijch ordnete, über das Borwiegen und die Lebhaftigfeit der roten Farbe am Bauche bei den nordmalaiischen Stüden im Vergleich mit den füolichen. Anderjeits fehlten wieder weiß- und gelbbäuchige Stüde in der Reihe vom Feitland im Gegenjaß zu denen aus Sumatra, Java und Borneo. Blauer Bauc) jcheint am häufigiten in der Gegend von Sohore zu fein. Bei den Snjeljtücen ift wieder das Rot, wenn e3 überhaupt da tft, in der Pegel blajjer und dürftiger im Ton; häufig wird es erjeßt durch Gelb, Weik oder, wie bei der Fejtlandreihe, durch Blau. Übrigens kann man noch andere nicht umgrenzbare Spiel- arten herausfinden, wie auch in jedem der gegebenen Gebiete jich Stüde finden, die zu mehreren der verjchiedenen Formen gerechnet werden müßten; ebenjo jind Übergänge durchaus nicht jelten. Notbäuchige Stüde Haben in allen Fällen auch rote Schwanzipiße, während dieje bei den weiß- und gelbbäuchigen geringelt ift twie der übrige Schwanz. Wenn man nach den Einflüfjen fragt, die diefe jehr bemerfenswerten Abänderungen verurjachen, jo will e8 fcheinen, als ob e8 eine Eigentümlichfeit der Säugetiere wäre, gelegentlich zur Erzeugung totgetönter Spielarten Hinzuneigen in ähnlich vegellojer Weije, wie die Weih- Iinge und Schwärzlinge auftreten. Die auffallende Tatjache, das alle die rotbäuchigen Stücke de3 Platanenhörnchens, aber nur dieje, rote Schwanzjpisen haben, ijt an jich jchon ein Zeichen, daß das Rot aus einem Einfluß zu erklären ift, der jich über den ganzen Störper des Tieres exjtrect, nicht nur eine Farbe, die aus Gründen der gejchlechtlichen oder allge- meinen Zuchtwahl an einem einzelnen Körperteil auftritt. Yon den Weißlingen und Schwärz- lingen ift e3 befannt, daß fie an manchen Dxten jehr viel häufiger find al3 andersiwo. Cbenjo jcheint num das, was wir Erythrismus, Rötling, nennen, in gewijjen Gebieten eine jolche Ausdehnung zu erreichen, daß die roten Stüde in der Mehrheit find. So beim Platanen- Hörnchen und Verwandten; dabei treten aber immer noch jolche nichtrote Nüdjchlagsformen auf, wie die blaubäuchigen Stüde, die man Schwarzbindenhörnchen genannt hat. Und dieje Erhthrismustheorie, fügt Thomas noch hinzu, gilt nicht nur für den vorliegenden Fall; e3 gibt vielmehr noch viele andere Beifpiele, bei welchen jich die vote Farbe als Artmerkmal äußerjt trügerifch erwiejen hat: das Rot der gewöhnlich rot gezeichneten Arten verjchtwindet 536 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. dann bei gewijjen Stüdfen auf unerflärliche Weife, während anderjeit$ wieder bei grauen Arten Fälle von roter Tönung durchaus nicht unbekannt find. Auf Weftjava erjegen jich, nach Shortridge, zwei hierhergehörige Arten in der Weije, daß 8. nigrovittatus Horsf. in den Bergwäldern, S. notatus Bodd. in den Kofospflanzungen der Ebene vorkommt. Hier wird leßteres durch Annagen der. Kokosnußjchalen jehr jchädlich, und die Eingeborenen fuchen e8 durch Blechkränze, die fie um die Stämme legen, bon ihren Bahnen abzuhalten. Die Bindenhörnchen, die ihren Namen von einem hellen, gelben, meijt auch noch) dunfel gefäumten Ceitenftreifen tragen, Fönnen jchon deshalb hier nicht ganz Üübergangen werden, weil es neben Riejen- und Prövofthörnchen diejenigen umter den indischen Arten find, die am häufigsten lebend nach Europa gelangen. Bu der eigentlichen Gattung Sciurus L. gehört auch unfer europäisches Eichhörnchen und die nächitverwandten aftatiichen Arten. Das Eichhorn, Eihfäschen, Sciurus vulgaris Z., einer von den wenigen Nagern, mit denen der Mensch fich befreundet Hat, troß mancher unangenehmen Eigenschaften ein gern gejehener Genofje im Zimmer, erjcheint jogar dem Dichter al3 eine anjprechende Geftalt. Dies fühlten fchon die Griechen heraus, denen wir den Namen zu danken haben, welcher jeßt in der Wifjenfchaft die Eichhörnchen bezeichnet. „Der mit vem Schwanze lid Schattende” bedeutet jener griechijche Name, und unmillfürlich muß jeder, der die Bedeutung des Wortes Sciurus fennt, an das lebhafte Tierchen denfen, wie e3 feinen präch- tigen Federjchweif fich über den Rüden fchlägt. Die Leibeslänge des Eichhorn3 beträgt etwa 25 cm, Die Schwanzlänge 20 cm, Die Höhe am Widerrift 10 cm und das Gewicht de erwachjenen Tieres etwas über Y, kg. Der Pelz ändert im Sommer und im Winter, im Norden und im Süden vielfach ab, und außerdem gibt e8 noch zufällige Ausartungen. m Sommer ift die Färbung oben bräun- Tichrot, an den Kopffeiten grau gemifcht, auf der Unterfeite vom Sinn an weiß, im Winter oberjeit3 brauntot mit graumweißem Haar untermifcht, unterjeit3 weiß, in Sibirien und Nord- europa aber häufig grau (Feb), ohne jede Spur von rotem Anflug, während der Sommerpelz dem ımferes Hörnchens ähnelt. Ahnliche Abänderungen bis ins Schwarze treten auch in den Gebirgen auf. Sehr felten find weiße oder gefledte Eichhörnchen, folche mit Halb oder ganz weißem Schwanze umd dergleichen. Am allerjeltenften ift aber wohl die umgefehrte Ausartung, daß auch der Bauch rot ift. Karl Soffel beobachtete ein jolches Eichhörnchen „in dem fehr ausgedehnten Waldbeitand des Gantfofels" (im Etjchtal, gegenüber Terlan). („Zool. Beobachter”, 1909.) Der Schwanz ift jehr bufchig und zweizeilig, das Ohr ziert ein Büfchel Ianger Haare, die Fußjohlen find nadt. Das Eichhörnchen ijt den Griechen und Spaniern ebenfogut bekannt wie den Eibiriern und Lappländern. Sein Verbreitungs- freiß reicht Durch ganz Europa und geht noch über den Ural hinweg durch das ganze jüd- liche Sibirien bi3 zum Mltat und nach Hinterafien. Cinige Einfchränfungen gibt e& aber doch. ©o fehlt das Tierchen, nach Mojjifopics, „in Sidungarn, in den herrlichen Forjten de3 Donaugebietes, auf weite Streden vollftändig”, und Satunin hebt in feiner gemeinverjtänd- lichen Überficht „Über die Eichhörnchen des ruffifchen Reiches" („Neue Baltiiche Waid- mannsblätter”, 1907) „zum äußeren Umriß der geographifchen Verbreitung des Eichhorn” hervor, „daß e8 in Kamtjchatfa, im Kaufafus und in der Krim fehlt”. Auch in Srland, das ja zufolge feiner geographifchen Vergangenheit überhaupt eine eigenartige abweichende Eichhorn. 937 Tier- und Pflanzenbevölferung zeigt, ift das Eichhorn nicht Heimijch gewefen, jondern erjt Anfang des 19. Jahrhunderts eingeführt worden. Das mweilen Barringtons eingehende Unterfuchungen in den „Scientific Proceedings“ der Royal Dublin Society, 1880, über- zeugend nach, und dort werden auch die zehn „BZentren” aufgezählt, von denen aus das Tier jich über die Snfel verbreitet Hat. Sn der alten irijchen Sprache und Literatur gibt eS gar fein eigenes, unzmweideutiges Wort für das Eichhorn; der erjte fachverjtändige Naturkundige des Landes, John Templeton, führt es in feinem „Statalog der irischen Wirbeltiere” vom Anfang vorigen Jahrhunderts nicht auf, und noch in den jechziger Jahren hielt das irische Bauerndolf die Heinen roten Bujchjichwänze für junge Füchfe, deren undermutete Stletter- fünfte das größte Staunen erregten. „Nachdem Büchner Arbeit (‚Über das Fehlen des Eihhörnchens im Kaufafus‘, 1889) erjchienen ist, wiljen wir, daß das Eichhorn in die Serim einfach deshalb nicht vom Saufafus Hingelangte, weil es in lebterer Gegend fehlt... Sr Samtjchatfa fehlt e3 am mwahrjcheinlichiten wohl deshalb, weil die Famtjchatkiiche Taiga (Hochwald) von der oftjibirischen durch Tundren getrennt it. Die Sidgrenze wird Dud) Die jüdlihe Grenze der Taiga bejtimmt, d.h. durch jene Gebirge, welche die jibirijchen Tief- ebenen von dem innerafiatiichen Hochlande fcheiden, reicht aber im Dften viel weiter nad) Süden, da das Eichhorn auch in den Wäldern des nördlichen Teiles von China angetroffen wird.” (Satunin.) Heute ift die Überzeugung wieder allgemein durchgedrungen, daß man e3 auf diefem ungeheuren Berbreitungsgebiete mit einer ganzen Anzahl jehr wohl unterjchiedener Arten und Unterarten zu tun hat. Wo fo verjchievene Himatijche und andere Einflüjje auf ein Säugetier einwirken wie in England und Rußland, in Lappland und Griechenland, da müfjen fich verfchiedene geographifche Formen ausprägen, und die älteren Shitematifer hatten folche auch beim Eichhorn längft richtig erfannt. Der gröbiten Zarbenabänderung zivar, der Ausartung ind Schwarze, fanın man an fich feinen Wert für die Shitematik bei- mejjen; doch glaubt man auch bei ihr an eine gewilje Einwirkung der äußeren Lebens- umjtände des Tieres, da Schwarze Eichhörnchen erfahrungsmäßig im Gebirge — und de3- halb auch im Nadelwalde — ungleich häufiger find aß in der Ebene und im Laubmwalde. Wir haben fie aljo wohl al3 eine Standortsparietät aufzufalien, die, von der Geographie unabhängig, in jedem geographijchen Gebiete an landichaftlich oder fonjtwie geeigneten Stellen auftreten fann. Allem Anfchein nach neigen aber die verschiedenen geographijchen Formen des Eichhorns in verjchiedenem Grade zur Schwarzfärbung, und jo fpielt Dieje Ichließlich Doch wieder auch in der Syitematif eine Rolle. Bir fünnen auf die jpeziellere Syftematik und Geographie der europäijch-afiattichen Formen unferes Eichhörnchens, in Die ganz neuerdings umfafjend auch der Amerikaner Gerrit Miller eingegriffen Hat, hier natürlich nicht eingehen, fo interejjante Gejichtspuntte fie gerade in diefem Falle dem Forfcher auch bieten mag für die Beeinflufjung eines Tieres durch feine Nahrung und fonftige Lebensumstände. ©o fragt fchon Der deutjch-rujjiiche Naturforicher v. Mindendorsf bei Betrachtung der grauen fibirifchen Eichhornfornen: „Sit e3 in der Tat die ölige reichliche Nahrung an den Zimbernüfjen (von der Are oder Birbel- tiefer), der wir dieje Dunkfelung zur Laft legen dürfen? Gleichivie Singvögel (Dompfaffen und Stiegliße) endlich einfarbig jchwarz werden, wer man fie mit öligem Gejäme ernährt?“ Und der Tivländiiche Beobachter dv. Löwis bringt noch eine bejondere Auffajjung in die Sache hinein, die, obwohl fonjt in der Naturgefchichte des Eichhörnchens unerhört, Doch jo bejtimmt ausgejprochen und belegt wird, daß mir jte hier wenigitens anführen möchten. 998 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Er behauptet, in feiner Heimat bereit3 auf dem Baume das Weibchen vom Männchen an der Farbe mit Sicherheit unterjcheiden zu fönnen, weil namentlich im Winterfleide das Weib- chen heller grau gefärbt jei mit vötlichen Ohren und fuchsrotem Schwanz, das Männchen aber ein dumfleres, jchöneres Haarkleid mit jchwarzbraunen Ohren und langhaarigem, ihwärzlichem Schwanze trage („Zool. Garten“, 1879, 1880, 1884). — Vir können nur furz mitteilen, daß jehon Kerr 1792 in feinem „Animal Kingdom“ von dem eigentlichen Sciurus vulgaris Z., dem Eichhörnchen Linnes, das jich, wie jo viele Linnejche Arten, nachträglich jeine Heimat auf Südnorwegen und Schweden bejchränfen lafjen muß, jchon mehrere Unterarten unterjchied, neben dem englijchen und mitteleuropätjchen, von dem aber das oftpreußiiche auszunehmen ift, bejonders das nordijche (8. v. varius Kerr) aus Nord- Ifandinavien, Lappland, Nord- und Mittelrußland, DOftpreußen, Polen, Teilen von Ungarn und Weftfibirien, das im Winter mehr oder weniger vollitändig hellgrau wird, Rot nur an den Ohrpinjen behält und jo zu dem rufjifch-afiatifchen, für PBelzyandel und -induftrie jo grundlegend wichtigen Feh überleitet. Auch unfer großer Foritzoolog Altum unterjchied jchon dieje oftpreußifchen „Heinen, dicföpfigen, an Ohren und Schwanz auffallend Ianghaarigen Sbenhoriter Eremplare... Sie jind das eh oder Graumwerf der geringiten Qualität.” Hier jchließt nun Satunin faft mit denjelben Worten an: „Die jchlechtejte Sorte Eichhornfelle bildet die jogenannte Syrjanfa aus dem ganzen Wologdaer Goudernement, auch aus dem Dlonezer, Acchangelichen, Wjatfajchen, Permer und Stajaner Gouvernement. Die Farbe des Winterfelles ift Hellgrau mit Beimifchung einer geringen Nöte auf dem Kreuz. Je weiter wir nach Norden vorrüden und nach Dften, dejto bejjer wird die Shrjanfa... Ein gemeinjames Merkmal aller Transbaifal-Eichhörnchen bilden die jchwarzen Füße, der ihwarze Schwanz und das jehr dunkle Pelzwerf.“ Die vielen verschiedenen Eichhörnchenjorten, die der rufjiiche Pelzyandel unterjcheidet, jind das denkbar lehrreichite Schulbeijpiel dafür, wie weit die Abänderung nach engerer Heimat und Ortlichkeit bei ein und demjelben Tiere gehen fan. Und der Pelzhandel ijt dafür der allerunverdächtigite Zeuge, weil ihn wahrhaftig feine fyjtematiiche Spikfindig- feit und Speziesmacherei, jondern einfach die triftige Rüdjicht auf den Geldbeutel die Eichhörnchenfelle unterjcheiden gelehrt hat. Die Wijjenjchaft muß aber aus diejer Tat- jache ihre Folgerungen ziehen; denn „der Umjtand, daß zwifchen allen Varietäten der Färbung der Eichhörnchen Übergänge eriftieren”, erklärt Satunin ganz unziveideutig, „Darf heutigentage3 fein Hindernis bei der Aufjtellung von geographijchen Nafjen bilden. m Gegenteil jehen wir fchon aus der Überficht der Eichhornfelljorten, daß dieje Variationen richt unordentlich durcheinandergemengt find, fondern daß jede Sorte einem bejtimmten Gebiete entjpricht.” Beim Berjuch, eine Erklärung zu geben oder wenigjtens die äußeren Begleitumftände zu veranjchaulichen, ftüßt jich Satunin auf den deutjchen Sibirienreijenden Nadde. Die Erklärung fommt, wie oben nach dv. Schrend und Middendorff jchon an- gedeutet, auf den Wechjel im Wald-, hier bejonders im Navelholzbeitande und mehr noc) in der Luftfeuchtigkeit, hinaus. Auf den jüdlichen Ausläufern des Sajangebirges herrjcht die Lärche vor, und das Winterfleid des Eichhorns it „hellgrau mit einer Beimijchung vötlichen Anfluges”. Sm „jüdmwejtlichen Winfel des Baikaljees, wo die Gegend bergiger und bejjer bewäjjert it, und wo die Bergwälder von Der Zeder (Zirbelfiefer) gebildet werden, werden die Eichhornfelle dunkler”. Am Dftufer des Baikaljees, in der Umgebung der Selenga, herrjcht die Sliefer vor, „und zugleich verändert fich die Zahl der erbeuteten Eichhörnchen”; auch die Qualität jinft. Überjchreiten wir die Wafjerjcheide des Jenifjei Eichhorn: Geographie Formen. Nefter. 399 und Amur, d.h. jteigen wir auf die Südausläufer des Jablonoi- und Stanomwoigebirges, jo begegnen wir wieder den Pelztieren überhaupt und auch dem Eichhorn; alle zeichnen jich durch dunfle Färbung aus. „Zugleich Fann nicht unbemerft bleiben, daß dieje Gegend einerjeitS bejjer bemwäjjert ift al3 die an der Gelenga, anderjeits hier in Majje unter den Bäumen die Zirbelfiefer vorkommt.” Dagegen fallen in Daurien, „wo unter den Bäumen oft Lärche und Birfe auftreten, ... auf je 100 Felle 15— 20 mit ftarfer Nöte”. Jm Bureja- gebirge und Ufjurigebiet „wieder dunkle Eichhörnchen”. Das Transfaufafiihe Eichhörnchen, Sciurus anomalus Güld., it dadurch als jelbjtändige Art gut abgegrenzt, „Daß in der ganzen Ausdehnung des nördlichen Kaufafus und auf den Nordabhängen des Staufajus feine Eichhörnchen vorfommen. Ebenjo fehlt das Eichhorn auch im Schwarzmeerufergebiet im Niontal... Sicher ilt das faufafische Eichhorn bis jeßt nur im Buchengürtel des Südabhanges des Dftteil3 des Gebirges und im Stleinen Kaufafus (Meichi- und Handjcha-ftamm) gefunden worden... Die Zarbe der Oberjeite des Numpfes und der Hinterjeite der Hinterertremitäten ijt graulichhraun; der Vorderteil des Kopfes, die Seiten und die Außenjeiten der Ertremitäten rötlich fuchjtg; die Unterjeite und die Snnenjeiten der Extremitäten hell fuchsrot. Der Schwanz ift oben grell brauntot, unten auf der Mittellinie graulich; Ohrpinfel fehlen; Strallen weiß.” Farbenabänderungen nad) der Zahreszeit fommen nicht vor. Wo bei uns jich Bäume finden, und zumal wo jich die Bäume zum Walde einen, fehlt da3 Eichhorn ficher nicht; aber e3 ijt nicht überall und auch nicht in allen Jahren gleich Häufig. Hodhitämmige, trodene und jchattige Wälder bilden feine bevorzugtejten Aufenthaltspläge; Käjfe und Sonnenfchein jind ihm gleich zumwider. Während der Neife des Objtes und der Küfje bejucht es die Gärten des Dorfes, doch nur dann, wenn jich vom Walde aus eine Ber- bindung durch Feldhölzchen oder wenigjtens Gebüjche findet. Da, wo viele Fichten- und Kiefernzapfen reifen, jebt es jich feit und erbaut jich eine oder mehrere Wohnungen, gewöhn- ih in alten Krähenhoriten, die e3 Fünftlich herrichtet. Zu fürzerem Aufenthalte benußt es verlafjene Elitern-, Strähen- und Raubvogelhorite, wie jte jind; die Wohnungen aber, die zur Nachtherberge, zum Schuge gegen üble Witterung und zum Wochenbett des Weibchens dienen, werden ganz neu erbaut, obwohl oft aus den von Bögeln zujammengetragenen Stoffen. Höhlungen in Bäumen werden ebenfalls von ihm bejucht und unter Umständen auch ausgebaut. Dadurch jtört und vertreibt es die Höhlenbrütenden Vögel, die ohnehin in ihren Nijtgelegenheiten heutzutage jo bejchräntt find. Seydel, ein pafjtonierter Eichhornjäger und -beobachter, konnte fejtjtellen, daß die Zahl der Höhlenbrüter, überhaupt der Vögel, ganz erheblich zunahm, als die Eichfagen dezimiert wurden. So vermehrte jich die Hohltaube, die früher fast gar nicht mehr vertreten war, erfreulicherweije ziemlich jtark („Weidwerk t. Wort u. Bild”, 15. Oftober 1909). Die freien Nejter jtehen gewöhnlich in einer Zwiejel dicht an dem Hauptjtamme des Baumes; ihr Boden ift gebaut wie der eines größeren Vogelnejtes, oben aber deckt fie nach Art der Elfternneiter ein flaches, fegelfürniges Dach, dicht genug, um das Eindringen des Negens zu verhindern. Der Haupteingang ijt abwärts gerichtet, gemöhn- lich nach Morgen hin; ein etiva3 Hleineres Fluchtloch befindet fich dicht amı Stamm. Yartes Moos bildet im Inneren ringsum ein weiches Boljter. Der Außenteil bejteht aus Dünneren und dieferen Neifern, die Durcheinander gejchränft wurden. Den fejten, mit Erde und Lehm ausgeflebten Boden eines verlafjenen Krähennejtes benußt das Hörnchen bejonders gern zur 940 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Grundlage de3 feinigen. Noch genaueren Einbfid in die Art und Weife, wie das Eichhorn feine Nejter baut und verwendet, haben wir durch meitfäliiche FZorjceher erhalten. Schon Zandois Spricht in „Weftfalens Tierleben” von „einer aus feinen Gräjern verfertigten, Funftvollen Schließflappe”, und Wemer unterjcheidet vier Nejtarten: 1) Zufluchtsnefter oder Luftnefter (in den äußerften „Zweigen der Birken, Eichen, Buchen ujtv., aus Zaub mit etwas Moospoliterumg); 2) Notnefter (fejter gebaut, aus Laub, Moos, Gras, in den Ajtgabeln der Fichten, Tannen, Eichen, zur Aufnahme der Jungen, wenn das Hauptneft nicht mehr ficher it); 3) Hauptmefter (die Geburtzftätten der Jungen, immer in Witgabeln, an den Stamm gejchmiegt, jo daß das Nejt nicht erjchüttert wird, wenn der Sturm dircch die Zweige fährt, oder in hohlen Bäumen oder fogar auf der Erde in Heide- Fraut, überdeckt vom Zweig einer Fichte); 4) Fangnefter mit einem großen Eingangsloch, Ziwifchenwand und in Diejer einer Klappe („Yahr. Ber. Zool. Geft. Weftfäl. Prov. Verein f. Wiff. md Kunft“, 1903). Wemer jah Ende Februar bei 3° Kälte gegen Abend das Eich- Hörnchen platt auf dem Afte liegen, an dejjen Außenende fich das Neft befand. Zwei Gold- Hähnchen flogen hinein, das Eichhörnchen folgte, und man hörte ein Furzes Angitgejchrei. Am anderen Morgen früh [hoß Wemer das Eichhörnchen und unterfuchte das Nejt: Dieje3 enthielt die Goldhähnchenfedern, und der Mageninhalt ftellte außer allen Zweifel, wo Die Bögelchen geblieben waren. Über das Hauptneft mit der Schliegflappe Tiefert Meyer-Dffenbach noch ergänzende Einzelangaben („Zool. Garten”, 1873 und 1874). „CS war fo fchön gebaut wie Das Weit irgend- eines unjerer neftbauenden Vögel, und was mein größtes Erftaunen erregte, war der zum Neite führende Eingang, der fo gut verjchlofjen tar, daß der junge Mann, ohne eine Ahnung zu haben, daß e3 Zunge enthielt, das Neft vom Baume heftig auf den Boden herabmwarf, ohne daß die Jungen durch die Erfchlütterung im geringten bejchädigt wurden. Das Nejt hat eine ziemlich breite, nach oben Halbmondförmige Klappe, wie fie fein einziger unjerer neftkünit- ferifchen Vögel baut.” Dieje „befteht aus äußerft zarten und feinen Hälmchen und Blätt- chen von Waldgräfern, zroifchen denen nur ehr wenig Moos ift, und unterjcheivet jich da- durch fchon auf den erften Blick von den übrigen Teilen des Neftes... Die Tiere müfjen mit den Krallen ihrer Pfoten diefen fonderbaren Eingang öffnen und wieder zuziehen.” Das muntere Eichhörnchen ift unftreitig eine der Hauptzierden unferer Wälder. Bei ruhigem, heiterem Wetter bewegt e3 fich ununterbrochen, und ztvar foviel wie möglich auf den Bäumen, die ihm zu allen Zeiten Nahrung und Obdacdh bieten. Manchmal fteigt e3 gemächlich an einem Stamme herab, läuft bis zu einem zweiten Baume und Flettert wieder an diefem empor; aber wenn e3 will, braucht e3 den Boden gar nicht zu berühren. Nur jehr wenig Säugetiere dürfte e8 geben, die immerwährend fo munter find und jo furze Zeit auf ein und derjelben Stelle verharren, mie das Eichhörnchen bei leidlicher Witterung. DBe- itändig geht e8 von Baum zu Baum, von Krone zu Krone, von Zweig zu Zweig; jelbit auf der Exde ijt e8 nicht weniger al3 fremd und unbehende. Niemals läuft es im Schritt oder Trab, fondern immer hüpft e8 in größeren oder Hleineren Sprüngen vorwärts, und zwar [0 schnell, daß ein Hund Mühe hat, e3 einzuholen, und ein Mann fchon nad) nzem Laufe feine Verfolgung aufgeben muß. Mllein feine wahre Gemwandtheit zeigt fich doch exit im Stlettern. Mit unglaublicher Sicherheit und Schnelligkeit rutjcht e8 an den Baumfjtämmen empor, auch an den glätteften. Die langen, fcharfen Krallen an den fingerartigen Zehen leijten ihm dabei vortreffliche Dienfte. E3 häfelt fich in die Baumrinde ein, und zwar immer mit allen bier Füßen zugleich. Dann nimmt e3 einen neuen Anlauf zum Sprunge und jchießt weiter Eihhorn: Nefter. Freileben. Nahrung. 941 . nach oben; aber ein Sprung folgt jo jchnell auf Den anderen, daß das Emporfteigen in ununter- brochener Folge vor fich geht und ausfieht, alS qleite das Tier an dem Stamme in die Höhe. Gewöhnlich jteigt es, ohne abzujegen, bis in die Krone des Baumes, nicht jelten bis zum Wipfel empor; dort läuft e3 dann auf irgendeinem der wagerechten Äfte hinaus und jpringt gewöhnlich nach der Spite des Altes eines anderen Baumes hinüber, über Ziijchenräume bon 4—5 m, immer bon oben nach unten. Wie notivendig ihm die zweizeilig behaarte Fahrıe zum Springen ijt, Hat man durch graujame Verjuche erprobt, indem man gefangenen Eich- börnchen den Schwanz abjchlug: man bemerkte dann, daß das verjtümmelte Gejchöpf nicht halb jo weit mehr jpringen fonnte. Obgleich die Pfoten des Eichhorns nicht dasjelbe leijten fünnen tie die Affenhände, find fie Doch immerhin noch wohl geeignet, das Tier auch auf dem fchwanfendjten Ziveige zu befeitigen, und es ijt viel zu gejchidt, al3 daß es jemals einen Tehliprung täte oder von einem Wite, den e3 jich auserwählt, herabfiele. Sobald es die äußerjte Spibe des Ziveiges erreicht, faßt es ie jo jchnell und feit, daß das Schiwanfen des Bweiges es nicht gefährdet, und läuft num mit jeiner anmutigen Öemwandtheit äußerit rajch wieder dem Stamme de3 zweiten Baumes zu. Auch das Schwimmen verjteht e3 vortref- lich, obgleich e3 nicht gern ins Wafjer geht. Um jo mehr ift der Mut zu bewundern, mit dem Ddiejer Baumkletterer im Notfalle fich auch ins Wajjer jtürzt, und die Gemandtheit, mit der er jich darin bewegt. Cinige gutbelegte Einzelbeobachtungen mögen dies veranjchau- fihen. Zucor3-Stettin berichtet („Diich. Zägerztg.", 1907): Em Eichhörnchen Hatte jich „in die Straße meines Heimatjtädtchens verirrt und wurde nun ... von der Straßenjugend hart verfolgt. In feiner Bedrängnis erfletterte es den Majt eines Boote, das am Ufer des nahen Flujjes lag, jprang von der Spibe des Wajtes in füihnem Sabe in die Fluten und durch- ihwanmm den an diejer Stelle rund 20 m breiten Fluß mit ganz erjtaunlicher Schnelligkeit und Gemwandtheit, um am anderen Ufer in den Bäumen und Büfchen ... zu verjfchiwinden.“ v. Mojjifovics berichtet von einem jchwarzen Eichhörnchen, das don dem Foritinjpeftor Starzyfowifi in Darda „mitten auf der fließenden Drau“ betroffen wurde, als e3 — an- icheinend ganz freiwillig — vom Iinfen zum rechten Ufer, aljo von Ungarn nach Slamvonien hinüberfchwamm. „Das Tierchen jhwamm vorzüglich und zeigte gar feine Ermüdung.” Bei feiner Beweglichkeit ijt es erklärlich, daß das Eichhorn nicht fett wird. Seydel, der fchon genannte Spezialbeobachter, bemerkt dazu: „Wohl infolge der jehr bedeutenden Musfelanftrengung, die e3 hierbei und überhaupt bei feiner Xebensmweije entfalten muß, jebt das Eichhorn nicht das geringjte Fett an; wenigitens habe ich bei ihm in allen Jahre3- zeiten und den verjchiedenften Lebensaltern auch nicht die geringjte Spur davon gefunden.“ Wenn das Hörnchen fich ungeftört weiß, jucht e3 bei jeinen Streifereien bejtändig nach) fung. Jenach der Jahreszeit genieft es Früchte oder Sämereien, Sinojpen, Zweige, Scha- len, Beeren, Körner und Pilze. Tannen>, Siefern- und Fichtenfamen, Sinojpen und junge Triebe bleiben wohl der Hauptteil feiner Nahrung. 3 beißt die Zapfen unjerer Nadel- holzbäume am GStiele ab, jett jich behäbig auf die Hinterläufe, erhebt den Zapfen mit den Borderfüßen zum Munde, dreht ihn ununterbrochen herum und beißt nun mit jeinen bor- trefflichen Zähnen ein Blättchen nach dem anderen ab, bis der Kern zum Borjchein fommt, den e3 dann mit der Zunge aufnimmt und in den Mund führt. Bittere Sterne, wie 3. B. Mandeln, find ihm Gift: zwei bittere Mandeln reichen hin, um e8 umzubringen. Außer den Samen und Kernen frißt das Eichhorn Heidel- wie Preijelbeerblätter und Schmwämme, auch Trüffeln. Das berichtet jchon Tjehudi, und neuerdings ijt darüber eine ganze Literatur angemwachjen, zu der Helm-Dresden, Noll-Frankfurt a. M., Hartiwig- Berlin, Liebe-Gera, 542 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Altum-Eberswalde mit Beobachtungen aus dem fächjifchen Vogtlande, vom Mittelrhein, aus den Bergwähßern DOftthüringens und dem Franfenmwald, dem Berliner Tiergarten und der Mark Brandenburg beigetragen haben. Daraus ergibt jich, daß unfjer Eichhörnchen nicht nur berjchiedene eßbare oder wenigjtens unfchädliche Bilze frißt, die Hirjchtrüffel, ven Steinpilz, den Speifetäubling, jondern auch an Giftpilzen ohne Schaden nafcht, wie dem roten Fliegen- pilz und dem noch fchärfer, pfefferiger jchmedenden Birfenreizfer; ferner: daß es die Pilze vielfach auf die Bäume fchleppt und fie da auf diirre, abgebrochene Zweige jpießt oder zwijchen Gabeläfte einklemmt zur größten VBerwunderung des Unkundigen, der fich nicht er- Hären fann, wie fie dahin fommen. Dasjelbe fand Radde in ven Waldungen Sipojtjibiriens. Das Tierchen folgt dabei natürlich nur feinem ausgeprägten Sammeltriebe, dem e3 mit den großen Hutpilzen namentlich nicht gut anders genügen Tann. Aus Früchten macht es jich nichts, Schält im Gegenteil das ganze Fleifch von Birnen und Ipfeln ab, um zu den Sternen zu gelangen. Dagegen frißt es von den fruchtähnlich ausfehenden Gallen, nach Altum 3. B. der Pappelitielgalle, wirklich die Gallenwände und nicht etwa die eingejchlojfenen Wolläufe, jvie die Magenunterjuchung bewies. Das Gegenteil wird von den Gallen der Fichtenrinden- laus, die e$ an den Triebjpigen öfter verbeißt, behauptet und wieder bejtritten. Sicher ilt, daß das Eichhörnchen die forjtichädlichen Snfekten gelegentlich vertilgen hilft, und da es fich allem Anfcheine nach mitunter nur von jolchen nährt, jo fann es zu Fraßzeiten ausnahmsweije jogar nüglich werden. So erlegte im Jahre 1902 der damalige jächfische Forftafjeilor Jordan-Großmweisjchen bei einem außerordentlich jtarfen und beängiti- genden Fraße der Fichtenblattivejpe (Lyda hypotrophica) in den erzgebirgischen Nevieren des Bärenfeljer Forjtbezirts3 mehrere Eichhörnchen, deren Magen „vollgepfropft war mit ausgejogenen Häuten der Blattiwejpenraupen. Der Nager jchien alfo in jener Jahreszeit (Ende Auguft) nur von diefen Raupen jich zu nähren; denn ich fonnte troß eifrigen Suchens andere Speijerejte nicht feititellen”. Und der königliche Forjtaufjeher Hoberg, Forjthaus Hardtburg, hatte „Gelegenheit, ein Eichhörnchen zu beobachten, da3 nacheinander vier vom Widler jtark befallene Eichenfronen nac) diejem Jnjekt abjuchte, die gemwidelten Blätter auf- tollte und die Raupen verzehrte... Ych Fand im Magen und im Darmkfanal nichts anderes als einen mit Taufenden von Naupenköpfchen durchjegten Brei, woraus ich jchliegen Fonnte, daß das Tierchen wohl Tage lang feine andere Nahrung zu fich genommen hatte. Der Leib war auffallend did und der Balg fledig und unfchön.” („Dijch. Zägerztg.”, 1908.) Ganz neuerdings ift das Eichhorn durch mehrere Mitteilungen mit vollem Namen genannter, glaub- würdiger Beobachter an unjere SJagdzeitungen auch als Plünderer der Ameijenhaufen und Liebhaber der Ameifeneier, bejjer gejagt, -puppen, feitgejtellt worden. Man jieht mit dem Jagpdalas, wie ihm die Speije munDdet, wie e3 jich aber von Zeit zu Zeit aufrichten muß, um die ihm über den Kopf laufenden Ameijen mit den Borderläufen abzujtreifen. (Georg Brandenburg in „Dtjch. Zägerztg.”, 1912.) Leider ijt das Eichhorn ein großer Freund von Ciern, plündert alle Nejter, die e3 bei jeinen Streifereien auffindet, und verjchont ebenjowenig junge Vögel, wagt jich jogar an alte: Lenz Hat einem Eichhorn eine alte Drojjel abgejagt, die nicht etwa lahm, fondern jo fräftig war, daß fie fogleich nach ihrer Befreiung weit wegflog, und andere Beobachter haben den meilt al3 harmlos und unschuldig angejehenen Nager als mordfüchtigen Räuber fennen gelernt, der fein Kleineres Wirbeltier verjchont: Schacht fand jogar einen Maulwurf im Weite eines Eichhorns, und ein Beobachter T. erzählt in „Wild und Hund“, wie er einen Stampf zwilchen Wiejel und Eichhorn mit angejehen hat, bei dem das Eichhorn dem Wiejel eine Eihhorn: Nahrung Nuben, Schaden). 943 joeben im Sprunge erhafchte Goldammer mwenigitens 5 Minuten lang abzujagen juchte. Sm Garten des Nentners Erl in Wafjerburg am Inn nahm ein Eichhörnchen vor den Augen einer Dachsbrade eine Eidechje vom Boden auf und verjchwand damit in den Zweigen eines Baumes („Dtjch. Sägerzta.“, 1911). Altum widmet der foritlichen Bedeutung des Eichhörnchens beinahe 30 Seiten feines maßgebenden Werkes mit vielen Abbildungen von Fraßjtücden und findet das Tier „als - Nager fo vieljeitig und jo jchädlich, daß es in diejer Hinjicht unter allen unjeren einheimijchen Säugetieren, zumal da e3 außerdem ebenjo häufig als allgemein verbreitet bei ung auftritt, die exjte Stelle einnimmt”. Das Eichhorn it, von den Snjekten abgejehen, der jchlimmite Forftichädling von allen! Angejichts der „von feinem anderen Tiere erreichten Bieljeitigkeit jeiner Zerftörungen” einen Überblid zu gewinnen, muß Altum jchon „einzelne Rubrifen“ einrichten: Baumjämereien, Baumfnojpen, Triebe, Rinde. „Ohne Zweifel bilden die Wald- jümereien, und zwar die von harter Schale oder andermweitiger härterer Hülle bededten Samen jeine eigentliche, urjprüngliche Nahrung. Wo dieje nicht vorhanden find, da fehlen auch die Eichhörnchen; wo jte fich in ausreichender Menge finden, da werden fie vom erjten Anfang ihrer beginnenden Neife, ja oft jchon früher, fort und fort von unjerem Nager ge- zehntet. Db fie Laub- vderNiadelhölzern angehören, ob jie nach unjerem Urteil jüß oder bitter ichmeden, fcheint fait völlig gleichgültig... So nährt es jich da3 ganze Jahr hindurch, jo- lange ihm diefe Sämereien geboten und zugänglich find. Übel fpielt e3 den Nadelholzzapfen mit, deren Schuppen e3 nad) den Samen zernagt. Der Boden unter den Samenbäumen it dann oft völlig bedeckt mit diefen Schuppenftüden und den mehr oder weniger entblößten Spindeln.” Ein Anblid, den jeder einigermaßen aufmerkjame Waldjpaziergänger jchon oft gehabt hat. „In wahrhaft verwüjtender Wetje tritt das Eichhorn jo in allen unferen Fichten- tevieren auf, und auc) die einzelnen Fichtenhorite, jogar die einzelnen Fichten in Parken und Anlagen weiß es zum bejagten Zivede aufzufinden... Faft die ganze Ernte liegt jtellen- tveije zerjchrotet am Boden. Bon Norddeutjchland bis Oberbayern und Tirol habe ich dieje jeine Zerjtörung überall in gleicher Weije und Heftigfeit angetroffen. &3 geht dabei leider nur zu oft äußert verjchwenderisch zu Werke”, beißt nicht nur alte und reife Zapfen, jondern „auch die Halbwüchjigen oder doch noch unreifen ab und wirft jie enttweder ohne weiteres als ungenießbar zu Boden, oder es macht nur geringe Verjuche an irgendeiner Stelle, um jie dann hinabfallen zu lajjen”. Auch von Weimutskeferzapfen vernichtet es in ähnlicher Weife eine Menge noch zu junger, gänzlich ungenießbarer, während e3 an den reifen gleich- falls faft die ganze Spindel entblößt. Auf gruppenweije zufammenjtehenden Weimuts- fiefern bleibt meist nicht ein einziger Zapfen. Bon der Tanne finden jich „Eichhornzapfen” jeltener; dagegen von der Gemeinen Siefer wiederum in erjtaunlicher Menge. Daß das Eich- horn nach den Zirbelfieferzapfen äußert Yüftern ift, daß es ihnen zuliebe jogar weit wan- dert, ijt befannt. „Wo bei uns in Gartenanlagen diejes alpine Nadelholz Zapfen reift, da bleibt, wenn überhaupt Eichhörnchen in der Nähe find, fein einziger verjchont... ©fleicher- weije werden die winzigen Zapfen der Lärche und der jogenannten Blautanne (Abies alba) in größter Menge zerfrejien. Bemerkenswert ift noch der Fraß an den jehr kräftigen, harten Bapfen der Meerjtrandkiefer... ch glaube nicht, daß das Eichhorn auch nur eine einzige Nadelholzart verjchont. Tagelang fieht man es bis zur Vernichtung aller oder doc) der beiten Zapfen in den Stronen oft nur weniger Bäume. Bei jeiner Häufigkeit ijt jo der ganze jamenreiche Waldesteil mit diefen Zerjtörern bejegt." Auch die meijten Yaubholz- fämereien werden vom Eichhörnchen im großen vernichtet. 944 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. „Kaum find die Bucheln Halbreif, jo fißt der Feind in der Strone, und bis in den Winter hinein fallen täglich Mafjen von Hüllen und Schalen zu Boden. Diejer bededt jich dann allmählich derartig mit folchen, daß e8 oft zweifelhaft fein Fan, ob noch irgendeine nennens- werte Anzahl gefunder Samen den Boden erreicht... hnliches ift bei den Eicheln der Fall, obichon das Eichhorn im allgemeinen die Bucheln den Eicheln vorzuziehen jcheint. Sogar die Buche und Eichelfaaten werden nacı längft begonnener Keimung von ihm ruiniert.” m Eherswalder Foritgarten „jcharrte eS die gelegten Eicheln aus" und tat jogar an „jungen Gichenpflanzen, und zwar bei folchen, die von der Frühjahrsjaat Herrührten, jelbjt wenn fie ichon ihr volles Laub hatten, noch Anfang Juni” Schaden. „Wohl 8-10 Eichhörnchen zogen jich nach diefer Saat Hin, gruben die Pflanzen volfitändig aus und bifjen auch die Wurzeln ab, um fie zu verzehren... Die Eichhörnchen Tiefen juchend am Boden umber, jchienen auf den Plägen nad) den Eicheln zu riechen und begannen dann, fie auszujcharren und zu verzehren... Sn Buchen- und Tannenfaaten des Forjtbezirt3 Sonneberg (Thüringen) Fragten die Cich- Hörnchen den Samen mit den Borderläufen aus den Nillen und verzehrten ihn. ES find ungefähr zwei Drittel der Saaten vernichtet worden... Nachdem die Vertilgung der Eich- hörnchen amtlich angeordnet war, find viele über dem Zerjtörungsmwerf gejchojjen worden. Sm ganzen wurden vom September 1872 bis April 1875: 1143 Stüd erlegt...” Dieje an- icheinende „jtarfe Vermehrung” war, nach Altum, „zum großen, vielleicht größten Teil im Sinne einer Einwanderung der Eichhörnchen nach den maftreichen Revierteilen aus den umliegenden maftarmen Gegenden aufzufafjen.” Triebfnojpen nimmt das Eichhorn „vor- zugsweife oder vielleicht ausjchließlich von Nadelhölzern” und „zumeijt in jchneereichen Wintern, wenn e3 fomwohl in den Baumfronen an Sämereien mangelt, al3 auch am Bopden die herabgefallenen ihm unzugänglich find, jedoch auch nicht jelten noch im Frühling. DBe- jonders verbeißt e3 auf diefe Weije die jungen Hölzer etwa bi8 zum Alter von 20 Jahren. Am meiften leiden darunter die jungen Fichten, an denen nicht nur die Gipfellnojpen des Stammes, fondern zumeilen auch die der freilich fchiwerer erreichbaren oberen Duirltriebe abgejchnitten werden. Diefe legte Bejchädigung hat um jo mehr zu bedeuten, als dadurd) da3 fonft in der Negel leichte Emporwachjen eines Fräftigen jüngjten Quirltriebes in die Richtung und aß Fortfegung des Stammes fehr erjchwert oder unmöglich gemacht wird. Diefer Frevel ift aber fo Häufig und allgemein, daß hier eine Aufzählung von einzelnen Be- obachtungen überflüffig erfcheint. Sch Habe manche Anpflanzungen gejehen, in denen auch nicht ein einziger Stamm feine Endfnofpen behalten Hatte.” So nagten 5. B. in den Wal- dungen des füdlichen Bayern die Eichhörnchen während de3 jchneereichen Winter 1908 die Gipfel und Endtriebe 6- bi3 30jähriger Fichten ab. Auf dieje Weife jind in der Holledau allein Hunderte von Tagewerfen Wald ruiniert worden. („Hubertus“.) Weniger verbeißt das Eichhörnchen in diefer Weife Tanne und Kiefer. Durch Abbeißen ganzer Triebe verunfacht das Eichhörnchen an der Fichte die fogenannten „Abjprünge”, denen, nad) Altum, „aber mit Recht die Bezeichnung ‚Abbiffe‘ beigelegt werden muß... Das Tierchen fehneidet die jüngiten Triebe, an denen fich die Knojpen der männlichen Blüten befinden, unterhalb des unteren Snojpenquirls, jelten oberhalb ab, begibt fich mit einen jofchen twieder auf einen feiteren Zmweigfig zurüd, nagt die Snojpen aus und läßt dann den Trieb zu Boden fallen. So häuft fich fchlieglich unter den betreffenden Bäumen eine jolche Menge diefer ‚Abjprünge‘ an, daf man fie oft zu großen Haufen zufammenharfen fan, und zwar befonder3 dort, wo fichnur Heine Gruppen älterer Fichten oder einzelner Horfte befinden.” „US Forftfrevler”, jagt Altum, „erreicht das Eichhörnchen durch fein Rindenjchälen Eihhorn: Waldfchaden. 945 unftreitig die größte Bedeutung. Auf dieje Weije greift es die größte Anzahl der Holzarten an, jchädigt in großartigjter und empfindlichiter Weije, zeigt die verjchiedenften Bejchädi- gungsarten und tritt darin fo ütberrafchend und unerwartet auf, dat der Forjtmann regel- mäßig durch feinen Angriff überrumpelt wird. Ein äußerjt empfindlicher Schaden, der fich nach jahrzehntelanger Erfahrung nicht erivarten ließ, liegt plöglich in großer Ausdehnung bot... Zunäcdjit it es die Lärche, welche mit Vorliebe vom Eichhorn teil3 auf größere Streden mehr oder weniger entrindet, teils jtellenmweije geringelt oder gepläßt (plabweife ge- jchält) wird“, und zwar trägt hier dem Mäufejchaden gegenüber „der Eichhornfraß ftets den Charakter des PBlumpen, Rohen, Breiten an fich”; oft fiegen „die groben Nindenfegen am Boden“. m Helmjtedter Revier war einjt „nur ein einziges Eichhörnchen der Täter, nach dejjen Erlegung der Frevel aufhörte... Nach Nördlingers Bericht beißt das Eichhorn die Lärchenrinde in 3—8 cm langen, aber jchmalen Nindenftreifen ab und läßt jie auf die Erde fallen, bis eine Stelle von der Größe einer jchmalen Hand entblößt it. Dann hängt es fich jo an den Stamm, daß es die entblößte Stelle abnagen oder ableden fan, wobei die jchlei- mige Holzfajer, die man auch in jenem Magen gefunden, al Nahrung dient... Außer der Lärche leidet bejonders jtark auch Die tiefer Durch das genannte Nindenjchälen... Spiral- tingelungen treten an der Lärche plump, unvollfommen, mit mır einem oder nicht einmal einem ganzen Umgang auf, oder es jind diejfe Umgänge mannigfach unterbrochen oder un= ordentlich erweitert. 3 rührt dies wohl her von den zahlreichen, den arbeitenden Nager hinderlichen Seitenzweigen. Dagegen hat man von der Stiefer jo regelmäßig ausgeführte, in 3, 4, 5, 6, 7 Umgängen jic) um den Stamm ziehende Spiraljchälungen aufgefunden, daß jolhe Stüde unabmweisbar den Berdacht als von Menjchenhand hHergeitellte Stunjt- produkte erregen, zumal wenn jich in eichhörnchenreichen Gegenden Jahrzehnte hindurch) nie eine Spur von jolhem im höchjten Maße auffallenden Fraße gezeigt hat... ln der Fichte jchält das Eichhörnchen im ganzen weniger gern.” Den „Eolojjalen Nindenjchälungen am Nadelholze jtehen die an den Laubhölzern weit nach, fönnen aber in einzelnen Fällen enpfind- fich genug werden“. Dabei fehrt immer die Beobachtung wieder, „daß das Eichhörnchen die Ninde mit den Nagezähnen ausjchneidet, fie dann faßt und von dem Baum abzuziehen jucht”. Sn Schottland Schäßt man den Eichhornjchaden im Walde jo jchiver ein, daß jich dort ein Highland Squirrel Club, d. h. ein Verein zur Bertilgung des Eichhorns, gebildet hat. Auf dejjen legter Jahresverfammlung in Dingwall, über die Field‘ (26. Febr. 1910) berich- tet, wurde feitgeitellt, daß, obwohl über 7000 Eichhörnchen auf Beranlajjung des Vereins ge- tötet worden waren, ohne größere Anjtrengungen, die Schädlinge niederzuhalten, dieje ganz ungeheuren Forjtichaden anrichten würden. Auf einer Bejigung in Noßjhire wırrde gejchäßt, daß der Eichhornfchaden während der legten 40 Jahre 15 Prozent des Waldwertes betrug. Schließlich noch eine ganz eigenartige Schtwelgerei unferes vieljeitigen Frejjers! 9. Löns jah im Hannöverjchen „Zoologischen Garten, daß ein Eichhörnchen der Reihe nac) die jtarf blutenden Eichen bejuchte und fehr eifrig die blutenden Stellen, die mit dem be- fannten weißlichen Bilzgallert bedeckt waren, ablecdte”, und erfuhr vom Berjonal, „Daß das Eichhörnchen das jeden Tag täte”. Das Benehmen der Snjekten, die für gewöhnlich dieje „blutenden” Bäume angehen, „läßt darauf jchließen, daß der Baumjaft, der manchmal jo jtarf gärt, daß ein fingerdider Schaum Darauf jteht, beraujchende Eigenjchaft Hat. Auch die Eichfaße, die ich bei ihrem Stneipgelage beobachtete, benahm jich ungewöhnlich dDumm- dreilt und ließ mich bis auf einen Schritt heranfommen”. Schon Altum zählt unter den Eichhornichäden eine Rubrik „Vogelnejter” auf und Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 35 546 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. brandmarkt darin das Tier al3 „Zerftörer vieler Bruten unjerer nüßlichen oder doch an- genehmen Waldvögel”. Bei ihm lejen wir auc) jchon: „Bon Zeit zu Zeit muß der Eriftenz der Eingvögel wegen im Berliner Tiergarten der Abjchuß der zahlreich vermehrten und beim PRublifum allbeliebten Eichhörnchen angeordnet werden.“ , Zulebt gejchah dies in den Sahren 1907 und 1908, und zwar laut Bericht der „VBofjiihen Zeitung”, weil Die Eich- hörnchen jelbit ven Kampf mit den Fräftigen Ningeltauben aufnahmen. mn dem Eber3- walder Stadtforjt waren 1868: 100 Neitkajten für Stare aufgehängt worden, die bald alle bejeßt waren, 1875 aber nur noch etwa 12—15! „Bei genauerer Unterjuchung ftellte jich heraus, daß die Fluglöcher falt jämtlicher Ktajten an ihren Rändern jo jtarf ausgenagt waren, daß fie vem Eichhörnchen den Eingang gejtatteten. Die jehr deutlichen Züge der Nagezähne lajjen über den Täter nicht den mindeiten Zweifel auffommen. Das Eichhorn Hat dieje jämtlichen Ktaften und die Vogelbruten ruiniert.” U. vd. Badberg teilt in der „Allgem. Forft- und Sagdzeitung”, 1905, mit, daß in dem Schugbezirt Buchberg der Dberförfterei Nengenthin, einem der fchönften Reviere Preußens, feine einzige Vogelitimme zu hören war. Das Foritperjonal habe die Urjache den vielen Eichhörnchen zugejchrieben. Darauf jei ein Schußgeld aus dem Kulturfonds bewilligt worden. Synnerhalb eines Jahres wurden mehr al3 400 Eichhörnchen abgeliefert, und alsbald lebte und webte e3 wieder von Drofjeln, Buchfinken, Blaurafen, Spechten, PBirolen und Laubvögehr. Wie Nechnungsrat Marquardt - Ludwigsburg aus alten Archiven nachweilt, Hatte e3 „Schon im Sahre 1786 die Zägerei in Württemberg auf die Ausrottung des Eichhörnchens abgejehen..." Diejes alte Zeugnis Fann wieder einigermaßen irremachen an der heute ziemlich allgemein gültigen Anficht, da exft in unferen Tagen eine gemijje Überhandnahme des Eichhorns eingetreten jei infolge der Abnahme feiner jchlimmiten Feinde, des Edel- marders und des Habichts, und anderjeits möchte man wohl aus diejfer Abnahme allein nicht die neuerliche Zunahme des Schwarzjpechtes erklären, wenn man bei Altum dem Sünden- regijter des Eichhorns „die chwache Vermehrung derjenigen Höhlenbrüter, deren Flugloch für diejen Böjewicht ohne weiteres gangbar ijt, etiva Schwarzipecht, Grünjpecht, Blaurafe, Hohltaube, auch Wiedehopf”, zugejchrieben findet. Das Gleichgewicht in der Natur bejteht wohl jelten aus ziwei einfachen Gegengewichten! Sedenfalls regen aber Beobachtungen vor, wo das Eichhorn Gier und Brut des Schwarzipechtes gefährdete. So von Amtsgerichtsrat Dirkjen aus dem Forftrevier Schwarzheide bei Neumedell in der Neumark („Dijch. Zägerztg.”, 1907). Auf der Jagd nach jungen Grünfpechten und anderen Jungvögeln Hat Gutsbejiter Temme das Eichhorn betroffen. Beim Naub an der Grünjpechthöhle in einer Lindenallee wurde es erwijcht. „Ein Pferdefnecht fonnte beobachten, wie das Eichhörnchen mit feiner Borderpfote einen jungen Grünjpecht herauszog, mit ihm abbaumte und auf der Erde flüchtete.” Sogar die Neiter der großen Ningeltauben find vor dem Eichhorn nicht ficher. Hier der Befund in einem jolchen plöglich verlafjenen Nejte nach „St. Hubertus“, 1899. ES „enthielt drei tote Junge, in jener befannten Art zugrunde gerichtet, die den Nager als Täter fennzeichnet. Den Vögeln war die Hirnfchale Durchgenagt, und die Hirnmafje war verzehrt, genau jo, wie das Eichhorn Die Nußjchale bearbeitet, um zum Stern zu gelangen. Außerdem war bei zweien der Vögel die Nücdendede gegen den Steiß Hin zernagt, jedoch bon den fichtbaren Weichteilen nichts herausgefrejjen. Ein zweites Taubenneft im nämlichen Stangenort lieferte den unmittelbaren Beweis, daß hier wirklich das Eichhörnchen im Spiel war. Ein folches wurde bei diefem Neft gejchoffen... Den Mageninhalt diejes leßteren tonnte man mit aller Bejtimmtheit al3 von Jungtauben ftanmend erfennen.“ Go mag Eihhorn: Nejt- und andere Räubereien. 947 B. Schufter nicht unrecht haben, wenn er aus jeiner oberrheinijchen Erfahrung den einfachen Berhältnisjag aufitellt: „Ze mehr Eichhörnchen, um jo weniger Waldtauben (im Taunus, in den Wäldern des Mainzer Bedens), und umgekehrt viel Tauben, wo fich verhältnismäßig wenig Hörnchen vorfinden (jtellenmweije im Vogelsberg, in Wäldchen der Wetterau).” Die mörderijche Dreiftigfeit des Eichhorn3 geht aber noch weiter; baltiiche Jäger haben bei der Locjagd auf das Hajelhuhn die Gewißheit gewonnen, daß es jich auch an diejes heranmagt. Als der Oberförjter Wehrich „im Hirjchpark zu Serbigal (Kurland) einen Rothirfch anpirjchte, lief in jeiner nächiten Nähe ein Hajelduhn umher. Plößlich jaufte vom nächjten Baume durch die Luft ein rotes Etwas herunter, dem Huhn direft auf den Nüden. Ein wirres Durch- einander, Federn jtteben nach allen Seiten, und arg zerzauft jchwirrt das Hajelduhn davon, während ein Eichhorn auf dem Plate zurüdbleibt. Dem anwejenden Barfwächter war die Sache nicht neu, er hatte derartige Überfälle öfters beobachtet.” Wir find aber immer noch nicht zu Ende! Ein Forjtmann berichtete der Zeitjchrift „Gefiederte Welt” im Jahre 1908 von einem Eichhörnchen, das einen bräunlichen Gegenjtand im Zange trug und vor ihm auf- bäumte. Um Gemißheit über die Beute zu erlangen, jchoß er das Eichhörnchen vom Baume herab und mußte zu jeinem Erjtaunen gewahren, daß der bramme Gegenjtand ein Jung- häschen von etwa 12 cm Länge mar. Wir verjuchen hier, die „Eichhornfrage” einen Schritt vorwärts zu bringen, die noch neuerdings jolchen lebhaften Widerhall in der Jagd- und jonjtigen Prejje gefunden hat. Da wurden „Ehrenrettungen“ verjucht; als Entgegnung erfolgten aber nur um fo jchärfere Ver- dammungsurteile. Dazu bringt der Schwarzwälder Beobachter Wurm-Teinach noch die interejjante Tatjache bei, daß „Marz in feinen mit Wildbretrejten und Eierjchalen beföderten Würgefallen während der legten Jahre weit über 100 Eichhörnchen fing”. Zugleich vertritt er aber den einzig würdigen Standpunkt des Sulturmenfchen von heute, durch den diejer jich jeiner weitgediehenen Herrjchaft über die Natur wert erweilt: „daß die niedlichen, den ohnedies mehr und mehr verödeten Wald jo angenehm belebenden ‚Tannenäffchen‘ feine3- mwegs ausgerottet werden jollen; denn auch jie jind den natürlichen Bedingungen nach be- rechtigte Mitglieder der Heimijchen Fauna. Aber ihre Zahl joll in angemefjenen Schranten gehalten werden, und — nun fommt eine entjcheidende Richtlinie für das heute gebotene Ber- halten des Menjchen zur Tierwelt! — da der Menjch die jtärferen Raubtiere jo ziemlich aus- gerottet hat, jo muß er num jelbit das urjprünglich natürliche Gleichgewicht zwijchen Naub- und Beutetieren mittels Blei und Eijen aufrechterhalten. Diejer Sab jcheint mir die menschliche Berechtigung, ja Verpflichtung zur Jagd überhaupt in unferer Stulturepoche auszudrücden“ („Bild und Hund“, 1905). Ein wahrhaft weijes, gar nicht genug zu beherzigendes Wort! So wäre aljo in feiner Beziehung etwas einzuwenden, vielmehr nur zu wünjchen, daß unjere Weidmänner e3 nicht unter ihrer Würde hielten, bei jich bietender Gelegenheit ebenjogut ein Eichhorn zu erlegen wie anderes Slleinmild. Freilich „jo wie jede andere wirk- fiche Jagd, erfordert auch die Jagd auf Eichhörnchen Übung und Vertrautjein mit den Gepflogenheiten des Tieres“, jagt Seydel, der jich zum Fägerjpezialiiten auf den Heinen Notrod ausgebildet hat und daher „bei der Jagd auf diejes Heinjte Notwild den wirklichen Genuß des Weidwerfs empfinden fanın... Ein Kugeljchuß, der aus dem 30 m hohen Wipfel einer Stiefer tadellos ein Eichhorn herunterbringt, gewährt mir größere Befriedigung, als wenn ich einem Strummen mit der Schrotflinte den Garaus machen fan... Die wenigjten Eichhörnchen, die ich erlegt habe, Habe ich mit Hilfe des Gejichtsfinnes entdect; ich ‚hörte‘ jie. Die Übung entwicelt das Gehör in hohem Make. Wenn man oft jchon 70—80 Schritt 35* 548 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. am Standpunkt des Eichhörnchens vorüber ift, vernimmt man, jelbjtverjtändlich nur bei vollftändiger Windftille, das Knnabbern an den Kiefernzapfen, jelbjt das leife Geräufch der fallenden, abgejchälten Schuppen. CS wird fehrtgemacht, und bald ıjt der Unvorfichtige, der vorher mit feiner Arbeit innegehalten hatte, nun aber die Gefahr längjt vorüber glaubte, entdedt... Aus dem Ausjehen batv. dem Grade des Vertrodnetjeins der heruntergefallenen Zapfenjchuppen jchließt der Kundige genau auf die Zeit der Anmwejenheit des Eichhorns. Er verfolgt den Weg, den e3 genommen hat, und jieht an den immer frijcher werdenden Abfällen, daß er jich jenem Ziele nähert. Auch gibt es beliebte Ajthöhlen und Nejter, die immer mwie- der von zumandernden Eichhörnchen angenommen werden, jo daß aus derjelben Baumhöhle innerhalb fürzerer Zeit vier bis fünf Eichhörnchen herausgeflopft werden fünnen. Man fennt ihre Päffe und weiß, wo jie jich zu den verjchtedenen Tageszeiten aufzuhalten pflegen. Jh hätte jonft bei der immerhin nicht allzu großen Anzahl der hier vorhanden gewejenen Eich- hörnchen nicht folche Streden — die größte betrug 18 an einem Tage — machen können.“ Bei der Jagd erprobte Seydel auch die erjtaunliche „Lebenszähigkeit der Eichhörnchen. Eine 9 mm-Stugel weidwund hindert jie gar nicht, die fühniten Luftjprünge zu machen und eine längere Verfolgung zu erfordern. Man bedenfe hierbei die Größe des Gejchojjes im Verhältnis zur Größe des Wildförpers: es würde ungefähr dasjelbe jein, als wenn der Bod eine fauftgroße Kanonenfugel erhalten würde. Nichttödliche Berlegungen heilen beim Cich- horn rajch und leicht. Schwere Laufjplitterungen, der Berluft des ganzen Laufes, ja jelbit Nücdgratverlegungen, wie ich in einem Falle erfahren habe — die Verlegung hieß allerdings eine jtarfe Verfrümmung zurüd — vermag die gejunde Natur des Eichhörnchens zu über- oinden. Gelangt e3 mit dem Schuß fehwerfranf zur Exde, jo nimmt es mit der legten ihm zu Gebote jtehenden Kraft häufig in der Nähe gelegene Wurzellücher oder Kaninchenbaue an... „uch die Eichhörnchen jammeln mit zunehmendem Alter Erfahrungen. Man wird gleich beim Erbliden wiljen, ob man einen unerfahrenen Süngling oder einen alten, ge riebenen Burjchen vor ich Hat. Erjtere baumen am Stamm auf, jegen jich auf dent erjten Aftitumpf behaglich zurecht und beäugen neugierig den Störenfried, bis die Kugel ihren Beobachtungen ein Ziel jeßt. Oder aber befinden fie jich Hoch oben im Wipfel außer ficherer Schußmweite, jo lajjeı jie fich durch einige Schredjchüife bewegen, den jicheren Standort zu verlajjen und die naheliegende Schonung, in der jie jich ficherer glauben, anzunehmen, um nun ihrem Schieffal zu verfallen. Anders ein alter, erfahrener Eichkater. Er baumt in einem Zug bis in die oberften Afte und drückt fich dann platt an einen ftärferen Zaden an, läßt jich auch Durch nichts von feiner ficheren PBofition verjagen... Ych erinnere mich bei diejer Öe- legenheit an jolchen alter, jchlauen Burjchen, dem ich feine regelmäßige Flucht nach einem dien, wagerechten Eichenafte jchon zu verfchiedenen Malen, aber immer vergeblich, Durch eine Kugel abzufürzen bemüht gewejen war. Einmal nun ließ er jeine Standarte etwas jeitwärts über den At herabhängen.” Seydel fchoß ihm die Endhälfte ab. „Aber jelbjt in diejer für ihn doch mwohl Höchit jehmerzhaften Situation” blieb er „auf feinen Boten gebannt, jo da ich unverrichteter Dinge abziehen mußte. Einige Zeit jpäter habe ich ihn an diefer ... Stelle aber doch erwwijcht; feine Spentität war durch die halbe Fahne, die an der Trennungsitelle eine hajelnußgroße Berfnorpelung zeigte, zur Genüge nachgemiejen.“ 9. Chr. Nukbaum veranlafjen feine perjönlichen Erfahrungen zu wärmerem Eintreten für das Tier. „Alle Berjuche, die ich anftellte, gefangene Eichhörnchen zum Annehmen bon Einhalt oder anderer anmalifcher Nahrung zu bewegen, feheiterten. Sn unjerem Stadt- walde, in dejfen Nähe ich wohne, den ich täglich befuche, den ich jeit meiner Sinabenzeit zu Eichhorn: Jagd. Ehrenrettung. Wintervorräte. Winterleben. 549 eingehenden Beobachtungen der Tier- und Pflanzenwelt Durchjtreift Habe, werden jährlich 200—300 Eichhörnchen abgejchofjen. Troß größter Mühe und troß des reichen Beobachtung3- materials ijt es mir nie gelungen, einen Nejtraub durch Eichhörnchen zu beobachten. Auch während der Brutzeit jah ich unfere fieben Sänger in größter Eintracht mit ihnen leben. Nach- dem ich dann Eichhörnchen in der Boliere in ebendiejer Eintracht mit Kleinen und Kleinjten Bögeln hatte nijten jehen, jchten es mir angezeigt, eine öffentliche Aussprache zu veranlafjen.” Nupbaum Hat nämlich bei einem Architeften „Sardenier in Apeldoorn (Holland) mehrere Eichfägchenpaare nebit ihren Jungen in einer Boliere zwijchen einer großen Schar fleiner und Heinjter Vögel, die jämtlich nijteten, einträchtig leben“ jehen: eine Tatjache, die un- bedingt hier ihre Würdigung verdient! Wemer „möchte jedoch feititellen, daß im Winter wenigjtens 50 Brozent der Nahrung des Eichhörnchens nicht pflanzlicher, jondern tierijcher Natur ift”. Dies wird um jo jicherer zutreffen, je weniger das Tier Gelegenheit gehabt hat, pflanzliche Wintervorräte einzufammeln, und jo erklärt jich vielleicht jein Harmlojeres oder räuberischeres Auftreten in verjchtedenen Gegenden und umter verjchtedenen Umjtänden. Sobald e3 reichliche Nahrung hat, trägt es Vorräte für jpätere, traurigere Zeiten ein. Sn den Spalten und Zöchern hohler Bäume und Baummwurzeln, in jelbjtgegrabenen Löchern, unter Gebüjch und Steinen, in einem feiner Nejter und an anderen ähnlichen Orten legt es jeine Speicher an und jchleppt oft durch weite Streden die betreffenden Niüjje, Körner und Kerne nac) jolchen PBläßen. Bon der Gejchielichkeit, mit der das Eichhorn vergrabene Nülje in der rauhen Jahreszeit wieder aufzufinden weiß, Hat Ludwig Schujter im Winter 1908 „in einem Fichtenbejtande des Vogelsberges ein lehrreiches Beijpiel gejehen. Hier hatte das Hörnchen unter etiva 4—5 cm hoher Schneedede und weiter unter einer 1—2 cm diden Napdeljchicht fünf vergrabene Hajelnüfje, die in einigen nahe zujammenliegenden Srübchen verborgen lagen, bloßgejcharrt und verzehrt. Welcher Sinn das Eichhorn bei der Wiederauffindung der Nüfje geleitet hat, wird jchiwer zu beantworten fein; vielleicht war es Gedächtnis, vielleicht, und das halte ich für das Wahrjcheinlichere, der Geruchjinn, der dem Tiere die Früchte auffinden half.“ Durch diejes Vorjorgen für den Winter befunden die Eichhörnchen, wie außerordentlich empfindlich fie gegen die Einflüjje der Witterung find. Falls Die Sonne etwas wärmer Itrahlt als gewöhnlich, halten je ihr Mittagsichläfchen in ihrem Nejte und treiben jich dann bloß früh und abends im Walde umher; noch viel mehr aber jcheuen jte Negengüfje, heftige Gewitter, Stürme und vor allem Schneegejtöber. hr Vorgefühl der fommenden Witte- rung läßt jich nicht verfennen. Schon einen halben Tag, bevor das gefürchtete Wetter ein- tritt, zeigen fie Unruhe durch bejtändiges Umbherjpringen auf den Bäumen und ein ganz eigentümliches Pfeifen und Stlatjchen, das man jonjt bloß bei größerer Erregung von ihnen vernimmt. Sobald die erjten Borboten des fchlechten Wetters jich zeigen, ziehen jte jich in ihre Kejter zurüd, oft mehrere in ein und dasjelbe, und lajjen, das Ausgangsloch an der Wetter- jeite jorgfältig verjtopfend und behaglich in jich zufammengerollt, das Wetter vorübertoben. sn dem Falten Sibirien tritt nach dem regen Leben im Herbjte eine mit dem vorjchreitenden Winter jich jteigernde Trägheit ein, die zu einem Winterjchlafe von furzer Dauer ausarten fan. Die Hörnchen verlajjen ihr Neft zuerjt nur wenige Stunden täglich, jpäter tagelang gar nicht mehr, und die jie verfolgenden Jäger müjjen, um ihrer anfichtig zu werden, mit dem Beile an hohle Bäume anklopfen und jie exit aufjcheuchen. Auch bei uns zulande Tiegen fie oft tagelang ruhig im Nejte; jchlieglich treibt fie der Hunger aber Doch heraus und dann zu= nächjit ihren Borratsfammern zu, in denen jie Schäße für den Winter aufgefpeichert haben. 