Digitized by Google

ARCHIV

für

Schiffs- und Tropen-Hygiene,

unter besonderer Berücksichtigung der

Pathologie und Therapie

unter Mitwirkung von

Prof. Dr. HA ELZ, Tokio, Dr. BELOW, Berlin, Dr. KROHN, Madeira, Dr. BOMBARDA, Lissabon, Dr. VAN BRERO, Buiteiuorg, Dr. DE BRUN, Beirut, Dr. BRUNHOFF, Kiel, Prof. Dr H. COHN, Breslau, Dr. DAEUBLER, Berlin, Dr. DRYEPONDT, Brüssel, Prof. Dr. FIRKET, Lüttich, Dr. FISCH, Aburi (Goldküste), Dr. GLOGNER, Samarang, Dr. GOLDSCHMIDT, Paris- Madeira, Dr. HEY, Oduntase (Goldküste), Dr. MAX JOSEPH, Berlin, Dr. LEHMANN, Schlachtensec, Prof. Dr. LEICHTENSTERN , Köln, Dr. LIEBENDOERFER, Kalikut (Vorderindien), Dr. LIER, Mexico, Hofrat Dr. MARTIN, München, Prof.Dr. MONCORVO. Rio de Janeiro, Dr. NOCHT, Hamburg, Dr. A. PLEHN, Kamerun, Dr. F. PLEHN, Tanga, Prof. Dr. RENK, Dresden, Dr. RICHTER, San Francisco, Prof. Dr. O. ROSENBACH, Berlin, Dr. ROTHSCHUH, Managua, Dr. RÜGE, Kiel, Dr. RUMPEL, Hamburg- Eppendorf, Dr. SANDER, Windhoek, Dr. SCHEI.LONG, -Königsberg, Sanitätsrat Dr. SCHEUBE, Greiz, Dr. SCHOEN, Berlin, Dr. SCHWALBE, Los Angeles. Dr.WITTENBERG, Kayintschu (Süd-China), Dr. ZIEMANN, Berlin,

herausgc$cbcn von

Dr. C. Mense, Cassel.

1. Band,

. C ASSEI. ;

Verlag von Tu. G. Fisher & Co. 1897.

Digitized by Google

Digitized by Google

Zur Einführung.

Wenn in früheren Jahren der junge deutsche Mediziner in die weite Welt hinauszog, um, dem Wissensdurst und der Wanderlust folgend, auf See oder in den Tropenländem seine ärztliche Thätigkeit auszuüben, so war er für die eigenartigen Aufgaben seines Berufs nur mangelhaft vorbereitet. Von manchen ihm neu entgegentretenden Krankheiten hatte er kaum den Namen gehört, noch viel weniger Fälle derselben gesehen, an die Besprechung hygienischer Fragen, welche über den Rahmen europäischer Verhältnisse hinausgingen, hatten nur wenige seiner Lehrer gedacht. In wissenschaft- lichen Zeitschriften zerstreut fand man allerdings Abhand- lungen über einzelne Tropenkrankheiten, ihre Verhütung und Behandlung, aber dieselben bekam immer nur ein beschränkter Leserkreis zu Gesicht. Die älteren kolonisirenden Nationen, besondere Engländer, Franzosen und Holländer, hatten da gegen schon um die Mitte unseres Jahrhunderts auf diesem Gebiete eine reiche Litteratur und brauchbare Lehrbücher. Das erste grosse deutsche Werk auf dem Felde der Tropen- krankheiten und von Zone zu Zone wandernden Seuchen ist die historisch-geographische Pathologie von Hirsch welches 1859 erschien und eine Fülle von Belehrung bot. Leider fand die Therapie in derselben fast gar keine Berück- sichtigung. Durch Fisch, Däublcr und andere, besondere kürzlich durch Scheube, ist in den letzten Jahren auch für treffliche therapeutische Handbücher gesorgt worden. Eine Zeitschrift aber, welche fortlaufend Berichte aus warmen Ländern sammelt, die Aussprache der verschiedenen Meinungen vermittelt, Belehrung bietet und zur Beobachtung anregt, war bisher nicht vorhanden. Unser Archiv will versuchen,

238 i

i*

Digitized by Google

4

diese Aufgabe zn erfüllen und richtet an die wissenschaftliche Welt die Bitte um Unterstützung. Wenn der Unterzeichnete die Redaktion der neuen Zeitschrift übernimmt, so geschieht cs in der Hoffnung, durch langjährigen Aufenthalt in den Tropen und auf Reisen in den Stand gesetzt zu sein, das eingehende Material zur Zufriedenheit der Mitarbeiter und Leser ordnen und sichten zu können.

Stoff zur Besprechung wird stets reichlich vorhanden sein, denn mit dem Anwachsen des überseeischen Verkehrs und der Entwicklung der Kolonialpolitik ist die Zahl der auf See fahrenden und im Ausland auch in ungesunden Tropetdiindern lebenden Europäer in steter Zunahme begriffen.

Noch manches Rätsel aber muss aufgeklärt, noch manche wichtige Streitfrage entschieden werden, ehe das Ziel, welches Hygiene und Medizin gemeinsam erstreben, der weissen Rasse auch in den Tropen ein Heim zu bereiten, erreicht ist, che das Schiff, welches die unternehmenden Reisenden hinaus- trägt in die Ferne und die von klimatischen Krankheiten Geschwächten auf den Ozean und in das Vaterland zurückbringt, ein gesundes schwimmendes Haus und nie mehr ein Träger gegenseitiger Ansteckung von Erdteil zu Erdteil sein wird. Und da draussen auf dem Meere und in den Koloniallainlcrn der einzige Arzt oft genug auch der einzige Hygieniker ist, oder doch sein sollte, die prophylaktische Arbeit aber die therapeutische nicht selten an Bedeutung überragt, so darf das „Archiv“ sieh keine Trennung beider Wissenschaften erlauben.

Mögen unsere Mitarbeiter und Leser im Kampfe der Meinungen bedenken, dass verschiedene Pfade durch das hohe .Savannengras des Unbekannten nach dem Zukunftshause des weissen Mannes in den Tropen führen können und dass für das Gebäude selbst aus allen Richtungen Steine licrbei- getragen werden dürfen, wenn es nur fertig wird!

M e n s e.

Bitten nnd Vorschläge an Leser und Mitarbeiter.

Um unsere Kenntnisse über die Malariaparasiten im Blut zu erweitern, ist es nothwendig, dass Blutuntersuchungen in den Tropen und im gemässigten Klima Hand in Hand gehen. Wir ersuchen unsere Leser und Mitarbeiter, solche Studien vorzunehmen, wozu die Arbeit von A. Plehn und das Referat über die Arbeit Ziemann’s in diesem Helte eine treff- liche Anleitung giebt. Für Berlin und Umgegend ist Herr Dr. K. Däubler, Tegel, Brunneustrasse, zur Vornahme dieser Untersuchungen bereit, für Cassel der Herausgeber d. Bl. Um Zuweisung geeigneter Patienten wird gebeten. Die Beobach- tungen werden im „Archiv“ veröffentlicht werden.

Das Archiv ersucht ferner seine Freunde im Auslände um Einsendung pathologischer und anatomischer Präparate, deren genaue mikroskopische Untersuchung drausscn oft mit Schwierigkeiten verbunden ist. Wenn nicht aus besonderen Gründen eine andere Conservirung vorgezogen wird, so mag folgende erprobte Vorschrift benutzt werden:

1) Sublimat-Essigsäure:

Hydrarg. bichlorat 5,0

Acid. acet. glac 5,0

Aq. dest 100,0

Natr. ohiorat. q. s. ut. f. solut. . (0,5)

Die Gewebsteile müssen so bald wie möglich nach dem Tode der Leiche entnommen werden. Aus dem lebenden Körper entfernte Gewebsteile müssen in 1 eben s warmem Zustaude in die Konservierungstlüssigkeit, welche vor- her auf eine Temperatur von 25 0 C. zu bringen ist, ein- gelegt werden. (Um ein Ankleben des eingelegten Stückchens an dem Boden des Gefässes zu vermeiden, muss derselbe mit einem Stückchen entfetteter Watte bedeckt werden.)

Die Grösse der einzulegenden Stücke darf bei dichten Geweben bei 1 Q cm Fläche 0,5 cm Dicke nicht übersteigen. Viel loses Bindegewebe enthaltende Stücke dürfen eine Dicke von 1 cm haben. Im Allgemeinen empfiehlt es sieh, die Stückchen so klein wie möglich cinzulegcn.

Digitized by Google

fl

Die Stücke verbleiben 6 12 Stunden, je nach der Grösse in der Sublimat-Essigsäure und werden dann in ein möglichst grosses Gefiiss (mindestens 'Is Liter) mit reinem Brunnenwasser übertragen, oder besser unter der Wasser- leitung in einem Gefäss überspült (2 -3 Stunden).

Darauf folgt eine allmähliche Härtung in Alkohol von steigender Concentration, welche sich über mehrere Tage hinziehen kann. (Alkohol 30°'0 2 Tage, Alkohol 60 °/# 1 Tag.) Zum Schluss werden sie in Alkohol von 80°/0 übertragen.

Diese Konservierungsmetbode eignet sich nur für Stücke von der angegebenen Grösse und für ganz frisches Material (aus Leichen nicht über 24 Stunden nach dem Tode).

Grössere Stücke oder Teile aus älteren Leichen werden am Besten entweder

2) in Alkohol von 90 96 °/0 oder

3) in 7#,'0 Formollösung oder

4) in Müller’scher Flüssigkeit (Kal. bichrom. 2,0, Natr. sulfuric. 1,0, Aq. dest. 100,0) konserviert und können in diesen Flüssigkeiten mehrere Monate lang aufbewahrt und versandt werden.

Jedes Gefäss muss mit einem Zettel versehen sein, welcher enthält :

a. Bezeichnung des Leichenteils, der konserviert wurde.

b. der Krankheit und Notizen über den

Verlauf.

c. der Konservierungsflüssigkeit, in der

sich das Stück bei der Versendung befindet (z. B. für 1) Alkohol) und der Art der Konservierung

(z. B. für 1) Sublimat- Essigsäure).

d. Angaben über den Zustand der Leiche bei der Sektion und wie lange nach dem Tode die Sektion stattfand.

Manches interessante Objekt verdirbt unbenutzt, dessen Versand hiernach leicht bewerkstelligt werden könnte. Zur Vervollständigung einer Beobachtungsreihe wären uns z. B. Stücke von dysenterischem Darm u. s. w. aus den verschiedenen Ländern sehr erwünscht.

Digitized by Google

I. OriginalabbandJungen.

Oie Blutuntersuchung

in tropischen Fiebergegenden und ihre practische Bedeutung

von Dr. Albert Plehn,

Kaiser!. Deutschem Regierungsarzt in Kamerun

Eine regelmässige Blutuntersuehung zu diagnostischen und klinischen Zwecken wurde bis jetzt im tropischen Ausland wohl ausschliesslich in einigen besonders gut ausgestatteten Krankenhäusern, namentlich in Holländisch- Indien und in Kamerun geübt, und das auch erst seit wenigen Jahren. Wunderbar wird das dem nicht er- scheinen, welcher die ausserordentlichen Schwierigkeiten systematischer wissenschaftlicher Arbeit für den durch eigene Krankheit überall unterbrochenen und behinderten, und durch die Erfordernisse des praktischen Dienstes immer wieder ab- gerufenen Arzt in jenen heissen pesthauehenden Himmels- strichen aus eigener Erfahrung kennt.

Die praktischen Resultate meiner Versuche, solche Arbeiten trotz aller Schwierigkeiten in dem zum Kameruner Regierungskrankenhaus gehörigen Laboratorium durchzu- iühien, sollen in Folgendem gebracht werden, um dem jungen Tropenarzt, der im Wesentlichen doch immer wird Praktiker sein müssen, als Richtschnur zu dienen, bis er umfangreichere eigene Erfahrung gesammelt hat.

Erhebliche klinische Bedeutung kommt vorläufig wohl nur der mikroskopischen Blutuntersuchung auf Parasiten und der quantitativen Hämoglobinbestimmung, eventuell combinirt mit Blutkörperzählung, zu.

Eine zuweilen beobachtete leichte Leukocytose oder auffallende Verringerung der weissen Blutkörperchen, waren ebenso, wie das Auftreten kernhaltiger rother Blutscheiben nicht constant genug, um klinisch verwerthet werden zu können. Die betreffenden Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen.

Mit der Würdigung des Malariaplasmodium in seiner ätiologischen und klinischen Bedeutung ging es oder geht

Digitized by Google

cs vielmehr häutig noch wie früher mit «lern Tuberkel- biicillus: Der „alte Praktiker“ lächelte bei dem Gedanken, dass er dureh’s Mikroskop sehen sollte, uni seine Schwind- sucht zu erkennen. Natürlich bedarf cs auch hei der Malaria in der überwiegenden Mehrzahl, resp. bei allen typischen Fällen, des Mikroskops zur Diagnose nicht. Aber in den Tropen giebt es eben eine sehr grosse Anzahl nicht typischer Fälle, welche namentlich da, wo andere fieberhafte Krankheiten häufig sind, eine rasche und sichere Diagnose, ohne Blutuntersuehung gaDZ unmöglich machen. In Kamerun kam in der Hinsicht in Betracht: 1) das typhoide Fieber 2) Dysenterie im ersten Beginn, 3) Hepatitis. Beim Neger ausserdem noch die so häufige Pneumonie und einmal Cere- brospinalmeningitis.

Nun würde in vielen fraglichen Fällen sich die Diagnose vielleicht nach einer Beobachtungszeit von wenigen Tagen stellen lassen, ohne das Mikroskop in Thätigkeit zu setzen; aber diese wenigen Tage des Zuwartens und Beobachtens können dem Patienten an einem Herde pernieiöser Fieber direkt verhängnissvoll werden ; im günstigsten Falle schwächen sie den Kranken enorm und verzögern die Reconvalescenz bedeutend. Das weiss nicht nur der Tropcuarzt draussen, sondern auch der erfahrene Laie. Deshalb wird bei jeder Störung des Allgemeinbefindens von ihm zum Thermometer gegriffen, und zur „Sicherheit“ Chinin gegessen, wenn der- selbe eine Temperatursteigerung anzeigt.

Das ist vom Laien so thöricht nicht gehandelt; der Arzt aber sollte doch auf einem andern Standpunkt stehen. Sonst kommt es, wie so oft: Das Chinin wirkt nicht. Es wird dann eine höhere Dosis gegeben ; dann vielleicht noch- mals gesteigert und öfters wiederholt. Schliesslich wird zu anderen Mitteln gegriffen, sei es Arsen, Phenokoll, Antipyrin oder noch anderen mehr oder minder unschuldigen Medika- menten. Heilt die Krankheit dann inzwischen, und wieder- holt sich diese Erscheinung öfters, wie das z. B. bei einer Typhoidepidemie geschehen kann, dann kommt der Skep- tiker und Pessimist dazu, zu sagen : „Auch das Chinin ver- sagt zeitweise häufig bei der Malaria.“ Der Sanguiniker aber berichtet: „Phenokoll oder Arsen wirken noch bei der Malaria, woselbst das Chinin nicht hilft.“ Denn dass alle fieberhaften

9

(utul auch viele nicht fieberhaften) Krankheiten in (len Tropen Malaria sein müssen, verstand sich wenigstens zur Zeit meines Aufenthalts in Hnlländisch-Indicn dort nicht blos für den Laien von seihst.

Als „Malaria*' darf man heute aber nur Krankheiten bezeichnen, welche durch die als Malaria-Plasmodien bekannten amöben- artigen kleinsten Thicrchen hervor ge rufen werden. Diese finden sieh dann auch regelmässig im peripheren Kreislauf, wenigstens zeitweise.

Die kleinen Malariaparasiten der tropischen, zur Perni- ciositüt neigenden Fieber, welche den Estivoautumnalisformen der Italiener, den Quotidianformen Munnaberg’s und van der Scheer’s wenigstens morphologisch entsprechen, ver- schwinden nämlich aus der peripheren Oirculation, wenn sie ein gewisses Entwickelungsstadium erreicht haben. Ihre Wirthe, die rothen Blutkörperchen, sind dann offenbar in ihrer Constitution durch den Schmarotzer soweit verändert worden, dass sie die feinsten Capillaren in Hirn, Leber, Lunge ebensowenig mehr zu passieren vermögen, wie die Lymph- rüume von Milz und Knochenmark, wo der Entwickelungs- process zu Ende verläuft.

So wird bei Vorhandensein nur einer Parasitengeneration im gleichen Entwickelungsstadium, einige Stunden vor dem Fieberanfall, bis in den Schüttelfrost hinein, kein einziger Parasit im peripheren Blut gefunden werden. Dies ist aber gerade die Zeit, wo der Patient die Prodromalerscheinungen verspürt, der Arzt also am öftesten in die Lage kommt, wegen Diagnose und Prognose befragt zu werden. Nur zu leicht wird auch der geübte Untersucher, der an das Ver- schwinden der Parasiten vor dem Anfall nicht denkt, da irre geleitet. Wer gewöhnt ist, gefärbte Präparate zu unter- suchen. der findet oft noch stundenlang, nachdem der Anfall begonnen, nichts, wenn nur eine Generation vorhanden ist, denn die J u g e n d f or m e n der Parasiten färben sich auch in ihren Randparthien erst, wenn sie etwa Vs ll* der Grösse eines rothen Blutkörperchen erreicht haben.

Hierauf dürfte es zurückzuführen sein , dass auch mikroskopisch sehr geübte Beobachter (z. B. Fischer in Kiel)

Digitized by Google

10

lauge Zeit hindurch negative Resultate hatten. Für den, welcher das Blut frisch untersucht, erscheint eine andere Quelle der Täuschung, wenn zwei Parasitengenerationen von verschiedenem Alter sich neben einander entwickeln, wie das in Kamerun die Regel ist. Dann pflegt man zu der Zeit, wo die ältere Generation sich bereits in den innern Organen der Sporulation niibert, also aus dem peripheren Blut ver- schwunden ist, in der äusseren Circulation die Jugendformen der andern zu sehen, welche für den Geübten bis zu V*o Blutkörpergrösse und weniger im lebenden Blut deutlich er- kennbar sind. So kommt man leicht dazu auf Grund des Entwickelungszustandes der sichtbaren Parasiten, den Fieber- anfall erst für den nächsten Tag vorauszusagen, während er unmittelbar bevorsteht. Der Autorität des Arztes ist das nicht förderlich.

Zu andern Zeiten lassen sich im ungefärbten Präparat die beiden Generationen meist deutlich unterscheiden. Aber Vorsicht auch da mit der Prognose, namentlich wenn die beiden Entwiekelungstypen nicht in grösserer Zahl vorhanden, und nicht sehr scharf differenziert sind! Bis zu dem Ge- misch aller Entwickelungsstufcn bei Continua, wie sie aller- dings, wenigstens in Kamerun nur beim Erstlingsfieber öfters vorkommt, giebt es mannigfache Uebcrgänge.

Die Diagnose zu stellen, ist in solchen Fällen natürlich besonders leicht, weil da fast stets auch färbbare Parasiten vorhanden sind. Und glücklicher Weise sind es gerade diese Fülle von Continua oder Remittcns, wo die Entwickelungs- stufen sich zusammendrängen, welche am häufigsten eine Differentialdiagnosc mit dem Mikroskop erfordern, weil sie am wenigsten typisch verlaufen.

Dass die activen Parasitenforraen bei Auflösung der rothen Blutkörperchen, wie sie das Wesen der Malaria hümoglobinurica vulgo Schwarzwasserfieber ausmacht, verschwinden und untergehn, führte ich an anderer Stelle aus.*)

Da nun aber die Malaria hämoglobinurica eine An- wendung von Chinin direct contraindicirt, so kann man sich streng daran halten, Chinin nur dann zu geben, wenn

*) „Beiträge zur Kenntnis» von Verlauf und Behandlung der tropischen Malaria in Kamerun.“ Albert Plehn, Berlin, 1886 bei Hirschwald.

Digitized by Google

11

man die activen Parasiten formen im peripheren Blute findet. Fehlen sic einmal vor dem Ficbcranstieg, so wird eine nach 4—6 Stunden wiederholte Blutuntersuchung die Diagnose sichern, und es ist danu, wie ebenfalls in dieser Arbeit ausgesprochen, mindestens kein Fehler gewesen, dass man den Ablauf des Paroxismus abwartete. Es ist das um so weniger, als es nach meinen Erfahrungen in’ Kamerun all Land niemals gelang, den kommenden Anfall durch Chinin aufzuhalten, wenn sich schon Parasiten im Blut nach- weisen Hessen. Demgegenüber giebt Dr. Zieinann*) an, dass er an Bord des Kanonenboots „Hyäne“, welches auf dem 2 klm breiten Strom liegt, mehrfach einem Fieber, das er auf Grund des Parasitenbefundes prognosticirte, durch eine sofortige Chiningabe Vorbeugen konnte. Dies könnte damit erklärt werden, dass die Entwickelungsbedingungen für die Parasiten bei den den Bodenausdünstungen des Ufers selten und nur vorübergehend ausgesetzten Seeleuten, im allgemeinen ungünstiger sind, wie beim Landbewohner, worauf auch die unvergleichlich viel niedrigeren Mor- biditätsziffern hin weisen. Jedenfalls steht fest, dass a n Land die Parasiten durch Chinin nicht mehr getödtet wurden, wenn sie die Hälfte ihrer Entwickelung erreicht hatten. Und da fast stets mindestens zwei Entwickelungs- stadien gleichzeitig vorhanden waren , so war fa3t stets mindestens eine widerstandsfähig gegen das Chinin, während die andere allerdings gewöhnlich vernichtet wurde. Es ist also zwecklos, die Chiningaben zu häufen; die der Chininwirkung zugänglichen Plasmodien werden durch eine Gabe pro die vernichtet ; die älteren auch durch mehrere nicht zerstört. Diese haben sich erst etwa 24 Stunden später wieder in die empfindlichen Jugendformen aufgelöst, und eine zweite mässige Chiningabe von 1 1 ’/t grm. nach 24 Stunden genügt somit fast stets, sämmtliche activen Parasiten- formen, und somit die Malariaattaque, zu beseitigen.

Welches sind nun die activen Parasiten? Sie erscheinen als kleinste endoglobuläre Ringformen, oder kleine homogene, bewegliche Amöben, die wiederum die Ringform annehmen,

*) Vortrag in der Section für Tropenlngiene der 68. Versammlung der Naturforscher und Aerzte zu Frankfurt a. M.

Digitized by Google

12

bevor sie ubsterbcu, oder wenn sie gereizt werden. Später bilden sie kleine Siegelringe, welche meist an der Stelle, wo die Verdickung beginnt, ein rundes, stark lichtbrechendes Gebilde führen, das als Kern allzusprechen sein dürfte. Ge- wöhnlich enthalt die Peripherie des Ringes in diesem Stadium einige feinste Pigmentstäbchen, welche dem Centrum fern bleiben. Letzteres niuss als vakuolenartiges Gebilde angesehen werden und ist durchsichtig, da es bei der Doppelfärbuug stets den Farbenton des rothen Blutkörpers zeigt, während die Peri- pherie des Ringes sich mit Methylenblau schwach färbt und der Kern bei den gewöhnlichen Färbemethoden nicht tingirt wird, sondern sich perlmutterartig glänzend vom Plasmascharf abhebt.

Weitere Veränderungen lassen sich im peripheren Blut nicht verfolgen. Füllen die Parasiten etwa den vierten Theil des rothen Blutkörperchens aus, so verschwinden diese, wie gesagt, mit ihren Gästen aus der Circulation. Unter Um- ständen, besonders wenn die Constitution der Erythrocyten durch wiederholte oder anhaltende Einwirkung des Malaria- virus in einen Zustand der Labilität gerathen ist, wie er die Vorbedingung für den Ausbruch des „Schwarzwasserfiebers“ bildet, oder vielleicht auch, wenn man es mit besonders in- tensiv wirkenden stark „virulenten“ Parasiten zu tliun hat, können die Plasmodien bereits in einem noch früheren Jugend- stadium mit ihren Wirthen verschwinden, und dann findet man in jeder Phase der Fieberattaque nur die kleinen Ring- formen, worauf Friedrich Plehn*) zuerst hinwies.

Die weitere Eintwickelung im Milzbiut zu verfolgen, sah ich uus praktischen Gründen keine Veranlassung. Ledig- lich aus wissenschaftlichem Interesse bei dem schon unter dem Klima schwer leidenden Europäer die Milzpunction vor- zunehmen , hielt ich mich nicht für berechtigt. Bei den kräftigen Schwarzen fand ich im Milblut zur Zeit des An- falls rundliche, traubenförmige Gebilde, welche die Grösse eines Erythrocythcn nicht ganz erreichten und von ihrem Wirtli nichts mehr erkennen Hessen. Sie dürften Sporulntions- formen entsprechen. Ausserdem fanden sich etwas kleinere Gebilde mit und ohne Vakuole, welche Pigmentkörnchen

*) Friedrich Plehn: „Das Schwarzwasserfieher der afrikanischen Westküste“, Vortrag, gehnlten in der Berliner lnedicinischen Gesell schsft, 1ÖÜ5.

13

führten: wahrscheinlich Uohergünge von der Siegelring- zur Sporulationsform. Typische Sporulationsformen , wie sie so vielfach beschrieben sind, fand ich nicht. Aber die Unter- suchungen waren nicht zahlreich und sind noch nicht abge- schlossen.

Nur die Parasitenformen dieser Art haben pathogene Bedeutung, da die bei ihrer Sporulation gebildeten toxischen Substanzen die Fieberattaque hervorrufen. Allen den andern, oft mehr als blutkörnergrossen, verschiedengestaltigen, meist stark pigmentirten , exfraglobulären Gebilden, auch den Laveran scheu Halbmonden und der echten L a - verania dem grossen, ge isselführenden Para- siten — fehlen pathogene Eigenschaften. Eine praktische Bedeutung haben sie nur insofern , als sie be- weisen, dass vor nicht gar langer Zeit Malariaattaquen vor- kamen, resp. dass überhaupt Malariainfection stattfand. Eine Indication zur Chininbehandlung geben sie also nicht, wenn sie allein zu finden sind. Wenn an Bord von Schiffen hier Chinin ohne Schaden gegeben wurde, so beweist das nicht, dass dies Verfahren rationell ist. Mit dem Chinin zu sparen, weiss man erst, wenn man nach längerem Aufenthalt an einem der schlimmsten Malariaherde das Maass des Missbehagens am eigenen Leibe kennen lernte, das schon Vs grm Chinin bei einem malariadurchseuchten Chininesser hervorzurufen pHegt, der womöglich bereits zu Hämoglobinurie disponirt ist.

Was die Technik der Blutuntersuchung auf Malaria- parasiten anlangt, so ist dem noch Ungeübten entschieden das Färben der Präparate zu empfehlen. Dieselben werden in der bekannten Weise dadurch gewonnen, dass man mit einer feinen Lanzette oder dünnem Stilett*) einen Stich in die gut mit Aether oder Alkohol gereinigte Fingerkappe macht, von dem austretenden Blutstropfen ein wenig auf der Ecke eines reineu Deckgläschen aufnimmt, das Deckgläschen mit der nicht beschickten Seite auf eine Lage Fliesspapier bringt und durch Andrücken der dem Blutströpfchen benach- barten Ecke mit dem linken Zeigefinger gegen die Unterlage fixirt. Dann wird das Blutströpfchen durch Ueberstreichen mit

*) Gewöhnliche Nadeln empfehlen sich nicht.

Digitized by Google

14

der Kante einer reinen Visiten- oder Spielkarte (Friedrich Plehn empfiehlt gestielte Glimmerplättchen) in diagonaler Richtung vertheilt. Man lässt lufttrocken werden und fixirt 10 20 Minuten in absolutem Alkohol. Ist wirklich absoluter (oder doch 90 procentiger) nicht sicher erhältlich, dann ver- setzt man ihn zur Hälfte mit Aether. Die Färbung kann man direct auf dem Deckgläschen oder im Blockschälchen vornehmen. Gesättigte oder auch etwas verdünnte Methylen- blaulösung genügt meist und giebt nach 10 - 20 Minuten gut erkennbare Bilder. Schoner werden dieselben, wenn man unmittelbar vor dem Gebrauch 2 Theile 2 3procentiger wässeriger Methylenblaulösung mit 1 Theil 1 procentiger wässeriger Eosinlösung mischt, einige Minuten später filtrirt und die Präparate gleich darauf für 2 4 Minuten in das Filtrat bringt. Es handelt sich hier um Bildung eines „neu- tralen“ Farbengemisches, aus dem die „basophilen“ wie die „acidophilen“ Gewebselemente die Bestandtheile aufnehmen, durch welche sie tingierbar sind. So kann man sehr inten- sive Färbung und schöne Differenzierung erhalten. Aller- dings wird man viel durch Niederschläge gestört, die sich bei aller Uebung nicht immer vermeiden lassen.

Auch mit dieser Methode gelingt es jedoch nicht, active Parasiten zu färben, bevor sie etwa '/* der Blutkörpergrösse erreicht haben. Und da dieselben aus dem Kreislauf bereits wieder verschwinden, wenn sie bis zu '/* der Blutkörper- grösse ausgewachsen sind, so kann man mit Untersuchung des gefärbten Präparats, nach den bisher bekannten Methoden wenigstens, nicht mehr leisten, als in den meisten Fällen die Diagnose stellen, was in practischer Hinsicht freilich auch das Wichtigste ist.

Bei der Untersuchung des frischen Blutes ist man da- gegen im »Stande, das Plasmodium in seine Jugendzustände bis zu einer Grösse von V te Blutkörpergrösse herab, und weiter, zu verfolgen, so dass man die zweite Generation fast immer unterscheiden kann. Man verfährt dazu folgender- in nssen :

Das in der vorhin skizzirten bekannten Weise ge- wonnene Bluttrüpfchen wird mit der Mitte des Deckgläschens aufgenommen und dasselbe mit dem Blutstropfen, der in diesem Falle nicht zu klein sein darf, auf einen

15

bereitgehaltenen Objectträger gebracht, so dass das Blut sich in feiner Schiebt zwischen den beiden Glasplatten vertheilt. Hierauf presst man dieselben leicht zwischen mehrfachen Lagen trocknen, reinen Mulls durch Daumen und Zeigefinger zusammen. Dadurch wird ein Theil des Blutes unter dem Deckglas hervorgedriiekt und alsbald von dem hydrophilen Stoff aufgenommen, während die Gläser rein und trocken bleiben. Die feine Schicht Blut zwischen den Gläsern aber trocknet an ihrem der Luft ausgesetzten Rande sofort ein, und diese eingetrocknete Zone fixirt nicht nur die Gläschen an einander, sondern schützt auch das flüssige Blut, das sie umschliesst, für Stunden vor jeder Veränderung.

Die so gewonnenen Präparate steckt man in eine Papier- düte pnd kann sie in der Brieftasche überallhin mitnehmen. Bringt man sie dann unter das Mikroskop, so findet man die Blutkörperchen alle flach neben einander liegen, ohne eine Spur sichtbarer Veränderung, ausser vielleicht, dass sie manch- mal etwas plattgedrückt erscheinen, was übrigens das Er- kennen der Parasiten zum Mindesten uicht stört. Wenn man dann mit einem guten Mikroskop arbeitet, das mit einem in zwei rechtwinkelig zu einander durch Mikrometerschrauben verschieblichen Objecttisch ausgerüstet ist , so kann auch nicht ein Parasit im Präparat dem kundigen Beobachter ent- gehen. Wo dieselben vorhanden, da ist die Diagnose, und wo das überhaupt möglich, auch die Prognose in bezug auf Zahl und Zeit der Anfalle in ft Minuten gestellt, während ich empfehlen möchte, doch lft 20 Minuten zu suchen, be- vor man das Vorhandensein von Parasiten mit Bestimmtheit ausscldiesst. Es dürfte hier der Ort sein, zu betonen, dass die Zahl der gefundenen Parasiten durchaus in keiner Weise für Beurtheilung der Schwere oder Leichtigkeit des kom- menden Anfalls zu verwerthen ist. Ich untersuchte Patienten, die mit unbestimmten Klagen zu Fuss in meine Sprech- stunden kamen und deren Blut von Parasiten wimmelte, während in anderen Fällen, wo der Kranke mit Temperaturen an 42 0 C. halb besinnungslos darniederlag, nur mit äusserster Mühe ein paar kleinste Ringformen im peripheren Blut zu finden waren.

Finden Hessen sich die Parasiten aber aus- uahmslos, und wo sie gefunden wurden, da hat das Chinin

Digitized by Google

Id

auch in Gilben von nur 1 l'/s grm auf einmal pro Tug bei den von mir beobachteten Fallen seine Wirkung noch stets gehabt. Im frischen Präparat mit Sicherheit zu unter- suchen, ist nun nicht ganz leicht und erfordert immerhin eine ganz erhebliche Hebung.

Ausserdem ist unbedingt nothwendig ein sehr gutes Miskroskop, selbstverständlich Oelimmersion. Auch der durch Schrauben verschiebliche Objecttisch ist kaum zu entbehren.

Wer sich nicht gleich einen theuren Zeiss anschaffen will, dem kann ich die Seibert 'sehen Mikroskope mit den betreffenden Vorrichtungen warm empfehlen. Sie leisten alles Erforderliche im vollsten Maass. Vor Allem aber muss der junge Arzt, der sich in den Tropen mit Blutuntersuchungen beschäftigen will, die in Europa im Blut gesunder und kranker Menschen vorkommenden Veränderungen, wie sie ganz be- sonders durch die verschiedenen Präparntionsmcthodcn hervor- gerufen werden, von Grund aus kennen und in hunderten von Fällen gesehen halten, sonst kommt er aus der Unsicherheit nicht heraus und leicht in die Lage, die ganze Mikroskopie nach einer Anzahl von Irrthüraern und Misserfolgen, die ihm nicht erspart bleiben werden, an den Nagel zu hängen. Wenn irgend thunlich, so sollte der Arzt, welcher als Feld seiner Thätigkeit für längere Zeit eine Malariagegend wählt, es ermöglichen, vorher in einem Hospital, das reich an Malaria- kranken ist, unter sachverständiger Anleitung zu arbeiten. Diese Gelegenheit dürfte zur Zeit kaum wo anders, als in Italien, vorhanden sein, wo ich sie in Rom durch das liebens- würdige Entgegenkommen der Herren Marchiafava, Bastianelli, Dionisi in hervorragender Weise fand. Vielleicht aber kommt es auch in Deutschland noch einmal dazu, dass das einschlägige Krankenmaterial, welches Kriegs- marine, Kolonialtruppe und Kolonialbeamtenschaft reichlich liefern ,auf einer Station vereinigt wird, die dann Gelegen- heit zu Lehr- und Lemthätigkeit bieten würde.

Vorläufig empfehle ich jedem Collegen draussen, grund- sätzlich nur die endoglobulären Formen praktisch zu berück- sichtigen und als Plasmodien nur das anzusprechen, was typische Ringforra oder typische amoboide Bewegung zeigt. So wird er sich vielleicht einen Theil der Enttäuschungen ersparen können, die Andere durchmachen mussten.

Digitized by Google

17

Quantitative II ämoglobinbestimmungcn (auf colori metrischen Wege) sind meines Wissens als klinische Methode wenigstens bei Malaria systematisch sehr wenig angewandt worden. Nur Friedrich Pie hu nimmt in seiner citirten Arbeit „Ueber das Schwarz Wasserfieber an der Afrikanischen Westküste“ darauf Bezug, und .Steudel*) veröffentlicht eine Anzahl von Bestimmungen, ebenfalls bei .Schwarzwasserfieber. Er hat aber keine praktische Conse- quenzen daraus gezogen und war auch nicht im Stande, Fehlerquellen immer uuszusehliessen, wie das oft im weiten Umfang unregelmässig schwankende Verhültniss des Ilämo- globingehalts zur Blutkörperzahl beweist, welches bei seinen Zahlen hervortritt.

In einer Arbeit über „Vergleichende Pathologie der schwarzen Rasse“,**) theilte ich die Beobachtung mit, dass der Ilämoglobingehalt des Blutes beim Europäer schon nach einem Aufenthalt in Kamerun von wenigen Monaten bis auf % und selbst *1 s des in Europa Normalen reducirt sei. Das einzelne Individiuum behält dann diesen reducirten Ilämo- globingehalt constant bei, ohne in seiner körperlichen Leistungs- fähigkeit dadurch merkbar beeinträchtigt zu sein; es passt sich also diesem Zustand der Blutverdünnung gewissermaassen an ; oder aber die Rcduction des Hämoglobingehalts selbst ist Ausdruck der Anspannung des Individiuums an die ver- änderten Lebensbedingungen. - Nach jedem schweren Fieber sinkt nun der Hämoglobingehalt (mit ihm beiläufig bemerkt, die Blutkörperzahl in entsprechendem Vcrhältniss) noch mehr oder weniger tief unter das für Kamerun Normale, um mit Eintritt der Reconvalescenz sehr rasch die ursprüngliche Höhe wieder zu erreichen. Nach Schwarzwasserfiebern, wo ich nach Absinken bis auf 19%, ja 14% des in Europa Normalen, noch Heilung eintreten sah, kann die Zunahme an Farbstoffgehalt bis 20% pro Woche und mehr betragen. In der Regel wird circa 10°/0 in der Woche zugenommen.

Beträgt die Zunahme schon zu Anfang er- heblich weniger, so kann man mit Sicherheit auf eine Störung des Vor I a u f s der (1 cnesung rechnen.

*) „Die perniciiise Malaria in Doutsch-Ostafrika" von Dr. K. Steudel. Leipzig lä!)4 hei Vogel.

**) Virehow's Archiv, 1hl. I4(i.

Archiv f. Schiff«* u Tropenhygienc. 2

Digitized by Google

Andererseits kann eine rasche Ergänzung der Verluste als Zeichen angesehen werden, dass dem Organismus noch aus- reichende Regenerationskraft iunewohnt, um weiteres Ver- bleiben am Malariaherd zu rechtfertigen.- Zeit zur Heimkehr, oder doch zum Klimawechsel, wird es, wenn relativ leichte Gesundheitsstörungen tiefes Absinken des Hiimoglobingehalts zur Folge haben, oder wenn das Einbringen der Verluste ohne besonderen Grund anfängt, sich regelmässig zu ver- zögern. Ein besonders tiefer Abfall, z. B. nach einem schweren Schwarzwasserfieber, braucht keinerlei Bedenken zu erregen, wenn es rasch wieder ausgeglichen wird. So hat jener Patient, dessen Hämoglobingehalt bis auf l!t°/o herabging, nachher noch ein volles Jahr bei relativ guter Gesundheit Dienst in Kamerun gethan. Es sei hier betont, dass das Aussehn die Gesichtsfarbe sich iu keiner Weise für Schätzung des Blutfarbstoffes verwerthen lässt. Während äusserst bleiche, fahle Gesichter relativ blutreichen Individuen angehören mögen, kann eine bräunliche Hautfarbe die schwerste Anämie verdecken. Da ist es klar, welche ausschlaggebende Bedeutung es haben muss, den Hämoglobin- gehalt festzustellen und seine Schwankungen einige Zeit zu beobachten, wenn man über die weitere Tropendienstfähigkeit nrtheilen soll. Ja meistens lässt sich schon nach den ersten Fiebern bei regelmässiger Hämoglobinbestimmung mit einiger Wahrscheinlichkeit Voraussagen, ob der Betreffende Aussicht auf längere Dienstfähigkeit wenigstens in Kamerun hat.

Es sei mir nun gestattet, Denjenigen, welche eigene Erfahrungen in dieser Richtung noch nicht sammeln konnteu, als vorläufigen Anhaltspunkt einige Grenzwerthe nach meinen bisherigen Beobachtungen zu nennen. Ich fand, dass es zwecklos ist. Jemand im praktischen Kolonialdienst zu halten, dessen Blut nur vorübergehend mehr als 60°,!o Hämoglobin führt. Dementsprechend galt es mir als Regel, nur unter besonderen Umständen, ausnahmsweise Jemand als dienstfähig zu bezeichnen, der nicht mindestens 60°/o Blutfarbstoff besass; auch wurden Reconvalescentcn niemals vorher aus der Be- handlung entlassen. Bis 50 °/o erreicht waren, pflegte ich Reconvalescenten oder nach strapaziösen Expeditionen stark Heruntergekommene das Bett hüten zu lassen ; doch musste von dieser Regel öfters abgegangen werden. Es ist keine

Digitized by Google

Hl

Kleinigkeit, in den Tropen im Bett zu liegen, und zum Zweck eines Luftwechsels kann ein Abweichen von der Norm selbst wünschenswert!) sein. Ein Patient mit weniger als 40° o gehört unter allen Umständen ins Bett, und wird einem Transport niemals ohne grosse Gefahr ausgesetzt werden, selbst wenn derselbe dazu dienen soll, ihn auf bequemem Dampfer in die Heimatb zu befördern. Man glaube nur nicht, dass solch ein Kranker dafür schon ohnehin immer einen zu bedenklichen Eindruck macht. Ich sah einen Bureaubeamten mit 33 °io Hämoglobin wochenlang seinen Dienst, wenn auch mangelhaft, versehen.

Zur Hämoglobinbestimmung benutzte ich das bekannte Elaisehl'sche Hämometer. Seine Handhabung verursacht keine Schwierigkeiten, wenn der Untersucher ein feines Farben- differenzvermögen und ausreichende Uebung besitzt, welch letztere man sich wenigstens leicht verschalten kann. Ich möchte hier nur noch einige Modifikationen des in der jedem Apparat beigegebenen „Gebrauchsanweisung“ beschriebenen Verfahrens zu sprechen kommen. Die grössten Schwierig- keiten wird man haben, das Capillarröhrclien so zu füllen, dass der Inhalt weder einen positiven, noch negativen Meniskus bildet. Am besten kam ich zum Ziel, wenn ich den positiven Meniskus durch vorsichtiges wiederholtes Be- rühren mit dem Finger vom Rande der Capillare her entfernte. Dabei ist grosse Vorsicht nöthig, damit er sich nicht sofort in einen negativen umwandelt oder das Röhrchen von aussen mit Blut verunreinigt wird ; ausserdem Eile, da das Blut sonst theilweise gerinnt, undman dann zu einem andern Röhrchen greifen muss. Das Einfüllen des Wassere habe ich, wie das Absaugen nach zu starker Füllung stets mit einer kleinen Augentropfenpipette vorgenommen. Die Füllung ist möglichst so einzurichten, dass ein Absaugen unnöthig wird, denn die Behauptung in der Gebrauchsanweisung, es sei möglich, dass Wasser derart über das Blutgemisch zu schichten, dass beim Absaugen nur Wasser entfernt werde, trifft doch nicht zu. Wenn man einen positiven Meniskus über dem ganz nach der Vorschrift mit Blut und Wasser beschickten Cylinder vermöge weissen Fliesspapiers zu entfernen sucht, so wird man sehn, dass das Fliesspapier sich jedesmal färbt. Uebrigens habe ich gefunden, dass je ein flacher positiver

2 *

Digitized by Google

20

Meniskus über der ßlutmischung und über dem Wasser die Genauigkeit der Bestimmung nur fördert, wenn beide gleich hoch sind, was ich ausreichend durch das Augen- muss bestimmen lässt. Um sicli nun vor Fehlern zu schützen, die auch dem Geübten gelegentlich aus oft unerfindlichen Ursachen passieren, und die Resultate genauer zu gestalten, darf man sich niemals mit einer Bestimmung begnügen. Am besten besorgt man sieb 2 3 Cylinder für denselben Apparat, die man aus demselben Stich gleich hinter einander beschickt, mn den zu Untersuchenden nicht überflüssig mit wiederholtem Anstcchen zu belästigen. Ferner ist es zur Sclbstcontrolle unbedingt nothwendig, dass man die Einstellungen verdeckt macht, d. li. erst abliest, wenn die Abtönung der zu vergleichenden Halbkreisflächen genau die gleiche ist oder zu sein scheint. Wenn die verschiedenen Proben mehr als 5 */ o Differenz zeigen, so kann man die ganze Bestimmung als gescheitert ansebn, und verwirft sie. Sind die extremen Differenzen nicht grösser, so nimmt man das Mittel derselben. Ist man für Farbenselin veranlagt, eine Fähigkeit, welche übrigens auch noch be- trächtlich entwickelt werden kann, dann werden Differenzen von 3°/0 schon sehr selten werden. Aber niemals versäume mau deshalb mindestens einen Controlversuch zu machen, sonst erhält man gelegentlich ein Ergebniss, was die Zuverlässigkeit der ganzen Versuchsreihen discrcditiercn kann.

Eine solche Controlle ist jedenfalls einfacher, als die durch gleichzeitiges Zählen der Blutkörperchen im Torna- Zeiss’schen Apparat. Ich habe durch Vergleiche gefunden, dass das Verhältniss von Hämoglobingehalt und Blutkörper- zahl zur Norm innerhalb der durch unvermeidbare Fehler- quellen gesetzten Grenzen stets ungefähr das gleiche war. Wenn man also z. B. 2Ö00000 Blutkörperchen zählte, so fand man 50°/o Hämoglobin etc. Selbstverständlich hat man, falls die Controlle der Hämoglobinbestimmungen durch ßlut- körperzäblung geübt werden soll, allermindestens 200 Qua- drate des Netzes durchzuzählen, und muss sich dabei gegen- wärtig halten, dass auch dann noch Fehler bis zu 5“'o unvermeidbar sind. Daraus geht schon hervor, dass die Hämo- globinbestimmung nicht nur rascher, sondern auch viel sicherer

21

und genauerer über Menge der vorhandenen Athmungsorgane inforinirt.

Auf die besonderen Umstände einzugehen, weiche beim Schwarzwasserfieber vor dessen Ablauf die Ergebnisse ganz unsicher und nur cum grano salis verwerthbar machen, fehlt mir hier der Raum, und ich muss da auf pag. 14 und 15 meiner Arbeit verweisen.

Für das über die Malariaplasmodien Gesagte wurden ausser den eigenen Beobachtungen einige Publicationen aus Holländisch-Indien (besonders von van der Sehe er, dessen Ergebnisse mit den meinigen bis ins Einzelne überein- stimmen) und Afrika (Friedrich Plelin) berücksichtigt. Auch konnten die Arbeiten der Italiener und von Mannaberg wegen der theilweisen Aehnlichkeit der Befunde mit verwerthet werden, obgleich sie nicht aus tropischen Gegenden stammen. Die einzelnen Quellen zu bringen, kann hier nicht meine Aufgabe sein. Die Litteratur findet sich am vollständigsten bei Mannaberg*) und Friedrich Plehn,**) die neueste auch beim Autor.***) Den praktischen Rathschlägen liegt grösstentheils eigene Erfahrung zu Grunde. Das gilt ganz von dem über die Vcrwerthung der quanti- tativen Hämoglobinbestimmung Gesagten.

Uebersicht Uber die Handhabung der gesundheitspolizeilichen, der Abwehr der Einschleppung fremder Volksseuchen dienenden Kontrolle der Seeschiffe bei verschiedenen Staaten.

Von Ilafenarzt Dr. Nocht, Hamburg.

Die Abwehr der Einschleppung von Seuchen durch den Seeverkehr hat, wie die Bekämpfung der Infections- krankheiten überhaupt, erst durch die moderne, actiologisehe Forschung eine feste Grundlage erhalten. Früher konnten

*) Man na borg, „Die Malariaparasiton, auf Grund froinder und eigener Beobachtungen dargestollt.“ Wien 1893 bei Holder.

**) Friedrich Plehn. „Klinische und actiologisehe Malaria- studien“ Berlin 1890 bei Hirschwald.

***) Albert Plehn. „Beiträge zur Kenutniss von Verlauf und Behandlung der tropischen Malaria in Kamerun.'' Berlin 189G bei Hirschwald.

Digitized by Google

sich die Ansichten über die Gcliihrliehkeit suis der Fremde ankommender Seeschiffe in dieser Hinsiclit nur auf vereinzelte und fast niemals eindeutige Beobachtungen und Erfahrungen stützen; im Ganzen waren es alter mehr Vermuthungen und Annahmen, die bei der gcsundhcitspolizcilichen Behandlung dieser Schiffe massgebend waren. Die Anschauungen standen sich dabei z. Th. schroff gegenüber. Allgemeine Ab- sperrungen und Quarantänen konnten wenigstens theoretisch noch vertheidigt werden, wenn sich auch bei wachsendem Verkehr mehr und mehr herausstellte, dass sie undureh führ bar waren und dass ihr praktischer Nutzen in grellem Widerspruch zu den wirthschaftlichen Schädigungen, die solche Massregcln mit sich brachten, stand.

Es ist ein Irrthum, wenn behauptet wird, die über- wiegend bakteriologische Richtung der modernen Gesund- heitslehre habe den Anhängern allgemeiner Absperrmassregeln in Epideiniezeiten neue Stützen gegeben; das Gegeilt heil ist richtig: auf Grund genauerer Kenntnisse von der Natur und Verbreitung der Krankheitserreger halten wir jetzt zwar eine allgemeine Ueberwachung des Verkehrs für die Seuchenbekämpfung nothwendig; besondere, verkehr- beschränkende Massnahmen sind aber nur in ganz be- stimmten Ei uz elf Ul len erforderlich. Der allgemeine Ver- kehr kann auch in Seuchenzeiten ungehindert bleiben. Dazu hat die praktische Erfahrung der letzten Cholerajahre gelehrt, dass auch bei der Verkehrsüberwachung noch manche theoretisch begründete Forderung als praktisch unwichtig bei Seite gelassen werden konnte. Der Meister der aetiologischen, wissenschaftlichen Erforschung der Infectionskrankheiten, Robert Koch, leitete auch die praktische, so erfolgreiche Be- kämpfung der Cholera in Deutschland und war immer der erste, wenn es galt, Verkehrsheschränkungen, die sich als unwichtig oder hei geringem Nutzen belästigend erwiesen hatten, fallen zu lassen. Die übertriebenen Absperrungen von 1892 sind lediglich der Unkenntniss von Laien und nicht genügend bakteriologisch gebildeten Mcdicinern über die Verbreitungs- wege der Krankheitserreger der Cholera zur Last zu legen und haben mit den wissenschaftlichen Anschauungen hierüber nichts zu thun. Wer die Verhandlungen liest, die zu der Dresdener Uebcreinkunft vom April 1898 geführt haben,

23

kann sieh davon überzeugen, dass der „einseitig kontu- gionistische“ Standpunkt Koch’s uns vor manchen uns noch zugedachten Beschränkungen bewahrt hat und an der Bei- behaltung der einen oder anderen, überflüssigen Massregel nicht Schuld ist.

Auf der Dresdener Conferenz einigten sieh die Staaten Deutschland, Oesterreich, Russland, Italien, Frankreich, Hol- land, Belgien, die Schweiz und England über gewisse Grund- sätze bei der Bekämpfung der Cholera. Es handelte sieh aber dabei nicht, wie vielfach irrtümlich angenommen wird, um gemeinsame, „internationale“, positive Abwehr- massregcln, sondern nur um die Festsetzung einer oberen Grenze, über welche hinaus Handel und Wandel zwischen den vcrtragsehliessenden Staaten auch in Cholerazeiten nicht belästigt werden soll. Die für unsere Zwecke in Betracht kommenden, allgemeinen Festsetzungen der Uebereinkunft bestehen darin, dass nicht mehr ganze Länder und Küsten- strecken beim Auftreten einzelner Cholerafülle als „verseucht“ erklärt werden dürfen, sondern höchstens einzelne Städte, Häfen oder begrenzte Bezirke, und zwar auch nur dann, wenn sich ein Choleraheerd gebildet hat. Von dem Auftreten solcher Choleraheerde haben sich die Regierungen gegenseitig Mittheilung zu machen. Ferner würden Ein- und Durchfuhrverbote erheblich beschränkt, der allgemeine Waaren- verkehr soll freibleiben. Auf die Ueberwachung des See- verkehrs bezieht sich Titel 8 der Convention wie folgt:

Seeverkehr. Massnahmen in den Häfen.

Als verseucht gilt ein Schilf, welches entweder Cholera im Bord hat oder auf welchem während der letzten sieben Tage neue Cholera- fälle vorgekommen sind.

Als verdächtig gilt ein Schill', auf welchem zur Zeit der Abfahrt oder während der Reise Cholerafälle vorgekommen sind, auf dom aber während der letzten sieben Tage kein neuer Fall sich ereignet hat.

Als rein gilt ein Schilf, wenngleich es aus einem verseuchten Hafen kommt, in dem Falle, wenn es weder vor der Abfahrt noch während der Reise, noch auch bei der Ankunft einen Cholera-Todcs- oder Krankheitsfall an Bord gehabt hat.

Verseuchte Schiffe unterliegen folgenden Bestimmungen:

1. Die Kranken werden sofort aasgeschifft und isolirt.

2. Die übrigen Personen müssen womöglich gleichfalls aus- geschifft und einer Beobachtung unterworfen werden, deren Dauer sich uaeh dem Gesundheitszustand des Schiffes

Digitized by Google

24

und nach dom Zeitpunkt dos letzten Krankheitsfall«*» richtet, die indessen d«*n Zeitraum von fünf Tagen nicht überschreiten darf.

3. Die schmutzige Wüsche, die Bekleidungsgegenstände «les täglichen Gebrauchs und sonstige Sachen der Schiffsmann- schaft und der Reisenden sollen, sofern dieselben nach der Ansicht der Hafengeeuudheitsbehörde als mit Cholera- Kntleerungen beschmutzt zu erachten sind, ebenso wie das Schiff oder auch nur der mit Cholera - Kntleerungen be- schmutzte Theil desselben desinficirt werden.

Verdächtige Schiffe sind nachstehenden Bestimmungen unter- worfen :

1. Aerztliche Revision.

*2. Desinfection: Die schmutzige Wäsche, die Bekleidungs- gegenstiinde des täglichen Gebrauchs und sonstige Sachen der Schiffsmannschaft und der Reisenden sollen, sofern dieselben nach der Ansicht der Hafongesundheitsbehörde als mit Cholera-Entleerungen beschmutzt zu erachten sind, desinficiert werden.

3. Auspumpen des Kielwassers nach erfolgter Desinfection und Ersatz des an Bord befindlichen Wasser vorraths durch gutes Trink wasser.

Es empfiehlt sich, die Mannschaft und die Reisenden in Bezug auf ihren Gesundheitszustand während eines Zeitraums von fünf Tagen seit der Ankunft des Schiffes einer gesundheitspolizeilichen Ueber- wachung zu unterziehen.

Ebenso empfiehlt es sich» das Anlandgohen der Mannschaft zu verhindern, es sei denn, dass Gründe des Dienstes das Anlandgohen nothwendig machen.

Reine Schiffe sind sofort zum freien Verkehr zuzulassen, wie auch immer ihr Gesundhuitspass lauten mag.

Die einzigen Bestimmungen, welche die Behörde des Ankunft» hafens ihnen gegenüber treffen darf, bestehen in den auf verdächtige Schiffe anwendbaren Massregeln (ärztliche Revision, Desinfection, Aus- pumpen des Kielwassers und Ersatz des an Bord befindlichen Wasser- vorraths durch gutes Trinkwasser.)

Es empfiehlt sich, die Reisenden und die Schiffsmannschaft in Bezug auf ihren Gesundheitszustand bis zum Ablauf eines Zeitraums von fünf Tagen, dessen B«*ginn von dem Tage der Abfahrt des Schiffes aus dem verseuchten Hafen gerechnet wird, einer gesundheitspolizei- lichon l Überwachung zu unterwerfen.

Ebenso empfiehlt es sich, «las Anlandgehen der Mannschaft zu verhindern, es sei denn, dass Gründe des Dienstes das Anlandgehen nothwendig machen.

Die zuständige Behörde des Ankunftshafens ist unter allen Entständen berechtigt, eine Bescheinigung darüber zu verlangen, dass auf dem Schiffe im Abgangshafen keine Cholerafälle vorgekommen sind.

V.

25

Die zuständige Htifenhohörde soll bei der Anwendung dieser Mussregeln den Umstund in Rechnung ziehen, ob sieh nn Bord der vorbezeicbneten drei Kategoiien von Sehiffen ein Arzt und ein I)es- infeetionsnppsrst befindet.

Besondere Msssregeln können getroffen werden für init l’ersonon besonder» stark besetzte Schiffe, namentlich für Auswandererschifio, sowie für alle anderen Schiffe, welche ungünstige gesundheitliche Ver- hältnisse aufweisen.

Die zur See Ankommenden Waaren dürfen in Bezug auf Desin- fection. Einfuhrverbote, Durchfuhrverbote und Quarantäne nicht anders behandelt werden, als die zu Lande beförderten Waaren. (Vergl. Tit. 4.)

Jedem Schiff', welches sich den von der Hafenbehörde ihm auf- erlegten Massregeln nicht unterwerfen will, soll es freistehen, wieder in See zu gehen.

Das Schiff kann jedoch die Erlaubniss erhalten, seine Waaren zu löschen, nachdem die erforderlichen Vornichtsmassregoln getroffen worden sind, nämlich :

1. Isolirung des Schiffes, der Mannschaft und der Reisenden; a. Auspumpen dos Kielwassers nach erfolgter Desinfection : 3. Ersatz des an Bord befindlichen Wasservorrathg durch gutes Trinkwasser.

Auch kann dem Schiff gestattet werden, die Reisenden, welche es wünschen, an Land zu setzen, unter der Bedingung, dass die betref- fenden Reisenden sich den von der localen Behörde vorgeschriebenen Massregeln unterwerfen.

Jedes Land muss wenigstens einen Hafen an der Küste jedes seiner Meere mit ausreichenden Einrichtungen und Anstalten versehen, um Schiffe ohne Rücksicht auf ihren Gesundheitszustand aufnehmen zu können.

Die Küstenfahrzeuge unterliegen besonderen, zwischen den be- theiligten Ländern zu vereinbarenden Bestimmungen.

Diesen Bestimmungen der Dresdner Uebereinkunft liegt tlie jetzt durch zahlreiche Untersuchungen genügend sicher gestellte Erfahrung zu Grunde, dass der Ansteckungsstoff der Cholera im Verkehr im Wesentlichen nur durch den Kranken, seine Abfallstoffe und seine nächste Umgebung verbreitet wird, dass aber eine Einschleppung der Seuche durch cholera- freie Schiffe nur in ganz bestimmten Ausnahmefällcn zu fürchten ist (Bilsch, Ballastwasser, kurze Reisen). Beobacht- ungen, Uebcrwachungen , sowie sonstige den Verkehr be- lästigende Massnahmen sollen daher auf dasjenige Minimum beschränkt werden, das sich in der Praxis im allgemeinen noch als genügend bewährt hat, um die Kranken und ihre nächste Umgebung für die weitere Verbreitung des Krank-

Digitized by Google

1 1

i

I

I

I

26

heitserregers rechtzeitig unschädlich machen zu können. Für die Art, Dauer und Ausdehnung der dazu dienlichen Mass- nahmen ist eine obere Grenze festgesetzt. Die oben auf- geführten Massnahmen treten erst in Kraft, nachdem an Bord Cholerakranke aufgefunden sind oder festgestellt ist, dass während der Reise Cholerafälle an Bord vorgekommen sind. Die „reinen“ Schiffe sollen im allgemeinen frei ausgehen. Hierüber lässt die Dresdener Convention keinen Zweifel auf- kommen. Dagegen ist in den Abmachungen darüber nichts nusgesagt, in welchem Umfange, wann und wo ankommende Schiffe zu untersuchen sind, damit ihre sanitäre Beschaffen- heit erkannt und sie als „reine“ Schiffe freigegeben, oder, wenn „verseucht“ oder „verdächtig“ befunden, den weiteren gesundheitspolizeilichen Verfahren unterworfen werden können. In diesem Punkte, also in der Handhabung und Gestaltung der ersten Untersuchung ankommender Schiffe vor Eröffnung des Verkehres, unterscheiden sich die Bestimmungen der vertragschliessenden Staaten nicht unwesentlich von einander, während die Reglements für die Behandlung der Schiffe, nachdem erst das Ergebniss der ersten Untersuchung fest- steht, bei allen Vertragsstaaten in den Hauptsachen gleich- artig sind, abgesehen von mancherlei veraltetem und umständ- lichem Beiwerk.

Bei der Frage der ersten Untersuchung der Schiffe handelt es sich darum, ob alle Schiffe, gleichviel welcher Herkunft, bei ihrer Ankunft im Hafen die Erlaubniss zur Eröffnung des Verkehrs erst nach einer ärztlichen oder nichtärztlichen Besichtigung erhalten, ob also alle nn- kommenden Schiffe von vornherein die gelbe Flagge setzen und die Erlaubniss zum Niederholen derselben abwarten müssen, ferner darum, ob die ankommenden Schiffe etwa vor dem Einlaufen in den Hafen eine mehr oder weniger weit entfernte Untersuchungsstation aufsuchcn müssen, oder ob solche Massnahmen auf bestimmte Herkünfte be- schränkt werden. Ferner kommt es dabei darauf an, ob die Schiffe einen Gesundheitspass haben müssen und ob bei un- reinem oder nicht vorschriftsmässigem Gesundheitspass die Erlaubniss zur Eröffnung des Verkehrs nicht ertheilt, sondern erst das Ergebniss einer zweiten, genaueren Untersuchung abgewartet wird. Alle diese Dinge sind in der Dresdener

27

Convention nicht geordnet. Theoretisch sind sie unwesent- lich und dürften denen, welche mit der ganzen Angelegen- heit praktisch nichts zu thun haben, nebensächlich erscheinen. Bei der Ausführung solcher Vorschriften kann aber auch für ein Schiff ganz unverdächtiger Herkunft und Beschaffen- heit ein Verlust von Stunden und unter Umständen selbst der Verlust eines ganzen Tages in Frage kommen, z. B. wenn bei ungünstigem Strom und Fahrwasser durch das Abwarten der Sanitätsvisite an bestimmter Stelle die Hoch- wasserzeit, in welcher das Fahrwasser genügend tief war, ungenutzt vorüberging.

In Deutschland unterliegen der gesundheitspolizei- lichen Kontrolle vor der Eröffnung des Verkehres nur solche Schiffe, welche aus für verseucht erklärten Häfen kommen oder Cholera-, Pest-, oder Gelbtieberkrankc an Bord haben resp. während der Reise hatten. Alle übrigen Schiffe gehen frei in den Hafen und können den Verkehr eröffnen, ohne eine Sanitätsvisite abzuwarten. Den Gesund- heitspässen wird bei uns kein Werth beigemessen, es braucht gar nicht darnach gefragt zu werden. Wenn aber eine Untersuchung vor der Eröffnung des Verkehrs vorgenommen wird, so geschieht dies immer durch einen Arzt, welcher über die weitere Behandlung des Schiffes entscheidet. Diese Untersuchungen finden nur bei Tage statt. Dies Kontroll- system bringt entschieden die geringsten Belästigungen mit sich, da nur eine sehr beschränkte Auswahl von Schiffen davon betroffen wird. In Hamburg werden nebenbei auch alle übrigen eingelaufenen Schiffe gesundheitspolizeilich kontrol- lirt, jedoch erst nach Eröffnung des Verkehrs. Die Schiffe brauchen mit dem Löschen und Laden, Entlassen von Passa- gieren nicht auf diese Sanitätsvisite zu warten. Diese Kontrolle aller Schiffe bildet die Ergänzung zu der in deutschen Häfen allgemein vorgeschriebenen einmaligen Vorkontrolle gewisser Schiffe vor dem Einlaufen in den Hafen, und ich habe an anderer Stelle*) ausgeführt, dass ich eine solche dauernde allgemeine Beaufsichtigung des Schiffsverkehrs, wie sie in Hamburg gehandhabt wird, ohne dass irgend welche Verkehrsbelästigungen damit verbunden sind, mindestens in

*) Vergl. Ilygien. Kuuüsclmu 1896 No. 6.

Digitized by Google

28

Epidcmiezeitcn auch in den übrigen deutschen Hufen für erforderlich halte.

Achnlich wie in Deutschland wird die gesundheits- polizeiliche Kontrolc der Seeschiffe in England gehandhabt. Hierüber sind erst im vergangenen November neue Be- stimmungen erlassen. Danach haben sich die Zollbeamten, welche das Schiff, wenn es auf die Rhede kommt, betreten, zu erkundigen, woher das Schiff kommt und ob sich Krank- heits- und Todesfälle während der Reise ereignet haben. Den Gesundheitspässen wird dabei ebenfalls kein Werth bei- gemessen. In allen verdächtigen Füllen soll der Hafenarzt benachrichtigt und das Schiff so lange festgehalten werden, bis die ärztliche Untersuchung beendet und damit über das weitere Schicksal des Schiffes entschieden ist. Der Hafen- arzt hat aber daneben stets das Recht, auch ohne von der Zollbehörde dazu aufgefordert zu sein, aufkommende Schifte, wenn es ihm gut scheint, anzuhalten und zu unter- suchen. Und so werden auf der Themse bei Gravesend seit 1892 noch bis zu diesem Zeitpunkte alle auf dem Wege nach London befindlichen Schiffe, die von einem ausländischen Hafen kommen, von einem Arzt besucht, dem es überlassen ist, diesem Besuch ev. eine genauere Besichtigung u. s. w. anzusehliesscn. Das Verfahren auf der Themse ist also strenger als das in Deutschland. Ich möchte hier über- haupt einmal der immer wiederkehrenden Behauptung ent- gegentreten, als ob man der Ucbcrwachung des Schiffsver- kehrs bei der Seuchenbekämpfung in England keinen oder nur geringen Werth beizumessen geneigt sei. Die englischen Vorschriften klingen milde, werden aber, was übrigens nur zu billigen ist, streng genug durchgeführt. Es wird immer darauf hingewiesen, dass man sich seit vielen Jahren schon in England auch bei inticirten Schiffen mit einer sogenannten Inspoetion, der Ausschiffung der Kranken und den sich daran sehlicsscnden Desinfectioncn begnügt habe, die gesunden Passagiere aber und das Schiff danach ganz frei lasse, ohne auf Quarantaine weitere Beobachtung u. dergl. irgend welchen Werth zu legen. Die Vorschriften lauten allerdings in diesem Sinne, die Ausführung derselben gestaltet sich aber unter Umständen etwas anders. Eine Schiffsdesinfection dauert in England unter Umständen mehrere Tage, und es ist aneh

29

vorgekommen, «lass während der ganzen Zeit die Passagiere zwecks Desinfection zuriickgelialten wurden. Also eine Be- obachtung unter anderem Namen. In der Regel wird aller- dings gesunden Passagieren die Weiterreise in’s Inland ge- stattet, indessen können Reisende von beliebigen Schiffen, einerlei ob Krankheitsfälle an Bord vorgekonnnen sind oder nicht, so lange an Bord zurttckgchalton werden, bis die Be bürden an dem von dein Reisenden angegebenen Reiseziel brieflich Mittheilung von der bevorstehenden Ankunft und Adresse der betreffenden Person erhalten haben. Die ge- sundheitspolizeiliehe Ueberwachung des Seeverkehrs wird ge- wiss in England vernünftig und möglichst ohne nnnöthige Belästigungen, aber auch mit grosser Sorgfalt und in vollem Bewusstsein ihres Werthcs für das eigene Land durchgeführt.

In Frankreich sind ebenfalls erst seit Anfang dieses Jahres neue Bestimmungen in Kraft getreten. Der Zulassung aller an kommen den Schiffe zum freien Verkehr hat eine entweder summarische oder gründlichere Erkundigung vorauszugehen (examen sommaire, reconnaissance examen approfondi). Diese Voruntersuchung wird ohne Aufschub, bei Tage wie bei Nacht (wie übrigens auch in England) durch nicht ärztliche Sanitätsbeamte vorgenommen. Fällt sie unbefriedigend aus oder hat das Schiff einen un- reinen Gesundheitspass, so folgt eine ärztliche Besichtigung des Schiffes, der Passagiere und Mannschaften. Für die danach zu treffenden Massnahmen gelten dann wörtlich die Bestimmungen der Dresdner Convention.

In Italien muss jedes einen Landeshafen anlaufende Schiff die gelbe Flagge setzen und darf ohne besondere Erlaubniss den Verkehr mit dem Lande nicht eröffnen. Diese Erlaubniss wird sofort gewährt, wenn der Gesundheits- pass rein ist, die Reise ohne verdächtige Erkrankungen ver- lief und die Angaben des Kapitaines und ev. auch des Schiffsarztes der Behörde genügend erscheinen. Von der Beibringung eines Gesundheitspasses sind augenblicklich alle aus europäischen Häfen ausgenommen sind die türkischen Häfen sowie die aus den atlantischen Häfen von Nord- amerika kommenden Schiffe befreit. Wenn, abgesehen von diesen Vergünstigungen, Schiffe ohne Gesundheitspass an- kommen oder wenn die Gesundheitspässe nicht vorschrifts-

Digitized by Google

massig oder „unrein“ sind, ferner bei verdächtigen Erkrankungert an Bord während der Reise, bei mangelnder Sauberkeit, Ueberfüllung, sowie in einer Anzahl genau bestimmter Fälle wird das Schiff vor der Zulassung zum Verkehr erst noch einer ärztlichen Untersuchung unterzogen. Danach wird über die Zulassung zum freien Verkehr von der Hafenbehörde entschieden, wobei die Dresdener Uebereinkunft massgebend ist.

Ganz ähnlich sind die Verhältnisse in Oesterreich- Ungarn und Russland, Holland, Belgien geordnet.

Schweden und Norwegen sind der Dresdener Convention nicht beigetreten, ihre Ueberwachungsbestimmungen sind insofern schärfer, als die vorher aufgeführten, als alle aus verseuchten Häfen kommenden Schiffe, einerlei ob sic Kranke an Bord haben oder nicht, erst an einen Beobach- tuugsplatz verwiesen und dort ärztlich untersucht werden. Diese Beobachtung soll eigentlich 48 Stunden dauern, kann aber verkürzt werden, und das ist wohl die Regel bei allen Schiffen, welche weder Kranke an Bord haben noch während der Reise gehabt haben. Schiffe mit Cholera-Kranken an Bord, sowie solche, welche Erkrankungsfälle während der Reise hatten, gehen nach dem Quarantaineplatz und haben sich dort einer ft tägigen Beobachtung an Bord, Desinfeetion etc. zu unterziehen.

Aehnlieh sind die dänischen Bestimmungen.

Die übrigen, für die deutsche Schifffahrt in Betracht kommenden europäischen Staaten haben noch das alte Quarantainesystem, welches mit mehr oder weniger Aengst- lichkeit, Strenge und Vollkommenheit oder vielmehr Unvoll- kommenheit gehandhabt wird. Die Schiffe werden zunächst nach ihrer Herkunft eingetheilt und alle Schiffe aus Hüten, die von dem betreffenden Staat zeitweilig für verseucht oder verdächtig erklärt worden sind, auch im Falle, dass Cholera an Bord nicht vorgekommen ist, einer Beobachtung von 24 Stunden, 48 Stunden und länger unterworfen, während welcher aller Verkehr mit dem Lande zu unterbleiben hat. Aerztc treten dabei in der Regel nicht in Thätigkeit, sondern pflegen erst an Bord zu erscheinen, wenn sich da- selbst Kranke vorgefunden haben, ln diesem Falle wird eine strenge Quarantaine von mehr oder minder langer Dauer,

Digitized by Google

st

mit oder ohne Ausschiffung von Kranken und Gesunden verhängt.

Ueber die schweren Belästigungen dieses Systems für den Verkehr brauche ich hier wohl kein Wort mehr zu ver- lieren, ebenso wenig darüber, dass es keinen wirksamen Seuchenschutz gewährt und unter Umständen der Verbreitung der Krankheit sogar Vorschub leisten kann.

Hoffen wir, dass in Zukunft noch mancher der Staaten mit diesem veralteten Quarantainesystem der Dresdener Convention beitritt und dass auch in der Dresdener Ueber- einkunft die obere Grenze der für Handel und Wandel in Seuchenzeiten noch für nöthig erachteten Verkehrs- beschränkungen noch weiter heruntergesetzt wird. Hierbei würde besonders die Weglassung der bei manchen Staaten, wie wir gesehen haben für alle Schiffe, gleichviel welcher Herkunft, noch obligatorischen Sanitätsvisite vor Eröffnung des Verkehres in Betracht kommen. Dafür ist überall eine Or- ganisation zu empfehlen, welche die dauernde Ueberwachung der Schiffe im Hafen nach der Ankunft, ohne Beschränkung des freien Verkehrs und für die Reisenden eine unauffällige und möglichst wenig belästigende Ueberwachung an dem Bestimmungsort gewährleistet. Wenn dann wirklich einmal, was übrigens bei der jetzt üblichen Art der gesundheitspolizei- lichen Controlle auch nicht ausgeschlossen ist, ein Cholerafall erst nach der Ankunft des Schiffes im Hafen und nach der Freigabe des Verkehrs entdeckt wird, so wird dies immer noch rechtzeitig genug geschehen, um den Fall für die weitere Ausbreitung der Seuche ungefährlich machen zu können.

Für die Abwehr der Einschleppung von Gelbfieber und Pest gelten in den meisten europäischen Staaten gleichlautende oder ähnliche Bestimmungen wie für die Cholera. Man hat sieh auch bei diesen Krankheiten zu der Anschauung bekehrt, dass die Schiffe nicht ihrer blossen Herkunft wegen, sondern nur dann als gefährlich anzusehen sind, wenn sich Kranke an Bord befinden oder befunden haben. Vielleicht darf bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen werden, dass bis vor wenigen Monaten gerade in England noch ganz schroffe, ver- altete Quarantainegesctztc bezüglich des Gelbfiebers in Kraft waren, die erst jetzt durch moderne, mildere Bestimmungen ersetzt worden sind.

Digitized by Google

42

Was die übrigen Infectionskranklieiten anlangt, so ist es in den meisten europäischen Staaten der Hafenbehörde überlassen, von Fall zu Fall zu handeln. Allgemeine Be- stimmungen habe ich, ausser in England, nicht gefunden. Die englischen Seuchengesetze machen es möglich, auch an Bord gegen die einheimischen Infectionskranklieiten in jedem Fall gründlich und energisch Vorgehen zu können.

In den Kolonien richtet man sich hei der gesundheits- polizeiliehen Beaufsichtigung des Seeverkehrs meist nach dem Mutterlande, mit dem Unterschied, dass die gesetzlichen Be- stimmungen im Einzelnen oft etwas strenger, die Handhabung der Aufsicht und die dazu dienlichen Einrichtungen in der Kegel aber recht unvollkommen sind. Dies gilt besonders von den Kolonien der lateinischen Staaten, aber auch zum Tlieil von den englischen Kolonien, von denen noch viele dem Quaran t än esystem treu geblieben sind. In den deutschen Kolonien gelten wörtlich die heimischen Bestimmungen. Was die Controle in den unabhängigen, grossen, über- seeischen Reichen betrifft, so habe ich mich in Bezug auf die Vereinigten Staaten von Nordamerika, Brasilien und Argentinien genauer orientiren können.

Das Land der Freiheit, die Verein igtenStaatcn von Nordamerika, erfreut sich einer sehr ausgebildeten, streng gehandhabten Seuchengesetzgebung. Die Bekämpfung der Infectionskranklieiten wird von einer Centralbehörde in Washington, dem Marine Hospital Service geleitet; auch die Special-tiesctze und Veranstaltungen in den einzelnen Staaten unterliegen ihrer Oberaufsicht. Wo die Vorkehrungen mangelhaft erscheinen, werden von der Centralbehörde eigne Beamte (Aerzte) entsandt, welche die Seuchenbekämpfung, wenn nöthig unter Aufwendung grosser Mittel und ev. auch, ohne sich an den Widerspruch der lokalen Autoritäten zu kehren, gründlich und umfassend organisiren. So finden wir auch für die Beaufsichtigung des Seeverkehrs in vielen Häfen der Vereinigten Staaten sogenannte nationale Quarantaine- Anstalten, welche dem Marine Hospital Service direct unter- stellt sind, während in anderen, z. B. in New-York, eine lokale Controleinrichtung besteht, die sieh aber die Ober- aufsicht der Centralbehörde gefallen hissen muss.

33

Die auf den Seeverkehr bezüglichen Bestimmungen sind in den Vereinigten Staaten viel strenger als in Deutschland und den Staaten der Dresdener Convention. Es müssen aber bei einer Kritik der amerikanischen Vorschriften die regel- mässigen Massentransporte vieler hunderter und tausender von Einwanderern berücksichtigt werden, welche eine strengere Aufsicht nöthig machen und bei denen es sich nicht blos um Ankömmlinge aus Staaten mit geordneter Sanitätsaufsicht, sondern um alle möglichen Elemente, Asiaten, Chinesen u. s. w. handelt. Ferner kommt in Betracht, dass das Land zu verschiedenen Malen schweren Invasionen des gelben Fiebers ausgesetzt gewesen ist, dass aber das jetzt dort übliche Controlsystem sich gerade dieser Seuche gegenüber anscheinend vollkommen bewährt hat.

In den Haupthäfen der Vereinigten Staaten wird jedes vom Auslande kommende Schiff vor der Eröffnung des Verkehrs ärztlich untersucht. Die dieser Untersuchung folgende Behandlung der Schiffe kann als ein Quarant&iue- system beschränkten Umfanges characterisirt werden. Zu den Krankheiten, welche die Verhängung einer Quarantaine nach sich ziehen, wenn sie an Bord vorgekommen sind, ge- hören ausser Cholera, Gelbfieber und Pest, auch Pocken und Flecktyphus (quarantinable diseases.) Quarantaine wird aber nicht bloss über Schiffe verhängt, welche noch bei der An- kunft Kranke an Bord haben, sondern auch dann, wenn die Krankheitsfälle auf der Reise schon eine längere Zeit vor der Ankunft vorgekommen sind. Die Bestimmungen über den Zeitraum, welcher seit dem letzten Krankheitsfall ver- flossen sein muss, damit das Schiff von der Quarantaine frei kommt, werdeu nicht selten geändert, jedenfalls aber wird dieser Zeitraum immer länger bemessen, als der in der Dres- dener Convention für verseuchte Schiffe festgesetzte Zeitraum von 7 Tagen. Bei gelbem Fieber an Bord waren es einmal 6 Monate, bei Cholera 20 30 Tuge. Innerhalb dieser Zeit vor der Ankunft vorgekommene Fälle von Gelbfieber resp. Cholera an Bord machten das Schiff und Insassen i|uarantaine- pflichtig. Der Quarantaine werden ferner auch solche Schiffe unterworfen, die keinen vorschriftsmässigen Gesundheitspass aufweisen können. Von diesem Gesundheitspass für amerika- nische Häfen wird weiter unten noch die Rede sein. Die

3

Archiv f. Schiff»- u. Tropenbygieoe.

Digitized by Google

34

Quarantaine selbst dauert bei Cholera und Gelbfieber 5 Tage, bei Flecktypus 20, bei Pocken 14 Tage, hier bei solchen .Schiffsinsassen, bei denen die sofort nach der ersten Control- untersuchung vorzunehinende Schutzpockenimpfung erfolglos ausgefallen ist.

Längs der Küsten der Vereinigten Staaten sind eine grosse Anzahl von Quarantainestationen eingerichtet. Dorthin werden die Schiffe aus den einzelnen Häfen zur Abhaltung ihrer Quarantaine verwiesen. Die Anstalt für New-York befindet sich im Hafen selbst auf Hofrnan- und Swinburne- Island und bietet Raum für mehrere tausend gesunder Indi- viduen, die beobachtet werden sollen (Hofraan-Tsland) und eine ausreichende Bettenzahl und gute Einrichtungen für die Kranken (Swinburn-Island). In der Station befindet sich auch ein bacteriologisches Laboratorium.

Sehr genau und ausführlich sind die Bestimmungen über die Schiffsdesinfectionen.

Die Amerikaner haben sich aber mit dieser gesund- heitspolizeilichen Behandlung der Schiffe bei der Ankunft in ihren Häfen nicht begnügt, sondern noch ein neues, nicht unzweckmässiges Verfahren bei der Ueberwachung des See- verkehrs ausgebildet, das bei den europäischen Staaten nur in Frankreich, aber weniger durchgebildet und streng, vor- gesehen ist, übrigens aber auch im Cholerajahr 1892 von der damaligen Rcichskontrolstation in Hamburg, deren Vor- stand der Verfasser dieses war, nicht ohne Nutzen angewandt wurde. Es handelt sich dabei um die Besichtigung, Des- iinfection und ev. die mehrtägige Beobachtung der Schiffe und ihrer Insassen vor dem Antritt der Reise im Ab- fahrtshafen. Die nach den Vereinigten Staaten bestimmten Schiffe sollen in jedem europäischen Hafen vor ihrer Abfahrt von einem Konsulatsbeamten besichtigt werden. Danach ist ein sehr genauer und ausführlicher Gesundheitspass mit einer ausführlichen Beschreibung der sanitären Verhältnisse an Bord auszustcllen. In Epidemiezeiten werden von der Aufsichtsbehörde in Washington zeitweilig Regier ungsärzte nach den verseuchten Häfen des Auslandes eutsandt, welche die Beobachtung und Desinfection der nach den Vereinigten Staaten bestimmten Schiffe zu leiten haben und ausserdem überden all-

Digitized by Google

gemeinen Gesundheitszustand an Ort und Stelle häufig und aus- führlich berichten müssen. In solchen Zeiten wird die Abfahrts- zeit und der voraussichtliche Termin der Ankunft der abge- gangenen Schiffe in Amerika dorthin telegraphisch gemeldet. Von Ausbruch der Cholera 1892 au bis Ende 1893 waren in Hamburg, Bremen, Antwerpen und anderen europäischen Häfen Aerzte der Vereinigten Staaten ihren Konsulaten beigegeben; augenblicklich scheinen nur noch die Gelbfieber- häfen Mittel- und Südamerikas mit solchen Aerzten besetzt zu sein. Abgesehen von den damit verbundenen grossen Kosten, die allerdings nicht dem Staat, sondern den besichtigten Schiffen zur Last fallen, ist dies System sicher für europäische Häfen mit geordnetem Sanitätswesen, vor allem eigener, geordneter, sanitärer Aufsicht im Hafen überflüssig. Da- gegen scheint es mir für andere Verhältnisse nicht unzweck - mässigund unter Umständen auch für uns der Nachahmung werth. Deutsche beamtete Aerzte könnten zeitweilig in überseeischen Gelbfieberhäfen schon deshalb von grossem Nutzen sieh erweisen, weil sie die dort oft sehr zahlreichen und zu langem Aufenthalt gezwungenen deutschen Schiffe gesund- heitlich überwachen und die Konsuln und Knpitaine durch Untersuchungen an Ort und Stelle und darauf gegründete Vorschläge in der Abwehr der Seuche, welche grade auf unseren Schiffen dort oft mörderisch gewüthet hat, unter- stützen könnten. Eine solche Massnahme wäre um so eher ausführbar, als es dabei sich nur um sehr wenige Häfen handelt.

Schliesslich verdient die Vorschrift über die sogenannte Akklimatisationsbescheinigung (acclimatisation certificate) für Reisende aus Gelbfiebergegenden nach den Vereinigten Staaten hier eine Erwähnung. Leute, welche aus einer Gelb- fiebergegend kommen und eine Bescheinigung eines Konsuls der Vereinigten Staaten aufweisen können, dass sie mindestens 10 Jahre daselbst zugebracht oder selbst die Krankheit überstanden haben, werden als immun und ungeeignet, die Seuche einzuschleppen, angesehen. Sie dürfen sofort an Land und wohin sie wollen, abreisen, während die übrigen Reisenden gleicher Herkunft erst f) Tage lang auf einer Quarantainestation beobachtet werden. In der (juarantaine- station von New-York ist erst vor einigen Wochen ein

3*

Digitized by Google

:'»6

Passagier, welcher das Immunitätsattest nicht beihringen konnte, am gelben Fieber erkrankt und gestorben. Die amerikanischen Hafenärzte halten diese Einrichtung für sicher und praktisch.

In Argentinien sind, während vorher ein unvernünftig strenges Absperrsystem geherrscht hatte, seit April 189.r> Controlbestimmuugen für den Seeverkehr erlassen, welche denen der Dresdener Uebereiukunft entsprechen und sich auch auf die Abwehr des gelben Fiebers beziehen. Schiffe, welche Gelbfieberfälle bei der Ankunft in Buenos Aires an Bord haben oder innerhalb der letzten 10 Tage vorher an Bord hatten, gelten für verseucht; bei Cholera sind 5 Tage als Grenze festgesetzt.

In B r a s i I i c n , mit dem Deutschland einen regelmässigen und lebhaften Verkehr unterhält, ist ebenfalls erst vor wenigen Jahren ein neues Reglement für den Hafengesundheitsdienst er- lassen worden ; indessen kann man die Bestimmungen dabei nicht gerade auf moderne Anschauungen gegründet nennen. Man unterscheidet dort nicht blos verseuchte, sondern auch noch verdächtige Häfen und rechnet zu den letzteren, von ver- einzelten Seuchefällen zu schweigen, auch solche Häfen, die mit verseuchten Orten einen regen Verkehr unterhalten oder sich nicht genügend gegen solchen Verkehr schützen. Schiffe aus solchen Häfen werden ebenfalls als v e r- dächtig angesehen, und dazu noch manches andere Schiff aus allerlei merkwürdigen Gründen, deren Aufzählung aber hier zu weit führen würde. Alle verdächtigen Schiffe werden nach einer Quarantainestation verwiesen, dort genau besichtigt und ev. weiter beobachtet. Zu den „verseuchten“ Schiffen gehören ausser den nach der Dresdener Convention hierunter zu rechnenden Schiffen auch die dort als „verdächtig“ bczeichneten. Diese Schiffe werden bei Cholera 8 Tage, bei Pest 20 Tage in strenger Quarantaine gehalten. Die unselige Bestimmung, wonach Auswandcrerschiffen, die während der Reise eine grössere Anzahl von Todesfällen an Bord hatten, das Landen, dieEröffnung des Verkehrs überhaupt untersagt und die Umkehr erzwungen werden kann und die die berüchtigten Fälle des „Mattco Bruzzo“, „Carlo R“, „Vincenzo Florio“ u. a. verschuldet hat, ist ebenfalls erhalten geblieben. Indessen ist bei

37

diesen Verhältnissen das Reglement noch nicht das schlimmste ; viel grössere Störungen verursachen die mangelhaften Qua- rnntnine c i n r ich t un gen. Seit Jahren schon ist zwar an der langgestreckten Küste von Brasilien eine grössere An- zahl von Quarantainestationen projectirt worden, es ist aber bis jetzt bei den Plänen geblieben. Die Quarantainc- station auf llha Grande ist immer noch die einzige, welche benutzbar i-t. Alle Schiffe aus verseuchten und verdächtigen Häfen werden erst dorthin verwiesen, ehe sie einen anderen brasilianischen Hafen anlaufen dürfen, ebenso Dampfer mit einem reinen Gesundheitspass, aber mehr als 400 Einwanderern an Bord. Das bedeutet oft einen Umweg von mehreren 100 Meilen. Ausserdem scheinen die Einrichtungen in llha Grande überaus mangelhaft zu sein. Die Epidemie, welche im Winter 185)5/96 das italienische Kriegsschiff Lombardia ver- heerte, auf welchem Schiff schliesslich nur wenige Mann vom Gelbfieber verschont blieben, soll zum Theil durch die schlechten sanitären Verhältnisse auf llha Grande verschuldet worden sein. Hoffentlich gelingt es, den fortdauernden Anstrengungen der dortigen Vertreter der europäischen Handelsstaaten end- lich hierin Wandel zu schaffen.

Es bleiben zum Schluss noch die Bestrebungen zur Organisation eines internationalen Gesundheitsdienstes kurz zu erwähnen übrig, welche bezwecken, der Cholera an den bekannten Einbruchsstellen den Weg nach Europa zu ver- schliesscn. Für den Seeverkehr kommen dabei die Ueber- wachung des Pilgertransportes nach den heiligen Städten der Muhamedaner in Arabien, ferner der allgemeine Verkehr im rothen Meer und im Suezkanal in Betracht. Namentlich Frankreich und in neuester Zeit auch Oesterreich sind immer wieder von neuem für energische, gemeinschaftliche Schutz- maassregeln in dieser Hinsicht eingetreten, während England die Schifffahrt, welche auch auf diesen Verkehrswegen zum allergrössten Theil unter englischer Flagge sich vollzieht, von Kontrollmaaaregeln möglichst frcizuhalten bemüht war und sich für das eigene Land lieber auf die eigene Ueber- wachung zu Hause verliess. Die früheren, internationalen Conferenzen, welche sich mit dieser Frage beschäftigten, hatten wegen der Uneinigkeit der betheiligteu Mächte zu keinem nennenswerthen Ergebniss geführt. Solche Zusammen-

Digitized by Google

38

kiinfte landen statt 1852 in Rom, 18GG in Konstantinopel, 1874 in Wien, 1885 in Rom. Seli 1 iesslicl i ist 1892 in Venedig und 1894 in Paris eine Einigung erzielt worden. Die Ver- einbarungen von Venedig beziehen sieb auf die Kontrole der durch den Suezkaual nach Norden und nach Egypten aus dem Hedjaz zurüekkehrenden Pilger und auf den allgemeinen Seeverkehr durch den Suezkanal in der Richtung nach Norden. Die Pariser Conferenz wollte der Gefahr noch näher ihrem Ursprung bcikommen und beschäftigte sieh mit der Ueberwaehung der Pilger bei der Einschiffung in Indien und mit der sanitätspolizeilichen Kontrole derselben auf der Reise und vor der Landnng in Arabien, sowie nach dem Verlassen der heiligen Stätten vor Antritt der Rückfahrt (in beiden Fällen Quarantaine auf Inseln und Stationen im rothen Meere). Bei diesen internationalen Bestrebungen kommt es, wie überall, auf die Ausführung an. Was wir nun über die bisher übliche Art der Kontrolle und Beobachtung der muhamcdanischeu Pilger in Kainaran, El Tor, an den Mosesquellen, sowie über die Verhältnisse im Hedjaz selber wissen, kann uns mit dem Vertrauen, dass der beabsichtigte Erfolg dabei auch nur zum Theil erreicht wird, nicht erfüllen, und ebensowenig dürften Hoffnungen auf eine baldige Besserung der dortigen Zustände nach den Schilderungen von Koch-Gaffky, Kaufmann, Bitter, Karlinski und den französischen Konsulatsberichten berechtigt sein. Man hat zwar seitens der Türkei umfassende Verbesserungen ver- sprochen, und die Pariser Conferenz hat auch die Aus- bildung eines Corps von Aerzten, Desinfectoren, Mechanikern und Gesundheitsaufsehern beschlossen. Solange aber der internationale Gesundheitsrath in Konstantinopel, in welchem das orientalische Element die Oberhand hat, und die übrigen in Betracht kommenden Behörden sich nicht ändern, so lange die Sanitätsanstalten im rothen Meere überhaupt in orientalischen Händen bleiben, können diese Einrichtungen lediglich als Karrikatur einer Seuchen-Abwehr angesehen werden. Aber auch besser gehandhabte, internationale Sehutzmaassregeln gegen die Wanderseuchen machen die Bekämpfung dieser Krankheiten im eigenen Lande noch lange nicht überflüssig; man wird gut thuu, sich gerade auch auf dem Gebiete des Seeverkehrs auf die gesundheitspolizeiliche Ueberwaehung

39

der Schiffe in den heimischen Hilfen allein zu verlassen und der Ansicht Kochs beipflichten, dass uns mit solchen inter- nationalen Bestrebungen nicht allzuviel genutzt wird.

Kulihospitäler an der Nordostküste Sumatras.

Von

Hofrath Dr. L. Martin,

früher Anst im Dienste der Tabakmaatächappy Arendsbarg and der Deli-Maatcbappy.

Wenn ich hiermit über die Kulihospitäler in Deli und Langkat an der Nordostküste Sumatras berichte, deren eines ich durch nahezu dreizehn Jahre zu leiten hatte, so geschieht dies unter einer doppelten Reserve. Erstens sind mir von Spitälern unter den Tropen nur die erwähnten und vielleicht jene der Engländer in den Sumatra gegenüberliegenden Straits Settlements (Singapore und Penang) bekannt und bin ich deshalb ausser Stande, Parallelen zu ziehen. Es mögen also wohl anderen Ortes zweckmässigere Anstalten existiren, welche auf längere Zeit des Bestandes und der Erfahrung zurücksehen, in welchen Besseres, europäischen Verhältnissen Aehnliches geleistet wird, solche sind mir aber gänzlich unbe- kannt und beschreibe ich nur das Kulihospital, wie e3 zur Zeit in den Tabaksdistricten Sumatras im Gebrauche ist. Jene der Leser, welche gleich mir unter den Tropen Hospital- leiter waren oder noch sind, werden dann Vergleiche an- stellen können, von denen ich nur hoffe, dass sie nicht zu ungünstig für unsere sumatranischen Anstalten Ausfallen mögen. Zweitens sind diese Hospitäler in der Hauptsache nur für die Aufnahme und Behandlung einer Menschenspecies des chinesischen Kuli eingerichtet, und bin ich weit davon entfernt, das für diese Patienten als zusagend Befundene auch für Kranke anderer Race empfehlen zu wollen. Da aber der chinesische Kuli sowohl nach meiner persönlichen Erfahrung, als auch nach massgebendem, anderscitigen ITr- theila. als der Feldarbeiter par excellence für alle tropischen Gebiete erscheint, in welchen der Europäer niemals mit

Digitized by Google

40

körperlicher Arbeit als Coucurrent auftreten kann und deren Eingeborene aus ihnen eigeuthümlichen, physischen oder po- litischen Gründen zu Culturzwecken nicht tauglich sind, so ist eine Ausbreitung der chinesischen Einwanderung nach allen solchen Ländern nur eine Frage der Zeit und Renta- bilität. Dann dürften auch unsere auf 30jährige Erfahrung begründeten Kulihospitäler des allgemeinen Interesses nicht entbehren. Ausserdem muss ich mich noch im Voraus der Nachsicht der Leser versichern, wenn ich denselben die in der Natur dieses Berichtes liegende und deshalb nicht zu umgehende, trockene Schilderung der Gebäude des Hospitals nicht ersparen kann.

Die Ende der 60er Jahre an der Nordostküste Suma- tras in den mnlnyischen Sultanaten Deli, Langkat und Ser- dang eingeführte, rasch aufblühende, sehr gewinnreiche Tabakscultur war nur durch ununterbrochene Einwanderung von Tausenden Von Feldarbeitern aus Südchina, aus Amoy, Makao, Swatow und F uchow möglich, und so ist es erklärlich, dass sehr rasch sowohl die englische als auch die zuständige niederländische Colonialregierung diese Einwanderung be- günstigte und die Immigranten in ihren Schutz nahm, erstere gegenüber den die Einwanderung leitenden chinesischen Kuliagenten durch Errichtung eines Protectorates für chine- sische Einwanderer in Singapore und Penang, über welche Hafenstädte die Feldarbeiter nach Sumatra zogen, letztere gegenüber den europäischen Arbeitgebern, denTabakspflunzern. Die chinesischen Kulis schlossen bei ihrer Einwanderung einen von der niederländischen Regierung festgestellten Con- tract mit den Pflanzern ab, welcher ihnen ausser anderen Vortheilen freie ärztliche Behandlung und freien Arzneimittel- bezug zusichertc. Diese Bestimmung der Kulicontracte und noch mehr die rasch bei allen verständigen Pflanzern Platz greifende Einsicht, dass eine rationelle, ärztliche Behandlung des nur mit hohen Unkosten eingeführten Kulimateriales einen wirklichen Gewinn mit sich bringe, haben unsere Hospi- täler entstehen lassen. Zwar waren die die Pflanzer nunmehr treffenden Ausgaben für Spital, Arzt und Arzneien erhebliche, betrugen sie doch bei einer mittleren Ernte 1,5 2 Gulden- cents auf den Herstellungspreis von einem Pfund Tabak, so kam doch der chinesische Kuli in Sumatra selten unter,

41

meist beträchtlich über 100 Dollars zu stehen und war seine Erhaltung für die gewinnbringende PHanzarbeit eines grossen, tinanciellen Opfers werth. Dass unsere Hospitäler nicht sofort auf der derzeitigen Höhe der Entwickelung standen, sondern sieh aus kleinen, oft sehr primitiven Anfängen und Anlagen herausbilden mussten, ist ebenso leicht verständlich wie die andere Thatsache, dass die grossen, kapitalkräftigen Gesell schäften bessere Einrichtungen schufen und heute besitzen, als die oft nur mit geringem Banr-Kapitale arbeitenden, von Jahr zu Jahr den Wechselfällen des europäischen Produkten- marktrs unterworfenen Privatpflanzer.

Im Folgenden gebe ich eine möglichst detai Ilirte Be- schreibung des Hospitals „Bangkatnn“, welches ich die letzten fünf Jahre zu leiten hatte und neben welchem die Deli- Maatschappy, die grösste und kapitalkräftigste Gesellschaft des Landes, in deren Dienst ich stand, noch zwei weitere, derartige Hospitäler unterhält. Ausser der Deli-Maatschappy sind noch vier grössere Gesellschaften am Platze, welche eigene Spitäler und Ärzte besitzen, während eine Anzahl von kleineren Gesellschaften und Privatpflanzern ganz passende, den Bedürfnissen entsprechende Anstalten mit farbigem Wartcpersonal und wöchentlich einmaligem Besuche eines europäischen Arztes eingerichtet haben.

In einem mit intensiver, endemischer Malaria behafteten Laude ist es natürlich schwierig oder unmöglich, einen ma- lariafreien Platz zur Anlage eines Hospitals zu Anden ; dennoch wird man bestrebt sein, dasselbe auf einem möglichst hohen, trockenen Punkte, z. B. einem kleinen Plateau oder auf einer sich erhebenden Bodenwelle, sicher immer aber auf einem Terrain anzulegen, in dessen nächster Umgebung sich kein, höheres Niveau besitzendes Land beßudet, da von diesem bei gewisser, entsprechender Windrichtung eine Zu- fuhr von Infectionskeimen in die Anstalt möglich ist. Ferner wird man auf die Nähe von fliessendem Wasser zu achten haben, da solches sowohl zur Reinigung der Gebäude als auch zu den täglichen Bädern der Insassen absolut nöthig ist. Da nun die Flussläufe in der Alluvialebene Nordost- Sumatras sich alle tief in das Terrain eingeschnitten haben und das höchste Land sich meist auf der Uferhöhe ßndet, so liegen selbstverständlich alle Spitäler an grösseren oder

Digitized by Google

42

kleineren Wasseradern. Als letzte Bedingung bei der Platz- wahl ist die der centralen Lage zu stellen, d. h. das Hospital soll ungefähr im Centrum der dasselbe beschickenden Plan- tagen gelegen sein. Entsprechend dem eben Gesagten liegt das Hospital „Bangkatan“ auf dem hohen Uferrande des Bangkatanflusses, in der Mitte von fünf, durchschnittlich 6 800 Kulis beschäftigenden Plantagen, ungefähr 20 Minuten von der kleinen Garnisonsstadt Bindjei entfernt. Es besteht aus den folgenden Baulichkeiten:

1. Drei langgestreckte, barrakenartige Gebäude, jedes zu 50 Betten für die Krankenaufnahme, deren erstes einen Anbau von zwei Isolirzellen besitzt, welche sowohl zu sani- tären als auch discipliniiren Zwecken dienen und in welchen auch Kranke mit plötzlich auftretenden Psychosen unter- gebracht werden ; an der zweiten Barrake befindet sich der Anbau des sogenannten, später noch zu besprechenden Diarrhoesnals. Jedes der Gebäude ist 60 Meter lang und 6 Meter breit, besitzt weissgetünchte Bretterwände, cementirten Boden mit cementirtem Abzugsgraben für das von den Dächern abfiiessende Wasser und ein doppeltes, Durchzug gewährendes Dach,' welches mit den Attap genannten Blättern der Nipahpalme gedeckt ist. Die das Dach tragenden, vier- eckig behauenen, mit Theer gestrichenen Balken sind in gemauerte, mit Cement verstrichene Unterlagen eingelassen; die Bretterwände liegen dem Ccmentbodcn nicht völlig auf, sondern enden auf einem Abstande von einem Fuss oberhalb desselben, wodurch auch direkt über dem Boden eine Ventilation geschaffen wird. Die 6 Fuss langen, hölzernen Schlafstütten sind aus gehobelten Brettern hergestellt und stehen entlang den Längsseiten der Barraken mit dem etwas abwärts ge- neigten Fuesende nach dem zwischen beiden Bettreiheu laufenden, mittleren Gang gerichtet, welcher eine Breite von 2 Metern besitzt; 3 Fuss über den Betten läuft ein einfaches, mit Theer gestrichenes Brettergesimse zur Aufbewahrung von Essgeräthen, Gebrauchsgegenstünden und persönlichem Besitze der Kranken; zwischen je zwei Betten befindet sich eine mit hölzernen Läden zu schliesscnde Fensteröffnung.

2. Eine aus weissgetünchten Brettern hergestellte, mit Wellblech gedeckte Küche mit Vorrathskammern und Wohn raum für den Koch und seinen Gehilfen; dieselbe besitzt

43

Cementboden und cementirten Wasserabzugsgraben sowie ein grosses Cementbassin zur Aufbewahrung des zu Küchen- zweekcn nüthigen Wasserquantums; der Raum, in welchem sich der lange, fünf Feuerplätze führende, gemauerte Kocli- lieerd befindet, hat keine Wände und gestattet freien Luft- durchzug; in drei der Feuerplätze sind grosse, eiserne Kessel eingelassen, welche zum Garkochen des Hauptnahrungsmittels, des Reis, dienen.

3. Ein direkt auf der Hübe des Flussufers gelegener, mit Wellblech gedeckter Abort, dessen mit Theer gestrichene Bretterwände ein4 längliches, mit breiter Rampe versehenes, mit Flusswasser gefülltes Cementbassin einschliessen ; dieses Bassin kann in den Fluss abgelassen werden und wird mit- telst einer Säugpumpe drei'Mal täglich mit frischem Fluss- wasser gefüllt; rund um die Kampe verläuft in Armhöhe ein hölzernes Geländer zum Festhalten und Aufrichten für die auf der Rampe Sitzenden ; der Boden ist cementirt und von einem cementirten Abzugsgraben umgeben.

4. Ein 20 Meter langes, 8 Meter breites, aussen weiss- getünchtes, innen mit weissem Oelfarbenanstrieh versehenes Brettergebäude mit gedeckter Vorhalle, in welcher Sitzbänke für die auf Behandlung wartenden’Kulis stehen; auch dieses Gebäude besitzt Cementboden , ist von einem cementirten Wasserabzugsgraben umgeben und hat unter dem Palmblättcr- dache noch einen mit weisser Oelfarbe gestrichenen Bretter- plafond; es enthält ein geräumiges Operationszimmer mit zwei init Zinkblech ausgeschlagenen Operationstischen, deren einer für Behandlung der die grosse Mehrzahl aller chirurgi- schen Kranken bildenden Patienten mit Ulcus cruris be- stimmt ist, während der zweite für Operationen und die in der Folge nöthigen Verbandwechsel dient; ausserdem be- findet sich hier noch ein Arbeits- und Consultationszimmer für den Arzt mit grossem Qlasfenster und breitem Mikrosko- pirtisch und eine Kammer für Verbandzeug und Materialien; in der gedeckten Vorhalle hängen an den dieselbe tragenden Holzsäulen doppelte Irrigateure mit Schläuchen und Hähnen, gefüllt mit Borlösung zur Behandlung der zahlreichen Kranken mit catarrhalischer und gonorrhoischer Conjunctivitis; letztere kommt leider häufig vor, weil die Chinesen in Urinwasch-

Digitized by Google

44

ungen der Augen ein ausgezeichnetes Heilmittel für die catarrhalisclie Conjunctivitis scheu.

5. Ausserhalb des mit einem 8 Kuss hohen, mit Stachel /.nundraht bespannten Staekct eingefriedeten Areals des Hospitals ein kleines, auf Ccment stehendes, mit Wellblech gedecktes, Bretterwände besitzendes Leichen- und Obduetinns- häuschen.

G. Aui Haupteingange in das Areal ein grösseres, auf Cementboden stehendes Brettergebäude mit Palmblättcrdach, welches die Wohnräume für das farbige Personal enthält.

7. Innerhalb des Areals ein cementirter, mit Palni- Idätterdach versehener, sonst völlig offener, quadratischer Platz, zum Aufenthalte für die leichteren Kranken während der heissen Tagesstunden bestimmt; im Centrum dieses Platzes befindet sich ein gemauerter, am Grunde mit Flusssand aus- gesehütteter, runder, mit cementirter Rampe versehener und mit Brettern eingedeckter Grundwasserbrunnen, dem mittelst einer Pumpe das für Hospital und Küehe nöthige Gebrauchs- wasser entnommen wird; hier stehen auch in hölzernen Ge- stellen die immer in Betrieb befindlichen Sandstein filter, welche in grossen, chinesischen Thongefässen das Trink- wasser für die Kranken ansammeln. Ein ähnlicher Sand- steinfilter steht auch in der Küche, während im Operations- zimmer ein Pasteurfilter die für die antiseptischen Lösungen nöthigen, keimfreien Wassermengen liefert.

Die Umzäunung des Areals ist dringend nothwendig, da ohne eine solche die wenig eivilisirten Patienten in ihrem bewussten und unbewussten Drange nach persönlicher Frei- heit nicht nur zu jeder Tages- und Nachtzeit sich im Flusse herumtreiben, sondern auch zu häufige Besuche in dem nahe- liegenden Städtchen unternehmen würden, um dort unpassende Einkäufe zu machen oder zu stehlen oder allenfalls an- wesende Bekannte und Freunde um Geld oder Opium an- zugehen. Dass bei solchen Ausflügen auf eventuelle Ver- bände oder sonstige ärztliche Vorschriften keinerlei Rücksicht genommen würde, ist ohnehin klar. Die Umzäunung besitzt drei Unterbrechungen: 1. die grosse, mit einer gusseisernen Thüre zu schliessende Eingangspforte, 2. flussaufwärts vom Aborte eine kleinere Thüre, von welcher ein bekiester Weg zu den Badeplätzen am Flussufer führt und 3. eine kleine

Digitized by Google

4r>

Ilinterpforte zum Leichenhaus. Der Zugang zu den Bade- mützen wird drei Mal täglich auf eine Stunde geöffnet und strömen dann die Kranken an ’s Flussufer theils zum Bade, theils zur Reinigung von Kleidungsstücken. Eine Aufsicht während dieser Badezeit ist unumgänglich, da sonst im Fluss- bette Ausflüge nach dem Städtchen nusgeführt würden. Für die Patienten mit llleus eruris bestehen für die absolut nöthigen Bäder eigene Vorschriften, welche sie von einer Durchnässung der Verbände abhalten sollen, da eine solche regelmässig eine Verschlimmerung der Wunde und Randekzem im Gefolge hat. Zwischen den zur Krankenaufnahme be- stimmten Barraken sind die je 30 Meter breiten Zwischen- räume mit Gartenanlagcn und bekiesten Wegen ausgefüllt; in gleichem Zustande befindet sich auch alles übrige Terrain innerhalb der Umzäunung. Fruchttragende Bäume oder Pflanzen sind von diesen Anlagen ausgeschlossen, da die Kranken deren Früchte stets vor erlangter Reife abnehmen und zu ihrem Nachtheile verbrauchen würden. Dagegen wird, wenn thunlich, für reichliche Anpflanzung von spani- schem Pfeffer (Capsicum) gesorgt, dessen Schoten, reif und unreif, ein beliebtes, sicher nicht nachtheiliges, eher heilsames Gewürz zum Reis, dem Hauptgericht der Kranken, bieten.

Trotz der erwähnten, stacheltragenden Umzäunung und der besprochenen Vorsichtsmassregeln, sowie trotz des weiter unten aufzuzählenden Aufsichtspersonals kommen doch im Laufe des Jahres in jedem Hospitale einige Wegläufer vor. Diese- können in zwei grosse Klassen getheilt werden, in solche, welche nach ihrer Plantage zurücklaufen, unschuldige, nur gegen die Disciplin verstossende Wegläufer, und in solche, welche mit der böswilligen Absicht entfliehen, sich nicht nur der Disciplin des Hospitals, sondern auch ihren Verpflichtungen gegenüber dem Pflanzer zu entziehen, krimi- nelle Wegläufer. Die Letzteren sind ein grosser Schaden für das Hospital und müssen im Falle der Wiedereinlieferung sofort den Behörden zu strenger Bestrafung übergeben werden. Halten sie doch den Pflanzer unter Umständen davon ab, weitere Kulis, welche ärztliche Hilfe und Krankenhauspflege hoch nöthig haben, in das Hospital zu senden, da er so thuend die Gefahr läuft, seine mit grossen Unkosten ein- geführten Feldarbeiter für immer zu verlieren. Die Motive

Digitized by Google

4tj

für die Flucht der unschuldigen Wegläufer sind Verlangen nach ihrer gewinnbringenden Arbeit, Angst, in der Bearbeitung ihres Feldes zurückzubleiben oder den reifen Tabak zu ver- lieren, ferner perverse Liebe, der die Chinesen hochgradig huldigen, also Sehnsucht nach dem männlichen Liebchen oder Eifersucht gegen Nebenbuhler und schliesslich in sehr vielen Füllen Mangel an Opium. Die böswilligen Wegläufer dagegen wollen mit gefälschten Papieren auf einer anderen Plantage neues Handgeld erschwindeln oder eine private, nach ihrer Ansicht höheren Gewinn abwerfender Thätigkeit als Gcmüsepflanzer, Schweinezüchter oder Holzarbeiter an- treten, oder sie sehnen sieh nach den Vergnügen und Auf- regung bietenden grösseren Plätzen mit chinesischen Theatern, Freuden- und Opiumhäusern. In sehr seltenen Fällen ent- laufen die Kulis auch dem Hospitale, weil sie dort bei Arzt und Personal für ihre Leiden kein Interesse linden. Obwohl solche Fälle Ausnahmen sind, wird dennoch die jährliche Anzahl der Wegläufer für den Wissenden einen ausgezeich- neten Massstab für die Güte der Anstalt abgeben.

(Fortsetzung folgt.)

Neuere Untersuchungen

über

die Aetiologie und den klinischen Verlauf der Beri-Beri- Krankheit

von Dr. Max Glogner,

Stadsgeneesheer in Sanmrang- Java.

(Vortrag, gehalten in der Section iür Tropen - Hygiene auf der 68..Versamrnlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Frankfurt a. M.)

M. H. Die Krankheit, über welche ich heute berichten möchte, kommt auf einem grossen Theil unsrer Erde endemisch vor.

Von denWcstindischen Inseln an der OstküsteSüdamerikas entlang bis hinab nach Argentinien erstreckt sich ihr Gebiet ; auf den Hochebenen Brasiliens, verschiedenen Inseln des grossen Oceans, Neu-Guinea, Japan, China, Hinter- und Vorder- indien, Ceylon, den Iuscln des Maleienarchipels sowie an der Westküste Afrikas und am Congo wird sie angetroffen.

4?

Obwohl diese Krankheit in verschiedenen Ländern ver- schiedene Namen trägt, wie Kakke in Japan, Beri-Bcri in den holländischen Colonien, Pereinas in Brasilien, so hat eine vieljährige Bekanntschatt und zahlreiche Beschreibungen aus verschiedenen Ländern derselben zu der Gewissheit geführt, dass wir es klinisch mit derselben Krankheitsform zu thun haben.

M. II. Wenn schon die gewaltige Ausbreitung dieser Krankheit Sie vermuthcn lässt, dass dieselbe eine grosse Ver- wüstung an Lebeu und Gesundheit der Bewohner zur Folge haben muss, so möchte ich Sie doch noch mit einigen Zahlen bekannt machen, welche Ihnen diese Gefahr noch deutlicher vor Augen führen. Allein im Maleiischen Archipel erkrankten in der holländischen Colonialarmee bei einem Bestände von ungefähr 30,000 Soldaten von 1879—1891 insgesammt 53,000 Soldaten an Beri-Bcri; in 1872 wurden in der japanischen Hauptstadt Tokio ungefähr 3000 Soldaten be- handelt, in 1H79 betrug die Zahl der Kranken unter der Bevölkerung von 4 grossen japanischen Städten 5243. Und wenn man die zahlreichen localen Epidemien in den ver- schiedenen Ländern mit theilwcise sehr hoher Mortalität in Betracht zieht, so wird man von der grossen Gefahr dieser Krankheit und der Nothwendigkeit einer genauen Kenntniss derselben überzeugt sein.

An Eifer, zu dieser Kenntniss zu gelangen, bat es bis- her nicht gefehlt. Die zahlreichen Arbeiten, welche in den verschiedensten Sprachen über die Beri-Beri-Krankheit ver- öffentlicht sind, beweisen, dass man stets fleissig nach dem Wesen und der Ursache geforscht hat.

Während nun die Ursache schon viele Jahrhunderte Gegenstand der Forschung gewesen ist, wurde das Studium über das Wesen dieser Krankheit erst nach der humoralpatholo- gischen Aera bei einer besseren Kenntniss der europäischen Krankheiten in Angriff genommen.

Man fasste die Beri-Beri auf als eine auf Scorbut beruhende Constitutionsauomalie, dann erklärte sie der um die Beri-Beri- Forschung verdiente Wernich für eine Blutdecomposition ähnlich der pernieiösen Anaemie, später hielt man dieselbe wegen der Lähmungserscheinungen an den Extremitäten für eine Rückemnarksaffection, ein Schicksal, welches auch die

Digitized by Google

48

europäische multiple Neuritis erreichte, bis dieselbe durch von Leyden am Ende der 70er Jahre aus der grossen Gruppe der Rückenmarksaffectionen als selbstständige Krankheit ausgesehieden wurde.

Die Entdeckung der peripherischen multiplen Neuritis in Europa dürfte auf die deutschen Forscher Scheube und ßaelz nicht ohne Einfluss geblieben sein, als sie im Beginn der 80er Jahre bei ihren Untersuchungen über Beri-Beri in Japan in den Nerven der Extremitäten, des Herzens und Zwerchfelles degenerirte Nervenfasern fanden und auf Grund dieses Befundes die BeriBeri- Krankheit für eine endemische peripherische multiple Neuritis erklärten. Seit dieser Zeit wird die Beri-Beri-Krankheit allgemein für eine Erkrankung der peripherischen Nerven gehalten. Wenn dies in vollem Umfang richtig wäre, müssten alle oder doch wenigstens die hauptsächlichsten Veränderungen, welche sich bei Lebzeiten oder nach dem Tode uachweisen lassen, n n r aus einer peripheren Nervendegeneration erklärt werden können.

Es gibt aber eine Reihe wichtiger klinischer wie patho- logisch anatomischer Erscheinungen, welche inan sich aus einer Degeneration der peripheren Nerven gar nicht oder nur gezwungen erklären kann. So sind die Anaemien, die Milzvergrösserungen, die Fieberanfälle, im Verlauf der Krank- heit die Trübungen der verschiedenen Organzellen, z. B. der Leber, nicht in einen dirccten Zusammenhang mit einer Degeneration der peripherischen Nerven zu bringen.

Die Veränderungen der Muskelzellen sind bisweilen so stark und in den meisten Fällen ebenso deutlich ausgesprochen, wie die Veränderungen an den Nerven, dass man den Ge- danken an ein myopathisches Leiden nicht von der Hand weisen kann oder wenigstens an eine Gleichberechtigung des myopathisehen mit dem neuropathischcn Leiden denken muss.

M. H. Aut der anderen Seite fehlen die degeuerativen Veränderungen an den peripherischen Nerven bisweilen, wie Miuru die für einzelnen Fälle nachgewiesen hat. Hage fand die vagi und phrcnici bei 10 an Beri-Beri gestorbenen Eingeborenen normal.

Ich will auf diese Fragen nicht näher eingehen, dieselben werden bei weiteren Forschungen beantwortet werden

49

vorläufig dürfte es sieh empfehlen, von dem S c li e u l> e- B a e 1 z- sclien Standpunkt aus unsere Betrachtungen über die Beri- Beri als eine multiplen Neuritis weiter zu führen.

M. 11. Bevor ich auf einzelne uns hier interessirende klinische Erscheinungen eingehe, gestatten Sie mir, Ihnen eine kurze Krankengeschichte eines Beri-Beri-Kranken rnitzu- thcilen. Die folgenden Ausführungen dürften Ihnen dann um vieles verständlicher sein.

Ein Eingeborener, der früher stets gesund war, kommt mit folgenden Angaben in Ihre Behandlung. Vor einigen Wochen hätte er 5 Tage anhaltendes Fieber gehabt, schon während der Fieberzeit merkte er eine Müdigkeit und Schwäche in den untersten Extremitäten, die sich in den letzten Tagen derartig gesteigert hätte, dass ihm das Laufen schwer fiele ; er spüre Ameisenlaufen in beiden Unterschenkeln und den Unterarmen und wenn er dieselben anfasse oder sich einige Haare auszöge, merke er nichts davon, bei der geringsten Bewegung sei er kurzathmig, Beklemmung, Herzklopfen und ein Vollsein im Epigastrium belästigten ihn häufig und wenn es ein intelligenter Patient ist, wird er Ihnen noch mittheilcn, dass sein tägliches Urinquantum vermindert sei.

Ihre eigene Untersuchung stellt dann folgendes fest:

Die DorsalHexion beider Füsse ist stark, die Plantar- flexion leicht herabgesetzt, Bewegungen der Unter- und Ober- schenkel normal, der Gang der Kranken ist unsicher, schleppend, Ataxie fehlt. Die Erregbarkeit der Muskeln beider Unter- schenkel auf den galvanischen und faradischen Strom sind bei directer und indirecter Reizung herabgesetzt, auf der Haut beider Unterschenkel anaostethisehc Stellen, Patcllar- und Achillessehnenreflexe aufgehoben, Cremaster- und Bauchreflex erhalten, leichtes Tibialoedem, Puls voll und kräftig, 96 p. m., eine Herabsetzung des Blutdruckes nicht nachweisbar, Herz nach links und rechts vergrössert, systolisch blasende Geräusche an der Insertion der 3 linken Rippe am deutlichsten hörbar. Haemoglobin 70°/o mit dem v. Fleischlichen Haemomcter, sichtbare Schleimhäute blass, Tägliche Urinmenge 300 400 Cubikcent., Milz vergrössert, Blasen- und Dannfunction un- gestört, Atlnnung 26 p. m., abdominal.

M. II. Es dürfen Ihnen bei dieser Krankengeschichte 2 Punkte auflallen, zuerst, dass, wie ich bereits oben erwähnte,

Archiv f. Schifft- n. Tropeohyglen«*. 4

Digitized by Google

M

gewisse klinische Symptome vorhanden sind, wie die Anaemie, die Milzvergrösserung, das Initialfieber, welche sicher nicht von einer Nervendegeneration abhängen und meistens, dass es besonders 2 Körpergegenden gibt, an denen sich die Krankheitserscheinungen ain deutlichsten offenbaren, nämlich das Herz und die Extremitäten.

Was die genannten nicht von einer Nervendegenerntion herrührenden Symptome betrifft, so werde ich auf ihre Be- deutung später zu sprechen kommen, ich möchte nur erwähnen, dass es leider wie früher, auch jetzt noch Sitte ist, alle Er- scheinungen, die mit einer multiplen Nervendegeneration sich nicht erklären lassen, einfach als Complicationen anzusehen ; das macht die Sache allerdings sehr einfach. Es ist dies aber um so unverständlicher, als einzelne Autoren, welche dies thun, mehrere dieser Erscheinungen in einer grossen Frequenz vorfinden und beschreiben. Wenn wir in dieser Weise zu Werke gehen, werden wir schwerlich zu einem befriedigenden Verständniss der zahlreichen Erscheinungen gelangen, und es dürfte dies wahrscheinlich der Grund sein, wesshalb Uber der Aetiologie der Beri-Beri bis in die letzte Zeit ein undurchd ringbares Dunkel geschwebt hat und wesshalb wir auch in der Erklärung einer Reihe klinischer wie patho- logisch anatomischer Erscheinungen seit den 80. Jahren wenig vorwärts gekommen sind. Was die klinischen Erscheinungen an den Extremitäten betrifft, die in leichten sensiblen und mehr oder weniger starken motorischen Störungen bestehen, so lassen sich dieselben mit einer Degeneration der Extremi- tätennerven erklären. Anders ist dies jedoch mit den am Herzen vorkommenden Erscheinungen.

Welche sind diese zunächst ?

Zuerst ist die Vergrösserung der Herzdämpfung oder nur des rechten Herzens, die an der Leiche als eine Hyper- trophie mit oder ohne Dilatation erkannt wurde, zu erwähnen, zweitens, eine Beschleunigung der Ilerzthätigkeit, drittens, systol. Geräusche am deutlichsten auf dem Ansatz der 2. und 3. linken Rippe, sowie eine Verstärkung und Verdoppelung des zweiten Pulmonaltones, viertens eine bisweilen eintretende Pulsation der ganzen Herzgegend. Diese Erscheinungen sind bei den meisten Beri-Beri-Kranken so in die Augen springend und für die Prognosen so bedeutungsvoll, dass mau sieh wundern

51

muss, wenn bisher Niemand den ernsten Versuch einer ge- meinsamen Erklärung für alle diese Erscheinungen gemacht hat, und Sie werden nur zugehen, dass in der Beri-BeriForschung eine grosse Lücke besteht, wenn gerade die wichtigsten klinischen Erscheinungen unerklärt geblieben sind und selbst in gewissem Widerspruch stehen zu der bisherigen Auf- fassung der Beri-Beri-Krankheit als einer multiplen peripheri- schen Nervendegeneration. Denn ein Widerspruch muss es genannt werden, wenn das Herz, an dem diese wichtigen Erschei- nungen sich abspielen, bei einer Degeneration seiner Ner- ven eine Vergrösserung seiner Muskelzellen erfahren soll.

Während wir an anderen Muskeln gerade das Gegen - t heil, nämlich eine Atrophie, öfters zu beobachten Gelegenheit haben und dies am Beri-Bori-Kranken an den unteren Ex- tremitäten auch beobachten können, hypertrophirt das Herz bei dieser Nervendegeneration. Wenn man die Vergrössernng der Muskelzelle als einen erhöhten vitalen Vorgang aufzufassen berechtigt ist, so ist man zu der Annahme gezwungen, dass die degenerirten Herznerven, die man bisher gefunden und mit für die Auffassung der Beri-Beri als einer multiplen Neuritis verwendet hat, dem Herzen im Allgemeinen doch nicht so viel schaden, als man seit Scheubc und Baelz bisher angenommen hat. Es ist nicht unmöglich, dass gerade dieser Punkt der bisherigen Auffassung der Beri-Beri als einer multiplen Neuritis einmal eine andre Wendung geben dürfte.

M. H. Gehen wir nun zur Besprechung der einzelnen erwähnten Herzerscheinungen über. Was die Vergrösserung und Dilatation dieses Organes betrifft, so haben zuerst die älteren holländischen Colonialärzte darauf aufmerksam gemacht, später ist diese Erscheinung durch vielfache Scctionsbefunde be- stätigt worden, und namentlich sind es die zahlreichen Beobach- tungen von Pekelharing und Winkler, welche uns des- halb von ganz besonderem Werthe erscheinen, weil sie mit dem geübten Auge der pathologischen Anatomen gemacht sind. Diese Forscher behaupteten auf Grund ihrer Nectioncn, dass das constanteste »Symptom an der Bcri Bcri-Leiehe eine Ver- grösseruug des rechten Herzens mit Dilatation und in vielen Fällen eine Vergrössernng des ganzen Herzens sei, aber eine

4*

Digitized by Google

f>2

Erklärung haben auch sie nicht gegeben, sie erwähnten nnr ilnss dieselbe grosse Schwierigkeiten bereite.

In der letzten Zeit hat der japanesische Arzt Miur. die Herzhypertrophie durch eine Compression der Lungen- gefässe erklärt, welche durch einen in Folge von Zwerchfell- lähmung eingetrcteucn hohen Druck im Brustraum zu Stande kommen soll. Dieser erhöhte Druck wäre zunächst zu beweisen.

Es sprechen aber direct gegen diese Auffassung die zahlreichen Herzhvpertrophien, die ohne Zwerchfelllähmung entstehen, und anderseits die Zwechfelllähmungen, welche ohne Herzhypertrophien verlaufen, wie ich einen derartigen Fall in einer zu erscheinenden Arbeit mittheilen werde.

M. H. Wodurch entsteht dann die Herzhypertroph ic beim Beri-Beri-Kranken?

Ueberall da, wo im Körper die Muskidzelle hyper- trophirt, kommt dies durch erhöhte Arbeit zu Stande. Wir wissen, dass im Verlauf der Beri-Beri-Krankheit das Herz in vielen Fällen eine erhöhte Frequenz der Schläge zeigt. Nun könnte man sich vorstellen, dass durch das Beri-Beri-Oift auf die Herznerven zuerst ein Reiz ansgeiibt wurde, dem dann Lähmung mit Degeneration folge. Dagegen spricht entschieden die klinische Erfahrung, dass sich eiue be- schleunigte, kräftige llerzthätigkeit oft über Wochen und Monate ausdelint und bisweilen zu einer Zeit vorhanden ist, wo an den Extremitäten paretische Erscheinungen zu Tage treten, und es wäre ganz unverständlich, wn - n dasselbe Gift die Nerven der Extremitäten lähmen, die Herznerven dagegen reizen solle.

Bei der Erklärung der isolirten rechtsseitigen Ilerz- hypcrtrophie ist die Annahme eines Reizzustandes der Herz- nerven noch unverständlicher. Bei der gleichmässigen Function der rechten und linken Herzhälfte, der gemeinsamen Anord- nung der Nerven und Muskelfasern wäre eine isolirte rechts- seitige Herzhypertrophie durch einen Reizzustand der Nerven des rechten Herzens nicht zu verstehen. Die Ursache hierfür kann nur in Widerstünden liegen, welche das rechte Herz in höherem Masse zu überwinden hat, und diese werden im Lungenkreislauf zu Huden sein, und wenn wir der Scheube- Baelzschen Auffassung folgen, so werden wir diese Wider-

53

stände in einer durch Gefässnervenlähmung entstandenen schwierigen Fortbewegung des Blutes zu suchen haben, denn Sie wissen, meine Herrn, dass einen wesentlichen Factor zur Fortbewegung des Blutes ein intacter Zustand der Gefüss- muskeln und -nerven bildet.

(Fortsetzung folgt.)

II. Besprechungen.

Bericht des C hefar z tes der Kaiser 1. Schutztruppe für Ostafrika, I)r. Becker, über seine amtliche Thlttigkeit im Jahre 1894/95 in Mittheilungen aus deutschen Schutzgebieten; Beiheft zu den Veröffentl. d. Kaiserl. Gesundheitsamtes. XIII* Band. Berlin. Jul. Springer. 1896.

Die Versuche, der Truppe namentlich auf Expeditionen mit Sicherheit keimfreies Trinkwasser zu liefern, werden als missglückte bezeichnet; es erwies sich nämlich als unausführbar, das mit Schlamm reichlich versetzte Wasser durch die Filterkerzen des kleinen Berkefeld-Filter (Armee- rilter No. III) hindurch zu pumpen; „die Handhabung der Filterpumpe erforderte dann eine derartige Gewalt, dass die Kraft eines Mannes daran erlahmte oder die Filterpumpe aus den Löthstellen auseinander gesprengt wurde.“ Ein be- friedigender Erfolg wurde mit einem grossen Pumpenfiltcr (System Berkefeld) auf den Stationen erzielt.

0. S c h c 1 1 o n g.

Genera 1-Sanitäts-Bericht über die Kaiserliche Schntztruppc für Deutsch-Ostafrika für das Berichtsjahr 1894'95, von Oberarzt I)r. Gärtner; in Mittheilungen aus deutschen Schutzgebieten; Beiheft zu den Veröffentlichungen d. Kaiserl. Gesundheitsamtes. XIII. Band. Berlin. Jul. Springer. 1 896.

Der Bericht bezieht sich auf die 17 Militärstationen des ostafrikauischen .Schutzgebiets; als die günstigste der-

Digitized by Google

54

selben erwies sich Bnkoba am Victoria Nyansa, als die un- günstigste die Station Ulanga. Die zahlreichsten Kranken- zugänge bildeten die Malariakranken; die 122 deutschen Militärpersonen der sämmtlichen Stationen erkrankten 412 Mal an Malaria, so dass auf jeden Europäer 3,3 (= 3360 °/oo) Erkrankungen kamen. Die eingeborenen Soldaten erkrankten in 887,9° oo am Wechsclfiebcr. Von andern Infektionskrank- heiten kamen Pocken und Ruhr regelmässig zur Beob- achtung. Die gesündeste Zeit sind die Monate Januar bis März (Trockenzeit).

Die Hygiene der Wohnungen und die bauliche Be- schaffenheit der Lazarethe ist auf fast sämmtlichen Stationen noch recht mangelhaft. Grössere Lazarethe existiren in Dar- es-Salam und in Lindi; im Innern fehlen sie gänzlich, so dass im Innern erkrankte Europäer oft unter wochenlangen beschwerlichen Märschen nach der Küste geschafft werden müssen. Es fehlt auch an bequem transportablen Krankcn- barackeu; die Doeeker’sehe Baracke hat sich noch verhält- nissmässig am besten bewährt, wiewohl die einzelnen Theile auch dieser Baracke zu schwer sind, um gut transportirt zu werden.

Das Wohnen und Schlafen in den oberen Wohnräumcn wird demjenigen in dem Erdgeschoss vorgezogen. Als Dach- deekung empfiehlt sich auch für Steinhäuser am meist das Wellblech. Wo die Unterbringung der Mannschaften im Erdgeschoss erfolgen muss, sollte eine Isolirsehicht am Boden, bestehend aus Steinen, einer Ccmentlagc und einer Bedeckung Linoleum oder Fliesen nicht fehlen. Für die Beköstigung haben die europäischen Militärpersonen, sowie Farbige für sieh selbstständig zu sorgen ; aut Märschen bekommen die Mannschaften in der Regel besondere Verpflegungsgelder; auch ist man dann vorzugsweise auf Conserven angewiesen. Unter normalen Verhältnissen ist die Beschaffung von frischem Fleisch und Gemüse, besonders an der Küste, nicht schwierig. Eine ilungersnoth verursacht häutig im Innern des Landes die Heuschreckenplage.

Die Versorgung mit Trinkwasser ist auf den Innen-

55

leicht verschmutzt werden und mit Pumpenvorrichtung ver- söhn werden sollten.

Die Excrementc werden auf einigen Küstenstationen durch Wasserspülvorrichtung nach dem Meere abgeführt; indessen verdient die Gewohnheit der Eingeborenen, ihre Xothdurft am Meeresstrande zu verrichten, entschiedene Nach- ahmung, da so die Fiikalien auf die einfachste Art durch die nächstfolgende Flut weggespült werden.

Zur Trockenlegung des Sumpfbodens haben sich An- pflanzungen von Coeospalmen (besser als Eucalyptusbäuiuc) nuf allen Küstenstationen bewährt; im Innern des Landes gedeiht die Cocospalme nicht. Die Abfuhr des Kehrricht ist polizeilich geregelt; auch die Bauthätigkcit der Neger- bevölkerung wird beaufsichtigt.

Um den zahlreichen Pockenerkrankungen unter der farbigen Bevölkerung zu steuern, wird die Zwangsimpf- ung (bereits von dem früheren Oberarzt Dr. »Steudel em- pfohlen) in Vorschlag gebracht. Dazu gehört an erster .Stelle die Möglichkeit, sich genügend wirksame Lymphe zu ver- schaffen ; gelöst würde diese Aufgabe am zweckmässigsten durch die Begründung einer Lymphecrzeugungsanstalt werden ; jedoch konnte auch in dem Berichtsjahre festgcstellt werden, dass auch in Deutschland hergestellte Thierlymphe, wenn frisch vom Thiere entnommen und alsbald zur Post ge- geben, durchaus wirksam bleibt, sofern nur der Versand in den Wintermonaten stattffndct. Dass die durch das Ueberstehen der echten Pocken erworbene Immunität nur eine begrenzte Zeit fortbesteht, scheint daraus hervor- zugehen, dass Impfungen mit wirksamer Lymphe auch bei pockennarbigen Eingeborenen häutig erfolgreich ausflclen. Uebrigens war die aus dem Impfinstitut in Karlsruhe ge- lieferte Glycerinlymphe in 62o/° der Fälle wirksam.

Aus der sich anschliessenden Besprechung der einzelnen Krankheitsgruppen mit klinischen Beobachtungen sind hervor zuheben die M ala r i a f ie b e r , welche in der leichten Form und zwar dann meist als remittirende, nicht eigent- liche intermittirende Fieber und in der Form der sog. Malaria

*) In Leopolrtvillo am Stanloy-Pool (Congo) etwa 300 Kilometer Luftlinie von der Küste zeigten junge Cocos-Palmen gutes Waehstliuin Amu. der Keilaktion.

Digitized by Google

56

perniciosa, Gallentieber oder .Schwarzwasserfieber auftreten. Unter 412 Malaria- Erkrankungen der europäischen Soldaten kamen 21 Fälle der letzteren Form vor, mit 4 Todesfällen. Ueber den klinischen Verlauf der Fieber ist neues nicht zu berichten. Bei der Behandlung hat sich auch hier Arsenik gänzlich wirkungslos erwiesen ; Chinin bleibt das einzig zu- verlässliche Fiebermittel; die Ansichten über die Wirksam- keit des letzteren bei der Malaria perniciosa sind freilich noch nicht geklärt. Gegen das die Fieber häutig begleitende Erbrechen erwies sich die Darreichung von '/* Tropfen Tinctura- Jodi öfters von cclatantem Nutzen.

Unter den 1437 Fieberfällen der Farbigen ist die Perniciosa nicht ein einziges Mal verzeichnet.

An Ruhr kamen zur Beobachtung 23 Erkrankungen der deutschen Militärpersonen, und 174 Erkrankungen der Farbigen, ln einzelnen Fällen von Ruhr waren die Anti- dysenterie-Pillen des Dr. Schwarz in Constantinopcl von Nutzen.

Auch 14 Fälle von acutem und chronischem Ge- lenkrheumatismus werden bei den deutschen Militär- personen erwähnt; diese Krankheit ist in Ostafrika sehr häutig und verläuft meist schwerer als in Europa, auch was die Miterkrankung des Herzens und die Neigung zu Rccidivircn an betrifft.

Erysipel, eine in Ostairika selten verkommende Krankheit, gelangte nur ein einziges Mal zur Beobachtuug.

Einmal trat Poliomyelitis anterior bei einem europ. Ruhrkranken auf. Bei dem Kranken bestand starke Abmagerung des Körpers und Schwund der Muskulatur an den Beinen, mittelstarke Spitzfussstellung beiderseits und schlaffes Herunterhängen der beiden grossen Zehen. Die Gelenke waren frei; passive Bewegungen konnten schmerzlos ausgeführt werden: dagegen waren die activcn Bewegungen in Knie- und Fuss Gelenken stark behindert. Beim Gehen musste Patient gestützt werden; der Unterschenkel wurde dabei hcrvorgesehlcudcrt. Die grossen Zehen hingen auch beim Gehen sehlaff herab. PatellarselnienreHexe fehlten.

0. Schollong.

57

Joseph, I)r. Max, in Berlin, Ueber Lepra. Zusammen- fassender Bericht.

Da sich in Berlin in der letzten Zeit mehrere Lepröse aufhielten und zur Kenntniss Ärztlicher Kreise gekommen waren, so ergab sich im Anschluss an den Vortrag des Herrn Havelburg (Berlin. Klin. Woch. 1896 Nr. 46), welcher über seine Erfahrungen als Leiter eines Lepra-Hospitals in Rio de Janeiro berichtete, die günstige Gelegenheit zu einer sehr anregenden und ausgedehnten Discussion in der Berliner Medicinischen Gesellschaft.

In Brasilien ist hiernach die Lepra ausserordentlich verbreitet, und im Staate Sao Paolo giebt es Ortschaften, deren gesummte Bewohner leprös afticirt sind. Der von Havel bürg vertretenen Anschauung, dass die Lepra nach Brasilien durch seine Entdecker und Colonisatoren, die Por- tugiesen, eingeschleppt sei, hielt in der Discussion Virchow entgegen, dass dies noch keineswegs erwiesen sei. ln der letzten Zeit haben neue Untersuchungen in Amerika begonuen, um die Frage zu entscheiden, ob es eine p rite o 1 u in bi sc h e Lepra gegeben hat. Das auffälligste sind nach Vi rc h o w ’s Meinung gewisse Thonliguren, die man in alten Gräbern von Peru gefunden hat und welche allerdings Mutilationen und Veränderungen anderer Art zeigen, die am leichtesten auf Lepra bezogen werden können. Ob also die Lepra nach Amerika eingeschleppt sei oder nicht, sei noch immer discntabcl.

Wie dem auch sein mag, jedenfalls ist nach Havel- burg’s Beobachtungen die Lepra nicht nur in Brasilien im Allgemeinen, sondern auch in der .Stadt Rio de Janeiro in sichtlichem Fortschreiten. Er schätzt die augenblickliche Zahl auf gegen 3000. Die Krankheit respcctirt weder Rasse noch Nationalität, cs erkrankten im Allgemeinen mehr Männer als Frauen, etwa 40 Procent der Hospitalkranken gehörten dem weiblichen Geacldeehte an. Dass die Lepra eine eon- tagiose Krankheit sei, lehrten u. a. die Erhebungen, welche der Vortr. bei 63 Hospitalkrankcn anstelltc. Hiervon gaben 16 die Existenz der Lepra in der Familie an, 22 ein mehr oder weniger langes intimeres Zusammenleben mit Leprösen,

Digitized by Google

58

während bei den übrigen 25 nichts Verlässliches zu eruiren war. Im Hospitale selbst kamen ebenfalls Erkrankungen von Angestellten vor. Ein Koch erkrankte nach 30jähriger Dienstzeit ; ein Verwalter wies, nachdem er 5 Jahre func- tionirt hatte, die Zeichen der beginnenden Lepra auf, ebenso wurde ein Portier, welcher 4 Jahre dem Hospital gedient hatte, leprös. Havelburg kennt auch zwei leprös erkrankte Aerzte, in deren Familien andere Fälle nicht vorgekommen waren und von denen der eine seine Infection ebenfalls auf Beziehungen zu einem intimen leprösen Freund zurückführte. Für die in Deutschland lebenden Kranken hält Ha vel bürg eine strenge Beautsichtigurg oder besser Isolirung für durch- aus angezeigt. Nach der prophylaetischen Seite macht er darauf aufmerksam, dass ein Leprakranker als Cajüts- passagier für andere Mitreisende höchst unangenehm und immerhin bedenklich ist, ein solcher aber im Zwischendeck eine Gefahr bedeute, zumal bei einer etwas länger dauernden Seereise.

Auch v. Bergmann ebenso wie die übrigen Redner in der Discussion zweifeln nicht an der Contagiosität der Lepra. Auch Max Joseph (Referent) glaubt, dass die Contagiosität der Lepra bewiesen ist, und durch die Isolirung allein das Einhalten der Erkrankung ermöglicht werden kann. ln wie weit nun in jedem einzelnen Falle die Lepra contagiös sei, das wird von sehr vielen Umständen ahhängeu. Zunächst' von dem Zustande der Kranken selbst, von dem Stadium, in dem sie sich befinden, und zweitens von der socialen Lage der Umgebung. Man werde in jedem einzelnen Falle natürlich entscheiden müssen, in wie weit hier nur gründliche Dcsinfcction oder Isolirung Platz zu greifen habe. Ebenso wie Havelburg bei Wärtern und zwei Aerzten Lepra beobachtet habe, sei auch von Arning auf deu Sandwichsinseln bei zwei Aerzten Lepra festgestellt worden. x\uch zu dem bekannten Experimente Arning ’s, der Lepraimpfuug bei einem Menschen, besitzen wir ein Seitenstück. Dr. Coffin von der Insel Reunion habe einen Fall mitgetheilt, in dem ein Mann, der zu schwerer Zucht- hausstrafe verurtheilt war, den Aufenthalt in der Leproseric doch dem Aufenthalt in einem Zuchthause vorgezogen habe, und sich Selbst mit dem Secret von leprösen (iesehwüren

Digitized by Google

59

impfte. Er bekam einige .Jahre später eine sicher festgestellte Lepra. Auch der Beweis, dass eine lepröse Amme durch ihr Stillen ein Kind inlieiren könne, woran man früher oft gezweifelt, sei jetzt erbracht. Denn Dr. Gold Schmidt hat auf der Insel Madeira eine Familie kennen gelernt und genau untersucht, wo mehrere andere Kinder von gesunden Ammen gestillt wurden, ein einziges Kind aber von einer leprösen Amme, und dieses Kind bekam später Lepra. Daher glaubt Max Joseph, dass eine einzige solche positive Thatsache doch mehr wiege als so und so viele negative, sodass für ihn der Standpunkt, dass die Lepra contagiös ist, durch diese Thatsachen, wie durch viele andere, die hier aufzuzählen überflüssig wäre, wohl bewiesen ist. Er möchte bitten, mehr als bisher geschehen, auf das Sputum der Leprösen zu achten. Er hat selbst in letzter Zeit einen derartigen Fall untersucht, wo eine lepröse Lungenerkrankung bestand und post mortem naehgewiesen wurde. Hier war sicher Tubereulose aus- zuschliessen, denn auf Schnitten fand sich im Lungengewebe nichts, was irgendwie an Tuberkel erinnerte, keine Spur von Verkäsung, keine Spur von Riesenzellen u. a. m. Daher sei das Sputum der Leprösen besser als bisher zu dcsinticiren.

Dem Vorschläge Liebreich ’s, die Lepra mit Cantlia- ridin Einspritzungen zu behandeln, konnte Ilavclburg beim Schlüsse der Diseussion entgegenhalten, dass diese Methode an 13 Patienten längere Zeit durchgeführt, sich als fruchtlos erwiesen habe.

Im Anschluss an diese Diseussion möchte ich noch einige Lepra- Arbeiten der letzten Zeit erwähnen. Zunächst die ac t i o I o g isch e n Studien über Lepra (mit 22 Abbildungen. Dermal. Zeitschr. Bd. III. Berlin 1890) von Edw. Ehlers. Er wählte zu seinen epidemiologischen Untersuchungen Island aus, weil hier in einem kleinen Bezirke eine Untersuchung über die Art der Einschleppung und Ausbreitung der Lepra am meisten Aussicht auf gute Resultate versprach. Während noch 1889 ofticiel! nur 47 Aussätzige auf Island bekannt waren, konnte Ehlers 1894 bis 1895 schon 158 Patienten auffinden. Am meisten ist von der Krankheit der südwestliche Theil der Insel beein- flusst. Hier ist sie wahrscheinlich als dem einzigen guten

Digitized by Google

60

Landungsplätze zuerst in das Land gebracht und hat in der ärmlichen Fischerbevölkerung bei den entsetzlich schlechten Wohnungs- und Lebensverhältnissen bald kräftige Wurzeln schlagen können. Da die meisten Isländer vollständige Stammtafeln über ihre Geschlechter haben, welche Einzelnen sogar gestatten, ihre Abstammung bis 874, bis zu den ersten Colonisten zu verfolgen, so fand Ehlers, wie er ganz richtig vorausgesehen hatte, hier ein sehr zuverlässiges und voll- ständiges Material für seine actiologisehen Untersuchungen. Von jenen 158 Patienten konnte er 119 Personen untersuchen und theilt diese in 2 Gruppen: 1. 56 Individuen, in deren

Familien Fälle von Aussatz vorgekommen w'aren und 2. 63 Individuen, in deren Familie nie ein Fall von Lepra vor- gefallen ist. Von der crsteren Gruppe waren entweder Vater und Mutter leprös (drei Male) oder nur der Vater (15) resp. die Mutter leprös (4 Male) oder die Eltern gesund, dagegen Geschwister leprös (20 Male), während bei 14 Patienten nur entfernte Verwandte aussätzig waren. Von der zweiten Gruppe, in welcher kein Aussatz in der Familie constatirt werden konnte, war bei 4 Patienten die Infcction wahrscheinlich in der Ehe erfolgt, bei 16 Patienten konnte die Ansteckung wahrscheinlich gemacht werden, während selbst unter diesen hierfür günstigen Verhältnissen bei 43 Patienten die An- steckung nicht nachgewiesen werden konnte. Merkwürdig ist, dass Ehlers bei allen 4 Patienten, welche in der Ehe an- gesteckt waren, eine Lepra anacsthetica fand.

Ein von Mersmann und Lyon berichteter Fall von Lepra mixta 'International Medical Magazine, Juli 1896) ist deshalb besonders interessant und ungewöhnlich, weil er einen Knaben im Alter von 10 Jahren betraf und das Auftreten der Lepra in diesem frühen Alter selten ist. Ein exstirpirtcr anaesthetischcr Fleck enthielt in dem tiefsten Theile des Oorium Leprabacillen, ein ebenfalls nicht häuliger Befund.

Radcliffe Oroeker (A promising treutment for leprosy. The Lancet. 8. Aug. 1896) glaubt nach seinen Erfahrungen an zwei Leprösen Besserung durch Quccksilber- Injectionen erzielt zu haben. Bisher haben sich alle der- artigen Hoffnungen als trügerisch erwiesen, und Referent veriuuthct, dass es mit diesem neuen Heilmittel das gleiche

f

61

sein wird. Dazu wird Referent um so mehr gedrängt, als er neuerlich in der Bcrl. Med. Gesellschaft (Sitzung vom 3. Juni 1896) einen Leprösen aus Montevideo vorstellen konnte, welcher Calomelinjectionen und noch vor einigen Monaten eine intensive Inunctionscur gebraucht hatte. Der Erfolg war aber vollkommen negativ. Diesen letzteren Kranken, sowie mehrere andere von ihm beobachtete Lepröse hat Referent vor Kurzem (Max Joseph, Ueber Lepra. Berl. Klin. Woch. 1896, Nr. 37) eingehender beschriebe^. Bei einem dieser Kranken war als besondere interessant eine Rectumstrictur einige Centimetcr oberhalb des Orificium extemum ani zu erwähnen. Man hat bisher Rectumstricturen bei Leprösen nicht beschrieben. Ref. glaubt aber, dass diese Strictur nach Analogie mit anderen Organen, in welchen die Lepra ebenfalls Stenosen erzeugt, auch hier im Rectum auf lepröser Basis entstanden ist. Wir wissen, dass an anderen Or- ganen, z. B. im Kehlkopf, die Stenosen nicht nur durch Knoten und Infiltrate, sondern auch durch Narben erzeugt werden, welche au Stelle der früher vorhandenen Ulcerationen bei der spontanen Abheilung entstehen und nun ihrerseits eine, Strictur herbeiführen. In diesem Falle war es noch besonders bemerkenswert!», dass dieser Kranke Jahre lang passive Päderastie mit Individuen der niedersten Klasse aus einer notorischen Lepragegend getrieben hatte. Es ist wohl nicht unmöglich, dass der Infectionskeim in Folge einer Verletzung iles Rectum in den Körper gelangt ist und von hier aus seine Verbreitung gefunden hat. Schliesslich sei noch erwähnt, dass zwei meiner Patienten in sehr wohlhabenden Verhält- nissen lebten. Bisher war aber vielfach die Meinung vor- herrschend, dass die Lepra hauptsächlich die in den schlechtesten Verhältnissen lebenden Individuen befalle, und auch Ehlers meint, der Aussatz greife in unseren Tagen hauptsächlich nur die Allerärmsten in der Gesellschaft an. Das ist im Allgemeinen richtig, aber meine beiden Patienten stellten eine Ausnahme hiervon dar.

Digitized by Google

ß2

Zieniaun, Dr. Max, Uebcr Blutparasiten bei heimi* scher und tropischer Malaria. Vortrag, gehalten auf der G8. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzto zu Frankfurt. Referent: Rüge (Kiel).

Z. beobachtete im Ganzen 99 Falle, darunter 14 Fülle von einheimischer, 70 Fülle von tropischer Malaria und unter diesen wieder 15 Falle von latenter Infection.

Die Fülle von heimischer Malaria stammten theils aus Lehe, theils aus Wilhelmshaven und bestanden durchgehend in einer febris tertiana.

Die Blutbefundc gestalteten sich in diesen Füllen folgcnder- maassen: Kurz nach Eintritt des Hitzestadiums fanden sich

in der intteirten rothen Blutzelle kleine, blasse, wenig scharf umschriebene Klümpchen von 1 2 fi Durchmesser mit deut- lichen nmoeboiden Bewegungen. Kern und Kernkörperchen waren in diesem Stadium der Entwicklung im frischen Prä- parate nicht mit Sicherheit zu entdecken, Hessen sich aber im gefärbten Präparate nachweisen. „Im gefärbten Präparate sieht man an der Peripherie oder manchmal auch etwas innerhalb der blau gefärbten Amoebe ein röthlich violettes, scharf konturiertes, bald rundes, bald eckiges Gebilde, umgeben von einem helleren Hofe. Ronmnowsky fasst die Gebilde auf als das chromative Faseruetz des Kernes, umgeben von dem farblosen Kernsaft, Mannaberg als Kern und Kern- körperchen. Ich werde mich im Folgenden der Einfachheit und Kürze halber der letzteren Ausdrucksweise bedienen.“ Im Schweissstadium trat Pigment int Parasiten auf in Gestalt feiner brauner Körnchen. Auch jetzt lässt sich im frischen Präparat nicht immer ein Kern nachweisen. Die Form des Parasiten in diesem Stadium ist die eines Ringes oder Halb- ringes. Unter Umständen beginnt jetzt bereits die Differen- zierung des Kernkürpers. Oft schon nach 1(> Stunden, wenn der Parasit etwa '/»> fast immer durchschnittlich nach 24 Stunden, wenn er ungefähr die Hälfte der rothen Blutzcllc erfüllte, wurde festgestellt, dass der Kernkörper in eiue Anzahl feiner Stäbchen und Körnchen zerfiel. Im frischen Präparate ist als Kern nur eine helle, meist ovale, ziemlich scharf konturierte, lichtbrechende Stelle zu bezeichnen, die sich meist im Verlaufe der schleifen- oder ringförmigen Figur

63

findet. Bei dem Wachsenden und schliesslich rund werdenden Parasiten nimmt die amoeboidc und Pigmeutbewegung ab, die Zahl der Chromatinstäbchen des Kernkörpers und der Pigmentstäbehen zu. Im Beginn des Fieberanfalls kann man in manchen Präparaten neben dem einen Stäbchen bttndel des Kernkörpers ein anderes liegen sehen, von ersterem getrennt durch eine Brücke ungefärbter Substanz. In gelungenen Präparaten erscheinen dann vollkommene Diasterfigurcn. Im weiteren Verlaufe bilden sich aus den Strahlenbündeln kom- pacte Klümpchen, die von einander abrücken und sich ihrer- seits wieder theilen. Man sieht dann 4 10 16 Kernkörper. Die Anordnung der neuen Kernkörper in der Sporulationsfigur ist meist ziemlich regelmässig coneentriseh. Alle neuen Kernkörper sin'd deutlich umgeben von dem hellen Saume des sogenannten Kernes, an welchen sich der blaue Plas- maleib der jungen Amoebe ansehliesst. Einmal wurde im frischen Präparate bei heimischer Tertiana eine sonnenblumen- artige, wie mit dem Zirkel gezeichnete Sporulationsfigur gefunden.

Aus den vorstehenden Beobachtungen schlicsst Z. in Uebereinstiminung mit Romanowsky, dass der heimische Tertianaparasit sich karyokinetisch tlieilt.

Zu der Lehre Golgi’s, dass in bestimmten Fieberstadien bestimmte Parasitenformen erscheinen und umgekehrt, dass aus dem Vorhandensein bestimmter Parasitenformen auf das Eintreten bestimmter Fieberstadien geschlossen werden könnte, sagt Z. Folgendes:

„Von einer ganz strengen Gesetzmässigkeit konnte ich in meinen Fällen nicht sprechen, indem man z. B. manchmal bereits im Fieberan falle endoglobuläre, pigmentirte Parasiten finden konnte. Bestimmt zu sagen, so und so viel Stunden nach einem Anfälle haben die Parasiten die und die Grösse, war mir unmöglich, da der Entwicklungsgang der Parasiten manchmal ein schnellerer, manchmal ein langsamerer war. Grosse endoglobuläre Formen mit lebhafter Pigmentbewegung und zum Theil noch erhaltener amöboider Bewegung findet man sowohl vor dem Anfalle, als auch noch im Schweiss- stadium und selbst am Tage der Apyrexie. Indess diese Formen haben mit dem Fieberausbruche gar nichts zu tliun, da sie nicht zur Sporulation kommen. Bei der Färbung

Digitized by Google

64

bemerkt man keine Kernkörper. Die Exkapsulation dieser Formen aus den rothcn Blutkörperchen und ihre Umbildung zu freien sphärischen Körpern habe ich weniger häufig gesehen als andere Autoren. Die freien sphärischen Körper waren ein sehr gewöhnlicher Befund in meinen Fällen. Nachdem einmal Fieber vorhanden gewesen war, waren sie in allen Stadien zu finden.“

Gcisselformen wurden ziemlich häufig gesehen Geissein waren 2 3 vorhanden und zwar wurden diese Formen unmittelbar nach Anfertigung des Präparates gefunden. Bildung eines Geisselkörpers aus einer Sphäre wurde nur einmal unter dem Mikroskop beobachtet. Sphären und Geisselkörper, beides sporulationsunfähige Gebilde, wie der Mangel eines Kernkörpers zeigte, wurden .auch bei voll- kommenem Wohlbefinden gefunden. Am Schlüsse der Be- schreibung des heimischen Tertianaparasiten sagt Z. : „Unter

Berücksichtigung der oben angegebenen Momente kann man bei genauer Durchmusterung der Präperate dazu gelangen, eine Tertiana duplicata zu diagnosticiren und einen Fieber- anfall mit einiger Sicherheit einige Stunden voraus zu sagen. Allerdings kann es unter Umständen auch passiren, dass man eine Tertiana duplicata vor sich zu haben glaubt, wo noch während eines allerdings sehr verlängerten Anfalles beide Parasitengeuefationcn zur Sporulation kommen. Nach meinen Erfahrungen können zwei Generationen manchmal nur einige Stunden von einander getrennt sein, oder eine zahlreiche und eine weniger zahlreiche können eine Quotidiana mit bald höheren, bald niederen Temperaturen erzielen. Einmal sab ich eine ziemlich heftige Tertiana, wo im Fingerblut nur äusserst wenige Parasiten zu finden waren.“

Die Beobachtungen über tropische Malaria wurden von Z. in Kamerun von October 1894 bis October 1895 an Bord S. M. S. „Ilyaene“ gemacht. Es wurden meist unregel- mässige Fieber und nur 9 mal intermittirende Fieber beob- achtet. Aber auch bei diesen interniittirenden Fiebern, die als Quotidiana, Tertiana und Quartana auftraten, konnte Verf. „keine verschiedenen Parasiten entdecken, sondern immer nur dieselben kleinen, wenig oder l gar nicht pigmentirten, meist ringförmigen

Parasiten“.

r,r>

Sehr lehrreich war in dieser Beziehung ein Fall von Kamerun-Quartana (Rccidiv), der gleich nach der Rückkehr nach Europa zur Beobachtung kam, nachdem der Kranke schon auf dem Ablösungsdampfer einen eintägigen Anfall gehabt hatte. Hier fanden sich ausser den grossen sterilen, der heimischen Tertiana ähnlichen Formen die kleinen wenig pigmentirten Kamerun-Parasiten, die sonst nur in Beziehung zu den unregelmässigen Fiebern gebracht werden, neben zahlreichen Halbmonden und vereinzelten Geisselformen. Verf. nimmt an, dass diese zu Sphären werdenden sterilen Formen der kleinen Parasiten von manchen Beobachtern mit den sporniationsfähigen Formen unser heimischen Parasiten ver- wechselt worden sind und dass daher die Angaben stammen über so und so viel in den Tropen gesehene Fälle von Tertiana-, Quartana-Parasiten.

Es gelang dem Verfasser auch, die Bildung eines Halb- mondes aus einer grossen endoglobulären Form unter dem Mikroskope zu beobachten. „Mit einem plötzlichen Ruck schnellte sich der runde, mit beweglichem Pigment versehene Körper in die Breite. Es bildete sich die nierenförmige Figur d es Halbmondes, an der konkaven Seite überspannt von der schon oft beschriebenen, feinen, bogenförmigen Linie, die man als Rand des entfärbten rotlien Blutkörperchens auffasst. Aus dem einen Pol des Halbmondes ergoss sich das Pigment in den hyaliven Raum zwischen diesem Bogen und der konkaven Seite des Parasiten. Wie wenn es wieder aufgeschlürft würde, strömte es gleich darauf wieder nach der Mitte des Halbmondes. Das wiederholte sieh fünf Mal, während der Halbmond heftige, zuckende Bewegungen aus führte, wobei sich die Pole einander näherten. Nach dem fünften Male blieb der Halbmond ruhig. Auch verharrte das Pigment jetzt in kranzförmiger Stellung in der Mitte zeigte aber noch zehn Minuten lang eine geringe, tanzende Bewegung. Sonst bemerkte ich an Halbmonden und ihrem Pigment keine Bewegung.“

Die beim Kamerunfieber durchschnittlich beobachteten Parasiten waren dieselben wie sie von Manuabcrg und den Italienern bei den schweren Fiebern beschrieben worden sind.

Sie li essen sich, wenn auch schwieriger als die jungen Formen der heimischen Tertianaparasitcn, blau färben und erschienen

Archiv f. Schiff*- u. Tropenbygic uc. •>

Digitized by Google

als Ringelchen bis von etwa '/« Blutkörperebengrösse. Oft wurde die Siegelringform beobachtet. „Die Entdeckung der unpigmentirten Formen im nativen Präparat ist nicht leicht.“ In keinem Falle von Kamcrun-Tertiana fand sich die Fieber- kurve, wie sie von den Italienern als charakteristisch für ihre maligne Tertiana angesehen wird.

Sonstige Blutbefunde. Leukocytose war in der Mehrzahl der Fälle vorhanden. Eine Vermehrung der eosino- philen Zellen, welcher Grawitz eine diagnostische Bedeutung bei Malaria zuspricht, war nicht constant nachzuweisen. Es wurde ferner bei sofort gehärteten Präparaten nie be- obachtet, dass sporulationsfähige, endoglobuläre Parasiten sich in Leukocyten fanden. Bei heimischer Tertiana wurde mehrere Male beobachtet, dass Geisselformen und Sphären von grossen Leukocyten umflossen wurden. Das eine Mal hörte die Be- wegung des Pigments auf, das andere Mal war sie noch nach 40 Minuten vorhanden.

Beeinflussung der Parasiten durch the- rapeutische Eingriffe. Der Anwendung von Methy- lenblau in den Tropen steht Verf. mit Reserve gegenüber, weil es leicht Verdauungsstörungen hervorruft. Auch hat er nicht den Eindruck gewonnen, dass Methylenblau das Fieber stärker als das Chinin beeinflusse. Chinin in Tabletten erwies sich als unverdaulich. Chinin wurde auch bei Remittens gegeben, sobald die Temperatur Neigung zeigte, herunter- zugehen und zwar 1,0; nach einer Stunde ebensoviel, ohne erst die Intermittens abzuwarten. Es wurde pro die bis 3,0 gegeben. Chinin wurde solange gegeben, als sich sporulations- fähige Parasiten im Fingerblute zeigten und auch nach der Entfieberung wurden in den ersten 2 —4 Tagen täglich, sodann bis zum 8. Tage jeden 2. Tag 1,0 Chinin gegeben. „Für die nächsten 14 Tage, manchmal noch länger durfte Patient nicht an Laud gehen und blieb auch später unter ärztlicher Blutkontrolle. Von anstrengendem Dienste in der Sonne blieb er befreit. Waren noch Halbmonde zu sehen, so wurde meist jeden dritten Tag Abends Chinin gegeben, oft ziemlich lange Zeit. Wenn ich auch die Halbmonde nicht als activc Parasiten auffasste, da sie manchmal bei relativem Wohl- befinden gefunden wurden, so war ihre Gegenwart meiner Meinung nach öfter noch der Ausdruck einer latenten Infek-

67

tion. Einigcmalo waren übrigens auch deutliche Störungen des Allgemeinbefindens zu finden, wenn sie den einzigen Befund bildeten.“

Da nach subkutanen Chinininjektionen wiederholt Haut- gangiän beobachtet wurde, so wurde Chinin, bimuriat 0,f> auf 2,0 gekochtes Wasser intramuskulär eingespritzt. Be- schwerden oder Abscesse wurden danach nicht beobachtet. Verf. empfiehlt diese Anwendungsweise des Chinins auf's Wärmste. Wenn die Temperatur nicht heruntergehen wollte, so wurden V* 1 Stunde nach Verabreichung von 1,0 Chinin feuchte Einpackungen gemacht und die Kranken in wollene Decken gehüllt, um Schweiss hervorzurufen. Dies geschah einerseits, um eine Erweiterung der Hautbiutgefässe und somit Entlastung der inneren Organe an Blut zu bewirken, andererseits unter der Annahme, dass durch den oft übel- riechenden Schweiss schädliche Stoffwechselprodukte aus dem Körper entfernt wurden.

Prophylaxe. „D i e M e t h o d e d e r P r o p h y la xe ■wird vorläufig die beste sein, die die Para- siten vor dem Fiebern usbruc he im Blute n a c h w e i s t und durch Chinin a b t ö d t c t.“ Sie lässt sich natürlich nur bei einer geringen Zahl von Personen durchführen, wie es der Verf z. B. bei den Mitgliedern der Offizier- Messe that. „Obgleich die Messern itglieder bis auf eines fast alle sehr viel auf Jagd gingen, durch Mangrove- wälder und Sümpfe, erkrankte nur eines ganz leicht unter einmaliger Temperatursteigerung auf 37,8° C. Alle waren unter beständiger Blutkontrolle. Traten Parasiten auf, so wurde sofort Chinin gegegeben. . . . Bei dem Vorhanden- sein von Parasiten wurde von Jagdpartien abgerathen, auch vom Besuche des Landes.“ So unternahm z. B. Verf. zu- sammen mit einem Offizier erst eine Partie auf den grossen Kamerunberg, nachdem er festgestellt hatte, dass ihrer beider Blut frei von Parasiten war, denn die Partie dauerte 5 Tage, war sehr anstrengend und für den Ausbruch eines etwa latenten Fiebers in Folge der starken Temperaturdifferenz in 14000 Fuss Höhe sehr geeignet. Beide Theilnehmer blieben gesund.

Von der Mannschaft wurden diejenigen auf Parasiten untersucht, die die Prodromalsymptome des Fiebers zeigten.

Digitized by Google

08

„In 15 Füllen, in mehr als die Hälfte der überhaupt vor- gekommenen Malariaerkrankungen gelang es auf diese Weise, den Fieberausbruch zu verhüten. . . . Trotz der erwähnten Beschränkung sind alle Leute bis auf vier im Laufe des Jahres durclisehuittlich einige Dutzend Male untersucht worden. Manchmal waren neben den Malariakranken noch 0—8 Ma- lariaverdächtige täglich zu untersuchen.“

Die Resultate seiner Beobachtungen und Untersuchungen fasst Verf. in folgenden Punkten zusammen:

1. Die Zelltheilung der heimischen sogenannten Tertian- parasiten ist eine karyokinetische.

2. Das Dasein der die .Sporulation erreichenden heimischen Tertian parasiten ist an die rothen Blutzellen gebunden. Freie pigmentirte Formen mit Kcm und Kernkörper sind selten und verdanken ihr extraglobuläres Dasein voraussichtlich entweder einer Auswanderung aus den rothen Blutzellen oder mechanischen Insulten. Zur Sporulation scheinen sie nicht zu kommen.

3. Grosse endoglobulürc Parasiten ohne Kernkörper sind steril und können zu freien Sphären und Geisselkörpcrn werden. Dieselben zeigen noch innerhalb der rothen Blutzellen eine anomale Bewegung des Pigments.

4. Von freien Sphären und Geisselkörnchen können sich kleine, ebenfalls wieder rund werdende Theile abschnüren, die ebenfalls Pigmentbewegung zeigen. Beziehung zum Fieber haben diese Gebilde nicht.

5. Die freien Sphären und Geisselkörper bei heimischer Tertiana sind von denen mancher Tropenfieber im nativen Präparate nicht zu unterscheiden.

6. Bei meinen Fällen war nur die Annahme von 2 Para- sitenarten möglich, von einer grossen Art, welche die heimischen Tertianfieber bedingte, und von einer kleinen) meist ringförmigen, welche die Tropenfieber bedingte.

7. Bei den kleinen Parasiten der Tropenfieber scheint ein zweifacher Entwicklungsgang möglich zu sein. Entweder die Parasiten sporulieren, oder sie werden zu grossen, endoglobulären Formen mit lebhuft beweglichem Pigment, zu Sphären, Geisselkürpem oder Halbmonden. Eine Fortpflanzung der letzteren Gebilde scheint nicht vor- zukommen.

H9

8. Es kann eine durch die kleinen ringförmigen Parasiten bedingte Malaria mit echtem Quartanatypus auftreten.

9. Es gelingt, an Bord durch prophylaktische Blutunter- suchungen viele Fälle von Malariainfektion vor dem Fieberausbruche zu erkennen und auch vor dem Fieber- ausbruchc bei folgenden Chiningaben zu heilen.

10. Bei längerem Aufenthalte in Kamerun nahm die prophy- laktische Wirksamkeit des Chinins an Bord allmählich ab.

1 1. Intramuskuläre Chinininjektionen von Chinin, bimuriat. 0,5: 2,0 sind zu empfehlen.

Die vorliegende Arbeit ist in doppelter Beziehung werthvoll. Erstens weist sie nach, dass die Theilung der Mnlariaparasiten karyokinatisch erfolgt und zeigt dabei zu- gleich, dass es sterile und sporulationsfähigc Formen des Parasiten giebt. Dieser Umstand ist für die Beurtheilung eines Blutbefundes von entscheidender Bedeutung. Der zweite Hauptpunkt der Arbeit liegt aber darin, dass es dem Verf. gelungen ist, die Blutuntersuchungen für die Prophylaxe der Malaria in grösserem Massstabe praktisch zu verwerthen und dadurch eine rationelle Malariaprophylaxe zu schaffen. Denn bis jetzt wurde die prophylaktische Darreichung von Chinin von der einen Seite ebenso lebhaft befürwortet als von der anderen Seite verworfen Die Vorschläge, die ich 1892 in meiner Arbeit „Ueber die Plasmodien bei Malaria- Erkrankungen“ gemacht hatte und die darin bestanden, Chinin erst zu geben, wenn die Infektion mit Malariaparasiten miskroskopisch nachgewiesen wäre, sind von Z. in erweitertem Maasse mit Erfolg durchgeführt worden. Wenn er nun an- giebt, dass es ihm in mehr als der Hälfte der Fälle gelang, mit Hülfe der Blutuntersuchungen die Infection mit Malaria- parasiten zu erkennen und durch sofortige Gaben von Chinin den Ausbruch des Fiebers zu verhindern, ist das als ein hervorragender Fortschritt in der Malariaprophylaxe zu be- zeichnen. Es ist dies meines Wissens überhaupt das erste Mal, dass eine auf mikroskopische Untersuchungen gegründete rationelle Malariaprophylaxe durchgeführt wurde.

Wenn man ferner die Schwierigkeiten kennt, die solche Untersuchungen an Bord eines kleinen Schiffes haben, so muss dem Verf. für seine Ausdauer und seinen Fleiss ein unbeschränktes Lob gezollt werden. Rüge, Kiel.

Digitized by Google

70

A. Glasberg und verschiedene Mitarbeiter. Die Beschnei düng in ihrer geschichtlichen, ethnographischen, religiösen und medizinischen Bedeutung. Berlin, C. Boas Nachfolger. 1896.

Es wohnen verschiedene Seelen in dem Werke. Die erste Abtheilung von Dr. M. Rawitzky bespricht „die Nützlichkeit des Vorhautsclinitts (Posthctomie) hei Neu- geborenen“ vom medizinischen Standpunkte aus, nennt die Völker, welche der Beschneidang huldigen und gibt eine Darstellung der histologischen Entwicklung der Vorhaut. Dann erörtert er „die Krankheiten und Krankheitszustände, welche durch eine zu enge Beschaffenheit der Vorhautöffnung bedingt sind, d. h. die Phitnosis und ihre Folgen“. Ein ge- wisser Pessimismus ist hierbei nicht zu verkennen, wenn Verfasser neben den allgemein bekannten Complikationen der Phitnosis auch Kropf, Herzklopfen, Magenkrampf und Kopf- schmerzen u. a. nennt. Verfasser betont mit Recht die lästigen Erscheinungen der Balanoposthitis. geht aber teilt, wenn er die diabetische B. für eine seltene Begleiterscheinung der Zuckerharnruhr hält. Sic ist ja oft genug die erste Andeutung des Leidens, welche durch ihre Hartnäckigkeit den Arzt zur Harnuntersuchung bewegt.

Die zweite Abhandlung in dem Sammelwerke, verfasst von Dr. Ke hl borg und Dr. Loewe', betrachtet „die rituelle Cirkttmzision vom medizinischen Standpunkte aus", beschreibt das bisher übliche Verfahren in seinen verschiedenen Theilen, Mila (die Abtrennung des Vorhautrandes), Pria tdas Aufreissen des Vorhantrcstes) und Meziza (die Aus- saugung der blutenden Wunde), besonders aber die Blut- stillung, den Verband und etwaige üble Folgen. Diese Ab- theilnng des Werkes sucht durch Ratschläge, Belehrungen und Warnungen, welche an die Beschneider gerichtet werden, den altehrwürdigen religiösen Akt in die Balm einer chi- rurgischen Operation nach modernen medizinischen Vor- schriften hinübcrzuleiten. § 922 des Strafgesetzbuchs ist hierbei jedoch inhaltlich ganz unrichtig wiedergegeben.

Der grösste Theil des von verschiedenen Fachgelehrten verfassten Buches (315 von 355 Seiten) kann kurz als eine theologisch-philosophische Apologie der rituellen Beschucidung

71

unter breiter Entwickelung rabbinischer Anschauungen be- zeichnet werden. Derselbe weiset einen reichen Zitatenschntz aus der Literatur aller Zeiten auf, führt das Urtheil von Christen und Muhammen dauern über die Beschneidung an, betrachtet das Verhältniss der aus verschiedenen Gründen unbeschnitten gebliebenen Israeliten zu den beschnittenen und fordert zum Festhalten an dem alten, von Gott eingesetzten Brauche auf. Auch für den Arzt und Forscher, welcher diesen religiösen Standpunkt nicht einnimmt, ist das Werk interessant und vermag Leser, welche unter Naturvölkern leben, zu manchcu Beobachtungen und Studien über diese älteste und verbreiteste hygienische Operation anzuregen.

M.

Scheube, I)r. B., Die Krankheiten der warmen Länder.

Auf 462 Seiten werden die nachfolgenden Krankheiten in der untenstehenden Eintheilung abgehandelt.

I. Allgemeine Infektionskrankheiten.

1. Die Bubonenpest,

2. Das Dengue-Fieber,

6. Das Gelbfieber,

4. Das Mittelmeerfieber,

5. Das indische Nasha-Fieber,

6. Das japanische Fluss- oder Ueberschweinmungs- Fieber,

7. Die Malaria-Formen der warmen Länder,

8. Die Beri-Beri-Krankheit,

9. Der Aussatz,

10. Die Framboesia tropica,

11. Der Bonos von Spetza und Hydra.

II. Intoxicationskrank beiten.

Die Pellagra.

III. Durch thierische Parasiten verursachte Krankheiten.

1. Die Lungendistomen-Krankhcit,

2. Die Leberdistomen-Krankheit,

3. Die Bilharzia-Krankheit,

4. Die Medinawurm-Krankheit,

Digitized by Google

7 2

ft. Die Kilaria-Kranklicit,

6. Die Ankylostomcn-Krankheit,

7. Seltener vorkommende und weniger wichtige Pa- rasiten :

1. Distomum crassum (Busk),

2. Taenia nanu (v. Siebold),

3. Botrioceplialus liguloides (Leuckart),

4. Filaria loa (Quyot),

ft. Der Sandfloh,

6. Fliegenlarven.

IV. 0 rgan k rank h e i tc n.

1. Die tropischen Aphthen,

2. Die tropische Dysenterie,

3. Die Hepatitis der warmen Länder,

4. Die Schlafsucht der Neger,

ft. Das Amok-Laufen der Malayen,

6. Die Latah-Krankheit.

V. Aeussere Krankheiten.

1. Der rothe Hund,

2. Tinea imbricata,

3. Mal del pinto,

4. Die endemische Beulenkrankheit,

ft. Der tropische Phagcdänismus,

6 Die Ohrgeschwulst von Nepal,

7. Die Nasengeschwulst der Elfenbeinküste,

8. Der Madura-Fuss,

9. Ainhum.

Bei der näheren Abhandlung ist jeder der genannten Krankheiten eine Definition ihres Begriffes vorangeschickti ihre Synonyma sind in den verschiedenen Sprachen aufgeführt und ein kurzer Abriss ihrer Geschichte, sowie ihres Verbrei- tungsgebietes ist vorangeschickt. (Ein für die allgemeine Orientirung des Lesers sehr geeignetes Verfahren. Ref.) Eigene Beobachtungen liegen nur zum Theil zu Grunde, zu welchen eine mehrjährige klinische Thätigkeit in Japan, sowie ausgedehnte Reisen des Verf. durch verschiedene Länder Asiens Gelegenheit geboten hatten. Im übrigen war er lediglich auf das Studium der einschlägigen Litteratur an- gewiesen, das, wie die den einzelnen Abschnitten angefügten

73

Verzeichnisse zeigen, ein ausserordentlich ausgedehntes ge- wesen ist.

1 . Die Bubonenpest wird entsprechend den Unter- suchungen von Yersin, Kitasato und Aoynnia als eine Misch - infektion angesehen von einem dicken, kurzen, sehr geringe Bewegungen zeigenden Bacillus und Streptokokken. Die Inkubationsdauer schwankt zwischen 2-7 Tagen. Das Krank- heitsgift kann sowohl durch Personen als auch durch leblose Gegenstände (Kleider) und zwar noch nach Monaten über- tragen werden, wie der von Hirsch mitgetheilte Fall von Pest- übertragung aus der Epidemie von Wetljanka 1878/79 zeigt. Das Krankheitsgift selbst scheint am Boden zu haften. Hierfür spricht das Vorkommen der Pest bei Thieren, die in oder auf dem Boden leben, namentlich bei Ratten, die beim Aus- bruche einer Epidemie, wie das Öfter in Indien und China (Canton) beobachtet worden ist, erkrankten. Am meisten erkranken Frauen und Kinder, die sich ja mehr in den Häusern aufhalten, sowie Bewohner der Erdgeschosse. Die Bootsbevölkerung auf dem Cantonfluss blieb fast verschont, so dass viele Leute eine Zeit lang ihre Wohnung auf dem- selben aufschlugen. Massige Wärme und Feuchtigkeit sind der Ausbreitung einer Epidemie am günstigsten. Daher ist die Bubonenpest vielmehr eine Krankheit der gemässigtpn Klimate als der Tropen. Wenn in einer Stadt die verschie- denen Rassen in ungleichem Maasse befallen werden, so ist das weniger auf den Rassenunterschied als vielmehr auf die verschiedenen hygienischen Bedingungen, unter denen sie leben, zu beziehen. Während der jüngsten Epidemie in Canton blieben die auf der Insel Shamien hygienisch günstig wohnenden Fremden samt ihren eingeborenen Dienern von der Seuche vollkommen verschont, während jenseits des etwa 50 Fuss breiten Flussarmes, welcher die Insel von der Stadt trennt, viele Chinesen befallen wurden. Nach Griesinger werden selten Leute, die viel mit Wasser zu thun hüben, wie Wasserträger, Badediener, und noch weniger Oelträgcr, Oel- und Fetthändler von der Seuche ergriffen.

Der Ausbruch der Krankheit erfolgt meist schnell unter Temperaturen bis 41® C., am 2. bis 5. Krankheitstage erscheinen dann die Bubonen und zwar am häutigsten Leisten-, seltner Achsel-, am seltensten Halsbubonen. An letzteren

Digitized by Google

74

erkranken Kinder am häutigsten. Mit dem Auftreten der Bubonen bessert sich der Allgemcinzustand. Je, früher die Bubonen auftreten, desto günstiger ist die Prognose. Kar- bunkel und Lungenblutungen werden selten beobachtet.*) Die Sterblichkeit ist sehr hoch, sie schwankt zwischen fO und 95 Procent.

Auf der Haut der Pestleichen finden sich häufig grössere und kleinere Blutungen, die mitunter so zahlreich sind, dass der ganze Körper ein schwarzes Aussehen hat (daher die Bezeichnung „schwarzer Tod“). Ebenso finden sieh Ekchymosen auf allen serösen Häuten.

Die beste Behandlung der Pest besteht in der Pro- phylaxe. Verf. redet einer strengen Absperrung und Qua- rantaine das Wort. Die Einzelheiten darüber müssen im Original eingesehen werden. Zur persönlichen Prophylaxe werden Einreibungen des Gesichtes und der Hände mit Oel empfohlen. Eine Empfehlung, welche auf die oben angeführte Beobachtung, dass Oelträger, Oel- und Fetthändler sehr selten von der Seuche befallen werden, sich gründet.

Die Therapie ist rein symptomatisch.

2. Das Dengue-Fieber tritt an den Mittelmeer- küsten und in Westindien auf. Das Dengue-Fieber wird durch ein speeifisches, bis jetzt aber noch vollkommen unbe- kanntes Krankheitsgift hervorgerufen. Das häutige Befallen- werden von Aerzten und Krankenwärtern spricht für die Contagiosität des Dengue-Fiebers.

Die Inkubationsdauer beträgt nie länger als 4 5 Tage, gewöhnlich 1 2 Tage, oft nur wenige Stunden und mitunter sogar noch weniger (? Ref). Das Krankheits- gilt wird nicht nur durch den menschlichen Verkehr, sondern wahrscheinlich auch durch leblose Gegenstände verschleppt Zur Ausbreitung und Entstehung einer Epidemie ist eine hohe Temperatur nöthig. Die eigentliche Dengue- Saison ist der Sommer und Anfang Herbst, namentlich in den nicht eigentlich tropischen Gegenden. Die Ausbreitung der Epidemie erfolgt sehr rasch. Geschlecht, Alter, Rasse, Beruf sind in Bezug auf das Befallenwerden ohne Einfluss.

*) Bei einigen Epidemien werden reichliche Blutungen aus ver schiedenen Organen beobachtet. Anmerk, der Red.

Digitized by Google

75

Der Beginn der Erkrankung ist meist plötzlich und erfolgt gewöhnlich nachts oder früh morgens beim Auf- stehen : Frostschauer, schweres Krankheitsgefühl, Kopf-,

Gelenk- und Muskclsehmerzen, sowie ein über einen mehr oder weniger grossen Theil des Körpers sich verbreitendes Exanthem bestimmen das Krankheitsbild. Die Temperatur kann bis 42 Grad C. steigen, von den Gelenken sind haupt- sächlich die Kniegelenke befallen. Der Schmerz in den Kniegelenken ist charakteristisch für das Dengue-Fieber. Das Exanthem kann sehr verschieden sein : masern- oder scharlach- ähnlich, erythematös, manchmal nicht von einem Erythema exsudativum multiformc zu unterscheiden. Namentlich be- fallen davon sind Gesicht, Hals, Hände und Vorderarme. Dabei bestehen katarrhalische Angina, Laryngitis und Bronchitis.

Die Dauer der akuten Erkrankung beträgt zwar durch- schnittlich nur 5 6 Tage, aber die Rekonvalescens kann sich oft monatelang hinziehen. Es können Gelcnkschmerzeu und nervöse Störungen fortbestehen Recidive sind sehr häutig. Trotzdem beträgt die Sterblichkeit noch nicht Vs °/o. Das Ueberstehen von Dengue-Fieber erhöht die Disposition zu anderen Infektionskrankheiten. Verwechslungen mit akutem Gelenkrheumatismus, Masern, Scharlach und Influenza können Vorkommen.

Die Therapie ist symptomatisch.

(Fortsetzung folgt.)

Die Blattern in Afrika und die Schutzpocken- iinpfung daselbst. Vortrag , gehalten auf der 68. Aerzte- und Naturforschervcrsammlung zu Frankfurt a. M., von I)r. Ernst Schoen, Hilfsarbeiter am Kaiser). Gesund- heitsamt. Abdruck aus dem Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenkunde und Infectionskrankheiten.

Die Eingeborenen unseres wichtigsten Koloniallandes Afrika leiden unter keiner Seuche so sehr, wie unter den Blattern, ihre Empfänglichkeit für die Krankheit ist sehr gross, die Opfer unzählbar. Alte Frauen pflegen die Kranken, den befallene» Ort selbst verlassen die Neger gern und ver- brennen Häuser und Kleidung der Kranken. Redner nennt die am schwersten heimgesuchten Gebiete in Afrika (das Congogebiet, welches anfangs der 80er Jahre verheert wurde,

Digitized by Google

7**

,-iinkeii 1 V;.cl U'1'1

“■ _, -e»rocen

or> * ...

^ A«t

.. klein

V ganz,

ao» . ,

^25<e»c>'"

1 ,Y allen

•*°* i>i.

V»**“,,nc

^rerdfj

«-«'P401'

^oob,‘

vo« a;

kü*’',

cVorel

M-ev

Co"

4-

o»'

git

>v

V.

»s-

(1

(1

1

... <■

. Il '<’> ■'

*r Beschaffung von T n|*'

..„tea werden durcl wogen.

leutenant t. Carnap4*uer

.nd- Expedition, ni»< i.: ^ ^

rkung der animale«. \. - «• .■ •* ( - .

pfinstitut in Cassel W». f' r

gaben: ...... *'

vmphe wurde dur i '•••» i . r •• *

Cassel am 8. Okt ises in C. entnommen rend der Seereise vor. 1 i ' r

lafrika wurde die Lyu pi*e st« *- '

V - v. e:. r e"e- 1

derZeit vom 6. Sovemve* ■' * . ^

84 Personen von Yl—'t-' “u,*‘ ^ ^ C

•n, nach wenig heiseen k s >■•'* ' " . i( £/r

iier bis 10. Dezetuber '■/' Y 1 1 ^ ( w>

le, die ich Lt. Graf Zfccb Dut**

iberliess, hatte keinen fcrf . Lymphe, die ich Anfang Nv'en ^ ^ . ,

;e in Togo tiberliess, bat ie> ; '( r / ^ ;y, <,-« t

Lvmphe durch Dr. NN i'dte an ^ w *,■,»

;i) geliefert, hat Drttsenanw i « e. - / '

ge gehabt. <f . . . }"/.r> b

Obgleich meine Expedit. '/n d-/ *' , 4

awanen antraf, wurde ke:n P'.1' ,, . <v-n 1 •'»'

der Expedition 94 9& von den * ; ( y.^u »her

lorenen ca. 32 starl>eri, ein./*' ^ ( y//„ A r»n ztl

schwach erhielten. einen. \i,*«>/:kur»g v',n

tn wurde aus Besorgnis von ■'■** ^ ^ ("a r o a p-

philis abgesehen.

,1 r Tropen-

low, E., Die pracf.se he». i*otocber

hygenie. Vortrag in der OwIjW von F.C.W.Vogel. forscher und Aerzte 1896. Leipmg, Verlag wie d.o

Dr. Below stellt sich die Aufgabe, - nntet, neues ngste Forschung uns vor ein bmher hgel ^stellt

nrgesetz der Artenbildung durch Zone»

76

wird nicht erwähnt. Ref.). In den östlichen Ländern mit ihrem lebhaften und alten Handelsverkehr ist die Seuche häutiger und verbreiteter und die Bevölkerung theilweise innnunisirt, im Westen erscheinen die Blattern in grossen Bausen, befallen war dann oft genug die Gesammtbevölke- rung. Die arabischen Marabus kennen durch die Beobachtung der Immunisation nach Ueberstehung der Pocken gewitzigt eine Art Schutzimpfung. Expeditionen, Pilgerzüge und Karawanen begünstigen die Verbreitung der Blattern, wovon die Verkehrszentren und Hafenplätze, wie Bagamoyo und Dar-es-Salaam, zu erzählen wissen.

Wie ist dieser schweren Geissei des schwarzen Erdtheils beizukommen? Die Impfung schützt dort wie in Europa, stösst jedoch auf grosse organisatorische Schwierigkeiten. Ausser den Aerzten sind auch Missionare, Lehrer, Lazarett- gehülfen, Krankenschw'estern mit der Impftechnik vertraut zu machen. Die Franzosen haben in Tonkin erfolgreich fliegende Impfkolonnen eingerichtet, wie früher die Aegypter im Sudan. Auch in den deutschen Kolonien haben gute Verordnungen schon viel erreicht. Die schwierigste Frage ist die der Beschaffung des Impfstoffes. Die bequemste Form ist die Arm- zu Armimpfung, welche in den englischen Kolonieu beliebt ist. Es ist aber nicht zu vergessen, dass die Anfangsimpfung mit wirksamer Kälberlymphe zu geschehen hat, dass sich die Virulenz und damit auch die Schutzwirkung abschwächt, dass die Eingeborenen es scheuen, Impfstoff von sich entnehmen zu lassen und besonders dass Uebertragung der Syphilis, Tuberculose und Lepra nicht unmöglich ist.

Man muss also dahin streben, Thierlymphe zu erhalten, sei cs aus Europa, sei es aus andern Gegenden, sei es am Ort selbst. Verschiedene Methoden, Präparate und Ver- packungen sind versucht worden mit verschiedenen ander weitig veröffentlichten Erfolgen. Alle Ergebnisse, welche bisher veröffentlicht sind, erscheinen noch unsicher und an- fechtbar. Als wichtigste praktische Aufgaben schlägt Schoen vor: 1. Impfzwang besonders an Punkten, wo Massenanhäufung statttindet, 2. Ausübung der Impfung durch geeignete Laien und fliegende Impfexpeditionen, 3. Beschränkung der Arm- zu Armimpfung auf den Nothfall drohender Epidemie, 4. Versuche über die Wirksamkeit der Versandlymphe,

Digitized by Google

77

5. Versuche über Beschaffung von Thierlymphe an Ort und Stelle. Die Kosten werden durch den Segen der Impfung reichlich aufgewogen. M.

Premierlieutenant v. Carnap-Quernheimb, der Führer der Togo -Hinterland -Expedition, macht über seine Beobachtung Uber die Wirkung der animalen Lymphe, welche ans dem Provinzialimpfinstitut in Cassel bezogen wurde, der Redaktion folgende Angaben:

Die Lymphe wurde durch den Geh Sani tUtsrat h Dr. Giessler in Cassel am 8. Oktober 189f> vom Kalbe des Schlachthauses in C. entnommen.

Während der Seereise vom 1 1. Oktober bis 4. November nach Westafrika wurde die Lymphe im Eisraum des Dampfers gelagert.

In der Zeit vom 6. November bis 12. November wurden geimpft 84 Personen von 12—25 Jahren, mit Erfolg 46 Personen, nach wenig heissen Märschen in der Zeit vom 4. Dezember bis 10. Dezember 35 Personen, mit Erfolg 22. Lymphe, die ich Lt. Graf Zech Ende Dezember (sehr heisse Zeit) überliess, hatte keinen Erfolg.

Lymphe, die ich Anfang November dem Stabsarzt Dr. Wicke in Togo überliess, hat recht günstigen Erfolg gehabt.

Lymphe durch Dr. Wicke an Station Kete (Lt. Grat Zech) geliefert, hat Drüsenanschwellung in grossem Maasse zur Folge gehabt.

Obgleich meine Expedition 95/96 verschiedene Pocken- karawanen antraf, wurde kein Pockenfall ernstartig, während bei der Expedition 94/95 von den nicht geimpften Ein- geborenen ca. 32 starben, einige geimpfte die Pocken aber nur schwach erhielten. Von einem Uebertragen von Arm zu Arm wurde aus Besorgnis« von einer ev. Ansteckung von Syphilis abgesehen. von Carnap.

Below, E., D ie practischcn Ziele der Tropen- hygenie. Vortrag in der Gesellschaft deutscher Natur- forscher und Aerzte 1896. Leipzig, Verlag von F.C.W.Vogel.

Dr. Below stellt sich die Aufgabe, zu zeigen, wie die jüngste Forschung uns vor ein bisher unbekanntes, neues Naturgesetz der Artenbildung durch Zonenwechsel gestellt

Digitized by Google

78

hat und wie dadurch der Weg der weiteren Forschung und dringlicher praktischer Maassnahmen vorgeschrieben ist. Hierzu benutzt er die tropenhygienischen Fragebogen, welche aber gar nicht allein aus den Tropen, sondern auch aus den Subtropen stammen, die nichts mit der eigentlichen Tropen- hygiene zu thun haben. 25 Mitarbeiter gaben Anomalien und Abnormitäten im Verhalten von Europäern in diesen Gebieten an, welche auch Below gefunden hatte. Die stabile Norm der Rassen zeigte sich unverändert, ebenso die physio- logische Norm, so des Pulses, Athmung, Grosse und Zahl der Blutkörperchen, spcc. Gewicht des Urins, nach Angaben des Dr. Fichtner und Dr. Funk auf Apia. Das ist im Wesentlichen das Material für Herrn Bclow’s Beweisführung, welches sich grösstentheils mit den längst unbestrittenen Forschungsrcsultaten Eykmann’s, Marestang's, Glogner’s, F. Plehn’s, des Referenten und anderer im Widerspruch befindet. Geringe Abnahme in der Zahl der rothen Blutkörperchen bei sonst gesunden Europäern im Tropen- tieflandc hat Glogner nachgewiesen, Zunahme des spec. Gewichtes des Blutplasmas. Ref. und Dr. Gryns im Labora- torium zu Weltevreden, hauptsächlich aber funktionelle Unter- schiede zwischen Europäern in den Tropen und ausserhalb derselben einerseits, sowie zwischen Weissen und Pigmentirten in den Tropen andererseits. Selbst aus diesen herausgegriffenen, Below anscheinend nicht bekannten Thntsachcn ist es aber nicht möglich, auf ein neues Naturgesetz der Artenbildung durch Zoncnwechscl zu schliessen, denn die Art wird dadurch nicht verändert, höchstens wird der Ahlauf der Funktionen im Organismus ein anderer. Somit fitllt der erste Theil der Aufgabe, welche Below sich stellte, in sich zusammen. Below berücksichtigt auch zu wenig die neuere einschlägige Literatur. Seme Formel für das Acclimatisationsgesetz zeigt, dass ein Factor entweder grösser, gleich oder kleiner ist als ein anderer, wie Alles in der Welt. Diese Formel wäre am besten niemals gedruckt worden.

Wie der Weg weiterer Forschung und dringlicher, practischer Maassnahmen auf dem Gebiete der Tropenhygiene vorgeschrieben wird, ist aus den nachfolgenden Ansführungen über Drogenhandel und ideelle Erfolge nicht zu ersehen. Zuletzt stellt Below 7 Forderungen practischer Art auf,

79

welche die Grundlage «eines hygienischen Weltparlamentes bilden sollen und den Lesern aus seinen früheren Schriften genugsam bekannt sein dürften. K. D kubier.

A Pellagra em Portugal, a tetania, a catalepsia e a confusäo mental von Miguel ßombarda. Klinische Arbeit aus dem Hospital von Rilha- folles, Lissabon. Typographie der Zeitung Dia I89G. (Auszug aus der Rivista portugueza de Medicina et de Cirnrgia Practicas )

Obschon in dem benachbarten Spanien, besonders den Provinzen Galizien und Asturien, die Pellagra oder das Mal de rosa in bedeutender Ausdehnung seit langer Zeit beob- achtet wurde, war von dem Auftreten der Krankheit in Portugal in der Literatur bisher nicht berichtet worden. Gleich nach Feststellung der ersten beiden Fälle, welche der Verfasser im Krankenhause von Rilhafolles im September v. J. und Mai d. J. zu Gesicht bekam, wurde ermittelt, dass die Pellagra im Norden des Landes, wo Maisbrod die Haupt- nahrung bildet, häutig ist Bei dem genauer studierten zweiten Falle Bombarda’s fehlten die sonst so charakteristischen Erscheinungen von Seiten des Verdauungskanals, das pella- giose Irresein war dagegen stark entwickelt. Besonders deutlich ist jedoch in dem beschriebenen Falle das Verhalten der Muskulatur. Wie bei der Tetanie setzten die leicht kontrahierten Beugemuskeln der Extremitäten Bewegungs- versuche einen starken Widerstand entgegen, der nur ge- waltsam überwunden werden konnte. Verfasser möchte diese pellagröse Bewegungsstörung der Katatonie Kahlbaum’s untcrordnen. M.

Leiehtenstern, 0., Influenza und Dengue. Noth- nagel’s Specielle Pathologie und Therapie. IV. Band. II. Theil. I. Abtheilung. Wien 1896, Alfred Holder.

196 Seiten des vorliegenden 222 Seiten starken Werkes sind der Influenza gewidmet, von welcher Verfasser eine ausgezeichnete Darstellung giebt, die ebenso von hervor- ragender eigner klinischer Beobachtung als von sorgfältigen literarischen Studien zeugt. Dieselbe zerftillt in zwei Theile. Der erste behandelt die Geschichte, Epidemiologie und

Digitized by Google

Aetiologie dor Krankheit, wobei namentlich die Ergebnisse der Forschungen, welche die letzte Pandemie gezeitigt bat. eingehend berücksichtigt werden. L e i c h t e n st cm unter- scheidet mit Recht scharf zwischen Influenza vera und Influenza liostras, welche zwei ebenso verschiedene Krankheiten sind als Cholera asiatica und liostras. Die Influenza vera wird durch den R. Pfeiffer’schen Bacillus hervorgerufeu, während die der Influenza liostras zu (i runde liegenden Mikrobien noch unbekannt sind. Erstere tlieilt Verfasser ein in die pandemische und die nach abgelaufener Pandemie aus den von derselben zurückgebliebenen Keimen sich entwickelnde und an einzelnen Orten viele Jahre bestehende, endemisch- epidemische Influenza, welche beide namentlich in der Art ihrer Verbreitung verschiedenen epidemiologischen Regeln folgen. Der zweite Theil umfasst die Pathologie und Therapie der Influenza. Ein näheres Eingehen auf den reichen und gediegenen Inhalt desselben ist begreiflicherweise an dieser Stelle unmöglich. Erwähnt sei nur, dass L e i c h ten s t er n klinisch die rein toxischen Formen, zu welchen das ein- fache Influenzafieber und die nervöse Form gehören, vou den toxisch-entzündlichen Formen, zu denen die katarrhalisch- respiratorische und die gastrointestinale Influenza zu rechnen sind, trennt. .

Weniger eingehend als die Influenza ist das Dengue- fieber behandelt, was seinen Grund wohl darin hat, dass dem Verfasser eigene Beobachtungen und Untersuchungen über dasselbe abgehen. Gleichwohl hat er cs verstanden, namentlich unter Vcrwerthung der geläuterten und wichtigen Erfahrungen der jüngsten, der letzten Influenza-Pandemie unmittelbar vorausgehenden und auch auf Europa über- greifenden Epidemie ein abgerundetes, dem gegenwärtigen .Stande der Wissenschaft entsprechendes klinisch-epidemi- ologisches Gcsammtbild dieser Krankheit, welche er für eine contagiös - miasmatische In fections- Krankheit erklärt, zu entwerfen. Von den bisher bekannt gewordenen grösseren Dengue-Epidemien giebt er eine kurz geflieste, aber gut geordnete Zusammenstellung, und am .Schlüsse werden die epidemiologischen und klinischen Unterscheidungsmerkmale zwischen Influenza und Dengue übersichtlich einander gegen- übergestellt.

Heiden Abschnitten sind werthvolle Literaturverzeichnisse beigefügt.

Leichtenste ms Arbeit bildet eine Zierde des N o t h- nngel 'sehen Sammelwerkes und wird sicher eine weite Verbreitung finden.

Scheu li e.

Pinean, J., Les viteei nat io ns antirabiques pra- tiquees ä Saigon dn 1. Mai 1893 au 1. Mai 1894. Areh. de ined. nav. et colon., 1895, I., p. 125.

Lepinay. Service des vaccinations contre la rage pendant l’annue 1895 ä l’Institut bacteriologi - que colonial de Saigon. Ibidem, 1896, II, p. 129.

L’institut baeteriologique cree par lc Gouvernement fran^ais ä Saigon (Cochincliine), il lut orguuisd par M. le docteur Calmette, est frequente par des personncs venues de divers pays de l’Extreme Orient pour etre preservees de la rage par le traitement Pasteur.

Du 1. Mai 1893 au 1. Mai 1894, on y a soignd 49 personnes mordues, dont 31 Europeens et 18 indigenes. II y a eu 2 Decds, dont un chez un enfant mordu au visage. Pendant l’amde 1895, on a soigne 55 personnes; un deces (enfant de onze ans, morsures nombreuses, inen- bation courte).

Les morsures observees sont en general nombreuses et graves; dans beaucoup de cas les accidents se sont produits dans de pays fort eloignes de Saigon (Tonkin, Batavia, Singapore, Shang-Hai, Vladivostock) de sorte que le traitement n’a pu commencer qu’assez tard. Sur les 55 personnes soignees par M. Lepinay, 33 n'ont commened les injections que plus de dix jours apres la morsure.

La frequcnce de la rage diminue k Saigon sous l’influ- enee des mesures de police; eile reste assez gründe dans l’intdrieur de la Cochincliine et au Tonkin; il en est de menie ä Batavia ou le gouvernement hollandais a cree en 1895 un institut antirabique. Par contre la rage parait etre rare au Cambodgc. A Singapore, ou eile etait frequente autre- fois, eile a presque disparu gruce ä des mesures energiques prises par 1’autoritd anglaise pour empdeher la divagation des chiens. Cli. Firket (Lüttich).

Archiv f. Schiff«- t*. Tropenbygicm*.

B

82

Rüge, I)r. R., Die der ZanzibarkUste eigentümlichen klimatischen Leistend rüsen-Entzün düngen.

Verfasser führt aus, dass 1888/89 die Mannschaft seines Schiffes oft mehr als 3 Monate lang nicht an das Land kam, das Schiff „Pfeil“ zum Blokadegeschwader gehörig, kreuzte an der Küste Deutsch- Ostafrikas, auf vielleicht 2000 Meter vom Lande und Verf. glaubt, dass damit die Besatzung völlig unter dem Einflüsse des tropischen Küstenklimas stand, was nacli den heutigen Anschauungen dahin zu berichtigen wäre, dass sic sich unter dem Einfluss des Tropenklimas im Allgemeinen, mit Ausschluss des directen Einflusses der Boden- schüdlichkeiten befand. Von August 1888 bis October 1889 wurden bei den Mannschaften des Blokadegeschwaders 81 Leistendrüsenentzündungen beobachtet, wovon 36 mit Sicherheit auf geschlechtliche Ansteckung zurückzuführcn waren, 7 ent- standen nach kleinen Verletzungen durch septische Infection, für 38 macht Verf. beim anscheinenden Fehlen anderer aetiologischer Momente das Tropenklimas verantwortlich. Als die „Leipzig“ mit 450 Mann Besatzung nach Capstadt kam, hatte sic in einem einzigen Monat 35 Geschlechtskranke. Es ist in der sonst sehr sorgfältigen Arbeit nicht angegeben, ob in Capstadt, in den Subtropen, die eventuell klimatischen Bubonen verschwanden. Wäre dieses der Fall, so würde Verf. Meinung, dass es sich bei seinen Beobachtungen um klimatische Bubonen handelte, dadurch eine Stütze gewinnen.

Nur ab und zu wurden von den Schiffen in 14 Monaten Boote an das Land gesandt. Die Namen der Mannschaften wurden nicht gebucht, daher entsteht in der Beweisführung eine Lücke. Charactcristische Symptome, Unterschiede im Verlauf oder der Fieberen rve waren zwischen venerischen und klimatischen Bubonen nicht zu finden. Indessen war ersteren Fällen die scbnelleEntwickelung der Drüsenschwellungen eigen und dass sie, auch die grösseren (23), grösstentheils sich zurückbildeten. Einmal wurde intermittirendes Fieber beob- achtet, welches nach Ausräumung der Drüsen verschwand.

Das Vorkommen der s. g. klimatischen Bubonen in den Tropen kann ebensowenig geleugnet werden, als dasjenige der in Folge von Trauma auftretenden Leberabseesse und solcher Leberabseesse, bei welchen sich weder Dysenterie noch Malaria als Ursachen naehweisen lassen, wo die mikro-

Digitized by Google

83

scopischc Untersuchung im Eiter keine Batterien nachweist, höchstens, wie Geill, Evkmann und van der Scheer zeigten, pyogen«' Batterien in der Absccsswaml. Jdns Vorkommen von Aehseldriisenabeeessen in den Tropen ist auch hei weitem liäutigcr als bei uns. Auffallend ist uns die grosse Zahl 38 von 81 der eventuell klimatischen Buhouen, welche nicht zu eruirendc gcschleehtliehc Ansteckung vormuthen lüsst.

In Ostindien, auch auf Aden und ' Mozamkirjuc beob- achtete Referent bei Tripper und Schanker auffallend oft die Complieation mit Bubonen, «ler<‘n Verlauf, wie auch der kli- matischen Bubonen ein langsamer und gelinder war.

Uin die Aetiologie hei dieser allerdings nicht häufigen in «len Tropen vorkommenden Krankheitsform fcstzustcllen» sind in jedem Fall ausser Blutuntersuchungon die des Eiters nicht zu entbehren. Interessant ist diese Erkrankung schon deshalb, weil sie die Lehre von der »Spccificität der Tropen Schädlichkeiten illustrirt. K a r 1 D ä u b 1 e r.

Die neueste Nummer (No. III) des „Janus“, internatio- nales Archiv für die Geschichte der Medizin und medizinische Geographie, Amsterdam, enthält an erster Stelle einen Nach- ruf für den rühmliehst bekannten französischen Chirurgen Nicaise. Ein Aufsatz von Geo. M. Sternberg bespricht die Geschichte und geographische Vertheilung «h-s Gelbfiebers und scheint der Ansicht zuzuncigen, dass «lic Seuche von Afrika’s Westküste nach den früher gesunden westindischen Inseln verschleppt sei, weil die Einschleppung für die dortigen Haupthcerdc geschichtlich nachgewiesen werden könne. Afrika kann allerdings nach Ansicht des Referenten der Gegenbeweis nicht zugeinutet werden, denn an dessen Westküste setzt die geschichtliche Forschung später ein als in Amerika, aber bloss, weil Unbekanntes «lern Unbekannten bequem zuge- schoben werden kann, darf doch eine Krankheit nicht als aus einem Lande stammend betrachtet werden, «lessen Be- wohner beinahe immun gegen dieselbe sind, auch wenn sie aus Gegenden des Binnenlamles kommen, wo die Krankheit nie gehaust hat

Dr. Beugnies erörtert „Waschungen und Bäder bei «len Semiten“, deren älteste Gesetzgeber schon den Segen des Wassers erkannten und ohne Kcnntniss des Infcktionsvor-

6*

Digitized by Gbogle

ganges doch instinktiv das richtige Schutzmittel gegen die Uebertragung mancher Krankheiten trafen. Moses und Mohamet waren in ihren Lebensvorschriften gleich warme Verfechter der Waschungen und Bäder, wie der Verfasser durch zahlreihe Zitate und Einzelaugabcn aus Koran, Bibel und Talmud beweist, in der Jetztzeit ist die rituelle Waschung bei den Juden im Orient mehr zum Formelkram geworden als bei Arabern und Türken.

James Finlayson nimmt in einem kurzen Artikel die Ehre der Ausführung der ersten Ovariotomie für Robert Houston aus Glasgow in Anspruch, welcher 1701 diese Operation erfolgreich zum ersten Male vollzog.

Hu setnann setzt seine interessanten Studien über die Vorgeschichte des Lanolins, welche den Ausspruch „nichts Neues unter der Sonne“ zu rechtfertigen scheinen, fort

„Augenärzte in alten Zeiten, besonders in Scandinavien,“ betitelt sich eine Arbeit von Gordon Norrie und bringt köstliche Kurpfuschergcschichtcn von wandernden Quacksalbern, von denen jedoch dem Titel entgegen die meisten Deutsche oder Engländer sind, welche ihre Fahrten bis Dänemark, Norwegen und Schweden ausdehnten.

Eine geschichtlich-medizinische Frage von höchster Be- deutung beginnt F r a n z S p a e t zu besprechen unter dem Titel : „Der gegenwärtige Stand der Ilippocrates -Frage und des Corpus Hippocraticum vom Standpunkt der Menon-Aristote- lischen Ueberlicfcrung aus. Das als Corpus Hippocraticum bekaunte Sammelwerk altgriechischer Medizin bekommt durch einen neu aufgefundenen vom britischen Museum erworbenen Papyrus eine ganz neue Beleuchtung, denn der unbekannte Schreiber des wertvollen uralten Schriftstücks gibt Ansichten von Aristoteles und Menon wieder, welche Ilippocrates nicht als den Begründer der exakten naturwissenschaftlichen Forschung auf den Gebiete der Mcdiziu erscheinen lassen. Referent befürchtet, dass der nichtdeutsche Leser des „Janus“ an dem verwickelten Satzbau der Arbeit ein Hinderniss des Ver- ständnisses Hilden wird.

Der Herausgeber des „Janus“, Peypers, setzt seine ein- gehende Wiedergabe und Besprechung des seltenen Werkes von Boyle aus dem Jahre 1726 „Systeme d un Medecin Anglois sur la cause de toutes les especcs de maladies“

85

fort. Mit Recht nennt er Boyle einen pseudo-pr&surseur de Pasteur, denn Boyle wollte die neue, auf die Entdeckung der mikroskopischen Lebewesen begründete neue Anschauung durch übertriebene und phantastische Schilderungen von Mikroparasiten verspotten, erdichtete aber ein System, welches wie eine Vorahnung heutiger Kenntnisse anmuthct.

Zahlreiche Referate und vermischte Mittheilungen be- scldiessen die III. Nummer des Janus, dessen Bestrebungen den unsrigen verwandt und sympathisch sind. M.

III. Verschiedenes.

Die Lissaboner Zeitung „0 Seculo“ bringt in No. 5289 eine Zuschrift von Dr. Manuel Ferreira Ribeiro, dem Direktor des Sanitätsdienstes auf San Thome und Principe, worin der von den Gelehrten aller Kolonialvölker eifrig be- triebenen Studien über die Akklimatisationsfrage gedacht wird. Dr. Ribeiro meint zwar, die Deutschen hielten von ihnen gemachte Beobachtungen und Untersuchungen für neu, während die Portugiesen ihnen längst vorausgeeilt wären, spricht sich aber warm zu Gunsten der besonders von Dr. Below befürworteten und betriebenen internationalen Tropenforschungen aus und verweist auf die zahlreichen statistischen Arbeiten aus den portugiesischen Kolonien, welche den Wiener Vorschlägen vollständig entsprächen. Die Länder, welche der weisse Rasse gestatteten, auf ihrem Boden weiter- zuleben , nennt Ribeiro assimilirende , im Gegensatz zum eliminirenden Boden der Aeijuatorialgegenden, deren dauernde Besitzergreifung durch die kaukasischen Völker den Ruhm des XX. Jahrhunderts bilden müsse.

Dr. Vers in, der Entdecker der Schutzimpfung gegen die Bubonenpest, welche augenblicklich in Bombay zahlreiche Opfer fordert, darunter den Oberarzt des städtischen Hospitals Dr. Mauser und dessen europäischen Wärter, war erst Ende November nach Europa zurückgekehrt. Nach französischen Zeitungen schien es nicht unwahrscheinlich, dass die chinesische Regierung in Canton unter Leitung Yersin’s eine Art Institut Pasteur errichten würde, um das betreffende Serum in grösseren Massen hersteilen zu können,

Digitized by Google

als es dem französischen Gelehrten in seinem primitiven Laboratorium in Nha - Trang bei Saigon möglich war. Die Erfolge der Impfungen sollen glänzend gewesen sein, nicht nur in Clinton, wo Ycrsin seine Thätigkeit erst beim Erlösehen der Epidemie begann, sondern auch in Amoy, wo er die Seuche noch in voller Hlüte antraf.

Ycrsin ist am 28. Dcccmber schon wieder in See ge- gangen und wird seine Methode zunächst in Bombay zur Anwendung bringen, dessen städtische Behörden ihn dringend eingeladcn haben. Für später hat er die Absicht, nicht in China, sondern wieder in Nha-Trang an der Küste von Annam ein grösseres Institut für die Gewinnung des Heilserums gegen die Pest anzulcgen. Das Pferdematerial ist dort reichlich und billig vorhanden, sodass er 100 200000 Dosen jährlich herzustellcn hofft. Inzwischen hat sich die Pest in Indien weiter verbreitet. Bombay hatte in der 3. Decembcr- Woche eine Sterblichkeitsziffer von 100 auf Jahr und Bevölkerungs- tauseud berechnet. Insgesammt erlagen bis zum Jahresschluss der Seuche in Bombay 1735 Personen bei 2437 Erkrankungen. In der zweiten Januarwoche hat die Mortalität in Bombay die hohe Ziffer 402 auf das Jahr und Tausend der durch Massenauswanderung verminderten Bevölkerung berechnet, erreicht. Und von nordwestlicher Grenze aus Karrachee wurden Ende Dezember plötzlich 03 Erkrankungen und 50 Todesfälle gemeldet, welche Zahl bis zum 8. Januar auf 220 bez. 214 und bis zum 15. Januar auf320bez. 203 gestiegen ist.

Durch Anlage einer Rühren* Wasserleitung hofft man in Funchal auf Madeira den Typhus, welcher bisher dort zahlreiche Opfer unter den Einheimischen forderte und auch gelegentlich Fremde nicht verschonte, zu bekämpfen. Bisher wurde das Wasser in offenen Rinnen aus den Bergen herbei-, geführt und in der Stadt vertheilt, sodass jedes Haus eine schlecht verschlossene Cisterne als Wasserbehälter besass.

Sämmtliche (?) Leprakranke, von welchen man zur Zeit in Preussen Kenntnis» hat, haben nach Angabe der Bcrl. Wisscnsch. Correspondenz sich zum Eintritt in das bei Memel seitens der Regierung geplante Aussätzigenheim bereit erklärt. Gesetzliche Zwangsmittel zur Intcrnirung gibt es bekanntlich in Deutschland nicht.

Digitized by Google

s?

Im Sommer 1807 wird in Brüssel ein Congress für Tropenhygiene und Tropenmedizi n stntttindcn, dem Forscher aus den meisten Kolonialländern beiwohnen werden.

IV. Pharmakologische Mitteilungen.

Neue Arzeneimittel. Als „Argonin“ bringen die Hocehster Farbwerke ein ihnen patentirtes lösliches Casein- silberprttparat in den Handel, welches dem Argent. nitrie. ähnliche bactericide Wirkung hat, sich .her vor demselben durch seine völlige Reizlosigkeit auszeichnet. Es wird in 1 2°/o Lösungen bei Gonorrhoe angewandt und cs sind bereits zufriedene Resultate damit erzielt worden. Betreffs der Bereitung von Losungen, die opalcseirend und in dunkeln Gläsern aufzubewahren sind, halte man sich genau an die von der Fabrik beigegebene Erläuterung. Ueberhaupt bereite man die Lösung öfters frisch, da dieselbe sich nicht lange hält. Die Fabrik stellt Litteratur und Proben des Argonin’s in der freigiebigsten Weise gratis zur Verfügung.

Jodofbrinin. Unter den Bestrebungen, Ersatzmittel für Jodoform zu finden, ist auf eine Arbeit Rosensterns hinzu- weisen, welche die in der Münchener chirurgischen Poliklinik gesammelten Erfahrungen über Jodoformin in Folgendem zu- sa nt inengefasst : Das Präparat ist ein vollwerthigcs Ersatz- mittel des Jodoforms; cs wirkt ebenso stark oder noch stärker als dieses, granulationsanregend, antiseptisch, aus- trocknend und desordorirend, ohne dessen unangenehme Eigenschaften, wie Geruch, Reizwirkung und Giftigkeit, zu theilen. Es kann als Pulver, Salbe, Gaze, Glycerin-Emulsion, mit Quecksilber und in Bougies Verwendung finden. Es wird bekanntlich aus Jodoform, von dem es 7:">#/o enthält, und Hexamethylentetramin erhalten. Der Preis desselben dürfte sich um ungefähr die Hälfte höher stellen als der- jenige des Jodoforms.

Sodann wird unter dem Namen Xeroform das Tribrom- pbenolvvisniuth in den Handel gebracht. Inwieweit die zu seiner Empfehlung in einer 10 Seiten starken Brochüre mit- getheilten Untersuchungen für den praktischen Arzt Werth

Digitized by Google

SS

haben, ob wirklich, wie der Titel auf dem Deckblatt sagt : „Xeroform das Jodoform der Zukunft“ hier ein voll- ständiger Ersatz für das Jodoform gefunden ist, dem alle die oben bereits besprochenen Eigenschaften zukommen resp. fehlen, dürfte wohl noch weiteren Untersuchungen Vorbe- halten bleiben müssen. Für den praktischen Arzt hat es in jedem Fall wenig Werth, wenn z. B. auf S. IC gesagt wird: „Aus den Resultaten von Hesse und Shirminsky kann man folgende Schlüsse ziehen,“ da dieser sich doch nur an feststehende Thatsachcn halten muss. Nagel 1 -Cassel.

Unter der Bezeichnung „Paraplaste“ werden von Beiers- dorf & Co. neue Pflaster in den Handel gebracht, welche sich den Pflastermüden gegenüber durch bedeutende Kleb- kraft auszeichnen. Ueber die Haltbarkeit des Präparats im feuchten und heissen Klima werden wir Versuche anstellen.

M.

V. Zur Besprechung eingegangene Bücher.

Caccini, Dr. Vittorio, Contributo sdlo Studio della infezioni nelle puerpere. Rom 1896, Inocenzo Artero.

Riiuhler, Dr. Karl, Die Grundzüge der Tropenhygiene. Milnehen 1895, J. F. Lehmann.

Kraschntzkl, Dr. F., Die Versorgung von kleineren Städten, Land- gemeinden und einzelnen Grundstücken mit gesundem Wasser. Hamburg und Leipzig 1896, Leopold Voss.

Meinecke, U,, Katechismus der Auswanderung. 7. Auflnge, Leipzig 1896, J. J. Weber.

I'raussnitz, Dr. W«, Grundzüge der Hygiene. München 1897, J. F. Lehmann.

Rcichenbach, Dr. Ernst Freiherr Stromer von, Die Geologie der deutschen Schutzgebiete in Afrika. München und Leipzig 1890, R. Oldcnbonrg.

Schmidt, Dr. Meinhard, Ärztlicher Ratgeber für Sohiffsführer. Ham- burg und Leipzig, Leopold Voss.

Schmidt, Itochns, Deutschlands Kolonien. Berlin 1896, Schall & Grund.

v. Sudihausen, Sprachführer für die ärztliche und pharmazeutische Praxis. Leipzig 1896, E. Besold.

Rosenbach, Die Seekrankheit als Typus der Kinetosen. Wien 1896, Alfred Höhler.

Digitized by Google

I. Originalabhandlungen.

lieber die Abwehr der Pest.

Von Hafenarzt Dr. Nocht, Hamburg.

Als vor nicht ganz 4 Jahren die Pest in Kanton, Hong- kong und einigen südchinesischen Vertragshäfen in grosser Heftigkeit ausbrach, sahen trotz des grossen Verkehrs dieser Handelsplätze mit Europa weder die öffentliche Meinung noch die Regierungen der europäischen Reiche darin eine unmittelbare und dringende Gefuhr für unsern Welttheil. Man begnügte sich fast überall damit, die Massregeln zur Abwehr der Einschleppung der Cholera durch den See- verkehr auch gegen die Pestgefahr, d. h. gegen die aus Hongkong etc. kommenden Schiffe und Waaren anzuwenden. Diese Massnahmen waren aber in Folge der bei den letzten Choleraepidemien gewonnenen Erfahrungen und Anschauungen gegenüber den früher beliebten und auch noch 1892 in der ersten Cholerafürcht ausgeübten, übertriebenen Verkehrs- beschränkungen sehr milde geworden. Man hatte einge- sehen, dass der Nutzen allgemeiner, strenger Absperrmass- regeln ein sehr problematischer ist und zu der schweren Schädigung, die Handel und Wandel dadurch erleiden, in keinem Verhältnis steht. Durch die Dresdener Sanitäts- convention war eine obere Grenze festgesetzt worden, über welche hinaus der Verkehr zwischen den vertragschliesBenden Staaten nicht gestört werden sollte. Man begnügte sich da- bei, wie ich des Näheren im vorigen Heft dieser Zeitschrift ausgeführt habe, mit denjenigen Massnahmen, die sich in der Praxis als genügend gezeigt hatten, um ohne unnöthige Belästigung des Verkehrs die an Bord Vorgefundenen Kranken sammt ihrer nächsten Umgebung für die Weiter- verbreitung der Seuche unschädlich zu machen (Isolirung, Beobachtung, Desinfection). Die für „rein“ befundenen Schiffe gingen im allgemeinen frei aus. Auch die Ein- und Durchfuhrverbote waren in der Dresdener Uebereinkunft

7*

Digitized by Geogle

92

erheblich beschrankt worden. Die eigentlichen Handels- wuaren blieben frei. Verboten war mir die Einfuhr von getragenen Kleidern, Wäsche, Bettzeug und solchen Hadern mul Lumpen, die nicht in festen Ballen verpackt waren.

Bei diesem Verfahren blieb es nun auch der an der chinesischen Küste ausgebrochenen Pest gegenüber während mehr als dreier Jahre und man durfte daraus schliessen, dass man an den massgebenden Stellen dieser moderneren Art der Seuchenabwehr nicht blos bei der Cholera, sondern auch bei der Pest Vertrauen schenkte. In Kanton scheint die Pest mittlerweile erloschen zu sein ; in Hongkong nahm die Seuche zwar 1894 schon erheblich ab, hörte aber nie ganz auf ; im vorigen Sommer erlangte sie wieder eine ganz erhebliche Verbreitung in diesem Welthafen, ebenso wie in den befallenen, chinesischen Küstenplätzen und auf Formosa. Während der ganzen Zeit aber ist trotz des ungehinderten, beträchtlichen Handelsverkehres dieser Gegenden mit Eu- ropa auch nicht ein einziger Fall von Verschleppung der Pest nach Europa weder durch Personen, noch durch Ilandelswaaren bekannt geworden. Eine Uebertragung der Seuche durch Reisende und Schiffsmannschaften war allerdings dadurch erheblich erschwert, dass die aus China zu uns bestimmten Schiffe vorher mehrere ausser- europäische Häfen Singapore, Ceylon, Aden, Suez, Port Said anlaufen und dort gesundheitspolizeilich krontrolirt werden, ehe sie in europäische Gewässer gelangen. Was aber die Gefahr der Einschleppung von Pestkeimen durch Handelsgüter anlangt, so war derselben in den letzten 3 Jahren überhaupt keine Schranke gezogen. Die deutschen Dampferlinien nach China betreiben fast ausschliesslich directen Frachtverkehr, die Güter bleiben während der ganzen Reise unberührt im Laderaum des Schiffes, bis sie in Hamburg oder Bremen gelöscht werden. Aehnlich ver- hält es sich mit den directen Linien der übrigen euro- päischen Länder. Die Einfuhr aus China nach Europa ist zwar nicht so beträchtlich, wie die Einfuhr aus Ostindien, indessen kommen auch aus China sehr grosse Mengen von solchen Waaren, die vor der Dresdener Convention im all- gemeinen als giftfangend und seuchengefährlich galten, wie Hänte, Borsten, Federn u. dergl.

Digitized by Google

93

Im September v. J. ist nun diu Pest in Bombay aus- gebrochen und wüthet dort seitdem ungemindert in heftigster Weise. Von Bombay aus hat die Seuche aucli Kurrae hec und Puna erfasst und viele Orte im Innern des Punjab und des westlichen Innern überhaupt ergriffen. Vereinzelte Fülle haben sich schon in Bassora und einigen anderen persischen, sowie in den beludschistanischen Häfen gezeigt. Auch auf einigen nach Mekka bestimmten Pilgersehiffen sollen Pest- falle vorgekommen sein und neuerdings werden von Singa- pore verdächtige Erkrankungen gemeldet.

Angesichts dieser grösseren Ausbreitung und Nähe der Seuche haben die Regierungen aller Länder Europas mit Ausnahme von England einschneidendere Verkchrs- hcschränkungen und schärfere Abwehrmassregeln für ange- zeigt gehalten als der chinesischen Pest gegenüber. Man verliess dabei die bei der Bekämpfung der Cholera ge- wonnenen und durch internationale Vereinbarungen fest- gclegten Grundsätze und griff auf die rigorosen Massnahmen des älteren Absperrungs- und Quarantainesy Sterns zurück. Diesem Vorgehen stimmt auch die Presse und die öffentliche Meinung fast durchweg zu. Namentlich in Südeuropa hat die Gemüther Erregung und Furcht ergriffen. Die Behörden wurden dort zu geradezu mittelalterlichen Massnahmen ge- drängt. ln den französischen Häfen wurde die Einfuhr von Waaren jeglicher Art aus den pestverseuehten Häfen Indiens kurzweg verboten. Auch die aus Pestgegenden kommenden gesunden Reisenden dürfen nicht in den fran- zösischen Mittelmeerhäfen, sondern nur in Pouillac, St. Na- zaire, Havre und Dünkirchen landen und haben sich dort noch einer ärztlichen Beobachtung von 4 resp. 8 Tagen zu unterziehen, ehe sie Weiterreisen durften. In Marseille wurden mehrere englische aus Bombay ankommende Schiffe einfach aus dem Hafen verwiesen, sie mussten die Rhede verlassen. Auch in Sicilien ist den aus Indien kommenden Schiffen «las Anlaufen sicilianiseher Häfen verboten worden und in Malta hat man solche Schiffe mit Kanonen aus dem Hafen getrieben. Auf dem Festland von Italien begnügt man sich vorläufig mit geringen Verschärfungen des allgemeinen Con- trolverfahrens und umfassenden Einfuhrverboten. Deutsch- land hat zwar das rigorose Vorgehen Frankreichs, das

Digitized by Google

94

namentlich in Marseille schon ernste Folgen, Darniederliegen des Handels, Ausbleiben der Rohstoffe für wichtige Industrien und in Folge dessen Arbeitslosigkeit und Nothstand nach sich gezogen hat und schon jetzt dort bitter bereut wird, nicht nachgeahmt, aber man ist doch auch bei uns über die bei der Cholerabekämpfung berührten Grundsätze hinaus und zu sehr einschneidenden Massnahmen übergegangen. Von den im Februar erlassenen Einfuhrverboten werden nicht blos solche Waaren betroffen, welche erfahrungmässig den Keim der Post verbreiten können und ihrer ganzen Art nach der Beschmutzung durch menschliche Abfallstoffe und durch Kranke besonders ausgesetzt sind Leibwäsche, ge- tragene Kleider, Bettzeug, Teppiche, Menschenhaarc, Federn und Lumpen ; es sind auch allerhand thierischc Stoffe, wie ungegerbte Häute, Borsten, Klauen, verboten. Und was die gesundheitspolizeiliche Kontrole der Seeschiffe anlangt, so sollen auch auf den „reinen“ Schiffen in jedem Fall das Bilschwasser, der Wasserballast, desinfieirt und das an Bord befindliche Trinkwasscr nach erfolgter Desinfcction aus- gepumpt und durch unverdächtiges Wasser ersetzt werden. Ferner soll das Gepäck der Reisenden und der Schiffsmann- schaften, welche in einem verdächtigen Hafen an Bord ge- nommen sind, desinfieirt werden. In dem bisher mass- gebenden Rundschreiben des Reichskanzlers vom 2. April 1895 war dagegen bestimmt, dass die Schiffe, welche an Bord keine Pestfälle gehabt haben, nachdem das ärztlich festgestellt ist, zum freien Verkehr zugelassen werden dürfen.

Sind auf einem Schiff während der Reise Pestfälle vor- gekommen oder hat es noch Pestkranke an Bord, so gilt das Schiff nach unsern neuen Bestimmungen in jedem Fall als „verseucht“, einerlei ob nach dem letzten Pestfall an Bord Tage, Wochen oder Monate verstrichen sind. Auf den Schiffen, welche noch Kranke an Bord haben, sind die- selben natürlich auszuschiften und zu isoliren; auch die ge- sunden Personen an Bord eines solchen Schiffes sollen bis zu 11 Tagen auf ihren Gesundheitszustand beobachtet werden. Auch auf den Schiffen, welche vor der Abfahrt aus dem verseuchten Hafen oder während der Reise, oder vielleicht schon viele Wochen vor der Ankunft einen Pest-

Digitized by Google

95

lall au Bord gehabt haben, sind alle Wohn raume uud Gegen- stände des täglichen Gebrauches, einschliesslich der Kleider und des Gepäckes der Reisenden und Mannschaften, zu desinficiren.

Es soll selbstverständlich hier nicht bestritten werden, d.iss die Gelegenheit zur Einschleppung der Pest nicht blos durch ihre grössere Nähe, sondern auch durch ihre grössere Ausbreitung vermehrt ist. Kamen für die deutschen Häfen bisher nur drei ostasiatische Dampferlinien, die des Bremer Lloyds, die Kingsinlinie und die Rickmcrslinie in Betracht, welche den directen Personen- und Frachtverkehr mit China vermitteln, so treten jetzt die ostindischen Linien, ferner einige englische Dampfer und eine Anzahl von Segelschiffen hinzu, welche zwischen Deutschland und Bombay, Kurraschee und Kalkutta verkehren. Die oft als erschwerend für die Pestgefahr hervorgehobene Reiseverkürzung von Bombay, gegenüber den aus Hongkong kommenden Schiffen ver- mindert sich dadurch bedeutend, dass die meisten .Schiffe nach Hongkong Postdampfer bedeutend schneller sind, als die im indischen Verkehr fahrenden deutschen Fracht- dampfer.

Auf der anderen Seite aber darf nicht vergessen werden, dass fast sämmtliche in Betracht kommende Dampfer indische resp. chinesische Mannschaften als Heizer verwenden. Die Anmusterung und Auswechselung dieser Leute geschieht in indischen oder chinesischen Häfen. Dass einmal ein solcher frisch angeworbener, farbiger Feuermann noch vor der Abfahrt oder wenige Tage nach dem Verlassen des verseuchten Hafens, an Bord an Pest erkrankt, erscheint durchaus nicht unwahrscheinlich. Sind doch sogar in London drei indische Seeleute der Seuche zum Opfer gefallen, welche während der Reise ganz gesund waren und erst in London erkrankten, wie man annimmt, durch Kleidungsstücke, die sie ihrem während der Reise verschlossenen Reisegepäck entnahmen und in London als Ausgehstaat anlegten und die vielleicht in einem Trödlcrladen in Bombay gekauft waren und von Pestkranken stammten. Man wird deshalb die Bestimmung, dass das Reisegepäck der in Indien an Bord genommenen Leute desinficirt werden soll, für wohl begründet erklären

Digitized by Google

96

müssen. War es aber nötliig, dass in allen Füllen aucli auf den „reinen“ Schiffen das Trink wasser an Bord, auch wenn es während der ganzen Reise von den Schiffs- insassen ohne Schaden genossen, und in der Regel mehrfach in pestfreien Häfen erneuert worden war, desinficirt und durch neues ersetzt werden muss? Wir wissen zwar nur sehr wenig über die Verbreitungswege der Pest, aber das Trinkwasser scheint doch dabei nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. In Kanton ist gerade die auf dem Wasser lebende Bootsbevölkerung, die das furchtbar verunreinigte Flusswasser trinkt, im Gegensatz zu der übrigen Einwohner- schaft von der Pest in auffallender Weise verschont geblieben. Der Cholera gegenüber, die doch durch infieirtes Wasser besonders häufig und reichlich verbreitet wird, hat man sich darauf beschränkt, die Desinfection des Trinkwassers uur für den Fall vorzuschreiben, dass die an Bord während der Reise vorgekommenen Krankheitsfälle mit Wahrscheinlichkeit auf den Genuss dieses Wassers zurückzufüliren sind. Sollte eine solche Bestimmung nicht auch für die Pest genügend erscheinen V Ebensowenig war es vielleicht nötliig, in allen Fällen die Desinfection des Bilschwassers zu fordern. Indessen erfordern diese Massnahmen, vorausgesetzt, dass man das nöthige, nicht unbeträchtliche Aufgebot von Leuten und Material zur Ver- fügung hat, verhältnissmässig wenig Zeit und Umstände. Setzen wir nun aber einmal den Fall, dass einer der grossen, prächtigen Lloyddampfer in Hongkong einen chinesischen Heizer wegen Pestverdachts ausgcschifft oder in den ersten Reisetagen nach der Abfahrt aus diesem Hafen verloren hat, so sollen, einerlei was Kapitän und Schiffsarzt schon während der Reise zum eigenen Schutz und aus eigenem Antrieb desin- ficirt haben, und einerlei, was in den angelaufenen Zwischen- häfen mit dem Schiff geschehen ist, auch dann, wenn in den ca. 6 Wochen, die die Heimreise erfordert, kein weiterer Pestfall an Bord vorgekommen ist, alle Wohnräumo an Bord desinficirt werden. Also auch die von den Heizern nie betretenen Salons und die inzwischen wochenlang ohne Schaden bewohnten Offiziers- und Passagierkammern. Das erscheint mir überflüssig; man hätte in solchen Fällen dem Ermessen des kontrolirenden Arztes einigen Spielraum bezüglich der Ausdehnung der Desinfection lassen sollen.

Digitized by Google

97

„Mit allein Nachdruck ist dahin zu wirken, dass eine „Verschleppung der Seuche durch an Bord befindliche Ratten „und Miiuse verhindert wird.“ Leider sind über die Art und Weise, wie das gemacht werden soll, keine bestimmten Vorschriften gegeben. Die Vertilgung von Ratten und Mäusen an Bord gehört zu den bisher noch ungelösten Aufgaben.

Zur Ausführung dieser neuen Vorschriften im hamburgi- sclien Seeverkehr sind unter Aufwendung beträchtlicher Geld- mittel die Einrichtungen zur Schiffsdesinfeetion in Cuxhaven schleunigst beträchtlich vergrössert worden.

Dem dort stationierten Hülfsarzt des Hafenarztes sind ein Oberdesinfeetor, drei Desinfcctoren und drei ausgebildete Ilülfsdesinfectoren beigegeben worden. Bisher wurden ca. 12 Schiffe nach dem neuen Verfahren behandelt. Die Unter- suchung und Desinfection (Bilseh, Wasser, Reisegepäck) hat jedesmal ca. 4 Stunden Zeit erfordert, so dass den „reinen“ Schiffen in Cuxhaven unter Einrechnung der für das Vor- holen in uns aus dem Hafen nöthigen Zeit nur ein Verlust von ca. G 8 »Stunden erwächst. Für „verseuchte“ »Schiffe ist das Quarantaine - Lazareth in Cuxhaven soweit mobil gemacht, dass dort ungefähr 12 Kranke und 40—50 gesunde Personen Aufnahme finden können. Das Lazareth hat, ebenso wie die Bchiffsdesinfectionsbaracke, einen grossen Dampf- desinfectionsapparat, ferner einen zu bacteriologiscben Unter- suchungen eingerichteten Raum und eine Sectionshallc.

Abgesehen von einigen Härten, die vermeidbar waren, ist somit die gesundheitspolizeiliehe Kontrole der aus pest- verseuchten Häfen kommenden »Schiffe in Deutschland immer noch in erträglichen Grenzen gehalten. Für unnäthig weit getrieben möchten wir dagegen die hier erlassenen Einfuhrverbote halten. Weder von den letzten 3 Jahren, noch auch von den früheren Restepidemien her sind Fälle von nachweislicher Verschleppung der Pest durch llandels- waaren bekannt. Hierfür haben wir als Gewährsmann die Autorität von Griesinger, dessen Beschreibung der Pest noch jetzt als klassisch gelten kann und dessen sorgfältige Beob- achtungen und Anschauungen über die Verbreitungswege der einzelnen »Seuchen, was die Cholera anlangt, durch ] die moderne, actiologisehc Forschung durchaus bestätigt worden sind. Gegenüber den Einfuhrverboten anderer Länder, nament-

Digitized by Google

98

lieh Frankreich, scheinen ja die deutschen Einfuhrverbote uner- heblich ; es findet sich aber unter den für pestverdächtig erklärten Waarcn ein Handelsartikel, der von keinem anderen Lande her in so grossen Mengen, wie von Ostindien zu uns gebracht wird. Das Ausbleiben der ostindischen Häute, welche überdies zum grössten Theil aus dem Hinterlande von Kalkutta stammen, wird sieh nicht blos bei den Importeuren, sondern in jeder Gerberei, und bei jedem Schuhmacher auf das unangenehmste fühlbar machen. Wir vermögen nicht einzusehen, dass bei dieser Waare mehr als eine blosse Möglichkeit der Ein- schleppung vorliegt und dass diese Möglichkeit grösser sei als bei anderen llandelswaaren. Sichere Beobachtungen darüber, dass etwa Kinder und Büffel spontan an der Mcnschenpcst erkranken, sind nicht vorhanden. Es wird zwar von massenhaftem Sterben der Ratten, aber nirgends vom Erliegen von Wiederkäuern berichtet. Die Bereitungs- weisc dieser Häute macht es ferner im höchsten Grade wahr- scheinlich, dass Pestkeime, die etwa daran sitzen, vielleicht beim Sehlachten durch pestkranke Arbeiter übertragen sind, nbgetödtet werden. Die Häute werden an der indischen Sonne langsam getrocknet und dann züm Schutz gegen In- sccten und Ungeziefer mit einer arscnikhaltigen Flüssigkeit oder anderen Chemikalien bepinselt. Sie kommen bretthart und trocken, ohne jede Spur von Fäulnissgeruch hier an. Mit viel mehr Grund als wie diese Häute hätte man die Einfuhr von Getreide verbieten können, das immer mit Ratten- und Mäuscunrath massenhaft verunreinigt ist. Dasselbe gilt von Reis und Reisabfällen. Und ebenso wie Wolle dürfte auch die Baumwolle zu behandeln sein.

Es liegt mir nun nichts ferner, als etwa für ein Verbot der Einfuhr auch dieser Waarcn einzutreten. Es sollte nur gezeigt werden, dass die einmal gezogene Grenze ziemlich willkürlich gewählt ist. Wir meinen, dass man, sobald über- haupt mit der blossen Möglichkeit der Einschleppung der Pest durch llandelswaaren gerechnet werden und dieser Weg abgeschnitten werden soll, folgerichtiger Weise nicht bloss Häute, Wolle und Klauen, sondern so ziemlich alle Waarcn, welche ihrer Beschaffenheit oder ihrer Menge wegen nicht desinficirt werden können, verbieten müsste. Ebenso gut wie Häute intieirt werden können, ist dies auch bei

Digitized by Google

99

Elephnntcnzähnen, Baumwolle und allen anderen Dingen denkbar. In den Speichern von Bombay lagern alle diese Waaren nebeneinander und werden von denselben Menschen, Ratten und Mäusen besucht. Und ob sich der Pestbacillus besser auf trockenen Häuten als im Getreide, in der Baum- wolle oder auf indischen Industrie- und Kunstgegenständen halten soll, darüber besitzen wir absolut keine Kenntnisse. An Bord liegen ebenfalls verdächtige und unverdächtige Waaren neben- und übereinander. Die verbotenen Waaren müssen beim Löschen, um an die übrige Ladung gelangen zu können, angefasst, bei Seite gebracht, hin- und hergetrimmt werden. In Hamburg werden zwar die bei solcher Arbeit beschäftigten Leute jetzt am Feierabend desinticirt. Da man aber annimmt, dass der Pestkeim durch kleine Wunden und Sehrunden, sowie durch die Athmungsorganc oinwandern kann, so wird eine nachträgliche Desinfcction, wenn solches Unglück einmal geschehen ist, nichts mehr gut machen können.

Einzelne Einschleppungen können durch keine noch so rigorosen Absperrungen und Einfuhrverbote abgehalten werden. Das hat die Geschichte aller Epidemien gelehrt und wir werden auch bei der jetzigen Pestgefahr damit zu rechnen haben, dass nicht nur in den Hafenstädten, sondern auch im Innern plötzlich einmal ein Pestfall entdeckt wird. Wir dürfen ja auch Schiffe mit Pestkranken an Bord nicht zurück - weisen. Die Gewähr, dass aus solchen Einzelteilen keine grösseren Heerde sich entwickeln, liegt neben günstigen, allgemeinen, sanitairen Verhältnissen darin, dass die ersten Fälle eben rechtzeitig entdeckt werden. Einfuhrverbote können solchen Einzelfällen nicht Vorbeugen, sie können nur den Zweck haben, die massenhafte Einschleppung von Seuchenkeimen zu hindern. Hierfür konnte man sich auf diejenigen Dinge beschränken, von denen es bekannt ist, dass der Ansteckungsstoff der Pest sich darin längere Zeit conscrvirt und die zugleich die nahe Gefahr der Beschmutzung durch Abfallstoffe von Kranken bieten. Das sind getragene Kleider, Wäsche, Bettzeug, Teppiche, Menschen haare, Hadern und Lumpen. *-•

Wenn man darüber hinausgeht, werden' die Grenzen schliesslich ganz willkürlich irgendwo gezogen und ohne Jfotti

Digitized by Google

100

weite Kreise des Handels, der Industrie und des Handwerks anderen und dem Auslande gegenüber geschädigt.

Ueber die Beschlüsse der jetzt tagenden, internationalen Sanitätsconferenz zu Venedig ist noch nichts Sicheres bekannt. Zeitungsnachrichten zufolge sollen die über Einfuhrverbote getroffenen Vereinbarungen ungefähr den jetzt bei uns erlassenen Bestimmungen entsprechen und sich somit auch auf die ostindisehen Iliiute erstrecken.

Wir dürfen aber wohl hoffen, dass die nach Bombay zum Studium der Pest entsandten Kommissionen, namentlich die Autorität Robert Koch’s,dcm Grundsatz wieder Anerkennung verschaffen werden, dass auch der Pest gegenüber weder Einfuhrverbote noch das Unterbinden des Verkehrs überhaupt zuverlässige und wirksame Kampfmittel sind und dass der zweifelhafte Nutzen solcher Massrcgcln in keinem Verhältnis» steht zu den dadurch erzeugten wirtschaftlichen Schädigungen.

Die Ueberwachuug des überseeischen Handels und des Seeverkehrs ist eine Aufgabe, welche auch ohne übertriebene Belästigungen verhältnissmässig sicher gelöst werden kann. Bedrohlicher für Europa wird die Pestgefahr, wenn die Seuche, wie cs fast den Anschein hat, den Landweg nehmen und etwa in Beludschistan, Persien, Mesopotamien, im türkischen Orient und den mohamedanischcn Pilgerstätten festen Euss fassen sollte. Hier eine wirksame Seuchenbekämpfung zu sehaffeu, den Pilgerverkehr zu beschränken und zu über- wachen und die dazu dienlichen Einrichtungen endlich einmal zuverlässiger zu gestalten, als es bisher internationale Ver- einbarungen vermocht haben, darin besteht die wichtigste, aber überaus schwierig zu lösende Aufgabe internationaler Conferenz.cn.

Nachtr a g.

Erfreulicherweise hat der Reichskanzler neuerdings das Verbot der Einfuhr von Häuten aus Ostasien soweit ermässigt, dass bis auf weiteres von dort wenigstens aus denjenigen IhifcA- Häute und Felle (Kipse) eingeführt werden dürfen, welch« von der Pest noch nicht befallen sind (Kalkutta), vora-usgesetzt; dass die Waare am Hafcnplatz selbst oder seiner ' näcltsttsl; -Umgebung für den Schiffstransport her-

3

Digitized by Google

101

gerichtet und zu Ballen gepresst worden ist und ausserdem die Sendung in völlig lufttrockenem Zustande hier ankommt.

Der Nachweis, dass die Bearbeitung für den Transport im Abgangshafen stattgefunden hat und dass dieser Platz zur Zeit der Abfahrt des Schiffes von der Pest noch verschont geblieben, muss durch Consulutsat teste oder sonst glaubhaft erbracht werden.

Nicht einbegriffen in diese Vergünstigung sind die Sendungen, welche aus Bombay, Kurraehee, Hongkong, Kanton, Swatau, Amoy, Makao und der Insel Formosa stammen.

Damit ist man wenigstens in Deutschland zu dem auf der Dresdener Conferenz für die Abwehr der Cholera ver- einbarten Grundsätze wenn auch nur bezüglich der Einfuhrverbote zurückgekehrt, beim Ausbruch einer # Epidemie in irgend einem Orte oder Bezirk die Abwehr innssregeln auf die Ilerkünfte aus den ergriffenen Orten oder Bezirken zu beschränken und nicht gleich das ganze Reich, zu dem der befallene Platz gehört, für verseucht anzusehen.

N o c h t (Hamburg).

Impaludismus, Bakteriologie und Rassenresistenz.*)

Von Dr. Below (Berlin).

Fragen wir uns nach genauer Controlle der inter nationalen hygienischen Congresse und der tropenhygienischen Verhandlungen auf den Naturforscherversammlungen des letzten Jahrzehnts: welches sind unsere Erfolge den Tropen- seuchen gegenüber? so müssen wir, wenn wir ehrlich gegen uns selber sein wollen, uns eingestehen: wir sind wenig vorwärts gekommen, wenigstens sind wir den beiden grossen Hauptgruppen der Tropenfieber gegenüber (Malaria - gruppe und Gelbfiebergruppe) nicht so glücklich gewesen, wie die Prophylaxe den nordischen Seuchen gegenüber ge- wesen ist.

*) Mit don nachstehenden Ausführungen sind wir in den moisten l’uncten nicht einverstanden, glauben aber denselben die Aufnahme nicht versagen zu dürfen, da das Hauptziel derselben, die gemeinschaft- liche Forschung aller colonisierenden Nation ein höchst erstrebens- werthes ist. P. Red.

Digitized by Google

102

Wir sehen zwar ein emsiges Streben auf allen Punkten des weiten Arbeitsfeldes der Engländer, Holländer und Deutschen einerseits (der bakteriologischen Richtung) und der Franzosen, Spanier, Portugiesen andererseits (der Lo- calisten oder Paludisten). Wir sehen, dass die Bodentheorie mehr bei den romanischen, die bakteriologische mehr bei den angelsächsischen und deutschen Forschern geübt und verbreitet wird, dass aber wirkliche Erfolge zur Ermittlung der Entstehungsursache und Bekämpfung der Malaria, des Gelbfiebers und ihrer Ab- und Unter-Arten weder mit Mi- kroscop noch mit Chinin, weder mit Drainage und Boden- verbesserung noch mit Immunisirungs-Einspritzungen erzielt werden !

Wiewohl man die Bereicherung der Kenntnisse, die durch die Versuche in beiden Lagern erzielt wird, durchaus nicht verkennen darf, haben weder Prophylaxe noch Therapie den beiden grossen Gruppen der Tropenfieber gegenüber Erfolge aufzuweisen, auf die man stolz sein dürfte.

Lassen wir einmal Alles, was Stückwerk ist, in der Behandlung der Tropenfieber bei Seite, hören wir auf, von Heilerfolgen, von Heilmethoden zu sprechen, wo wir doch höchstens mit Ausnahme der ganz empirischen Chininan- wendung und der Derivantien, Diaphoretica, Purgantien etc. auf das Temporisiren angewiesen sind, und stellen wir da- nach zusammen, wie viel von sicheren Anhaltspunkten für unser concretes Wissen und Handeln übrig bleibt, so ist das herzlich wenig.

So wenig, dass wir endlich einmal den Schleier der Gelehrtthuerei, der sich immer mehr anstauenden neuen Nomenclatur und der Phraseologie sinken lassen und Tabula rasa machen sollten wie ein ehrlicher Kaufmann, der „realisirt“, der Activa und Passiva sondert, um sich lieber seinen Bankerott selbst einzugestehen, als weiter in der Selbsttäuschung fortzufahren.

Es lässt sich, um ehrlich zu sprechen, Alles was wir w i r k 1 i c h wissen, auf einer knappen Druckseite tabella- risch übersichtlich zusammenzustellen.

Denn wie die jüngsten Verhandlungen der tropen- hygienischen Sektion auf der Naturforscherversannnlung in Frankfurt a. M. gezeigt haben, sind die Plasmodien-

Digitized by Google

103

forschungen bei der Malaria noch nicht soweit gedielten, um deutlich zu zeigen, oh diese Halbmondformen und diese kometenartig vorschiessenden, schwärmenden, sporulisirenden, sich in die Blntkörper eindrängenden Wesen acciden- telle oder essentielle Begleiter der verschiedenen Ma- leriaformen sind, wie weit sie zu den Rassen und wie weit sie zu den Bodenbesekaffenheiten Affinitäten besitzen, wie weit sie sich bei pigmentirten und bei unpigmentirten, bei acclimatisirten und bei unacclimatisirten Generationen mit Vorliebe finden. Wir wissen nicht, ob sie die Erreger der Malaria wirklich sind, ob in anderen Zonen andere Formen derselben Art auftreten. Wir wissen nicht, warum die Marchiafava- und Cellischen Formen z. B. in Sumatra nicht gesehen werden wie in Italien bei denselben Fieberformen. Wir wissen nicht, warum die Zahl oder Form dieser räthsel haften protensartigen Amoeben durchaus nicht gebunden ist an die verschiedenen Fieberepochen. Zur Zeit des Anfalls sind sie nicht vermehrt vorhanden.

Wir müssen den Impaludisten ebenso dankbar sein für ihre aufs Gerathewohl hin unternommenen Boden Verbesse- rungen durch Canal isationen, Eucalyptus- Anpflanzungen etc. wie wir den Bakterioskopikern dankbar sein müssen für die Entdeckung der Plasmodien, aber ebensowenig wie durch diese sind wir durch jene dem Grund und Wesen der Sache näher getreten. Es sind alles tastende Versuche ohne ein- heitlichen leitenden Gedanken und deshalb ohne durch- schlagenden Erfolg.

So wie man im bürgerlichen Leben zu sagen pflegt: Reinlichkeit, Gottesfurcht und Ordnung sind zu allen guten Dingen nütze, könnte man auch sagen : Bakterioskopiren, fleissiges Spritzen und Drainiren sind als Zeichen von Fleiss und Reinlichkeit auf hygienischem Gebiete zu allen guten Dingen immer etwas Nütze, aber damit fehlt noch immer die Direction des Ganzen. Es gelang einmal deutscher Schneidigkeit, Nüchternheit und Mannszucht, den schwarzen Continent zu durchqueren ohne schwerere Fieber zu acqui- riren, dafür können aber mehrere der nächsten Ex- peditionen desto unglücklicher verlaufen.

Wir fangen aber gerade an, uns spielend mit den Elements cognitionis zu befreunden, wir stellen uns da aus

Digitized by Google

104

den Bruchtheilcn eines grossen Zukunftswerkes probirend und tastend etwas zusammen, wie Kinder, die mit den Stangen, Rädern und Schrauben einer auseinander genom- menen Maschine spielen ; um aber die Maschine zur geord- neten Wirkung zu bringen, dazu gehört es, dass sie zu- sammengefügt wird, eine Arbeit, die auf diesem Gebiete nicht möglich ist ohne internationale Zusammenarbeit unter centraler Leitung. Die Impaludisten pflanzen, drainiren und graben, die Bakterioskopiker spritzen und mikroskopiren fleissig, aber an Malaria und Gelbfieber und ihren Unter- arten erkranken, wenn die böse Zeit kommt, gerade soviel wie je zuvor. Wir beschäftigen uns mit dem Schädling einerseits und mit der Bodenfrage andrerseits, aber es scheint, es muss einen dritten Faktor geben, den wir con- sequent vernachlässigen, denn wir sind dem Wesen der Sache nicht näher getreten.

Wir wissen nun, wenn wir Alles zusammenfassen : es giebt eine Unmenge von Formen und Unterarten : Intermittens, Remmittens, Perniciosa einerseits, biliöses hämorrhagisches Fieber nach B<5rcngcr, Melanurie und Gelbfieber andrerseits, jedes davon wieder mit so und soviel leichteren und schwereren Formen, die Nomenclatur schwillt bis in’s Un- gemessene an. Die Dift’erentialdiagnosen werden immer sub- tiler, und dabei kommt es im Golf von Mexico vor, dass eine neue Epidemie alle früheren schönen differential diagnostischen Schemata, die bei der vorigen Epidemie sti - pulirt worden waren, plötzlich über den Haufen wirft, so dass man froh ist, sich bei der Vereinfachung der Fieber- eintheilung begnügen zu dürfen und es vermeidet, von Epidemie zu Epidemie neue Unterarteneinthcilungen zu fa- briciren denn was nützen Nomcncluturen und Worte, wo die Begriffe für das verborgene Wesen der Sache fehlen ?

Unterdessen arbeitet Jeder auf eigene Faust ruhig weiter und wenn die Bakteriologen Recht behalten, so blüht der Menschheit das Glück, dass für jede der 6 Hauptfieber- arten ein neues Spritzmittel zur Immunisirung entdeckt wird und behalten die Bodenhygieniker Recht, so beschränken wir uns vorzüglich auf Drainage und Anpflanzungen und Auswahl des „assimilirenden“ Bodens, dem wir den Vorzug

Digitized by Google

105

vor dem „eliminirenden“ (Gifte ausstrümenden) *) Boden geben und vergessen bei all den schönen Sachen : die Rassenresistenz, vergessen, dass chinesische Kulis du prächtig gedeihen, wo indische Kulis untergehen, dass Pig- raentirte dort gut leben können, wo Weisse sterben, der Bodentheorie zum Trotz, weil gewisse Pigmentirte und durch Generationen Acclimatisirte den schädlichen Bodenaus- strömungen gegenüber gefeit sind.

Wir wissen, dass, wo die Milz geschwollen ist und die bekannte Fiebercurve sich im charakteristischen intermit- tirenden Malaria-Typus zeigt, dass da tapfer Chinin gegeben werden muss und wo die andere Categorie mit Gelbsucht und Blutabgängen ohne Milzschwellung und intermittirende Curve auftritt, dass da das Chinin nichts nutzt, sondern schadet und im Uebrigen forscht Jeder auf eigene Faust weiter in den eng begrenzten Terrains der Colonien zwischen Weissen, Schwarzen und Gelben ohne Rücksicht auf Natio- nales und Statistik, denn das giebt es dort gewöhnlich nicht in deD ungeordneten politischen und socialen Verhältnissen.

So wie wir aber die Masse von Tropenfieberabarten und Unterarten von einem etwas erhöhten Standpunkte be- trachten, der bis jetzt von Iinpaludisten wie von Bakterio- logen trotz meiner zehnjährigen Mahnungen vernachlässigt wurde, vereinfacht sich vor unsern Augen das wüste Durch- einander der Menge von Tropenfiebernamen, es wird über- sichtlich und wir gewinnen eine neue klarere Einsicht in den bisher räthselhaften Vorgang, der sich da auf beiden Seiten vor uns abspielte, auf Seiten der Gelbfiebergruppe wie auf Seiten der Malariagruppe.

Bisher waren wir gewohnt, die Tropenfieber wie alle Krankheiten als Störungen des Wohlbefindens anzusehen, die entweder durch Bodenunreinigkeiten oder durch Bacterien oder durch Plasmodien in den Körper gedrungen seien und man nahm die Seuchen als ein Geschick hin, gegen das nichts weiter zu machen sei als Chinin geben, Drainiren etc.

Seit wir aber durch das von mir im Jahre 1894 auf- gestellte Gesetz der Artenbildung durch Zonenwechsel auf

*) siehe Dr. Manuel Ferreira Kibeico, Chefe di Servicio de Sande „Saneamento di Cidade di S. Thonie“, Lisboa 1896

Archiv f. Schiffs* u. Tropenbyjlene. 3

Digitized by Google

das Zusammenwirken der drei Faktoren: Localitiit, Bacillen und Resistenz von Individuum und Rasse aufmerk- sam gemacht sind auf diesen letzten dritten Faktor fitr Ent- stehung der Seuche, wissen wir (!? D. Red.), dass „Krank- heit“ ein Theil des ,, Ra ssenum Wandlungs-Prozesses“ ist, ein natürlicher nothwendiger Vorgang im Laufe der Entwick- lung der Organismen auf der Oberfläche des bewohnten Planeten.

Wir wissen, dass die Erddrehung nicht nur die Luft- schichten regenerirt (Passatwinde), sondern auch die Orga- nismen fortwährend mit verschiedenen Keimen in neue Be- rührung bringt, dass Pflanze, Thier und Mensch durch die Neigung zu Wanderzügen von den kalten zu den heissen Zonen und umgekehrt einem steten Umwandlungsprocess durch Berührung mit fremden Keimen unterworfen sind, und die Völkerwanderungen mit ihren bald darauf folgenden Epidemien und Seuchen bestätigen, dass alle Krankheiten mehr oder weniger nur Rassenumwandlungsprocesse, Störungen derselben, gesteigerte, gestörte, überstürzte Acclimatisationsvorgänge sind, die Thier, Pflanze und Mensch beim Zonenwechsel behufs neuer Artenbildting durchzumachen haben. Beiläufig be- merkt ist dies die einzige uns übrigbleibende Ausfüllung der grossen Lücke im Darwinismus, der für die Tausende von verloren gegangenen Arten und Uebergängen unendliche Zeiträume bisher supponiren musste. Jetzt wissen wir, dass in den Tropen tagtäglich vor unsern Augen der Rassenumwand- lungsprocess vor sich geht, wo wir Portugiesen den X oger- typus annehmen sehen u. a. m. Des Näheren muss hier ver- wiesen werden auf meine bei Jäger in Frankfurt a. M. er- schienene Abhandlung: Artenbildung durch Zonenwechsel

' Dr. E. Bclow 1 894).

Dieser bisher vernachlässigte dritte Faktor im Tropen- seuehcnentstchungsgesetz, das ich unter der Formel x L >, =, ^ r R zusammenfasste *), ist der Schlüssel für eine verein- fachte Eintheilung und Uebersicht der Tropenfieber und für ein gründlicheres, methodischeres Vorgehen zur Assanirung des Tropengürtels von dieser Plage, die der weissen Russe

*) * -= Bacillen, L = Localitiit. r Resistenz des Individuums und R = Resistenz der Rasse.

Digitized by Google

107

die Ausbreitung über den Aequatorialgürtel streitig machen will.

So wie wir ausser dem Impaludismus der Romanen und dem bacillären Schädling der nordischen Forscher den Rassen widerstand bei der Tropenseuchenentstehungs- frage berücksichtigen, drängt sich jedem Arzt, der unter Mischrassen, wie in Centralamerika und Südamerika lange gelebt hat, bei Vergleich der Malariagruppe mit der Gelb- fiebergruppe das Gleichartige dieses gestörten oder über- stürzten Acclimatisationsprocesses, dieses Rassenumwaud- lungsprocesses auf beiden Seiten auf : in beiden Fällen, bei der Malariagruppe wie bei der Gelbfiebergruppe handelt es sich um Störungen, dort in der Milz, hier in der Leber, die in beiden Fällen mit Zerstörung von Lymph- und Blut- körperchen enden, die zu Pigmentablagerungen führen, so dass endlich das Individuum nach Ueberstehen des Processes sich dem Typus des Acclimitisirten nähert allerdings auf Kosten seines Kräftematerials. Das vom Tropenfieber auf die eine oder die andere Weise befallene Individuum hat an sich selbst das durchgemacht, was sonst langsam in mehreren Generationen mit oder ohne Mischungen beim Uebergang vom helleren in den dunkleren Typus durch- gemacht wird.

Betrachten wir von diesem Gesichtspunkte aus die vielen, in sechs Hauptklassen bis jetzt geschiedenen Tropen- fieber (Intermittens, Remittens, Perniciosa, hämorrhagische Biliosa (Berenger), Melanurie, Gelbfieber), so muss auffallen, wie einfach Alles sich in die zwei grossen Hauptgruppen einigt, während wir bisher, verleitet durch die Sucht nach neuen Nomenclaturen ohne richtigen Begriff für das Wesen der Seuche, uns selbst den Ueberblick über diese Acclimatisationskrankheiten erschwerten.

Wir sehen in der Malaria- wie in der Gelbfieber-Gruppe Anomalien grosser Drüsenfunctionen und den Umwandlungs- und Zerstörungsproeess von Blutkörperchen.

Wir sehen diesen Typen- oder Rassenumwandlungs- Process in beiden Fällen enden mit dem Verlust von rothen Blutkörperchen und mit Pigmentablagerungen. Was dem Impaludisten, was dem Bacteriologen bisher bei all seinem

8*

Digitized by Google

10«

mühsamen aber einseitigen Forschen ein Räthsel blieb, wird ihm hier klar im Lichte des Rassennmwandluugsprocesses, im Lichte des Gesetzes der Artenbildung durch Zonen- wechsel :

Leichtere, mittlere, schwere Formen giebt es auf beiden Seiten, je nachdem der Fall ambulatorisch, oder schwerer oder gar unter flagranten Vergiftungsei-scheinungen verläuft (Perniciosa und Gelbfieber).

Die Tabelle, wie ich sic auf der Naturforscherversamm lang in Frankfurt und danach in No. 95 der Allgem. Medi- cinischen Centralzeitung veröffentlicht habe, giebt hiervon ein übersichtliches Bild :

Schema zur Rubricirung der zur Malariagruppe (A) und zur Gelbfiebergruppe (B) ge- hörenden sechs Unterarten: 1. Intcrmittens, 2. Remittens,

3. Perniciosa, 4. Biliosa (hämorrh., Berenger), 5. Melannrie und <5. epidemisches Gelbfieber.

Ilauptcharaktcristica :

A.

1. Milzscbwellung

2. Intermittens-Curve

3. Chininwirkung

4. es fehlt

5. es fehlen

li. alle Rassen ziemlich gleich empfänglich

Intermittcns, Remittens. Perniciosa.

B.

1. fehlt.

2. fehlt.

3. fehlt.

4. Icterus.

5. Blutabgänge.

fl. Immunität der Neger.

Biliosa, Melanurie, Gelb- fieber.

Hieraus ist leicht ersichtlich, dass Intermittens, Re- mittens, Perniciosa unter die Malariagruppe A gehört und Biliosa, Melanurie, Gelbfieber unter die Gruppe B der Gelb- fieber- und damit verwandten Krankheiten. Gelegentlich des Streites über Schwarzwasserfieber braucht hier kaum noch erwähnt zu werden, dass Melanurie unter die Gelb- fiebergruppe gehört und die leichtere, nicht epidemische und nicht ansteckende, aber chronische und endemische Form der Gelbfiebergruppc reprüsentirt.

Zur leichteren, meist ambulant behandelten Form ge- hört auf Seite der Malariagruppe Intermittens, auf Seite der

109

Gelbtiebcrgruppo Biliosa, wie sieh das in nachfolgender Tabelle übersichtlich zeigt:

A. Malaria-Gruppe. B. Gelbfiebergruppe.

ambulant: 1. Intermittens I. Febr. gastr. biliös,

schwerer: 2. Remittens II. Biliosa haeinorrhaga und

Melanurie.

pernieiös: 3. Perniciosa III. epidemisches Gelbfieber.

Aus diesem Beispiel der Vereinfachung der Tropen- ticbcr-Eintheilung ist ersichtlich, wie der erhöhte Stand- punkt vom Gesichtspunkte des Rassenumbilduugspro- cesses uns den Ueberbliek erleichtert. Die doetrinären Unterschiede und Nomcnclaturhäufungen schwinden zu Gunsten der Zweitheilung mit ambulanter, schwerer und pernieiöser Form der beiden Acclimatisationsprocesse. Impa- ludisten und Bacteriologen reichen sich auf dieser Höhe des Ueberblicks die Hand, indem sie die Krankheit als einen Rassenumbildungsprocess anerkennen und die Schädlinge als accidentell dabei auffassen.

Von diesem Gesichtspunkte aus wird es auch klar, warum sich an grössere Wanderzüge immer eine neue Souchen-Epoche anzuschlicssen pflegte: die an das neue

Klima nicht gewöhnten Organismen boten irgend welchen neuen ungewohnten Schädlingen und Krankheitskeimen einen locus minoris resistentiae ; so wissen wir aus der Scuchen- entstehungs- Geschichte, tauchte nach der Wanderung der Portugiesen nach Brasilien zuerst die Lepra auf, die auch im Anschluss an die jüdische Wanderungsepoche ins ge- lobte Land auftritt. Auch die Wanderungen der Kreuz- fahrer nach Palästina und der Conquistadoren nach der neuen Welt folgte die in Italien sieh massenhaft ausbreitende Syphilis und die erste Kunde vom Gelbfieber kam nach der Er- oberung von Mexico durch Cortez zu uns.

All’ fliese noch in tiefes Dunkel gehüllten Sachen können nur klargestellt werden, wenn wir diesem 3. Factor, der bisher zu sehr vernachlässigt wurde, in der mcdicinischen Forschung in Zukunft mehr Rechnung tragen durch möglichst reichliche Obduetions-Protoeolle von Schwarzen, Weissen, Gelben unter Berücksichtigung der Gcschlechtsregistcr. Besser als in Afrika lässt sich solches durchführen in den Anden - Ländern, wo nicht nur die 3 Zonen, kältere, heisserc und

Digitized by Google

110

gemässigte sich in Andenthftlern und Küstenstrichen eng aneinander schieben, sondern wo auch die Abkömmlinge der verschiedensten Rassen sich mit einander vermischen.

Die Losung heisst demnach hier für die Zukunft:

Das eine thun und das andere nicht lassen.

Ebenso wie jede Culturnalion heute, unbeschadet aller ihrer eignen und privaten nationalen Bestrebungen die hohe internationale Cultur-Mission des Altruismus*), die auf die Zukunft gerichtet ist, nicht ausser Acht lassen darf, so heisst es auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Forschung: un- beschadet aller weiterfortzuführenden localistischen und bak- terioskopischen Versuche, der Bodenverbesserung und Immunisirung gegen Seuchen doch dem grossen Zukunfts- problem des Rassenumwandlungsprocesses, als welcher sich die Tropenseuchen, wie gezeigt, darstellen, in internationalem centralgeleiteten Zusammenarbeiten jetzt schon Rechnung tragen.

Ich habe zu dem Zwecke eine internationale tropen- hygienische Centralstelle für die Forschung als Sanitäts- Departement neben Gesetzgebung und Verwaltung im Staate vorgeschlagen unter Vorantritt Deutschlands. Sie würde demnach zuerst in Berlin tagen. Die Besetzung könnte alle 4 Jahre auf den internationalen Sanitätseongressen wechseln. Ein Entwurf dafür liegt in grossen Zügen von mir aus- gearbeitet bei dem Altmeister deutscher Forschung, Geheim- rath Virchow, vor.

Anthropologisches und Anthropometrischcs ist von Seiten einer Preisaufgaben-Comraission in Berlin bei Er- mittelung der Tropenseuehen-Ursprüngc ebenso zu berück- sichtigen wie r.-issen- und zonen-vcrgleicliende Pathologie und Physiologie, die ich auf der Naturforscher-Versammlung in Frankfurt a. M. und auch schon 1894 in Wien vorschlug, wo dieser mein Antrag angenommen wurde. Er zielte darauf, die deutsche Reichsregierung möge, nachdem die Colonialgesellschaft 10 Jahre hindurch unter meiner Führung die Vorarbeiten der tropenhygienischen Fragebogen geliefert hat, sich der Sache iin Sinne meines Antrages annehmen.

*)W ie Weltpostverein, Welttelegraphen-, Welttcleplioiiverband etc.

Digitized by Google

111

Ich selbst wurde damit beauftragt, die weiteren Ver- handlungen in Berlin cinzuleiten (siehe Wiener Verhandlungen 1894 pag. 492).