350 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Ein jchlechter Herbit wird für jie gemöhnlich verderblich, weil jie in ihm die Winterborräte aufbrauchen. Folgt dann ein nur einigermaßen jtrenger Winter, jo bringt er einer Unzahl von ihnen den Tod. Manche Speicher werden vergejjen, zu anderen verwehrt der hohe Schnee den Zugang, und jo fommt es, daß die munteren Tiere geradezu verhungern. Hier liegt eins und dort eins tot im Nefte oder fällt entfräftet vom Baummipfel herunter, und Edel- marder und Zobel haben es noch leichter als jonft, ihre Hauptnahrung zu erlangen. Sn Buchen- und Eichenmwäldern jind die Hörnchen immer noch am glüclichiten dran; denn außer den an den Bäumen hängenden Bucheln und Eicheln, die fie abpflüden, graben fie jolche in Menge aus dem Schnee heraus umd nähren ji) dann recht gut. Daß das Eichhorn auch zur Tränfe geht, ift beobachtet. Jn „Weidwerf in Wort und Bild“, 1906, wird gejchildert, „wie ein Eichhörnchen aus einer Wafjerlache auf dem Wege trank: e3 ledte das Wafjer mit der Zunge wie eine Slabe”. Nicht gerade unmittelbar zur Ernährung des Eichhörnchens, aber doch mittelbar, närn- lich zu feiner Ernährungsfähigfeit, trägt die Gewohnheit bei, inochen und abgemworfene Gemeihjtangen zu benagen. Für dieje Neiqung des Eichhorn, Die es übrigens mit anderen Hager, 3. B. dem Stachelichwein, teilt, Hat man nur die Erklärung, daß jie die notwendige Abnusung der Nagezähne herbeiführen joll. E3 war eine alte „Erfahrung, daß abgemorfene Semeihjtangen, welche längere Zeit im Walde amı Boden liegen, jehr oft jtarf, ja bis zur gänzlichen Wertlojigkeit benagt werden”; aber den Täter jtellte erjt Altum feit. „Die Auf- Härung brachte mir eine Zujendung ... aus Wejtpreußen: zwei in ganz derjelben Weije angenagte Beinfnochen eines Schafes, hoch in den Borfenrigen einer Kiefer gefunden... Hier konnte nur das Eichhörnchen der Urheber jein.” Ferner: einem Forjtverwalter in der Nähe von Köln war „ein großer, jchwerer Nindsfnochen, von dem Fleijch und Sinorpel rein abgenagt waren, wie die Zahnfurchen deutlich zeigten, von einer 40 m hohen Fichte fajt auf den Stopf gefallen. Auf der äußeriten Spite eine3 wagerechten Altes jaß ein dem Stnochen wehmrütig nachjehendes Eichhorn.” Unter diejen Umjtänden bezweifelt heute wohl niemand mehr, daß das Eichhorn auch die Abmwurfitangen benagt; eine unmittelbare Be- obachtung darüber liegt aber anjcheinend nicht vor. HBeitweije und ftellenweije bemerkt man eine befondere Bermehrung der Eichhörnchen, die man nur durch Zuimanderung erklären fanıı. So wird aus dem württembergischen Ober- land berichtet, daß Dort im Sommer und Herbit 1904 das Eichhorn „in abnorm großer Zahl auftrat und an Objt und Nüfjen jo namhaften Schaden antichtete, daß ein Abjchuß geboten war”. Eine verhältnismäßig rajche Durchiwanderung großer Mengen von Eichhörnchen Durch das Nevier Elend im Harz bezeugt Forjtmeilter Schöpfer aus dem Jahre 1907. Ehe man jich recht Schlüfjtg wurde zum Einfchreiten, waren die Tiere jchon wieder verjchwunden, nicht ohne fühlbaren Schaden getan zu haben in der vieljeitigen Art, Die das Eichhorn auszeich- net. Untgefehrt belegt „‚Field‘ durch eine ganze Reihe von Zufchriften das plößliche Ber- Ichwinden des Eichhörnchens aus verjchiedenen Gegenden Englands, wo es jonjt häufig ift, im Jahre 1911. Zur Erklärung wird außer Nahrungsmangel noch Strankheit herangezogen, weil jich mehrere Frank aufgefundene Stücde mit Bandwurm oder Näude behaftet eriviejen. Sm Norden, insbejondere in Sibirien, treten die Eichhörnchen alljährlich mehr oder weniger regelmäßige Wanderungen an, durchziehen dabei auch baumloje Streden, über- Ihrwimmen reigende Flüjje und Ströme oder fteigen über Gebirge hinweg, deren Höhen fie jonit meiden. Schon aus Livland jchildert v. Loemwis („Zool. Garten“, 1880): „Auffallend ift in manchem Herbite das geradezu mafjenhafte Auftreten des Eichhörnchen, jo 3. ®. 1872. Eichhorn: Benagen von Geweihabmwürfen. Wanderungen. Stimme, BpJ1 Damals drangen die Tierchen jogar in die Städte hinein; in Wolmar wurden viele Hörnchen in den Straßen erjchlagen, fie jagen auf Brummen und Zäunen und erfüllten alle Baunt- gärten.” Aus Sibirien hat Radde nad) eigenen Beobachtungen ausführlich über diefe Wande- rungen berichtet und damit die Yebensfunde der Tiere wejentlich vervollftändigt. Befremd- lich erjcheint eg dem in den Gebirgen Süpoftjibiriens fich aufhaltenden Beobachter, wenn er im Spätherbite plößlich Eichhörnchen gewiljen Stellen, wo Zirbelfiefern mit gereiften Zapfen jtehen, zujtreben jieht; denn eine geringe Abweichung von dem einzujchlagenden Wege führt die Tiere entweder in die Didichte nahrungsarmer Tannenmwälder oder in die lichten Laubholzbeitände, mo die verwandten Erdhörnchen nicht viel für fie übriglaffen. „uf den ziemlich trodenen Sommer des Jahres 1857, welcher das Reifen der Zirbel- nüfje begünftigte, folgte ein feuchter Herbit, in welchem die Eichhörnchen in jo großer Anzahl zu gewijjen Talhöhen drängten, daß ich mit meinem Tungufen an einem Tage ihrer 87 er- legen fonnte. m Yahre 1858, dejjen Sommer feucht war, jo daß die Zirbelzapfen an Fäule . litten, folgten den durcchwandernden Eichhörnchen im Herbite nur wenige, jo daß etwa 20 die Höchite Tagesbeute eines Schüßen war. Und im Jahre 1852 wurden Gebirge am Süd- mweitwinfel des Baikals, welche bis dahin reich an Belztieren waren, in jo bedeutendem Grade duch die jtattfindenden Ausiwanderungen entvölfert, daß die meijten Jäger nach Süden ziehen mußten, um in bejjere SJagdgebiete zu gelangen. Wenngleich die Eichhörnchen im Herbite ziemlich allgemein, oft in angejtrengten Märjchen, weite Streden zurüdlegen, trifft man doch jelten größere Mengen von ihnen dicht beifammen... &3 gehört zu den jeltenjten Er- eignijjen, daß jte, jich näher aneinander drängend, in großen Zügen in der einmal eingejchla- genen Richtung vordringen. Dies gejchah im Herbite des Jahres 1847 bei Strasnojarjf, wo viele Taujende von ihnen durch den breiten Senijjeifttom jchwammen und in den Straßen der Stadt jelbjt totgejchlagen wurden.“ Tach Raddes Beobachtungen hält die wandernden Eichhörnchen weder Lahmheit noch ein jchwer zu üiberwwindendes Hindernis auf. Einige der von ihm unterfuchten Tiere hatten eiternde Wunden an den Füßen und wanderten doch; viele wınden jpäter von ihm exrtrunfen und im Amur treibend gejehen, da fie felbit bei Eisgang e3 noch unternehmen, über den breiten und reigenden Strom zu jegen. Solche Wanderungen der fibirifchen Eichhörnchen find ganz und gar den Lemmingswanderumgen zu vergleichen und gewiß auch in ähnlichen Urjachen begründet, nur daß jie nicht jo offenfundig ins Verderben führen. Yurücd fehrt aber auch bon ihnen fein Stüd; die Majjen jterben und verderben, unbefannt wo, wie die Vemminge. Die Stimme des Eichhörnchens ift im Schred ein lautes „Duc, dud”, bei Wohlbehagen und bei gelindem Ärger ein merkfwirdiges, nicht gut duch Silben auszudrücdendes Murren oder, wie Dietrich aus dem Windell und Lenz noch bejjer jagen, ein Murkjen. Bejondere Freude over Erregung drückt e3 durch Pfeifen aus. Sein Klagelaut ift, nach Ludwig Schuiter, der ihn von einem angejchofjenen hörte, „ein Durchoringendes, mwimmerndes Gejchrei, das jehr an das Schreien der Hafen in Todesangjt oder im Schmerz anflang”. Alle Sinne, zumal Gejicht, Gehör und Geruch, find fcharf. Für die geiftige Begabung jprechen das gute Gedächtnis, welches das Tier bejigt, und die Lift und Verfchlagenheit, mit denen es jich jeinen Feinden zu entziehen weiß. Syn dem Edelmarder Hat das Eichhorn feinen furchtbariten Feind, und feine neuerliche Bermehrung fchreibt man eben der Berminderung des Edelmarders zu. Dem Fuchje gelingt es nur jelten, ein Hörnchen zu erjchleichen; Habichten und großen Eulen entgeht diejes dadurch, daß es, wenn ihm die Vögel zu Leibe wollen, rajch in Schraubenlinien um den 992 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Stamm emporklettert. Während die Vögel im Fluge natürlich weit größere Bogen machen müjjen, erreicht es endlich Doch eine Höhlung, einen dichten Wipfel, wo es jich [chüßen fann. Anders ijt es, wenn e3 vor dem Edelmarder flüchten muß. Piejer mordjüchtige Oejell Flet- tert genau ebenjogut wie jein Dpfer und verfolgt leßteres auf, Schritt und Tritt, in den Kronen der Bäume ebenjomwohl wie auf der Erde, Friecht ihm jogar in die Höhlungen, in die es flüchtet, oder in das dDidwandige Neft nach. Unter ängitlihem Klatjchen und Pfeifen flieht das Eichhorn vor ihm her, der gewandte Räuber jagt hinter ihm drein, und beide überbieten jich förmlich in prachtvollen Sprüngen. Die einzige Möglichkeit der Nettung für das Eichhorn Tiegt in feiner Fähigkeit, ohne Schaden vom hödhjiten Wipfel der Bäunte herab auf die Erde zu fpringen und dann jchnell ein Stück weiter fortzueilen, einen neuen Baum zu gewinnen und unter Umfjtänden das alte Spiel nochmals zu wiederholen. Man fieht es Daher, wenn der Edelmarder e3 verfolgt, jo eifrig wie möglich nach der Höhe ftreben, und zivar regelmäßig in den erwähnten Schraubenlinien, bei denen ihm der Stamm doch mehr oder weniger zur Dedung dient. Der Edelmarder Himmt eifrig hinter ihm drein, und beide jteigen wirklich unglaublich fchnell zur Höchiten Krone empor. Seht jcheint der Marder es bereits am Stragen zu Haben — da jpringt das Eichhörnchen in gewaltigem Bogenjate von hohem Wipfel weg in die Luft, jtredt alle Gliedmaßen wagerecht von jich ab und fauft zum Boden nieder, fommt hier wohlbehalten an und eilt num ängjtlich, jo rajch e3 Fann, davon, um womöglich ein bejjeres Berjtecf auszujuchen. Das vermag ihm der Edelmarder doch nicht nachzutun. Dejjenungeachtet fällt es ihm bald zur Beute, da er jo lange jagt, bis das Opfer aus Erjehöpfung jich ihm geradezu preisgibt. Aus dem Ktreije Wolfenbüttel wird jogar berichtet, „wie eine Kate einem Eichhörnchen nachgeitellt und e3 troß jeiner Gewwandtheit im Klettern totgebijjen Hat“ („Die Jagd“, 1912). Wenn in die Enge getrieben, jucht e3 aber auch, wie die allermeiten Tiere, ganz energifch jich jeiner Haut zu wehren, und hat dabei mitunter glänzenden Erfolg. Co fchildert E. Abner bom oftpreußiichen Gute Dommelheim den fiegreichen Kanıpf eines Halbzahmen, öfters von ihm gefütterten Eichhorns mit einer futterneidifchen Saatfrähe, der fich auf jeinem Balkon abjpielte. „Schon jchien die Strähe geiwonnenes Spiel zu haben... Da plöglich ein Griff der zierlichen Pfötchen um den Hals des Vogels, dann ein Biß mit den nadeljpißen Zäh- nen, und nach einigen Frampfhaften Flügeljchlägen war die Strähe verendet." Ja jogar den Yäger nimmt das Eichhorn mitunter an! Rudolf Eder auf Schloß Enzesfeld a. d. Triefting Schoß einft auf ein prachtvolles jchtwarzes Eichhörnchen. Diejes aber jprang in einem mächtigen Sabe gegen jein Geficht. „Unmillfürlich wendete ich mich weg, jo daß Die twittende Kabe jich nur an den Nodfragen einfrallen fonnte. Mit großer Mühe gelang e3 mir, das fauchende Tier herunterzureißen. Nichtsdejtoweniger nahm es mich noch einmal an, bis es durch einen wohlgezielten Fußtritt verendete”. („Weidmannsheil“, 1912.) A Diejer Mut verläßt aber das Eichhörnchen anfcheinend einem ganz neu eingeführten ‚Jeinde gegenüber, der es im Fleinen, in England, angeblich ähnlich fo zu verdrängen beginnt, tie dies im großen die Wanderratte mit der Hausratte bereits vollbracht Hat: Das graue nordamerifanische Eichhorn. Dieje viel weniger Hübjche, aber größere und ftärfere Art Hat man jowohl in dem einzigartigen Tierparadies Woburn Abbey des Herzogs von Bedford als ım Londoner Zoologijchen Garten freigelajjen, und jie Hat fich rajch in die Umgebung ver- breitet, indem fie zugleich die heimifche rote Art verfolgte und verdrängte. Deshalb hat der Herzog auf feinem Gebiete der Sache rajch und energijch ein Ende gemacht. In London und Umgebung geht die Ausbreitung und Einbürgerung der grauen Eichhörnchen auf Stoften Eihhorn: Feinde (Graues Eichhorn). Schmaroger. Fortpflanzung. 9593 der roten aber ungehindert weiter, wie „Country Life“ berichtet. Schon jind die roten aus dem Botanischen Garten von Kemw vollitändig verihwunden, wo man fie in den Buchen der abgelegeneren Teile früher viel jah. Dagegen laufen dort jet die grauen Eindringlinge dreijt zwijchen den Blumenbeeten umher. Jim Regent’ Park, der unmittelbaren Nach- barjchaft des Zoologiihen Gartens, laufen fie längjt zahlreich herum. Bon Schmarogern plagt das Eichhörnchen, nac Seydel, außer dem gewöhnlichen Holzbod, der jich mit Vorliebe Augenlider und Ohrmujcheln zum Sit erwählt, in erjter Linie eine Unzahl von Flöhen, die es jelbjt während des Frejjens oft zwingen, fich zu fragen. Zur Beruhigung jet aber mitgeteilt, Daß der eigentliche Eihhörnchenfloh, ein länglicher, hellbräun- licher ©ejelle, fich beim Menjchen nicht wohl fühlt und möglichit bald jein Heil in der Flucht jucht, wenn e3 ich zu einem jolchen verirrt hat. Auch eine bejondere Laus hat das Eichhorn, und zivar eine ganz neue, von dem Spezialforicher Fahrenholz-Hannover bejchriebene Gattung (Enderleinellus). Bon inneren Schmarogern fommt am häufigiten ein breitglied- tiger Bandiwurnt vor; dann aber auch ein Wurm von der Zorn und Größe eines mäßigen Gurfenferns. Diejen legteren Barafiten fand SeHpdel einmal bei einem Eremplar in jolcher Menge, daß jämtliche Hohlräume des Körpers mit ihm angefüllt waren. Die landläufigen Angaben zur Fortpflanzung des Eichhorns zeigen wieder, iwie weit ir noch von wirklicher YebenstenntniS auch unjerer gewöhnlichjten Tiere entfernt jind. Nicht im März exit Fan die Begattung jtattfinden, wie überall gejchrieben jteht; denn man bat „mehrmals jchon Junge im Januar und Februar bejtätigen fönnen, namentlich in gelin= den Wintern“ („Deutjche Fägerztg.“, 1907), und es find „Eichhörnchen im Februar gejchojjen worden, die ein Junges im Sange trugen” („Die Jagd“, 1907). Wemer mag daher jeine Gründe haben, wenn erden erjten Wurf bisin den Januar oder gar Dezember vorrüdi. Seydel nimmt an, „daß günftigenfalß im Jahre fünf Würfe von durchjchnittlich vier Jungen abgejegt werden, was einer Nachfommenjchaft von 20 Stüd aus jedem Paare entjprechen würde, abgejehen davon, daß die Eritlingswürfe jchon in demjelben Jahre jich ebenfalls fortpflanzen“. Sedenfalls fchreiten die älteren früher im Jahre zur Paarung al3 die jüngeren. Gin Aeib- chen verjammelt um dieje Zeit oft zehn oder mehr Männchen um jich, und dieje bejtehen dann in Sachen der Xiebe blutige Kämpfe miteinander. Hat doch, nad) Seydel, das Cic)- börnchen das unerhörte Gejchlechtsperhältnis von SO Prozent Männchen! Bier Wochen nad) der Paarung wirft das Weibchen in dem beitgelegenen und am weichiten ausgefütterten Haupt- nejte 3—7 Junge, die ungefähr 15 Tage lang blind bleiben. Eine amerikanische Eichhörnchen- liebhaberin, Frau Dr. Powers, die während ihres Berliner Aufenthaltes mit 45 Eichhörnchen ihre Liebhaberei ganz ins große trieb, hatte fünf Weibchen mit Jungen: es waren immer fünf Stück und weniger bis herunter zu einem. Die Tiere warfen zweimal im Jahre, der zweite Wurf erfolgte gegen den Monat Juni hin. Ein anderer Beobachter („Deutjche Fägerztg.“, 1907) fann „feititellen, daß die etwa dDaumengliederlangen Jungen fleijchfarben und bis auf einige zarte Schnurrhaare ganz Fahl find. Nach etwa 1%—2 Wochen find jie um das Doppelte in der Länge gewachjen. Snztijchen drängen fich auch die mehr oder weniger rotbraunen Haare durch, die oft einen bläulichen Schimmer haben. Nach drei Wochen jind jte jchon imfjtande, bom Nejte aus auf die unmittelbar benachbarten Äfte fich Hinauszumagen; doch ift die Be- wegung noch Höchjt täppijch und unficher”, während „jie im Alter von 7—S Wochen mit den Alten um die Wette Hettern fünnen. Den Jungen fehlen zunächit noch die ‚Hörnchen‘.” Nach Frau Dr. Powers haben fie die Gewohnheit — wie im Gefühl ihrer Unficherheit —, um jic) bejjer feitzuhalten, 3. ®. auf der Hand fißend, den Schwanz nad) unten einzufneifen. 994 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Tach Lenz niften die Weibchen auch in Starfaften, die nahe am Walde auf Bäumen hängen und vorher ordentlich ausgepolitert und mit einem bequemen Eingange verjehen werden, indem die Mutter das enge Flugloch durch Nagen hinlänglich erweitert. „Che die ungen geboren find, und während fie gefäugt werden”, jagt Lenz, „ipielen die Alten Yuftig und niedlich um das Neft derum. Schlüpfen die Jungen aus dem Nefte hervor, jo wird etwa 5 Tage lang, wenn das Wetter gut ift, gefpielt, gehufcht, genect, gejagt, gemurfit, gequietjcht: dann it plößlich die ganze Familie verjchwunden und in den benachbarten Fichtenmald gezogen.” Bei Beunruhigung trägt die Alte ihre Jungen in ein anderes Neft, oft ziemlich weit tweg und vollbringt dabei mitunter ganz gewaltige Straftleiltungen. So beobachtete Dörffling bei Bad Nauheim eine Eichhornmutter, die mit einem ziemlich ausgewachjenen, zur Sugel zufammengerollten Jungen im Maule ohne Schwierigkeit metermweite Säbe von Baum zu Baum machte („Deutjche Jägerztg.", 1911). Nachdem die Jungen entwöhnt worden find, jchleppt ihnen die Mutter, vielleicht auch der Bater, noch einige Tage lang Nahrung zu; dann überläßt das Elternpaar die Nachfommenschaft ihrem eigenen Schicjale und jchreitet zur zweiten Paarung. Die Jungen bleiben noch eine Zeitlang zufammen und jpielen hübjch miteinander. Im Yumi hat die Alte bereits zum zweitenmal Junge, gewöhnlich einige mwme- niger als das erjtemal; und wenn auch dieje jo weit jind, daß jie mit ihr herumjchweifen fönnen, jchlägt fie fich oft mit dem früheren Gehede zujammen, und man jteht jeßt die ganze Bande, manchmal 12—16 Stüd, in ein und demjelben Waldteile ihr Wejen treiben. Ausgezeichnet ift die Neinlichkeit des Hörnchens: e3 Teckt und pußt jich ohne Unterlaß. Weder feine noch jeiner Jungen Lofung legt es im Nefte oder im Nachtlager, vielmehr immer unten am Stamme des Baumes ab. Aus diejem Grunde eignet fich das Eichhorn bejonders zum Halten im Zimmer. Man nimmt zu diefem Zwede die Jungen aus, wenn fie halb er- wachjen find, und füttert fie mit Milch und Semmel groß, bis man ihnen Sternnahrung reichen fann. Hat man eine jäugende Kate von gutmütigem Charakter, jo läßt man duch diefe da3 junge Hörnchen groß jäugen; es erhält durch jene eine Pflege, wie man jelbjt jie ihm niemals gewähren fann. Sn der Jugend find alle Hörnchen muntere, Tuftige und durchaus harmloje Tierchen, die fich recht gern Hätjcheln und fehmeicheln lafjen. Sie erfennen ihren Pfleger und befunden ihm eine gemwifje Anhänglichfeit und Gelehrigfeit, indem jie dem Rufe folgen. Leider werden fast alle, auch die zahmften, mit zunehmendem Alter tücifch oder wenigjtens bijjtg, und zumal im Frühjahr, während der Zeit der Paarung, ift ihnen nie recht zu trauen. Freies Umher- laufen in Haus und Hof darf man ihnen in der Regel nicht gejtatten, weil fie alles mögliche bejchnuppern, unterfuchen, benagen und verjchleppen; man Hält jie deshalb in einem Käfig, der innen mit Blech ausgefchlagen ift, damit er nicht allzu fchnell ein Dpfer der Nagezähne werde. Bedingung für ihr Wohlbefinden ift, daß fie ihre Nagezähne an anderen Stoffen abjtumpfen fünnen. Man gibt ihnen deshalb unter ihr Futter viele Harte Dinge, namentlich Nüffe und Tannenzapfen oder auch Holzkugeln und Holzjtücichen; denn gerade die Art und Weije, wie jie frejfen, gewährt das Hauptvergnügen, das die gefangenen überhaupt be- reiten. Bierlich ergreifen fie die ihnen vorgehaltene Nahrung mit den beiden Vorderhänden, juchen fich fchnell den ficherften Plab aus, jegen jich nieder, jchlagen den Schwanz über jich, jehen fich, während fie nagen, fchlau und munter um, pugen Maul und Schwanz nad) ge- haltener Mahlzeit und hüpfen luftig und Hübfch in affenartigen Säben Hin und her. Diejes muntere Treiben und die außerordentliche Neinlichkeit jtellen jie mit Recht zu den ar- genehmiten Nagern, die man gefangen halten fann. Eihhorn: Fortpflanzung. Gefangenleben. 399 „gu. verwerfen jind aber”, wie Hornung-Bielefeld jehr richtig ausführt („Zool. Garten“, 1901), „die Heinen Käften mit Tretmühlen, die leider nur zu häufig den fchmuden Burjchen zum Aufenthalt angemwiejen werden.” Das hat man auch) im Nagetierhauje des Berliner Zoologijchen Gartens berüdjichtigt und unjeren Eichhörnchen einen großen Snnen- und Außenkäfig hergerichtet, leteren in Form eines überdrahteten Baumes, den Wald- rebenranfen bejchatten. Das Drehrad it ebenfalls vorhanden in einigermaßen riefigem Maß- ‚Stabe und Humaner, hygienijcher Form jozujagen, jo daß mehrere Tierchen zugleich jich darin bergrrügen, aber jederzeit durch Abjpringen auf ein feites Brett das Spiel beenden fünnen, jobald fie dejjen jatt find. E3 ift erjtaunlich und erfreulich, wie rajch fie das begreifen und danach) Handeln lernen. — Einem jung aus dem Nejte genommenen Eichhörnchen gab Hornung „einen Heinen Kajten, der mit Werg warn ausgepolitert war und in der Nähe des Herdes feinen Stand hatte. Bei Milchnahrung und eingeweichtem Weißbrot gedieh es prächtig und trieb anfangs in der Küche fein Iuftiges Spiel. Näherte jich ihm eine ‘Berjon, jo Eetterte e$ gewandt am Zeuge empor und fchmiegte jich eng an den Körper an. Auch als ‚Beter‘ bereits die Sünglingsjahre Hinter fich hatte, fonnten wir ihn im Garten umbher- laufen lajjen, ohne befürchten zu müfjen, daß er fich auf- und davonmache. Ging ich ipazieren, jo ftedte ich den Keinen Gejellen in meine Nocdtafche, und ohne Widerwillen Tre er ich dann bon einem Orte zum andern tragen.” Später hielt ihn Hornung dann mit anderen erwachjen gefangenen jeinesgleichen in einer Voliere. „Die gleiche Boltere be- wohnten noch Lachtauben, Meerjchweinchen, Kaninchen. Nie Fam e3 aber zu Streitigfeiten. Dft jtatteten auch die Eichhörnchen den Brutftätten der Tachtauben ihren Bejuch ab, ohne jich aber jemals an den Ciern oder Jungen, die bisweilen noch jehr Hein waren, zu ber- greifen... Der Heine Peter fam beim Nufen jeines Namens jelbit in der Dunkelheit jtets aus feinem Nachtquartier hervor; anfänglich ließ er dabei meilt einige TYaute hören“, die vielleicht al3 Antwort, „vielleicht aber auch al3 Vorwurf für die Ruheitörung gelten jollten!... Ein in der Nähe einquartierter Häher, der über einen Hübjchen Sprachichag verfügte, ver- anlaßte das Eichhörnchen häufig Dadurch, daß er den Namen ‚Peter‘ erjchallen Tieß, jein molliges Ruhepläschen zu verlajjen. Denn Peter folgte jtet3 willig dem Rufe des Vogels, jaß einige Zeit geduldig Harrend da und verjchwand Schließlich murrend wieder in jeinem Gemache.” Was Hornung beklagt: daß „bei Eichhörnchen, die man längere Zeit in Ge- fangenfchaft hält, Teile de3 Pelzes fahl werden”, ift im Zoologijchen Garten eine leidige Erfahrung bei den verjchiedenften Eichhornarten; namentlich die anfangs jo prächtigen Federjchweife muß der Pfleger nur zu oft früher oder jpäter unmutig zu fahlen Ratten- Ihmwänzen werden jehen. Zur Fortpflanzung fehreitet das Eichhörnchen in Gefangenjchaft nicht eben häufig; es wird wohl auch jeltener paarweife gehalten. Um jo erjtaunlicher ift die Angabe von Tiemann („Zool. Garten”, 1868), daß bei einem feiner Freunde ein Baar Eichhörnchen „in einem Sahre in fünf Würfen (!) 17 Junge erzeugt und auch großgezogen habe.“ Auch in der Freiheit fann das Eichhörnchen jehr vertraut werden; daS bemeilt jein Benehmen im Berliner Tiergarten und anderen öffentlichen Anlagen, wo e3 jich ungefährdet weiß. „Der Fall dürfte aber wohl einzig daftehen, daß die Eichhörnchen des Eichwaldes in Wörishofen fich jo an die Kurgäfte dort gewöhnt haben und jo zutraulich ind, daß fie die Küfje aus der Hand nehmen und am menjchlichen Körper wie an Baumjtämmen empor- flettern.” So berichtet Ejjer-Godesberg im „Weidwerf in Wort und Bild“ und belegt feine Angabe durch allerliebite Augenblidsaufnahmen. Der Fall jteht aber doch nicht einzig da, 556 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. fondern mwird noch weit übertroffen durch das Erlebnis, daS Seeger-Frankfurt a.M. und jeine Frau auf einer Landftraße bei Kiffingen hatten („Zool. Garten“, 1906). Beide ließ ein offen- bar noch junges Eichhörnchen ruhig Heranfommen, während ein altes beizeiten verjchtvand. Zwei ihm zugemworfene Stirfchen verzehrte es, auf den Hinterbeinen jigend, mit fichtlichem Behagen; dabei jchälte es das Fleijch jo vorjichtig von dem, Sterne ab, daß jogar der Stiel an leßterem haften blieb. Beides, Kern und Stiel, warf es nach beendeter Mahlzeit weg. „Durch diefe Lederbifjen Hatten wir jedoch unfer Eichfäschen jo zutraulich gemacht, daß es jich uns miederholt bis auf einen Schritt näherte” und Seeger e3 mehrmals, mit jeinem Spagier- ftocke abwehrend, von Berjuchen, am Node feiner Zrau emporzuflettern, abbringen mußte. Beim Weitergehen folgte es „auf der Erde laufend, wie ein Hund“, und ehe Frau Seeger e3 verhindern fonnte, „jaß e3 nun doch an ihrem Node, an dem emporflimmend es jic ruhig mit den Händen greifen ließ". Aber nicht genug damit: faum war ein zweites Spaziergängerpaar hinzugefommen, „als plößlich unjer Eichfäschen während Der Unter- Haltung von den Schultern meiner Frau mit fühnem Sprung auf die der anderen Dame überjprang und fich nun auch von diefer bereitwilligit fiebfojen und ftreicheln Tief. Sturz, das Ende unjeres feinen Exlebnijjes war, daß das Hörnchen ... von den hHinzugelommenen Herrichaften für ihre Kinder mitgenommen wurde. Der Herr jtedte e3 Furzerhand ımter jeinen zugefnöpften Nod, und es fchien hiermit auch ganz einverjtanden; denn es verhielt fich ganz ruhig und ftredte nur ab und zu einmal fein Köpfchen hervor, um jogleich wieder in feinem neuen Aufenthaltsorte zu verjchtwinden... Sch halte es für ausgejchlojjen, daß das Tierchen der Gefangenschaft entjprungen war; denn... e$ war noch viel zu jung, um jelbft nur Furze Zeit allein in der Gefangenfchaft gelebt zu haben.” Man Fan ich jolche Borkommniffe nur fo erklären, daß das Tierchen den Menfchen als folchen nicht erfennt — eine Annahme, die man nur zu oft machen muß, um fich über die Urjache mwunderlich er- icheinenden Benehmens bei Tieren far zu werden. So hängt e8 gewiß auch zujammen, was der Stodholmer Tiergärtner Behm aus dem Sfanjen dort erzählt. „Dort Holen die Eich- Hörnchen den Bären im Zioinger nicht nur die Nüfje unter der Schnauze weg, jondern jpringen dann auch noch auf ihren Rüden und nagen jie dort auf! Sunge Eichhörnchen find weit mehr Gefahren ausgejebt als die alten; eben aus- gejchlüpfte Kann, wie ich aus eigener Erfahrung verfichern darf, jogar ein behender Menjch fletternd einholen. Wir fuchten als Sinaben folche Junge auf und ftiegen ihnen auf die Bäume nach, und mehr al3 einmal wurde die Gleichgültigfeit, mit der fie uns nahefommen Tiefen, ihr Verderben. Sobald wir den Ait, auf dem jie jagen, erreichen fonnten, waren jie verloren. Wir jchüttelten den Aft mit Macht auf und nieder, und das erjchredte Hörnchen dachte ge- mwöhnfich bloß daran, fich vecht feft zu halten, um nicht herabzuftinzen. Nun ging es weiter und weiter nach außen, immer jchüttelnd, bis wir mit rajchem Griffe das Tierchen fajjen fonnten. Auf einen Big mehr oder weniger Fam es uns damals nicht an, weil uns unjere gezähmten ohnehin genugjfam mit jolchen begabten. Lebtere fing ich, wenn fie fich freigemacht hatten und entflohen waren, jtetS auf die gejchilderte Weije wieder ein. ac) Martenfon („Haarwild Rußlands”) „nimmt die Jagd und der Fang von Eich- hörnchen im Sagdgewerbe Ruflands eine der eriten Stellen ein: find doch in den leßten Sahren jährlich durchfchnittlich etwa 13 Millionen Bälge in den Handel gelangt! Sobald im Spätherbft, alfo im Oftober-November, die Eichhörnchen ihr Winterhaar zeigen, ziehen Cingeborene und Rufjen aus ihren Dörfern in die Wälder, um Eichhörnchen zu jagen, was bjelkowatj genannt wird. BZumeift vereinigt man fich zu Artells (Anteilsgenofjenjchaften) Eichhorn: Vertrautheit. Fang. Pelznugung. — Grauhörnden. 997 von 3—10 Mann, rüjtet jich mit Proviant, Hunden, Schneejchuhen, Schlingen und Elein- falibrigen Büchjen nebjt Munition aus und zieht auf einige Wochen in die jchon vorher im Walde errichteten Jagdhütten. Die von den Hunden (Laifi) aufgejtöberten und verbellten Hörnchen werden von den Bäumen mit der jchrvach geladenen Heinfalibrigen Büchje herab- gejchojjen, und außerdent jtellt man allerlei Schlingen, Fanggeräte und Fallen auf, jo die Plaschka, eine PBrügelfalle, mit einem Söder aus getrodnetem Fijchfleijch, die zrwifchen zwei Baumftämmen eingeflemmt wird, oder den Tscherkan, eine armbruftartige Vorrichtung.“ An der Lena leben die Bauern von Anfang März bis Mitte April ganz für den Eich- hornfang, und mancher ftellt dort über 1000 Fallen. Die Tungujen jchießen das Tier mit ftumpfen Pfeilen, um das Fell nicht zu verderben, oder gebrauchen engläufige Büchjen mit Kugeln von der Größe einer Erbje und töten das Hörnchen durch Schüfje in den Stopf. Bon den Fellen werden der graue Rüden und der weiße Bauch, an dem man jederjeits einen Streifen Grau jtehen läßt, „Sehrücden” und „Fehiwannten”, bejonders verarbeitet. Aus Rußland und Sibirien fommen in den wejteuropäiichen Handel blog 2—3 Millionen ‚elle, die übrigen werden im Lande jelbit verbraucht oder gehen nac) China. Außer den Sellen verwendet man die Schwänze bejonders zu „Boas” und die Schwanzhaare zu guten Malerpinjeln. Die Bevölferung der thüringischen, hübjch an der Saale gelegenen Stadt Weißenfels lebt zum Teil von der Fehzurichtung. Dort ijt die Kürjchnerei Haus- induftrie, und ihre Erzeugnijje jieht man in den Magazinjälen der Leipziger Großfirmen ballenmweije aufgejammelt, auf ganz eigentümliche Art: al3 wenn ein jorgfältig eingepacter Kronleuchter neben dem anderen von der Dede herabhinge! Neuerdings wird seh auch „auf Bobel” braun gefärbt, und diejes „Zobelfeh” joll in Nordamerika jehr beliebt fein. Yeh- jchwänze werden in allen erdenklichen Farbentönen eingefärbt und in Gemeinjchaft mit den verjchtedenen Belzjorten verarbeitet. Die Verarbeitung gejchteht ausjchlieglich in Leipzig, 1vo fich ettiva zehn Spezialfabrifen damit bejchäftigen und jährlich zwijchen 5 und 10 Millionen Tehjchweife verbrauchen. Das weiße, zarte, wohljchmedende Fleifch des Eichhörnchens wird von Sachfennern überall gern gegejjen; vor allem pflegen jehr jugendliche Schüßen dieje erjte Jagobeute mit bejonderem Hochgenuß zu verjpeifen. Daß die jibirischen Eingeborenen- und Bauernjäger, die zeitweije von Eichhornfleijch leben könnten, dies wirklich tun, Hört man allerdings nicht. Die amerikanischen Baumbörnchen, mit denen wir nicht nur die Hauptgattung Sciurus, die Eichhörnchen im engften Sinne, fondern auch die ganze Unterfamilie der Eichhornartigen (Sceiurinae) abjchließen, werden jeßt in jech® Untergattungen mit gegen 70 jelbjtändigen und gegen 60 Unterarten zerteilt. Cine ganz kleine Auswahl muß hier genügen, die uns na- mentlich die wichtigjten nordamerifanifchen Arten vor Augen führen joll. Fajt allen diejen amerikanischen Eichhörnchen wird ein jolcher Wechjel in der Farbe nachgejagt, daß der Tier- gärtner oft verzweifeln muß, ein jolches Tierchen je richtig bejchildern zu fünnen, und es beim Tierhändler jchon mit einem gewiljen Grauen anjieht. Das nordamerifaniihe Grauhörnchen der Djftitaaten, Sciurus carolinensis @m., ging in den zoologijchen Gärten früher immer al3 S. cinereus Schreb. und war hier neben unjerem Eichhörnchen das häufigite. Größer und robufter al3 diejes, unterjcheidet es fich äußerlich fchon Durch die hell eifengraue Farbe und die pinjellojen Ohren. Der breite, wunder- ichön zweizeilig behaarte Schwanz hat weißgejpiste Haare, die Stopfjeiten jind bräunlich gefärbt. 558 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Hörnchenartige. Das Grauhörnchen spielt in der Tierwelt der Vereinigten Staaten und in den Augen der Stadt- und Yandbewohner der Union diejelbe Rolle wie unjer rotes bei uns; nur tft es durch den Schießjport in vielen Gegenden der altkultivierten Nordojtitaaten bereits jehr jelten geworden. Sn den Außenteilen der Städte und Drtjchaften, wo es nicht gejchojjen oder jonjtwie beläjtigt werden darf, Hat man daher heute die bejte Gelegenheit, jein Yeben und Wejen zu beobachten. Denn obiwohl weniger Hug ’al3 das Rothörnchen, merft e3 doch tajch die Vorteile, die es in einem Fultivierten Gemeinmwejen hat. Wo jie genügend gejchüßt werden, machen jich die Grauhörnchen ihre Wohnung auf alten Schattenbäumen, die hohe Afte haben, oder in einer Höhlung des Stammes, die fie nach Bedarf erweitern. Hier leben jie, ziehen ihre Jungen groß und legen jich ihre Vorräte für den Winter an über rajjelnden Straßen und jummenden Drähten, vollfommen gleichgültig gegen den Lärm. Denn jie lieben die Bequemlichkeit, und draußen im Walde muß jo ein Grauhörnchen immerzu auf dem Poiten jein, jeine verborgenen Borräte dor den diebiichen NRothörnchen zu bewachen und den wilden Mäufen der Wälder, immer laujchen auf das Najcheln der Fußtritte des Juchjes in den dDürren Blättern oder den Schrei des Naubvogels in der Ferne. Denn die Notjchulterbufjarde find gefährliche Feinde, und die Stunden, die fie gewöhnlich der Jagd obliegen, entjprechen genau den Arbeitsjtunden der Grauhörnchen — don Sonnenaufgang bis 10 Uhr morgens und von 3 Uhr nachmittags bis gegen Sonnenuntergang. Der Bufjard lauert wie eine State auf Die Öelegenheit, ein unglüdliches, unachtjames Eichhorn zu greifen; jobald jeine jcharfen Augen den Schimmer eines bujchigen Schweifes wahrnehmen, werden die langen Schwingen zujammengeflappt wie ein Fächer, und der Räuber jtößt herunter. Oder der noch Hinterlitigere Oänjehabicht und Coopershabicht mit ihren jchmäleren, jchlan- feren Flügeln und jachtartigem Bau jchiegen mit trügerischer Gejchwindigfeit Durch das Unterholz; dahin, gerade richtig im Zuge, die eifrigen Ernteeinträger bei der Arbeit zu über- tajchen. Die grauen Eichhörnchen erfahren e3 auch, daß im Herbite der Menjch, der jich im Walde aufhält, ungleic) Dem Städter, eine Flinte trägt und gelegentlich ebenfalls Eichhörn- chen verzehrt. Anderjeits, wenn ihnen eine Heine Ermutigung zuteil wird, lernen die Grau- hörnchen bald, dir öfter Bejuche im Zimmer abzuftatten; du braucht nur ein Fenter für fie offen zu lajjen, das in Sprungweite von ihrem Baumiipfel liegt; einige Nüfje oder ein Stüd Kuchen werden jchnell ihre Scheu überwinden helfen. Sogar da, wo fie al3 gefegliches Wild gelten, verlieren jie während der Schonzeit im Frühling und Sommer viel von ihrer Men- ihenjcheu. Shre Gewohnbeiten ändern ji) nur wenig, ob jie im tiefen Wald oder im Weichbild einer Stadt Leben. Wenn fie eine pajjende Baumbhöhle finden, erweitern jie jte nad) Bedarf, da fie gern inmwendig reichlich Pla haben, um jich bewegen zu fönnen. Oft beziehen ein halbes Dußend und mehr Grauhörnchen Ddiejelbe Höhlung, und obwohl die alten Männchen dazu neigen, unangenehm launijch und tyrannijch zu werden, jcheinen jich in der Höhle für gewöhnlich doch) alle ganz gut zu vertragen. Das Grauhörnchen macht aber auch Nefter von Blättern in Aitgabeln, meijt auf Buchen. &3 jchneidet dann die Blätter im Sommer von den Zivei- gen, wenn jie noch grün find, und baut je in aufeinanderfolgenden Lagen jo auf einen Rojt von Zweigen auf, daß fie den Negen vollitändig abhalten, aber im Inneren nur Raum für einen oder zwei Bewohner lajjen. Die Grauhörnchen warnen einander vor Gefahr mit einem tiefen, rauh Freifchenden Bellen, das ji) am Schluß in ein weinerliches inurren auszieht und bei jtilfer Yuft weithin hörbar und Fenntlich ift. Se nach der Winterfälte Hält das Grauhörnchen auch einen Winterjchlaf wie unfer rote2. Grauhörnchen: Überhandnahme. Geiftiges Wejen. 999 Und wie unjer rotes nimmt auch das Grauhörnchen in den Parken und Gehölzen der amerifanijchen Städte mitunter jo überhand, daß man fich feiner entledigen muß. Aus Nerv York wurde der Überfchuß nach London abgejchoben, wo man den Wunfch geäußert hatte, daß der überflüjjige Eichhörnchenbeftand nicht getötet, fondern nur eingefangen und dem Londoner Zoologiiden Garten überjandt werde. Gegenwärtig tummteln fich die amerifanifchen Einwanderer bereits im Londoner Zoo bis zum Negent’S Park Hin. Ein- zelne find ungemein zutraulich und haben jich, wie es jchon in New Vork ihre Art war, mit den täglichen Bejuchern der Bromenadenanlagen jo vollfommen angefreundet, daß fie jih aus der Hand füttern lajjen. Aber jchon zeigen fich auch die Schattenfeiten diejer Ein- führung. Ein PBarfwärter jagte dem zu Bejuch anmwejenden Leiter des Tiergartens zu Kairo, Capt. ©. ©. Flower, daß die grauen Eichhörnchen durch Nejtraub an den Singvögeln recht viel Schaden tun; aber das Publitum hat mehr Spaß an ihnen al3 an den Vögeln. Aufmerfjame Wärter des Londoner 300 |prechen aber die Grauhörnchen von der Arklage des Nejtraubes frei, und ficher jind 1908 dort eine ganze Menge Schwarzamjeln und Droj- jeln aufgefommen, anjcheinend jogar mehr als jonft. Das mag indes vielleicht der reichlichen Fütterung der Grauhörnchen im Garten zu verdanfen fein (‚‚Field‘“, 1908). Auch in Wo- burn, der nur der Tierliebhaberei im denkbar größten Stile dienenden Bejigung des Herzogs bon Bedford, vermehrte fic das amerikanische Grauhörnchen im großen und war bald eine ganz vertraute Erjcheinung. E3 machte jich zwar feines Schadens an Gehölzen und Pilan- zungen jchuldig (‚‚Field‘“, 1907), wurde aber Doch wieder abgejchojien, weil es zujehends das eingeborene rote verdrängte. Die bei unjerem roten Eichhorn neuerdings feitgejtellte große Überzahl der Männchen zeigte fich in England auch bei dem dort eingebürgerten ameri- fanischen grauen. Eine ganz merfwürdige Tatjache! Bom Mute des Srauhörnchens werden zwei erjtaunliche Gejchichten erzählt. Cine aus dem Zoologiichen Garten von New York. Dort ließen fich zwei Grauhörnchen durc) Erdnüjje in einen Zwinger loden, den fünf noch ziemlich junge Bären bewohnten. „Die Bären ließen ein erjchredtes Pfeifen beim Anblit der beiden fremden Eindringlinge ver- nehmen und — flüchteten in die Ede ihres täfigs. Darauf holten jich die Eichhörnchen die Küfje Stüd für Stüd aus dem Bärenzivinger und brachten jie Draußen in Sicherheit.” — Koch Helidenmütiger macht jich Die zweite Gejchichte, die Zipperlen aus dem Zoologijchen Garten in Cincinnati erzählt („Zool. Garten“, 1875). „Bei einer Fütterung wurde ein Sraues Eichhörnchen in den Stäfig einer über 5 Fuß langen Sllapperjchlange gebracht, die auc) jogleich, da jie über 6 Monate nichts gefrejjen hatte, jich bereit zeigte, über das arme Hörn- chen herzufallen, und zum Anfang gewaltig Happerte. Das Hörnchen, erjchredt, |prang mit einem Sat auf die fich bewegende Stlapper zu, wahrjcheinlich in feinem Eichhörnchenverjtand dieje als etwas Drohendes und Gefährliches anjehend, und biß jie bis auf zwei Stlappern ab. Ein Sa rüdmwärts brachte e3 aber nicht ganz aus dem Bereich der Schlange, die e3 in den Schenfel big. Die Wunde blutete; aber das Hörnchen fchien nun entjchlojjen, den gefähr- lichen Gegner zu vernichten... Mit einem Sabe ftürzte e3 auf die Schlange zu und biß jie genau Hinter dem Kopf durch die Wirbeljäule, worauf die Schlange jich jtredte... Nach einigen Stunden hatte jte aufgehört zu leben, während das Hörnchen feinen Biß überlebte und heute noch munter ijt.“ Bon dem Belzwerf des Grauhörnchens macht man wenig Gebrauch. ES werden nur Heine Pojten an den Markt gebracht, obwohl das Tier jo häufig it; Doch haben die Felle wenig Wert, da das Haar dünn und etivas grob it. 960 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Über die Lebensweife der übrigen Arten, die jich über Merifo, Mittel- und Süd- amerifa verbreiten, hier aber nur jo weit, wie der Urwald reicht, ift wenig zu finden. Bom Goldbauhhörnchen, Sciurus aureogaster F. Cuv. (S. variegatus), aus Dft- merifo mit der Unterart S. a. hypopyrrhus Wagl. (Taf. „Nagetiere XVIII”, 4, bei ©. 533) hat $. dv. Fijcher wenigiteng das Gefangenleben gejchildert. Diefes jchöne Hörnchen hat in der Regel eine rotgelbe Unterjeite, worauf jeine Namen anfpielen; die Unterjeite fann aber bis in Weiß abändern, ebenjo wie die graue Oberjeite in Schwarz, und wenn irgendivo bei den amerikanischen Eichhörnchen, jo haben wir hier die weitgehende Unbejtändigfeit in der Farbe, die die Namenbejtimmung jo jehr erjchwert. %. d. Fiichers Goldbauchhörnchen er- rwiejen jich alS ausgejprochene Tagtiere und lagen für ihr Xeben gern lang ausgeitrect auf einem Ate im vollen Sonnenjchein. Auf der Erde bewegten jie jich ganz wie das euro- päische Eichhörnchen, aber jie famen nur ungern aus dem Gezmweige herab. Beim Frejjen nahmen jie oft eine eigentümliche Haltung an: hingen an den Hinterfüßen von einem Zweig herab und verzehrten jo ihr Futter, das jte ziwijchen den VBorderfüßen hielten. b. Tichudi bringt in jeiner „Fauna Peruana“ einiges über das Treileben des Wechjel- eihhorns, S. variabilis Is. Geoffr., das in der Regel oben hell rotbraun, jehr fein jchivarz gejprenfelt ijt, unten jcharf abgejegt weiß. „Zahlreiche Varietäten, bejonders in bezug auf die Färbung des Unterleibes”, find aber Tjchudi vorgefommen, die den Namen des Tieres rechtfertigen. Die Yebensweije „tinmt jo ziemlich mit der unferer europätjchen Art überein, weicht von derjelben aber vorzüglich darin ab, daß das peruanische Eichhörnchen fich nicht eigene Neiter. baut, jondern in jchon vorhandenen Köchern alter Baumftänmte nijtet. Seine Nahrung bejteht vorzüglich aus Balmfrüchten und aus Nüfjen, die den europätjchen jehr ähnlich, aber viel wohljchnedender find. CS lebt fait ausjchließlich in dent lichteren Gehölze am Rande der dichtejten Urwälder, jehr jelten trifft man es tiefer in den Wäldern; am häufig- jten fommt es in der Nähe der Plantagen vor, bejonders zur Zeit der Reife des Maijes, der während mehrerer Monate jeine ausjchließliche Nahrung ausmacht. ES ijt auch an Orten, wo es vom Menjchen noch nie verfolgt wurde, jehr jcheu und nur fchiwer zu erlegen, da e8 in den dichtbelaudten Bäumen immer ein Jicheres Ajyl findet. Geht jelten fommt es auf die Erde herunter, außer um den Durst zu jtillen.” Kur äußerlich den europätjch-jibirischen Formen jehr ähnlich, aber nach dem Schädelbau Vertreter einer bejonderen Untergattung it das Hudfonhörnchen, Nothörnchen oder Ehifaree der Amerifaner, Tamiasciurus hudsonicus Erxl. &3 lebt im Hudjonbaigebiete, Labrador, Kanada, Maska und den nördlichiten Staaten der Union. Die Hauptfärbung tft oben, von den regellojen Yarbenänderungen abgejehen, ein ftunpfes Rotbraun, mit grauen Tönen untermijcht, unten jtets weiß; im Winter hat es furze Ohrbüfchel. Von unjerem Eich- horn unterjcheidet es fich aber auf den erjten Blick jchon Dadurch, daß es Heiner und Furz- jchmänziger ift, und durch eine gemwijje Diföpfigkeit. Auch ift der Schwanz verhältnismäßig dinn und furz behaart, die Beine find lang und dünn im Verhältnis zum Rumpf, und die ganze Gejtalt ijt nicht jo anımutig wie beim grauen oder Fuchseichhorn. Ein Diekföpfchen icheint es in doppeltem Sinne zu fein. „Was ihm an Größe fehlt”, jagt Hornaday, „er jet e8 duch Mut und Lebhaftigfeit. Ar den Neuenglandftaaten vertreibt es oft jämtliche graue Eichhörnchen aus einem Gehölz, wenn diefe jich unterfangen, mit ihn gemeinjam da leben zu wollen.” Und dabei ijt das graue viel größer und jtärfer! Gegen den Nat, das NRot- hörnchen als bösartiges Tier auszurotten, wendet fich aber Hornaday mit Recht: „Die völlige Goldbauhhörnhen. Wechjeleihhorn. Rothörnden. s6l Ausrottung einer Säugetier- oder Vogelart ijt ein ziweifelhaftes Experiment, auf da3 man jic) ohne die jorgfältigiten Unterfuchungen nicht einlafjen follte.” Ein fehr weijes Wort, das zu allen Zeiten und an allen Orten gebührende Nachachtung verdiente ! Hart Merriam jchildert das Rothörnchen aus den Adirondadbergen bei New Nork als wenig jcheu vor dem Menjchen, das dreijtejte jeiner ganzen Sippe. E3 ijt immer auf dem PBoiten von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang, manchmal, befonders bei Mondjchein, jegt e3 jeine Streifzüge durch die ganze Nacht fort, und two e3 jich draußen findet, belebt e3 die Stille der Wälder durch fein fortwährendes Gejchnatter. Dbmohl ein gemandter Stletterer, der jich in weiten Sprüngen von Alt zu Ajt gefältt, jolche mit Grazie und Sicherheit ausführt, bringt es doch viel mehr Zeit auf der Erde zu als die anderen Baum- hörnchen, macht zumeilen jogar fein Nejt in Erdhöhlen. Darauf würde auch fein neueiter Untergattungsname Tamiasciurus pajjen, der jopiel bedeutet wie erdhörnchenähnliches Baumbhörnchen. Alte Stämme und Stümpfe, Hoßjtöße und Neifighaufen find beliebte Unterjchlupfe, und wenn es fich jelbit einen unterirdischen Bau gräbt, jo legt es ihn gewiß im ficheriten Winfel an. Wie nach) feiner Verbreitung zu erwarten, ijt e8 das härtejte der amerifanijchen Eichhörnchen. &3 bewohnt nicht nur Gegenden, wo man die Strenge de3 nordiihen Winters bitter empfindet, jondern verihmäht auc) den Winterjchlaf, bleibt viel- mehr jelbjt bei der größten Kälte munter. Wenn es über den Schnee läuft, verjinkt es oft unter diefen, läuft außer Sicht ein Endchen weiter und fehüttelt, wieder auftauchend, den Schnee von Stopf und Störper, fegt feinen Schwanz ab und hüpft dahin, jo leicht und offenbar jo wohlgemut, als wenn e3 vom Bad im riejelnden Bach am heißen Sommternachmittag fäne. Eben deshalb hat eS aber jeder gern, meinen Stone und Cram, wenn e3 auch mehr Heine Fehler und weniger Tugenden hat als anderes Waldgetier. &3 ijt zänkijch, lärmend und boshaft und mijcht jich immer in die Angelegenheiten anderer. Zm Winter macht e3 jich jörmlich ein Gejchäft daraus, feinen Nachbarn die Mundvorräte zu rauben, die fie fich zujammengetragen haben, obwohl es jelbjt jtetS mehr als fein notwendiges Teil beijeite gebracht hat und eiferfüchtig bewacht. m Sommer plündert e3 die Bogelnefter auf den Bäumen und am Boden. Man trifft e3 jicher auf allen Landwegen zu jeder Jahreszeit; in den meijten Nordjtaaten find Kothörnchen jo gemein wie bei uns in Deutjchland Heute die Shmwarzdrofjeln. Andere Eichhörnchen lieben ein jorglojes Zigeunerleben in der warmen Sahreszeit und denken erjt an die Erntearbeit, wenn die Nüfje reifen. Dagegen beginnen die emjigen Rothörnchen jchon früh im Juli, wenn die Jungen noch gewartet und be- wacht werden müjjen, die grünen Zapfen der Weißtanne zu jchneiden, und arbeiten von früh bis jpät, jie unter den Tannennadeln einzugraben, immer ein halbes Dußend an einer Stelle, um jie dann im Winter und erjten Frühjahr wieder herauszuholen und den Samen im Ssneren aufzufnaden. Seine Schneemajje fann jie dann viel hindern, wenn es heißt, Die Stelle der vergrabenen Vorräte zu finden. Wenn die Zeit des Tannenzapfenfammelns borüber ijt, reifen die Nie und Eicheln, und es gibt Falläpfel, die aufgelefen und in hohlen Bäumen gelagert werden; denn das Nothörnchen zieht jtreng feinen Zehnten von den Yar- mern ein. Mit dem Korn übrigens wartet e3 lieber, bis diejes der armer jelbjt auf dem Speicher hat, wo e3 das Eichhörnchen ohne viel Zeitverlujt Haben fan. Die Hemlodtannen halten ihren Samen den Winter über, und da vergeht fein Tag, ob Schnee oder Winter- jonnenjchein, daß man nicht die Nothörnchen von den Spigen der jchiwanfenden Außen- ziveige abernten jteht im Verein mit den zwitjchernden Ktreuzjchnäbeln und Hafengimpeln. Im eriten Frühling jind die Rothörnchen Hübjch fleißig, den Zuderahorn anzuzapfen. Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 36 962 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Sie Hettern zu den Wipfelfnojpen empor, wenn dieje im zunehmenden Sonnenjchein zu jchwellen beginnen, nagen napfförmige Vertiefungen in die Oberjeite eines Ziveiges md trinfen dann den Saft, der te füllt; ein Dugendmal am Tage fehren fie wieder zu der füßen Srfriihung. Zugleich belauern jie Die Bewegungen der Badenhörnchen und grauen Eich- hörnchen in der Hoffnung, daß diefe ihnen gerade jebt ein verborgenes Nußlager verraten. Sie find aber auch jederzeit tüchtige Fleifchfreffer, obtwoHl, außer im Vogelneftraub, nichts we- niger als erfolgreiche Jäger. Aber jie folgen bejjeren Sägern, um aus deren Jagdglüd Nußen zu ziehen, und jchädigen den Trapper, indem jte ihm den Köder aus den Fallen jtehlen. Obwohl die Rothörnchen mit wenigen Ausnahmen in Gefangenschaft nicht zahm werden, jind die meijten geradezu erpicht auf die Gefellichaft des Menjchen: ihr heller Kopf läßt fie jehr Schnell entjcheiden, wen jie wirklich trauen können. Den einfamen Holzhauer erfreut oft die Gejellichaft des Iuftigen Maldgeijtchens, das ihn jeden Morgen mit großem Gejchrei vom Holzitoß herab begrüßt und verjucht, ihm jein Frühftüd zu ftehlen, jpäter die zerjtreuten Srumen aufliejt oder mit dem Talg wegrennt, den der Holzhauer bei fich hat, um den Stiel jeiner Art einzufetten. Die meilten Nothörnchen haben nicht genug mit einer Wohnung. Sie müjjen eine unterirdische Höhle zwischen Baummurzeln für alle Fälle haben und außerden noch ent- weder ein Kejt in ven Zweigen oder in einem hohlen Baum oder beided. Wenn jie von einem verlajjenen Strähen- oder Habichtneft Bejiß ergreifen können, jo überdachen fie es mit Moos, Rindenjtreifen und Tannennadeln und haben ein behagliches Heim fir jedes Wetter. Su den meilten Tannengehößen find mehr jolche Nejter von Nothörnchen bejeßt alS von den urjprünglichen Eigentümern. Cin andermal wieder richten fie eine Blattfornı von Zweigen in einer Ajtgabel oder am Stamme her, bauen darauf ihr Neft, geftügt durch Heine fte, aus feuchtem Moos und Zedernrinde und deden es mit Tannennadeln. Sie machen auc) Kejter von weichem Gras in hohlen Stämmen und Stümpfen oder in einem Holzitoß. Einzelne Nüfje Feilen fie mitunter in Jweiggabeln und Nindenjpalten. Sehr viele Ähnlichkeiten im ganzen Leben und Weben mit unferem Eichhorn; nur Die ewig Frafeelerige Dreijtigfeit macht einen auffallenden Wejenszug aus, auch in der Öefangen- Ichaft. ©o ein frecher Sinirps wird nie Den fütternden Pfleger heranfommen lajjen, ohne, während er ihm die Xederbijjen aus der Hand nimmt, ihn fortwährend erregt anzujchnattern und auf die Hand loszufahren. Keben den Hudjons- und Grauhörnchen gibt es in Nordamerifa noch eine dritte Eich- horngruppe, die FZuhhsichwanz- oder Kaßenhörnchen (Guerlinguetus Gray), die größten amerikanischen Baumbörnchen, die in vier Lofalformen den größten Teil der Vereinigten Staaten öftlich des Feljengebirges bewohnen. Am Yängjten befannt find die Form des oberen und mittleren Mijjijjtppi, G. niger rufiventer Geoffr. (S. ludovicianus), und die Der Sitdojt-Staaten und Floridas, G.n.niger L. (capistratus), die zuerjt nach einem Schwärz- fing bejchrieben wurde und daher ihren eigentlich ganz unpajjenden Namen trägt. Pie nördliche Form tft etwas Heiner als die füdliche, oben rojtbraun mit Schwarz verwajchen, unten hellbraun. Die jüdliche it jehr ähnlich in der Farbe, Hat aber immer rein weiße Naje und Ohren und ijt dadurd) aus allen amerikanischen Eichhörnchen fofort herauszufennen. Sonit ift die regelrechte Farbe oben auf dem Stopfe fehwarz, oben auf dem Rumpfe jchtwärz- lichbraun, unten heller braun, Schwanz dunkelbraun, fchiwarz gerändert. Abänderungen find auch bei diejer Eichhorngruppe an der Tagesordnung in jeder Schattierung bis zu Pechjchiwarz Rothörnhen Fuhsihmwanzhörnhen Brafilhörnden. 969 über den ganzen Körper; aber Ohren und Naje jind immer weiß. Die nördliche Form ift, nach Hornaday, die veränderlichite von allen: unter 50 Stüden wird e3 fchwer, wenn nicht unmöglich jein, zwei ganz gleiche herauszufinden. Dft hat jie ein jchönes graues Haarfleid und jieht aus wie ein echtes Grauhörnchen mit braumem Rüden und Stopf. Dft ift fie oben dunfelgrau und jchwarz an Bauch und Gliedern — eine fremdartige Farbenzujfammenftellung. Stone nennt die Fuchshörnchen große, jtarfe Burjchen, die ihr Wejen der Waldart anpajjen, in der jie leben. m Hartholz leben fie jehr ähnlich wie Die Grauhörnchen im Som- - mer, jorgen aber gewöhnlich weniger für die Falte Jahreszeit vor; fie vermeiden lieber jolche Gegenden, wo längere Zeit tiefer Schnee liegt, und lajjen e3 darauf anfommen, daß jie von Tag zu Tag ihr Futter finden, indem jte im Fallaub nach Eichehn und Nüfjen jcharren, und, wenn dieje fehlen, jo gut e8 geht, von Baumfnofpen leben. Bei rauhen Wetter bleiben jte eng beifammen zu Haufe in ihrer Baumhöhle und leiden lieber Hunger, als daß jie der Kälte Troß bieten. m der milderen Jahreszeit juchen jie Wildobit, Beeren, Pilze und gehen in die ornfelder, fobald die Ihren die milchige Neifeftufe erreicht Haben. Auf den Tannen des Südens bauen jie große Nejter aus Spanijchem NtooS (Tillandsia) in den Wipfeln, und in dieje bringen fie die abgebijjenen Zapfen, genau iwie die Nothörnchen es auf den Weik- tannen de3 Nordens machen, indem fie auf ähnliche Weije die Zapfenjchuppen abbeißen, um zu dem Samen zu gelangen. Die zerjtreuten Schuppen am Fuß ihres Nejtbaumes ver- taten fie oft dem Eichhornjäger. Sn den Laubmwäldern bauen die Zuchshörnchen Nefter aus trodenem Laub: ein großes Bündel, das oft jehr auffallend gelb ausjieht. Ein andermal leben jie in Baumböhlen und nehmen trodenes Gras und Streifen weicher Ainde zur Aus- Heidung ihres Lagers. Ein ausgewachjenes Fuchshörnchen hat nach jeiner Größe und Stärfe wahrjcheinlich wenig von den Raubvögeln zu fürchten; gleichwohl mag der Notihiwanzbufjard gelegentlich einen Angriff wagen oder der Öänjehabicht, wenn er durch einen ungewöhnlich harten Winter nad) Süden getrieben wird. Die jchlimmiten Feinde des Fuchshörnchens find ohne Zweifel der Notluchs, der Graufuchs und der Wajchbär. Bom Menjchen werden die Fuchshörnchen viel gejagt für die Stüche, weil fie etwas wiegen und qut jchmeden; aber es gehört ein ge- jchiefter Pirfchjäger dazu, um viele zu erlangen. Das Brafilhörnchen, Guerlinguetus aestuans Z., it oben rotbraun, die Kehle weißlichgrau, Brujt und Bauch rötlichgelb. ES Tiebt, nad) Snethlage-Bard, mehr dichtes Unterholz, auch das Geftrüpp verlafjener Pflanzungen, weniger den lichten Hochwald und wagt jich auch nicht jo leicht auf die äußerjten Zweigjpigen hinaus wie unjer Eichhorn; E. Snethlage jah das Tier mehrfach, „um einen Nebenbaum zu gewinnen, lieber auf die Erde herabjteigen und in langen Säben über den Boden flüchten”. Anfang Dezember jchoß ihr Präparator ein Weibchen mit Milch im Gejäuge. Den landesüblichen Namen „Coati-purit” verdankt Ddiejes Eichhörnchen feinen eigentümlichen Stimmlauten, „die wirklich an die jchrilfenden hohen Zanftöne der Covatis (Najenbären) erinnern, aber viel leifer jind“. Von ihren Öefangenen im Zoologijchen Garten von Para hat E. Snethlage diefe Laute aber nie gehört. Unter drei Stäfiggenojjen fand fich ein Baar zujammen, das zweite Weibchen wurde jchlecht behandelt: eines Morgens fand man es „mit jchiveren Verlegungen, unter andern einer markjtüdgrogen Wunde an der Seite, wo Haut und Haar bis in das Fleijch abgeftejjen waren... Aber die Wunde Schloß ich nach unglaublich Furzer Zeit vollftändig, und nach einigen Wochen fonnte man die Narbe äußerlich faum noch wahrnehmen.” — Sn Eofta Rica, a 36* 564 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. fo eine von dem Berliner Shyjtematifer Peters unterjchtedene Unterart (G. ae. hoffmannı Ptrs.) vortommt, ist dieje, nach d. Franbius, jo zahlreich in den Stafaoplantagen, 3. B. im Matinatal, und tut da jo viel Schaden an den reifen Kafaofrüchten, daß e3 die wichtigite Pilicht des Aufjehers ift, täglich Durch die Plantagen zu gehen un» Eichhörnchen zu jchießen. Trogdem werden eine große Menge Stafaobohnen angebijjen.und verfaufsunfähig gemacht; man nennt fie „Eichhörnchen- Kakao” und gibt fie den Arbeitern in Zahlung. % Die nach ihrer Stleinheit jo genannten Zwerghörnchen (Nannosciurinae), eine feine Gruppe winziger Baumbörnchen, hat durch Forjytd Majord Schävel- und Gebikunter- juchungen eine fo felbjtändige Bedeutung im SHitem erlangt, daß fie von den übrigen Baum- börnchen weiter entfernt worden find al3 Ziejel und Murmeltiere und eine eigene Unter- familie bilden wie die Flughörnchen. Sie haben einen langen Stopf, zugleich aber eine breite Stirn, und außerdem ijt das Auge von einem falt vollftändigen Sinochenring umgeben. Die Baczähne jind denen der Schlafmäufe auffallend ähnlich. Sech3 Arten (Nannosciurus exilis Müll. Schl. u. a.) leben auf Malaffa, Sumatra, Sada, Borneo und den Philippinen und eine Art (Myosciurus minutus Du Chaillu) in Weitafrifa (Gabun). Ein jehr niedliches Tierchen muß Whiteheads Zmwerghörnden, N. whiteheadi T'hos., aus Nordborneo jein, das ohne Schwanz nur 8 cm lang ilt, an den Ohren aber längere PBinfel aus Schwarzen und weißen Haaren hat al3 irgendein anderes Hörnchen. Die Farbe it olivengrau gefprenfelt. Dieje Hochintereffante Baumbhörnchenform, die auch vor ihren nächjten Verwandten, den übrigen Hwerghörnchen, Durch die mächtigen Ohrpinfel noch ganz bejonders ausgezeichnet ijt, Fam Durch Whitehead zuerjt 1888 in das Britiiche Mujfeum, two fie Oldfield Thomas natürlich alSbald entjprechend würdigte. Iiho- mas bildet das Whiteheadhörnchen auch ab (‚„‚Proc. Zool. Soc.“, 1889) und jtellt es mit den anderen neuen Arten vom Sina Balu (Berg in Borneo) jehr richtig als Beweis dafür Hin, ipie weit wir noch von wirklicher Kenntnis der Heinen Säugetiere entfernt jind. Zugleich jtügen dieje Heinen Säugetierformen vom Slina Balu, von denen eine Art bisher nur vom indischen Feltlande (Himalajagebirge), zwei von Sumatra und je eine von Java und Celebes befannt waren, die allgemeine Annahme, daß wir in der hinterindischen Snjelwelt die Höchit- gelegenen Nejte eines verjunfenen Feitlandes vor uns haben. x Sn einem gemwiljen Gegenfabe zu den Taghörnchen ftehen die nächtlich lebenden Flırg- hörnchen (Petauristinae), die legte Unterfamilie der Hörnchenartigen. Sie unterjcheiden lich von jenen hauptjächlich dadurch, daß ihre Beine und Füße durc) eine breite „Flug- haut“ verbunden find. Dieje ift aber nur ein Fallichirm, der die Flughörnchen befähigt, mit Leichtigkeit jehr bedeutende Sprünge in fchiefer Nichtung von oben nad) unten auszu- führen, und bejteht aus einer derben Haut, Die an den vorderen und hinteren Gliedmaßen und zu beiden Geiten des Leibes befejtigt und auf der Nüdenfeite dicht, auf der Bauchjeite aber dünn und jpärlich behaart it. Ein nöcherner Sporn an der Handmwurzel jtüßt das vordere Ende der Flughaut noch bejonders. Der Schwanz dient als Fräftiges Steuerruder und ijt immer ftarf, bei den verjchiedenen Arten jedoch nicht in derjelben Weije, bei der einen Gattung nämlich einfach bujchig, bei der anderen ziveizeilig behaart. Hierzu fommen geringe Unterjchiede im Zahnbau. Die rundichwänzigen Flughörnchen zeichnen fich durch e a a En a Fe a WERTET: FE HART: Mi Hu Bwerghörndhen. — Taguan. 969 den eigentümlichen Bau ihrer Heinen, abgerundeten und verjchmälerten Badzähne aus, während die Gattung mit ziweizeiligem Schwanze das Gebiß der echten Eichhörnchen bejist. Eine dritte Gattung mit nur einer Urt hat wiederum anders gebaute Baczähne. Die Flug- hörnchen find über die nördliche Erdhälfte verbreitet und im Vergleich zu den übrigen Gat- tungen der Familie arm an Arten; immerhin haben jie es in Trouejjarts Supplement auch jchon auf 50 jelbjtändige Spezies gebracht. Der Taguan, Petaurista oral Tick. (Pteromys, petaurista), das größte Mitglied der ganzen Familie, fommt in feinen Körperverhältnijjen einer Hausfabe fait gleich; jeine Leibeslänge beträgt an 60 cm, die des Schwanzes etwa ebenjodiel und die Höhe am Widerriite 20 cm; ausgebreitet Eaftert e3 60 cm. Der Leib ijt gejtredt, det Hals Furz, der Kopf verhältnismäßig Hein und die Schnauze zugejpißt. Die Ohren find furz und breit, jtehen aufrecht und laufen in eine Spite aus, die weit vortretenden Augen find groß. Die Hinterbeine find deutlich länger al3 die Vorderbeine; jene Haben 5, dieje 4 Zehen, die, mit Ausnahme der mit plattem Nagel befleiveten Daumtenmwarze, furze, rumme und jpißige Krallen tragen. Die Flughaut beginnt an den VBorderbeinen, zieht jich an den Seiten des Leibes nach hinten und Heftet jich an den Hinterbeinen aı, von vo aus fie jich noch in einer Heinen Hautfalte gegen den Schwanz Hin verlängert. Sr der Ruhe wird fie an den Leib an- gezogen und tritt bloß da lappenähnlich vor, wo fie durch den [pornartigen Sinochen an der Handmwurzel gejtüßt wird. Der lange und fchlaffe Schwanz tft jehr did und bujchig behaart, der Pelz auf dem Körper und den Gliedmaßen dicht, Furz und anliegend, auf der Rüden- feite raubher al3 auf der Unterjeite und am Schwanze; die Slughaut erjcheint wegen der furzen, feinen Härchen an ihrem Rande wie mit Sranfen bejegt. Hinter den Ohren verlän- gern fich einzelne Haare zu einem Busch, und auf der Wange jteht eine mit Borjten bejebte Warze. Die Schnurrhaare find mäßig lang, aber jteif. Wie bei allen nächtlich lebenden Tieren ftehen einige diefer Fühlhörner über den Augen, um das wichtige Sinneswerkzeug zu jchügen. Auf der Oberjeite des Kopfes, dem Rüden und an der Schwanzmwurzel wird die Färbung des Pelzes, ein Gemijch von Grau und Schwarz, dadurch hervorgebracht, daß einzelne Haare ganz jchwarz, andere an der Spibe weißgrau ausjehen; die Seiten des Stopfes und der Streifen, der fich vom Naden gegen die Borderbeine zieht, find entweder ebenjo gefärbt wie die Oberfeite oder rötlich Faftanienbraun; das Geficht ift vorn jchwarz, das Ohr hellbraun und der Hauptbujch Hinter demfelben dunkelbraun. Auf der ganzen Unterjeite hat der Pelz eine fchmugig weißgraue Färbung, die in der Mitte des Leibes etwas heller wird. Die Flughaut ift oben jchwarzbraun bis Fajtanienbraun, Ticht ajchgrau gerandet, unterjeit3 grau, etwas ins Gelbliche fallend. Die Beine find rötlich Faftanienbraun oder rötlichichwarz; der Schwanz ijt jchwarz. Die Heimat des Taguans find alle Gebiete Dftindiens und Ceylons, wo ausgedehnte Waldungen vorkommen; dort hauft er einzeln oder paarweije in den dichtejten Teilen und borzugsweije auf den hHöchiten Bäumen. Bei Tage jchläft er in Höhlungen der Stämme, nachts fommt er hervor und Flettert und fpringt mit außerorventlicher Schnelligteit, Ge- wandtheit und Sicherheit in den Baumfronen umher oder in jehr weiten Säben nach be- nachbarten Bäumen, immer bon oben nach unten. Dabei breitet er jeine Füße mwagerecht und fpannt Hierdurch die Flughaut zu einem weiten Fallichiem aus; erdon hat ihn Streden von 60 m durchmefjen fehen. Der Schwanz wird als Steuerruder benußt und joll das Tier befähigen, durch plößliches Wenden die Richtung jeines Fluges mitten im Sprunge 566 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. zu verändern. Nac) Sanderjon erwarten aber die Eingeborenen das Tier, das, einmal in der Luft, von feiner Richtung nicht mehr abweichen fan, am Endpunfte der durchjchwebten Linie und töten es mit einem Stocdjchlage. Unter feinen Sinnen jind Gehör und Gejicht ziemlich ausgebildet, die übrigen aber weit unvollfonmener entwigfelt. Jn jenem geijtigen Wejen unterjcheidet er jich wejentlich von den eigentlichen „Eichhörnchen. Er hat weit weniger Verftand und tft noch viel Furchtiamer und jcheuer als jeine den Tag liebenden Ver- wandten. Das geringjte Geräusch erfüllt ihn mit Entjegen und bewegt ihn zur eiligiten Flucht. Dies macht man jich in Jndien zunuge, inden man das Tier in mondhellen Nächten jehr gejchieft über Baumaäfte jagt, auf denen jadartige Neße derartig aufgeitellt jind, daß fie, jobald das Tier hineinfährt, abfallen und durch Zugitride an der Mündung zugejchnürt werden. So erlangt man das jcheue Wild lebendig. infolge der Schwierigkeit, den nur des Nachts und dazu im nnern der Wälder er- icheinenden Taguan zu beobachten, fehlen genauere Nachrichten über jeine Lebensweije. Serdon führt an, daß er fich von mancherlei Früchten jowie von Sinojpen, Schofjen und Borfe ernähre, Tidell, daß er gelegentlich auch Sterbtiere nehme. Bon einer verwandten, in China lebenden Art, P. alborufus A. M.-E., erzählt Swinhoe. Stampferjammler hatten auf einem hohen, alten Baume ein großes Nejt bemerkt und den Baum gefällt. Beim Niederjtürzen wurde das Net weggejchleudert, und zwei große Flugeichhörnchen jprangen heraus, um auf einem benachbarten Baume Zuflucht zu juchen. Jr dem umfangreichen, gegen Im im Durchmefjer Haltenden, aus dürren Zweigen errichteten, mit Gras ausgefütterten und mit einem jeitlichen Eingange verjehenen Nejte fanden die Yeute ein lebendes Junges und be- mächtigten jich feiner. Nach Tiefell jchläft der Taquan auch in der Öefangenjchaft am Tage viel, wobei er entweder ganz zujammengefrümmt, den Stopf unter den Bauch gejchoben, fißt, oder mit gejtredten Beinen und ausgebreiteter Flatterhaut auf dem Rüden liegt; leßtere Stellung nimmt er vorzugsweije bei jhmwülen Wetter an. Des Nachts ijt er bejtändig tn Bewegung, aber bei weiten nicht jo link wie die Eichhörnchen; fein Gang am Boden it ein unjicherer hüpfender Galopp, und jelbjt an Stämmen wie im Geziweige zeigt er jich nicht jonderlich behende, jcheint vielmehr auch beim Stlettern durch Die faltig Hängende Flatterhaut nicht wenig behindert zu werden. Die Stimme ijt ein eintöniges Trommeln, aber jo leije, daß man felbit im Zimmer aufmerkjam horchen muß, um e3 überhaupt zu vernehmen. Den japanifchen Vertreter der Gattung, Petaurista leucogenys Temm., erhielt v.Roreb einmal auf einer feiner Neijen im Smnern des Injelreiches, „auf dem Stojama, wo einer der jchönften und berühmtejten Buddhiltentempel von ganz Japan jteht, alljeitig von großen Kiyptomerien- und Ciathopithes-Waldungen, welche noch zum Haine des Tempels gehören, umgeben... Als ich es Faufte, jaß es nach Eihhörnchenart munter im Käfige auf den Hinter- beinen, hatte den dichten, graubraunen, bujchigen Schwanz über Rüden und Stopf gelegt und jah uns mit den großen, dunfeln, fugeligen Augen jehr ruhig an. Die Borderpfoten hielt e3 unter dem Sinn zufanımen, und von da ab hingen in leichten Biegungen die innen licht behaarten Flughäute nieder. Aus feiner Ruhe aufgejtört, froch es ziemlich langjam über den Boden hin und jah in jeinem grauen Pelze jehr unferem grauen Eichhörnchen ähnlich. Über- haupt erinnert das Tier in feinen Bewegungen beim Frejien, Schlafenlegen, Pusen und dergleichen jehr an den genannten Samilienverwandten. Nur jeine bedeutende Größe (von der Vajen- bis zur Schwanzjpige 80,7 cm) und jein vielruhigeres, fanfteres Benehmen unter- jheiden das Tier auffällig. Die wenigen Tage, welche ich eg am Leben erhielt, war das Tier nachts jtets munter, Froch viel in dem engen Stäfig umher, verjuchte abernie, jich durchzunagen. Taguan. Sapanijfches, Wolliges Flughörnhen. Flughörnden. 867 Dagegen verbarg e3 jich tagsüber im Stroh und jchlief... Bon den vorgelegten Zweigen nahm es nur etiva$ Cryptomeria an, twovon ich auch unverdaute Nefte im Magen fand. „Über fein Sreileben wurde mir folgendes befannt. C3 lebt in Bergwäldern, deren alte, ausgedehnte Bejtände hauptjächlic) aus Cryptomeria und Ciathopithes beitehen, unter dem Namen Bantori Nachtvogel) oder Nobufuma vereinzelt und führt eine nächt- liche Zebensweife. Nach Einbruch der Dunkelheit geht es feiner Nahrung nach und Hufcht eilig, mehr jliegend als jpringend, in weiten Sägen von Baum zu Baum. Tagsüber ver- birgt eS jich in Löchern alter Bäume, worin es zufammengerollt jchläft... Sr der Ge- fangenjchaft war es janft und fauchte nur leife bei längerem Neizen mit einem Stödchen. Dagegen jprang e3 heftig gegen das Gitter, als ich mein Geficht ganz dicht daran brachte.” („gool. Garten“, 1875.) Sm Zoologijchen Garten hat nur London einige der großen Flughörnchenarten zeigen fönnen, von lebender Einführung jonft in Europa ijt nicht3 befannt. Es muß eine Schtwierig- feit in der Ernährung liegen; javanijche Pflanzer, Die Hed zur Eingewöhnung der interejjan- ten Tiere anzuregen juchte, Hagen allgemein, daß dieje nicht leben bleiben. Eine abweichende Form unter den großen Flughörnchen und eine der größten unter ihnen it das Wollige Slughörncden, Eupetaurus cinereus T’hos., aus dem nordweitlichen Kaichmir (Gilgit), das vielleicht auch in Tibet vorfommt. Abweichend nicht nur im Gebiß durch die hohen Kronen und flachen, nicht gerippten Kauflächen der Badzähne, die ihm den Rang einer bejonderen Gattung (Eupetaurus Thos.) verjchafft Haben, fondern jeden- falls auch in der Lebensweije! Dernm nad) der Natur feines VBaterlandes und feinen furzen, ftumpfen Strallen zu urteilen, jcheint es fich viel mehr auf Feljen al3 auf Bäunten zu be- wegen, und ntan Fünnte e3 daher wohl auch ganz paljend Seljenflughörnchen nennen. sr allgemeinen dunfel graubraumn gefärbt, oben mit leicht grünlichem, unten ajchgrauen Ton, mißt es im Körper nicht weniger al 45 cm, wozu noch der ungewöhnlich bujchige Schwanz mit 60 cm kommt, it alfo Schon ein recht jtattlicher Nager. Die twollige Be- haarung erklärt jich Durch das Klima jener Heimat. — An den Sammlungen ift es natür- lich ein jeltenes Stüd. Das erjte Fell brachte Lodeffer 1875 heim; aber exit 1888 erfannte Thomas an einem lebenden Exemplar die neue Art und Gattung. Die Keineren Flughörnchenarten mit breiten, zweizeilig behaartem Schwanze (Öat- tung Sciuropterus F. Cwv. [Pteromys]) teilen den jüdojtajtatischen Werbreitungstreis der großen Verwandten; jo fommt 8. sagitta Z. auf Weit-Java bejonders in den Stofos- pflanzumgen vor und macht fein Nejt dort in einer leeren Nuß oder zwischen den Wedeln tm Wipfel der Palme. Zugleich gehen diejfe Heineren Arten aber in den Norden nicht nur Aliens, jondern auch Europas und Amerikas. Bon ihnen bewohnt das Flughörncdhen, Ljutaga der NAujjen, Umfi oder Omfe der oitjibirifchen Völferjchaften, Sciuropterus russicus Tiedem. (volans), den nördlichen Teil von Dfteuropa und fait ganz Sibirien. Das Tier it bedeutend Heiner al3 unjer Eichhörnchen: fein Leib mißt bloß 16 em, der Schwanz nur 10 cm oder mit den Haaren 13 cm, und das Gewicht eines erivachjenen Tieres über- jteigt jelten 180 g. Der dichte und mweichhaarige, jeidig anzufühlende Pelz ıjt im Sommer auf der Oberjeite fahlbraun, auf der Flughaut und der Außenjeite der Beine dunkler grau- braun, unten weiß und am Schwanze oben fahlgrau, unten licht rojtfarbig. Alle Haare der Oberjeite jind am Grunde jchwarzgrau und an der Spige merklich Lichter, Die der Unter- jeite Dagegen einfarbig weiß. m Winter verblaßt, verlängert und verdichtet jich der ‘Pelz, 568 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörncdhenartige. und die Oberjeite nebjt dem Schwanze fieht alsdann filbergrau aus, obgleich die Haare ihre. Wurzelfärbung nicht verändern. Das Flughörnchen bewohnt größere Birfenmwälder oder gemijchte Waldungen, in denen Fichten, Föhren und Birken miteinander abwechjeln. Lestere Bäume jcheinen ihm Lebens- bedinfnis zu jein, und hierauf deutet auch die Färbung feines Pelzez, die im ganzen ebenjo- jehr der Birkenrinde gleicht wie die Färbung unjeres Hörnchen der Ninde der Führen und Fichten. E3 wird immer jeltener und ift jchon aus vielen Gegenden, in denen es früher recht häufig war, faft ganz verdrängt worden. Jim „Zool. Garten” (1886) berichtet vd. Loewis: „os auf einem Nachbargute ein Bauer die Spike einer uralten, riefig großen Grähne (Not- tanne) zu Brennholz zerfleinerte, fand er in einem ftattlichen, mit Moos ausgefütterten Keifignefte, das inmitten fehr dichter fte angelegt war, ein offenbar durch den gewaltigen Niederiturz des Baumes getötetes Flughörnden..." Gonft traf d. Loewis die „fliegenden Eichhörnchen meift in Baumböhlen; das Bewohnen großer Nefter im Gezmeige alter Bäume it Scheinbar jeltener. Jmmer fand fich Diejes interejjante Tier aber nur in jehr alten Bejtänden urwaldartiger Wälder vor, und zwar nach meinen Erfundigungen nicht in ausjchlieglichen Birkenmwälern..., jondern mehr im Nadelholze oder wenigjtens in gemijchtem Beftande.“ Unter „die wildlebenden Haartiere Livlands” („Zool. Garten‘, 1880) rechnet v. Loemwis da3 Flughörnchen immer noch; aber es „it in den Dftjeeprovinzen eine Seltenheit”, einen ejtnijchen Namen gibt e3 gar nicht dafür. „In Surland Scheint das Flughörnchen fo gut wie ausgejtorben zu fein; im Nordojten der Provinz Ejtland ift es jedenfalls häufiger als in Livland. Mit dem Fortjchreiten der Waldkultur, dem Austotten Hohler, ütberjtändiger Bäume ujw. geht das Ausjterben Diejes merkwürdigen Tieres Hand in Hand; vielleicht jchon nad) wenigen Sahrzehnten gehört das Slughörncdhen zu den für Livland gemwejenen Tierformen... Sie jcheinen meilt das ganze Sahr Hindurch zu zweien zu leben und werden Daher auch gewöhnlich zu ziveien erbeutet.“ Buleßt hat wohl 1906 der Nigaer Präparator Stoll über „Die Berbreitung des Flug- hörnchens in den Dftjeeprodinzen” eine jehr reichhaltige Zufammenftellung aller im einzelnen belegbaren Borfommen gemacht, die fich vom Jahre 1849 bis 1906 erftreckt („Korrejpondenz- blatt de3 Naturforjchervereing zu Riga”, 1906). Hätte man alle die im Ywijchenraum von einigen Fahren immer wieder auftauchenden Gremplare leben lajjen, jo wäre heute wohl die Austottung des ebenso interejjanten wie unjchädlichen Tiercheng weniger zu befürchten, und wir wüßten vielleicht auch etwas mehr über fein Freileben. Für Diejes erhellt aus den Berichten, die Stoll zugingen, nur weniges, aber aus einer Erfahrung in Styrnian (Rofitten- cher Streis, Gouvernement Witebjf) vom Jahre 1893 3. B. Doch wieder die gar nicht genug zu beherzigende Tatjache, daß e3 heute meilt die Entziehung der natürlichen Lebens- bedingungen durch den Menjchen ift, die ein Tier zum Berjchwinden bringt. Sn der genannten Gegend jollen nämlich die Slughörnchen „nach Ausjage des Bujchwächters in einem Nevier von etwa 600 Depjätinen in einem Bejtande von uralten, hohlen Linden und Tannen recht häufig anzutreffen gewejen fein. Am Sabre 1893 wurde der Beitand abgeholzt, und mit ihm jeien auch die Flughörnchen verjchwunden.” Nach feinen Erfahrungen gibt „es der Eipe vor allen anderen Bäumen den Vorzug: fie neigt jehr zur Höhlenbildung”, wird, „wohl ihres weichen Holzes wegen, von Spechten bejonder3 gern zur Anlage ihrer Bruthöhlen benußt”, und dieje „bieten wieder dem Flughörnchen ein twillfommenes Nachtquartier... Dazu fommt noch, Daft fich das Flughörnchen im Winter vorzugsmweife von Ejpenfnojpen nährt, jo daß der Schlafbaum zugleich auch Nährbaum ift... Nächit der Ejpe gehört die Birke Europäijches Flughörnden. 969 zu den Lieblingsbäumen des Flughörnchens; beide Bäume bieten durch die Hellfarbigfeit ihrer Rinde unjerem jilbergrauen Hörnchen vortrefjlihen Schuß.” Sn Rußland tritt das Flughörnchen häufiger auf, und in Sibirien ift es, laut Nadde, an geeigneten Ortlichfeiten, d. h. da, wo Birke und Lärche vorfommen, nirgends felten, läßt fich auch in der Nähe der Anjiedelungen jehen oder kommt jelbjt bis in die Gärten hinein. Wie der Taguan lebt e3 einzeln oder paarweije, und zivar bejtändig auf Bäumen. Sn hohlen Stämmen oder in Nejtern, wie eine Hajelmaus zujammengerollt und den Schwanz um fich gejchlagen, verjchläft e8 den Tag. Mit Eintritt der Dämmerung fommt eö hervor und beginnt num ein rege Leben. ES ijt in feinen Bewegungen ebenjo ge- wandt wie die Taghörnchen, Hettert vortrefflich, Ipringt behende von Ajt zu At und jeßt mit Hilfe feiner ausgejpannten Flatterhaut über Entfernungen von 20—30 m. Um jolche Entfernungen zu durchmejjen, fteigt eS bis zur Höchjten Spibe des Wipfels empor und jpringt von dort aus auf niedere Äfte der Bäume, die e3 fich auserwählt hat. Auf dem Boden ijt e3 ebenjo unbehilflich und unficher wie auf den Bäumen gewandt und fchnell. Gein Gang ist jchwanfend, und die weite Flughaut, die faltig zu beiden Geiten des Leibes herabhängt, macht ihm beim Laufen viel zu fchaffen. Die Nahrung bejteht aus Nüjjen und Baumjamen verjchiedener Art, Beeren, Stnojpen, Sprößlingen und Käschen der Birken; im Notfalle begnügt jich das Tier aber auch mit den jungen Trieben und Stuojpen der Fichten. Beim Frejjen figt es, wie unfer Eichhörnchen, aufrecht und bringt da3 Futter mit den Vorderpfoten zum Munde. Überhaupt ähnelt es in feinen Eigenschaften unjerem Eichfäschen, nur daß es ein Nachttier it. Sehr reinlich, wie die ganze Beriwandtjchaft, pußt es fich bejtändig und legt auch feinen Unrat bloß am Boden ab. Mit Eintritt der Kälte verfällt es in einen unterbrochenen Winterjchlaf, indem es bei falten Tagen fchläft, bei milderen aber wenigjtens ein paar Stunden umbherläuft und Nahrung fucht. ES hat Jich dann gewöhnlich eines jeiner alten Nefter zurechtgemacht oder den Horit eines Vogels zur Schlafjtätte hergerichtet. Sein eigenes Neit legt e3 in hohlen Bäumen an, jo hoch wie möglich über dem Boden. Die ganze Höhlung füllt es mit zartem Mooje oder mit Mulm aus, und mit denjelben Stoffen verwahrt und verjtopft es auch den Eingang. Nac) Stoll findet eine erite Begattung bereit3 Ende Januar und ein erjter Wurf Ende Februar, Anfang März jtatt; eine zweite Begattung folgt im Mai und ein zweiter Aurf im Juni. Die 2—3 Jungen werden nadt und blind geboren und bleiben ziemlich lange Zeit unbehilflich und pflegebedürftig im Hohen Grade. Während des Tages hüllt jie die Mutter in ihre Flughaut ein, um fie zu erwärmen und zugleich bequem jüugen zu können; bei ihren nächtlichen Ausgängen bededt fie die Brut forgjam mit Moos. Etwa 6 Tage nad) der Geburt brechen die Nagezähne hervor; doch exit 10 Tage fpäter öffnen ich die bisher gejchlojjenen Suglein, und dann beginnt auch das Haar zu fprofjen. Später nimmt die Alte ihre Nachfommenschaft mit fich in den Wald, fehrt aber noch lange Zeit zu demjelben Nefte zurüd, um während des Tages dort Nuhe und Schuß zu fuchen. Jm Herbite bauen oft viele ein einziges großes Neit, in dem fie gemeinjchaftlich wohnen. Gefangene, die Lewis hielt, wurden ungewöhnlich rajch zahm und zutraulich, jegten jich furchtlog auf den Ar, liegen fich gern ftreicheln und fahen dabei den Pfleger mit ihren auffallend großen und jchönen, fchwarzen Nachtaugen vertrauensvoll an, fraßen Hajerüjje aus der Hand, verichmähten jedoch die ihnen gereichten Baumfnojpen verjchtedener Art gänzlich. „Anfangs“, Tchreibt mir Loewis, „hatte ich fie in einem Drahtfäfig eingejpertt, jpäter ließ ich fie in einem Zimmer frei umherlaufen und Klettern. AlS aber eines Tages 970 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. mein Vater plöfich in das Zimmer trat, erjchraf das eine und warf jich, geblendet oder angezogen durch das im Ofen fladernde Feuer, mit ausgejpannter Flughaut vom Fenfter aus in die Offnung des Dfens.” Das fleinere Flughörnchen Japans, dort Montodori (d. H. ver Pfirfichvogel; Sciuro- pterus momoga Temm.), erhielt Nein, jeinerzeit („Zool. Garten“, 1875) auf Nippon lebend, in Geftalt einer „Mutter mit jechs Jungen, die man in einer hohlen Stryptomerie gefunden hatte”. — Bon den übrigen altweltlichen Arten diefer Gruppe mag eine der Heinjten Er- wähnung finden, da3 Zwergflughörnchen, Hylopetes spadiceus Blyth, von Arrafan und Kotjchinchina, das nur 12—13 cm NRumpf- und noch ettwa3 weniger Schwanzlänge hat. Der Affapan, das nordamerifanijche Flughörnchen, Glaucomys volans Z. (volucella), beinahe die Heinfte, einjchließlich des 10 cm langen Schtwanzes nur 24 cm lange Art der Gat- tung, trägt ebenfalls einen überaus weichen und zarten Belz und ijt oberjeits gelbbräunlich- grau, an den Seiten des Haljes lichter, auf den Pfoten jilberweiß und an der ganzen Unter- jeite gelblichweiß, der Schwanz afchgrau mit bräunlichem Ahnfluge, die Flughaut |dwarz und weiß gerandet, das Auge jehwärzlichhraun. Das Tierchen lebt gejellig in den Wäldern des gemäßigten und warmen Nordamerika, ganz in der Weife der Yjutaga, wird aber öfter als diefe gefangen und zu ung gebracht, hält die Gefangenjchaft bei entjprechender ‘Pflege jahre- lang ohne erjichtlichen Nachteil aus und fehreitet im Käfig jelbit zur Fortpflanzung. Am Tage liegen dieje Flughörnchen, jo verborgen wie möglich, in jich zufammen- gefnäuelt in ihrem Käfige. Schlaftrunfen gejtatten jie dem Beobachter jede Mabnahme: jie laffen fich in die Hand nehmen, drehen, wenden, bejichtigen, ohne von ihrem jcharfen Gebijje Gebrauch zu machen. Höchjtens einen Berfuch zum Entjchlüpfen wagen jie, und ihr jeidenweiches Fellchen ijt jo glatt und jehmiegjam, daß jie wie Quedjilber aus der Hand gleiten. Exjt ziemlich jpät nach Sonnenuntergang werden jie munter. Am oberen Rande des Schlaffäftchens, das man ihnen als Erjag ihres Neftes nicht vorenthalten darf, wird das runde Köpfchen fichtbar, der Leib folgt, und bald fit eines der Tierchen in anmutiger Cich- hornftellung, die Flatterhaut in janft gefchtwungener Linie Halb an den Leib gezogen, Halb hängen lafjend, auf der jchmalen Kante feiner Lagerjtätte. Die feinen, voll entfalteten Ohren jpielen wie die jchnurvenbejeßte Naje oder die großen, dunfeln Augen, um Stäfig und Umgebung zu prüfen. Wer nichts Verdächtiges bemerft wurde, gleitet das Zlughörnchen wie ein Schatten zur Tiefe hinab, gleichviel ob an fchiefer oder jenfrechter Fläche, immer mit den Kopfe voran, ohne daß man ein Geräusch wahrnimmt over die durch die Flatter- haut größtenteilS verdedten Gliedmaßen fich bewegen fieht. Ar der geflochtenen Dede des Käfigs, die Oberfeite nach unten gefehrt, rückt e3 weiter, alS ginge e8 in gebräuchlicher Stellung auf einer ebenen Fläche; über dünne Zweige feiltänzert es mit unübertrefflicher Sicherheit und Gejchiefichfeit in gleichmäßiger Eile dahin; über den Boden Hujcht es jchneller al eine Maus; den ganzen Raum des Käfigs dDurchmißt es, die volle Breite der Slatterhaut entfaltend, in pfeiljchnellem Sprunge und Hebt einen Augenblid jpäter, ohne auch nur einen Berfuch zur Herftellung des Gleichgemwichtes gemacht zu Haben, auf einer Sih- jtange, als jei eg ein zum Afte gehöriger inorren. Währenddem nimmt e3 ein Brödchen, eine Ruß, ein Weizenforn, einen Fleifchbijjen aus dem Futternapfe, trinkt, mehr jchlürfend als (edend, aus dem Trinfgefäße, wäscht fich das Köpfchen mit Speichel, fämmt das Haar mit den Nägeln der Vorderfüße, glättet e8 fodann mit den Trittflächen der Pfötchen und dreht und wendet, jtrecft und beugt jich dabei, al3 ob die Haut ein Sad wäre, indem der Leib nur lofe jtedt. Momodori. Zwergflughörnhen. Ajjapan. 971 Nachdem Hunger und Durjt einigermaßen gejtillt und alle Teile des Pelzes gebührend geordnet worden find, regt jich die Luft zu freierer und jpielender Bewegung. Eine furze Weile jitt das Flughörnchen wie überlegend auf ein und derjelben Stelle. Dann folgt ein Sprung mit voll ausgebreiteter Fallhaut, quer durch die Weite des Käfigs. Einen Augen- bfie nıx flebt e3 an der entgegengejeßten Wand; denn unmittelbar nach der Ankunft am Zielpunfte hat es jich rücfwärts geworfen, ijt, einen Ziveiq, eine Sihjtange benugend, zum Yusgangspunkte zuritcigefehrt und ebenjo rajch irgendwo anders hingeeilt. Auf und nieder, fopfoberjt, fopfunterjt, hin und her, oben an der Dede weg, unten auf dem Boden fort, an der einen Wand hinauf, an der anderen herab, Durch das Schlaftäftchen, an dem “Futter- napfe vorüber zum Trinfgejchirr, aus diefem Winkel in jenen, laufend, rennend, jprin= gend, gleitend, jchwebend, Hängend, Flebend, jigend: jo wechjelt das unvergleichlich behende WAL wa Ü RN Misch / [ed [ x 2 Il PL DE 7 %, u) el) Ajjapan, Glancomys volans L. Ya natürlicher Größe. Gejchöpf von Augenblick zu Augenblic, jo jtürmt es dahin, al3 ob es taujend Gelenfe zugleich regen fünne, als ob es nicht eine zu Üüberwindende Schwere gäbe. 3 gehört ee länger währende und jehr jcharfe Beobachtung dazu, um dem ich bewegenden Flughörnchen über- haupt folgen, die einzenen Bewegungen desjelben unterjcheiden und deuten zu fönnen, und wenn eine Gejellichaft diejer alle übrigen Stletterer bejchämenden Gejchöpfe Durcheinander rennt, jpringt und jchwebt, ift dies überhaupt ganz unmöglich. Überrajchend wirkt nament- lich die Jähheit des Wechjelß von einer Bewegung zur anderen. Das Flughörnchen beendet auch das tollfte Zagen jederzeit nach Ermejjen und Belieben, jo daß das Auge des Beobachters bei dem Berjuche, ihm zu folgen, noch immer umherjchweift, während das Tier bereits wieder auf einent bleijtiftvünnen Zweige jitt, als jei es nie in Bewegung gemwejen. Unter ich Höchjt verträglich, jeheinbar auch harmlos qutmütig, überfallen die Flug- hörnchen doc) ohne weiteres jedes Kleine Tier, insbejondere jeden Heinen Bogel, und machen ihm ohne Gnade und Barmberzigfeit den Garaus. Angejicht3 einer Beute zeigen jte jic) ebenjo mordgierig wie Naubtiere; ihre unbejchreibliche Gewandtheit und Mordluft mögen 572 8. Ordnung: Nagetiere. Familien: Hörnchenartige und Dornfhwanzhörncdhen. fie alfo verjchiedenem Stleingetiere jehr furchtbar machen. Auch vor gleihgroßen Säugetieren, anderen Nagern 3. B., befunden fie feine Furcht. Der Eindringling in ihr Gehege mwird zuerjt berochen, dann gefraßt und gebifjen, mindejtens genect und, wenn er nicht jehr wehr- haft ift, jicherlich vertrieben. } Sm Nagetierhaufe des Berliner Gartens Haben ich die amerikanischen Stughörnchen eine ausgehöhlte Kokosnuß jehr mäßiger Größe zum Schlafnejt gewählt, und es macht einen ganz überraschenden Eindrud, wenn fie eins nach dem anderen aus dem Heinen Xoche her- vorgejchredt werden. Wie der Big rennen fie dann am Drahtgitter in die Höhe und zeigen, oben hängend, fehr fchön die platte Körperform, die durch die verbreiterte Fallfchtemhaut an.den Seiten erzeugt wird, und die nicht minder auffallend breite, platte Schwanzbehaarung, die bei den weiten Schwebejprüngen ganz jicher auch ihre Bedeutung hat. Das Freileben behandelt Stone mit einem gewiljen Galgenhumor aus dem Bemußtjein heraus, daß man dieje Heinen Nachtgeijter draußen im Walde faum wirklich belaufchen und beobachten Fan. Über die Höhlennefter jagt er: „Sch habe gehört, daß man jchon an 40 Stüc aus derjelben Baunthöhle herausgetrieben hat. Zumeilen benugen fie eine natürliche Höhle; aber meift fcheinen fie jich doch ihre Behaufung felbjt herzurichten. Gemöhnlich juchen fie jich einen Heineren trodenen Baum aus, dejjen Wipfel abgebrochen ift, mit weichem Hole, das bis in Herz brödelt. Nahe der Spite nagen fie dahinein ein rundes Toch, gemwöhnlic) unter einem Stubben oder At, wobei fie vielleicht eine bereits fertige Spechthöhle benußen. Dbmwoh! fie zumeilen eine recht weite Höhlung brauchen, find doch jelten Späne umher ge- ftreut.” Stone möchte das al3 ein Zeichen deuten, daß die Flughörnchen Klug genug jind, die Spuren ihrer Arbeit zu verbergen. Derartige Inftinkte in Hoher Ausbildung finden fich ja mehr bei Nagern, 3. B. bei den Badenhörnchen, ©. 517. Über die Sprünge des Flughörnchens jagt Merriam: „Die gewöhnliche Drtsbewegung it ein abwechjelndes Stlettern und Springen. Wenn es einen Baum erreicht hat, jteigt es zuerst daran empor, weil e3 unfähig it, wagerecht zu fchweben: es muß eine beträchtliche Höhe erreichen, ehe e8 den Sprung nad) dem nächlten Baume wagen darf. Anftatt auf Dieje Weife zu entfliehen, wenn e3 beunruhigt wird, rennt e3 oft in die allerhöchiten Wipfelziweige de3 nächjten Baumes empor und verhält fich dort regungslos, zujammengedudt zu über- tafchend geringem Umfang, bi der Störenfried feiner Wege gegangen tft." Naubvögeln gegenüber dürfte dies wohl das allerzwedmäßigite Verhalten fein. Bon älteren Beobach- tern fchildern Audubon und Bachmann fehr anjchaulich die Bewegungsmeije eines Trupps Flughörnchen, dem fie begegneten. „Zumeilen fah man eins aus den Wipfelzweigen einer alten Eiche hervorfchiegen und mit weit ausgebreiteten Flughäuten und ausgejpreiztem Schwanze fchief durch die Luft gleiten bis zum Fuße eines 50 Ellen (etiva 45 m) entfernten Baumes. Aber in dem Augenblid, als wir erwarteten, daß es auf die Erde aufjchlagen würde, drehte e3 fich wieder aufwärts und endete an dem Baumjtamm. Hier rannte e3 zum Wipfel empor, ftürzte fich wiederum von den oberen Äften herab und fegelte zur zu dem Baum, den e3 eben verlaffen hatte. Mengen diefer Tierchen vereinigten fich zu folhen Kunftftüden; es fonnten faum weniger al3 200 fein. Schodweije jprangen fie zugleich aus jedem Baume heraus und fchienen nichts anderes im Sinne zu Haben, alS einem vergnüg- lichen Spiele nachzugehen.” Die Art und Weife des Zufammentollens zum Schlafe hat Sing an feinen Öefangenen genauer beobachtet. Dieje festen exjt die Nafe auf den Boden und gingen dann vorwärts, wodurch fie fich zugleich aufrollten, bi die Nafe zwijchen den Hinterbeinen herausjah. Afjapan. — Beecroft3 Dornfhwanzhörnden. 913 Schließlich wurde der Schwanz wagerecht um die Füße herumgejchlagen, jo daß das ganze Tierchen einen runden Ball von weichen Fell bildete. * Die Dornjhwanzhörncdhen (Anomaluridae), die legte Familie der Eichhornförmigen, in der Bejamtlänge jchwanfend zwijchen 50 und 30 cm, wovon der Schwanz ein Drittel ein- nimmt, haben auch eine Slughaut oder, bejjer gejagt, Zallihirmhaut und dadurch auf den ersten Bid eine große Ähnlichkeit mit den eigentlichen Flughörnchen; aber fchon durch die Art und Weije, wie dieje Haut gejpannt wird, ergibt jich ein wejentlicher Unterjchied. Dies gejchieht nämlich nicht durcch einen Sinochenjporn am Handgelenf, jondern durch einen Siuorpelitab am Ellbogen. Außerden bejigen die Dornihwanzhörnchen an der Schwanzmwurzel auf der Unter- jeite eine ganz eigentümliche Vorrichtung, von derihrdeutjcher Name hergenommen ift: große, dachziegelförmige, jpißige Hornjchuppen, Die in zwei abwechjelnden Längsteihen ftehen und da8 Tier beim Stlettern nicht unmvefentlich unterjtügen. Wenn es nac) Flughörnchenart an einem Baume aufwärts rutjcht, um von oben abzufchweben, fo ftemmen fich dDiefe Schuppen mit ihrer freien Kante gegen die Rinde, jobald das Tier feinen Schwanz an den Stamm anlegt. Natürlich würden aber diefe äußeren Merkmale dem jtrengen Syjtematifer nicht ge- nügen, md jeien fie noch jo eigenartig; um im Shftem eine bejondere Familie zu begrün- den, werden entjprechende Bejonderheiten der inneren Sfelett-, Schädel- und Gebißbildung verlangt. Zunächjt Haben die Dornjchwanzhörnchen 16 Nippenpaare, gegen 12 oder 14 bei den Eichhornartigen; am Stirnbein fehlt der Hinteraugenhöhlenfortjag; Lirczähne find oben und unten jederjeit3 nur einer vorhanden, und die Badzähne find nicht Höderig, fondern mit queren Schmelzfalten verjehen. Die Heimat der Dornjchwanzhörnchen bejchränkt jich auf Afrika füdlich der Sahara; jie gehören zu den Charaftertieren diejes zoologijchen Afrika und vertreten dort die eigent- lichen Slughörnchen, denen fie in der nächtlichen Xebensweife noch mehr al3 im allgemeinen Außeren entfprechen. Die Familie enthielt von lebenden Angehörigen lange nur die eine Stammaattung Anomalurus, die eigentlichen Dornjchwanzhörnchen, die Waterhoufe jchon 1842 aufgejtelft hatte, und außerdem die fojjilen, tertiären Nagerfornten der Pseudosciurinae und ziveier weiterer Unterfamilien mit einer ganzen Reihe von Gattungen und Arten. 1894 und 1898 hat aber unjer Berliner Säugetierforscher Matjchie noch die beiden neuen lebenden Gattungen Idiurus und Zenkerella hinzugefügt, die er durch den ausgezeichneten Sammler Zenfer aus Kamerun für das Berliner Mujeum erhalten hatte; dieje wurden dann zu einer neuen Unterfamilie der Flugbilche (Idiurinae) vereinigt und als jolche den eigentlichen Dorn- ihiwanzhörndhen (Unterfamilie Anomalurinae) gegenübergeftellt, die aber außer einer Heinen fojjtlen Oattung mit bloß einer Art (Leithia) nur Die lebende Gattung Anomalurus enthalten. Die eigentlichen Dornjchwanzhörnchen (Gattung Anomalurus Wtrh.) verbreiten fich in zehn Arten mit einigen Unterarten von Weft- bis abe und gehören daher auc) beiderjeit3 zur Tierwelt unjerer Stolonien. Da3 weitafrifanifche Beecroft3- oder Notbäuchige Dornfhwanzhörncden, A. beecrofti Fras., ijt oben gelblichgrau, auf der Rüdenmitte rötlich vervajchen, unten Helltötlich, Schwanz dunkelbraun; zwijchen den Ohren hat e3 einen Heinen weißen led und an der Halsjeite ein helles Band. C3 fommt auch in Kamerun vor, und mir finden e3 daher bei Bates („ Mammals of Southern Cameroons“, „Proc. Zool. Soc.“, 1905) erwähnt. Die 974 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Dornfhwanzhörnden. Eingeborenen behaupteten unter anderem, der „AUvemba figut“, wie fie das Tier nannten, frejie „das Fleisch” der Bäume, d.h. die weiche Kambiumfchicht unter der Rinde. — m Ktongogebiet lebt das Notrüdige Dornjchwanzhörnden, A. erythronotus A. M.-E. Die Dornjchwanzhörnchen erklärt Bates für die ausjchhieglichjten Baumtiere, die e3 gibt. Er jah niemals eins auf der Erde, ımd wenn eins verwundet auf den Boden herabfällt, ijt es bilflos und verjucht garnicht, wegzulaufen. Dagegen fann das Tier an dien, glatten Baum- tänmen oder in hohlen Bäumen auf- und abwärts Klettern, wo ein gewöhnliches Eichhorn das nicht könnte. Sm folchen Fällen üben die Tiere eine bucdelnde Fortbewegung, wie eine Spannerraupe, und drücen die Scharfipisigen Schuppen an der Unterjeite des Schwanzes zur Hilfe gegen den Baum. Sie müjjen außerdem jehr unterjtügt werden durch die erjtaunlich Icharfen und ftarf gerümmmten Strallen. Noch nach Dem Tode hängen dieje bejtändig ivgendiwo feit, an anderen Bälgen, an dem Gefäß, worin jie liegen, „oder gar an meiner Yand, wenn ich fie anfafje, und fie halten jo fejt, daß fie nicht leicht abzujchüitteln find“. Bates jah bie Dorn- Ihwanzhörnchen niemals auf den dünnen Außenzweigen der Bäume; fie müfjen aberidoch da- hin gehen, wenn jie [pringen und von einem Baunte zum andern durch die Luft jegeln wollen. Ferner gibt Büttifofer einiges über das Leben des Beecrofts-Dornfhmwanzhörnchens nach Beobachtungen auf jenen Forjchungsreifen in Liberia („Notes from the Leyden Museum‘, 1857). „Auf dem nächtlichen Anftand im Gebirge hörte ich in den Sironen Der Waldbäunte bald hier, bald dort ein jchrilles Gezwitjcher, das ich ... früher immer den Nacht- affen (Oalagos) zugejchrieben. Diejes Gezwitjcher foll aber von den fliegenden Eichhörnchen berrühren, die von Baumfrüchten leben und in der Dunkelheit der Nacht von Baum zu Baum fliegen. Sch Fonnte fie, obwohl fie fich oft gerade über meinem Ktopfe befanden, nur jelten zu Gejicht befommen. An Du DQueah River, two ich jie erhielt, ftellte es fich Heraus, daß jte den Tag über jich an Baumftämmen fejtprüden und dann wie ein Stid alte Ninde ausjehen, jo daß es nur den jcharfen Auge eines Eingeborenen möglich ift, Je zu entdeden. Es wurde jedoch eins unjerer Ereniplare vom Du Queah River in einem hohlen, im Walde liegenden Baumjtamım gefunden.“ Die oitafrifanischen Dornfhiwanzhörnchen Schemen — nach Bojjeler wenigjtens in Deutjch-Dftafrifa — „überall, two fie vorkommen, entiweder jehr felten zu jein oder äußerjt veriteckt zu leben. Eine der drei in Ditafrifa heimifchen Arten (A. orientalis Pirs.), das Noftbäuchige Dornihwanzhörndhen, oben graubraum, unten tojtfarbig, bewohnt die Höhen Oft und Wejtufambaras. Das außerordentlich feinhaarige, zarte Fell erhielt ich zuerjt von der Plantage Wionga bei Amant... Ein einziges Cremplar wurde vor Jahren (von Stuhlmann) aus Weftufambara nac) Deutfchland (an den Berliner Garten) gejchickt, langte aber jterbend an“ (weil es für die Jahreszeit zu leicht und Falt verpadt war). Snzwijchen hat man, nach Hed, dort Feins wieder erhalten. FR a Die zweite Unterfamilie ijt die der Slugbilche oder wir jagen wohl bejjer: Flug- bilchartigen (Idiurinae), weil nur die eine ihrer beiden Gattungen wirklich eine Falljchirm- haut hat. Die Flugbilchartigen unterjcheiden fich von den eigentlichen Dornjchwanzhörnchen Dadurch), daß eben diejen gemeinjamen Dornjchtvanz die Hornjchuppen auf der Unterjeite nicht b15 zu einem Drittel, fondern höchitens bis zu einem Fünftel der Gejamtlänge bekleiden. Ein noc) auffallenderes äußeres Merkmal it die fnopfförmig vorjpringende Naje. Natürlich) fehlen aber auch jonft im äußeren und inneren Leibesbau, Zahl und Geftaltung der Fußzehen Notrüdiges, Roftbäuchiges Dornihwanzhörnkhen. — Flugbilchartige. 975 nebit ihren Sohlenballen, in Schävel- und Gebißverhältnijjen die nötigen Berjchiedenheiten nicht, um die Aufitellung zweier bejonderer Gattungen und der bejonderen Unterfamilie vollauf zu rechtfertigen. Matjchte hat die ausführliche wifjenschaftliche Befchreibung der beiden Gattungen, die bis jebt nur je eine bzw. zwei Arten enthalten, in den Situngsberichten der Berliner „Öejellichaft Naturforjchender Freunde” (1894 und 1898) niedergelegt. Der Flugbilch (Öattung Idiurus Misch., Stammart I. zenkeri Mtsch.) it in der Gejchichte der Wifjenjchaft der ältere von beiden: Matjchte bejchrieb ihn im Jahre 1894 nach Notrüdfiges Dornjhwanzhörnden, Anomalurus erythronotus A. M.-E. 1a natürlider Größe. dem erjten Exemplar, das Zenfer ihm von der Jaundeftation in Südfamerun zufchidte, und benannte ihn dem verdienftoollen Sammler zu Ehren. Das Tierchen it nur jo groß tie eine feine Hausmaus, oben ijabellbraun gefärbt, unten gelbgrau und dunkelgrau gemijcht, an der Flughaut mehr jilbergrau, Oberjeite des Schwanzes jchwärzlichgrau. Die Schnurrhaare jind, wie bei manchen Kleinen Nagern, halb fo lang wie der ganze törper. Der Schädel ähnelt dem des Siebenjchläfers im Umrifje, hat aber den eigentümlichen „stark vorjpringenden, zu- jammengedrücdten, jchmalen Nafenteil”. Die auffallendite äußere Bejonderheit it aber die Behaarung des Schwanzes, der „ohne Quajte ungefähr um die Hälfte länger als der Störper mit dem Kopf, mit der Quafte noch einmal fo lang” ift. Auf ihn nimmt Natjchte mit dem gewählten Gattungsnamen Bezug, der „mit eigentümlichem Schwanze” bedeutet. Er jagt jelbft Darüber: „Was aber dem Tierchen eine ganz ausnahmsweije Stellung unter den Säuge- tieren verjchafft, das it die merkwürdige Gejtalt des riejtg langen Schwanzes, der jehr 576 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. eigentümlich gebildet ift. An der Schtwanztwurzel jehen wir zumächjt eine faltige Haut, hinter der 15 fchiefe Reihen bon je drei bi3 vier Heinen, rumdlichen, faum 1 mm langen Hornplatten jich befinden, unter denen einzelne furze Borften hervorragen. An den Rändern der Unter- feite und in deren Mitte erhebt jich je ein Kamm von wimperartigen Haaren. Die Dberjeite des Schwanzes trägt in dem furzen, weichen Pelz drei Reihen von jehr langen, aufrecht- itehenden Haaren von der Wurzel bis zu der ipindelförmigen Schtwanzquafte. Welchen Zwed diejer eigentümliche Apparat hat, darüber wage ich Feinerlei Vermutung aufzuftellen; bis jet weil; man von dem Leben des Tierchen noch nichts.” Die zweite Gattung (Zenkerella Mtsch., einzige Urt Z. insignis Misch.) nennt man wohl am beiten Dornfchwanzbilch, weil fie zwar feine Fhughaut, wohl aber die fenn- zeichnende Hornplattenbewehrung unter der Schwanzmwurzel hat, die ihr ihren Pla im Kagetierigften anmeift. Auch fie verdanken wir Zenfers Sammeleifer und Sammlerglüc, und Matjchie hat fich von feiten der Wifjenfchaft dafür noch erfenntlicher eriviejen, indem er diesmal durch den Gattungsnamen fjelbjt den Sammler verewigt hat. Außer dem Mangel der Flughaut unterfcheidet den Dornjchwanzbilch von dem Flug- bilch auch noch die viel gleichmäßiger bufchige Behaarung des Schtwanzes, die Faum von der der Dornschwanzhörnchen abweicht. Dafür hat der Dormjhmwanzbilch aber eine ganz eigen- tüimliche „Straufe Schwarzer Borften über dem Fußgelenf”, „in einer jcehmalen Binde jtehende, metalfifch glänzende, lanzettförmig gejtaltete Borften, welche die dichte VBehaarung des Unterfchenfel3 gegen die mit anliegenden und jeidenartig glänzenden Haaren bededten Füße abjchließt”. Gefärbt ift das Tier unfcheinbar: „oben mäufegrau, unten reiner grau”; es erreicht aber eine etwas erheblichere Größe, wird „etwas größer als der gewöhnliche Sieben- jchläfer”. Über fein Leben fcheint man ebenjowenig zu mwiljen wie über das des Flugbilch2. Der Familie der Dornfchwanzhörnchen im weiteren Sinne werden noch mehrere aus- gejtorbene Unterfamilien zugeteilt, die uns bis an den erdgejchichtlichen Anfang der Nage- tiere im alten Tertiär zurüdführen. &3 find die Pseudosciurinae, Trechomyinae und Theri- domyinae mit den Gattungen Pseudoseiurus, Sciuroides, Dipoides und anderen: alle aus dem Dligozän und Miozän Deutfchlands, der Schweiz und Frankreichs, und doch die nächjten Berivandten der lebenden rein afrikanischen Dornfchwanzhörnchen im engeren Sinne. Alfo auch bei den Nagetieren twieder der Fall, daß lebende rein tropijche Tierformen Verwandte im Tertiär Mitteleuropas hatten! Zugleich ijt aber auch die ganze alte Zamilie mit getvijjen ursprünglicheren, vermittelnden Merkmalen behaftet, die eine Verbindung ztoijchen zivei großen Nagetierjeftionen, den Stacheljchweinförmigen und den Eichhörnchenförmigen (Hystricomorpha und Sciuromorpha), herjtelfen. m übrigen läßt fich wenig Gemein- verftändliches iiber die Stammesgefchichte der Nagetiere jagen. Sie jind im Eozän bereits da, al3 Urnager (Unterordnung Protoglires mit den Gattungen Plesiadapis aus der Alten und Mixodectes au3 der Neuen Welt), unvermittelt; denn auch die Ähnlich bezahnten nord- amerifanifchen Tillodontia aus dem Eozän von Wyoming Hält man heute nicht mehr für ihre Stammformen, fondern hat für fie eine eigene Säugetierordnung errichtet, die Eigen- tümlichfeiten der Huftiere, Nagetiere und Raubtiere in fich vereinigt. ©o fei hier nur noc)- mals auf den befonderen Entwidelungsherd der Nager in Südamerika hingemiejen, der dort eine große, immer noch andauernde Blüte der Stachelfchtweinförmigen hervorgerufen hat, während diefe fonft auf der Erde nur [pärlich vertreten find. Neunte Drdnung: Nobben oder Tlojjenfüjer (Pinnipedia). Bearbeitet von Dr. Mar Hilzheimer. Nicht viele Säugetierordnungen find jo jcharf umxifjen und jo einheitlich gebaut tie die der Flojjenfüßer. Wir brauchen nur an den Seehund zu denken, und wir haben ein Bild der ganzen Ordnung vor und. Diefe Übereinftimmung kommt von der Gleichheit der Xebens- bedingungen. Das Lebenselement der Robben ijt das Wafjer. m ftrengiter Anpafjung daran erivarben die Mitglieder diejer Ordnung ihren jpindelfürmigen Körper und bildeten jich ihre Gliedmaßen zu Flojjen aus. Andere ins Wafjer gegangene Säugetiere erfuhren ähnliche Umbildungen. Auch die Wale erwarben Flojjen, die äußerlich mit den Flojjen der Robben eine gerwijfe Ähnlichkeit haben, aber der ganz andere Bau zeigt, daß dieje Eigentümlichfeit beidvemal unabhängig erivorben wurde, daß e3 jich aljo nicht um etwas gemeinjam Grerbtes, Stammesverwandtjchaft Handelt, jondern daß dieje Erwwerbung eine Anpafjung an die gleichen Lebensbedingungen, eine Konvergenzerjcheinung darftellt. Dieje Slojjen, Denen dieRobben ihren wiljenfchaftlichen Nanten Pinnipedia verdanken, unterjcheiden die Tiere auf den erjten Blick von allen anderen Wirbeltieren. Zwar die Berfürzung der beiden oberen Abjchnitte der Gliedmaßen und die Verlängerung von Hand und Fuß teilen die Robben mit vielen wajjerbewohnenden Wirbeltieren, aber die Form der beiden lebten it ihnen eigentümlich. Der Hinterfuß wird zur breiten Flofje Dadurch, daß ich die erite und fünfte Zehe verlängern und mit den anderen gleichlang, meijt jogar länger als dieje werden. An der Hand verlängert jich der Daumen ungemein. Cr wird in den meijten ‚ällen der längite Finger, von dem aus die anderen bis zum Heinen, welcher der fürzejte tft, an Größe abnehmen (Abb., ©. 578). Stets it eine Schwimmhaut zwifchen Yingern und Zehen ausgejpannt, welche die Finger an.Länge bedeutend überragen Fan. Dagegen neigen die Krallen, obwohl bei den echten Seehunden noch gut entwidelt, zur Nüdbildung. ür die Schnelle Bewegung im Wafjer war es nötig, daß feine Körperteile vorjpringen und jo hemmend wirken. Bon diefem Gejichtspunft aus verjteht fich die jchon erwähnte Berfürzung der oberen Teile der Gliedmaßen, die eigentümliche Yage der Gejchlechtsteile, die gemeinjam mit dem After in einer jchlißfürmigen Grube liegen, der kurze, verhältnis- mäßig dide Hals, der ohne deutlichen Abjab in den jpindelfürmig-walzigen Leib übergeht, und der Berluft der äußeren Ohrmufchel, die nur bei einer Zamilie erhalten blieb. Durch mächtige, unter der Haut liegende Fettmajjen ijt die Abrundung der äußeren Körperform noch verjtärkt. Vielleicht gehört hierher auch die eigentümliche Stellung der hinteren Gliedmaßen, Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI Band. 37 978 9. Ordnung: Robben. die längs des furzen Schwanzes nach hinten gedreht jind, derart, daß bei Bewegung die Füße mit ihren Sohlenflächen gegeneinander jchlagen. Weitere Anpafjungen an das Wajjerleben finden wir in der Berjchließbarfeit der jchief geitellten Najenlöcher und der äußeren Ohren. Fügen wir noch.hinzu, daß der Heine Fegel- fürmige Kopf ein tiefgejpaltenes Maul hat, dejjen Oberlippe mit fevernden ftarfen Borjten bejegt ijt, daß die Augen auffallend groß und wenig gewölbt find, jo Haben wir wohl eine erjchöpfende Bejchreibung der äußeren Körperform gegeben. Die Haare find meijt glatt anliegend, jelten mähnenartig verlängert. Das Wollhaar- fleid ift gut entwidelt. Die Farbe ift vorwiegend ein Gelbgrau, Häufig noch mit Marmorie- tung; jedoch gibt e3 auch einfarbige oder gefledte Nobben. Auch das Gebif jteht deutlich unter dem Einfluß der Anpafjung an das Wafjer. Da ein Kauen unter Wafjer faum möglich tft und die Gliedmaßen wegen ihrer Yorm beim Ergreifen der Nahrumngstiere nicht verwendet werden fünnen, jind alle Zähne, mit Aus- nahme der unbedeutenden Schneidezähne, zum Klauen untaugliche Greiforgane geworden: fugelige oder jeitlich zujammengedrücte, mit mehreren Hintereinanderliegenden Zaden Stelett de3 Seehundes. bemwehrte Gebilde. Es fand aljo im Gebiß eine Vereinfachung ftatt, die einmal wieder zu einer Sleichartigfeit aller Badzähne führte, dann aber auch nebenher wieder einen Zahn mit einer Haupt- und einer vorderen und hinteren Nebenjpige hervorgehen ließ, wie er jich jonft nur bei jurafjiichen Säugetieren, den Triconodontidae, findet, und der wohl die Ausgangs- form für die höher jpezialijierten Zähne aller übrigen Säugetiere gewejen ift. Eine fernere Cigentümlichfeit des Binnipediergebiljes jind die individuellen Schiwan- fungen in der Zahnzahl. Einzelne, jonft der betreffenden Art zufommende Zähne Fönnen gelegentlich fehlen, häufiger treten überzählige auf. Wenn wir jchon in allen diejen Cigentümlichfeiten beginnende Nücdbildung erbliden fönnen, jo tritt ung jolche doch bejonders beim Nülchgebif entgegen. Nur bei den Ohren- robben und einigen echten Seehunden (Phoca vitulina) durchbrechen die Milchzähne das Bahnfleifch und fallen erjt nach der Geburt aus. Bei der Mehrzahl iit das nicht der Fall, jie können dann vor dem Durchbruch volljtändig wieder aufgejaugt werden. Dieje Nüdbildung des Gebijjes hat natürlich auch eine Nüdbildung der Kaumusfulatur im Gefolge und damit der Schädelteile, an die fie fich anheftet. Mit Ausnahme der Ohren- tobben fehlt den Robben der Scheitelfamm und der obere Augenhöhlenfortjag. Damit in Sulammenhang fteht wohl auch die geringe Weite zroifchen den Augenhöhlen, wahrjcheinlich Allgemeines. 919 ein neuer, im Wafjerleben begründeter Exriverb, da die Kinochenbrüde im Alter jchmäler wird und jo die Augen mehr auf die Oberfläche des Ktopfes rüden. Offenbar erweitert dies alles den Sehfreis nach oben bei Tieren, die gern von unten ihre Beute faljen. Das große Auge jelbjt mit jeiner flachen Hornhaut und fugelförmigen Linfe ift natürlich auch be- jonders an das Wafjerleben angepaßt. Der Hirnjchädel it zwar mehr oder weniger gemölbt, jtet3 aber jtärfer von oben nach unten abgeflacht, als dies bei den Landraubtieren der Tall it. Auch dies ijt offenbar eine Anpafjung an das Wajjerleben und findet jich als Ston- vergenz ebenfall3 bei anderen Wajjerfäugern, 3. B. dem Fiichotter. Vielleicht ift dieje Er- Icheinung auch eine Folge der Abnahme der Kaumuskulatur. Anpajjungen an das Wajjer, die die Flojjenfüßer mit ven Walen und Sirenen teilen, jind ferner die Didenzunahme der Wand der Trommelhöhle (nur bei den Ohrenrobben tjt jie Dünnmwandig) und die majjigen, jchweren Gehörfnöchelchen. Die Wirbeljäule erinnert an die der Naubtiere; die Halsmwirbel find deutlich gejchteden und mit jehr entiwicelten Fortjäßen verjehen. (14—)15 Wirbel bilden den Bruftteil, 5(— 6) den Lendenteil, 2—7, und zwar verwachjene, das Streuzbein, 8—15 endlich den Schwangteil. Schlüjjelbeine fehlen. Die Knochen der Glieder zeichnen fich Durch große Ktürze aus; VBorder- arm=- und Unterjchenfelfnochen bleiben jtetS getrennt, Hand- und Fußmwurzeln find vegel- mäßig gebildet, die Vorder- und Hinterzehen bei den einzelnen Gattungen verjchteden lang. Das verhältnismäßig gut entwicelte Gehirn hat zahlreiche, ähnlich wie bei den Naubtieren angeordnete Windungen. Der Magen it einfach, fait Darmartig, der Blinddarm jehr Furz. Die Gefäße zeigen in den mwundernebartigen Adergeflechten der Glieder jowie an der unteren Fläche der Wirbeljäule bejondere Cigentümlichfeiten; auch macht jich, wie bei anderen tauchenden Tieren, eine Erweiterung der unteren Hohlader bemerflich. Die Gebär- mutter ijt zweihörnig. Die Anzahl der Zißen beträgt zwei oder vier. Die Nobben verbreiten jich über alle Meere der Erde, haben ebenjomwohl im höheren Süden wie im Norden ihre Vertreter und finden jich jogar in großen Binnenjeen Ajiens, in die jie teils durch die Flülje gefommen find, teil3 aber zurücdgeblieben jein mögen, als die Wajjerverbindung unterbrochen wurde. m Norden leben die meijten, im Süden die auffallenditen Arten. Gewöhnlich Tieben jie die Nähe der Küften, und viele unternehmen zeitweilig Wanderungen von einem Tetie derjelben zum anderen, ie jte auch oft in den ‚lüjjen emporjteigen. Auf dem Lande halten fie jich nur bei bejonderen Gelegenheiten auf, namentlich während der Fortpflanzungszeit und als Heine Junge; denn ihre eigent- fihe Wohnitätte ift und bleibt das Wafjer. Dort ericheinen fie als jehr unbehilfliche Tiere, hier bewegen jte jich mit der größten Leichtigfeit. Mühjam Eimmen fie vom Strande aus an den tippen oder an dem jchwimmenden Eife empor und ftreden fich dort dehaglich auf den feiten Boden, um jich zu jonnen; bei Gefahr flüchten fie jo rajch wie möglich wieder in die ihnen jo freundliche Tiefe des Meeres. Sie jihwimmen und tauchen mit größter Meifterichaft. ES gilt ihnen gleich, ob ihr Leib mit der Oberjeite nach oben oder nach unten liegt; jie beivegen jich jogar, wie ich nach eigenen Beobachtungen verbürgen fann, rücdmärts. jede Wendung und Drehung, jede Drtsveränderung überhaupt führen fie im Wafjer mit größter Gemwandtheit aus. „Zur Bewunderung wird man hingerifjen“, jchreibt Haade, „wenn man Gelegenheit hat, Nobben beim Fijchfange genau zu beobachten. Sn einem geräumigen Beden des Frankfurter Aquariums jieht man die Seehunde vom dun= fein Bejucherraume aus hinter Glas ihrer aus lebenden Fijchen bejtehenden Nahrung nachjagen. Man jtaunt über die Sicherheit und Schnelligkeit, mit der fie durch zwecfmäßiges, 37* 980 9. Ordnung: Robben. genau abgemejjenes Drehen, Wenden und Biegen jeder einzelnen Flofje, durch Ver- fängern und Verfürzen des Haljes jede Wendung des geängjtigt Durchs Wafjer jchieken- den Fijches mitzumachen wifjen, der nach wenigen Augenbliden — hineingejogen, wie es icheint — in dem Maule des Seehundes verjchtwindet. Groß ijt auch die Gejchielichkeit, mit welcher unjere Seehunde, im Wafjer aufrechtjtehend und nach dem futteripendenden Wärter ausfchauend, durch) fanftes Spiel der Hinterfloffen fich auf einer Stelle zu halten vermögen.” Auf dem Lande dagegen Humpeln auch diejenigen Arten, welche wirklich noch gehen, mühjelig dahin, während alle übrigen in Höchjt eigentümlicher, nur ihnen zulommender Weije fich forthelfen. Dies gejchieht fait ebenjo, wie manche Raupenarten jich bewegen. Der Seehund, der fich auf dem Lande von einer Stelle zur anderen begeben will, toirt jich auf die Bruft, Kümmt den Leib in einem Kabenbudel nach oben, ftemmt fich dann auf das Hinterteil, aljo etwa auf die Weichen, und ftredt hierauf rajch den Leib, wodurch er das Vorderteil wieder vorwärts wirft. So kommt er durch abwechjelndes Aufftemmen des VBorder- ımd Hinterleibes, durch Srümmen und Streden des ganzen Körpers verhältnis- mäßig noch immer rajch von der Stelle. Die Beine leilten dabei eigentlich gar feine Dienfte: fie werden nur in Anfpruch genommen, wenn das Tier bergauf fimmt. Auf ebenem Boden itemmt es fie zwar manchmal auf, immer aber jo leicht, daß die Hilfe, welche jte leiten, eigentlich mehr eine feheinbare als wirkliche ift. Sch Habe die Spuren der Seehunde jehr genau unterjucht und gefunden, daß man auf große Streden hin in dem reinen und weichen Sande feine Eindrüce der Worderfüße findet, was doch der Fall jein müßte, werm das Tier pirfich auf jenen Flofjen ginge. Manchmal legt der Seehund beide Nuder an den Leib und humpelt ebenfo rafch vorwärts, als wenn er fie gebrauchen wollte: Furz, zum Gehen find feine Floffenbeine nicht eingerichtet. Dagegen benußt fie das Tier, und zwar in jehr gejchieter Weife, nach Art der Affen oder Kaben, um jich zu pußen, zu Fragen, zu glätten, auch wohl, um ettvas mit ihnen feitzuhalten, 3. B. das Junge an die Bruft zu drüden. Alle Robben find im hohen Grade gejellig. Einzelne jieht man faft nie. Je einfamer die Gegend, um jo zahlreichere Herden oder Familien bilden fich; je weniger der Menjch mit ihnen zufammenfommt, um jo behäbiger, ich möchte jagen gemütlicher, zeigen ich die in betvohnten Gegenden überaus jcheuen Gejchöpfe. Der Menfch ift offenbar der furcht- barfte und bfutdürftigite Feind der wehrlofen Wafjerbervohner; denn die wenigen Naub- tiere, die ihnen gefährlich werden fünnen, wie der Eisbär, der vorzugstveije die Heineren Arten bedroht, und der gefräßige, fchnelle Mörderwal, der auch jtärkere anfällt, wüten weniger unter ihnen als der Beherrjcher der Erde, und jo erklärt e3 jich, daß man Nobben nur da wirklich beobachten fann, two fie fern von dem Erzfeinde der Schöpfung jich aufhalten oder bon ihm gejchügt werden. Die Lebensweife der Robben ift eine nächtliche. Den Tag bringen fie am liebjten auf dem Lande zu, jchlafend und fich jonnend. Von der Behendigfeit und Schnelligkeit, die fie in ihrem eigentlichen Elemente betätigen, bemerft man am Lande nichts; hier erjcheinen jie ung vielmehr als das vollendetfte Bild der Faulheit. Jede Störung ihrer bequemen Lage iit ihnen Höchft verhaßt: manche Arten lajjen fich faum zur Flucht bewegen. Pit Wonne dehnen und reden jie fich auf ihrem Lager und bieten bald den Nüden, bald die Seite, bald den Unterleib den freumdlichen Strahlen der Sonne dar, fneifen die Augen zu, gähnen und gleichen iiberhaupt mehr toten Fleifchmafjen al3 lebenden Gejchöpfen; nur die regelmäßig ji) öffnenden umd fchliegenden Nafenlöcher geben Kunde von ihrem Leben. Zur Fort- pflonzungszeit vergejjen jte wochenlang das Frejjen; endlich treibt fie der Hunger aber Doch Allgemeines. sl auf und in das Meer, wo jich ihr inziwijchen abgemagerter Leib bald wieder rundet, glättet und mit Fett auspolitert. Nach Haades Beobachtungen in Frankfurt fönnen Seehunde den Hunger wenigitens jechs Wochen lang aushalten. Ye älter die Tiere werden, um jo fauler benehmen jie fich. Die Jungen find lebhafte, jpiellujtige und fröhliche Gejchöpfe. Alle gehen, wenn fie jich gefährdet jehen, wie bemerkt, jehr eilig und fchnell in das Wajjer; fommt ihnen die Gefahr aber plößlich über den Hals, jo überfällt fie die Angjt und der Schred in jo hohem Grade, daß jie jeufzen und zittern und vergeblich alle möglichen Anftrengungen machen, um dem Berderben zu entiinnen. Gilt e3 Dagegen, Weibchen und Junge zu ver- teivigen, fo befunden manche hohen Mut. Auf den einfamjten Snjeln find gemilje Arten jo gleichgültig gegen fremde Bejucher, daß jte dieje ruhig unter fich Herumgehen lafjen, ohne zu flüchten; fie werden aber jehr vorjichtig, wenn jte ven Menfchen, diejen Verderber der Tierwelt, exit fennen gelernt haben. Unter ihren Sinnen ijt das Gehör, troß der fehlenden oder doch Heinen Ohrmufcheln, vorzüglich, Gejicht wie Geruc) dagegen weniger entiwidelt. Die Stimme bejteht in heijeren Lauten, die bald dem Gebell eines Hundes, bald dem Blöfen eines Kalbes oder dem Brüllen eines NAindes ähneln. Sede Robbengefellichaft ift eine Familie. Das Männchen verbindet jich immer mit mehreren Weibchen, und mancher diejer Seejultane Hat einen Harem von etlichen Dußend Sflavinnen. Blinde Eiferjucht gegen andere Bewerber jeiner Art jteht Hiermit im Ein- Hange. Sede Robbe Fämpft der Weibchen halber auf Tod und Leben; doch bilden das dide Fell und die Fettlagen unter ihm den beiten Schild beider Kämpen gegen die Bijje und Nifje, die jie in der Hibe des Gefechts jich gegenfeitig beibringen. Etwa 10—12 Wionate nad) ver Paarung bringt das Weibchen ein, jeltener zwei Junge zur Welt. Die Jungen der Arten, die das Säuglingskleid Schon im Mutterleibe abwerfen, gehen bald nach der Geburt ins Wajjer, Die der anderen erjt nach dem erjten Haarwechjel. Alte und Junge halten treu zufammen, und die Mutter jchüßt ihren Sprößling mit Aufopferung ihres Lebens gegen jede Gefahr. Nach höchitens zwei Monaten jind die jungen Nobben jo weit entwidelt, daß je entwöhnt werden können. Das Wachstum geht jchnell bor fich; bereits nach Berlauf von drei Monaten haben die Jungen der Sattelrobbe Die halbe Größe der Mutter erreicht. Nach 2—6 Jahren jind die Robben erwachjen, im Alter von 25—40 Fahren abgelebt und greifenhaft geworden. Tierifche Stoffe aller Art, zumeift aber Fiiche, Schal- und Struftentiere, bilden die Nahrung der Robben. Einzelne Arten follen auch verjchtedenen Seevögeht, welche die Heineren Floffenfüßer nicht behelligen, oder jelbjt anderen Robben gefährlich werden. ji Düfjeldorf hat man beobachtet, dag Seehunde plöglich alle Enten, mit denen je eine Zeit lang friedlich einen Weiher bewohnten, unter Wafjer zogen und töteten. Um ihre Ver- dDauung zu befördern, verjchluden einige Robben, wie die Vögel es tun, Steine. Alle Robbenjagd ift eine erbarmungslofe Schlächterei. Deshalb wird auch der Aus- druc „Jagd“ vermieden: man jpricht von Schlächterei und Schlägerei, nicht aber von edlem Weidmwerf. Alt und jung, groß und Hein, wird oder wurde doc) ohne Unterjchied vertilgt. So it e$ gefommen, daß fait alle Robbenarten bereits jehr vermindert worden jind umd einzelne ihrem volljtändigen Untergange entgegengehen. Bon den Herden, die im 18. Jahr- Hundert einfame Infeln bedesten, find jet oft nun noch jchwache Überbleibjel zu jehen. Tran und Fett, Zähne und Haut der Robben jind gejucht. Das erklärt den Berfolgungseifer des Menjchen. Falt alle Robben Lafjen ji) zähmen und zu allerhand Zirkuskunftjtücen abrichten. 