Zum Zwecke einer centralgeleiteten, tropenhygienischen Forschung, wo die Frage der Rassenresisten/, ebenso zur Geltung käme wie die der Localisten und Impaludisten und die der Bacteriologen, müssten wir uns das statistische und polizeiliche Material aller colonisirenden Nationen zugänglich machen auf dem von mir durch die tropenhygienischeu Fragebogen eingeschlagenen Wege. Die verschiedenen Na- tionen müssten zusammen arbeiten und pathologisch anatomisches wie physiologisches Material von Schwarzen, Weissen, Gelben, von neu zugewanderten und altansässigen müsste verglichen werden. Der Rassenumbildungsprocess müsste an Milz, Leber, Nieren und Pigmentirungen der verschiedenen lang und kurz ansässigen Weissen und der Pigmcntirten in den Tropen studiert und verglichen werden.

Die polizeilich geführten Geschlechtsregister spielen dabei die wichtige Rolle zur Orientierung über den Acclima- tisationsgrad, den das Individuum wie die Rasse bei dem Um- wan dlungsprocessc erlangt hat. Alle Krankheitsbeobachtungen ohne diesen Anhalt sind mehr oder weniger werthlos. Alle Plasmodien-, Milz , Blut-Beobachtungen etc. ohne das genaue Nationale der Person, ohne Angabe über begonnene Pig- mentirungen sind mehr oder weniger in der Luft schw'cbend. Denn es kommt darauf an, diese einzelnen Beobachtungen in die grosse Tabelle einzureihen, wo für jede weitere Ge- neration und für jede weitere Farbennüance eine neue Rubrik eingerichtet ist.

Erst der Gesnmmtübcrbliek über die Reihen der Ge- schlechter, der mehr und der weniger Pigmcntirten und Acclimatisirten, wird dann, wenn die Rubriken ausgefüllt sind, ergeben eine wie grosse Rolle unter den 3 Factoren der bisher am meisten vernachlässigte Factor der Rassen - resistenz bei der Tropentiebcrentstehung spielte.

Dass er von allen drei Factoren der wichtigste ist würden diese Obductionsresultate und diese anthropometrisehen Daten erweisen, durch die wir die Tropenfieber als Rassen- uimvandlungsprocesse, als überstürzte oder verzögerte Aecli- masatitionsproeesse kennen lernen und durch die wir auch die

Digitized by Google

112

richtigen Mittel gegen diese Seuchen kennen lernen würden. So gut und anerkennenswerth die Bemühungen der Impalu - disten um die Bodenverbesserung und der Bakteriologen um die Immunisirung sind, wir würden mit Hülfe der rassen- und zonenvergleichenden Physiologie und Pathologie und der Rassenumwandlungslehre, wie ich sie zu studieren vorgeschlagen habe, erst lernen, welche Auswahl zu treffen wäre unter den Typen , die hinausgeschickt werden dürften und welche Rassenunterschiede uns auf die loci minoris resistentiae in unserem Körper hinweisen im Vergleich mit den gewissen Krankheiten gegenüber nahezu immunen Rassen, wie z. B. der Neger beim Gelbfieber.

Organmessungen, Vergleiche der Nahrungsaufnahme, der Hautthätigkeit nicht im kleinen Massstabe wie bisher, sondern im Grossen mit Hülfe der holländischen und englischen jahrzehntelangen Messungen angestellt, würden sehr bald über diese dunklen Punkte der Tropenfieber- und Tropenseuchen- Entstehung grösseres Licht schaffen.

Wer den Verhandlungen der Tropenhygiene-Sektion auf den Naturforscherversammlungen gefolgt ist, wird die Einzelheiten, die hier nothwendig sind, einsehen.

So viel ist für Jeden ersichtlich, dass ein längeres Säumen mit solchem methodischen, internationalen, central- geleiteten Vorgehen nur Zeitverlust und vom Uebel ist für alle an der Colonisation der Tropen Betheiligten, für die Wissenschaft am meisten, für die es endlich Zeit ist, dass sie aus ihrer Stellung als dienende Magd oder doch wenigstens als Stiefkind des Staats endlich erlöst wird.

Und das kann nur geschehen durch den von mir zu dem Zwecke vorgeschlagenen Welthygiencverband, das Welt- hygiene-Parlament, zu dem die von mir angeregte tropen- hygienische Centralstelle die Vorstufe bilden würde.

Wenigstens führte diese in erster Linie zu einem Sanitätsministerium, das wir längst haben sollten.

Das Ueberschcn so wichtiger Forderungen nach centraler Leitung hat manche fühlbare Schäden nach sich gezogen : Das Quacksalberthum der Homöopathie hätte sich nicht so ausbreiten können, hätten wir, als wir die Maxiinal-Dosen der Arzneimittel erforschten, auch die Minimal-Dosen nicht vernachlässigt. Seitdem kann jeder Homöopath mit geheim-

Digitized by Google

113

nissvoller Miene von seinen mysteriösen Minimaldosen sprechen, an deren Wirkung wir zwar nicht glauben, deren Unwirk- samkeit aber bis jetzt noch der wissenschaftlich experimentellen Feststellung ermangelt, weil kein praktischer Arzt es der Mühe werth hielt, sich darum zu bekümmern. Die Central- Leitung fehlte eben.

Diese Betrachtungen zeigen uns, dass wir die Behandlung der Tropenfieber von einem erhöhten Gesichtspunkte aus in Angriff nehmen müssen. Weder der bakterioskopischc Stand- punkt allein noch der der Impaludistcn allein genügt. Beide gehen in ihren Endzielen weit auseinander. Wie überall, wo zwei ehrlich Suchende sich nicht einigen können, müssen wir die Wahrheit zwischen ihnen suchen. Beide haben in gewissem Sinne Recht, sie werden sich aber erst miteinander vereinen im Studium des Rassen- und Typcn-Umwand lungsprocesses, welcher laicht verbreitet über die bisherige grosse Lücke in unserer darwinistischen Welt- und Natur anschauung.

Dr. E. Below.

Kulihospitäler an der NordostkUste Sumatras.

Von

Hofrath Dr. L. Martin,

früher Artt im Dienste der Tabak mimt «chappy Arenduburg und der Dali-MaMchappy.

(Fortsetzung und Schluss.)

Die kranken Kulis, welche je nach ihrem Zustande zu F us8 oder auf Ochsenkarren im Hospitale anlangen, erhalten bei ihrer Aufnahme eine eigene, durch besondere Farbenwahl leicht erkennbare Hospitalkleidung, wogegen sie ihre meist defccte und oft ungenügende Garderobe zur Reinigung, eventuell Dcsinfection und Aufbewahrung einliefern. Die Einrichtung einer besonderen Ilospitalkleidung ist ein für Aufrechterhaltung der Disciplin nicht unwichtiger Factor, da entlaufene oder sonst per tiefas ausserhalb des Hospitals ver- weilende Kranke sich durch die Kleidung schnell verrathen und so zur Rückeinlieferung Veranlassung geben. Die Hospi- tal-Kleidung besteht für Chinesen aus einer kurzen, mit Schnüren zu schliessenden Jacke aus blau-roth earrirtein

Digitized by Google

114

durcheilt und einer weiten, dem chinesischen »Schnitte ent- sprechenden Ilose uus dunkelblauer, dicker Leinwand. Ja- vnnon, Klings, Tamils, Eingeborene von Madras und der Malabarküste, und Malaien erlialten die gleichen Jacken und dunkelblaue Sarongs, Hüfttücher, aus gleichem Stoffe wie die chinesischen Beinkleider. Ausser der Kleidung em- pfangen die Leute noch je drei irdene Essgefksse, ein blechernes Wassergefäss, ein chinesisches, aus überlacktem Papiermache gefertigtes Kopfkissen, eine Palembang - Schlafmatte und eine unter Umstunden auch zwei aus Europa importirte, dicke Wolldecken. Die Verabreichung von guten Woll- decken ist eine für tropische Verhältnisse höchst werthvolle, sanitäre Massrcgcl, erstens schon der Unzahl von Mosquito’s halber, welche in ihrer Men"e bei ohnehin schwachen und blutarmen Kranken nicht zu unterschätzende Blutverluste verursachen können und gegen welche die Decken wirksamen Schutz verleihen. Zweitens aber haben die Kranken, be- sonders Malaria patienten, trotz der verhültnissmüssig hohen nächtlichen Luittemperatur (meist über 20° R.) und trotz des Umstandes, dass sie ausserhalb des Hospitals in gesundem Zustande häufig die Nächte ohne Decke zubringen, eine warme Bedeckung zur Erhaltung ihrer Eigenwärme dringend nüthig, denn zahlreiche, des Morgens beim Erwachen ausge- führte Messungen bei Kranken, welche die Nacht ohne Decke verbracht hatten, haben subnormale Werthe ergeben. Unter Tags werden die Patienten angehalten, Schlafmatte, Decken, Kopfkissen und eventuell der Wärme halber abgelegte Kleidungsstücke ordentlich zusammengefaltet am Kopfende der hölzernen Schlafstätte zu bewahren. Matratzen sind ein dem gewöhnlichen chinesischen Kuli völlig unbekannter Luxus und werden solche deshalb nur bei besonderen, solchen Schutz erfordernden Fällen verabreicht; die geflochtenen Palern- bangmatten dagegen entsprechen den Bedürfnissen der Kulis, bilden eine kühle, angenehme Unterlage, lassen sieh von jeder Beschmutzung leicht reinigen und bieten dem Ungeziefer keine unerreichbaren Schlupfwinkel.

Kranke mit profusen Diarrhoeen, Blutdiarrhoe und Cholera linden sofort in dem hier zu besprechenden Diarrhoe- saal Aufnahme, während die meist reichlich mit Abgängen beschmutzten Ochsenkarren einer gründlichen Dcsinfection

Digitized by Google

115

unterworfen werden. Die ganz enorme Häufigkeit der Ent- leerungen, die damit verbundene unglaubliche Beschmutzung des Materials und der ganz ungewöhnlich unangenehme, besonders den schweren ßlutdiarrhocen anhaftende, penetrante Geruch erfordern gebieterisch das Bestehen eines eigenen Diarrhoesaals. Derselbe wird 2 3 stündlich mit Purifier- lösung, einem englischen, dem Creolin sehr ähnlichen Präpa- rate, ausgewaschen, wodurch einigermassen für Reinlichkeit und athembare Luft gesorgt ist, da der Purifier rasch und dauernd andere Gerüche beseitigt. Beschmutzte Schlafstätten, hier die Kegel, weil die Mehrzahl der Kranken die bereit- stehenden, blechernen Leibschüsscln unbenutzt und unter sich gehen lässt, werden ebenfalls sofort mit Purifierlösung abgo- spiilt und dann direkt den tropischen Sonnenstrahlen bis zur völligen Trockenheit ausgesetzt. Einige der Betten haben auch da, wo ungefähr der Anus des Patienten zu liegen kommt, eine in die Bretter eingesetmittene Öffnung, unter welcher dann die Lcibschüssel steht. Besonders Kranke mit Blutdiarrhoe mit 60 80 Entleerungen im Tage ziehen solche Betten allen anderen vor, da sie so weder Liegestatt noch Decke beschmutzen und auch des mühsamen Ganges zum Nachtstuhlc enthoben sind. Chinesische Cholerakranke klagen ständig über innere Hitze und ertragen keinerlei Be- deckung, müssen sogar oft mit Gewalt davon abgehalten werden, sich völlig unbekleidet auf den kalten, nassen Cement- boden des Saales zu legen im grossen Gegensätze zu am gleichen Leiden erkrankten Europäern, welche nicht warm genug bedeckt werden können und fortgesetzt Kältegefühl äussern. Der Wärter des Diarrhoesaals hat beständig einen kleinen Petroleum-Kochapparat zur Hand, mit dein er sofort die nöthigen Wassermengen erwärmt für die oft Wunder wirkenden, häufig in Anwendung kommenden, heissen Tannin- einläufe. Zu erwähnen ist hier, dass niemals einer der Wärter des Diarrhoesaals, an welche grosse Anforderungen gestellt werden, an Blutdiarrhoe oder Cholera erkrankte. Es Hessen sich jedoch zur Ausfüllung dieses Postens nur Opiumraucher herbei, welche durch die höhere Besoldung dieser Stelle eine ausgiebige Befriedigung ihrer Leidenschaft erzielten.

Das Personal des Hospitals hat folgende Zusammen- setzung: 1. Ein europäischer Arzt, dem ein europäischer

Digitized by Google

116

Assistent, meist ein gelernter Apotheker, zur Seite steht; letzterer besorgt auch die Herstellung der nöthigen Arzneien und Präparate.

2. Ein chinesischer Oberaulseher, der das gesummte chinesische Personal unter sich hat und für Aufrechterhaltung von Ordnung, Disciplin und Reinlichkeit verantwortlich ist ; er theilt auch die kleinen, in einem tropischen Hospitalhnus- lialte unumgänglichen Disciplinarstrafen aus.

3. Ein javanischer Oberaufseher, verantwortlich für die lnohamedanischen und Ilindu-lnsassen des Hospitals, Javancn, Tamils und Malaien.

4. Je ein chinesischer Wärter für die drei Barraken und den Diarrhoesaul.

5. -Ein Chinese, dem Ordnung und Reinlichkeit im Operationszinuncr und die zahlreichen, täglichen Temperatur- messungen aufgetragen sind.

6. Zwei aus dem Punjab stammende, früher in der englischen Colonialarmee gedient habende .Sikhs, denen der uöthige Polizeidienst, Nachtwachen mit Stundenschlagen aut einem Gong, Rücktransport der geheilten Kranken auf die Plantagen und die Besorgung der Lampen obliegt.

7. Ein javanischer Gärtner mit zwei ebenfalls java- nischen Gehilfen, welche für die Gartenanlagcn im Areal des Hospitals und für Niedrighalten des hohen Grases in der nächsten Umgebung des Hospitals zu sorgen haben. Letzteres ist wegen der häutigen, stets Feuergefahr mit sich bringenden Grasbrändc unumgänglich nöthig.

8. Ein chinesischer Gemüsegärtner, welcher auf einem zum Hospitale gehörigen, aber ausserhalb des Areals gelegenen Terrain das für die Insassen täglich uöthige Quantum von frischem Gemüse zu ptlanzen hat, wofür er ausser einem testen, monatlichen Gehalt eine dem Werth der abgelieferten Vegotabilien entsprechende Entschädigung erhält eine sehr gesuchte Stelle, welche ihren Inhaber meist rasch bereichert, da er von den Abfällen der Gärtnerei Schweinezucht treiben kann. Zu diesem Zwecke verkauft ihm auch der Koch des Hospitals alle Abfälle der Anstalt um ein Billiges.

S). Ein Tamil Wäscher aus Madras zur Reinigung der Hospitalkleidung; auch Bengalen aus Calcutta linden (dt Verwendung in dieser Stelle.

Digitized by Google

117

10. Ein chinesischer Koch mit einem chinesischen Gehilfen.

Die monatliche Besoldung des geflammten , farbigen Personals, welches mit wenigen, auf religiöse Vorschriften begründeten Ausnahmen freie Kost im Tlospitul bezieht, betrügt ungefähr 130 Dollars, früher nahezn Mk. 520, zur Zeit bei dem niedrigen Silbcrwerthe nur ungefähr Mk. 260.

Der tägliche Dienst wurde in der folgenden Weise gehandhabt : Morgens um sechs Uhr mit dem in jenen

Breiten zu jeder Jahreszeit glcichbleibenden Tagesanbruch werden die Barraken durch den die Schlüssel führenden Sikhwächter im Beisein des europäischen Assistenten geöffnet, welcher sich nun bei einem ersten, raschen Gange durch die Locale von dem Zustande der schweren Patienten und der Zusammensetzung der Stühle, ob mit oder ohne Blut, in den während der Nacht gebrauchten Leibschüsseln überzeugt. Die chinesischen Wärter sorgen nun für die nüthische Reini- gung nnd für Wegbringung der Nachtstühle und Uringefasse, deren je drei in jeder Barrake stehen Leibschüsseln erhalten nur die besonders zu beobachtenden Kranken , während die Patienten zum Flusse eilen, um ihr Morgenbad zu nehmen. Kurz nach sieben Uhr erscheint der Arzt zur Visite und werden auf diese folgend allenfalls nöthig gewordene Verbandwechsel und die Behandlung der stets anwesenden Augenkranken vorgenommen, auch erhalten die zur Entlassung kommenden Kulis letzte Vorschriften und ihre Papiere. Während dieser Maassnahmen sind in der Vorhalle des Operationszimmers sämmtliche Luetiker, denen Ein- reibungen verordnet sind, angetreten und reiben corarn medico und unter den aufmunternden Augen des chinesischen Ober- anfsehers kräftig ein die einzige Manier, um bei diesen Patienten eine erfolgreiche Inunctionskur durchzusetzen. Frisch an Lues Erkrankte erhalten während der arbeits- reichen Pflanzzeit Calomelinjectionen, um schwere Symptome bis zur Einbringung der Ernte hintan zu halten. Vor Reengagement von Luetikern werden die Pflanzer vom Arzte gewarnt, da Inficirte meist im zweiten Jahre nicht ira Stande sind, ein Feld zu bearbeiten und besser bei leichterer Arbeit fahren, abgesehen davon, dass sie die Pflanzung schwer durch fortgesetzte Hospitalunkosten belasten. Um

Digitized by Google

118

elf Uhr erfolgt die zweite ärztliche Visite, zu welcher die Morgentemperaturen von säinmtlichen Fieberkranken vor- liegen. Der mit den Temperaturmessungen betraute Chinese, stets ein höchst verlässiger und gewissenhafter Mann, dem durch die zahllosen Messungen eine grosse Routine eigen ist, hat zu diesem Zwecke alle Patienten, so weit sie im Stande sind zu gehen, in der Vorhalle des Operationszimmers vereinigt. Dort liegen sie reihenweise auf Matten und werden mit Maximalthermometern in ano gemessen. Der Chinese vermerkt auf einer Liste die gewonnenen Tempera- turen, welche dann der Arzt unter Aufrufung des betreffenden Patienten in dessen Krankengeschichte einträgt, worauf dann sofort die Verabreichung der nöthigen Chininmenge in Lösung erfolgt. Nach Abschluss der Krankengeschichten erhalten sämmtliche Fieberkranke noch ein ungefähr 200 grammes fassendes Glas Cocktail, eine der Stokes’schen Mixtur nicht unähnliche Mischung aus Milch, Ei und Cognac oder Genever unter Zusatz von Zucker; auch diese Ordination hat coram medico zu erfolgen, weil die Kranken ohne Zusicht den heilsamen Trank einfach verweigern oder an aus- gesprochene Alkoholliebhaber, wie sie auch unter Chinesen Vorkommen, vertauschen oder verkaufen würden. Jene Kranken, welche nicht im Stande waren, auf eigenen Füssen zur Temperaturmessung zu kommen, werden nun noch an ihren Betten besucht und erhalten dort Chinin und Cocktail. Nachmittags gegen ein halb vier Uhr beginnt der Verband- wechsel für die stets in grosser Zahl im Hospitale befindlichen Patienten an Ulcus cruris, wobei auch alle nöthigen Opera- tionen ausgeführt werden. Die Menge dieser Kranken ist in zwei Abtheilungen geschieden, von denen immer eine jeden zweiten Tag frische Verbände erhält. An ein längeres Liegenlassen der Verbände ist unter den Tropen nicht zu denken , sowohl wegen der starken Hautsekretion als auch wegen der raschen Zersetzung von selbst gut inprägnirten Verbandsstoffen; am häufigsten, besser zwei Mal als ein Mal täglich, müssen feuchte Verbände gewechselt werden. Sofort auf den Verbandwechsel folgt die zweite, tägliche Temperatur- aufnahme mit abermaliger Verordnung von Chininlüsung und Cocktail. Abends um acht Uhr, zwei Stunden nach der Abendmahlzeit der Kranken erfolgt die letzte Visite. Die

Digitized by Google

119

Kranken befinden sieh dann auf ihren Betten, bereit zum Schlafe. Assistent und die Aufseher begleiten den Arzt und der sonst mit den Temperaturmessungen betraute Chinese trägt einen offenen Kasten, in welchem alle in der Regel zur Verwendung kommenden Arzneimittel in Lösung oder Pillenform vorhanden sind. Die Lösungen sind für jene nicht allzu seltenen Patienten, welche unter Markirung einer Sehluekbewegung die Pillen im Munde bewahren würden f um sie nach der Visite ungebraucht wieder zu entfernen, theils aus Misstrauen gegen europäische Arzeneien, theils aus Angst vor den technischen Schwierigkeiten des Pillen- sehluekens. Nun kommt Eisen, Arsen, Jodkali, Opium und im Diarrhocsaal die offiziellen, aus Rismuth, Dermatol und Opium bestehenden Diarrhoepulver je nach Bedarf zur Aus- theilung, ausserdem werden allenfalls noch nöthige subcutane Injectionen mit Chinin, Morphium oder Campher ausgeführt und die letzten für die Naeht geltenden Anordnungen getroffen. Jeder Kranke hat nochmals Gelegenheit, sich direkt an den Arzt zu wenden, der von Bett zu Bett geht. Nach dieser letzten Visite bringen die Wärter Nachtstühle und ITringefiisse in die Barraken , die seit sechs Uhr brennenden Lampen werden bis auf eine gelöscht und der Sikhwächter schliesst dann die Gebäude ab. Die meisten Kranken fallen in ihre Decken gehüllt rasch in Schlaf, nur da und dort glüht auf einer Lagerstätte ein kleines Lämpchen, dessen matter Schimmer in regelmässigen Intervallen von narkotisch riechenden Dämpfen verdüstert wird; die Flüster- stimmen einiger dort lagernder Zopfträger lassen uns erkennen, dass da der geliebtesten Leidenschaft, dem Opiumrauchen, gefröhnt wird.

Die im Hospitale verabreichte Kost ist selbstverständlich der Lebensweise und Gewohnheit der Leute ausserhalb der Anstalt angepasst. Der gesunde chinesische Kuli isst nur drei Mal im Tage und bestehen seine Mahlzeiten in der Hauptsache aus Reis mit Zuthat von Gemüsen und gesalzenem Fisch ; die Zuthaten bereitet er reichlich mit Schweinefett zu. Fleisch dagegen ist eine Leckerei, welche er sich meist nur an seinen Feiertagen erlaubt. In China mit seiner überreichen Bevölkerung ist auch der Reis nicht für Jedermann erreichbar und nähren sich dort Tausende nur von den sogenannten

Digitized by Google

120

chinesischen Kartoffeln, den Knollenfrüchten von Batatas edulis, einer Convolvulusart. Unsere Kranken erhalten Morgens sofort nach Eröffnung der Baracken einen wannen, steifen Reisbrei mit Beigabe eines Stückchens Salzfisch und einer Hortion in Schweinefett geschmorter, schon am vorhergehenden Tage eingeweichter, brauner Rohnen. Mittags uni zwölf Uhr ist die Hauptmahlzeit, welche aus drei Gerichten besteht: I . weich, doch trocken gekochter Reis, 2. mit Salz und Schweinefett in Wasser gekochtes Gemüse, meist Spinat, Kohl, Lobak, d. s. chinesische Rettige, Bohnen, Bobnenkeime oder Eierfrüchte, d. s. die Früchte von Solanum edulis, 3. mit Fleischsuppe gekochter, dicker Reisbrei, dem nach chinesischer Art in kleine Stücke gehacktes Rindfleisch beigemischt ist. Der Koch und sein Gehilfe bringen diese Gerichte in grossen Holzkübeln vor den Haupteingang der Barracken und die Kranken erscheinen mit ihren Essgefässen, um sich von jeder Speise das nöthige Quantum zu holen. Für die Schwerkranken, welche nicht gehen können, holen die Nachbarn möglichst grosse Portionen, um auf das von jenen Uebriggelassene Anrechte zu erwerben. Die Austheilung der Portionen wird mit grossen, aus halben Kokosnüssen hergestellten Schöpf- löffeln bewerkstelligt. Vorher erhielt schon jeder Kranke zur Würze der Speisen ein abermaliges, grösseres Stück Salzfisch, welches er sich zum Gebrauche kleingerieben oder, wenn er in der Küche in Gunst steht, dort mit etwas Schweinefett hat rösten lassen. Bei der Speisenaustheilung geht es nicht immer ganz friedlich zu ; jeder will die grösste und schönste Portion und schimpft, wenn er sich in seinen Erwartungen getiluscht sieht, auf den Koch, welcher seiner- seits die harten Worte mit Zinsen zurückgiebt, so dass europäische Aufsicht oder doch mindestens die Anwesenheit des chinesischen Oberaufsehers hier sehr wohl am Platze ist. Nachmittags kommen die Extrakosten zur Vertheilnng, welche aus frischen Früchten, in Salz eingelegten Enteneiern, Weiss- brod und Milch bestehen. Als Früchte eignen sich am Besten die billig am Platze zu erstehenden Bananen (Pisangs), ferner Orangen, für welche fiebernde Chinesen eine besondere Vor- liebe besitzen, und noch mehr die sehr schmackhaften und gesunden Früchte von Carica Papaya. Die Papnyab&amc geben nach 6 7 Monuten bereits eine reichliche Ernte und es

121

sollte bei jedem tropischen Hospitale eine grosse Pflanzung derselben bestehen. Die Lieferung der Milch besorgt ein bengalischer Milchbauer, welcher mit seinen Kühen einen dem Hospitale gehörenden Kuhstall bewohnt und dem die Benutzung der umliegenden Grasplätze zugestanden ist. Dafür giebt er die Flasche Milch zu einem billigen Ausnahmspreis (12 Dollarcents) an das Hospital ab. Im nahen Städtchen besitzt die Milch mindestens den doppelten Werth. Die mit Sonnenuntergang um sechs Uhr verabreichte Abendmahlzeit besteht aus den gleichen Gerichten wie das Mittagsmahl, nur befinden sich nun im Reisbrei an Stelle des Rindfleisches grosse Stücke von weichgekochten, chinesischen Kartoffeln.

Dieselben bezieht das Hospital von den Gemüsegärtnern in der Umgebung des Städtchens für 70 Dollarcents das Pikol (60 gf). Als Getränke steht den Kranken den ganzen Tag Aufguss von chinesischem Thee, kalt und warm, zur Verfügung. Alkohol, soweit nöthig, kommt in den schon erwähnten Cocktails zur Verabreichung, während Wein, den Chinesen etwas völlig Unbekanntes und Unerwünschtes, nur auf specielle, ärztliche Verordnung gegeben wird.

Erwähnung verdient noch das Opium, welches in einem Hospitale mit chinesischen Patienten natürlich eine grosse Rolle spielt. Im Allgemeinen besteht der Grundsatz, keinerlei Rauchopium an die Kranken zu geben, jene aber, welche den nöthigen Vorrath mit sich bringen, am Gebrauche dieses Genussmittels nicht zu hindern. Doch bestehen Fälle, in denen eine Ausnahme gemacht werden muss. Es sind dies in erster Linie plötzlich zu Schaden gekommene Opium- raucher mit schweren Verletzungen, Knochenbrüchen oder Wunden; sie dürfen unter keiner Bedingung der Unruhe und .Jactation der Abstinenzerscheinungen ausgesetzt werden und ist ein normaler Krankheitsverlauf ohne ihr gewohntes, tägliches Quantum von Opium nicht zu erreichen. In zweiter Reihe dürfen auch Patienten an schweren, internen Krank- heiten, besonders Darmleiden, nicht ohne das ihnen noth- wendig gewordene Genussmittel bleiben. Die tägliche, im Hospitale gereichte Opiumration entspricht dem Durchschnitts - quantum, welches ein gesunder, opiumrauchender Kuli bedarf, und beträgt 2 Hun (chinesisches Gewicht), ungefähr 1,5 gram., welche auf 8 Dollarcents zu stehen kommen. Der chinesische

Srthlr r. Schiff*- u. Tropcchyglen*. 9

Digitized by Google

Oberaufseher hat den Opiumvorrath in Hilmlen und giebt in einer kleinen Muschelschale den Heilsaft an die vom Arzte bczeichncten Kranken ab. Nun befindet sich aber im Hospi- tale noch eine grosse Anzahl von Chinesen, welche ausser- halb der Anstalt täglich Opium gebrauchen, nun aber in Folge eines Fussgeschwüres oder einer Malariainfection zum Spitalaufenthalt gezwungen, ohne Verdienst sich ihr Genuss- mittel nicht verschaffen können. Wollte man allen diesen Gästen Rauchopium verabreichen, so würde ganz abgesehen von den hohen Unkosten das Hospital erstens einer Opium- hühle gleichen, zweitens würden aber auch alle Krankheiten und Wunden einen äusserst schleppenden, langsamen Verlauf nehmen, wenn die Kranken mühelos im Hospital das Genuss- mittel erhalten könnten, welches sie im Leben zur Arbeit anspornt. In diesen so sehr zahlreichen Fällen behilft man sich mit Opiumpillen k 0,03 oder Opiumtinctur und erhalten dann die Betreffenden 2 3 Mal täglich eine Pille oder 15 20 Tropfen der Tinctur. Sie erklären dann, wohl nicht den Genuss den Rauchens zu haben, bleiben aber von allen lästigen Abstinenzerscheinungen frei. Bei der letzten, abend- lichen Visite spielt deshalb das Tropffläschchen mit Opium- tinctur eine grosse Rolle und muss ein scharfes Auge auf dasselbe gehalten werden. Nur zu oft fand ich es bereits per nefas geleert, wenn es frisch gefüllt zum Gebrauche hätte kommen sollen. Moribunde, welche nicht mehr im Stande sind, mit Löffel oder Glas einzunehmen, öffnen schmachtend die Lippen, um sich direkt in den Mund den braunen Saft einträufeln zu lassen.

Die oben erwähnte Verpflegung kommt bei den zur Zeit in Sumatra herrschenden Preisen auf ungefähr 8 Dollar- cents pro Mann und Tag zu stehen. Diese Verpflegung ist eine völlig genügende, denn die Mehrzahl der Patienten, welche längere Zeit im Hospital haben verbleiben müssen, verlässt dasselbe unter deutlicher Gewichtszunahme. Dennoch ist sic nicht im Stande, wenn ihr überhaupt in dieser Richtung Wirkung zukommt, ab und zu auftretende Symptome von Beriberi hintanzuhalten, welche sich an eine bereits bestehende Malariainfection anschliessen. Auch die Reconvalescenten von schwerer Rcmittens künnen sich im Hospitale nicht völlig erholen und müssen deshalb, wenn nicht bald Ödeme

123

und motorische Störungen auftreten sollen, bei Zeiten evac- cuirt werden. Öftere wird die gesammte Verpflegung an einen chinesischen Lieferanten ausgegeben, welcher meist 10 Dollarcents pro Mann und Tag verlangt. Dieses Verfahren besitzt gewisse Vor- und Nachtheile, erfordert aber vor Allem eine minutiöse Überwachung. Es versteht sich von selbst, dass den chinesischen Insassen des Hospitals an ihren hohen Festtagen, Neujahr, Tjapgomeh, Aller Seelen, auch jene Leckerbissen zu Thcil werden, au denen sie sich sonst an solchen Tagen erfreuen, das sind frisches Schweinefleisch mit möglichst viel Speck und verschiedenes Gebäck. Ausser- dem habe ich keine sich bietende Gelegenheit vorübergehen lassen, den Kranken die eine oder andere, von ihnen hoch- geschätzte Extrakost zu gewähren. Da die Chinesen keine Kostverächter sind und für Leckerei erklären, wovon sich Europäer mit Abscheu abwenden, so gab es solche Gelegen- heiten des Öfteren. So wurde jede grosse von den Malaien gefangene Pythonschlange angekauft, auf die grossen Schild- kröten im Flusse eifrig Jagd gemacht, jeder in das Areal des Hospitals sich wagende Pariahhund ohne Erbarmen nieder- geschossen und den Fleischtöpfen einverleibt besonders schwarze Hunde sind Delikatesse für Chinesen und kein Tiger auf den umliegenden Pflanzungen gefangen und ge- tödtet, dessen Fleisch nicht den Insassen d**s Hospitals einen frohen Tag bereitet hätte.

Die im Hospitale zur Anwendung kommenden Arznei- mittel stammen aus Deutschland und sind von der Dresdener Finna Gehe & Co. bezogen, welche auch den Ankauf von Instrumenten und Apparaten vermittelt. Die Leistungen dieser Firma waren stets vorzügliche und die Präparate vor- wurfsfrei; sie übertrafen an Güte stets Produete englischer Herkunft, nur Chloroform und Guttaperchapapier waren besser, wenn aus England bezogen. Das Chinin es wurde immer mehr muriaticum gebraucht., welches grosse Vorzüge vor dem sulturicum besitzt stammt aus der Stuttgarter Fabrik von Jobst und sind jährlich 15 20 Kilo nöthig, welcher enorme Verbrauch sich eben nur aus der grossen Anzahl von Malariakranken erklärt. Neben Chinin werden Bismuth, Tannin, Dermatol und Opium zur Bekämpfung der Diarrhoeen, Borsäure und Argentum nitricum für die zahl-

9*

Digitized by Google

124

reichen Augcnkranken, Chrysarobin, sogenanntes Gonpnlver, und Schmierseife bei den hiiutigen Hautmykosen und Vaselin, Zinkoxyd und Jodoform bei dem Heere von Patienten mit Ulcus cruris in grösserer Menge verbraucht. Als Antiseptica genügen Carbol- und .Sublimatlösungen vollständig. Sepsis ist im Übrigen ein bist nie gesehenes Vorkommniss, stellt doch das Hospital auf noch nie von Menschen und deren schlimmsten Parasiten, den Strepto- und Staphylokokken, bewohntem Terrain in einem noch vor wenigen Jahrzehnten nur von jungfräulichem Urwalde bedeckten Lande.

Unheilbare Kranke, Lepröse und Geisteskranke werden in ein von der Liberalität der Pflanzervereinigung gegründetes Asyl abgeschoben, während durch Malaria zur Arbeit un- tauglich gewordene Cachecticcr oft von ihren Arbeitsgebern die Mittel zur heilenden Seereise und Heimkehr in die Heiniuth erhalten.

Das Hospital besitzt ausserhalb des Areals einen eigonen Bcerdigungsplatz, wo die Leichen in hölzernen Särgen, auf welche die Chinesen hohen Werth legen, 6 Fuss tief beige- setzt werden unter Beobachtung der gewöhnlichen, religiösen Ccremonieen China’s, Feuerwerk und Ausstreuung von be- drucktem Goldpapier, wofür stets 50 Dollarcents bezahlt werden. Sektionen sind nur in Ausnahmsfällen, z. B. zu forensen Zwecken, möglich, da Chinesen wie Mohamedaner solche gleichmässig verabscheuen. Eine im wissenschaftlichen Interesse so sehr wünschenswerthe, häufigere Vornahme von Obduetionen würde zweifellos eine unheilvolle und unheil- bare Angst vor dem Hospitale unter der Kulibevölkerung hervorrufen.

Zum Schlüsse möchte ich noch einige Zahlen über den Besuch und die Mortalität des Hospitals sowie betreffend die Häufigkeit von Malariaerkrankungen geben; ich entnehme dieselben den stets am 1. November an die Direction der Dcli-Maatschappy abzuliefernden, ärztlichen Jahresberichten: In 1891 kamen 991 Kranke ein, von denen 196= 19, 8°/0 starben,

n

1892

* H65

n

1)

7!

107= 9, 2°/0

n

1893

» 1357

17

7)

11

83= 6,l°/0

n

1894

. nifl ,

17

»

77

121= 7, °/0

n

1895

, 1731

17

n

11

106= 6,1°/,

125

Diu hohe Mortalität des Jahres 1 ->111 erklärt sieh durch eine aussergewöhnlich schwere, nach einer längeren Trocken - periode in Mai und Juni auf tretende Malariaepidemie mit zahlreichen Fällen von Febris algida, cholerica. 1892 und 1893 gab es in Folge eines plötzlichen Sturzes der Tabak - preise nur wenig frische Einwanderer aus China und damit besserte sich das Verhältniss, da ja begreiflicher Weise die frisch aus China angekommenen Kulis in ihrem Akklima- tisationskampfe das grösste Contingent für Hospital und Friedhof stellen. Die wachsende Frequenzzahl des Hospitals entsteht nicht durch Zunahme der Kulibevölkerung oder zu- nehmende Morbidität, sondern ist einfach der Ausdruck des vermehrten Vertrauens in geregelte Hospitalbehandlung so- wohl bei Pflanzern als auch bei Kulis.

In 1891 zeigten v. 564 internen Kranken 355t»ymptomov. Malaria,

1»92

„528

n

t)

419

rt

1893

„604

n

n

495

7)

n

, 1894

„913

n

rt

820

n

n

womit die

enorme

Präpondcranz

der Malaria

unter allen

internen Krankheiten und auch der riesige Chininverbrauch zur Genüge illustrirt ist.

Neuere Untersuchungen

Uber

die Aetiologie und den klinischen Verlauf der Beri-Beri- Krankheit von Dr. Max Glogner,

Stadsgeneosheer in Sainarnng- Java.

(Vortrag, gehalten in der Soction tür Tropen - Hygiene auf der fiS. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Frankfurt a. M.)

(Foitsetzung und Schluss.)

Gibt es nun pathologisch-anatomische Veränderungen, welche makroskopisch oder mikroskopisch erkennbar uns diese Lungengefiisslähmung wahrscheinlich machen?

W as die mikroskopische Untersuchung der Gefassc betrifft, so ist dieselbe zuerst von den holländischen Colonial ärzten ausgeführt. Lodewyk und Weiss fanden eine constantc Veränderung der Arterieuwand , die in einer fettigen

Digitized by Google

126

Degeneration der intima bestand. Von Leent sagt auf dem internationalen Aerztecongress in Amsterdam 1879, dass die Arterienwand ungen bisweilen atheromatös entartet seien und dass der abnormale Zustand der Gcfiisswände, der mit Ver- lust der Elasticitttt einhergebt, den Widerstand erhöht, den das Blut in den Gefässen findet, und als Ursache der Herz- hypertrophie betrachtet werden muss. Aber die eigentlichen die Bewegungen vermittelnden Elemente der Gefässc, nämlich die Nerven und Muskeln, wurden nicht untersucht, nur Baelz fand in einem einzigen untersuchten Falle die Nierennerven degenerirt. Man muss demnach sagen, dass nach einem pathologisch-anatomischen Substrat für die pathologisch-anato- mischen wichtigsten klinischen Erscheinungen beim Bcri-Beri- Kranken bisher nicht geforscht wurde und dass deshalb von einer Erkenntniss des Wesens der Beri-Beri-Krankheit noch keine Rede sein kann. Denn wir wissen nicht, ob die Gefäss- lahmung neuro- oder myopathischen Ursprunges ist, und es ist nach der Analogie der am Herzen, Zwerchfell und Extremi- itäten gefundener degenerirten Nervenfasern nur eine Ver- muthung, dass hier die GefBsslähmung durch eine De- generation der Gefässnervcn entstanden sei.

Was die makroskopischen Veränderungen an der Beri- Beri-Leiehe betrifft, so ist zunächst der längst bekannte, meist mit Oedem gefundene Blutreichthum der Lungen zu erwähnen. Bisher hatte man diese Erscheinung in Zu- sammenhang gebracht mit einer Herzlahmung, die in den allermeisten Fällen als Todesursache angeschuldigt wird. Man dachte sich dies so, dass durch einen paretischen Zu. Btand des Herzens das Blut nicht mehr in vollständiger Weise durch die Lungengefilssc durch getrieben würde und sich hier anhäufe und nun das Oedem zur Folge hätte. Der Befund am Herzen, M. H., stimmt aber nicht mit der An- nahme einer Herzlähmung als Todesursache. In den meisten Fällen wird nämlich der linke Ventrikel leer oder wenig Blut enthaltend und in Systole stehend gefunden, während derselbe bei einer Lähmung mit Blut gefüllt in Diastole stehen sollte. Es spricht gegen die Herzlähmung als Ursache der Lungenhyperämie, ferner der nicht selten zu beobachtende Befund einer partiellen Hyperämie, öfters sind es nur einzelne Lappen und zwar nicht immer die untersten oder nur eine

127

Lunge, die hypertonisch sind. 51. H. Dilatation des rechten Herzens, Lungenhyperitmie mit Ocdem, allgemeiner wie partieller Natur, können zweifellos am besten durch Gefiiss- lühmungen im kleinen Kreislauf erklärt werden. In Folge dieser Goftisslähmungen staut sich das Blut im rechten Herzen, dadurch entsteht die erwähnte Erweiterung, cs entsteht ein höherer Druck im Pulmonalsystem, der uns das häufige Vorkommen der Verstärkung und Verdoppelung des zweiten Pulmonaltones erklärt, es entstehen grosse Wider- stände, deren Ueberwindung dem rechten Herzen zufällt und die Hypertrophie zu Stande bringt.

Ich habe oben bemerkt, dass in der Gegend des Pulmonalostium die systolischen Geräusche am deutlichsten und häufigsten gehört werden. Wodurch entstehen dieselben ? Da möchte ich erst eines Befundes gedenken, den man häufig an der Beri-Beri-Leiche antrifft, nämlich eine bisher nicht hervorgehobene Dilatation des unteren Theiles der Arteria pulmonalis. die zweifellos auf dieselbe Ursache zurückzu- führen ist, wie mehrfach erwähnte Dilatation des rechten Herzens. Wenn man den Umfang der Arteria pulmonalis und Aorta 1 Ccntimcter über der Ansatzstelle misst, dann findet man Differenzen, welche bisweilen das dreifache und vierfache des Normalen erreichen. Wenn die unteren Ab- schnitte der Arteria pulmonalis durch Blutstauung gedehnt sind, dann kann man sich vorstellen, dass bei jeder Systole die gedehnten und erschlafften Pulmonalwände in abnormale Schwingungen gerathen und die systolischen Geräusche erzeugen. Wir hätten somit in den Gefiisslähmungen im Lungenkreislauf für die am rechten Herzen vorkommenden Erscheinungen eine Erklärung gefunden. Besitzen wir nun auch für die Hypertrophie der linken Ventrikel Beobaeh tuugen, welche auf GefUsslähmungen im grossen Kreislauf Hinweisen?

Da ist zunächst einer klinischen Erscheinung zu gedenken, die längst bekannt ist, sehr häufig am Bcri-Bcri- Kranken beobachtet wird, aber trotzdem noch von keinem der zahlreichen Beri-Beri-Forseher zu erklären versucht wurde. Es ist dies die Verminderung der Urinmenge ; das tägliche Urin<iuantum ist bisweilen auf das Drittel des Normalen herabgesetzt. Von einer Herzschwäche als Ursache

Digitized by Google

128

kann deshalb nicht die Rede sein, weil man Zeichen hierfür nicht nachweisen kann und die Hcrzhypertrophic sich mit einer Herzschwäche schwer vereinbaren Hesse.

Von einer Nephritis kann ebenfalls nicht die Rede sein, da in der überwiegenden Zahl der Fälle die Zeichen an der Leiche hierfür fehlen. Ein sehr häutiger Befund an der Leiche sind dagegen Hyperaemien der Nieren. Dieselben sind bisweilen nur an einer Niere vorhanden, während die andre Niere blutarm ist, und wir werden auch hier an Ge- fässerkrankung denken müssen. Wir wissen durch Versuche, dass Strömungshindernisse die Urinmenge herabsetzen. Die Physiologen, besonders Senator und Munk, haben dafür experimentelle Beweise geliefert, und wir werden uns diese Gefässerkrankungen wohl am besten als Paresen oder Para- lysen vorstcllen, die einerseits Strömungshindernisse, Herab- setzung der Stromgeschwiudigkeit, erhöhten Widerstand für das linke Herz zur Folge haben. Aber es sind von den Unterleibs- organen nicht nur die Nieren, die so häufig hyperämisch ge- funden werden, auch Leber, Milz, Därme zeigen bisweilen eine starke Blutfüllung, bisweilen allein, bisweilen alle zusammen, so dass man sich den Tod ähnlich wie beim Goltz’schen Klopf- versuch durch eine Unterleibsgefässlähmung erklären kann.

Jedenfalls darf man aus allen diesen Beobachtungen, für die man in der Litteratur in genau gehaltenen Seetions- berichten hinlängliche Beweise finden kann, den Schluss ziehen, dass nicht eine Herzparalyse, wie ein Autor dem. selben nachgeredet hat, die Ursache dieser Blutüberfüllungen sind, d. h. dass es Stauungshyperämien sind, sondern dass wir hier locale Gefässerkrankungen und zwar Gefässlähmungen vor uns haben. Dieselben setzen grössere Widerstände, welche das Herz durch erhöhte Thätigkeit zu überwinden trachtet, sodass es hypertrophirt. Diese Erkrankung der Gefässwände ist aber ferner noch an mehreren andern klini- schen Erscheinungen zu erkennen. Die Veränderungen der Pulscurve einzelner Arterien, die localen Blutdruckherabsetz- ungen, die erhöhte Wärmeabgabe der Extremitäten weisen, wie ich dies in Virchow’s Archiv auseiuandersetzen werde, entschieden auf Gefässerkrankungen hin.

Die vierte von mir erwähnte Erscheinung, die Pulsation der ganzen Herzgegend, beruht zweifellos auf einer grösseren

Digitized by Google

129

Füllung des dilatirten rechten Herzens und einer durch die gegebenen Widerstände erhöhten Kraftanstrengung des hyper- trophsten Herzens. Der Zustand des Herzens, wie ich ihn zu schildern mich bemüht habe, ist der Spiegel, in dem sich der krankhafte Zustand der Gefässe zu erkennen gibt, da die directe Beobachtung des krankhaften Zustandes der Gefässc mit Schwierigkeiten verbunden ist, sind wir gezwungen, oft in diesen Spiegel hinein zu blicken, und deshalb ist eine fortlaufende Beobachtung des Herzens beim Bcri-Beri-Kranken von der allergrössten Bedeutung.

M. H. Die Erscheinungen am Herzen und Gefiisssystein stehen bisweilen ganz im Vordergrund, während die motorischen und sensiblen Störungen an den Extremitäten gering sind oder ganz fehlen, sodass ich in der in Virchow’s Archiv noch zu ver- öffentlichenden Arbeit eine vasomotorische Form der Beri-Beri- Krankheit aufgestellt habe, der ich eine zweite Form an die Seite stellte, bei der die motorischen Erscheinungen stark hervortreten. Die dritte am häufigsten in den Malaienländern vorkommende Mischform vereinigt beide Gruppen von Erscheinungen.

Im November 1892 beobachtete ich an einer Reihe von Beri-Beri-Krankcn einen noch nicht beschriebenen Zustand der Herzthätigkeit. Untersucht man bei einem Kranken, der noch nicht zu lange an dieser Affcetion leidet, die An- zahl der Pulsschläge in der Minute täglich in Ruhelage, die der Kranke einige Zeit vor der Untersuchung einnehmen muss, dann findet man, dass an einzelnen Tagen die Herz- thätigkeit beschleunigt ist, um zur Norm zurückzukehren und hierauf wieder zu steigen. Wenn man diese Beob- achtungen mehrere Wochen fortsetzt und die Anzahl der Pulsschläge in Curvcn überträgt, dann bekommt man eine graphische Darstellung der Herzthätigkeit, wie Sie dieselbe hier in intermittirender Form, mit Exacerbationen und Re- missionen auf diesen Tafeln I, II und III sehen.*) Ich habe bei einer grossen Anzahl Kranker derartige Curvcn gezeichnet, und es hat sich ergeben, dass dieselben in den Fällen, wo Herzerscheinungen vorhanden sind , meist einen unregel- mässigen, intermittirenden Verlauf zeigen und nur in einzel-

*) Der schon wieder in Indien befindliche Verfasser hat leider die Tafeln nicht beigefügt. D. Ked.

Digitized by Google

130

nen wenigen Fällen in regelmässigen Zwischenräumen inter- mittirend gefunden werden, wie hier bei der II. Curvc.

Wenn man nun während der Exacerbation des Pulses auf die andern klinischen Erscheinungen achtet, dann findet man meist ebenfalls eine Zunahme derselben. Die Kranken klagen über Steigerung der Parästhesien, der Appetitlosig- keit, der Schwäche in den Extremitäten, und bisweilen tritt mit oder direct nach einer solchen Pulsbeschleunigung Fieber ein. In wenigen Fällen nehmen die motorischen Störungen in dieser Zeit so erheblich zu, dass eine Lähmung der unteren Extremitäten erfolgt.

M. II. Es galt nachzuweisen, ob die Gipfel der Puls- curve mit einer Herabsetzung der Nervenerregbarkeit auf den elcctrischen Strom zusammen fiele, denn nur so konnten die meist subjectiven Klagen des Patienten auf objective Weise sicher gestellt werden. Es ist dies im allgemeinen äusserst schwierig, da einerseits derartige Untersuchungen an den Gefässnerven nicht auszuführen sind, und andrerseits die krankhaften Erscheinungen an den Nerven der Extremi- täten nicht gleichmässig und bei den meisten Kranken in nicht allzu starker Weise auftreten.

Die Fälle, welche man in der Littcratur beschrieben findet, sind meist schwerer Art und der diesen Verhältnissen ferner Stehende kommt dann zu dem Schluss, dass diese schweren motorischen Störungen an den Extremitäten zu den häufigeren Erscheinungen der Beri-Beri-Krankheit gehören. Dies ist keineswegs der Fall. Es gibt wohl auf der ganzen Welt kein Gebiet, wo die Beri-Beri so häutig vorkommt, und wo zu derartigen Beobachtungen sich bessere Gelegen- heit bietet, als in Atjeh, dem Norden von Sumatra. Von hier werden monatlich 2 300 Kranke nach den Bergen Westsumatras cvaeuirt. Die Entfernung von den Kranken- sälen bis zum Zuge, der die Kranken nach dem Hafen von Oleh-leh führt, beträgt einige hundert Meter, sodass die Kranken mit cinigennassen schweren motorischen Störungen an den unteren Extremitäten in Tragbahren nach dem Zuge befördert wurden. Von uns Aerztcn wurde cs nun schon als eine schwere Evacuation bezeichnet, wenn für 150 200

Digitized by Google

131

Kranke 20 30 Tragbahren nöthig waren, meist waren nur 10 15, bisweilen noch weniger erforderlich.

M. H. Trotz dieser Schwierigkeiten, das Zusammengehen der Pulsexacerbation mit der Zunahme der Herabsetzung der Nervenerregbarkeit fcstzustellen, ist mir doch dieser Nachweis bei einigen Fällen gelungen. Die Untersuchungen werden in der Weise ausgeführt, dass die Muskeln der Unterschenkel dureh Reizung der nervi peronei und tibiales mit dem constanten Strom zur Contraetion gebracht wurden und zwar wurde täglich bei Kathodensehl iessung die mini- malste Zuckung am Galvanometer festgestellt, die Anzahl der Milliamperes, bei denen diese minimalsten Zuckungen erfolgten, können in Curven übertragen werden und es zeigt sieh dann, dass mit den Exacerbationon der Puls- und Nervencurve erhöhte Temperatur eintritt, so dass man wohl für alle diese Erscheinungen eine gemeinsame Ursache an- nehmen darf, die sich in bestimmten Zeiten entwickelt und dann dem Körper deletär wird.

Die Ursache der Beri-Bcri ist seit Jahrhunderten Gegenstand der Forschung gewesen. Ganz zu Anfang hielt man dieselbe für ein nicht näher detinirtes Gift, welches wegen der häutigen Erkrankung der unteren Extremitäten von unten her in den Körper eindringen sollte. In der neueren Zeit spielten die Ernährung, das Wetter, verdorbener Reis und Fisch, Würmer, besonders das Anchylostoma duo- denale als Aetiologie ihre Rolle, bis die bacteriologischo Aera in Europa begann. Sofort fanden eine Anzahl Forscher in den verschiedensten Ländern Bactcricn thcils im Blut allein, oder in allen Organen sowie dem Nervcn-System. Ich kann alle diese entdeckten Baetcrien als Ursache der Beri-Bcri angeschuldigten Organismen hauptsächlich deshalb nicht als solche anerkennen, weil sie hier nicht den intermittirenden Verlauf, wie ich ihn soeben geschildert habe, erklären können, der allerdings den betreffenden Autoren unbekannt war. Die Entwicklung der Bactcricn erfolgt allmählich, nicht so stoss- weise, wie man es den kleinsten Verhältnissen gemäss von der Ursache der Beri-Beri erwarten muss.

Es musste hier etwas vorhanden sein, welches der Ursache der Malaria ähnlich war. Als ich meine Unter- suchungen begann, fand ich bei den ersten Fällen, die grade

Digitized by Google

132

in den Fiebermonaten Javas behandelt wurden, im Finger- blute extra- und cndoglobuläre Amoeben, die ich, weil bei den meisten mit den Fiebererscheinungen auch die motorischen Störungen Zunahmen, trotz ihrer morphologischen Ueberein- stimmung für eine von den Malaria-Amoeben verschiedene Art hielt. Im Laufe der festgesetzten Untersuchung hat sich dann herausgestcllt, dass diese Plannodien wirkliche Malaria- erreger waren und dass dieselben in einzelnen Fallen auch die Erscheinungen der Beri-Beri-Krankhcit hervorzurufen im .Stande sind.

Ich habe in Virchows Archiv mehrere dieser Fälle, bei denen diese Malariaplasmodien gefunden wurden, mitgethcilt, wo zugleich mit den Fiebern die Erscheinungen der Beri- Bcri-Krankhcit eintraten und bei Verabreichung von Chinin mit dem Schwinden der Fieber die Symptome des Beri-Beri zurückgingen. Ein aetiologiseher Zusammenhang ist bei diesen Fällen zweifellos.

M. H. Ich habe vorhin bereits erwähnt, dass ich diese Malariaamoeben bei Beri-Beri-Kranken in den Fiebermonaten Java’s fand. Als in den folgenden Monaten Dcccmbcr und Januar die Malariafieber geringer wurden, war der Befund bei den neuhinzugekommeneu Fällen im Fingerblut negativ. Ich ging deshalb an die Untersuchung des Milzblutes, weil dieses Organ häufig vergrössert gefunden wurde, ein Befund, den frühere Untersucher wieder als Complication angesehen hatten, dessen Zusammenhang mit der Beri-Bcri-Krankheit Fiebig zuerst betont hat und mir auf Grund meiner Beob- achtung wahrscheinlich war.

Unter aseptischen Cautelen wurde auf der Stelle der deutlichsten Dämpfung mit einer ausgeglühten Iridiumnadel cingc8tochen. Man kommt hierbei mit der Spitze entweder in die Pulpe, grössere Arterien oder Venen. Die näher zu beschreibenden Organismen, welche ich im Milzblut fand, kommen nur in der Milzpulpe vor, und wenn man recht un- glücklich ist und mit der Nadelspitze in grössere Arterien oder Venen geräth, wird die Untersuchung stets negativ ausfallen.

Die Milzpunetion unter aseptischen Cautelen ausgeführt, muss als ungefährlich bezeichnet werden, sie ist weniger

Digitized by Google

133

schmerzhaft als der Einstich in den Finger, wenn man sich vor der Verletzung einer Kippe in Acht nimmt.

Von 98 Beri-Beri-Kranken habe ich hei (53 den folgenden Organismus gefunden :

Es sind meist rundliche bisweilen ovale, meist stark pigmentirte cxtraglobulär lebende. Gebilde, die bei einer Grösse von ‘/io '/is eines rothen Blutkörperchens sich Uusserst lebhaft bewegen und mit einem Pigmontkörnehen versehen sind. Bei einer Grösse von V* eines rothen Blut- körpers findet man im Centrum meist mehrere Pigmentkörner, welche in deutlicher Bewegung sind und um diese herum am Rande einzelne Pigmentkörner, die meist unbeweglich sind. Je grösser der Organismus wird, um so deutlicher wird der Randpigmentkrcis , der eine Masse beweglicher Pigment- kömer einschliesst. Die Farbe des Pigments ist meist schwarz, bisweilen mehr braunroth. Die Pigmentbildung ist bisweilen so stark, dass man von dem Zellenleib so gut wie gar nichts zu sehen bekommt. Das Ganze erscheint dem Beobachter dann bei oberflächlicher Betrachtung als Pigment- haufen, in dem man aber bei genauerem Zusehen die Pigment- körner sich durch einander bewegen sieht. Bei den schwach pigmentirten Gebilden kann man das weissliche Uusserst zarte Protoplasma deutlich erkennen. Die Fortentwicklung findet auf ähnliche Weise statt, wie bei den Malariaplasmodien. Ihr Rand theilt sich in eine Anzahl blasser Protoplasmastücke, welche Pigment besitzen, das wahrscheinlich vom Randpigment abstammt. Die Grösse dieser Organismen bei demselben Patienten ist meist verschieden, bisweilen besitzen sie ungefähr gleiche Grösse, aber meist sind sie in verschiedenen Ent- wicklungsstadien vorhanden, eine Erscheinung, welche die Zunahme der klinischen Erscheinungen in unregelmässigen Zwischenräumen am besten erklärt, denn wir werden nun ähnlich wie bei den Malariafiebern die Zunahme der klinischen Erscheinungen mit der Sporulation in Zusammenhang bringen.

M. H. In den Milzen von Beri-Beri-Kranken findet rann öfters einen grossen Reichthum von Pigmentkörnchen, die einzeln oder in Haufen vereinigt gefunden werden, die auch einmal eine rundliche Form annehmen können, ausser- dem in Pigment verwandelte rothe Blutscheiben, ferner weisse Blutkörperchen, die stets mit Pigment gefüllt sind, und es ist

Digitized by Google

134

du bisweilen schwer, sich zurecht zu finden, besonders in Präparaten, wo diese Orgunisnien abgestorben sind. In frischen Präparaten ist die Entscheidung leicht, man sieht dann eine deutliche Bewegung der Pigmentkörner. Da ich diese Organismen in Fällen fand, welche mit Milzvergrüsserung uml Fieber verliefen, so hielt ich sie anfangs für stark pig- mentirte Malariaplasmodien. Bei weiteren Untersuchungen überzeugte ich mich jedoch, dass zwischen ihnen und dm letzteren gewisse Unterschiede beständen. Diese Milzplas- modien sind viel stärker pigmentirt als die Malariaplasmodien und unterscheiden sich in den meisten Fällen durch die be- schriebene Gruppirung des Randpigments. Bisweilen fehlt diese Randpigmentirung, das Pigment ist dann gleichmässig über den Zellenleib vertheilt und wenn dann zugleich weniger Pigment vorhanden ist, dann ist eine Aehnlichkeit mit den extraglobulftren Malariaplasmodien sehr gross. Ein weiterer biologischer Unterschied ist der, dass diese Milzplasmodien sich nur im Milzblut vorfinden, es soll damit natürlich nicht ge- sagt sein, dass die kleineren beweglichen Formen nicht auch einmal ins circulirende Blut gerathen, aber es wird dies immerhin als eine Seltenheit bezeichnet werden müssen. Sie scheinen ein grosses Haftungsvermögen zu besitzen, was man daran erkennt, dass ihre Zellenleiber in frischen Präparaten am Deckglas bei Druck haften bleiben ähnlich den weissen Blutkörperchen, mit denen sie jedoch wegen der Form der Pig- mentirung, der Bewegung der Pigmentkörnchen, den ver- schiedenen Entwicklungsstadien sowie ihrer geringen Farbe- aufnahme nicht zu verwechseln sind. M. H. Es wäre wunder- bar, wenn diese pigmentirten Organismen bei dem grossen Fleiss, der die Beri-Beriforseher stets beseelt hat, nicht schon gesehen worden wären. In der Litteratur findet man zu häufig Angaben über starke Piginentirungen der Milz, dass man wohl Annahmen darf, dass das Pigment dieser Organis- men bereits erkannt wurde, wenn auch das Plasma unge- sehen blieb und das Ganze als parasitär nicht aufgefasst wurde. Am frühesten hat der holländische Colonialarzt Neeb auf diese Milzpigmentirungen aufmerksam gemacht.

Von den 63 Kranken, bei denen diese Milzplasmodien gefunden wurden, waren bei 12 die endoglobulären oder rundlichen und halbmondförmigen extraglobulären Malaria-

Digitized by Google

135

plasmodien vorhanden. Diese Fälle zeichneten sich den andern gegenüber, wo nur der Milzparasit vorhanden war, durch die Schwere der motorischen Lähmungen aus, und man sieht auch hier, wie deletär der Einfluss des Malariaerregers ist.

Von den Fällen, wo nur die Milzparasiten vorhanden waren, waren bei 87°/o Milzvergrüsserung und 70, 2°/# Fieber zu beobachten, während bei den Fällen mit negativem Befund 25% Milzvergrüsserung und 25°/0 Fieber vorhanden waren. Es ist mir wahrscheinlich, dass auch bei den Fällen mit Fiebererscheinungen, die übrigens meist 39° nicht überschreiten, diese Organismen doch vorhanden und dass dieselben bei der einmaligen Untersuchung nicht gefunden wurden.

Dass Milzvergrüsserung und Fieber zu häufigen Er- scheinungen gehüren, beweisen die Beobachtungen anderer Autoren. Scheube und Baelz fanden 45 und 50% Fieber- temperaturen, der englische Autor B e n 1 1 y 70,6%, also ebenso- viel wie ich. Auch andere Autoren geben in ihren Krankenge- schichten häufig Temperatursteigerungen an, und man kann, wie manche Autoren diesthun, die Beri-Beri nur dann für eine fieber- lose Erkrankung halten, wenn man die Fieber für Compli- cationen hält. Fiebig hat die Milz häufig vergrüssert ge funden und hält sie für eine der Beri-Beri -Krankheit zuge- hörige Erscheinung, Pekclharing und Winkler erklären, dass die Milz bei ihren Sectionen häufig vergrüssert war, beziehen dies aber ebenso wie einige andere Autoren auf die Erscheinung, dass man in Indien, den Malarialändern, häufig vergrösserte Milzen vorfinde. Die ist aber nach meiner Erfahrung entschieden nicht richtig, einen so grossen Procent- satz von 50 70% an vergrösserten Milzen hat das indische eingeborene Publicum nicht aufzuweisen. Pekclharing und Winkler geben selbst keine näheren Zahlen hinsichtlich der Milzvergrüsserung an.

Bei einem so grossen Procentsatz von Fieber und Milz- vergrösserung bei meinen Beri-BerifiUlen mit Mikroorganismen- befund war wohl ein aetiologischer Zusammenhang mehr als wahrscheinlich. Nun ist mit den Fieberanfällen auch eine Exacerbation der Pulscurve und Herzeurve zu erkennen und wir werden wohl nicht fehlgehen, wenn wir für alle diese Erscheinungen die Ursache in diesem Milzparasiten und seiner Vermehrung suchen.

Digitized by Google

136

M. H. Damit ist aber die Ursnclie für die Beri Bern Krankheit dnrcliaus nicht erschöpft. Es giebt zweifellos Falle, wo die Erscheinungen der Beri-Beri zugleich oder im Anschluss an eine Dysenterie auftreten, wo ein aetiologischer Zusammenhang nicht bezweifelt werden kann, ich habe in Virchow’s Archiv bereits ein Beispiel dafür gegeben. Bei einer Reihe von Fällen, und dies sind diejenigen, bei denen die Untersuchung des Milzblutes negativ ausfiel, waren anfangs Fiebererscheinungen vorhanden, an welche sich die Erscheinungen der Beri-Beri-Krankheit anschlossen.

M. II. Eine ähnliche Erscheinung ist auch bei der europäischen multiplen Neuritis bekannt. Dieselbe kommt nicht selten als Nachkrankheit einer ganzen Reihe infeetiöser Erkrankungen, wie Diphtheritis, Typhus u. s. w., vor. Dieser letzte Punct darf bei der Beri-Beri-Krankheit nicht ausser Acht gelassen werden, und ich fasse auch die Fälle ohne Mikroorganismenbefund mit Initialfieber als Nachkrank- heiten einer ursprünglich vorhanden gewesenen fieberhaften Erkrankung auf.

Aber nicht jede Dysenterie, nicht jede Malariaerkrankung macht Beri-Beri, ebenso wenig wie jede Diphtheritis, Typhus die Erscheinungen der multiplen Neuritis hervorbringt und so bringt auch nicht in allen Fällen der beschriebene Milz parasit die Erscheinungen der Beri-Beri-Krankheit hervor. Es giebt atypische Fieber mit Milzvergrösserung, wo der Milzparasit vorhanden ist und die Erscheinungen der Beri- Beri-Krankheit fehlen, auch hierfür habe ich bereits ein Beispiel gegeben.

Nach meinen Untersuchungen ist die Ursache der Beri- Beri-Krankheit, ähnlich der multiplen Neuritis in Europa, eine vielfache, für die Malarialänder glaube ich die Haupt Ursache in dem Milzparasiten und den Malariaplasmodien sehen zu müssen. Ob diese Ursachen auch in andern Ländern, wie Japan, Brasilien, den anderen Hauptheerden der Beri-Beri, dieselben sind, wie in den Malaienländern, müssen weitere Untersuchungen feststellen.

M. H. Ich habe mich bemüht, im Vorgetragenen Ihnen eine Uebersicht über die Untersuchungen zu geben, welche mich in den letzten 3 Jahren in Samarung beschäftigt haben.

Digitized by Google

13?

Sie sehen, dass noch eine ganze Reihe weiterer Fragen be- antwortet werden muss, bis wir zu einem vollen Verständuiss dieser interessanten Krankheit gelangt sein werden.

II. Besprechungen.

Seheube, Dr. B., Die Krankh eiten der warmen Länder.

(Fortsetzung.)

Gelbfieber. Das Gelbfieber wird durch ein speci- fisclies Krankheitsgift hervorgerufen, dessen Natur noch unbekannt ist. Die von verschiedenen Seiten in den Geweben,

Se- und Exkreten der Kranken gefundenen Mikroorganismen, die die Erreger des Gelbfiebers sein sollten, haben einer kritischen Nachprüfung nicht Stand gehalten. Auf welchem Wege das Krankheitsgift in den Körper eindringt, wissen wir nicht. Die Inkubationsdauer beträgt gewöhnlich 2 bis 3 Tage. Nach der jetzt wohl allgemein geltenden Ansicht ist die Krankheit nicht contagiös: nicht der Gelbfieberkranke ist es, welcher ansteckt, sondern die Gelbfieberlokalität.

Unzählige Male ist beobachtet worden, dass Kranke nach gelbfieberfreien Orten gebracht werden, ohne in diesen auch nur eine einzige Erkrankung nach sieh zu ziehen, wenn die Oertlichkeiten der zur Entstehung einer Epidemie nöthigen Bedingungen ermangelten. Das Gelbfiebergift ist auf weitere Strecken verschleppbar. Die Verschleppung erfolgt vorzugs- weise durch den Schiffsverkehr. Als Träger dienen sowohl Menschen als auch leblose Gegenstände (Kleider).

Das Gelbtiebergift hat zu seiner Entwickelung eine hohe Temperatur nöthig. Die mindeste mittlere Winter- temperatur muss circa 22 0 C. betragen. Das Gelbfieber pflegt an bestimmte Oertlichkeiten geknüpft zu sein und zwar an volkreiche Städte, die an der Meeresküste oder an schiffbaren Flüssen liegen und in Folge, dessen Schiffsverkehr haben. Gelbfieber bleibt meist in der Ebene und zeigt sich nur ausnahmsweise im Gebirge.

Von allen Rassen besitzen die Neger die geringste, die Weissen die höchste Empfindlichkeit für das Krankheitsgift.

Archiv t Schifft u. Tropanbygiene. 10

Digitized by Google

138

Neu Angekommenc sind für die Ansteckung melir empfänglich als solche, die bereits längere Zeit im Lande sind. Frauen erkranken seltener als Männer, ebenso Greise und Kinder. Leute, die viel mit Feuer zu tliun haben, Heizer, Küche, Bäcker erkranken am leichtesten, Cigarrenarbeiter am seltensten.

Der Antang der Krankheit setzt für gewöhnlich plötzlich unter Schüttelfrost ein. Zuweilen gehen 2 3 Tage vorher Prodrome voraus. Hohes Fieber 39 0 C., Kopf- und Lendenschmerzen, gedunsenes Gesicht, injicirte Bindehaut, Erythem des scrotums. Brechneigung findet sich im Beginn der Krankheit. Manchmal findet sich schon jetzt etwas Eiweiss im Urin. In den nächsten 2 3 Tagen erfolgt eine Zunahme der Symptome. Die Temperatur steigt bis 41 0 0. Es tritt Icterus ein, der aber in sehr akut und tüdtlich verlaufenden Fällen fehlen kann. Am 4. Tage tritt bedeutender Nachlass fast aller Symptome ein, die Temperatur sinkt bis zur Norm, der Puls geht auf 40 30 Schläge in der Minute herunter. Häufig schliesst sich unmittelbar hieran die Reconvalescenz, häufiger aber erfolgt wieder eine Verschlimmerung und die Krankheit geht in das dritte oder Collapsstadium über. Die Temperatur steigt wieder an, es stellt sich remittirendes Fieber ein manche Fälle verlaufen fieberlos und es tritt Blutbrechen auf. Es werden schwarze kaffee- satzartige Massen erbrochen. Der Stuhl wird diarrhöiseh, enthält schwarze Massen wie das Erbrochene, cs tritt Anurie auf und die Kranken gehen im Collaps zu Gruude. Diesem Krankhcitsbilde stehen andere gegenüber, bei denen einmal nur so geringe Zeichen vorhanden sind Kopfweh, Lenden- schmerz, Druck im Magen dass die Kranken ihren Geschäften nachgehen, bis plötzlich Blutbrechen anftritt und die schwere Erkrankung erkennen lässt, andererseits solche Fälle, die in 36 Stunden tüdtlich verlaufen. Der Prozentsatz der Sterb- lichkeit schwankt zwischen 15 75°/o, je nach den einzelnen Epidemien.

Die Gelbfieberleichen zeigen gewöhnlich äusseren und inneren Icterus, Blutungen in die verschiedensten Organe, parenchymatöse Degeneration der Leber und der Nieren und die fettige Degeneration der Capillaren und des Herzens.

139

Die Diagnose des Gelbfiebere bietet keine Schwierig- keiten dar, wenn es sich um ausgebildete Fälle desselben während einer Epidemie in seiner engeren Heimat handelt. Anders dagegen in vereinzelten ausserhalb derselben auf- tretenden Fällen. Daun kommen namentlich Icterus gravis und biliöse Remittens (Schwarzwasserfieber) in Betracht.

Die Prognose ist schlecht, sobald das Initialfieber über 41° C. steigt und der Urin bei hohem Eiweissgehalt spärlich ist. Als ungünstige Vorzeichen gelten ferner das frühzeitige Auftreten von Icterus und schwarzem Erbrechen

Bei derProphy laxe werden Besserung der hygienischen Verhältnisse der Städte und Quarantainemaassregeln empfohlen. Die Einzelheiten darüber sind im Original einzusehen.

Die Therapie ist symptomatisch. Bei Beginn der Erkrankung wird gewöhnlich ein Abführmittel gegeben, später zum diaphoretischen Verfahren übergegaugen, gegen das Blutbrechen Liquor Ferri sesquichlor 15,0/1000, 0 mit Zucker 1. stdl. 1 Esslöffel.

Das Mitt eimeerfieber, das früher für eine eigen- thümlichc Form des Abdominaltyphus oder eine Combination von Typhus und Malaria angesehen wurde, wird nach den Untersuchungen von Bruce durch einen Mikrokokkus bedingt, den er Mierococcus Maltensis nannte und der für Affen pathogen ist. Die Thiere bekommen Fieber und sterben nach 13 20 Tagen. Die Inkubationsdauer schwankt wahr- scheinlich zwischen wenigen und 20 30 Tagen. Die Haupt- zahl der Erkrankungen fällt in die Monate Juli bis Sep- tember. Das Mitteimerfieber ist nicht kontagiös. Mit der Besserung der hygienischen Verhältnisse hat die Anzahl der Erkrankungen wesentlich abgenommen. 1859 erkrankten 269,5°/00, 1888 nur 71,2°/n0 der englischen Soldaten in Malta.

Die Krankheit beginnt mit Fieber, das bis 40,5° C. steigen kann, und Stirnkopfsehraerzen, Glieder-, Lenden- schmerzen und Appetitlosigkeit verbunden mit Uebelkeit ge- sellen sich hinzu. Der Stuhl ist in der Regel angehalten, manchmal aber tritt Durchfall von typhusähnlicher Beschaffen- heit ein. Gewöhnlich ist eine profuse Schwcissabsonderung vorhanden. Daher ist die Krankheit auch als Febris sudoralis bezeichnet worden. Das Fieber besteht länger als 1 2 Wochen. Mitunter treten rheumatische Affektionen ein, die sich

io*

Digitized by Google

140

in Schwellung der Schulter und Kniet- und Hüftgelenke Kusse m. Neuralgien und Orchitis treten im Laufe der Krankheit hinzu.

Charakteristisch sind für das Mittclmcerfieber die Rück- titlle, die die Krankheit Uber Monate hinziehen kennen. Der lJrocentsatz der Sterblichkeit betrügt 2

An den Leichen erscheint der ganze Darm geröthet, im Dickdarm finden sich noch ausser der Röthung Geschwüre.

Die Milz ist vergrössert, weich und zerfliessend.

Bei der Diagnose macht mitunter die Unterscheidung von Abdominaltyphus Schwierigkeiten.

Die Therapie ist symptomatisch. Vorsichtig muss man mit der Diüt sein. So lange Fieber besteht, ist Hüssigc Nahrung geboten.

Ueber das indische Nasha-Fieber berichtete Fernandez 1894 auf dem indischen medicinischen Congress. Es tritt vorzugsweise in Bengalen auf und ist durch mehr- tägiges Fieber charakterisirt, dem eine eigentümliche Hyper- aemie der Nusenschleimlmut gewöhnlich vorausgeht. Das Fieber ist resistent gegen Chinin. Tödtlieher Ansgang ist selten.

Dasjapan ische Fluss- oder U eberschwemm ungs- fieber ist 1879 zuerst vomßälz beschrieben worden. Es ist auf einen kleinen Bezirk an der Westküste der japanischen Hauptinsel beschrankt. Es ist charakterisirt durch fieber- haften Verlauf, umschriebene Hautnekrose, Lymphdrüsen- schwellung und Hautexanthem und tritt zur Zeit der regel- mässigen Ueberschwemmungen auf. Meist ohne Vorboten treten Schwellungen der Lymphdrüsen einer Körpergegend, z. B. einer Leiste, einer Achselhöhle, des Halses, auf. In deren Nähe findet sich dann eine umschriebene Hautnekrosc. Mit Vorliebe sitzen diese Nekrosen an feuchten Hautstellen, z. B. an den Genitalien, in der Achselhöhle. Der Schorf hat etwa 2 4 mm im Durchmesser. Es finden Bich bis 4 solcher Stellen. Die entsprechend befallenen Lymphdrüsen sind hart und sehr druckempfindlich. Die Temperatur be- trügt bis zu 40° C., es besteht fast stets Bindehautkatarrli. Am 6. oder 7. Tage tritt unter Steigerung des Fiebers ein Exanthem nuf, das zuerst an Schläfen und Wangen erscheint und aus dunkelrothcn Papeln besteht. Gleichzeitig mit dem

141

Exanthem und zwischen diesem treten an den Unterarmen und am Rumpfe zahlreiche kleine dunkelrothe Knötchen auf. Die Kranken jammern viel, wahrscheinlich in Folge einer allgemeinen Ilyperaesthesie. Der Schorf löst sieh und unter ihm findet sieh ein rundes Kratergcachwür mit steilen, scharfen Rändern, das nur wenig Eiter absondert. Die mittlere Dauer des Flussfiebers beträgt 3 Wochen. Die Mortalität wird von Bälz auf 15°/0 angenommen.

Das unbekannte Krankheitsgift haftet an dem aufgc- sehweinmten Lande, und die Ucbcrsehwemmungen spielen zweifelsohne eine Rolle bei der Entwicklung der Krank- heitserreger. Die Ucbersehwemmungcn finden regelmässig im Frühjahr statt. Fast ausschliesslich werden Schnitter be- fallen und Leute, «lic den geernteten Hanf sortiren und reinigen.

Die Therapie ist symptomatisch.

(Fortsetzung folgt.)

Le d i agnostie bac 1 6 r iologiquc d u pnl ud isme par le Dr. du Bois, Saint Scrvin, mödeein de premiere classe de la marine. (Archives de medecine navale et coloniale. 1896. N. 5 p. 335, T. 65.

Verfasser giebt in seinem Aufsätze zunächst einen ganz kurzen historischen Ueberblick über die Entdeckung der Malaria-Parasiten durch Lavcran und weist auf die diagnostische Wichtigkeit der entsprechenden Blutbefundc hin.

Seine Resultate gewann er hauptsächlich durch Blut- untersuchungcn während der Dahomey-Expedition im Jahre 1892 93 und bei den aus Madagaskar heimgekehrten Mannschaften.

Er unterscheidet zunächst bei der Blutuntersuchung 2 Fälle, erstens die Untersuchung während eines Fieber- Antnlles, zweitens die Untersuchung während der Apyrexic bei einem „Kachektischen oder einem Anämischen“, der vorher ISumpffieber üherstanden hatte.

Im ersten Falle soll das Blut des Malariakranken im Beginne des Anfalls immer Parasiten enthalten, gleichgültig, ob er Chinin genommen oder nicht.

Digitized by Google

142

Da du B. gar nicht angiebt, für welche Fiebertypen das EUtreffen soll, ist die Analyse derartig allgemein ge- haltener Angaben unmöglich. A. Plehn hat in Kamerun bei dem Vorhandensein von nur 1 Parasitengeneration einige Stunden vor dem Fieberanfalle bis in den Schüttelfrost hin- ein im peripheren Blute keine Parasiten finden können, da diese dann in inneren Organen ihre Sporulation durch- machen. Referent sah in Kamerun bei den remittirend ver- laufenden Erstlingsfiebern, die in überwiegender Mehrzahl an Bord zur Beobachtung kamen, Parasiten von verschiedener Entwicklungsstufe oft in allen Stadien der Krankheit. Hier handelte es sich eben um mehrere Parasitengenerationen. Bei 2 Fällen von genau beobachteter Quotidiana konnten ebenfalls in allen Stadien der Krankheit Parasiten nach- gewiesen werden. Indess kamen auch schon bei heimischer Tertiana Anfälle vor, während deren nur eine äusserst sorg same Beobachtung das Vorhandensein von Blut-Parasiten feststellen konnte. Wenn dann ferner du B. sagt, dass im lebenden Blute nur die etwa sich findenden Geisselfonnen, Halbmonde und die grossen pigmentirten freien oder endo- globulären Körper sich gut finden Hessen, dass aber die kleinen, noch pigmentlosen und gewisse kleine Theilungs- formen in der Mehrzahl der Fälle unbemerkt blieben, so trifft das für den geübten Beobachter nicht zu. Wer öfter mit einem guten Miskroskop die kleinen, oft lebhaft beweg- lichen, blassen Parasiten gesehen hat, die jeden Augenblick von der Ring- in die Scheibenform und umgekehrt über- gehen, wird bald lernen, sich vor Verwechslungen mit den napfförmigen Ausbuchtungen der rothen Blutzellen zu be- wahren. Letztere sind durchschnittlich grösser, erscheinen stärker lichtbrechend, bedeutend schärfer konturirt und viel weniger beweglich. Ihre Form bleibt meistens eine runde oder ovale. Bei den jungen Parasiten der Tropenfieber sieht man sehr oft durch Verdünnung des Plasmas im Centrum des Parasiten die dunklere Substanz der rothen Blutzellen durchschimmern, du B. geht auf diese hier nur kurz angedenteten differential diagnostischen Momente nicht ein. Da er aber gerade die Wichtigkeit des schnellen Auf- findens der Malaria-Erreger betonte, war es nothwendig, die relative Einfachheit der Untersuchung im lebenden Blute

143

hervorzuheben. Referent hatte anfänglich auch che Leb- haftigkeit der amöboiden Beweglichkeit der jungen tropischen Malaria-Parasiten unterschätzt. Nach du B. sind die vor- erwähnten kleinen Formen nur durch dio Färbung leicht nachzuweisen. Zu erwähnen ist, dass er mit Recht gerade diesen kleinen unpigmentirten Formen die grösste Wichtig- keit beimisst. Für wünsehenswerth hält er die Färbung auch bei der Blutuntersuchung bei einem Kachetiker im Zustande der Apyrexie, der sich unter Chininbehandlnng befindet. Häufig hat er dann Halbmonde und grosse, starke pigmen- tirte, sphärische Körper finden können, wenn auch in sehr geringer Anzahl in dem jedesmaligen Präparat. Ucbrigens sind die grossen stark pigmentirton Sphären und Halbmonde so charakteristisch in ihrem Aussehen, dass es allein zu ihrem Nachweise nicht der Färbung bedarf.

Behufs Anfertigung von Präparaten wäscht und bürstet du B. dem Patienten einen Finger mit Seife, dann mit Sublimat und zuletzt mit Alkohol, trocknet ab, legt eine Ligatur um das erste Fingerglied und sticht in die Finger- kuppe mit einer ausgeglühten Nadel. Dann fängt er das Blutströpfchen, das nicht zu dick und nicht zu dünn sein darf, mit der Mitte eines Deckgläschens auf und legt ein anderes kreuzförmig darüber. Wenn sich der Blutstropfen ausbreitet, zieht er die Deckgläsehen vorsichtig voneinander ab, um Fonnveränderungcn der rothen Blutkörper zu vermeiden. Wünsehenswerth wäre hier gewesen, wenn der Verfasser eine genauere Schilderung der zu Täuschungen möglicher- weise Anlass gebenden eventuellen Kunstprodukte gegeben hätte. Specicll die kleinen, bei leichtem Druck auf das Deckglas sich von den rothen Blutzellen abschnürenden runden Stücke haben durch ihre oft äusserst lebhafte Be- weglichkeit schon häufig junge, extraglobuläre Parasiten vor- getäuscht. Das Waschen mit Sublimat erscheint bei Blut- untersuchungen zur Orientirung, ob Parasiten da sind oder nicht, entbehrlich, in jedem Falle auch die Anlegung einer Ligatur. Es schien, als ob sich bei Anlegung einer Ligatur die rothen Blutzcllcn im frischen Präparat leichter ver- änderten. Auch die Anwendung der ausgeglühten Nadel scheint weniger geeignet.

Digitized by Google

144

Referent sali an der westafrikanischen Kliste, wie seihst kräftige Männer direkte Furcht hatten vor dem Stich mit der Nadel. Ein Stich mit einem Stilet mit kurzer, vierkantiger Spitze wurde viel weniger schmerzhaft em- pfunden.

Ob man das Blut auf dem Deckglase verstreicht oder die Vertheilung zwischen 2 Deckgläschen vornimmt, wie du B., macht wenig Unterschied. Nur muss man in letz- terem Falle, was du B. vergisst, sich die die Deckgläschen haltenden Finger mit Seife und Alkohol vorher waschen, da sonst durch den die Hand umgebenden Dunstkreis Bich die Deckgläschen beschlagen und die rothen Blutzellen Ver- änderungen eingehen können.

Du B. lässt dann die Präparate trocken werden und fixirt durch Uebergiessen eines Tropfens aus einer Mischung von Alkohol und Aether as. Wenn die Präparate trocken sind, 1 3 Minuten einlegen in filtrirte Eosin- Lösung (wasserlöslich) '/ ioo. oder in einer Mischung von Eosin .... 1,0

Alkohol . . . 60,0 Aq 40,0

abspUlen und einlegen in eoncentrirte wässerige, filtrirte Methylenblaulösung einige Sekunden bis 4 oder 5 Minuten. Man soll dann, wenn sich nicht noch eine Nachbehandlung mit einem der Farbstoffe nöthig zeigt, abspUlen, trocknen lassen, in Xylol waschen und darauf in Canada-Bnlsam betten. Man soll dann die rothen Blutzcllen rosa gefärbt sehen, die weissen Blutkörper verschieden gefärbt. Bei Anä- mischen und Kachektikern sah er die Zahl der eosinophilen Zahlen bisweilen enorm vermehrt. Die Parasiten selbst sah du B. blassblau gefärbt. Ihre Zahl sollte im Beginn des Fiebers sehr beträchtlich sein, während des Anfalles aber sich vermindern und während der Apyrexie sehr gering werden. Die ein- oder mehrfach inficirten rothen Blutkörper zeigen nach du B. oft eine geblähte Form mit verringerter Färbe- fähigkeit.

Heber die Grössenverhältnisse giebt du B. keine An- deutungen. Die kleinsten sind noch unpigmentirt. Wachsend zeigen sie einige Pigmentkörnchen. Ihre Form soll meist unregelmässig sein im gefärbten Präparat. Diese Angabe

145

erscheint merkwürdig. Die Mehrzahl der Autoren fand iin geftrbten Präparat meist typische Ring- oder Sicgclring- form hei den jungen Formen, bei den etwas älteren mehr rundliche. Auch dass du B. die jungen Formen z. Th. noch frei im Blute fand, und ausserdem oft Segmentations- formen im peripheren Blut, ist bemerkenswert!]. Ueber das seltene Vorkommen der letzteren Gebilde im peripheren Blut sind wohl alle Autoren einig, wenigstens soweit cs sieh um Fieber handelt, die dein estivo-autumnalen der Italiener entsprechen. Man neigt durchschnittlich der Ansicht zu, dass die Theilung in inneren Organen statttindet. Freie junge Formen hat Referent sowohl hei heimischer wie bei tropischer Malaria nicht sehr oft gefunden. Es schien, als ob die jungen Parasiten sofort nach dem Verlassen des Mutterkörpers die rothen Blut- zellen inficirten. Bei den Segmentationskörpern sah du B. bis 20 sehr kleiner Sporen. Das Auffinden dieser Körper giebt du B. die Indikation zu Chinin-Injektionen, da die erwähnten Formen leicht durch Chinin zu beeinflussen seien. Einen selteneren Befund bildeten ihm bei Beginn des Anfalls sphärische Körper und Halbmonde. Dieselben Ge- bilde sah er auch in der Apyrexie. Bei den Halbmonden beschreibt er eine regelmässige Gruppirung des Pigments im Centrum des Gebildes.

Sicherlich kommen indess auch Formen mit zerstreutem Pigment vor. Auf die gelegentliche Lagerung innerhalb von rothen Blutzellen geht er gar nicht ein. Eine unge- wöhnlich grosse Anzahl von Parasiten während der Apyrexie war ihm das Zeichen, dass ein neuer Anfall bevorstand.

Fand er keine Parasiten, so liess er die Diagnoso zweifelhaft und suchte sich durch die Befunde der weissen Blutkörper, wie sie oben angedcutet, zu orientiren. Es ist das ein sehr trügerisches Mittel.

Um die Geisselforinen im lebenden Blut zu sehen, schloss du B. das Präparat in Paraffin ein, stellte sich einen regelmässig pigmentirten Körper ein und beobachtete dann im Laufe der nächsten 10 15 Minuten das Hervorschiessen der schon so oft geschilderten Geissein. Auch hier ist zu betonen, dass man die erwähnten Formen sofort nach Ver- lassen der Blutbahn im lebenden Blute beobachten kann.

Digitized by Google

146

Auf die Diagnose der für die Prognose so wichtigen sterilen Formen, wie überhaupt auf die Verhältnisse des Kernes wird nicht cingegangen. Wie Referent demnächst zeigen wird, zeigen die Parasiten der Tropenfieber nämlich ein ähnliches Verhalten ihrer Kerne, wie die Parasiten der heimischen Malaria. Die sterilen Formen der tro- pischen Parasiten, die Sphären, G eisse 1 k ör pe r und Halbmonde können sich, wie schon an an- derer Stelle* *) auseinandergesetzt ist, bei voll- kommenem Wohlbefinden zeigen. Eine Be- ziehung zum Fieber haben sie nicht. Wegen ihres Chrom« t inina n g eis scheinen sic unfähig zur Fortpflanzung.

Am Schlüsse der Arbeit giebt du B. einige ganz all- gemein gehaltene Thesen, die neues nicht bringen.

Berlin, Februar 1897. Dr. Ilans Ziemann,

Mar.-Ass.-Arzt I. CI.

De l’orc hi te ma I ar i en ne par le Dr. P 1 an t e. Modi ein de p rentiere classc de la marine. Archives de med. na vale et colon. 1896. Nr. 5. 1. 65 p. 347.

Ilodencntzündung im Verlaufe von Malaria ist bereits von Gorrc'), Le Dentu’), Charvot3) und anderen in Frankreich beschrieben. Von deutschen Autoren ist Martin4) zu nennen, der sie in Sumatra beobachtete.

In der deutschen Marine ist sic ebenfalls mehrfach beobachtet. (Statistischer Sanitätsbcricht 1891 93. Ostasicu, Afrika.)

Referent sali nur 1 leichten Fall in Kamerun bei dein SehifFskneh der Hulk „Cyklop“ und zwar gelegentlich einer febris irregularis, nachdem vorher schon durch Blutunter-

*) Ueber Blutparasiten bei heimischer und tropischer Malaria. Von I >r. H. Ziemann, Centralbl. f. Bacteriologie u. Parasitenk. 189fi. B<1. 20, Nr. 18,' 19.

*) Pathologie exotiipic. 1 1 Orchite paludeenne. Bullet, et mein, de In soc. de Chir. in Vircli. Hirsch. Jahresbericht 1888 p. 325. *) Ktude cliniquo sur l'orchite paludeone, revue de Chirurg. VIII. 8. Schmidts Jahrbücher 1888 p. 120. 4) Aerztliclie Krfahrungen Uber die Malaria der Tropen-Länder. Berlin, 1889. p. 34.

147

Buchungen festgestelltc latente Malaria bestanden hatte. Die Orchitis ging fast gleichzeitig mit dem endgiltigcn Fieber- Abfall und dem Schwinden der Parasiten aus dem peripheren Blute zurück.

Das schnelle Einsetzen ohne Prodromalsymptome, die oft sich findende Verschlimmerung und Verbesserung des Zustandes je nach dem Malaria Stadium, die intensive Schmerz- haftigkeit, die Beeinflussharkeit durch Chinin, die schnellere Heilung werden als Unterscheidungsmerkmale gegenüber der gewöhnlichen gonorrhoischen Affection hervorgehoben.

Bei der letzteren kommt es zuerst zu Entzündung des Nebenhodens und bleibt die Entzündung in der Mehrzahl auf dieses Organ beschränkt. Bei Orchitis ex malaria soll es nach Martin fast gleichzeitig zu Hoden- und Nebenhoden- entzündung kommen.

Wie fast alle anderen Autoren, giebt auch Plante an, dass sich diese Komplikation hauptsächlich fände bei Leuten, die schon mehrfach Malaria-Anfälle überstanden. Hoden- Atrophie sah er nie Zurückbleiben, niemals auch Vereiterungen des Hodens bezw. zurückbleibende Schwellung des Neben- hodens. Im Ganzen sah er 5 Fälle, von denen 2 einen und denselben Patienten betrafen.

Letzterer hatte schon vorher gelegentlich einiger Fieber- Anfälle an Neuralgie in der Lumbar-Gegend gelitten mit ausstrahlenden Schmerzen nach dem einen Hoden und Neben- hoden. Im Verlaufe eines heftigen Fieber Anfalles traten heftige Entzündung eines Hoden und Nebenhoden auf. Die Erscheinung verschwand und wiederholte sich mit den regel- mässig wiederkehrenden Anfällen.

Nach einem solcher Anfälle kam es zu einer Phlegmone. Nach Einschnitt reichliche Eitcrentleerung und schnelle Heilung auch der Orchitis. (J Wochen später wieder heftige Fieber- Anfälle und Ilodenentzündung. Es kam zu einem oher- Hächlichen Abscess des scrotum, der nach Ineision zuriickging. Die Ilodenentzündung hielt noch 3 Wochen mit dem Fieber an. Zuletzt Heilung. Bei den 3 anderen kam cs zu keiner Abseessbildung. Die Heilung trat sehr schnell ein, in dem einen Falle mit dem Ende des Anfalles, der 24 «Stunden gedauert hatte. In derselben Zeit ging das Volumen des um das doppelte vergrosserten entzündeten Hodens zui Norm

Digitized by Qoogle

148

zurück. In allen Fällen hatte sich die Hodenentzündung hcrausgobildet im Verlaufe eines ungewöhnlich heftigen Fieberanfalles.

Es ist sehr zu bedauern, dass Plant«! nicht gleiclizeitig Blutuntersuchungen angestcllt hat. Dieselben sind unbedingt notwendig, wenn derartigen kasuistischen Mitteilungen eine gewisse beweisende Kraft innewohnen soll.

Plant«! glaubt, dass cs sich bei der erwähnten Krankheit um eine Entzündung des Lympl.-Gefässnetzes des Hoden und Nebenhoden handle. Da in den heissen Ländein das Lymph-Gefässsystem überanstrengt würde, sei in demselben ein locus minoris resistentine gegenüber den Krankheits- erregern geschaffen. Auf diese Weise sei es auch zu erklären, warum die Krankheit nicht in der gemässigten Zone aufirätc. Diese Erklärung erscheint durchaus noch nicht beweisend.

Bei der tropischen Malaria findet, wie durchgehend» beschrieben ist, die Sporulation vorwiegend oder allein in inneren Organen statt, möglicherweise, weil die inficierten Blutzellen, nachdem sie gewisse Veränderungen erlitten, in den betreffenden Kapillarnetzen zurückgchalten werden. Vielleicht ist dieses rein mechanische Moment zu einer unge- zwungenen Erklärung der orchitis ex malaria heranzuziehen.

Berlin, Februar 1897. Dr. Hans Ziemann.

1) L. Breaudat, Contribution ä l’etude bactcriolo- gique de la „fievre bilieuse hfimaturique“ au Tonkin. (Arehives de m&lecine navalc, 1896, tomc soixante-cinquieme.)

Breaudat fand, wie vor ihm Yersin,*) im häiuo- globinhaltigen Urin von 5 Schwarzwnsserfiebcrkranken, sowie in dem grüngetärbten Stuhl ein«'» sechsten, 24 Stunden nach dessen Tode, einen „Cocco-bacillus“, den er auf Grund genauer bacteriologischer Prüfung für identisch mit dem „bacterium coli“ hält.

Dass demselben in den mitgcthi-ilten Fällen eine patho- logische oder gar ätiologische Bedeutung zukomme, behauptet auch Breaudat nicht.

*) Dasselbe Blatt, Juli 1800.

Digitized by Google

140

Referent hat bei zahlreichen Untersuchungen des hämo- globinurischen Urins Malariakranker bis jetzt nur Fäulniss- bacterien gelegentlich gesehen. Albert Plelin.

2) Clavac Dr., mddecin principal des colonies. Notes de pathologie exotique; Deux cas d’heinoglobi- nurie quinique. Ebenda.

Verfasser berichtet über einen Fall, wo bei einem jungen Mädchen, das nach sechsmonatlichem Aufenthalt in der Colonie (wo? ist nicht gesagt) an öfteren leichten Ficber- an fällen zu leiden begann, deren wegen es drei Monate später vierzehn Tage lang täglich 0,5 g Chinin nahm, die letzte Gabe dann Hämoglobinurie mit hohem Fieber und leichten Jcterus auslöste.

Nachdem der Urin am zweiten Tage normale Beschaffen- heit wieder angenommen hatte und die Temperatur zur Norm zurückgekehrt war, wurde am dritten Tage danach bei völligem Wohlsein wiederum 0,75 g Chinin gereicht. Zehn Stunden später wiederholten sich die stürmischen Er- scheinungen : Fieber, Hämoglobinurie, Jcterus. Als auch

dieser Anfall ohne weiteren Chiningebrauch rasch überwunden war, wurde vier Tage später (experimeuti causa) nochmals 1 g Chinin gegeben, was ebenfalls Hämoglobinurie, diesmal ohne Fieber, hervorrief. Rasche vollständige Reconvalescenz nach Aussetzen des Medicaments.

Ein zweites Mal machte ein fieberkranker, stark malaria- durchseuchter Ordensbruder, dem Verfasser Chinin verordnetc, selbst darauf aufmerksam, dass er jedesmal nach Chinin- gebrauch blutigen Urin entleere. .Schliesslich willigte er i.. einen Versuch, der seine Angaben bestätigte. Heilung.

Verfasser erörtert im Anschluss an diese Mittheilungen die Frage, ob es sich hier und in den von anderer Seite beschriebenen Fällen um „Hämoglobinurie durch Chinin“, oder „Fi£vre bilieusc hämaturique“ gehandelt habe. Er scldiesst sehr richtig, dass eine Prädisposition, wie sie (vielleicht neben anderen Momenten, als Lues, Heredität) ganz besonders Malariaerkrankungen schallen können, für eine derartige Giftwirkung des Chinins unerlässlich sei. Aber leider kommt er nicht so weit, die Consequenz daraus zu ziehen, dass man vom Chiningebrauch ganz absehen muss,

Digitized by Google

150

wenn es seinen verderblichen Einfluss auf Grund wie immer auch entstandener Disposition zum Blutzerfall bethätigt bat.

Wenn aber Clavak so auch die Frage des Chinin- gebrauchs bei hfimoglobinurischem Fieber offen lässt, so hat er doch das grosse Verdienst, wenigstens grösste Vorsicht im Gebrauch des Mittels anzurathen und nur ganz kleine Gaben zu empfehlen, die man eventuell öfters wiederholen soll. Ob die Chinarinde, durch welche Verfasser das Alcaloid ersetzen will, specifisch anders wirkt, ist doch wohl die Frage. Die einschlägige Deutsche T.itteratur der letzten Zeit ist ihm offenbar noch nicht bekannt.

Jedenfalls ist es sehr erfreulich, hier von ganz anderer Seite aus den Tropen die Erfahrungen bestätigt zu finden, welche Friedrich P I e h n und Referent an der Afrikanischen Westküste in Bezug auf die unter Umständen gefährliche Wirkung des Chinins auf Malaiiakranke machten, die zu Blutzerfäll neigen. Albert Plehn.

Winterschlaf und Infection von Dr. Otto Billinger. Wiener klinische Rundschau. 8. November 189G, Alfred llülder.

Von der Thatsache ausgehend, dass Bakterien zwar im thierischen Organismus bei einer stark über die Norm erhöhten Temperatur getödtet werden können, der Organismus selbst aber ebenfalls hohe Temperatur dauernd nicht verträgt, hat Verfasser versucht, auch den Ein- fluss abnorm niedriger Wärmegrade auf die Bakterien im Thierkörper experimentell zu studiren. Die einen Winter- schlaf haltenden Thiere mit ihrer nur weniger über Null sich erhebenden Körperwärme boten hierfür geeignete Objekte. Es zeigte sich, dass die Einimpfung von Rotz und Milzbrand die schlafenden Thiere zwar erweckte, dass dieselben aber bald wieder einschliefen und im Winterschlaf durch das eingeführte Gift getödtet wurden. Anders verhielt sich das Murmelthier gegen Tuberkelbacillen. Es erwachte durch die kleine Operation nicht, sondern erst zur gewöhnlichen Zeit nach beendetem Winterschlaf, erkrankte aber dann rasch und starb an akuter Miliartuberkulose nach einigen Tagen. Die interessanten Experimente beweisen, dass die Krankheits- erreger im Organismus gegen Kälte widerstandsfähiger sind als im Laboratorium. M.

15t

DieSeekrankheitalsTypus der Kinetosen, Versuch einer Mechanik des psychosomatischen Betriebes von Prof. Dr. 0. Rosen hach -Breslau. (Wien, Alfred Ilöldcr 18l>ß.)

Als Kinetosen bezeichncte Rosen buch eine Gruppe von Betriebsstörungen des Organismus, deren Eigentümlich- keit ist, dass sie verursacht sind durch ungewohnte von aussen auf den Körper einwirkende Bewegungen. Die Haupt- bewegungen dieser Art sind: 1. ein rein psychischer Vorgang, 2. die Schaukelbewegung, 3. die Kreisbewegung, 4. Bewegung in senkrechter Richtung zur Horizontalebene, 5. Rtiekwärts- bewegung, 6. die schnelle Hemmung bei Bewegungen oder schneller Uebergang zur Bewegung aus dem Ruhezustände.

Durch diese ungewohnten Bewegungseinwirkungen wird der dem Normalzustand entsprechende Tonus der feinsten Gewebsteilchen und deren Schwingungen verändert. Ist auch der Körper mittels empfindlicher Reguliervorrichtungen bis zu einem individuell verschiedenen Grade im Stande, den Einflüssen zu begegnen, so wird die Widerstandskraft doch oft überschritten, cs treten Störungen, Erkrankungen auf.

Die Seekrankheit hat als Typus der Kinetosen zu gelten. Die Schiffsbewegungen sind derartige, dass ihnen fast jeder Organismus, Menschen und Thiere, unterliegt. Besonders ist es die Drehung des Schiffes um die Querachse, das sog. Stampfen, welche seekrank macht, also die Auf- und Ab bewegung und der schnelle unberechenbare Wechsel, welcher es unmöglich macht, dass die Reguliervorrichtungen in Tliütig- keit treten.

Die Seekrankheit tritt in zwei Hauptlormen auf, einmal mit hauptsächlicher Beteiligung des centralen Nervensystems und zweitens der Bauehorgane; häufig sind Mischformen. Der Grad der Erkrankung wechselt von leichtem Unbehagen bis zu den qualvollsten Zuständen vollständigen Vernichtungs- gefühls, Willenlosigkeit, Versagen aller aktiven vegetativen Verrichtungen bei unstillbarem Erbrechen, Stuhl- undUrindrang

Die Therapie stellt sich nach dieser Theorie recht trost- los dar, denn natürlich lassen sich die einmal in abnormen Tonus gerathenen und abnormen schwingenden Moleküle durch nichts anderes in ihren alten Zustand zurückbringen als durch Beseitigen der Ursache, Betreten festen Bodens. Narcotica können für kurze Fahrten, im Anfang gereicht, den

Digitized by Google

152

Ausbruch durch Herabsetzung der Erregbarkeit verhindern, schliesslich aber muss ihre Wirkung in das Gegentheil Um- schlagen infolge ihrer lähmenden Eigenschaften. Am besten hat sich Cocain 0,03 0,05 mehrmals gereicht bewährt und die Morphiumeinspritzung, wohlgemerkt, Anfangs und fiir kürzere Fahrten. Günstiger ist die Prophylaxe. Durch Gewöhnung an abnorme Bewegung kann die Regulierfähig- keit der Gewebe sehr gesteigert werden. Von unmittelbaren Vorschriften sind bewährt, vor der Abreise überhaupt ruhig und mässig zu leben, das Schiff erst nach Genuss von etwas Speise und Trank zu betreten, auch geringer Alcoholgenuss ist vorteilhaft, Aufenthalt in frischer Luft, horizontale Lage möglichst in der Nähe der Mitte des Schiffes, Tragen einer festen Leibbinde, Femhalten von Sorgen, Aufregung und Angst.

Die hauptsächlichsten sonst aufgestellten Theorien über das Wesen der Seekrankheit erfahren eingehende Besprechung und Widerlegung. Diese Theorien sind 1. die Theorie der Cir- culationsstörungen, wonach abnorme Blutverteilung, besonders Anämie des Gehinis, das Wesen der Erkrankung ausmachen, 2. die Theorie der Centrifugalkraft, nach welcher die Flüssig- keitsteilehen im Kürperinnern umhergeschleudert werden, 3. die centrale Theorie, welche eine Art Gehirnerschütterung, 4. die abdominale Theorie, welche ein Aneinanderschlagen und Umherwerfen der Baucheingeweide annimmt, 5. die Theorie des statischen Centrums, 6. die Theorie des optischen Schwindels infolge des Mangels eines ruhenden Punktes für das Auge.

Mit der Theorie des Verfassers, welche immerhin die Anerkennung des hypothetischen Tonus nöthig macht, sonst aber trefflich begründet ist, kann von allen diesen nur die Theorie der Circulationsstörungen in Wettbewerb treteu. Diese erklärt gleicherweise alle Erscheinungen der Seekrank- heit befriedigend und bleibt dabei auf dem Boden der Tliat- suclicn. Man kann sich unschwer vorstellen, dass infolge der dem ganzen Körper erteilten Bewegung hin und her, auf und nieder, schliesslich die beweglichen Bestandteile, also das Blut, am Ort des geringsten Druckes, dem Abdomen, sich stauen, es tritt also eine Uobcrfüllung der Bauchvenen ein, während das Gehirn anämisch wird. Daher das Gefühl von

Digitized by Google

153

Völle, Bleischwere im Abdomen und das Erbrechen, welche ja im allgemeinen das Bild beherrschen.

Rosen bachs’ eigenartige Ausführungen sind insbe- sondere den Freunden biologischer Forschung zu empfehlen, werden aber auch jedem, der die Seekrankheit aus eigener Anschauung kennt, ein tieferes Verständnis dafür erschliessen, wenn es auch hier und da nicht leicht wird, dem Verfasser in seinen Gedankengängen, gehemmt durch die schwere Schreibweise, zu folgen.

Ein reiches Literaturverzeichnis ist der Arbeit beigegebeu.

Möhring-Cassel.

Uralt, Poree et Vincent. Beribdri en Nou veile Caledonie. Arch. de mdd. nav. et col., 1895, I p. 134, 187 et 2o0.

Le memoire, malgrd des lacunes qu’il n’a pas dependu des auteurs de combler, constitue une contribution intdressante ä la question de l’dtiologie du Beriberi.

Depuisl891 legouvernementfransaisäfavorisdrimportation a la Nouvelle Caledonie d’ouvriers asiatiques, qui sont eraployds dans les mines de Nickel; le memoire de Mil. Gral!, Porde et Vincent reud cornpte de deux dpidemies de Bdribdri observees, l’une chez des travaillenrs Indo chinois, l’autre ehez des Japonais.

Parmi les Indo-chinois, sur 785 individus ddbar- quds en une fois ä Noumda et originaires de 1’Annam, du Tonkin et de la Cochinchine, on comptait 561 prisonniers de guerre, 184 prisonniers de droit commun, 40 engages libres, dout 12 femmes. II est a reinarquer que les prisons de l’Annam et du Tonkin ne sont pas habituellement attaquees par le Beribdri; les auteurs attribuent ce fait ä ce que les prisonniers qui s’y trouvent sont nourris par leur famille et re<joivent du dehors une alimentation assez variee. Parmi les condamnes importds ä Noumda um certain nombre avaient passd par la prison de Poulo Condor (Cochi- chine) le Beribdri est endemique.

Pendant la traversde (15 Fdvrier 15 Mars) les hommes recevaient par jour 1 Kilogr. de riz et 200 grammes de poisson sald. II se produisit 5 ddcds dont 1 par Beribdri.

ArebiT f. Seblffi« u. Tropenhygiene. 11

Digitized by Google

154

Aprfes le dcbarquement (17 Mars) la ration fut sen- siblcment la meine, mais »vec un Supplement d’environ 50 grammea d’abatis de viande fraiehe; pas de pain, presque pas de I6gnmes. Le riz et le poisson qne continuaicnt ä former 1c fond de la nourriture provenaient des approvi- sionnements apportös par le navire : or pen de jours apres le debarquement l’attention fut attiree snr l'insufliance de la ration et surtout snr la mauvaise Conservation d’une partie des denrdes distribudes; toutes ces caisses de poisson mal seche exhalent une odeur putride et les panvres gens, ne recevant rien d'autre en sont reduits ä choisir dans clinque poisson les parties les moins avariees. C’est dans ce monient qn’apparureut les premiers eas de Berib6ri, dont plnsienrs ä marche aiguti, foudroyante. Neamnoins le rögime resta le meine ; et le 25 avril seulement, en prdseene des progres de l epidemie, le poisson aale fut supprime de l’alimentatiou et jete a la mer k cause de sa manvaise qualitc.

L’dpideniie ddbuta vers le 1. Avril, alors que les importes ötaient soumis depuis six semaines au regime exclnsif dn riz et du poisson. Elle dura quatre mois et atteignit plus de l’effcctif avec une mortalite de plus de 10®/o.

F irke t- Lütt ich.

III. Verschiedenes.

Zur Mitarbeit an dem „Archiv für Schilfs- und Tropen- liygiene nsw.“ haben sich ferner bereit erklürt die Herren:

Dr. van Brero, Buitenzorg, Dr. Hey, Odumnse (Goldküste), Dr. Krohn, Funchal, Dr. Lehmann, Schlaclitensee, Professor Dr. Moncorvo, Rio de Janeiro, Dr. Richter, .San Francisco, Dr. Rothschuh, Managua (Nicaragua), Dr. Sander, Windhoek, Dr. Wittenberg, Kayintschu (Süd-China).

Die Kolonialabt heilung des Auswärtigen Amts und das Kaiserliche Gesundheitsamt zu Berlin haben dem „Archiv“ das von den beamteten Kolonialärzten eingehende und sonstiges wissenschaftliches Material zur Ver- öffentlichung in Aussicht gestellt. Gleiche Unterstützung ver- sprach die Regierung des unabhängigen Congo-Staates zn Brüssel.

155

Unser Mitarbeiter Dr. übler hat zur Fortsetzung seiner Studien seine Wohnung von Tegel nach Berlin verlegt (NW. BredowstrasBe 121) und ersucht um Uobor Weisung heini- kehrender Kranker und Rekonvalescenten zwecks mikro- skopischer Blutuntersuchung .

Durch eine Verordnung des Königlichen Polizeipräsidiums zu Berlin und des Regierungspfäsidenten zu Potsdam und Schleswig ist die Anzcigepiiicht bei ansteckenden Krankheiten auf den Aussatz (Lepra) ausgedehnt worden.

Die Pest scheint in Bombay etwas abzunehmen. In der dritten Märzwoche erlagen der Seuche dort 113b Per- sonen gegen 1258 in der Vorwoche. Bis zum 21. März sind in dieser Stadt 10045 Menschen an der Pest erkrankt und 8475 daran gestorben. In der ganzen Präsidentschaft waren bis Mitte März 16 720 Erkrankungen und 13629 Todesfälle vorgekommen.

Ausser in Karrachee wilthet die Krankheit besonders in dem wichtigen Garnisonorte Puna und soll auch in Bulsar ausgebrochen sein. Ueber das Vordringen der Pest auf dem Landwege lauten die Nachrichten verschieden. In Kandahar (Afghanistan) soll die Krankheit heftig aufgetreten sein. Seitens Russlands werden Vorkehrungen zur Verhütung ihres Vordringens nach Samarkand und Buchara getroffen. Die vereinzelten Fälle und verdächtigen Erkrankungen auf Schiffen haben bis jetzt noch zu keiner Einschleppung auf dein Seewege geführt.

Die von der deutschen Keiehsregierung nach Bombay zum Studium der Pest und ihrer Behandlung entsandte Ex- pedition, bestehend aus den Herren: Professor Pfeiffer und G a f f k y , D r. D i c u d o n n c und D r. S t i c k e r ist in I ndien angekommen. Yersin und Haftkinc, welcher letzterer von seinem Pestanfall genesen ist, berichten günstige Ergebnisse ihrer Schutzimpfung.

Selbst schwere Erkrankungen sollen günstig beeinflusst werden. Für das Vorhandensein einer grösseren Anzahl immunisierter Pferde zur Gewinnung des Impfstoffes müssten die bedrohten Länder rechtzeitig Sorge tragen.

Wie Kolle in der Sitzung der Berliner medizinischen Gesellschaft am 24. Februar d. J. auseinandersetzte, findet

ll*

Digitized by Google

156

man die Pestbacillen, welche denen der Hühnercholera gleichen, leicht in grosser Zahl die gefärbten Präparate von Pestbuboneneiter, jedoch auch im Blute, in den inneren Organen und nach W i 1 m in dem Auswurf bei Pestbronchitis. Da der Bacillus sich nur an den Polen färbt, so ähnelt der- selbe einem Diplokokkus. Der Bacillus gedeiht auf allen Nährböden, wird durch Desinficientien leicht vernichtet, widersteht dagegen der Austrocknung mehrere Tage.

In der Acad^mie de M4d6cine zu Paris am 16. Februar d. J. besprach Laveran (L’Indöpendance medicale Nr. 7) das Verhalten der Milz gegenüber der Ma- lariainfektion. Er kam zu dem Schlüsse, dass die bei der akuten Malariaerkrankung erweichte und vergrösserte Milz eine Unzahl von Malariaparasiten in miskrophagen und ma- krophagen Zellen eingeschlossen beherberge und nicht ein Schutzwall gegen die Erkrankung dasselbe, sondern als Haupt- nest des Giftes eine verhängnissvolle Rolle spiele. Laveran stützt sich auf die Beobachtung, dass Malariakranke nach Exstirpation der Milz nur mehr sehr leichte Fieber- anfälle hatten. Diese Ansicht Laverans deckt sich mit der Anschauung, dass die Phayocythen den Malariaerregern gegen- über nicht die aktiven Vertheidiger des Organismus sind, sondern die Angegriffenen.

In der Sitzung der Societe medicale des Höpi- taux berichtete nach der „Ind^pendance medicale“ Guinon über einen Fall von Chininvergiftung. Ein Neurasthe- niker versuchte sich durch eine Dosis von 8 Gramm Chinium sulfuricum zu tödten. Ein lOstündiger Collaps mit völliger Taubheit und Blindheit war die Folge. Der Kranke erholte sich jedoch, als nach llstündiger Anurie reichliche Harnabsonderung eintrat.

In den „Annales de l’institut Pasteur“ vom 25. Februar 1897 bespricht R. Sabouraud seine Beobachtungen über den Erreger der Seborrhoe der Haut und der „Pelade“, d. h. der Alopecia areata, als deren gemeinschaftlichen Er- reger S. einen Bacillus gefunden haben will, welcher durch Aetherextraktion aus dem seborrhoischen Hautfett gewonnen und nach Gram gefärbt werden kann. Der Bacillus soll in saurem Nährboden gezüchtet werden können. Die Beobachtungen

Digitized by Google

157

dürften bei der Häufigkeit seborrhoischer Hauterkrankungen in warmen Ländern unsere Leser intcressiren, bleiben aber nicht unwidersprochen.

Hutchinson Merrill beschreibt im „New-York medical Journal“ vom 6. März d. J. erfolgreiche Culturversuche mit einem Diplococcus. den er als den spezifischen Erreger der Seborrhoe ansieht.

In derselben Zeitschrift giebt Norton seine Beobach- tungen von 61 Fällen von Sonnenstich wieder, welche im heissen Sommer 1896 dem Presbyterian-Hospital zugingen. Bass im Gegensatz zu anderen Statistiken nur 9 Todesfälle vorkamen, von welchen 4 Alkoholiker betreffen, schreibt Norton der rasch, sorgsam und ausdauernd durchgeführten Eis- bezw. Kaltwasserbehandlung zu, welche jedoch nur unter fort- laufender Tempcraturniessung stattfinden darf, um tödtliche Collapsc, wie in einem Falle, zu vermeiden.

Die 69. Versammlung Deutscher Naturfor- scher und Aerzte zu Braunsehweig ist auf die Tage vom 19. bis 25. September festgesetzt worden. Die Abteilung für Tropenhygiene bleibt bestehen.

Der internationale Aerzte- und Naturfor- scher-Congrcss zu Moskau wird vom 19. bis 20. Au- gust d. J. abgehalten werden (7. bis 14. August russischen Stils). Fragen, welche die Schiffs- und Tropenhygiene und -Medizin berühren, stehen in verschiedenen Sektionen auf der Tagesordnung. Die Sektion für Hygiene, Gesundheits- Statistik und Epidemiologie hat ihr Programm noch nicht veröffentlicht. Wir ersuchen Mitarbeiter, welche zur Bericht- erstattung bereit sind, sich mit uns rechtzeitig in Verbindung zu setzen.

Eine internationale C o n f e r e n z über den Ge- sundheitsdienst und die Hygiene auf Eisen- bahnen und Seeschiffen findet im September d. J. in Brüssel statt. Der vorbereitende Ausschuss hat, dem Bei- spiele der entsprechenden Versammlung zu Amsterdam im Jahre 1895 folgend, folgende Hauptpunkte zur Bcrathung gestellt: A. Einrichtung des «ärztlichen Dienstes. B. Siche- rung der Tauglichkeit der Angestellten. C. Hygienische Mass- regeln und Vorschriften auf Eisenbahnen, See- und Fluss-

Digitized by Google

158

schiffen. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 5 Franks. Anmel- dungen sind an den Schriftführer Dr. J. de Lantshccrc, Brüssel, rue de 1* Association 56, zu richten. Ueber die maritimen gesundheitlichen Fragen sind besondere noch Redner erwünscht.

Der j ähr liehe Pr eis von 25 000 Franks, welchen der König der Belgier alljährlich für die beste wissenschaft- liche Arbeit über ein von Sr. Majestät zu bestimmendes Thema ausgeschrieben hat, ist in diesem Jahre auch Ausländern zu- gänglich. Der Preis winkt dem besten Werke über die klimatologischeu, hygienischen, pathologischen und therapeuti- schen Fragen im äquatorialen Afrika mit besonderer Rück- sicht auf das Congo-Becken. Zu näherer Auskunft ist die Redaktion des Archivs gern bereit. Die Arbeiten müssen

bis zum 1. Juli d. J. dem belgischen Ministerium des Innern und des Unterrichts eingereicht werden.

Der internationale Congress zur Berathung der Massregcln gegen <lio Pest zu Venedig hat seine Arbeiten beendet. In den Beschlüssen ist man nur wenig über dio Bestimmungen der früher in Venedig, Paris und Dresden getroffenen Vereinbarungen hinausgegangeu. E* sind im einzelnen einige Aenderungeu in Bezug auf Gebühren und Strafbestimmungen zu vermerken. Die Strafe der Schiffskapitänc z. B., welche den Quarantänebestimmungen und gesundheitlichen Vor* schriften entgegcnhandeln, ist auf 200 Mark erhöht worden. Die Mekkapilger haben oino auf 10 Piaster (20 Mark) erhöhte Taxe zu zahlen. Die ursprüngliche Absicht, den Einzelstaaten die Aktions- freiheit gegen die Seuche zu nehmen und internationale verbindliche Massrogoln festzustellen, ist aufgegeben worden, da die Mehrzahl der Theilnehiner an eine drohende Einschleppungsgefahr der Seuche nach Europa nicht glaubte. Die Convention wurde von den Vertretern von Oesterreich-Ungarn, Belgien, Frankreich, England, Luxemburg, Italien, Montenegro, Rumänien und Holland ohne Vorbehalt unterzeichnet, ad referendum von «len Delegierten von Spanien, Griechenland, Persien, Portugal, Serbien und der Türkei. Dio Vertreter Deutschlands unter- schrieben unter Vorbehalt einiger in Europa zu treffenden Massregeln, während die Schweiz dieselben ohne Ausnahme anualmi. M.

Professor Sanarelli in Montevideo soll den Bacillus doB Gelb tiebers entdeckt haben. Einzelheiten folgen später. M.

IV. Pharmakologische Mittheilungen.

Aus der Fabrik Pharmaceutischcr Präparate von Karl Engelhard in Frankfurt a. M. wird uus ein äusaerst

159

praktischer Blechknsten, enthaltend Medikamente für Expedi- tionen nacli Tropenlitndern, für Ileer und Marine übersandt. In einem verhültnissinii.ssig sehr kleinen Raume sind eine grosse Anzahl Glascylinder, in Fächern einzeln stehend, zu- samraengestellt , welche die wichtigsten Medikamente in eomprimirter Form enthalten. Der uns vorliegende Kasten, welcher eine Länge von 17 und Höhe von 7 Centimeter hat, enthält 50 Röhren, welche mit Korkstopfen verschlossen sind, auf denen Inhalt und Dosis, ebenso wie noch einmal an der Seite der Röhre, gedruckt sind. Die comprimirten Medi- kamente sind theils rein, wie z. B. Antipyrin, Phenacetin, theils aus technischen Gründen mit einem indifferenten Binde- mittel, wie Rad. liqniritiae z. B , vermischt und werden praktischer Weise von starken Wattestopfen festgehalten, sodass ein Zerbrechen, welches etwa durch Schwankungen des Schiffs u. s. w. stattfinden könnte, völlig ausgeschlossen erscheint. Selbstverständlich können derartige Medikamenten- kasten in jeder beliebigen Grösse und mit jedem Medikament gefüllt hergesteilt werden. Ein Umstand, der namentlich des Kostenpunkts nach sehr zu berücksichtigen ist, dürfte der sein, dass hier jeglicher Luxus vermieden und ausschliess- lich nur die Praxis massgebend gewesen ist, weshalb auch ausser den Kosten für die Arzneimittel fast gar keine Neben- kosten entstehen. In der Schriftleitung dieses Blattes ist eine derartige Muster- Reise-Apotheke für die Herren In- teressenten aufgestellt und werden über Füllung derselben auf Befragen gern Rathschläge, die sich auf praktische Er fnlirungen stützen, ertheilt.

Nagell-Cassel.

Tannalhin.

Speziell für die Tropenländer von ganz besonderer Bedeutung kann ein von der Firma Knoll & Comp, in Lndwigshafen dargestclltes Tanninpräpnrat sein, welches von der genannten Firma unter dem Namen Tannalbin in den Handel gebracht wird. Es stellt ein braunes, völlig geruch- und geschmackloses Pulver dar, das in Dosen von 1 Gramm für Erwachsene, mehrmals täglich, am besten 2 3 Pulver in 1 2 stdlch. Pausen, 0,5 für Kinder 1 2 auch 3 mal täglich bei Diarrhöen und Dyssenterie gereicht,

Digitized by Google

160

ausgezeichnete Dienste leistet. Der Vorzug des Tannalbins (Tunninalbuminat) ist der, dass es durch geeignetes Erhitzen bei der Darstellung in Mund und Magen vollständig un- wirksam gemacht ist, wiihrend es sich im Darm allmählich unter Abspaltung der unwirksamen Eiweisscomponenten zersetzt. Dadurch kommt das Ganze in der Gabe enthaltene Tannin (circa 50°/0) bis in den Darm und erst dort zur Wirkung. Die Fabrik bringt das Präparat auch in coni- primirter Form als Tabletten in den Handel, was für überseeische Zwecke sehr angenehm sein dürfte. Der

billige Preis desselben dürfte die Anwendung in allen Fällen gestatten. Nach den bisherigen Erfahrungen empfiehlt es sich, bei Anwendung des Tannalbins den Darm vorher durch Ricinus-Oel zu reinigen.

Na gell - Cassel.

V. Zur Besprechung eingegangene Bücher und Schriften.

Dr. Moncorvo (Sohn). Das Lymphangites na infancia e suaa conse- quencias. Rio de Janeiro 1897, Typographia Moraes.

Br. Paul Tlilmm, Therapie der Haut- und Geschlechtskrankheiten nebst einer kurzen Kosmetik. Leipzig 1896, Georg Thieme.

Dr. Ernst Schoen, Ergebnisse einer Fragebogenforschung auf tropen- hygienischem Gebiete. Sonderabdruck aus: Arbeiten aus dem Kaiser- lichen Gesundheitsamte. Berlin 1897, Julius Spinger.

Prof. Burley und Dr. Noch!. Die gesundheitlichen VerhUltnisse in der Handelsmarine und auf den modernen Dampfschiffen. Sonder- abdruck aus der Deutschen Vierteljahrsschrift für öffentliche Ge- sundheitspflege. Braunschweig 1897, Friedrich Vieweg & Sohn.

Dr. Doering, Aerztliche Beobachtungen und Erfahrungen auf der deutschen Togoexpedition 1893/94. Sonderabdruck aus : Arbeiten aus dem Kaiserlichen GesundheitsAmte. Band XIII.

Dr. Ernst Schoen, Ueber Tropenhygiene. Vortrag. Berlin 1897, Diet- rich Reimer.

Dr. Widemann, Kriegschirurgisches aus Deutsch-Ostafrika. Sonder- abdruck aus: Deutsche militärUrztliche Zeitschrift. Berlin 1*97. Mittler & Sohn.

Dr. Below, Die Epidemie von Aransa. Allgemeine Medicinische Cen- tralzeitung 1896 No. 100, 1897 No. 7. Berlin, Oscar Coblentz. Giornale medico del Regio Esercito. Roma, Enrico Voghera.

I. Originalabhandlungen,

Rapport mddical de Boma

du 1 Mars au 30 Novembre 1896.

A. Personnel blanc.

Tableau des prinoipales maladies obaerveea a Boma ohes las agents de l'Etat pendant les mois de

Maladies

<r>

sZ

-*

'Je

,

i

<=

bl

'

I

g

Ai

V

5

V

-S

r

&

2

S

s*

3

5

5*

2

m

t

V

2t

£

|

H

■3

1

£

FiÄvr« simple ....

4

6

11

13

ir.

10

13

17

1

4

13

2

12

1

, inflammiitobre simple

-

-

1

-

I

-

-

-

-

n pernicieufle

1

-

-

4

-

9 bilieus« siuipl« . .

-

-

5

1

-

, , hemoglobinuriqiie

1

~

1

2

2

1

2

kJ

o

-

, m inelamirique . .

~

1

Einbarras gastro-intestinal

~

-

-

10

-

Diairhee clironique . .

-

-

...

1

-

Dysenterie

1

-

2

1

2

4

Hemorrrliugie intestinale

-

1

-

-

-

--

Enteralgie

-

-

-

-

1

i

-

-

--

-

Abeis du foie . . . .

-

-

1

Artende cerebrale . . .

-

~

-

1

-

1

-

_

Bronehite aigne . . .

-

1

-

-

Rliemmitiajiie artic. chron.

1

1

i-

Eczemas divers . .

-

-

-

-

-

-

5

7

3

-

•-

--

Fraetnru du peronu . .

~

-

-

-

j

l

Fraeture de l'epaule . .

r

i

r

--

1

1

-

Le tableau qui prdcMe, dressd aussi fidelement que poseible, renferine pour la pdriode susdite In nomenclature des maladies principales, qui se sont ddclardes parmi le

IS*

Digitized by Google

164

personnel blanc de l’Etat comprenant les agents ayant leur residence k Boma et ceux venant de l’interieur du pavs. J’ai cru inutile d’y consigner un grand nombre d’affections banales sans aucune importance. Les chiffres en um eres dans lesgroupes des fievres simples, des affections gastro-intestinales et des affections cutanöes sont aussi, comme certains autres du reste, en dessous de la r^alite : ä l’encontre de la plupart des nouveaux arrivds que les premiers malaises ddmoralisent souvent, beaucoup d’anciens agents supportent ces sortes d’affections avcc une pliilosophique insoucieuce. estimant, pour employcr l’expression courante „qu’il ne valait pas la peine de deranger le mddicin pour cela“. Ce qui enleve ii celui-ci de dresser plus tard une statistique rigourense. En rdsumd les cas susdits se rapportent ä des cas plus ou moins sdrieux dans Icsqucls l’intervention du m^dicin a ite ndcessaire. Sauf pour les affections graves, ils ne nous donnent, il faut en convenir, que des indications assez vagues. Pour qu’un tableau de ce gen re ait quclque valeur, surtout au point de vue de l’etat sanitaire de toute la localitd, il eut fallu-travail impossible- y consigner tous les cas morbides observds, tant chez les particuliers que cliez les agents de l’Etat. Aussi tel qu’il est, n’a-.t-il d’autre pretention que de donner une idee gdnerale de la repartition des diverses maladies au cours de la pdriode susmcntionnce.

Fassons en revue les principales.

Fi&vrc simple.

J’entends par lk ces fidvrcs climatiques ou paludeeunes se bornant k quelques acciis, souvent un ou deux , sans rdcidives, ou revenant periodiquement pendant un eertain temps, a quinze jours, trois semaines, un mois d Intervalle. Degagdes de toute complieation elles dvolucnt si rapideuient qu’elles n’exigent qu’une Suspension de travail de deux ou trois jours, quelques fois de quelques lieures, ne laissant guere aprds elles qu’un ldger embarras gastrique. Comme l’indique le tableau, ces fi&vres ont eu pour ainsi dire une egale frdquence de Mars k Novembre. La difference si peu sensible entre chaque pdriodc mensuelle et le manque de renseignements sur tous les cas qui peuvent s'etre presentes ne me permettent pas de faire une distinction bien tranchee

Digitized by Google

165

pour une periode determinee. Ccpendant en admcttant comme seuls serieux les cas ou l’intervention du mcdecin lut reelainüc, c’est h dirc tous ceux repris daus ce tableau, on voit que ces fievres ont eu lour maximum de frcquenee en Mai (periode de transition entre les deux saisons), on Juillet et surtout en Aoüt (les deux mois les plus froids: Juillet, moyenne 22° 55 -Aoüt 22° 50). Je ne parle ici que des agents de Boma, y corapris ceux du fort de Shinka. Quant a ceux venant de l’inteiieur, les causes des acces de fievre qui les attendent a Boma sont souvent d’ordre difforents: il n’y a donc pas a faire entrer ces fievres en ligne de compte avec cellcs des agents rcsidant dans la loealite.

Fievre inflammatoire simple.

Deux cas: Tun en Juin, l’autre on Aoüt.

Cettc fievre, dite a calore, affecte principalement les nouveaux arrivds (ce qui est le cas actuel) la forme continue ou röraittentc pendant un ou meme deux semaines. Ces deux cas ont dvolud favorablcment mais il n’en a pas dtc de meme des cinq qui suivont.

Fievre inflammatoire avcc acces pernicieux.

Le premier cas, de forme comateuse, fut observd en Mars. Un agent depuis neuf mois en Afrique, qui avait cneore fait sa promenadc habituelle le soir, fut pris subite- ment la nuit d’un acces de fiüvre. La temperature ne cessa de monter, sans reaction possible, et ä 10 lieurcs du matin le malade rendait le dernier soupir.

Les sept mois suivants, aucune fiüvrc de ce genre ä signaler. Mais en Novembre les acces pernicieux font leur reapparition : un cas pendant la premierc quinzaine, trois cas pendant la derniere ddcade: tous morteis.

Le premier se remarque chez un jeunc agent, de haute taille, au teraperament tres lymphatique, arrivd seulcment <lepuis deux mois. Duree dix jours. Fievre inflammatoire de forme remittentc avec troubles gastriques peu prononces mais grande tendance ä 1’adynaraie. Quarante-huit heures avant la terminaison fatale, survient un delire agite qui ne disparait que quelques heures avant la mort pour faire place au corna final.

Digitized by Google

166

Les deux cas suivants, identiques entre eux, se presen- tcnt ä deux jours d’intervalle chez deux agents d’un certain äge, maries, peres de famille, en Afrique depuis trois ou quatre inois. Tous deux passaient pour avoir des liabitudcs d'intemperance. L’un etait commis travaillant dans un bureau, l’autre agriculteur. Des le debut des acces ils accuserent tous deux une forte cephalalgie laquelle persista avec plus ou moins d’intensite pcndant toute la maladie. Fifevre de forme remittcnte. üötail caractöristique: le jour de leur mort, l’apyrexie etait si complcte et l’amelioration semblait teile que les malades pouvaient circuler dans leur chambre (l’un d’eux B'etait meme rendu seul au tram pour monter ä la Croix- Rouge) lorsque le soir la temperature s’clevait de nouveau pour atteindre une hypertliermie, qui les jetait dans le coma et les emportait en quelques hcures. La duree avait <5t6 ehez Tun de quatre jours, chez l’autre de cinq. Eutin le dernier cas nous est foumi ü la meme öpoquc par un agent qui avait environ six mois de sejour. II n'avait jusque cprouvö qu’une Indisposition gastro-intestinale, pour laquelle il s’ctait alite pcndant trois jours, lorsqu'il fut attaint subitemcnt le lendemain d’une fete, a l’organisation de laquelle il avait pris une grande part, d’une fievre caractörisee au debut par des vomissements bilieux trös abondants. Cette fievre revetit bientöt la forme continuc. Elle ne voulait ceder h aucun des moyens antithermiques mis en usage, et eile se termina egalement, apres une döfervescence trompeuse par un acces pernicieux, qui emporta la malade le septiöme jour.

A quelle cause faut-il rattacher l’explosion de ces fievres, qui ressemblent singulierement k des insolations ou mieux a des coups de chalcur?

Il est ä remarquer, que les individus atteints (je parle des cas de Novembre) etaient tous les quatre de nouveaux arrivös ; que la fievre les visitait pour la premiöre fois; qu’ils ont etc frappes tous a la memo epoque, dans un mois la moyenne de la tempörature (Avril, moyenne : 28° 15 Mai: 26» 35 Juin: 23° 15 Juillet: 22 »55 Aoüt: 22 »50 Septembre: 24° 76 Octobre: 27» 14 Novembre: 27 »73 ) ötait la plus elevöe qu’ils aient jamais subie, probablcment la tension de la vapeur d’eau ötait tres elevöc, l’atmosphere etait plus chargee d electricitc j

Digitized by Google

167

que trois d’entre eux präsentaieut des tares, qui devaient diminucr leur force de rdsistanee vis-ä-vis d’une attaque de fievre serieuse. Etant donnees ces circonstanees, en admettant que la force reactionelle de l’organisme varie dans de larges limites d’un individu ä un autre, il n’y a pas lieu de s’ötonner outre inesurc de cette mortalitö en apparence exagerde en egard ä la coincidenee des cas. II est des organ isations impuissantes ä rdagir contre une p remi^re atteinte sdrieuse: elles sont fatalement emportees au premier choc. Tous ceux qui ont passe quelques annöcs dans ces parages, en ont vu de nombreux exeinples. Et malheureusement il y en aura toujours, car il n’est pas toujours possiblc de diagnostiquer, lors de l’engagcment, le plus ou moins de chance de resistance qu’offrira le nonvel engagö au cliniat tropical.

Fievre bilieuse hemoglobinuriquc (vulgo : hömaturique).

En raison de l’importancc de cette fievre et pour donner une idec de sa frdqucnce au cours de la pcriodc qui nous occupe, j’ai cru dcvoir consigncr dans le tableau suivant tous les cas, les seuls d'ailleurs, qui sc sont produits, qu'ils m’a ete donne d’observer tant chez les particuliers que ehez les agents de l’Etat.

La fievre hemoglobinurique a revetu cette ann6e une frequenee exceptionnclle. C’cst du moins l’opinion gdnerale des anciens, car, je n’ai pas sous les yeux les statistiques des ann4es precddcntes. Sur les 17 cas, 14 ne sont que des recidives. Deux morts parmi ces recidivants : un agent de l’Etat (arrive de l’intärieur deux mois auparavant: 27 mois de söjour), un particulier (5 ans de sdjour). Deux deces ä signaler parmi les trois cas de premiere atteinte: un agent

Digilized by Google

168

de l’Etat (resident ä Boina, dans sa troisieme annee de Service), un particulior (9 mois de sejour).

Coimne on le voit cotte rcdoutable visiteuse a surtout feit son apparition pendant les mois de .luillct, Aoüt, Septem hre, Octobre. Faut-il en rechereher la cause dans

une infiuence metöorologique ? II serait interessant, a ce sujet, de consulter les statistiques des annees antörieures et de voir quelles sont les öpoques les plus frequentes de son apparition. Faut-il plutot y voir coimne je suis portö ä le croire, une Sorte de genie epidemique, inconnu dans son essence , independant de toute influence metiorique , et revcnant il des periodes plus ou moins fixes, comme on le remarque dans nos contröes pour bien des maladies?

Quoi qu’il en soit, il est ii remarquer, je le röpfete, quc tous les sujets atteints sauf trois avaient deja subi a differentes reprises les atteintes de cette ficvre (3 cas chez des agents descendus de l’interieur pour expiration de tcrme de Service, quelques jonrs avant lcur ombarquement). Chez quatre d’cntre eux, je ne suis pas eloigne de croire, que l’appreliension causöe par la vue de ces cas multiples a pu suftir pour provoquer l’cclosion d’un acces de ce genrc.

Dans ces difförents cas, l’hemoglobinuric proprement dite coi'ncidait presque toujours avec un ictere plus ou moins marquö, a dure de deux ä cinq jours. Pour quelques uns la fifevrc tombait au bout de ce laps de temps et la con- valescence dtait franche et rapide ; pour d'autres la con- valescence itait retard^e pendant cinq ou six jours par des accös de ficvre ordinaire, laissant apres eux une depression que ne se dissipait qu’avec lenteur.

Les deux cas morteis obscrvös parmi les röcidivants ont 6vulu4 identiquement de la meine maniere: hömoglobinurie pendant quatre ou cinq jours, ensuite apyrexie avec urines de couleur normale sur albumine, mais obstruction incomplete des reins, lesquols qu’une quantite d’urine beaucoup cn dessous de la normale. De lit empoisonnement urömique lent, tcrminaison funeste retardee, mais se produisant fatale- ment, chez Tun le douzieme jour, chez l’autre le quatorzieme jour k partir du döbut de la maladie.

Un des deux malades qui ont suecorabe a leur preiniere atteinte, fut empörte on cinq jours de temps: l’autre deux

169

jours apres l’apparition des urines noires. Chez le premier sujet, tres jeune, tres lymplratique, de taille demesurec pour soll äge, au Congo depuis neuf mois, la maiadie se ddelara pres(|ue subitement. L’adynaniie fut profonde des le debut. Chez le second sujet egale ment lymphatique, obese, au coenr graisseux, l’apparition des urines coloröes fut precedee de quelques acees de fievre bilieuse, que le malade mettait sur le compte du surmenage aui|uel il 6tait astreint en cc moment (vailles prolongees pour terminer une expertise de compta- bilite). Des l’apparition des urines foncees le malade, tres tiinore, se sensit perdu. Cette tuneste apprehension, jointe au mauvais etait du coeur, pröcipita le denouement fatal. Chez tous deux l’anurie 4tait completc des le deuxieme jour.

Traitement. Pour tous ces cas, Ia base du traite- ment fut outre les 6vacuants du d6but et le quinine, l’ad- ministration du chloroforme en solution gommeuse par voie stomacliale, plus tard du chloral en lavement, et les grandes irrigations intestinales d'eau salöe, jointes aux frietions stimulantes sur toute. la surface du corps et parfois aux grands bains tiedes. J’avais soin d’administrer en eas de fievre les granulcs defervescents du Doeteur Burggraevc, et dans l’apyrexie les granulös d'arseniate de strychniue, l’inci- tant vital par excellence dans cette maiadie si döprimante par elle-meme.

Je n’ai eu qu’a me louer de l’administration du chloro- forme. .Un malade ayant eu un jour une rechute pendant sa convalescence le chloroforme fut administrä sans retard, moins d’une heure apres les urines de noires et albumineuses qu’elles etaient, redevenaient parfaitement limpides, sans trace d'albumine, et cependant la fievre n’avait disparue. Elles conserverent dans la suite cette limpidite non obstant la continuation de la fievre, qui ne cessa que cinq jours plus tard. Bien que parfois le chloroforme n’ait pas tenu toutes ses promesses, je ne saurais trop le rceommander ä l’attention de mes confreres et de ceux, qui peuvent un jour se trouver en presence de cas scmblables.

Vu les heureux r6sultats obtenus par cc inedicament et l’imminence du danger, lequel ne donne souvent pas le temps de se livrer ä de« experienees, je n’ai gu6re fait l’essai d’autres medications.

Digitized by Google

170

C’est ainsi que je n’ai administre qu’une seule fois le Kinkelihat, et cela, apres avoir constate 1'inefHcacite da chloroforme, dans un des cas enumcres plus haut, d’obstructiou incomplete des reins: Je n’ai pas obtenu de succes.

J’ai peu ou point administre l’antipyrine a cause de sa tendance a diminuer la seerötion urinaire.

Fifevre bilicuse raclanurique.

Ce cas se difförencie des precedents par la composition des nrines colorees, qui n’ont pas donne les röactions caracte- ristiques observees dans les urines hömoglobinuriques. La coloration noire des urines avait disparu au bout de deux jours ainsi que la tievre. La quuntite d’urine ömise fut toujours asscz abondante : mais des vomissements incocrcibles, de Hots de bilc rcndirent tonte alimcntation impossible. Une auto-intoxication sc produisit bientöt caractörisöo par des symptömes typhoides et des petcchies d’apparenee scorbutique. Le malade mourut le quatorzieme jour ä partir du debut de la maladic.

Gmbarras gastro-intestin aux.

Dyspepsie avec rclachcment. On cn observe pcndant toute l’annee des cas sporadiqucs, mais cctte affection a regneo a l’etat öpidemique pendant tout le mois de Novembre. II faut y voir une influence saisonniöre caractörisee par le retour deB premieres fortes clialcurs, et l'ötat de l humidite absoluc de l’atmosphöre, voisin de la Saturation. Sous cette influence de suraetivitö du foie pro duit une quantitd de bilc plus considerable. Parmi les causcs occasionnelles de ccs Hux de vcntre, il faut citcr cn premiere ligne les refroidissemcnts, beaueoup plus facile k contracter a cette cpoque. Je ne pcnse par qu’il faille incriminer la qualite nocive de l’eau; pourquoi tant d’agents’approvisionnant ä la meme source, sont-ils restes indemmes?

Dy se n t erie.

II est ä remarquer qu’aucun cas de dysenterie pro- prement dite n’a etc observe parmi la population blanche de Iioma. Les ctis signales appartiennent tous a des agents de l’intericur descendus k la cote soit pour s’y retablir, soit pour etre repatries.

Digllized by Google

171

Eczemas.

Les diverses formes d’eczümas, papuleux, vesiculeu x, pnstuleux, ont assez frequentes au cuurs de la saison söche. Plusieurs etaient accompagnees d'un prurigo intense, tenace, qui n’a cede qu’au retour de la saison chaude.

A b c ü s du Foie.

II s’agit d’un agent arrive quelqueB inois auparavant de I’int4rieur, il avait contractu une dysenterie et un coramencement d’höpatite aigue. Apres un scjour de quel- ques semaines k Banana, il se erut un moiucnt guöri, il fut cnvoye au camp de Zambi. La il commeuca de nouveau ä d^perir, lorsqu'un beau jour, il fut pris soudain d’une vöritable vomique pulmonaire : un abcüs du foie venait de se faire jour k travers les poumons. Il fut dirigö sür Boma il düt rester six semaines en attendant le moment de rembarquement. Pendant son söjour ici, 1c pus continua k se diverser en abondance par les voies a^riennes, tandis que le malade ctait pris chaque soir d’une petite fievre hectique. C’est dans ces conditions qu’il s’embarqua: mais il mourut au cours de la traversüe.

Conclusions.

J’ai dit plus haut qu’il n’etait pas toujours possible lors de l’engagement, de diagnostiquer le plus ou moins de resistance qu’offrira le nouvel engage aux influcnces döl^tf-res du cliraat tropical. Quelques individus sont iinpressionn^s si vivement et surtout si profond&nent par le climat congo- lais, qu’ils ne peuvent y resister. Ils sont en quelques semaines tellement affaiblis, qu’il faut les renvoycr en toute hüte en Europe. La caohexio paludüenne est survenue cliez eux apres trois ou quatre mpis, coinme cboz les autres apres deux ou trois ans. On ne saurait etre trop sövere dans le choix des agents. Si l’on veut ne pas s’exposer k bien des mecomptes, on doit ücarter iinpitoyablement les buveurs, et s’entourer pour les autres de tous les renseignements possibles sur leurs antecedants et leur maniere d’ßtre actuelle. Soit que leur Constitution laisse un pcu k ddsirer, qu’un ctat d’anemie mfime lügere ou de lymphatisme, qu’unc maladie ant^rieure grave puisse etre övoquöe, la decision doit etre

Digitized by Google

172

irrevocablc : car le moindrc oulili ou la plus petitc negligence sous ce rapport peut avoir lcs plus funcstes conscquenccs.

Pour les agents qui viennent de l’intdrieur, soit pour expiration de terrae de Service, soit pour raaladie, il est a desirer que leur arrivöe dans le Bas-Congo s’effectue de manifere a ce qu’ils y sejournent le moins possible avant leur embarquemcnt. Le cbangement d’air, le desoeuvreinent, et trop souvent, il faut bien le dire, l'intemperance et les ecarts de regirae, sont des causes trop frequentes de raaladie.

Comme mesure prophylactique de la fievre, je ne saurais trop conseiller a cliaque agent, comme d’autres l’ont fait avant raoi, d’inscrire regulioretncnt dans un carnet special les dates ou ils ont eprouvö quelque raalaise, quelquo monveiuent föbrile. La plupart des acces de fievre ont une tendance a une periodieite de retour bien marqnee, de quelques jours, de quelques seraaines, de quelques mois meine, periodieite qui passe completement inapercue quand on n’a pas eu sein d’en tenir note. Inutile de dire que ceux, qui se conforment scrupeuleusement h cette prescription, onrayeraient souvent des accfcs jusque lii imprövus, en prenant ä temps l’antiperi- odique, et qu’ils procureraient en merae temps au m6decin un sujet d’ötudeB du plus haut interet.

B. Personnel noir.

Mouvement de l’höpital des noires pendant la pi5riodc semestrielle du 15 Mai au 15 Novembre:

Restaient en traitement au 15 Mai: 50 malades

entres du 15 Mai au 15 Novembre: 223

restaient en traitement au 15 Novembre: 67

Nombre des jourmies d’hospitalisation des 223 entrants: 4911 journees, soit une moyennc de 22 par malade

Igueris : 1(J4

non gueris ou evades: 7 morts: 45

sur les 223 entrants, 14 femmes, 3 pour Syphilis, 11, dont 2 fillcttcs pour affections diverses.

Nombre des entrees par mois:

Mai (2® quinzaine) Juin Juillet Aoüt

18 45 35 22

173

Septembre Octobre Novembre 1 r 15®e 25 49 29

Lcs principalcs maladies so classent coinrae suit, par ordre de frequence :

affections de poitrine 38 cas (broncbite 16, pleur^sie 13

pnenraonie 9).

caehexie 35 eas

affections intestinales 26

ulceres de diverses natures 24

plaies diverses 12

phleginons 9

affections syphilitiques 8

varioloide 5

affections rhumatismales 4 affections du foie 4 pian 2

ver de Guinöe 1 malad ie du sonuneil 1 ataxic locomotrice 1 tetanos 1

Les autres cas ne prdsentcnt rieu de bien saillant. Je serai bref sur la plupart de ccs affections. N’ayant repris le service du personnel noir qu’au niois d’Aout, je n’ai pu en observer qu’une partie.

Les affections de poitrine ont eu lenr maximuin de frequence en Juin et Juillct:

Juin: 10 cas. 1 pncumonie, 9 pleuresies,

Juiilet: 10 cas. 4 pneumonies, 2 pleuresies, 4 bronehitos, Aout: 5 cas. 1 pneumonies, 3 broncliites.

Sous le nom de caehexie il faut coinprendre ces deperisseinents de causes complöxes: anömic d’origine palu<l6- enne, anemic due a la filaire ou h d’autres parasites,

insuftisance on mauvaise qunlit6 de l’aliinentation, etc

Gelte affection se remarque en tous temps ; le plus ou moins grand nombre de cas observt'-s depend snrtout du plus moins grand nombre de recruos venant de l’interieur, en particulier du Kwango ou du Manyema.

Les affections intestinales ont cu leur maximum de frequence en Octobre et en Novembre: mais on les observe en toutes saisons. Le refroidissement et la mauvaise qualite

Digitized by -Google

174

des eaux de boissons que le noir consomme n’importe ou il se trouve, sont ä mon avis, les deux facteurs principaux qui intervienncnt dans la production de ces flux de ventre.

Les trois femmes atteintes d’affeetions syphilitiques ont 6t4 imm6diatement dirigdes sur l’ile des princes. Des 27 lemines isolees dans l'tle, 17 en sont revenues en Septembre, gueries ou du moins n’offrant plus de I&ions apparentes, aprös un sdjour d’un ä trois ans.

Aucun cas de variole k signaler: seulement cinq eas de varioloi'de, tres benins.

Professions. Sur les 223 entrees, les soldats y figurent pour la moitid; 113 entrants dont 25 du camp de Zarabi; les differentes categories de travailleurs pour 83; les pri- sonniers pour 19, les boys pour 6; les policemen pour 2. Mais ces chiffres pour avoir toute leur valeur, devraient etre donnes en pour cent du nombre d'individus de ckaque profession.

Nationalitds. Relativement k la nationale, voici, avec les chiffres de la mortalitd en regard, les principaux groupes qui ont fourni le plus grand contingent de malades: Kwangos : 35 entrees 7 ddces

Manyemas : 31 8

Bas-Congo : 27 8

Mongos : 25 3

Batetelas : 19 3 n

Haoussas : 14 3

Sierra-Leonaies : 12 3

Meme remarque que plus haut quant au pourcentage qu’il m’est impossible de donner n’ayant pas les donn^es süffisantes.

Mortalitä. Le nombre des deces s’elijve k 45. Mai (k partir du 15) : C Juin : 13 Juillet : 7 Aout : 5 Septembre : 4 Octobre : 9 Novembre (du premier au quinze) : 1.

On voit, que c’est au debut de la saison froide, qu'ont eu Iieu les plus grands ddehets. Dix cachectiques succom.bent aux premiers froids du 15 Mai au 30 Juin.

Voici par ordre de frequence, les diverses causts de mortalite :

Cachexie 16 döc&s

Digitized by Google

175

Affections de poitrine 10 Dyssenterie 4 Fikvres 4 Affections du foie 3,

Septic4mie 3, individus d6ja impaludds k leur entrke.

Maladie du sommeil 1

Aliknation mentale 1

Affection cardiaque 1

Affection rhumatismale 1

Ataxie locomotrice 1

Le Service des consnltations dont la moyenne jour- naliere reste assez elevke, n’a present 6 que des affections d’importance secondaire.

Conclusions.

Pour diminuer les causes des flux de ventre et de la dysenterie chaque Soldat devrait ßtre muni d’une ceinture supple mentaire de flanelle, qu'il porterait surtout la nuit, si pas d’une manikre continue k toutes les kpoques de l’annee, du moins a l’kpoque des premiers symptömes caractkristiques.

Je sais, qu’il sera difficile d’etre obei des le debut, mais la persuasion et au besoin la menace pourront avoir quelque chance de suecks.

Cette affection m’amene k parier d’un fruit dont je ne saurais trop recommander l'usage soit comme aliment, soit comme medicament. Je veux parier de la noix de Kola. Les propriktks de ces noix sont trop connues pour que j'en fasse I’knnmkration. Qu’il me suffise de rappeier que par sa tlieobromine et sa cafkine, eile eBt un type d’aliment, dit d’kpargne, en meme temps qu’un tonique du coeur et un excellent diurktique. Elle favoriserait en outre la digestion et serait un antidiarrhkique puissant. Le mode de plus simple d’administration serait de faire consommer les noix en nature. On en ferait une distribution reguliere, soit sous forme de noix skches, ou mieux, si possible, fraiches. Dans le cas l’approvisionnemcnt serait insuffisant pour faire cette distribution, je demande k ce que tout au moins il en soit mis k ms disposition une certaine quantitk qui serait utiliske sous diverses prkparations comme mkdicament

Digitized by Google

176

tonique et antidiarrheique, non seuleraent pour les noirs, rnais aussi pour les blancs.

Borna, le 1. Döcembre 1896.

Le Mcdeein de l’E tat (s) Docteur Etienne.

Die Steinkrankheit in Canton und Bangkok.

Von B. Scheube.

Die geographische Verbreitung der Steinkrankheit ist in den einzelnen Erdtheilen eine sehr ungleichmässige. Ländern, in welchen dieselbe sehr selten vorkommt, stehen andere gegenüber, wo sie ein wahrhaft endemisches Leiden darstellt. Das letztere ist namentlich der Fall im russischen Gouvernement Moskau, in den nördlichen Distrikten, be- sonders den Nordwestprovinzen von Vorderindien, in Aegypten und auf den zu Afrika gehörigen Inseln Reunion und Mauritius. Ein weiterer endemischer Bezirk der Steinkrankheit, auf welchen ich die Aufmerksamkeit lenken möchte, ist die Provinz Canton in China. Dr. Kerr, der langjährige Leiter des Hospitals der Medical Missionary Society in Canton, theilte mir bei meinem Aufenthalte daselbst im Jahre 1882 mit, dass er dort nicht weniger als 600 Steinoperationen. 1881 allein 66, ausgeführt habe. Die Ursache dieser Häufig- keit vermochte mir derselbe aber nicht anzugeben. Von anderer Seite hörte ich als solche theils den Kalkgehalt des F lusswassers, welches vielfach als Trinkwasser dient, theils das in Canton sehr verbreitete Betel kauen, bei welchem bekanntlich ausser Aracanüssen und Betelblättern roher Muschelkalk zur Anwendung kommt, anschnldigen.

Canton liegt am PerlHusse, und ein grosser Theil der Bevölkerung wohnt sogar auf demselben, theils auf ver- ankerten Schiffen, theils in Häusern, welche auf in den Fluss geschlagenen Pfühlen oder auf Flössen erbaut sind. Von dieser Flussbevölkerung wird das Flusswasser zum Trinken und Kochen benutzt, dasselbe Wasser, an welches dieselbe natürlich auch ihre Excremente abgiebt. Dagegen, dass der Kalkgehalt dieses Wassers die Ursache der Häufigkeit der Harnsteine ist, spricht die Thatsuche, dass die letzteren in

Digitized by Google

177

den allermeisten Fällen nicht aus Phosphaten , sondern aus Harnsäure bestehen. Carrow berichtet in den von dem chinesischen General-Zollinspector herausgegebenen Medical Reports (18th Jssue S. 52) über 140 im Hospital der Medical Missionary Society ausgeführte Steinoperationen und machte in allen Fällen ausser einem auch Angaben über die chemische Zusammensetzung der entfernten Steine: nur in 3 Fällen lagen Phosphatsteine vor, in allen anderen handelte es sich um Harn säurest eine. Durch diese Thatsache wird zu- gleich auch die zweite Annahme widerlegt, der auch die allgemeine Verbreitung, welche das Betelkauen nicht nur in Canton, sondern überhaupt in Südasien gefunden hat, widerspricht.

Wenn auch nicht wegen des Kalkgebaltes seines Wassers, so scheint doch der Fluss aus irgend einem anderen Grunde eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Steinkrankheit zu spielen. Es geht dies daraus hervor, dass von letzterer hauptsächlich solche Leute ergriffen werden, welche durch ihren Beruf in nahe Berührung mit dem Flusse gebracht werden. Bei 103 von Carrow ’s 140 Kranken wird die Beschäftigung derselben angegeben: von denselben waren 54, also über die Hälfte, allein Bootsleute. Es liegt daher nahe, an einen Parasiten zu denken, der in seinem Jugend- zustande im Flusse lebt, nachdem vielleicht seine Eier mit den Excreten von Kranken in denselben abgesetzt worden sind, und von hier, sei es, wenn sein Wasser getrunken wird, sei es, wenn in ihm gebadet wird, in den menschlichen Körper hineingelangend die Veranlassung zur Steinbildung giebt. Ein solcher Parasit ist die B i 1 h a r z i a haematobia, auf welche die Häufigkeit der Harnsteine in Aegypten zurück- zuführen ist. Ausserhalb Afrikas ist die Bilharzia-Krankheit bisher nur an wenigen Punkten (Mauritius, Syrien, Mekka) zur Beobachtung gekommen, könnte aber sehr wohl in dem tropisch gelegenen Canton Vorkommen, zumal nach einer bei Below (Die Ergebnisse der tropenhygienischen Frage- bogen S. 30) sich findenden Notiz „die Eier der ßilharzia haematobia im Harn der Einwohner von Shanghai oft von Dr. Zedclius beobachtet wurden“. Der Zweck dieser Zeilen ist es daher, die C o 1 1 e g e n , welchen Ge- legenheit zu ärztlichen Beobachtungen iu Canton

Archiv f. Schiff«* n. Tropenhygiene. 13

Digitized by Google

178

geboten wird, zu veranlassen, auf das Vorkommen des Distomum haematobium daselbst zu achten.

Aelinliche Verhältnisse wie in Canton liegen auch in Bangkok in Siam vor. Auch hier haben wir einen grossen Fluss, den Menam, auf dem ein grosser Theil der Bevölkerung wohnt, und dessen Wasser in gleicher Weise benutzt wird wie das des Perlflusses, und auch hier herrscht die Stein- krankheit als endemisches Leiden, wie ich bei an Ort und Stelle angcstellten Nachforschungen erfuhr und mir neuer- dings von Dr. Rasch, der eine Reihe von Jahren dort als Arzt gewirkt hat, bestätigt wurde. In dem nördlich von Siam gelogenen Laos-Lande kommt, wie mir der bekannte Reisende Carl Bock mittheilte, die Steinkrankheit gleich- falls sehr häufig vor, namentlich in Lampun, einer an einem Nebenflüsse des Meping gelegenen Stadt in der Nähe von Tschengmai. Vielleicht ist auch in diesen Fällen ein Parasit, möglicherweise die Bilharzia haematobia, im Spiele.*)

Ueber Schlangen, Schlangenbisse und deren Behandlung an der MalabarkUste.

Von Dr. E. Liebendörfer, Calieut, Malabar.

Die Malabarküste im Westen Indiens ist eine schmale Tiefebene, welche im Osten von den Ghatbergen abgeschlossen wird. Die bedeutendste Stadt derselben ist Calicut unter dem 12° n. Br., wo im Jahre 1498 Vasco de Uania zum ersten Male seinen Fuss auf indischen Boden setzte. Das ganze Küstengebiet bis hinunter nach Ceylon zeichnet sich durch grosse Hitze, wie auch durch hohen Feuchtigkeits- gehalt der Luft aus, während der Deccan und die östliche Coromandelküste trockener und im Ganzen kühler sind. Die Berge im Osten und Norden erreichen eine Höhe von nahezu 3000 Metern über dem Meere und weisen einen ewigen Frühling auf. An den Meeresküsten ist die Temperatur

*) Anmorkung bei dor Corroctur. Eine sooben erschienene Arbeit von Schön (Ergebnisse einer Frngebogenforschung auf tropen- hygienischen Gebiete. Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt!* XIII. 2. 1898. S. 170) enthält die Notiz, dass die Bilharzia-Krankheit auch in Pcnnng häufig verkommt.

179

constanter und feuchter, als im Innern, wo dieselbe grösseren Schwankungen unterliegt. Physikalisch unterscheidet man auch im Süden Indiens 3 Klimata: das eontinentale, das insulär-maritime und das Bergklima. Die Durchschnitts- temperatur während der heissesten Zeit an der Malabarküste vom Februar bis Ende May beträgt 29° R im Schatten und während der sog. kühleren Monate vom November bis Mitte Februar ca. 27° R. Im Ganzen ist sie also nicht viel höher, als die Mitteleuropas im heissen Sommer. Die Regenzeit, welche etwa 4 Monate lang währt, ist in Folge der Mischung von Hitze und Feuchtigkeit, welche die günstigsten Be- dingungen zur Entwickelung von Miasmen darbieten, nicht ungefährlich für die Gesundheit der Europäer sowohl, als der Eingeborenen. Die Regenmenge beträgt in dieser ver- hältnissmässig kurzen Zeit unter normalen Verhältnissen 4 4500 mm gegen durchschnittlich 1000 mm Niederschläge Deutschlands im ganzen Jahr. Ich gehe jedoch nicht näher ein auf das Klima, noch auch auf den Einfluss desselben auf den Europäer, welchen die Meisten schon nach kurzer Zeit zu fühlen bekommen und der sie daran erinnert, dass man auch in Indien nicht ungestraft unter Palmen wandelt. Auch die Krankheiten übergehe ich, sowohl diejenigen welche dem gemässigten und tropischen Klima gemeinsam sind, als auch die speciell tropischen, von denen ich hier nur einige anführe: die Malaria, Beri-Beri, Dengue, Beulen- pest, gewisse Formen von Dysenterie und Lebererkrankungen, Framboesia, Lepra; dann Invasionskrankheiten: von Filaria Medinensis, F. sanguinis hominis, Anguillula stercoralis, die Beule von Delhi, das Malabar-Geschwür, Madura-Fuss, Elephantiasis Arabum etc. etc.

Dagegen möchte ich einige Mittheilungen machen aus meinen Erfahrungen mit Schlangen und Schlangenbissen. Mit Schlangen ist ja Indien so überaus reich gesegnet, wie kaum ein anderes Land der Welt Sterben doch nach amtlichen Statistiken, welche ich übrigens für nicht einmal vollständig halte, jährlich 40000 Menschen an den Folgen der Bisse giftiger Schlangen. Diese aber auszurotten, ist in Indien geradezu ein Ding der Unmöglichkeit, da der Hindu z. B. die Naja tripndians (Cobra de Capelloj für einen Gott hält, sie als solchen verehrt und derselben eigene Tempel

13*

Digitized by Googl

180

baut. Ein Hindu würde sieb daher eher selbst töten lassen, als dass er einem solchen Thiere ein Leid zufügte. Selbst wenn die Schlange gefangen worden ist, nachdem sie ein Familienmitglied getüdtet hatte, wird sie nur einige Kilo- meter weit fortgetragen und unter vielen Entschuldigungen wieder auf die Menschheit losgelasscn. Die Eingeborenen, welche meist barfuss gehen, mangelhaft bekleidet sind, und in elenden Hütten wohnen, fallen daher besonders Nachts auch am meisten den Schlangen zum Opfer, während eine Verletzung von Europäern schon mehr zu den Ausnahmen gehört. In Malabar haben wir ausser den Seeschlangen 9 verschiedene Arten von giftigen Schlangen, von denen jedoch 5 mehr in den Bergen hausen und nur 4 dem eigentlichen Tieflande angehören. Der Mehrzahl nach sind sie Glieder der Familie der Colubriden mit den Gattungen der Callophis, Naja, Bungarus (Felsenschlange) und der Seeschlangen. Diese letz- teren (Hydrophidiae) sind fast alle giftig, und können leicht an ihren ruderähnlichen, plattgedrückten Schwänzen, sowie an den Giftzähnen erkannt werden. Hydrus platurus, bis zu 2 Meter lang, ist wohl die verbreitetste Seeschlange, nicht nur in Indien, sondern in den Tropen überhaupt. Die Nase befindet sich unmittelbar über der Schnauze, so dass sie zum Athemholen nicht den ganzen Kopf über das Wasser zu erheben braucht, weshalb sie auch selten entdeckt wird. Die verbreitetste aller Schlangen Indiens ist aber ohne Zweifel die Brillenschlange (Cobra, Naja tripudians), deren Farbe von hell- bis dunkelbraun variirt. Atu Ilalse, un- mittelbar hinter dem Kopfe besitzt sie eine Art ovaler Haube, die jedoch gewöhnlich zusammengeklappt ist. Wird aber das Thier gereizt, so öffnet sich dieselbe beim Angriff ver- möge der Ausdehnung einer Anzahl verlängerter Rippen, wobei dann auf der Rückseite die Figur einer Brille zum Vorschein kommt. Die Nase liegt seitlich und die Pupillen sind rund. Die Cobra kann die Länge von 27» Metern erreichen. Es giebt aber auch Thiere, wie die Bungarus, welche zwar die Haube haben, aber entweder gar keine Zeichnung darauf, oder nur eine rudimentäre. Die Bungarus erreicht eine Länge von 5 Metern und hat auf ihrem Rücken hexagonale Schilder. Beide Gattungen sind nächtliche Thiere und legen ihre Eier während der Regenzeit. Obwohl sie

181

auf dem Lande leben, scheuen sie das Wasser keineswegs und schwimmen mit hoch erhobenem Kopfe über die breitesten Flüsse hinüber. Sie klettern auch vorzüglich und werden zuweilen in den Gipfeln der höchsten Bäume gefunden. Fast alle Monate häutet sieh die Schlange und wahrscheinlich wechselt sie auch die Giftzähne sehr oft. Sie kommt vor bis zu 2500 Meter Höhe, überall ist aber ihr Biss gleich gefährlich, sie ist jedoch glücklicher Weise nicht aggressiv, und geht dem Menschen eher aus dem Wege. Ferner haben wir es mit der Trimeresurus trigonocephalus, einer grünen Baumschlange, zu thun, durch deren Biss nach Ansicht der Eingeborenen eine vollständige Muskelatrophie eintreten soll. Die Vipern endlich bilden ebenfalls eine besondere Klasse. Man unterscheidet echte Vipern und die Crotalinac. Zu letzteren gehört die in Malabar häufige Viper Russellii (Annally der Hindus) von schwarzer Farbe, in regelmässigen Zwischen- räumen unterbrochen von weissen Ringen. Auch ihr Biss ist meist letal. Anatomische Anhaltspunkte zur Unterscheidung einer giftigen Schlange von einer nichtgiftigen, wie z. B. die Abwesenheit eines Schildes zwischen dem Auge und der Nase, oder Untersuchung der Schlange auf Giftzähne haben keinen grossen Wertb, da diese und andere Merkmale auch bei ganz harmlosen Schlangen Vorkommen können. Das Sicherste ist immerhin, sich an die äussere Erscheinung des Thieres zu halten.

Der Biss einer kräftigen und wohlentwickelten Cobra endigt fast immer letal, und es kann der Tod schon nach einer halben Stunde eintreten, oder auch später, je nachdem die Umstände sind. Je näher dem Herzen, und je günstiger die Circulationsverhältnisse sind, desto rascher ist auch die Wirkung, je weniger das der Fall ist, desto eher kann man aber, besonders bei rechtzeitiger Ligatur, hoffen, den Kranken am Leben zu erhalten. Die Prognose hängt ferner ab von der Grösse der Wunden und der Zahl derselben. Es wurden mir schon Patienten gebracht, welche 4 6 sehr tiefe Wunden hatten, während man bei andern wieder Mühe hat, die kleinen Stiche überhaupt zu entdecken. Ferner hat die Schlange die Gewohnheit, sich von Zeit zu Zeit des über- flüssigen Giftes zu entledigen und zwar dadurch, dass sie ihre Zähne in Pflanzen oder weiche Baumrinden einhackt.

Digitized by# Google

Wird unmittelbar nachher Jemand gebissen, so ist es klar, dass die Folgen geringere sind, während umgekehrt durch Erkrankung des Thieres das Gift noch virulenter wird. Nicht auszuschliessen ist bei manchen Menschen eine gewisse Toleranz gegen das Gift, wie eine solche schon dem König Mithridates zugeschrieben wird, und wie sie gewiss auch eine Anzahl indischer Sangesis und Schlangenbeschwörer besitzen. Das alles sind wesentliche Punkte, welche in Ver- bindung mit dem Alter und dem Geschlechte der Patienten bei der Beurtheilung jedes einzelnen Falles wohl erwogen werden müssen. Sie geben auch die Erklärung zu der Thatsache, dass es dann und wann, auch in schwereren Fällen, doch möglich ist, einen Verwundeten zu heilen, trotzdem der Biss besonders der Cobra als fast absolut tötlich gilt. Je länger man den Kranken erhalten kann, desto mehr Hoffnung auf Genesung ist vorhanden.

Was nun die Symptome anbelangt, so sind sie nach dem Gesagten sehr verschieden. Bei geringen Verletzungen kommen die Patienten noch selbst am Stocke. Das Bein schwillt leicht an, ist schmerzhaft, die Lymphgefiisse und Drüsen sind empfindlich und hart. Oefter ist auch Atemnot, Nausea und Erbrechen grünlicher Massen damit verbunden. Das Sensorium ist dagegen völlig frei, obwohl auch Fieber und Kopfschmerzen nicht fehlen. In schweren Fällen tritt völlige Dysurie dazu, der Puls wird unfühlbar, und kalter klebriger Schweiss bedeckt den Patienten. Der Auswurf wird blutig, es tritt förmliches Bluterbrechen hinzu ; Blut tritt unter beide Conjunctiven und flieset aus fast allen Oeffnungen des Körpers. Einmal konnte ich blutigen Schweiss con- statiren, was darauf hindeutet, dass das Gift besonders auf die Gefässwandungen wirkt. Das Augenlicht nimmt so sehr ab, dass die Kranken ihre nächste Umgebung nicht mehr erkennen, die Augenlider können nur halb geöffnet werden; es besteht eine gewisse Somnolenz und Schwer- besinnlichkeit, aber keiner Bewusstlosigkeit, denn auf Anrufen giobt Patient, wenn auch mit Mühe, immer eine correkte Antwort, dagegen ist völlige Asomnie vorhanden. So geht der Kranke oft noch am 2. und 3. Tage zu Grunde. In den schwersten Fällen kann Patient schon nach Stunde sterben, und sind die Erscheinungen so stürmisch, dass der

Digitized by Google

183

tödtliche Ausgang eintritt, bevor andere körperliche Symptome Zeit hatten, aufzutreten.

Die Diagnose eines Schlangenbisses ist demnach nicht sehr schwierig. Die Angaben des Patienten sind gewöhn- lich sehr positiv. Wird vollends noch die Schlange, wie es des Oefteren geschieht, mitgebracht, und hat man sich auch von der Anwesenheit von Bisswunden überzeugt, so kann kein Zweifel mehr obwalten. Zuweilen werden aber doch auch Kranke, z. B. Epileptische oder sonstwie plötzlich in Ohnmacht Gefallene, mit der Behauptung, dieselben seien von einer Schlange gebissen worden, zum Arzte gebracht, soll doch nach Ansicht der Eingeborenen schon der blosse Atem der Schlange tödtlich wirken. Aber selbst dann, wenn man eine Wunde tindet, ist die Diagnose noch nicht fest, weil dieselbe vielleicht von einer Ratte, einem Dorne, oder einem Skorpion herrührt, und da Schlangenbisse der grossen Mehr- zahl nach nur bei Nacht Vorkommen, so sind Irrtümer, falsche Diagnosen und bei der rasch eingetretenen Heilung unver- dienter Ruhm des Arztes nur allzuhiiutig. Bei gewissenhafter Berücksichtigung aller Symptome, besonders auch des Pulses, welcher bei gewöhnlichen Ohnmächten, Schreck etc. immer fühlbar ist, wird der Arzt aber auch hier bald zur Klarheit kommen.

Indem ich nun übergehe zur Behandlung der Schlangen- bisse, dürfte cs nicht uninteressant sein, zunächst die Methoden kennen zu lernen, welche seit Jahrhunderten die Hindus und ihre Aerzte in solchen Füllen zur Anwendung bringen. Wir haben dort zwei Klassen von cingebornen Aerzten, zunächst die Hakims, welche in Hyderabad nach der arabischen Schule unterrichtet werden. Da sie ja Affen und andere Tiere seciren, so fehlt cs ihnen nicht ganz an anatomischen Kennt- nissen. Die Vydians oder Hinduürztc nach der Sanskrit- schule lernen dagegen meist nur 5 10000 Verse auswendig, worin Symptome und Behandlung einer Krankheit angegeben sind. In Anatomie sind sic jedoch äusserst unwissend und abergläubisch, haben aber nicht selten sich bedeutende ärzt- liche Erfahrungen über Arzneimittel gesammelt, welche ein Gemeingut der Familie bleiben. Von ihnen werden schon längst Schlangenbisse mit Strychnin behandelt, welches erst neuerdings von Australien her so sehr empfohlen wird, auch

Digitized by Google

184

die Idee der Immunisirung gegen das Gift, wie sie durch das Serum von Paris aus beabsichtigt ist, ist denselben nicht neu. Die Rishis und Sanyasis immunisiren sich näm- lich nach ihrer Meinung gegen das Schlangengift dadurch, dass sie einen Samen der Nux vomica in 64 Teile, und jeden von diesen wieder in 2 Teile zerlegen. Zuerst wird täglich ein solches Teilchen gegessen und so aufsteigend, bis der Mann ohne Schaden eine ganze Nuss zu sich nehmen kann. Ein beliebtes Mittel der Aerzte gegen den Biss ist folgendes: In ein Loch, welches an der Nordseite eines Nux vomica- Baurncs gebohrt wird, legt man ein Stückchen weissen Baum- wollcnstoff und verschliesst dasselbe wieder mit einem Pfropfen aus demselben Holz. Nach circa 7 Monaten ist der Stoff in Pulver verwandelt und bildet nun in Verbindung mit Milch ein nicht unwirksames Antidot.

Wird der Arzt zu einem Patienten gerufen, bei dem nicht sicher ist, ob der Tod schon cingetreten sei, so giebt er ihm eine Pille, welche auf folgende Weise zubereitet wurde. In den Mund einer Moschusratte werden 72 grain (circa 5 Gramm) Quecksilber gebracht, und dieser zugeuäht. Nachdem die Ratte in der Sonne getrocknet worden ist, wird sie zusammen mit den Blättern von Datura Stramonium pulverisirt. Ist nach Ansicht der Hindus das Leben noch im Hinter- kopfe, so wird es nach Verabreichung der Pille wieder zum Vorschein kommen. Sodann werden Pillen, bestehend aus Schwefel, Arsenik, Aconit, Saffran, Zink, Kupfervitriol, Nux vomica, Zinnober etc. gereicht. Ein weiteres, sehr beliebtes Mittel ist der sog. Schlangenstein, welchem die Eigenschaft zugeschrieben wird, das Gift aus der Wunde aufzusaugen. Nach Sir John Fayrer handelt es sich hierbei aber nicht um einen Stein, sondern nur um einen verkohlten porösen Knochen, welcher wahrscheinlich in Milch gekocht worden ist.

Auch die Mittel gegen das Schlangengift seitens der europäischen Aerzte sind nachgerade fast ebenso zahlreich, als die Schlangen selbst. Sie können eingetheilt werden in chemisch oder physiologisch wirkende Antidote. Die ersteren sollen durch Eingehen von chemischen Verbindungen mit dem Gifte dasselbe unschädlich machen, während die letzteren den schädlichen Wirkungen desselben auf den Organismus entgegentreten. Zu den ersteren gehören das übermangan-

Digitized by Google

185

saure Kali , das Calcium chloratum, uud das Goldchlorid. Thatsachc ist es, dass übermangansaures Kali, wenn es im Reagensglas mit Schlangengift gemischt wird, dasselbe oxydirt und unschädlich macht. Es müsste aber, um das mit erschreckender Geschwindigkeit im ganzen Körper sich ausbroitendc Gift zu erreichen, in so grossen Quantitäten eingespritzt werden, dass es fasst ebenso ver hängnisvoil wirken würde, wie das Gift selbst. In leichteren Fällen, und besonders da, wo feste Ligatur angebracht worden ist, behält es aber seine Wirksamkeit. Dasselbe gilt von den anderen Mitteln. Physiologisch wirkende Gegenmittel sind: Ammonium chloratum, Aleohol und Strychnin. Der Alcohol bleibt als Stimulans immer werthvoll. Ebenso habe ich im Ganzen von Ammonium, innerlich und subcutan gegeben, nur gute Wirkung gesehen. Auch Tr. Jodi, alle Viertelstunde 1 2 Tropfen in Wasser gegeben, gehört hierher. Strychnin, subcutan eingespritzt, ist ebenfalls ein ganz brauchbares Mittel, nur muss man vor Anwendung desselben seiner Diag- nose ganz sicher sein, da ja auch vielfach Fälle dem Arzte gebracht werden, welche sich nur irrtümlich für gebissen halten. In wie weit das Schlangenserum aus Paris einen Einfluss auf die Sterblichkeit ausüben wird, muss sich erst noch zeigen, da, wie wir gesehen haben, bei einem richtigen Cobrabisse das Gift so rapide den Körper durchdringt, dass man wohl immer mit allen Heilmitteln zu spät kommt Zur freiwilligen Schutzimpfung durch eine dem Hindu ohnedies sehr unsympathatische Methode dürften sich aber nur wenige hergeben, da im Vergleich zu der grossen Einwohnerzahl Indiens (300 Millionen) die Zahl von Todesfällen durch der- artige Verwundungen doch eine verhältnissmässig geringe ist.

Meine eigene, seit 10 Jahren geübte Behandlung der Schlangenbisse, mit deren Resultat ich zufrieden bin, bestand kurz in Folgendem: Feste Ligatur, wenn solche möglich

und noch nicht angelegt war, Erweiterung der Wunden und Aussaugen derselben durch einen Heurteloup. Als Gegen- mittel und zugleich als Stimulans alle Viertelstunden 4 6 Tropfen Ammonium chloratum; in schweren Fällen dasselbe auch subcutan an verschiedenen Orten den Gefässen entlang. Statt des Ammoniums verabreichte ich auch Alcohol und da- neben Tr. Jodi in kleinen Dosen. Um die Herzthätigkeit zu

Digitized by Google

186

heben, Hess ich die Patienten womöglich mehrere Male rasch auf- und abgehen. Sodann wurde ein Schwitzbad gegeben, um Schweiss hervorzurufen. Dieses Bad kann unter Umstünden wiederholt werden, und es fühlen sich die Kranken dadurch immer sehr erleichtert. Zur Linderung der Schmerzen und zur Beförderung der Abschwellung erwies sich ein mit Wasser angemachter Brei von Pulv. Ipecac. immer sehr wertvoll, ein Mittel, das die alten englischen Aerzte vor 50 und mehr Jahren vielfach angewendet haben. Als Nahrung diente nur Milch oder Reiswasser. Im Ucbrigen soll die Behandlung rein symptomatisch sein, und ist alle Polypragmasie soviel als möglich zu vermeiden, da die säramt- lichen Organe, besonders auch die Nieren, von selbst wieder ihre geordnete Thiitigkeit aufnehmen, sobald der erste Sturm glücklich vorüber ist. Von den auf diese Weise Behandelten hatte ich die Freude, jährlich 50 60 pOt. als geheilt wieder entlassen zu dürfen. E. Liebendörfer.

Anmerkung.

Dr. Calmette's Heilserum gegen Schlangenbiss, Serum antive- ■linieux, scheint nach Berichten von Hangin in Aga, Lcpiuai in Saigon (Bullet, med. J896 No. 9. und Renni in Meerut (Brit. med. Journal 18'.I6, No. 1873) die Erwartungen zu erfüllen, die man an das- selbe stellte. Es wurtle aus dem Blut von Pferden und Eseln her- gestellt, die gegen Vipergift iimnunisirt sind. Es hiilt sich, wohl verpackt und an dunklen und kühlen Orten aufbewahrt unverändert wirksam. Nach Comptos rendus, 1896 Pag. 203 und Brit. med. Journal, 1896 II Pag. 1025 soll seine Wirksamkeit 1 : 10000 gross sein d. h. ftir ein Kaninchen von 1 Ko Gewicht soll eine Infection von 0,1 ccm Serum genügen, um es gegen eine nachträglich beigebrachte Dosis von 1 mgr des trocknen Cobragifts zu schützen. Bei einem von einer Giftschlange gebissenen Menschen (in Betracht sollen sämmtliche Giftschlangen der neuen und alten Welt wie Cobra di capello, Trimeresurus, Naja Haje, Cerastes, Crotulus, Bothrops, die Haplocephalus und Psoudechis-Arten und die Vipern Europas kommen) soll das Serum noch 1 '/» Stunden nachdem ßisswirken. Zu beziehen ist es von E. Merck in Darmstadt.

Ursprünglich hatte Calmetto, der Director des biologi- schen Instituts in Saigon, schnelles Unterbinden des gebissenen Gliedes, subcutanc Injection von 20 30 ccm frischer Chlorkalklösnng (1 : 12), Abnehmen der Unterbindung und Waschen mit conccntrirter Chlorkalklösung neben Morphium oder Coffein- Injectionen empfohlen und schon 1895 fand er, dass Thiere sich durch wiederholtes Injiciren schwacher Giftdosen zu immunisiron sind. Die Red.

Digitized by Google

187

Mein Projekt zur Entwässerung der pontinischen Sumpfe.*)

We hlliei d en- Cassel , den 10. Mai 1897.

Hochgeehrter Herr!

Euer Hochwohlgeboren beehre ich mich auf die ge- fälligen Anfragen zu erwidern :

Die Idee, die Pontinischen Sümpfe trocken zu legen, ist mir schon in den mittleren Gymnasialklassen, beim Lesen irgend eines lateinischen Classikers ich glaube cs war Livius „angeflogen“.

Unter so manchem Spott und Hohne wurde meine „fixe Idee“ immer fester. Denn Niemand entsprach meinem Verlangen nach: „einem einzigen vernünftigen Grund da- gegen“. Dann wollte, und will ich noch jetzt, schnell dio ganze Sache über Bord werfen.

Endlich boten die Mussestunden meiner oberschlesischen Garnisonen Beuthen und Gleiwitz die Möglichkeit ein- gehenderen Studiums. Namentlich hatte ich mich bei Napoleon I. zu bedankefi : denn dieser hatte denselben

Gegenstand als eines seiner friedlichen Denkmale erkoren und den französischen Gelehrten Prony in die Sümpfe ge- sendet. Prony aber hat die Resultate seines dortigen 10jährigen Bienentieisses in einem, für andere Christen- menschen unendlich langweiligen, dickleibigen Folianten mit Atlas niedergelegt. Derselbe orientirtc mich derartig, dass ich nicht nur schon damals, einige hundert Meilen entfernt, meinen heutigen Plan in seinen Grundzügen festlegtc : sondern auch, als ich im Jahre 1882 den heissersehnten Sümpfen meinen ersten Besuch abstattete, ihren nächsten Nachbarn in Tcrracina, sogar den damaligen „Ingenieuren“ des Ufficio tecnico della Bonifica idranlica Pontina, als Führer dienen musste und konnte.

Immer klarer entwickelte sich in mir das Bild der Trockenlegung aber auch zugleich immer klarer wurden mir die immensen Schwierigkeiten, nicht etwa technischer, sondern persönlicher Natur

Sehr bald machte sich die Nothwendigkeit fühlbar, meine Urheber-Rechte durch italienisches Patent zu schützen*

*) Die nachfolgende Zuschrift, welche einen der grössten Malaria- heerde Europas betrifft, glaubten wir unseren Lesern nicht vorcnthalten zu sollen. Die Red.

Digitized by Google

188

Ich musste davon (1883) meinem dienstlichen Vorgesetzten Mittheilung machen und empfing, nach Hause zurückgekehrt, den Besuch des Oberstabsarztes.

Früher, 500 v. Ohr. unter den arbeitsamen und tapferen Volskern waren die Pontinischen Sümpfe eine künstlich ent- wässerte, blühende, reiche Ebene, welche nach dem endlichen Siege der Römer gewaltsam entvölkert wurde und durch Verfall der Wasserwerke versumpfte. Die 26 volskischen Städte versanken allmälig : um hoffentlich jetzt recht bald mit ihrer ganzen hochinteressanten Cultur dem 2400jährigen, weich und luftdicht umschliesscndcn Grabe ziemlich unver- sehrt zu entsteigen. Wenigstens sind die beim Bau der Via Appia 400 v. Chr. geschlagenen Baumstämme neuerdings bei Gelegenheit völlig unversehrt ans Tageslicht gefördert worden.

Das Problem, die Pontinischen Sümpfe wieder trocken zu legen, ist 2300 Jahre alt. Eine stattliche Reihe von Consuln, Kaisern und Päpsten und zwar nicht die un- bedeutendsten unter ihnen ! hat es zu lösen versucht.

Aber von allen ihren Plänen hätte bisher allein Caesars riesiger Gedanke, den schlammführenden Tiber durch die Ausläufer der Albaner Berge hindurch in die Sümpfe zu leiten, einen vollständigen Erfolg gehabt. Freilich, für diesen cäsarianischen Plan gehörten auch cäsarianische Machtmittel. Der Dolch des Brutus hat das Heil des Landes zerstört.

Mit halben Massregeln ist dort Nichts zu machen. Nur eine radikale Kur kann helfen. Bei allen anderen bisherigen Versuchen haben die giftigen Exhalationen der übrig ge- bliebenen Sumpfstrecken die Kolonisten von den etwa trocken gelegten Theilen vertrieben. Jedes Mal ist das unglückliche Land bald wieder in das alte Elend zurückgesunken.

Selbst die grossartigen Kanalbauten Pius VI., vor ca. 100 Jahren, hatten trotz der aufgewendeten 9 Millionen Franks einen durchaus ungenügenden Erfolg und zwar, weil ihnen das alte falsche Princip, ausreichende VorHuth innerhalb der Sümpfe selbst schaffen zu wollen, zu Grunde lag. Immerhin verdient dieser Papst allerwärmsten Dank, denn seine Gräben er- leichtern und verbilligen die zukünftige Trockenlegung ganz ausserordentlich.

-

Digitized by Google

189

Seit Prony ist nichts Erwähnenswerthes über die Pontinischen Sümpfe geschrieben worden, seit Pius VI. nichts Verständiges zu ihrer Sanirung geschehen. Das unglückliche Gebiet war von der Welt vergessen, namentlich seitdem die Eisenbahn nach Neapel die Jahrtausende alte Heerstrasse, welche mitten durch die Sümpfe führt, die Via Appia, ent- völkert hatte.

Als ich vor nun etwa 14 Jahren die Aufmerksamkeit zunächst der betheiligten Kreise auf die Sümpfe lenkte, genas man dorten eines Concurrcnz-Projektcs und hat auch wirklicli mit staatlicher Hilfe in 10 Jahren fast eine Million hinein- gebaut Ich stellte, ehe noch der erste Spatenstich geschah, eine ganz genaue Prognose des Erfolges auf : sie ist bis aufs Jota in Erfüllung gegangen. Der auch heute noch un- veränderte Zustand der Sümpfe, namentlich die furchtbaren Ueberschwemmungen grade unseres letzten Winters haben meine Prophezeiungen glänzend gerechtfertigt.

So liegen denn immer noch weite, weite Strecken, Tausende von Hectaren jährlich 1 bis 11 Monate meterhoch unter Wasser. Das ganze Sumpfgebiet beträgt etwa C Quadratmeilen = 30000 Hectare.

Auch die trockenen Partien in und uiu den Sumpf bis nach Velletri hin, etwa 20 Quadratmeilen 100000 Ilectare können wegen der aria cattiva nicht ausgenutzt werden. Ihre Verwerthung als Weideland für vereinzelte Heerden oder die streckenweise wilde Bebauung ist ein wahrer Hohn auf den gegenwärtigen Standpuukt der Land- wirthschaft, die fünfzigfach grössere Erträge erzielen könnte.

Welch ein Gegensatz ist die trostlose erdrückende Oede, die Krankheit und elende Armuth der Nachbarn und etwa ÖO Bewohner, andererseits : die strotzende, in Europa ihres Gleichen nicht findende Ueppigkeit des Bodens, die zauber- haften landschaftlichen Reize, die milde, köstliche Luft, welche in keiner Weise das Gift, das sie trägt, durch üblen Geruch verräth.

Und die Ursachen dieses Elendes?

Charakteristisch für die dortige Gegend sind kurze, aber sehr intensive Regengüsse. Alsdann fluten von den ganz nackten felsigen Volskerbeigen enorme Wassermassen plötzlich herab und überschwemmen w'eite Terrainstrecken.

Digitized by Google

Die geringe Erhebung des Geländes über den Meeresspiegel kann nicht zur Wirksamkeit gelangen. Denn schon während der regenlosen Zeiten werden die zahlreich vorhandenen Gräben Pius VI. von den permanent durchfliessenden Aussen- gewässern reichlich erfüllt: namentlich da am Rande der .Sümpfe, am Gebirgsfusse, noch unglaublich wasserkräftige Quellen mitwirken, welche aus fremden Stromgebieten ISacco) stammen nnd allein ein und ein halb mal so viel Wasser liefern , als die Regenmenge für das ganze Pontinische Becken beträgt.

So kann denn also das ausgetretene Wasser gar nicht oder erst nach Monaten abfliessen.

Ich will also zunächst, und das ist der erste und wesentlichste Unterschied meines Projektes von allen früheren! keinen Tropfen Wasser mehr von Aussen her, auch nicht von den Randquellen, in das Sumpfgebiet eindringen lassen. Mit diesen zusammen sollen die von den Bergen herab- strömenden Wassermassen in selbständigen peripherischen Kanälen, welche gegen die Innengräben allentludben dicht abzuschliessen sind, aufgefangen und direkt in’s Meer ge- leitet werden.

Wie ein Blick auf die Skizze zeigt, ist das auf dem West-Ufer sehr leicht. Da ist der schöne, breite und tiefe Sisto schon so gut wie fertig. Aber wunderbarer Weise ist dieser 20 km lange Lauf 600 in vor dem Meere so gut wie abgehackt. Er hat geringe, fast gar keine VorHuth, weil der Canale d. Volte ausserordentlich gewunden und völlig ver- schilft ist. Es brauchen bloss des Sisto Verbindungen mit den Quergräben (Fosse Migliari) unterbrochen und die 600 m, welche ihn vom Meere trennen, durchstochen zu werden.

Auf dem linken Ufer der Sümpfe ist die Sache schwieriger. Hier müssen UfFente, Amazeno (der schlimmste !) Pedicata und die Quellen (Feronia etc.) vom Sumpfterrain völlig abgesperrt und durch einen neuen Kanal bei Terracina ins Meer geführt werden. Die Heranführung der grossen Menge frischen Gebirgswassers wird der Gesundheit dieser Stadt sowohl im Allgemeinen sehr förderlich sein, als auch speeiell dadurch, dass die jetzige Anhäufung von Seepflanzen, welche im stromlosen Canal dicht an der Stadt faulend die Luft verpesten, nicht mehr stattfinden kann.

Digitized by Google

191

Li- ! f i

*3210

Maatsiah der Skizze t : 230,000.

1

3 10

(Kn i = 4 mm).

15

20

Die Ableitung des Amazeno-Uffente ist die schwierigste, aber zugleich auch wirksamste Arbeit meines Projekts. Da

Digitized by Google

192

man immerhin hierbei nur in fester, höher gelegener Erde zu graben hat und die Arbeiter in der Nähe wohnen können, werden die Kosten keine übermässigen sein (etwa 600 (XX) Franks).

(Denkbar, aber mir weniger empfehlenswert!! erscheint es auch, die genannten Flüsse in ihren jetzigen Betten zu belassen, hoch und ununterbrochen einzudämmen und so das Sumpfgebiet in mehrere selbständige Meliorationsgebiete zu theilen.)

Damit nun jener neue peripherische Graben keines übermässigen Querprofils bedarf und dennoch seine Aufgabe erfüllt, die Hochfluthen vom Sumpfboden wirklich fernhält : müssen letztere schon in ihrem Ursprünge bekämpft, gewisser- massen in die Länge auseinander gezogen werden. Bisher dauert der Abfluss der Gewässer 2 V* Tag; man wird viel ge- wonnen haben, wenn man ihn auf 4 bis 5 Tage vertheilt.

Zu diesem Zweck schlage ich vor :

Schaffung irgend einer, wenn auch noch so gering- werthigen Vegetation auf den öden Bergen (ev. Opuntien Caetus, der essbare Früchte trägt und Blätter, die als Futter zu verwerthen), Tausende von kleinen, mit einer Patrone zu sprengenden Trichtern in den oberen Regionen, um den Regen zur Einsickerung in die Risse und Höhlen des Kalk- gebirges zu bringen, endlich grössere fakultative An- stauungen der Regengüsse in horizontalen weiten Thalkesseln, welche für gewöhnlich trocken liegen, Wasser in massigen Mengen durchfliessen lassen und erst bei Hochtiuthen ihre Schleusenthür selbstthätig schliessen , die Anstauung damit bewirken.

Sobald man auf diese Weise das äussere Wasser vom Sumpfterrain absolut fernhält, hat man es nur noch mit dem eiguen Niederschlagwasser zu thnn. Denn im Gegensatz zum begrenzenden Gebirgsfusse sind im Innern der Sümpfe noch niemals Quellen gefunden worden. Das ist ganz natürlich ; unter dem 2—26 m tiefen Moor lagern nämlich überall mächtige Thonschi^hten , die noch nirgends durch- bohrt worden sind.

Nun beträgt die jährliche Regenhöhe in jener Gegend 84 cm, die Verdunstung aber 265 cm. Es kommt also nur eine sehr geringe Wassermenge überhaupt zum Abfluss,

Digitized by Google

193

natürlich nur an einzelnen Tagen, nach besonders intensiven Regengüssen.

Für diese unerheblichen Wassermengen aber sind die zahlreichen breiten und tiefen Grüben, welche Pius VI. gebaut hat, mehr wie ausreichend. Man hat nur nöthig, einige Buckel in ihnen zu entfernen und das Wuchern der Wasserpflanzen einzudämmen, welche jetzt in einer geradezu antidiluvianischcn Weise nämlich indem man Bttffeiheerden in den Kanälen entlang treibt niedergehalten werden.

Die Besitzer (z. B. Ferrajoli, Rom 1892) sagen daher sogar:

„der eigentliche Ingenieur der Sümpfe ist der Büffel“.

Kompliment für die zweibeinigen Collegen.

Sind somit, nachdem die äusseren Wasser ferngehalten, auch noch die vorhandenen Innengräben mit ihrer selbst- ständigen Mündung ins Meer, dem Portatore di Badino, geglättet: dann ist jede neue Ueberschwemmung ausgeschlossen.

Die Gräben werden alsdann sofort das freistehende Wasser und einen grossen Theil des Grundwassers an sich ziehen und abführen : d. h. es wird in wenig Tagen der bei W eitern grösste Theil des jetzt inundirten Terrains für immer trocken liegen.

Sollten die Kanäle und Gräben bei lang andauernder Dürre einer Auffrischung bedürfen, so ist diese leicht und ungefährlich in beliebiger Menge durch Heber oder Schleusen den permanent Hiessenden Aussengräben zu entnehmen.

Das harte, gasreiche Wasser der Quellen am Rande wird sogar helfen, die Pflanzenwuelierung einzuschränken.

Aber einzelne Geländestrecken liegen doch so tief, dass sie keinen natürlichen Abfluss zum Meere haben können; und man darf sie nicht vernachlässigen, etwa ihre Ab- trocknung der mächtig wirkenden italienischen Sonne über- lassen. Sie würden auch die trocken gelegten Nachbar- flächen verpesten, unbewohnbar machen. Ihre Ausdehnung wird sogar mit der allgemeinen Trockenlegung sich erweitern; denn wir müssen dabei auf eine allgemeine Senkung der Boden-Oberfläche um 0,50 bis 0,75 m uns gefasst machen.

Dies in Rechnung gezogen, wird man für etwoi 2000 Hectar künstliche Entwässerung vorsehen müssen. Da hat man sich denn seit Jahrhunderten abgemüht diese tiefen Stellen durch sogenannte Colmaten „Auflandungen“, durch Heranführung

Archiv f. Schiff»- u. Tropcohygieoe. 14

Digitized by Google

194

der wilden Gebirgswässer zu erhöhen. Das ist ein ganz vorzügliches Mittel am Po und in den Mare innen, wo nämlich von den Flüssen grosse Mengen Schlamm mitgeftthrt werden. Aber die von den ganz nackten Volskerbergen herab- strömenden Flüsse sehen bei Hochwasser zwar auch braun aus : diese Färbung rührt jedoch nicht von Schlamm, sondern von einer Ockerlösung her, so dass der jährliche Nieder- schlag kaum 1 cm erreicht. Dementsprechend haben denn die hundertjährigen Colmaten einen so minimalen Erfolg gehabt, dass mindestens ein weiteres Jahrhundert nüthig wäre, um ihn zu einem befriedigenden zu gestalten.

Und so lange wollen wir nicht warten. Ich schlage also vor, diese tiefliegenden Strecken neuerdings zu isoliren, sie durch kleine geschlossene Dämme gegen das übrige Sumpf- gebiet abzuschliessen, mit einem eigenen System von Wasser- furchen zu durchziehen, und das in einem kleinen Bassin nahe am Isolirdamm angesammelte Wasser endweder durch eine Silvorrichtung abfliessen zu lassen, oder, bei besonders tiefer Lage, über den Isolirdamm hinweg in den nächsten natürlichen Abflussgraben hinauszupumpen. (Dampf, Elek- tricität, Windmotore.)

Damit wäre denn das letzte Bollwerk der Versumpfung überwältigt, aber noch nicht : die Malaria.

Weil schnellwirkende Mittel zur Gesundung des Bodens noch unbekanut, bleibt gegen die Malaria nichts übrig, als der allmälig aber sicher wirkenden intensiven Bebauung (jährlich 2 Ernten!) zu vertrauen und dabei den bestens genährten, widerstandsfähig gemachten Menschen, in möglichst geringe Be- rührung mit dem gefährlichen Boden zu bringen. Daraus ergibt sich, dass die Bebauung durch mehrere Jahre hindurch mit allen Arten von Maschinen und möglichst wenig Arbeitern, also im grossen Stile etwa wie auf amerikanischen Latifundien, erfolgen muss. Die Arbeiter müssen ausserhalb des Sumpf- bodens, also im Gebirge oder auf dem äusseren Dünenrand, schlafen. Das ist bei der schmalen langgestreckten Gestalt der Sümpfe ohne allzu grosse Wege zur Arbeitsstelle möglich: eventuell könnte auch eine kleine Feldbahn, z. B. auf der Via Appia entlang, nützlich sein. Alle Fingerzeige der Wissenschaft müssen und können ohne Rücksicht auf

Digitized by Google

195

den Kostenpunkt für jene wenigen Arbeiter verwertbet werden.

Erat nach 6 bis 10 Jahren wird man an die Colonisation und damit an die gärtnerische Bebauung, für welche diese einzige riesige Ilumusmasse so recht eigentlich geschaffen ist, gehen können. Dabei werden zunächst noch erhöhte Wohnungen auf Pfahlgerüsten (Pulafiten) oder aber die alt- römischen Sumpfhäuser sieh empfehlen. Die alten Römer bauten in Fiebergegenden festungsartige Häuser, deren Aussenmauern keinerlei Fenster, nur eine einzige thunlichst verschlossen gehaltene Thür zeigten. Im Innern des Hauses brachte man den wohl gepflasterten Hof an, auf den hinaus sämmtliche Fenster mündeten. Der Luftwechsel des Hofes und des Hausinnern konnte also lediglich mit den über dem Dach schwebenden, also hohen, fieberkeimfreien Luftschichten stattfinden. Diese Anordnung der alten praktischen Bau- meister verdient vielleicht unsere Nachahmung.

Noch grössere Besorgnisse als für die spätere Zeit wird man vielleicht hegen für den Gesundheitszustand während der Trockenlegungsarbeiten selbst. Auch hierbei hoffe ich jedes Opfer an Menschenleben zu ersparen.

Erstens finden die von mir projektirten Hauptarbeiten, der Sisto-Durchstich und die Amazeno-Führung, im Dünen- sand beziehungsweise im festen gesunden Geröll boden des Gebirgsfusses statt. Die Nachtquartiere der Arbeiter können auf absolut malariafreiem Boden Platz finden. Alsdann wäre es Ehrensache der Unternehmung, für beste Beköstigung der Arbeiter zu sorgen. Man wird durch menschenfreundliche Nöthigung den sonst allzu frugalen und sparsamen Italiener zum kräftigen Essen und Trinken durch gemeinschaftliche Küche gewisscrmassen zwingen müssen. Tägliche ärztliche Controlle wird das nahende Fieber, möglichst ehe es aus- bricht, erkennen. Für solche Gefährdete, ebenso wie für die Rekonvalescenten, werden die Arbeiten an den Regen- fangen oben im Hochgebirge die Bedeutung von Sanatorien gewinnen.

Zum Schluss noch ein Wort über die Finanzfrage.

Die von mir projektirten Trockenlegungsarbeiten habe ich auf etwa eine Million berechnet. Aber mögen sie selbst 5 Millionen kosten, das hätte gar keine Bedeutung.

14*

Digitized by Google

196

Denn während jetzt der durchschnittliche Pachtreinertrag etwa 17 Franks per Hectar beträgt, ergab ein nach meinen Vorschlägen gemachter Versuch an einem Sumpfzipfel: 30o Francs jährlichen Reinertrag! Und diese Rente würde sich durch Gartenbau noch steigern lassen.

Möge man nicht schwindelnd werden, wenn man sich die- selbe und den daraus resultirenden Kapitalgewinn bei 30,000 bezw. 250,000 Hectarcn ausrechnet.

Ueber den gegenwärtigen Stand der Angelegenheit darf ich nur aussprechen, dass ich die Hoffnung, mit den italienischen Besitzern vorwärts zu kommen, so ziemlich auf- gegeben habe. Dagegen wird von Seiten der italienischen Regierung sowie von finanzkräftiger deutscher und englischer Seite lebhaftes Interesse bekundet Bereits finden sehr genaue Detail-Vermessungen und landwirthschaftliche Unter- suchungen statt.

So ist denn begründete Aussicht vorhanden, dass diese überzweitausendjährige Quelle des Elendes und des Todes, gelegen in unmittelbarer Nähe der ewigen Stadt, demnächst zu einer Stätte der Wohlhabenheit und des Glückes für hundert- tausende von Bewohnern und Nachbarn ungeschaffen wird.

v. D o n at Major, Regiment 83.

II. Besprechungen u. Literaturangaben.*)

a. Hygiene, Physiologie, medizinische Geographie und Statistik.

Schön, Ueber Trope n liy gi ene , Vortrag gehalten in der Abteilung Berlin - Charlottenburg der deutschen Kolonialgesellschaft am 27. November 1890.

Der Redner setzte in klarer, kurzer und für gebildete Laien verständlicher VVeise die Geschichte, Bedeutung, Ziele und Hülfsmittel der Tropenhygiene auseinander. Die lebhafte Diskussion, welche dem Vortrage folgte, spricht am deutlichsten für die gegebene Anregung. Staatssekretär Herzog äusserte als erster den Wunsch, bald mehr über dieses Thema zu hören, besonders Uber die nur kurz gestreiften Fragen der Hygiene, der einseinen Kassen, die GeBundheitsregeln de» täglichen Lebens nnd überhaupt praktische Vorschläge. Während Virchow die Akklimatisation von Familien bezweifelte und auf den Untergang der

*) ln Folge der grossen Fülle des vorliegenden Materials sind wir genötigt, die neugesetzten Besprechungen kleiner zn drucken.

Die Red.

Digitized by Google

197

in wärmere Länder nusgewamlcrteu germanischen Stämme hinwies, betonte Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg, dass trotz Verlustes der Nationalität doch der germanische Typus in manchen dieser Länder noch erhalten sei. Däubler hob die Verschiedenheit der Tropenhygiene von der allgemeinen hervor. Nocht die Notwendigkeit einer Abgrenzung des Begriffs Malaria von anderen Krankheiten, Beiow die Bedeutung der internationalen Sammelforschung und gedachte ihrer Förderung durch den Fürsten Hohenlohe-Langenburg. Gerhard wies auf vier wichtige Tropenkrankheiten hin : die durch Anchylostoma duodenale bedingte Anämie, die Ruhr, die l’ocken und dio Malaria und ihre Erreger hin, LasBar auf die Syphilis. Nach einigen Worten Kühlers Uber die Zweckmässigkeit der Zusammenwirkung verschiedener Rich- tungen gibt von Richthofen die Absicht der Verwaltung kund, die Kolonien gesundheitlich nach Möglichkeit zu heben, und der Vorsitzende Prinz von Aronborg stellt in seinem Schlusswort weitere Vorträge auf demselben Gebiete in Aussicht und befürwortet das Erscheinen einer periodischen Schrift für Tropenhygione. M.

Der Academio do mcdecine zu Paris (Sitzung am 20. April 1897) machte Geschwind zu ßayonne die Mittheilung, dass er und Brandais auf Gemüsen, welche in der Umgebung der Stadt von den Gärtnern mit Kopfdüngor gegossen worden, den Bacillus Eborth, Bacillus coli communis, den Tuberkulosebacillus und Bandwnrmglieder nachweisen können. (Diese Beobachtung dürfte besonders die Aerzte in Gegenden interessiren, wo der Gemüsebau ausschliessliches Monopol der Chinesen ist, wie in manchen Theilen Ostasiens, Australiens und Amerikas. Die Chinesen erzielen ihre vorzüglichen Ernten besonders durch die tleissige Kopfdüngung mit Kxcrementon. Ruf.) M.

Koeppe, Hann, Dr. med., pr. Arzt in Giessen. Die Be- deutung der Salze als Nahrungsmittel. Ein Vortrag, gehalten auf der 68. Versammlung deutseher Naturforscher und Aerzte in Frankfurt a. M. Giessen. J. Ricker’scho Buchhandlung. 1896.

Als Nahrungsmittel werden meist nur diejenigen .Stoffe betrachtet, welche dem Körper eine gewisse Energiemenge zuführen, die durch Calorieen ausgedrückt weiden kann, das heisst Eiweisskörper, Fette und Kohlehydrate. Wenn auch von vielen Seiten auf die Bedeutung der anorganischen Salze aufmerksam gemacht wurde, so schrieb man ihnen doch keine andere Wirkung zu, als dass sie die verloren gegangenen Salze ersetzen sollten.

K. zeigt zum ersten Male, dass auch die anorganischen Salze dem Körper Energie liefern, welche sich zwar nicht in Wärme, sondern zunächst in Druckdifferenzen äussert und

Digitized by Google

198

daher auch nicht nach Calorieen, sondern nach Atmosphären gemessen werden muss.

Wir verdanken diese Erkenntniss der Anwendung der neueren physikalischen Chemie, insbesondere der Anwendung der Gesetze des osmotischen Druckes auf die Lösungen der Nährsalze.

K. weist nach, dass der osmotische Druck einer Fleisch- bouillon, in der doch die Salze die Hauptrolle spielen, dem osmotischen Drucke des Blutplasmas überlegen ist. Nun ist die Magenwand sowohl für Wasser, wie für Salze durchlässig. Es tritt daher nach Aufnahme dieser Nahrung Wasser aus dem Blut in den Magen, und Salze treten aus dein Magen- inhalt in das Blut über. Gelangt nun die Nahrung in den Darm, so kehrt sich hier der Vorgang um. Die Nahrung wird hier also eingedickt. Den bei diesen osmotischen Vor- gängen entstehenden Strömungen kommt eine Bedeutung bei der Resorption der Nahrung zu.

Die Bouillon kann nun nicht etwa durch eine Koch- salzlösung ersetzt werden. Denn der osmotische Druck ist, wie K. ausführt, von den verschiedensten Faktoren abhängig: Concentration der Lösung, Anwesenheit und Menge anderer Salze, Anwesenheit auch geringer Mengen organischer Stoffe haben einen bedeutenden Einfluss, wobei besonders der Grad der Dissociation der Salze (Zerlegung in positive und negative Jonen) eine grosse Rolle spielt.

Aus ebendemselben Grunde müssen Mineralwässer, z. B. Kochsalzwässer, anders wirken, als die entsprechend coneen- trirten Kochsalzlösungen. Besonders ist zu beachten, dass, im Gegensatz zu einer einfachen Kochsalzlösung, die Mineral- wässer in Folge ihres Gehaltes an verschiedenen Salzen bei geringster Gesammtconcentration die grösste Zahl neutraler, d. h. nicht in Jonen gespaltener, Moleküle enthalten. Denn nur neutrale Na Cl-Moleküle können ohne Weiteres in das Blut gelangen, und also führen wir durch den Genuss von Kochsalzbrunncn dem Blute mehr Na CI zu, als wenn wir die gleiche Menge Kochsalz in einfacher Lösung geben. Das Na CI des Blutplasma’s wandelt sich aber zum grossen Thcile auf Grund osmotischer Prozesse zwischen Körperchen und Plasma in Na > CO i um, und so können wir konstatiren, dass durch das scheinbar recht indifferente, kochsalzhaltige

Digitized by Google

199

Mineralwasser die Alkalescenz des Blutes bedeutend erhöht werden kann.

K. zeigt durch diese Beispiele, wie die Theorieen der physikalischen Chemie in ganz neuer Weise zur Erklärung physiologischer Vorgänge herangezogen werden können.

Victor Lehmann.

Langlois, P., Les Naufragda de la „Ville de Sai n t - N a za i re“ La Presse medicale 1897. No. 31.

Die Schiffs-Catastrophe der „Ville de St. Nazaire“ giebt dein Autor Anlass, auf gewisse Mängel in der Schiffsausrüstung hin- zuweisen. Abgesehen davon, dass namentlich auf Packethooten die Bemannungszahl nicht selten ungenügend ist, entspricht auch die Verproviantirung oft keineswegs den zu stellenden Anforderungen. Es muss verlangt werden, dass jedes einzelne Rettungsboot iin gegebenen Momente rasch mit der nüthigen, der Bemannungszahl entsprechenden Menge zweckmässiger Nahrung ausgestattet werden kann. L. fordert, gestützt auf die Gesetze der Ernährungsphysiologie und unter Berück- sichtigung der in Betracht kommenden besonderen Entstände. 3000 Calorien und 2 Liter Trinkwasser pro Kopf, eine Ration, die den leicht eintreten- den Fahrthindernissen Rechnung trägt. Ein Speisezettel, der natürlich alle zu kochenden Conserven ausschliessen muss, ist leicht zu construiren, etwa in folgender Weise:

Fleischconserven 300 gr. ( 660 Calorien).

Schiffszwieback 600 gr. (1000 ).

Holländischer Käse 100 gr. ( 350 ).

Zucker 60 gr. ( 200 ).

Sa. 1000 gr. (2200 Calorien).

Dio fehlenden 800 Calorien wären leicht zu decken durch Oel- sardinen, Butter (?), condensierto Milch u. s. w. Als Getränk sind neben Wasser kleine Mengen von Alcohol zu gestatten, ja in Rücksicht auf den moralischen Effect ganz zweckmässig, grössere Dosen dagegen zweifellos schädlich. Die Rationen müssten ein möglichst kleines Volumen haben (etwa 2000 ebem Nahrung, 2 Liter Flüssigkeit pro Kopf, und wären in geeigneten Recipienten aufzubewahren.

K. Pfeiffer- Cassel.

Ergebnisse einer Fragebogenforschung auf tropen- hygieniscliom Gebiet. Zusammengestellt von Dr. Ernst Schön, Hillfsarbeiter im Kaiserlichen Gesundheitsamt.

Schön hat es in der vorliegenden Arbeit, versucht, die fünfzig Berichte, welche nach Abschluss der ersten Fragebogen forschung noch einliefen, zu einem einheitlichen Ganzen zu verarbeiten. Er hat die schwierige Aufgabe, die gewaltige Fülle des Materials zu sichten und übersichtlich zu ordnen, in sehr anerkennenswerther Weise golöst.

Das erste Capitel umfasst Hinterindion und den malayischen Archipel. Die fünfzehn Berichte dieser Gruppe sind in vier Ab-

Diqitiz

3gle

200

schnitte getheilt, von donen der erste Bangkok, Penang ond Singapore, der zweite Sumatra, der dritte Java mit Madura und Moearah Toweh auf Borneo, der vierte Manila behandelt.

Nachdem Verfasser einige allgemeine Bemerkungen Uber die Dichtigkeit der Bevölkerung, die RegenfUllo, die Dichtigkeit der Pflanzendecke, die Monsunwinde und den Plantagenbau vorauageschiekt hat, werden zuerst die klimatischen, anthropologischen und ethnologischen Verhältnisse von Penang, Singapore und Bangkok miteinander verglichen, welche wesentliche Abweichungen unter sich aufweisen, obwohl ihre geographische Lage nahe dem Meere auf niedrigem, von Mangrovewald bestandenen Schwemmlande in grosser Aequatomühe viel Aehnlichkoit zeigt. Die sanitären Einrichtungen betreffend, so überragen die unter englischer Oberhoheit stehenden Plätze Penang und Singapore die Hauptstadt des durch einen eingeborenen Fürsten regierten Reiches Siam weit.

Trotz vielseitiger hygienischer Mängel ist Bangkok indessen nicht so ungesund, als man vormuthen sollte; namentlich beschränken sich die schweren Malariafieber und die schwersten Formen der Dysenterie auf die Sumpfwälder des inneren Landes, während sich Singapore nml Penang durch das seltene Vorkommen selbst leichter Malariafieber höchst vortheihaft vor anderen Tropenplätzen auszeichnet.

Unter den sechs Berichten aus Sumatra interessirt vor Allem derjenige aus dem an der Südkftste der Insel befindlichen Hafenort Telok Botong. Hier herrschen schwere und selbst pemiciiise Malariafieber, während die übrigen sämmtlich an der Westküste Sumatras gelegenen Berichtsorte, besonders das fast genau unter dem Aequator liegende PadangPandjang in dieser Hinsicht ungleich besser gestellt sind.

Aus Java liegen zwei Berichte vor: ans Modjokerto nnd Banjumas, welche sich durch die eingehende Darstellung der Orts- verhältnisse auszeichnen. Freilich ist die Physiologie nnd Pathologie Javas, der weitaus bestbekannten und bestcultivirten aller malayischen Inseln, Dank der ausgezeichneten experimentellen Arbeiten Eykmann's, Glogner's, van der Scheer's u. A., genauer bekannt als die irgend eines anderen Tropengebietes. Malaria ist an beiden Berichtsorten häufig, indessen treten die pernieiösen Formen stark zurück. So betrog die Malariasterblichkeit der Provinz Banjumas im Jahre 1893 nur 3 Wh der Bevölkerung. Auffallend erscheint, dass das Vorkommen von Abdominaltyphus von den Berichterstattern nicht bemerkt wurde, während nach Beobachtungen, welche Referent im Militärlazaret zn Batavia machte, diese Affeetion dort sehr häufig verkommt. Freilich muss hierzu bemerkt werden, dass Verwechselungen des Typhös mit Malaria vormals ganz allgemein waren, während man jetzt Dank der Befunde von Malariaplasmodien im Blute eine exacte Differential- Diagnose zu stellen in der Lage ist

Auch aus Pamakasan, der Hauptstadt Maduras, lief ein «■»gefüllter Fragebogen ein, welcher im Gegensatz zu der überwiegende»

Digitized by Google

201

Mehrzahl der Tropenplätze eine» reichlichen Vorkommens der Masern bei den Eingeborenen Erwähnung thut.

Es folgt der Inhalt des sehr eingehenden Berichtes aus Manila, welcher neben interessanten Aufschlüssen Uber Klima, Lage und Racen sowie bemerkenswerthen physiologischen Daten ein besonders reich- haltiges Material bringt, in welchem auch die ortsübliche Therapie ausführlich besprochen wird. Darnach sind Nervenkrankheiten dort seltener als in England. Hingegen fehlen unter den Infections- krankheiten nur wenige in Manila; besonders verheerend wüthen: endemische Cholera, Kuhr, Unterleibstyphus und Pocken. Zur Ver- hütung der letztgenannten Seuche wird von Europäern und Eingeborenen die Vaccination mit grossem Erfolge angewendet, während Chinesen und Syrer die Impfung mit echten Pocken bevorzugen. Die Malaria betreffend, so herrscht Febris remittens vor; dort fehlt es auch nicht an biliös-hämorrhagischen und selbst pernieiösen Formen. Leider findet sich auch die Tuberkulose besonders unter Eingeborenen und Mischlingen zu Manila in erschreckendem Orado verbreitet.

Aus Britisch Indien lagen nur zwei Berichte vor, nämlich aus P o o n a und D h a r w a , beide am Ostabfall des Plateaus von Dekan 1850 resp. 2420 englische Fuss Uber dem Meere golegen. Anziehende Einzelheiten Uber Klima, Wohnungen und Wasserversorgung in jenen Städten werden uns darin gegeben. Unter den Krankheiten behauptet trotz der Höhenlage Malaria die erste Stelle, freilich in ihrer mildesten Form.

Der Bericht aus Colombo (Ceylon) erwähnt mit vollem Recht der Thatsache, dass dieser wichtige Platz den entschieden gesunden Tropenplätzen zuzuzählen ist. Unter den Infectionskrankheiten be- haupten Malaria, Ruhr, Durchfall und Lungenentzündung die führende Rolle (nach den Erfahrungen dos Referenten ist es vorzugsweise die Dysenterie, welche in Colombo und Umgebung in ihrer schwersten Form auftritt). Auch Lepra und Elephantiasis gehören nicht zu den Seltenheiten. An häufig grassirenden Hautkrankheiten werden Herpes tonsnrans und Fromhoesia erwähnt. Originell ist die Angabe einer Schleiinhaut-Affection des Mundes: „The Ceylon sore inouth“, einer Art septischer Mundfäule, welche Ceylon eigenthümlich sein soll. Sie spottet jeglicher Behandlung und hat auch hin und wieder unter Europäern einige Opfer gefordert.

Etwas mager sind die Berichte aus Polynesien ausgefallen, die sich auf einige Daten klimatischer und etnologischer Natur beschränken, welche aus Lcwnka (F i d j i) , Apia (Samoa) und T o u g a t a b u (Gesellschafts-Inseln) stammen. Ausführliches Uber Hygiene und Pathologie der Stldsee-Inseln ist von Below und Schellong früher puhlicirt worden. Auch der höchst eingehende und lehrreiche Bericht aus San ThotnA, welchen der dortige Chef des Gesundheitsamtes Manuel Ferreira Ribeiro, einer der rührigsten Arbeiter auf dem Gebiete der Tropen-Pathologie, einlieferte, ist an anderer Stelle schon ver- öffentlicht. Hingegen hat Schön in seiner Arbeit den Wortlaut einer

Digitized by Google

202

sehr bemerkenswerthen Verfügung, welchen Kibeiro für die Bewohner von San Thomö zur Verhütung der Malaria erlassen, in deutscher Uebersetzung zum Abdruck gobracht.

Sehr reichhaltiges Material bietet der das tropische und sub- tropische Amerika behandelnde fünfte Abschnitt der Arbeit. Die vierzehn hier in Betracht kommenden Berichtsorte sind in drei ( «nippen eingetheilt:

Krstens solche, welche vermöge ihrer Lage auf Mecreshiihe innerhalb der ersten 13 Breitengrade nördlich und südlich vom Aeguator ein ziemlich gleichförmiges Klima haben, nltmlich: Port of Spsin auf Trinidad, Coronie und Nickerio auf Surinam und die Städte Para und Bahia an der brasilianischen Küste. Eine ganze Reihe werthvoller Daten Uber Lage, Bevölkerung, Wohnung, Nahrung und Wasserversorgung, vor Allein aber hygienische Maassnahmen Seitens der Regierung finden wir in diesem Abschnitte. Am ein- gehendsten aber ist T r i n i d a d behandelt, wo die Gesundheitsverhältnisse der Zwecks Leistung der Arbeit in den Plantagen eingeführten ostindischen Coolies ebenfalls berücksichtigt werden. In allen jenen tiefgelegenen heissen Plätzen herrscht Malaria, freilich fast ausschliessliche leichtere Formen. In Nickerie (Surinam) »oll die Malaria unvermeidlich jeden frischen Ankömmling befallen.

Die zweite Gruppe jene» Berichtes umfasst die höher gelegenen Plätze, zuvörderst die am Westabhang der peruanischen Cordilleren gelegenen Orte Talua und Sullann, deren überaus trockenes Klima wesentliche Abweichungen im Vorhalten des menschlichen Organismus gegen europäische Verhältnisse nicht bewirkt. Von Infectionskrankheiten sind in Talua Tuborculoae und Pneumonie häufig, selbst eingeschleppte Malaria wird beobachtet, während in Sullnna Infectionskrankheiten selten auftreten. Unter den noch höher liegenden Berichtsorten Durango und Guanajuato (Tafelland von Mexiko), Cocha- hnmhn (Hochebene von Bol i via) und Mendoza (westliches Argentinien) zeichnen sich Cochabamba und Mendoza durch ihre verheerenden Pockenepidemieen bub.

Die dritte Gruppo des Abschnittes umfasst die beiden chilenischen Hafenplätze: Valdivi» und Puerto Montt, sowie das an der argentinischen Küste gelegene Bahia Bianca, welche der subtropischen Zone angehören, von denen die ersteren beiden Plätze ein feuchtes, der letztere aber ein sehr trockenes Klima besitzt. Von Infectious- krankheiten sind in allen droi Städten Ruhr, Diphterie und Unterleibs- typhus die vorherrschenden, ebenso Pocken. Hervorzuheben ist die Bemerkung, wolche in einer Anmerkung Platz gefunden hat, dass in Chile sowie in Argentinien und Uruguay unter allen Krank- heiten die Tuberkulose weitaus die meisten Opfer fordere. Insonderheit würden die Eingeborenen durch jene entsetzliche Affektion völlig aufge- rieben. Diese wichtige Notiz ist nicht den Fragebogen, sondern einer Reihe von Schriften entnommen, wolche Schön an derselben Stelle citirt

Digitized by Google

203

Der sechste Abschnitt der Schrift beschäftigt sich mit Aegy pten und Syrien. Die klimatischen und sanitären Verhältnisse von Cairo und Port Said sind kurz, diejenigen von Jaffa, Jerusalem und Aleppo etwa» eingehender behandelt. Unter den Krankheiten ist in Jaffa und Jerusalem die Häufigkeit der Herzaffektionen hervor- zuheben, auftretend meist in Folge von Gelenkrheumatismus, an dessen Entstehen wohl die Bauart der Häuser die Hauptschuld trägt, Malaria fehlt nirgends ganz, selbst nicht in dem hochgelegenen Jerusalem.

Der siebente Abschnitt bringt einige Daten aus dem subtropischen SUd- Afrika. Die Angaben beschränken sich auf die Städte Kimberley und Bloemfontein, welche auf einem über 1200 in tl. M. sich ausbreiteaden Tafelland« liegen.

Lebensweise und Kleidung der weissen Bevölkerung entspricht den europäischen Verhältnissen. Al» häufige Krkrankungen der Ein- geborenen werden schwere f ormen von Pneumonie angeführt, ferner da» Kimberley- oder Camp-Fever, welches theils remittirend, thoils intermittirend auftritt und von Typhus selten zu unterscheiden sein soll. Der dritte Berichtsort Mos»eIhay liegt weiter südlich vom Meere. Es ist dies ein für Europäer sehr günstiger Platz, welcher in klimatischer und hygienischer Beziehung durchaus europäisches Ge- präge besitzt.

Etwas dürftig ist der achte Abschnitt, welcher den Boricht aus Neuseeland umfasst, ausgefallen, wobei freilich berücksichtigt werden muss, dass jene Inselgruppe eines ganz hervorragend gesunden Klimas sich orfreut, welches, namentlich was die Südinsel nngeht, demjenigen Norditaliens ähnelt. Vermisst wird eine Angabe über die dort sehr häufig vorkommende Echinococcus-Krankheit (Hydatide- Affection), welche freilich in noch höherem Maasse auf dem Festlande Australiens grassirt.

Das neunte Capitel giebt uns einige wenige Daten au» der chinesischen Hafenstadt Tschifu. Eine eingehende Darstellung der Hygiene und Pathologie des weiten chinesischen Reiches enthält der Bericht indessen nicht. Bei der ungeheuren Ausdehnung jener Gebiete und der Eigenartigkeit der Verhältnisse, welche in den noch fast absolut ßegen europäische Cultur sich abschliessenden Riesenroiche des fernen Ostens walten, muss eine derartige Schilderung wohl einer Special- schrift Vorbehalten bloiben.

Sehr instructiv sind die Schlussbomerkungen Sehens, in welchen er die Ergebnisse der Fragebogen, soweit sie für die Tropenhygiene Wichtigkeit haben, zusammonfasst. Er kommt darin zu den gleichen Resultaten, welche auch andere auf demselben Feldo arbeitende Forscher gefunden haben, besonders auch Eykmann und van der Scheer auf experimentellem Wege, dass nämlich in den Tropen Pulszahl, Temperatur und Athmung Abweichungen von dem in gemässigten Breiten zu beobachtenden Typus nicht aufweisen , dass hingegen die Harnsekretion im Allgemeinen vermindert, die Schweisssekretion hin-

Digitized by Google

204

gegen vermehrt ist und die Magendarm-Thätigkeit träge funktionirt, dass ferner und vor Allem eine eigentliche Tropen-Anämie bei dem gesunden Europäer nicht auftritt, eine Abnahme deB Hömoglobin- gehalte» vielmehr lediglich die Folge von Krankheiten) vor Allein von parasitären Dann-Affektionen und Malaria »ei. Auch die Tropen- Pathologie wird am Schlüsse dieses Capitels zusammenfassend sb- gehandelt.

Es folgen nunmehr noch eine Reihe übersichtlicher, fleiasig aus- gearbeiteter Tafeln, welche in einer langen Reihe von Rubriken das in den Fragebogen enthaltene Material uns noch einmal in tabellarischer Form vor Augen bringen. Die klimatischen, meteorologischen, physio- logischen und pathologischen Verhältnisse eines jeden der in den früheren Abschnitten ahgehandelten Berichtsorte wird hier noch ein- mal ziffernmftssig aufgeführt.

Den Schluss der Arbeit bildet eine Weltkarte, in welcher alle jene Plätze eingezeichnet sind, eine sehr dankenswerthe Beigabe, welche die Orientirung ungemein erleichtert.

Kronecker, Berlin.

Vincent & Burot, Statistique medicale de la flotte frangaise. Aon. de mt$d. nav. et col., Janvier 1897.

Lea auteurs ont, |>our la preiniere fois on France, cherche k ilresser sur des documents ofliciels une statistique medicale de la marine.

Pour les cinq annees 189t 1895 la moyenne de mortalitc annuelle s'est elevee pour les dquipagos k 11,8 pour 1000. Ln mortalitc de l’ensemble des officiers est sensihlement la meme ill pour 1000); toutefois dans le corps des officiers eile est relativement faible pour les officiers de marine proprement dita (9,8 pour 1000) tandis qu'elle est tW's elevee pour leg medccins ot pbarmaciens (16 pour 1000 pour la periode quinquennale, ot 19,6 pour 1000 en 1895, epoqno de la Campagne de Madagascar'.

Sur 1000 di*c£s de cause connue on compte:

Tuherculose 258

fiivre typhoide 147

Endemies des pays chauds 176 Noyes et disparus en mer 96 Accidents et morts violentes 60 Saicides 12

j. I internes 195 I

Maladies diverses { ( 251

1 eiternes 56 J

La mnrbiditii est considiSrable : on compte pres de cinq joure de maladie par hemme et par annee.

La statistique des reformes pour maladies survenues pendar.t le Service n'a pas pu etro drossee jusqu'ici.

Les auteurs insistent avec raison sur la forte proportion de maladies dvitables que l'on trouve cotnme cause de ces mortalitc« elevee«.

F i r k e t (Liege).

4

Digitized by Google

205

Bonoafy , Statist! que medicale de la Cochinchine (1861—1888). Arch. med. nav. et col.f Mars 1897.

Cette statistique porte sur les malades soignes dans les hopitaux de Cochinchine par le corps medical de la marine qui a eu jusqu’en 1888 la charge du service de saute dans cette colonie; ces malades etaient pour la plupart des militaires (soldats et matelots), un tiers environ etaient des auxiliaires non combattauts ; ceux-ci ont dünne des mortalites tan tot inferieures tan tot superienres k celle des soldats. Les cliiffres que nous reproduisons se rapportent k l’ensemble des combattants et des auxiliaires reunis; nous resumons sons la rubrique 0 b s e r v a t i o n s les renseignements fournis par l’auteur sur les causes qui ont pu elever la mortalite pendant certaines annees.

Annee

Morbidite

Kombre des ca* de maladle pour H-00 dXTectif.

Mortalitä

No mb re des

dece* pour 1000 d’etfecilf.

Observation»

1861

1763

115

Action inilitaire. Cholera.

1862

2140

86

1863

2;>57

72

1864

1966

52

1865

1844

44

1866

1824

45

Action inilitaire.

1867

1466

50

Expedition au Cauibodge ; dyssenterie

1868

1239

31

1869

1023

28

1870

1043

38

| Par suite de» Evenement» d’Europe,

1871

1339

45

i Io flejour des troupes en Cochin-

1872

1289

27

chine est. anorinaleinent prolonge.

1873

1193

31

Fixere typhoide.

1874

982

30

1875

1075

27

1876

1075

27

1877

771

37

Expedition au Cauibodge. Cholera.

1878

808

18

1879

676

11

1880

601

12

1881

835

13

1882

744

11

1883

719

14

1884

1036

23

A partir de 1884 beaucoup de malades

1885

1251

29

revenant du Toukin et trop faibles

1886

973

16

pour ötre rapatries sout soignes

1887

1492

16

a 1 hopital de Saigon (Cochinchine)

1888

750

24

Dans des tableaux tr^s-interessants, accompagnes de graphiques M. Bonnafy rapproche les chiffres de morbidite et de mortalite en

Digitized by Google

206

Coehinchine des chiffres eorrespondants observös aux Indes anglaisss et hollandaises.

Quant aux causes des deces observes, eile» se repartissent

comme auit. Sur 100 döcös on trouve

Dysaenterie 29,60

Paludisme 24^3

Cholera 7,70

Diarrhoe chronique 7,53

Fi 7- vre typhoi'de 6,50

Tubereulose 4,68

Hepatite, abces du foie 3,42

Variole 0,42

Tötanos 0,34

Autres maladies 15,58

La mortalite a ete surtout considerable en ete, d’ Avril k Aoüt, avec maximum en Juillet.

C. F i r k e t (Liege).

Darbe« , Höpital improvise de la marine k Tamatave.

Arch. de mid. nav. et col., Janvier 1897.

M. Durbec a ete, pendant la Campagne de Madagascar, Charge de la cr^ation et de la direction d un Höpital maritime k Tamatave: ron rapport donne sur l'organisation de ce Service, sur l'alimentation des malades etc., des details precis, qui se pretent mal k une analyse.

En 18 mois (annee 1895 et premier semestre de 1896) l'höpital a re\u 2605 malade»; il y a en 70 deces. La plus grande part des maladies soignöee revient au paludisme ; M. Durbec Signale :

Fievre intermittente

1818 cas;

6

decös.

Cachexie palustre

690 .

16

Typhomalarienne

23 ,

12

r

Acces comateux

24

10

m

. tetanique

1 .

1

9

Paludisme larve

o

Bilieuse hematurique

w ,

11

.

Amblyopie palustre

9

Parmi les maladies des Organes digestifs nons relevons:

Diarrhöe

53 cas.

Dyssenterie

104 .

8

dec&s.

Congestion da foie

4 .

Hepatite suppuree

1 ,

C.

F i r k e t (Liege).

Göographie medicale.

ffearj, Etüde sur les eaux de Pondichöry. Arch. möd. nav. et coL Janvier 1897, p. 56.

tstr*4e, Apercu hygienique sur le Laos. Arch. med. nav. et eoL 1896, t 66, p. 1.

flebrard, Cöte d'ivoire. Cons i d er at ion s hygienique». Arch. med. nav. et col. Mars 1897 p. 222 et Avril 1897, p. SOI.

Digitized by Google

207

Laugier, Contribution k la Biographie medicalc, Mada- gascar et Mozambique. Arch. de mid. nav. et col., Avril 1897 p. 268.

b. Pathologie und Therapie.

Pest.

Während in Bombay die Pest in steter Abnahme begriffen ist hat d ie Seuche sich weiter über Vorderindien verbreitet. Nach den amtlichen Berichten des Staatssecretärs für Indien erlagen in der mit dem 14. Mai zu Ende gehenden Woche der Pest in Bombay 81, in Poonali 13 Personen.

Mit dem Serum Haffkine's wurden in Bombay 7770, anderswo 4184 Schutzimpfungen vorgenommen. Seit Ausbruch der Seuche erlagen derselben im Ganzen 10 507 Menschen.

Aus anderen Districten wurden in der zweiten Maiwoche gemeldet:

Surath

26 Neuerkrankungen,

21

Todesfälle;

Thana

61

54

n

Kolaba

113

n

94

n

Kathiawa

11

r

10

fi

Cutch

840

n

811

fl

Kolhapur

2

w

3

fl

Baroda

23

fi

18

n

Palanpur

3

n

3

fi

Karrachee

?

44

fl

Hyderabad

?

fl

11

fl

Sukkur

y

6

II

Rohri

?

fl

18

»

Eis erkrankten nur 2 Europäer an der Post mit 1 Todesfall. Die Krankenhäuser werden für die bevorstehende Regenzeit in Stand gesetzt. _

Mitteilungen der Deutschen Pestcominission aus Bombay vom 19. März 1897. Deutsche medic. Wochenschrift, 1897, No. 17. Sonderbeilage.

Nach Ueberwindung vieler Schwierigkeiten konnte die Pest- coinmission ihre Arbeiten beginnen und folgende Thatsachen eruiren. Als Eintrittspforte der Pestbacillen dienen in der Hanptgruppe der Fälle kleine Hautverletzungen, gelegentlich mehrere bei einem Indi- viduum: secundär treten dann Drüsenschweliungen au den verschiedenen Stellen, namentlich Schenkelbeuge und Achselhöhle, auf, um sich in leichten Fällen zurückzubilden oder aber zu vereitern. Die Pest- bacillen pflegen dann bald zu Grunde zu gehen, doch können noch gefährliche secundäre Infectionen, zumal mit Streptococcen, auftreten. Durchdringen die Pestbacillen das Drüsenfilter, so körnten sie sich im Blute und den inneren Organen verbreiten und zu der fast stets letal endenden septicämischcn Form führen. Bei erfolgter Blutinfection verlassen die Krankheitserreger den Körper mit den Faces und dem Ham und können dann die Verbreitung der Pest fördern. Seltener ist

Digitized by Qoogle

208

die primäre Beteiligung der Lungen in Form von pneumonischen Herden, in denen die Postbacillen, eventuell gemischt mit Diploeoccen oder Streptococcen, gefunden werden, noch seltener primäre Tonsilleo- infection. Das Sputum der Kranken kann uatttrlich ebenfalls Über- tragend wirken.

Die baeteriologische Diagnose gelingt nur selten bei frischen Deckglaspräparaten (Vorbehandlung der erhitzten Deckgläschen mit ganz schwacher Essigsätirolösung, Färbung mit Carboifuchsin), viel sicherer bei dem Culturverfahren (Ausstreichen des Blutes auf der Oberfläche von Nähragar). Die Punction der Bubonen zu diagnostischen Zwecken ist nicht unbedenklich. Die Paralysirnng durch Pestserum in Pestbacillenanfschwemmung, ähnlich derjenigen durch Typhuaserum in Typhushacillenaufschwemmung, Choleraserum in Cholerabacillenanf schwemmung lässt sich diagnostisch verwerten und vermuten, dm* auch bezüglich der Frage der künstlichen Imtnunisirung weitgehende Analogien zwischen den Pestkeimen einerseits und den Typhus- und Cholerakeinien andererseits bestehen werden.

Die Pest ist eine Seuche der in Schmutz und Elend lebenden Bevölkerungsklassen. Ob eine nennenswerte Abnahme stattgefundeu hat, ist schwer zu sagen bei dor Unsicherheit über die Zahl der orte- anwesenden Personen. Möglich ist, dass sich die Epidemie bald ihrem Ende nähert unter der Wirkung der neuen Massnahmen (Haus- visitationen, zwangsweise Ueberführung in die Hospitäler resp. die sogenannten „Segregation Camps“) und mit dem Eintritt heisserer Nächte, welche die ärmste Bevölkerung im Freien nächtigen lassen. Der Gesundheitszustand der Pestcommissionsmitglieder war ein durch- aus guter.

Ein Urtheil über die practischen Erfolge der prophylactischen Iufuctionen von abgetöteten Pestculturen (Dr. llaffkine) sowie der therapeutischen Einspritzungen mit Serum vorbehandelter Tiere (Dr. Vers in) ist zeitig nicht zu geben. R. Pfeiffer (Cassel).

Lnstig, A. und Galeottl, 6., Schutzimpfung gegen die Beule npeBt. Deutsche medicinische Wochenschrift Ns. 19- Neapel 1897.

Der Impfstoff wird gewonnen, indem die Pestbacillen drei Tage lang bei 37 ' C. in Agar cnltivirt werden. Die Culturousse wird in 1 •/» Kalilange aufgelöst, dann mit Essigsäure oder Chlorwasierstoff- sänre gefüllt and die geflillte Substanz in luftleerem Raum in Gegen wart von Schwefelsäure getrocknet, schliesslich wieder bei 3} C. in sch wachalkalische Lösung gebracht, gelöst und durch Chat nberUnd- Filter filtrirt. Das Filtrat gieht einen Impfstoff', durch dessen Ein- impfung auf Ratten, Mäuse, Kaninchen ein brauchbares Serum ge- wonnen werden kann. Weitere Berichte stehen bevor. M.

Nach der „Wiener klin. Wochenschrift“ beabsichtigte die öster- reichische Pestkommission, wegen Erlöschens der Epidemie und der Zersplitterung des Materials, sich am 1. Mai in Bombay wieder nach Europa einzuschiffen. Aus ihren Beobachtungen sehlieesen die Mit-

<*

Digiiized by Google

209

glieder, dass das Gift nicht nur durch die Haut, sondern auch durch die Athmnngsorgane in den Körper oindringt, wogegen die Infection vom Dannkanal zweifelhaft ist. (Im Gegensatz zu Wilm s. o. Kef.) Geber die Sohutzimpfnng nach Hatfkine und Y'ersin iiusaert sieh die Commission zurückhaltend, jedenfalls nicht so begeistert wie fran zösische Berichte. M.

Wilm, Ueber die Pestepidemie in Hongkong im Jahre 1896. Hygienische Rundschau, VII. Jahrgang, No. 5—6.

Hongkong war seit der Epidemie in den Monaten Mai bis September 1894 bis auf einzelne sporadische Fälle von der Seuche verschont geblieben. Im Januar,

Februar und März 1896 vermehrten sich die Erkrankungen, erreichten im April und Mai ihre grösste Zahl, um im Juli und August sich allmälig wieder zu vermindern. Wilm leitete in Hongkong ein Pesthospital (Kennedy town - hospital) und behandelte von Mitte März bis Ende August 300 Pestfällc. Gleichzeitig hatte er Gelegenheit, 867 Pestleichen zu untersuchen. Die Krankheit trat in verschiedenen Formen auf, begann meistens ohne Vor- boten mit Schüttelfrost und Hitzegefühl, dem sich rasch grosse Hinfälligkeit, Fieber und Drüsenschwellungen anschloss. Das Aussehen der Kranken verändert sich rasch. Der Ge- sichtsausdruck verzerrt sich, die Augenhindehäute sind ge- röthet, die Gesichtshaut um die Augen, auf der Stirn und auf den Wangen ist blau verfärbt. Die »Sprache wird stotternd, der Gang schwankend. Schwere Benommenheit umfängt den Geist des Kranken, häufig treten jedoch Delirien auf. Die Fieberkurve ist nicht regelmässig. Die Höhe der Temperatur, welche manchmal bis 41 0 stieg, entspricht nicht der »Schwere der Erkrankung. Kritische oder lytische Scliweisse beim Abfall des Fiebers fehlten. Die Haut war stets heiss und trocken und zeigte nur in einem geringen Prozentsatz der Fälle Petechien, Exantheme verschiedener Art und Karbunkel. Sichtbare Wunden waren sehr selten. (Ein bemerkenswerther Befund, weil Hautverletzungen als Ein- gangspforte des Pestbazillus angesehen werden. Ref.) Lymphdrüsenschwellungen traten in 73°/« der Fälle meistens im Verlauf der ersten 6 Krankheitstage als Bubonen von der Grösse eines Taubeneies bis zu Faustgrösse auf. Bei

15

Archiv f. Schiff«- u. Tropenhygiene.

Digitized by Google

210

27® » der Fälle kam es nur zu bohnen- bis haselnussgrossen. meist schmerzlosen Drüsenschwellungen. Die Bubonen sassen meistens in der Leistengegend, in der Achselhöhle, am rnterkieferwinkel, in der Unterkiefergegend und im Nacken. Gewöhnlich trat nur an einer dieser Stellen ein Bubo auf. Die Bubonen vereiterten in 90°/» der Fälle. Unter den 3()0 Kranken waren nur 6 Europäer, 189 waren Männer, 51 Frauen, ßO Kinder bis zu 13 Jahren.

Die Zunge der Kranken glich häufig der Typhuszunge. Die sichtbaren Schleimhäute waren geröthet, häufig stellte Mieh unstillbares Erbrechen ein. Im eigentlichen Fieher- studiiim bestand meistens Verstopfung, Diarrhöen waren jedoch im Beginn der Erkrankung und im weiteren Verlaufe häutig. Wenn Bubonen fehlten, nahm das Krankheitsbild den Charakter einer Darmerkrankung an.

Der Respirationstraktus zeigte die wenigsten Krankheits- erscheinungen. Bronchitis trat in 10°/o der Fälle auf, 6°|4 hatten blutigen Auswurf. (Eine grosse Abweichung im Syrntomenkomplex von anderen Pestepidemien. Ref.) Der Puls von 90 120 in der Minute, die Urinabsonderung häufig vermindert oder aufgehoben. Eiweiss in einer Menge von 0,1 0,5®/ 0 zeigte sich in 95°/o der Erkrankungen. Die Heilung der Krankheit erfolgte im Allgemeinen nach 1 4 Monaten. Die Sterblichkeit betrug im Pesthospitale 73*/» und zwar starben 70° o schon in den ersten 0 Tagen, ausser- halb des Krankenhauses zeigte die Epidemie eine Mortalität von 8 r»°/0. Der Tod erfolgte im Coma, unter Convulsiouen, im plötzlichen Collags, unter den Zeichen der Erschöpfung oder eines septischen oder pyämischen Zustandes.

Die pathologisch-anatomischen Veränderungen bestanden in entzündlicher Schwellung der äusseren und inneren Lyrnph- drüsen , Milztumoren, parenchymatösen Veränderungen in Leber und Nieren, Meningitis und Hämorrhagien.

Die sehr eingehend beschriebenen mikroskopischen und bakteriologischen Beobachtungen bestätigen die Angaben von Kitasato und Yersin. Von geimpften oder mit Stücken von kranken Organen gefütterten Thieren erlagen die kleineren unter den Erscheinungen der Pest binnen 1—12 Tagen, ein Schwein erst nach 22 Tagen. Katzen erkrankten, Hber er- holten sich wieder.

Digitized by Google

211

Die Differentialdiagnose der Pest kann durch mikro- skopische Untersuchung des Blutes, des Urins und des Buboneneiters gesichert werden, auch durch Züchtung des Bacillus aus diesen Flüssigkeiten, sowie aus dem Speichel, Koth und Erbrochenen.

Die Prognose ist ernst und unsicher. Die Therapie muss prophylaktisch und symptomatisch sein. Das Pestserum Yersin’s hat W. noch nicht angewandt.

Die Pest ist nach Hongkong vom Festlande ein- geschleppt worden, als endemischer Heerd in China ist Yünnau zu betrachten. Die ungünstigen hygienischen Verhältnisse in den Chineseuvierteln begüngstigten die Verbreitung. Als Träger der Keime sind Menschen und Thiere und beschmutzte Kleidungsstücke zu betrachten. Es gelang W., aus solchen Kleidungsstücken Pestbacillen zu züchten; Sonnenschein und Austrocknen todtete das Gift bald. Entgegen einer weit- verbreiteten Ansicht scheint W. die Infektion von der Haut aus nicht häutig zu sein, sondern der Darmkanal die Ein- gangspforte zu sein. Im Hafenwasser konnte der Pestbazillus nicht naebgewiesen werden, trotzdem nimmt Wilm dessen Verbreitung durch Flusswasser, ferner durch Nahrungs- und Genussmittel an. Die Schutzmassregeln gegen die Seuche haben zu bestehen in Isolierung der Kranken, Desinfektion, Ueberwachung des Verkehrs, wobei Verdächtige für die Dauer von mindestens 6 7 Tagen beobachtet werden müssen. Schiffe aus pestverdiiehtigen Häfen ohne Erkrankungen sind als rein zu betrachten (wohl nur, wenn die Seereise die obige Incubationszeit überdauert. Ref.). Trockene Ladung ist un- gefährlich, feuchte zu desinfizieren, sei es durch Auskochen, strömenden Wasserdampf, Creolin, Carbol oder Kalkmilch. Der Handel mit Nahrungs- und Genussmitteln ist zu über- wachen, ungekochtes Wasser aus offenen Wasserläufen als gefährlich zu erklären. Die Incubationszeit steht nicht ganz sicher fest, sie dauerte meistens 3 6 Tage, in einem Falle 15 Tage. M.

Dänbler, I)it> neueste Pestliteratur. Sonderahdruck aus der .Heilkunde*. Teschen, Carl Proehaska.

Der Verfasser giebt einen Sammelbericht (Iber die neuesten Publikationen Uber die Pest, deren endemische Heerde in Arabien, Mesopotamien und Persien zu suchen sind, besonders die Städte Hedjat

15*

Digitized by Google

212

uml Asir in Mesopotamien. Die neneste Epidemie in Indien ist von dem Pestheerde in den chinesischen Provinzen Yünnan und Pak-hoi eingeschleppt. Kleine Hautwunden sind nach Aoyama nach dom Munde die Haupteingangspforten für das Krankheitsvirus. Als bezeichnendes Moment der VVeiterverbreitung sind mangelhafte hygienische Verhält- nisse anzusehen. Der Festbacillns, und die Geschichte seiner Entdeckung und die Hauptversuche mit demselben werden dann besprochen, ferner der klinischo Verlauf der Krankheit, die Soctionsergebnisse und de Therapie, besonders die Anwendung des Pestserurns. M.

Feste.

Verstn A., Sur la peste bubonique (S e ro t h e r a pi e). Annales de l'Iustitut Pasteur, Janvier 1897.

Tous les journaux ont fait connaitre dans ces derniers mois les resultats obtenus par M. Verein dans le traitement de la peste bubonique, ce travail donne le detail des 26 premiers cas traites par l'auteur avec Io serum antipesteux prepare ä l'Institut Pasteur de Paris (3 cas ä Canton, 23 k Amoy); il y a eu deux d£ees seulement.

Van der Stricht, 0., Lesions produites par le microbe de la peste. Bull, de l’Acad. Royale de medec. de Belgique. Mars 1897. p. 215.

Travail tri''s soigneusement fait, mais puroment anatomo- pathologique.

Firket, CI»-, L a peste, ses causos et son tra item ent. Le; ono faites au cours de pathologie des pays chauds iil'Uni- versite de Liege. Liege, Bertrand, in 12°.

Landouzy, L., Traitement de la peste. Paris, Carre et Naud edit., 1897.

Collln, Propagation ile la peste en Egypte. Bull. Acad. de medecine, 2 fevrier 1897.

Proust, La defense de l'Europe contre la peste. Bull. Acad. de mdd. de Paris, 26 Janv. 1897.

Roux, Sur la peste buboniqne. Essais de traitement par le serum antipesteux, ä propos d'une note de M. Vers in Bull. Acad. de med. de Paris, 26. Janv. 1897.

Berl-Berf.

Grimm, Dr. F., Klinische Beobachtungen über Beri-Beri. Verlag von F. Karger. Berlin 1897.

Mit der heutigen ihm unpassend erscheinenden Stellung der Beri-Beri, wie sie die neueren Autoren handhaben, unzufrieden, glaubt Herr Dr. Grimm in seiner 136 Druckseiten umfassenden Schrift einer Doppelaufgabe gerecht zu werden, nämlich sowohl zu dem Entwürfe eines einheitlichen Krankheitsbildes zu gelangen, als auch dem nicht mit der Lehre vom Beri-Beri vertrauten Arzt einen lleberblick zu geben. Das Material, welches der Autor zur Ertüllung dieser Aufgaben benutzt, besteht im Wesentlichen aus ca. 20 meistens recht cureorisch behandelten Krankengeschichten und der Erwähnung einer einzigen,

Digitized by Google

213

anscheinend flüchtigen inikoscopischen Untersuchung von Nerventheilen, ausserilem stützt sich Dr. Grimm auf eine fünfjährige Beobachtung and Behandlnnp einer prossen Menpe Beri-Beri-Kranker, allein ohne tiefer darauf einzugehen. Diese Mängel des Materials und seiner Be- nutzung werden noch vermehrt durch das Fehlen irgend welcher Sectionsergebnisse. Das Studium der Arbeit führt ausserdem zu dem Resultat, dass der Verfasser keine der beiden Aufgaben in annähernd befriedigender Weise gelbst hat.

Herr Grimm beobachtete auf Yezo im nördlichen Japan, wo im Winter Beri-Beri erlischt und nur iin trocknen, heissen Sommer auf- tritt. Kr legte ein Hauptgewicht auf die Erkennung und Beurtheilnng beginnender reiner Beri-Beri und ist geneigt, langdauernde Fälle fdie sog. chronische Form), sowie auch dio meisten ausgebildeten oder schweren Fälle, als durch wiederholte Aufnahme des Krankheitsstoffes „accumulirte“ resp. als „Neuinfectionen“, nach der ursprünglich arquirirten reinen oder milden Beri-Beri auzusehen. Das Fohlen des Patellarreflexes ist ihm dabei das Hauptkennzeichen, er nennt die mit Exocerbationen und Recidiven einhergehenden Erkrankungen Beri-Beri accninulatum s. multiplicatum, ein reines Beri-Beri entspräche etwa kaum der von Scbeube genau beschriebenen rudimentären Form. Somit wären beinahe alle schweren, also auch die acut verlaufenden init starkem Oedem, Exsudaten und Lungenoedem complicirten Formen, welche so häufig in Indien und in den einzelnen Tropeuländern Vor- kommen, nicht richtig classificirt und bedeuteten ein Beri-Beri multi- plicatum. — Zu solchen Schlussfolgerungen muss jedenfalls der noch nicht mit Beri-Beri vertraute Arzt beim Studium dos Grimmschen Werkes kommen. Aber er wird auch sonst in Bezug auf die un- vergleichlich besser fundirten , verdienstvollen Arbeiten Seheubo’s, Pekelharings's, Bälz's, auch Glogner’a und Anderer irregeleitet, und er kann durch Grimin’s Buch keine klare Anschauung des Wesens und auch des Ablaufes der Krankheit und ihrer Varietäten gewinnen. Herr Dr. Grimm versucht alles bisher Uber Beri-Beri Beobachtete und Publicirte Uber den Haufen zu werfen, eher etwas dafür an die Stelle zu setzen, was haltbar wäre, er sagt uns auch damit nichts Neuesi dass Neuinfectionen mit Beri-Beri-Virus im Verlaufe der Krankheit eintreten dürften. Ebenso wissen wir längst, dass deshalb, um Ver- schlimmerung hintanzuhalten und noch Heilung herheizuführen , die Kranken in Beri-Beri-freie Gegenden und ebensolche Wohnnngen transferirt werden müssen, Europäer entweder nach der Heimathi oder in das Höhenklima der Tropenländer. ln Brasilien weise das jeder Laie , die Niederländische Regierung lässt in Tosari auf Java, 2f>00 Meter hoch belegen, ein Bori - Beri - Spital er- bauen, die Evacuation Beri-Beri-Kranker von Adjeh nach Höhenorten galt seit Jahren als das beste, oft einzige Heilmittel, ebenso wie be, tropischer Malaria.

Innerhalb der ersten 14 Tage lässt Grimm wiederholte Neu- infectionen eintreten, wie im Endstadiuin anderer Krankheiten, z. B. Typhus, soll dio Fettdegeneration der peripheren Nerven und Muskeln

Digitized by Google 1

214

bei Ben Beri in Folg» von Erschöpfung eintreten, in einem, sage einem Zupfpräparat von Nervensubstanz eines Beri-Beri-Kranken aus <lem ersten Krankheitsstadium fand er keine Fettdegeneration.

Diese Fettdogeneration von Nerven und Muskeln auch bei rasch verlaufenden perniciösen Fällen ist schon vor Jahren in Indien beobachtet, wenn auch nicht völlig gedeutet und beachtet. (Ref.) Es muss aber auch dem Versuche entgegengetreten werden, auf Grund einer Beobachtung Beschuldigungen gegen frühere Forscher auszu- sprechen, wie Grimm sie ausspricht.

Aetiologisch lässt Grimm den Genuss roher Fische als das Hauptmoment gelten. Europäer und Ainos Ureinwohner Nordjapans, welche nur Gekochtes essen, blieben deshalb von Beri-Beri verschont. Dabei kann die Frage nicht unterdrückt werden, warum so viele Chinesen, die nur Gekochtes essen, in Indien ganz besonders an Beri- Beri leiden, auch die Malayen essen Gekochtes und erkranken, ebenso Europäer in Indien. Die Takagi’sche Nahrungsverbesserung, welche Grimm als Stütze seiner Ansicht mit heranziebt, hatte keine einwand- freien und dauernden Erfolge. Der Autor liebäugelt ein wenig mit dem allseitig abgelehnten Gelpke'schen Vergleiche der Beri-Beri mit Trichinosis (Gelpke vermuthete auch die Krankheitserreger in den Fischen), verwahrt sich dann aber gegen Gelpke’s Ansicht, einmal will er Beri-Bori als Infectionskrankheit ansehen, aber mit „Einschränkung“, ein anderes Mal mit „Vorbehalt“. Solche und andere unklare und widerspruchsvolle Ausführungen, wie auch die Anordnung und Gegen- überstellung des Stoffes tragen nicht zum VerständnisB bei und lassen verinuthen, dass der Autor sich selbst nicht stete seiner Aufgaben klar bewusst war. Die Arbeit kann in erster Linie angehenden Troponärzten nicht empfohlen werden, trotzdem der Autor unzweifel- haft eine grosse Anzahl von Bori-Beri-Kranken beobachtete und sehr wcrthvolle Urinuntersuchungen ausführte. Der Ton, in welchem Herr Dr. Grimm sich gegen frühere anerkannte Beri-Beri-Forscher wendet kann ebensowenig anderen, auch nicht den jüngsten, schneidigsten Collegen empfohlen werden.

Dr. Karl Däubler.

Malaria und Typhoide.

Naame. Notesurl’adininistrationdufereiiinjectionshypo- dermiques d ans la cach exi e pal udden n e. Revue de medec. Mars 1897.

N. a einploye k Jerusalem les injoctions de citrate de cafeine ’/ dans cinq cas de cachexie paludeenne avec oedeme, hypertrophie de la rate et du foie; il injecte sous les deux jours le contenu d'une seringue de Pravaz, en meme teinps qu’il combat l’infection malarique par la quininc. Les premiercs injections determinent parfois une legere intoldrance gastrique (!) et en gfineral les malades presentent pendant la duree du traitement un certain erethisme. La douleur locale est en general moderne. Les resultats out cte satisfaisants; guerison en un ou deux mois. C. F.

Digitized by Google

215

Pliqoe. Com p 1 i c a t io ns et traitement du paludisme chroniqne. Presse mi5dic. 1897, p. 180.

Revue critique de traitcmcnts connus.

Gros, Note snr quelques cas de fiAvre ty ph oi'd c o b s er v«5s (Una les lies de la Polynesie f ra in; a i s o. Arch. de med. nav et colon. 1896, t. 66, p. 70.

II s'agit de trois petites epidemies observeos en divers points des iles de la Societe; k l’inverse des epidemies anterieures qui paraissaient dues A des importations par les navires de passage, celles-ci se sont developpees independamment les unes des autres et saus im pertat ion etrangcre. La fievre typhoide parait donc s't-tre implantce dAfinitivement dans l'archipel.

L'auteur croit que les habitudes locales penvent favoriser la propagation de la contagion par l’air; le plancher des cases imligAnes est perce d une trappe par laquelle les habitants jettent les d£tritus de toute Sorte qui s'accumulent eutro le sol et le plancher se tient la famille. Cb. Firkot (Lii’-ge).

Ly mphangltls, Lymphadentes und Elephantiasis.

M oncorro filho, Das Lymphangites na infancia o suhs consequencias. Rio de Janeiro, Typographia Moraes 1897.

Der Verfasser, welcher seinem Vater, Professor Moncorvo, auf wissenschaftlichem Gebiete nacheifert, liefert in dem vorliegenden 330 Seiten starken Werke eino vortreffliche Studie Uber die Lymphgefäss- erkrankungeu in der Kindheit, gestutzt auf die einschlägige Literatur and das grosse Material der Kinderkliniken und -polikliniken in Rio. Er betont mit Recht, dass diese Erkrankungen bisher wenig beachtet sind. Es wird schwer halten, anderswo auf der Erde im tropischen Klima so ausgedehnte und eingehende Beobachtungen an Kindern der weissen Rasse in solcher Zahl zu machen und gleichzeitig den Befund bei farbigen kleinen Patienten zur lland zu haben. Iin I. Kapitel be- spricht Verf. den Bau des Lymphgefässsystems und bedauert, dass, obschon dne Lymphgefasssystcm im Kindesalter mehr entwickelt sei, als im vorgerückten Alter, doch seine EigenthUmlichkeiton und Er- krankungen in der Literatur kaum berücksichtigt worden seien. Das 2. Kapitel weist historisch nach, wie trotz der Häufigkeit dieser Er- krankungen im Klima Brasiliens dieselben von den brasilianischen Aerzten nur wenig beachtet worden und die Beobachter ausserdem noch häufig durch die durch das Tropenklima bedingten Cotnplicationen, welche das Krankheitsbild verwirren, irreg .-führt worden sind. Mon- corvo der ältere lenkte 1886 durch seine Studien Uber die Elephantiasis Arabern bei Kindern zuerst die Aufmerksamkeit auf die kindlichen Lyuiphangitiden. Kapitel 3 gilt der Aetiologio, welche sehr maunig- faltig ist.

Eine der wichtigsten prädisponierenden Ursachen ist die Ueber- arbeitung des Lymphgefiisssystems im heissen Klima. Als weitere wurde die Anaemia intertropica angesehen, deren Existenz jedoch den neueren haematometrischen Arbeiten gegenüber unhaltbar ist

Digitized by Qoogle

216

Die Malaria dagegen schwächt zweifellos den Organismus in seiner Widerstandsfähigkeit gegen das Eindringen schädlicher Mikroben.

Die physikalische Eigenart des Troponklimas begünstigt das Gedeihen von Mikroorganismen auf der menschlichen Haut, besonders ist anzunehmen, dass das Streptococcus Erysipelatis im heissen Kliina eine grössere Lebensenergie besitzt.

Als eigentlichen Krankheitserreger, „causa determinante“, be- trachten bei der Angioleucitis und ihren Folgen, besonders der Elephantiasis , Chylurie, Craw-Craw u. s. w. fast alle Autoreu die Wucherer'sche Filaria sanguinis hominis, besonders seitdem Manson seine klassischen Experimente über deren Uebertragung durch Mücken- stiche machte. Es kommt aber oft vor, dass trotz deutlich entwickelter Erscheinungen die Filaria fehlt, Moncorvo selbst beobachtete 20 Fälle dieser Art Die durch die genannte Filaria hervorgerufenen Er- krankungen wie Chylurie, Craw-Craw, Lymphoscrotum aber fehlen sogar im Kindesalter gänzlich, wenigstens findet sich in einer Statistik von 48000 Kindern, welche unter 7 Jahren innerhalb einer 18jährigen Beobachtungszeit in Rio starben, diese Krankheiten nicht verzeichnet Die Filaria Wucherer’s kann also die conditio qua non der Lymph- gefksserk ran kungen nicht sein, wenigstens im Kindesalter, sondern diese Affektion wird mindestens sehr häufig hervorgerufen durch den Streptococcus Fehleisen's, welcher stets nachgewiesen wurde. Erysipel und die pernieiöse Lymphangitis sind als verwandte Krankheiten an- zusehenl Mit Malaria dagegen hat letztere nichts gemein.

Gelegenheitsursachen physiologischer oder meteorologischer Natur kommen kaum in Betracht. Von den somatischen Ursachen hat man früher das Kindesalter nicht beachtet, hervorragende Beobachter, z. B. Mazae Azeina, haben immer nur die vollentwickelte Krankheit, nicht aber ihren Entwickelungsgang von den ersten Lebensmomenten an studiert, auch deutsche» englische and französische Forscher sehen das Auftreten der Elephantiasis im kind- lichen Alter als selten an. Moncorvo Vater und Sohn beobachteten unter ihrem anssergewöhnlichen reichen Material zahlreiche Fälle von angeborener und in den ersten Lebensjahren erworbener Elephantiasis Das Geschlecht hat auf das Auftreten der Krankheit keinen Einfluss.

Auch das „lymphatische Temperament“ hat nach Moncorvo keinen ätiologischou Werth. Erblichkeit dagegen steht fest, der Plazentar- durchgang des Krankheitserregers ist als möglich und faktisch an- zunehmen, wie ja schon andere Beobachter für den Erisypelstrepto- coccus die Vererbung nachwiesen. Zwölf Fälle angeborener Elephan- tiasis Moncorvo’s zeigten nie die Filaria Wucherer, sondern immer die Erisypelstreptococcus. Was die Rasse augeht, so wurde von brasilia- nischen Beobachtern eine Art Immunität der schwarzen Rasse gegen perniziöse Lymphangitiden itn Kindesalter angenommen. Moncorvo sah unter 62 kindlichen Fällen 50 Weisse, 11 Mestizen und 1 Neger. Unter den weissen Kindern Uberwogon die Kreolen.

Das 4. Capitol des Werkes ist der Symtouiatologie gewidmet. Um Ordnung in den Symptomenkomplex zu bringen, beschreibt M.

nach einander verschiedene pathologische Gruppen der Krankheit Die erste Gruppe bildet die Lymphangitis protopathica, welche akut, subakut oder chronisch verlaufen kann. Die akute gutartige Form dieser Gruppe geht mit Hitze, Schwellung, Röthung und Schmerz einher und endet in Zertheilung, Eiterung oder chronische Infiltration, die akute bösartige Form ruft schwere Störungen des Allgemeinbefindens hervor, welche auf die Giftwirkung der Stoffwechselprodukte des Streptococcus Fehleisen zurtlckzufUhren sind und endet in Zertheilung, Eiterungo der GangrHn. Bei der chronischen protopathischen L. zeigen sich entzündliche Erscheinungen nur'in grossen Pausen. Unter leichten Schwankungen der sie begleitenden Oedeme, Bindegewebsentzündungen und Drüsenschweliungen geht sie meistens allmiilich in Elephantiasis Uber.

Als deuteropathische Lymphangitiden, welche die 2. Hanptgruppe bilden, betrachtet M. die durch andere Ursachen als den Streptococcus des Erysipels oder die Filaria Wucherers hervorgerufenen, nkmlich durch Syphilis, Tuberkulose oder pyogene Keime.

Eine von andern brasilianischen Autoren angenommene Gruppe der komplizirten oder perniziösen L. erkennt M. als Bolche nicht an und wendet sich gegen die von Beinen Landsleuten (und von den romanischen Völkern überhaupt Ref.) vielfach vertretene Ansicht, der Impaludismiis bedinge die schwere Form der L.

Im 5. Capitol erörtert M. die Diagnostik der kindlichen Lymphen- zitiden, besonders die Differentialdiagnose.

I>ie Prognose der kindlichen Elephantiasis ist nicht ungünstig* da die Neubildungen im jugendlichen Lebensalter unter geeigneter Behandlung sehr zur Rückbildung neigen, immerhin ist sie zweifelhaft zu stellen.

Das 6. Capitel behandelt die pathologische Anatomie des Loidens in ausgiebiger Weise, beschreibt dann die Pathogenie, besonders das Verhalten des Streptococcus Fehloisen im Organismus.

Die Therapie wird im 7. Capitel auseinandergesetzt. M. empfiehlt die örtliche Anwendung des Ichthvol’s, besondere in der Form des von ihm eingeführten antiseptischen Firnisses. Die Allgemeinbchandltmg ist eine symptomatische. Ueber die Serum-Therapie nach Marmoreck sind die Versuche noch nicht abgeschlossen.

Die vorgeschrittenste t orm der Lymphangitis, die Elephantiasis, wird am besten mittelst des faradischen Stroms behandelt.

Den Schluss des Werkes bilden 45 Krankengeschichten, welche teilweise durch Zeichnungen veranschaulicht worden. Hoffentlich ist die portugiesische Sprache der Verbreitung der trefflichen Monographie kein Hindemiss. M.

$

Chas. C. (Jodding, On non venereal bubo. British medie.

Journal, 26 September 18Ü6. p. 842.

Ces deux travaux s’oecupent dos bubona inguinanx observes dans les dquipages des navires stationnant dans los pays chauds et sur lesqnels un trnvail de M. Rngo, ’analysc dans les Archiv für Schiffs- und Tropcnhygiene (I p. 82) a d£ju attirc i attention.

218

M. Lesueur a observe cinq malades h Madagascar : le debut de l'affection etait brusque, la tumefaction ganglionnaire rapide ; la fievre se montre par poussees irregulicros, dont chacune correspond a un gonflement plus considerable des ganglious. Cette fievre n’est preaquo pa8 inflnencee par la quinine, et l'auteur discutant la pathogenie de cette affection, que divers observateure framjais et bresiliens ont attribuee au paludisme, tond a rejeter 1‘idee d’une origine exclusivement paludeenne ou climatique. Comme traitcment il einploie sourtout l’arsenic (liqueur de Pearson) et la poudre de quiuquina. L’emploi de fiodure de potassium et le traitement externe räsolutif ne lui ont pas donne de jrcsultat satisfaiaant.