982 9. Ordnung: Robben. Familie: Ohrenrobben. Über die Stammesgejchichte der Seehunde tappen wir fat völlig im dunfeln. Die ältejten Rejte jtammen aus dem Wüozän und laffen jich ziwanglos in die lebenden Jamilien einordnen. Drei Ableitungsverjuche liegen vor. Mattherv will jie auf die Pantolestidae, eozäne Snjektivoren (nach anderen Artiodaftylen), zurückführen, Wortman auf den Creodon- tier Patriofelis und Weber auf die Bären oder vielmehr deren Vorfahren. Die le&tere An- nahme hat wohl am meijten für jich und wird von ihrem Autor durch Anführung vieler anato- mijcher Übereinjtimmungen gejtüßt, tie gleichen Bau der Trommelhöhle, der Nafenmufcheln, des Darmfanals und anderes mehr. Hilzheimer fügt dem noch zivei weitere gemeinjame Merkmale Hinzu („Handbuch der Biologie”, Stuttgart 1912/13). Das eine ijt bejonders das zuerjt von ihm betonte biologische Moment, daß e3 hier wie dort Arten gibt (Macrorhinus), die während der Säugeperiode nichts frejjen; das zieite ijt Die Kürze des Schwanzes bei den Robben, die jich bei einen Wajjerfäugetier nur als ererbte Eigenjchaft denten läßt. Bon den drei Familien der Robben, den Otariiden oder Ohrenrobben, Phociden oder Seehunden und Odobeniden oder Waltojjen, zeigen die erjten die geringjte Anpafjung an das Wafjer: jie haben 3. B. noch richtige Ohrmuscheln und fünnen die Hinterfüße mit den noch unbehaarten Sohlen nac) vorn unter den Leib bringen. Diejelbe Fähigkeit haben die Waltojje auch; in dem völligen Schwunde der äußeren Ohrmufchel jind jie fortgejchrittener, in der geringeren Größe von Hand und Fuß wie im Bejig von drei unteren Schneide- zähnen primitiver als die Dtariivdern. Die vollitändigite Waljeranpafjung zeigen Die Phociven. Sie haben feine Ohrmuschel mehr, der Fuß mit rings behaarter Sohle ijt auch fortgejchrittener als bei den beiden vorhergehenden; aber in dem Befig noch vollitändiger frallenartiger Nägel jind fie primitiver als dieje. Bet Diejer verjchtedenen Verteilung von primitiven und fortgejchrittenen Merkmalen it e3 natürlich nicht möglich, eine Familie von der anderen abzuleiten, wenngleich die Dtariiden und Phociven jchon durch den Verluft des mittleren unteren Schneidezahnes und durch andere gemeinjame Eigenjchaften eine größere Berwandtichaft untereinander zeigen. Am mwenigften von den Landraubtieren haben fich die Ohrenrobben (Otariidae) entfernt. Sie haben, wie jchon erwähnt, noch äußere Ohrmujscheln, eine nadte Fußjohle, und der Hals ift noch verhältnismäßig qut abgejegt. Am Schädel find noch ein oberer Augen- höhlenfortjaß und ein Scheitelfammt vorhanden. Das hängt natürlich mit dem verhältnis- mäßig kräftigen Gebiß und der qut entiwidelten Kaumusfulatur zufammen. Die Zahnformel mit I 4,04, P+M << (vgl. 88.X, ©. 18) ift noch ziemlich vollitändig. Auch das Milchgebif it noch gut entiwicelt und wird exit einige Monate nach der Geburt gewechjelt. Die Hinterfüße können noch unter den Leib gebracht werden. Dem jteht gegen- über, daß ihre Gliedmaßen die ausgejprochenfte und längjte Flojje unter den Robben tragen. Die Schmwimmbaut überragt die Zehenjpige weit und tft, wenigitens bei Otaria, durch Sinorpel gejtüßt. Ob wir aber in diejen einzeljtehenden, nicht Durch Haut untereinander verbundenen Endlappen mit Weber und anderen eine Wafjeranpafjung zu jehen Haben, oder, nach Neh („Die Ghiedmaßen der Robben” in „Senaifche Zeitjchrift”, 1893), eine Landanpajjung der Slojjen, die vor Einfinfen in Schnee bei den Tieren, die ja viel ans Land gehen, jchügen joll, mag unentjchteden bleiben. Die Nägel find an der Hand fast gejchwunden, am Fuß nur noch an den drei mittleren Zehen vorhanden. Meift übertreffen die Männchen die Weib- hen bedeutend an Größe. Zur Fortpflanzungszeit finden um den Bejit der leßteren Allgemeines. — Steller3 Seelömwe. 983 heftige Kämpfe ftatt. Dann fommen die Tiere an das Land. Sie jind polygam und leben in Herden. Sehr merkwürdig tft ihre Verbreitung. Sie jind vorwiegend antarktijch, d. h. fie leben um den Südpol auf einem Streifen, der etwa der „Weftwindtrift” entjpricht. Nur wenige Arten finden ich nördlich des Aquators, und zwar nur im Stillen Ozean: die beiden Seelöwen der Falifornischen Küfte und der Seebär des Beringmeeres. Aber ihre Berbreitung ift wichtig, mweil jie uns heute noch den Weg zeigt, auf dem die Flofjenfüßer den quator überqueren _ Tonnten, ein interefjantes Problem, da fie ja im allgemeinen die heigen Meere jcheuen, fich aber in den fälteren jotwohl der nördlichen als der füolichen Halbfugel finden. Ar der ganzen Wejtfüjte von Amerika tft das Meermwafjer auffallend falt, weil von Norden und Süden zwei falte Strömungen, der Kalifornifche und der Beruftrom, fortwährend faltes Wafjer bis weit in die Tropen führen. Gleichzeitig dringen in den Breiten der Bajjate jowohl nördlich wie jüdlich des Hquators andauernd Falte Waffermafjen aus der Tiefe an die Oberfläche. So fönnen hier fälteliebende Wajjertiere bis weit gegen den quator vordringen. Sn welchen Grade das möglich ift, zeigt uns eben die Verbreitung der Ohrenrobben. Während die Mähnenrobbe an der jüdamerifanijchen Dftfüfte nur bis in die Gegend des La Plata nach Norden geht, reicht ihr Verbreitungsgebiet an der Wejtfüjte bis nach Peru, alfo faft bi8 zum Aquator. Unter dem Aquator, jelbft auf den Galapagosinjeln, finden wir dann Arctocephalus galapagoensis Brass. Nun fehlen allerdings an der mittelamerifanischen Küfte Ohrenrobben, aber jchon in Kalifornien begegnen wir der befanntejten Art, dem See- lömwen. ©o liegt der Ausbreitungsweg Far vor unjeren Augen. Hinzugefügt jei noch, daß in Afrika etiva die Türderisbucht der nördlichite Punkt ihres Verbreitungsgebietes ift. Der jtarfen Berfolgung halber, der die Ohrenrobben ihres Fleijches und Yettes und vor allem ihres Felles wegen ausgejegt jind, it heute ihre Zahl jtarf vermindert und ihr Wohngebiet jehr eingeengt. Wir fönnen, Burmeijter folgend, die Ohrenrobben je nach dem Borhandenjein oder Fehlen von Unterwolle in zwei Gruppen einteilen: 1) Belzrobben oder Seebären, die Fur-seals de3 Pelzhandels, die Lieferanten des Sealffinz, die bipolar verbreitet jind. Arctocephalus ursinus L. (Callotaria), der Seebär, und einige weitere verwandte Arten, bewohnen den nördlichen Stillen Ozean. Arctocephalus australis Zimm., A. pusillus Schreb. und ihnen nahejtehende Formen leben vorwiegend im Süden, an den Küften des jüdlichen Südamerifa und Afrika, der Kerguelen und Neujeelands. Eine hierhergehörige Form, A. townsendi Merriam, überjchreitet aller- dings den quator und findet fich an der kalifornischen Küfte. Die Verbreitung diejer al Arctocephalus im engeren Sinne bezeichneten Untergattung bildet aljo ein GSeitenjtüd zu der zu den Seehunden ge= hörigen Gattung Macrorhinus (vgl. ©. 622). 2) Haarrobben oder Seelöwen. hr Verbreitungsgebiet ijt weit zerjtreuter al3 das der vorhergehenden. An der Kiüjte des jüdlichen Südamerifa wohnt Otaria byronia Blainv. Ym nördlichen Stillen Ozean von der Beringitraße nach Süden bis Japan und Kalifornien lebt Eumetopias jubatus Schreb. Un den Küjten de3 legteren trifft er mit Eumetopias californianus Less. (Zalophus) zufammen, dem befanntejten Wer- treter der Ohrentobben. Dejjen nächiter Verwandter, E. lobatus Gray (Zalophus), bewohnt die Meere um Südjapan, Auftralien und Neujeeland. Doch jind beide Gruppen nicht jcharf getrennt, da Phocarctos hookeri Gray von der Jnjel Audland in der Jugend dichte Unterwolle bejigt, die ihm im Alter fehlt. Die größte Ohrentobbe ist Steller3 Seelöme, Eumetopias jubatus Schreb. (stelleri), eine uns jchon jeit Stellers Zeiten wohlbefannte Art der Familie. Der männliche Seelömwe fann eine Länge von 4m und einen Umfang von annähernd 3 m erreichen; ob Niejen von > m Länge und darüber vorfommen, it Durch jichere Mefjjungen nicht eriviefen. Das durch- jchnittliche Gewicht gibt Elliott zu 600 kg an. Die Weibchen jind bedeutend jchmwächer, 584 9. Dronung: Robben. Familie: Ohrenrobben. bleiben unter einer Länge von 3m und überfteigen felten ein Durchjchnittsgewicht von 200 kg. Sehr bezeichnend für das Tier it der gejtredte Kopf und Hals und feine bei Erregung jtolge und gebietende Haltung. Das Auge erjcheint groß und ausdrudsvoll, aber nur, wenn das Tier erregt ift; das Ohr ift zylimdrifch, an der Wurzel in eine | harfe Spike ausgezogen und mit Furzen, feinen Haaren bededt. Auf der Oberlippe jtehen zwijchen 30 und 40 biegjame, weiße oder gelblichweige Schnunrborften, von denen einzelne bis 45 cm Länge erreichen. Die Sledmapen, welche die dreifache Tätigkeit der Beine, Füße und Flojjen vertreten müjjen, aber troß ihrer Entwidelung noch immer weit mehr für Bewegung im Wajjer als für eine jolche auf dem Lande jich eignen, find größtenteil3 mit einer rauhförnigen Haut bedeckt, während der Leib in ein Furzes, hartes und glänzendes Haarkleid gehüllt ijt. Die Färbung des alten Männchens ändert vielfach ab, da man auf Demjelben Feljen Schwarze, nur hier und da infolge weißer Haarjpisen Ticht gejprenfelte oder rötlichhraune, Düftergraue und Yicht- graue Stüde findet, auch wohl in ein und Derjelben Herde helle mit dunfeln Füßen, dunfel gefledte, graue mit dunfelm Halje und hellen Stopfe bemerkt. Das alte Weibchen ift in der Negel gleichmäßiger, und zwar gewöhnlich lichtbraun gefärbt; die Jungen endlich tragen ein Ichteferfarbenes oder graufchtvarzes Gewand, das bei den Zährlingen in Nußbraun übergeht. Die VBermehrungs- oder Paarungspläbe, Die „Rooferies" der engliichen Fangichiffer, two die Seelömwen regelmäßig alljährlich zu Taufenden oder in Heineren Gejelljchaften er- jcheinen, landen und Junge bringen, liegen, nach Elliott, hauptjächlich zwijchen dem 53. und 57. Grade nördl. Br., und zwar jowohl auf dem Feitlande von Amerika und Ajien als auch auf den meijten innerhalb diejes Gürtels gelegenen Snjeln. Außerhalb des bezeichneten Hürtels, und zwar weit entfernt im Süpden, bejtehen verhältnismäßig unbedeutende Noo- feries bloß noch am Eingange de3 Hafens von San Franzisfo und weiter jüdmwärts an einigen Stellen Niederkaliforniens und den Davorliegenden Snjeln. Sedoch find nur die wenigjten von den Tieren, die man in der Nähe von San Franzisko jteht, Stellerjche Seelömwen, die meilten gehören zu einer naheverwandten Nobbenart (Eumetopias californianus Less.), werden aber gewöhnlich mit jenen zufammengeworfen; fie jind viel Heiner und bellen laut „u, uf”, anjtatt jo zu brüllen wie die wenigen mit ihnen vermijchten Seelöwen. „Eine äußerjt breite und nicht minder ftaubige Straße”, fchreibt Finjch, „Führt Durch öde, jpärlich bewachjene Dünen, deren Sand in fortwährender Bewegung ijt und die Luft zumeilen nebelartig verhüllt, in etiva dreiviertel Stunden nach dem ‚Kilippenhaufe‘, einer hart am Felsgejtade des Stillen Weltmeeres belegenen Gaftwirtjchaft, welche einer der be- vorzugten Ausflugsorte der Bewohner San Franzisfos ift. Schon von fernher Dröhnt das Naujchen der gewaltigen Brandung in das Ohr des dem Slippenhaufe fich nahenden Be- juchers, zugleich aber auch ein abjonvderliches Gebell, welches fich verjtärkt und vervielfältigt, je näher man fommt. Durch Diejes Gebell geleitet, bemerkt man auf drei Hohen Fegelförmigen, faum mehr al3 150 Schritt vom Ufer entfernten Klippen, deren unterer Teil hier und da jenkrecht aus dem Meere aufjteigt, und an denen die Brandung fich tojend bricht, veges Leben. Einige 60 ungeheure Seetiere lagern auf den größeren abjchüjjigen Felfen der Sippe in Sruppen bis zu 15 Stil oder einzeln, in Spalten oder auf den Schalen Felsgejimjen behag- !ich Hingeftredt, gleichjam beherrjcht von einem oben auf der Spite thronenden, unter dem Namen ‚Ben Butler“ allen Frisfoern wohlbefannten mächtigen Bullen. Zumeilen erhebt Diejer jein Haupt, bläht den dien Hals gewaltig auf und läßt fein tiefes Bellen erjchallen, in twelches nicht allein die jchwächeren, feineren und höheren Stimmen aller übrigen Genojjen, jondern auch das heifere Kreifchen der zahlreichen Mötmwen oder das Strächzen der in langen GSeelöwen: Treiben bei San Franzisko. 885 Neihen auf den Felsgejimjen und einzelnen Klippen und Spiten fißenden Scharben forwie der dumpfe Baßton brauner Belifane jich einmijcht, deren Stotablagerungen gleich weiß- getünchten langen Streifen von der dunfeln Feljenwand abjtechen. Gefejjelt durch das überrajchende Schaufpiel, beobachtet jelbjt der gleichgültigjte Bejucher längere Zeit die jo verjchiedenen Tiere und lernt dann zu jeiner Berwunderung erkennen, wie die anjcheinend jo plumpen und ungelenfen Riejen die höchjten Spigen der Stlippe erklimmen. Freilich geht . dies Sangjam; doch twiljen jte ihren langgeftredten Leib in eigentümlich fchlangenartiger Verje fort- und aufwärts zu winden und das Hinaufflettern durch die feitlich ausgejtredten und ausgebreiteten Hinterbeine jo zu unterjtügen, daß fie ihr Ziel dennoch erreichen. Sm Zuftande der Ruhe ähneln die Tiere riefigen dunfeln Nadtjchneden, hiegen jedoch im Schlafe zumeilen auch Hundeartig zujammengerollt, die Schnauze dicht an den Bauch gelegt. Sit jhon die Beweglichkeit der jchiweren Körpermafje auf dem Lande überraschend, jo entfalten dieje Robben te doch erjt im Wafjer volljtändig. Dft jieht man fie in das Meer ftürzen, indem jte jich einfach an der janft abjteigenden Felsivand herabgleiten lajjen oder von einer höheren Sinne jpringend herabwerfen. Pelphinartig treiben jie dann ihr Spiel in den Wellen, werfen jich biißjchnell herum, jo daß der Bauch nach oben formt, fpringen zuweilen förmlich aus dem Wajjer heraus, |pielen miteinander, verfolgen jich, tauchen unter, beugen fich in die Tiefe oder über den Wafjerjpiegel und geben jich den Anschein, als kämpften jie wütend mit- einander, obgleich in Wahrheit jolche Kämpfe nichts anderes jein dürften als eitel Schein und Spielerei, ebenjo wie die Beikereien auf dem Lande auch nicht viel auf fich haben. Exbojt jperren zwei von ihnen den gewaltigen Rachen auf, brüllen jich furchtbar an, al3 ob der ernjtejte Stampf eingeleitet werden follte, legen jich aber bald darauf friedlich wieder neben- einander nieder und beginnen fich vielleicht jogar gegenjeitig zu leden. Stundenlang fan man dem ewig wechjelnden Schaufpiele zujehen, und immer wird man etwas Neues be- obachten und entveden. „Ganz anders verhielten jich Tiere der nämlichen Art auf den Farrallonesinjeln, den mächtigen Markjteinen an der Einfahrtftraße nad) Sarı Franzisfo, welche ich mit Kapitän Scammon an Bord des amerifanijchen SKriegsjchiffes ‚Wyanda‘ Ducchfuhr. Ar den füd- lichen, jeltfam aufgebauten Felsgejtaden gedachter Injein fahen wir Herden von 50 und mehr diejer Robben, welche jich indes vorjorglich dahin zurüdzogen, two die Brandung am ärgiten tojte. Hier lagen jte Dichtgedrängt, vom weißen Schaume der Wellen überjprigt, unerreichbar al3 Sagdbeute, aber nicht für die Stugeln aus unjerer Standbüchjfe. Troß der bedeutenden Entfernung wınde ein Schuß unter die brüllende Schar gejandt und übte eine zauberhafte Wirkung aus: denn fajt gleichzeitig jtürzte jich die gejante Mafje in das Meer, und in den nächiten Stunden war die ganze untere Fläche des Feljens wie abgefehrt. Erit viel jpäter jahen wir mit Hilfe des Glajes, wie die gejtörten ARobben ihre Nuhepläße wieder aufjuchten. Der auffallende Unterjchied in dem Betragen diejer Tiere erklärt jich, wenn man weiß, daß fie hier, im Eingange der Bucht von San Franzisto, vogelfrei find, während jie an den Stlippen des gedachten Wirtshaufes unter dem Schuße des Staates ftehen und weder gejchojjen noch gefangen werden dürfen. Sie erkennen dieje Vorjorge wohl an und lajjen es jich gern gefallen, ungejtört von ihrem furchtbariten Feinde und in behaglicher Nuhe ihr Treiben Eundgebend, Neu- und Wißbegierigen zur Augenweide zu dienen.“ Gteller verdanfen mir die erjte eingehende Lebensbejchreibung des Seelöwen. Weitere Mitteilungen haben wir durch Kogebue und 5. dv. Wrangel, Scammon, Elliott und andere erhalten. Unter den zahlreichen Seetierarten der nordamerifanijchen Stüfte des Stillen Ozeans 586 9. Ordnung: Robben. Familie: Ohrenrobben. verdient, nach Scammons Anjicht, feines mehr unjere Teilnahme als der Seelömwe; jelbjt der für den Belzhandel jo wertvolle Seebär jteht hinter ihm zurüd. Während diejer bloß zu gewiljen Jahreszeiten an jeinen VBermehrungsplägen, die meijt auf einfamen njeln liegen, erjcheint und dann tieder jpurlos verjchtwindet, hält jich von den Seelöwen, auch) nachoem ihre eigentliche Landzeit vorüber ift, mwenigjtens ein Teil noch bejtändig an den Nooferies auf. Jr großer Anzahl vereinigen jie jich aber Doch nur während der Baarungszeit, die je nach den verjchtedenen Breitengraden früher oder |päter, an der Faltfornijchen Stüjte bei- jpielsweije zwijchen die Monate Mat und Auguft, an der Stüfte von Mlasfa Dagegen zwijchen den Juni und Dftober fällt. Sr diefer Zeit bringen auch die Weibchen ihre Zungen zur Welt und erziehen fie gemeinschaftlich mit den Männchen, die jich in der Sorge um die Stleinen mit jenen vereinigen, fie beivachen und durch ihr Vorbild belehren, tie te fich auf dem jo ver- ichieden gejtalteten, bald zerflüfteten und feljenjtarrenden, bald jchlammigen, bald jandigen Küftenjaume zu benehmen, oder wie fie tauchend und Schhwimmend den brandenden Wogen zu mwiderftehen haben. Anfänglich befunden die Jungen entjchtedene Abneigung gegen das Wafjer; bald aber tummeln fie jich jpielend in diefem Elemente, und wenn die Landzeit borüber ift, jind fie jo vollfommen eingewöhnt, daß jte mit den Alten verjchhwinden und den übrigen Teil des Jahres auf hohem Meere zubringen fünnen. Höchjtens einige wenige von der zahlreichen Herde bleiben auf dem beliebten Plate zurüd und behaupten ihn bejtändig. Während der Fortpflanzungszeit nehmen die Seelömwen, insbejondere die Männchen, wenig oder gar feine Nahrung zu jich; nur die Weibchen verlajjen zumeilen ihre Lagerjtätte und ziehen zur Jagd aus, wagen jedoch nicht, jich weit von ihren Jungen zu entfernen. Daß der Seelöte lange Zeit ohne jegliche Nahrung leben fan, tft unzweifelhaft; denn an gefangenen bat man beobachtet, daß fie während eines ganzen Monats nicht einen Biljen zu jich nahmen und troßdem nicht die geringfte Unbehaglichkeit zu erfennen gaben, und die weiter unten zu jchildernde Jagdweije, welche die Eingeborenen anwenden, bringt es mit jich, daß Tiere jedes Alters und Gejchlechts nicht nur wochenlang hungern, jondern auch die größten An- rengungen ertragen müjjen, ohne dadurch Schaden zu erleiden. Sm Anfange ihrer alfjährlichen VBerjammlungs- oder Landzeit zeigen jich die zu den gewohnten NAooferies zurüdkehrenden oder neu anfommenden Seelöwen mild und jcheu; wenn jich aber auch die Weibchen am Strande, auf den Klippen und Feljen eingefunden haben, gebärden fie fich anders: denn nunmehr beginnen die Kämpfe der Männchen umt die Herrjchaft über die Weibchen. Dieje Kämpfe dauern oft tagelang und werden nicht früher beendigt, als bis einer von beiden Reden vollfommen erjchöpft ijt, entbrennen auch jofort tpieder, jobald er neue Kräfte gejammelt hat. Erxjt wenn beide gleichmäßig gejchwächt find, wenn der eine von dem Kampfplaße flüchten mußte, oder wenn beide durch einen dritten, mit friichen Sträften über fie herfallenden vertrieben wurden, enden Streit und Hader; denn der endgültig bejtegte jchleicht jich befümmert nach einem entlegenen Blaße. m der Negel führt nur ein Männchen die Herrjchaft über eine Herde; gleichwohl fann e8 vorkommen, daß man auch deren zivei auf ein und demjelben Feljen findet, woher e3 dann freilich ohne herausforderndes Gebrüll und Heine Kämpfe nicht abgeht. Soweit Scammon beobachten fonnte, bejteht ziwijchen den verjchtedenen Gejchlechtern geringe Neigung. Nur die Weibchen befunden ihren Sprößlingen gegenüber eine gemilje Hürtlichkeit, obwohl fie niemals anstehen, diejelben flüchtig zu verlaffen und jich in das Lajjer zu retten, wenn fie auf dem Lande überrafcht werden. Die Jungen ihrerfeits find die miderjpenjtigften und unartigjten Heinen Gejchöpfe, die man fich denfen fann, und betätigen Seelömwen: Verhalten der Gejchlechter und der Alten zu den Jungen. 987 ihre Untugenden namentlich Furz nach dem Erwachen aus ihrem faft ununterbrochenen Schlafe. Dft jieht man, daß, wenn eine Mutter jich weigert, ihre Junges zu fäugen, ein Schwarm von anderen um die Gunjt jich jtreitet, dies tun zu dürfen. Nach bejtimmter Ver- jicherung der Eingeborenen der St. Baulinjel jäugt die Seelöwin ein männliches, niemals aber ein wmeibliches Junge noch im zweiten Jahre jeines Lebens, eine Anficht, die wohl nur in der jo verjchtedenen Größe der beiden Gejchlechter ihre Erklärung findet. Mit dem Ende der Landzeit, die an der falifornifchen Küfte etiva vier Monate währt, fehrt, wie erwähnt, die Mehrzahl der zahlreichen Herde, Männchen jowohl wie Weibchen, nac) dem Meere zurück und durcchjichtwimmt e3 jet wieder jagend und fijchend nach allen Richtungen, da immer nur wenige imftande jind, jich in der Nähe der Küfte genügend zu ernähren. Fiiche, Weich- und Strebstiere jowie Wajjervögel verjchiedener Art bilden das tägliche Brot unjerer Robben, die jedoch niemals verfäumen, einige Stiefel oder Keine Steine, einzelne bi3 zu 500 g an Gemicht, zu verjcehlingen. Nach Scammons Angabe gebrauchen die Seelüwen eine bejondere „Lift“, um jich der Seevögel zu bemächtigen; jie tauchen angejicht3 einer Möwe tief in das Wajjer, jchwimmen unter den Wellen fort, erjcheinen borjichtig an einer anderen Stelle wieder an der Oberfläche, jtreden jedoch nur die Najen- ipiße aus dem Wajjer heraus und bringen num, wahrjcheinlich mit Hilfe ihrer Schnurrhaare, das Wafjer hier in eine dDrehende Bewegung, um die Aufmerkjantkeit der fliegenden Möme auf jich zu lenfen. Dieje glaubt irgendein Wajjertier zu jeden, jtürzt jich herunter, um es zu fangen, und ijt einen Augenblid jpäter von dem Seelöwen gepadt und unter das Wajjer gezogen, bald darauf auch zerrijjen und verjchlungen. Clliott, der die Seelöwen vier Jahre lang auf den Bribylomwinjeln beobachtete, hat Dagegen niemals bemerkt, daß die Tiere auf Geflügel jagten, obmwodl fie jich im Meere zwijchen zahllojen umherjchwinmenden Seevögeln bewegten, die wiederum gar feine Furcht vor ihnen befumdeten. Noch vor einigen Jahrzehnten wurden alljährlich allein an der Ktüjte von Ober- und Kiederfalifornien jo viele Seelömen erlegt, daß man Taujende von Fäjjern mit dem aus ihrem Fette gejchmolzenen Trane füllen fonnte. Die Anzahl der vernichteten Tiere jtieq ins Sabelhafte; denn man muß bedenken, daß e3 zu den Seltenheiten gehörte, wen während einer Jagd jo große Seelöwen erlegt wurden, daß das Fett von dreien oder vieren genügte, um ein Faß mit Tran zu füllen. Infolge der jehr merflichen Abnahme des gewinnbringenden Gejchöpfes erlegt man gegenwärtig hauptjächlich Männchen, und zwar meijt mit dem Feuer- geiwehr, jeltener mit der Lanze. Da eine auf den plumpen Leib gerichtete Kugel in den meilten Fällen nur geringe Wirkung übt, jchießt man jtet3 nach dem Stopfe und nimmt das Ohr zum Zielpuntte. Mit Keule und Lanze betreibt man die Jagd da, vo die Bejchaffenheit des Strandes geftattet, die Tiere landeinmwärts zu treiben, was bei ihrer Ängjtlichfeit in der Negel feine Mühe macht. Unmittelbar nach einer jolchen Schlächterei beraubt man die exlegten Seelöwen ihrer Schnurrborften, Häutet fie jodann ab und jchält die dicke, zwijchen Fell und Muskel liegende Fettlage ab, um jie jpäter auf dem Schiffe in vieredige Heine Stüd- chen zu zerjchneiden und auszufochen. Das Fell wurde in früheren Zeiten einfach meg- geivorfen, bi3 man fand, daß es zur Leimbereitung tauglich it und verhältnismäßig ebenjo großen Geminn abmwirjt wie das Fett. Während der Europäer den Seelöwen feines Fettes und jeiner Haut halber erlegt, verjorgt jich der Bewohner Mlasfas, der leuten und Pribylomwinjeln durch die Jagd diejes GSeetiere3 mit Nahrung und mit den unentbehrlichiten Gegenjtänden jeines Haushaltes. Der Hauptlandungsplas der Seelöwen auf der St. Baulinjel ijt die nordöftlichite Spibe: 588 9. Ordnung: Robben. Familie: Ohrenrobben. zu diejem Blabe ziehen die Eingeborenen während der Landzeit, um jich bei günjtiger ©e- legenheit einen Fang zu jichern. Die Seelömwen jind jehr jcheu, regen gewöhnlich hart am Wafjer und find Schwierig zu bejchleichen. Wenn der Mond fcheint, aber treibendes Gemölt ihn vielfach bedect und der Wind vom Lande weht, fo jchildert Elliott den Vorgang, ftehlen ich fundige Eingeborene einer hinter dem anderen am Strande entlang, und zwar auf Händen und Füßen in folcher Haltung, daß die wachenden Seelöwen fie in dem unficheren Lichte für ihresgleichen anjehen. Glaubt man eine Herde vom Meere abgejchnitten zu haben, jo |pringen alle Jäger plößlich unter lautem Lärmen auf, fchreien, Happern, feuern PBiftolen ab, entzünden Feuerwerfsförper und juchen damit ihre erwählten Opfer landein- mwärts zu jcheuchen. Diejenigen der Tiere, welche mit dem Stopfe jeewärts lagen, jtreben eiligjt, Das Wafjer zu erreichen, und lajjen jich nicht zurüdjchreden, auch wenn ihnen die Säger entgegentreten wollten; jte gehen regelmäßig verloren. Diejenigen aber, welche mit dem Ktopfe landwärts lagen, flüchten auch in diejer Aichtung und werden nun mit allen Schredmitteln unbarmherzig mweitergetrieben bis zu dem Lagerplage der Eingeborenen. Hier werden fie zunächjt eingelappt, d. h. rings um den Trupp, der gewöhnlich 20—30, felten 40 Tiere zählt, werden in Abjtänden von 3—6 m Stangen in die Erde gejtogen, mit einigen Leimen verbunden und daran allerhand Zeugfegen gehängt. Dieje leichte Umfriedigung genügt volfitändig, um die gefangenen am Ausbrechen zu verhindern. Das Abjchneiden einzelner Trupps vom Wajjer, das Treiben zum Lagerplab und das Einlappen wird num manchmal, je nach Gunst des Wetters, zwei und drei Wochen lang fortgejet, biS die Leute ihren vollen Fang, etiva 200—300 Tiere, beifammten haben. Nun beginnt der Trieb, d.h. man zivingt die Geelömwen, ihre Leiber jelbit zu der Stelle zu jchaffen, wo man jte fchlachten will, DIS zu der Ortjchaft, die 11 engliiche Meilen entfernt liegt. Bei feuchter und Falter Witterung vermögen Die gefangenen dieje Strede in 5—6 Tagen zurüczulegen, bet warmem und trodenem Wetter aber brauchen je Dazu zwei und drei Wochen, manchmal noch mehr Zeit. Beim Treiben werden allerhand Schrecdimittel angewendet, e3 wird gejchrien, ge- jchoffen, geflappert, überhaupt auf alle mögliche Weije gelärmt, Tücher und Flaggen werden ge- ichwenft. Da die jungen Seelöwen und die jchlanferen Weibchen jchneller vorwärtsfommen als die alten fetten Bullen, zieht fich die Staramvane jehr in die Länge, und es it jehr müh- jam, die ermatteten und nicht jelten recht guimmigen Nachzügler vorwärts zu drängen. Unter- iwegs fommt man an einen See, und nun wird der Wafjerveg benubt, um etwa 2 englijche Meilen der ganzen Strede in fürzejter Zeit zu Durchmejjen. Die nach und nad) am Ufer an- fommenden Geelöwwen werden wieder eingelappt, bis auch die legten heran jind; dann wird die ganze Herde in den See getrieben und legt nun, von ein paar Sähnen in Dronung ge= halten, dicht am Ufer entlang jehwimmend, den Wafjerweg in Faum 20 Minuten zurüd. ©o jeltjan e3 klingt: feines der Tiere wagt auszubrechen und fich nach der Mitte des Sees zu retten. Dann geht es wieder mühjam über Land, noch durch ein paar Heinere Seen, bis endlich die lLängit Hoffnungsvoll erwartete merfwiirdige Staramane an der Drtjchaft an- langt. Seht Holt man die Waffen herbei: Gewehre und Lanzen. Auch der beherztejte Ein- geborene wagt e3 nicht, alte Bullen mit der Lanze anzugreifen; das Unterfangen märe zu gefährlich. Dieje werden daher zuerjt aus unmittelbarer Nähe durch den Kopf gejchofien, darauf Die Weibchen und Jungen mit ficherem Lanzenjtoße durch) das Herz getötet. Bon der Beute wird faft alles benubt: das Fleijch und Fett zur Nahrung, die Sehnen zum Nähen und Binden, Die Häute zur Herftellung der leichten Kähne, die Eingemweide zur Anfertigung von ausgezeichneten wafjerdichten Überfleivern. Gelbft die langen, biegjamen Schnurrborjten Sagd auf Seelöwen. — Ralifornijcher Seelöme. 989 des Bartes werden jorgfältig gejammelt, denn jie jind jehr begehrt und werden gut bezahlt von Chinejen, die jie unter anderem auch zum Neinigen der Opiumpfeifen verwenden. Nacı Elliott, dem mir in diefer Schilderung gefolgt find, bietet die Snjel St. Paul, two alljährlich etwa 10—12000 Seelöwen landen, wegen ihrer Stüftenform bejonders günjtige Gelegenheit, dDieje Jagdmweije anzumenden. Nicht jo die Nachbarinjel St. Georg, two überdies die Seelümwen gegenwärtig jelten find. Unfer Gewährsmann hörte von den Bewohnern, daß noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts etliche Hunderttaufend Seelöwen auf der Jnjel gelandet jeien. Da fie aber wegen ungünjtiger Strandverhältnifje faum zu erbeuten waren, zudem die hochgejchäßten Seebären vom Landen abhielten, hätten die Ultvorderen alle Mittet aufgeboten, die für jte nicht nußbaren oder richtiger nicht erlegbaren Seelömwen zu vertreiben, und zwar mit dem Erfolge, daß dieje jich mehr und mehr weggewöhnten, während anihre Stelle allmählich die Seebären traten, die leichter zu erbeuten find und großen Gewinn bringen. An der Hüfte Sibiriens, Kamtjchatfas und Sachalins betreibt man den Yang der Ohren- tobben wie den ihrer Verwandten wiederum in anderer Weije. Alle Buchten und Flüjje des nordaltatiichen SKüftenlandes wimmeln während der Wionate Juni bis September von Lachen, welche in diejer Zeit des LTaichens halber aufiteigen, und ihnen folgen jagend die Nobbenarten nach. Um legtere zu fangen, jperrt man gemwilje Stellen der Ströme und Baien durch weitmajchige Nebe, die wohl den Filchen, nicht aber den Robben Durchgang geitatten. Dieje veriviceln jich im Gemajche und erjtiden entweder in der Tiefe des Flujjes oder werden von den herbeieilenden Fijchern getötet. So bilden jich in den verjchtedenen Gegenden des Verbreitungsgebietes unjeres Tieres mancherlei YJagdmweijen aus; Feine einzige von allen aber würde den Bejtand an Seelömwen mit völliger Vernichtung bedrohen, täte der Habjüchtige Europäer auch in Diejem Falle e3 nicht allen übrigen Bölferjchaften zuvor. Seelöümwen halten jich leicht in Gefangenschaft, lafjen jich in hohem Grade zähmen und befunden, wenn jie jung erbeutet wınden, jchließlfich eine außerordentliche Zuneigung zu ihrem Wärter. Der gewöhnliche Seelötwe der zoologijchen Gärten ijt aber nicht der eben bejprochene, jondern der ©. 583 erwähnte Kalifornijche Seelömwe, Eumetopias californianus Less. (Zalophus, Otaria; gillespii). Sein Hußeres bejchreibt He („Das Tierreich”) wie folgt: „Dies ift der Kalifornifche Ceelümwe, dejjen altes Männchen fich durch einen auffallenden Stirnbudel, vermöge jtarfer Ausbildung der Krnochenleijte am Schädel jehr hoch gemölbten, gegen die Nafe fteil abfallenden Oberkopf auszeichnet. Die überhaupt viel Heineren, nur den dritten Teil fo fchiweren Weibchen haben dagegen ehr Schmale, flache und Heine Stöpfe, die im Berein mit den langen beweglichen Hälfen den Bewegungen der Tiere oft etwas Yal- oder Schlangenartige3 geben. Die Farbe ijt im Wafjer jchwarz, beim Männchen am ganzen Körper, beim Weibchen auf der Unterfeite, an Bruft und Bauch etivas heller, rötlich. Bei längerem Aufenthalt auf dem Lande, während das kurze Haarkleiv immer mehr abtrocdnet, geht aber die dunkle Farbe allmählich in ein, man möchte jagen: ver- ichojjenes, helles Braun oder mattes Kehmgelb über.” Über ihr Gefangenleben jowie ihre Fortpflanzung in der Gefangenfchaft hat Wun- derlich jehr gute Beobachtungen mitgeteilt („Zool. Garten”, 1890). Danach dauert die Brunft zwei Tage. Die Paarung findet im Wafjer jtatt. Die Trächtigfeitszeit beträgt 342 bis 347 Tage. Die Wurfzeit fällt in den Juni oder Juli. Die Jungen, die mit offenen Augen geboren wurden, gingen in Köln am dritten Tage nad) der Geburt ins Wafjer. hr 590 9. Ordnung: Robben. Familie: Ohrenrobben. Kleid glich ganz dem der Mutter. Sie nährten fich 7—8 Monate fang nur von der Milch der Mutter, nach einem Jahr hörte das Säugen ganz auf. Sie wechjelten in der zweiten Hälfte des Dezember ihr Haarkleid das erjtemal, und nun glichen jchon die jungen Männchen ganz den alten. Zur gleichen Zeit wechjelten auch die Alten das Haarkleid, und zwar nur dies eine Mal in jedem Jahre. — Das ©. 584 erwähnte Gebrüll lajjen auch die gefangenen Seelöwen, und zivar jtändig, hören, jo daß fie fich dadurch recht unangenehm bemerkbar machen. Der Kölner Bulle fchrie derart, daß man ihn bei gutem Winde auf dem anderen Ufer des Nheins in Miüheim hören Ffonnte. Eine jehr lebensvolle Bejchreibung aus neuejter Zeit über einen füdlichen Vertreter der Seelüwen, die Mähnenrobbe, Otaria byronia Blainv., verdanken toir dem Frhr. dv. Schrend („Zool. Beob.”, 1912), der die Tiere in Freiheit in Patagonten beobachten fonnte. Die Färbung diejer Form üt ein jtumpf gelber, in3 Bräunliche jpielender Ton. Die nadten Floffen find jchwarz. Nur bei den alten, bi$ 3 m fang und bi 16 Zentner jchiwer werdenden Männchen verlängert fich das NRücdenhaar mähnenartig, den viel Heineren Weibchen fehlt die Mähne. Die Jungen haben einen gleichmäßig tiefichwarzen, weichen Pelz. Das Auge zeigt ein merfiwürdiges Farbenjpiel, indem die Jris glänzend grün jchimmert, während Die Bindehaut der inneren Augenwinfel rot gefärbt it. Die Männchen, die heftige Kämpfe um die Weibchen ausfechten, alS deren Folge fie alle tiefe, Haffende Wunden zeigten, lajjen die ganze Nacht ihr Kampfgebrüll ertönen, wie überhaupt die ganze Öejellichaft jehr laut it. „ge mehr wir uns der Küfte näherten, dejto ohrenbetäubender wurde der Höllenlärm, deito umerträglicher und durchdringender der Geruch, jo daß toir jchließlich nur noch ganz oberflächlich zu atmen wagten... Das von dem gewaltigen Chor ausgehende Stonzert jpottet jeder Bejchreibung. Auf heifere Einatmungslaute folgen jedesmal tiefe, grollende Grundtöne. Die zahlreichen jungen Tiere medern täujchend wie Ziegen und blöfen genau wie Schafe.” Auch für diefe Art ijt die Yandzeit die Fortpflanzungszeit, während welcher die Jungen geboren werden und die Alten zur Begattung jchreiten. Erft jechs Wochen nad) der Geburt fünnen die Jungen in das Wajjer gehen. Solange find die Eltern gezwungen, am Lande zu bleiben und fich vom eigenen Nejervefett zu ernähren. Fuhr. vd. Schrend fand beim Ausweiden einer der jtärfiten Mähnenrobbe den ganzen Berdauungstraft leer, nur zwei ftarf abgejchliffene Steine von 300 und 450 g Gewicht im Magen. Auch Ddieje Nobben werden oder wurden, bevor die argentinische Regierung ich der Tiere jchügend annahm, arg verfolgt und in graujamer Weife hingejchlachtet. Dabei jpielten jich, mie Schrend jchreibt, erjchütternde Szenen ab, da die alten Männchen Weibchen und Junge mit großem Heldenmut verteidigen. Dieje füdliche Art jcheint feine Jagd auf Seevögel zu machen, da fich zahlreiche Möwen zwijchen der Herde befinden. Bekannt ijt die Mähnentobbe oder der Batagonijche Seelömwe namentlich Dadurch, daß längere Zeit ein Exemplar im Londoner Zoologijchen Garten lebte. E3 war dorthin im Sahre 1866 durch einen englischen Matrojen, Lecomte, gelangt, als erjte Ohrenrobbe überhaupt, die lebend nad) Europa gebracht worden ilt. Diejer alte Seemann hatte als Nobbenfchläger die Tiere fennen und dabei jo lieben gelernt, daß er wenigjtens verjuchen wollte, jie an die Gefangenschaft zu gewöhnen und womöglich zu zähmen. Zu feiner Überrafchung gelang ihm beides weit bejjer, als er jelbit gealaubt hatte. Anfänglich verlor er allerdings mehrere von den eingefangenen Stüden; einzelne aber blieben am Leben und wurden jo außerordentlich zahm, Daß fich bald ein Vagoauauypll N IM Li I I; ER 774 j\ in Yo a - > Du E: RG i ia Eee a Oh Fr in, BIER = FR & nr 2 a | ae, A ne Er en BR u, + ; 5 5 5 u ee Mähnenrobbe. 991 wirkliches Freundfchaftsverhältnis zroijchen dem Pfleger und feinen Schußbefohlenen heraus- bildete. Die Tiere lernten ihren Gebieter veritehen, erwiejen ihm eine außerordentliche Anhänglichkeit, gehorchten jchlieglich auf das Wort und fiefen jich daher Feicht zu verjchiedenen Kumftjtückchen abrichten, die um jo größere Bewunderung erregen mußten, je weniger man dem anjcheinend jo plumpen Gejchöpfe die von ihm dabei entfaltete Beweglichkeit und Ge- lenfigfeit zutrauen mochte. Infolge der Teilnahme, die Lecomte mit feiner gezähmten Mähnenrobbe überall erweckte, bejchloß er, fie in verjchiedenen Städten zur Schau zu ftellen, wurde aber leicht bewogen, fie an den Tiergarten in London abzutreten und hier fernerhin zu pflegen. Man errichtete ein weites und tiefes Beden mit einem injelähnlichen Gemäuer in der Mitte, verband beides mit einem Stalle und gejtattete Lecomte, zur Unterhaltung der Bejucher, nach Art der Tierbudenbefiger VBorftellungen zu geben. Mähnenrobbe und Pfleger ge- wannen bald die verdiente Anerkennung und zogen Taujende von Bejuchern an. Sc jelbjt, obwohl eingenommen gegen alle derartigen Schauftellungen in Anjtalten, die in erjter Reihe der Wijjenjchaft dienen follen, wurde durch Lecomte, wenn auch nicht befehtt, fo doch im höchjten Grade gefejjelt; denn ein ähnliches Verhältnis zwijchen Menjch und Robbe hatte ich bis dahin noch nicht gejehen. Beide verjtanden jich vollfommen; beide ichtenen die gleiche Zuneigung zueinander zu Hegen; denn wenn man auc) annehmen mußte, daß die Freundesliebe jeitens der Robbe ernjter gemeint war al3 von jeiten Lecomtes, er- hielt diefer den Zuschauer doch ftet3 in anmutender Täufchung, und die Umarmungen, Die er jeinem Pflegling zuteil werden Tieß, fchienen ebenjo innig, die Stüjje, welche er auf die rauhen Lippen des Seetieres drüdte, ebenjo heiß zu jein, als hätten jie einem geliebten Menjchen gegolten. Die Mähnentobbe tat, was Lecomte mit Huger Berüdjichtigung der Eigentümlichfeiten und des Wejens des Tieres befahl. CS handelte jich bei der von beiden gegebenen Borftellung für das Tier einzig und allein darum, einen Bijjen Futter zu ge- winnen; die Kunjtleiftung der Robbe bejchränfte jich aljo darauf, aus dem Wajjer heraus- zugehen, das Land beziehentlich den injelähnfichen Nuheplag in der Mitte zu erreichen, über ein verhältnismäßig fehmales Brett wegzurutichen, den Schoß des Pflegers zu erklim- men, von den Lippen des legteren einen wirklich vorhandenen oder vorgejpiegelten Bijjen zu nehmen und fchließlich mit jähem Sabe in das Wafjer zu jpringen, um ein in Das Beden gemorfenes Fijchchen herauszuholen; die Art und Weife aber, wie dies gejchah, fiel nicht allein dem Laien, jondern auch dem gejchulten oder erfahrenen Naturforjcher auf. Sede Bewegung des Tieres ift gänzlich verjchieden von der eines Seehundes; denn die Mähnentobbe oder, wie ich annehmen darf, jede Ohrenrobbe überhaupt, Friecht nicht in der Weije der Seehunde mühjelig auf dem Boden fort, jondern geht, auf ihre breiten Flojjen fich ftügend, in Höchjt abfonderlicher Weije dahin. Während fie im Liegen und im Schwimmen faft genau diejelbe Haltung annimmt wie der Seehund, diejen auch in der Fertigkeit, Das Wafjer zu beherrichen, in ihm bligfchnelf fortzufchießen, jich zu Drehen und zu wenden, fopf- oberjt oder fopfunterft auf und nieder zu fteigen, über die Oberfläche jich zu erheben oder unter ihr zu verfinfen, faum oder nicht überbietet, übertrifft fie ihn doch im Stlettern wie im Gehen in außerordentlicher und höchjt überrafchender Weife. Um vom Wafjer auf das er- höhte Land zu fommen, wirft fie fich, alle vier breiten Flojjenfüße zu einem kräftigen VBor- jtoße gleichzeitig bewwegend, förmlich fpringend über den Rand des Bedens weg, fällt aber nicht wie der Seehund auf den vorderen Teil der Bruft, jondern auf die im Handteil um- gefnickten Flofjen, wie ein Menjch auf die beiden inneren Handflächen jich jtügend, chreitet, 592 9. Drdnung: Robben. Familie: Ohrenrobben. eine Flojje um die andere langjam ein wenig vorwärts jegend, hierauf aus, zieht den hinteren Teil ihres Leibes nach, hebt jich auf die in gleicher Weife wie die vorveren gejtellten Hinterbeine und matjchelt num, diefe wie jene freuzweije beiwegend, fehnelfer, al3 man erwarten Fünnte, vorwärts, Hält fich auf jchmalen Kanten mit vollffter Sicherheit, feit, jchmiegt ihre Flojjen jeder Unebenheit des Bodens an und Elettert jo, ohne erfichtliche Anftrengung, an jehr fteilen Flächen empor, gelangt fonach auch mit Leichtigkeit in den Schoß des auf einem Stuhle fienden Pflegers und ift imftande, ihren ganzen Leib derart auf die Hinterfüße zu jtüßen, daß der vordere Teil eine viel größere Freiheit erlangt, als der Seehund jie jemals ausüben fann. Nur wenn fie auf ebenem Boden läuft, jieht jie des bei diefer Bewegung jtark ge- frimmten Rücdens halber unfchön, mindeitens abjonderlich aus; bei allen übrigen Be- wegungen bilden die Umrifje ihres Leibes reichbemwegte, angenehm ins Auge fallende Linien. Das Tier vermag fich mit größter Leichtigfeit nach oben oder unten, nach der einen oder anderen Seite zu biegen und betätigt dabei eine folche Gelenfigfeit der Wirbehjäule, twie man fie bei den Seehunden nicht bemerkt. Ob ihre höheren Begabungen dem eben Gejchilderten entjprechen, Yajje ich unent- ichteden, muß aber jagen, daß fie in diefer Beziehung ebenfalls einen jehr günftigen Eindrud bei mir hinterlaffen hat. Der Stern des großen, jehr beweglichen Auges ijt nach den Beobachtungen Muries einer außerordentlichen Erweiterung und Verengerung fähig. Sch habe jehr viele Seehunde und unter ihnen auch jolche beobachtet, die von Schauftellern ihrer großen Zahmheit wegen umhergeführt und gezeigt wurden, unter ihnen allen aber meines Erinnerns feinen einzigen fennen gelernt, der mit Zecomtes Mähnenrobbe hätte verglichen werden können. Diefe war jo zahn, wie e3 ein urjprünglich-freigeborenes Säuge- tier iiberhaupt werden fann; ihe Wärter durfte mit ihr beginnen, was er wollte: jie lie jich alfes gefallen, nicht allein ohne den geringjten Widerjtand entgegenzujegen, jondern indem jie dabei ein in Erftaunen fegendes VBerftändnis für die Vornahmen ihres Gebieter3 an den Tag legte. In der Willigfeit, auf alle Wünfche ihres Freundes einzugehen, erinnerte jie viel mehr an einen wohlgezogenen Hund al3 an eine Robbe. Man fonnte wirklich glauben, daß fie einzelne Worte oder Befehle ihres Pfleger verjtand und ihnen entjprechend handelte: jie anttvortete auf eine Ansprache, näherte fich ihrem Gebieter, wenn je gerufen wurde, und führte auch verschiedene andere Befehle vollfommen entjprechend aus, Hletterte auf Anfordern dem Manme auf den Schoß, näherte ihre Lippen den feinigen, warf fich auf den Rüden, zeigte ihr Gebiß, ihre VBorder- und Hinterfloffen ufiv., anfcheinend ohne ihren Oebieter jemals mißzuverjtehen. Alle diefe „Arbeiten” führte fie unverdrofjen zu jeder Tageszeit aus, ob- aleich e8 zumeilen vorfommen mochte, daß fie zehn- und mehrmals im Laufe des Tages genau dasjelbe tun, alfo ihre behäbige Ruhe aufgeben mußte. Srgendein lederer Bijjen, in den meiften Fällen ein Stückchen Fijch, ftand ihr allerdings jedesmal in Ausficht; fie zeigte fich jedoch wohlgenährt und feineswegs hungrig, jcehien vielmehr das ihr gereichte Fiichchen nur als eine Belohnung anzufehen, die fich für geleiftete Arbeit von felbit verjtand. Lecomtes Begabung, mit dem Tiere umzugehen, war freilich ebenfo überrajchend wie die Leiftung der Mähnenrobbe felbft. Der alte Matroje fannte feinen Pflegling genau, jah ihm etwaige Wünfche fozufagen an den Augen ab, behandelte ihn mit abfichtlicher Zärtlic)- feit, täufchte ihn nie und war ebenfo bedacht, ihn niemals zu übermüden. So gewährten beide jedermann ein feffendes Schaufpiel, und die Mähnenrobbe wurde zu einem Zugjtüde tie wenig andere Tiere des reichen Londoner Gartens. AlS das wertvolle Tier nad) einer Reihe von Kahren ftarb, Hatte e3 fich die Gunft der Befucher in jo hohem Grade erworben, Seebär. 393 daß die Gejelljchaft es für nötig fand, Lecomte nach den Falklandinjeln zu jenden, einzig und allein zu dem Zivede, um andere Dhrenrobben derjelben Art zu erwerben. Als Vertreter der Belzrobben jei der Seebär oder die Bärentobbe, Arctocephalus ursinus Z. (Callotaria), angeführt. Er jteht an Größe Hinter dem Seelöwen zurücd, da jelbjt die größten Männchen von der Schnauzen= bis zur Schwanzjpiße bloß 2—2,5 m mejjen und die Weibchen jelten mehr als die Hälfte diefes Mapes erreichen; jene werden beftenfalls an 200— 250 kg, dieje nır 50—60 kg jchwer. Der Leib ift zwar kräftig, aber doch jehr gejtrect gebaut, der Kopf länger und jpiger al3 bei den Kobben insgemein, der Hals kurz, aber deut- lich vom Numpfe abgejegt, der Schwanz furz und jpißig, das Maul ziemlich Klein, das Najen- loch jchligförmig, das Auge jehr groß, Dunkel und von lebhaften Ausdrud, die Oberlippe mit einigen 20 jteifen, Höchjtens 16 cm langen Schnurrborften bejeßt; die Borderfüße jind flojjen- artig gejtaltet und mit einer weichen, äußert biegjamen, haarlojen, jchwarzen Haut bekleidet, die hinteren jehr verbreitert und verlängert, da die fünf Zehen, von denen drei oben Nägel tragen, mindejtens 10 cm vor der äußeren Spitenfante endigen. Das am Halje und an der Borderjeite merklich, längs der Rüdenlinie einigermaßen verlängerte Fell bejteht aus nicht allzu jteifen Gramnen und ungemein weichen und zarten, jeidenartigen Wollhaaren, welche die Haut Dicht befleiden. Seine Grumdfärbung ijt ein dunkles Braun, das bei einzelnen Stüden in Braunjchvarz übergeht, auf dem Stopfe, Halje und dem vorderen Teile des Leibes aber durch weißjpißige Haare gejprenfelt erjcheint und auf der Unter- und Srnenjeite der Glieder jich lichtet. Die einzelnen Haare find an der Wurzel jchwarz, jodanı rötlich gefärbt und zeigen vor der Spite einen graulichen Ring. Ültere Weibchen unterjcheiden fich von den Männchen ziemlich regelmäßig durch filbergraue Färbung; jehr alte aber tragen ebenfalls ein auf Rüden und Seiten dDunfelbraunes, jedoch überall mit weißen Haaren gejprenfeltes, unten rötlichhraunes Kleid. AJunge Tiere beivderlei Gejchlechts Haben ein jülberfarbenes Fell, weil ihre Haare durchjchnittlich in lichte Spiten endigen. Aus den Wahrnehmungen aller Schiffer, welche die Seebären Fennen, geht hervor, daß Dieje einzig und allein zum Ziwede der Fortpflanzung auf die verjchtedenen von ihnen regelmäßig befuchten Snjeln oder Schären fommen, während der übrigen Nionate aber aus- ichlieglich auf Hoher See leben und dabei jehr weite Wanderungen unternehmen. Gleich- wohl fehren jie, wie jahrelang fortgejegte Beobachtungen eriwiejen haben, immer wieder zu den befannten Nooferies zurüd. Wenn ihre Landzeit Herannaht, bemerkt man zuerjt einige alte Männchen, die Kundjchafterdienite zu tun jcheinen. Ahnen folgen dann allmählich Die übrigen nad). Von den Höchjten Stellen einzelner jüdlicher Jnjeln aus hat man, laut Scan- mon, beobachtet, daß fie bei ihrer Rüdkehr zum Lande, in ungemein zahlreiche Gejellichaften bereinigt, gemeinjchaftlich reifen und erjt an der Küjte jich in verjchtedene Herden teilen. Bei der Wahl der von ihnen bejuchten Stellen verfahren fie mit großer Umjtcht, vielleicht erit, jeitdent jie durch Erfahrung die Notwendigkeit erfannt haben, jich vor ihrem Schlinimiten Feinde, dem Menjchen, jo viel wie möglich zu jchügen. Zum allgemeinen juchen jie jich Cilande oder auf größeren Snjeln jolche Küftenftreden auf, an denen Die See mit bejonderer Hejtigfeit brandet, und erwählen jich dann die unmittelbar über der höcdhjiten Ylutnarte gelegenen, möglichit wenig zugänglichen Feljen zu ihren zeitweiligen Wohnfigen. Jedes alte Männchen fehrt jo lange zu einer genau bejtimmten Stelle zurüd, als e3 jte zu behaupten vermag: Bryant wurde von den Eingeborenen der Bribylomwinjeln verjichert, daß man auf der St. Baulinjel im Beringmeer einen an dem Fehlen einer Borderflojje leicht Fenntlichen Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 38 594 9. Drdnung: Robben. Familie: Ohrenrobben. Bullen 17 Sahre nacheinander auf demjelben Blode beobachtet habe. Elliott tritt dDiejer Be- hauptung entgegen. hm verjicherten die Bewohner diejer Snjel bloß, Daß jie drei Jahre lang einen alten Bullen zwar nicht genau auf demjelben Bloce, aber doch in dejjen Nähe beobachtet hätten. Diejer war Fenntlich Durch den Mangel einer Hinterflofje. Elliott wartete auf ihn im vierten Jahre, das Tier erjchien aber nicht. E3 find, um diefe Frage zu entfcheiden, in zwei verjchiedenen Jahren beweiskräftige Berjuche angejtellt worden: es wurden je einer Anzahl an einer Stelle gelandeter Männchen die Ohren gejtußt. Die derartig gefennzeich- neten Tiere fand man in den folgenden Jahren allenthalben auf der njel verjtreut an den verjchiedenften Landungspläßen wieder, wodurd) eriiejen ijt, Daß die Tiere ziwar die alten tooferies wieder aufjuchen, nicht aber genau begrenzte und früher innegehabte Pläße. Tach den Beobachtungen Bryants Dinrfen fich junge, d. d. weniger als jech8 Jahre alte Männchen wenigjtens bei Tage nicht auf das Land wagen und [chtoimmen Deshalb während der Landzeit faft beftändig längs der Kite Hin und her, Höchitens des Nachts verftohlen Yandend, um ein wenig zu fchlafen. Cine einzige Ausnahme von diejer Regel findet an jolchen Stellen ftatt, wo eine längere Stüftenjtredfe zum Landaufenthalt gewählt wınde, weil hier zioischen den einzelnen zufammengehörigen Familien Berfehröwege frei bleiben, auf denen die jüngeren Bärenrobben, unbeläftigt von den alten, fommen und gehen dürfen, tie fie wollen, jolange je nicht jeitlich abzumeichen verjuchen. Das Leben der Tiere während ihrer Landzeit verläuft etwa folgendermaßen. Un- gefähr um Mitte April erfcheinen einige alte männliche Bärenrobben in der Nähe der Snjeln, halten jich hier etwa zivei oder drei Tage auf, wagen fich auch wohl auf das Land und unter- juchen, vorfichtig Schnüffelnd, Die gewohnten Pläge. Fällt diefe Unterjuchung befriedigend aus, jo erklettern jie einen oder ziwei Tage jpäter höhere Stellen und legen fich hier, Taujchend und jpähend, mit erhobenen Haupte nieder. Die Eingeborenen der St. Baulinjel, welche die Sitten und Gewohnheiten der Tiere genau fennen, vermeiden e3, jich während diejer Zeit zu zeigen, vermeiden auch, wenn der Wind von ihren Dörfern her nach der Seefüjte weht, jeden unnügen Lärın und löfchen jelbjt die Feuer aus, um den Kumdjchaftern feinen Anlaß zum Argwohn zu geben. Lebtere verjchwinden nac) einiger Zeit; wenige Tage jpäter erjcheinen jedoch männliche Bärentobben in Heiner Anzahl, und zwar alte wie junge. Erjtere nehmen fofort ihre Wläte auf ven Landungsitellen ein, Hindern die Jungen an der Landung und zwingen fie, entiveder im Waffer jelbjt oder an den von ihnen nicht eingenom- menen Stellen der Snfel Unterkunft zu fuchen. Sedes alte Männchen beanfprucht übrigens wenig mehr al3 etwa 25 Geviertmeter Raum, eben genug zum Schlaf- und Nuheplage für jich, und 10—15, manchmal auch nur 5, aber an den beten Bläben jogar bis 40 und 45 Weib- chen. Noch immer treffen tagtäglich andere Männchen ein, zivei-, drei-, bier- und fünfjährige annähernd in derjelben, jüngere in geringerer, ältere in größerer Anzahl. Lebtere bahnen jich zu einem ins Auge gefaßten Lagerplake mit un jo größerer Schwierigfeit einen Weg, je mehr von den pafjjenden Stellen bereit von anderen in Bejit genommen worden ind; denn jeder einzelne diefer Weibergebieter hält an feinem Stande feit und weicht nur der Gewalt. Srgendwelches Anrecht wird von feinem anerkannt; der zulegt erjcheinende hat ich demnach zu begnügen oder um einen bejjeren Plab zu Fämpfen. Gegen den 15. Suni hin find alle Männchen verjanmelt und alle pajjenden Pläße vergeben. Die alten Herren erivarten jegt offenbar die Ankunft der Weibchen. Lebtere ericheinen zuerft ebenfalls in Heiner Anzahl, im Verlaufe der Zeit jedoch in immer zunehmen= den Scharen, bi8 um die Mitte des Juli alle Landungspläge gefüllt oder überfüllt jind. 1. Seebären, Arctocephalus ursinus Z., auf den Pribylowinieln. S.593. — Mr. Poland-London phot. Mit Erlaubnis der Firma J. Z. Schütz -Wien veröffentlicht. 2 e % % nu wo ag E 2 re & E i Br . B PeS: . Pr % y F} wo. vor n ER RR e w ” - a = & # 2 2. Gemeiner Seehund, Phoca vitulina Z. 1/35 nat. Gr., s. S. 614. W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. 3. Kegelrobbe, Halichoerus grypus Fabr, 1/30 nat. Gr., s. S. 613. W.S. Berridge, F. Z. S.-London phot. Geebär: Verhalten der Gejchlechter und Jungen. 995 Biele von den Weibchen jcheinen bei ihrer Ankunft den Wunfch zu hegen, jich mit einem bejtimmten Männchen zu vereinigen; denn jie Hettern oft auf die äußeren Feljen, um von ihnen aus die Landungspläge zu überjchauen, lajjen auch wohl ihren Lodruf vernehmen und laufchen, ob ihnen eine befannte Stimme Antwort gibt. Wenn dies nicht der Fall ift, wechjehn fie ven Plab, verfahren ebenjo wie früher und treiben dies jo lange fort, bis eins der im Wafjer Schwimmenden jungen Männchen, eine Junggejellenrobbe, wie die Einge- borenen dieje nennen, jich ihnen nähert und jie, oft gegen ihren Willen, an das Land jagt. Leßteres gehört offenbar zu den Pflichten bejagter Junggejellenrobben. Cie jchwimmen pährend des Tages längs der Stüjte auf und nieder, beobachten die anfonmenden Weibchen und zwingen fie jchlieglich, an der feljigen Ktüfte zu Tanden. Sobald die Weibchen dieje be- treten, nähert fich das nächitliegende Männchen, läßt einen Laut vernehmen, der an das Glucjen einer Henne erinnert, und jucht, der neuangefommenen Genojjin freundlich zu- nidend umd jie auch wohl liebfojend, allmählich ziwijchen jte und das Waljer zu gelangen, jo daß fie nicht mehr zu entfliehen imjtande ift. Sobald dies dem Männchen gelungen tft, ändert es jein Betragen volljtändig; denm anjtatt der Liebfojungen erfährt das Weibchen beherrichenden Zwang: drohendes Gebrummm fordert e3 auf, einen der noch freien Pläße im Harem des gejtrengen Männchens einzunehmen. Sn diejer Weije verjährt jeder männliche Seebär, bis der fette Plab des von ihm behaupteten Lagergebietes bejegt ijt. Damit endet jedoch feine anftrengende Arbeit nicht, weil die über ihm liegenden Bullen feine Rechte fort- während jchmälern, inden jte jeden günjtigen Augenblick benugen, un ihn Weiber zu ftehlen. Dies gejchieht einfach jo, daß jte eins der Weibchen mit den Zähnen paden, e3 über die übrigen wegheben und, wie die Stabe die Maus, nach den eigenen Weiberzwinger jchleppen. Die über ihnen liegenden Männchen verfahren genau in derjelben Weije, und jo währt das Einfangen und Stehlen der Weibchen fort, bis endlich alle Pläte bejeßt find. Nicht jelten geraten zivei Männchen eines Weibchens halber in den heftigjten Streit; zumeilen auch geichieht es, daß beide gleichzeitig über den Gegenjtand ihrer Eiferjucht herfallen und ihn, wenn nicht in Stiücde zerreißen, jo doch gefährlich verwunden. Nachdem jedweder Harem gefüllt ift, wandern die Männchen jelbitgefällig auf und nieder, um ihre Familie zu über- bliefen, jchelten die Weibchen, welche jich drängen oder die übrigen jtören, und treiben pwittend alle Eindringlinge davon. Dieje Überwachung befchäftigt fie während der ganzen Beit, die jie auf dem Lande zubringen. Zwei oder drei Tage nach der Landung gebiert jedes Weibchen ein einziges, in Höchit jeltenen Fällen vielleicht auch zwei Junge. Der Heine Seebär fommt, wie alle Robben, in jehr entwideltem Zuftande und mit offenen Augen zur Welt, mißt bei der Geburt etiva 35 cm und wiegt 1,5—2 kg; er trägt ein von dem der alten verjchiedenes, aus ungenzein weichen, Fraufen Wollhaaren und ähnlichen Grannen bejtehendes Stleid von jchtvarzer Fär- bung, das er exit gegen Ende der Landzeit mit dem der alten vertaufcht. Am den erjten Wochen nach der Gebint verlafjen die Weibchen ihre Jungen Höchitens auf Augenblide; dann aber gehen fie längere Zeit in das Meer, um Nahrung zu juchen. Bi3 dahin begleiten die Jungen ihre Mütter bei jeder Bewegung, welche dieje auf dem Lande ausführen, find aber während der eriten 4—6 Wochen, laut Elliott, gänzlich unfähig, zu jchwimmten, und ertrinfen rettungslos, wenn fie infolge eines Zufalles ins Wajjer geraten. Dann exit lernen jie allmählich und ungejchidt genug fchtroimmen, indem fie es den alten nachzutun verjuchen, anfangs aber immer jchleumnigjt wieder aus dem Meere an das Land Frabbeln. Nüt der Zeit gewinnen fie Gelbjtvertrauen, wagen jich inner weiter Hinaus und find jchlieglich bis Mitte 38* 596 9. Ordnung: Robben. Familie: Ohrenrobben. September ganz gewandte Schwimmer geworden. Nun find fie auch jchon Hübjch gewachien, fett und rumd, wiegen 14—18 kg und beginnen ihr Haar zu mechjeln, ein Vorgang, der auf den Pribylomwinjeln etwa mit dem 20. Dftober beendet ift. In welcher Negelmäßigfeit und Ordnung jich alle dieje Höchjt merkwürdigen Vorgänge auf den Rribylomwinjeln jahraus und jahrein vollziehen, hat Elfiott jehr genau gejchildert. Die eriten alten Bullen erfcheinen Anfang Mat; fie fommen, ohne Furcht und ohne Miß- trauen zu zeigen, an das Land. Andere folgen, aber jie alle jind mit äußerjt jeltenen Aus- nahmen mindejtens fechs Jahre alt. Sie fünpfen miteinander um die beiten läbe, Die ge- meiniglich dem Meere am nächjten liegen, und fahren damit fort biS zum 10. oder 12. uni, um welche Zeit der Grund und Boden der Rooferies nach dem Nechte des Stärferen ver- teilt ift. Nun beginnen die Weibchen anzufommen, etwa vom 12. biS zum 15. uni in seht Heinen Trupps, dann zahlreicher, und dom 23. oder 25. Juni an in erjtaunlicher Menge, io daß alle Harem3 fchnell gefüllt werden. BiS zum 8. oder 10. Juli find alle angelangt. Jr der Zeit vom 10. bi8 zum 15. Juli werden die meiften Jungen geboren, die legten aber ipäteften3 in den erften Tagen des Auguft. Alle Mütter haben mindejtens das dritte Jah auritcigelegt; die Tragzeit umfaßt nahezu zwölf Monate. Da die neue Paarung fat unmittel- bar auf die Geburt der Jungen erfolgt, ijt die Fortpflanzungszeit Anfang Auguft zu Ende; die alten Sultane beginnen ihre Pläße und ihre bis dahin eiferfüchtig bemachten Weibchen zu verlaffen und fich, abgemagert und gejchwächt, in das Meer zu begeben. Snfolge ihres Ab- zuge3 Jöft fich die bisher eingehaltene Ordnung in der Verteilung der gelandeten Tiere auf; alle betvegen ich frei durcheinander: Junge, Mütter und die minderjährigen Männchen, die Sunggejellen, die fich bis dahin in den Paarungsgrimden nicht bliclen lajjen durften. Zu- gleich breiten fich die Tiere Tandeinmwärts Über einen Raum aus, der drei- und viermal jo groß ift wie vorher; namentlich die neugeborenen Jungen ziehen jich aus dem Gemwimmel zurüd und in große Herden zufammen. Am 8. bis 10. Auguft beginnen die Jungen, Die dem Wafjer am nächiten find, aus eigenem Antriebe fchwimmen zu lernen, und bis zum 15. oder 20. Sep- tember find auch alle übrigen mit Diejer Kunft vertraut. Bon Mitte September an herrjcht in allen Rooferies ein vollfommenes Durcheinander von fommenden, gehenden, ruhenden und fich vergnügenden Tieren. Shre Landzeit geht zu Ende, fie ziehen ab und verweilen wieder acht Monate lang im offenen Meere. In den legten Tagen des Dftober, |pätejtens in den erjten des November, nachdem der Haarwechjel vorüber ift, Haben die fünf und jechs Jahre alten Seebären die Infeln verlaffen; die jüngeren und die neugeborenen folgen ihnen all- mähfich, obwohl auch viele noch wochenlang fich an ihrem Geburt3orte herumtreiben. Ende November find auch diefe abgezogen. Immerhin bleiben aber aus der ungeheuern Menge, außer den Hunderten von Toten, die, aus irgendwelcher Urfache gejtorben, auf den Land- plägen herumliegen, noch) immer Nachzügler zurücd, und von diejen hat man einzelne nod) bis zum 12. Januar bemerkt. Sr diefen alljährlich regelmäßig wiederkehrenden Verjammlungen find noch zwei be- fondere Abteilungen zu unterjcheiden. Zunächit eine Fleinere, beftehend aus den alten Bullen, die bei den Kämpfen jchwer verlegt und von ihren Plägen vertrieben worden find oder jolche überhaupt nicht ewiingen fonnten. Cie rotten fi) in Trupps zufammen und landen an unbejegten Küjtenjtreden, wo fie, abgejondert von den übrigen, migmutig und mürrijch ihre Zandzeit verbringen. Solche von verwwundeten und vertriebenen Bullen bejegte Pläße nennt der Seemannswiß fehr treffend „Hofpitale”. Die andere Abteilung ift ungleich zahlreicher bejeist und für die Tangleute am wichtigften. Sie wird von den minderjährigen Männchen, Seebär: Landzeit. Vernichtung. 997 den Sunggejellen, gebildet, die auf den eigentlichen Baarungsgründen nicht geduldet werden und demzufolge bejtimmte freie Stellen der Snjelfüften zu ihren Landungsplägen wählen oder, wo ihnen Berfehröwege durch die Paarungsgründe offenjtehen, landeinmwärts von diejen haufen. Dieje Junggejellen regen in ungeheuern Scharen beieinander, und da fie durch feine Familtenbande behindert werden, gehen jie auch nach Belieben ins Meer, um Dort zu jagen und zu jpielen. Ste jind die Meijterfchhoimmer ımter allen Robben. Am Lande jind jie derartig vertraut, daß Menjchen ruhig das Gewinmel durchjchreiten fönnen, ohne Aufregung oder gar fopfloje Flucht Hervorzurufen. ©o wird e3 begreiflich, Daß es den Fang- leuten leicht gelingt, eine beliebige Anzahl von ihnen abzujondern und nach ihrem Willen zu lenfen: denn eben dieje Sunggejellen bilden die Beutetiere, die der Menjch um ihres hoch- geichägten Pelzes willen an die Schlachtpläße treibt und dort erjchlägt. Seines ausgezeichneten Telles halber ijt der Seebär ein noch wertvolleres Jagdtier als die itbrigen Mitglieder feiner Zamilie. Die Eingeborenen der von ihn bejuchten Jnjeln erlegen ihn allerdings auch jeines Fleijches wegen, das für jte einen wichtigen Teil ihres Unterhaltes bildet und jelbjt unter den Europäern als Shmadhaft gilt. Auf den Pribyloim- injeln leben die Leute fait ausjchließlich von Nobbenfleijch und jind deshalb genötigt, wäh- rend des Landaufenthaltes der Seebären und Seelöwen jich für das ganze Jahr zu verjorgen. Solange gedachte Ohrenrobben auf dem Lande Haufen, wird das Fleijch friich erlegter Stüde bermwendet, gleichzeitig aber auch der nötige Vorrat für den Winter eingeheimft. Dies ge- jchteht einfach fo, daß man furz vor dem Wegzuge der Ohrenrobben noch eine größere Menge erlegt und deren Fleijch entweder trocdnet, oder aber den ganzen Störper gefrieren läßt und jo während des Winters aufbewahrt. Aus dem Fett wird zivar ebenfalls, jedoch in jo ge- tinger Menge Tran geivonnen, daß leßterer nur al3 Nebennußung betrachtet werden Fanır. Den Hauptgewinn lieferte von jeher das Fell der jüngeren Tiere; man verfuhr jedoch bei der Erbeutung der Seebären ebenjo Furzjichtig und jinnloS wie bei der Jagd anderer See- tiere überhaupt und rottete binnen wenigen Jahrzehnten jo außerordentliche Mengen von jenen aus, daß einzelne früher von ihnen bevöflferte Jufeln allmählich ganz verödeten. Auch auf den PBribylomwinfelnt betrieb man die Jagd jo rücjichtslos, daß jchon im Anfange des 19. Jahrhunderts von jeiten der Nufjen bejondere Gefeße erlajjen werden mußten, um dem nicht zu entjchuldigenden Unfuge zu fteuern. Jim Jahre 1803 häufte man auf Unalajchla nicht weniger al3 800000 Felle auf, von denen jieben Achtel verbrannt oder ins NWajler geworfen wurden, weil man jie nicht zubereiten fonnte und den Preis nicht herabdrüden wollte. Snfolge Diejes unverantwortlichen Verfahrens nahmen die Seebären im ganzen Beringmeere in bejorgniserregender Weife ab. Auf den Pribylowinjeln erbeutete man im Sahre 1811 nur noch den zehnten Teil der eben genannten Anzahl, im Jahre 1816 jogar nur 3000 Stüdf. E3 war dies aber wohl nur ein Ausnahmefall, da die rujjiich-amertfanijche Gejelljchaft, die das Monopol des Seehundsfanges auf den Bribylomwinjeln Hatte, 50000 Rob- ben jährlich jchlagen durfte; diefe Zahl wurde nach Abtretung des rufjtiichen Amerika an die Vereinigten Staaten und Übertragung des Monopol an die Masfa Commercial Company in San Franzisfo auf 100000 erhöht. Und zwar durften nur junge Männchen getötet werden. Aber al3 1890 die Northern Commercial Company das Monopol erwarb, wurden im erjten Sahre nur 30000 Stüd, dann lange Zeit nur 7500 und exit jeit einigen Jahren 15000 Stüd erbeutet, jo daß die Regierung der Vereinigten Staaten, die jeit 1910 den Seehundsfang als Selbjtunternehmen betreibt, daraus einen Neingewinn von 450000 Dollar jährlich zieht, da das Fell einen Wert von etwa 30 Dollar Hat. Dieje Zahlen zeigen jicher den jtarfen 598 9. Ordnung: Robben. Familie: Ohrenrobben. Rückgang der Bejtände. Noch 1872/73 Hatte Elliott nach jorgfältiger Schäßung die Zahl der Seebären, die alljährlich ihre Landzeit auf den Pribylowinjeln zubrachten, folgender- maßen angegeben: auf St. Paul lagerten in den eigentlichen Nooferies an alten Bullen, Weibchen und Neugeborenen 3030000 Stüd, auf St. Georg 163420. Dazu famen noch auf beiden Snjeln etiva 1500000 Junggefellen. Jim ganzen waren aljo die beiden Jnjeln all- jährlich von rund 4700000 Seebären bejeßt. Troß der bejchränften Anzahl, die jährlich erlegt werden durfte, ging der Beitand mit rajender Gejchtwindigfeit weiter herunter. Hieran dürfte namentlich der Yang auf offener See die Schuld tragen. Eine in der „Pelzwaren- Zeitung” vom 28. Februar 1914 veröffentlichte Nachricht gibt die Gejamtherde auf nur 200000 Tiere an, unter denen fich 30000 junge Bullen befinden jollen. Daher macht ich jet gerade in den Vereinigten Staaten eine jtarfe Bewegung unter Führung von Elliott und Hornaday geltend, die den Sealfang auf den Pribylominjeln überhaupt für eine Reihe bon Fahren verbieten will. Um jich der Seebären auf dem Lande zu bemächtigen, verfährt man in ähnlicher Weije wie bei dem jchon bejchriebenen Abjchneiden der Seelömwen. Nurift die jagd weniger jchivterig, denn die Seebären find vertrauter und lenffamer, und die Jagd gilt nicht den ältejten und ichwerjten Tieren, jondern den minderjährigen Männchen, weil jie die beiten elle liefern. Geübte Leute jchleichen fich in günstigen Nächten zwijchen die Raftpläge der Junggejellen und das Meer und treiben auf ein gegebenes Zeichen die ganze vom Wajjer abgejchnittenre Gejell- ichaft landeinmwärts. Darauf wird Heerjchau gehalten, um die jungen zivei- oder dreijährigen Männchen von den älteren zu jondern. Lebteres gejchieht, indem man die Tiere in einem großen Bogen langfam vorwärts treibt und die alten, faulen, nach und nach zwijchen den Treibern durcchjchlüpfen läßt, die erwählten jedoch an der Flucht verhindert. Jene wenden fich augenbliclich wieder dem Meere zu, diefe werden langjam meitergetrieben, imobei 34 Männer genügen, um ebenjoviele Taujende von Seebären in Ordnung zu halten. Die Schlachtpläße Tiegen nicht weit ab, und da der Trieb in 1 Stunde bequent fait 1 km zurüd- (egt, fann man fie binnen einigen Stunden am frühen Morgen erreichen. Bein Triebe muß man mit größter Vorjicht zu Werke gehen: treibt man an heißen Tagen, jo fommt man mit den unbehilflichen Gejchöpfen nicht von der Stelle, weil fie immer wieder ermattet liegen bleiben, fich mit den Flojjen Kühlung zuzufächeln fuchen und dabei wie Yunde mit geöffneten Rachen röchelnd atmen; treibt man zu heftig, jo wird das Fell verdorben, und ztvar derartig, daß man, laut Elliott, von einem allzufehr angeftrengten, „überhitten” See- bär die Behaarung tatfächlich mittel3 eines Fingerdrudes ablöjen fann. Auf dem Schlacht- plate angelangt, übergibt man die Herde dort verfammelten Stnaben, die das Entfliehen einzelner zu verhindern fuchen und allen überhaupt Zeit geben, fich zu beruhigen und ab- zufühlen. Num trennt man ihrer etwa 70—100 von der Herde, treibt jie jo weit ausein- ander, daß fie fich mit ihren Flofjenfüßen gegenfeitig nicht berühren, wählt die geeigneten aus und tötet jie mittel3 eine3 Schlages auf die Naje; den nicht brauchbaren gejtattet man, nad) dem Wafjer zuriiczufehren. Dann beginnt man fofort mit der Abhäutung der exlegten. Die Felle werden unmittelbar nach den Abftreifen in die Salzhäufer gebracht und hier in vierecfigen Kaften eingejalzen, jo daß die fleijchige Seite nach oben zu liegen fomımt. Nach 30-49 Tagen nimmt man fie aus dem Salz, entfernt diefes, faltet die Häute jo zufanmen, daß die Fleifchjeite nach innen fommt, beftreut fie mit frijchem Salz und verjchifft fie. Die Felle der Seebären bilden die wertvolffte Warengattung im gejamten Belzyandel. Die beite Dualität liefern die auf den Pribylowinjeln erbeuteten jogenannten „Ulasfajeals" Des Südafrilanijher und Südamerifanijher Geebär. 599 Handels, die feines, jehr dichtes rötliches Haar haben. Jhre Zubereitung gejchieht fait aus- ihlieglich in England: um den Pelz von den harten, langen Oberhaaren zu befreien, werden die Felle monatelang in Gruben eingelegt, bis die Haarwurzeln jich gelodert haben und die Grannen mittels Mafchinen leicht entfernt werden können. Nachdem num noch die zurüd- bleibende äußerft feine Grumdiolle, die an Schönheit und Dauerhaftigfeit den beiten Samt weit übertrifft, dunkel Faftantenbraun gefärbt worden ift, wird das Fell unter dem Namen „Sealjkin” zu Überfleidern für Damen verarbeitet, die je nach Schönheit, Schnitt und Größe bis zu 1200 und jelbjt 1500 Mark foiten. Bei der jtreng überwachten Weife des Fanges auf dem Lande wäre das Bejtehen der Art Faum ernitlich gefährdet. Anders fteht es mit dem jeit den legten Jahrzehnten begonnenen Seehundsfang auf hoher See. Unabläfjig werden hierbei die jchrwimmenden Herden während der neun Monate ihrer Wanderung verfolgt und tragende Weibchen, Junge und Mte ohne Ausnahme erlegt. Mllein im Jahre 1894 Hatten die amerikanischen und fanadiichen Hochjeefänger 141000 Felle eingebracht, die fait ausjchlieglich Weibchen angehörten. SHterbei ijt zu berücjichtigen, daß alle nicht unmittelbar im Feuer getöteten Tiere, aljo mindejtens die doppelte Anzahl, verloren gegangen find. Noch jchlimmer ift es, daß Diejer Hochjeefängeret auch die jäugenden Weibchen, wenn jie zum Nahrungsermwerb ins Wafjer gehen, zum Opfer fallen. 1905 wurden auf den Pribylowinjeln allein 30000 ihrer Mütter beraubte und deshalb verhungerte Junge gefunden. Und es jcheint, als ob troß aller Bemühungen der beteiligten Mächte den Unfug der Hochjeefängerei immter noch nicht genügend gejteuert jet. Ganz ähnlich wie das Keben der Seebären verläuft das der füdlichen Belzrobben, deren Verbreitung bei der Überficht der Arten ©. 583 angegeben ift. Für uns am wichtigiten ift davon wohl der Südafrifanijche Seebär, Arctocephalus pusillus Schreb. (antarcticus), teil Davon auch jährlich einige Stüde auf deutjchem Gebiet, nämlich in Südmweitafrifa, be- jonder3 in der Küderigbucht, gefangen werden. Auch die Menge diejer urjprünglich jehr zahlreichen jüdlichen Belzrobben ijt durch rüd- jichtsloje Verfolgung jtark zufammengejchmoßen. Für den Belzhandel am bedeutenditen it noch die Jagd auf den Lobosinjeln (in Weiten von Peru), von two jährlich 20000 Felle des Südamerifanijchen Seebären, Arctocephalus australis Zimm., in den Handel kommen. * Den Ohrentobben fchliegen fild am nächiten die echten Seehunde (Phocidae), die Haarjeehunde oder Hair-seals des Rauchtwarenhandels, an. Sie unterjcheiden jich von jenen hauptjächlich durch weitere Anpaffungen an das Wafjer; deren vornehmite jind: das Fehlen eines äußeren Dhres, die Drehung der Hinterfühe längs des Schwanzes nad) hinten, jo daß jie nicht mehr unter den Leib gebracht werden Fönnen, die vollitändig behaarte Hand- und Fußjohle, das Fehlen der oberen Augenhöhlenfortfäge und des Scheitelfammes am Schädel und die didtwandige Ohrblafe. Hierher gehört auch die ftärfere Reduzierung des Gebijjes, in dem nur noch fünf Badzähne im Dber- und Unterkiefer vorkommen und mindeitens ein Schneidezahn von der urfprünglichen Zahl vorhanden ijt. Dagegen zeigen jich die See- hunde im Bau der Heineren Flojjen mit ihren wohlentwidelten Krallen weniger an das Wafjer angepaßt, aljo primitiver al3 die Ohrencobben. Wenn ein verwandtjchaftliches Ber- hältnis mit den Ohrentobben bejteht — ein jolches ijt mit Sicherheit zu vermuten —, jo it 600 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. das nun zwifchen ihnen und ausgejtorbenen, noch nicht fo hoch wie die heutigen enttwidelten Dhrenrobben der Fall. Der Wollpelz tritt ganz zurüd, wie dies ja auich bei den Seelömwen unter den Obhren- vobben ift. Das Kleid bilden dichtjtehende, niemals zu einer Mähne entwidelte Haare. Viel weiter verbreitet al3 jämtliche übrigen Robben, bevölfern Die Seehunde nicht allein Die Meere der Erde, fondern auch große Binnenjeen, die mit jenen durch Flüfje in Berbindung ftehen oder in längft vergangener Zeit Teile von ihnen bildeten, twie z. B. den Baifal- md den Kafpifchen See. Sie bewohnen alle Gürtel der Exde, in bejonderer Häufig- feit aber doch die Falten, und treten namentlich im nördlichen Polarkreije in einer erheb- lichen Anzahl von Arten auf. Bon den Ohrenrobben unterjcheiden fie fich Hinfichtlich des Aufenthaltes darin, dat fie mehr oder weniger an die Küften gefejjelt find. Nur wenige entfernen fich weit vom Lande; die meijten fuchen unbelebte Stellen der Küften auf und treiben fich hier bald im Wafjer, bald auf dem Lande umher. m allgemeinen fann man annehmen, daß das Land höchitens noch 30 Seemeilen entfernt ijt, wenn man Geehunde bemerft. An manchen Küften find die vielfach verfolgten Tiere noch jehr Häufig und im allgemeinen nirgends felten, obwohl eine ftetige Abnahme ich nicht verfennen Täßt. Sn ihrem Wejen ähneln fie den Ohrencobben, in ihren Bewegungen auf dem Lande unterjcheiden fie fich nicht unmwejentlich von ihnen, weil jie nicht imftande find, die Hinterfüße unter den Leib zu bringen. Sie müfjen jich alfo rutjchend forthelfen. Nur im Wafjer zeigen jte fich jenen ebenbürtig und in ihrer vollen Beweglichkeit; denn fie jchroimmen und tauchen meifterhaft. Mit den Borderflofjen arbeitend, wie die Fiiche mit ihren Flofjen, bewegen jte die beiden Hinterbeine bald gegeneinander, hierdurch das zmwifchen ihnen gefammtelte Wafjer ausjtogend und fich fomit vorwärts treibend, bald aber jeitlich Hin und her jchwingend, wodurch fie ungefähr die gleiche Wirkung erzielen. ES gilt ihnen vollftändig gleich, ob jie jich nahe oder tief unter der Oberfläche bewegen. Cie durcheilen das Wafjer mit der Schnellig- feit eines Naubfifches und wälzen fich blißjchnell um jich jelbjt herum, find auch imftande, folange e3 ihnen beliebt, auf ein und derjelben Stelle zu verweilen. Zu diefem Ende ziehen jie ihre Borderflofjen dicht an den Leib, Kümmen diefen, jo daß der Hinterteil jenkrecht jteht, während Kopf und Oberkörper wagerecht gerichtet jind, und verharren halbe Stunden lang in diejer Lage, den Kopf zur Hälfte, den Rüden ein wenig iiber die Oberfläche des Wafjfer3 erhoben. Wenn fie weite Streden zurüclegen wollen, Shmwimmen fie mit großer Schnelligkeit geradeaus. Wollen fie jich unterhalten, jo bejchreiben jie Streife, |pringen dann und warn mit vollem Leibe aus dem Wafjer heraus, jagen und neden jich oder jpielen auch allein wie trunfen im Wafjer umher, fommen bald mit dem Bauche in die Höhe, jchieben fich auf dem Rüden fort, drehen und wenden fich, Eollern fich um und um und benehmen fich überhaupt im höchiten Grade fonderbar, vergefjen fich auch dabei nicht jelten jo vollitändig, daß ein gejchieter Jäger oder Fänger, ohne von ihnen bemerkt zu werden, bi3 in die Wurf- weite einer Harpume an fie heranfommen und fie erlegen Fam. Sie fteigen in bedeutende Tiefen hinab und verweilen unter Umständen geraume Zeit unter Wajfjer, feinesiveg3 aber jo lange, al3 von einzelnen behauptet worden ift. Wenn jie nicht verfolgt werden, fommen fie Durcchjchnittlich alle Minuten an die Oberfläche empor, um Zuft zu schöpfen. Nach meinen eigenen, mit der Uhr in der Hand angejtellten Beobachtungen atmen fie im Wafjer in Ziwifchenräumen von 15—125 Gefunden, auf dem Lande alle 5—5 Sefumden einmal. Nun mag e3 gejchehen, daß verfolgte Seehumde auch das Drei- und Bierfache der angegebenen Zeit unter Wafjer aushalten; in feinem Falle aber dürften Allgemeines. 601 jie imftande fein, halbe Stunden lang hier zuzubringen, wie dies wiederholt behauptet und geglaubt worden ift. Auch Fabricius, welcher die bei Grönland vorkommenden Seehunde jehr ausführlich bejchreibt, glaubt nicht, daß eine Robbe länger al3 7 Minuten unter Wajjer vermweilen fünne. Broton, der eigens zu dem Ziwede nach Grönland gereift ift, um die See- tiere zu beobachten, jebt als äußerjte Zeit, die ein Seehund unter Wafjer zubringen fann, 15 Minuten feit, bemerkt jedoch ausdrüdlich, daß er regelmäßig nicht länger al3 8 Minuten tauche. Meiner Anjicht nach find jelbit 15 Minuten zu hoch gegriffen. Die Beobachtung eines im Meere jich bewegenden ıumd jagenden Geehundes tft fchtwierig und wird dies um jo mehr, je tiefer er taucht, und je längere Heit er im Wafjer zubringt. Bei längerem Tauchen Duccheilt er jagend weite Streden, erjcheint, wenn er in Eifer gerät, nur auf Augenblide an der Oberfläche, einzig und allein zu dem Zivede, um Aten zu holen, jtredit dabei in den meilten Fällen auch bloß jeine Najenjpige aus dem Wafjer und fann aljo jehr leicht über- jehen werden und zu Beobachtungsfehlern Anlaf geben. Die von mir gepflegten Gefangenen haben nach meinen vielfachen Beobachtungen nie mehr als 5—6 Minuten unter Wafjer - zugebracht, und dies auch nur, wenn jie jchliefen. Die Seehunde jchlafen nämlich wirklich im Wajjer, wenn auch möglicherweile bloß im feichteren. Bermitteljt einiger Flojjen- ichläge fommen fie von Zeit zu Zeit mit gejchlojjenen Augen bis zur Oberfläche empor, ihöpfen Atem, jinfen hierauf wieder bis auf den Grund hinab und wiederholen Dies bei jedem Luftwechjel. Shre Bewegungen hierbei jcheinen bewußtlos zu gejchehen. Daß jte auch auf der Oberfläche fiegend jchlafen können, geht aus jogleich zu erwähnenden Beob- achtungen hervor. Die Grönländer, welche die für jte unendlich wichtigen Tiere jehr genau fernen, haben jede Stellung der Seehunde im Wajjer mit einem bejonderen Ausdrucde be- zeichnet, weil fie aus den verjchtedenen Stellungen jchließen, ob fie einem jchwimmenden Seehunde nahefommen werden oder nicht. Wenn die Robbe einfach nach oben jteigt, um Luft zu jcehöpfen, unbejorgt ift, bis zu den VBorderflojjen aus den Meere herauskommt, jodann mit weit geöffneten Najenlöchern Atem holt und fich langjam wieder in das Wafjer zutüchzieht, ohne daß diefes fich bewegt, ift fie eine „Aufgerichtete”, während fie „Umftürzende” heißt, fall3 fie lärmend wieder in die Tiefe verjinkt; wenn jie der Fijchjagd eifrig obliegt, mit emporgehobenem SKtopfe über dem Wajjer jchwinmt, gerade vor jich Hinjieht, jtöhnt, mit den Borderflojjen arbeitet und mit großem Lärm taucht, ijt jie die „Wlätjchernde” und fan leicht von dem Fänger überrumpelt werden, während die Aufgerichtete gewöhnlich zur „Laujchenden, Betrachtenden und Genaujehenden“ wird, d. h. wenig Erfolg für die Jagd veripricht. Dasjelbe ift dann der Fall, wenn jie unter Wajjer frißt, ihren ‘Plab faumt ver- ändert, jondern bloß die Nafenjpite aus dem Wafjer jtreckt, Luft nimmt und die Nafenlöcher wieder jchließt, wogegen fie zu anderen Zeiten, wenn fie bewegungslos auf dem Nüden liegt und den Kopf und die Füße zufammengebogen hat und ruht oder jchläft, den Fänger jo nahe an fich fommen läßt, daß man fie mit den Händen greifen Fönnte. Unter jolchen Umftänden verurjacht fie nicht einmal lautes Geräusch, und e8 kann gejchehen, daß jte, ie Brown erfuhr, von Dampfichiffen überfahren wird. Wallace Hat die jehr richtige, von Broron bejtätigte und auch von mir geprüfte Beob- achtung gemacht, daß der Seehund nicht felten mit regelmäßigen Unterbrechungen jchläft, indem er etiva 3 Minuten lang wacht und ebenfolange in Schlaf veriintt. „Ein an Bord unjeres Schiffes befindficher junger Seehund“, jo erzählt Brown, „welchen ich längere Zeit aufmerkfjam beobachtete, jchien in der Tat in dem angegebenen Zeitraume abmwechjelnd zu ichlafen und zu wachen. Störte man ihn, jo verjuchte er jich zu verteidigen, hieß man ihn 602 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. einige Minuten in Frieden, jo zog er jeine Flojjen dicht an den Leib, jchloß, nachvem er ein Weichen jchläfrig geradeaus gejehen hatte, feine Augen und atmete eine oder zwei Minuten lang jo tief, daß man nicht an feinem Schlafe zweifeln fonnte; plöglich aber öffnete er, auch ohne irgendwie behelfigt zu jein, die dunklen, glänzenden Augen twieder, ftredte den Hals aus, warf einen Blie in die Rumde, um fich zu überzeugen, ob noch alles in ertwünjchter Ordnung fei, fiel hierauf von neuem in Schlaf und verfuhr jodann wie vorher. Wenn See- hunde in größerer Anzahl auf dem Eije oder am Strande Tiegen, übernehmen jtet3 einige von ihnen, und zwar gewöhnlich weibliche Stücke, die Wache; fie aber verfahren genau ebenjo wie unjer junger Seehund an Bord.” Man Fann diejelbe Beobachtung an allen Ge- fangenen unferer Tiergärten anftellen, wenn man nur eine geraume Zeit an ihren Beden verweilen und abwarten twill, bi ringsum zeitweilig alles ruhig geworden tjt; den jeder Seehund verbringt den größten Teil des Tages jchlafend und gibt ji), wie alle übrigen Nobben, als Nachttier zu erfennen. Dbgleich Die Seehunde tage- und wochenlang im Meere leben und alle ihre Gejchäfte im Wafjer abmachen können, begeben fie jich doch, wenn fie ruhen, jchlafen und jtch jonnen _ wollen, gern an das Land. Dies gejchieht, wie jede DOrtsperänderung außerhalb des Wajjerz, in anfcheinend mühjeliger Weife. Uın zu gehen, erhebt jich der Seehund zuerjt auf jeine VBorderfüße und wirft den Leib ruciweife nach vorn, zieht hierauf die Vorderglieder ar, legt jich auf die Bruft, biegt den Rüden und fördert dadurch den Hinterteil, jtemmt diejen auf die Exde, twirft fich wiederum nach porn und verfährt wie vorher, bewegt jeinen Leib aljo in bejtändigen Schlangenlinien. Drehungen gejchehen einzig und allein durch jeitliche Bewegungen des Vorderleibes, und zwar mit Hilfe der Füße. Aus dem Wajjer toirft jic) das Tier mit einem einzigen Nud weit auf das Land heraus, indem es feine ausgebreiteten Hinterfüße heftig und rajch zufammenjchlägt. Bei einzelnen Arten bemerft man die Ein- drücte Dev Borderfühe zu beiven ©eiten der Bahn, welche Der Seehund gerutjcht ift, als eine ihwache Fährte, gewöhnlich vier Keine, chief von vorn nach hinten und auswärts gerichtete Bunkte. Bei Angft oder Gefahr pflegen alle Seehunde bejtändig Wajjer auszujpuden, piel- leicht um die Bahıı zu glätten. So jchwerfällig der Gang erjcheint, jo rajch fürdert er: ein laufender Mensch muß fich faft anftrengen, wenn er einen auf dem Lande dDahingleitenden See- Hund einholen will. Der Hintere Teil des Nobbenförpers it ebenjo beweglich wie der Hals. Der Seehund Fann jich jo Drehen, daß er vorn auf dem Rüden und Hinten auf der Unterjeite liegt, oder umgefehrt, und ift ebenfo imftande, den Stopf nach allen Seiten hin zu wenden. Ein am Lande ruhender Seehund gewährt das ausdrudsvollite Bild ebenjo großer Faufheit wie Behäbigfeit. Namentlich wenn die Sonne fcheint, liegt er überaus behaglich und auf lange Zeit hin vollfommen vegungslos am Strande. ES jieht aus, als wäre er viel zu faul, un auch nur eine einzige Fortbewegung auszuführen. Bald wendet er den Unterleib, bald den Rüden, bald die rechte, bald Die linfe Seite der Sonne zu, zieht Die VBorderflojjen an oder läßt fie fchlaff vom Leibe herabhängen, fchlägt die Augen auf oder ichließt fie wohlgefällig, blinzelt oder ftarıt gedantenlos ins Weite, öffnet nur zumeilen die verjchließbaren Hörgänge und Nafenlöcher und zeigt überhaupt feine andere Bewegung al3 die dircch das Atemholen bedingte. So fan er ftundenlang liegen, abgejtumpft gegen äußere Eindrüde, gänzlich in feiner Faulheit verjunten. Jede Störung diejes ihm offenbar höchit wohltuenden Zuftandes ift ihm aufs tiefite verhaßt, und es muß arg kommen, ehe er jich wirklich bewegen Yäßt, eine andere Lage anzunehmen. Sch Habe Gefangene dur) das Gitter ihres Behältniffes Hindurch mit Steohhalmen an der Naje gefibelt und jie Allgemeines. 603 anderweitig beläftigt, ohne jie aus der einmal gewählten Stellung vertreiben zu können. Die Störung war ihnen höchht unangenehm: jie Inurrten jehr ärgerlich, jchnappten wohl auch einmal nad dem Halme, blieben aber fiegen. Anders ift e3 freilich, wenn fie twieder- holte Necfereien erfahren haben; dann flüchten jie gewöhnlich bald in das Waffer, falls fie diejes als zu erjprieglichem Nüdzuge geeignet erfannt haben. Auf günftig gelegenen Stlippen entjteht oft heftiger Streit um die beiten Pläße unter den Seehunden jelbjt. Dex jtärkere ypirst den [schwächeren hinab, num um jich jo bequem wie möglich reden und dehnen zu fünnen. Sn Höheren Breiten wählen die Tiere, auch wenn jie nicht dazu gezwungen jind, mit Borliebe Eisichollen zu ihren Schlafpläßen und verweilen hier, ruhig hingejtrect, ebenfo- lange wie im Süden auf dem von der Sonne bejchienenen Strande. Die Möglichkeit, jtunden- lang auf einer fo falten Fläche zu fiegen, ohne allzuviel Wärme abzugeben oder gar jich zu erfälten, gewährt ihnen die zwiichen Haut und Musteln jich ausbreitende Spedjchicht. Das Ci, auf dem Geehunde ftundenlang geruht haben, zeigt niemals einen von den Tieren binterlajjenen Eindrud, wie e3 der Fall jein müßte, wenn die Robbe von ihrer bedeutenden inneren Wärme etwas abgäbe, oder, mit anderen Worten, wenn jie Wärme auszujtrahlen vermöchte. Haut und Fettjchicht erweifen fich al3 jo jchlechte Wärmeleiter, daß die äußere Haut faum einen höheren Wärmegrad zeigt al3 die umgebende Luft. Wenn nun aber die Nobbe den Einwirkungen der Kälte ohne irgendwie erjichtliche Bejchwerde oder Unbehag- lichkeit zu widerjtehen imftande ift, zeigt fie jich Doch keineswegs unempfindlich dagegen, wie einfach Daraus hervorgeht, daß fie Die Wärme liebt und jich ihr, wie gejchildert, mit dem » größten Behagen Hingibt. Um auch während des Winters, der in hohen Breiten weite Streden der See volljtändig mit &i3 belegt, auf le&teres gelangen, beziehentlich die unter ihm liegende Wafjerjchicht ausbeuten zu fönnen, hält jeder einzelne Seehund ein oder mehrere jogenannte Atenrlöcher offen, und zwar tut er dies unzweifelhaft vom Beginne der Eisbildung an und ijt im Verlaufe des Winters fortwährend bedacht, Durch oft wieder- holtes Ein- und Ausjchlüpfen feites Zufrieren bejagter Löcher zu verhindern. Die Stimme der Seehunde ilt bald ein heiferes Gebell, bald ein Plärren; im Zorne fnurren fie wie Die Hunde, während der Fortpflanzung jollen jte ein lautes Gebrüll ausjtoßen. Bereits die Alten haben die Seehunde als hochbegabte Tiere gejchildert. Jhre Sinne jcheinen gut und ziemlich gleichmäßig entwidelt zu fein. Naje und Ohren jind verjchliekbar und erjicheinen im Leben bald als dreiedige, rundliche Löcher, bald nur als jchmale Riten. Die Najenlöcher werden bei jedem Atemzuge geöffnet, hierauf jofort wieder gejchlojjen und bleiben, auch wenn das Tier auf dem Lande ruht, bis zum nächjten Zuftwechjel zujammen- gefniffen, die Ohren werden nur im Wafjer und jelbjt hier nicht fortwährend zugeklappt. Sn dem großen, wenig gewölbten Auge füllt die Kicht- bis dunfelbraune Regenbogenhaut fajt den ganzen von den Livern freigelaffenen Naun; das Weiße jieht man jelten. Dex Stern ijt nicht rundlich oder länglich, jondern vierjtrahlig. E3 will mir jcheinen, als jet Dies nur von Fabrieius beobachtet, von den anderen Naturforjchern aber überjehen oder nicht für möglich gehalten worden, weil ich ausschließlich bei ihn Hiervon eine Andeutung ge- funden habe. Allerdings nimmt man dieje eigentümliche Bildung nur unter der günftigiten Beleuchtung wahr, und auch dann muß man das Auge jehr nahe vor jich haben. Höchit- wahrjcheinfich gejtattet dieje Einrichtung jene außerordentliche innere Beweglichkeit des Auges, welche man bei Seehunden beobachtet Hat, und befähigt jte dadurch, nicht allein in verjchiedenen Tiefen des Wafjers, jondern auch bei Tage und bei Nacht in annähernd gleicher Schärfe zu jehen. Wenn wir, und wohl mit Recht, das Gejicht als den am höchiten 604 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. entwieelten Sinn anfjehen, dürfen wir wahrjcheinfich das Gehör als den zweitbejten be- trachten. Im Verhältnis zur geringen Größe der äußeren Ohröffnung vermimmt der Seehund jcharf genug; jein Gehörsjinn it jedoch nicht jo fein, daß ihm laute Klänge unan- genehm werden fünnten. Wie jchon die Alten wußten, liebt er Mufik und Gejang; wie neuere Beobachter erfuhren, laufcht er mit Teilnahme Glodenklängen oder anderen lauten Tönen. Ehbenfo wie die Alten nach jeinem Bilde und feinem Auftreten und Exfcheinen fich ihre Tritonen und Sirenen fchufen, Hat ex, nicht aber der Delphin, die Urionjage ins Leben ge- rufen. Bromn verjichert, oft gejehen zu haben, daß Seehunde ihre Köpfe aus dem Wafjer erhoben und aufmerkfam laujchten, wenn die Matrojen beim Aufwinden des Anfers jangen, und Bell erwähnt, daß fie in gleicher Weije jich angezogen fühlen, wenn jie Glodenflang vernehmen. Die Kirche zu Hoy auf den Drfneyinjeln Tiegt in der Nähe einer jchmalen, jandigen Bucht, die oft von Seehunden bejucht wird, twie e3 jcheint, aber nicht allein ihrer Lage, fondern auch der Kirchenglocden halber eine bejondere Anziehungskraft auf fie äußert; denn oft hat man beobachtet, daß die Tiere beim Geläute der Öloden geradeswegs auf die Kfte zufchwimmen, ihre Augen jtarı nach der Gegend richten, aus der ihnen die Glocden- töne zufommen, und auf dieje entzückt und verwundert laufchen, jolange die Gloden ge- läutet werden. &3 mag fein, daß fich mit dem Wohlgefallen an derartigen Stlängen auch rege Neugier der Tiere paart; immerhin aber erjcheint ihr Betragen auffallend und er- wähnensmwert. Wo Seehunde vertraut find, lockt fie bei ruhigem Wetter auch Pfeifen umd Klopfen am Bootsrande an die Oberfläche. Won der Schärfe der übrigen Sinne geben unjere Robben bei anderen Gelegenheiten Kunde. Obgleich ihre Naje bereit3 mehr zur ° mung al3 zum Niechen dient, darf ihr Geruch doch al3 gut bezeichnet werden, da man mit Beitimmtheit beobachtet hat, daß fie beim Sichern auch durch Wittern über eine etwaige Gefahr fich zu vergewifjern fuchen. Gejchmad erweijen jie durch eine verjtändige Auswahl in der Nahrung, und Gefühl befunden fie bei der leifeften Berührung, welche niemals purlos an ihnen borübergeht. Über die geiftigen Fähigfeiten der Seehunde ein Urteil zu fällen, it jchwer. Daß jie gut begabt jind, unterliegt feinem Zweifel; dennoch zeigen fie jich oft jo dumm und un- geichiekt, daß man an ihnen irre werden möchte. Jr menjchenleeren Öegenden dreift, pflegen jte jich da, wo fie ihre jchlimmen Feinde fernen gelernt haben, num mit Höchjter VBorjicht zu benehmen. Sicher it, dat die Warnung älterer von den jüngeren beachtet und befolgt wird. Die Gefangenen befreunden ich bald mit ihrem Wärter, und einzelne werden jehr sahm, hören auf den ihnen beigelegten Namen, fommen aus ihrem Wafjerbeden hervor- gerutjcht, nehmen Fische aus der Hand des Pfleger und beweijen ihm auch in anderer Hin- jiht Zutrauen und Anhänglichkeit. &3 jcheint, daß Seehunde gegen alle Tiere, die nicht Fische, Weichtiere oder Strebje find, ziemlich gleichgültig find; doch dürfte marı wohl irren, wenn man dies al3 einen Bemeis ihrer Gutmütigfeit anfehen wollte. Hunden gegenüber benehmen jich die Gefangenen regel- mäßig heftig, fehnauben fie ärgerlich an oder juchen fie duch Zufammenklappen der Zähne zu verfcheuchen. Dabei betätigen fie feineswegs bejonderen Mut, fondern eher grollende Surchtfamfeit, und wenn e3 ihnen irgendiwie möglich ift, juchen fie jich einer derartigen Begegnung zu entziehen. Die von mir gepflegten Seehunde waren immer aufs äußerjte entrüjtet, wenn ich junge Bären in demjelben Beden, das jene bewohnten, baden Tief: fie Ihnaubten, Inunıten, Happten die innladen zufammen und fchlugen zornig mit den Vorder» flojjen auf das Waffer, gingen aber niemals zum Angriff über. Unter dem Wafjergeflügel Allgemeines, 605 fan man fie ziemlich unbejorgt umberjchtoimmen lafjen; jie vergreifen fich wenigftens nicht an denjenigen Vögeln, die jie jelbjt nicht behelligen; hHöchitens beißen fie einmal zu, wenn ihnen in der Gefangenjchaft Bögel ihr Zutter wegfrejien wollen. Mit Gänfen, Enten und anderen Siebjchnäblern leben jie gewöhnlich im: tiefjten Frieden. Gegen ihre zungen find jie, wie alle Robben, jehr zärtlich. Mit ihnen treiben fie mancherlei Spiele, verteidigen jie auch, wenn Gefahr droht, mutig, felbft gegen ftärfere Feinde. So vorjichtig jie im allgemeinen dem Menfchen ausweichen und jo ängitlich fie, wenn jie üble Erfahrungen gejammelt haben, dem Jäger zu entrinnen trachten, jo hat man doch beobachtet, daß fie, jelbit hart bedrängt, bei ihren Jungen zuridbleiben und deren Gejchie teilen. Ahrderjeit3 verjichert man gejehen zu Haben, wie fie unter Umftänden das unge mit einen ihrer vorderen Flojjenfüße paden, e3 feit an die Bruft driüiden und es in diejer Weije jo eilig wie möglich dem Wafjer zujchleppen. se nach der Gegend, in der die Seehunde leben, fällt die Baarungzzeit in verjchiedene Monate. Sn unjerer nördlichen Exrdhälfte findet fie im Sommer oder Herbit ftatt, in den jüdlichen Gegenden zwijchen April und Juni. Die alten Männchen follen dann fehr erregt jein, heftig untereinander ftreiten und für nichts anderes als für ihre Leidenjchaft Sinn haben. Ebenjo heftig ift auch ihre Eiferfucht. Wer ihre grunzenden und brüllenden Töne nachzumachen verjteht, Lock jie ficher zu fich heran. „Mit einem Sagdgenofjen“, erzählt Schilling, „af ich auf einem Heinen, einfamen Eilande 10—12 brüllende und grunzende paarungshuftige Seehunde an. Bei unjerer Landung begaben fie fich, gegen ihre jonftige Gewohnheit, nur läfjig in das Wafjer, und ich war faft verfucht, zu glauben, in ihnen eine ganz andere Art von Tieren vor mir zu haben. Wir befchlojjen, auf diefe Seehunde anzu- jtehen, und gruben uns zu diefem Ende im Sande eine Vertiefung aus. Kaum mar unjer Boot etwa 500 Schritt weit gejegelt, da erjchtenen in geringer Entfernung im Wafjer die jämtlichen Seehunde wieder, laufchten neugierig mit fcheinbarem Wohlgefallen den von uns nachgeahmten Tönen, richteten jich fajt bis zur halben Körperhöhe über die Waffer- oberfläche empor und näherten jich, merkwürdig genug, in diefen Körperftellungen dem Ufer der Snfel immer mehr. AS wir nun die Höheren, jchwächeren Töne nachahmten, welche gewöhnlich die Männchen hören lafjen, famen die viel größeren Weibchen zuerjt an das Land gefrochen und nahten jich bald darauf unjerem Lager, den Loctönen folgend, obgleich jte unjere hervorragenden Köpfe gemißlich jehen konnten. Wir fuchten uns jeder einen Geehund aus, legten auf ihn an und entluden unjere Gewehre zu gleicher Zeit; jeder Jah auch, al3 der Bulderdampf jich verzogen hatte, den erwählten Seehund regungslos vor jich fiegen. Aber die übrigen, welche jäntlich gelandet waren, gebärdeten jich, alS wären fie gleichjall3 von unjeren Schüfjen getroffen worden. Wir hätten, wären wir ruhiger und mehr vorbereitet gemwejen, jehr gut noch unfere beiden übrigen Schüffe auf die nicht ge- teoffenen abjeuern fünnen. Erjt al3 wir aufjprangen, kam Bewegung in diefe wie vom Blib getroffenen Körper.” Ungefähr 11 Monate nach der Paarung, in der Regel in den Monaten Mai, Juni oder SYult, wirft das Weibchen eins, jeltener zwei Junge auf öden, unbewohnten Snjeln, am hiebiten an jandigen Stellen des Strandes, in Höhlen, jonft auch auf Felsblöden und end- Yich auf Eisfeldern. Die Jungen fommen in vollfommen ausgebildeten Zuftande zur Welt, jind aber bei manchen Arten mit einem dichten, weißen, zarten Pelze bevedt, der jie am Schwimmen und noch mehr am Tauchen hindert, jedoch bald mit dem glatt anliegenden und fteifen Jugendfleide vertauscht wird. BiS zu diejer Zeit bleiben die Weibchen auf dem 606 9. Drdnung: Nobben. Familie: Seehunde. Lande bei den Jungen. Bei anderen Arten werden die Jungen mit dem Stleid der Alten geboren und jind dann gleich imjtande zu jchroimmen. Gelegentlich eines Bejuches bei einem Tierhändler jah ich einen weiblichen Seehund, dejjen Umfang zu frohen Hoffnungen berechtigte. Obgleich um diejes Tier durch zwei Winden, die es beim Einfangen erhalten hatte, entjtellt und al Schauftiidk wertlos tar, bejchloß ich Doch, es zu Faufen, weil ich annehmen durfte, Gelegenheit zu mir wichtigen Beobachtungen zu finden. So viel ich wußte, hatten trächtige Seehunde jchon wiederholt in der Gefangenschaft geboren; die Jungen waren aber immer jofort nach ihrer Geburt geitorben. Sch jollte glücklicher fein, vielleicht nur deshalb, weil ich der trächtigen Gee- hindin einen Heinen Teich zum Aufenthaltsorte anmweifen fonnte. Die Geburt des wohlausgetragenen Jungen erfolgte am 30. Juni in früher Niorgen- jtunde; denn der Wärter, welchem ich den Seehund in Pflege gegeben hatte, jah bei feiner Ankunft am Niorgen Das Junge bereits neben der Alten im Wajjer jpielen. Auf dem Lande fand ich das ganze Yugendkleid des Neugeborenen, einen nicht unbedeutenden Haufen jeidentveicher, Furzer, aber gewellter Haare, die jäntlich auf einer Stelle von geringem Um- fange lagen und bereits im Mutterleibe abgeftreift worden zu jein jchienen. Das Junge hatte feine Spur des Wollkleides mehr an jich; jeine Färbung ähnelte vollitändig der jeiner Mutter, nur waren die einzelnen Farben frijcher und glänzender. Die Yugen jchauten Far und munter in die Welt. Selbjt Die Bewegungen des jungen Weltbürgers waren jchon gänz- lich die feiner Eltern: im Wajjer genau ebenjo meilterhaft, auf dem Lande ebenjo ungejchidt. Das Tierchen jchien in den erjten Stunden jeines Lebens außerhalb des Mutterleibes be- reits alle Fertigkeiten jeines Gejchlechtes jich angeeignet zu haben, Shivanım auf dem Bauche tie auf dem Nüden, tauchte leicht und lange, gebärdete jich mit einem Worte durchaus wie ein Altes. Aber e3 war auch als ein merkwürdig ausgebildetes und auffallend großes Tier zur Welt gefommen. Noch am Tage jeiner Öeburt gelang e3 ung, den Keinen, bereit3 wehr- baften Gejellen zu wiegen und zu mejjen: das Gewicht betrug 8,75 kg, Die Yänge 85 cm. 63 war im hödjiten Grade anziehend, die beiden Tiere zu beobachten. Die Alte jchten jichtlich erfreut über ihren Sprößling zu fein und offenbarte in jeder Hinficht die größte Zärtlichkeit, wogegen das Junge, altklug, feine Mutter zu verjtehen jchien. Bereits in den eriten Tagen fpielte dieje in täppijcher Weife mit ihm, zuerjt im Wajfer, fpäter auch auf dem Lande. Beide rutjchten mehrmals auf das Land hinauf; die Alte ud dazu das Junge Durch ein heijeres Gebrüll ein oder berührte es janft mit ihren Borderflofjen. Beim Spielen wurde die gegenjeitige Anhänglichkeit jedermann erjichtlih. Bon Zeit zu Zeit tauchten beide Köpfe im Wajjer auf, Dicht nebeneinander; dann berührten jte jich mit den Schnauzen, al3 wollten jie fich füjfen. Die Alte ließ das Junge ftet3 vorausjchwimmen und folgte ihn bei jeder Bewegung nach, trieb eS auch wohl ab und zu durc) janfte Schläge nach der von ihr beabjichtigten Nichtung Hin. Nur wenn es auf das Land gehen jollte, gab fie dein zu neh- menden Weg an. Schon abends jaugte das Junge unter hörbarem Schmaßen Fräftig an der Mutter, die jich zu diefen Ziwede auf die Seite legte und durch Sinurren den Säugling herbeitief. Später fan e3, jech3- bis zehnmal täglich, zu der Alten gefrochen, um fich Nahrung zu erbitten. Sm Wajjer jaugte es nie; wenigjtens habe ich es nie gejehen. Überrafchend fehnell nahm das Junge an Größe und Umfang zu; auch feine Be- mwegungen wurden mit jedem Tage freier, Fühner, feine Teilnahme und fein Berjtändnis für die Umgebung größer. Ungefähr acht Tage nach der Geburt nahm e3 auf dem Lande alle Seehundsitellungen an: die behagliche, faule Lage auf den Seiten und auf dem Nücdfen, Allgemeines, 607 die gefrümmte, wobet e3 die Hinterflojjen gefaltet hoch emporhob und mit ihnen jpielte, und ähnliche mehr. Sn der dritten Woche feines Alters war e3 vollfommen zum Seehund gewworden. Dem Wärter gegenüber zeigte e3 fich jcheu und ängitlich, und jo gelang es mir exit in der jechjten Woche feines Lebens, e8 zum zweitenmal auf die Wage zu bringen. Um diefe Zeit hatte e3 gerade das Doppelte jeines Gewichtes erlangt, obwohl es bi dahin nur gefaugt und noch feine Fijchtoft zu fich genommen hatte. | Zu meimem großen Bedauern verlor ich das muntere Tierchen in der achten Woche jeine3 Lebens. ES war unmöglich, es an Fiichkoft zu germöhnen, und der Alten ging nach und nach die Milch aus. Zwar verfuchte es fich an den ihm vorgeiworjenen Fijchen; Doch chen ihm die Nahrung jchlecht zu befommen. E3 magerte mehr und mehr ab und lag eines Wiorgens tot auf jenem Nuheplabe. 63 jcheint, daß die Jungen eine Zeitlang von der Mutter angeleitet werden, bei den Arten mit Säuglingstleid zunächit nach dejjen Wechjel im Schwimmen, danı aber auc) allgemein im Erwerb ihrer Nahrung. Höchjtwahrjcheinlich frefjen die jungen Seehunde anfänglich Feine Fiiche, jondern nähren fich ausschließlich von Streb3- und anderen niederen Seetieren, namentlich auch von verjchiedenen Mufcheln, welche die alten ebenfalls nicht verichmähen. Nach Brown Unter- juchungen leben in den grönländiichen Gemäjjern falt alle dort vorfommenden Seehunde bon jehr verjchiedenen Geetieren, je nachdem die Jahreszeit die eine oder andere Art ihrer Beute in größerer Menge bietet. Während der Sommermonate bilden allerlei Strebstiere, welche jet die nördlichen Meere mit ihrer Menge erfüllen, insbejondere die überaus häufigen, vielartigen Garnelen, die bevorzugte Nahrung der Seehunde, und neben diejen Wiollusten, - Seefterne ujtw., doch jagen fie, und zu manchen Heiten vielleicht übertwiegend, auch auf Fiiche. Unter diefen wählen fie ich mit einer gewiffen Lederhaftigfeit, die ihrem Gejchntade zur Ehre gereicht, möglichit diejenigen Arten aus, die auch wir al3 vortrefjliche Speije an- jehen. Sn manchen Gegenden beklagen fich die Fijcher über die Naubluft und Näjcherei der Seehunde, da dieje an Nachtangeln gefangene gejchäste Fijche, bejonders Yachje, bis auf den Kopf abfrejjen oder, wenn fie reiche Auswahl Haben, von vielen bloß die lederjten Biljen nehmen. Gefangene verzehren auch Flußfische, bejonder3 wenn man ihnen jolche lebend reicht; erhalten fie außerdem noch Seefiiche, jo können fie viele Jahre lang aus- dauern. Eine Folge der Fiichnahrung ift, daß Seehunde von Eingemweidermürmern arg heim- gefucht werden und an den bon diefen Schmarogern herrührenden Yerjtörungen ihrer Ein- gemweide nicht allzufelten fterben. Nach Bromwns Beobachtungen nehmen jie im Meere dam und warn auch einen fchrwimmenden Bogel weg. Sn dem Magen eines auf Südgeorgien getöteten Seelevparden (Ogmorhinus leptonyx Blainv.) fand v. d. Steinen zwei Kleine Sturmvögel, „Pie jich noch ohne Schwierigfeit al3 Pelecanoides urinatrix Gm. erfennen liegen, gewiß glänzende Beweisftücde für die außerordentliche Gewandtheit des Seeleoparden in der Kunft des Schwimmens und Tauchens”. Wie alle Fijchfrejjer bedürfen Seehunde eine erjtaunliche Menge von Nahrung, wenn fie ertvachjen jind, 4-5 kg Fijhe täglich, zeigen jich aber auch dann noch immer hungrig oder doch geneigt, jofort nach gehaltener Mahlzeit annähernd diejelbe Menge von Futter noch einmal zu verjchlingen. Für die nowijchen Völferjchaften find die Seehunde die wichtigjten aller Tiere. Dem Grönländer ermöglichen die Nobben das Leben; er nüßt jeden Teil ihres Leibes. Jedoch auch wir Europäer wiljen das glatte, Schöne, wajjerdichte Fell wohl zu jchägen und den Tran, ja jelbjt das Fleifch zu würdigen. Stein ABunder Daher, daß die Seehunde eigentlich 608 9. Drdnung: Robben. Familie: Seehunde. in allen Meeren aufs eifrigjte verfolgt werden. Jagd und Fang find meijt dasjelbe; das Feuergewehr wenigjtens wird jelten, auf hoher See gar nicht angewandt, weil der getötete Seehumd untergeht wie Blei. Anders ist e3 an bejtimmten Lieblingsplägen der Tiere am Strande. An der Dftküfte der Injel Rügen befindet jich, wie Schilling erzählt, mehrere 100 Schritt von der äußerjten Spite des hohen Vorlandes ein Haufen Felsblöde, ver bei gewöhnlichen Wafjerjtande mehr al® 1 m über den Wajjerjpiegel emporragt. Auf Diejer Kippe liegen oft 40—50 Seehunde, jind aber gewißigt genug, um ein Boot nicht an jich beranfommen zu lajjen. „Einer meiner Freunde”, erzählt Schilling, „welcher mir Gelegenheit verjchaffen roollte, dieje Tiere näher zu beobachten und zugleich zu jagen, Tief auf jenem Riff eine Tonne befeftigen und fie jo jtellen, daß em Mann ohne Mühe darin jigen konnte. Nach Verlauf von einer Woche hatte marı Gemwißheit erlangt, daß die Seehumde ich nicht mehr vor dent Anblie der ausgefegten Tonne jcheuten und wie zuvor das Niff bejuchten. Nun jegelten yoir, mit hinveichenden Lebensmitteln auf acht Tage verjehen, nach der unbemwohnten Stüjte, erbauten ung dort eine Hütte und fuhren von hier aus nach dem Riff hinüber. Ciner von uns Sägern faß beftändig in der Tonne verborgen, der andere hielt jich inztoichen am Strande auf. Das Boot wurde immer weit entfernt. Der Anftand war Höchit anziehend, aber auch jehr eigentümlich. Man Fam jich in dem Heinen Raume des engen Fafjes ın- endlich verlajjen vor und hörte mit unheimlichen Gefühlen die Wogen der Gee rings um jich herum branden. Sch bedurfte einiger Zeit, um die notwendige Ruhe wiederzufinden. Dann aber traten neue, nie gejehene Erjcheinungen vor meine Augen. Jr einer Entfernung von ungefähr 400 Schritt tauchte aus dem Meer ein Seehund nach dem anderen mit dem Kopfe über die Oberfläche auf. Shre Anzahl wuchs von Diinute zu Minute, und alle nahmen die Richtung nach meinem Niffe. Anfangs befürchtete ich, daß jie beim Näherfommen vor meinem aus der Tonne hervorragenden Stopfe jich jcheuen und unjere Anftrengungen zu= richte machen würden, und meine Furcht wuchs, als jie falt alle vor dem Steinhanfen jent- recht im Wafjer fich emporftellten und mit ausgeftredtem Halje das Riff, die darauf be- findfiche Tonne und mich mit großer Neugier zu betrachten jchienen. Doch wurde ich wegen meiner Befürchtung beruhigt, als ich bemerkte, daß fie bei ihrer beabjichtigten Landung ich gegenfeitig drängten und bijfen und bejonder3 die größeren fich anftrengten, jo jchneil wie möglich auf das nahe Riff zu gelangen. Auch unter ihnen jchien das Necht des Stärleren zu herrjchen; denn die größeren bifjen und ftiegen die kleineren, welche früher auf die flachen, bequemeren Steine gelangt waren, herunter, um leßtere jelbjt in Befit zu nehmen. Unter abjcheufichen Gebrüll und Geblöfe nahın die Gefelljchaft nad) und nach die vorderen größeren Sranitblöde ein. Immer neue Antönımlinge frochen noch aus dem Wajjer Heraus, wurden jedoch von den exfteren, welche fich bereit gelagert, nicht vorbeigelajjen und mußten juchen, jeitwärts vom Niffe das Felte zu geivinnen. Deshalb fuchten fich einige in unmittelbarer Kähe meiner Tonne einen Najtplab. „Die Lage, in welcher ich mich befand, war äußerjt jonverbar. ch war gezwungen, mich ruhig und ftill wie eine Bildfäule zu verhalten, werm ich mich meiner außergewöhnz- lichen Umgebung nicht verraten wollte. Das Schaujpiel war mir aber auch jo neu und jo großartig, daß ich nicht imftande gewejen wäre, mein bereit3 angelegtes Gewehr auf ein ganz ficheres Ziel zu richten. Das Tofen des bewegten Meeres, das vieljtinmige Gebrüll der Tiere betäubte das Ohr, die große Anzahl der in unruhigen, Höchit eigentümlichen ’Be- wegungen begriffenen größeren und Heineren Seehunde erfüllte daS Auge mit Staunen... Allgemeines. 609 Endlich erjah ich mir einen der größten Seehunde zu meinem Ziele, und der gut gerichtete Schuß auf die Seite feines Kopfes traf mein Wild fo ficher und tödlich, daß das Kind des Meeres Feine Kraft mehr bejaß, von jenem Lager fich herabzufchtwingen. Den zweiten Schuß empfing fein Nachbar, welcher ebenfalls nach wenigen Zudungen leblos auf feinem Steine liegen blieb. „Die übrigen Seehunde gerieten erjt nach dem zweiten Schujje in eine allgemeine, haftige Bewegung und glitten hierauf mit großer Behendigfeit in das nahe Wajjer: der erjte Knall fchien jie nur in Erjtaunen gejeßt zu haben. Während das herbeigerufene Boot fich aufmachte, um mich und meine Beute abzuholen, hatte ich Zeit, Betrachtungen über das Betragen der geflüchteten Seehunde anzuftellen. Sie jebten ihre Flucht nicht eben weit fort, fondern famen in einer Entfernung von wenigen Hundert Schritt oftmals über der Oberfläche zum Borjchein, näherten jich dem Niffe fogar, jo daß es jchten, al3 ob jte dort wieder landen wollten. Die endliche Annäherung des Fahrzeuges verjcheuchte fie jedoch, und fie zogen jich weiter in die See hinaus.” Manchmal gelingt e3, laut Schilling, auch vom Schiffe aus nach Seehunden zu feuern, wenn man in einem Eeinen Boote mit halbem Winde lautlos an die auf Steinen jchlafenden Tiere heranjegelt. Eine andere, namentlich an der Nordjee gebräuchliche Jagdweije rechnet mit der großen Neugierde des begehrten Wildes, das jich leicht täufchen läßt. Man jchleicht jich an die Stellen, wo Seehunde gern liegen, legt jich platt nieder und macht nun, wenn die Tiere auftauchen, allerhand Mäschen: man nidt mit dem Ktopfe, fchlägt mit den Beinen freuzweije aus, jchnellt fich platt ausgejtredt vor und zurück. Diejes für den Zufchauer allerdings hochfomische Treiben verfehlt jeine Wirkung nicht; die auftauchenden Tiere nähern fich, fommen dicht ans Land und fönnen nun von dem im Anjchlage fiegenden Schüßen erlegt werden. Bei anhaltendem Frojtwetter it auch die Sagd auf dem Eije zumeilen er- giebiq, niemals aber zuverläfjjig und jtet3 gefährlich. Wen jelbit die Stromitellen der Djtjee zugeftoren find, Halten die Seehunde hier Fünftliche Löcher im Eije offen, um durch dieje mit der äußeren Luft in Verbindung zu bleiben und durch fie hindurch auf das Eis zu Friechen und dort zu jchlafen. Feder Seehund bildet fich gewöhnlich eine folche Offnung, manchmal aber auch einige zu feinem alleinigen Gebrauch. An diefe Wurhnen jchleicht man nachts mit Filzfchuhen heran, um das Geräusch der Schritte zu dämpfen, muß aber forgfältig auf Wind und Wetter achten und jtetS auf jeiner Hut fein. An der jchwedifchen DOftfeefüfte wird die Jagd regelmäßiger und häufiger, gervöhnlich aber nur mit der Harpune, feltener mit der Büchje betrieben. Einzelne jchwedijche Seehunds- jäger richten jich Hunde ab, welche auf dem Eife die Robben aufjpiren und fie jo lange be- ichäftigen, biS ihre Herren herbeifommen. Auf den Farderinfeln jagt man hauptjächlich während der Zeit, in welcher die Seehunde mit ihren Jungen auf dem Lande verweilen. Man nennt die Orte, an denen die Tiere gebären, den Later und die Jagdmonate dent- entjprechend die Laterzeit. Solch eine Jagd bejchreibt Graba. „ALS wir in die Bucht famen, wurden mir jogleich von unzähligen Seehunden umringt, welche ung mil neugierig enıpor- geredten Köpfen anftarıten. Kein Schuß fiel, damit die auf den Klippen jchlafenden nicht geweckt würden. Wir ftiegen aus und jchlichen uns einem Klumpen von Seehunden an, in dem man nicht unterfcheiden konnte, wo Kopf oder Schtwanz der einzelnen Tiere jet. Sobald e3 fnallte, wälzte fich die glißernde Mafje in die See. Nun bejtiegen wir unjere Fahrzeuge wieder und fuhren langjam in die Bucht hinein. Die ganze Schar der Seehunde, bejtimmt über 50 an der Zahl, folgte uns, voller Neugier, zu jehen, was in dem Boote vorgehe. Brehm, Tierleben. 4. Aufl XI. Banb. 39 610 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. Bad tauchten fie unter, bald auf; Fam einer zufällig ganz dicht bei dem Boote auf, ud man erhob das Gewehr zum Schufje, jo beeilte er jich mit großem Geplätjcher, wieder unter die Oberfläche des Wafjers zu fommen. Sobald ein Schuß fiel, verichwanden alle KRöpfe, famen aber fogleich wieder dicht bei uns empor. &3 wurden alte, zweijährige und einjährige Meerhunde erlegt. & „Nach Beobachtungen von alters her darf man nie über die Hälfte der auf dem Later befindlichen Tiere, bejonders aber nicht alle Männchen, erjchlagen. Sind drei Männchen auf dem Later, jo Fann man den größten und Heinften töten; den, welcher in der Mitte fteht, muß man am Leben lafjen. Bon den Weibchen, ‚Apner‘ genammt, erlegt man die fetteften; neugeborene Junge und deren Mütter bleiben am Leben. Sn den Later, wo man eine Leuchte braucht, blendet und verwirrt der unvdermutete Anblid des Lichtes die ©ee- Hunde, in den Latern hingegen, deren Offnungen das Tageslicht nicht gänzlich verdeden, jehen die Seehunde bejjer als die Leute, und dann hört man bei der Ankunft des Bootes ein ftarfes Brüllen und Brummen. Der größte Brimmil (wahrjcheinlich Brummer), welcher deswegen auch ‚Latu-Berjar‘ (Verteidiger des Later) genannt wird, erhebt fich fogleich, will den Leuten den Eingang verivehren und jpringt vor ihnen mit geöffnetem Nachen auf den Klippen bor- und rüdwärts. Da der Seehund Höher fteht und den erjten Mann überragt, jo glüct e3 diejem jelten, ihn zu erjchlagen, fall3 er nicht zurüchipringt und jenem zur Seite oder in den Rüden fommt. Das richtigite it, wenn der Vordermann dem Seehunde Die erhobene Seule entgegenhält, jollte dDiejer ihn auch die Bordertagen auf die Schultern legen; währendpdejjen achtet der Latu-Berjar nicht auf den Hintermann, welcher ihm den Schlag gibt. Kann der Seehund den Schlag mit dem Maule auffangen, fo tft fein Menjch fo ftark, ihm die Keule zu entreißen oder zu entwinden. Wird der Latu-Verjar mehrere Male ge- teoffen und entfommt dennoch, jo verläßt er diefen Later und begibt fich nach anderen Höhlen, welches Die Urjache fein joll, daß jo viele Later jegt verlafjen find. Handfeite Leute jagen, daß fie ebenfo gern gegen einen erboften Stier angehen wollen wie gegen einen Yatu- Berjar, bejonders wenn der zweite Man dem erjten nicht Schnell genug folgen fann. Mittel- große Seehumnde jcheinen Nebenbuhler des Latu-Berjar zu fein, welche, wenn fie gejchont werden, den Later bejtimmt wieder bejuchen, ja fogar fremde Weibchen mit jich bringen. Sit das Junge jo groß, daß die Mutter e8 bei dem Lärme, welchen die Ankunft des Bootes verurjacht, in Die See ftoßen Fann, jo tut fie es und fucht mit ihm zu entfommen. Sit Dies nicht ver Fall, jo bleibt fie bei vem Jungen oder fehrt doch gleich zu demjelben zuritc, falls jtie e8 auch im erjten Augenblide verlafjen Haben follte, jo daß man die Jungen befühlen fann, ob jie fett jind, ohne Daß fie von der Stelle wiche, e3 jet denn, Daß man fie Durch Ge- jchrei und Lärm mwegjchrece.” Unter allen Bölfern fcheinen die Grönländer diejenigen zu jein, welche nicht nur am gejchieftejten Seehunde zu jagen verjtehen, jondern ihre Beute auch am mannigfaltigiten zu berivenden willen. „Die Grönländer", jagt Fabricius, „ind große Meifter darin, die Nupder feicht und nett zu gebrauchen, jo daß man Faum einen Laut davon hört. Wenn nun ein Seehund auftaucht, jo gibt man auf fein Gebaren acht, um Daraus auf Die Art, ihn an- zugreifen, zu jchließen. Sit er ficher, jo ftrebt man aus aller Macht danach, jo nahe wie möglich zu fommen, um nicht fehlzumwerfen. Das einzige, was hierbei zu beachten, tft, dah weder die Beiveqgung des Nuders noch das Fortjchiegen des Bootes bedeutenden Lärm verurjachen; denn dies würde den Seehund in jeiner Ruhe tören. Sndejjen gehört hierzunicht wenig Behendigfeit und Übung, teils Anwendung langer und tiefer Ruderfchläge, teils auch, Allgemeines. 