M. Godding aignale la frequence variable des bubons non veneriens suivant les atations. Dans la flotte anglaise ils s'observent surtout dans lea stations navalos des Indes orientales et de la Chine. Sur 1000 hommc8 d’equipage la marine royale anglaise compte annoellement:

anx Indes orientales 31 cas de bubons

en Chine 25

aux Indes occidentales 22

ä la cote occidentale d’Afriquo 13 dans les Eaux anglaises 10

on Australie 9

dans la Mäditerraneo 8

Comme traitement c'est aussi a l’arsenic, seul ou associe au fer que l'auteur donne la preference; localement il etnploie les applications de pommade belladonce et les rcsolutifs. Cli. Firket (Liege).

LeBoenr-Florent. Contribution ii l’etude de la lymphatexie.

Les ad^nites d’apparence palustre. Ann. de tned. nav. et colon.

Juillet 1896. p. 64.

Leberleiden und Dysenterie.

Boinet, Trois cas de grands abces du toie nostras d'originedysenterique. Ruvuo de medeeine, Janvier 1897 p. 57. La dysenterie chez les trois malades avait 6t6 contractee ii Mar- seille ou a Genes; dans un des cas les symptoines intestinaux etaient tres peu accuses. Le pus des abces du foie ne contenait pas d'ainibes ; quant aux bacteries, dans un cas ou n'a rien tronne, dans les deux autres des staphylocoqucs depourvus de virulenee. Ch. Firket (Liege).

Pejrot At Roger, Sur un cas d' abces dysenterique du foie ne contenant que des amibes. Revue de Chirurgie, 10. F£vr. 1897.

Il s'agit d'un abces du foie developpe an cours d’une attaque aigue de dysenterie & Nossi Be (Madagascar); la malade put etro trän s- portee en France et operäe a Paris dcux mois aprös le debut des accidents hepatiques. Le pus reeueilli ü l'ouverture de l'abces no rnontrait pas de bacteries a l'examen microscopique ; les cnltures faites sur agar, gelatine et bouillon restcrunt steriles, ineme k l'abri de l’air.

219

Mais ce pus contenait en tri» grande abondaneo des ainibes mobiles atteignant jusqua 30 fi de diametre; on a pu cultiver ces ainibes anr infugion de foin maig leg cultureg devenaient rapideinent steriles, leg paraaiteg s'enkvstaient. Le pus recaeilli dang les pansements ulterieurs contenait beaaeoap moins damibes maig on y a trouve des bacterieg, notamment des pneumocoques, streptocoques et coli-bacilles.

Ch. Kirke t (Liege).

Parasitäre und Hautkrankheiten.

Lemanaky, Le bouton d’Orient. Revue internationale de medecine et de Chirurgie. Tunis, I0./III. 1897.

Der Verfasser giebt eine eingehende Beschreibung der anderweitig als bekannten Dermatose und deren Behandlung, welch’ letztere in antiseptischen Waschungen, Verbänden, Salben, Zerstäubungen und besonders in rechtzeitiger Entleerung des Eiters zu bestehen hat. Prophylactigch ist grösste Reinlichkeit zu empfehlen und Verschleppung des weiter nicht besprochenen Krankheitserregers durch Kratzen zu vermeiden. Die Narben unterscheiden sich durch ihre braunviolette Färbung von syphilitischen. M.

Trlbondean, Contribntion ii l’etude des eruptions sudo nales des Europeens aux pays ehauds. Arch möd. nav. et col. Fevrier 1897, p. 129.

L’auteur a observö frcquemment, h Madagascar, la transformation pustuleuse dos vesicules du liehen tropieug (18 rasen six inois snr nn naviro portant 130 hommes d’equipage). Les pustules atteignaieut IQ et 12 millimetres de diametre; on les trouvait surtout dans l’aisselle, le pli cruro-scrotal, a la region lomhaire et au ventre. Cette transformation pustuleuse d'une lesion presque banale s’observerait seulement chcz les snjets debilites dejä par un sejour asscz long sous los tropiques. C. F.

Depied, Note sur un cas de mort par les bourbouilles. Arch. med. nav. et col. Mars 1897, p. 20f>.

II s’agit d’un soldat de 29 ans, ayant fait anterieureinont un premier sejour dans les pays ehauds. A la suite d’une marche mili- taire par une temperatcure trös öleveo (60 Kilomctres en 3 jourg, au Tonkin) avec des vetements en molleton bleu, il sc produisit une eruption generalisee de bourbouille (liehen tropicus), avec les phenomönes habitnels d'excitation et fievre irreguliero; les vesicules confluent en phlyctöncs assez voluinineuscs, passant ä la suppuration; diarrhee; mort au quinziöme jour. C. F.

Brault, J. et Bonget, J., Etudo clinique et bacteriologique d’une pseudomy coso observee on Algörio. Arch. de inöd. exper. et d’anat. pathid. Mars 1897.

n s’agit dans les deux observations docrites, do lesions des membres inferiours, pout etre d'origine tellurique; un iles malades (trappiste) travailiait la terre; chez l’autre les lesions avaiont apparu a la suite d’une chüte.

ijgitized by Google

220

II se fait localement une inflammation d’abonl peu intense qm soulöve la p6R0 ; eelle-ei crove aprös plusieurs semaines, donnant issue a 11 ne matirre epaisse, grise, comme encophaloi'de, quelquefois m&langee d’un pcu de puB epais. La lesion s'etend en surface, fonnant des niedren ii fond rouge vif recouvert par place* d*un enduit grisfttre fort adherent; on outro eile s’etend en profoudeur, en longa trajets fistuleux irn'guliers qui pi'netrent jusqu’aux museles. Dans le pus epais et fetide qui emplit ces foyers on ne retrouve pas les parasites du Pied de Madura ni ceux de TAetinomycoso ; 1’etude baeteriologiquo y a revele la presenoo de plusieurs microbes, notamment de deux bacilles dans la coexisteme serait, d’aprc^s les auteura, necessaire ä la production des lesions. On n’a paa trouve de mycelimn La guerison n’a ete obtenue que par le euretage; l’iodure de potassium s’est montre ineffieace. C. F.

Löpre.

Carrifcre, M., Traitement de la l^pro par l’huile de petrol e. Soc. d’anat. et «le physiol. de Bordeaux, 18 Janv. 1897.

C. a pu aineliorer plusieurs lepreux par l'oinploi «lu petrole, qn’il pröfere s’i Thuile de chaulinoogra ; il emploie intus 2 a 4 capsule* renfermant ehaeune 25 centigrainmes d'huile de petrole; extra un melange de Vaseline et de petrole V*°- C. F.

Depled, La Lucilia hominivorax au Tonkin Areh. m«!*d. nav. et col. Fevr. 1897.

Deux cas observes chez l’horame, dans la region montagneuse et relativement fraiche du Tonkin. Les larves, longues de 14 ou 15 millimetres, siegeaient en grand nombre sous le euir chevelu; leur enl£vement fut facilite par des injections de clilorofonne dans la poclie; conservees vivantes dans de l'ouate eiles ont donne naissance k des inouches presontant les earact^res de Lucilia hominivorax.

Un cas semblable a ete observe par 1’auteur chez un chevah «laus la paroi abdominale. C. F.

R. Hlanchard, Le Davainea MadagascarionsisalaGuyane. Bull, de I’Acad. de mddec. de Paris, 12 Janv. 1897.

B. decrit deux exeinplaires de cette espece (Taenia mada- gasca riensis Davaiu«») observes il Georgetown (Guyane anglaise) par M. C. W. Daniels. Jusqu’ici ce ver avait ete signah' a Mavotte (lies Comores) ii Port-Louis (Ile Maurice) et h Bangkok (Siam); son aire de dispersion est donc fort etendue et B. cherchant quel peut etre 1’höte intermediaire de ce parasite, est tontö de penser que eet hote est un animal cosmopolite ou du moins repandu entre les tropiques et capablo d’envahir los denrees alimentaires; il soup«;onne partieulierement les Blattes (Peri plan ota orientalis, P. ainericana) qui infestent les navires et que ceux-ci ont introduites dans les port des contrees Us plus diverses. C. F.

221

Gilbert & Fornler, Etüde mir la psittaeose. Presse medicale 1897 No. 5.

La psittacose est une maladie infectieuge transmige ä rhomme par le» perroquets ou de» perruclies attoints de cette meine maladie; chez ceg oiscaux la diarrhee egt le principal Symptome ; chez l'homme la maladie cvolue souvent cointne une pneumonie infectieuge.

A la suite d une petite epidcmie observee it Paris les auteurs font une etude gurtout bacteriologiqne de la psittacose.

Chirurgie.

Alraro, Bericht Uber die aus den afrikanischen Schutz- gebieten gekommenen Kranken und Verwundeten, welche im Militär lazareth zu Neapel behandelt worden sind. Giomale inedico del Regio esercito No. 12, 1896, Koma, Tipographia Voghera.

Von März big Ende August 1896 wurden 1647 kranke und verwundete Soldaten behandelt, darunter 28 von den Feinden ent- mannte. 24 von diesen waren des Gliedes, des Skrotum und beider Testikel, sowie der Haut der pubes beraubt, waren alao in gräulichster Weise verstümmelt worden und doch lebend an die Küste und nach Italien gekommen, ein interessanter Beitrag zu der bekannten leichten Wundheilung in den heissen Ländern. Von den 690 Verwundeten rührten bei 67 Kranken die Verletzungen von blanken Watten her, gegenüber 306 Schusswunden, ein im Vergleich zu modernen europäischen Kriegen hoher Prozentsatz. Von den Verwundeten starben im Hospitale 2. Im Gegensatz zu dieser geringen Sterblichkeitsziffer figurieren die an inneren Krankheiten, besonders an typhösen Erkrankungen Leidenden mit 2 5 Todesfällen auf 152 Kranke, die Malariakrankeu mit ti auf 300, die an Darmkatarrlien Leidenden mit 3 auf 128. Besonders schwer traten einige Diarrhöen aul, welche bei der Obduktion völlige Zerstörung des Epithels im Darmkanal zeigten. M.

Mozetti, Gesundheitsbericht Uber die Verwundeten von Amba-Alagi und Macalle, welche in Macalle während der Belagerung der Forts verpflegt wurden. Giornale inedico del Regio esercito. No. 1, 1897.

Aus dem Bericht Uber die unter aussergewöhnlich ungünstigen Verhältnissen in dem eng umschlossenen Fort nach einer verlorenen Schlacht untergebrachten Verwundeten ist besonders hervorzuheben, dass von den 129 in der Schlacht von Amba-Alagi verletzten ein- geborenen Soldaten nur 8 Todesfälle vorkamen, davon sechs kurz nach dem Eintritt in die ärztliche Behandlung und zwei in Folge innerer Krankheiten und Entkräftung, obsclion bei den meisten Verwundeten, welche sich mehrere Tage und selbst Wochen nach der Schlacht im Fort einfanden, die Wunden äusserst vernachlässigt und mit VVürmorn gefüllt waren. (Die reichliche Eiterung, welche Verfasser als nngünstig betrachtet, möchte Referent eher als Schutz gegen Allgemeininfektion ansehen, wie bei Wunden in den Tropen stets beobachtet werden kann.) M.

Digitized by Google

222

Krankheiten des Nervensystems. Marchaux. Note sur trois cas de meningite cerebro- spinale observes & l'Höpital de St. Lonis (Senegal). Arcb. de raed nav. et eolon. 1896. t. 66. p. 45.

L’auteur a observe ii l'hospital de St. Louis (Senegal) trois ca- de meningite chez dos Soldat« senegalais provenant d’un milieu sevissait une epidemie grave de pneumonie. Les Symptome« ont ete tres-brnsques et la mort est «urvenue rapidctnont.

L'antopsie a revele 1'integrite' absolue des poumons chez dem des sujetsl mais chez un de ceux-ci il existait une suppuration des sinn« fronlaux, qui paraissait eorrespondre au siege primitif de l’infection C'bez le troisieme malade il y avait, ontre la meningite, une (orte eongestion des poumons, mais pa.« de veritable hepatisation.

Chez les trois sujets, les cultures ont 'revele la presence Jans l exsudat meningitique du pneumocoque de Talamon-Fraenkel.

Ch. F.

Allgemeine Werke.

Tropenkrankheiten von Karl Däubler. (Separatabdruck aus der „Bibliothek medicinischer Wissenschaften“, I. „Interne Medicin und Kinderkrankheiten“, Bd. III.)

Nachdem Verfasser kurz dargelegt, dass wir die Tropen- krankheiten als besondere Gruppe von den Erkrankungen der gemässigten nnd kalten Zone abgrenzen können und müssen, bespricht er in präciser Weise und unter Benutzung der neuesten Forschungsergebnisse folgende Krankheiten :

I. Nicht infektiöse Tropenkrankheiten:

l. Magendarmkatarrhe der Tropen. 2. Aphthae tropicae. 3. Leberkrankheiten. 4. Ainhum. 5. Fi- lariakrankheiten.

II. Infektionskrankheiten der Tropen:

1. Die Beriberi-Krankheit. 2. Dysenteria tropica. 4. Das Flussfieber in Japan. 4. Framboesia.

Anhangsweise werden einige, auch in gemässigten Zonen vorkommende Erkrankungen behandelt, welche in den Tropen häufiger und heftiger und theilweise andersartig auftreten, nämlich Malaria, Cholera, Dengue, Gelbes Fieber.

Die Arbeit ist sehr geeignet, dem in Tropenkrankheiten noch wenig bewanderten Arzte eine Einsicht in das Gebiet zu verschaffen, und das dies durch einen tropenkundigen Verfasser geschieht, ist sehr erfreulich. Es wird leider in Deutschland noch so sehr häufig vom grünen Tische aus über die sanitären Verhältnisse der Tropen geurtheilt, dass

*

Digitized by Google

223

man nicht genug betonen kann, wie sehr eigene Erfahrung zur Beurtheilung nothwendig ist, und wie wenig blosses Litteraturstudium hier helfen kann.

Im Einzelnen möchte Referent Folgendes bemerken:

Die tropischen Magendarmkatarrhe sind vom Verfasser so gut beschrieben worden, wie es nach dem heutigen Stand- punkte unseres Wissens möglich ist. Die Erforschung dieses Gebietes mit den Mitteln, welche der modernen Wissenschaft zu Gebote stehen, ist aber unseres Erachtens noch kaum angebahnt. Die wenigsten Tropenärzte werden die Ver- muthung abweisen können, dass sich aus der Gesammtheit der Verdauungskrankheiten in den Tropen noch verschiedene einzelne Krankheitsbilder werden absondern lassen, und dass wir wahrscheinlich auch hier noch der einen oder anderen spezifischen Infektion begegnen werden.

Bei dem Leberabscess möchte ich aus eigener mehr- facher Erfahrung noch erwähnen, dass die Differential- diagnose zwischen chronischem Leberabscess und beginnender Phthise nicht immer leicht ist.

Schliesslich hätte vielleicht bei der Malaria angedeutet werden können, dass nach immer mehr sich häufenden Be- obachtungen diejenigen Tropenkrankheiten, welche man unter dem Namen „Malaria“ zusammenfasst, theilweise mit der Malaria der gemässigten Zone nicht identisch zu sein scheinen, so dass „Malaria“ vielleicht nicht lange mehr als pathologische Einheit bestehen wird und wir dann eine specielle Tropenkrankheit mehr zu verzeichnen haben.

Die Anzahl der Druckfehler ist ziemlich erheblich!

Victor Lehmann.

Scheube, l)r. B., Die Krankheiten der warmen Länder.

(Fortsetzung.)

Malaria. Nach kurzer Angabe unserer geschichtlichen Kenntnisse und nach Feststellung der geographischen Ver- breitung der Malaria werden die Blutparasiten der Malaria besprochen. Mit Recht wird zunächst die unpassende, von den Italienern eingeführte Bezeichnung „plasmodium“ zurück- gewiesen. Sodann werden die verschiedenen Ansichten über die Morphologie des Parasiten und die Färbemethoden mit-

Digitized by Google

224

gethoilt. Der erstcre Abschnitt ist fast erschöpfend behandelt und muss im Original eingeschen werden, von den Färbe- methoden sind die feineren nicht angeführt. Es folgt sodann eine ausgiebige Besprechung der Frage: wird die Infektion durch Trinkwasscr, Luft oder Insektenstiche bewirkt? Die Gründe dafür und dawider werden besprochen, aber der Verf. entscheidet sich für keinen Infektionsmodus mit Be- stimmtheit. (Sehr mit Vorsicht sind die bekannten Fülle von Schiffsepidemien, die ihre Entstehung durch an Bord befindliches infektiöses Material verdanken sollen, aufzunehmen. Solche fülle würde ich nur anerkennen, wenn sie durch Blutuntersuchungen gestützt sind. Rcf.)

Auffallend ist, dass der Verf. die Inkubationszeit der Malaria zwischen wenigen Stunden und mehreren Monaten schwanken lässt. Die Ansicht von Guttmann, die mitgetheilt wird, nach der oft (?) schon wenige Stunden nach der An- kunft in der Malaria-Gegend Erkrankung eintritt, ist schon in Hinblick auf den Entwicklungsgang des Parasiten unhalt- bar. Dazu kommt, dass nur zu oft jedes Unwohlsein in einer Fiebergegend kritiklos für Malaria-Fieber ausgegeben wird. (Ref.)

Den Rassen nach stellt sich die Empfänglichkeit für Malaria in absteigender Linie folgendermaaasen : Neger,

Malayen, Mongolen, Europäer. Frisch Zugewanderte erkranken leichter als alt Angesessene. Dem Berufe nach erkranken Leute die viel im Freien arbeiten, eher als solche, die im Hause arbeiten ; erstere erkranken mehr an akuten, letztere mehr an chronischen Formen. Durch voraufgegangene Erkrankung an Malaria wird die Disposition für die Krankheit am meisten gesteigert.

Die verschiedenen klinischen Formen der Malaria sind nach dem Verf. :

1. intermittirende,

2. remittirende und kontinuirliche Fieber,

3. perniciöse Fieber,

4. biliöse Formen,

5. Malaria-Anacmie und Cacbexie.

Nach Schilderung des bekannten Symptomencomploxes des intermittirenden und remittirenden Fiebers ' bespricht Verf. das Malaria-Typhoid. Es handelt sich dabei nach des

Digitized by Google

225

Verf. Ansicht nm zwei verschiedene Gruppen von Krank- heiten. Bei der ersten, dem eigentlichen Malariatyphoid, handelt es sich um eine Combination von Malaria und Typhus.

Die zweite Gruppe sind reine Malariafieber, die mehr oder weniger unter dem Bilde des Typhus verlaufen. Die per- nieiüsen Fieber wiederum werden eingetheilt in die: algide, diaphoretische, komatöse, delirante, konvulsive, kardialgische, cholerische, dysenterische Form, in den Malaria-Kollaps, die Ma- laria-Pneumonie, die Malaria-Pleuritis und das Schwarzwasser- fieber oder das haemoglobinurische Malariafieber. Letzteres wird eingehend besprochen. Es werden sodann die larvirten Formen in ihrer grossen Mannigfaltigkeit geschildert; unter diesen führt Verf. auch die sogenannten Malariabubonen auf. Unter der Malaria Kachexie wird auch die Keratomalacia ex Malaria, der Phagedaenismus und die Bildung multipler Abscesse und Furunkel erwähnt, die bei stark kachektischen (in Folge von Malaria) Individuen beobachtet würden. In der Pathologie der Malaria erführt namentlich das Ver- halten der Parasiten in Bezug auf ihre Vertheilung und die Veränderung des Blutes eine eingehende Besprechung. Weiter- hin werden die bei der Differentialdiagnose in Betracht kommenden Krankheiten erörtert und die von Below auf- gestellte Behauptung, dass es sich bei Schwarzwasserfieber um endemisches Gelbfieber handle, mit Recht energisch zurück- gewiesen.

Es folgen nunmehr die wichtigen Kapitel: Prophylaxe und Therapie.

Mit Recht wird der grösste Werth auf die persönliche Prophylaxe gelegt. Es wird die grösste Vorsicht beim Haus- bau anempfohlen: namentlich auf Auswahl des Platzes ist viel Sorgfalt zu verwenden. Für Tags wird viel Licht und Luft, für Nachts hingegen Schliessen von Fenstern und Thüren verlangt. Die Nahrung soll bis zu einem gewissen Grade den Gewohnheiten der Eingeborenen angepasst werden.

(Ob das Pfefferessen (eurry) wirklich einen günstigen Ein- fluss auf den Organismus hat, erscheint dem Ref. fraglich.)

Als Getränk wird ein dünner Tlieeaufguss empfohlen. Den Rath Plehn’s zu befolgen: alle 8 Tage 1,0 Chinin zu nehmen, hält Ref. für gefährlich wegen der daraus sich ergebenden Verdauungsstörungen. (Chinin muss zwar, wenn es wirken

Archiv L Schiff«- u. Tropvnbjgien«. 16

Digitized by Google

226

soll, in Dosen von wenigstens 1,0 genommen werden, aber nur bei besonderen Gelegenheiten, die eine grössere Infektions- möglichkeit mit sich bringen. Die einzig rationelle Malaria- prophylaxe ist die von Ziemann geübte: Blutuntersuchung bei auf Fieber Verdächtigen und nur Chinin gegeben, wenn Parasiten im Blute gefünden sind, dann aber wenigstens 1,0. Auf diese Art gelang es Ziemann in 50#i'o aller Fälle den Ausbruch des Fiebers hintanzuhalten. Ref.) Die bekannte für Erhöhung der Widerstandsfähigkeit geübte Arsenkur von 4 6 Wochen wird vom Yerf. erwähnt.

Bei der Besprechung der Therapie finden wir zwar alle die wichtigen Fragen: wie viel Chinin, wann und in welcher Weise ist es zu geben, eingehend besprochen und alle die verschiedenen Ansichten angeführt, doch spricht sich der Verf. weder für noch gegen irgend eine aus. (Die in neuester Zeit von Plehn, später von Ziemann empfohlenen, intramuskulären Chinineinspritzungen scheinen dem Ref. sehr der Beachtung werth.) Die symptomatische Therapie ist ent- sprechend ausgiebig berücksichtigt.

Beri-Beri ist eine hauptsächlich in Japan, dem malavischen Archipel und Brasilien endemisch und epidemisch auftretende Krankheit, deren Haupterscheinungen in Störungen der Bewegung und Empfindung, Wassersucht und einer Er- krankung des Herzens bestehen und auf eine degenerative Entzündung vielfacher peripherischer Nerven zurückzuführen ist. In Japan tritt sie am mildesten, in Brasilien am bös- artigsten auf.

Die Beri-Beri ist eine Infektionskrankheit und nicht etwa eine Ernährungsstörung, bedingt durch den Genuss schlechten Reises oder getrockneter Fische. Denn gesunde, kräftige junge Leute werden am ehesten befallen und in den Beri-Beri-Ländern finden sich immer nur einzelne, scharf umschriebene Bezirke, in denen die Krankheit auftritt, während die Ernährungsweise überall in diesen Ländern die gleiche ist. In den heissen Monaten erreicht ihre Ausbreitung das Maximum. Der Infectionsmodus muss ähnlich wie bei der Malaria sein. Doch hat die Beri-Beri mit der Malaria nichts zu tliun. Kontagiosität hält Verf. für ausgeschlossen. Da- gegen scheint ihre Verschleppbarkeit möglich. Die Natur des Krankheitsgiftes ist noch unbekannt. Es haftet aber

Digitized by Google

227

vermuthlich am Boden. Denn man beobachtet eine Zunahme der Beri-Beri nach Erdarbeiten und an neuerbauten Plätzen. Der Infektion mit Beri-Beri ausgesetzt sind vorzugsweise die farbigen Rassen. Dass Europäer weniger befallen w-erden, liegt nach der Ansicht des Verf. mit daran, dass letztere in viel günstigeren hynienischen Verhältnissen leben. Auf diesen letzteren Umstand weist auch die Erfahrung hin, dass Sol- daten, die vielfach unter gleichen Verhältnissen wie die Eingeborenen leben, vorzugsweise erkranken, während die Erkrankung eines Civilisten eine grosse Seltenheit ist.

Männer werden öfters als Frauen, junge Leute öfter als ältere und die dem mittleren Stande Angehürenden öfter als die der übrigen Stände ergriffen. Dauernder Aufenthalt in schlecht gelüfteten und überfüllten Räumen und namentlich das Beisammenschlafen vieler Menschen wird als praedis- ponirende Krankheitsursache angegeben. Auch werden in einer Gegend, in der Beri Beri herrscht, die Eingeborenen weniger als die Zugewanderten befallen. Recidive sind

häufig. Rüge, Kiel.

(Fortsetzung folgt.)

III. Verschiedenes.

Znr Mitarbeit am Archiv für Schiffs- und Tropenbygiene haben sich ferner bereit erklärt die Herren Dr. Mo n corvo (Sohn), Rio de Janeiro, Prof. Dr. Rubner, Berlin, Dr. von Ruck, Ashvillo (Nord-Carolina), Dr. Revtter, Bangkok.

IV. Zur Besprechung eingegangene Bücher und Schriften.

Grimm, Klinische Beobachtungen Uber Beri-Beri. Berlin, 1897. S. Karger.

Mageleaen, lieber die Abhängigkeit der Krank beiten von der Witterung G. Tbieme, Leipzig. 1890.

Burot, F., et Legrand, X. A., Therapeu tique du Psludisme. J. B. Barriere et fils, Pari«, 1897.

Blanquln, Note sur le diagnostie de la psittacose Bull, de l’etcad. de niedec. de Paria, 26. Janv. 1897.

Digitized by Google

228

Rho* Dr. Filippo, Malattie predominanti nei pai'si caldi et Temperati. Torino 1897, Rosenberg & Selber.

von Bergmann, Dr. Adolf, Die Lepra. Stuttgart 1897. Ferdinand Enke. Annali di medicina navale, Januar— Mai 1897, Rom, G. Bertero. tiiornale medico del Regio esercito. Marz 1897. Rom, E. Voghera. ßoletin de la Sociedad de Geografla jr Eetadlstica de la Repabllca Mexicana, Pomo III No. 11. Mexico, Imprenta del sagrado coru- zonde Jesus, 1897.

V. Briefkasten.

Zuschrift an den Herausgeber.

Southampton, den 19. April 1897.

Sehr geehrter Herr College!

Im ersten Heft des Archivs für Schiffs- und Tropenhygiene findet eich eine Uebersicht über die Quarantainemassregeln der ver- schiedenen Staaten. Zu dem auf Seite 29 u. f. über Italien Gesagten möchte ich mir zu bemerken erlauben, dass meine Erfahrungen in Genua nicht ganz damit Ubereinstimmen. Wir kamen im Jahre 189» mit reinem Gesundheitspass von Holliindisch-Indien, hatten keinen ver- dächtigen Hafen berührt, hatten im indischen Ocean einen Todesfall infolge von Phtisis pulmonum (also keinen verdächtigen,', und doch wurde vom Hafencapitiin visita medica angeordnet. Der Hafenarzt ordnete Desinfection der schmutzigen Wüsche sämtntlicher das Schifl in Genua verlassenden Passagiere an. Sonstige verdächtige Erkrank- ungen waren nicht vorgekommen, von einer Ueberfüllung war auch keine Rede und Mangel an Sauberkeit wird man einem holländischen Schiffe am allerletzten vorwerfen können. Ein anderes Mal hatten wir einen Todesfall an Malaria und doch bekamen wir sofortigen Verkehr init dem Lande. Ein drittes Mal keinen Todesfall, keine verdächtigen Erkrankungen, keine verdächtigen Häfen : Wiederum visita medica und Desinfection. Sie sehen also, dass in diesen Fällen der Hafencspitän ganz willkürlich verfahren ist.

Mit collegialer Hochachtung

Dr. H. G.

Hierzu bemerkt ein alter Schiffsarzt:

Die Hafenpolizei in Genua verfährt oft ganz nach Laune und Stimmung, chikanirt die Schiffe oder lässt eie gnädig zu. Der Hafen- arzt steht wohl nicht auf der Höhe der Wissenschaft, sein Ideal ist Carbolgeruch und flatternde Wäsche. Eine Aufzeichnung der Schick- sale der einzelnen Schiffe würde hübsche Widersprüche in der Behänd’ lung ergeben.

Welcher Ort in Kleinasien ist zur Niederlassung eines deutsche» Arztes geeignet?

Wir bitten Leser und Mitarbeiter um gütige Auskunft.

Digitized by Google

ARCHIV

fUr

Schiffs- und Tropen-Hygiene,

unter besonderer Berücksichtigung der

Pathologie und Therapie

unter Mitwirkung von

Prof. Dr. BAF.LZ, Tokio, Dr. BELOW, Berlin, Dr BOMBARDA, Lissabon, Dr. van BHERO, Buitenzorg, Dr. de BRUN, Beirut, Dr. BRUNHOKE, Kiel, l>r. BllSCHAN. Stettin. Prof. Dr. H. COHN, Breslau, Dr. IJAKUBLER, Berlin, Dr. DRYKPONDT, Brüssel, Prof. Dr. EIRKET, Lütlich, Dr. FISCH, Aburi (Gold- tiiste), Dr. GLOtiNF.R, Sam&rang, Dr. GOLDSC1IM1DT, Paris-Madeira, Dr. HEY, Odntnase (Gohlkiistc), Dr. van <ler HEYDEN. Yokohama, Dr. MAX JOSEPH, Berlin, Dr. KHOHN. Madeira, Dr. KRÖN ECKER, Berlin, Dr. LEHMANN, Schlachtensee, Prof. Dr. IJvICHTENSTF.UN, Köln, Dr. LIERENDOERFER, Kalikut (Vorderindien), Dr. LIER, Mexico, Hofrat Dr. MARTIN, München, Prof. Dr. MON- COHVO, Rio de Janeiro, Dr. MONCOHVO jr.. Bio de Janeiro. Dr. NOCHT, Hamburg, Dr. A. PLEHN, Kamerun, Dr. F. PLEHN, Tanga, Prof. Dr. RENK, Dresden, Dr. REYTTER, Bangkok, Dr. RHO. Rom, Dr. RICHTER. San Fran- cisco. Prof. Dr. 0. ROSENBACH, Berlin, Dr. ROTHSCHUH. Managua, Prof. Dr. HI BNER, Berlin. Dr. von RI CK, Ashville, Dr. RÜGE, Kiel, Dr. RUMPEL, llamburg-F.|>pendorf, Prof. Dr. SANARELLI, Montevideo, Dr. SANDER, Wind- hoek, Dr. SCHELLONG, Königsberg, Sanitiltsrat Dr. SCHEUBE, Greiz, Dr. SCHOEN, Berlin, Dr. SCHWALBE, Los Angeles, Dr. WITTENBERG, Kayintschu (Süd-China), Dr. ZIEMANN, Berlin,

herausgegeben von

Dr. c. Mense, Cassel.

I. Band, 4. Heft.

CASSEL.

Verlag von Tn. G. FlSHER & Co. 1897.

Digitized by Google

Digitized by Google

I. Originalabhandlungen.

Kriegschirurgische Beobachtungen während der Ex- pedition nach Gross-Aruscha im November 1896.

Aus dem Bericht des Assistenzarztes I. CI. in der kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika Pr. Eggel«

Die Expedition brach am 31. Oktober von Moschi aus auf, in einer Stärke von 3 Europäern, 95 Askaris und 6000 7000 Wadjngga-Kricgern unter ihren Häuptlingen. Am 4. November wurde etwa 2 3 Stunden unterhalb Gross- Aruscha gelagert, am 5. der Einmarsch in dasselbe angetreten; derselbe gestaltete sich zu einem sehr heftigen Feuergefecht.

Den ganzen Tag herrschte starkes Regenwetter. Bis 4 Uhr waren 16 leichtverwundete und 4 schwerverwundete Wadjaggas in Behandlung gekommen, die im strömenden Regen unter freiem Himmel verbunden werden mussten. Wasser war in den ersten 2 Stunden nicht zur Hand. Die Wunden waren theilweise in sehr unsauberem Zustande, anfangs hatten sich die Eingriffe auf nothdürfliges Reinigen der Wunden, Stillen stärkerer Blutungen und Anlage von Nothverbänderi zu beschränken. Später jedoch wurden alle Wunden mit Subliinatauflösung gründlich desinficirt. Trotz- dem allen Verwundeten damals wie auch später eingeschärft wurde, am nächsten und den folgenden Tagen zum Ver- binden wiederzukommen, geschah dies höchstens bei einem Drittel der Fälle, auch mussten noch täglich die Häuptlinge dazu angehalten werden; dies scheint auf der Gleichgültigkeit der Leute zu beruhen, denn die ärztliche Thätigkeit ist durch die Poliklinik in Moschi allgemein bekannt. Die Leute kamen stets mit frischen Wunden, waren dann aber schon mit einem einmaligen einfachen Verbände zufrieden. Vor allen chirurgischen Eingriffen, auch der Wundnaht haben sie grosse Furcht, vorgeschlagene Operationen wurden fast stets verweigert. Die ärztliche Thätigkeit war daher sehr konservativ. Die Schmerzäusserung war oft auffallend gering, manchmal grenzte sie an Gefühllosigkeit. Tief- greifende Nähte, genaue Untersuchung der Wunden,

17*

Digitized by Google

232

chirurgische Eingriffe der verschiedensten Art verursachten anscheinend keinerlei Schmerzempfindung. In Narkose wurde nie operirt.

Als am 6. November das Expeditions-Corps ein festes Lager mitten in Aruscha-yu bezog, um von da aus nach allen Seiten vorzugehen, wurde eine grosse, an zwei Seiten offene Hütte als Verbandraum errichtet, worin die Leute auf Rindshäuten lagen. Am 17. desselben Monats wurden alle Verwundeten sodann mit dem erbeuteten Vieh zusammen, langsam in ihre Heimath zurückgebracht.

Sämmtliche Verwundete waren Wadjagga. Von den Verwundungen waren 12 durch Schuss erfolgt, die übrigen durch blanke Waffen, weitaus die meisten davon durch Stich oder Stoss mit den langen Massai-Speeren. Die Mehr- zahl bestand in einfachen, wenn auch oft tiefen Fleisch- wunden ; auffallend viele derselben mussten von hinten bei- gebracht sein; dies schien durch die Karapfesweise der Wa- Aruscha bedingt zu sein, welche die Leute im dichten Busch erst durchliessen und dann von hinten anfielen. Theilweisc sind die Wadjagga auch wohl fliehend verwundet worden. Fast alle waren junge, muskulöse Leute, meist, wie Wad- jaggas überhaupt, von untersetzter aber kräftiger Gestalt; der Ernährungszustand war im Allgemeinen gut. Die Verwundeten kamen fast stets mit einem kleinen Noth- verband in Behandlung, der aus Zeugstreifen oder trockenen Bananenblättern fest um den verletzten Theil gewickelt war und seinen Zweck, blutstillend oder stützend zu wirken, oft auffallend gut erfüllte. Die Wunden wurden in der Weise behandelt, dass nach gründlicher Desinfektion möglichst so- fort die Naht angelegt wurde, unter Drainage aus einem Wundwinkcl mittelst Jodoformgazc, welche dann nach einigen Tagen entfernt wurde.

Die folgenden einzelnen Fälle boten besonderes Interesse.

Fall 1. Aelterer schwächlich gebauter Mann, Speerstich in die linke Brustseite, dicht innen von der Brustwarze; 4. Rippe glatt durchtrennt. Pleura-Raum eröffnet, Luft dringt bei jedem Athemzug mit Geräusch aus der Wunde. Der Stich ist links dicht am Herzbeutel vorbeigegangen. Jodoformgaze-Tamponudc. Nacb 2 Tagen wiedergesehen ; starke Athemnoth ; über der linken Lunge völlige Dämpfung ; hohes Fieber. W unde sieht gut aus. Am nächsten Tage Exitus.

233

Fall 2. Junger Mann, etwa 16 Jahre alt; 2 grosse tiefe Stiche im Rücken, einer links unter der 12 Rippe; Bauchfellraum eröffnet. Jodoformgaze-Tamponade, Verlauf unbekannt.

Fall 3. Junger sehr kräftiger Mann, Schuss durch den Mund. Ein Schuss dicht hinter und etwas unter dem rechten Kieferwinkel ; derselbe zerschmettert. Rechte W ange durch- bohrt, Zunge auf der rechten Seite zerrissen, die unteren Schneidezähne fortgerissen; thalergrosser Ausschuss am linken Mundwinkel; Blutung massig, dagegen grosse Athcm- noth; fast völlige Unmöglichkeit zu schlucken. Der vorge- schlagene Luftröhrenschnitt wird verweigert. Jodoformgaze- Tamponade; nach 4 Stunden Exitus.

Fall 4. Junger, schwächlich gebauter Mann mit tiefem (etwa 12 cm) Stich in die rechte Nierengegend. Blutung gering. Jodoformgaze-Tamponade. Wahrscheinlich wurde das Bauchfell verletzt. Am 2. Tag kam Patient mit massig starken Beschwerden. Wunde sieht gut aus, eitert nicht. Verlauf unbekannt, wahrscheinlich tötlich.

Fall 5. Kräftiger, sehr muskulöser Mann mit 8 Speer- wunden, die grösste davon 22 cm lang, von der crista ossis ilei sin. bis unterhalb des Hüftgelenks verlaufend, hat letzteres eröffnet. 4 grosse Wunden auf dem Rücken ; 2 am linken Arm, davon eine bis auf den Knochen gehend, alle ca 15 cm lang. Die W unden waren in hohem Grade verunreinigt, wurden gründlich mit starker Sublimatlösung desinficirt, genäht (die grossen Wunden etageuweise), Jodoformgaze- streifeu eingelegt. Heilung bei 7 Wunden per primam, nur eine am Arm eiterte etwas.

Fall 6. Kräftiger junger Mann, Schuss vorn im linken Fussgelenke. Ein Schuss vor dem Malleolus externus. Kugel sitzt vor dem Malleolus internus unter der Haut; wird entfernt. (Mauserkugel, aus einem den Missionaren geraubten Gewehr geschossen) Jodoformgaze-Tamponade, weiterer Verlauf unbekannt.

Fall 7. Junger Mann; grosser etwa 15 cm tiefer Stich im Rücken links, dicht neben der Wirbelsäule zwischen den Querfortsätzen zweier Wirbel durchgehend. Keinerlei Vertebral- oder Lähmungserscheinungen festzustellen. Naht, Jodoformgazestreifen eingelegt, Verlauf gut.

Digitized by Google

234

Fall 8. Kräftiger Maun mit Stich durch die Leher. Ein Stich hinten rechts unter der 12. Kippe, Ausstich rechts vorn; Moribuudus. Jodoformgaze-Tampouade; nach 2 Stunden exitus letalis.

Fall 9. Kräftiger Mann mit Stich durch die Adduktoren beider Oberschenkel. Geringe .Blutung. Heilung.

Fall 10. Kräftiger Knabe (etwa 12 Jahre alt) Boy, Schusswunde; Einschuss dicht oberhalb des rechten Hüft- gelenks, Ausschuss links vom Nabel, Blutung ganz gering. Verlauf unbekauut.

Fall 11. Junger kräftiger Mann mit Schuss durch den linken Obcrscheukcl, linken Oberarm, vorn au der linken Brust. Der Mann kauerte in der bekannten hockenden Stellung der Neger am Boden und erhielt aus einem Vorder- lader diese Wunden vermittelst eines würfelförmigen Eisen- stückes, welches am linken Oberschenkel ein und vorn au der Brust, rechts vom Brustbein, austrat und dauu

Fall 12 einen anderen Mann, der etwas rechts hinter ihm sass, am rechten Oberarm verwundete (den Triceps durchbohrte) und, nachdem es einen ca 15 em laugen klaffenden Streifschuss am Kücken verursacht hatte, rechts neben der Wirbelsäule unter der Haut stecken blieb und dort entfernt wurde. In beiden Fällen Jodoformgaze-Tram- ponade. Verlauf unbekannt.

Fall 13. Kräftiger älterer Mann mit Stich durch den Leib. Einstich rechts hinten über der crista ossis il. Aus- stich rechts handbreit neben dem Nabel. Vorn 3, hinten 4 ca. fusslange Darmschlingen ausgetreten. Darm an 3 Stellen durchbohrt, Mesenterium mehrfach verletzt. Letzteres wurde unterbunden, die Därme genäht, nachdem sie mit warmer Lysol-Lösung gründlich desinficirt waren ; wurden dann mit in heisse Lysol-Lösung getauchten Gazestücken bedeckt Nach Erweiterung der Wuuden wurden die Gedärme reponiert, Bauchfell und äussere Wunden durch Naht geschlossen. Am nächsten Tage Exitus letalis.

Fall 14. Junger kräftiger Mann mit Speerstich iu die linke Hüfte am Os ilei. Drei kleine Knochensplitter losge- trenut, welche entfernt wurden. Jodoformgaze-Tamponadc. Derselbe hatte ausserdem eine tiefe Längswuude durch die gauzc liukc Hohlhaud. Beide Wuuden völlig reactiouslos nach 6 Tagen verheilt.

Digitized by Google

235

Fall 15. Kräftiger Mann mit Speerstich durch die Brust, Eiustich links neben dem linken Schulterblattwinkel unter der Achsel, Ausstich links neben der Brustwarze. Luft dringt hei jedem Athemzug pfeifend aus der Wunde. Naht in Etagen mit Einlegen von Jodoformgazestreifen. Derselbe hat einen 2. Stich oberhalb der linken Hüfte, mit Ausgang vorn über der linken Leistenbeuge. Die Wund- öffnungen wurden mit Jodoformgaze tamponirt. Patient kam fast pulslos. Verlauf sehr gut Heilung.

Fall 16. Junger Mann mit Schuss durch die linke Hand. Die Kugel draug an der Volar-Seite des Metacar- pophnlangeal-Gelenks des rechten Daumens, welches grossen- theils zerschmettert wurde, ein, zerbrach die Basis des meta- carpus III und steckte oberhalb derselben am Handrücken unter der Haut. Das Geschoss ein Bleistück, und eine Menge Knochensplitter entfernt. Verlauf gut.

Fall 17. Junger Mann mit Schuss in deu rechten tiber- arm, dicht unter dem Collum chirurg. mit Zerschmetterung des Knochens. Jodoformgaze-Tamponade, Sehieuenvcrband. Verlauf unbekaunt.

Fall 18. Kräftiger Mann mit Schuss in den rechten Unter- schenkel. handgrosse Wunde mit völliger Zerschmetterung beider Knochen und ausgedehnter Zertrümmerung der Muskeln. Vorgcseldagene Amputation wird verweigert Blutung gering. Jodoformgaze-Tamponade. Schienenverband. Verlauf unbekannt, (wahrscheinlich Exitus let.).

Fall 19. Kräftiger Mann mit tiefgehendem Rinnen- schuss (Streifschuss) in die linke Kniekehle; Ansätze des gastrocuemius abgerissen, vena poplitea zerrissen, Arterie pulsirt. Nach Abtragen des zerfetzten Gewebes doppelte Unterbindung der Vene, Naht der Wunde, Verlauf gut.

Fall 20. Junger Mann mit Stich in die rechte Rückeu- seite unterhalb des Schulterblattwinkels, von oben inneu nach unten aussen verlaufend. Pleura völlig durchtrennt, sodass deutlich die Lunge und deren Bewegungen zu sehen sind. Beim Athmcn dringt mit lautem Geräusch Luft aus der Wunde. Etagennähte mit eingelegten Jodoformgaze- streifen. Heilung.

Fall 21. Junger Mann mit Stich in den Unterleib, 2 Hand breit links vom Nabel. Aus der Wunde hängt ein etwa 20 cm langes, 8 cm breites Stüek mescuterium heraus.

Digitized by Google

236

dieses wird uacii 8 Unterbindungen und gründlicher Des- infektion dicht au der Wunde abgetragen, letztere erweitert, das meseutcriuiu zurückgebraeht, das Bauchfell vernäht, dann die Haut vernäht mit Einlage eines Jodoformgazestreifens. Ferner ist ihm der linke Zeigefinger dicht oberhalb des metacarpo-phalangeal -Gelenks fast ganz abgeschlagen, in der Hohlhand sind 2 grosse Schnittwunden. Exarticulation des Zeigefingers im metacarpo-phalangeal-Gelenk, Jodoformgaze- verband ; ausserdem hatte derselbe eine lange W undc am Hiuterkopf mit Verletzung des Knochens. Verlauf sehr gut Heilung.

Die übrigen Fälle betrafen Leute mit leichteu, meist f'leischwundeu, die nach denselben Grundsätzen behandelt wurden.

Der Verlauf der Wundheilungen war im Allgemeinen ein recht guter, soweit die Leute sich in Behandlung be- gaben. Von den Behandelten starben iu der ersten Zeit 5, bei denen aber von vorn herein der Ausgang als sehr zweifel- haft, oder ganz ungünstig angesehen werden musste. Auf- fallend war der Umstand, dass die bei dem schlechten Wetter und dem herrschenden Schmutz meist hochgradig verunreinigten Wunden sehr wenig eiterten, auch dass die penetrirenden Wunden oft überraschend schnell heilten. Die Desinfektion wurde allerdings stets mit l°ioo (und stärkerer) Sublimatauflösung mit Abtragen und Abkratzen aller Un- redlichkeiten gründlich ausgeführt. Ungünstig für deu Ver- lauf war auch in hohem Grade die beständig kühle und regnerische Witterung, der die Wadjagga fast völlig schutz- los preisgegeben waren.

Epidemien kamen nicht vor; in der letzten Zeit klagten vielo Leute über Magen- und Darmbeschwerden (Ver- stopfung), die aber zumeist auf den reichlichen Genuss von Mais uud rohem Fleisch zurückzuführeu waren.

Der Gesundheitszustand der Kompaguie war stets ein ausgezeichneter.

Digitized by Google

237

Ueber das Auftreten der Beri-Beri-Krankheit in Kaiser-Wilhelms-Land

vou Dr. med. Wendland,

(Amtlicher Bericht).

Da seit Oktober 1895 die Beri-Beri-Krankheit in Neu- Guinea heftig aufgetreten ist, so gestatte ich mir, meine Be- obachtungen über das Leiden vorzulegen.

Dem eigentlichen Ausbruch der Beri-Beri geht mitunter ein Vorläuferstadium von längerer Dauer voraus, in dem sich die Kranken matt, schwach und arbeitsunfähig fühlen, ohne dass ausgesprochene Symptome auf eine bestimmte Krankheit hindeuten. Vielleicht dürfte dieses in der Mehr- zahl der Fälle die Regel sein, nur kann es, da die Kranken schon in diesem Stadium selten zur Aufnahme in das Hos- pital gelangen, nicht immer sicher festgestellt werden.

Die eigentliche Krankheit beginnt mit einer Schwer- beweglichkeit der unteren Extremitäten. Die Kranken klagen über Schmerzen und Schwäche in den Beinen, und zwar wird meist die Wadenmuskulatur auf Druck als schmerzhaft angegeben, mitunter auch die Streckmuskulatur des Ober- schenkels etwa in der Mitte desselben ebenfalls als stark druckempfindlich, ln auderen Fällen scheint ausser dem Schwächegefühl in den Beinen nur ein mehr oder weniger starkes Kribbelu in den Zehen ohne intensivere Schmerzen die Kranken zu belästigen. Der Gang ist schlaff, langsam, die Füsse schleifen am Boden, die Patellar-Reflexe sind in der Regel schon jetzt erloschen, oder seltener nur noch schwach nachweisbar. Mitunter macht sich eine deutliche Atrophie der Beinmuskulatur bemerkbar. Oedeme sind nicht vorhanden. Die Körper-Temperatur ist nicht erhöht. Um so auffallender ist die stets vorhandene Pulsbeschleunigung, welche, befindet sich der Patient in Ruhe, 90 100 Schläge und noch mehr in der Minute beträgt, aber bereits nach mehrmaligem Hin- und Hergehen auf 120 140 Schläge in der Miuute sich steigert, ln einer Anzahl der Fälle, be- sonders bei Melanesen, ist die Pulswelle klein und leicht wegzudrücken, bei den Chinesen dagegen meist kräftig und hoch, ähnlich dem Pulse bei Aorten-Iusuffizienz. ln diesen

Digitized by Google

238

Fülleu sieht mau oft eine stürmische Herzthätigkeit, der Spitzenstoss ist in 2 3 Finger breiter Ausdehnung im 5. Zwischeurippenraum sichtbar, mitunter auch der Puls der Carotiden an der Halsseite. Perkutorisch lässt sich eine Verbreiterung der Ilcrzdämpfuug nachwcisen; doch sind die Herztöne rein, und nur selten nimmt man ein leichtes, systoli- sches Blasen über der Herzspitze auskultatorisch wahr. Eine Vergrösseruug der Milz ist nicht nachzuweisen. Nachdem diese Krankheitserscheinungen eine Zeit lang förtbcstanden haben, nehmen die Bewegungsstörungen an Intensität zu. Der Gang, nur noch mit Hülfe eines Stockes möglich, wird unsicher, ataktisch, ganz ähnlich dein der an Tabes dorsalis Leidenden. Die Kniee werden beim Gehen gehoben, die Unterschenkel nach vorn geschleudert. Beim Umwendeu Kehrt machen tritt die Unsicherheit, beim Aufstehen die Schwäche der Beine besonders deutlich zu Tage. Die Patellar- Ueflexe sind, wenn nicht schon vorher, so doch jetzt stets erloschen.

Nach längerer oder kürzerer Zeit, in der Kegel 4—8 Wochen, tritt dann eine völlige Lähmung der unteren Ex- tremitäten ein. Hiermit pflegen auch die Schmerzcu in den Beinen zu verschwinden, in denen nur das Gefühl des völligen Abgestorbenseins herrscht.

Den Schluss der Krankheit bildet bei ungünstigem Ausgange das Auftreten von Oedemen, welche in den untereu Extremitäten beginnen und sich allmählig nach oben weiter verbreiten. Es kommt zu hydropischen Ergüssen in die Bauchhöhle, in den Herzbeutel, mitunter auch in das Brust- fell, die heftige Athmungsbeschwerdcn und Erstickungsanfalle hervorrufen, und hierdurch wird dann bald das Ende des qualvollen Leidens herbeigeführt.

In einzelnen Fällen machen sich auch, aber immer erst im späteren Verlauf der Krankheit, dieselben Sensibilitäts- uud Motilitäts-Stönmgen au den Armen bemerkbar. Doch fast immer tritt der Tod bereits ein, bevor es zu vollständiger Lähmung der oberen Extremitäten gekommen ist. Seltener ist der Ausgang in Geuesuug, welche, sind erst einmal Oedeme aufgetreten, nicht mehr zu erwarten ist. Hierbei zieht sich das Leiden oft unter Wechsel von Remissionen uud Exa- cerbatiouen über Monate, selbst länger als ein Jahr hin, all- mählig schwinden die charakteristischen Kraukhcitserschciu-

Digitized by Google

239

ungen, die Lähmung geht zurück, der Gang bessert sich, wird schliesslich völlig gut, die Schmerzen verschwinden, die atropischen Muskeln erstarken wieder, der Kranke hat keine Beschwerden und kann aus dem Hospital entlassen werden. Doch bleibt immer eine stete Beschleunigung des Pulsschlages zurück, desgleichen das Symptom des Feldens der Patella-Reflexe, so dass diese Leute zu anstrengender Arbeit nicht zu gebrauchen sind und immer mit einer gewisseu Schonung behandelt werden müssen.

Ein dritter Ausgang ist der, dass nach Ablauf der heftigeren Krankheitserscheiuuugen eine dauernde Abmagerung und Schwäche der unteren Extrem itüteu neben der bestehenden Pulsbcscldeunigung zurückbleibt, welche die Kranken dauernd an das Hospitul fesselt, bis schliesslich nach oft erst langer Zeit das Auftreten vou Oedemen den Tod herbeifiihrt.

Während der letale Ausgang der Beri-Beri bei den Chiuesen hier fast Regel ist, vielleicht beeinflusst das unter denselben stark verbreitete Opium-Essen und -Rauchen die Krankheit in ungünstigem Sinne- kommt die relative Ge- nesung und der zuletzt erwähute Ausgang in chronisches Siechtum bei Javanen und Mclanesen nicht gerade selten vor.

Eine zweite Form der Beri-Beri, welche hier ebenfalls, aber nur etwa 1/1U so häutig, vorkommt wie die oben ge- schilderte, ist die acute, peruieiöse Beri-Beri. Hierbei kommen die Kranken von vornherein mit stark ausgeprägteu Mo- tilitiitsstörungeu und Oedemen in das Hospital. Ebenso schnell, wie die Krankheit sich entwickelt hat, schreitet sie vor, die Oedeme nehmen rapid zu, unter Cyanosc und Er- stiekungsfälleu sterben die Kranken bereits nach wenigen Tagen oder spätestens in 2 3 Wochen.

Endlich kommen drittens offenbare Mischinfektionen vou Beri-Beri und Malaria vor. Es ist eine bekannte Thatsachc, dass Malariaausbrüche sich den verschiedensten Krankheiten (auch äusseren Leiden) hinzugeselleu. W ährend bei reiner Beri- Beri die Körper-Temperatur dauernd normal um! die Milz nicht vergrössert ist, habe ich in einzelnen Fällen von Beri- Beri eine plötzliche, meist nur wenige Stunden andauernde Temperatursteigerung bis zu 40,5" C. mit acuter Milzsehwel- lung beobachtet, welche nur uls ein intermittirender Malaria- Anfall aufgefasst sverdeu konnte. Regelmässig bewirkte der- selbe eiue Verschlimmerung des Allgemeinbefindens, bei

Digitized by Google

240

Kranken, die noch gehen konnten, z. B. eine Zunahme der Bewegungsstörung, die nach mehrmaliger Verabfolgung von Chinin [1,0 1,5 gr. dosi], ebenso wie die Milzschwelluog, wieder zurückging.

Eine andere Form, die ich als Mischinfektion von ßeri- Beri und Malaria bezeichne, äussert sich in folgender Weise:

Leute, die früher schon öfter wegen Malaria behandelt waren, kommen mit einer massigen Temperatursteigerung und ausgesprochener Milzvergrösserung, mitunter sogar mit einem recht bedeutenden Milztumor, in das Hospital. Gleich- zeitig klagen sie über Schmerzen und Schwäche in den Beinen, eine ebenfalls bei Malaria sehr oft vorkommende Erscheinung, doch deuten der unsichere zitterige, oft bereits deutlich ataktische Gang, das Fehlen der Patella-Reflexe, und besonders die Pulsbeschleunigung, welche nach Nachlass des Fiebers bestehen bleibt und sich nach raschen Bewegungen stark steigert, auf ein gleichzeitiges Erkranktsein an Beri- Beri hin.

Fälle dieser Art, sowie der Umstand, dass hier nach kräftigen, wiederholten Chiningaben oft, nicht immer, eine Besserung, selbst Heilung eintritt; haben vielleicht manche Aerzte veranlasst, Beri-Bcri und Malaria als identisch zu erklären. Doch bietet das Krankheitsbild der reinen Beri- ßeri so viel specifisch Charakteristisches uud von Malaria Abweichendes, dass ich diese Krankheit von Malaria scharf trenne, ganz abgesehen davon, dass auch Chinin seine bei Malaria so erprohte Heilwirkung bei reiner Beri-Beri ganz versagt, und endlich Beri-Beri an Orten vorkommt, die von Malaria völlig frei sind.

Was das Auftreten der Beri-Beri betrifft, so werden von dieser Krankheit hier nur Männer befallen, wenigstens habe ich bei Frauen bisher noch keinen Fall gesehen, und zwar sind es keineswegs nur schwächliche Individuen, sondern ira Gegenteil in der Mehrzahl kräftige und robuste Leute, die an Beri-Beri erkranken. An dieser Thatsache ändert nichts der Umstand, dass die Krankheit auch bei solchen auftritt, die vorher öfter an Malaria gelitten haben. Es er- klärt sich dieses vielleicht dadurch, dass häufige Malaria- Fieber die Neigung zur Erkrankung an Beri-Beri steigern.

Die Häufigkeit des Vorkommens in den einzelnen Monaten ist aus folgender Tabelle ersichtlich :

241

Anzahl der Erkrankungen an Beri-Beri in den Monaten April 1895 bis December 1895:

MoDat Bestand

eingekommen

entlassen

gestorben

April 7

5

5

3

Mai

2

2

1

Juni

2

1

1

Juli

2

1

August

1

1

1

September

15

6

Oktober

27

10

November

29

1

21

December

24

5

23

bleibt Bestand.

Was die verschiedenen Nationalitäten betrifft, so wurden behandelt :

55 Chinesen, von diesen wurden 5 gebessert entlassen, 34 starben, 16 bleiben Bestand : ca. 9°/o relative Heilungen, 62°/o Todesfälle.

13 Javanen, von diesen 3 gebessert entlassen, 6 Todes- fälle 4 Bestand: 25°/o relative Heilungen, 50°/<> Todesfälle.

46 Melanesen, von diesen 8 relativ geheilt, 26 Todes- fälle, 12 Bestand: 1 8 °/0 relative Heilungen, 53°/o

Todesfälle.

Anzahl der Erkrankungen an Beri-Beri in den Monaten Januar 1896 bis März 1896:

Monat Bestand eingekommeu entlassen gestorben bloibt Bestand. Januar 14 4 9

Februar 4 3 5

März 5 11 7 16

Von April an begann die Krankheit zu erlöschen, im Mai und Juni sind unter den Javanen und Melanesen gar keine neuen Erkrankungen dieser Art aufgetreten, unter den Chinesen nur einige Rückfälle bei Leuten, die schon früher an Beri-Beri gelitten hatten. Die Beri-Beri Kranken sind seit Mitte April in einem neu zu diesem Zweck errichteten, geräumigen Hause, isolirt von den anderen Kranken, unter- gebracht. Die an dieser Krankheit leidenden Chinesen und Javanen werden, soweit sie transportfähig sind, mit dem rückkehrenden Reichspostdampfer nebst einer Anzahl no- torisch unbrauchbarer Kulis in ihre Heimat zurückgesandt. Jetzt (im Juni 1896) hat die Seuche ganz aufgehört.

Digitized by Google

242

Demgemäss neigen die Chinesen, deren Gesamratzahl hier geringer als die der Melanesen und der der Javanen durchschnittlich ungfahr gleich ist, am meisten zu Er- krankungen an Beri-Beri mit dem grössten Prozentsatz an Todesfällen. Darauf folgen die Melanesen, und zwar be- treffen die Erkrankungen an Beri-Beri etwa zu 3 n Melanesen, zu lU Jabims, Eingeborene aus Kaiser Wilhelmslaud in der Umgebung von Finschhafen, welche demnach von dieser Krankheit auch nicht völlig verschont bleiben, und am wenigsten von den farbigen Arbeitern scheineu die Javanen hier zu dieser Krankheit disponiert zu sein. Die Europäer hingegen besitzen anscheinend eine völlige Immunität gegen diese Krankheit, da trotz der nicht unbeträchtlichen Anzahl der an Beri-Beri erkrankten Kulis noch keiner der hier anwesenden Europäer von dieser Krankheit ergriffen ist. Die Aufstellung zeigt, dass die Erkrankungen an Beri-Beri zu einer Zeit sich häuften, in welcher nach einer etwa drei- monatlichen, absoluten Trockenheit die ersten schweren Regengüsse den Eintritt der Regenzeit ankündigten, eine Periode, die mit relativ hohem und starkem Wechsel der Lufttemperatur verbunden war, dass Witterungseinflüsse der angegebenen Art einen ungünstigen Einfluss ausübten, scheint ausser Frage zu sein. Doch über sonstige etwaige Ent- stehungs-Ursachen der Beri-Beri vermag ich wenig anzugeben. Dauernder Aufenthalt in überfüllten, schlecht gelüfteten Räumen, einseitige und mangelhafte Nahrung, brackisches Trinkwasser, Ursachen, welche von Aerzten anderer Länder angegeben werden, sind für die hiesige Verhältnissen nicht zutreffend. Am meisten wahrscheinlich scheint mir noch zn sein, dass häufige und anhaltende Durchnässungen die Dis- position zu Erkrankungen an Beri-Beri steigeru. Auch über die Art und Weise, wie die Infektion zu Stande kommt, ob ein bestimmtes Kontagium existiert, welches die Krankheit von Person zu Person übermittelt, ist bisher noch nichts Sicheres festgestellt. Doch zwei Thatsachcn, welche sich mir bei Beobachtung meiner Fälle aufgedrängt haben, möchte ich nicht unerwähnt lassen. Erstens leiden ungefähr */ 1 meiner Bcri-ßeri-Kranken gleichzeitig an Unterschenkcl- oder Fuss-Geschwüren, meist sogar keineswegs sehr aus- gedehnten, welche jedoch, im Gegensatz zu Geschwüren gesunder Leute, immer wenig Teudenz zur Heilung zeigen.

Digitized by Google

243

Auch habe ich in einzelnen wenigen Fällen Beri-Beri bei Leuten auftreten sehen, die ursprünglich nur wegen Unter- schenkclgeschwüren in das Hospital aufgenommen wurden und bei ihrer Aufnahme noch keinerlei Zeichen von Beri- Beri boten. Erst nach 4— 6 Wochen, mitunter ganz plötzlich nach einer vorangegangenen acuten Temperatur-Steigerung, klagten sie über Schmerzen und Schwäche in beiden Beinen, und die Untersuchung ergab das Vorhandensein von Beri- Beri. Da die Möglichkeit uicht ausgeschlossen erscheint, dass eine Wunde oder Geschwürstläche die Eingangspforte für den noch unbekannten Ansteckungsstoff der Beri-Beri bildet, so briuge ich im Hospital an Beri-Beri Erkrankte oder solche, die dieser Krankheit verdächtig sind, nie mit den nur an äusseren Krankheiten Leidenden in demselben Hause zusammen unter, sondern isolire dieselben nach Mög- lichkeit, soweit der Platz es erlaubt, in einem der iur die innerlich Kranken bestimmten Häuser.

Zweitens : Eine besondere Disposition zu Beri-Beri scheinen kurze, untersetzte Leute zu besitzen von gedrungener Gestalt mit breitem, etwas emphysematosem Brustkasten, mit kurzem, dickem Hals, uud zwar halte ich die Vorher- sage (Prognose) bei diesen Kranken, was die Lebensdauer anbetriflt, für besonders ungünstig. In 4 Fällen sah ich Beri-Beri Kranke dieser Art ganz plötzlich ich möchte fast sagen unerwartet infolge acuter Herzlähmung ein- gehen. Die Prognose überhaupt ist bei dieser Krankheit hier nicht günstig, wenigstens was absolute Heilung betrifft. Bei der acuten, pernieiösen Form dagegen ist sie durchaus schlecht. Am deutlichsten ergiebt sich dieses aus der Tabelle, nach welcher man auf etwa 55°/o Tote rechnen muss.

Was die Heilmittel für diese Krankheit betrifft, so steht in erster Linie Luftveränderung, und zwar, da wir hier in eiucr Ebene leben, Ueberfülirung der Kranken nach höher gelegenen Punkten. Selbst in veralteten Fällen und bei ge- lähmten Kranken soll dieses Mittel in Java noch Erfolg gehabt haben. Da wir auf diesen Heilfaktor verzichten müssen, und es auch kein mcdicamentöses specilisches Mittel gegen diese Kraukheit giebt, müssen wir uns ausser diäte- tischen Massregeln, gute Ernühruug, Fernhalten aller Schäd- lichkeiten, auf symptomatische Mittel beschränken. Zu diesen gehören in erster Linie solche, welche die Hcrztbätigkeit

Digitized by Google

244

verlangsamen, Digitalis in kleinen Dosen, Strophantus-Tiuctnr u. A., und welche gleichzeitig die stets verminderte Urin- Sekretion anregen. In den Fällen, bei welchen man an- nehraen kann, dass Malaria mitspielt, ist Chinin entschieden am Platze und mitunter von guter Wirkung. Gegen andere eventuelle Komplikationen, wie Herzkollaps etc. zieht man mit den entsprechenden Mitteln zu Felde.

Was die Entstehung dieser Krankheit betrifft, so glaube ich bestimmt, dass dieselbe vor längerer Zeit von chinesischen Kulis, die vor ihrer Ankunft hier, schon früher einmal an Beri-Beri gelitten hatten, eingeschleppt und von diesen auf andere übertragen ist, und dass dieselbe durch irgend welche äussere ungünstige Verhältnisse Ende vorigen Jahres eine grössere Ausdehnung gewann. Es liegt kein positiver Be- weis oder auch nur irgend ein Anhaltspunkt vor, dass sich in der Astrolabe-Ebene selbst ein direkter, sogenannter Beri- Beri-Heerd, der sich an eine bestimmte Lokalität knüpft, befindet, von welchem die Seuche spontan ihren Ausgangs- punkt nimmt. Trotzdem werde ich auch in Zukunft, sollten wieder frische Erkrankungen an Beri-Beri vorkomman noch genauer, wie bisher, in jedem einzelnen Falle feststellen, wo der Erkrankte in der letzten Zeit gearbeitet hat, mit welcher Art von Arbeit er beschäftigt war, in welchem Hause er gewohnt hat, und dergl. und hierüber genau Buch fuhren, um auf diese Weise, wenn möglich, genauere Anhaltspunkte zu finden, nach welchen man etwaige Vorbeugungs-Massregeln gegen die Krankheit treffen könnte.

Dr. med. Wendland,

Arzt der Astrolabo Compagnie.

Typhus und Gelbes Fieber.

Von Dr. Friedrich Semeleder.

(Ich bemerke dass ich unter Typhus verstehe das Typhus- fever der Engländer, den Typhus der Franzosen, den Petechial- typhus, und dass ich den sogenannten Abdominaltyphns, Ty- phoid fever, enteric fever, Fifcvre typhoide, als typhöses Fieber bezeichnen werde.)

Digitized by Google

245

Eine bemerkenswerthe Erscheinung in der Pathologie Mexiko’s ist das Ausschliessungsverhältniss zwischen Typhus und Gelbfieber. Über den Typhus als Krankheit brauche ich nichts zu sagen. Auf dem mexikanischen Hochlande ist der Typhus einheimisch, endemisch und oftmals epidemisch ; unter 1200 Meter Seehöhe kömmt der Typhus, man kann sagen „NIE“ vor. Ganz tüchtige Aerzte, denen das Bild des Typhus von ihrer Studienzeit in der Hauptstadt nur zu geläufig ist und die in Orizaba, in Cordoba, in Veracruz und in anderen Küstenorten seit 30 und 35 Jahren praktiziren, erklären in dieser Zeit einen oder gar keinen Fall von Typhus gesehen zu haben ; und selbst iu diesen einzelnen Fällen ist eine Einschleppung nicht vollkommen ausgeschlossen.

Umgekehrt verhält es sich mit dem gelben Fieber. Auch über dieses will ich nur weniges sagen. Je mehr darüber geschrieben wird, desto greller tritt zu Tage, wie wenig wir eigentlich davon wissen.

Die Frage der Ursprungsstätte des gelben Fiebers ist noch nicht erledigt. In Mexiko glaubt man allgemein, dass die Krankheit von der Westküste Afrika’s im Jahre 1699 eingeschleppt wurde durch ein englisches Sclavenschilf, obwohl der Geschichtsschreiber Clavigero behauptet diese Krankheit wäre in Mexiko unbekannt gewesen bis 1725. Fiulay in Habana (Edinburg medical Journal, Juli 1894) und Le Hardy (Virginia medical Monthly, Juni 1894) neigen der Ansicht zu, dass jene Krankheit „Gelbes Fieber“ war, die so schreckliche Verwüstungen unter Columbus’ Begleitern und unter den ersten Spanischen Ansiedlern an den Küsten Westindiens anrichtete. Andere glauben, jene grossen Epidemien, die vor Ankunft der Spanier in Yucatan wüteten, wären Gelbfieber gewesen. Im Gegensätze zu diesen behauptet Verrier (Bulletin medical, Paris, April 1894) entgegen der allgemeinen Meinung, das gelbe Fieber sei von Amerika nach Afrika übertragen worden, wo die erste bekannte Epidemie, ebenfalls durch ein Sclaven- scliiff verursacht, in das Jahr 1760 fiele. Verrier und Dupont, Chefarzt der französchen Marine, vertreten die Ansicht, die Französischen Ansiedlungcn an der afrikanischen Westküste wären gar nicht so ungesund ; was man am Senegal und in Sierra Leone den „Typhus amaril“ nennt, sei gar kein „Vdruito.“ sondern ein bösartiges Fieber, das sie „Fiövre bilieusc höma- turique“ nennen und das seine Entstehung der Schwächlich-

Archir f. Schiffs- u. Tropenhygicue. 18

Digitized by Google

246

keit, Unmässigkeit und Nachlässigkeit der Eingebornen ver- dankt. Verricr führt zu Gunsten seiner Ansicht an, dass der amerikanische Schwarze immun ist, dadurch dass er seit so langer Zeit die Gelbtiebergegenden bewohnt, während der afrikanische Neger das gelbe Fieber ebenso leicht bekäme als der weisse Mann. (!)

Dagegen: Zu Anfang der lezten französischen Expedition nach Mexiko litten die Soldaten fürchterlich von dem gelben Fieber. Mit Galgenhumor nannten sic den Friedhof von Veracruz den „Jardin d’aclimatation“. Auf Vorschlag Ehr- mann’s, des Chefarztes, wurde der Vizekönig von Egypten gebeten, ein paar Regimenter Sudanneger als Besatzung für Veracruz und die Küste zu borgen, da man sie für gefeit gegen gelbes Fieber hielt (s. o.). So geschah es, und obwohl allen anderen Tropen-Krankheiten unterworfen, Ruhr. Malaria, Leberleiden etc. blieben sie doch frei vom gellten Fieber und bewahrten tausende französische Soldaten vor dem Tode.

Das gelbe Fieber ist endemisch an der Küste des mexi- kanischen Meerbusens, in Veracruz und Umgebung, im Canton von Frontera (Staat Tabasco), in Campeehe und Isla del Carmen (Staat Campeche) und an der Nord- und Ostküste der Halbinsel Yucatan. (Geografia mödiea de la Rcpublica Mexicana, por el Dr. D. Orvananos, Mexiko, 1889) Von diesen Orten verbreitet sich die Krankheit an den Küsten und nach dem Inneren, aber so dass auf eiuer Seehöhe von 1227 Metern (Orizaba) wohl in manchen Jahren hunderte von Gelbfieber- Kranken zur Behandlung kommen, die aber insgesammt die Krankheit an anderen Orten erworben haben. In Orizaba selbst kommt es zu keinen Epidemien von gelbem Fieber. Anders in Cördoba, 830 Meter über der See, wo sich alle acht bis zehn Jahre, ja gelegentlich in zwei aufeinander folgenden Jahren, schwere Epidemien einstellen. Die Immunität dauert hier dann bis sich wieder eine entsprechende Zahl nicht durchseuchter Leute angesaramclt hat. Ein Ort, geuannt Fortin, zwischen Cördoba und Orizaba, etwa auf 1000 Meter Höhe, bezeichnet die Grenze über welche hinaus das gelbe Fieber nicht mehr epidemisch vorkömmt.

Wie man sieht ist die Brutstätte des gelben Fiebers an der mexikanischen Ostküste; an der Westküste, unter sonst gleichen Umständen, und trotz des Verkehrs über

Digitized by Google

247

Panamü und über die Landenge von Tehuantepec, kömmt es nur in sehr grossen Zwischenräumen zu Epidemien von gelbem Fieber durch Einschleppung.

Es wäre gewiss lehrreich und vielleicht auch möglich, zu erfahren, wie sich Typhus und das gelbe Fieber zu ein- ander in anderen Teilen des tropischen Amerika verhalten.

W as nun das typhöse Fieber anbelangt, so behaupten die mexikanischen Aerzte steif und fest, dass es in Mexiko gar nicht vorkäme, weder auf dem Hochlande, noch an den Küsten. Europäische Aerzte, denen das Bild des typhösen Fiebers so wohl bekannt ist, sind der Ansicht, dass das typhöse Fieber in einzelnen seltenen Fällen auf dem Hochlande zu beobachten ist. Das ist auch meine Meinung. Patho- logisch-anatomische Daten stehen mir nicht zu Gebote : es ist eben von meinen Kranken keiner gestorben, und auch in der Privatpraxis schwer Autopsien zu machen; aber es wäre doch gar zu jämmerlich, wenn die Diagnose des typhösen Fiebers nur an der Leiche zu macheu wäre.

Wie verhalten sich nun Typhus und typhöses Fieber in anderen heissen Ländern? In Ostindien, Bombay, Ahme- dabad etc. ist Typhus äusserst selten und die Eingeborenen sind frei vom typhösen Fieber. Die Erklärung dafür, dass die Einwohner von ihren Vorfahren her mit diesem Gifte gesättigt seien, (Indian medico-chirurgical Review, Bombay, 1894) scheint mir gar sehr gesucht. Typhöses Fieber kömmt auf den Antillen vor Die eingebornen Truppen in Allgericn sind fast immun dafür und wohl nicht nur die Truppen. (A. Marvaud, Provincial medical Journal. Leicester, England, Juni 1894). In 1878 betrug die Sterblichkeit an typhösem Fieber unter den eingeborenen Tirailleurs d’Afrique 1,5 zu 1,000, unter den Zuaven 22,2 und in der Fremdenlegion 15,4 auf Tausend. Die Einflüsse der Ermüdung, Verpestung des Bodens, gedrängten Zusammenlebens, schlechter Wohnstätten und Nahrung, wirken aber in Algier ebenso wie in Frankreich und vielleicht noch schlimmer unter dem heissen Klima.

Hier liegen also verschiedene Fragen vor, zu deren Aufklärung Ihr geschäztes Blatt vielleicht beitrageu kann.

Dr. Sem nieder,

Cordoba, Staat Vcracruz, Mexiko.

März 1897.

I.s*

Digitized by Google

248

Oer Parasitenbefund bei den Malariafiebern und seine Verwerthbarkeit für die Erkennung, Behandlung und Verhütung der Malariafieber *)

von Dr. Reinhold Rüge, Marinestabsarzt.

(Zusammenfassender Bericht unter Verwerthung eigener Beobachtungen.)

Der französische Militairarzt Laveran, der am 6. No- vember 1880 in Constantine im Blute eines Malariakrankcn die Erreger der Malariafieber entdeckte, schrieb 1884 in seinem Buche: Traitd des fiövres palustres (p. VI): „On peut dirc sans exagdration, ce me semble, que l'histuire du palttdismc forme aujourd’htii ttn des chapitres les plus clairs, les plus prdeis de la pathologie . . Das hat sich nun leider nicht bewahrheitet. Es ist allerdings gelungen, mit Hülfe jener Entdeckung verschiedene bis dahin dunkle Erscheinungen in der Pathologie der Malariafieber in befriedigender W eise zu erklären, aber in vielen anderen Beziehungen, namentlich in den Beziehungen, die die Malariafieber zur Aussenwelt haben, hat uns die Laveran’sche Entdeckung vor der Hand nicht weiter geholfen.

Wenn ich nun im Folgenden untersuchen will, in wie weit die Kenntniss der Malariaparasiten für die Erkennung, Behandlung und Verhütung der Malariafieber verwerthbar ist, so ist es zunächst unumgänglich nöthig, eine kurze Be- schreibung der Malariaparasitcn selbst zu geben. Aber hier beginnen bereits die Schwierigkeiten. Anerkannt werden ja zur Zeit die Malariaamöben von allen Forschem als die Erreger der Malariafieber, und die Versuche von Klcbs und Tommasi-Crudeli *), von Cuboni und Marchiafava s), Mar- chand ■’) Ziehl4)und Schiavuzzi5) mit ihren bacillus mnlariae,

*) Nachstehende Abhandlung war druckfertig als in dieser Zeit- schrift Bd. I. der Aufsatz von A. Biehn ,,Die Blutuntersuchnngen in tropischen Fiebergegenden und ihre praktische Bedeutung“ erschien. Der Leser wird finden, dass ich theilweise zu ähnlichen Resultaten und Folgerungen gekommen bin.

') Arch. f. experim. Patholog. 18711 S. 311. *) Arch. f. experim. Fatholog. Bd. XIII. S. 266. *) Virch. Arch. Bd. 88, S. UH. *) Deutsch, med. Woch. 1882 S. (117. *) Ziegler-Neuwerck, Beiträge zur path.

Anatom. 18811 S. -121.

249

sowie die Versuche vou Mosso1) und Maragliano2) die Ma- lariaparasiten für Degenerationszustände der rotlien Blut- körperchen zu erklären, haben nur noch historischen Werth3). Aber trotzdem und obgleich sich hunderte vou Arbeiten mit der Erforschung der Malariaparasiten belasst haben, ist noch nicht einmal darüber eine endgültige Einigung vorhanden, ob wir eine oder mehrere Parasitenarleu anzunelnuen haben. Es ist nicht meine Absicht, in den folgenden Zeilen alle die Ansichten der verschiedenen Autoren zu briugcu, welche für die eine oder audere Annahme sprechen, sondern ich will nur die hauptsächlichsten hervorheben, die Anspruch auf Beachtung machen können und die nicht nur von ihren Autoren aufgestellt, sondern auch vou anderer Seite unter- stützt und bestätigt worden sind.

Zur Zeit ist es hauptsächlich nur noch Lavcrau, der auf seinem alten Standpunkt stehen geblieben ist und be- hauptet, dass der Malariaparasit einheitlich, aber polymorph ist4). Deun die Berichte anderer Beobachter wie Richard Osler6), Councilman7), und Abbos8), die vor Golgi’s Arbeiten erschienen und sich im Wesentlichen damit bcguügten, das Vorhandensein der Parasiten festzustellen, können bei dieser Frage uicht mit in Betracht kommen. Laveran gegenüber stehen Golgi3) und die Italiener10), die folgende Formen unterscheiden :

1. Den Parasiten der febris quartana,

2. Den Parasiten der febris tertiana,

3. Den Parasiten der Sommer -Herbst- Fieber, (kleine Parasiten).

Von letzterem sind wieder verschiedene Unterarten getrennt wordeu. Die ersten deutschen Autoren, denen in der Heimath nur wenige Fälle für ihre Untersuchungen zur Verfügung

’) Berlin. Klin. W. 1887. Virch. Arch. Bd. 109, Arcli. ital. de biolog. 1K90 p. 203. *) Arcli. ital. de Biologie 1891 p. 200. *) Letztere Ansicht wurde durch die Arbeit von Cattaneo u. Monti im Arch. ital. de biolog. 1888. p. -408 endgültig widerlegt. <) Arch. de med. experim. et de l'anatom. path. 1889 p. 827 u. Du paludisme et de son htmalo- zoaire 1891 p. 124 u. folgende. *) C.ornpt. rend. 1882 p. 496. •) British med. journ. 1887 p. 556. ’) Fortschr. d. Med. 1888 S. -457. *) Amcric. journ of med. etc. 1885 p. 416. *) Fortschr. d. Med. 1886 S. 575;

Arch. ital. de biolog. 1887, 8; Fortschr. d. Med. 1889 S. 81. I#) Arch. ital. de biolog 1888, p. 285 ; 1890 p. 802 ; 1890 p. 301 ; 1891 p. 157.

Digitized by Google

250

standen, wie Brand '), Dolega 2), F. Plelin 3), Quincke 4) und Rosin Ä) sprechen sich theilweise vorsichtiger aus als Laverao. Sie begnügen sich damit, das Vorhandensein der Parasiten zu constatiren und sehen von einer Unterscheidung der Arten ab, ohne aber das Vorhandensein solcher direkt in Abrede zu stellen. Anderson8) (Mauritius) that dasselbe. Die neueren Arbeiten abgesehen von den italienischen, die sich von Anfang an in Uebcreinstimmuug mit den Golgi’schen befinden wie die von Sacharoff7), Fitroff8), Mannaberg*), Jancso und Rosenberger10) sprechen sich durchaus für Golgi’s Ein- thcilung aus, sodass kein Zweifel mehr darüber bestehen kann, dass es in der That verschiedene Arten von Malaria- parasiteu giebt. Dock u) unterscheidet large (heimischer Tcrtianaparasit) und small plasmodium (balbmondbildender Parasit), beobachtete aber keine febris quartana.

Ich selber habe nur wenige Fälle von Malariafiebcm bakteriologisch untersuchen können. Ich habe aber sowohl die heimischen als auch die tropischen Malariaparasiten ge- sehen und muss sagen, dass schon der morphologische Unter- schied zwischen beiden Arten so in die Augen springt, dass er nicht weggeleugnet werden kann 12). Ich schliesse mich der Eintheiluug Mannaberg’s 1S) an, der h alb m on d b i 1 d e nde und nicht halbmondbildende Parasiten unter- scheidet.

Die erste Gruppe, die halbmondbildenden (kleiuen) Parasiten, zeigt einen unregelmässigen Entwicklungsgang

') Deutsch, ined. W. 1890 S. 864. *) Fortschr. d. Med. 1890

S. 709 u. 9. Congr. f. innere Med. 1890 S. 513.

■i Zeitschr. f. Hyg. 1890 S. 578, Berlin. Klin. Woch. 1890 S. 292 ; In seiner Broschüre „Aetiologische und Klinische Malariasludien". 1890 sprach sich Plelin aber gegen Golgi’s F.intheilung aus. Ebenso Bein in seinen aetiologischen und experimentellen Beiträgen zur Malaria, Sonderabdruek aus den Charite-Annalen XVI. Jahrg. S. 23. Fischer hatte 1887 das Vorhandensein von Malariaparasiten in Abrede gestellt.

«) Bef. in Fortschr. d. Hed. 1890 S. 296. *) Deutsch, mcd. W

1890 S. 326. *) Laneet 1890 Aug. 23. ») Ref. im Ctrlbl. f. Bakt. 1891

Bd. IX. S. 16. •) Ref. im Centrlbl. f. Bakt. Bd. IX. S. 281. •) Die

Malariaparasiten 1893 S. 58. ,<l) Arch. f. Klin. Med. Bd. XXI. S. +19-

n) Dock : Med. News 1891 p. 1 u. Med. News 1890.

'*) Canalis. Arch. ital. de biolog 1890 p. 266 sagt darfilier: ..Der Beobachter der beide Parasitenarten mit einander vergleichen kann, ist erstaunt über den Grössenunterschied“.

'*) Die Malariaparasilen 1893 S. 99.

Digitized by Google

251

und ruft die schweren , unregelmässigen Fieber hervor, kann aber auch bisweilen eine febris quotidiana, tertiana und quartana’) bedingen. Sie sind den schweren Malaria- fiebern eigen, die südlich der Alpen, im Sommer und Herbst in den Tropen und Subtropen aber in allen Jahreszeiten beobachtet werden. Die Italiener haben versucht, verschiedene Unterarten von diesen Parasiten aufzustellen. Doch sind die gemachten Unterschiede noch so fein und wenig bestimmt, dass ich auf ihre Anführung verzichte und die halbmond- bildeuden (kleinen) Parasiten als eine Art abhandeln werde. Die zweite Gruppe umfasst die Parasiten mit regelmässigem Entwicklungsgang. In dieser Gruppe werden von deu Italienern und einigen anderen Forschern (siehe oben) 2 Unter- arten unterschieden. Der eiue Parasit nämlich vollendet seine Entwicklung in 48 Stunden uud ist der Erreger der heimischen febris tertiaua, der andere in 72 Stunden und ist der Erreger der heimischen febris quartaua. Da die Parasiten der 2. Gruppe einfachere Verhältnisse aufweisen, eingehender studirt worden sind uud . ihre Morphologie und Biologie von verschiedenen Seiten übereinstimmend ge- schildert worden ist, so bespreche ich sie zuuächst, die nach- folgende Schilderung der 3 Parasitenarten entnehme ich vor- wiegend den Arbeiten Golgi’s8) und der Italiener8)

A. Ule Parasiten ohne Halbmondbildung.

a) Der Parasit der Febris quartana.

Einige Stunden nach dem Anfalle findet man bei der Untersuchung frischer Präparate in den rotben Blutkörperchen kleine helle Flecke, ohne Pigment mit langsamen amoeboiden Bewegungen die etwa */s '/» des Durchmessers der rothen Blutscheiben haben.

1. Phase, amoeboides Stadium der Autoren. Am ersten Tage der Apyrexie zeigen sie noch langsame ainoeboide Bewegungen, aber bereits ziemlich reichliches, schwarzrothes Pigment, das in Form von plumpen Stäbchen oder Körnchen unregelmässig über den Körper des Parasiten zerstreut ist. Am 2. Tage der Apyrexie sind die Parasiten soweit gewachsen, dass sie •/« */» der rothen Blutscheibe erfüllen; das Blutkörperchen selbst ist etwas verblasst (2. Phase, amoeboides

') Ziemann, Centralbl. f. Bukt. Bd. XX. S. (562. Es liesse sich deshalb vielleicht das Vorhandensein eines malignen Tertiana und eines malignen Quartanaparasilen annehmen. Festgestellt ist aber in dieser Beziehung noch gar nichts. Bef.

') Fortschr. d. Med. 1K8I1 S. 675. Arch. ital de biolog. 18H7, Fortschr. d. Med. 1889 S. 81.

*) siehe vorige Seite.

Digitized by Google

252

Stadium der Autoren). Am Tage des Anfalls treten folgende Ver- änderungen auf: Die Substanz des rothen Blutkörperchens, das bis

zuletzt eine gelbgrüne Farbe behalten hat. verschwindet, das Pigment beginnt den nunmehr als freies pigmentirtes Körperchen erscheinen- den Parasiten durch radiär gestellte Streifen in einzelne Abtheilungen zu thcilen und zieht sich schliesslich nach der Mitte hin zusammen. Während dieser Zusammenziehung des Pigments beginnt die Theilung des Parasiten entsprechend den oben genannten Pigmentstreifen bis die Form einer Margarethenblume fertig ist. Sehr bald direkt unter dem Mikroskop zu beobachten werden die einzelnen Blumen- blätter — ß 12 an der Zahl rund, entfernen sich von dem centralen Pigmenthaufen, die gemeinsame Hülle verschwindet und man sieht unregelmässige Gruppen kleiner, runder Körper mit einem kleinen Pigmenthäufchen in der Mitte: Die junge Parasitengeneration. (3. Phase). Nun beginnt das rasche Verschwinden aller Theilungsformcn. das während des weiteren Fieberverlaufes andauert. Am Tage nach dem Anfalle findet man die jungen Parasiten wiederum in den rothen Blutscheiben.

b) Der Parasit der Febris tertiana.

Auch hier können 3 Entwicklungsphasen unterschieden werden, die aber nicht scharf von einander getrennt sind, sondern in einander übergeben. Im frischen Präparate findet man einige Stunden nach Ablauf eines Anfalls in den rothen Blutscheiben kleine, helle, glänzende Flecke homogene Protoplasmaklümpchen—, die etwa '•'»— '/< des Durchmessers der rothen Blutscheiben haben und sich von diesen nur durch ihre blasse Farbe und durch lebhafte amoeboide Bewegungen unterscheiden. Sie senden Fortsätze aus und ziehen sic wieder ein. verlassen aber weder die wirthliche rothe Blutzellc, noch verändern sie deren Form (1. Phase, amoeboides Stadium der Autoren).

2. Phase. Am 2. Tage (fieberfreien) zeigen die Parasiten be- reits deutlichere Umrisse, sie haben bis jetzt etwa '/» */j des rothen Blutkörperchens eingenommen, ihre amoeboiden Bewegungen sind langsamer geworden und sie haben in ihrem Inneren reichlich schwarz- rothes Pigment in Form feinster Stäbchen und Körnchen, die in un- regelmässiger Weise über den Parasiten zerstreut sind, entwickelt. Das Blutkörperchen selbst ist fast entfärbt und kann bis auf das Doppelte seiner normalen Grösse angeschwollen sein. Es erscheint gleichsam hydropisch.

3. Phase. Einige Stunden vor Beginn des Anfalls (also ain dritten Tage) ist das Blutkörperchen von dem Parasiten fast ganz erfüllt. Man kann es nur noch als blassen Hof erkennen. Steht der Anfall unmittelbar bevor, so sind die Beste des rothen Blutkörperchens völlig verschwunden, das Pigment zieht sich allmählich nach der Mitte des Parasiten hin zusammen und wir haben ein freies pigmen- tirtes Körperchen vor uns, an dessen peripherischem Theil sich eine gewisse Differenzirung in Gestalt eines den Piginentkörper umgeben- den Ringes zu zeigen beginnt, ln diesem Ringe treten unbestimmt radienförmig verlängerte Theilungsslreifen auf. die allmählig deutlicher werden und den Ring in 15 2t) weissliche. ovale Partikelchen theilen.

Digitized by Google

253

Diese Partikelchen werden allmählig rund, und schliesslich hat man einen Kranz von Kügelchen, der um die pigmentirte Scheibe herum- liegt (Uosenkranzform). Diese letzt geschilderte Form findet sich meist erst im Beginn des Anfalls. Die innere pigmentirte Scheibe trennt sich sodann durch einen deutlichen Saum völlig ab ihr ferneres Schicksal ist nicht bestimmt bekannt, sie wird wahrscheinlich von den Leukocyten aufgenommen und die kleinen Kügelchen (Sporen) stellen die neue Parasitengeneration vor, die von neuem in die rotlien Blut- scheiben eindringt’).

So ungefähr lässt sich in schematischer Weise der Entwicklungs- gang dieser beiden Parasitenarten darstellen. Von einer absoluten Regelmässigkeit dieses Entwicklungsganges kann natürlich nicht die Hede sein. Es kommt z. B. vor, dass sich die Sporulation der Tertiana- parasiten in dem noch gut erhaltenen Blutkörperchen abspielt, ehe es der Parasit vollständig ausgefiillt hat (was Marchiafuva und Celli als versuchte Theilung bezeichnen’).

Eine zweite Unregelmässigkeit in der Theilung haben Celli und Guarnieri •) beobachtet. Sie ähnelt der bei den Coccidien vorkommen- den. Mannaberg1) fand häufig einen Maulbeer- und Traubenform bei der Sporulation, ebenso F. Plehn*) und Bein*), während Jancsö und Rosenberger’) die Sporulationsfigur des Tertianaparasiten mit einer Himbeere vergleichen.

Fernerhin ist zu beachten, dass nicht alle Parasitenindividuen zu derselben Zeit zur Sporulation kommen, sondern dass sich die Reifung der einzelnen Individuen von 6 H St. verschieben kann*). Schliesslich kommt eine grosse Anzahl von Parasiten überhaupt nicht zur Sporulation. sondern bleibt steril. Es sind dies grosse endoglo- buläre Formen mit zum Theil noch erhaltener amöboider und oft lebhafter Pigmentbewegung, mit bläschenförmigem Keim aber ohne Keimkörper. Man findet sie noch im Schweissstadium, ja am Tage

’) „Auch gelang es mir, zwei Mal das Eindringen der freien Parasiten in die rotlien Blutkörperchen sicher constatiren zu können“, Bein aetiolg. und experim. Beiträge zur Malaria. Sonderabdruck aus den Charite- Annalen XVI. Jahrgang 6. 10.

’) Arcli. ital. de biologie 1888 S. 290 vergl. auch Councilman’s Abbildungen in Fortsehr. d. Med. 18KH und siehe Doch, Further studies on malarial disease lHitl p. 7. F. Plehn, Aet. u. klin. Malariastudien S. 21. „Einige der Parasiten schritten erst in dem Zustand völliger Erfüllung des Blutkörpers zur Sporenbildung, andere halten kaum ’/i seiner Grösse erreicht“.

*) Fortschr. d. Med. 1HH9 S. 526. 4) 1. c. S. 103. *) Aet. u. klin. Malariastudien 1890 S. 21.

*) Bein, Aetiologischc und experimentelle Beiträge zur Malaria. Sonderabdruck aus den Charite-Annalen XVI. Jahrgang S. 10. „Die Anordnung der Segmente (der Sporulationsformen) war nicht in der Weise regelmässig und typisch, wie sie von den italienischen und russischen Autoren beschrieben wird“. ’) 1. c. S. -189. *) Mannaberg 1. c. S. 110.

Digitized by Google

254

der Apyrexie. Sie können aus den rolhen Blutkörperchen austreten und zu freien sphärischen Körpern werden. „Nachdem einmal Fieber vorhanden gewesen war, waren sie in allen Stadien zu linden'"1).

Beim Vergleich der beiden Parasitenarten stellen sich folgende deutliche Unterschiede heraus:

1. Morphologisch.

a) Die Theilungsform des Tertiana-Parasiten ist der Rosen- kranz (T rauben-M aulbeeren oder Himbeerenform), diejenige des Quartana-Parasiten die Margarethenblume.

2. Biologisch.

a) Der Tertianaparasit vollendet seine Entwicklung in zwei, der Quartanaparasit in 3 Tagen.

b) Der Tertianaparasit entfärbt das befallene rothe Blut- körperchen und macht es bis zu doppelter Grösse auf- quellen, beim tjuartanaparasiten behält das rothe Blut- körperchen seine natürliche Grösse.

c) Die Sporen der Tcrtianaparasitcn sind kleiner und zahl- reicher 115 20) als die der «.Juartanaparasiten (6 12).

Demnach sind also diese beiden Arten morphologisch im Anfang nicht, wohl aber am Ende ihrer Entwicklung gut von einander zu unterscheiden. Gemeinschaftlich ist hingegen beiden die Bildung von Pigment, das von allen Autoren übereinstimmend als ein Stoffwechsel- produkt der Parasiten angesehen wird als eine Umwandlung des Hämoglobins in Melanin. Nur Afanassicw') versuchte dieses Pigment für Mikrokokken zu erklären.

Der feinere Bau der Parasiten wurde zuerst von Celli und Guamieri*), Grassi und Felelti*), Dolega*) und F. Plelrn*) studirt. In der letzten Zeit haben namentlich Mannaberg7). Romanowski und Ziemann') darüber gearbeitet. Anerkannt ist das Vorhandensein eines grossen blässchenförmigen Kerns mit Kernkörperchen. Ober das Weitere gehen aber die Meinungen auseinander. Wahrend die einen namentlich Mannaberg ’) angeben, dass der Kern und schliesslich das Kernkörperchen während der Vorbereitung des Parasiten zur Sporulation verschwinden, stellten Romanowski und Ziemann ”) die

') Ziemann, Über ßlutparasiten bei heimischer und tropischer Malaria, f'.entralbl. f. Bakt. Bd. XX S. fkiO.

*) Virch. Arch. Bd. Kl S. 13. •) Fortschr. d. Med. 1K89 S. 52ä.

*) Arch. ital. de biolog. 1890 S. 2K7.

*) Fortschr. d. Med. 1890 S. 769. •) Zeitschr. f. Hyg. 1K90 Bd. VIII. S. 7K. 7) I. c. S. 21—:«.

■1 I. c. S. 657. In seiner neusten Arbeit giebt Ziemann auch eine eingehende Beschreibung des feineren Baus der tropischen Malariaparasiten. Centrlbl. f. Bakt. und Parasit. Bd. XXI. S. 619 u. folgende. •) 1. c. S. 115.

«) 1. c. S. 659.

Digitized by Google

255

These auf, dass die Theilung der Parasiten auf karyokinetiscliem Wege erfolge ').

An den Sporen des Quartana- und Tertianaparasiten beschreiben Jancsö und Rosenberger*) geisselartige Fortsätze, die sich allerdings nur durch Färbung sichtbar machen lassen *). „Jede Spore des Quar- tanaparasiten besteht aus einem meist excentrisrh liegenden, homo- genen nucleus, in welchem ein stark lichtbrechcndcr nucleolus sichtbar ist, und aus dem, den nucleus umgebenden feinkörnigen Theile, dem Plasma, welch’ letzterem die Fortsätze entstammen“. Die Tertianaspore ist erheblich kleiner als die Quartanaspore und ihre Struktur daher schwer zu erkennen. Mannaberg bildet auch diese Sporenart mit einem deutlichen nudeo ab.

B. Die halhmondbildenden Parasiten.

Wie bereits erwähnt, sind die Untersuchungen über diese Pa- rasitenarten noch durchaus nicht zum Abschluss gekommen, was bei der Feinheit der Objekte und der Schwierigkeit der Untersuchung diese Parasitenart sporulirt meist in den Blutgefässen innerer Organe, wie Gehirn und Milz und auch im Knochenmark nicht zu verwundern ist. Fast jede Arbeit bringt eine neue Ansicht und nur einzelne stimmen wenigstens zum Theil überein. Dazu kommt, dass die ge- gebenen Beschreibungen stellenweise an sich unklar, stellenweise durch den Mangel allgemein anerkannter Bezeichnungen für die ein- zelnen Entwicklungsstadien des Parasiten schwer mit einander zu vergleichen sind.

Die Italiener, die am meisten auf diesem Gebiete gearbeitet haben, unterscheiden zur Zeit 3 Unterarten, können sich aber auch nicht einigen; namentlich wird der am Marchiafava und Bignemi aufgestellte maligne Tertianaparasit sehr angefochtcn (nach Manna- berg) und die zwischen den einzelnen Arten gemachten Unter- schiede sind in der Thal so difficil, dass ich nicht mehr darauf ein- gelien will. Nur zwei Thatsachen stehen fest:

1. Dass die halhmondbildenden (kleinen) Parasiten den schweren Fieberformen zu Grunde liegen und

2. dass sic die Halbmonde bilden, eine Bildung, die bei den grossen Tertianca- und (Juartana-Parasiten nicht beobachtet wird.

Es erscheinen in den rothen Blutzöllen kleinste, halbglänzende, homogene Stiimpfchen mit amöboider Beweglichkeit von '/«o Blutkörperchengrösse4) oder ebenso geartete Ringelchen. Als letztere

') In seiner letzten Arbeit hat Z. seine Ansicht geändert. Er ist zu der Annahme gelangt, dass die Theilung der heimischen Malaria- parasiten „am ehesten als amitotische bezw. direkte Kernvermehrung (Kernzerschnilrung nach 0. Hertwig) aufzufassen“ ist. Centralbl. für Bakt. u. Parasitk. Bel. XXI. S. 646.

’) l. c. S. 463 u. 463. *) F. Plchn 1. c. S. 14 u. 17.

4) A. Plehn, Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. Bd. I. S. 10 giebt an, dass der Geübte Jugendformen der Kameruner Malaria-Parasiten um Y«o Blutkörperchengrösse im frischen Präparat deutlich erkennen kann.

Digitized by Google

stellen sie sich regelmässig im gefärbten Präparate dar. Allmählich sich vergrössernd setzen sie nur sehr wenig oder gar kein Pigment an l). Das Pigment zieht sich schliesslich nach dem Centrum hin zusammen, es treten Streifungen auf, die den Parasitenleib in 6 10 Theile zerlegen. Diese Theile schnüren sich an einander ab, werden zu kleinsten runden oder ovalen Körperchen (Sporen) und diese dringen nun wieder in die rothen Blutscheiben ein. Die Angaben über die Dauer des Entwicklungsganges schwanken zwischen 12*) und 48 Stunden. Der Parasit füllt das rothe Blutkörperchen zur Zeit seiner Sporulation etwa zu */• */* aus*). Die von dieser Parasitenart befallenen Blutscheiben schrumpfen oft zusammen und zeigen sich häutig von mehreren Parasiten zugleich befallen. Die Sporulation findet vorwiegend in den Gefässen innerer Organe4) wie Gehirn, Milz und Darm6) sowie im Knochenmark statt, wie bereits die ersten Be- obachter6) fest stellten. Aber auch bei dieser Parasitenart werden grosse, endoglobuläre, piginentirte Formen, sehr ähnlich den Sphären der heimischen febris tertiana, aber ohne Kernkörper also sterile

*) Aus diesem Verhalten haben die Italiener eine Unterart constatirt: Den unpigmentirten Quotidianparasiten.

*) Dock 1. c. S. 9.

*) Von den Parasiten der Kameruner Malariafieber berichtet A. Plehn, Arch. f. Schiffs- u. Tropenhygiene Bd. I. S. 12. „Bei den kräftigen Schwarzen fand ich iin Milzblut zur Zeit des Anfalls rundliche, traubenförmige Gebilde, welche die Grösse eines Erythrocythen nicht ganz erreichten und von ihrem Wirth nichts mehr erkennen liessen. Sie dürften Sporulationsformen entsprechen . . . Typische Sporulations- fonnen, wie sie so vielfach beschrieben sind, fand ich nicht“.

4) Dieser Umstand erklärt, dass sich im Blute einige Stunden vor dem Anfall bis in das Froststadium hinein die Parasiten, sobald sie nur in einer Generation vorhanden sind, im peripherischen Blute vollständig fehlen können. Das Verschwinden der Parasiten beginnt, sobald sie '/« Blutkörperchengrösse erreicht haben. Das beobachtete A. Plehn bei den Kamerunern Malariaparasiten 1. c. S. 9 u. 12. Mit dieser Beobachtung lassen sich nachfolgende Sätze Bacelli’s. Studien über Malaria 1895 S. 95 u. folg, erklären.

„1. Es kann mit einem Male ein heftiges Fieber malarischer Natur auflreten, ohne dass es gelingt im Blute das Vorhandensein der pathogenen Mikroorganismen zu constatiren.

2. Findet man diese auch schliesslich, so können sie in so spärlicher Zahl vorhanden sein, dass gar kein C.onnex zwischen der geringen Quantität der endoglobulären Parasiten einerseits und der Schwere des Fiebers andererseits zu linden ist.

3. Im Beginn des Anfalles sieht man in den Blutkörperchen weder die sporenbildenden noch die neuen Formen, welche erst im weiteren Verlauf deutlich werden.

6) Marchiafava über die pernieiösen Fieber mit gastro-intesti- aler Lokalisation. Ref. im C.tbl. f. Bakt. Bd. XXI. S. 355.

•) C.ouncilman u. Abbot, Americ. Journal of med. etc. 1885 p. 419; Osler, The Britsh med. journ. 1887 p. 562; Dock 1. c. S. 18; Marchiafava

257

Formen beobachtet. Ziemann l) der diese Beobachtung bei einer typisch verlaufenden Kamerun-Quartana machte, nimmt an, dass diese Formen mit lebenskräftigen Formen der heimischen Parasilen verwechselt worden sind und dass daher die Angaben über so und so viel in den Tagen gesehene Fälle von Tertian-Quartan-Parasilen stammen.

Wie kommen nun aber die sogenannten Halbmonde zu Stande und wie sehen sie aus?

Ziemann’) beobachtete direkt unter dem Mikroskop, wie eine grosse endoglobuläre Form in einem Halbmond überging. ,,Mit einem plötzlichen Ruck schnellte sich der runde, mit beweglichem Pigment versehene Körper in die Breite. Es bildet sich die nierenförrnige Figur des Halbmondes, an der konkaven Seite überspannt von der schon oft beschriebenen, feinen, bogenförmigen Linie, die man als Rand des entfärbten rothen Blutkörperchens anffasst.“ Mannaberg ’) fasst die Halbmonde als durch Aneinanderlegen (Kopulation) in Form einer Pseudoconjugation zweier Parasiten entstanden auf und nennt sie desshalb Syzygien.

Die Halbmonde selbst sind kleine sichelförmige Körper mit abge- rundeten Enden von der zwei- bis dreifachen Länge eines rothen Blut- körperchens. Die beiden Enden (Pole) sind glänzender als die Milte und färben sich besser. Pigment findet man entweder in Kranzform in der Mitte oder über den ganzen Halbmondkörper zerstreut. Bewegungen zeigt der Halbmond nicht4). Manchmal findet man ihn frei in Blutplasma, manchmal ist aber seine concave Seite eine feine, bogenförmige Linie, der Rest der Umrandung des rothen Blutkörperchens, in dem er entstand, gespannt. Charakteristisch für ihn ist, dass er oft eine doppelte Kontur zeigt. Schon La voran ’) beobachtete, dass die Halb- monde sich in Spindeln. Ovale und Sphären verwandelten. Auch die Sphären haben eine doppelte Contur •) und diese doppelte Kontur unterscheidet sie von den Sphären, die wir bei den Tertian-Quartan- Parasiten finden. Kanalis ') bestätigt, dass die Sphären der Halbmond- reihe eine doppelte Kontur haben und behauptet, dass sie Sporen bilden.

und Celli Berlin Klin. W. 1890 S. 1011. Ferner beobachtete Danilewski an Reptilien, die mit Blutparasiten, ähnlich denjenigen der mensch- lichen Malariafiebor, inficirt waren, dass die Theilung dieser Parasiten ebenfalls in den inneren Organen vor sich ging namentlich im Knochenmark. Biolog. Kcntralbl. 1885 u. Centralbl. f. d. med. W. etc. 1880, vergl. auch Kruse: Über Blutparasiten. Virch. Arcli. Bd. 120 u. 121 u. Feletti u. Grassi : Parasit, malar. chez les oiscaux, Arch. ital. de biolog. 1890.

*) 1. c. S. 668.

*) 1. c. S. 664. ’) 1. c. S. 53. u. 57.

4) Nur Plehn, F. Aet. u. klin. Malairast. 1890 S. 24, beobachtete an ihnen träge Bewegungen : Streckung u. Beugung des Zellenleibes.

*) Arch. de med. experim. et de l'anatomie pathol. 188!). S. 813.

*) Wurde von Ziemann nicht beobachtet 1. c. S. 661.

’) Arch. ital. de biolog. 1890 S. 272.

Digitized by Google

258

Das ist aber in keiner Weise bestätigt worden. Andere Autoren l) betrachten die Halbmonde vielmehr als sterile Formen, während Mannaberg ’) glaubt, dass sie fortptlanzungsfähig seien, weil er eine Theilung der Halbmonde in zwei Schenkel beobachtete. Allgemein anerkannt ist die grosse Widerstandsfähigkeit dieser Formen gegen ('.hinin, ein Umstand, der schon von den ersten Autoren *) hervor- gehoben wurde.

Es bleibt nun noch eine Form zu erwähnen, die fast von allen Beobachtern gesehen, deren F.ntstehungsweise direct unter dem Mikroskop beobachtet worden ist, über deren Bedeutung aber noch völlige Unklarheit besteht. Diese Form ist die Geisselform. Sie wurde bei allen bis jetzt bekannten Parasitenarten gesehen und tindet sich für gewöhnlich im Verein mit den grossen endoglobulären Formen zur Zeit des Fieberanfalles oder kurz vor demselben. Wir haben es auch hier mit einem pigmentirten und nicht doppelt conturirten Protnplasmaklümpchcn von etwa Blutkörperchengrösse zu thun. Doch isl dasselbe mit 1—4 langen Geissein ausgestattet, die in der Mitte oder am Ende kolbige Anschwellungen haben und in lebhafter peitschender Bewegung begriffen sind. Sie lösen sich manchmal ab und fahren dann mit schlängelnden Bewegungen durch das Blutplasma hin. Lnveran 4) fasste diese abgeschnürten Geisselfäden als die eigentlichen fertigen Malariaparasiten auf. Die Entwicklung der Geisselform aus den grossen sphärischen Formen der Halbmondreihe beschreibt Manna- berg‘) folgendermaassen: ,,Das bisher ruhig daliegende runde Körperchen beginnt plötzlich von ganz intensiven, zuckenden Bewegungen befallen zu werden, welche dasselbe hin und her werfen und mit Einziehungen und Ausbuchtungen des Bandes verbunden sind; bald darauf stossen an verschiedenen Stellen des Saums mit grosser Energie handschuh- lingerartige Fortsätze hervor; die Fortsätze werden von der Membran des Körperchens gebildet, welche den andrängenden Geisselfäden eine Zeit lang (oft auch dauernd) widersteht, schliesslich aber einreisst, worauf die plumpen Fortsätze zurücksinken und aus ihnen lange, dünne Fäden hervorschiessen, welche lebhaft um sich herumpeilschen.“ Grassi und Feletti halten die Geisselformen für Involutionsformen, Damit licsse sich der Umstand vereinigen, dass Ziemann *) bei diesen Formen keinen Kern nachweisen konnte. Mannaberg T) hingegen nimmt an. dass die Geisselformen wegen der Häufigkeit ihres Vorkommens als obligate Attribute des in einem bestimmten Stadium der Entwickelung befindlichen Parasiten anzusehen sind und dass in den Geisselfäden Organe zu erblicken sind, welche die Anpassung der Parasiten an saprophytische Verhältnisse vermitteln. Da das Blut als Nährboden diesen jungen Saprophyten nicht zusagt, so sterben sie ab.

■) Dock 1. c. S. 25; Ziemann I. c. S. 664. *) 1. c. S. 47. A. Plehn 1. c. S. 16. *) Councilman. Fortsch. d. Med. 1888 S. 566; Dock I. c. S. 526; Laveran, Traite des fievres palustres S. 201 ; Marchiafava und Celli, Arch. ital. de biolog. 1890 p. 606; Laveran Traite des licvres palustres p. 495. *) 1. c. S. 168.

‘) 1. c. S. 61. •) 1. c. S. 667. *) 1. c. S. 63.

Digitized by Google

259

Aus dem Gesagten geht hervor, dass die 3 aufgeführten Para- sitenarten im Grossen und Ganzen gut charakterisirt sind. Ganz einwandfrei ist diese F.intheilung aber nicht, weil bis jetzt keiner der Parasiten in Reinkultur erhalten werden konnte. Da alle Züchtungs- versuche') misslungen sind, suchte man natürlich nach Krsatz- mitteln. Die Italiener versuchten es mit Impfungen , da ja Gehr- hard*) bereits 189 t gezeigt hatte, dass sich durch Überimpfung am Wechsclfieberblut bei Gesunden wieder Wechseltieber erzeugen liess.

Sie entnehmen Leuten, die an febris tertiana oder quartana litten und deren Blut Tertiana- und Quartanaparasiten enthielt, ■/« 1 ccm Blut und spritzten es gesunden Personen ein, die bis dahin nie malariakrank gewesen waren. Auf diese Weise konnten sic bei den geimpften wieder eine febris tertiana bezw. quartana erzeugen, und im Blute fanden sich dann dieselben Parasiten wie beim Stamm- imptling. Auch mit den kleinen halbmondbildenden Parasiten wurden Impfungen vorgenommen und bei den Impllingen dadurch ein unregel- mässiges Fieber mit den kleinen Parasitenformen hervorgerufen. Mannaberg *) stellt 18 Impfungen zusammen, bei denen 14 mal ein vollständiges Uebereinstimmen zwischen den Parasiten der Impfquelle und der Impflinge festzustellen war. In den beiden Fällen, in denen kein übereinstimmendes Resultat erzeugt wurde, war das Impfmaterial nicht einwandsfrei. (Es war nach Abimpfung von einer febris quar- tana unregelmässiges Fieber mit der kleinen Parasitenform entstanden.) Wie sich herausstellte, hatten aber die beiden Stammimpflinge früher bereits an verschiedenen Fieberformen gelitten, so dass cs also leicht

') Culturversuche mit Gelatine, Agar, Blut. Kochsalzlösung, Erd- boden aus Malariagegenden, Impfungen an Fröschen, Vögeln, selbst Alten sind bis jetzt ohne Erfolg geliehen. Einen Anfang zur Er- haltung von Reinkulturen scheint allerdings Rosenbach gemacht zu haben, der eine Vermehrung der Parasiten in Ascitesflüssigkeit, die mit dem parasitcnhaltigen Blute eines Malariakrankcn geimpft worden war, feststcllte. Leider konnte der Versuch nicht zu Ende geführt werden, weil das Gefäss, das die Cultur enthielt, durch einen unglücklichen Zufall zerbrach. Deutsch, med. W. 1890 S. 325.

Weiterhin giebt Rosenbach an, dass sich Malariaparasiten in Blutegeln, die er an Malariakranken hatte saugen lassen, einmal 24 Stunden, das andere Mal '18 Stunden lang lebend erhielten. Deutsch med. Woch. 1891 S. 835.

Bein, der Blutegel benutzte, um Malariablut zu Einspritzungen zu erhalten, giebt aber an, dass die Bewegungen der im Rlutegel befindlichen Parasiten schon nach 4 5 Stunden schwächer wurden und räth daher, das Blut nicht länger in den Egeln zu lassen, da sonst die Parasiten absterben. Bein 1. c. S. 17.

F. Plehn gelang cs, die Parasiten im frischen Blutpräparat zwischen Paraffinschichlen 24 St. lang lebend zu erhalten. Aet. u. klin. Malaria- stud. 1890 S. 18.

*) Zeitschr. f. Klin. Med. 188t S. 374.

*) 1. c. S. 66.

Digitized by Google

260

möglich war, dass von den früheren andersartigen Erkrankungen ver- einzelte Parasiten im Blute zurückgeblieben und im Impfling zur Ent- wicklung gekommen waren. Dr. Mattei's ■) Impfversuch zeigt aber, dass eine in wenigen Exemplaren vorhandene Parasitenart eine gleichzeitig im Blute vorhandene zahlreiche Parasitenart überwuchern kann, wenn sie auf einen anderen Nährboden übergeitnpfl werden. Dr. Mattei spritzte einem Manne, der an einer reinen febris quartana litt und bei dem trotz täglicher Untersuchungen nie andere als Quartana- parasiten gefunden worden waren, Blut von einem anderen Kranken ein. das nur Halbmonde und deren Jugendformen enthielt. Das Er- gebniss der Impfung war, dass aus dem Blute des Impflings die Ouartanaparasitcn fast völlig verschwanden und an ihre Stelle die Halbmonde und unregelmässiges Fieber traten. Die in der Minderzahl eingeführten halbmondbildendcn (kleinen) Parasiten verdrängen also die in ungeheurer Mehrzahl vorhandenen Ouartanaparasitcn.

Alle diese Untersuchungen und Versuche sprechen dafür, dass wir es wenigstens mit 3 Parasitenarten zu thun haben. Wie diese Parasiten im Thierreich einzuordnen sind, ist bis jetzt nicht klar. Die Ansichten darüber sind so verschieden, dass ich sie nicht anführen will. Nur eins steht fest, dass der von Marchiafava und Celli gewählte Namen „plasmodium malariae“ ■) der unpassendste ist, der gewählt werden konnte. Denn ein Plasmodium oder Syncytiurn nennt man eine Protoplasmamasse mit eingebeiteten Kernen, die nicht in bestimmte Zellenterritorien um die einzelnen Kerne abgegrenzt ist. „Diese Plas- modien oder Synzytien sind eben „Zellenagglomerate“ ; sie führen rückwärts durch die Stufe der vielkörnigen *) oder „Riesenzellen" zu den gewöhnlichen einkörnigen Elemcntarorganismen.

Wenn man sich die eben gegebene Beschreibung der Malariaparasiten vergegenwärtigt, so mag es scheinen, als könnte die Erkennung eines Malariafiebers keine Schwierig- keiten mehr machen. Mau braucht ja nur eine Blutprobe auf Parasiten hin zu durchmustern, und findet man welche, so ist die Diagnose auf Malariaficber zu stellen, beim Fehlen4) an Parasiten handelt es sich eben um eine andere Erkrankung. Dem ist aber nicht ganz so, denn das „Finden“ ist aus ver- schiedenen Gründen manchmal recht schwer. Auf den ersten Blick leicht erkennbar und mit nichts Anderem zu verwechseln sind nur die grossen pigmentirten, amöboid beweglichen

■) Citirt nach Mannaberg.

*) Fortschr. d. Med. 1885 S. 790.

*) Waldeyer, Die neueren Ansichten über den Bau und das Wesen der Zelle. Deutsch, med. Woch. 1895 S. 709.

4) Sobald Chinin gegeben ist, verschwinden die Parasiten mit Ausnahme der Halbmonde im Laufe der nächsten 24 Stunden aus dem peripherischen Blute. Vergl. auch Anmerk. 2 auf S. 12.

Digitized by Google

261

Formen der heimischen Tertian-Quartan-Parasiten und die Geissei- und Halbmondformen. Schon schwieriger ist die Unterscheidung zwischen den ersten, pigmentlosen, amöboiden Formen der heimischen Parasiten und den scheinbare Pul- sation zeigenden Vacuolen der rothen Blutscheiben. Und doch ist, wie wir später sehen werden, ein Erkennen jugend- licher Parasitenformen unter Umständen sehr wichtig. Weit schwieriger gestaltet sich aber das Auffinden der kleinen (halbmondbildendeu), ringförmigen Parasiten der tropischen Malariafieber. Denn einmal sind sie für gewöhnlich nur spärlich im Fiugerblut vertreten und zweitens im frischen Präparate wegen ihrer ausserordentlichen Feinheit leicht zu übersehen. Dazu kommt, dass sie für gewöhnlich gar kein oder nur sehr spärliches Pigment haben, dass die sie be- gleitenden, gut erkennbaren Halbmonde unter Umständen nur in vereinzelten Exemplareu vorhanden sind, nicht in’s Gesichtsfeld kommen und daher nicht gefunden werden. Dann ist leicht der falsche Schluss gezogen, dass es sich nicht um Malariafieber handelt, und wenn dann die längere klinische Beobachtung und der Erfolg einer Chiuinbehandlung lehren, dass es sich doch um Wechselfieber gehandelt hat, so wird von dem betreffenden Beobachter die Brauchbarkeit der Blutuntersuchung herabgesetzt, weil sie zu schwierig auszu- führen und zu unsicher in ihrem Resultate sei. Oder sie wird ganz aufgegeben, weil sie nach Meinung des Unter- suchers doch nicht im Stande ist, den vielgestaltigen Er- scheinungen des Tropenfiebers gegenüber zu einer sicheren Diagnose zu verhelfen. Der Betrachtende wird sich dann wundern, dass Laveran einmal schreiben konnte : „Tous les müdecins, qui ont exered daus les pays palustres, savent, (ju’il est souvent tres difficile, pour ne pas dire impossiblc, d’affirmer, si tel malade qui presente d’aillieurs des symptomes tres graves, reclamant imperieusemeut une interveution active, est ou n’est pas sous l’infiuence du paludisme. L’examcn histologiqne du sang . . . permet seul d’arriver rapidement ä porter nn diagnostic precis ')“, oder dass Councilman 2) den Ausspruch thun konnte: „Der Werth dieser diagnostischen Methode ist für uns nur dem des Tuberkel-Bacillus nachzu-

*) Laveran, Traite des liövres palustres 18KI p. XII.

’) Fortschr. d. Med. 1885 S. 505. ,

Archiv 1 Sehiffi- u. Tropfluhygiene. 10

Digitized by Google

262

setzen“ *) und dass ihm so viele andere Autoren darin bei- stimmen konnten, obgleich die älteren Aerzte auch ohne Malariaparasiten die Differentialdiagnose zwischen tropischen Malariafiebern und anderen fieberhaften Erkrankungen gestellt hatten. Das mag ja sein. Aber die Blutuntersuchung ist der klinischen Untersuchung desshalb bei weitem überlegen, weil sie ein rasches Stellen der Diagnose erlaubt. Es müssen allerdings die nachstehend aufgestellten Forderungen vom Untersucher erfüllt werden.

Zunächst heisst es hier ebenso wie überall in der Medicin nicht nur sehen, sondern oft sehen und unter- suchen. Zweitens sind gewisse YTorkenntnisse unbedingt er- forderlich, wenn brauchbare Resultate erhalten werden sollen. Der Untersucher muss die Histologie de3 normalen Blutes kennen. Kenntnisse in dieser Beziehung lassen sich ja bei uns an jeder Universität erwerben. Etwas anders steht es mit dem ersten Punkt. Ein Fall von tropischem, ja selbst einheimischem Malariafieber ist eine rara avis in unseren deutschen Universitätskliniken. Unsere jungen Arzte, die in die Colouien oder an Bord eines Schiffes gehen, sind also meist auf Bücher und Abbildungen von Malariaparasiten angewiesen, wenn sie sich über die tropischen Malariafieber orientiren wollen. Es giebt ja nun eine Menge Abhandlungen, die sich lediglich mit dem in Frage stehenden Gegenstand beschäftigen und denen theilweise recht gute Abbildungen beigegeben sind. Aber diese Abbildungen haben alle ein und denselben Fehler. Um die feineren Strukturverhältnisse der Parasiten darstellen zu können, sind sie zu gross gezeichnet und die Photographien bei zu starker Vergrösserung aof- genommen. Dadurch werdeu falsche Vorstellungen erweckt. Es will dem Anfänger rein unmöglich scheinen, dass er Gebilde von solcher Deutlichkeit selbst bei schwäscherer Vergrösserung übersehen könnte. Sucht er diese Parasiten- riesen nun mit einem System von l/it Immersion und Oculnr 1, so erkennt er etwa vorhandene Parasiten nicht, namentlich wenn er seine ersten Untersuchungen an frischen Blutpräpnrateu tropischer Malariafieber macht. Denu diese

*) Jancso u. Rosenberger I. e. S. 512: „Eine Malaria maligna verursacht durch die llalhmoudgruppe kann ohne eine längere Krankenbeobachtung überhaupt uur mit Hülfe des Blutbefundes gani bestimmt diagnosticirt werden.

Digitized by Google

263

Parasitenformen sind für den Anfänger sobald Halbmonde fehlen ausserordentlich schwer zu finden. Dazu kommt, dass sie sehr spärlich sind oder zeitweise trotz hohen Fiebers ganz fehlen können. Ich rathe daher jedem, sieh Präparate von tropischen Malariafiebern in Nafura auzusehen, ehe er eigene Untersuchungen im Auslande macht, damit er eine richtige Vorstellung von der Feinheit der tropischen Formen bekommt.

(Fortsetzung folgt.)

11. Besprechungen und Literatur- angaben.

a. Hygiene and Physiologie.

lieber den Gaswechsel der Tropenbewohner, speziell mit Bezug auf die F'rage von der chemischen Wärmeregu- lirung. Von Dr. C. Eykman aus Batavia. Separat-Abdruek aus dem Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. IH.

Wie neuere Versuche ergeben haben, findet beim Menschen eine reflektorisch-chemische Wärmeregulation nicht statt. Indessen war dadurch noch nicht ausgeschlossen, dass vielleicht eine fort- dauernde Ursache für verminderte Wärmeverluste, wie sie in der heissen feurhten Tropenluft gegeben ist, doch eine Abnahme der Wärmeproduktion nach sich ziehen könnte.

Früher von E. ausgeführte Stoffwechselversuche haben gezeigt, dass der Europäer in den Tropen ungefähr die gleiche Kalorieenmenge producirt, wie in F.uropa (bei gleichem Körpergewicht und gleicher Anstrengung). Daraus wurde geschlossen, dass sich eine regulatori- srlie Herabsetzung der Wärmebildung beim europäischen Tropen- bewohncr nicht nachweisen lässt. Ehen so wenig konnte man hei den Malaycn auf das Bestehen einer chemischen Wärmeregulimng schliessen.

Die hier vorliegende Arbeit E.s’ scheint diesen Schluss zu bestätigen.

Zum ersten Male wird in dieser Arbeit der respiratorische Gaswechsel des Tropenbewohners (des Europäers und des Malayen) untersucht. Da sich E. hierzu des Zuntz-Gepperl'schen Apparates bediente, so konnte er seine Besultatc mit den in Europa mit dem- selben Apparate erhaltenen wohl vergleichen. Immer war die Ver- suchsperson nüchtern und in Ruhe.

19*

Digitized by Google

264

Es stellten sich nun so geringe Differenzen im Sauerstoffver- brauch heraus, dass sich der Tropenbewohner auch hierin vom Europäer nicht unterscheidet, dass also auch aus diesem Gesichts- punkte auf eine verminderte Wärmebildung nicht zu schliessen ist

Victor Lehmann.

b. Pathologie and Therapie.

Pest.

Nach amtlichen Berichten und Zeitungsnachrichten nimmt die Pest in Indien zwar an den alten Seuchenheerden beständig ab, hat sich jedoch in den Bezirken Bulsar. Kurla, Bhiwedi. Bassein. Rewdanda und Mandwi und in portugiesisch Indien weiter verbreitet mit einer Sterblichkeit von 75— 90°/«- In China ist die Seuche in der Nähe von Kanton aufgetreten sowie in der portugiesischen Kolonie Macao. Die Berichte von Formosa zeigen zwar niedrige Erkrankungsziffern, aber eine hohe Mortalität (90 10»>0/0).

In Djeddah. dem Hafenorte Mekka's, erkrankte und starb Anfangs Juni ein auf dem Landwege aus Yemen kommender Pilger, bald mehrten sich die Fälle, und vom 5. 27. Juni sind im Ganzen 51 Todesfälle zur Anzeige gekommen. Im Lazarcth von El Tör wurden zwei Erkrankungen unter den in Djeddah eingeschifften Pilgern an Bord eines ägyptischen Dampfers festgcstellt.

Infolge dessen beschloss der internationale Gesundheitsrat in Constantinopel die gänzliche Sperrung der Strasse von Djeddah nach Mekka, die baldige Räumung ersterer Stadt von fremden Pilgern und eine 1-ltägige Quarantäne in Kamaran. Zur Sicherung Europas und Kleinasiens gegen Einschleppung der Krankheit durch die nordwärts wandernden Pilgerzüge sind Beobachtungsstationen in El Tör und Beinil eingerichtet worden. Der Verkehr im Suezkanal und an der Westküste des rothen Meeres wird durch ägyptische Kriegsschiffe überwacht werden. Marocco hat allen Passagieren welche nicht nachweisen können, dass sie die letzten zwei Monate vor der Ankunft in einem pestfreien Lande zugebracht oder eine europäische Quarantäne und Desinfektion durchgemacht haben, die Landung verboten. Der Gou- verneur von Deutschostafrika hat die für deutsche Häfen geltenden Vorschriften betreffend die gesundheitspolizeiliche Gontrolle der See- schiffe (siehe Heft 1 u. 2 dieser Zeitschrift und S. 133 und 145 14W der Veröffentl. des kais. Gesundheitsamts) in Kraft gesetzt. Die meisten europäischen Länder haben die zur Verhütung der F.in- schleppung der Pest aus Indien getroffenen Bestimmungen auf die Her- kiinfte aus arabischen Häfen ausgedehnt. Russland gestattet nach der Veröffentl. des kais. Gesundheitsamts. 1897 Nr. 23 die Einführung von Antipestserum seitens Privater nur dann, wenn eine Bescheinigung vorliegt, dass das Serum im Institut Pasteur zu Paris unter Aufsicht des Dr. Roux hergestellt worden ist. M.

Digitized by Google

265

Re m ark s on t he plague prophylactic fluid. By. W. M. Half kine.

British medical Journal. Nro. 1902. June 12. 1897. p. 1-161.

Nährbouillon wird mit dem Pastbacillus geimpft. Nach 2-1 bis -18 Stunden erscheinen inselförmige Flecken, von denen später nach unten hin ein Gewirr von stalaktitenartigen Körpern wächst. Diese werden in 1 bis 6 Tagen fest, lösen sich dann sammt den Inseln durch leichtes Schütteln ab und fallen zu Boden.

Auf Agar entstehen Involutionsformen. Die Bakterien schwellen stark auf, werden zu grossen rundlichen Körpern und verlieren mehr und mehr ihr Färbungsvermögen. Die Involutionsformen sind auch in den Geweben gefunden worden.

Zur Gewinnung der immunisierenden Flüssigkeit werden die Pcstbacillen unter Zusatz von Butter gezüchtet. Nachdem die Kulturen sich entwickelt, werden die Mikroben durch einstündiges F.rhitzcn auf 70° C. getödtet. Es haben sich dann zwei Schichten gebildet: ein dickes weisses Sediment und eine klare Flüssigkeit. Ersteres be- wirkt örtliche Entzündung und Knotenbildung, letztere Allgemein- infektion mit starker Temperaturerhöhung. Zur Immunisierung wurde das Gemisch benutzt. Victor Lehmann.

Dr. Zabolotnjr : Über agglutinierende Eigenschaften des Menschenblutserums bei der Pest D. med. Woch. 1897 Nr. 27.

1. In der ersten Krankheitswoche agglutinierl das Serum nicht.

2. In der zweiten tritt bereits die Agglutination deutlicher auf

(1 : 10).

8. In der dritten und vierten Woche (Rcconvalescent) ist die Agglutination am stärksten ausgesprochen (1 : 50.)

4. Bei der Einwirkung eines agglutinierenden Serums treten beim Bacillus Kapseln auf.

5. Diese Angaben sind auf 40 Beobachtungskrankheitsfiille begründet.

6. Die Versuche werden auf Aden fortgesetzt, die sich als sehr empfindlich gegenüber der Pestinfeclion erwiesen haben.

7. Bei der Serumbehandlung der Pest beobachtet man eine deutliche

Phagocytose. K. Pfeiffer-Cassel.

Beri-Beri.

Neuere Litteratur über Beri-Beri-Krankheit.

Ref. Scheube, Greiz.

1. Karl Dnnbler, Die Beri-Beri-Krankheit. Wiener Klin. Rundsch. 1896. No. 40—12.

2. C. Eykinan, Polyneuritis by hoenderen. Nieuwe bydragen tot de aetiologie der ziekte. Jaarsverslag van het laboratorium voor pathologische anatomie en bakteriologie te Weltevreden over het jaar 1895. Batavia 1896. S. 72.

8. Cli. Firket, Sur un cas de bfribtfri. Breslau 1894.

4. Max Glogner, Über die klinischen Formen der Beri-Beri-Krank- heit. Yirch. Arch. 146. Bd. 1896. S. 129.

Digitized by Gopgle

266

5. Franz Kronec.ker, Einiges Tiber die Kake* in Japan. Cbl. f. d. med. Wissensch. 1895. No. ■40.

6. A. Messe et J. Hesterns, Contribution ü l'etude du BeriMri. Rev de med. XV. 1B9Ö. No. 12. S. 977.

7. Carl Weintraub, Ärztliche Erfahrungen über die ..Ueriberi", eine Krankheit der tropischen und subtropischen Gegenden. Wiener Klinik XXII. Oct. Nov. 18%.

Düublcr (1) u. Weintraub (7) geben in den Arbeiten eine zu- sammenfassende Darstellung der Reriberi. Unter Zugrundelegung eigener klinischer und anatomischer Beobachtungen über Ätiologie. Symptomatologie, pathologische Anatomie und Therapie dieser Krankheit sich verbreitend, entwickelt ersterer seine Ansicht über dieselbe, welche sich in allen wesentlichen Punkten mit der Anschauung des Reterenten deckt. Mit besonderem Nachdrucke wendet er sich gegen die Annahme, dass Reriberi mit Malaria identisch oder erstere eine Abart der letzteren sei, und bespricht eingehend die Unterschiede zwischen beiden Krankheiten.

Durch Dilubler's Arbeit erhält der Leser einen Überblick Tiber den gegenwärtigen Stand unserer Kenntniss der Beriberi, dieselbe ist durchaus zeitgemäss. Das Gleiche lässt sich nicht von Wein* trauh’s Abhandlung behaupten. Für Verfasser scheint vielmehr die Litteratur der letzten 14 Jahre grösstentheils nicht zu existiren, sodass man bei der Lectüre derselben unwillkürlich immer wieder veranlasst wird, auf das Titelblatt der Broschüre zu sehen, um sich davon zu überzeugen, dass sie wirklich die Jahreszahl 18% trägt. Nach Wein* traub „sind wir bisher noch nicht in der Lage, für die bei der Beri- berierkrankung zu Tage tretenden Störungen der Sensibilität und Motilität eine positive Ursache naehweisen zu können und bleiben somit alle Erklärungsarten in Betreff der Affection der peripheren Nerven hypothetischer Natur“, und am Schlüsse spricht derselbe die Erwartung aus, dass es dem „vor nicht langer Zeit“ vor der nieder- ländischen Regierung zur Besprechung der Ursache der Beriberi entsandten Prof. Pekellmrlug gelingen werde, den Beriberi-Coccus aufzufinden.

Die Behandlung von Pekelharing u. Winkler nach Nieder- lündiscli-lndien erfolgte bekanntlich im Jahre 1886, und die Ergebnisse ihrer Untersuchungen veröffentlichten dieselben 1887 und 1888. Sapienti sat!

Während in den Arbeiten Dänhler’s und WcintranVs wesentlich neue Gesichtspunkte nicht enthalten sind, ist dies entschieden in Glognor's (4) Aufsatz der Fall, in welchem dieser auf die Betheiiigung der Gcfii ss nerven bei der Beri-Beri, welche bisher noch nicht die gebührende Berücksichtigung gefunden habe, hinweist. Verfasser verglich die Hauttemperatur (Winteruitz'sches Hautthermometcr' an verschiedenen Körperstellen (Vorderfläche der Unterschenkel, der Vorderarme, 1 cm. über dem Nabel) sowie die Achsel- u. Aftertcmperahir bei Gesunden und Beriberikranken etc., und fand bei Ersteren die llaut- temperatur durchschnittlich erhöht, auch ohne dass Pulsbeschlcuni- gung vorhanden war, was für das Bestehen von Gefässlälunungen

Digitized by Google

267

in der Haut oder den unter dieser liegenden Muskeln spricht. Einige Male nachweisbares abnormes Verhalten der Aftertemperatur deutet auf Gefässveränderungen in den Unterleibsorgancn hin. Die hei Beriberi vorkommende vorübergehende Dyspnoe bei kräftiger Herzaction und ohne Pause der Athmungsmuskeln wird auf GefiUsslörungen im kleinen Kreisläufe (Reiz- oder Lähmungszustände), welche eine er- höhte Füllung u. Spannung derselben sowie r'no Dehnung der An- fangst heile der Pulmonalis in H Fällen in derLeirhe nachgewiesen zur Folge haben, zurückgeführt, desgleichen Hypertrophie, Dilatation des rechten Herzens. Accentuation des 2. Pulmonaltons, systolisches Geräusch am Pulmonalostium. Endstadien der acuten pernieiösen Form, wenigstens in einem Thcile der Fälle. Nur in 8 von 24 aus der Litteratur zusammengestellten Fällen wurde der linke Ventrikel in Dia- stole stark mit Blut gefüllt gefunden, wie es bei an Herzparalyse erfolgtem Tode der Fall sein müsse. Mit pathologischen Vorgängen an Gefässen werden ferner noch in Beziehung gebracht Verminderung der Harnmenge, ungleiche Yerthcilung des Blutes in den Organen (z. B. Blässe der einen Niere oder Lunge bei Blutungen der anderen) Hypertrophie des linken Ventrikels (in Folge von Gefässlähmungen im grossen Kreisläufe). Glogner scheint es demnach berechtigt, eine eigene vasomotorische Form der Beriberi neben einer motorischen und gemischten zu unterscheiden. Die Ansicht, dass des Verfassers Eintheilung. vor den bisher gegebenen Vorzüge in prognostischer und therapeutischer Beziehung habe, kann Referent nicht theilcn, da in Ulogner’i vasomotorischer Form ebenso die rudimentäre als die acute pernieiöse des Referenten untergebracht werden müsste, im (ihrigen sieht aber dieser in Ulognn’s Ausführungen eine glückliche Er- klärungsweise für manche bisher noch dunkle Erscheinungen im Kreisläufe.

Die beiden Mitteilungen von Flrket (3) u. Musst1 u. Destaras (6) sind casuistischer Natur. Beide Fälle betrafen Europäer, welche am fiongo bezw. Senegal erkrankten u. nach Europa zurückgekehrt in Lüttich bezw. Toulon zur Beobachtung kamen. Letzterer war durch das Auftreten doppelseitiger Neuritis optica, einer bisher höchst selten bei Beriberi beobachteten Erscheinung, ausgezeichnet; der Patient verlor in den ersten Krankheitstagen noch das Sehvermögen, welches während der Genesung allmählich ziiriickkehrte. Firket wirft wieder einmal die Frage auf, ob nicht Malaria u. Beriberi dieselbe Krankheit seien, indem der nämliche Krankheitserreger das eine Mal in Blute, das andere Mal in den Nerven sich lokalisire ! Mossf u. Deslaras benutzten den Fall zu verschiedenen Blut- und Harnuntersuchungen. Im Blute fanden sie keine Mikroorganismen und was den Harn betrifft, so war die Ausscheidung des Harnstoffs und der Phosphorsäure ver- mindert, aber das Verhältnis zwischen beiden erhöht, während die Ausscheidung der Chloride keine Veränderung erfahren hatte. Ver- fasser bestätigen also die vor 15 Jahren veröffentlichten Untersuchungen des Referenten, ln Folge des herabgesetzten Stoffwechsels war die Acidität des Harnes vermindert (zu Beginn der Erkrankung mag dieselbe wie bei anderen Infektionskrankheiten erhöht sein). Auf

Digitized by Google

268

Grund der in Neu-Caledonien gemachten Beobachtungen sehen Ver- fasser die Beriberi für contagiüs an.

Die anscheinend während eines kurzen Aufenthaltes in Texas gemachten Notizen Kronecker’s (5) enthalten nichts Neues u. manches Unrichtige. Wie derselbe initteilt. sucht Balz die Erschlaffung der Gefässwände bei der ödematösen Form der Krankheit durch grosse Gaben von F.rgotin (0.0 pro dosi), die fortgesetzt werden, bis Intoxicationserscheinungen auftreten, zu bekämpfen. Bälz selbst erwähnt in seiner vor Kurzem (1896) erschienenen Bearbeitung der Beriberi in Bezold's u. Stintzing’s Handbuche der speciellen Therapie (V. Bd. VIII. Abth.) nichts hiervon.

Obwohl Eykmaun’s(2) Abhandlung sich nicht eigentlich mit der Beri- beri selbst beschäftigt, scheint mir doch ein Referat über dieselbe hier am Platz zu sein, da durch sie für die Prophylaxe und Therapie auch dieser Krankheit neue Perspectiven eröffnet werden. Im Weltevredener Labora- torium wurde bei mit gekochtem Reis gefütterten Hühnern eine an Beriberi erinnernde u. gleichfalls auf eine Polyneuritis zurückzuführende Krankheit beobachtet, indem bei denselben nach einer Incubation von S 4 Wochen zuerst eine Lähmung der Beine, dann der Flügel, schliesslich auch der Athmungsmuskeln eintrat und die Thiere so nach kurzer Zeit zu Grunde gingen. Diese Beobachtung gab Ey kman Ver- anlassung zu zahlreichen und vielfach variirlen Versuchen, deren Er- gebnisse kurz folgende waren : Nach Fütterung mit rohem Reise trat gleichfalls die Krankheit, wenn auch später, ein, u. auch durch Fütterung mit verschiedenen Stärkemehlresten konnte sie hervorgerufen werden. Verhütet wurde sie dagegen, wenn die Hühner mit ungeschälten oder halbgcschälten, rohem oder gekochtem Reise gefüttert wurden, oder wenn zu dem Reis bezw. Stärkemehle feine Reiskerne, (hauptsächlich aus den den Reiskörnern unmittelbar anliegenden Silberhäutchen be- stellend) weniger sicher, wenn grobe Reiskerne (aus einer Mischung der groben Schalen und der Silberhiiutchen bestehend) hinzugefügt wurden, und kranke Hüliner genasen, wie sie diese Nahrung erhielten. Hiernach muss es nach Verfasser das Silberhäutchen sein, welches sie sicher vor der Krankheit schützt u. diese heilt. Ausser bei Hühnern konnte die Krankheit experimentell auch bei Tauben erzeugt werden, nicht dagegen bei einer Eule. Meerschweinchen u. Affen. Eykman nimmt an, dass die Krankheit an die Anwesenheit von Amvlum gebunden ist. Aus diesem bildet sich wahrscheinlich im Kropfe der Hühner und Tauben, wo die Nahrung längere Zeit verweilt, ein Gift, welches die Polyneuritis hervoruft: bei Thieren ohne Kropf kommt die Krankheit nicht zur Entwickelung, ln der Schale des Reises, besonders im Silberhäutchen, ist ein Stoff enthalten, durch den das Gift direct oder indirect unschädlich gemacht w ird. Dieser Stoff findet sich, wenn auch in beträchtlich geringerer Menge, im Fleische, was daraus hervorgebt, dass kranke Thiere bei etwaiger Fütterung mit rohem mageren Fleische wieder genesen, derselbe muss daher wohl zu den normalen Bestand- tllellen iles Thierkörpers geboren.

Digitized by Google

269

Malaria.

Malaria in connexion with meteorological comlilions at Sierra Leone. The Laiieet. Nro. 3852. June 26. IS! 17. p. 1755.

Im ersten Jahre des Aufenthaltes an der Kiiste von Sierra Leone leiden die Soldaten am meisten am Fieher, weniger im zweiten, noch weniger im dritten Jahre. Die schwarzen Soldaten leiden weniger als die weissen. Die meisten Fälle kommen in der Mitte der Hegen- zeit, in den Monaten Juli und August, vor. Die relative Luft- feuchtigkeit seheint überhaupt um meisten das Auftreten der Malaria zu begünstigen.

Nach Mittheilungen und statistischen Tabellen des Surgeon- Major E. M. Wilson.

Victor Lehmann.

Zur Morphologie der Malariaparasilen. Von Dr. Hans Zinna ii ii. Marine-Stabsarzt. Mit 1 Tafel von Prof E. Zettnow. Abdruck aus dem Central!)!, f. Ltukter., Parasitenk. u. Infektionskr. Ud. XXI Nr. 17/1«.

Die Arbeit ist nach Verf. Angabe eine wesentliche Ergänzung seines Aufsatzes , .lieber Blutparasiten hei heimischer und tropischer Malaria“. Mit Hülfe seiner Färbemethode. die übrigens noch nicht mitgetheilt wird gelang es selbst in den jungen Parasiten scharf konturierte, meist rundliche Gebilde, z. Th. oder ganz umgeben von einer helleren achromatischen Zone zu erkennen. Diese Gebilde, die Verf. früher Kernkörper und Kern genannt hat, nennt er jetzt chromatische und achromatische Kernsubstanz. Finden sich 2 oder 3 Chromatin- klümpchen bei einem jungen Parasiten, so ist es wahrscheinlich, dass durch friihzeitge Abschnürung das ursprüngliche einfache Chromatin- klümpchen in 2 oder 3 Theile getheilt wurde. Hei der heimischen Tertiana fand sich die chromative Kernsubstanz ziemlich oft excentrisch gelegen, wie ohne Zusammenhang mit dem übrigen Parasitenleibc. Die Chromatinauflockerung beginnt unabhängig von der Pigment- bildung erst deutlich, wenn der Parasit */* oder ganz erwachsen ist. Die Pigmentbildung kann dabei sehr verschieden stark entwickelt sein. Einmal wurde ein vollständiger Mangel an Pigment bei einem Para- siten mit ziemlich vorgeschrittener Kerntheiiung beobachtet. Verf. macht auf diesen Punkt desshalb besonders aufmerksam, weil das Verhalten des Pigmentes differentialdiagnostisch zur Unterscheidung zwischen Tertiana- und Quartana-Parasiten benutzt worden ist. Das Chromatin der erwachsenen Parasiten färbt sieb nicht mehr so stark als das der jungen Formen. Das Chromatin, das im erwachsenen Parasiten für gewöhnlich in zahlreiche Klümpchen zerfällt, kann auch zuweilen in der Form eines nur äusserst wenig an der Peripherie und im Centrum aufgelockerten Klümpchens im erwachsenen Para- siten erscheinen.

Der Vorgang der Kerntheiiung selbst ist derartig, dass die Chromatinmasse sich in 3 Theile theilt und diese Theile sich weiter tkeilen bis verschieden viele bis zu 20 Stück rundliche oder

Digitized by Google

270

ovale Chromatinklünrpchen vorhanden sind, die sich nicht weiter theilen. Die Chromatinmasse scheint in einzelne Fäden zu zerfallen, die manchmal schleifenförmige Figuren bilden, die an die karyo- kinetischen Figuren erinnern. Es handelt sich aber nicht um k ar y o k i n e t i s c h e Theilung, sondern um eine als amito- tische bczw. direkte Kern vermehrung (Kernzerschnür- u n g nachO. Herlwig) aufzufassende Kerntheilung.

Die Entstehung der grossen sterilen Formen gebt nach der Dar- stellung des Verf. folgendermaassen vor sich. Die stark gefärbten aus dicht zusammenliegenden C.hromatinkörnchen bezw. kurzen krummen Fäden bestehende Chromatinsubstanz eines erwachsenen, pigroentirten. rundlich gewordenen Parasiten weicht auseinander. Das Chromatin wird äusserst feinbröckelig. schliesslich staubförmig, während seine Färbbarkeit gleichzeitig abnimmt. Die achromatische Substanz hält sich etwas länger, verschwindet aber schliesslich auch. Gleichzeitig nimmt die Färbbarkeit des Parasitenleibes ab und sein Volum zu Es kann an Grösse das Hfache eines rothen Blutkörperchens erreichen. Solche Formen haben im Durchschnitt auch mehr Pigment als die chromatinhaltigen. Nur solche Formen (sterile) werden von den Leu- koeyten aufgenommen. Also hätte eine Leukocytose künstlich hervor- gerufen zur Bekämpfung des Malariafiebers keine Aussicht auf Erfolg, weil die fortpllanzungsfähigen Formen dadurch nicht vernichtet würden-

Die Kamerun- Parasiten zeigen sich bald nach Eintritt des llilzestadiums als ganz junge Formen mit compaktem, rundlichem oder ovalem C.hromatinkorn. Die achromatische Zone war bald mehr bald weniger deutlich. Das f'.hromatinkorn kann sich an jeder Stelle des ringförmig erscheinenden Parasitenleibes finden. Es kann sich beim weiteren Wachsthum des Parasiten in die Länge strecken. Ein- schnürungen bekommen und entsprechend diesen Einschnürungen in Ü C.hromatinkörnchen zerfallen. Den häufigsten Befund stellen bei Para- siten mit 2 C.hromatinkörnern Hufeisenformen dar. deren Ende von je einem C.hromatinkorn eingenommen ist. Der wachsende Parasit zeigt durchschnittlich Kingform, schliesslich sammelt sich das Plasma an einer Stelle des Ringes noch mehr an. so dass Siegel ringformen entstehen. „Wie mit dem frühzeitigen Abschnürungen des Cbroma- tins, ergiebt sieb auch darin eine Parallele zu den entsprechenden Formen bei heimischer Tertiana, dass der Kern meist im Verlaufe der von der Hauptmasse des Parasitenleibes ausgehenden Halbringfigur liegt". Dazu kommt, dass sich die grossen Parasiten der Kameruner Malaria von gewissen kleineren, jüngeren Parasiten der heimischen Tertiana kaum oder gar nicht unterscheiden lassen. Doch will der Verf. aus diesen Befunden durchaus nicht auf eine Identität beider Formen schliessen.

Halbmonde und Ovale erklärt Verf. für sterile Formen, weil er trotz Anwendung, der sonst wirksamen Kernfärbung Chromatin bei ihnen nicht naclnveisen konnte. Dieser Befund erklärt allerdings noch nicht den Umstand, dass sich die genannten Formen so ausserordentlich widerstandsfähig gegen Chinin zeigen. Trotz ihrer Sterilität hält Verf. die Halbmonde durch den Ausdruck einer latenten Infektion und nimm!

Digitized by Google

271

an, dass in den inneren Organen fortpflanzungsfähige Parasiten vor- handen sind, selbst wenn im peripherischen Blut nur Halbmonde vor- handen sind. Er hält also auch in diesem Falle eine Chinintherapie für angezeigt, wenigstens an Bord, wo häutiger ein Klimawechsel stattlindet.

Zum Schluss verwahrt sich Verf. noch gegen den F.inwurf, dass er dadurch vielleicht einem Irrthum unterlegen sei, dass er unbewusst willkürlich Kerntheilungsliguren konstruirt und aneinander gereiht habe. Er sagt : „Die ganze Entwicklung der heimischen Tertiana- Parasiten ist an 2 ausgewählten Präparaten dargelcgt worden. Aus dem einen derselben, welches bei Beginn des Froststadiums einer heimischen Tertiana duplicata entnommen war, liess sich allein die ganze Entwicklung zeigen.

Das 2. Präparat . . . sollte hauptsächlich zur Veranschaulichung der sterilen Formen dienen“.

Die vorstehende ausserordentlich sorgfältige alle Verhältnisse in Betracht ziehende und bis in die feinsten Einzelheiten gehende Arbeit würde sehr an Werth gewonnen haben, wenn sie mit brauch- baren Abbildungen versehen wäre. Die geringe Brauchbarkeit der Abbildungen heben die Verf. an verschiedenen Stellen selbst hervor. Pigment ist oft von Chromatin nicht zu unterscheiden ebenso wenig chromatinhaltige und chromatinlose Figuren (Fig. 2!t u. 30.) Da wo eine achromatische Zone sein soll, ist sie oft nicht zu erkennen, so dass man die Schilderung des Verf. nicht in Llebereinstimmung mit der Abbildung findet und nicht im Stande ist, das zu sehen, was man sehen sollte und möchte. Wenn nun auch der Name Zettnow dafür bürgt, dass die Originalphotographien tadellos und brauchbar sind, so erfiilten die Reproduktionen doch ihren Zweck nicht. Wenn man nun die grosse Mühe und den grossen Aufwand von Zeit und Geduld kennt, der nöthig ist. um brauchbare Mikrophotographien zu erhalten, so drängt sich die Erwägung auf, ob es nicht besser wäre in solchen Fällen die Kosten eines besseren Reproduktionsverfahrens nicht zu scheuen und die Anzahl der Abbildungen zu vermindern, damit auch die Reproduktion Brauchbares liefern kann. Es wäre dann dem Verf. und den Lesern gedient. Denn für eine etwaige Nachprüfung der Zieniann'schen Befunde sind die beigegebenen Figuren nicht zu ver- werthen.

Es wäre wünschenswert!), dass der Verf. seine Kernfärbungs- inelhodc bald veröffentlicht, damit eine Nachprüfung der obigen interes- santen Befunde stattfinden könnte.

Rüge (Kiel).

F. Burot ct M. A. I.egrand. Therapeutique du Paludisme.

Paris 1397, BailliAre u. Fils.

Die Verfasser, welche als französische Marineärzte reiche Er- fahrungen gesammelt haben, geben in dem 18t> Seilen starken Werke einen Leitfaden der Malariabchandlung. Alle Formen der Malaria werden besprochen und in klarer Weise die Therapie während des so verschiedenartigen Krankheitsverlaufs dargelegt. Gründliche und

Digitized by Google

272

anhaltende Cliininbehandlung in mittleren Dosen wird für alle Formen und zur Prophylaxe wann empfohlen. Nur bei grösseren Dosen als zwei Gramm hinnen 24 Stunden befürchten B. und L. Hämaturie, Lahyrinthhämorrhagien, Amblyopien u. s. w. Zu Gunsten der prä- ventiven Chinindarreichung führen sie zahlreiche Fälle eigener und fremder Beobachtung an und glauben durch dieselbe schwere Formen verhüten zu können. Die Möglichkeit, Hämoglobinurie hervorzurufen scheinen B. und L. nicht anzunehmen. Auf diesen Gebieten stehen sich noch die Ansichten der Beobachter schroff gegenüber. Referent behandelte 22 schwere hämoglobinurische Fieberfälle mit mittleren Chinindosen und hatte keinen Todesfall zu verzeichnen (siehe Mense, Hygienische und med. Beobachtungen vom Congo. Wien, klinische Rundschau 1897, No. H 7).

M.

Gelbfieber.

Etiologia y patogenia de la fiebre amarilla. Aetiologic und Pathogenie des gelben Fiebers. Vortrag gehalten an der Universität zu Montevideo am 10. Juni 1897 von Prof. Dr. J. Sanarelli. Vorsteher des Instituts für Experimentalhygiene. Auszug aus den Annalen der Universität, Abtheilung VIII.

Der überaus wichtige Vortrag bespricht zuerst die Symptoma- tologie und pathologische Anatomie des gelben Fiebers und kommt zu dem Ergebnisse, dass keine wirklich pathognomischc Läsion des gelben Fiebers bekannt sei, sondern dass dasselbe die wichtigsten pathologi- schen Veränderungen mit vielen anderen Infektionskrankheiten theile. Sanarelli stellt nun die grosse Frage, welches ist der Erreger eines so schweren und komplizierten Krankhcitsbildes, und glaubt auf Grund andauernder Studien die Frage beantworten zu können. Die Ansicht dass Gelbfieber eine Malariaform sei. ist für den Vortragenden längst ab- getlian. Die Schwierigkeit der Auffindung des Krankheitserregers, welche so viele Gelehrte vergeblich beschäftigt hat. besteht darin, dass in den meisten Fällen der Bakteriologe ein Chaos der verschiedensten Bakterien vorfindet. Sanarelli verdankt seine Entdeckung einem halle. wo dieses irreführende und schwer zu sichtende Gemisch von Bak- terien fehlte, und er den von ihm so benannten und als Gelbfiebercrreger betrachteten bacillus icteroidcs. in ziemlicher Reinheit antraf. Seine Beobachtungen sind theils auf der Quarantänestation Isla de Flores, theils in Bio do Janeiro gemacht. Der bacillus icteroides verschwindet oft in der Mischung von Mikroben aller Art, besonders Staphylokokken, Streptokokken und Colibacillen, welche den durch den genannten Krank- heitserreger geschädigten Organismus rasch erfüllen und den spezi- fischen Keim, welcher ihnen den Weg gebahnt hat, bald überwuchern. Hierzu kommt noch, dass der bacillus icteroides nicht im Verdauungs- kanal, wie man denselben am ehesten vermuthen sollte und bisher stets gesucht hat. sondern im Blut und in den Geweben gefunden werden kann. Nur in 68 Prozent der Fälle liess sich der Krankheits- erreger isolieren und zwar aus folgenden Gründen: Im Anfang der Krankheit vermehrt sich der spezifische Keim nur wenig, das von

Digitized by Google

273

demselben entwickelte Toxin ist von einer solcher Intensität, dass eine geringe Menge genügt, um das schwere Bild des Gelbfieberanfalls hervorzurufen. Ferner begünstigt das Krankheitsgift in aussergewöhn- lichein Masse die F.ntstehung sekundärer Infektionen verschiedenster Natur besonders in der Schleimhaut des Verdauungskanals und in der Leber. Der bacillus selbst bietet auf den ersten Blick nichts charak- teristisches. Es handelt sich um ein an den Enden abgerundetes Stäbchen von 2 bis 4 p Länge, meistens drei bis vier mal so lang als breit. Derselbe ist ziemlich polymorph und findet sich in den Kulturen paarweise, in den Geweben gruppenweise gelagert. Die Auffindung in den Geweben ist nur dann möglich, wenn der Tod nicht unter sekundärer Septicaemie eingetreten ist. Selbst in den günstigsten Fällen findet man den bacillus icteroides nur sehr spärlich in den Geweben. Trotzdem liess er sich bei sorgfältigem Suchen in kleinen Gruppen in den feinsten Gapillaren der Leber, Nieren u. s. w. nach- weisen. Das beste Mittel denselben und seine Neigung, sich in den kleinsten ßtutgefässen zu gruppieren, nachzuweisen besteht darin, dass man dem frischen Cadaver ein Stück Leber entnimmt, und dasselbe zwölf Stunden lang bei 37* Grad in den Brutschrank bringt. Hierdurch wird eine starke Vermehrung der bacilli hervorgerufen.

Der Gelbliebcrkeim lässt sich leicht auf den gewöhnlichen Nähr- boden vermehren, ln Plattenkulturen von gewöhnlicher Gelatine bilden sich rundliche durchscheinende körnige Kolonien, welche in den ersten drei bis vier Tagen wie Leukocythen aussehen. Nach und nach gra- nulirt die Kolonie mehr und es grenzt sich ein central oder peripher liegender undurchsichtiger Kern ab. Mit der Zeit werden die Kolonien selbst ganz undurchsichtig und verflüssigen die Gelatine nicht mehr.

Bei Streifenkulturen bilden sich glänzende undurchsichtige Tropfen, ähnlich .Milchtropfen, ln Fleischbrühe entwickelt sich der bacillus icteroides leicht, ohne Häutchen oder flockigen Niederschlag zu bilden, auf Blutserum dagegen wächst er nur unmerklich. Die Agar-Agarkultur bildet ein diagnostisches Hiilfsiniltel ersten Hanges, jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen. Wenn die Kolonien im Brutschrank bei 37° gezogen werden, so unter- scheiden sie sich kaum von vielen anderen Mikroben- kulturen, sie sind rundlich, grau, etwas irrisierend, durchscheinend, mit glatter Oberfläche und regelmässigen Rändern. Wenn man die Kolonien aber bei einer umgebenden Temperatur von 20 20® sich entwickeln lässt, so nehmen dieselben ein ganz anderes Aussehen an.

Sie erscheinen wie ebenso viele Milchtropfen, undurchsichtig, erhaben, mit perlmutterartigem Glanze. Wenn man also die Kulturen erst bei 37° 12 16 Stunden im Brutschrank hält und ebenso lange in die genannt niedere Temperatur bringt, so zeigt die Kolonie zu- zusammengesetzt aus einem flachen centralen durchscheinenden bläulichen Kern und einer undurchsichtigen erhabenen Umgebung, sodass das Bild eines Lacksicgels entsteht. Diese F.igenthüm- lichkeit genügt, um den bacillus icteroides binnen 24 Stunden von allen anderen Mikroben zu unterscheiden. Ausserdem bat er noch

Digitized by Google

274

folgende Eigenschaften : Er ist fakultativ anaerob, widersteht nicht der Färbung nach (irain. bringt Milchzucker unmerklich zur Gährung stärker Traubenzucker und Rohrzucker, ist aber nicht im Stande Milch zur Gerinnung zu bringen. Derselbe widersteht lange der Aus- trocknung, stirbt im Wasser bei HO» und wird in 7 Stunden ton Sonnenstrahlen getödtet. Im Meer was so r lebt er sehr lange.

Der Gelhfiebcrerrcgcr ist fiir die meisten Hausthiere pathogen, ln dieser Beziehung Übertritt! er fast alle anderen spezifischen Krank- heitskeime. Wenn auch Vögel seiner Wirkung nicht unterliegen, so haben sich doch alle Säugethiere. mit denen Sanarelli experirnentirte sehr empfänglich gezeigt. Infizierte xveisse Mäuse sterben nach 5 Tagen. Meerschweinchen nach 8— 12 Tagen. Letztere können auch auf respi- ratorischen Wege infiziert werden. Die überaus empfindlichen Ka- ninchen erlagen schon nach zwei Tagen bei Einführung des barillus icteroides in das Blut, bei anderweitiger Einverleibung nach 4—5 Tagen. Am deutlichsten zeigen sich die zahlreichen Symptome des Gelbfiebers beim Hunde, auch die pathologisch-anatomischen Verän- derungen entsprechen am meisten denen beim Menschen. Aden zeigen die Leberverfettung noch deutlicher, als man dieselbe beim Menschen findet. Wie beim Menschen endet bei Hund und AfTcn das bakterio- logische Krankheitsbild als Mischinfektion von vorwiegend Staphylo- kokken und Streptokokken. Auch Ziegen und Hammel sind gegen den Gelbfieberbaeillus empfindlich.

Das Gelbfieber wird also durch einen bestimmten, isolierbaren kultivierbaren und überimpfbaren Keim, den bacillus icteroides hervor- gerufen.

Bei cyklischem Verlauf der Krankheit ist er anfangs sehr spär- lich vorhanden und vermehrt sich erst nach 7 8 Tagen rasch und durchdringt unter heftiger Allgemeininfcktion den ganzen Organismus meistens begleitet von anderen Mikroben, welche wahrscheinlich dem Darmkanal entstammen. Wenn die Krankheit dagegen vorzeitig durch Septicaemie oder durch l'raemie tödtlich endet, so ist es oft schwer oder unmöglich den bacillus icteroides nachzuweisen. Diesen drei Möglichkeiten, Allgemeininfektion durch den spezifischen Erreger. Sep- ticaemie durch Mischinfektion, Urämie durch Nieren Verstopfung ent- sprechen die wichtigsten Symptome und anatomischen Läsionen. Die bekannteste Erscheinung des Gelbfiebers, das schwarze Erbrechen, ist unmittelbar durch die toxischen Eigenschaften der im Blute krei- senden Produkte des bacillus icteroides hervorgerufen, wobei di« durch den spezifischen Einfluss verfetteten Blutgefässe leicht reissen.

Das Gelbfiebergift, das Erzeugniss des Gelbfieberbaeillus, erhält man leicht durch Filtration einer 20— 26 Tage alten Fleischbriiheknltur des bacillus icteroides. das so erhaltene Toxin kann ungestraft auf 70* abgekühlt werden, wird aber durch Siedehitze bedeutend abgeschwächt. Bei den obengenannten Thierarten und beim Mensehen hat Sanarelli das Gelbfiebertoxin erprobt. Die kleinen Nager besonders zeigen sieb demselben gegenüber weniger empfindlich als bei den Versuchen mit dem lebenden Virus, der Hund dagegen zeigt bei intravenöser Einführung des Toxins dieselben Erscheinungen und anatomischen

Digitized by Google

275

Veränderungen wie bei Infektion mit dem bncillus selbst, Katzen sind gegen beide Formen resistenter, Ziegen zeigen mit Ausnahme des Erbrechens dieselben Erscheinungen wie Hunde und Menschen.

Ein Esel unterlag gleichfalls der Toxinwirkung. Pferde ebenfalls.

Was die Uebertragungsversuehe bei Menschen angeht, so waren dieselben schon wiederholt in Amerika gemacht worden, mit meistens gänzlich negativem Erfolge, weil man das Gift dort suchte, wo es am wenigsten gefunden wird, im Erbrochenen, Speichel, Magen- und Darm- inhalt. Sanarelli hat fünf Versuche der Uebertragung des Gelbfieber- toxins auf Menschen angestellt und zwar zwei unter subkutaner, drei unter intravenöser Injektion einer durch (’.hamberland-Filter gegebenen 15 20 Tage alten Fleischbrühekultur, welche zur Vorsicht durch Zu- satz einiger Tropfen Ameisensäure sterilisirt worden war. Das ganze komplizirte Krankheitsbild bis zum Gollaps erschien bei diesen Menschen vor den Augen des Experimentators. Im einzelnen werden diese Versuche in einer besonderen Arbeit dem- nächst veröffentlicht werden. Diese wie die Thierversuche ergeben, dass die charakteristischen Symptome und Läsionen beim Gelbfieber von den Erbrechen, Verfettung und Erweichung erregenden toxischen Sloffwechselproduktcn des bncillus icteroides herrühren, welche der Wirkung einiger Schlangengifte gleichen, ebenso wie die blutige Gastroenteritis, welche man oft als Aeusserung einer eliminierenden Kraft des Organismus angesehen hat. Die Sekundärinfektion durch verschiedene andere Mikroorganismen, welche den eigentlichen Krankheitserreger unterdrücken, kommt beim Gelbfieber nicht dem kranken Organismus zu Gute, sondern gefährdet denselben erst recht.

Die Uebertragung des Giftes muss auch auf athmosphärischetn Wege für möglich gehalten werden. Wenn Vera Gruz nach Ver- sorgung mit gutem Trinkwasser gelbfieberfrei wurde, so ist zu be- denken, dass die Anlage einer Wasserleitung wohl stets eine Ver- besserung der gesammten hygienischen Verhältnisse einerStadt bedeutet.

Noch ein anderes biologisches Phänomen, welches für die Epidemiologie des gelben Fiebers von grösster Bedeutung ist, verdient eingehende Betrachtung.

Während andere von Schiffen verschleppte Krankheiten, z. B. die Cholera, zwar rasch auftreten und alle für das spezifische Gift empfindlichen Personen an Bord befallen, dann aber geeigneten Mass- regeln bald weichen und erlöschen, haftet das Gelbfieber fest am Fahrzeug, in seinem Kiel- und Laderaum, in allen schlecht gelüfteten Winkeln besonders auf alten abgenuzten Schiffen. Ein Experiment über das Zusammenleben der Schimmelpilze mit den bacillus icteroides erklärt diese Thatsache. Bei gleichzeitiger Kultur auf Gelatinc- Platten schliesst sich das Wachsthum des bacillus icteroides der Ausdehnung des Myceliums an. Selbst wenn die Kulturen des Gclb- ficbererregers längere Zeit anscheinend steril gewesen waren, wird derselbe durch Uebertragung von Schimmelpilzen auf den Nährboden neues Leben eingehaucht, jedoch nur innerhalb einer das Mycelium eng umrahmenden Zone. Die Erscheinung ist offenbar ein Beispiel mikrobisehen Saprophytismus, wobei die Schimmelpilze dem parasi-

Digitized by Google

276

tischen bacillus icteroides den Nährboden bereiten lind wirft ein Licht auf tlie bisher rätselhaften Bedingungen der Einnistung des Gelbfiebers auf Schilfen. Die Langlebigkeit des bacillus icteroides im Meerwasser, sein Gedeihen in feuchtwarmer Umgebung kommen noch als weitere Momente hinzu, welche die Aetiologie der Gelbfieber-Epidemien und Endemien ergänzen l).

M.

Sonstige acnte Infectionnkrankheiten.

La Psittacosi. Znsamraenfassender Bericht über die Psit- tacos is, von Br. Filippo Rho, A nnali di medieina na vale. Juni 1897.

Unter Psittacosis versteht man eine infektiöse Allgemeinerkran- kung. welche vom Papagei auf den Menschen übertragen wird. Pie früher unbekannte Krankheit brach in Paris 1897 epidemisch aus, nachdem eine Sendung von 500 Papageien, von denen jedoch nur 200 lebend ankamen, von Buenos Ayres nach Paris versandt worden waren. Pie Seuche bildete in Paris zwei Heerde, deren Ausstrahlungen dem Verkauf der Papageien entsprachen. 50 Personen erkrankten an bösartiger Lungenentzündung, von denen ein Drittel starb.

Eine kleinere Epidemie wurde 1894 in Florenz beobachtet, eine andere im Februar d. J. in Genua. Letztere ging von zwei Papageien aus. ln der Familie, welche den einen beherbergte, erkrankten 4 Per- sonen. keine derselben starb, wohl aber eine andere von demselben Vogel gleichfalls angesteckte Person, welche dasselbe Stockwerk be- wohnte. Von dem zweiten Papagei ging eine kleine Hausepidemie von 4 Erkrankungen mit drei Todesfällen aus.

Bezüglich der Ätiologie der Psittacosis ist noch manches unklar. Der von Nocard entdeckte bacillus psittacoseos gleich dem bac. coli commun. wirkt aber schcjn in kleinsten Dosen tödtlich auf Mäuse. Meerschweinchen, Hühner und Kaninchen. Die Übertragung geschieht leicht durch Cberimpfung, ist jedoch auch auf anderem Wege möglich. Z. B. gesunde Papageien erkranken, wenn man Federn eines bereits an Psittacosis leidenden Vogels in ihren Käfig legt. Die Obduktion der infizierten Thiere ergibt in Milz. Loher und Nieren Reinkulturen des bac. Nocard. Beim Menschen hat sich dieser angebliche Krank- heitserreger erst einmal im Herzblute nachweisen lassen. Die Über- tragung auf Menschen geschieht meistens durch die Fütterung von Mund zu Schnabel und äussert sich meist als lokale Erkrankung mit diphtherischen Schleimhautflecken, Oedem und Infiltraten auf der Mund- und Rachenschleimhaut. F.s ist jedoch auch mittelbare An- steckung beobachtet worden und ein Fall von Ansteckung eines Arztes durch Psittacosis-Kranke.

Symptomatologie. Wenn keine Lokalerkrankungen beim Menschen auftreten. so beginnt die Krankheit nach einer Inkubationszeit

n Nach telegraphischen Zeitungsberichten soll S. mit dem von ihm mittelst der Kulturen des bac. icteroides hergestellten Heilserum günstige Erfolge erzielt haben. Bef.

Digitized by Google

277

von 8 12 Tagen in schleichender Weise mit Mattigkeit, Abgeschlagenheit und allgemeiner Schwäche mit Kopfschmerzen und Ziehen in den Gliedern und Gelenken. Durch das Auftreten typhöser Symptome, Stupor, Schlafsucht und Delirien von verschiedener Heftigkeit wird der Kranke ans Bett gefesselt.

Das Fieber steigt rapide an, oft schon am zweiten Tage bis ■10° C., bleibt unter geringen Morgenremmissioncn bis zum 15 20. Tage auf dieser Höhe, um dann in zwei bis drei Tagen abzufallen ohne die grossen Schwankungen in der Fieberkurve, wie sie beim typhösen Fieber beobachtet werden. Der Leib ist leicht druckempfind- lich, der Stuhl meistens angehalten, manchmal diarrhoisch. Die Milz ist immer geschwollen, die Leber unverändert. Sehr wichtig sind die Erscheinungen seitens der Athmungsorgane, dieselben ähneln denen der Pneumonie. Husten und Athemnot sind sehr ausgeprägt. Die Auskultation ergibt jedoch meistens nur feine bronchitische Hasselgeräusche, häufig findet man jedoch lobäre Pneumonie. Die Rekonvaleszenz ist langwierig. Je nach dem Vorwiegen der Symptome werden verschiedene Formen der Psittacosis beschrieben. Hei der DifTerenzialdiagnose kommt besonders Typhus abdominalis. T. recurrens und Influenza in Betracht. Anamnese und Verlauf und Blutuntersuchung sichern die Diagnose. Der pathologisch-anatomische Befund zeigt be- sonders lobäre Pneumonie. Die Milz ist vergrössert. erweicht und brüchig, Herz schlaff, Leber verfettet. Im Blute und den Organen Diplokokken und Streptokokken aber keinen bacill. Nocard, (mutatis mutandis wie beim Gelbfieber. Ref.) Die Behandlung ist symptomatisch, die Prophylaxe besteht in der Beobachtung gesunder, Tödtung kranker Papageien und Verbrennung oder Ausglühung der Käfige derselben.

M.

Parasitäre und Hautkrankheiten.

Filaria Loa. Mittheilung von Dr. Argyll Robertson in der Ophlhalmologiral Society. The I.ancet. Nr. 3852. June 26. 1897. p. 1744.

Es wird die Krankengeschichte einer Patientin in Old-Galabar rnitgetheilt, die bereits früher Filaria Loa beherbergt hatte.

Neben Schwellungen an den Armen bestand Jucken in den Augen. Die Bewegung eines Wurmes wurde hinter der Gonjunctiva gefühlt, ein Stück eines anderen konnte an der Hüfte herausgeholt werden. Später traten Übelkeit und Kopfschmerzen auf und bildete sich ein Allgemeinleiden heraus.

Ein Zwischenstadium der Filaria wurde in Sandflöhen und Muskiten gesucht, aber nicht gefunden.

In Blut, Exkreten, Speichel, Nasenschleim suchte man vergeblich nach Embryonen.

Victor Lehmann.

Archiv f. Schiff»- u. Trnpenhyifi» ne.

*20

Digitized by Google

278

Joseph, Dr. Max, in Berlin. Über Lepra. Zusammenfassender Bericht.

Seit meinem letzten Berichte in diesem Archiv (I Band 1. Heit) sind wiederum einige Lepraarbeiten erschienen, welche auf allgemeines Interesse Anspruch machen dürfen.

Über die Isolierung der Aussätzigen in Leproserieen berichtet Prof. Karl Dehio, Vice-Präses der Gesellschaft zur Bekämpfung der Lepra in Livland (Petersburger Med. Woch. Nr. 22 1897). Er hatte sich an Armauer Hansen um Mitteilung der einschlägigen, in Norwegen geltenden Gesetze und Bestimmungen gewandt. Da für Kussland und speciell für die baltischen Provinzen der Kampf gegen die Lepra erst begonnen hat. und dort die Meinungen über die einzuschlagenden Wege noch mehrfach auseinandergehen, so haben natürlich die in Norwegen gemachten Erfahrungen den grössten Wert. Das norwegische Gesetz räumt den Gesundheitskommissionen, welche die Leprösen zu beaufsichtigen haben, recht weitgehende Machtbefugnisse ein, und es kann sogar eine zwangsweise Internierung verfügt werden. Im Prinzip sollen nur solche Kranke zu Hause gepflegt werden dürfen, welche genügende Garantieen dafür bieten, dass sie daheim zweckent- sprechend isoliert werden. In der Praxis wird jedoch das Gesetz recht milde gehandhabt, so dass die zwangsweise Isolierung nur sehr selten ausgeübt wird. Offenbar geht das Hauptbestreben dahin, das Volk über die Gefahr der Ansteckungsmöglichkeit aufzuklären und dasselbe so zu erziehen, dass es sich freiwillig des Umganges mit Leprösen enthält. Die heutige Abnahme der Lepra in Norwegen beweist, dass dieses Ziel, wenn auch langsam, doch sicher erreicht wird. In Livland liegen aber die Verhältnisse etwas anders. Das Landvolk ist noch nicht darüber aufgeklärt, dass die Ausschliessung des Kranken aus dem allgemeinen Verkehr eine unbedingte Notwendigkeit ist. Pa freiwillig d. h. ohne äusseren Zwang, nur ausserordentlich wenige Individuen die Lepraasyle aufsuchen, so wird sich eine zwangsweise Internierung, welche auch nach dem bestehenden Gesetz durchführbar ist, für einzelne Individuen nicht umgehen lassen. Alsdann erhebt sich allerdings die weitere Frage, ob diese Leprösen auch zwangsweise zuriiekgehalten werden sollen oder nicht. Nach dieser Richtung beschränkte Dehio sich darauf, die Frage nur nach den praktischen Er- fahrungen zu beurteilen, welche in den livländisehen Leproserieen gemacht sind. Er ist der Ansicht, dass die Leproserieen zwar bestrebt sein sollen, diesen Unglücklichen ein erträgliches Leben zu ermöglichen, dass es aber nicht ihre Aufgabe sein kann, die Kranken wider deren Willen bei sich zurückzubehalten. Das Volk müsse über die Not- wendigkeit aufgeklärt werden, sich seiner aussätzigen Gemeindcglieder zu entledigen, und dazu veranlasst werden, von sich aus auf dieselben eine derartige Pression auszuüben, dass dieselben notgedrungen in die Aussatzhäuser gehen. Von grossem Interesse ist, dass Hansen die Lepra anaesthetica für weniger ansteckend hält als die tuberöse Form und dementsprechend mit dem anästhetischen Leprösen weniger streng verfährt als mit dem tuberösen.

Dass die Zahl der Leprösen in Livland eine ganz erhebliche ist.

Digitized by

Google

279

ersieht man aus einer Mitteilung Koppel's auf dem VI. (Kongresse russischer Ärzte in Kiew. (Monatsh. f. prakt. Dermatol. Rand XXIV No. 2, 16 Januar 1897). Danach sollen sich in Livland circa (KM), in Kurland 7(i und in Esthland 2(J Lepröse aufhalten. Einige bisher errichtete Asyle wirken ausserordentlich segensreich.

Die Untersuchungen von V. Klingm üller und K. Weber (Deutsche Med. Wochenschrift Nr. 8, 1807) haben Resultate ergeben, welche zum Teil von den bisher bekannten erheblich abweichen. In einem Falle von Lepra, der ein makulöses Exanthem und anästhetische Störungen zeigte, suchten dieselben die Frage zu entscheiden, auf welchem Wege die Leprabacillen den Körper verlassen. Ebenso wie früheren Forschern gelang ihnen der Nachweis der Rarillen im Rlute und in künstlich erzeugten Rlasen. Dagegen berichten sie als etwas Neues, dass in den oberflächlichen, von den Flecken abgekratzten Hautschuppen sich zahlreiche Haeillen fanden, von denen sie nicht sicher entscheiden konnten, ob dieselben innerhalb oder ausserhalb der Zellen lagen. Weiter konnten die Racillen auch in der Epidermis in genügender Anzahl nachgewiesen werden. Die Racillen lagen in der Epidermis meistens in der tieferen Schicht des Rete Malpighii. Ihre Lage war anscheinend nur intracellulär. Auffallend war, dass die in der Epidermis gelegenen Racillen im Gegensatz zu den in der (’.utis be- findlichen ausschliesslich solide Stäbchenformen waren. Im Schweisse gelang es den Verfassern ebenfalls Racillen nachzuweisen, so dass sie es für dringend geboten erachten, im Verkehr mit Leprösen vor- sichtig zu sein.

Johnston und Ja m ieso n (the Montreal Medical Journal, Jan. 1897) teilen drei sehr interessante Fälle mit, in welchen erst durch die bakteriologische Untersuchung die sichere Diagnose, ob Lepra oder nicht, festgesteflt wurde. In dem ersten Falle handelte es sich um einen 27 jährigen Chinesen, welcher früher niemals krank gewesen, moribund in das Spital gebracht wurde und nach wenigen Stunden verstarb. Hier fielen zahlreiche derbe Knoten auf, welche über einen Teil des Körpers (Gesicht, Extremitäten, Genitalien, besonders Glans penis) verteilt waren. Auch in der linken Epididymis befand sich ein ähnlicher Knoten und in allen diesen waren zahlreiche Leprabacillen. Auch bei einem Mulatten aus Westindien, welcher Kellner in einem Hotel zu Montreal war und welcher bis dahin immer auf Lues behandelt worden war, ergab erst die bakteriologische Untersuchung Aufschluss über die lepröse Natur der Hauterkrankung. Dagegen fiel in einem dritten Falle, bei einem Chinesen, die bakteriologische Untersuchung negativ aus. und die fortgesetzte Reobachtung entschied in der That, dass es sich hier um Psoriasis handelte.

E. Storch (Virchows Archiv 1-18 ter Hand 1897) berichtet über den anatomischen Befund bei einem für Deutschland endogenen Fall von Lepra tuberosa, welcher zugleich einen Beitrag zur Frage nach den Beziehungen zwischen Aussatz und Tuberkulose giebt. Ein Lepröser aus dem Kreise Memel, welcher lange Zeit in der Breslauer dermato- logischen Klinik behandelt war, kam daselbst zur Section. V. hat in äusserst sorgfältiger Weise den ganzen Körper auf das genauste studiert

20*

Digitized by Google

280

und die einschlägigen Fragen in Erwägung gezogen. Die Streitfrage zwischen Unna und Neisser über die Lage der Leprabacillen beantwortet er dahin, dass zwar die Mehrzahl der Bacillen intracellulär liegt, dass aber auch nicht in Zellen eingeschlossene Bacillen sowohl einzeln als auch in Gruppen gelegen angetroffen werden. Von besonderem Interesse ist die lepröse Erkrankung der Glans penis und des be- haarten Kopfes. Merkwürdig wrar die geringe Beteiligung der vis- ceralen Organe, nur Leber. Milz und Hoden waren afficiert, so dass V. nicht ansteht, eine absolute Immunität der inneren Organe gegenüber der Lepra zu behaupten. Besonders ausführlich beschäftigt sich Storch mit der Differentialdiagnose zwischen Lepra und Tuberkulose und gelangt hier zu der Anschauung, dass dieselben genetisch und histologisch wohl charakterisiert sind, dass aber zur Zeit weder die histologischen noch die bakteriologischen Untersuchungsmethoden ausreichen, um in jedem einzelnen Falle Zweifel bezüglich der Diagnose zu beseitigen. Daher lasse es sich betreffs eines Teiles der bei Leprösen vorkommenden visceralen Krankheitserscheinungen, welche vom rein histologischen Standpunkte aus allerdings der Tuberkulose zuzurcchnen sein würden, auch nicht entscheiden, welchem von beiden Infektionserregern sie ihr Dasein verdanken. Der Bacillus leprae findet sich in den Lepromen intracellulär in solcher Menge vor, dass gerade hierin ein schwerwiegender Unterschied gegenüber dem Tuberkelbacillus zu erblicken ist. Die bacillenhaltige Leprazelle Virchow's linde sich in allen sicher leprösen Herden und komme niemals im pathologischen Produkt irgend einer andern Krankheit vor. Dagegen ist die Riesenzelle, welche Hansen ausschliesslich dem Tuberkel zuerkennt, nur mit grosser Vorsicht zur Stellung der Diagnose in der einen oder anderen Richtung zu verwerten. In der Verkäsung besitzen wir ein für die Tuberkulose differentialdiagnostisch wichtiges Merkzeichen, doch ist auch ihr ein absoluter Wert nicht beizulegen.

Bei einem von Unna in dem Hamburger ärztlichen Vereine (Vereinsbeil. Nr. 2 der deutschen med. Wochenschrift 7. Januar 1897) vorgestellten leprösen Knaben aus Brasilien war es bemerkenswert, dass die Augenbrauen wohlerhalten waren, trotzdem in denselben kleine Cutislepromc sichtbar waren, was Unna als ein nicht so seltenes Vor- kommen hinstellt.

Was die Therapie der Lepra anbetrifft, so empfahl Unna im Hamburger ärztlichen Verein die Pyrogallolschmierkur. über eine neue serotherapeutische Behandlung der Lepra hatte auf dein zweiten Pan-amerkanischen Congress zu Mexico (November 1896.) Juan de Garras quilla berichtet. Nach diesem Berichte (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXIV Nr. 3, 1. Febr. 1897) wird einem Leprösen Blut entnommen, dasselbe defibriniert und das Serum getrennt Dieses Serum wird Pferden injiziert und mit dem von diesen Pferden gewonnenen Serum werden subkutane Injektionen den Leprösen appliciert. Über diese Garrasquillaserumkur hat Ashmead (New Orleans Medical und Surgical Journal, März 1897) eine Umfrage bei verschiedenen namhaften Lepraforschern veranstaltet. Das überein-

281

stimmende Ergebnis aller dieser Nachforschungen war, dass man höchst- wahrscheinlich noch über keine Erfolge der Kur berichten könne, man müsse weitere Untersuchungen abwarten,

Eine andere neue Behandlungsmethode der Lepra, die Über- tragung verdünnter C.ulturen des Erysipelkokkus auf Lepröse wird in Schweden unternommen. Schliesslich geben die ErkrankungszitTern aus dem europäischen Russland in den Veröffentlichungen des kaiserlichen Gesundheitsamtes 1897, Seite 213 No. IX. wohl am besten eine Anschauung über die Verbreitung der Lepra, wie sie sich von einem einzelnen Seuchenheerd aus entwickeln kann. Danach fanden sieh im Jahre 1888 nur 170, im Jahre 1889 schon 588 und im Jahre 1890 noch 491 Kranke vor.

In seinem Vortrage auf der 68. Versammlung deutscher Natur- forscher und Aerzte, Wiener klin. Rundschau 1897 No. 3—7, über medicinische und hygienische Beobachtungen aus dem Congogebiete bespricht Mense das Vorkommen der Lepra am Congo. Trotz izwei- jähriger fast täglicher Beobachtung und Behandlung einer grösseren Zahl von Leprösen konnte eine L'ebertragung weder beobachtet noch ermittelt werden. Neue Berichte vom Congo erwähnen die Leprösen am Stanley Pool nicht mehr, sodass man. da es sich bei den Aus- sätzigen von M. meistens um alte Kranke handelte, eine Abnahme der Seuche angenommen werden kann.

M.

Therapie der Haut- und Geschlechtskrankheiten nebst einer kurzen Kosmetik für Aerzte und Studircnde von l)r. Paul Tliimm, Leipzig 1896 Georg Thieine. 280 Seiten. Th. bespricht nur die Therapie bei genannten Krankheiten in gründlicher und klarer Weise. Das Werk ist besonders für den praktischen Arzt von Bedeutung, welcher die neuere dermatologische Methodik in ihren Einzelheiten kennen lernen will. Die Behandlung der einzelnen Krankheiten wird unter Berücksichtigung der Arzneimittellehre eingehend besprochen. Sycosis simplex ist therapeutisch etwas zu kurz gekommen, denn so einfach ist die Therapie dieses hartnäckigen Leidens doch wohl nicht.

M.

Chirurgie.

Mezzi di trasporto dei fcriti a bordo etposti dimedicatura in ternpo di combattimento, von Dr. Minuida. Annali di medicina navale, Mai 1897.

Die Transportmittel an Bord für Verwundete und die Verband- plätze während eines Seegefechts werden durch die Rücksicht auf die beschränkten Rauinverhältnisse und auf die Beweglichkeit der ge- sunden kämpfenden Mannschaft bestimmt. Die einfachste Beförderungs- weise des Verwundeten ist der Transport seitens eines Mannes auf den Armen oder, wie die Redaktion der Annali u. s. w. beifügt, in der Krankenträgerschürze von Coletti.

Von den mechanischen Mitteln zum Krankentransport ist die Tragbahre an Bord wenig anwendbar. Der horizontale Transport

Digitized by Google

282

geschieht bei den kurzen Entfernungen ebenso leicht auf den Armen, der vertikale ist wegen der Enge und Steilheit der Treppen in einer Bahre nicht möglich. Durch verschiedene Modifikationen hat man versucht, die Bahre brauchbar zu machen.

Hängematten in festem Rahmen haben in ihrer ältesten und einfachsten Form den Nachteil, dass der Verletzte darin rutscht Von den vielen Verbesserungen derselben ist der Cadre ä dossier der französischen Marine zu nennen, bei welchen nach Art eines Klapp- stuhls zwei Rahmen miteinander gelenkig verbunden sind. Dieses Transportmittel bildet den Übergang zu den Tragsitzen, welche für den senkrechten Transport von einem Ort zum andern am besten geeignet sind. Die deutsche Marine bedient sich der Sitze zur Be- förderung an Bord und der Bahren zur Ausschiffung. Die Engländer verwenden verschiedene Transportmittel je nach Bedarf der Ärzte beziehungsweise dem Typus der Schiffe.

Die einfache lose Hängematte, wie sie von den Seeleuten zum Schlafen benutzt wird, ist in verschiedener Richtung verändert worden, deren Eigenthümlichkeiten im Referat nicht angeführt werden können. Verfasser zieht die Tragsitze allen anderen Beförderungs- mitteln vor, schliesst sich aber der These Rho’s an. welcher die Selbstständigkeit der einzelnen Hiilfsposten gestützt auf die Selbst- ständigkeit der einzelnen SchifTskompartimente fordert. Die Einzel- heiten muss der Schiffstypus entscheiden, wie Miranda beispielsweise an dem Panzer „Ruggiero di Lauria“ erläutert.

M.

Allgemeine Werke.

Scheube, I)r., B., Die Krankheiten Länder.

(Fortsetzung.)

der warmen

Verfasser unterscheidet 4 Formen der Beri-Beri.

1. Die unvollkommen ausgebildete oder rudimentäre Form.

Der Beginn der Krankheit ist hier meist unmerklich. Häutig gehen dem Ausbruch der Krankheit katarrhalische Erscheinungen, wie Schnupfen, Luftröhren- oder Magen- Darmkatarrh voraus. Dann treten Mattigkeit und Schwere in den Unterschenkeln auf, begleitet von Spannung in dem Nacken beim Gehen. Gleichzeitig bemerken die Kranken eine geringe Herabsetzung der Empfindung an ihren Beinen. Dazu gesellt sich geringes Oedem der Unterschenkel, während sich die Abstumpfung des Gefühles auch auf andere Körperstellen ausdehnt. Dann tritt Herzklopfen auf. Doch kann dies auch das Anfangssymptom sein. Dabei ist das Allgemeinbefinden gestört und die Stimmung ge- drückt. Die objectiven Symptome sind: Verminderung der rohen Kraft in den Beinen und in geringerem Grad auch in den Armen, mehr oder minder ausgedehnte Hautanaesthesien leichtesten Grades, Empfindlichkeit einzelner Muskeln, besonders im Nacken auf Druck und gewisse später zu besprechende Veränderungen am Herzen. Die

283

Krankheitsdauer schwankt bei dieser Form zwischen einigen Tagen, und mehreren Monaten. Sie kann aber auch gleichsam habituell werden. Bisweilen tritt bei solchen Kranken jedes Mal in der warmen Jahreszeit eine Zunahme, in der kalten eine Abnahme aller Be- schwerden ein.

2. Oie atrophische Form.

Diese Form kann ebenso schleichend wie die vorige anfangen. Die Schwäche in den Armen und Beinen nimmt zu, so dass die Kranken nicht mehr gehen können, manchmal tritt die Lähmung schlagartig ein. Gewöhnlich ist sie auf Glieder und Itumpf beschränkt. Das Gesicht bleibt verschont. Die gelähmten Glieder sind sehr em- pfindlich und magern auf das Aeusserste ab. Oedeme und Herz- erkrankungen fehlen. Die Rekonvalescenz dauert bis zu einem Jahre und darüber. Komplicirt sich die Krankheit mit Schwindsucht, Typhus oder Ruhr, so tritt gewöhnlich der Tod ein.

3. Oie wassersüchtige oder hydropische hezrr. hvdropiscli- atrophische Form.

Diese Form unterscheidet sich von der vorhergehenden durch das Auftreten von Herzerscheinungen und serösen Ausschwitzungen. In einzelnen Fällen entwickelt sich dieselbe aus der atrophischen Form. Die Oedeme bleiben nicht auf die Unterschenkel beschränkt sondern verbreiten sich über einen grösseren oder kleineren Theil des Körpers. Dazu kommen Ergüsse in die serösen Höhlen. Herz- klopfen, Kurzathmigkeit, Beklemmung erreichen einen bedenklichen Grad. Die Harnausscheidung nimmt bedeutend ab. Die Heilung erfordert gegen % Jahr.

4. Oie akute pernlciüso oder kardiale Form.

Diese Form, welche mit Vorliebe junge, kräftige Leute befällt ist gekennzeichnet durch die Erscheinungen einer akut auftretenden Herzinsufficienz. Hier ist der ganze Krankheitsverlauf von Anfang an meist ein akuterer. Die Lähmung der Beine kann z. B. bereits nach einigen Tagen so hochgradig sein, dass die Kranken an's Bett gefesselt werden. Die Abnahme der Harnauscheidung ist schon frühzeitig be- trächtlich. Fliissigkeitsansammlungen im Herzbeutel und in den anderen serösen Höhlen sind gewöhnlich vorhanden, aber nicht so hochgradig als bei der hydropischen Form. Herzklopfen und Athem- noth nehmen stetig zu, der Zustand der Kranken wird immer fürchter- licher und trostloser. Es tritt Cyanose hinzu und unter den Erschein- ungen der Herzinsufficienz gehen die Kranken zu Grunde. Die Ana- lyse der einzelnen Krankheitserscheinungen muss im Original ein- gesehen werden. Es soll nur soviel erwähnt werden, dass Verf. die Herzinsuflicienz auf Entartung der n. vagi zurückführt. Fieber gehört nicht zu den konstanten Erscheinungen der Beri-Beri. Die Mortalität schwankt je von Ort und Zeit. Indessen beobachtet Verf. eine Sterblichkeit von 3,7%, nach Adriani betrug im niederländisch- indischen Heere die Sterblichkeit 6,3%, in Brasilien schwankte sic nach da Silva Lima zwischen 50,6 und 74, ö%.

Digitized by Google

284

Der Tod erfolgte in akuten Fällen meist durch Herzlähmung oder auch durch Lähmung des Zwerchfelles. In chronischen Fällen gehen die Kranken, namentlich wenn {Komplikationen mit Ruhr, Typhus oder Lungenschwindsucht vorliegen, an Erschöpfung zu Grunde. Die wichtigsten krankhaften Veränderungen zeigt das Nervensystem und zwar hauptsächlich die peripherischen Nerven.

Die Nerven zeigen mikroskopisch wie Verf. mit Bälz zuerst nachwies, eine mehr oder weniger starke degenerative Entzündung : Zerfall der Markscheide und auch des Axencylinders, Vermehrung der Kerne des Endoneurimus und unter dem Perineurium, be- sonders in der Umgebung von Gefässen, in chronischen Fällen schliesslich Zunahme des Bindegewebes. Am hochgradigsten erkrankt sind stets die Muskeläste. Die höchsten Grade beobachtet man in chronischen Fällen. Hand in Hand mit der degcnerativen Entzündung der Nerven geht eine solche der Muskeln. Am meisten erkrankt sind stets die Nackenmuskeln, Als beste Prophylaxe empfiehlt Verf. eine in jeder Beziehung gut durchgeführte Hygiene. Gebäude, an welchen das Krankheitsgift haftet, wie Kasernen, Gefängnisse, Kranken- häuser sind gründlich zu desinliciren.

In der Therapie ist bis jetzt ein specifisches Heilmittel un- bekannt. Von günstigem Einfiuss ist ein Klimawechsel oder eine See- reise. Aber schon eine Versetzung aus dem Beri-Beri-Bezirk in einen höher gelegenen Ort wirkt günstig.

Im Anfang der Krankheit werden salinische Abführmittel ge- rühmt Unentbehrlich aber ist die Digitalis, die nicht nur gegen das Herzklopfen, sondern auch gegen die Wassersucht gute Dienste leistet, ln akuten Fällen mit ausgeprägter Herzinsuflicienz gilt als letzte Zuflucht der Aderlass. In schweren Fällen ist Bettruhe unerlässlich. Als Diät ist eine leicht verdauliche kräftige Kost zu wählen. Gut ge- eignet ist wegen ihrer gleichzeitig harntreibenden Wirkung die Milch.

Beim Aussatz bespricht Verf. zunächst den Knote naussatz. Dieser beginnt gewöhnlich im Gesicht und an den Extremitäten in Gestalt von rothen, etwas erhabenen Flecken, die wieder verschwinden können oder aus denen sich dann die Lepra-Knoten entwickeln. Diese Knoten können erweichen . aufbreehen und zu schwachen Geschwüren mit schlechten Granulationen werden. Ist das Gesicht vorwiegend von der Knotenbildung befallen, so entsteht der als Satyriasis oder Leontiasis bczeichnete Gesichtsaudruck. Die Lepra-Knoten können auch die Schleimhäute und innern Organe befallen. Bemerkenswerth ist der Umstand, dass es im Verlaufe der Krankheit zu einer Atrophie der Hoden, bei Frauen zu Menstruationsstörungen und schliesslich zum Aufhören derselben kommt. Ebenso kommen häufig unter Fieberanfällen neue Knoteneruptionen vor.

Der N e r v e n a u s s a t z. Wie beim Knotenaussatz Prodromal- erscheinungen allgemeiner Natur voraus gehen, so auch bei dieser 2. Form. Nur dass sie sich hier ausser F'ieberanfällen vorwiegend auf nervösen Gebiet abspielen: Paraesthesien, lokale Hyperaesthesien, vasomotorische Störungen. Kongestionen nach dem Kopfe und Zuck- ungen der Gesichtsmuskeln. Es bilden sich bei dieser Form schub-

Digitized by Google

285

weise blass- oder dunkelrothe Flecke von der Grösse kleiner Münzen bald zuerst im Gesicht, im Nacken oder am Rumpfe. Während die Peripherie weiter wächst, verblasst das Centrum, ihre Oberfläche wird glatt, die Ränder rauh, leicht abschilfend. Im weiteren Verlaufe wurden die Flecke aschgrau bis schwarzbraun (Lepra nigra) oder sie können schliesslich wieder weiss werden (Lepra alba). Letztere Flecken können sich aber auch primär aus normaler Haut entwickeln. Es kann sich der Aussatz aber auch in Form von linsen- bis flachhand- grossen Blasen entwickeln, die dunkle pigmentirte oder wcissc anaes- thetische Flecke zurücklassen (Pemphigus leprosus). Aber auch ohne diese Flecken kommt es an umschriebenen Baustellen zu Anaesthesien. Diese beginnt gewöhnlich an der Peripherie und schreitet centralwärts fort. Die zu den ergriffenen Körpertheilen gehörigen Nerven sind oft spindelförmig oder knotig verdickt. Am häutigsten wird das am n. auricularis magnus und ulnaris beobachtet. Mit den sensibeln gehen auch motorische Störungen einher, bestehend in Lähmung und Atrophie der befallenen Muskeln. Durch Lähmungen der Gesichtsmuskeln können Oflenstehen des Mundes, Schlussunfähigkeit der Augenlider u. s. w. hervorgerufen werden. Die motorische Schwäche macht sich zuerst an den Händen bemerkbar. Nägel und Haare können ausfallen, namentlich die Augenbraunen fallen oft schon im Beginne der Krankheit aus. Es besteht Neigung zu Geschwürsbildung. Die Geschwüre greifen in die Tiefe und können durch Zerstörung der Gelenke zur Ahstossung einzelner Finger- und Zehenglieder führen (Lepra mutilans). Die Krankheit ist unheilbar, bei beiden Formen ist der Verlauf sehr lang- sam, beim Nervenaussatz rechnet man in Norwegen 18 19 Jahre, beim Knotenaussatz 8 9 Jahre, auf den Sandwichs-Inseln, wo die knotige Form vorherrscht hingegen nur 8 ß Jahre. Die leprösen Neu- bildungen gehören zu den Granulationsgeschwülsten. Die Flecke der anaesthetischen Form sind durch die gleiche Neubildung bedingt. Im übrigen handelt es sich beim Nervenaussatz um eine Erkrankung der Nerven, indem sich in diesen, und zwar in dem interstitiellen Binde- gewebe (Perineurium), die nämlichen Wucherungen wie in der Haut und den Schleimhäuten entwickeln.

Eine eingehende Besprechung widmet der Verf. der Aetiologie der Lepra und der Frage: ist die Lepra ansteckend oder nicht. Im ersten Teil wird ausführlich die Lage der Lepra-Bacillen erörtert und die einander gegenüberstehenden Ansichten von Unna und Neisser gegeben. Ganz ausserordentlich reichhaltig ist die Zahl der auf- geführten Beobachtungen und Beispiele, die dafür sprechen, dass die Lepra ansteckend ist. Verf. nimmt auch sehr mit Recht den Stand- punkt ein, dass die Lepra übertragbar ist. Er redet daher auch einer Absonderung der Lepra-Kranken, etwa in der Art, wie sie in Nor- wegen geschieht, das Wort.

Die Therapie hat sich bis jetzt leider machtlos erwiesen. Wir besitzen kein Heilmittel gegen die Lepra.

Unter Framboesia tropica versteht man eine in den Tropen endemisch vorkommende, kontagiöse, chronische, allgemeine Infektions- krankheit, welche durch das Auftreten von himbeerartigen Papeln auf

Digitized by Google

286

der Haut charakterisirt ist und einige Aehnlichkeit mit der Syphilis bat. Sie wird namentlich an der Westküste Afrika's, in Vorder- und Hinter- indien, im indischen Archipel auf einigen Inselgruppen der Siidsee in Westindien und an der Nordküste von Südamerika beobachtet.

Die Krankheit kann von Mensch zu Mensch übergeimpft werden. Die natürliche Übertragung findet durch Verletzungen der Kpidermis slalt. Die Inkubationsdauer scheint zwischen 8 Tagen und G Monaten zu schwanken. Schwarze werden häufiger befallen als Weisse.

Die Krankheit beginnt gewöhnlich oline Vorboten. Die eigent- liche Krankheit beginnt mit einer Papel, die etwa nach einer Woche zu nässen anfängt, nach einer weiteren Woche zu einem Geschwür wird, dem bald eine Kruption von Papeln über einen grösseren oder kleineren Theil des Körpers nachfolgt. Die Epidermis über den Papeln wird dünner, schliesslich durchbrochen und es kommt eine glänzend rothe, verrukös zerklüftete Oberfläche zum Vorschein, die in ihrem Aus- sehen an eine Himbeere *) erinnert. Dieselbe sondert eine serumartige Plilssigkeit ab. die in Krusten austrocknen und rupiaartige Beläge bilden kann. Die Papeln treten mit Vorliebe am Munde, an der Nase, an den Augen, im Nacken, an den Extremitäten, am After und den Geschlechtstheilen auf. während der Rumpf und die behaarte Kopf- haut seltner befallen werden. Die Zahl der Papeln kann sehr ver- schieden sein.

Im weiteren Verlaufe der Krankheit erblassen die Papeln und trocknen zu harten Borken ein, die schliesslich abfallen und Flecke hinterlassen, die bei Schwarzen heller, bei Weissen aber meist dunkler gefärbt sind als die Umgebung. Manchmal können sie auch geschwürig zerfallen und dann slrahlige Narben hinterlasscn. Die Dauer der Krankheit schwankt zwischen einigen Monaten und mehreren Jahren.

Anatomisch handelt es sich um eine chronische Dermatitis, die ihren Ausgang an der Papillarschicht nimmt und zur Bildung von Granulationsgeschwulsten führt.

Die Framboesia ist eine leichte von selbst heilende Krankheit. Nur bei gleichzeitig mit schweren konstitutionellen Leiden behafteten Kranken nimmt dieselbe manchmal einen ungünstigen Ausgang.

ln der Therapie spielt die Reinlichkeit die Hauptrolle.

Für eine Abart der Framboesia hält Verf. die Verruga peru- viana. Ref. kann dem nicht beitreten. Denn erstens ist es nicht einzuschen, wesshalb ein und dieselbe Krankheit einmal die Farbigen mit Vorliebe befallen soll, wie es die Framboesia thut. und das andere Mal nur die Weissen, wie die Verruga das thut. Ich habe im Hospital de Dios in Lima gegen 20 Verruga-Kranke gesehen. Alle bis auf einen machten einen geradezu bejammernswerthen Eindruck. Bedeckt am ganzen Körper von Geschwülsten, die zwischen der Grösse einer Erbse und eines halben Strausseneies schwankten, lagen sie in schwerem Fieber zum Theil bewusstlos da. Die grösseren Geschwülste waren alle zerfallen und machten den Eindruck von jauchenden Krebsmassen, ln dieser Weise gingen die Leute zu Grunde. Wer von der akuten

’) tramboise (daher der Name).

Digitized by Google

287

Form und das ist die gewöhnliche der Verruga befallen wird, gilt als verloren. Die Leute stammten sämmtlich aus dem berüch- tigten Thale Agua de Verrugas, das 70 km. von Lima entfernt ist und 1800 m über dem Meere liegt. Allgemein wird in Peru der Genuss des Wassers dieser Schlucht namentlich zur Zeit der Sehneeschmelzc als Erkrankungsursache angenommen. Wenn Verf. ferner annimmt, dass eine Komplikation mit Malaria die Verruga peruviana so schwer macht, so kann lief, dies auch nicht in dieser Allgemeinheit zugeben. Denn Ref. sah die Kranken im Ausgang des südlichen Winters, und im Winter giebt es in Peru keine Malaria, weder in der Ebene, noch in den Cordilleren. Das Fieber, an dem die Kranken litten war septisches Fieber.

Ein einziger der Kranken litt an der chronischen Form. Er zeigte nur vereinzelte, erbsengrosse Papillome, die sich von einer ge- wöhnlichen Warze nur durch ilire dunklere Pigmentirung unterschieden. Er war fieberfrei. Die Diagnose Verruga konnte bei ihm nur desshalb gestellt werden, weil er die der Verruga eigentümliche Lokalisation der Warzen auf der Bindehaut des Auges zeigte. Eine hochrothe, himbeerähnliche Farbe habe ich an keinem einzigen Papillana wahr- genommen.

Der Ponos vonSpetza und Hydra. Unter diesem Namen ist von Karamitsas und Stephanos eine auf zwei in der Nähe der Küste von Argolis gelegenen Inseln, Spetza und Hydra, endemisch herrschende, chronische, mit Fieber und beträchtlicher Milzschwellung einhergehende Krankheit, welche nur bei Kindern vorkommt und meist einen tödtlichen Ausgang nimmt, beschrieben worden. Auch auf den genannten Inseln tritt dieselbe jetzt verhältnissmässig selten auf. während sie früher viel häufiger gewesen ist. Der Name Ponos (Schmerz) stammt von der Druckempfindlichkeit der vergrösserten Milz her. Die Dauer der Krankheit beträgt manchmal 2— H Monate, für gewöhnlich 1 2 Jahre. Die Aetiologie ist dunkel. Es wurden nur Kinder in den ersten Lebensjahren befallen. Die Krankheit soll nichts mit Malaria gemein haben.

Mit dieser Schilderung schlicsst der erste Abschnitt des Buches ab. Da, wo der Verf. aus eigener Erfahrung spricht, schildert er vorzüglich: so z. B. den Verlauf der Beri-Beri. Da, wo es sich mehr um Darstellungen nach vorliegender Litteratur handelt, findet der Kcscr alle die hauptsächlichen Ansichten und Vorschläge zur Be- handlung in objektivster Weise berücksichtigt und neben einander gestellt. Zu kurz ist nach Ansicht des Ref. das Gelbfieber behandelt. Wenn man z. B. die ausführliche Darstellung des Streites gelesen hat: ist die Lepra ansteckend oder nicht, so erwartet man für eine so wichtige und gemeingefährliche Krankheit wie das Gelbfieber eine eingehendere Behandlung als ihr der Verf. hat zu Tlicit werden lassen. Es wäre wünschenswert!! gewesen, wenn das, was wir über den Infektionsmodus wissen, an einzelnen Beispielen erläutert worden wäre. Der eigenthümliche Umstand verdient Beachtung, dass das dicht über Rio de Janeiro gelegene Petropolis gegen Gelbfieber immun ist, während die vorgenannte Stadt stets von Epidemieen heimgesuchl

Digitized by Google

288

wird. Ferner ist der Umstand erwähnenswerth, dass eine Ansteckung mit Gelbfieber vorwiegend in der Nacht geschieht. Alle die Deutschen, die ich 18tM- seiner Zeit in Rio während der fürchterlichen Gelbfieber- epidemie kennen lernte, arbeiteten am Tage in ihren Geschäften in der Stadt und fuhren Nachmittags hinauf nach Petropolis *). Alle blieben gesund und sie führten das darauf zurück, dass sie die Nacht in Petropolis verbrachten. Ferner kommt bei Gelbfieber eine Ge- legenheitsursache ganz besonders in Betracht und muss daher be- sonders hervorgehoben werden. Wenn Unvorsichtigkeit und Sich- übernehmen beim Essen und Trinken zur Zeit der Epidemie einen sogenannten tropischen Katzenjammer nach sich zieht, so kommt es fast regelmässig vor, dass sich daran eine Erkrankung von Gelbfieber anschliesst. Beim Stellen der DifTerentialdiagnose ist der Umstand wichtig: ist Eiweiss im Urin oder nicht. Auf diesen Punkt ist dess- halb so viel Gewicht zu legen, weil selbst während einer aus- gesprochenen Gelbfieberepidemie sehr viel Fälle unter dem Bilde eines akuten, fieberhaften Magen- und Qarmkatarrhs beginnen. Sie sind in den ersten Tagen gar nicht vom Gelbfieber zu unterscheiden. Ist aber Eiweiss im Urin, so ist der Fall damit sofort als gelbfieber- verdächtig anzusehen.

Dies wäre die einzige Ausstellung, die Ref. zu machen hätte. Im übrigen kann ein Buch wie das vorliegende nur mit Freuden begriisst werden, denn ein solches fehlte bis jetzt in der deutschen Litteratur. Der angehende SchifTs- oder Colonialarzt war auf eine Menge von einzelnen Abhandlungen oder auf grosse theure englische bezw. französische Specialwerke angewiesen, wenn er sich über die Krankheiten, die ihm in seinem neuen Wirkungskreise entgegentreten, orientiren wollte. In dem vorliegenden Buche findet der deutsche Arzt, der in den Tropen thätig sein will, nunmehr einen guten Rathgeber.

II. Intoxicationskrankheiten.

Die Pellagra (am pelle agra, rauhe Haut) ist eine äussersl chronische, auf den Genuss von verdorbenen Mais zurückzuführende Intoxieationskrankheit, die hauptsächlich in der Lombardei, ferner in Südfrankreich und in einigen Provinzen Spaniens beobachtet wird. Sie verläuft in Anfällen, die meist im Frühjahr eine Verschlimmerung zeigen. Man unterscheidet 3 Stadien. Im ersten Stadium tritt ein chronisches Erythem der Haut an den Stellen auf, die den Sonnen- strahlen ausgesefzt sind, dazu gesellen sich gastro-intestinale Störungen. Nach einigen Jahren treten cerebro-spinale Symptome auf, die in Lähmungen namentlich der unteren Extremitäten bestehen. Es können aber auch die oberen Extremitäten ergriffen werden. Dabei bestehen Paraesthesien, Hemeralopie, Diplopie. Blässe der Haut. Schliesslich treten psychische Störungen auf. Es wird Melancholie. Dämonomanie und circuläres Irrsein beobachtet. Dabei besteht

*) Diejenigen, denen das unmöglich war. schliefen trotz der Hitze Nachts bei geschlossenen Fenstern. Ebenso handelten die Deutschen in Santos. Sie blieben gesund bis auf den Arzt, den seine Berufspflichten Nachts oft über Land riefen.

289

senium praecox. Die Verdauungsstörungen bestehen tort, es tritt Kachexie ein und die Kranken sterben an Erschöpfung. Die Dauer der Pellagra ist sehr verschieden, das Leiden kann sich über 10 Jabre hinziehen. Die Prognose ist im allgemeinen ungünstig, die Therapie hat dafür zu sorgen, dass die Kranken eine gesunde und kräftige Nahrung erhalten.

III. Durch thierische Parasiten verursachte Krankheiten.

1. Die Lungend i st o me n -K ran kh e i t1) wurde ISMO zuerst von Balz in Japan beobachtet. Die Krankheit kommt hauptsächlich in Japan, Nordformosa und Korea sowie in Nordamerika vor und besteht in einem periodischen Bluthusten, bei dem die Kranken wenig herunter kommen und der durch das distomum pulmonale hervorgerufen wird. Der Infektionsmodus ist unbekannt, da die Entwicklungsgeschichte des Parasiten noch unbekannt ist. Die Parasiten werden vorwiegend in der Lunge in haemorrhagischen Infarkten an der Peripherie des Organs gefunden, seltner im Gehirn. Im letzteren Fall können sie die Er- scheinungen eines Hirntumors verursachen und zahlreiche epileptische Anfälle hervorrufen. Von der Lunge aus bedingen sie Hustenreiz und einen dicken, zähen, schleimigen Auswurf, der von hellrothcn oder rothbraunen Punkten und Streifen durchsetzt ist. Die Farbe des Aus- wurfes rührt theils vom Blut, theils von den Eiern des distomum her. Die Krankheit kann sich, wenn nur die Lungen befallen sind, über 10 20 Jahre hinziehen. Ernst wird die Prognose, sobald das Gehirn betroffen ist. Um die Krankheit zu verhüten, ist es nöthig, verdächtiges Wasser nur gekocht zu geniessen und sich des Genusses aller rohen Nahrungsmittel zu enthalten. Die Therapie ist symptomatisch.

2. Die L e ber d is tom en-K r ankhei t. Me. Connell entdeckte 1874 in Calcutta in der Leber eines an einen schweren Leberleiden verstorbenen Chinesen des distomum opathulalum, einen schlanken Wurm von 10 13 mm Länge und 2 3 mm Breite. Der Wurm fand sich in der Wand der stark erweiterten Gallengänge und der Gallen- blase. Er wird hauptsächlich in China und Japan beobachtet und scheint durch das Trinkwasser in den Körper zu gelangen. Die Leber schwillt an, wird hart und schmerzhaft, später treten Durchfälle auf und die Kranken gehen allmählig an Erschöpfung zu Grunde. Das Leiden kann sich über Jahre hinziehen. Die Therapie ist symptomatisch.

3. Die Bilharzia-Krankheit. Das Distomum haematobium wurde 1851 von Bilharz in Cairo entdeckt. Es wird in einem grossen Theile Afrikas, in Arabien und Kleinasien beobachtet. Das D. haemat. ist ein getrennt-geschlechtlicher Nematode, der aber makroskopisch weit mehr einem kleinen Hundwurme, gleicht von 12 20 mm. Länge. Seine F.ntwickclungsgeschichte ist zur Zeit noch unbekannt. Das männliche Geschlecht wird durch ihn weit häutiger als das weibliche inficirL Als Infektionsmodos wird das Trinken von inficirtem Wasser und das Baden in solchem Wasser angesehen. Die Inkubationszeit wird auf 4 Monate angenommen. Die Parasiten finden sich vorwiegend

') Die naturgeschichtlichen Einzelheiten sind im Original ein- zusehen.

Digitized by Google

290

im Pfortaderblute. Da die Parasiten für Zeit der Geschlechtsreife in die Venen der Harnblase hinabsteigen und dort ihre Eier ablegen sollen, so findet man die Harnblase an der Leiche am meisten ver- ändert. Dabei linden sich oft in der Blase, in den Harnleitern oder im Nierenbecken Harnsteine, in deren Kernen wiederholt Eier des D. haemat. nachgewiesen worden sind.

Das hauptsäclilichste Symptom der Bilharzia-Krankheit ist Hae- maturie, die Anfangs intermiltirend, später andauernd auftritt. Die Kranken müssen öfters uriniren, ohne aber eigentlich Schmerzen zu haben, ln vorgeschrittenen Fällen klagen die Kranken über starkes Drängen und heftige, brennende Schmerzen, die nach dem Damme und der Lendengegend hin ausstrahlcn. Der Harn erscheint gleich- massig blutig gefärbt, trübe und alkalisch. Gelegentlich können lilul- gerinnsel die Harnröhre verstopfen.

In schweren Fällen nehmen Haematurie und Blasenkatarrli zu und es kommt zur Bildung von Harngries und Harnsteinen. Mastdarm und weibliche Geschlechtsorgane können auch befallen werden.

Der Verlauf der Krankheit ist chronisch und kann sich über Jahre hinziehen. Verschwinden der Haematurie ist noch kein Zeichen für Heilung, oft finden sich trotzdem noch frische Eier in den letzten Urintropfen. Die Kranken gehen an Erschöpfung, Uraemie oder pyämischen Zuständen zu Grunde, die sich aus dem chronischen Blasenleiden entwickelten. Das Leiden ist daher immer als ernst anzusehen. Die Therapie ist symptomatisch.

4. Die Med ina-Wur m-K rankhei t. (Dracontiasis ') Die Krank- heit ist schon seit dem Alterthum bekannt und wird in den tropischen Gegenden Asiens, Afrikas und Amerikas beobachtet. Der Medinawurm gehört zu den Nematoden. Das reife Weibchen ähnelt in Form und Aussehen einer Violinseite. Seine Länge beträgt 60 80 cm, der Wohnort des Medinawurms ist das Zellgewebe unter der Haut und zwischen den Muskeln des Menschen. Die Embryonen des Medina- wurms bohren sich, wenn sie in's Wasser gelangen, in die Leibeshöhle eines Siisswassercyklopen ein und wachsen daselbst zu 1 1,5 mm langen Larven aus. Die weitere Entwicklungsgeschichte des Medina- wurmes ist noch unbekannt. Wahrscheinlich gelangen die Larven beim Wassertrinken mit ihrem Zwischenwirthe in den Magen des Menschen und werden in diesem frei. Verf. führt 4 Beispiele an, die sehr dafür sprechen, dass die Infektion in der Thal auf diese Weise vor sich geht. Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich 9 12 Monate, kann aber bis zu 2 Jahren dauern. Der Wurm wird bei allen Rassen beobachtet. Rüge (Kiel).

Fortsetzung folgt.

Von Sudthausens Sprachführer für die ärztliche und pharma- zeutische Praxis, (Deutsch-Englisch, Englisch-Deutsch, Deutsch-Fran- zösisch) Leipzig 18! Hi, Arthur Georgi, vormals Eduard Besold.

Die handlichen kleinen Bücher werden manchem reisenden Arzte oder Badeärzte willkommen sein, denn dieselben geben in

') dyaxuvuov Schlange.

Digitized by Google

291

praktischer Anordnung ein Wörterbuch für medieinische Ausdrücke und Kedewendungen. welche man bisher selbst in grösseren Werken oft vergebens nachschlug. In dem englischen Führer ist noch die Aussprache angegeben. Ganz frei von Fehlern und Lücken sind die Werkchen nicht, die Krankheit „Rotz“ sucht man z. R. in beiden ver- gebens.

M.

III. Pharmakologische Mittheilungen.

Unter dem Namen Tannofonn bringt die Firma E. Merck- Darmstadt, das Condensationsprodukt des Formaldehyds und der Gallussäure in den Mandel, das wegen der dem Formaldehyd, wenn auch in mildem Grade, eigenen antiseptischen, härtenden und trocknenden Eigenschaften bei übermässiger Schweisssecretion, sei es an den Händen, Füssen oder irgendwelchen anderen Körper- theilen, als wirksames Streupulver sich rasch Eingang ver- schaffen dürfte. Die bis jetzt selbst gesammelten Erfahrungen be- stätigen das von Merck gesagte, dass der sich namentlich in den wärmeren Jahreszeiten wohl oft unangenehm bemerkbar machende Geruch bei nur leichtem Bepudern mit Tannofonn vollständig ver- schwindet und die Schweisssecretion nach und nach abnimmt. Gegen Hyperidrose und Bromidrose ist von allen Autoren, welche sich mit Tannoform beschäftigt haben, eine spezifische Wirksamkeit beobachtet worden, ln den Handel wird es lose, als 10°/» Seife und abgepackt in unter Musterschutz stehenden Pergamentbeuteln gebracht. Aus Letzteren kann man es vermittels der an einer Ecke angebrachten Durchbohrung, durch gelinderen Druck aufpudern, eine äussersl hand- liche Form, die sich bald einführen dürfte.

Nagel.

Das von vielen Seiten warm empfohlene Antidysseiiterlctini von I>r. Schwarz ist, wie wir auf Wunsch bemerken kein Geheimmittel. Bestandtheile dieser indischen Pillen sind: Pelletierin. pur. 0.1. Myro- balan. indic. 7.5, Exlract granat. Extract rosar. f.ft. (lumm. arah. pulverisat 0,75 gr. Eine Nachprüfung der günstigen Resultate bei der Behandlung der Dysenterie wäre sehr erwünscht. Proben stellt der Fabrikant Lagemann in Erfurt auf Wunsch Aerzten gern zur Verfügung.

IV. Verschiedenes.

Zur Mitarbeiterschaft am „Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene u. s. w.“ haben sich ferner bereit erklärt: Prof. Dr. Sanarelli zu Montevideo, Dr. Filippo Rho, Herausgeber der Annali di medicina navale zu Rom, Dr. Buschan zu Stettin.

Digitized by Google

292

Unser Mitarbeiter Dr. Däubler beging im Mai dieses Jahres sein 25jähriges Doctorjubiläum. Den grössten Theil dieses Vierteljahrhundcrts verbrachte D. im Auslande. Zwei Jahre übte er ärztliche Thätigkeit im Norden Skandinaviens aus, denn er batte die ärztliche Approbation auch in Norwegen erworben. Das Hauptfeld seines Wirkens waren jedoch die Tropen. Von dem Fleisse und der Beobachtungsgabe D. zeugen zahlreiche wissenschaftliche Publikationen über die Rassenphysiologie. Wundheilung bei den verschiedenen Rassen, Beri-Beri. Lepra u. a. Augenblicklich widmet sich D. in Berlin vorzugsweise der Blutunter- suchung und hat sich bereit erklärt, heimkehrende Malariakranke regel- mässig auf Kiebererrcger zu untersuchen.

Wir wünschen dem eifrigen Mitarbeiter besten Fortgang und Erfolg seiner Arbeiten.

Für die internationale Conferenz über Schiffs- und Eisenbahn- hygiene zu Brüssel H September) sind aus verschiedenen Ländern bereits Redner angemeldet. Wie der Schriftführer Dr. de Lantsheere. Brussel, rue de PAssociation 5ß, mitteilt, ist für den 9. September ein Besuch Antwerpens mit Befahrung der Schelde geplant.

V. Zur Besprechung eingegangene Bücher und Schriften.

»r. van Dleren, Beri-Beri eene rystv ergi ft iging. Amster- dam 1897. Scheltema en Holkema.

Modisch Wekhlad voor Noord- en Zuid-Nederland. Nr. 14. Amster- dam 1897. Scheltema en Holkema.

Dr. Moncorvo, Sur la Malaria infantile et son Traitcment Paris 1895. Rueff u. Cie.

Dr. Chr. Rasch, Zur geographischen Pathologie Siams. Sonderabdruck aus „Janus“ Nr. 5. Amsterdam 1897.

Archivos de inedicina Nr. 4. Lissabon 1897. Antiga Casa Bertram.

Annali di niedicina navale Nr. 5 6. Rom 1897. G. Bertero.

Dr. A. Poskln, L'Afrique äquatoriale. Bruxelles 1897. Sockte beige de librairie.

*

*

*

*

*

%

*

a> r. F e il o r P I e s s n e r

V. Kurhaus für Ncrocnleidende. *

Wiesbaden

30. Sonnenbergerstrasse (Parkseite).

Entziehungskuren

von Morphium, Cocain, Alkohol.

* * * * * * J L

I. Originalabhandlungen.

Ueber die gegenwärtige Stellung der Tropenpathologie.

Von Dr. Karl Dil übler.

Bereit« in einem kürzlich erschienenen Aufsatz des Verfassers*) „über den gegenwärtigen Stand der medicinischen Tropenforschung“, welcher die Tropenphysiologie und die Acclimatisationsfrage, also die Grundlagen der eigentlichen Tropenhygiene, behandelt, wurde ausgeführt, dass der Europäer in den feuchtheissen Niederungen der Tropenländer sich im steten Kampfe mit der Hyperthermie, der drohenden Ueber- hitzung seines Blutes, befinde. Während der pigmentirte Tropen bewohner, ohne anhaltende und hochgradige Schweiss- absonderung während angestrengter Arbeit, seine dem Weissen gleichwerthige. im Organismus producirte Wärme leicht an die Tropenluft abgiebt, kann der Weisse nur mühsam durch Haut und Lungen und unter der lebhaftesten Thätigkeit beider, besonders der Schweissdrüsen, physikalisch seine Wärmeabgabe besorgen. Hierdurch wird die Herzarbeit und die der Leber ganz besonders in Anspruch genommen. Fort- während und in erhöhterem Maasse als ausserhalb der Tropen, sind auch die übrigen blutbildenden und abspaltenden drüsigen Organe, Leber und Milz, nicht allein in einem Zustande von grösserer Blutfülle, sondern wie Verf. mehrfach hervor- hob, und auch van der Scheer, das ganze Abdomen. Ebenso tritt bei stärkerer Blutfülle des Gehirns nicht der erquickende, zu immerhin anstrengendem Schaffen nothwendige Schlaf beim Europäer ein, die stete hochgradige Schwcissabsondernng und Verdunstung von der Hautoberfläche mattet den Weissen ab. Alle diese eine gewisse Schwächung des europäischen Organis- mus bedingenden Arbeitsleistungen, zwecks physikalischer Wärmeregulirung, sind es in der Hauptsache, welche für die von R. Virchow gekennzeichneten und von Glogner**) beim europäischen Tropenbewohner gefundenen Schwankungen und geringen Abweichungen von der physiologischen Norm, speciell des Blutes, verantwortlich gemacht werden müssen.

*) Dänbler, Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 8 und 9.

**) Glogner, Virchow's Archiv, Band 128, 1892.

21*

Digitized by Google

296

Einen solchen Zustand kann man mit R. Virchow als pathologisch, d. h. als Leben unter veränderten, gefährlichen Verhältnissen bezeichnen, ohne dass das Individuum dadurch gerade arbeitsunfähig wird. Es handelt sich hier, ausser um Veränderungen in der Zahl der Formelemente des Blutes, wie Verfasser*) durch Messungen nachwies, um eine Ver- minderung der. rohen Kraft des Europäers, etwa conform der gesteigerten Arbeitsleistung der Haut und inneren Körper- organe des weissen Tropen bewohners in der Ruhe und bei äusserer Arbeit. Ausserdem um eine Verminderung**) der Wassermenge resp. des specifischen Gewichtes***) des Blutes.

Glogner zeigte, dass sowohl der Ha'emoglobingehalt des Blutes solcher Europäer, als auch die Zahl der rothen Blut- körperchen um ein Geringes abgenoramen habe, ein Umstand, der dazu beiträgt, den Weissen widerstandsloser gegen die Ausbreitung einer Krankheit in seinem Körper zu machen, als Mischlinge oder Eingeborene mit normaler Blutbeschaffen- heit. Aus Glogner’s Blutuntersuchungen in den Tropen ist zu iolgern, dass auch das einzelne rothe Blutkörperchen des Eingeborenen mehr Haemoglobin enthält, als das des Weissen, welcher demnach in jeder Beziehung schlechter gestellt ist, als der pigmentirte Tropenbewohner, da wir als Maassstab für Kraft und Gesundheit die Normalzahl von 5*/s Million rother Blutkörperchen in einem Cubikcentimeter Blut und den absoluten Haemoglobingehalt von 13 bis 15 Gramm auf 100 Cubikcentimeter Blut annehmen, welche der in den Tropenniederungen lebende Weisse in seiner Blutflüssigkeit nicht mehr anfweist.

Bestimmt wissen wir durch Jahrzehnte an grossem Material fortgesetzte klinische Beobachtungen, dass sowohl Infectionskrankheitcn, als auch nicht infectiöse Krankheiten, in den Tropen bei Weissen in anderer Weise, meistens bös- artiger auftreten und verlaufen, als bei Eingeborenen, welche wieder zu Krankheiten neigen, von denen der Europäer weniger ergriffen wird, so von der Beri-Berikrankheit. Wir wissen ferner, dass bei Weissen in erster Linie die blut-

*) Diiublor, „Grumlzöge der Tropenhygiene“, pag. 7 und 8, München 1895.

**) Däubler, Berliner klinische Wochenschrift 1888, No. 21.

***) Gryns, Virchow 's Archiv, Bund 139, Heft 1, 1895.

Digitized by Google

297

bereitenden and abspaltendcn Drüsen, die Leber und Milz, die Nerven und deren Centralorgane, sowie der Blutsaft selbst, die Pracdileetionsstätten der agressiven Krankheits- erreger und der krankmachendcn, meteorologischen Einflüsse der Tropen darstellen, während im gemässigten Klima die Infectionskeime einer akut verlaufenden Krankheit, z. B. des Typhus, im Dann, oder bei einer chronischen, w ie Tuberculose, sich in der Lunge ansiedeln, verweilen, erst in die Lymph- drüsen und von da aus im Blut sich verbreiten.

Während die durch meteorologische Einflüsse bedingten Krankheiten in Europa sich gemeinhin als rheumatische Muskel- und Nervensc.heidentzündungen charakterisiren, oder als Catarrhc der Athemwerkzeuge, stehen diesen in den Tropen meistens ganz verschiedenartige Krankheiten, wie biliöse Catarrhe, Gelbsucht, Leberhyperämie, Magendarmcatarrhe gegenüber. Wiederum erkennt man, dass die Eingeborenen in tropischen Gebieten, abweichend davon, mehr an Muskel- rheumatismen, Luftröhrencatarrhen erkranken, als der Weisse. Dieses gilt absolut für die Tropenniederungen; im Höhen- klima, wo der Europäer bei leichterer, physikalischer Wärme- abgabe an die trocknere, kühlere Höhenluft normaler functionirt, zeigt sich der Eingeborene nicht so widerstands- fähig gegen die dort wirkenden Schädlichkeiten, als in der Ebene.

Wir haben es demnach in den Tropen mit einem ganz anderen und wieder unter sich verschiedenartigen Kranken material zu thun, als in Europa, mit Rassenunterschieden, woraus entweder eine gewisse Immunität für bestimmte Krankheitsursachen entspringt, oder eine verschiedene Reaction auf ein und dieselben Krankheitserreger. So sind die Tamils*) von der Westküste Indiens fast immun von Malaria, die Be- wohner der Ostküste nicht, auch andere Stämme der Westküste haben nicht den hohen gleichen Grad dieser Immunität. So erkranken Chinesen leichter an bösartiger Malaria, Dysenterie und Leberkrankheiten, als Malayen und Neger. Wir haben es ferner in den Tropenniederungen mit einer physiologischen Veränderung des Europäers zu thun, welche sich der pathologischen Seite zuneigt und welche eine Abschwächung

*) Martin, Aerztliche Erfahrungen Uber die Malaria der Tropen- länder. München 1889.

Digitized by Google

298

seiner vitalen Energie bedeutet, die aber bei den verschiedenen Individuen, je nach ihrer Constitution und nach Dauer ihres Tropenaufenthaltes, verschieden bemessen werden muss, denn je länger der Europäer in den Tropenkttsten sich auf hält, desto mehr nimmt der Haemoglobingehalt seines Blutes ab, desto empfindlicher wird er gegen Witterungseinflüsse.

In der neuesten Zeit vorgenommene und bestätigte Unter- suchungen von Roux*), Orgeas**), Buschan ***) Plehn ****) und Andere setzen uns in den Stand, solche Regeln auf- zustellen. Sehematisirend darf darnach die Behandlung des TropenarztcB niemals werden.

Solche neu gewonnenen fundamentalen Kenntnisse be- fähigen uns, zwei für die Tropenpathologie in Betracht kommende Fragen aufzuwerfen und zu beantworten.

Diese Fragon lauten: Warum kann man von einer

Tropenpathologie sprechen und welche Grundsätze sind im Vergleich zur Pathologie der gemässigten Zone in der Tropen- patliologie hervorzuheben und zu beachten.

Um in die Beantwortung Thatsächliches, Belehrendes einzuflechtelt und zur genaueren Begründung, müssen wir, von den entwickelten Grundansebauungen ausgehend, weiter aus- holen und dabei auf charakteristische Tropenkrankheiten hin- deuten, so dass ihre Eigenart und ihr Vorkommen in den verschiedenen Ländern des Tropengürtels hervortritt.

Der europäische Pathologe hat sich auch sein Kranken- material einzutheilen und zu individualisircn, sowohl in Bezug auf die Prognose und Behandlung, als auch, um sich vor- zustellen, ob der Krankheitsprocess hier oder dort grössere oder geringere Dimensionen annimmt. Er beobachtet den Kräftezustand des Individuums, seine Besehäftigungs- und Lebensweise, auch den Zustand seiner noch nicht erkrankten Organe, und zieht daraus seine Schlüsse. Ucbrigens aber kennt er für den gesunden Menschen, den Weissen, an welchem

*) Roux, Traite pratique des maladios deB pays chauds. Paris 1889.

**) Orgeas, La pathologie des races humaiues. Paria 1887.

***) Buschan, KinflusB der Rasse auf die Form und Häufigkeit pathologischer Veränderungen. Globus, Band 67, No. 2 bis 5.

****) Plehn, Beitrag zur Pathologie der Tropen. Virchow’s Archiv, Band 129.

Plehn, Die Pathologie Kameruns. Virchow's Archiv, Band 139, Heft 3, 1895.

299

ausschliesslich bei uns nur Untersuchungen ausgeführt wurden, bestimmte, für Europa geltende Normen, und ist gewohnt, sich vorzustcllen, dass der vorhin gesunde Mensch gleiches Blut und Kraft besitzt, als andere seines Standes, und dass seine Organe in gleicher Weise functionircn. Dass aber im Tropenklima auf einen anderen Boden versetzte Europäer sich functionell ungleich untereinander verhalten, auch in Bezug auf Höhen- und Flachland resp. Küstenklima und bei ihnen die bekannten physiologischen Normen labiler werden, diese Verhältnisse hat er in Europa nicht zu berück- sichtigen, ja, er kennt sie überhaupt nicht. Rasseneigen- •- thümlichkeiten der pigmentirten Tropenbewohner, ihre von der unBrigen verschiedene Physiologie, ihre Empfänglichkeit für Tropenkrankheiten, ihre eigenartige Symptomatologie, ihre Immunität gegen einzelne Krankheiten, und auf der anderen Seite ihre geringere Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, für welche wiederum, wie schon angegeben, der Europäer wenig inclinirt, kennt er ebensowenig. Wir werden dadurch auf einzelne Krankheiten zugleich hingewiesen. Schon die tropische Enteritis hat, wie unsere Untersuchungen’'') lehren, einen anderen Charakter, als eine Enteritis in Europa oder über- haupt ausserhalb eines Landes, worin keine Tropeneinflüsse sich geltend machen. Man beobachtet ihn als Massenerkrankung beim Wechsel der Jahreszeiten oder beim Eintritt der Monsune, am Meisten in Ostindien, dort wieder mehr auf dem ostindischen Archipel, als auf dem Festlande, dann in den Hochländern Westafrikas, am Congo und im Sambesidelta. In Südamerika erfolgen Erkrankungen en masse nicht in so auffallender Weise. Weissc erkranken mehr und schwerer, als Schwarze. Die tropische Enteritis, welche sich durch Appetit- losigkeit, Erbrechen gallig gefärbter Massen, Durchiällc, grossem Durstgefühl, Fieber äussert und sich durch längere Dauer und Intensität von der gleichen Krankheit in Europa unterscheidet, geht, ebenfalls eine Besonderheit der Tropen, mit Leberschwellung und Hyperaemic *) **) der Baucheingeweide

*) D&nbler, Grundzüge der Tropenhygiene, München 1895, und Vortrag in der orientalischen Gesellschaft zu Berlin 1890 und Tropen- krankheiten in Prof. Wasche's Bibliothek der gesummten Heilkunde 1896.

**) van der Scheer, Virchow’s Archiv, Band 131.

Digitized by Google

300

einher. Während in Europa selten ein Erwachsener an Enteritis stirbt, ist es häufiger in den Tropen der Fall, wo man bei Sectionen die sccnndäre Leberentzündung constatiren kann, zuweilen findet man auch kleine Abacesse im Blind- darm. Der Catarrh wird leicht chronisch und deeimirt die Kräfte des Weissen. Europäer, welche länger in den Tropen lebten und dort Enteritis acquirirten, besonders indische Colonisten, Beamte und Militärs, leiden noch später in Europa an chronischem Catarrh und zuweilen blutigem Stuhl lebens- länglich. Tropische Dysenterie und Enteritis unterscheiden sich dem wirklichen Tropenarzt so, dass ein Irrthum aus- geschlossen ist, noch dazu auch die mikroskopische Unter- suchung entscheidet. In Ostindien ist auch die Dysenterie in Orten, wo Europäer wohnen und artesische Brunnen vor- handen sind, fast verschwunden. Eingeborene leiden nicht so häufig an Enteritis und genesen leicht nach wenigen Tagen.

AVir ersehen daraus, dass eine und dieselbe. Krankheit hier wie dort verschieden auftritt, sei es eine durch organische Krankheitserreger bedingte oder nicht, und sie trifft auf ver- schieden empfängliche Individuen. Selbst dem Europäer fehlt seine sonst grosse Empfänglichkeit zu Typhus abdominalis in den Tropen, oder sie ist doch sehr herabgesestzt, denn der Unterleibstyphus zeigt in den Tropen nur geringe Tendenz*) sich auszubreiten, und die wenigen zur Beobachtung ge- langenden reinen Typhusfälle sind von Schiffen**) aus ein- geschleppt. Typhus verläuft milde und ungefährlich in den Tropen. Wir suchen den Grund dieser Veränderungen in dem von anderen Klimaten verschiedenen oder veränderten tropischen Nährboden, worauf wir noch zurückkommen, wir stehen ferner, gemäss unserer Forschungsresultate der neuesten Zeit auf dem Standpunkte, dass wir die sich in den Tropen- ländern andersartig zeigenden Krankheiten , welche auch ausserhalb der AVendekreise Vorkommen, als durch die Tropen beeinflusst uns vorstellen müssen. Krankheitsformen aber, welche nur den Tropen eigen sind, dürfen nicht mit ähn- lichen etwa in den Subtropen oder südlichen Ländern vor- kommenden kurzweg zusammengeworfen werden. Auch

*) Eykmann, Fiebip, Haga, Genecsknndig tydechrift voor Ned.- lndic 1892, 1893, 1895.

**) Hirsch, Historisch-geographische Pathologie 1880.

Digitized by Google

301

Scheube*) scheidet in seinem Werke die Krankheiten der warmen Länder ersichtlich von denen der Tropen ah, und besprichtauch tropische Krankheitsformen. Alle dieseUmstände berechtigen dazu, die Tropen pathologie als etwas Eigenartiges hinzustellen und sie natürlich im Rahmen der allgemeinen Pathologie von der Pathologie der nicht tropischen Länder wenigstens abzuzweigen. Es gehören zur Tropenpathologie besondere Kenntnisse und Erfahrungen, weiche dem europä- ischen Pathologen fremd sind und welche nur in den Tropen selbst erworben werden können.

Nun kommt noch hinzu, dass es in den Tropen eigene, hier bei uns unbekannte Krankheiten giebt, und dass auch ein und dasselbe Krankheitsgift sich hier wie dort biologisch anders verhält, wodurch verschiedenartige Krankheitszustände und Symptome entstehen. Da6 Bild wird dadurch allerdings complicirter, wir können aber diese thatsächlichen Verhält- nisse nicht so weit vereinfachen, dass die Pathologie und die Hygiene der Tropen mit der hiesigen idcntiticirt werden kann, wenn auch alle Forschungsmethoden hier wie dort die gleichen sind und sein müssen, so, dass sie tropischen Verhältnissen gemäss angewandt werden.

Schon bei der in den Tropen am meisten verbreiteten Krankheit, der tropischen Malaria, tritt dieses hervor.

Der Name tropische Malaria besteht in der Tropen- pathologie völlig zu Recht, er hat sich gerade in der Neu- zeit, nach den in den Tropenläudern angestellten aetiologisch- klinischen Untersuchungen noch mehr herausgebildet. Wie van der Scheer**), Plehn***), F. Eyknmu*t) und eine Reihe anderer Forscher zeigten, sieht man im Blute Malariakranker in den Tropen allerdings ähnliche oder auch dieselben Parasiten- formen als in Italien, bei den pernieiüsen Fiebern kleine, wenig oder gar nicht pigmentirte Amröben. Wie aus Ver fasser's neuesten Untersuchungen an ostindischem Kranken- material hervorgeht, sind die Kameruner und ostindischen

*) Schenbe, Die Krankheiten der warmen Länder. Jena 1896.

**) van der Scheer, Geneeskundig tydBchrift vor Ned. Indiö XXX., 1891.

***) F. Plehn, Deutsche medicinische Wochenschrift, No. 26, 26, 27. *t) Eykinan, Arbeiten aus dem bacteriologischen Laboratorium zu Welte vreden 1892.

Digitized by Google

302

Parasiten gar nicht unterschieden. Ein anderer Forscher identifieirt sie mit den italienischen. Specielle Publikationen stehen bevor. Diese Malariaamöbe, welche wir bei ihrem steten Vorkommen und ihrer mikroskopisch beobachteten Vermehrung durch Sporenbildung im Blute als die Ursache der Malariatieber anzusehen gewohnt sind, zeigt trotz mancher formalen Uebereinstimmung in den Tropen und ausserhalb derselben doch biologisch in den Tropen sehr grosse und wichtige Unterschiede. A. Plehn war es, der jüngst in Frankfurt a. Main in der Section für Tropen- hygiene auf dieses Factum ganz besonders hinwies. A. Plehn*) fand in Kamerun bei Wessen, dass stets zwei Generationen von Parasiten zuerst im Blut erschienen und dementsprechend stets zwei Fieberanfälle kurz hintereinander erfolgten, welche Chiniu nicht auf halten kann und wodurch der Fiebertypus ein anderer wird oder gar kein bestimmter Typus mehr zu bemerken ist. Aehnliches wurde in Ostindien beobachtet.

Diese Beobachtung ist vom Verf. sowohl, wie von Anderen, anderswo in- und ausserhalb der Tropen auch gemacht, auch von Golgi in Italien. Aus den bestätigten Untersuchungen van der Scheers geht hervor, dass die kleinen schwach pig- mentirten Formen von Malariaparasiten in den Tropen sehr verbreitet sind. In Italien kommen sie bei pernieiösen Fiebern auch vor, sie überschreiten, wie van der Scheer meint, nicht einen gewissen Breitegrad. Van der Scheer unterscheidet in Ostindien nur die grossen und kleinen Formen. Während aber die grossen in Italien Quartan- und Tertianfieber er- zeugen, in dem ihre Sporulntion in dem betreffenden Zeit- raum erfolgt und damit die Bildung von Toxinen, sowie der Angriff der Sporen auf die Blutkörperchen, ist dieses in den Tropen nicht der Fall. Vielmehr sind die Fieber g.hnz un-

regelmässig, oft remittirend, auch bei den nach Europa Zu- rückgekehrten, von denen Verf. jetzt im Auslande Hinderte untersuchte. A. Plehn ’s und van der Scheer ’s Beobachtungen, welche aber durchaus nicht neu sind und gewisse« Ab-

weichungen bieten, haben doch Gemeinsames und geben einem wichtigen Gesetze für die eigene Biologie der Malariaparasiten in den Tropen eine Unterlage. ' Die

*) A. Plehn, Die tropische Malaria in Kamerun. Berlin 1$® (Aug. Hirschwald}. .

I

i

1

Digitized by Google

303

Sporulation dieser grossen Parasiten, welche hauptsächlich ausserhalb der Wendekreise verbreitet sind, geht verschieden- artig vor sich, denn bei ihrer Anwesenheit im Blut wird meistens von vorn herein Quotitidianfieber beobachtet, sonst wohl einmal der Rythmus der Tertiana oder Quartana, darnach aber stets Quotidiana. Auch dieser Typus verliert sieh bald, schon nach einigen Wochen verschwindet er, längere Intervallen, von drei Tagen bis zu mehreren Wochen, treten auf und das Fieber wird völlig unregelmässig, atypisch.

Die kleinen Malariaparasiten oder Plasmodien finden sich in den Tropen bei den quotidianen Malariafiebern, sowie bei allen malignen Formen der Malaria, so bei dem pemi- ciösen Malariafieber mit Complicationen, wie Malariapneumonie, Leber- und Nierenentzündungen, embolischen Processen und Herzthrombosen, sowie bei den rcmittirenden, lange anhalten- den Fiebern und den ganz unregelmässigen, oben erwähnten Fieberformen. Die quotidianen Fieber kamen am meisten in Ostindien vor, daneben alle anderen, aber die Regel bilden die quotidianen, welche im Allgemeinen nicht so bösartig ver- laufen , durch entsprechende Behandlung und frühzeitige Ueberführung der Kranken in das malariafreie Bergklima oder nach Schiffsanatorien in Heilung übergehen. Auch an der ostafrikanischen Küste herrschen ähnliche Fieberformen vor, am meisten die quotidiane, ebenso wie Verfasser beob- achtete in Südostafrika. In Westafrikn zeigen die. Malaria- fieber durchgehende einen bösartigeren Charakter. Plehn *) unterscheidet die Fieber in Kamerun, welche bei den ein- gebornen Duallas und den importirten Negern auftreten. Während die ersteren meistens nur einen einzigen, sich nicht wiederholenden Fieberparoxysmus durchmachen , erkranken die importirten Neger aus Dahomc, die Kru und Accraleute, besonders aber die 1894 vom Hauptmann Morgen in Cairo angeworbenen Sudanesen an bösartigen Fiebern. Die Sudanesen schienen noch empfänglicher für das Fiebergift zu sein, als Europäer. Kohlstock behandelte mit Erfolg in Ostafrika die Fieberkranken mit Sauerstoffinhalationen. Fisch**) berichtet, es sei an der westafrikanischen Goldküste eine häufig beobachtete Thatsache, dass die dort zuerst mit regelmässig intermittirendem

*) Fr. Plehn. Virchows Archiv. Band 139.

**) Fisch. Tropische Krankheiten. 2. Auflage. Basel 1894.

Digitized by Google

304

Charakter auftretenden Malariafieber von der Quartana an, immer grössere freie Intervalle zeigten und darauf ganz unregelmässig werden. Verfasser machte in Bezug aut die Unregelmässigkeit der Fieberfällc sowohl in Ostindien als in Afrika dieselben Erfahrungen, welche in verschiedenen Arbeiten niedergelegt wurden. Die Tertiana erschien darnach die ungefährlichste Form. Schon durch die hier berührten Unterschiede der tropischen Malaria von der nicht tropischen und deren eigenthümlichcn Charakter erhält die sich auch anderweitig geltend machende Erscheinung, dass in den Tropen und durch Tropeneinflüsse sowohl Krankheitserreger, als Krankheitsprocesse im Körper der Tropenbewohner, sieh von den gleichbenannten Krankheiten ausserhalb der Tropenzone unterscheiden, eine Stütze. Noch schärfer wird dieser Unter- schied, als die sich bei den Tropenpathologen bahnbrechende Ansicht der Verschiedenheit des tropischen Nährbodens und der damit verbundenen Entwicklung pathogener tropischer Mi- kroben, auch durch neuerliche Untersuchungen, worauf schon hingedeutet wurde, praecisirt werden dürften. F. Plehn war es, welcher beim westafrikanischen Schwarzwasserfieber, einer haemoglobiuurischen Malariaform, event. mit urämischen Er- scheinungen, kleine Amöben fand. Diese Amöben unterscheiden sich durch ihre völlige Pigmentlosigkcit von solchen in allen anderen Ländern und durch eine gewisse Resistenz gegen Farb- stoffe. «Sie werden nach Chinin nicht in ihrer Vermehrung durch Sporulation verhindert, wie man es sonst unter dem Mikroskop am lebenden Blut mit Chininzusatz sehen kann, und haben eine ausgesprochene Tendenz das Blut resp. die rothen Blut- körperchen zu zerstören. Plehn,*) welcher die Unterschiede in der Aetiologie der Tropenkrankheiten gegenüber denen nicht tropischer Länder im Auge behält, ist soweit in seinen Studien vorgeschritten, dass er in seiner Erwiderung auf Bclows**) Schvift „Schwarzwasserfieber ist Gelbfieber“ unbe- stritten sagen konnte: „Wir haben gewichtige Gründe für die Annahme, dass die ausserordentliche Verschiedenheit der klinischen Erscheinungen, des Fieber Verlaufes, wie der Be- einflussung von Chinin bei den verschiedenen Formen der

*) F. Plehn. Deutsche Meilicinische Wochenschrift Nr. 30. 1895.

**) Below. Medicinische Centralzeitung Nr. 44. 1895.

Digitized by Google

305

tropischen Malaria darin ihre Ursache hat, dass dieselben durch verschiedene Formen von Parasiten hervorgerufen wird.“

Durch spätere, bevorstehende Abhandlungen, werden allerdings specielle morphologische Verhältnisse der tropischen Maiariaparasiten und der hiesigen sich anders darstellen, im Grossen Ganzen aber wird der Unterschied zwischen Nord- europa und den Tropen besonders in die Augen fallen.

Schon a priori dürften wir hiernach folgern, dass wenn dieselbe Krankheit, durch dieselbe Art niederster Lebewesen verursacht, in den Tropen unter anderen und bösartigen Symptomen auftritt und dass, wenn diese Lebewesen von einander hier und dort, in formalerund besonders biologischer Beziehung variiren, auch ihr Nährboden, ihr Milieu in den Tropen verschieden von dem unsrigen sein müsse, denn nur der Nährboden und die meteorischen Verhältnisse begünstigen oder beeinträchtigen die Entwicklung bei Pflanzen und Thieren. Beide auch werden dadurch verändert, besonders die Pflanzen. Eine eigentümliche Beobachtung der neuesten Zeit ist es auch, dass die Malariaparasiten im Blute von Malariakranken, welche aus den Tropen kamen und in Europa Aufenthalt nahmen, hier den unsrigen in Bezug auf Pigment- bildung ähnlicher wurden und auch gewöhnliche Wechsel- tieberanfülle nuslösten.

Fragen wir uns hiernach, welche Grundsätze die Tropen- pathologie im Gegensatz zu der europäischen hervorzuheben hat, so wäre in aetiologischcr Beziehung, in erster Linie für Infectionskrankheiten der veränderte Nährboden der Tropen zu beachten und daraus nicht nur die formale und biologische Veränderung der Infectionskeime und des Krankheitsprocesses abzuleiten, sondern auch die Entstehung von pathogenen Mikroben und deren Toxinen, welche in den Tropen selbst entstehen und dort als Krankheitserreger wirken können, während sie in kälterem Klima unwirksamer werden. So sehen wir, dass das Gelbfieber im heissen Sommer durch Schiffe in sub- tropische Gegenden und bis nach Spanien verschleppt wurde, hier allerdings milde verlief, keine so bedeutende Tendenz zur Weiterverbreitung zeigte als im tropischen Südamerika und im Winter völlig erlosch. Das Krankheitsgift muss demnach andere Nährböden und anderes Klima haben, um seine Virulenz zu erhalten, als sie sich ausserhalb der Tropen vorfinden, selbst

Digitized by Google

306

im Sommer schwächt es sich ausserhalb der Tropenländer schon ab. Ebenso zeigt es sich bei der Beri-Berikrankheit, dass sie sich nur in den Tropen und in milderer Form auch in Japan vorfindet, während eine Uebertragung nach anderen aussertropischen Ländern niemals stattfand.

Für den Tropen pathologen gilt es nach der Erwerbung solcher Kenntnisse als Grundsatz, dass bei einem keim- fähigeren Nährboden, im Tropenklima, bei verschieden wider- standsfähiger Blutflüssigkeit und Nerven und bei durch das Klima geschwächten Europäern, in passender Weise und los- gelöst vom europäischen Schema, sowohl dem Krankheitsgift, als den einzelnen bedrohlichen Symptomen entgegengearbeitet werden müsse. Vor Allem gilt es, den schädlichen Einfluss des Klimas zu lindern, indem man den Europäer und den importirten Schwarzen in schweren Erkrankungsfällen, unge- säumt von der Tiefebene fort, entweder auf Krankenschiffe, weit ab von der Küste, oder besser noch nach den Gebirgs- spitälern sendet, wie es jetzt in englischen und niederländischen Colonien mit glänzendem Erfolge geschieht. Krankenhäuser werden, auch in Rücksicht auf meine Vorschläge, principiell von der niederländischen Regierung nicht mehr in der Tief- ebene angelegt.

In fundamentaler Richtung müssen auch die degene- rativen Processe im Leben des weiblichen Organismus, vor- züglich bei Weissen , aber auch bei Schwarzen , beachtet werden. Die Frauen altern frühzeitig in den Tropen, die Ovulation tritt früher ein, als in unseren Breiten, die Blüthe- periode ist kurz. Es ist ferner bei der Beurtheilung des Krankheitszustandes und der zu erwartenden Ausbreitung der Krankheit im Körper in Rechnung zu ziehen, in welcher Altersstufe die Frau ergriffen wird und wie weit ihre geschlechtliche Entwicklung gelangte.

Bei nicht infectiösen Krankheiten sind als Abweichungen von den europäischen Verhältnissen, welche damit im ursäch- lichen Zusammenhang stehen, besonders in Betracht zu ziehen das Tropenklima, die veränderte Lebensweise des Europäers, wie die uns gänzlich fremde der Eingebomen und endlich der verschiedenartige Ablauf der Lebensprocesse im Organis- mus der Tropenbewohner, deren Messungen in ihren Resul- taten bisher unvollkommen blieben.

Digitized by Google

307

Diese hier akizzirten Grundsätze und fundamentalen Principien der Tropenpathologie, welche noch des Weiteraus- baues bedürfen, setzen uns in den Stand, die einzelnen Krank- heiten in den Tropenländern hiernach zu bemessen und sie gleichsam als Beispiele in dem grossen Rahmen der Tropen- pathologie erscheinen zu lassen, in denen sich das vorhin Ausgeführte wiederholt uns wie ein rother Faden wiederfindet.

Als Tropenkrankheiten sui generis werden ausser der tropischen Malaria und ihren Folgen angesehen, Ainhuni, Aphthae tropicae , Beri-Beri , Dengue , Dysenteria tropica , die Filariakrankheiten, welche auch in subtropischen Gebieten herrschen, Framboesia tropica oder Yaws, Gelbfieber, die tropischen Leberkrankheiten und Leberabscesse , deren Ursprung jetzt in der Mehrzahl der Fälle auf die Ein- wanderung der mit Eiterkokken beladenen Dysenterieamöbe in die Leber zurückgeführt wird, sowie die hier geschilderten tropischen Malariaformen.

Ainhum, eine Krankheit, bei welcher an den kleinen Zehen gangränöse Geschwüre entstehen, welche zur Abstossung der Glieder führen, kommt besonders bei Negern vor, an der afrikanischen Westküste, im Sudan am Sambesi und am Limpopo. In Südamerika wurde die Krankheit in Brasilien und Buenos-Ayres, sowie auf den Antillen beobachtet. Die Krankheit scheint erblich zu sein , tritt häufig in den angeführten Ländern auf, scheint aber Verfasser einer Art von tropischem Phagedaenismus zu sein , welcher in den Grundzügen der Tropenhygiene, München 1895, genau be- schrieben wurde.

Aphthae tropicae stellen eine, wahrscheinlich durch Spaltpilze bedingte Erkrankung des Magendarmkanals, der Mundhöhle und des Rachens dar, an welche sich Leber- verkleinerung anschliesst und die, wenn sie nicht im ersten Stadium erkannt wird, bei Europäern, welche fast nur davon ergriffen werden, im Tropenklima, unheilbar ist. Im ersten Stadium erkennt der Eingeweihte bereits den charak- teristischen Schwund der Zungenpapillen, die Zunge sieht aus wie rohes Fleisch, der Magen verdaut die Speisen nicht mehr, die Leber sondert weniger Galle ab, wodurch der Stuhlgang hellgelb wird, der Magen wölbt sich bei grosser Gasanhäufung wie ein Sack vor, häufiges Erbrechen, Diarrhoen

Digitized by Google

308

erschöpfen die Kräfte des Kranken , dem das Schlucken, selbst von Milch und Wasser, starke Schmerzen im Munde und Rachen verursacht und der unter grossen Qualen zu leiden hat. van der Burg*) hat die Krankheit am ausführ- lichsten beschrieben, sie kommt besonders in Ostindien vor, auch in Südamerika und dem tropischen Theile Chinas.

Die Beri-Berikrankheit, wurde in dieser Zeitschrift schon eingehend besprochen.

Es wäre unmöglich , hier eine Beschreibung aller Tropenkrankheiten zu geben, wir müssen uns dieses versagen, vielmehr könnte man in einer geographisch-medicinischen Zeitschrilt die im tropischen Theile eines Erdtheils z. B. Afrika vorkoinmenden Krankheiten denen anderer Erdthcile gegen- überstellen und kurz beschreiben. Immer aber ist es für den medicinischen Geographen nöthig, sich ein Verständniss und einen Ueberblick von der Tropenpathologie, wie sie heute, gemäss dem gegenwärtigen Stande der medicinischen Tropen- forschung, erscheint, zu erwerben.

Ausser den bereits angeführten Krankheiten kommen in den Tropen eigen thümliche Arten von Geisteskrankheiten vor. Wir wissen, dass nicht nur die Civilisation Geistes- störungen bedingt. So kommen bei pigmentirten Tropen- bewohnern ausser den bei uns bekannten Geistesstörungen, welche in den Tropen bei Europäern recht häufig auftreten, vor, die Latah, wobei die Kranken in Bezug auf Willens- äusserungen sich in einem Zustande von Hypnose befinden. Dann das bekannte Amoklaufen, ein maniakalischer Zustand, auch die Mataglab, eine Art von Paranoia mit Gesichts- täuschungen. Einzelne Hautkrankheiten , welche weniger bekamt sein dürften, mögen genannt werden, so Koerab und Thrombidium Bomeense, in Indien sehr verbreitet, Krank- heiten, welche die Oberhaut stark desodorisiren und dem Kranken unerträgliches Jucken und Schmerzen bereiten.

Vergiftungen durch Früchte, durch Pfeilgifte und Schlangenbisse muss der practische Arzt nach vorhergehendem, theoretischem Unterricht hier in den Tropen selbst erkennen und behandeln lernen.

*) van der Burg, <le Geneeshoer in Nederlandscb-Indig. Batavia 18$t.

Digitized by Google

309

Ein wissenschaftliches Lehrinstitut mit den nöthigen Hülfsmitteln und dem jetzt stets vorhandenen Material von Europäern, welche aus den Tropen zurückkehren und von Schwarzen aus den Colonien, würde sowohl für die Aus- breitung von Kenntnissen der Tropenhygiene, wie der geo- graphischen Mediein unter Aerzten und Geographen am Platze sein. Möge dieser Aufsatz dazu Anregung geben.

Lepra an der OstkUste Sumatras.

Von

l)r. L. Martin, k. b. Hofrath.

Obwohl ich im Nachstehenden in keiner Weise Neues für Pathologie und Therapie der in jüngster Zeit frisches Interesse erregenden und von A. von Bergmann so meister- haft bearbeiteten Krankheit bieten kann, halte ich mich doch für berechtigt, meine Erfahrungen den Fachkreisen mitzutheilen, als einen kleinen, vielleicht aber doch zu ver- werthenden Baustein zum stolzen Ausbau der geographischen und pathologischen Sammelforschung, welchen uns ver- muthlich die im kommenden October zu Berlin abzuhaltende Lepraconferenz bringen wird. Zudem beziehen sich meine Mittheilungen auf ein Gebiet, aus welchem bisher über Lepra keine Daten bekannt geworden sind.

Der holländische Regierungsbezirk (Residentie) Ostküste von Sumatra (vom Aequator bis zu ungefähr 4,5° N. B.), wo meine Erfahrungen im Laufe einer 12jährigen Thätig- keit gesammelt sind, besitzt eine autochthone Bevölkerung, Malaien reinen Stammes an der Küste und am Unterlaufe der Flüsse und die noch ab und zu anthropophagen Neigungen huldigenden Battaks im Binnenlande uud in den eeutrakfa Bergen. Unter den Malaien, bei denen Fischnahrung sehr im Vordergründe steht, kommt Lepra, wenn überhaupt, so höchst selten vor; ich hatte wenigstens keine Gelegenheit, einen leprösen Malaien zu sehen. Häufiger dagegen findet man die Krankheit bei den bergbewohnenden Battaks, und es berichtet uns Hagen (Verhandl. der Batav. Genoot. v. Künsten en Wetenschappen, 1884), dass es im Dorfe Silalahe auf der centralen Hochebene viele Lepröse gab, welche man in

Archiv f. Schifft- u. Tropenbygieue. 22

Digitized by Google

310

einem eigenen, kleinen Dorfe isolirt hatte. Also an der Küste unter einer meist aus Fischern bestehenden und Fisch essenden Bevölkerung fehlt Lepra, findet sich aber im bergigen Inneren der Insel, dessen Bewohner wenig an die Küste kommen und Fische nur in beschränktem Masse zur Nahrung benutzen ein nicht zu Gunsten der Hut- chinson'sehen Theorie sprechendes Factum. Damit stimmen die Angaben van der Burg’s, der für Sumatra das Vor- kommen von Lepra auf die Berge localisirt, während von Bergmann sagt, Lepra käme auf Sumatra hauptsächlich an der dem Festlande zugewandten Küste vor. Diese Angabe, eine völlige Unrichtigkeit für die nur von Malaien be- wohnten Gebiete, findet dennoch eine gewisse Stütze in den nachstehend mitgetheilten Verhältnissen. Ausser den Ein- geborenen besteht nämlich an der Ostküste Sumatras noch eine, numerisch sogar überwiegende, eingewanderte Be- völkerung, welche durch die dort blühende, äusserst lohnende und grossartige Arbeitskräfte erfordernde Tabakcultur an- gezogen worden ist. Dieselbe setzt sich aus Tamils von der Madrasküste, Javanen aus dem Westen und Norden Javas und aus Chinesen aus den südlichen Provinzen des himmlischen Reiches zusammen, sämmtlich Bewohner von notorischen Lepragebieten. Unter den an Kopfzahl zuletzt kommenden Tamils finden sich vereinzelte Fälle von Lepra, während unter den viel zahlreicheren Javanen solche fast gänzlich fehlen, obwohl gerade die Bergländer im Norden und Westen Javas nach van der Burg am meisten mit Lepra inficirt sind und überhaupt das Leiden kein allzu seltenes ist auf der ungefähr 28000000 Einwohner beherbergenden Insel, auf welcher nach Schätzung eines Wohlunterrichteten 5000 Lepröse leben mögen. Da aber alle nach der Ost- küste Sumatras emigrirenden Javanen einer ärztlichen Prüfung unterworfen sind und diese Prüfung eine ziemlich strenge ist in Folge des Umstandes, dass sich mehrere, unter einander in scharfer Concurrenz stehende Firmen mit der Lieferung der javanischen Kulis befassen, so ist es leicht erklärlich, dass Lepröse dieselbe nicht zu bestehen vermögen und somit nicht zur Einwanderung gelangen.

Ganz andere Verhältnisse aber finden wir bei den ein- gewanderten Chinesen, welche die grosse Mehrzahl aller

Digitized by Google

311

Immigranten bilden. Dieselben unterliegen entweder gar keiner ärztlichen Controle oder werden, wenn sie über die englischen Hafenstädte der Straits kommen, nur untersucht, ob sie „fit for fieldlabour“ sind, stehen meist im 3. oder 4. Lebensdecennium und unter ihnen kommt Lepra in einem relativ hohen Procentsatze vor. Man darf denselben ohne Uebertreibung auf 1 1 ,5 °/0 anschlagen, wenn man dabei von der folgenden, auch von Hagen als richtig erkannten Schätzung ausgeht. Der weitaus grösste Theil der nach Sumatra eingewanderten Chinesen lebt als Kulis auf den Tabakpflanzungen, deren eine durchschnittlich 400 Kulis beschäftigt ; cs befinden sich aber auf jeder Pflanzung stets 2 3 Kulis mit manifester Lepra, welche ihren Genossen und auch dem Arzte als Lepröse wohl bekannt sind; man kann aber ausserdem, wie mich langjährige Erfahrung ge- lehrt hat, auch mit Sicherheit annehmen, dass auf jeder Pflanzung fast noch ebenso viele Inficirte mit latenter Infection oder im Anfangsstadium der Krankheit vorhanden sind, so dass man 4 6 Lepröse in Rechnung setzen muss, was obigem Procentsatze entspricht. Unter den freien, nicht auf den Pflanzungen lebenden Chinesen, welche als Kaufleute, Handwerker, Gemüsegärtner, Schweinezüchter und Holzarbeiter ihren Unterhalt gewinnen, dürfte ein noch ungünstigeres Verhältniss bestehen, da sich ja unter ihnen schon viele Lepröse befinden, welche wegen des Leidens die Pflanzungen verliessen.

Den Chinesen ist Lepra in ihren beiden Hauptformen genau als wohlumschriebenes Krankheitsbild bekannt, das sie Taikoh nennen, und sie sind ohne Ausnahme überzeugt, dass die Krankheit eine ansteckende ist. Dennoch scheinen sie eine solche Ansteckung nur wenig zu fürchten, da sie ohne Scheu mit Leprösen umgehen, mit ihnen zusammen essen und wohnen, sich von ihnen bedienen lassen und sonst jeden Verkehr ausüben, wie auch für Partner in Handelsunter- nehmungen und für Freunde durch Opiumrauchen oder Päderastie Lepra niemals zum Trennungsgrunde wird. Es ist möglich und wahrscheinlich, dass die initialen Formen und die leprösen Geschwüre als solche ilirer Beobachtung entgehen, was leicht zu verstehen ist, wenn man bedenkt, dass Lues in allen Formen und Ulcus cruris ungeheuer

5-2*

Digitized by Google

312

häufig unter ihnen Vorkommen. Beim Auftreten von typischen Knoten im Gesicht und besonders an den Ohren und bei Mutilationen erachten sie aber das Leiden für er- wiesen, ohne jedoch ihr Benehmen den Kranken gegenüber zu ändern. Gleiches in Bezug auf Erkennen des Leidens und Missachten der Ansteckungsgefahr darf auch von den Javanen gesagt werden. Es ist mir nur eine einzige Aus- nahme von diesem sorglosen Verhalten bekannt geworden und handelte es sich hierbei um einen älteren, an Händen und Füssen verstümmelten Chinesen, mit welchem die zur gleichen Abtheilung gehörenden Feldkulis nicht mehr ein Haus bewohnen wollten, so dass der Pflanzer sich ge- zwungen sah, dem Leprösen, der trotz seines Leidens ein tüchtiger Arbeiter war, in der Mitte seines Feldes ein eigenes Häuschen zu bauen. Der von ihm producirte Tabak ist auf jeden Fall ohne allen Schaden in Europa aufgeraucht worden, obwohl bei der ausschliesslichen Verwendung des Sumatratabakes zu Deckblättern, bei der sicheren Be- schmutzung der Blätter mit wenn auch nur wenig bacillen haltigem Serum oder Eiter und zuletzt bei der anerkannten Tenacität des Bacillus die erfolgreiche Infection eines an den Lippen mit Rhagaden behafteten Rauchers keine ab- solute Unmöglichkeit gewesen wäre. Mag doch die Infection so remote Wege mit so vielen Vorbedingungen und so ge- ringen Chancen einschlagen gerade in jenen Fällen, welche sich nach den Anticontagionisten mit keiner Infection erklären lassen.

Jener oben erklärte, hohe Procentsatz an Leprösen unter den chinesischen Kulis und die damit verbundene, imminente Gefahr einer ungewünschten Weiterverbreitung der Krankheit haben die an der Ostküste Sumatras be- stehende Pflanzervereinigung veranlasst, aus freiwilligen Beiträgen der Mitglieder ein auf 50 Betten berechnetes Lepra-Asyl für Chinesen zu gründen, welches am 1. August 1890 zu Medan, der Hauptstadt der Ostküste eröffnet wurde. Als aber im Jahre 1891 in Folge eines ganz ungewöhnlich tiefen Preissturzes des Tabaks, des Hauptprodukts der Ostküste, eine finanzielle Krisis über die Pflanzungen hcreinbrach und auch die Mittel der PHanzervereinigung bedeutend geringere wurden, wollte inan mit dem Jahre 1892 die Anstalt wieder schliessen.

Digitized by Google

313

Glücklicher Weisse waren die Einsicht der massgebenden «Stellen sowohl in Regicrungskrcisen als auch unter den Pflanzern und die warnende Stimme der Presse im Stande, diesem unheilvollen Entschlüsse noch zur richtigen Zeit Einhalt zu thun. Dennoch wurden im Jahre 1892 fast keine Kranken neu aufgenominen und erst 1893, als sich wieder höhere Tabakspreise einsteilton, konnte die Anstalt wieder in völligen Betrieb kommen und erfuhr 189ö eine durch vermehrten Zugang nötliig gewordene Vergrösserung auf 100 Betten. Es werden selbstverständlich in die Anstalt nur Kulis jener Pflanzungen aufgenommen, deren Besitzer durch Beiträge den Bestand des Asyls ermöglichen, wodurch leider eine volle Wirkung, eine Unschädlichmachung aller Infectionsqucllen, nicht erzielt wird ; immerhin kann man meines Erachtens auch diese theilweise Isolirung nicht hoch genug schätzen. Die im Asyle untergebrachten Leprösen stehen unter keinem Zwange, sondern können sich durch einfaches Entfernen der Isolirung entziehen. Da keinerlei gesetzliche Vorschriften bestehen, so ist an diesem Zustande nichts zu ändern und bleibt es der Einsicht der Kranken selbst überlassen, ob sie im Asyle leben wollen oder nicht. Meist zwingt sie wohl die Misöre des Lebens, die durch das Leiden bedingte theilweise oder völlige Arbeitsunfähigkeit und der Abscheu, den sie bei ihrer Umgebung hervorrufen, zum Aufsuchen des Asyls, wo sie bei bestehender Möglichkeit zu leichter Arbeit (Flcchtwerk, Gemüsebau) ungehalten werden. Sie würden in ihrer grossen Mehrheit meiner Ansicht nach gerne im Asyl verbleiben, wenn hier nicht die störende Wirkung eines anderen Factors hinzuträte. Beobachtungen am bisher zur Aufnahme gelangten Materiale haben ergeben, dass 80°/0 der Kranken Opiumraucher sind. Da ihnen nun die Anstalt unmöglich das volle, gewünschte, tägliche Quantum des Genussmittels bieten kann, so werden sie eben sehr oft durch Opiumhunger zum Verlassen des Asyls und zum Aufsuchen alter Freunde gezwungen, von denen sie das nöthige Opium zu erbetteln hoffen. Auch der Strassenbettel, in dem lepröse Chinesen, gestützt auf ihre Erscheinung, Meister sind, bringt ihnen häufig rasch das Ersehnte und macht Ausflüge aus dem Asyl um so ver- lockender. Man denke sich nur in Europa eine Anstalt,

Digitized by Google

314

deren Insassen zu 80 °lt morphiumsüchtig wären welcher tägliche Wechsel da wohl constatirt werden müsste ! Im Uebrigen sahen alle leprösen Kulis, denen ich aus dem von mir geleiteten Spitale den Eintritt in das Asyl ermöglichte, diesen als eine Wohlthat an und warteten zur Zeit, da die Anstalt nur 50 Betten besass, die Candidaten ohne Murren oft Monate lang, bis endlich für sie der gewünschte Platz offen kam.

Von der Ostküste Sumatra’s sind mir durch Vermittlung der Direktion der Deli-Maatschappy mit grosser Bereitwillig- keit die folgenden, auf das Asyl sich beziehenden Angaben zur Verfügung gestellt worden , welche sicher nicht ohne Interesse sind: Vom 1. August 1890 bis zum 31. Dezember

1896 kamen im Asyl die aus der nachstehenden Tabelle er- sieh tlichtlichen Veränderungen vor:

Aufgenommene

Lepröse

davon

wieder

entlassen

davon

gestorben

davon

weg-

gelaufen

verbleiben

1890

36

2

4

29

1891

38

2

15

7

43

1892

1

5

8

31

1893

33

3

13

48

1894

16

4

10

50

1895

25

18

7

50

1896

49

1

16

13

69

Summa

197

3

63

62

Die 3 Wiederentlassungen erfolgten wegen Irrthums in der Diagnose seitens des einsendenden Pflanzers. Für die 63 Todesfälle unter den Insassen des Asyls werden die nach- stehenden Todesursachen genanut:

Entkräftigung durch Lepra 22\ Melancholie 3

Malaria 13 Cholera 2

Dysenterie 13 Vitium cordis 2

Diarrhoeen 4 Beri-Beri 2

Marasmus senilis .... 2

Es erscheint mir sehr auffallend, dass unter den Todes- ursachen Selbstmord fehlt. Wenn man weiss, wie leicht und schnell Chinesen zum Selbstmord schreiten, der oft aus ganz kleinlichen Gründen unter ihnen sogar epidemisch auftreten kann, so wird dieser negative Befund noch um so auffallender.

315

Aehnlich wie den Schwindsüchtigen eine grosse Hoffnungs- freudigkeit bis zum Ende der Krankheit gegeben ist, scheinen die Leprösen mit einer stoischen Geduld begabt im Ertragen der vielen Störungen, welche ihr Leiden mit sich bringt. Die vor ihren Augen und bei ihrem vollen Bewusstsein vor sich gehenden, irreparablen Zerstörungen ihres Körpers bringen sie nicht zur Verzweiflung, sondern steigern nur ihre Geduld, welche sie ruhig auch ohne jede Hoffnung auf Heilung ihr Schicksal hinnehmen lässt. Die oft so lange, selbst über Dccennien sich ausdehnende , ruhig ertragene Dauer des Leidens und das Fehlen von Angaben über Selbst- mord in der mir zugänglichen Literatur sprechen für diese Ansicht. Oefters findet man den schwermüthigen Gesichts- ausdruck der Kranken erwähnt, aber Angaben über die Psyche derselben fehlen leider überall und steht hier noch ein weites Gebiet für interessante Beobachtung offen. *)

Von den am 31. Dezember 1896 im Asyl anwesenden 69 Leprösen haben, ehe sie zur Aufnahme in die Anstalt gelangten,

11

1 Jahr

6

6 Jahre

5

11

Jahre

2

2 Jahre

5

1 n

1

12

n

5

3

5

8 n

3

13

V

4

4

5

9 ,

2

14

7)

5

5

5

io

3

15

T)

1 16 Jahre

und 1

18 Jahre

an der Ostküstc Sumatras gelebt.

Dieser grossen Zahl von Leprösen und dem in vielen Fällen so langjährigen Aufenthalte der Inficirten sowie der oben erwähnten , grossen Sorglosigkeit der Chinesen der Möglichkeit einer Infection gegenüber entspricht in keiner Weise das muss den Anticontagionisten zugestanden wer- den — die Zahl der sicher beobachteten Infectionen. Um offen zu sprechen, so verfüge ich bei Chinesen über keine Beobachtung einer solchen, obwohl mir anamnestische An- gaben erinnerlich sind, denen zu Folge längeres Schlafen neben Leprösen, gemeinsames Essen und päderastischer Ver- kehr beschuldigt werden. Leider jedoch konnte ich bei meiner damaligen Ueberbeschättigung mit ärztlicher Arbeit der Sache nicht so nachgehen, wie es gerade hier erforder-

*) Anmerkung siehe Seite 320.

Digitized by Google

316

lieh gewesen wäre. Dagegen hatte ich zu meinem Bedauern Gelegenheit, einen mir seit Jahren bekannten, völlig gesunden Europäer, Holländer, in dessen Vaterland Lepra zur Zeit nicht vorkommt, an dem Leiden erkranken zu sehen, und war in der gewiss peinlichen Lage, ihm als behandelnder Arzt von dieser, erst nach längeren Zweiteln gewonnenen Diagnose Mittheilung machen zu müssen.

Patient, Anfang 1889 ein sehr kräftiger, völlig gesunder, in keiner Weise hereditär belasteter, 31 jähriger Mann befindet sich seit 10 Jahren in Indien, hat wenig von Malaria zu leiden gehabt, ist frei von Syphilis geblieben, musste aber in seiner Stellung als Tabakpflanzer viel und andauernd mit Chinesen in Berührung kommen.

In den 80er Jahren waren die europäischen Pflanzer an der Ostküste Sumatra’?; ausnahmslos gezwungon, um unter 100 oder mehr chinesischen Kulis, unter denen sich viele böse, rowdihafte Elemente befanden , Ordnung und Disciplin aufrecht zu orhalten , körperliche Züchtigungen sowohl mit der Hand als auch mit dem spanischen Rohr anzuwonden. Eine Ohrfeige auf ein lepröses, knotig geschwollenes Ohr konnte leicht einen der zahllose Bacillen bergenden Knoten tum Platzen bringen. Die nun mit bacillenhaltigem Seruiii beschmutzte Hand oder ebensolche Nägel waren sicher leicht im Stande, die Infektion in eine der kleinen, durch die häufigen Insektenstiche und die stachelige Pflanzenwelt so zahlreichen Hautverletzungen Uberzubringen so stelle ich mir den Modus der Infection vor, der allerdings nur unter Connivenz von verschiedenen, begünstigenden Momenten möglich ist, wodurch sich aber gerade die Seltenheit solcher Vorgänge erklärt. Ganz ähnlich mag es sich mit Luesinfectionen auf nicht venerischem Wege verhalten, welche auch nur unter ausserge wohnlich günstigen Verhältnissen zu Stande kommen. Ich hatte täglich mit luetischen Geschwüren zu thun, täglich zahlreiche harte Schanker von enormer Grösse zu verbinden , trug eine grosse Zahl von durch luetischen Initialaffect zur Phimose gekommenen Praeputia's ab und an meinen Fingern befanden sich häufig Hautverletzungen, ohne mich zu inficiren. Zwei meiner Coliegen erkrankten aber an Lues insontium durch Nadel- stich in die Finger beim Nähen der beiden Präputialhlätter nach Phimosenoperation und kam mir ausserdem noch ein Pflanzer in Be- handlung, bei dem sich der luetische Initialaffect auf dem Handrücken befand und die Infection mit grosser Wahrscheinlichkeit von einem Schlage herzuleiten war.

In den ersten Monaten oben genannten Jahres bemerkte er auf der Mitte der Stirne einen sich nur sehr langsam vergrössernden, dunkclrothen, kreisförmigen Fleck, der allen Mitteln der ihn damals behandelnden Aerzte widerstand. Im

317

Februar 1891 suchte er meine Hilfe auf wegen einer localen Intoxication des Gesichtes und besonders der Conjunctiven mit Chrysarobin, das ihm gegen den stets persistirenden Fleck auf der Stirne verordnet worden war. Auf Umschläge mit Aqua Goulardi und Aufenthalt im dunklen Räume ginge») die Intoxicationserscheinungen rasch zurück, der Fleck blieb aber völlig der gleiche, war sogar unterdessen (seit 89) grösser geworden. Ungefähr zweimarkstückgross, zeigte er Ringform mit blässerem Centrum und kupferrothem, leicht prominentem Walle. Weder ich noch meine englischen und holländischen Collegen hatten jemals einen derartigen Initialaifect von Lepra gesehen und war uns desshalb die Diagnose unmöglich; doch kam mir die Sache unheimlich vor und rieth ich zur Gxcision. Patient sah davon ab und liess den Zustand ruhig andauern, erfreute sich aber auch in jeder Beziehung völliger Gesund- heit, obwohl eine stetige Grössenzunahme nicht zu verkennen war, so dass der Fleck im November 1893 von länglich ovaler Form fast die ganze Mitte der Stirne einnahm und von der Grenze der behaarten Kopfhaut bis zur Nasenwurzel reichte. Nun kam cs ohne irgend andere Prodromalerscheinungen zur typischen Eruption von dunkelrothbraunen Knoten, welche in sehr verschiedener Grösse sich zuerst am Halse zeigten, sich aber rasch zerstreut über den ganzen Körper verbreiteten, selbst die glans penis nicht verschonten, in besonderer Grösse aber auf dem Rücken und in der Glutaeusgegend auftraten, wo es auch zu Bildung von grösseren, flächenhaften, schwach erhabenen Infiltraten kam. Da bezüglich der Diagnose nun kein Irrthum mehr vorliegen konnte, kam für mich die schwere Stunde, in welcher ich dem Patienten Aufklärung über sein Leiden geben musste. Er nahm dieselbe leichter hin, als ich gedacht hatte. Das initiale Infiltrat hatte also fast 5 Jahre bestanden, vom Januar 1889 bis zum November 1893, ehe cs zum manifesten Ausbrauch der Krankheit ge- kommen war. Zur Erhärtung der Diagnose wurden Präparate der Bacillen hergestellt; zuerst stach ich die Knoten mit einer Nadel an, konnte aber von den stets mit Blut ver- unreinigten Strichpräparaten keine deutlichen Bilder erhalten; später quetschte ich die Knoten mit einer Pincette, wie sie zum Quetschen von Vaccinepusteln bei Kälbern benützt wird, und das nunmehr ohne Blutbeimischung reichlich austretende

Digitized by Google

318

Serum zeigte unglaubliche Mengen der typischen Bacillen. Das gleiche Resultat erhielt ich beim Anquetschen der Knoten an der Ohrmuschel von an tuberöser Form erkrankten Chinesen. Patient, dem ich die Ohnmacht unserer Therapie eingestehen musste und dem ich nur zum Verlassen der Tropen rat-hen konnte, löste sofort seine Verhältnisse, verliess seine glänzende, reiches Einkommen abwerfende Stellung und begab sich nach der Stadt Surabaya auf Java, wo damals ein Dr. A. als Specialist für Lepra einen grossen Zulauf von Patienten hatte. Auf Erkundigung erfuhr ich, dass die Bc- handiungsweise des Dr. A. nicht auf Serumtherapie begründet war, sondern dass er subcutane Injectionen von Carboljodid in die Infiltrate und Knoten vornahm und so wohl locale Besserungen, aber wie begreiflich keine Heilungen erzielte. Von Sumatra nach Surabaya hatte Patient eine mehrtägige Seereise zurückznlegcn und es wollte ihm, dessen Leiden rasch im ganzen Lande bekannt wurde, die nach der Ostküste Sumatra’s fahrende, englische Dampfergesellschaft die Passage verweigern , obwohl diese Linie anstandslos Luetische und Tuberculöse und auch zahlreiche lepröse Chinesen transportirt. Erst nachdem er Zeugnisse von drei Aerzten, einem Eng- länder, einem Holländer und mir, beigebracht hatte, welche die Unbedenklichkeit seines Transportes begutachteten, be- quemte sich der Agent zur Aufnahme unter harten Bedingungen bezüglich Wäscheersatz und Neuanstrich der Cabine. Patient blieb 15 Monate unter Behandlung des Dr. A., begab sich dann nach Europa in seine Heimath und sucht sein Heil zur Zeit in einer strenge durchgeführten, vegetarianischcn Diät und in Befolgung der Methode von Louis Kulme. In seinem letzten Schreiben erwähnt er über seinen derzeitigen Zustand das Folgende: Das Schreiben fiele ihm schwer wegen Steif- heit und Gefühllosigkeit der Finger, noch mehr hindere ihn eine heftig absondernde Conjunctivitis, die allen gewöhnlichen Mitteln trotze; Gesicht, Hals, Nacken und Füsse seien jedoch weniger geschwollen und minder schmerzhaft, auch wären die Drüsenschwellungen zurüekgegangen. Zu erwähnen ist noch, dass die japanische Haushälterin des Patienten, mit welcher er schon vor dem manifesten Ausbruche des Leidens intim zusammen lebte und die ihm auch ohne alle Infections- furcht treu zur Seite stand, so lange er noch in Ostasien weilte,

Digitized by Google

319

völlig gesund blieb. Leider hatte ich keine Gelegenheit mehr, den Patienten persönlich zu sehen und zu untersuchen.

Ende 1894 suchte ein zweiter Europäer meine Behand- lung auf, der sich Autklärung über die Natur seines Leidens erholen wollte. Auch hier musste ich die Diagnose Lepra stellen, doch handelte es sich um Lepra nervorum. Patient, ungefähr 40 Jahre alt, hat viele Jahre auf Java gelebt und ist in Folge seines Geschäftes (Pferdehandel) viel und nahe mit eingeborenen Pferdewärtern in Berührung gekommen, unter denen Lepröse gewesen sind, kann sich aber keiner bestimmten Infectionsgelegenheit entsinnen. Aeusserlich bietet er ein völlig normales Aussehen, zeigt aber nach Entkleidung auf beiden Unterschenkeln und auch im unteren Drittel der Oberschenkel umfangreiche Stellen von atrophischer Haut, welche von schwach prominenten, blass rothen, leicht ab- schuppenden, an Grenzlinien auf Landkarten erinnernden Wällen umgeben sind. An den Oberschenkeln besteht innerhalb dieser Linien, an den Unterschenkeln überhaupt Anaesthesie. Ulcera an den Füssen finden sich nicht. Patient hat auch Lues durch- gemacht und ist geneigt, sein jetziges Leiden auf diese In- fection zurückzuführen. Eine vorsichtige, antiluetischc Be- handlung (Protojoduretpillen und Bepinselung der Linien mit 3% alkoholischer Sublimatlösung) bleibt jedoch erfolglos. Da ich Anfang 95 Sumatra verlassen musste, konnte ich leider auch diesen Fall nicht weiter im Auge behalten, doch übt Patient zur Zeit noch sein Geschäft an der Ostküste Sumatra’s aus.

In den Jahren 1891 1894 inclusive kamen 28 Lepröse zur Aufnahme in das damals von mir geleitete Spital der Deli-Maatschappy zu Bindjei, über welches bereits Heft 1 p. 39 dieses Archivs berichtet habe. Von denselben starben 4 an complicirender Malariacachexerie, 3 wurden auf Wunsch in das oben erwähnte Asyl aufgenommen, während der Rest nach einem durchschnittlichen Spitalaufenthalte von 48 Tagen zur Arbeit zurück kehrte. Lepra nervorum war bei weitem häufiger als Lepra tuberosa. Die bei crsterer Form vor- kommenden Ulcera und Mutilationen zwangen die Kulis, das Spital aufzusuchen, während Kranke mit Lepra tuberosa ruhig bei ihrer Arbeit blieben, wenn der Zustand nicht zu weit gefordert war. Ulcera leprosa an Händen und Füssen,

Digitized by Google

320

besonders auf der Fusssohle über dem Ballen der kleinen Zehe, seltener am Unterschenkel, Nekrosen von Finger- und Zehenphalangen und Metatarsalknochen, Peritendinitis leprosa und Lymphadenitis leprosa finden sich neben der Diagnose Lepra auf den mir gebliebenen Aufnahmekarten der Kranken verzeichnet, während Malariacachexie, Dysenterie und Scabies als Complicationen vorkamen. Die Behandlung war eine den allgemeinen Grundsätzen der Chirurgie und Antiseptik ent- sprechende und habe ich in allen Fällen gefunden, dass sich die Patienten um so besser befanden, je öfter und gründ- licher die nöthigen chirurgischen Eingriffe an ihnen vollzogen wurden. In mehreren Fällen von sehr hartnäckigen, tiefen Geschwüren auf der Fusssohle, welche sich unter der gewöhn- lichen Behandlung wohl verkleinerten, aber nie ganz zur Heilung kamen, führte ich die völlige Excision des Ulcus im Gesuuden mit Abtragung des Geschwürsgrundes aus und vereinigte die frischen Wundränder durch die Naht. Wenn dabei die an den Fusssohlen von Barfussgängern so dicke und schwielige Epidermis genügend weit abgetragen war und die Operirten sorgfältig das Lager hüteten, trat öfters Heilung per priinam intentionem ein. Jedoch bei den ersten Geh- versuchen und auch, sowie die Ränder der Epidermisschwiele wieder aufeinander stiessen , bildete sich stets wieder ein Ulcus. In Folge der in den meisten Fällen bestehenden, tiefgreifenden Anaesthesie ertrugen die Leprösen alle noch so schmerzhaften , chirurgischen Eingriffe leicht und ohne Widerstand. Eine in 8 Fällen streng durchgeführte, anti- luctische Behandlung (Einreibungen und Jodkali) blieb ganz ohne Erfolg, wie auch während der Tuberculinzeit in 5 Fällen ausgeführte Einspritzungen mit Tuberculin und Ichthyol inner- lich und äusserlich keine besseren Resultate ergaben. Zu erwähnen ist noch, dass für die im Spitale anwesenden Leprösen eigene Instrumente und Gefasse geführt wurden und dass ihre Behandlung eist vorgenommen wurde, nach- dem alle anderen Patienten besorgt waren.

Anmerkung xu Seite 315.

Menge nagt in seinem Vortrage auf der 68. Versammlung der Aerzte und Naturforscher: „Die Leprösen in Leopoldvillo am Coiigo waren eine ganz zufriedene in ihr Loos ergebene kleine Gesellschaft; einer war der ausgesprochene Hofnarr des Negerdorfs.'4 D, Ked.

Digitized by Google

321

Der Parasitenbefund bei den Malariafiebern und seine Verwerthbarkeit für die Erkennnng, Behandlung und Verhütung der Malariafieber

von Dr. Reinhold Rüge, Marinestabsarzt.

(Fortsetzung.)

Fernerhin rathe ich, nie mit der Unter- suchung frischer, sondern mit der gefärbter Präparate zu beginnen. Ob man sieh Trockenpräparate herstellen oder dem Vorschlag Rosin’s ') folgen will, ist an sich gleichgültig. Werden solche Vorstudien in Deutschland gemacht, so kann es sich natürlich nur um gefärbte Präparate handeln. Denn die Fälle von tropischen Malariafiebern, die bei uns in der Form von Rückfällen zur Beobachtung kommen, sind so selten und so zerstreut, dass sie bei einem methodischen Studium nicht in Betracht kommen können. Es liegt nun nahe, Blutpräparate Malariafieber- kranker aus tropischen Gegenden sich schicken zu lassen und zum Zwecke der Untersuchung hier zu färben. Ich habe das versucht. Die Herren St. A. Dr. Dr. von Schab, Schlick und Behrendsen sind so liebenswürdig gewesen, mir auf meine Bitte Blutpräparate von Malariatieber- kranken aus Kamerun zu schicken. Ich habe aber diese Präparate nach den gewöhnlichen Methoden hier nicht färben können. Sie nahmen keine Farbe mehr an. Es muss irgend eine chemische Veränderung in dem getrockneten Blute vor sich gehen.

Es müsste also der Versuch gemacht werden, bereits in den Tropen gefärbte Präparate in grösseren Mengen nach hier zu schicken, um das nöthige Material für Studien- zwecke zu erlangen.

') Rosin setzt dem frischen Präparate einen Tropfen einer Methylenblau-Kochsalzlösung von 1 : HO 000 zu und saugt durch Flies- papier diesen Tropfen in das Präparat hinein. Es färben sich dann die frischen Parasiten sehr viel schneller als die gehärteten und eher als die weisson Blutkörperchen. Deutsch, mod. W. 1898. S. 1070. Bestätigt ist dies in neuester Zeit von Roettger, Deutsch, med. W. 1896 S. 237. Verf. fand diese Lösungen zu diinn und benutzte eine 10 °/0 Methyleublaukochsalzlösung mit sicherem Erfolge.

Digitized by Google

322

Dass das Auffinden der tropischen Malariaparasiten recht schwierig sein kann, wird von allen Autoren1) hervor- gehoben und dass es Uebung erfordert, zeigt nachstehendes Ci tat: „Zur Aetiologie der Malariakrankheiten in Kaiser- Wilhelm-Laud kommend, habe ich dabei das Folgende zu bemerken: Weder in den rothen Blutscheiben noch auch frei im Blut habe ich die Marchiafava-Celli 'sehen Plasmodien auffinden können, ebenso wenig würden solche hierorts im pathologischen Institut in einer Blutprobe gefunden, welche mir gelegentlich eines Recidives entnommen wurde, womit aber natürlicherweise nichts gegen die Bedeutung dieser Phismodien gesagt werden soll.“ * *)

Ich selbst untersuchte an einem trüben Tage des letzten Dezembers das Blut eines Kranken, der an einem Rückfall an Kamerun mal aria litt. Im frischen Präperate konnte ich keine Parasiten finden. Ich wunderte mich nicht sehr darüber, denn der Mann war an dem betreffenden Tage fieberfrei und hatte vor einigen Tagen an Bord Chinin erhalten. Um so mehr überraschte es mich, als ich dann im gefärbten Präparat3) die kleinen blauen Ringelchen fand.

*) Grawitz: Ueber Blutuntersuchungon bei ostafrikaniachen Malariaerkrankungon. Berl. Klin. W. 1892. S. 139. r Jeden Tag aber waren diese Parasiten so spärlich wie am ersten Tage und auch an gefärbten Präparaten kostete es mich öfters einen ganzen Vormittag, ehe ich ein einziges Exemplar auffinden konnte.*1

F. Plehn: lieber das Schwarzwasserfieber an der afrikanischen Westküste. Deutsch. Med. W. 1895. S. 416. „Erst bei der Unter- suchung des frischen lebenden Blutes zwischen Paratfinschichten im Heizkasten zeigt es sich „dass diese Gebilde, welche andernfalls ausserordentlich leicht auch vom Geübten mit ganz ähnlich aussehenden hellen Stellen im normalen Blutkörper verwechselt werden können, sich als Parasiten charakterisirten.“

Ziemann 1. c. S. 663, „Es fanden sich die charakteristischen kleinen Ringelchen der wenig oder gar nicht pigmentirten Kameruu- parasiten. Dieselben waren bei der Beobachtung im nativen Präparat anfangs entgangen.

*) Schellong, Deutsche Med. W. 1889. S. 746.

Fischer konnte bekanntlich weder bei den Kameruner noch an West-Indischen Malariafiebern 1887 Parasiten nachweisen.

*) Zur Herstellung gefärbter Präparate habe ich nicht mehr das gewöhnliche Verfahren: Abziehen zweier Deckgläschen aneinander oder Aufstreichen von Blut mittels Spatels oder Oese benutzt, sondern das von Jaucso und Uoseuberger angegebene. Nachdem man JOa«t

323

Wenn A. Plehn angiebt, dass sich die kleinen Parasiten des Schwarzwasserfiebers gar nicht oder nur sehr wenig färben, so vermuthe ich, dass das Methylenblau, das ihm zur Ver- fügung stand, in den Tropen gelitten hatte. Mir selbst ist es vorgekommen, dass ich mit demselben Methylenblau, das ursprünglich gut gefärbt hatte, kurze Zeit später keinen einzigen Parasiten mehr färben konnte. Ich suchte die Schuld zunächst in der Art der Lösung: Alle neu herge- stellten Lösungen versagten ebenfalls. Die Färbungen ge- langen aber sofort wieder, als ich neues Methylenblau an- wenden konnte.

Wenn nun auch, wie aus dem eben Gesagten hervor- geht, die Untersuchung auf kleine Tropen - Malariaparasiten unter Umständen recht schwierig ist, so wird man doch stets im Stande sein, im Laufe eines Vormittages durch ge- färbte Präparate eine Diagnose bezw. Differentialdiagnose stellen zu können. Damit ist aber schon viel gewonnen. Denn es ist nicht möglich, eine derartige Diagnose in so kurzer Zeit durch die klinische Beobachtung zu stellen. Es ist aber nöthig, eine Differentialdiagnose rasch stellen zu

den bekannten Vorsichtsmassrogeln einen Tropfen Blut aus der Finger- kuppe erhalten hat, zieht man die hohe Kante eines Deekgläsehens so an dem Tropfen entlang, dass an der ganzen Länge dieser Kante und an der hinteren breiten Fläche des Deckgläschens ein schmaler Blnt- atreifen haften bleibt. Dies so beschickte Deckgläschen wird sodann mit der hohen, blutbenetzten Kante auf einen Objektträger derart aufgeBetzt, dass der schmale, blutige Streifen, der sich auf der breiten Fläche des Deckglases befindet, nach rechts hinten sieht. Dann wird das Deckgläscben auf der hohen Kante stehend nach links vorn Uber den Objektträger geschoben. Auf diese Weise erhält man gleichmässig ausgebreitete Präparate, ohne die zelligen Elemonte dos Blutes gopresst zu haben. Ich kann diese Art der Herstellung von Blutpräparaten sehr empfehlen.

Deckgläschen von der hohen Kante gesehen

.Blutstreifen auf der Hinterfläche

i Objectträger

Der Pfeil giebt die Richtung an, in der das Deckgläschen Uber den Objeettrüger geschoben werden soll.

Die punktirte Linie zeigt die Stelle an, an der das Deckgläschen zuerst aufgestellt wurde.

Digitized by Google

324

können, sobald man sich in einer Gegend befindet, in der neben Malariafiebern noch andere ähnliche, aber ansteckende Krankheiten Vorkommen. Dies ist z. B. regelmässig im Sommer in Mittel-Amerika und an der Ostküste von Süd- Amerika der Fall. Hier muss die Differentialdiagnose zwischen Gelbfieber und Malariafiebcr rasch gestellt werden. Denn jeder Schiffsarzt, der zur Epidemiezeit in Gelbfieber- hüfen, in denen auch Malariafieber Vorkommen, wie Rio de Janeiro oder Santos, gewesen ist, weiss, in welcher Weise der Arzt um Rath und Vorschläge angegangen wird, sobald das Gespenst des Gelbfiebers droht und welche Verantwort- lichkeit ihm zugeschoben wird, wenn sich der erste gelb- fieberverdächtige Fall an Bord zeigt. Im ersteren Falle soll der Arzt Verhaltungsnmssregeln angeben, um die Einschleppung zu verhüten, im letzteren Falle drängt Alles darauf hin, zu erfahren, ob der verdächtige Fall Gelbfieber ist oder nicht. Wie soll sich da der Arzt, der zum ersten Mal an solche Plätze kommt, helfen ? Im ersten Punkt wird er sich leicht zurecht finden: er wird geeignete Absperrungsmassregeln

treffen, so weit es die Verhältnisse zulassen. Aber im zweiten Punkte wird er meist rathlos sein, denn auf der Universität hat er von Gelbfieber ebenso wenig zu sehen bekommen als von tropischen Malariafiebern. Nun giebt es zwar Bücher, in denen der Verlauf des Gelbfiebers geschildert wird, aber alle die Autoren stimmen darin überein, dass Gelbfieber in seinen Anfangsstadien von Malariafiebern und anderen fieber- haften Krankheiten nicht zu unterscheiden ist. Es kommt aber begreiflicherweise eben darauf an, den Fall sofort zu erkennen. Ist nun der betreffende Arzt mit der Unter- suchung auf Malariaparasitcn vertraut, so wird er bald eine Differentialdiagnose stellen können. In ähnlicher Weise wird ihm die Blutuntersuchung helfen, wenn es sich darum handelt, festzustellen, ob es sich um eine algide Form des Malaria- fiebers oder um cholera asiatica handelt.

Noch einige andere Beispiele mögen zeigen, dass die Blutuntersuchung einen hohen diagnostischen Werth hat. Brandt1) theilt z. B. folgende Fälle mit:

Vorgeschichte: IG Wochen vor der Aufnahme Sturz an Deckaus 40 Fuss liöhe, in den ersten Tagen nacli dem Sturz besinnungslos,

>) Deutsch. Med W. 1890. S. 8G4.

Digitized by Google

325

anf der ganzen Reise bettlägerig. Früher Malaria. Bei der Aufnahme subfebrile Temperaturen, macht den Eindruck eines imbecillen Menschen, Gedächtnisskraft völlig erloschen, Sprache stotternd, keine Motilitäts- oder Sonsibilitätsstörungen, lässt' unter sich. Am Kopfe sternförmige, verschiebbare Narbe, geringer Milztumor. Diagnose : Druck auf s Gehirn durch ein Schädelfragment. Es soll trepanirt werden. B. machte aber vorher noch eine Blutuntersuchung und fand Malariaparasiten. Es wurde Chinin gegeben. Nach 4 Wochen konnte der Kranke mit völlig normalem physischen Verhalten als geheilt entlassen werden.

In einem zweiten Falle schwankte die Diagnose zwischen Sepsis, Coma uraemicum und Malaria. Die Blutuntersuchung ergab Malaria- parasiten, und der Mann, der vom Schiffsarzt mit der DiagnoBo Sepsis in's Hospital geschickt worden war, wurde ebenfalls durch Chinin geheilt

Auf der anderen Seite fordert ein negatives Resultat der Blut- untersuchung zu Untersuchungen in anderer Richtung auf und es wird schliesslich möglich, die richtige Diagnoso per exclusionem zu stellen. So berichtet Osler '), dass bei einem inalariavordächtigen Manne wiederholt die Blutuntersuchungen negative Resultate ergaben, obgleich das vorhandene Fieber für längere Zeit durch Chinin beseitigt werden konnte; es kehrte indess immer wieder. Schliesslich stellte es sich heraus, dass das Fieber durch einen Senkungsabscess der Leudenwirbelsäule hervorgerufen war. Derselbe Autor berichtet noch von 6 weiteren malariaverdächtigen Fällen, die alle einen negativen Blutbefund aufwiesen. Es handelte sich, wie später gefunden wurde, bei 4 um Schwindsucht mit sehr geringen physikalischen Erscheinungen, bei 2 um Nierenaffektionen.

Ebenso konnten Marehiafava und Celli’) in einem Falle von intermittirendem Fieber, das mit Frost einsetzte und mit Schweiss endete, keine Parasiten nachweisen und sie fanden schliesslich, dass der betreffende Kranke an Endocarditis litt. Besonders interessant sind 5 von Karlinski’) mitgetheilte Fälle. Alle Erkrankten hatten bereits an Wechselfieber gelitten und bei allen war der Nachwoiss der Parasiten gelungen. 10 Tage bis 8 Wochen nach dem letzten Wechselfieberanfall erkrankten dieselben Personen wieder unter Schütteltrost, hohem Fieber, Somnolenz, Vergrösserung und Schmerz- haftigkeit von Milz und Leber. Bei dieser zweiten Erkrankung aber, die ihrem klinischen Beginn nach für Wechselfieber gehalten wurde, konnten Malariaparasiten nicht im Blute nachgewiesen werden. Es fanden sich vielmehr den Reknrrensspirilleu ähnliche Mikroorganismen im Blute und schliesslich verliefen die Erkrankungen als ein fieber- hafter Ikterus, der nichts mit Malariafieber zu thun hatte.

’) The British Med. Journ. 1887. p. 650 und 502. >) Arch. ital. de biolog. 1888. p. 303.

*) Fortschritte der Med. 1890. S. 101.

Arehir f. Hchltfa- u. Troprnhvgirne.

Digitized by Google

326

Bein1) spricht sich folgendennassen aas: „Unter den Fällen, welche ich zu controlirenden Blutuntersuchungen heranzog, befanden sich drei, welche selbst dem geübten klinischen Beobachter und Unter- sucher Schwierigkeiten bezüglich des sicheren Ausschliessens der Inter- mittens in der Diagnose bereitet hätten. Insbesondere ein Fall von ausgesprochener Kachexie mit Milztumor und intermittirendem Fieber bei Abwesenheit sonstiger Organerkrankungen musste zunächst als Malaria imponiren. Gleichwohl gelang es niemals bei den zahlreichen Blutuntersuchungen, Plasmodien zu entdecken. Dasselbe negative Resultat gaben die beiden anderen diesem ähnlichen Fälle. Wie sehr man berechtigt war, aus der Abwesenheit der Plasmodien im Blute die Diagnose Malaria auszuschliessen, bewies die weitere Beobachtung bezw. Autopsie. Der erst erwähnte Fall erwies sich bei der Obduc- tion als ausgedehnte Tuberculose der retroperitonealen Lymphdrüsen, der zweite Fall bei weiterer Beobachtung als Magencarcinom mit MeU- stasenbildung in den angrenzenden Organen, besonders in der Milz; der dritte Fall als Lungentuberkulose mit Emphysem und chronischem Milztumor. Zu diesen Fällen kommen noch zwei von Supraorbital- neuralgie mit undeutlicher Milzschwellung, bei denen Malaria als aetio- logisches Moment nicht auszuschliessen war.

Der negative Blutbefund schützte auch hier vor einer Fehl- diagnose. Diesen Beispielen gegenüber steht der erwähnte Fall, wo die Diagnose Malaria zunächst durchaus zweifelhaft war und anfangs suppurative Processe im Innern angenommen wurden. Hier konnte bei der ersten Blutuntersuchung mit einem Schlage durch das Auffinden der Plasmodien die sichere Entscheidung gefällt werden.

Ehe ich zur Besprechung der Verwerthbarkeit des Blutbefundes für die Behandlung übergehe, muss ich oinige allgemeine Thatsachen aus dem Gebiete der Malariapathogenese einschieben. Wie gleich zu Anfang erwähnt, haben wir einen wohlcharakterisirten Erreger für die heimische febris tertiana und einen solchen für die febris quartana. Es scheint aber eine Lücke zu bestehen. Denn von dem Erreger der heimischen febris quotidiana ist bis jetzt noch nicht die Rede gewesen. Aber auch darüber haben die Untersuchungen Golgi’s Aufklärung ge- geben. Nach den Beobachtungen aller Autoren entspricht ja jedem Fieberanfall die Reifung einer Parasitengeneration. Noch während des Anfalls und gegen Ende desselben dringen aber die jungen Parasiten bereits in die rothen Blutkörperchen ein. Sie vollenden also ihre Ent- wicklung in der Zeit, die zwischen zwei Fieberanfällen liegt. Sind nun z. B. zwei Parasitengenerationen des Tertianaparasiten im Blute vorhanden) deren Reifung immer in einem Zeitabstand von 24 Stunden hinter einander eintritt, so muss alle 24 Stunden ein Anfall erfolgen, d. h. es muss eine febris quotidiana entstehen. Doch ist diese febris quotidiana im Grunde genommen weiter nichts als eine febris tertiana duplex. Ebenso muss eine febris quotidiana erzeugt werden, sobald 3 Generationen des Quartanaparasiten im Blute vorhanden sind, die

*) L. c. S. 26.

32?

in 24atÜndigen Intervallen nacheinander zur Reife kommen. Die schein- bare febris quotidiana ist daun eine febris quartana triplex. Ebenso wird eine febris quartana duplex entstehen, wenn sich nur 2 Genera- tionen des Quartanaparasiten im Blute befinden. Da nun diese theo- retischen Erwägungen Golgi’s durch zahlreiche Beobachtungen ’) be- stätigt worden sind und bei einer febris quotidiana mit der unten aufgeführten Ausnahme entweder die Parasiten der febris tertiana in zwei oder die der febris quartana in 3 Generationen oder beide zusammen in Combinationen gefunden worden sind, so ist die Golgi’sche Lehre wohl richtig. Natürlich kann man bei einer febris quotidiana auch halbmondbildende Parasiten finden ’), da ja die atypischen Fieber zeitweise qnotidianen Typus haben können und es ausserdom stets Fälle geben wird, die nicht in Golgi's Schema passen werden. So muss z. B. ein unregelmässiges Fieber entstehen, wenn die im Blut befind- lichen Parasitengenerationen nicht immer genau dieselbe Entwicklungs- dauer haben, wie es vermuthlich bei den ante- und postponirenden Fiebern der Fall ist. Golgi hat auf diese Beohachtungen fusseud folgende Sätze aufgestellt, die von den meisten Autoren anerkannt worden sind.

Es giebt 3 Fiebertypen, und zwar eine febris tertiana, hervor- gerufen durch den Tertianparasiten, eine febris quartann, hervorgerufen durch den Quartanparasiten und ein atypisches Fieber, hervorgerufen durch die kleinen (halbmondbildenden) Parasiten. Die febris quotidiana ist kein selbstständiger Fiebertypus, sondern entsteht entweder durch das gleichzeitige Vorhandensein mehrerer Generationen der beiden ersten genannten Arten bezw. deren Combinationen oder durch die kleinen (halbmondbildenden) Parasiten.

Laveran's Einwände gegen Golgi's Theorie sind nicht stichhaltig, wie ich nachzuweisen bemüht war’) und auch Mannaberg gezeigt hat4).

Danach können aber die Malariaerkrankungen aetio- Iogisch nicht mehr als einheitlich aufgefasst werden. Wir müssen die Fieber, die durch die halbmond bildenden (kleinen)

Parasiten hervorgerufen werden, von denjenigen trennen, die durch die nicht halbmondbildenden Parasiten erzeugt werden.

Es gehört nicht in den Rahmen dieser Arbeit, die einzelnen Fieberarten mit ihren Symptomen zu besprechen. Es soll nur untersucht werden, in wie weit der Blutbefund auch für die Behandlung der Malariafieber ver- werthbar ist. Mit anderen Worten: giebt uns der Blut- befund eine Antwort auf die Fragen: Wann, wie viel, auf welche Weise und wie lange soll Chinin gegeben werden?

') Sur l’infection malariquc, Arcli. ital. de biolog. 1887, 8.

*) Boi den tropischen Molariufiebern die Regel.

*) Deutsch, militairärztl. Zeitschr. 1892.

4) 1. c. S. 73 u. folgende.

23*

Digitized by Google

328

Der alte Erfahrungssatz lautete: bei intermittirenden Fiebern muss Chinin während der Apyrexie am besten sofort nach dem Fieberabfall gegeben werden, bei schweren remit- tirenden Fiebern soll überhaupt kein Chinin gegeben, sondern gewartet werden, bis das Fieber intermittirend geworden ist. Wie lange nach Aufhören des Fiebers noch Chinin gegeben werden sollte, darüber war keine Einigung zu erzielen. Jeder Arzt handelte nach seinen eigenen Erfahrungen. Es lag also nach Entdeckung der Malariaparasiten nahe, den Versuch zn machen, die Einwirkung des Chinins auf die verschiedenen Parasitenformen direkt unter dem Mikroskop zu beobachten. Lagen doch in dieser Beziehung schon die epochemachenden Arbeiten von Binz über die Wirkung des Chinins auf In- fusorien vor. Es stellte sich aber sehr bald heraus, dass nicht nur verdünnte Chininlösungen, sondern bereits physio- logische Kochsalzlösungen die Malariaparasiten tödteten.1) Es wurden die Untersuchungen also nur in der Weise angestellt, dass Malariakranken Chinin gegeben wurde und in bestimmten Zwischenräumen nach der Darreichung die Malariaparasiten auf ihren Zustand untersucht wurden.’) Dabei stellte sich heraus, dass die Halbmonde völlig unempfindlich (vergl. S. 258 Anm. 3) und dass die ebengebildcten Sporen der Malaria- parasiten am empfindlichsten gegen Chinin waren wenigstens die Sporen der Quartanaparasiten.- Wenig empfindlich waren die reiferen Formen, und die endoglobulären jungen Formen zeigten sich nächst den Halbmonden am widerstandsfähigsten.’ ) Bei seinen weiteren Versuchen fand Golgi*), dass bei der febris tertiana und quartana das Chinin am besten 3 5 Stunden vor dem Anfall zu geben ist. Der betreffende Anfall kann zwar dadurch nicht aufgehalten werden, es erfolgen dann aber keine weiteren Anfälle, selbst wenn keine zweite Chinin- gabe verabreicht wird. Das Chinin trifft bei dieser Ver- abreichungsweise die empfindlichen Sporen in statu nascendi

’) Fortschr. d. Med. 1885. S. 794. Marchiafava und Celli, Weitere Mitth. Ub. d. Mnlariainfektionen.

’) Durch diese Versuche wurde zugleich festgestellt, dasä das Chinin die Parasiten selbst vernichtet und nicht etwa nur ihre Stoff- wechselprodukte, siehe Mannaberg 1. c. S. 170.

’) Aehnlich spricht sich Laveran aus. Vergl. Tratte des fi^vrei palustros, p. 450 u. folgende.

') Deutsch, med. W. 1892. S. 708.

Digitized by Google

329

and tödtet sie. Gerade zum entgegengesetzten Resultat kam Plehn1) durch seine Studien. Er sagt: „Anders steht es mit den Sporen. Diese sind, wie man sich direkt im lebenden Präparat überzeugen kann, erheblich widerstands- fähiger. Man kann sie im Blutpräparat, auch bei niederer Temperatur, ziemlich lange lebens- und bewegungsfähig er- halten. Gegen Chinin sind sie erheblich resisten- ter als die Amoeben. Ich habe mich verschiedene Male davon überzeugen können, dass eine einmalige Chinin- dose, welche ich einem Intermittenskranken zu einer Zeit gab, wo sein Blut eine Menge von Theilungs- formen, ja nur von solchen ausgewachsenen Parasiten enthielt, welche durch die differente, leicht körnige Licht- brechung im Zellleib als die Theilung vorbereitend sich ver- riethen häufig 3 bis 4 Stunden vor dem Beginn des Frostes, ;lso zu einer Zeit, wo noch vor Ausbruch des Anfalles die Resorption des Arzneimittels erfolgt sein musste nicht im Stande war, weder den folgen- den Anfall noch auch weitere Reaction zu ver- hüten, während eine entsprechende Dose, einige Stunden nach dem Anfall gegeben, bei den ganz typischen Fällen, d. h. denen gegeben, in welchen sich fast ausschliesslich Formen einer Entwicklungsstufe gleichzeitig vorfanden, ich 3mal schon mit einer grossen Chinin- dose die Krankheit endgültig heilen konnte.’)

Das ist ja eine klinisch längst bekannte Thatsache; mit Berücksichtigung des aetiologischen Moments glaube ich die- selbe so erklären zu können, dass das Chinin den Theilungsprodukten der Parasiten gegenüber mehr oder minder machtlos ist und seine speci- fische Wirkung nur den ungemein empfind- lichen amoeboiden Formen gegenüber entfaltet.8)

Anders stellt sich das Vorhältniss bei den quotidianen und remittirenden Fiebern. Da hier für gewöhnlich mehrere

*) Aet. u. Kl in. Malariastud. 1880. S. 28.

') Bei intermittirenden Fiebein sah Verf. auch bessere Erfolge, wenn Chinin im Fioberabfall und nicht 3 S Stunden vor dein erwarteten Anfall gegeben wurde.

*) Diesen Ausführungen stimmt Verf. auf Grund seiner persön- lichen Erfahrungen durchaus zu.

Digitized by Google

330

Parasitengenerationen im Blute vorhanden sind, die in regel- mässigen Zwischenräumen von 24 Stunden (febris quotidiana) oder in kürzeren unregelmässigen Zwischenräumen hinter- einander zur Reife kommen (febris remittens), so muss hier Chinin natürlich in wiederholten Dosen gegeben werden.1)

In Bezug auf die Grösse der Einzelgabe hat der Para- sitenbefund keine Aenderung herbeigeführt, da Binz seiner Zeit schon nachgewiesen hatte, dass zur Abtödtung von Amoeben und diesen stehen ja die Malariaparasiten sehr nahe wenigstens eine Chininlösung von 1 : 5000 nöthig ist. Rechnet man nun beim envachsenen Menschen durchschnittlich eine Blutmenge von 5 kg, so wird das Verhältniss der oben er- wähnten Chininmischung durch Einverleibung von einem g Chinin erreicht: vorausgesetzt, dass das verabreichte Chinin auch alles vom Körper aufgesogen wird. Baccelli*) fand aber, dass das Chinin bei den schweren Fiebern oft weder vom Darm noch vom Unterhautgewebe aus aufgesogen wurde. Denn 6 Stunden nach der Einverleibung war es noch nicht im Urin nachzuweisen, während es für gewöhnlich bereits 15 Minuten nach Verabreichung im Urin zu erscheinen pflegt. Gestützt auf die Thatsache, dass Parasiten im Blute vor- handen sind, griff er sie direkt an. Er machte in 30 Fällen intravenöse Chinineinspritzungen von 1,0 Chinin. Er erzielte damit eine Heilung sämmtlicher Fälle, also 100 #/0 Heilungen. Allerdings traten Rückfälle auf, aber in sehr milder Form. Dieser Umstand dürfte mit der grossen Widerstandsfähigkeit der Halbmonde gegen Chinin Zusammenhängen. Diese ausser- ordendliche Widerstandsfähigkeit der Halbmonde gegen Chinin und die Erfahrung, dass sich die kleinen (halbmondbildenden) Parasiten noch zahlreich in den inneren Organen finden, auch

*) Hierzu bemerkt A. Plehn 1. c. S. lt, nachdem er ausgefiihrt hat, dass sich bei den Kamerunfiebern Für gewöhnlich zwei Parasiten- generationen im Blute finden : „Ks ist also zwecklos, die Chiningaben zu häufen; die der Chininwirkung zugänglichen Plasmodien werden durch eine Gabe pro die vernichtet; die älteren auch durch mehret« nicht zerstört. Diese haben sich erst etwa 24 Stunden später wieder in die empfindlichen Jugendformen aufgelöst, und eine zweite massige Chiningabe von 1,0 l'/i Grm nach 24 Stunden genügt somit fast stets, sämmtliche aktiven Parasitenformen, und somit die Malariaattaqn« zu beseitigen.“

*) Berlin. Klin. W. 1890. S. 489.

Digitized by Google

331

wenn sie längst aus dein peripherischen Blut verschwunden sind, führte dazu, Leute, die an Fiebern gelitten hatten, denen diese kleinen Parasitenformen zu Grunde lagen, auch später noch, selbst wenn sie längere Zeit scheinbar gesund gewesen waren, auf Malariaparasiten zu untersuchen. Der erste, der meines Wissens dies that, war Canalis *)•

Ein Soldat, der ein unregelmässiges Malariaiieber über- standen hatte, bereits vierzehn Tage fieberfrei war und sich durchaus wohl fühlte, sollte entlassen werden. Canalis machte aber vorher noch eine Blutuntersuchung und fand Halb- monde, sowie Sphären. Der Kranke wurde im Hospital belassen und hatte bereits am nächsten Tage einen Fiebcr- anfall. In neuester Zeit sind derartige Untersuchungen in ausgedehnter Weise von Ziemann1) geübt worden. Ich komme noch darauf zurück. Im Hinblick auf die am Golgi 8) beschriebenen Fieber mit langen Zwischenräumen würde es sich empfehlen, eine derartige Beobachtung genesener Malariakranker wenigstens vierzehn Tage lang durchzuführen und die Leute auch späterhin im Auge zu behalten.4)

(Schluss folgt.)

') Arch. ital. de biolog. 1890. p. 278.

*) 1. c. S. 760.

*) Arch. ital. do biolog. 1891. p. 113,

*) A. Plehn, 1. c. S. 13, bemerkt zu dieser Frage: Den

Laveran 'sehen Halbmonden fehlen pathogene Eigenschaften. „Eine praktische Bedeutung haben sie nur insofern, als sie beweisen, dass vor nicht gar langer Zeit Malariaattaquen vorkatnen, resp. dass über- haupt Malariainfeetion stattfand. Eine Indikation zur Chininbehandlung geben sie also nicht, wenn sie allein zu finden sind.“ Verf. steht auf Grund seiner Beobachtungen, die demnächst veröffentlicht werden sollen, auf einem etwas anderen Standpunkte.

Digitized by Google

332

II. Besprechungen u. Literaturangaben.

a. Hygiene, Physiologie und Gesundheitsstatistik.

Neuere Ergebnisse tropenphysiologischer Untersuchungen.

Vor einigen' Jahren stellte der Unterzeichnete dasjenige, wu über die Physiologie des Tropenbewohnera bekannt war, zusammen.1) Es waren damals nur wenig exakte Thatsachen vorhanden. Man hatte wohl im Allgemeinen die Vorstellung, dass die physiologischen Funktionen des Tropenbewohnera Unterschiede von denen des Be- wohners gemässigter Klinmto aufweisen müssten, aber systematische Untersuchungen wärest noch wenig angestellt.

Gerade in den letzten Jahren hat sich dies geändert. Be- sonders im Laboratorium zu Batavia hat man derartige Unter- suchungon begonnen.

Die neueren Untersuchungen erstrecken sich bis jetzt haupt- sächlich auf Blut, Stoffwechsel und Körperwärme; es wird hierbei der Tropeneuropäer sowohl mit dem Bewohner gemässigter Klimate, wie mit dem eingeborenen Tropenbewohner (Malaien) verglichen.

Die Blutuntersuchungen sind zunächst im Hinblick auf die „Tropenanämie“ gemacht worden. Eykman’), van der Scheer’) und Kohlbrugge *) fanden beim Tropenbewohner weder die Anzahl der rothen Blutkörperchen, noch don Hämoglobingehalt vermehrt, im Gegensätze zu Glogner 5j, welcher hierin geringe Abweichungen zu Ungunsten des Tropenbewohners konstatirte. Kohlbrugge meint, dass Glogner's Untersuchungen vielleicht an Malariarekonvalescenten an- gestellt seien, da bei diesen Hämoglobingehalt und Blutkörperchenzahl noch lango unter der Norm bleiben. Ausserdom aber bestimmte Glogner“) mit der Methode von Hammerschlag das spezifische Gewicht des Blutes und erhielt hier niedrigere Werthe. Er schliesst daher aut Eiweissverarmung des Blutes beim Tropeneuropäer. Diesem Resultate stellt sich wieder das von Grvns ') gegenüber, welcher nach der- selben Methode keine irgendwie nennenswerthen Abweichungen finden konnte.

Natürlich kann man aber auf Grund aller dieser Befunde die Tropenanämio als physiologische Abweichung noch nicht fallen lassen. Und doch erklären viele Autoren den Begrill „Tropenanämio* schon für abgeschafft. Allerdings lässt sich ja dio Blässe der Haut auch durch Aenderung der Gefdssinnorvation, also durch andere Blutver-

l) Berliner Kliu. Wochenschrift 1893, Nr. 22.

*) Gcneetk. Tydacbr. v. Ned. Indic. TheU 30, S. 339.

•) Geneeek. Tydschr. v. Ned. Inditi. TheU 30, S. 518.

«) Geneeek. Tydecbr. v. Ned. Indio. Tbeil 35, 8. 436.

*) Virchow’« Archiv. Bd. 1*8, 8. 160.

•) Virchow' Archiv. Bd. 126, 8. 109.

7) Geneeek. Tydecbr. v. Ned. Indid. Thoil 34, 8. 480.

Digitized by Google

333

theilung, erklären: die Gefässo dor inneren Organe müssten erweitert, die Hautgofilsse verengert sein. Dass dieB aber durch die tropischo Wärme bewirkt werde, dafür liegt kein Anhalt vor: wir wissen bis jetzt nur, dass die Wärme die Hautgofässe erweitert. Die anämischen Symptome, welche viele Tropeneuropäer ohno Einwirkung von Malaria oder von Darmparasiten uns daibieten, sind aber doch durch alle Untersuchungen nicht aus der Welt zu sjhaften. Die Frage der Tropenanämie ist noch durchaus nicht gelöst.

Von Eykman *) liegt noch eine vergleichende Untersuchung über Volumen und spezifisches Gewicht der rotlien Blutkörperchen bei Tropeneuropäern und Malaien vor. Er konnte hier keine Unterschiede konstntiren-

Die Stickstoifausscheidung des Europäers in den Tropen, früher von Glogner und von Mourson untersucht, wurde ebenfalls von Eykman *) bearbeitet. Nach ihm scheidet der akklimatisirto Tropen- europäer bei leichtor Arbeit durchschnittlich 12,8 grin. Stickstoff im Harne aus, also kaum weniger, als dor Bewohner des gemässigten Klimas. Dass Glogner früher eine Herabsetzung der Stickstoffaus- scheidung gefunden hatte, ist wohl auf die schwierigen äusseren Be- dingungen. unter denen er untersuchte, zurückzuführen.

Ausserdem stellte Eykman ’) Untersuchungen Uber die Sauer- stotläuf nähme bei Tropeneuropäorn und Malnien an. Es ergab sich iu Indien derselbo Sauerstoffverbrauch (in der Ruhe und nüchtern) wie in Europa. Dadurch wird zugleich bewiesen, dass bei den Tropenbewohnern nicht durch Einfluss der gesteigerten Aussen- temperatur etwa eine herabgesetzte Verbrennung stattfindet. Eine in Betracht kommende chemische Wärmoregulirung ist hier also nicht vorhanden.

So müsssn wir vorläufig annehmen, dass der Stoffwechsel des Europäers in den Tropen sich nicht von dem in gemässigtem Klima unterscheidet. Jedenfalls kann die Vorstellung von verringertem Stoftumsatz nicht durch die Ansicht gestützt werden, dass in den Tropen weniger gegessen werde. Denn diese Ansicht ist, wie Eykman nachweist, und wie man auch ohno Weiteres beobachten kann, durch- aus unrichtig. Es wird vom Europäer in den Tropen auch kaum weniger Fett konsumirt, als in Europa.

Schon Glogner hatte gefunden, dass der Malaie etwas mehr Wärme abgiebt als der Troponeuropäer, dass demzufolge seine Körpertemperatur auch gewöhnlich um einige Zehntel Grade niedriger ist. Auch Eykman *) kommt zu dem Resultate, dass die zwischen Haut und Kleidung befindliche Luftschicht ccteris paribus beim Malaien etwas mehr erwärmt wird als beim Europäer. Dagegen soll dip Wärmestrahlung dor Haut beim Europäer und Malaien gleich

') Genveak. Tydachr. v. Ned. IndlS. Theil 35, S. 360.

*) Vlrcbow'B Archiv. Bd. 131, S. H7.

•) PflUger’v Archiv. Bd. 64, 8. 57.

*) Virchoiv'». Archiv. Bd. 140, 8. 1*5 u. »57.

Digitized by Google

334

gross Bein, was aus Versuchen an Stücken brauner und woisser Haut gefolgert wird.

Aus Eykman's ') weiteren Untersuchungen ergiebt sich, dass de r Tropeneuropäer bei leichter Arbeit durchschnittlich 2-400 2500 Caloriee» producirt, der kleinere und leichtore Malaie 20C0— 2100. Die Wärmeproduktion ist daher, wie auch schon oben ausgeführt, nickt herabgesetzt. Dagegen scheint die physikalische Wärmeregulirung, die Regulirung der Wärmeabgabe, beim Europäer weniger kräftig u sein, als beim Malaien.

Dass der Europäer mehr schwitzt als der Malaie, ist nach Eykman1) nur der grösseren Flüssigkeitsaufnahme des ersteren zuzuschreiben. Die Anzahl der Schweissdrüsen ’) sei beim Europäer und Malaien an den gleichen Körperstellen ungefähr dieselbe.

Aus allen diesen im Laboratorium zu Batavia ausgeftlhrtao Untersuchungen scheint also bis jetzt hervorzugehen, dass, abgesehen von geringen Kleinigkeiten, die physiologischen Funktionen des Europäers sich im Tropenklima genau so verhalten, wie in der gemässigten Zone, ja, dass hierin auch zwischen dem Europäer und dem eingeborenen Tropenbewohner kaum ein Unterschied besteht W'ir dürfen aber nicht vergessen, dass diese Untersuchungen ent begonnen haben, und dürfen uns einer solchen Ansicht nicht ohne Weiteres hingeben. Wenn sie unbedingt richtig wäre, brauchten wir ja von der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Akklimatisation über- haupt nicht mehr zu reden. Der Europäer wäre körperlich ja dann dem Eingeborenen gleicbwerthig. Dass dies nicht der Fall ist, braucht nicht erst betont zu werden.

Nach neueren Mittheilungen von Ouwehand8) haben die Europäer in den Tropen durchschnittlich eine höhere Pulsfrequenz; in einem Viertel der untersuchten Fälle betrug dieselbe 80 89, in einem anderen Viertel 90 99 Schläge, bei Eingeborenen etwas weniger. Bensu *) hält diese Zahlen aber nicht für physiologisch, sondern meint, dass die Betreffenden an leichter chronischer Beriberi litten.

Victor Lehmann.

Schwabe, Bericht über die Gesu nd h e i ts ve r 1 1 n isse anf Jaluit. Arb. aus d. Kaiser!. Gesundh.-Amt, Xlfl.Band. Heft 1. 1896.

Der Bericht umfasst die Zeit vom 81. August 1894 bis 30. Juni 1895. Hervorzuheben ist die bemerkenswerthe Thatsache, dass die Einge- borenen durch Syphilis vollkommen durchseucht sind. Während dreier Monate allein hatte Sch. oinen Zugang von 163 Syphiliskranken zu verzeichnen; darunter nur 3 Primär-Affekte, dagegen 20 secundäre, 83 tertiäre Affekte und 67 Kinder mit congenital. Lues. Dio Ein- geborenen besitzen eine merkwürdige Scham, mit Geschlechtsleiden zum Arzt zu gehen; daher sieht man die Primäraffekte Verhältnis*- mässig selten; die Kranken bleiben in diesem Stadium unbehandelt

') Vlrchow’a Archiv. Bd. 133.

*) Geneeak. Tydachr. v. Ned. IudiiL Theil 35, 8. 411.

*) Genceak. Tydachr. v. Ned. Indie. Theil 34, S. 591.

«) Geneoak. Tydachr. v. Ned. ladie. Theil 35, 8. 160.

Digitized by Google

335

und das ist auch der Grund filr die enorme Weitorverbroitung der Krankheit. Auffallender Weiso sind syphilitische Erkrankungen des centralen Nervensystems selten anzutreffen. Sch. sah nur einen Fall von Gehimsyphilis, welcher nnter spezifischer Behandlung in Genesung überging. Einige Fälle boten differential-diagnostische Schwierigkeiten mit Lepra, welche letztere wohl im Lande unter dem Namen Djuggo bekannt, abor von Sch. selbst nicht gesehen wurde. Sch.

Plehn A. f Klima und Gesundheitsverhältnisso des Schutzgebietes Kameruns in der Zeit vom 1. Juli 189-1 bis 30. Juni 1895. Arb. aus Kaiserl. Gesundheitsamt, XIII. Band, 1. Heft. 1896.

Der Monat August war der kühlste (23,95° C.), der Februar der heisseste (26,65°) Monat. Die absolute höchste Temperatur mit 32° wurde im Mai, die niedrigste mit 20,5° im September beobachtet; die Temperaturdifferenzen im Laufe oines Tages betrugen 5— 6°, bei Ge- wittern und Tornados auch 8 9°.

Es ergab sich mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass der meteoro- logische Aequator unmittelbar südlich von Kamerun anscheinend zwischen Malimba und Klein-Batanga die afrikanische Westküste schneidet. Wenigstens steht fest, dass Kribi im Juli und August die trockene Zoit hatte, während in der gleichen Zeit in Kamerun der moiste Regen fällt.

Die Monate mit besonders häufigen schwächeren Regenfiillen bei starker Sonnenbestrahlung und hoher Maximaltemperatur waren für Europäer die ungesundesten; die Trockenzeit, Dezember, Januar, Februar, und die erste Hälfte März die gesündeste.

Auf 288 Malariafälle kamen 11 Schwarzwasserfieber-Erkrankungen. Dass diese letztere Form des Fiebers besonders dann in Erscheinung tritt, wenn vorangegangene Malariafieber nicht zweckmässig (mit Chinin! Ref.) behandelt wurden, wird auch von P. bestätigt, drgl., dass der Ausbruch des Schwarzwasserfiebers mitunter an eine Chiningabe sich anschlingst. Es wird deshalb vor der Anwendung des Chinin bei Schwarzwasser- fieber gewarnt. Dio Chinindarreichung auf dem Wege der tiefen Ein- spritzung in die Muskulatur gelang bei einer Lösung von Chin. bimuriat. ohne besondere Beschwerden für die Patienten.

Durch die Niederwerfung der Buea bietet sich für die Europäer die Gelegenheit, Bich mehr mit frischem Fleisch zu versorgen, da Rindviehzucht dort zweifellos mit mehr Erfolg betrieben werden kann.

Auch gedeihen in Kamerun Kohl, Karotten, Salat, Rettig, Radies- chen, Bohnen, Gurken, so dass auch in diesor Richtung die Ernährung der Europäer immer weniger auf den Genuss von Conservon ange- wiesen ist. . Sch.

Plehn F., Ueber die bisherigen Ergebnisse der klimato- logischen und pathologischen Forschung in Kamerun. Arb. aus d. Kaiserl. Gesundheitsamt, XIII. Band, lieft 1 ; 1896.

Der Bericht bezieht sich auf das Beobachtungsjahr 1893/94. Während dieser Zeit betrug die mittlere Temperatur 25,4° (1894/96 26,1°); die geringen Tagesschwankungen im Mittel 6,8°, die Luftfeuchtigkeit

Digitized by Google

336

im Mittel 88'Vo, Morgens 95 °/o, 2 Uhr Mittags 78°/», 9 Uhr Abends 9 1 V. In Kamerun existirt nur eine Regenzeit, welche mit den Sommer- monaten zusammenfüllt: im Jnli bis Octobor kommen tägliche Regen vor. Nachts macht sich die Landbrise bemerkbar; Vormittags ist Wind- stille; um 1 Uhr Mittags setzt die S.W.-Seebrise ein. Nebolbildung findet sich vorzugsweise in den durch Urwald eingeschlossenen Flu»- thiilern der Nebenflüsse, während die O.W. verlaufenden Hauptflüsse durch die Windbewegung getroffen werden und Nebel nicht zustande kommen lassen. Auf dem Plateau sind diese Verhältnisse natürlich vorschieden. Als besonders regenreich wird der westliche Abfall de» Plateaus nach der Küste zu bezeichnet.

Die Malaria - Erkrankungen hängen im Allgemeinen mit der Häufigkeit der Niederschläge zusammen ; je mehr Regentage, um so mehr Malaria. Auf 90 Menschen kamen 438 Malariafälle in 1 '/» Jahren, so dass also circa 5 Erkrankungen auf den Einzelnen zu rechnen sind. Die Zahl der Todesfälle an Malaria betrug 34 und machte 77*1« der nicht durch äussere Gewalt herbeigeführten Todesursachen überhaupt aus. Auch bei den Negern sind Malaria-Erkrankungen hänfig. lieber die Zuträglichkeit des Kameruner Klimas geben folgende Daten ein ungefähres Bild: Bei 100 Regierungsbeamten, welche bis 1894 nach Kamerun herausgeschickt waren, betrug die mittlere Aufenthaltsleit des Einzelnen in der Kolonie 1 Jahr und 10 Monate. Die Baseler Mission hat von 1886 bis 1893 30 Missionare nach Kamerun geschickt; davon sind 10 gestorben (8 an Malaria) und 5 mussten krankheitshalber nach Hause geschickt werden. Die mittlere Dienstzeit der Angestellten der Firma Woermann (81, in den Jahren 1884 1895), hat etwa 20 Monate betragen, also ein wenig mehr als/iie Hälfte der kontraktlichen Dienstzeit. Unter diesen Umständen ist die Begründung eines Sanatoriums in dem Gebirge sehr angerathon, die Gegend des 920 in hoben Bnca würde ovent. in Betracht kommen.

Diphtherie wurde in 14 Fälleu bei Negern beobachtet und bacteriologisch sichergestellt (jedoch ohne Impfversuche). Tuberkulose kommt bei den Negern nur ganz vereinzelt vor (2 Fälle, noch da« importirte Sudanesen); auch die Syphilis ist nicht verbreitet (kein Fall !) im Gegensatz zu der Gonorrhoe. Sch.

Düring, Aerztliche Erfahrungen und Beobachtungen auf d er d eu t sc h e n Togo e x p ed i ti o n. 1893/94. Arb. aus d. Kaiscrl. Gesundheitsamt, XIII. Band, 1. Heft. 1896.

Aus dem Bericht ist besonders bemerkenswert!) die Geschichte einer Pockenepidemie, durchweiche die Expedition heimgesucht wurde: von 129 Mann erkrankten 82, darunter 6 zweifelhafte Fälle, welche nur an Fieber und Drüsenschwellungen der Leisten oder des Kiefer- rüttels litten; es starben 25 Mann = 30,5 der Erkrankten. Sehr lästig erwies sich die Belästigung der Kranken durch Fliegen, welche sich an den Pusteln festsetzten und wohl auch dazu beitragen mögen, die Krankheit zu verschleppen; die Kranken schützen sich gegeo die Fliegen durch Ueberwerfen mit Sand oder durch Bestreichen

Digitized by Google

337

mit Butter. Interessant war das Verhältnis?, in welchem Geimpfte und nicht Geimpfte an den Erkrankungen Theil nahmen ; von der ersten Kategorie blieben 50°/«, von den letzteren nur 5,4 “io verschont, ein weiterer Beweis für die Schutzkraft der Impfung, ln Togo sollte man zum mindesten die Stationschefs mit der Technik der Impfung vertraut machen. Von anderen Krankheiten, welche in diesem Bericht aufgeführt werden, ist Kropf zu erwähnen, welcher in einigen Dörfern am Niger, im Ganzen & Mal gesehen wurde. Bemerkenswerth ist auch die folgende auf die Aetiologie des „rothen Hund“ bezügliche An- gabe : Im Lande Gurma schwankte die Temperatur zwischen Morgens und 40° Mittags, verbunden mit einer Psychrometerdifferenz von und darüber, „die Luft war derart trocken, dass wir trotz anstrengen- der Märsche in glühender Sonnenhitze keinen Tropfen Schweiss auf der Haut bemerken konnten; der rothe Hund zeigte sich nicht eher, als bis wir, in der feuchten Nigergegend angekommen, wieder regel- recht transpirirten“. Sch.

b. Pathologie und Therapie.

Pest.

Weitere Mittheilungen der deutschen Pestcommission aus Bombay, erstattet vom 7. und 28. Mai d. J. Deutsch. Med. W. 1897, No. 31.

Zahlreiche experimentelle Untersuchungen zeigten von Neuem die schon früher betonte grosse Hinfälligkeit des Pestbacillus. Zur Ab- tödtung genügte bei Keinculturen eine 16 minutenlange Erwärmung auf 70* C, bei in Fleischbrühe aufgeschwemmten Pestbacillen 10 minuten- lange Erwärmung auf 65 70° C. Sofort tödtlich wirkte Zusatz von 0,1 */• Sublimat, nach 10 Minuten l°/o Carbolsäure oder l°/s Lysol, nach 15—30 Minnten ein Gehalt von 3°/o Schmierseife resp. von l°/o Chlor- kalk, nach 5 Minuten Schwefelsäure (1:2000), nach 30 Minuten reine Salzsäure (1:1000). Essigsäure wirkte dagegen bei 1:200 auch nach einstündiger Einwirkung nicht völlig sterilisirend. Sehr empfindlich zeigten sich die Postbacillen sodann gegen direktes Sonnenlicht und Austrocknung; sie starben in gewöhnlichem oder sterilem Wasser aufge- schwemmt nach einigen Tagen ab, ebenso in autbewahrten Organ- stücken. Alle einschlägigen Versuche zeigten, dass die Pestbacillen nicht ohne Zutritt des atmosphärischen Sauerstoffs zu wachsen vermögen.

In diagnostisch fraglichen Fällen kann man durch einen Ein- schnitt in die geschwollene, noch nicht in Eiterung übergegangene Drüse unbedenklich das für bacteriologische Untersuchung erforderliche Tröpfchen Drüsensaft gewinnen. Für Auffindung von Pestbaeillon in Bacteriengemischen ist vortrefflich geeignet das Aufstreichen des Materials auf der Oberfläche von Gelatineplatten: bei 22« C wachsen hier die Pestbacillen noch recht gut im Gegensatz zu manchen anderen störenden Organismen. Tauben, Hühner, Gänse und Schweine

Digitized by Google

338

überstanden die Infektion viralenter concentrirter Pestbaeillensof- Bchwemmungen reactionslos. Weitere Versuche worden an Hunden, Katzen, Affen, Schafen, Ziegen, Kühen und einem Pferde gemzcht: die Reaction fehlte, war gering oder hochfieberhaft, die lokale Infil- tration war wenig oder stark ausgeprägt und mit Abscessbildung ver- bunden, der Eiter steril, seltener pestbacillenhaltig. In dem frischen Cadaver einer Ratte, die sich in der Freiheit inficirt hatte, waren grosse Mengen von Pcstbacillen nachweissbar ; Ratten sind für die Pestbacillen ausserordentlich empfindlich (S. u.). Die Ausbreitung der Seuche hat dank den ergriffenen Maassregeln dauernd abgenornmen.

Prof. Koch, Prof. Gaffky und Dr. Haffkine konnten eine inter- essante Epidemie in der portugiesischen Stadt Damaon beobachten, welche in zwei durch einen Fluss getrennte Tbeile zerfällt. Die da- durch erleichterte Absperrung bewirkte, dass die Pest vollständig auf den nördlichen Stadttheil beschränkt blieb; der Mensch selbst bildet« hier den 1 räger des Pestcontagiums. Die Seuche hielt sich hartnäckig an die menschlichen Wohnungen, schritt hausweise vor: vielleicht spielen die Ratten eine Rolle dabei. Dem Ausbruch der Pest ging «n vielen Orten eine seuchenartige Krankheit und massenhaftes Sterben der Ratten voraus. Die grosse Ausbreitung der Pest unter den Ratten erklärt sich daraus, dass die Thiere an Pest erkranken, wenn sie. was regelmässig geschieht, an den Cadavern ihrer an Pest verendeten Genossen genagt haben, Thatsachen, mit denen die Bekämpfung der Post zu rechnen hat. Die Schutz Wirkung der Haffkine'schen Impfungen ist eine hohe, aber keine absolute; die Wieder- holung der Impfung anscheinend ohne besonderen Nutzen. Das Half kine'sche Verfahren müsste noch vervollkommnet und zwangsweise durchgeführt werden, sollte es zur Bekämpfung der Pest in grösserem Umfange dienen. Wahrscheinlich werden aber richtige Diagnosen der ersten Fälle, schleunige Isolirang der Erkrankten und fortlaufende Beobachtung der Verdächtigen, verbunden mit rationellen Desinfek- tionsmaassregeln, zur Bekämpfung der Pest ausreichend sein.

Rieh. Pfeiffer, Cassel.

In Indien nimmt die Pest beständig ab, nur aus Puna (Poonsh) wird Ende August ein Wiedoraufflackem der Seuche berichtet. Nach russischen Berichten soll jedoch die Pest, abgesehen von Fonnot-a, auch im eigentlichen Japan besonders in Nagasaki ausgebrochcn sein, sodass ein Uebergreifen nach dem Hafen Wladi wostock befürchtet wird. In China ist die Krankheit im Erlöschen begriffen. Dagegen wird aus Ostasien und Ostindien eine starke Zunahme der Todesfälle und Erkrankungen an Cholera gemeldet.

Digitized by Google

B3Ö

Herl-Bert.

Neuere Arbeiten über die Beriberi.

Referent: Schenbe.

1) E. ran lMeren, Beri-ßeri, eene rijstvorgiftiging.

Amsterdam 1897.

2) F. Grimm, Klinische Beobachtungen der Beri-Beri.

Berlin 1897.

Einen weit extremeren Standpunkt in dieser Frage nehmen van Dieren (1.) und Grimm (2.) ein. Ersterer sieht die Beriberi für eine Reisvergiftung an. Er stützt seine Behauptung haupt- sächlich darauf, dass die Krankheit vorzugsweise in Ländern, wo Reis die Hauptnahrung bildet, vorkommt, dass sie, wie Verfasser, der niemals in einem Beriberi-Laude gewesen ist und daher die Krank- heit nur aus der Literatur kennt, wenigstens annimint, in ihren Symptomen grosse Aehnlichkeit mit dem Ergotismus, der Pellagra und der Akrodynie zeigt, von denen die erstereu beiden sicher, die dritte wahrscheinlich durch eine Mehlvergiftung zu Stande kommt, und dass wiederholt, wie in der niederländisch-indischen Marine, in der japanischen Marine, in japanischen Gefängnissen, in britisch-indischen Gefängnissen eine Besserung der Ernährungsweise, die im Wesentlichen in einem Ersätze eines Theiles des Reises durch andere Nahrungsmittel bestand, eine Abnahme oder selbst ein Verschwinden der Erkrankungen zur Folge gehabt hat. Zur Stütze seiner Behauptung trägt Verfasser aus der Literatur Alles zusammen, was sich zu Gunsten derselben ver- werthen lässt, ohne jede Kritik alte und neue, zuverlässige und werth- lose Arbeiten und Zeitungsnotizen benutzend er nennt dies die kritisch-historische Methode. Dass gleichzeitig mit der von einer Besserung des Gesundheitszustandes gefolgten Besserung der Er- nährungsweise auch eine Besserung der sonstigen hygienischen Ver- hältnisse einherging, dass auch nach Einführung der ersteren die täg- lichen Rationen der Eingeborenen auch beträchtliche waren (in der niederländisch-indischen Marine 1 kg), dass in den Tropen auch die Europäer ohne Schaden viel Reis verzehren (in Niederländisch-Tndien bei der täglichen Reiskost), dass auch in Europa selbst viel Reis ge- nossen wird und doch Beriberi unbekannt ist, berücksichtigt er nicht ganz abgesehen davon, dass man bisher weder beim Reiskorn eine dem Mutterkorn des Roggens ähnliche Krankheit kennt, noch aus dem Reise wie aus dem Maiso giftige Stofte dargestellt hat Mit der Thatsache, dass Beriberi auch in Ländern, wo kein Reis gegessen wird, oder bei Personen, die keinen Reis genossen haben, auftritt, findet sich Verfasser leicht ab. In solchen Fällen handelt es sich nach seiner Ansicht gar nicht um Beriberi, sondern um eine Polyneuritis aus anderer Ursache, oder das die Beriberi hervorrufende Gift kann auch aus anderen Mehl- sorten sich entwickeln. Wichtige Thatsachen, welche nicht zu dieser Annahme passen, wie das Auftreten der Krankheit in bestimmten Zimmern von Casemen, deren Insassen sämmtlich die gleiche Nalirung erhalten, die Rollo, welche die Acclimatisation in der Aetiologie der

Digitized by Google

340

Beriberi spielt, der Einfluss, welchen die Versetzung der Kranken nach Orten, wo Beriberi nicht vorkommt, trotz gleichbleibender Nahrung, aof den Zustand derselben ausübt u. s. w., lässt er ganz unerörtert. Van Dieron wird wohl auch in Holland nicht ernst genommen werden. Von einer grossen Naivität zeugt auch das Motto, welches derselbe seiner Arbeit vorangestellt hat („Sie blieben auch blickend mit Blind- heit geschlagen und sehen die Dinge, nicht ihre Bedeutung“), sowie überhaupt der ganze Ton, in dom das Buch geschrieben ist.

Anders stellt sich zu dieser Frage der Verfasser der jüngsten Veröffentlichung (2) welcher seine Studien in Sapporo auf Yezo (Japan) gemacht hat. Für Grimm gilt der ätio- logische Zusammenhang zwischen Nahrung und Beriberi als erwiesen, indem er eine mit ersterer eingeführte Schädlichkeit als die Ursache der letzteren ansieht, und zwar glaubt er, dass besonders die Zo- bereitungsweise der Nahrung in Betracht kommt, und denkt in erster Linie an den Rohgenuss mancher Fischarten. Stichhaltige Beweise für diese Behauptung werden freilich nicht von ihm bei- gebracht. Eine Erkrankung an Beriberi, die er selbst durchgemacht hat, führt er auf ein japanisches Mehl zurück. Im Sommer 1888 er- krankte er in Sapporo an Unterleibstyphus, an den sich zu Anfang der zweiten Krankheitswoche Beriberi anschloss. Etwa eine Woche vor Beginn der Erkrankung hatte er in einem Fisclierstädtchen, wo damals eine kleine Typhus-Epidemie herrschte, eiue japanisch zubereitete Mehlspeise eingenommen, und da er seitdem nicht wieder auf japanische Weise gegessen hatte, glaubt er, durch dieselbe sich gleichzeitig Typhus und Beriberi zugezogen zu haben. Eine in Berlin bei einem Ost- asiaten, welcher schon früher in seiner Heimath an Beriberi gelitten hatte, beobachtete Erkrankung soll durch den Genuss von importirten Conserven hervorgerufen worden sein.*) Referent ist überzeugt, dass Verfasser für diese gewagten Annahmen nicht viele Anhänger finden wird. Da seine Auffassung von der Aetiologio der Krankheit der Ausgangspunkt für seine Schlussfolgerungen bildet, so entbehren auch diese einer festen Grundlage. Während eine Erkrankung an Beriberi anhaltend ist, vermuthlich durch Exacerbationen und Itecidive, sieht sie Grimm stets als Neuerkrankungen durch wiederholte Aufnahme der

Noxo an. Ein complieirter, durch einmalige Einverleibung der letzteren bedingter Fall verlief nach seiner Ansicht in seinen späteren Perioden ohne Steigerung der Symptome bei der Heilung. Er onter- scheidet daher unter Verwerfung der von anderen Autoren aufgestellten Krankheitsformen 1) Beriberi simplex, die einfache Kr krankung an Beriberi durch einmalige Aufnahme des Virus, und 2) Beriberi multiplicatum oder accumulatnm, welches durch Combination mehrfacher, auf wiederholte Aufnahme des Virus zurückzuführender Erkrankungon entsteht, eine Eintheilung, die,

*) In einem vor Kurzem in The Lancet abgedruckten Briefe wurde als mögliche Ursache der Beriberi Zinnvergiftung hingestellt-'

Ref

Digitized by Google

341

Wenn Verfassers Voraussetzung richtig wäre, eine theoretische Be- rechtigung hätte, sich aber auch dann, weil sie die verschiedensten Krankheitsbilder zusaimnenwirft, nicht als praktisch erweisen würde. Besonders eingehend beschäftigt sich G r i m m mit den Anfaugs- ymptomen der Krankheit und rechnet Temperatursteigung und Steigerung der Patellarsehnenreileie während der ersten Krankheitstage zu den constanten Erscheinungen derselben. Jede Temperatursteigerung im Verlaufe der Krankheit zeigt nach Verfassers Ansicht eine Neu- erkrankung an, und fehlt die Steigerung des Patellarsehnenrefleze zu Beginn der Krankheit, so soll es sich um einen von früherer Er- krankung an Beriberi noch nicht frei gewordenen Körper handeln. Ueber eigene histologische Untersuchungen verfügt Grimm nicht. Das hält ihn aber nicht ab, die von anderen Forschern gefundene multiple Neuritis für eine secundäre Veränderung zu erklären, die mit dem eigentlichen Krankheitsprocesse nichts zu thun hat. Nach seiner An- schauung ist die Beriberi eine Trophoneurose> die einige Analogie mit dem Myxödem, Morbus Basedowi, Morbus Addisonii, Oedema fugax darbietet. Wer die Beriberi aus eigener Erfahrung kennt und sich ein eigenes Urtheil gebildet hat, wird die Grimm 'sehe Broschüre nicht ohne Interesse lesen, auch wenn er sich mit deren Inhalt nicht einverstanden erklären kann; für den aber, der sich erst mit dieser Krankheit bekannt machen will, ist dieselbe ungeeignet

Dysenterie.

Beitrag zur Bakteriologie der Ruhr (aus dem bakteriologischen Laboratorium des Zuchthauses zu Gräfentonna) von Amtsphysikus Dr. Pottien. Hygienische Rundschau, 1. Juli 1897.

Das bakteriologische Chaos der Ruhr gleicht in mancher Be- ziehung dem des Gelbfiebers. Pottien fügt der grossen Zahl der pathogenen Mikroorganismen der Ruhr einen neuen hinzu, die Stropto- thrix dysenterica, welche derselbe in einem Falle von Brechruhr aus den Exkrementen gezüchtet hat. Morphologisch entwickelt sich der Mikroorganismus nach Nährboden, Temperatur und Luftzutritt ver- schieden, die charakteristische Form einer Agar- oder Bouilloncultur sind durcheinander gewirrte Fäden, manchmal knotig oder keulenartig verdickt mit wahren Verzweigungen, erst durch diese Eigenthümlich- keit ist das polymorphe in seiner Entwicklung bald als Bacillus bald als Vibrio in verschiedenen Uebergangsformen erscheinende Ge- bilde klassifizirbar. Durch das Thierexperiment bei Meerschweinchen und fünfmonatliche Fortzüchtung will P. die Identität soines St. fest- gestellt haben. Man vergleiche mit diesen Beobachtungen die Studien Sanarelli’s über den Gelbfiebererreger (No. IV d. Zeitschrift).

M.

Archiv t Schiff« u. Tropenbyfricue.

'24

Digitized by Google

342

Gelbfieber.

Dr. W. Havel bürg. Experiment, und anatom. Untersuchungen über «las Wesen und die Ursachen des gelben Fiebors. (Berl. Klin. W. 1897. No. 23, 24, 25, 26.

Verf. trat, in dem Bestreben, den specifischen Keim des Gelb- fiebers zu finden, zuerst an die anatomische Durchforschung der Gelb- fieberleiche heran. Ausser gelegentlichen Untersuchungen von Organ- stücken führte er 20 complete Sektionen in Rio de Janeiro aus, wo er im Laboratorium das aus dem Hospital Sao Sebastfto stammende Material, auch das von Kranken entnommene Blut, verarbeitete. Die pathologisch-anatomischen Resultate waren in Bezug auf den Zweck der Arbeit eher negativer Art, denn die gefundenen Organver- änderungon bilden, wie Verf. hervorhebt, nichts Typisches, sondern legitimiren sich als solche, wie bei anderen schweren Infektionskrank- heiten vorkommende. So ist für die Gelbfieberleber, deren Zellen nur feinkörniges Fett enthalten, der Typus einer schweren parenchy- matösen Hepatitis, fettige Degeneration mit Zellenkernschwund in den Nieren ein Analogon. Die Milz ist nicht compromittirt Blut- untersuchungen Kranker ergaben keine Verschiebung des Verhältnisses der weissen zu rothen Blutkörperchen, keine formalen Veränderungen, keine Bildung von Blutplatten. Das Blutserum enthielt viel Gallen- farbstoffe, aber kein Haemoglobin. Das Leichenblut erwies sich dünn- flüssiger. das öftore Ausbleiben der Gerinnung und die braunrothe Farbe des Blutes wird Kohlensäureüberladung zugeschrieben, denn der Tod trat unter schwere Dispnoe ein. Den charakteristischen Magen- und Darminhalt, sowie die parenchymatiösen Trtibungon und Haemorrhagien in der Schleimhaut des Verdauungstractus, beschreibt Havelburg eingehend.

Im blutigen Mageninhalt schwerer Fälle von Gelbfieber vomito pato fand Verf. constant einen Mikroorganismus. Sowohl das Blut Schwerkranker, Meerschweinchen inzjicirt, wirkte je nach der Dosis entweder tödtlich, oder hatte schwere Erkrankung zur Folge, im Blute fand Havelburg jedoch den erwähnten Mikroorganismus nicht. Injektionen vom Mageninhalt (1 auf 400 Körpergewicht der Versuchs- thiere) waren für Meerschweinchen in 24 Stunden stets tödtlich und Verf. fand denn stets im Blute der Thiere in Reincultur den von ihm als Krankheitserreger angesproclienen Mikroben, in Form eines 1 f1 langen und 0,3 m breiten Stäbchens mit deutlichen Polen, ähnlich dem der Hühnercholera, ohne Eigenbowegung und Sporenbildung, fakultativ anaerob und ohne Vorfiüssigungstendenz der Nährböden. Von der Bacillencultur ist (subcutan) 1 cm für Meerschweinchen todt- lich, 0,2 bei intraperitonealer Injection. Sehr empfänglich ist die Maus, immun das Huhn. Der Bacillus bildet keinen Giftstoff, nur am nichtfiltrirten Bacillus haftet die Wirkung. Die Virulenz geht ohne Thierpassagen bald verloren. Verf. vertheidigt sich gegen die Annahme, dass sein Bacillus mit Bacterium coli identisch sei, zieht dabei aber nur morphologische Unterschiede heran, er stellt ihn zwischen Typhus und haemorrhagische Septicaemieerreger.

343

Versuche, welche Havelburg, analog Pfeifter-Widal’s Methode, an- stellte, ergaben, das» 30 Gramm Blut vom Schwerkrankon, Meer- schweinchen injicirt, diese gegen eine solche Injection hochvirulenter Bacillenreincultur schützte, dessen Hälfte hingereicht hatte, vorher nicht mit diesem Blut vorpräparirte Thiere, in bekannter Weise, zu tödten. Havelburg folgert daraus:

1. „dass der beschriebene Mikroorganismus der specifischo Gelb fieberkeim sei.“

2. „Dass wir für eine zukünftige, wirksame Serumthorapie oine solide wissenschaftliche Basis haben.“

Wenn auch Manches nicht völlig klar gestellt erscheint, so z. B. der Unterschied vom Colonbacillus, dann die Giftigkeit des Blutes Gelbfieberkranker ohne Bacillengehalt und dessen Zusammenhang mit dem giftigen und bacillenhaltigen Mageninhalt, dessen Bacillen allein giftig wirken, so ist die Arbeit doch sehr beachtenswerth und ernster zu nehmen als frühere gleichen Vorwurfes. Leider ist die umfang- reiche Arbeit in ihrem Aufbau und Ausdruck wenig übersichtlich an- gelegt und präcisirt. Dr. Carl Däubler.

Allgemeine Werke.

Scheube, Dr. B., D io Krankheiten der warmen Länder. Ref. Rage (Kiel).

(Fortsetzung und Schluss.)

Die Krankheitserscheinungen, die der Medinawurm hervorruft, ver- laufen unter dem Bilde einer furunkelähnlichen Entzündung. Selten worden schondurch die Wanderungen des Wunnes Empfindungen erregt. An der Stelle aber, wo der Wurm zum Vorscheine kommen wird, können schon Wochen lang vorher Schmerzen, Jucken, Brennen oder Spannung bestehen. Das Anwachsen der Geschwulst ist mitunter von Erbrochen und Schüttelfrost etc. begleitet. Auf der Anschwellung bildet sich bald eine Blase, die platzt und ein rundes Geschwür mit einem centralen Loch hinterlässt, in dessen Tiefen gewöhnlich nach einigen Tagen der Kopf des Wurmes sichtbar wird. Wenn nun versucht wird, den Wurm herauszuziehen und der Wurm dabei abreisst, so entstehen leicht Phlegmonen und Abscesse. Wird er sich Belbst überlassen, so geht er nach 16 20 Tagen von selbst ab. Zur leichteren Heraus- beförderung werden von Emily Sublimatinjektionen (1 Pravaz-Spritze einer l°/oo Lösung) in verschiedene Stellen der von dem Wurm ver- ursachten Schwellung empfohlen. Ist der Parasit schon hervorgetreten, so wird in ihn selbst injicirt und er soll sich dann am nächsten Tage leicht heraus ziehen lassen. Der Medinawurm tritt vorzugsweise an den Beinen auf.

5. Die Filaria-Krankheit. Unter dem Namen Filaria- Krankheit wird eine Gruppe in gewissen tropischen und subtropischen Ländern endemischer, scheinbar heterogener Krankheiten zusammen- gefasat, welche vom Lymphgefässsystem ausgehen und auf die Anwesen- heit eines Parasiten, der FHaria Bancrofti, zurückzuführen sind. Zu

24*

Digitized by Google

344

derselben gehören die Haemato-Chylurie, die Elephantiasis (Arabern), daa Lymphsrcotum und noch verschiedene andere Formen von Lympli- ektasie und Lymphorrhagie. Die Entdeckung dieses Parasiten ist aal Demarquay 1863 zurückznführen. Die Krankheit kann auftreten in nachstehenden Formen*).

a. Haemato-Chylurie. Diese tritt in der Regel anfallsweise auf Die Anfälle halten gewöhnlich Wochen bis Monate lang an. Zwischen denselben liegen freie Intervalle von monate- bis jahre- langer Dauer, in denen der Harn sich vollkommen normal ver hält. Wiegt die Haematurie vor, so erscheint der Harn meist pfirsichroth und trübe, wiegt die Chyiurie vor, so erscheint der Harn milchig getrübt mit weisslichen, gallertartigen Gerinnseln. Manchmal gerinnt er zu einer gallertartigen Masse, die die Form des Gebisses annimmt. Der Fettgehalt des Urins wechselt zwischen 0,6— 3,3 °/o. Bei der mikroskopischen Untersuchung findet man die später zu beschreibenden Filaria-Embryonen im Urin. Die Haemato-Chylurie tritt häufiger bei Farbigen als bei Weissen auf.

b. Die Elephantiasis Arabnm, deren bekanntes Bild vomVerf. kurz geschildert wird.

c. Das Lymphscrotum, das in naher Beziehung znr Elephantiasis scroti steht und in diese übergehen kann. Hier bilden sich auf dem geschwollenen und gerötheten Hodensack meist unter Fiebererscheinungen Blasen vom Stecknadelkopf- bis Finger- gpitzengrösse, die aufbrechen und Flüssigkeit entleeren. Solche Anfälle wiederholen sich mit der Zeit immer häufiger. Die aus- sickernde Flüssigkeit gerinnt an der Luft und enthält Filaris- Embryonen.

d. Variköse Leistendrüsen werden bei Männern öfters als bei Frauen beobachtet. Sie werden neben anderen Formen der Filaria-Krankheiten beobachtet, können aber auch das einzige Symptom derselben bilden. Dieselben stellen sackartige, teigig« Schwellungen dar, Uber denen die Haut unverändert ist. Meist lässt sich eine inguinale und femorale Schwellung unterscheiden. Aus diesen Schwellungen kann man mit der Pravaz'schen Spritze eine milchige Flüssigkeit herausziehen, die Filaria-Embryonen enthält

o. Seltnere Krankheitsformen. In manchen Filaria-Ländem kommt eine Form der Orchitis vor, bei der Hoden, Nebenhoden und Samenstrang plötzlich unter Fieber und Schmerzen sn- schwollen und ein Erguss in die Scheidenhaut statcfindet. War der Erguss klar, so erfolgt Resorption, war er chylös, so bleibt er bestehen und geht dann in die Chylocele Uber, die sich von der Hydrocele durch ihre Undurchsichtigkeit, geringere Spannung und Gehalt von Filaria - Embryonen unterscheidet. Vielleicht kann die Filaria auch einen chylösen Ascites hervorrufen. Verf. führt ein Beispiel dafür an.

*) VcrgL das Referat über die Arbeit Moncorvo'a in No. 3 des Archiv».

Digitized by Google

345

Der reife Parasit selbst non gehört zu Jen Nematoden und ist bis jetzt erst einige Malo im menschlichen Körper gefunden worden. Verf. giebt eine genauo Beschreibung von ihm. Regelmässig hingegen werden die Embryonen im Harm Blute u. g. w. gofunden. Es sind zarte, durchscheinende, cylindrisch glatte Gebilde mit abgerundetem Kopf und zugespitztem Schwanzende. Irgendwelche Organe lassen sich in ihnen nicht erkennen. Sie befinden sich fortwährend in schlängeln- der Bewegung und peitschen namentlich mit dem Schwänze lebhaft unter den Blutkörperchen umher. Ihre Grösse schwankt zwischen 0.21 0,37 mm. Verf. giebt sodann Färbomethoden an, die im Original eingesehen werden mllssen.

Die Weiterentwicklung der Filaria geht nach Manson in der Art weiter vor sich, dass Mosquito -Weibchen bei Filaria-Kranken Blut sangen: damit nehmen sie die Embryonen in sich auf, verdauen sie aber nicht alle, sondern im Mosquito-Leib wächst ein Theil der Embryonen zu 1,63 mm langen Würmern aus. Die trächtigen Mosquito- Weibchen begeben sich dann an stagnirendes Wasser, um ihre Eier abzulegen und dann zu sterben. Die Fiiaria-Larven machen sich frei, kommen in’s Wasser und wenn dies Wasser getrunken wird, in den Magen des Menschen. Lenckart verhält sich dieser Theorie gegenüber ablehnend.

„Zwischen der Einwanderung des Parasiten in den Menschen und dem ersten Auftreten der Krankheit liegt oft ein langer Zeitraum.1* Das Leiden kann erst nach Jahren zum Ausbruch kommen. Höchst- wahrscheinlich ist das Lymphgefässsystem der Wohnsitz der Parasiten und zwar die grösseren Lymphstämme. Bei der Haemato-Chylurie sitzen die Parasiten wahrscheinlich im Ductus thoracicus und seinen Wurzelstämmen. Werden diese durch die Parasiten verstopft, so tritt eine Stauung und somit Erweiterung dieser Ge Risse, schliesslich ein Platzen derselben ein. Wenn in dieser Weise vom Hamapparat kommende Lymphgofässe betroffen werden, so mischt sich der chylöse Inhalt derselben dem Urin bei, ebonso das beim Bersten der Gefiisso ergossene Blut. „Indem nun der gestaute Inhalt der Lymph- und Chylusgefässe theils auf diese Weise, theils durch die gebildeten Kollateralbahnen eine Ableitung findet, nimmt die Stammg allmählich ab, die Ektasie der GeRisee geht zurück und infolgedessen kommt es schliesslich zu einem Verschluss der zorrissenen Gefässe. Nun sistiron die abnormen Abscheidungen. " Tritt von Neuem eine Stauung ein, so wiederholt sich das Spiel. Durch Sektionen konnte übrigens bis jetzt der Aufenthalt der Filaria bei Haemato-Chylurie nicht festgostellt werden. Verf. giebt sodann die Beobachtungen, die bei don 4 bis jetzt gemachten Sektionen von Haemato-Chylurie gemacht wurden.

Boi Elephantiasis der Beine sitzen die Mutterthiere wahr- scheinlich in den Lymphgefassen in der Höhe der Leistendrüsen.

Bei Lymphscrotuin und varikösen Leistendrüsen sitzen die Parasiten wahrscheinlich im Ductus thoracicus ebenso bei Orchitis und Chylocele und die genannten Affektionen bilden eine Fortsetzung der Lymphvaricen des Unterleibes und des Beckens.

Digitized by Google

346

Verf. meint nun zwar, dass die vorgenannten Krankheiten wie Chylurie, Elephantiasis and Lymphorrbagie aucli durch andere Ursachen als die Filaria hervorgerufen werden können , möchte aber die Embryonen der Filaria doch als die alle anderen überwiegende kin- stellen. Weiterhin wird die bekannte Thatsache erörtert, dass die Embryonen der Filarüi vorwiegend bei Nacht im Blute gefunden werden. Verf., der alle die Erklärungsversuche anführt, die gemacht worden sind, um diese Erscheinung verständlich zu machen, nimmt selbst an, dass während des Schlafes in Folge der veränderten Circulationsverhält- nisse der Einfluss der Lymphe in’s Blut beschleunigt wird und damit die Embryonen zahlreicher in's Blut gelangen.

Die Prognose der Filaria-Krankheit ist nicht ungünstig, sie kann jahrelang bestehen, ohne das Allgemeinbefinden wesentlich za beeinträchtigen. Heilungen kommen selten vor.

Die Prophylaxe hätte, die Richtigkeit der Manson'schen An- sicht vorausgesetzt, darin zu bestehen, verdächtiges Wasser zu kochen oder zu filtriren.

Die Therapie ist ziemlich machtlos. Verf. konnte zwar in einem Falle die Parasiten durch pikrinsalpetersaures Kali tödten, doch ist damit nicht soviel gewonnen, denn die durch die Parasiteu hervor- gerufenen Störungen bleiben nach wie vor bestehen. Manson ist sogar der Ansicht, dass durch den Tod derselben Abscesse horvorgerofen werden können. Bei der Haemato-Chylurie ist zunächst Bettruhe ange- zeigt, bei der Elephantiasis der Beine Hochlegung, Massage, Bäder, Ein Wickelungen, bei Elephantiasis scroti operative Eingriff. Verf. giebt eine knrze Beschreibung der letzteren.

6. Die Ankylostomen-Krankheit. Das Ankylostomum duodenale wurde 1838 von Dubini in Mailand entdeckt. Es findet sich vorzugsweise in warmen Ländern, kommt aber auch in Deutschland (Ziegelarbeiter am Rhein) vor. Die Naturgeschichte des Ankylostomum ist im Original einzusehen. Erwähnt sei nur, dass der Schmarotzer sich weniger im duodenum als vielmehr im jejunum findet. Die Infek- tion kommt dadurch zu Stande, dass die Ankylostomum-Larven anf irgend eine Weise in den Magen und Darm des Menschen gelangen. Günstig für die Uebertragung sind solche Verhältnisse die es mit sich bringen, dass die Exkremente Ankylostomum-kranker Menschen nicht in Latrinen abgeführt, sondern in der Nähe menschlicher Wohnungen in grösserer Menge zerstreut werden und andere Menschen dann mit einom derart inficirten Boden in Berührung kommon. Das Krankheits- bild der Ankylostomiasis ist das einer mehr oder weniger hochgradigen Anämie mit vorwiegenden Erscheinungen seitens der Vcrdauungs- orgaue. Meist ist der Beginn schleichend. Es stellt sich Drnck und Empfindlichkeit der Magongegend, Heisshunger, grosse Begienle nach nicht essbaren Dingen, z. B. Kalk, Kohle etc., ein, später völlige Appetitlosigkeit, Sodbrennen und Verstopfung, die später in Durch- fälle übergehen kann. Die Stühle haben oft eine eigeuthämliche sebmutzigbrannrothe Farbe, welche von verändertem Blutfarbstoff her-

Digitized by Google

347

rührt. Sio enthalten Eier in Menge. Dabei bestellt Herzklopfen und die Hant der Kranken ist erdfahl wie bei Malaria - Kacheric. Die Prognose ist iin allgemeinen gut, wenn das Leiden nicht schon zu weit vorgeschritten ist. Als Abtreibungsmittel hat sich namentlich Extr. aether. filic. mar. und Thymol bewährt. Es sollen dabei nicht Uber 10,0 von erstorem Mittel gogeben werden. Die Abtroibungskur soll, wenn sich noch Eier in den nachfolgenden Stühlen finden, nicht vor Ablauf einer Woche wiederholt werden.

7. Seltener vorkonunende und weniger wichtige Parasiten. Hier sei nur der Sandfloh erwähnt, der 1878 von Süd- amerika aus nach Westafrika verschleppt wurde und sich hier un- glaublich schnell verbreitet hat. Die schuhetragenden Europäer haben weniger als die Eingeborenen von ihm zu leiden. Er ist etwa halb so gross als der gewöhnliche Floh und von braunor Farbe. Die trächtigen Weibchen bohren sich mit dem Kopfe in die Haut ein und schwellen hier in Folge der zahlreichen wachsenden Eier zu einer weissen Kugel von der Grosse einer kleinen Erbse an, an welcher der Kopf nur als ein kleines braunes Pünktchen zu erkennen ist. Der Schmerz des Einstiches ist so gering, dnss er meist nicht bemerkt wird. Später juckt die befallene Stelle und entzündet sich. Haupt- sächlich befallen wird die Fusssohle und die Zehen unter dem freien Nagelrando auch die Digitoplantar-Fslten. Der Parasit muss, ohne verletzt zu werden, mit einer Nadel ausgeschält werden. Einreiben der Füsse mit Copaiv-Perubalsam oder Einstreuen mit Insektenpulver soll gegen Infektion schützen.

IV. Organerkrankungen.

1. Die tropischen Aphthen. Unter tropischen Aphthen verstheht man eine nur in warmen Klimaten vorkommende, Uusserst chronisch verlaufende Krankheit, welche unter den Erscheinungen einer eigenthümlichen Mundaffektion und hartnäckiger Diarrhoe zu hochgradiger Abmagerung und Anaemie führt und in vielen Fällen einen tödtlichen Ausgang nimmt. Die einen Beobachter, wie van der Burg und Manson, sehen dieselben als eine Krankheit sui generis an, während sio an den andeni, so auch von Fayer, nicht scharf von der chronischen Diarrhoe der Tropenländer geschieden werden. Sie werden auf den Antillen, dem malayiBehen Archipel, in Vorder- und Hinder- indien sowie an der chinesischen Küste beobachtet, ihre Enstehungs- Ursache ist unbekannt. Sie werden vorwiegend bei Europäern be- obachtet, die schon lange Zeit in den Tropen leben und sind nicht ansteckend.

Das Leiden beginnt ausserordentlich schleichend. Stets gehen der Mundaffektion die Erscheinungen eines Magon-Darmkatarrhs vor- aus. Es zeigen sich an der Zungenspitze und den -Rändern kleine, rotho Flecke, die sich allmählig vergrössern. Die Zunge verliert ihro normale Rauhigkeit und bekommt ein rothes, glattes, trockenes, glänzendes, wie gefirnisstes Aussehen. Es schiessen kleine, sehr em-

Digitized by Google

348

pfindlicbe Bläschen auf, die bersten und kleine Excoriationen Unter- lassen. Sprechen und Essen sind erschwert. Die Kranken gehen all- mählich an dem nebenbei bestehenden Magen-Darmkatarrh zu Grunde. Gewöhnlich ist eine Verkleinerung der Leber nachzuweisen. An der Leiche findet sich eine grosse Anaemie aller Organe, an der Zunge Mangel des Epithelüberzugeg und Obliteration der Zotten. Manchmal finden sich Geschwüre im Darme. Die Prognose ist immer ernst. Ist die Leber bereits verkleinert, so ist Genesung nur durch Rückkehr nach Europa zu hoffen. Als Behandlung ist reine Milchdiät und wenn diese nicht vertragen wird, Schleim- oder Mehl- suppe zu verordnen. Zur gewöhnlichen Kost darf erst zurückgekehrt werden, wenn die Kranken etwa 3 Monate lang geformten Stuhl gehabt haben. In Niederländisch-Indien wird eine Fruchtkur (Ananas ausgeschlossen) gerühmt Ausserdem ist dem Kranken Wärme und Ruhe zu verordnen, Leibbinden.

2. Die tropische Dysenterie. Die Frage, ob die tropische Dysenterie identisch mit der Ruhr in unseren Breiten ist, lässt der Verfasser offen. Ebenso ist er der Meinung, dass die in den Stühlen Ruhrkranker gefundene Amoeba coli nicht die Erregerin, sondern nur eine Begleiterin der Ruhr sei. In der pathologischen Anatomie der Ruhr hält sich Vert. an Virchow, der eine katarrhalische und eine diphtherische Ruhr unterscheidet Klinisch unterscheidet Verf. folgend« Formen.

1. Einfache Dysenterie, die dadurch charakterisirt ist, dass die Stühle aus Schleim und Blut bestehen und einzelne rotho, weiche Stückchen (abgestosseno Schleimhautfetzen) enthalten.

2. Die brandige Dysenterie, die dadurch charakterisirt ist, dass die Stühle eine braunrotbe, schwärzliche, schmierige Flüssigkeit darstellen, die grössere odeT kleinere Stücke brandig abgestossener Darmwand enthalten. Die Zahl der Entleerungen kann 150 200 in 24 Stunden betragen.

3. Die chronische Dysenterie ist dadurch charakterisirt, dass sich nach scheinbarer Heilung wiederholte Rückfälle ein- stellen, die schliesslich in ein chronisches Stadium überführen. Die Darmentloerungen können sich sehr verschieden verhalten. Sie können wässerig, aber auch Schleim, Blut oder Eiter oder alles drei gemischt enthalten.

Als Komplikationen werden am häufigsten entzündliche Erscheinungen von Seiten der Leber beobachtet, namentlich Leber- abscesse, ferner Skorbut und Gelenkentzündungen, die ein dem ge- wöhnlichen Gelenkrheumatismus ähnliches Bild darbieten. Die Pro- gnose ist im Ganzen günstig bei der einfachen Form, ungünstig bei der brandigen und bei der chronischen unbestimmt. Verf. spricht sich dafür aus, alles, was mit dem Kranken in nähere Berührung gekommen ist, zu desinficiren.

In der Behandlung zieht Verfasser das Calomel in grossen Dosen 0,3— 0,5 alle 4—6 Stunden gegeben (im Ganzen genügen nach

Digitized by Google

349

Verf. Ansicht durchschnittlich 3,0— 4,0) der Ipecacuanna vor, denn wenn orsteres versagte, versagte das zweite auch. Bei der brandigen Form sind beide unwirksam, ebonso bei der chronischen. Wichtig ist dabei die Diät Bei akuter Dysenterie darf bis zu eingotretener Besserung nur flüssige Nahrung gereicht werden. Verf. empfiehlt zu- nächst Milch, dann Schleimsuppen. Alkoholika verbietet er. Bei chronischer Dysenterie ist Milchdiät und Klimawechsel angezeigt.

3. Die Hepatitis dor warmen Lündor ist Uber die tropischen und subtropischen Gebiete von Asien, Afrika und Amerika verbreitet. Die Hauptursac.he der Hepatitis ist die Dysenterie. Wo- durch eigentlich der Leberabscoss hervorgerufen wird, ob durch Amoeben oder pflanzliche Mikroorganismen ist noch nicht festgestellt Dass Leberabscesse im Anschluss an dysenterische Geschwüre so häufig und im Anschluss an andersartige Geschwüre so selten sind, hängt nach Macleod damit zusammen, dass die dysenterischen Geschwüre mit sub- muköser Eiterung verbunden sind, die andern nicht Als hauptsächlich praedisponirend für Erkrankungen an Leberabscessen sieht Verf. den Alkoholmissbrauch an und stützt diese seine Ansicht durch die Be- obachtungen, dass Frauen, Kinder und Eingeborene, die fast gar keinen Alkohol gemessen, sehr viel seltener an Leberabscessen, erkranken, obgleich sie ebenso häufig als die Europäer von Dysenterie befallen werden.

Es werden einfache und multiple Abscesse beobachtet. Am meisten befallen wird der rechte Loberlappen. Die erstere Form ist die häufigste. Entstehen kann der Abscess plötzlich durch Fieber und Schüttelfrost Ausser Schmerzen und Schwellung in der Lebergegend ist rechtsseitiger Schultersc.hmerz charakteristisch für den entstehenden Abscess. Die Krankheit kann sich aber auch schleichend unter un- bestimmten Symptomen entwickeln und dann ist die Diagnose schwierig. Die Sterblichkeit unter dem englischen Militär betrug nach Fayers 4,8 °/o— 6,7 V

Verwechselt kann ein Leberabscess werden mit Intermittons, plenritischem Exsudat, subphrenischen Abscess, Bauch wandabscess, vereitertem Echinococcensack und einer Eiteransammlung in dor Gallenblase. Unerlässlich zur Sicherung der Diagnose ist eine Probo- punktion. Die Prognose des Leidens ist ernst, verhältniBsmiissig günstig nur dann, wenn es sich um einem einfachen Abscess bei einem kräftigen Individuum handelt und rechtzeitig operirt wird.

Die Therapie muss anfangs, so lange noch Aussicht auf Rück- bildung ist, antiphlogistisch sein. Ist durch die Probepunktion Eiter nachgewiesen, so muss der Abscess operativ eröffnet werden.

4. Die Schlafsucht der Neger wird nur bei den Negern der westafrikanischen Küste beobachtet und führt früher oder später zum Tode. Anfangs besteht Schläfrigkeit, die bald in Schlafsucht über- geht. Die Kranken taumeln wie Betrunkene, es tritt manchmal Fieber auf, Tremor, Ataxie, auch Lähmung einer oder der anderen Seite. Schliesslich besteht tiefe Somnolenz, sodass die Kranken unter sich

Digitized by Google

350

lassen. Dabei sind an den inneren Organen keine Störungen naciizn- weisen. Mauthuer macht darauf aufmerksam, dass die Schlafsucht der Neger Aehnlichkeit mit VVeruickes akuter Poliencephalitii superior hat.

Die Aotiologie ist völlig dunkel, die Therapie machtlos.

5. Das Amok-Laufen der Malayen besteht in einer psychischen Störung, bei welcher der Befallene plötzlich mit ge- schwungenem Kris durch die belebtesten Strassen der Städte oder Dörfer rast und alles Lebendige, was ihm in den Weg kommt, nieder- stösst. Das Amok-Laufen ist der malayischen Rasse eigentümlich. Bei Frauen tritt es so gut wie nie auf. Dem Anfalle geht ein stupo- röser Zustand vorauf. Die Kranken meiden allen Verkehr und brüten vor sich hin. Unmittelbar vor dem Anfall wird ihnen alles schwan oder roth wie Blut vor den Augen, sie sehen Thiere und Teufel, die sie durchstechen, dann wissen sie nichts mehr. Für die Dauer de* Anfalls besteht Amnesie. Als Gelegonheitsursachen werden Gomüths- erregungen und fieberhafte Krankheiten angegeben. Manchmal wir! Amok simuliert. Mit übermässigem Opium- oder Alkoholgenuss hat das Amok-Laufen nichts zu thun. Wahrscheinlich handelt es sich um eine psychische Epilepsie.

.Eine wichtige Rolle spielt hierbei die geringe Beherrschung von Leidenschaften und Neigungen, welche, grossentheils eine Folge ihrer geringen Bildung und unzweckmitssigen Erziehung, wie über- haupt ein abnorm erregbares Nervenleben den Malayen eigentümlich ist, u. a. bei Bestrafungen an Kindern täglich beobachtet werden kann. Als weitere begünstigende Momente kommen hierzu die Thatsacken, dass diese Personen dem Leben ihrer Mitmenschen sehr wenig Werth beilegen, ein Beispiel, dass sie von jeher an erster Stelle bei ihren eigenen Fürsten täglich vor Augen hatten, und dass sie immer Waffen tragen und daher leicht in dio Möglichkeit kommen, von denselben Gebrauch zu machen .... Von grosser Wichtigkeit ist die Frage nach der Zurechnungsfähigkeit der Amok-Läufer. Man kann van Brero nur beistimmen, wenn er fordert, dieselbe nicht generell zu bejahen, Bondern jeden einzelnen Fall für sich zu betrachten, wozu natürlich unmittelbar nach dem Anfalle eine Untersuchung vorzunehmen nöthig ist ; neben Fällen, in denen Besinnungslosigkeit besteht, könneu auch solche Vorkommen, wo die Zurechnungsfähigkeit vorhanden oder nur vermindert ist. Auch Ellis giebt zu, dass der Amok-Läufer manchmal, weil er zu sterben wünscht, sieh mit Willon dem freien Spiele seiner Leidenschaften überlässt, wo er sich zügeln könnte, obwohl er weis*, dass das Endo Amok sein wird, und will ihn in solchem Falle, wenn er auch auf der Höhe des Zustandes sich seiner Handlungen nicht mehr bewusst sein mag, für diese, in gewissem Maase wenigstens, ver- antwortlich machen, ebenso wie jemanden, der sieb vorsätzlich be- trinkt und dann in blinder Trunkenheit ein Verbrechen begeht, de"11 er muss sich vollkommen darüber klar sein, was wahrscheinlich die Folge seiner ersten Handlung sein wird.“

Digitized by Google

351

6. Die L n t a h - K ra n k h u i t ist eine in Niederländisch-Indien verkommende cerebrale Neurose, bei welcher die Kranken gegen ihren Willen Bewegungen ausführen und Laute und Wörter von sich geben Diese Bewegungen werden von unzusammenhängenden Lauten oder Wörtern, meist gebräuchlichen Ausrufen, öfters aber von obscönen Ausdrücken begleitet und werden durch Schreck oder Echokinesie aasgeübt, d. h. die Kranken machen jede Bewegung, die man ihnen Vormacht, sofort nach. Dabei bestellt manchmal Paraphasie. Das Bewusstsein ist ungetrübt, Epilepsie und Hysterie nicht nachweisbar. Es spielt aber Erblichkeit eine grosse Rolle. Meist sind Frauen be- fallen. Das Leiden kann Jahrzehnte bestehen und scheint unheilbar tq sein, van Brero definirt die Krankheit als provocirte imitatorische, impulsive Myospsie. Die Bewegungen erfolgen ganz ungewollt; trotz energischer Anstrengung sind die Patienten ausser stände, dieselben zurückzuhalten. Es handelt sich offenbar um Personen, deren WiJlo geschwächt ist Die Schwächung des Willens bringt van Brero mit der mangelhaften Clmrakterentwickelnng der Malayen und ihrem labilen Nervenleben in Zusammenhang, welche man als eino Folge der unterdrückten Stellung, in welcher dieselben stets gehalten worden sind, anzusehen hat.

V. Aeussere Krankheiten:

1. Der rothe Hund wird kurz geschildert und dio selbst- verständlichen Verhaltungsmaassregeln und Medikamente für die Be- handlung angeführt. Merkwürdig ist, dass Sublimat (1 : 1000), das so sehr leicht Ekzem hervorruft, zu Waschungen empfohlen worden ist. (Ref.)

2. „Tinea imbricata“*) nennt Manson eine vorzugsweise im malayischen Archipel und auf den Inseln der Südsee vorkommende, mit dem herpes tonsurans verwandte Hautkrankheit, die durch einen bestimmten , von trichophyten tonsurans verschiedenen Pilz hervor- gerufen wird. Die Einzelheiten hierüber sind im Original nachznleson. Ref. erscheint die Trennung der tropischen tinea imbricata von dem heimischen herpes tonsurans noch nicht bewiesen, zumal herpes tonsurans auch in unseren Breiten in der Form der tinea imbricata beobachtet wird.

3. M al del pinto ist eine namentlich im tropischen Amerika vorkommende Dermatomykose, welche sich in dom Auftreten ver- schiedenfarbiger, den Kranken ein scheckiges Aussehen verleihender Flecken äussert und ohne Störungen des Allgemeinbefindens einhergeht. Die Krankheit entwickelt sich allmählich. Es bilden sich auf un- bedeckten Körportheilen, wie im Gesicht und an den Händen, kleine Flecke, die sich vergrössern, zusammonfiiessen und hellgrau bis schwarz, blau, roth oder weise sein können. Im Anfang zeigen die Flocke nur ei ne Farbe, später können verschiedenfarbige neben einander bestehen. Es tritt Jucken auf, das in der Bettwäruiu zunimmt, und die Flecken

Digrtized by Google

352

zeigen dann eine kleieuibruiige Abschuppung. Die Kranken verbreiten einen widerlichen Geruch und erinnern in ihrem Aussehen nicht selten an bemalte Circusclowns. Die Krankheit wird angeblich durch einen Pilz hervorgerufen. Als Mittel werden dagegen empfohlen : Chrysorabin, Naphthol, Schwefel.

4. Unter dem Namen endemische B e u le n k rankheit versteht Verf. die unter vielen Namen bekannto Orientbeule, die sich in den tropischen und subtropischen Ländern der östlichen Halbkugel weit verbreitet vorfindet. Es findet sich diese Beulenkrankheit nicht überall in diesem Gebiet, sondern da wieder nur auf bestimmte Städte und Distrikte beschränkt. Die Krankheit ist ansteckend und das Contagium in dom Sekret der Geschwüre vorhanden. Trotzdem erfolgt dio Uebertragung für gewöhnlich nicht von Mensch auf Mensch) sondere der Krankheitserreger vegetirt irgendwo im Boden. Hierfür spricht das Gebundensein an bestimmte Oertlichkeiten. Capus behauptet, dass Fliegen als Zwischenträger dienen. Die Inkubationsdauer schwankt zwischen Tagen und Monaten. Nach Impfung beträgt die Inkubations- dauer 10 12 Tage. Einheimische werden häufiger als Fremde befallen.

Die Krankheit beginnt als kleiner, rother Fleck, der einem Mosquitostich ähnelt. In der Mitte desselben bildet sich ein kleines Knötchen, das langsam an Umfang zunimmt. Nach monatelangem Bestehen sickert aus seiner Oberfläche eine dünne Flüssigkeit, die zu einer gelblichen Kruste eintrocknet. Fällt sie ab oder wird sie entfernt so zeigt sich unter ihr ein kleines, rundes Geschwür, und dies vergrössert sich allmählich. Es kann einen Durchmesser von 8 10 cm erreichen. „Seine Ränder sind scharf, senkrecht und zackig, wie ausgefressen, sein Grund uneben und höckerig und seine Umgebung nicht entzündet oder indicirt. Es liefert ein bald reichlicheres, bald spärlicheres sero-purulentes Sekret, welches manchmal zu einer dicken, gelblichen oder schwärzlichen Kruste eintrocknet. Bisweilen fällt diese nicht ab, sondern bleibt bis zur erfolgten Heilung sitzen; es bildet sich dann eine runde oder ovale, konzentrisch geschichtete, bis 1 cm dicke Borke, welche an rupia syphilitica erinnert. Nachdem das Geschwür ge- wöhnlich mehrere Monate bestanden hat, ohne auf dio tieferen Gewebe Uberzugehen, erscheinen im Grunde desselben gesunde Granulationen, und es tritt eine langsame Vernarbung ein, was in der Regel wieder Monate in Anspruch nimmt.

Dio Beulen entwickeln sich namentlich an den unbedeckten Körperstellen. Das Knötchen, welches der endemischen Beule za Grunde liegt, gehört histologisch zu den Granulationsgeschwülsten. Als Prophylaxe wird äusserste Reinlichkeit empfohlen. In der Therapie wird von den Meisten exspectactive Behandlung nngcrathen. Namentlich soll man die Kruste nicht von dem Geschwür entfernen, weil es unter dieser gut zu heilen pflegt,

6. Den tropischen Phagedänismus hält Verf. nicht filr eino Krankheit sui generis, die dabei gefundenen Mikroorganismen sieht er als sekundäre Eindringlinge an. Eine wichtige Rollo bei der

Digitized by Google

353

Entstehung spielen mangelhafte Nahrung, schlechte Wohnung, Un- reinlichkeit, übermässige Anstrengungen und vorausgegangene oder noch bestehende Krankheiten, wie Malaria, Dysenterie und Skorbut

Der Phagedänismus nimmt seinen Ausgang für gewöhnlich an kleinen Verletzungen an don unteren Extremitäten.

Die Therapie must zunächst eine roburirende sein, örtlich sind Kauterisationen eventuell Amputationen vorzunehmen. Klimawechsel soll einen günstigen Einfluss ausüben.

6. Die Ohrgeschwulst am Nepal und 7. die Nasen- geschwulst der Elfenbeinküste, von denen erstore Kindskopf- grösse, letztere Strausseneigrösse erreiche« kann, sind im Original nachzusehen.

8. Der Madura-FusB findet Bich vornehmlich in Indien. Be- fallen wird hauptsächlich einer der beiden FüBse, seltener findet sich die Krankheit an einer Hand. Es bilden sich im Unterhautzellgewebe der Fugssohle erbsen- bis haselnnssgrosse, harte, schmerzlose Knoten, die sich zuspitzen, aufbrechen und eine gebliche, stinkende ölige Flüssigkeit entleeren. Ist die Krankheit weiter fortgeschritten , so erscheint die Fusssohle convex, der Fuss eiförmig, mit Höckern und Knoten besetzt, zwischen denen sich zahlreiche Fisteln finden, die mit blassen, wenig empfindlichen und wenig blutenden Granulationen um- geben sind. Führt man in eine solche Fistel eine Sonde ein, so stösst man überhaupt auf keinen Widerstand mehr, weil die Knochen zerstört sind. Der ganze Fuss ist zu einer gallertigen Masse geworden. In der aus den Fistelgängen entleerten Flüssigkeit finden sich graue oder gelbliche, bald schwärzliche Körperchen, die grieskorn- bis stecknadel- kopfgross sind und aus einem dicht verfilzten Mycelium bestehen. Nur am Rande lassen sich einzelne schmale Fäden erkennen, deren Aestchen strahlenförmige Anordnung, wie bei Actinomyces, zeigen, ihnen aber die keulenförmigen Endglieder fehlen. Dies0 Pilze sind als die Erreger der Krankheit anzusehen.

Schmerzen fehlen in der Regel. „Der grosse, unförmliche Fuss steht in seltsamem Kontraste mit dem abgemagerten, fast nur aus Haut und Knochen bestehenden Beine. Die Leistendrüsen der kranken Seite fand Collas stark angeschwollen, sehr hart, aber schmerzlos.“ Der Krankheitsverlauf ist sehr chronisch und kann sich Uber 10 bis 20 Jahre hinziehen.

„Macht man einen Schnitt durch einen Fuss oder andern Körper- theil, welcher die Krankheit in ihrer vollen Entwicklung zeigt, so erscheinen unter der verdickten Haut alle Gewebe, sowohl das Binde- gewebe als die Muskeln und Knochen, in eine gleichartige, zähe, gallert- artige Masse von grauer oder röthlicher Farbe umgewandelt, so dass man, ohne wesentlichen Widerstand zu finden, mit dem Messer don erkrankten Theil nach allen Richtungen hin zerschneiden kann. Die gallertartige Masse ist von zahlreichen kugligen Cysten durchsetzt, und von diesen gehen wieder verzweigte und vielfach anastomosirende sinuöse Kanäle aus, welche theils blind enden, theils durch die Haut

Digitized by Google

354

sich nach aussen öffnen. Cysten sowohl als Kanäle sind erfüllt mit eigcnthümlichen, als maulbeerförmige Körper bezeichnten Pilzmassea, die sich bei genauer Untersuchung als Aggloraerate der oben be- schriebenen Körperchen erweisen.“

Dass Europäer von dieser Krankheit nicht befallen werden, liegt darin, dass sie Schahwerk tragen. Denn die Erkrankung an >Madura-Fuss schlieBst sich an kleinere oder grössere Vorletzungen an. Die Behandlung ist chirurgisch.

9. A i n h u m ist eine vorwiegend bei den Negern der afrikanischen Westküste vorkommende Krankheit, die darin besteht, dass einzelne Zehen namentlich aber die kleinen Zehen durch eine ringförmige Falte, die sich in Höhe der plantaren Schwimmhaut entwickelt, ab- geschnürt und schliesslich abgelöst werden. Es ist ein ausgesprochenes Lokalleiden, das sich Uber 5—10 Jahre hinziehen kann. Die pathologisch- anatomischen Untersuchungen haben bis jetzt wenig Uebereinstimmendes ergeben. Die Aetiologie ist völlig dunkel. Von den Einen wird die Krankheit für eine Trophoneurose , von Anderen für eine lineare Sclerodermie gehalten. Dio Behandlung ist chirurgisch.

Wie das vorstehende Referat zeigt, ist in dem ScheubeVhen Werke eine grosse Fülle von Material verarbeitet worden. Leicht ist die Bearbeitung dieses Materials nicht gewesen, denn jeder Autor, der über irgend eine Troponkrankheit geschrieben hat, hat fast immer eint andere, wenn nicht gerade die entgegengesetzte Ansicht von dem, der denselben Gegenstand vor ihm bearbeitete. Der Verf. hat cs ver- standen, aus diesen Widersprüchen ein verständliches Ganzes zu schaffen, indem er dio einzelnen Ansichten in der objektivsten Weise neben einanderstollt und bespricht, so dass der Leser sich stets selber ein Urtheil auf Grund der vorgetragenen Ansichten bilden kann. Es ist ihm dies um so eher möglich, als alle die Beobachtungen, aus denen die einzelnen Ansichten gewonnen wurden , gewissenhaft angefflhrt sind. Das Scheube’sehe Buch ist als eine Ergänzung der bekannten historisch-pathologischen Geographie von Hirsch anzusehen, und es ist nur wünschenswert!), dass der ersten bald eine zweite Auflage folgt

Eins möchte aber der neuen Auflage hinzugefügt werden: Ab- bildungen der besprochenen Parasiten.

Rüge (Kiel).

III. Pharmakologische Mittheilungen.

Jeder Arzt, welcher in den Tropen praktizirt hat, weiss, wie sehr Pflaster in den Tropen dem Verderben ausgesetzt sind. Pflaster- rücken und Schutzgaze unter dem Einfluss der hohen Temperatur sind bald durch den Klebstoff' so innig zusammen gebacken, dass eine Trennung unmöglich oder unter Zordrückung der Klebeschicht möglich ist, oft aber auch ist die Klebekraft verloren gegangen. Die Schutz- gaze fällt beim Auseinanderrollen des Pflasters ab, und selbst durch Erwärmen ist das Pflaster nur mangelhaft klebfähig zu machen. Mit

Digitized by Google

355

der zunehmenden Anwendung medikamentöser Pflaster und Pflastor- mullen in der Behandlung von Hautkrankheiten nun sind diese Uebol- stände schwerwiegender geworden und haben die Aorzte in heissem Klima gegen die Pflastertherapie eingenommen.

Um die Haltbarkeit der medikamentösen Pflaster zu prüfen, hatten wir im Februar und März d. J. an verschiedene Aerzte in den Tropen in Blechbüchsen verpackte Pflastormulle der Firma Beiers- dorf & Co. in Hamburg versandt und um Bericht Uber die Brauchbarkeit derselben sowie Rücksendung eines Probestückchens gebeten. Zwei Antworten sind jetzt, Mitte August, eingegangen, nämlich von den Herren Dr. Glogner in Samarang (Java) und Dr. Klee in Pitas (Britisch Nord - Borneo). Beide Herren haben besonders das Collemplastrum hydrargyri carbolisatum und das Collemplastrum chrysarobini, orsteres gegen Furunkulose, letztere gegen parasitäre und seborrhoische Ekzeme u. dergl. verwandt und sprechen sich Uber die Klebfähigkoit, Haltbarkeit und Wirkung dieser Pflastermüde sehr befriedigt aus. Die Probestücke sind im Juni bez. Juli einfach in Papier geschlagen durch Brief nach Deutschland zurückgesandt, haben aber auch diese ungünstigen Transportbedingungen ohne Einbusse ihrer Eigenschaften ertragen, wie Referent in praktischer Anwendung an Kranken fest- stellen konnte. M.

Die weltbekannte Firma E. M erc k - Darm s t ad t ist augen- blicklich mit einem Werk in die Ooffentlichkeit getreten, welches so- wohl von dem Arzt, als auch Apotheker und Medicinaldrogisten auf das Freudigste bogrüsst werden wird. Betitelt ist dasselbe: „Ver- zeichn iss silmmtlicher Präparate, Drogen und Mineralien mit Erläute- rungen“; es enthält in änsserst kurzor, bestimmter Form alles das, was der Arzt, Apotheker oder Drogist Uber den betreffenden Körper wissen muss. Wahrlich keine kleine Aufgabe, die sich die Firma hior gestellt und in äusserst glücklicher Weiso auch gelöst hat, wenn man bedenkt, dass gerade in der jetzigen, nach stets Neuem strebenden Zeit, wo fast kein Tag vergeht, an dem nicht ein oder gur mehrere neue Präparate das Licht der Welt erblicken, das Werk alle bis zum Erscheinen des- selben dargestellte chomische Präparate enthält. Boi jedem einzelnen derselben findet man zunächst seine chemische Formel, dann die Art und Dose der Anwendung, selbstverständlich bei dem starkwirkenden Mittel Maximaldose und Gegengifte, ferner bei denjenigen Körpern, nach deren Einnahme charakteristische Merkmale auftreten, diese an- gegeben. In einer zweiten und dritten sich anschliessenden Abtheilung sind dann in ähnlicher Weise die Drogen und Mineralien abgehandelt, an die sich endlich noch ein Anhang, Verzeichnisse von Präparaten für Analyse und Mikroskopie, gesetzlich geschützte Präparate und Specialitäten, sowie Nachtrag, Ergänzungen und Berichtigungen an- schliessen. Dem Arzt wird das Buch ebenso wie dem Apotheker und Medicinal- Drogisten ein hochwillkommenes Nachschlagebuch zwecks schneller Orientirung über ein Medikament sein, wie es bis jetzt in derartiger Form und zugleich Vollkommenheit nicht bestanden hat.

N a g e 1 1.

Digitized by Google

3

^56

IY. Verschiedenes.

Zur Mitarbeit am „Archiv“ hat sich bereit erklärt Herr Dr. de Carrasqnilla, Bogotiu

Die internationale Lepra-Conferenz findet vom 11. bi» 16. October in Berlin statt. Die Sitzungen werden in den Räomen des Kaiserlichen Gesundheitsamts, NW. Klopstockstrasse 19—20, von 11—2 Uhr abgehalten. Es sind bis jetzt 54 Vorträge aus verschiedenen Ländern angemeldet worden.

Auf der diesjährigen Versammlung deutscher Natur- forscher und Aerzte zu Braunschweig war die Sektion für Tropenhygiene sehr schwach besucht. Die Vorträge fielen deswegen aus. Die von der Deutschen Kolonialgesellschaft angeregte Frage, ob das Bedürfniss einer Gründung eines Rekonvaleszentenheims für Tropen- kranke vorhanden sei, wurde von den anwesenden Sektionsmitgliedern verneint.

Dem Leiter des Pasteurschen Instituts in Lille, Dr. Calmette, soll es gelungen sein, ein Serum gegen Schlangengift herzustellen. Ein Kaninchen, dem eine Quantität Serum eingeimpft worden war, die dem hundersten Theile des Gewichts des Thieres entsprach, konnte eine Stunde später eine sonst unfehlbar tödtliche Dobi's von einem Milligramm Gift der Cobra capolla ruhig ertragen, ohne zu erkranken. Der gleiche Erfolg soll sich bei Impfvorsuchen mit anderen Thieren und aach Menschen ergeben haben. Nur muss die Menge des Impfstoffs stets dem Körper- gewicht des Versuchstieres angemessen sein. Bestätigung bleibt abzn- warten. M.

V. Zur Besprechung eingegangene Bücher und Schriften.

F. Burot et TU. A. Begründ. Les troupes coloniales, statistique de la mortalite. Paris 1897, Bailliere & fils.

El Agricnltor, Organo de la Societad de los agriculturos Colotnbiano«, BogotiY December 1896.

Druckfehlerberichtigungen

zu dem Aufsatz:

Der Parasitenbefund bei den Malariaflebern etc.

von D r. R e i n h o 1 d Rügt*, Marine-Stabsarzt.

S. 249, Zeile 19 v. ob. statt Abbos lies Abbot.

250

9

b

b

9

Fitroff

9

Titoff.

251

n

letzto

b

b

r

vorige Seite

9

Seite 249.

253

n

16

»

b

b

versuchte

9

verfrühte.

253

n

letzte

9

Keimkörper

9

Kerjkörper.

255

9

12

B

b

9

nucleo

9

nucleolus.

255

9

27

» *

9

9

am

9

von.

255

n

30

B

V

9

mehr

9

näher.

255

n

vorletzte

B

9

Stümpchen

9

Klümpchen. _

259

7

n

9

1894

9

1884.

259

8

1)

V

9

entnehmen

9

entnahmen.

260

letzte

n

b

9

Anmerk. 2 S. 12

9

Anmerk. 4 auf S. 256.

I. Originalabhandlungen.

Der Parasitenbefund bei den Malariafiebern und seine Verwerthbarkeit fUr die Erkennnng, Behandlung und Verhütung der Malariafieber

von Dr. Reinhold Rüge, Marinestabsarzt.

(Fortsetzung und Schluss.)

Es bleibt nun noch übrig, zu erörtern, ob uns der Parasitenbefund einen Anhalt für die Behandlung der schwersten Form des Malariafiebers, des Schwarzwasserfiebers, geben kann. Ueber die Behandlung dieser Fieberforni ist in letzter Zeit von deutschen Autoren lebhaft gestritten worden. Ich lasse die Ansichten der einzelnen Autoren kurz folgen.

(Irawitz1) fand in einem Falle von Schwarzwasserfieber keine Parasiten.2) „An sehr zahlreichen frischen und gefärbten Präparaten angestellte Untersuchungen ergaben weder an diesem noch an einem der folgenden Tage irgend eine parasitäre Form im Blute.“ Diesem Befunde entsprechend verwirft Grawitz in Ueboreinstimmung mit Kohlstock *) die Anwendung von Chinin in der Behandlung des Schwarz Wasserfiebers. F. Plehn 4) gelang es aber, Malariaparasiten bei dem Kameruner Schwarzwasserfieber nachzuweisen. Demnach sollte man erwarten, dass eine kräftige Chinin- behandlung am Platze wäre. F. Plehn 5) räth trotzdem von

’) Berlin, Ktin. W. 189:!. S. 141.

’) Vergl. Anmerkung 4 auf S. 250 und Baccelli's Ausspruch: „Man kann an zweifellos sicherer Malaria zu Grunde gehen, ohne dass im Blut die bekannten Formen der Haematozuen Vorkommen.“ Baccelli,

S. 96. Studien Uber Malaria.

“) Berl. Klin. W. 1892. No. 19.

*) Deutsche med. W. 1895. S. 416.

") 1. C. 430.

25*

Digitized by Google

360

einer Chininbehandlung des Schwarzwasserfiebers ab, weil er nach Chiningebrauch nicht nur ein Schlimraerwerden des be- stehenden Schwarzwasserfiebers, sondern sogar eine Ver- wandlung einfacher Malariafieber in Schwarzwasserfieber durch Chinin sah. Stendel1) steht genau auf dem ent- gegengesetzten Standpunkt. Er befürwortet grosse Chiuin- gaben bis zu 12,0 pro die in der Behandlung des Schwarz- wasserfiebers. Küchel s) (Congo) sehliesst sich ihm an und warnt namentlich vor kleinen Chinindosen (1,0 prodie), die eher schädlich als nützlich wirken. Doering3) (Togo) hin- gegen behauptet, dass Chinindosen der gewöhnlichen Grösse (1,0 1,5 pro die) absolut keinen Einfiuss auf den Verlauf des Schwarzwasserfiebers hatten, während Schellong4) solche Chinindosen empfiehlt. Es scheint danach, als ob es zwei Arten von Schwarzwasserfieber giebt : eine durch Parasiten direct hervorgerufene und eine, die als Nachkrankheit von Malariafiebern oder in seltenen Fällen als directe Chinin- wirkung s) aufzufassen wäre.

Aus dem, was über die Behandlung der Malariatieber eben gesagt worden ist, geht also hervor, dass uns der Blut- befnnd bis jetzt nur darauf ldngewiesen hat, dass wir Leute, die Halbmonde im Blute gehabt haben, noch lange, nachdem sie scheinbar schon genesen sind, als latent inficirt be- trachten und demgemäss entsprechend behandeln müssen. Sonst lässt sich bis jetzt bei den vorhandenen Widersprüchen nichts Bestimmtes aus dem Blutbefund für die Behandlung gewinnen.

Hat nun die Auffindung der Malaria- parasiten Gesichtspunkte ergeben, die wir für die Verhütung der Malariafieber verwerthen könnten? Für die allgemeine Prophylaxe haben wir bis jetzt leider nichts erreicht, wohl aber für die persönliche. Es ist Klarheit über die Zulässigkeit und die Brauchbarkeit der prophylaktischen Chinindarreichung wenigstens für

*) Die perniciüee Malaria in Deutsch-Ostaffika.

3) Deutsche med. W. 1895. S. 446.

3) Deutsche med. W. 1896. S. 761.

4) Schellong, Die Malariakrankheiten. 1890. S. 64 und folgende.

s) Vergl. Murri, lieber Chininvergiftung. Deutsche med. Wochen- schrift. 1896. No. 8 und 9.

361

bestimmte Verhältnisse gewonnen worden.1) Denn bis jetzt ist die Nützlichkeit dieser Maassregel von eoinpetonten Be- urtheilern ebenso energisch bejaht wie verneint worden. Das hat meiner Meinung nach seinen (irund in verschiedenen Ursachen. Einmal waren die Chinindosen, mit denen die verschiedenen Beobachter arbeiteten, verschieden, und zweitens wurden und werden wohl auch jetzt noch in den Tropen manche Fieber, die keine Malariafieber sind, zu letzteren ge- rechnet. Im Vorhergehenden ist gesagt worden, dass eine Chininlösung von 1 : 5000 im Stande ist, die Malariaparasiten zu tödten. Daraus folgt also zunächst, dass kleinere Dosen als 1,0, z. B. 0,3, wie sie die, Engländer in ihrem Chinin- schnaps geben, nicht genügen können, um den Körper vor einer Malariainfection zu schützen. Selbst wenn eine solche Dosis 2 3 Mal am Tage gegeben wird, kann sie nicht ge- nügen, weil bis zur Verabreichung der nächsten Dosis ein grosser Theil des vorher genommenen Chinins bereits wieder ausgeschieden worden ist. Will man also etwas erreichen, so muss wenigstens Chinin 1,0 gegeben werden. Und zwar muss die Dosis einen um den anderen Tag wiederholt werden, weil im Laufe von 48 Stunden der grösste Theil des eingeführten Chinins wieder ausgeschieden ist. Selbst- verständlich kann von einer derartigen Chinisirung immer nur eine kurze Zeit bezw. bei bestimmten Gelegenheiten, z. B. Bootsexpeditionen, Gebrauch gemacht werden, weil ein andauernder derartiger Chiningebrauch die Verdauung bald zu Grunde richten würde. Dass aber trotz ausreichender Chinisirung unter Umständen scheinbar keine Immunität gegen Malaria erreicht worden ist, dürfte in zwei Ursachen seinen Grund haben.

Einmal ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die- jenigen Fieber, welche trotz genügender Chinisirung auf- traten, überhaupt keine Malariafieber waren, und zweitens kann es sich um Malariafieber gehandelt haben, die durch Halbmonde erzeugt wurden, die ja eine bedeutende Wider- standsfähigkeit gegen Chinin besitzen und daher trotz aus-

*) Der nachfolgende Passus ist zum Theil meiner Arbeit : Ucber die Plasmodien bei den Malaria-Erkrankungen, Deutsche milititrarzt- liche Zeitschrift 18U2, entnommen.

Digitized by Google

362

reichender prophylaktischer Chinindosen im Stande sein dürften, Maiariafieber zu erzeugen. Ausreichende prophy- laktische Chiningaben dürften also voraussichtlich nur in den Fällen von Nutzen sein, in denen es sich um andere als reine Halbmondinfectionen handelt. So berichten z. B. Graeser1) und Buwalda*) über sehr günstige Erfolge, die sie mit prophylaktischen Chinindosen von 1,5, alle 3 4 Tage ge- geben, an Bord von Dampfern erzielten, die die Küsten von Java anliefen. Ich selbst gab bei einer Expedition an der Zanzibarküste im Monat August 1889 Chinin prophylaktisch 1 ,0 für 24 Stunden mit gutem Erfolg. Die Abtheilnng bestand aus 19 Mann. Die Abfahrt der Expedition erfolgte Abends 9 Uhr in offenen Booten. Um 11 Uhr Nachts wurde gelandet und bis 3 Uhr Morgens durch Mangrovesumpf marschirt, wobei ein Fluss durchschritten wurde, dessen Wasser bis in Brusthöhe reichte. Dann wurde, völlig durchnässt, unter freiem Himmel in einem verbrannten Dorfe bis gegen 7 Uhr Morgens gelagert, dann auf dem Rückmarsch derselbe Fluss und Sumpf wieder durchschritten, und schliesslich, völlig durchnässt, in offenen Booten vier Stunden lang nach Tanga zurückgefahren. Sämmtliche Theilnchmer blieben gesund, obgleich sich verschiedene Leute darunter befanden, die bereits am Fieber gelitten hatten. Von den Sudanesen der Schutztruppe, die an der Expedition theilnahmen und die kein Chinin erhielten, erkrankten verschiedene.

Trotzdem muss zugestanden werden, das die Chinin- prophylaxe, in dieser Art betrieben, als ein Verfahren auf gut Glück zu bezeichnen ist, das niemals im Stande sein wird, auch wenn cs, wie eben ausgeführt, scheinbare Erfolge aufzuweisen hat, positive Beweise für die Nützlichkeit einer derartigen Malariaprophylaxe zu liefern. Kann doch das Nichtauftreten von Malariatiebern nach der prophylaktischen Verabreichung von Chinin der Wirksamkeit des letzteren nie mit Bestimmtheit zugesehriebeu werden, weil man nie wisseu kann, ob diejenigen Personen, die nach der Chinisirung fieberfrei geblieben sind, nicht auch ohne Chinin vom Fieber verschont geblieben wären.

') Tageblatt tl. 62. Vors, deutscher Naturforscher. lSsy. S. 61T.

5) Ebenda.

Digitized by Google

363

Es Hesse sieh aber meines Erachtens nach die Chinin- prophylaxe vielleicht in anderer Weise durchführen, namentlich in der Marine, wo der Arzt mitunter im Stande ist, Malaria- erkrankungen auf ganz bestimmte Ursachen, z. B. Arbeiten an Land an notorischen Orten, Bootsexpeditionen etc., zurück- zuführen. Es würde sich der Gang der Malariaprophylaxe etwa folgendermassen gestalten können. Da die durch- schnittliche Inkubationszeit bei Malariahebern 10 12 Tage beträgt, so wird die Reifung derjenigen Parasitengeneration, die zugleich mit dem ersten Anfall eintritt, 10 12 Tage nach der muthmasslichen Infektion erfolgen. Die Parasiten müssten sich also je nach der Dauer ihrer Entwicklungszeit bereits am 7., 8. oder 9. Tage im Blute nachweisen lassen, ohne dass Fieber bestände. Ist also Grund vorhanden, das Auftreten von Malariaerkrankungen in Folge bestimmter Vorgänge zu erwarten, so würden diejenigen Leute, die z. B. an einer Bootsexpedition betheiligt waren, spätestens vom 7. Tage ab bis zum 12. täglich auf Malariaparasiten zu untersuchen sein. .Sobald sich nun Malariapnrasiten im Blute linden, würde Chinin 1,0 wenigstens so lange täglich zu geben sein, bis alle Parasiten aus dem peripherischen Blute verschwunden sind und dann noch etwa 14 Tage lang jeden 2. und_3. Tag Chinin 1,0, weil ja die Parasiten noch in grosser Anzahl in den inneren Organen verbanden sein können, auch wenn sie bereits aus dem peripherischen Blute verschwunden sind. Mau hätte also einmal den ,Vortheil, die Menge des zu gebenden Chinins und die Zeitdauer der Verabreichung übersehen zu können, und zweitens dürfte in den letzten Tagen, in denen die Infektion noch latent ist, eine leidliche Resorptionsfähigkeit des Magens und somit drittens auch ein Erfolg von derartigen prophylaktischen Chiningaben zu erwarten sein. Darüber aber, ob eine solche Prophylaxe zweckdienlich sei und diejenigen Erfolge auf- weisen würde, die soeben theoretisch entwickelt worden sind, können nur in diesem Sinne angestellte Untersuchungen und Beobachtungen Aufschluss geben, und solche fehlen bis jetzt.

Dies war Anfang 1892 geschrieben worden. In der Zwischenzeit hat Zicmann *) solche Untersuchungen an Bord

*) 1. k. S. 070.

Digitized by Google

364

S. M. Kbt. „Hyäne“ angestellt und nach seinem Bericht in 50°;’0 aller Fälle den Ausbruch des Malariafiebers verhindern können. Das bedeutet in der That einen beachtenswerthen Fortschritt und Erfolg in dem unsicheren Kapitel der Malaria- prophylaxe. Doch scheint selbst diese Art der Prophylaxe auf die Dauer nicht wirkungsvoll, wie aus nachfolgender Bemerkung Ziemann’s1) hervorgeht. „Bei längerem Aufent- halte in Kamerun nahm die prophylaktische Wirksamkeit des Chinins an Bord allmählich ab“. A. Plehn *) giebt sogar an, dass es ihm an Land niemals gelang, den kommenden Anfall durch Chinin aufzuhalten, wenn sich schon Parasiten im Blute nachweisen Hessen.

Ich möchte diese Arbeit nicht abschliessen, ohne vor- her den Versuch gemacht zu haben, zu untersuchen, ob wir nicht mit Hülfe unserer jetzigen Kenntnisse über die Malaria- parasiten im Stande sind, uns theoretisch eine Vorstellung von dem Infektionsmodus der Malaria zu machen, denn die alte Anschauung von dem Aufsteigen der „nächtlichen Miasmen“ ist nicht mehr haltbar. Ebenso wenig lässt sich die Ansicht von Klebs *) halten, dass sich die Malariakeime durch lokale Luftströmungen Nachts etwa 2 3 m über den Boden erheben. 4) Meiner Meinung nach verhält es sich gerade umgekehrt: es handelt sich nicht um ein nächtliches Aufsteigen der Keime zu so geringen Höhen wie die ange- gebenen, sondern um ein Niedersinken der Keime zu diesen geringen Höhen. Um aber diese Annahme erklären zu können, müssen wir auch hier zunächst auf alte Erfahrungen und Beobachtungen zurückgreifen. Und zwar lehrt die Erfahrung:

1. dass die Malariafieber namentlich dann auftreten,

') 1. c. S. 672.

*1 A. Plehn, die Blutnntersuchungen in tropischen Fiebergegenden und ihre praktische Bedeutung. Arch. f. Schiffs- und Tropenhvgiene 1897. Band I, S. 11.

*) Klebs, Allgemeine Pathologie I. S. 140.

*) Schellong, die Malariakrankheiten 1K90, S. 117, hat nachge- wiesen, dass in der Nacht eine Tendenz zu abwärts gerichteten Luft- strömungen im Boden vorhanden ist und ganz besonders in den un- günstigen Monaten 10 mal so stark als in den günstigen. Donach können sieh aber die Keime nicht, wie Klebs will, 2—3 m über den Boden erbeben.

Digitized by Google

365

wenn der Boden umgebrochen oder seiner obersten abschliessenden ') Decke beraubt wird.

2. Dass die Ansteckung unter gewöhnlichen Verhält- nissen durch die Luft *) und zwar vorwiegend durch die Nachtluft erfolgt.

Aus diesen Thatsachen können wir also schliessen, dass sich die Erreger der Malarialieber im Boden befinden, aber auch die Fähigkeit haben, in solcher Menge in die Luft über- zugehen, dass das Einathmen einer derartigen Luft Malaria- fieber hervorruft. Es muss nun aber erörtert werden, w i e die Infektionskeime vom Boden in die Luft gelangen. Denn die Mikroorganismen haften an ihrer Unterlage, so lange als diese feucht ist, und gelangen erst in die Luft, sobald das Vehikel, in dem sie sich befinden, getrocknet und verstärkt wird.

*) So theilt Klubs. Allgemeine Pathologie I., S. 143, mit, dass in Korn nach dem Aufreissen des StrassenpHasters in der Nähe von St. Maria Maggiore Malariafieber entstanden, die erst nach Beendigung der Erdarbeiten aufhörten. Friedrich, Tageblatt der 9. Versammlung deutscher Naturforscher 1889, S. t',30, berichtet, dass in Ostfriesland beim Stechen von Rasen an vorher inalariafreien Orten plötzlich Malariafieber die betreffenden Bauern befällt, worauf diese im Voraus bereits gefasst sind.

Diese beiden Beispiele zeigen zugleich, dass es nicht nur die hygienisch ungünstigen Verhältnisse der Erdarbeiter sind, die jetzt immer als Hauptgrund für die Entstehung von Malariafiebern bei Erd- arbeitern hingestellt wurden, sondern dass es das Umbrechen bezw. das Wegnehmen der schützenden Decke des Bodens ist, was dio Malariafieber entstehen lässt. Denn die Erkrankten sind hier unter ihren alten hygienischen Verhältnissen befallen worden.

Der Versuch, die Ansteckung mit Malaria durch Mosqnitos als Zwischenträger zu erklären, ist eine geistreiche Hvpothose, die aber noch keine thatsächliche Stütze hat. Gegen diese Hypothese der Uebertragung der Malaria durch Mosquitos spricht namentlich der Umstand, dass die Italiener bei ihren Impfversuchen, bei denen sie */ 1—2 cm Malariablut unter die Haut spritzten, oft negative Resultate hatten und daher zu intravenösen Einspritzungen übergingen. Wie viel Mücken müssten aber einen Menschen stechen, um ihm '/* 2 cm Malariablut beizubringen.

*) Gegen die Annahme, dass die Infektion durch das Wasser erfolgt, sprechen die Versuche der Italiener, die Leute in malariafreien Orten Wasser aus Malariagegenden trinken Hessen. Die Leute blieben gesund. Umgekehrt wurden Leute in Malariagegenden, die Wasser aus malariafreien Gegenden tranken, doch malariakrank.

Digitized by Google

366

Wir kennen aber in dieser Beziehung eine Ausnahme: die Schimmelpilze. Diese streuen ihre Sporen in die Lutt aus. Thun nun die im Boden befindlichen Malariaerreger bei ihrer Reifung dasselbe? Ja, wenn sie sich in der gleichen Weise im Boden fortpflanzen wie im menschlichen Blut. Ist das wahrscheinlich? Ja! Denn die Inkubationszeit der auf gewöhnlichem Wege erworbenen Malarialieber stimmt mit der Inkubationszeit überein, die nach Impfungen mit Malaria- blut beobachtet wird. Wir müssen also annehmen, dass die Malariakeime beide Male in annähernd gleicher Form in den Körper gebracht werden. Streuen aber die Malariaparasiten ihre Sporen ausserhalb des Körpers bei ihrer Reifung eben- so aus, wie sie es im Blute thun, so können wir uns den Infektionsmodu8 folgendennassen vorstellen.

Nehmen wir an, wir haben eine tropische Küste zur Fieberzeit vor uns. Dann werden die einzelnen, im Boden befindlichen Malariaerreger nach und nach zur Reife kommen und ihre Sporen ausstreuen. Was wird mit diesen Sporen geschehen? Ihr Schicksal wird sich je nach der Tageszeit verschieden gestalten. So lange als am Tage die über dem Lande stark erwärmte Luft in die Höhe steigt und die von der See herwehende Brise keimfreie Luft in grossen Mengen zuftihrt, werden die Infektionskeime in die Höhe gewirbelt und unschädlich gemacht werden. ') Anders stellt es aber, wenu gegen Sonnenuntergang der aufsteigende Luftstrom schwächer wird und schliesslich ganz aufhürt. Die bei schwach aulsteigendem Luftstrom ausgestreuten Sporen werden nur eine geringe Höhe erreichen, von ihrem Entstehungsort nur eine kurze Strecke weit weggeführt werden können und demnach wohl diejenigen sein, die bei einer Infektion

') Dass dies sieh wahrscheinlich so verhält, zeigt die nachstehende Beobachtung von K Müller, (Iber Malaria in Kamerun. Berlin. Klin. Woch. 1SS8, S. 601. Von 3 Zimmerleuten nämlich, die mehrere Tage bei sehr beisaein Wetter an Land Baken gebaut batten, erwartete ich sicher, dass sie erkranken würden, zumal J von ihnen bereits au Malaria ge- litten hatten. Allein sie blieben verschont, und doch war der einzige Unterschied in diesen beiden Beispielen nur der, dass im letzteren Falle schöner, kräftiger Seewind vorhanden gewesen war.

Man könnte also weiter schliesseu, dass die Infektionsgefahr auch aiu Tage grösser ist bei stiller als bei bewegter Luft.

Digitized by Google

367

wesentlich in Betracht kommen. Hört aber d>e Luftbewegung nach Sonnenuntergang auf, so werden sie sich ihrer specifischen Schwere entsprechend senken. Die Folge wird sein, dass die höher stehenden und specitisch leichteren Luftschichten viel weniger Keime als die tiefer gelegenen und schwereren Luftschichten enthalten. ')

Nach Sonnenuntergang wird aber die von Keimen ge- schwängerte Landluft durch die bakterienfreie Seeluft nicht mehr verdünnt werden. Es wird also am Tage, vorausge- setzt, dass die Seebrise weht, eine von nur wenigen Keimen durchsetzte Luft eingeathmet werden, während der Nacht aber eine reichlich mit Keimen durchsetzte Luft in die Lungen gelangen und so eine Infektion zu Stande kommen.

') G r a e s e r. Einige Beobachtungen Uber Verhütung des Malaria- fiebers durch Chinin. Berlin. Klin. W. 1888, S. 843. berichtet, dass diejenigen Leute, die im Hafen von Batavia an Deck deB Dampfers schliefen, erkrankten, während die Offiziere, die anf der 30 Fuhs hohen Kommandobrücke schliefen, nie inücirt wurden.

Kleba, Allgem. Pathologie I. S. 140 berichtet, dass die Leuto in der römischen Campagne auf 3 in hohen Gerüsten schlafen, um sich vor Malaria zu schützen.

Hirth, Mitth. d. Verf. f. Erdkunde zu Leipzig 1895. S. XXXI berichtet: Im August 1890 erfolgte die Versetzung des Vortragenden nach Tamsui im Norden Formosas, einer wegen der dort herrschenden Malaria von Europäern sehr gefürchteten chinesischen Zollstation. Durch sofortige Ergreifung einer Reihe von Vorsichtsinassregeln, Schlafen in erhöhten Räumen, pünktliche Reinigung, gelang es jedoch, das Auftreten des Fiebers bei den Europäern und den Chinesen be- deutend einzuschränken.

Im direkten Gegensätze hierzu steht die Beobachtung von Kalkenstein, dass in einem Hause in Chinchoxo (Loango Küste, West- Afrika) Schwarzwassertiebererkrankungen der Bewohner sich einstellten, nachdem das Haus ein erstes Stockwerk erhalten hatte und die Schlaf- räume dahin verlegt worden waren. Er schreibt: „Da in früheren Jahren, so lange die Händler in einer der gewöhnlichen aus Cyperus Papyrus-Schäften gebauten Hütte wohnten, diese Krankheit in Chin- cboxo niemals beobachtet worden war und auch die deutsche Expedition in ihrer aus niederen Hütten bestehenden Niederlassung, obgleich nur ca. 200 Schritt von dem Nachbarhause entfernt, ganz von ihr verschont blieb, lag es nahe, daran zu denken, dass die Höhe des iieugebaiiten einstöckigen Holzhauses die Schuld der Erkrankungen tragen mochte. Früher waren die aus den Lagunen kommenden Dünste mit dem Landwinde Nachts unschädlich über die Hütte fortgetragen worden,

Digitized by Google

368

Blutuntersuchungen Tropenkranker in Europa, zugleich ein Beitrag zur Kenntniss der ostindischen Malariaparasiten.

Von Dr. Carl Däubler, Berlin.

Seit dem Bestehen dieses Archivs hat seine Redaction, meiner auf dem Frankfurter Congress im vorigen Jahre ausgesprochenen Anschauung folgend, um Zuweisung von Material zu Blutuntersuchungen, resp. von Malariablut- präparaten aus den verschiedenen Tropcnländern wiederholt öffentlich gebeten, leider ohne Erfolg. Dr. Mense und Ver- fasser hatten sich zur Vornahme und zum Studium solcher vergleichenden Untersuchungen erboten, deren Resultate hier im Archiv veröffentlicht werden sollten. Ausser einigen parasitenhaltigen Blutpräparaten von einem auch hier an haemoglobinurischer Malaria- . Schwarzwasserffeber-, Leidenden, erhielt ich nichts von Bedeutung, hingegen sammelte ich des Vergleiches wegen einige Präparate von Malariablut aus Polen und von einem Falle heimischer Intermittens. Ausser dem konnte ich das Blut einiger Neger der hiesigen Transvaalausstellung, welche noch aus den Tropen, am Limpopo, zu Hause waren, untersuchen, wie einiger Inder und Neger aus einer anderen in Berlin gastirenden Truppe, Beobachtungen, welche in den Rahmen dieser Arbeit nicht passen. Leider werden gerade Malaria- und Leberkranke aus den Tropen hier bei uns in Deutschland, wo eine nicht so kleine Anzahl sich befindet, zerstreut, und auch der Chef einer Klinik sucht einen solchen Kranken, schon der Curiosität wegen, sich zu erhalten, so dass wir nur mit grosser Muhe etwas daran untersuchen können. Dieses

während sic nun in die Schlafräume eiugeführt wurden und durch den Geruch unterschieden werden konnten. Es könnten eben hieraus auf die Träger der Erkrankung Schlussfolgerungen gezogen werden. Ich war so überzeugt von der Gefahr, in welcher die Besitzer sich in den oberen Räumen befanden, dass ich den Rath ertheilte, entweder das obere Stock ubzutragen und zu ebenpr Erde wieder aufzustellen, oder aber es doch nur zu Magazin-Räumen zu verwerthen.“ Kalkenstein. Febris remittens haeinorrhagica, Deutsche nulitärärztliche Zeitschrift 1877. Seite 4*5.

Dkj tized by Google

c\j o o-> qo r^- «xj j-)

4" 4* -*• co cn cn co co

D*g»tized by Gl

36$

Material ist demnach unseren Hitndcn und Forschungen ent zogen. Und doch können uns gerade Blutuntersuchungen des Serums wie des Gesanuntblutes der verschiedenen Rassen aus Tropenländern erst einen Einblick in ihr Blutleben und in die Verschiedenartigkeit ihrer Physiologie, wie sie dem Unbefangenen entgegentritt, verschaffen, ganz besonders von Malariakranken von überall, um daraus die noch fehlende Uebereinstimmung betreff? Morphologie und Biologie der Malariaerreger zu erlangen. Auch müssen wir darüber in’s Klare kommen, ob sich bei Transferirung der europäischen Malariakranken aus den Tropen nach hier etwas an den Parasiten, den Blutbestandtheilen und den formalen Blut- elementen verändert, was günstig oder ungünstig auf den Zustand des Kranken influirt und was auf Rechnung der Klimawirkung in Europa und des individuellen Verhaltens gesetzt werden könnte.

Ausserdem können wir hier die Malariaerreger, welche wir als Aerzte in den Tropen hauptsächlich in frischen Fällen im Blute aufsuchen, um die Diagnose zu sichern näher und eingehender studiren, wenn auch an meistens älteren Fällen oder an Oaeheetikern.

Das Material, welches mir bei uns selten oder ver- schlossen schien, beschloss ich wieder in Holland zu suchen, wo in Zütphen das Militär-Hospital der kolonialen Reserve seit noch nicht langer Zeit besteht nnd wo sich immer einige hundert tropenkranker Soldaten befinden. Dass die ganze koloniale Reserve sich auf etwa 1100 Mann beläuft, wovon an 600 die valide Abtheilung in Nymwegen volle militairische Dienste thut, von wo sie allmälig oder bei kriegerischen Anlässen in toto nach Indien gesandt wird, darf nicht auf- fallen, weil meistens langwierige, hartnäckige Fälle nach Europa gesandt und dann in Zütphen oft ein Jahr behandelt werden und weil für eine Klasse Ausgedienter und für sännntliche Verwundete, wie auch Lungenkranke, ehe endgültige Pen- sionirungeintritt, eine vorgängige. Behandlung und Beobachtung im Hospital zu Zütphen erforderlich ist. In Indien findet keine Verabschiedung statt, auch dienen die in den Vorbergen belegenen Gesundheitsstationen dem indischen Militär mehr zu Garnisonen, als dass sie Kranke beherbergen. Das

Digitized by Google

Netz der Hochgebirgsstationen ist noch lückenhaft, da die Regierung wie anf Tosari, c. 1750 m hoch, erst in der letzten Zeit mehr und mehr beginnt, Hospititler im Hochgebirge zu er- richten, nachdem sie mit dem früheren in unseren Colonien noch bestehenden System der Anlage grosser, fester Hospi- täler in der Küstenebene gebrochen hat.

In Zütphen wurde ich von den beiden, der ostind ischcn Armeeabtheilung angehörenden Anstaltsärzten resp. dem dirigirenden Militärärzte Dr. Koppenol , als inactiver Militaircollege, freundlich aufgenommen und erhielt die Er- laubniss, im Hospital nach Ermessen zu arbeiten. An dieser Stelle fühle ich mich verpflichtet, den beiden Herren Dr. Koppenol und Dr. de Holst, Sanitätsofficier I. Klasse, meinen besten Dank für die Förderung meiner Arbeiten zu sagen, mit deren Hauptresultaten sie sich, soweit es ihre Zeit erlaubte, bekannt machten. Die Kranken, etwa 300 an der Zahl, bestanden zur Hälfte aus ambulanten Reconvales- centen, von den übrigen sind 8 Fälle von Dysenteria tropica, 2 Fälle von Leukaemie (nach perniciöser Malaria), 17 Fälle von perniciöser Malaria, in denen noch Fieberanfälle dominirten. 17 Fälle von Cachexia paludosa, im Ganzen also 34 Malariafälle, hervorzuheben, von welchen allen ich Blutpräparate unter- suchte und entnahm, sowie drei Fälle von Bcri-Beri. Da- neben hatte ich Gelegenheit, eine Anzahl von Kranken mit tropischer Enteritis, wie sie die indischen Aerzte benennen, zu beobachten. Jede Woche bringt die indische Mail einige neue Kranke und ausgediente Militairs, über welche die genauesten ärztlichen Aufzeichnungen und die Diagnose aus Indien vorliegen.

Im Folgenden muss ich mich vorerst darauf beschränken, eine zusammenfassende Arbeit und Bericht über meine an den drei Beri-Beri- und Malariakranken angestellten Be- obachtungen und Blutuntersuchungeu zu geben, eine aus- führlichere und tiefer greifende, mit Photogrammen ver. sehene, über Malaria wird demnächst noch anderenorts er- scheinen.

Von den drei Beri-Berikranken waren zwei, Douraa und Ahrendse, bei meinem ersten Aufenthalt im Zütphener Hospital 1 resp. ll/s Monate in Europa. Ahrendse, ein ver-

Dtgitized by Google

371

hältnissmässig gut genährter Mann, war nicht im Stande, sich aus dem Lehnstuhle zu erheben, wenn er auch versuchs- weise die Unterextremitäten etwas vorschob. Selbst mit Hülfe von Krücken konnte er nur kurze Zeit stehen, während Douma sich mit Hülfe von Lehnen und Krücken erhob und einige Schritte damit auszuführen vermochte. Beide Kranke hatten guten Appetit, alle Funktionen in Ordnung. Nach Ausweis ihrer Krankenlisten hatten beide auf Atjeh die von Scheube1) so benannte atrophisch-hydropische Form der Beri-Beri aequirirt. Die Krankheit nahm allmälig einen chronischen Verlauf, so dass hauptsächlich die Lähmung der Unterextremitflten nicht weichen wollte, während die Parese der oberen schwand. Im eigentlichen Hochgebirgs- klima waren diese kranken Soldaten nicht verpflegt, die Herzerkrankung und Lähmung erschien den Aerzten in Indien aber so belangreich, dass sie die Rückkehr zur vollen Diensttauglichkeit bezweifelten und die Patienten nach Zütphen sandten. Bei der Untersuchung fand sich kaum abnorme Respirationsthätigkeit, der Herzstoss war stärker und verbreitete sich in den 4. Intereostalraum, die Herz- dämpfung in beiden Richtungen vergrösscrt. Nur über den Knöcheln und über der Tibiakante leichtes Oedem. Der Druck auf die Waden schmerzt nicht, der Ort der Application leichter Nadelstiche wird einigermassen genau angegeben, Temperaturgefühl vorhanden, es sollte in jüngster Zeit keine (Douma) resp. nur geringe Herabsetzung (Ahrendse) der clectrischen Reizbarkeit von Nerven und Muskeln bestanden haben. Den Patellarreflex fand ich sowohl bei meinem ersten Besuche, als auch gerade beim zweiten, fast einen Monat später, hochgradig gesteigert; um mich von der Richtigkeit meiner Wahrnehmung zu überzeugen, wiederholte ich oft und an verschiedenen Tagen da« Experiment. Fussclomis war nicht vorhanden. Die beiden Patienten befanden sich demnach im Stadium der Besserung, und als ich einen Monat später wieder nach Zütphen zurückkehrte, humpelte Ahrendse mir bereits im Vorgarten des Hospitals, auf zwei Krücken gestützt, entgegen. In diesem Stadium müssen also schon Nervenregenerationen eingetreten sein, wobei wie

*) Scheube, Dr. Die Beri-Berikrankkeit. Jena. 1894.

Digitized by Google

372

I’ekellmring’s 1 ) und Zwanrdemaaker’s * * ) und Kraft » Unter- suchungen lehren, der Patellarreflex wiederkehrt und ge- steigert ist. Die Wadennniskulatur der beiden Kranken war nicht mehr erheblich atrophisch. Der dritte Beri-Berikranke, war erst seit 2 Tagen in Europa, konnte etwas gehen Beri-Berigang und litt zugleich an Malaria, worauf ich später zuriickkommen werde. Da ich zwei in der Recon- valescenz stehende reine Beri-Beriker vor mir hatte, welche in Zütphen nur gut gepflegt wurden, während man sich übrigens erfahrungsgemäss auf die Klimawirknng verliess, beschloss ich bei meinem zweiten Besuche F etttröpfchenzählungeu ihres Blutes anzustellcn. Vorher hatte ich Blutkörperchen- Zählungen gemacht, der Gehalt an Ery throcy teil betrug nicht ganz 4500000 im Mittel, hingegen zählte ich bei Ahrendse 8500, bei Douma 8000 weisser Blutzellen. Obschon die noch jungen Methoden der Fetttröpfchenbestimmung, abgesehen von der chemischen, ein sehr genaues Resultat nicht geben, glaubte ich mich mit dem Nachweis zufrieden stellen zu können, ob überhaupt bei Beri-Beri und speciell im Stadium der beginnenden Reconvalescenz der Fettgehalt resp. die Zahl der Fettkömchen und Fetttröpfchen im Blute vermehrt sei oder nicht. Ich hatte zur Vornahme dieser Untersuchung nur drei Wegweisser, von Jaksch ’) klinische Diagnostik, die Arbeit Gumprechts4), und kurz vor meiner 2. Reise nach Zütphen las ich den soeben in der Deutschen Med. Wochenschrift er- schienenen AufsatzDr.Watjoffs.5) Die chemische Untersuchung musste ich unterlassen und ahmte den Methoden Gumprechts und Watjoffs nach, welche darin bestehen, dass man entweder am Deckglase ausgestrichenes und angetrocknetes Blut 24 Stunden in 1 °/0 Osmiumsäure lässt, gut auswäscht, mit Eosin nach- färbt, dann mikroskopirt, oder nach Watjoff nicht färbt und das Präparat erst nass, dann trocken mit 1 Tropfen 5°/0

') Pekelharing. Recherches sur la nature et la cause de Beri- Beri. Utrecht 1888 und Ned. Tvdschrift voor Genesk. 1888.

*) Zwaardemaaker en Kraft, Over de reconv&lesceutie vau Beri- Beri. Ned. Weekblad voor Geneeskunde 1893.

•) v. Jaksch. Klinische Diagnostik. 189G.

*) Gumprecht. Deutsche Med. Wochenschrift. Nr. 90. 1894.

®) Watjoff. Ueber den Fettgehalt des Blutes bei Nierenkranken. Deutsche Med. Wochenschrift. 1897.

Digitized by Google

3*3

Osmiumsäurelösung untersucht. Tn dem getrockneten Präparat ziihlt man in 16 Gesichtsfeldern die Fetttröpfchen aus.

Die Mittelzahl daraus benutzte Watjoff als Grund - werth, dem ich hierin bei Mangel noch genauerer Methode folgte.

.Schon bei früheren Blutuntersuchungen und auch in Zütphen bei Douma und Ahrendse, wie ab und zu im Malariablut, hatte ich die kleinen, lichtbrechenden Kügelchen bemerkt und um sie als Fett zu diagnosticiren, einen Tropfen Aether zugesetzt, wonach sie verschwanden. Solche feine Pünktchen und Kügelchen sah ich bei den beiden Beri-Beri- kranken häufiger als sonst und nach vorangegangener, er- wähnten Behandlung machte Osmiumzusatz schon bei Durch- sicht es deutlich, dass in jedem Gesichtsfelde sich mehrere Fetttröpfchen befänden. (Leitz. System 7, Ocular 1.) während sie bei dem dritten Beri-Beriker seltener auftraten. Ich entnahm den Patienten nochmals das Blut zur definitiven Zählung am Morgen des folgenden Tages vor der Mahlzeit und fand bei Douma die Mitt.elzahl von 3,8, bei Ahrendse 4,4, bei Walker 2,f>. Ist die Zahl der untersuchten Beri-Beri- kranken, welche sich bereits iin Anfänge der Reconvalcscenz befanden, auch nur klein und deshalb nicht ausschlaggebend, so möchte ich diesen Befund doch der Beachtung und diese Untersuchungen zur Nachahmung empfehlen, vielleicht mit verbesserten oder genaueren Methoden.

Die Mittelzahl der Fetttröpfchen bei Gesunden in ln Gesichtsfeldern wird zu 1,6 angenommen, sie kann sich nach reichlicher Mahlzeit verdreifachen und gilt dann noch als physiologisch. Jedenfalls erscheint der Fettgehalt des Blutes der beiden erstgenannten Beri-Beriker, welche nur das erste Frühstück eingenommen hatten, der pathologischen Grenze nahe zu liegen und man muss ihn als vermehrt bezeichnen. Ob gerade im Beginn der ßeconvalescenz oder sonst im Ver- lauf der Beri-Beri das Blut mehr oder weniger Fett enthält, darüber sind meines Wissens bisher keine Untersuchungen angestellt.

Da bei Typhusreconvalescenten von Jaksch und Anderen ein sehr grosser Fettgehalt des Blutes gefunden wurde, wäre es denkbar, dass auch nach anderen Infections- krankheiten, wie auch in der Beri-Berirecouvalescenz, wenn die

Archiv f. Schiff*- u. Trope uhygiene. 26

Digitized by Google

374

Verfettung der erkrankten Nerven schwindet, das Blut fett- reicher würde. Der Blutbefund würde ausserdem einen prognostischen Werth erhalten können, abgesehen davon, dass er auch zu Anfang der Krankheit und im weiteren Verlaufe Aufschlüsse geben dürfte. Collegen, die über ein grösseres Material vertügen, mögen weiter forschen, dabei aber auch das Krankheitsstadium, die Krankheitsform und das Klima nicht ausser Acht lassen, in dem die Kranken sich befinden. In den Tropen wäre das Hochgebirgsklima dem europäischen noch am ähnlichsten.

Das Blut von Dysenteriekranken, welche zugleich, meistens intermittirend, Temperaturerhöhungen von 38,6 bis 40,2 0 C hatten und worin keine Malariaparasiten gefunden wurden, war reich an Lymphocyten, darnach waren von den weissen Blutzelleu die neutrophilen zahlreich, Erythrocyten vermindert bis zu 3 Millionen, der Haemoglobingehalt des Blutes bei einem fiebernden Patienten auf 41,2°/0 gesunken, (n. Gowers). Bei der von den Niederländern so rubricirten tropischen Entritis war der Blutbefund ein ähnlicher, zwei Bestimmungen des spec. Gewichtes nach Hammerschlag er gaben 1030 und 1044, also eine nicht unbeträchtliche Herab- setzung, allerdings bei zwei etwas heruntergekommenen Indi- viduen. Der Haemoglobingehalt hielt sich im Mittel auf 70,5°, , (n. Gowers), ein nicht fiebernder abgemagerter Enteritiker zeigte normales spee. Gewicht des Blutes, aber Abnahme des Haemo- globins, ein erst vor einigen Tagen von Indien herüber- gekommener Sergeant mit 52°/0 Haemoglobingehalt und 2,400000 Erythrocyten klagte über zu grosse Kälte in den heissen Augusttagen, er habe sieh in Indien wohler befunden. Es handelt sich bei diesen Krankheiten im Wesentlichen in Bezug auf Blutveränderungen um Auaemie. Atypische Leucocytenformen, wie bei Leukaemie, habe ich nie gefunden.

Ueber die von mir angestellten Untersuchungen von Malariakranken werde ich ebenfalls, soweit angängig, in Kürze berichten, hauptsächlich die mikroskopischen Arbeiten berücksichtigen.

Nur sehr wenige der 34 Malariakranken litten an regelmässigen Anfällen, es waren deren nur drei, darunter ein F all von Remittens, ' zwei andere Patienten hatten an Remittens gelitten, waren eine Zeitlang frei davon, litten

Digitized by Google

375

aber au Recidiven, ich setze sie deshalb nicht unter die erste Kategorie. Ein anderer Patient hatte im August kurze Zeit Quotidiana, nachher wurden die Anfälle unregelmässig, oft trat 6 10 Tage lang kein Fieberanfall ein, bei allen übrigen Patienten war die gleiche Unregelmässigkeit vor- handen. Wurden die Blutuntersuchungen nicht gerade einen oder einige Tage vor dem zu erwartenden Anfalle ausgeführt, oder war dann noch gerade Chinin gegeben, so waren oft keine, oder nur spärlich erscheinende Parasiten nachzuweisen.

Bei meinem zweiten Besuche in Zütphen im September d. J. wurde im Spital, um meine Beobachtungen zu unter- stützen, kein Chinin mehr gegeben und nun bei wiederholten Blutentnahmen zu passender Zeit, mit Ausnahme von einem Kachectiker, in den Präparaten allerdings meistens nur spärlich vorkommende Malariaparasiten gesehen. Zweimal gelang es mir, gerade als Prodrome eines Anfalls sich zeigten und im Verlaufe des Anfalls, Blut zu nativen Präparaten zu entnehmen, ich nahm dabei den Blutstropfen etwas voller auf das Deckglas, erhielt beim Andrücken an den Objectträger eine äussere gerinnende Schicht, wodurch die innere sich eine Zeit lebend erhielt. Besser ging es, wenn der Objectträger vorher mit einigen Parnffintröpfchen beschickt war, so dass nach Uebcr- streiehungen mit einem warmen Spatel, noch besser mit einem Glasstab, der Raum zwischen Objectträger und Deckglas ab- geschlossen war. Diese letztere Methode befolgte ich meistens bei allen Untersuchungen des lebenden Blutes. An dem Remittenskranken, dessen weiter unten noch erwähnt wird und der nur selten seit Wochen unter 38° C Körpertemperatur hatte, nahm ich mehrfach, sowohl bei Temperaturen von 40" C als bei 38,5° C, einmal bei 37,8° C Untersuchungen des leben- den Blutes vor. Von Stichen in die vorher mit Methylenblau- lösung beschickte Fingerkuppe dabei muss ich abrathen, ich überzeugte mich, dass das Präparat nur mit Farbstort beladen, das Blut verdünnt oder verändert wird, brauchbare Färbung erhielt ich nicht. Auch Methylenblauzusatz zum Blut zwischen Deckglas und Objectträger, wie van der Schcer es vorschlägt, hatte wenig Erfolg und schädigt eher den Einblick in das Leben des Blutes und der Parasiten. In sonstigen 21 von beiden Kategorien der Kranken stammenden Präparaten des lebenden Blutes habe ich stets die kleinen

26*

Digitized by Google

376

nicht pigmentirten Parasitenformen, welcne zuweilen eine Pigmentscholle enthalten und die s. g. Ring- resp. Hiegelring- form zeigten, gefunden. Zweimal fand ich daneben endo- globuliir einige Exemplare der grossen Parasiten, welche mehr Pigment in ring- oder kreuzförmiger Anordnung auf- weisen und amöboid mehr beweglich zu sein scheinen, als die kleinen Formen. Meistens waren an der Begrenzung des Ringes der kleinen Parasiten eine grössere und kleinere Verdickung. Korn, (Celli und Guarnieri) vorhanden. Wie van der Scheer in Indien an frischen Füllen, fand ich hier in Europa an älteren und auch stellenweise bei Kachectikern, sowohl im lebenden Blut als im gefärbten Präparat, ecto- globuläre kleine Formen, im lebenden Blut sah ich sie als runde, äusserst zarte, von feinem Rande begrenzte Plasma- kügelchen, welche in der Mitte ein dunkles Körnchen ent- hielten, daneben, Vio so gross als ein Erythrocyt auch solche mit deutlicherem dunkleren Contour, der an einer Stelle, oder in geringerer oder grösserer Ausdehnung, verdickt er- schien. Diese letzteren sassen stets entweder an oder inner- halb der rothen Blutkörperchen. Die erstgenannten machten den Eindruck einer zarten jugendlichen Zellenform, die anderen, soviel ich weiss, noch nicht sonst beschriebenen, welche in die Blutkörperchen eindringen, oder schon eingedrungen sind, den eines einseitig verdickten dunklen Ringes mit hellem Inhalt. Die übrigen endoglobulären kleinen Parasiten waren grösser, bis zu Vs oder fast Vs der Grösse eines Erythrocyten, mit etwas stärkerem dunklen Contour, sie ähneln dem Siegel- ring und haben meistens dem grösseren Knopf gegenüber, noch ein kleineres Körnchen. Diese Gebilde waren beweglich, ihre Bewegungen im Blutkörperchen mühsam, nicht heftig und ausgedehnt, gerade als ob der Raum sie beengte. Der dunkle Contour (oder der Ring) faltete sich, streckte sich nach oben und unten, besonders an den Polen vielfach aber in mässigen Curveu hervor und wieder zurück, blieb aber auf derselben Stelle im Blutkörperchen. Dabei schien auch der davon eingeschlossene, oder wie vielfach angenommen, umflossene Theil, faltig und in der Sagittalebene beweglich. In einem Präparat sah ich deutlich, wie der kleine Parasit zwei Haemoglobinstäbchen (Pigment) aufgenommen hatte, welche sich hin und her bewegten und sich lebhaft an den

Digitized by Google

377

Allgemeinbewegungen des Parasiten betheiligten, sie schienen iin Inneren, in dem vom Ring eingeschlossenen hellen Theil umherzuschwirren. Zweimal habe ich die Beobachtung am Mikroscop so lange fortgesetzt, bis der Parasit zur Ruhe kam, die ovale b orm annahm und darin verharrte. Das Blut begann dann einzutrocknen. Bei vielen andauernden Beobachtungen dieser kleinen, nicht pigraentirten Parasiten nahm ich wahr, dass der vom dunklen Ringe eingeschlossene helle Theil im Blutkörperchen in der Mitte zusammengeballt zu sein oder wie aus mehrfachen kreisförmigen Furchen zu be- stehen schien. Vacuolen waren nicht da. Meine Photo- gramme des ungefärbten Parasiten zeigen in der Mitte des- selben eine dunkle Kernandentung, an den Seiten des dunklen Ringes eine grössere und eine kleinere Randver- dickung, ein weniger scharfes Photogramm nur die seit- lichen Rand Verdickungen oder Knöpfchen und das Cen- trum leicht bläulich tingirt. Nur selten ist, besonders im gefärbten Präparat, dicht am dickeren Knopf eine Haemoglobin- scholle zu bemerken, im Ganzen war und blieb diese Form pigmentfrei, niemals sah ich sie grösser als '/& eines Erythrocyten.

Dieser Parasit ist morphologisch dem von Plehn beim Kameruner s. g. Schwarzwasserfieber gefundenen ähnlich, nur das Ringelchen (der Contour) des Kameruner Parasiten erscheint feiner, zarter. Wenn man. wie noch später be- schrieben. zart oder braun färbt, so erscheint das Centrum des Ringes im Blutkörperchen mehr different und im Photo- gramm in dessen Mitte auch eine Kernandeutung. Ich hatte hier Gelegenheit, Kameruner Parasiten in dem Blute eines Patienten zu beobachten und besitze gefärbte Präparate in meiner Sammlung. Hucmoglohinurische Malaria kommt auch in Ostindien, wenn auch seltener, vor, dabei erscheint der von mir und van der Scheer beschriebene kleine Parasit. Das Leben dieses kleinen Parasiten im Blutkörperchen des peripheren Blutes, welches er mit seinem Wirth bald verlässt, um, wie vielfach untersucht, in der Milz oder anderen inneren Organen, besonders im Gehirn, zur vollen Reife zu kommen, die eigenthiimliehe Art seiner Bewegungen im Erythrocyten, dabei das Verbleiben auf einer Stelle und das beschriebene Verhalten des Inneren, machen den Eindruck, als ob derselbe nicht nur ein Ring sei, sondern eine ovale Zelle,

Digitized by Google

378

eine Scheibe. Allerdings hat ein Theil von hervorragenden Beobachtern, darunter Kruse*) eine andere Anschauung, hauptsächlich wendet sich der Letztere gegen die Annahme eines bläschenförmigen Kernes Manuaberg den auch ich nicht bemerkt habe. Wenn die Structur des kleinen Parasiten durch Färbung deutlicher werden soll, so kann ich nur die zarteste Tinction empfehlen, dann sieht man im Dauerpräparat die consistentere Structur in der Mitte, welche nach Kruse den Rest des Haemoglobinkernes darstellt. Trotz- dem ich das Blut einer ganzen Anzahl von Maleriakachectikern in Zütphen und hier im gefärbten Präparat untersuchte, fand ich nur zweimal Halbmondformen, während vanderScheerin Indien bei denselben Patienten sie constant beobachtete. Van der Scheer beobachtete ferner, dass die kleinen Parasiten bis zu 1 3 der Grösse eines Erythrocyten im peripheren Blut in Indien verblieben, Pigment aufnahmen und dann verschwanden.

Ich konnte diese Grösse hier nicht constatircn, auch nur, dass sie ausnahmsweise ein oder zwei Pigmentstäbchen am Korn enthielten, sie müssten demnach hier in Europa früher aus dem peripheren Blut sich entfernen, was kaum an- zunehmen ist.

Die Beschreibung der grossen, im Blut gefundenen Formen, sowie der gleichzeitig mit den kleinen in Präparaten von demselben Kranken gesehenen, glaube ich, um nicht Bekanntes zu wiederholen, übergehen zu sollen, ich fand nur, dass, je länger die Patienten in Europa waren, die grossen Para- siten mehr Pigment enthielten, ein Befund, den ich der Mitthei- lung für werth halte. Auch war das einzelne Pigmentstäbchen von länger in Europa Verweilenden (mehr als 4 Monate) dicker als bei Xeuangekommenen. Ob diese Erscheinung mit der Besserung, der Widerstandsfähigkeit oder dem besseren Ernährungszustände im gewohnten Klima Zusammenhänge will ich vorerst hier unerörtert lassen. Auffällig war das wenn auch nicht häufige Vorkommen grosser Parasitenforraeu mit den kleinen zusammen bei einem und demselbem Patienten, wie es in Indien nicht so oft und dann nur bei gewissen, meistens künstlich erzeugten Mischinfectionen beobachtet wurde. Ausser bei Quotidiana fand ich hier auch bei Re*

"

*) Kruse in Flügge s „Die Mikroorganismen“, Leipzig 1896.

i

Digitized by Google

379

mittens die grossen Formen neben den kleineren. Den schon erwähnten hartnäckigen Remittensfall Ncwinger siehe Curve dürfte wohl auf die Anwesenheit beider Formen im Blut und auf die zweier resp. dreier Generationen der grösseren pigmentirten zurückzuführen sein, so dass zwei bis drei Exacerbationen des Fiebers, mit dem Heranreifen und Sporulation der grossen Form im peripheren Blut oder der kleinen Parasiten in den inneren Organen in Einklang gebracht werden könnten. Einmal beobachtete ich bei Newinger, von dem ich ausser den 21 Präparaten von anderen Patienten, viele native anferligte, den Sporulationsprocess der grossen Parasiten vor dem Ansteigen der Temperatur, dabei war die jüngere Parasiten-Generation sehr deutlich zu unterscheiden.

Die von Martin erwähnten stäbchenförmigen Gebilde bei tropischer Remittens, habe ich in Zütphen nicht als Mikroorganismen feststellen können, man sieht sowohl im Blute Gesunder, auch vielleicht häufiger bei Remittens, ähnliche Gebilde, aber cs handelt sich dabei oft um Zufällig- keiten und um Diffractionserschcinungen. In dem Falle der Complication von Beri-Beri mit Malaria, wo starke Leber- und Milzschwellung auffielen und das Fieber nur wenig un- regelmässig auftrat, fanden sich bei lortgesetztem Suchen in fünf gefärbten Präparaten nur die kleinen Formen, in dem einen sah man im Innern eines Blutkörperchens eine noch verschiedentlich ausgereckte amöboide nicht pigmen- tirte Figur von '/* Blutkörpergrösse. Auch bei diesscr Complication erreichten die kleinen Parasiten nicht die von van der Schcer angegebene Grösse in Indien noch nahmen sie Pigment an. Milzpunctionen nahm ich nicht vor, in Fällen, wo der kleine Parasit allein gefunden wird, und dieses ist ja in grosser Mehrzahl, empfiehlt sie sich, um über die Weiterentwicklung der kleinen Parasiten einwandsfreie Resul- tate zu erbringen, besonders wenn man keine Sectionen macht, wie es in unseren noch in der Entwickelung begriffenen deutschen Colonien öfters der Fall sein kann, als in alten, hochentwickelten.

Bei dieser ganz offenbaren Complication von Beri-Beri mit Malaria fand ich ebenso als sonst im Malariablut, die kleinen ectoglobulären Amöben, welche denen, die Glogner

Digitized by Google

380

im Milzblut Bcri-Berikranker fand, gleichen und in welchen er die Beri-Berierreger vermuthete. Die Beobachtung solcher Complicationen, wo Beri-Beri und Malaria ganz neben einander und deutlich geschieden von einander in demselben Organismus verlaufen, lasst auch die Anschauung, dass Beri-Beri eine Malariakrankheit sei, hinfällig werden, noch dazu, wenn (wie in unserem Falle) nicht Malaria, sondern Beri-Beri die zuerst auftretende Krankheit war und die eretere sich rascher besserte, während Malaria zurückblieb.

Unter den an Caehexia paludosa Leidenden, deren Fieberaufiille selten, deren Anaemie aber nicht unbeträchtlich schien, waren einige, welche Diarrhoen und Leberschwellung zeigten, auch übertraf verhältnissmässig mehrfach die Leber- schwellung den Milztumor, hier war das Blut gallensüurcreich und oft fanden sich melaninhaltige (pigmentirte) Leucoevten, welche im lebenden Bluts extravagante Bewegungen und Ausreckungen ausführten, im gefärbten Präparat rundlich erscheinen, oder in einem der Ringform ähnlichen Zustande zur Ruhe kamen und leicht Parasiten Vortäuschen können, ebenso waren sterile Parasitenformen zu beobachten, darunter selten Halbmondformen.

Dann erschienen im Blute der Malariakranken noch kleine, ectoglobuläre Ringelchen, Kügelchen, die von den be- schriebenen und bekannten abweichen, denen jede Kernan- deutung oder Pigment fehlt und die sonst im Blute Gesunder nicht angetroffen werden, auch von mir nicht im gesunden oder kranken Blute, auch nicht im Thierblut, beobachtet wurden. Wenn auch mit Unterbrechungen, habe ich doch jahrelang Blut untersucht, im letzten Jahre fast täglich.

Diese Gebilde als Parasitenformen zu deuten, wäre aber ein Fehler, den selbst einzelne, mehr oder weniger in die Sache eingedrungene, aber nicht mit der Optik immer ganz vertraute Untersucher leicht machen, ebenso soll man sich vor mikroscopischem Staub und freiem ausgepressten Haemoglobingebilden hüten. Hat man es im Präparat und bei den Kranken nur mit den grossen europäischen Formen zu thun, so ist eine Verwechslung nicht leicht möglich, anders liegt es bei den tropischen kleinen Formen. Die melanin- haltigen Leucoevten und ähnliche Gebilde, wie auch den

Digitized by Google

381

eigenthttmlichen Glanz der Blutkörperchen nehmen viele Autoren, wie auch Grawitz, *) bei Nichtanffindbarkeit von Parasiten als ein suspectes Zeichen für bestehende Malaria an. Den Glanz der Blutkörperchen habe ich trotz darauf gerichteter Beobachtung bei Malariablut nicht deutlich wahr- nehmen können, auch nicht in Präparaten, welche keine Parasiten enthielten und welche von Kranken mit irregu- lärem Fieber stammten, in deren Blut ich noch Para- siten nachweisen konnte. Vielmehr sind die Blutkörperchen da, wo anderweitige Befunde, wie pigmentführende Leucocyten auf Malaria deuten, oft glanzlos und etwas blässer als in der Norm, die Delle ist vergrössert, der Haemo- globingehalt des einzelnen Blutkörperchens vermindert. Im Remittcnsblut erschienen dagegen die Blutkörperchen glänzender zu sein als sonst. Vielleicht sind dieses Zufällig- keiten. Auf das Vorkommen eigeuthümlieh ausgereckter, aber pigmentloser Figuren, mit feinem Contour im Inneren von Blutkörperchen, wie sie nur Amoeben annehmen und wie sie von Kruse und Anderen bei Beschreibung der Tertian- parasiten, aber mit feinem randständigen Pigment versehen, abgebildet sind, habe ich schon früher liingewiesen und kann hinzufügen, dass ich da, wo ich solche Formationen sah* auch gewöhnlich grosse Parasiten fand. Die von van der Scheer erwähnten grossen Parasiten, mit Geissein, (Zwecp- draad) habe ich nicht gesehen. Geübte und ungeübte Untersucher mögen zugleich hieraus ersehen, dass selbst zur Diagnose tropischer Malaria durch die Blutuntersuchung wenigstens bei nicht ganz günstiger Zeit oder bei älteren dabei oft schweren Fällen von pernieiöser Malaria, welche in unserem Klima, wie wir sehen, sich ändern, Uebung und Er- fahrung gehört und dass Täuschungen sehr leicht sind, so dass es nicht verwundert, wenn Kliniker in Präparaten Fremdes als Parasiten ansehen, wirkliche kleine endoglobuläre Para" siten aber übersehen. Es ist ausserdem eine Geduldsprobe und für das Auge anstrengend, Präparate solcher Patienten zu durchsuchen. Bei frischen Fällen, vor und besonders während des Hitzcstadiums des Anfalles ist es leichter, weil dann zuweilen in jedem Gesichtsfelde Parasiten erscheinen.

*) Grawitz, E. Klinische Pathologie lies Blutes. Berlin 1896

Digitized by Google

382

Trotzdem ist es durchaus für jeden Tropenarzt nöthig, die erwähnten Vorkommnisse selbst durch Uebung zu erfahren, zu analysiren und unterscheiden zu können.

Ich bin dank Zütphen in den Besitz einer grossen Anzahl (etwa 150) von Präparaten gekommen, welche für mich und für das vergleichende Studium der Malariaparasiten von höchstem Werthe sind, hoffentlich kann ich meine Sammlung von Zeit zu Zeit ergänzen und besser ausarbeiten, nachdem ich durch wiederholte Studien und Erfahrungen neue Gesichtspunkte dafür gewann, denen ich nachzugehen beab- sichtige. Vergleicht man die tropischen Malariaparasitenformen mit den unsrigen, oder denen aus Polen, woher ich Präparate erhielt, so erscheinen, wie theilweise schon angegeben, doch selbst die grossen tropischen Malariaparasiten anders, besonders in Bezug auf Lagerung und Stärke des Pigments und, was ich noch erwähnen möchte, auf die Renction des Wirthes, desErythrocvten, welcher bei unserer Malaria, auch bei maligner Tertiana, schlaff und stark vergrössert, angeschwollen, erscheint, während bei tropischer Malaria das Blutkörperchen auf den kleinen Parasiten wenig reagirt. Gewöhnlich erscheinen daher auch die europäischen grossen Formen grösser als die grossen tropischen. Am ähnlichsten, wahrscheinlich identisch mit den tropischen Formen sind die italienischen. Ob die kleinen italienischen Formen, die ostindische und die bei Schwarz- wasserfieber in Kamerun gar keine Unterschiede aufweisen, ist nicht so sicher als die grosse Uebereinstimmung des ostindischen kleinen Parasiten mit dem zuerst von Plehn*) aus Kamerun beschriebenen, obschon auch da noch einzelne Feinheiten differiren. Ich habe nach meinen Beobachtungen Gründe für die Annahme, dass sie sich nicht wesentlich unterscheiden und keine getrennte Species bilden.

Zum Schluss möchte ich noch etwas über Färbung mittheilen. Die erfahrenen Collegen, welche eigene Malaria- studien möglichst in verschiedenen Ländern der Erde ausführen, legen das Hauptgewicht auf den Befund im un- gefärbten Präparat, oder am ungefärbten Parasiten, wie ich

*) F. Plolin. Berliner Med. Gesellschaft, Vortrag- Sitzung vom 9. Mai lä!»5. (Iber das Sehwarzwasserfieber an der afrikanischen Westküste.

Digitized by Google

383

es ebenfalls thue. Nacli meiner Erfahrung kann ich nur eine ganz schwache Färbung, etwa Methylenblau empfehlen, oder für den Eingeweihten, wie bei den kleinen Parasiten, gar keine. Will man nun aber doch eine Kernfärbung der Übrigen Blutelemente haben und färbt nach Vorfärbung mit Methylenblau nach, dann rathe ich entweder nur eine schwache Vio°/o Lösung */* Minute anzuwenden, oder bei stärkerer evcnt. Löffler scher Lösung das Deckglas durch schwachen Salzsäurealkohol zu ziehen und sogleich abzuspülen- Zur Färbung und besseren Differenzirung benutze ich Orange G, dem ich etwas Auramin und Anilingelb zusetze, 15 Tropfen solcher filtrirten concentrirten Lösung zu 10 bis 12 Gramm Wasser genügen, um in 5 Minuten die Erythrocyten gelblich roth. in ähnlicher, concentrirterer Farbe wie in natura zu tingiren, nach Abspülen und Trocknen, 2 Minuten Verweilen- lassen in verdünnter Eosinlösung, am besten Prof. Frosch’s Präparat, welches ich bereits in Zütphen und nachher kennen lernte und allen Eosinlösungcn vorziehe. Nach Abspülen und Trocknen Nachfärbung in Methylenblaulösung, Einschluss in Canadabalsam. Die Fixation geschieht am besten durch Wärme, sonst in Mischung von Alkohol und Aether. Man kann auch die Färbung von Orange und Eosin combiniren, indem man einigen Tropfen Eosin in Auramin Orangelösung zusetzt, stehen lässt und frisch filtrirt, so sicher als die getrennte Färbung ist sie aber nicht, ebenso täuscht man sich häufig über die Resultate der Doppelfärbung in Gemischen von Eosin und Methylenblau oder auch nach Chcnzinsky. Meine Färbung scheint nur den Vortheil zu bieten, den un- gefärbten oder nur zart gefärbten Parasiten sowie sein Cen- trum im Inneren des Blutkörperchens leichter zu erkennen, als im eosinrothen und so möglichst naturgetreues Parasiten- material zu studiren.

Schon der knappen Zeit wegen muss ich mich jetzt mit dem über meine Studien Mitgetheilten begnügen und hoffe ein Mehr entweder in diesem Archiv zu geben oder anderenorts event. in einem Buche. Ich hoffe über die Statistik und den Einfluss des Klimas auf die von Indien nach Holland übergeführten kranken Militärs noch mehr Material von Holland aus zu erhalten, so dass darüber die Acten noch nicht geschlossen sind. Die grosse Mehrzahl der

Digitized by Google

3*4

kranken aber noch dienstpflichtigen Mannschaften kehrt wieder dienstfähig nach Indien wenn auch erst nach 1 2 Jahren zurück, wodurch sie der Armee erhalten bleiben.

Ueber die praktisch verwertbaren Erfolge der bisherigen ätiologischen Malariaforschung.

Von Dr. Friedrich Plehn, Regierungsarzt beim Kaiserlichen Gouvernement von Deutsch- Ostafrika.

Die Augen der praktisch und wissenschaftlich thätigen Tropenärzte sowie auch aller derjenigen Laien, welche ein ideales oder materielles Interesse an der Förderung unserer Kenntnisse und unseres Könnens auf dem Gebiet der Tropen- pathologie und Tropenhygiene haben, sind zur Zeit auf Dar- es-Salaam gerichtet, wo seit einigen Wochen Robert Koch seine Arbeitsstätte eingerichtet hat, um die an der deutsch- ostafrikanischen Küste vorkommenden Infektionskrankheiten und speeiell die Malaria zum Gegenstand seiner Untersuchungen zu machen. Jeder, welcher sich der Bedeutung der Stellung bewusst ist, welche Koch in der Geschichte unserer modernen Medicin einnimmt, erblickt in seinem Eintritt in die eigent- liche tropenpathologische Forschung einen bedeutsamen Merk- stein in deren Entwicklung und erwartet mit Spannung als Ergebniss seiner Thätigkeit Entdeckungen von hervorragender principieller und praktischer Bedeutung.

Grade der jetzige Zeitpunkt, wo diese Entdeckungen noch im Laboratorium von Dar-es-Salaam verborgen liegen, erscheint geeignet , einen kurzen Rückblick über die bis- herigen Ergebnisse der neueren Malariaforschung zu thun und im besonderen darüber uns zu verständigen, was wir seit Beginn der ätiologischen Malariaforschung mit den uns zur Verfügung stehenden Methoden thatsächlieh bereits erreicht haben. Die Aufforderung dazu liegt gegenüber dem vielfach in dieser Beziehung sich äussernden Skepticismus von Aerzten und Laien grade für mich nahe, der ich, seit ich vor acht Jahren in Berlin mit meinen ätiologischen Studien der Malaria begann, inzwischen eine nicht vielen Aerzten gegebene Gelegen- beitbatte, in verschiedenen Theilen der Erde und unter günstigen

Digitized by Google

385

äusseren Arbeitsbedingungen nn einem nunmehr nach Hunderten von Fällen zählenden Beobachtungsmaterial Erfahrungen anzu- sammeln, stets von ätiologischen Gesichtspunkten ausgehend und stets bemüht, das ätiologische Moment der praktischen Medizin nutzbar zu machen, cs nach Möglichkeit zu Erken- nung, Verhütung und Heilung der Krankheit zu verwenden. Einzelheiten zu bringen, ist in diesem Zusammenhang nicht meine Absicht. Der Charakter der kleinen Arbeit als kurzer Uebersicht muss es auch erklären, wenn dieselbe auf der einen Seite einiges enthält, was manchem bekannt ist, auf der anderen bestrittenes nicht eingehend begründet. Diese Lücken auszufüllen, wird sich mir in anderen demnächst er- scheinenden Arbeiten hinlänglich Gelegenheit bieten.

Ueber die ursächliche Bedeutung der zuerst von Laveran 1880 im Blut algerischer Fieberkranker entdeckten parasiti- schen Mikroben kann ein Zweifel unter den für diese Frage competenten Beurtheilern als zur Zeit ausgeschlossen gelten. Die charakteristischen Parasiten sind bisher ausschliesslich im Körper malariakranker Menschen, nie im gesunden oder mit anderen Krankheiten behafteten Organismus gefunden worden, im ersteren fast ausnahmslos in allen Fällen. Wo sie nicht im peripheren Kreislauf gefunden wurden, sind, abgesehen von etwaiger Ungeübtheit des Untersuchers, Lokalisationen in inneren Organen anzunehmen und vielfach auch nachge- wiesen, wie in Milz oder Gehirn; meist erzeugen sie unter diesen Umständen auch ganz bestimmte klinische Er- scheinungen.

Welchen Vortheil hat nun die Medicin aus der Ent- deckung des Erregers der Malaria im Interesse der All- gemeinheit bisher ziehen können?

Bei der Beantwortung dieser Frage werden wir zwei Richtungen innerhalb derselben streng zu scheiden haben, eine auf den Schutz der Massen gegen die Infection zu- strebende rein hygienische und eine im engeren Sinn medi- cinische oder klinische, welche sich mit dem Schutz des Individuums gegen die Krankheit und mit der Heilung des- selben beschäftigt. Das Mass des einer jeden dieser beiden Richtungen aus den Ergebnissen des ätiologischen Malaria- studiums erwachsenen Vortheils hat sich als ein sehr ver- schieden grosses erwiesen.

Digitized by Google

Die Hygiene in dem von mir bezeichneten Sinn hat bisher noch so gut wie gar keinen auf Grund derselben er- zielten praktischen Erfolg zu verzeichnen gehabt. Die Ur- sache liegt in der Unzulänglichkeit der uns einstweilen für das biologische Studium der Malariaparasiten wie der ganzen diesen verwandten Welt protozoärer parasitischer Mikroben zu Gebote stehenden Methoden im Gegensatz zu der hohen Entwickluug derer, welche wir Koch und seinen Schülern für die Erforschung der Bakterien verdanken. Die Erfolge des Studiums der Biologie der Malariaparasiteu beschränken sich auf die Beobachtung gewisser Entwicklungserscheinuugen derselben unter Verhältnissen, welche mit peinlichster Genauig- keit denen nachgebildet sind, unter welchen dieselben im menschlichen Organismus schmarotzen, im übrigen auf Fort- schritte in der Kenntniss ihrer morphologischen, speciell ihrer Struktur- und tinktoriellen Verhältnisse. Mit den Ergeb- nissen beider Forschungsrichtungen kann die Hygiene so gut wie gar nichts anfangen. Die sie intercssirenden Fragen nach dem Vorkommen der Malariaparasiten ausserhalb des menschlichen Körpers in der unbelebten und belebten Natur, in der wir sie nach allen Erfahrungen als vorhanden voraus- setzen müssen, sind bisher noch durchaus unbeantwortet ge- blieben, resp. ihre vielfach versuchte Beantwortung entbehrt der exacten wissenschaftlichen Begründung. Völlig unbeant- wortet ist demgemäss auch die Frage: auf welchem Wege und auf welche Weise kommt die Malariainfection zu Stande? Die Folge dieser fundamentalen Unkenntniss wiederum ist die Unmöglichkeit, irgend eine der zur Verhütung der Krank- heit im Grossen zur Zeit angewandten Massregeln in exakter Weise und nicht nur mit dem Hinweis auf gewisse allgemein als richtig hingenommene Erfahrungs- und ( Haubenssätze zu begründen. Was wir in der Richtung zur Zeit unter- nehmen, stützt sich auf Hypothesen, welche einem gewissen Causalitätsbedürfniss entsprungen, nicht beweisbar sind und von denen keine hinreichend gestützt ist, dass nicht eine eiuzige fundamentale Entdeckung sie über den Haufen werfen könnte. Es trifft das in gleicher Weise zu für die Annahme einer Infektion durch „schlechte Luft“, welche immer noch die populärste ist, obwohl sich gerade gegen sie das Gefühl des modernen Mediziners am meisten sträubt, wie einer sol-

Digitized by Googli

387

chen durch Trinkwasser oder Insektenstiche, wie solche neuer- dings wieder energisch verfochten aber nicht bewiesen sind.

Einen unvergleichlich viel grösseren Vortheil als die Hygiene hat die klinische Medicin aus der Klärung unserer Begriffe von der Natur des Malariavirus und von dem ein- gehendem Studium desselben als menschlichen Zellenparasiten ziehen können. Dass sie nicht ganz allgemein, namentlich in den Tropen, diesen Vortheil daraus gezogen hat, findet seine Erklärung in einem unter dem Einfluss des Klimas wie des Mangels anregender Concurrenz beim Tropenarzt besonders leicht sich entwickelndem Beharrungsbedtirfniss, das seine Neigung zum Gebrauch des Mikroskops wie an- derer complicirterer Hülfsmittel der modernen Medicin und in der Folge dann auch seine Uebung in Verwendung der- selben sehr vielfach in dem Mass geringer werden lässt, als seine praktische Erfahrung sich vergrössert und das ihn dann endlich mit einer gewissen Regelmässigkeit dahin führt, Me- thoden gering zu schätzen, zu deren Erlernung und Beur- theilung er sich nicht mehr fähig fühlt. Das Endurtheil wird in solchen Fällen ziemlich übereinstimmend dahin zu- sammengefasst, dass es für den Kranken ja doch gänzlich gleich sei, ob er sein Fieber mit oder ohne Thierehen im Blut habe, dass ausser den üblichen symptomatischen Er- leichterungen doch nach wie vor nichts für ihn geschehen könne, als ihm Chinin zu geben, bis er gesund oder bis er gestorben sei, dass also thatsächlich praktisch weder dem Arzt noch dem Kranken mit den neuen Entdeckungen auf dem Ge- biet der Malariaätiologie etwas genützt sei. Es setzt dieser Standpunkt die Ansicht voraus, dass in der Tliat jede mit fieberhaften Erscheinungen einhergehende Krankheit in den Tropen „das Fieber kan r'xojoV“, d. h. das Malariafieber, resp., dass die Diagnose der Malaria auch ohne die durch Aus- nutzung des ätiologischen Moments gewonnenen Hülfsmittel ohne weiteres zu stellen sei. Diese Ansicht ist keineswegs allgemein richtig. Ferner setzt er voraus, dass das Chinin ein in jedem Fall von Malaria nutzbringendes, jedenfalls niemals schädliches Mittel sei , das man vorausgesetzt, dass man nicht zu w’enig giebt ohne auf die speeiclle Dosirung grossen Werth zu legen in jedem Fall und in jeder Phase der Krankheit ohne jedes Bedenken anwenden

Digitized by Google

könne. Diese Ansicht ist gleichfalls unrichtig, sie beruht auf Mangel an Keuntniss des klinischen Verlaufs der tropi- schen Malaria einerseits und der Wirkung des Chinins, speciell in den Tropen und bei tropischen Malariakranken andrerseits. Ohne Ausnutzung des ätiologischen Moments wird das nicht möglich sein, die alten, vielfach unklaren und in mancher Einzelheit sich widersprechenden Vorstel- lungen durch klarere Begriffe vom Wesen der Krankheit und eine schärfere Indicationsstellung für die Anwendung unserer Heilmittel zum Nutzen der Kranken zu ersetzen.

Für die Diagnose der Malaria haben die ätiologischen Forschungen der letzten Jahre dem Arzt wesentliche Hülfs- mittel in die Hand gegeben, die um so weniger entbehrlich sind, als gerade in den Tropen von dem von der Heimat her gewohnten pathologischen Bild der Intermittens häutig wenig itbrig bleibt, namentlich wenn, wie meist vor Consultation des Arztes, eine probeweise Anwendung von verzettelten Chiningaben stattgefunden und dann nicht selten den typi- schen Krankheitscharakter verwischt hat, der initiale Schüttel- frost, der regelmässige Verlauf der Temperaturbewegung, die Milzvergrösserung zurück- und dafür irgend welche Lokal- erscheinungen in den Vordergrund treten, während anderer- seits das Chinin als diagnostisches Mittel vielfach versagt. Unter diesen Umständen ist die Blntuntersuchuug ein sehr werthvolles Mittel, die Diagnose zu sichern, gegenüber einer Reihe von andern Krankheiten, septischen speciell puerperalen Erkrankungen, den durch Filaria sanguinis hervorgerufenen Fieberanfällen, fieberhafter Darmentzündung und beginnendem Unterleibstypus, Tuherculose, akutem Gelenkrheumatismus, Meningitis und anderen, die der Malariakachexie gegenüber Carcinom, chronischer Nierenentzündung und anderen. Es ist die exakte Diagnosestellung in diesen Fällen um so wichtiger, als diese und andere Krankheiten erfahrungsgemäss häutig, wo eine alte latente Malaria bestand, den im Körper zurück- behaltenen Dauerformen der letzteren durch Alteration der Körpersäfte die Möglichkeit zum Auswachsen zu aktiv para- sitären Amöboiden geben und so zu complicirten Misch- infektionen Anlass geben. Einstweilen werden solche noch vielfach als besondere Arten der Malaria betrachtet und auch .Sc heu he unterscheidet in seinem werthvollen Buch über

38Ö

die Krankheiten der warnten Länder eine algide, diaphore- tische, komatöse, delirante, eonvulsive, kardialgische, chole- rische, dysenterische Form, einen Malaria -Collaps, Malaria- Pneumonie and -Pleuritis und Schwarzwasserfieber, Krankheits- bezeichnungen, die, soweit es sich nicht um die Complikation bestimmter Organleiden mit Malaria und Beeinflussung der- selben durch letztere handelt, zum grössten Theil schon wegen ihrer vielfachen Uebergänge und Combinationen eine selbständige klinische Bedeutung nicht beanspruchen können. Auf die vieltach behauptete, specielle diagnostische Bedeutung der Blutuntersuchung zur Bestimmung des Fiebercharakters, des Typus und der Schwere der Erkrankung will ich an dieser Stelle nicht eingehen, da es sich einerseits dabei nach meinen Untersuchungen nicht um allgemein zutreffende Vor- aussetzungen handelt, andrerseits die praktische Bedeutung, von der hier ausschliesslich die Rede ist, auch im Fall ihrer theilweisen Richtigkeit nicht zu hoch angeschlagen werden darf. Andrerseits ist die diagnostische Blutuntersuchung als Hülfsmittel für die schnelle und sichere Unterscheidung des Schwarzwasserfiebers vom Gelbfieber bei Erledigung der ärztlichen Untersuchung von Seeschiffen, wo der controllirende Arzt die vielfachen Unterschiede im klinischen Krankheits- verlauf bei der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit nicht zur Unterscheidung heranziehen kann, von hervor ragender praktischer Bedeutung und hätte an der afrika- nischen Westküste schon manchmal dazu beitragen können, einem Seeschiff Schwierigkeiten und Belästigungen durch die Hafenbehörde zu ersparen.

Zur Vermehrung unserer Kenntnisse vom klinischen Verlauf der tropischen Malariafieber kann die Ausnutzung des ätiologischen Moments in noch wesentlicherer Weise beitragen.

Ich glaube nicht zu viel zu sagen, wenn ich behaupte, dass nur eine verhältnissmässig sehr kleine Zahl von Aerzten und speciell von Tropenärzten den Verlauf und den natür- lichen Ausgang der reinen, d. h. durch differente Mittel nicht beeinflussten Malaria kennt. Die naheliegende Er- klärung liegt darin, dass dieselben, von therapeutischen Dogmen ausgehend, die sich von einer Aerztegeneration auf die andere vererbten, die Verantwortung nicht übernehmen

Archiv f. Schiffs- u. Tropenhygieae. 97

Digitized by Google

390

wollten, von der Anwendung des den Krankheitsverlnuf un- zweifelhaft stets in specifisclier Weise aber keineswegs stets gUnstig beeinflussenden Chinins abzusehen. Bei dieser Art des Vorgehens aber verzichtet der Arzt einmal auf Erlangung einer genauen Kenntniss der Krankheit selbst, ihres natür- lichen Verlaufs und zweitens damit natürlich auch auf die Kenntniss der Wirkung, welche seine Behandlung, speciell das Chinin, auf die Krankheit ausübt. Was er erhält, ist der combiuirte Effekt zweier ganz differenter Einflüsse auf den Körper, des Malariagifts und des Chinins, die sich gegenseitig in verschiedener Weise modificiren, in ge wisser Richtung aufheben und in anderer verstärken. Welche von den im Verlauf der Krankheit beobachteten Erschei- nungen der Arzt oder dann auch der Kranke auf den einen und welchen auf den andern Einfluss beziehen will, muss unter diesen Umständen mehr oder weniger ausschliesslich seiner Willkür überlassen bleiben.

Ich bin seit Beginn meiner Malariastudien von der Ueberzeugung ausgegangen, dass eine genaue Kenntniss des Verlaufs der Malaria und dementsprechend auch des Ein- flusses, welchen Medicamente auf dieselbe ausüben, nur zu erlangen sei auf Grund eines eingehenden Studiums der durch kein different wirkendes Mittel beeinflussten Krankheit. Ich habe dementsprechend im Beginn meine Intermittens- kranken, solange ich keine ernstliche Schädigung ihrer Ge- sundheit zu befürchten brauchte, abgesehen von der sympto- matischen Behandlung der Anfälle selbst, ausschliesslich mit indifferenten Mitteln behandelt. Die parallel laufenden Unter- suchungen des Krankheitsverlaufs und des Entwicklungs- ganges der ursächlichen Parasiten ergaben in der über- wiegenden Mehrzahl der beträchtlichen Zahl beobachteter Fälle, dass die heiinatldichen typisch verlaufenden Inter- mittenten, welche auf der Invasion der charakteristischen, stark pigmentirten, im ausgewachsenen Zustand den Blutkörper fast ausfüllenden Mikroben beruhen, im ganzen eine sehr geringe Neigung zur .Spontanheilung haben, dass die Anfälle der sich selbst überlassenen Krankheit sich meist so oft wiederholen, dass ein Eingreifen des Arztes liier im Inter- esse des Kranken dringend nothwendig wird. Dem gegen- über ergaben die nach hinreichender Erforschung des reinen

39i

unbeeinflussten Krankheitaverlaufs angestellten therapeutischen Untersuchungen, dass die gewöhnlichen 1 l'/t g pro dosi, 2 g pro die betragenden Chinindosen zur rechten Zeit, vor allem zwischen den Malariaanfällen ungewandt, mit ausser- ordentlicher Sicherheit die krankheiterregenden Mikroben zu tüdteu und damit den Kranbeitsprocess zu koupiren ver- mochten. Irgend ein in Betracht kommender schädigender Einfluss des Chinins auf den Organismus des Intermittens- kranken wurde unter diesen Umständen niemals gesehen.

Auf diese Beobachtungen hin, welche übrigens ja nur durch das Resultat der mit den klinischen gleichzeitig an- gestellten ätiologischen Untersuchungen alte Erfahrungstat- sachen bestätigten, war ich, als ich späterhin zu Unter- suchungen über den Verlauf der grossen theils durch minde- stens morphologisch andersartige Parasiten hervorgerufenen Tropenfieber tiberging, anfangs einigenmissen voreingenommen im Sinn der Zuverlässigkeit und Unschädlichkeit des Chinins. Ich hätte mich demgemäss zunächst im Bewusstsein meiner Verantwortung in einen so gefährlichen Fieberherd wie Kamerun, wo ich meine ersten umfangreicheren klinischen Erfahrungen mit dem Tropenfieber machte, zum Verzicht auf die Anwendung des Specifikums bei der Krankheit gewiss nur zögernd und mit Sorge entschlossen. Die diesbezüg- lichen Bedenken wurden indess bald wesentlich vermindert, einerseits durch die an den gefährlichen Fieberplätzen der Westküste sich aufdrängenden Beobachtung der häufigen schädlichen speciell Hämoglobinurie und hämoglobinurisches Fieber erzeugenden Nebenwirkungen des Chinins, selbst bei anämischen und fiebergeschwächten Menschen, andrerseits durch die Ausnutzung eines sich ganz spontan bietenden Beobachtungsiuaterials in Gestalt mehr oder weniger lauge ansässiger Faktoristen, welche auf Grund der Erfahrung, dass jede Chiningabe mit Sicherheit Hämoglobinurie bei ihnen hervorrief, das Mittel bei den sie häufig befallenden Fiebern seit langer Zeit gar nicht mehr anwandten, sondern dieselben rein symptomatisch mittels Einpackungen und reichlicher Zu- fuhr heisser Getränke, höchstens etwa noch kleinen, auf den Verlauf der Krankheit jedenfalls bedeutungslesen Antipyrin- gaben behandelten. Die von vorn herein meinerseits auf Grund meiner bei Behandlung der heimischen Intermittens gebildeten

IS7*

Digitized by Google

392

Annahme, dass unter diesen Umständen eine grössere Anzahl von Ficberanftlllcn auf einander folgen würde, bestätigten sich durchaus nicht, vielmehr verschwanden nach 1 2 Tagen die Malariaparasiten spontan aus dem Blut und nach ein oder zwei Paroxismen, von welchen der zweite meist merklich weniger intensiv war als der erste, verschwand auch das Fieber, um häufig erst nach Wochen sich wieder bemerkbar zu machen. In allen diesen Fällen handelte es sich nicht um die grossen pigmentirten, sondern um die pigmentfreien odor pigmentarmen höchstens bis zu etwa der Grösse des Blutkörpers heranwachsenden siegelringförmigen Mikroben.

Die Verfolgung dieser Erfahrung, welche mich zuerst an der Unschädlichkeit sowohl, wie an der Unentbehrlichkeit des Chinins bei den bezeichneten tropischen Fieberformen zweifelhaft werden liess, und ihre Ausbeutung an einem grossen im Hospital unter steter Berücksichtigung des Ver- haltens der Parasiten beobachteten Krankenmaterial führte zunächst zu der Erkenntniss, dass die mit Hämoglobinurie complicirten Malariaficber, welche gleichfalls auf Infectiou mit den kleinen Parasiten beruhen, eine sehr grosse Neigung zur Spontanheilung haben, dass sie bei geeigneter sympto- matischer Behandlung sogar durchweg weit leichter und in kürzerer Zeit verlaufen als die, bei welchen Chinin ange- wendet wurde. Die nicht durch Chinin beeinflussten Schwarz- wasserfieber treten meist in Form eines oder zweier durch eine mehr oder weniger tiefe Intermission oder Remission getrennter protrahirter Paroxismen auf, deren Fiebertypus sich von dem einfachen Intermittensfalle bezüglich Verlauf und Dauer nicht wesentlich unterscheidet, und enden in der Regel, wenn nicht durch die Massenhaftigkeit des Blutzerfalls gleich anfangs eine Verstopfung der Harnkanälchen durch Hämoglobinschollen und entzündlich gequollene Epithelien eintritt, welche eine fast stets tödtlich endende sekundäre Anurie zur Folge hat, nach 1 3 Tagen unter kritischem Abfall des Fiebers wie sümmtlicher sonstigen Erscheinungen mit vollkommener Heilung.

Der gleiche kurzdauernde Verlauf wurde bei einer grösseren Zahl nicht mit Hämoglobinurie complicirter aut Infektion mit der gleichen Mikrobenart beruhenden Tropen- fiebern beobachtet. Auch bei ihnen waren die Fälle häufig,

393

in denen bei chininloser Behandlung, nach mehr oder weniger kurzdauerndem dnrchuus typisch intermittirendem Fieberverlauf bei zweckmässigem Verhalten des Kranken während und zwischen den Anfällen Spontanheilung eintrat. Dies zweckmässige Verhalten während der Krankheit ist freilich Voraussetzung für einen leichten kurzen Verlauf. Die so häutig die Malaria complicirende fortgesetzte An- strengung im Dienst, körperliche und geistige Arbeit, Er- kältung, Durchnässung, Sorge, Aufregungen und andere Schädlichkeiten sind an sich schon in hervorragender Weise geeignet, den Krankheitscharakter in ungünstigem Sinne völlig zu verändern.

Immerhin war auch unter den günstigsten äusseren Verhältnissen die Spontanheilung nach kurzer Zeit in diesen Fällen durchaus keine derartig regelmässige Er- scheinung wie heim Schwarzwasserfieber, längerdauerndes Anhalten der Anfälle wurde öftere beobachtet und erwies sich für den Tropeneuropäer besondere bedenklich. Anderer- seits machte sich die parasitentödtende Wirkung des Chinins auch bei diesen Fiebern in einer so überzeugenden Weise geltend, dass ich von der eine kurze Zeit lang auf Grund der angegebenen Erfahrungen durehgefübrten ganz allgemein ehininloscn Behandlung derselben zurückkomme, eine syste- matische energische Chininbehandlung bei ihnen als durchaus rationell ansehe und auch meinerseits zur Zeit stets durchführe.

In jedem Fall hatte sich die Neigung zur Spontan- heilung bei den durch die kleinen pigmentarmen Mikroben hervorgerufenen Tropenfiebem trotz aller mit denselben ver- bundenen akuten Gefahren als erheblich grösser erwiesen als bei den heimathlichen Intermittenten. Eine Erklärung für diese Thatsache ist mit Sicherheit aus dem Grunde nicht gegeben, weil wir in Folge der Mangelhaftigkeit unserer Untersuchungsmethoden immer noch nicht wissen, in welcher zoologischen Beziehung die in den Endformen ihrer Ent- wicklung wenigstens morphologisch scharf differenzirten ursächlichen Mikroben der einen zu denen der anderen Krankheitsform stehen. Trotz alles zum Beweise aufge- wandten Fleisses ist es noch nicht als festgestellt anzuschen, dass es, wie namentlich die italienische Schule mit grossem Nachdruck behauptet, eine ganze Reihe verschiedener wohl-

Digitized by Google

394

charakterisirter Speeies dar Malariamikroben giebt, welche wiederum klinisch verschiedene Krankheitsbilder hervorrufen, sondern es ist wohl möglich, dass entsprechend Erscheinungen, welche uns durch die Bakteriologie geläufig geworden sind, der einheitliche Parasit unter dem Einfluss klimatischer Ein- flüsse, die sich auf ihn direkt oder durch Vermittlung seines animalen Nährbodens, der Organsäfte des Menschen, geltend machen, eine verschiedene Entwicklung hat, dass er im speziellen in Folge einer etwa wie beim Tetanusbacillns im warmen Klima vermehrten Toxicität schon in einem an ver- hältnissmässig frühen Entwickelungsstadium den Zerfall des occupirten Blutkörperchen herbeiführt. Die grössere Neigung der Tropenfieber zur Spontanheilung nach verhältnissraässig kurzer Zeit könnte dementsprechend einerseits auf eine ge- ringere Reproduktionsfähigkeit der kleinen Parasitenspecies, andererseits darauf bezogen werden, dass ein grosser Theil der jungen Parasiten vor erlangter Reproduktionsfithigkcit zugleich mit den von ihnen occupirten Wirthen, den rothen Blutkörperchen, zu Grande geht.

Wenn die Ausnutzung des ätiologischen Moments viel dazu beitragen kann, das Krankheitsbild der tropischen Malariafieber rein zu gewinnen und von ihm manche Modi- fikationen im Verlauf zu trennen, welche von zugleich mit dem Malariaviras auf den befallenen Kranken einwirkenden Einflüssen herrühren, so erfüllt sie damit gleichzeitig die Vor- bedingung für die Beurtheilung der Erfolge unseres ärztlichen Eingreifens und giebt diesem eine ohne sie nicht erhältliche Bestimmtheit und Sicherheit.

Die Verwerthung des ätiologischen Moments für die Prophylaxe der Malaria hat uns gezeigt, dass es möglich ist. die latenten Krankheitskeime im menschlichen Kreislauf bereits zu einer Zeit zu erkennen, wo dieselben noch keinerlei krankhafte Erscheinungen he^vorzurufen vermögen und sie zu vernichten, bevor sie dazu im Stande sind. Die ersten vereinzelten diesbezüglichen Erfahrungen, welche von mir in Berlin gemacht und bereits Anfang 1890 veröffentlicht worden sind, haben sich mir 1892 in Java und später öfters in Kamerun und Ostafrika bestätigt. Ich habe dieser Art von Prophylaxe, wie ich ausdrücklich hervorhob, eine sehr grosse praktische Bedeutung wegen der auch für den Ge-

Digitized by Google

395

übten recht zeitraubenden Untersuchungen, welche sie er- fordert, nicht beigemessen, und das ist das Verdienst Ziemanns, dem gegenüber in seinen Veröffentlichungen auf die praktische Bedeutung der prophylaktischen Blut- untersuchungen mit Nachdruck hingewiesen und den Beweis erbracht zu haben, dass diese jedenfalls rationellste Art der Prophylaxe sich mit der erforderlichen Ausdauer auch bei einer grösseren Zahl von Menschen regelmässig und mit aus- gezeichnetem praktischen Erfolg durchführen lässt.

Die Malariatherapie hat zunächst dadurch festere Angriffspunkte für eine rationelle Bekämpfung der Krankheit aus den Ergebnissen des ätiologischen Studiums gewonnen, dass erst dieses zur Kenntniss des von Medikamenten un- beeinflussten Verlaufs der Krankheit, demgemäss auch erst zur Kenntniss der Wirkung dieser Medikamente bei der Krankheit geführt hat. Es hat mit sehr heilsamem Erfolg manchen Irrthum, bezüglich der übertriebenen Vorstellung von der unfehlbaren Heilwirkung des Chinins wie anderer Mittel dadurch zerstören können, dass es den Nachweis der häufigen Spontanheilung der auf der Infektion mit bestimmten Parasitenformen beruhenden Tropenmalaria und mancher mit der Chininwirkung verbundenen Schädlichkeit erbracht hat. Es ist dadurch geeignet gewesen, eine heilsame Kritik an Stelle eine alten therapeutischen Schematismus und Dogma- tismus zu setzen. Der in therapeutischer Hinsicht vertretene Standpunkt einer grossen Zahl von Tropenärzten lässt sich auch liente noch ungefähr in folgenden Worten zusammen- fassen: Wo Malaria vermuthet wird, oder festgestellt ist, ist das Chinin das fast absolut sicher wirkende Reagenz oder Heilmittel. Reagirt die vorliegende Krankheit nicht durch alsbaldige Besserung oder Heilung auf das Chinin, so liegt entweder keine Malaria vor, oder das Chinin ist in zu kleinen Dosen angewendet worden, diese also sind zu ver- stärken. Um einen ganz schweren Fall handelt es sich, wenn trotz grosser und grösster Chinindosen das Fieber durchaus nicht weicht, sondern mit unregelmässig remittireuder oder continuirlicher Temperaturbewegung anhält, der Kräfte - verfall zunimmt, der Urin blutige Verfärbung aunimmt und schliesslich unter Delirium oder anurischcn Erscheinungen der tödtliche Ausgang an Herzschwäche eintritt. In diesem

Digitized by Google

306

Fall ist eben der Kranke trotz aller Anstrengungen des Arztes, d. h. trotz der grössten Dosen des als uDter allen Umständen heilsam nngesehenen Specitikums gestorben. Im andern Fall, wenn der Kranke nach langdauernder woelien- langer Krankheit, mit beträchtlicher, vielleicht dauernder Schädigung seines Gohürs und Gesichts oder doch höchster Ueberreizung seines Nervensystems, Alteration seiner Blut- zusammensetzang und seiner Magenfunktion sein Lager ver- lässt, um in eine ebenso langwierige Reconvalesceni einzu- treten, so frohlockt der Arzt, dass er durch heroische An- wendung des ausgezeichneten Mittels ein Menschenleben aus einer so ausserordentlich schweren und hartnäckigen Krank- heit doch noch zu retten vermocht hat, und der Glaube an die Untrflglichkeit seiner Behandlungsweise ist fester in ihm als vorher. In gewissem Sinn ist das eigentlich ein beneidenswerther Standpunkt, insofern in dem ihn vertretenden Arzt der Gedanke, er könne am Ende seinem Kranken mit seiner Behandlung geschadet haben, überhaupt gar nicht auf- kommt und ihm, der unzweifelhaft in der ehrlichsten Ueber- zeugung von seinem Verdienst an der „gelungenen Cur“ handelt, die Dankbarkeit vieler aus verzweifelt schweren Fällen „geretteten“ Patienten weit eher zu Theil wird als dem, welcher bei weit weniger eingreifender Behandlung an „fast ausschliesslich“ leichten, rasch verlaufenden Fällen seine Erfolge erzielt.

Wir haben beim Malariaprocess, wie bei der Chinin- wirkung zwischen zwei dieselben zusammensetzenden Faktoren scharf zu scheiden. Beim Malariaprocess einerseits zwischen dem völlig symptoinlos sich vollziehenden Heranwachsen kleiner in den Blutkörpern sich entwickelnder amöboider Mikroben, andrerseits dem mit Eintritt der letzteren in ein gewisses Entwicklungsstadium zusammenlallenden plötzlichen Auftreten schwerer Vergiftungsersoheinungen, welche in wechselnder Zeitdauer und mit wechselnder Intensität sich abspielen und verschiedene Folgeerscheinungen nach sich ziehen können. Die direkten Ursachen des Anfalles selbst sind uns noch unbekannt, wir wissen nicht, ob die denselben zweifellos auslösenden Toxinen direkt durch die Malariaparasiten gebildet werden, oder ob er ähnlich wie bei der unter ähnlichen Erscheinungen cinhergehende.il, auch durch rein

397

thermale Einflüsse za Stande kommenden paroxysmalen Hämoglobinämie allein durch die Ueberschwemmung des Kreislaufs mit Fremdkörpern, den Trümmern der durch die Parasiten zerstörten rothcn Blutscheiben, hervorgerufen wird.

Die Wirkung, welche das Chinin auf den malaria- kranken Organismus ausübt, setzt sich zusammen aus einer heilsamen und einer schädlichen. Die heilsame Wirkung, welche wir vor Entdeckung der Malariaerreger zu bestimmen nicht im Stande waren, haben wir jetzt kennen gelernt. Sie besteht darin, dass es die im Kreislauf be- findlichen Malariaparasiten mit einer, je nach dem Ent- wicklungsstadium, in welchem dieselben sich befinden, ver- schieden grossen Sicherheit und Schnelligkeit direkt abtödet. Dazu genügen durchaus die üblichen mittleren Gaben von 1 1,5 g pro dosi und es ist völlig unbewiesen, dass grössere Mengen eine grössere Wirksamkeit entwickeln. Das Chinin tödtet also die im pathologischen Sinn latent im Organismus heran wachsenden Amöben; andrerseits ist es vollkommen wirkungslos gegenüber den Toxinen, welche sich zur Zeit des Manifestwerdens der Krankheit im Kreislauf befinden und welche den Anfall direkt verursachen. Es ist bisher in keinem Fall gelungen, durch Chinin den Anfall zeitlich abzukürzen oder seine Erscheinungen milder zu gestalten.

Die schädlichen Wirkungen des Chinins selbst auf den Körper im Allgemeinen und auf den in seiner Wider- standsfähigkeit herabgesetzten Körper des malariakranken Tropenenropäers im besondem sind in der neuen pharmako- logischen Litteratur bereits so oft Gegenstand eingehender Erörterungen geworden, dass es in der That erstaunlich er- scheinen kann, dass dieselben seitens der Tropenärzte, für welche ihre Kenntniss in erster Linie von Bedeutung ist, im Allgemeinen bisher so wenig Würdigung gefunden haben und dass unter denselben die Neigung, jede schlimme Wendung im Verlauf der Krankheit der Malaria, jede günstige dem Chinin zuzuschreiben, noch so weit verbreitet ist.

Zur möglichst exakten Trennung der Schädlichkeiten, welche der Organismus durch das Malariavirus allein und welche er durch das Chinin, resp. durch den gemeinsamen Einfluss des Malariavirus und des Chinins erfährt, kann einerseits die Vergleichuug des Verlaufs grösserer Reihen

Digitized by Google

398

von Malariafiebern dienen, welche in verschiedener Weise, im speciellen mit und ohne Chinin, behandelt wurden, und dann die stete genaue Vergleichung des Krankheitsverlaufs mit dem Ergebniss der Blutuntersuchung, durch welche es im Falle dauernder Abwesenheit von Malariamikroben möglich ist, diese als Ursache noch bestehender Krankheits- erscheinungen auszuschliessen und andere zu gleicher Zeit einwirkende Schädlichkeiten für dieselben verantwortlich zu machen.

Von den vielfachen Nebenwirkungen des Chinins kom- men bei der Malariatheraphie praktisch als besonders ge- eignet, den Arzt bezüglich ihrer Ursache irre zu führen, in Betracht, seine Fähigkeit, an sich bereits Fieber zu erzeugen resp. bei bestehendem Fieber demselben einen protrahirten Verlauf zu geben, einen regelmässigen Fiebertypns in einen unregelmässigen und einfache intermittirende Fieber in unregelmässig remittirendc oder auch in continuirliche za verwandeln, endlich seine Fähigkeit, an sich schon Blut- zerfall mit ihren Folgen Hämoglobinämie und Hämoglobin- urie hervorzurufen und wo solcher, wie bei den schweren Formen der tropischen Malaria, bereits besteht, ihn zu ver- stärken und hinzuzögern. Es sind das Erscheinungen, welche ich, wie ich ausdrücklich hervorhebe, nur bei Fieber- kranken mit den kleinen pigmentarmen Mikroben der eigent- lichen Tropenfieber praktisch eine Rolle habe spielen sehen und zwar zum überwiegenden Theil bei bereits fieber- geschwächten blutarmen Kranken. Durchaus fern liegt mir, behaupten zu wollen, dass das Chinin alle die bezeiehneten Wirkungen in jedem oder auch nur in der Mehrzahl der Fülle haben muss, in welchen es in irrationeller Weise an- gewendet wurde.

Die Fähigkeit des Chinins, Fieber zu erzeugen, ist am besten zu demonstriren bei Kranken, welchen man, wie ich das letzthin mit Vorliebe tliue, unmittelbar nach Ablauf des Anfalls bei normaler Temperatur ihre Chinindose verabreichte und welche auf dieselbe auffällig häufig mit einer ihnen selbst subjektiv wenig bemerkbaren aber bei hinreichend häufig wiederholter Messung in der Curvc auf das schärfste aus- gesprochenen steilen auf 39° und höher steigenden, in 1 bis 3 Stunden ablaufenden Temperatursteigung reagirteu. Die

Digitized by Google

399

Fähigkeit des Chinins, ein reguläres intermittirendes Malaria- fieber in eins mit unregelmässigem Temperaturverlauf zu verwandeln, ist am besten zu führen durch den Vergleich einer grösseren Reihe von Fiebercurven von Kranken, von welchen die einen während ihrer Anfälle und zwischen den- selben ohne bestimmten Plan etwa wie es seitens der Mehrzahl der Laien in den Tropen unter häutiger Erzielung des gleichen Erfolges geschieht kleinere oder grössere Chininmengen genommen, die andern während der Wirkung des den Anfall auslösenden Gifts auf die Darreichung des Chinins ganz verzichtet hatten. Während im letzteren Fall, wie auch bei der Mehrzahl der überhaupt nicht mit Chinin, sondern nur in zweckmässiger Weise symptomatisch behan- delten Malariafieber, der mehr oder weniger regelmässige intermittirende Fiebercharakter auch in den Tropen bei weitem überwiegt, anfänglich wenigstens, solange der Organismus noch nicht durch langdauernden Einfluss häu- figer vernachlässigter Fieber widerstandsunfähig geworden, erhält man im anderen Fall mit grosser Regelmässigkeit die bekannten irregulären, an die Temperaturbewegung septischer Fieber erinnernden Curven. Dementsprechend findet man nach dem häufig langdauernden Anhalten der fieberhaften Erscheinungen die verschiedensten Generationen von Malaria- mikroben im Blut neben einander als Beweis, dass die ir- rationell angewandten Chiningaben dieselben nur theilweis zu tödten, anderntheils nur im Wachsthum aufzuhalten und ihren gleichzeitigen Entwicklungsgang zu stören vermochten. Oder aber man findet das Blut ganz steril und ist alsdann anzunehmen gezwungen, dass entsprechend den Beobach- tungen des Pharmakologen das Chinin an sich schon durch seinen fortgesetzt ausgeübten schädigenden Einfluss auf die zum Ersatz für die durch die Parasiten zerstörten nengebiideten und wenig widerstandsfähigen Blutkörper Temperaturerhöhungen zu erzeugen und zu unterhalten ver- mag. Unter diesen letzteren Umständen sistirt die Fieber- bewegung in der That nicht selten schnell nach dem Aus- setzen des Chinins.

Auf Grund des inzwischen sehr beträchtlich ange- wachsenen klinischen Materials, das ich in den gefährlich- sten Malariagegenden der Tropen zusammengebracht habe,

Digitized by Google

400

gewinnt die Ueberzeugung immer mehr in mir Boden, dass die so häufig in der Litteratur geschilderten unregelmässig verlaufenden remittirenden und continuirhehen Malariafieber,

die auf Chinin so gut wie gar nicht reagiren und wochen- lang anhalten sollen, meine eigenen Erfahrungen in der Hinsicht sind, wie ich gern gestehe, gering anders zu erklären sind, als ihre bisherigen Erklärer sie erklärt haben,

dass es sich zum mindesten in einer grossen Zahl dieser Fälle um eine ursprünglich, wie in den meisten unbeein- tlussten Fällen, typisch intermittircnde Malaria gehandelt hat, welche erst in Folge von Vernachlässigung oder unter dem Einfluss einer unzweckmässigen Chinintherapic den bezeich- neten hartnäckigen und atypischen Charakter angenommen hat.

Von besonderer praktischer Bedeutung ist in den Tropen die blutzersetzende Wirkung des Chinins, namentlich grösserer Chinindosen bei der ohnehin mangelhaften Blutzusammen- setzung, wie sie, wenn auch keineswegs allgemein in den Tropen, so doch in bestimmten besonders gefährlichen Fieber- gegenden, z. B. Kamerun, für die Mehrzahl der Bewohner- schaft charakteristisch ist. Sie äussert sich vor allem in dem leichten Zustandekommen von Hämoglobinurie, namentlich unter dem Einfluss des Malariagifts auf das Blut. Die be- rüchtigten Schwarzwasserfieber in Kamerun kamen sowohl zu meiner Zeit als auch später zu der meines Nachfolgers in so überwiegender Zahl auf der Höhe der Chininwirkung einige Stunden nach Einführung des Mittels zum Ausbruch, dass an der von der Bewohnerschaft als ganz selbstverständ- lich angenommenen Bedeutung des Chinins als Ursache, zum mindesten als Hülfsursache, ein Zweifel gar nicht entstehen konnte. Entsprechend ist der Einfluss des Chinins auf den Verlauf des häraoglobinurischen Fiebers. Das nicht durch Chinin beeinflusste Schwarzwasserfieber verläuft, wie oben bereits gesagt, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle unter dem Bilde eines oder zweier häufig etwas pro- trahirter, durch eine deutliche meist tiefe Intermission oder Remission getrennter Paroxysmen. War der Kräfteverfall nicht vorher schon zu gross und treten keine Complikationen ein, so erfolgt nach wenigen Tagen volle Reeonvalescenz in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle und es bleiben Rc-

401

cidive, welche auf die gleiche Infektion zu beziehen sind, während der nächsten Zeit aus.

Die Erklärung für die grosse Neigung zur Spontan- heilung bei den unbeeinflussten Schwarzwasserfiebern, welche Kohlstock und ich bereits lange klinisch festgestellt und therapeutisch ausgenutzt hatten, ist neuerdings von A. Plehn durch den Nachweis erbracht, dass die Mikroben bei Schwarz- wasserfieber nach Zerstörung der von ihnen occupirten Blut- zellen in dem pathologisch veränderten Blutplasma in kurzer Zeit absterben und aus dem Kreislauf ausgeschieden werden.

Durchaus anders ist der klinische Verlauf derjenigen Schwarzwasserfieber, bei welchen eine den Blutzerfall unter- stützende und weiterhin unterhaltende Chinintherapie in Wirksamkeit tritt.

Das klinische Vergleichmaterial ist reichlich in der Lit- te ratur vorhanden nnd leicht zusammenzusuchen, speciell aus den Werken Berenger-Ferrands und Steudels, die beide mit grossen bis ungeheuerlichen Chinindosen gegen ilie Krankheit vorgegangen sind. Fast in jedem Fall ergiebt sich derselbe Verlauf, langdauerndes unregelmässiges über viele Tage oder selbst über Wochen sich hinziehendes Fieber und langandauernde Hämoglobinurie, die den Kranken auf das Aeusserste herunterbringt, im günstigsten Fall nach langdauerndem Krankenlager äusserste Entkräftung, welche Stendel zu dem Schluss führt, dass jeder, der das Schwarz- wasserfieber überstanden, als zu fernerem Tropendienst un- tauglich unmittelbar nach Hause geschickt werden solle. Der Einwand, dass es sich bei den von mir beobachteten und so völlig anders verlaufenen Fällen ausschliesslich oder vorzugsweise um primär leichtere Erkrankungen gehandelt habe, ist mit Rücksicht auf die Grösse des inzwischen an den gefährlichsten Malariaplätzen gesammelten Materials und die Länge der Beobachtungszeit mit Bestimmtheit zurückzu- weisen und ein Zweifel daran nicht mehr berechtigt, dass das Schwarzwasserfieber in specifisch schädlicher Weise durch das Chinin beeinflusst wird.

Aus dem Angeführten ergeben sich die Gesichtspunkte, von denen ich bei der Behandlung der Malariafieber aus- gehe, eigentlich von selbst.

Digitized by Google

Wo irgend Angängig, sollte eine aut die Blutunter- suchung begründele Prophylaxe geübt werden. Ob sie sich praktisch durchführbar bei einer grossen Zahl von Menscheu erweisen wird, ist mir nach wie vor zweifelhaft, bei der Be- handlung des einzelnen Individuums ist sie es sicher. Wo sie nicht durchzuführen ist, bin ich kein Gegner einer systematischen, wenn auch gewissermassen im Dunkeln aus- geführten Chininprophylaxe unmittelbar nach heftigen Leber- erkrankungen oder andere Schädlichkeiten, die den Körper betroffen haben und erfahrungsgemäss für Neuerkrankung Disposition schaffen, ln jedem dieser Fälle wird man sich auf die 2 3 Wochen lang durchgeführte Anwendung von V* g Dosen in 5 tägigen Zwischenräumen nach A. Plehn’s Vorschrift beschränken können. Eine dauernd durchgeführte Prophylaxe halte ich mit Rücksicht auf den Einfluss des Chinins auf die Magenschleimhaut sowie die dadurch hervor- gerufene Gewöhnung an das Mittel nicht für empfehlens- werth.

In gewissem Sinn handelt es sich auch so , wie ich das Chinin in der Krankheit selbst anwende, um eine Prophylaxe, insofern ich damit den Anfall selbst gar nicht beeinflusse, sondern nach Ablauf desselben durch Tötung der jungentstandenen Mikrobenbrut eine Wiederholung desselben verhüten will.

In dem jeder anderen Rücksicht vorangesetzten Be- streben, nicht durch die Behandlung zu schaden, und auf Grund der Erfahrung, dass das nicht vernachlässigte und nicht durch irrationelle Anwendung des Chinins complicirte Malariafieber in den Tropen wie in der Heimat eine aus- gesprochene Neigung zu einem mehr oder weniger regel- mässig intermittirenden Verlauf hat, suche ich vor allem dem Fieber diesen unserer Therapie weitaus am leichtesten zu- gänglichen Charakter dadurch zu erhalten, dass ich nach Möglichkeit vermeide, die Wirkung des Malariaanfalls selbst resp. der während desselben im Kreislauf befindlichen Gifte durch die Chininwirkung zu verstärken, dass ich das Chinin, wenn irgend möglich, ausschliesslich in der fieberfreien Zeit und zwar besonders in der Zeit gleich nach dem Anfall an- wende, also zu der Zeit, wo die Aussicht auf eine Wieder- holuug desselben zeitlich am fernsten liegt. Die Dosis

Digitized by Google

403

wiederhole ich dann nach 10 12 Stunden, setze dagegen, während etwa wiederholender Anfälle, vollkommen mit der Anwendung des Chinins aus und lasse dasselbe in der ange- gebenen prophylaktischen Weise nicht länger fortgebrauehen, als bis die wiederholte Untersuchung des Blutes vom Frei- sein von Malariamikroben ergeben hat. Das Schwarzwasser- tieber, das im uncomplicirten Zustand eine so grosse Neigung zur Spontanheilung hat und dessen Verlauf augenscheinlich stets ungünstig durch das Chinin beeinflusst wird, behandle ich ausschliesslich symptomatisch und strebe höchstens, wenn nach Ablauf aller Erscheinungen die Blutuntersuchung noch die Anwesenheit von Mikroben erkennen lässt, durch kleine Zwischenräume von 3 5 Tagen gegebene Chiningaben eine fraktionirte Sterilisation des Blutes an.

Für die Behandlung der Anfälle selbst oder überhaupt des lieberhaften Stadiums der Malaria bleibt dem Arzt in der streng individualisirenden Anwendung von Schwitz- bädern und kalten Bädern zur Anregung der Eliminirung des im Blut kreisenden Gifts und zur Anregung des Nerven- systems, sowie der Narkotika und Excitantien zur Ver- minderung der subjektiven Beschwerden und zur Erhaltung der Herzkraft immer noch ein sehr wirksames therapeutisches Küstzeug übrig, von welchem ich speciell den ausgiebigsten Gebrauch mache und das gewiss in sehr vielen Fällen im Stande ist, die Kräfte des Kranken selbst in verzweifelten Fällen über die Zeit des ja meist kurzdauernden Anfalls zu erhalten.

Auf diese symptomatische Therapie näher einzugehen, ist nicht an dieser Stelle meine Aufgabe.

Was ich in der That mit meiner auf das Studium der Malariamikroben gegründeten und inzwischen an einem sehr grossen Krankenmaterial erprobten Behandlung erreiche, ist zunächst, dass von den frühzeitig, d. h. nicht vorher schon verschleppten oder durch vorangegangene irrationelle Be- handlung complicirten Malariafiebern ausserordentlich wenige einen irregulären, remittirenden oder langdauerndem con- tinuirlichen Verlauf genommen haben, sondern dass voll- kommene Heilung nach dem Ueberstehen von ein bis zwei häufig freilich sehr heftigen und unter bedrohlichen Er- scheinungen verlaufenden Paroxyswen die überwältigende

Digitized by Google

404

Mehrzahl der Fälle bildet. Es gilt das keineswegs allein von den einfachen, uncomplicirten Fiebern, sondern im speciellen von den .Schwarzwasserfiebern, welche an der ostafrikanischen Küste in einem derart schlechten Ruf standen, dass man sie bei einer früher auf 70°/o geschätzten Mortalität (E. Steudel, die perniciöse Malaria in Deutsch-Ostafrika) als die „perni- ciösen Fieber kcn ixorfv“ bezeichnete. Die im Gegensatz dazu mit der von mir eingelciteten chininlosen Therapie erhaltenen Ergebnisse sind bereits früher von mir, dann von Kohlstock und A. Plebn zusammengestellt worden; das mit derselben im letzten Jahre im Krankenhaus zu Tanga laut des Aufnahmejournals erzielte Resultat bestand darin, dass auf 21 Fälle der Krankheit 1 Todesfall kam. Derselbe betrifft ein durch vorangegangene, auf anstrengenden Reisen durchgemachtc und vernachlässigte Fieber völlig her- untergekommenes Individuum, das nach Ablauf der eigent- lichen Krankheit einem unbedeutenden einfachen Rückfall mit geringer Temperaturerhebung erlag. Die durchschnitt- liche Zeit der Hospitalbehandlung von Schwarzwasserfieber- kranken betrug 8 Tage. Einen dauernden Schaden, ein organisches Leiden trug keiner der Kranken davon, bei keinem der frühzeitig in Behandlung gelangten Kranken kam es zu den verhängsvollen Complikationen des Hämoglobin- infarkts und der sekundären Anurie.

Aus dieser wie aus den Zusammenstellungen Kohl- stocks und A. Plehn’s geht hinreichend deutlich hervor, dass das Schwarzwasserfieber selten „an sich“ einen perni- ciösen Charakter hat.

Ein Arzt, der ohne Erfahrungen über den Verlauf des von Medikamenten gar nicht beeinflussten Schwarzwasser- fieber gesammelt zu haben, sich mit therapeutischen Experi- menten mit anderweiten ganz indifferenten Mitteln bei der Krankheit befasst und nur aut das Chinin verzichtet hätte, hätte bei derartigen Erfolgen leicht in die Versuchung ge- rathen können, im besten Glauben über hervorragende specifische Wirkungen dieser seines Mittels zu berichten und er hätte die Litteratur wohl längere Zeit damit beschäftigt.

Tief eingewurzelte Vorurtheile und die Lebensverhält-

405

erhaltenen Resultate nicht allzu allgemein werden. Die frühzeitig zweckmässig behandelten Fälle werden wohl stets die relativ seltenen bleiben. Die überwiegende Mehrzahl der Kranken wird noch für längere Zeit aus habitutellen Chininophagen bestehen, „die zur Sicherheit“ zur Ver- meidung von Erkrankung oder Heilung bestehender Fieber regelmässig grössere Chinindosen zu sich nehmen und nach langem derartigen Vorgehen abgesehen von etwaigen leichteren oder schwereren Ohrenleiden, Nervosität „Anämie“ oder MagenafFektionen, welche sie auf das Fieber, aber nicht auf ihr Chinin beziehen, auch relativ gesund leben. Die Begründung der Unfehlbarkeit ihrer Methode liegt für sie darin, dass sie dass Chinin nur auszusetzen brauchen, um sicher zu sein, das sie in kurzer Zeit Fieber bekommen, eine bei habituellen Chininophagen durchaus nicht allgemein im Zweifel zu ziehende Thatsache. Den bei diesen Patienten ausbrechenden Fiebern gegenüber sind die kleinen Chinindosen, die im nicht chininisirten Organismus zur rechten Zeit gegeben eine nahezu unfehlbare Wirkung haben, meist wenig wirksam und müssen beträchtlich gesteigert werden, das Fieber hat von vornherein die Neigung, einen unregel- mässigen Verlauf dadurch anzunehmen, dass die unregel- mässig gegebenen Chiningaben die Mikroben nur zum Theil ertödten, zum andern Theil nur in ihrem Wachsthum zurück- halten und andererseits fortwährend eine Verstärkung der Wirkung des durch die Parasiten producirten Gifts be- wirken. Auf Grund seiner mit dem Chinin gemachten lang- jährigen günstigen Erfahrungen und im Vertrauen auf dessen sichere Heilwirkung unterlässt es der Kranke dann meist, so lange er seiner Glieder noch eigener Herr ist, sich die unbedingt nothwendige Ruhe zu verschaffen und bringt Herz- und Nerventhätigkeit durch Fortsetzung einer Thätig- keit noch weiter herunter, zieht sein Fieber sich in die Länge, verliert den Appetit unter dem doppelten Einfluss von Malaria und Chinin, wird ganz blutarm und widerstands- unfähig und ist, wenn er sich aufs äusserste erschöpft, zum Ein tritt in die ärztliche Behandlung entschliesst, nicht sowohl wegen der Schwere der primären Erkrankung, sondern wegen der Art, minder er gegen dieselbe vorgegangen, ein in Leben und Gesundheit bedrohter Kranker, dem auch eine rationelle

Archiv f. Schiff«- a. Tropenhyglene . * 28

Digitized by Google

406

Behandlung in kurzer Zeit von seinem Siechtum nicht zu be- freien vermag und bei welchem mit dem für frische Malaria- fälle als zweckmiissigstes angegebenen Verfahren schnelle und sichere Erfolge nicht mehr zu erzielen sind.

Und ebensowenig, wie diese Species tropischer Todes- kandidaten, wird jene zweite Kategorie aussterben, welche, nachdem sie ihr Schwarzwasserfieber auf ihre Art eine An- zahl von Tagen behandelt, in die ärztliche Behandlung erst in dem Stadium der bereits voll ausgebildcten sekundären Anurie eintreten, in welchem der Laie so häutig wegen der Abwesenheit der charakteristischen Erscheinungen des Fiebers und des blutigen Urins gar keine Gefahr sieht, während der Arzt die Prognose in jedem Fall als fast absolut letal von vornherein zu stellen gezwungen ist.

Bei den meist durch Vernachlässigung oder unzweck- mässige Behandlung irregulär gewordenen Fiebern wird man auf den Gebrauch des Chinins auch bei bestehender Temperaturerhöhung nicht verzichten können-, da hier völlige Apyrexien entweder ganz fehlen oder doch so kurz und unregelmässig sind, dass man sie für die Hervorrufung der Chiniuwirkung nicht ausnutzen kann.

Voraussetzung ist für die Anwendung des Chinins in diesen Fällen, dass verschiedene Mikrobengenerationen zugleich im Kreislauf vorhanden sind, und die successive Anwendung des Chinins bezweckt deren allmählige Tötung, während sich der Arzt bewusst ist, durch ungünstige Beeinflussung der Anfälle selbst eventuell auch eine Schädlichkeit mit in Kauf zu nehmen. Unzweifelhaft werden diese Fieber in dem Mass seltener werden, als sich Arzt und Patient über das, was sie überhaupt mit dem Chinin bei Malaria erreichen und er reichen können, auf Grund des ätiologischen Studiums völlig klar werden und dementsprechend bei ihrem medikamentösen Vorgehen verfahren.

Zeit und Art, wie ich das Chinin bei Malaria an wende, bringt es mit sich, dass mir besondere Arten der Applikation in letzter Zeit so gut wie ganz entbehrlich gewesen sind, so wenig ich mich auch der zeitweisen Anwendung des Mittels in Clysma oder in intramnskulöser Injektion wider- setzen will. Die meiste Schwierigkeit, dem Kranken Chinin

Digitized by Google

40?

noch beizubringen, besteht fast ausschliesslich während und unmittelbar nach dem Anfall in Folge des häufig Unstillbaren Erbrechens, das ich immer mehr als erspriessliches Präser- vativ gegen die Einverleibung verschiedener differenter Medikamente in diesem Stadium der Krankheit anzuschen lerne. Bereits sehr bald nach Ablauf des Anfalls ist der Kranke in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle im Stande, Getränke zu sich zu nehmen und bei sich zu behalten. Für die Einführung des Chinins während des auch in klinischer Hinsicht günstigsten Zeitpunkts besteht nur in den seltenen Fällen ein ernstliches Hinderniss.

Im Interesse schneller vollkommener Resorption, sowie mit Rücksicht auf den stark reizenden Einfluss, welchen das Chinin in concentrirter Form auf die in den Tropen ohnehin leicht afficirbare Magenschleimhaut ausübt, ist die Einver- leibung des Mittels in gelöstem Zustand immer noch die empfehlenswertheste. Dieselbe scheitert fast stets an der unüberwindlichen Abscheu der Kranken vor dem widerlichen Geschmack des Mittels. Insofern ist es mit Freude zu begrüssen, dass die vereinigten Chininfabriken in Frankfurt a. M. neuerdings unter dem Namen Euchinin ein aus dem Chinin als dessen Aethylkohleusäureestcr gewonnenes Präparat in den Handel bringen, welches bei gleichem Ein- fluss auf die Malariamikroben wie das Chinin dessen bitteren Geschmack in einer so viel milderen Form aufweist, dass es von nicht allzu empfindlichen Patienten in Thec oder Kakao gelost ohne Widerstreben genommen wird. Ich habe das Präparat während der letzten Monate als Ersatzmittel für das Chinin und in den gleichen Dosen wie dieses fast aus- schliesslich und mit dem besten Erfolg angewendet. Meine anfangs in das Euchinin gesetzten Hoffnungen bezüglich geringeren Hervortretens unangenehmer Nebenwirkungen hat sich freilich nicht erfüllt. Auch bei wesentlicher Er- weiterung unserer Kenntniss des Malariavirus ist cs nicht wahrscheinlich, dass wir jemals in den Besitz eines den Menschen gegen die Krankheit immunisirendes Mittels gelangen werden, da das Uebersteheu der Krankheit selbst weit ent- fernt ist, Immunität zu schaffen wie bei 'den akuten Exan- themen, _Gclbfieber und in geringerem Mass bei Typhus und Cholera.

28*

Digitized by Google

Zur Verhütung der tropischen Malariaanfhlle besitzen wir in dem die Malariamikroben in gewissen Entwicklungs- stadien direkt tödtenden Chinin ein ausserordentlich wirk- sames specifisches Mittel, dessen Gefahren wir, wenn wir uns ihrer bewusst geworden sind, ohne Schwierigkeit bei richtiger Anwendung desselben vermeiden können, dagegen besitzen wir ein specifisch den Anfall selbst, also die eigentliche Krankheit, im Stadium ihres Manifestwerdens beeinHussendes Mittel nicht. Der grösste Triumph der Malariaforschung würde darin bestehen, dass sie uns in den Besitz eines solchen Mittels setzte, das im Stande ist, die Wirkung der während des Malariaanfalls gebildeten und denselben hervor- rufenden Toxine zu neutralisiren. Sollten wir diesen Erfolg jemals erleben, so werden wir ihn jedenfalls auch der ätiologischen Forschung und der Befolgung der Grundsätze verdanken, welche R. Koch zu den für die Erforschung der Infektionskrankheiten massgebenden gemacht hat. Aber auch schon zur Zeit ist die Verwerthung des ätiologischen Moments zur Erkennung, Verhütung und Behandlung der Malariafieber für den praktischen Arzt in den Tropen im Interesse seiner Kranken nicht mehr zu entbehren.

II. Besprechungen und Literaturangaben.

a) Hygiene, Physiologie und Gesundheitsstatistik.

Cohn, H., D ie Sehleistungen der Helgoländer und der auf Helgoland stationirten Mannschaften der KaiserlichenMarine. Deutsche med. Wochen- schrift. 1896. No. 43.

Es ist eine von den verschiedensten Forschern bestätigte Thatsache, dass die Naturvölker, so weit man darüber hat Beobachtungen anstellen können, über eine bisweilen fabelhafte Sehschärfe verfügen, und dass mit zunehmender Kultur eine schrittweise Abnahme der Sehschärfe erfolgt. Jedoch sind über ersteren Punkt die Beobachtungen noch so lückenhaft uud so wenig umfangreich, dass man ein vollständig klares Bild über diese Frage noch nicht gewinnen kann. Man

Digitized by Google

409

muss es deshalb mit Freuden begriissen, wenn jede Gelegen- heit zur Erweiterung des für die Ethnologie und Ophthal- mologie gleich bedeutsamen Materials benutzt wird.

H. Cohn, welcher durch seine diesbezüglichen früheren Untersuchungen löblich bekannt ist, macht uns nun in vorliegen- dem Aufsatz Mittheilung über seine durch die Untersuchung von 100 Helgoländern (die Insel zählt 1900 Einw.) gewonnenen Resultate. Die Untersuchung wurde am hellen, wolkenlosen Nachmittage zwischen 4 und 5 Uhr im August unter freiem Himmel vorgenommen und dazu eine nach Snellen’schem Princip konstruirte sog. Hakentafel in bekannter Weise benutzt. Da die Bestimmung der Refraetion nicht stattfand, so ergab die Prüfung nicht die eigentliche Sehschärfe, sondern die Seh 1 e i s t u n g , d. h. die Fähigkeit, mit unbe- waffnetem Auge in die Ferne scharf zu sehen. Wenn die Sehleistung wenigstens 1 ist, darf man in dubio annchmen, dass sie sich mit der eigentlichen Sehschärfe deckt.

Von 100 Helgoländern (fast nur Fischer und Schiffer) batten unternormale Sehleistung 9°/o, normale 5°/o, dagegen übcrnormale 80°/0 J(und zwar 'zwischen einfacher und doppelter 50 0 o und zwischen zwei- und dreifacher 30°/0). Die mittlere

Selileistung für diese 100 Fälle ergab dieser Ge-

legenheit untersuchte C. auch?97 Mann der Marine und fand

12 ^

bei diesen als mittlere Sehleistung ; 6 hatten untemormal,

o

2 normal und 89 übernormal (und zwar 46 S. = 1 2 und 43 S. = 2 3). Die wünschenswerthe Vervollständigung beider Zahlenreihen, welche durch ihre relative Kleinheit an statistischer Beweiskraft verlieren, stellt Verf. in Aussicht.

So imponirend die gefundenen Durchschnittswerthe im ersten Augenblick auch erscheinen, so möchte Ref. dazu doch nicht die Bemerkung unterdrücken, dass die Untersuchungen unter Umständen ausgefttlirt wurden, die in besonders günstiger Weise auf die Höhe der Sehleistungsziffer einwirken müssen. Dazu ist einmal die Hakentafel zu rechnen, welche immer leichter entziffert wird als die Buchstabentafel, selbst- verständlich vorausgesetzt, dass beiderlei Zeichen demselben Gesichtswinkel entsprechen ; weiterhin wurde bei einer Hellig-

Digitized by Google

410

keit untersucht, wie sic für gewöhnlich weder zu Gebote steht noch auch zur Anwendung gelangt. Es ergiebt sieh für die Augen der kultivirten Völker und Individuen bei obigein Untersuchungsmodus ebenfalls eine grössere Durch- schnitts-Sehschärfe als bei dem üblichen Verfahren mit Buch- stabentafeln und im geschlossenen Zimmer. Die Differenz zwischen der Schichtung von (sit venia verbis!) Natur- und Kultur-Augen dürfte demnach wohl nicht ganz so gross aus- fallen, wenn die Bedingungen der Untersuchung ganz die gleichen sind. Und auf letztere muss um so mehr Gewicht gelegt werden, wenn die gewonnenen Zahlen einen absoluten Vergleichswerth erhalten sollen. Schlaefke (Cnssel).

Die Versorgung von kleineren Städten, Land- gemeinden und einzelnen Grundstücken mit gesundem Wasser von Stabsarzt Dr. F. Kraschutzki, Danzig. Hamburg und Leipzig, Leopold Voss. 1896.

Wenn der Verfasser auch auf dem Titel angibt, dass das kleine, aber vorzügliche Werkchen besonders die Be- dürfnisse der östlichen Provinzen berücksichtigt, so wird doch auch der in Kolonialgebieten lebende Arzt, Techniker oder Verwaltungsbeamte in den 40 Seiten sich gern darüber unterrichten, nach welchen Regeln eine kleine Station oder Niederlassung mit gesundem Wasser versorgt werden kann. Besonders die Angaben über die Enteisenung des Wassers verdienen für die Lateritgebiete des tropischen Afrika und Amerika Beachtung. Sonst legt der Verfasser weniger Gewicht auf das Nichtvorhandensein oder den Nachweis angeblich schädlicher chemischer Substanzen, als auf die Forderung, dass das Wasser keimfrei sei oder dass wenigstens schädliche Keime nicht in dasselbe gelangen können. JL

b) Pathologie und Therapie UeiRteMkrnnklieiteii.

Einiges über die Geisteskrankheiten der Bevöl- kerung des malaiischen Archipels. Beiträge zur vergleichenden Rasscnpsychopathologie. Von P. C. J. fall Brero, Arzt der Staatsirrenanstalt zu Buitenzorg. All- gemeine Zeitschrift für Psychiatrie 18S6. Erstes Heft.