61l indem man das Boot mit dem Störper jelbit fortbeiwegt, und viele jind hierin jo ausgelernt, daß fie den Seehund an die Seite de3 Boote befommen können, ohne daß er es merkt. Sit er Dagegen einer von den vorjichtigen, welcher jich umjieht, jo verurjacht e8 größere Schmwierig- feiten; Doch verliert man nicht alle Hoffnungen, jondern gibt acht, wenn er untertaucht, und eilt dann vorwärt?. Wenn der Kopf dagegen über dem Wajjer ift, Hält man jich ftille und bückt jich nieder oder legt ich aufs Boot zurüd, um für etwas Totes, auf dem Wajjer Trei- bendes gehalten zu werden. Plätjchert der Seehund im Wafjer, und befindet er jich bei jeinem Spiele in Verwirrung, in welcher er zumeilen den Fänger anfieht, jo pfeift Diejer mit dem Mumde, um ihn noch ficherer zu machen. Sollte er gleichwohl untertauchen, ehe man ihn in Wurfweite Hatte, jo gibt man acht darauf, wohin er feinen Lauf richtet, verändert etivas den Ort und fieht jich bejtändig nach der Stelle um, wo er wieder auffommt, und jo fort. Wenn man dann endlich in rechte Nähe gefommen tft, wirft man die Harpune nad) ihm, und die Leine folgt mit. Da die Harpune Widerhafen hat, jo zeigt e3 fich gleich, ob der Seehund getroffen it oder nicht; denn Diejer fann im erjten Falle nicht feicht Davonfommen, jondern muß mehr und mehr von dem Geile ausziehen. Hier ijt nun feine Zeit zu verlieren; der Sänger muß im Gegenteil, wenn er den Seehund ge- teoffen fieht, jogleich die (ebenfalls an der Leine bejejtigte) Blaje aus dem Boote werfen; denn Diejes würde jonjt, wenn die Leine abgelaufen wäre, von dem Seehunde mit Gewalt angezogen und leicht umgemworfen werden fünnen. Dies find die beiden Urjachen, warum ein Grönländer oft fein Yeben verliert; denn jchleppt der Seehund ihn exit mit jich fort, und ist fein anderer Fänger in der Nähe, der ihm zu Hilfe fommen fann, jo gibt e3 jelten Rettung für ihn. Wird er aber hingegen die Blaje qut los, jo 1jt die größte Gefahr vorbei. Doch trifft man zuweilen einen Seehund an, welcher fo mutig ift, daß er jich gegen das dünne, aus Sellen gemachte Boot wendet und ein Loch hineinbeißt, wodurch der Fänger in Gefahr gerät, zu jinfen. Man Fann dies daher in vieler Hmficht einen gefährlichen Fang nennen, zu dem jich auch viele Grönländer nicht ohne Bedenken erdreiften. „Schleppt aber der getroffene Seehund die Blafe, welche er jelten unter das Wafjer zu ziehen vermag, mit jich fort, jo gibt man acht, wohin jich Die Blaje wendet, folgt dahin nach und fucht den Seehund mit Lanzen vollends zu töten; denn die Lanzen haben feine Wiverhafen, jondern gleiten aus der Wunde aus und Schwimmen auf den Wajjer, jooft man jie auf den Seehund wirft. Durch dieje häufigen Wunden und durch das Fortjchleppen der großen, mit Luft gefüllten Blafe wird er abgemattet. Wenn man ihm Dann endlich ganz nahe fommt, gibt man ihm den leßten, tödlichen Schlag mit der geballten Yauft über die Naje, wodurch er betäubt wird, jticht ihn, wenn es nötig jein jollte, auch wohl mit dem Sangmejjer tot. Nun bereitet man ihn vor, um ihn nach Haufe fchleppen zu Fünnen. Erjt verjtopft man alle Wunden mit Holzpfröpfchen, damit das Blut nicht verloren gehen joll; jodann bläft man ihm Luft zwiichen Haut und Fleifch, Damit er dejto befjer oben jchwimmt. Sit der Seehund nur Kein, jo legt man ihn hinten aufs Boot, nachdem man ihn ungefähr in der Gegend des Nabel3 mit einer Keinen Blaje verjehen hat, an der er oben jchwimmen muß, wenn er etiwa herabfallen jollte. St er aber groß, jo muß man ihn im Wafjer an der Seite des Boote3 herjchleppen lajjen und eine jo große Blaje an ihm befejtigt haben, daß man ihn ohne Gefahr von fich lajjen fönnte, wenn jich etiva noch ein Seehund zeigen jollte. Fängt man mehrere, jo werden dieje an die vorigen befeitigt, und ein glüclicher Fänger fann 4—5 Geehunde auf einntal nach Haufe jchleppen.“ Alle Seehunde find ungemein zählebig und bleiben nur dann auf dem Plate liegen, 39* 612 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. wenn eine Kugel in das innere des Gehirns eindringt oder das Herz trifft. Außer dem Menschen haben die Seehunde einen Feind in dem jehr gewandten Schwertival, vor dem alle Heineren Robben in Höchjter Angjt flüchten. Gejagt von dem gefräßigen Ungeheuer, jpringen fie in rajch jich Folgenden Säßen hoc) über das Wafjer emppr, wenden alle Schwimme und Taucherfünfte an, verjuchen Heine Meerengen und jeichte Stellen zu gewinnen, eilen auf das Land und überwinden in ihrer Todesangit jelbit Die Furcht vor dem Menjchen. Auch der Eisbär verfolgt fie unabläffig und weiß jich ihrer recht gejchict zu bemächtigen. Jungen GSeehunden werden auch wohl große Naubfische gefährlich. Die nowijchen Bölferjchaften verbrauchen den ganzen Seehund, nicht bloß Tran und Tell, wie wir, und außerden noch das Fleijch, wie die Schweden und Norweger. Die Ge- därme werden gegejjen oder, nachdem jie vorher Höchjt mühjelig gereinigt und geglättet vorden find, zu Fenjtern, Kleidern und Vorhängen benußt. Bejonders Hoch jchäßt man ein aus ihnen zujammengeflidtes Obergeivand, den Sapijad der Grönländer, weil e3 ganz ausgezeichnet wajjerdicht ift. Das mit Seewajjer vermifchte Blut wird gekocht und ala Suppe oder, nachdem man es frieren ließ, als Lederet genojjen, auch nach dem Stochen in runde Kugeln geformt, an der Sonne getrocnet und für Zeiten der Not aufbewahrt. Die Rippen dienen al3 Spreizjtäbe für die Felle oder werden zu Nägeln verarbeitet; die Schulter- blätter gebraucht man al3 Spaten; aus den Sehnen verfertigt man Zivien ujw. Fell, Tran und Fleijch bilden jedoch auch für die Grönländer den Hauptgewinn, den die Seehunds- jagd abwirft. Die Felle jtehen, weil fie zu Stleidungsjtüden, insbejondere zu Frauenhojen, verivendet werden, im hoben Norden in jo großem Werte, dag man, laut Bromn, einer jungen Grönländerin fein angenehmeres Gejchenf als ein Seehundsfell verehren Fann. „&benjo wie der europäische Pyramus feiner Thisbe Juwelen und Schmudjachen bietet, bringt der nicht minder zärtliche PBingatod in Grönland der Geliebten die Früchte jeiner Sagd in dem eisumftarrten Fjorde in Gejtalt eines Seehundes dar, welcher auch in den dänischen Niederlafjungen mit 3—4 Nigsdalern oder 7—I Mark unjeres3 Geldes bezahlt wird. Der hauptjächlichite Grund, welcher jegel- und ruderfundige Grönländerinnen beivog, mit Graah die denfwürdige Neife längs der öftlichen Stüfte von Grönland zu unternehmen, war die Hoffnung, einige Seehundsfelle aus den höchjten Breiten zu gewinnen.” Das leifch, Das feiner dunfeln Färbung und jeines wilden Gejchmades halber dem deutjchen Gaumen nicht behagt, gilt jchon den Schweden als jchmadhaft und wird von allen nordi- ichen Völferjchaften ebenfo gern gegejjen wie das ihrer wenigen Haustiere. Nur die Leber verichmäht man hier und da, weil man ihr giftige Eigenschaften zujchreibt, die jie in Wirk- fichfeit nicht bejist. Aus dem Speck endlich focht man einen jehr guten, Teichtflüjligen Tran, der zuweilen mehr einbringt als Fell und Fleijch zufammengenommen. Nach der Zahl der Schneidezähne unterjcheiden wir drei Unterfamilien: a) Die echten Seehunde (Phocinae) mit den Schneidezähnen 2. Die Verbreitung diejer Unterfamilie it ziefumpolar mit einigen Vertretern in den europäifch-afiatiichen Seen. Phoca L., mit mehrjpigigen (3—5 Spigen) Badzähnen; Halichoerus Niss., mit einjpigigen Badzähnen; Erignathus Gil, defjen erjter Finger Heiner ijt al3 der dritte. Die Bartrobbe, E. barbatus Fabr., des nördlichen Polarmeers, mit bi3 über 3 m Länge die größte Art der Unterfamilie, Hat jid) mehrmals auch im Armelfanal gezeigt. b) Die Blafenrobben (Cystophorinae) mit der Schneidezahnformel 2 und Heinen, einjpisigen Bad- zähnen. Zehen 1 und 5 ftarf verlängert. NHußere Nafe ausdehnungsfähig. Die zwei Gattungen jind arktiich und antarftifch. Cystophora Nilss. Männchen mit zwijchen Auge und Najenjpige blajig auftreibbarer Naje. Küjten Nordamerikas und Europas bis Frankreich). Allgemeines. — Kegeltobbe. 613 Macrorhinus F. Cuv. Naje des Männchens zu einem Nüfjel verlängert. Antarftifch, aber auch an der Falifornijchen Süfte. ec) Die Mönch3robben (Monachinae) rit Schneidezahnformel 3. Anı meiften vem Wafjer angepaßt, die Nägel rudimentär oder fehlend. Erjte und fünfte Zehe ftark verlängert. Hauptfächlich antarktifch, jedoch mit der Gattung Monachus Flem. bi3 ins Mittelmeer und zur Küfte von Florida reihend. Die fpora- diihe Verbreitung diejer Gattung ift fehr interejjant, indem ihre drei Arten die Nordpafjat-Trift des Stillen und des Atlantijchen Ozeans bewohnen, nämlich M. schauinslandi Mtsch. die Injel Layfan, M. tropicalis Gray die Küften zwijchen Weftindien und Yucatan und die Mönchsrobbe, der Gee- mönch, M. albiventer Bodd. (monachus; Taf. „Robben II”, 1, bei ©. 622), Madeira, die Kanarischen Snjeln und das Mittelmeer, two fie bis zum Schwarzen Meer vorgedrungen ift. Diefe ziemlich einfarbig graufchwarze, unterjeit3 mweige Robbe war fehon Arijtoteles befannt, ift aber jeßt ein recht feltenes Tier. Die zweite Gattung, Ogmorhinus Pirs. (Seeleopard), mit den drei Untergattungen Leptonychotes Gill, Lobodon Gray und Ommatophoca Gray, ijt rein antarktijch. Von den drei Unterfamilien der Seehunde fommen an den deutjchen Küften nur die Phocinae vor. Den drei hier regelmäßig lebenden Arten: der Stegeltobbe, Halichoerus grypus Fabr., dem Gemeinen Geehund, Phoca vitulina Z., und der Ningeltobbe, Phoca hispida Schreb., hat Nehring eine fehr jchöne Abhandlung gewidmet („Mitt. d. Seft. f. Küften- u. Hochjeefiicherei”, 1887, Nr. 2, 3u.4). MS gelegentlicher Sergaft fommt an die Kordjeefüfte die Gattelrobbe oder der Monpfledige Seehund, Phoca groenlandica Fabr. &3 ijt vielleicht gut, die unterjcheidenden Merkmale in Form einer kurzen Bejchreibung zujammengefaßt zu geben, wobei zu bemerfen ijt, daß nur Die Schädel jichere Unterfcheidungs- merfmale bieten. Das Haarkleid ift nach Alter und Individuen jehr verfchieden. Im der folgenden diagnoftiichen Behandlung ift nur das Stleid typifcher Stücde berüdfichtigt. E3 it dabei bejonders Schäffs Werk über „Die wildlebenden Säugetiere Deutjchlands” zu- grumde gelegt. 1) Die Kegeltobbe, Halichoerus grypus Fabr. (Taf. „Robben I”, 3, bei ©. 5%). Badzähne einfpißig. Sehr langer Gefichtsichädel, länger als bei allen anderen. Die Farbe ift vorwiegend Grau (Gräsjäl der Schweden, Grey Seal der Engländer), mit unregelmäßigen rundlichen dunfeln Fleden und heller Unterfeite. Bei allen folgenden (Gattung Phoca L.) find die Badzähne mehrjpibig. 2) Der &emeine Seehund, PhocavitulinaL. Najenbeine jehr breit, Länge zur Breite wie 3:1, verjüngen ji) etiva von der Mitte an nach Hinten. Ziiichenfiefer berührt die Nafenbeine nur mit einer Spibe. Hinterer Gaumenausfchnitt ift ein fpiter Winkel. Färbung: auf gelblichem oder graugelblihem Grunde zahlreiche rundliche Flede von geringem Umfang, Bauch faft oder ganz ungefledt. 3) Die Ringelrobbe, Phoca hispida Schreb. Najenbeine etwa fünfmal fo lang als breit, ehr fchmal und erit im legten Drittel zugefpigt. Ziiichenfiefer legen fich auf mehrere Zentimeter neben die Najenbeine. Hinterer Gaumenaugfchnitt in Form eines rechten Winkel. Färbung: ringförmige helle Flede auf dunfelm Grunde (daher Ph. annellata Nilss. und der deutjche Name). 4) Die Sattelrobbe, Phoca groenlandica Fabr. Hinterrand de3 Gaumen quer abgeftußt oder offener, nie jpiger Winkel. Färbung: weiß mit fattel- oder mondförmigem hwarzen Fled, der etwa von den Schultern bis zum Schwanz reicht, und [hwarzem Geficht. Am Vorderfuß ift die zweite Zehe die längjte. Da das Leben der Seehunde bei den verjchiedenen Arten ziemlich gleichförmig verläuft und mir dies fchon in großen Zügen gejchildert haben, jo jeien hier noch einige Angaben über die oben aufgezählten, uns bejonders angehenden Formen gemacht, wobei außer den erwähnten Autoren bejonder3 das vorzügliche Werk von Collett: „„Norges Pattedyr“ zu= grunde gelegt jet. Die Stegelrobbe, Halichoerus grypus Fabr., it wie am Schädel jo auch im Leben bejonder3 durch die Form des Kopfes ausgezeichnet, an dem die Länge der Schnauze bejonders in die Augen fällt. Die Tiere erinnern dadurch etwas an einen langjchnauzigen 614 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. Sagdhund. Bei alten Männchen dagegen jind die Lippen did und mulitig, jo daß dieje von den Djtjeefiichern geradezu al3 „Mopshunde” bezeichnet werden. Die Ktegeltobbe ijt der größte Seehund der deutjchen Meere. Die Männchen jollen eine Yänge bis zu 3m erreichen und 400O—500 Pfund jchwer-mwerden, Doch jind jolche Riejenjtüde jeltene Ausnahmen. 2,60 m dürfte die Durchjchnittslänge ausgemwachjener Tiere fein bei einem Gewicht von 350—400 Pfund. Die Weibchen find durchiveg Heiner und erreichen ein Gewicht von 200— 250 Pfund. Die neugeborenen Jungen jind etwa 1—1,10 m lang. Ber ausgewachjenen Tieren Ffann die Spedjchicht unter der Haut jehr die werden und bis zu 50 Liter Tran liefern. Bei einer von Nehring unterjuchten männ- lichen Stegeltobbe, die 365 Pfund wog, betrug das Gewicht des Spedes 91 Pfund. Die Specjchicht, aus der 40 Liter Tran gewonnen wurden, hatte eine Dide von ducchjchnittlich 5em. Ein anderes Männchen joll gar 60 Liter Tran geliefert Haben. j Sm Belzhandel jpielt das Tell der Stegeltobbe Feine große Nolle. Die Farbe ijt bei ertvachjenen Männchen grau mit jchwarzen FSleden und wird bei alten Tieren falt ganz jchwarz. Der Bauch ijt heller. Die Weibchen jind einfarbig hellgrau. Das Säuglingstkleid beiteht aus einem langen, gefräujelten Wollhaar von gelblichweißer Zarbe. 3 wird etiva 7—10 Tage getragen, während welcher Zeit die Jungen nicht ins Wajjer gehen. Dann macht es allmählich dem Furzen, jtraffen Seehundstleid Pla. Die Farbe Ddiejes Jugend- fleides ijt jehr veränderlich, zeigt aber jchon Die charakterijtiiche graue Farbe. Die Stegeltobbe ijt eine nordatlantische Ktültenform, die hauptjächlich Die Ktüjten und Snjeln Europas, etiva vom Stanal aus nördlich, bewohnt und um Skandinavien herum bis nach Nomwaja Sentlja geht. Auf Jsland und an der nordamerifaniichen Küfte findet jie jich jeltener. Übrigens tritt fie auch in der Nordfee nicht zahlreich auf. Sie liebt befonders die Ditjee, to jie jtellenweije, 3. B. in der Umgebung Rügens, der häufigite Seehund ift. Entjprechend Ddiejer Verbreitung it auch die Wurfzeit verjchteden. Sie fällt an der norwegijchen Stüfte in die Monate September bis Anfang Dezember, in der Dftjee Ende Februar bis Anfang März. Zn Frankfurter Zoologijchen Garten warf ein trächtig angefommenes Weib- chenam 2. Januar. Die Stegelrobben verjammeln jich in großen Mengen, 500—600 Stüd, an den Wurfplägen. Bald nach der Geburt des etwa 1m langen einzigen Jungen erfolgt die Paarung, die im Wajjer ftattfindet. Die Trächtigfeitsdauer währt 111% Monate. Wie bei allen Seehunden werden auch bei den Stegeltobben, die polygam jind, heftige Kämpfe um die Weibchen ausgefochten. Mit 3—A Jahren werden die Männchen fortpflanzungsfähig. Die Nahrung der Kegeltobben bejteht Hauptjächlich in Fiichen, wodurd) jte der Fijcherei ebenjo jchädlich werden wie der Gemeine Seehund. Wie diejer, Holt auch die Stegelrobbe die Fijche gern aus den Fanggeräten der Fijcher. Und da jte bis zu 10 Minuten unter Wajjer bleiben und bis zu 100 m tief tauchen Fann, verjchont jie auch die Tiefenangeln nicht. Der Öemeine Seehund, Phoca vitulina Z. (Taf. „Robben 1”, 2, bei ©. 5%), ift die am beiten befannte Art, wenn jie auch leicht mit anderen verwechjelt wird. Ausgewachjene Männchen werden bis zu 2m lang. Jhr Gewicht joll 100—150 Pfund betragen, wovon etwa 12—18 Liter Tran gewonnen werden. DieWeibchen find etwas Heiner. Der Stopf mit jeiner fugen Gefichtspartie und der feinen Schnauze hat etwas Stagenähnliches. Die Farbe ijt jehr wechjefnd. Am Häufigiten ift eine gelblichgraue Grundfarbe, die durch braune over \hmwarze Flede von rundlicher Gejtalt unregelmäßig verziert ift. Am Bauch jtehen nur einige feine Slede. Sehr bezeichnend ijt ein heller Ring von unbejtimmter Begrenzung, der das Gemeiner Seehund. Ringelrobbe. 615 Auge einfaßt. Das neugeborene Junge hat jchon das jtraffe Haarkleid der Alten. &3 Fanır auch bald nach der Geburt ins Wafjer gehen und jchtoimmen. Die Jungen, 1, jeltener 2, werden im Juni oder Juli nach einer Trächtigfeits- dauer von ettiva 111/, Monaten geivorfen. Die nächite Baarungszeit, während welcher die Männchen um den Bejit der Weibchen Heftige Kämpfe ausführen, folgt bald darauf. Die ungen wechjeht in der Regel jchon vor der Geburt das Wollhaarkleid und jehen dann gleich nach der Geburt aus wie die Alten. Sie jind auch jofort imftande, ins Wafjer zu gehen. Sie werden etwa 2 Monate von der Mutter gejäugt, die jich für die Jungen jehr bejorgt zeigt. Dieje Seehunde find ausgejprochene Küjtentiere, die jich anı lebten in Buchten und vor Flußmündungen herumtreiben und nur felten in die offene See hinausgehen. Dagegen fteigen fie oft Hoch in die Flüffe Hinauf. ©o ijt, nach Trouefjart, einmal während des jtrengen Winters 1879 ein Baar bei Orleans gefangen worden. Collett berichtet, Daß der Seehund im Tana-Elf bis 300 km weit dem Zuge der Zachje folge. Aber er bleibt nie fange im Süßtvaljer. Seehunde bewohnen alle nordatlantischen Küften und Infjeln, in Europa von Jsland bi3 Bortugal, in Amerifa Grönland bis zum 73. Grad nördl. Br., Labrador, die Davisitraße bis Nerv Jerjey. Im nördlichen Stillen Ozean werden fie durch drei nahejtehende Arten er- jeßt. Sn der Noxrdfee it Ph. vitulina an unjerer Küfte die Häufigjte Art; ebenjo wohl auc) im wejtlichen Teil der Dftfee. Dagegen ift jie in deren öftlichen Gebieten verhältnismäßig jelten und feheint im Bottnifchen Meerbujen überhaupt nicht vorzufommen. 63 find gejellige Tiere, die jich an ihnen zufagenden Pläßen, wo jie ungejtört jind, im Frühjahr bis zu 100 Stüd anfammehr fönnen. Allerdings Fämpfen jie, wenn jie ans Land gehen, um die günftigften Pläge, find fie aber zur Ruhe gefommen, fo liegen fie friedlich dicht nebeneinander. Um vor unliebfamen Überrafchungen ficher zu fein, ftellen fie Wachen aus, die bei Gefahr Schreie ausjtoßen. Geruch und Gehör jind gut entmwidelt. Unjere Seehunde leben von allerhand Fijchen, und jo ift der Schade, dent jte in der Fifcherei anrichten, fehr groß. Sie holen die Lachje von der Angel, die Schellfiiche aus der NReufe, die Dorjche aus den Negen und zerjtören dabei die Fanggeräte. Ziffermäßig tt der angerichtete Schade fchwer auszudrüden. Jmmerhin jchägt Collett für Norwegen allein den der Zachzfifcherei angerichteten Schaden jährlich mit 4 Million Kronen doch höher als den Nuben, den die Fiicher haben. E3 fommen jährlich ettva 15—20000 Felle in den Handel, deren Wert von 3 bis 6 Mark das Stück jchrvankt. Sie dienen zur Herftellung von Schultorniftern, Tajchen ujiw., oder e3 wird Leder daraus gemacht. Die Ringeltobbe, Phoca hispida Schreb. (Pusa), ift der Geftalt nach dem gemwöhn- lichen Seehund jehr ähnlich. Höchftens ift der Kopf ettvas Heiner, die Schnauze etwas ipier, die Vorderfloffe ettva breiter und der Schwanz etwas länger. Ph. hispida ijt die fleinjte aller Robben. Erwachjene Männchen werden höchitens 1,s0o m, Weibchen 1,45 m lang. Nehring verzeichnet, daß ein 1,53 m langes, volljtändig ausgewachjenes Männchen, das bei Misdrot) erlegt war, 391, kg wog und 8 Liter Tran lieferte, wogegen ein 1,25 m fanges Weibchen nur 58 Pfund wog, wovon 18 Pfund auf den Sped famen. Nicht jelten icheinen bei ihnen Ziwergeremplare vorzufommen, die, nacı) Colfett, nur 60 em lang werden und den norwegijchen Namen „Troldsael“ führen. Sehr bezeichnend für die Art ift der eigenartige Geruch, den fie ausftrömt. Jhnt verdankt jie auch ihren zweiten wijjenjchaft- fihen Namen, Ph. foetida, den ihr Fabricius gab. 616 9. Ordnung: Nobben. Familie: Geehunde. Die Farbe ijt außerordentlich wechjelnd, Tcheint aber zur Ausbildung von Lofalformen zu neigen. Wenn die hellen Ningflede auf der dunfeln Oberjeite, nach denen das Tier jeinen deutjchen Namen erhielt, deutlich ausgebildet find, ift die Art daran leicht zu er- tennen. Aber Häufig und namentlich bei jungen Stüden find fie nur ungenügend entwicelt, befonders in der Jugend. Übrigens trägt auch die Ningeltohbe, twie die Kegelrobbe, aber abweichend bom Gemeinen Geehund, längere Zeit, etva 25—30 Tage, ein weiches, weißes Haarkleid. Dieje weißen Cäuglingfleider, die etiva 40—50 cm Yang find, bilden einen ge- Ihäßten Handelsartifel, von dem Grönland allein, nach Braß, jährlich 30—40000, Nord- amerifa 10—20000 Tiefert. ie bei allen Seehunden ift auch bei der Ringeltobbe die Zahl der Zungen gewöhnlich eins, Doch Fommen gerade bei ihr nicht allzufelten zwei vor. a fogar Drillinge find be- obachtet worden. Die Trächtigfeit jcheint 11 Monate zu dauern. Die Jungen werden in Schneehöhlen geboren, die Hansjch, nad) einer Mitteilung Matjchies („Sitber. Gef. Naturf. Ssteunde”, 1913), folgendermaßen jchildert: „Das alte Weibchen ftellt ziwiichen dem Eije und der Schneedede darauf offene Pläbe von mehreren Metern Durchmefjer her, die in langen Gängen nach dem Atenloche führen, das durch das ftarfe Ci geht, oft jenfrecht, oft ein wenig fchräg. Häufig befinden fich jolche Brutpläße im rauhen Eije; wir fanden je aber auch inmitten weiter völlig ebener Flächen, weitab vom Lande. Nichts verrät jte als der hohle Klang, wenn man auf den Hohlräumen fteht. Diefe felbt find alfo nicht viel breiter oder richtiger höher als das alte Tier. Hier wird das Junge geboren und ge- jäugt. Hat e8 das zweite Kleid befommen, geht e8 ins Wafjer und fommt heraus aufs E85.” Die Wurfzeit fällt in die erjten Monate des Jahres, ift aber je nach den Gegenden ver- jchteden, und zwar bei den Najjen, die binnenländiiche Gemwäjjer beivohnen, am zeitigiten: im Stafpischen Meere im Januar, im Bottnifchen Meerbufen Ende Februar bis Ende März, an der norwegischen Küfte Mitte März bis Mitte April, an ven fibirifchen Küften April bis Mai, bei Spigbergen Mai oder Anfang Juni, in Grönland April bi3 Mai. Mit der Aufzählung der genannten Orte ift Schon ein Teil der geographijchen Verbreitung der Ringelrobbe gegeben. Die Verbreitung dect fich zum Teil mit der von Phoca vitulina, reicht aber nicht ganz fo weit nach Welten wie diefe. Dafiir geht fie weiter nach Dften. Beide Arten treten gewijjermaßen im äußerften Often und Weiten ihres Gebietes vifariierend füreinander auf. ©o wird Phoca vitulina in den öftlichen Teilen der Dftjee immer jeltener, je weiter man nach Often fommt, und hört im Bottnifchen Meerbufen ganz auf. Umgefehrt wird die Ningelobbe in der Dftjee nach Often zu häufiger und lebt fchließlich im Bottnijchen Meer- bujen allein. Ebenjo bevölfert fie die Küften Sibiriens, two der Gemeine Seehund ganz fehlt. Sehr eigentüntlich aber ift ihr Vorkommen in Binnenfeen, die Heute weitab von Der Meeresfüfte fiegen. So findet fie fich im Aralfee und im Kafpifchen Meer. Wenn fie hier auch eine Zofalrafje gebildet hat, die als Kafpiicher Seehund, Phoca hispida caspica Gm., von der eigentlichen Ringeltobbe abgetrennt ift, fo farın Doch die enge Zufammengehörigfeit beider nicht zweifelhaft fein. Dasjelbe gilt von der al3 Phoca hispida sibirica Gm. bezeichneten Ningeltobbe des Baifaljees. Diejes Borfommen von ausgejprochenen Meerestieren in inmenjeen, jo weit von jedem Gee entfernt, müßte uns verwunderlich und unerflärlich erjcheinen, wenn uns die Erdgefchichte nicht lehrte, daß einft von Norden her das Eismeer 15 in jene Gegenden reichte. Defjen damals fo weit nach) Süden vorgefchobene Küften wiwden natürlich ebenjfo von Ningelcobben bewohnt, wie das noch heute, nur weiter im Norden, der Fall it. MS nun das Land anfing, fich langjam zu heben, da wurden jene S 8) Kalpiicher Seehund. Ringelrobbe und ihre Verwandten. Sattelrobbe. 617 Seen, die wohl urjprünglich Buchten, Fjorde in jenen gewaltigen Nordmeeren waren, bon der Verbindung mit diefen abgefchnitten. Was von der Tierwelt fich nicht rechtzeitig zurüd- gezogen hatte, Fonnte mm nicht mehr in das Weer gelangen. Das Meer wich weiter und weiter zurücd, und die Tierwelt in jenen Seen ging entiveder zugrunde, oder paßte fich, wie unfere Ringeltobbe, als „Nelikt” an die veränderten Berhältnijje an. Aber nicht nur hier, jondern noch weiter im Norden hieß e3 jolche Relikte in Binmenjeen zurüd. ©o beherbergen die finnischen Binnmenfeen, bejonders der Ladoga- und Dnegajee, Jingeltobben, die auf Grund geringer Unterjchiede als Phoca hispida ladogensis Nordquist von der Stammart abgetrennt worden find, ebenfo wie die des Saima und benachbarter Seen als Ph. h. saimen- sis Nordquist. Übrigens feheint gerade unjere Ningeltobbe jelbit bei nur geringer jolie- rung zur Bildung von Lofalvafjen zu neigen. ©o ift auch die Djtjeeform, bei der die Ning- bildung in der Zeichnung am ausgefprocheniten ift, al® Phoca hispida annellata Nilss., die des DOchotffischen Meerbufens als Ph. h. gichigensis Allen bejchrieben worden. Wahr- jcheinlich hängt Diefe durch Solierung zu erflärende Nafjenbildung aufs engjte mit den Gewohnheiten der Tiere zufammen, die die Küfte beinahe noch mehr lieben und das offene Meer noch mehr fcheuen als der Gemeine Seehumd. Während die eben bejprochenen drei Seehundsarten regelmäßige Bewohner unjerer Küfte find, Tommt die vierte, die Sattelrobbe, Phoca groenlandica Fabr. (Pagophoca), nur al3 gelegentlicher Srrgaft einmal zu uns in die Nordjee. m März 1896 drang ein beib- chen diefer Art die Elbe aufwärts, in die Mulde hinein und wurde jchlieglich bei Dejjau ge- fangen. Dieje3 allerdings trächtige Tier Hatte das für eine Sattelrobbe auerordentlich hohe Gewicht von 320 Pfund bei einer Yänge von 1,90 m, während fonjt al3 Durchjchnitts- getoicht eines ausgewachfenen Männchens 230 Pfund angegeben werden, wovon 100 Pfund auf Fell und Sped fommen. Die eigentliche Heimat find die arktiichen Meere nördlich des 67. Grades; von hier verivren fich dDiefe Robben nur gelegentlich einmal nad) Schottland, in die Nordfee oder den Armelfanal, wo 1903 ein Stüd gefangen wurde. Jm Gegenjaß zu den bisher erwähnten Seehunden meidet Ph. groenlandica das Land und Hält ich aus- ichließlich auf dem Eife auf, wo auch die Jungen geboren werden. Die Wurfzeit ijt nach der Ortlichkeit verjchieden, wetlich von Spigbergen Ende Februar bis Mitte März, öftlich davon ettwva 20-30 Tage fpäter. Die Trächtigkeit Dauert etwa 11 Monate. Die Tiere find im Gegenjaß zu anderen Seehunden monogam. Unmittelbar nach der Paarung beginnt Der PBelzwechjel der Alten, der einen Monat, etiva bi Ende Mat, in Anfjpruch nimmt. Erwachjene Männchen find gelblich- oder graumeiß und leicht Fenntlich an dem jchwar- zen Geficht und dem großen mondförmigen fchwarzen Gattelfled auf dem Rüden. Den Weibchen und den Jungen fehlt diefe auffallende Zeichnung. Die vorherrjchende Färbung de3 Weibchens ift ein düfteres Gelblichweiß oder Strohgelb, das auf dem Rüden bis zum Lohfarbenen dunfelt, aber bald mehr ins Nötliche, bald mehr ins Bläuliche, jelbjt ins Dunkelgraue fpielt und auf der Unterjeite diejelbe Färbung wie beim Männchen zeigt; bon der leierfürmigen NRücenzeichnung bemerkt man nichts, höchitens finden ich an ihrer Stelle einzelne eifürmige dımkle Flede in verfchiedener Anzahl und Größe, Die bon Dem gelblich- oder rötlichhraunen Grunde fich abheben. Die Jungen find von der Geburt bis zum Alter von 7 Wochen fchneeweiß und mit einem feinen, dichten Wollpelz bededt. Mit einem Jahr treten zahlreiche fehwarze Tlecde auf hellgrauem Grunde auf, die im ziveiten Sahre größer find. Erjt im dritten Jahre zeigt fich die charakteriftiiche Färbung. 618 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. Die Jungen liefern die als „‚Whitecoat“ in den Handel fommenden Felle. Die Erbeu- tung, tie überhaupt die Yebensweie der Sattelrobben jchildert Braß in feinen Werk „Aus dem Neiche der Pelze" wie folgt: „Die Tiere leben in großen Scharen im offenen Meere, 10 jie große Wanderungen antreten, im Sommer nach dem Noxden, im Winter nach dem Süden. Mitte März erklettern jie die treibenden Eisjchollen oder das Padeis, wo von Ende März bis Mitte April die Jungen geboren werden, während die Männchen jeßt wieder das offene Meer aufjuchen. Das ijt das Zeichen für die große Schlächteret. „Bon St. Kohn, Neufundland, geht eine ziemlich zahlreiche Flotte von Kangdampfern nach der Badeisgrenze, und auch) von Greenod, Dundee und PBeterhead in Großbritannien fommen Sangdampfer nach der Baffınsbat.” Sobald das Padeis erreicht ijt, werden die Mannjchaften gelandet, jeder mit einem jchweren Sinüppel oder langgejtielten Holzhanmer und einem jcharfen Mejjer bewaffnet. Die einige Wochen alten Jungen werden in der toheiten Weife erichlagen, ebenjo eine Menge der Weibchen und älteren Jungen. Ein Teil der Mannfchaft jtreift, jobald eine genügende Anzahl getötet it, den Stadaveın das Fell mit der anfigenden Fettjchicht ab, die dann zum Boote gejchleift und an Bord gejchafft werden. Sr der nur wenige Wochen dauernden Fangzeit in jedem Jahre werden auf dieje Weije zwijchen 200000 und 500000 Seehunde getötet. Sufolge ihres nördlichen Wohngebietes jind Die Sattelrobben gezwungen, Wanpde- tungen mit dem vorrüdenden und rücgehenden Eis auszuführen. Dieje gehen jo regel- mäßig vor fich, daß die Norweger, nac) Collett, „Winterjeehunde” und „Rufjenjeehunde”, je nach der Zeit ihres Exjcheinens und ihrer Herkunft, unterjcheiden. Die erjteren bringen regelmäßig den Winter an den norivegijchen Ktülten zu. Ste fommen von Spigbergen und ziehen im Frühjahr wieder nach Norden ab. Im April oder Mat fommen dan neue Schwärme aus dem Weißen Meere, die „Nufjenjeehunde”. Dieje langen in abgemagertem, jene in fetten Zujtande ar. Bei bejonders ungünftiger Witterung können jich dieje Einwanderer geivaltig vermeh- ven. Collett verzeichnet die Winter 1901/2 und 1902/3 als jolche Seehundsjahre, wo, gleich- zeitig mit der Sattelrobbe, Weihtvale und Ningelrobben in ungeheurer Zahl in den nord- noriwegijchen Gewäjjern erjchienen. Der Wert des Fanges allein in den Monaten Januar bis März 1903 wird auf 50000 Stronen (= 56000 Mark) angegeben. Ähnliche Wanderungen find auch von der grönländifchen Ktüfte befannt. Die Sattel- tobbe verläßt diefe zweimal im Laufe des Jahres, das erjtemal im März, das zweitemal im Yult, wandert bis in die nördlichjten Teile der Davisjtraße und erfcheint im Mat wieder ın jehr abgemagertem Zujtande, treibt e$ wie zuvor, tritt eine neue Wanderung an und fehrt im September zurüd, um den Winter an der grönländifchen SKüfte zu verbringen. Die Srühlingswanderung entführt in der Negel jäntliche Stüde, wogegen bei der Herbitwanpe- rung einzelne von ihnen zurüczubleiben pflegen, ohne dag man dafür einen Grund anzu- geben vermöchte. Wie weit hinauf nach Norden die wandernden Tiere jich wenden, weiß man nicht, ebenjowenig wie es bis jebt hat gelingen wollen, die tieferen Urjachen der Wan- derungen zu ergründen. Einzelne Schiffer Haben fie mitten im Meere in zahlreichen Scharen dahinfchwimmen jehen, eine ziemlich gerade Linie bildend, die eilfertig in gleicher Richtung jich weiterbewegte, andere jie gänzlich unerwartet an Ktüftenteilen oder auf Eisfeldern ge- troffen, die fie jonft nicht zu befuchen pflegen. Die Wanderungen ändern mannigfaltig ab, je nach der herrfchenden Wärme der Jahreszeit, in der jie ftattfinden, dürften aljo durch jene wenigjtens teilmweife bejtimmt werden, ebenjo twie das zeitweilige Auftreten gemijjer Sattelrobbe: Lebenzmweife. 619 Seetiere, die ihnen zur Nahrung dienen, Einfluß ausüben mag. Für lebteres jcheint zu iprechen, daß die Sattelrobben, wie jchon bemerkt, das erjtemal in außerordentlich mageren Buftande anfommen, wogegen jie beim zweiten Erjcheinen im September fetter jind als je: jie Haben fich aljo offenbar in der Ziiichenzeit reicher Beute erfreut und gemäjtet. Vielleicht hängen auch idre Wanderungen mit der Fortpflanzungszeit zufammen. Um diefe Zeit gerade jammeln fie jich auf einzelnen Eisfeldern zu jenen ungeheuern Scharen, die jelbit die an Mafjen germöhnten Robbenfchläger in Erjtaunen verjegen. Nachdem die Weibchen pafjende Eisfelder ausgefucht, geworfen und jich wieder gepaart haben, werden fie von den Männchen verlajjen. Dieje treiben jich anfänglich längs der Eisränder im Meere umher, fommen dem Beobachter aber bald aus dem Auge, weil jie allmählich von hier verjchtoinden und jich unbekannten Gegenden zuwenden. Nach Angabe Bromwns joll das Weibchen in ver Regel 1, nicht felten aber 2 Zunge, nach Verjicherung erfahrener Nobben- ichläger zumeilen fogar deren 3 zur Welt bringen; leßteres ijt jedoch jehr unmwahrjcheinlich und wird fich, wenn überhaupt begründet, möglicherweife auf einen Beobachtungsfehler zurücführen und dadurch erklären lajjen, daß ein und dasjelbe Weibchen mehrere verwatite Sungrobben bemutterte. Die Jungen werden ebenjo wie die Verwandten in jehr ent- pideltem Zuftande geboren und jind die niedlichiten und Hübjchejten Mitglieder ihrer Zamilie. hr exites weißes Jugendkleid wetteifert an Neinheit der Farbe mit dem fledenlojen Schnee der höheren Breiten, nimmt aber bald eine wundervolle gelbliche Färbung an, welche ihm jedoch leider ebenfalls nicht lange bleibt. Wie jo viele andere Seehunde, jind die jungen Sattelvobben in den eriten Tagen ihres Lebenz jehr Hilflos und vollfommen unfähig, in das Waijer zu gehen, liegen deshalb faugend und fchlafend auf dem jchneebededten Padeije und genießen durch ihr Stleid denjelben Schuß wie andere Schneetiere, indent jie den Augen ihrer Feinde entrücdt werden. Ihre Mütter behandeln fie mit größter Zärtlichkeit, vertei- digen fie auch mutig gegen die Seehundsjäger, welche gerade derartige Junge eifrig ver- folgen. Der Fellwechjel beginnt nach 14 Tagen und dauert 3—4 Wochen. Dann erhalten jie ein geflectes und gejprenfeltes Jugendfleid, welches die Nobbenjchläger veranlapt hat, jie mit Hafen zu vergleichen und fo zu nennen. Jr ihm juchen fie zuerjt das Wafjer auf. Jm Laufe des erjten Sommers ändert jich das zweite Jugendfleid wiederum, injofern die Grund- färbung in ein dunkles Blau auf dem Rüden und ein jchönes Silberweiß auf Bruft und Bauc) übergeht. Sn diefer Tracht werden fie bon den Grönländern „Ugleftof” genannt. Der nächite Wechjel des Stleides nähert diefes nunmehr der Altertracht, welche die Sattelrobbe im dritten oder, tie andere wollen, im vierten bis fünften Jahre anlegt. Dbmwohl diefe Robbe in Eitten und Gewohnheiten ihren Verwandten jehr ähnelt, unterjcheidet fie fich doch in mehr als einer Hinficht und namentlich durch ihre Bewegungen von ihnen. Jhr Gang ift, wie gefangene de3 Londoner Tiergarten gelehrt Haben, gemiljer- maßen ein Mittelding ztwifchen dem Watjcheln der Ohrenrobbe und dem Bauchkriechen Des Seehundes, da fie, objchon in vielen Fällen ebenfalls nach Art des leßteren jich fürdernd, beim Gehen regelmäßig die VBorderflofen zu Hilfe nimmt und al3 Gehfühe benußt. ihre Bewegungen im Wafjer zeichnen fich Durch eine überrafchende Schnelligteit und bejondere Gemwandtheit, vor allem aber durch rajch nacheinander wiederholte Sprünge aus, welche ihren ganzen Körper über das Wafjer jchleudern und die Seeleute berechtigen, jie „Springer” zu nennen. Newton glaubt, daß man die von Zeit zu Zeit immer wieder auftauchenden Berichte über riefenhafte Seejchlangen, welche Schiffer mit Bejtimmtheit gejehen haben wollen, wohl auf fie zurüdführen dürfe. Wie bereit oben bemerkt, orönen jich die 620 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. Gefelffchaften, denen man auf hohem Meere begegnet, fajt regelmäßig in einer geraden Linie, indem eine Gattelrobbe Hinter der anderen herfchwimmt und alle einem Leitttere folgen. Kenn nun das leßtere, wie e3 gern zu tun pflegt, fich einmal um fich jelbjt dreht oder einen Luftiprung ausführt, der es über die Oberfläche des Wafjers wirft, verfahren alle übrigen, wenn jie an derjelben Stelle angefommen find, genau in gleicher Weife. Der Gedante an die Seefchlange drängte ich Newton mit unmiderjtehlicher Gewalt auf, jo oft er Sattel- robben dahinichwinmen jah, und es fehien ihm Dirchaus begreiflich, daß ein gegen alle Nomantif nicht jo wie er abgejtumpfter Beobachter fejt überzeugt fein könne, in der vor jeinen Augen dahinziehenden Schlangenlinie das vielbejprochene fabelhafte Ungeheuer des Meeres zu erfennen. Durch diejes fpielende Treiben und feine wundervolle Beweglichkeit fennzeichnet jich der „Springer“, beitimmter nocd) al durch feinen eifürmigen Stopf, in jeder Entfernung vor anderen Berwandten. Seine höheren Begabungen ftehen mit denen des Seehundes annähernd auf gleicher Stufe: fo wenigjtens läßt da3 Betragen der freilebenden pie der gefangenen fchließen. * Aus der Unterfamilie der Blajencobben (Cystophorinae) fchildern wir zunächit Die Gattung der Mübenrobben (Cystophora Nilss.). Die Klappmüste der Robbenjchläger, Bladdernose oder Bladder der Engländer, Kifnebb der Fimen, Uovjor oder Yatte- nuorgo und Dado der Lappen, Neiterjoaf und Stafortaf der Grönländer, Cystophora cristata Pral., ift eine der größten Robben des Eismeeres, vor allem Fenntlich an einem HYaut- jack, der fich von der Nafe an über die ganze Schnauzendede und den größten Teil des Dber- fopfes erjtrect und willkürlich mit Luft gefitllt oder entleert werden Fan, in erjterem Yalle eine Blafe von 25 cm Länge und 20 cm Höhe bildet und dann vie eine über den VBorderfopf gezogene Müse ausjieht, zugeklappt aber fich einem Stiele vergleichen läßt, der die Naje in zwei Teile feheivet. Nur das erivachjene Männchen, und zivar erjt vom dritten Jahre ab, verfügt über die Blafe. Der Kopf ift groß, die Schnauze die und jtumpf, der Leib dem anderer Nobben durchaus Ähnlich gebaut, auch das vordere Flojjenpaar, in dem die Zehen von der eriten an an Länge abnehmen und deshalb fcharf abgejeßt ericheinen, wenig von dem der Verwandten verjchieden, das hintere, fünflappige außen merklich verlängert, in Der Mitte bedeutend verkürzt, daS vordere Paar mit ftarf gehrümmten, jpitigen, unten aus- gehöhlten, das hintere mit geraden, ftumpfen und feitlich zufammengedrüdten Nägeln be- wehrt, der Schwanz breit und furz. Alte und Junge tragen ein verjchiedenes, die beiden Sejchlechter ein übereinftimmendes, aus langen, etwas aufrecht ftehenden Grannen- und diefen, pelzigen Wollhaaren gebildetes Kleid, das in der Negel auf der oberen ©eite dunfel nußbraun oder fehwarz gefärbt und mit größeren oder Heineren, rumden over eiförmigen Tleden von noch tieferer Farbe gezeichnet, unten aber dunkelgrau oder rojtig jilberfarben gefärbt und flecenlos ijt; Kopf und Flofjen find dunkler als der übrige Leib; die von der Miütbe bevdedte Stelle des Kopfes und die Floffen haben gewöhnlich diejelbe Färbung wie die dunfeln Flede des Felles. Ausgewachjene Männchen erreichen eine Länge von 2,3 bis 2,5 m; die Weibchen, denen die Hautblaje fehlt, bleiben merklich Hinter diefen Maßen zurüd. Das Wohngebiet der Slappmüte ift das Eismeer und der Atlantifche Ozean von Grön- (and und Spitbergen bis nad) Nordamerifa und Europa, wo fie gelegentlich fogar bis Eng- (and und Frankreich nach Süden fommt. Dieje Robbe ift nirgends Häufig. An den Ktüften Srönlands trifft man fie Hauptfächlich in der Nähe großer Eisfelder an, die ihr überhaupt weit öfter al3 das Land zum Auhe- und Schlafplage dienen. Hier bevorzugt fie gemilje Klappmübße. 621 Pläße und erjcheint auf ihnen regelmäßiger als andersivo. Auch jie unternimmt Wande- rungen, die jie weit von den Küften entfernen und bis in die nördlichiten Teile des Eismeeres führen, wird daher an ihren gervöhnlichen und befannten Aufenthaltsorten nur zu gemiljen Beiten des Jahres beobachtet. Sn Grönland trifft jie mit Beginn des Aprils ein und vermweilt hier biS Ende Juni oder Anfang Juli, um jich zu hären, ihr Junges zu werfen und diejes jo weit zu erziehen, daß e3 den älteren auf ihrer Wanderung folgen fan, wahrscheinlich auch, um jich wiederum zu paaren, worauf fie ihre Wanderung nach Norden antritt. Vom Sep- tember bis zum März begegnet man ihr Häufig in der Davdisitraße und der Baffinsbai; hierauf wandert jie jüdlich, und im Juli fehrt jie eingeht wieder zurüd. Klappmüsße, Cystophora ceristata Erxl. 1/25 natürlider Größe. Nach übereinjtimmenden Angaben verjchiedener Berichterjtatter ijt die Mügenrobbe einer der mutigjten und fampfluftigiten aller Seehunde, ihre Jagd deshalb nicht immer un- gefährlich. Broron bezeichnet fie al3 den Löwen der nördlichen Meere, der das Reich der Bolargewäljer nur mit dem mächtigen Walcoß teilt. Zivar macht die Slappmüße, wenn jte auf dem Eije lagert und behaglicher Aubhe fich Hingibt, den Eindrud einer jtunpfen Oleich- gültigfeit gegen alle äußeren Verhältnijje und jchaut mit ihren großen jchwarzen Augen ziemlich geijtlos ins Weite, greift auch ungereizt fein anderes Wejen an, gerät jedoch leicht in lebhafte Erregung und ift dann zum Widerjtande geneigt. Anjtatt bei Ankunft des Robben- jchlägers zu fliehen, erwartet fie die drohende Gefahr, indent jie jich nach dem Mittelpunfte der bon ihr aufgejuchten Eisjcholle begibt, bläft ihren Hautjad auf, jchnaubt wie ein wütender Stier und verjucht, jich des andringenden Gegners, jo gut es gehen will, zu erwehren. Ge- fährlicher al3 ein folches Zujammentreffen auf dem Eije ijt Die Jagd, wie jie von Heinen Booten aus betrieben wird, weil Die angeworfene Mübenrobbe jich nicht allzu jelten auf das Boot jtürzt und den darin figenden Mann zu beißen jucht. Aus diefem Grunde wagen e3 622 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. nur die erfahrenften grönländiichen ARobbenjchläger, fie im Kajak, dem befannten leichten Sagdfahne, anzugreifen, und man zieht e3 im allgemeinen vor, jie auf dem Eije aufzujuchen und die etiva zur Wehr fich ftellenden durch einen Kugelihuß in den Stopf zu töten. Wie unter allen Seehunden finden auch unter den männlichen Müsenrobben während der Taarungzzeit Die heftigiten Kämpfe jtatt. Unter lautem Gebrüll, daS bei ruhigem Wetter weithin vernommen werden joll, die Hautblaje mit Luft gefüllt, greifen fich die eifer- füchtigen Männchen gegenjeitig an und bringen fich oft jehr lange und verhältnismäßig tiefe, faum jemals aber wirklich gefährliche Wunden bei. Während diejer Kämpfe behaupten die Klappmügen jtet3 ein bejonderes Gebiet, da fie die Gejellichaft ihrer Verwandten über- haupt nicht zu lieben jcheinen, namentlich mit der viel häufigeren Cattelrobbe bloß in jehr jeltenen Fällen zufammen gefunden werden. Über die Dauer der Trächtigfeit finde ich feine Angabe und fann deshalb, auf die Angabe von Fabrictus mich jtügend, nur jagen, daß das Weibchen im April 1, in jeltenen Fällen 2 Junge gebiert, die in einem mollartigen Jugend- Heide zur Welt fommen, das braun it mit weißen Haarjpigen. Shre Felle bilden als „Blaumänner” ein wichtiges Handel3objeft. Jim Laufe des erjten Jahres wird diejes Kleid mit dem zweiten vertaufcht, das anfänglich grau ausjieht, allmählich aber eine immer tiefere Färbung annimmt; im zweiten oder dritten Jahre geht das Stleid nad) und nad) in das der Alten über, indem die Farben immer mehr dunfeln und die rundlichen oder eiförmigen lee herbortreten. Sn Grönland oder im Norden überhaupt nubt man die Müsenrobbe in derjelben Weije wie ihre Verwandten; ihr Fang jteht jedoch Hinter der Jagd anderer Nobben mejentlich zurüd, da man in den dänischen Niederlajjungen Grönlandz, jelbit mo die meijten erbeutet werden, faum mehr al3 jährlich 2000 oder 3000 Stüd erlegt. Die Kenntnis der zweiten Gattung der Blajenrobben, der Elefantenrobben (Macro- rhinus F. Cw.), verjchaffte uns zuerft Dampier im Anfang des 17. Zahrhundert2. Mit Sicherheit können wir nur zwei Arten annehmen, die Südliche Elejanten- robbe (Macrorhinus leoninus Z.) und die Nördliche (M. angustirostris Gil), welche haupt- jählih durh Schädelmerfmale unterjchieden find. Db die jüdfiche Art weiter in Lofal- formen zerfällt, ift heute nicht mit Sicherheit zu jagen. Cine von Lydeffer (‚‚Proc. Zool. Soc.“, 1909) auf Grund von Schädelmerfmalen verjuchte Trennung in Unterarten ijt nach Lönnbergs Unterjuchungen (ebendort, 1910) al3 gejcheitert anzujehen. Das Verbreitungdgebiet der füdlichen Art war ehemals gewaltig. M. leoninus be- wohnte alle Injeln und Küjten ziwijchen dem 35. und 68. Grad füdl. Breite. Sie fand ji an der Eüdipige Amerikas und den vorliegenden Jnjeln, auf der Kobinjoninjel Juan Fernandez und an den jüdlichen chilenijchen Küften, too jie vereinzelt nod) vor fünf Fahrzehnten bemerft wurde, ebenjo auf Neujeeland, Tasmanien und vielen anderen in diejen Breiten liegenden Snieln, ift aber an den meiften diejer nordmwärt3 vorgejchobenen Drtlichkeiten bereit3 ganz oder Doch nahezu ausgerottet oder erjcheint dort bloß noch jo jelten und unregelmäßig, daß jich ihre Verfolgung nicht mehr lohnt. Auch wo fie jet noch in ihrem bejchränfteren Ber- breitungsgebiete landet: auf den Snjeln Sterguelen, Südgeorgien, Heard und vielleicht Grozet, erjcheint fie in einer gegen früher faum noch nennenswerter Anzahl. „Öegen- märtig”, jchreibt 8. v.d. Steinen von Südgeorgien jchon anfangs der 1880er Sahre, „Eönnte ein Kobbenjchläger fein jchlechtere3 Unternehmen ausjinnen, als jich zur Clefantenjagd in unjere Joyalbai zu begeben.” Robben II. ı. Mönchsrobbe, Monachus albiventer Bodd. 1/25 nat. Gr., s. S. 613. W. S. Berridge, F. Z. S.- London phot 2. Walroßkopf. S. 630. Aufn. aus C. Hagenbecks Tierpark, Stellingen - Hamburg. 3. €lefantenrobbe, Macrorhinus angustirostris Gill, Weibchen. 1/30 nat. Gr., S. S. 623. — Aufgen. in Guadalupe 1911 von C. H. Townsend-New York. 4. Elefantenrobbe, Macrorhinus angustirostris Gill, Männchen. 1/40 nat. Gr., Ss. S. 623. Aufgen. in Guadalupe 1911 von C. H. Townsend-New York. Beide Aufnahmen werden hier mit Erlaubnis der „New York Zoological Society“ veröffentlicht. Elefantenrobbe. 623 Die Nördliche Elefantentobbe, M. angustirostris Gi (Taf. „Robben II”, 3 u. 4), fam noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in Menge auch an einer Stelle der nörd- lichen Halbfugel vor, und zwar im Stillen Ozean, an der Faliforniichen Stüfte zwischen dem 24. und 38. Grade nördl. Breite, aljo bis jenjeit3 von San Franzisfo. Aber die unabläffige Verfolgung hat nicht bloß bewirkt, daß die Tiere bald fehr unregelmäßig er- ichtenen und ihre Landungspläge ftetig wechjelten, jondern hat auch ihre Anzahl rajch ver- ringert. Seit den fechziger Jahren de3 vorigen Jahrhunderts wurden fie bereits jehr felten. Sie galten nahezu al3 ausgerottet, wenn auch in den Jahren 18850—84 wieder größere Trupps und jpäter immer wieder einzelne Stüde beobachtet wurden, iwie die 14 ©tüd, die Harris 1907 für Nothichild bejorgte. Eine größere Herde von etiva 150 Stüd wurde dann im Sabre 1911 von einem Negierungsjchiff der Vereinigten Staaten von Nordamerika an einer einfamen, unzugänglichen Stelle der Injel Guadalupe (bei Niederfalifornien) wieder entvect. Charles Hasfind Tomnsend, der Direktor des New Morfer Aquarium, berichtet über diefe Tiere in einer durch zahlreiche Photographien nach den Leben gejchmückten Arbeit (‚„Zoologica”, New Work 1912); aleichzeitig werden Makregeln zum Schuß Diejer jonjt ven Untergang gemweihten Art vorgejchlagen. Dieje Falifornischen Elefantenrobben dürften Einwanderer aus dem Süden jein, die gerade an dem nörblichjten von ihnen erreichten Punkt am längjten überlebten. Der Zu- jammenhang fcheint Heute noch Far hervorzugehen. Lydeffer teilt eine Notiz Nothichilds mit, wonach die Elefantenrobben der Snjel San Juan an der chilenischen Stüjte zur gleichen Art gehören, und ferner früher zwiichen San Juan und Guadalupe regelmäßige Wanderungen ftattfanden. Dampier traf die Tiere 1686 noch längs der ganzen merifanijchen Wejtkiite. Die Elefantenrobbe, Nüfjelrobbe oder der See-Elefant, von einzelnen Schif- fern auch wohl Meerwolf, von den Eüpjeeinjulanern Morunga genannt, ftimmt zwar hinfichtlich der Geftalt im allgemeinen mit den übrigen Robben überein, übertrifft aber alle an Größe: ihre Länge, die von verjchiedenen Geefahrern und Robbenjchlägern noch mert- lich überjchäßt worden zu jein fcheint, ift, laut Scammon, mwenigjtens an der Falifornijchen Küfte, bis zu 6,7 m gemejjen worden, obgleich fie in den meilten Fällen nicht mehr als 5 m beträgt. Das Weibchen erreicht etwa die Hälfte der angegebenen Länge, aber noch nicht einmal ein Drittel des Getvichtes, das bei alten Männchen auf mehr als 3000 kg gejchäßt wird; SF. d. d. Steinen bejtimmte in neuerer Zeit auf Südgeorgien Die Länge des aus- gewachjenen Männchen3 zu dDurchjchnittlich 5 m, Die des größten Weibchens zu reichlich 3 m. Der Kopf ift groß, breit und etwas gejtrecdt, die Schnauze mäßig lang, ziemlich breit, nach born zu etivas verjchmälert und fast gerade abgefjtußt, die Oberlippe mit 35 —40 ftarten, bis 15 em langen, dunfelbraumen, in jechs Neihen geordneten Schnurrboriten bejeßt, das Auge verhältnismäßig groß, rund, Fugelig, vorstehend, das Augenlid wimperlos, der Augen- brauenbogen jedoch mit 8 oder 10 borjtenähnlichen Haaren bekleidet, welche die Brauen vertreten, daS außerordentlich Heine, in geringer Entfernung hinter und unterhalb des Auges ftehende Dhr eigentlich nur ein rundliches Loch, das nicht einmal von einem Haut- jaume umgeben wird, die Naje enolich je nach dem Gejchlechte mwejentlich verjchteden. Während diejer bezeichnende Teil beim Weibchen feine ungewöhnliche Bildung zeigt, ber- fängert er jich beim Männchen zu einem Nüfjel, der am Mundtoinfel beginnt und von hier aus etwa 40 cm ich vorftrect, bei Erregung des Tieres aber fat um das Doppelte ver- längert werden Fan. Der Nüfjel zeigt im zujammengezogenen Zujtande drei Querfalten, 624 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. hängt bogig nach unten herab und trägt an jeiner Spige die dann nach unten jich öffnenden Nafenlöcher. Nac) Tomnsend ift der Rüfjel durch und durch fleiihig. Er Fan aljo nicht, wie man früher annahm, aufgeblafen werden, jondern jeine Korm mwird nur durch die Muskulatur verändert, dies allerdings in weitejtgehender Weife. Junge Männchen haben noch) feinen Rüfjel. Der verhältnismäßig lange, aber diefe Hals geht ohne merklichen Abjab in den mafjigen Leib über. Die Borderfüre jind nicht befonders lang, jedoch jehr jtark und fräftig; unter den fünf durch Schwimmhäute untereinander verbundenen Zehen ijt Die Innenzehe fürzer al3 die zweite, Yängjte, von der ab die übrigen allmählich an Länge ab- nehmen; die jehr ftarfen und ziemlich langen fünfzehigen Hinterfüße teilen fich in zwei große und Yange jeitliche und drei Kleinere und fürzere Mittellappen, bilden aljo, da der mitteljte diefer Zappen auch der Fürzejte ijt, tief ausgejchnittene Ruder. An den Vorbder- zehen figen nicht ehr lange, aber jtarfe, jtumpfipisige Krallen, wogegen Die Zehen der Hinterfüße feine Spur davon zeigen. Der Schwanz endlich ift wie bei den meijten Robben fehr Funz und fpigig. Die Färbung des ausjchließlich aus Furzen, ftraffen, ziemlich jteifen und glänzenden, aber nicht glatt anliegenden Grannen bejtehenden Haarkleides ändert nicht alfein je nad) Alter und Gefchlecht, fondern auch nach der Jahreszeit ab. Unmittelbar nad) der Härung herrjcht ein bläuliches Grau, ähnlich der Hautfärbung des Elefanten, vor; jpäter, wenn das Haar feine volle Länge erreicht hat, geht dieje Färbung in Lichtbraun über. Die Unterfeite ift immer heller al die obere, diefer jederzeit aber ähnlich gefärbt. Weibliche Tiere jehen oberjeit3 dunfel olivenbraun, an den Seiten gelbbraun, unten fichigelb, junge im eriten Jahre oben dunfel, jeitlich hell jildergrau, unten gelblichweiß aus; die Schnurren und die Bekleidung der Schwimmhäute Haben dunflere Färbung als die übrige Behaarung. Die Haare jelbt Haben eine jehr eigentümliche Form: fie jind flach und haben die Geitalt eines gleichichenkligen Dreieds, fo daß jie Binguinfedern gleichen. Bei alten Männchen fallen die Haare an der Unterjeite des Haljes aus. Die Haut wird hier did, rijjig und borfig. Sn ihrer Zebensmweije erinnert die Elefantenrobbe an die Seebären und Seelöwen. Auch fie unternimmt alljährlich Wanderungen in ihrem füdlichen Verbreitungsgebiete; Tranfe und Schwache müfjen zurücbleiben, die gefunden reifen jämtlih. In Patagonien fommen jie im September und Dftober, oft jchon im Juni, jcharenweife an und ziehen Ende Dezember wieder in fidlicher Richtung ab; an der Küfte Kaliforniens hielten’ fie jich früher mehr oder weniger das ganze Jahr hindurch auf, ihre Hauptzeit aber umfaßte die Monate Februar bis Juni. Am Lande jelbit bevorzugen fie jandige und Fiefige Streden, treiben jich aber auch im jüßen Waifer umher. Aus der großen Mafje jondern fich Familien, die 2—5 Glieder zählen; jie trifft man ftet3 dicht nebeneinander gedrängt, gewöhnfich im Schlamme oder im Schilfe ichlafend, an. Bei großer Hige Fühlen fie fi), wie Scammon in Kalifornien beobachtete, durch feuchten Sand, in den fie fich einwühlen, und den fie auch mit den Vorderfühen auf den Oberteil ihres Körpers werfen; manchmal ähneln fie mehr Erdhaufen als lebenden Tieren, erinnern alfo auch in diejer Hinficht an die Didhäuter. Auf das Land gehen fie nur, um jich zu paaren, das Haar zu wechjeln und Zunge zu werfen. Und zwar gejchieht dies alles mit jolcher Regelmäßigfeit, daß die Robbenfchläger Danach unterjcheiden: the Pupping Cow Season (Die Kühe fommen, um die Zungen zu fegen), theBrown Cow Season (die Stühe fommen, um das braune Haarkleid gegen das bläufich glänzende zu vertaufchen), the Bulls and Cow Season oder Raarungszeit und the March Bull Season (die Bullen fommen des Haarwechjels wegen). Die Bewegungen der Elefantentobben auf dem Lande find jehr unbeholfen und er- miüden die Tiere in hohem Grade. Um fich fortzubewegen, verfahren diefe Robben nach Art Clefantenrobbe: Lebensweie. 625 der Seehunde, Frümmen und jtreden jich abiwechjelnd und werfen jich bald vorn, bald Hinten auf. Wenn jie jehr fett jind, jchlottert bei jeder ructweifen Bewegung der Leib wie eine mit Gallerte angefüllte große Blaje. Nur eine kurze Strede arbeiten jie fich vorwärts, dann ind fie ermüdet und müljen fich ausruhen; dennoch rutjchen fie in Kalifornien auf 5—10 m hohe Diinen hinauf und erreichen jelbit über jehr unebenen Boden hinweg an 20 m über dem Meere gelegene Pläbe. Von umjerem Tiere in Siidgeorgien jagt K. vd. d. Steinen: „Den Elefanten, der jich der Fräftigiten Beihilfe der platt aufgejesten Hände bedient, jtrengt jchon die geringjte Bewegung ungemein an; 3—4 Nude vorwärts, und die gallertartig er- zitternde Fettmajje jinkt in jich zujammen, ruht fich ein Weilchen aus und rutjcht ächzend weiter, eine tiefe und breite Spur im Sliesgrunde zurüclaffend. 3 ijt fein Wunder, daß alte Rifnarben majjenhaft über den Körper zerjtreut find. m Wajjer freilich, wo jie ziem- lich oberflächlich Schwimmen, tummeln jich die Tiere in freiejter Gemandtheit, und es ijt ein anziehender Anblid, wenn jolch ein Ungetüm, den mächtigen Kopf hoch aufgerichtet, nach einem Landungsplage Umjchau Hält." Beharrlichkeit und Geduld erjegen die ihnen fehlende Behendigfeit. Aus dem Meere aufiteigend, Frabbein jte mühjelig bis zur höchiten Flutmarfe empor, ruhen hierauf aus, jchlafen wohl auch ein wenig, jegen dann aber ihren Weg weiter fort und jcheinen zulegt mit feinem ARuheplage mehr zufrieden zu fein. Im Waffer zeigen jie jich ganz anders. Sie jhwimmen und tauchen vortrefflich, führen rafche Wendungen aus, legen Jich zum Schlafen ruhig auf die Wellen, lajjen jich treiben und jagen eifrig und gejchict ihrer Nahrung, Hauptjächlich Kopffüßern und Fischen, nach. Tange und Steine verjchlingen auch jie. So fand Forjter in dem Magen einer Elefantenrobbe zwölf runde Steine, jeder zwei Fäufte groß, die jo jchiver wwogen, daß er faumt begreifen fonnte, wie die Magenmwände die Lajt hatten aushalten fünnen. Die Sinnesfähigkeiten jollen wenig entiwidelt jein. Auf dem Lande jeden die Elefanten- robben deutlich nur in der Nähe; das Gehör ift jehr jchlecht; Das Gefühl wird durch die Dicke Settlage auf dem Körper abgejtumpft; auch der Geruch jcheint nicht bejonders fein oder icharf zu fein. E$ jind träge, geiftesftumpfe Tiere, die nur jelten aus ihrer faulen Auhe jich aufjtören lajjen. Man nennt fie janft und verträglich, weil man nie gejehen hat, daß jie, ungereizt, auf andere Tiere oder auf einen Menjchen losgegangen wären. Stleine Robben einer anderen Gattung oder friedlich badende Menjchen jchwimmen unbehelligt unter ihnen herum. Bernettyy verjichert, daß jeine Matrojen auf ihnen iwie auf Pferden geritten wären, und fie bei zu langjamem Gehen durch Mejjerjtiche zu Hurtigerem Gang angetrieben hätten. Ühnliches berichten die Gelehrten, die zur Beobachtung des Venusdurchganges die Kerguelen erwählt hatten. Bier Schritt entfernt von ziwei Clefantenrobben Tieß jich Weinef nieder, um die Tiere zu zeichnen, ohne daß Ddieje ihm die geringjte Aufmerkjamteit gewidmet Hätten. Beide Robben fchienen jet zu jchlafen, und nur zuweilen hob die größere von ihnen die Slojjen, kümmte jie gegen den Bauch, um fich zu fraßen oder auch, was am hübjchejten ausjah, um eine Hand mit der anderen zu jchaben. Dabei jchnaufte und puftete fie ununter- brochen, um ihr Wohlbehagen auszudrüden. Die jüngere Robbe erwachte, wandte den Kopf zur ©eite, erblidte jedenfalls etwas ganz Ungewöhnliches, richtete wiederholt halb ängjtliche, halb verwunderte Blide auf den Fremdling, jchmiegte jich, Hilfe juchend, an die Mutter und fonnte die Ruhe nicht wiederfinden. Endlich erwachte auch das ältere Tier, chaute unferen Gemährsmann ebenfalls fragend an, überlegte jedoch nicht lange, jondern wälzte jich Tangjam dem Meere zu. Am Abend desjelben Tages lag die Kleinere Clefantenrobbe wiederum auf der alten Stelle, fie jich, ohne vorher zu fliehen, ergreifen und als Neittier mißbrauchen, Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 40 626 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. itrebte aber Doch mit jolcher Straft dem Meere zu, daß zwei Leute nicht imjtande waren, fie feftzuhalten. Irogdem juchte auch je, nachdent jie Das Meer erreicht Hatte, nicht das Weite, jondern verfolgte neugierig-egutmütig die Störenfriede, jolange jte fonnte. „Gewöhnlich jtterten ung die Männchen“, jchildert K. dv. d. Steinen das Gebaren Der Tiere, „mit aufgejperrtem Rachen an, rührten jich aber nicht von der Stelle. Ein wundervoll tomijches Mienenspiel jtand ihnen zu Gebote, wenn fie uns jo in Dummem Staunen an- Itarrten und dabei unzufrieden die dDiden Najenmwüljte auf und nieder runzelten — auch der ichwarzgalligfte Hypochonder würde jich beim Anblide der Schnurrigen Phnjtognomie be- jonders eines Krummnajigen alten Gejellen eines jchmerzlichen Lächelns nicht haben er- wehren fünnen.