Nach einer kurzen Einleitung über die Lage von Nieder- ländisch-Indien und die religiösen Anschauungen seiner Be-

411

wohner nennt derVerfasser zunächst als Genussmittel der Inländer den unschädlichen Betel und den Tabak, welcher wirkt wie anderswo, dann den bei den eingewanderten Chinesen beliebten Reiswein und den aus PalmblUtensaft durch Gährung ge- wonnenen Tuwak. Missbrauch dieser geistigen Getränke bei Eingeborenen kommt fast nur auf der Westhälfte von Madura vor. Bei Mischlingen ist Alkoholmissbrauch nicht selten. Als Eigentümlichkeiten des Ncrvenlcbens der Malaien können gelten der Shamanismus, eine Art Besessenheit, und das be- kannte Amoklaufen, ein Anfall plötzlicher Mordlust, über dessou Wesen grosse Meinungsverschiedenheit herrscht ; dann geht Verf. zum eigentlichen Irrsinn über, welcher selbst in Wahnvorstellungen dem wenig vertieften Geistesleben der Malaien entspricht. Das Ncrvenleben des Inländers ist abnorm leicht erregbar und zeigt leicht die Merkmale degenerativer Psychosen, welche als Symptome einer Rassendegeneration oder wohl richtiger einer unvollkommen Geistesentwicklung aufgefasst werden können. Ueber das Vorkommen der ein- zelnen Psychosen gibt eine Tabelle Auskunft. Melancholie ist noch nicht beobachtet worden. Amentia ist die häufigste Geisteskrankheit, Manie, Paranoia, Hysterie sind selten. Die Epilepsie zeigt weniger Anfälle als beim Europäer. Dementia parnlytica ist wie in den meisten warmen Ländern so auch auf Java selten. Die wenigen Fälle sind in ausführlichen Krankengeschichten beschrieben. Als Ursache ist Syphilis selten mit Sicherheit nachgewiesen, am meisten „Fieber“, wahrscheinlich Malariaintoxication, und erbliche Belastung. Auffällig und den herrschenden Anschauungen nicht ent- sprechend ist die geringe aetiologische Bedeutung des Opium- genusses, dessen Folgen überhaupt nach v. B. nicht so bös- artig sind, wie gewöhnlich angenommen wird. Schliesslich werden noch die in der Anstalt beobachteten somatischen Krankheiten erwähnt, wobei als selten im Vergleich zu Europa der Decubitus bezeichnet wird. M.

c) Sonstige Werke.

Katechismus de rAus Wanderung von G us tav M ei necke.

Leipzig, J. J. Weber. Siebente Auflage. 1896.

Das für die breiten Schichten der Auswanderer be- stimmte Büchlein erthcilt in juristischen, medicinischen, hy-

Digitized by Google

412

gienischen und nationalökonoinischen Winken eine Fülle von Rathschlägen, sodass es als brauchbares kleines Compendium für Jeden, der sich für die Auswandererfrage interessirt, bezeichnet werden kann. Irrthümer, wie die Angabe (pag. 32), dass Argen- tinien,Südwestafrika, Australien u.s. w. ein tropisches Klima und Regenzeit von Juni bis September haben, ferner anthropolo- gische Ungenauigkeiten wie Seite 52, wo die Ureinwohner Australiens kurz als Papua bezeichnet werden, dürften sieh in einer nächsten Auflage leicht vermeiden lassen. Der Rat an deutsche ausgewanderte Eltern Seite 120, die Kinder in Nordamerika nicht in deutsche, sondern in englische Schulen zu schicken, ist vom nationalen Standpunkte aus bedauerlich.

M.

Das deutsch-ostafrikanische Schutzgebiet. Im amtlich enAuftrage vonDr. Karl Peters. R. Olden- bourg, München und Leipzig. 467 Seiten, zahlreiche Ab- bildungen, drei Karten.

Der Begründer der ostafrikanischen Kolonie ist sicher- lich ein berufener Verfasser für das grosse Werk. In dem ersten Kapitel des trefflich mit Abbildungen von Hellgrewe u. a. ausgestatteten Buches, wirtschaftliche Kolonialpolitik, be- spricht derselbe vom patriotischen und nationalökonomischen Standpunkte aus die Bedeutung der Ackerbau- und Plantagen- kolonien überhaupt. Den Schmerz darüber, dass Deutsch- and bei der Verteilung der Erde beinahe zu spät gekommen ist, wird jeder Deutsche dem Verfasser nach- fühlen. Auch hat mancher schon den Gedanken gehegt, welchen Peters, wie er sagt, zum ersten Male niederschreibt, dass das geringe Nationalgefühl der Deutschen und die häufig vorkommende Geringschätzung der Deutschen seitens des Auslandes grossen Theils auf der Thatsache beruht, dass Deutschland den Ueberschuss seiner Bevölkerung anderen aufhalsen muss. Wahrend die Ackerbaukolonien der Er haltung und Vermehrung der Art dienen, bezwecken Plan- tagenkolonien die Bereicherung des Mutterlandes. Eine solche haben wir in Ostafrika erworben. Das zweite Kapitel gibt eine „allgemeine Kennzeichnung von Ostafrika als Ko- lonialgebiet“tund bespricht neben geschichtlichen und geogra- phischen Angaben die für die Werthschätzung eines Landes

Digitized by Google

413

wichtigsten Fragen. Bei der Beurtheilung des Tropenklimas (Dar es Salaam Jahresmaximum 32° C. im April, Jahres- minimum 18,9 C. im Juni) vergisst man gern, dass die Tropennacht zwölf Stunden zählt, sodass selbst in den heissesten Theilen des Landes etwa vierzehn Stunden durchaus erträgliche, selbst angenehme Temperaturen aufweisen, die aus- gedehnten Steppengegenden der Hochländer sogar kühle und kalte Nächte haben. Anderseits i^bersieht man bei der Sta- tistik der Todesfälle in Afrika, unter welchen den einfachsten Ansprüchen kaum genügenden Verhältnissen der Europäer im neuen Lande oft leben muss, welcher oft nicht einmal ein dichtes Dach über seinem Kopfe und ein trockenes Lager unter seinem von schwerer Tagesarbeit ermatteten Körper hat. Hierin muss man dem Verfasser recht geben, selbst wenn man nicht so froh in die Zukunft sieht, wie er und nicht mit Peters glaubt, dass die klimatische Lebensgefahr dereinst eben- so zur historischen Erinnerung herabsinken werde, wie das ungünstige Klima Deutschlands, von dem Tacitus berichtet. Peters hält die Gebirge und Hochländer Ostafrika’s schon heute für besiedelungsfähig durch Deutsche, sobald diese Gegenden Eisenbahnverbindung mit der Küste haben werden und glaubt, dass diese obere Grenze mit der Entwicklung der Bewässerungstechnik und der medicinischcn Prophylaktik nach und nach tiefer gelegt werden könne. Nach diesen hygienischen Betrachtungen geht Verfasser auf die Be- wässerung des Landes und dessen Oberflächengestaltnng ein, bespricht die Arbeiterfrage und kommt zu dem Schlüsse, dass Arbeitermaterial vorhanden sei, aber erst mit strenger Hand brauchbar gemacht werden müsse. Die Schilderung der einzelnen Landestheile, welche in Norden, Mitte und Süden eingetheilt eingehend beschrieben werden, nimmt den grössten Theil des Werkes ein. Ersterer umfasst die Küstenlinie zwischen Umba-Pangani und Rufu-Mündung mit Hinterland, dessen zunächst werthvollster Theil Usambara mit seinem gesunden Hochlande ist. Durch das Parc-Gebiet führt uns, besonders auf 0. Baumanns Arbeiten gestützt, dann der Verfasser an den Kilimandscharo, einem zweiten europäischen Ansiedlung geeigneten Bergland, und durch das Senkungsgebiet des grossen ostafrikanischen Grabens und die salzreichen dünnbevölkerten Massaisteppen an den Victoria-

Digitized by Google

414

See und dessen weiten Uferstaaten. Mit Recht betont Verf. die grosse Bedeutung der Kochsalz-Schätze dieser Gegenden, welche bei besseren Verkehrsmitteln einen unendlichen Reich- thum in dem salzarmen Aequatorialafrika darstellen würden.

Als die Mitte Ostafrika’s beschreibt Peters das Küsten- gebiet zwischen Pangani- und Rufitschi-Mündung mit dem ausgedehnten Hinterlande bis an den Tanganjika-See, durch altarabische Ausbeutung und die Reisewege der bekanntesten Forscher längst erschlossene Länder umfassend. Der Tan- ganjika, einen grossen Theil des centralafrikanischen Grabens, jener beiderseits schroff begrenzten, nordwärts bis zum Muta-Nsige sich erstreckenden Bruchspalte, einnehmend, ist die natürliche Grenze zwischen Congostaat und Ostafrika, denn jenseits beginnt die Grenze westafrikanischer Thier- und Pflanzenwelt. Seine Ufer sind der Tummelplatz der verschiedensten afrikanischen Stämme, sein Uferstaat Udjidji der Umschlagplatz für alle afrikanischen Waaren. Östlich vom See liegen nur zur europäischen Niederlassung kaum geeignete Gebiete, unter welchen Unyamwesi mit seinen anstelligen und gelehrigen Bewohnern, sesshaften und politisch organisierten Ackerbauern, die grösste Beachtung verdient. Die Wanyamwesi folgen gern dem Europäer und lassen sich rasch auf eine höhere Kulturstufe an Leistungen und Be- dürfnissen bringen (Referent bildete in wenigen Wochen einen Munyamwesi zum vorzüglichen Krankenwärter aus). Ihre Hauptstadt Tabora ist seit siebzig Jahre der Handels- mittelpunkt von Ost- und Centralafrika. Wasserlose, menschen- leere Pfade, auf denen der Hunger droht, verbinden Unyain- wesi östlich mit Ugogo, einer wüstenähnlichen Landschaft. An Ugogo aber stossen nach Südosten und Osten bessere Gebiete, Usango, fruchtbar und wasserreich, aber von den Wahehe verwüstet, und Usagara, ein herrliches Bergland, westlich durch die Station Mpwapwa gedeckt, geeignet zum Plantagen- bau, sobald eine Eisenbahn bis zur Küste führt. Für euro- päische Siedelung aber ist es nur in seinen höheren Lagen zu empfehlen, desto mehr aber das benachbarte Ukami mit einer Durehschnittshöhe von 14 1500 m und fruchtbarem, rcichbewässertem Boden.

Werthvolles Plantagengebiet sind wiederum Makenge und Khutu, welche jedoch von den Bewohnern des benach-

Digitized by Google

415

barten Uhehe, einem Hochlande von Stcppenckarakter und rasch wechselnder Temperatur, hUutig verheert werden. Uhehe mit seinen den Zulu und Massai verwandten Bewohnern, ebenso Ubena würden Ansiedlern wegen der Höhen- lage, Plateaus bis 1900 m Durchschnittshöhe, schon Zusagen.*) Anders natürlich das Küstengebiet mit den Landschaften, Useguha, Udoe, Ukuere und Usaramo und den Küstenstädten Pangani, Saadani, Bagamoyo und Dar - es -Salaam, der Hauptstadt und dem besten Halen platz Ostafrikas, deren Bedeutung mit der politischen Beruhigung des Binnen- landes stetig wächst. Aber für die Europäer bleiben alle diese Orte zunächst noch Fiebernester.

Der Süden des Schutzgebietes ist am wenigsten bekannt, er erscheint auch von der Natur am wenigsten begünstigt zu sein und bildet den Schauplatz der Kämpfe zwischen den von Süden vordringenden zuluartigen südlichen Bantu und den Stämmen wie Wangindo, Wamwcra, Makua u. a., welche den Wasuaheli näher stehen. Die Küste hat unter den Portugiesen und Arabern eine glänzende Zeit gesehen. Die Hafenplätze Lindi, Kilwa und Mikindani werden sicherlich wieder aufblühen, europäische Siedclung jedoch wird dort nie eine dauernde Stätte finden.

Mikindani wird aber einst eine grosse Bedeutung haben als der Zugang zu den gesunden, für Europäer be- wohnbaren Hochplateaus östlich vom Nyassa-See und zu dem fruchtbaren Seengebiet, besonders dem Konde-Gebict, welche zu den verheissungsvollstcn in Ostafrika gehören und von Missionaren mit Erfolg in Angriff genommen worden sind.

In den Kapitel „wirtschaftliche Besitzergreifung von Ostafrika“ theilt Peters das Land in vier Wcrthschätzungs- klassen : 15°/o der Oberfläche von rund 900000 | [Kilometer nimmt die Steppe ein, welche für die nächste Zukunft wenig Nutzungswerth hat, 54°/o sollen dauernd wegen Lage und Klima den Eingeborenen allein verbleiben, 24‘/*°/o be- trachtet Peters als Besiedelungsland für deutsche Kolonisten, den Rest bildet Plantagenland. Zur Ausnutzung all’ dieser

*) Der Bericht seitens dos Kaiserlichen Gouverneurs General- major Liebert und des Hauptmann Prince im Deutschon Kolonialblatt No. 22, 1897, bestätigen nach Beruhigung von Uheho diese günstige Ansicht Peters'. Die Red.

Digitized by Google

416

Landstrecken bedarf an erster Stelle die Wege- und Arbeiter- frage einer gründlichen Regelung. Ohne Eisenbahn oder Flussdampfschifffahrt ist keine Ansiedlung im Innern möglich und nutzbringend. Die Wiedergabe von verschiedenen Vertrügen, Gescllsehaftssatzungen und sonstigem Aktenmaterial findet als Anhang am Ende des Werkes Platz. Vom liygie- nisch-medicinisclien Standpunkte aus geben nach Ansicht des Referenten die Anschauungen des Verfassers betreffs euro- päischer Besiedelung zu Bedenken Anlass. In manchen ähnlich gelegenen tropischen Hochländern hat sich leider gezeigt, dass die Krankheiten der Tropen in der Höhenlage nicht fehlen und die Krankheiten des gemässigten Klima’s noch hinzutreten. Immerhin sind die in Frage stehenden Gebiete so ausgedehnt und mannigfaltig, dass wahrscheinlich weite Landschaften auch einer grösseren Zahl von sesshaften Europäern leidliche Gesundheitsverhältnisse bieten. Die Möglichkeit einer Ansiedelung im nationalökonomischen Sinne, d. h. Existenz, Erhaltung und natürlich Vermehrung euro- päischer Familien, muss erst in Zukunft bewiesen werden. Die Angabe, pag. 23, dass Afrika nach keiner Seite in die gemässigte Zonehineinreicht und die Erwähnung eines Malaria- Bacillus ist als leicht verzeihlicher oberflächlich hingeworfener Irrthum zu bezeichnen. M.

Afrika, Schilderungen und Rathschläge zur Vor- bereitung und für denDienst in den deutschen Schutzgebieten von Dr. von Wissmann. Berlin Mittler & Sohn.

Das kleine Werk aus der Feder des grossen Reisenden ist ein Sonderabdruck aus dem Militärwochenblatt und gibt vorwiegend militärische Rathschläge, allerdings in einer auch für den Laien leicht verständlichen Fassung. Hygienische und medicinische Fragen bespricht der Verfasser in Kapitel I: Vorbereitungen zum Kolonialdienst in Afrika, II : Anweisung über Ausrüstung des Europäers in Afrika und XIV : einige wichtige Lebensregeln für Afrika, und beweist durch die knappe, praktische Auffassung, dass er gelernt hat, das zu thun, was er jedem Europäer in Afrika empfiehlt, näm- lich dem Arzte im Handwerk zu pfuschen. Da der Arzt

41?

aber in den Kolonien gelegentlich in die Lage kommt, dem Militär gleiches mit gleichem zu vergelten, so sind auch die übrigen Kapitel für den Mediciner lesenswerth. M.

Dr. Brelteustcln d. J., DieCircumcisionbei den Javanen und die Gonorrhoe in der niederländisch-indischen Armee Wiener Medicin. Wochenschrift. No. 26 u. No. 27. 1897.

In dem feuilletonistisch gehaltenen Aufsatz wird die Circumcision bei den Javanen geschildert und dabei darauf hingewiesen, dass die- selbe häufig ungeschickt ausgeführt wurde. Im Ganzen verursacht diese Art der Ausführung selten Verwachsung der Vorhaut mit der Glans penis, oder atrophische Phimosis. Bei dem Sohne eines ange- sehenen Häuptlings wurde Verf. eingeladen, die Circumcision anstatt des mohammedanischen Beschneidens vorzunehmen, weil der Vater, sowie einer seiner Söhne eine Phimosis dabei davougetragen hatten. Trotzdem batten die Hadjes (Priester), nachdem sie mit einer Art Stricknadel den Präputialraum umkreist, eine Hautfalte gebildet, mit einer Kettenpincette gefasst und incidirt. Verf. behandelte dann den Knaben weiter und machte lege artis die Circumcision. Andern 8 Knaben, bei welchen die Präputialhaut frei war, wurden in kurzer Zeit von den Hadjes beschnitten, so dass ein grosses dreieckiges Präputial- stück ausgeschnitten war, dessen äusseres Blatt sich zurückgezogen und auf dessen inneres Blatt man Wespennestpulver gestreut hatte. Verband wird nicht angelegt, nur ein Horn oder ein rundes Stück Cocosnussschale bei den Armen. Mit dem 13. Jahre wird erst die Beschneidung ausgeführt und es ist der günstige Ablauf dieser Operation, ohne jede folgenreiche Complication, wieder auf Rechnung der höheren Widerstandsfähigkeit der pigmentirten Haut und Gewebe des Eingebornen gegen hauptsächlich pyogene Mikroorganismen zu setzen. Der Einfluss der Operation auf Acquirirung von Syphilis ist nach Verf. zweifellos günstig, so hatten 1895 z. B. 4,1°/» des Präsenz- standes europäischer Soldaten und nur 0,84|o der Eingebornen Syphilis, letztere auch niemals Balanitis, Phimosis oder auch Condylomata acuminatac. An Gonorrhoe erkrankten fast 88 “/• der europäischen Soldaten und nur 16°/o der Javanen. Häufig verläuft aber der Tripper in den Tropen gutartiger, es werden aber der Armee durch solche Er- krankungen zu viele Dienstthuer entzogen und so hat man vorerst in den grossen Garnisonen Indiens Vereine gebildet, in denen die Soldaten verkehren und wodurch eie vom unerlaubten Geschlechts- genuss möglichst abgehalten werden. Ausserdem hat eine eingreifende und strenge Controle der Mädchen das Uebel vermindert. Karl Däubler.

Wladlmiroff und Kresling, Zur Frage der Nährmedien für den Bacillus der Bubonenpest und sein Verhalten zu niederen Temperaturgraden. Aus dem kaiserlichen Institut für experimentelle Medizin in St. Petersburg. D. med. Wochen- schrift. 1897. No. 27.

Als Ausgangspunkt und Vergleichsobjekt diente eine Bouillon von folgender Beschaffenheit. Aus 600 g Rindfleich wurde in der

Digitized by Google

418

üblichen Weise 1 I Brühe hergestellt, mit 0,5 “/a Na CI nnd 1 */• Pepton, sicc. (Witte) versetzt und mit Natronlauge neutralisirt, so dass eine schwache Rötung „in ihr vor dem Sterilisiren durch Phenol- phthalein entstand, nach dem Erhitzen dieses aber nicht mehr der Fall war, andererseits jedoch schon 1 2 Tropfen einer V10 Normalnatron- lauge genügten, um 10 ccm der fertigen Bouillon in Gegenwart von Phenolphthalein schwach rot zu färben“. Für die Entwickelung der Pestbacillen zeigte sich am günstigsten die neutrale Reaction des Nährbodens, während das Wachstum in alcalischer und in saurer Bouillon spärlich war; Normalmilchsäure wirkte weniger wuchsver. hindernd als Normalsalzsäure. Glycerinzusatz zu neutraler Bouillon beeinflusste die Entwickelung der ßacillon eher ungünstig, ebenso wirkte Glycerinzusatz zu schwach saurer oder schwach alesliseher Bouillon. Um die Bedeutung der zur Bouillonbereitung benutzten Fleischsorten zu eruiren, wurde Bouillon aus Rind-, Hühner- und Schaffleisch hergestellt, mit einem Zusatz von 0,5 Na CI angefertigt ev. neutralisirt oder neutralisirt und mit 1°/* Pepton versehen, ln den nicht neutralisirten Proben war das Wachstum sehr gering, am besten noch in der Hühnerbouillon, am schlechtesten in der Schafs- bouillon. Die neutralisirten Portionen zeigten viel günstigere Ent- wickelung der Postbacillen und zwar die Hühnerbouillon die beste, die beiden anderen annähernd gleiche. Durch Peptonzusatz wurde die Rinderbouillon dem oben beschriebenen Nährsnbetrat gleich, die Hühnerbouillon gewann kaum etwas, dagegen stieg der Nährwert der Schafsbouillon etwa zur Höhe der Hühnerbouillon. Gelatine- Pepton - Lösung ist kein guter Boden für die Bacillen. Entgegen Kolle's An- gaben wurden in dem einen Versuch dor Autoren durch Zuckerzusatz (1 o/o Traubenzucker zu peptonfreier und peptonhaltiger Rindfleisch- bouiilon) kein üppiges Wachstum erzielt. Die Verfasser gewannen den Eindruck, dass in nicht zuckerhaltigen Nährmedien weder die Alcalescenz noch auch die Aciditaet durch das Wachstum der Pest- bacillen erhöht wird. Kälte wirkte in den nicht streng systematisch durchgeführten Experimenten verzögernd auf das Wachstum und zwar nur dann, wenn flüssige Culturon zum Gefrieren gebracht wurden.

Rieh. Pfeif fe r- Cassel.

III. Pharmakologische Mittheilungen.

Itrol und Actol. Auf Veranlassung des Oberarztes der chirurgischen Abtheilung des Carolahauses zu Dresden, Herrn Hofrath Dr. B. Crede, hat die chemische Fabrik von Heyden in Radebeul- Dresden zwei organische Silber- salze hergestellt, die unter dem Namen Actol (milch- saures Silber) und Itrol (citronensaures Silber) in den Handel gebracht werden. Für diejenigen Aerzte, welche sich über Beobachtungen und Erfahrungen über die anti-

Digitized by Google

419

septische Wirkung des Silbers und der Silbersalze interessiren, sei auf die von obengenanntem Herrn ausgearbeitete Rrochüre, Verlag von F. C. W. Vogel in Leipzig, hingewiesen. Das Itrol wird als Pulver einmal oder in mehrtägigen Pausen auf Granulationen, Wunden oder Schleimhäute dünn auf- gestäubt, als Salbe 1:50 100 mit Vaseline oder Lanoline bei Wunden und als wässerige Lösung 1 : 4 5000 zur Des- infection der Hände, Instrumente, Wunden, sowie Aus- spülungen von Körperhöhlen, dagegen 1 :5 10,000 als Gurgelwasser, zu Umschlägen Und Bädern benutzt. Itrol ist ebenso wie das Actol ein weisses, geruchloses und fast geschmackloses Pulver, welches im Verhältnis von 1 : 3800 löslich ist, während das Actol dies bereits 1 : 15 thut. Letzteres wird ähnlich dem Itrol angewandt, hat aber den Vorzug, dass man es in brauner Flasche in concentrirter Lösung bei sich führen kann. Der Preis beider Präparate ist um die Hälfte höher als derjenige des Argentum nitricum.

IV. Versammlungsberichte.

Die internationale wissenschaftliche Lepraconferenz zu Berlin, Oktober 189 7. Bericht von Dr. Max Joseph in Berlin.

Boi dem grossen Interesse, welche» man neuerdings der Lepra und den Gefahren ihrer Ausbreitung entgegen bringt, war es kein Wunder, dass der Einladung zu dieser Conferenz die Forscher aus aller Herren Ländern folgten. In Anwesenheit einer zahlreichen Fest- versammlung fand die Eröffnung der Conferenz am 11. Oktober 12 Uhr in den prächtigen, mit grosser Liberalität zur Verfügung gestellten Räumen des Kaiserlichen Gesundheitamtes statt. Professor O. Lassar begrlisste im Namen des vorbereitenden Comitcs die Festversamnilung : Zum ersten Male trete heute eine internationale medicinisch - wissen- schaftliche Versammlung ausschliesslich dazu Berufener zusammen, um ein bestimmtes Kapitel der Pathologie zu besprechen, und die Er- gebnisse ihrer Verhandlungen zur Bekämpfung einer einzigen Krank- heit zu verwerten. Die Völkerhygiene beginne eine der mächtigsten Factoren im Staatsleben zu werden. Ueberall rege sich der lebens- kräftige Wunsch, dem gesundheitlichen Ungemach der Bevölkerung entgegenzntreten und ihm vorzubeugen. Mit Genngthuung dürfe des- halb die mediciuische Wissenschaft sich rühmen, sich eins zu wissen mit den höchsten Zielen der Staatsleitung, in freier uneigennütziger Wirksamkeit eine wohltätige Macht zu bilden, der ein Te;l wenigstens der Zukunft gehöre. Auf die Frage: Welches denn die Lepraländer seien?, müsse die Gegenfrage ertönen: Welches Land ist kein Lepra- land? Kein Klima, keine tellurischen Verhältnisse von den Skandina-

Digitized by Google

42Ö

wischen Fjorden und den Östjakischen Einöden big rum gesegneten Littorale und den Aequatorialzonen gewähre Schutz gegen die Aus- breitung einer Krankheit, die in so unverkennbar sicherer Weise den Spuren des menschlichen Verkehrs folge, die aus fernem Asien durch das grosse russische Nachbarreich bis Über die Grenzen unserer deutschen Ostmarken wandere, die von isländischen Fischern an die bretagnische NordkUste, und von den Bewohnern der Levante an die Sudhäfen von Frankreich und Italien verschleppt werde, die in allen asiatischen Reichen herrsche und von dort aus den Seeweg in unsere ostafrikanischen Colonieen, wie seit jeher in das Capland gefunden habe. Nachdem Ehlers aus Kopenhagen den Gedanken an eine im grossen Styl abzuhaltende Besprechung der Leprafragen angeregt hatte, fand sich sogleich ein weitgehendes Entgegenkommen in unserer eigenen Staatsregierung. Als Präsidenten schlage er den Entdecker der Leprazellen, Rudolph Virchow, vor.

Rudolph Virchow übernahm darauf das Präsidium mit dem Ausdruck der Freude, dass wir hier in so grosser Zahl und in Ver- tretung fast aller Länder, sowohl der civilisirten, als der auf dem Wege zur Civilisation befindlichen uns vereinigen können. Er wies auf seine vor 40 Jahren begonnenen Arbeiten über die Lepra und eine damals in den englischen Colonien veranstaltete Umfrage hin, welche leider zu wenig brauchbaren Resultaten geführt habe. Wenn wir jetzt auf einem etwas sichereren Boden stehen, so danken wir es haupt- sächlich der Entdeckung de3 Leprabacillus durch A r ma ti er H ansen , der damit zum ersten Mal eine sichere Grundlage tftr alle späteren Folgerungen geschaffen habe. Als Vicepräsident schlug er Lassar und Hansen vor. Zum Generalsecretär wurde Ehlers ernannt und in das Bureau ft Mitglieder (Arning, von Bergmann ans Riga, Kinyoun aus Washington, Abraham ans London, Thibierge aus Paris und Dubois-Havenith aus Brüssel) entsandt.

Damit war die Conferenz constituirt und es begannen am ersten Tage die officiellen Ansprachen, zuerst von den Staatsbehörden, dann von den einzelnen Delegirten. Im Namen der Reichsregierung nahm der Staatssecretär des Innern Graf von Posadowsky-Wehner das Wort. Der grösste Reichtum der Völker bestehe in dem Menschen selbst. Diejenigen, welchen den Menschen gesund erhalten und ihn zur Arbeit heranziehen, führen ihn am ehesten der göttlichen Bestimmung zu. Während man früher die unglücklichen Kranken aus der Gesellschaft ausstiess und sie bürgerlich tot machte, können wir heute nach der Entdeckung des Leprabacillus hoffen, auch die Krank- heit zu heilen und auf diese Weise sei der Weg zum Fortschritte gebahnt. Namens der verbündeten Regierungen könne er die Ver- sicherung abgeben, dass sie den Bestrebungen der Conferenz mit grösstem Interesse entgegensehen. Auch der C'ultusminister Dr. Bosse bestätigte, dass die prcussischc Unterrichtsverwaltung das grösste Interesso an der Conferenz habe, da die Grenzen Preussens von der Lepra bereits überschritten seien, und die Lepra nicht mehr zu den ausgestorhenen Krankheiten gehöre. In Preussen sei es fast ans-

Digitized by Google

421

Böhiiesslich der nordöstlichste Kreis Unseres Landes, der Kreis Memel, in welchem sich die Krankheit bisher gezeigt habe, bis jetzt aller- dings noch in beschränktem Umfange. Im Kreise Memel seien seit dem Jahre 1870 im Ganzen 84 Leprafälle mit 17 Todesfällen constatirt, und ausserhalb des Kreises Memel nnr etwa 4, sicher nicht mehr als 7 oder 8 Fälle. Jene 34 Fälle concentriren sich auf den Kreis Memel und haben sich dort anf 15 Ortschaften verteilt, sodass man kaum um- hin können wird, beinahe den ganzen Kreis als verseucht anzusehen. Die preussische Medicinalverwaltnng habe es sich angelegen sein lassen, diesem Vorkommen der Lepra gegenüber nichts zu versäumen. Es sei die Anzeigepflicht eingeführt nnd die ständige Ueberwachnng aller Leprakranken angeordnet. Jeder Leprakranke, dessen Ab- sonderung im eignen Heim nicht durchführbar sei, werde einem Krankenhause zugeführt. Von den znr Zeit amtlich bekannten 19 Leprösen der Monarchie befinden sich 7 in Heilanstalten, während die übrigen 13 unter entsprechender Controlle im Schosse ihrer Familie belassen worden sind. Im Kreise Memel werde anf Staatskosten eine Leproserie für 18 Kranke zur Unterkunft nnd Verpflegung gebaut. Die Pläne seien bereits fertig. Die wissenschaftlichen Fragen zeigen noch manche Lücken, zu deren Lösung er die Conferenz im Namen der prenssischen Staatsregierung herzlich willkommen heisse, ihr Glück und Gelingen zum Heile der leidenden Menschheit wünschend.

Hiernach folgten die Ansprachen der Herren Ehlers (Kopenhagen), Besnier (Paris) nnd Armau er Hansen (Bergen). Der letztere besprach in besonders eingehender Weise die znr Bekämpfung der Lepra notwendige Isolirung und teilte mit, dass Norwegen von 1866 bis 1890 ziemlieh genau 6 Millionen Kronen auf die Bekämpfung der Lepra verwendet hat und dass es in diesem Jahre ungefähr 15 Millionen Kronen dadurch gespart hat, dass so viele Menschen von der Lepra verschont geblieben sind. Man handle offenbar am vernünftigsten nnd am humansten, wenn man durch die Isolation der Kranken der Ver- breitung der Lepra entgegentrete, um dieselbe endgültig auszurotten. Während Jonathan Hutchinson wiederum seine Fischtheorio ver- trat, beleuchtete Ne iss er die Wege zur erfolgreichen Eindämmung der Krankheit und der Verhütung ihrer Verbreitung. Die Verbreitung der Krankheit vollziehe sich nur durch direkte Uebertragung von Mensch zu Mensch. Nirgends sei Jemand leprös geworden, der nicht mit Leprösen in Berührung gekommen sei. Nirgends sei Lepra antochthon entstanden und immer habe sich ein wenn anch vielleicht verschlungener Infektionsweg mit Leprösen nachweisen lassen. Die Lepra gehöre demgemäss in die Klasse der contagiösen Infections- krankheiten nnd mehr als bisher sei der Aussatz als eine ansteckende Krankheit in's Volksbewusstsein zu bringen. Ihre Bekämpfung beruhe darauf, die Möglichkeit abzuschneiden, dass von kranken Menschen der Krankheitserreger anf andere Menschen übergehe.

J. Neu mann (Wien) lenkte die Aufmerksamkeit auf einen neu entdeckten Lepraherd in Bosnien nnd der Herzegowina. Bisher sind 133 Leprställe constatirt worden. Vor dem 6. Lebensjahre fand sich

Archir f. Schiff«* u. Tropeohygicne. 2S?

Digitized by Google

422

nicht ein einziges leprakrankes Individuum. Nachdem’ alsdann noch O. v. Petersen (Petersburg) kurz Uber die Ausbreitung der Lepra und ihre Isolirung gesprochen, wurden zum Schluss noch 3 Lepra- kranke vorgestellt, unter welchen besonders derjenige Buzzi's inter- essirtc. Kr will in diesem Falle mit dem Carrasquilla’schen Serum bei weitem bessere Resultate erzielt haben als mit irgend einer früheren Methode.

Die erste zu Discussion gestellte Frage des zweiten Sitxungs- tages, in wieweit man berechtigt sei, den Leprabacillus als die Ursache der Krankheit anzusehen, wird wohl heute allge- mein zustimmend beantwortet werden.-

Zwar ist, wie Ne iss er in seinem Referate ausführte, der volle und unanfechtbare Beweis, dass die Leprabacillen die Ursache der Krankheit seien, noch ausstehend. Denn alle bisherigen Versuche, Culturen von Leprabacillen herzustellen und 'durch Verimpfung der- selben auf geeignete Tiere bei diesen die Krankheit zu erzeugen, sind misslungen. Trotzdem können wir aber heute daran festhalten, «lass der Leprabacillus die Ursache der Erkrankung ist, denn bei allen klinisch sicheren Leprafllllen wird der Bacillus constant gefunden. Freilich konnte Kaposi 2 Fülle von Lepra tuberosa maculo-anaesthe- tica beobachten, bei welchen die sorgfältige bacterinlogisch-histologische Untersuchung der Knoten nnd des Blutes Leprabacillen nicht nach- zuweisen vermochte. Daraus folgert Kaposi, dass die Diagnose auch der Lepra tuberosa nicht absolut von dem Nachweise der Bacillen ab- hängig gemacht werden darf, sondern auf Grund des klinischen Be- fundes allein dargestellt werden muss, wenn dieser der bisherigen Er- fahrung über klinische Symptome der Lepra entspricht. Von Lepra maculosa et nervorum sei dies bedingt feststehend. Gegenüber Hansen, welcher an der Diagnose Lepra in diesen Fällen zweifelte, konnte Bergengrün aus Riga feststellen, dass einer der von Kaposi be- obachteten Kranken in das Leprosorium zu Riga aufgenommen, dort an typischer Lepra gestorben sei nnd gegen Ende Bacillen gezeigt habe. Vielleicht zeigte also dieser Fall nur ausnahms- weise in gewissen Stadien das Fehlen der Bacillen und würde den oben schon citirten, von N e i s s e r aufgestellten Satz der constanten Bacillenbefunde bei Lepra nicht erschüttern. Dabei sei ganz belanglos Wohnort, Lebensweise, Ernährung, Klima, Rasse, Alter, Geschlecht des einzelnen Kranken, sowie die Krankheitsform im einzelnen Falle. Noch mehr aber, es lasse sich jedes einzelne dem klinischen Bilde der Lepra angehörige Symptom auf einen bacillenhaltigen pathologisch- anatomischen Process zurückführen. Neisser glaubt, dass die Diffe- renzen der beiden in ihrer extremen klinischen Ansbildung so auf- fallend verschiedenen Krnnkheitsformen der tuberösen und der maculo- anaeathetischen Lepra sich durch die Annahme einer quantitativen Differenz der jeweilig wirksamen Bacillen verstehen lassen. Für die Annahme einer wechselnden Virulenz der Bacillen fehlt uns vor der Hand jeder Anhaltspunkt. Vielleicht könnten aber äussere und zu- fällige Einflüsse die Vermehrungsfähigkeit eingedrungener Bacillen in

Digitized by Google

423

den befallenen Menschen und auch diu Locaiisation seihst beuinHussen. Dann hätten nach der Annahme Hansen'« Klima, Witterung, Lebens- weise, Beschäftigung im einzelnen Falle einen Einfluss auf die klinische Form der Lepra and könnten es erklären, weshalb in manchen Gegenden die tuberösen, in andern die anaesthetischen Formen vor- herrschen.

Gegenüber dieser heute von keiner Seite mehr bezweifelten Aetiologie machten sich schon bei der zweiten Frage, welches sind die Wege der Uobertragung die weitgehendsten Verschiedenheiten geltend. Besonders bemerkenswert scheint mir, dass Sticker nach seinen Untersuchungen von mohr als vierhundert Leprakranken in Indien (Bombay und Nasik) sowie in Aegypten den bisher verborgen gebliebenen Primäraffect der Lepra entdeckt zu haben glaubt. Nach Beiner Anschauung sei der Primärafleet der Lepra eine specifische Läsion der Nusenschleimhaut, meist in Form einos Geschwüres Ubei dem knorpligen Teil des Septum. Der Primäraffect, welcher im Ver- laufe der Krankheit in alle Formen der chronischen Rhinitis bis zur Ozaena und zur Nekrose des Nasengerüstes ausarten kann, sei im Latenz- stadium der Krankheit vorhanden. Oft, wie sich aus der Anamnese ergebe jahrelang vor den ersten Knoten in der Haut oder der ersten Zeichen am Nervensystem. Ueber die Häufigkeit des Primäraffeetes in der Nase gaben folgende Zahlen Aufschluss. Von 153 Leprakranken liessen nur 13 die deutlichen anatomischen Veränderungen in der Nase vermissen. Von diesen hatten aber 9 im Excret der scheinbar gesunden unteren Nasengänge reichliche Leprabacillen, sodass auf 153 Lepröse eigentlich nur 4 ohne Leprose der Nasensehleimhaut kamen. Unter diesen 163 Leprösen litten 68 an Knotenlepra, 68 an Nervenlepra und 27 an der gemischten Form. Anf die 58 Patienten mit Knotenlopra kamen nur 2, auf die 68 mit Nervenaussatz 23, auf die 27 mit Lepra mixta nur einer, bei welchen das Nasenexcret keine Bacillen bei ein- oder zweimaliger Untersuchung enthielt. Im Ganzen wurde also 128 Mal unter 153 Kranken der Nasenausfluss bacillenhaltig gefunden. Danach glaubt Sticker, dass der Primäraffect der Lepra als activer Krankheits- herd während der ganzen Dauer der Krankheit von ihrem latenten In- cubationsstadium bis in die letzten Stadien der nusgebildeten Lepra- formen bestehe. Daher müsse einer Ausheilung der manifesten Lepra die Verödung des Primäraffeetes in der Nase vorausgehen. Der Primär- affect der Lepra and seine Umgebung in der Nase sei zugleich der Ort, von welchem die Leprabacillen regelmässig und in ungeheuren Mengen an die Umgebung des Kranken abgegeben werden. Nur das eitrige Sputum einzelner Lepröser (23 auf 153) enthalte annähernd so zahlreiche Bacillen, wie das leimartigo oder eitrige Excret der kranken Nasensehleimhaut Die andern Ausscheidungen der Lepröson, ein- schliesslich des Secrets ihrer Ulcera kämen im Vergleich hierzu für die Verbreitung der Bacillen nach aussen nicht in Betracht. Die Uebertragung der Lepra vom Kranken auf den Gesunden erfolge von Nase zu Nase, meist wohl unmittelbar, wie im innigon Verkohr der Geschlechter, der Eltern mit don Kindern u. s. w., seltener mittelbar

29*

Digitized by Google

424

durch Tücher oder beschmierte Hitnde u a. Die Weiterverbreitung der Leprabacillen geschehe vom Primäraffect in der Nase auf den übrigen Organismus der Regel nach durch die Lymphwege, in ein- zelnen Füllen nach Art der Miliartuberculose durch die Blutbahn. Gegenüber diesen Anschauungen konnte Arning mit Recht darauf hinweisen, dass dieselben nicht nur weit übertrieben, sondern auch nicht neu seien. Er wies darauf hin, dass er mit Sicherheit einen Primäraffect am Unterarm eines Leprösen beobachtet habe. Man habe schon früher auf die Erkrankungen der Nase geachtet, indessen zu- weilen hier den Ausgangspunkt nicht finden können. Bemerkenswert ist, daBS Arning eine enorme Vermehrung der Bacillen fand, wenn er lepröse Hautstücke in Wasser sogar bis 8 Monate faulen liess. Man konnte sich hiervon an seinen Präparaten mit Sicherheit überzeugen.

Von grossem Interesse scheinen mir die Untersuchungen Schaef- fer's zu sein, welche derselbe in der Breslauer Klinik angestellt hat Er glaubt, dass die Leprabacillen selten durch die Haut den Körper verlassen. Dagegen fand er, dass tausende von Bacillen beim Sprechen den Mund verlassen. Es wurden Objectträger in der Umgebung des Kranken niedergelegt und in 10 Minuten konnte man 183000 gut färb- bare Bacillen ausgeworfen finden. Selbst noch 1 '/« m davon entfernt konnte man sie nachweisen. Ebenso wurden beim Niesen Unmengen in weiter Entfernung, 2—3 m, ausgoworfen. Als Erklärung dafür kann es dienen, dass auf der Schleimhaut die Leprabacillen ausserordentlich reichlich sind. Beim Husten werden allerdings nicht so viele Bacillen ausgeworfen, weil die Lungen bei der Lepra wenig betheiligt sind. Es wurden alsdann in weiterer Fortsetzung dieser Versuche die Schleim- häute gut gereinigt, desinficirt und mit dem Argentumstift behandelt. Aber selbst dann fanden sich in der Umgebung des Kranken noch immer hunderte von Bacillen. Es lässt sich daher die Quelle der In- fection zwar wohl vermindern, aber nicht verstopfen, und bemerkenswert ist noch, dass die Bacillen den Körper in dem für ihre Verbreitung sehr günstigen feuchten Zustande verlassen. Man sieht leicht ein, von welcher grossen Wichtigkeit diese Untersuchungen für die prophylac- tischen und sanitären Massnahmen sind.

Im Anschluss hieran machte Petersen Mittheilung über die Frage: Wie fängt die Lepra an und in welchen Formen? Es wurden an die Aerzte Meldekarten verschickt und aus 1200 solcher einge- gangenen Karten ergiebt sich, dass es sich in 783 Fällen (65,7*/») um Lepra tuberosa, in 315 Fällen (26,4 °/o) um Lepra macula nervosa und in 94 Fällen (7,8 °/o) um Lepra mixta handelte.

Beide Geschlechter erkrankten ziemlich gleich häufig, doch scheinen Männer etwas häufiger die Knotenform, Frauen die Fleckeo- form aufzuweisen. Die Mehrzahl der Leprösen befand sich im Alter von 20 30 resp. 30 40 Jahren. Merkwürdigerweise bemerkten 71 Personen die ersten Erscheinungen in einem Alter von über 60 Jahren, von diesen sogar 5 im Alter von über 70 Jahren. Dagegen wurden im Alter von 2 bis 6 Jahren nur 13 Fälle constatirt. Die bei weitem grösste Anzahl der Leprösen gehört dem Bauern- und niedarn

Digitized by Google

425

Bürgei>tande an, doch kamen vereinzelte Fülle mich unter den höheren Ständen vor. Aua den weiteren Mittheiluugeu war ersichtlich, dass in Russland die Leprsfrage ernste Beachtung gefunden hat und die ersten Schritte zur systematischen Bekämpfung gemacht werden. Durch die Anzeigepflicht hofft man möglichst genaue Kenntnisse Ober die Verbreitung der Lepra in Russland zn erhalten und gleichzeitig Daten zu flxiren, die uns mit der Zeit die Frage, ob die Lepra ab- nimmt, folglich die ergriffenen Massnahmen (Einrichtung von Lepra- asylen resp. Colonien) wirksam sind, beantworden werden. •)

Freilich darf im Anschluss hieran nicht übersehen werden, dass alle solchen durch Pspiermaterial erhaltenen Resultate immer ihre Be- denken haben. Dem gab auch A. Grünfeld Ausdruck. Er schloss sich der Meinung Neisser's an, dass man auf Grund derartige1, Statistiken keino zu weit gehenden Behauptungen aufstellen dürfe. Er teilto folgende nicht uninteressante Thatsache mit. Im Gebiete der Don'schen Kosaken seien ihm von solchen Meldungszetteln circa 70 seitens der Medicinalbehörde übergeben worden. Es stellte sich nun heraus, dass keiner in seinem Inhalte der Wahrheit entsprach, und dass die Zahl der Leprösen auf 120 in kurzer Zeit ge- stiegen sei. In einem Kreise, welcher 226000 Einwohner zählt, sind nur zwei Aerzte dazu da, medizinische Hilfe zu leisten. Dieselben müssen auch Berichte Uber die Lepra erteilen. Der Eine gab sogar die offfcielle Antwort, dass in seinem Bezirke keine Leprösen vorhanden sind. Es stellte sich aber heraus, dass nach sehr kurzer Zeit in dem Bezirke Uber 60 Fälle von Lepra constatirt wurden. Was man aus einer auf solche Art ermittelten Statistik schliessen könne, sei leicht ersichtlich.

Von nicht geringer Wichtigkeit für die Frage der Uebertragung scheinen anch die Bemerkungen G e i 1 1 ’s. Nach seinen Beobachtungen traten in Holländisch-Indien in mehr als 50°/o aller Fälle, die er gesehen hatte, die ersten Symptome an den Füssen auf, resp. beinahe immer erschienen sie an peripheren Teilen. Meist wurden Leute betroffen, die ohne Schuhe und Strümpfe herumgelaufen waren, welche also viel- fach an Fnsswunden nnd Schrunden gelitten hatten, ln 4 Fällen konnte er durch die Anamnese unzweifelhaft feststellen, dass eine Pemphigusblase am äusseren Fussrande da war, ehe auch nur ein einzelnes Symptom der später aufgetretenen Lepra da war. Hier würde also die Pemphigusblase eine Art Primäraffection dargestellt haben. Er hofft, dass nach dieser Richtung weitere Untersuchungen angestellt werden, besonders in tropischen Ländern, wo die Leute barfass herumlaufen. Auch die Localisation deute auf Infection resp. Inoculation vom Boden aus hin, vielleicht in kleinen Schrunden. Er habe einen Fall gesehen, wo ein Mann auf einen Stein getreten war, wodurch eine Wunde an der Fusssohle verursacht wurde, die lange Zeit zur Heilung brauchte und wonach während der Zeit eines Jahres

*) Nach Zeitungsnachrichten ward« ln Russland kürzlich ein Aussätziger wegen Marktdiebstahls verurthellt. Die Insassen der Lepra-Asyle sollen frei and ungehindert ausgehen 1 Anm. d. Red.

Digitized by Google

426

unter auffallenden nscendirenden Symptomen eine Lepra nutculo- anaesthetica sich auabildete. Der Mann war vorher gesund, lebte aber in einer Gegend, wo zahlreiche Lepröse waren. G e i 1 1 hat ferner 2 Fülle gesehen, wo Lepra anaesthetica auftrat, naehdom die Leute früher in einen Nagel getreten waren. Die betreffenden Wunden waren zur Zeit, als er die Kranken sah, in mal perforant du pied ent- artet. Nach seiner Meinung deute daher das endemische Auftreten der Krankheit darauf hin, dass im Boden das eventuelle Lepravirn3 hause.

(Fortsetzung folgt.)

In der tropenhygienischen Soktion der 6 9. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, welche vom 20. bis 25. September d. Js. zu Braunschweig tagte, lieferte Herr Dr. Ernst Schön ans Borlin ein ausführliches Referat Uber folgende, von dem Vorstande der deutschen Colonialgesellschaft zu Berlin gestellte Fragen : I. Empfiehlt es sich und entspricht es einem Bedürfnisse, in Deutschland etwa im Anschluss an eine bereits bestehende oder anderweitige Heilanstalt ein Reconvalescentenheim für Tropenkranke unter sachkundiger Leitung zu errichten? und im Bejahungsfälle

H. Welche Region und Höhenlage, ob Meeresküste, Mittelgebirge, Alpenvorland u. s. w. eignet sich hierzu am besten ?

Referent erörterte zuvörderst die theoretische Frage, welchen wissenschaftlichen Werth eine C en t r al isiru n g aller der mannig- faltigen Affectioncn und Nachkrankheiten habo , an denen die aus den Tropen heimkehrenden Beamten, Kaufleute, Officiere, Matrosen, Colonisten, ja selbst Eingeborene, welche womöglich auch zu berück- sichtigen seien, leiden, und des Ferneren, ob einem derartigen Krankenmaterial zum Zwecke der Unterweisung angehender Colonial- Srzte eine grosse Bedeutung beizumessen wäre.

Erstcre Frage konnte der Redner in gewissem Sinne bejahen. Ein Sanatorium dieser Art würde, so führte er aus, unter Leitung eines erfahrenen Tropenarztes den Kranken solbst durch einheit- liche Beurtheilung seines Leidens und genaue Beobachtung der bei Tropen-Affektionen ja vielfach periodisch wiederkohrenden Symptome von wesentlichem Nutzen werden und ferner auch der Wissenschaft durch Ansammlung eines gewissen, nach verschiedenen Seiten werth- vollen Materials zu erheblichem Vortheile gereichen. Auf der anderen Seite gab er zu bedenken, dass die Clientei eines solchen Sanatoriums sich immer zum weitaus grössten Theilo aus Angehörigen der ge- bildeten, besser situirten Klassen zusammensetzen würde, welche nur ausnahmsweise bereit sind, sich als Material für wissenschaft- liche Untersuchungen herzugeben. Nie könnto das geplante Institut eine auch nur annähernd so werthvollo wissenschaftliche Ausbeute liefern, als etwa das Hamburgor Krankenhaus mit soinen vielen aus Mannschaften der Handelsflotte sich rekrutirenden Patienten, Charing Cross-Hospital in London mit seinem Riesenmaterial der Indian-Doekz, die Krankenhäuser in Amsterdam und Harderwyk, in welchen die krank

Digitized by Google

427

aus Niederländisch Indien und Surinam heimkehrenden Beamten, Sol- daten, Seeleute und dergleichen Aufnahme fänden u. b. w. Aus den- selben Gründen würde ein Sanatorium auf deutschem Gebiet auch als Lehr-Anstalt für angehende Tropenärzte nur eine sehr geringe Bedeutung gewinnen.

Einen oder den anderen Fall von Beri-Beri, gewisse Formen der Tropen-Malaria, würden die jnngen Lento wohl zu sehen bekommen, andere wichtige Affektionen aber, welche mehr die ärmeren Klassen der in den Tropen weilenden Bevölkerung, vor Allem die Eingeborenen befallen, wie Blattern, Filaria sanguinis, Lepra, würde er hier wohl nie antreffen. In dieser Richtung würden ihm Studien in den Tropen selbst, besonders in den grossen, trefflich organisirten Krankenhäusern von Britisch- und Niederländisch-Indien, weit förderlicher soin.

Aber auch in der Heimath steht angehenden Kolonialärzten ein nicht unbeträchtliches Material zum Studium einer Reihe von Affektionen der heissen Länder schon jetzt zur Verfügung, da Geh. Rath Prof. Gerhard bereits seit länger als Jahresfrist auf der II. inneren Klinik des Charitee-Krankenhauses zu Berlin aus den Tropen heimkehrenden, erholungsbedürftigen oder kranken Europäern und auch Eingeborenen kostenlos Aufnahme gewährt, ein Material, welches schon jetzt wissen- schaftlich auf das Gründlichste ausgenutzt wird.

Endlich aber und vor Allem erscheint es fraglich, ob das Ver- weilen in einer Centrale dieser Art den Kranken selbst mehr Nutzen bringen wird, als der Aufenthalt in schon längst bestehenden Kur- anstalten und Bädern Deutschlands oder Oesterreichs, in welche ja auch das Ausland so häufig seine tropenkrnnken Söhne und Töchter entsendet Denn und hiermit kommt Referent auf' Punkt II des zur Diskussion gestellten Problems ob man sich nun bei Anlage des Sanatoriums für Höhenlage in Mittelgebirge oder Alpenvorland, oder auf der anderen Seite für die Meeresküste entscheidet, immer hat eine Ccntralisation den grossen Fehler, dass man nur einer bestimmten kleinen Gruppo von Tropen -Reconvalescenten die für sie gerade passenden Vortheile wird bieten können.

Bei der grossen Mannigfaltigkeit der Malaria-Gruppe mit ihren Nachkrankheiten muss es vor Allem darauf ankommen, in der Auswahl der Heilfaktoren streng zu individoalisiren. Einer Reihe an Malaria-Anämie leidenden Europäern wird die Höhenluft mit ihren die Oxydation des Blutes steigernden und zu schnellerer Neubildung der Blutzellcn führenden Einflüssen vortreffliche Dienste leisten, während für Andere das Seeklima mittelst seiner den Stoffwechsel fördernden und Appetit anregenden Eigenschaften in Betracht kommt. Man könnte freilich neben der Centrale je eine Filiale in den Bergen und an der See errichten, aber gemeinsame Momente für die Therapie aller der Folgeerscheinungen und Nachkrankheiten auch der zahllosen anderen Affektionen der heissen Länder, wie Pest, Ruhr, Cholera, Beri-Beri u. s. w., zu finden, dürfte denn doch recht schwer werden.

Nach Ansicht des Referenten ist es ungleich wichtiger, bevor man dio Gründung eines Sanatoriums in der Heimath ins Auge

Digitized by Google

fasst, wo den zurtlekkohrenden Tropen-Reconvaieacenten eine lange Reihe renommirter Bäder and Kurorte für alle Arten von Leiden zur Verfügung steht, vor Allem an die Anlage von Gesundheitsstationen in den klimatisch ungünstigen Theilen der deutschen Schutz- gebiete selbst zu denken, Stationen, wie solche die anderen colonisirenden Nationen, namentlich Engländer und Holländer, in ihren tropischen Besitzungen in beträchtlicher Zahl und grosser Voll- kommenheit seit Langem besitzen. F. Kronecker.

Am 29. October hielt in Berlin die Arbeitsgruppe für Schiffs- und Tropenhygiene d er D eu tsch eu Abt h eilung der Pariser Weltausstellung 1900 ihre erste Sitzung unter dem Vorsitze Sr. Durchlaucht des Prinzen Arenberg. M

V. Zur Besprechung eingegangeneBücber und Schriften.

F. Bnrot et M. A. Legrand. Les troupes coloniales, II. Maladies du Soldat aux pays cbauds. Paris 1897.

Annali d'igiene sperimentale, fascicolo IV 1897 Rom, Societk editrice Dante Alighieri.

E. Below. Die Melanurie, ein Kunstprodukt der Chininsalze. Vor- trag. Berl. klin. Wochenschrift 1897 No. 46.

Dr. Georg Kolb, Beiträge zu einer geographischen Pathologie Britisch- Ostafrikas. 1897, Giessen, C. v. MUnchow.

Marine-Rundschau, Heft 1 1. 1897. Berlin. Mittler & Sohn.

Druckfehlerberichtigungen.

Heft 6 Seite 832 Absatz 4 lies: Eykmann, van der Scheer und Kohlbrugge fanden beim Tropenbewohner weder die Anzahl der ruthen Blutkörperchen, noch den Hämoglobingehalt vermindert. (Nicht vermehrt ) S. 3*9. 6. Zeile von oben statt „des“ lies „Uber“.

17. unten „auch“ „noch“.

14. „Reiskost“ „Reistafel“.

4. „dieses“ „seines“.

S. 340. 19. Zeile von oben statt „Mehl“ lies „Mahl“.

24. „Mehlspeise“ „Mahlzeit“.

32. „seine“ „weitere“.

33. 35. Zeile von oben statt „Während eine Erkrankung an Beriberi anhaltend ist, vermutlich durch Exacerbationen und Recidive, sieht sie Grimm“ lies „Während einer Erkrankung an Beriberi aaf- tretende vermeintliche Exacerbationen und Recidive siebt Grimm“.

36. Zeile von oben statt „complicirtes“ lies „nncompilclrtes.“

37. „verlief“ „verläuft“.

38 „bei der“ „bis znr“.

8. 841. 5. Zeile von oben statt „ymptomen“ lies „Symptomen“.

Bemerkung. Der Verlag des Archivs geht vom 1. Januar 1898 ab an die Firma Johann Ambrosius Barth in Leipzig Uber.

Die Red.

Digitized by Google

Archiv

für

Schiffs- und Tropen-Hygiene,

unter besonderer Berücksichtigung der

Pathologie und Therapie

unter Mitwirkung von

Prof. Dr. BAELZ, Tokio, Dr. BASSEN (JE. Cassel, Dr. BOMBAKDA, Lissabon, Dr. van BRERO, Buitenzorg, Dr. do BRUN, Beirut, Dr. BRI'NllOFF, Kiel, Dr. BUSCH AN, Stettin, Dr. de CARRASQUILLA, Bogota, Prof. Dr. H. COHN, Breslau, Dr. DAEUBLER, Berlin, Dr. DRYEPONDT, Brüssel, Prof. Dr. F1RKET, Lüttich , Dr. FISCH, Aburi (Goldküste), Dr. GLOGNER. Samarang, Dr. GOLD- SCHMIDT, Paris-Madeira, Dr. HEY, Odumase (Goldküste), Dr. van der HEYDEN, Yokohama, Dr. MAX JOSEPH, Berlin, Dr. KOHLBRTTC.GK, Tosari (Java), Dr. KROHN, Madeira, Dr. KRONECKER, Berlin, Dr. LEHMANN, Schlachtonseo, Prof. Dr. LEICHTENSTERN, Köln, Dr. LIEBENDOERFER, Kalikut (Vorderindien), Dr. LLER, Mexico, Hofrat Dr. MARTIN, München, Prof. Dr. MONCORVO. Rin de Janeiro, Dr. MONCORVO jr., Rio de Janeiro, Dr. NOC1IT, Hamburg, Dr. A. PLEHN, Kamerun, Dr. F. PLEHN, Tanga, Obennedizinalrat Prof. Dr. RENK. Dresden, Dr. REYTTER, Bangkok, Dr. RHO, Rom, Dr. RICHTER, San Francisco, Dr. 0. ROSENBACH, Berlin, Dr. ROTHSCHUH, Managua, Geheimrat Prof. Dr. RUBNER, Berlin, Dr. von RUCK, Ashville, Dr. RÜGE, Kiel, Dr. RUMPEL, Hambuig- Eppendorf, Prof. Dr. SANARE1JLI, Montevideo, Dr. SANDER, Wiud- hoek, Dr. SCHELLONG, Königsberg, Sanitatsrat Dr. SCHEUBE, Greiz, Dr. SCHOEN, Berlin, Dr. 8CHWALBE, Los Angeles, Dr. ULLMANN, Wien. Dr. WITTENBERG, Kayintschu (Süd -China), Dr. Z1EMANN, Berlin,

und mit besonderer Unterstützung der

DEUTSCHEN KOLONIAL- GESELLSCHAFT

hanasf*g*b«n von

Dr. C. Mense, Kassel.

2. Sand.

Leipzig, 1898.

Johann Ambrosiuu Barth.

Digitized by Google

Inhaltsverzeichniss von Band II.

Heft L

X. Originalabhandlungen.

Kehreber, Dr., Assistenzarzt 2. Kl. in der Kaiserlichen Schutztruppe für

Deutsch -Ostafrika. Eine Grünspanvergiftung beobachtet zu Pangani 1—4 Kohlbrugge. Dr. J. H. F., prakt. Arzt am Sanatorium Tosari (Ost-Java).

Malaria und Höheuklima in den Tropen 5 27

Kolb, Georg, Dr. med., Wiesbaden. Die Filaria Kilimarae in Britisch-

Ostafrika 28 53

II. Besprechungen und Litte raturangaben.

a) Hygiene, Physiologie u. Statistik.

Die Pocken-lmpfung in Britisch-lndien 54—37

Freymadl, Marines‘absarr.t Dr., Über Bekleidung und Gepäck bei Lan- dungen in den Tropen SS

Kohlbrugge, Dr. J. H. P., dir. Arzt des Sanatoriums zu Tosan auf Java,

Das Höhenklima tropischer Inseln, verglichen mit dem der Schweiz

in Bezug auf Veränderungen des Blutes 38—39

Pestnachricbten 59

h) Pathologie und Therapie.

Beri-Btri.

Eykmau, Dr., direkter van hut laboratorium voor pathologische anatomie eil bacteriologie te Batavia. Poiineuritfe by hoenders, nieuwe hv- dragen tot de aetiologie der ziekte. 59- 48

Vordermann, Dr., Onderzoek naar het verband tusschen den aard der rystvoeding in de gevaugenissen op Java en Madoora en het voor- komen van Beri-Beri onder de geinterneerdeu ....... 49—54

Dysenterie.

Kartnils, l)r„ Arzt am Rogierungshospital zu Alexandrien, Dysenterie 57-58 c) Sonstige Werke.

Poskin, Dr. A., L’Afrnjue eguatoriale, climatologie, nosologie, hygiene 58—43

in. Vereammlungsberichte.

Die internationale wissenschaftliche Lepra-Conferenz zu

Berlin. Schluss 63-4*

Zur Besprechung eingegangene Bücher und Schriften 88

Druckfehler u. Berichtigungen

Digitized by Google

111

Holt II.

I. Originalabhandlungen.

Seite

Rothsrhuh, Dr. Ernst, Managua. Trcpenmedicinische Erfahrungen aus

Nicaragua 69—92

Menge, Dr. Carl, Eine Umfrage über das Schwarzwasserfieber . . 92

Leistlkow, Dr. Leo, Hamburg. Das Ichthyol in seiner Verwendbar- keit für die Schiffs- und Tropeu-Praxis 98—99

II. Besprechungen und Xiitteraturangaben.

a) Hygiene, Physiologie und Statistik.

Patrick Mangen. The necessity for special education in tropical medicine 100

Pestnachrichten 100

Reagenskasten zur Herstellung keimfreien Trinkwassers nach Schumbarg 100 102 Castellau. Du climat maritime de la Tunisic et de son influence patlin-

logique sur le pouinon, le cocur et le foie 102

h) Pathologie und Therapie.

Beri-ßeri.

Eykman, C. Zur Abwehr li

Ejkman, C. Beri-beri en voeding 103—1

Walter K. Hunter. A oontribution to the etiology of beri-beri . . io.

Malaria.

Below, Dr. Die Melanurie, ein Kunstproduct der Chininsalze . . 104 105

St&mmeshaus, W. Febris intermittens perniciosa 105

Ronald Ross. On some peculiar pigmented cells found in iwo mos-

q ui tos fed on malarial blood 106

Voorthuis, Dr. A. Een geval van pernicieuse malaria 106—107

Lnhbers, Dr. A. E. H. Eenige Gegevens ointrent Pelantoengan als

herstellingsoord voor malarialyders 107

llrown, W. C., Widal's reaction in the tropics . 108

Gray, St. Geo. Euchinin in malaria 108

Mae Callum, W. G. On the flagellated form of the malaria parasite 108

Lawrle, Et On the flagellated form of the malaria parasite , . 108

Nage), Dr. O. Ueber klimatische Bubonen 109

Dysenterie.

Wyatt Smith, Magnesium sulphate in tropical dysentery .... 109

Lepra.

Bergmann, A. v. Die Lepra 109 110

Abraham, Phineas S. Uebersicht über die Lepra im Britischen Reiche 110

Schlafsucht der Neger.

Antonio Olympio Cagigal e Charles Lepierrc. A doenya do somno

e o seu bacillo 110 112

Pest.

Dlendonnd, Dr. Ueber die Resultate derYersin’schen und Haffkine'schen

Immunisierungs- und Heilungsversuche bei Pest 112 118

Parasitäre und Hautkrankheiten.

Patrlk Mausen. On certain new species of nematode haematozoa

oocurring in America 114

Digitized by Google

IV

Seit«

Maclsuri. Note sur une affection designee dans la boucle du Niger

et le pays de Kong sous les noms de Goundou et Anakrc (gros nez) 114

Slrube. lieber das endemische Vorkommen von Parasiteneiern und

-lanen im Harn der Bewohner von Natal uDd Transvaal . . . 114 1 15

Rüge, Dr. Rein hold. Kin Beitrag zum Krankheitsbilde des Eczema tropicum 1 1 j

Thierische und / ifiatizliche Gifte.

Calmette, Dr. A., Le veuin des serpents, Physiologie de l’evenimation.

Traitement des morsures venimeuses par le Serum des animaux vaccines 110 lig

IIT. Sonstige Werke.

Rho, Dr- Filippo. Malattie predominanti nei paesi caldi et temperati 116 119 Freiherr Stromer von Kelclienbach , Dr. Ernst. Die Geologie der

deutschen Schutzgebiete in Afrika 119 124

Heft III. -

I. Originalabhandlungen.

Plelm, Dr. Albert. Die Dysenterie in Kamerun 125 ISS

Dempnolif, Dr. Otto. Ärztliche Erfahrungen in Xeu-Guinea .. . 134 166

Sehellong, Dr. 0. Zur Frage des prophylactischen Chiningebmuchs

in tropischen Malariagegenden 167 176

II. Besprechungen und Litte raturangaben.

a) Hygiene, Physiologie und Statistik.

Hcheuck, Dr. Paul. Leber Schiffshygieno 177

Daniiell, Dr. Gesundheit, Verhältnisse auf der Gazelle-Halbinsel . . 178

Gazeau, Dr. Les pedbeurs de Terre Neuve 178— 179

Thlnra, Dr. Le recrutement « la Reunion 179

Dürre und Hungersnot in Vorderindien (Dr. Kronecker) 180 183

Arcurso, 8. Hrevi cenni sulle condizioni climatico-igieniche del Benidir 183— 184

Pestnachrichteu 184

b) Pathologie und Therapie.

Beri-Beri.

D Buhler, Dr. Karl. Die Beri-Beri-Krankheit 184—186

llirotn, Z. lieber die durch die Milch der an Kakke leidenden Frauen

erzeugte Krankheit der Säuglinge 186

Malaria.

Koch, Prof. Dr. R. Aerztliehe Beobachtungen in den Tropen . . 186 189

Dysenterie.

Bertram, Dr. L. E. Contribution ü la pathogenie de la dysenterie . 189

HI. Sonstige Werke.

Rho, Dr. Filippo. Malattie predominanti nei paesi caldi e temperati 189 192 Redaktions-Briefkasten.

Robert Koch und die Schwarz wasserfieber-Frage (Dr. E. Below) . . 192 194

Digitized by Google

V

Heft IV.

I. Originalabhandlungen.

Schwalbe, l)r. Carl. Klima und Krankheiteu von Südkalifornien 190 217

Rüge, Dr. Reinhold. Zustande in spanischen Miiitärlozarethen der alten u. neuen Welt und der Krankenbewegung sowie der Sterb- lichkeitsverhältnisse des spanischen Heeres auf Cuba während des

Jahres 1897 218-23S

Plelin, Kr. Albert. Die bisher mit dem Euchinin (Zimmer) gemachten

Erfalirungeu 234 235

Arimond, Dr. Brief aus Kinutschou 238 241

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

a) Hygiene, Physiologie und Statistik.

Kohlbrnggc, Dr. J. H. K. Die Krankheiten eines Bergvolkes der

Insel Java ... . 242 244

Rnge, Dr. Kelnhold. Zur geographischen Pathologie der Westküste

Südamerikas 244

Koch, Prof. Dr. R. Ueber Westusambara in sanitärer Beziehung . 243

Rasch, Dr. Clir. Ueber den Einfluss des Tropenklimas auf das Nerven- system 245

Pe.stnachrichten 24b

b) Pathologie und Therapie.

Malaria.

Larermn, Prof. Dr. A. Traite du paludisme 247—258

Koch, Prof. Dr. R. Das Schwarzwasserfieber 253—254

INfring, Dr. Ein Beitrag zur Kenntnis« der Kamernu-Malaria

Pest.

Koch, Prof. Dr. R. Ueber die Pest 255—257

Icterus.

Goedhnis Rail und Ejkman, Een geval van Icterus febrilis . . . 257—258 C. L. Rense, Over den Icterus febrilis 258

Parasitäre Krankheiten.

Kartalls, Dr. St. Weitere Beiträge zur pathologischen Anatomie der

Bilharzia 258—259

Viehseuchen.

Koch, Prof. Dr. B, Berichte über die Forschungsergebnisse aus

Deutsch-Ostafrika 259—280

Digitized by Google

VI

Chirurgie.

Porteu^a, Dr. J. A. Byd ragen tot de Kenuis van den 'aard der

verwondingen in den toekomstigen zeeoorlog 260

III. Sonstige Werke.

Hbn, Dr. Filippo. Molattie predominanti nei paesi caldi e temperati.

(Fortsetzung) 260— 262

Justus Pertbes’ Deutscher Marine-Atlas 262

Heft V.

I. Originalabhandlungen.

Seineleder, Dr. Friedrich. Malaria in der Hauptstadt Mexico . 263—268 Plehn, Dr. Albert. Zur Calomel behandln ng der Dysenterie ... 268

Rüge, Dr. Ttelnhold. Hygienisches und Sanitäres aus Habana . . 269—274 DempwolfT, Dr. Ott«. Aerztliehe Erfahrungen in Neu - Guinea

(Fortsetzung und Schluss) 275 SüO

11. Besprechungen und Litteraturangaben.

a) Hygiene, Physiologie und Statistik.

Bnrot, F. et Legrand, M, A. Los Troupes Coloniales. Statistique

de )a Mortalite. Paris, Bailiiere et Fils 1897 301

Statistica sanitaria dell’ armata per gli an» 1895 e 1896. Ministero

della marina, Rom 1898. Cecchini, Ludovico 302

Rasch , Dr. Ch. Zur geographischen Pathologie Siams 303

Pergens, E. Les yeux et les fonctions visuelles des Congolais . . 304

Pestnachrichten 305

b) Pathologie und Therapie.

Malaria.

Btm, P. Ueber die Wirkung des Chinins auf die Leukocyten . . 305

Zlcmann, Dr. Hans. Ueber Malaria- und andere Blutparasiten . . 306 - 322

Beri-Beri.

Grimm, Dr. F. Ueber Beri-Beri 3*2

ILL Sonstige Werke.

Rho, Dr. Filippo. Malattie predominanti nei paesi caldi e temperati

(Fortsetzung) . 324

Borei, Dr. Comment on devient Medecin d’un Paquetbot .... 326

Zur Besprechung eingegangene Werke 327

Digitized by Google

VII

Heft VI.

I. Originahabhandlunge.

BmU

Scheube, Dr. B. Die Beri-Bori- Epidemie im Richmond Asylum

in Dublin 329—841

Kohlbrugge, Dr. J. F. H. Therapeutische Mittheilungen aus der

Tropenpraxis 842 344

Zlemann , Dr. Hans. Kurze Bemerkungen über die Theorie der Maiariaübertragung durch Mosquitos und über Geisselformen bei Blutkörperparasiten 845 855

TI. Besprechungen und Litteraturongaben .

a) Hygiene, Physiologie und Statistik.

Fontaine, Notes sur la mortalite des troupes d'infanterie et d'artillerio

casernees en Cochinchine 356 357

Burot, F. et Legrand, M. L. Les Troupes Coloniales. II. Malad ies

du Soldat aux pays chauds 857 359

Gries, Considerations generales sur la morbidite et la mortalite de

l’anoee 1897. (Martinique) 859

Kermorgant, A. L’assistance publique aux colonies 359—361

Körfer, Dr. Die Acclimatisation des Europäers in den Tropen . . 361

Plehn, Dr. F. Die Kamerunküste 862 865

Pestnachrichten 365

b) Pathologie und Therapie.

Malaria.

Clarac, Notes sur le paludisme obeerve i Dakar . 366

Lepra.

Pierre. L. E. Rapport sur les conditions dans lesquelles se trourent

les lepreux en Nouvelle-Caledonie 888

Leprabericht (Dr. Max Joseph) 868 878

Pocken.

Noqu4, J. Missions de vaccine au Cambodge 873—874

Paraeitäre und Hautkrankheiten.

Odrioxoda, M. E. La Maladie de Carrion ou la verruga Peruvienno 874—876 Daniels, C. W. Discovery of the parental form of a British New-

Guinea bloodworm 876

Goldstein. The Texas screw-worm 876

Gelbfieber.

Hanarelli, Prof. I. L’immunita a la sieroterapia oontro la febbre gialla 376

Prime esperienze intorno all’ impiego del siero curativo e preven-

tivo contro la febbre gialla 877

Digitized by Google

VIII

Beri-Btri. Mt«

Walther K. Hnator. A contribution to the aotiology of Beri-Beri 377—378

Sonnt ii/e Inftktionnkran khtittn .

Un ca» de Tetanus, traitc par l'iujectkm intraoerebrale d’antitoxine . 378

Kölle, Dr. W. Baeteriologische Befunde bei Pneumonien der Neger 378—379

Bronn, ff. C. Widals reaction in natives of India 379

Bnchnnan, J. W. S. Epidemie cerebro-spinal fever in India ... 379

Kretz, Dr. B. Ein Fall von Maltatieber durch Agglutination des

Micrococcus Melitensis nachträglich diagnosticirt 379—380

SUvestrlnl. Pou.voir agglutinant da sang sur les cultures en bouillon

des staphylocoques 380

Orgunkrankhfitfn

Macleod, K. Tropical lleart 380

Sachverzeichnis» 381

Namenverzeichnis» 384

Digitized by Google

i§*L Archiv

für

Schiffs- und Tropen-Hygiene.

Band 2.

L Originalabhandlnngeii.

Eine Grünspanvergiftung beobachtet zu Pangani

von I)r. Schreber,

Assistenzarzt 2. Kl. in der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch -Ostafrika.

Bei dem Kaiserlichen Bezirksamt zu Pangani war es seither Gebrauch, die Speisen für die Kettengefangenen in verzinnten Messingtöpfen zu kochen, weil die thönernen Gefässe häufig aus Versehen, oder durch Böswilligkeit zerworfen wurden. Mit der Zeit hat sich die Verzinnung abgenutzt und das Messing ist bloss zu Tage getreten. Die Weiber (Kettengefangene), welche die Speisen bereiten, haben es mit der Sauberkeit niemals genau genommen, so dass die Speise, die meistens aus circa 650 g Reis zu bestehen pflegt, mehrere Stunden lang in diesen alten Messingtöpfen stand, wodurch es zu Grünspanbildung kam. Ich habe selbst nachträglich Stellen von Reis, welche an den Töpfen hängen geblieben, gelbgrün- lich verfärbt vorgefunden. Der Genuss des auf solche Weise ver- dorbenen Reises hat in den letzten Tagen des Jahres 1896 zu einer Grünspanvergiftung geführt. Es sind nur Kettengefangene erkrankt und zwar sechs im Ganzen. Einer ist an profuser Darmblutung ge- storben, zwei sind geheilt, zwei befinden sich noch in ärztlicher Be- handlung und einer hat sich, nachdem seine Strafe verbüsst war, aus dem Lazareth heimlich entfernt. Die Krankheitsbilder derselben waren in Kürze folgende:

Der erste Patient, ein Magua-Mann, Namens Maphta, circa 24 Jahre alt, erschien am 26. December 1896 zum ersten Mal; er gab an, früher öfter fieberkrank gewesen zu sein. An der Aussen- seite des linken Knies befindet sich eine circa 10 cm lange und

AxcbiT f. Schiffe- u. Tropenhygien«. IL 1

Digitized by Google

2

Dr. Scbreber.

fingerbreite Narbe, die von einer Verbrennung herrühren soll. Er klagt über Zittern und Gefühllosigkeit in den Händen und Beinen. Benommenheit des Kopfes und Appetitlosigkeit; sonst hat er keine subjektiven Beschwerden. Sein Gang war schwankend und unsicher, er stolperte stark und fiel oft hin. Bei geschlossenen Augen schwankte er in dem Maasse, dass er gehalten werden musste. Der Patellarreflex war erhöht. Das Schmerzgefühl in den Füssen war ungemein entwickelt. Er erhielt Jodkali und wurde zur genauen Beobachtung in das Lazareth aufgenommen. Daselbst befindet er sich noch (Ende Februar 1897) und zeigt zur Zeit folgendes Krank- heitsbild: Die Hände werden in Krallenstellung gehalten. Auf Be- fehl, etwas schnell zu erfassen, greift er meist an dem Gegenstand vorbei. Die Hände, wie auch die Beine fühlen sich meist nasskalt an. In beiden ist das Schmerzgefühl verringert, der Gang ist immer noch unsicher, hat sich aber gegen früher bedeutend gebessert Die herausgestreckte Zunge zittert, Speichelfluss gering. Innere Organe soweit nachweisbar gesund, desgleichen Sinnesorgane. Appetit normal, ebenso wie Stuhl und Urin. Patent fühlt sich im Allgemeinen wohl.

Am 2. Januar 1897 erschien der Suaheli Hamisi, derselbe klagte über allgemeine Schwäche und Zittern in den Gliedern, ausserdem aber über Schwachsichtigkeit. Da die beiderseitige Augen- untersuchung nichts Krankhaftes zu erkennen gab und auch sonst nichts festgestellt werden konnte, wurde er abgewiesen. Am 15. Januar erschien er wieder. Es bestand heftiges Zittern und Schwäche in den Extremitäten, ausserdem hartnäckige Verstopfung. Der Speichelfluss war stark. Ausserdem aber äusserte Patient, beinah völlig blind zu sein. Pupillenreaktion war gut vorhanden. Finger, in der Entfernung von 20 cm in Verlängerung der Sehaxe vorge- halten, vermochte er nicht zu sehen. Finger, die von seitwärts nach innen vorbeigeführt wurden, konnte er bei fixirtem Auge auf kurze Strecken an der Temporalseite sehen. Das Gesichtsfeld war mithin äusserst beschränkt. Patient erhielt Jodkali und es besserten sich seine Beschwerden auffällig schnell. Nachdem er am 1. Februar 1897 seine Strafe verbüsst hatte, entwich er aus dem Lazareth.

Der dritte Patient ist der Malaye Abdul bin Hamed Saleh. Derselbe wurde mir am 6. Januar durch einen Polizei- Askari zugeführt; da er nur malayisch sprach, konnte blos durch Zeichen eine Ver- ständigung herbeigeführt werden. Er spie mehrfach aus, zeigte anf Kopf und Bauchgegend und sollte an Verstopfung leiden. Er erhielt Calomel 3 Tabletten ä 0,3 g. Am 8. Januar erschien Patient mit

Digitized by Google

Eine Griinspanvergiftung beobachtet zu Pangani.

3

Fieber 39,0° und angeblich Durchfall. Da mir der Gedanke einer Vergiftung durchaus femlag, gab ich in der Annahme, einen Malariafall vor mir zu haben, Chinin, den vermehrten Stuhlgang als die Wirkung des Calomeis ansehend. Wenige Tage später erschien er mit hohem Fieber und starkem Durchfall. Die untern Extremi- täten waren unbeweglich und er vermochte nicht darauf zu stehen. Der Patellarreflex fehlte. Die Gesichtszüge waren schmerzhaft ver- zerrt. Aus dem Munde floss der Speichel. Die Augäpfel bewegten sich unruhig auf und ab. Er schien schwer zu hören. In der Nacht vom 13. zum 14. Januar trat eine profuse Mastdarmblutung ein, woran Patient starb.

Am 18. Januar erschienen die Suaheli -Kettengefangenen Ab- drachman und Kamota. Dieselben klagten über starken Speichel- fluss, Widerwillen gegen ihre Keisspeise, über Zittern und Schwäche in den Gliedern, kribbelndes Gefühl in den Fingern und Zehen; eine Lähmung ist bei ihnen nicht beobachtet worden. Auch verloren sich die Beschwerden bei Jodkali in wenigen Tagen.

Am 13. Januar erschien der ungefähr 45 Jahre alte wegen Mordes zum Tode verurtheilte Nguru-Mann Ngoma. Er gab an, häufig fieberkrank gewesen zu sein und leidet an chronischem Tripper. An der Innenseite des linken Knies besteht eine grosse Schnittnarbe, am Unken Fuss eine Brandnarbe. Er befindet sich schon seit 6 Monaten in Haft. Bei der Aufnahme musste er von einem Askari getragen werden; seine Beine waren im höchsten Grade abgemagert. Er hatte starken Speichelfluss und klagte, dass ihm das Essen den Mund zusammenzöge. Die Sinnesorgane waren normal. Der Herz- spitzenton war unrein. Er klagte über Durchfall und Schmerzen im Unterleib. Patient hatte starken Widerwillen gegen Reis. Zur Zeit befindet sich Patient noch im Lazareth, und hat sich die Lähmung und Abmagerung der Beine gering gebessert. Die Füsse selbst sind ödematös geschwollen. Es ist ihm unmöglich selbst aufzustehen, er vermag nur mit Unterstützung wenige Schritte zu gehen. Der Patellarreflex fehlt vollkommen. Die Beine sollen sehr empfindhch sein. Das Allgemeinbefinden ist ein vortreffliches. Die Behandlung besteht in JodkaU und Bädern.

Sämmtiiche sechs Krankheitsbilder haben als gemeinsames Symptom Speichelfluss. Ferner mehr oder weniger stark ausgeprägtes Zittern und Lähmungserscheinungen, die mit heftigem Schmerzgefühl oder auch mit Schmerzlosigkeit (Anästhesien) verbunden waren. Ein Fall zeigte erhebliche Beschränkung des Gesichtsfeldes. Bei Allen

l*

Digitized by Google

4

Dr. Schreber.

war mehr oder weniger der Verdauungstraktus mit angegriffen, was sich in starkem Durchfall und vice versa in Verstopfung zeigte. Von Einigen wurde direkt ein Widerwillen gegen die gelieferte Reisspeise geäussert

Das Fehlen eines Bleisaumes am Zahnfleisch schliesst Bleiver- giftung aus. Es könnte noch angeführt werden, dass obenbeschriebene Krankheitserscheinungen ihren Ursprung in der schlechten Beschaffen- heit des Reises selbst hätten. Dagegen spricht, dass seit Abschaffung der Messingtöpfe auf meine Anordnung hin am 11. Januar 1897 kein solcher Fall wieder zur Beobachtung gekommen ist, obgleich zur Zeit noch von derselben Reislieferung wie zur Zeit der Erkran- kung die Speise bereitet wird. Des Ferneren meine Beobachtungen von gelb-grünlich verfärbten Reisresten in den Töpfen! Ich habe die Diagnose „Grünspanvergiftung“ gestellt.

Für die Bildung von Grünspan in den Messingtöpfen spricht ausser der oben erwähnten Unsauberkeit der Weiber die schlechte Beschaffenheit des Wassers hiesiger öffentlicher Brunnen. Dasselbe hat durchweg einen brakigen Geschmack, herrührend von der Nähe des Meeres; es ist daher die Bildung von Kupfersalzen in Messing- resp. Kupfertöpfen ungemein begünstigt

Digitized by Google

Malaria und Höhenklima in den Tropen.

Von Dr. J. H. F. Kohlbrugge, prakt Arzt am Sanatorium Tosari

(Ost-Java).

Vor fünf Jahren wurde zum ersten Mal in diesen Colonien der Versuch gemacht, ein Sanatorium (Tosari) in einer Höhe von fast 6000 Fuss einzurichten. Zwar wurden in diesem Jahrhundert schon viele Heilstationen auf Java gebaut, von 500 bis 4000 Fuss über dem Meeresspiegel, aber man erwartete noch günstigere Resultate als bisher erreicht wurden, wenn man noch höher hinaufstieg. Da auch in den deutschen Colonien der Wunsch nach solch’ hoch gelegenen Sanatorien laut wurde, so glaube ich, dass einige Mittheilungen über meine während der letzten 41/, Jahre gesammelten Erfahrungen den deutschen Collegen nützlich sein könnten, sowohl bei der Wahl einer geeigneten Gegend, als auch zur Schätzung dessen, was sich durch Höhenstationen erreichen lässt Darum will ich meine Mittheilungen in zwei Gruppen eintheilen: die erste soll das enthalten, was ich über die Verbreitung der Malaria auf verschiedenem Boden und in verschiedener Höhe erfahren konnte, woraus sich dann von selbst ergiebt, nach welchen Grundsätzen man den Ort für ein Sanatorium wählen soll, die zweite soll zeigen, in welcher Weise Malaria hier (in Tosari) heilt und wie der Arzt die Heilung fordern kann.

A. Das Höhenklima und die Aetiologie der Malaria.

Da Patienten aus allen Theilen des Archipels in die unter meiner Leitung stehende Station kommen, und ich für meine anthro- pologischen Studien verschiedene Inseln besuchte, so hatte ich Ge- legenheit, Mittheilungen aus verschiedenen Gegenden zu sammeln, von denen ich einige zur Vergleichung und zum besseren Verständ- niss hier erwähnen will. Dabei muss ich etwas ausführlicher sein, weil ich nichts behaupten will, ohne eine Erklärung zu versuchen, denn dadurch hoffe ich unsere Kenntnisse von der Aetiologie der Malaria zu fördern.

Bekanntlich ist Malaria in erster Linie abhängig von der Be- schaffenheit des Bodens, meist hört man behaupten, dass ein sumpfiger Boden immer Malaria erzeugt. Trotzdem findet man in den Hafen- orten: Bandjermassin (Z. O. Borneo), Pontianak (W. Borneo), Palem- bang (O. Sumatra) sehr wenig Malariakranke. Das mir persönlich

Digitized by GpOgle

6

J. H. F. Kohlbrugge.

bekannte Bandjermassin besitzt nur sehr wenige Strassen, der ganze Verkehr beschränkt sich auch für den Europäer auf das Wasser, welches unter dem Einfluss der Fluth steht Der Boden ist überall von Wasser durchweicht, der Garten des am meisten besuchten Hotels ist zum Theil mit Wasser bedeckt Wenn man aus den vielen Kanälen auf das mit Wäldern bedeckte Land treten will, dann sinkt man bis an die Knie in’s Wasser, das überall salzig ist Aehnliche Verhält- nisse findet man in den beiden andern genannten Häfen. Der Boden ist fruchtbarer Alluvialboden, reich an Pflanzen theilen ; zum grössten Theil ist er durch die Flüsse gebildet Während der Ebbe wird ein Theil des die Häuser umringenden Bodens von Wasser entblösst, doch hat er kaum Zeit zum vollständigen Austrocknen, da die Fluth wieder alles mit Wasser bedeckt. In den trocknen Monaten ist der Wasser- stand nicht erheblich niedriger als in der Regenzeit Wir können daraus schliessen, dass, wenn der Boden entweder ganz mit Wasser bedeckt ist oder doch vollständig durchfeuchtet (gesättigt), die darauf lebenden Menschen nichts von der Malaria zu leiden haben. Wahr- scheinlich entwickeln sich die Plasmodien wohl in dem feuchten Boden, aber sie bleiben in diesem verborgen und sind deshalb un- schädlich. Diese Erklärung werde ich durch weitere Beobachtungen zu beweisen suchen.

Von allen derartigen morastigen Küsten wurde Sambas (W. Borneo) am besten untersucht durch A. W. Nieuwenhuis1). Im Allgemeinen finden wir dort gleiche Verhältnisse wie in Bandjermassin. Die Ufer werden durch die Fluth mit Wasser bedeckt. Der Boden wird nicht durch Kanäle entwässert und steht daher während der Regenzeit unter Wasser, wenn keine natürliche Wasserabfuhr vor- handen ist Die ganze Ebene wird dann zum Morast, auch der nicht mit Wasser bedeckte Boden ist so weich, dass man nur von einer Baumwurzel zur andern schreiten kann.

In dieser Gegend konstatirte Nieuwenhuis, dass in der allu- vialen Ebene Malaria sehr selten oder nie vorkommt, aber auf den Bergen und Hügeln, die sich über dieselbe erheben, sehr häufig auf- tritt, so dass in einigen hochgelegenen Dörfern fast alle Kinder eine geschwollene Milz zeigen. In diesem Hügellande war nur ein Dorf weniger durch Malaria heimgesucht, dieses lag auf der Spitze eines

>) De Verspreiding van Malaria in verband, met de geologische gesteldheid van do afdeeling Sambas-Borneo. Geneest. Tydschr. v. Ned. Indio. Deel XXXIV. afl. 2. 1894.

Digitized by Google

Malaria und Höhenklima in den Tropen.

7

Sandsteinhügels. An einzelnen scharf begrenzten Stellen fand sich auch in der Ebene Malaria; diese zeigten immer einen reinen Sand- boden, der etwas höher lag als die Umgebung (N. nennt sie „Sand- inseln in einem Meer von Schlamm“)- In anderen nahe hegenden Dörfern, wo kein Sandboden vorhanden war, fehlte auch die Malaria, ln der Hügellandschaft und im Gebirge war die Malaria jedoch nicht an das Vorkommen von Sand gebunden, auch auf den Granit- und Schieferbergen und auf vulkanischem Boden hatten fast alle Kinder eine grosse Milz. Die alluviale Sumpfgegend ist so frei von Malaria, dass Nieuwenhuis während eines 2 */8 jährigen Aufenthalts keine frische Malariainfektion in der Hauptstadt Sambas beobachtete. Auch durch Erdarbeiten: das Roden der Wälder, Graben von Wasser ab- führenden Kanälen u. 8. w., welche Arbeiten in den Tropen fast immer zu heftigen Malariaendemien Anlass geben, wurde der Gesund- heitszustand in der alluvialen Ebene garnicht beeinflusst Nur auf einer Plantage trat Malaria unter den Arbeitern auf, der Boden unterschied sich dadurch von dem der anderen Plantagen, dass der Felsboden unter der Humusschicht zu Tage trat. Nieuwenhuis theilt uns auch Genaueres über die Bevölkerung mit, woraus hervor- geht, dass das Fehlen der Malaria an dem einen und das heftige Auftreten an einem andern Orte durch Rasseneigenthiimlichkeiten nicht erklärt werden kann. Da Nieuwenhuis uns nur Thatsachen mit- theilt, so will ich hier eine Erklärung derselben versuchen.

Der alluviale Boden der Ebene ist stets mit Wasser mehr oder weniger gesättigt; auch in der trocknen Zeit werden die tieferen Lagen, die kaum über dem Meeresspiegel hegen, gesättigt bleiben und die oberflächlichen können nie ganz austrocknen, da sie stets genug Feuchtigkeit aus den tieferen Schichten durch Capillarität uuf- saugey können. Ausserdem hat solch ein alluvialer, reich mit Pflanzenresten gemischter Boden eine grosse wasserhaltende Kraft, welche vielleicht allein genügt, um den Boden vor vollständigem Austrocknen zu beschützen. Es entwickeln sich in solchem Sumpf- boden wohl Plasmodien, aber sie bleiben in demselben ruhen und belästigen den Menschen nicht. Ganz anders verhält sich der Sand- boden. Erstens ist er höher gelegen und es fliesst das Wasser also schneller ab, zweitens hat Saudboden eine weit geringere wasser- haltende Kraft als der mit Pflanzenresten gemischte Humus. Wird der Boden durchfeuchtet, durch Fluth oder Regen, dann können sich die Plasmodien in demselben entwickeln. Doch es bleibt der Boden nicht lange gesättigt, denn das Wasser sinkt wegen der

Digitized by Google

8

J. H. F. Kohlbrugge.

geringen wasserhaltenden Kraft des Sandbodens schnell in die tieferen Schichten. Die oberen Schichten trocknen also aus, die Sonnen- strahlen wirken dabei mit, da die Wärmeabsorption bei Sandboden doppelt so gross ist als bei Humus; es kann der Sand daher zu Staub werden, und durch diesen werden die Plasmodien verbreitet und auch dem Menschen zugefiihrt. So gering die wasserhaltende Kraft des Sandbodens ist, um so grösser ist sein Aufeaugungs- vermögen,1) er wird also fortwährend Wasser aus der Tiefe anziehen und dadurch den Plasmodien die zu ihrer Entwicklung nöthige Feuchtigkeit geben, während die oberflächlichen Lagen wegen der geringen wasserhaltenden Kraft und der starken Wärmeabsorption immer wieder austrocknen, wodurch die neuentwickelten Plasmodien in den Staub aufgenommen werden. Durch die wasseraufsaugende Kraft und den feuchten Untergrund ist die Feuchtigkeit der unteren Schichten nicht abhängig vom Regen und es können die Plasmodien sich auch in der trockenen Jahreszeit entwickeln. Wahrscheinlich wird während der Regenzeit die Malaria weniger heftig auftreten, da daun die Austrocknung geringer sein wird. Nieuwenhuis hat über die zeitliche Vertheilung der Malariafälle keine Angaben gemacht. Ist meine Voraussetzung richtig, dann erklärt sich auch leicht, warum auf der einen Plantage, wo beim Arbeiten der Felsboden zu Tage trat, sich Malaria einstcllen konnte. Auf dem felsigen Unter- grund musste der Roden sehr schnell austrocknen, nachdem der Wald gerodet worden war, da er kein W'asser aus tieferen Schichten aufsaugen konnte. Aehnlich verhält es sich mit der Hügellandschaft: da das Wasser dort schneller ahfliesst, die unteren Schichten auch weniger Wasser halten als am Ufer des Flusses, so werden die ober- flächlichen Lagen dort schneller austrocknen und die Staubbildung stärker sein; der starke Pflanzen wuchs giebt dem Boden aber; noch genug Feuchtigkeit zur Entwicklung der Plasmodien. Nur in dem Dorfe, welches auf der Spitze eines Sandsteinhügels lag, genügte die Feuchtigkeit nicht zur Entwicklung der Plasmodien. Uebrigens haben wir zu beachten, dass der Staut) nicht so sehr durch horizontale Luftströme aufwärts geführt wird, sondern vielmehr durch den „Courant ascendant“, dadurch kann cs geschehen, dass die Spitze eines Hügels, welcher sich aus einer inficirten Malariagegend erhebt, ungesunder ist als die Ebene selbst.

') Alle genannten physikalischen Eigenschaften des Bodens habe ich durch Untersuchung vieler Bodenproben zahlonmässig bestimmt, worauf ich hier nicht nlther cingohon will. Uebrigens sind sie bereits lango bekannt.

Malaria und Höhenklima in den Tropen.

9

Noch eine andere Thatsache lässt sich aus den Beobachtungen Nieuwenhuis’ beweisen, nämlich: dass die Luftströme die Plas- modien nicht weit mit sich führen1), oder dass diese, und letzteres ist wahrscheinlicher, in der Luft schnell nbsterben. Denn die malariafreien Dörfer lagen zuweilen nur eine Stunde von den malariainficirten Dörfern entfernt, der Abstand genügte also, um die Plasmodien im Luftstrom unwirksam zu machen. Gleiches ist ja auch von den Häfen bekannt. Ich kann hinzufugen, dass es auch für den berüchtigten Hafen Tandjong Priok gilt; liegt das Schiff im inneren Hafen, dann genügt eine Nacht an Bord des Schiffes zu- gebracht, um mit Malaria inficirt zu werden, liegt das Schiff im Aussenhafen, dann bleibt die ganze Mannschaft gesund. Stürben die Plasmodien nicht schnell im Luftstrom, daun müsste auch auf den höchsten Bergspitzen Javas Malaria herrschen, denn ich habe von den Berggipfeln aus Beobachtungen darüber angestellt, wie hoch die Staubwolken sich über der Ebene erheben und gefunden, dass sie meistens 3 4000 Fuss hoch sind, aber in der trocknen Jahreszeit sich bis zu 8 oder 10000 Fuss erbeben können, in seltenen Fällen auch darüber hinaus.*)

In meiner unmittelbaren Umgebung im Tenggergebirge (Ost- Java) reichen die Kaffeegärten bis zu 4000 Fuss aufwärts, oberhalb derselben ist auch der Wald verschwunden und finden sich nur noch Mais- und Gemüsegärten bis über 6000 Fuss. So weit die Kaffee- pflanzungen sich ausdehnen, findet man noch Malaria, oberhalb der- selben fehlt sie, das ganze Gebirge ist dabei sehr wasserarm, aber reich an sandiger Asche. Während der Regenzeit werden die Pflan- zungen durch die Bevölkerung gereinigt, es wird also die Erde auf- gewühlt, trotzdem ist Malaria dann sehr selten. In der trocknen Jahreszeit werden die Bohnen gepflückt, dann erkranken viele Hunderte der Arbeiter. Es ist der Boden in den Kaffeepflanzungen, die durch grosse, schattige Bäume beschützt werden, also feucht genug, um die Plasmodien zur Entwickelung zu bringen. Da der Boden in der Regenzeit aber nicht trocken wird, so bleiben sie im Boden liegen und während der trocknen Jahreszeit werden sie mit dem Staub umhergewirbelt. Oberhalb der Kaffeegärten, in den Ge- müsepflanzungen, die keine Schattenbäume haben, fehlt die Malaria

i

') Davidson. Hygiene and diseases of wann elimates. 1893. S. 141.

*) Wenn die Staubtheilo nicht durch den courant ascendant aufwärts stiegen, dann wäre es unerklärlich, wie jene bis zu 12000 Fass aufwärts steigen könnten.

Digitized by Google

10

J. H. F. Kohlbrugge.

gänzlich, es ist der Boden dort zu trocken wegen des starken Sand- gehalts und der Wasserarm uth des Gebirges bei einem vollständigen Mangel an feuchtem Untergrund, auch durch die austrocknende Wirkung der starken Insolation im Hochgebirge. Es wiederholen sich hier also die aus der Sahara bekannten Erscheinungen. Dort fehlt die Malaria in der Wüste, aber sie herrscht furchtbar in den Oasen.

Die Plasmodien haben jedoch den Sandboden zu ihrer Entwick- lung nicht nöthig, sie entwickeln sich dort nicht besser als in frucht- barer Erde, aber der Sandboden wird, weil Feuchtigkeit und Trocken- heit schneller wechseln, den Plasmodien mehr Gelegenheit geben, sich mit dem Staub zu mischen. Es müssen also eine Anzahl Fak- toren Zusammenwirken, um einen geeigneten Boden für die Malaria zu schaffen. So wird es auch begreiflich, dass während der Regen- zeit in einer Gegend die Malariaerkrankungen zunehmen, in einer andern abnehmen, wie allgemein bekannt ist (vergl. Davidson l. c. S. 139). In den niedrigen Theilen der alluvialen Ebene wird durch den Regen der Boden mit Wasser bedeckt und könnten die Keime dann den Boden nicht verlassen, in anderem, sonst trocknem Boden wird durch den Regen erst die nöthige Feuchtigkeit geschaffen, welche zur Entwicklung der Plasmodien nöthig ist; an trocknen Tagen können diese dann verstäuben, oder die Verbreitung findet erst am Ende der Regenzeit statt. So beobachtete ich in diesem Gebirge während des Regenmussons 1896 97 Folgendes: Der Regenmusson fiel zur rechten Zeit ein, die Malaria verschwand aus den Kaffee- pfianzungen, nach einem Monat hörte der Regen plötzlich wieder auf, und es folgte nun die heftigste Malariaendemie, welche ich je beobachtet habe, mit sehr vielen Todesfällen. Da dürfte man erwarten, dass die Malaria am Ende der Regenzeit immer am heftigsten auf- treten müsse. Trotzdem beobachtete ich dann nie die erwartete Zu- nahme, sondern erst einen oder zwei Monate später. Dies lässt sich dadurch erklären, dass erstens der Boden nicht so schnell seine Feuchtigkeit verliert, zweitens erst zwei Monate nach der Regenzeit mit dem Pflücken der Bohnen begonnen wird. Und wenn die oben erwähnte Malariaendemie sofort nach dem Regen zum Ausbruch ge- langte, so darf uns dies nicht erstaunen, denn der Boden war (nach nur einem Monat Regen) nicht genügend durchnässt und konnte also schneller als nach normalem, fünf Monate dauerndem Regenmusson austrocknen; mit dem zurückkehrenden Regen verschwand auch die Krankheit wieder. Damit stimmen die Erfahrungen nach starken

Digitized by Google

Malaria und Höhenklima in den Tropen.

11

Ueberströmungen auf Java genau überein. Wenn nach heftigem Hegen im Gebirge eine Wasserfluth entsteht (bandjir), dann folgt auf die Fluth fast immer Malaria, wenn der Boden wieder trocken ge- worden ist.

So erkläre ich mir auch, warum in den Tropen auf Umwühlung der Erde fast immer Malaria folgt. Der Boden wird von seiner schützenden Pflanzenhülle beraubt, die gelockerte Erde trocknet schnell, und die darin ruhenden Plasmodien können nun durch die Luft- strömungen mitgefiihrt werden. Die Ursache darf man nicht im Zu- tagetreten tieferer Schichten suchen, denn dann würde die Malaria nicht nach einiger Zeit wieder verschwinden, auch wenn die Aus- grabungen sich nicht wieder mit Pflanzenwuchs bedecken. Denn die vielen Fischteiche an der Küste Javas, welche vor langer Zeit ge- graben wurden, und deren Boden zeitweise mit Wasser bedeckt, zeitweise trocken ist, verursachen keine Fieber mehr, auch nicht wenn man alles Wasser zeitweise abfliessen lässt; denn der Boden dieser Teiche liegt nicht über dem Wassemiveau und so bleibt der Boden feucht.

Zur Entwicklung der Malaria müssen nach obigen Auseinander- setzungen die folgenden Faktoren vorhanden sein: I. Wärme und Erde (Laveran). II. Feuchter Boden, dessen oberflächliche Schichten austrocknen können. Dies muss man bei dem Bau von Wohnungen und Krankenhäusern beachten. Zwar wurde in der Praxis bereits vielfach nach diesen Grundsätzen gehandelt, ich habe auch nichts Neues mittheilen wollen, nur fehlte in den mir zugänglichen Arbeiten das Streben, das Auftreten der Malaria in den verschiedenen Gegenden nach einheitlichen Gesichtspunkten zu erklären, man begnügte sich meist mit der Aufzählung vieler Beobachtungen, die einander zum Theil zu widersprechen schienen.1) Die Erklärung, welche ich hier ge- geben habe, hätte ich auch aus den älteren Beobachtungen ableiten

') Das Beste was ich in dieser Beziehung gelesen habe, findet sich bei Davidson (1. c.) S. 130 142 und S. 204—205; Laveran: Traitö des fievros palustres. 1884. Weiter erschienen unlängst (Januar 1897) von diesen Autoren neue Arbeiten in: , planus, Archives internationales pour l’histoire de la medecine et pour la geographie medicale“; Laveran: Göographio medicale du paludisme; Davidson: Pathologie o i the mascarene islands.

In Bezug auf Mauritius, wo die Malaria sich zuerst im Jahre 1857 zeigte, glaube ich, dass die Plasmodien dort stets vorhanden waren, aber in dem gut durchfeuchteten Boden schlummerten, und dass sie erst nach der Entwaldung, als Feuchtigkeit und Trockenheit schnell wechseln konnten (Davidson S. 366), ihren verderblichen Einfluss auf den Menschen zeigten.

Digitized by Google

12

J. H. F. Kohlbrogge.

können, doch habe ich absichtlich nur die Verhältnisse in diesen Colonien beobachtet, um, soweit möglich, nur neue Beobachtung mit- theilen zu können. Denn diese behalten ihren Werth, auch wenn man meine Erklärung verwirft. Darum will ich hier noch zwei Be- obachtungen mittheilen, welche zwar kaum Werth haben für die Bestimmung der günstigsten Lage für ein Sanatorium, aber die zum besseren Verständnis der Aetiologie werthvoll sind.

An der Südküste Javas (Djember) steht am sandigen Meeres- strande ein Haus, welches, wenn der Süd-Ost-Passat heftig stürmt, einen Ruf geniesst als Heilstätte für Malaria. Legt sich der Wind und treten die gewöhnlichen See- und Landströmungen an dessen Stelle, dann erkranken die Bewohner an schwerem Malariafieber. Da gleichzeitig der Regen anfängt, so kann die Ursache nicht in plötzlicher Austrocknung des Bodens liegen, die ja auch während des stürmischen Passats am stärksten eintreten musste, sondern wir müssen annehmen, dass die Plasmodien durch die schnelle Bewegung im Sturm ihre Kraft verlieren. Weitere Beobachtungen wären sehr erwünscht.

Die zweite Beobachtung soll zeigen, wie beschränkt ein Malaria- heerd sein kann, zwar steht sie ganz vereinzelt da, aber sie ist so merkwürdig, dass sie genannt zu werden verdient, damit sie zu weiteren Beobachtungen anrege. Eine Familie wohnte während mehrerer Jahre in einem grossen Hause (in der Nähe von Soera- bnya), in dessen Umgebung Malaria sehr selten ist. Jahre lang blieben alle Mitglieder der Familie sehr gesund, ja sie zeichneten sich durch blühende Gesundheit vor den meisten Nachbarn aus. Sie hatten die steinerne Flur ihres Hauses mit schweren Rottanmatten belegt, welche Jahre lang nicht entfernt wurden, endlich entschlossen sie sich, da unter den Matten sich eine dicke Lage Schmutz angesammelt hatte, diese zeitweise zu entfernen, um gründlich reinigen zu können. Ein alter javanischer Beamter rieth ihnen ab, er behauptete, es sei gefährlich Matten weg zu nehmen, welche schon so lange gelegen hätten. Man störte sich nicht daran und bald nachher erkrankten fast alle Mitglieder der Familie an Malaria und zwar einer schweren, remittirenden Form. Nachdem sie im Gebirge geheilt waren, kehrte das Fieber nicht wieder zurück. Ich glaube, wir müssen das Fieber durch das Eintrocknen und Verstäuben des Schmutzes erklären, der zwischen den dichten Matten und den feuchten Steinen feucht ein- geschlossen gewesen war, zumal das Wassersprengen in den Wolin- räumen hier üblich ist; so konnten sich also auch in diesem Schmutz

Digitized by Google

Malaria und Höhenklima in den Tropen.

13

oder Staub Plasmodien entwickeln. Wir wollen jetzt noch die Ver- hältnisse in den Bergen näher betrachten, da man immer mehr zu der Ueberzeugung gelangt, dass Sanatorien nur im Gebirge gebaut werden sollen. Wir haben dann zunächst darauf zu achten, dass in Vorder-Indien die schwersten Malariaformen am Kusse der Berge gefunden werden, leider fehlen genauere Beschreibungen der Boden- verhältnisse (Davidson 1. c. S. 80). Als allgemein gültiges Gesetz gilt dies gewiss nicht für Java, alles hängt von den localen Verhält- nissen ab. Im Allgemeinen kann man behaupten, dass bereits Er- hebungen von 1000 2000 Kuss relativ frei von Malaria sind. Käst alle Kieberkranke aus dem Gebirge, die ich behandelte, wurden in den Kaffeepflanzungen inficirt, deren Einfluss ich bereits oben ange- deutet habe. Aus den Gebirgen von Ost- Java, welche mit solchen Pflanzungen bedeckt sind, stammen die schwersten Malariaformen. Es ist also das Gebirge nicht an und für sich immun, sondern alles hängt von der Bodensorte und Bodenbekleidung ab1). Es scheint, dass die Bewohner der Abhänge von isolirten Hügeln (wie die von Sambas) weit mehr von Malaria zu leiden haben, als die der Ab- hänge der grossen Gebirgsmassen Javas in gleicher Höhe. So findet man viele Malariakranke unter den Bewohnern der niedrigen Gebirge längs der Süd- und Nordküste, weit weniger am Kuss der grossen Vulkane. Es fehlen leider genaue Vergleichungen, vielleicht ist die vulkanische Natur der grossen Berge nicht ohne Einfluss, oder auch der Thal wind, der den isolirten Hügeln fehlt. So viel steht fest, dass Malaria auch im Hochgebirge beobachtet wurde; so wüthet sie heftig auf dem Plateau von Karman in Persien in einer Höhe von 7500 Kuss (Davidson 1. c. S. 130 u. 132), wo der Boden überall feucht ist. Es ist auch zu erwarten, dass dort, wo man im Hoch- gebirge feuchten Boden findet, dieser sehr günstig für die Verbreitung

l) Oefter las ich die Behauptung: „In Mexico ist Malaria unbekannt, weil die Stadt so hoch liegt“, das ist aber gar keine Erklärung. Auf Bergen eben so hoch wie Mexico wurde öfter Malaria konstatirt, es müssen also andero Gründe vorhanden sein, warum sie sich in Mexico nicht entwickeln kann. Nicht die Höhe an und für sich vertreibt die Plasmodien, sondern dieso sind nur darum in den Bergen seltener, weil dort öfter als in der Ebeno die Bedingungen für ihre Entwicklung fehlen. Laveran behauptet, das Thal du Runnel sei mit Malaria inficirt, Constantine hingegen fast ganz frei von dieser Krankheit, weil die Stadt 180 Meter höher liege als jenes Thal. In Sambas hingegen beobachtete Nieuwenhuis, dass die Ebene frei ist von Malaria, während sie auf den Hügeln zahllose Opfer fordert. Das sind also directe Widersprüche, die, wie ich glaube, nur in der von mir angedeuteten Weise gelöst werden können.

Digitized by Google

14

J. H. F. Kohlbrugge.

der Malaria sein wird, denn die Austrocknung geschieht im Hoch- gebirge schneller; daher wechselt die Feuchtigkeit der oberen Schichten sehr schnell mit grosser Trockenheit. Aus diesem Grunde sollte man nie die Hochplateaus wählen und habe ich, als ich im Aufträge der hiesigen Regierung unlängst die Hochfläche des Janggebirges cliroa- tologisch untersuchen musste (Höhe 7 8000 Fuss), der Gründung eines Sanatoriums dort abgeraten. Man sollte gut auf obengenanntes Beispiel aus Persien und andere aus Vorder-Indien achten. Zwar scheinen die horizontalen Flächen im Hochgebirge so viel geeigneter für die freie Bewegung der Kranken und werden daher unerfahrene Collegen immer diese zuerst wählen. Aber wir müssen die Vortheile der horizontalen Flächen drangeben und unsere Sanatorien in den Tropen auf steilen Abhängen bauen, je abschüssiger das Terrain ist, desto gesünder ist es auch1). Wir dürfen uns nicht nach europäischen Vorbildern richten. Wenn das berühmte Ober-Engadin auf Java läge, dann würde es eine mittlere Temperatur von 17 18° C. be- sitzen, und ich bin überzeugt, dass dort die Malaria allmächtig herrschen würde, ganz wie auf Karman in Persien. Nur auf ab- schüssigem, wasserarmem Terrain kann in den Tropen so trockner Boden gefunden werden, dass die Plasmodien sich unmöglich in dem- selben entwickeln können. Ist der Pflanzenwuchs aber der Art, dass er die Sonnenstrahlen nicht durchdringen lässt, ohne jedoch den ganzen Boden zu bekleiden, dann bleibt dieser feucht und gleich- zeitig geeignet für die Entwicklung der Plasmodien. Man muss also ein Terrain wählen, welches seit langer Zeit entwaldet wurde. Von allen Bodenarten ist Sandboden am trockensten, und daher werden die Aschenkegel der hohen Vulkane sicher ganz malariafrei sein. Es ist aber nicht nothwendig, auf diese trockne Asche zu bauen, unterhalb derselben liegt meist eine Zone, wo Asche sich mit Humus mischt, der Boden aber noch so porös ist, dass die Bildung einer Pfütze unmöglich wird. In solcher Gegend liegt das Sanatorium Tosari und hier wurden demnach auch Resultate erzielt, wie bisher weder auf Java, noch auf dem Himalaja erreicht worden sind.

>) Vergleiche: Däubler, Ueber den gegenwärtigen Stand der mediciniscten Tropenforechung. Deutsche medicin. 'Wochenschrift 1896. Nr. 8 und 9: Jst der Boden malariafrei, oder zu drainiren, so lässt sich in einem solchen Gebiete, das immerhin 1400 Meter hoch gelegen sein müsste, gegen den Versuch einer Colonisation nichts einwenden, aber die Beschaffenheit des Bodens, namentlich ob das Terrain abschüssig genug ist, um der Bodenfeuchtigkeit und dem Grund- ■wasser steten Abfluss zu verschaffen, muss sorgfältig berücksichtigt werden.“

Digitized by Google

Malaria und Höhenklima in den Tropen.

16

Diese Mittheilungen sollen sich zwar auf die Malaria beschränken, doch will ich nicht unerwähnt lassen, dass auf Java wie in Vorder- indien die „hill-diarhoe“ und Dysenterie auf allen Bergen gefunden wird, oft viel heftiger als in der Ebene. Für sie gilt, ähnlich wie für Malaria, dass die Krankheit sich auf ganz trocknem Boden nicht entwickeln kann, hat man also einen Ort zu seiner Verfügung, welcher den oben genannten Anforderungen genügt, dann hat man damit gleichzeitig ein Sanatorium für Dysenterie gefunden. In diesen Colo- nien wird man Bauchkranke nie in’s Gebirge schicken, bisher machte man nur fiir Tosari eine Ausnahme. Dies wird uns wohl dahin führen, dass immer mehr Sanatorien in ähnlicher Lage werden ge- gründet werden, und dann können wir erwarten, dass die meisten Kranken, welche bisher in Europa Heilung suchen mussten, in den Colonien selbst genesen werden. Ich habe hier nur allgemein gültige Regeln aufstellen wollen, und es ist nicht meine Absicht, dieses Ge- birge und seine Bevölkerung näher zu beschreiben, wer sich dafür interessirt, kann genaueres in der Zeitschrift „Janus“1) finden, wo ich die Resultate einer 4 jährigen Praxis unter einer Bevölkerung von mehr als 6000 Seelen niedergelegt habe. Dort wird man finden, dass es hier fast nur zwei Todesarten giebt: die der Säuglinge durch Vernachlässigung und die der alten Leute durch Altersschwäche*). Wenn der Tod in den ersten Lebenswochen nicht gewaltig aufräumte, dann müsste die Bevölkerung, die ausserdem sehr fruchtbar ist, sich unglaublich schnell vermehren.

B. Das Höhenklima und die Heilung der Malaria.

Wie ich bereits im ersten Theil meiner Arbeit erwähnt habe, strömen hier die Kr anken aus allen Inseln des Archipels zusammen. Trotzdem ist die jährliche Zahl der Patienten nicht sehr gross8). Dies erklärt sich einfach dadurch, dass das Reisen in diesen Colonien kostspielig ist, dass weiter sehr viele Höhenstationen mit oder ohne ärztliche I Leitung sich auf den Inseln Java und Sumatra finden und ein jeder also soweit möglich die nächstliegende wählt. Nur wenn

*) Archives internationales pour l’histoire de la medecine et la geographie medical e. Amsterdam 1897.

*) Erinnert uns dies nicht wieder an die Sahara, von der das arabische Sprüchwort sagt: „Wer nicht durch das Schwert stirbt, der lebt ewig.“

*) Diese Mittheilungen beziehen sich nur auf die im Sanatorium verpflegten Europäer. Die javanischen Patienten der Umgegend bleiben ausser Betracht

Digitized by Google

16

J. H. F. Kohlbrugge.

alle Arzneien oder eine erste Reise in die niederen Gebirgszonen erfolglos blieben, entschliessen sich die Kranken, nach Tosari hinauf- zusteigen. Ebenso werden nur diejenigen Officiere und Beamte nach Tosari geschickt, welche an den hartnäckigsten chronischen Malaria- fieberu leiden. Ich behandle also im Sanatorium fast nie frische Infectionen, auch selten intermittirende Fieber, da diese ja meist durch Chinin heilen; die meisten Kranken leiden an remittirenden Fiebern. Auch die Malariafieber mit langen Intervallen, die sich alle 6 9 oder 12 18 30 Tage1) wiederholen, kommen hier häufig vor. Fast alle Kranke kommen mit einem verdorbenen Magen hier an, daran ist nicht allein die Malaria schuld, sondern vielmehr der fortwährende Gebrauch von Chinin- und Arsenikpräparaten. Dabei möge man bedenken, dass viele Collegen hier unglaubliche Mengen Chinin verschreiben, 2 3 g Sulphas oder Hydrocliloras Chinini sind die gewöhnlichen Tagesdosen, doch sah ich auch 5 6 g de die vor- schreiben *) und von dem beliebten Liquor Fowleri steigen viele bis 30 Tropfen de die. So ist es kein Wunder, dass ich meist Magen- kranke behandeln muss, und dies führte mich dahin, alle Antipyretica zu verlassen, das Fieber dem Klima zu überlassen und selbst nur den kranken Magen zu beeinflussen. Diese expectative Therapie liess sich auch dadurch rechtfertigen, dass Chinin auf remittirende Fieber fast gar keinen Einfluss hat und die neueren Antipyretica genügen gar nicht der Indicatio causalis; ich gebe letztere denn auch nur, wenn das Fieber bis 40° C. gestiegen ist, und auch dann ziehe ich ihnen meist den Alcohol und die Bäder vor. Obgleich ich den Alcohol (oder Aether) als ein kräftiges Heilmittel schätzen lernte, besonders für die Malayen, deren Körper nicht daran gewöhnt ist, so kam doch oft der Wunsch in mir auf, ein Mittel zu finden, welches der Indi- catio causalis genügt, aber nicht wie das Cliinin den Magen schädigt. Ich habe viele Mittel versucht, die in Europa empfohlen werden, aber ohne Erfolg, ich wandte mich mm an den botanischen Garten in Buitenzorg und erbat mir diejenigen Pflanzen, welche von den Malayen gegen Fieber benutzt werden; mehrere habe ich erprobt, über andere sind die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen, doch kann ich mittheilen, dass bisher sich nur eine bewährt hat, und zwar Ficus

>) Diese Perioden sind meist ganz unregelmässig.

») Ausserdem sind die Chininpräparate hier Hausmittel, die jede Hausmutter ihren Kindern giebt, wenn sie as nöthig findet. Wenn hier also auch M&Iam- fieber mit langen Intervallen Vorkommen, dann ist gewiss nicht ungenügende Chinintherapie daran schuld, wie Mannaberg glaubt.

Digitized by Google

Malaria and Höhenklima in den Tropen.

17

Ribes-Reinw *). Ich benutze nur die Rinde dieses Baumes, die Javanen nennen die Drogue Gambir vetan; ich verschreibe meist 20 30 g de die in einem decoct*). Bei meinen magenkranken Patienten wirkt von allen Mitteln Cortex condurango am besten und von den Nahrungs- mitteln werden meist Mehlspeisen und Hülsenfrüchte am besten ver- tragen, auf die Bereitung dieser und anderer Speisen für solche Patienten will ich nicht näher eingehen. Ich gebe hier nur eine summarische Uebersicht, denn nicht meine Therapie will ich den Collegen empfehlen, sondern nur zeigen, wie ich im Allgemeinen handle, damit man beurtheilen kann, welche Hülfsmittel hier neben dem Klima angewendet werden. Ich betrachte Obiges als Nebensache, Hauptsache ist die richtige Verwerthuug des Klimas, wie ich sie durch persönliche Erfahrung und Versuche kennen gelernt habe.

Drei Regeln werden jedem Patienten bei Ankunft vorgeschrieben : „Ruhe, Nicht-Baden, Vermeiden der Abend- oder Nachtluft.“ Diese Vorschriften will ich jetzt näher erklären.

Als ich im Anfang meiner Praxis die Patienten ihrem eigenen Willen überliess, spazirten die meisten Kranken viel umher, und die Reconvalescenten machten sobald als möglich Ausflüge ins Gebirge. Ich fuge hinzu, dass dieses Gebirge zu den schönsten und herrlichsten gehört, die die Erde trägt. Es ist also begreiflich, dass die Kranken, schon aus Langeweile, sobald als möglich Ausflüge machen wollen. Doch ist es eine Schattenseite des Terrains, dass das Sanatorium auf einer kleinen Terasse hegt, welche fast ganz durch die Gebäude be- deckt wird, man kann also nicht spaziren gehen, ohne auf und ab zu steigen. In unerklärlicher Weise sah ich nun die Fieber während der ersten Monate meiner Praxis bei den Reconvalescenten immer wieder zurückkehren, bei den Kranken sich verschlimmern, bis ich erkannte, dass die körperliche Bewegung daran schuld sei. Ich stellte nun bestimmte Versuche an und es ergab sich: 1. dass körperliche Anstrengung auch dann schadet, wenn die Leute keine Ermüdung fühlten; 2. dass ruhiges Hin- und Hergehen auf der Terasse nicht schadet, auch wenn es lange dauert; 3. dass auch ein Spaziergang in der Umgegend nicht schadet, wenn man ununterbrochen den Berg abwärts steigt und sich dann zurücktragen lässt; 4. dass das Bergauf- wärtssteigen immer neue Fieber hervorruft, auch bei Personen, welche

>) Beinward, Deutscher von Geburt, Weiland Direktor des botanischen Gartens zu Leyden. Anm. d. Bed.

*) Boorsma: Eerste Resultaten van het onderzoek naar de Plantenstoffen van Nederlandsch Indio. Mededeelingen uits’ Lands Plantentuin. Batavia 1894.

Archiv f. Schifft* u Tropenhygiene. II. 2

Digitized by Google

18

J. H. F. Kohlbrugge,

an das Bergsteigen gewöhnt sind. Allerdings verhielten die ver- schiedenen Personen sich etwas verschieden, bei dem einen kehrte das Fieber nur dann zurück, wenn er einige hundert Fuss aufwärts ge- stiegen war, bei dem andern schon nach dem Ersteigen einer 20 stufigen Treppe. Wie sollen wir uns dies erklären? Die Malariaplasmodien waren zwar aus dem Blute verschwunden, als das Fieber aufhörte, aber sie waren noch im Körper vorhanden, sonst hätten sie nicht plötzlich wieder im Blut erscheinen können in einer malariafreien Gegend.

Warum verschwinden aber die Plasmodien so plötzlich aus dem Blute, so dass die meisten Patienten , die wochenlang krank gewesen waren, bereits am ersten Tage nach der Ankunft fieberfrei sind? Ich kann hier nur eine Yermuthung aussprechen, eine gut bewiesene Erklärung wird wohl noch lange auf sich warten lassen. Vielleicht wird das Blut der Neuangekommenen im Hochgebirge nicht genügend mit Sauerstoff gesättigt wegen der Sauerstoffarmuth der Hochgebirgs- luft, dabei hat der Neuling noch nicht gelernt, durch häufigere und tiefere Inspirationen diesen Sauerstoffmangel zu compensiren, er lernt ilies erst unbewrusst während der Acclirnatisation. Dieser relative Sauerstoffmangel verursacht vielleicht ungenügende Ernährung der Plasmodien, so dass diese (wie durch Chinin) betäubt’) oder getötet werden, und als Corpera aliena durch die Leucocyten (Macrophagen) der Milz und des Knochenmarks aufgenommen werden *). So werden sie der Circulation entzogen. Nach der Acclirnatisation, die bereits nach wenigen Tagen Btattfindet, werden die Lebensbedingungen für die Plasmodien wieder günstiger, aber sie können nicht freiwillig ihre Schlupfwinkel verlassen, ein erhöhter Blutdruck, eine schnellere Circulation ist nöthig, um sie wieder in den Kreislauf zu bringen. Durch das Bergaufwärtssteigen wird die Circulation sehr angeregt, der Herzschlag wird frequenter und tiefer, auch die Schweisssecretion nimmt stark zu durch den erhöhten Blutdruck und die starke In- solation im Hochgebirge. Auch die Wasserverdampfung ist im Hochgebirge beschleunigt, die Haut wird trocken und rissig. Ent-

•) Vergl. Mannaberg: Die Malaria-Parasiten. Wien 1893. S. 179: ,Jü ist daher gerechtfertigt, wenn Binz der Vermuthung Ausdruck giebt, dass die Infusorien an Erstickung zu Grunde gehen, indem das Chinin das Protoplasma der Fähigkeit beraubt, Sauerstoff aufzunehmen.

’) Vergl. die Arbeiten Metschnikoff's und Bignami’s (Mannaberg I. c. S. 166). Sie fanden die Parasiten in den Macrophagen der Milz und des Knochenmarks.

Malaria und Höhenklima in den Tropen.

19

Zündungen folgen. So strömt das Blut der Peripherie zu; auch die Muskelthätigkeit steigert den Blutdruck. So ist es also wohl erklär- lich, dass die Plasmodien aus der Milz und dem Knochenmark wieder hervorbrechen und in den Kreislauf gelangen '). I)a aber die Para- siten meist an und für sich nicht genügen, um Fieber hervorzurufen, sondern dazu die Entwicklung einer neuen Generation nöthig ist, so recidivirt die Malaria auch nicht sofort, sondern (wie bei der Inter- mittens tertiana) erst ± 24 Stunden nach der ersten Bergparthie.

Auch kommt es häufig vor, dass scheinbar gesunde Touristen nach Tosari kommen und 24 Stunden nach der ersten Bergparthie an echter Intermittens erkranken, diese waren entweder im In- cubationsstadium der Malaria, oder sie litten an einer Infection, welche noch keine Fieber erzeugt hatte, ihnen daher unbekannt war. Dies wirft ein neues Licht auf die chronischen fieberfrei verlaufenden Malariacachexien. Auch ist das Zurückkehren der Malariafieber bei lleconvalescenten nach dem Bergsteigen so constant, dass ich es als ein wichtiges diagnostisches Hülfsmittel benutze.

Bei Patienten, welche an allgemeiner Schwäche, an Neuralgien und anderen Reizerscheinungen leiden, ist man in den Tropen ge- neigt, alles der Malaria in die Schuhe zu schieben; kommen solche Patienten nach Tosari und ist die Diagnose zweifelhaft, dann lasse ich sie die Berge besteigen und mit kaltem Wasser übergiessen , folgt dann am nächsten Tage kein Fieber, dann litten sie nicht an Malaria, sondern an anderen Krankheiten. Vielleicht wird man dies als ein zu gewalttätiges Diagnosticiren betrachten, aber ich kann diese Auflas- sung dadurch bestreiten, dass 1 . ein heftiges Fieber weniger schwächt, als die chronischen Malariacachexien (welche ich besonders wegen ihres Einflusses auf die Nieren fürchte), und dass 2. ersteres leichter zu heilen ist. Dabei verfüge ich über ein therapeutisches Agens, welches mich fast nie im Stich lässt, wie wir weiter unten sehen werden.

Mit einigen Worten will ich noch erklären, warum ich glaube, dass die Plasmodien aus dem Blutstrom in Milz und Knochenmark aufgenommen werden. Durch Probepunctionen der Milz hat inan nachgewiesen, dass Plasmodien in dem Milzblut vorhanden sein können, wenn sie sich im Blut der Fingerbeere nicht nachweisen lassen, ausserdem kennen wir die Milzschwellung und Milzschmerzen, die oft so lange anhalten, und die pathologisch-anatomischen Ver-

') Aus der Arbeit Hannaberg's (8. 166) ersehe ich, dass Bignami vor mir die Kecidive in ähnlicher Weise erklärt hat, aber aus ganz andern (pathologisch- histologischen) Gründen.

2*

Digitized by Google

0

J. H. F. Kohlbrugge.

änderungen der Milz und des Knochenmarks bei durch Malaria ge- storbenen Patienten.

Neue Thatsachen kanu ich hinzufügen. Bei acht Patienten be- obachtete ich, nachdem das Fieber gewichen war, Schmerzen in den Beinen. Bei einigen waren diese so stark, dass sie nicht schlafen konnten. Es waren keine lancinirenden Schmerzen, sondern ein fortdauernder nagender Schmerz. Niemals war an den Beinen etwas zu sehen, weder Haut noch Muskeln waren schmerzhaft bei Druck. Die Schmerzen nahmen nicht zu bei Bewegung, elektrisch waren keine Abweichungen von dem Verhalten normaler Muskeln zu constatiren, zuweilen waren die Reflexe erhöht Die Schmerzen Hessen sich durch keine äusseren Mittel beeinflussen, auch nicht durch Massage, doch schwanden sie fast immer nach einigen Tagen oder einigen Wochen. Nur zwei Utten dabei an Muskelschwäche, sie sanken in die Knie, wenn sie sich aufrichten wollten, aber das wareu Ausnahmen; die Schwäche schien von den Schmerzen ganz unab- hängig zu sein. Meist waren diese in der Tibia lokalisirt, seltner im Femur, einmal in den oberen Theilen der Tibia und der Patella, einmal unbestimmt in den Knien und dabei in den Condylen des Humerus und im oberen Theil der Ulna. Ich glaube diese Schmerzen mit denen in der Milz vergleichen zu können, die man so häufig bei Malaria findet und dann lassen sie sich nur durch Schwellung des Knochenmarks erklären, das Periost kann daran nicht betheihgt sein, denn die Knochen schmerzen nicht bei Druck'). Darum glaube ich, dass die Plasmodien, wenn sie dem Blutstrom entzogen sind, noch das Knochenmark und die Milz reizen, dass sie von dort bei günstiger Gelegenheit wieder ausschwärmen können, oder wenn diese sich nicht bietet, langsam absterben*). So hat der Wirth es durch Ruhe u. s. w.

') Nach Abschluss dieser Arbeit ersehe ich aus den MittheUungen Manna- berg's (1. c.), dass die Schmerzhaftigkeit der Extremitäten ein weit verbreitetes Symptom der Malariainfection ist Hier ist as selten und hörte ich nie davon reden, vielleicht werden sie von den meisten Collegen unrichtig gedeutet und der hier so weit verbreiteten Beri-beri zugeschrieben. Im Gegensatz zu Mannaberg muss ich betonen, dass die Schmerzen durch Beklopfen der Knochen nicht ge- steigert werden.

») Obige Mittheilungen wurden zum Theil bereits in Holländischer Sprache publicirt: Malaria en hare genezing te Tosari. Geneeskundig Tijdschrift Toor Nederl. Indie. 1895. Unlängst erstattete Laveran der Academie de medecine (Seance 16 fevr. 1897) Bericht über neue Malariaforschungen, dem ich Folgendes entnehme: U me parait donc averö que les hematozoaires ont une tendance tres marquee k Be cantonner dans la rate et i y sejourner. Qu’un traumatisme ou

Digitized by Google

Malaria und Höhenklima in den Tropen.

21

in seiner Macht, die Parasiten absterben zu lassen, doch muss ich hinzufügen, dass ich auch wiederholt Itecidive sah, ohne dass ich eine Ursache dafür auffinden konnte. Neben dem Bergaufwärtssteigen scheint auch Massage des Bauches und der Milz (wie wohl begreif- lich ist, wenn man meine Erklärung annimmt) die Plasmodien wieder in den Blutstrom zu bringen, ich habe dies jedoch nur zwei Mal be- obachten können '). Ganz besonders aber erregen kalte Uebcr- giessutigen wieder neue Fieberanfälle, aus dem Grunde verbiete ich das Baden. Das Wasser ist hier ziemlich kalt, 16° C., und man badet auf Java fast nur mit Uebergiessungen. Wer die Wirkung dieser Proceduren auf die Cirkulation kennt, der wird begreifen, dass sie fast gerade so wie das Bergsteigen wirken müssen. Das Waschen mit kaltem Wasser von Gesicht, Brust und Händen in den Zimmern scheint aber auch den an die tropische Wärme gewöhnten Patienten, nicht zu schaden. Ueber die Benutzung von warmen Bädern, über Kleidung etc., will ich hier schweigen, sie haben mit der Krankheit direct nichts zu schaffen.

Als drittes Verbot nannte ich für Reconvalescenten das Ver- weilen in der Abendluft. Ich muss allerdings gestehen, dass ich mich noch nie mit Sicherheit davon überzeugen konnte, dass das Nichtbefolgen dieser Vorschrift Einfluss auf die Krankheit selbst ausübte. Das Spazierengehen bei Mondenschein verbiete ich denn auch nie, nur das Sitzen in freier Luft nach Sonnenuntergang ver- biete ich (Abend- Temperatur 1-J 16° C.). Ich thue dies, weil jedes Bergklima erfahrungsgemäss Rheumatismus und Erkältungen erzeugt, darum fürchte ich für die meisten schwachen, blutarmen Patienten die Abkühlung während der Abendstunden.

Oben habe ich bereits erwähnt, dass ich ein mächtiges Hülfs- mittel besitze, um Fieber, die liier recidivirten, wieder zum Verschwinden zu bringen. Ich beobachtete während der ersten Jahre meiner

une cause irritative quelconque vienne ä öbranler cet Organe, ceux-ci seront mis ä Iiberte et provoqueront 1 apparition de nouveaux acces malariques. II rcsulte de ces considerations que la rate sert plutöt de lieu d’asile ä l'hematozoaire que d’organe de protection contre ses mefaits. (Semaine medicale 1897, pag. 58).

■) Wie mir scheint, hat man in Europa ähnliche Beobachtungen gemacht, ich schliesse dies nach dom Titel einer mir leider unbekannten Arbeit von P. Pennato. Sulla ricomparsa dell accesso febbrile in seguito al massagio della milza malarica. Riformn med. 14. Juli 1896. Auch hat man hier in Indien er- fahren, dass sofort nach Bauchoperationen und Geburten ein typischer Malaria- anfall auftroten kann. Vergl. Maasland: Een geval van Sarcoma ovarii; Geneesk. Tijdschrift voor Ned. Indie, Deel. XXXVII. Aflev. 1 en 2, 1897.

Digitized by Google

22

J. H. F. Kohlbrugge.

Praxis, dass, wenn bei Reconvalescenten das Fieber recidivirte, dies aussergewöhnlich viel hartnäckiger geworden war und zuweilen ge- lang es gar nicht, das Fieber zu heilen (auch Chinin war wirkungs- los) und musste ich die Patienten nach Europa schicken. Es machte den Eindruck, als ob die Plasmodien sich an das Klima von Tosari gewöhnt hätten und nun hier eben so hartnäckig sich fort- pflanzten, als in der Ebene. Ich dachte nun daran, dass nicht mir eine Reise in ’s Hochgebirge, sondern jeder Ortswechsel, auch von einer Malariagegend in die andere, oder von den einen Zimmer eines Hauses in ein anderes1), heilen kann* *), wie die tägliche Erfahrung auf Java lehrt; auch kennen wir den mächtigen Einfluss einer See- reise und konnte ich mich öfter überzeugen, dass Patienten, die hier nach ein bis drei Monaten nicht heilten, schon durch eine kurze Seereise vollständig genasen; gleichen Einfluss, wenn auch weit ge- ringer, beobachtete ich bei Reisen in der Eisenbahn. Was sind nun diese Reisen anders als fortdauernde Klimawechsel. Doch nicht alle Veränderungen sind gleich kräftige Heilfactoren , denn viele meiner Patienten hatten schon mehrere Veränderungen ohne Erfolg versucht, als sie sich zur Reise nach Tosari entschlossen. Auch bei diesen sank das Fieber um so schneller oder je mehr, je höher sie den Berg hinaufgetragen wurden und war bei Ankunft in Tosari sehr oft bleibend verschwunden. Daraus können wir schliessen, dass, je grösser der Unterschied zwischen zwei Orten ist oder je öfter der Klimawechsel wiederholt wird (längere Seereise), desto schneller das Fieber verschwinden wird. Theoretisch würde es sich also empfehlen, nur dort, wo man weder über Berge noch über das Meer verfugen kann, ein Sanatorium in einem Luftballon einzurichten, so grotesk solch ein Vorschlag auch scheinen mag. Erklären kann ich diese

■) Die warmen Innenräume der Häuser wirken besonders während der kühleren Nächte wie Schornsteine und hängt dann bei der Aspiration der Luft viel von der Bauart und der direkten Umgebung ab. So erkläre ich mir die Unterschiede zwischen zwei Zimmern oder zwei naheliegenden Häusern (Vergi. Davidson 1. o. S. 204—205).

*) Die Ursache der Spontanheilung bei Spitalbehandlung dürfte nach Mannaberg (8. 164) in allererater Linie der Bettruhe, der verbesserten Nahrung und der allgemeinen körperlichen Erholung zuzuschreiben sein. Das gilt für die Patienten in Indien, die ja doch alle wohlhabende Leute sind, die ihren Körper pflegen können, gewiss nicht. Ich glaube, dass für diese und auch für die Patienten Mannaberg's der Wechsel des Wohnortes (oder Hauses) am meisten zur Heilung beiträgt Wenn Mannaberg jede Heilung ohne Chinin eine Spontan- heilung nonnt, dann heilen fast alle meine Patienten spontan.

Malaria und Höhenklima in den Tropen.

23

Erscheinungen nicht, wir müssen aimehmen, dass auch die geringsten Unterschiede der eingeathmeten Luft Einfluss auf die Plasmodien ausüben, oder dass jeder menschliche Körper seine Individualität den Plasmodien gegenüber behauptet, und dass dieser Körper nur dann auf eine Plasmodieninvasion mit Fiebererscheinungen antwortet, wenn gewisse äussere Bedingungen erfüllt sind, die aber für jedes Indivi- duum anderer Art sein können. So kannte ich einen Patienten, der krank nach Holland zurückkehrte und dort zeitweise wieder Fieber- anfälle bekam, blieb er in der Provinz Friesland (Sneek), dann fühlte er sich wohl, ging er nach Gelderland (Nymwegen), dann kehrten die Fieber zurück, beide Gegenden sind durchaus nicht als Malaria^ quellen bekannt Wie sollen wir uns sonst die wunderbaren Kranken- geschichten erklären, in denen mitgetheilt wird, dass ein Patient Monate oder Jahre lang in von Malaria durchseuchter Gegend (z. B. im berüchtigten Tjilatjap) lebte und dort nie fieberte, und dass er- schwer erkrankte, als er in eine gesunde Gegend umgezogen war (z. B. nach Djokjakarta); oder wo die Leute gesund nach Europa abreisten und die Fieber sich mit regelmässigen Intervallen erst in Europa zeigten; oder wo ein Rekonvalescent, der wochenlang fieber- frei gewesen war, es auch während der Seereise blieb, plötzlich auf dem Gipfel des Rigi vom Fieber überfallen wurde, den er doch ohne Anstrengung mit Hülfe der Bahn erreicht hatte.

Solche Beobachtungen erregten in mir den Gedanken, mit meinen Patienten öfter wiederholten Klimawechsel zu versuchen, nicht nur um des Wechsels willen, sondern auch um für jeden Patienten das für ihn zur Heilung am meisten geeignete Klima zu bestimmen. Dazu verfügte ich über eine Station, welche 2000 Fuss über dem Meeresspiegel liegt, also fast 4000 Fuss niedriger als Tosari, und die man in 2 3 Stunden erreichen kann. Ich liess also meine Patienten, deren Fieber hier recidivirte und dann lange anhielt nach der unteren Station tragen und entweder dort bleiben oder nach zwei Tagen zurückkehren, oder ich verschrieb denen, die regelmässig, um die 8 oder 14 Tage fieberten, eine Reise dorthin, einen oder zwei Tage vor dem zu erwartenden Fieber (wie man in solchen Fällen ja auch häufig im Voraus Chinin giebt). Der Erfolg war ein geradezu überraschender. Fast alle Patienten, die ich fieber- krank nach Poespo (der unteren Station) schickte, beobachteten mit dem Thermometer beständiges Sinken der Körpertemperatur und die meisten wurden noch am Reisetage, andere den nächsten Tag fieber- frei, einige verloren das Fieber erst, wenn sie den dritten Tag nach

Digitized by Google

24

J. II. F. Kohlbrugge.

Tosari zurückgekehrt waren. Wenn man nicht nur auf das Fieber, sondern auf die anderen Symptome im Reconvalescenzstadium achtete, dann heilten manche überhaupt in Poespo besser als in Tosari. Lurch diese Methode hat der Procentsatz der Heilung sich erhöht und besonders heilen die Patienten jetzt schneller als früher, ich furchte jetzt das Recidiv nicht mehr. Es geht daraus wieder hervor, dass nicht die Hochgebirgsluft an und für sich, etwas durch ihren Sauerstoffmangel, heilt, sondern nur die starke Luftveränderung diesen Einfluss ausübt, es sei, dass man den Berg hinauf- oder ihn hinab- steigt. In dem einen Falle kann man von vorübergehendem Sauer- stoffmangel reden, in dem anderen von schädlichem (für die Para- siten) Sauerstoffüberfluss in dem bereits an die verdünnte Luft gewöhnten Körper des Wirths.

Aus diesen Beobachtungen lernt man den Nutzen der Ueber- gangsstationen kennen, nicht etwa in dem gebräuchlichen Sinne, dass man jeden Patienten erst an einer Zwischenstation verweilen lässt, um sich nach und nach an das Bergklima zu gewöhnen1), sondern nur um über die Mittel zum fortwährenden Klimawechsel zu verfügen. Ich bezweifle denn auch nicht, dass, wenn man über eine Gebirgsbahn verfügen kann, man noch bessere Resultate erzielen wird, wenn man die Kranken oft auf- und abreisen lässt. Ich muss die Kranken durch Menschen oder Pferde tragen lassen, aber kann hinzufügen, dass ich über ein Transportmittel verfüge, womit auch die schwächsten Kranken ohne Gefahr transportirt werden können, doch will ich auf alle diese Details nicht näher eingehen.

Zum Schluss sei noch erwähnt wie viel Zeit die Kranken zur Heilung nöthig haben. Leider habe ich keine genauen Statistiken angelegt1), und kann ich daher keine Zahlen mittheilen. Viele kommen

*) Wenn man die Uebergangsstationen in dieser gebräuchlichen Weise be- nutzt, dann wirken sic eher schädlich als heilend. Schon Ludwig hatte dies er- kannt: Das Oberengadin in seinem Einfluss auf Gesundheit und Leben. Stutt- gart 1877. S. 133: Ich habe Grund zu glauben, dass man mit derZeit für einige Krankheiten (besonders Malariakachexie und gewisse Nonenanomalien) einen raschen Klimawechsel für vortheilhaft und eine Zwischenstation für irrationell erklären wird.11

>) Ich notiere meist nur die interessanten und abnormalen Fälle; doch auch wenn ich alle in die Berechnung aufnehmen würde, die mich als Arzt consultirten, dann müssten meine Zahlen doch keinen richtigen Eindruck geben, da viele Kranke es nicht nöthig finden, sich Rath zu holen. Sie überlassen sich, und darin haben sie ganz recht, dem Klima; auch sind meine Ansichten über die Lebens- weise jedem bekannt, da sie bereits 1895 veröffentlicht wurden.

Digitized by Google

Malaria und Höhenklima in den Tropen. 25

entweder fieberfrei in Tosari an, genesen also schon während der Reise, oder sie haben bei Ankunft nur wenig erhöhte Temperatur, die im Laufe des ersten Tages zu normaler Höhe oder unter diese herabsinkt. Reddiv folgt dann meist nur durch eigene Schuld: das Nichtbeachten der oben genannten Regeln. Bei anderen (den meisten) verschwindet das Fieber während der Akklimatisatiosperiode ') innerhalb der ersten fiinf oder acht Tage. Natürlich sind dann die Folge- oder Begleiterscheinungen noch lange nicht verschwunden, die Milz, die Leber etc. können noch längere Zeit geschwollen und schmerzhaft sein, die Blutarmuth, die fast mit jeder Malariainfection verbunden ist , verschwindet auch erst langsam ’). Als Regel kann man annehmen, dass diese Nachwehen der Malaria innerhalb der folgenden vier Wochen verschwinden und daim lasse ich meine Patienten meist vier Wochen nach dem letzten Fiebertage nach Hause zurückkehren, ein Recidiv nach vier Wochen gehört zu den grössten Seltenheiten, ich sah nur drei Fälle unter mehreren hundert Patienten. Sehr selten sah ich Fieberkranke, bei denen das Fieber länger als 8 Tage anhielt. Meistens zeigte dann die Untersuchung des Blutes keine Plasmodien und es stellte sich also heraus, dass die Diagnose unrichtig gewesen war, oder wenn die Plasmodien wohl im Blute vorhanden waren, dann erklärten sich die hartnäckigen Fieber durch aussergewöhnlich grosse Milz- oder Leberechwellungen. Sehr vereinzelt sind die Fälle, wo keine Veränderung am Körper zu con- statiren war und die Fieber doch länger anhielten, diese heile ich jetzt aber fast alle durch wiederholten Wechsel des Wohnortes wie oben angegeben wurde.

Die Zahl der nicht geheilten Patienten, die von hier nach Europa zogen, betrug ungefähr 3 0/0 der Gesamintzahl 500), von diesen fieberten nur noch l °/0 , die anderen litten an den Nachwehen der Malaria. Auch von diesen würden sicher noch einige geheilt

') Ueber die Akklimatisirung gobe ich hier auch hinweg, sie gehört nicht in den Rahmen dieser Arbeit. Ueber diese und über die für eine Behandlung im Höhencurort indicirten Krankheiton findet man Näheres in meiner Arbeit: In- dicaties en Contraindicaties voor opzend'ng van Lyders naar Tosari: Geneeskundig Tijd-schrift voor Ned. Indie, 1). XXXV. all. 2 en 8 1895.

*) Ueber die Veränderungen des Blutes im tropischen Hocbgobirge und über den Einfluss der Malaria auf das Blut handelt meine Arboit: Action du climat des tropiques et du climat d’altitude sur le sang de l’hommo. Geneesk. Tijdsch. voor Ned. lud. Deel. XXXV. afl. 5 eu 6, 1895. Genaueres findet sich in der be- kannten Arbeit von Mannaberg (1- c. ), dort ist auch die Litteratur zusammen- gestellt.

Digitized by Google

26

J. H. F. Kohlbrugge.

sein, wenn sie länger hier geblieben wären; es würde mich zu weit führen, wenn ich genau auseinandersetzen wollte, warum solche Kranken, wenn sie innerhalb 2 3 Monaten nicht heilen, Heber nach Europa gehen. Reddiv kam bei den geheilten Fällen natürlich öfter vor, doch fast nur bei solchen, welche zu früh abgereist waren ; unter denen, die erst einen Monat nach dem letzten Fiebertage abreisten, trat nur bei zwei Recidiv ein. Tod durch Malaria habe ich nie- mals gesehen.

Bekanntlich werden Fiebernde meist schnell mager, ich konnte bestimmen, dass ein heftiger Fieberanfall öfter mit einem Verlust von 1 2 Kilo Körpergewicht verbunden war. Hingegen wenn das Fieber wieder verschwunden ist, nimmt das Körpergewicht in der Woche meist mit 1 2 Kilo zu, oft auch schneller, durchschnittlich 3 5 Kilo im Monat. Ebenso schnell erhält auch das Blut seine normale Beschaffenheit wieder. Wenn das Körpergewicht und die Beschaffenheit des Blutes sich nicht bessern, dann ist Recidiv zu er- warten. Bevor beide nicht ungefähr zur Norm zurückgekehrt sind, bevor Milz und Leber nicht normal sind, lasse ich die Patienten denn auch nicht abreisen.

Ein sehr wichtiges Mittel, um die Prognose zu stellen, ist das Thermometer, ich lege denn auch viel Werth auf regelmässige Mes- sungen1). Diese lehrten mir Folgendes: Febris intermittens heilt schneller als Remittens oder Continua. Schlägt Remittens um in Intermittens, so wird dadurch die Prognose günstiger, auch wenn die Temperatur dabei steigt Bleibt das Fieber unveränderiich, denselben Charakter zeigend, er sei intermittirend oder remittirend, dann wird mehr Zeit zur Heilung nöthig sein. Schwanken die Temperaturen stark (Ungleichheit der einander folgenden Tage) dann ist bald Heilung zu erwarten, am schnellsten heilt der anteponirende Intermittens.

Es sind diese Regeln natürlich keine bestehenden Gesetze und Ausnahmen kommen vor, aber ich habe sie als ein wichtiges, prog- nostisches Hülfsmittel kennen gelernt Ein Gesetz, dass fast gar keine Ausnahme kennt, ist dieses: , Nachdem das Fieber ver- schwunden ist, sinkt die Temperatur unter 37° hinab und bleibt mehrere Tage zwischen 36° und 37°. Häufig auch kommen Tem- peraturen unter 36° vor; bis 35,5° kann das Thermometer sinken, dabei wird im Munde gemessen. Langsam steigt die Temperatur wieder aufwärts und ist meist in 6 8 Tagen wieder normal. So lange

') Alle Bestimmungen geschahen mit Jenaer Normalglas-Thermometem.

Digitized by Google

Malaria and Höhenklima in den Tropen.

27

die Temperaturemiedrigung dauert, muss der Reconvalescent sehr vorsichtig sein, sonst folgt ein Recidiv, und dann wird meist ein neuer Klimawechsel nöthig.

Ich übergehe die zahlreichen Beobachtungen von abnormalen Typen und seltenen Begleiterscheinungen (wie Ascites, Pleuritis, Er- blindung, Geistesstörung, Impotenz etc.), denn sie gehören nicht direct zur Beantwortung der Frage, wie das Höhenklima Malaria heilt und wie der Kranke sich in diesem Klima verhalten muss und schliesse mit dem Wunsch, dass diese Mittheilungen aus der Praxis auch an anderen Orten nutzbringend werden mögen.

Digitized by Google

Die Filaria Kilimarae in Britisch -Ostafrika

von Dr. med. George Kolb, Wiesbaden.

Es ist zu erwarten, dass mit der genaueren Erforschung der Tropen noch eine Reihe neuer Krankheiten gefunden werden wird. Manches, was heute als Malaria angesprochen wird, hat bei ge- nauerer Untersuchung nichts damit zu thun. Eine solche Erkrankung, deren Existenz meines Wissens bisher nicht beschrieben worden ist, nachzuweisen, ist der Zweck dieser Zeilen.

Wer in Ostafrika reist, wird zu verschiedenen Jahreszeiten, am häufigsten kurz nach den Regenzeiten, auf einen weissen, faden- förmigen Wurm von 0,5 1,0 mm Dicke und 10 20 cm Länge aufmerksam, welcher sich bei allen möglichen Gelegenheiten dem Auge des Forschers darbietet Obwohl es nach den mitgebrachten Exemplaren noch nicht möglich war, das Thier, eine Filaria, genau zu bestimmen bei den Filarien auch für den Specialzoologen keine leichte Sache so glaube ich doch mit der Veröffentlichung des Materials nicht länger zögern zu dürfen, denn meiner Ansicht nach ist die Sache ein Gegenstand höchster Wichtigkeit für den Europäer in den Tropen. Ich werde erst in zeitlicher Reihenfolge erzählen, wie ich zur Beobachtung dieses Wurms kam und werde dann zum Schluss die Folgerungen ziehen, zu welchen ich berechtigt zu sein glaube.

1. Auf meinem ersten Zuge von der ostafrikanischen Küste nach Westen entdeckte ich in dem Stuhlgang eines meiner schwarzen Begleiter eine Zahl fadenförmiger Würmer, sehr ähnlich dem bei uns häufigen Gordius aquaticus, von etwa 1 mm Dicke und 15 20 cm Länge, von gelblichweisser Farbe. Ich hielt das Thier für den wirk- lichen Gordius, nur wunderte ich mich, wo die Thiere in der trocknen Wüste plötzlich herkamen.

Digitized by Google

Die Fiiaria Kilimarae in Britisch -Ostafrika.

29

2. Am Tsavotlusse fingen meine Leute Fische. Beim Essen fiel mir die Menge der in demselben enthaltenen Filarien auf. Meine weissen Begleiter verschmähten deshalb die Fische. In den Fischen Afrikas ist das Vorkommen dieser Parasiten so häufig be- schrieben, z. B. Dr. Peters „Deutsche Emin- Pascha Expedition“, v. Hönel „Zum Rudolphsee und Stephaniesee“ etc., dass ich nicht weiter darauf einzugehen brauche. (Siehe Schlussnote!)

3. Bei einem Ausfiuge, welchen ich von der Mission Ikutha in Ukambani nach dem Sudende der Prinz Luitpoldkette machte, entdeckte ich in einer Wasserlache, nahe einem Dorfe, aus der ich trinken wollte, eine grosse Zahl solcher Filarien von 5 6 cm Länge.

4. An den Kilolumafällen des Tana, wo ich mich längere Zeit aufhielt, waren während der Regenzeit in «eien Wassertümpeln, auch in solchen auf reinem Gneissgestein ohne Vegetation, diese Filarien zu finden. Oft fanden sich an solchen Orten die Faecalmassen von Hyänen und Affen in grosser Menge.

5. An dem Fleische eines erlegten Flusspferdes hingen, als meine Leute dasselbe in’s Lager brachten, einige Filarien von 10 15 cm Länge.

6. In der Guasso-Nyiro-Ebene im Norden des Kenia (Kilimara) erlegte ich (im März 1895) ein Zebra. Mein Koch brachte mir die Leber, um mir zu zeigen, dass sie ungeniessbar sei. Ich zählte auf der unteren Fläche, nahe dem vorderen scharfen Rande, acht gelb- liche, wallnussgrosse Beulen, deren vordere Wand blos aus dem peritonealen Ueberzug der Leber zu bestehen schien. Beim An- schneiden einer derselben entleerte sich eine seröse, gelblich-milchig getrübte Flüssigkeit und ein etwa kirschgrosses Convolut von 4 8 Filarien von 10 18 cm Länge. Das Zebra war wohlgenährt, eine Stute und anscheinend gesund.

7. Als ich am Fusse des Kenia im October 1895 ein Nas- horn erlegte und meine Leute die Peritonealhöhle eröffnet hatten, um das Thier auszuweiden, kamen etwa ein Hundert halbverhungerter Massai mit der Bitte, die blutig-seröse Flüssigkeit, welche etwas fuss- hoch im Cavum Peritouei stand, trinken zu dürfen. Ich gestattete es. Mit einer Kürbisschale schöpfte ein Mann die Flüssigkeit und fischte dann, ehe er trank, eine ganze Handvoll der erwähnten Filarien, nach meiner Rechnung mindestens hundert Stück, heraus. Dasselbe Spiel wiederholte sich, bis die ganze, mindestens zwei Eimer be- tragende Flüssigkeit getrunken war. Es scheint dies eine Sitte zu sein, welche bei diesen Völkern oft geübt wird. Ich liess mir auch

Digitized by Google

30

Dr. raed. George Kolb, Wiesbaden.

die Leber zeigen. Dieselbe war frei von Filarien, dagegen zeigten sich an derselben Stelle wie bei dem Zebra eine ganze Reihe von narbigen Einziehungen , sowohl am Rande wie in der Mitte. Das Nashorn war ein Weibchen, sehr kräftig und wohlgenährt

9. In Monisu, am Fusse des Kenia, hatte ich im October für die Regenzeit ein festes Lager aufgeschlagen. Der benachbarte Stamm der Mrasangasi erklärte mir den Krieg und da mir nur 23 bewaffnete Leute zur Verfügung standen, rief ich den Fürsten der Massai, den „Goraschi“, der mein Blutsbruder war, mit seiner Leib- wache zu Hülfe. Bei dem nachfolgenden Kampfe war ich Zeuge eines Zweikampfes auf Schild und Speer zwischen einem Massai und einem Krieger der Mrasangasi, welcher mit dem Tode des letzteren endete. Der Massai hatte seinem Gegner den Schädel zertrümmert und das Abdomen aufgeschlitzt Als ich die Leiche betrachtete, ent- deckte ich einige Filarien zwischen den Darmschlingen. Diese wurden sofort in ein Glas mit Kampherspiritus gebracht und bei meiner Rückkehr hatte Herr Prof. Spengel in Giessen die Güte, die vorzüg- lich conservirten Exemplare unter Vergleich mit anderen Filarien, z. B. F. Medinensis, eingehend zu untersuchen. Auf das Resultat werde ich weiter unten zurückkommen.

10. Wenige Wochen später zog ich in das Gebiet der Massai, es war Ende December. Ich fand die Mehrzahl derselben krank. (Die Massai nähren sich nur von Fleisch, Milch und Honig.) Ich erfuhr, dass dieses Volk stets im Herbst unter dieser Kraukheit leidet Die Kranken bekommen Schmerzen in der Leibgegend, Schüttelfröste. Fieber, allgemeine Mattigkeit, Appetitlosigkeit, manchmal Erbrechen, ohne Durchfälle und verdriessliche Stimmung, kurz ein Krankheits- bild, welches in der Gegend als die Massaikrankheit bekannt ist und von welcher die Ackerbau treibenden Kitii- Völker des Kenia ungleich seltener befallen werden.

11. Eines Tages sah ich einen Oryx-beisa Bock, welcher sich, anscheinend nicht recht gesund, eifrig auf dem Boden umherwälzte, so eifrig, dass ich ihn unbemerkt aus 10 Schritt Entfernung erlegen konnte. Die Leber war voller Filarien.

1 2. Auf der Rückreise zur Küste erbrach ein mich be- gleitender Häuptling vom Kenia nach zweitägigem Unwohlsein mit Fieber einige Filarien. Darauf erholte er sich langsam.

Digitized by Google

Die Maria Kilimarae in Britisch -Ostafrika.

31

Herr Prof. Spengel, dem ich die aus der Leibeshöhle des ge- fallenen Kitü-Kriegers mitgebrachten Filarien übergab, stellte fest, dass die Exemplare alle Weibchen waren. Da nun die Männ- chen die charakteristischen Merkmale zur Bestimmung, und zwar an ihren Sexualorganen tragen, so war die Bestimmung mit Sicherheit nicht mögüch. Immerhin konnte festgestellt werden, und zwar aus der Stellung der Mund-Papillen, dass unsere Filaria grosse Aehn- lichkeit mit der Fil. Medinensis besitzt

Das Männchen der F. Med., welches zum Vergleich benutzt werden konnte, ist ausserordentlich lang, es ist also möglich, dass auch das (f unserer Filaria sehr gross ist, und dass es getrennt von den 9 lebt und der Geschlechtsreife entgegengeht, worauf die Be- gattung nach beiderseitiger Auswanderung aus dem Wirth an einem dritten Orte vor sich geht. Möglich also, dass unsere Filaria das Weibchen der F. Medinensis ist.

Die Filaria, welche ich in den Regenpfützen gesehen habe dürfte das 9 sein, und die Thiere vermuthlich mit dem Trinkwasser in die Wirthe aufgenommen werden, um dort bis zur Geschlechtsreife zu bleiben. Der Weg, auf welchem sie in die Leber gelangen, ist höchst wahrscheinlich der Ductus choledochtus mit seinem Quellgebiet. In der Leber bilden sie dann die erwähnten eigenthümlichen Knoten dicht unter der Leberoberfläche, welche im Kleinen das sind, was der Echinococcus im Grossen. Endlich reisseu diese Capsein zu Be- ginn der Regenzeit, wo andere Futterverhältnisse eine andere Blut- fiillung der Leber des Wirthes bedingen, ein, und die Thiere gelangen in das freie Peritoneum, wo wir sie bei Zebra, Rhinoceros und Oryx-beisa im October fanden. Dieser Vorgang wird je nach der Menge der platzenden Kapseln mit grösseren oder geringeren Reiz- erscheinungen seitens des Peritoneums verbunden sein. So erfahren wir denn auch, dass von October an das ganze Volk der Massai er- krankt ist, unter Symptomen, (he sehr wohl in das Krankheitsbild passen. Einige der Neger sterben, wie ich mich selbst überzeugen konnte.

Wie steht es nun mit dieser Erkrankung bei den Weissen in Afrika. Leider müssen wir hier sofort unseren gänzlichen Mangel an irgend welcher Kenntniss gestehen. Ich selbst kam auf die Idee, die Filaria möchte die Ursache der fieberhaften Erkrankung und des Todes vieler Europäer sein, auf folgende Weise. Ich selbst bin bis jetzt sehr resistent gegen Malaria. Im November 1894 bekam ich plötzlich Fieber, welches drei Tage anhielt, der Leib war schmerzhaft,

Digitized by Google

32

Dr. med. George Kolb, Wiesbaden.

die Leber sehr empfindlich. Vor und nachher habe ich viele Monate kein Fieber gehabt. Nach drei Tagen constanten Fiebers bis 40° C. mit mehrmaligem Erbrechen aber ohne Durchfalle hörten die Er- scheinungen langsam auf. Ein Jahr später, im October 1895, als die Massai der Mehrzahl nach Fieber hatten, erkrankte ich plötzlich auf der Jagd in gleicher Weise; Dauer des Anfalls sowie Verlauf der gleiche. Im Winter 1895 1896 hatte ich öfter leichte Malaria- anfälle in 4 6 wöchentlichen Pausen, doch waren diese von wesent- lich anderem Charakter. Im Mai 1896 kam ich nach Europa zurück, hatte den ganzen Sommer nie Fieber und brauchte auch kein Chinin. Im November bekam ich plötzlich Nachmittags Fieber bis 40 °C. Die Leber und das Abdomen waren schmerzhaft, einmaliges Er- brechen ohne Durchfall. Als nach 3 Tagen die Erscheinungen ge- schwunden waren, ging ich in die Universitätsklinik, zur Unter- suchung, theilte aber meine Ansicht den Collegen nicht mit Die Leber erwies sich als nicht vergrössert Endlich im October d. J. wurde die Leber wieder empfindlich. Ich consultirte Herrn Professor Poppert in Giessen, dessen Erfahrung in Gallenblasen- und Leber- erkrankungen bekannt ist, mit der Begründung, ich habe Verdacht auf Gallensteine. Der Befund war negativ. Nach 8 Tagen trat plötzlich heftiges Fieber ein. Dauer und Verlauf wie oben geschildert Mit dem Erlöschen des Fiebers waren alle Erscheinungen geschwunden. Plasmodien waren trotz eifrigen Suchens nicht zu finden gewesen.

Es ist mir aber noch eine Reihe anderer Fälle bekannt, wo Weisse im Herbst ohne Vorboten plötzlich an heftigem Fieber er- krankt, einige auch demselben erlegen sind. Im October kam HeiT Missionar Tremel von der Leipziger Evang. Mission nach 8jährigem Aufenthalt in Britisch-Ostafrika nach Europa zurück. Zufällig genau an demselben Tage wie ich bekam er auf der Reise nach Nürnberg plötzlich einen heftigen Fieberanfall, wurde in das Krankenhaus in Nürnberg gebracht, wo er verstarb. Patient war in Afrika ebenso wie ich vollständiger Temperenzler in Bezug auf Alkohol und ein seltener Fall von relativer Immunität gegen Malaria, so dass er eigentlich nie in seiner Thätigkeit behindert wurde. Nach meiner Ansicht ist die Wahrscheinlichkeit, dass er an Malaria gestorben ist, eine ausserordentlich geringe. Leider ist eine Section nicht aus- geführt worden, dieselbe hätte uns wichtige Aufschlüsse geben können.

Ebenso ist vor kurzem der bewährte Afrikaforscher Dr. Zint- graff gestorben, ebenfalls zur Zeit der Massaikrankheit. Doch das sind

Digitized by Google

George Kolb, Die Filaria Kiiimarae in Britisch- Ostafrika.

33

müssige Speculationen. Was ich glaube unzweifelhaft dargethan zu haben, ist das Vorkommen einer Filaria-Art in der Leber und in der Peritonealhöhle der höheren Säuger und des Menschen, welche durch die Auswanderung aus ihren Kapseln heftige, zum Theil be- drohliche Reizerscheinungen und Fieber verursachten. Der Neger, welcher selbst grosse Verletzungen des Peritoneums relativ leicht er- trägt, wie z. B. Pfeilschiisse mit Darmperforation etc., erliegt der Filariaerkrankung wohl selten. Der Europäer dagegen ist weniger resistent und ich vermuthe, dass eine ganze Reihe von Todesfällen auf eine solche Filarieninvasion zurückzuführen sind. Diese Gefahr ist auch nicht mit dem Verlassen der Tropen gehoben, es kann Jahr und Tag völlig fieberfreiere Zeit vergehen bis wie bei mir im Herbst wieder ein äusserst heftiger Fieberanfall eintritt.

Ich hoffe, diese Daten werden zu Untersuchungen nach zwei Richtungen hin Veranlassung geben:

Erstens ist das Vorkommen dieser Filaria bei Mensch und Thier in den Tropen, sowie die Lebensweise dieses Parasiten ausser- halb des thierischen Organismus zu erforschen.

Zweitens, und das ist vorderhand das Wichtigere, würde auf Mittel zur Verhütung der Infection, sowie auf etwaige Heilmittel nach erfolgter Infection, sowie auf eine sichere Diagnose der Er- krankungen zu fahnden sein.

Im Januar 1887 zerlegte ich am Stanley Pool ein im Congo geschossenes Krokodil. Der Magen des Thieres war, abgesehen von kleinen Steinen leer, zoigte aber an vier Stellen haselnussgrosso Vertiefungen in der Schleimhaut, welche von einem leichten entzündlichen Hofe umgeben und selbst sugillirt waren. In jeder Vertiefung sass ein Knäuel Filarien, ähnlich denen von Kolb beschriebenen.

Menge.

Nachschrift.

Herr Prof. Dr. Spengel zu Giessen, zoologisches und vergleichend anatomisches Institut, ersucht um Einsendung von Filarien, besonders Filaria medinensis, aus Afrika, um die oben angeregten Studien machen zu können. (Anm. d. Red.)

Archiv t Schiffs- o. Tropenhygicne. □.

3

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteratnrangaben.

a) Hygiene, Physiologie und Gesundheitsstatistik.

Die Pocken-Impfung ln Britlseh-Indlen.

Welche Fortschritte im Laufe der letzten Jahre die Kubpocken-Impfung in der Präsidentschaft Bombay aufzuweisen hat, das lehrt auf das Deutlichste der amtliche Impfbericht für das Jahr 1895 96 (Report of Vaocination in the Bombay Presidency for the year 1895—96. S. 16ff.).

Zwei Sendungen englischer Lymphe empfing man aus dem Mutterland?, die erste im November 1895, die zweite im März 1896. Jede Sendung umfasste sowohl Röhrchen mit humanisirter als auch solche mit Rinderlymphe, während der den Engländern gehörige Hafenplatz Aden an der arabischen Küste regel- mässig alle Vierteljahre eine Sendung aas England erhielt, welche bis auf ein einziges Mal sich stets als ausgezeichnet erwies.

In der Präsid Botschaft Bombay wurden im Laufe des Jahres im Ganzen 2339 Röhrchen verbraucht, von welchen ungefähr der vierte Theil unentgeltlich den militärischen Behörden für die Cantonnements und die Truppenschiffe, sowie den Civilärzten und Districtbeamten zur Verfügung gestellt wurde, während man die übrigen Röhrchen in den verschiedenen Kreisen der Präsidentschaft verkaufte.

Von weit grösserer Bedeutung erscheint es, dass der Gebrauch animaler Lymphe von Jahr zu Jahr auch unter den Eingebornen an Werthschätzung ge- winnt, so dass dieselbe jetzt bereits mit grossem Erfolg und, ohne bei der Be- völkerung auf erhebliche Schwierigkeiten zu stossen, im Lande selbst produ- cirt wird. Zu diesem Zwecke werden Kälber in der bei uns üblichen Weise vaccinirt, worauf aber die Lymphe direct vom Kalb auf daB menschliche Individuum übertragen wird, in analoger Art, wie es früher allgemein von Mensch zu Mensch geschah. Diese Methode ist unter den Eingebornen der Präsidentschaft Bombay schon jetzt derart populär, dass die Bewohner zahlreicher Dörfer Kälber zu Impfzwecken ausleihen, in einigen wenigen Fällen sogar die Mittel zum käuflichen Erwerb der Kälber hergeben, so dass die Impfung ohne Extra- Vergütung erfolgen kann. So giebt es Dorfgemeinden, welche alle Jahre ein Kalb zum Zwecke der Gewinnung der Vaccine erstehen, andere alle 6, wieder andere sogar alle 4 Monate.

Dies Verfahren bringt um so grösseren Segen, als es im Allgemeinen sehr schwer ist, die Eingebornen dabin zu bringen, von ihren Kindern Lymphe zum Zwecke der Weiterimpfung entnehmen zu lassen. Vor Allem bezeugen die

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

35

höheren Kasten eine schier unüberwindliche Abneigung gegen das Impfenlassen ihrer Kinder mit der einem Kinde niederer Koste entnommenen Vaccine.

Die Controle der Impfkälber seitens der Regierungs beamten scheint sehr streng zu sein. Während von 1425 Stück geimpften Jungviehs nur bei zweien die Impfung nicht anschlug, wurden mehr als 50 Stück durch den Chef des Impfamtes wegen Krankheit zurückgewiesen. Im Februar 1895 herrschte schwere Besorgniss; die Rinderpest wüthete und alle geimpften Kälber bis auf eins wurden hinweggeiafft. Unglücklicherweise brach gerade um jene Zeit eine Pockenepidemie aus, indessen verstanden es die Behörden, die Lymphe, welche das eine übrig- gebliebene Kalb spendete, derart trefflich zu verwenden, dass sie sehr bald im Stande waren, allen Anforderungen zu genügen.

In der Stadt Bombay ist animale Lymphe seit vielen Jahren im Gebrauch. Im laufe des Berichtsjahres wurden 584 Kälber geimpft Von dieson mussten nicht weniger als 58 wegen Krankheit vorworfen werden. Jedem Kalb wurden durchschnittlich 185 Impfschnitte applicirt Der Procentsatz der erfolgreichen Schnitte betrug 97%. Auch in den nördlich und nordwestlich an Bombay grenzenden Central-Provinzen Rajputana, Jubalpur u. s. w. war ein grosser Fort- schritt im Impfwesen zu konstatiren. Aus dem „Report of Vaccine Operations in the Central provinces for tho year 1895—1896“ ersehen wir, dass 57,88 pro Mille der Bewohnerschaft mit Erfolg geimpft wurden, gegen 34,6 pro Mille, welche den Durchschnitt der letztvergangenen 5 Jahre auamachen. Unter den Geimpften bestand ungefähr der dritte Theil aus Kindern unter 1 Jahre, ein weiteres Sechstel rekrutirte sich aus Kindern von 1 5 Jahren. Bei nicht weniger als 96,8 pro Cent aller Vaccinirten und 82,11 pro Cent aller Revaccinirten war die Impfung von Erfolg gekrönt

In scharfem Gegensätze zu der Präsidentschaft Bombey stiess die Frage der Lymph - Bereitung in den nördlichen Provinzen Englisch - Indiens auf grosse Schwierigkeiten. Die Religion Brahmas besitzt hier ihre fanatischsten Anhänger, welche weit strenger an all’ dem verwickelten Rituell und den unduldsamen Vor- artheilen dieser Lehre festhalten, als es seitens der Bevölkerung der südlichen Provinzen geschieht

Unter den zahlreichen heiligen Thieren der Hindus ist das Rind wohl als das heiligste angesehen. Dementsprechend wird in dem „Report of Vaccination in the Punjab for the year 1895 1896 by Surgeon Leut Col. W. A. Growford S. 7 und 8“ von grossen Schwierigkeiten berichtet, welche es in den ausgedehnten, unter britischer Herrschaft stehenden Ländergebieten des „Punjab“, des Landes der fünf Ströme macht, von den Eingebornen Büffelkälber für Impfzwecke zu erhalten, Schwierigkeiten, welche sich leider von Jahr zu Jahr vermehren. An einigen Plätzen ist es ganz unmöglich, Kälber zu bekommen, und der Bericht führt sogar Fälle an, wo selbst Hindus, nachdem sie Thiere zur Verfügung ge- stellt. nachträglich die Pusteln böswillig zerstörten. Thatsächlich ist die Lage eine derart unhaltbare geworden, dass es unmöglich erscheint, einen Ausweg zu finden. Aus diesem Grunde versuchte Dr. Doyson junge Ziegen, eine Gattung von Thieren, welchen der Hindus keine göttliche Verehrung zollt, welche er vielmehr als Opferthiere schlachtet, für die Gewinnung der Vaccine zu benutzen. Die darauf hinzielenden Experimente misslangen indessen durchaus. Er impfte die Ziege mit humanisirter, mit der Kuh und dem Kalbe entnommener Lymphe, indessen führte weder das Stich- noch das Schnittverfahren zum Ziele. Nur

8*

Digitized by Google

36

II. Besprechungen und Litteraturanguben.

vereinzelt entwickelten sich unzureichende Pusteln, während mit demselben Stoffe an Hunden, Büffelkälbern und einem Affen vorgenommene Controlvereuche zu einem positiven Ergcbniss führten. Er hält das Zicklein daher für nicht ge- eignet, um als Lymphspender zu dienen.

Surgeon Major Morris in Calcutta behauptet freilich andererseits, verschiedent- lich Ziegen mit Erfolg geimpft zu haben; indessen giebt auch er zu, dass es ihm nie gelang, eine Ziege von der andern zu impfen. Aus all’ diesen Gründen war es Col. Growford’s eifriges Bestreben, seitdem er 1894 zum ständigen Vorsitzenden der Gesundheitskommission (Sanitary Commissioner) für das Punjab ernannt war, in jener Provinz conservirte Lymphe, wie sie bei uns in Deutschland jetzt allgemein zur Verwendung kommt, einzuführen. Da er selbst als Chefarzt seiner Amtsgeschäfte halber die Experimente im Grossen nicht ausführen konnte, unterrichtete er zwei andere beamtete Aerzte in der Technik, wie er solche in Berlin im Jahre 1892 kennen gelernt Die beiden Herren gingen sogleich an die Bereitung der Lymphe, welche genau nach der Berliner Methode ausgeführt wurde, nur dass man sich anstatt des Glycerins und Lanolins des Vaselins als Vehikel bediente. Es geschah dies aus dem Grunde, weil das Vaselin als ein mineralisches Produkt das Gefühl der in strengem Kastengeiste und religiösen Vorurtheilen befangenen Bevölkerung in keiner Weise zu verletzen im Stande ist (Dass das eigentlich wirksame Agens auch bei der conservirten Lymphe von dem heilig gehaltenen Kalbe stammt, scheinen die Beamten verschwiegen zu haben, ein Umstand, der freilich keinen so schweren Anstoss erregen konnte, als wenn vor den Augen des Publikums direkt von dem geheiligten Thiere die Vaccine entnommen und auf ein womöglich der niederen Klasse angehöriges Individuum verpflanzt worden wäre. Anmerk, des Bef.)

Neben diesen mehr ideellen Vorzügen besitzt das Vaselin auch den reellen Vortheil, bei der hohen, während des Sommers in Punjab herrschenden Tempe- ratur fest zu bleiben und nach Oeffnung der Bohre nicht gleich herauszufliessen.

Die Impfung mittelst conservirter Lymphe hat ferner das Gute, ungefähr nur halb so kostspielig zu sein, als die direkte Impfung vom lebenden liiere. Dabei soll sich ein derartiges Material nach Growford's allerdings wohl etwas zu optimistischem Urtheil ebenso wirksam, wenn nicht wirksamer(V), erweisen, als jenes. Des Ferneren kann das Thier mit weit grösserer Buhe und Sorgfalt aus- gewählt, untersucht und bis zum Schluss beobachtet werden, so dass man sicher ist, ein absolut gesundes Exemplar vor sich zu haben. Natürlich ist es geboten, die Lymphe mit der peinlichsten Sorgfalt und unter allen möglichen Cautelen zu bereiten.

Der Berichterstatter bemerkt mit Hecht, dass ein derartiges System noch weitere schwerwiegende Vortheile besitzt Es enthebt die Impf-Commission all der lästigen, nicht selten unüberwindlichen Schwierigkeiten bei Beschaffung der Kälber in den einzelnen Distrikten, und erleichtert ungemein die Bewegungen der Impfärzte, welche, wenn sie ihr Material in Böhrchen fertig mitführen, weit schneller zu reisen und erheblich mehr Impfungen auszuführen in der Lage sind. Ferner hebt es die Nothwendigkeit der Impfung von Arm zu Arm völlig auf und beseitigt hiermit. die grossen Gefahren, welche Vornahmen dieser Art in einem dicht bevölkerten, von Seuchen aller Art heimgesuchten Lande wie Indien nothwendig herbeiführen würden.

Mehr Anklang als in Punjab fand die Impfung vom Kalb direkt auf den

Digitized by Google

II. Besprechungen und Ijtteraturnngaben.

37

Menschen in den nordöstlichen Provinzen Britisch-Indiens. Der „Report of the Province of Assam for the year 1895—96“ besagt auf S. 18, dass in jener am weitesten nach Osten vorgeschobenen Provinz Vorderindiens während des Berichts- jahres 608 Kälber zu Impfzwecken käuflich erworben wurden mit einem Kosten- aufwande von 2904 Rupios (ca. 4000 Mark unseres Goldes). Nach der Abimpfung wurden die Kälber für 1—8 Rupies das Stück wieder verkauft.

A ähnlich günstig wie in Assam liegen die Dinge in dem westlich an letzteres Gebiet grenzenden Bengalen. In dem „Tribunial Report of Vaccination in Bengal during the years 1898—96 by Surgeon Capt Doysen S. 24 u. 25“ spricht sich jener Arzt, ebenderselbe, welcher die erfolglosen Impfungen an jungen Ziegen ausführte (siehe oben), im ausdrücklichen Gegensätze zu Growford in Punjab dahin aus, dass er sich gemäss seiner nunmehr über 6 Jahre reichenden Erfahrungen für die Impfung direkt vom Kalbe entscheide. Bei der an sich wohl gleiehwerthigen Impfung von Arm zu Arm ist zu bedenken, dass gesunde Kinder innerhalb der niederen Kasten und auf diese ist man in Indien aus- schliesslich angewiesen sehr selten zu finden sind. Keine einer höheren Kaste angehörendo Frau wird von einem derartigen Individuum ihren Sprössling abimpfen lassen.

Das Kalb betreffend, so besteht die einzige ernstlich in Frage kommende Gefahr in der Tuberkulose, einer Affection, welche das Rind in jenen Gegenden nicht gerade häufig befallt. Ferner ist eine derartige Lymph-Quelle thatsächlich unerschöpflich.

Als Doysen vor 3 Jahren zum ersten Male diesen Gedanken anregte, stellten sich jene religiösen Vorurtheile, welche noch jetzt in den nordwestlichen Pro- vinzen die Oberhand haben, auch in Bengalen hindernd in den Weg; das Volk war nicht dahin zu bringen, seine Kälber zum Zwecke der Hergabe dos Impf- stoffes zur Verfügung zu stellen. Jetzt ist diese Art der Impfung durch fast alle Distrikte Bengalens verbreitet.

Die zweite in besagter Provinz übliche Impfform ist diejenige mittelst einer Mischung von Kalbslymphe und Lanolin in conservirtem Zustande. Doysen hält sie für minder wirksam als jene erste, indessen besitzt auch sie ihre unleugbare Bedeutung für Wander- Impfungen und in Zeiten plötzlichen Blatternausbruches, endlich in Distrikten, in welchen religiöse Vorurtheile absolut nicht zu überwinden sind. Aus all den angeführten Gründen sollten genügende Anstalten zur Bereitung und Conservirung von Lanolin-Lymphe unter Leitung europäischer Sanitätsbeamten im Lande angelegt werden. Denn es ist leicht ersichtlich, welch’ ernste Folgen in Zeiten schwerer Blattemepidemioen die Impfung mit unwirksamem Material haben müsste.

Allmählich scheint sich überall das Volk in Bengalen von den grossen Vortheilen der Vaccination mehr und mehr zu überzeugen. Natürlich giebt es auch dort fanatische Impfgegner, so gut wie bei uns zu Lande. Neben religiöser Quelle entspringenden Vorurtheilen ist die Freude am Opponiren hierbei von nicht zu unterschätzendem Einfluss. Unsorgfältig ausgeführte, unwirksame oder schädliche Impfungen leisten der Opposition natürlich Vorschub.

Dr. Franz Kronecker.

Digitized by Google

38 II. Besprechungen und IJtteraturangaben.

lieber Bekleidung und Gepäck bei Landungen in den Tropen,

von Marinestahsarzt Dr. Freymadl,

Ifa rine- Rundsch au, Nortmber 1897.

Nach Erörterung der physikalischen Eigenschaften der verschiedenen Stoffe kommt der Verfasser zu dem Ergebniss, dass sich für Landungstruppen in den Tropen als Ober- oder Unterkleidung am meisten baumwollene Stoffe empfehlen, für letztere Trikotstoffe, hofft aber, dass es der Industrie gelingen werde, durch Zusammenstellung verschiedener Gewebe ein noch besseres Material zu liefern. Als Kopfbedeckung bewähren sich am besten die Tropenhelme aus Kork, indischem Schilf und Agave-Mark mit Nackenschleier. An Stelle der langscbäftigen Leder- stiefel hat die deutsche Marine Schnürstiefel und Gamaschen aus Leder oder Segeltuch mit Lederbesatz eingeführt. 'Warm empfohlen werden von verschiedenen Seiten an Stelle der Gamaschen Beinwickel aus wollenen Binden, welche wie ein Verband den Unterschenkel einhüllen. Die Strümpfe bestehen am besten aus leichter Kammwolle. Die Belastung des einzelnen Mannes muss in den Tropen viel geringer sein als im gemässigten Klima und darf einschliesslich der Kleidung 15 16 Kilogramm nicht übersteigen. Der Tornister wird am zweekmässigsten durch den Bucksack ersetzt. Af.

Das Höhenklima tropischer Inseln, verglichen mit dem der Schweiz in Bezug auf Veränderungen des Blutes.

Von J. H. F. Kohlbrngge, dir. Arzt des Sanatorium zu Tosari auf Java.

Verf., welcher sich bereits durch mehrere Arbeiten auf dem Gebiete der Tropenhygiene, besonders der Klimaeinwirkung auf das Blut, bekannt gemacht hat und mehrere Jahre unterbrochen auf Tosari, 1777 Meter hoch im Tengger- gebirge Ost-Javas belegen, zubrachte, fand bei seinen ausgedehnten Blutunter- suchungen keine Zunahme der Erythrocyten und des Haemoglobingehaltes, im Gegensatz zu den Schweizer Forschern, die wie Kündig in Davos, 1500 Meter hoch, eine ganz bedeutende Zunahme constatirten. Die Schweizer Autoren führen die von ihnen gefundene Vermehrung auf barometrische Druckvermindenmg zurück, welche dem Körper erlaubt, in dieser verdünnten Luft mehr Sauerstoff zu fixiren. (Neuerdings ist der verminderte Druck auf das Deckglas des Zähl- apparates und Volumenvergrösserung der Zählkammer für die betr. Zunahme in Anspruch genommen. Ref.) Kohlbrngge vergleicht nun seine in den Tropen- höhen gewonnenen, ganz abweichenden Resultate mit denen hier in Europa, be- spricht die Wirkung der relativen und absoluten Feuchtigkeit, der Temperarur- schwankungen, Bevölkerung und Sonnenscheindauer immer vergleichsweise hier und dort, woraus sich aber die Vermehrung der Erythrocyten hier und das Gleichbleiben der Zahl derselben, resp. deren geringe Verminderung auf Tropen- gebirgen gegenüber der Tropenebene nicht erklären lässt. Kohlbrugge glaubt, dass Personen mit Verkleinerung der athmenden Lungenoberfläche mehr Luft ein- athmen, als solche mit gesunder Lunge, und dass die Wasserentziehung, welche beim Athmen in der trockneren Hochgebirgsluft im Lungenblut vor sich geht wie ein Reiz wirkt, der sich auf die blutbildenden Organe fortpflanzt. Im Jang- gebirge, wo Kohlbrugge im Aufträge der Regierung untersuchte, fand er trotz grösserer Höhe als in Tosari Abnahme der Erythrocyten. Hier wie in Tosari

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

39

wirf weniger Wasserfampf ausgeatbmet und weniger geschwitzt als in Davos, in Folge dessen ist dort der Wasserumsatz gegen Davos herabgesetzt Daher würfe in den Tropen nicht der Reiz in Betracht kommen, sondern eher ein Mangel an Feuchtigkeitsumsatz, ein verlangsamter Stoffwechsel. Koldbrugge sagt ,,es sei undenkbar, dass eine Wasserentziehung (wie Grawitz will) das Blut so eindicke, dass daraus die relative Zunahme der Blutkörperchen und des Haemoglobins sich erklären Hesse, allein es bestehen in den Tropen bei Europäern wenigstens, nach längerem Tropenaufenthalt, worauf Ref. mehrfach hin wies, Unterschiede des Wassergehaltes des Blutes und ohne vorherige Bestimmung der Trockensubstanz und Berechnung der flüssigen Bestandteile des Blutes ist in den Tropen jede Blutkörperchenzählung und Haemoglobinbestimmung anfechtbar (Ref )

Karl Däubler.

Pestnachrichten.

Seit dem Wiederauffl ackern der Pest in Bombay um die Mitte des vorigen Decembers waren dort bis zum 10. Januar insgesammt 408 Todesfälle an der Seuche vorgekommen. Nach Zeitungsnachrichten wurden verzeichnet:

am 5 6 Januar binnen 48 Stunden 142 Erkrankungen, 105 Todesfälle, am 9 10 159 126

,, 10—12 154 167

am 24. Januar schon binnen 24 Stunden 129 121

(am 24. Januar 1897 waren es binnen 24 Stunden nur 62 Erkrankungen und 55 Todesfälle). In den Hospitälern der Stadt lagen am 24. Januar 707 Pest- kranke. Um wolche Mensehenmassen es sich bei Bekämpfung der Krankheit handelt, lässt die Mittheilung vom 80. December 1897 erkennen, dass in der ver- flossenen Woche in den Quarantäne-Stationen und Lagern an der bengalischen Grenze 80152 Personen untersucht und 12046 als verdächtig befunden wurden. Kussland hat in seinen Grenzgebieten die Pilgerzüge verboten, die Türkei den Hafen von Djoddah für dieselben gesperrt und Quarantäne in Kamaran und Basso ra ungeordnet. M.

b) Pathologie und Therapie.

lieri-Jteri.

i

Polineuritis by hoenders, nieuwe bydragen tot de aetiologie der ziekte.

Von Dr. Eykmann, direktor van het laboratorium voor pathologische anatomie en baeteriologie te Batavia.*)

Auf den Inseln des malaiischen Archipels ist seit langer Zeit unter den Haushühnern, Tauben und Enten eine Krankheit bekannt, welche von älteren holländischen Colonialärzten beschrieben worden ist und deren eingehendes Studium Eykmann 6 Jahre lang beschäftigte. Der Verfasser beobachtete dieselbe zuerst unter den Hühnern des patholog. anatom. Laboratoriums in Batavia und be- schreibt uns auf S. 215 (aflevering 4, geneeskundig Tijdschr. voor Noderlandsch- Indie) dieselbe folgendermaassen : Zuerst fällt an dem Thiere ein unsichrer Gang

i) Bel der Wichtigkeit de« Gegenstandes ist eine «weite Besprechung der Arbeit durdh den «1» Beri-Beri*For«cher bekannten Referenten gewiss erwünscht. Anw. d. Be<L

Digitized by Google

40

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

auf, besonders beim Klettern und Laufen auf einem horizontalen Stabe; das Thier kann sich nicht mehr festhalten. ' Diese Motilitätsstörungen nehmen schnell zu, das Thier fällt leicht um, endlich bleibt es auf der Seite liegen, auch die Flügel werden allmälig gelähmt, bald ist es so gelähmt, dass es nicht mehr trinken und Futter aufpicken kann, es kann wohl noch sich bücken, der Kopf kann aber nicht mehr aufgerichtet werden, es tritt Dyspnoe ein mit verlangsamter Ath- mung (1), die Körpertemperatur fällt einige Grade, Kamm und Haut werden blan- roth, der Kopf ist eingezogen und unter Asphyxie tritt der Tod ein. Die patholog.- anatomische Untersuchung hat, wie der Verf. auf S. 216 dieser Arbeit und be- reits früher mittheilt, gezeigt, dass man es mit einer Degeneration der peripheren Nerven zu thun hat, dass aber auch am Rückenmark degenerative Veränderungen nicht fehlen. Wenn E. als Ueberschrift für seine Arbeit „Polyneuritis der Hühner“ wählt, die wir ihm vorwerfen wollen, so begeht er hiermit die erste Ungenauigkeit. Bei den secirten und untersuchten Hühnern seiner Experimente hat er niemals das Rückenmark untersucht, sondern seine patholog.-anatomischen Untersuchungen nur auf einzelne peripherische Nerven beschränkt Im Jahre 1890 wurden die Hülmer des pathol.-anat. Laboratoriums mit gekochtem, ans der Lazarethküche stammenden Reis gefüttert, der den Thieren einen Tag nach der Zubereitung verabreicht wurde. Vom 10. Juni bis zum 20. November dauerte diese Fütterung. Die von E. unter den Hühnern beobachtete Epidemie fing am 10. Juli an und hörte Ende November auf. E. zog aus dieser Beobachtung den Schluss, dass der aus der Lazarethküche herstammende gekochte Reis die Hühner krank gemacht hätte. Weitere Versuche zeigten nun aber, dass auch der unge- kochte Reis dieselbe Krankheit hervorrufen könne. E. suchte nun die di recte Krankheitsursache zu ermitteln und stellte eine grosse Anzahl noch näher zu be- schreibender Versuche an, welche den Beweis liefern sollen, dass die innere Schale des Reiskornes die Hühner vor der Polyneuritis beschützen könne, während der Mangel derselben in der Reisfütterung die Krankheit zur Folge hätte.

Zum VerständDiss der folgenden Versuche möchte ich eine kurze Bemer- kung einschieben. In Niederländ.-Indien werden 3 Reissorten gebaut, die weisse, rothe und die schwarze. Das Reiskorn ist bei allen umgeben von einer äusseren gelblichen und einer inneren zarteren, das Kom direct umgebenden Schale, das Silberhäutchen, die bei der rothen und schwarzen Sorte pigmentirt ist. Beim Stampfen verliert die weisse Reissorte die Hülsen insgesammt, während bei der rothen und schwarzen Sorte die innere Schale sehr schwer zu entfernen ist und beim einfachen Stampfen meist am Korn hängen bleibt.

Die ersten 2 Versuche (4 Hühner) wurden mit weissem, in destülirtem Wasser gekochten Reis aus dem Lazareth gemacht, alle 4 Hühner erkrankten nach 22, 24 und 68 Tagen. Es wäre damit der von Fiebig gemachte Einwand widerlegt, dass der krankmachende Stoff mit dem Wasser in den Körper der Versuchsthiore gelangt sei.

Bei den 2 folgenden Versuchen wurde ungekochter Lazarethreis ohne Schalen verwendet Die Thiere erkrankten nach 22, 24, 30 und 40 Tagen. In Versuch 5 und 6 wurden die Hühner mit frisch gestampftem weissen Reis ohne Schalen gefüttert und zwar wurde der Reis in Versuch 5 frisch gekocht, in Ver- such 6 ungekocht verabreicht. Die 2 Hühner von Versuch 5 erkrankten beide, dagegen in Versuch 6 nur das eine, das andere konnte den Reis 131 Tage ohne Nachtheil vertragen. In Versuch 7 wurde ein Huhn mit gekochtem weissen

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

41

Beis (ohne Schalen) gefüttert, es erkrankte nach 24 Tagen. In Versuch wurde ungekochter, frisch gestampfter, schalenloser ßeis gefüttert Das eine Huhn stirbt nach 4 Monaten an Nasen- und Kohlkopfdiphtheritia, das andere wird nach 93 Tagen krank; in Versuch 8B wird ungekochter ßeis mit Schalen ver- abreicht Das eine Huhn stirbt nach 8 Monaten an Nasen- und Kehlkopfdiphthe- ritis. das andere stirbt nach ungefähr 4 Monaten an Diphtheritis des Dickdarmes.

Es fällt hier schon auf, auf welchem ungesunden Terrain diese Versuche gemacht wurden. Wir werden für diese ungünstigen hygienischen Verhältnisse, unter denen die E.'schen Versuchslhiere sich befanden, noch weitere Belege finden.

In Versuch 9 sind die ersten beiden Hühner ebenfalls mit ungekochtem weissen ßeis ohne Schalen gefüttert, das eino erkrankt nach 7 Monaten und 8 Tagen, hat also den ßeis ziemlich lange ohne Schaden vertragen können(!) das zweite nach ungefähr 2 Monaten. Die beiden andern Hühner desselben Ver- suches wurden mit Schalenreis gefüttert, nach 6 Monaten und 7 Tagen wurde der Versuch beendet, beide Thiere blieben gesund. In Versuch 10 wurden 2 Hühner mit ungekochtem frisch gestampften ßeis ohne Schalen gefüttert, das eine er- krankte nach 6 Monaten (!), das andere wurde nicht an Polynouritis krank, sondern starb nach 10 Monaten, ohne deutliche Kraukheitserscheinungen gezeigt zu haben, also ein Tod ohne Krankheit, den wir noch später bei andern Hühnern wiederfinden. Das 3. und 4. Huhn desselben Versuches wurden mit ungekochtem Schalenreis gefüttert und war nach 10 Monaten noch gesund. ln der folgenden Tabelle fasse ich die ßesultate dieser Versuche noch einmal kurz zusammen:

Womit

gefüttert?

Anzahl

Hühner

Erkrankten wie lange nach dem 1 Anfang der

Fütterung?

Wie lange gesund ge- blieben?

Gestorben

Mit Heis ohne Schalen

18

Von 22 Tage bis \ 7 Monate 8 Tage '

1

j ohne deutliche * Krankheitser- scheinung vorher

Mit Schalen- reis

6

2 Hühner , 10 Monate * 2 Hühner 6 Monate

2 an Diphtheritis

1

In dieser Versuchsreihe Mit auf 1. dass E. mit Ausnahme von Versuch 9 niemals die Monate angegeben hat, in denen die Hühner gefüttert wurden, wir werden spater sehen, wie wichtig gerade diese Angaben für die richtige Be- urtheilung seiner Versuche sind.

2. Liefern einzelne seiner Krankengeschichten den unzweifelhaften Beweis, wie ungeheuer schwierig es ist, eine genügende Einsicht in die klinischen Ver- hältnisse einer Hühnerkrankheit zu bekommen. Bei einer Polyneuritis werden nicht nur die motorischen, sondern, wie wir dies aus Analogien am Menschon erwarten dürfen, die sensiblen und vasomotorischen Nerven ergriffen. Nirgends hören wir von klinischen Erscheinungen am sensiblen und vasomotorischen Nerven- apparat. Ich gebe zu, dass dies bei einem Huhn sehr schwierig ist, aber darum ist es auch beinahe unmöglich, den ganzen Verlauf der klinischen Erscheinungen, die Verschlimmerung oder Besserung der Krankheitserscheinungen festzustellen. K.’b Angaben der klinischen Erscheinungen bestehen ausschliesslich in allgemeinen

Digitized by Google

42

II. Besprechungen und latteratu rangaben.

Angaben über motorische Störungen: „Ist paretisch“ oder Motilitätsstörungen zuge- nommen; kann kaum stehen, Müdigkeit kann nicht laufen liegt auf der Seite schwach auf den Füssen“ etc., nur bei 2 von den 18 erkrankten Thieren wird Dyspnoe erwähnt, bei keinem einzigen wurde die Temperatur gemessen und ausser den motorischen Störungen gehört, wie E. uns beschreibt, die Dyspnoe und die Abnahme der Temperatur zu den wichtigsten Erscheinungen im Krank- heitsbilde.

3. Fällt schon jetzt die grosse Länge der Zeit auf, die nöthig ist, um die Hühner krank zu machen. Warum können die Hühner hier, wo es sich nach E. um ein chemisches Gift handelt, den Reis Wochen lang, einzelne Hühner Monate lang ohne Schaden vertragen? E. nimmt bei einem chemischen Gift ein Incuba- tkmsstadium (!) an, nach dessen Verlauf die ersten KTankheitserscheinungen sich zeigen.

Nun folgen eine Anzahl Versuche (11 15), wo 8 Hühner theils mit Schalenreis gefüttert werden und Monate lang gesund bleiben oder erst mit Reis ohne Schalen erkranken und unter Fütterung mit Schalenreis besser werden. Der eine Hahn in Versuch 11 hat nicht weniger als 6 Monate nöthig, bis es unter dieser Fütterung mit Schalenreis besser wird, die andern Hühner in Ver- such 15 ungefähr 3 Monate. Die Krankengeschichten sind, wie die meisten in der E.’schen Arbeit, höchst dürftig. Ich theile hier eine derartige Kranken- geschichte mit „Versuch 15, schwaches Huhn, Gewicht 985 Gramm, seit dem 2. Januar mit gekochtem Tischreis gefüttert, 13. März paretisch, Gewicht 450 Gramm, von jetzt ab mit gekochtem, weissem Hülsenreis gefüttert, zunehmende Besserung, 10 Juni geheilt, Gewicht 720 Gramm. Nun war es möglich, fährt E. fort, dass in der äusseren gelben Schale oder der innern dünnen, das Korn direct um- hüllenden Schale, Stoffe enthalten seien, welche das Huhn vor einer Vergiftung schützen.

ln Versuch 16 wurde ein Huhn unter Fütterung mit gekochtem Reis ohne Schalen krank; nachdem die Krankheit ausgebrochen war, bekam es ausser dem gekochten Reis die innern Reisschalen und zwar am 15. Juni. Am 28. Januar, also nach 7 Monaten, ist von einer langsamen Besserung die Rede, am 14. Juni, also nach einem Jahre, ist das Huhn geheilt(l), allerdings ein glänzender Erfolg mit den innern Schalen!

In Versuch 17 erkrankt ein Huhn unter derselben Fütterung. E. giebt dem Huhn Fleisch zu fressen, darauf wird es besser, dann bekommt es wieder gekochten Reis ohne Schalen, der mit gelben, äusseren Schalen vermischt ist, das Thier wird kränker und stirbt! In Versuch 18 und 19 werden 3 Hühner mit weissem Reis und den äusseren gelben Schalen gefüttert. Nach 4 Monaten wird das eine Huhn, nach 6 Monaten das zweite krank, das dritte stirbt an Croup.

Trotz des Mangels an der innern dünnen Schale blieb das eine Thier 4 Monate, das andere 6 Monate gesund.

E. zieht auf S. 234 die folgenden Schlüsse:

1. Das Reiskorn, von seinen Schalen befreit, bringt bei Hühnern Polyneu- ritis hervor.

2. ln der dünnen inneren Schale besitzt das Reiskorn ein Mittel, den schädlichen Einfluss des Reiskornes zu neutralisiren, sowie die ansgebrochene Krankheit zu heilen.

Digitized by Google

II. Besprechuugdn uud Litteraturangabon. 4S

8. Die Quantität dieses heilsamen Stoffes in dieser innern Sclialo ist nicht so gross, dass ohne Gefahr ein einigermaassen erheblicher Theil fehlen darf.

4. Diese innere Schale unterscheidet sich von dem andern Theil der Reis- körner durch einen hohen Gehalt an Stickstoff und Salzen.

Ich habe dem Leser die ersten 19 Versuche E.’s ausführlich mitgcthcilt, um ihm Gelegenheit zu einem l’rtheil über diese tiefsinnigen, aus den Versuchen gewonnenen, soeben wörtlich mitgetheilten Sätze zu geben. Wie weise hat es doch die Natur eingerichtet, dass dieses Gift Millionen von Menschen, die von Reis ohne Schalen leben, nichts schadet, wie unergründlich sind hier die Ge- heimnisse der Natur, wo ein chemischer Stoff in der innern Schale sich mit einem andern im Reiskorn zu etwas Unschädlichem verbindet und zugleich die Krankheit, d. h. die degenerirten peripheren Nerven, also chemisch veränderte Nerven, in gesunde umzuwandeln versteht!

Es ist nur schade, dass wir in E.’s Arbeit über alle diese chemischen Stoffe, auch über die in andern pflanzlichen Nahrungsmitteln vermutheten und Polyneuritis hervorbringenden, da nichts Näheres erfahren, und dass E. auch nicht erklärt, in welcher Weise er diesen auf die degenerirten Nerven behaupteten, günstigen Einfluss sieh vorstellt.

Zwischen die Versuche mit Hühnern ist der Versuch 20 mit 2 Tauben eingeschaltet, welche mit gekochtem Reis ohne Schalen gefüttert wurden, und der besonders dadurch interessant ist, dass beide Thiere plötzlich sterben, ohne deut- liche Krankheitserscheinungen gezeigt zu haben; bei der einen Taube ist im Ischia- dicus ausgebreitete Degeneration, bei der andern ist weder im Ischiadicus, noch im Vagus Degeneration nnchzuweisen, bei der einen bestand demnach nach E. Polyneuritis, bei der andern nicht. Auch hier sieht man, dass das Erkennen einer Vögelkrankheit, speciell einer Polyneuritis, mit grossen Schwierigkeiten ver- bunden ist.

Nun konnte man sich nach E. die schädliche Wirkung der Reiskörner ohne innere Schale auf folgende Weise denken. Da die letztere bedeutende Mengen Stickstoff und Salze enthält, so war es möglich, dass eine Herabsetzung von Salzen und Stickstoff in der Nahrung die Ursache der Polyneuritis sei, da verschiedene Forscher, wie Förster u. A., bei Thierversuchen feststellten, dass z. B. Entziehung der Salze eigenthümliehe Krankheitserscheinungen nach sich zöge. In Versuch 21 wurden 2 Hühner mit ungekochtem Reis mit Schalen ge- füttert, die Menge des Futters wurde von 50 10 Gramm täglich vermindert Es wurde die interessante Thatsache festgestellt, dass dio Thiere abmagerten, die eine Henne starb am 59. Tage, bei der andern wurde mit dem Versuch nach 66 Tagen aufgehört, bei 6 Haut- und Muskelnerven der Gestorbenen wurde keine Nervendegeneration gefunden. In Versuch 22 wurden 2 Hühner mit Schalenreis gefüttert, sie nahmen an Gewicht zu, dann entzog E. ihnen jegliche Nahrung, sie bekamen nur Trinkwasser, es ergab sich die interessante Thatsache, dass die eine von 940 bis 570 Gramm innerhalb 40 Tageu abmagorte, die andere starb unter Erscheinungen von Schwäche und niedriger Temperatur (zwei Erscheinungen, die, wie wir früher von E. gehört haben, zu dem klinischen Bilde der Polyneuritis gehören); Nerven waren nicht degenerirt; auf wie viele Nerven die Untersuchung sich erstreckt hat wird nicht gesagt. E. zieht aus diesen Versuchen den Schluss, dass eine quantitativ ungenügende Menge Futter Polyneuritis bei Hühnern nicht hervorrufe. Die beiden Hühner, welche in diesen Versuchen am Leben bliebe n.

Digitized by Google

44

II. Besprechungen und Ijttera tu rangaben.

wurden nur bis zum 40. und 66. Tago beobachtet; da wir früher gehört haben, dass die Polyneuritis sich selbst nach 93 Tagen, ja nach 6 und 7 Monaten noch zeigt, so können diese beiden Beobachtungen zur Beurtheilung nicht verwandt werden, es bleiben also nur 2 Beobachtungen übrig; man sieht, aus wie vielen sicheren Beobachtungen E. bisweilen allgemeine Schlüsse zieht

In Versuch 23 wurden 2 Hühner mit Tapioca (brasilian. Arrowroot) ge- füttert, eine Mehlsorte, welche sehr wenig Salze und Stickstoff enthält; also auch hier wurden, wie in den vorigen Versuchen, ungenügende Mengen Salze und Stickstoff verabreicht; trotzdem erkranken die Hühner an Polyneuritis. E. theilt nach diesem Versuch mit, dass noch 12 Hühner mit Tapiocafütterung an Poly- neuritis erkrankten.

Dann folgen Versuche, in denen die mit Tapioca krank gemachten Hühner durch Zufuhr von Eiweiss und Salzen besser weiden.

In Versuch 24 wurden 2 Hühner mit Tapioca gefüttert, das eine erkrankte 23, das andere 32 Tage nach Beginn der Fütterung, beide bekamen nun unge- kochtes Fleisch, das eine zeigt nach einem Tage Besserung, das andere stirfc* nach zwei Tagen. Dieser Versuch wurde wiederholt mit dem Oesammtresultat, dass von 6 Hühnern, welche mit Tapioca krank geworden waren, unter Fleisch- fütterung 4 besser wurden. Fleisch ist nach E. das beste Mittel, um Hühner bei schwerer Erkrankung am Leben zu erhalten, ln Versuch 25 wurden die ersten beiden Hühner mit 50 Gramm Tapioca täglich und Bouillon von 50 Gramm Fleisch krank gemacht, die nächstfolgenden zwei mit 50 Gramm Tapioca und 25 Gramm aasgekochtem Fleisch, die darauf folgenden 4 mit 50 Gramm Tapioca und 25 Gramm uDgekochtem; diese letzten 4 Hühner, welche also täglich ungekochtes Fleisch, ein nach E. ansgezeichnetes Mittel, um die Heilung der Krankheit zu unterstützen, bereits bekommen, wurden, nachdem die Krankheit sich entwickelt hatte, nur mit ungekochtem Fleisch gefüttert, trotz diesem hervorragenden Mittel starben 3 Hühner, das eine kam mit dem Leben davon.

ln Versuch 26 wurde eine Henne mit Tapioca und rohem Fleisch krank gemacht, unter seiner Fleichfütterung zeigte dieselbe nach 4 Tagen (!) bereits deutliche Besserung. Dann wurden 3 Hühner nur mit ungekochtem Fleisch ge- füttert, das eine stirbt ohne deutliche Krankheitserscheinungen gezeigt zu haben. Nerven wurden nicht untersucht!!! Die zweite ist sehr schwach, doch zeigt keine Motilitätsstörungen ! Am Schluss der Krankheitsgeschiehte, die aus IS 'Worten besteht, findet sich dann kurz und bündig: Untersuchung der spinalen Nerven nach Marchi: Keine Degeneration. Die 3. Henne wird als krank be- zeichnet, aus ihrem Schnabel läuft Flüssigkeit, sie zeigt aber nicht die Er- scheinungen!?) der Polyneuritis, plötzlich stirbt sie; auch hier werden an den spi- nalen Nerven degenerative Processe nicht gefunden. Wie viel Nerven unter- sucht wurden, wird nicht erwähnt In Versuch 27 wurde ein Hahn mit Tapioca und äusseren und inneren Reisschalen gefüttert, dieses Thier zeigte im 3. Monat Lähmungserscheinungen und stirbt; hier haben also die innem Schalen nicht nur das Auftreten der Krankheit, sondern auch den exitus letalis nicht zu verbinden vermocht Das Letztere hätte man doch wenigstens von den innern Reisschalen, auch wenn sie nicht in genügender Menge gegeben wurden, erwarten können.

In Versuch 28 wurden 2 Hühner mit dem Mehl der Arekpalme krank gemacht, das eine Huhn wird unter Fütterung mit Schalenreis nach 2 Monates geheilt, das andere stirbt, ohne dass Versucho seiner Heilung gemacht wurden.

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litterahirangaben.

45

In Versuch 29 wurden 4 Flühner mit Sagokuchen (zubereitet aus dem Mehl der Sagopalme) gefüttert und erkrankten, drei wurden dann unter Fütterung mit rothem Schalenreis nach 1 und IV» Monaten besser, das 4. starb, ohne dass rother Reis gefüttert wurde.

In Versuch 31 wurden 2 Hühner mit europäischem Kartoffelmehl gefüttert, das eine Thier wird schwach und liegt auf der Seite (!), das andere ist krank und schwach, jedoch zeigt es keine Motilitätsstörungen, beide sterben den E. 'schon Versuchsthiertod; in einer Anzahl peripherer Nerven wurden degenerirte Nerven nicht gefunden.

In Versuch 82 erkranken 2 Hühner unter Fütterung mit gekochtem Reis, das eine wird unter Fütterung mit Fleisch und Kartoffelmehl besser, das zweite stirbt unter derselben Fütterung.

Aus diesen letzten Versuchen schliesst E., dass die Thiore unter Fütterung mit Kartoffelmehl zu Grunde gehen, ohne eine Spur von Polyneuritis zu zeigen, und dass ein mit Reisfütterung krank gemachtes Huhn mit Kartoffelmehl imd Fleisch geheilt wird, von dem andern, welches gestorben, schweigt er.

In Versuch 83 wird ein Hahn und eine Henne unter Fütterung mit ge- kochtem Reis ohne Schalen nach 13 Tagen und ungefähr 1 Monat krank, als die ersten Krankheitsorscheinungen fnstgestellt waren, bekam der Hahn Tapioca mit etwas Fleisch, die Henne Tapioca mit Fleisch, die letzte zeigt innerhalb zweier Monate zunehmende Besserung, bis sie unter derselben Fütterung wieder Lähmungserscheinungen zeigt, der Zustand also schlimmer wird, nun bekommt sie gekochten Reis ohne Schalen, der nach E. Polyneuritis hervorruft, sie wird also absichtlich noch kränker gemacht, und zum Schluss wird das Thier getödtet. Nerven oder andere Theile wurden nicht untersucht. E. erwähnt nur, dass sie getödtet wurde.

Weshalb, fragt man sich, wurde dieses Thier getödtet? Es hat natürlich jeder Experimentator das Recht, soviel Versuchsthiere zu tödten, soviel er will, aber es macht einen eigentümlichen Eindruck, wenn dies ohne Grund geschieht, denn man kann hier, wo es sich um eins der fettesten Versuchsthiere handelt die Henne wog 1787 Gramm nicht annehmen, dass dieselbe zu etwas Schmack- hafterem verwendet wurde. Der Hahn von Versuch 88 wurde mit Tapioca und Fleisch, welches in Versuch 24 4 Hühner krank gemacht hatte, besser, bis der Zustand sich plötzlich wieder verschlimmerte, dann bekam er nur Fleisch zu fressen, welches nach E. das beste Mittel gegen Polyneuritis ist, danach wurde der Zustand erst schlimmer, dann besser, und nun bekam er Kartoffelmehl und Fleisch, bis das Thier nach weiteren 4V» Monaten(!) geheilt war.

In Versuch 34 erkrankte ein Huhn unter Fütterung mit gekochtem Reis ohne Schalen; nach dem Krankheitsbeginn bekam es Fleisch und einen halben Monat danach gekochte Kartoffeln mit etwas Fleisch, es wurde allmälig besser, bis es nach 7 Monaten(') geheilt war.

In Versuch 85 wurde 1 Huhn mit gekochtem Reis ohne Schalen krank gemacht, es wurde mit selbstbereitetem Kartoffelmehl und ungekochtem Fleisch gefüttert, starb jedoch unter dieser Fütterung, das zweite wurde von Anfang an mit selbstbereitetem Kartoffelmehl und rohem Fleisch gefüttert, bis zum 21. Januar war es gesund, plötzlich starb es Degeneration peripherer Nerven wurde nicht gefunden. Da keine Krankheitserscheinungen, wie uns E. mittheilt, beobachtet wurden, so starb es mit sehr viel Wahrscheinlichkeit den E.’schen Vorsuchs-

Digitized by Google

46

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

thiertod. Während in Versuch 35 bei dem ersten Huhn Kartoffelmehl und rohes Fleisch den Tod nicht verhindern tonnten, blieben in Versuch 36 zwei Hähne unter Fütterung mit Kartoffelmehl 4l/i Monate lang gesund, ln Versuch 37 wurde ein Hahn mit selbstbereitetem Arekpalmenmehl und ungetochtem Fleisch krank gemacht. In Versuch 38 wurden 2 Hühner mit 50 Gramm Milchzucker und 25 Gramm ungekochtem Fleisch täglich gefüttert, nach 10Vt Monat sind beide Thiere noch gesund.

In Versuch 39 und 40 wurden 4 Hühner mit gegohrenem Reis gefüttert, das eine Huhn ist unter Fleischfütterung, das andere unter Schalenreisfütterung geheilt die beiden andern starben, obwohl das eine mit Schalenreis ge- füttert wurde.

In Versuch 41 wurde einer Henne täglich 2 Cubikcentimeter Milchsäure in den Kropf gegossen, ausserdem mit Schalenreis täglich 20 Gramm, später mit nur 10 Gramm gefüttert, sio bleibt 2 Monate(!) gesund.

In Versuch 42 wurden 2 Hühner mit gekochtem Reis ohne Schalen und Kreidepulver gefüttert, beide erkranken, beide heilen unter Fleischfütterung.

In Versuch 43 wurden 2 Hühner mit 25 Gramm Schalenreis gefüttert. Ausserdem wurde ihnen 5 Cubikcentimeter Spiritus oryzae mit 45 Cubikcentimeter Wasser in den Kropf gegossen, sie bleiben 4*/, Monat gesund (!), dann bekommen sie im October gekochten Reis ohne Schalen und erkranken im November. Monate, die, wir wir später sehen werden, für eine Erkrankung an Polyneuritis sehr günstig sind.

In Versuch 45 wird 2 Hühnern ein Destillat vom Kropfinhalt eines an- deren Huhnes und zwar 50 Cubikcentimeter in den Kropf gegossen und dabei Schalenreis gefüttert Mitte October bekommen beide Thiere gekochten Reis ohne Schalen, Mitte November werden beide krank, das eine bekommt dann nach dem Beginn der Krankheit Fleisch und syrupus simplex (2x20 Cubikcenti- meter mit Wasser in den Kropf gegossen) und heilt, das andere stirbt unter Fütterung mit Schalenreis und syrup. simplex.

Die folgenden Versuche sind mit Meerschweinchen, Affen und einer Eule gemacht und können hier, wo es sich um Polyneuritis der Hühner handelt ausser Betracht bleiben.

E. hat also mit folgenden pflanzlichen Nahrungsmitteln bei Hühnern Polyneuritis hervorgebracht

1 : Mit gekochtem und ungekochtem Reis ohne innere Schalen.

2: Mit Tapioca.

8 : Mit Tapioca und Fleischbouillon, mit Tapioca und ausgekochtem Fleisch und mit Tapioca und ungekochtem Fleisch.

4: Mit Satzmehl der Arekpalme.

5: Mit ambonesischem Sagokuchen.

6: Mit in Gährung befindlichem Reis.

7 : Mit europäischem Kartoffelmehl und ungekochtem Fleisch.

8 : Mit gekochtem Reis nnd Kreidepulver, also so ziemlich mit den meisten Stoffen, mit denen er experimentirt hat! Es ist nicht nur in dem Reiskorn, sondern auch in dem Mehl der Arekpalme, der Sagopalme, im in Gährung befind- lichen Reis, in den Kartoffeln ein giftiger Stoff, der bei Hühnern Polyneuritis hervorbringt, es ist nicht nur in der innem Reisschale, sondern auch im Fletsch welche Sorte wird nicht näher angegeben der neutralisirende und die de-

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteiaturangabcn.

47

generirten Nerven heilender Stoff vorhanden. Die Schlüsse, welche E. aus diesem heilenden Einfluss der innem Reisschalen aus seinen Untersuchungen zieht, sind auf 2 Wegen gewonnen. 1. Er fütterte eine Anzahl Hühner eine Zeit lang mit Schalenreis und beobachtete, dass sie nicht an Polyneuritis erkrankten. 2. Er fütterte erkrankte Thiere mit Schalenreis und beobachtete, dass sie gesund wurden.

Was den ersten Punkt betrifft, so wurden 14 Versuche mit Fütterung von Schalenreis gemacht

E. hat uns bei andern Versuchen mit schalenlosem Reis gezeigt, dass diu Krankheit erst nach 6 bis 7 Monaten (Versuch 9 und 10) ausbrechen kann. Unter diesen 14 Versuchsthieren befinden sich 8 Hühner, bei denen die Be- obachtungszeit 6 Monate nicht überschritt, 3 davon (Versuch 8B und Versuch 19) starben nach 4 und 6 Monaten an Nasen- und Kehlkopferkrankungen, bei den andern 5 war es nicht unmöglich, dass die Krankheit noch auftreten konnte, wie dies in Versuch 9A geschah, wo die eine Henne nach 7 Monaten 8 Tagen pare- tische Erscheinungen zeigte.

Von den andern 6 Hühnern (Versuch 18, 19, 27), die mit Schalenreis ge- füttert wurden, erkrankten 3 an Polyneuritis, die eine bekam zugleich Tapioca, 2 starben von diesen 3, es bleiben also als Beweis nur 3 reine Versuche übrig, bei denen die Hühner 10 Monate gesund erhalten wurden.

Was den 2. Punkt, die Heilung an Polyneuritis erkrankter Hühner mit Schalenreis betrifft, so sind au 12 Hühnern Versuche angestellt. Bei 9 Hühnern wurde in l'/t 3 Monaten Heilung erzielt, bei einem Huhn nach 6 Monaten, bei einem nach 11 Monaten, eins starb. Wir wollen hier der Schwierigkeit in der Diagnose der Polyneuritis der Hühner gedenken, speciell der Untersuchung sen- sibler und vasomotorischer Störungen. Wann ist ein Huhn von Abweichungen in der sensiblen oder vasomotorischen Sphäre geheilt? E. vernachlässigt diese Seite der Untersuchung und erklärt meist ein Huhn für geheilt, wenn es wieder laufen kann. Man muss zugeben, dass die Heilung doch immerhin eine ganze Zeit in Anspruch nahm. Controlversuche an erkrankten, die zur selben Zeit mit einem anderen Futterstoff ernährt wurden, fehlen. Von den 21 Versuchsthieren, welche an Polyneuritis starben, trat bei 17 nach 1 6 Tagen nach der Diagnose „Polyneuritis“ der Tod ein, bei einem nach 9 Tagen, bei einem andern nach 12 Tagen, nach 19 Tagen und nach l'/> Monaten. Es Ist hier auffallend, dass E. bei diesen schweren Erkrankungen nur bei 1 Huhn den Versuch gemacht, den günstigen Einfluss der Reisschalen festzustellen, diese Erkrankungen schwerer Art wären hierfür sehr geeignet gewesen.

E. experimentirte auf einem sehr ungesunden Terrain; eino ganze Anzahl seiner Hühner starb an Nasen- und Kelilkopfdiphtheritis, sowie an dem E.’schen Versuchsthiertod. Nun wird man ohne weiteres zugeben können, dass das Gift, welches eine Nasen- oder Kehlkopfdiphtheritis bei den Hühnern hervorgebraeht hat, mit der Luft in den Körper des Thieres gelangte, und es lag nahe daran, zu denken, ob dies nicht auch bei der Polyneuritis stattgefunden haben könne. Wir hätten Controluntersuchungen ausserhalb des Hühnerhofs feststellen müssen. Ein fernerer Beweis, in welchen ungünstigen hygienischen Verhält- nissen die Versuchsthiero sich befanden, beweist die Abnahme des Gewichtes. Von 58 Hühnern, bei denen genauere Angaben hierüber vorliegen, zeigten 50 Gewichtsverlust und zwar nicht nur die erkrankten, sondern auch die gesund

Digitized by Google

48

TI. Besprechungen und Litteraturangahen.

gebliebenen und zwar letztere mit 71®/«- Abgesehen von den kurzen, ober- flächlichen, das Krankheitsbild der Polyneuritis auch nicht im Entferntesten zum Ausdruck bringenden Krankengeschichten, sei hier besondere auf den Mangel des Datum hingewiesen; der Monat, in dem der Versuch gemacht wurde, ist nur bei einer beschränkten Anzahl, unter 49 25 mal angegeben, das Jahr niemals, ln den Versuchen mit Angabe des Monates wurden die Hühner in den verschiedenen Monaten wie folgt krank:

Januar

5

Juli

4

Februar

August

März

4

September

1

April

2

October

1

Mai

4

November

b

Juni

3

Dezember

9

Demnach erkrankten von 39 Hühnern 19, also ungefähr 50%, in den Monaten November, December und Januar. Unter 15 Hühner, welche an Polyneuritis starben und bei denen nähere Angaben hinsichtlich des Datums angegeben sind, starben 8 in den Monaten November, December und Januar, die anderen 7 in den übrigen 9 Monaten. Nun hat allerdings E. einen Theil seiner Versuche im November angefangen (35®/0), die andern 65®/, fallen in die Monate März bis August. Es erklärt dies aber keineswegs eine so auffallende procentäre Er- krankungsziffer der Monate November bis Januar. Es haben demnach eine An- zahl Hühner mit der Erkrankung gewartet, bis die Monate November, December oder Januar eintraten (Versuch 9.) Hier ist zweifellos ein zeitliches Moment zu vermuthen, und ein umsichtiger Experimentator hätte durch richtige Control- vereuche diese Frage zu entscheiden versucht Ich habe diese Versuche ab- sichtlich etwas ausführlich besprochen, da E. in verschiedenen holländischen ge- lehrten Gesellschaften Vorträge über dieselben gehalten hat und weil von ihm auch dem deutschen ärztlichen Publikum in Virchow’s Archiv eine kurze Ueber- sicht gegeben ist, die dem Leser nicht die Gelegenheit gibt ein selbstständiges Urtheil zu fällen. Die E.’sche Arbeit zeichnet sich aus durch eine Masse sich widersprechender Versuche, voll von Beobachtungen, die die grösste Oberfläch- lichkeit und Ungenauigkeit an den Tag legen und denen ebensolche Schluss- folgerungen zur Seite stehen, sie zeigt einen gänzlichen Mangel an wohldurch- dachten und richtig angelegten Controlversuchen und wenn man bedenkt, dass E. zu dieser Arbeit 6 Jahre nöthig hatte, dann muss dieselbe als das dürftigste Produkt bezeichnet werden, welches von einem Leiter eines wissenschaftlichen Institutes in der Literatur gefunden werden dürfte.

Das ist der Fluch der bösen That, dass sie fortzeugend Böses muss ge- bären, das sieht man an der E.’schen Arbeit im Zusammenhang mit der folgen- den, zu deren Besprechung wir nun übergehen.

Digitized by Google

n. Besprechungen und Litteraturangabcn.

49

Onderzoek naar het verband tusechen den aard der rystvoeding in de gevangeniasen op Java en Madoera an het voorkomen van Beri-Beri onder de geintemeerddn, door Vordermann

besprochen von Dr. Glogner, stadsgeneesheer te Same rang.

Inspecteur van den burgerlyk geneeskundigen dienst voor Java en Madoeia.

In der Einleitung theilt uns Vordermann mit, dass er theils durelr die Experimente von Eykmann, theils durch seine eigenen Erfahrungen über den Zu- sammenhang der Beri-Beri in den Gefängnissen mit der Ernährung auf besondere Veranlassung der holländischen Regierung im Jahre 1896 eine Dienstreise durch Java und Madura gemacht habe, um die Ernährungsverhältnisse der Gefangenen, sowie die hygienischen Verhältnisse, unter denen dieselben leben, einer näheren Untersuchung zu unterziehen. Aus den verschiedenen Gefängnissen sammelte er Reisproben und schickte dieselben zur näheren Untersuchung nach Batavia.

Im II. Abschnitt wird des Näheren die Ernährung in den Gefängnissen und ihre Beziehung zur Beri-Beri sowie die Volksemährung auf Java und Madura im Allgemeinen besprochen. Reis ist überall in den Gefängnissen wie unter der Bevölkerung Javas das Hauptnahrungsmittel. Es werden 8 Reissorten angebaut, die weisse, rothe und schwarze, von denen die letztere nur in beschränktem Uaasse vorkommt Das Reiskorn ist umgeben von der inneren dünnen und über dieser von der gelben dicken, sichtbaren Schale; die innere Schale sitzt bei den verschiedenen Reissorten verschieden fest auf dem Koro, bei der rothen Sorte viel fester als bei der weissen. Die Javanen bergen den Reis nach der Ernte in kleinen Garben und befreien nur soviel Reis von den Schalen, soviel sie für den Bedarf einiger Tage nöthig haben. Die Lieferanten, welche für die Gefängnisse Javas und Maduras Reis liefern, heben ihren Vorrath in Säcken auf. Oefter» wird derartiger Reis mit Kalk vermischt In keiner der aus den Gefängnissen stammenden Reissorten wurde Kalk nachgewiesen.

Nachdem der Verf. die verschiedenen Methoden des Reisstampfens be- schrieben hat, theilt er einige Reactionen der innere Schale auf verschiedene Reagentien mit; mit Natronlauge färbt sich dieselbe z. B. gelb. Nach V. er- nähren sich die Bewohner Javas zum grossen Theil von Reis mit Schalen, mit Ausnahme der Einwohner in den Hauptstädten, sowie der chinesischen und ara- bischen Einwanderer.

Ausser Javareis wird noch Reis aus Saigon, Bangkok und Rangun gegessen, dieser eingeführte Reis ist immer von den Schalen befreit. Der Siamreis ist stabförmig länglich, Saigonreis sieht dem Javareis ähnlich, Reis aus Rangun ist kurz und dick. Photographieen machen diesen Unterschied deutlich. In 97 Ge- fängnissen wurde der Reis durch heisse Dämpfe weich und geniessbar gemacht, in 3 Gefängnissen wurde er gekocht Der rothe Reis besitzt einen anderen Ge- schmack als der weisse. Der ausländische Reis soll weniger schmackhaft söin als der Javareis. Nach V. ist Reis mit inneren Schalen wegen des grossen Gehaltes an Eiweiss und Fett schwerer zu verdauen als Reis ohne Schalen wegen der grossen Arbeit, die er an die Verdauungsorgane stellt (!). Doch kommen nach ihm in den Gefängnissen, wo Schalenreis gegessen wird, nicht mehr Digestionsstürungen vor als in den andere, wo Reis ohne Schalen genossen wird. Der Javaner geniesst ausser dem Reis noch eine Anzahl Nebenspeisen, beim Gefangenen ist wegen des Mangels an genügenden Nebenspeisen die Er- Archiv t. Schiffs- u. Tropenbygiene. EL 4

d by Google

60

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

nührung deshalb eintöniger, er bekommt wohl mehr Fleisch als der Dorfbewohner. Der ausländische Reis wird meist in Ostjava gegessen, Mais bildet die Haupt- nahrung auf Madura und den in Ostjava angesiedelten Maduresen, sowie im Tetiger- gebirge Ostjavas. Es folgt dann eine Beschreibung der Maiscultur. Die Mais- kolben werden ebenso wie die Reisgarben aufgehoben. Jeder Gefangene erhält täglich 750 Gramm Reis, 20 Gramm Salz, 250 Gramm Büffel- oder Rindfleisch öfter 120 Gramm getrockneten Fisch oder 120 Gramm getrooknetes Fleisch. 1D8 Gramm Gemüse, s(ianischen Pfeffer, Zwiebeln.

In den Gefängnissen Javas und Maduras werden verschiedene Kategorien von Reis verabreicht, nämlich

1: rother Reis (mit innerer Schale),

2: rother Reis vennengt mit weissem Javareis mit innerer Schale,

8: weisser Javareis mit innerer Schale,

4: weisser Javareis ohne innere Schale,

5: ausländischer weisser Reis (stets ohne innere Schale).

V. theilte uns nun auf S. 82 mit, dass unter den Gefangenen, welche Reis mit inneni Schalen genossen, nur 0,009 % au Beri-Beri erkrankten, während diejenigen, welche Reis ohne Schalen assen, mit 2,79*/« erkrankten; diejenigen, welche theilweise die innem Schalen, aber nicht in genügender Weise, zu sich nahmen, erkrankten 0,24% an Beri-Beri.

In Bankalan auf Madura wird Reis mit Schalen verabreicht, hier wurde trotzdem Beri-Beri beobachtet, in der Zeit, über welche sich die Beobachtungen V.’s erstrecken, es sind dies meist in einzelnen Fällen IV, Jahre! kamen im Gefängniss zu Bankalan 5 Fälle von Beri-Beri vor. Von diesen 5 war der eine 11, die anderen 50, 129, 232, 288 Tage im Gefängniss, bevor die ersten Erschei- nungen auftraten. Die beiden ersten Fälle sind demnach nach V. vor ihrer Auf- nahme in’s Gefängniss erkrankt, da Beri-Beri auch unter den Einwohnern Bankalans vorkommt und die Incubntionszeit(!), wie derVerf. uns später zu zeigen gedenkt. 111 Tage dauert. Auf einer Karte giebt der Verf. eine graphische Darstellung des Vorkommens der Beri-Berikrankheit in den verschiedenen Gofängnissen Javas und Maduras, aus welcher hervorgeht, dass in 37 Gefängnissen in einem Zeit- raum von IV, Jahren, wo Reis mit innem Schalen als Ernährung diente, nur in einem Gefängniss die Krankheit vorkam, während von 51 Gefängnissen, wo Reis ohne innere Schalen gegeben wurde, in 86 Beri-Beri sich zeigte, in 13 Ge- fängnissen. wo eine Mischung von Reis ohno Schalen mit Schalenreis verabreicht wurde, kam in 6 Beri-Beri vor. Alle diese Beobachtungen, sowie die folgenden erstrecken sich, wie ich hier besondere hervorheben möchte, nur über den kurzen Zeitraum von 1 IV, Jahren.

Auf einer dem Werke beiliegenden Karte gibt uns der Verf. eine gra- phische Darstellung des Vorkommens der Beri-Berikrankheit in den verschiedenen Gefängnissen Javas und Maduras. Er theilt dieselben in 8 Kategorien: 1. Ge- fängnisse. wo die Hauptemährung aus rothem Reis (mit innerer Schale), oder einem Gemenge von rothem und weissem Reis (mit innerer Schale) oder aus weissem Reis (mit innerer Schale) bestand, dem letzteren war bisweilen weisser Reis ohne Schalen boigemengt, aber immer weniger als 25 %• 2. Gefängnisse,

wo Reis ohne Schalen oder Reis ohne Schalen mit Schalenreis vermengt verab- reicht wurde, der Schalenreis war im letzten Falle in weniger als 25V, vor- handen. 3. Gefängnisse, wo Reis ohne Schalen mit Schalenreis gemengt als

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangabon.

51

Nahrung diente, wo also der Schalenreis sowie der Reis ohne Schalen in mehr als 25% vorhanden war.

Nähere Angaben über diesen Procentsatz des Schalenreis und schalenlosen Reis fehlen bei No. 3, ebenso ist es auffallend, dass Vordermann in No. 1 bei ■den einzelnen Gefängnissen nicht den Procentsatz des in dem Nahrungsreis vor- handenen Reis ohne Schalen angegeben und ebenso auffallend, dass er in No. 2 dies nicht bei dem Schalenreis gethan hat Man weiss also niemals, ob in einem bestimmten Gefängniss nur Schalenreis oder in einem andern nur Hei« ohne Schalen als Nahrung diente.

ln den Gefängnissen, wo die Nahrung von No. t verabreicht wurde, kam Beri-Beri in 2,7 % vor, in den Gefängnissen von Nr. 2 in 70.98*/*, in Gefäng- nissen mit Nahrung No. 3 in 46,15%. Nun muss man hier schon bemerken, dass die Reisschalen in No. 3 von sehr geringem Einfluss gewesen sind, wenn in einer solchen grossen Anzahl von 46, 15'/* Beri-Beri sich entwickeln kann. Vergleichen wir nun die Gefängnisse, die in der Ernährung mit Schalenreis am weitesten auseinander liegen, nämlich die Gefängnisse mit der Nahrung 1 und 2 ihrer geographischen Lage nach, dann ergibt sich das Folgende. Von 25 Gefäng- nissen, wo Reis ohne Schalen als Nahrung diente, und welche an der Küste liegen, kam Beri-Beri in 80% vor, in 20% konnte die Ernährung mit Reis ohne Schalen die Beri-Beri nicht hervorbringen. Warum gelang dies hier nicht? In diesen Gefängnissen, wo Beri-Beri in 1 1% Jahren beobachtet wurde, schwankte die Erkrankungsziffer zwischen 0,08% und 36, 95%. Warum konnte der Reis ohne Schalen in Rembang nur 0,08%, im Frauengefängniss in Soerabaja 36.95 % und in den» Männergefängniss in derselben Stadt nur in 4,3% Gefangene krank machen ?

Von den 4 Gefängnissen an der Küste, wo Schalenreis gegessen wurde, kam Beri-Beri in einem Gefängnisse = 25 % vor. Von 26 Gefängnissen, welche im Gebirge oder fern von der Küste lagen und wo Reis ohne Schalen als Nahrung diente, kam in 16 = 61% Beri-Beri vor, während in 83 Gefängnissen mit Nahrung No. 1 in keinem Beri-Beri beobachtet wurde. Die Entfernung von der Küste oder die ]>age im Gebirge hat also bei den Gefängnissen mit Nahrung No. 2 (schalenlosem Reis) ein Sinken der Beri-Beriziffer um 19*/* hervorgebraoht, also kann dies unmöglich an den Schalen liegen, sondern wie dies schon seit Jahrhunderten bekannt ist, von der Lage und andern hygienischen Verhält- nissen abhängen. Wenn man sich die Karte betrachtet, so sieht man, dass an der Küste mehr Reis ohne Schalen und im Gebirge oder Innern des Landes mehr Schalenreis verabreicht wird und wenn wir nun die kurze Zeit in Betracht ziehen, welche Verf. für seine Beobachtungen benutzte und die eine ganze Masse Zu- fälligkeiten in sich schliessen kann, so wird derjenige, dem das sicher gestellte locale Moment in der Epidemiologie der Beri-Beri vor Augen steht, in dieser graphischen Darstellung nur einen neuen Beweis ersehen, dass die Beri-Beri an der Küste am häufigsten auftritt und auf Plätzen, die von der Küste entfernter liegen, geringer vorkommt.

Im III. Abschnitt bespricht der Verf. des Näheren die Gefängnisse, die verschiedenen Kategorien von Gefangenen, die verschiedenen hygienischen Verhält- nisse, in denen sie leben, ihre Arbeit, die hauptsächlich darin besteht, Gebäude, Höfe und Wege zu reinigen, Gräben vom Schlamme zu befreien, grössere Erd- arbeiten zu verrichten. Dann theilt er uns unter anderem mit. ohne hierfür auch

4*

Digitized by Google

52

II. Besprechungen und Li tteraturan gaben.

nur einen Schein eines Beweises zu bringen, dass in Japara die Incubatioaszeit(!) 106 Tage, in Modjo Kerto 110, in Probolingo 120 Tage u. s. w. beträgt Er be- rechnet die Zeit der Incubation vom Tage der Aufnahme der Gefangenen in s Gefängnis«, bis zu dem Tage, wo die ersten Erscheinungen sich zeigen, er nimmt also als feststehend an, dass der Krankheitsstoff sofort in den Körper der be- treffenden Kranken aufgenommen wird, sonst könnte er nicht von einer Incu- bation sprechen, er vergisst aber Beweise für diese Aufnahme des K rankheit— agens zu bringen und er nimmt an, was erst noch bewiesen werden soll, dass der schalenlose Reis vergiftend auf den Körper wirkt Wenn Verf., wie man vermuthen darf, den schalenlosen Reis als dieses Krankheitsagens anruft, dann muss man sieh wundem, dass die betreffenden Gefangenen 3 4 Monate diesen Reis ohne Schalen vertragen können. Auf S. 50 sagt er, dass die Notizen über die andern Krankheiten in den Gefängnissen die nöthige Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit vermissen lassen. Bei den Aufzeichnungen über die Beri-Berier- krankungen ist ihm diese Glaubwürdigkeit sicher gestellt, da die Anzahl der Beri- Berierkrankungen speciell in den Jahresrapporten erwähnt werden müssen. Ich will hier nur beifügen, dass dies ebenfalls von den andern Krankheiten geschehen muss und dass, wenn man an der Glaubwürdigkeit der Erkrankungen unter den Gefangenen mit Ausnahme der Beri-Beri zweifelt, man wohl auch die Glaubwürdig- keit der letzteren in Zweifel ziehen kann.

Die Sterblichkeit in allen Gefängnissen Javas und Maduras beträgt 0,56 % an Beri-Beri 0,27%, an andern Krankheiten 0,29%

Auf einer Karte gibt Verf. eine graphische Darstellung von verschiedenen Faktoren, wie Alter der Gebäude, Durchlässigkeit des Flurmaterials, der Venti- lation u. s. w. in ihrem Einfluss auf das Vorkommen der Beri-Beri, eine deutliche Gesetzmässigkeit ist nicht nachzuweisen.

Auf S. 54 spricht er von der geographischen Verbreitung.

Verf. theilt uns nur kurz mit, dass die Krankheit ungleich vertheilt ist, be- sondere sind es die Gefängnisse im östlichen Java und Madura, wo Beri-Beri all- gemein vorkommt, erwähnt dann einige Plätze in West- und Mitteljava.

Der oben erwähnte Unterschied der an der Küste und im Innern des Landes gelegenen Gefängnisse wird hier übersehen.

Wenn man die Arbeit V.’s bis auf 8. 54 gelesen hat, muss man ihn für einen eingefleischten Reistheoretiker halten, dieses Urtheil ändert sich, wenn man den kurzen Abschnitt über die Uebertragbarkeit der Beri-Beri von einem Ort nach dom andern gelesen hat. Hier fällt der Reistheoretiker V. gänzlich aus der Rolle. Hier kann er einige epidemiologische Beobachtungen nicht unterdrücken, die nichts weniger als mit rothem oder weissem Schalenreis zu erklären sind. In Boodo- woor, Sitoebondo, Besoeki, Krakraan war früher keine Beri-Beri, nun ist diese Krankheit von einem Gefangenen nach dem andern verbreitet

Im Gefängniss zn Bondowoor wurden Beri-Berifälle unter den Gefangenes erst dann beobachtet, nachdem Beri-Berikranke aus dem überfüllten Gefängniss in Djember nach Bondowoor gebracht waren. In Krakraan, wo die Beri-Beri un- bekannt war, brach sie unter folgenden Verhältnissen aus. Eine Anzahl Ge- fangener wurden wegen Umbau des Gefängnisses von Krakraan nach Probolingo geschickt, wo die Krankheit endemisch herrschte. Als die Gefangenen nach Krakraan zurückkehrten, litten einzelne an Beri-Beri und nun erkrankten in Kra- kraan auch andere Gefangene.

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

53

Wir lesen auf S. 55 :

Das Gefängniss in 8itoebondo ist damals, in Folge eines Aufenthaltes trans- portirter Gefangener aus Bondowoor und Djomber Inflelrt.

Verf. bekennt auf 8. 59, dass die Ursache der Beri-Beri nicht nur in der Nahrung mit Reis ohne innere Schale besteht, sondern dass sie auch durch Mikroorganismen hervorgebracht werden könne, die uns die Uebertragbarkeit dieser Krankheit erklären. Damit begrüssen wir ihn als einen der Unsrigen! Wir haben also eine Multiplieität der Beri-Beriaetiologie !

Auf 8. 59 62 theilte er einige Beobachtungen aus dem Krankenhaus für Prostituirte in Kediri und aus dem Gefängniss in Batavia mit

In der Frauenabtheilung in Kediri wurde Reis mit Schalen als Nahrung verabreicht Derselbe wurde von dem behandelnden Arzte bei einer näheren Untersuchung für unbrauchbar erklärt und Saigonreis ohne Schalen gegeben. Nach einiger Zeit kam eine Frau mit Fieber in Behandlung (89° 41,2° C.), nach Ablauf des Fiebers wurden Erkrankungen der Beri-Beri constatirt, die Frau starb, einige Tage später erkrankten andere Frauen unter denselben Erscheinungen (erst Fieber) an Beri-Beri. Als die Erkrankungsziffer auf 22 stieg, wurden 18 nach den Dörfern geschickt und Verf. fand nur noch 4 Kranke an, er schlug so- fort als Nahrung rothen und weissen Reis mit Schalen vor. Das Gebäude der Frauenabtheilung wurde geräumt, die Wände abgebrochen und verbrannt, die Dachziegeln abgenommen, dem Sonnenlicht ausgesetzt, um hierauf mit Kalk an- gestrichen zu werden. Der Flur wurde ausgebessert, die Wasserleitung mit neuem Cement versehen und das Gebäude selbst desinficirt. Seit dieser Zeit haben sich in l1/» Jahren keine neuen Beri-Berifälle in dem Krankenhause mehr gezeigt. Verf. nimmt es als feststehend an, dass die Ernährung einen Ein- fluss auf das Entstehen der Krankheit gehabt haben muss. Warum werden dann die Wände abgerissen, die Dachziegel mit Kalk bestrichen, das Gebäude desin- ficirt? Alles wegen des schalenlosen Reis? Man sieht, dass hier der Schalenreis und Mikroorganismen im Kopf des Untersuchers durcheinander schwirren, und dass er von den letzteren nicht ganz lassen kann. Wie ist das Fieber bei den Er- krankten mit Schalenreis zu erklären? oder sind die Ursache der Fieber nur Mikroorganismen gewesen? Diese Fälle waren für mich besonders interessant, weil ich in Virehow's Archiv an einer Reihe von Fällen den Zusammenhang von Fieber und Beri-Beri besonders hervorgehoben und den Nachweis von Amöben im Blute geführt habe.

Verf. führt dann noch eine Beobachtung aus Batavia an, wo Eingeborene, die in Untersuchungshaft sassen, sowie Gefangene, welche wegen Schulden sitzen mussten, in demselben Gebäude wohnten, die ersteren bekamen nur Reis ohne Schalen und erkrankten theilweise an Beri-Beri, die letzteren bekamen ihre Speisen vom Hause und genossen ausser schalenlosem Reis noch verschiedene Zu- speisen, die nach Verf. den Verlust decken, welchen Reis ohne innere Schalen hervorbringt!!! Daraus glaubt Verf. schliessen zu können, dass die Ernährung bei den erwähnten Gefangenen in Batavia von Einfluss auf das Entstehen der Beri-Beri gewesen ist!

Der Einfluss der Jahreszeit wird dann kurz berührt, ohne den Versuch zu machen, das Auftreten der Beri-Beri in der Regenzeit mit dem Genuss von schalenlosem Reis in Zusammenhang zu bringen. Auffallend und übereinstimmend ist bei allen Reistheoretikern die Erscheinung, dass sie mit grosser Hartnäckigkeit

Digitized by Google

54

II. Besprechungen und Iitteraturangaben.

über das locale und zeitliche Moment hinweggehen. Es scheinen ihnen diese hinderlich im Wege zu stehen, weil diese beiden durch zahllose Beobachtungen aus den verschiedensten Landern sicher gestellten epidemiologischen Erscheinungen mit Sicherheit für ein lebendes Agens sprechen.

In den Schlussbetrachtungen sehen wir, dass Verf. es als bewiesen ac- niramt, dass Reis ohne innere Schalen Polyneuritis hei Hühnern hervorruft und Schalenreis dieselben heilen kann. Dass in der inneren Schale auch eine vis medicatrix für Beri-Berikranke liegt, versucht er an einigen Beispielen zu llla- striren. 1. Der geisteskranke Juvan Alihan wurde am 30. September 1896 in s Gefänguiss zu Buitenzorg aufgenommen und zeigte im November Erscheinungen von Beri-Beri, starke Oedeme der untersten Extremitäten, pastöses Gesicht, be- schleunigte Herztlnitigkeit, 120 p. m., Töne unrein, am 20. November wurde der Kranke mit rothem Reis mit innerer Schale ernährt, nach 14 Tagen waren die Er- scheinungen erheblich vermindert in der 2. Hälfte vom Deeember waren die Oedeme verschwunden. Mitte Februar 1897 war der Status praesens wie folgt: Oedeme verschwunden, Herztöne schwach, rein; Herzthätigkeit normal, Puls in Ruhelage 84 p. m., Puls klein und weich, kein Kniereflex.

(Schwache Herzaction, kleiner Puls, aufgehobener Reflex, gehören, wie be- kannt ist, auch unter die Erscheinungen des Stu]K»r). II. Der zweite Geistes- kranke, der ebenfalls an Stupor litt, wurde am 28. October 1896 in's Gefiuigniss zu Buitenzorg aufgenommen. Ende Januar 1897 Erscheinungen von Beri-Beri. Der Kranke lehlet ausser Beri-Beri noch an Enteritis acuta. Am 4. Februar wurde rother Reis mit intern Schalen verabreicht Mitte Februar Enteritis bedeutend gebessert, Oedeme erheblich geringer geworden, Puls in Ruhelage 94, Kniereflex aufgehoben. Damit ist die Krankengeschichte zu Ende. Ganz abgesehen von den ganz ungenauen oberflächlichen Krankengeschichten, sensible und vasomotorische Erscheinungen (Blutdruck) werden gar nicht erwähnt, muss man dem Verf. ent- gegenhalten, dass derartige Besserungen, wie in No. I, für Jemandeu, der Beri- Berikranke in genügender Anzahl beobachtet hat, unter Reis ohne Schalen gar nichts Seltenes sind, ich könnte ihm Dutzende aus dem hiesigen Krankenhaus« vorlegen. Fall I ist deshalb nicht als reiner and brauchbarer Versuch aazaer- kenneu, weil einzelne Erscheinungen des psychopathischen Zustande« Erschei- nungen der Beri-Berikrankheit ähneln und weil gar nicht festgestellt ist. ob nicht noch Blutdruckerhöhungen oder -herabsetzungen, die nach meinen jünsteo Be- obachtungen Doch sehr lange am Kranken nachzuweisen sind, bestanden haben.

Ueber Fall II will ich schweigen, er ist ein Monstrum einer Krankheits- geschichte eines ßeri-Berikranken und beweist nichts. Vordermann scheint zu sehr von dem post hoc, ergo propter hoc überzeugt zu sein.

Verf. hält eine Ernährung der Gefangenen mit Schalenreis für noth wendig, erklärt sich aber auch entschieden für eine zweckmässige Desinfection der Ge- fängnisse !

Dann folgen 2 Beispiele aus Malang und Toeloeng agoeng, welche des günstigen Einfluss des Schalenreis darlegen sollen. Im Gefängnis« zu Malang. wo rother Schalenreis als Nahrung dient, sind noch niemals Fälle von Beri-Ben vorgekommen. Aus diesem Gefängni&s arbeiten 80 Gefangene im Lazareth und bekommen hier Reis ohne Schalen. Ende 1895 und 1696 kamen 8 Falle vo» Beri-Beri unter diesen 80 Gefangenen vor. Zum bessern Verständnis« für de« Leser möchte ich hier kurz erwähnen, dass in das Lazareth zu Malang, weich«

Digitized by Google

II. Besprechungon und Litteraturangaben.

55

im Gebirge liegt, seit vielen Jahren Beri-Berikranke geschickt werden. Verf. hat uns gezeigt, dass die Beri-Beri von einem Ort nach dem andern verschleppt werden kann und man wird wohl zugeben müssen, dass Gefangene, die in einem solchen Lazareth die niedrigsten Dienste verrichten, Gelegenheit haben, an Beri- Beri zu erkranken. Für diese Erkrankungen braucht man keinen Schalenreis. Im Gefängnis« zu Toeloeng agoeng wurden die Gefangenen vor dem 80. Juni 1895 mit weissem Reis ohne Schalen ernährt, welcher hier und da mit rothem Schalen- reis, gemengt mit weissem Reis, abgewechselt wunde. Vom 80. Juni 1895 bis Juli 1896 kam unter einer Ernährung mit Schalenreis kein Fall von Beri-Beri vor, während vor dieser Zeit die Krankheit in nicht unerheblichem Maasee be- obachtet wurde. Einer der schönsten Beweise für den günstigen Einfluss defc Schalenreis ist der aus dem Gefängnis« zu Japara. Hier bestand bis zum 4. Juni 1896 die Nahrung aus Reis ohne Schalen, trotz dieser Ernährung mit schalen- losem Reis war bis zum 17. November kein Fall von Beri-Beri beobachtet, also ein untrüglicher Beweis, dass der schalenlose Reis den Gefangenen in Japara niemals etwas geschadet hat. Vom November 1895 bis Juni 1898 wurden 46 Beri-Berifälle beobachtet Verf. kam, sah und siegte. Die Schalenreisemährung wurde eingeführt.

Am 15. Juni kam noch ein Fall von Beri-Beri vor, seit dieser Zeit ist bis Anfang 1897, ebenso wie in früheren Jahren, kein Fall von Beri-Beri vorgekommen. Japara ist in der oben besprochenen Tabelle unter den Plätzen verzeichnet, wo Reis ohne Schalen verabreicht wurde und Beri-Beri vorkam. Wären die Be- obachtungen V.’s ein Jahr früher gemacht, so stände es unter den Platzen, wo Reis ohne Schalen gegessen wurde und keine Beri-Beri auftrat. Was in Japara möglich ist, kann ebenso gut auf allen andern Plätzen geschehen, welche Beri- Berierkrankungen aufzuweisen haben und wo Reis ohne Schalen genossen wird. Das Beispiel Japara’s lässt uns den Werth dieser einjährigen Statistik so recht erkennen. Und es muss bei einem aufmerksamen Leser das grösste Misstrauen in diese Statistik wachrufen und die Vermuthung entstehen lassen, dass in einem andern Jahre in Gefängnissen 10.98V» Beri-Beri auftreten kann, unter einer Er- nährung mit Schalenreis und 2,7 Beri-Beri in Gefängnissen, wo Reis ohne Schalen verabreicht wird. Deutlicher konnte Verf. die Schwachen und Mängel «einer Statistik uns nicht vor Augen führen. Ich habe bereits wiederholt hervor- gehoben, dass di« Beobachtungen V.’s sich nur über 1 IV» Jahre erstrecken und dass sie wegen dieser kurzen Zeit ganz ungenügend sind, die Gesetzmässigkeit einer bestimmten Erscheinung festzustellen. Statistiken schliessen so viel Fehler in sich, dass derjenige, der mit ihnen eine Beweisführung liefern will, durch eine möglichst lange Beobachtungszeit eine Anzahl dieser Fehler auszuschliessen sich bemühen muss. Diese Schwäche in der statistischen Beweisführung charakterisirt die ganze Arbeit V.’g.

Ich will hier ein Beispiel anführen, welche ganz imbrauchbaren Ergeb- nisse die Beobachtung über ein Jahr liefern kann. In einem der Gefängnisso Semarangs kamen von Februar bis September 1894 18 Fälle von Beri-Beri vor, von October 1894 bis September 1895 kein einziger Fall, obwohl stets Reis ohne Schalen gegessen wurde. Wäre V. gekommen und hätte wie in Japara am Ende der kleinen Epidemie Schalenreis verabreicht, so hätten die Resultate nicht besser sein können.

Auf Java und Madura kommt Beri-Beri am meisten von November bis

Digitized by Google

56

II. Besprechungen und I-i tte rat u rangaben.

Mai, am geringsten von Juni bis October vor. Die Zeit von Juni ab ist daher ßusserst günstig für therapeutische Versuche, sowie überhaupt das Ende einer Epidemie sehr günstige Bedingungen für irgend welche Therapie abgiebt Verl hat mit der erforderlichen Vor- und Umsicht eines Naturforschers in Japan den günstigen Zeitpunkt für den Schalenreis gewählt

Ein weiteres Beispiol für den günstigen Einfluss des Schalenreis lieferte ßoerabaja. Hier konnten die Versuche nur über die Monate August 1895 bis Januar 1896 und August 1896 bis Januar 1897 gemacht werden. In den be- treffenden Monaten 1895 1896 wurde Reis ohne Schalen, 1896—1897 Reis mit Schalen gegessen. Die Resultate waren die folgenden: von August 1895 bis Januar 1896 erkrankten 45 Gefangene und Prostituirtc und in denselben Monaten 1896 1897 nur 5. Nun Ist es eine bekannte epidemiologische Erscheinung, dass die Beri-Beri in verschiedenen Jahren verschieden heftig auftritt In den Ge- fängnissen Semarangs wurden in 1893 110 Fälle von Beri-Beri beobachtet in 1894 124, in 1895 185, in 1896 nur 78.

Die Erkrankungsziffer ist also nicht nur in Soerabaja. sondern auch in Se- marang, trotzdem Reis ohne Schalen gegessen wurde, erheblich gesunken.

V. erwähnt schliesslich noch die günstigen Veränderungen, welche in der japanesischen Marine durch die Veränderung der Ernährung hinsichtlich der Beri- Beri erreicht wurde; er erläutert dies an einer Tabelle. Bis zum Jahre herrschte die Beri-Beri in der japanischen Marine erheblich, in 1882 wurden 1929 Fälle beobachtet, in 1883 fiel die Ziffer bis 1238 und nun kam ein ingenieuser Kopf auf die Idee, dass der Reis daran schuld sein könnte; der Reis ohne Schalen wurde durch Brot Gerstemehl u. s. w. ersetzt in 1884 kamen 718 Fälle vor, und von dieser Zeit sank die Erkrankungsziffer bis 1891. Wenn man nun aber die Berichte über die sanitären Verhältnisse der japanischen Armee in andern Werken näher sich betrachtet, dann bemerkt man, dass alle andern Erkrankungen zusammen ebenfalls geringer wurden und zwar in folgender Weise: Im Jahre 1882 betrug die Anzahl der Erkrankungen in der japanischen Armee mit Aus- nahme von Beri-Beri 5443, im Jahre 1883 7866, in 1884 4683, in 1885 2105. in 1886 1087, in 1887 614, in 1888 489, in 1889 412. also sank diese Ziffer elienfalls durch die Entziehung des Reis ohne Schalen und Vordermann dürfte, wenn er sich in seinen Schlüssen consequent bliebe, für alle Krankheiten der japanischen Armee zusammen nur eine einzige Ursache anerkennen, die in dem schalenlasen Reis läge. Damit würde die Aetiologie der Krankheiten in Japan allerdings sehr vereinfacht!

Die Arbeit V.’s enthält eine Anzahl mit Fleiss gesammelter und in über- sichtlicher Weise zusammengestellter ethnographischer und epidemiologischer Er- scheinungen auf dem Gebiete der Beri-Berifrage in den Gefängnissen Javas und Maduras, und wenn Verf. diese nur mitgethcilt hätte, ohne auf die Reisfrage ein- zugehen. so hätte man seine Arbeit in lobender Weise besprechen können. Sem Versuch, dem Reis einen Platz in der Aetiologie der Beri-Beri zu sichern, muss als gänzlich gescheitert bezeichnet werden. Seine Beobachtungen, welche diesen Beweis führen sollen, sind zu dürftig, zu kurze Zeit dauernd, um zu überzeugen, seine Schlussfolgerungen aus diesen Beobachtungen so oberflächlich, wie man dieselben in ähnlicher Weise nur in der E/schen Arbeit wiederfinden dürfte.

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

57

Dysenterie.

Dysenterie von Dr. Kartulis, Arzt am Regierungshospital zu Alexandrien, aus Spec. Pathol. u. Therapie von Prof. Dr. H. Nothnagel. 5. Bd. IU. Theil. Wien. Holder.

Kartulis theilt die dysenterischen Krankheiten in die idiopathischen und secundären, letztere schliessen sich an andere Infectionskrankheiten an, treten nach Urämie und Vergiftungen auf, unterscheiden sich aber, wenn auch weniger pathologisch-anatomisch, doch betreffs ihrer Aetiologie wesentlich von den erst- genannten. Die herkömmliche Eintheilung der Ruhr in die endemische, epide- mische und sporadische Form behält Kartulis bei, hebt aber ganz besonders hervor, dass die endemische eine tropische, auch stellenweise subtropische Krank- heit sei und beschreibt ausführlich diese uns hier am meisten interessirende, tropische Dysenterie, ln ätiologischer Beziehung erläutert er die meteorischen Einflüsse. Darnach tritt die Ruhr öfter bei feuchter Witterung ein und in der wannen Jahreszeit, am meisten beim Uebergango von der Regenzeit in die trockne Periode, am häufigsten herrscht nach K. die Ruhr in sumpfigen Gegenden. Nachdem K. über die Wassertheorie sich verbreitet und hervorhob, dass faulende vegetabilische und Fäcalstotfe zu der Entstehung der Krankheit beitragen, be- schreibt er eingehend die Dysenterieamöben als Erreger der Krankheit und wendet sich gegen die die Amöbentheorie bekämpfenden Forscher, von denen Celli und Fiocca bei Katzen eine amöbenfreie Dysenterie nach Impfung mit dysenterischen, amöbenhaltigen Stühlen und Cultnren erzeugten, sowie auch mit durch Wärme abgetödteten amöbenhaltigen dysenterischen Material, in dem nur noch Bacterien mit ihren Giften enthalten waren. Kartulis konnte durch die Nachprüfung diese Experimente nicht bestätigen, ausserdem hatte, wie Kartulis betont, nur Celli die Dysenterieamöben in den Tropen studirL Der Kruse und Pasqualo, von K. nachgeprüfte, gelungene Versuch, mit baeterienfreien Amöben aus dysenterischen Leberabscessen bei Katzen echte tropische Dysente ris hervorzubringen, muss der von K. vertretenen Lehre der Pathogenität der Dy- senterieamöben als Hauptstütze dienen, noch dazu, da wie auch Laveran neuerdings (Ref.) fand, nur und stets bei tropischer Dysenterie, pathogene Amöben gefunden werden. Als Prüfthier für die Pathogenität dient die Katze, bei welcher sonst in dysenterischen Stühlen verkommende Mikroben nicht und auch keine Amöben vom gesunden Menschen, vielmehr nur die tropischen Dysenterieamöben tropische endemische Ruhr zu erzeugen vermögen. Die von Kartulis für Indien nur bis 1878 angegebene Mortalität an Dysenterie 7% für Madras, ist durch Trinkwasserverbessorung jetzt bedeutend herabgesetzt, ebenso die frühere Mor- bidität von 5V,Vo bei europäischen Truppen. Sehr genau, auf Grund eines grossen, zur Section gelangenden Materials, beschreibt K. die von den Dysenterie- amöben durchsetzte und erkrankte Dickdarmmucosa und Submucosa, wohin die Parasiten durch die Lymphbahnen der Muscularis mucosae gelangen, ln den tieferen Darmzonen fand K. keine weiteren Bacterien nur Amöben und schliesst sich Kruse'8 Ansicht an, dass auch die Solitärfollikel, betreffend des Ausgangs- punktes des Danngeschwürs, betheiligt sind. Bei der mikroscopiscben Unter- suchung eines Tropfens schleimig-blutigen StuhTantheiles, erkennt man die Amöben an ihrer Beweglichkeit, Glanz und Grösse, gegenüber Epithel und Leucocyten; die Amöben enthalten oft Blutkörperchen in sich. Die Narben der tropischen Kuhigeschwüre sind pigmentirt Betreffs der Behandlung empfiehlt K., abgesehen

Digitized by Google

68

II. Besprechungen und Litte re tu rangaben.

von der bekannten Diät, besonders die hohe Enteroklyse mit 0,5% Tanninlö6ung, weil dadurch die Amöben abgetötet würden. Die Arbeit ist eine sorgfältige, die Literatur fast erschöpfend aber kurzgefasst berücksichtigt und in hohem Maasse zu empfehlen, sie deckt sich auch in den wesentlichen Punkten, mit den vom Ref. publicirten Arbeiten. Karl Däubler.

c) Sonstige Werke.

L’Afrique äquatoriale, climatologie, nosologie, hygiene par le Dr. A.

Poskin. Bruxelles 1897, Societe beige de librairie.

Gestützt auf eigene Erfahrungen im Congo-Gebiete hat Poskin es unternommen, das gesammte vorliegende Material über die Klimatologie, Pathologie und Hygiene des äquatorialen Afrika, besonders des mit seinem Vaterlande durch Personal-Union verbundenen Congostaats zu einem einheitlichen "Werke zusammenzustellen. Der erste Theil des 470 Seiten starken Buches behandelt die Geologie und Klima- tologie und zwar an erster Stelle die Oberflächengestaltung und geologische Zu- sammensetzung des grossen Gebietes vom atlantischen Ocean bis zu den grossen centralafrikanischen Seen. Des äquatorialen Ostafrika ist nur gelegentlich gedacht P. kommt zu dem Schlüsse, dass Afrika ein alter Continent ist, dessen Formationen zu den ältesten auf dem Erdball gehören. Die letzten Faltungen stammen vom Ausgange der Primärzeit 8eit jener Zeit ist das Congobecken nur eroaven Einflüssen ausgesetzt gewesen, welche seine Meereshöhe im Laufe der Jahr- hunderte auf eine mittlere Erhebung von weniger als 2000 Meter herabgedrückt haben. Die hohen Gipfel Centralafrikas, der Ruwenzori und M’fumbiro sind vul- kanischen Ursprungs.

Der grösste Theil des heutigen Congo-Beckens wurde zur Secundär- und Tertiärzeit von einem gewaltigen Binnenmeere eingenommen (nach Dupont Wauters, Comet u. A.), dessen Ausdehnung das Vorkommen der Sandsteine markirt. Der Congo selbst ist neueren geologischen Ursprungs und stellt die Ab- flussrinne dieses mächtigen Wasserbeckens dar, welche sich durch die von den Krystallbergen gebildete Küstenzone einen Weg gebahnt hat.

Die meteorologischen Einflüsse, welche auf dieses Gebiet einwirken, be- spricht P. im zweiten Capitel. Die Temperatur des Congogebiets entspricht einem Jahresmittel von 25* Celsius.

Die relative Luftfeuchtigkeit ist im Innern geringer als an der Küste. Das Mittel für den ganzen Congostaat, so weit Beobachtungen vorhanden sind, beträgt 77,6%, das Mittel für die Küstenstationen Aequatoril- Afrikas (Ost- und Westküste) dagegen 82,98%. Die Niederschläge sind sehr verschieden nach der absoluten Höhe. Die mittlere Regenmenge ist 1092,42 mm. Es regnet 8 Monate im Jahre, 4 Monate zeigen keine oder kaum messbare Niederschläge. Maximum der Regenmenge fällt in den April, einzelnes in den November. Die Niederschläge im äquatorialen Afrika sind mehr als nochmal so bedeutend als die Regenmengen in Belgien.

Die Jahreszeiten unterscheiden sich vorzugsweise durch die spärlichen oder ganz ausbleibenden Niederschläge. Die trockne Jahreszeit ist die kältere.

Die südäquatoriale Zone, welcher der grösste Theil des Congostaates an- gehört, hat eine kleine Regenzeit von Mitte September bis Mitte December ent- sprechend den Frühjahrs-Aequinoktien. Dann kommt die kleine trockene Zeit

U. Besprechungen und Iitter&turangalien.

69

meistens noch einige Regengüsse aufweisend, bis zum 20. Januar, während die Sonne im Wendekreis des Steinbooks steht. An diese sehliesst sich die grosse Regenzeit bis Mitte Mai, wiederum abgelöst durch die grosse Trockenzeit bis Mitte September. Nördlich vom Aequator liegen die Verhältnisse umgekehrt, unter der Iinio theilt man die Einflüsse von beiden Hemisphären , es regnet zu jeder Jahreszeit. (Kurz ausgedrückt: Sonnenhochstand bringt Regen. Ref.)

Die Luftströmungen sind im Gebiete des Congostaates zu 90% West-, Südwest- und Südwinde. (Der Einfluss der Richtung des Flussthaies wird hier- bei zu wenig beachtet, die sogenannte Seebrise folgt dem Flussthal. Auf dem Kassai und Kuango, welche vom Hauptstrom nach Südosten, best. Süden umbiegen, wehte während meiner Reise die „Seebrise“ von Nordwesten bez. Norden. Ref.)

Die Schwankungen des Luftdrucks im Congo-Gebiet haben gesundheitlich keine Bedeutung. Da grössere Bodenerhebungen im Congostaate fehlen, so kommen beträchtliche Unterschiede nur beim Auftreten der Wirbelstürme (tomado) vor. Es fällt das Iaiftdruckmaxiinum in den Juli, ein zweites in den Januar, verschiebt sich jedoch manchmal in den December oder Februar. Das Hauptminimnm wurde im Februar oder März beobachtet, ein Nebenminimum im November oder December. Die Schwankungen des Barometers sind an der Küste geringer als im Innern, die grösste Tagesschwankung liegt unter 12 mm. Die elektrische Spannung, sowie der Ozongehalt der Luft sind im Congogebiete bisher nicht studirt worden. Leichter zu beobachten und hygienisch wichtiger ist das Vor- kommen der Gewitter. April und November weisen die meisten Gewitter auf, die Zahl derselben wächst von Süden nach Norden, von der Küste und dem Tiefland nach dem höheren Binnenlande.

Der Gang der Bewölkung ist in der nassen Jahreszeit folgender: Bei Sonnen- aufgang ist der Himmel bedeckt, klärt sich allmälig unter gelegentlichen Schwan- kungen gegen 8 bis 10 Uhr Vormittags auf. Gegen 1 bis 3 Uhr treten die Ge- witter auf und zugleich Bewölkung, welche sich oft gegen Abend und während der Nacht für mehrere Stunden wieder verliert

In den regenlosen Monaten vollziehen sich die Schwankungen der Bewölkung langsamer und regelmässiger. Oft hellt sich der Himmel gegen Mittag oder im Laufe des Nachmittags auf, ein gewisser Dunst bleibt bis in die späten Abend- stunden bestehen. Gegen 9 oder 10 Uhr abends zieht dann von Westen kommend ©in Wolken- und Nebelschleier heran. Manchmal jedoch bleibt der Himmel auch über Nacht klar und bezieht sich erst am frühen Morgen.

Das Klima von Aequatorial- Afrika charakterisirt sich also durch:

1. Die constante Höhe der Temperatur, deren mittlere Maxima 29,6° nicht überschreiten, während die mittleren Minima nicht unter 21,4* sinken, durch die geringen Temperaturunterschiede zwischen den Jahreszeiten und den geringen Tagesschwankungen.

2. Die Höhe der Wasserdampfspannung der relativen Feuchtigkeit, welch’ letztere sich dem Sättigungspunkte nähert, und der Wechselwirkung von absoluter Feuchtigkeit und Dampfspannung bei constant hoher Temperatur.

8. Durch einen Luftdruck von nicht über 760 mm mit Tagesschwankungen bis zu 4 mm, aber geringen Schwankungen des mittleren Barometerstandes (4 5 mm).

4. Durch zweimaligen Durchgang des äquatorialen Dunstringes (doud-ring) in verschieden kurzen Zwischenräumen, wodurch zwei Regenzeiten, getrennt

Digitized by Google

60

II. Besprechungen und Litte raturangaben.

durch verhältnissmässig kurze, trockene Jahreszeiten, bedingt werden. Je nach der örtlichen Entfernung vom thermischen Aequator schwankt die Dauer der Jahreszeiten.

5. Durch constante elektrische Spannung.

II. Theil. Nosologie.

"Wie überall im tropischen Afrika, so beherrschen auch im Congogebiete die zahllosen Formen der Malaria-Intoxikation die Pathologie. Die Mortalität der Weissen ist nach Dryepondt dort 7%. Hierbei ist in Betracht zu ziehen, dass der Congostaat ein neues Colonisationsgebiet ist und voraussichtlich dem V organge anderer tropischer Colonien folgen wird, welche mit der fortschreitenden Cultur des Bodens die Sterblichkeit stetig sinken sahen. Die ungesundeste Zeit ist die kurze Regenzeit und die Uebergangszeit, wie aus den Statistiken von dem Ver- fasser und Mense hervorgeht und durch Curven veranschaulicht wird. Die Malaria wird von P. nach Aetiologie, Bakteriologie und Pathologie eingehend be- sprochen. Die einzelnen Fieberformen werden an Curven und Krankengeschichten eigener Beobachtung erklärt P. sieht für die hämoglobinurischen Formen die Malariaparasiten Laverans als pathogen an und kennt den schädlichen Einfluss des Chinins während des Schwarzwasserfiebers. Auch glaubt P. nicht an den sichern präventiven Werth dieses Medikaments, giebt aber den verschiedenen Ansichten der Beobachter über die Chininbehandlung der Malaria Raum.

Als „klimatische Fieber“ sieht P. fieberhafte Erkrankungen mit nervösen und gastrointestinalen Begleiterscheinungen an, welche von der Malariainfection unabhängig sind, ohne, wie Treille, so weit zu gehen, die alte Gruppe der „putriden Fieber“ wieder hersteilen zu wollen. Die Temperatur bei diesen Fiebern ist höher als bei den Malariafiebern, die Milzschwellung fehlt, ebenso die Neigung zu Rückfällen.

Die Entstehung des Hitzschlages wird in den Tropen begünstigt, weil die feuchte Luft ein guter Wärmeleiter ist und die infra-rothen Wärmestrahlen absorbirt. Deswegen weisen die feuchten Monate die meisten Fälle auf. P. unter- scheidet eine synkopale, meningi tische und asphyktische Form.

Die tropische Anämie, deren Dasein durch die exacte Blutuntersuchung der Boden entzogen wird, möchte P. vom klinischen Standpunkte aus als Krank- heitsbild erhalten wissen, denn dasselbe wird auch selbstständig in Tropenländera beobachtet, wo die Krankheiten, deren Complikation oder Folgezustand Anämie ist, weniger häufig Vorkommen, z. B. Malaria, Dysenterie, Hepatitis, parasitäre Erkrankungen. Wie bei den klimatischen Fiebern, so ist nach P. auch bei der Anämia intertropica weniger die veränderte chemische und physikalische Zu- sammensetzung der Luft, als die Ueberlastung der Leber und die Ueber- anstrengnng des Nervensystems im Kampfe gegen meteorologische Einflüsse und Mikroorganismen als Ursache anzusehen.

Kapitel IV des zweiten Theiles behandelt die Beri-Beri- Krankheit in gründlicher Weise. Bemerkenswerth ist der Vorschlag, den Poskin auf Anregung Ficket’s macht, die Vorgeschichte der Patienten darauf hin zu prüfen, ob die- selben nicht längere oder kürzere Zeit vor der Erkrankung irgend welche, viel- leicht wenig beachtete sonstige Infectionserscheinungen gezeigt haben. Hierbei wird an die Möglichkeit gedacht, dass die Polyneuritis bei Beri-Beri auf ähnliche Weise entstehe, wie z. B. die Lähmungen bei Diphtheritis.

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

61

Da P. einer der wenigen Aerzte ist, welche Beri-Beri und die afrikanische Schlafkrankheit der Neger auf demselben Boden beobachtet haben, so giebt er auch die Differentialdiagnose zwischen beiden Krankheiten, welche von den meisten Autoren als selbstverständlich übergangen wird. Beri-Beri ist eine periphere Polyneuritis, die Schlafsucht eine Erkrankung des Nervensystems im Allgemeinen, ihre Hauptsymptome sind Empfindungslosigkeit und Schlaftrunken- heit, der Verlauf ist ein langsamer, der tüdtliche Ausgang die Regel, bei Beri- Beri Uberwiegen Oedeme und Paresen im Symptomenkomplex, welche bei der Schlafkrankheit fehlen. Der Verlauf derselben ist rascher (? Ref.). Heilung häufiger.

Referent bemerkt hierzu aus eigener Beobachtung, dass die bei der Schlaf- krankheit auftretenden Exantheme und die Conjunctivitis nicht als Symptome der Krankheit, sondern als Folgen der Anästhesie und mangelhaften Hautpflege der Kranken aufzufasaen sind.

Der Abdominaltyphus, welcher am Congo und an der Westküste Afrikas bisher nicht beobachtet wurde, kommt nur auf dem afrikanischen Fest- lande und in den Mittelmeerländero häufig vor, am Senegal ist die Krankheit selten. Das Auftreten derselben in der Gegend der grossen centralafrikanischen Gegenden wird von Fruen mitgetheilt.

Anch das Gelbfieber hat sich im tropischen Afrika nur in einem begrenzten Gebiete der Westküste gezeigt (Dakar, Goree, Senegal, Capverdische Inseln). Beide Krankheiten werden trotzdem der Vollständigkeit halber besprochen.

Das Dengue-Fieber ist nur auf dem afrikanischen Continent, in den tropischen Gegenden, im Senegal und in Ostafrika zur Beobachtung gelangt, da- gagen ist der Pi an (Frambösia) im Congo-Gebiete weit verbreitet (Zur Therapie bemerkt Referent aus eigener Erfahrung, dass ihm die örtliche Anwendung eines mit Wasser angerührten festen Breies von Bismuthum subnitricum am erfolg- reichsten war.)

Die Lepra überragt die letztgenannte Krankheit weitaus an Bedeutung, auch im Congostaate, wie in ganz Afrika, ist dieselbe zu finden. Die Bakteriologie der Krankheit ist ebenso wie pathologische Anatomie und Symptomatologie leicht fasslich dargestellt, bei der Therapie wird besonders das Chaulmoogra-Oel empfohlen.

Der Abschnitt „maladies locales“ umfasst die meisten Krankheiten, welche deutsche Autoren als „Organkrankheiten“ bezeichnen würden und wird mit der „tropischen Diarrhoe eingeleitet Der besonders in deutschen und holländischen Werken geläufige Ausdruck „Aphthae tropicae“ für den gleichen Symptomkomplex fehlt in der Synonymik.

Für Afrika, wo die tropischen Aphthen als besonderes Krankheitsbild noch nicht beschrieben worden sind, ist die Dysenterie von grösserer Bedeutung. Im Congostaate findet man dieselbe weit verbreitet, jedoch nach Mense weniger in der Bergkette der Monts de cristal, als in der Zone des Centralplateaus, be- sonders an den Stationen längs des Flusses. Geographisch fällt die Dysenterie nicht mit der Malaria genau zusammen. Die lokalisirten Epidemien der tropischen Ruhr herrschen besonders auf feuchtem und sumpfigem Boden, endemisch erscheint dieselbe weder an Bodenbeschaffenheit noch Meereshöhe gebunden. Die Einzelheiten der Pathologie und Therapie dieser Krankheit müssen im Ori- ginal eingesehen werden.

Digitized by Google

62

II. Besprechung™ und Litte raturangaben.

Naturgemäss schliesst der Verfasser der Dysenterie die tropischen Leber- aifectionen an, deren wichtigste Heerde mit ersteren beiden Krankheiten sich decken. Im äquatorialen West- und Centralafrika ist der eigentliche Leberabscess ver- hältnissmässig selten.

Kapitel 9 ist in sehr praktischer Weise den „vergifteten Wunden“ ge- widmet.

Schlangenbisse. Schlangen sind im äquatorialen Afrika überaus reich- lich vorhanden. Die giftigen Arten sind jedoch vprhältnissmässig selten. Die wichtigsten Giftschlangen sind Trichonocephalus und die Speiotter.

P. giebt die landläufige Ansicht wieder, dass das ausgespieene Gift mancher Schlangen, wenn es in die Augen gelange, zur Erblindung führe. Referent behandelte wiederholt Eingeborene, welche in dieser Weise getroffen worden waren, sah jedoch nie ernstere Folge als eine heftige, aber oberflächliche Con- junctivitis und Keratitis. Die Therapie des Schlangenbisses ist genau besprochen.

Stiche von Skorpionen und Tausendfüsslern. Beide können be- drohliche Erscheinungen herbeiführen, führen jedoch selten zum tödtlichen Aus- gange. Die beste Behandlung besteht im Aussaugen mittelst trockner Schröpf- köpfe und Ammoniakwassereompressen.

Verletzungen durch vergiftete Waffen. Dieselben sind nicht häufig. Die physiologische Wirkung der afrikanischen Pfeil- und Waffengifte sind wenig studirt. P. führt die wichtigsten Gifte auf.

Das tropische phagaedaenische Geschwür (am Congo „Sanne*“, als „Afrikanismus“ auch „Saroes“ gesprochen).

Der Sandfloh (Pulex penetrans, mn Congo Djigga).

Wenn P. den Parasiten an dieser Stelle nennt, so ist es wohl nur. weil die durch denselben hervorgerufenen Hautgeschwüre leicht inficirt werden können. Nach Ansicht des Referenten ist diese Gefahr geringer, als landläufig angenommen wird. Der Sandfloh könnte besser unter Capitol XIV, Hautkrankheiten angeführt werden, als welche P. nur den Lichen tropicus und ein „Eczema tropicum- nennt, ohschon letzteres nach seiner eigenen Angabe sich höchstens durch die Häufig- keit des Auftretens vom Ekzem in unsem Klimaten unterscheidet Dieser Knapp- heit gegenüber ist Kapitel XV „maladies sjieciales“ um so besser bedacht. Die Filariosis am Congo ist besonders von Firket1) studirt worden, welcher die Filaria perstans (Manson) in zwei Typen , einer grossen Art von 160 180 p und einer kleinen von 90 100 p Länge, bei Congo-Negern beobachtete. Das Vorkommen der Filaria nocturna beweist die Häufigkeit der Elephantiasis arahum und sonstiger Erkrankungen der Lvmphgefässe unter den Eingebomen.

Anchylostoma duodenale ist allgemein verbreitet der Guinea-Wurm war während des Aufenthalts des Referenten am Congo (1885 87) nur bei ein- gewanderten Negern von der Gold- und Guinenküste zu finden, nach P. soll derselbe jetzt auch die Congo-Neger heimsuchen.

Der dritte Theil des Buches behandelt die tropische Hygiene und bespricht den Einfluss des Klimas auf die Constitution, die Acdimatisation , die private „specielle“ und öffentliche Hygiene. Unter „specieller Hygiene“ giebt P. be- achtenswerthe Rathschläge für die in Afrika am meisten gefährdeten Europäer* Klassen, nämlich des Forsehungsreiseudeu und der Frauen und Kinder.

>) Cb. Firket, De ls filsrloee da seng dies lee negree. (Bult de l'Acsd. de Med. de Belglqae. IS»».)

Digitized by Google

IIJ. Versammlungsberichte.

63

Jedem in den Tropen, besonders aber im äquatorialen Afrika wirkendem Arzte und jedem gebildeten Manne in jenen Ländern kann (las Werk Poskin's als Handbuch warm empfohlen werden. Menae.

III. Versainmlungsberichte.

Die internationale wissenschaftliche Lepraconferenz zu Berlin, Oktober 1897. Berioht von Dr. Max Joseph in Berlin. (Fortsetzung aus Bd. I. 6.)

A. von Bergmann aus Riga nimmt an, dass die Binden, die Leib- und Bettwäsche, ja auch die Kleider und das Schuhzeug Gegenstände repräsentiren, welche reichlich hacillenhaltiges Material in sich aufgenommen haben und daher im Stande sind unter geeigneten Bedingungen einen andern Organismus zu in- ficiren. Man begegne in der Praxis wiederholt der Angabe, dass die Ueber- tragung durch Gegenstände, z. B. Kleider stattgefunden habe. Indessen seien diese Angaben schwer zu eontroliren. Dass die theoretisch eonstruirte Möglich- keit der Verbreitung der Lepra durch inficirte Gegenstände jedoch auch einen praktischen Hintergrund habe, dafür könne der hohe Procentsatz angeführt werden, den die Wäscherinnen zum Contingent der Leprösen stellen, nach einzelnen Be- richten bis zu 20 V# der Erkrankungen. Von den gegenwärtigen 49 weiblichon Insassen des Rigaischen Leprosoriums seien 9 Wäscherinnen, allerdings könne er nicht den Nachweis erbringen, dass diese nun auch wirklich sämmtlich die Wäsche Lepröser gewaschen haben. Wie dem auch sei, jedenfalls wäre die Möglichkeit der Vermittlung der Lepra durch verunreinigte Wäsche, Kleider etc. nicht von der Hand zu weisen und müssten dementsprechende Maassregeln ge- troffen werden. Mithin sei zu verlangen, dass in den sanitätspolizeilichen Vor- schriften eine sorgfältige Desinfection dieser Gegenstände resp. die Verbrennung derselben vorgesehen werde. Die sanitätspolizeilichen Vorschriften hätten sich ferner auch auf die Dpsinfection der Wohnung der Betreffenden zu erstrecken, da hier durch Unsauberkeit aller Art, namentlich das Speien auf die Diele, Ba- cillendepots gesetzt werden, welche unschädlich gemacht werden müssten, umso- mehr als die Tenacität der Bacillen eine beträchtliche zu sein scheine, und damit auch die Grundbedingung für eine lange währende Virulenz gegeben sei.

Der dritte Sitzungstag wurde mit einer Mittheilung Virchow’s über die von Ashmead (New York) aufgefundeuen krankhaften Darstellungen an alt- peruanischen Thonfiguren eröffnet. Es wurden Topfgeräthe aus den sogenannten alten Gräbern von Peru mit starken Veränderungen im Gesichte vorgezeigt welche für die präcolumbischo Existenz der Lepra zu sprechen scheinen. Die hierauf zur Erörterung gelangende Frage über die pathologische Anatomie und Histologie der Lepra führte zu einem heftigen Aufeinanderplatzen der Meinungen. Unna vertritt bekanntlich den Standpunkt, dass die Bacillen nicht, wie man bisher stets annahm, in den Leprazellen, sondern extracellulär liegen. Er glaubte dieses auch wiederum durch seine ausgezeichneten Demonstrationspräparate, welche nüt einer neuen Doppelfärbungsmethode hergestellt waren, beweisen zu können. Diese Schnitte durch Lepraknoten zeigten die Bacillen roth, in glasklarer blauer Gloea, während das Protoplasma grauviolett war. Bei genügender Feinheit der Schnitte

Digitized by Google

64

III. Versammlungsberichte.

glaubt er beweisen ru können, dass der früher für homogen gehaltene Schleim bei dieser specifischen Färbung sich als ein Conglomerat von etwas geschwollenen, die Bacillenfarbe (hier Fuchsin) nicht mehr annehmenden und daher offenbar abgestorbenen Bacillen von Stäbchenform auflöst Mithin bestehe das, was Unna Oloea, die anderen Autoren degenerirtes Protoplasma genannt haben, ans abgestorbenen Bacillen.

Dem gegenüber entwickeln sich nach den Erfahrungen von V. Babes (Bukarest), welcher ebenfalls ausgezeichnete Präparate demonstrirte, die Bacillen sowohl intra- als extracellulär. Jedenfalls konnte er Unna nicht beistimmen, wenn er behauptet, dass die Bacillen fast immer ausserhalb der Zellen liegen, ebensowenig konnte er aber zugeben, dass die runden Bacillencolonien sich in der Regel auf Kosten von Zellen bilden, wie dies manche Autoren annehmen. Man könne sich eben ganz leicht überzeugen, dass in der Regel zunächst einzelne Bacillen im Zellprotoplasma liegen. Diese einzelnen Bacillen wachsen hier zu Colonien aus, welche im Innern der vergrösserten Zellen in Yaeuolen liegen. Man könne nun eine langsame Wanderung der Bacillen auf dem Lymphwege, sowie eine schnelle auf dem Blutwege unterscheiden. Es konnte natürlich nicht ausbleiben, dass den radicalen Unna 'sehen Anschauungen gegenüber Neisser seinen entgegengesetzten Standpunkt der intracellulären Lagerung der Bacillen auf das Energischste vertrat. Er verwies auf die Thatsache, dass auch die feinen histologischen Erscheinungen an den Zellen: Blähungen, Vacuolisation, Globus- bildung, ihre Unterlage in der Anwesenheit und den Eigentümlichkeiten der Bacillen finden. Auch Dohi (Tokio) kommt nach seinen Untersuchungen zudem Ergebnisse, dass kein Zweifel an dem Vorkommen von wirklichen und echten Leprazellen bestehe, welche wahrscheinlich Abkömmlinge der fixen Bindegewebs- zeilen seien. Andererseits fand er aber von einem deutlichen Endothel umgebene Hohlräume, in denen sich ein compacter Bacillenhaufen von der "Wandung retrahirt befand (Bacillenthromben in Lymphcapillaren). Diese Lamina konnte er durch Schnittserien verfolgen. Somit glaubt er, dass die Globi keine Lepra- zellen, sondern Bacillenhaufen in Lymphgefässthromben sind. Bei der Knoten- lepra komme auch eine relativ grosse Anzahl von Riesenzellen vor, bei welchen sich Uebergänge zu den einfachen Leprazellen mühelos finden lassen. Sie seien den Riesenzellon der Tuberculose sehr ähnlich, unterscheiden sich von ihnen aber wesentlich nur durch das häufigere Vorkommen von scheinbaren und wirklichen Vacuolen. Sie enthalten mehr oder weniger zahlreich isolirt liegende Bacillen oder auch kleine Häufchen von solchen. Von der Angabe Unna's, dass Lepra- zellen, freilich ohne ihre Natur als bacillenhaltige Zellen zugegeben, Abkömmling« seiner Plasmazellen seien, konnte sich Dohi niemals überzeugen. Er fand im Gegenteil Uebergänge von diesen Plasmazellen zu den Leprazellen , sodass die Plasmazellen mit der eigentlichen Neubildung bei der Lepra nichts zu tan haben.

Auch Musehold wurde auf Grund seiner Untersuchungen an Leber und Milz zu der Anschauung geführt, dass die Leprabacillen sowohl intra- wie extra- cellulär liegen und in der Leber massenhaft im interstitiellen Bindegewebe sich ansiedeln, in der Milz meist am reticulären Stützwerk haften. Die grossen inner- halb bindegewebiger Umgebung anzutreffenden, aus aneinander gelagerten Kugeln besonderen Lichtbrechungsvermögens und aus bacillenerfüllter Zwischensubstanz zusammengesetzten Gebilde seien am einfachsten als Lymphtrombenconglomerate

i by Google

IV. Versammlung* berichte.

65

zu deuten. Ebenso konnte Referent (Max Joseph) anseinen zur Demonstration ausgelegten Präparaten von Lepramilz erweisen, dass, wenn auch zuweilen die Bacillen in Lymphgefässen anzutreffen sind, sich doch das Gros innerhalb der Leprazellen befinde und zwar in der Gegend der Malpighi'schen Körperehen. Dieser Anschauung huldigto im Wesentlichen auch Schaoffer (Breslau), während Bergengrün (Riga) und Lubarseh der Ansicht zuneigten, dass die Bacillen nicht in den Zellen, sondern in den Lymphgefässen liegen. Allen diesen Ein- wänden gegenüber giebt zwar Unna zu, dass er in seiner Histo-Pathologie der Haut bei Gelegenheit der Lepra den Plasmazellen zu viel Bedeutung beigelegt habe, im Uebrigen vertheidige er aber seine früheren Anschauungen. Im Gegen- satz zu Neisser, welcher das Protoplasma als den Nährboden für die Bacillen onnimmt, spreche er hierfür die Lymphspalten an. Er glaube, dass man mit neuen Methoden die Zellennatur werde fallen lassen müssen.

Besonderes Interesse erregten noch die im Anschlüsse hieran erfolgenden Demonstrationen von L. Glück (Sarajevo) über die Ia-pra der oberen Athmungs- und Verdauungswege, sowie der Mittheilungen von Jeanselme und Laurence (Paris) über die Localisation der Lepra in Nase, Schlund und Kehlkopf. Darier (Paris) machte eine Mittheilung über die pathologische Anatomie der Flecken- exantheme bei der Lepra, sogenannter Neuro-Lepride. Er fand eine mehr oder weniger reichliche perivasculäre Zellinfiltration, welche die Follikel und Drüsen umgiebt. Das Infiltrat besteht grossentheils aus Bindegewebszellon, welchen sioh Leucoeythen, bisweilen Kiesenzellen und einige Mastzellen beigesellen. Bis auf einen Fall wurden stets in diesen Flecken Bacillen nachgewiesen.

Die Rolle der Erblichkeit dürfte zur Zeit, wie llel lat (Petersburg) richtig bemerkte, nur noch historisches Interesse beanspruchen und als Beweis dessen gelten, wie leicht Erscheinungen einer und derselben Kategorie gerude ent- gegengesetzter Deutung fähig sind. Denn gerade diejenigen Thatsaohen, welche Danielssen und Boeck als einen unumstösslichen Beweis der Heredität an- sahen, lassen sich mit viel grösserem Rechte gegen dieselbe anführen.

Für die Aus- und Einwanderungen in ihren Beziehungen zur Verschleppung stellte Arning die These auf, dass die Migration der Menschen, da die Lepra durch Contagion von Mensch zu Mensch übertragen wird, die Quelle der Ver- breitung der Seuche ist Da die Massenauswandorungen besonders aus solchen Ländern stattfinden, in denen die Ijepra endemisch ist und sich häufig nach Gegenden hinzieht, wo noch keine I/>pra herrscht, so liegt in der strengen Be- aufsichtigung dieser Auswanderungsströme eine wichtige Handhabe zur Verhütung der weiteren Ausbreitung der Krankheit Diese Controle setze am zweck- massigsten am Ausgangspunkte der Auswanderung ein, werde unter Garantie des (Konsulats des Bestimmungslandes am Sammel- und Einschiffungshafen fortgesetzt, und endige in einer Superrevision am Aussehiffungshafen.

Die Therapie, insbesondere die Serotherapie, gab ebenfalls Veranlassung zu eingehender Discussion. Zwar wurde allseitig anerkannt, dass eine gute Hygiene und geeignete symptomatische Therapie das einzige sind, was wir leider bisher bei der Lepra leisten können. Doch gab gerade die Anwesenheit von Carrasquilla, welcher ein Serum gegen diese Krankheit gefunden zu haben glaubt Gelegenheit über diese Frage zu diseutiren. In Uebereinstimmung mit den Beobachtungen Carrasquilla’s stellte Buzzi einen Kranken vor, bei welchem die bisher erzielten Resultate bei Weitem bessere waren, als sie bisher mit irgend einer Archiv f. Schiff*- u. Tropenhvgiene. XI. 5

Digitized by Google

66

III. Versammlungsberichte.

andern Behandlungsweise erzielt werden konnten. Daher empfehle er das Mittel, es verdiene jedenfalls weiter geprüft zu werden. Im Gegensätze hierzu demon- strirte allerdings Brieger einen Kranken, bei welchem jeglicher Erfolg aus- geblieben war.

Ein ganz besonderes Interesse erregte natürlich die Frage der Isolirung der Aussätzigen und der dazu erforderlichen Mnassregeln. Armauer Hansen hat an seinen Jahre lang durehgeführten Beobachtungen in Norwegen die Erfahrung gemacht, dass die Krankheit ohne Isolation zunimmt, durch die Isolation dagegen erfischt. Danach könne er sogar sagen, dass mit dem Beginne des neuen Jahr- hunderts die Lepra aus Norwegen verschwinden werde. In Norwegen war die Isolation nie eine vollständig obligatorische. Von Anfang an war sie eine voll- ständig freiwillige und wurde ursprünglich als eine humane Verpflegung der armen Kranken eingeführt. 1885 wurde ein Gesetz gegeben, nach welchem die Gesundheitscommission oder die Communalbehörden den Leprösen auferiegen mussten, dass sie auch zu Hause so weit als möglich isolirt leben sollten und wenn dies nicht möglich war, oder der Lepröse sich den Anordnungen nicht fügen wollte, so konnte die Behörde ihn zwingen, in eine Anstalt zu gehen. Es sei sehr schwer, meistens unmöglich, einen Leprösen davon zu überzeugen, da« er für seine Nächsten gefährlich sein könne, dagegen sei es leicht die Gesunden hiervon zu überzeugen, und da die letzteren glücklicher Weise in der Majorität seien, so schlage die gesunde Vernunft meistens durch. Daher stellte Hansen folgende Sätze auf: Der Uebertragung der I^pra könne durch durchgeführte Beinliehkeit, persönliche wie im Haushalt, vorgebeugt werden. Die Isolation der Leprösen könne datier mit Erfolg in der Heimath der Kranken stattfinden. Wo es viele und arme lepröse gebe, bleibe die Isolation zu Hause meistens ungenügend und hier müsse der Staat Isolationsanstalten zur Verpflegung der Isolirten er- richten. Das Einlegen in die Anstalten müsse je nach den Umständen eia facultatives oder obligatorisches Rein.

Dehio (Dorpat) berichtete, dass in 40 Jahren die Zahl der Leprösen von 300 auf ca 600 gestiegen seien. Es bleibe nur die Isolirung der Kranken übrig. Die Gesellschaft zur Bekämpfung der Lepra in Livland habe sich 1890 constituirt in demselben Jahre sei die erste Leproserie in der Nähe Dorpats für 20 Betten gegründet worden. Später sei eine zweite Anstalt für 80 Betten, bald darauf eine dritte für 60 bis 80 Kranke gegründet worden und in diesem Jahre solle noch eine vierte Austalt folgen. Er macht darauf aufmerksam, dass gerade private Gesellschaften sehr viel dazu thun können, um die Bevölkerung auf die Gefahren aufmerksam zu machen, um aber wirkliche Erfolge zu erzielen, dazu gehöre die Unterstützung des Staates. Im Augenblicke seien 160 170 Kranke in allen Leproserien untergebracht, allerdings viel zu wenig in Anbetracht der überhaupt existirenden leprösen. Es frage sich daher sehr, ob nicht eine zwangsweise Isolirung nothwendig sein werde, da jeder lepröse für seine Um- gebung eine Gefahr sei. Die Gesellschaft hoffe zwar, ohne Zwangsmaassregeln auszukommen, indessen gebe er zu, dass für jedes Land die Maassregeln ver- schieden sein müssten.

Während Besnier die Isolirung nicht für notwendig hält und betont, da« ein Fall von Contagion im Hospital St. I/iuis in Paris noch nie beobachtet worden sei, stehen Hallopeau und Thibierge nicht auf dem gleichen ablehnenden Standpunkte. Zwar sind auch sie nicht für strenge Absperrungsmaassregeln, in-

Digitized by Google

III. Versammlungsberiehte.

67

dessen weist Hallopeau doch ernstlich auf die Gefahren hin, welche in Folge vermehrten Zuzuges von Leprösen aus den Colonien und dem Auslande für Paris entstehen können. In der ersten Hälfte des Jahres 1897 seien allein 10 neue lepröse in das Hospital St. Louis eingetreten und man müsste doch an eine Isolirung derselben innerhalb des Krankenhauses denken. Desgleichen empfahl Thibierge eine gründliche ärztliche Untersuchung der arm den Colonien zurück- kehrenden Personen.

Nachdem noch Sederholin (Stockholm) übor die Lepra in Schweden, Ehlers über die Erkrankung in Island und Alvarez über die Verhältnisse auf Hawai berichtet hatten, empfahl Kirchner die Gründung von Vereinen zur Be- kämpfung der Lepra, welche ein werth volles Glied in der Kette der auf Ver- nichtung dieser Seuche gerichteten Bestrebungen bilden würden.

In der Schlusssitzung wurde das Ergebnis« der Lepraconferenz in folgender Uebersicht zusammengefasst: „Als Krankheitserreger wird nach dem gegen- wärtigen Stande der Forschung der Leprabacillus angesehen, der der wissen- schaftlichen Welt durch die Entdeckung Hansen’s seit bald 25 Jahren bekannt ist. Zwar sind dio Bedingungen, unter denen dieser Bacillus gedeiht und sich weiter entwickelt, noch unbekannt, ebenso die Art und Weise seines Eindringens in den menschlichen Körper; jedoch deuten die Verhandlungen der Conferenz darauf hin, dass eine Einigung sich anbahnt über die Wege, auf denen er im menschlichen Körper sich verbreitet. Einheitlich Ist die Auffassung darüber, dass nur der Mensch der Träger dieses pathogenen Bacillus ist. Ueber die Massenhaftigkeit der Ausscheidung des Bacillus aus dem kranken Organismus, namentlich von der Nasen- und Mundschleimhaut, sind interessante Beobachtungen mitgetheilt worden, deren Nachprüfung an einem grossen Beobachtungsmaterial dringend wünschenswert erscheint. Diesen Fragen von ausschliesslich wissen- schaftlicher Bedeutung steht die Thatsache gegenüber, die praktisch einschneidende Bedeutung hat für alle, denen die Sorge für das Volkswohl anvertraut ist, die Anerkennung der Lepra als einer contagiösen Krankheit. Jeder Lepröse bildet eine Gefahr für seine Umgebung. Diese Gefahr wächst, je inniger und länger andauernd die Beziehungen des Kranken zu seiner gesunden Umgebung sind und je schlechter die sanitären Verhältnisse, unter denen sie sich abspielen. Mithin bedeutet ganz besonders unter der ärmsten Bevölkerungsschicht jeder Lepröse eine stete Gefahr der Uebertragung für seine Familie und seine Arbeitsgenossen- schaft. Jedoch kann nicht in Abrede gestellt werden, dass die Fälle von Ueber- tragung auf Menschen in besser situirter Lebenslage nicht mehr vereinzelt be- obachtet werden. Zu Gunsten der contagionistischen Auffassung der Lepra hat die Anschauung, dass dio Lepra durch Vererbung sich verbreitet, immer mehr Anhänger verloren. Die Behandlung der Lepra erzielt bisher nur palliative Er- folge. Auch dio Serumbehandlung hat bisher in dieser Beziehung keinen Wandel gebracht Angesichts der Unheilbarkeit der Lepra, angesichts der Entstellung, die sie hervorruft und der schweren persönlichen und öffentlichen Schäden, die sie mit sich bringt, hält die Lepraconferenz in logischer Schlussfolgerung ihrer contagionistischen Auffassung der Lepra die Isolirung für das einzige radieale und am raschesten wirkende Mittel zur Unterdrückung der Lepra, insbesondere wo sie in heerdenweiser oder epidemischer Verbreitung sich findet Die Bestätigung dieser Ansicht sieht sie in den Erfolgen, die die Bekämpfung der Lepra in Nor- wegen errungen hat, dort, wo die Isolirung der Kranken zielbewusst durchgeführt,

5*

jiiized by Google

68 IV. Zur Besprechung eingegangeue Bücher und Schriften.

d. h. gesetzlich eine Handhabe geschaffen worden ist, die Isolirung bei den- jenigen Kranken auch gegen ihren Willen durchzusetzen, welehe durch die elenden Verhältnisse, unter denen sie ihr Dasein führen, eine ganz besonders grosse Gefahr für ihre Umgebung bedeuten.“

Die Conferenz gelangte ferner einstimmig zur Annahme des von Armaner Hansen eingebrachten Antrages: 1. ln allen Ländern, in denen die Lepra heerd- weise oder in grösserer Verbreitung auftrittt, ist die Isolation das beste Mittel, um die Verbreitung der Seuche zu verhindern. 2. Das System der obligatorisches Anmeldung der Ueberwaohung und der Isolation, wie es in Norwegen durch- geführt ist, ist allen Nationen mit autonomen Gemeinden und hinlänglicher Zahl der Aerzte zu empfehlen. 3. Es muss den gesetzlichen Behörden überlassen werden, nach Anhörung der sanitären Autoritäten die näheren Vorschriften, die den speciellen socialen Verhältnissen angepasst werden müssen, festzustellen.

Hierauf wurden unter den lebhaftesten Dankesbezeugungen für die Leiter der Conferenz, R. Virehow und 0. Lassar, die Verhandlungen geschlossen. Rühmend sei aber noch der vortrefflich organisirten, nach vielen Richtungen Neues bietenden Demonstrationen, sowie der ausgezeichneten, mit dem Congresse verbundenen wissenschaftlichen Ausstellung gedacht.

Als ein Zeichen des tiefen Interesses, welches auch die hohen Staatsbehörden den Bestrebungen der Conferenz entgegenbrachten, sei es erwähnt, dass Sc. Majestät der Kaiser die Mitglieder der Conferenz der hohen Ehre eines Empfanges würdigte und der Reichskanzler dieselben in sein gastliches Haus lud.

IY. Zur Besprechung eingegangene Bücher und Schriften.

Le venin des serpents, Physiologie de l’evenemation , traitement des morsurss venimeuses par le serum des animaux vaccines par le Dr. A. Calmette. Paris 1896. Soeiete deditions seientifiques.

Annali d’igiene sperimentale, Roma, Societü editrice Dante Alighieri. H. I. 1898. Bulletin generale de therapeutique, Paris, M. Doiu, December 1897. Colonial-Handels- Adressbuch. Berlin, Mittler & Sohn. 1898.

Druckfehler und Berichtigungen.

Heft 6. 1897.

S. 873. 15. Zeile statt (Leitz, System 7. Ocular 1) liess (Leltz, OelinunerdM,

auch System 7. Ocular 1.)

S. 376. 11. Zeile von oben statt „an altem- lies „in älteren Fällen“.

8. 377. 17. „das Centrum leicht bläulich tingirt- lies „das

Centrum hell ohne Kern“.

8. 379. 71. Zeile von oben statt „Den“ lies „Der“.

8. 380. 8. „Die ersten“ lies „die »erst aufgetretenf.

8. 374. 32. „nie“ lies „nicht“.

8. 369. 17. ,, „hier“ lies „auch hier**.

Digitized by Google

Archiv

für

Schiffs- und Tropen-Hygiene.

Band 2.

I. Originalabhandlungen.

Tropenmedicinische Erfahrungen aus Nicaragua

von

Dr. Ernst Rothschuh, Managua.

Einleitung.

Eine medicinische Literatur über Nicaragua im Speciellen und Central-Amerika im Allgemeinen ist mir bis jetzt nicht bekannt ge- worden und da diese Zeitschrift bis jetzt als die einzige Stelle er- scheint, wohin die Erfahrungen deutscher Aerzte in den tropischen Ländern in Berichten zusammenfliessen , auch wenn sie keine welt- erschütternden Entdeckungen enthalten, so mache ich meine „Mit- theilungen über Erfahrungen in Nicaragua“ trotz meines verhält- nissmässig kurzen Aufenthaltes von 31/* Jahren daselbst. Zwei Jahre davon verlebte ich als Plantagenarzt auf der Hacienda eines wackeren Deutschen, Wilhelm Jericho aus Nordhausen, der leider den politischen Intriguen in der Revolution vorigen Jahres zum Opfer fiel und ermordet wurde. Dort, im urwaldbedeckten Centrum des Landes, widmete ich mich mehr allgemeinen und naturwissenschaft- lichen Studien; regelmässige meteorologische Beobachtungen wurden veranstaltet, zoologische und botanische Sammlungen gemacht, die noch in der wissenschaftlichen Bearbeitung in den Museen von Berlin und London begriffen sind ; zu besonderem Danke bin ich hier Herrn Dr. Loesener vom Botanischen Museum in Berlin verpflichtet. Die letzten l1/* Jahre brachte ich in allerdings sehr ausgedehnter medi- cinischer Praxis in der Hauptstadt Managua hin.

*) Weitere Ausarbeitung eines auf der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte gehaltenen Vortrags.

AieblT t Schiff»- u. Troptßhygiene. II. g

Digitized by Google

70

Dr. Ernst Roth schuh.

Von dorther stammt der wesentlichste Tbeil meiner ärztlichen Erfahrungen, und es dürfte gerade dieses Gebiet ein besonderes In- teresse beanspruchen, da es im tropischen Tieflande gelegen ist, während alle anderen Hauptstädte und grösseren Platze Central- Amerikas, von denen man Berichte europäisch ausgebildeter Aerzte erwarten könnte, schon in Erhebungen zwischen 500 bis 1500 m über dem Meere sich befinden.

Ueberhaupt ist das ganze Gebiet der in den Tropen liegenden spanisch-amerikanischen Republiken medidnisch besonders interessant, da man nicht mit zum Theil schwer sich explidrenden Wilden zu tbun hat, sondern mit einer sehr intelligenten, scharf beobachtenden Bevölkerung, die ihren eigenen Körper und seine Erkrankungen ge- nau beurtheilt, oft mehr als dem Arzte lieb ist; jedenfalls darf man hier Volksanschauungen, die sich seit langem entwickelt haben, nicht ohne Weiteres über den Haufen werfen wollen, wie es einem zu leicht ergeht, wenn man mit dem ganzen Schatze der Schulweisheit bewaffnet und mit dem Gefühle der Erhabenheit eines deutschen Doctors gegen die eigen thümlichen tropischen Feinde in’s Feld nickt Bald kommt man zum Stehen, sogar zum Retiriren, bis man dne andere Taktik erlernt hat, die alsdann auch sehr natürlich erscheint Wenn man bedenkt, dass diese Länder stets in viel engerer Berüh- rung mit der europäischen Cultur gestanden haben als andere Colo- nien, indem Spanien thatsächlich sein Volksthum an Stelle der Ur- einwohner gesetzt hat, wenn man bedenkt, dass die später errungene politische Selbstständigkeit und republikanische Regierungsform trotz ihrer bösen Nachtseiten immerhin zur freieren Entwickelung des In- dividuums beitragen und das Urtheil schärfen, wenn man dazu be- denkt, dass der grösste Theil der einheimischen Aerzte in Europa oder den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika ausgebildet ist und immer wieder von Neuem die Lehren der wissenschaftlichen Medicin sich vermengen mit den durcn Erfahrung und Ueberlieferung ge- wonnenen Anschauungen, so darf man wohl dem aus alledem her- vorgehenden Stamm praktischer Ideen und Methoden eine gewisse Beachtung nicht versagen, so wenig man auch von vornherein dazu geneigt ist.

Allgemeiner Theil.

Zunächst möchte ich nun kurz einen Ueberblick über die physi kalischen Verhältnisse des Landes geben.

Digitized by Google

Tropenmedioinische Erfahrungen aus Nicaragua.

71

Nicaragua liegt zwischen 12° und 14° n. Br. und reicht, seit- dem die Mosquito-Küste einverleibt ist, von Ocean zu Ocean, während die nördlichen und südlichen Grenzen gegen Honduras und Costa- Rica hin unbestimmt und fortwährende Veranlassung zum Streit sind.

Das Land ist zum grössten Theil stark hügelig, und zwar geht der Hauptstock der Cordillera in der Richtung vom Golf von Ama- pala nach der Mündung des Rio San Juan, der neuerdings berühmt geworden ist durch das Canalproject der Amerikaner, das wohl dem- nächst realisirt werden dürfte.

Die Richtung ist also von NW. nach SO. diagonal durch das Land. Oestlich von diesem Grundstock laufen eine Anzahl Neben- ketten parallel den Breitegraden in der Richtung auf den Atlantischen Ocean zu, mit dichtestem, unwegsamem, jungfräulichem Urwald be- wachsen, bis sie sich in den Ebenen der grossen Flüsse verlieren; auch dort weit ausgedehnte, aber sumpfige Urwälder, die Heimath des Nicaragua-Kautschuks und des Mahagoni, abwechselnd mit Gras- Savannen.

Westlich der Hauptkette streichen einige Gebirgszüge parallel mit dieser, getrennt durch Hache, wie ausgegossene Ebenen. Hier herrscht im Gegensatz zu der atlantischen Seite die Dürre vor, dort von Fruchtbarkeit strotzende, von Feuchtigkeit triefende, in ewigem Regen gebadete Urwälder; hier steinige und sandige Hügel, trockene Wälder, wenige und meist versiegende Flüsse, und in den Ebenen die melancholische Vegetation der Jicarales; es ist dies der Name der wie eine Platte ausgegossenen Flächen lehmigen, schwarzen Bo- dens, in der Trockenzeit durch grosse Risse zerklüftet, in der Regen- zeit ein grosser, undurchdringlicher Sumpf, der Schrecken aller Reiter. Alles ist dornig und stachelig, knorrig und phantastisch, auf den seltsam geformten Aesten der dornenbewehrten Caesalpiniaceen sitzen zu Hunderten die scharf- gezähnten und -gespitzten roten Bromelia- ■ceen mit den blauen Blüthen, starre Cactus- Bäume und -Sträucher strecken ihre gefährlichen Arme aus, und aus dem Boden ragt allent- halben die Rosette der falschen Ananak heraus mit ihren meter- langen, schwertförmigen, steifen, scharf- gesägten Blättern. Diese Region ist, wie wir später sehen werden, namentlich bestimmend für die gesundheitlichen Verhältnisse.

Zwischen der letzten Parallelkette der Hauptcordillera, die hart am Stillen Ocean vorbeizieht, und der vorhergehenden, schiebt sich das grosse Vulkan -Gebiet ein, bestehend aus einer einzigen Reihe grosser und kleiner, thätiger und unthätiger Vulkane, secundären

6*

Digitized by Google

72

Dr. Ernst Rothschuh.

Senkungen, in denen die beiden grossen Seen, Managua -See und Nicaragua -See, liegen und den dieselben begrenzenden fruchtbaren Niederungen.

Im Anschluss an diese Skizze des geologischen Aufbaus lässt sich leicht die Yertheilung der Bevölkerung verstehen.

In den Urwäldern der 3000 5000 Fuss hohen Hauptcordillera leben noch etwa 50000 indianische Ureinwohner verstreut, aber kaum einige Meilen nach Osten beginnt der gänzlich unbewohnte, zum grossen Theil unbekannte atlantische Abhang, und erst nahe der Küste beginnen wieder menschliche Niederlassungen, aber mit unbe- deutender Bevölkerung.

In den Thälem der westlich gelegenen Gebirge und den Jica- rales wohnt eine äusserst geringe Menge von Mischlingen von Weissen und Indiern; die Hauptplätze sind Matagalpa und Sinotega mit 4000 und 2000 Einwohnern, hart am West-Abhange der Haupt-Cordillera gelegen und Centren für die indischen Ureinwohner.

Bei weitem der grösste Theil der Landesbewohner concentrirt sich auf den schmalen Streifen in der Gegend der Seen und Vulkane. Hier, in dem fruchtbaren, jetzt aber schon stark entwaldeten Nie- derungsgebiet, hatte schon die in mehrere Stämme gespaltene Ur- bevölkerung ihren Hauptsitz. Die Spanier, die 1525 zuerst in’s Land kamen, blieben auch in diesem Theile des Landes, der ihnen, cultivirt und leicht zugänglich, als reife Frucht in den Schooss fiel; hier liegen die drei grössten Städte des Landes, Leon, die Haupt- stadt Managua am Managua-See und Granada anj Nicaragua- See, sowie zahlreiche kleinere Plätze und Einzelansiedlungen , Hacienden u. s. w.

Hier bekommt man sämmtliche überhaupt denkbare Nuancen der menschlichen Hautfarbe zu sehen vom tiefsten Schwarz bis zum blendendsten Weiss. Die Kreuzungen zwischen Negern, die bekannt- lich in früheren Jahrhunderten massenhaft importiert wurden, Indiern und Weissen, geben eine solche Fülle von verschiedenartigen Pro- ducten, dass es zu weit fuhren würde, darauf im Einzelnen einzu- gehen, zumal es mir bisher nicht möglich gewesen ist, hinsichtlich der Morbidität oder Mortalität einen greifbaren Unterschied zwischen den einzelnen Rassen oder Mischungen zu constatiren. Das Zahlen- verhältniss wird in verschiedenen geographischen Lehrbüchern udü Tattellen mangels einer sicheren Quelle verschieden angegeben. Nach meiner eigenen Schätzung machen die Rein weissen, Creolen, Fremden u. s. w. etwa 2°/# der Bevölkerung aus, die reinen Indier 20®/,, und

Digitized by Google

Tropenmedicinische Erfahrungen au- Xicaragux 73

der ganze Rest sind Mischlinge ausser wenigen Negern und Chi- nesen.

Die klimatischen Verhältnisse sind bedingt durch Höhenlage und den bekannten Wechsel der tropischen Jahreszeiten. Man unter- scheidet, wie in anderen central-amerikanischen Ländern und Mexico, nur modificirt durch die geringere absolute Erhebung der Haupt- Cordillera, 3 Zonen. Die heisse umfasst die Niederungen und tieferen Lagen bis etwa 1000 Fuss Höhe; es entspricht genau dem Gebiet des cultivirten Theiles im Seen-Gebiet; die gemässigte Zone zwischen 1000 und 2000 Fuss umfasst das Gebiet der Jicarales und reicht bis Matagalpa an den West- Abhang der Haupt -Cordillera heran; die Höhen über 2000 f uss bilden die dritte oder kalte Zone.

Meine eignen meteorologischen Beobachtungen, die ich ein hal- bes Jahr in Matagalpa, zur gemässigten Zone gehörig, und 1 */* Jahre auf der Hacienda Rosa de Jericho an der Wasserscheide der Haupt- Cordillera in 3000 Fuss Seehöhe mit Regelmässigkeit anstellte, er- geben namentlich für letzteren Punkt interessante Resultate. Dort im kaum berührten Urwald hatten wir 297 Regentage, 290 Tage mit Nebel und 4000 mm Regenhöhe bei einer Jahres-Durchsclmitts- Temperatur von 16,9° C.

In Matagalpa, als Beispiel der gemässigten Zone, war das Jahres- mittel 20,5° C., die Regenmenge 3000 mm.

Für Managua, als Beispiel der heissen Zone, stehen mir keine Beobachtungen zur Verfügung; ich schätze das Jahresmittel der Tem- peratur auf 27 28° C. und die Regenmenge auf 2000 2300 mm.

Wesentlich für die Gesundheitsverhältnisse ist die Vertheilung der Jahreszeiten und aus besonderen Gründen die Windrichtung.

Die Regenzeit beginnt ziemlich übereinstimmend im ganzen Lande unter „ganzem Lande“ ist immer nur der überhaupt be- kannte Theil verstanden, von den höchsten Erhebungen der Haupt- Cordillera nach Westen bis zum Stillen Ocean zwischen 6. und 15. Ma^ und dauert in der heissen Zone bis Mitte oder Ende Octo- ber, in der gemässigten bis November und December, in der kalten bis in den Februar und März hinein.

Die Windrichtung ist an ca. 300 Tagen des Jahres NO.-Passat; die wasserdampfgeschwängerte Luft des Caraibischen Meerbusens streicht an dem atlantischen Abhange in die Höhe, kühlt sich ab, entladet den dadurch nicht mehr zu haltenden Wassergehalt in den schweren Regengüssen der Cordillera -Urwälder (vgl. die obigen Be- obachtungen auf der Hacienda Rosa de Jericho) und zieht nun, be-

Digitized by Google

74

Dr. Ernst Rotbschuh.

deutend trockener geworden, über die Jicaral- oder gemässigte Zone nach dem heissen Tieflande hin. Andere wechselnde Winde giebt es nur beim Wechsel der Jahreszeiten, und da finden wir ein ecla- tantes Beispiel für die Abhängigkeit der tropischen Klima -Erkran- kungen von der Windrichtung.

Auf der Höhe der Cordillera, über 3000 Fuss, habe ich keine autochthone Malaria constatiren können, trotzdem in der neu anzu- legenden Plantage eine Menge Erdarbeiten gemacht wurden, und der lehmige Boden stellenweise Monate hindurch Tümpel und Sümpfe bildete; der Nordost-Passat war eben keimfrei und gegen die ent- gegengesetzte Seite schützte die Bergwand.

Anders ist es in der zweiten Region, der Zone der Jicarales; diese bilden, wie ich oben sagte, in der Regenzeit einen einzigen, unendlich grossen Sumpf quer durch das Land. Wer die Gefahr eines sicheren Fiebers nicht scheut und in dieser Jahreszeit durch die Jicarales reitet, glaubt in einem grossen Krankenhause zu sein; wohin man kommt, fieberklappemde, bleiche, schlaffe Menschen; ganze Ortschaften erscheinen wie verlassen und tot, weil Alles in Hitze oder Frost in den Betten steckt und die wenigen Verschonten mit der Pflege thätig sind; es ist ein jammervolles Bild.

Nun liegt am Ostrande dieser Region, zugleich am Westabhange der Haupt -Cordillera, Matagalpa, eine gesunde, reinliche, auf stei- nigem Untergründe aufgebaute, mit gutem Trinkwasser versehene Stadt. Solange der NO.- Passat weht vom Gebirge her, hat Mata- galpa kein Fieber, während gleich westlich sich die Fiebersümpfe ausdehnen; aber zum Ende der Regenzeit, wenn in der Atmosphäre die Zeichen des Wechsels der Jahreszeiten beginnen, kommt es vor, dass eines Tages der Wind von SW. weht; sobald dieser Vendaval eintritt, haben Sie gleich das Bild der Fieberstadt. Die Meisten fühlen sich übel, andere haben ausgesprochene Wechselfieber, andere Darmkatarrhe, andere Neuralgien, andere Leberbesch werden etc.; dreht der Wind um und bläst der NO.- Passat von neuem, so dauert es nicht lange, und die ganzen Beschwerden sind wieder verschwunden.

ln der entgegengesetzten Lage befindet sich die heisse Tiefebene, wo die grösste Masse der Bevölkerung wohnt. Der Boden dieser Gegenden ist porös, sandig und gewiss nicht sehr geeignet zur Ent- wickelung von Infectionskeimen; sumpfige Strecken giebt es nur in unbedeutender Ausdehnung. Nun aber schleppt der ständige NO.- Passat die Miasmen der Jicarales -Zone in die heisse Zone hinab, und je weiter die Regenzeit fortschreitet, je grössere Strecken ver-

Digitized by Google

Trope um edicinische Erfahrungen aus Nicaragua.

76

sumpft werden, desto grösser wird die Morbidität an Fieber und klimatischen Beschwerden in den tieferen Landestheilen. Erst wenn die Ueberschwemmung vollständig ist, lassen die Erkrankungen nach, um von neuem zu exacerbiren, wenn die Austrocknung beginnt, und derselbe NO.- Passat wieder Keime mitschleppen kann; es entspricht das den Erfahrungen, die man auch in anderen Ländern gemacht hat.

Es ist daher leicht zu verstehen, warum man die meisten Krank- heitsfälle in der Sumpfregion während der ganzen Regenzeit vorfindet, in Matagalpa im September und October wegen des Windwechsels in jener Zeit und in der heissen Zone dann, wenn die Jicarales an- fangen zu versumpfen und wieder beim Trocknen, also im Juni und Juli einerseits, im November und December andererseits.

Die localen Verhältnisse in der Hauptstadt Managua, aus der der grösste Theil meiner speciellen Beobachtungen stammt, sind in der Hauptsache folgende:

Managua liegt am Südufer des gleichnamigen Sees zwischen diesem und der Küsten -Cordillera in etwa 45 m Seehöhe auf einer massig nach dem See geneigten schiefen Ebene. Der Untergrund besteht aus vulkanischem Sandstein in verschiedener Tiefe, nahe am See sehr flach, landeinwärts mächtiger; darunter befindet sich eine undurchlässige lehmige Schicht, so dass zwischen beiden das von den Wäldern der Cordillera aufgefangene Wasser nach dem See abfliesst. Dies Wasser ist gut, findet sich aber leider nicht an allen Stellen, und die meisten der gebohrten Brunnen dienen schliesslich nur zum Waschen und Tränken des Viehs, weil es den trägen Bewohnern zu unbequem ist, sie in gutem Zustande zu erhalten, was bei der üppigen Vegetation und der schnellen Entwickelung von Fäulniss immerhin Arbeit verursacht.

Indessen dient ein Theil dieses Wassers zur Versorgung der Stadt durch die Wasserleitung, deren Pumpwerk sich am See -Ufer befindet; die Entnähme der Hauptmenge geschieht jedoch aus einem, ' etwa 20 m vom See-Ufer entfernten Loche, in welchem das Wasser des Sees, durch das natürliche Filter der sandigen Schicht hindurch- gegangen, bedeutend reiner erscheinen soll. Mir ist das Wasser nie geheuer erschienen; bacteriologische und genauere chemische Unter- suchungen fehlen; indessen bin ich bisher nicht im Stande gewesen, eine direct auf das Wasser hinweisende Infection nachzuweisen.

Die Häuser sind, wie in vielen vulkanischen Tropenländem, spa- nischen Characters, grosse einstöckige Quadrate mit grossen, immer geöffneten, nur an der Sonnenseite geschlossenen Thüren, ohne Fen-

Digitized by Google

76

Dr. Ernst Rothschuh.

ster; direct über den hohen luftigen Wohnräumen erhebt sich das Dach, in den besseren Häusern durch einen Himmel weissen Stofe verdeckt. Der Hof ist an drei oder allen vier Seiten von Corridoren, durch Holzsäulen getragen, eingefasst, und in diesen Corridoren spielt sich eigentlich das Leben der Familie ab, zu der auch die Enten, Hühner, Hunde, Papageien, Affen, gelegentlich auch Schweine wegen des engen Zusammenlebens hinzuzuzählen sind. An der hinteren Wand, isoliert oder in der Ecke eines Corridors befindet sich die Küche, meist nicht sehr appetitlich; gekocht wird selten auf eisernem Heerd, meist auf drei Steinen und nur mit Holz; die Abfälle und Ueberreste treiben sich allenthalben auf dem Boden umher, bis sie gelegentlich zusammengerafft und entweder in Haufen zusammen- getragen und von der Sonne ausgedörrt, verbrannt oder in eine eigene Senkgrube geworfen werden. Diese, sowie die Abtrittsgruben sind einfach 10 20 Fuss in den Boden getriebene Löcher von */* 1 qm Oberfläche, in welche die Abfälle resp. Excremente ohne jegliche Schutzmaassregeln hineingelassen werden; nur die besonders gebil- deten Leute beruhigen ihr durch die Bacillen aufgeregtes Gewissen dadurch, dass sie alle Jahre einmal einen Eimer Kalkmilch aufgiessen lassen oder etwas Chlorkalk streuen. Die mephitischen Ausdünstungen solcher Gruben, namentlich in den heissen Monaten März und April, kann man sich leicht vorstellen, und gleichzeitig muss auch in dem porösen Boden eine fortwährende Durchtränkung mit den zersetzten und infieirten Stoffen vor sich gehen, welche aller Wahrscheinlichkeit nach den bis jetzt andereü Tropenplätzen gegenüber sehr günstigen Gesundheitszustand immer mehr verschlechtern muss. Dass sich das nicht schon früher bemerkbar machte, liegt daran, dass Managua, früher nur aus ein paar Hütten bestehend, erst vor 40 Jahren Hauptstadt wurde und seitdem sich rapide Entwickelte, so dass eine stärkere Durchseuchung des Bodens noch nicht anzunehmen ist. Indessen giebt es schon jetzt einzelne Häuser, wo sich ein besonders schlech- ter Gesundheitszustand nach weisen lässt; namentlich sind es solche, die nicht wie die meisten etwa */» 1 m über das Strassenniveau erhaben gebaut sind, sondern die, durch Einfalt des Erbauers oder auch durch Anschwemmen der Strasse auf oder sogar unter das Niveau derselben gekommen sind. Hier fehlt die Bodenventilation der den Bewohnern nächstliegenden Schichten, und die Folge sind Zustände chronischer Malaria, Paludismus, mit ihren secundären Er- scheinungen.

Die Nahrungsmittel sind hauptsächlich vegetabilischer Natur;

Digitized by Google

Tropenmedicmische Erfahrungen aus Nicaragua.

77

Reis, braune Bohnen, Bananen in allen Formen, Mais als ganz grüne Kolben oder als reife Kolben gekocht oder auch, und das in erster Linie, gemahlen und zu heissen Kuchen, Tortilla, verbacken; auch geröstet und dann auf dem Steine gemahlen bildet der Mais unter dem Namen Pinol ein sehr wichtiges Nahrungsmittel; die Indier aus dem Inneren des Landes, um Matagalpa herum, leben auf den Plan- tagen oft die ganze Woche von nichts anderem; Montags erscheinen sie zur Arbeit mit einem Säckchen Pinol, präpariren sich daraus ihre Mahlzeiten, indem sie eine Handvoll zum Frühstück mit heissem, zum Essen mit kaltem Wasser aufschwemmen, und existiren so bei strammer Arbeit in Sonne und Regen bis zum Sonnabend, wo sie ihre Hütten wieder aufsuchen, um, wenn es die Umstände gestatten, nun wieder Tortilla, Bananen, Fleisch, Bohnen und Reis zu essen. Ein wichtiges Maispräparat ist noch das Nicaragua-Nationalgetränk, der Tiste: Maiskörner werden geröstet und gemahlen, ebenso rohe Caeaobohnen, also unentfettete; beide Pulver werden vermengt und nun mit etwa */, Liter aufgeschwemmt und als Fresco, Erfrischung, getrunken; das geschieht oft mehrmals am Tage; ja einzelne Cate- gorien von Personen, wie Marktweiber und die zahlreichen herum- ziehenden Handelsfrauen, nehmen 10 und 20 solcher Quanta zu sich, fast ohne andere Nahrung; die Folgen sind starke Fettzunahme, woh die Mästwirkung des Mais, aber andererseits chronische Magen- und Darmkatarrhe, wohl die Folge des schwer verdaulichen Cacao-Oels.

Unter den sonstigen Lebensgewohnheiten will ich noch zwei Dinge hervorheben, die von Einfluss auf den allgemeinen Gesund- heitszustand sind, das Rauchen und das Reiten. Der grösste Theil der Bevölkerung, Weiber eingeschlossen, raucht in grossen Mengen die kleinen, im Inlande fabricirten Cigarren aus schlecht fermentir- tem, noch feuchtem Tabak, und als Folgewirkung des Uebermaasses finden wir zahlreiche nervöse Beschwerden, Herzpalpitationen, asth- matische Anfälle, Zittern der Extremitäten, hysteriforme Krämpfe etc.

Auf der anderen Seite hat das Reiten eine entschieden günstige Wirkung; ein grosser Theil der Bevölkerung reitet von Berufs wegen sehr viel; die Aufseher, zahlreiche Arbeiter und sonstige Angestellte der unzähligen Viehweiden und Plantagen, die grossen und kleinen Besitzer selber mit Frauen und Kindern, die sieb beständig auf dem Wege zwischen ihren Besitzungen und der Stadt befinden, ferner alle alten und jungen Leute aus anderen Berufen, die nur irgendwie eines der billigen, lebhaften Pferdchen erschwingen können,, reiten jeden Tag 1 2 Stunden spaziren, ebenso viele Frauen und Mädchen.

Digitized by Google

78

Dr. Ernst Rothschoh.

Der Wechsel der Luft allein kann wohl nicht die günstige Wirkung heryorbringen ; denn auch die, die sich nur in der heissen Stadt auf ihren Pferden bewegen, leiden weniger an dem hier am meisten affi- cirten Organ, der Leber, als die Nicht-Reiter. Ob nun durch die sitzende Haltung und die gleichzeitigen Pferdebewegungen eine Art Massage ausgeübt wird oder ob durch das Stossen als solches eine Wirkung auf den Gallenabfluss erzeugt wird Türkheimer will ja durch solches Rütteln Gallensteine entfernen will ich dahingestellt sein lassen ; ich constatire nur die Thatsache, dass der reitende Theil der Bevölkerung, obwohl das Reiten weniger eine Beschleunigung als eine Verlangsamung des Stuhlganges herbeiführt, viel weniger an den so zahlreichen Lebercongestionen und Gallensteinen leidet als die Uebrigen.

Specieller Theil.

Wenn ich mich nun zu der Betrachtung einiger Krankheiten wende, so muss ich vorausschicken, dass es mir aus äusseren Grün- den nicht möglich ist, die Beobachtungen an der Hand der Litera- tur aus anderen Tropenländem kritisch zu beleuchten; dies sei für einzelne Capitel auf spätere Zeiten Vorbehalten; ich beschränke mich für jetzt darauf, meine eigenen Erfahrungen in Verbindung mit denen europäisch gebildeter Aerzte aus derselben Gegend vorzufuhren.

Auf dem Gebiete der äusseren Erkrankungen machen wir dieselbe Beobachtung wie in anderen Tropenländem, dass Wunden aller Art schneller heilen und weniger inficirt werden als in Europa. Secundäre Wundkrankheiten sind selten, obwohl die Eingeborenen, Indier und sonstige Arbeiter, von der Antiseptik weit entfernt sind; Kuhdreck, Urin, Erde, Honig, frische Blätter sind die beliebtesten Pflaster für frische Wunden, Wasser benutzt niemand. Aber auch unter zahlreichen schweren Schussverletzungen, wie wir sie in der letzten Revolution anfangs vorigen Jahres hatten, von denen sogar ein Theil mehrere Tage auf dem Schlachtfelde unverbunden und un- behandelt geblieben war, gab es kein Erysipel, keine Gangrän, keine schwere Phlegmone.

Ein Fall, der erste einer schweren Verletzung, bleibt mir in dieser Hinsicht unvergesslich. Kaum war ich in Matagalpa ange- kommen, als der Capitän oder Häuptling einer Indiergemeinde er- schien und mich bat, einen seiner Leute zu behandeln, der vor zwei Tagen einen Hieb mit dem Machete, dem bekannten schweren Buscb- messer, in’s Gesicht erhalten habe. Die Eigenartigkeit und Neuhat

Digitized by Google

Tropenmedicinische Erfahrungen aus Nicaragua.

79

der Umstände reizten mich, ich ritt hinaus und fand in einer Stroh- hiitte im Urwalde den Mann auf dem blossen Boden liegend, von dem Kopfe war nichts zu sehen als ein dicker Wulst blutdurch- tränkter Lappen, auf dem Boden waren grosse Blutlachen, der Puls war äusserst klein. Als ich endlich das Gesicht aus den Tüchern herausgeschält hatte, bot sich mir ein grässlicher Anblick; die untere Hälfte des Schädels hing um 5 6 cm herunter, bei genauerer Unter- suchung zeigte sich, dass der Hieb den aufsteigenden Ast des rech- ten Unterkiefers durchschlagen und durch die Mitte der Nase hin- durch den Nasenrachenraum eröffnet hatte, so dass das Naseninnere wie im Gefrierschnitt vor mir lag, auch der linke Unterkieferast war in der Nähe des Gelenks angeschlagen. Aber obwohl der Mann schon zwei Tage ohne Behandlung gelegen, noch dazu in kaltem, nebeligem und regnerischem Wetter, war kein Fieber eingetreten, und unter antiseptischer Behandlung heilte die Verletzung ohne mehr als eine derbe Narbe zurückzulassen.

Wohl kommt mitunter der Wund-Tetanus vor und zwar durchgängig im Anschluss an kleine Fusswunden, deren häufigste Ursache wieder die Nigua, der Sandfloh, ist Dieser tritt an ver- schiedenen Orten mit verschiedener Häufigkeit auf, aber jeder hat zeitweilig Gelegenheit, die Bekanntschaft dieses scheusslichen Inspcts zu machen; die Sitte der Eingeborenen verbietet es, nach Heraus- nahme des Flohs mit dem Eiersack sich zu baden, offenbar in der Annahme, dass ein Giftstoff von dort aus Aufnahme in die Lymph- bahnen finden könne; ich selbst habe zwei Fälle von Tetanus in directem Anschluss an das Baden beobachtet, während die anderen Aerzte die Sache überhaupt für selbstverständlich und indiscutabel halten. Die Nigua ist es übrigens auch, die mitunter sehr lang- wierige phlegmonöse Processe hervorruft, deren Behandlung oft Schwierigkeiten macht, da selbst ausgiebige Incisionen nutzlos sind, wenn nicht die Thiere oft giebt es deren eine ganze Menge mit entfernt werden. Als trauriges Curiosum ist in dem Orte Me- tapa, auf dem Wege von Managua nach Matagalpa, ein Mensch zu sehen, der thatsächlich an diesen Thieren zu Grunde geht oder jetzt vielleicht schon gegangen ist; die ganzen Extremitäten sind bis an ihre Wurzeln heran mit Beulen und Eiterknoten, bläulichen Wülsten, secundären Fisteln etc. bedeckt, auB denen sich stellenweise die un- verkennbaren Eier der Nigua herausdrticken lassen, während Ver- suche, dem entsetzlichen Jucken durch Eröffnung der Säcke und Ent- fernung der Thiere abzuhelfen, nutzlos gewesen sind und immer mehr

Digitized by Google

80

Dr. Ernst Rothschuh.

Phlegmonen hervorgerufen haben; der Mann ist einem entsetzlichen Tode geweiht.

Gangrän habe ich dreimal beobachtet, zweimal Gangraena senilis und einmal bei einer Cachexie, veranlasst durch monatelang sich hinziehende typhoide Fieber in feuchter, tiefgelegener Wohnung bei einem 14jährigen Mädchen.

Wenn ich im Anschlüsse an die Nigua-Wirkung kurz von an- deren Thierverletzungen sprechen darf, so haben wir da eine grössere Anzahl Giftschlangen, Klapperschlange, Corallenschlange, Brillenschlange, ferner eine Tronca genannte Vipernart, deren aller Biss tödtlich sein soll ; ich habe eine Anzahl Bisse von Klapper- schlange und Tronca, allerdings gleich zu Beginn, in Behandlung gehabt und durch Ammoniak und Alcohol geheilt; die Indier Mata- galpas behaupten übrigens, in der Raitrü genannten Wurzel einer Quassia-Art aus der Gegend des Rio Grande ein unfehlbares Mittel gegen Schlangenbisse zu besitzen; ich habe keine Beweise davon gesehen, die Wurzel habe ich, aber noch keine Gelegenheit gehabt, sie anzu wenden. > .

Von einem tödtlichen Scorpionstich habe ich nie gehört; wohl giebt es starke Anschwellung und bläuliche Verfärbung des getroffenen Theiles, ausserdem interessanter Weise eine bis zu zwölf Stunden dauernde Lähmung der Kehlkopfmusculatur; durch Ammo- niak äusserlich und innerlich werden die Beschwerden bald gehoben.

Einige Raupenarten giebt es, die bei Berührung aus ihren langen Borsten einen Saft herausquellen lassen, der eine sehr heftige Urticaria hervorruft, ähnlich wie verschiedene Meeresquallen beim Baden.

Ausserdem existiert eine Eidechse, Mata-zompopo oder Amei- sentödter genannt, die nach Anschauung aller in den Kaffeeplantagen arbeitenden Leute einen den Menschen tödtenden Schlag versetzen soll; ich habe mir das Thier verschafft, um zunächst die wissen- schaftliche Bestimmung abzuwarten.

Unter den Tumoren spielt seltsamer W'eise das Lipom die Hauptrolle; ich sage seltsamer Weise, denn nicht nur ist diese Ge- schwulst ungleich häufiger als bei uns, sie findet sich bei wohl 5 bis 6 °/# der Bevölkerung in grösserer oder geringerer Ausdehnung; nein, auffallend ist auch, dass sie sich nur bei Leuten mit ausge- sprochenem Paludismus oder Malaria -Anämie vorfindet, so dass der Gedanke an einen causalen Zusammenhang, ähnlich wie beim Struma, unwillkürlich auftaucht.

Digitized by Google

Tropenmedicinische Erfahrungen aus Nicaragua.

81

Ausser den Lipomen sind noch verhältnissmässig häufig kleine Atherome, Carcinome des Uterus und Ovarialcystome.

Zu den tumorähnlichen Entzündungen gehören die theils acuten theils chronischen Anschwellungen verschiedener Drüsen unter dem Einflüsse von climatischen Infectionen; auch traten auf Orchitis, Lymphadenitis inguinalis und Parotitis, alle ohne Vereiterung und auf Chinin prompt reagirend; die chronischen Lymphdrüsen- ansch wellungen beobachtet man namentlich an den Cervical- und Bracchialdrüsen , bei ausgesprochenem Paludismus, in erster Linie bei Leuten aus der Zone, die ich Region der Jicarales bezeichnet habe. Die Drüsenpackete erreichen beträchtliche Grösse, sind aber durch Arsen mit Sicherheit zum Rückgänge zu bringen.

Ein anderer Entzündungsprocess war mir bis dahin unbekannt, von dem ich indessen inzwischen in irgend einer Verhandlung gelesen habe, ohne mich des Namens des Autors entsinnen zu können, näm- lich eine Lymphadenitis inguinalis syphilitica chronica sup- purativa; ich habe vier solcher Fälle gehabt und bei den letzten die radicalp Therapie sofort eingeleitet, zu der ich mich bei den ersten nicht entschliessen konnte, als bis schon viel schöne Zeit ver- loren war. Denken Sie sich nach einem syphilitischen Primäraffect die Anschwellung der beiderseitigen Inguinaldrüsen; natürlich haben diese indolenten Bubonen nichts auffallendes. Ueberrascht ist man erst, wenn nach einiger Zeit der Patient über Schmerzen beim Gehen klagt und bei der Untersuchung sich herausstellt, dass die Drüsen auf Druck sehr schmerzhaft sind, sich stärker wölben, die Haut sich beiderseits röthet, aber nur auf einer ganz minimalen Stelle Fluc- tuation nachweisbar ist. Man denkt zunächst an einen Irrtum der Diagnose, namentlich, da noch keine secundären Erscheinungen vor- handen sind, aber das Ulcum durum, die Knorpelhärte, ist zu mar- kant; endlich macht man eine Incision, es entleeren sich einige Tropfen schmutzig-grünen Eiters, aber trotz antiseptischer Behandlung und Mercurialcur geht der Process vorwärts statt zurück; immer andere Theile der Drüsen werden ergriffen, aber mit einer Langsam- keit, die Patienten und Arzt zur Verzweiflung treibt In den beiden ersten Fällen plagte ich mich und die armen Kranken wochenlang mit Incisionen, Auskratzen und antiseptischen Verbänden aller Art, bis ich doch noch zur Exstirpation der Drüsen schreiten musste; jetzt mache ich diese Operation bei den ersten Anzeichen einer Eiter- entwicklung in der Tiefe ufld erhalte kurze und glatte Heilung.

Damit bin ich auf das Gebiet der Geschlechtskrankheiten

Digitized by Google

82

Dr. Emst Rothschuh.

gekommen, das hier ein sehr ausgedehntes ist, obwohl der Arzt wohl nicht den zehnten Theil aller Fälle zu sehen bekommt; die Leute behandeln sich zum grössten Theile selber, nicht etwa aus Scham im Gegen theil, in Krankheitsaugelegenheiten herrscht unter den Leuten eine rücksichtslose Offenheit sondern um die Arztkosten zu ersparen. Wie bei uns allenfalls einer, der Sodbrennen hat, sich ein Brausepulver kauft, so kauft dort jeder, der einen Tripper hat, ein Fläschchen Ol. Santali, Santal Midi ; oder wer Syphilis acquirirt hat, macht sich selbst die Diagnose und kauft die fertigen, ameri- kanischen Pillen, nebenbei bemerkt vorzügliche Fabrikate, von Hy- drargyrum monojodatum, bijodatum, monochloratum oder bichloratum und trinkt dazu einige Flaschen des von New-Yorker Firmen prä- parirten Sassaparille-Extrakts, welches 5°/0 Kal. jodat enthält. Und die grösste Mehrzahl der Erkrankten curirt sich damit so vollständig, dass mir kein einziger Fall von tertiärer Lues zu Gesicht gekom- men ist. Wohl giebt es hereditäre Lues, d. h. die frühe Form, aber in den Fällen, wo ich Recherchen anstellen konnte, ergab sich, dass zu der entsprechenden Zeit floride secundäre Erecheiaungen be- standen hatten. Von anderen Orten wird behauptet, sie producirten eine besonders schwere syphilitische Infection, z. B. Panamä; ich habe darüber keine Erfahrungen.

Affectionen anderer Art werden bekanntlich von manchen Auto- ren zu Syphilis in Beziehung gebracht: von Tabes habe ich nur einen Fall gesehen bei einem Peruaner, dessen Angabe, er habe nie ein Ulcus gehabt, ich wohl Glauben schenken konnte, zumal absolut keine Spuren vergangener Syphilis aufzufinden waren; in einem Falle von progressiver Hirnparalyse hatte 16 Jahre vorher eine syphi- litische Infection in New-York stattgefunden; in einem Falle von Diabetes mellitus wies die Anamnese ebenfalls Lues auf, aber zu- gleich war Diabetes in der Familie erblich.

So günstige Resultate die beliebte Selbstbehandlung bei der syphilitischen Infection zeitigt auch das Ulcus molle heilt mit Leichtigkeit so ungünstige ergiebt sie beim Tripper. Chro- nische Gonorrhoe und Stricturen sind erschreckend häufig, und neben den klimatischen Erkrankungen bildeten die Folgen des Trip- pers thateächlich das Hauptcontingent der Praxis bei männlichen und weiblichen Individuen. Wesen tlich aber aus abergläubischer Furcht vor der Sonde entziehen sich die Männer lange Zeit der einzig ra- tionellen Behandlung und schlucken Jahre lang Santal-Capseln und Patent-Medicinen; man bekommt die hochgradigsten Verengerungen

Digitized by Google

Tropen medioinisohe Erfahrungen ans Managua.

83

zu Gesicht, Urinfisteln durch den Hodensack, am Perineum, sogar an der inneren Schenkelfläche, wo schliesslich selbst die Urethroto- mia interna oder externa bedenklich erscheinen ; indessen bei der er- wähnten günstigen Regeneration der Gewebe sind die Resultate sehr erfreulich.

Im Anschlüsse daran erwähne ich den chronischen Blasen- katarrh als gleichfalls häufige Folge des Trippers; manchmal findet man alsdann auch ohne vorhergegangenen Tripper dass der erste Urin morgens fast milchweiss gelassen wird, ohne dass man etwas Anderes fände als Schleim, zahlreiche Pflasterepithelien, wenige Eiterkörper, wenige Cylinderepithelien , viele Bacterien; das Bild ist mir noch nicht klar. Filiaria habe ich nicht nachweisen können, nur klagen diese Patienten über Schmerzen im Kreuz und sehen periodisch sehr cachektisch aus.

Auch beim weiblichen Theile der Bevölkerung, Verheiratheten wie Unverheiratheten spielt die Tripperinfection eine wichtige Rolle. Bei den bekannten Folgezuständen sind locale Eingriffe häufig nöthig; mir haben sich speciell Uterus-Injectionen mit Tr. Jodi und Alumnol practisch erwiesen (Rp. Alumnoli 2,5. Tr. Jodi Alcohol ä 25,0. S.D.S. Aeusserlich), auch Auskratzungen der Schleimhaut; dergleichen Manipulationen werden ungleich besser ertragen als bei uns. Ausser diesen infectiösen Endometritiden ist äusserst verbreitet der climatische Fluor albus, den man bei den meisten Mädchen und sehr vielen Frauen findet; ich sage climatisch, weil es so die allgemeine Auffassung ist Man nimmt an, dass, wie bei allen chro- nischen Infectionen, z. B. Phthise, Scrophulose, Syphilis, auch beim Diabetes, Schleimhautcatarrhe sehr gewöhnlich sind, so auch hier der Paludismus als Ursache auftritt. Indessen wirken verschiedene Ursachen zusammen; einerseits die Anämie, wohl als Folge oder Symptom des Paludismus, dann die durch das Clima bedingte sitzende Lebensweise die jungen Damen gehen sehr wenig aus und be- wegen sich auch zu Hause so wenig wie möglich endlich das viele Arbeiten an der Nähmaschine; bei den stärker sich bewegenden Mädchen aus dem Volke ist die Affection viel weniger häufig.

Unter den Erkrankungen der Haut giebt es eine Anzahl eigen- artiger Symptomencomplexe, deren Erklärung ihre Schwierigkeiten hat, und deren Besprechung ich mir behufs weiteren Studiums für die Zukunft aufsparen möchte.

Sehr verbreitet ist der Herpes tonsurans; mein Universalmittel dagegen ist Chrysarobin in hochprocentigen Salben. Herpes pro-

Digitized by Google

84

Dr. Ernst Rothschuh.

genitalis ohne sichtbare Veränderung bei beiden Geschlechtern, sowie sonstiger localer und allgemeiner Pruritus. Die Volks- auffassung führt dies Jucken auf die Leber zurück, und in der That findet man diese peinlichen Zustände vor allem bei Leuten, die an Lebercongestionen leiden und deren gelbliche Hautfarbe und Con- junction auf Anwesenheit von Gallenbestandtheilen im Blute schliessen lässt Hier wirken günstig drastische Abführmittel und Anti- pyrin, das sich überhaupt als günstiges Cholagogum erweist.

Die gleiche Therapie hilft bei der häufigen Urticaria; ein eigenthümlicher Fall dieser Affection ist folgender: Zwei etwa 20 und 22 Jahre alte Mädchen aus einer durchgängig leberleidenden Familie bekommen eine äusserst heftige Urticaria regelmässig, sobald sie aus dem heissen Managua auf die etwa 2 Stunden entfernte, 500 m höher gelegene Hacienda reiten, d. h. nur in den heissen Monaten März, April und Mai; die Pein verlässt sie erst, wenn sie zur Stadt zurückkehren und ein klüftiges Laxans nehmen; ich habe noch keine genügende Erklärung dafür gefunden.

Die Erscheinungen des Chloasma hepaticum oder paludi- cum sind Ihnen bekannt; hier werden sie als eins betrachtet nnd durch Purgantien und cholaloge Alkalien thatsächlich günstig be- einflusst.

Weniger erfreulich sind die Resultate bei den Pigmentatro- phien der Haut, von denen man nicht weiss, ob man sie als locale Infectionen betrachten soll die Art des Fortschreitens spricht häufig dafür oder als Folgen von Syphilis oder Paludismus. (Lepra? Anm. d. Red.) Ich habe in zwei Fällen durch fast ein Jahr fort- geführte Behandlung mit Chrysarobin und Resorcin und gleichzeitige innere Darreichung von abwechselnd Arsen und Kal. jodatum eine kräftige Reaction der Haut hervorzurufen versucht und thatsächlich eine stark rothe, die Umgebung der früher blendend weissen Flecken an Intensität übertreffende Nüance erzielt, über deren weitere Ent- wicklung ich allerdings momentan nicht orientirt bin; die Affection wird allgemein als unheilbar betrachtet.

Ein interessanter Fall ist folgender eines Erythema nodosnm intermittens: E. N., Frau des englischen Consuls ist gestern unter Uebelkeit und leichtem Fieber mit Beulen an verschiedenen Theilen des Körpers erkrankt, die am Abend unter leichtem Schweissausbruch verschwanden; heute früh kehrte dieselbe Beschwerde wieder. Ich fand die über Frösteln und Uebelkeit klagende Frau mit einer Tem- peratur von 38,5° und kleinem, beschleunigtem Pulse. An Armen

Tropenmedidnische Erfahrungen aus Nicaragua.

86

und Beinen fanden eich etwa 20 Einmark- bis Zweimarkstück grosse tbeils oberflächlich, theils tiefer gelegene, blaurothe Beulen, schmerz- haft bei Druck, prall-elastisch, aber ohne Fluctuation ; einige schwarz- graue Flecken deuteten die Punkte an, wo gestern ähnliche Erup- tionen gesessen hatten; die Beweglichkeit der Glieder war bedeutend eingeschränkt. Die Zunge war leicht weissgelblich belegt, die Leber auf Druck empfindlich, Milzschwellung nicht vorhanden. Ich nahm sofort eine Malaria-Infection an und durch geeignete Chinin-Dosen verschwanden die Symptome im Nachmittage, um am nächsten Morgen in verminderter Energie zurückzukehren. Durch weitere Verabreichung von Chinin wurden die Anfälle coupirt.

Von den Erkrankungen des Auges kann ich Ihnen nichts Specifisches berichten; die Blindheit ist häufig durch die Blennorrhoea gonorrhoica und könnte wie bei uns natürlich verhindert werden; häufig ist Glaucoma inflammatorium und Conjunctivitis chro- nica, die man auf Paludismus zurückfuhrt.

Unter den inneren Erkrankungen spielen die acuten Exantheme lange nicht die Rolle wie bei unsern Kindern. Schar- lach und Masern sind selten, Röteln giebt es nicht, wohl Vari- cellen und vor allem Variola, die jedes Jahr ein paar Hundert Opfer, namentlich in der schlechter situirten Bevölkerung fordert Eine Zwangsimpfung existirt nicht, und die Behörden beschäftigen sich zu viel mit der hohen Politik, als dass ihnen die eminent wichtige Frage zum Bewusstsein käme. Hier ein Beispiel. Als in diesem Jahre die Pocken wieder stark auftauchten und in Folge der Revolution und der grossen Hitze unheimlich sich auszudehnen be- gannen, kam der Präfect des Departements Managua zu mir, da ich seit einiger Zeit mit animaler Lymphe, aus Kade’s Oranienapotheke in Berlin b izogen, mit sehr günstigem Erfolge geimpft hatte, während bisher nur lie Impfung von Arm zu Arm Usus war. Leider war mein Stoff aufgebraucht, indessen erklärte ich, dass, wenn man mich autorisire, ein Telegramm abzusenden, in 3 4 Wochen jedes beliebige Quantum der Regierung zur Verfügung stände. Der Herr Präfect ging und berieth sich mit dem Herrn Minister des Innern, und der Herr Mi- nister des Innern erklärte nach langer Berathung, dass er nicht in der Lage sei, die Mittel, etwa 1 5 Pesos, für das Kabel zu bewilligen. Und dabei annoncirte dieselbe Regierung seit Wochen in sämmtlichen Zeitungen, dass sie 100 Pesos demjenigen zahle, der ihr ein mit den Kuhpocken behaftetes Thier zur Abimpfung überlasse!

Eine weitere häufige Infectionskrankheit ist der Keuchhusten.

Archiv f Schiff#* u. Tropcnhygicn* II. 7

Digitized by Google

86

Dr. Ernst Rothschuh.

Jedes Jahr giebt es Monate mit einer intensiven Uber die ganze Stadt verbreiteten Epidemie, an der Hunderte von kleinen Kindern zo Grunde gehen. Das Volk ist ihr gegenüber vollkommen resignirt und wendet dieser schrecklichen Krankheit gegenüber gar nicht die sonst so beliebte Selbstbehandlung an; stirbt das Kind, so nimmt man das als natürlich hin, erholt es sich, so sind 3 4 Monate der als normal geltende Verlauf der Krankheit Ich selbst habe in den wenigen Familien, wo die Einsicht der Familienväter eine Durchführung zu- liess, mit der Binz’schen Chinin-Behandlung stets günstige Resultate erzielt; ich benutzte Chininum tannicum.

Unter den Darminfectionen spielt die Dysenterie eine wesentliche Rolle; acute Affectionen sind nicht gerade häufig, aber dann um so verhängnissvoller; 3 Fälle, die ich gesehen, verliefen in 3 5 Tagen tödtlich. Häufiger und allen Mitteln trotzend sind die chronischen Dysenterien; Styptica, Abführmittel, Roborantien, Chinin, locale Medicamente wie Liquor Ferri, Argentum nitricum, alles lässt im Stich. Bedeutende Besserungen habe ich gesehen durch wochen- langes Aussetzen der sonst so beliebten Milchdiät Eine gründliche und oft radikale Besserung beobachtete ich oft durch Aufenthalt in einer Höhe von 1000 1500 m.

Eine andere Art der Darminfection bilden die thierischen Parasiten, die in Nicaragua in grosser Häufigkeit Vorkommen, so sehr, dass das Volk gewöhnt ist, alle Jahre ein oder zwei Mal ein starkes Wurmmittel zu nehmen, weil die Leute überzeugt sind, im anderen Falle stets Würmer im Darm zu haben. Und sie haben durchgängig Recht; denn jedes, aus irgend einem Grunde genommenes starke Purgans führt 2 3 Ascariden ab; aber bei manchen liefert Santonin 20 30, ja bis 98 habe ich selbst gezählt. Die Ursachen davon sind uns immer noch schleierhaft, die Zwischenwirthe erscheinen noch nicht genügend ausfindig gemacht; die Volksanschauung erblickt sie im Mais und den Bananen.

Wichtig ist es bei chronischen Darmkatarrhen von dysen- terischem Charakter an Ascaris zu denken, denn nur allzu häufig verschwinden Scüleim und Blut aus dem Stuhl, wenn eine ordent- liche Portion dieser Parasiten aus dem Darme entfernt wird.

Aehnliche Symptome rufen auch die Bandwürmer hervor, die nicht gerade häufig sind; bisher habe ich nur den Botriocephalui latus gefunden.

Auch andere, nicht infectiöse Formen der Darmkatarrhe sind häufig; die allgemeine Anschauung führt sie auf gestörte Leber

Tropenmedicinischa Erfahrungen aus Nicaragua. 87

functionen zurück und empfiehlt Behandlung durch cholagoge Abführ- mittel. Eine interessante Form ist die des chronischen Dickdarm- katarrhs mit Paralyse der Darmmusculatur, bei der man, namentlich in der linken oder rechten Iliacalgegend, derbe harte Wülste in der Richtung des Darmes nach weisen kann, offenbar Darmstücke, an deren Wänden harte Kothmassen anliegen, während in der Mitte noch ein Lumen offen bleibt, durch das immer noch ein Theil der Excre- mente sich durchwindet, um als kleine, schafskothähnliche oder ge- presste Ballen den natürlichen Ausweg zu finden. Ein energisches Abführmittel macht gründlich Luft und die harten W'ülste sind im Handumdrehen verschwunden; aber es dauert nicht lange, so fängt das alte Spiel von neuem an. Es fehlt offenbar der Tonus in der Darmmusculatur; Heilungen habe ich durch Elektricität und Massage nicht erzielen können, wohl aber durch längeren Aufenthalt in der über 3000 Fuss hohen Haupt-Cordillera östlich Matagalpas.

Der Sprung von den Darmkatarrhen zu den Krankheiten des Nervensystems scheint ein sehr unvermittelter, und doch ist er nicht so unvermittelt, wie er aussieht. Wenigstens ist ein grosser Theil der Hemicranien mit Darmkatarrhen vergesellschaftet, und bei ihnen schafft, wie bei den acuten Exacerbationen der Neurasthenie, ein Abführmittel bedeutende Erleichterung. Der Begriff der acuten Autointoxication erscheint so plausibel für diese Erscheinungen, dass man, namentlich auch im Hinbück auf die Wirkung der ent- sprechenden Therapie, gerne diese Erklärung irgend einer anderen bisherigen vorzieht.

Unter den functionellen Neurosen ist die Hysterie die wichtigste, wenn auch nur in ihren gewöhnlichsten Formen, den hysterischen Ohnmächten und Krämpfen; sowohl in den besseren Ständen als auch beim einfachen Volk findet man sie; unsere Civiü- sation hat offenbar nur mehr Methode hineingebracht, im Grunde ist sie dieselbe drüben wie hier.

Die Epilepsie ist wesentlich eine traumatische; auch trau- matische Neurosen unzweifelhaften Charakters giebt es, was ich um so mehr hervorheben- möchte, als man Simulation vollkommen ausschüessen kann; die . betreffenden Kranken können erstens keine rechtlichen Ansprüche erheben, zweitens giebt es keine Unfall- versicherung und drittens sind sie nicht so sehr wie unsere Arbeiter auf den ständigen Erwerb um des Unterhalts willen angewiesen; sie haben wirklich nur das Interesse, von ihrem lästigen Leiden befreit zu werden.

7*

Digitized by Google

88

Dr. Emst Rothschuh.

Zahlreich sind auch die Neuralgien, die aber durchgängig in das grosse Gebiet der Malaria gehören, deren Besprechung ich bis jetzt aufgespart habe.

Bereits oben habe ich bemerkt, dass das Klima in der tropischen Tiefebene Nicaraguas günstiger ist, als es die Berichte aus anderen Tropenländern ergeben; trotzdem kann man sagen, dass jedes In- dividuum an Malaria leidet oder vielleicht, besser gesagt, an Palu- dismus, wenn ich diesen Ausdruck als umfassender betrachten darf; die Sterblichkeit an intermittirenden und remittirenden Fiebern ist, selbst unter den frisch eingewanderten Nordländern, sehr gering, etwas grösser schon bei den continuirlicken Fiebern mit typhösem Charakter. Sehr selten tritt in epidemischer Form das Schwarz- wasser-Fieber auf, hier als Febris perniciosa haematurica be- zeichnet. Die letzte Epidemie dieser Art trat, nachdem man 20 Jahre lang keinen Fall beobachtet hatte, im Sommer 1894 auf in Managua und Leon. Leider befand ich mich damals in den Bergen Mntagalpas und hatte so keine Gelegenheit, selbst Erfahrungen zu machen; auf- fallend ist, dass die in der Epidemiegegend thätigen Aerzte selbst in ihren Anschauungen differirten , indem die einen die Krankheit als gelbes Fieber betrachteten, die andern als pemiciöse Malaria; beide Theile führten sie aber auf den eben beendeten Krieg mit Honduras zurück, wo die Truppen wochenlang in den Sümpfen, umgeben von verwesenden Menschen- und Thierleichen, campirt hatten. Ich erlaube mir kein Urtheil darüber; nur will ich ein wesentliches Moment nicht unerwähnt lassen: das Jahr 1893 war ein abnorm nasses, das folgende ein abnorm trockenes; sollte das Austrocknen des Bodens in tiefere Schichten hinein nicht eine vermehrte Anzahl von In- fectionskeimen haben hei machen können?

Eine interessante Erscheinung will ich noch erwähnen, die bei dieser Epidemie zu Tage trat; es starben in Managua und Leon nur Fremde, die weniger als ein Jahr im Lande waren, diese aber auch fast alle, ungefähr 20. Ausserdem aber und das ist das Merkwürdige, verhielten sich wie Fremde und starben ebenso häufig alle Ein- heimischen, die aus Matagalpa, Sinotega und den Bergen der Haupt- Cordillera zur Epidemiezeit nach Managua und Leon kamen. Es beweist (lies offenbar die grosse klimatische Verschiedenheit dieser Landestheile.

Solche Epidemien sind, wie gesagt, selten; aber jeder Ankömm- ling hat, meistens nach einem Jahre, sem Acclimatisationsfieber durchzumachen ; offenbar haben die klimatischen Factoreu, verminderte

Tropenmedicinische Erfahrungen aus Nicaragua.

89

Herzkraft, Malaria-Miasmen, geringere Leberfunction den Sieg davon getragen über die abwehrende Kraft des europäischen Blutes, und von diesem Zeitpunkte ab steht der Fremde, wie es der Einheimische von Jugend auf ist, unter dem Einflüsse des Paludismus. Das Körpergewicht nimmt ab, die Herzthätigkeit wird schwächer, geringe körperliche Anstrengung ruft schon starkes Herzklopfen hervor, die Gesichtsfarbe erblaut, die Hautfarbe nimmt einen leicht gelblichen Teint an, der Appetit wird geringer, Magen- und Darmkatarrhe treten auf, Galligsein, Zustände der Unlust oder der unmotivirten Erregung, heftige Neuralgien, leichte Fieberbewegungen u. s. w., kurz der Mensch befindet sich fortwährend im labilen Gleichgewicht, das jeden Augenblick gestört werden kann.

Der Fremde, mit seinem durchschnittlich den hygienischen Bedingungen mehr entsprechenden Leben, besitzt aber immer noch eine stärkere Widerstandskraft als der Einheimische, bei dem sich die krankmachenden Einflüsse in stärkerer und mannigfaltiger Form geltend machen.

Von den zahlreichen Neuralgien habe ich bereits gesprochen; die Reihenfolge der betroffenen Nerven nach der Häufigkeit der Be- theilung ist folgende: supraorbitalis, occipitalis, trigeminus, intercostales, ischiadicus, bracchialis, lumbalis, dann Ova- rium, Fussballen und Brustwarze.

Die Haut ist trockner, gelber; das häufige Hautzucken, all- gemein oder local, geht mitunter in Prurigo oder universelles Eczem über.

Die Schleimhäute werden empfindlich; Schnupfen sind trotz der gleichmässigen Wärme sehr häufig; bei chronischen Schleim- hautaffectionen treten leicht Blutungen auf, so bei Nase, Rachen, Bronchien, Darm, Uterus; auch wirkliche hartnäckige Ozaena tritt auf; sehr häufig ist ferner der chronische Nasen-Rachen- Katarrh, der sogenannte Constipado, oft unter Betheiligung der Tuba Eustachii; das so häufige Asthma, ohne nachweisbare Organ- Infection dürfte auch hierher gehören. Der chronische Magen* und Darmkatarrh ist fast constant, Uebelkeit, Aufetossen , Sod- brennen an der Tagesordnung.

Die Drüse n-Affectionen sind bereits oben erwähnt;, oft giebt es auch ziehende und reissende Schmerzen in den Muskeln, in denen man stellenweise Verhärtungen, also wohl myositische Processe nachweisen kann.

Von den intermitticenden acuten Exacerbationen des

Digitized by Google

90

Dr. Ernst Roth schuh.

Paludismus seltenerer Art habe ich bereits das Erythema nodos um erwähnt; hier will ich noch 2 andere Formen anführen , die mir in der Literatur noch nicht bekannt geworden sind. Die eine stellt sich dar als eine Melancholia intermittens: Das Dienstmädchen eines deutschen Kaufmanns, eine kräftige und, von leichten Magen- Darm-Be8ch werden abgesehen, gesunde Person, hat seit 2 Tagen wunderliche Zufälle. Des Morgens noch sehr munter, klagt sie bald über Frösteln und mit einem Male geht sie- von ihrer Arbeit weg, setzt sich in eine Ecke auf einen Stuhl, fängt an zu weinen, starrt dann wieder vor sich hin, klagt, dass sie verloren sei, ihr Leben keinen Zweck habe, Angstschweiss mit Halludnationen treten hinzu, dann blickt sie wieder Stunden lang in die Weite, isst und trinkt nichts, bis am Nachmittage die bis dahin trockene Haut sich mit Schweiss bedeckt, gleichzeitig tritt Ermüdung ein, der Schweiss- Ausbruch dauert fort, nach einigen Stunden Schlafes ist vollkommenes Wohlbefinden eingetreten. Dies ist schon 2 Tage so gegangen, bis man mich ruft; vorher hat man durch die beliebten Abführmittel und Schwitzproceduren nichts erreicht. Durch energische Chinin- Darreichung wird am 3. Tage der Anfall bedeutend abgekürzt, am 4. ist er nur noch rudimentär, am 5. und weiterhin bleibt er aus.

Den anderen Fall möchte ich als eine Lethargia intermittens bezeichnen: C. R, Frau des spanischen Consuls, ist morgens nicht im Stande sich zu erheben, die Glieder sind wie gelähmt, das Ge- sicht ist eingefallen, die Augen, deren Lider nur mit Mühe ganz wenig gehoben werden, glanzlos, die Sprachfähigkeit vollkommen verschwunden; mit Noth kann etwas Flüssigkeit geschluckt werden; so dauert der Zustand bis zum Mittag, wo, während eine leichte Transpiration eintritt, die Bewegungstähigkeit nach und nach zu- nimmt; die Sprache kehrt aber nicht zurück. Am nächsten Morgen ist die Bewegungs- Unfähigkeit dieselbe wie am Tage vorher. Da ich bei der Dame schon früher Symptome von Paludismus zu be- handeln gehabt habe, Ovarialneuralgie, Lebercongestion, so schreite ich zu starker Chinin-Anwendung in Verbindung mit drastischen Abführ- mitteln, am Nachmittage schon kehrt die Sprache langsam zurück, am nächsten Tage besteht noch grosse Steifheit und Zerschlagenheit und am Tage darauf ist der Anfall beseitigt.

Dass man bei derartiger Affection auch an die wieder modern gewordene Autointoxication denkt, ist natürlich; nur ist der stricte beweis für die Annahme schwer zu erbringen. Mehr plausibel und fast nothwendig erscheint diese Theorie bei der ßeurtheilung mancher

Digitized by Google

Tropenmediciniache Erfahrungen aut Nicaragua. 91

unregelmässigen Fieber formen, die bei geringer Temperatur* erhöhung (etwa bis 39° C.) doch so schwere Allgemeinsymptome hervorrufen, wie Sopor mit Hallucinationen, ferner eine.Theil- nahmslosigkeit und totale Zerschlagenheit beim Nachlassen des Fiebers, wie sie zur Dauer der Erkrankung in keinem Verhält- nisse stehen, dass man unwillkürlich auf die Vermuthung eines im Körper kreisenden Giftes geführt wird.

Die amerikanischen Aerzte nehmen das als selbstverständlich an und machen dafür in erster Linie die Leber verantwortlich; ich habe oben bei den Affectionen des Verdauungstractus dieses Organ absichtlich übergangen, um in diesem Zusammenhänge kurz darüber zu sprechen.

Der Gedankengang dieser Leute ist folgender: die Leber kann bei ihrer Grosse unmöglich allein die Function haben, das bischen Galle fiir die Fettverdauung abzusondem oder Zucker zu spalten; sie bildet für den Organismus auch einen Filter, durch den eine Menge im Blute kreisender oder durch den Verdauungskanal ! in- geführter Substanzen zurückgehalten, vernichtet oder wenigsten» uu- schädlich gemacht werden, abgesehen von der desinficirenden Wirkung der gesunden Galle im Darmkanal. Nun ist in den Tropen die Leber mehr als anderswo in Anspruch genommen, nicht nur durch die verminderte Herzkraft und geringere, körperliche Bewegung, die Stauungen hervorrufen, sondern auch durch die in viel stärkerem Maasse in den Körper aufgenomraenen Infectionsstoffe, die eine Beiz-, also Congestionswirkung auf das Organ hervorbringen. U eberschreiten diese Einflüsse die Neutralisationsfähigkeit des Organs, so treten Störungen auf, verminderter oder übermässiger Gallenabfluss mit ihren Folgen, bitterer Geschmack im Munde, galliges Aufstossen, gallige Stimmung, Magen- und Darmkatarrhe mit Durchfällen oder Verstopfung, Hämorrhoiden etc., oder der Körper wird mit den nicht unschädlich gemachten Stoffen überschwemmt und es treten Fieber mit Himerscheinungen und gleichzeitigen Darmsymptomen, vor allem penetrant stinkenden gelblichen, grünlichen oder schwarzen Stühlen auf.

Auf eine nähere Ausführung dieser auch Ihnen bekannten Auf- fassung will ich mich nicht einlassen; auch bei uns sind ja schon Vertreter ähnlicher Ideen aufgetreten, die auf das Zeitalter der anatomischen Pathologie wieder ein humorales, allerdings modificirt, folgen lassen wollen; wie dem auch sei, die Leber finden wir dort drüben in über der Mehrzahl aller Krankheitsfälle mehr oder

Digitized by Google

92 Dr. Ernst Rothschuh, Tropenmedicinische Erfahrungen aus Nicaragua.

weniger betheiligt, und das praktische Resultat ist, dass wir bei einer grossen Zahl localer und allgemeiner Affectionen uns mit grossem Vor- theil der Drastica und cholagogen Alcalien bedienen, wo uns eine auf einzelne Symptome gerichtete Behandlung im Stiche lassen würde.

Eine Umfrage über das Schwarzwasserfieber,

von Dr. Carl Mense.

Die schwerste Form der Malariaerkrankungen, das Schwarz- wasserfieber oder hämoglobinurische (biliös -hämaturische) Fieber ist mit seinen Abarten und Formen Gegenstand der grössten Meinungs- verschiedenheiten. Um Klarheit auf diesem Gebiete zu erhalten, wäre es sehr erwünscht, die Ansichten, Beobachtungen und Erfah- rungen von möglichst vielen Ärzten aus den wichtigsten Fiebergegenden zu vergleichen. Ich habe deswegen in einem Fragebogen die wich- tigsten Punkte aufgestellt und bitte alle Herren, welche Studien auf diesem Gebiete gemacht haben, die Fragen möglichst eingehend zu beantworten und Mittheilungen, welche über die Einzelfragen hinaus- gehen, beizufugen. Für Leser dieser Zeitschrift, denen aus Versehen kein Exemplar des Fragebogens zugehen sollte, lasse ich hier mit der Bitte um Beantwortung und Einsendung den Inhalt desselben folgen.

1. Haben Sie Fälle von Schwarzwasserfieber (h&mogiobinnrisches, büiös- hamaturisches Fieber) beobachtet? Wie viele? bei welcher Race?

2. Welche Grenzen ziehen Sie nach Ihren Erfahrungen zwischen den einzelnen Formen? Worauf begründen Sie Ihre Eintheilung?

8. Welchen Einfluss hatte auf das Auftreten dieser Fieberform a) dieörtlich- keit und Wohnung, b) die Jahreszeit und die atmosphärischen Einflüsse, c) die Lebensweise und Ernährung, d) das Alter, e) sonstige Einflüsse?

4. Haben Sie diese Fieber bei Menschen auftreten sehen, welche nie Chinin genommen hatten? oder

5. seit längerer Zeit (wie lange?) kein Chinin genommen hatten?

6. Haben Sie einen schädlichen Einfluss des Chiningebrauchs auf das Auftreten oder den Verlauf der Krankheit beobachtet?

7. Glauben Sie mit der Chinin behänd! trag Erfolge erzielt zu haben?

8. Welche Behandlung halten Sie für die erfolgreichste?

9. Haben Sie Chinin-Hämoglobinurie (Hämaturie) durch Opiumbehandlung vermeiden oder bekämpfen können? oder auf andere Weise?

10. Wie war der Verlauf, die Dauer und der Ausgang der von Ihnen be- obachteten Fälle?

11. Haben 8ie eigene Beobachtungen machen können über: a) die patho- logisch-anatomischen Veränderungen der inneren Organe (Obduktionen, mikroskopische Untersuchungen), b) den Blutbefund (Blutkörperchen und Parasiten), c)die Harnanalyse (chemisch, mikroskopisch, spektroskopisch)?

12. Glauben Sie, dass ein Zusammenhang zwischen diesen Fieberformen und dem Gelbfieber besteht?

Digitized by Google

Das Ichthyol

in seiner Verwendbarkeit für die Schiffs- und Tropen-Praxis,

von Dr. Leo Leistikow, Hamburg.

Sowohl in meiner eigenen Privatpraxis, wie als langjähriger Mitarbeiter von Dr. Unna habe ich häufig Gelegenheit, Patienten zu behandeln, welche an sog. tropischen Krankheiten leiden. In dem Ichthyol (Ammonium Bulfo-ichthyolicum) lernte ich ein Mittel kennen, welches mir bei vielen dieser Krankheiten die besten Dienste leistete. Die Vielseitigkeit des Ichthyols, welches ich seit 9 Jahren täglich verordne, macht dasselbe nicht nur zu einem werthvollen Medicament für die Tropen-, sondern insbesondere für die Schifls- ärzte. Ich glaube, durch eine Schilderung der pharmacotherapeutischen Wirkung, der Arten der internen und externen Application , sowie der spedellen Indicationen zur Empfehlung des Ichthyols in der Schiffs- und Tropenpraxis am besten beitragen zu können.

Das Ichthyol ist ein complidrt zusammengesetzter, an natürlich gebundenem Schwefel reicher Körper, welcher durch trockene Destilla- tion und Behandlung mit concentrirter Schwefelsäure aus dem See- felder bituminösen Gestein gewonnen wird. Dasselbe ist ganz un- schädlich; in der Litteratur ist bis heute nichts von schädlichen Wirkungen bekannt geworden. Schon von Baumann wurde das Ichthyol als eine oxydirbare Substanz erkannt und Unna gelang es, die reducirende Wirkung desselben auf chemischem wie klinischem Wege nachzuweisen. Aeusserlich in schwacher Dosis auf die Haut applidrt, bewirkt es eine gelinde Abschälung und Häutchen- bildung, befördert also die Verhornung, erzeugt Hautanämie, be- schränkt die Secretion, constrinmrt die Blutgefässe, regt die Resorption an bei cutanen und sulcut .en Processen, beseitigt Oedeme, stillt den Schmerz und tötet Parasiten. Ganz ähnlich äossert sich die Wirkung auf Schleimhäute. Auch hier zeigt sich das Ichthyol

Digitized by Google

94

Dr. Leo Leistikow.

als ein gutes Antiphlogisticum. Hervorragend wirkt das Ichthyol innerlich verabreicht. Das periphere Blutgefässsystem wird verengt- es zeigt auch hier seine antiphlogistischen und tonisirenden Eigen- schaften, indem es die Catarrhe des Magendarmkanals und des Hespirationstracta, die allgemeine Ernährung und den Stoffwechsel beeinflusst und dadurch auch manchen Bactehen und Parasiten den Nährboden verkümmert.

Aeusserlich können wir das Ichthyol pur oder in wässeriger resp. spirituöser Lösung als Umschlag, feuchten Verband, in Puder-, in Pastenform, als wasserunlöslicher und -löslicher Firniss, Zinkleim. Salbe, Salbenstift, Salbenmull, Pflaster, Pflastermull, Spray, Sei fr* und Salbenseife verordnen.

Für die Bedürfnisse der Schiffe- und Tropenpraxis ist es rath- sam, das Ichthyol pur mitzunehmen. Wässerige Lösungen, Puder, Salben und Pasten, sowie Collodiumflrnisse lassen sich jederzeit leicht damit hersteilen. Für wässerige Lösungen genügt meistens eine zwei- bis fünfprocentige Stärke. Als Puder empfehle ich:

Rp.: Ichthyol. 0,5 1,0 Magnea. carbo nie. 10,0 Tale, venet. 20,0

M. I pulv.

als Paste:

Rp.: Zinc. oxydat 10,0 Terr. silic. 2,0

Adipis 28,0

Ichthyol. 1—3,0

M. f. paste.

Eine vorzügliche Pastengrundlage ist die Infusorienerde, auch Kieselgur, lateinisch Terra silicea, welche eine eminent aufsaugende Kraft besitzt und eine viel schönere und trockenere Decke liefert, als die sonstigen pulverigen Pastenconstitutientien.

Eine sehr einfache, materialersparende und oompendiöse Form der äusseren Ichthyolapplication ist auch die des Salbenstifts = stilus unguinosus , welcher nach dem Typus der gewöhnlichen Lippen- pomaden hergestellt wird. Die Salbenstiftgrundlage besteht aus Wachs und Wollfett.

Rp.: Ichthyol. 30,0

Cerae 20,0

Adipis Lanae 60,0

M. f. stil. ung.

Digitized by Google

Das Ichthyol in seiner Verwendbarkeit für die Schiffs- nnd Tropenpraxis. 95

Die Firma Beiersdorf-Hamburg fabricirt die Salbenstifte in einer für Schiffs- und Tropengebrauch geeigneten Form in Zinndosen mit verschiebbarem Deckel verpackt.

Wichtig ist auch die Form der Beiersdorf’schen Pflastermulle. Dieselben sind absolut impermeabel, halten sich Jahre hindurch und verlieren selbst bei hoher Temperatur niemals ihre Klebkraft. Es eignen sich besonders der Ichthyol (46°/0)- und der Hydrargyrum(40°/0)- Ichthyol (20#/0)-Pflastermull.

In Salbenform dürfte sich auch noch 3 5°/0iges Ichthyol- vaselin bewähren.

Als Collodiumfirniss

Rp.: Ichthyol. 5 10,0 Collodii 20,0

M.

Innerlich giebt man das Ichthyol am besten in Tropfenform. Rp.: Ichthyol. 10,0

Aquae 20,0

M. S. 3 X tägl. 10 20 25 Tropfen nach der Mahlzeit in reichlich Flüssigkeit

Der Geschmack ist nur die ersten 2 3 Tage unangenehm, später nicht mehr. Bei Kindern ordinirt man dreimal täglich drei bis zehn Tropfen dieser Lösung. Man kann das Ichthyol auch in Pillen oder Kapseln geben, am einfachsten jedoch ist die Tropfen- form.

Die Verwendung des Ichthyols bei den Krankheiten der Haut ist nahezu eine allgemeine. Wir wollen im Folgenden die- jenigen von ihnen aufzählen, welche dem Schiffs- und Tropenarzte am meisten begegnen. In erster Linie sind die Circulations- anomalien zu erwähnen, ferner die neurotischen Dermatitiden, die lokale und universelle Hyperidrosis, die Urticaria, das Erythema exsudativum multiforme und nodosum, sowie die verschiedenen Herpes-Arten einschliesslich des Zoster. Besonders kommt hier der innerliche Ichthyol gebrauch in Betracht, bei den Wallungs- und Stauungshyperämien zum Beispiel. Die angio- neurotische und die seborrhoische Rosacea wird sehr günstig durch Ichthyol intern beeinflusst. Die mit dieser häufig complidrten Stauungsanomalien an Händen und Füssen, der Schleim- haut des Rachens, des Anus (Hämorrhoiden), der weiblichen Genitalien, des Magendarmkanals u. s. f. werden durch Ichthyol intern in Folge der Besserung des Muskeltonus der Blutgefässe meist

Digitized by Google

96

Dr. Leo Leiatikow,

aufifallend gebessert. Als wesentliches Hülfemittel aber dient hier die äusserliche Ichthyolapplication. Besonders 2 3°/0ige Ichthvol- pasten und -dunstumschläge sind hier am Platze; bei umschriebenen Partien Ichthyolcollodiumbepinselung.

Die Eczeme sind in den Tropen wie bei uns in Europa die häufigsten Erkrankungen der Haut Auch der sogenannte rothe Hund gehört zu ihnen. Gerade die nässenden, makulösen, papu- lösen und krustösen Eczemformen werden prompt durch Ichthyol- dunstumschläge, -puder oder -pasten in 2 3 %iger Stärke beseitigt Aber auch die mit Verdickung der Haut einhergehenden pruriginösen und psoriatiformen Eczemformen weichen auf die Application der Ichthyoldunstumschläge und des Ichthyolsalbenstifts. Für umschriebene Stellen unbehaarter Theile ist auch der Ichthyolpflastermull am Platze. Die acuten Dermatitides traumaticae, insbesondere die Verbrennungen, die Dermatitis toxica et venenata werden wie das Eczema rubrum mit Erfolg behandelt Die infectiösen Dermatitiden, vor Allem die Impetigo vulgaris (meist fälschlich als Eczema impetiginosum diagnosticirt), die Folliculitis, Furunkel, Sykosis und der Lupus erythematosus reagiren prompt auf Ichthyol äusserhch. Ist die Inflammation stark, so benutzt man Ichthyolpasten oder -dunstumschlag, ist sie gering, so verordnet man Ichthyolcollodium oder Ichthyol- resp. Hg-Ichthyolpflastermull. Feuchte Ichthyolverbände oder -Pasten eignen sich auch zur Nachbehandlung der Ulcera mollia et serpiginosa, sowie des Lupus vulgaris nach vorhergehender Aetzung, Paquelinisirung oder Excision. Staub empfiehlt dringend den Ichthyolpflastermull zur Behandlung der Actinomycose. Die Orient- oder Biskrabeule, welche meist an freigetragenen Stellen beginnt, als lividrothes Knötchen, das alsdann central erweicht und sich mit einer Kruste bedeckt, unter der sich ein flacher, schlecht heilender Substanzverlust befindet, erfordert Ein- reibung von purem Ichthyol (Guttaperchapapier darüber) oder Ichthyol- pflastermull nach Entfernung der Krusten. Gegen das Erysipel ist das Ichthyol geradezu ein Spedficum (Nussbaum, Unna, Klein, Schwimmer). Von Abel und Latteux ist die Abtötung der Erysipelcoccen durch Ichthyol schon in schwacher Concentration bewiesen worden. Für die Erysipele des behaartes Kopfes eignen sich die 5 10°/0igen Ichthyolpasten und -Salben, für das Gesicht und das Scrotum, sowie die Vulva feuchte Ichthyolverb&nde, für die Extremitäten kann ich am meisten das Ichthyolcollodium empfehlen. Da das Ichthyol selbst in stark verdünnter Lösung die pyogenen

Digitized by Google

Das Ichthyol in seiner Verwendbarkeit für die Schiffs- und Tropenpraiis. 97

Streptococcen (Abel) abzutödten vermag, so eignet es sich auch zur Behandlung der Lymphangitiden (Moncorvo) als Dunst- verband oder Collodium. Bei der Behandlung der Lepra ist das Ichthyol als Adjuvans nicht zu entbehren. Zur Zerstörung der Flecken und Knoten dienen in erster Linie hier die stark reducirenden Mittel wie Chrysarobin und Pyrogallussäure, ferner die Aetzmittel wie Kali causticum und Acäd. nitric. fumans. Aber gerade zur Nachbehandlung und in der Zwischenzeit sind Ichthyolsalben, -Collo- dium oder -Dunstverbände sehr wirksam. Die indolenten leprösen Ulcerationen sah ich häufig unter Ichthyolpflastermull schwinden. Das Allgemeinbefinden, vor Allem aber die Ernährung der Lepra- kranken, wird durch innerlichen Ichthyolgebrauch entschieden ge- bessert. Die Elephanthiasis, in den Tropen zumeist durch Ein- wanderung der Filaria sanguinis, häufig auch durch recidivirende streptogene Entzündungen (Lymphangitis, Erysipel, Phlegmone) be- dingt, wird im eiysipelatös-lymphangitischen Stadium durch Ichthyol- collodium resp. Dunstverband und innerliche starke Ichthyoldosen zweckmässig behandelt Bei dem ödematösen, atonischen Ulcera, welche bei den Negern häufig Vorkommen (Mense), ist der Ichthyol- dunstverband, -Paste oder der Hg -Ichthyolpflastermull am Platze. Hier wirkt es den wuchernden Granulationen entgegen, unterdrückt die Ueberhäutung und befördert die Ueberhomung. Aber auch bei den sonstigen Nekrose^n, insbesondere beim Decubitus sieht man unter der dick aufgetragenen Ichthyolpaste oder dem Ichthyolpflaster- mull schnell Heilung eintreten. Ainhum, eine bei Negern häufige locale Affection der kleinen Zehe, bei welcher diese durch eine tiefe Furche vom übrigen Fuss abgeschnürt und dabei zu einer knolligen Geschwulst aufgetrieben wird, erfordert frühzeitige Inzisionen senk- recht zur sich bildenden Furche, Abheilung unter Ichthyoldunst- verband oder -Collodium. Da die Stiche und Bisse verschiedener Insekten, besonders der Mücken, Wespen und Bienen schnell unter Ichthyolcollodium abheilen, so ist ein Versuch mit diesem bei Stichen und Bissen tropischer Insecten wohl angezeigt.

Die Behandlung der Geschlechtskrankheiten muss für die Schiffs- und Tropenpraxis möglichst einfach sein. Das Ichthyol ist auch hier ein unentbehrliches Mittel. Die männliche Gonorrhoea acuta wird durch 1 5%ige Ichthyollösungen mittelst der Tripper- spritze mehrmals täglich injicirt in kurzer Zeit geheilt (Neisser, Jadassohn). Für die Gonorrhoea subacuta et chronica anterior et posterior passen Irrigationen mit warmen 2 5°/0igen

Digitized by Google

98

Dr. Leo Leistikow.

Ichthyollösungen, desgleichen für die leichten chronischen Cystitiden. Für die hartnäckigen Infiltrate der vorderen Harnröhre benutze ich gern Bepinselungen mit 10 l“2°/0igen Lösungen mittelst Ultzmann- schen Pinsels, für die die hintere urethra Instillationen mit 8 10%* iger Lösung mittelst Ultzmann’s Kapillarkatheter. Beide Instru- mente sind leicht zu transportiren und sollten schon deshalb niemals im Instrumentarium des Schifis- oder Tropenarztes fehlen. Die Pinselungen resp. Instillationen können täglich oder alle 48 Stunden vorgenommen werden. Für die Prostatitis passen Ichthyolsuppos- torien oder Ichthyolglycerin (ö°/#) per Rectum, für die Epididymitis und Orchitis feuchter Ichthyolverband, -Collodium oder -PflastermulL

Die weibliche Urethritis weicht durch 5 10®/0ige Ichthyol- injectioneu (Jadassohn). Die Vaginalgonorrhoe erfordert Tam- pons mit 16 20°/oigem Ichthyolvaselin. Für die Gonorrhoe der Cervix giebt Neisser 5 10 °/0ige Ichthyolbacillen. Zur Behandlung der Entzündungen besonders der gonorrhoischen des Uterus und seiner Adnexe eignen sich ausser der Ichthyolglycerin -Tamponade der Scheide Einreibungen der Bauchhaut mit dem Ichthyolsalbensüit oder Ichthyolvaselin.

Auch bei vielen inneren Krankheiten hat sich das Ichthyol wegen seiner tonisirenden, gefässverengenden Wirkung bewährt Bei den Katarrhen des Magendarmkanals, bei der Bronchitis, selbst in den frühen Stadien der Lungentuberkulose ist das Ichthyol von namhaften Autoren mit Erfolg gegeben worden. Auch gegen schweres Erbrechen erwies es sich als nützlich. Deshalb ist ein Versuch mit Ichthyol intern bei der Seekrankheit wohl an- gezeigt. Die günstige Einwirkung des Ichthyols auf die Enteritis sowohl innerlich wie als Darmeingiessung in 2®/0iger Stärke lässt seine Anwendung auch bei der Dysenterie als gerechtfertigt erscheinen. Moncorvo hat mehrere Fälle von schwerer Chylurie mit Ichthyol in der täglichen Dosis von 60 Centigramm in Pillenform schnell ge- heilt. — Auch bei der Polyarthritis gonorrhoica et rheuma- tica, sowie der Arthritis urica erzielt man mit grossen innerlichen Ichthyoldosen und äusseren Ichthyoldunstverbänden gute Resultate. Endlich wäre das Ichthyol auch noch bei der Malaria zu versuchen. Ich habe viele Eczempatienten behandelt, welche mit Malaria behaftet waren. Durch Ichthyol innerlich sah ich in diesen Fällen eine ent- schiedene Besserung des Allgemeinbefindens, der Appetit hob sich stets und die fahle Gesichtsfarbe schwand.

In der kleinen Chirurgie hat sich das Ichthyol sehr bewäfirt.

i

Digitized by Google

Das Ichthyol in seiner Verwendbarkeit für die Schiffe- und Tropenpraxis. 99

Einfache Continuitätstrennungen , kleine Quetsch- und Risswunden, sowie Contusionen heilen schnell unter feuchtem Ichthyolverband resp. -Collodium. Von Floris ist das Ichthyol zuerst in der Zahn* heilkunde versucht worden. Derselbe hat es in Form von Spülungen und Auswischungen bei der Alveolarpyorrhoe, ferner gegen Zahn- schmerz und als blutstillendes Mittel nach Zahnextractionen in Form von Watte mit gutem Erfolge gegeben.

Es mag manchem Leser auffallend erscheinen, dass ich in dieser kurzen Uebersicht über den Gebrauch des Ichthyols mich veranlasst sah, fast die ganze Dermatologie und viele innere und Geschlechts- krankheiten Revue passiren zu lassen, ich glaube aber dafür ein- stehen zu können, dass, wenn dieses wegen seiner völligen Unschäd- lichkeit, seiner leichten Verordnungsweise und der ganz überraschenden Vielseitigkeit seiner Wirkung ausgezeichnete Medicament erst einmal das Interesse der Schiffs- und Tropenärzte erweckt hat, dieselben in der Lage sein werden, alle obigen Indicationen zu bestätigen.

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben

a) Hygiene, Physiologie und Gesundheitsstatistik.

Patrick Manson, The necessity for special education in tropical me* dicine. British Medical Journal. Nr. 1919. S. 985.

Patrick Manson betont in seiner Rede den Unterschied der Tropenkrank- heiten von den Krankheiten gemässigter Klimate. Ein grosser Theil der englisches Aerzte practicire bei der Ausgedehntheit des englischen Colonialbesitzes in den Tropen im Tropenklima. Eine speciellere tropenmedicinische Ausbildung der Aerzte sei daher dringend nüthig.

Er erörtert dies eingehend an verschiedenen Krankheiten, deren Diagnose wichtig, aber nicht immer leicht ist; besonders spricht er von Malaria, Beri-Beri und der Filariakraniheit. Victor Lehmann.

Pestnachrlchten.

Die Pest in Bombay zeigte während der Monate Februar und März eine Steigerung gegen den Vormonat der Todesfälle. Die Sterblichkeit in einer "Woche betrug nach den Nachrichten vom 10. Februar 11 IS und hielt sich annähernd auf dieser Höhe, um in der Berichtswoche, welche mit dem 24. März abschliesst. ihren Höhepunkt mit 1259. Todesfällen (vier Europäer) zu erreichen. Die letzten Nach- richten lauten viel günstiger, am 8. April werden nur mehr 678 Todesfälle be- richtet Dagegen ist die Seuche in Djeddah am 24. März auch amtlich festgestellt worden, forderte bis jetzt nur wenig Opfer, vom 1.— 4. April starben 6 Pestkranke. Die vom Gesundheitsrat zu Constantinopel beschlossene Sperrung des Hafens für indische Pilger stösst auf den Widerstand der Bevölkerung.

Reagenskasten zur Herstellung keimfreien Trinkwassers nach Schumburg.

Um der bekannten Schumburg'schen Methode in weiteren Kreisen Eingang zn verschaffen, hat die Kade'sche Oraoienapotheke zu Berlin die nöthigen Reagenzien in feste handliche und dauerhafte Kasten, welche auch überseeischem Transport gewachsen sind, verpackt und m den Verkehr gebracht. Die gangbarste und für die meisten Fälle wohl ausreichende Reagenzien Zusammenstellung ist für 600 Liter Wasser berechnet und besteht aus zwei Kästen, von denen der erste die Reagen- zien in geeigneter Verpackung enthält. Die genau eingestellte ooncentrirte Brora- Jösuog befindet sich darin in zugeschmolzenen Röhrchen, durch welche Vorkehrung jedes Verdunsten des freien Broms und somit ein Schwach erwerden der Lösung

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangabe».

loi

vermieden wird. Die einzelnen Röhrchen sind in neutralisirte Kieselguhr ver- packt, was nicht nur ein etwaiges Zerbrechen der Röhrchen auf dem Transport verhindert, sondern auch, wenn dieses ausnahmsweise einmal eintreten sollte, die sofortige Unschädlichmachung der ätzenden Bromlösung zur Folge hat. Jedes Röhrchen hat am Halse einen Feilstrich und ist an dieser Stelle leicht durch Ab- brechen zu öffnen. Das Neutralisationssalz befindet sich im Deckel des Kastens; dasselbe ist in Glasröhrchen abgetheilt, welche in geeigneter und zweckmässiger "Weise in Filz verpackt sind.

Jedes Bromröhrchen enthält 10 cbcm concentrirte Bromlösung, welche zur Desinfection von 50 Liter Wasser ausreichen. Jedes Röhrchen Neutralisationssalz enthält das zur Neutralisation von 10 cbcm concentrirter Bromlösung ausreichende Quantum Neutrali- sationssalz.

Der zweite Kasten enthält eine Mensur von 500 cbcm Inhalt, zwei Glas- flaschen und einen Löffel von Aluminium. Die Mensur und die Glasflaschen sind zur Herstellung und zur Aufbewahrung von gebrauchsfertig verdünnten Sterili- sirungB- und Neutralisirungslösungen bestimmt Obige Reagenzien- und Utensilien- zusammenstellung ermöglicht die sofortige und bequeme Sterilisirung sowohl ein- zelner Liter als auch grösserer Quantitäten Wasser für den augenblicklichen Bedarf.

Das die concentrirte Bromlöeung enthaltende Röhrchen wird an der mit einem Feilstrich versehenen Stelle durchbrochen, der Inhalt in die Mensur ge- than, diese mit Wasser bis zu 500 cbcm gefüllt und die Lösung nach Umrühren mit dem Löffel in die für vorräthige verdünnte Bromlösung bestimmte Flasche gebracht (Hierbei ist des erstickenden, die Schleimhäute reizenden Bromdampfes wegen Vorsicht geboten. Das Einathmen der Bromdämpfe ist möglichst zu ver- meiden und es empfiehlt sich daher, nicht die Verdünnung in bewohnten Räumen vorzunehmen.) Alsdann wird eins der vorhandenen Neutralisationspulver in der Mensur unter Umrühren in 500 cbcm Wasser gelöst nnd mit dieser Löeung die Flasche für vorräthige Neutralisationslösung gefüllt Die Flaschen enthalten als- dann die für 50 Liter ausreichende Menge Bromlösung und Neutralisaticasflüssig- keit, welche gut verstöpselt für den Gobrauchsfall aufbewahrt werden.

Der Aluminiumlöffel fasst 10 cbcm dieser verdünnten Lösungen. Hat man diese also vorräthig und liegt Bedarf für einen Liter keimfreien Wassers vor, so setzt man diesem einen Löffel der verdünnten Bromlösung zu und lässt dieselbe nach Durchrühren mit dem Löffel 5 Minuten einwirken. Dem durch die Brom- einwirkung keimfrei gemachten Liter Wasser setzt man alsdann einen Löffel der vorräthigen Neutralisationsflüssigkeit zu, um dasselbe alsdann als nach jeder Rich- tung hin einwandfreies Trinkwasser zu erhalten.

Will man mittelst dieser Reagenzienzusammenstellung Quantitäten von bO Liter Wasser und mehr auf einmal sterilisiren, so kommt pro 50 Liter Wasser je ein Röhrchen concentrirter Bromlösung und der Inhalt eines Gläschens Neu- tralisationssalz direkt zur Verwendung. Bei der Sterilisirung grösserer Quanti- täten Wasser als 10 Liter, wird man sich der Bequemlichkeit halber zur Ab- messung der vorräthigen Neutralisationsflüssigkeit mit Vortheil der beigefügten graduirten Mensur bedienen. Für 127, Liter wird dieselbe bis zum Theilstrich 125 mit verdünnter Bromlösung und Neutralisationsllüssigkeit gefüllt, für 25 Liter bis zum Theilstrich 250 u. s. w.

Archiv f. Schiff*- u. Troptnbyglene, II. 8

Digitized by Google

102

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

Obige Reagenzienzusammenstellung eignet sich vorzüglich für den Gebrauch in den Tropen und in überseeischen Gebieten, dieselbe ist specieU für Export- zwecke zusammengestellt und unter der Bezeichnung

„Dr. Schumburg's Trinkwassersterilisirung“ zum Gebranck in den Tropen im Auslände eingeführt.

Der Preis derselben (die oben erwähnten 2 Kästen nebst Reagenzien für 600 Liter Wasser) stellt sich auf Mk. 80.—. Die Reagenzien werden in geeig- neter Verpackung jeder Zeit nachgeliefert und ist der Preis derselben incl. Ver- packung folgender:

Reagentien für 600 Liter Wasser = Mk. 18. •.

»1

1200

ii

CO

o

'1

2400

(

II

V

« 4800

= 72.-.

Dureh diese Preisermässigung wird nicht nur die Leistungsfähigkeit dieser Zusammenstellung eine sehr grosse, sondern es werden die Sterilisirungskosten für den einzelnen Liter dadurch auch bedeutend herabgesetzt.

Für Militärbedarf, für den Gebrauch auf Schiffen, sowie für den Abschluss grösserer und dauernder Lieferungen wolle man unter Angabe der benöthigten Wassermenge von der Kade sehen Oranienapotheke Specialofferten einholen.

Der Vertreter für den überseeischen Export ist Georg Hanning. Hamburg, Ferdinandstr. 27. M.

Du cllmat maritim« de la Tuniiie tt de son Inftuence petholojiqu« eur ta peumo«, te coeur et le lote. Castellan. Arch. de med. nav. et colon., Aoüt 1897, pag. 11h.

Les observatious de l'auteur ont etc f&ites du 14 Jttin 1895 au ferner 1897: il a trouve sur les cötes de Tunisie un climat essentiellement variable, parfois tres chaud en ete, parfois aussi tres froid en hiver.

La Saison seche dure d’ Avril a Septembre: le ciel est alors tres pur et le vent souflle generalement de l’Est; les mois les plus i redonter sont Aoüt et Beptombre, parfois meme Octobre. Quand souffle le vent du S. E. (Sirocco). 1z chaleur est tres grande, desseche les muqueuses et gene meme la respiratoire

La saison des pluies commence en Octobre et se contioue jusqu'ä la Sn de Mare: les vents dominants souffient alors de l'Ouest et il pleut tres frequemment ä Tunis, plus souvent encore ä Bizarte. L'air chaud et humide ä cette saison est parfois tres penible.

Outre ces differences saisonnierea , il se produit des variations nyethemerales etendues et souvent aussi des sautes de vent tres brusques avec des changements brusques de la temperature, tres penibles en hiver (de Jan vier ä Mare).

Cette variabilite du climat des cötes de Tunisie le rend peu propre au traite- ment des affections cardio- pulmonaires, et des sujets souffrant de ces affectiooä peuveut voir leur etat s’aggraver sous son inQuence. C. Firket (Liege).

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

103

b) Pathologie und Therapie.

Beri-Beri.

Zur Abwehr.

Du izt der Flach der bäeen Thzt, du« eie fortzeugend Böeee muee gebären.

Der Autor der Referate über meine und Vorderman's Arbeiten (vgl. diese Zeitschr. Bd. I. S. 39 ff.) , wovon ich obiges Motto entlehne, hat sich zu einer Leidenschaftlichkeit hinrei&sen lassen, die das beste Zeugniss dafür abgiebt, dass er nicht die geeignete Person ist, um eine rein sachliche und objective Kritik zu liefern. Ich will darüber denn auch keine Worte verlieren.

Nachdem von sachverständiger Seite (Scheube) meine Abhandlung über Polyneuritis der Hühner in dieser Zeitschrift schon besprochen war, wäre eine erneute Besprechung derselben doch nur nöthig gewesen, wenn Gegenversuche hätten vorgebracht werden können, die zu abweichenden Resultaten geführt hätten. Wie wenig Herr Glogner meinen und Vorderman's Ansichten gerecht -wird, geht schon daraus hervor, dass er uns die Annahme eines Giftes im Reis- korn in die Schuhe schiebt, eine Vorstellung, die thatsächlich unrichtig ist loh habe im Gegentheil gesagt: Die Annahme eines präexistenten Giftes in der Nahrung erschien uns weniger wahrscheinlich. Vorderman hat sich in seinem Rapport in einer besonderen Nachschrift bestimmt gegen die Reisgifthypothese aus- gesprochen.

Was meinen Standpunkt in der Beri-Beri-Frage anbetrifft, so erlaube ich mir auf meinen jüngsten Aufsatz über Beri-Beri und Nahrung (Beri-beri en ▼oeding, Ned. Tijdschr. v. Geneesk. 1898. Nr. 6 8) zu verweisen.

Herr Glogner schreibt: „wenn man bedenkt, dass E. zu dieser Arbeit 6 Jahre nöthig batte, dann muss dieselbe als das dürftigste Product bezeichnet werden, welches von einem Leiter eines wissenschaftlichen Institutes in der Litteratur gefunden werden dürfte.“

Den Ixssem dieser Zeitschrift ist es aus wiederholten Besprechungen be- kannt, dass von mir ausser der hier erwähnten noch eine Anzahl Untersuchungen über tropenphysiologische und -hygienische Gegenstände publicirt worden sind. Allerdings bin ich dabei mehrfach zn gegenteiligen Resultaten gekommen als Dr. Glogner. Ich habe ihm z. B. aus seinen eignen Angaben vorrechnen können, dass bei seinen Bestimmungen der Stickstoffausscheidung der Tropen- bewohner mehrere grobe Versuchsfelder gemacht worden sind. Weiter habe ioh daraufhingewiesen und erbat dem beistimmen müssen, dass bezüglich des spec. Gewichts des Blutes der Tropenbewohner seine abweichenden Resultate darauf zorückzuführen waren, dass er versäumt hatte, an seine aräometrischen Be- stimmungen eine Correctur für die höhere Umgebungstemperatur anzubringen.

Inde irae! C. Eykman.

Beri-beri en «oeding. Een kritisch -historische Studie door Dr. C. Eykman. Overgedrukt uit het Ned. Tijdschrift voor Geneeskunde. 1898. Deel I.

In der neuesten Zeit wurde durch Eijkmann und durch Vorderman’s Unter- suchungen in verschiedenen javanischen Gefängnissen bekanntlich die Theorie vom Einfluss der Nahrung auf das Entstehen von Beri-beri wieder in den Vordergrund des Interesses gerückt Man hat aber schon längst früher an einen derartigen

8*

Digitized by Google

104

11. Besprechungen und Lirteratnraagmken.

Zusammenhang gedacht und dementsprechend bei Soldaten . Matrosen und Ge- fangenen die Ernihrungsvorsch riften verändert angeblich mast mit Erfolg.

E. hat diese Frage genau historisch verfolgt und zögt in vorliegender. sehr eingehender Arbeit dass thataichlich die Abänderung der Ernahrungstanfe weder hei der niederländisch-indischen Marine, noch bei der japanischen Manne, noch auch bei den Gefangenen in den Straits Settlements die Erkrankungen an Ser- ben vermindert hat E. bespricht dann ferner seine auf Grund der von ihm entdeckten Polyneuritis der Hühner aufgestelite Theorie von der Bedeutung „Silberhiutchens“ des Reiskorns für die Aetiologie der Beri-beri, die anschei- nend in den Feststellungen von Vorderman eine Stütze gefunden hat Es mt anzuerkennen, dass E. sich sehr zurückhaltend über die Tragweite seiner Beobach- tungen äussert Seine Theorie zu erörtern, ist hier deshalb nicht am Platze, weil dieselbe einmal schon anderweitig besprochen ist, und weil es in v-riiegeoder Arbeit E mehr darum zu thun ist, gegen die allerdings sehr eigentümlichen Aeusserungen und Ansprüche van Dieren's Front zu machen. Dieser nach unserer Ansicht wohlberechtigten Polemik ist der grossere Theil der Arbeit gewidmet Victor Lehmann.

A contribution to the etiology of beri-beri. By Walter K. Hunter. (Lancet July 31. 1897. pag. 240.)

Verf. giebt erst eine Uebersicht der bekannten Anschauungen und Unter- suchungen von Pekelharing und Winkler. Scheube, Eykman u. A. Er beschreibt dann zwei von ihm beobachtete anscheinend übrigens nicht »ehr typische Fälle von Beriberi bei Schiffsheizem. Hier fanden sich im Blute konstant ge- wisse Kokken , welche weissen Staphylokokken sehr ähnlich waren. Die Kulturen derselben, Kaninchen injicirt, bewirkten Lähmungen und mikroskopisch nachweis- bare Nervendegeneration. In Blut und Geweben der Thiere fand sich derselbe Staphylokokkus. In den Kulturen fanden sich auch noch andere Bakterien, aber nicht im Blute. Auch wurden dieselben , zusammen mit dem Staphylokokkus in- jicirt, nicht im Blute der Thiere wiedergefunden.

Die Untersuchungen von Glogner scheint Verf. nicht zu kennen, denn sie werden gar nicht erwähnt. Victor Lehmann

Malaria.

Die Melaiuarie. ein Knnatproduct der Chininsalze. Von Dr. Below. Berliner kür. Wochenschrift. Nr. 48. 1897. -»ach einem Vortrage, gehalten in der Ber- liner medicinischen Gesellschaft, SO. Juni 1897.

Verfasser sagt eingangs, man dürfe sich keine Worte, wie Melanurie. bilden, ehe man nicht über Wesen und Ursache einer Sache Begriffe besitze, und «f errege Befremden, von einem Schwarzwasserfieber als Malariaform reden zu hören, wenn man die Misch- und Uebergangsformen zwischen Malaria und Gelb- fieber selbst kennen lernte, noch mehr aber, dass das souveräne Mittel gegen Malaria, das Chinin, von einer Sekte als grosses Heilmittel in grossen Dosen, tun anderer als schädlich, verschlimmernd dargestellt warde. Verf. glaubt, auf Grand seiner .Beobachtungen in Mexico, die dort sporadisch vorkommendeu Falle na Melanurie unter die Geibfiebergruppe, als nicht infectiöee Form suhsumiren m können und bezieht sich auch auf Heinemann (? Ref). der sich hütete, eia

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben. 106

mögliches Kunstproduct einer Chininvergiftung als Krankheit sni generis hinzu- stellen und zieht nun ganz besonders Br. Dempwolf’s Mittheilungen aus Neu- Guinea heran, nach denen sämmtliche (18) von diesem beobachteten Schwarz- er asserfiebe ran falle nur bei Leuten Vorkommen, ,,die viel Chininsalze von vielen Grammen1* genommen haben und dabei durch Klima und Ajrzneigifte mitgenommen sind. Dr. Bempwolf, sagt Below, hätte nachgewiesen, dass Melanurie ein Symptom sei, welches entstehe, wenn Blutfarbstoff aus den rothen Blutkörperchen in die Blutflüssigkeit trete. Die Leber zersetze das Haemoglobin und die Nieren suchten diese Stoffe, besonders also Methaemoglobin und Melanin, auszuscheiden, wobei sich die Nierencapillaren verstopften. So entstände unter Melanurie ge- legentlich Anurie. Herr Dr. Dempwolf dürfte mit dieser Darstellungsweise schlechthin nicht ganz einverstanden sein. Auch Dr, F. Plehn in Tanga be- hauptet wohl kaum, dass Chinin schlechthin Haemaglobinurie veranlasse, man kann höchstens annehmen, dass die bei tropischer Malaria drohende, oder schon bestehende verstärke, und das nur bei Vorkommen der kleinen Parasiten im Blut. In jedem einzelnen Falle kann Chinin nicht selbständig Haemoglobinaemie und Haemoglobin urie veranlassen, auch bietet das melanunsche Fieber, welches nioht vorher mit Chinin behandelt wurde, dem am Krankenbette eintreffenden Arzt das Bild einer schweren Infectionskrankheit, welche durch Toxine beeinflusst wird.

Dr. K. Däubler.

Febril inter mitten» perniciosa von W. Stammeshaus, Sanitätsofficier 1. Klasse

Militärhospital zu Malang auf Java. Geneeskundig tijdschrift voor Ned. Indie.

Deel XXXVI. Afl. 5 u. 6.

Ein bereits seit SVt Jahren in Indien dienender Sergeant wurde wegen Urethritis in das Spital aufgenommen und bekam Tags darauf Fieber, 39°. Am dritten Tage vor seiner Aufnahme erhielt er, obschon er Mittags nur 37,8* hatte, 0,8 g Chinin, hydrochl., trotzdem Abends 88’. Am vierten Tage hatte er stets über 89’. Abends 9 Uhr = 80,9’. Darauf, also in der Remission, 1,9 g Chinin, ebenso am fünften Tage 1 g, stets in Solution, worauf die Temperatur nicht über 88,4° stieg. Am sechsten Tage stieg die Temperatur, welche von 7 Uhr Morgens bis zum exitus, Nachts 13 Uhr, 12mal gemessen wurde, von 88,2°, Morgens 7 Uhr, bis 10 Uhr Abends auf 43°, zuletzt bis auf 43,8*. Die Section ergab ausser Milzvergrösserung, theerartiger Pulpa und Zeichen von fettiger Degeneration der Leber, nichts Positives. Leider sind keine mikros- kopischen Untersuchungen, auch nicht in vivo gemacht, noch Urinuntersuchungen, ebenso isf nicht darnach geforscht, ob nicht Blutungen in der Scheide der grossen Halsnerven bestanden, auf welche Köster und Siedamgrotzky beim Tode durch Wärmestauung, resp. bei fieberhaften Erkrankungen mit so hohen Tem- peraturen aufmerksam machten, und wie Diettrich anf Blutunterlaufungen unter dem Endoeardium. Man wird versucht, in Bezug auf die Angabe, der Patient sei an Urethritis erkrankt, zu glauben, dass es sich um Malaria handelte. Ob Anurie zuletzt bestand, ist nicht angegeben. Der Beschreibung ist eine Curventafel bei- gegeben, sie lehrt aber, dass zur wissenschaftlichen Ausnutzung und Beurthei- lung eines solchen Falles, allseitige und genaue Kenntnisse und Handhabung der einschlägigen Untersuchungsmethoden unumgänglich nöthig sind.

Dr, K. Däubler.

Digitized by Google

106

II. Besprechungen und Li tteratu ran gaben.

On toma peculiar pigmenled cells found in two mosquitos fad ob maJaHal Maad

by Surgeon-Major Ronald Ross. (British Medical Journal. Nr. 1929. 18. De- cember 1897. S. 1786 )

R., der sich seit 2 Jahren, angeregt durch die Ideen Patrick Maasens, mit der Fütterung von Moskitos mit Malariablut beschäftigt, hat kürzlich bei einer neuen Moskitosorte nach Malariablutfütterung im Magen besondere Zellen gefunden, welche die charakteristischen Pigmentkömehen (Melanin) enthielten, wie sie im Malariablute des Menschen Vorkommen. Der Befund ist jedenfalls wichtig, die Deutung aber vorläufig noch durchaus nicht klar.

Victor Lehmann.

Een geval van pemicieuae malaria von Dr. A. Voorthnia, Deli-Sumatra. Genees- kundig tijdschrift vor Ned. Indie. Deel XXXVI. Aflev. 5 u. 6.

Unter Erscheinungen von Influenza kam ein 25 jähriger Niederländer in Verf. Behandlung. Pat. hatte vorher an zwei Tagen je 1 g Chinin genommen Nach zweitägiger Behandlung mit Chinin pro dosi et pro die 1 g, befand sich der Kranke besser, kein Fieber. Darauf Nachts hohes Fieber (39*), Delirien, am Morgen 10 Uhr 39 % Respiration ‘35 p. m. Pat. war nicht compos mentis, Herz- töne rein, Urin spärlich, trübe, ohne Eiweiss. Im Laufe des Tages 2 g Chinin in Losung, trotzdem am Mittag 40° Körpertemperatur. Auscultation der Longen ergab nicht gehäufte, trockne Rhonchi. Am andern Tage 39,7% unwillkürlicher Urinabgang, Parese des rechten Armes und der rechten Gesichtshälfte, das rechte Augenlid war frei, sonst derselbe Zustand als vorher. Die Milz war nicht ver- grössert. Verf. liess den Pat. zwei Mal in Wasser von 35° C. baden und ver- suchte die Chinininjection in eine Vene des linken Ellenbogens nach der Baceüi- schen Methode, jedoch unter Assistenz eines Collegen und vorgingiger Blutunter- suchung. Der zweite Arzt Dr. Edauw fand in den von Verf. nach Plehn's Methode angefertigten, resp. gefärbten Blutpräparaten „einige siegeln ngförmig« Plasmodien, ausserdem zahlreiche kleine Sporen, in Haufen frei zwischen den Blutkörperchen liegend, sowie einzelne kleine Plasmodien mit blaugefürttec nucleolus, freiliegendes Blutpigment“. Daraufhin wurde die Diagnose auf Malaria sicher gestellt und die Bacelli’sche Injection vorgenommen, welche abends 6 Uhr wiederholt wurde, weil nicht der geringste Erfolg resp. Temperaturerniedrigung eintrat Nach der zweiten Injection wurde der Pat. ruhiger, die Parese schwand aber nicht. In der Nacht Temperaturermässigung auf 39* C. Am andern Tage Mittags unter Zunahme der Lähmung und Herzschwäche, da KampherinjectKnea nicht aufhalfen, exitus lethalis.

Die Section ergab Oedem der Pia mater, starke Blutfüllung der Sinus und Himgefässe, Fruchtäthergeruch der Gehimmasse. Die linke Herzkammer enthält sehr wenig Blutcoagulum. ebenso der linke Vorhof, hingegen waren rechter Von- hof und Ventrikal stark mit Blutcoagulum gefüllt, Lungen sehr blutreich, sonst lieferte die Section der Brusthöhle nichts Besonderes, ein Bild, welches bei den verschiedensten Todesarten, auch bei Herzlähmung, uns entgegentritt Die Milz war wenig vergrössert, schlaff, Nieren hyperämisch. Im Herzblut fand Verfass« keine „deutlich entwickelten Plasmodien“, in den Nierengefassen „freiliegende Sporen ohne nucleolus“. Verf. hat wahrscheinlich, wie auch in den Präparat® des peripheren Blutes. Blutplättchenhaufen für Sporen der Malariaparasiten an- gesehen, deren kleine Siegelringform nur in den Organen zur Sporulation kommt

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

107

Eine sacbgemässe Einsicht bei der Cbininbeh&ndlung in Hinblick auf die biologi- schen Verhältnisse der tropischen Malariaparasiten und nach Lage des betreffenden Krankheitsfalles kundige mikrosoopische Controle des Blutes, kann nicht dringend genug von allen Tropenärzten gefordert werden. Dr. Karl Däubler.

Esnige Gegevens omtrent Pelantoengan all hentellingeoord voor maiarlaiydert door Dr. A. E. H. Lubbers, Sanitätsofficier I. Klasse. Geneeskundig tijdschrift voor Ned. Indie. Deel 86. Aflev. 5 u. 6.

Verl, welcher die von der Küste aus Semarang nach dem 19 Kilometer von der See und 663 Meter hoch belegenen Pelantoengan gesandten malaria- kranken Soldaten behandelte, sammelte ausserdem noch 186 Malariafälle 180 Europäer, 56 Inländer aus den Listen seines Vorgängers. Eine genaue Beschreibung der klimatologischen und geologischen Verhältnisse des Ortes zeigt, dass dort bei mässiger Kegenhöhe, wenig feuchter Luft, die tägliche Temperatur- differenz fast beträgt, wie selten auf Java. Dem aus Thon mit Trachit be- stehenden Boden, dessen dem Trachit aufgelagerte Thonerde dünn ist, entströmen in diesem District viele warme Quellen, wovon eine 46* C. Temperatur. Aus dem Vorkommen theerartigen Oeles und Kohlensäure im Brunnenwasser ist a Steinkohlen in der Tiefe zu schliessen. Den wasserstauenden Einfluss des th- weise vorkommenden Thonbodens scheint das starke Gefälle in den Flussläi auszugleichen, wodurch der Boden sehr gut drainirt wird.

Im Mittel hatten die Malariapatienten 2% Monate zu ihrer Herstellung nöthig, dass die Inländer länger blieben, schreibt Verf. ihrer geringeren Energie (Trägheit) zu.

Eine sehr übersichtliche Tabelle zeigt, dass die Dauer einer Verpflegung von mehr als 5 Monaten für beide Rassen schon eine Ausnahme bildet. Die Gewichts- zunahme welche Verf. als Maassstab für die Fortschritte der Reconvalescenz an- sieht, war am höchsten im dritten Monat = 6,4 Kilo, bei Inländern im zweiten = 5,8 Kilo. Während des Verf. einjährigen -Aufenthaltes in Pelantoengan starb ein europäischer Soldat von etwa Hundert dorthin gesandten erkrankten Europäern. Für den Felddienst in Indien nicht mehr brauchbar befunden 8 Weisse = 6% und 8 Inländer = 5%.

Von den Weissen hatten 41%, von den Inländern 73% vom Tage ihrer Ankunft an, auf Pelantoengan überhaupt kein Fieber mehr und so fort während ihres ganzen Aufenthaltes.

Verf. schildert dann die Eigenartigkeit des Auftretens der Fieber bei den übrigen und hebt hervor, dass freie Fieberintervalle von 1—4 Monaten Vorkommen, in einem Falle von 4% Monaten, dass sich die Malariaplasmodien lange nur in den Organen halten (Milzblut), um plötzlich, resp. gelegentlich, wieder einen Fieberanfall auszulösen und dann im peripheren Blut erscheinen. Da solche seltenen Fieberanfälle nur 1—2 Tage anhielten, dann fortblieben, auch milde waren im Vergleich zu denen in der Ebene, so schreibt sie Verf. wohl mit Recht nicht auf Rechnung einer Neuinfection. Nur bei 7 Weissen und 1 Inländer dauerte das Fieber bei Gelegenheit eines Recidivs länger als 3 Tage. Chinin wurde anscheinend, wie auch in anderen Sanatorien Indiens nicht angewandt. Lubbers bestätigt durch seine Arbeit die Beobachtungen Kohlbrugges auf Tosari.

Dr. Karl Däublen

Digitized by Google

108

II. Besprechungen und Litteratur&ngaben.

Wldil’i reaction in th« tropica. Iiy W. C. Brown. The Lanceb Octob. 23. 13)7. png. 1036.

In den Tropen ist es oft sehr schwer, Typhus und Malaria auseinander m halten. Auch scheinen Mischformen vorzukommen. Ein solches Hilfsmittel für die Typhusdiagnose, wie die Widal’sche Serumreaktion , musste daher sehr will- kommen sein. B. theilt 20 Fälle mit, in denen er die Reaction differenialdi*- gnostisch verwerthen konnte. Victor Lehmann.

Euchinin in maiarla. Bv St. Geo. Gray. British Med. Journal. Febr. 26. 13)3. pag. 551.

G. hat mit Euchinin bei Malaria gute Erfolge gehabt Er findet, dass eine geringere Menge als vom Chinin nöthig sei; 10 15 grain Euchinin soll« 20 bis 25 bis 30 grain schwefelsaurem Chinin entsprechen. Die Geschmacklosigkeit des Euchinins ist ein grosser Vorzug*). Victor Lehmann.

On the ftagellated form ol the malaria parasite. By W. G. Mac Call um. The

Lancet. Nov. 13, 1897. p. 1240.

Im Blute von Krähen, das mit Halteridium Labbe inficirt war, konnte JL sehen, dass von den zwei Formen des erwachsenen Parasiten, der hyalinen und der granulirten, sich nur die hyaline im Laufe der Zeit zum geisseltragenden Organismus entwickelt. Sie verlässt dann ihr Blutkörperchen, die Geissei wirf selbstständig, bohrt die granulirten Parasiten an, nimmt deren Pigment auf uni lebt geraume Zeit als spindelförmiger, am hinteren Ende pigmentirter Organis- mus weiter. Etwas Aehnliches konnte in einem Falle in Malariablut beobachtet werden. M. vermuthet, dass der spindelförmige Organismus vielleicht die Form ist, die ausserhalb des Körpers leben kann.

Die hyaline Form bezeichnet M. als männljche, die granulirte als weiblich*, die Geissei als Spermatozoon. Victor Lehmann.

On tha flagellcled form of the malaria paruite. By E, Lawrie. The Lsncet.

Febr. 12. 1898. p. 482.

L. bekämpft die vorher mitgetheilten Anschauungen. Nach Ansicht all« übrigen Forscher entwickeln die granulirten, nicht die hyalinen Organismen di* Geissei. Spindelformen könnten in runde Formen umgewandelt werden durch den Mageninhalt des Moskito, ja schon durch Wasserzusatz zum Blute. Er er- läutert solche Um wandelungen von Blutkörperchen und von Malariaparasiten durch Illustrationen.

L. bekämpft ferner ziemlich heftig die ganze Malariaparasitentheorie, da der Parasit nirgends als im Malariablute gesehen werden könne und auch da nicht Immer. Die sogenannten Parasiten seien nichts als veränderte Blutzellen!

Victor Lehmann.

•) Vergleiche auch F. Plehn, Band I, psg- 407 dieses Archivs.

Anm. d. Red.

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

109

Ueber klimatische Bubonen von Dr. 0. Nagel.

Münchener Med. VTxhenechrifl.

Bei 18 Europäern beobachtete Dr. Nagel in den Tropenmeeren klimatische Bubonen und schliesst sich Rüge an, der nach sorgfältiger Prüfung als Entstehungs- Ursache andere causale Momente ausschliessen konnte. Namentlich wendet sich Nagel gegen die Annahme Dr. Mattin's, der solche Bubonen einfach als Malaria- complication betrachtete, auch bestreitet er Schellong’s Anschauung, der die Bu- bonen als selbstständige Krankheit nach Malaria ansieht Verfasser thut recht, Un- klarheiten zu beleuchten und zu beseitigen, muss aber für seine eigenen Unter- suchungen die Unterlassung der Blutuntersuchungen anerkennen. Seine Beobach- tungen haben daher nur den "Werth der Wahrscheinlichkeit, wenn auch Chinin auf das die Bubonen begleitende Fieber nicht wirkte. Dass in den Tropen Bu- bonen Vorkommen, bei denen exact eine anderweitige Infection ausgeschlossen ist, habe ich früher Dr. Rüge bestätigen können. Dr. K. Däubler.

Dysenterie.

Magnesium sulphate in tropical dysentery. British medic. Journal, 1898, I, p. 298,

554 et 598.

M. F. Wyatt Smith, medecin k Thöpital angiais de Buenos Ayres recom- mande l'emploi, dans la dysenterie aigue, du sulfate de magnesie ä dose purga- tive, additionne d'acide sulfurique; il estime que dans cette forme de la maladie, l’ipeca est inutile et ies opiacee dangereux.

A la suite de cette communication , plusieurs medecins angiais confirment l'opinion de M. Wyatt Smith. L'un d’eux M. Thomas M. Wiglesworth donne toutes les deux heures une demi once (environ 14 grammes) d’une solutiou aqueuse saturee de Sulfate de magnesie et 15 gouttes d’acide sulfurique dilue; diete lactee.

C. F.

Lepra.

Die Lepra. Von A. v. Bergmann. Aus „Deutsche Chirurgie“ Lief. 10b. XXII, 112 Seiten u. 7 Tafeln. Stuttgart 1897. Enke. M. 6. .

Seit der Arbeit Neisser’s in Ziemssen's Handbuch der speciellen Patho- logie und Therapie im Jahre 1883 ist keine monographische Bearbeitung der Lepra in Deutschland erschienen. Man bringt aber heute allerseits dieser Er- krankung ein grosses Interesse entgegen, da der Besitz kolonialer Territorien die Möglichkeit der Uebertragung der Lepra nach Deutschland durch krank heim- kehrende Auswanderer in reichem Maasse bietet und die von Osten eindringende Seuche bereits die deutsche Grenze überschritten, im Memeler Kreise einen Lepraheerd geschaffen hat. Mithin ist es als ein sehr dankenswerthea Unternehmen zu begrüssen, dass Verl, ein erfahrener Lepraforscher, eine zusammenfassende Besprechung dieses Gegenstandes unternommen hat Verf. ist ein überzeugter Contagionist und betont, dass nur da ein Stillstand und eine darauf folgende stetige Abnahme der Krankheitsverbreitung Platz gegriffen habe, wo eine einiger- maassen der Verbreitung der Krankheit entsprechende Anzahl von Asylen in Tbätigkeit ist und in steigender Progression die Kranken dem Zusammenleben mit den Gesunden entzieht Wenn gegenüber dieser Lehre immer die gering« Uebertragungsziffer der Lepra in der Ehe angeführt wird, so weist Verf. mit Recht auf die Ehen der Luetischen und Tuberculösen hin. Wie relativ selten

Digitized by Google

HO II. Besprechungen und Litteratu ran gaben.

erfolge auch hier die Uebertragung, ohne dass es Jemandem in den Sinn tarne, an der Uebertragbarkeit dieser Krankheiten zu zweifeln. Bemerkenswerth ist aber, dass Bergmann nach seinen Erfahrungen auch die Anschauung vertritt, dass die Lepra nicht bloss durch directen Verkehr, sondern auch indirect durch Gegenstände übertragen werden kann. Erschwert wird natürlich die Constaürung jeder einzelnen solchen Uebertragung durch die mitunter sehr lange Incub&üons- dauer der Lepra. Gegenüber der von Hansen betonten Heilung der Lepra anaesthetica meint Bergmann mit Recht, dass man hier doch wohl besser von einer gewissen Latenz des Leidens sprechen sollte. Diese Latenzperiode kann ja sehr lange andauern, der Kranke kann inzwischen intercurrent einer Pneu- monie oder irgend einer andern Erkrankung erliegen, aber ebensogut kann er auch neue Lepraerscheinungen bekommen. Die Prophylaxe der Lepra ist ein* einfache. Sie besteht in Reinlichkeit und Beobachtung geläufigster Regeln der Hygiene. Alle bisherigen therapeutischen Versuche sind fehlgeschlagen. Nie war ein dauernder Erfolg zu erzielen, cur die Isolirung der Leprösen kann dem weiteren Umsichgreifen dieser Krankheit Einhalt gebieten. Max Joseph.

Im British Medical Journal, November 18, 1897, p. 1409, wird von Phineas S. Abraham eine Uebersicht über die Lepra im Britischen Reiche gegeben und die etwa dagegen angewandten Maassregeln besprochen.

In Grossbritannien und Irland werden immer einige Fälle beobachtet, gegen die keine Präventivmaassregeln ergriffen werden und nach Verf.'s Ansicht auch nicht ergriffen zu werden brauchen.

In den Colocieen ist die Unterbringung und eventuelle Isolation in ver- schiedener Weise geordnet. Besorgnisserregend ist nach dem Verf. auch dort nirgends die Ausbreitung der Lepra, und von zwangweiser Isolation ist nach seiner Ansicht am besten abzusehen. Victor Lehmann.

Schlafsucht der Sen er.

K doenpa do somno i o hu baciilo (Die Schlafkrankheit und ihr Bacillus) por Antanio Olympio Cagigal et Ch&rlea Lepierre. Coimbra Medica 1857. Nr. 30 u. 31.

Die bisher selten in einer europäischen Klinik zur Beobachtung gelangte Schlafsucht der Neger lieferte im Mai 1897 den Verfassern zu Coimbra einen Fall in Gestalt eines schwarzen Küchenjungens aus Angola Der Kranke erlag am 24. Juli. Die am Lebenden und an der Leiche angestellten bacteriologischen Untersuchungen führten C. und L. zur Entdeckung eines Bacillus, welcher von denen der Hühnercholera und der Beri-Beri (? Ref.) ebenso verschieden ist, wi* von den Bacillen, welche Antonio de Carvalho Figueiredo 1889 in Lissabon bei einem an der Schlafsucht leidenden Schwarzen fand.

Die Krankengeschichte des Negers ergab in Bezug auf erbliche Belastung nichts. Die Anamnese, welche der Herr des Kranken mittheilte, ergab, dass die Krankheit vor drei Jahren begann. Man musste den Knaben morgens schütteln, um ihn zum Aufstehen und Ankleiden zu bewegen. Sobald es sein Dienst er- laubte, suchte derselbe allein zu sein, setzte sich in die brennende Sonne and schlief ein. Anfangs sss er noch mit Appetit, klagte aber manchmal über Kopf-

Digitized by Google

ü. Besprechungen und Ijttera tu rangaben.

111

schmerzen und litt an leichten Fieberanfällen mit einleitendem Schüttelfrost Anschwellung der Inframaxillar- Drüsen trat frühzeitig auf. Seit 1% Jahren lebte der Kranke in Portugal, sein Zustand verschlimmerte sich beständig, die Schlaftrunkenheit nahm zu, trotz guter Ernährung bei anhaltendem Appetit nahm sein Körpergewicht ab und die Kräfte verfielen. Es trat Incontinenz der Blase und des Darmes ein. Der Kranke war kein Trinker und hatte noch nie Ge- schlechtstrieb gezeigt (Referent kann ergänzend bemerken, dass nach seinen Beobachtungen am Congo Alcoholismus, Missbrauch von Kola oder Haschisch, Excesse in venere, Heimweh und Ueberarbeitung als entscheidende ätiologische Momente zweifellos auszuschliessen sind.)

Der Befund des Kranken entsprach den obigen Angaben. Seine Haltung war lässig. Gleichgültig gegen die Umgebung, suchte er bald sein Lager auf, verharrte in stärkster Beugung der Extremitäten, hielt den Nacken bei versuchten Bewegungen steif und liess aus den halbgeöffneten Mundwinkeln übelriechenden Speichel rinnen. Die Unterleibsorgane erschienen bei Druck etwas schmerzhaft Anbefohlene Bewegungen glichen denen eines Betrunkenen. Die Empfindlichkeit war herabgesetzt, Plantar- und Kremasterreflex aufgehoben, Palmarreflexe be- deutend vermindert sonstige Sehnenreflexe fast ganz erloschen. Die elektrische Reizbarkeit war im ganzen Körper vermindert, am meisten am rechten Unterarm und auf der Streckseite des linken Fusses. Puls und Herz waren normal, die Athemzüge betrugen im Mittel 32 in der Minute. Die Lichtempfindlichkeit war herabgesetzt. Die Harnanalyse ergab nur den Befund eines Blasenkatarrhs. Während der Hospitalbeobachtung traten nur unbedeutende Fieberbewegungeü auf, nur einmal stieg die Körperwärme bis auf 39 * C., vor dem Tode kam es zu subnormalen Temperaturen.

Um den Krankheitserreger zu finden, entnahmen die Autoren unter den üblichen Kautelen dem Kranken eine Blutprobe aus einer Vene des 1. Unter- arms und der 1. Hand. Die mikroskopische Untersuchung ergab an ungefärbten und gefä'bten Präparate im Blut einen an den Enden leicht verdickten Bacillus. Die Dimensionen desselben waren im Blnte 2 21/, :0,5m >n Cultnren, welche auf Serum nach drei Tagen, auf Gelatine anfangs erst nach 4 Wochen gediehen, waren seine Maasse 3 4:1 p. Der Mikroorganismus ist gradlinig, manchmal leicht gekrümmt, wenig beweglich, färbt sich gut mit Anilinfarben, entfärbt sich nicht nach Gram, bildet Filamente und lässt bei Behandlung nach Hueppe im Innern Sporen erkennen. Das Aussehen desselben erinnert an den bac. an- thracis. Temperaturen zwischen 80—37 ° sind seiner Entwickelung am günstigsten. Feuchte Wärme tötet ihn rasch zwischen 70 und 75°, ebenso Luftabschluss. Zucker wirf nicht zur Gährung gebracht, in Culturen kein Indol erzeugt Auf dem günstigsten Nährboden, Blutserum, wurden die Culturen schon am Ende des

1. Tages sichtbar und verflüssigten das Serum nach 3 4 Tagen. Auf Gelatine- Platten erschienen nach wiederholter Ueberimpfung des fortgezüchteten Bacillus bei oberflächlichen Colonien nach 24 Stunden unregelmässige kleine Punkte, am

2. Tage glichen dieselben einem Knänel Garn oder einer milchig getrübten Kapsel, sau 8. oder 4. Tage gingen vom Centrnm der Colonie zahlreiche Schimmelmy- celien gleichende Fäden aus. Diese Phase ist sehr charakteristisch. Die Ver- flüssigung der Gelatine begann nach 5—6 Tagen.

Strichculturen entwickelten sich zeitlich wie Plattencnlturen und zeigten am 2.-8. Tage genau das Anssehen einer Vogelfeder, Stichculturen gaben ein ähr-

Digitized by Google

112

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

liches Bild in Gestalt baumartiger Verzweigungen senkrecht zur Stichrichtung, welche am 3. Tage deutlich wurden. In basischen mineralischen Flüssigkeiten fand keine Entwickelung statt, Milch wurde nach einigen Tagen ooagulirt

Von den mit Flüssigkeit aus den Körperhöhlen des Kadavers 43 Stunden nach dem Tode angelegten Culturen entstand nur aus der Intraperitonealdüasigkeit der von den Autoren als pathogen betrachtete Mikroorganismus.

Das Thierexperiment stützt die Annahme von C. und L. Mit den Culturen geimpfte Kaninchen und Meerschweinchen erkrankten, zeigten stetige Gewichts- abnahme, 8chläfrigkeit, Paresen der Hinterbeine und Fieberbewegungen. Im Blute fand sich stets der oben beschriebene Bacillus. Anscheinend genesene Kaninchen reagirten auf wiederholte Infection, einige Kaninchen schienen sich jedoch an die von dem Krankheitserreger erzeugten Toxine zu gewöhnen. Die eingegangenen Thiere (bei Druck der Publication erst eins, nach schriftlichen, ergänzenden Mittheilungen vier von elf) zeigten keine Convulsionen vor dem Tode. Die lange Dauer der Erkrankung und das Fehlen von Krämpfen vor dem exitus sowohl bei dem Neger wie bei den Versuchskaninchen weicht von den von dem Referenten beobachteten hallen ab.

Meerschweinchen, subcutan oder peritoneal inficirt, reagirten deutlich, aber weniger stark als die Kaninchen unter gleichen Erscheinungen, erholten sich aber meist rascher, eines von dreien starb am 87. Tage. Die Virulenz des Krankheits- erregers wurde durch gleichzeitige Injection von Culturen des bac. coli bedeutend verstärkt Von 4 Meerschweinchen starb schon eines unter Convulsionen nach einem Gewichtsverlust von 80% am 4., das zweite ebenso am 22., das dritte ohne Krämpfe am 41. Tage. Mit dem Herzblut angelegte Culturen ergaben den beschriebenen Bacillus. Aus ihren Beobachtungen ziehen die Verf. den Schluss, dass sie den specifischen, bisher noch nicht beschriebenen Krankheitserreger der Schlafsucht der Neger gefunden haben. M.

JP ent,

Dr. Dleudonnä. Ueber die Resultate der Yersin'schen und Haffkine- sehen Immunisirungs- und Heilungsversuche bei Pest. Münchner Med. 'Wochenschrift Nr. 6, 1898.

Yersin wird vom Verf. betr. der Einführung der Serumbehandlung bei Pest in den Vordergrund gestellt Yersin hatte durch abgetödtete Pestagarcultureu, welche Kaninchen injicirt wurden, ein Kaninchenblutserum erhalten, welches schon in der Dosis von 3 ccm andere Kaninchen gegen Impfung mit virulenten Pestbacillen schützte, selbst noch 12 Stunden nach der Infection. Hiernach wurde die Serumherstellung im Institut Pasteur an Pferden im Grossen betrieben, den Pferden wurden lebende, frische Pestagarculturen in die Venen injicirt, in lang- sam steigenden Dosen und in gewissen Pausen. Drei Wochen nach der letzten Einspritzung wurde das Pferdeblutserum bereitet und zeigte bei Mäusen eine deutliche, aber geringe Heilwirkung, dagegen eine hohe präventive Wirkung. Yersin hatte bei Menschen in Canton und Amo 1896 gute Resultate, von 26 mit Serum behandelten (schwere Fälle) starben nur zwei, hingegen starben in Indien von 141 Kranken 49 %• In Indien wurde jedoch nur schwaches Serum angewandt Die russische Commiaaion gebrauchte Yersin’s Serum in Bombay und

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

113

hatte nur 40 */o Mortalität (sonst 80 %), die deutsche 50 % Mortalität Verfasser führt aber aus, dass die günstige curative Serumwirkung nur eine scheinbare sei, wegen seiner Anwendung bei nur frischen 1 2 Tage alten uncomplicirten Fällen, welche nach dem Urtheli erfahrener Aerzte, vermuthlich auch ohne Serumbe- handlung, die günstige Genesungsziffer gehabt hätten. Beim Thiere dagegen, wies sowohl die deutsche, wie die russische Pestcommission (besonders wurden Affen benutzt) nach, dass das Serum unzweifelhafte, curative Eigenschaften hat. Der Mensch ist für sehr geringe Mengen des Infectdonsstoffes empfänglich, welcher in seinem Körper sich stark vermehrt; um Heilerfolge bei ihm durch das Serum zu erzielen, bedarf es grosser Quantitäten.

Die prophyiactische Wirkung des Serums hingegen ist von grosser practischer Bedeutung. Von 500 im Peslherde lebenden und mit Serum geimpften Personen erkrankten nur 5, von denen 2 starben. Die Krankheit brach aus am 12 tan bis 42ten Tage nach der Injection, was mit unseren Kenntnissen über die Schutz- dauer einer Serumeinspritzung übereinstimmt. Auf bereits im Incubationsstadium Stehende hat eine Dosis von 5—10 ccm, wie sie Verein an wendet, keine W'irkung mehr, höchstens eine abschwächende. Simmond sah unter 400 mit Serum Ge- impften keinen Pestfall. Die Frage, ob das Pestserum bactericid oder antitoxisch wirkt, beantwortet Roux so, dass alle Pestserumarten nur antitoxisch wirken, allein die Antitoxinwirkung sich verstärkt bei Darstellung des Serums durch Venen- injection lebender Bacillen, schwächer ist bei Verwendung abgetödteter Culturen. Ein Serum, hergestallt aus unverändertem Pestgift, ist am stärksten antitoxisch. Wäh- rend durch Terein’s Impfungen eine sog. passive, d. h. für den Geimpften folgen- lose kurzdauernde Immunität hergestellt wird, erzielt Haffkine die sog. active Immunisirung durch di recte Injection abgetödteter Pestculturen , welche die im- munisirenden Stoffe noch enthalten. Erwachsene erhalten 2% 8 ccm, Kinder 1 ccm, wonach in der Regel Reactionserecheinungen folgen. Wenn möglich er- folgt eine 2. Injection. Zuerst wurden damit 154 Gefangene geimpft, wovon nur einer am 7. Tage darnach erkrankte und genas, von 177 nicht geimpften Gefan- genen kamen vom 81. Januar bis 6. Februar 14 Erkrankungen vor, wovon 8 tüdt- jich. Darnach zeigte es sich, dass von 11 862 an verschiedenen Pestherden Ge- impften (zwischen 10/1. und 6/V. 1897) 12 erkrankten, dass in Damaon unter 6088 Ungeimpften 1482 Todesfälle vorkamen = 24,6°/«, unter 2297 Geimpften nur 36 = 1,6 %. Man muss aber an eine gewisse natürliche Immunität der Parsen denken, abgesehen davon war darnach das Verhältniss zwischen den geimpften und nichtgeimpften empfänglichen Hindus etwa dasselbe für die hohe Schutzwir- kung der Haffkine’schen Impfung sprechende, vorhanden, wenn auch der Schutz kein absoluter ist, da 20 Fälle genau bestimmt wurden, die trotz der Impfung tödtlich verliefen. Allein diesen 20 Opfern, sagt Verfasser, stehen auf Seite der Nichtgeimpften 1000 gegenüber. Zugleich war bemerkbar, dass unter den Ge- impften leichte Erkrankungen mit sehr mildem Verlauf vorkamen. Das Haff- kine’sche Serum eignet sich zum Schutz kleinerer Bevölkerungsgruppen und von Aerzten und Krankenwärtern, die mit Pestkranken zu thun haben. Uebrigens meint Verfasser, dass die schleunige Isolirung der Erkrankten und rationelle Des- infectionsmaassregeln, wie bei Cholera (Vehikel, Trinkwasser, bei Pest der Boden und Ratten. Ref.) zur Bekämpfung der Pest ausreichend wären und die Impfung auf besondere Fälle, wie angeführt, zu beschränken sei. Dr. K. Däubler.

114

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

Parasitäre und Haut -Krankheiten.

On certain new specles o( nematode haematozoa occurring in America. By P&trii Kanson. (British Medical Journal December 25. 1897. p. 1837.)

M. hat schon früher neben der Maria sanguinis von Lewi, die er fiiaria nocturna nennt, zwei andere Filariaarten bei Negern nachgewiesen, fiiaria diurai und perstans. Dann hat er in westindischem Blute eine neue Art nachgewiesen, die er fiiaria Demarquayi nennt. Kürzlich entdeckte er bei Indianern in Guajana wieder eine neue Form.

Wir kennen nunmehr beim Menschen wenigstens sechs Blutfilarien.

Victor Lehmann.

Xacland. Note sur une affection designce dans la boucle du Niger et le pays de Kong sous les noms de Goundou et Anakre (grosnez) Arch. de medec. navale et coloniale 1895, I, p. 25.

Cette affection parait propre aux Agnis de la grande foret de Komoe, sur la cöte d’Ivoire; eile se caracterise par l'apparition d'une double tumeÄ ovoide, siegeant de chaque cote du nez. Cette tumeur debute »ans cause connue. dans l’enfance ou l’adolescence, independamment du traumatisme et de toute infection tuberculeuse, lepreuse on syphilitique. Dans les premiera temps eile s’accompagne de cephalalgie, avec ecoulement de sang et de pus par les narines: plus tard ces symptömes disparaissent. Les tumeurs, symetriques, croissent lentement; dies sont dures, de consistance osseuse, recouvertes d'une peau saine: il n'y a pas d'uleeration. de generalisation ni de tumefaction des gangleons lym- phatiques. Chez l’adulte le volume peut atteindre les dimensions d un oeuf. d'une orange ou meme du poing; il en resulto une compression des globes ocu- laires, qui s’atrophient; il se produit une cecite progressive. Letat general n’est pas altere.

L'auteur n'a pas pu examiner anatomiquement ces tumeurs ; il emet l’hypo- these qu’il s'agit de leSicns parasitaires, produites par des larves de dipteres.

C. Firket (Liege).

Strube. Ueber das endemische Vorkommen von Parasiteneiern und -larven im Harn der Bewohner von Natal und Transvaal. (Aus der II. medic. Universitätsklinik in Berlin).

Die Untersuchten waren Bewohner Südostafrikas, zum Theil Eingeborene, den im Norden von Transvaal ansässigen Negerstämmen der Basuto, Maquamha und Bawenda angehörig, theils Eingewanderte, Indier, welche von Madras in Ostindien vor kürzerer oder längerer Zeit nach Natal gewandert und dort an- sässig geworden waren. Es fanden sich 3 Formen parasitärer Gebilde im Harn. I. die Eier der Bilharzia haematobia. H. Larven der Fiiaria sanguinis hominis keine Lymphstauungen, keine Chylurie, negativer Blutbefund auch bei um Mitternacht vorgenommenen Untersuchungen. III. Eine bisher nicht in classificirende Form von Parasiteneiern: ovaie bis rundliche Gebilde, 0,06 0,07mm lang, 0,04 mm breit, mit schmaler doppeltcontourirter Schale von glatter Ober- fläche und völlig ausgefüllt von einem grobkörnigen, grünlichen Inhalt Die Eier befanden sich alle in dem gleichen Entwicklungsstadium; Versuche, durch Ver-

Digitized by Google

II. Besprechungen und Littera tu rangaben.

116

änderungen der Temperatur oder Uebertragen des Ham, Sediments in Wasser ver- schiedener Temperatur eine Weiterentwickelung anzuregen, führten zu keinem Er- gebnis. Rieh. Pfeiffer, Cassel.

Dr. Reinhold Roge, Marine -Stabsarzt Ein Beitrag zum Krankheitsbilde des Eczema tropicum. fBerl. Klin. Wochenschrift 1897, Nr. 39).

Während der Blokade der ostafrikanischen Küste beobachtete der Verfasser auf dem Aviso Pfeil von Januar bis Marz 1889 achtzehn Fälle eines pustu- lösen Eczems, welches von den Achselhöhlen, dem Gürtel und der Inguinocrural- gegend ausging und unter Neigung zur Geschwürsbildung sich über die Nach- barschaft verbreitete. Dieselbe Erkrankung ist von Tribondeau in den Annales de medecine navale et coloniale, 1897, Heft 2 beschrieben und als eine besondere Art des Eczema tropicum aufgefasst worden. R. führt die Entstehung dieser Hautaff ec- tion, welche auch von anderer Seite als eine besondere Form des Lichen tropi- cus angesehen wird, zurück auf die hohen Lufttemperaturen, Mangel an reinigen- den Waschungen mit Süsswasser und Seife, fortgesetzte Seewasserwaschungen und Tragen von Unterkleidern, welche mit Seewasser gewaschen und deswegen salzhaltig waren. Referent bemerkt hierzu, dass ähnliche Eruptionen auch im gemässigten Klima beobachtet werden und mit dem liehen tropicus seines Er- achtens nichts zu thun haben. Bei Behandlung von Eczemen des perineums, der rima ani, des scrotum und der Schenkelbeuge kann man sehr häufig dort, ■wo die Hautflächen sich berühren und dann auch in der Nachbarschaft die Ent- stehung linsengrosser Pusteln beobachten, welche sich vom Eczem durch die in- filtrirte Umgebung unterscheiden und Acnepusteln gleichen, denn es sind offen- bar vereiternde Talgdrüsen. An jenen Körperstellen treffen dann die. begünstigenden Umstände zusammen, welche Rüge mit Recht für die Entstehung verantwortlich macht: hohe Temperatur, mangelnde Reinigung, theilweise in Folge der Salben- behandlung, Berührung mit salzhaltigen Flüssigkeiten, nämlich Schweiss und Urin. Bei Behandlung von Scrotaleczemen der Neger am Congo hat Referent ebenfalls diese Eiterpusteln entstehen sehen, nie aber in der Achselhöhle, weil dort die günstigen Momente fehlen. Durch Borwasserkompressen ist das Leiden leicht zu heben. M.

Thieriache und pflanzliche Gifte.

Dr. A. C&lmette, Le venin des serpents, Physiologie de l'evenimation. Traitement des morsures venimeuses par le serum des animauz vaccines. Paris 1896.

Verf. fasst im vorliegenden Werkchen seine Untersuchungen über das Schlangengift zusammen. Eingehend bespricht er die geographische Verbreitung der verschiedenen Giftschlangen, sowie den anatomischen Bau der Giftdrüsen und Zähne, die Menge des abgesonderten Giftes und seine zu verschiedenen Zeiten verschieden starke Wirkung, die nach längerem Fasten des Thieres viel orheb- licher ist.

Es werden dann die Erscheinungen der Vergiftung besprochen. Das Gift afßcirt das Centralnervensystem, besondere den vierten Ventrikel und das ver-

Digitized by Geogle

116

III. Sonstige Werke.

längerte Mark. Es diffundirt im Körper sehr rasch, und daher ist eine Local* behandlung des Schlangenbisses meist nntzlos.

Intravenöse Einführnng des Giftes wirkt am schnellsten, langsamer die subcutane und intraperitoneale. Auf den Schleimhäuten bewirkt es starke Ent* Zündung und Eiterung. Durch 10 Minuten langes Erhitzen auf 80* C. kann die phlogogene Eigenschaft beseitigt werden, ohne dass die toxische schwindet.

Durch Erhitzen kann die toxische Wirkung abgeschwächt werden. Aul- gehoben wird dieselbe durch Mischung des Giftes mit nicht zu verdünnter Kali- oder Natronlösung, mit Chlorwasser, Bromwasser, übermangansaurem Kali, unter* chlorigsauren und unterbromigsauren Alkalien, Chlorkalk, Chlorgold. Die Chlor- derivate wirken auch, wenn sie einige Zeit nach dem Gifte in den Körper gebracht werden, noch giftzerstörend.

Die giftige Substanz ist kein Eiweisskörper, sondern muss ferment- artig sein.

Das Blut der Schlangen, Salamander, Kröten und Aale ist giftig das Gift scheint sich aber von dem der Giftdrüsen zu unterscheiden.

Gewisse Thiere, wie das Schwein und der Ichneumon sind bis zu gewissem Grade gegen das Schlangengift immun. Ob die indischen Schlangenbeschwörer sich künstlich immunisiren, ist noch zweifelhaft An der Küste von Mozambique und bei gewissen mexicanischen Indianern besteht dagegen eine Impfung gegen Schlangengift ebenso im französischen Jura.

Die sicherste Methode, Thiere gegen das Gift zu immunisiren, besteht darin, immer grössere Giftmengen, die mit immer geringeren Chlorkalkmengen gemischt sind, zu injiciren. Das Serum solcher immunisirten Thiere besitzt, wie Verf. gezeigt hat prophylaktische und auch heilende Wirkung, wenn es etwa innerhalb der nächsten 2 Stunden nach dem Bisse angewandt wird. Das Serum wirkt übrigens auch gegen Scorpionbisse.

Verf. giebt noch genaue Anweisung, wie Schlangenbisse am besten zu behandeln sind, und fordert, um Serum gewinnen zu können, zur Einsendung von Schlangengift an das Institut Pasteur zu Lille auf. Victor Lehmann.

in. Sonstige Werke.

Malattie predominanti nei paesi caldi et temperati, von Dr. Filippo Rho, Turin

1897. Rosenberg & Sellier.

„Seinen Collegen von der königlichen Marino“ hat der schriftstellerisch auch in Deutschland bestens bekannte Verfasser das 779 Seiten umfassende mit zahl- reichen Abbildungen ausgestattete Werk gewidmet. Das Buch ist hauptsächlich auf die Bedürfnisse des italienischen Colonial- und Schiifsarztes zugeschnitten, dessen langgestrecktes Heimathland im Norden das Klima Mitteleuropas hat, im Süden dagegen den nordafrikanischen Küstenländern ähnliche klimatische Ver- hältnisse aufweist. Dasselbe behandelt die Krankheiten, welche das tropische Klima mit dem gemässigten gemein hat, oder welche von der warmen zur ge- mäss igsten Zone wandern oder leicht verschleppt werden. Da diese pathologische Gruppe schwer festzustellende und leicht wechselnde Grenzen hat, so musste der Autor den Rahmen seines Werkes etwas willkürlich fassen und die einzelnen

III. Sonstige Werke.

117

Kapitel verschieden eingehend behandeln, um nicht aus dem Buche eine Patho- logie und Therapie fast aller Krankheiten werden zu lassen. Deswegen um- fassen die ereten 8 Capitel (von 25), welche Dengue, Gelbfieber, Pest, Cholera, Beri-Beri, Dysenterie, Hepatitis und Malaria besprechen, mehr als die Hälfte des Werkes.

Beim Dengue-Fieber erörtert Rho eingehend auch die Differential- Diagnose von D. und Influenza, beim Gelbfieber lassen die prophylactischen Vorschläge den erfahrenen Marinearzt erkennen. Sanarelli's Beobachtungen konnten dem Verfasser noch nicht bekannt sein, stimmen jedoch gut zu den von demselben entwickelten Anschauungen. Einen Anhang zum Gelbfieber bildet das sogen, biliöse inflammatorische Fieber, welches besonders französische und belgische Autoren bald als selbstständige Krankheit, bald als milde Form des gelben Fiebers auffassen. Rho ist anderer Ansicht und hält diese in Deutschland kaum als besondere Affectionen gewürdigten Krankheiten theils für Typhoide, theils für Fieber, welche durch Autointoxication vom Darm aus entstehen (vergl. auch das Referat über Poskins Werk, Heft I, 1898, dieser Zeitschr.). In dem die Beulenpest behan- delnden dritten Capitel ist bereits der Verdienste und Entdeckungen Yersin’s gedacht.

Besonders ausführlich ist die Cholera besprochen, wobei sich Rho auf den zwischen Localisten und Contagionisten vermittelnden Standpunkt Hüppe ’s stellt und auch die Pathologie und Therapie erschöpfend darlegt. Die Vorschriften der Sanitätsconferenz zu Venedig, nach welchen der Schiffsarzt sich zu richten hat, sind wiedergegeben.

Bei Durchsicht des Capitel V, Beri-Beri, wird man mit Befremden lesen, dass diese Krankheit auch in Irland, Flandern, Preussen und Schlesien die ärmere Bevölkerung nach Praeger heimsuchen soll! Was die Aetiologie angeht, so kommt Rho nach Darlegung der verschiedenen Ansichten und Beobachtungen zu dem Schlüsse, dass die bacteriologischen Forschungen am meisten Aussicht auf Erfolg haben, welche auf Protozoen, ähnlich denen der Malaria fahnden. (Vergl. die Arbeit Glogner’s, Heft 1 u. 2, 1897, des Arch. f. Schiffs- u. Tropenhygiene). Der Reisnahrung legt Rho keine ätiologische Bedeutung bei. Mit Baelz und Scheube, deren Anschauungen häufig angeführt werden, betrachtet Rho die Beri-Beri als eine Polyneuritis, bedingt durch einen organisirten unbekannten Infectionsstoff, welcher sich an gewissen günstigen Oertlichkeiten entwickelt. Die Dysenterie bezeichnet der Verfasser als eine specifische Enterocolitis, welche sporadisch, endemisch und epidemisch in acuter, subacuter und chronischer Form vorkommt Tropische Wärme begünstigt ihr Entstehen, jedoch fehlt dieselbe auch in den Tropen an manchen Orten, zum Beispiel in Singapore und Fort de France auf Martinique. An anderen Oertlichkeiten haftet die Krankheit mit Vor- liebe selbst in der gemässigten Zone, wie z. B. in Metz. Die Dysenterie wandert leichter als die Malaria, wie die Verschleppung durch Truppen beweist, auch ist dieselbe nicht so gleichmässig in der von ihr heimgesuchten Gegend verbreitet, wie die Malaria, sondern bildet Nester. Der Träger des spezifischen Ruhrgiftes sind die Entleerungen, der Kranken und durch diese das Wasser. Es werden jedoch Erkrankungen an Orten beobachtet, wo, wie z. B. in Massauah, die Truppen destiliirtes Wasser trinken. Auch Schiffsepidemien, welche nach Desinfection des Bilschwassers bei Fortgebrauch desselben Trinkwassers verschwanden, sprechen dafür, dass auch durch die Luft die Krankheitserreger verschleppt werden können.

Archiv 1. Schiffe* u TroptuhygieLe. 11. 9

Digitized by Google

118

III. Sonstige Werke.

Betreffs der Bacteriologie der Ruhr kommt Rho zu keiner bestimmten Stellungnahme in dieser schwierigen Frage, führt jedoch eingehend die verschie- denen Anschauungen auf und zieht den Schluss: Jedenfalls ist anzunehmen, dass in irgend einer Weise das bacterium coli commune, sei es allein in besonderer Virulenz, sei es in Verbindung mit anderen Microorganismen, besonders Strepto- coccen, welche demselben die specifische Wirkung verleihen, das primäre patho- genetische Element darstellt. Die verschiedenen Formen der D. werden dann durch die grössere oder geringere Betheiligung der verschiedenen mitwirkenden Mikroorganismen bedingt. Von letzteren ist am bedeutendsten die Amoeba coli, welche auch im Darme der Gesunden zu finden ist Bei einer gewissen Chro- nicität der Krankheit, besonders beim Auftreten von Darmgeschwüren, vermehrt sich dieselbe stark, verliert den Charakter des unbeteiligten Zuschauers und greift auf die submucosa u. s. w. über. Mit dieser Auffassung lassen sich die verschieden experimentellen und pathologischen Anschauungen und Beobachtungen vereinen, dieselbe gestattet die Annahme .einer bacteriellen und amöbo-bac- teriellen, trotzdem aber giebt Rho zu, dass die Frage der Einheit oder. Dupli- . cität der Ruhr sub judice bleibt. Die pathologische Anatomie und der klinische Verlauf der Dysenterie wird vortrefflich geschildert Von den Nachkrankheiten \ der tropischen Ruhr sei besonders der sekundären Lähmungen gedacht, welche Rho mit Pugibet als Folgen einer kapillaren Thrombose in den nervösen Cen- tren ansieht.

Die Behandlung erzielt bessere Erfolge durch entleerende als durch stopfende Mittel. Auch die mit Recht beliebte Radix Ipecacuanhae ist kein Specifikum. sondern steigert die Peristaltik, vermindert dadurch die Oedeme und Blutungen der Schleimhaut und giebt den Stühlen rasch den natürlichen Kothcharakter wie- der. Wegen der unangenehmen Nebenwirkungen hat man Kalomel, sali rusch» Abführmittel, besonders Magnesia sulfurica in gesättigter Lösung (Dosen von 4 Gramm 1 2 stündlich) versetzt mit einigen Tropfen verdünnter Schwefelsäure, Ol. Ricini und andere Abführmittel an Stelle der Ipecacuanhae mit Erfolg *nge- gewandt. Die örtliche Behandlung des Darmes mittelst adstringirender und anti- septischer Ausspülungen, sowie die Diät ist von grösster Bedeutung.

Die Hepatitis suppurativa, welcher Kapitel VE gilt, wird besonders durch die chronische Dysenterie hervorgerufen. Unter den diagnostischen Merkmalen verdient das wenig beachtete Vorkommen von Urobilin, oft auch Bilirubin im Harn hervorgehoben zu werden.

Der Malaria ist der 8. Abschnitt von 172 Seiten gewidmet Derselbe ist auch als Monographie erschienen. Für sein Vaterland muss der Verfasser den traurigen Vorrang beanspruchen, das am meisten von der Maleria heimgesuchte Land Europas zu sein. Die Verhältnisse am Congo, wo nach Rho das Fieber weniger bösartig auftreten soll als an der Guinea-Küste, und am Cap der guten Hoffnung, welches ganz immun sein soll, beurtheilt der Verfasser zu günstig. Die verschiedenen Arten und Formen der Malariaparasiten, sowie die Ansichten und Studien der einzelnen Autoren sind erschöpfend behandelt. Besonders auf Impfversuche verschiedener italienischer Forscher in den römischen Kliniken ce- stützt kommt Rho dann zu dem Schlüsse, dass es drei verschiedene Arten von Malariaparasiten giebt, deren Jugendformen sich ähnlich sind, ohne ineinander überzugehen. Jede Art ruft eine bestimmte Fieberform hervor, es giebt jedoch Mischformen, wo ein Individuum die verschiedenen Species des Fiebere rregvrs

Digitized by Google

III. Sonstige Werlte.

119

beherbergt. Es würde zu weit führen, die vortrefflichen baeteriologischen Aus- einandersetzungen auch nur kurz wiederzugeben, dieselben entsprechen den auf ein reiches täglich zugängliches Material gestützten Beobachtungen der italienischen Schule und verdienen im Originale studirt zu werden.

Bei Besprechung der einzelnen Malaria-Formen geht Rho auch die für die Tropen so überaus wichtige Frage des hämoglubinurischen Fiebers, seiner Ursache und Behandlung ein und betont A. Plehn gegenüber in einer Anmerkung den Unterschied zwischen spontanem hämoglobinurischen Malariafieber und der Hämo- globinurie durch Chininintoxikation, welche auf chronischer Malariainfection und einer durch dieselbe gesteigerten oft erblichen Idiosynkrasie gegen das Medika- ment beruht. Nach Tomasolli hebt diese Idiosynkrasie den therapeutischen Worth des Chinins nicht auf. Ais Antidot gegen die toxische Chininwirkung erprobte Tomasolli das Opium in Verbindung mit Ergotin in folgender Form : Chinin, sulfur. 0.75, Ergotin Bonjean 0.30, Opii 0.05, m. f. pulv. xliv. in part. aequal. No. IH, in Zwischenräumen von einer Stunde zu nehmen. Im Gegensatz zu A. Plehn fanden die italienischen Pathalogen bei diesen Fiobern nur die gewöhn- lichen Parasiten der schweren Malaria.

Der Leichenbefund bei den einzelnen Formen und Complicationen der Ma- laria ist so gründlich dargelegt, dass ein Auszug im Referat unmöglich erscheint. Die wichtigen Erörterungen der Therapie lassen sich dahin zusammenfassen, dass manche Malariafonnen spontan heilen, nur deswegen konnten die meisten ,, Er- satzmittel“ des Chinins, welches das Specifikum bleibt, anscheinend Erfolge er- zielen. Milde Einwirkung spricht Rho z. B. dem Phenocoll nicht ab, welches auf die Hämatozoen der tertiana und ijuartana wirkt. Arsenik hat eine gewisse Bedeutung bei chronischen Formen und in der Nachkur ebenso Eisen. Das Ka- pitel ,, Malaria“ schliesst mit einem Anhang von durch Kurven veranschaulichten Krankengeschichten. Wenn dor Verfasser diesen Theil als besondere Arbeit er- scheinen liess, so konnte er dieselbe mit Recht betiteln: Malaria secondo i piu recenti studi.

Fortsetzung folgt. M.

Stromer von Reichenbach, Dr. Ernst, Freiherr. Die Geologie der deut- schen Schutzgebiete in Afrika. (München und Leipzig, 1896. Verlag von R. Oldenburg).

Der Verf. hat sich nach dem Vorwort zur Aufgabe gestellt, das über die geologische Beschaffenheit der deutschen Schutzgebiete in Afrika vorhandene Material zu sammeln, in übersichtlicher Form zusammenzustellen und soweit an- gängig kritisch zu beleuchten. War dies bei der Fülle des schon vorhandenen, aber sehr zerstreuten Materials kein leichtes Vorhaben, so wurde dasselbe be- sonders noch dadurch erschwert, dass einerseits die meisten Angaben, da sie von überwiegend nicht geologisch gebildeten Forschungsreisenden herrühren, unzu- verlässig und ungenau sind, andererseits bisher fast nirgends systematische Unter- suchungen vorgenommen worden sind. Hierzu kommt noch, dass über weite Gebiete überhaupt Mittheilungen fehlen, über andere viele, aber oft unklare und sich widersprechende Angaben vorliegen. Trotz alledem ist es dem Verf. gelungen, von dem geologischen Aufbau und der Entstehung der drei grösseren Schutz-

9*

Digitized by Google

120

III. Sonstige Werke.

gebiete im grossen Rahmen ein gutes Bild zu geben, wenngleich auch manche Schlüsse recht gewagt erscheinen. Zur leichteren Orientirung sind 3 Karten und mehrere Profile beigegeben. Auf den ersteren konnten natürlich bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse nur an wenigen Punkten die Grenzen der Formationen genau angegeben werden, sie sollen auch nur, nach der Abeicht des Verl, ein etwas schematisches Bild von der Verbreitung der Formationen geben.

Nach einer Einleitung, in der der Bildung und Ablagerung des Laterits eine etwas längere Besprechung gewidmet ist, werden die einzelnen Schutzgebiete mit Ausnahme von Togo, über dessen geologischen Aufbau bis jetzt erst wenig bekannt ist, eingehend behandelt.

Die geologischen Verhältnisse der einzelnen Schutzgebiete weisen eine grosse Aehnlichkeit auf, die dadurch zu erklären ist, dass sie alle zu dem Theil des Continents gehören, den Suefs mit Recht als ein Ganzes bezeiebnete und einen Theil des „gebrochenen indischen Festlandes, des Gondwana-Landes" nannte, und den eine grosse Einfachheit des Aufbaues auf weite Entfernungen hin aus- zeichnet. Ausserdem liegen die Colonien bis auf Südwestafrika ganz unter den Tropen, so dass auch die Eroeions- und Verwitterungsthätigkeit überall in der Hauptsache die gleiche ist.

Ehe auf eine kurze Besprechung des geologischen Aufbaues der einzelnen Schutzgebiete eingegangen wird, dürfte voraoszuschicken sein, dass, weil nach dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse eine Trennung der einzelnen ältesten Formationen, wie Archaicum, Cambrium und Silur noch nicht möglich ist, alle diese unter dem Namen „Primärformation“ von dem Verfassser zusammengefasst worden sind.

Der weitaus grösste Theil Deutsch-Afrikas besteht aus den Gesteinen der Primärformation, und zwar scheint das Innere Deutsch - Ostafrikas aus Granit au bestehen, den Gneise und krystallinische 8chiefer (Glimmer- und Hornblende- schiefer, Phyllite, Quarzite) umschliessen. Im Westen, am Tanganyika-See, und im Nordwesten, im Zwischengebiet, kommen dann aber auch Schichten, vornehm- lich Sandsteine and Thonschiefer vor, die wohl als altpaläozoisch anzusehen sind. Durchbrochen sind die Schichten der Primärformation, besondere in den Hoch- ländern des Innern, durch junge Eruptivgesteine, wie Basalte und Trachyte , alte Eruptivgesteine, wie Porphyre, Pegmatite und Syenite finden sich vielfach am Tanganyika- und Nyassa-See. Im Küstengebiet lagern discordant über den kristallinischer, Schiefern in meist schwach nach Osten geneigter Lage Sandsteine, Mergel und Kalk, die meist für karbonisch gehalten werden, und vor und über diesen befinden sich im Norden ähnliche Sedimentgesteine in derselben schwach geneigten Lage, welche zahlreiche Marinfossilien enthalten, auf Grund deren de zum oberen Jura zu rechnen sind. Ganz nahe an der Küste befinden sich noch weitere Sedimentgesteine, die wahrscheinlich zur Kreide and zum Tertiär gehören, und die Küste selbst besteht meist aus jungen, zum Theil sicher reoenten Ko- rallenkalken. Im Innern des Landes treten an Seen und in Niederungen and» Kalke und Mergel auf, die aber wohl alle lakustren Ursprungs und von sehr geringem Alter sind. Jüngere marine Schichten sind daselbst aber nirgends ge- funden worden.

Nutzbare Mineralien sind in diesem Schutzgebiete bis jetzt wenig bekannt geworden. In den Küstengebieten speciell in Usaramo und bei Saadani wird Äs

Digitized by Google

IH. Sonstige Werke.

121

subfoesiles Harz Kopal gewonnen; Kohlen sind am Nordwestrande des Nyassasees gefunden worden. In TTrundi und Ruanda sind grössere Graphitlager entdeckt worden, aber diese kommen bei der grossen Entfernung von der Küste jetzt für einen Abbau noch nicht in Betracht. In den Zersetzungsprodukteu der krystallinischen Gesteine sind Eisenerze zwar häufig, doch sind bis jetzt grössere Eisenerzlager noch nicht aufgefunden worden. Kochsalz und kohlensaures Natron ist nicht selten, besonders in den Massai-Ländern.

Das Vorkommen heisser Quellen ist in verschiedenen Gegenden Deutsch- Ostafrikas festgestellt worden.

Das Auffallendste, was Deutsch-Ostafrika in Bezug auf seinen geologischen Aufbau bietet, sind die gewaltigen, meist von schroffen Abfällen begrenzten De- pressionen, die sogenannten Gräben. Ueber ihre Entstehung hat Suefs nach- stehende, durch die neuerlichen Forschungen des Geologen Gregory bestätigte Theorie aufgestellt: „In Folge einer in diesen Gebieten herrschenden Spannung in der Erdkruste fand eine Auslösung derselben dadurch statt, dass sich eine ungeheure Spalte bildete, welche dadurch nicht so einfach erscheint, dass die Trümmer der angrenzenden Gesteine in verschiedener Höhe eingeklemmt wurden, und dass in den Zwischenraum aus der Tiefe dringendes Material die Ausfüllung und oft auch hohe Vulkanberge bildete.“

Die Hauptspalte, der sogenannte ostafrikanische Graben, ist die, welche sich vom Schire- und Nyassa-See durch ganz Ostafrika in meridionaler Richtung fortsetzt und deren Verlängerung Suess in dem Rothen Meere und der Jordan- Senkung sieht. Parallel zu dieser Spalte tritt eine zweite auf, welche durch das obere Panganithal bezeichnet ist. Im Süden von Deutsch-Ostafrika weist das tiefe langgestreckte Becken des Rikwa-8ees gleichfalls auf einen Einbruch hin. Ein weiterer gewaltiger Graben ist der sogenannte centralafrikanische, der durch eine Reihe grosser Seen bezeichnet ist, wie den Tanganyika-, Kiro-, Albert- Edward- und Albert-8ee. Ausserdem sind noch einige kleinere Gräben bekannt.

Die Hauptrichtung der Gräben und Piateauränder, sowie die der Gebirge und des Streichens der Gobirgsschichten ist eine ungefähr meridionale.

Die in Deutsch-Süd westafrika herrschenden Formationen gliedert der Ver- fasser in drei Theile: 1. die Primärformation; 2. die Tafelbergformation Schichten des Devons oder der Permotrias (Kap- oder Karoo-Formation) ; S. die Kalahari-Formation mit Diluvial- und Alluvial-Schichten. Da Versteine- rungen fast nirgends gefunden sind, so konnten nur aus der Lageruug und aus der Analogie mit den Verhältnissen im benachbarten Kapland auf das Alter der Formationen Schlüsse gezogen werden.

Die Gesteine der Primärformatirn bilden den Grundstock des lindes; die Küstengebirge und fast ganz Herero-Land bestehen aus ihnen und sie treten auch als Basis der Tafelgebirge und in tieferen Thälera der Kalahari zu Tage. Die Tafeigebirge sind besonders in Nama-Land und im nördlichen Herero-Land entwickelt, sie scheinen in ersterem allmälig unter den Ablagerungen der Kalahari zu verschwinden, welche sich im Osten und besonders im Norden dieser Colonie ausdehnt

Die Schichten der Primärformation scheinen steil aufgerichtet und in Falten gelegt zu sein, über deren Richtung noch wenig bekannt ist die aber im Ganzen ungefähr der Küste parallel streichen dürften. Das Hauptgestein dieser alten Schichten ist Gneis, in welchem aber, besonders im nördlichen Herero- und

Digitized by Google

122

III. Sonstige Werke.

Kaoko-Land, grosse Granitmassen Vorkommen. Vielfach treten in diesem Gneis auch krystallinische Kalke auf, so am unteren Oranje und besonders im west- lichen Herero-Land. Neben diesen Gesteinen, deren Alter wohl als archäisch anzunehmen ist, kommen auch solche vor, welche zwar in engem Zusammenhang mit den Gneisen stehen, aber sicher jünger und zum Theil nicht mehr archäisch sind. So dürften die grünen Schiefer am unteren Oranje und besonders viele Schichten des südlichen Herero -Landes, wo Amphibolit mit gelbem Sandstein, Quarzit, Augitschiefer und Kalkstein wechsellagert und wo neben dünnfaserigen Gneisen vielfach Glimmer-, Chlorit- und Grünschiefer, sogar auch phyllitarrige Thonschiefer auftreten, von den Gneisen abzutTennen und dem Kambrium und Silur zuzurechnen sein.

Von vulkanischen Gesteinen verschiedenen Alters sind die Schichten der Primärformation vielfach durchbrochen worden. Während Porphyr und Dialia, im Innern des Landes überwiegt, tritt Basalt vorwiegend in der Küstengegend auf.

Deber den Schichten der Primärformation lagern im Innern von Xama- Land und im nördlichen Horero-Iänd auf weiten Erstreckungen discordant die Gesteine der Tafelberge. Vorwiegend bestehen diose Gesteine aus Sandstein, der von blauem dolomitischen Kalk, der eine Art Leitgestein der Kap-Formation ist, überlagert wird. Im Hanami-Plateau liegt unter dem Sandstein noch ooncordant gelagert grünlicher oder rüthlicher Thonschiefer, und im Kaoko-Land bilden die Docke mancher Tafelberge vulkanische Gesteine, wie Porphyr und Melaphyr.

Das Hauptgestein und beinahe das einzige Gestein der Kalaliari-Formation ist der Kalahari-Kalk. Derselbe ist an einigen Stellen, wie am Sambesi, durch junges Eruptivgestein, das als Trapp bezeichnet ist, metamorpbosirt worden.

Nutzbare Mineralien, wie Kupfer-, Blei- und Eisenerze sind vielfach in der Colonie gefunden worden, doch ist theils deren Medge nicht beträchtlich genug, um einen Abbau lohnend zu machen, theils sind die Verhältnisse für einen Abbau noch zu schwierige. Guano, in vielfach mächtigen Lagern, kommt auf den kleineren Inseln an der Küste und am Cap Cross vor.

Schliesslich dürfte noch zu erwähnen sein, dass Deutsch -Südwestafrika reich an heissen Quellen ist, besonders im Herero- Land, wo auch durch die Thermenlinie Rehoboth-Bannen eine Hauptverwerfung gut gekennzeichnet ist.

Auch in dem Schutzgebiete Kamerun unterscheidet der Verfasser 3 Haupt- perioden :

1. die Primarformation ;

2. die Formation des Benue- Sandsteines und der Sedimentgesteine des Küstengebietes und

3. die der jungen Eruptivgesteine und Ailuvien.

Das Gebiet der Colonie mit Ausnahme der lyüste, des hinter derselben liegenden Vorlandes, des Benuegebietes, des Tsad-Sehari-Beckens und der Sanga- Niederung besteht aus den Gesteinen der Primärformation. Die weitaas vor- herrschenden Gesteine, die Gneise und Lagergranite, gehören dem Archaicum an, zu welchem auch die Glimmerschiefer, Amphibolite, Grünschiefer und Phylüte. welche in Adamaua vielfach auftreten, zu rechnen sind, während wohl die un Innern vereinzelt angetroffenen Thonschiefer und Kalke jüngeren Formationen angehören dürften. Durchbrochen werden diese Schichten der Primärionnatson in Adamaua von zahlreichen Eruptivgesteinen, theils von Graniten, theils von

Digitized by Google

111. Sonstige Werke.

123

Quarzporpbyren, an weiche sich untergeordnet Syenit, Porphyrit, Kersantit und Diabas anschliessen.

In dem Benuegebiete und im nördlichen Küstenvorlande werden die Ge- steine der Primärformation von Sedimentgesteinen überlagert.

Der grösste Theil des Benuegebietes wird von Sandstein eingenommen, der in meist ungestörter Lagerung den Benuc entlang bis zur Muo-Kebbi-Mündung auftritt. Tn diesem „Benue-Sandstein“ sind Fossilien bisher nicht gefunden worden; er ist bald roth, bald grau; auch sein Korn wechselt und er bildet nicht nur niedrige Hügel im Thal, sondern auch höhere Bergzüge und Plateaus. Aehnlicher Sandstein zusammen mit Mergel und Thonschiefer tritt im Norden des Benuöthales in der Mulde von Ssarauiöl, ferner bei Bafut am Nordrande des 8üd-Adamaua-Plateaus und westlich und nordwestlich der Madara-Berge auf.

Die im Küstenvorlande, nördlich und westlich des Kamerun-Berges, auf- tretenden Sedimentgesteine dürften wohl bedeutend jünger als die vorher er- wähnten Sandsteine sein. Diese Sedimentgesteine sind horizontal geschichtete Sandsteine, schwarze dünn- und dickplattige Thonschiefer mit Concretionen und graue Kalksandsteine. In den Kalksandsteinen und den Concretionen der Thon- schiefer kommen Fossilien vor, die auf untere marine Kreide hiuweisen. Da diese Sedimentgesteine weder in Kamerun noch sonst in Westafrika weiter im Innern gefunden worden sind und nirgends in stark gestörter Lagerung Vor- kommen, so darf mit Sicherheit angenommen werden, dass das Kreidemeer nur das niedere Vorland des Continont-s überfluthete, und dass hier seit der Kreide- zeit stärkere Faltungen nicht stattfanden. Noch jünger als diese Kreideschichten hält der Verfasser die in diesem Schutzgebiete auftretenden Basalte, Andesite und Trachyte, ohne dafür aber einen Beweis zu erbringen. Da diese jungen Eruptivgesteine nirgends im Süden der Colonie gefunden sind, sondern erst nörd- lich der Kamerunflussmündung und im Innern gegen den Nordrand des Plateaus zu, bei Baliburg, bei Banyo und Ngaundere, so darf man wohl annehmen, dass dieselben hauptsächlich tectonischen Vorgängen ihre Entstehung verdanken, wahr- scheinlich dem Zusammenbruche des grossen Gondwana-Festlandes, der in der Zeit des oberen Jura und der unteren Kreide erfolgte.

An der Küste, am Sanga und Ngoko im Südosten und im Tsad-Schari- Becken im Nordosten der Colonie herrschen Alluvien. Das Alluvialgebiet am Sanga steht mit dem am mittleren Congo in unmittelbarem Zusammenhang und dürften seine Ablagerungen aus dem See (lac du haut Congo) herrühren, der nach Cornet von der Lomani- Mündung bis Bolobo und von den Leopold- und Mantuinba-Seen bis zum oberen Sanga reichte und bis auf die oben genannten Seen in postpliocäner Zeit entwässerte. Ueber das Alter der Alluvien am Tsad-See lässt sich nichts sagen, da die dortigen Verhältnisse noch nicht genügend erforscht sind. Sie scheinen direct auf krystallinischen Schiefern zu lagern und dürften Ablagerungen in einem flachen Seebecken und auch in Flussniederungen sein.

Von nutzbaren Mineralien ist nur Eisen zu erwähnen, das als Raseneisen- erz in den lateritischen Bildungen, die weite Gebiete der Colonie überdecken, verbreitet ist. Gold, Silber und Kupfer ist zwar auch an einzelnen Orten ge- funden worden, doch nur in sehr geringen Mengen, so dass eine Ausbeute nicht lohnend ist.

. Heisse Quellen sind im Gendero-Gebirge in Süd-Adamaua-Hochland ge- funden worden.

Digitized by Google

124

111. Sonstige Werke.

Iu dem Schutzgebiete herrschen zwei Hauptrichtungen vor, die eine von Ost nach West, die andere von Südsüdwest nach Nordnordost. Die letztere, welche durch die Vulkane Annobon, Sau Thome, Principe, Fernando Po und Kamerun geht, mit der Achse des Tschebtscbi-Gebirges zusammenfällt und weiter- hin im Benuc-Thal die Vulkane Gabriel und Elisabeth trifft, bezeichnete Passarge als ,. Kamerun-Linie“, während er die erstere „Benue-Linie“ nannte, da sie die- jenige des Haupttheiles des Benue-Thales ist

Aus den überaus dürftigen und meist auch unzuverlässigen Angaben über die geologische Beschaffenheit Togos ist es z. Z. noch unmöglich, sich ein Bild von dem geologischen Aufbau dieses Landes zu machen. Es geht nur soviel daraus hervor, dass das Küsten Vorland ausser Alluvien und Verwitterungs- produkten, vornehmlich Laterit, auch Sedimentgesteine, Sandstein und Conglo- mernt, aufweist, dass die Randgebirge wohl in der Hauptsache aus kristallinischen Schiefern bestehen, die ebenso wie die Bergketten streichen, und dass die letzt- genannteu Gesteine auch in den Hochländern des Innern herrschen.

Vou nutzbaren Mineralien ist bis jetzt ausser Raseneisenstein nur Graphit, aber nicht in abbauwürdigem Zustande, bei Misahöhe gefunden worden.

Den geologischen Beschreibungen der einzelnen Schutzgebiete sind reich- haltige Verzeichnisse über die an den einzelnen Often gefundenen Gesteine, sowie über die in Betracht kommende Litteratur angefügt, wodurch der Werth des vorliegenden Werkes als eingehendes Sammelwerk noch bedeutend gesteigert wird.

Das Werk kann Allen, die sich für die deutschen Schutzgebiete in Afrika überhaupt und insbesondere für deren geologischen Aufbau interessiren, nur bestens empfohlen werden.

Bergmeister Illner, Cassel.

1898. Archiv No- 3-

für

Schiffs- und Tropen-Hygiene.

Band 2.

I. Originalabliandlungen.

Die Dysenterie in Kamerun

von Dr. Albert Plehn, Kaiserl. R£gierungsarzt

Wie andere im Kameruugebiet bisher beobachtete sogenannte Tropenkrankheiten, so tritt auch die Dysenterie hier besonders schwer auf, soweit sie wenigstens Europäer betrifft. Bis gegen End ! der Trockenzeit (März) 1897 erkrankten Europäer nur ganz sporadisch. Zuweilen war die Erkrankung auf den Genuss von „Buschwasser“ zurückzufuhren, welches nach Regengüssen an schattigen Stellen in Bodenvertiefungen zurückbleibt, und vielfach klar, kühl und wohl- schmeckend ist. In anderen Fällen war das Wasser aus den Ober- läufen der Flüsse oder aus den „Kreeks“ natürlichen Verbindungs- kanälen zwischen den Unterlaufen der Flussarme des Kamerun- beckens — getrunken worden. Auch erfolgte zweifellos Ansteckung bei der Pflege Erkrankter. Am häufigsten Hess sich über die Her- kunft des Leidens nichts Zuverlässiges ermitteln, und ich nehme an, dass hier die Krankheit mittelst Essgeräths oder roher Früchte über- tragen ist, welche durch die Hände farbiger, an leichten und chro- nischen Dysenterieformen leidender Köche oder Bedienten verunreinigt wurden. Aeusserste Vorsicht ist hier unbedingt geboten !

Ich stehe unter dem Eindruck, dass die durch Wrassergenuss verursachten Erkrankungen die acutesten und schwersten waren. Die Uebertragbarkeit entspricht ungefähr der des Typhus abdominalis. In gewisser Beziehung wird sie durch den Umstand erhöht, dass die rationelle Behandlung der Dysenterie zeitweise Darmspülungen unab- weislich erfordert, welche nicht immer von geschulten Sachverstän- digen ausgeführt werden können, und für den Pfleger eine grosso Gefahr darstellen, wenn er es nicht versteht, sich zu desinficiren.

Archiv f. Schiff»- u. Tropenhygleno. II. 10

Digitized by Google

126

Dr. Albert Plehn.

Auch für die Neigung der Eingebomen zur Erkrankung ist es nicht bedeutungslos, ob sie an Reinlichkeit gewöhnt sind und Gelegen- heit haben, dieselbe zu üben.

Bemerkenswerth ist in dieser Richtung eine kleine Endemie im Gefängniss hier. Vom März bis Juni erkrankten in kleineren Schüben von 2 4 Leuten nacheinander die sämmtlichen Strafgefangenen an Dysenterie. Damals neu ins Gefängniss aufgenommene Verbrecher erkrankten in kurzer Zeit ebenfalls. Für reichliches und gutes Wasser wurde gesorgt. Die Kost der Gefangenen ist die gleiche, wie die der nur ganz sporadisch ergriffenen Arbeiter. Zeitweise Räumung der Gefängnisszellen zwecks gründlichster Desinfection blieb ohne Erfolg. Als dann sämmtliche Kranke nach Beendigung der Hospital- behandlung statt ins Gefängniss zurückzukehren, in ihre Heimath entlassen wurden, dauerten die Neuerkrankungen der im Gefängniss Zurückgebliebenen dennoch fort. Schliesslich wurde das ganze Ge- fängniss auf ärztliche Anregung geräumt und die gesunden Gefan- genen wurden in einem andern nagelneuen Gebäude untergebracht Neuerkrankungen wurden auch dadurch nicht verhütet. Die Ueber- tragung kann hier nur durch die gemeinschaftliche Benutzung der Nachts in den Gefangenenräumen aufgestellten Closeteimer geschehen sein. Diese Eimer sollen zwar täglich auf das Gründlichste gereinigt und desinficirt werden, müssen aber bei dem vielen Schwarzen man- gelnden Sinn für Reinlichkeit und der Schwierigkeit für die Uebrigen. ihrem etw'a vorhandenen Reinlichkeitsbedürfniss unter den gegebenen Verhältnissen zu genügen, doch leicht dazu dienen, dass frische Fä- calien von Einem auf den Andern übertragen werden. Diese ge- langen dann auf die Hände und weiter auf Speisen und Lippen*). Erst als die Gefangenenzahl durch Entlassungen auf wenige Leute reducirt war und die kühle Regenzeit energisch eintrat, hörten die Neuerkrankungen auf.

Einen Einfluss der Witterung könnte man 1897 insofern ver- muthen, als die Trockenzeit, an deren Ende die Dysenteriefälle sich häuften, in diesem Jahre besonders anhaltend und heiss war, was Erkrankungen des Yerdauungscanals ja bekanntlich begünstigt Auf eine gemeinsame Ursache deutet auch die Verbreitung der Dysen- terie in jener Zeit hin, welche fast in jeder Factorei, in jeder Missions-

*) Bei dem jetzt in Arbeit befindlichen Gefiingnissneubau ist dafür gesorgt dass dem hier hervorgetretenen Uebelstand durch Verlegen der Closetiiun« ausserhalb der Zelten in Fonn regulärer Abtritte thunliehst abgeholfen wird.

Digitized by Google

Die Dysenterie in Kamerun.

127

anstalt, in verschiedenen Gouvernementshaushaltungen, unter der Be- satzung des Regierungsdampfers wie bei den Unterofficieren der Schutztruppe, den einen oder andern Europäer ergriff. Unter den farbigen Arbeitern der Factoreien wie des Gouvernements, den far- bigen Soldaten und Handwerkern, trat sie ebenfalls auf, ohne aber, wie im Gefängniss, eigentliche Heerde zu bilden. Ob sie unter der eingebomen Dualla - Bevölkerung in grösserem Umfang herrschte, konnte ich nicht erfahren.

Die bekannten Amöben wurden in einem Theil der darauf unter- suchten Fälle gefunden, in anderen nicht

Ueber die Symptome der Dysenterie habe ich nicht viel zu sagen, was gegenüber dem Bekannten als neu gelten könnte. Inter- essiren dürfte es vielleicht, dass bei der Mehrzahl der erkrankten Europäer bereits in den ersten Tagen, wo auch nach dem weiteren Verlauf tiefergreifende Geschwüre kaum bestanden haben können, ausgesprochene Erscheinungen einer Typhlitis hervortraten, welche verschiedentlich zu beträchtlichen Exsudationen in die Bauchhöhle fülirte. Für den Ausgang blieb die Typhlitis ohne entscheidende Bedeutung und ging in mittelschweren Fällen bei geeigneter Behand- lung rasch zurück. Sie beweist neben anderen Erscheinungen, wie Koliken (wohl zu unterscheiden von Tenesmen !), Flatulenz und Druck- empfindlichkeit längs des Dickdarms, dass der Krankheitsprocess zu- nächst das ganze Colon betrifft und sich erst später im absteigenden Ast localisirt, wo er dann bald zur Geschwürsbildung führt.

Der Verlauf gestaltete sich beim Neger wesentlich günstiger, als beim Europäer. Von Negern starben mir nur die weniger, welche halb zu Sceletten abgemagert mit faulig riechenden Entleerungen im letzten Stadium der Krankheit eingeliefert wurden. Bei den Gefan- genen und sonst unter ärztlicher Controle stehenden Schwarzen des Gouvernements konnte infolge rechtzeitigen Eingreifens jeder Todes- fall vermieden werden. Die Gesammtzahl der von mir im Hospitale während 2*/4 Jahren an Dysenterie behandelten Farbigen beträgt über hundert; auf die Dysenterieperiode 1897 kommen davon etwa 70. Dass die Resultate der Behandlung so günstig waren, ist um so be- merkenswerther, als eine consequente zweckmässige Diät, wie sie für den Verlauf der Krankheit beim Europäer von geradezu entscheiden- der Bedeutung ist, beim heutigen Stande der thatsächlichen Verhält- nisse für Schwarze noch gar nicht in Frage kommt. Ich sehe darin eine neue Stütze für die von mir angenommene grössere „Vitalität“ (sit venia verbo!) grössere Widerstandskraft und Regenerations-

10*

Digitized by Google

128

Dr. Albert Plehn.

fähigkoit der Gewebe bei der schwarzen Rasse an der afrika- nischen Westküste*).

Beim Europäer gestaltet sich die Sache anders. Sind da 8 10 Tage seit den ersten Symptomen verflossen, ohne dass die Erkran- kung die nöthige Beachtung fand, was namentlich häufig bei den nicht gleich Anfangs ganz acuten Formen vorkommt, so muss die Prognose in Kamerun auch bei zweckmässigster Behandlung von vornherein als zweifelhaft hingestellt werden. Sehr gewöhnlich treten merkwürdig rasch Gangrän oder Leberafi’ectionen auf. Nur einmal habe ich Üarmgangrän Hepatitis niemals überwinden sehen. Dass diese Complicationen so verhängnissvoll werden, liegt vielleicht weniger an einer specifischen Schwere des Dysenterievirus hier, wie an der tiefgehenden Schädigung, welcher die Constitution des Euro- päers durch die mehr oder weniger permanente Iutoxication mit dem Malariavirus ausgesetzt ist. So betrafen die von mir beobachteten DysentcrictodesfUlle säraintlich sogenannte „alte Afrikaner“ der West- küste. Der Kräfteverfall pflegte unmittelbar nach Eintritt der Com- plicntion sehr rapid bei Hepatitis unter starkem Fieber ein- zutreten. Sonst kam Fieber nur am ersten oder zweiten Tage in einzelnen acuten Fällen vor, sofern es nicht durch begleitende Malaria bedingt war.

Hier ist es von grosser Wichtigkeit, die Ursache der Temperatur- Steigerung durch Blutuntersuchung auf Malariuparasiten festzustellen, denn eine grössere per os verabreichte Chiningabe kann die Dysen- teriesymptome so unangenehm gestalten, die Schwache des Organis- mus so gefährlich steigern, dass man ihre überflüssige Darreichung jedenfalls thunliehst vermeiden muss. Zeigt das Mikroskop, dass thatsächlich Malaria vorliegt, so gebe man das dann unabweisbar gebotene Chinin durch intramuskuläre Injection**). Wurde die Leber ergriffen, so gestaltete sich die Situation in den vier derart Yon mir beobachteten Fällen durch Kräfteveifall bereits in den ernten Tagen so, dass an eine Operation auch dann nicht zu denken ge- wesen wäre, wenn sich irgend ein Anhaltspunkt für bereits eiuge- tretene Einschmelzung des Lebergewebes bezüglich Sitz de-, Leber- absccss ergeben hätte. Die einzigen localen Symptome blieben: Schmerzen (zweimal Schulterschmerz), geringe Vergrösserung der

*) Vergl, Dr. Albert Plehn ..Wiindheilung bei der schwarzen Kasse*. Deutsche mcdicin. Wochenschrift, IS'J6. Nu, 34,

**) „Beitrage /.nr Kenntnis* von Verlauf und Behandlung der tropisdiaa Malaria in Kamerun” von L'r. A liiert Biehn. Berlin, 1896 bei ilirschwaid.

Digitized by Google

Die Dysenterie in Kamerun,

129

Leber, und die Erscheinungen einer trocknen Pleuritis rechts unten. Diese drei Symptome fanden sich noch nicht einmal stets vereinigt

Von so entscheidender Bedeutung wie bei wenigen „inneren“ Krankheiten war die Behandlung medicamentöse wie diätetische.

Solange ich es mit sporadischen Fällen zu thun hatte, hielt ich an der von meinem Vorgänger geübten Anwendung von Eingiessungen einer Suspension des Bismutum subnitricuni in Wasser (1:100) nach vorgängigem Reinigungsklystier fest. Der Erfolg erschien durch- aus zufriedenstellend. Von der gleichzeitigen innerlichen Verabreichung des Wismut, mit der ich zuweilen die Wirkung der Spüluugen zu unterstützen versuchte, sah ich wesentliche Vortheile im acuten Krankheitsstadium nicht. Opium konnte der Schmerzen wegen zu dieser Zeit nicht immer entbehrt werden.

Als sich die Erkrankungen vom März vorigen Jahres ab dann häuften, reichten die Hülfskräfte für die regelmässigen Spülungen nicht aus. Ich wandte mich deshalb der Calomelbehandlung zu, als der nach theoretischen Erwägungen rationellsten unter den internen Medicationen. Die Behandlung der Dysenterie mit Calomel ist alt; besonders die Franzosen wenden das Mittel in ihren Colonien (Algier) in grossen Dosen an: mehrmals täglich 0,5.

Von dem Gesichtspunkt ausgehend, dass das Calomel, in grossen Gaben ebenso wie das daraus gebildete Sublimat, den Körper bei 20 30 Entleerungen pro Tag zu rasch verlassen dürfte, um eine anhaltende desinficirende Wirkung im Darmkanal auszuüben, während andererseits eine häutigere Wiederholung einer Dosis von 0,5 Gefahr schwerer Intoxication mit sich bringt, wandte ich eine andere Me- thode an, die mir mit entsprechenden Modificationen schon in Deutsch- land bei schweren infectiöscn Darmkatarrhen, vor allem Cholera nostras und infantum hervorragende Dienste leistete. Ich Hess nach der Uhr einstündlich 0,05 Calomel nehmen, zwölfmal über Tag; Nachts Pause; am 2. und 3. Tag Wiederholung der 12 Gaben. Leichtere Grade von Quecksilberstomatitis Hessen sich nicht immer vermeiden; doch sah ich sie stets ohne grosse Beschwerden in wenigen Tagen vorübergehen*).

Beim Schwarzen sollte die Kost auf Zwieback und Reis be- schränkt sein, doch bin ich sicher, dass das nur in seltenen Fällen wirklich durchgefuhrt ist. Die Abkürzung der Krankheitsdauer durch

*) Nach den neuesten Versuchen steht zu hoffen, dass man mit 0 03 das- selbe erreicht ganz ohne IntcncicaUonsgefahr.

Digitized by Google

130

Dr. Albert Plehn.

diese Form der Calomelbehandlung gegenüber der mit Darmspülungen war trotzdem so erheblich, dass ich das Calomel dann auch beim Europäer unterstützt durch peinlichste Diät mit gleichem Resultat anwandte. Diese Behandlung nimmt, rechtzeitig angewandt, der Dysenterie das meiste von ihrem Schrecken, und diese Thatsache giebt mir Anlass zu diesen Mittheilungen, die dem erfahrenen Tropen- arzt sonst vielleicht wenig Neues bringen.

Beim Europäer wird jetzt in allen Fällen echter Dysenterie und schwererer tropischer Enteritis nicht specifischer Art sofort Bettruhe und flüssige Diät angeordnet: leichte Suppen, gekochter Reis, Cacao, Milch, geschlagene Eier, ein wenig guter Bordeaux etc. Gleichzeitig wird in oben angegebener Weise Calomel stündlich gegeben, und von Anfang an die peinlichste Mundpflege durch Bürsten und Spülen mit einer Mischung von Kalichloricumlösung und Myrrhentinctur ge- übt. In frischen Fällen (weniger wie eine Woche alt) verschwinden selbst die heftigsten Tenesmen und Koliken nach 10 12 Stunden und häufig geht auch die Zahl der Stühle schon am ersten Tage zurück, ohne dass ein Tröpfchen Opium gegeben wäre. Im Verlauf des zweiten Tages pflegt die Zahl der Entleerungen von vielleicht 25 30 auf einige wenige zu sinken. Nicht selten tritt direct Ver- stopfung ein. Hierauf ist sehr zu achten und eventuell am Abend des zweiten Tages eine Darmspülung zu machen, für welche ich Salicylsäurelösung 1 : 1000 Wasser verwende. Hält die Verstopfung am 3. Tage an, so thut man gut, am 3. Tage das Calomel nur noch zweistündlich zu nehmen, um Intoxication zu vermeiden und die Spülung des Darmes zu wiederholen. Sehr häufig erscheint der Stuhl dann bereits am 3. oder 4. Tage geformt und nur bei genauer Untersuchung lässt sich die Beimengung von Schleimpartikeln noch erkennen. In keinem Falle aber sind nach meiner Erfahrung die pathologischen Veränderungen im Darm zu dieser Zeit bereits wieder ausgeglichen, auch wenn sie kaum mehr Symptome machen. Schon manchem ist ein Irrthum theuer zu stehen gekommen, und er wurde bei unzweckmässigem Verhalten wenige Tage nach Beendigung der Calomelcur durch ein Recidiv überrascht, das sich hartnäckiger erwies, als die erste Erkrankung. Ich lasse, während Bettruhe und Diät fortdauern, am 4. Tage das Calomel durch Bismutum subnitricuin in Pulvern (nicht in Tabletten!) ersetzen, und zwar einstündlich 0,5, zwölfmal den Tag. Damit wird fortgefahren, bis die letzte Andeutung von Diarrhöe verschwunden ist, namentlich auch in den Fällen , wo die Dysenterie zu der chro-

Digitized by Google

Die Dysenterie in Kamerun.

131

ni sehen Enteritis zurückkehrt, aus welcher sie vielleicht hervorging. War die unmittelbare Wirkung der Calomelbehandlung keine voll- ständige, so kann man dieselbe nach 8 10 Tagen mit Erfolg wieder- holen. Bei den Schwarzen, wo die gröbsten, wiederholten Diätfehler eben unvermeidbar sind, sah ich zuweilen eine dritte Wiederholung Erfolg bringen. Sowie Verstopfung auftritt Darmspiilung. Auch ist es sehr zweckmässig, in den Fällen, wo die Neigung dazu fort- dauert, ganz besonders, wenn der Magen in Mitleidenschaft gezogen ist, regelmässig künstlichen Carlsbader Brunnen Morgens nüchtern trinken zu lassen. Ich verordne denselben den Europäern regel- mässig zur „Nachkur“ für einige Wochen und kann den Erfolg mit Davidson nur rühmen.

Nach dem, was ich hier sah, bedürfen auch die klinisch leich- testen Erkrankungen mit echten Dysenteriesymptomen, selbst wenn sie sofort zweckmässig im obigen Sinne behandelt werden, 14 Tage lang strengster Aufsicht und Diät, womöglich schon um beide zu gewährleisten der Bettruhe, wenn Recidive einigermaassen siche vermieden werden sollen. Die geringe Belästigung, welche vic wie geschildert behandelte Kranken durch ihr Leiden erfahren, ver- fuhrt sie oft zur Missachtung der ärztlichen Vorschriften. Schon aus diesem Grunde, sowie in Rücksicht auf seine Umgebung, gehört auch der scheinbar leicht Dysenteriekranke unbedingt in’s Krankenhaus (sofern er transportfähig ist).

Es ist mir aufgefallen (auch durch Erfahrung an meiner eignen Person), dass zuweilen nach Wochen und Monaten nach scheinbar völliger Wiederherstellung die kleinste gelegentliche Abweichung von einer sonst immer noch beobachteten vorsichtigen Diät, z. B. ein einziges Glas Bier, eine rohe Frucht, eine geringe Steigerung des gewöhnlichen Weinquantums, mindestens einen Durchfall hervor- ruft, dessen Intensität in gar keinem Verbältniss zu der geringen Schädlichkeit steht, die ihn bedingte. Der Darmcanal muss eine ausserordentliche Reizbarkeit noch lange nach Ausheilen der schwe- reren Veränderungen bewahren. Ich kann dafür kaum eine andere Erklärung finden, als vielleicht die, dass die zum grossen Theil neu- gebildete Darmschleimhaut, stärkerer Reize noch ungewohnt, Anfangs besonders heftig auf solche reagirt. Später verliert sich dann das ganz.

Da wo die Krankheit schon länger bestanden hat, wenn der Kranke zum Arzt kommt, pflegen die etwa vorhandenen acuten Symptome bei der Calomelkur fast ebenso rasch zu verschwinden,

Digitized by Google

132

Dr. Albert Plehn.

wie in frischen Fällen. Dass die dann immer vorhandenen Geschwüre deshalb noch nicht geheilt sind, versteht sich von selbst Hier tritt die Behandlung mit Damispiilungcn und Kingiessung der VVismut- suspension in ihre alten Rechte, während ich an Stelle der inner- lichen Darreichung dieses Metalls neuerdings mit Vorliebe den Carls- bader Brunnen setzte. Nach Umständen erweisen sich auch hohe Einläufe von */* 1 procentiger Tanninlösung (Cantani) nützlich. Der Schmerz, den der Kranke bei Einführung grösserer Flüssigkeitsmengen zu äussera pflegt, muss auf die Gefahren hinweisen, welche durch Blutung infolge von Dehnung der Geschwüre oder durch Zerrung und Trennung von Peritonealverwachsungen entstehen können. Ich habe nie gewagt, mehr wie 1 Liter einzuführen, und für Laien ist ein forcirteres Verfahren jedenfalls unstatthaft. (Vergl. auch Kohl- stock. Aerztl. Rathgeber für Deutsch-Ostafrika).

Wo der Kräftezustand des Kranken die immerhin etwas an- greifende Calomelkur verbietet, wenn ausgesprochener Marasmus oder Lebercomplicationen bestehen, da ist der Kranke in Kamerun ohne- hin verloren. Bei Darmgangrän sah ich einmal erstaunlichen Erfolg der Calomelbehandlung.

Ob sich die Amöben im Darminhalt finden oder nicht, schien mir für die Prognose nicht von entscheidender Bedeutung. Jeden- falls steht fest, dass ich Patienten vollkommen genesen sah, welche Amöben führten, und dass Kranke starben, bei welchen ich wenig- stens keine gefunden hatte. Sie scheinen also nicht alle Fälle so hartnäckig und schwer zu gestalten, wie die, welche Quincke be- schreibt.

Wo Dysenterie chronisch geworden ist, oder auch bei ganz rationellem Verhalten zu immer neuen Recidiven neigt und der Be- handlung spottet, da muss der Patient schleunigst heimkehren, denn wenn er seiner Dysenterie und ihren Complicationen nicht erliegt, so drohen seiner geschwächten Constitution die hier herrschenden Malaria- fieber in ihren perniciösen Formen. Anders ist es in frischen lallen oder während schwerer Exacerbationen chronischen Leidens. Dysen- terie, wo sie einmal besteht, ist nicht in dem Sinne an die tropische Oertlichkeit gebunden, wie die Malaria, und an einen Klimawechsel sind nicht die gleichen Hoffnungen unmittelbar zu knüpfen, wie er- fahrungsmässig bei dieser. Dazu kommt, dass die äussere Situation des Kranket!, wenigstens überall da. wo er Gelegenheit hat, in einem guten tropischen Krankenhaus Verpflegung zu finden, sich bei l'eber- siedelung an Bord wesentlich verschlechtert. Nur selten wird er

Digitized by Google

Die Dysenterie in Kamerun.

133

dort die specielle Kost finden, die ihm nothwendig ist, und die Re- volution, in welche der Verdauungscanal bei etwaigem Ausbruch von Seekrankheit geriith, kann direct verhiingnissvoll werden.

Dass der Transport frischer Dysenteriekranker auf Passagier- dampfem in der Regel schon aus Rücksicht für die Mitreisenden un- statthaft ist, brauche ich kaum zu erwähnen. Eine Grausamkeit gegen den Kranken sehe ich in dieser Auffassung nicht. Ist sein Leiden noch heilbar, so sind seine Aussichten sicher nicht schlechter, wenn er mindestens den acuten Sturm in einem guten Tropen- hospital abwartet, statt die Sache an Bord zu verschleppen und sicli daheim nachher vielleicht mit chronischer Dysenterie über Jahres- frist von einem Hospital zum andern zu begeben.

Mit der sich überall in den Tropen mehrenden Gelegenheit, in guten Hospitälern gute Pflege und sachverständige Behandlung zu finden, werden die „Heimsendungen aus Gesundheitsrücksichten“ sich immer auf diejenigen beschränken, welche ihre Tropendienstiälügkeit, aus welchen Gründen es sei, dauernd eingebüsst haben. All’ das, wofür der Klimawechsel als solcher nicht den therapeutischen Factor darstellt, muss sich auch in den Tropen selbst erreichen lassen, so dass den Leidenden die Gefahren, Beschwerden und Kosten der weiten Reisen erspart bleiben können.

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea

von

Dr. Otto Dempwolff,

ehemaligem Arzt der Neu-Guinea-Compagnie.

Einleitung.

Ueber ärztliche Erfahrungen in Neu-Guinea sind bisher nur von Schellong*) und Hagge**), sowie in letzter Zeit von Wendland***) Veröffentlichungen erschienen. Die Aufzeichnungen und Berichte der anderen bis jetzt dort thätig gewesenen Aerzte, welche diese in den Acten der Neu-Guinea-Compagnie niedergelegt haben, sind selbst an Ort und Stelle schwer zugänglich, und dann, vor allem, nur für Laien bestimmt, nicht vom mechanischen Standpunkt aus abgefesst.

Da ich selbst diesen Mangel während meiner fast zweijährigen Thätigkeit draussen empfunden habe, infolge dessen ich sicher Miss- griffe (in Fieberbehandlung, bei einer Blattemepidemie u. s. w.) ge- macht habe, die ich bei Kenntniss der einschlägigen Erfahrungen meiner Vorgänger wohl vermieden hätte, so habe ich mich ent- schlossen, meine Aufzeichnungen zusammenzustellen; zunächst zur Verfügung, zum Vergleich und zur Ergänzung für meine Nachfolger, dann auch als Anregung für weitere Kreise deutscher Tropenärzte.

Gleich hier bemerke ich, dass ich nur grobe Empirie bieten kann. Für experimentelle Arbeiten, zu denen das interessante Material fortwährend anregte (Blutuntersuchungen, klimatologische Beobachtungen, histologische Verwerthung desSectionsmaterials u.s.w.), fehlte mir jede Andeutung eines Laboratoriums. Ebenso beschränke ich mich in meinen Literaturangaben auf die kleine Bibliothek , che ich draussen zur Verfügung gehabt habe.

*) Schellong: Die Malaria-Krankheiten. Berlin 1890.

**) Hagge in der ärztlichen Rundschau 1894.

***) Wendland im Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene 1898- k 4.

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea. 135

Endlich hebe ich noch hervor, dass sich alle Beobachtungen und Schlussfolgerungen nur auf die begrenzte Gegend an der Astrolabe- Bai beziehen, wo allein ich während der Zeit vom März 95 bis Februar 97 thätig gewesen bin.

I. Land und Leute vom hygienischen Standpunkt.

Die Astrolabe-Bai liegt an der Nordküste von Kaiser Wilhelms- Land, etwa 30' s. B. und 145° 40' ö. L. Ihre Küste wird in einigen hundert Meter Breite von jung gehobener Koralle, 2 6 m über dem Meeresniveau, gebildet; die anschliessende Alluvialebene erstreckt sich 6—20 km halbkreisförmig in’s Innere, wird dann durch Hügelketten von 200 1000 m Höhe umrahmt und im Süden, Süd- westen und Südosten von dem 2000 4000 m hohen Finisterre- Gebirge überragt Zahlreiche Bäche entwässern das Hochland, bilden aber nur unbedeutende Sümpfe und Mangrovendickichte an ihren Mündungen. In der Mitte der Bai liegen vereinzelte, an ihrer Nord- ecke eine grosse Gruppe von kleinen Koralleninseln; fern ab, am Horizont erheben sich die Krater von Bagabog und Krakar, deren letzter jetzt wieder thätig ist. Inseln, Küste, Ebene und Berge sind soweit das Auge reicht, von dichtem, dunkelgrünem Urwald bedeckt, in dem nur hie und da helle Grasflächen und braune Eingeborenen- dörfer hegen.

Genaue metereologische Beobachtungen hegen mit Ausnahme der Regenmenge*) nicht vor. Die Jahres -Durchschnittstemperatur wird man wohl analog der auf den Sunda-Inseln constatirten mit 24° 26° C. annehmen können; der Barometerdruck ist so nahe am Aequator überall ein gleichmässiger; der Feuchtigkeitsgehalt der Luft ist gemäss der oceanischen Lage jedenfalls sehr hoch, dementsprechend sind die Regenmengen im ganzen Jahre recht reichhch. Jedoch sind die Niederschläge hauptsächlich an die Zeit des Nordwestmonsums (November bis April) gebunden, und erfolgen auch dann meist Nachts, während der Südostpassat, gemildert in seiner Stärke durch das eine Wetterscheide bildende Finisterre-Gebirge, Monate lange Trockenheit mit sich bringt. Die Luftbewegung ist sehr gleichförmig; Nachts herrschen Land-, Tags Seewinde; letztere schwanken je nach der Jahreszeit zwischen NO. und SO. Anhaltende Landwinde während

*) In den „Nachrichten für Kaiser Wilhelms-Land“ veröffentlicht.

Digitized by Google

136

Dr. Otto Dempwolff.

des Tags sind sehr selten. Aus der allgemeinen Erfahrung sind die angenehm kühlen Nächte hervorzuheben.

Das ist das Milieu: ein oceanes Tropenklima, modificirt durch ein Hochgebirge im Hinterland.

Die Niederlassungen der Europäer liegen sämmtlicli an der Küste, theilweise auf kleinen, dicht dabei gelagerten Inseln. In ihrer Um- gebung ist nur so viel Urwald, als dringend noth wendig, gelichtet; am meisten etwa 600 ha durch die Pflanzung Stephansort.

Die Zahl der Europäer betrug auf allen Stationen an der Astrolabe-Bai zusammen 40 60; im Bereich meiner Tliätigkeit durch- schnittlich 20 25, darunter vier Frauen. Ausser diesen, einem Sammler und einigen Durchreisenden waren es sämmtlicli Angestellte der Neu -Guinea-Compagnie oder Missionare alle in Europa auf Tropentauglichkeit ärztlich untersucht, die meisten in den zwanziger Jahren.

Die Farbigen (abgesehen von den freien Eingeborenen), also die angeworbenen Arbeiter der Compagnie, waren ein buntes Gemisch verschiedener Rassen: Chinesen, Javanen, Melanesen und Papuas, im Ganzen durchschnittlich 2000, wovon zu meinem Wirkungskreis aber nur etwa 300 gehörten, meist Melanesen. Auch diese waren angeblich auf Tropen- resp. Arbeitstauglichkeit geprüft, aber von Laien, die an einer möglichst quantitativen Anwerbung, infolge des Kopf- geldes, mehr Interesse hatten, als an einer qualitativen Auslese.

Die freien Eingeborenen, die Tamul, kamen nur gelegentlich, direct oder durch Vermittlung der Missionare, zu mir in ambulante Behandlung.

Die Lebensbedingungen für Europäer wne für die farbigen Arbeiter waren wesentlich verschieden auf den Pflanzungen und der Ver- waltungsstation. Da ich hauptsächlich auf letzterer, in Friedrich- Wilhelmshafen zu thun gehabt habe, so beschränke ich mich von hier ab, die hygienischen Verhältnisse dieser Station zu schildern.

Bei uns waren die Wohnhäuser für Europäer aus Holz und Well- blech leicht und luftig errichtet, und ruhten durchweg auf etwa 2 m hohen Pfählen. Die Arbeiter waren in Gebäuden aus demselben Material kasernirt; ihre geräumigen Schlafstätten ruhten theils auf 2 m, theils auf 1 m hohem Pfahlrost.

Für Nahrung war derartig gesorgt, dass allwöchentlich ein Rind geschlachtet wurde; ausserdem war an Schweinen, Hühnern, Fischen und durch Vogeljagd stets frisches Fleisch zu beschaffen. Für Europäer war ausser an einheimischen oder im Land gezogenen Erd-

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea.

137

und Baumfrüchteu und Gemüsen noch Conserven und Coloniulwaaren aller Art erhältlich, freilich zu oft überaus hohen Preisen. Für die Farbigen war im Reis eine gesunde Hauptkost geboten, zu der es neben Fleisch als Zukost genug Taro, Kokosnüsse und Fische von den freien Eingeborenen einzutauschen gab (mit Ausnahme der Monate, als der Blattern halber der Verkehr mit diesen verboten war).

Ausser den im Lager vorrätliigen alcoholischen Getränken und kohlensauren Wassern für Europäer Farbigen durfte Alcoliol nur als Arznei verabfolgt werden , und ausser der aus der Viehzucht sich ergebenden Milch diente das von den Wellbleehdächem in Tanks aufgefangene und eventuell noch filtrirte Regenwasser zum Getränk. In der langen Trockenperiode August bis October 1895 ist das Wasser aus einem Brunnenschacht auf der Station ohne Schaden getrunken worden.

Zu erwähnen ist hier noch, dass der Tabak als Genussmittel den schwarzen Arbeitern obligatorisch im Lohn eingehändigt wurde, und dass viele Melanesen und fast alle Javanen Betel kauten, fast alle Chinesen Opium rauchten.

Die Arbeit auf unserer Verwaltungsstation häufte sich zu. einer Arbeitslast nur zur Zeit des Postdampfers, also auf 14 Tage alle 2 Monate. Sonst war für Europäer Bureauzeit von 9 12 Uhr Vor- mittags und 3 5 */j Nachmittags, und für Farbige Arbeitszeit von 6 6 mit Mittagspause von 12 2 Uhr. Die arbeitsfreien Sonntage wurden regelmässig innegehalten.

Die übliche Bekleidung bestand für Europäer in Baumwollhemd, weissem Waschanzug, Socken, Segeltuchschuhen und lvorkhut, für Farbige im Hüfttuch. Nachts bediente sich Jedermann eines Mosquito- netzes; Wolldecken waren auch für jeden Arbeiter obligatorisch.

Für hygienische Zwecke hat die Neu-Guinea-Compagnie stets sehr viel getlian; wenn ich nicht irre, werden 10 °/0 aller Ausgaben hierauf verwendet. Auf jeder grösseren Station ist ein Arzt angestellt, dem ein bis zwei Heilgehülfen zur Seite stehen. Eine Schwester vom rothen Kreuz leitet und verwaltet ein grosses Europäer-Hospital (jetzt in Stephansort, damals in Friedrich Wilhelms-Hafen); überall bestehen Hospitalanlagen für Farbige, von denen die in Stephansort die ge- räumigsten — 7 Gebäude sind.

Unser Europäer-Hospital in Friedrich Wilhelms-Hafen war sehr schön auf der Insel Beliao. angesichts der Dalmanneinfahrt, unmittel- bar am Meer gelegen. Es stellte eine 2 m hohe Plattform dar, die von weit überhängendem Dach beschattet wurde. Auf dieser standen

Digitized by Google

138

Dr. Otto Dempwolff.

die sechs grossen Räume derart, dass noch eine 3 m breite Veranda rund herum frei blieb. Diese Räume wurden nach Bedürfniss ab Krankenzimmer abwechselnd benutzt; einer blieb für die Schwester reservirt, ein anderer diente als gemeinsames Speisezimmer. In gleicher Höhe mit dem Hauptgebäude, durch Gänge verbunden, lagen die Wirthschaftsräume, Badezimmer und Dienerwohnungen. Geflügel- hof und kleiner Garten lagen dicht dabei.

Auch die Hospitalanlagen für Farbige befanden sich in Friedrich Wilhelms-Hafen auf einer kleinen Insel, die nur diesen Zwecken diente. Es standen da ein Wohngebäude für den europäischen Heilgeh ülfen nebst Wirthschaftsräumen, ein grosses Männerhospital, ein kleineres Weiberhaus, an das sich die Küche schloss, und ein Leichenhaus. Das Männerhospital ist der Beschreibung werth, weil es sich als sehr practisch erwiesen hat. Es stellte eine hohe, luftige Scheune mit Holzwänden und Atapdach dar („atap“ sind geflochtene und ge- trocknete Blätter der Nipapalme), in deren Inneren, 2 m von den Wänden ab, sich eine Tenne auf 1,5 m hohen Pfählen erhob, mit 3 zuführenden Treppen. Auf dieser Plattform standen 1 m hohe Tische, die mit Matte, Decke und Mosquitonetz als transpor- tabele Krankenlager dienten. Die ganze Anlage war kühl, hell und übersichtlich, jeder Platz von allen Seiten zugänglich, leicht zu reinigen und desinficiren. An einer Seite waren verschli essbare Räume für das Bureau des Arztes und die Apotheke, die von Deutschland aus mit allem ärztlicherseits Erwünschten reichlich ausgestattet wurde. Das Weiberhospital war kleiner und hatte keine Tenne, dafür Fliesen auf dem Boden. Aborte waren nicht vorhanden: die Abfellstoffe gingen hier wie auf der ganzen Station in’s Meer, das durch Ebbe und Fluth genügend für Reinigung sorgte.

Ferner befanden sich bei Friedrich Wilhelms-Hafen ein Isolirhans für Seuchen an einer abgelegenen Stelle des inneren Hafens und Quarantäneanlagen 2 Scheunen und eine Küche auf der 3 km entfernten unbewohnten Insel Piawey. Alle diese Gebäude waren nur aus Pfählen und Atap zu ebener Erde errichtet

Ein Sanatorium besassen wir an der Astrolabe-Bai leider nicht weder für Europäer in den Bergen, noch für Farbige auf einer Insel so oft auch der Wunsch, ja das Bedürfhiss laut wurde. Aber die 900 m hoch auf dem Sattelberg bei Finschhafen gelegene Missions- station hat wiederholt Patienten aufgenommen, und, wie es scheint in ihrer Iieconvalescenz erheblich gefordert. Auch die Station Con- stantinhafen ist für invalide Arbeiter, namentlich für Beriberi leidende

I

Digitized by Google

Aeritliche Erfahrungen in Neu-Guinea.

139

von grossem Nutzen gewesen. Doch wird meiner Ueberzeugung nach erst die Lösung der Sanatoriumsfrage, für Weisse wie für Farbige, die hygienischen Bedingungen der Colonie so heben, dass sie ihren schlechten Ruf verliert und nicht mehr so viel Menschen- material verbraucht, wie heutzutage.

Zu den hygienischen Einrichtungen meines Ressorts gehörten auch die gesundheita-polizeilichen Untersuchungen aller Arbeiter, der Impfzwang, dem alle neu angeworbenen Farbigen unterworfen waren und die Quarantäneordnung für alle einlaufenden Schiffe. Fleisch- beschau und Wasseruntersuchungen waren nicht eingeführt; ebenso- wenig bestanden Wasserleitung, Canalisation , Drainage u. dgl. Es war das bei dem jungen Bestehen der Niederlassung seit 1891 wohl selbstverständlich, auch hat sich meiner Zeit kein Anlass ge- funden, dergleichen Einrichtungen anzuregen.

Infectionsquellen bestanden nur für Malaria nach Localität und näheren Bedingungen natürlich unbekannt. Dysenterie, Beriberi, Cholera u. dgl. sind nicht heimisch. Eine Pockenendemie im Früh- jahr 96 wurde völlig ausgemerzt.

Unter den freien Eingeborenen, die übrigens nur wenig Ver- kehr mit der Station hatten, gab es keine ansteckenden Krank- heiten, ausser einigen Pockenfällen. Nur Malaria herrscht auch unter ihnen.

Nun ist der Friedrich Wilhelms-Hafen gleich nach seiner Ent- deckung (October 1884 durch Dr. Finsch und Capt. Dallmann) für ein besonders schlimmer Fieberheerd gehalten worden*). Auch spätere Schilderungen**) pflanzen dieses Vorurtheil fort. Seit seiner Be- siedelung (1891/92) hat sich aber ein wesentlich anderes Resultat ergeben, wie aus den ärztlichen Berichten hervorgeht, die seit 1893 sehr genau sind und bis Ende 1 896, bis zur provisorischen Aufhebung der Station, gehen.

Aus diesen geht bezüglich der Europäer nur hervor, dass von polizeilich Angemeldeten 4 gestorben sind und 20 krankheitshalber heimgesandt wurden. Dazu kommen von unseren Schiffsbesatzungen, die im Ganzen 20 25 Europäer im Wechsel betragen haben mögen, 4 Todesfälle; endlich von einem fremden Schiff ein Todesfall, zu- sammen 9 Gräber auf unserem Europäer- Friedhof.

*) Finsch: Samoafahrten p. 94 und 135.

**) Beschreibung der Entrecasteaux - Inseln und der N.O.- Küste von Neu- Guinea p. 67.

Digitized by Google

140

I)r. Otto Dempwolff.

Von den Farbigen sind erkrankt:

1893 bei einem Durchschnittsbestand von 270 monatlich 90

1894 260 99

1895 308 41

1896 211 26.

Es sind im Ganzen auf der Station gestorben:

1893: 68; 1894: 46; 1895: 29; 1896: 26 (davon 9 an den Blattern).

Eine Besserung ist seit Aufhebung der nahe gelegenen Pflanzungs- station Jomba im Herbst 1894 unverkennbar; es hörte damals das Aufbrechen des Urwaldbodens so gut wie ganz auf. Wenn man noch hinzuhält, dass in Friedrich Wilhelms-Hafen bei Aus- und Ein- schiffung der Contractarbeiter fast immer einige Kranke liegen blieben, dass Centralgefängniss und Quarantänestation mit ihren ungünstigeren Lehensbedingungen dem Hospital ihre Beiträge lieferten, so konnte unser Gesundheitszustand sich immer mit dem anderer Stationen in Neu-Guinea messen wenn er auch an und für sich nicht glän- zend war.

Mein ärztlicher Antheil an diesen Zahlen, zusammen mit denen meiner kürzeren Thätigkeit in Stephansort, erstreckt sich auf die Be- handlung von 57 Europäern in 225 Krankheitsfällen und von etwa 500 Farbigen in 768 Erkrankungan. Davon verlor ich einen Europäer, 65 Farbige. Das ist mein Material. Es ist viel zu klein, um irgend- welche Art von Statistik abzugeben. Aber es gab mir Gelegenheit und Müsse zu eingehenderen Einzelbeobachtungen, welche die Grund- lage der folgenden Capitel bilden sollen.

II. Malaria bei Europäern.

Mit dem Schlagwort „Malaria“ wurde draussen von uns jedes Fieber, jedes Unwohlsein belegt, und auch bei evident anderen Leiden, ja bei chirurgischen Leiden wurde jede scheinbare oder wirk- liche Störung und Verzögerung der Genesung mit „Malaria“ in Ver- bindung gebracht.

Dass die in ihrem klinischen Bilde wohl characterisirte Krankheit mit ihren unregelmässigen Temperaturerhöhungen, der geschwollenen Milz und den subjectiven Symptomen des Nervensystems auch ohne jedesmaligen Plasmodiennachweis sicher jeden Europäer und jeden in den Beobachtungskreis tretenden Farbigen von Zeit zu Zeit befiel führte zu dem Schlüsse, dass der Infectionsstoff ubiquitär sein muss.

Digitized by Google

Aerztiicho Erfahrungen in Neu-Guinea.

141

Und daraus ergab sich der Rückschluss, dass wir alle fortwährend latente Malaria im Körper hatten, die sich bei besonderen Anlässen zu acuten Fiebern steigern liess, die bei jeder intercurrirenden Krank- heit complicirend eingriff, und die sich auch auf jeden sonst unbe- merkt gebheben „locus minoris resistentiae“ im Körper werfen konnte.

Ab und zu sind mir auch Fälle vorgekommen, in denen die Differentialdiagnose zwischen Malaria und anderen fieberhaften Krank- heiten Schwierigkeiten bereitete.

Nr. 1. (Malaria oder Pleuritis-Recidiv.) August 96. Bei einem wochenlang anhaltenden Fieber um 38°, das jeder Hydrotherapie trotzte, weil der Kranke auf keine Weise in Schweiss zu bringen war, kam der Patient selbst in Folge seiner Bückenschmerzen auf den Gedanken, es könne sich um eine chro- nische trockene Rippenfellentzündung handeln, an der er bereits vor Jahren in Europa mit wochenlangem Fiober gelitten. Nun war wohl etwas Knarren der alten Schwarten zu hören, aber es fehlten frische Adhäsionsgeräusche, Respirations- störungen und jede Spur von Erguss; dabei sassen die Schmerzen im Kreuz, nicht im Thorax. Pat., welcher Chinin wegen Hämoglobinurie nicht vertrug, genas durch eiue Höhenluftcur in Java. (Ausführliche Krankengeschichte in Capitel HI, unter Nr. 24.)

Nr. 2. (Maläria oder Abscess.) Pat., Officier eines Passagierdampfers, erkrankte Anfang Juli 97 an intermittirendem Fieber, gegen das Chinin bis 14 g in 8 Tagen wirkungslos war. Schmerzen in der Milzgegend führten das Augen- merk auf den Traube’schen Raum, wo eine unregelmässige, druckempfindliche Dämpfung oberhalb der Milz als subphrenischer Abscess ausgelegt wurde. Das entscheidende Ergebniss der Function ist mir unbekannt geblieben, da ich den Kranken nur am 13. VH. in Consultation gesehen habe, und er Tags darauf aus- geschifft wurde.

Einige andere diesbezügliche Beobachtungen sind unter Nr. 11, Nr. 12 und Nr. 13 geschildert.

Unter den Symptomen des Malarialeidens ist das hervor- springendste das Fieber; wenn wir draussen vom „Fieber“ sprachen, so meinten wir die Malaria, gerade wie man in Südamerika unter diesem Wort stets das Gelbfieber versteht.

Ich habe die alte Eintheilung in intermittens, remittens und continua stets an wenden können, aber die drei Stadien Frost, Hitze, Schweiss nicht immer rein beobachtet. Der Initialschüttelfrost fehlte Häufig. Langsam, schleichend stieg die Temperatur meistens an, und ebenso wies die Abfieberung Schwankungen auf, so dass ich, an s Krankenbett tretend, oft nicht sofort entscheiden konnte, ob sich der Pat. im aufsteigenden oder absteigenden Ast des Fiebers befand. Das Gefühl, die Aussage des Kranken ist dabei wenig von Belang: „der Mensch kann sich irren, aber das Thermometer lügt nie“

Archiv f. Schifft- u Tropenhygiene. II. 1 1

Digitized by Google

, 142

Dr. Otto Dempwolff.

diesen Ausspruch des Collegen von S. M. S.‘ Moewe fand ich auch bei alten Tropenleuten bestätigt, die mit 38° 39° umherliefen und behaupteten, normal zu sein.

Nr. 8. (Intermittens mit atypischem Schüttelfrost) 19. VLL 95. 8 h. a. m. 88,1° Subjectives Wohlbefinden. 10 h. a. m. 39.4° Schüttelfrost. 11 h. a. m. 39,7° Erbrechen. 1 h. p. m. 40,1° 2 h. p. m. 89,4° Schweiss. 8 h. p. m. 38,7° 5 h. p. m. 38,2° Abwaschung. 8 h. p. m. 87,4° Chinin 1,0. Die folgenden Tage unter fortgesetzter Chinintberapie fieberfrei.

Nr. 4. (Bemittens mit atypischer Curve; zwei Tage aus einem mehrtägigen Anfall.) 16. V. 96.

6 h. a. m. 37,7°. 8 h. a. m. 39,1°. 10 h. a. m. 88,6*. 12 h. a. m. 88,0°. 2 h. p. m. 38,1 4 h. p. m. 88,6°. 6 h. p. m. 39,8°. 8 h. p. m.

89.0°. 12 h. p. m. 87,7°.

17. V. 96. 8 h. a. ra. 86,9°. 6 h. a. m. 87,1°. 8 h. a. m. 36,6°. 10 h. a. m. 87,0°. 12 h. a. m. 36,9°. 2 h. p. m. 87,0°. 4 h. p. m. 37,2°. 6 h. p. m. 37.4°.

18. V. 96. Temp. dauernd unter 87°.

Die höchsten Temperaturen, die ich selbst in Neu-Guinea be- obachtet habe (Laien renommirten mitunter mit noch höheren), waren zweimal 41,3° und einmal 41,4°, die auf kühle Bäder bald sanken und ohne Folgen für Herz und Gehirn blieben.

Dagegen kommen an Bord von Schiffen, namentlich unter dem Slaschinenpersonal noch extremere Temperaturen vor. Ich selbst wurde einst zur Consultation zu einer Stewardess geholt, die ihre Malaria aus Indien hatte, wo das geprüfte Thermometer in ano 110° Fahrenheit = 43,5° Celsius zeigte. Es war im rothen Meer am 12. VH. 97. Die Kranke lag im Koma, lebte aber noch einige Stunden, währenddess die Temperatur durch Eiswasserpackungen bis 39 c C. gedrückt wurde.

Ist das „Fieber“ auch die hervorspringende Erscheinung bei Malaria, so ist der eigentliche Sitz der Krankheit doch das Blut

Auf Plasmodien habe ich fast nur zu Anfang untersucht; stets mit Zeiss Oelimmersion '/,,, Ocular 2 und 4, im ungefärbten Präparat Uebrigtns hielt sich das Mikroskop vorzüglich; nach münd- lichem Rath Dr. F. Plelin’s behandelt: unter grosser Glasglocke, die abgeschliffen und mittelst Vaselin luftdicht auf einer Marmorplatte abgeschlossen war, und die durch Calcium chloratum feuchtigkeits- frei, zum „Exsiccator“, gemacht wurde.

Nr. 5. (Plasmodien.) Pat. ist 91—94 in Neu-Guinea gewesen, 94/95 in Deutschland, und befand sieb zur Zeit ausreisend im indischen Ocean. 27. El. 95. 10 h. a m. 37,4°. Leichtes Unwohlsein. Keine sicheren Plasmodien ün Blute 4 h. p. m. 39,7° Schüttelfrost. Im Fingerblut reife Plasmodien, das

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea.

143

rothe Blutkörperchen ganz ausfüllend, und theilweise vergrössernd, mit feinst- kömigem Pigment; ein Plasmodium in Ringform.

Nr. 6. (Plasmodien.) Pat. ist ein Jahr in Neu-Guinea, leidet an typischer Tertiana 8. TV. 95. 89,8°. Im Fingerblut nicht sehr häufige reife Plasmodien in und meist ausserhalb der rothon Blutkörperchen. Diese freien Plasmodien sind etwas grosser als die rothen Blutkörperchen, rund, lassen den durchscheinen- den Leib kaum erkennen, zeigen aber in dem fein körnigen Pigment sehr deut- liche Margueritenformen von etwa .6—8 Theilkörperchen.

Nr. 7. (Plasmodien.) Pat. hat Neu-Guinea vor fast einem Jahr verlassen. 8. II. 98. 11 h. a. m. 88,0°. Im Fingerblut spärliche Plasmodien in den rothen Blutkörperchen, kleiner als diese, unregelmassig oontourirt, ohne , .typische“ Form, mit feinkörnigen Pigment

Andere als diese Formen habe ich in Neu-Guina nie gefunden, weder die grobkörnig pigmenti rten noch die pigmentlosen.

Blutkörperzählungen, die ich in den ersten Monaten mit dem Thoma-Zeiss’schen Apparat ausführte ohne bemerkenswerthe Er- gebnisse — musste ich aufgeben, weil sie meine Augen zu sehr an griffen.

Dagegen habe ich Hämoglobinbestimmungen mit Fleischl’schem Apparat in jedem einigermaassen schweren Fall im Fieber, wie im fieberlosen Zustand vorgenommen. Ich habe leider nur noch von 60 Hämoglobinbestimmungen aus jenen zwei Jahren die Notizen zur Hand (abgesehen von denen bei Schwarzwasserfieber; cf. Cap. HI), deren Zusammenstellung folgendes Resultat giebt:

105% einmal, bei einem zum ersten Mal in die Tropen kommenden 21 jährigen Maschinisten;

100% zweimal, gleichfalls vor den ersten Malariaattacken;

95% siebenmal;

90% fünfzehnmal;

85% elfmal;

80% dreimal;

75% neunmal;

70% siebenmal;

60% dreimal, darunter ein Fall von malignem Tumor;

50% zweimal, bei einem Cachektiker und bei einer Frau, die seit 90 in Neu-Guinea und Java ohne Klimawechsel lebt, keine Hämoglobinurie gehabt hatte und draussen zwei kräftige Kinder geboren hat

Demnach hält sich die Anämie bei gewöhnlicher Malaria in denselben Grenzen, wie anderwärts die „Tropenanämie“ auch.

Respirations- und Circulationsorgane waren in der Regel nicht mehr in Mitleidenschaft gezogen, als der Höhe der Temperatur ent- sprach: vermehrte Frequenz des Pulses und der Athmung.

Jene grosse Störung der Circulation, die gewöhnlich den Anfang

11*

Digitized by Google

144

Dr. Otto Dempwolff,

vom Ende bedeutet: Oedeme, habe ich nur einmal in ihrem ersten Beginn gesehen. Da der Fall auch eine gleich zu erwähnende Complication : Dickdarmcatarrh , bietet, so setze ich die Kranken- geschichte als Auszug aus zwei Gutachten, deren Copie vor mir liegt, hin.

Nr. 8. (Malaria mit Oedemen und Dickdarmgescbwüren.) Attest vom 8. VI. 95. Pat. giebt an, in Ost -Afrika, darauf in Europa und auf seiner Ausreise nach Neu-Ouinea Anfang 1893 an häufigen, aber meist leichten Malanz- nnfiillen gelitten zu haben. Seit Beginn seiner hiesigen Tbätigkeit als Schiffs- fiikror seien dann dio Anfälle zahlreicher und schwerer geworden , bis im Sep- tember 94 sich die ersten Complicntionen von Seiten des Darmes eingestellt hätten. Der damals ärztlicherseits constatirte Dickdarmcatarrh verschwand stets nur vorübergehend , trat jedoch regelmässig nach jedem Fieber wieder auf und hielt dann in wechselnder Stärke noch geraume Zeit an. Dieser Zustand wurde Anfang 1895 und namentlich durch eine Reise nach Sidney im April und Mai immer schlimmer, so dass Pat. nach seiner Rückkehr am 4. VI. in das Europäer- Hospital aufgenommen wurde. Daselbst hat er zwei Intermittensanfälle und häufige schmerzhafte Stuhlgänge schleimig-blutig mit Eiterpfropfen gehabt Die körperliche Untersuchung orgiebt folgendes: Pat ist von kräftigem Körperbau, schlaffer Muskulatur, geringem Fettpolster . . . Unterleib etwas aufgetneben, nirgends druckempfindlich. Leberdumpfung innerhalb der normalen Grenzen. Milz stark vergrössert; ihr Rand’ überragt in Rückenlage des Pat. den Rippen- wand um Zweifingerbreite, ist halt, glatt, druckempfindlich ... An Lungen, llcrz, Niereu . . . keine krankhafte Veränderung nachzuweisen. "Weder Oedeme noch Exantheme . . . Zusatzattest vom 30. VII. 95: Pat hat seit dem 8. VI. sein Schiff auf einer vierwöchentlichen und mehreren kleinen Reisen geführt und don Kost der Zeit im Europäer- Hospital zugebracht. Er giebt an, unterwegs leichtere Fieber mit Milzstechen gehabt zu haben. Dabei seien zwar die Dann- erscheimingeu nicht so heftig anfgetreten wie früher, dagegen habe sich starke Anschwellung der Fasse bis zur Hälfte der Unterschenkel eingestellt . . . Die uedematöse Schwellung der Füssc ist nuch von mir mehrfach gesehen; sie be- stand in verschiedenem Grade, und verschwand stets nach längerer Ruhe und Schonung. Dagegeu bleibt auch dann noch und dies ist das einzig bemerkens- wertho Neue zu dem Befunde vom 8. VI. eine Druckempfiudlichkeit und fühl- bare, unregelmässig begrenzte Knocheubautveidickung an beiden Schienbeinen. Für dieso Circulatiousstörungen hat sich weder am Herzen noch an den Nieren eis« Ursachp linden lassen, vielmehr ist ein directer Zusammenhang mit chronischer Malaria anzunchmen . . . Pat. leidet demnach an häufig wiederkebrendem Mal un- lieber mit Milztumor, gcschwürigem Dickdarmkatarrh und Circulationstörungen. Gemäss j 14 u. s. w. (Pat. im August 95 nach Deutschland heimgekehrt, ist dort im März au „Herzschwäche“ gestorben.)