“ Die Brunftzeit, die im Süden etwa in die Monate September bi3 Februar fällt, auf Guadalupe aber, nach Townsend, Anfang März beginnt, bringt etivas Leben unter die Tiere. Wütend Fämpfen die Männchen um die Weibchen, obgleich Dieje in größerer Anzahl vor- handen find als jene. Wirter eigentümlichem Grunzen und gurgelnden Lauten, den Rüjjel lang ausgejtrecdt, das Maul weit geöffnet, rücen die tanıpfer aufeinander lo8 und verjuchen nach Möglichkeit jich gegenjeitig zu verlegen. Unempfindlich gegen empfangene Wunden, auch wenn fie ein Auge verloren oder andere Verjtümmelungen erlitten haben jolliten, jtreiten jie bis zur äußerjten Erichöpfung. Die Wunden heilen übrigens jchnell, und nur jelten erliegt einer der Streiter den Zweitämpfen. Alte Männchen find über und über mit Jarben bevect: unter Taujenden findet man faum eins, dejjen Fell nicht durch Bilje zerrijjen wäre. Die Weibchen jchauen jcheinbar teilnahmsios den Kämpfen zu und folgen dem Sieger ohne Widerjtreben in das Meer hinab, wojelbit er jich Durch Liebfojungen vollends Die Gunft jeines Harems erwirbt. Etwas anders jchildert K. dv. d. Steinen derartige Vorgänge: „Den 10. Dezember 1882 bejuchten wir den Noßgletjcher. Geitlich von Diefem war im Gebiete der alten Moräne ein hübjcher Kleiner See, der nur wenige Schritte vom Meer entfernt tft, gerade eisfrei geworden. An jeinem grünen Uferhange lagen neum Clefanten geringerer Größe, und eine Strede abjeits jonnte jich, Die muntere Jugend nicht beachtend, ein altes Männchen. Unter den neun konnte ich vier Männchen und zwei Weibchen umterjcheiden. Acht von ihnen, alle 1,5 —1,75 m lang, glaubte ich, wenigitens die männlichen, auf ein Jahr Ihäßen zu jollen, das neunte, ein Männchen, hatte qut 2 m, jo daß ich ihn entjprechend ein Alter von zwei Jahren gab. Zwei Tiere waren zweifellos Schon im Belt ihres Sommer- pelzes; bei dem einen war diejer elefantengrau mit jchönen jilberigen Glanze, bei dem anderen falt löwenfarbig, bei beiven der Niden dunkler als die Unterjeite. Die anderen, zimi- jchen Shmußigem Grau und Gelbbräunlich chwanfend, erjchienen noch im Wechjel begriffen, und ihre Haut war in breiten Feen tvie mit Woosboden bejeßt. Die Männchen rutjchten liebevoll um die Weibchen herum, während jich dieje ziemlich Falt oder der Ruhe bedürftiger eriviejen. Bejonders einer der Liebhaber jchien auf ernjtliche Abneigung zu jtoßen: mit der aufgeftülpten Hand verjuchte er vergeblich, immer wieder jchnaufend und ausruhend, fich an jeiner Erwählten emporzurichten und tätjchelte fie, vertraulich anflopfend, ohne jie aber günstig zu ftinmen, während feiner Erholungspaufen. Zwei andere begaben jich in den Noränenjee und Durchjichwammen ihn Freuz und quer unter verliebtem Getändel.“ Zehn Monate nach der Paarung, die im Wafjer ftattfindet, gewöhnlich im Juli und Arauft, in Kalifornien, laut Scammon, der fchon im Juni Junge jah, auch zu unbejtimmter Beit, in Batagonien Anfang November, etwa einen Monat nach Ankunft auf den Eilanden, erfolgt der Wurf der Jungen. Dieje, große, jchon 1,3—1,5 m lange und 40 kg jchwere, ganz Clefantenrobbe: Lebensweije. Jagd. 627 ichwarze Gejchöpfe, werden etwa acht Wochen lang von der Mutter gejäugt und jorgfältig gehitet. Während diejes Zeitraumes bleibt die ganze Zamilie auf dem Lande, ohne irgend etwas zu freien, härt jich, daS Weibchen und jüngere Tier früher als das alte Männchen, und bereitet jich jo auf die Paarungszeit und ihre Känıpfe vor. Schon nach acht Tagen find die Säuglinge um 1m länger und um die Hälfte jchiwerer geworden, nach 14 Tagen brechen die eriten Zähne durch, nach vier Wionaten ift das Gebiß volljtändig. Se jtärker und feilter die Jungen werden, um jo mehr magern die Alten ab, welche nur von ihrem Fette zehren. Sn der jiebenten oder achten Woche ihres Alters werden die Jungen in das Meer geführt. Der ganze Haufe entfernt jich langjam vom Ufer und rudert täglich weiter und weiter in das Meer hinaus. Hier vermweilt er bi zur nächiten Paarung und tritt dann eine neue Neije an. Die Jungen folgen der Hauptmafje auf allen diejen Wanderungen, werden aber jcehon nach wenigen Monaten von der Alten verjtoßen. Sm dritten Jahre ihres Lebens ent- yoiefelt jich beim Männchen der Rüfjel; von diejer Zeit an wächjt es nur wenig in die Länge, um jo mehr aber in die Die. Wit 20—25 Jahren joll das Tier in das Greijenalter ein- treten, und die Schiffer behaupten, daß man feins fände, das älter als 30 Jahre wäre. Der Menjch jtellt. dem See-Clefanten itberall nach, wo er ihn findet. Früher waren dieje Robben auf ihren mwüjten Injeln vor allen Feinden jicher; jeitvem aber der euro- pätjche Robbenjchläger, ungefähr jeit Anfang des vorigen Jahrhunderts, ihnen nachzieht, icichts[os auf unter den wehrlojen Sejchöpfen. „Um 12 Uhr mittags“, berichtet Goreal, „ging ich mit 40 Mann ans Land. Wir umtingten die Meermwölfe, und in einer halben Stunde hatten wir 400 von ihnen erjchlagen.“ Mortimers Leute töteten binnen acht Tagen an 1200 Clefantentobben, hätten aber leicht einige taujend erbeutet, wenn fie die Schlächteret fortgejeßt Haben würden. Dieje Angaben gelten für Jagden, die zu Anfang des vorigen Jahrhunderts angeftellt wurden; gegenwärtig jind die Bejtände längjt derart zujammengejchniolzen, daß man jich mit viel geringerer Aus- beute begnügen muß. Um auf jicheren Erfolg rechnen zu können, muß man die einjamen Snjehn an der füdlichen Grenze des Berbreitungsgebietes aufjuchen und dort monate-, ja jogar jahrelang verweilen. Die Ufer diejer vom Menjchen nicht bewohnten Jnjeln, unter denen die Sterguelen als der wichtigjte aller Fangpläße gelten, jtarren von wild zerbrochenen, teilweije unter Wajjer verjtecten Feljenmafjen, welche Die Landung erjchweren, auf weite Streden Hin auch dem Heinjten Schiffe nirgends gejtatten, ziwijchen ihnen mit Sicherheit zu anfern und die im Boote landenden Robbenjchläger jelbit beim ruhigiten Wetter zwingen, in das Wajjer zu jpringen und das Boot fejtzuhalten, Damit es nicht gegen die Feljen ge- jchleudert werde. Cine wütende Brandung umtojt jederzeit die eijigen, felfenitarrenden Küften und überjchüttet jie bei jeder Brije bis zu einer bedeutenden Höhe mit ihrem Schtwalle. Jeicht umjonft nannte Coof Sterguelen die Jnjel der Trojtlojigkeit, und Doch verdient Die Heardinjel noch mehr al3 jenes diefen Namen. Auf Kerguelen gibt es wenigitens Häfen, in denen ein Schiff einlaufen fan; vor der Heardinfel, einem jehr ergiebigen Jagdgebiete, muß das Schiff, das Nobbenjchläger ausjeßt, gerüftet fein, allen, auch den furchtbarjten Stürmen auf der mwildbewegten See zu trogen. Das Schiff, welches die angeworbenen jangleute an ihren Bejtimmungsort bringt, wird ftet3 mit doppelter Bejagung verjehen und in der Regel begleitet von einem fleineren Fahrzeuge, das ald Tender dient. Ber Ankunft bor der njel legt man e3 vor jchweren Ankern feit, nimmt alle Segel ab, birgt jogar Die Nahen im Raume umd bereitet fich jo gut wie möglich auch auf die jchwerjten Stürme vor. Nunmehr erit läßt jich ein Teil der Mannjchaft an das Land jegen, um hier mit der Jagd zu 40* 628 9. Ordnung: Robben. Familien: Seehunde und Waltrojje. beginnen. Sn erbärmlichen Hütten, deren Wände aus Iosgebrochenem Gejtein und deren Dächer aus übergebreiteten Segeln bejtehen, hauft hier die Mannjchaft wochen- und monate- lang in Sturm und Negen, Froft und Schnee, harrt auf die anfommenden See-Clefanten, tötet jo viele von ihnen, wie jte fann, jchlachtet fie aus, verpadt den Sped in Fäljer und wartet günjtige Tage ab, um dieje im Schiffe zu bergen. Jn-den meijten Fällen bleibt auch nach der Landungszeit der Rüljelrobben noch ein Teil der Mannschaft zurüd, mohlverjehen zivar mit allen notwendigen Bedürfnijjen zum Leben, aber doch allen Unbilden der Witterung preisgegeben, um während de3 Winters die Jagd fortzufegen. Landen mehrere Schiffe Nobbenjchläger unter denfelben Bedingungen, jo grenzen fich die verjchiedenen Gejellichaften bejtimmte Teile des Eilandes ab und überwachen die ihnen zugejprochenen Streden mit dem- jelben Eifer wie ein Hochgebirasjäger fein Gem3sgebiet, Helfen fich jedoch in den meiften Fällen gegenfeitig beim Exlegen und HYerwirken der innerhalb ihrer Grenzen gelandeten Tiere. Auf diejen entlegenen Eilanden liefert die Jagd noch heutigestags leidlichen Ertrag, der freilich je nach den Jahren in weiten Grenzen jchwanfen fan. So wurden auf zwei Snjeln der Erozetgruppe im Sahre 1866 fait 2000, ein Jahr jpäter nur 346 Nüfjelrobben erbeutet. Die meiften erlegte man in den Monaten Oktober bis Januar, die wenigjten im Auguft. . Zur Jagd der See-Clefanten bedient man jich fchiverer Steulen und etwa 5 m langer Lanzen mit jtarfen, langen, vorn jpatelfürmig verbreiterten, aber jcharfen Spiben. ©o aus- gerüftet und außerdem mit jchiweren Hinterladern verjehen, verjucht man zwijchen die ge- landete Herde und das Wafjer zu gelangen, verurjacht Hierauf Durch Schreien, Schießen und lonftiges Lautgeben einen möglichjt tollen Lärm und bewegt jich, Gewehre, Steulen und Lanzen jchwingend, langjam auf die Herde zu, die, erjchreckt Durch das ungewohnte Getöfe, fich in der Regel zurüczieht. Sollte, wie e3 nicht jelten gejchteht, ein Männchen fich zur Wehr jegen oder durch die Linie zu brechen fuchen, jo endet eine ihm in das Hirn gejagte Kugel fein Leben, oder eine in das Mauf geftoßene Lanze hält e3 auf und zwingt e8, fich auf den hinteren Teil jeines Leibes niederzulafjen, worauf zwei Mann mit ihren jchweren eichenen Kteulen herbeieilen und e3 durch wiederholte Schläge auf den Stopf betäuben oder töten. Nachdem alle fampfluftigen Männchen abgetan worden find, wendet man fich mit voller Macht der gefamten Herde zu. DasNiedermegeln ihrer Gefährten verurjacht jolchen Schreden unter den Tieren, daß jte alle Befinnung verlieren und übereinander weg Hettern, rollen und taumeln, jall3 es ihnen fonjtwie unmöglich jcheint, fich zu flüchten. Nach Scammons Berjicherung gejchah es in Stalifornien, daß fie fich unter jolchen Umftänden majjenhaft aufeinander warfen und die unten fiegenden buchitäblich erjtickten. Unmittelbar nach der Niedermeßelung beginnt das Abjpeden der Tiere. Mit einem jcharfen Mejjer wird das Fell längs der ganzen Dberfeite des Körpers aufgejchlißt und joweit wie tunlich nach beiden Seiten hin abgeftreift, hierauf die zwijchen 2—18 cm Dice Spedjchicht abgefchält umd in größere Stüde bis zu 40 cm Länge und halb joviel Breite zerjchnitten, jedes einzelne Stüd mit einem Loch verjehen und vorläufig mittels eines jtarfen Stricdes mit anderen zufammen-- gebunden. Nachdem man den oberen Teil abgeftreift hat, dreht man das Tier um und ver- fährt in gleicher Weije wie vorher, das Fell immer als Schlachtmulde benugend. Die ver- ichiedenen Specdbündel werden zufammengefchnürt, an ftarfe Taue befeftigt und jo nach dem Schiffe gejchleppt, wofelbjt man fie zerkleinert und in bejonderen Stefjeln ausfocht, um einen Iran zu erhalten, welcher al3 Schmiermittel Höher al3 der voPWalen gejchäßt wird. Das Ihmwarze, tranige, fat ungeniekbare Fleisch des Tieres hat wenig Wert, das Herz aber wird von den Matrojen gern gegejjen und die Leber von diejen nicht eben verwöhnten Clefantenrobbe: Jagd. 629 Leuten jehr gejchäßt, obgleich ihr Genuß eine unübertoindfiche, mehrere Stunden anhaltende Schläfrigfeit verurjachen foll. Al wahrer Lederbijjen gilt die eingejalzene Zunge. Das frische Fett gilt in den Augen der Schiffer al3 ein treffliches Heilmittel, und weil die Wunden, welche die Robben erleiden, erfahrungsgemäß jchnell vernarben, wenden es die Leute hauptjächlich als Arzuei gegen die Schnittwunden an. Die Furzhaarige, fteife Haut Hiefert vortreffliche Überzüge großer Koffer und ebenjo Pferde- und Kutjchgefchirre, würde aber noc) viel ausgedehntere Berwendung finden, wenn die größten Felle wegen der vielen Narben nicht auch die jchlechtejten wären. BirrmeijterS Angabe, daß die Häute in Chile auch zu Baljas (Schlauchflößen) verwendet würden, it duch Philippi widerlegt worden. Doc fommen Fleisch und Haut dem Sped gegenüber faum in Betracht. Der Sped von einem alten Tier fann einen recht Hübjchen Ertrag liefern: nach Scammon er- gab in Salifornien der von einem jehr jtarfen und jehr fetten Männchen von 5,5 m Länge 210 Gallonen (954 Liter) Tran. Die See-Clefanten werden die Erde nicht mehr lange beleben. Sie fünnen jich vor ihrem graujamen Feinde nicht einmal in die unzugänglichen Teile des Meeres zurüdziehen wie die Wale: jie müjjen ausharren, bis das leßte Stüd der Bertilgungswut des unerjätt- lichen Naubtieres, Menjch genannt, erlegen jein wird. Die erjten und bisher einzigen lebend zu uns gebrachten See-Clefanten, ein aus Sid- georgien jtammendes junges Pärchen, famen 1910 in Hagenbeds Tierpark zu Stellingen. Über ihr Gefangenleben berichtet Oscar de Beaur („Zool. Beob.”, 1911). Sie zeigten fich als ruhige, friedliebende Tiere, die jich gut mit Pinguinen vertrugen und ihren Wärter bald genau fennen lernten. Bemerkenswert ist ihr Vermögen, am Lande die ganze vordere Hälfte ihres Körpers frei in die Luft zu erheben und lange Zeit in diejer Stellung zu verharren. * Die dritte Yamilie der Drdnung, die Walrojje, Odobenidae (= Trichechidae), Itimmt mit den Ohrenrobben Hinfichtlich der Beweglichkeit der Hinterbeine überein, die noch unter den Leib gebracht werden fünnen. Durch geringere Größe von Hand und Fuß eriveijen jich die Walrofje als primitiver, durch das wie bei den Seehunden fehlende äußere Ohr als fortgefchrittener. Eine ganz eigenartige Enttwidelungsrichtung aber nahm ihr Gebiß, indem jich die oberen Echzähne zu mächtigen Hauern ausbildeten, die beim Männchen bis zu 3 kg jchwer und 34 m lang werden fönnen, beim Weibchen etiwas jchwächer find. Auch die im übrigen Gebiß ic) bemerkbar machende Rüdbidung muß als ein jelbjtändiger Erwerb angejehen werden. Denn die uriprüngliche Zahl der Zähne it für Flofjenfüßer jehr voll jtändig, nämlich nach Winge: III, C+, P+M IS, toird aber im Alter reduziert auf I-,CZ,P+M 3, alfo 18 ne: Das Milchgebif mit derjelben Zahnformel tie das AUltersgebiß hat unter den Flojjenfüßern die vollfjtändigite Zahl der Schneidezähne. Schon d. Baer wies 1835 nach, daß die Zamilie mit der einzigen Gattung Odobenus Briss. (Trichechus) zwei ganz getrennte Gebiete bewohnt. Auf Grund geringer Schädel» unterjchiede, größerer Breite des Gejichtsjchädels, längerer und geraderer Stoßzähne, hat man das nordpazifiiche Waltoß, das an den Ktüften von Nordojtajten und Nordivejtanterifa beheintatet ijt, al Odobenus obesus ZZ. von O. rosmarus Z. getrennt. Das le&tere wohnt im nördlichen Bolarneer vom Senijjei über Nomwaja Semlja, Spitbergen und Grönland bis zur Hupdjonbat. Offenbar ijt aber jein Gebiet früher ausgedehnter gewejen. Nicht nur var eg, wie pleijtozäne Nejte aus England, Belgten und Holland bewetjen, gleich jo vielen anderen 630 9. Ordnung: Robben. Familie: Walroffe. nordiichen Tieren während der Eiszeit weit nach Süden vorgedrungen, jondern e3 jcheint nach den Berichten des fchottijchen Gefchichtichreibers Hector Boethius noch im 15. Jahr- Hundert regelmäßiger Gaft an den jchottichen Küften gemwejen zu jein. Heute freilich zeigt fich dort nur felten ein verirrter Befucher, wie in den Jahren 1817, 1825 und 1902. Gelbjt bis land ift, nach Trouefjart, einmal (1897) ein Waltoß gelangt. 1857 wurde e3 an der Stüjte der Hebriden und der Orfneyinfeln beobachtet. Häufiger fommt es noch an die norwegijche Küfte. Collett zählt aus diefem und dem vorigen Jahrhundert 17 jichere Fälle davon auf, darunter natürckich auch die jchon öfter erwähnten Seehundsjahre 1902 und 1903. Auch die pazifische Form ift Stark zurücgedrängt. Soll jie doch bis Mütte des vorigen Jahrhunderts noch zahlreich bei den Aleuten vorgefommen jein, two jte jich heute nicht mehr findet. Das Walroß oder Morje, Seahorje der engliihen, Nosmar der norwegijichen Robbenjchläger, Morsk der Lappen, Amwuf der Grönländer, Diud der Sibirier, erreicht eine Länge bis zu 41% m bei einem Umfang bis zu 3m und einem Gericht, das bis 1000 kg gejchäßt wird. Das Gericht der friichen Haut eines bejonders großen Bullen betrug, nach Dfe Hanfen, 500 kg. Wie bei den Seehunden ift der langgeitredte Leib in der Witte am diefjten, fpitt fich jedoch von hier an nicht jo ftark nach hinten zu wie bei anderen Robben. Aus diefem mächtigen Leibe ragen die Gliedmaßen wie große Lappen nach außen und unten hervor, jo daß jorwohl das Ellbogen- als das Siniegelenk zu erkennen ift. Alle Füße haben fünf Zehen und dieje kurze, ftumpfe Stralfen, die hinter jeder Zehenjpiße liegen. Der Schwanz erjcheint al ein unbedeutender Hautlappen. Allein nicht der Leib, jondern der verhältnismäßig feine, runde und durch zwei fugelig aufgetriebene Zahnhöhlen am Dber- fiefer unförmlich verdickte Kopf fennzeichnet das Walroß. Die Schnauze ift jehr Furz, breit und ftumpf, die Oberlippe fleifchig, nach den Seiten zu bogig, die untere Lippe Dagegen mwulftia. Zu beiden Seiten der Schnauze ftehen in Querreihen von jchtwanfender Arzahl rumde, abgeflachte, hornige, von vorn nach rückwärts an Länge zunehmende Schnurrboriten, von denen die ftärfiten Nabenfederfieldide und bis 10 em Länge haben; ihre Zahl mag etliche Hundert betragen (Taf. „Robben IL”, 2, bei ©. 622). Sie bilden einen dichten, ftarfen Schnurrbart, Freuzen und deden fich vielfach und jtellen dor der engen Mumd- ipalte eine Art Sieb dar, durch dejjen enge Zwijchenräume bei ver Nahrungsaufnahme das Futter gleiten muß. Die Najenlöcher find halbmondförmig, die weit zurücliegenden Augen Hein, glänzend, durch vorragende Lider gejchüßt. Die Ohren, denen jede äußere Muschel fehlt, liegen weit Hinten am Stopfe. Das Weibchen trägt vier Zigen in den Weichen. Die faft gänzlich nadte, jehr dide Haut ift nicht alfein faltig, fondern förmlich fnorrig, zeigt oft auch ausjasähnliche Erhöhungen, die vielfeicht nichts anderes find al3 Narben, herrührend von Kämpfen zwijchen zwei Wal- toffen jelbjt oder folchen mit dem Eisbären, ihrem Hauptfeinde, oder enolich von Schram- men, welche jcharfe Eisfanten eingerißt haben. Ein mehr oder minder lebhaftes Leverbraun ijt die vorherrfchende Färbung der Alten wie der Jungen, obwohl man bei erjteren nicht ielten bemerft, daß das Braun einigermaßen in Grau übergeht. Nach Bromwmns Unter- iuchungen vieler Waltofje beiderlei Gejchlechts und aller Altersitufen gleicht das Weibchen dem Männchen und das Junge beiden Alten. Die Haut des Walrojjes it aber nicht immer nact. Wie Sofolorwsfy mitteilte („Siuungsber. Gef. naturf. Freunde”, Berlin 1908), hatten drei im Dftober in Hagenbeds Tierpark gefommene Tiere ein volles Haarkleid, begannen Anfang November 68 zu verlieren, waren ettva 11, Monat nackt und befamen danach wieder ein neues Haarkleid, das gegen März vollendet war und fich im Juli und Auguft am Walroß. Walrof: Ültere Befchreibungen. 631 vollftändigjten zeigte. Das Fehlen des Haarkleives gerade im Winter hängt wohl damit zu= jammten, daß die Tiere dann ununterbrochen im Waffer jind. Dagegen jind jie Ausgang des Sommers, während der Brunftzeit, viel auf dem Lande, aljo der Kälte in bejonders ftarfem Maße ausgejebt. Nach demjelben Gemwährsmann ijt das Jugendfleid durch längere Be- haarung und lichtere, leuchtend rotbraume Farbe von dem der Alten verjchieden. ir fennen das Waltoß jeit Jahrhunderten durch Bild und Wort, aber freilich weder in jeiner wahren Gejtalt noch hinjichtlich jener Yebensweije. Die alten Bilder, mit denen uns Gesner, Dlaus Magnus, Martens und Buffon beglüct haben, find entweder Aus- geburten einer mehr als lebhaften Einbildungstraft oder erbärmliche Darftellungen zufammen- gedorrter Häute. Einzelne diefer Abbildungen, namentlich das „Seeroß" und die „See= fuh” Gesners, das „ungeheuerliche Schwein des deutjchen Meeres" von Dlaus Magnus, iind wahrhaft ergögliche Erzeugnijje, und jelbit die offenbar nach getrocdneten Häuten gezeichneten Abbildungen, ja jogar das in Buffons Werf befindliche Bild ermöglichen faum eine Borftellung von dem Tiere. Gleichwohl findet jich jchon lange Zeit vor Buffon und Martens eine von Hejjel nach dem Leben gezeichnete, im Jahre 1613 veröffentlichte Abbildung, Die unter Berüdjichtigung der damaligen VBerhältniije wenig oder nichts zu winjchen übrigläßt. Den Bildern entjprechen die Bejchreibungen der älteren Berichteritatter, die ebenfalls weit zurücreichen. Bereits Albertus Magnus gibt eine mit vielen Sagen und Märchen ge- würzte Bejchreibung, der Dlaus Magnus 30 Jahre jpäter faum noch etivas hinzuzufügen weiß. Der eritere jagt, daß in den nordiichen Meeren ein großer Walfiichelefant lebe, der 2—3 Fuß lange, nach unten gerichtete Hauzähne habe, mit denen er jich an die Feljen hänge, um jich emporzubhelfen, und die er auch zum Kamıpfe zu benugen tijje. Die Fiicher nähern jich dem jchlafenden Tiere, löjen am Schwanze das Fell vom Sped ab, jteden ein Seil durch, binden diejes an einen Felsblod und werfen num mit Steinen nach dem Tiere. Wenn es entfliehen will, zieht es das Fell über Schnauze und Kopf, läßt es liegen und jtürzt ins Meer, two e3 jedoch) bald jchivach und Halb leblos gefunden wird. Aus jeinem Leder ver- fertigt man Riemen, welche auf dem Markte zu Köln bejtändig zu verkaufen find. Dlaus Magnus gibt dem Walroß bereits den noch heute gültigen Namen „Mors” und erzählt, daß es mittels jeiner Zähne auf die Gipfel der Feljen wie auf einer Leiter emporjteige und jich bon der Höhe wieder ins Meer wälze, fall3 es nicht, vom Schlafe überrascht, an den Feljen hängen bleibe. Ein Bijchof von Drontheim ließ den Kopf eines Waltojjes einjalzen und jandte ihn im Jahre 1520 an den Bapft Leo X. nach Rom. Diejer Kopf wınde in Straßburg ab- gebildet, und der alte Gesner hat nach ihm eine ziemlich richtige Bejchreibung geliefert. Snzwilchen gaben auch ein Aufje und der Freiherr von Herberjtein, der zu Anfang des 16. Jahrhunderts Faiferlicher Gejandter in Moskau war, eine leidliche Bejchreibung. Sie er- mwähnen 3. DB. jchon, daß die Walroßherden Wachen ausitellen, daß die Tiere ihrer Zähne wegen verfolgt werden, und daß aus diejen Zähnen die Türken, Tataven und Nufjen ge- ihäßte Degen- und Dolchhefte verfertigen. Endlich liefert Martens aus Hamburg, der Ende des 17. Sahrhunderts das Walroß im Eismeere jelbjt zu jehen befam, einen guten und aus- führlichen Bericht, und von nun an mehren fich die Bejchreibungen und vervollitändigt jich unjere tenntnis des Tieres durch die genauen Schilderungen der Xebensweije und der Jagd- arten, die mir Scoresby, Coof, Barry, Kane, Brown, Scammon, Elliott, Nowdenjtiöld, unjeren deutschen Nordpolfahrern und Fangjchiffern verdanten. Vor wenigen Jahrzehnten traf man das Walroß innerhald des umjchriebenen 632 9. Ordnung: Robben. Familie: Walroffe. Berbreitungsgebietes wenigjtens hier und da noch in jehr bedeutender Anzahl, zuweilen in Herden von vielen Taujenden, deren Gewicht nach Berjicherung der Robbenjchläger und Säger große, jonjt hoch über das Waljer hervorragende Treibeismajjen bis zur Oberfläche des letteren herabdrücdte; gegenwärtig jieht man nur unter günftigen Umftänden dann und wann Hunderte auf ein und Derjelben Stelle verjammelt. Noch vor einem Menjchenalter gehörte das Walrof zu den zahlreichjten Trantieren Spikbergens; allmählich ift e3 aber auch dort jeltener geworden, obwohl Stüfenthal und A. Walter im günftigen Sommer 1889 namentlich an der Dftjeite recht viele, fogar mehrere Hundert auf einer Stelle gejehen haben. An der Bäreninjel waren dieje Robben vor mehr denn ziwer Jahrhunderten jo majjenhaft vorhanden, daß manchmal an einem Tage bis an 1000 Stück erbeutet werden fonnten; zu Anfang des vorigen Sahrhunderts vermochte ein Schiffer dort wenigitens während einer ganzen Fangzeit 500—700 Stüd zu erlangen. Seht fommen te dafelbit faum mehr vor. Auch an den jünlichen Streden der Wejtfüfte von Nomwaja Semlja jind fie jegt im Sommer jchon recht jelten, auf der Dftjeite Dagegen noch häuftg. Sn allgemeinen darf man das Walroß als entjchiedenen Küjtenbewohner („Litorale Treibeisform”, jagt Collett treffend) anjehen, der joviel wie möglich die hohe See meidet und, ganz gegen die Art der Robben insgemein, nur jelten ausgedehntere Reifen unternimmt. Alle Walfänger willen, daß jte fich in nächlter Nähe des Landes oder Eijes befinden, wenn lie Walcojje jehen oder im Nebel ihre gleichjam mwarnenden Stimmen vernehmen; denn Die Erfahrung hat jte belehrt, daß die Tiere wenigitens die Örenze des um die Snjeln gelagerten fejten oder angetriebenen Badeijes nicht zu überjchreiten pflegen. Nach Bromwns Anficht zieht das Walroß hHöchjtens von einem feiner Weidegründe zum anderen und zeigt jich einzig und alleın deshalb während der einen Jahreszeit hier, während der anderen dort. Unter Umftänden entjchließt e3 jich aber Doch auch zu weitergehenden Wanderungen. So beob- achtete James MacdBain an der Bondsbucht (Baffinbat) unermeßliche Herden, welche Die- jelbe Straße zogen wie ihnen wenige Tage vorausgegangene Nord- oder Grönlandwale und entjchteden auf der Netje begriffen waren. Biele Stunden lang Schwanmen jie vorüber, Taufende nach Taufjenden, ohne zu rajten, ohne Nahrung zu nehmen, alle in derjelben NRich- tung, dem Eingang des Lancafterfundes zujtrebend. Wenige Tage jpäter war nicht ein ein- ziges mehr zu jehen, ebenfoiwenig wie man vorher eins bemerkt oder auch nur ein Anzeichen jeiner Gegenwart wahrgenommen hatte. Der erjte Eindrud, den das Walroß auf den Menjchen macht, ift fein günftiger. Die ültejten Seefahrer wie unjere heutigen Schiffer und Neijenden finden e3 gleich abjchredend und häßlich. Unjere Nordpolfahrer jagen, daß, wenn irgendeinem Tiere der Name „Un- geheuer” gebühre, Diejes Tier das Walroß jein müfje, ebenjo was fein Ausjehen als was jeine Dämonische Stimme und fein unangenehmes Wejen anlange. Schon der alte Martens, auf den die Walrofje offenbar eine ftarfe Wirkung hervorgebracht haben, gibt ein im all- gemeinen richtiges Lebensbild von ihnen. „Sie liegen”, jagt er, „auf dem Cije, unflätig wie Seehunde in großer Menge und brüllen erfchrödtich. Sie jchlaffen, daß jte jchnarchen, nicht allein auff den Eisfeldern, fondern auch im Wafjer, da man fie mannigmahl vor todt anfiehet. Sie jeynd behergte Thiere, ftehen einander bei biß im Tode, und wenn einer ver- twundet wird, wie wohl die Menfchen in den Slupen das Bejte thun mit fchlagen, jtechen und hauen, tauchen die Wal-Rofje unter Wafjer bei den Slupen, und jchlagen mit den langen Hähmen unter Wafjfer Löcher darein, die anderen ungejcheuet fchwimmen Hart auff die ©lupen, und ftehen mit dem halben Leib aus dem Wafjer, und wollen zu den Slupen ein. Waltoß: Lebensweife. 633 ©&o fie brüllen, und die Menjchen e3 ihnen wieder aljo nachmachen, daß jie wie Dchjen brüffen, wil einer vor dem anderen der erite unter Wafjer jein, und fünnen Menge halber einander nicht weichen, deßmwegen fte jich untereinander beijjen, daß je bluten, und Happern mit den Zähnen, andere wollen den gefangenen Wall-RoE bei der Slupen entjegen, und mil einer vor dem anderen der erjte Dabet jeyn, Da geht e3 wieder an ein Beijjen, Slappern der Zähne und fchrödfiches Brüllen, und weichen auch nicht, weil einer lebet, und jo man ihnen umb der Menge weichen muß, folgen fie den Slupen nach, bi8 man jie aus dem Gejicht ver- lieret, weil wegen der Menge jte nicht jo hart chwimmen können, und einer den anderen hindert, daß fie zu den Slupen nicht gelangen fünnen, tie toirs erfahren vor dem Weihegat in Spitsbergen, da jte jich je länger je mehr verjammelten, und die Slupen rinnend machten, daß mir ihnen weichen mußten, jie folgten ung fo lange, als wir je jehen fonnten.“ So hurz die Schilderung des alten Geefahrers ift, jo trefflich fennzeichnet jie dag Walroß. Stein ein- ziger von den jpäteren Berichterjtattern mwiverjpricht Martens, und alle, auch die beiten Beobachter, wijjen ihm verhältnismäßig wenig hinzuzufügen. Das Leben der Dorje jcheint ein jehr einfürmiges zu fein, vielleicht jchon aus dem Grunde, weil die Erbeutung ihrer Nahrung ihnen weniger Mühe verurjacht und weniger Beit fojtet al3 anderen Robben. Jin furze Worte zufammengefaßt, läßt fich über ihr Tum und Treiben im Laufe des Tages und Jahres etwa folgendes jagen: Se nach der Bejchaffenheit der Küjte vereinigen jic) mehr oder minder zahlreiche Ge- jelfjchaften der Tiere, und zwar follen die eriwachjenen in gejonderten Herden leben, aljo die Männchen mit ihresgleichen, die Weibchen mit ihren jäugenden Jungen fich vereinigen. Ein einziges Eisfloß trägt, wie unfere Nordpolfahrer jagen, oft 20 und mehr Walrojje. Zhre dunfeln Leiber lagern dicht nebeneinander, wobei der Stopf, der langen Zähne wegen, zur Seite geneigt ift oder auf dem Leibe des Nachbars ruht: „jo pflegen fie, von dem monate- langen Anblide der Sonne oder dem raufchenden Einerlei der Brandung gelangweilt, den größten Teil ihres Dafeins zu verjchlafen”. Nicht allzufelten begegnet man einer Gejellichaft, die fich auf einem fchwimmenden Eisfelde gelagert hat und mit demjelben gemächlich treibt, anjcheinend ohne fich viel um die Richtung der Neife zu Fümmern. Unter den jchlafenden Walrofjen hält ftetS mindeftens eins Wache und ermwect bei Wahrnehmung einer Gefahr Die übrigen durch Ausftoßen feiner Fräftigen Stimme, laut Scammon, nötigenfalls auch durch einen gelinden Stoß mit den Hauzähnen, worauf die ganze Gejellichaft jich entweder zur Flucht oder zur Verteidigung rüftet. Da, wo das Walroß den Menchen noch nicht Tennen gelernt hat, erregt ein fremdes Schiff faum die Aufmerkfamfeit der Wache oder der Herde überhaupt, und nicht einmal ein Kanonenfchuß ftört fie, weil alle an das Stnallen gewöhnt find in den nördlichen Meeren, two das Ei unter donnerähnlichem Getöje oft auf weite Streden Hin birft. Auch fommt e8 wohl vor, daß ein ihnen geltender Schuß Jte nicht aus ihrer Ruhe fchredt; fchiwerlich aber dürfte die Angabe einzelner Berichterjtatter richtig fein, daß die Tiere, jelbjt wenn fie verwundet wurden, nur überrafcht fich umjehen und bald darauf wieder zur Ruhe niederlegen follen. Allerdings lafjen jte fich, wenn jie einmal auf dem Lande oder dem Eife liegen und jchlafen, ungern jtören, und eS Tann nach dem, was bon anderen Robben befannt geworden ift, nicht überraschen, daß fie jich zeitweilig wirklich tage- oder wochenlang nicht von der Stelle rühren: die Mehrzahl der Nordpolfahrer, Wal- fänger umd Robbenfchläger ftimmt jedoch darin überein, daß die Walrojje eine ernftere Be- helfigung jederzeit mit ebenfoviel Mut wie Nachdrud von fich abzumeijen juchen. Hinfichtlich ihrer Bewegungen jcheinen jie am meijten mit den Ohrenrobben 634 9. Ordnung: Robben. Familie: Walrojje. übereinzujtimmen. Auf dem Lande fördert jich das Waltoß jchwerfällig und ungejchiet, aber doch noch gehend, nicht Frtechend, indem e3 die Füße gleichzeitig übers Streuz bewegt und jic) nur darin von anderen, ebenjo gehenden Tieren unterjcheivet, daß es am Borderfuße Die Zehen, am Hinterfuße aber die erje nach vorn richtet. Beim Erffettern jteiler Cisblöde joll es jtets jene beiden langen Edzähne zu Hilfe nehmen, mit.ihnen in Stlüfte und Spalten fich einhafen, den jchweren Leib nachziehen, hierauf den Hals von neuem ausjtreden und fo fortfahren, bi8 es die gewünschte Yagerjtelle ertlommen hat. Als notwendige Hilfsmittel zum Sehen fan man bejagte Zähne jedoch faum betrachten, da die nicht minder jchiwerleibigen Ihren- und Rüfjelrobben auch ohne jolche ähnliche Wege zurücklegen und ebenjogut wie jenes Höhen von 10—15 m und darüber erflimmen, um hier im Strahle der Sonne jich zu reden und zu dehnen. Eher noch halte ich es für wahrjcheinlich, Daß das Walroß fich mit Hilfe der Hauzähne einen Weg durch das Treibeis bahnt und jene Dabei zumeilen ausbricht oder Doch jtark bejchädigt; aber auch einer jolchen Ausnugung der Zähne jcheint eine Angabe unjerer Nordpolfahrer zu mwiderjprechen. Dieje heben wohl die außerordentliche Straft des Tieres hervor und behaupten, auf ihre Beobachtungen gejtügt, daß es, von unten aufjtoßend, bis 15 cm dies Eis zu zertrümmern vermöge, gedenken jedoch der Mithilfe der Zähne bei jolhem Unternehmen mit feiner Silbe. Es ift nicht unmwahrjcheinlich, Daß das Tier jich Durch derartige Straftanftrengungen auch die Atemlöcher bildet, die es ebenjoqut wie die anderen Nobben benußt und offen hält: Brown wenigjtens bemerfte im Eijfe um dieje Köcher herum mehr jtrahlenförmig auslaufende Sprünge, als man bei den Atentlöchern der übrigen Robben wahrzunehmen pflegt. Dagegen benugt es die Hauzähne jicherlich zum Aufwühlen des Srundes, wenn e3 nach) Nahrung jucht, und wendet jie auch bei der Verteidigung an, wobei e3 jogar manchmal mit ihnen die Planfen eines Bootes durchichlägt. Vom Lande ins Wajjer begibt jich das Walroß, mmwent es über abjchüjjige Stellen gleitend rutjcht, oder indem es ich, wie andere Robben auch, mit einem Sprunge in die Fluten ftürzt. Hter nun Ihwimmt es nach Art feiner ganzen Bertvandtjchaft ebenjo rajch und behende dahin, wie es ih auf dem Lande oder Eije langjam fördert, taucht in beträchtliche Tiefen hinab und it imjtande, jicherlich mehrere Winuten unter Wajjer zu veriveilen. Jim Schwimmen überbietet das Tier jedes Auderboot und betätigt dabei auch eine faum ermattende Ausdauer. Die Stimme gleicht bald dem Blöfen einer Kuh, bald dem tiefen, rauhen Bellen eines Hundes, geht aber im Zorn in ein fürmliches Gebrüll über. Während der Baarungszeit vernimmt man die Stimme jo weit, daß Kapitän Cook und jeine Leute bei Nacht und Nebel dadurc) immer auf die Nähe der Kite aufmerkjam gemacht wurden und das Schiff vor einem Zu- Jammenftoß mit dem Gije behüten fonnten. Über das geiftige Wefen der Walrofje läßt fich nach den bis jeßt vorliegenden Beobach- tungen jchwer ein Urteil fällen. Bon der Schärfe ihrer Sinne jagt Pechuel-Loejche: „Das Seficht ift jchlecht, das Gehör jchon weit bejjer, aber ausgezeichnet entiwidelt ijt ihr Oeruchs- jinm, denn fie wittern den Menfchen unter günftigen Umständen mindejtens auf mehrere Hundert Schritt, wenn nicht noch weiter; man muß deshalb, will man fie bejchleichen, jehr jorgfältig auf den Wind achten.” So gleichgültig jich das Walroß beim erjten Yujammen- treffen mit dem Menjchen zeigt, jo bald ändert es, infolge gefammelter Erfahrungen, jein Be- tragen, und jo tatkräftig tritt es alsdann dem Gebieter der Erde entgegen. Unter den hervorragenden Eigenjchaften ijt nicht allein die allen Robben eigene Neugier, jondern auc) ein für Flofienfüßer ungewöhnlicher Mut zu verzeichnen. Won jener Furcht, welche die viejenhaften See-Clefanten bejchleicht, wenn ihr gefährlichjter Feind, der Menfch, fich ihnen Walrog: Verhalten untereinander. Nahrung. 655 gegenüberitelft, twijjen die Walrojje nichts, nehmen es vielmehr ohne Bejinnen auch mit wohl- bewaffneten Leuten auf. Wie mit ihren Feinden kämpfen jie auch unter jich auf das hef- tigjte, jedoch num während der Baarungzzeit, die in die legten Sommermonate, Ende Sep- tember und Anfang Dftober, zu fallen pflegt. Dann treffen Männchen und Weibchen zu- jammen, und es finden gewaltige Anjammlungen auf dem Lande ftatt, wo jich die Paarung vollzieht. Um dieje Zeit brüffen und toben die Männchen nicht allein zu jeder Stunde de3 Tages, jondern greifen jich auch gegenjeitig an und reifen mit den Zähnen fo tiefe Schram- men in das Fell des Gegners, daß jie zumeilen einen faum weniger abjchreefenden An- blie gewähren als andere infolge ihrer Zmweifänpfe zerfeßte Nobben. Kach ungefähr zoölfmonatiger Tragzeit bringt das Weibchen jein einziges Junge zur Welt und gibt jich demjelben nunmehr mit treuefter Pflege hin, jorgt in aufopfernder Weife für jeine Ernährung und Crziehung und verteidigt es bei Gefahren mit allem Mut und Sngrimm, dejjen jein Oejchlecht fähig tft. Solange wie möglich jucht es jich und jein Kind allerdings der Gefahr zu entziehen, packt, wenn es eine jolche wahrnimmt, das Stleine mit der Borderflojje und jtürzt jtch mit ihm ins Meer, nimmt es hier auf den Rüden, um e3 in diejer Werje bejtmöglichit zu jichern, und tritt nunmehr jedem Feinde mit Todesverachtung gegen- über. Das Stleine hängt innig an jeiner Mutter und verläßt jie auch im Tode nicht. Tötet man das Junge, jo hat man auf den zähejten Widerjtand und grimmige Wut jeitens der Alten zu rechnen. Gelbjt wen eine Herde weiblicher Waltojje in die Flucht gejchlagen werden jollte, tauchen die Mütter von Zeit zu Zeit unter Gebrüll aus der Tiefe auf, jchtoim- men nach ihren getöteten, auf den Wellen treibenden Jungen hin, erjajjen fie und ver- jchwinden mit ihnen unter dem Wajjer. Erlegt man eine mit ihrem Sprößling getrennt bon der Herde jchwimmende Walrogmutter, jo ergibt jich das Junge widerjtandslos jeinen geinden, Fann jich wenigitens nicht entichliegen, die Alte zu verlaljen. Kapitän Williams, ein alter, wohlerfahrener Walfänger und NRobbenjchläger, tötete ein weibliches Walroß und ichleppte es am Boote dem an 4 km entfernten Schiffe zu. Das Junge folgte dem Leich- name bis zum Fahrzeuge und gab jich, als man die Beute an Bord bringen wollte, die größte Mühe, auch dahin zu gelangen. Als man ihm eine Schlinge um den Leib gelegt und es ebenfalls an Bord gebracht Hatte, watichelte es augenblicklich auf jeine tote Mutter zu, erkletterte deren Rüden und verweilte hier, bis man es zwang, jich wiederum ing Meer zu jtinzen. Aber auc) jebt noch blieb es, laut Flagend über den Berluft jeiner Erzeugerin, in der Nähe des Schiffes. Die Nahrung it eine jehr gemifchte. Sie beiteht vorwiegend aus Strultageen (Sclero- erangon), Mujcheln (Saxicava, Mya, Cardium), Gephyreen (Priapulus caudatus) und an- deren niederen Tieren, die jich im Schlamme und am Fuße des Eijes anjtedeln. Dieje Kahrungstiere werden hier mit Hilfe der Stofzähne losgelöft, mit den Schnurrborjten zujammengefegt und eingejchlürft, wobet die leßteren als Saugapparat dienen, wie Sofo- (omsty jchreibt. Dieje von manchen bezweifelte Angabe Sofolomwstys jcheint durch die älteren Beobachtungen Mar Schmidts („Zool. Garten”, 1885) beitätigt zu werden. Dort heißt es über die Nahrungsaufnahme des Walrofjes: „Es nimmt jein Zutter nicht in der Weije auf, daß es dasjelbe mit den Lippen ergreift oder mit dem Maule aufjchnappt, jon- dern dasjelbe mit einem Luftitrom einzieht, wobei ein jcehlürfender Ton entiteht." Wurden ıhm die Nahrungsbroden in einem Stübel gereicht, jo „war namentlich jehr deutlich zu be- merfen, wie e3 jic) bemühte, durch Hin- und Herichteben mit der Schnauze jedes Stüd in eine geeignete Lage vor die Mauljpalte zu bringen, und wie e3 Dann dasjelbe mit einem 636 9. Drdnung: Robben. Familie: Walrojje. ichnaßzenden Tone einjog. Wenn es im Wajjer war, drücdte es nicht jelten den Schnurrbart an die najje Wand des Bedens und jchlürfte dann die Flüjjigteit ein, over es machte der- artige Verjuche auf dem Boden jeines eben entleerten Behälters. Auffallend it, wie genau jich hierbei der Schnurrbart der Fläche anpaft." Während ihrer Wanderungen oder wenn jonft Mangel an ihrer gewohnten Nahrung eintritt, nehmen, die Waltojje auch Fiiche, ja fie jollen fich fogar an Weigwale und Seehunde machen. "Lebtere Angabe wurde neuer- dings von Hansjch beitätigt. („Sibber. Gejellich. Naturj. Freunde”, 1913.) Für die hHochnordiichen Völferjchaften, zumal für die Esfimos, hat das Walcof ebenjo große Bedeutung wie die Seehunde, und nicht jelten zieht die Unmöglichkeit, wegen zu- nehmender Bereifung der Stüfte des Tieres habhaft zu werden, den Untergang der arın- jeligen Leute oder doch Hungersnot nad) jich. Die Jagd auf Walcofje bleibt jelbit für dei wohlbemwaffneten Europäer ein nicht immer gefahrlojes Unternehmen. Die Mitglieder der zweiten deutjchen Nordpolfahrt Hatten Gelegenheit, fich zu überzeugen, daß Walrojje unter jungen, noch minbem Cije genau beobachten, die Richtung und Entfernung jehr wohl ab- zumejjen verjtehen. Bei der Schlittenreije nach der Claveringinjel wurden die Nordfahrer in dem von ihnen entdecten Tiroler Fjord durd) einige Walrojje, welche wiederholt Dicht vor ihnen durch das Eis brachen, nicht allein erjchrect, jondern in haftige Flucht getrieben. „jeder Verjuch, jich zu verteidigen”, jchreibt Bayer, „wäre jinnlos gewejen. Aber die Wal- rofje jchwammen ebenjo rajch unter dem Eife nach, brachen neben uns durch dasjelbe und trugen offenbar Verlangen, in unjerer Gejelljchaft zu jchwinmen, — eine Zumutung, die ebenjo fomijch und ungerechtfertigt wie unheimlich war, und die jie uns durd) ihre halb grunzende, halb puftende Sprache vergeblich anempfahlen. Wir zerjtreuten und möglichit und liefen eiligit über den verdichteten Eisjchlamm, Durch welchen der Stocd überall jtieß, indem wir die lichteren, mutmaßlich verläßlicheren Bartien aufjuchten, verfolgt von dem Naujchen und Brajjeln der ducchbrechenden Ungeheuer. Wer verjanf, fonnte unmöglich) herausgezogen werden. Zum Glüd befreite uns endlich eine Dede alten Eijes vorn der Zudringlichkeit unjerer Verfolger.” Am Strande oder auf einem Eisfelde gelagerte Walrojje jind allerdings wenig zu fürchten, weil ihre Unbehilflichfeit erfolgreiche Angriffe verwehrt, aber im Wafjer zeigen jte ihre volle Gewandtheit und Stärke. Unglüdsfälle bei der Jagd im Wafjer find nicht felten: alte Nobbenjchläger oder Nordfahrer wiljen von jolchen wie von der NReizbarfeit und NRac)- jucht der Walrofje genug zu erzählen. Gelegentlich greifen dieje mutigen und unerjchrodenen Jobben jogar ohne alle Beranlafjung an und zwingen die Schiffer zu unfreiwilligen Kämpfen. Bon unjeren Nordpolfahrern geben Hiervon Bayer und Copeland eine ebenjo lebendige wie anjchauliche Schilderung: „Exrblict ein folches Ungeheuer ein Boot, fo erhebt es ich verwundert über die Wafjerfläche, beginnt jofort den Lärmruf, ein ftoßmweile fortgejegtes Bellen, und chiwimmt jo rajch wie möglich auf das Fahrzeug zu. Seine Rufe loden andere herbei, wecden die Schläfer, an welche mit dem Boote anzuftoßen forgfältig vermieden wird, und in furzer Zeit zieht dem Heinen Fahrzeuge eine Menge diejer Ktolojje tobend und mit jcheinbarem oder wirflichem Grimme nach. &3 mag fein, daß die Tiere dabei nur von Neugierde geleitet werden; allein die Form, in welcher fie diefe zum Ausdrude bringen, wäre dann recht unglüdlich gewählt, und e3 liegt der Verdacht jehr nahe, Daß jte daS Boot, um e3 gründlich fennen zu lernen, umftürzen wollen. Man muß aljo zur Scampfbereitjchaft jchreiten, zumal man bald die Überzeugung gewinnt, ihnen auch durch das fchnellite Rudern bon fünf Mann nicht entfommen zu fünnen. Die brüllende, jprißende und tauchende Walrof: Jagd. 637 VBalroßherde ift nunmehr wenige Schritte vom Boote entfernt. &3 fallen die eriten Schüfje, und diefer Augenblid entflammt ihre Wut. Ein wilder Stampf beginnt, in welchem die einen den greulichen Sphingen mit Irten auf die Bruftflofjen jchlagen, weil fie mit ihnen das Boot umzumerfen und zu zertrimmern drohen, die anderen fich mit Spießen verteidigen oder mit der Schneide der Ruder Hiebe auf die riejtgen Didjchädel führen oder endlich fehtwer verdauliche Pillen in den weit aufgejperrten Abgrund der ununterbrochen brülfenden Rachen jenden. Ein wüjtes Gejchrei erfüllt die Luft; Boot und Verteidiger Fimpfen mit dem Gleich- gemwichte; das Wajjer jchäumt und gelangt in hejtige Bewegung; neue Ungeheuer tauchen plößlich empor oder jchroimmen heran; andere jinfen, tödlich getroffen und die Wajjerfläche mit ihrem Blute färbend, in die Tiefe. Die drohende Gefahr, daß das Boot durch die Wucht eines mit den Zähnen über die Bordivand jchlagenden Walrofjes umgerijjen oder jchwer be- jchädigt werde, vermag oft nur tödliche VBermundung des Anführers Diejer ebenjo tapferen tie ausdauernden Tiere zu bejchwören. Der Schuß in den Nachen ift in jolchen Fällen der einzig anmendbare; denn der Stopf erjcheint mit Ausnahme der Augenhöhlen unverleglich, und Berwimdungen am Körper find fat wirfungstos. Dft lajjen die Tiere, durch irgend- einen Umjtand erjchrecdt, plöglich vom Stampfe ab, tauchen jprigend unter und exit in einiger Entfernung wieder empor, wenden die häßlichen Köpfe zurück und erfüllen dann die Luft abermals mit ihrem Nachegeheul.” Daß dieje Schilderung in feiner Weije übertrieben ift, wird durch verjchiedene Zeug- nijje anderer glaubwiürdiger Berichterjtatter verbürgt. „Das Walroß", jagt Scoresby, „it ein unerjchrodenes Tier. Ein Boot, welches jich ihm nähert, betrachtet e3 neugierig, aber nicht furhtjam. Nicht immer fann der Fang im Wajjer ohne Gefahr ausgeführt werden. Der Angriff auf ein einziges zieht gewöhnlich alle übrigen zur Verteidigung herbei. Sn jolchen Sällen verjammeln jie jich rumd um das Boot, von welchem der Angriff gefchah, Durchbohren jeine Planfen mit ihren Hauzähnen, heben jich bisweilen, wenn man auch noch fo nachdrücklich wiperjteht, biS auf den Rand des Boote3 empor und drohen diejes umzumerfen. Die bejte Ber- teidigung in jolcher Oefahr 1jt Seejand, welchen man den wütenden Tieren in die Augen wirft; er nötigt jie gewiß, fich zu entfernen, während man die Büchje oft veraeblich gebraucht.“ Der Anblid der wütenden Seetiere ijt Höchit jeltfam und manchmal furchterregend. hr fteifer Hals vermehrt es ihnen, fich mit Leichtigkeit umzufchauen; aber die Beweglichkeit ihrer Augen erjegt diejen Mangel, und fie verdrehen leßtere jo arg, daß ihr Blid Dadurch etwas ungemein Abjchredendes erhält. Auch Brown, dejjen Angaben durchaus verläßlich ericheinen, bejtätigt die vorjtehenden Berichte. „Einft“, jagt er, „befand ich mich jelbjt in einem Boote, von welchem aus ein einzeln auf einem Eisblode fchlafendes Waltoß Harpu- niert wurde. Unmittelbar darauf tauchte es in die Tiefe hinab, aber auch jofort wieder auf und ftieß, ungeachtet unferer Abwehr mit Lanzen, IUrten und Büchjen, feine Zähne wütend in die Seite de3 Bootes, jo daß wir nichts Eiligeres zu tun hatten, al3 die Wurfjpießleine zu fappen, und von Glüd jagen konnten, daß wir imfjtande waren, uns auf dasjelbe Eisjtüc zu retten, welches das Walroß eben verlajjen hatte. Zu unjerem Heile war das Tier groß- mütig genug, und nicht weiter zu verfolgen, jondern entfernte fich unmillig grungzend, Die in jeiner blutenden Seite ftedende Harpune nebjt der Wal-Leine mit jich jchleppend.” Auch Lamont hat derartige Kämpfe bejtanden. Unjere Nordpolfahrer fügen ihrer Schilderung nocd) einige Belege Hinzu. So entging eins ihrer Boote nur mit Mühe und Not der Zer- trümmerung durd Waltojje; jo wurde ein anderes, dem es, vor einer verfolgenden Herde flüchtend, gelang, nach dem Strande einer Snjel zu entkommen, dajelbit, objchon nur für 638 9. Ordnung: Robben. Familie: Walrojje. furze Zeit, förmlich belagert. „se länger man unter diefen Tieren lebt, um jo mehr gewöhnt man es fich ab, fie in ihrem Clemente, dem Wafjer, jelbjt anzugreifen, es jet denn, daß irgend- ein zivingender Umftand, Nahrungs- oder Olmangel, dies erheifchte.” Auch ift es unter allen Umftänden ratfan, bei Bootfahrten jich ausreichend mit Schießbedarf zu verjehen, um jich gegen derartige Angriffe jichern zu Fünnen. Nach PBechuel-Lvejche wäre es aber ganz faljch, em daß Derartige Kämpfe fortwährend zu bejtehen jeien; jte jind viel mehr als Ausnahme denn als Regel zu betrachten. Häufig genug mag auch das allerdings ziemlich ungejchlachte Treiben des Tieres als eine Bedrohung aufgefaßt werden, während es tatjächlich durchaus harmlos ift. Walrojje jind jehr neugierig und gar nicht jelten geben jte, ganz jo wie Flußpferde in Aftifa, in größerer Anzahl einem Boote auf weite Streden das Öeleite, wobet fie dann pruftend und grungzend oftmals in unmittelbarjter Nähe auftauchen, jich wohl auch hoch aus dem afjer erheben und die Leute im Fahrzeuge anglogen. An windftillen Tagen und bei einer zwijchen dem Eife fpiegelglatten See ift diejes Schauspiel, wobei man die Tiere in aller Muße beobachten fann, im höchiten Grade anziehend, bei diem Wetter und bewegter See auch überrajchenn, weil alle Bewegungen dann heftiger jind und die Begleiter oft recht jäh und unerivartet aus dem Wajfer fahren; aber es fällt doch feinem ein, der mit dem nordiichen Tierleben vertraut üt, ein jolches Begegnis ohne weiteres für einen gefährlichen Angriff zu halten. Der erfahrene Fangjchiffer oder Weidmann urteilt über derartige Vorgänge oft ganz anders als der, welcher nicht Zäger it. Die Tiere Haben vielmehr ihr Vergnügen daran, dem Boote nachzu- ziehen, die fremden Eindrinalinge zu muftern, und Denken gar nicht daran, ihnen etwas zuleide zu tun; etivas ganz anderes tft es wieder, wenn ein angejchojjenes oder harpuniertes Walroß fich wehrt. Nordenjfiöld bejtätigt Dieje Auffaljung: „Öejelligfeit und Neugierde jcheinen Hauptcharakterzüge der Walrojje zu jein. Dieje ihre Eigenjchaften Habe ich Gelegenheit gehabt zu beobachten, als ich einst an einem ftillen, herrlichen nordischen Sommertage über das jpiegelblanfe, mit Treibeis bejtreute Meer mitten zwijchen einer bedeutenden Herde diefer Tiere hHindurchfuhr. Ein Teil derjelben folgte dem Boote ein langes Stüd in aller Triedlichkeit, dann und warın einen grunzenden Yaut von jich gebend; andere jchwammen ganz nahe an das Boot heran und erhoben fich Hoch aus dem Wajjer, um die Jremdlinge in Augenschein zu nehmen, und wieder andere lagen jo dicht gepackt auf Dem Treibeile, daß diejes bis an den Nand im Wafjer verjenkt lag." Ferner werden beim Betriebe der Jagd häufig mehrere Waltojje nacheinander von ein und Demjelben Boote aus Harpuniert und ichleppen es hinter jich her, ohne eine Gegenwehr zu verjuchen, jelbjt wenn fie dann der Keihe nach aus größter Nähe mit Lanze und Bürchje getötet werden. Cine Gefahr tritt dann ein, wenn die harpunierten Tiere nicht alle in der nämlichen Richtung ziehen, jondern wenn eins oder das andere jeitlich Davon abweicht, weil danır das Boot durch die Leine zum Ktentern gebracht werden fannz um dies zu verhüten, muß man wohl jogar die Zeine fappen, wenn das ausbrechende Tier noch nicht ermattet und bejonders jtarf ift. Da jowohl das bloß veriwundete als auch das Durch einen Lanzenftoß ins Herz oder durch eine Kugel ins Gehten unmittelbar getötete Waltoß fogleich veriinft und umvettbar verloren geht, it e8 jogar Die Hauptaufgabe, exit zu harpunieren, damit man es auf alle Fülle zunächit an der Leine hat. Dabei ereignet es fich denn auch, daß eines oder das andere Tier jenen Berfolgern zu zeibe geht, wie es auch Süfenthal und U. Walter bei Spigbergen erlebten: ein gereiztes Lalroß jchlug feine Hauzähne durch die Bootswand und durch das Seitenbrett einer Dicht daneben ftehenden Stifte, richtete aber feinen meiteren Schaden an. Die genannten Waltoß: Jagd. 639 Gemwährsmänner jind übrigens der Anficht, daß vorwiegend die jungen, übermütigen Wal- roßbullen zur Gegenwehr neigen. Wenn man die erhoffte Beute auf Eisjchollen jchlafend überrascht, werden im legten Augenblice der Annäherung die Riemen eingenommen, die Boote geräufchlos angelegt, und die Jäger betreten die Scholle im Rüden der Tiere. Kaum erblidt eins davon die Feinde, jo richtet eg den Kopf in die Höhe, wedt alle anderen auf, und die ganze Herde drängt nun, die Jungen mitjchtebend, unaufhaltjam gerade vor zum Schollenrande und ftürzt fopfüber in das Waller. Nur dieje Zeit bleibt den Jägern, Lanze und Büchje zu gebrauchen. Gelingt ihnen der Überfall derartig, daß fie gleich eine größere Anzahl der dem Wafjer am nächjten liegenden und zugleich die Verfehrsbahn bejeßt Haltenden Tiere töten, jo verjperren deren Leiber den weiter zurückliegenden den Weg zur Flucht. Unter jolchen Umftänden mag eine Schlächterei in großem Maßitabe jtattfinden und ungewöhnlich reiche Beute erlangt werden, wenn die vom Wafjer abgejchnittene Herde zahlreich ift. Ebenjo twie die Eiropäer jagen Esfimos und andere Eingeborene der hHochnordijchen Länder, Die gewohnt find, das Feuergewehr zu führen; in mwejentlich verjchtedener Wetje diejenigen, welche noch) heutigestags der Sitte ihrer Bäter getreu geblieben jind. Wie Stane erzäplt, greifen die Esfimos das Walroß im Wafjer und auf dem Eije an. Sn erjterem Falle nähern te jich ihm joptel wie möglich, indent fie, während es taucht, rajch herbeirudern, während e3 jchhoimmt, jich Dagegen verjteden, um den günjtigen Augenblid abzuwarten, ihm beim neuen Emporfommen die Harpume in den Leib zu werfen. Die Verwundeten tauchen jofort unter; der Jäger Schlägt jchnell einen mit Eijen bejchlagenen PBflod in das Eis und bindet die Leine an diejem feit. Das Tier tobt und mwütet, bis es endlich ermattet und dann duch Lanzenftiche getötet werden fan. Nach Godman fuchen diefe mutigen Jäger im Hoch- jommer eine auf Eisichollen jchlafende Herde in Kitiger Weije zu bejchleichen, indem jie jich zuerjt auf ein anderes Heineres Eisjtück begeben, an diejem ihre Boote befejtigen und nun ihr Friftallenes Floß an die Herde heranzubringen juchen. Glücklich am Plate angefom- men, erwählt jich jeder einzelne oder je ziwei von ihnen nach Verabredung eine bejtimmte Beute, und aller Harpunen durchjaufen in ein und demjelben Augenblide die Luft. Die ge- troffenen Walrojje jtürzen jofort ins Wafjer und verjuchen zu entrinnen, werden aber durch die Speerleinen fejtgehalten und ermatten um fo eher, je größere Anftrengungen es jie fojtet, das Eisfloß der Jäger, an das die Leinen befejtigt wurden, mit jich fortzujchleppen; die Jäger jelbit warten die Ermattung jener in ihren Booten ab, nähern fich im rechten Augenblide und machen ihnen mit ihren Lanzen den Garaus. Jm Beringmeere, an der nördlichen Stüfte der Halbinjel Alaska, juchen die Eingeborenen die Walcofje auf, bemühen jich, die belagerten Tiere zu umgehen und ftürzen plöglich unter heftigem Gejchrei, mit Spießen und jchweren Arten bewaffnet, auf jie los, in der Hoffnung, fie derart zu erfchreden, daß je ihren Weg landeinwärts nehmen. Sn diefem Falle ift die Jagd ergiebig, wogegen jie vereitelt wird, wenn e3 einem Walcofje gelingt, die Jägerlinie zu durchbrechen; denn hierauf jtürzen alle übrigen dem Führer nach und bergen fich in den ficheren Fluten. Übrigens jagt auch Elliott ausdrücklich, daß Die Eingeborenen, die an den Klüften und Injeln des Bering- mderes und der Beringjtraße den Fang der Tiere betreiben, die Jagd zu Wajjer nicht für bejonders gefährlich Halten: „ite jprechen niemals von wirklicher Gefahr”. Mit ihren leichten ‚jellfähnen verfolgen fie das Tier, Harpunieren e3, lajjen fich von ihm jchleppen, bis es er- mattet, und töten e3 darauf mit der Lanze. Nac) alledem müjjen wir annehmen, daß gejagte Walrofje nicht unter allen 640 9. Ordnung: Robben. Familie: Walrofje. Umftänden, jondern daß bloß einzelne Tiere fich. gelegentlich zur Wehr jegen und jolches viel- leicht in gewijjen Gebieten häufiger als in anderen tun. Abgejehen vom Menjchen, hat das Walroß auch noch von anderen Feinden zu leiden oder wird wentgjtens von jolchen arg gepeinigt. Esfimos wie Fangjchiffer behaupten, daß es mit dem Eisbären jchivere Kämpfe zu bejtehen habe, indem diejer nicht allein die Jungen bedrohe, jondern auch dann ımd warn ein altes überfalle. Broron hat niemals ettvas von jolchen Kämpfen gejehen und glaubt berechtigt zu jein, die meijten Beobachtungen hierüber in das Gebiet der Fabel verweilen zu Dürfen, obwohl er igre Richtigkeit nicht ganz in Abrede jtellen will. Scammon bejtätigt die Angaben der Nordländer. Er weiß auch noch von einem anderen Feinde, und zwar von einem ale, dem gterigen Mörder- oder Schwertival, zu erzählen, der den jungen Wafrojjen womöglich noch gefährlicher werden joll, obgleich er nur im freien Wajjer jagt. Bei feinem Erjcheinen joll die Wahrofmutter ihr Junges jofort auf den Nüden nehmen und fo eilig wie möglich auf einer dien Eisjcholle Nettung fuchen, ihr Vorhaben jedoch nicht immer ausführen fönnen, weil der Räuber, noch ehe jie die jichere Scholle erreicht, plöglich in die Tiefe tauche und mit jolcher Straft von unten herauf gegen ihren Bauch jtoße, dat das Junge vom Rüden herabgejchleudert und einen Augenblid |päter ergriffen werde. Wahrjcheinlich Spielen Heine lausartige Schmaroger dem mwüften Ungeheuer des Nordens viel ärger mit al3 Eisbär und Schwertwal zujammengenommen. Nach Bromwns Beobachtung jeßt jich die eine Art diefer Tiere an der Wurzel der Schnurrborften, die andere auf dem übrigen Körper feit, und beide peinigen das Walroß derart, daß e3 zumeilen wie in Ver- zweiflung bald vom Eije in das Wajjer jprinat, bald wieder vom Wafjer heraus auf das Eis Elettert, heftig brüllt und taumelnde oder rollende Bewegungen ausführt, die darauf Hin- deuten, daß e3 fich bemüht, die läftigen Schmaroger abzuftreifen. Al3 Brown einmal fängere Zeit eine in diefer Weije jich gebärdende Herde der ungejchlachten Tiere beobachtet hatte, erjchten bald Darauf ein Flug von Steinjchmäßern auf der von jenen verlajjenen Stelle und begann eifrig etwas aufzulejen. Hierdurch aufmerkam geworden, begab jich auch unfer Gemwährsmann auf das Eisfloß und fand dajelbjt eine Menge der erwähnten Schmaroger, die von den Walrojjen glücklich abgejchüttelt worden waren. Obgleich fein jelbjtbewußtes und reizbares Wejen das Walroß durchaus nicht geeignet erfcheinen läßt, mit dem Menfchen in ein freundliches Verhältnis zu treten, zeigten fich Doch die Jungen, die man gefangen hielt, fajt ebenfo leitjam wie andere Robben. Gefangene Waltoffe find troß der wenig geeigneten Pflege, welche ihnen auf vem Schiffe zuteil werden fonnte, wiederholt nach Europa, namentlich nach Norwegen und England, gebracht worden: das erfte erweisfich im Jahre 1608 von Welden. „Am 12. Juli“, jo erzählt er, „nahmen toir zwei junge lebende Waltojje, ein Männchen und ein Weibchen, an Bord. Das Weibchen itard, bevor wir England erreichten; das Männchen Hingegen lebte ungefähr 10 Wochen. Am 20. Auguft famen wir in London an und brachten unjer lebendes Walroß an den Hof, twojelbft der König und viele Hochehrbare Leute e3 mit um jo größerer Bewunderung be- trachteten, al vorher noch niemals ein derartiges Tier lebend in England gejehen worden war. Nicht lange Zeit darauf wurde e3 frank und ftarb. So auffallend die Gejtalt Diejes Tieres ift, ebenjo auffallend ift auch feine Gelehrigfeit und feine Luft, etwas zu lernen, tie wir davon ung oft überzeugt haben." Bereits 4 Jahre darauf, 1612, wurde ein junges Walcoß nach Holland gebracht, das dritte aber erit 217 Jahre jpäter nad) St. Petersburg; dann gelangten zwei in den Jahren 1853 und 1867 nad) England, eind wurde 1884 aud) in verjchiedenen Orten Deutjchlands gezeigt und andere wurden längere Zeit auf Schiffen Walrof: Verhalten der Alten gegen die Jungen. Gefangenleben. 