Dio Organe der Bauchhöhle waren fast immer beim Fieber stark affieirt.

Nach der vergrösserten Milz fragte ich kaum noch: sie- über- ragte. bei Jedem, der einige Fieber durchgemncht, den Rippenrand;

Digitized by Google

Aerztlicbe Erfahrungen in Neu-Guinea. 145

und selbst da, wo sie bis an und über den Nabel vordrang, habe ich an ihr keine besonderen Symptome und Beschwerden beobachtet.

Ebensowenig boten die Nieren (ausser im Schwarzwasserfieber) Störungen: jene Spuren von Eiweiss, die bei hoher Temperatur in jeder Krankheit zu sehen sind, verschwanden mit dem Fieber.

Dagegen war die Verdauung stets in Unordnung, der Appetit reducirt, und schon dadurch der ganze Kräftezustand ein miserabler. In der Hälfte der Fälle, die dem Hospital und der trefflichen Pflege unserer Schwester zugewiesen wurden, war „Malaria dyspeptica“ der Anlass. Einen Fall hebe ich hervor:

Nr. 9. (Malaria „dyspeptica“-.) Pat. hat vom 9.— 12. V. 95. ein Re- mittens durchgemacht. Seither Dyspepsie und Erbrechen, wobei am 17. V. durch Brausepulver- Auftreiben Gastrectasie constatirt ist. Nachts vom 17. zum 18. V. Fieber, Morgens Aufnahme in's Hospital. Daselbst noch am 18. und 19. je ein Intermittensanfall ; Chinin verbrauch 3,5 g. 20.— 25. V. Allmälige Reconvalescenz unter guter Diät. 25. V. völlig genesen entlassen. Pat. hat spater noch manch- mal Verdauungsbeschwerden, aber nie mehr Gastrectasie gehabt. Am 21. XI. 95 verlässt er Neu-Guinea.

Hier war „Gastrectasie“ offenbar eine Fehldiagnose; denn ein pathologisch erweiterter Magen verkleinert weder sein Volumen so schnell, noch functionirt er nach acht Tagen wieder dauernd normal. Vielmehr behielt die Schwester Recht, wenn sie, ihrer Erfahrung mehr trauend als meiner Percussion, statt der von mir beabsichtigten Magenspülungen kräftige Diät anwandte.

Besonders häufig waren diese Malariadyspepsien unter den Schiffs- besatzungen, welche auf die vom Seegesetz vorgeschriebene Kost an- gewiesen waren, die für die Tropen recht unzweckmässig und als Krankenkost werthlos ist.

Viel ernster waren jene Complicationen, wo sich zur Malaria Dickdarmkatarrh gesellte. Dieser artete alsbald mit Blut- und Eiter- absonderungeu, mit Tenesmus und Kräfteverfall zu einem Bilde aus, das von echter tropischer Dysenterie kaum zu unterscheiden war (ganz abgesehen davon, dass der Laie draussen nach Vorgang der Engländer jeden Dickdarmcatarrh, ja jeden heftigen Durchfall mit „Dysenterie“ bezeichnet). Nur das vereinzelte, nicht epidemische Auftreten, der unmittelbare Anschluss an Malariaattacken, und der günstige Einfluss des Chinins veranlassen mich, diese Fälle hierher zu reihen. Der obigen Mittheilung No. 8 lasse ich noch den inten- sivesten Fall, den ich sah, folgen.

Nr. 10. (Malaria „dysenterica“.) Pat. ist seit Sept. 95 im Lande. Am 20. VI. 96 Durchfall. Seit dem 27. VI. Malariaanfälle, trotzdem im Dienst. Nachts

Digitized by Google

146

Dr. Otto Dempwolff.

vom 4. «um 5. VII. plötzlich blutigen Durchfall, 15 mal. 5. VH. 96 Abends Auf- nahme ins Hospital. Kräftiger Mann ; Abdomen nicht druckempfindlich, nirgends Besonderheiten. Stuhlzwang mit mässigen Schmerzen. Stuhl: helles und ge- ronnenes Blut und Schleim. Temp. 87,2° P. 90. 01. Ricin. 6,0 in Cspseln.

6. VH. Fieberfrei. Lang dauernde, äusserst schmerzhafte Stuhlgänge, blutig.

01. Bicin. 9,0, Ipecac. 5,0. Heisses Sitzbad. Thee, Milch.

7. VH. Status idem. 01. Ricin. 12,0, Ipecac. anemetin. 8,6. Heisse Sitz- bäder. —

8. VH. Status idem. Nachts noch 4, Tags 8 schleimigblutige Stühle.

01. Ricin. 9,0, Tct Opii croc. 1,0, Chin. mur. 1,0. Milch mit Ei.

9. VU. Chin. mur. 1,0. Erster blutfreier Stuhl.

10—13. VII. Chin. mur. 3,0, Ipecac. anemetin. 2,4. Zunehmende Besse- rung. Geformte, blutfreie Stühle. Appetit. Am 18. VH. geheilt entlassen.

Zu deu regelmässigen classischen Symptomen der Malaria ge- hören die „nervösen“. Wir hatten sie alle draussen: Kopfschmerz und Gliederreissen , Tremor und Nausea, Schlaflosigkeit, ab und zu auch ein kleiner Collaps. Hallucinatorische Delirien habe ich zwei- mal beobachtet; beide äusserten Verfolgungsideen. Ein Kranker war mir besonders interessant dadurch, dass er in dramatischer Lebhaftig- keit, wie es in Criminalromanen geschildert wird, seine Gewissens- hisse projidrte.

Nicht verschweigen will ich jene seltsamen moralischen Ver- irrungen, die von den Laien unter das Schlagwort „Tropenkoller“ subsummirt werden. Es handelt sich oft um Ungerechtigkeiten gegen Farbige, zuweilen um laxe Auffassung in Geldsachen, einige Male auch um offenbare Verstösse gegen die europäischen Rechtsbegriffe. Die Fälle sind psychologisch schwer zu analysiren. Aber es machte meist den Eindruck , als ob unter dem Einfluss schwerer Malariafieber und dauernder Lebensgefahr gewisse Hemmungsvorstellungen, die als moralische Motive zu wirken pflegen, geschwächt waren, und nach der Genesung wieder derart erstarkten, dass die Betreffenden mit- unter ihre eigene Handlungsweise nicht mehr begriffen. Es ist dies ein auch in anderen Colonien auftauchendes, vorläufig noch un- gelöstes forensisches Problem.

Wirkliche Geisteskrankheiten habe ich bei Europäern draussen nicht gesehen ; sie sind aber zu anderer Zeit ärztlich constatirt worden. Eine vorübergehende Gedächtnissschwäche findet unter Nr. 29 Er- wähnung.

Im Koma wurde ein Maschinist unmittelbar von der Reise ein- geliefert: er starb wenige Stunden darauf. Derselbe war in Sidney ohne ärztliche Untersuchung angemustert, hatte in Neu-Guinea mehrere Malariaanfälle überstanden und war von mir wegen Herzverfettung

Digitized by Google

Aerztiiche Erfahrungen in Neu-Ouinea.

147

infolge Trunksucht bereits als tropeauntauglich eingereicht, that aber aus Mangel an Ersatz Dienst. Dass Koma gerade auf Schiffen häufiger vorkommt, steht wohl im Zusammenhang mit den erwähnten hohen Körpertemperaturen daselbst. Wie viel Antheil Malaria, wie viel rein „physikalischer“ Hitzschlag daran hat, wage ich nicht zu entscheiden*).

Einer besonderen Erscheinung muss ich hier noch gedenken, der meningitischen Reizung. Was ich davon sah, war nicht ein eigentliches Symptom der Malaria, sondern immer ein durch directe Einwirkung der Sonnenstrahlen auf den ungenügend bedeckten Kopf ausgelöster Fieberanfall, mit qualvollem Kopfschmerz, geringer Nacken- steife und Pupillenenge und Temperaturen zwischen 38° und 39°. Diese Erscheinungen wurden von den Laien „Sonnenfieber“ genannt; eine Bezeichnung, die aus Ostafrika stammt. Sie wichen auf Chinin und Kaltwasserbehandlung in einigen Tagen, und documentirten sich so als zur Malariagruppe gehörig.

Da die Haut mit ihren Sch weissdrüsen eine wichtige Rolle bei der Herabdrückung der Fieber durch Wärmeabgabe sowohl, als auch bei der Ausscheidung der Stoffwechselproducte spielt, so ist jede Störung oder Abnormität der Schweissfunction von unangenehmer Bedeutung. Eines solchen Falles erwähnte ich unter Nr. 1; noch einen zweiten sah ich gelegentlich in collegialer Praxis am 27. IV. 95, wo der Patient trotz stundenlanger Ganzpackung sich keinen Schweiss- tropfen auspressen liess. Derselbe hat alsbald Neu -Guinea wegen schwerer chronischer Malaria verlassen müssen.

Uebrigens habe ich stets gefunden, dass der Schweiss be; Malaria einen eigentümlichen „specifischen“ Geruch hat (wie bei Tuberculose, Gelbfieber, Diabetes u. s. w., selbst bei Lues und Gonorrhoe). Zwei- mal konnte ich bei Europäern aus diesem Geruch den bevorstehenden Anfall Voraussagen, der zu ihrem Erstaunen auch innerhalb 24 Stun- den unvermutet eintrat.

Die Malaria ist eine Proteuskrankheit, und wohl kein Organ des Körpers ist sicher, dass es nicht bei irgend einem Anlass (der dem Zuschauer wie dem Kranken meist dunkel bleibt), befallen wird. Oft erwachsen daraus diagnostische und demnach auch principiell terapeutische Schwierigkeiten.

Ich erlebte folgende Complicationen :

*) Yergl. die analogen Fälle bei Schellong a. a. 0. p. 72 ff. und die Kritik von Stendel: die pemiciöse Malaria in Deutsch -Ostafrika. Leipzig 1894, p- 78.

Digitized by Google

148

Dr. Otto Dempwolft

Nr. 11. (Muskelinfiltration.) 17. V. 95. Pat. ist seit einigen Tagen erkältet: Bronchialcatarrh etc. Hierzu hat sich eine leichte Schwellung des musc. deltoid. dextr. gesellt Dabei abendliche Fieberbewegungen bis 38,0“. Infolge neu auftretender Erkrankung der Adductoren des rechten Oberschenkels Aufnahme in’s Hospital. Hier zeigen die genannten Muskeln eine teigige In- filtration, spontane und Druckempfindlichkeit und active und passive BeweguDgs- hehinderung.

Vom 17.— 19. V. angewandte Priessnitx'sche Umschläge und leichte Massage sind erfolglos.

Vom 20. 23. V. dazu verabfolgte Chiningaben, 1,0 pro die, führen zn schneller Besserung unter Rückkehr zur normalen Temperatur.

Am 24. V. wird Pat geheilt entlassen.

Nr. 12. (Otitis externa.) 22. I. 96. Pat, der seit Wochen fieberfrei ist, aber prophylactisch kleine Chiningaben nimmt, erkrankt plötzlich an äusserst schmerzhafter Schwellung des äusseren Gehörganges rechts. Hörfähigkeit normal. Lauwarme Ausspülungen befördern nur wenig Ohrenschmalz heraus.

23. I. Besserung auf Bähungen mit Camillenthee.

24. I. Stab idem. Kein Fieber. Zunehmende Schmerzen.

25. I. Incision von etwa 1 cm Länge, 3 mm Tiefe im Gehörgang, geringe Eiterentleerung. Die Schmerzen bleiben trotz Morph. 0,02.

26. I. Qualvolle Schmerzen trotz Morph. 0,03.

27. und 28. I. Schnelle Besserung und Genesung auf hohe Chiningabec (mehrmals 1,5).

Nr. 13. (Keratitis.) Anfang August 95. Leichter Intermitten sanfaü. Kurz darauf Fremdkörper, Sandkorn, in’s linke Auge, der zu spät und ungenügend entfernt wurde. Darauf Conjunctivitis, wahrscheinlich damals schon beginnende aber übersehene Keratitis. Borwasser, Zinc. sulfocarbol (0,3V»), Ungt. Hydraig. rubr. (2%) Cupr. sulf. (Aetzung) verschlimmerten den Zustand bis zur völligen Gebrauchsunfähigkeit des Auges.

Am 28. VIII. wurde die Hornhauttrübung constatirt und Atropin verordnet

I. 5. IX. Lichtscheu, Orbitalschmerz, Schlaflosigkeit Kein Fieber. Linseo- grosse Trübung im Homhautcentrum, mit grau gekörnter, feuchter Oberfläche und gelbem erhabenem Punkt in der Mitte. Warnte Umschläge. Atropin, Schwitz- bäder. —

6. IX. Entfernung eines minimalen Fremdkörpers aus dem gelben Central- punkt in Cocainanästhesie (durch Missionsarzt Dr. Frobenius).

7. IX. 10. X. langsames Verschwinden des gelben Centralpunktes. Sons* stat id. et therapia eadem.

II. 19.X. Trockene Schutzverbände, Schwitzbäder, allabendlich 0,5 Chm.: langsame Besserung.

20.— 31. X. Dunkeler Schutzverband im Freien. Ektropionirnng des entro- pionirten unteren Lides. Chinin. Schnelle Besserung, Vernarbung des Hornhaat- defectes zu einer macula corneae superficialis.

Pat. hat im Jnli 97 im Mittelmeer, und zwar unmittelbar anschliessend ae einen Intevmittensanfull. ein Rccidiv bekommen, das auf Atropin local und Chinin innerlich in Deutschland in 3—4 Wochen ausheilte.

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen in Neu -Guinea. 149

Dass diese Fälle mit Malaria in causalem Zusammenhang stan- den, ist nur ex juvantibus, aus dem schnellen Erfolg der Chinin- therapie, zu schlie8sen. Diese ist also draussen in allen derartigen dunkeln Fällen des Versuches werth.

Die Erscheinung, die noch am vollständigen Bild der tropischen Malaria fehlt, die Cachexie, sah ich deutlich ausgeprägt nur bei einem Kinde, dessen Mutter schon ante partum an Haemoglobinurie gelitten. Der Säugling war wohl normal gebildet, blieb aber körperlich wie geistig in seinem ersten Lebensjahre, November 95 bis December 96, so lange ich ihn beobachtet habe, sehr zurück. Schluss der Fon- tanellen im vierten Monat, Durchbruch des ersten Zahnes im elften Monat, Unfähigkeit sich aufzurichten ; dabei grosse Milz und häufiger Darmcatarrh setzten das traurige Bild zusammen. Ein ausge- sprochenes Fieber habe ich nur einmal bei ihm als mehrtägiges Remittens gesehen, das auf Chinin 0,1 mehrmals und Bäder wich. Nachrichten über das weitere Schicksal des Kindes (bis Ende 97) erzählen von keiner hervorragenden Aenderung im Befinden des nun- mehr Zweijährigen.

Ich wende mich zur Besprechung unserer Therapie der Malaria bei Europäern in Friedrich Wilhelms-Hafen.

Chinin und Hydrotherapie waren meine ärztlichen Verordnungen; eingehende Pflege aber die Hauptsache der Behandlung bei jeder ernsten Erkrankung.

Ueber die Grösse der Chiningabe habe ich meine Ansicht lang- sam geändert: ich bin zu immer kleineren Gaben gekommen. Von 2,0 pro dosi und 8,0 15,0 pro Anfall bin ich bis 0,5 oder 0,75 pro dosi und 3,0 6,0 pro Anfall herabgegangen. Dafür aber legte ich je länger je mehr Gewicht auf die Form der Verabreichung und die genaue Zeitbestimmung.

Haben schon die verschiedenen Chininsalze einen variirenden Procentgehalt an Chinin, ist schon die Löslichkeit für das salzsaure Salz eine andere als für das schwefelsaure, citronensaure, bromwasser- stoffsaure u. s. w., so wird die Resorbirbarkeit noch mehr der Con- trole entzogen, wenn das Präparat in Form von Pillen gegeben wird; selbst die comprimirten Tabletten sind sehr ungleich in ihrer Löslichkeit Wiederholt habe ich den Abgang von ungelösten Pillen und Tabletten im Stuhl gesehen; und wenn die Laien draussen eine Art Chininpillen mit Silberüberzug sehr bevorzugten, „weil sie gar kein Ohrensausen machten“, so hiess das für mich nur: weil sie gar nicht oder zu langsam zur Resorption gelangten. Andererseits kann

Digitized by Google

160

Dr. Otto Dempwolff.

man den meisten Menschen Chinin nicht rein in Pulver oder Wasser geben, ohne durch den bitteren Geschmack Ekel und Brechreiz her- vorzurufen. Ich gab deshalb Chinin zuletzt nur als salzsaures Prä- parat und womöglich in Oblaten oder Gelatinecapsein; und zwar stets per os, was nach Steudel’s Rath*) auch mir durch suggerirenden Zuspruch stets gelungen ist. Subcutan oder intramusculär habe ich Chinin nie verabfolgt

Um die concentrirte Wirkung einer relativ kleinen aber schnell resorbirbaren Chiningabe im passenden Augenblick zu erreichen, habe ich das Hauptgewicht der Verordnung auf den Zeitpunkt gelegt, in dem es genommen werden soll. Daher halte ich was Merenski**) in einer kleinen Broschüre hervorhebt eine Weckuhr neben dem Thermometer zu den nothwendigen Utensilien in einer Fiebergegend. Auch in Neu-Guinea wäre mancher Rückfall vermieden, wenn nicht der Patient die rechte Zeit zum Chininnehmen verschlafen hätte.

War das Fieber ein ausgesprochenes Intermittens mit Rückkehr zur (und unter die) Normaltemperatur, so verfehlte die Regel „sechs Stunden vor dem zu erwartenden Anfall“ nie ihren Zweck: der nächste Anfall blieb aus, oder spätestens wenn eine Tertiana duplex vorlag wurde das Fieber vom übernächsten Anfall an ab- geschnitten.

Nr. 14. (Chinintherapie bei Tertiana duplex.) 7.1.96. 3 h. p. m 40,5°. 5 h. p. m. 40,0°. 6 h. p. m. 89,5”. Nachts Abfieberung. Chinin 3fi.

8. I. Th. i. m. 87,4°. 3 h. p. m 87,5*. 4 h. p. m. 39,2°. 5 h. p. m. 89,2°. 6 h. p. m. 40,0°. 7 h. p. m. 39,0°. Schweiss. Nachts Abfiebeiw Chinin 2,0.

fl. I. 8 h. a m. 38,0°. 2 h. p. m. 86,5°. 6 h. p. m. 87,0°. Nacks Chinin 2,0. Dauernd fieberfrei.

Handelte es sich um Remittens, so wurde Chinin, nach Hagge'i Vorgang***), zur Zeit der relativ niedrigsten Temperatur verabreicht Es wurde so das Fieber theils direct zum Verschwinden gebracht, theib in ein Intermittens umgewandelt

Nr. 15. (Chinintherapie bei Remittens.) Pat hat am 10., 11., ll und 13. VIII. 96 tägliche Fieber bis 40,0° mit Remissionen bis 88,0° gehabt, und ist dabei von anderer Seite mit Antipyrin und Phenacetin behandelt worden.

Am 18. VIII. 96. 4 h. p. m. mit 39,5° in 's Hospital aufgenommen, hat er Nachts Remission bis 37,5° um 7 h. p. m. und 87.8° um 4 h. a. m., wobei st jedesmal- 0,6 Chinin erhält, worauf am 14. VIEL Intermission bis 86,8° einnia.

*) Steudel a. a. O. pag. 50.

**) Merenski: Malaria in Ostafrika.

***) Hagge a. a. O.

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea. 15t

Am 14. Vin. noch Anstieg bis 89,0* um 6 ä. p. m.; darnach am 15. VIII. Abfall bis 36,5° und dauernde Fieberfreiheit. Qesammtchininverbrauch 7,2 g.

Bestand endlich eine Continua (die ich nur sehr selten sah), so hiess es den Organismus dauernd unter Chinin setzen, womöglich alle sechs Stunden 0,6 1,5 g.

Nr. 16. (Chinintherapie bei Continua.) Pat. ist am 6. VUI. 95 an Fieber erkrankt, das am 7. VIII. mit 39,5° ohne Remission andauert. Chinin 2,0 Abends. Trotzdem am 8. VUI. Tags und Nachts dieselbe Temperatur. Pat. erhält nunmehr 5 g Chinin in 24 Stunden, worauf am 9. VIII. eine allmälige Ab- fieberung eintritt. Nach mehrmaligem Chinin 1,5 bleibt Pat. dauernd fieberfrei.

Mit solcher Chinintherapie sind wir draussen aller Malariaanfälle, die nicht mit Schwarzwasser verbunden waren, derart Herr geworden, dass die fieberfreien Perioden mindestens sechs Tage, meistens drei Wochen dauerten.

„Prophylactisches“ Chininnehmen habe ich denen angerathen, die sich selbst so beobachten lernten, dass sie die Prodrome ihrer Fieberattacken rechtzeitig erkannten; die Dosis betrug 0,76 bis 1,6 g. Ich selbst habe es auf diese Weise erreicht, dass ich die letzten sieben Monate meines Neu -Guinea -Aufenthaltes fieberfrei geblieben bin. Andere nahmen regelmässig am Sonnabend Abend 1,0 Chinin und •blieben so oft monatelang verschont. Dass auch hierin zu weit ge- gangen werden kann, dass noch so reichliches prophylactisches Chinin- nehmen ohne Indicationen nichts nützt, gar noch schädlich wirkt, bewies ein Fall, wo der Patient in den ersten Monaten seines Aufent- haltes vom 18. VI. bis 18. XII. 96 im Ganzen 94 g Chinin verbraucht hatte, über 4 g pro Woche. Der Betreffende war hochgradig nervös geworden und bekam doch am 22. XII. unter Collaps eine hart- näckige Remittens, die erst am 25. XII. lytisch entfieberte.

Andere Arzneimittel, als Chinin, habe ich im Fieberanfall mög- lichst vermieden. Phenacetin und Antifebrin gab ich mit Rücksicht auf das Herz nie, Antipyrin nur bei übergrossem Kopfschmerz, Chloral- hydrat bei Schlaflosigkeit.

Dagegen habe ich von der Hydrotherapie ausgiebigen Gebrauch gemacht: kaum ein Fall, bei dem sie nicht in irgend einer Form zur Anwendung kam. Packungen, Klysmata, Güsse, Sitz- und genau temperirte Vollbäder, Dampfbäder, kürz alles, was draussen unter den oft beschränkten Verhältnissen sich machen liess.

Endlich aber habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass die Hauptsache der Malariatherapie die individualisirende Pflege ist Nicht allein meine Medicamente ufid Vorschriften, sondern viel- mehr die Art ihrer Anwendung, die umsichtige Fürsorge im Kranken-

Digitized by Google

152

Dr. Otto Dempwolff.

zimmer, gut Essen und Trinken (Wein als Stimulans), Zuspruch im rechten Augenblick jene hundert Kleinigkeiten der Krankenpflege waren in schweren Fällen lebensrettend. Und wie einigen Wenigen eine liebende Gattin zur Seite stand, so fanden wir anderen unbe- hülf liehen Junggesellen in allen schweren Fiebertagen in unserer Schwester vom rothen Kreuz eine unermüdliche Wärterin, der wir alle viel, manche ihr Leben verdanken.

Ich erwähne noch, ohne es näher auszufuhren, dass ich zur Nachkur Eisen in allerlei Formen gegeben habe, als Ferr. reduct. als Haemalbumin, Liqu. ferr. albumin., Liqu. ferr. pepton., auch als Chin. ferrocitric. u. s. w. Deutliche Erfolge sah ich nie, ebensowenig von mehreren streng durchgefuhrten Arsenkuren.

Als letztes aber sicherstes Heilmittel gegen Malaria gilt Klima- wechsel. • Unsere Vorschriften erlaubten die Heimsendung „wenn der Beamte in eine Krankheit verfallen ist, von der eine Wiederherstellung im Schutzgebiet nicht zu erwarten steht“. Auf Grund dieses Para- graphen habe ich sechs. Mann das Attest zum Klimawechsel wegen Malaria ausgestellt Einer ist sieben Monate später an „Herzschwäche" gestorben (Nr. 8); von dreien erfuhr ich, dass sie noch monatelang heftige Fieber durchgemacht haben; von einem bin ich ohne jede Nachricht. Nur einer ist sofort und dauernd geheilt (Nr. 1), der einzige, der eine Höhencur (in Tosari auf Java) etwa zwei Monate lang durchgemacht hat. Nachdem ich noch bei einem anderen schweren Malariakranken aus Neu- Guinea (nicht meines Clienteis) von einer sechswöchentlichen Höhencur im Schwarzwald und Tyrol einen überraschenden Erfolg gesehen habe, seitdem werde ich allen derartigen Kranken nicht Heimkehr nach Europa sondern Höhencur, eventuell auch in den Tropen anrathen.

Zum Schluss dieses Abschnittes habe ich noch ein Thema zu be- sprechen: die verschiedene Empfänglichkeit der Europäer für Malaria

Die Malariainfection war an der Astrolabe-Bai so ubiquitär, das jeder Neuankömmling (ich erlebte hiervon nur eine, hörte von zwei weiteren Ausnahmen) bis zum 21. Tage, meist genau an diesem, seinen ersten Fieberanfall bekam. Da sich aber später eine grosse Verschiedenheit hinsichtlich der Häufigkeit und der Schwere der ein- zelnen Anfälle herausstellte, so mussten die Ursachen hierfür in der verschiedenen Disposition der Einzelnen oder in den jedesmaliger Gelegenheitsanlässen liegen.

Was nun zunächst die Disposition betrifft, so lag sie nicht in der Körperconstitution, sondern im Temperament. Sowohl unter den

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen in Neu -Guinea.

153

vollblütigen blonden Hünen gab es zähe, widerstandsfähige Leute, die sich mit seltenen, leichten Fiebern begnügten, als auch unter den kleinen, zarten, behenden Gestalten, als auch endlich unter den Wenigen, die ihre frische Jugend schon hinter sich hatten, ehe sie herauskamen. Und umgekehrt fielen ebenso von den offenbar Ro- busten wie von den zarter Gebauten gleich viele den heftigsten Fiebern anheim. Dagegen konnte es ausnahmslos gelten, dass Phlegmatiker, religiöse Naturen, Fatalisten den Aufenthalt in Neu-Guinea sehr gut vertrugen, ja über die übliche Contractzeit von drei Jahren bleiben konnten oder zum zweiten Male hinausgingen, während Sanguiniker, Streber, nervöse Naturen unter jedem Fieber subjectiv stark litten, sich vor der Zeit aufrieben und meist krank heimgesandt werden mussten. Dies ging so weit, dass man neu Ankommenden quasi die Prognose nach ihrem Temperament stellen konnte.

Ganz ähnlich verhielt es sich mit den Anlässen, welche die hef- tigen und langwierigen Malariaanfälle auslösten. Oft konnte man sehen, dass körperliche Strapazen, tagelange Buschtouren, nächtliche Bootsfahrten, stundenlange Durchnässungen u. dgl. ungestraft über- standen, oder nur mit leichten Fiebern beantwortet wurden.

Nr. 17. (Leichte Malaria nach Strapazen.) 40jähriger Mann. Am

13. II. 96 Jagdparthie, wobei er sich Abends vorirrt und, nur mit Hemd, Hose, Hut und Schuhen bekleidet, im Sumpfe im strömenden Kegen übernachtet. Am

14. II. fieberfrei. Am 15. n. Abends Fieber bis 38,8°, das schon Nachts unter Sch weissabfallt und durch Chinin dauernd abgeschnitten wird ; nächster Anfall am 22. II.

Dagegen zogen heftige psychische Erregungen, Zank mit Unter- gebenen, Sorgen um Schulden oder Stellung, gekränkter Ehrgeiz, Aerger über vermeintlich ungerechte Behandlung (und wie leicht fühlte man sich verkannt, benachtheiligt, zurückgesetzt!) u. dgl. un- fehlbar Fieber nach sich.

Nr. 18. (Auszug aus einem Attest.) „Was gerade in diesem Falle gegen längere Acclimatisationsversucho spricht, ist die geringe Widerstandsfähig- keit des Mannes, welche ihre Ursachen in erster Linie in seiner seelischen De- pression hat ... . In seinen Aeusserungen tritt immer wieder der niederge- druckte Gemüthszustand zu Tage, in Gestalt von Reue über seine hiesige sociale Lage, die ihm aus pecuDiären Gründen und infolge der Nichtverstaatlichung seines Postens so herbe Enttäuschungen bereitet habe u

Am schlimmsten waren diejenigen daran, die durch ihre Stellung verhindert waren, sich auszusprechen, „den Aerger von der Leber zu schimpfen“, die ihre schwere Verantwortlichkeit mit sich allein umher- tragen mussten. Das ist meiner Ansicht ein Hauptgrund, weshalb die obersten Beamten draussen so schnell aufgerieben werden.

In demselben Sinne wirkte auch schlechte Ernährung nicht so

Digitized by Google

154

Dr. Otto Dempwolff.

sehr körperlich (denn Missionare, Sammler u. A. mussten hierin oft sehr viel entbehren und blieben relativ gesund), als vielmehr durch die damit verbundenen Sorgen, sparen zu wollen, Schulden abzutragen u. dgl. Und ebenso wurden alcoholische Excesae oft staunenswerth vertragen, wenn sie aus Geselligkeit hervorgingen, rächten sich aber allemal bitter, wenn ein Aerger weggetrunken werden sollte.

Für diese paradox klingenden Behauptungen kann ich nicht alle Beweise aufzählen, weil die Geschichten für die Betheiligten zu durch- sichtig und ihnen unangenehm sein würden. Aber es ist das aus- nahmslose Resultat meiner Erfahrung, dass ebenso wie für die Malaria- prädisposition Temperament entscheidender ist als Körperconstätution, so auch für die auslösende Veranlassung und Prognose der einzelnen Attacken die jedesmaligen psychischen Factoren weit wichtiger sind, als die gleichzeitigen somatischen.

III. Schwarzwasserfieber.

Schwarzwasserfieber Malaria haemoglobinurica stelle ich deshalb abseits von allen anderen Symptomen und Com plicationen der Malaria, weil es die einzige Art „perniciöser“ Fieber ist, die ich in Neu-Guinea zu sehen bekam, weil in seiner Therapie Chinin sich ganz eigenartig verhält, und endlich weil es auch sonst in der deutschen Tropenliteratur ein besonderes Thema bildet, zu dem diese Seiten einen kleinen Beitrag bilden sollen.

Bereits von Schellong*) sind in Finschhafen 1886 1888 sieben Fälle von Malaria haemoglobinurica beobachtet und veröffentlicht worden. Aus den folgenden sechs Jahren sind laut den Acten der Neu -Guinea- Compagnie auf den damaligen Stationen der Colonie mindestens ein weiteres Dutzend solcher Krankheitsfälle vorgekommen; ebenso nach mündlicher Mittheilung unter den damals dort lebenden Missionaren einige Fälle; aber es fehlen alle näheren Angaben, die eine nachträgliche Beurtheilung erlaubten.

Von März 95 bis Februar 97 habe ich 14 Anfälle von dieser Krankheit bei 7 Europäern behandelt

Ich gebe nachstehend zuerst die Krankengeschichten ziemlich ausführlich wieder und schliesse daran ein zusammenfassendes Kid der Krankheit, wie sie damals sich in mir abspiegelte, ohne nach- trägliche theoretisirende Betrachtungen und unter Vermeidung jeder literarischen Polemik.

*) Sohellong a. a. 0. pag. 58 ff.

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen in Neu -Guinea. 155

Krankengeschichten.

Nr. 19. (Tier Anfälle von Schwarzwasserfieber.) 1864 geh. 6 Jahre in Deli (Sumatra), Erholung in Deutschland; seit Jnni 94 in Neu-Guinea. Schlanker, bleicher, weichlicher Stubenmensch. Hat seine Malariaanfälle mit Chinin und Phenacetin meist selbst behandelt resp. unterdrückt.

1. Anfall. 27. XI. 95. Seit etwa 10 Tagen Alcoholexcesse und Mattigkeit, seit 3 Tagen nächtliche Fieberanfälle, wogegen allabendlich Chinin 1,0, gestern 1,5 und Phenacetin 1,0. Mitternachts Brechen bitterer Massen, Hitzegefühl, Durst, dunkler Urin.

10 h. a. m. Status praesens: Relative Frische im Gesammt-Eindruck. Temp. 88,3*. Puls 84, klein. Haut bleich, feucht Leichter Icterus der Con- junctiven. Drin 400 g dunkelbraunroth. Ueberführung in’s Hospital. Daselbst kommt Pat. in Schweiss, gähnt viel, ist aber geistig klar und frei von Beschwerden. Herztöne rein. Herz, Leber, MUz in Rückenlage innerhalb der normalen Grenzen. Milzrand nicht palpabel. Urin noch 300 g, heller, sherryfarben. Kochprobe ergiebt Gerinsel von brauurother Färbung erst als Haut dann am Boden. Heller’sche Blutprobe negativ. Auf Eisessig etc. Teichmann’sche Crystalle. Sediment: spärliche blasse polyedrische Zellen mit kleinem deutlichen Kern, einige Rund- zeUen und ganz seltene rothe Blutkörperchen, sonst alles gelbrother körniger Detritus, zuweilen in Cylinderform angeordnet. Blut der Fingerkuppe zeigt 60 - 65% Hb.

Behandlung: Keine Medicamente. Lauwarme (36° C.) Waschungen. Viel Getränke: Selters, Thee, Lemonenwasser mit Rothwoin.

28. XI. 95. Temp. Nachts 87,5°, Morgens 36,6”. Pat hat gut geschlafen. Puls 84, klein, weich. Auf 01. Ricin. 6,0 weicher Stuhl. Viel, nicht stark riechender Schweiss. Etwas Nahrungsaufnahme, Eier, Brot, Hühnerleber. Bei S‘/m Liter Flüssigkeitsoonsum nicht ganz 1 Liter hellrothen satzfreien Urin. Innere Organe: Status idem. 2 laue Bäder. Mittags 1,5, Abends 1,0 Chinin.

29. XI. 95. Temp. Nachts 38,0”, Tags unter 87,0”. Subjective Besserung, Viel übelriechender Schweiss. Urin wieder hell, blut- und eiweissfrei. Chinin 1,0. Warme Bäder.

30. XI. Stat. id. Chin. 1,0. Hämoglobingehalt 45%.

1. XQ. Pat verlässt gegen ärztlichen Rath das Hospital; nach 14 Tagen hat er wieder 65% Hb.

2. Anfall. 18. U. 96. Pat ist bis zum 17. H. von Fiebern frei gewesen, hat an diesem Tage Temp. bis 38,4° gehabt, darauf Chinin 1,5 und am 18. II. Morgens bei 36,8 Temp. noch Chinin 1,0 genommen. Mittags ist Bluthamen aufgetreten, das sich als Haemoglobinurie herausstellte. Darauf Bettruhe, keine Medicamente, viel Getränk. Am 19. H. Urin noch bluthaltig, am 20. H. noch Spuren von Blut. Tags darauf thut Pat. schon Dienst (Die Temperaturen sind nicht aufgezeichnet da Pat Dicht in's Hospital aufgenommen ist)

3. Anfall. 28. VH. 96. Pat ist angeblich seit Februar fieberfrei ge- blieben und bat seither nur 2 g Chinin prophylaktisch verbraucht Seit 8 Tagen im Anschluss an anstrengende Arbeit (Arbeiter -Ablohnung) grosse Mattigkeit Deshalb als Vorbeugung für geplante nächtliche Bootsfahrt gestern Abends 7 Uhr Chinin 1,0 in Pillen; um 11 Uhr während des Kofferpackens plötzlich Er- brechen, dunkler Urin, Fieber bis 88,6”. Nachts anhaltend schlechter Zustand,

Digitized by'Google

156

Dr. Otto Dempwolff.

Morgens 7 Uhr Besserung, aber noch schwarzer Urin. Um 8 h. 30 a. m. Ver- schlechterung, erneutes Fieber und Brechen.

Status praesens. 10 h. 30 a. m. Pat. sitzt halb aufgerichtet im Bett, in leichtem Schweiss. Icterus der Conjunctiven, nicht der Haut. Temp. 39.2°, Puls 120. Herz etwas matt, aber regelmässig und rein. Leber und Milz nicht wesentlich vergrössert. Urin bordeauxfarben. Kochprobe ohne Leim- geruch, erstarrt fast ganz. Heller’ sehe Blutprobe negativ. Sediment spärlich, der sehr gelb gefärbte Detritus liegt zusammengeballt und lässt einmal eine Becher- zelle deutlich erkennen.

Behandlung: Keine Medicamente. Lemonenwasser. Camillenthee. 12 h. Temp. 40,2°.

3 h. p. m. Temp. 38,2°. Pat. ist apathischer, gähnt und schwitzt sehr viel. Er hat auf Camillenthee nicht mehr gebrochen. Urin wie vor.

5 h. p. m. Temp. 38,3°, Puls 120.

8 h. Temp. 37,9°. Status idem.

10 h. p. m. Pat. schlaft. Urin Tags über 300 g.

27. VII. 6 h. a. m. Temp. 37,2°. Urin 500 g, wie gestern.

8 h. a.m. Temp. 36,9°, Puls 92 voll, gut. Icterus nur der Conjunctivea. Haut feucht Herz wie gestern. Milz überragt eben den unteren Rippenrand.

Um "/4IO Uhr verlässt Pat das Bett zu spontanem, angeblich gutem Stuhl. Unmittelbar darauf Schüttelfrost, Temp. 89,5°. Erbrechen, tintenfarbener Urin, tiefe Zerschlagenheit, quälender Durst.

11 h. a. m. Verschlechterter Status: Pat. wirft sich auf dem Lager um- her, stöhnt, athmet unregelmässig, seufzend. Erbrechen. Haut heiss, trocken, nicht spröde. Conjunctiven stark gelb. Lippen sehr blass. Puls klein, weich, aber regelmässig. Herz sehr matt Leber und Milz wie sonst. Urin schwarzroth ohne Satz, nur am Filtir erscheint etwas Sediment: Detritus, ausgelaugte rothe Blutkörper, tote Epithelzellon , keine Crystalle. Kochprobe erstarrt fast ganz. Heller' sehe Blutprobe giebt rothen Satz; aber auch die Flüssigkeit darüber hell- scharlachfarben.

Behandlung: Keino Medicamente. Sect mit Sodawasser. Camülenthee u. dgl., was theilweise wieder erbrochen wird.

3 h. p. m. Temp. 88,0°, Puls 120. Starker Schweiss. Schmerzen in der Lebergegend und beim Räuspern im ganzen Rumpf. Pat. wird sorgfältig über- wacht, so dass er das Bett nicht verlässt, und erhält warme Waschungen.

6 h. p. m. Temp. 37,0°, Puls 84. Subjective Besserung. Urin Tags über 800 g, bordeauxfarben , aber trübe ; Sediment neben Detritus viel rothe Blut- körperchen und kleine Epithelien, keine Cylinder; Eiweissgehalt geringer, bei der Heller’ sehen Probe tritt neben völliger Aufhellung der Flüssigkeit rother Satz auf.

28. VII. 96. 8 h. a. m. Temp. 36,2°, Puls 88. Nachts ruhiger, beaufsich- tigter Schlaf. Status unverändert Urin 400 g heller, sehr trübe; das suspen- dirte Sediment besteht neben etwas Detritus und rothen Blutkörperchen fast nur aus kurzen hellgelben, nadelartigen Gebilden. Sowohl Teichm&nn'sche wie Murexidprobe negativ, Heller’sche und Kochprobe stark positiv.

Behandlung dieselbe mit warmen Bädern und etwas Nahrungsaufnahme. Tags über Temp. 37 37,8°, Puls 80-90, Urin wie vor.

29. VII. 96. Vormittags Status idem, Nachmittags wird der Urin 200 g plötzlich ganz klar hellgelb, blut- und eiweissfrei. Sonst derselbe Zustand grosser

Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea.

157

Mattigkeit, Schmerzen in der Leber- und rechten Schultergegend. Innere Orgaue ausser der vergrösserten Milz nicht als verändert nachzuweisen.

30. VII. 96. Dauernd fieberfrei. Urin Vormittags braunroth, trübe, deut- lich Blutfarbstoff, kein Eiweiss enthaltend, Nachmittags auch blutfrei. Im Blut der Fingerkuppe 45—50% Hämoglobin.

81. ID. 96. Fieberfrei. Urin ganz eiweissfrei, Spuren von Blut Besse- rung anhaltend. Pat. ist ausser Bett

Im August 96 bleibt Pat. matt und kränkelnd, sein Hämoglobingehalt steigt nicht über 50%. Doch bleibt er fieberfrei bis auf , einen Temperaturanstieg bis 89° am 9. VIII. Als er darnach Chinin 0,5 mehrmals nimmt, zeigt der Urin wieder Spuren von Blut Es wird ihm dringend wiederholt ärztlich gerathen, mit dem nächsten Postdampfer am 30. VIU. das Schutzgebiet zu verlassen. Er bleibt jedoch noch in Neu-Guinea bis zum 25. X. 96 und hat in dieser Zeit trotz Dienst- befreiung und Pflege beständiges Krankheitsgefühl und häufige kleine Fieber, gegen welche er Chinin ä 0,5 nimmt. Vor seinem Weggang wird zur Attestaustei- lung — am 20. X. 96 folgender Status aufgenommen:

Pat. ist mager, mit schlaffen Hautdecken, von bleicher Farbe, ohne Oedeme. Die Augenbindehaut ist gelblich. Temp. 37.7. Herz innerhalb der normalen Grenzen, Töne rein, Puls 92, klein, regelmässig. Lungen ohne Besonderheiten. Milz reicht zum Bippeorande. An den übrigen Organer nichts Ungewöhnliches. Urin gelb, klar, frei von Eiweiss; der Niederschlag nach Kochen mit 83% Kali- lauge ist röthlich: Spuren von Blutfarbstoff. Im Blut beträgt der Farbstoffgehalt 70% des Normalen.

Ich habe Gelegenheit genabt, den Pat. später wiedeizusehen. Er war weder nach Europa, noch, wie ihm gerathen, nach Java zur Höhencur gegangen, sondern hatte sich im November und December in Singaporo, im Januar und Februar in Japan aufgehalten. Als ich ihn Anfang März 97 wieder in Singapore traf und untersuchte, war er sehr elend, aber ausser Bett Er hatte beständig um 88 ' Temp., eine handbreit den Hippenbogen überragende Milz und beginnende Oedeme um die Knöchel, die auf Herzschwäche schliessen liessen. Trotz allseitigen Zu- spruchs verzögerte er seine Abreise.

Am ll. in. 97. brach Vormittags ein vierter Anfall von Schwarz- wasserfieber bei ihm aus, zu dem ich gerufen wurde. Pat. hatte erst heftigen Schüttelfrost, dann bei 40 40,5° tiefe Apathie, so dass ich nur erfahren konnte, er habe kein Chinin unmittelbar vorher genommen, dagegen eine ihm von anderer Seite verordnete Arsenkur Tags zuvor auf dem Höhenpunkt abgebrochen.

Ueber den Verlauf dieses Anfalls habe ich nur kurze Notizen ohne Temp.- Angaben zur Hand. Pat. blieb bis zum 12. UI. Abends in hohem Fieber und entleerte häufig kleine Mengen tintenfarbenen Urins. Drohende Herzschwäche wurde mit Sect bekämpft, sonst erhielt er nur Camillenthee und Sodawasser. Am 12. III. bekam er dann verdünntes Liquor Fowleri tropfenweis in Wasser. Als in der Nacht zum 13. HI. das Fieber abfiel und der Urin sich bis zur Sbcrryfarbe aufhellte, wurde Pat. aus dem Hotel ins englische Hospital überführt. Hier ist er nachdem die Hämoglobinurie angeblich aufgehört am 20. III. an Herz- schwäche gestorben.

Nr. 20. (Zwei Anfälle von Schwarz Wasserfieber.) Ehemaliger Ma- rine-Unterofficier, etwa 30 Jahre alt, seit Herbst 93 im Schutzgebiet. Uutcr-

ArcMr f. Schiff»- u. Tropenhjgiene. II. 1 2

Digitized by Google

168

Dr. Otto Dempwolff.

setztcr muskulöser Mann, der ausser einem heftigen Malariaanfall October 94 nur leichtere Fieber gehabt hat, die ihn selten dienstunfähig gemacht haben.

1. Anfall. 16. XII. 95. Anamnese: Am 14. XII. 2,5 g Chinin pro- phylactisch. am 15. XII. trotzdem Fieberanfall; nach dem Abschwitzen Abends 1.5 Chinin, am 16. XII. Morgens 1,0 Chinin, Mittags langer Schüttelfrost, hohes Fieber, dunkelrother Urin. Abends Aufnahme in’s Hospital.

Status praesens 16. Xü. Pat. liegt im Schweiss. Temp. 37,2°. Icterus der Conjunctiven. Ausser mässiger Milzvergrösserung an inneren Organen nichts Ungewöhnliches. Urinsediment nur körniger Detritus.

Behandlung: Keine Medicamente; viel Getränke, warme Bäder.

17. XII. Temp. 36,0^36.7 . Leichter Icterus der Haut; Urin hellt sich auf. Viel Schweiss und Schlaf.

18. XII. Morgens. Temp. 36,1’. Chinin 1,5. Vier Stunden später Schüttelfrost Stark dunkler Urin mit Detritus-Sediment. Heller'sche Blutprobe gelingt erst nach Mischung mit normalem Urin. Temp. 39,2 bis 38,2* (Abends) keine Medicamente, warme Waschungen, viel Getränk.

19. XII. Fieberfrei. Ürin hellt sich auf, wird blut- und eiweissfrei.

20. — 27. Xü. Vollständige Reconvalftscenz ohne Verabfolgung von Medica- menten.

Pat. macht vom 6. 8. II. einen leichten Intermittensanfall durch, und ver- braucht 8,5 Chinin ohne Hämoglobinurie; ebenso vom 23. 25. II. mit 2,75 Chinin.

2. Anfall. 23. HI. 96. Pat. weiss nicht genau anzugeben, wann er zu- letzt prophy laotisch Chinin genommen. 4 Uhr Nachmittags bemerkt er blutigen Urin; dabei Temp. 38,6°; Abends Temp. 37,7°. Der Urin zeigt deutlich Blutfarb- stoff. Pat. bleibt zu Bett und schwitzt viel.

24. III. Temp. um 38,0’ bis Mittags. Urin hellt s\ph auf.

25. III. Pat. hat Nachts um 10 und um 3 Uhr Chinin genommen, zu- sammen jedenfalls über 1 g. Morgens 8 Uhr: Fieber bis 39,4*. Urin dunkelroth. Uämoglobmhaltig. Pat. schwitzt stark, hat Abends 36, 8e. Kein Chinin mehr.

26 III. Pat. ist fieberfrei. Urin hell, blut- und eiweissfrei.

Pat. ist seitdem matt und ermüdet sehr leicht. Er macht in den nächsten beiden Monaten noch zwei leichte Fieberanfälle ohne Sch w-arz wasser durch, gegen die er etwa 3,0 Chinin a 0,5 verbraucht. Am 10. V. 96 verlässt er auf Attest das Schutzgebiet.

Nr. 21 (Drei Anfälle von Schwarzwasserfieber.) Pat. ist Anfangs Zwanziger. Hat in Deutschland an schwerer Lues monatelang im Hospital gelegen Magerer, schmaler Mann mit nervösen Bewegungen. Seit Februar 95 im Schutz- gebiet, liat seine leichten Malariaattacken, ohne viel Chinin zu nehmen, „abge- schwitzt.*1

1. Auf all. 28- XII. 95. Pat. erhält nach nächtlichem Fieberanfall um 7 Uhr Morgens Chinin 1,0. Mittags Fieber 38,2*. Urin dunkelroth. Hämoglobin haltig. Icterus der Conjunctiven und Haut, Erbrechen, grosse Schwache. Nachmittags wird Pat. in s Hospital gebracht, wo er unter reichlichem Schweiss abfiebert uud ohue medicamentöse Behandlung gepflegt wird. Urin hellt sich schon am 29. Xll. völlig auf. Icterus ist auch am 1. I. 96 völlig geschwunden, worauf Pat. entlassen wird.

Am 4. I. hat Pat. Durchfall im Auschluss au kleine Aicuholexcesse.

Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guiuea.

169

Am 7. I. machte er ein leichtes Fieber durch, bei dem auch im Urin deut- lich Blut nachzuweisen ist; dabei bat er keine Arzneimittel genommen (ausser seit dem 1. I. Ferr. reduct. 0,1 tgl. 3 mal.)

2. Anfall. 15. I. 96. Nachmittags trat Fieber auf, Abends erhält Pat. Chinin 1,0. Nachts Schüttelfrost, Erbrechen, Fieber, dunkelrotber Urin.

16. I. fieberfrei; kein Chinin; permanentes Erbrechen, steter Schweins trotz vielem Wäschewechsel, Icterus der Conjunctiven. dauernd blutiger Urin; schlaf- lose Nacht.

17. I. Status idem, schneller Kräfteverfall, Ohnmachtsanwandlungon beim Aufrichten. Pat. wird ins Hospital gebracht.

18. I. Pat. ist sehr unruhig, Temp. norm., Puls 120 130. klein, weich. Urin hellt sich langsam auf; sonst Status idem.

19. I. Vormittags vorübergehend 38,0°. Erbrechen hört auf. Pat. wird ruhiger und sehr matt Urin hell, blut- und eiweissfrei.

20. 30. I. Sehr langsame Besserung.

31. I. Neuer Fieberanfall, Urin klar. Kein Chinin.

1. II. Ebenso, heftiger. Chinin 1.0. Urin bleibt klar.

2. II. Ebenso, leichter. Chinin 1,5. Urin klar. Viel Schv. jiss u.id Brechen. Grosse Schwäche.

2. 21. II. Langsame Reconvalescenz. Grosse Erregbarkeit. Nach see- lischen Erregungen kurze Temperatursteigerungen bis 38,4°. Chinin 8,0 prophy- laktisch.

22. und 28. II. Heftiger Fieberanfall, nachdem Pat. einen schwer verletzten Javanen blutüberströmt gesehen. Chinin 8,0. Urin klar.

27. II. 11. HI. Es bilden sich mehrere grosse Furunkel an der rechten Wange. Da Pat. messerscheu ist, werden sie mit, Reisumschlägen behandelt.

Am 11. ID. Incision der Furunkel und Eiterentleerung, worüber Pat. un- gemein erregt wird, und ein Fieber befürchtet

3. Anfall. 11. IH. 96. Pat. nimmt deshalb Abends 9 Uhr Chinin 1,5 prophylactisch. Um 2 Uhr Nachts Schüttelfrost, Athemnoth, Temp. 39,7°. Er- brechen, Urin schwarzroth, stark eiweiss- und blutfarbstoff haltig.

12. HI. Kein Arzneimittel. Allmälige Abfieberung unter starkem Schweiss. Urin 'wird klar, blut- und eiweissfrei. Im Blut 25% Hb!

Pat. hat am 15. HL 96 mit dem Postdampfor das Schutzgebiet verlassen und ist in Deutschland angekommen.

Nr. 22. (Zwei Anfälle von Schwarzwasserfieber.) Eude Zwanziger. Seit Juni 93 im Schutzgebiet Weniger Malariaanfälle als andere, darunter an- geblich im ersten Jahre einmal Schwarzwasserfieber. Aversion gegen Chinin. Kleiner, kräftiger Mann, Turner.

1. Anfall. 15. I. 96. Am 18. I. leichtes Fieber, das am 14. I. anhält, trotz zweier Dampfbäder und Chinin 1,5. In der Nacht vom 14. zum 15. an- geblich drei Schüttelfröste, hervorgerufen durch unbekleidetes Gehen zum Abort und Wecken des schlafenden Boys; darauf Fieber über 40°, dunkler Urin, grosse Schwäche, gegen Morgen starker Schweiss.

Status praosens: 15. I. 7>> » T. 39.7. P. 140. Pat. liegt unruhig im Schweiss. Icterus der Conjunctiven und der Haut, Sensorium klar. Urin 200 g porterfarben. Kochprobe zeigt scbmutzigbraunos Gerinsel an der Ober-

12*

Digitized by Cöoogle

160 Dr. Otto Dempwolff.

fläche. Heller' sehe Blutprobe positiv. Sediment besteht nur ans dunklem körniges Detritus.

Pat. wird ins Hospital transportirt. Hier schwankt die Temperatur zwischen 88,2° und 39,7° fallt dann dauernd unter 88’. Dabei starker Sohweiss, etwas Er- brechen, innere Unruhe, heftige Herzpalpitationen. Urin noch 400 g, wie oben. Kein Arzneimittel, lauwarme Waschungen, Thee, Sodawasser, Sect

16. I. Nachts etwas Schlaf. Tags fieberfrei. Viel Schweiss. Grosse Schwäche und Unruhe. Urin hellt sich auf, Blutprobe noch positiv. Behandlung wie vor.

Vom 17. 22. I. Fieberfrei. Urin dauernd blut- und eiweissfrei. Icterus verschwindet Ziemlich schnelle Reoonvaleseenz.

22- I. geheilt aus dem Hospital.

Nach kleinen Alcoholexcessen vom 29. I. bis 2. H. nachmittägliche Fieber, gegen die Pat. erst am 2. II. und 3. H. Morgens Chinin 1,5 nimmt Der Urin ist in dieser Zeit dauernd normal. Am 3. II. begiebt sich Pat, obwohl noch schwach, auf eine dreiwöchentliche Seereise zur Erholung.

2. Anfall. Anamnese: Auf dieser Reise am 22. H. Morgens Uandausflug in Sonnenhitze, Abends kaltes Flussbad. Nachts zutn 23. II. Fieber. Am 22. H Abonds und 23. II. Morgens je 1,0 Chinin. Seit 23. II. Mittags schmerzhafte Blutharnen, Gelbsucht, unstillbares Erbrechen, Schlaflosigkeit, tiefe Erschöpfung. Schweiss, hoi jedem Luftzug Frösteln, oft Schüttelfröste, Temp. bald 36’ bald über 40’.

Status praesens 25. II. 2b-P m- Pat. liegt in passiver Rückenlage auf einer Bank in der Cajüte; seine Hautdecken sind dunkelgelb, die Augen geschlossen, der Unterkiefer bängt herunter, der Athem geht ziemlich ruhig, Puls 120, regeln Temp. 37.2’. Auf Fragen schlägt er die Augen auf, und giebt Antwort, ist aber sofort wieder apathisch. An den inneren Organen als krankhaft nnr die ver- grösserte Milz zn finden. Urin dunkelroth, Sediment nur feinkörniger Detritus: Blut- und Eiweissprube positiv.

Pat in’s Hospital gebracht erhält ein hoisses Bad (40’ C.), in dem er 4 Mi- nuten trotz Widerstreben gehalten wird. Darnach starker dreistündiger Schweiss. später Nachschweiss.

26. II. Nachts Ruhe und Schlaf. Tags Temp. 86 37°. .Kein Erbreche: mehr, leichter Schweiss. Im Urin noch Blut und Eiweiss. Keine Medicaraeste

27. 29. II. Fieberfrei. Icterus verschwindet. Urin hell, trübe, kein Blutfarbstoff, otwas Eiweiss. Tiefe Schwäche und nervöse Reizbarkeit Klystier».

I. 10. IH. Sehr langsame Reoonvaleseenz. Urin dauernd gut Liqu. ferr albuminat. tgl. 3mal 10.0.

II. III Mittags Fieber bis 89,5’. Kein Chinin.

12. 111. Morgens Chinin 0,7. Darnach Fieber bis 88,0.’

13. III. Morgens Chinin 0,7. Fieberfrei. Urin dauernd gut

Tat verlässt am 15. in. das Schutzgebiet Damals 25 30*/» Hämo- globin. Er hat, brieflichen Nachrichten zufolge, im Sommer 96 noch einmal is Deutschland einen Schwarzwasserfieberanfall überstanden, und ist darnach gänz- lich malariafroi geblieben.

Nr. 23. (Ein Anfall von Schwarzwasserfieber. Lethale Ahnria.1 Mitte Zwanziger. Ehemals Marine-Unterofficier; seit Juli 95 im Lande. Kleiner,

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea. 161

muskulöser Mann, hat häufige leichte Fieber gehabt, war Anfang 96 wochenlang auf einer Nebenstation als einziger Europäer.

Am 9. und 10. III. 9b. Intermittensanfälle, 4,0 Chinin.

Am 15. DI. Bootsparthie, Durchnässung, Alcoholexcess. Vom 20. 21. III. Fieber, Chinin 8,0. Am 23. HI. Morgens 36 ", Chin. 1,2.— 9 •»• *>'*•“• noch von mir besucht: Temp. 36,4°. P. 90 weich. Schweiss, Mattigkeit. Mittags angeblich im Anschluss an das Erbrechen einer Chininkapsel einstiindigcr Schüttelfrost, Delirion, schwarzrother Urin, Gailerbrechen. Die von anderer Seite gemessene Temp. soll 41,3° betragen haben.

Status praesens 23. III. 96. Sb-P-™- T. 41,4°. P. HO. Herztöne rein. Lippen livide. Gailerbrechen. Im Regen in’s Hospital überführt. Hier T. 41,2°. P. 120. Sensorium klar. Haut heiss, trocken. Icterus gering. Kein Erbrechen. Urin 200 g schw&rzroth. Sediment nur körniger Detritus. Viel Eiweiss. Heller’sche Blutprobe auf Zusatz von normalem Urin positiv. Pat. bekommt ein Bad 30° C. 10 Minuten, später ein Klysma, Abends Ganzpackung, kein Medicament, viel Selterwasser. T. sinkt nur bis 39,8°.

24. III. Nacht schlaflos. Ab und zu Erbrechen. Erst nach zwei Ganz- packungen von je zwei Stunden uud Bad 30° 10 Minuten tritt Mittags Schweiss und langsame Abfieberung auf. Nachmittags ein spontaner Stuhl uud nach 21- stündiger Pause 110 ccm schwarzrothen Urins. Sonst Status idem.

25. III. Pat ist fieberfrei. Haut stets feucht, zunehmend icterisch. Un- stillbares Erbrechen, leichter Singultns. Beginnende Apathie. Vollbad, Klystna, Sodawasser, Haferschleim, Rothwein u. s. ,w. Kein Urin! Deshalb Abends sub- cutane Injection von 700 cm 0,6% Kochsalzlösung von 40° C.

26. HI. Fieberfrei. Urin nach 38stündiger Pause 7 ccm, trübe, gelbgrün- lich, wenig Blut, sehr viel Eiweiss, Sediment nur Detritus. Zuehmendo Apathie, Mittags 4 Stunden Schlaf, sonst stetes Erbrechen, zunehmender Singultus. Vollbäder, kalte Güsse, heisse Sitzbäder, Klysmata, Catherisation und Blasen- epülung mit 0,6% warmer Kochsalzlösung. Viel Getränke und Stimulanzen, die meist erbrochen werden.

27. HI. Stat. id. Kein Urin. Liqu. Kal. aoet erbrochen, Diuretin 0,5 subcutan. Amoniacalische. urinöse Hautausdünstung.

28. HI. Stat. id. Dreimal je 3—5 ccm Urin, klar, olivenfarben, blutfrei, fast ganz zu Eiweiss erstarrend. Stuhlgang schwarz.

29. in. Stat. id. Urin zweimal wie Tags zuvor. Abends ein urämischer Anfall, clonische Krämpfe, 5 Min. lang, ohne Bewusstsein, mit späterer Amnesie.

30. HI. Zunehmende Schwäche und Apathie, aber klares Sensorium. Zwei- mal im Sitzbad je 10 ccm Urin, wie zuletzt, mit hyalinen Cylindern. Dreimal spontanen Stuhl: reine Galle. Erbrechen nur zweimal. Stets Singultus. Etwas Schlaf. Neben allerlei Excitantien Diuretin 1,2 subcutan.

31. in. Subnormale Temp. 35.4 Urin 10 ccm. Sonst Stat. id. Diuretin 5,0 per Klysma.

1. IV. Nachts sohlaflos wegen unstillbaren Singultus. Temp. unter 86°. Sensorium klar, jedoch ohne Krankheitseinsicht. Nachmittags zunehmende Schwäche, Abends 7h 45’ gleich nach einem Sitzbad urämischer Anfall, Nystagmus, Chevne- Stoke, auf Aether 2,0 subcutan noch 5 Minuten Sopor, dann wieder Krämpfe, und trotz Aether noch vor 8h Exitus.

Die am nächsten Morgen vorgenommene Bauchseotion ergab: In der

Digitized by Google

162

Dr. Otto Dempwolff.

Bauchhöhle 2 Esslöffel trüber gelber Flüssigkeit. Netz fettreich. Milz 14 at lang. 8.7 breit, 2.8 dick; Kapsel derb, Schnittfläche blass, Zeichnung undeutlich Nieren 14,3 cm lang, 9 cm breit. Kapsel leicht anziehbar. Consistenz hin. Zeichnung der Schnittfläche stark ausgesprochen, unverändert, dabei: linke Niert dunkelbauroth, rechte blassrosa. Weder an den Harnleitern, noch an den Nieres- gefässen grob anatomische Veränderungen. Harnblase stark zusammengezoget. leer. Leber: 26,5 cm lang, 20.5 breit, 8,7 dick. Kapsel ohne Auflagerunges, von glatter Oberfläche, unter der man die Leber selbst grob gekörnt durchfüih. Schnittfläche zeigt ockergelbe etwas erhabene, durch braunrothe schmale Zwischea- substanz getrennte Leberläppchen von Linsen- bis Pfenniggrösse ohne fernen- Zeichnung. Gallenblase mit Galle angefüllt, Gallenwege und Lebergefässe ohae sichtbaro Veränderung. Auffallend ist der gute Ernährungszustand der Leiche.

Nr. 24. (Zwei Anfälle von Schwarz Wasserfieber.) Anfang Vier- ziger. Ehemaliger Marineofficier. Gross und schlank, Germanentypus. Lange in Ost-Afrika und anderen Malarialändera gelebt wo er nur auf Stunden Fieber gehabt hat Seit November 98 im Schutzgebiet; hier eigentlich nur einmal. August 95 durch dreitägige Continua dienstunfähig gewesen.

1. Anfall. 9. VII. 96. Im Mai 96 acute Erkältung gelegentlich eine: Dienstreise; seither Frösteln und Kreuzschmerz bei Wind. Am 7. VH. J 2 g Chinin gegen kleine Temperatursteigerung, und vermehrte Kreuzschmerzec. 8. VII. Besserung. 9. VII- Chinin 1,0. Vier Stunden darnach Frösteln, erneute heftige Kreuzschmerzen, angeblich kein Fieber.

Status praesens. 9. VII. 5& P “■ Temp. 88,2'. Puls 100. Ange- griffenes Aussehen. Haut etwas feucht. Conjunctiven rein. Innere Organe ausser massig vergrösserter Milz normal. Urin c. 100 g schwarzroth. Sediment: viel Detritus. Rundzellen und sparsame rothe Blutkörperchen. Koohprobe stark poräiv Heller'sche Blutprobe ohne Satz. Kein Medicament. Watte auf s Kreuz. Ca- millenthee.

10. VH. Fieberfrei. Urin hellt sich auf. Pat. steht auf.

12. VII. Urin blut- und eiweissfrei. Zunehmende Besserung.

14. VII. Pat. fühlt sich gesund und thut Dienst Im Blut 75V» Hb.

2. Anfall. 11. Yin. 96. Pat. hat Anfangs August neues Fieber be- kommen, das sich zu einer Remittens ausbildet, die allen Maassnahmen trotr. hauptsächlich, weil Pat. durch kein Mittel und keinen hydrotherapeutischen Ein- griff zum Schwitzen zu bringen ist. Pat. hat vom 1. 6. VTU. etwa 9 g Chine genommen, dann ausgesetzt, in der Absicht, am 10. VIII. eine energische Chiainkur mit 8,0 pro die zu beginnen. Er nimmt am 10. VIU, Chinin 1,0, am 11. VHL zweimal dieselbe Gabe. Dabei ist der wiederholt untersuchte Urin hellgelb, Hat. frei von Blut, Eiweiss und Zucker.

Am 11. VIU. Nachts plötzlich heftige, beängstigende Rücken- und Girtai- sehmerzen. Hämoglobinurie, die nach reichlicher Flüssigkeitsaufnahme schon in Laufe des 12. VIII. verschwindet; dabei kein Erbrechen, Icterus u. s. w. China wird dauernd ausgesetzt.

Die febris remittens hält mit Temp. zwischen 87,6* und 88,8' noch woefe«- Ituig an. ohne jedoch den kräftigen Pat. wesentlich herunterzubringen ; Schlaf und Appetit sind gut, nur Neuralgien im Rücken und nervöse Erregbarkeit treten ant Erst Mitte September weicht das Fieber bei einer Höhencur in Java, zu der Pst

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guioea. 163

am 80. TIU. das Schutzgebiet verlicss. Er ist im December von Java voll- kommen gesund nach Deutschland heimgekehrt.

Nr. 25. (Zwei Anfälle von Sohwarzwasserfieber.) Etwa 30 Jahre. Seit October 94 im Schutzgebiet. Grosser, mittelstarker Mann von lebhaftem Temperament. Häutige leichte Fieber.

Der erste Anfall trat am 7. I. 97. im Verlauf eines gewöhnlichen Fiebers mit mässigem therapeutischen Chininverbrauch auf, bestand in starker Hämo- globinurie und leichtem Conjunctivalicterus ohne andere Complirationen; der Urin hellte sich in 2 Tagen unter symptomatischer Behandlung und Aussetzen aller Medicamente zur Norm auf.

Weitere Notizen über diesen Fall fehlen mir, da ich ihn nur in Consul- tation sab.

Pat. hat noch einen zweiten Anfall von Hämoglobinurie im März 97 über- standen, und daraufhin im April 97 das Schutzgebiet verlassen.

Epikrise.

Das Gemeinsame aller dieser Krankheitsfälle war das „Schwarz- wasser“. Dass es sich um Hämoglobinurie handelte, ist von mir in jedem Falle auch wenn es nicht jedesmal erwähnt ist chemisch und mikroskopisch festgestellt. Gleichzeitiger Icterus war nicht so constant. Andere Begleiterscheinungen Gallerbrechen u. s. w. wechselten sehr. Sämmtliche befallenen Personen lebten seit min- destens neun Monaten in einem Malarialande, hatten wiederholt ge- wöhnliche Fieber gehabt, meist auch unmittelbar vor dem Schwarz- wasserfieber Anfall, oder, mit anderen Worten, sie bekamen im \ er- lauf einer latenten oder manifesten Malaria einen Anfall von Hä- moglobinurie. Hierbei an eine accidentelle neue Krankheit zu denken, gar an eine neue Infeetionskrankheit, war durch nichts gerechtfertigt; der Zusammenhang mit Malaria lag auf der Hand; die Congruenz mit den anderwärts beschriebenen Fällen, bei denen Plasmodien ge- funden sind*), schloss jeden Zweifel aus.

Dass Blutzersetzung denn in einem plötzlichen Austritt des Hämoglobins aus den rothen Blutkörperchen liegt der Ursprung der Hämoglobinurie dass Blutzersetzung als seltenes, „pemieiöses* Symptom gerade bei einer Infeetionskrankheit, die sich im Blut ab- spielt, auftreten könne, wäre ein nahehegender, ein „natürlicher“ Zusammenhang. Trotzdem konnte ich den Vorgang nicht als ein, wenn auch seltenes, so doch der tropischen Malaria eigenthümliches

*) F. Plehn: Ueber das Schwarzwasserfieber an der afrikanischen Westküste Deutsche Med. Wchschr. 1895. N. 25 27.

Digitized by Google

164

Dr. Otto Dempwolff.

Symptom anerkennen, sondern hielt sie für eine von aussen hinein- getragene Complication.

Zunächst hatte ich hierfür einen historischen Grund. Malaria, auch in den schwersten tropischen Formen, ist seit Jahrhunderten den Aerzten klinisch bekannt und von ihnen oft und gut beschrieben worden: aber Blutharnen wird nie erwähnt. In dem die ganze da- malige Literatur verwertkenden Buch von Hasper aus dem J. 1831*), welcl es ich draussen besass, werden Urine bei Gelbfieber und Pest sehr ausführlich beschrieben, aber vom Urin bei Malariafieber ist nur von „hoch gefärbten und rothen“ und von „grünen, grünlichbraunen“ die Rede, nicht von den unverkennbar schwarzrothen des Blutharns Zu diesem negativen kommt noch das positive Zeugniss Hirsch’s**), der mit vielfachen Literaturbelegen darthut, dass Schwarzwasserfieber erst um die Mitte dieses Jahrhunderts beschrieben wird. Es ist dies dieselbe Zeit, wo die Chininsalze erfunden waren, und schnelle Verbreitung fanden.

Dazu erschienen in jenem Sommer 95 die Arbeiten von Steudel und F. PI ahn, in denen u. a. der Letztere ausfuhrt: „Das Chiain vermag .... beim relativ Gesunden Hämoglobinurie hervorzurufen, ein gewöhnliches Fieber in ein hämoglobinurisches zu verwandeln und ein hämoglobinurisches in erheblicher Weise zu verschlimmern**. In demselben Sinne hatte mir bereits bei meiner Ankunft der seit etwa 5 Jahren im Land wirksame Missionsarzt Dr. Frobenius erzählt, dass er u. a. bei zwei Missionarsfrauen nach kleinen Chinin- gaben unter 1,0, sei es therapeutisch, sei es prophylactiich gegeben, fast immer Schwarzwasser beobachtet habe.

Endlich haben mich die von mir selbst gesehenen Fälle zu dem Schlüsse geführt, dass die Blutzersetzung kein reines Mp.lariasymptom, sondern eine Complication sei, welche mit grosser Wahrscheinlichkeit in causalem Zummenhang mit dem genossenen Chinin stehe, also zn den Nebenwirkungen der Arzneimittel zu rechnen sei. Bei Nr. 19, 3, Nr. *20, 1, Nr. 21, 1, 2 und 3, Nr. 22, 2 und Nr. 24, 2 ist das „post hoc“ so rein ausgeprägt, dass ich auch von dem „propter hoc“ überzeugt wurde.

Infolge dieser Thatsachen und Schlussfolgerungen kam ich zu

*) Hasper: Ueber die Natur und Behandlung der Krankheiten der Tropen- linder— Leipzig 1831.

**) Hirsch: Handbuch der historisch -geographischen Pathologie Stuttgart 1881-86.

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen in Neu -Guinea.

166

dem Entschluss, in Uebereinstimmung mit Fisch*), Kohlstock**) und F. Plehn***), Chininauszusetzen, so lange als Blut im Urin war. Nur beim ersten beobachteten Anfall (Nr. 19, 1) habe ich noch geschwankt, und mit mittleren Chiningaben experimentirt. Von andern Arznei- mitteln gab ich nur milde Laxantia und Stimulantia, und suchte durch reichliche Flüssigkeitszufuhr die Diurese aufrecht zu erhalten. Daneben verordnete ich hydrotherapeutische Maassnahmen und legte das Hauptgewicht auf die unausgesetzte Pflege, kurz eine Behandlung, wie sie in den citirten und anderen Arbeiten ausführlich beschrieben ist. Hierdurch ist jeder Anfall in mindestens 1 2, höchstens 90 Stunden zum Schwinden gebracht, mit Ausnahme von Nr. 23, bei dem das Hämoglobin durch die functionsunfähigen Nieren nicht ausgeschieden werden konnte, dafür aber in Gestalt von Galle sich einen Ausweg suchte, und die Leber in exstremster Weise in Anspruch nahm, wie der Sectionsbefund bewies. Ob in Nr. 19,4 die wieder aufgenommene Arsentherapie die Ilaemoglobinurie zum Stillstand brachte, wage ich ebenso wenig zu entscheiden, wie ich diesen Anfall selbst dem plötz- lichen Unterbrechen der Arsenkur mit Sicherheit zuschreiben kann. Noch ein Bekenntniss will ich nicht unterdrücken, dass ich nämlich glaube, in Nr. 23 mit der Hydrotherapie des Guten zuviel gethan zu haben, und durch die forcirten Schwitzcuren zwecks Herabsetzung der hohen Temperatur am ersten Krankheitstage, bei gleichzeitigem, ungestilltem Erbrechen eine Eindickung des Blutes herbeigeführt zu haben, welche wiederum die Anurie verursacht oder verschlimmert hat. Es möge dieser Missgriff eine Warnung für ähnliche Fälle sein.

Nach überstandenem Anfall gab ich stets auch wenn es nicht in meinen Notizen angeführt ist Eisen, meist als Albuminat, und erlaubte Chinin in der Regel erst wieder, wenn der Hämoglobin- gehalt sich nach Prüfung mit dem Fleischl’schep Apparat gehoben hatte; auch in der letzten Zeit nur in kleineren Gaben (0,3 0,7), als sonst zur Bekämpfung und Vorbeugung acuter Fieberanfälle üb- lich waren (1,0 2,0).

Die Erfolge dieser abwartenden und vorsichtigen Therapie waren derartige, dass ich mich auf Versuche mit anderen Methoden (hohe Chiningaben, Phenocoll u. s. w.) nicht eingelassen habe: 1 Todesfall unter 7 Erkrankten und unter 14 Anfällen.

Wenn ich noch die 6 gleichen Anfälle bei weiteren 4 Europäern

*) Fisch: Anleitung zur Behandlung tropischer Krankheiten. Basel 1891.

**) Kohlstock: Berl. klin. Wchschr. 1892. Nr. 18.

***) F. Plehn. a. a. 0..

Digitized by Google

166

Dr. Otto Dempwolff.

hinzurechne, die in derselben Zeit und später (bis Ende 97) tos anderen Aerzten in Deutsch-Neu-Guinea nach gleichen Grundsätzen behandelt wurden und durchkamen, so stellt sich die Mortalität auf 1:11 Personen, oder 1 : 20 Anfälle, also auf 9 #/0, resp. 5°/#. Da- mit steht unser Schutzgebiet ähnlich da, wie die afrikanischen, die (nur Erkrankungen rechnend), an verschiedenen Stellen*) bei einem Material von 18 53 Anfällen zwischen 4 °/0 und 17,4 °/# Mortalität aufweisen. Auch in dieser Hinsicht also verdient Neu-Guinea iur besser als sein Ruf anerkannt zu werden.

Infolge der schnellen Genesungen und oft überraschenden Re- convalescenzen habe ich durchaus nicht gleich Jedermann^ der einmal Schwarzwasserfieber überstanden, für reif zur Heirosendung erklärt. Es lag dies aber an den in Frage kommenden, von Hause aus sek kräftigen Personen ich hüte mich deshalb vor Verallgemeinerung Auch diese wurden an Ort und Stelle in kurzer Zeit dienstunfähig; die Seereise in Nr. 22 war nur von ungünstigen Einfluss; gewöhnlicher Klimawechsel ist nicht immer erfolgreich, wie Rückfälle beweisen, die zum Theil veröffentlicht, zum Theil mir mündlich mitgetheilt sind. Für die einzig Erfolg völliger Genesung und Tropendiensttauglichkeit ver- sprechende Maassnahme muss ich nach den jetztigen Erfahrungen eine Höhencur, in den Tropen, oder im Sommer der gemässigten Zonen halten, und ich komme wieder auf die Forderung eines Höhen- sanatoriums im Schutzgebiet selbst zurück.

Ich fasse folgende These als Ergebniss dieses Capitels zusammen:

Schwarzwasserfieber kommt zur Zeit in Deutsch-Neu-Guinea wie in Afrika als Complication von tropischer Malaria vor; e besteht in Hämoglobinauflösung im Blut und -ausscheidung durch Leber und Nieren, und ist wahrscheinlich als Nebenwirkung von therapeutisch oder prophjlac tisch gebrauchten Chininsalzen anzusehen Das Wesen und die Bedingungen dieser paradoxen Chinin Wirkung sind unbekannt. Rein abwartende Behandlung ohne Chinin mit gute Pflege hat bisher die günstigsten Resultate erzielt Die Tropentaug- lichkeit ist von Fall zu Fall zu entscheiden; es ist anzunehmen, da& sie durch vorübergehenden Höhenaufenthalt zu erhalten oder wieder- zugewinnen ist.

*) Kohlstock in Deutsche med. Wchscbr. 1865. Nr. 48.

A. Plehn: Tropische Malaria in Kamerun. Berlin 1896.

Digitized by Google

Zur Frage des prophylactischen Chiningebrauchs in tropischen Malaria-Gegenden

von

Dr. 0. Schellong, Königsberg.

In der Behandlung der tropischen Malaria hat das Chinin den ersten Platz behauptet und konnte darin auch durch kein anderes Medicament, wie Arsenik oder Methylenblau verdrängt oder auch nur ersetzt werden. In dieser Beziehung herrscht unter den Tropen- ärzten aller Nationalitäten und aller Gegenden der Welt eine geradezu imponirende Uebereinstimmung*). Divergirende Anschauungen sind nur über die Art und Weise des Chiningebrauchs, z. B. über die Zeit der Darreichung, die Höhe der Einzeldosis etc. hervorgetreten ; aber auch hier gilt als feststehend, dass man mit einer energischen Gesammtmenge des Medicaments operiren muss, wenn man einen guten Heilerfolg erzielen will; es gehört eben das ist die Er- fahrung der Practiker eine Reihe fortgesetzter Chiningaben dazu, um die Malaria zu heilen, oder richtiger gesagt, den Kranken in einen Zustand Zurückzufuhren, in welchem er wiederum gesund erscheint, keine Fieberanfälle mehr bekommt, keinen Milztumor und keine auffallende Anämie mehr aufweist**). Wird das Chinin dagegen in ungenügender Menge gegeben, so sind zahlreiche neue Fieber- anlälle das Gewöhnliche und die Kranken verfallen schliesslich dem Malariasiechthum: das Eine für den Practiker so selbstverständlich wie das Andere und ausserhalb jeder Discussion stehend.

Hier soll nur von einer bestimmten Art des Chiningebrauchs, dem sog. prophylactischen Chiningebrauch die Rede sein. Was

*) Just Navarre (Lyon med. 10. Mai 1896) giebt dem Ausdruck, indem er sagt, dass ein Leben für den Europäer in den Tropen ohne Chinin überhaupt nicht denkbar sei.

**) Ob die Malariaparasiten dann den Körper verlassen haben, die Heilung also eine absolute ist, wird in den meisten Fällen unentschieden bleiben, da man ja im Allgemeinen nur die Abwesenheit der gerade im Blut kreisenden Parasiten nachzuweisen im Stande sein wird.

Digitized by Google

168

Dr. 0. Schellong.

bezweckt derselbe? Roll er die Krankheit verhüten? oder nur das Hauptsymptom der Krankheit, den Fieberanfall? oder soll das Chinin vor den schweren Malaria-Erscheinungen schützen, vor dem pemiciösen Fieber, der Hämoglobinurie, der Malariakachexie, dem Impaludismus in seiner schwersten Form? 0

Strenge genommen könnte doch nur von einer Prophylaxe der Krankheit, nicht auch von einer solchen bestimmter Krankheite- symptome die Rede sein, und consequenter Weise müsste man sich also den Begriff des prophylactischen Chiningebrauchs für diejenigen selteneren Fälle reserviren, in denen ein Mensch Chinin nimmt, noch bevor er die Malariagegend betreten hat; denn in dem andern Falle, in welchem die Malariainfection erst etablirt und manifest geworden ist, wird es sich doch richtiger um therapeutische Chininwirlamgen handeln, und der prophylactische Chiningebrauch bei Malaria wäre dann gleichbedeutend mit der Malariabehandlung durch fort- gesetzten Chiningebrauch.

Fassen wir zunächst die folgenden Punkte in’s Auge: t. Welches ist der gewöhnliche Hergang einer Malariainfection in einer tropischen Malaria-Gegend? 2. In welcher Weise wird dieselbe durch das Chinin beeinflusst?

In ersterer Beziehung ist daran festzuhalten, dass die Malaria- infection fast ausnahmslos von einem Jeden acquirirt wird, welcher sich eine Zeit lang in einer tropischen Malaria-Gegend authält; und zwar ziemlich ohne Unterschied vom Europäer, wie vom Farbigen; die Eingeborenen der Malaria -Gegend selbst erkranken in einem ausserordentlich hohen Procentsatz an Malaria*). Unbezweifelt ist ferner die Thatsache, dass die Malariainfection, einmal etablirt, in den allermeisten Fällen einen chronischen Krankheitszustand darstellt, in welchem die Anämie vorherrscht und welcher den Kranken nicht mehr verlässt, so lange er an dem Malariaheerd verbleibt. Das beweisen noch deutlicher die Fälle, in denen Eu- ropäer nach der Rückkehr in die Heimath, noch Monate hindurch Fieberattacken bekommen, auch ohne dass dieselben beim Verlassen der Fiebergegend als besonders schwer inficirt anzusehen gewesen waren. Auf der andern Seite kann man sich der Thatsache nicht verschliessen , dass einige wenige Individuen eine' an Immunität grenzende Unempfindlichkeit gegenüber der Malariainfection besitzen ;

*) Abgesehen davon, dass ich stets eingeborene Papuas der Finschha- fener Gegend (Neu-Guinea) am „Fiefer“ leiden sah, so konnte ich auch hei 84 derselben deutlich palpable Milztumoren nach weisen.

Digitized by Google

Zur Frage des prophy laotischen Chiningebrauoha in trop. Malaria-Gegenden. 169

den gleichen Infectionsbedingungen ausgesetzt, wie die andern, er- kranken sie überhaupt nicht, oder nur mit geringfügigen Krankheits- erscheinungen, welche nicht viel mehr als die Bedeutung eines vor- übergehenden Unwohlseins beanspruchen. Solche bevorzugte Indivi- duen sind zugleich die Repräsentanten eines auch sonst brillanten Gesundheitszustandes; die anderen, welche der Infection anheimfallen, sind die körperlich Schwächeren. Je mehr Anämie, um so mehr Malaria! Das gilt auch umgekehrt: Keine Heilung der Malaria ohne gleichzeitige Hebung der Anämie.

In einer Gegend, wo Alle fast ausnahmslos an Malaria erkranken, hat die Vorstellung von dem ubiquitären Vorhandensein der Malariaerreger nichts Gezwungenes; und ich denke mir, dass an einem solchen intensiven Malariaheerd continuirlich eine mehr oder minder grosse Anzahl von Malariaerregern in den Körpern eines jeden Menschen, gleichgültig zunächst auf welchem Wege, hinein- gelangen; und auch mehr oder minder vollständig durch die natür- lichen Kräfte des Organismus wieder ausgeschieden werden können; ob die Infection dann (durch Fieber) überhaupt manifest wird und ob sie ein Mal oder wiederholt manifest wird und ob schliesslich schwere Schädigungen des Organismus daraus resultiren oder nicht, hängt zunächst von der Energie der dem Körper innewohnenden Schutzkräfte ab. Das Gewöhnliche sind die Schädigungen, wenn sich der Mensch auf seine eigenen Widerstandskräfte verlässt; nur ausnahmsweise fehlen diese, die Anämie und der Milztumor.

Viel schwieriger hegt die andere Frage, in welcher WTeise das Chinin bei der Bekämpfung der Malariainfection wirk- sam ist. Da Malariakranke, wenn auch nur ausnahmsweise, ohne Chinin heilen können, so ist damit zugleich gesagt, dass das Chinin nur ein Hülfsmittel in der Bekämpfung der Malariainfection, d. i. in der Herausschaffung der Malariaparasiten aus dem Körper sein kann, wenngleich ‘ein Hülfsmittel von hervorragendem Werth und naeistentheils überhaupt nicht zu entbehren. Das Chinin ist ein Specificum gegen die Malaria; .es tödtet die Parasiten im Blut. Die weitere Frage ist nur: tödtet dasselbe die Parasiten direct, nach Art eines Giftes (Binz) oder schafft es nur besondere Be- dingungen im menschlichen Körper und tödtet die Parasiten indirect, ndem es neue Schutzkräfte im Körper schafft oder die schon vor- handenen vorübergehend erhöht?

Die Malariaparasiten werden, wie wiederholte Untersuchungen am lebenden Blut des chininisirten Menschen dargethan haben, nach

Digitized by Google

170

Dr. 0. Schellong.

vorübergehender Reizung in einen gelähmten Zustand versetzt, in welchem sie das Vermögen der Aufnahme gewisser Farbstoffe und die Fähigkeit verlieren, aus ihren Sporen neue Amöben zu entwickeln*). Den stärksten Einfluss übt das Chinin, wie A. Plehn**) spedell für die tropischen Malariafieber angiebt, auf die frischen, soeben frei werdenden Sporulationsformen des Malariaparasiten aus, demnächst auf die kleinen etwa l/l5 des Blutkörperchens betragenden, ringförmigen endoglobulären Parasiten, während die grösseren, etwa */« des Blut- körperchens messenden und bereits pigmentführenden Formen davon unberührt bleiben und ihrer vollständigen Reife entgegenwachsen. Das geschieht, so nimmt man an, durch directe Giftwirkung des Chinin auf den Parasiten ; dass nicht auch die ältere Amöbe tödtlich getroffen wird, erkläre sich aus der schützenden Hülle des Globulärplasma. In gleicher Weise tritt auch Laveran***) mit aller Entschiedenheit für diese Auffassung ein; er sagt, das Chinin ist ein echtes Parasiti- cidum; ob der menschliche Organismus sich an das Chinin gewöhne oder nicht, sei gleichgültig; wenn nur die Mikroben der Malaria sich nicht daran gewöhnten, was niemals der Fall sei.

ln dem Sinne dieser Auffassung fiele also dem menschlichen Organismus bei dem Heilungsvorgange der Malaria durch das Chinin keine weitere Rolle zu, als diejenige, das Chinin auf irgend einem Wege aufzunehmen und in die Blutbahn zu führen; das Ideal einer medicamentösen Therapie!

Wir müssten dann aber auch erwarten, dass das Chinin richtig incorporirt und richtig resorbirt unter allen Umständen die ha- iende Wirkung entfalte, und dass grössere Gaben des Medicaments die grössere Wirkung, ebenso, dass tägliche Dosen eine cumulatire Wirkung entfalteten; man dürfte dann auch mit Recht erwarten, jeden Malariakranken durch Chinin mit Sicherheit heilen zu können, wenn er nur eine Zeit lang unter kontinuirlicher Chininwirkung ge- halten werden würde, nämlich so lange, bis die Jugendformen aller Generationen des Parasiten, welche sich gerade im Blute befinden.

*) Mannaberg, J. Die Malariaparasiten auf Grund fremder und eigen« Beobachtungen dargestellt.- Wien. A. Holder, 1893; Binz. Ueber das Zu- standekommen der Heilung des Malariafiebers durch das Chinin. Yerh. d. Nieder- rhein. Qesellsch. in Bonn, 1893.

**) Plehn, A. Beiträge zur Kenntnis* von Verlauf und Behandlung der tropischen Malaria in Kamerun. Berlin, 1896. Aug. Hirschwald.

***) Laveran, A. au sujet de l'emploi preventif de la quinine contre !e paludisme. Bull de l’ac. med. 1696, Nr. 18.

Digitized by Google

Zur Frage des prophylac tischen Chiningebrauchs in trop. Malaria-Gegenden. 171

der Reihe nach abgetödtet worden wären. Bekanntlich treffen diese Voraussetzungen in praxi nicht zu.

Es wäre dann auch nicht verständlich, wie die Erstlingsfieber der Europäer in den Tropen von bekanntlich häufig remittirendem Character durch das Chinin gänzlich unbeeinflusst bleiben sollten, oder wie Jemand, was ich selbst beobachtete der nach Abfall des Fiebers 10 Tage hindurch täglich 1 g Chinin nimmt, schon am 11. Tage sein Recidiv bekommen könnte. Jedenfalls müsste man, wie Burot und Legrand*) mit Recht betonen, von dem Chinin, wenn es ein absolutes Antidotum wäre, gleichmässige Heilwirkungen erwarten, während es ziemlich variable Effecte zu Stande bringt.

.Ist das Chinin aber kein Parasiten-Gift in dem gedachten Sinne, was dann sonst? etwa ein symptomatisch wirkendes Mittel, wie Just Navarre**) annimmt, welches dadurch nützlich wirke, dass es Fieberparoxysmen, die sonst eintreten würden, hinausschiebt oder unterdrückt, während die Infection (paludisme) selbst dadurch nicht berührt wird? Thatsächlich kann das Chinin die Fieberanfälle hin- ausschieben, aber doch wohl nur dadurch, dass es die Parasiten in ihrem Entwickelungsgange hemmt; auch geht die Unhaltbarkeit der Just Navarre’schen Anschauung schon daraus hervor, dass auch Malariaanämien und Milztumor ohne gleichzeitige Fieber-Er- scheinungen auf das Chinin in promptester Weise reagiren***).

Muss man also daran festhalten und dafür spricht ja auch die mikroskopische Beobachtung, dass durch das Chinin die Parasiten im Blut thatsächlich getroffen bezw. getödtet werden, so entsteht nur noch die weitere Frage, ob der Parasitentod, anstatt ein reiner Gifttod zu sein, nicht auch indirect, nämlich durch bestimmte Reactionen des Chinin auf die Blutelemente, zu Stande kommend gedacht werden könne.

Bacellif) vertritt, sofern mir aus einer freilich nur kurzen (pag. 92) Angabe hervorzugehn scheint, die Anschauung, dass das

*) Burot u. Legrand. Therapeutique du paludisme. Paris. 1897. Bail- iiere et fils. Demgemäss sind diese Autoren geneigt, dem Chinin neben seiner speciflschen Einwirkung auf die Malaria, noch eine stimulirende auf das Nervensystem zuzuschreiben, womit sie auf eine frühere, vorparasitliche An- schauung zurückkommen, welche für das Verständniss der in Bede stehende Frage allerdings ziemlich unfruchtbar ist

**) Just Navarre. P. la quinine prcventive etc. Lyon med. 1896. Mai.

***) Vorausgesetzt, dass Chinin vorher nicht im Uebermaass genommen wurde.

f) Bacelli; Studien über Malaria. Berlin 1895. Karger.

Digitized by Google

172

Dr. 0. Schellong.

Chinin die Parasiten durch Sauerstoffentziehung vernichtet; hier- bei müssten also die rothen Blutkörperchen, als die Sauerstoffträger, eine active Rolle spielen ; das Chinin müsste eben die rothen Blutkörper- chen befähigen, den 0. begieriger, als sonst, an sich zu reissen.

Durch Binz*) wissen wir nur, dass die rothen Blutkörperchen unter dem Einfluss des Chinin den 0. fester an das Hämoglobin heranbinden (und dadurch selbst Vergrösserungen eingehen), nicht auch, dass sie zur O.-Aufnahme befähigter werden. Ich stelle mir demgemäss vor, dass die chininisirten Blutzellen den ihnen innewohnenden 0. auch an die Parasiten schwerer als sonst abgeben, und den Parasiten gegenüber sich nicht in einer activen, als vielmehr in einer gefestigten passiven Rolle befinden.

Den Vorgang der Chinineinwirkung auf die Parasiten hätte mau sich dann folgendem! aassen zu denken: die jungen, endoglobulären Parasiten erhalten seitens der chininisirten Blutkörperchen nicht den genügenden 0., um sich weiter zu entwickeln, sterben mithin ab; die älteren Parasiten, welche sich bereits mit einem Quantum 0. versorgt, das Blutkörperchen dabei nahezu aufgezehrt haben, sterben nicht mehr ab, sondern erfahren höchstens eine verzögerte Entwick- lung; die freigewordenen Sporen können sich in neuen Wirthen (Blutkörperchen) überhaupt nicht mehr ansiedeln, weil diese den für ihre Fortentwicklung erforderlichen 0. nicht hergeben; sie gehen deshalb ebenfalls an O.-Mangel zu Grunde.

Es fände also in allen diesen Fällen eine O.-Vorenthaltung von Seiten der rothen Blutkörperchen, nicht eine O.-Ent- ziehung der Parasitenleiber statt; und das Chinin tödtete die Parasiten nicht direct, sondern durch Vermittelung der rothen Blutzellen, indem es deren Widerstandsfähigkeit (durch O.-Zurückhaltung) erhöht

Ob diese Hypothese haltbar ist, lässt sich vielleicht auch durch das Experiment nicht sicher entscheiden; a priori könnte dagegen der Ein wand erhoben werden, dass eine solchermaassen gedachte, wenn auch nur vorübergehende O.-Zurückhaltung in dem Blut (und in den Geweben) doch sehr bedenkliche Störungen des Stoffwechsels zur Folge haben könnte; man müsste, um dieses Bedenken zu beseitigen.

*) Binz: Grundzüge der Arzneimittellehre. Berlin. 18S1. Hirschwald. Vergl. auch Nothnagel und Rossbach: Arzneimittellehre. Berlin 1887, wo w pag. 65h heisst: „Durch Chinin wird der 0. fester an das Hämoglobin gebondet und in Folge dessen seine Abgabe gehemmt“.

Digitized by Google

Zur Frage des prophy laotischen Chiningebrauchs in trop. Malaria-Gegenden. 173

eine verschieden grosse Affinität der Malariaparasiten und der Organ- zellen des menschlichen Körpers für den 0. des Blutes annehmen und sich vorstellen, dass diese sich noch mit 0. aus den Blutkörper- chen versorgen könnten, wenn jene den 0. den Blutkörperchen nicht mehr zu entziehen vermöchten.

Mit einer solchen Hypothese liessen sich andererseits manche Thatsachen, welche sonst nicht recht verständlich sind, erklären; nämlich, dass das Chinin bei anämischen Menschen, bei welchen also die Zahl der rothen Blutkörperchen und der Hämoglobin-Gehalt her- abgesetzt ist, auffallend weniger wirksam ist; ferner die individuellen Schwankungen in der Wirkungsweise des Chinin, welche nur der verschiedenen Reactionsfahigkeit des Organismus auf die Medicamente überhaupt entsprechen würde; auJi die nicht wegzuleugnende That- sache, dass das Chinin bei längerem Gebrauch seine Wirksamkeit einbüsst

ln allen diesen Fällen hätte eben ausser dem Chinin auch der Organismus ein Wort mitzureden; und das ist mir das Wesentliche an der Sache. Man muss sich, wie mir scheint, gerade beim prophylactischen Chiningebrauch darüber vergewissern, dass man durch angehäufte Chiningaben, in der Annahme, die Parasiten wirksamer zu treffen, nicht auch zugleich die natürlichen Schutzkräfte des Organismus schädige.

Da Binz’ Untersuchungen ergeben haben,’ dass das Chinin, selbst in der starken Verdünnung von 1 : 20000 eine Lähmung der farb- losen Blutkörperchen herbeiführt, dieselben sogar in ihrer Zahl her- absetzt, so ist es von vornherein nicht unwahrscheinlich, da«s auch die bei der Elimination der Malariaparasiten als nützlich angenom- menen Vorgänge der Phagocythose (Barker*), durch häufige Chiningaben eine Beeinträchtigung erfahren.

Für die Annahme einer Schädigung der rothen Blutkörperchen durch häufige Chiningaben fehlt es zur Zeit an einer genügenden Unterlage. Aber selbst angenommen, eine solche wäre nicht vor- handen, so ist es doch andererseits wahrscheinlich, dass sich bei allzuhäufigen Chiningaben die nützliche Einwirkung des Chinin auf die rothen Blutkörperchen abstumpft; die sonst wirksamen Chinin- gaben veranlassten dann nicht mehr die festere Heranbindung des 0., blieben unwirksam; und wenn in diesem Falle also auch kein Schaden entstünde, so fehlte dafür eben auch der Nutzen.

*) Barker, L. F. A study of some fatal cases of malaria. Baltimore. John Hopkins press. 1895.

Archiv f. Schiff»- u. Tropenhyglene. II. 13

Digitized by Google

174

Dr. 0. Schellong.

Bei welcher Dosis das eine oder das andere eintritt, ist sicher- lich ganz und gar von individuellen Verhältnissen abhängig. Aber so viel lässt sich mit ziemlicher Bestimmtheit sagen, dass die Einzel- und die Gesammtdosis ziemlich hoch gegriffen werden darf, da der menschliche Organismus eine grosse Toleranz für das Chinin besitzt und im Allgemeinen eine längere Zeit fortgesetzte Chininanfnahme gut verträgt, wenn nur zwischen den einzelnen Chiningaben Zeit- räume von einigen Tagen dazwischen liegen.

Ein Glück für die Therapie muss es genannt werden, dass die per os verabreichten Chininmengen in 24 bis 36 Stunden den Körper wieder verlassen; denn dann gewinnen die Blutelemente wiederum Zeit, sich von der Chininreaction zu erholen.

Für die practische Verwerthung der prophylactischen Chinin- anwendung ist ferner die auch experimentell festgestellte Thatsache*} von Wichtigkeit, dass Chiningaben von 1,0 1,6 im Allgemeinen aus- reichen, um die gerade im Blut kreisenden Parasitengenerationen za tödten.

Damit erschöpft sich das, was theoretisch zur Frage des pro- phylactischen Chiningebrauchs angeführt werden kann.

Ich würde den Rahmen des mir gestellten Themas weit über- schreiten müssen, wenn ich nun auch die zahlreichen pro- et contrs- Erfahrungen, welche sich aus der Praxis heraus für die Frage des prophylactischen Chiningebraucha ergeben haben, hier aufzählen wollte.

Um so weniger fühle ich mich dazu aufgelegt, als die darauf bezüglichen Thatsachen und Beobachtungen von deutschen und na- mentlich in der letzten Zeit auch von französischen Autoren häufig genug berichtet worden sind.

Alle Beobachter sind darin einig, dass die häufigere Anwendung kleinerer oder grösserer Chiningaben meistentheils einen nicht zu verkennenden Nutzen gewährt.

Principiell tritt ein Untsrschied bei den Vertretern des prophy- lactischen Chiningebrauchs nur insofern hervor, als die einen sich mehr den kleineren und täglichen Chiningaben (Laborde**) 0,1 04

*) Vergl. darüber:

Plehn, F. lieber die praetisch verwerthbaren Erfolge der bisherigen iöo logischen Malariaforschung. Archiv f. Schiffs- u. Tropenhyg. I. Band, Heft < Plehn. A. Beitrüge zur Kenntniss von Verlauf und Behandlung der tro- pischen Malaria in Kamerun. Berlin 1896. Hirschwald.

**) Laborde, J. V. L'action. preventive de la quinine dans le paludisnse Bull, de l'acad. 1896.

Digitized by Google

Zar Frage des prophylactischen Chiningebrauchs in trop. Malaria-Gegenden. 176

täglich) zuwenden, während die anderen die grösseren und selte- neren Gaben [Laveran*) 0,4 0,6 jeden zweiten Tag; F. Plehn**) und Schellong***) 1,0, wöchentlich einmal; A. Plehnf) 0,6 fünf- tägig; Buwaldaff) 1 g 3mal wöchentlich] bevorzugen.

Welchem dieser Verfahren der Vorzug gebührt, ist nicht im Ganzen, sondern nur von Fall zu Fall zu entscheiden. Es muss eben durch die Erfahrung und mit Zuhilfenahme wiederholter Blut- untersuchungen für den einzelnen Krankheitsfall (Individuum), und für eine bestimmte Fiebergegend die ungefähre minimale Chininmenge festgesetzt werden, welche noch genule ausreicht, um die activen Parasiten im Blut successive zu tödten. Auch die sonstige Einwirkung des Chinin auf den Magen, Nervensystem etc. ist dabei individuell in Betracht zu ziehen.

Den Endpunkt für die unter gleichzeitiger voller Berücksich- tigung aller sonstiger auf die Kräftigung des Individuums gerichteter Factoren fortgesetzte Chinin therapie bildet die bewirkte Hebung und wenn möglich Beseitigung von Anämie und Milz tum or.

Denn dass man auch den letzten Parasiten im Körper abtödten wird, ist an sich unwahrscheinlich, so lange der Mensch in der Malaria -Gegend verbleibt. Das braucht mit dem Chinin auch gar- nicht einmal erreicht zu werden; es genügt schon, dem geschwächten Organismus mit dem Chinin eine Zeit lang zu Hülfe gekommen zu sein ; und in diesem Sinne ist das Chinin mir ein therapeutisches Hülfsmittel, als welches es Just Navarrefft) aufgefasst zu wissen wünscht, und als welches ich es selbst §) schon vordem bezeichnet habe.

Unter den geordneten Lebensverhältnissen auf einer Station er- wachsen dem Arzt, der bemüht ist, bei der Chininverordnung ganz ebenso wie bei der medicamentösen Verordnung überhaupt zu indi- vidualisiren, keine besonderen Schwierigkeiten. Anders liegt die Sache, wenn es, wie auf Expeditionen, wesen tlich darauf ankommt, grössere

*) Laveran, H. Au sujet de l'emploi pröventif de la quinine contre le paludisme; ibid.

**) Plehn, F. Zur Prophylaxe der Malaria. Berl. klin. W. 1887, Nr. 39.

***) Schellong, 0. Malariakrankh eiten. Berlin 1890. Springer, t) Plehn, A. Beiträge zur Kenntniss etc. der trop. Malaria in Kamerun. Berlin 1896. Hirschwald.

ft) Buwalda. ct bei Gräser. Einige Beobachtungen Uber Verhütung des Malariafiebers durch Chinin. BerL klin. ‘W. 1888. Nr. 42. fff) Just Navarre. S. pag. 117 Anmerkung.

§) Schellong, 0. Malariakrankheiton. pag. 162.

13*

Digitized by Google

176

Dr. 0. Schellong.

Menschenmengen schnell zu befriedigen und fortwährend so leistungs- fähig wie möglich zu erhalten; dann wird es noch am ehesten erlaube sein, einen bestimmten Modus der prophylactischen Chinindarreichung ganz allgemein während der ganzen Dauer der Expedition durch- zuführen; aber auch unter solchen schwierigen Umständen könnte mit Zuhilfenahme einer genauen Journalisirung und mittelst öfter« Erhebung des Milzbefundes wenigstens annähernd (gruppenweise) individualisirt werden. Die wahre Malariaprophylaxe hat sich unter allen Umständen mit der Hygiene des Wohnortes, des Wohnplatzes und mit der Lebensweise des Individuums zu be- schäftigen.

Das Ergebniss meiner zum Theil hypothetischen Erörterungen fasse ich in die nachfolgenden Sätze zusammen:

1 . Das Chinin wirkt auf die rothen Blutkörperchen durch festes Heranbindung des 0. (Binz) und vernichtet die Malariaparasitea im Blut indirect, wohl dadurch, dass es ihnen den zu ihrem Wachsthum erforderlichen 0. (im Blutkörperchen) vorenthält.

2. Der prophylactische Chiningebrauch ist gleichbedeutend mit der über eine Zeit lang fortgesetzten Chinin therapie, und nur ein. wenn auch das wichtigste Hülfsmittel in der Bekämpfung der einmal etablirten Mal&riainfection.

3. Jede schablonenmässige Chinindarreichung ist zu verwerten, die Höhe der einzelnen Chinindosis und die Zeitdauer der Chinincsr individuell zu bestimmen.

4. Es erscheint richtiger, etwas grössere Chiningaben von 0,5 1.0 zu bevorzugen und zwischen den einzelnen Gaben eine Pause von wenigstens 2 aber auch von mehreren Tagen eintreten zu lassen.

5. Es ist nicht rätliüch, den Chiningebrauch in ’s Ungemessene fort- zusetzeu, weil der Organismus sich dann gegen die Chininreactios abstumpfen, vielleicht sogar geschädigt werden könnte, die nützliche Chininwirkung selbst aber ausbleiben wurde.

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litte raturangaben.

177

IL Besprechungen und Litteraturangaben.

a) Hygiene, Physiologie und Gesundheitsstatistik.

Ueber Schifishygiene. Von Dr. Paul Schenk. Vierteijahrsschi', f. gerichtl. Med. n. öffentl. Sanitätswesen. (8. Folge, Bd. XV, Heft 2).

Der Verfasser beschäftigt sich in seiner Arbeit hauptsächlich mit den Aus- wandere rschiffen. Die Verhältnisse auf den übrigon Handelsschiffen und auf den Kriegsschiffen werden nur gelegentlich gestreift. Neues bringt der Verfasser nicht, wenn er in seinen Bemerkungen auch vielfach an eigene Erfahrungen, die er als Schiffsarzt machte, ankniipft. Es ist aber in ansprechender und über- sichtlicher Form das Wichtigste aus der neueren Literatur über Schiffshygiene (Reineke, Gärtner, Haack, Kalenkampff, Ref. u. A.) zusammengestellt, so dass die Abhandlung besonders angehenden Schiffsärzten der Handelsmarine zur schnellen Orienürung und zur Anregung empfohlen werden kann.

Die Arbeit würde noch werthvoller geworden sein, wenn der Verfasser die vor Kurzem vom Bundesrath erlassenen Vorschriften über Auswandererschiffe berücksichtigt hätte. Die bisher in Hamburg und Bremen hierfür geltenden gesetzlichen Bestimmungen, welche das Gerippe für die Abhandlung des Verfassers gebildet haben, sind jetzt nicht mehr in Kraft und Verfasser selbst wird finden, dass die neuen Vorschriften in vielen Dingen einen Fortschritt bedeuten. Na- mentlich gilt dies von der Krankenfürsorge an Bord der Auswandererschiffe und der Stellung der Schiffsärzte. Die Forderungen, welche Ref. seit Jahr und Tag amtlich und publicistisch aufgestellt und vertreten hat, sind jetzt, wenigstens für die Auswanderersehiffe, zum grössten Theil Gesetz geworden. Vielleicht ist von den Schiffeärzten selbst mehr von den Reichsvorschriften erwartet worden. So wurde u. a die Forderung aufgestellt, dass die Schiffsärzte an Bord Reichsbeamte sein müssten und von dem Capitain in jeder Hinsicht unabhängig sein sollten. Der Verfasser ist in seiner Abhandlung diesen zu weit gehenden Forderungen nicht beigetreten, sondern hat sich den Vorschlägen des Ref. angeschlossen und sie auf Grund eigener Erfahrungen als früherer Schiffsarzt in der Handelsmarine weiter ausgeführt und begründet Hierfür muss ihm Ref. Dank wissen. Man muss sich auch in dieser Sache mit dem Erreichbaren begnügen. Das Bessere ist auch hier des Guten Feind. Den Verfasser wird es freuen, dass viele seiner Bemerkungen durch die neuen Vorschriften für die deutschen Auswandererschiffe ihre Erledigung gefunden haben. Ref. möchte sich Vorbehalten, auf den Inhalt und die Wirkungen der neuen Bestimmungen, wenn erst die Uebergangsxeit vorbei ist, an dieser Stelle ausführlicher zurückzukommen.

Dr. Nocht-Hamburg.

Digitized by Google

I

178 ü. Besprechungen und Litteraturangaben.

Br. med. Danneil : Gesundheitsverhältnisse auf der Gazelle-Halbinsel (Bismarck-Archipel). Nachrichten über Kaiser Wilhelmsland und den Bismarei- Archipel. 1897. Berlin, Asker & Co.

Verfasser ist der erste Arzt, der sich dauernd auf der Gazeile-Halbmst niedergelassen hat; seit Januar 1896. Aus seinem amtlichen Bericht sind ehe „Bemerkungen über die natürlichen die Hygiene beeinflussenden Facto ren" ia extenso abgedruckt Danach lassen sich auf der Gazelle-Halbinsel (4 5* s. R) vier Jahreszeiten unterscheiden, die weniger nach der Wännedifferenz als nach der Verschiedenheit der Luftbewegungen einzutheilen sind, nämlich von April bs September der S.O.-Passat, von November bis Februar der N.W. -Monsun, und dazwischen zwei Perioden der Kalmen. Dio Zeit des Passats ist die längste, an- genehmste and trockenste. Die Kalmen sind nicht ganz windstill, sondern Ueber- gangszeit mit Gewittern. Die Monsunzeit bringt viel Gewitter und schwer» Regenböen und ist die nässeste. Die Temperaturen sind gleichmässig, ohne jähf Schwankungen, Extreme + 17° C. und -f- 86° C., aber nie an einem Tage. Luft- feuchtigkeit und -druck sind nicht stetig gemessen, jedenfalls aber sehr constazn.

Die Oberfläche gestaltet sich als schmaler Strand, 10—15 m hohe Terrae und 80 100 m hohes Plateau, auf dem ein Vulkankegel aufragt. Der Boden ist allenthalben Ergebniss jung -vulkanischer Aufschüttungen, nicht Lava, sondern Asche und Bimstein aus sechs nahe liegenden Vulkanen, die teilweise noch thiag sind. Dieser Boden zeigt eine hohe Reaction auf die mechanische Wirkung der Niederschläge und eine ausserordentliche Aufsaugungsfahigkeit für dieselben : es fiele keine längeren Bach- oder Flussläufe, und nur 2 Quellen. Zur Wasserversorgung wird ferner Grund wasser aus Röhrenbrunnen, und Regen wasser von den Weh- blechdächern in eisernen Tanks benutzt, dessen Güte jedoch nicht eiact geprüft ist Von den Ausführungen über den ^tatsächlichen Gesundheitszustand ist be- merkenswert, dass unter den Europäern fast nur Malaria und Dysenterie vorge- kommen; bei dem einzigen Fall von Schwarzwasserfieber hält Verf. die Krank- heitsursache für „von aussen mitgebracht'1. Von den Farbigen erkrankten 10*/» ms 5,55% der Krankheits- im Verhältniss zu den Arbeitstagen, und zwar davon aller Kranken mit '/« aller Krankheitstage an Malaria. Beriberi und Pocken sind nicht einheimisch. Dysenterie erfordert aller Kranken und l/» '/» *2® Krankheitstage. Syphilis ist nie beobachtet, Gonorrhoe nicht häufig. Die Hälfte der Morbidität erfüllen die chirurgischen Leiden. Die Gesammtmortalitil beträgt pro Monat 0.29% des Arbeiterbestandes (also im Halbjahr 1,74®/*, gegen 4%. 3,5 % in Stephansort und 4.6% in Friedrich Wilhelms-Hafen.)

Dr. DempwolfL

Lat pfcheurs da Terra Neust. De Gazeau. Arch. de med. nav. et cclon. Jmllet et Aoüt 1897.

La France envoie actuellement 8000 ä 10000 pecheurs pour la saisoo de peche ä Terre Neuve: beaucoup sont des adolescents ou des tont jeunee gas. parfois m?me des enfants d'une douzaine d’annees.

Le travaii de M. Gazeau montre dans quelles conditions vraiment deplorahles. au point de vue de l'hygiene et des soins medicaux, se trouvent ces pecheurs: l'alccolismo et la tuberculose font parmi eux de nombreuses victime«; en oezrs Vincurie, la malproprete multiplient les cas de fievre typhoide et les complTcaban-

Digitized by Google

U. Besprechungen und Litteratu rangaben.

179

inflammatoires les lesions cutanees, surtout aux membres superieurs. I/>s panaria et lettre complications, necrose des phalanges, phlegmons etc., sont tres frequents; comme lesions professionnelles notons aussi les ulceratious du dos de la rnain chez les individus maniant les lignes de peche et celles que produisent les sucs d’un oephalopode (Loligo Forbesi) employe pour amorcer les lignes.

Les defauts du regime saaitaire existent a Terre Neuve se trahissent par une mortalite tres elevee, qui malgre les difficultes d’obtenir une statistique complete peut etre evaluee ä 15 pour 1000 pour la saison de peche, ce qui correspondrait a la proportion, yraiment excessive, de 30 pour 1000 par an.

C. F. (Liege).

Le reenitement i la Rdunion. De Thdron. Arch. de medec. nav. et colon. Juillet 1 897.

Ce travail foumit des renseignements interessants sur les aptitudes tres inegales des diverses races vivant dans l'ile, au Service militaire dans larmee coloniale. Ces renseignements, reunis au oonseil de revision par un observateur impartial qui ne plaide pas pour teile ou teile these dans la question de l’accli- matement, ont la valeur de documenta serieux.

Dans les parties centrales le l’ile, montagneuses et salubres, vivent encore des populations agricoles descendant des anciens colons de race blanche, et ü peine melangees d'un peu de sang negre ou malgache; le sang blanc domine de beaucoup chez elles, d’ou le nom le Petits blancs des Hauts qu'on leur donne dans l'ile; eil es constituent encore maintenant une race forte douee d'une grandc resistance physique et de solides qualites morales.

A la cot« il n’en est plus de meme: on rencontre des races tres varices sonvent abatardies par la vie des villes.

Les Cafres, tres abondants, conservent assez bien leur vigueur native, sauf dan« les bas fonds des villes, ils degenerent sous l'action de l’alcool et de la vie derbglee.

Les Hindous de la Reunion sont presque tous des transportes, de castes in- ferieures, amenes dans l’ile comme travailleura; ils sont maigres, sans resistance, de caractere sournois, fourbe et vindicatif.

On tronve aussi des Malgaches ete., et naturellement entre ces differentes races il y a de nombreux croisements.

Les Cafres transmettent ordinairement un peu de leur vigueur aux produits qu’ils donnent avec les Malgaches ou les Hindous.

Quant aux «Creoles« on designe sous ce nom k la Reunion tous les metis nea dans le pays et dont le sang contient une certaine proportion de sang blanc melange au sang africain, malgache ou hindou. Le mot de «creole» n'a donc pas le meme sens k la Reunion qu'aux Antilles. Or l’auteur constate que plus le metis de la cöte a de Bang blanc plus il presente de causes d'exemption de Service: c’est chez les jeunes gens blancs ou ä peau tres claire que l’on observe le plus de signes d'une degenerescence de la race (debilitc congenitale, hernies, hydrocele, adenopathies, tuberculose).

C. F. (Liege).

Digitized by Google

180

II. Besprechungen und Littemturangaben.

DUrre und Hungersnoth in Vorder-Indien.

Zusammenfassende Besprechung von Dr. rued. Franz Kronecker aus Berlin.

Die verheerende Beulenpest, welche seit October 1896 mit kurzen Unter- brechungen das unglückliche Bombay und eine Reibe anderer Städte des mittler» Indiens heimsucht, ist ohne Zweifel aus Hongkong eingesehleppt worden. Xi* aber hätte die Seuche wohl eine derartig furchtbare Intensität erlangt, wäre niete der Boden für sie wohl vorbereitet gewesen. Hungersnoth, nach Qualität ck Quantität unzureichende Nahrung w-ar es, was die Eingeborenen geschwächt und für die Aufnahme des Pestgiftes empfänglich gemacht hatte. In einem so dick: bevölkerten Lande wie Indien, welches völlig auf den Ertrag seines Bodens an- gewiesen ist, hängt Loben und Gesundheit Hunderter von Millionen von das rechtzeitigen Eintritt und der genügenden Menge der Niederschläge ab.

Im nördlichen und mittleren Vorder-Indien beginnt nach einer langen Pt- riode der Dürre die Regenzeit im Anfang Juni und schliesst gegen Ende August Eiue kürzere Regenperiode, die „Cold weather rains“, pflegt gegen Mitte D»- cember einzutreten und etwa 8 'Wochen anzudauern. Auch diese letztere ist tos grösster Bedeutung, zumal für die Wintersaat. Nun betrug im mittleren Indüe nach Ausweis des „Annual Report of the Sanitary commissioner of the central provinces“ 1895, S. 12 beispielsweise im District von Jubalpore die gesanuzts Regenmenge des Jahres 1895 nur 47,56 Zoll gegen 78,41 Zoll im Jahre 1894 und 72,07 Zoll im Jahre 1893. Dort heisst es weiter: „Während der letzt» S Monate des Jahres 1895 fiel aber überhaupt gar kein Regen. Die Saat vir weit unter Durchschnitt und eine unzureichende Versorgung mit Saatgetreide für ein zweites Jahr erzeugte Hungersnoth und Schwäche für eine grosse Anzahl «ob Bewohnern.

Die unzureichende Niederschlagsmenge der Regenzeit: Juni, Juli und Angw des Jahres 1895, gefolgt von einer völligen Abwesenheit des Kalt- Wetter-Rege? hatte eine schlechte Ernte zur Folge: AVeizen gab völligen Ausfall. Die Noch im Anschluss an drei mittehnässige Jahre breitete sich weit aus. Die ärmeres Klassen benutzten allgemein Jungle-Producte (wild wachsende Erzeugnisse der Sumpfgebiete) als Nahrung und litten dementsprechend“. Aus anderen Theileo des mittleren Indiens wird Aehnliches berichtet So verlautet aus dem Nerbudha- District: „Das heisse Wetter war strenger als 1894. Es gab eino Herabsetzari des Regenfalls auf 42,45 von 61,58 des Jahres 1894“.

An anderer Stelle des oben angezogenen Berichtes und zwar auf Seite 13 heisst es die mittleren Provinzen Indiens im Allgemeinen betreffend: „Wäh- rend des Jahres 1895 war der Regenfall 44,81, das heisst 8,73 Zoll unter dem Durchschnitt. Leinsamen verdarb völlig durch rothen Schimmel“.

Dass unter solchen Verhältnissen die in dem übervölkerten Indien schoe ohnehin heftig wiithendnn Infections-Krankheiten eine besonders starke Ausdeh- nung erlangen mussten, darf kaum WuDder nehmen. Dass der Boden für he grässliche Beulenpest vorbereitet wurde, ist bereits Anfangs erwähnt. Aber auch andere Seuchen traten schon Mitte 1895 mit ungewöhnlicher Heftigkeit im mitt- leren Indien auf. So lesen wir in dem „Report of the Sanitary administiaüs

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

181

of the Hyderabad assigned districts for the year 1895“: „Cholera wüthete das ganze Jahr hindurch in jedem District“. Der „Depnty Commissioner“ constatirt, dass Cholera in „Berad“ gemeiniglich im August und September, also am Schlüsse der Regenzeit ihren Höhenpunkt erreicht. In „Amaranti“ und „Akola“ hingegen vor Beginn derselben, so zwar, dass die ersten Regen die Krankheitserreger gleich- sam wegschwemmen. Er äussert daher die Ansicht, die Cholera habe bei tiefstem Grundwasserstande ihre Ursache in dem Genuss verdorbenen Trinkwassers. Der- selbe Districts-Commissar stellt fest, dass jede der erwähnten Gemeinden schwere hygienische Mängel besitze, welche das Auftreten jeder Infectionskrankheit dort- selbst zur Genüge erklären würde. Er meint, das beste Schutzmittel gegen en- demische und eingeschleppte Cholera liege in der Versorgung mit reinem Trink- und Kücheuwasser.

An anderer Stelle dieses Berichts. Seite 21, findet sich die Desinfection der Brunnen mittelst „Permanganate of Potash“ (Kali hypermanganicum) erwähnt. „Die Mehrzahl, welche diese Methode versueht haben, sprechen sich sehr günstig über sie aus“. Auch in dem „Report of the Sanitary administration on the Hy- derabad assigned District for the year 1895“ finden wir die Bemerkung: „Cholera war im letzten Jahre die verderblichste Krankheit. 11919 Cholera- Todesfälle, d. h. 4,2 pro Mille der Gesammtbevölkerung der Provinz Hyderabad waren zu verzeichnen. Die 8 Oberland -Districte: Basim. Buldana und Wua litten am meisten in der angeführten Reihenfolge, ln Basim kamen 10 Todesfälle an Cholera auf 1000 Bewohner! Die Sterblichkeit an Fieber im District war gross: 66203 gegen 67070 im Jahre 1894, ein Jahr, welches sich durch hohe Fiebersterblich- keit besonders hervorthat. Dieselbe widerspricht den frühren Erfahrungen, nach denen die Fieber- Mortalität in geradem Verhältniss zu der Niederschlagsmenge stand. Denn das Jahr 1895 war ein besondere trockenes mit nur 27 Zoll (54 Centimeter) Regen! Und doch betrug die Fieber-Mortalität 23,2 auf das 1000 gegenüber dem Durchschnitt von 17,7 pro mille der früheren Jahre!

Wir sind eben noch sehr weit davon entfernt, das Verhältniss des Fiebere zu klimatischen Einflüssen zu kennen, obwohl seiD Vorwiegen zu gewissen Zeiten des Jahres sicher gestellt ist.“

Aber nicht allein in den mittleren, auch in den noch weit ausgedehnteren nördlichen Districten Indiens herrschte im Jahre 1895 eine verderbliche Dürre. Insbesondere fielen auch hier die 3 wöchentlichen Winterregen , welche sonst regelmässig um die Jahreswende das ausgedürrte Land zu erquicken pflegen, völlig ans.

Referent vermag dies aus eigener Anschauung zu bestätigen, da er gerade um jene Zeit Indien bereiste. Unter solchen Verhältnissen war der Gesundheits- zustand auch in den weiten Ebenen und grossen Städten des indischen Nordens ein sehr trauriger. So lesen wir in dem „Report of the Calcuttas medical insti- tutions for the year 1895 by Surgeon general Georges C. Ross“ auf S. 1 und 2: „Der Gesundheitszustand Calcuttas war 1895 um Vieles schlechter als in den vorangegangenen Jahren. Die Totalsumme der Todesfälle war die grösste für die 7 Jahre, für welche Daten zu erhalten sind und betrug auf 1000 Bewohner 6,7 mehr als in den letzten Jahror.

In Hon 12 mit insgesamn.t 1768 Betten ausgestatteten Krankenanstalten der Stadt wurden im Jahre 1895 bis 26879 Kranke verpflegt, gegen 24912 des Vor- jahres ; poliklinisch behandelt wurden 266672. Von den Hospitalkranken starben

Digitized by Google

182

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

8779 d. h. 14,32 %• Von der Gesammtzahl der Patienten litten 881 an Pocken, 683 an Cholera, 8383 an Ruhr, 39256 an Malaria, 81 an Skorbut, 13346 an rheumatischen inneren Leiden, 842 an Tuberkulose, 825 an Lepra. 3926 grössere Operationen wurden ausgeführt.

Die Unterhaltungskosten sämmtlicher Anstalten beliefen sich für das Be- richtsjahr auf 878298 Rupies (ca. 1317447 Mark nach dem damaligen Cure“.

Sind jene Daten für Calcutta, die Hauptstadt des Landes, wo sich die Ver- hältnisse gut übersehen lassen, durchaus zuverlässig, so ist der Statistik der offi- ciellen Berichte der indischen Beamten, soweit das flache Land in Betracht kommt, ein weit geringerer Werth beizumessen. Jene Berichte selbst gestehen dies nicht selten unumwunden zu.

So lesen wir in dem „28 th. annual Report of the Sanitary commission er for Bengal year 1895 by Surgeon Capt H. J. Dyson“ auf Seite 16:

„Wie gewöhnlich waren die kalten Monate October bis Januar, und darnach April (in welch’ letzterem Monat die Hitze ganz plötzlich mit grosser Heftigkeit einzusetzen pflegt; der Refer.) die ungesundesten. Neben dem wohlbekannten Factum, dass die Eingeborenen jener Gegenden in der Regel dem Einfluss der kalten Witterung nur geringen Widerstand entgegen zu setzen vermögen, ist die höhere Sterblichkeitsziffer, welche wir in den amtlichen Tabellen für die Periode nach der Regenzeit verzeichnet finden, auf Rechnung der grösseren Thitig- keit der Statistiken-Sammler zu setzen. Während des Regens ist nämlich das Bereisen der ländlichen Districte sehr schwer, und in der heissesten Periode des Jahres: Anfang April bis Mitte Juni fehlt den Beamten die physisohe Kraft zu Arbeit des Sammelns der Zahlenmaterialien.

Den April betreffend, so ist seine hohe Sterblichkeitsziffer, abgesehen von dem rapiden Einsetzen der grossen Hitze, auf Conto des Wüthens der Cholera zu schreiben.“

Dürre und Hungerenoth ist und bleibt die grösste Geissei Yorder-Indiens. Durch ein ausgedehntes Bahnnetz, welches es ermöglicht, grosse Massen Getreide schnell in die bedrohten Gegenden zu schaffen, hat man der furchtbaren Gefahr zu steuern gesucht, freilich mit nur theilweisem Erfolge. Noch grössere Be- deutung ist der künstlichen Bewässerung, der Irrigation, beizumessen, welche die englische Regierung in richtiger Erkenntniss ihrer Pflicht angelegt hat Hierdurch wird weiten Strecken von Culturland die nothwendige Feuchtigkeit aof künstlichem Wege zugeführt. Besitzen doch die Ströme des Landes selbst in der trockensten Zeit des Jahres Wasser genug, um viele tausend Quadratmeilen cultur- fähigen Bodens zu versorgen. Freilich wird auf jene Weise viel neues Sumpf- land geschaffen, welches verderbliche Fiebermiasmen ausbrütet Aber immer besser, die Bevölkerung bietet in gutgenährtem Zustande der Malaria Trotz, als sie hungert und darbt, und fällt schliesslich elend und ausgemergelt doch einer der Seuchen zum Opfer, welche das Land periodisch heimsuchen. Hierzu kommt, dass der fromme, gottergebene Inder dem Ende durch Krankheit ruhig in's Auge schaut, die Qualen des Hungers aber mehr fürchtet als den martervolbten Tod. Eine sehr bemerkenswerthe Auseinandersetzung in jenem Sinne finden wir in der , Report of the 8anitary administration of the Punjab for the year 1895 by Sur- geon Lieut. Colonel W. A. Crowford“.

Nachdem er festgestellt hat, dass das vergangene Jahr 549 Cholera-Todesfälle brachte, davon allein 511 in dem Umballa-District, heisst es weiter auf Seite 20:

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

183

„Sumpffieber (Paludisme) betreffend, so suche ich das Verhältniss zwischen Geburten, Todesfällen und Tod am Fieber für jede Provinzialstadt und jeden ländlichen Kreis festzustellen mit Rücksicht auf die Versumpfung und Beriese- lung eines jeden Districtes. Mit Hülfe der Civilärzte hoffe ich ein Zahlenmaterial zu erhalten, welches dazu ausreicht, sich ein Urtheil darüber zu bilden, ob die Schlüsse, welche ich mir nach allgemeinem Eindruck gebildet habe, richtig Bind.

Ich habe nämlich den Eindruck gewonnen, dass die Frage nach der Be- rieselung (Irrigation) im Verhältniss zu der Sterblichleitsziffer von allergrösster Bedeutung für die Cultur des ganzen Landes ist. Ob nun aber die Sterblichkeit mit der fortschreitenden Irrigation des Landes zunimmt oder nicht, eines ist sicher, dass nämlich letztere nicht gehemmt werden darf! Die Frage stellt sich einfach so: Sollen wir periodische Hungersnöthe haben oder höhere Fieber-Sterb- lichkeit? Wollte ich derartige Fragen an die Eingeborenen direct stellen, so würde mir ein jeder antworten, ob hoch oder niedrig: „Gebt uns Brod! Wenn Gott will, so mögen wir am Fieber sterben!“

Ich selbst bin der Ueberzeugung, dass die Irrigation sicherlich höhere Fieber-Mortalität zur Folge hat, und glaube aus diesem Grunde, dass die Regierung ihre volle Aufmerksamkeit auf rationelle Dränage zu richten haben wird. Kein Zweifel: Die Frage ist eine reine Geldfrage. Indessen Dränage ist die einzige richtige Lösung beider Probleme, der Berieselung und der Fieber- Sterblichkeit Denn wenn einem zu hohen Steigen des Wassers vorgebeugt und ein guter Abfluss geschaffen wird, so werden wir ohne Zweifel die Fieber-Sterb- lichkeit in bescheidneren Grenzen zu halten vermögen.“

Bravi cennl zulle condizloni cllmallco-iglenlche del Benadlr (Kurze Winke über die klimatisch -hygienischen Verhältnisse der Benadir- Küste), von 8. Accurso, medico di 2 a classe. Annali di medicina navale, März 1898.

Die Beobachtungen des Verfassers beziehen sich vorzugsweise auf den Küsten- ort Magadiscio (Magadischu) mit 9000 Einwohnern. Der Schmutz in dem Orte ist gross, der Boden tbonig mit Sanddecke, welche stellenweise mit Salzcrystallen überzogen ist Die ebene Strandlandschaft wird durch eine Dünenkette von dem ebenfalls flachen Binnenlande getrennt Das Klima an der Benadirküste ist gleichmässig warm, der trockene Nordost-Monsun, welcher von October his April yveht, wird nach einigen Wochen mit unregelmässigen Winden vom feuchten 8üdwest-Monsun abgelöst, welcher etwas niedrigere Temperaturen bringt In der ersten Periode schwankt das Thermometer zwischen 25—80,5° C., in der letzten zwischen 24—28,5* C. Das Maximum fällt in die Monsun-Pause im Mai mit 85° C. Die stärksten Regen fallen in die Zeit des Monsunwechsels.

Das Trinkwasser wird reichlich und gut von zahlreichen Brunnen geliefert.

Was die Krankheiten angeht, so hat A. nur während der Regenzeit Malaria in leichter Form beobachtet, dagegen sind Krankheiten des Verdauungscanala häufig. Beim Uebergang von der wärmeren zur kälteren Jahreszeit traten massen- haft rheumatische und respiratorische Erkrankungen auf, auch suchte eine In- fluenza-Epidemie die Küste heim. Lungentuberoulose will A. bei den Eingeborenen häufig gefunden haben, giebt aber zu, seine Diagnose nicht auf den Nachweis von Tuberkel-Bacillen stützen zu können.

Digitized by Google

184 II. Besprechungen und Litteraturangaben.

Die Blattern sind im Sultanat Obbia endemisch, es lassen sich die Somali jedoch unschwer zur Impfung überreden. Lepra maculosa kommt vor, meistert, von der Suaheli - Küste und Zanzibar eingeschleppt, der Guinea -Wurm war in allen beobachteten Fällen von anderswo her mitgebracht worden. Lichen tropicts peinigt allgemein die Weissen besonders während der windstillen heissen Jahres- zeit. Unter den Eingeborenen sind die gewöhnlichen entzündlichen Dermatosen (Eczeme n. s. w.) nnd besonders die Dermatomvcosen sehr verbreitet. In zahl- reichen Fällen konnte der Verfasser Alopecia areata beobachten nnd glaubt be- sonders, nachdem er selbst von dem Leiden dort befallen ist, an den parasitäres Ursprung dieser Affection.

Augenleiden, deren Entstehung durch die starken den Sand anfwirbelnd« Winde begünstigt wird, auch Trachom, sind eine häufige Krankheit, nicht weniger phagedänische Geschwüre, Elephantiasis Arabum, endlich Hydroeele, deren Bildung wohl weniger durch das Klima, wie Hirsch annimmt, als durch die landesübliches Excesse in Venere und die den Hoden keinen Stützpunkt bietende Kleidung, be- fördert wird.

Von dem gefürchteten Pfeilgift der Somali (Ouabain; hat Verfasser, obsehon er wiederholt Verletzungen durch vergiftete Pfeile zu behandeln hatte, nie eine Wirkung beobachten können. Syphilis und Tripper waren bei den Eingeborenes um so häufiger zu finden, besonders als Folge der Blenorrhoeen zahllose Strikturea !

Die Pathologie der Benadir-Küste entspricht nach dem Gesagten einem gemässigten Klima, welches dem Europäer zusagt. Moderne hygienische Ein- richtungen könnten die Küstenstädte noch wohnlicher und gesunder machen.

M

Pestnachrichten.

Während in Bombay die Seuche beständig abnimmt (erster Maiwochenbe- richt 280 Pesttodesfälle), tritt dieselbe in Karraehe heftiger auf. Auch in Japan und Hongkong ist dio Krankheit noch im Zunehmen. In Suez und Calkutta sind nur einzelne Fälle beobachtet worden und innerhalb der zweiten Hälfte des Mai sind keine neuen Erkrankungen mehr bekannt geworden. Auch aus Djeddak fliessen die Nachrichten spärlicher, woraus auf eine Besserung der Lage geschloewsi werden darf. Ein in Smyrna am 10. Juni beobachteter verdächtiger Fall wurde als harmlos erkannt. M.

b) Pathologie und Therapie.

Beri-BerU

Karl Däubler. Die Beri-Berikrankheit Virchow's Archiv. 152. Bd. 1894.

Seite 218.

Verfasser, dem wir schon mehrere Arbeiten über Beriberi verdanken, giebt in vorliegender Veröffentlichung, der ein von ihm auf der 68. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Frankfurt a. M. gehaltener vortrag za Grunde liegt, einen kurz gefassten Ueberblick über den augenblicklichen Stand unserer Kenntnisse dieser Krankheit Er sieht die Beriberi für eine hauptsächlich tropische Infectionskrar.kbeit an, die, wenn Kranke in die gemässigte Zone kommen, völlig erlischt Innerhalb ihres Verbreitungsgebietes tritt dieselbe vorzugsweise da auf, wo auf bestimmtem, engbegrenztem Terrain viele Menschen eng zusammen

Digitized by Google

11. Besprechungen und Litteraturangaben.

185

oder in bestimmten Gebäuden wohnen. So ist sie in Atjeh, dem gefürchtetsten Krankheitsherde, in den holländischen Befestigungen unter Farbigen und selbst Europäern ausserordentlich häufig während die eingebornen Atjoher in ihren einen Büchsenschuss davon entfernten Dörfern verschont zu bleiben pflegen. Den von verschiedenen Seiten als Krankheitsursache angesprochenen Mikroorganismen gegen- über verhält sioh Däubler ablehnend. Als Gelegenheitsursachen konnte er nament- lich anstrengende Märsche, unregelmässige Verpflegung und zu kurze Bast nach- weisen.

Verfasser unterscheidet eine acute, eine subacute und eine chronische Form der Krankheit Die erste umfasst die acute pernieiöse Form und zu einem kleinen Theile auch die hydropische bezw. fcydropisch-atrophische Form des Referenten, während die subacute im Allgemeinen der letzteren und die am häufigsten ver- kommende chronische der atrophischen Form entspricht Zur rudimentären Form des Referenten zu rechnende Fälle scheinen Däubler nicht zur Beobachtung gekommen zu sein. Erwähnt zu werden verdient dass derselbe in einer Anzahl von Fällen mit acutem kurzen Verlauf die Kniescheibensehnenreflexe gesteigert sah, während diese in andern Fällen mit längerer Dauer und geringerer Heftig- keit der Symptoino stets herabgesetzt waren, und dass er in allen Fällen der acuten Form Temperaturerhöhung (bis zu 40") beobachtete. Unter den Symptomen der subacuten Form führt er auch Flüssigkeitsergüsse Verfasser spricht übrigens immer von Exsudaten statt von Transsudaten in den Fuss- und Knie- gelenken an, welche meines Wissens von keinem andern Autor erwähnt werden.

Auf die Schilderung des Krankheitsbildes folgt die Besprechung der patho- logischen Anatomio. Die die Beriberi charakterisirende Nervenerkrankung hält er nicht wie Pekelharing nur für eine Degeneration, sondern in Übereinstim- mung mit Referenten für eine entzündliche. Verfasser machte selbst 11 Sectionen von acuten Fällen und nahm ausserdem noch an 20 von subacuten und chroni- schen Theil. Seine Befunde waren im Wesentlichen Hautodem, Hydropericardium, Ascites, Lungenödem, in einem Falle linksseitiges pleuritisches Exsudat, ferner Schlaffheit und Dilatation des Herzens, namentlich des rechten Ventrikels, mehr oder weniger hochgradige Fettentartung des Herzfleisches, fettige Degeneration der Unter- und Oberschenkel muskeln und einmal auch des N. tibialis. Bei acuter Beriberi zeigte der N. vagus stets fettige Degeneration.

Bei der Differentialdiagnose wird namentlich der Unterschied zwischen Beriberi und Malaria eingehend erörtert und besonders hervorgehoben, dass letztere nicht so wie eretere durch Personen und Menschen verschleppt werden kann. Dass Beriberi nicht als Nachkrankheit anderer Infectionskrankheiten beobachtet w'orden sei, ist nicht richtig. Referent sah dieselbe im Verlaufe oder im Anschlüsse an die verschiedensten Infectionskrankheiten, als Unterleibstyphus, Cholera, Ruhr, Malaria, acuten Gelenkrheumatismus, Syphilis, TubercuJose sich entwickeln.

Zum Schlüsse wird kurz die Therapie besprocheu, welche, abgesehen von der Transferirung der Kranken nach beriberifreiem Terrain, eine symptoma- tische ist.

. Schade ist, dass Verfasser auf zwei Fragen, die gerade jetzt im Vorder- gründe des Interesses stehen, nämlich das neuerdings beobachtete epidemische Auf- treten der Beriberi bezw. einer dieser sehr nahestehenden Kraukheit in bisher beriberifreien Ländern der gemässigten Zone, wie in den Irrenanstalten in Dublm und Tuscaloosa (Alabama), und der jüngst von Eykman behauptete

Digitized by Google

186

IT. Besprechungen und Litte rat uran gaben.

ätiologische Zusammenhang der Krankheit mit geschältem Reise als Nahrung, nicht näher eingeht Letzterer wird nur ganz kurz erwähnt.

Scheube.

Z. Hirota. Ueber die durch die Milch der an Kakke (Beriberi) leiden- den Frauen verursachte Krankheit der Säuglinge. Centralblatt für innere Med. 1898. Nr. 16. S. 385.

Verfasser beobachtete bei Kindern im 1. Lebensjahre, die von beribenkranlac Müttern oder Ammen gesäugt wurden, ein eigentümliches Krankheitsbild, be- stehend in Unruhe, Erbrechen (selten mit Durchfall), tiefer oder aphoniseber Stimme, Cyanose, frequentem, weichem und schnellem Puls, gesteigerter Hert- action, verstärktem 2. Pulmonalton, bisweilen nach rechts verbreiteter Hsra- dämpfung, Beschleunigung der Respiration, V erminderung der Hammenge, Oedem. In den meisten Fällen hatte Wechsel der Nahrung rasche Besserung und Hei- lung zur Folge. Einige Male trat trotzdem der Tod ein,

Hirota ist der Ansicht, dass diese Krankheit durch Intoxication mit Milch der an Beriberi leidenden Frauen hervorgerufen wird, und hält diese 11« gleichfalls für Beriberi, die er überhaupt für eine Intoxications-Krankheit aissieht Dass in keinem Falle Lähmungserscbeinungen constatirt werden konnten, spricht seiner Meinung nach nicht gegen diese Annahme, da natürlich leichte, motorische und sensible Störungen sich bei Säuglingen der Beobachtung entziehen. Aber auch die für Beriberi charakteristischen, pathologisch-anatomischen bezw. -histologisch« Veränderungen, insbesondere die Erkrankung der peripheren Nerven, sind vo» Verfasser nicht naehgewiosen worden. In dem einen zur Section gelangten Falle werden als Obductionsbefunde nur Dilatation und Hypertrophie des rechten Ven- trikels, Oedema universalis und frische Bronchopneumonie angeführt Solange diese beiden Postulate aber nicht erfüllt sind, möchte Referent die ‘Frage nach der Natur der von Hirota beobachteten Säuglingskrankheit noch als eine offene ac- sehen. Scheube.

Malaria.

Aerztlicha Beobachtungen in den Tropen, von Geh. Rath Prot Dr. Robert Koch.

Vortrag gehalten am 9. Juni in Berlin. Deutsche Colonialgeeellschaft, Abthaduag Berlin-Cbarlottenburg.

Einleitend beschreibt kurz Geh. Rath R. Koch seine 1*/» jährige Reise narb Indien (Bombay), Süd- und Ost-Afrika, indem er bemerkt, dass fünf Hauptpunkte dabei ihn beschäftigten: 1) Die Rinderpest, 2) die menschliche Pest, 8) Lepra. 4) Malaria und neben allen 5) Tropenhygiene. Am meisten interessirt das Tropen- fieber, die Malaria und speciell soll sich der Vortrag darüber verbreiten. Die Malaria, welcher man in den Tropen auf Schritt und Tritt begegnet, bedingt Unmöglichkeit der Colonisation für weisse Ansiedler. Ihre Bedeutung hierfür ist ao hervorragend, dass der V ortragende dabei stehen bleibt; er führt Beispiele ac. welche Verheerungen die Malaria unter don Weissen in Ostafrika und in den übrigen deutschen Colonien anrichtet, darunter solche, die er selbst beobachtet«. Auch in den Ostafrika benachbarten Colonien geht es nicht viel besser, in Mo- zambique ist das für 250 Kranke berechnete Spital fast nur mit Malariakrankeo gefüllt

Digitized by Google

n. Besprechungen und Litteraturangaben.

187

Um die Aetiologie und das Wesen der Malariakrankheit zu erklären, zieht der Vortragende eine Parallele mit dem Texasfieber, zeigt, dass die Zecken die Wirthe eines eigenen Parasiten des Pyrosoma bigeminum sind, so genannt, weil gewöhnlich zwei mit einander verbundene, bimförmige Parasiten im rothen Blutkörperchen gefunden werden, welche ihre Jungen, nachdem sie auf knfnken Thieren sassen, auf gesunde Rinder übertragen und Blut saugen. Dieser Parasit findet sich dann in den Erythroeyten an Texasfieber erkrankter Rinder. Aus Texas stammende Rinder aber sind durch solche Zecken nicht zu inficiren, sie bleiben gesund und haben durch das Ueberstehen der Krankheit seitens ihrer Eltern Immunität erworben.

Die texasfieberkranken Thiere an der Küste Ostafrikas stammen natürlich nicht aus Texas. Die Krankheit ist nach Aussage der Eingebornen bereits von ihren Voreltern in sehr verbreitetem Maasso beobachtet Ebenso ist es in Ru- mänien, der Campagna, ja auch in Australien heimisch. Sodann verbreitet sich Herr Geh. R. Koch über die Versuche Smith’s, der nach Afrika Thiere mit Zecken aus Texas kommen liess, diese aber steckten andere gesunde Thiere nicht an, wohl aber ihre jungen Zecken. Aehnliche Versuche stellte der Vortragende nun in Ostafrika an und erläutert dieselben in der Weise, wie in selber im Colonial- blatt erschienenen Arbeit Seine Thiere erkrankten am 22. Tage, und nur solche Rinder, welche mit Zecken-Abkömmlingen von kranken Thieren besetzt wurden.

Indem der Vortragende auf Malaria übergeht und bemerkte, dass sich Malaria betreffe ihrer Uebertragung, wie später erörtert werden solle, mit dem Texasfieber der Rinder vergleichen lasse, erörtert er die Laveran’sche Entdeckung der Malariaparasiten, scheidet die nordeuropäische Malaria von der tropischen, und setzt als Zwischenglied die Malaria der südlichen Länder ausserhalb der Tropenzone. Er beschreibt die europäische Tertiana als Grundtypus für Nord- europa, die südlichen Länder, aber auch in gewisser Richtung für die Tropen. Quotidiana ist nach seinen Beobachtungen nur doppelte Tertiana. Der Malaria- anfall wird beschrieben, die Temperatur soll stets graphisch aufgestellt werden. Vor dem Fieber schwankt die Temperatur immer in Zehntelgraden über 87 'C, steigt dann bis 89°, 40° und fällt in 8 8 Stunden zur Norm ab. Nachdem die morphologisch bekannten Tertianaformen und ihre ebenso bekannte Ent- wicklung zu reifen, sporulirenden Formen beschrieben wurde, wobei Vortragender hervorhob, dass die in keinem Falle zu unterlassende Blutuntersuchung die Be- ziehungen dos Parasiten zum Fieber klarstellt, indem die Sporulation mit dem An- fall einsetzt und auf der Höhe des Fiebers sich schon kleine Formen finden, sagt er, dass beim Autumnalfieber nur Ringformen gefunden wurden, es sei aber bisher nicht aufzuklären, welches die Beziehungen dieser Art der Form zu dem Fieber sind. In den Tropen sind diese Ringe feiner. Diese Verhältnisse seien aber in verschiedenen Tropenländem verschieden von denen in Ostafrika Obschon ee vier verschiedene Formen der Tropenmalaria gäbe, kämen nur 10% äller in Ostafrika auf Tertiana 90% seien Tropenmalaria Für Tropenärzte sei es schwierig, dem eigentlichen Gange der Tropenmalaria nachzuforschen, weil ge- wöhnlich mit der Beobachtung die Chininbehandlung beginne. Vortragender gab kein Chinin und fand dann, dass die Tropenmalaria genau die gleichen typi- schen Tertianaanfälle aufwies als anderswo. Der Hochstand der Fieber- temperatur währt aber länger als in Europa, die Incubationszeit 10—14 Tage.

Digitized by Google

188

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

Der Iniicirte vermehrt durch Sporulation bei jedem Anlalle um das 20 fach« seine Parasiten. Sind mehrere Parasitengenerationen im Blute anwesend, ent- stehen Continua, Remittens. Das Verhalten der Tropenparasiten ist dasselbe als bei Tertiana. Die Beziehungen der Tropenparasiten zur Curve sich ru er- klären bleibt die Hauptsache.

Betreffs der nach solchen Beobachtungen zu bestimmenden Behandlung zeigt der Vortragende, dass wir wissen müssen, warum und wann wir Fiebermittel. Chinin, zu geben haben. Chinin hemmt nur die Entwicklung der Parasiten, wir haben unser Augenmerk auf die ganz jungen gegen Chinin empfindlichen Formen zu richten. Diese trifft man schon auf der Höhe des Anfalls. Alte Regel ist es, wenn der Anfall bevorsteht, das Chinin zu geben, welches dann beim Auftreten der jüngsten Formen wirksam werden kann. Da bei Tropenmalaria aber der Anfall vorher nicht so zu bestimmen ist, wie bei unserer typischen Tertiana, so hat man ganz irregulär Chinin gegeben und damit wenig erreicht, oft geschadet Wenn möglich, gebe man das Chinin nicht höher als 1 Gramm (pro dosi) us Beginn des Anfalls, oder zu Ende des Anfalls, um die dann vorhandenen junges Formen in ihrer Entwicklung aufzuhalten. Wird die Behandlung so und unter mikroskopischer Oontrole eingerichtet, so ist es ebenso leicht, die Iropenmalaria zu heilen, als die aussertropische resp. unsere heimatliche. Die Tropenparasiten. welche bekanntlich nicht imperiphoren Blut sporuliren, sondern in den Organen, thun dieses in ganz gleicher Weise als die Tertianparasiten, wie im Milzblut zu beobachten ist, nur geschieht Alles im verkleinerten Maassstabe , sie pigmenti reo sich auch nicht so stark. Die Tropenmalaria recidivirt, im Gegensatz zur aussertropischen, in intenaer Weise, und ehe nicht die Parasiten alle aas dem Blut entfernt sind, erhält der Exanke sein Recidiv. Daher ist es nothwendig, jeden 5. Tag, einen Monat lang 1 Gramm Chinin zu geben; hierauf tritt Gene- sung ein. Vortragender lässt auch 2 Gramm Chinin nehmen.

Das Schwarzwasserfieber bat mit Malaria nach R. Koch's Beobachtungen nichts zu thuu, es kommt nicht nur in den Tropen vor, ist wahrscheinlich nicht vod Malariaparasiten abhängig, eher von vorgängigem Gebrauch sowohl von Chinin als Areen, Methylenblau und anderen Fiebermitteln, bei geschwächten Individuen Die hygienische Seite der Malariafrage, die Prophylaxe, muss sich auf die Kenntnis der Entstehung der Malaria, Verbreitung und Nachweis der Parasiten ausserhalb des Körpers stützen. Die Malaria ist nicht ansteckend, daher kann sie nicht durch die Luft übertragen werden, auch nicht durch das Trinkwasser, wofür da italienische Beweis spricht (man Hess Menschen das Sumpfwasser der Campagsa trinken, ohne dass sie an Malaria erkrankten). Nach Hinweisen auf Malariablut- impfungen und Bodentheorie spricht der Vortragende es aus, dass die Uebertragung durch Btutimpfung seitens blutsaugender Insekten, in den Tropen durch Mosquitos, höchst wahrscheiuHch sei. Er stützt seines Ausspruch ad viele Hinweise, besondere folgende: Malaria wird nur zur Nachtzeit, wo Mos- quitos schwärmen, acquirirt, „wo Mosquitos fehlen, da keine Malaria", Thier- krankheiten, welche ähnlich wie Malaria durch Parasiten im Blute bedingt sind, worden durch blutsaugende Thiere übertragen, hierher gehören die Nasgasa oder Tsetsekrankheit der Rinder durch die Tsetsefliege (nach Bruce) übertragen, Filaria sanguinis durch Mosquitos, endlich das so genau erforschte Texasfieber, deren Erreger in den Zecken ihre Wirtbo und Uebermittler finden- Nachdem solche Hinweise gegeben sind, müsse die Frage betreib der Malariaübertraguaz

Digitized by Google

m. Sonstige Werke.

189

experimentell gelöst werden. Bezüglich der Malariaätiologie giebt Vortragender die Möglichkeit des Einflusses der Flussbitdnngen und Sümpfe zu. Auf kleinen Inseln giebt es oft keine Malaria, ebenso nicht im Gebirge, bestimmt von 1200 Meter Höhe an. Es wäre daher Besiedlung solcher Höhenlagen und der Tropen durch Weisse sehr wohl möglich, wenn sie nicht unterwegs, von der Küste bis dahin, sich mit Malaria inficirten. R. Koch hat unter ärztlicher Führung, nach seinen Vorschriften, 5 Trappisten nach Westusambara in 1200 Meter Höhe geschickt bei passender Benutzung von guten Mosquitonetzen, sie kamen nicht nur gesund an, sondern blieben gesund, 5 andere Trappisten ohne diese Prophylaxe, erkrankten oben und starben. Es stellt dieses geradezu ein Experiment dar. Nachdem noch die in einem früheren Aufsätze im Colonialblatt erörterten Immunitätsverhältnisse der Küstenneger und die Disposition der Gebirgsneger für Malaria besprochen wurde und dabei auf künstliche Immunität hingewiesen wurde, welche man ohne Culturen, ähnlich wie bei den Pocken vielleicht erzielen könnte, hält Herr Geh. R. Koch für die wichtigste Maassregel zur Bekämpfung der Malaria, der wir völlig Herr werden können, die Hinaussendung von Aerzten, welche die Sache genau kennen und hier genau vorgesohult sind, sowie Benutzung genau eingerichteter Mosquitonetze. Der Malariaforschung neue Ziele zu zeigen sei einer der Haupt- zwecke des Vortrags. Wir würden der Malaria vollständig Herr und könnten so die herrlichsten Länder der Erde colonisiren.

Dr. C. Däubler.

Dysenterie.

Contribution ä la pathogönle de la dysenterie. Mlcrobet et toxlnee de l'lnteetin dytentdrique. De L. E. Bertram. Revue de medecine 10 Juillet 1897, p. 477.

Le travail n’apporte pas beaucoup de faits novrveaux ä l’etude de la dysenterie; il constitue plutöt une oritique des hypotheses defendues dans ces demieres annees quant ä la nature de cette affeetion.

L’auteur admet que la dysenterie est la memo, dans son essence, sous toutea les latitudes.

II rejette l’idee d’un parasite specifique (nematode, amibe ou bacille) ; il admet que la dysenterie est produite par l’action de plusieurs bacteries intestinales non specifiques, penetrant dans l'organisme par 1’appareil digestif, et peut-etre ausdi par les voies respiratoiree. Lee microbes pourraient rester ä l’etat de parasites latente et inoffensifs jusqu’au jour une circonstance accidentelle exalte leur virulence.

Des analyses chimiques ont montre dans les selles dysenteriques «des com- poses qui ont donne les reactions caracteristiques des ptomai'nes» ; l’auteur Signale que les deux chimistes oecupes ä ces analyses ont, malgre les preoautions prises, ete atteints de rectite et de diarrhee avec tenesme (1).

C. F. (Liege).

HL Sonstige Werke.

Malattte predominanti nei paesi caldi temperati, von Dr. Filippo Rho, Turin

1897. Rosenberg & Selber. (Fortsetzung).

Capitel IX gilt den Pyrexien, welche nicht in der Malaria-Infection ihren Ursprung haben. Mit Recht weist Rho auf die Verwirrung hin, welches bis-

Archiv t. Schiff«* u. Tropenhygiene. II. \\

Digitized by Google

190

UI. Sonstige Werke.

her in der Eiutheilung der klimatischen Fieber herrschte. Bald wurden Malaris- Fieber und solche anderer Ursache durcheinander geworfen, bald wurden die Krankheiten nach den auffälligsten Symptomen und Complicationen , bald nach ihrer geographischen Verbreitung geordnet Eine Gruppirung auf symptomatischer oder geographischer Grundlage bat nur vorläufige Berechtigung, wenn es giit, neue oder unvollständig bekannte Krankheitsbilder zu kennzeichnen. Rho reiht alle diese klimatischen fieberhaften Erkrankungen, welche weder Malaria noch Gelbfieber, weder exanthematischer Typhus noch Recurrens noch acute Exanthem? sind, in zwei Abtheil unngen ein: 1. Fieber aus „gewöhnlicher“ Ursache, 2. Fieber aus typhöser Infection.

Unter den erateren versteht der Verfasser die Fiebererscheinungen, welche von einer Ueberanstrengung oder Selbstvergiftung vom Magendarmcanal (Sapro- hämie) herröhren. Die Behandlung besteht in ersterem Falle in Ruhe und Erholung, im zweiten in der Darreichung von entleerenden und gährungswidrigec Mitteln (Calomel, Salol, Milch, Darmausspülungen u. a.).

Viel schwerwiegender sind die typhösen Fieber, deren Vorkommen in deo Tropen früher geleugnet wurde. Mancher früher auf Malaria bezogene Krankheits- fall wird als typhös und typhoid erkannt, besonders seitdem das Mikroskop die Diagnose sichert Lehrreich sind die in Massauah gemachten Beobachtungen, wo wenig deutliche Fälle von Typhus abdominalis, aber zahlreiche abgeschwächte „typhoide“ oder „gastrische“ Formen endemisch Vorkommen, obschon die Ein- wohner nur destillirtes Wasser trinken. Der Krankheitserreger, bacillus Eberth. verträgt eben längere Austrocknung und kann durch den Staub verbreitet werdet. Die in gemässigten Klimaten häufigste Uebertragung durch Trinkwasser bewirkt meistens ein epidemisches Auftreten, während die endemischen atypischen Formen, welche in heissen Ländern überwiegen, sehr häufig auf andere Weise verbreit« werden.

C&pitel X, Hitzschlag, geht auf die einzelnen Arten dieser Erkrankung ein. Der eigentliche Sonnenstich entsteht durch die unmittelbare Einwirkung der Sonnenstrahlen und ist besonders im militärischen Leben bei Paraden u.s. w. häufig. Der autothermische Hitzschlag durch gesteigerte Muskelthätigkeit kommt aaefc in der gemässigten Zone auf Märschen vor, der heterothermische Hitzschlag da- gegen vorwiegend in den Tropen, weil durch die gesteigerte Lufttemperatur selbst im Ruhezustände oder bei massiger Arbeit die Wärmeregulierung des Körpers gestört wird. Hierbei erörtert der Verfasser die Physiologie dee Wännehaushals und die Pathogenese seiner Störungen.

Nach den Krankheitserscheinungen unterscheidet Rho 1. eine kardiale oder synkopale Form mit unbedeutender Erhöhung der Körpertemperatur, bleichem Gesicht, blasser Haut, kalten Extremitäten, kleinem oft aussetzenden Pulse und unregelmässiger Athmung; 2. eine cerebrospinale oder meningitische Form mit massigem Fieber, geröthetem Gesicht, warmer oder brennender Haut, vollem und beschleunigtem Pulse; 8. eine pulmonaxe oder asphyktische Form mit bedeuten- der Ueberhitzung, brennendem Gesicht, entzündeten Augenbindehäuten, sehr raschem Pulse und lauter erst gegen das Ende starte roser Athmung. Die beste Behandlung aller Formen besteht in der innerlichen und äusserlichen Anwendung von Kälte (stete Temperatuxmessnng wegen Collapsgefahr! Ref.), Abkühlung kann auch durch subcutane Anwendung von Antipyrin und verwandten Mitteln erreicht werden. Einige ziehen lauwarme Bäder den kalten vor, besonders be

Digitized by Google

HL Sonstige Werke.

191

Erregungszuständen. Letztere können von heftigen klonischen Krämpfen begleitet sein. Gegen diese gefahrdrohenden Zustände empfiehlt KÖrfer stundenlange Chloroformnarkose verbunden mit einer Morphiumeinspritzung, um das Erregungs- stadium der Narkose zu vermeiden. Die übrigen Erscheinungen werden sympto- matisch wie bei anderen Krankheiten behandelt

Ausführlicher als in den meisten ähnlichen Werken sind die thierisohen Parasiten (Capitel XI) besprochen. Die für alle Tropenärzte beherzenswerthe Mahnung Rho’s, die so einfache mikroskopische Untersuchung der Faeces bez. ries in einem Spitzglase nach Wasserzusatz gebildeten Bodensatzes derselben auf Eier von Eingeweidewürmern wird durch die zahlreichen Abbildungen in dem Werke leicht befolgbar. Die Studien Monoorvo's über die Bedeutung des strepto- ooccus Fehleisen neben den Filarien für die Entstehung der Lymphangitiden (vgl. Besprechung in Nr. 3 Band I dieses Archivs) waren bei Abfassung des Werkes noch nicht bekannt und haben in der reichen Literatur -Wiedergabe deswegen keinen Platz gefunden.

In § 2 dieses Capitels, Arthropoden, haben auch die Pentastomen und Acariden Platz gefunden, welch' letztere in der Tropenpathologie für die Ent- stehung mancher Dermatosen wichtig sind, während die Larven der enteren einige Male in inneren Organen gefunden wurden.

Die giftigen, den Menschen verletzenden Thiere kommen in Capitel XTT an die Beihe. Der § 1 dieses Abschnitts wird durch eine durch Abbildungen veranschaulichte zoologische Beschreibung der Giftschlangen oingeleiteL Ueber das Schlangengift selbst urtheilt Rho nach Aufführung der verschiedenen Hypo- thesen und Ansichten, dass noch nichts über das Wesen desselben feststeht, dass aber alle Versuche und Beobachtungen auf eine innige Verwandtschaft mit den Diastasen und den Toxinen, also mit den Encymen hindeuten. Das Blut der Schlangen, sowie der Muränen und Aale enthält dasselbe Gift, welches jedoch nach Calmette durch eine leichtere Zerstörbarkeit durch Abkühlung, langsamere Wirkung, aber grössere örtliche Beizung sich von dem Drüsengift der Schlangen unterscheidet Der Tod bei Schlangenbiss tritt durch Lähmung des Athmungs- centrums ein, das Herz schlägt noch mehrere Minuten nach dem Aufhören der Athmung fort. Die der Gattung Coluber ungehörigen Schlangen besitzen ein Gift, welches weniger stark auf das Blut und die Gewebe einwirkt, als das Viperngift

Die Behandlung bestand bis vor Kurzem in einer Neutralisirung des Giftes durch chemische Mittel: Uebermangansaures Kali in 1% Lösung, wovon 2 8 Cubikcentimeter in die Umgebung der Wunde eingespritzt werden, Chromsäure in 1 % Ijösung, Soda und Pottasche in 10% Lösung. Von örtlichen unangenehmen Nebenwirkungen freier ist das Goldchlorid (1 : 100), und endlich der Chlorkalk, von welchem öoc einer frischen Lösung (1:12) mit 45 cc abgekochtem Wasser gemischt und 10 20 Injectionen von loc in die Umgebung der Wunde nach Abschnürung der Glieder gemacht werden. Letztere Behandlung verspricht noch innerhalb 20 30 Minuten nach dem Bisse Erfolg, während die erstgenannten Mittel nur binnen 4 5 Minuten helfen können. Starke Doeen Aloohol und nach Müller als Reizmittel Strychnin (1 : 120), besonders aber künstliche Athmung, unterstützen die Heilung des Kranken, welchen man am ersten Tage nicht ein- schlafen lassen darf. Alle diese Methoden werden wahrscheinlich duroh die Serumtherapie nach Calmette in den Schatten gestellt worden (vergl. hierüber Archiv Band H, Heft 2, 8. 115).

14*

Digitized by Google

192

HI. Sonstige Werke.

Giftwirkung hat ferner der Biss der Scorpione, der Soolopendra insigm» (Afrika), Soolopendra morsitans (Indien) und der Spinnen Latrodectus und Mygale.

Beachtenswerth sind die Angaben über die besonders in tropischen Meeren häufigen Fischarten, welche entweder durch Verletzungen mittelst ihrer Stachel- flossen oder ihres Gebisses schwere Vergiftungsersoheinungen hervorrufen können. Nach Bottard unterscheidet man fünf Typen der Giftfische. Beim ersten Typus, welchem Synanoea (Polynesien) und Flotosus (Indien) angehören, fehlt ein Ans- führungsgang der unter den Stachelflossen sitzenden Giftdrüsen, das Gift entleert sich erst durch Abbrecben der Stacheln, oder dieselbe ist hatbgeschlossen (Tba- lassophryne) oder steht offen (Scorpaena und Trachynusj. Zum 4. Typus gehören die in allen Meeron vorkommenden Muränen, deren Giftzähne durch die am Gaumen sitzenden Drüsen gespeist werden. Die fünfte Art z. B. Perca fluviatilis ist am wenigsten giftig, das Gift wird von oberflächlichen Zellen der Stacbelflossen abge- sondert. Die Schmerzeracheinungen bei Verletzungen durch Giftfische sind äussera. heftig und vermögen rasende Wuthanfälle hervorzurufen. Die Heilmittel sind über- mangansaures Kali und alkalische Hypochloride wie bei Schlangenbiss angewandt

(Fortsetzung folgt.) M.

Red actions- Briefkasten.

Robert Koch und die Schwarzwasserfieber - Frage.

Die kurze und bündige Erklärung Koch’s über das Schwarzwasserfieber har nicht verfehlt, Manche, die das Gegentheil vielleicht erwarteten, in Staunen n versetzen.

Koch erklärte in seinem Bericht am 9. VI. vor der glänzenden Versammlung im Kaiserhofe, das Schwarzwasserfieber sei eine Chinin Vergiftung, wo es nicht asf anderer Ursache beruhe; es sei jedenfalls auszuscheiden aus der Reihe der Malariakrankheiten eine Bestätigung meiner bisher vereinzelt da- stehenden Ansicht*) Daraus geht hervor, dass wenn jene in Afrika beobachtetes Fälle von Melanurie, die sich nicht durch Chininmissbrauch erklären lassen, nicht zur Malariagruppe gehören, sie mit ihren in die Augen springenden von mir be- te. iten fünf Qelbfiebermerkmalen eben woh] oder übel zur Gelbfiebergruppe ge- hören müssen.

Sowie es ausser der ansteckenden Cholera auch Sorten von cholerineartigM Erkrankungen giebt, die zur Choleragruppe gerechnet werden müssen, so haben wir uns daran zu gewöhnen, dass es ausser der epidemischen und ansteckenden Gelbfieberform auch nicht ansteckende leichtere Formen dieser Krankheitsgruppe giebt und dass da, wo solche nicht ansteckende Fälle öfters Vorkommen, «ah gelegentlich einmal an die Möglichkeit des Auftretens der eigentlichen anstecken- den und verheerenden Epidemie gedacht werden muss. Es wird sich dann di# Frage anreihen: Welche Schutzvorrichtungen haben wir an unseren afrikanisches Küsten gegen die Verwüstungen des Gelbfiebers getroffen?

*) die loh eueeer enderwelUg euch eie Mitarbeiter em Meyer'echen ConTereettonelerihca •chon vor Jehr und Teg vertreten hebe, und die nun zu meiner rreude nur dem Munde >■— Geringeren , eie Robert Koch eelbet Beetitigung gefunden hat , nachdem aie eo hart engefoohtei worden let (elehe Supplementbend tu Mejere Cour -Lei. peg. 101 eub „SchwereweeeerSeber

Digitized by Google

HL Sonstige Werke.

193

Sind in den Häfen Versuchsstationen für die bis jetzt vorgeschlagenen Impfungen gegen Gelbfieber eingerichtet, um im entscheidenden Moment, oder womöglich früher, in Thätigkeit zu treten zur Immunisirung oder doch zu Im- munisirungsversuchen, zum Zwecke der wissenschaftlichen Beobachtung des ver- schiedenen Verhaltens der weissen und farbigen Rassen aus den verschiedenen Generationen?

Weil die dahin zielenden Bestrebungen, die einst bei Gelegenheit der tropen- hygienischen Fragebogen-Enquete von mir eingeleitet wurden, in einer sehr be- dauernswerthen Weise vereitelt worden sind, so fehlen alle solche Einrichtungen, indem man sich mit einer Formsache der Instal lirung eines Beamten mit einem neuen Titel (statt der Einrichtung einer tropenbygienischen Centralstelle im welthygienischen Sinne wie ich sie vorgeschlagen) begnügte.

Sind die nöthigen Vorkehrungen getroffen, um durch internationalen Nach- richtendienst von Beobachtungsposten an Ort und Stelle zur rechten Zeit über das Nahen einer Seuche informirt zu sein?

Nein. Unsere Beobachtungen und Versuche beschränken sich noch immer auf unsere Grenzpfähle. Und statt den Nationen in welthygienischen Einrich- tungen voranzuschreiten, fühlen wir uns geehrt, wenn wir unsere Gelehrten für andere Nationen, um ihre Gebiete von Seuchen zu säubern, ausleihen dürfen.

Es muss dem Begründer der neueren Bacteriosoopie einen harten inneren Kampf gekostet haben, ehe er, der dazu neigte, in der Bacteriosoopie das Uni- versalmittel der Tropenbygiene zu sehen, sich zu dem Umschwung verstand, vou dem seine neuerdings in dem berühmten letzten Vortrage niedergelegte An- schauung Zeugniss giebt: Zu dem Umschwünge von der Alleinherrschaft der Bacteriosoopie auf tropenhygienischem Gebiet hinüber zu der erweiterten und verallgemeinernden Forschung, wie ich sie seit Jahren vorgeschlagen, wo der neuen Wissenschaft der Bacteriologen der ihr zuiommende Platz neben den andern Naturwissenschaften eingeräumt wird, der Platz neben rassen- und zonen- vergleichender Physiologie und Pathologie, der Platz als Capital in der ange- wandten Cellularpathologie und Anthropometrik.

Dass Koch zu diesem Umschwünge gekommen ist und dazu beizutragen gesonnen ist, dass solcher Umschwung Platz greife in unseren Einrichtungen, dazu müssen gewisse zwingende Erfahrungen der letzten Zeit beigetrag-.n haben.

Der Umschwung ist da, dafür bürgen seine Berichte, worin er neben dem bacteriologischen Factor den anderen Facto ren der Troponfieber die grösste Auf- merksamkeit zollt: Zecken und Milben, die sich in die Hufi des Vieh3 einnisten und Uebertragung von Texasfieber besorgen, sind für ihn heute neben der Ueber- tragung der Malaria durch Mosquitos ebenso wichtig wie die Wohnungs-Hygiene und das Studium der Rassenimmunität, wegen der er zu grossartigeren Nachfor- schungen an Stelle der üblichen Polar- und Tiefseeforschungen auffordert,*) die vielleicht nicht so dringend wichtig wären, wie die Assanirung des Tropengürtels von Tropenfiebem. Denn ohne wirksamen Schutz gegen die Malaria so sagte Koch, können wir uns unseres Colonialwesens nicht erfreuen.

*) eine Seche , die loh aoeta «Chon 188» ln Heidelberg auf der Neturforacberrereammlung befürwortete , wo loh die trvpenhygienieche Fragebogen nqnite anregte im Anechlose an meinen Vortrag ela Referent der D. 0. G. : „Sanltitapolirellldhe Zuatinde in Mexico und Inter- nationale Ziele der Hygiene.**

Digitized by Google

194

in. Sonstige Werke.

Ihn, der gekommen war, um der Binderpest Herr zu werden, musste die Unvollkommenheit selbst der besten, der englischen, Colonial Verhältnisse auf Schritt und Tritt hindern, die Unvollkommenheiten der internationalen Statistik in Bezug auf Zonenausbreitung der Arten bei Pflanze, Thier und Mensch, in Bezug auf di* Aoclimatisationsfähigkeit und die Arten-Neubildung unter Krankheits- und Ver- nichtungserscheinungen, wie ich sie ausführlich dargethan in allen meinen uf dies Thema bezüglichen früheren Vortrügen und Arbeiten gelegentlich der Natur- forscherversammlungen in den Abtheilungen für Tropenhygiene.

Ihn mussten die auf die nationalen Grenzen beschränkten Sectionsbericht* und Hospitalprotokolle, die allen Naturgesetzen durch ihre nationale Beschränkung Hohn sprechenden lokalen Hinrichtungen gegen die Tropenseuchen überall stören, wo er daran gehen wollte, um Näheres über Rassenresistenz gewissen AfFectionec gegenüber zu ermitteln.

Ein weiterer Ueberblick als der in den kleinen deutschen Laboratorien beim Mikroscop gewonnene that noth, um nicht Irrthümer zu begehen wie der mit dem Sohwarzwasaerfieber, ein Ueberblick über Bassen und Arten, über Immunität und Aoclimatisation an den Ursprungsstätten des Gelbfiebers in der neuen Welt.

Darum schliesst Koch seinen Vortrag mit der dringenden Aufforderung rar thätigen Inangriffnahme der Welthygiene, denn das und nichts anderes bedeutet die Ausrüstung von Forschungseinrichtungen im umfangreichsten M assstabe unter Mitwirkung aller nur denkbaren ärztlichen Kräfte. Ein internationaler Nach- richtendienst unter einer abwechselnden Centralleitung, wie ich ihn befür- wortete, darf davon nicht ausgeschlossen sein, eine internationale Statistik der Hoepital beriohte und der botanischen wie landwirthschaftlichen Institute in da Colonieen muss dazu beitragen, dass der Tropenforscher seine Blicke vergleichend von einer Zone zur andern ausdehnen kann und so nach und nach auf das ewige Entwicklungsgesetz hingelenkt wird, wovon auch mein für unser coloniales Vor- gehen so wichtiges Gesetz der Artenbildung durch Zonenwechsel abhängig ist, wii ich es s. Z. beschrieben habe.

Der Umschwung von der alles monopolisirenden Bacteriologie zur Einrei- hung dieser neuen Wissenschaft in den grossen central geleiteten Plan ist eine Bestätigung meines auf dem internationalen medicini sehen Congress 1890 in Beriia angeregten Planes zu einem medicinischen Welthygiene-Parlament.

Sollte der Streit um das Schwarzwasserfieber dazu wenn auch auf Umweges geführt haben, so war er nicht vergeblich.

Dr. E. Below.

Anmerkung der Redaktion.

Ohne mit obigen nach Redaktionsschluss eingegangenen Ausführungen ein- verstanden zu sein, glaube ich dieselben auf dringenden Wunsch des Verfassers aufnehmen zu müssen , um dem Grundsätze der Unparteilichkeit nicht untreu m werden. M.

Digitized by Google

Archiv ^

für

Schiffs- und Tropen-Hygiene.

Band 2.

L Originalabhantllungeii.

Klima und Krankheiten von SUdcalifornien

von I)r. Carl Schwalbe

pract. Arzt in Los Angeles.

I. Klima.

Südcalifomien liegt zwischen 35° und 33° n. H., nach Westen durch den stillen Oceau begrenzt, nach Osten durch den Colorado- fluss. Das ganze Land ist mehr oder weniger mit Gebirgen bedeckt, welche sich sehr mannigfaltig verzweigen, und mehr oder weniger grosse Ebenen, Valleys genannt, umschliessen. In diesen Ebenen ist aber kein Punkt, von dem man nicht benachbarte Gebirge sehen könnte. Während im nördlichen Californien ein KUstengebirge von dem Hauptgebirgskannn der Sierra Nevada durch die Flussthäler des Sacramento und San Ioaquiu scharf geschieden ist, zeigen die Ge- birge in Südcalifomien nicht ganz eine so vollkommene Gliederung. Das Küstengebirge verbindet sich ungefähr unter dem 35° n. D. mit der Sierra Nevada und hat nach Süden einen mehrfach gegliederten Abfall. Von dem ungefähr 120° w. L. gelegenen l’t. Couception bis zur Einmündung des kleinen St. Clara -Flusses verläuft die Küste von West nach Ost, und das Gebirge fällt bei St. Barbara und Um- gebung bis zum Meere steil ab , reichlich von der mittäglichen Sonne beschienen und von den südlichen und westlichen Seewinden mit Kegen und Nebel versorgt. Weiter östlich schneidet das Thal des St. Clara-Flusses tief von Osten nach Westen in den Gebirgsstock und wird durch den fast ständigen Seewind mächtig ventilirt. Noch weiter nach Osten in der Gegend des Teliachapipasses liegt das grosse weite Hochthal der Mojavewüste, welche sich bis zum Coloradofluss fort- setzt. Die Wüste, fast vollständig eben, nur hier und da von kleinen Berggruppen unterbrochen, fällt sanft nach dem Coloradoflusse zu ab.

Archiv f. Schiff«- u Tropeubygieue. II. 15

Digitized by Google

196

Dr. Carl Schwalbe.

Während dieselbe westlich beim Tejonpass sich 3000' über den Meeres- spiegel erhebt, hat sie im Osten am Coloradoflusse nur eine Boden- erhebung von wenigen Fussen. Die südÜche Begrenzung der Wüste bildet die Sierra Madre mit Wilsons Peak und Old Baldey und mehr im Osten die San Bernardino Mountains. Diese Gebirge sind durch- schnittlich 6000 Fuss hoch, bestehen hauptsächlich aus Granit, der sehr stark verwittert, und haben eine grosse Mannigfaltigkeit von tiefen Thälem und Schluchten. Am Südabhange dieser Berge ist das San Gabriel Valley mit seinen reichen Fruchtgärten, mit der Hauptstadt von Südcalifomien , Los Angeles. Nach Osten zu am Fusse der San Bernardino Mountains beginnt wieder ein Theil der Wüste, Colorado- wüste genannt, welche hier in einer ziemlichen Ausdehnung sich unter dem Niveau des Meeres befindet und im Süden durch die hohen San Jacinto Montains mit ihrer Fortsetzung in die San Juliankette be- grenzt wird. Hier an der Südgrenze Califomiens befindet sich der prachtvolle Naturhafen von San Diego, ein weitberühmter Winterauf- enthalt für Brustkranke. An der ganzen Westküste von Californien strömt ein 400 km breiter, kalter Polarmeeresstrom (8 1G°C. Wärmei entlang, der sich bei dem schon erwähnten Pt. Conception (35 3 n. B.) von der Küste abbiegt und ausserhalb einer Reihe von Inseln, Santa Itosa, Santa Cruz, San Nicolas, Santa Catalina, San Clemente nach Süden strömt, während zwischen den Inseln und dem Festlande von Südcalifomien ein unbedeutender Meeresstrom mit wärmerem Wasser von Süden nach Norden fliesst. Die mittlere Temperatur des Was- sers in diesem Strome beträgt in den einzelnen Monaten: Jan. 1 5.5% Febr. 16.0° C., März 16.0°, April 16.0°, Mai 16.0°, Juni 16.5% Juh 18.0°, Aug. 18.5°, Sept. 19.0°, Oct. 17.5°, Nov. 16.0°, Dez. 16.5CC. Das sind Temperaturen welche das Seebaden das ganze Jahr hindurch gestatten. Eine Aenderung des Landklimas findet selbstverständlich durch diesen unbedeutenden , wärmeren Meereastrom nicht statt, während der mächtige, kalte Polarstrom einen grossen Einfluss auf die ganze californische Küste ausübt.

Am wichtigsten für das Klima sind die Wärmeverhältnisse. Be- trachten wir zunächst Los Angeles (250 500' über dem Meere und ungefähr 22 Kilometer von demselben entfernt). Die mittlere Jahres- temperatur berechnet sich auf 16.5°. Die mittlere Temperatur der einzelnen Monate (aus 18 Jahren berechnet) ist: Jan. 12.0°, Febr. 12.5% März 14.0°, April 15.0% Mai 17.5% Juni 19.5% Juli 21.5% August 22.5% Sept. 19.0% Oct. 18.0% Nov. 15.2% Dec. 10.4% Der Unterschied zwischen dem wärmsten und kältesten Monat beträgt 11.8%

Digitized by Google

Klima und Krankheiten von Südcaliformen. 197

Diese Mittelzahlen, nothwendig, um das Klima von Los Angeles mit anderen Klimatcn vergleichen zu können, geben keine Vorstellung Von dem Verlaufe der Wärmecurve an den einzelnen Tagen. In Los Angeles sind die Nächte mit den seltenen Ausnahmen der wenigen, in welchen der heisse Wüstenwind weht, kühl, zum Theil recht kühl, die Mittage sind warm, im Sommer öfter recht warm. Es sind also die täglichen Temperaturschwankungen recht bedeutend. Das Mittel der grössten täglichen Temperaturschwankungen ist für die einzelnen Monate folgendes: Jan. 18.3°, Febr. 18.3°, März 19.3°, April ‘20.0°, Mai 19.7°, Juni 20.2 °,Juli 18.9°, August 18.5°, Sept. 21.0°, Oct. 22.7°, Nov. 21.7°, Dec. 17.1°. Die Morgenteraperaturen sind im Winter meistens sehr niedrig und gar nicht selten unter dem Gefrierpunkt. Am häufigsten kommen Nachtfröste in den drei Monaten December, Januar und Februar vor; aber auch März und April, October und November haben bisweilen eine Morgentemperatur unter und selbst im Mai wird, wenn auch sehr selten, noch ein Nachtfrost beobachtet Ein Frosttag nach meteorologischen Regeln, d. h. ein Tag, an welchem die mittlere Tagestemperatur unter dem Gefrierpunkte liegt, ist bis jetzt in Los Angeles nicht beobachtet worden. Trotzdem sind die Nachtfröste stark genug, um Schaden zu thun. Die reifen Orangen erfrieren gar nicht selten; Callas, Heliotrop, junge Gemüse haben fast jeden Winter an gefährdeten Orten zu leiden. Sobald die Sonne scheint, und das ist Regel, wenn ein Nachtfrost stattfindet, beginnt die Luft sich schnell zu erwärmen, und des Mittags ist die Tem- peratur meistens behaglich warm, an den meisten Tagen im Winter wohl über 15.0°. Eine Mittagstemperatur unter 10.0° dürfte zu den grossen Ausnahmen gehören. Je höher die Sonne steigt, je grösser ihre wärmende Kraft wird, desto energischer macht sich für Süd- californien der Einfluss des kalten Polarstroms geltend; je mehr sich das Land erwärmt, desto stärker strömt die kühle Luft, welche über dem kalten Meeresstrome lagert, nach dem Lande, und kühlt es ab. Daher kommt es, dass auch die Abende mit sehr wenigen Ausnahmen kühl sind. Eine Temperatur von 20.0° nach Sonnenuntergang, mitten im Sommer, ist selten. Von Nachmittags 3 4 Uhr findet meistens beträchtliche Abkühlung statt. Beobachtet man die Temperatur eine Stunde vor Sonnenuntergang und um Sonnenuntergang, so findet in dieser Zeit recht häufig eine Temperaturabnahme von 1.7 3.4° statt, die um so empfindlicher wird, als die Zunahme der Luftfeuchtigkeit eine beträchtliche (20 40 °/0 und mehr) ist. Im Sommer sind Mittags- temperaturen zwischen 24.0° und 30° die gewöhnlichen. Ausnahms-

15*

Digitized by Google

198

Dr. Carl Schwalbe.

weise kommen aber, wenn der Wüstenwind weht, viel höhere Tem- peraturen, 32.0°, 35.0°, 38.0°, 44.0° vor. Da diese Wüstenwinde aber sehr trocken sind (6 10 °/0 relative Feuchtigkeit), so sind auch diese Temperaturen sehr erträglich. Dann und wann tragen auch ausgedehnte Feuer in den Bergen zu einer beträchtlichen Steigerung der Temperatur bei. Dennoch kann man mit vollem Rechte sagen, dass die Menschen in Südcalifornien mehr Unbequemlichkeiten von der Kühle der Witterung, als von der Hitze zu leiden haben. Es wird kein Wunder nehmen, wenn ich hervorhebe, dass die Wärme- unterschiede zwischen Schatten und Sonne sehr grosse sind. Unter- schiede von 28.0° und mehr sind Sommer und Winter ganz ge- wöhnlich. Selbst auf hohen Bergen ist dies sehr auffallend. So beobachtete ich auf Mt. Lowe (5500') im September Vorm. 9.45 Mb. eine Temperatur von 15.0° im Schatten und 45.0° in der Sonne. Unterschied 30.0°, bei Crystal Springs gleichfalls am Mt. Lowe (4500i Mittags 12 Uhr im Schatten 21.2°, in der Sonne 53.3', Unterschied 32.1°. Auch den Stubentemperaturen im Vergleich zur freien Luft- temperatur habe ich meine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Im Winter sind in nach Westen gelegenen Zimmern des Morgens, bevor geheizt ist, Temperaturen von 8.0° bis 10.0° und 12.0° die gewöhnlichen. Selbst im Mai und Juni ist die Morgentemperatur in den Stuben meistens nur 15.0°; im Juli und August 20.0 22.0 . im September meistens schon wieder unter 1 9.0° . Es folgt aus dieser. Zahlen ohne Weiteres, dass das Heizen der Stuben am Morgen im Winter ganz angenehm, ja nothwendig ist, um sich behaglich zu fühlen, wenn man sich nicht in Pelze hüllen will. In Stuben nach Süden oder Siidosten gelegen, ist die Temperatur etwas höher, besonders in Backsteingebäuden. An Regentagen kann es nöthig sein, den ganzen Tag zu heizen. Des Abends reicht in sonnig gelegenen Häusern meistens die Lampe aus, um im Winter die Zimmerwärme behaglici zu machen. Aus allen diesen Angaben geht hervor, dass die täg- lichen Temperaturschwankungen recht beträchtliche sind. Ausge- nommen sind nur die wenigen Regentage. An diesen Tagen sind die Unterschiede zwischen Maximum und Minimum nur 2.0 3.0 ;. Von einem Tage zum anderen sind die Wärmeunterschiede meistens nicht bedeutend, jedoch kommen bisweilen bedeutende Wechsel vor. Es werden öfter von einem Tage zum andern Unterschiede in der Mittagstemperatur von 10.0 12.0° wahrgenommen. In Südcalifor- nien wird die Wärme mit Ausnahme der wenigen Tage, wo der Wüstenwind weht, an Ort und Stelle durch den Sonnenschein erzeugt

Digitized by Google

Klima und Krankheiten von Siidealifornion. 1^9

und wird gemildert durch die kühlen, westlichen Oceanwinde. Im •westlichen Europa wird die Wärme sehr häutig durch die Seewunde bei bedecktem Himmel von weit her gebracht, während sehr häufig besonders im März und April beim schönsten Sonnenschein ein kalter Nord ostwind eine schneidende Kälte erzeugt. Die Windverhältnisse sind im südlichen C’alifornien sehr einfache. Der Westwind, der locale Seewind ist unbedingt vorherrschend; daun und wann bricht ein heisser, trockner Wüstenwind herein, der die Luft mit Staub er- füllt. Etwas häufiger weht der Nord- oder Nordostwind, besonders in den Wintermonaten. Es ist dies der Nordostpassath. Süd- und Südostwind bringen in Los Angeles am häufigsten Regen. Dieselben sind als der Antipassath zu betrachten. Bisweilen werden aber auch unbedeutende Schauer durch Nordwestwind gebracht. Stürme sind in Los Angeles und Umgebung selten, Gewitterstürme ganz unbekannt. Kin bis zweimal im Jahre kommt ein kurzer Sturm vor, der einige M;de einige kleine Schiffe an den Strand geworfen, leicht gebaute Gebäude umgeworfeu und viele Früchte von den Bäumen abgeschüttelt hat. Die Sturmgeschwindigkeit hat 14 Meter in der Secunde nicht überschritten. Da die Abende, die Nächte und die Morgen mit wenigen Ausnahmen windstill sind, so berechnet sich die mittlere Geschwindigkeit des Seewindes auf 3,6 4,6 Meter in der Secunde. Der Unterst hied in der Häufigkeit und Schnelligkeit der Winde zwischen den einzelnen Monaten ist nicht bedeutend; die windigsten Monate sind Mär/, April, Mai, die windstillsten November und October. Von der allergrössten Bedeutung für den Südcalifornier sind die Regen- verhältnisse. Von der Regenmenge, von der mehr oder weniger günstigen Yertheilung des Regens auf die einzelnen Monate der Regen- zeit hängt das Wohl und Gedeihen der Laudwirthschaft und Viehzucht ab. Aus der beigefügten Tabelle ist ersichtlich, dass die Menge und die Yertheilung des Regens auf die einzelnen Monate und Jahre sehr unregelmässig ist. So fielen im Januar 1886 7.78 Zoll Regen, im Januar 1887 0.20; im Februar 1884 13.37, im Februar 1885 0.00; im März 1884 12.24, im März 1885 0.01; im April 1880 5.06, im April 1894 0.13; im October 1889 6.96, im October 1891 0.00; im November 1885 5.55, im November 1894 0.00; im December 1889 15.80, im December 1882 0.08. So unregelmässig die Regen- verhältnisse in den Wintermonaten sind, so regelmässig sind sie in den Sommermonaten: Juni bis September fällt kein Regen von irgend welcher Bedeutung. Südcalifomien ist also ein Land mit Winter- regen, einige unbedeutende Ausnahmen abgerechnet. Da das Wachs-

Digitized by Google

•200

Dr. Carl Schwalbe.

thum der Culturpflanzen vom Regen abhängt, so folgt daraus, dass das Pflanzenwachsthum, wo nicht künstliche Bewässerung angewaai: wird, wesentlich auf die Wintermonate beschränkt ist, also auf die Zeit, wo nur mässige Wärme zugeführt wird. Nur der Umstand, dass in der Nähe der Küste in den Sommermonaten fast regelmässc starke Nebel in der Nacht und am Morgen auftreten, ermügbeLt auch im Sommer das Wachsen des Mais ohne Bewässerung. Nur selten fällt anstatt des Regens für kurze Zeit Hagel, sehr sehen Schnee. Bisweilen sieht man einzelne Schneeflocken mit Regen ge- mischt. Im Februar 1880 fiel in Annaheim (ungetähr 50 Kilometrr südlich von Los Angeles) sehr reichlich Schnee und blieb an ein- zelnen Stellen bis zum anderen Morgen liegen. Man könnte nun sehr leicht zu dem Schluss kommen, dass es viele Regentage iss Winter geben muss, weil der Regen nur in den Wintermonaten fallt Dies ist aber durchaus nicht der Fall. Die Wetterwarte von Los Angeles giebt die Zahl der Tage, an welchen 0.01 Zoll und mehr Niederschlag, sei es Regen oder Nebel oder Tliau, gemessen werden konnte, wie folgt: 1878: 54, 1879: 48, 1880: 51, 1881: 24, 1882: 39.

1883: 33, 1884: 71, 1885: 26, 1886: 32, 1887: 37, 1888: 40.

1889: 50, 1890: 35, 1891: 26, 1892: 37, 1893: 38, 1894: 3*.

1895: 41, 1896: 38. Eine sehr merkwürdige Erscheinung ist es.

dass in Los Angeles Gewitter so gut wie gar nicht Vorkommen. Ich habe während 6 Jahren ein kleines Gewitter mit massigen: Regenfall im Sommer beobachtet, auserdem dann und wann einmal einen Blitz mit Donner. Ebenso unregelmässig, wie die Regenmenge in den einzelnen Tagen und Monaten in Los Angeles ist, ebenso verschieden ist diesell>e zu derselben Zeit an verschiedenen Orten, die nur wenige Stunden von einander entfernt sind. So fielen x. B. am 4. December 1891 in Whittier 0.40 Zoll, Pomona 0.50, Spadra 0.65, St Monica 0.79, Los Angeles 0.88. Rodeo de las aguas 1.14: alle diese Orte sind nur wenige Meilen von Los Angeles entfernt. In der Sierra fällt in der Regel bedeutend mehr. So beträgt <be mittlere Regenmenge von Giendora (30 Kil. von Los Angeles), un- mittelbar am Fusse der Sierra, noch einmal so viel als in Los Angeles. Die Feuchtigkeit der Luft als ein Regulator der Wärmeverhältni» ist von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit. Auch hier geben die Mittel der einzelnen Monate nur eine sehr unvollkommene Vorstellung von dem mannigfaltigen Wechsel der relativen Feuchtigkeit an den einzelnen Tagen. Das Mittel der relativen Feuchtigkeit aus fünf Jahren für die einzelnen Monate beträgt: Januar 68.1%, Februar 72.7',.

Digitized by Google

Klima und Krankheiten von Siidcalifirnien.

201

März 75.0 °/0 , April 72.4%, Mai 75.8 °/0, Juni 73.0 °/0, Juli 77.3 %, August 76.3 %, September 7 1 .7 %, October 74.7 %, November 7 1 .0 %, December 63.7%. Es folgt hieraus die wichtige Thatsache, dass die relative Feuchtigkeit im Sommer, wo es nicht regnet, grösser ist als im Winter resp. der Regenzeit. Während im Winter eine relative Feuchtigkeit von 100.0% selten ist, beträgt im Sommer an allen Morgen, wo Nebel ist, und das ist häufig, die relative Feuchtigkeit selbstverständlich 100.0%. Nach und nach wirkt die Sonne auf- lösend auf den Nebel und um Mittag ist die relative Feuchtigkeit gewöhnlich ungefähr 50%; dann nimmt dieselbe im Laufe des Nach- mittags wieder zu und erreicht recht häufig nach Sonnenuntergang 90% und mehr. An vielen Tagen ist der Unterschied noch grösser. Es werden um Mittag nur 40 30% beobachtet. Tritt Wüstenwind ein, so bewegt sich die relative Feuchtigkeit zwischen 10 30%. Ich habe an meinem Psychrometer selbst 6 0 0 und weniger beobachtet Nach Aufhören dieses Windes tritt dann plötzlich wieder Nebel mit 100% ein. Die Bildung des Nebels ist sehr leicht zu verstehen. Während des Tages bringt der Seewind fortwährend feuchte Luft vom Meere über das Land. Am Abend hört nach und nach der Wind auf, weil sich die Wärmeunterschiede zwischen Meer und Land ausgleicben; es findet bei dem klaren Himmel eine starke Wärme- strahlung statt, und nun kühlen sich die unteren Schichten der Luft so stark ab, dass Dunstsättigung und Nebelbildung eintritt. Bei der sehr starken Wärmestrahlung des Grases gehört Thau zu den ge- wöhnlichsten Erscheinungen in Los Angeles. Es sind nur wenige Morgen, wo das Gras trocken ist. Die Luft ist, wie schon erwähnt, meistens ungemein klar und durchsichtig. Ferne Gegenstände er- scheinen sehr nah. Der nächtliche Himmel ist von einer wunder- baren Pracht, am schönsten natürlich in der Wüste. Es sind viel- leicht 50— 60 Tage im Jahre, wo der Himmel den ganzen Tag mit Wolken bedeckt ist; dann sind noch eine Reihe von Vormittagen mit Nebel und grauem Himmel; aber sicher sind 250—300 Nach- mittage im Jahre, wo die Sonne beständig scheint und wärmt. Ver- gleichen wir nun das Klima von Los Angeles mit Orten, welche unmittelbar an der Küste gelegen sind, so sind manche Unterschiede zu bemerken. Leider sind mit Ausnahme von San Diego, welches 1.4° südlicher hegt, und St. Barbara, nördlich von Los Angeles nicht viel meteorologische Beobachtungen an der Meeresküste an- gestellt. Ich gebe hier Aufzeichnungen, welche im Redondo-Hotel (22 Kil. von Los Angeles) gemacht sind. (Siehe Tabellen). Aus

Digitized by Google

‘202

Dr. Carl Schwalbe.

diesen Beobachtungen geht hervor, dass die täglichen Temperatur- schwankungen nicht so gross, dass die Winter etwas wärme: und die Sommer kühler sind als in Los Angeles. Besonder? ist dies Mittags und Abends auffallend. Im Sommer 1892 machte ich des Nachmittags 3 Uhr häutig Temperaturvergleichungen zwi- schen dem Seebade St. Monica (23 Kil. von Los Angeles) und Los Angeles und fand die Temperatur in St. Monica meistens 5 6 1 niedriger als in Los Angeles. Die Nebel sind an der Küste häufiger und dauern länger. Der Regenfall ist wahrscheinlich etwas geringer, jedoch fehlen mir genaue Beobachtungen. Der vorherrschende Wied ist wie in Los Angeles der Seewind, der Westwind, bisweilen im Sommer so stark, dass er lästig wird. Der Wüstenwind weht selbst- verständlich zu derselben Zeit an den Küstenplätzen, wo er in Lo Angeles sich unangenehm macht. Ungemein wohlthuend ist unmittel- bar am Strande die absolut staubfreie, reine Meeresluft. Ungefähr 120 Kilometer südlich von Redondo liegt das schon erwähnte San Diego, das sich von Redondo klimatisch nur wenig unterscheidet Der Hauptunterschied liegt in der bedeutend geringeren Regenmenge, woraus selbstverständlich folgt, dass die Winter in San Diego sonnen- reicher und wärmer sind als in Redondo. Da in San Diego die Wetterbeobachtungen durch die U. St Signal Oftice gemacht werden, so gebe ich dieselben ausführlich (siehe Tabelle). In San Diego sind Nachtfröste entschieden sehr selten. Nebel natürlich viel häufiger als in Los Angeles. In Los Angeles wird die Zahl der wolkigen Tage auf 51 für das Jahr angegeben, in San Diego auf 85. Gewitter scheinen in San Diego noch seltener zu sein als in Los Angele?. Dr. Ilemoudino hat in 18 Jahren einmal Donner gehört. Betrachten wir nun die klimatischen Verhältnisse in Riverside (70 Kil. in der Luftlinie vom Ocean entfernt und ungefähr 900' ül>er dem Meeres- spiegel). Die mittleren Temperaturen sind: Januar 10.2, Februar 1 1.3. März 13.8, April 16.1, Mai 19.0, Juni 22.2, Juli 25.4, August 25.4. September 22.8, Üctober 17.6, November 14.2, December 12.0. Die Temperatur-Minima und Maxima bewegen sieh in 9 Jahren:

Minima: Maxima:

Januar

3.3°

und

0.55°

+

18.9

bis

22.9

Februar

3.3°

0.O»

+

21.2

77

28.9

März

0.5°

77 4“

5.1 0

+

25.5

77

31.7

April

+

2.3°

+

4.5°

+

27.7

77

37.8

Mai

+

3.7°

V +

8.3°

+

33.9

77

40.0

Juni

+

6.2°

•• 4“

10.0°

4-

i

C6.7

77

44.4

Juli

+

8.9°

.. +

13.4°

+

39.4

jj

42.8

Digitized by Google

Klima und Krankheiten von Südealifornien.

203

Minima: Maxima:

August -f 10.0° -f- 12.9® + 37.8 45.0

September -j- 6.7° -f- 11.2° -j- 35.0 41.7

Oetober + 3.4° ., -f- 6.2® + 28.4 38.9

November 1.7° 3.4° + 24.4 35.0

December 0.5° -f- 1.8° 17.4 n 25.5

Die Differenzen zwischen Maximum und Minimum schwanken zwischen 20.0° und 30.0° an demselben Tage. Die Winde sind ungefähr dieselben wie in Los Angeles. Die Regenmenge ist entschieden be- deutend geringer (s. Tabelle). In San Bernardino (1100' Uber dem Meeresspiegel und näher an den San Bernardino Mt.) ist die Regen- menge wieder beträchtlich grösser, ungefähr so gross als in Los Angeles. Es scheint sogar, als wenn in den recht trockenen Jahren es in San Bernardino mehr regnet, als in Los Angeles, lieber die relative Feuchtigkeit sind in Riverside nur wenige Beobachtungen gemacht; es geht daraus hervor, dass dieselbe entschieden bedeutend geringer ist, als in Los Angeles; Nebel sind selten nnd unbedeutend. In Riverside, San Bernardino und Umgebung sind Gewitter häufiger, als in Los Angeles, aber immer noch selten, während in den Bergen in manchen Jahren während der Sommermonate Gewitterschauer oft Vorkommen. Am 11. August 1891 war in San Bernardino und Um- gebung ein starkes Gewitter. Es wurde in der Nähe durch Blitz- schlag eine Scheune in Brand gesetzt; zwei Pferde wurden getödtet. Auf den Hügeln hinter Redlands ging ein Wolkenbruch nieder, der Redlands unter Wasser setzte. Klare Tage sind in Riverside, San Bernardino und Umgebung noch häufiger als in Los Angeles. Dr. Sawyer zählte von Juli 1885 bis Juli 1886 280 absolut klare Tage; an 38 Tagen fiel Regen, die kleinsten Schauer eingerechnet. Aus allen Angaben geht hervor, dass an diesen Plätzen im Winter Nachtfröste häufiger und vor allen Dingen stärker als in Ix)s Angeles sind, dass die Mittagstemperaturen höher, dass die Regen meistens geringer als an der Küste oder im Gebirge sind. Nebel sind viel seltener und die Luftfeuchtigkeit ist viel geringer. Ich habe bis jetzt die Barometerbeobachtungeu nicht erwähnt, weil dieselben nicht von grosser Bedeutung sind. Im Grossen und Ganzen ist der Barometer- stand ein sehr gleichmässiger, tägliche und monatliche Schwankungen sind sehr gering. Es ist selbstverständlich, dass bei den erwähnten Regenverhältnissen die Staubbildung besondere im Sommer an allen bewohnten Plätzen eine sehr bedeutende ist. Zur Zeit des Wüsten- windes ist die ganze Luft mit Staub erfüllt, der aus der Wüste über ganz Südealifornien verbreitet wird. Hiermit schliesse ich die kurze

Digitized by Google

204

Dr. Carl Schwalbe.

Schilderung des Klimas der südcalifornisclien Valleys und Küsten ah. Es ist dies der Theil des Landes, in welchem die grösste MehraL der Bevölkerung wohnt. Eine kurze Schilderung des Wüstenklim*? wird ganz beträchtliche Unterschiede zeigen. Die Haupt Verschieden- heit des Wüstenklimas von dem Küstenklima besteht in noch grösseren täglichen Temperaturschwankungen, sehr geringer Regenmenge, sehr geringer relativer Luftfeuchtigkeit und fast beständig klarem Himmel. Nebel kommen an einzelnen beschränkten Stellen in 3 4 Jahres ein oder zweimal vor. Ganz besonders wichtig ist die grosse Häufig- keit ziemlich starker Winde, die auch oft des Nachts mit grosser Heftigkeit wehen. Gar nicht selten bedecken Staubstürme die junge Saat im Antelope Valley, einem Theil der Mojave-Wüste, mit Stans und vernichten die Hoffnungen auf eine Ernte. Im Winter sind Nachtfröste häufig. Es giebt Plätze, wo seit 8 Jahren die Bliithei der Pfirsichbäume regelmässig erfroren sind. Im Winter fällt Schnee, doch sind, wie schon erwähnt, die Niederschläge in der W üste über- haupt sehr gering. Im Antelope Valey, Lancaster 2350' über dem Meeresspiegel als Hauptplatz, hatte sich eine Ackerbaucolonie ent- wickelt. Bei den sehr unsicheren Ernteergebnissen aber sind di« Ansiedelungen zum Theil wieder verlassen. In der ‘Coloradowüste ist eine nicht unbeträchtliche Strecke unter dem Spiegel des Meeres gelegen. In früheren Zeiten dehnte sich der Busen von California bis zu diesen Stellen aus. Die Coloradowüste ist gleichfalls von heftigen Winden besonders im Sommer heimgesucht. Es sind di« die Seewinde, welche am Tage nach der stark erwärmten Wüste strömen. Der Umstand, dass die St. Bernardino und San Ja dato Mountains am Beginn der Wüste nur eine wenige Meilen breite Schluckt zwischen sich lassen, giebt dem Winde im Beginn der Wüste eine ungemeine Stärke; derselbe wirkt wie ein Pressstrahl und schleudert ziemlich grosse Steinstückchen dem Wüstenwanderer in das Gesicht Noch schlimmer wirkt der Nordwind, der eigentliche Wüstenstarm. dessen ich auch schon bei der Schilderung des Klimas von Los Angel« erwähnte. Nicht selten werden ganze Strecken der Wüstenbaho durch diese Staubstürme verschüttet Es giebt selbstverständlich Plätze in der Wüste, welche durch hohe Berge vor dem regelmässige» Oceanwinde geschützt sind. So liegt der Curort Pidmsprings am Eusse des Mt. San Jacinto nach Osten und wird dadurch gegen den Seewind vollständig geschützt, während die nahliegende Eisenbahn- station der vollen Kraft des Windes ausgesetzt ist. Das Klima der höheren Berge (4000' und mehr) ist im Ganzen noch wenig studirt

Digitized by Coogli

Kliina uni Krankheiten von Südcalifornieu.

•205

obgleich eine ziemliche Anzahl von Gcbirgscurorten bestehen. Ich gebe in den beiliegenden Tabellen XX-XXIII einige Beobachtungen, die aber noch sehr der Ergänzung bedürfen. Beobachtet man auf dem Kamme der Sierra Madie, z. B. auf dem Mont Wilson, so ereignet es sich nicht selten, dass die Temperatur dort höher ist als in Los Angeles. Die warme Wüstenluft strömt über die Berge weg zum Ocean und die kühle Oceanluft breitet sich in den Thälern von Südcalifornieu aus, um von dort durch den schon erwähnten San Gorgoniopass nach der Wüste zu strömen. Auch auf den Bergen ist die Luft- feuchtigkeit geringer als in den Küstenplätzen; es kommen jedoch einige hochgelegene Thäler vor, in denen im Sommer locale Gewitter- bildung mit Regenschauern wenigstens in einzelnen Jahren häufig ist. Thaubildung findet an den meisten Gcbirgscurorten nicht statt. Im Grossen und Ganzen kann mau sagen, dass mit der Entfernung vom Meere die relative Luftfeuchtigkeit proportional geringer wird, dass alle Orte, östlich von den Gebirgen gelegen, sich durch grosse Luft- trockenheit auszeichnen, dass die täglichen Temperaturschwankungen mit der Entfernung von der Küste zunehmen, dass windstille Tage in ganz Südcalifornien selten und windstille Nächte an vielen Stellen die Regel sind, einen Theil der Wüsten ausgenommen; dass Stürme an der Küste nur selten und von massiger Stärke Vorkommen. Südcalifornien ist ein Land des Sonnenscheins. Nur an den Küsten sind die Nebel im Sommer in der Nacht und am Morgen häufig; je weiter von der Küste entfernt, desto weniger. Die beigefügten Tabellen werden die ausführliche Begründung dieser klimatischen Schilderung gehen. Am Schlüsse dieser Betrachtungen erachte ich es für meine angenehme Pflicht, Herrn George E. Franklin, U. St. Weather Bureau, für die Liebenswürdigkeit zu danken, mit der der- selbe mir die Bibliothek des Weather Bureaus zur Verfügung ge- stellt hat.

Digitized by Google

•206

Dr. Carl Schwalbe.

Tabelle I.

Monatsmittel in mm.

Barometer

San Diego

Los Angeles

Januar

762.8

751.4

Februar

761,3

758.3

März

761.0

753.3

April

75.8,9

750.8

Mai

758.9

751.1

Juni

758,6

750,6

Juli

757.6

745.0

August

758.6

751.1

September

757,3

749.8

October

759.5

751,6

November

761.0

754,1

December

761,0

753.6

Tabelle II.

Los Angeles 250' über dem Meere.

Regenmenge in Zollen.

Jahr Jan.

Febr. März | April

Mai

Juni

Juli jAug. Sept.

OcL

Nov.

Deo.

Sa

1877

1878

0.33

7,68

2.57

1.71

0.66

0.07

1

0,15

0.45 | 3.93 14.70

1 4.88

2 >. 35

1879

3.59

0,97

0.49

1.19

0.24

0.03

0.93

3.44

6,53

17.43

1880

1.33

1.56

1.45

5.06

0,04

Spur Spur

0.14

0.67

8.40

18.65

1881

1,43

0,36

1.66

0.46

0,01

jSpur

Spur

0,82

0.27

0.52

5.63

1882

1,01

2,66

2,66

1.83

0.63

Spur

|

Spur

0.05

1.82

0.08

10.71

188 J

1.62

3,47

2,87

0.15

2.02

0.03

Spur |

1.42

2.56

14.11

1884

3.15

13.37 12,36

3.58

0.39

1.34

I

Spur

0.39

1.07

4.65

40.59

1865

1,05

0,01

2.01

0.06

Spur

Spur Spur

0.30

5.55

1.65

10.6«

1686

7.78

1.41

2.52

3.32

0.11

0.24 1 0.2 t

('.02

1.18

0.26

17.09

1887

0.20

9.25

0.29

2.30

0.20

0.07

0,07

0,15

Spur

0.17

0.80

2.68

16.22

1888

6.04

0.80

3.17

0.12

0,05

0.01

0,03 0.08

0.40

4.02

6.26

20.73

1689

0.25

0.92

6.48

0.27

0.65

0.01

Spur 0,61

6,96

1.35

15.80

33.50

1890

7.80

1,36

0.66

0,22

0.02

0,03

0.06

0,03

0.13

2.32

12.69

1891

0.25

8,56

0.41

1.26

0.31

Spur |

0.06

1.99

1 2.84

1892

0.88

3.19

3.39

0,22

2,07

0.06

lo.oi

0.33

4.40

4.18

18.72

1 89S

6,29

2.27

8,52

0.19

0,06

0.03

1

Spur! 0.75

0.20

3.65

21.9«

1894

0.94

0,49

0,37

0.13

0,20

Spur Spur i 0,01

0,73

Spur

0.02

4.62

7JI

1895 5,84

0.46

3.77

0.46

0.19

0.01

Spur Spur

0.24 | 0.80

0.78 | li.'A

Digitized by Google

Klima und Krankheiten von Südcalifornien.

207

Tabelle III.

Loa Angeles. Geschwindigkeit des Windes (englische Meilen in 24 Stunden).

Jahr

Jan. Kehr.

März

April

Mai 1 Juni

Juli Aug.

| Sept.

Oct.

Nov.

Dec.

1890

2947

2375

| 31 15

2479

2666 2727

2501 2597

2317

2313

2686

2744

1 89 1

3015

3261

- 3016

273 1

2732

2613 2579

2532

2086

1990

3514

1892

238t)

2251

1 2833

2937

2935 2737

2539 , 2437 i

2193

2292

,2253

2770

1893

2403

2667

3150

3018

304 ti 2633

2778 ! 2704

2687

2589

i 2362

2676

1894

2511

2794

3188

3021

3077 3143

2633 2711

2492

2113

1481

2655

1895

2868

2230

| 2650

2726 1

2953 , 2667

2380 I 2094

| 2377

2305

2201

2547

1 16124

15632:17935,16918

1 741 1| 16634 15141i 16125

14598

1369842973

l690i

Grösste Geschwindigkeit des Windes und Windrichtung dabei. Englische Meilen in 1 Stunde.

1390

17 E.

181

24 KW.

1911

151.

81

131,

14 1

15 S 151.

141.

1S91

19 II.

24 E 24 W

24 W

16 E

16 1

15 1.

131

2011 16 f.

121.

1892

18 E.

20 E

301

261

221.

30 I.

151.

13 SW.

11 1. 1 6 SW.

211.

1893

24 E

301

29 E.

30*

14 W

141

15 W.

17 W

131. 20 E.

20 E

1894

14 W.

30 n

301

24 *W

18 W

181

15 1

17 SE.

18 W 1 131

121.

1 »95

18 SW.

19*ff

20 SW

24 KW

26 W.

15 W

14 I

121

14*1 141.

121.

Wenn 100 Meilen in 24 Stunden per Stunde 4 Meilen,

weht der Wind nur

12 Stunden so per Stunde 8 Meilen, 9 .. ,, ,i 11

6 17 ..

18 W.

24 KE

30 l 23 W 18 E,

Tabelle IV.

Los Angeles.

Vorherrschende Windrichtung.

Jah r

Jan. |

Kehr.

März |

April

Mai

Juni '

Juli

Aug. [

Sept.

Oct j

Nov. |

Dec.

1890

KB.

"TI

¥

W 1

W

ff.

W.

W. 1

I.

W.

ff.

K.

1 -.91

ff

i

W

ff.

w

ff

ff

ff.

ff.

ff

W

ff.

1892 ;

SE,

W

W

w.

w

ff

ff

w

ff

ff.

ff

ff.

1893

Kl

KE

KE. !

w

ff.

ff.

ff.

w

ff

ff 1

ff

KE

1891'

1.

I.

W.

1.

w

ff

W

w

ff.

ff.

V

E.

ls&5

E.

! KE.

1 w

w

ff

W

ff.

ff

ff |

ff

KE

Kff.

2 I.

3 1.

5 W

5 ff.

2 ff

2 KE

1 K

1 KE.

1 KE.

1 X.

1 E

2 KE

1 KE.

1 SW

1 E

1

1

1 Kff

Mittlere relative Feuchtigkeit.

1890

j

1 ~

1

1891

70

72

73

73

fehlt

70

68

75

73

58

1892

60

80

79

71

75

72

76

74

71

69

61

fehlt

1893

66

73

79

71

75

74

76

77

77

73

71

63

1891

70

69

70

71

SO

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

84

7 1

1895

76.5

69

77

71

76

73

80

81

68

82

60

Mittel

68,1

72,7

1 <5

1 72,4

75.8

I 73

77.3

76,7

71.7

7 1,7

71,0

63.7

Digitized by Google

•208

Dr. Carl Schwalbe.

Digitized by Google

Klima und Krankheiten von Südcalifornien.

209

Tabelle VL

Los Angeles.

Tage mit Nachtfrösten.

1888 Deeember 11., 12., 24., 31. 4

1889 Januar 1., 2., 8., 8., 19., 20., 21., 22.. 23.. 24- 16. 11

Februar 17., 18- 19. 3

März keine

1889 Deeember 5., 19., 28- 29., 30- 31. 6

1890 Januar 2., 6- 7., 8., 9., 11- 15., 19., 20. 9

Februar 20., 23., 21. 3

März keine

April keine

Mai einer

October 10. 1

November 8. 1

1890 Decembor 6- 9., 31. 3

1891 Januar 1, 6., 8., 9., 10- 11- 12- 13- 29- 30. 10

Februar 9- 10. 2

Deeember 5- 6- 7- 8- 9- 22- 23- 21- 25. 9

1892 Januar II., 12., 18. 3

Februar keine

März 28- 31. 2

April 20- 21. 2

November 25. 1

Deeember 6- 7., 8. 9- 10- 12- 13- 14- 15. 9

1893 Januar 10- 11- 18- 19. 4

Februar keine

März keine

April keine

Deeember 28 , 29- CO. 3

1894 Januar 3- 4- 5- 6- 7- 8- 9- 10- 11- 17- 19- 21- 23- 25- 27. 15

Fobruar 2- 9., 11- 12- 13- 17- 18. 26- 27. 9

März 3- 4- 5- 21- 22- 23. 6

1830

1881

Tabelle VII. Riverside.

11 egen menge in Zollen. 1882 1883 1884

1885

1886

Mittel

Januar

0,48

1,70

0,09

0,81

0.77

2.21

1,01

Februar

0,25

1,40

0,83

12,00

1,38

2,64

März

1,30

1,03

0,89

6,26

0,01

1,95

1,91

April

0,74

0,72

0,26

1,67

2,15

1.43

1,16

Mai

0.03

0,08

0,25

1,99

0,24

0,43

Juni

0.18

0,52

0,10

Digitized by Google

210

Dr. Carl Schwalbe.

1880

1881

1882

1883

1884

1885

18S6

Mittel

Juli

August

September

0,10

0.10

October

0,40

0,13

0,97

0.12

0.02

a27

November 0.20

0.25

0,29

0,12

1,34

0.36

December 2.26

0,40

0,24

2,25

2.56

0,62

1.38

3,95

5,78

5,54

26,08

5,15

9.3-.

Tabelle VIII. Redondo-Hötel.

(22 km von Los Angeles an der Küste gelegen.) Temperaturen.

1891 1890

6 Vorm.

Mittag

6 Abends Mittel

6 Vorm.

Mittag

6 Abends Mittel

Januar

9,4' C.

16.3° C.

17.4 » C.

10,7

16.3

16.4

Februar

10.0

15.2

15,7

11.8

15,7

14.8

März

12,3

16,7

17,4

11,8

16,7

16.7

April

12,3

17,7

17.4

11,2

17,4

18.5

Mai

15,7

18,9

17.8

14,6

18.5

185

.Juni

16,7

20,7

20,0

14,6

18,5

18.5

Juli

20,0

22,3

21,8

16,7

20,0

20.7

August

21,2

24,0

22,9

18,9

21,8

23.4

September 20,0

23,4

22,3

15.7

18,9

19.6

October

17.4

20,7

18,9

13,4

18,9

18.5

November 12,9

18,5

17.4

10,7

18,5

18-5

December

9.4

15,2

13,4

8,9

15,2

14.6

Die Abendtemperaturen sind entschieden zu hoch, ich vermuthe, dass du? Abendsonne das Thermometer beschienen hat.

Tabelle IX.

U. St. San Diego.

Government Signal and weather Station.

Mittel aus 16 Jahren Mittel um 7 U. Vorm. 1887 Mittel um SU. Nachm. 1887 Mittel um 10 U. Ab. 1887 Maxima 1887 Minima 1887

Jan.

Febr 1 März 1 April

Kai

Juni | Juli

Ans- f

Snpt Del

JpT

fc

Il2,l

12.7

13.4

14.7

15.8

18.119.7

20.7

19.3 17.2

14.7

13.4

8.6

8.4

11.1

12.6

14.4

16.0 17.6

17.7

17.0 15.5

12.2

SU

16.2

14.3

16,9

17.6

19.1

20,3 21.0

21.0

20.9 21,0

18.0

16.0

12,6

12.3

14,2

15.3

16.9

18.3 19.2

18.7

18.5 1S.1

15.4

li«

23.4

24.1

27.7

26.6

26.2

25.’. 26.2

25.0

26.2 29.5

27.7

2i4

3.4

8.4

6,7

6.7

8.9

12,3 15.7

12.3

14.6 10.0

6.7

*-S

Mittlere relative Feuchtigkeit.

|B8"/o: 74 i 78] 74 [ 77T76';-7iT7Tr 7d] 73 55 ll

Digitized by Google

Klima und Krankheiten von SüdcalifornieD.

211

Regenmeugo in Zollen.

Mittel aus t6 Jahren besonderes trocknes Jahr Juli 1876 bis Juni 1877 besonders regenreiches Jahr

Juli 1883 bis Juni 1884

2,05

2,33

1,55 0,93 0, 41

0,06 |o, 03 '0,09-0,04

1,05,0,18,1,44 0,26 0,43

;0,03|0,06

1,34 9,05 6,23,2,84 2, 17|0, 31

0,44

|0,03!0,08

2,01

0,73

0,04

0.20

2,09

0,15

1,82

Tabelle X.

St. Barbara.

(Nordhof!. California.)

Jan. | Febr. j Hin 1 April

Hai Joai | Juli i Agg. j SepL

öd

Ko?.

Dbc.

mittlere Temperatur 9,1 13.5 12,7 17,0

relative Feuchtigkeit 71 °, 0 72 * 73 67

mittlere Temperatur des Seewassers 1 5,5 16.1 16,1 16,1

17.1 65

16.1

21.6 22,6 20,7 69 72 73

16.7 17,8 18,3

19,6

74

18,9

18,5 15,5 13,3 70 64 64

17,2 16,1 15,5

1870

1»71

1872

1873

1874

1875

1876

1877

1878

1879

1880

Regenmenge in Zollen.

0,25 5.87 0,83 0,99 0.74 0,07! 0,86 2,92.0.02 2,02 0.37;— \

2.53 1,81 0, 18,1,80 1 0,1 41 | 0,58 5,48 0,05;

4.54 3,17 0.78 0,28 0,14,— !

14,Mi0,18 0,88 0,10 7,56 5,6712,73 0,27' |

3,04'— 0,61 0.39 0,45 - 7,87 12,32 2.68 3,3410.29 0,05| 4,83 0,7 2 0.34 j 1 ,80j0,30 0,1 1 0,07 1,4 1 11,5t 1,22 6,25 -

1,04 0,27 1,11

0,09 1,83 6.56

4.34

0,27.5,26

1,91 < 1 ,30j -

6,53 0.31

- 1.413.55

0,35 |6,89

0,11

0,44 1,93 5.01

0,17 0,26 9,94

Zahl derTage, an welchen die Temp.

unter 6,2° 0. über 28,4° C.

1873 1874 1875 1876

1877 1878

1879

1880 1881

79 4 1 17

15 23

43

48 29

1 1 6 : 22 1 4

10 1 8

15

1 i 2

Tabelle XL

Yuma ün Colorado River.

Mittlere Temperatur.

| Jan. j

Febr.

März ) April |

Mai |

Juni

Juli

Aug. | Sept.

| Oot.

2-

| Dec.

1891

12,0

13.0

17,6

21,1

27,7

fehlt

33,3

33,3

28,4

24,4

18,5

10,7

1892

13.9

15,2

18.5

21,2

24,8

28,9

32,2

32.2

30,6

22,3

17,4

11,8

1893

15,2

15,7

16,7

20,7

24,4

30,6

32,2

i 32,8

27,7

22.3

15,7

14,6

1894

11,2

11.2

17.4

21,8

25.0

26,2

32,8

32,2

28,4

21,0

20,0

12,9

1895

12,9

16,3

17,8

21,2

26,2 ,

29,5

31,7

32,8

28,9

24,4

16,3

12,3

ArclilT f. Schlfli- u. Tropenbygleoe. II. 46

Digitized by Google

212

Dr. Carl Schwalbe.

fcS

to to to co

<0 05 -4 O

00 O O to

- - * 3

00

CO

C"

OO 00 CO SO CO IO

IO

©

to >— to

CO —4 tO

1

p

4a

< |

p

to

to <— . O -4 OS 00

p

to

*

to

©

Ü»

(O M «■* to to to 00 CO

P

^4

CO CO O

25,2

to to to to 05 00 OS OS

^ II

O

© ^ a- a-a

*

26,2

to to to to

-S» 00 -4 00

er

O

C"

© © tc ©

*

i

26,7

to to to to 00 ~4 oc

r i

O

©

© © © ©

<

to

p

“s|

to to to to

-4 CO 00

p |

p

“4

© *-» IO ©

ü

to

tt

to

to tc to «4 CJ» IO CD

rf

O

b

- ® ~ ©

<

IO

4a.

"-4

to to to to

CO OS c* c*

0,2

© •- © ©

*

to

b

to tc to to

00 »4 4b

p

p

b

© ©

<

to

4a.

tc

tc to tc to

CO OC -4

P

O

b

o--o

JS

tc

o*

to to 0P to oc oc

p

p

tc ©

<

&

38

c_

OT Jr x X X 3C C* W »C - C

p

sstjsssss

C* 4-

to o o

Co 4- 4a. O

s

SSgszJSS

©

C" 4- C* CO

2"

o o w oi

d

m ac

tC 4a. 4a.

es

C* W O)

tf

o w *•

OS CO “4 OS

C* OS OS OS

tc © ü» tc to a-a -C © <J* tc C^ -4

j 2. |

1 }

S

C* O* 05 <OGO*v|m

tc W tc tc CO so p

i p

! '

- 1

OC C* 4- C -4 a-a to © a-y Ol - tc 00 © »

i =.

X X X X

f Ca" 4a

© tO -4

ec o »to - fO-

CD X X

r5 3

i

C4a W ÜJ ü« © tc © SO SC w’*

SC to ©

1

“i2**

X

© co

51 rt ~

5* 45 -s

WO

*T

2Z2?^ ppp

C

0

CS CO 4a 4a. OC OS 0 to

© 03 CO ® u O X x

c_

©

2^.252

rs rs

p

4a. oc 4* 03

2

© © 03 © C 4- to

C“

-j

pp pp

?

~ c r x C «a<v W

0

1 3

r

ai

X X X X X SCO«® 4a 0c to

00 L §

Jahr

Digitized by Goqgh

Windrichtung und Geschwindigkeit, Htitrko dos Winde«, englisch*! Meilen in 24 Stunden.

Klima und Krankheiten von Südcalifornien.

2t

Tabelle XIII.

Yuma

Relative Feuchtigkeit.

Jahr |

Jan.

Febr. j

März |

| April | Mai |

Juni |

Juli

Aug. | Sept. |

Oct. |

Nov. |

| Dec.

1890

1891

1892

36,0

57,2

46.0

34.0

37,6

33,6

39,0

43.0

42,0

83,0

40,0

1893

28.0

33,0

50.0

32,0

41,0

35,0

52,0

54,0

44,0

43,0

52.0

46.0

1894

•46,0

47,0

40.0

31,0

86,0

42,0

45.0

47,0

46.0

46,0

34.0

63,0

1895

51,0

37,0

88.0

36,0

33,0

36,0

41,0

46,0

40,0

1

50,0

47,0

34,0

"1

39,7 j

42,8

43,5

33,2

36,9

| 36,6

1 44,2

47,5

43,0

46,3

41,5

45,7

Regenmenge Summa

1890

1891

1892

1.85

0,87

0,52

0,05

0,02

0,04

8,33

1893

1

1.29

!

0,29

0,50

0,38

0,08

0,01

0,19

0,26

3,00

1894

fehlt

0.74

fehlt

0.36

0,10

0,51

0.84

0,40

2,95

1895

0,78

0,02

0,01 j

0.15

0,37

1,33

Regentage Summa

1890

1891

1892

4

6

2

2

1

1

16

1893

0

5

2

2

3

1

1

1

3

18

1894

fehlt

0

2

fehlt

1

2

1

1

6

13

1895

1896

1

1

1

1

1

3

2

8

Tabelle XIV.

Salton (33 0 25' nB. 115“ 56' wL.) 263 Fuss unter dom Meeresspiegel.

Tomperatur

Max.

Min.

Mittel

Regen

Januar

44,4° C.

- 1,1

17,7

0,18 Zoll

Februar

35,0

+ 0,6

19,58

0,00

März

40,0

4,5

20,92

IT

April

37,8

6,2

23,4

0,00

Mai

51,1

16,7

28,96

0,00

Juni

53,3

24,0

38,13

0,00

Juli

48,8

28,9

36,81

0,00 ,,

August

48,8

26,6

36,81

0,51

September

fehlt

October

43,9

17,4

29.61

0,93

Novomber

31,7

8,3

21,64

0,46

December

22,3

7.2

13.62

0,62

16*

Digitized by Google

214

Dr. Carl Schwalbe.

Tabelle XV.

Port Mojave am Colorado-Fluss.

Aus Dr. Oscar Loew. Expedition durch das südliche Califomien. Mittlere Temperatur

Morgens 7 Uhr

Mittags 12 Uhr

Abends 9 Uhr

Januar

13,3° C.

8,8

17,6

13,6

Februar

12,1

8,6

16,8

12.0

März

20,9

14,8

27,7

20,2

April

22,3

17,8

28,3

20,9

Mai

25,8

20.6

31,2

25,6

Juni

83,0

27,2

40,0

31,8

Juli

37,8

38,0

43,4

87,0

August

38,2

29,8

38,5

31.2

September

82,0

25,7

38,8

31,2

October

27,1

17,8

30,1

23.3

November

18,9

12.3

25,0 .

19,5

December

10,7

7,2

14,4

10,6

Die Regen sind meistens im Sommer. Es fielen 1870 93,9 mm

1871 53,3 mm Die Regen kommen aus dem Meerbusen von

1872 81,3 mm Califomien.

1873 86,4 mm

Die relative Feuchtigkeit ist sehr gering. Dieselbe schwankt zwischen 9,3% und 52,8%.

Die Hauptwindrichtung ist von Südost.

Tabelle XVI. Colorado Desert.

33° 53™ nB. 116° 28' wL. Palmsprings 580' über dem Meere.

17. September 1895

Temperatur

relative Feuchtigkeit

4,10 m Nachmittags

31,5° C.

2%

5 »

30,5

0%

5,40“

29,5

0%

e

29,2

0%

6.50“

28.8

0%

Ungefähr 10 Fuss vom

Hygrometer wurde die ganze Nacht bewässert.

8 Uhr Nachmittags

26,0° C.

5%

18. September

5,15“ Morgens 17,2

25%

Sonnenschein 5,45“

17.5

24%

6

17,5

26%

eigene Beobachtung

Digitized by Google

Klima und Krankheiten von Südcalifornien.

215

Tabelle XVII.

Palmdale, 2700'. Antelope Valley. Station d. South. Pacific R. R.

nach San

Francisco,

eigene Beobachtung.

21. Mai 1897

Nachm. 5 Uhr Temp.

22,5» C.

rel. Feuchtigkeit 32

Stubentemp. 23,9

Wind: West Himmel bedeckt 5,40 m

22,5

31

23,5

klärt auf 6,40 m

21,0

31

22,5

7,45

18,0

36

22,1

3. Mai 5 Uhr Morgens

Sonnenaufgang

Himmel hell u. klar

11,0

57

17,2

Windstille und 5,30 m

14,0

49

16,8

Sonnenschein 6,10m

16,0

45

16,6

7 Uhr

18,2

37

17,0

7,30"*

19,0

34

18,2

sehr heftiger Wind 5 U. Abends 21,0

35

21,8

den ganzen Tagl . sehr windig j

19,5

33

20.2

Wind lässt nach 7

18,0

40

19,2

4. Mai 5 „Morgens 11,2

64

16,6

windstill 5,45 m

13,5

58

17,0

Sonnenschein 6,10"*

15,5

55

17,0

6,30"*

17,0

49

17,6

leichter Wind 7,15 "*

19,0

42

17,5

Wind stärker 9

21,0

35

19,8

Wind heult 10,10"*

21,3

33

21,2

aus Westen 1 , sehr stürmisch} 1,au

25,5

20

25,0

Tabelle XVIII.

Del Sur.

80 km nordwestlich von Palmdale, ungefähr 2800'.

5- Mai

Temp.

relative Feuchtigkeit

1,30"*

Nachm.

28.5

0% massig windig, Westwind

2 Uhr

28,2

0% Wind stärker, heult

Sonnenschein 3 n

11

27,3

0% sehr stürmisch

4

91

26,5

4%

5,30“

11

25,5

5% Wind viel schwächer

8. scheint noch 8, 80 “*

11

22,2

9%

Sonne unter 6,38"*

11

21.8

9%

Mondsichel 7,15"*

11

19,0

14%

6. Mai

Nachts stürmisch

vor Sonnenaufgang 5 U. Morg.

10,0

58% sehr stürmisch NW.

ll,40m Vorm.

24,0

10% massig windig

1,30“ Nachm.

22,2

14% sehr windig

2

11

>1,3

17% 99 9)

5,5“

11

18,5

28 % 99 99

5,50“

11

17,2

82% 99 99

Digitized by Google

216

Dr. Carl Schwalbe.

Sonne unter

7,45

m

15,0

42% noch starker Wind

7. Mai

6 Uhr Morgens

13,0°

42% windig

7,20

m

15,0®

87%

10,15“

23,0°

19%

eigene Beobachtung.

Tabelle XIX.

Julian aus U. St Weather Rep.

Temperatur in Cels. Regenmenge in Zollen.

1896.

Maxim.

Minim.

Mittel

Januar

21,8

0,55

13,2

4,55

Februar

22,9

2,8

9,3

0,40

März

28,9

5,0

9,5

6,10

April

23,4

- 2,2

8,1

1,40

Mai

33,9

- 1,1

13,6

0,10

Juni

41,1

+ 2,9

21,1

0,00

Juli

fehlt

fehlt

August

fehlt

fehlt

September

88,3

16,7

27,9

October

fehlt

fehlt

November

fehlt

fehlt

December

fehlt

fehlt

Niederschläge in West-Palmdate 2700' Antelope Valley

(Mojave Desert).

August 1896

1,35 Zoll

Januar 1897

8,78 Zoll

(30 Zoll Schnee)

September

0,32

Februar

8,71

(19 * >

October

1,42

März

1,31

November

0,43

April

0,04

December

0,98

Tabelle XX.

Julian 38,°04“nB. 116,°30mwL.

Regenmenge in Zollen resp. Schnee

1880

1831

1882

1883

1884

Januar

1,50

5,18

5,13

10.04

2,25

Februar

5,75

4,88

8.38

6,63

20,63

März

9,25

8,13

7,31

9,13

15,63

April

7,50

2,75

4,88

4,13

10,03

Mai

8.63

Juni

.

Juli

August

September

October

2,75

November

2,25

1,88

5,13

December

2,75

6,88

6,25

6,00

Digitized by Google

Klima und Krankheiten von Südcalifornien .

217

Tabelle XXL Mt. Wilson (62000.

20. September 1895.

Temperatur

relative Feuchtigkeit

Sonne unter 6 Uhr 7“

16,0

32%

6

17

15“

13,0

39%

6

11

20“

11,5

41%

6

11

40“

11,0

45%

7

11

10,5

41%

8

11

20“

10,0

35%

Nacht windig 2

H

15“

Morgens

8,0

40%

im Zelt 5

11

11

8,0

3%

im Freien 1 , starkerWindj

11

30“

11

7,5

22%

Sonnen- 1 . aufgang | 0

11

45“

11

7,8

20%

Sonnenschein 6

11

11

7,3

23%

windig 6

im Thal Nebel

11

30“

11

7,9

21%

eigene Beobachtung.

Tabelle XXII.

Mt. Wilson. Los Angeles.

Beobachter: Herr Kingsbacker. eigene Beobachtung

1892. 11. August

1 Uhr Nachm. 22,3° C. 1,30“ Nachm. 24,3° C.

5 ,, 17,8 9 16,4

12. August

5 Uhr Morgens 7,2° C. 5 U. Morgens 12,8° C.

7 10,0

9,30“ 20,7

12 Uhr Mittags 25,0 12 Uhr Mittags 25,7

2,40“ Nachm. 26,6 5 Uhr Abends 22,6

6 Uhr Abends 18,9 7 18.9

13. August

6,30“ Vorm. 11,8 6,45“ Vorm. 14,6

12,45“ Nachm. 26,6 2 UhrNachm. 29,5

6 Uhr Abends 21,2 6,1 5 “Abends 22,3

14. August

8 Uhr Vorm. 22,9 8 Uhr Vorm. 20,7

12,45 “Nachm. 29,5 11 29,5

5,45“ 20,0 5, 80 “Nachm. 25,0

Digitized by Google

Zustände in spanischen Militärlazarethen der alten und neuen Welt und die Krankenbewegung sowie Sterblichkeits- verhältnisse des spanischen Heeres auf der Insel Cuba während des Jahres 1897

von Dr. Reinhold Rüge, Marine-Stabsarzt.

Auf einer Reise im vergangenen Herbst und Winter hatte ich Gelegenheit, spanische Militärlazarethe in verschiedenen Gegenden der Erde zu sehen und es dürfte jetzt, wo der Krieg zwischen Spanien und Nordamerika allgemeine Aufmerksamkeit erregt- nicht ohne Interesse sein, zu sehen, in wie weit die Spanier in sanitärer Beziehung ausgerüstet sind.

Im September 1897 befand ich mich in Vigo, einer kleinen Stadt von etwa 30 000 Ew., die in der Nordwestecke von Spanien an einer tiefen, gut geschützten Bucht liegt und im Sommer viel als Badeort benutzt wird. Ich hatte das Civilhospital Elduayen (so nach seinem Stifter genannt) bereits besucht und recht gut uiid brauchbar eingerichtet gefunden und ging am nächsten Tage zum spanischen Stadt -Commandanten, um mir die Erlaubniss zur Be- sichtigung des Militärhospitals zu erbitten. Die Erlaubniss wurde mir sofort ohne jede Schwierigkeit ertheilt, obgleich ich mich in Civil befand. Eine Ordonnanz führte mich nach dem am Quai ge- legenen Hospital militar. Dieses Lazareth lag dicht neben dem Landungsplatz unserer Boote. Trotzdem hatte ich es vorher nicht bemerkt. Das kam aber daher, dass es sich in einer alten verfallenden Capelle befand und nur ein graues Schild mit den Worten: Hospital militar zeigte an, dass man es nicht mit einer Capelle, sondern mit einem Militärlazareth zu thun hatte.

Um einen viereckigen, schlecht gehaltenen und schmutzigen Lichthof herum, der mit spärlichem Grün bepflanzt war, lagen die verschiedenen Krankenzimmer. Es waren öde, niedrige, grosse, düstere Räume, von deren Wänden der Kalk gefallen war und an deren Decke die tragenden Balken unverschalt und unverputzt ber-

Digitized by Google

Zustände in spanischen Militärlazarethen auf der Insel Cuba 1897. 219

vortraten. Die Dielen des Fussbodens waren löcherig und schmutzig. Die eisernen Bettstellen waren alle mehr oder weniger invalide, die Bettwäsche war schmutzig, die wollenen Bettdecken waren vielfach zerrissen. Krankentischchen gab es nicht.

In auffallendem Gegensatz zu dieser elenden Krankenzimmer- ausrüstung stand die gute Ausrüstung der Lazarethapotheke. Das hatte aber seinen guten Grund. Die Apotheke war nämlich stark in Anspruch genommen: nicht etwa von den 18 Kranken, die das Lazareth beherbergte, sondern von den Officieren und den im (Jfficiersrang stehenden Beamten der Garnison. Diese sind nämlich berechtigt, alle Medikamente, die sie für sich oder ihre Familien brauchen, zu einem weit niedrigeren Satze, als er in den Civil- apotheken Brauch ist, aus den Lazarethapotheken zu beziehen.

Fs war auch der Apotheker, der mich im Lazareth herumfuhrte. Militärärzte waren zur Zeit nicht im Lazareth. Man sagte mir, diese befanden sich alle in Cuba oder auf den Philippinen. Ein Civilarzt besorgte augenblicklich die Behandlung. Zu thun war da nicht viel. Denn die häufigsten Erkrankungen waren: Mandelent- zündung, Darmkatarrhe und Geschlechtskrankheiten. Ausserdem fehlte ein brauchbares Instrumentarium, so dass jeder operative Fall nach Corufta geschickt werden musste. Auf deutsche Verhältnisse übertagen würde das etwa heissen: jeder operative Fall, der in Flensburg zugeht, muss zur Operation nach Hamburg geschickt werden.

Es wurden in dem Lazareth übrigens Krankenblätter und ein Hauptkrankenbuch geführt.

Ueber die Art der Verpflegung konnte ich leider nichts in Er- fahrung bringen. Ebenso wenig konnte ich den Abort besichtigen. Er wurde mir als Nichtgegenstand einer ärztlichen Besichtigung be- zeichnet. Ich habe ihn nur gerochen! Er wurde „muy mala“ d. h. „sehr schlecht“ genannt Eine kleine Kammer für Geschirr und Wäsche war vorhanden, aber nur mangelhaft ausgerüstet.

Am anderen Tage liess mir der Arzt, der inzwischen von meinem Besuch gehört hatte, sagen: er wüsste ganz gut, dass das Lazareth in keiner Weise modernen Anforderungen entspräche, er könnte aber nichts machen, denn es fehlte das Geld zu Neubeschaffungen.

Im October befand ich mich in Las Palmas (Canarisclie Inseln). Hier waren die kranken Soldaten in einer Abtheilung des städtischen Hospitals untergebracht. Ein selbstständiges Militärlazareth war nicht vorhanden. Die ganze Einrichtung und die allgemeinen Ver-

Digitized by Google

2 "20 Dr. Reinhold Rüge.

fakltnisse in diesem Hospital waren so eigenartig, dass ich sie nicht übergehen kann.

Das Hospital war ein weitläufiges, unregelmässiges Gebäude, das von aussen einem Gefängniss weit ähnlicher sah als einem Krankenhaus. In diesem Krankenhaus befanden sich : das städtische Hospital, ein Asyl für arme, arbeitsunfähige, alte Fraueu, ein Pensionat für Töchter besserer Stände, eine Schule und eine Kleinkinder- bewahranstalt. Ausserdem waren darin noch kranke Soldaten unter- gebracht.

In der Krankenabtheilung dieses Gebäudes lagen in den Krankensälen innere und äussere Kranke, sowie Kinder und Er- wachsene*) bunt durcheinander. Die Krankensäle waren lang, schmal und finster. Denn die viel zu kleinen Fenster lagen 2,0 m über dem Erdboden. Der Boden selbst war mit Ziegelsteinen ge- pflastert. Die Reinlichkeit war sehr mässig. Das Letztere hatte seinen Grund in dem vollständigen Mangel jeglichen Pflegerpersonals. Wie mir der begleitende Arzt sagte, gab es weder männliche noch weibliche Krankenpfleger, noch Krankenwärter, die für die Reinlich- keit in den Krankensälen sorgten. Der Arzt sowie die Kranken waren in dieser Beziehung gänzlich auf den guten Willen von Leichtkranken angewiesen.

Die düstem Säle waren mit 30 35 Betten belegt, deren Rein- lichkeit und Instandhaltung gleichfalls sehr zu wünschen übrig liess. Jeder Saal hatte ausser den kleinen, hochgelegenen Fenstern nur ein einziges grosses Fenster**). In einem derartigen Saal waren auch die kranken Soldaten untergebracht. Dieser Saal unterschied sich von den anderen durch eine grössere Reinlichkeit Die vorherrschenden Krankheiten waren dieselben wie in Vigo. Nur war an Stelle der Mandelentzündung die Ruhr getreten.

Mit guten Einrichtungen war die Küche versehen, die Kost war aber schlecht. Sie bestand aus einem Fisch, der vorm Brateu nicht einmal ordentlich geschuppt war und aus Fleischstücken, die der- artig von Sehnen und Knochen durchsetzt waren, dass sich die eigentliche Art des Fleisches nicht erkennen liess. Geniessbar waren nur die Kartoffeln.

Auch in diesem Hospital konnte nicht operirt werden. Der Arzt, der in Oesterreich, England und Frankreich studirt hatte, ein

*) Getrennt waren nur die Männer- und Frauenabtheilungen.

**) Die Schlafsäle in dem Mädchenpensionat waren so gross als die Kranliensäle, hatten aber an Stelle des einen grossen Fensters deren acht!

Zustände in spanischen Militärlazarethen auf der Insel Cuba 1897. 221

eigenes gutes Instrumentarium*) besass und mit den Kegeln der Antiseptik voll vertraut war, sagte mir: „Ich kann hier nicht operiren. Denn es fehlt mir an Assistenz und an geeignetem Ver- bandmaterial. Die Operirten gehen meist an Sepsis zu Grunde“. Al» ich das erbärmlich ausgestattete Operationszimmer sah, wurde mir der Grund der Sepsis allerdings sofort klar.

Ira Januar 1898 kam ich nach Habana. Leider war der Aufent- halt so kurz, dass ich nur eins der Militärlazarethe besichtigen konnte. Es gelang mir aber dank der liebenswürdigen Unterstützung eines der ansässigen deutschen Herren das grosse Feldlazareth Alfons XIII. im Fort Principe bei Habana zu sehen. Das Fort liegt auf einem steil ansteigenden Hügel im Nordwesten der Stadt dicht an der See und ist bequem mit der Pferdebahn in einer halben Stunde zu erreichen. Ich wurde auf das Zuvorkommenste von dem Chefarzt und 4 Oberärzten empfangen. Einer der Herren sprach etwas deutsch, erzählte mir, dass er sich die deutsche Militärärztliche Zeitschrift hielte und kam mit den Bildern von Excellenz von Coler heraus u. s. w. Ich wurde in diesem Riesenlazareth 2 '/, Stunde lang herumgeführt.

Es bestand aus einer grossen Anzahl von Holzbaracken, die unter- einander durch gedeckte Gänge verbunden waren. Ueberall war reichlich Licht und Luft vorhanden und die frische Seebrise strich frei über die kleine Barackenstadt.

F.s lagen im Ganzen 2900 Kranke und Verwundete im Lazareth. Diese wurden von 13 Militär- und 7 Civilärzten behandelt In der Apotheke arbeiteten 2 Apotheker mit 13 Gehülfen. Sie hatten täg- lich 7000 (!) Verordnungen auszuführen. Es kamen aber die ge- bräuchlichsten Medikamente bereits fertig zum Gebrauch in den nöthigen Mischungen aus der Centralstelle in Madrid, so dass sie nur abgewogen zu werden brauchten**). Sie waren gezeichnet mit Sanidad militar. Neben den 20 Aerzten waren 47 Schwestern, 150 Lazarethgehülfen und 170 Krankenwärter im Lazareth thiitig. Für den Monat Januar wurden 83 000 Behandlungstage berechnet. Der Tag kostete 80 cent Silber = 2.40 Mk.

Diese Zahlen geben ungefähr einen Begriff von der Grossartig- keit der Anlage im Allgemeinen. Die Einrichtungen im Besonderen waren folgende.

*) Das Hospital bosass keines.

**) Chinin wurde nach tons (! ) bezogen. Das spanische Heer auf Cuba batte im Monat Jnni 1897 allein 11 752 Zugänge an Wechselfieber.

Digitized by Google

222

Dr. Reinhold Rüge.

Die einzelnen Baracken waren durchschnittlich fiir 24 Mann eingerichtet und ähnelten sehr der Baracke, die zur chirurgischer Abtheilung der Berliner Charite gehört. Doch waren an Stelle der Betten sogenannte Bettesel in Gebrauch. Diese Bettesel, die ao- einem über einen Bock gespannten Segeltuch bestehen, sind kühler als Betten. Jeder Kranke hatte ein Krankentischchen, das ungefähr den in unseren Lazarethen gebräuchlichen entsprach, ausserdem ein Nachtgeschirr. In jeder Baracke fand sich ein Raum, der zum Aufenthalt für die I<azarethgehülfen diente und demgegenüber ein Raum, der die nöthigen Instrumente, Medikamente und Verband- mittel enthielt. Die Trennung der inneren, chirurgischen und ge- mischten Station war vorhanden. Das Operationszimmer, das ich sah, war sehr einfach , aber den Anforderungen der modernen Chirurgie entsprechend eingerichtet. Es war ein besonderes Dunkel- zimmer für Augenuntersuchungen vorhanden. (Die chirurgischen Instrumente waren aus Paris bezogen.)

Es herrschte überall eine blendende Sauberkeit.

Ausser den allgemeinen Krankenbaracken waren noch Isolir- baracken für ansteckende Kranke vorhanden. Sie waren z. Zt nicht belegt Es war z. B. kein einziger Fall von Gelbfieber oder Pocken im Lazareth.

Es war ein Badehaus mit Einrichtungen für Voll-, Sitz- und Doucliebäder vorhanden.

In der vorzüglich eingerichteten und sauber gehaltenen Küche wird mit Dampf gekocht*). Die maschinellen Vorrichtungen stammten aus New-York, die Apparate der Desinfectionsanstalt gleich- falls, ebenso wie diejenigen der gut gehaltenen Dampfwäscherei. W äsche- und Kleiderkammern waren wie bei uns eingerichtet Alle diese eben genannten Einrichtungen und Apparate waren in besonderen, alleinstehenden Baulichkeiten untergebracht. Besonder- zu bemerken ist, dass eine grosse Maschine aufgestellt war, die das für die Barackenstadt nöthige Wasser nach 2 Wasserthürmen in die Höhe hob, von wo aus es bequem mit dem nöthigen Druck nach allen Theilen des Lazareths geleitet werden konnte. Dementsprechend waren auch alle Aborte mit Spülvorrichtung versehen und es waren Kläranlagen vorhanden.

Zum Schluss möchte ich noch einige kurze Bemerkungen über die Art der hauptsächlich zur Behandlung kommenden Krankheiten

*) Ich habe das Essen wiederholt versucht und alle die versuchten Speisea gut und schmackhaft gefunden.

Digitized by Google

Zustände in spanischen Militärlazarethen auf der Insel Cuba 1897. 223

machen. Allen anderen Krankheiten an Zahl standen voran: Wechseln eher und Ruhr. Namentlich war diesen beiden Krank- heiten gegenüber die Anzahl der Verwundeten verschwindend klein. Ich sah auf der chirurgischen Station nur einzelne Fälle von Resektionen grosser Gelenke und Amputationen. Sie waren alle gut geheilt, Wundinfektionskrankheiten, sagte mir der Chefarzt, wären sehr selten. Wundstarrkrampf, der sonst in den Tropen viel häufiger als bei uns ist, wäre gar nicht vorgekommen. Es wären nur vereinzelte Fälle von Rose beobachtet worden.

Auf der gemischten Station sah ich drei Fälle von schwerer Syphilis. Von Hautkrankheiten war Krätze sehr häufig.

Ausser diesem grössten Militärlazareth Alfonso XIII gab cs z. Zt. meines Besuches noch b weitere Militärlazarethe in Ilabana. Diese 6 Militärlazarethe waren rund mit 9000 Kranken und Ver- wundeten belegt. Auf der ganzen Insel Cuba gab es nach Aussage des Chefarztes 60 Militärlazarethe.

Als ich gegen Abend das Lazareth verliess, kam mir ein Trans- port von 411 Kranken und Verwundeten entgegen. Die Leute schleppten sich zum Theil zu Fuss den Berg hinauf, zum Theil wurden sie in Wagen gefahren, zum Theil in Tragen befördert, die gedeckt waren und aussahen wie ein Sarg. Die Leute machten in ihren abgenutzten graublauen Uniformen einen traurigen Eindruck. Sie sahen alle mehr oder weniger wie chronisch Kranke aus, die aufs Aeusserste erschöpft waren.

Ich lasse nun die Tafeln über die Krankenbewegung und Sterb- lichkeitsverhältnisse dieses Riesenlazareths, die mir in liebens- würdigster Weise auf meine Bitte vom Chefarzt zusammengestellt wurden, sowie den Sanitätsbericht über das ganze spanische Heer auf Cuba für das Jahr 1897 folgen, so weit ich das noch in Arbeit befindliche Material benutzen konnte.

Tafel I giebt einen Begriff von den Anforderungen, die an die Aerzte und das Lazarethpersonal im Hospital Alfonso XIII. ge- stellt wurden. Ich kann leider nicht angeben, wie lange Zeit die Aufnahme und das Unterbringen der am 31. I. zugegangenen 411 Kranken und Verwundeten in Anspruch nahm. Die Versorgung einer so grossen Anzahl von Kranken auf einmal ist jedenfalls selbst für ein so grosses Pflegerpersonal, wie es im Hospital vorhanden war, eine ganz ungeheure Aufgabe.

Tafel II giebt eine allgemeine Uebersicht Uber die Kranken- bewegung im Hospital Alfonso XIII während des Jahres 1897 und

Digitized by Google

224

Dr. Reiuhold Kuge.

giebt zugleich einen kurzen Ueberblick über die Krankenbewegung und Sterblichkeit in einzelnen Krankheitsgruppen.

Tafel 111 giebt die Krankenbewegung und Sterblichkeit im ganzen spanischen Heere auf der Insel Cuba während des Jahres 1897, soweit mir eine Gesammtdaretellung nach dem vorliegenden Material möglich war.

Tafel IV endlich giebt die Krankenbewegung und Sterblichkeit im spanischen Heere für einzelne wichtige Krankheiten an. Leider konnte ich hier nur Angaben für das erste Halbjahr 1897 erlangen und auch diese Angaben waren nicht zahlenmässig genau, sondern bereits graphisch dargestellt.

Ich wende mich nun zur Besprechung der Tafeln.

Die Zahlen auf Tafel I sprechen für sich selbst und bedürfen keiner weiteren Erläuterungen.

Die Tafeln II IV will ich zusammen besprechen. Denn die Zahlen der Tafel II geben ja doch nur im Kleinen, was die Tafeln III und IV im Grossen geben.

Ich muss zunächst die als durchschnittliche Iststärke des spanischen Heeres angegebene Zahl erläutern. Direkt konnte ich diese Zahl nicht erhalten. Auf meine diesbezüglichen Fragen erhielt ich ausweichende Antworten. Die Herren sagten mir, sie wüssten es nicht genau und che sie mir eine falsche Zahl sagten, wollten sie mir lieber gar keine nennen. Diese Antwort war aus militärisch- politischen Gründen leicht begreiflich.

Auf der graphischen Darstellung der Krankenhewegung für das eiste Halbjahr 1897 finden sich aller folgende Angaben:

Aut 1000 Maua der Iststärke erkrankten 1000 Mann

Von starben 19

,, wurden dienstunbrauchbar 9

wurden in die Heimath gesendet 35

Leider mussten diese Verhältnisszahlen auch wieder einer graphischen Darstellung entnommen werden, so dass ein Schätzungs- fehler bis ‘/so unvermeidbar wurde. Mit Hülfe dieser Zahlen lässt sich aber die durchschnittliche Iststärke leicht berechnen.

Es gingen im Ganzen zu (nach der graphischen Darstellung für das erste Halbjahr 1897) 204 550 Mann. Da aber von 1000 Mann immer 1000 Mann im ersten Halbjahr 1897 erkrankten, so musste die durchschnittliche Iststärke des spanischen Heeres 204 550 Mann betragen haben. Ich habe diese Zahl zur Berech- nung nicht mit herangezogen. Denn die Schätzungsfehler wurden hier bei den grossen Zahlen (graphische Darstellung) zu bedeutend.

Zustande io spanischen Militärlazarethen auf der Insel Cuba 1897. 225

Es finden sich aber folgende absolut genaue Summen für das erste Halbjahr 1897:

Zahl der Todten 8685 |

Dienstunbrauchbaren 1700 1 Siehe Tafel III

in die Heimath gesandten 7104 I

Setzt man nun folgende 3 Gleichungen an:

19

3685

so erhält

man X = 194 000 (runde Zahl)

1000

x ,

9

1000

1700

X '

11 11

X = 189 000

35

7101

X = 203 000

1000

X

*1 11

Iin Durchschnitt 195 0O0

Es käme nun darauf an, das Yerhältniss zwischen den durch Krankheit und äussere Gewalteinwirkung (im Gefecht gefallen, an Verwundungen gestorben) bedingten Todesfällen darzustellen.

Ich kann hierfür leider nur annähernde Zahlen gehen. Denn in dem mir zu Gebote stehendem Material fehlt jede Angabe über die im Gefecht Gefallenen sowie über die Vermissten*). Da alter die Zahl der Verwundeten im Vergleich zu der Zahl der Erkrankten ausserordentlich gering ist und andererseits die Zahl der Verwun- deten auch absolut sich auffallend niedrig stellt, so ist anzunehmen, dass die Zahl der Gefallenen noch weit geringer ist und bei der Herechnung nicht wesentlich ins Gewicht fallen dürfte.

Für das ganze Jahr 1897 stellt sich das Verhältniss der Todes- fälle durch Krankheiten zur Anzahl der Todesfälle durch äussere Gewalt (Verwundungen etc.) wie 60:1. Im deutsch-französischen Kriege 1870/71 war das Verhältniss 3:7 (!)**). Im Feldzug der Franzosen gegen Tonkin 1884 wie 7 : 3***).

Also haben wir in Cuba ein Verhältniss Tod durch Krankheit : Tod durch äussere Gewalt = 1160:21

: = 9:21 iin deutsch-franz.

Krieg

=49:21 im Feldz. d. Franz.

geg. Tonkin 1884.

Es wäre nun noch festzustellen, wie oft das spanische Heer im Jahre 1897 erkrankte. Für das erste Halbjahr ist die Zahl ge- geben. Von 1000 Mann erkrankten 1000. Das Heer erkrankte

*) Im deutsch-franz. Kriege kamen auf 40 881 Todte, 4009 Vermisste. Deutsch-militärärztl. Zeitschr. 1885 S. 157.

**) Deutsch, militärärztl. Zeitschr. 1882 S. 26.

***) Deutsch, militärärztl. Zeitschr. 1885 S. 190.

Digitized by Google

226

Dr. Reinhold Rüge.

also in der guten Jahreszeit gerade einmal. Die entsprechende Zahl für das 2. ungesunde Halbjahr lässt sich aber nur annähernd berechnen, weil mir für diese Zeit nur die Gesammtzahlen des Be- standes + Zuganges zu Gebote stehen. Bestand : Zugang verhält sich im 1. Halbjahr wie 1 : 2. Nimmt man dieses Verhältniss auch für das 2. Halbjahr an was sicherlich zu niedrig gegriffen ist , so erhält man einen Krankenzugang von 386 105 Mann für das 2. Halbjahr. Das spanische Heer erkrankte also in der ungesunden Jahreszeit ungfähr 2 mal, im ganzen Jahre also etwa 3 mal. Das ist allerdings eine ganz ausserordentlich hohe Zahl. Denn es erkrankte :

Das englische Heer im Krimkrieg in 2 Jahren 3'/|mal*)

amerikanische Heer während des Bürgerkrieges in 4 Jahren 7‘/t

Kaukasusheer 1877/78 in 26 Monaten 4‘/i ,,

Dabei betrug der Gesammtverlust des spanischen Heeres für das Jahr 1897 nur 6,6%, während

im Krimkrieg die Franzosen in 2 Jahren verloren 51 %**)

Engländer 39 •/,

Bürgerkrieg Amerikaner in 4 Jahren 23,3

Russisch-türk. Krieg Kaukasusarmee in 26 Mon. 14.3

Uebertroffen werden diese Zahlen nur durch die Verluste, die die Franzosen im Jahre 1895 während ihrer lOmonatlichen Ex- pedition in Madagascar hatten. Das französische Heer verlor in dieser Zeit 25% (.•)***) an Todten.

Ich will mich nun zur Besprechung der besonderen Verhält- nisse wenden, die die beistehenden Tafeln erkennen lassen. Die wesentliche Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustandes beginnt im Juni. In diesem Monat des ersten Halbjahres ist die Morbidität am höchsten, während die Mortalität im Januarf) am höchsten ist. Das lässt sich dadurch erklären, dass im Januar die Leute noch unter den Nach wehen der heissen Zeit gelitten haben und weniger widerstandsfähig als zu Anfang der heissen Zeit sind. Gelbfieber, Wechselfieber, Dysenterie, Tuberkulose zeigen im Juni ein deutliches Ansteigen und namentlich Gelbfieber, Wechselfieber und Dysenterie erreichen im Juni eine doppelt so hohe Erkrankungs- ziffer als im Mai. Die meisten Todesfälle (absolut und procentarisch) verursacht das Gelbfieber, ihm folgt die Dysenterie.

*) Deutsch, militärärztl. Zeitschr. 1885 S. 156.

**) Deutsch, militärärztl. Zeitschr. 1885, S. 156.

***) Citirt uach Laveran, Traitc du paludisme 1898, S. 15. f) Eine Ausnahme hiervon macht das tlelbfieber (s. S. 17).

Zustände in spanischen Militärlazarethen auf der Insel Cuba 1897. 227

Zum Scliluss möchte ich noch einige Bemerkungen über einzelne Krankheiten anschüessen.

Pocken sind nur in sehr massigem Grade im spanischen Heer aufgetreten, obgleich sie unter der Civilbevölkerung ziemlich häufig sind*). Das hat seinen Grund in dem Bestehen des Impfzwangs für das spanische Heer. Sonst besteht Impfzwang nur noch in den collegios (höheren Schulen). Die Civilbevölkerung ist einem solchen Zwange nicht unterworfen, und so kommt es, dass Pockenepidemien in Spanien und spanischen Colonien häufig sind. Bekannt wegen der Häufigkeit der Pocken ist z. B. die Insel Puerto Rico.

Gelbfieber. Die Mortalität des Gelbfiebers unter der Civil- bevölkerung Habana’s beträgt für gewöhnlich 20%, steigt aber bei schweren Epidemien bis 25 % und kann bei den während der guten Jahreszeit auftretenden Fällen eine Höhe von 50% erreichen. Diese Angaben verdanke ich dem Chefarzt der Quinta de Salud in Habana. Während des ersten Halbjahres 1897 erkrankten an Gelbfieber im spanischen Heer von 1000 Mann 35. Es starben auf 1000 Mann 6.9, Nach der beifolgenden Tabelle IV schwankte die Mortalität des Gelbfiebers ungefähr zwischen 10% (Juni) und 23% (März)**) Diese Zahlen bestätigen die Angaben des Chefarztes der Quinta de Salud.

Der Typhus zeigt sich im ersten Halbjahr 1897 in seiner Zu- nahme bis zu einem gewissen Grade unabhängig von der Zunahme der Wanne. Denn wir haben bereits einmal im März ein bedeuten- des Ansteigen der Krankenziffer. Es erkrankten durchschnittlich von 1000 Mann im ersten Halbjahr 1897 7 Mann. Die durchschnitt- liche Mortalität für diese Zeit beträgt 1 3 % % und erreicht im Januar sogar 16%***). Man kann also den Typhus von Habana nicht eben gerade gutartig nennen. Ich hebe das besonders hervor,

*) Währe ad der letzten Hälfte des Januar gingen in der Stadt Habana rund 150000 Ew. 50 Fälle von Pocken mit 5 Todesfällen zu (laut Angabe des vom amerikanischen Consulat ausgestellten Gesundheitspasses).

**) Diese Zahlen sind zu niedrig, weil bei der Berechnung immer der ge- sammte Bestand zu dem Zugang hinzugezählt worden musste. Dadurch werden Doppelzählungen unvermeidlich. Die graphische Darstellung giebt sogar eine Mortalität von 85°/o für das erste Halbjahr an, und diese Zahl dürfte richtig sein.

***) Bei der russischen Donau-Armee betrug die Sterblichkeit von Typhus (Flecktyphus und Rückfalltyphus ausgeschlossen) im 2. Kriegsjahr 23,3%. Deutsch, inilitärärztl. Zeitschr. 1882, S. 236. Bei der Kaukasischen Armee aber •während der beiden Kriegsjahre 86%. Deutsch, inilitärärztl. Zeitschr. 1885, S. 155. Von 1000 Mann der Iststärke erkrankten 99,1.

ArchlT 1. Schiff»- u. Tropenhygiene. II. 17

Digitized by Google

228

Dr. Reinhold Rage.

weil einzelne Autoren, die in bestimmten Tropeugegenden Typhus mit leichtem Verlauf beobachtet, den tropischen Typhus überhaupt als milde hingestellt haben. In dieser allgemeinen Fassung stimmt das nicht*), wenngleich ich durchaus nicht in Abrede stellen will, dass der Typhus in gewissen Tropenländem im Allgemeinen milde verlaufen kann.

Man könnte nun sagen, die hohe Typhussterblichkeit sei durch die Unbilden und Strapazen des Krieges bedingt. Sicherlich haben diese dazu beigetragen, die Sterblichkeit zu erhöhen. Aber wenn wir darnach fragen, welchen Ursachen für gewöhnlich das Steigen der Sterblichkeit zugeschrieben wird, so finden wir beim spanischen Heer auf Cuba nur eine derselben vertreten und das ist die theil- weise sehr mangelhafte Verpflegung der Truppen im Felde. Alter Unbilden, z. B. wie sie die russische Kaukasusarmee 77/78 auszu- stehen hatte: schroffer Klimawechsel, forcirte Märsche, Mangel an Kleidung und Brennmaterial , Unmöglichkeit die Kranken zu trans- portiren und zu zerstreuen, gänzlicher Mangel an Lazarethen, ist das spanische Heer im Jahre 1897 auf Cuba nicht ausgesetzt gewesen.

Die Cap Verdischen Inseln sind übrigens ein Beispiel dafür, dass der Typhus in den Tropen auch unter gewöhnlichen Umständen recht bösartig sein kann. Im October 1897 betrug daselbst in Porto Grande die Typhusstcrbhchkeit 25 °/0 (!)**).

Wechselfieber. Hier fallen die ausserordentlich hohen Zahlen auf. Von 1000 Mann der Iststärke erkrankten während der guten Jahreszeit (1. Halbjahr 1897) 260. Die Mortalität betrug 0,4°°. Dies ist nicht viel und zeigt, dass die schlecht genährten spanischen Soldaten dem Wecbselfieber sehr viel besser widertanden als dem Typhus.

Aber auch hier dürfte ein Vergleich mit anderen Armeen zeigen, dass die so ausserordentlich hoch erscheinenden Ziffern schon über- troffen worden sind. Es erkrankten nämlich an Wechselfieber auf 1000 Mann der Iststärke der rassischen Kaukasusarmee 77/78 in 26 Monaten 2477,5 mit einer Mortalität von 0,2 °/0 d. h. die ganze Armee erkrankte während dieser Zeit allein 2 */, mal an Wechsel- fieber***).

*) Die Typhussterblichkeit unter dem französischen Expeditionscorps in Tonkin 1884 von März bis October betrug 40°/« (■}■ Deutsch, militärärztl. Zeitschr. 1885. S. 198.

**) lieber diese Vorgänge werde ich noch besonders berichten.

***) cf. 1. e.

Zustande iu spanischen Militärlazarethen auf der Insel Cuba 1697. 229

Nehmen wir für das ungesunde Halbjahr 1897 in Cuba selbst die doppelte Erkrankungszahl an als im Halbjahr vorher*), so kommen wir doch immer erst auf 780 Wechselfiebererkrankungen pro 1000 Mann der Iststärke in einem Jahre.

Ruhr. Hier kann ich nur annähernde Werthe geben. Denn in der graphischen Darstellung finden sich verschiedene Fehler.

Ich habe die nachfolgenden Zahlen lediglich berechnet, um nur überhaupt einen Vergleich aufstellen zu können.

Im span. Heer auf Cuba erkrankten 1897 im 1. Hulbj. auf 1000 Mann anRuhr22 In der russ. Kaubasusarmme 77/78 in 26 Monaten 93

Im franz. Heer 1884 in Tonkin in 6 Monaten 52

Die Mortalität betrug im spanischen Heer auf Cuba 9'/»%

in der Kaukasusarinee 15,4%

., im französischen Heer in Tonkin 15,2%

Bei der Tuberkulose ist zu beachten, dass die Erkrankungs- ziffer mit der Wärme ansteigt Dieser Umstand zeigt, wie ausser- ordentlich nngünstig die Hitze der Tropen den schwindsüchtigen Europäer beeinflusst. Die Mortalität der Tuberkulose lässt sich auf 11,2% berechnen**). Auf 1000 Mann der Iststärke erkrankten während des ersten Halbjahres 1897 5. In der russischen Kau- kasusarmee 77/78 erkrankten an Schwindsucht während 26 Monaten nur 3,7 Mann auf 1000 Mann der Iststärke. Die Mortalität betrug hier aber 42% (!).

Die vorstehende Arbeit weist manche Lücken auf und enthält verschiedene Ungenauigkeiten. Ich habe an den betreffenden Stellen stets darauf hingewiesen. In Folge der Verschiedenartigkeit des mir zu Gebote stehenden Materials Hessen sich diese Uebelstände leider nicht vollständig beseitigen. Der Bericht giebt aber immerhin ein gutes Bild des Krankheitszustandes des spanischen Heeres auf Cuba und zeigt einerseits die Schwierigkeiten, mit denen die Kriegsführung iu einem solchen Klima zu kämpfen hat, andererseits den Einfluss, <Ien das Tropenklima auf manche Krankheiten hat.

Sollte den Amerikanern ihre „Invasion“ nach Cuba gelingen, so würden sie wohl mehr gegen Krankheiten als gegen Feinde zu kämpfen haben.

*) leb rechne so, weil im Juni ungefähr doppelt so viel Wechselfieber- Jkranke zugingen als im Mai.

**) Aus dem bereits früher erwähnten Grunde ist diese Zahl zu niedrig.

17*

Digitized by Google

230

Tafel I. Hospital „Alfonso XIH.“ Monat: Januar 1898.

Allgemeine Krankenbewegung im „Hospital Alfonso XIII.“ für den Monat Januar 1898.