641 gehalten. Eins von diejen fonnte Broron beobachten. Man hatte des Tieres Mutter auf dem Cije getötet und das Stleine, da es noch zu jung war, um das Wajjer zu erreichen, ohne Schwierigfeit ergriffen. Seine Gefangennahme mußte wenige Stunden nach feiner Geburt erfolgt fein; gleichwohl Hatte eS bereit eine Yänge von ungefähr 1m, und jeine Hauzähne brachen jchon Durch das Zahnfleisch. „ALS ich e3 zuerft Jah“, jagt Brown, „lag es grungend auf dem De und jaugte bald au einem Stüde von den Fette jeiner Mutter, bald an deren Felle, in der Gegend der Ziben. Man fütterte es mit Hafer, Mehlbrei und Erbjenjuppe, und e3 fehien bei diefem außergewöhnlichen Futter auch zu gedeihen. Filche vermochte man ihm nicht zu verjchaffen; die einzige tieriiche Nahrung, die es erhielt, bejtand in Kleinen Stüdchen ausgemäjjerten Aind- oder Kalbfleijches oder auch frijchen Bärenfleisches, welche Stoffe e3 bereitwillig annahm. E3 zeigte Gefallen und Mißfallen an gewijjen Leuten und Dingen und erfor jich Freunde und Lieblinge, welche e8 jtetS wiedererfannte. Wenn man ein Beitungsblatt vor feinem Gefichte jchüttelte, erregte man e8 auf das heftigjte; denn es pflegte dann, fichtlich erzüunt, das Maul weit geöffnet, dem Störenfriede über das ganze Ded nac)- zufolgen. Wenn der ‚all‘ eines Wales ausgerufen wurde, rannte e3, jo eilig jeine Schmwer- fälligfeit eS erlaubte, zuerft in die Kajlte des Wundarztez, dann in die auf dem Quarterded gelegene des Kapitäns, anjcheinend um fich zu vergemwiljern, daß beide munter jeien, und lief hierauf, jein ‚AUvuf Auf grunzend, längere Zeit auf dem Ded umher; mußte das Schiff vom Eije geklärt werden, was Dadurch zu geichehen pflegt, daß die gefamte Mannjchaft bald an die Wände des Steuerbords, bald an die des Badbords rennt, um jo dag Schiff in eine fchaufelnde Bewegung zu jeßen, jo verjuchte es, die Bewegungen der Mannjchaft nach- zuahmen, durchmaß dabei jedoch jelten mehr als jeine eigene Teibezlänge. Sonit lag es während des Tages meift behaglich in der Sonne, läfjig eine um die andere jener Flojjen in die Luft jtredend, und fühlte jich in diefer Lage dem Anjchein nach außerordentlich wohl.“ Snzrischen find weitere Walrofje in die Gefangenjchaft gelangt, jo die fünf, welche 1908 in Hagenbeds Tierpark famen und an denen Sofolomwsty jeine Beobachtungen machte. Aber trogdem zählt das Tier zu den jeltenjten Bewohnern unjerer Tiergärten. Benubt werden vom Walroß die Zähne, die wie Elfenbein verwendet werden, diejes aber an Güte lange nicht erreichen, ferner die Haut, aus der gute Treibriemen gemacht werden, und der Tran. Das Fleijch wird von Europäern höchjtens in der Not gegejjen. Früher follen im Jahre bis 30000 kg Walroßzähne in den Handel gefommen jein, die einen Wert von 6—7 Mark für da3 Kilogramm darftellen. Heute it der Handel mit Walrop- zähmen jtark zurüdgegangen. Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 4l Abof 356. Acanthion 187. Acomys 377. — abyssinicus 379. — cahirinus 377. — spinosissimus 378. — wilsoni 378. Xeuchy 158. Ugleftof 619. Agouti 159. — paca 159. taczanowskii 161. Agoutidae 152. Aguti 152. — Wzaras 157. — $ejchwänzter 158. — Merifanijcher 158. Agutiartige 152. Alactaga 209. 212. — acontion 216. — saliens 212. 215. — suschkini 215. — tetradactylus 210. —- williamsi 216. Alactagulus acontion 216. Ulagdagen 212. Alatdaga 212. Alimvoh 19. Allens Jack Rabbit 56. Ulpenmaus 464. Alpenmurmeltier 464. Alpen-Pfeifhafe 14. Alpenjchneehaje 77. Alticola 307. Angorafaninchen 50. Angorameerjchweinchen 141. Anomaluridae 573. Anomalurinae 573. Anomaluroidea 207. Anomalurus 573. - beecrofti 573. — erythronotus 574. — orientalis 574. Aperea 146. Sachregiiter Uperea, Eutlers 147. Aplodontia rufa 460. Aplodontidae 460. Apodemus 356. Arctocephalus antareticus 599. — australis 583. 599. — galapagoensis 583. — pusillus 583. 599. — townsendi 583. — ursinus 583. 593. Arctomys 463. — caligatus 484. Arvicola 284. — amphibius 284. 285. — scherman 2855. — terrestris 284. 285. Arvicanthis 378. — abyssinicus 379. — barbarus 378. — — pulchellus 378. — dorsalis 379. — neumanni 379. — pumilio 379. Ascopharynx 380. — cervinus 380. Afapan 570. Atherura 176. — macroura 178. Atlantoxerus 523. — getulus 523. Aulacodus 194. Uvemba figui 574. ' Aojor 620. Amuf 630. Badfenhörnchen 516. — Gejtreiftes 516. Badenmäufe 377. Bakltrermaus 364. Bambustatte 198. 246. Bärentobhe 593. Bartrobbe 612. Baltard-Chinchilla 129. Bathyergidae 246. Bathyergus 246. — maritimus 246. Batomys 380. Baumbörnden 525. Baummaus, Tangjchwänzige 379. Baummausartige 381. Baumratte 355. Baumratten 19. Baumjchläfer 406. — Griedhiicher 407. — Tiroler 407. Baumftachelichwein, Kanadijches 171 Baumftachelichiveine 165. Baumftachler 166. — Wolliger 166. Baummolltatte 314. Baummollichwänzchen 52. Berbermaus 378. Berghaje 124. - Berglemming 258. Bergpafa 161. Bergratte 312. Biber 422. Biberartige 422. Bibergeil 424. Biberhörnchen 460. Biberfaninchen 50. Biberratte 189. 394. Bibermwiefen 426. Bil 396. 394. Bildichwanz 318. Bindenhörnchen 535. Birfenmaus 231. Birfenmäufe 231. Bilamratte 276. Black and tan 49. Bladder 620. Bladdernose 620. Blafenrobben 612. 620. Blaumänner 622. Blekmull, Kapijcher 247. Blindmaus 241. Blindmausartige 241. Blue and tan 49. Bobak 477. Bolivia-Mofo 147. Borfenratten 390. Borjtenferfel 194. Borjtenhörnchen, afrifanijche 50. — Kapijches 523. Boritenfaninchen 22. Brandmaus 357. 365. 371. — Arifaniiche 379. Brajildörnchen 562. Brillenjchläfer 414. Buntmaus 39. Burumduf 516. Bujchratte 350. Button Mouse 231. California Jack Rabbit 56. Callotaria ursina 583. 593. Capivara 136. Caprolagus hispidus 22. Capromyinae 189. Capromys 19. — fournieri 19. — pilorides 193. Capybara 136. Garpindo 136. Carpomys 380. Castor canadensis 455. — — carolinensis 456. — fiber 422. Castoreum 424. Castoridae 422. Cavia cobaya 140. — cutleri 145. 147. — porcellus 140. Caviidae 136. Cayenneratte 197. Celaenomys 392. 393. — silaceus 39. Cercolabes 165. Cerodon 145. Chaetomys 171. Ehifaree 560. Chilotus 291. Chinahörnchen 534. Ehindilla 126. Chinchilla 126. — brevicaudata 126. — laniger 126. 129. Ehindillas 126. Chionomys 294. Ehipmunf 517. Chiruromys 380. Chrotomys 392. Citellus 497. — citellus 498. — citillus 498. — guttatus 503. — suslica 503. Coatispuri 563. Coelogenys 159. Coendidae 165. Coendu 165. — novae-hispaniae 166. — prehensilis 169. Sadregiiter. Coendu villosus 166. Colobotis 505. — eversmanni 507. — fulvus 497. — mugosarieus 505. — musicus 506. — parryi 507. — richardsoni 507. — rufescens 505. Conilurus 380. Coftarica-Tapeti 53. Cotton tail 52. Craseomys 311. Crateromys 379. — schadenbergi 379. Cricetinae 318. Cricetomys 376. — gambianus 376. Cricetulus 329. — phaeus 330. Cricetus 318. — auratus 328. — cericetus 318. — — canescens 327. — — nehringi 328. — — rufescens 328. — nehringi 328. — vulgaris 318. Crunomys 39. — fallax 39. — whiteheadi 392. Ctenodactylidae 203. Ctenodactylus gundi 203. — massoni 203. Ctenomys 200. — magellanicus 201. — pundti 201. — torquatus 201. Cuandu 169. Cuandus 165. Euiy 166. Cuniculus 258. &utia 152. Cuy 144. Cynomys 489. — fulvus 497. — ludovicianus 459. — socialis 489. Cystophora 612. 620. — cristata 620. Cystophorinae 612. 620. Dachratte 334. Dactylomys 198. Damara-Blegmull 248. Damararatte 355. Darlingsratte 354. Dasyprocta aguti 152. — azarae 157. — capreolus 162. — fuliginosa 158. — mexicana 158. — prymnolopha 158. Degu 200. ' Dendromyinae 381. ' Dendromys nigrifrons 381. 643 ' Dendromys pumilio 381. Diejchwanzmäuje 389. ' Diejchwanzichläfer 415. Dicrostonyx 258. 272. — hudsonius 272. 274. — torquatus 272. 273. Dinomyidae 162. | Dinomys branickii 162. Dipodidae 208. Dipodomyinae 233. Dipodomys 233. — phillipsi 233. Dipoides 576. Dipus 210. 216. — aegyptius 216. — platyurus 216. — saliens 212. Diud 630. Djerboa 216. Dobrudichahamjter 328. | Dolichotis 147. — patagonica 147. — salinicola 151. Doppelzähner 12. ' Dornjchwanzbilch 576. Dornihmwanzhörnden 573. — Beecroft3 573. — Roftbäuchiges 574. — Rotbäudhiges 573. — Rotrüdiges 574. Dreijtreifenhörnchen 532. Dicirki 517. Dublinhaje 67. Dunfelmaus 393. Duplicidentata 12. Dyromys 406. — dryas 406. — nitedula 406. — — intermedius 407. — — wingei 407. | Eastern Jack Rabbit 56. | Echimyinae 196. Echimys 197. — armatus 197. Eichhorn 536. — Nordijches 538. — Prevojts 533. Eichhörnchen 461. — Transfaufajiiches 539. Eichhornförmige 421. Eichfäschen 536. Einfachzähnige 125. Einftreifenratte 355. Glefantenrobbe 623. — Nördliche 622. 623. — Südliche 622. | Elefantenrobben 622. | Eliomys 407. — quereinus 408. — nitela 408. — sardus 414. | Eliurus 318. \ Ellobius 254. — lutescens 256. — talpinus 254. | Eomys 232. 41* 644 Eosaccomys 377. — campestris 377. Eozapus 229. Epimys 333. — auricomis 354. — chrysophilus 354. — colonus 355. — coucha 35. — damarensis 355. — dolichurus 354. 355. — erythroleucus 355. — exulans maorium 354. — humiliatus 342. 354. — hypoxanthus 356. — mettada 354. — nigricauda 355. — norwegicus 341. — paedulcus 355. — rattus 335. — — alexandrinus 334. — — caledonicus 340. — — jacobiae 340. — — novae-zelandiae 340. — rufinus 355. — tullbergi 355. — univittatus 355. Epixerus ebii 526. Gröbohrer 247. — Eilbergrauer 248. Erdeihhörncen, Bunttiertes 523. Erdhaje 212. Erdhörnden, 523. Erdmaus 299. — Kurzohrige 291. Erodjtachelihwein 176. Eremiomys lagurus 292. Erethizon 171. — couesi 175. — dorsatus 171. — epixanthus 171. 175. Erignathus 612. — barbatus 612. | Nordafritaniiches | Eriomys 126. Erneb 123. Gjelhaje 55. — Mlens 57. — Stalifornijcher 56. — Dftlicher 57. — Teranijcher 56. Eumetopias californianus 583. 584. 589. — gillespii 589. — jubatus 583. — lobatus 583. —- stelleri 583. Eupetaurus cinereus 567. Eutamias asiaticus 516. — macrotus 521. — speciosus 521. Evotomys 309. — gapperi 311. — — ochraceus 311. — — rhoadsi 311. — glareolus 309. — hereynicus 309. Eversmann-Ziejel 507. Sadıregiiter. | Fahr-el-buh& 19. Sarbenfaninchen 48. Tattenuorgo 620. weh 536. 538. seldhaje 82. Teldhüpfmaus 229. Teldmaus 300. — Afrikanische 379. — Sndiiche 375. — Benniyloanijche 307. eldmäufe, eigentliche 300. Teldratte, Weichhaarige 354. Seljenflughörnchen 567. Seljenhaje 124. Feljen-Mofo 147. Terfelratte 189. Teitlands-Feldmaus 300. Settmaus 381. — Güpdafrifanische 381. Fiber zibethicus 276. Fichtenmaus 291. Silchratte 317. Slaggenhörnchen 533. Florivda-Waldratte 312. Slojjenfüßer 577. Slugbildh 575. Slugbilchartige 574. Slugbilhe 574. Slughörnden 564. 567. — Wolliges 567. Földi-fölöf 244. Fornarina phillipsi 249. Fruchtratte 380. Fudhsihmwanzhörnchen 562. Funambulus 531. — palmarum 531. — tristriatus 532. Funisciurus aurieulatus 530. — congicus 530. — isabella 528. — lemniscatus 528. — pyrrhopus 529. Fur-seals 583. Gabelfrall-Temming 272. Sail 424. Sartenbilch 408. Sartenbilche 407. Gartenjchläfer 408. Gelbbauchhörnchen 530. 534. Gelbbauchmaus 364. Gelbhalsmaus 369. Gelbrüden-Aguti 153. Geomyidae 235. Geomys 238. — bursarius 238. — canadensis 238. — lutescens 236. Georhychus 247. — capensis 247. — damarensis 248. — zechi 248. Geosciurus 523. — capensis 523. Gerbillinae 382. Gerbillus 383. — gerbillus 385. Gerbillus indicus 383. Glaucomys volans 570. — volucella 570. Glis 3%. — glis 396. — — caspicus 397. Goldbauchhörnchen 560. Goldhamijter 328. Goldhaje 152. Goldmurmeltier 483. Goldratte 354. Golunda 379. ' &opher 238. Graphiurus 414. — coupei 414. — cerassicaudatus 415. — haedulus 415. — murinus 414. — nanus 414. — ocularis 414. — platyops 414. Gräsjäl 613. Sraufußhörnchen 528. 530. 534. Grauhamijter 329. Grauhörnchen 557. Graufopfhörnchen 534. 535. Sraulemminge 292. Grau-Mara 151. Sraurüden-Hamjter 327. Gray Rabbit 52. Sreifihtwanzmäuje 380. Greifjtachler 165. 169. Grey Seal 613. Ground-hog 484. Ground Squirrels 518. 519. Guerlinguetus 562. — aestuans 563. — — hoffmanni 564. — niger niger 562. — — rufiventer 562. Gundi 203. Guti 152. Haarrobben 583. Haarjeehunde 599. Hadee 517. Hair-seals 599. Halichoerus 612. — grypus 613. Halsbandlemming 258. 273. Hamiter 318. — Eigentliche 318. Hamjtermaus 284. 379. Hamiterratte 376. Hapalotis 380. — cervinus 380. Häschen 212. Hafe, Arktiicher 63. — Feld- 82. — Nomeros 21. — Beränderlicher 60. — Beier 63. Hajelmaus 415. — Große 408. Hafen 12. 19. — eigentliche 55. Hafenjörmige 12. Hafenmaus, Cuvier3 130. Hajenmäufe 126. 130. Hausfaninchen 45. Hausmaus 356. Haustatte 333. 335. Hadannafaninchen 50. Hebriven-Waldmaus 370. Heliosciurus 530. — gambianus 530. — rufobrachiatus 530. Hesperomyinae 313. Heterocephalus 249. — glaber 249. Heteromyidae 233. Himalaja-ftaninchen 48. Himalaja-Stadhelihwein 187. Höhlenbaumhörnchen 530. Holländerfaninchen 48. Hörnchen, Styans 534. Hörnchenartige 460. Hudjonhörndhen 560. Hüpfmaus 228. Hutia-Conga 193. Hydrochoerus 136. — capybara 136. Hydromyinae 392. Hydromys 394. — chrysogaster 394. Hylopetes spadiceus 570. Hystrieidae 176. Hystrix 178. — africae-australis 184. — bengalensis 187. — ceristata 178. — hirsutirostris 185. — hodgsoni 187. — javanica 188. — leucura 185. 137. — longicauda 187. Ichthyomys 317. — stolzmanni 317. ° Ictidomys franklini 510. — hoodi 511. — tridecimlineatus 511. Idiurinae 574. Idiurus 575. — zenkeri 575. Sgeltatte 197. Sogelratten 197. Issiodoromys 208. Soondue 1%. Jack Rabbit 52. 55. Jaculidae 208. Jaculinae 209. Jaculus 210. 216. — americanus 229. — jaculus 216. — sagitta 228. Selarang 532. Kahlratten 249. Stakortaf 620. stamelhaje 212. stamımfinger 203. Nammfingerartige 203. Sacdregiiter. Kammratten 200. Kanadabiber 455. Känguruhmaus 234. — Drd8 234. — Richardjons 235. Känguruhmäufe 234. Känguruhratten 234. Kaninchen, Amerifanijches 52. — Ehinejifches 49. — Europätjfches 23. — Bolnijches 49. Kaninchenmaus 316. Kannabateomys amblyonyx 198. Staphafe 124. Katenhörnchen 562. Segeltobbe 613. Kerodon 145. — boliviensis 147. — rupestris 147. — spixi 147. Kifnebb 620. Klappmübe 620. Stlettermaus, Kleine 381. — Langjhmänzige 381. — Schwarzitirnige 381. Klip-haas 51. Knopfmaus 231. Königs-Niejenhörnden 532. Kurzohr-Kaninchen 21. Lagidium 130. — cuvieri 130. — peruanum 130. Lagomorpha 12. Lagomys alpinus 14. — pusillus 13. Lagostomidae 126. Lagostomus trichodactylus 132. Lagurus 292. Lampe 82. Landmaus 39. LZangjchiwanzratte 354. Lanzenratten 196. 197. Lapin belier 50. Zary 531. Leggada 375. — buduga 375. — minutoides 375. Lemming 258. — Doppelfralliger 274. — Faljcher 276. — Gemöhnlicher 258. — Sibirischer 269. Lemminge, Eigentliche 258. Lemmingmaus, Faljche 311. — Cooper 276. Lemmingmäuje 276. Lemmingmull 252. Lemmus 258. — lagurus 29. — lemmus -258. — obensis 269. — schisticolor 271. — trimucronatus 272. Leopardenziejel 511. Leporidae 12. 19. Leporiden 20. 36. Leptonychotes 613. Lepus 55. — aegyptius 123. — americanus 60. — — virginianus 61. — aquilonius 120. — arcticus 63. — — bangsi 63. — campestris 59. — capensis 124. — — ochropus 125. — caspius 121. — craspedotis 122. — cuniculus 23. — ceyrensis 121. — darwini 25. 26. — dayanus 123. — europaeus 82. — — mediterraneus 121. — — occidentalis 121. — glacialis 63. — granatensis 121. — habessinicus 123. — isabellinus 123. — labradorius 63. — lehmanni 122. — lilfordi 121. — mediterraneus 121. — medius 120. — netscheri 21. — nigricollis 123. — oiostolus 123. — pallipes 123. — peguensis 122. — ruficaudatus 123. — salae 124. — saxatilis 124. — siamensis 123. — somalensis 124. — tibetanus 122. — timidus 66. 82. 120. — — hibernicus 67. — — Jutescens 67. — tolai 122. — variabilis 66. — varronis 77. — vietoriae 125. — vizcacha 131. — yarkandensis 122. — zechi 125. Limacomys 381. Limnolagus 53. — aquaticus 53. — palustris 53. Liutaga 567. \ Lobodon 613. ı Löffelmaus 331. — Weißjchwänzige 331. Loncheres 197. Lopear Rabbit 50. Lophiomyinae 331. Lophiomys 331. — aethiopicus 331. — imhausi 331. , Macrorhinus 613. 622. — angustirostris 622. 623. 646 Macrorhinus leoninus 622. Macrotolagus 53. — californicus 56. — eallotis 55. — melanotis 56. — texensis 56. — texianus 56. Mähnentatten 331. Mähnenrobbe 590. Maillonis 414. Mallomys rothschildi 380. Manfei 464. Maoriratte 354. Mara 147. — Steine 151. Marbetle 464. Marmota 463. — aurea 483. — baibacina 482. — bobak 477. — bungei 482. — caudata 483. — dichrous 483. — flaviventer 484. — marmota 464. — monax 484. — pruinosa 484. — sibirica 482. Marmotella 464. Marmotta 464. Maulmwurfsratten 246. Maus, Berdmores 371. Mausartige 250. Mäuje 332. 333. 356. Mäufebilche 415. Mausförmige 208. Mausjchläfer 414. Meerichtweinchen 140. Meerjchweinchenartige 136. Meerwolf 623. Mesamys 135. Meriones shawi 385. Mesocricetus 328. — newtoni 328. — nigrieulus 328. Mettadratte 354. Micromys 356. — agrarius 357. — minutus 372. Microtinae 253. Microtus 282. — agrestis 299. — arvalis 300. 306. — campestris 299. — nivalis 294. — oeconomus 298. — parvus 306. — pennsylvanicus 307. — ratticeps 296. — — stimmingi 2%. — socialis 306. Minastatte 340. Misothermus 273. Miitbelleri 464. Mixodectes 576. Mocd 147. Mohren-Aguti 158. Sacdregiiter. \ Mofos 145. ' Momodori 570. ' Monachinae 613. ‚ Monachus 613. — albiventer 613. — monachus 613. — schauinslandi 613. — tropiecalis 613. Mönchsrobbe 613. Mönchsrobben 613. , Morin-Jalma 212. Mors 631. Morje 630. , Morjf 630. ' Morümti 517. Morunga 623. Mofaitihvanzmäufe 380. Mountain Hare 72. Mul-Lemming 254. Mull-Lemminge 254. Mullmaus, Gemwöhnliche 252. Mullmäuje 252. Munf 464. Murbentle 464. Muridae 250. Murinae 332. Murmeli 464. Wurmeltier 464. — &isgraues 484. — Gelbbäuchiges 484. — Langjhwänziges 483. — Notes 483. Murmeltiere 463. Murmentli 464. Mus 333. 356. 362. — bactrianus 364. — barbarus 378. — decumanus 341. — gentilis 364. — minimus 375. — minutus 372. — muralis 364. — musculus 356. — — poschiavinus 369. — natalensis 355. — nitidulus 371. — pachycercus 364. — rattus 335. — setosus 340. — spicilegus 364. — spretus 364. — sylvatieus 357. — _grıanusıadıe — — hebridensis 370. — — hirtensis 369. — — islandicus 370. — — major 365. — — wintoni 369. 371. — waeneri 364. | Muscardinus 415. — avellanarius 415. — — anglicus 415. — — speciosus 415. | Musk-rat 276. Musquajh 276. ' Mübentobben 620. | Mven 355. Mvök 526. Myocastor coypus 189. Myodes 258. — torquatus 273. Myomorpha 208. Myopotamus coypu 189. Myoprocta acouchy 158. Myoscalops 248. — argenteocinereus 248. Myosciurus minutus 564. Myotalpa 252. — aspalax 252. Myotalpinae 252. Myoxidae 394. Myoxinae 3%. Myoxus 39%, — nitedula 406. Myrsilus 530. — aubinni 530. Mystromys 331. — albicaudatus 331. NKadtmulle 248. Nagetiere 1. Nannosciurinae 564. Nannosciurus exilis 564. — whiteheadi 564. Napaeozapus 231. — insignis 231. ı Nafenhörnchen 531. Najenratten 391. Ndan 355. Ndefi 19. Neiterjvaf 620, Neofiber 283. — alleni 283. Neotoma 311. 312. — floridana 312. — pennsylvanica 312. Neotominae 312. Nesocia 375. — bengalensis 375. - Nesolagus netscheri 21. Nesomyinae 317, Nesomys 311. 317. Nemwtons Hamiter 328. Ningpohörnchen 533. Nitela 408. Nutria 189. Dado 620. Oblemming 269. Ochotona alpinus 14. — dauricus 15. — erythrotis 16. — melanostomus 17. — princeps 18. — pusillus 13. — roylei 16. — rutilus 16. Ochotonidae 12. 13. Octodon 199. — degus 200. | Octodontidae 188. Odobenidae 629. Odobenus 629. — obesus 629. — rosmarus 629. Odon 529. Ogmorhinus 613. — leptonyx 607. DOgotona 15. Ohrenratte 381. — Brants 381. Ohrentatten 381. Ohrentobben 582. Ohrenziejel 516. Ilpalmenhörnchen 526. Omegodus 232. Omtfe 567. Ommatophoca 613. Ondatra 276. DOrangehörnchen 534. Oryctolagus crassicaudatus 51. — — nyikae 51. — cuniculus 23. ösen 528. Otaria byronia 583. 590. — californiana 589. Otariidae 582. Dtogono 15. Otomyinae 381. Otomys 331. — irroratus 381. — unisulcatus 382. Otospermophilus grammurus 516. Pachyuromys 389. — auricularis 389. — duprasi 389. Pagophoca groenlandica 617. PBafa 159. Bafarana 162. Balmenhörnden 531. Paludicola 296. Panja 355. Pantolestidae 582. Paraxerus böhmi 527. — cepapi 528. — palliatus 527. — pauli 527. Passjuk 339. Patriofelis 582. Pectinator 204. Pedetes 204. — caffer 204. Pedetidae 204. Belzrobben 583. Berlziejel 503. Perodipus 234. — ordi 234. — richardsoni 235. Peromyscus 314. — leucopus 314. Beitratte, Smdiiche 375. Petaurista alborufus 566. — leucogenys 566. — oral 565. — petaurista 565. Petauristinae 564. . Petruschka 270. Sacdregifter. Pfeifhaje, Sibirijcher 14. PBieifhajen 12. 13. Pfeilfpringmaus 228. Pferdejpringer 212. — Eigentlicher 212. — Vierzehiger 210. Phenacomys 311. — celatus 311. — latimanus 311. Phloeomyinae 390. Phloeomys 390. — eumingi 390. — schadenbergi 379. Phoca 612. 613. — annellata 613. — foetida 615. — groenlandica 613. — hispida 613. 615. — — annellata 617. — — caspica 616. — — gichigensis 617. — — ladogensis 617. — — saimensis 617. — — sibirica 616. — vitulina 613. 614. Phocarctos hookeri 583. Phocidae 599. Phocinae 612. 613. Pied Lemming 274. Pinnipedia 577. Binjelihwänze 414. Pitymys 291. — pinetorum 291. — subterraneus 291. Plagiodontia 193. Platacanthomyinae 3%. Platacanthomys lasiurus 39. Platanenhörnchen 535. Plattichivanzipringer 216. Platycercomys 216. Plesiadapis 576. Plesiarctomys 489. Pocket-Gopher 235. 238. Pogonomys 380. Polarhaje 63. Porquinho da India 144. Bortojanto-Staninchen 25. PBräriehaje 59. Präriehund 489. — Weitlicher 490. Prea 147. Procapromys 193. Proöchimys 197. — cayennensis 197. Prometheomys 257. — schaposchnikowi 257. | Prospalax priscus 242. Protoglires 576. Protoxerus stangeri 526. Protrogomorpha 422. Psammomys obesus 359. Pseudosciurinae 576. Pseudosciurus 576. Pteromys 567. — oral 565. | Pusa hispida 615. Pygeretmus 216. 647 Duaftenjtachler 176. — Afrifanijcher 177. — Sndijcher 178. Natte, Nanptiiche 334. Ratten 333. Nattenfönig 348. Nattenfopf 296. Ratufa 532. — bicolor 532. — indica 532. Nauhfaninchen 22. Neh-Aguti 162. Reithrodon 316. — cuniculoides 317. Nemo 19. Nennmaus, Indiiche 383. Nennmäufe 382. Neutmaus 284. Rhinosciurus 531. — insignis 531. — laticaudatus 531. Rhizomyinae 244. Rhizomys 244, — sumatrensis 246. %hombomys 383. — opimus 383. — — giganteus 383. Rhynchomyinae 391. Rhynchomys 391. — soricoides 391. Niejenhörnden. 532. — Gemöhnliches 532. — Bilfons 526. Kiejenfaninchen, Belgiiches 49. Niejenratte, Schadenbergs 379. NRiejenrennmaus 383. Ningeltobbe 613. 615. Nobben 577. Rock Squirrels 518. Rodentia 1. Rohrratte 19. Romerolagus nelsoni 21. Roode haas 51. Nosmar 630. Rojtbauchhörnchen 533. NRotarmhörnden 530. Nötelmaus 309. Rothafe 51. Nothörnchen 560. Notrüdenmaus 311. Rotrüdenratte 355. KRotjchenkelhörnchen, Kleines 529. — Großes 526. Notihwanzhörnden 527. Nundichmwanz-Bijamratte 283. Küjjeltobbe 623. Sabera 521. Saccomyidae 232. Saccostomus 377. Saint-Pauls-Hörnchen 527. Sandgräberartige 246. Sandmull 246. Sandrennmaus 388. Santa 197. Satteltobbe 613. 617. 648 Scarturus tetradactylus 210. Scharrmaus 252. Sceden, Englijche 49. Schedenlemming 274. Schermaus 284. Scilu 521. Schlafmausartige 394. 396. Schlingenzahn, Boritiger 314. Schlingenzähner 313. Schneehaje, Sriicher 67. — Nordijcher 66. Schneemaus 29. Schnellwühler, Glänzender 246. | Schopf-Aquti 158. Schwarzbindenhörnchen 535. Schwarzbrufthanmiter 328. Schwimmratte, Auftralijcde 394. Seirtetes jaculus 212. Sciuridae 460. Sciurinae 461. Sciuroides 576. Sciuromorpha 421. Sciuropterus 567. — momoga 570. — russicus 567. — sagitta 567. — volans 567. Sciurus 533. — anomalus 539. — aureogaster 560. — — hypopyrrhus 560. — blanfordi 534. — caniceps 534. — — caniceps 535. — capistratus 562. — carolinensis 557. — castaneoventris 533. — — ningpoensis 533. — chinensis 534. — cinereus 557. — concolor 534. — griseimanus 534. — ludovicianus 562. — nigrovittatus 535. — notatus 535. — phayrei 534. — plantani 535. — prevosti 533. — pygerythrus 534. — styani 534. — variabilis 560. — variegatus 560. — vittatus 535. — vulgaris 536. — — varius 538. Seahorse 630. Geebär 583. 593. — Südafrifanifcher 599. — Süpdamerifanijcher 599. Geebären 583. See-Elefant 623. Seehund, Gemeiner 613. 614. — Stajpijcher 616. — Mondflediger 613. Geehunde 599. 612. Geeleopard 607. 613. Geelöwe, Kalifornifcher 589. Sadregiiter. Seelöwe, Patagonijcher 590. — Etellers 583. GSeelömwen 583. Seemönd) 613. Semljanoi-Saez 212. Gibeje 19. | Sieista 231. — subtilis 231. Sieistinae 231. Siebenjchläfer 396. Sigmodon 311. 314. — hispidus 314. Sigmodontinae 313. Silberfaninden 49. Simplicidentata 125. Singmäufe 359. Siphneus zokor 252. ©ijel 498. Slapujc 244. Sminthinae 231. Sminthus vagus 231. Somali-Nadtmull 249. Spalacidae 241. Spalacinae 241. Spalacopus 203. Spalax 241. — ehrenbergi 242. — hungaricus 242. -— microphthalmus 242, — typhlus 241. Spermophilus 497. Sphiggurus 165. Sphinsurus 165. Spir-Mofo 147. Springhaje 204. Springhajenartige 204. Springmaus, Große 228. Springmäuje 209. Springnager 208. Springratte, Nehbraune 380. Springratten 380. Stachelbildh 33. Stahhelmäufe 377. Stachelratte 176. Stachelihwein 178. — Bengaliiches 187. — Haarnafiges 185. — Sadanijches 188. — Langjhrwänziges 187. Stachelichweine 164. 178. Steatomys 381. — pratensis 381. | Strandgräber 246. ' Strandmaus, Bremwers 309. Strauchratten 199. Streifenhörnchen, Böhms 527. GStreifenmaus 231. 378. | ©treifenmäuje 231. Streifenziejel 511. Striemenmaus 379. | Struppmeerjchweinchen 141. Subungulata 136. Sumpfbiber 189. Sumpffaninchen 53. Sumpjftatte 314. Sujel 498. | ©uslif 498. Eon } | Sylvilagus 51. — floridanus 52. — sylvaticus 52. Synaptomys 276. — cooperi 276. Syaetheres 165. Tabafmaus 363. Tachyoryctes 246. — splendens 246. Taquan 565. Talmeerjchiweinchen 146. Tamias 516. — striatus 517. — — 1ysteri 517. Tamiasciurus hudsonicus 560. Tanzmaus 360. Tapeti 53. Tarbagan 484. Tajchenmäuje 233. Tajchennager 232. Tajchenratte 238. 377. Tajchenratten 235. 238. Tajchenjpringer 233. Tajchenjpringmäufe 233. Teonoma 312. — cinerea 312. Texan Jack Rabbit 56. Theridomyinae 576. Thryonomys 194. — semipalmatus 19. — swinderianus 194. Tillodontia 576. Trechomyinae 576. Trichechidae 629. Trichechus 629. Trugratte 188. Trugratten 19. Tschornaja kryssa 339. Tufotufo 200. 201. Tullbergratte 355. Tujchkantjchief 212. TIya-jelman 212. Typhlomys 3%. — cinereus 3%. Umft 567. Urnager 576. Uromys 380. Urjon 171. — Salifornifcher 175. Vandeleuria oleracea 379. Viscadha 132. Viscacia viscacia 132. Viscaciidae 126. Wagnersmaus 364. Wahlbergsratte 355. Waldhüpfmaus 231. Waldlemming 271. Waldmaus 357. 365. Walomurmeltier 484. Waldratte, Bennjylvaniiche 312. Waldratten 312. Waldmwühlmaus 309. Waldwühlmäufe 309. Walrof 630. Walrojje 629. Wanderratte 333. 341. Wajjerhaje 53. Wajjerfaninchen 53. Wajjermäujfe 392. Wajjerratte 234. Wajjerratten 284. Wajjerjchiwein 136. Wechjeleichhorn 560. Reigfußmäufe 313. 314. Weihfußratte 355. Weißnafenratte 355. Weibichwanzratte 355. Reißihwanz-Stacheljchwein 185. | 187. Whitecoat 618. Widderfaninhen 50. Wildbahmaus 39. Wollmaus 126. 129. 284. Wollratte 380. Woodchuck 484. Wihlmaus, Nordweitlihe 311. — Rattenföpfige 2%. Wiühlmäufe 233. 282. 294. Wurfmäuje 241. Sadregiiter. Wurzelmaus 298. Wurzelratte, Große 246. — Smdilche 244. Wurzelratten 244. Wüftenmaus, Große 334. — Stleine 384. Wüftenjpringmaus 216. Wüftenjpringmäuje 216. Xeromys 392. 33. — myoides 393. Xerospermophilus 515. — mexicanus 516. — obsoletus 515. Xerus 521. — erythropus 522. — — leucoumbrinus 521. — rutilus 521. Zalophus californianus 583. 589. — lobatus 583. Zapodinae 228. Zapus 228. 229. — hudsonius 229. Zenkerella 576. Zenkerella insignis 576. Biemnibijaf 244. Biejel 497. 498. — Talber 497. — fofjile 506. — Franflinz 510. — Kennicotts 515. — Merifanijcher 516. — Mugofariicher 505. — Barıys 507. — Nichardjons 507. — Nötlicher 505. Biejelhörnchen 522. — afrifanijche 521. Biejelmaus, Gelbe 497. Bofor 252. Bügelftrichhörnchen 530. Bmeifarb-Murmeltier 483. Biwergflughörnchen 570. Biwerghörnchen 564. — Whiteheads 564. Bwerg-Wara 151. Bwergmaus 372. — Aftifaniiche 375. Bwergpfeifhaje 13. Zwergichläfer 414. 649 Abbott 414. Abner, E. 552. Ucojta 127. Wan, 2. C. 47. Adams 483. Ugaljiz 425. 458. Uhrend 349. Albertus Magnus 336. 357. Albin, ©. 474. 475. Allan 27. Allen 68. 171. 505. 506. Aliton 158. Altum 28. 30. 96. 285. 286. 298. 303. 304. 310. 367. 399. 408. 409. 445. 538. 543. 544. 545. 550. Ameghino 11. 135. Anderjon 123. 534. Andreas, Franz 42. Arijtoteles 25. 357. Yrnim, vd. 101. Attwater 57. Yudubon 54. 171. 172. 173. 230. 231. 234. 238. 240. 279. 456. 518. 572. Autin 26. Autun, Bifchof von 336. Yzara 138. 166. 167. 168. 169. Bachmann 54. 171. 238. 278. 572. Badermann 157. Bahr 351. Bailey, Bernon 239. 507. 510. 511. 512. 514. 515. Baird 276. Bafer 396. Balt 98. Bang 283. Baer, d. 296. 629. Barrett-Hamilton 67. 68. 77. 365. 369. 370. Barrington 537. Bartels, Wilhelm 326. 327. Barthels, U. 448. 449. DBary, de 363. Bates 355. 415. 528. 574. Bauer 441. 444. Baumann, Dsfar 530. 529. 631. 290. 368. 542. Dem IJ 509. 516. 364. 913. Antorenregiiter Baumgart 334. 336. Bapyley 307. Beaur, Oscar de 629. | Bechjtein 397. Bed-Friis, Graf 75. Befmann, U. 24. Bedford, Herzog von 552. Behr 438. 442. Beijer, U. 87. Bell 604. Bemmelen, $. F. van 21. Bennett 127. 129. | Berger 41. 42. 113. | Bielz 469. 477. Billard, ©. 413. Binner 440. Birfe 109. | Bilchoff 144. Bismard, U. v.:350. Blainville 343. Blanford 22. 123. 187. 333. 354. 364. 375. 483. 531. 533. Blafius 77. 120. 284. 287. 291. 294. 296. 299. 302. 319. 455. 458. Bley, Friß 484. Blod 359. . Blyth 122. 123. 396. Bodinus 154. 156. 183. Bogdanoiw 333. Böhm 125. 195. 248. 355. 527. 580. Böhmerle, €. 448. Bolau 424. 442. Bolle 30. ' Bollinger 114. Bonhote 122. 335. Borderding 337. Borrer, W. 24. Bomfer 181. Brandenburg, Georg 542. ' Bränder, W. 115. ı Brandes 174. 178. | Brandt, 3.3. 185. 212. 216. 228. 482. 505. — 4.9. — Rarl 103. | Branicki 162. Braf, €. 48. 63. 282. 402. 455. 456. 502. 616. 618. Brauer 305. Brecher 433. Brehm, Chr. 2. 286. 237. Brian 179. Broca 36. Brown 601. 604. 607. 612. 621. 630. 631. 632. 634. 640. 641. (>) [51 619. 636. | Bruce 218. Bruhin 285. 515. Brühl, Graf 3. 32. Bruner, Lawrence 514. Bryant 593. 594. Büchner 16. 122. 254. 292. 483. 484. Buffon 152. 161. 179. 459. Bujad 446. Bulger 279. Burg, ©. v. 338. Bürgi 114. Burmeijter 166. 168. 583. Biütomw 87. 105. Büttifofer 177. 195. 376. 523. 526. 529. 574. Büttner, R. 1%. 383. 631 629. 377. ' Buprh 203. 378. Cartwriaht 171. Caje, William 176. Chapman 283. Eherville, M. de 318. Clarf 493. Codburn, E. ©. 341. Cods 454. Eollett 258. 262. 263. 264. 266. 267. 451. 452. 453. 454. 613. 615. 618. 630. 632. Coof 627. 631. 632. Cooper, Bollin E. 509. Copeland 636. Eoreal 627. Cornely, 3. M. 150. Coejter 366. 403. 405. 406. 408. Coue3 57. 59. 60. 273. 507. | Cram 18.52. 60. 61. 62. 174. 229. 230. 234. 274. 275. 276. 277. 307. 309. 311. 312. 314. 456. 457. 485. 486. 487. 488. 517. 518. 519. 520. 561. Credner, Hermanı 458. Cuenot 474. Eupier 124. 212. 252. 414. Gzernin-Morzin, Graf Rudolf 469. Dach, Ludwig 86. Dahl 334. Dahmz 445. 446. Dany 352. Dampier 623. Darwin 83. 133. 134. 148. 201. 202. Davis 230. 234. Davijon 123. Deden, van der 355. Deders, Wilh. 349. Dehne 292. 347. 350. 388. Desmarejt 152. 252. Dettmeiler 112. Derheimer, Karl 38. Diederich 434. Diezel 96. 102. 103. Dirtfen 546. Dobriich 282. Döperlein 338. Dohrandt 70. Dörffling 554. Drummond 19. Dubois, Raphael 474. 475. Dugmore, A. Radelyffe 442. 457. Dujardin-Beaumeb 484. Dunbar 352. Divuzet 343. Docde, 2. 2. 514. Dyfe, van 56. Eiitein 297. 407. Eder, Rudolf 552. Ehrenberg 121. 123. Eiffe 337. 385. 387. Efman 258. 260. 261. 264. 265. 266. 269. Elliot 354. 376. Elliott 584. 585. 587. 593. 595. 596. 598. Emin Bajcha 125. 196. Sud: 319. 381, AlA. Engliifh, Douglas 310. 374. 262. 263. 588. 589. 631. 639. 359. 376. 527. 530. 369. 372. Epenitein 476. Erl 543. Ernit, Fr. 23. Ermwig 349. Eijer 555. Eversmann 256. 497. Eringer 428. Eymouth 441. 505. 506. sSabricius 601. 603. 610. 615. 622. Fahrenholz 553. Yalz- Fein 150. 213. 214. 499. 501. 503. 517. Farwie 366. Fatio 78. 338. 343. 357. 363. 370. 398. 408. 411. 447. 468. 215. Autorenregiiter. Tels, Comte de 151. Sılhner 533. 534. Sindeifen 91. 92. Sind) 173. 270. 491. 492. 584. Sicher 355. 376. 377. — Ch. 349. — $oh. d. 71. 366. 367. 488. 489. 560. Filcher-Sigwart 288. 338. 468. Silber 59. Sißinger 289. 359. 428. 448. lower 136. 311. 559. Soriter 625. Fortugn 361. Stanfe, €. 41. Frankius, d. 564. Srend 231. 280. 456. 512. Steyberg, v. 412. 413. Srie 319. Sriedel 30. 144. 408. 416. 445. Friedenthal 36. 50. 353. Sriedrich 422. 423. 424. 430. 431. 432. 433. 434. 435. 436. 437. 438. 439. 441, 442. 445. 447. 448. 450. 452. 460. Friefe 447. Fritieh, Gufta 206. 207. Fuchs 118. Fürjt 23. 109. Gadow 276. Galli-Balerivo 29. Galvagni 401. Ganter 430. Garcilafjo 144. Gayet, M. €. 318. Gayot 37. Geijenheyner 338. Genthe, Franz 440. 441. 442. 448. &esner 140. 333. 334. 631. Geyer 520. @iebel 12. 231. 271. 460. Gilfette, E. B. 514. Girtanner 467. 470. 471. 472. 473. Sloger 216. Soedefe 28. Godman 639. Göldi 136. 137.138. 140.144.146. | 147. 152. 153. 154. 157. 158. 159. 160. 161. 162. 163. 166. 167. 169. 198. 199. Solm 371. " Goode 240. Gordon, Seton PB. 68. Göring 133. 134. 135. 149. Goes, Edmund 172. 174. 175. Gould 381. 394. Gourlay 340. Graba 609. Sraell3 470. Greve 69. 70. 76. 339. 449. 450. 455. Grill 74. Grote, 9. 185. ı Guntermann 349. ' Günther 385. 409. 651 Haade 2.117.128. 134. 139. 141. 184. 346. 361. 493. 496. 579. Haedel 25. Haeder 361. Hagenbed 174. 344. Hagmann 191. 481. Hahn, ©. 25. Hall, 3. 461. Handmann 421. Hanfe 41. Hanbjch 616. 636. Harris 623. | — 2.9. Hartert 337. Hartig 367. ‚ Hartwig 131. 541. Hasbad) 47. 48. Haßfarl 462. Halt 116. ı Haym 214. | Head, W. 514. Hearne 459. Hecht, €. 339. Hed 128. 134. 139. 145. 146. 194. 202. 207. 211. 213. 245. 246. 281. 282. 345. 434. 451. 459. 478. 491. 574. 589. Hector Boethius 630. ı Hehn, Viktor 357. Heined 420. Heintoth 93. 185. 188. 245. 459. Heller 351. Helm, Fr. 409. 411. 541. Helms 342. Henneberg 217. 368. 372. 406. Henjel 140. 157. 160. 161. 166. 169. 198. 273. 481. Hemprich 123. Herberitein, Frhr. d. 631. Herbeville, d’ 151. Hering 305. Herfloß 499. 500. 501. 502. Hertivig 362. Hejjel 631. Heuglin 19. Hilzheimer 37. 120. 371. 582. Hippel, Karl v. 447. Hoberg 542. Hocderfjer 176. Hoffmann, Julius 30. Homeder, Eugen d. 309. Hormuzali 478. Hornaday 52. 235. 277. 280. 314. 316. 456. 457. 484. 491. 518. 519. 521. 560. Hornung 555. \ Horsfield 531. Horwarth 419. Hofjad, W.C. 340. 353. 375. Houahton, Zohn N. 514. H0Yy 513. 515. Hudfon 132. 202. Hugi 2%. Hunter, William N. 514. Huperz, Th. 47. 147. 215. 389. 567. 369. 312. 485. 998. 376. 652 Hurft, €. E. 50. Huth 408. Su fon, B. C. 492. 493. — Samuel 510. Säle, de l’ 334. Slatichenfo 352. Swanomw 353. Sädel 400. 410. 447. 465. 466. Säger, Gujtav 85. 99. 284. Safobi 498. Seitteles 339. Selsft 162. Sentinf 21. 198. 415. SSeLdDon 319... 810. 566. Sejatas 217. Sohannejjen, Arel 269. Sohan-Dljen 267. Sohnfton 333. 334. Sordan 542. 532. 565. | Kaffa 481. Stammerer, Paul 368. Stane 631. 639. Stappler 160. 170. Stäjebier 438. 439. Seller, E. 447. Steller-Zichoffe ‚338. stennicott 513. Kerner d. Marilaun 503. sterr 538. sterz 104. 105. stenjerling 296. Sting 572. Kicchhoff, U. 337. stiihi 361. stleinjorgen, Frhr. vd. 100. Kloß, Rudolf 107. 115. Stnauthe 338. Siniejche 138. Stobell, vd. 465. Stobelt 13. 266. 318. 319. Stoch 259. 306. 359. Stocyan 232. 407. 469. Stolthoff 274. Stönig 465. 506. — U. 74. 76. Köppen, Th. 449. 450. 455. Stogebue 585. Strätli 408. Kraufe, A. H. 414. — €. 445. Ktreyenberg 533. 534. Ktriz 330. struhöffer 36. strumbad, Thilo 6. 8. Küfenthal 632. 638. Kull, Albert 331. 332. Stunert 338. Stunßt 298. 2a Hontan 456. 459. Xamont 636. Zandau 117. Landois 39. 119. 120. 181. 288. | Autorenregiiter. 2%. 310. 335. 344. 359. 363. 540. Langenhan, Otto 325. Langfavel 343. 465. 466. Tank, David E. 343. Las Cajes 345. Zatajte 218. 222. 223. 383. 387. 390. 419. Laveleye, Emil de 47. Lammrom 272. Lehe 272. Lecomte 590. 591. 592. 598. LZendenfeld, R. v. 117. Xennep, van 361. Lenz 46. 89. 118. 303. 349. 367. 371. 401. 542. 551. 554. Zeudart 114. Leunis 397. Lewis 493. Lichtenstein 206. 216. 228. Liebe, 8. Th. 42. 43. 44. 77. 337. 481. 498. 541. Liefegang, R. 202. Lieftow, D. d. 455. Lignieres 114. Lindholm, W. U. 13. 14. Lindner, Fr. 338. Linne 20.120.124. 171. 258. 265. 398. Little, George 514. Livingjtone 528. Löffler 305. 351. Loir 26. Zomer 130. 192. Lönnberg 67. 68. 71. 74. 75. 116. 450. 622. 2öns, Edm. 345. — Hermann 38. 115. 319. 397. 408. 416. 445. 545. — Rudolf 397. Nord, 50! Lorenzen 275. Xoemis, D. d. 68. 69. 71. 74. 397. 449. 537. 550. 568. 569. Lund 340. Zunel 357. Zuther 110. 111. 2indeffer 122. 136. 254. 299. 311. 313. 314. 331. 383. 394. 417. 483. 567. 622. 623. MacBain, James 632. MacGillapıy 5. MacMajter 532. Macpherjon 72. 73. Magaud DP’Aubujjon, M. 53. Mahlich, BP. 50. Maindron, Maurice 347. Major, Koriyth 22. 231. 232. 334. 461. 463. 525. 526. 564. Malmesbury, Lord 47. Mangli 474. Warquardt 546. Marichald dv. Bachtenbrod 116. Marjhall, ©. U. 8. 415. 528. — W. 337. 339. 342. 344. 347. 353. 354. 358. 363. ' Martens 631. 632. AI Martenjon 69. 76. 270. 274. 556. Martial 118. Martiug 263. Maske 330. Matichie 26. 52. 116. 125. 248. 328.395. 371.2 379 B3108 30% 378. 379. 381. 414. 470. 523. 526. 527. 528. 530. 573. 575. 576. 616. Matthew 582. Mearns 171. Megnin 39. Mehely, dv. 242. 298. 335. 469. Melsheimer 338. Wendel 50. 361. Menges 331. Merk, M. 80. Merriam, Hart 19. 21. 171. 172. 228. 235. 236.. 237. 314. 460. 492. 505. 506. 561. 572. Mertens 430. 433. 444. 449. Mejier 337. | Denyer 540. — A 8. 379. 390. 391. — €. 434. Meyerind v. 424. 426. 439. Middendorff, v. 269. 270. 273. 274. 537. 538. Millais, $. ©. 335. Miller, Gerrit 285. 292. 294. 311. D37 me Milne-Edwards 318. 328. 329. 331. 503. Mingaud, Galien 454. 455. Mojjifovics 30. 78. 232. 288. 298. 304. 319. 322. 339. 343. 371: 398. 399. 402. 407. 408. 448. 501. 503. 536. 541. Molina 127. 129. 131. Möllhaufen, Balduin 490. 491. Morgan 458. — Camillo 469. Mörz, Otto dv. 9. Mortimer 627. Mosny 484. Müller, U. 418. — &. 26. — %. 185. — Ferdinand 322. — Gebr. (U. u. 8.) 34. 38. %. 97. 98.231117 2847 2872.289! 290. 291. 300. 304. 305. 322. 324. 365. 410. 417. — Rob. Hermann 456. — ©. 531. Murie 592. Mühel 183. Nathorit 274. Nathujius, Hermann d. 37. Natterer 198. | Nehring 4. 13.14. 23. 37. 84. 103. 140. 141. 142. 143. 144. 187. 201. 215. 216. 24222697272. 276. 296. 298. 3197327. 328. 329. 330. 407. 481. 506. 613. 614. 615. Nehrling 240. Neljon, -&. W. 52. 53. Neticher 21. Neuendorf, 9. 46. 47. Neumann, Dsfar 124. 355. 376. 379. Nemton 619. 620. — Alfred 328. Kitoljty 333. Kıillion 67. Road 125. Noll 359. 409. 411. 413. 541. Nordenfiycht, vd. 441. Nordenjfiöld 631. 638. Nojjilomw 274. Nupbaum, H. Chr. 548. 549. Dailvie-Grant 335. Dlaus Magnus 631. Dlt 114. DOppian 179.- Dsborn, Herbert 514. Dsgood, W. 9. 49. Dtto, ©. U. 38. 99. — 9. 29. 32. 33. 34. 41. 107. — N. 9. DOpiedo 193. Padberg, U. dv. 546. PBallas 15. 16. 120. 122. 212. 228. 232. 311: 372.485. Palmer 55. 56. 57. 59. Barlet 154. Barry 273. 631. Bajchen, Peter 106. Bascolotti 92. Bader 636. — %. 465. Pechuel-Loejche 345. 528. 634. 636. Bennant 35. ‘Bernetty 625. Peters 162. 184. 248. 317. 355. 375. 377. 381. 394. 564. Besholdt, U. 478. Pfeiffer 114. 285. Philipp der Gropmütige 117. Philippi 629. Phillips, E. Lort 249. Bichot 150. 151. 454. Bietet 197. Plate 361. Plesfe 70. 74. 77. 244. 261. 262. 263. 264. 271. 272. 285. 29. PBlinius 25. 179. 357. Bocod 180. 341. 357. 449. Boll 362. Pollof, 5. 3. 22. 23. Bolybius 25. Boppe 334. Böppig 200. Bomers 553. 273. 274. 298. 333. 342. 359. 426. 256. 260. | 265. 266. | Autorenregifter. Braun, Soh. 448. Preble, &. W. 229. 510. Price 57. Pröpper, 2. 48. Prihemalify 15. 122. 123. 294. 364. 383. 384. 483. Purpus 175. 176. 312. \ Naebiger 352. NRabus 419. 421. Radde 15. 121. 212. 213. 339. 363. 365. 479. 480. 482. 518. 538. 542. 551. 569. Nawib 361. Neefer 335. 349. Negel,. %. 337. Negnault 474. Neh 582. Rehfus 40. NReichenow 527. Reimann 98. Kein 306. 570. Reindl, $. 447. Reif 141. 143. Nengger 142. 143. 146. 153. 154. 155. 160. 166. 169. 189. Reuvens 398. 408. Nichardion 278. 507. 512. 513. Kichthofen, Ferdinand dv. 18. Kidinger 84. Niehl 474. 475. Nogers 376. Römer, 5. 337. Norek, d. 566. KRörig -29. 37. 112.297. 300. 305. 3197399: ' Roffifor 244. 256. Nothe 88. 89. 96. 105. 106. Nothichild, Walter v. 380. 623. Rour 361. Fippell 246. 248. Nütimeyer 447. Sädbom 272. Saint-Hilaire, Etienne Geofjroy 39. | Sanderjon 566. ' Sanyal 340. Sarrazin 280. Sarudny 255. 256. 292. 293. Satunin 121. 122. 185. 186. 242. 256. 257. 285. 306. 330. 339. 363. 371. 397. 506. 536. 537. 538. Scammon 585. 586. 587. 626. 628. 629. 630. 633. Schadt, H. 288. 290. 365. 401. 406. 542. 294. 197. 328. 497. 624. 373. Schadenberg 379. 390. Pohlmann 485.486. 487.488.513. Schäff 23. 35. 42. 83. 91. %. 102. 103. 111. 403. 481. 613. Schalow 416. Scharff 77. Schauer 468. 477. 478. 503. 505. Sceliha, dv. 91. 504. 640. | 659 Schilling 352. 605. 608. 609. Schiött 337, Schlegel, 9. 20. 21. 531. Schmidt 332. — Mar 303. 635. — DSfar 481. Schmidtlein 216. 223. 227. Schmiedefnecht 397. Schöpfer 550. Schreber 84. 252. 255. Schreber-Wagner 270. 274. 341. Schreiner 466. Schrend, Frhr. d. 590. Schrend dv. Noing 133. 202. Schrent 270. 271. Schulg 101. Schufter, Ludwig 28. 32. 33. 38. 40. 420. 549. 551. — Wilhelm 325. 420. 547. Schweinfurth 195. 196. Schwendfeld 498. Sclater, W.R. 125.185. 248. 331. 354. 375. 377. 381. 414. 528. Scoresby 631. 636. Seeger 556. Geidler 322. Sewell, ©. W. 509. Gehyndel 539. 541. 547. 548. 553. Shortridge 536. Giebenlijt 115. Simmons, Hermann G. 65. Simons 180. Sfoglund, Peter 514. ©lade 228. Smit, %. 393. 483. Smith, A. 382. 389. 528. — Horace ©. 514. Snethlage 137. 147. 153. 157. 158: 159 160.. 162. 164. 170. 197. 198. 563. Snidt, van der 49. Soffel, Karl 536. Sotolowjfy 630. 635. 641. Sommereyer, Hans 79. Spab, Paul 204. Sjilantjeff 244. Starfe-Marpmann 49. Starzyfomjti 541. Steimen, R. vd. d. 607. 622. 625. 626. Steller 298. 585. Sternburg, d. 69. Sterndale 187. 376. 532. Stimming, Gujtad 2%. Stoll 568. 569. Stolzmann 161. Stone, Witmer 18. 52. 60. 61. 62. 63. 174. 229. 274.275. 276. 277. 279. 291. 307. 308. 309. 311. 312. 314. 315. 316. 456. 457. 485. 486. 487. 488. 517. 518. 519. 520. ‚561. 563. 572 156. 163. 623. \ Stöwmwer 46. Strabo 25. Strider, W. 444. 447. | Steroinigg 79. | ©tröje 113. 114. 654 Struve 360. Stübel 141. Stuhlmann 125. 355. 530. Sturt 380. 381. Sudley 56. Sulzer 321. Sujchfin 455. Sperdrup 64. 65. Smwartele 49. Swinhoe 123. 566. Spyfes 185. Taczanomifi 162. Tartafomjfy 352. Tegetmeyer 26. Temme 546. Temmind 19. Templeton, Sohn 537. Teuffel v. Birkenfee, Fıhr. 111. Theobald 343. Thienemann 120. Thomas, Oldfield 10.12. 144. 216. 249. 256. 314. 317. 334. 342. 364. 375. 319. 380. 331.391. 392. 393. 526. 534. 535. 564. | 567. TIhompfion, Seton 234. 235. TIhott, Graf 75. 76. Tietell 566. Tiemann 502. 555. Tormwnsend, Charles Haskfins 623. 624. 626. Trouefjart 1. 15. 26. 51. 53. 77. 83.120. 124. 185. 189. 194. 201. 282. 328. 371. 460. 477. 529. 532. 204. 217. 285. 2%. 329. 331. 379. 415. 533. 565. 233. 241. 250. 311. 318. 327. 333. 340. 363. 615. 630. Autorenregiiter. True 62. Trutat 470. Tihudi, 3. d. 77.78.79. 81. 130. 160. 201. 419. 470. 5 560. Zullberg 6. 12. 460. ‚ Uhlenhuth 50. 353. Bolbradht, R. 92. Boffeler, $. 179. 181. 182. 248. 523. 527. 528. 574. Bries, de 335. 183. Wacquant-Geozelles, Staats vd. 110. 111. 301. Wagner, oh. Andreas 121. 125. 146. 331. Waldeyer 24. Waldon, €. B. 509. | Wallace 601. Walte 358. Walter, U. 342. 631. 638. Waltisperger 338. ' Wasmuth 397. Waterhouje 573. Wamerjig 104. Weber 402. 413. — MM. 2. 4. 5.6. 136.189. 194. 207. 311. 582. — ©. W. Weichert 90. Weidholz 218. Weinef 625. Weinland 474. 475. Welden 640. Wellmann 397. Wemer 540. 549. 553. Werner, Franz 389. Berichtigung: Bejterholt-GHhfenberg, Graf Dtto zu 37. Weprich 547. Whitehead 380. 392. 393. 564. Whyte 51. Wte 116. Wied, Prinz von 160. 166. 171. 173. 426. | Wiemehyer 397. 408. 416. 417. 420. Wiener 352. Widungen, dv. 20. 41. Willems 246. Williams 635. Windell, Dietrich aus Dem 34. S6. 88. 102. 103. 427. 551. Winge, H. 4. 12. 189. 207. 231. 232. 629. Winton, de 121. 123. 355. 369. Riljmann 185. Wöber 85. 93. 105. Woldrich 330. 334. Wood 190. 492. Wormabd, Hugh 35. Wortmann 582. Wrangel, 3. d. 58. Wroughton 532. Wunderlich 138. 589. Wurm 547. Wotlacil 466. 476. dech, Graf 523. Bell, Th. 38. 107. Benfer 573. 575. 576. Simmermann 398. 399. 401. 406. Bipperlen 559. gittel 422. Zudors 541. Zung 10. Zujdlag 351. Ceite 42, Zeile 15 von unten lies: 8. IH. Liebe, ftatt R. Th. Liebe. Drud vom Bibliograpbifhen Inftitut in Leipzig. Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipzig. Enzyklopädische Werke. Meyers Grosses Konversations-Lexikon, sechste Auflage. Mit 16831 Abbildungen, Karten und Plänen im Text und auf 1522 Illustrationstafeln (darunter 180 Farbendrucktafeln und 343 Kartenbeilagen) sowie 160 Textbeilagen. Gebunden, in 20 Halblederbänden.. . Per : id . je Gebunden, in 20 Liebhaber- Halblederbänden, Prachtausgabe N ES 6 Ergänzungsband und drei Jahres - Supplemente De Mit vielen Illustrationstafeln, Karten und Plänen. Bandpreise wie beim Hauptwerk. Meyers Kleines Konversations - Lexikon, siebente Auflage. Mit 639 Illustrationstafeln (darunter 86 Farbendrucktafeln und 147 Karten und Pläne) sowie 127 Textbeilagen. Gebunden, in 6 Halblederbänden . . . . je Meyers Hand-Lexikon des allgemeinen Wissenan sechste Auflage. Mit 1220 Abbildungen auf 80 Illustrationstafeln (darunter 7 Farben- drucktafeln), 32 Haupt- und 40 Nebenkarten, 35 selbständigen Sa und 30 statistischen Übersichten. Gebunden, in 1 Halblederband . Gebunden, in 2 Liebhaberbänden . . . or 8 N er chichtliche Werke. Brehms Tierleben, vierte Auflage. Mit über 2000 Abbildungen im Text und auf mehr als 500 Tafeln in Farbendruck, Ätzung und Holzschnitt sowie 13 Karten. (Im Erscheinen.) Gebunden, in 13 Halblederbänden IE . je Brehms Tierleben, Kleine Ausgabe. Dritte, neubearbeitete tn von Dr. Walther Kahle. Mit etwa 500 Abbildungen im Text und 150 Tafeln in Farbendruck, Atzung u. Holzschnitt. (Im Erscheinen.) Geb., in 4 Leinenbänden je Brehms Tierbilder. Zweiter Teil: Die Vögel. 60 farbige Tafeln aus „Brehms Tierleben“. Mit Text von Dr. V. Franz. In Leinenmappe . Brehms Tierbilder, Kleine Ausgabe. Zweiter Teil: Die Vögel. Erste Hälfte: Einheimische Vögel. 21 farbige und 15 schwarze Tafeln aus „Brehms Tierleben“. Zweite Hälfte: Ausländische Vögel. 21 farbige und 15 schwarze Tafeln aus ‚„Brehms Tierleben“. In 2 Leinenmappen . . . ... ..je Der Mensch, von Prof. Dr. Joh. Ranke. Dritte Auflage. Mit 695 Abbil- dungen im Text, 64 Tafeln in Farbendruck, ne und Holzschnitt und 7 Karten. Gebunden, in 2 Halblederbänden . . . : . je Völkerkunde, von Prof. Dr. Fr. Ratzel. Zweite Mit 1103 Text- bildern, 6 Karten und 56 Tafeln in Farbendruck usw. Geb., in 2 Halblederbänden je Die Pflanzenwelt, von Prof. Dr. Otto Warburg. Mit etwa 900 Abbil- dungen im Text und 80 Tafeln in Farbendruck und Ätzung. m nen Gebunden, in 3 Halblederbänden . . . al Pflanzenleben, von Prof. Dr. Bi er ner von Mar ilaun. Dritte, von Prof. Dr. A. Hansen neubearbeitete Auflage. Mit etwa 600 Abbildungen im Text, 1 Karte und 80 Tafeln in Farbendruck, Atzung und Holzschnitt. Kt: Er- scheinen), Gebunden, in 3 Halblederbänden . . - x . je Erdgeschichte, von Prof. Dr. Melchior Naar Zweite, von Prof. Dr. V. Uhlig bearbeitete Auflage. Mit 873 Abbildungen im Text, 4 Karten und 34 Tafeln in Farbendruck und Holzschnitt. Gebunden, in 2 Halblederbänden. .je Das Weltgebäude. Eine gemeinverständliche Himmelskunde. Von Dr. M. Wilhelm Meyer. Zweite Auflage. Mit 291 Abbildungen im Text, 9 Karten und 34 Tafeln in Farbendruck, Atzung und Holzschnitt. Gebunden, in Halbleder Die Naturkräfte. Ein Weltbild der physikalischen und chemischen Erschei- nungen. Von Dr. M. Wilhelm Meyer. Mit 474 Abbildungen im Text und 29 Tafeln in Farbendruck, Atzung und Holzschnitt. Gebunden, in Halbleder . Ausführliche Prospekte zu den einzelnen Werken stehen kostenfrei zur Verfügung. Leitfaden der Völkerkunde, von Prof. Dr. Karl Weule. Mit einem Bilderatlas von 120 Tafeln (mehr als 800 Einzeldarstellungen) und einer Karte der Verbreitung der Menschenrassen. Gebunden, in Leimen . . wm. 2. 0. Bilder- Atlas zwr Zoologie der Säugetiere, von Professor Dr. W. Marshall. Beschreib. Text mit 258 Abbildungen‘ Gebunden, in Leinen Bilder- Atlas zwr Zoologie der Vögel, von Professor Dr. W. Mar- shall. Beschreibender Text mit 238 Abbildungen. Gebunden, in Leinen ä Bilder-Atlas zur Zoologie der Fische, Lurche und Kriechtiere, von Prof. Dr. W. Marshall. Beschreibender Text mit 208 Abbildungen. Gebunden, in Leinen : 2 Me ß Bilder- Atlas zur Zoologie der Niederen Tiere, von Prof. Dr. W. Marshall. Beschreib. Text mit 292 Abbildungen. Gebunden, in Leinen Bilder- Atlas zur Pflanzengeographie, von Dr. Moritz Kron- feld. Beschreibender Text mit 216 Abbildungen. Gebunden, in Leinen . Kunstformen der Natwr. 100 Tafeln in Farbendruck und Ätzung mit beschreibendem Text von Prof. Dr. Ernst Hacckel. In zwei eleganten Sammelkasten 37,50 M. — Gebunden, in Leinen Kunstformen der Natur, Kleine Ausgabe. Unter Mitwirkung des Bibliographischen Instituts ie von Prof. Dr. Ernst Haeckel. PP} far- bige und 8 schwarze Bildertafeln mit Kunstformen der anorganischen und der organischen Natur, nebst erläuterndem Text. In Leinenmappe Geographische Werke. Allgemeine Länderkunde, Kleine Ausgabe, von Prof. Dr. Wilh. Sievers. Mit62 Textkarten und Profilen, 33 Kartenbeilagen, 30 Tafeln in Farben- druck, Ätzung und Holzschnitt und 1 Tabelle. Gebunden, in 2 Leinenbänden. .je Die Erde und das Leben. Eine vergleichende Erdkunde. Von Prof. Dr. Friedrich Ratzel. Mit 487 Abbildungen im Text, 21 Karten und 46 Tafeln in Farbendruck, Atzung und Holzschnitt. Geb., in 2 Halblederbänden . je Afrika. Zweite Auflage von Prof. Dr. Fr. Hahn. Mit 173 Abbildungen im Text, 11 Karten und 21 Tafeln in Farbendruck, Atzung usw. Geb., in Halbleder Australien, Ozeanien und Polarländer, von Prof.Dr. W. Sievers und Prof.Dr. W. Kükenthal. Zweite Auflage. Mit 198 Abbildungen im Text, 14 Karten und 24 Tafeln in Farbendruck, Atzung usw. Gebunden, in Halbleder Süd- und Mittelamerika, von Prof. Dr. Wilh. Sievers. Dritte Auf- lage. Mit 54 Abbildungen, Kärtchen, Profilen und Diagrammen im Text, 9 Karten- beilagen, 20 Doppeltafeln in Ätzung und Holzschnitt und 6 Tafeln in Farbendruck. Gebunden, in Halbleder . Nordamerika, von Prof. Dr. . Emil Deckent, Dritte se Mit 86 Ab- bildungen, Kärtchen, Profilen und Diagrammen im Text, 13 Kartenbeilagen, 27 Doppeltafeln in Ätzung und Holzschnitt und 10 Tafeln in Farbendruck. Gebunden, in Halbleder Asien, von Prof. Dr. W. Sievers. Zweite ee Mit 167 en im Text, 16 Karten und 20 Tafeln in Farbendruck, Atzung usw. Geb., in Halbleder Europa, von Prof. Dr. A. Philippson. Zweite Auflage. Mit 144 Abbil- dungen im Text, 14 Karten und 22 Tafeln in Farbendruck usw. Geb. in Halbleder Das Deutsche Kolonialreich. EineLänderkunde der deutschen Schutz- gebiete. Herausgegeben von Prof. Dr. Hans Meyer. Mit 12 Tafeln in Farbendruck, 66 Doppeltafeln in Kupferätzung, 55 farbigen Kartenbeilagen und 159 Textkarten, Profilen und Diagrammen. Gebunden, in 2 Leinenbänden . . .je Meyers Geographischer Handatlas. Vierte Auflage, revidierte Ausgabe. 121 Haupt- und 126 Nebenkarten, 5 Textbeilagen und Register aller auf den Karten und Plänen vorkommenden Namen. Gebunden, in Leinen . . . 15 Meyers Deutscher Städteatlas. 50 Stadtpläne mit 34 Umgebunes- karten, vielen Nebenplänen und vollständigen Straßenverzeichnissen. Heraus- gegeben von P. Krauss und Dr. E. Uetrecht. Gebunden, in Leinen. . . 8 Meyers Orts- und Verkehrslexikon des Deutschen Reeichs. Fünfte Auflage. Mit 52 Stadtplänen, 19 Lrogebung und Übersichts- karten, einer Verkehrskarte u. vielen statist. Beilagen. Geb., in 2 Leinenbänden . je 18 Ritters Geographisch-Statistisches Lexikon. Neunte Eu Revidierter Abdruck, Gebunden, in 2 Halblederbänden . . . .je || 95 Bilder- Atlas zur Geographie von Europa, von Dr. A. Geist- beck. Beschreibender Text mit 233 Abbildungen. Gebunden, in Leinen. Bilder- Atlas zur Geographie der aussereuropäischen Erdteile, vonDr. A. Geistbeck. Beschreibender Text mit3 14 Abbildungen. Gebunden, in Leinen. . . 5 Geographischer Bilderatlas Bilen ana en Er EB: Von: Prof Dr. Hans Meyer und Dr. Walter Gerbing. Erster Teil: Deuisch- land in 250 Bildern, zusammengestellt und erläutert von Dr. Walter Gerbing. (Weitere Teile in Vorbereitung.) Gebunden, in Leinen . . 9 Verkehrs- und Reisekarte von Deutschland nebst Sea stellungen des rheinisch-westfälischen Industriegebietsu. dessüdwestlichen Sachsens sowie zahlreichen Nebenkarten. Von P. Krauss. Maßstab: 1:1500000. In Oktay gefalzt und in Umschlag 1 M. — Auf Leinen gespannt mit Stäben zum Aufhängen Welt- und kulturgeschichtliche Werke. [I] [9] M, 75 Weltgeschichte. Begründet von Dr. H. F. Helmolt. Zweite, neubearbeitete Auflage, herausgegeben von Dr. Armin Tille. Mit mehr als 1200 Abbildungen im Text, 300 Tafeln in Farbendruck, Ätzung und Holzschnitt und 60 Karten. | (Im Erscheinen) Gebunden, in 10 Halblederbänden url je, 1012 Meyers Historischer Handatlas. 62 haste mit Pielk Neben, kärtchen, einem Geschichtsabriß und 10 Registerblättern. Gebunden, in Leinen . . 6 Das Deutsche Volkstwm, herausgegeben von Prof. Dr. Hans Meyer. | Zweile Auflage. Mit 1 Karte u. 43 Tafeln in Farbendruck, Ätzung u. Holzschnitt. |) Gebunden, in 2 Leinenbänden zu je 9,50 M. — in Halblederband EREEN: || 18 Urgeschichte der Kultur, von Dr. Heinrich Sehe Mit 434 Ab- bildungen im Text, 1 Karte und 23 Tafeln in Farbendruck usw. Gebunden, in Leinen | 17 Geschichte der Deutschen Kultur, von Prof. Dr. Georg Stein- | hausen. Zweite, neubearbeitete Auflage. Mit 213 Abbildungen im Text und | 22 Tafeln in Farbendruck und Kupferätzung. Gebunden, in 2 Leinenbänden.. .je || 10| Natur und Arbeit. Eine allgemeine Wirtschaftskunde. Von Prof. Dr. Alwin Oppel. Mit 218 Abbildungen im Tat 23 Karten und 24 Tafeln in Farbendruck, | Ätzung und Holzschnitt. Gebunden, in 2 Leinenbänden je 10 M. — in 1 Halblederband Literatur- und kunstgeschichtliche Werke. Geschichte der Deutschen Literatur, von Prof. Dr. Friedr. | Vogt und Prof. Dr. Max Koch. Dritte Auflage. Mit 173 Abbildungen im | Text, 31 Tafeln in Farbendruck, Tonätzung, BurLrto h und Holzschnitt, 2 Buch- | druck- und 43 Faksimilebeilagen. Gebunden, in 2 Halblederbänden. . . . . je | | Geschichte der Englischen Literatur, von Prof. Dr. Rich. Wül- ker. Zweite Auflage. Mit 229 Abbildungen im Text, 30 Tafeln in Farbendruck, Tonätzung usw. und 15 Faksimilebeilagen. Gebunden, in 2 Halblederbänden . .je || 10 Geschichte der Italienischen Literatur, von Prof. Dr. B. Wiese und Prof. Dr. E. Percopo. Mit 158 Textabbildungen und 31 Tafeln in Farben- druck, Kupferätzung und Holzschnitt und 8 Faksimilebeilagen. .Geb., in Halbleder Geschichte der Französischen Literatur, Hermann Suchier und Prof. Dr. Adolf Birch-Hirschfeld. Zweite Auflage. Mit 169 Abbildungen im Text, 25 Tafeln in Farbendruck, Kupferätzung und Holzschnitt und 13 Faksimilebeilagen. Weltgeschichte der Literatur, von Otto Hauser. Mit 62 Tafeln in Farbendruck, Tonätzung und Holzschnitt. Geschichte der Kunst aller Zeiten und Völker, Mit 1361 Abbildungen im Text und 162 Tafeln in Dr. Karl Woermann. Farbendruck, Tonätzung und Holzschnitt. von Professor Dr. Gebunden, in 2 Halblederbänden . .je Gebunden, in 2 Leinenbänden . .je von Prof. Gebunden, in 3 Halblederbänden . Jo Wörterbücher. 16 10 10 17 Orthographisches Wörterbuch der deutschen SDrae von Dr. Konrad Duden. Achte Auflage. Orthograph. Wörterverzeichnis der deutschen Sprache, von Dr. Konrad Duden. Zweite Auflage. Gebunden, in Leinen Handwörterbuch der deutschen Sprache, von Dr. Daniel Sanders. Achte Auflage von Dr. J. Ernst Wülfing. Geb., in Leinen . Gebunden, in Leinen . Technik. M. 10 PE. 60 50 Moderne Technik. Die wichtigsten Gebiete der Maschinentechnik und Ver- kehrstechnik allgemeinverständlich dargestellt und erläutert durch zerlegbare Modelle. Herausgegeben von Ingenieur Hans Bliücher. dungen im Text und 15 zerlegbaren Modellen. (Die „Moderne Technik‘ ist auch in L1 selbständigen, ein- zeln käuflichen Sonderabteilungen erschienen.) Mit 1391 Abbil- Gebunden, in 2 Leinenbänden Meyers Klassiker-Bibliothek. Arnim, herausgeg. von J. Dohmke, 1 Band Brentano, herausg. von M. Preitz, 3 Bände Bürger, herausg. von A. E. Berger, 1 Band Chamisso, herausg. von H. Tardel, 3 Bände Eichendorff, herausg. von R. Dietze, 2 Bände Freiligrath, herausg. von P. Zaunert, 2 Bände Gellert, herausg. von A. Schullerus, 1 Band Goethe, herausgegeben von K. Heinemann, kleine Ausgabe in 15 Bänden. große Ausgabe in 30 Bänden . Grabbe, herausgegeben von A.’ Franz und P. Zaunert, 3 Bände . B Grillparzer, herausg. von R. Franz, 5 Bände Gutzkow, herausgeg. von P. Müller, 4 Bände Hauff, herausg. von M. Mendheim, 4 Bände Hebbel, herausg. von Fr. Zinkernagel, 6 Bände Heine, herausgeg. von E. Elster, 7 Bände . Herder, herausg. von 7%. Matthias, 5 Bände E. T. A. Hoffmann, herausg. von Y. Schweizer und P. Zaunert, 4 Bände e Immermann, herausg. von ZH. Maync, 5 Bände Jean Paul, herausg. von R. Wustmann, 4 Bde. —— In Leineneinband; für Halbledereinband sind die Preise um die Hälfte höher. — 40 Pf. 12 16 10 8 10 8 Kleist, herausgegeben von E. Schmidt, 5 Bde. Körner, herausg. von H. Zimmer, 2 Bände Lenau, herausg. von C. Schaeffer, 2 Bände Lessing, herausg. von G. Witkowski, 7 Bde. 0. Ludwig, herausg. von V. Schweizer, 3 Bände Mörike, herausgeg. von H. Maync, 3 Bände Nibelungenlied, herausg. von @. Holz, 1 Bd. Novalis u. Fouque, herausg. v. J. Dohmke, 1 Bd. Platen, herausgegeben von @. A. Wolff und V. Schweizer, 2 Bände. Er. Reuter, herausgegeben von W. Seelmann, kleine Ausgabe, 5 Bände große Ausgabe, 7 Bände yore Rückert, herausg. von G. Ellinger, 2 Bände Schiller, herausgegeben von L. Bellermann, kleine Ausgabe in 8 Bänden . große Ausgabe in 14 Bänden. Shakespeare, Schlegel- Tiecksche Übersetzung. Bearbeitet von A. Brandl. 10 Bände Tieck, herausgeg. von @. L. Klee, 3 Bände Uhland, herausgeg. von L. Fränkel, 2 Bände Wieland, herausgeg. von @. L. Klee, 4 Bände Druck vom Bibliographischen Institut in Leipzig. IR mr; 7 art, = Dar pe w_ Tr Tr ne IBRARIES | ||| | IN | | III | I