Tage

Es waren im Bestand

Zugänge

Abgänge

Gestorben

Bleibt

Bestand

1

2571

36

2

6

2599

2

2599

87

44

9

2633

S

2633

168

46

10

2745

4

2745

50

49

4

2742

5

2712

25

40

3

2721

6

2724

44

84

8

2676

7

2676

20

59

7

2630

8

2630

37

49

9

2609

9

2609

152

53

8

2700

10

2700

72

363

9

2400

11

2400

101

54

4

2443

12

2443

102

38

7

2500

13

2500

374

120

5

2749

14

2749

39

54

6

2728

15

2728

26

39

6

2709

16

2709

55

35

5

2724

17

2724

24

45

5

2698

18

2698

39

64

6

2667

19

2667

42

75

9

2625

20

2625

64

54

10

2625

21

2625

25

63

7

2580

22

2580

40

36

7

2577

23

2577

65

32

10

2600

21

2600

SO

42

7

2581

25

2581

24

49

3

2553

26

2553

25

34

6

2538

27

2538

50

47

11

2530

28

2530

27

68

1

2483

29

2488

114

51

6

2545

30

2545

82

146

10

2471

31

2471

411

30

4

2848

Im Ganzen

2450

1965

208

Zustände in spanischen Militärlazarethen auf der Insel Cuba 1897. 231

uoaotuiM z punj uojsoxuaqaN #11® auqo 1681 JM*r s®p Jtil |«)|dtOH ui9t9|p ui Oun09|jdj9AU9)tutj)i 9jp 9)9|t0)f *3 *lt|||on#nuy J«* M S2 P«« »atuq*u *J3 jn« qjq 00'ß P«oj a9ij9qi[n«JH aa*aa«aaliJOA uap j®q udumioq §a aapajqoBaS lanituiausjy pan Satuqfaxg an; aaisox #IP P«!# i«a^po «il ‘12 5 jdo^ P«o 8*X ojd u.n»oH ®IP aa8nj*aq Jam aaqunqBnqdXj, pan *Jaqa«qi9{) I jap »anaaptUaA 9jp jbm aai«janaq> ray )(N ot’Z ln®

I uiuqasqojnQ uu| qo|i U9)||9)t 8«i pun jdox ojd uaiso* &\Q

r- © oo t-

CO 00 »ft

CO

CO »ft CO »ft h—

0 t-. ^ CM —•

»m CM 05 **

«O *P H W

05 00 O

© CM r- »ft t- © -*

•ft »H -* TM

•ts ! CM

© a '■ OO -r

«-S 2

O CO <M CO O

CO »ft tM CM CO

CO t* CM

2 fj I sll| jfg g ’ga Ja Sa

^ 1 ^ |o5 8 3 ® £ 2 g ^ 2

H ° j->2feo > ^Uj -3 J3

«A bo co t-< »***-. o> oo

S «MM 05 »C H O) CO TH

£ ^ © © tm CO -*

£ So , h- t- CO O N Ol

03 c co o -r o r-

ra.2

CO I*— ®h o oo O

CO CO 05 05 O CM

CM Ol »O O CM

o O f- t'- CM CM

»ft eo co co

00 »ft ■»* O

4# »ft «# co

CM CM CM CM

-r co 05 co t- co

05 00 N O ® TH

»ft CO CO OO OG »ft CO »-< CO O

co a> r— »ft co co

t— CO *- CM GO CM OO »ft »ft 05 CO

CM CM CM CI CM -* f "f CO CO

00 -n o r-

•ft CO CO © 05

05 OO 00 co co

CM H n CI CO

oo t— r— co Oj t- »ft co co co

00 Ohmn m* oo o -r o

CM -f 00 <**. co TM O ^ Ifl •» «O

CMCMtmtMt^cmCMCMCMO cm

Digitized by Google

1 Sind vermuthlich in die Heimath gesendet und durch ein Versehen als geheilt bezeichnet worden.

Tafel III.

232

Dr. Reinhold Rüge.

r>-

c.

00

o

.

fl fl

* §

S *

fl

£3

0

ü

i I

^ g

w

Ö

©

44

fl

w

s

-3

I

8

1

s s

a

9

e<i

S

9

O

' a . h ® a J

CC O 8 | 's) 'S.®

ü

-

3

S

CD

uojijBjja qqoiu qoi ajuuoq najptrcs -aSqoiunz qjBiuiag oip m jap |qu;z aiQ najcq qamtiq un jsuoifl tre omj( 6891 pnn na^pox uv nuEj{ zll 01 oiaps jqrf •91*11 naji9M2 ui[ -amu 68* öl uoj }uojj jap snB uajjBqastruBjj m ,}so| -jaAiuresag uania (C89S) afpqsapox pnn (OOll) napjajttJBqqonBjqnnisuatQ (toii) qiüunajj aip ui Sunpuasnjanjj qajnp jaajj snp aijnq ajqBf aaqpjq noi&ia iuj

ffl O >f! « Ö ffl IO h* (C O M O N W W CJ C5

CO OD O) 00 CO oc

-r n O) n c

CO CO C9 N C9 N

t— OS OS cs o

■So ; 1 t C

> §0 fl ' C N

00 O O iO iO © O* «O

^ o ^ *o

O O O »rt »fl

o co o oi

"T CO Ol «O

b4

«N

:+

lS o

Jsf ■,® 8 La"

- n t- io in o

OS CO O OS QO CI

co to t- o © -< » ® t ® oo

p © © © © ©

o o o p *> © o CM o o o o

N O « CO ®

C9 N «H ^ r- r<

g J B X -a

9 a o. 3

4 fi s a

h n eo o i

ca r- o r- o co

-t *r n co o O

«C O ^ O ®

os o ca O O oo

| 1 1 | s

~3 3 ® i 3 J n <l ® O ? O

. a

cc

Digitized by Google

Umu wUrdo» noch di» im Unfnulit »»raltunan und di» Vormtubin kommen.

Krankenzugang in einzelnen Krankheitsgruppen im spanischen Heere auf Cuba im ersten Halbjahre von 1897.

Die durchschnittliche Iststärke des spanischen Heeres betrug 195 000 Mann.

Zustande in spanischen Militürlazarethen auf der Insel Cuba 1897. 233

1

uoqjO}S0£)

©

ooo»ooo -o 2

fp pf 04 04 ■—< co ,2

P3 3

o

<->

.2 SireSqy

$

o o o o o o . iS

OOOOOO M £

h> CO h> O) O p

c: r- jo co »3 05 |

£

g äuuSnz fS

© “Ö“ O Ö Ö ö

OOCOOOO -3p

04 04 O © CO t'- g

oo co ao o co ■»-' g ^

put^soti

ooooooo ^ Ü*

OOOCOOOao g

^ 00 CO «C O O 00 Ötr

jv. CO O CO CO 04 04 © w

iiflqjo^saQ

"o *—

OOOOOO co r-— ao co ao

.a

u 2m?3qy

525

520

570

530

580

920

liso se i sind

3

^ SwaSnz

570

510

680

510

650

1370

theilw«

Auel:

pmrjsog

oooooo o £ ©

04<or— r—r^co o 2 'S

-r CO 04 CO 04 CO P ?

.-v. ->• & -2

aaqjiqsof)

2 ®

OOOOOO 33,2«

CO 00 04 CO CO 04 *■*■* T?, C

04 vP i-< 04 04 .2 3

fe -

J äneSiiv

ä ä

»ßooooo © ®

r- 04 004^oo V -

04 o oi co r^- oC "^

b 2 'S

ri SubSii^

925

835

325

510

825

1750

el ent annäl len Iii

ptnnsag

1090

460

195

200

260

445

an Taf ?h nur treffeni

□0q.I(qSO£)

M }3 $

Ol 04 O © CO £ .b

CO Ol co 04 CO CO S 5 £3

•i a J

g SatjSqy

ff » T3

ooov--*— hs a ö

x n n « © © 60 S .5

! © ^ S

o*

^ SueSnz

g jS ©

co -* oo © © oo -r -g

T © l'— C5 p* © .3

04 p CO vP P CO . ©

«3 T3 M

paB;sdj[

i eS ,3 tiO

oi - oo r— er. »n s c cT

h- -f Oi © © 'S rC

T- 1H P f*4

noqaojsoQ

© efj

04 co o h- co r— J2 c8 £«

CO 04 p »p p T".

z ^

J> SuuSqy

3

CP

c2 1 ©

a to e O O O 1 '53

-f W p W sj. o rn -

^ ^ e*4 t. ©

ca ©

Jj SuuSnz

E-t

o »o 04 kO © o -a ^

1- N p CO ID f © S p

p ■P P ’P Ol cc©c

B » H

pnu^seg

04 © -•* © © O ©

■p © »- »p* 00 ° s-»

. © K -s

Monate

Januar

Febmar

März

April

Mai

Juni

D

der Rubrik einzelno Fe:

Digitized by Google

Die bisher mit dem sogen. Euchinin (Zimmer) gemachte

Erfahrungen

von Dr. Albert Plehn, Kaiserl. Regierungsarzt (Aus dem Kaiserl. Regierungshospital in Kamerun.)

Seit reichlich einem halben Jahr wende ich bei Malariakrank sowie auch prophylactisch zur Verhütung von Malariarecidiven, i- j Stelle des sonst gebrauchten Chininum muriaticum oder bimuriatiac vielfach das sogenannte Euchinin an, welches die Frankfurts Chininfabriken von Zimmer dem Hospital für Versuchszwecke rar Verfügung stellten. Meine Anfrage bezüglich der Constitution der Drogue blieb wegen der grossen Entfernung bisher unbeantwortet.’; Zweifellos steht dieselbe nach ihrer Wirkungsweise den verschiedene: Chininsalzen ausserordentlich nahe. Sie stellt ein leichtes, sehr vo'c- minöses, weisses, krystallinisches Pulver dar, welches geruchlos iS und intensiv bitter schmeckt. Der bittere Geschmack ist aber nicht so überwältigend, wie der des Chinins und vor Allem verschwinde: er leicht und rasch, während der nach allgemeinem Urtheil noch vsl unangenehmere Chiningeschmack sich oft stundenlang in lästiger Weise geltend macht und die Verabreichung des Chinins in Lösung anssrf- ordentlich erschwert. Euchinin kann dem Fieberkranken in Cacse oder Chocolade gelöst und mit Zucker versetzt bis zu 1 g bei einiger Sorgfalt gegeben werden, ohne dass die Beimischung erkannt wird. Allerdings löst sich das Euchinin in kalten, wie in heissen Flüssig- keiten gleich schwer, und die Zubereitung eines angenehmen Tranks ist daher etwas mühsam. Dass sie aber in durchaus geniessharer Form überhaupt möglich ist, das ist der grosse Vorzug des Euchinin vor dem Chinin, welches sich im Allgemeinen nur in Form tos Tabletten oder in Gelatinekapseln nehmen lässt

Zunächst bewirkt die Euchininlösung eine geringere Reizung der Verdauungsorgane. Durchfall und Erbrechen sind auch be Schwerkranken danach selten, und die Resorption geht viel rascher von Statten, was die schneller und intensiver auftretende Wirkung auf das Nervensystem beweist. Ich habe mich auch dem Eindruck nicht entziehen können, als wenn in Folge dieser raschen Aufnahme

*) Euchinin ist der Aethylkohlensaureester des Chinins. Anm. d. Red.

Digitized by Google

Die bisher mit dem sogen. Euchinin (Zimmer) gemachten Erfahrungen. 235

der Euchininlösung öfters noch eine Wirkung auf den in Aussicht stehenden MalarianfaU geübt wurde, die das Chinin nicht erzielt hätte. Dass die Schonung des Verdauungscanals ganz besonders * auch der Abkürzung des Recon valescenten Stadium s zu Gute kommt, versteht sich von selbst. Jedenfalls hat die Menge der intramusku- lären Chinininjectionen , welche ich sonst mit Vorliebe bei stärkeren Verdauungsstörungen anwende*), erheblich eingeschränkt werden können, seitdem das Euchinin in Gebrauch ist, und damit wird dem Kranken immerhin eine kleine Belästigung, und dem Arzt Zeit und Mühe erspart.

Was die Wirkung auf das Nervensystem anlangt, so unter- scheidet sich dieselbe insofern von der des Chinins, als sie sich lediglich durch Ohrenklingen, Schwerhörigkeit und Tremor in ihren individuell so vielfach wechselnden Modificationen zu äussern pflegt, während die offenbar vom Magen reflectorisch ausgelösten Erschei- nungen des sogenannten „Chininkaters“ Uebelkeit, Schwere im Kopf, Schwindelgefühl ganz fehlen, oder doch nur angedeutet sind.

Die Giftwirkung auf die rothen Blutkörperchen ist durchaus die gleiche wie beim Chinin. Man wird ausserdem in den Fällen, wo Blutkörperchenzerfall (Schwarzwasserfieber) even- tuell in Aussicht steht, bei der Dosirung des Euchinins noch ganz be- sonders mit der raschen Aufnahme desselben zu rechnen haben, welche es bewirkt, dass bei gleichen Gaben eine grössere Menge des Mittels auf einmal in die Circulation gelangt, wie beim Chinin. Stellt nun dieser, für die Stärke der therapeutischen Wirkung günstige Umstand eine specifische Eigenschaft des Euchinins dar, oder erfolgt die Resorption nur deshalb schneller, weil das Mittel in Lösung gegeben werden kann? Ich will diese Frage vor der Hand offen lassen. Die Thatsache, dass die Euchininlösung rascher aufgenommen wird und deshalb schneller und energischer wirkt, wie das in comprimirter Form genossene Chinin, dürfte kaum Wider- spruch erfahren, und damit ist dem Euchinin ein Ehrenplatz in der Tropenapotheke gesichert. Ob es denselben behaupten wird, wenn man erst anfängt, es in Pastillen und Kapseln zu pressen, bleibt abzuwarten. Erwünschter wären zunächst Versuche, die Löslichkeit in verschiedenen Vehikeln zu erleichtern.

*) Vergl. : Beiträge zur Kenntniss von Verlauf und Behandlung der

tropischen Malaria in Kamerun, von Dr. Albert l’lehn, Berlin 1896.

Digitized by Google

Brief aus Kiautschou.

Von Marine-Stabsarzt Dr. Arimond,

Oberarzt des See-Bataillons Kiautschou.

Tsingtau, den 9. Mai 1898.

Keine andere ausländische Action Deutschlands hat sich von vornherein einer solch’ allgemeinen Sympathie in der Heimath erfreut, wie die neueste, die Erwerbung der Kiautschou-Bucht. Und mit liecht, denn die grossen militärischen und commerziellen Vortheile unserer kleinsten aber zukunftsreichsten Colonie liegen auf der Hand. Auch die deutsche Forschung wird nicht leer ausgehen, auch ihr ist ein weites, noch brach liegendes Feld zu fruchtbringender Thätigkeit erschlossen. Das gilt nicht in letzter Linie für die ärztliche Wissen- schaft. Der an mich gerichtete Wunsch der Iledaction dieser Zeitschrift, einige Mittheilungen medicinischen Inhalts über Deutsch-China zu er- halten, erscheint daher verständlich. Aber wer in China gelebt hat und die ungeheueren Schwierigkeiten kennt, welche der Erkenntniss und dem Verständniss chinesischen Culturlebeiis entgegenstehen, wild von einem erst dreimonatlichen Aufenthalt in diesem Lande, fast ohne Strassen und Eisenbahnen und dazu unter halb kriegerischen Verhält- nissen, ein nennenswertes Ergebniss nicht erwarten. Es kann sich nur um eine lose Reihe verschiedener Eindrücke und Wahrnehmungen, eine flüchtige Skizze gleichsam, handeln. Nur als solche wollen daher nachstehende Zeilen über hygienische Zustände in Kiautschou auf- gefasst werden.

Kiautschou, der in letzter Zeit so vielgenannte Ort, der aber ausserhalb der Grenze unseres engeren Pachtgebietes und etwa 75 km weit landeinwärts von Tsingtau, der deutschen Garnison und dem Sitz des Gouverneurs hegt, war ehemals die blühende Hauptseestadt der südlichen Schantung-Küste. Aber die gute alte Zeit ist längst vorbei. Keine Dschunke sichtet mehr ehe ehrwürdigen Mauerzinnen, und die stolzen Worte über dem Südthor „Du sollst das Meer be- herrschen“, dünken dem Beschauer eine bittere, in Stein gehauene Ironie des Schicksals. Eine weite, von Bächen und Sümpfen durch- schnittene Ebene, das Product gewaltiger Bodenanschwemmungen, trennt heute die gesunkene Grösse, die unbedeutende stille Kreisstadt,

Brief aus Kiautschou.

237

von der See, der Quelle all’ ihres früheren Lebens und Reichthums und von der Bucht, der sie einst den Namen gab. Mit Ausnahme von durchreisenden Missionaren betritt höchst selten ein rother Teufel*) ihren ehrwürdigen Boden. Aber diese weltabgeschiedene Lage, fern von der ausgetretenen Strasse des internationalen Verkehrs, ist es, die Kiautschou vor fremden Einflüssen bewahrt hat. Der Ort bietet daher mit seinem rein erhaltenen nationalen Gepräge dem Fremden ein, wenn auch nicht gerade anziehendes, so doch sehr getreues Bild echt chinesischen Lebens. Dieses vom ärztlich-hygienischen Stand- punkte aus zu beobachten gaben mir die 5 Wochen eine willkommene Gelegenheit, welche ich als Arzt des vorgeschobensten deutschen De- tachements innerhalb der Stadtmauern von Kiautschou verlebt habe.

Die Lage Kiautschous wird bezeichnet durch eine Einsenkung der ausgedehnten und von zahllosen Flussläufen und ungeheuren Morästen durchsetzten Ebene, welche sich nördlich der Bucht gleichen Namens viele Meilen weit in’s Innere hinein erstreckt Die Erde besteht grösstentheils aus schwerem, lehmreichem Ackerboden, der einen intensiven Getreidebau begünstigt und eine ziemlich dichte Be- völkerung ernährt.

Eine hohe und etwa eine deutsche Meile lange, mit alterthüm- lichen Zinnen gekrönte Mauer umgiebt in riesigem Oval die Stadt, sie macht daher von ferne auf den Fremdling, wenn er sich nach mehrtägigem, beschwerlichem Ritt dem ersehnten Ziele nähert, einen ganz stattlichen, vielversprechenden Eindruck und ist wohl geeignet, ihn mit hohen Erwartungen zu erfüllen. Aber sein Optimismus weicht bald einer grausamen Ernüchterung, sobald er die altersschwache, theilweise schon eingestürzte Schutzwehr in der Nähe schaut und gar das erst, was sie umschliesst.

Nur ein verhältnissmässig kleiner Raum des von der äusseren Mauer umschlossenen Stadtgebietes wird von der eigentlichen Stadt eingenommen, der grösste entfällt auf Ackerland, ausgetrocknete Fluss- betten und Begräbnissplätze.

Mehrere kleinere und grössere Bäche und andere Wasserläufe, die untereinander ein vielverzweigtes Netz bilden, durchfliessen in trägem Lauf die Stadt. Für gewöhnlich wasserarm, pflegen sie zur Regenzeit gewaltig anzuschwellen und ihre trüben Fiuthen fusshoch in die anliegenden Häuser zu treiben. Im Gegensatz zu der Spär- lichkeit des fliessenden Wassers steht die grosse Zahl von Pfützen, Gräben und Teichen an allen Ecken und Enden, welche zur Auf-

*) Chinesischer Spottname für Europäer.

Digitized by Google

238

Dr. Arimoml.

nähme alles dessen dienen, was sonst im Wege ist, und wegen ihres widerwärtigen Aussehens und Gestankes Auge und Nase eines Cultur- menschen in gleicher Weise aufs Gröbste lieleidigen.

Von der etwa 15000 Seelen zählenden Einwohnerschaft besteht die Mehrzahl aus kleinen Handwerkern, Bauern und Arbeitern (Kulis). Ein arbeitsames Völkchen, das sich früh und spät abmiiht, um in dem harten Kampf um’s Dasein nicht zu unterliegen! Der allgemeines Armuth des Ortes entsprechen die dürftigen, durchweg einstöckiger Wohnungen aus Lehm bezw. schlechten Ziegeln und einem Schilf- dach darüber. Nur die der Wohlhabenderen im innersten Stadttheil. welchen eine besondere Mauer einschliesst, zeichnen sich durch bessere Bauart aus.

Die engen, ungepflasterten, holperigen und winkeligen Strassen starren von Schmutz und Unrath. Der Gestank wird stellenweise athmungbehindemd. Dient ja dem Chinesen die Strasse nicht blos- zu Verkehrszwecken, sondern auch als hauptsächliche Ablagestätte für Abfallstoffe und Käcalien jeglicher Art. Von hier gelangen die flüssigen Theile, soweit sie nicht an der Luft verdunsten oder vom Erdboden aufgesogen werden, direct oder auf allerlei Umwegen schliesslich in einen der oben gedachten Wasserläufe oder Teiche innerhalb der Stadt. Die festen menschlichen und tierischen Excre- mente bilden ein yon Garten- und l'eldbesitzem hoch geschätztes Düngmittel. Alt und Jung sieht man daher mit Korb und Schaufel beständig unterwegs und auf der Suche nach Funden dieser Art. aus welchen dann die sorgfältig behandelten, umfangreichen Compost- haufen entstehen, welche gewöhnlich in grosser Zahl die Grundstück? der glücklichen Besitzer zieren, wie denn, nebenbei bemerkt, kein europäischer Bauer den Chinesen in der Werthschätzung und ratio- nellen Verwendung des Düngers übertreffen dürfte. Mir fällt hierbei manch’ ergötzliche Scene „unlauteren Wettbewerbes“ ein, die sich auf unseren Expeditionen abspielte, wenn die Truppe nach beendeter Rast ihren Marsch fortsetzte . Auch eine Art von Abfuhrwesen also, aber auch die einzige hier zu Lande, man müsste denn noch der vielen, mit allerhand ekelhaften Krankheiten behafteten Hunde Er- wähnung thun, die Tag und Nacht die Strassen durchstreifen, am sich an den von den Menschen verschmähten Leckerbissen gütlich zu thun.

Die menschlichen Leichen werden wie bei uns eingesargt und bestattet. Die Beerdigung findet aber erst statt, nachdem die Särge Wochen, ja selbst viele Monate lang in bewohnten Häusern oder

Digitized by Google

Brief aus Kiautschou.

239

Tempeln gestanden haben, gleichgültig aus welcher Ursache der Tod eingetreten ist. Die Angehörigen wollen den gebebten Toten mög- lichst lange in ihrer Nähe sehen, eine Sitte, die an und fiir sich ja ein schönes Zeugniss von dem tiefen Gemüthsleben der Bevölkerung ablegt (welches bekanntlich in dem sogenannten Ahnencultus seinen höchsten Ausdruck findet), aber wieviel Menschenleben mag diese „menschenfreundliche“ Sitte schon gekostet haben!

Ganz besonders übel steht es mit der Trinkwasserversorgung. Diese geschieht nämlich mittelst Schöpfgefässen aus denselben Wasser- läufen, die, wie oben bemerkt, alle Abwässer der angrenzenden Grund- stücke aufnehmen, mitten in der Stadt, an stark bevölkerten und belebten Punkten. Es ist aber eine bemerkenswerthe und interes- sante Thatsache, dass die Eingeborenen in der Stadt Kiautschou wenigstens das Wasser, ausser im Nothfall, nur warm (abgekocht?) zu trinken pflegen. An der Peripherie der Stadt trifft man ganz vereinzelte, aber vollkommen verwahrloste, offene Brunnen primi- tivster Art.

Kann es Wunder nehmen, wenn ein Ort in solch’ ungesunder Lage und dazu mit solch’ höchst bedenklichen hygienischen Zuständen in gesundheitlicher Beziehung weit und breit verrufen ist? Am gün- stigsten der menschlichen Gesundheit ist die Winterszeit mit ihrer dem continentalen Klima der Provinz entsprechenden mehr oder we- niger strengen Kälte und den häufigen rauhen Nordstürmen, welche Tage lang über die nackte Ebene dahinfegen. Anders aber im Hoch- sommer, wenn Feuchtigkeit und Wanne sich vereinigen, um die schlummernden Krankheitskeime in dem wohlvorbereiteten Nährboden zu entwickeln und zu vermehren. Malaria, Ruhr und Typhus sind dann häufige und gefürchtete Gäste der Stadt, die unter der Bevöl- kerung, und zwar vorzugsweise der in den denkbar schlechtesten hygienischen Verhältnissen lebenden ärmsten Klasse, gewaltig auf- räumen.

Nach der erstaunlich hohen Zahl von Blatternarbigen jeglicher Altersstufe zu schliessen, müssen auch die Pocken sehr häufig zum Ausbruch kommen und weit verbreitet sein. Fast jeder dritte, vierte Mensch sozusagen zeigt Spuren der überstandenen Krankheit Das Verfahren der Schutzimpfung mittelst Kuhlymphe ist nicht unbekannt. Gewisse Personen, sowohl in der Stadt wie auf dem Lande, befassen sich mit dem Impfgeschäft, doch geschieht die Impfung nur im Früh- jahr und auf besonderen Wunsch und ausserdem nur an Kindern und Unverheirateten, weil die Landessitte den Verheirateten einen

Digitized by Google

240

Dr. Arimond.

derartigen körperlichen Eingriff verbietet. Auch der oberste Mandarin der Stadt pflegt in patriarchalischer Fürsorge von Zeit zu Zeit solche impf kundigen Personen anzustellen, welche alsdann seinen Unter- thanen unentgeltlich zur Verfügung stehen. In welchem Umfange von dieser Gelegenheit Gebrauch gemacht wird, war jedoch nicht zu erfahren.

Auffällig ist die Unmenge von Blinden. Auf Schritt und Tritt begegnet man ihnen es sind viele Bettler und Musikanten dar- unter — wie sie, lange Stöcke vor sich her schiebend und meist ohne fremde Hülfe ihren Weg selbst durch die belebtesten Strassen verfolgen. Augenkranke giebt es dementsprechend zu Hunderten, meist handelt es sich anscheinend um Conjunctivitis granulosa.

An venerischen Krankheiten aller Art ist ebenfalls kein Mangel.

Eine von englischer Seite aufgestellte Behauptung, wonach Lepra gerade an der Schantung-Ivüste häufig vorkomme, veranlasst« mich auf diese Krankheit besonders zu achten, bisher aber ohne positiven Erfolg; nicht ein einziger Fall ist mir noch begegnet.

Unter diesen Umständen wird man es begreiflich finden, dass die Nachricht von dem glücklichen Abschluss der Verhandlungen mit der chinesischen Regierung von uns mit Befriedigung aufgenommen wurde. Das Detachement konnte hiernach Kiautschou noch vor Ein- tritt der gefährlichen Jahreszeit verlassen, die doch bei allen Vor- sichtsmaassregeln wahrscheinlich manches Opfer an Gesundheit und Leben gefordert haben würde.

Hier an der Küste liegen die Dinge in gesundheitlicher Be- ziehung erfreulicherweise wesentlich günstiger. Zwar als ein Luft- curort kann Tsingtau vorläufig noch nicht gelten, schon wegen des vielen Staubes, der an besonders windigen Tagen, namentlich im Winter zur Zeit der Nordstürme, zur wahren Plage werden kann Der Staub dringt dann durch die feinsten Ritzen, durch die ge- schlossenen Fenster, er hüllt Land und See in einen dichten Nebel, der selbst die Sonne verdunkelt. An diesem unerfreulichen Zustand ist aber lediglich die Jahrhunderte lange, empörende chinesische Misswirtschaft schuld, die keinen Wald, keinen Grashalm aufkommen lässt. Daher die Düne, die ausgetrockneten Bäche, und die Staub- bildung im Winter und Frühjahr, und die Ueberschwemmungen zur Regenzeit. Unsere Aufgabe muss es sein, Abhülfe zu schaffen. Und sie ist sicher möglich. In Hongkong sah es anfänglich ähnlich au? wie hier, ja vielleicht noch schlimmer. Und doch, was ist aus dieser

Digitized by Google

Brief aus Kiautschoa.

241

Colonie in den paar Decennien ihres Bestehens geworden! Sie ist vor Schönheit nicht wieder zu erkennen. Folgen wir daher dem englischen Beispiel, forsten wir die kahlen Berge auf, legen wir in der Ebene Bauinpflanzungen und Wiesen an und sorgen wir last not least für ein gutes Bewässerungssystem. Das sind vielleicht hohe, aber für ein grosses Reich keineswegs unerschwingliche For- derungen, und ihre Erfüllung wird sich reichlich lohnen. Denn, ab- gesehen von dem eben berührten aber hoffentlich in nicht zu ferner Zeit gehobenem Uebelstand, verleiht die geographische Lage unserer Colonie eine Reihe von Vorzügen, welche als Grundlage für eine ge- deihliche Entwicklung von ausserordentlicher Bedeutung sind. In erster Linie hervorzuheben ist ein dem Bedürfniss des Nordeuropäers angemessener Wechsel der Jahreszeiten, indem auf den heissen Sommer ein kalter Winter folgt. Dann die Nähe der See mit ihren er- frischenden Brisen, die von allen Seiten die Halbinsel bestreichen und die sommerliche Hitze ebenso wie die strenge Winterkälte mil- dem, ferner das Vorhandensein von gesundem Trinkwasser in aus- reichender Menge, endlich ein trockener, felsiger Untergrund.

Der chinesischen Misswirtschaft, der Unsauberkeit und Gleich- gültigkeit in hygienischen Dingen, hat das letzte Stündlein geschlagen. Schon sind die ersten Anfänge einer hygienischen Verwaltung be- merkbar. Die Strassen werden regelmässig gefegt, die Pfützen be- seitigt, neue sachgemässe Brunnen sind im Bau, das Abfuhrwesen ist in der Regelung begriffen, ein Krankenhaus für die eingeborene Bevölkerung, wo Arme und mit ansteckenden Krankheiten Behaftete unentgeltliche Behandlung finden sollen, sieht seiner Vollendung ent- gegen, die Prostitution untersteht einer strengen Aufsicht u. s. w.

Soweit daher jetzt schon ein Urtheil erlaubt ist, erscheint die Hoffnung nicht unbegründet, dass hier unter einer verständigen, vor ullem nicht zu sparsamen, deutschen Verwaltung dereinst, wenn nicht die bedeutendste, so doch gesundeste und schönste Stadt des ganzen chinischen Ostens erstehen wird. Ja, ich glaube sogar, dass dieje- nigen Recht behalten, w elche einer solchen wegen der ausgezeichneten Beschaffenheit des hiesigen Strandes auch als Badeort eine grosse Zukunft prophezeien, und dass über kurz oder lang die tropenge- schwächte und erholungsbedürftige Menscliheit Ost- Asiens, welche bisher noch in Ermangelung eines Besseren das höchst ungünstig gelegene Tschifu aufzusuchen pflegte, an der deutschen Küste Hei- lung und Erquickung finden wird.

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteratnrangaben.

a) Hygiene, Physiologie und Gesundheitsstatistik.

Die Krankheiten einet Bergvolkes der Intel Java, von I. H. F. Kohlbrugge. Janus, Arcbives internationales pour l'histoire de la med. etc. 1897, Nov.— Dec.

Verfasser, der schon in mancher anderen Hinsicht die heutigen Forschungs- methoden einer scharfen Kritik unterzogen hat, geisselt in der Einleitung der vorliegenden Abhandlung mit Recht die Unsitte mancher „Forschungsreiscnden\ über die Sitten, Gebräuche, Zustände etc. der von ihnen besuchten Völkerschaften, d. h. eigentlich solcher, mit denen sie nur oberflächlich in Berührung gekommen sind, zu urtheilen. Um hierzu berufen zu sein, gehört nicht nur ein längerer Aufenthalt unter den betreffenden Volksstämmen, sondern ein wirkliches Hinein- leben in ihre Lebensanschauungen, was wieder nicht anders möglich ist, als dass man von dem hohen Piedestal des Culturmenschen herabsteigt und mit den Leuten wie mit seinesgleichen verkehrt Ausserdem werden bei derartigen Untersuchungen vielfach zu wenig die ethnischen Grundelemente berücksichtigt, aus denen sich heutigen Tages zumeist wohl die Bevölkerung jeden Himmelsstriches zusammensetzt. Besonders trifft dieser Fehler nach des Verfassers Ansicht die rassen pathologischen Untersuchungen. Daher erscheint der vorliegende Beitrag am so werth voller, weil er sich mit eiuern Volke beschäftigt, das seit Jahrhunderten isolirt in den Bergen Javas (1700—2000 m über dem Meere) lebte, bis zu An- fang unseres Jahrhunderts fast von jedem Verkehr mit den eingeborenen Bewohnern der Ebene abgeschlossen war, dann auch nur auf Fusspfaden von Touristen ge- legentlich erreicht wurde und erst seit 5 Jahren, seitdem ein breiter Weg in jene Berge führt, dem Verkehre erschlossen worden ist: den Tenggeresen, einem Ueberrest der einst auf Java ursprünglichen indonesischen Bevölkerung, die durch die Einwanderung der Malaien in die Berge zurückgedrängt wurde.

Die Untersuchungen des V erfassers beziehen sich im Einzelnen auf die Be- völkerung der Tenggeresen-Dörfer Tosari, Purwono, Ngadiwono, Podokoyo, AVonokitri-Pedaheng und Keduwung. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt für diese Gegend 17° C., die Regenmenge 1500—2000 mm, der Barometerstand für Tosari (1777 m) 622 mm.

Zunächst beschäftigt sich Verfasser mit den Natalitäts- und Mortalitätsver- hältnissen der Tenggeresen. Da die officiellen Zählungen im Allgemeinen wenig Vertrauen verdienen, so liess er sich während des Jahres 1895 aus den genannten 6 Dörfern wöchentlich mündliche Berichte zugehen. Es starben von der Ge- sammtbevölkerung während dieser Zeit 2,5% (davon 58% Männer und 42 V# Frauen), es wurden geboren 5,38% (52% Knaben, 48% Mädchen), mithin war

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

243

ein Ueberschuss der Bevölkerung von 2,88% zu verzeichnen. Uebrigens hat die ganze Bevölkerung auf .lava beständig in diesem Jahrhundert zugenotnmen. Trotzdem nämlich fast gar kein Zuzug von aussen stattfindet, hat sie sich in 60 Jahren vervierfacht, in 40 Jahren verdreifacht Die Sterblichkeit der kleinen Kinder ist trotzdem eine ungeheure grosse, besonders für das erste Lebensjahr; auf dieses fallen allein 59% sämmtlicher Todesfälle. Der anfängliche Ueberschuss an Knaben wird sogleich wieder verringert, denn es sterben bald nach der Geburt mehr Knaben als Mädchen (84:25%). AVenn die Klippe des ersten Lebensjah res überwunden ist, dann stellt sich die Sterblichkeit sowohl im Allgemeinen, als auch für das männliche Geschlecht günstiger. Verfasser vergleicht die Sterb- lichkeit der Kinder bei den Tenggoresen mit der bei anderen A'ölkern , im Be- sonderen bei der Bevölkerung im Oberengadin, die unter gleichen klimatischen "Verhältnissen lebt. Er kommt zu dem Resultat, dass abgesehen von dem 1. Lebensjahre bei jenen die Sterblichkeit eine weit geringere ist, als bei allen anderen A'ölkern (z. B. während des ersten Jahres bei den Tenggereseu 59% der gesammten Mortalität, in Oberengadin 12,86%, Bayern 86,6%i Island 38,8%, jedoch vom 1. 10. Jahro unter den Tenggoresen 2,7% der gesammten Mortalität, in Oberengadin 10,31%; nach dem 10. Jahre unter jenen 38%, in Oberengadin 76,8%)- Von 56 Todesfällen unter Erwachsenen während 1895 waren 49 durch Krankheit bedingt, die übrigen durch Unfall oder Selbstmord.

Die durchschnittliche Anzahl der Geburten für eine Frau betrugen 8; jedoch waren auch noch häufig 11 12 Kinder. Einmal wurden unter 122 Frauen von einer 15 Kinder geboren, 6 mal Zwillinge; 8 Frauen waren steril geblieben und 24 hatten abortirt. Dio Ausstossung der Frucht, sowie die Behandlung der Niedergekommenen und des Kindes spielen sich normal ab. Der Austritt der Placenta erfolgt zumeist spontan wenige Minuten nach dem des Kindes. Erst wenn sie heraus ist, wird das Neugeborene abgenabelt. Die Mutter ruht höchstens 4 5 Stunden aus und geht dann an ihre gewohnte Arbeit.

Die durchschnittliche Pulsfrequenz belief sich bei den Männern auf 73 Schläge, ihre Athemfrequenz in einer Minute auf 21,4 Züge. Die mittlere

Anzahl der rothen Blutkörperchen stellte Verfasser auf 4 851 500. den Hg-Gehalt auf 92% fest. Die mittlere Körpergrösse der Männer beträgt 1604 mm. Eine auf die Häufigkeit von Blinden, Taubstummen und Irrsinnigen angestellte Untersuchung ergab, dass auf beiden Augen Blinde sowie Geisteskranke nicht vorhanden waren später erwähnt Verfasser allerdings 2 Psychosonfälle , 6 Personen in Folge eines Unfalls auf einem Auge blind, 7 taub und 14 Idioten waren. Die meisten der letzteren lebten in Gegenden, wo Kropf endemisch zu sein schien; indessen bot bloss ein Individuum das Aussehen eines Kretins. A’on dem Kropfe waren fast nur Frauen befallen.

Bezüglich der Morbidität machte A’erfasser folgende Beobachtungen. Im Ganzen wurden von ihm innerhalb 4 Jahre 1359 Personen behandelt; er giebt ein detaillirtes Arerzeichniss der Krankheitsformen und ihrer Häufigkeit. Von letzterer will ich nur einige Punkte horvorheben. Am meisten wurden die Ein- geborenen von Malaria (855 Fälle), nächstdem von AVunden, Geschwüren, Ver- brennungen (160 Fälle), ebenso häufig von Katarrhen der Respirationsorgane (159), wohl in Folge der allzu dünnen Kleidung, der zu luftigen Wohnungen und dor grossen Temperaturunterschiede zwischen Mittag und Abend, und von Darmkrank- heiten (134) befallen. Aron den Infectionskrankheiten waren am häufigsten Masern Archiv f. Schiffs- u. Tropenhygiene. II- 18

Digitized by Google

244 U- Besprechungen und Litteraturangaben.

(84 Fälle), die indessen zumeist gutartig verliefen, von den Hautkrankheiten Scabies (44), von den Augenkrankheiten Conjunctivitis (89). Aeusserst selten kamen dem Verfasser zu Gesicht: Krankheiten des Herzens (nur lmal Perkar- ditis, nie Herzfehler), der Nieren, des Magens, ferner Syphilis (nur in den beiden Dörfern, in denen Europäer wohnen), Nerven- und Geisteskrankheiten, (nur 9mal Neuralgie. 1 mal Hemiplegie, 1 mal Epilepsie und 2 mal Psychosen). Gar nicht gelangten zu seiner Kenntniss: Diphtheritis, Scharlach, Küthein, Cholera. Typhus, diathetische Krankeiton, wie Chlorose, Gicht, Diabetes, Rachitis etc-, Blattern uni Wind|>ocken (seit Jahren Vaccination). Eine eigentümliche Krankheit, deren Genese ihm unbekannt ist, beobachtete Verfasser in 4 Fällen. Es entwickelte sich Ascites und zumeist folgte allgemeiner Hydrops; der Ausgang war der Tod. Dabei ergab die Section gesundes Herz, gesunde Nieren, Leber. Milz und Lungern. Die punktirte Flüssigkeit war in einem daraufhin untersuchten Falle serös.

G. Buschan-Stettin.

Zur geographischen Pathologie der Westküste Südamerikas von Dr. Reinhold Rage,

Marine-Stabsarzt. (Berl. Klin. Wochenschrift 1897, No. 46).

Der interessante Aufsatz entstammt einer Kreuzfahrt längs der Westküste von Südamerika an Bord 'S. M. S. Marie vom März 1898 bis Februar 1894 Verfasser giebt einen l'eberblick über die klimatischen und meteorologischen Ver- hältnisse der amerikanischen Westküste, welche sich durch ihre scharf abee- greuztcu klimatischen Zonen auszeichnet. Südlich dem Cap Blanoo. 4.17’ s. Br., liegt die Zone der kühlen Winter, Chile und Peru, deren niedrige Winter- temperatur durch die kalte süd-nördliche Meeresströmung bedingt sind. Nöidhcfc von diesem Vorgebirge, den Küsten von Ecuador und Columbia entsprechend, herrscht tropische Wärme auch während der Wintermonate. Der mittlere TheC der ersten Zone, im Küstenstrich von Valparaiso bis Arica, zeichnet sich in Folge von kalten, ziemlich regelmässig in den Nachmittagsstunden einsetzenden Süd- winden durch schroffen Temperaturwechsel aus.

Die kühlen Winter bewirken auch in den innerhalb der Tropen gelegener Küstenländern günstige gesundheitliche Verhältnisse. Im Sommer tritt allerdings Malaria und Ruhr mit ihren Folgekrankheiten, besonders Leberabscess, auf

Der Bezirk der schroffen Temperaturwechsel weist eine unserer Cholera nostras entsprechende epidemische Krankheit, dort Lepidia genannt, auf uai ausserdem, wie anscheinend die ganze Zone der kühlen Winter, „katarrhal ade Eintagsfieber“, bei welchen Rüge nie Malaria-Parasiten im Blut fand, und wirkte auch ohne Behandlung heilten. Gelenkrheumatismen waren an Bord von ausser- gewöhnlicher Hartnäckigkeit, Geschlechtskrankheiten kamen allenthalben tot. am häufigsten Tripper und nicht selten bei den stets berittenen Chilenen ver- eiternde Hodenentzündungen. Die Verruga, weiche R. im Hospital zu T im» re Gesicht bekam, hielt derselbe wegen der Beschränkung auf ein bestimmtes Tba und auf die weisse Bevölkerung nicht für Framboesia.

ln der Zone der tropisch-warmen Winter besuchte Rüge die Hafenstädte Guayaquil und Panama, erste res in flachem Schwemmlande gelegen und zur trocknen Jahreszeit frei von Malaria und Rnhr, letztere als Fiebemeet beisnrt

M.

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteratursuigaben.

245

Weiterer Bericht Dber die Ergebnis» der Forschungen aus Deutsch-Ostafrika von

Robert Koch. Deutsches Kolonialblatt No. 9. 1./5. 98.

„L'eber Westusambara ln sanitärer Beziehung.“

Verfasser beantwortet in iiusserst klarer, praciser Weise und wohlthuender Kürze die Frage nach der Besiedelungsfähigkoit des Westusambaragebirges für Deutsche und Anlago eines Sanatoriums, indem er die in Ostafrika verbreitete irrige Meinung widerlegt, dass oben in Westusambara in 1000 bis 1200 m Hohe, ■weder ein sogenanntes Acclimatisationsfieber existirt, noch die Insolationsgefahr eine grosse ist. Er fand durch Messungen mit dem Vacuumthermometer, dass in Usambara die Sonnentemperatur Mittags nur 52 64 Grad erreicht, dagegen in Dar-es-Salain 62 68 Grad. Was ihm im Gebirge darüber mitgethoilt wurde, konnte durch Malaria und Malariarecidive erklärt worden. R. Koch verbreitet sich über das Vorkommen von Malaria in Usambara in genannter Höhe und führt alle dort ihm zur Beobachtung gekommenen Fälle auf Rocidive in der Küsten- ebene acquirirter Malaria zurück. Er schliesst daraus, dass die Eingeborenen keine Malaria kennen, wenn sie aber in die Steppe oder an die Küste hin- untersteigen, dagegen sehr empfänglich sind, auf das Malariafreisein des Usam- baraplateaus. In 800 m Höhe fand er mittlelschwere Tertiana, von da an nieder- steigend die perniciöse tropische Malaria. Wenn Europäer nach ihrer Ankunft in zweckmässiger Weise von der Küste nach Westusambara transportirt werden könnten, so würde kein einziger Malariafall dort Vorkommen. Jetzt muss man 7 8 Tage durch Sumpf und Steppen dorthin marschiron und inficirt sich, wenn nicht schon an der Küste, auf der Reise. R. Koch führt zum Beweise eine An- zahl beobachteter Fälle auf den Missionsstationen und der Station Kwai auf. Mos- fjuitos sieht Koch als Wirthe resp. Verbreiter der Malaria an. Das sonst sehr zuträgliche und gesunde Höhenklima soll keinen heilsamen Einfluss auf Malaria ausüben. Würden deutsche Einwanderer gefahrlos nach Westusambara geführt, so könnte man mit einer Besiedelung sehr wohl beginnen. Westusambara übte -demnach nicht wie andere Höhensanatorien in den Tropen die bekannte, neuerdings besonders von Kohlbrugge beschriebene, oft überraschende Wirkung auf Malaria aus, dagegen stellt es sich nach Koch’s Auffassung doch als malariafrei für seine nicht anderswo inficirten Bewohner dar. Die günstige Wirkung von Höhensana- torien wird höchstwahrscheinlich zugleich mit bedingt durch ihre leichte Erreich- barkeit, Comfort, Beaufsichtigung der Kranken und Ueberwiegen frischer Malaria- infectionen, während ältere, schwere Infectionen mit Kräfteverfall langsam heilen oder letal ondigen. An der Küste acquirirte Infection kommt auch auf der See- reise zum Ausbruch. C. Däubler.

lieber den Einfluss des Tropenklimas auf das Nervensystem von Chr. Rasch. Allgem.

Zeitschr. f. Psychiatrie. 1897. Bd. 54. S. 745.

Auf Grund eigener Erfahrungen und Beobachtungen bringt Vorfasser einen werth vollen Beitrag zur Pathologie des Nervensystems in den Tropon. Er be- gegnet zunächst dem weit verbreiteten Irrthum, dass mit der Zeit für den Eu- ropäer oine Gewöhnung an das Tropenklima, das sich durch hohe Wärme (im Schatten 25° C. und mehr) und gleichzeitigen hohen Wassergehalt kennzeichne, «inträte ; im Gegentheil, seine und anderer Erfahrungen lehren, dass bei längerem

18*

Digitized by Google

246

ET. Besprechungen und Litteraturangaben.

Aufenthalte sich progressiv eine Verminderung der Widerstandsfähigkeit des menschlichen Organismus bemerkbar macht. Die enorme Schweissecretion , der dadurch bedingte gewaltige Wasserverlust des Körpers, der wieder zu überreich- lichem Trinken verleitet und dann Magenbeschwerden, Dyspepsie, Appetitlosigkeit Diarrhoe zur Folge hat, der zur Beseitigung dieser Uebelstände mehr und mehr über Hand nehmende Genuss von Alcohol und anderen Reizmitteln, weiter an- genügende körperliche Bewegung, mangelhafter Schlaf etc., alias dieses führt za einer allgemeinen Erschlaffung, einer geistigen Indifferenz und einer geringen körperlichen Widerstandsfähigkeit gegen herandrängende Krankheiten, d. h. zu einer verminderten Vitalität des Organismus. Die Zahl der rothen Blutkörperchen wird herabgesetzt, diese selbst erscheinen kleiner (Anaemia tropica). Nach diesen einleitenden Bemerkungen wendet sich Verfaser zu den Störungen, welche das Tropenklima im besonderen auf dem Gebiete des Nervensystems hervorruft. Die einschlägigen Lehrbücher bringen über diesen Punkt leider gar nichts, oder messen dem Tropenklima keine Bedeutung weiter bei. In Uebereinstimmung mit Martin, van der Burg, Schollong, Hasper und anderen Kennern der Tropen betont Ver- fasser hingegen, dass gerade das Nervensystem stark in Mitleidenschaft gezogen wird, dass vor allem eine bedenkliche Neurasthenie sich einzustellen pflegt, die sich in erster Linie durch quälende Schlaflosigkeit, leichte Empfänglichkeit für Gemüths- eindrücke, Apathie und Gedächtnisssch wache characterisirt. Im Zusammenhänge hiermit berichtet Verfasser über 11 Fälle von tropischen Neuro-Psy chosen (dar- unter auch 2 echten Psychosen), die er während seines 3jährigen Aufenthaltes in Bangkok unter 70 Landsleuten zu beobachten Gelegenheit hatte. In der Haupt- sache characterisirten sich dieselben in einem völligen geistigen Bankerott; Rück- kehr in ein günstigeres Klima schuf schnell Besserung. Weiter lässt sich Ver- fasser über den schädlichen Einfluss aus, den Malaria in ihrer proteusartigen Form, Dysentie, Tropendiarrhoe, Cholera, Beriberi. Lepra, Tetanus und Lyssa auf das Nervensystem ausüben. Er fasst das Resultat seiner Beobachtungen dahin zusammen, dass Leute, welche nach irgend einer Richtung hin zu Nervenkrank- heiten disponirt sind, noch mehr aber Personen, die bereits an einer solchen leiden, vor allem Epileptiker, den Aufenthalt in den Tropen meiden sollten.

G. Busch an -Stettin.

Pestnachrichten.

Die Abnahme der Seuche dauert in Indien und Arabien fort. In Karachi kamen nach den letzten amtlichen Berichten vom 30. Juni täglich nur mehr 3—6 Neuerkrankungen vor, nach neueren Zeitungsberichten wurden an einigen Tagen schon gar keine neuen Fidle mehr beobachtet In Djeddah ist nach offi- ciellen türkischen Mittheilungen die Krankheit erloschen, Privatbriefe sprechen jedoch noch von vereinzelten Erkrankungen. Der Hauptheerd der Epidemie liegt jetzt au der chinesischen Küste. Die Ankunft eines pestkranken I^tskaren auf dom Dampfer „Carthage“ in Plymonth erregte Ende Juli einiges Aufsehen. Der- selbe war schon an Bord in einem Rettungsboote isolirt worden und den Fahr- gästen wurde nach ärztlicher Untersuchung die Landung gestattet.

Von den europäischen Häfen dürfte die Pestgefahr endgültig ahge waadt sein. M.

11. Besprechungen und Litteraturangaben.

247

b) Pathologie und Therapie.

Malaria.

Ä. Laveran, Traitä du paludiime. Paris 1898.

Nach einer Auseinandersetzung über die verschiedenen Synonyma für „Wechselfieber“, kommt Verf. in der Einleitung zu dom Schluss, dass das Wort „paludisme“ für „Wechselfieber“ das beste sei und fügt hinzu, dass man in einem wissenschaftlichen Werke ein und dieselbe „Sache“ mit einem einmal angenommenen Worte dauernd bezeichnen müsse. Trotzdem finden wir gleich am Eingang des ersten Capitels die Ueberschrift: Repartition de l'endemie palustre ä la surfaee du globe, nicht repartition „du paludisme“. Auf Seito 3, 12, 2t, 23, 25, 27 etc. kommt dann das vorher als minderwerthig bezeichnete „fievres palustres“ zur Anwendung, so dass der Verf. über seine einleitenden Bemerkungen selbst das Urtheil spricht.

Das 483 Seiten starko Buch enthält 27 Zeichnungen (darunter sind auch die Temperaturkurven begriffen) im Text und eine bunte Tafel. Ein alpha- betisches Sachregister fehlt leider. Die beigefügte „Table des Matieres“ hat wenig Zweck.

Der ganze Stoff wird in 12 Capiteln abgehandelt und zwar umfassen die Capitel 1 4 die Aetiologie, die Capitel 5 7 das klinische Bild, das Capitol 8 die pathologische Anatomie, das Capitel 9 die Diagnoso und Prognose, das Capitel 10 die Behandlung, das Capitel 11 die Prophylaxe der Malariafieber und endlich das Capitel 12 die Beschreibung der bei gewissen Thieren vorkommenden Blutparasiton, die denen der Malarialiebor verwandt sind.

I. Capitel. 1. Verbreitung der Malariaendemio auf der Oberfläche der Erde. 2. Meteorologische und tellurische Verhältnisse, die die Entwicklung der Malaria- fieber fördern oder hemmen: Wärme, Sonne, Vegetation, Feuchtigkeit, Regen, Uebersehwemmungen, Sümpfe, Höhenlage etc.

Im ersten Abschnitt der ersten Abtheilung wird die Verbreitung der Malariafieber in Europa besprochen. Die Bearbeitung der einzelnen Lander ist sehr ungleichmässig. AVährend Frankreich in eingehendster Weise besprochen wird, und z. B. die Daten aus der Geschichte der Malariafieber in der Sologne mit dem Jahre 1586 beginnen, fehlt für Deutschland sogar das berühmte Beispiel von Wilhelmshafen, das sonst in jedem grösseren Werke über Malariafieber citirt wird und sich auch in der histor.-geogr. Pathologie von Hirsch findet. Das letztere Buch ist zwar angezogen aber anscheinend nur wenig benutzt. Auch Russland wird recht schnell abgemacht Fernerhin wäre es erwünscht, zu erfahren, in welchen 5 Jahren die 40 000 Malariakranken im Militairhospital zu Athen in Behandlung kamen (S. 8).

Im zweiten Abschnitt: Die „Malariafieberverbreitnng in Asien“ finden wir dieselbe Erscheinung. Während die Malariafieber-Statistik der russischen Armee für 1890 und 1893 mit ihrer Morbidität angegeben ist, finden wir Angaben über die Wechselfieber-Mortalität der englischen Armee in Indien vom Jahre 1860 (die Morbidität ist hier nicht angegeben), und für Tonkin werden schliesslich die verschiedenen Malariafieberarten ihrer Häufigkeit nach aufgeführt. Eine solche Zusammenstellung macht jeden Vergleich unmöglich.

Dieselbe Erscheinung wiederholt sich bei der Abhandlung der Verbreitung der Malariafieber in Afrika und Amerika. Ueberall da, wo es sich um französische

Digitized by Google

248

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

Colonico handelt, finden wir genaue, bis ins Einzelne gehende Angaben. Der Rest des betreffenden Erdtheils wird aber stiefmütterlich behandelt So werden z. B. die Cap Verdischen Inseln an der Westküste Afrikas völlig übergangen, obgleich sie reich an Wechselfieber sind. Es finden sich dafür aber bei der Be- sprechung Amerikas die kleinen Inseln von Französisch- Guyana einzeln aufgezählt

Auf S. 17 findet sich das plötzliche Auftreten des Malariafiebers auf La Reunion, Mauritius und Rodriguez erwähnt. Eine befriedigende Erklärung dafür giebt es nach Ansicht des Verf. nicht. Kohlbrugge hat in dieser Zeitschrift Bd. II. S. 11 darauf hingewieseu, dass das Auftreten der Malariafieber auf Mauritius vermuthlich mit der Entwaldung der Insel zusammenhängt Er führt aus: Die Malariakeime waren wohl bereits im Boden vorhanden, konnten sich aber nicht entwickeln, weil der stets feuchte Waldboden ungünstig dafür war. Erst nach der Entwaldung, als Feuchtigkeit und Trockenheit schnell wechseln konnten, kamen die Keime zur Entwicklung.

Westindien wird in 4 Zeilen abgemacht, obgleich doch gerade über diese Gegend viel englische und spanische Berichte vorliegen.

Auf S. 21 tritt uns dann plötzlich der Malayische Archipel mit den Philippinen unter der Rubrik Oceanien entgegen. Wir in Deutschland rechnen diese Gebiete zu Asien. Diese Gegend wird auch recht schnell abgemacht Die zahlreichen Arbeiten der Holländer über Malaria werden mit keinem Worte erwähnt. Dafür folgen aber die auffallenden Sätze: „Aux coutraire les autre» lies de l'Oceanie, malgre l'existence de nomhreux marais, jouissent, au point de vue du paludisme, d une salubrite tres grande.*4 Dann folgt die Bemerkung, dass Neu-Caledonien nach den Berichten verschiedener französischer Autoren malaria- frei ist und den Schluss bildet der Satz: „Les iles de la Polynesie, de la Melamsie. de la Micronesie sont egalement indemnes.“ Derartige Behauptungen, wie sie die beiden französisch angeführten Sätze enthalten, sollten von einem Autor wie Laveran nicht aufgestellt werden. Man denke nur an dio Berichte von Schelloog (99% Malariamorbidität in Finschhafen auf Neu-Guinea) oder man lese einen Sanitätsbericht der Kaiserlichen Marine durch, so wird man stets finden, dass die Besatzungen unserer Schiffe in der Südsee (Bismarck-Archipel, Apia, Salomons- Inseln) bis zum heutigen Tage ständig unter Wechselfiebern zu leiden haben, die sie sich an den genannten Plätzen zugezogeu haben.

Gegen die allgemeinen Schlussfolgerungen am Ende der ersten Abtheüung des 1. Kapitels ist kein Ein wand zu erheben. Sie enthalten allbekannte That- sachen.

2. In der zweiten Abtheilung bespricht der Verf. zunächst den Einfluss, den die Wärme auf die Entstehung der Malariafieber hat Er stellt dabei den Satz auf : „Dans les pays chauds ou temperes . . . pendant l’hiver on n'observe <jue des rechutes de fievre.“ Das stimmt nun in dieser allgemeinen Fassung nicht Ich selber habe in Westindien im December und Januar Neu-Erkrankungen von Wechselfieber bei unseren Leuten an Bord beobachtet*). Wechsel fieberfalle werden ja natürlich in der Winterszeit sehr selten sein, aber sie kommen doch vor. Auch dem Satz: „Dans les rcgions les plus chaudes du globe les marins sont ä l’abri du paludisme tant qu’ils ne descendent ä terre“ kann ich in dieser all-

*) Wir kamen auf der Auereiae tua Kiel erat am leisten November nach Weatindien oa i hatten vorher nur malaiiafreie Plätze angelanfen. Der erste Wechsel Aeberfall ging Anfiag December in Port au Printe in. Ich fand die groaecn Formen der Malariaparasiten im Blatt-

Digitized by Google

IT. Besprechungen und Litteraturangaben.

249

gemeinen Fassung nicht beistimmen. Man denke nur an das Beispiel, das Leon- hardt von der Rhede von Arica erzählt. Das Schiff lag 2 Seemeilen vom Lande ab. Wegen Kriegszustand kam die Mannschaft nicht an Land. Das Schiff kam aus den fieberfreien Gegenden Südchiles und hatte bis dahin keine Wechselfieber- kranken gehabt. An Land war Wechselfieber weit verbreitet. Mit der Zeit traten zahlreiche derartige Erkrankungen an Bord auf.

Es wird nun der Einfluss des Bodens und der Feuchtigkeit, der Regen, Ueberschwemmungen und der verschiedenen Arten von Sümpfen besprochen. Verf. kommt zu dem Schluss, dass der Erdboden, der abwechselnd trocken und feucht wird, der zur Entwicklung von Malariafiebern geeignetste ist. Zwischen- durch wird noch der eigenthümlichen Erscheinung Erwähnung gethan, dass dicht □eben verseuchten Plätzen ganz gesunde liegen können.

Es findet sich ferner hier dio Thutsachc angeführt, dass Malariafieber namentlich nach Umbrechen des Bodens entstehen. Es wird dies durch ver- schiedene Beispiele belegt. Dass das Fehlen von Malariafiebern auf Tahiti und Neu-Caledonien durch das ständige Wehen des Monsuns bedingt sein könnte, wie Pauly meint, hält Verf. für eine „evidente exageration“. Der Einfluss des Windes auf das Auftreten und Nichtauftreten von Malariafiebem darf aber nach Ansicht des Ref. nicht von der Hand gewiesen werden. Es müssen natürlich die lokalen Verhältnisse eingehend dabei berücksichtigt werden. Denn es ist klar, dass ein ständig wehender Wind , der direct vom Meere kommt, anders wirken muss, als einer, der vorher über malariadurchseuchte Strecken ge- gangen Ist.

Zum Schluss wild der günstige Einfluss der Höhenlage besprochen und durch Beispiele illustrirt Aber auch hier ist der Verf. zu allgemein. Er be- rücksichtigt auch hier nicht, dass stets die lokalen Verhältnisse eingehend zu untersuchen sind, und dass nicht die Lehre, die ein Beispiel giebt, unverändert auf andere Verhältnisse übertragen werden darf. Wozu das in praxi führen kann, lässt sich aus den von Menso*) angeführten Thatsachen ersehen. „Stanley hatte, als er die Grundlagen des Congostaates legte, mit Vorliebe die Bergspitzen und Höhen zum Stationsbau ausgewählt So fand Mense auch die Wohnungen der Europäer in Leopoldville auf dem Gipfel des 70 m hohen Mont I/eopold an- gelegt, einen zweiten Theil derselben auf halber Bergeshöhe nach NO hin. Die auf dem Gipfel wohnenden Europäer orkrankten stets sämmtlich und lieferten die schwersten hämoglobinurischen Fieber. Dio in halber Höhe Wohnenden erkrankten alle leichter und weniger häufig. Den Grund für diese Erscheinung sucht M. darin, dass der Gipfel des Mont Leopold voll von dem SW -Wind getroffen wurde, der vorher über die malariadurchseuchten Flussthiiler gestrichen war, während die Häuser auf halber Bergeshöhe vor diesem Winde ziemlich geschützt .waren. Dio Häuser oben mussten schliesslich geräumt werden. Als sie wegen Kaummangels wieder belegt werden mussten, erkrankten die Europäer in gleicher W eise schwer wie früher. „In dem hochgelegenen Vivi sah ich denn auch in drei Monaten mehr Schwarzwasserfieber, als in dem unteren Theilo von I^eopoldville in der sechsfachen Zeit Nord- Man yanga, stolz auf einem steilen Hügel über dem Strome gelegen, hatte seinerzeit die grösste Morbidität und

*) Vortrag, gehalten auf der 68. Versammlung deutscher Naturforscher und Acrzte. Bonderabdruck aus der Wiener Klinischen Rundschau S. 6 u. folgd.

Digitized by Google

250

EL Besprechungen und Litte raturangaben.

Mortalität allor Stationen am Congo, bis es geräumt und auf das andere Ufer hart an den Fluss verlegt wurde. Die hohen Missionsorte ETnderhill und Pala- balla weiter stromabwärts litten in gleicher Weise“*).

Im zweiten Capitel bespricht Verf. zunächst die Versuche, die vor seiner epochemachenden Entdeckung angestellt worden sind, um den Erreger der Malariafieber aufzufinden. Besonders eingehend beschäftigt er sich mit dem bacillus malariae. Denn Marchiafava, der ihm später die Priorität der Entdeckung der Malariaparasiten streitig machen wollte, hat noch bis 1884 den Malariabacillus vertheidigt. Es ist also dem Verf. nicht zu verdenken, wenn er gleich hier im Anfang seine Priorität wahrt. Der Vollständigkeit halber hätte L. auch noch die Arbeiten von Mosso und Maragliano anführen können, die darauf ausgingen, die Malariaparasiten für Degenerationszustände der rothen Blutkörperchen zu er- klären und die Arbeiten von Cattaneo und Monti, die diesen Einwand endgültig widerlegten. Die Arbeit von Ziehl ist gleichfalls nicht erwähnt.

Es folgt sodann die Mittheilung, dass L. am 6. November 1880 in Constantine im Blute eines Wechselfieberkranken zum ersten Male die Malariaparasiten in ihren 8 Formen: Geissein, Halbmonde und Sphären sah. Im Anschluss hieran führt der Verf. alle die Arbeiten an, die seitdem erschienen sind, und seine Beobachtung bestätigt haben. Er hat sie nach den verschiedenen Erdtheilen geordnet

Für die Europa betreffenden Arbeiten ist zu bemerken, dass Mannaberg seine Hauptstudien nicht in Wien, sondern in den malariaroichen Gegenden von Istrien machte. Die Arbeit von Jancso und Rosenberger ist nicht angeführt Sonst ist aber die Literatur in ausgiebigster Weise berücksichtigt. Das Letztere gilt auch für die folgenden Abschnitte. Nur die Arbeiten der Holländer sind bis auf eine unbenutzt geblieben. Zu bemerken wäre noch, dass Grawitz (siehe S. 51) seine Beobachtungen nicht an Kranken machte, die aus West-, sondern aas Ostafrika stammten. Fernerhin giebt L. an, dass es ihm gelang in Blutpräparaten, die ihm aus Calcutta, Peking (S. 56), Mauritius (S. 52) und Rio de Janeiro (S. 55) geschickt wurden, Malariaparasiten zu finden. Es wäre interessant zu erfahren, ob diese Blutpräparate gefärbt oder ungefärbt eingesandt wurden. Mir persönlich ist es nie gelungen, Blutpräparate, die mir ungefärbt aus Kamerun geschickt wurden, in Deutschland nachträglich mit Hülfe der gewöhnlichen Methoden zu färben. A. Plehn ist es (nach einer brieflichen Mittheilung an mich) ebenso ergangen.

Am Schluss spricht sich der Verf. dahin aus, dass die zahlreichen Be- stätigungen, die seine Entdeckung in allen Gegenden der Erde gefunden hat, dafür spricht, dass der von ihm gefundene Parasit der Erreger der Malariafieber sei. Dem kann nur beigestimmt werden.

Das dritte Capitel ist der eingehenden Beschreibung des Malaria' parasiten gewidmet. Da L. nach wie vor auf dem Standpunkte steht, dass es nur einen Malariaparasiten und nicht verschiedene Arten giebt, so kann es nicht Wunder nehmen, wenn wir im ersten Abschnitt des 3. Capitels, das dessen Beschreibung gewidmet ist. Alles das zusammen verarbeitet finden, was bis jetzt über Formen und Bauart des Parasiten bekannt ist. Etwas Neues finden wir hier nicht**). Es sei nur erwähnt, dass L. die Halbmonde nicht für sterile

a) Mense I. c.

••) Obgleich Ziemann’s erste Arbeit wiederholt citirt ist, ist doch in diesem Capitel tob der chromatischen Kernfirbung, durch welche Z. sterile und nicht sterile Formen Unterschiedes wissen will, nicht erwähnt.

II. Besprechungen und Li tteratu rangaben.

251

Formen hält, weil er bei verschiedenen Fällen von Wechselfiebem nur Halb- monde und keine andern Parasitenfonnen im Blute fand. Mannaberg’s Syzygien- Theorie erkennt er nicht an, weil sich die Halbmonde in Spindeln und Sphären verwandeln können, und es dem Verf. unwahrscheinlich ist, dass eine Form, die sich durch Aneinanderlegung zweier Elemente bildet, sich später stets nur in einfache und nicht in gedoppelte Formen verwandeln sollte. Ausserdem hat L. die von Mannaberg beschriebene Syzygienbildung bei den Halbmonden nie beobachtet.

Die letzte Arbeit von Ziemann hat L. nur kurz in den Addenda benutzt. Im 3. Capitel des Werkes ist daher die Ansicht Ziemann’s: Die Halbmonde sind steril, weil bei ihnen die chromatische Kernsubstanz nicht nachweisbar ist, noch nicht berücksichtigt.

Die Geisselformen hält L. nicht für Involutionsformen 1. weil sie nach Chiningebrauch verschwinden, 2. weil sie in der Milz häufiger als im Fingerblut zu finden sind. Geisselformen werden am meisten gesehen, wenn ein Fieber- anfall bevorsteht. Auch behauptet L., dass die weissen Blutkörperchen mitunter lebende Parasiten einschlössen.

Bedauerlich ist, dass sowohl die Zeichnungen der Parasiten im Text als auch die bunte Tafel so schematisch gehalten sind.

Nachdem der Verf. noch angeführt hat, dass man die Parasiten am sichersten kurz vor dem Fieberanfall findet, dass es vorkommt, dass boi manchen Kranken wochenlang trotz Chininbehandlung sich Halbmonde zu jeder Zeit im Blute finden können, und dass auf der anderen Seite bei perniciösen Fiebern die Anzahl der Parasiten im Fingerblut gering ist, während man bei der Leicheneröffnung die inneren Organe, wie Milz, Leber und Gehirn überfüllt davon sieht, kommt er zur wichtigsten Frage des Capitels: giebt es eine oder mehrere Malaria- Parasitenarten?

Nachdem L. die bekannte, von Golgi aufgestellte Dreitheilung der Malaria- Parasiten gebracht hat, fügt er hinzu, dass die von Golgi gemachten Unterschiede „sont bien loin d'etre constants“. Das stimmt nur bis zu einem gewissen Grade- Wenn ferner L. behauptet, dass der einzige Unterschied zwischen den Tertian- und Quartan-Parasiten die Anzahl der gebildeten Sporen sei, so vergisst er, dass das von Tertian-Parasiten befallene rothe Blutkörperchen entfärbt wird und bis auf’s IV» fache seiner natürlichen Grösse aufgebläht werden kann, was beides beim Quartan-Parasiten nicht beobachtet wird. Von der verschiedenen Entwicklungs- dauer der beiden Parasiten will ich absehen. Denn die Dauer der Entwicklung ist nicht ganz constant. Dass aber jedem Beobachter zunächst auffällt, dass zwischen den Parasiten einer Kamerun-Malaria und denjenigen einer in Deutsch- land erworbenen ein ganz ungeheurer Grössenunterschied und ein deutlicher Unterschied im ganzen Habitus der Parasiten besteht, das erwähnt L. nicht. Wenn L. ferner als seine Ansicht stützend den Umstand anführt, dass man Halbmonde und amoeboido Formen der Parasiten zusammen finden kann und dass man bei demselben Kranken bald nur Halbmonde, bald nur amoeboide Formen fände, so ist das für die Einheit des Parasiten nichts Beweisendes. Etwas anderes wäre es, wenn er den Beweis führen könnte, dass die Halbmonde, die ja nur von den kleinen Parasitenformen gebildet werden, auch zusammen mit den grossen Formen unserer heimischen Malariafieber beobachtet würden. Das behauptet nun L. auch. Er sagt S. 81 wörtlich: ,,Nous avons vu que dans

Digitized by Google

252

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

tous les pays palustrcs on retrouve 1' hcmatozoaire sous ses differentes forme les corps en croissant ont ete vus ä cötö dos corps amiboi'des en Algerie. a Tunisie . . . . en Allemngne“. Das ist nicht richtig. Halbmonde sini in keinem einzigen Falle bei den in Deutschland heimischen Wachse fiebern gefunden worden. Damit verliert aber auch der folgende Satz seiet Beweiskraft: „C'est lä, ce me semble, une excellente preuve <ju’il s'agit d'rn« meme parasite; s’il v avait des especes differentes il est probable <|ue, dans taiues loealitcs, l’une d'elles se rencontrerait ä l’exclusion des autres“. Es* solche „local ite“ ist nun Deutschland. Bei unseren heimischen "Wediselßebcr. finden wir nur die grossen Formen der Malariaparasiten unter Ausschluss ce Halbmonde.

Die Frage, ob der Malariaparasit einheitlich ist oder nicht, erscheint dam entgegen der Ansicht L.'s immer noch discutabel.

Die anderen Gründe, die L. als beweisend für seine Ansicht anführt, sk ebenfalls nicht stichhaltig. Er sagt:

Dieselbe Behandlung ist bei allen Fieberarten anwendbar. Ganz recht! Man giebt immer Chinin als Specificum. Das beweist aber für L.’s Ansicht niche. Denn Jodoform wirkt z. B. entwicklungshemmend sowohl auf Strepto- als J*i auf Staphylococcen. Deshalb hat aber noch Niemand diese beiden Coceeoart* für identisch erklärt. Ferner: Der Fiobertypus wechselt auch noch bei Krankri die langst die Malariagegenden verlassen und gesunde Erdstriche aufgesucht halw. Die Gelegenheit zur neuen Ansteckung fehlte also. Um das zu erklären * * für die Gegner der Einheit des Parasiten nöthig, eine Mischiufection anzunehmtc. Das ist nicht nöthig. Dieser Vorgang lässt sich auch durch Eot wicklungshemmt.' erklären. Dass übrigens durch Mischinfoction, d. h. durch Infection mit wr- schiedenen Malaria-Parasiten der Fiebertypus bei ein und demselben Kraute geändert werden kann, beweisen die Impfungen von di Mattei. M. rajicct' einem Kranken, der eine Febris quartana hatte, und in dessen Blut nur yoirac- parasiten nachgewiesen werden konnten, eine kleine Quantität Blut, das die klei*<* halbmondbildenden Parasiten enthielt. Die letzteren Parasiten, die den Quart»- Parasiten gegenüber in verschwindender Menge eingeführt wurden, verfranzte die Quartan-Parasiten vollständig, und es entstand ein unregelmässiges Fieber

Es folgen dann die Aufzählungon aller der vergeblich angestellten Verand* die das Auffinden der Malaria-Parasiten ausserhalb des Körpers bezwecktet ft* vergeblichen Culturversuche, und die gleichfalls vergeblichen Versuche, die Mslzn Parasiten auf Thiere zu übertragen, werden ausführlich besprochen.

Auch die bei Thieren vorkommenden, den Malariafiebern ähnliche Erkruu- ungen werden angeführt.

Es folgt sodann die Tochnik der Blutuntersuchung. Nachdem Verl ausdrücklich darauf hingewiesen bat, dass es, um Parasiten sicher zu nöthig ist, nur solche Kranke zur Blutuntersuchung zu nehmen, die in der lt* einen Anfall haben und in der letzten Zoit kein Chinin bekommen haben. (Skrt er aus, dass es am besten ist, das unter den bekannten Vorsichtsmaassregeln **• nommene Blut im frischen Präparate ohne jeden Zusatz zu untersuchen. verwirft dabei die Abbe’sche Beleuchtung. Sie machte die Parasiten zu trat-- parent Um Trockenpräparate herzustellen, zieht er zwei Deckgläschen voo är ander ab (das Verfahren von Jan eso und Bosen berger ist nicht erwähnt. D* Verfahren scheint dem Ref. am besten.) und lässt die Blutschicht dann dufb

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben. 263

Hitze oder in einer Mischung von halb Aether und halb Alcohol (absolutus) auf den Beckgläschen fixiren. Von den verschiedenen D< ippelfiirbungsmethoden (es werden alle angeführt) zieht Verf. die mit Eosin und Methylenblau vor. Er be- merkt sehr richtig, dass man die besten Resultate erhält, wenn man mit den verschiedenen Farblösungen nach einander färbt. Das Mischen der Losungen giebt beim (jebrauch oft Niederschläge. Nach SacharofTs Angabe färben sich die Oeisseln am besten mit Gcntianaviolett.

Rüge (Kiel).

Berichte Robert Koch’s Ober die Ergebnisse seiner Forschungen In Deutsch-Ostafrika.

Arbeiten aus dem K. Gesundhoitsamto. 14. Band, 2. Heft, 1898.

Nachdem der Autor in erster Linie die Malaria in Deutsch-Ostafrika ab- handelt, worüber bereits in diesem Archiv berichtet wurde, beschreibt er ad II.

Das ISchwars Wasserfieber. Vor seinen Untersuchungen darüber entnahm R. Koch aus der Literatur, dass es von den Tropenärzten für eine besondere Form der Malaria gehalten wurde, wobei verschiedene Forscher regelmässig im Blut der Kranken die Malariaparasiten nachgewiesen haben wollten.

Beides wird durch die Forschungen R. Koch’s widerlegt. Während Geh. Rath R. Koch die Symptomatologie, wie wir sie kennen, und wie sie so oft beschrieben ist, bestätigen konnte, ging er daran, sich über das eigentliche Wesen der Krankheit Gewissheit zu verschaffen. Sein Material bestand aus 16 Kranken, abgesehen von 75 mit in Berechnung gezogenen Fällen, über welche die Medicinal- Abtheilung der Gouvernements Angaben erthoilte. In 3 Fällen trat der Tod ein, = 19% Mortalität, welcher Procentsatz sich mit den in erwähnten 75 Fällen deckt. In zwei Fällen war Verstopfung der Harncanälchen mit geronnenem Haemogiobin die Todesursache, im dritten Falle trat der Tod ein während des Anfalles, in Folge massenhaften Zerfalls von Erythrocyten und dadurch verursachten tiefen Störungen des Lebensprocesses ohne zu reichliche Haemoglobinausschoidung. Insgasammt nur in 2 Fällen fanden sich im Blute Malariaplasmodien, aber unter solchen Umständen, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesem Befunde und dem Schwarzwasserfieber ausgeschlossen werden musste. In den übrigen 14 Fällen wurden, trotz wiederholter aufmerksamster Untersuchung in den verschiedenen Krankheitsstadieu, keine Spuren von Malariaparasiten gesehen, ebensowenig andere Mikroorganismen, auch nicht die von Yersin angegebenen. Die Krankheitsursache musste demnach eine andere sein und hierüber gaben unter anderen gerade die beiden Falle mit Parasitenbefund Aufschluss. Der erste Kranke, 8 Monate in Ostafrika, hatto vor Aufnahme in's Krankenhaus mehrfach Fieber, vor vier Wochen Schwarzwasserfieber nach Chiningebrauch. Nach einer Woche Aufenthalt im Krankenhause plötzlich Fieber mit Parasitenbefund, darauf- hin eine Chiningabe von 1 Gramm während der Apyrexie, einige Stunden hier- nach ein Schwarzwasserfieberanfall. Nachdem keine Symptome mehr bemerkbar und auch die Parasiten im Blut verschwunden waren, musste der Kranke zur Verhütung von Recidiven noch zwei Chinindosen nehmen, einige Stunden nach der ersten erfolgte ein typischer Anfall von Schwarzwasserfieber und genau zu derselben Zeit ein ebensolcher nach der zweiten, am fünften Tage nach dem Ver- schwinden seiner Malaria Dieser Kranke genas. Im 2. tödlich verlaufenen

Digitized by Google

254 II. Besprechungen und Litteraturangabeu.

sehr schweren Falle war die Veranlassung zur Chininbehandlung eine Tertiac- Malaria. Der Kranke gab an, lOmal, jedesmal nach Chiningebrauch, Schwan- wasserfieberanfülle gehabt zu haben, Arsen war bei ihm ohne Erfolg und ms seine Malaria]>arasiten zu beseitigen, wurden 0,5 Gramm Chinin subeutan. 4 Stunden vor dem zu erwartenden Anfall angewendet. Schon 2 Stunden dar- nach Schüttelfrost von halbstündiger Dauer, Entleerung von 250 ccm schwarz- rothen Urins, Erbrechen, Icterus, hierauf nach 8Vi Stunden Abgang von 150 ccm ebensolchen Crins, Coma, Herzschwäche, 10 Uhr Abends, 12 Stunden nach der Injection, exitus. Bei der Obduction, ausser starker Milzschwellung und icteriscber Färbung aller Organe, keine Veränderungen. Im Blut des Kranken hatte Verl nur Tertianparasiten in 2 Generationen gefunden, kurz vor dem Tode nur noch eine Generation, die andere, in deren Sporulationzeit die Chinininjection gefallen, war verschwunden. R. Koch nimmt daher an, dass bei gewissen Kranken eine Idiosyncrasie gegen Chinin vorhanden sein muss, so dass das Chinin dann ab Gift wirkt und Schwarzwasserfieber hervorruft, dabei entfaltet es auf etwa vor- handene Malariaparasiten seine bekannte, entwicklungshemmende Wirksamkeit wie die hier mitgetheilten Fälle beweisen. Die übrigen 14 Falle lagen auch so, dass sie als Chininvergiftungen (bei empfänglichen Personen Ret) ge- deutet werden konnten und viele andere nicht selbst beobachtete Fälle wei-en ebenfalls darauf hin, in den ersteren 14 bewiesen die Gestalt der ffiebercurre. das Fehlen der Parasiten und das Ausbleiben von Recidiven, dass keine Mal an vorhanden war, sie kann sich aber gelegentlich dabei zeigen und die Veran- lassung zu Chiningaben werden , welche bei vorhandener Idiosyncrasie der. Schwarzwasserfieberanfall verursacht. Es braucht deshalb aber nicht jede» Schwarzwasserfieber eine Chininvergiftung zu sein. Der Mensch kann auch an! andere Substanzen mit einer Haemoglobinurie reagiren. Wichtig wäre die Er- mittelung des Zustandekommens dieser Idiosyncrasie in den Tropen und ob zu beseitigen ist. Da Frauen und Eingeborene nicht an Schwarzwasserfieber leiden, vermuthet R. Koch Veränderungen der Blutbeschaffenheit bei thätigen männlicher Europäern. Die Feststellung des Wesens des Schwarzwasserfiebers dorei R. Koch kann bei den bisherigen differenten Anschauungen und therapeutisches Maassnahmen nur mit Freuden begrüsst werden, die Chinintherapie dabei oa« aufhören.

C. Däubler.

Ein Baitrag zur Kenntnis« der Kamerum-Malaria nebst Bemerkungen Ober saaiOn Verhältnisse des Schutzgebietes Kamerun von Dr. Döring, Assistenzarzt I. Oasse. Sonderabdruek aus: Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundbeitsnachr. 1898.

Verfasser behandelte vom 1. Mai 1896 bis 1. Februar 1897 in Karne nn 169 Malariaerkrankungen darunter 40 Schwarzwasserfieber. Von den Kranket mit Malaria ohne Hämoglobinurie ist ein Patient gestorben. Zwei Schiffsepidem« kamen zur Beobachtung, die eino mit einer Krankenliste von 17 bei 31 Maas Besatzung betraf einen Küstendampfer, die andere das spanische Kriegsscftil „Pelicano“. Die „Pelicano“ war durch einen Unfall beim Aufslipen behufs Re- paratur so auf das Slip gelagert worden, dass es noch theilweise vom Wasse: bespült wurde und der wechselnde Wasserstand eine Ansammlung von Schlanuz und l nrat ringsum bedingte. Es erkrankten iD einem Zeitraum von zwei Mooaac

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

255

trotz regelmässigen prophylactischen Chiningebrauchs von 88 Europäern und 12 Negern 36 Europäer und 1 Schwarzer zusammen an 98 Malariafällen. Der erste Fall trat 14 Tage nach dem Aufslipen ein. Die Diagnose wurde auch durch das Microscop gesichert

Auffallend ist iu dem Berichte die grosse Zahl von hämoglobinurischen Fiebern, vierzig in zehn Monaten ! Acht von diesen zeichneten sich durch heftiges anhaltendes Erbrechen, schweren Icterus und verminderte zeitweise ganz aufge- hobene Harnausscheidung bei niedrigem spezifischen Gewicht des Urins aus, fünf endigten tödtlich bei ehininloser Behandlung. Da der Obductionsbefund auf der Magenschleimhaut dicke zähe Schleimauflagerungen ergab, welche als Ursache des Erbrechens angesehen werden konnten, so versuchte D. dieselben bei den übrigen Kranken durch die von ihm schon früher angewandten Magenausspülungen mit alka- lischen Lösungen zu beseitigen. Der Erfolg war gut, die Anwendung selbst aber für die geschwächten Kranken zu angreifend. Deswegen ging D. zur inneren Anwendung von künstlichem Karlsbader Salz über und erzielte in mehreren Fällen Schleim- lösung, Aufbüren des Erbrechens und wohlthuende Durchfälle. In einem andern Falle, wo D. das Erbrechen als urämische Erscheinung auffasste, hatte ein Ader- lass von 100 ccm ausgezeichnete Wirkung.

Mehrere Male sah D. anstatt der Hämoglobins Gallenfarbstoff im Blut auf- treten. Die mitgetheilten Krankengeschichten erläutern die Verschiedenheiten im Verlauf der einzelnen Fälle.

Die microscopische Untersuchung ergab im Anfänge des Schwarzwasser- fiebers fast stets typische Malariaplasmodien, ein besonderer Erreger wurde nicht gefunden. In einem Falle trat Schwarzwasserfieber mit Plasmodien ohne vorher- gehenden Chiningenuss auf, in einen andern wurde Hämoglobinurie ohne Plas- modien anfangs ohne, später mit Temperatursteigerung wiederholt nach prophy- laktischen Chiningebrauch beobachtet.

Obschon D. den Standpunkt vertritt, dass der Ausbruch des Schwarzwasser- fiebers fast stets durch das Zusammentreffen von Chinin mit activen Malaria-Er- regern bewirkt wird, empfiehlt er doch zur Verhütung desselben eine regelmässige Chininprophylaxe, um das Blut an das Heilmittel zu gewöhnen. Im hämoglobi- nurischen Anfalle selbst vermeidet er Chinin.

Nach den bisherigen Aufstellungen der Kameruner Aerzte tritt das Schwarz- wasserfieber von Jahr zu Jahr häufiger auf.

Eine vergleichende Statistik der Sterblichkeit bei Männern und Frauen nach den Listen der Baseler Mission ergiebt eine Mortalität von 26, 2% bezw. 25% in einem Zeitraum von zehn Jahren. Die ersten Monate und Jahre des Aufent- halts in Kamerun sind die gefährlichsten. M.

Pest.

lieber die Pest. Nach eigenen Beobachtungen von Geh.-Rath Prof. Dr. R. Koch, Vortrag in der Gesellschaft für öffentl. Gesundheitspflege zu Berlin, 7. Juli 1898. Der Vortr. betont eingangs, dass die Expansionskraft der Pest sich geändert habe, während sie früher über ganze Ertheile sich verbreitete, kann sie jotzt mehr und mehr localisirt worden. Aber zugleich verschieben sich die Pestheerde und die

Digitized by Google

256

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

Verbreitungswege. In der neuesten Zeit konnten au der Südkiiste Chinas 1 891 in Hongkong Aerzte, welche mit unseren heutigen wissenschaftlichen Forschungs- methoden vertraut waren, feststellen, dass die dort herschende vielfach beschriebene Krankheit die alte Beulenpest sei Vor kaum zwei Jahren war diese Krankhe uns von Bombay aus bis London bedenklich nahe gerückt, jetzt noch wurde erst vor einigen Wochen ein pestverdächtiges Schiff in Suez in Quarantäne gelegt Die genaue Erkennung der Krankheit ermöglicht ihre Verbreitung zu hindern: wir verdanken dieses dem Japaner Kitasato, der uns den Pesterreger kennet lehrte. So konnte R. Koch jetzt in Indien den Schleier lüften, der das Wes« der Krankheit verhüllte und über Ausbreitungsweise, Immunitätsverhältnisse, pa- thologische Veränderungen orientireu.

Die Pest stellt sich nach R. Koch’s Auffassung als eine Rattenkrankhe:: dar; die Ratten übertragen sie erst auf den Menschen, da sie eine Bacterienm- fection ist, so muss sie irgendwo endemisch vorhanden sein, sie muss Heerde besitzen, von wo aus sie sich vorbreitet. Der Vortr. bespricht dann die alten schon bekannten asiatischen Heerde, 1. Mesopotamien, 2. Assir in Arabien, 3. Tibet und den süd- lichen Theil Chinas, die Provinz Junnam. Den vierten Pestherd den R Koch entdeckte, kannte man bisher nicht, er liegt in Ostafrika am Vietoria-Nyaoza i* Kisiba und dem benachbarten Uganda

Die Entdeckung dieses Heerdes schildert Vortr. eingehend, indem er Stahs- arzt Dr. Kubitza's Verdienste hervorhebt, welcher für ihn, der mit der Malans- forschung beschäftigt war, von der ostafrikanischon Küste aus am 31. 8. Is97 nach Kisiba gesandt wurde, um die R. Koch gemeldete, von ihm für Pest ge- haltene Krankheit zu untersuchen und nach seinen Vorschriften angefertigte Deck- glaspräparate vom Blut der Kranken und von Ratten zu senden, sowie Organe und ia Spiritus gesetzte Cadaver spontan erkrankter Ratten. Dr. Kubitza machte ausser- dem an Ort und Stelle 5 Obductionen. Die Krankheit wird von den Eingeborner, l/obunga oder Mbunga genannt, sie fürchten jeden Rattencadaver, denn sie wisse:, dass der Krankheit unter ihnen die Rattensterblichkoit vorangeht. Die Krankte' selbst gleicht in ihren Symptomen völlig der Bnbonenpest, beginnt mit Hinfälligkeit Schüttelfrost, Kopfschmerz, hoher Fiebertemperatur am 2. resp. 3. Tage, daraai sind die bekannten Drüsenschwellungen zu bemerken und verläuft fast immer tödlich, in 10 als echte Pest erkannten Fällen starben 9. Der Vortr. verfass dann einige kurze Krankengeschichten von der Hand des Dr. Kubitza, die eu» betrifft eine 26 jährige Negerfrau, welche Abends Schüttelfrost hatte, am anderen Morgen wallnuss bis pflaumengrosse Bubonen in der linken Leistengegend, jcf Druck schmerzhaft, oben rechts am nals eine geschwollene Drüse. Ueber de» Drüsenschwellungen zeigte sich kein Oedem. Am 4. Tage leichte Durchfalle, ss 5. Tage exitus. Bei der Section zeigten sich in den hacmorrhagischen Drüsec eine solche Menge von Pestbacillen, dass die Drüsen davon erfüllt erschien« Im zweiten Fall, wo die gleichen Symptome neben Aufgetnebensein des Abd-rs« zuerst auftraten und am 3. Krankheitstage der exitus erfolgte, fanden sich be der Section in der linken Leistengegend wallnussgrosse Drüsen, auf dem Dursci- schnitt dunkelrothes Zellgewebe zeigend, eine andere sah auf den Schnitt rsth- grau aus. Die Gefässe des Netzes waren stark mit Blut gefüllt, mesenterial and retroperitoneale Drüsen vergrössert Hämorrhagien in derSerosa des Darms, die JEi sehr gross, weich, die Nieren sehr blutreich. Die Leistendrüsen beiderseits bildet« eine Kette, ln Leber und Milz, besonders in letzterer, fand R Koch so viel P«s-

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

257

bacterien, dass deren mehr waren als Milzzellen. Die gefundenen Bacterien gleichen in Aussehen und Verhalten gegen Farbstoffe völlig denen in Indien bei der Pest beobachteten.

Die Verhältnisse in Kisiba sind der Pestentwicklung sehr günstig. Die Bewohner loben fast nur von Bananen, die Bananenhaine, welche sich über das ganze land erstrecken, sind undurchdringlich und in diesem für Luft und Licht unzugänglichen Dickicht wimmelt es von Batten. Erkranken die Ratten, so ist eine Uebertragung auf Menschen durch die Bananen und auch durch die Haut, erklärlich, ebenso wie durch Getreide, da in den Getreidesäcken oft verendete, pestkranke Ratten gefunden werden. (Ref.) Die Ratten inficiren sich auch unter- einander, wie durch Fütterung.

Kisiba sieht R. Koch nur als den Ausläufer eines Postheerdes an, dor sein Centrum im benachbarten Uganda am Kagera-Nil hat, Kisiba liegt in einem Winkel zwischen Kagera-Nil und Victoria-Nyanza ausser allem Verkehr. Nach den Aussagen von Missionaren soll in Uganda seit undenklichen Zeiten die Pest endemisch sein. Ugandas Verkehr mit der Aussenwelt wird nach Osten zu durch die Eisenbahn nach Mombassa eröffnet, nach Norden haben jedenfalls Sclaven- transporte die Krankheit verschleppt, so hat Emin Pascha in seiner Provinz, nach Aussage Dr. Stuhlmann’s, Pestfälle beobachtet, und die isolirten Pestausbrüche in Aegypten kann man sich auch nur auf solche Weise erklären.

Vortr. ist der Ansicht, dass bald auch der letzte Pestheerd gesäubert werden könne. Nachträglich bemerkt derselbe, dass die Pestbacterien aus China und von überallher dieselben seion. Der Einwand, dass für Afrika Beweise "durch ange- legte Culturen fehlten, sei nicht stichhaltig, weil förmliche Reincultnren auch in den ihm zugosandten Organen vorhanden waren, besonders bei den Ratten. Dieser Beweis sei besser, als der durch Culturen auf künstliche Nährböden, die man in der Wildniss nicht herstellen kann.

C. Däubler.

Icterus.

Een geval van Icterus febrills, beschrieben von Goedhnis Rail und Eykman.

Geneeskundig tijdschrift voor Ned-Indie, Deel 36 Aflevering 4. 1896.

Patient, ein eingeborener Soldat, litt an stark remittirenden Fieber, Morgens 37 38' C. Bluttomperatur, Mittags 40 40,5°, unter Chiningebrauch blieb er in den ersten Tagen nach der Aufnahme am 1./10. 95 subfebril. Am 12./10. trat Icterus ein. Die Herzdämpfung ging nach rechts in den gedämpften Ton des infiltrirten mittleren Lungenlappen über. Am Mitral- und Pulmonalostium starke systolische Geräusche, der 2. Pulmonalton verstärkt, Leber und Milz vergrössert, Druck auf die Leber sehr schmerzhaft. Der dunkelbraune Urin enthielt viel Eiweiss, dessen Sediment Leucocyten und granulirte Cylindor. Die Blutunter- suchung auf Malariaplasmodien fiel negativ aus. Unter Zunahme der Herzschwäche Collaps, am 16. Tage exitus letalis.

Resultat der Obduction (6 Stunden nach dem Tode): Hepatitis parenchymatosa acuta cum ictero hepatogeni. Foci bronchopneumonici. Pleuritis et Pericarditis serofibrinosa recens. Endocarditis chronica fibrosa valvulae mitralis. Dilatatio cordis totius et degeneratio parenchymatosa. Degeneratio parenchymatosa renura. Perisplenitis adhaesiva.

Digitized by Google

258

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

Sowohl vom Herzblut, als von Leber, Milz und Nieren wurden Agar- und Blutserumculturen ohne Erfolg angelegt Deckglaspräparate zeigten keine Mikroben.

C. Däubler.

Over den Icterus febrilit, de acute gele leveratrophie en de acute phosphorusinto- xlcatie door C. L. Bense. Geneeskund. tijdschrift voor N. Indie. Deel 37. Afl. 3. u. 4. 1897.

Im Anschluss an einen im grossen Militärepital zu Soerabaya beobachteten Fall von Weil’scher Krankheit, welcher nach allen Richtungen genau analysm wurde und durch Vergleichung mit anderen, auch in der Literatur bekannt ge- wordenen Fallen von obengenannten drei Krankheiten in verschiedenen Klimaten. kommt Yerf. zu folgenden Schlüssen.

Während bei der acuten Phosphorvergiftung der Tod bereits durch Läh- mung der Herznervencentra eintreten kann, ehe die parenchymatöse Degeneration vorgeschritten ist, muss die acute gelbe Leberatropie nur als ein Symptom der acuten parenchymatösen Degeneration im Verlaufe des icterus catarrhalis ange- sehen werden, welche durch Resorption eines Enzyms verursacht wurde, das sich durch Fermentation abnormen Darminhaltes bildete.

Die Weil'sche Krankheit sei eine Infectionskrankheit, verursacht durch Pro- teustluorescens und mit Unrecht oft für acute gelbe Leberatrophie angesehen.

Der Icterus epidemicus in Europa ist die epidemische Form von icterus febrilis.

In Gegenden, wo der icterus febrilis endemisch ist (Aegypten, Südamerika!, sind die Epidemien mörderisch. Das ganze klinische Bild vom biliösen Typhoid und tropischen Gelbfieber, und auch die Obducti onsresultate stimmten mit Wefl'- scher Kraukheit überein. Es schiene, dass Boden und Klima und noch andere Factoren (?) in den Tropen eine intensivere Infection verursachten. Ueber die Art des Enzyms und dessen Darstellung schweigt Verfasser.

C. Däubler.

Parasitäre Krankheiten.

Weitere Beiträge zur pathologischen Anatomie der Bllharzia (Distoma haematobiu«. Cobbold). 1 Tafel, Fig. 1 von Dr. St. Kartulis. Arzt am Regierungshospitsi zu Alexandrien. (Virchows Archiv, Band 152, Heft 3.)

Nachdem der bokannte Autor über einen Fall von Epitheliom des Fasses und Unterschenkels mit Bilharzia-Eiem behaftet berichtete, der nach Amputation genau microscopirt wurde, wodurch in der Granulationszone des Hautepithelice» und an der Peripherie der Epithelzapfen, Bilharziaeier nachgewiesen werden konnten, zeigt er, dass um die Eier das Bindegewebe hypertrophirt. In dem fettig entarteten Gewobo der Muskeln befanden sich keine Bilharziaeier. Die Frage, wie die Eier in Fuss und Unterschenkel gelangt sind, kann Verf. nicht ohne Zuhilfe- nahme von Untersuchungsresultaten anderer Forscher beantworten, er schliesst sich für seinen Fall der Ansicht von Harley Brock und besondere Loos an. dass die Parasiten direct durch die Haut übertragen werden, z. B. beim Baden. Die Stachel- drüsen der Billiarzia finden sich in solcher Ausdehnung nirgends bei andere®

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben. 259

Trematoden-Embryonen und ihr Secret übt eine erweichende Wirkung auf die Haut von Froschlarven aus. Dass die Parasiten entgegen dem Blutstrom von den Unterleibsvenen in die des Unterschenkels hinabechwimmen , sei weniger wahr- scheinlich. Verf. giebt dann noch eine Uebersicht des Vorkommens von Ge- schwülsten bei Bilharzia, woraus besonders die Häufigkeit der Blasentumoren, darnach der des Bectums erhellt, da fast in jedem Falle von fortgeschrittener Bilharzia-Blasenentzündung dio Schleimhaut mit Knötchen besetzt ist, die je nach ihrer Grösse als Papillome, Polypen und Fibrome bezeichnet werden können und welche in ihrem Gewebe eine grosse Menge von Distomeneiern beherbergen. In 300 Biiharziafällen beobachtete Verf. 10 mal Carcinom der Blase, davon 9 primär, eins von der Prostata ausgehendes, in deren Bindegewebsstroma die Distomeneier frei lagen. Sarcom bei Bilharziainfection beobachtete Kartulis nur einmal. Im Rectum verursachen die Distomeneier Blutungen, Verschwärungen und sehr häufig kleine aus gefässreichem mit Eiern durchsetzten Bindegewebe bestehende Polypen. Primäres Rectumcarcinom bei Distomeninfection fand Verf. nur einmal.

C. Däubler.

Rinderpest.

Berichte Ober die Fortchungsergebnitte aus Deutsch-Ostafrika von Robert Koch.

Deutsches Kolonialblatt. 8 Nummern vom 12./2. bis 1./5. 1798.

Kurz vor seiner Excursion zum Usambaragebirge entnahm R. Koch Rinderzecken von Thieron, welche einer mit Texasfieber inficirten Herde ange- hörten und scheinbar gesund waren. Sie wurden in ein mit Wattoverschluss versehenes Glas gesetzt. Zecken von einem texasfieberkranken Kalbe, das am nächsten Tage starb, wurden ebenso abgenommen und aufbowahrt. In den nächsten Tagen legten die Zecken Eier, woraus während des 14 tägigen Transportes sich junge Zecken entwickelten. Diese jungen Zecken wurden auf zwei gesunde, aus dem Inneren (texasfieberfrei) stammende Rinder gesetzt, auf zwei ebensolche Rinder setzte R. Koch die vom texasfieberkranken Kalbe stammenden Zecken. Nur im Blut dieser letzteren fanden sich vom zweiten Tage nach dem Ansetzen der Zecken in den Erythrocyten Exemplare von Pyrosoma bigeminum (von bim- förmiger Gestalt). Diese beiden Rinder wurden auch nur krank, die anderen blieben gesund und parasitenfrei. Im Blut der beiden leicht erkrankten Rinder hielten sich die Parasiten 10 12 Tage. Ais diese zwei Versuchstiere, ausser den beiden obengenannten und zwei frischen Rindern, jo mit 20 ccm defibrinirten Blut von texasfieberkranken Thieren durch Unterhautinjection geimpft waren, erkrankten sie nicht, hingegen die 4 anderen Thiere, deren Erkrankung sich durch Verminderung der Fresslust, Mattigkeit, Temperatursteigerung, Muskelzittern äusserte. Vom 5. Tage an fanden sich Pyrosomen, welche sich 10 Tage lang im Blut zeigten. Vorher hatte R. Koch in gleicher Weise 4 frische Rinder geimpft, ■welche ebenso erkrankten.

Die Schlüsse, welche Verfasser aus diesen Versuchen zog, waren: 1. Junge Zecken können, ohne mit kranken Thieren in Verbindung gekommen zu sein, Texasfieber erzeugen, wenn ihre Eltern auf kranken Thieren sassen. 2. Ueber- stehen der leichtesten Texasfieberform verleiht Immunität gegen Infection mit erheblichen Mengen von Texasfieberblut. R. Koch will weiter prüfen, ob

Archiv f. Schiff»- u. Tropenhygiene. II. 19

Digitized by Google

260

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

diese immunisirten Thiere auch gegen natürliche Infeetion im rerseuchten Küstengebiet immun sind, und wie sie sich gegen Injection von Blut mit den Jugendformen der Parasiten verhalten. C. Däubler.

Chirurgie.

Bydragen tot de Kennit van den aard der verwondingen in den toekometigen zeeoorlog

(Beiträge zur Kenntniss der Art der Verwundungen im zukünftigen Seekriege) von Dr. J. A. Portenga. Sonderabdruck aus dem holländischen Marineblad. 18. Jaargang, 1. all.

Verfasser giebt einen Auszug aus den japanischen Statistiken über die Ver- wundungen und Verluste im Seekriege gegen China im Jahre 1894. Unter Be- rücksichtigung der eigenartigen Verhältnisse in jenem Kriege, wo die Japaner keinem so heftigen Schnellfeuer ausgesetzt waren, wie sie es seihet gegen die Chinesen unterhielten, kommt P. zu dem Schlüsse dass:

1. In den Seegefechten der Zukunft auf sehr zahlreiche und schwere Ver- wundungen gerechnet werden muss.

2. Das Verhältniss zwischen Verwundeten und Getödteten ein sehr un- günstiges sein wird.

8. Nach Möglichkeit alle Gegenstände, welche zu Verwundungen Ver- anlassung geben können, weggeräumt werden müssen.

4. Eine grosse Zahl von Brandwunden zu erwarten sind.

Im Gegensatz zum Landkriege überwiegen im Seekriege die Verletzungen des Kopfes und der oberen Gliedmassen.

Die Erfahrungen in den spanisch-amerikanischen Seeschlachten dürften diese Ausführungen bestätigen. M.

IH Sonstige Werke.

Maiattie predominantl nei paesl caidl tamperati, von Dr. Filippo Rho, Turin 1897, Rosenberg & Selber (Fortsetzung).

Bei „Vergiftungen durch den Genuss giftiger Fische“, Caphel XIII, muss man unterscheiden: 1. Fische, welche nur schwer verdaulich sind z. B. wegen öligen Fleisches, sodass Verdauungsstörungen entstehen, welche in dein Tropen leicht den Charakter einer Vergiftung annehmen; 2. solche Fische, welche in Folge Veränderung ihres Fleisches durch Ptomain-Bildung giftig werden-, 8. an- dere, die durch die Zubereitung oder schlechte Conservirung schädlich wirken. 4. einige, welche in Folge Aufnahme giftiger Stoffe bei dem Menschen Giß- wirkung hervorrufen können. (Ein Chaetodon (Borstenzähner) von Java z. B. bat köstliches Fleisch. Sein Genuss kann aber, wenn er sich von giftigen Korallen genährt hat, bedrohliche Erscheinungen bei Menschen nach sich ziehen.) 8. die eigentlichen Giftfische, welche entweder dauernd oder regelmässig zu gewisse^ Zeiten giftig sind.

Manche Fische bewirken nur Urticaria, andere, wie ein Serranns (Zacke- -

Digitized by Google

III. Sonstige Werte.

261

barsch) von den Antillen Erbrechen und Durchfälle. Das Fleisch einer japani- schen Sardellenart, EDgranlis japonica. ist während der heissen Jahreszeit für den Menschen gefährlich, für Katzen und Hunde stets todtbringend. Die in deu tropischen Meeren vorkommenden Sardinenarten Dessumieria und Meletta, die Sphyraenen (Spitzhechte) der Antillen, die Diodon- (Igelfische) und Ostiacion- (Kofferfische) Arten haben giftiges Fleisch. Der giftigste Fisch ist wohl der Te- tradon (Vierzähner) vom Kap der guten Hoffnung. Selbst kleine Mengen seines Fleisches tödten bald nach dem Oenusse. Das Gift desselben hat seinen Hauptsitz in den Genitalien und ist ein Leucomain , welches weder durch Kochen noch durch Alkohol zerstört wird und selbst von der Haut aufgenommen noch wirksam ist. Die spanischen Aerzte der Antillen bezeichnen den oft schwankenden Symptom- komplex der Fischvergiftungen mit dem Namen Siguatera (richtiger Ciguatera - = Gelbsucht nach Fischvergiftung. Ref.) Brechmittel, Magenausspülung und Reiz- mittel sind bei Fischvergiftung je nach den Symptomen und äusseren Umständen anzuwenden.

Hautkrankheiten (Kapitel XIV) und chronische Infektionskrankheiten mit kutanen Manifestationen (Kapitel XV) beanspruchen nur sieben bezw. dreizehn Seiten , weil manche Krankheiten , welche auch hierhin passten , an anderer Stelle besprochen werden, wie z. B. Madura-Fuss (Kap. XVJ) und Ainhum (Kap. XVII).

Der Ansicht Rho’s, dass der Lichen tropicus ein Erythem sei, kann Ref. nicht beistimmen, da das Leiden Effloreszenzen zeigt, welche Ekzemcharakter haben, dagegen wird Verruga peruviana mit Recht von der Framboesia getrennt und die Differentialdiagnose zwischen diesen Krankheiten und der endemischen Beulenpest deutlich dargelegt

In Kapitel XVTH, Neurosen, konnte die Entdeckung von Cagigal und La- pierre (siehe Band II, Heft 2 S. HO dieses Archivs) leider noch nicht berück- sichtigt sein. Betreffs der Latah der Malaien betont Rho, dass diese oder eine ganz ähnliche Nervenkrankheit nach Hammond auch in Sibirien unter dem Namen Miryachit und in Nord-Amerika nach Beard unter dem Namen „jumping“ be- obachtet worden ist, erinnert an den mittelalterlichen Veitstanz und gibt einige von Charcot, Melotti und Capozzi herrührende Krankengeschichten aus europäi- schen Kliniken, welche Verwandtschaft mit der Latah zeigen.

Ein guter Gedanke des Verfassers war es in Kap. XIX das Auftreten und den Verlauf einiger in den warmen Klimaten häufigen Krankheiten zu erörtern, welche keine Tropenkrankheiten sind.. Durch die Einreihung der Anämie in dieses Kapitel kennzeichnet Rho seinen Standpunkt. R. bespricht nicht die „tro- pische1* Anämie, sondern die Anämie, wie dieselbe durch die sonstigen Tropen- krankheiten begünstigt wird. Einen grösseren Einfluss räumt er den rein physi- kalisch-klimatischen Verhältnissen auf die Entstehung der Dyspepsie in warmen Ländern ein, welche man als gastrische, intestinale oder hepatische Form beob- achten kann. Magenkrankheiten sind in warmen Ländern von grösster Bedeu- tung, sei es, dass dieselbe als gestörter Chemismus oder als Atonie des Magens auftreten. In beiden Formen sind sie auch bei den Eingebornen häufig. Das- selbe gilt von der intestinalen Dyspepsie, welche meistens durch die dritte Form, die hepatische Dyspepsie, bedingt wird. Diese wichtige Krankheit beruht auf Störungen der Leberthätigkeit. Die Gallenabsonderung ist vermindert und es entstehen abnorme Gährungsvorgänge im Darme. Die Gallenbestandtheile werden dagegen im Blut zurückgehalten und die Zersetzung der Eiweisstoffe bleibt un-

19*

Digitized by Google

262

III. Sonstige Werke.

vollkommen. Stickstoffreiche Nahrung begünstigt das Auftreten der hepatische!! Dyspepsie (deren scharfe Abgrenzung von dem Anfangsstudium des Hepatitis wohl unmöglich ist, Ref.) während die Kohlenhydrate trotz der verminderten Gallen- absonderung oxydirbar sind und nur durch Erzeugung primärer Magenkat&rrh« schädlich wirken können. Behandlung und Verhütung decken sich vielfach. Gleichgewicht zwischen stickstoffhaltiger und stickstofffreier Nahrung, Vermeidung von Alkoholexcessen , körperliche Bewegung, alkalische Wasser sind empfehlen*- werth. Die medikamentöse Behandlung muss nach den Symptomen verschieden sein.

Die Diarrhöe tritt in wannen ländern in mannigfaltigen Formen und Be- ziehungen auf. Man kennt praemonitorische Diarrhöen bei Cholera und Dysenterie, symptomatische Durchfalle bei Organerkrankungen besonders bei Leberentzüs- dungen, diarrhöische Verdauungsstörungen nach Genuss von ungeeigneten oder leicht gährenden Nahrungsmitteln oder schlechtem Wasser, Diarrhöen, weh he durch atmosphärische Einflüsse, besonders durch Schwankungen der Luftfeuch- tigkeit bedingt sind. Besonders bemerkenswerth ist aber die specifische endemische Diarrhöe der heissen Länder, deren Trennung von der chronischen Dysenterie zuerst von den französischen Aerzten in Cochinchina versucht wurde, und welch« auch als Aphthae tropicae bezeichnet wird.

Von den exanthematischen Fiebern haben die Pocken ihre schlimmsten Bnr- stätten in Indien, Centralafrika und im tropischen Amerika. Die Masern dagegen haben unter allen Breitengraden denselben Verlauf. Wenn auf einzelnen ln«e!« z. B. Fidschi die erste Epidemie der neu eingeschleppten Krankheit einen heben Procentsatz der Bevölkerung dahinraffte, so ist die Ursache der hohen Sterblich- keit weniger im bösartigen Charakter der Krankheit zu suchen als in dem Um- stande, dass die erschrockene Bevölkerung die Kranken entweder sich selbst überliess oder doch in ungeeigneter Weise pflegte und behandelte. Die euro- päischen Missionen hatten unter den von ihnen behandelten eingebornen Kranken nur die Durchschnittsmortalität. Scharlach tritt im Allgemeinen in den Tropa: milder und seltener als im kälteren Klima auf. Immerhin sind im tropisch« Südamerika einige schwere Epidemien beobachtet worden. (Fortsetzung folgt!

U.

lustu* Perthes' Deutscher Marine-Atlas, bearbeitet von Paul Langhans mit Begieit- worten von Kapitänlieutenant a. D. Brnno Weyer. Gotha, Jnstus Pertfc«. 1898. Preis 1 Mk.

Der preiswerthe Kleine Atlas enthält fünf übersichtliche Karten:

1. Die Deutsche Kriegsmarine im Anslande, auf welcher die heimisch« und aussereuropäischen Stationen veranschaulicht werden.

2. Die Deutsche Küsto (westlicher Theil).

3. Die Deutsche Küste (östlicher Theil) mit Angaben über die Küstae- befestigungen, Kü-stenbezirke, Brandschatzungen und Bombardements *st- gesetzten Küstenplätze, Flaggen- und Signaleinrichtungen.

4. Die Deutschen Schutzgebiete.

5. Das Deutsche Reich in Ostasien (Darstellung des Kiautschou-Gebiets, dar Consulate und Dampferlinien).

Der begleitende Text erleichtert das Studium der Karten und gedenkt der bb- herigen Thätigkeit der Deutschen Flotte und des neuen Flottengesetzes.

M

Digitized by Google

Anzeigen.

Preia für die gespaltene Zeile SO Pfg. Bei Wiederholungen entsprechender Rabatt.

Die Behandlung der Diphtherie.

mit dem Natrium sozojodolicum1’ hat folgende Vorzüge:

1. Die Art der Application dieses Mittels ist sowohl für den Arzt, dio Fa- milie, wie auch für die kleinen Patienten die relativ angenehmste, die niemals an dem Widerstande der letzteren seheitert.

2. Nach 1 2inaliger Anwendung sinkt das Fieber rasch, der Foetor ex ore verschwindet, die Membranen lockern sich allmählich und stossen sich innerhalb 24 bis 48 Stunden ab, worauf die Geschwürsfläche bereits vollkommen geheilt erscheint.

3. Die Mortall tätszahl Ist die denkbar niedrigste, sie erreicht noeh nicht 10 Vo-

4. Das Natrium sozojodolic. tödtet nicht nur den Löffler’schen Bacillus schnell und sicher, sondern auch die, diesen fast stets begleitenden Streptococcen, Staphylococcen etc.*)

5. Selbst der Aermste ist in der Lage, die Behandlungsmethode durchzuführen, weil nur ein kleines Quantum des an und für sich billigen Medicamentes zur Verwendung kommt.

6. Selbst wenn das Pulver nicht direct auf die erkrankten Stellen gebracht wird, gelangt es doch in Folge der Kan- und Schlingbewegungen auf diese, bleibt dort längere Zeit haften und löst sich im Speichel allmählich, wodurch es in die Lakunen der Tonsillen dringt und die pathogenen Stoffe zerstört Dadurch wird eine längere Zeit anhaltende Desinfection zu Stande gebracht, was bei Pinselungen nicht der Fall ist

7. Das Natrium sozojodolic. ist absolut ungiftig und kann in Mengen von 8 g und darüber pro die dem Organismus einverleibt werden, ohne dass unan- genehme Nebenwirkungen sich zeigen.

Behandlungsmethode: Man blase vermittels eines Zerstäubers oder eines langen Papierrohres 4stündlich in die Mund- resp. Nasenhöhle ein:

Bei Kindern unter 3 Jahren:

Kp. : Nitril lozojodolic. pulv. •bt. 2 g.

Flor, «olfur. 6 g.

D8. Zum Einbluen.

Bei Kindern unter 5 Jahren:

Bei Erwachsenen;

Rp. : Natrli sozojodolic. palv.

•bt. Flor, snlfur. »

2 R-

DS. Zam Einbläsern ||

Rp.:

Natrli sozojodolic. palv. sbt. 6 g.

D8. Zam Einbissen.

i) Conf. Prof. Dr. Setter , Monatsschrift für Ohrenheilkunde, sowie für Kehlkopf- , Nasen-, Rachenkrankhel teu. No. 3, 1896.

K Prof. A. Fasane, Archivio internazlonale dl Medlcina e Chirurgla, No. 12, 1897.

Dr. Schwarz. Internat, klln. Randschau, No. 21, 1892.

Dr. Dräer, Deutsche med. Wochenschrift, No. 27 and 28, 1894.

Dr. Maximilian Bresgen, Krankheit*- and Behandlungalehre der Nasen-, Mond-, Rachenhöhle etc., 2. Aufl., pag., 161.

* Dr. Schwarz, Wiener klin. Wochenschrift, No. 43, 1895. k) Oonf. Prof. Dr. Langgaard, Therapeut. Monatshefte, Septemberheft, 1888.

Prof. A. Fasano, Archivio interaazionale di Medlcina e Chirurgla, No. 12, 1897.

Dr. A. Lübbert, Fortschritte der Medicin No. 22 und 23, 1889.

Dr. Dräer, Centralblatt für Bacterlologie and Parasitenkunde. Band XIV, No. 7, 1893.

Dr. Spirlg, Zeitschrift für Hygiene und Infectionakrankheiten. Band XIII, Heft 1, 1893.

Dr. Dräer, Deutsche med. Wochenschrift, No. 27 and 28, 1894.

Dr. L. Sallnger , Assist. Arzt , Arbeiten a. d. Ambulatorium und der Privatklinik für Ohren-, Nasen- und Halsleiden von Professor Dr. Stetter, Königsberg, Heft H, 1895.

Broschüren und Krankengeschichten gratis nnd franco von

H. Trommsdorff, Chemische Fabrik, Erfurt.

Digitized by Google

s<hUu- ,Tabloid h-,v'

Hand- und Taschenapotheken

mit comprimirten ,Tabloid‘-Medicamenten ausgeruestet, sind die compacteste und bestmoeglichste medicinische Ausruestung fuer den Arzt. Wir halten eine grosse Auswahl von solchen ,Tabloid - Apotheken auf Lager und koennen dieselben nach Belieben aus- gestattet werden. .Tabloid'- Apotheken wurden in den Feldzuegen von Chitral, Aschanti, Soudan und waehrend des tuerkisch- griechischen Krieges benutzt. Stanley, Nansen, Jackson und die kuerzlich stattgehabten hauptsaechlichsten Expeditionen wurden mit denselben ausgeruestet. Es wurde gefunden, dass die .Tabloid- Medicamente noch nach dreijaehrigem Reisen in den tropischen Zonen ihre therapeutische Wirkung beibehalten hatten. Die oben illustrirte Hand-Apotheke (Modell K) ist vollstaendig ausgeruestet mit ,Tabloid‘-Medicamenten, Pravazspritze etc.

Von Mk. 160 an.

BURROUGHS WELLCOME & CO., London.

Fner fernere Ansknnli, ll!a:tnti<meo etc. «ende man sieh netint an

P , Linkenheil & Co., Berlin W., Genthinerstr. 19.

Dr. Ernst Sandoir's

künstliche Mineralwasser- Salze

Rationeller Ersatz der versendeten natürlichen Mineralwässer.

Beit 1880 in den Arzneischatz eingefübrt.

Sie mscben keine Schwierigkeiten beim Transport und der Aufbewahrung, eignen sich des- halb sowohl für den Hausgebrauch, als auch für die Reise und für den Versand in ferne Gegenden.

Die Sandowschen Mineral* aasersalze gewähren bis über 20C0 pCt Ersparnis.

Trinkkuren hierdurch auch für Un- bemittelte möglich.

Ea kostet z. B. eine 3- bis 4-wöchentl. Kur mit künstl. Emser oder Carlsbader Salz nur 75 Pf. resp. 1 Mk. gegen 18 bis 25 Mk. mit versend, natürl. Wasser.

Verzeichniss der dargestellten Mineralwassersalze In Gl&sern mit Maassglas zur Abmessung einer Dosis (Trinkglas).

Name der Quelle, deren Analyse der Darstellung zu Grunde gelegt ist.

N

*3 a oo £ »

shi

o II £

Name der Quelle, deren Analyse der Darstellung zu Grunde gelegt ist.

■3 g-

00 I M - O **• 2.^-Z

O || h

Name der Quelle, deren Analyse der Darstellung zu Grunde gelegt ist.

M

•a o-i

nt

O || H

Assmannshäuaer ....

450

Kissinger (Rakoczy) . .

100

Sslzbrun. (Kronenq.) . .

200

Baden-Badener . . . .

200

Krankenheiler . . . .

750

Salzschlirfer

75

Biliner (Joeepbq.) . . .

100

Kreuznacher (Elisen-Q.)

60

Sedlitzer

25

Carlsbader (Sprudel) . .

100

Marienbader

10C

Sodener (Milchbr.) . .

150

Ef?er (Balsq.)

100

Mergentheimer . . . .

25

. (Warmbr.) . .

120

Elster (Salzq.) . . . .

100

Neuenahrer (8pr.) . . .

200

(Soolbr.) . . .

40

Emser (Kränchen, Kessel-

ufener (Hunyadi Janoa)

15*

Taraaper (Luclusq.) . .

50

brunnen, Victoriaq.)

150

Offenbacher

120

Vichy (gr. grille) . . .

100

Fachlnger

100

PüUnaer

20#

Weilbachcr (Natr.-Lith.)

150

Friedrichshaller ....

25

Pyrmonter (Salzq.) . .

100

Wiesbadener (Kocbbrun.)

100

Haller Jodquelle (Taaailo-

Radeiner

100

Wildunger (Georg-Victor-

quelle)

50*

Saidschützer

25*

qnelle)

300

Heilbr. (Adelbeidq.) . .

100

Sslvatorq. (Eperies) . .

150

Wildunger (Helenenq.) .

120

Homburger Elisabeth-Q.

60

Salzbrun. (Oberbr.) . .

150

Reep, doppelte Anzahl Weingläser.

In loser Form werden die Mineral wasseraalze nicht abgegeben.

I>r. Ernst Sandow’s

medizinische Brausesalze.

Diese Präparate haben folgende Vorzüge:

Man erreicht die Heilwirkung, welche man für vielo Fälle mit sogenannten Trinkkuren beabsichtigt : z. B. durch die Eisen-, Kalk- und Lithiumpräparate, Jodsalz, Selterssalz u. a.

Die Medikamente werden dem Patienten in angenehm schmeckender und leicht zu neh- mender Form geboten.

Die bei der Löaung im Wasser sich entwickelnde Kohlensäure wirkt erfrischend und an- regend auf die Magenschleimhaut und unterstützt, ebenso wie das begleitende Natrium- oder Alkalicitrat (die Brausemischung) die Wirkung.

Die pflanzensauren Alkalien, speziell die citronensauren, sollen bei längerem Gebrauch und in Fällen, wo ea sich darum handelt, dem Blute grössere Mengen kohlensauren Alkalis zuzuführen, besser vertragen werden, als die kohlensauren (n. Btadelmann-Dorpat: Ueber den Einfluss der Alkalien auf den menschlichen Stoffwechsel.)

Gebrauchsanweisung: Man füllt ein Trinkglaa (ca. 200 Cbc.) zu */8 mit Wasser, schüttet das mit dem Maassglas oder einem Löffel abgemessene Brausesalz hinein, rührt schnell mit einem Löffel etwas um und trinkt die Lösung während der Kohlensäure -Entwickelung aus. Einem Weinglase entspricht 1/| Maassglas.

Verzeichnis der Braueesalze in Gläsern mit Maatsglas zur Abmessung einer Dosia.

F. Dos.

F. Dos.

F. Dos.

Trink gl.

Trinkgl.

Trinkgl.

Br. Alkalicitrat (für Dia-

Br. Eisencarbonat . . .

80

Br. Jod-Lithiumsalz .

50

betlker)

80

Eiaencitrat . . . .

30

a Lysidinsaiz . . .

20

Bromaals

15

75

Eisen-Manganaalz . . Eisen-Pyrophosphat .

30

30

Magnesiumoltrat .

.

löffel-

weise

Brom-Eisensalz . . .

15

Jodsalz 6pCt. schwach

80

. , mit Eisen

30

Calclumphospholactat

30

, 15 pCt. stark.

30

, Natrlumsalicylat

20

Calclumphoepholactat

Karlsbader Salz . .

35

. Piperazinsalz . .

20

mit Eisen

30

Litbiumbenzoat . .

50

a Wismuthsalz . . .

20

Chinin-Eisencitrat . .

so

Lithiumcarbonat . .

50

Rhabarber-Brausesalz

20

Coffeinsalz

Brom- Coffeinsalz . .

20

20

Lithiumcitrat . . . Lithlumsalicylat . .

50

50

Selters Erfrlschungssalz

löffel-

weise

. . | tu | a . . | «/V | I w«»-

Auch die oben verz. Mineralw.-Salze werden in Bransesalzform angefertigt, pr. Gl. Mk. 1,20. Die Ban4ow*echeii Salze sind zu beziehen durch die Apotheken, sowie direkt von der Fabrik. Prospekte gratis von der Fabrik.

Chemische Fabrik von Pr. Ernst Sandow- Ham bürg.

Digitized by Google

Verlag von Johann Ambrosius Barth in Leipzig.

Soeben erehien und sei bestens empfohlen:

Lieber das Pathologische

bei

GOETHE

von

Dr. P. J. Möbius,

Nerremrit io Le lpiig.

broschirt M. 2.40, gebunden M. 3.20.

Goethekenner, Goetheforscher, Goethefreunde, die ganze grosse Goethegemeinde, sie alle werden überrascht sein von diesem Buche. Für sie Lst es ein Ereigniss. Also auch Goethe, dessen classische Ruhe nicht zum wenigsten ihm den Namen Olympier eingetragen, auch er ein Kranker? Nun so schlimm ist's nicht. Aber es ist wohl das erste Mai dass er von einem Mediciner ausschliesslich wissenschaftlich pathologisch aufs Korn genommen wird. Der Verfasser prüft, nachdem er einen er- läuternden Abriss des Wesens der Psychiatrie vorausgeschickt und Goethes Verhältniss zu dieser und der Pathologie überhaupt eingehend beleuchtet hat, die Figuren Goethes auf ihre pathologisch richtige Zeichnung hin. Schliesslich kommt Goethe selbst an die Reihe. Ihm und dessen Familie widmet er die grössere Hälfte des 208 Seiten umfassenden Buches. Da> Pathologische in Goethe selbst aber zu besprechen nennt der Verfasser die schwierigste Aufgabe. Sie ist ihm aber gelungen. Bei der ihm eigenen flüssigen Sprache ist er so klar, leichtverständlich und überzeugend, dass dem Leser gar keine Ahnung kommt von der »Schwierigkeit der Auf- gabe, die ein sehr exactes Quellenstudium erfordert hat. Das hoch- interessante Werk schliesst mit der empfindsamen Betrachtung: .Mac

sagt , dass die Familien wie die Einzelnen eine bestimmte Lebensdauer haben. Der Stamm Goethes ist verdorrt; seine Familie trieb in ihm eine köstliche Blüthe und strömte damit ihre Kraft aus. Nach ihm aber folgten nur noch lebensschwache Triebe. Der Genius erscheint auf der Erde nicht, um die Zahl der Menschen zu vermehren; seine Werke sind seine unsterblichen Kinder.*

Digitized by Google

nach Dr. P. G. Unna

schreibt das Archiv für Schiffs- und Tropen -Hygiene auf Seite 855 des Jahrgangs 1897:

„Um die Haltbarkeit der oiedlcamentöaen Pflaater su prüfen, hatten wir lm Februar und März d. J. an verschiedene Aerzte in den Tropen in Blechbüchsen ver* packte Pflaatermulle der Firma P. Beiersdorf k Co. in Hamburg versandt and am Bericht über die Brauchbarkeit derselben sowie Rücksendung eines Probestückchens gebeten. Zwei Antworten sind jetzt, Mitte August, eingegangen, nämlich von den Herren Dr. Glogner in Samarang (Java) and Dr. Klee in Pita* (Britisch-Nord-Borneo). Beide Herren haben besonders das Collemplastrum Hydrargyri carbolisatum und daa Collemplastrum chrysarobini, ersterea gegen Furunkulose, letzteres gegen parsaltäre und seborrhoische Ekzeme und dergl verwandt und sprechen sich über die Kleb- fähigkeit, Haltbarkeit und Wirkung dieser Pflastermulle sehr befriedigt aus. Die Probestücke sind im Juni bezw. Juli einfach ln Papier geschlagen durch Brief nach Deutschland zurückgeaandt, haben aber auch diese ungünstigen Transportbedingungen ohne Einbusse ihrer Eigenschaften ertragen, wie Referent ln praktischer Anwendung an Kranken fest« teilen konnte.“

Zur Verhütung von Erkrankungen der Zähne und dos Mundes eignet sich in den Tropen in hervorragendem Maasse

in Tuben.

Angenehmer erfrischender Geschmack und antiseptische Wirkung zeichnen sie speclell aus.

Spectdcam gegen mercarlelle Stomatitis. Master gratis and franko.

P. Beiersdorf ft Co., Chemische Fabrik, Hamborg.

Medicinischer Verlag von Georg Thieme in Leipzig.

Soeben erschien:

Mytekiiiiiiii duodenale.

Ueber seine geographische Verbreitung und seine Bedeutung für die Pathologie

von

Dr. W. Zinn und Dr. Martin Jacoby

Assistenten der II. medicinisch. Universitätsklinik in Berlin.

Mit 2 Karten.

Preis 2 Mark.

Digitized by Google

Fabrik haltbarer Speisen

c

CJ

C. Jftulsom # Co., JCamburg.

w

:=

L

Conseroen

X

©

für die Tropen xubereitet.

-s

x

Z

u

Goldene Medaille: Hamburg 1880 u. 1889.

Z

s

Wien 1873. * Paris 1855. * London 1862.

SS

>

ü

MQnchen 1854. * Melbourne 1880.

‘5

Allgem. Gartenbau -Ausstellung Hamburg 1897:

im

a

c

Goldene Medaille.

w

Wir garantiren die Haltbarkeit unserer Fabrikate.

Preislisten stehen auf Wunsch gratis u. franco zurVerfUgung.

r w wtiAW*^ y w *..>v +,/U>w liwtjk*^ w^w* ifc.l-i>.».iW

Liquor mangano-ferri peptonat. Gude.

MANGAN-

~ iPFPTON

Erfinder Sr. J7. Ctfde. |1^1 Ivll

Bewährtes Arzneimittel gegen Chlorose, Anaemie, Skrofulöse, Frauen* und Nervenkrankheiten, Malaria, Tropenanaemie.

UF Gegenwärtig bezeugen mehr als 4000 ärztliche Atteste die Vorzüglichkeit unseres Präparates.

Kostenfreie Probesendungen für Versuche halten den Herren Aerzten zur Verfügung.

Dr. A. Gude & C1!, Chemische Fabrik, Leipzig.

ln allen Apotheken erhältlich.

Digitized by Google

Alle Arten

Turngeräthe

für Militär-, Schul-, Vereins- und Hausgebrauch, Splelgerllthe, Bälle, in grösster Auswahl vorräthig.

J>r. Schreber’s Zimmer -Turnapparate.

Stellbare Haus-Schulbänke, *" 0«»deh.HuDg Körpers und Vermeidung TOD Buckgrstaverkruni inungen , bestes System der Welt,

liefert billigst die Chemnitzer Turngerät be-Fabrik ron

Julius Dietrich & Hannak, Chemnitz (Sachsen).

Weingutsbesitzer und Weinhandlung

Colmar-Elsass.

Elsässiselie, Kaisers! übler and Markgräfler Weiss- und Rothweine.

Alkoholfreie, unvergohrene Trauben- und Beerensäfte.

+- Hochfeine Lipenrweine aus nnyergolirenen Tranten- und Beerensäften.

Preisverzeichniss und Prospecte gratis.

v. Tippelskirch & Co.

Deutsch -S.W.'/frica. Berlin N,W. 7. i Deutsch Ost- /frica. Swakopmund. Klrch,‘r- No‘ 16- Dar-es-Salam.

r Telegr. - Adr. „Tlppotlp“.

Eigene Eiliale.

>fc

Vertreter:

E. Müller & Deren.

Einziges Spezial- Geschäft Deutschlands für complete Tropen- Abrüstungen

Tropen -JJfnxüge.

Tropen ~ Wäsche*

Tropen - Fusshekteidung. Tropen -Zette mit Einrichtung

Preislisten stehen gratis und franeo zur Verfügung.

Digitized by Google

Farbstoffe, Reagentien

für

Mikroskopie und Bakteriologie

gewissenhaft nach Angabe der Autoren,

Reinkulturen von Mikroorganismen.

Nährböden. Mikroskop. Präparate.

Dr. Gr. Grrübler Sc Co., Leipzig, Bayerische Strasse. Centralstelle für mlkrosk.-chemlschcn Bedarf

Preislisten gratis und franko.

ein wohlschmeckendes Chinapräparat, aus bester China-Calisaya-Rinde be- reitet, enthält sämmtliche wirksamen Bestandteile (Alkaloide) in möglichst wohlschmeckender Form und wird in allen Fällen, wo Chinarinde indicbt ist, angewandt, besonders gegen Verdauungsstörungen, Appetitlosigkeit, Magenbeschwerden und Schwächezustände.

Dieses Präparat ist in verschiedenen Nervenheilanstalten und Kliniken eingeführt und Ist als Stärkungsmittel allgemein beliebt.

Als Stärkungsmittel nach heftigen Fiebern, besonders nach Influenza. Typhus, Ruhr, Malaria u. s. w. bewährt es sich ausgezeichnet und wird von medizinischen Autoritäten bestens empfohlen.

Für die Tropen ein .ehr geelrnetes Mittel.

Litteratur mit Gutachten und Attesten gratis zur Verfügung.

Man hüte sich vor Nachahmungen und achte ant die Schutzmarke der Firma.

Albert C. Dung, Freiburg i. B.

English correspondence also solicited.

ivetj:

IN KITT

Elix. Condurango peptonat Immermanii.

Id Original -Fluchen. Ale von vorzüglichem Erfolg anerkannt bei allen Arten von Mageoknt* heit, Indigeatlon nnd Dyspepsie, bestes Präventiv« und Heilmittel bei Seekrankheit und Dysset** Wichtig bei Neubildungen nnd zur Normalislrung der Magenfunctionen während und nach *2- gemeinen Erkrankungen. Herr Qehelmrath Stöhr, Kisaingen, schreibt: .. . . Ich bin so n* frieden mit demselben, wie noch nie mit einem neuen Mittel! Es ist von höchstem Werthe förd« tägliche Praxis nnd hat mir so zu sagen schon förmlich Wunder gewirkt namentlich -■« alten und chronisch Leidenden . . Pllul. Condurango ferro-conchlnlnl- In Original Flaschen. Mit Immermann'schem Extrakt bereitet. Durch seinen Gehalt u Pt? sin bestverträgliches Mittel bei mit Magenleiden einhergehender Blntarmnth and Nervea!eW<e. Marasmus, Malaria and Tropenleiden. Za haben in den Apotheken. Wo noch nicht «*• rithig, bitte, event. unliebsamer Irrthümer wegen, Bezug unter gleichzeitiger Mittheflon» genauen Fabrik adresse zn veranlassen (vide Gebhard - Michaelis'sches Referat). Proben tsd

Drucksachen zu Diensten.

Allein autorisirter Fabrikant:

Apotheker F. WALTHER, STRASSBIRG, Eis., Rheimiegelstrose.

Digitized by Googl

EUNATROL

Vereinigte Chininfabriken

ZIMMER & Co., FRANKFURT a. M.

El IPUINIM Gleiche Heilwirkung wie Chinin bei Fiebern, Influenza, Malaria, Tjrphua, Keuch* CUUnmini husten, Neuralgie und ala Koboran«. Kurhialn schmeckt nicht bitter beläatilgt den Magen nicht und wirkt viel schwächer auf daa Nervensystem ala Chinin. Lltteratar: von Noorden, Overlach, Ooliner, Panegro«Mi, < onti. Klein, Fridrlch, Muggia, Gray, Suchomlln, Plchn, Tauner, Solout/eff. Filatow, Alexieff etc. etc.

Vorzügliches Cholagogum bei Gallenatein und anderen Gallen* und Leber- krankheiten; wird in Form der Eunatrol-Pillen ohne jede üble Neben- erscheinung monatelang genommen.

Lltteratar: Blum: Der ärztliche Praktiker 1897, No. 3.

II A | mm Energiachea und dabei lokal rtlzloaea Analepticum: wirkt vortrefflich bei YrAl.il/UL hyateriachen und neuraatheniachen Zuatinden; ebenso ist ea ein gutes 8to- machicum

Litteratur: Dr. Schweraensky: Therapeutische Monatshefte, Nov. 1897. Scog- n am 1 gl io; Giornale Internazionale di Mcdlcina Pratlca, 1898, Heft 4.

Pkinln Ponlnn Enthaltend Chtninaulfat und andere Chlninaalxe in reinem Zustande, l/mmn-renen Ohne jegliches Bindemittel. Die Perlen Ideen sich sofort im Magen, wodurch prompte und sichere Wirkung gewährleistet lat.

Lltteratnr: von Noorden: Die Praxin 1896, No 2. Scognamiglio: Archlvio Inter* nasionale di Medicina e Chirurgia Faac. XII, Dezember 1896

Proben, Litteratur und alle sonstigen Details zu Diensten.

Fernere Hperialltiten:

Chinin. Chinin-Pillen, '/.imran's Chinin-Chnkolade-Tablcttcn. Corain, Eitracte, JodpräparaU rte.

VERLAG VON JOHANN AMBROSIUS BARTH IN LEIPZIG.

Mikrophotographischer

Atlas der Bakterienknnde

von

Dr. GEORG ITZEROTT «cd Dr. FRANZ NIEMANN

Königlichem Kreiapbyaikua Assistenten am hygienischen Institut

in Belzig. der Universität zu Berlin.

XII und 115 Seiten Text mit 126 mikrophotograpkischen Abbildungen in Lichtdruck auf 21 Tafeln Klein Folio. 1895.

Preis Mk. 16.-. Gebunden Mk. 16.—.

Der vorliegende Atlas zeichnet sich durch die grosse Anzahl verschiedener Bakterienarten, welche in vorzüglich ausgeführtem Lichtdruck zur Darstellung kommen, durch den Massstab (meist 1:1000) der Vergrösserung und durch seinen billigen Preis aus. Der Text beschränkt sich nicht auf eine Beschreibung der Photogramme allein, sondern bringt auch ausser der Beschreibung des mikro- photographischen Verfahrens, das Wissenswerteste über dio in Frage kommenden Mikroorganismen.

Die Zeitschrift für Medizinal beamte aagt über den Atlaa : ,.Er bringt nicht nur Darstellungen der wichtigsten Erscheinungsformen der Bakterien, sondern auch, und darin unterscheidet er sich von dem Atlas von Fränkel und Pfeiffer, die wichtigsten pathogenen und

saprophytlschen Mikroorganismen ln Reinkultur und Schnitten. Daa schön ausge«

stattete Werk kann den betheiligten Kreisen warm empfohlen werden, zumal der Preis trotz der zahlreichen beigegebenen Photogramme ein verhältnismässig niedriger lat.“

Digitized by Google

Jchthyol

Die Ichthyol-Präixiratf teer- den r on Klinikern und r idr- Aerzten aufs Wärmetc em- pfohlen und stehen in üni- tersitäts- «■ städt. Krankt »- häusern in ständig. Gebrnuek.

wird mit Erfolg angewandt:

bei Frauenleiden und Chlorose, bei Gonorrhoe, bei Krank- heiten der Haut, der Verdauungs- und Circulations-Organe, bei laungentuberculose, bei Hals*, Hasen- und Augenleiden, sowie bei entzündlichen und rheumatischen Affectionen aller Art, theils infolge seiner durch experimentelle und klinische Beobachtungen erwiesenen redueirenden, sedativen und anti- parasitären Eigenschaften, anderntheils durch seine die Resorption befördernden und den Stoffwechsel steigernden Wirkungen.

Wissenschaftliche Abhandlungen nebst Receptformeln versenden gratis und franco die alleinigen Fabrikanten

Ichthyol-Gesellschaft, Cordes Hermanni & Co.,

fr- Hamburg, -d—

J. Klönne & G. Müller

BERLIN NW., Luisenstr. 49 J

Lieferanten der bedeutendsten Krankenhäuser und & ttlhhiriN Institute de« In- und Auslandes.

Werkstätten für Mikroskopie n. Baeterlologie I

MEHRFACH PRAMIIRT. I

Gssammt-Einrlchtung bacteriologlscher, chemischer und göhrungschomischor J Laboratorien. 0 Brutschränke und Sterilisatoren nach neuesten und be- * wahrtesten Modellen, g Gesammt- Einrichtung bacteriologischer Labors- « torlen für Krankonhluaor. g Bactoriologlsches Laboratorium für den < practiachen Arzt für Oss-, Benzin-, Spiritus- etc. -Heizung (für Gaa- Elnrichtung 2 «0 M ).

8PECIALITÄT : Thermoregulatoren, ganz au« Metall, für Heizung jeder Art und Wasserkühlung zur absolut sicheren Einhaltung einer bestimmten Temperatur zwischen und H0»0 (ges geach. No. 85 343) § Vorzüg- lich wirkendes künstliches Brutnest für Eier, auf jedem Thlermoetat auf- 1 zustecken (ges. gesch. No 56 740). ß Autodaven neuester Constructlon für hohen Dampfdruck. Q Dampfsterilisator nach Schimmelbusch zum Sterilisieren von Verbandstoffen etc. ß Regenerativheiaslutt - Stsrllisator, überall glelchbelss im Arbeitsraum. Q Schnittstracker nach Dr. Frank (mit Aluminiumwalze). Neuer heizbarer Objecttisch, ß Mikrophotogra- phische Camera nach Dr R. Neuhaus« g Mikro - Aqu artu m nach Schau- dium. ö Objectträger von Holz für Golgi - Präparate. Q Farblösungen nach Professor Ehrlich.

Mikrotome, Mikroskope, Special-Mikroskope, g Mikroskopische Präparate aus allen Gebieten der Naturwissenschaften in höchster Vollendung, ft Apparate und Gerithirhaften von Metall, Holz, Porzellan und Glas, ft

Vorschrift der Autoren. Q Chemikalien etc , Nährböden, Relakaltorea.

Deckglas- Schneideanstalt

Rill igcite Ressugeriuelle für W iedorverkäufer.

VERLAG VON JOHANN AMBROSIUS BARTH IN LEIPZIG.

Soeben erschien:

Diagnostisch-therapeutisches Vademecum

für Studierende und Ärate zuaammengestellt

von

Dr. Heinrich Schmidt Dr. L. Friedhelm

Dr. A. Lamhofer und Dr. J. Donat

in Leipzig.

3, Auflage.

Yin und 426 Seiten Taschenformat. 1898. Mit Abbildungen.

Gebunden Mark 6.—.

Das Erscheinen von drei starken Auflagen innerhalb weniger Jahre dürfte am besten für die praktische Brauchbarkeit des kleinen Werkchens sprechen.

Korrespondenzblatt flr dl« ärztlichen Bezirks vereine Im KSnlgreleh Sechsen : Du vorlie- gende Taschenbuch soll dem Praktiker in Angenblicken der Unsicherheit als Auskunft»- und Hilfsmittel dienen. Es verfolgt rein praktische Zwecke and bietet nur die klinischen Diagnostik und Therapie der wichtigsten Krankheiten in gedrängter nnd übersichtlicher Kürze. Die Aus- stattung ist gut, du Format handlich; es lat ein neues holzfreies ganz dünnes Druckpapier gewählt worden, du den Umfang des Büchleins beträchtlich einschränkt

Schmidt’* Jahrbücher: Han kann nicht gut mehr des Thatsächl lohen, Wlssenwerteu auf einen so knappen Raum zusammenfassen. Die Antworten, die der Unsichere erhält, sind über- all klar und richtig.

Früher erschien:

Hygiene.

Ein kurzes Lehrbuch für Studierende und Ärzte.

Von

Dr. E. Gramer,

Prof, an der Universität Heidelberg.

IV, 886 S. mit 61 Abbildungen. 1896. Preis M. 6. .

Wiener klin. Rundschau: Aus der Fülle von grösseren und kleineren hygienischen Lehr- büchern hebt sich dieses kurzgefawte Buch durch die knappe und dabei doch dem Verständ- nisse zn Hilfe kommende Schreibweise vorteilhaft ab.

Excerpta m edles : ... Es verdient noch hervorgehoben zu werden, dass es dem Verfasser trotz aller Kürze, die geboten war, gelungen ist, uns ein vollständiges Bild von dem zu geben, wu die moderne Hygiene fordert und vermag.

Zeitschrift fdr mediz. Beamte: Ohne Zweifel wird du Buch zieh recht bald unter den Studirenden einbürgern, wozu schon der billige Preis von 6 Mark beiträgt; aber auch der Praktiker wird du Kompendium als Nachschlagebuch zum schnellen Orientieren mit bestem Erfolg benutzen. Die Anschaffung desselben kann daher nur warm empfohlen werden.

Digitized by Google

Westphal & Reinhold, Berlin N.W., Stromstr.47

fabriziren als Specialität:

Bettstellen u

Patent-Springfeder- ^ Matratzen V

für Krankenhdueer, Tropen- und Privatzwecke.

Gegen Diarrhöen!

\nuuiv uuu uuiwuiuuuu uuiui iuvj u j

Tannalbin

(Acnte und chronische Enteritis, Dysenterie etc.)

(Kiioll)

nach Prof. Gottlieb,

Heidelberg

bleibt im Magen unlöslich und spaltet sich im Darm langsam in Tannin und Albumin.

Prompt nnd sicher wirkend gänzlich unschädlich.

Siehe Primararzt Dr j^Engel-Bmnn 1 Deutsche Me<L Wochenschnft Prof. Dr. 0. Vierodt-Heidelberg 1 a K ,, pwi Dr. K. Holzapfel-Strassburg I 1898' Ur 50 Dr. J. G. Rey-Aachen ) 1897' tlr' 3‘

Dr. C. Stein (Prof. Nothnagel) Wien, Wiener med.Pr. 1897.Nr.22- Dr. J. Czemetschka (Prof. Oanghofner's Klinik) Prag, Prager Med. Wochenschr. 1897. Nr. 24 27.

Broscklrea mit aDsflkrllrkca kllaiackea Bcrlektea ib Dlcartra.

o-<- Verkauf durch die Apotheken. •>-»-

Knoll & Co., chem. Fabrik, Ludwigshafen a. Rh.

Digitized by Googl E

1898.

No. 5.

Archiv

für

Schiffs- und Tropen-Hygiene.

Band 2.

I. Originalabliandl ungen.

Malaria in der Hauptstadt Mexiko

von Dr. Friedrich Semeleder, Cordova, Staat Veracruz, Mexiko.

Im ersten Hefte dieser Zeitschrift, 1898, in einem werthvollen Aufsatz von J. H. F. Kohlbrugge, „Malaria und Höhenklima in den Tropen“, auf Seite 13 in einer Fussnote finde ich:

„Oefter las ich die Behauptung, in Mexiko ist Malaria unbe- kannt, weil die Stadt so hoch liegt“, u. s. w.

Es ist aber ganz und gar unrichtig, dass in Mexiko die Malaria unbekannt ist; im Gegentheile ist sie ziemlich häufig. Da- rüber, dass und warum es so ist, wünsche ich mit Ilirer gütigen Er- laubnis» Einiges zu sagen.

Als ich vor dreissig Jahren begann in der Hauptstadt Mexiko zu prakticiren, war Wechselfieber allerdings selten, aber es kam doch vor. Gegen Ende der trockenen Zeit, also im März und April, sah ich jedes Jahr 4 5 Fälle von Wechselfieber, allerdings ganz leichte. Seither hat aber das Wechselfieber in Mexiko stetig zugenommen, und in den letzten Jahren kamen mir jedes Jahr 25 30 Fälle in Behandlung; ja sogar wirkliche Perniciosa kommt vor, wenn auch bei weitem nicht so häufig als man annimmt. Denn als das Vor- kommen der Perniciosa einmal festgestellt war, wurde so mancher Fall, der ohne Diagnose geblieben war, für Perniciosa erklärt. Ich erinnere z. B. an zwei Fälle von Kindbettfieber, die für Perniciosa angesprochen wurden.

Wir haben in Mexiko alle Bedingungen, die Kohlbrugge auf- stellt, als erforderlich zur Entwickelung der Malaria: einen über- schwemmten und versumpften Boden, wo sich die Plasmodien ent- wickeln können (zu Ende der Regenzeit), Austrocknung der ober- flächlichen Schichten, wodurch die Plasmodien beweglich werden

Archiv f. Schiffs- u. Tropenhygiene. XL 20

Digitized by Google

264

Dr. Friedrich Semeleder.

(zu Ende der trockenen Zeit), und Luftströmungen, die den Stank und die Plasmodien auf geringe Entfernungen (einige Kilometer) za tragen haben.

Es ist gewiss sonderbar zu lesen, dass eine Stadt lieber- schwemmungen ausgesetzt und von Sümpfen umgeben ist, (fe 2282 Meter über dem Meere liegt (Toluca, die Hauptstadt de- Staates Mexiko, im Thale von Toluca, westlich von Mexiko, 64 Kilo- meter, liegt sogar 2680 Meter hoch, wird ebenfalls überschwemmt nnd hat auch Malaria).

Die Lösung des Räthsels wird sich leicht finden, wenn wir anf die Topographie Mexikos zu sprechen kommen.

Als ich in’s Land kam und den grosseu Wassermangel auf der Hochebene bemerkte, frag ich, warum man keine Windmühlen auf- setzte, um Wasser aus der Tiefe zu heben, wo es sich ja über»!! findet. Man antwortete mir, der Wind wäre nicht stark und nick anhaltend genug. Jetzt gibt es aber doch Windmühlen, die Waser pumpen. Wahrend der Trockenzeit kann man auf dem Tafelland' oft Staubsäulen sehen und zuweilen mehrere auf einmal, die über die Fläche ziehen, bis sie endlich platzen und sich auflösen. Wem es also auch richtig ist, dass Mexiko kein sehr windiges Klima hat, st giebt es doch fast immer etwas Bewegung in der Luft und zuweilen förmliche Wirbelwinde und zwar gerade in der trockenen Zeit Ifc herrschende Windrichtung ist von Norden und Nordosten, wo ja eben jene Wasserflächen liegen, die im Winter austrocknen, und die Malaria in der Hauptstadt Mexiko zunächst heimgesuchten Stadttheik sind die im Norden und im Osten.

Was nun die Ueberschwemmungen betrifft, so sei bemerk; dass die Hauptstadt Mexiko in einem weiten Thale liegt mehr als 2000 Quadratkilometer Grundfläche, rings umgeben Bergketten, von denen einzelne Spitzen eine beträchtliche Höht erreichen, z. B. der Popocatepetl 5423 Meter, der Iztaccibuat. 4900 und der Ajusco 4153 Meter über der Meeresfläche. Kein Fluss durchbricht diese Wälle, und die Hauptstadt nimmt nahezu & tiefste Stelle ein. Die Flüsse des Thaies sind theilweise künstks eingedämmte Wasserläufe.

In diesem Thale finden wir sechs Seen: die von Chalco ob! Xochimilco im Südosten, die süsses Wasser haben und nur durct einen Damm getrennt und durch eine Schleuse verbunden sißd- Ihre mittlere Wasserhöhe ist 1,17 und 1,2 Meter über dem Boden der Stadt. Im Osten liegt der See von Texcoco, der grösste von allen.

Digitized by Googl

Malaria in der Hauptstadt Mexiko.

265

mit stark salpeterhaltigem Wasser, im Mittel 1,9 m uuter der Boden- fläche der Stadt; und im Norden San Christobal (1,6 m), Xaltocan (1,56) und Zumpango (4,15) über der Thalsohle. Die Seen von Xochimilco berühren sich beinahe, sie sind ebenfalls durch einen Damm getrennt und durch Canäle und Schleussen verbunden. Vom Xochimilcosee führt ein schiffbarer Canal nach der Stadt Mexiko und durch deren östlichen Theil nach dem See von Texcoco. Dieser letzte Theil des Canals führt dem Texcocosee seit 300 Jahren allen Unrath der Stadt zu.

Nur die beiden ersten, Chalco und Xochimilco, haben so ziem- lich bestimmte Grenzen, die anderen breiten sich bei starken Regen- güssen weit aus und überschwemmen das anliegende Land in grosser Ausdehnung.

Der See von San Christobal bestand zur Zeit der Eroberung noch nicht; erst im Jahre 1604 unter dem Yicekönig Marquez de Montesclaros wurde dort ein Damm gebaut, um die von Norden an- stürmenden Wasser aufzuhalten, damit sie nicht den See von Texcoco höher schwellen machten und die Stadt Mexiko überschwemmten. Die gesammte Wasserfläche der Seen beträgt im Mittel etwa 400 Quadratkilometer.

Es finden sich also alle Verhältnisse gegeben, damit die Stadt Mexiko überschwemmt werde, wenn starke Regengüsse eintreten, oder, wie Humboldt es erwähnte, die Vulkane um Mexiko, der Popoca- tepetl und der Iztaccihuatl, beide die Grenzen des ewigen Schnees überragend, wieder thätig und die grossen Schnee- und Eismengen, die sie tragen, binnen kurzer Zeit schmelzen würden.

In der That ist der Fall oft genug eingetreten, dass die Haupt- stadt für kürzere oder längere Zeit unter Wasser gesetzt wird. Wenn so ein tropischer Regenguss eine ganze Nacht liindurch dauert, wird ein grosser Theil der heutigen Stadt Mexiko über- schwemmt, da die Wasser nicht schnell genug nach dem Texcocosee abfliessen können. Vor einigen Jahren hat man daher im Osten der Stadt mächtige Dampfpumpen aufgestellt, welche die Wasser- mengen binnen einigen Stunden bewältigen und nach dem See von Texcoco werfen. Als ich in’s Land kam (1864) war eine so schwere Regenzeit, dass noch im Mai 1865 in vielen Strassen der Stadt Wasser stand, und man nur auf Stegen verkehren konnte. Und was war das für Wasser, schmutzig, stinkend und von dicken Schichten grüner Vegetation bedeckt!

20*

Digitized by Google

266

Dr. Friedrich Semeieder.

Im Jahre 1446 nach der Rechnung Clavigero ’s, als Moteuczoma*) llhuicamina regierte, war die Stadt überschwemmt; ebenso 1498, als Ahuitzotl herrschte; dann 1553 unter dem Vicekönig Don Luis Ye- lasco II., dann 1580 und 1604, ferner 1607 und 1629. Seit jener Zeit haben die Spanier grosse und kostspielige Bauten unternommen, um die Ueberschwemmungsgefahr abzuwenden; Canäle und Dämme wurden gebaut. Es wurde sogar ein Wasserbaumeister, Adrian Boot, aus Holland berufen. An eine gründliche Abhülfe war nicht zu denken wegen der grossen Kosten und der technischen Schwierig- keiten, die zu bewältigen damals nicht möglich war.

Man beschloss also im Norden des Thaies, wo sich eine Ein- senkung befindet, einen Stollen zu graben und dnrch denselben einen der grösseren Flüsse abzuleiten, der sich bis dahin in den See von Zumpango ergossen hatte. Im November 1607 begann die Arbeit und im Mai 1608 war der Stollen in einer Länge von 8279 Metern fertig, 3,4 m hoch und 4,2 m breit am Boden; dazu kam ein offenes Gerinne vom Zumpangosee zum Stollen in einer Länge von 1592 m. 471000 Indier sollen daran gearbeitet haben und die Kosten betrugen 3$ 73600 Gold; viele Indier sollen dabei um 's Leben gekommen sein.

Bei der grossen Fluth von 1629 erwies sich der Stollen als ungenügend, da er stellenweise verschlämmt war, und man beschloss, denselben in einen offenen Canal zu verwandeln. Diese Arbeit ging sehr langsam und wurde erst 1789 vollendet. Dies ist der berühmte Tajo (Graben) von Nochistongo, durch welchen der Fluss von Cuautitlan in den Fluss von Tula stürzt und dort einen Wasser- fall bildet.

Wiederholt wurden Verbesserungen und neue Arbeiten geplant, wie wiederholt Geld dafür zusammengelegt. Unter Maximilian bildete man wieder einen besonderen Fonds. Aber jedesmal kam etwas dazwischen. Das Land lebte seit der Unabhängigkeit von der Hand in den Mund, und wenn das Geld knapp wurde, griff man auch den Entwässerungsfonds an. Es war Porfirio Diaz, dem gegen- wärtigen Präsidenten, Vorbehalten, dem Lande dauernden Frieden und Beständigkeit zu geben. Da nahm die Stadt Mexiko die Sache in die Hand; vom Osten der Stadt, wo der Canal von Xochimilco (Viga) die Stadt verlässt, um nach dem Texcocosee sich zu wenden,

*) Verfasser folgt bei den Eigennamen der aztekisclien Schreibweise, inm.

d. Red.

Malaria in der Hauptstadt Mexiku.

267

soll ein grosser Canal nach Norden fuhren. Derselbe ist an seinem nördlichen Ende 20 m tief und fuhrt die Wasser dort in einen ge- mauerten Stollen von 10 Kilometer Länge. Die Mittel der Stadt erwiesen sich als ungenügend; man machte in England ein grosses Anlehen, die Bundesregierung steuert jährlich eine bedeutende Summe bei und eine englische Firma, Pearson and Son, übernahm die Arbeit und führte sie so weit, dass man der gänzlichen Vollendung jeden Tag entgegen sehen kann.

Daran schliesst sich eine neue Canalisirung der Stadt.

Die nächste Folge ist schon jetzt, dass die beiden höchst ge- legenen Seen gänzlich und dauernd austrockneten, aber auch die Bruunen der benachbarten Ortschaften versiegten. Eine weitere Folge wird sein, dass ein grosser Theil des Thalbodens des Texcocosees trockengelegt wird, was eine grossartige Entwickelung von Malaria mit sich bringen muss, die wahrscheinlich durch Jahre dauern wird. Eine Abhülfe wird darin bestehen, dass die oberflächlichen Schichten fiir immer trockengelegt werden und nach und nach unter Cultur kommen.

Wir sind oft in grösster Verlegenheit, wohin wir unsere Malaria- kranken schicken sollen, denn in den tief gelegenen und heissen Theilen des Landes ist die Malaria erst recht zu Hause, und auf der Hochebene ist der exanthematische Typhus endemisch.

Es wird nach der völligen Entwässerung des Thaies von Mexiko auch noch ein anderes wichtiges Ergebniss eintreten. Wo immer man in der Stadt einen halben Meter tief gräbt, trifft man Wasser und oft rieselnde klare Quellen. Die verschiedentlich dicke Schicht von Schlamm und Sumpf ruht auf einer Lage undurchgängigen Mergels. Man hat es oft nicht nöthig gefunden, auf Pfählen oder Rosten zu bauen, sondern macht einfach einen Graben, schöpft das Wasser aus, wirft Steine hinein und baut dann munter darauf los in die Höhe. In Mexiko geschieht, was in allen alten Städten vor sich geht: der Boden erhöht sich fortwährend, theils auf natürliche, theils absichtlich durch künstliche Anschüttung. Ganze Stockwerke alter Häuser sind vergraben worden, und man geht jetzt ein und aus, wo früher der Halbstock war. Anderseits sind viele alte und schwere Gebäude theilweise in den Sumpf versunken, und es ist mit Grund an- zunehmen, dass, wenn einmal der Boden w irklich entwässert sein wird, vielfache Beschädigungen an den Gebäuden sich einstellen werden.

Wie sehr man sonst rief nach Entwässerung, so sehr bekommt man jetzt Angst davor.

Digitized by Google

268

Dr. Friedrich Semeledej.

Es möge noch bemerkt werden, dass die Versorgung der Stad: mit Trinkwasser, bei dem fortschreitenden Wachsthum und der zu- nehmenden Entwaldung, immer ungenügender wird, dass aber das Thal noch zahlreiche und ergiebige Quellen des besten Wassers hat die man nutzbar machen kann und wird. Auch besitzt die Stadt und Umgebung hunderte artesischer1 Brunnen, die fast ausnahmsl^ gutes and reichliches Trinkwasser geben, einige davon enthalt» allerdings etwas Schwefelwasserstoff.

Eine andere Frage ist oft aufgeworfen worden. Warum er- baute Cortez die Stadt Mexiko (Tenoxtitlan hiess sie damals) nach- dem er sie erobert und zerstört hatte, als die Hauptstadt des neues Reiches von Neu-Spanien an derselben Stelle und nicht auf den umgebenden Hügeln?

Cortez selbst giebt Antwort darauf in einem seiner merkwürdiges Briefe (Berichte) an Kaiser Karl V.: weil die Mexikaner gewohnt waren, von diesem Orte beherrscht zu werden, und er ihnen auch zeigen wollte, was die neuen Herren daraus machen konnten. Auch ist sehr zu bemerken, dass Tenoxtitlan nicht in einem Sumpfe lag. sondern in einem grossen See, der wohl dreimal grösser war als die Oberfläche der Seen heute ist. Es giebt in der Sadt Mexiko manche Strassen, die Namen von Brücken führen, die sich früher dort be- fanden; manche Strassen von heute waren vor hundert Jahren noeh schiffbare Canäle, die nach und nach ausgefüllt wurden.

Zur Calomelbehandlung der Dysenterie.

Nachträgliche Bemerkung zu der Arbeit: Die Dysenterie in Karnerum rac Dr. A. Plehn, Kaiserlicher Regierungsarzt.

In Heft 3 dieses Jahrgangs des Archivs für Schiffs- und Tropen- hygiene theilte ich meine Beobachtungen über die Calomelbehandlung der Dysenterie mit. Die inzwischen angestellten weiteren Versuche welche darauf hinzielten, die empfohlenen Calomelgaben von 0.05 g durch solche von 0,03 g zu ersetzen, haben durchaus die gleichen günstigen Resultate ergeben, ohne dass Stomatitis als unangenehme Nebenwirkung in bemerkenswerthen Grade aufgetreten wäre. Ihe Dosierung zu 0,05 g wird jetzt nun mehr bei Schwarzen angewandt.

A. Plehn.

Digitized by Google

Hygienisches und Sanitäres aus Habana

von

I)r. Reinhold Rüge, Marine-Stabsarzt.

Habana ist zur Zeit eine Stadt von etwa 200000 Einw. Die Strassen in den guten Stadttheilen sind regelmässig angelegt und schneiden sich im rechten Winkel. Doch sind die Strassen so eng, dass sich zwei W'agen nur mit Mühe ausweichen können. Ueber die Strassen hinweg können zum Schutz gegen die Sonne grosse Leinwandsegel gezogen werden. Die Häuser sind in der inneren Stadt alle aus Stein gebaut und zeigen meist den für spanische Häuser characteristischen viereckigen Hof.

Die Reinlichkeit in den Strassen ist massig, obgleich jede Nacht eine Reinigung der Strassen stattfindet. Auch besteht eine Abfuhr von Unrath insofern, als Küchenabfälle und Müll des Nachts in Kästen auf die Strasse gesetzt und dann von Müllwagen abgefahren werden. Es giebt 4 Markthallen. Ich habe nur die grösste besichtigen können. Von der mangelhaften Reinlichkeit ab- gesehen, entsprach ihre Einrichtung im Ganzen der in Deutschland üblichen. Ein grosses schönes neues Schlachthaus liegt im Westen der Stadt in der Nähe der Bahnstation Cristina. Es wird täglich 2 mal geschlachtet. Die Thiere werden durch Genickstich getödtet und dann die Halsadern geöffnet. Es besteht Schlachtzwang.

Die Stadt besitzt eine Wasserleitung, die aber nur gewisse Theile der Stadt versorgt. Daher kommt es auch, dass nur einzelne Theile der Stadt canalisirt sind und Closets mit Spülvorrichtungen besitzt Wo dies nicht der Fall ist, werden die Kothmassen in grossen Gruben aufgefangen und der Porosität des Bodens das Ueb- rige überlassen.

Für Kriegsschiffe ist das Vorhandensein der eben genannten Wasserleitung sehr angenehm. Denn die spanische Regierung liefert täglich 30 tons von diesem Wasser kostenfrei in einem Prahm. Das Wasser wird aus der Leitung direct in den Prahm gepumpt, der allerdings von einem Dampfbeiboot des betreffenden Kriegsschiffes

Digitized by Google

270

Dr. Reinhold Hugo.

Hingsseit geschleppt werden muss, damit das Wasser direct an Bonl tibergepumpt werden kann. Chemisch und physikalisch hat das Wasser alle Eigenschaften, die man von einem guten Trinkwasser verlangen muss. Eine bacteriologische Untersuchung konnte ich an Bord nicht vornehmen. Es wurde daher dies Wasser nur zum Waschen und Kesselspeisen benutzt und in den Doppelboden, nicht aber in die Trink Wassertanks gepumpt. (Als Trinkwasser wurde nach wie vor nur destillirtes Wasser benutzt.) Dem gegenüber steht aller- dings das Hafenwasser von Habana in sein- schlechtem Rufe. Das hat seinen guten Grund. Die Hafeneinfahrt ist an der engsten Stelle etwa 600 m breit und das Hafenbecken selbst, das fast rund ist hat einen Durchmesser wie etwa die Kieler Föhrde bei Wyk. Alle Kloaken münden in den Hafen, aller Unrath der Schifte wird in den Hafen entleert, und das will bei dem lebhaften Dampferverkehr im- merhin etwas heissen.

In den Acten der deutschen Marine betreffend die ostameri- kanische Station finden sich folgende Angaben.

Ein Schiff, das von Habana aus einen nordamerikanischen Hafen anlaufen will, erhält vom nordamerikanischen Consulat nur dann einen reinen Gesundheitspass, wenn

1. nicht mit Hafenwasser Deck gewaschen ist,

2. kein Verkehr mit dem Bumboot stattgefunden hat.

3. M asche an Land nur in einer vom Consulat als nicht infectionsverdächtig bezeichnten Anstalt gewaschen wor- den ist*).

Alle diese Punkte kommen aber natürlich erst in Frage, nach- dem die Versicherung abgegeben ist, dass kein Gelbfieberfall an Bord vorgekommen ist. In der Zeit vom April bis zum 1 . December reicht aber selbst dies nicht mehr aus. Denn während dieses Zeitraumes legen die Nordamerikaner alle aus Habana kommenden Schiffe eo ipso in Quarantaine. Die dänischen Behörden in St. Thomas legen sogar in jeder Jahreszeit jedes Schiff, das von Habana kommt und kürzere Zeit als 14 Tage unterwegs gewesen ist, in Quarantaine. gleichgültig ob Gelbfieberfälle an Bord vorgekommen sind oder nicht.

Als ich im Februar dieses Jahres mit S. M. S. „Charlotte“ im Hafen von Habana lag und den für das nahe gelegene Key West nöthigen Gesundheitspass besorgte, fand ich, dass auf dem Pass- Formular unter den vielen Fragen nur eine auf die oben genannten

*) Es giebt jetzt eine gute Dampfw&schanstolt in Habana.

Digitized by Google

Hygienisches und Sanitäres aus Habana.

271

Punkte abzielte. Neben vielen anderen Fragen über den Gesund- heitszustand an Bord wurde Auskunft über die Bezugsquelle des Wassers verlangt. Aber selbst nachdem der Pass in der verlangten Weise ausgefüllt und den Thatsachen entsprechend mitgetheilt war, dass der Gesundheitszustand an Bord durchaus gut wäre und Gelb- fiebererkrankungen an Bord nicht vorgekommen wären, kam der zum amerikanischen Consulat besonders als Quarantainearzt kommandirte amerikanische Marinearzt noch au Bord, um die vorhandenen Kranken persönlich zu sehen. So vorsichtig sind die Amerikaner selbst Schiffen gegenüber, die Habana in der guten Jahreszeit verlassen und einen nordamerikanischen Hafen anlaufen wollen.

Im Februar 1898 besass Habana 9 grosse Krankenhäuser, von denen 6 Militairlazarethe waren. Bei dem kurzen Aufenthalt, den S. M. S. „Charlotte“ in Habana nahm, konnte ich nur das grösste Militairlazareth und eins der grossen Privatkrankenhäuser besuchen.*) Stabsarzt Dr. Bassenge, der an Bord S. M. S. „Stosch“ im Jahre 1894 Habana besuchte, hatte Gelegenheit, das zweite grosse Civil- hospital „de las Mercedes“, das alte Militairlazareth (am Hafen ge- legen), sowie das Leprahospital „San Lazaro“ zu besuchen. Er schildert das Hospital „de las Mercedes“ als ein Musterhospital ersten Ranges**) und hebt zu gleicher Zeit die liebenswürdige Art und Weise hervor, in der ihm die spanischen Aerzte bei seinem Besuche entgegenkamen. Ich kann ihm in letzterem Punkte nur beistimmen. Auch mir sind die spanischen Collegen in Habana stets in liebens- würdiger Weise entgegengetreten.

In dem Hospital „de las Mercedes“ wird täglich Klinik abge- halten; für theoretische Collegien ist ein besonderer Saal bestimmt. Ausserdem dienen der Obductionsraum, das Laboratorium und der Operationssaal zu Unterrichtszwecken***).

Das grosse Civilkrankenhaus Habanas, das ich sah, die „Quinta de Salud“, ist ein Privathospital. Es liegt im Westen der Stadt und ist leicht mit der Pferdebahn zu erreichen.

Dies Hospital ist nach und nach entstanden und die einzelnen Gebäude mit iliren Einrichtungen haben dementsprechend verschie- denen Werth. Während die älteren Gebäude mit ihren Einrichtungen

*) Siehe Heft 8, S. 218 dieser Zeitschrift.

**) Bassenge, Bemerkungen über die sanitären Verhältnisse einiger Häfen in Westindien. Marine-Rundschau 1895, 8. Heft.

***) Bassenge, 1. o. 3. 452.

Digitized by Google

272

Dr. Heinhold Rüge.

nur wenig höher stehen, als die Krankensäle in der alten Charite zs Berlin die einzelnen Zimmer sind nur viel kleiner und duni- schnittlich für 4 6 Kranke eingerichtet sind die neueren Anlage: nicht nur mustergültig, sondern sogar luxuriös ausgestattet, fe ganze Anlage ist im Blocksystem erbaut.

Besonders hervorzuheben ist der neuste Block, das sogenannt „Fieberhaus“. In diesem Hause waren vorwiegend Wechselfieber- Gelbfieber- und Influenzakranke untergebracht. NB. Die Gelb- fieberkranken wmrden nicht isolirt !*). Dieser neue Block har Treppenstufen aus Marmorplatten, der Boden der Krankenzimmer und Corridore besteht aus buntfarbigen Kacheln, die Wände and gleichfalls bis ca. 1 m über dem Fussboden mit Kacheln belegt so dass jeder Zeit schnell eine allgemeine Desinfection stattfinden kann Jedes Krankenzimmer ist gross, hell, luftig und geräumig und ent- hält nur 2 Betten, jedes Bett hat ein Mosquitonetz (das Letztere ist auch in dem älteren Block der Fall). Die sonstige Einrichtnng de Krankenzimmer lässt nichts zu wünschen übrig. Die grosse Reinlich- keit in diesem Block fiel angenehm auf.

Von besonderen Einrichtungen sind noch zu erwähnen:

1. Der Operationspavillon, der allein für sich steht, aa Zimmer für septische und eins für aseptische Operationen enthalt Ausserdem befinden sich die entsprechenden Auskleidezimmer dabd Die Einrichtungen dieses Pavillons entsprechen durchaus den Anfor- derungen der modernen Chirurgie. Die Instrumente, Desinfections- apparate pp. waren aus Berlin von Lautenschläger bezogen.

2. Das Badehaus. Dieses Haus enthält neben Voll-, Sitz- und aller Arten von Douche- und Dampfbädern ein vollständig* Schwimmbassin. Ich habe bis jetzt noch nie so ausgezeichnet ein- gerichtete Badevorrichtungen in einem Krankenhaus gesehen.

3. Die Desinfectionsanstalt. Sie dient zur Desinfection <k Kleider der Neuaufgenommenen etc. Die Apparate stammten »a- New-York.

4. Die Küche, in der mit Dampf gekocht wird, war reinlich und gut eingerichtet. Sie bildete einen Block für sich.

5. Isolirpavillons. Diese Pavillons waren hauptsächlich fir Pockenkranke bestimmt Sie waren zur Zeit meines Besuches nkfc belegt.

Der Aufnahmepreis in diesem Hospital betrug für einen Krank«*.

*) Vergl. in dieser Beziehung auch Bassenge, 1. c. S. 452.

Digitized by Google

Hygienische» und Sanitäres aus Habana.

273

der sieh nicht durch einen laufenden Beitrag eingekauft hatte, 2 $ (»old pro Tag = 8 Mk.

Diesem Hospital gegenüber erscheint das alte, am Hafen ge- legene Militairlazareth nach den Schilderungen Bassenge’s*) stellenweise minderwerthig. Das neue grosse Militairlazareth im Fort Principe mit seinen vorzüglichen Einrichtungen habe ich ja be- reits erwähnt

Das Lepra-IIospital „San Lazaro“ hat zwei grosse Säle (einen für Männer und einen für Frauen), ist reinlich gehalten, mit 83 Kranken belegt und untersteht der Leitung von 2 Aerzten und 6 Schwestern. „Heilungsversuche werden nicht gemacht; man lässt der Krankheit ihren Lauf und begnügt sich in seltnen Fällen mit einer symptomatischen, lokalen Behandlung“**).

Es lag mir natürlich daran, nachdem ich die Krankenhäuser gesehen hatte, die Meinung der einheimischen Aerzte über die Frage der Contagiosität oder Nichtcontagiosität des Gelbfiebern, sowie ihre Ansicht über die Differentialdiagnose zwischen Gelbfieber und Schwarz- wasserfieber kennen zu lernen.

Der Chefarzt der Quinta de Salud sagte mir Folgendes: „Gelb- fieber steckt nicht von Mann zu Mann an. Ich persönlich habe wenigstens bis jetzt nie einen ein wandsfreien , überzeugenden Fall der Uebertragung von Mann zu Mann gesehen“. Der amerikanische Quarantainearzt stand auf dem entgegengesetzten Standpunkte und erzählte mir als für seine Ansicht beweisend folgende Thatsache. Im alten Militairlazareth lagen Gelbfieberkranke. Das Lazareth ent- leert seine Abwässer in den Hafen. Die Besatzungen derjenigen Schiffe, die in der Nähe der Mündungsstellen dieser Abwässer lagen, erkrankten an Gelbfieber. (Es erkrankten aber auch andere. Verf.) Während der letzten Hälfte des Januar 1898 erkrankten in Habana 32 Personen an Gelbfieber und starben 8.

Fernerhin sind nach Ansicht des genannten Chefarztes Gelbfieber und fieberhafter Magendarmkatarrh in den ersten Erkrankungstagen nicht von einander zu scheiden, bis Eiweiss im Urin auftritt. Ausser etwaigem Eiweissgehalt ist der Puls diagnostisch wichtig. Beim Gelbfieber steigt er nämlich nicht zugleich mit der Temperatur, son- dern bleibt niedrig. Steigt er aber beim Gelbfieber am 2. Tage plötzlich hoch und tritt viel Eiweiss im Urin auf, so ist das ein signum malum. Schwarzwasserfieber und hämaturisches Gelb-

*) 1. c. 8. 452. **) Bassenge 1. c. 8. 453.

Digitized by Google

274

Dr. Keinhold Rüge.

yeber sind nur durch die Anamnese und die Blutuntersuchung za unterscheiden. Denn hier lässt der Eiweissgehalt des Urins im SticL weil er hei beiden Erkrankungen Vorkommen kann, und Milzschwel- lung ist ja durchaus kein stetiges Symptom bei Schwarzwassertieber.

Bestätigt gefunden habe ich die bereits von Bassenge mitg<- tlieilte Erfahrung, dass europäische Frauen während der Gravidit : dem Gelbfieber am ehesten unterliegen. So waren z. B. von den deutschen Frauen, die s. Z. in Habana gelebt batten, nur noch i übrig geblieben, die anderen waren am Gelbfieber gestorben. Na- mentlich genannt wurden mir allein drei, die in den letzten beiden Jahren während der Gravidität gestorben waren.

Ebensowenig wie andere Gegenden der Erde war Habana uw der Influenza verschont geblieben. ZurZeit meines Besuches lagen noch zahlreiche Influenzakranke in der Quinta de Salud. Die In- fluenza wurde merkwürdigerweise in Habana mit dem deutschen (? di- Red.) Ausdruck „Grippe“ bezeichnet.

Pocken kommen dauernd in Habana vor. Während der letzt« 14 Tage des Januar kamen in der Stadt 50 Fälle von Pocken mit 5 Todesfällen vor.

Nach Bassenge’s Bericht sind ausserdem noch Diphtherie und Ilotz häufig. „Die Ausbreitung und Gefährlichkeit von Diphtherie in Habana beweist eine im Sitzungssaal der medicinischen Gesellschaft angebrachte Gedenktafel, wonach in den letzten 15 Jahren mehr al- 20 Aerzte in Ausübung ihres Berufes an Diphtherie erkrankt und gestorben sind.“ Rotzkranke fand Bassenge mehrere im Ciril- hospital „de las Mercedes“.

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea

von

Dr. Otto Dempwolff,

ehemaligem Arzt der Neu-Guinea-Compagnie.

IV. Andere Leiden bei Europäern.

Wenn es keine Malaria gäbe, so wäre Neu-Guinea ein Paradies und für Aerzte an Europäern so gut wie gar nichts zu thun.

Die 57 ausgewählten auf Tropentauglichkeit geprüften, meist jugendlichen Leute, die mein damaliges Clientei bildeten, waren ein viel zu gutes Menschenmaterial, als dass man an ihnen besonders interessante klinische Beobachtungen abgesehen eben von der Malaria hätte machen können.

Allgemeine Constitutionskrankheiten habe ich nicht zu sehen bekommen; die Anaemie wurde durch die universelle Malaria ge- nügend erklärt, und auch sie war, wie ich früher gezeigt, nur nach Schwarzwasserfieber hochgradig.

Eigentliche Tropenkrankheiten ausser Malaria kamen bei den Weissen nicht vor.

Von den auch bei uns heimischen Infectionskrankheiten habe ich nur eine einzige zu behandeln gehabt; diese freilich häufiger, und in einigen bösen Formen: die Gonorrhoe.

Aus meiner damaligen Praxis führe ich als Beispiel folgende Krankengeschichten an.

Nr. 26. (Acute Urethritis gonorrhoica.) Infeetiou 2. III. 95 in Colombo (Ceylon). Urethritis am 13. III. in Singapore bemerkt und Oonoeoecen nachgewiesen. Am 14. III. Abortivcur durch 2% Argent. nitric. c. Butyr. Caeao in Stäbchen versucht, jedoch ohne Erfolg. Darnach 0,5 % Zinc. sulfocarbol.- Lijsung, Besserung Anfang April. Dauerndes Aufhören jedes Ausflusses mit dem ersten Malariaanfall (Fieber bis 40.2°) am 21. IV.

An diesem Fall habe ich die schnelle Genesung der hohen Temperatur zugeschrieben, die ja als tödtlich für Gonococcen an- gegeben wird.

Digitized by Google

“276

Dr. Otto Dempwolff.

Nr. 27. (Arthritis gonorrhoica.) Pat. seit Oetober 94 in der Gilouie. hat (neben häufigen Malariafiebern) im April 95 eine acute Gonorrhoe aquinrt. die angeblich im Juni ausgeheilt war. Vom 22. VIII. bis 13. IX. hartnäckiges intermittirendes Fieber, bei dem entzündliche Schwellungen an den Metatarv- phalangeal-Gelenken und am Calcaneus des rechten Fusses auftraten, Mitt- November 95 neue gonorrhoische Infection, anfänglich selbst mit Injectionen be- handelt.

Am 22. XI. 95 schwere, zehnstündige Durchniissung bei I/jscharbeitea ; sofort daran anschliessend Gelenksteifigkeit, die sich unter Schmerzen bis zur Bewegungsunfähigkeit steigerte.

Am 25. XI. trat Pat. in Behandlung des Collegen in Stephansort. Damals bestand Entzündung des linken Hüft- und beider Fussgelenke, erst in den folgenden Tagen schwollen die Knie an. Dabei Herz intact. Milz massig ver- grössert, leichte Fieberbewegungen. Dieser Status hat fere idem gedauert bis Mitte December; nur die Urethritis wurdo gelinder. In dieser Zeit hat Pat erhalten Natr. salicyl. 20.0 Chloralhydrat 8,0 Salipyrin 38,0 Morph, mur. 0.23. Chinin, mur. 6,25 Phenocoll 9,0 innnerlich, 0,5% Zinc. sulfocarbol. äusserliea. 2 Vollbäder und Wickelungen der Gelenke alles ohne deutlichen Erfolg. Am 14. XII. Transport in’s Enroiäier-Hospital FrWhfn.. Uebernahme in meine Behandlung.

15. XII. 95. Status praesens: Starke Abmagerung, hohle Augen, hektische Wangenröthe, Rückenlage. Genick vorgeschoben, hist unbeweglich. An inneren Organen nur geringe Milzvergrösserung bis zum Rippenrand. Urin eiweissfre- zeigt Tripperfäden. Herz frei. Gelenke:- Kopf fast ganz fixirt, nur geringe Nickbewegung ausführbar; dabei keine Schwellung oder Dmckempfindlichkeit. auch nicht in den anliegenden Muskeln. Schultern und Ellenbeugen frei. Von den Handgelenken nur das Metacarpo-phalangeal-Gelenk des rechten Daumens ge- schwollen, steif. Hüftgelenke frei, linke lleosacralverbindung druckempfindlich. Knie- und Sprunggelenke stark geschwollen, geröthet, heiss, auf Druck schmerz- haft, steif. Metatarso-phalangeal-Gelenke. namentlich der grossen Zehe, geschwollen Druekempfindlichkeit an der rechten Hacke. Sonst nur Schlaflosigkeit. Appetit- tnangel. Reizbarkeit.

Bis zum 19. XII. bleibt unter Watteeiu Wickelung der Gelenke der Status idem; Probepunction im linken Knio resultatlos.

Vom 20. 28. XII. fünf heisse Bäder (40 44° C.) mit nachfolgendem Schweiss. Darnach Abschwellung beider Kniee. Geringe Beweglichkeit derselben.

Am 29. XII. infolge Erkältung Nachschub in beide Knie. Zeitweise kleine Fieber. Chin. mur. 12,0.

Anfang Januar 96 wieder heisse Bäder, Massage der Muskulatur. Sten- Morphium Abends. Darnach gänzliches Abschwellen an Knie- und Fussce- lenkon. Hackenschmerz und Nackensteifo bleiben. Nunmehr Ichthyolsalbe an den Gelenken, Jodtinctur am Knie. Allmälig gesteigerte Gehversuche.

Ende Januar noch sieben Dampfbäder mit folgender Ganzpackung. Nock immer abends Morphium. Zunehmende Gehfähigkeit. Hackenschmerz schwiudec Nackensteifo bleibt Sichtliche Hebung des Allgemeinbefindens.

Am 9. II. 96 als gebessert zur weiteren Reconvaleseenz auf die Stabc-n entlassen.

Hier entzieht sich Pat. möglichst der ärztlichen Controle, äusserst wechselnde

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guiuea.

277

Beschwerden ohne erneuten anatomischen Befund, wird am 15. III. in die Heimath gesandt. In Deutschland „völlig steif'* angekommen, hat er noch mancherlei Curen, u. a. Rechtsanwalt Glünicke’sche Iloiltriinke (!) durchgomacht , und soll Herbst 97 noch invalide gewesen sein.

Dieser Fall war der complieirteste, den ich je gesehen habe. Ob das „Tropenklima“ oder die Malaria bei der Verzögerung der Genesung mitgespielt hat, wage ich nicht zu entscheiden.

Nr. 28. (Arthritis gonorrhoica.) Pat. ist 7 Jahre in Australien, 4 Jahre in Neu-Guinea gewesen. Ende Deeember 95 in Stephansort gonorrhoische In- fectioD, Urethritis, Selbstbehandlung mit Injectionen. Am 5. I. 96 Ausbruch des Gelenkrheumatismus. Es waren ergriffen beide Knie- und Sprunggelenke; in den ersten Tagen gingen die ohnehin geringen Erscheinungen rechts zurück, während am linken Bein, auf dem Pat. bereits dreimal schwere Lymphnngitis durchgemacht, pralle Spannung des Kniegelenks, fixirte FlexionssteUung desselben, Oedem von der Mitte des Oberschenkels bis zu den Zehen, Druckgeschwiir am linken äusseren Knöchel auftrat. Alles unter leichten Fieberbewegungen um 38’. Während des ganzen Monats Januar blieb dieser Status, nur die Gonorrhoe war subacut und es trat leichte psychische Verwirrtheit auf. Pat. verbrauchte Chin. mur.

17.0 Natr. salieyl. 20,0 Salol 21,0, Chloral. hydrat. 30.0 Morph, mur. 0,2, benutzte

0. 5% Zinc. sulfocarbol.- Injectionen, und bekam alle ein um den anderen Tag heisse Vollbäder, sowie Wattewickelung der Gelenke.

Am 1. II. wurde eine Consultation über ihn abgehalten, die Uoberführung in’s Europäer-Hospital verlangte, und damit schloss: „die Vorhersage ist zweifel- haft. Wiederherstellung der Gesundheit im Schutzgebiet ist ausgeschlossen. Besserung des Zustandes bis zum Abgang des nächsten Postdampfers, welcher die Ueberfiihrung nach Europa gestattet, liegt wohl im Bereich der Möglichkeit.1' Am. 2. II. wurde Pat. nach Friedrich Wilhelms-Hafen transportirt.

Am 3. H. lautete der Status praesens: Passive Rückenlage. Temp. 38.2°. Innere Organe, ausser grosser Milz, frei. Urin eiweissfrei. Sonsorium klar. Gedäehtnissschwäche, resp. Erinnerungstäuschungen. Bleiche Hautfarbe. Schmerz- hafte, druckempfindliche, heisse Schwellung des linken Kniees, das in höchster spitzwinkliger Flexionsstellung fixirt ist; Oedem, weiss, prall, spindelförmig da- rüber; Oedem an den Knöcheln und dem Fussriicken. Decubitus am äusseren Knöchel. Druckrüthung der Haut über dem linken Gesiiss. Eiterausfluss aus dem Penis.

Vom 3. 14. II. erhielt Pat. ausser Morph. 0,01 Abends und einmal Sulfonal

1.0 kein Arzneimittel, wohl aber Priessnitz um Knie und Knöchel und ein heisses Bad, sowie besorgteste Allgemeinpflege. Dabei blieb der Status idem, nur der Decubitus heilte; Pat. war fieberfrei und nahm jedenfalls an Kräften nicht ab.

Am 14. II. Operation (mit Dr. Wendland und Stabsarzt Matthisson), Chloro- formnarkose, langsam und schwierig, aber ohne Zufälle. Auf der Höhe derselben Streckung des Unken Beines, die ohne Kraftaufwand gelingt, Anlegung zweier

1 . einenbinden als ..ansae“ an Ober- und Unterschenkel mittelst Leimverband. Endlich Anschienen des gestreckten Beines auf je eine Holzpelotte am Ober- und Unterschenkel, die durch Eisenstangeu verbunden sind, mittelst 1.0 imver- band. — Nach der Operation viel Schmerz bis zu Wuthanfällen. Morph. 0,01 5. Fieber.

Digitized by Google

278

Dr. Otto Dempwolff.

17. II. (ledern am ganzen Oberschenkel, während der Unterschenkel abge- schwollen ist. Ersatz des Leimverbandes durch Flanelibinden. Liiin. alumio. acct. auf das Knie. Fieberfrei.

20. II. Decubitus am Steissbein. Ungt. einer.

22. II. Stat. id. Oedem am Oberschenkel im Abschwellen. Ersatz der Pelottenschiene durch Drahtbose, Flanellbinden und Extension.

24. II. Oedem abgeschwollen. Mercurialexanthem. Warme Vcllbäler. Priessnitz am Knie. Reispuder.

28. II. Exanthem und Decubitus schwinden. Drahthose weg. Keine Schlafmittel mehr. Merkliche Besserung des Allgemeinbefindens.

Anfang März: Zunehmende Besserung.

Am 15. III. verlässt Pat. die Colonie mit folgendem Status: Allgemeinbe- finden gut. Psyche klar. Appetit, Verdauung vorzüglich. Kein Fieber. Ausser PulsbeBchleunigung und Milztumor innerlich nichts Abnormes. Gonorrhoischer Ausfluss unmerklich. Kein Decubitus. Leichtes Oedem des linken Beines von der Mitte des Oberschenkels bis zu den Knöcheln. Darunter ein Knie- und Fussgelenkserguss nicht nachweisbar. linkes Bein gebrauchsunfähig: Pat wird im Stuhl an Bord gebracht. Pat. hat 4 Wochen in Singapore im Hospital ge- legen und später in Deutschland gymnastische Curen gebraucht Er soll nnr eine Steifheit des linken Knies nachbehalten haben, sonst völlig genesen sein.

Dieser Fall war sicher sehr schwer, dass der Kranke mit dem Leben davon gekommen, verdankt er nur der aufopfernden Pflege unserer Schwester.

Selbstständige Krankheiten des Circulationssystems kommen nicht vor.

An den Respirationsorganen habe ich einige Erkältungskrank- heiten behandelt, Rachen- und Bronchialcatarrhe, auch dreimal trockene Pleuritiden. Alle diese Fälle genasen schnell ohne wesentliche Therapie. Diese geringe Empfänglichkeit für Erkältungen musste um so mehr auffallen, als einerseits jeder Einzige oft genug unver- muthet und auf längere Zeit durchnässt wurde, andererseits alle Farbigen sehr unter Husteu und Catarrhcn litten. Es lag der Ge- danken nahe, dass wir Weissen aus unserer rauhen Heimath eine grössere Widerstandsfähigkeit gegen Witterungseinflüsse mitbrachten, im Kampf um’s Dasein mit dem meteorologischen Milieu seit Genera- tionen erworben.

Auch von selbstständigen Krankheiten des Yerdauungstractus habe ich wenig zu berichten: ein Tumor abdominis wurde rar Operation heimgesandt; bei zwei Fällen von Taenien gelang dis Abtreibung ohne Rückfall.

Am Urogenitalsystem abgesehen von der Gonorrhoe habe ich nur dysmenorrhoische Beschwerden bei den verheiratheten Frauen zu verzeichnen, Ausfall der Menses, oder profuse Blutverluste. Nur

Aerztliche Erfahrungen in Neu-Gtiinea. 079

gegen letztere habe ich therapeutische Erfolge gehabt, diese aber stets und prompt: mit Extr. Hydrast. Canad.

Von Hautleiden waren wir Europäer wenig geplagt: vor Allem gab es nicht so viel Ungeziefer, wie anderwärts, keine Flöhe, Wanzen u. s. w., nur Mosquitos der milderen Art, die auch au der See in der trocknen Zeit fast ganz ausst&rben. Ah und zu belästigte ein Erythema solare (durch Lanolin zu vermeiden) oder „rother Hund“ ( in einem ganz schlimmen Fall halfen tägliche heisse Süsswasserbäder ), und zuweilen auch Ringwurm (herpes ton- surans?), durch die Farbigen angesteckt, theils direct (cherchez la feinme), theils indirect durch die Leibwäsche, welche unsere Boy ’s oft zu faul waren auszukochen. Gegen diese peinliche Flechte sah ich von einer 5 °/0 Chrysorabinsalbe stets Erfolg, während Naphtol, Schwefel etc. nicht so prompt halfen.

Beim Thema „Hautleiden“ will ich noch eine Affection erwähnen, die meines Wissens nur in Indonesien, besonders häufig anscheinend auf Neu-Guinea vorkommt. Es sind kleine juckende Papeln an den unteren Extremitäten, die man von einer Buschtour mitbringt, die unter dem Kratzeffect bald in flache, eiternde Geschwüre übergehen, und die erst in Wochen heilen, unter Hinterlassung eines jahrelang fortbestehenden bräunlichen Pigmentfleckes. Sie hiessen bei uns „Buschmucker“; es sind angeblich minimale rotlie Milben darin ge- funden worden. Jedenfalls giebt es ein sicheres prophylactisches Mittel, dessen Kenntniss ich den protestantischen Missionaren ver- danke: Balsam. I'eruv., rein oder bis 1 0 °/0 spirituös verdünnt, zur sorgfältigen Einreibung der unteren Körperhälfte vor jeder „Busch- tour“. Dieses Mittel half auch therapeutisch am ersten Tage gegen die rotlien Papeln angewandt, während die Geschwüre mit feuchten Umschlägen und Borsalbe sehr langsam ausheilten.

Damit wäre ich bei den Fussgeschwüren im Allgemeinen ange- langt, — dem einzigen Thema aus allen „chirurgischen“ Fällen, bei dem ich eine Erfahrung zu verzeichnen hätte. Die alten Tropen- leute nehmen an, dass man keine Malariaattaque bekäme, solange offene Beinschäden, überhaupt Eiterungen am Körper bestünden, und „die schlechten Säfte ableiteten“. Dies kann ich halbwegs l>e- stätigen; d. h. während im Allgemeinen alle Verletzungen bei Weissen sehr langsam heilten, liessen Eiterungen unmittelbar nach einer Malariaattaque sichtlich nach, und speciell Beinschäden wurden der üblichen Behandlung zugänglicher. Ich fasse dies aber so auf, dass

Archiv (. Schiffs- u. Trope »Hygiene. II. 21

Digitized by Google

280

Dr. Otto Dempwolff.

die hohen Fiebertemperaturen den Mikroorganismen der Eiterung ebenso schädlich sind wie denen der Gonorrhoe.

V. Krankheiten der Farbigen.

Die Farbigen meines Klienteis waren ein buntes Gemisch ver- schiedenster Rassen: Halfcast’s von Europäern, Javanen mit ihren Weibern und Kindern, Chinesen (nur Männer), Melanesen von der Gazelle-Halbinsel, aus Neu-Mecklenburg (hierher auch WTeiber), von Buka und den Salamonsinseln, Papuas von den French Islands und vom Huongolf, und endlich ab und zu freie Eingeborene „Tamul“ von der Astrolabebay. Umgangssprache mit den gelben Rassen war das brauchbare Küstenmalayisch, mit den Schwarzen aber die jämmerliche Carricatursprache „Pitchenenglish“ (aus busiuess-englisi corrumpirt), so dass, namentlich bei Neuankömmlingen, mangels ge- nügender Verständigung der ärztliche Beruf zur Veterinärprast- wnrde. Dazu kamen erschwerend die eigentümlichen Anschauungen der verschiedenen Völker über Krankheiten und Therapie. Es ist dies ein interessantes Thema der Ethnologie, in das ich nur lang- sam und unvollständig eingedrungen bin. Das Wesentlichste Mir die Praxis war, dass die gelben Rassen häufig Leiden zu übertreiben und zu simuliren suchten, um der Arbeit zu entgehen, die Schwärzet dagegen dissimulirten, um nicht in ’s Hospital zu müssen. Die Javanen und Chinesen benutzten in ihrem starken Arzneiglauben gern hei- mische Mittel uncontrolirbarer Art, die Schwarzen waren einem tiei- gewurzelten und stark suggestiven Aberglauben unterworfen: der Furcht vor Gespenstern und Zauberei, womit sie alle Leiden erklärten, für die sie keine nahe liegende Ursache sahen. Glücklicherwet* bezog sich diese Furcht nicht auf den Weissen und seine Arzneimittel: für chirurgische Eingriffe und für Sectionen boten die Iteminiscenar. aus der früheren Cannibalenzeit der meisten Schwarzen sogar ein günstiges Yorurtheil. Im Allgemeinen also brachten die Farbigen der europäischen Behandlung kein grosses Yerständniss entgegen, sondern: unterwarfen sich derselben aus gewohnter Subordination ; besten Falls hatten sie das Zutrauen, dass der Doktor ein „guter Mann“ sei. wesi er sie nicht zur Arbeit anhielt und sie nicht strafte.

Den einzelnen Krankheitsbildern, die ich der Mittheilung fir werth halte, schicke ich eine Uebersicht voraus, wie stark sich die verschiedenen Leiden an der Morbidität und Mortalität betheiligten

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea.

281

ich betone hier nochmals, dass dies nur für Friedrich Wilhelms-Hafen und die Jahre 1895 und 96 gilt.

An der Morbidität betheiligten sich äussere Leiden mit 37 °;0 aller Krankheitställe und 30 % der Behandlungstage; Malaria be- anspruchte 17,7% und resp. 3,6%, Beriberi 2,4 % resp. 7,0%, Dysenterie 0,3% resp. 0,8%, Pocken 2,2% resp. 4,4%, Gonorrhoe 19,7% resp. 30,4 °/0, Lungen-Tuberculose 0,3% resp. 1%, alle anderen Krankheiten zusammen 20,4% resp. 22,8%.

I/epra, Cholera, Syphilis sah ich nie, Elephantiasis nur bei freien Papuas.

Die Mortalität setzte sich zusammen aus 2 Todesfällen au äusseren Leiden, 12 an Malaria, 5 an Beriberi, 8 an Pocken und 28 an mannigfachen inneren Leiden.

Grössere Verletzungen von Bedeutung sind mir nur bei zwei Leuten vorgekommen.

Nr. 30. (Complicirtc Schiidelfractur.) 20. VI. 95. Etwa 18 jähriger Mela- nese hat von einem Javanen einen Beilhieb von hinten her über die rechte Schädel- seite erhalten. 6 cm lange Hautwunde mit glatten Kündern; unregelmässiger Kiss von derselben Länge im Os parietale, dessen obere Partie derart eingedrückt ist. dass der rauhe Rand des unteren Knoehentheil vorsteht. Sensorium klar, keine Hirnsymptome. Jodoformtrockenverband. Heilung per secundam in drei Wochen ohne Fieber oder andere Reactionen.

Nr. 8t. (Verstümmelung von Gesicht und Unterarm.) 22. II. 96. Javanischer Halfcast. Beim Fischeschiessen mit Dynamit ist eine Patrone ver- früht in seiner Hand, wahrscheinlich als er die Zündschnur an der Cigarre ent- zündete, explodirt. Ueber eine Stunde lang im Boot zur Station transportirt, kam er bei Bewusstsein an und bot folgenden Anblick: von der rechten Hand standen nur noch die Reste von drei Metacarpalknochen ; Sehnen. Muskeln und Hautfetzen hingen herum; die rechte Gesichtshälfte war eine Breimasse, das Auge ausgelaufen, die Wange am Mundwinkel in Thalergrösse so weggerissen, dass der Finger vom Munde aus durchdrang; Quetschwunden auf Stirn, Schläfe. Kinn und Hals.

In Chloroform- und Morphium betäubung wurden Mitteihand und die meisten JJandwurzelknoehen entfernt, so dass zur Bedeckung des Restes die Hautfetzen ausreichten. Am Gesicht wurde nur Reinigung vorgenommen und relativ asep- tischer Verband angelegt. Tiefer Collaps verbot weitere Eingriffe. Am Abend war Pat etwas erholt und fieberfrei; ebenso am 23. II.

Am 24. II. zeigten sich Armstumpf und Wange gangraenos; es werden mehrstündige Spülungen mit 1 % Liquor Alurn. acet. verordnet. Pat. blieb fieber- frei und bei völlig flüssiger Diät und reichlichem Weinconsum er war Potator relativ bei Klüften.

In den nächsten 4 Wochen begrenzte sich das Gangrän, das übrigens nur die Haut betroffen, allenthalben deutlich. Aus den Granulationen zuweilen auf- tretende Blutungen standen auf Liqu. ferr. sesquichlor. Die gut vernarbten Ver- letzungen im Gesicht und im geschrumpften Bulbus machten ein Einschreiten

21*

Digitized by Google

282

Pr Otto Dempwolff.

nnnöthig. Nur au dem Armstumpf wurde am 28. III. uoch in Gemeinseiaf: mit Hm. Stabsarzt Matthisson die Amputation bis zum oberen Drittel da l'uterarmes ausgeführt. Der Heilungsprocess verlief glatt; Ende April thitf Pit wieder als Aufseher Dienst; er erlernte schnell mit der linken Hand zu Schreiber, sogar wieder Fische schlossen.

In leiden Fällen ist die grosse Widerstandsfähigkeit, die „Lebenskraft“ bemerkenswert!!. Die schnelle Heilläkigkeit, nameDt- licb von Schnittwunden, die liier nicht so deutlich war, habe ich in anderen Fällen von Messerstichen, Säbelhieben etc. bei Farbigen häutiger bewundert

Nr. 32. (Schnittwunde.) 8. IV. 96. Etwa 30jähriger Baka; Poliz--- soldat. Hat sich durch Treten auf ein scharfes Messer am Hacken verletzt damit noch etwa 2 Stunden Posten gestanden , so dass er durch den Blutverlust fast collabirt ins Hospital kommt 6 cm lange. 2 cm tiefe, glatte Schnittwunde, stark blutend, lu der dicken Epidennis brechen die Wundnadeln ab. deshalb Heftpflasterverband, llocblagerung des Beines.

11. IV. Pat. hat den Verband abgerissen. Wunde ist frisch vernarbt un: bricht nicht mehr auf, obwohl Pat. umhergeht

Weitaus die grösste Anzahl äusserlich Kranker hatten Ulcera cruris. Aehnlich wie bei unserer Arbeiterbevülkerung entwickelt«; sich aus kleinen Epidermisdefecten in Folge von Stössen und Quetschungen durch Vernachlässigung Geschwüre, deren dünne Narben, namentlich Uber dem Schienbein immer wieder aufbrachen. Varicen spielten keine Rolle bei der Entstehung dieser Geschwüre. Besonders böse und oft brandige Geschwüre traten bei Leuten auf die mit dem Löschen und Laden von Kohlen beschäftigt gewesen waren.

Die meisten Fälle wurden ambulant behandelt, und über se kein Buch geführt. Im Hospital wurde folgender Behandlungsplan durchgeführt, nachdem ich anfangs Jodoform, Aristol, Dermatol u. s. w. ohne gute Erfolge durehprobirt. Zunächst gründliche Reinigung des ganzen Reines, und speciell des Geschwürs mit dem scharfen Löffel, bei brandigen Stellen 10°/u Alaunbäder oder Alum. ust. pulver direct auf die Wunden. Alsdann feuchte, täglich gewechselte Um- schläge (Watte mit abgekochtem Wasser getränkt, Pergamentpapier. Mullbinde) bis sich eine eiterfreie, rosige Granulationsfläche gebildet hatte, eventuell dabei Höllensteintouchirung. Darnach Zinkleim ver- band, alle 3—4 Tage gewechselt, bis zur völligen Heilung. Eudbdi zmveilen, bei grossen Defecten, Massage der Haut resp. Narbe. So kam ich in 3 6 Wochen immer zum Ziel. Transplantationen, roc fremder oder des Kranken eigener Haut sind mir und auch anderen Kollegen draussen stets missglückt.

Digitized by Google

Aerztliclie Erfahrungen in Neu-Guinoa.

283

Phimosen-Operationen musste ich in 10 Füllen wegen häufiger und vernachlässigter Balanitis vornehmen. Daltei wünschten die Iieute stets Incision, weil sie mit dem Verlust des ganzen Fraeputium abergläubische Vorstellungen verbanden. Aehnlich wider- strebten sie Zalmextractiouen, mit der Begründung, sie würden der- einst getötet und verspeist werden, wenn in der Heimath ihre Landsleute die Zahnlücken sähen. Es betraf dies natürlich nur Melanesen.

Zwei vereinzelte Fälle von Erysipel kamen vor, am 9. II. 96 bei einem javanischen Viehhirten und am 25. VII. 96 bei einem Melanesen, der Anfang Juli schwere Blattern Überstunden hatte. Bei Beiden wunderte das Oedem vom Gesicht Uber den Schädel und Hals in grossen Zacken bis auf Brust und Rücken. Die pigmentirte Haut blieb unverfärbt, nur bei dem Javaneu war der jeweilige Rand rüthlich abgegrenzt. Beide Kranke genasen unter äusserer Behand- lung mit Amylum und Collodium ohne innere Mittel; sie haben keine anderen Kranken augesteckt, obwohl eine Isolirung nicht durchzufiihren war.

Ich komme nun zur Beschreibung eines Leidens, das weder ich noch die sechs anderen deutschen Aerzte, die es draussen gesehen haben, unter eins der uns bekannten pathologischen Bilder bringen konnten.

Das Ijeiden sah ich nur hei Schwarzen, Melanesen und Papuas. Bei neun Leuten, sechs Männern und drei Weibern, habe ich es behandelt.

Bei den genannten Völkern sind, wie ich vorausbemerken muss, bei allen Individuen beider Geschlechter von früher Kindheit an die leisten- und noch mehr die Oberschenkel- (Rosenmüller’schen) Drüsen derb und schmerzlos bis Wallnussgrösso geschwollen, wohl in Folge der mannigfachen inficirten Epidermisverletzungen der unteren Ex- tremitäten. Von diesen Lymphdrüsen (bei freien Papuas sah ich auch andere, z. B. in der Achselhöhle ergriffen) beginnen nun einige schmerzhaft zu schwellen und zu erweichen; die überliegende Haut wird straff, glänzend, dünn, und bricht an einigen Stellen, oft sieb- artig, auf, sondert ein spärliches, klebriges Secret, mit etwas Blut und Eiter vermischt, ab, und bedeckt sich bald mit eintrocknenden Borken. Entfernt man diese nach eiuigen Tagen, so tritt eine weiche Grauulationsmasse hervor, die bei priiparirenden Incisionen sich als erweichte Lymphdrüse erweist, über der die Haut weggefressen ist. Räumt man nun das ganze Drüsenpacket weg, so bleibt über

Digitized by Google

284

I)r. Otto DempwoUf.

der Höhlung die Haut von normalem Aussehen zurück, nur am Rand abgesehen von operativen Incisionen verdünnt, wie bei einem spontan aufgebrochenen kalten Abcess. Die tief gelegenen, iiusserlich intacten Drüsen zeigten theil weise auf der Schnittfläche einen Streifen rahmig-klebriger Einschmelzung.

Diese Drüsenaffection fehlte in keinem Falle. Häutig befürchtete ich bei Leuten, die mit weichen schmerzhaften Bubonen ins Hospital kamen, dasselbe Leiden, verordnete Einreibung mit grauer Salbe und sah Besserung: solche Fälle zähle ich natürlich nicht mit. Bei dreien der neun von mir behandelten Kranken blieb die geschilderte Xee- bildung der Drüsen das einzige Symptom. Nach der Exstirpation der ganzen Drüsenpackete trat Genesung ein: ein Recidiv blieb während der vier resp. 16 Monate, welche die Leute noch in meinem Wirkungskreis sich aufhielten, aus. Der dritte Kranke, auch nur mit Drüsenaffectionen , kam bald nach der Exstirpation auf eine andere Station, von wo aus ich noch ein halb Jahr später hörte, dass es ihm gut gehe.

Bei zwei anderen Kranken entwickelte sich etwas später als in den Drüsen dieselbe schwammige, klebrig-secemirende Granulaöoa- masse an circumscripten Hautstellen an den Genitalien da, wo kein« Lymphdrüsen unter der Haut sassen. Dieselben Hessen sich mit dem scharfen Löffel auskratzen und erwiesen sich dabei als begrenzt Einer dieser Patienten blieb, operirt, die 13 Monate über, während deren ich ihn noch sah, recidivfrei; der andere, ein Weib, wurde dreimal operirt; am 5. XI. 95, 18. XII. 95 und 19. IX. 96; dann büeb sie, so lange ich sie sah, gesund und gab einem gesunden Kinde Anfang 97 das Leben. Dieser Fall stellte ein deutliches Recidiv dar.

Die vier übrigen Kranken kamen mit den» Leiden an Drüsen und anderen Organen in Behandlung. Zwei Patienten fand ich be Uebemahme meines Postens bereits in einem Zustand, der eine Operation unthunlich erscheinen Hess: über handgrosse Hautstellen waren in schwammige Granulationen verwandelt, die äusseren Geni- talien angefressen: bei dem Manne die Glans penis und der mon> veneris, bei dem Weibe die ganzen Schamlippen und der Damm: bei beiden bestand hochgradiger Kräfteverfall; sie starben nach einigen Monaten. Die beiden letzten Kranken meiner Beobachtung, auch mit multipeln schwammigen Granulationsheerden in Drüsen und äusseren Genitalien, genasen nach eingreifenden, an mehreren Terminen vorgenommenen Exstirpationen.

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen in Xeu-Gninea.

285

Bei den freien Eingeborenen sollen Spontanheilungen Vor- kommen.

Als ich nach Neu-Guinea kam, galt dies Leiden als „phagae- daenischer Schanker“. Mit Ulcus molle hatte es aber sicher nichts zu thun, ebensowenig mit Syphilis. Etwas erinnerte es an Lymplio- sarcom; mit der Beschreibung der Frnembosia deckte es sich nicht. Leider sind mir sämmtliche exstirpirten Driiseu, die ich in Spiritus aufbewahrt hatte, auf der Heimreise verloren gegangen.

Ich komme nun zu den „inneren Krankheiten“.

Malaria in Gestillt von Fieberantällen und Milzvergrösserung hatte jeder Farbige, eingeboren oder eingefuhrt. Die allermeisten Attaquen aber waren ephemer, und heilten spontan in '/» 2 tägiger Arbeitsbefreiung mit einer von dem jeweiligen Abtheilungsleiter ver- abreichten Chiningabe oder ohne dieselbe. Solche Fälle bekam ich nur unter meinen Hausdienern etc. zu sehen; sie verliefen genau so, wie die leichtesten Anfälle bei uns Europäern, nur mit dem Unter- schiede, dass sie viel seltener recidivirten.

Nr. 33. (Malaria intermittens.) 14 jähriger Javane. Drei Monate im Lande, im letzten angeblich regelmässige tertiana, Nachmittags 3 Uhr einsetzend; kein Arzneimittel.

27. VII. 12 h. a. in. 37,3. 4 h. p. m. 39,2. 6 h. p. m. 38.0 Schweiss.

28. VII. 7 h. a. in. 37,6. 12 h. a. m. 40,0 Bad. 3 h. p. m. 38,0. 6 h. p. m. 39,0.

29. VII. 7 h. a. m. 36,0 Chinin. 0.75. 3 h. p. m. 37,2. 6 h. p. m. 88.0.

30. VII. 8 h. a. m. 37.2 Chinin 0,75. 3 h. p. in. 36,4.

31. VII. u. 1. VIII. fieberfrei; noch dreimal 0,75 Chinin; geheilt entlassen.

Nur schwerere Fälle kamen in Hospitalbehandlung; Remittens

war häufig, Continua selten; der Uebergang in Cachexie war in mehreren Fällen zu beobachten.

Nr. 34. (Malaria remittens.) 18jähriger Melauese.

24. IV. 95. a. in. 36,9 Chinin 1.0. p. m. 89,5 Chin. 2,0, erbrochen.

25. IV. a. m. 89,5 Chin. 1,0. p. m. 87,2 Chin. 1,0, erbrochen.

26. IV. a. m. 39,2 Chin. 1,0. p. m. 37.6 Chin. 1,0, erbrochen.

27. IV. a. m. 37,6 Chin. 1,0. 12 h. a. m. 36.3. 6 h. p. m. 86,9 Chin. 1,0.

28. IV. a. m. 37,2 Chin. 1,0. 12 h. a. m. 86,8. li h. p. m. 37,4 Chin. 1,0.

Vom 29. IV. fieberfrei, kein Chinin mehr.

Nr. 35. (Malaria remittens, Cachexie, Exitus.) Etwa löjähriger Melanese.

13. V. 95. p. m. 38,4 Chin. 1,0.

14. V. 6 h. a. m. 87,5. 12 h. a. m. 38,4. 6 h. p. m. 38,9 Chin. 1,0.

15. V. 6 h. a. m. 87,3 Chin. 1,0. 12 h. a. m. 38,7. 6 h. p. m. 88,3 Chin. 1,0.

Digitized by Google

286

Dr. Otto Dempwollf.

16. V. (La. m. 37.1 Chin. 1,0. 12 h. a. m. 37.2. 6 h. p. m. 37A Cliiu. 1,0.

17. V. 6 h. a. m. ? 12 h. a. m. 37,9. 6 h. p. m. 37,7 Chin. 1,0.

18. V. 6 h. a. in. 37,6. 6 h. p. m. 37,3 Chin. 1,0.

19. Y. 6 h. a. m. 36,8. 6 h. p. in. 37,2 Chin. 1,0.

20. Y. 6 h. a. in. 37,1 Collaps. Camphora 0,3. 6 h. p. m. 37,0.

21. V. 6 h. a. m. 36,1. 6 h. p. m. 37,0. )

22.

V.

36,0.

11

36.4.

23.

V.

11

35.8.

»1

36.3.

24.

V.

!*

35,5.

IV

35.6,

mehrfach Cliampher,

25.

V.

11

84,8.

1*

36,2.

Aether etc.

26.

V.

17

35,8.

11

36,2.

27.

y.

11

36,2.

38,8.

28.

Y.

11

35,9.

Exitus.

Complicationen waren seltener als beim Europäer. Ein Theil der vielfachen Darmcatarrhe mag mit Malaria zu thun gehabt haber so wahrscheinlich wie bei den Weissen in Nr. 8 und Nr. 10 war aber der causale Zusammenhang nie.

Ilaemoglobinurie sah ich nur bei meinem chinesischen Koch zweimal auftreten.

Nr. 36. (Malaria haemoglobinurica.) 25jähriger Chinese, aus EU- nau; seit März 95 in Neu-Guiuea. Schwächlicher Mann, massiger ( »piumrauehe Hat häufige, kurze Fieber, gegen die er viel Chinin verbraucht.

25. XII. 95. Tag über Fieber, gegen das Fat. noch bei hoher Temperatur 1,0 Chin. nimmt. Nachts Haemoglobinurie.

26. XII. Dauernd über 40°. Anhaltende Haemoglobinurie. Panaritius am rechten Mittelfinger.

27. XII. T. zwischen S8,0 und 39,4; Abends 36,5. Status idem. Ker. Medicament.

28. XU. Morgens T. 37.1. Urin blutfrei. Panaritium geschnitten. Dareas Fieber bis 39,5, aber klarer Urin.

Ab 29. XII. lieberfrei, Urin normal.

Nachdem Pat. am 12. I. 96, am 20. u. 22. I. 96 und am 9. II. 96 klen» Fieber ohne Blutharnen mit Chiningaben unter 1,0 überwunden bat, bekommt er am 28. II. Fieber bis 39,0 mit einem zweiten Anfall von Haemoglobinort. der auch am 29. II. anhält. Ob, resp. wann Pat vorher Chinin genommen, si nicht ermittelt Er erhält keine Medicameute, trinkt viel Thee, ist ohne Pflee- Am 1. III. ist Pat. fieberfrei, sein Urin hell, ohne Blut und Eiweiss.

Am 15. III. verlässt Pat. das Schutzgebiet, kehrt aller im Mai zurück, a»; ist bis December, ohne schwere Fieber zu haben, dort geblieben und arbeii- fähig gewesen, hat aber seinen früher übermässigen Chiningenuss auf die wr- ordneten Gaben beschränkt.

Differentialdiagnostische Schwierigkeit habe ich manchmal gehabt ich erwähne nur einen Fall:

Nr. 37. (Malaria oder Abscess). Etwa 22jähriger Melanose.

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen in Ncu-Guinca. 287

3. VI. 95. Aufgenuiiimen mit 37,8 Tenip. und Gliederschmerzen. In den nächsten sechs Tagen unregelmässige Temperaturen bis 39,0 mit Remissionen bis 37 8. 38.1, einmal bis 36,8. In dieser Zeit verabreichte 5.0 C'hin. sind erfolglas.

Am 10. VI. zunehmende Schmerzen im linken Unterschenkel, der in Flexionsstellung fixirt ist. l’riessnitz'sche Umschläge. Fieber nur zwischen 3S.0 und 37.2.

Am 12. VI. Tiefe Ineision, Eröffnung eines unter dem Gastrocnemius ge- legenen Abcessos. Darnach Temperaturabfall bis 36.1.

Iu den nächsten Tagen Drainage, secundäre Naht und schnelle fieberfreie Genesung.

Die Therapie der Malaria war bei den Farbigen viel unzu- länglicher, als bei den Europäern. Vor allein mangelte es an ge- nügender Pflege; weder der europäische Heilgchülfe, noch die beiden farbigen Wärter konnten ihre 40 50 Kranken so warten, wie die Schwester ein bis fünf Europäer. Auch war an Krankenkost nicht immer das zu beschaffen, was dem Gaumen der verschiedenen Kassen genehm war. Schliesslich war auch Hydrotherapie nur in geringem Maasse anzuwenden, schon deshalb, weil von den Indicationen für die farbige Haut nicht mehr bekannt ist, als dass sie andere sein müssen, wie für die pigmentlose; ich habe mich auf Bäder. Güsse und, bei Javanen, Packungen beschränkt. Also blieb im Wesentlichen nur die medicamentöse Behandlung, das Chinin, das natürlich sehr ungern genommen und oft erbrochen wurde; am besten ging es noch mit etwas Cognac, Salzsäure und Wasser, und indem der Nachgeschmack durch Trinken einer frischen Cocosnuss weg- gespült wurde.

Von alledem ist die Folge, dass 22% fast ein Viertel aller Todesfälle durch Malaria verursacht wurden.

Beriberi sah ich nur in vereinzelten Fällen von Chinesen und Javanen eingeschleppt und auf einige Melanesen übertragen, lieber dies Thema kann ich mich dem, was l)r. Wendland**) über sein viel grösseres Material mittheilt, ganz anschliessen, und muss die Ansicht Dr. Hagges*), die Beriberi in Neu-Guinea sei eine Malariafomi und durch Chinin zu heilen, für meine Fälle abweisen.

Echte Dysenterie bekam ich nur aus dem Bismarckarchipel eingeschleppt an Keconvalescenten (Strafgefangenen) zu sehen; ich kann nichts darüber berichten.

Dagegen muss ich der Fülle und wechselvollen Bilder anderer

*) Dieses Archiv I. p. 237.

**) AerztL Rundschau 1894.

Digitized by Google

288

Dr. Ott» Derapwolff.

Darmleiden gedenken. Acuter Durchfall, chronischer Dünndann- catarrh, Dickdarmcatarrh und -geschwüre, fiebernd und mit sub- normalen Temperaturen, einige Male mit Mundfaule verbunden; auf Ipecacuanha oder Tannin etc. sich bessernd, oft spontan heilend, zuweilen mit langsamer Abzehrung, mitunter in plötzlichem Tode endigend; immer neue Bilder, oft bei demselben Kranken wechselnd, vorgestern dünnflüssiger, gestern schleimig-eitriger Stuhl, heute ge- formt mit frischen Blutgerinscln ; ich habe bei meinem kleinen Material die Aetiologie nicht entwirren können. Worauf ich am meisten fahndete, Darmparasiten habe ich nie mit Sicherheit naeh- weiseu können. Ein ursächliches Moment war wohl W echsel in der Ernährung (für Melanesen ungewohnter Reis), ein anderes Erkältungen;

Verdacht auf ein specifisehes Contagium habe ich nie schöpfen können.

Gonorrhoe war weit verbreitet unter den Farbigen, wie ich bereits in Cap. IV. erwähnt. Ihre zeitraubende, monatlange Be- handlung, namentlich der Weiber desinficirende Waschungen und Ausspülungen, Ichthyoltampons u. s. w. machte diese Art Kranken zu Stammgästen des Hospitals. Dabei war eine besondere Crux die Absperrung derselben aus gesundheitspolizeilichen Gründen, die um so schwieriger durchzufüliren war, als fast niemals subjective Be- schwerden die Libido sexualis einschränkten. Es fehlten nämlich

im Gegensatz zu den Europäern alle schweren Complicationen, wie Cystitis, Epididymitis, Pyosalpinx u. s. w.; nur spitze Condylome und Erosionsgeschwüre kamen vor.

Den Blattern widme ich ein besonderes Capitel.

Lungentuberculose kam zu meiner Zeit nur bei drei Melanesen vor, allemal bei Leuten, die als Besatzung des Compagnie- dampfers in Sidney gewesen waren. Alle drei hatten massenhaft Tuberkelbacillen im Sputum und erlagen ihrem Leiden.

Bronchitis war häufig, aber nie schlimm.

Ilerzklappenfehler constatirte ich zweimal an Leuten, die kurz vorher die Blattern Überstunden hatten.

Ein Empyema pericardii ergab einmal die Section bei einem Melanesen, den ich bei Lebzeiten als Simulanten angesehen. Er hatte kein Fieber und reine Herztöne gehabt; und ich hatte versäumt, die Herzgrenzen genau zu bestimmen.

AerzÜiehe Erfahrungen in Neu-Guinea.

289

die bei Tage schärfer sahen als ich, konnten Nachts z. B. nicht als Bootssteuerer benutzt werden, weil sie nicht über eine Bootslänge hinaus wahrschauten.

Von Hautleideu sah ich echte Psoriasis nur einmal. Krätze und Ringwurm, oft universell, waren unter den Schwarzen ungemein häufig, bei den gelben Rassen seltener. Den Pilz des Herpes ton- surans habe ich nicht nachgewiesen, Krätzmilben jedoch wiederholt gefunden. Styrax und Peiubalsam gegen Scabies, Chrysorabin (5 1 0 °/0) gegen Ringwurm waren die üblichen Heilmittel. Nur universeller Ringwurm war äusserst hartnäckig, doch habe ich für die Behauptung, dass er marantisch mache und für andere Leiden prädisponire, kein überzeugendes Beispiel gesehen.

Hier mögen noch die vereinzelten Fälle von Giftwirkung, die ich gesehen, ihren Platz finden. Gar nicht selten kamen Schwarze mit der Klage über „Fischbisse“. Sie zeigten minimale aber sehr schmerzhafte Verletzungen an den Extremitäten, bekamen hohes Fieber, lagen 2 4 Tage arbeitsunfähig herum, und gingen dann, ohne besondere Behandlung (ausser Wundreinigung, Umschläge, Wein etc.), genesen wieder zur Arbeit. Es ist von Steinbach*) aus Jaluit aufmerksam gemacht, dass einige Fische der Südsee erectile Stachelflossen mit Giftdrüsen besitzen. Ich habe vermuthet, dass es dergleichen auch in den Gewässern Neu-Guineas giebt.

Wirkliche Fischvergiftung mit tödtlichem Ausgang kam ein- mal vor.

Nr. 38. (Fischvergiftung.) Etwa SOjähriger, äusserst kräftiger Javane. 18. II. 96. Der Mann hat sich die lieber eines Fisches gebraten, den die Papuas „buliii“ nennen (den mir Niemand zoologisch bestimmen konnte), und dieselbe trotz der Warnungen der Neupommern, welche eben diese Leber als „no good“ weggeworfen hatten, verspeist. Zw'ei Stunden später war er tot auf- gefunden. Die alsbald in Gemeinschaft mit lim. Stabsarzt Matthisson von S. M. S. Möwe vorgenommene Section ergab keinen Anhaltspunkt für eine andere Todes- ursache, so dass „Vergiftung“ die wahrscheinlichste Diagnose blieb. Im Magen fanden sich noch theilweise unverdaute Reste der gebackenen lieber.

Endlich muss ich noch verschiedene dunkle Fälle erwähnen, in denen die Diagnose bei Lebzeiten gamicht und auch auf dem Secirtisch nicht genügend aufgeklärt wurde.

Nr. 89. Etwa 20jährige Melanesin. Die kräftige und gut genährte Frau hat Ende Januar 96 einen fieberhaften Bronchialcatarrh durchgemacht.

In der Nacht vom 6. zum 7. II. 96 bekommt Pat. plötzlich Haemoptoc,

*) Veröffentlichungen von Gelehrten und Forschungsreisenden aus deutschen Schutzgebieten 1895.

Digitized by Google

290

I)r. Otto Denipvvolff.

die aber auf Ruhe bald steht. Tags über hustet sie wenig, hat geringes Fieber und behauptet krank gezaubert zu soin und sterben zu müssen. Der Zustand ihrer Organe bietet keinen Anlass zu irgend welcher Besorgnis.«. specteG das Herz functionirt kräftig und regelmässig.

In der Nacht zum 8. 11. treten Beängstigungen auf und Morgens lh.S0a.rn. stirbt sie, ehe ich gerufen werden konnte.

Sectiousprotocoll vom 8. II. 96. 11 h. a. m. Gut genährte weibliche Leiche einer Mclanesin. Totenstarre in allen Glicdmaassen. Uedem beider Unter- schenkel. Spuren äusserer Verletzungen nicht zu finden. Pupillen eng. Zunge zwischen die Zähne geklemmt. Aas dem Munde quillt etwas Speichel.

Beim Oefihen der Bauchhöhle fliesst etwa Liter klarer gelber Flüssigkeit heraus. Vorgelagerte Eingeweide blass. Rechter Leberlappen durch Binde- gewebsstränge an den Rippenrand geheftet. Zwerchfellstand beiderseits 4 Rippr

In den Brusthöhlen keine Flüssigkeit, im Herzbeutel vier Esslöffel klarer gelben Ergusses. Im rechten Herzen dünnes rothes Blut und Speckgeriu-ei: linkes Herz, stark zusammengezogen, enthält nur wenig geronnenes Blut. Rla]>pec intact. Endocard sehr blass, von spiegelndem Glanz. Myocard derb, blass, frv: von Fettzeichnung.

Rechte Lunge: Ober- und Mittellappen zeigen an der Oberfläche punkt- förmige Blutaustritte, die an einer markstückgrossen Stelle confluiren. Di.~ Stelle, der ganze rechte Unterlappen und der rechte Überlappen sind von derber Consistenz und zeigen auf der Sclmittfläche dunkelrothbraune Farbe, feinst Kornelung und leberartiges Aussehen. Alle anderen Paiticn der Lungen sind vou normaler Beschaffenheit.

Die Milz ist zum Tbeil bindegewebig mit dem Zwerchfell verwachsen, i.nr» 22 cm lang, 15 cm breit, 8 cm dick, von derber Consistenz. zeigt auf der Schnitt- fläche deutliche Follikel und Balken.

Nieren klein; Capsel ziemlich adbäreut, zeigt stellenweise Blutustritte Oberfläche grob gekörnt, blass gelbbraun; Schnittfläche, namentlich in der Rmdea- substanz deutlich gezeichnet.

Blase contrahirt. Uterus nicht vergrössert. Ovarien enthalten mehrere lo Haselnuss grosse Cysten.

Von einer weiteren Section der Unterieibsurgnne muss aus äusseren Grund« Abstand genommen werden.

Diapuose: Multiple Lungenentzündung (deren Ansdehnung den plötzlicher Tod kaum erklärte), Milzgeschwulst.

Nr. 40. Etwa 18jühriger Yabim. 6. XII. 96. Hat Tags über gearbeitet ist Abends unter Schmerzen zusammengebrochen, ins Hospital gebracht, alstal- veretorben.

Section am 7. XII. 96. 12 h. a. m. Kräftig gebaute laiche. Totenstarr

in allen Gliedern; Borken und Narben von Kratzpusteln. Kein Zeichen äusserer Verletzungen. Mund geschlossen, ohne Aetzungen. After dgl. Nase und Ohre« frei. Pupillen weit. Keine Oedeme. In der Bauchhöhle keine freie Flissi- keit. Dünndarm massig aufgetrieben, nirgends verfärbt, blass. Zwerchfellstast rechts 3., links 4. Rippe. Beim Ablösen des Brustbeins findet sich hinter de® Griff desselben, durch lockeres Bindegewebe befestigt, eine blassrothe Drüsec- iiiasse, die beim Freipr&pariren nach oben bis V, cm von der gut entwickelt!» Schilddrüse reicht, nach unten bis 5 cm liiuter das Sternum sieh erstreckt, utri

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen iu Xeu-üoinea.

•29 t

die ganze obere Brustapertur ausfüllt. Unterhalb derselben, im vorderen Mediastinum, sitzen einige weiche, nussgrosse Lymplidrüsen.

ln beiden Brusthöhlen keine, im Herzbeutel ein Theelöffel klarer Flüssigkeit. Herz grösser als die Faust des Mannes ; beide Kammern schlaft und bis weit in die Schlagadern mit Speckgerinseln gefüllt. Klappen frei, Eudocard glatt, Musku- latur ohne besondere Zeichnung. Beide Lungen stark durch Luft aufgetrieben, überall von polsterartiger Consisteuz. glatter, blasser Oberfläche, glatter dnokel- rother Schnittfläche, auf der sich weisser. blasiger Schaum ausdrücken lasst

An Leber, Milz und Nieren ist makroskopisch nichts Krankhaftes zu 'dien. Bei der Herausnahme des Darmes findet man im Mesenterium zahl- reiche weiche, hasolnnssgrosse Lymphdriisen. Der Wurmfortsatz ist 10 cm lang, nicht verwachsen. Speiseröhre und Dünndarm dicht am Duodenum werden abgebunden und sammt dem Magen herausgenommeu. ln der Speiseröhre dünner, weisslicher Speisebrei; der Mageninhalt besteht aas grünlicher ((«alle), mit Fett- tröpfchen durchsetzter (01. Ricin.), nicht besonders übelriechender Flüssigkeit, in welcher als einziger fester Bestandtheil ein erb.sougros.ser, grünlicher Brocken von pflanzlicher Stmctur sich befindet. Im Duodenem nur dünnflüssige Galle.

Diagnose: Herz- und Lungenlähmung aus unbekannter Ursache. Restirende Thymus, multiple Lymphdriisenschwelluugen.

In diesen und ähnlichen Fällen hätte eine chemische, histo- logische und bacteriologische Untersuchung wohl mehr Licht in den Zusammenhang gebracht, und die Forderung einer kleinen Labora- toriumseinrichtung drausscu ist nicht nur wissenschaftlich erwünscht, sondern verspricht auch practischen Nutzem

Zum Schluss will ich nur kurz einen Blick aut' die Ursachen unserer ungünstigen Morbidität und Mortalität werfen.

Die Ungewissheit der Diagnose intra vitam, wie ich sie an einigen Beispielen illustrirt habe, lässt sich erweitern zu einer grossen Unwissenheit über die natürliche Hygiene und Pathologie bei den so verschiedenen Menschengruppen, aus derten unser Arbeitermaterial zusammengewürfelt war: ihr Leben unter normalen Bedingungen kannten wir zu wenig, um unsere abnormen Verhältnisse thunlichst darnach einrichten zu können. Directe Folge davon ist die Unsicher- heit in der Therapie, die sich nicht weit vom Nihilismus des „nil nocere‘* entfernt. Ein weiterer Factor war der in Cap. I erwähnte Umstand, dass unser Arbeitermaterial nicht eine Auslese der Besten, sondern einen Ausschuss der Ueberzähligen ihres Volkes darstellte; speciell die chinesischen Kuli waren oft der Auswurf der Itasse. Den dritten Factor endlich, das Klima Neu-Guineas, können wir erst dann beurtheilen, wenn die beiden ersten ungünstigen Momente ausgeschaltet sein werden. Wie drausseu versucht wird, Erfahrungen zu sammeln und zu hygienischen Maassnahmen zu verwerthen durch Ueberwachung des Anwerbegeschäftes , durch vorzügliche

Digitized by Google

202

Dr. Otto Dempwolff.

Arbeiterwolmungen, durch Versuche in der Massenemährung, durch Ansiedelung ganzer Arbeiterfamilien u. s. w. das auszuführen, ist hier nicht der Ort.

VI. Eine Blatternendemie.

Musste das vorige Capitel sich auf eine dürftige Mosaik von ver- schiedenartigen und oft unvollkommenen Beobachtungen beschränken, so will ich versuchen hier, ein zusammenfassendes Bild von einer Seuche zu geben, die von April bis Juli 96 unsere Station heimsuchte: eine Blatternendemie unter den Farbigen.

Blattern hat es offenbar lange vor unserer deutschen Colonisation unter den Eingeborenen gegeben: das beweisen die Pockennarben an den Nasen alter Tamul, die sie angeben, seit ihrer Kindheit zu haben, das beweist der eigene Name, den diese Seuche jedenfalls in einigen Dialecten hat.

Freilich, als man 1885 Kaiser Wilhelms-Land zu besiedeln be- gann, war nirgends eine derartige Epidemie zu bemerken, und erst die Kulieinfuhr aus Java und Singapore wo beständig Blattern endemisch Vorkommen machte den Impfzwang aller angeworbenen Arbeiter, namentlich auch der Schwarzen, nothwendig. Dazu wurde Lymphe vom staatlichen Vaccine Institut aus Batavia bezogen.

Diese Lymphe wurde auf dem Postdampfer im Kühlraum unter Auf'-ict: des Arztes mitgebracht und im Schutzgebiet möglichst bald nach der Abholung von Bord verbraucht Die recht günstigen Resultate meiuer Impfungen bi.- April 96 waren:

26. VII.

95 von 32 Erstimpfungen 31 erfolgreich

22. IX.

95 22

22

22. XL

95 32

1

6. I.

96 17

15

26. n.

86 11

43

Zusammen 112 Erfolge bei 147 Erstimpfungen = 76%. Am 22. XI 95 war das schlechte Resultat dadurch zu erklären, dass die Lymphe bereits 13 Tag' an Land war.

Trotzdem ist es im Juni 93 durch Infection von Java aus zu einer bösen Epidemie in Stephansort und anderen Stationen ge- kommen, die erst 94 erlosch; und es ist leider wahrscheinlich, dass von dort aus durcli heimkehrende Contractarbeiter die Seuche zum Huongolf verschleppt ist. Dort hat sie jedenfalls 95 gewiithet und ist von Süden nach Norden vorgedrungen, so dass wir Anfang 96

Aorztliclie Erfahrungen in Neu-Guinea. 293

niedrigen Inseln nach Neu-Pommem übergreifen. Während deshalb dort für die Ansiedelungen auf der Gazellehalbinsel umfassende Quarantaine-Maassregeln inscenirt wurden, stattete che Seuche un- vennuthet uns auf der Hauptstation einen Besuch ab.

Am 21. IV. 96 trafen 104 neu angeworbene Farbige mit dem Dampfer „Ysabel“ in Friedrich Wilhelms-Hafen ein, 87 aus den Inseln östlich von Neu-Mecklenburg, 8 aus Neu- Lauenburg nur auf Monate für den Schilfsdienst geheuert und 9 von kleinen Inseln um Rook-Island. Von letzteren wurde ein Knabe, Samal mit Namen, von dem Anwerber als fieberkrank in's Hospital geliefert lind die Leiche eines Mannes zur Beerdigung ausgeschifft. Die Section dieses bot nichts Besonderes, constatirte nur gänzliche Ina- nition und als Todesursache Herzlähmung. Eine Besichtigung der übrigen 103 ergab keinen hospitalbedürftigen Kranken.

Der Knabe Samal, mit dem sich Niemand verständigen konnte, •wurde, weil er Nachts delirirend auf der Insel umherwaudelte, in den einzigen verschliessbaren Hospitalraum, in die Weiberabtheilung eingesperrt.

Am 23. IV. brachte der Postdampfer Stettin die frische Lymphe aus Batavia, mit der am näclisten Morgen 95 der Neuangeworbenen geimpft wurden.

Am selben Tage, am 24. IV., zeigte sich bei Samal ein ver- dächtiger Ausschlag: linsengrosse Papeln mit oedematösem Hof und kleiner Delle an Brust und Bauch, von derselben Farbe wie seine Haut; dazu Oedem der Augenlider. Meine Diagnose „Blattern“ be- stätigte mir der Missionsarzt Dr. Frobenius, der die Epidemie 1893 mitgemacht hatte. Das war am Vonnittage. Bereits am selben Nachmittage werden folgende Maassregeln ausgeführt:

p. Samal wurde in’s Isolirhaus am Prinz Heinrichs-Hafen gebracht und ihm zwei Schwarze als Wärter beigegeben, die angeblich 1893 schon die Blattern überstanden hatten; deutliche Narben wies keiner unserer Farbigen auf. Sämmtliche neu angekommenen 103 Leute wurden auf die Quarantäne-Insel Piawey gebracht, und ihnen drei alte erprobte Melanesen als Aufseher mitgegeben. Die Habe dieser Leute wurde verbrannt, das Schiff Ysabel gründlich mit heisser Sodalösung gewaschen und mit Carbolkalk ausgestreut. Endlich wurden sowohl unsere Arbeiter und durch Vermittlung der Missionare die freien Eingeborenen vor dem Verkehr mit dem Isolirhaus und der Quarantäne-Insel gewarnt, als auch die benach- barten Stationen polizeilich benachrichtigt.

Digitized by Google

294

Dr. Otto Dein|)wolff.

Bei dem Samal verbreitete sich am nächsten Tage der Aus- schlag über den ganzen Körper; die l’apeln wurden, ohne ihre Farbe zu verlieren, zu Pusteln, secernirten wässerig, confluirten theilweise, bedeckten sich hier und da mit Borken, und wurden von zahlreichen Schmeissfliegen umschwärrat, deren Stiche die qualvollen Schmerzen offenbar noch erhöhten. Ilabei waren die Augen total Tersch wollen, und die Lippen trocken zerrissen; die geschwollene, alter nicht diffus gerütliete Mund- und Rachenschleimhaut war von schwarzen Pusteln mit dunkelrothem Hof durchsetzt, die Temp. blieb hoch und der ganze Kranke war ein Bild des Jammers. Kühlende Bäder. Waschungen mit 1/4#/, Lysollösung, Borsalbe, sowie Getränke und Früchte waren alles, was ich ihm zur Linderung bieten konnte. Eine innerlich medicamentöse Therapie habe ich weder in diesem noch in späteren Fällen versucht.

Am 26. IV. erlag der Kranke seinem Leiden und wurde un- weit des Isolirhauses tief im Korallenkalk beerdigt; die beiden Wärter wurden zur Nachquarantäne in -ein ehemaliges Pulverhäuschen auf der Insel Beliao isolirt.

Die nach Piawey gebrachten Leute blieben während der nächsten Tage gesund. Aber gerade in diesem wichtigen Fall versagte die Lymphe gänzlich: nur ein Imptling bekam Pusteln. Inzwischen bauten die Leute die seit 94 vorhandenen, aber arg schadhaften Atapschuppen zu kleineren Häusern in Eingeborenmanier um, legten Wege und Taropflanzungeil an, und benahmen sich bei meinen last täglich ausgefiihrten Revisionen ganz einverstanden mit ihrem Schick- sal, um so mehr, als sie wenig zu arbeiten, aber genug Lebensmittel an Reis, Salzfleisch und Tabak vor sich hatten.

Da traten am 4. V. unter ihnen zwei neue Blatternanfälle aut am selben Tage erkrankte ein Säugling aus dem Weiberhospital, ia dem Samal intemirt gewesen war, alle unter denselben Symptomen: nach dreitägigem prodromalem Fieber mit „specitischem“ Kreuz- schmerz kamen kleine Papeln mit oedematösem Hof zum Vorschein. Nun musste das Pockenhospital am Prinz Heinrich-Hafen wieder be- zogen werden, diesmal unter einem javanischen Mandoer aus Stephani- ort, der nachweislich die Seuche durchgemacht hatte; neue Gräber wurden für alle Fälle 6 Fuss tiet in die Koralle gehackt, das Weiber- hospital gründlich desinlicirt u. s. w.

Am 5. V. folgten zwei weitere Erkrankungen in Piawey unc eine aus dem Weiberhospital. Der Tags zuvor eingelieferte Säugling starb, während seine Mutter auch späterliin gesund blieb.

Digitized by Google

Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea. 095

Bei diesen Kranken konnte ich schon zwei Formen unterscheiden : die schweren, deren Bild dem geschilderten bei Samal glich, und leichtere, wo nach denselben dreitägigen Prodromen die Papeln über Rumpf, Glieder und Gesicht verstreut und zu zählen waren, nach 1 2 Tagen sich in Pusteln mit oedematösem Hof und Delle ohne Farbveränderung verwandelten, die in weiteren 4 6 Tagen ohne zu confluiren eine Borke bekamen, welche allmälig trocknete und abfiel, so dass nach etwa 2 Wochen vom Ausbruch der Krankheit an nur circumscripte helle Narben ohne Vertiefung zurückblieben, die in 1 2 Monaten das normale Hautpigment wiederhatten.

Ich wäll hier gleich erwähnen, dass die leichteren Fälle sämmt- licli ohne Arzneimittel heilten, von den schweren aber nur 2 und dies auf folgende Art: das Stadium der oft in Handteller- grosse contluirenden und nässenden Pusteln mit stellenweisen , oft abgekratzten und wieder getrockneten Borken dauerte etwa 2 Wochen; die Leute sahen mit ihren verschwollenen eiternden Augen, mit der oedematösen, rünstigen Haut schrecklich aus und litten offenbar grosse Schmerzen. Während dieser Zeit waren indifferente Salben, kalte Bäder, Lysolwaschungen (gegen die Fliegen) die einzige Ver- ordnung, Wein, Cocosnussmilcli, Bananen die einzige Ernährung. Heilten dann die Borken langsam ab und gleichzeitig die Schleim- liautaffectionen aus , so kam unter dem abschilfernden Epithel ein ganz abgemagertes Individuum mit hohlen, aber offenen Augen, eingefallenen Wangen, schlotternden Gliedern und marmorirter oder scheckiger Pigmentirung zum Vorschein. Unter guter Ernährung rundeten sich dann in einigen Wochen die Formen, die Haut wurde glatt und nahm ilir ursprüngliches universelles Pigment wieder an. Narben Oberflächenveränderung hatten auch diese schwersten F'älle fast nirgends, nur um die bei allen diesen Rassen sehr derbe Nase, allenfalls am Mund und Stirn blieben unregelmässige Ver- tiefungen zurück, die dem Antlitz etwas verwittertes gaben. Dieses waren auch die einzigen Zeichen, welche jene alten Tamul aufwiesen, die nach eigener Angabe vor vielen Jahren die „siasxi“ ül>erstanden hatten.

Ich kehre zum chronologischen Bericht zurück.

Am 6. V. erkrankte noch eine Frau aus dem Weiberhospital. Ich rapportirte damals folgende U ebersicht meines Ressorts: Pocken- lazareth 1 Wärter 6 Kranke; Qarantänestation Piawey 7 Geimpfte, 97 ohne Erfolg Geimpfte; im Hospital 2 Wärter, 35 Kranke, sämmt- lich geimpft; in Nachquarantäne auf Beliao 2 frühere Pockenwärter.

Archiv f. Schiffs- u. Tropenhygiene. II. 22

Digitized by Google

Pr. Otto Dempwolff.

296

Am selben Tage machte ich noch die unliebsame Entdeckung, dass eine Anzahl gerade der ältesten Arbeiter ungeimpft auf der Station umherlief. Einige intelligente Schwarze, die den Sinn der Schutzimpfung begriffen, meldeten sich freiwillig, andere gestanden es bei einer Generalvisite, die ich sofort abhielt Auf Impfharben war nicht viel zu geben, da solche sich oft sehr schnell wieder normal pigmentiren, andererseits manche Leute ähnliche Tätowirungsnarben hatten. Alle vermuthlich Ungeimpften wurden mangels anderer Localitäten im Getängniss isolirt. Zu erklären war diese betrübende Thatsache hauptsächlich dadurch, dass vor meiner Zeit keine Impf- listen geführt waren.

Bald darauf ereignete sich ein anderer unangenehmer Zwischen- fall. In der Nacht vom 7. zum 8. V., während eines wüsten stunden- langen Regens hatten einige der in Piawey Quarantainirten erst ein Canoe und dann ein Boot gestohlen, das unglücklicherweise mit Rudern am Ufer bei der Station lag, und waren ihrer 20, alle von einem Dorf Lil der Geryt I)enys-Inseln stammend, vor Tagesanbruch entflohen. Als zwei farbige Aufseher auf selbst gefertigtem Floss mit der Meldung auf der Station ankamen, war es schon 8 Uhr Morgens, die um 9 */» Uhr von mir mittelst Dampfpinasse unter- nommene Verfolgung wurde durch ein Mi-ssverständniss in falscher Richtung ausgeführt die Flüchtlinge entkamen. Nach Gerüchten der Tamul sind Leichen in der Vitiazstrasse angetrieben, was glaub- würdig war, da das Boot nicht seetüchtig war, und die Leute keine Lebensmittel mitgenommen hatten.

Am 8. V. war auch der Postdampfer rückkehrend wieder ein- gelaufen, und konnte uns zufällig zwei Platten Kuhlymphe, die über- zählig waren, überlassen. Damit impfte ich am 10. V. die 10 alten Ungeimpften im Getängniss und verwandte den Rest zur Ueber- impfung auf 2 Kälber behufs Selbstbereitung grösserer Mengen Vaccine. Ich hatte kein Glück damit: die Impfpusteln verwandelten sich bald in confluirende Krusten, von denen keine brauchbare Lymphe zu gewinnen war.

Am 11. V. erkrankten wiederum 2 Leute von Piawey, und der eine der in Nachquarantäne befindlichen Pockenwärter bekam unter leichten Fielierbewegungen einen papulösen Ausschlag, der, ohne sich in Pusteln zu verwandeln, in 14 Tagen abheilte Variolois. Dann starben in den nächsten Tagen die beiden erkrankten Weiber und ein Mann, so dass bis dahiu die Seuche 1 1 Kranke und 5 Tote gefordert hatte.

Aerztliohe Erfahrungen in Neu-Guiuea. 297

Dieser langsame aber unaufhaltsame Fortgang der Endemie veranlasst*: mich zu einer Maassnahme, die sich in der Folge glänzend bewährte: die humane Weiterimpfung auf alle ohne Erfolg Geimpften, und späterhin auch auf alle überhaupt auf der Station anwesenden Farbigen, die nicht in meine« Impflisten als immunisirt verzeichnet waren. Ich führe hier das Resultat sämmtlicher humanen Impfungen zusammen an:

Datum

Stammimpflinge

Impflinge

Erfolg bei

17. V.

2

7

7

18. V.

1

9

9

25. V.

8

62

58

8. VI.

33

187

164

12. VI.

1

5

4

Demnach sind innerhalb 5 Wochen von 270 Impflingen 250 mittelst 45 Stammimpflingen erfolgreich human geimpft (93°/„). Der Rest von 20 Mann ist am 18. VI. nochmals mit Kuhlymphe geimpft worden ohne Erfolg und darf als vorher immun an- gesehen werden.

Ehe diese Immunisirung durchgeführt worden war und ihre Erfolge entfaltet hatte, finden sich am 21. und 23. V. noch zwei I’ockenfälle unter der Bedienungsmannschaft meines Quarantäneboots «in, alten Jungen, die angeblich längst geimpft waren; der eine starb am 29. V.

Dazu kamen auf der Station und auf Piawey einige merkwürdige Fälle vor: mit oder ohne Prodromalfieber zeigten die zum Theil sicher geimpften Leute vereinzelte mit Borken bedeckte Pusteln ohne Hof auf der Haut, die eine glatte helle, später pigmentirende Narbe hinterliessen, sehr ähnlich den Pusteln bei den leichteren Pocken- fallen. Ich hatte damals keine Gelegenheit einen anderen Arzt zu consultiren; in meinen Lehrbüchern waren „Blattern bei Farbigen“ nicht besonders beschrieben, so nahm ich in dubio pejus Variolois an und isolirte diese Leute im Ganzen fünf zu den in Nachquarantäne befindlichen.

Am 30. V. erkrankte ein alter Arbeiter mitten auf der Station an schweren Pocken (er starb am 6. VI) und gab Anlass, dass „die Hauptstation polizeilich als verseucht erklärt“ wurde. Dieser etwas zu krasse Ausdruck hatte strenge Absperrmaassregeln seitens unserer Nachbarstation Stephansort und Verkehrsbehinderungen für den am 15. VI. eingelaufenen Postdampfer zur Folge.

Aber die Seuche hatte ihren Höhepunkt schon überschritten. Am 1. VI. konnten die ersten 2 Geheilten in Nachquarantkne ent-

22*

Digitized by Google

298

I)r. Otto Dempwolff.

lassen werden; am 8. VI. folgten die anderen nach, so dass das Isolirhaus leer stand.

Am 12. VI. kam auch der grösste Theil der nunmehr erfolg- reich Geimpften von Piawey zur Entlassung auf die Station.

Am selben Tage erfolgten zwei unerwartete Nachschübe:

Ein eben, eine Woche zuvor, geimpfter Mann, der sich heimlich den Nachlass seines an den Pocken verstorbenen Landsmannes an- geeignet hatte, erkrankte an der leichten Form der Krankheit Dieser Fall hat noch ein besonderes klinisches Interesse: Pat. hatte die ge- wöhnlichen Prodrome von hoher Continua, 40,2°, Kopf- und Kreuz- schmerzen, entfieberte aber am dritten Tage unter heftigem Schweiss und Erbrechen bis 36,4° und bekam sein Exanthem in Gestalt ver- einzelter Papeln unter leichten Temperaturerhöhungen erst am vierten Tage.

Die beiden anderen am 1 2. VI. auftretenden Blattemfalle waren schwer und für mich sehr betrübend. Die Kranken gehörten zu jenen fünf Leuten, die von mir als an Variolois erkrankt zu den in Nachquarantäne Befindlichen isolirt waren; und jene Annahme „Variolois“ bedeutete eine Fehldiagnose. Sie klärte sich jetzt auf: jene mit Borken bedeckten Pusteln rührten von Brandwunden her, die als „Moxen“ bei einzelnen Stämmen der Südsee zur einheimischen Therapie gegen Schmerzen gehören. Das hatte ich nicht gewusst; mein Fehler lag aber darin, dass ich nicht die Abwesenheit des für Blattern charakteristischen oedematösen Hofes um die Papeln, resp. Pusteln beachtet hatte.

So musste das Isolirhaus wieder bezogen werden. Ein Kranker starb am 19. VI.; die beiden anderen genasen der Schwerkranke offenbar nur durch die gute, europäische Ernährung, welche ihm die Dame, in deren Hause er Diener gewesen, andauernd zukommen liess ; beide Pat. wurden am 5. VII. genesen entlassen.

Da auch längst am 18. VI. die letzten Leute aus Quarantäne von Piawey weggeholt waren, da auch vier Wochen lang kein Fall mehr vorgekommen war, so konnte das Erlöschen der Seuche auf der Hauptstation Anfang Juli 96 amtlich ausgesprochen werden; 2 '/« Monate nach dem Ausbruch. Im Ganzen waren 17 Schwarze erkrankt, 9 genesen, 8 gestorben.

Noch ein Nachspiel hat die Seuche gehabt, eine begrenzte Ver- breitung unter den freien Eingeborenen, den Tamul.

Am 9. VII. kam mein Freund Labetot, Stammeshäuptling von Gragett zu mir und erzählte: „beliatamol taimon mat, siasxi

Aerztliche Erfahrungen in Neu-Guinea. 299

funilak; am dangan asiis“ „ein Mann vom Dorf Beliao ist ge- storben, die Pocken haben ihn geschlagen; wir alle sind in Angst“. In der That ergaben Nachforschungen, dass in den Dörfern Beliao (auf derselben Insel, wo unsere Nachquarantäne-Gebäude, und auch das Europäer - Hospital lagen) , in Siar und Lilibob einige Fälle vorgekommen und sogar den Missionaren verheimlicht waren. Offenbar waren dieselben durch unerlaubten Verkehr und Tauschhandel mit den Stationsarbeitem eingeschleppt. Es wurden in den nächsten Wochen 6 Kranke constatirt, von denen 2 starben. Die Symptome waren die nämlichen, wie bei unseren Schwarzen; die einheimische Behandlung bestand in sehr sorgtältiger Pflege seitens der Verwandten; als quasi Medicament wurde nur die rothe Farbe, mit der sich die Tamuls sonst festlich bemalen, als Streupulver auf die Pusteln benutzt Dieses ist meist Bleimennige, selten rothe Erden; erstere haben wohl eine gewisse desinficirende Wirkung, letztere sind austrocknend: diese Therapie also recht vernünftig. Eine weitere Ausbreitung der Seuche unterblieb, wohl weil seit Jahren •durch die Missionare und uns alle Kinder imentgeltlich geimpft waren die alten Leute aber die Ueberlebenden früherer Epidemien darstellten. Anfang September konnte auch hier die Seuche als erloschen betrachtet werden; und Anfang October konnte ich, beauf- tragt zu Recherchen in den umliegenden Eingeborenendürfem, nach fünftägiger Buschtour berichten, dass „zur Zeit das Herrschen einer Blattemepidemie unter den Eingeborenen auf Inseln wie in Berg- dörfern in Abrede zu stellen sei“,. So ist denn auch bis zu den letzten Nachrichten von Anfang 98 die Astrolabe-Bai von fernerem Auftreten der Seuche verschont geblieben.

Als Ilesume der Erfahrungen bei dieser Blatternendemie fasse ich zusammen:

Die durch einen Kranken aus der Gegend von Rook-Island ein- geschleppte Seuche fand ihre Verbreitung auf und bei der Station aus folgenden Ursachen: ein Theil der älteren Arbeiter war noch nicht erfolgreich geimpft, ohne dass Jemand darum wusste; die innere Absperrung einzelner Theile der Station gegen andere uni gegen die nähere Umgebung liess sich aus Mangel an zuverlässigem Aufsichtspersonal nicht strikt durchführen; die frische Kuhlymphe für die Neuankömmlinge versagte. Dazu vermehrte die Zahl der Kranken um zwei Fälle die Fehldiagnose: für Variolois gehaltene Moxen.

Digitized by Google

300

Dr. Otto Dempwolff.

Zur Bekämpfung der Seuche erwiesen sich alle Isolirungsvor- kehrungen als unzweckmässig, vielmehr erstickte dieselbe an der Immunisirung aller in Frage kommenden Farbigen durch humane Weiterimpfung.

Die zum Theil seit Jahrzehnten nicht revacdnirten Europäer wurden von der Krankheit nicht berührt.

Digitized by Google

II. Besprechungen und Littera turangaben

a) Hygiene. Physiologie und Statistik.

Lm Troupei Coloniales. Statistique de la Mortalitd. F. Borot et U. A. Legrand.

Paris-Bailliere et FiLs, 1897.

In sechs Capiteln behandeln die Verfasser die Mortalitätsstatistik der Colonial- truppen von 1891 bis 1895 von verschiedenen Gesichtspunkten aus. Diese bestehen in der Hauptsache in Vergleichen der allgemeinen Mortalität der ein- zelnen Jahre, des Alters der Soldaten und Unterofficiere, denen ein Vergleich mit * fremdländischen Colonialtruppen folgt, sowie eine Gegenüberstellung der Mann- schafts-Mortalität zu der der Officiere verschiedener Grade. Dann ist hervorge- hoben die Mortalität je nach den einzelnen Colonien, die Ursachen der Mortalität, die Mortalität der einzelnen Expeditionen der colonisirenden Mächte, worunter Deutschland fehlt, und die Mortalität in den einzelnen Epidemien. Während die allgemeine Mortalität der Mannschaften des französischen Heeres in Frankreich 1896 auf 5,29 pro 1000 festgestellt ist, führen Schlussfolgerungen aus Resultaten einzelner Jahre bei den Colonialtruppen irre, da die Curven der einzelnen Jahre sehr unregelmässig sind; deshalb haben die Verf. dieselbe aus einer 5jährigen Periode bestimmt, sie beträgt darnach 42,95 pro 1000 und nach den einzelnen Jahren von 1891 bis incl. 1895 41, 88, 25, 27, 76 pro 1000. Davon hatten die Marine- infanterie 44,38, die Disciplinarabtheilung der Füsiliere nur 4,99. Das Alter spielt eine grosse Rolle. Soldaten von 21 Jahren zeigten 10, 92 pro 1000 Mor- talität, von 20 Jahren 6,72, vom 21. bis 26. Jahre etwas mehr, das Alter von 27 30 Jahren hatte die geringste Ziffer mit 7,14. Da nachweislich im 2. Dienst- jahre des Soldaten die höchste Sterbeziffer vorhanden ist, im 1. Jahre die nied- rigste, und die Zahl der Soldaten im Alter von 20 Jahren fast nur in das 1. Dienst- jahr fällt, so ist deren niedrigerer Mortalität kein grosses Gewicht beizumessen.

Es stellten vielmehr weitere Untersuchungen fest, dass Soldaten unter 28 Jahren sich am schlechtesten akklimatisiren, vom 25. Jahre erst ist ein bedeutendes Her- absinken der Mortalität bemerkbar, welche am geringsten wird mit 34—85 Jahren. Der Vergleich zwischen der Officiers und Mannschaftsmortalität giebt als Resultat eine nur etwas geringere Sterbliehkeitsziffer für die Oficiere = 39,8 und 7 mal grösser als in Frankreich selbst, sie wurde geringer 1894/95, höher in den früheren 3 Jahren. Unter den Premierlieutenants und Capitänen (Hauptleuten) war die Mortalität am höchsten, 78 u. 51, von da an abnehmend je nach der höheren Charge mit Ausnahme der Bataillonchefs, die Militärärzte stellen 15,78 auf 1000. Während die englische Colonialarmee eine Mortalität von ca. 17 pro 1000 aufwies, die

Digitized by Google

302

11. Besprechungen und Litteraturangahen.

niederländische (jedoch im Verlaufe des Atjehkrieges) 1892 bis 1804 46 pro tOOu betrag (welche nachher his auf 19 sich verminderte), und die spanische zwischen 12, 96. 40 und die auf den Philippinen 67, 80, soll die der Franzosen, wie dä» Verf. daraus schliessen wollen, „im grösseren Theile ihrer mehr oder weniger pacificirten Colonien bedeutend geringer sein“. Dieses ist durchaas willkürlich, wenn nicht je nach dieser Eintheilung ihrer Colonien, auch die Mortalität der fremdländischen Truppen berechnet wird, was im Folgenden nicht immer geschieht Vielmehr werden nur Vergleiche zwischen den Expeditionen der französischer Truppen mit denen der englischen, holländischen, italienischen und spanischen ge- macht, die sich, wie auch die vorgenannten Vergleiche, nicht auf die gleichet Jahre beziehen, sondern oft bis zu 20 Jahren, wie auch geographisch-klimatisch sehr auseinander liegen. Z. B. war 1874 die Mortalität der Holländer im schlimm- sten Kriegsjahre auf Atjeh (während im indischen Archipel Cholera herrschte. 92, 1894 aber 16,35 auf 1000 Europäer und 22,94 auf 1000 malayische Sol- daten, und 1862 iin mexikanischen Feldzuge verhielt sich die Mortalität durch feindliche Geschosse zu der durch Krankheiten bei den Franzosen wie 49 zu 14a ln Daliomey hatten die Franzosen 1892 1893 eine Gesammtmortalität von 154.1c auf 1000 Europäer und 36,20 auf 1000 Eingeborne; die Spanier 1876 auf des Philippinen mit 109, auf Cuba von 1895 bis 1896 mit 101.30 übertreffen Mortalitätsziffer der französischen Expeditionen. Unter gleichen klimatisch*! -Verhältnissen wäre es übrigens billig gewesen, sowohl diese Vergleiche als aiie übrigen anzustellen, dann Algerien und Tunesien z. B. mit in Rechnung zu bringen, wo bei Engländern, Holländern und Spaniern nur Tropencolonieo. bei Holländer: sogar nur solche in den äquatorialen Gebieten in Frage kommen, führt diese Aufstellung leicht zu Gunsten der Franzosen irre. Die Mortalität durch ver- schiedene Krankheiten, speciell Cholera, Gelbfieber, Typho-Mularia, Dysenter, belehrt uns, dass während der Expedition der letzten Jahre günstigere Verhält- nisse durch Verbesserungen auf hygienischem Gebiete, obwalten.

In ihren „Conclusions“, welche fast in jedem Satze patriotische Ansrufe ent- halten, kündigen die Verf. als nachfolgende Arbeiten an: „Maiadies des Soldat- aux pays chauds“ und „L’hygiene des soldats dans les regions intertropicales". welche ebenso willkommen sein sollen, als das hier besprochene, lehrreiche tu>: fieissig zusammengestellte Buch.

C. übler (Berlin).

Statistiqa tanitarla dell' armata per gli anni 1895 1896, Ulnittero della aiarim.

Rom 1898, Ludovico Cecchini.

Aus der amtlichen mit Kurven und Tabellen ausgestatteten Gesundheit- Statistik der italienischen Flotte für die Jahre 1895—96 geht hervor, das- die gesundheitlichen Verhältnisse sich gegen die früheren Jahre bedeutend ge- bessert haben. Die Jahresziffer der Erkrankungen welche in den Jahnen 1874 —92 von 700 °/oo auf 400 Voo U[>d 1898—94 auf 882 •/« bez. 352 gesunkee war, ist für 1895 und 1896 375'/« bez. 854%o- Die Tagesziffer der in ärzt- licher Behandlung Befindlichen war 29°/oo bei. 28%, gegen 32 33 in frühe-

ren Jahren. Die Zahl der als untauglich Zuriickgewiesenen war 8-41 •/„ Rri 7.72'«). die der Todesfälle 1895 3.95 °/M, womit der niedrigste bisher berech-

Digitized by Google

If. Besprechungen und Litteratu rangaben.

303

nete Durchschnitt von 1890 wieder erreicht wurde. Die hohe Sterblichkeit des Jahres 1896 ist durch den Ausbruch des Gelbfiebers an Bord der „Lom- bardia“ im Hafen von Rio de Janeiro, auf das Ertrinken von 8 Mann beim Sinken eines Torpedoboots und auf die Xiedermetzelung von 10 Mann durch die Somali bedingt.

Syphilitische und venerische Erkrankungen sind ain zahlreichsten, zeigen aber eine leichte Abnahme.

Die an Land befindlichen Truppen hatten eine grossere Morbidität als die Eingeschifften.

Der Bericht stellt mit Befriedigung fest, dass Dank der strengeren Aus- wahl bei der Aushebung und den Fortschritten der medizinischen und hygieni- schen Fürsorge die ausgedienten Leute fast in derselben Zahl zu den Familien und ins Erwerbsleben zurückkehren wie sie gekommen sind!

M.

Zur geographischen Pathologie Siams von Chr. Rasch. Janus 1897. Bd. 1, März- April.

Gelegentlich seines Aufenthaltes in Siam sammelte Verfasser über die Häufig- keit pathologischer Erscheinungen folgende Erfahrungen, die zugleich seine frü- heren Mittheilungen über-denselben Gegenstand (Yirchow’s Archiv, Bd. 1 40, Heft 2) ergänzen sollen.

Sehr selten scheinen in Siam vorzukommen wenigstens begegnete Ver- fasser ihnen nur sehr vereinzelt oder auch gar nicht Nephritis (auffällig in einem so exquisiten Malarialando, bestätigt von Gowan), Rachitis, Carcinom (auch Gowan), Hämophilie, Noma; verhältnissmässig selten oder wenigstens nicht häufiger als bei uns dürften Vorkommen: Erkrankungen des Herzens und der Gefässe, gelbe Leberatrophie und perniciöse progressive Anämie. Zu recht häufigen Er- scheinungen dagegen zählen Struma (Cretinismus dagegen indessen wohl selten), Erolithiasis (auch von Campbell, Gowan, Scheube beobachtet), besonders bei den Farbigen auftretend (ausschliesslicher Genuss des rohen Menamwassers), Furun- culosis (vorzugsweise zur heissen Jahreszeit), Angina follicularis, sowie Hämato- Cbylurie, Elephantiasis Arabum, gewisse Erysipelformen, varieöse Leistendrüsen, Hodenentzündungen. Hydrocele und Lymphosarcom, die letzten 7 Krankbeitszu- stände neuerdings nur für Symptome der Filariakrankheit erklärt (nur bei Far- bigen constatirt).

Von thierischen Giften erwähnt Verfasser die Schädlichkeiten, welche die Mosquitoplage hervorruft, ferner die sehr häufigen Stiche der Scorpione und Sco- lopender, sowie die verhältnissmässig seltenen Bisse giftiger Schlangen. Von pflanzlichen Giften verdienen Beachtung der Saft und die Ausdünstungen des Lackbaumes und die Lamphongf nicht, die. um beherzt zu werden, genossen wird, aber Schwindel und bei höherer Dosis auch Geisteskrankheit hervorzu« rufen im Stande ist. Die I,amphong-Intoxication.spsychosen erinnern lebhaft an die narkotischen Rauschzustände der Jakuten und Jukagiren. Cannabis indira wird nur selten, und dieses zumeist von den in Siam lebenden Hindus, geraucht. Da Siam das einzige Ijmd sein soll, wo Albinos unter den Elephanten Vorkommen, so befremdet der Umstand einigermassen, dass unter den Eingeborenen dies« Zustand nur sehr selten angetroffen wird.

Digitized by Google

304 II. Besprechungen und Litteraturangaben.

Des weiteren giebt Verfasser ein Verzeichniss der einheimischen Bezeiii- rrangen für ein« Reihe von Krankheiten und ihrer Symptome. Er sch li esst sei»? Mittheilungen mit einer Mortalitätsstatistik der Fremdenlegion. Wir ersehen m dieser Zusammenstellung, die sich auf die Jahre 1864 bis 1892 bezieht, dass sei die Sterblichkeit im Laufe der letzten Jahrzehnte gebessert hat. Dank der grösser« Beachtung, welche die Europäer jetzt mehr der Hygiene schenken, und ihrer je« massigeren I .ebenswei.se. Auffällig ist unter den Sterblichkeit™ rsaehen der ge- ringe Procentsatz, den dieselben für Malaria stellen; unter 96 Todesfällen in das angegebenen Zeiträume nur 6 Fälle, was möglicher Weise aber darauf beruh es mag, dass mancher derartiger Kranker des Klimawechsels halber ausserhalb des lindes geht Für die Eingeborenen besteht nicht die von manchen Autoren ihnea nachgerühmte Immunität Auch für Cholera ist das Sterblichkeitsverhältniss der Europäer ein niedriges: unter 96 Todesfällen nur 5 Fälle. Hingegen erfordert die meisten Opfer die Dysenterie: unter 96 Todesfällen 15. Bezüglich der Yer- theilung der Sterblichkeit auf die Jahreszeit findet Verfasser, dass diese am grössten in den Monaten März, April, Mai, August und September (heisse Jahreszeit und Hegenzeit), am niedrigsten in den Monaten Oetober bis Ende Februar (trockne und kalte Jahreszeit) ist.

0. Busch an- Stettin.

Les yeux et les fonction* visuelles des Congolais von E. Pergens. Janus, März- April 1698. p. 459—463.

Aus der kurzen Mittheilung von P. interessirt besonders das Resultat, wel- ches die Untersuchung der Sehschärfe, besser Sehleistung von 50 Congobewohner: ergab. Es wird dadurch die Liste der bis jetzt nach dieser Richtung hin unter- suchten Naturvölkern in anerkennenswerther Weise vervollständigt. Die Prüfung wurde mit der Steiger’schen Hakentafel für Analpheten vorgenommen (im Freien '- ; da aber diese Tafel im V ergleieh zur Snell’schen 4/> mal so leicht zu erkennen ist, muss jedes einzelne Resultat mit */« multiplicirt werden, so dass also besst-ieö- weise eine mit der ersteren erhaltene 4 fache Sehleistung in Wirklichkeit eet einer 3fachen entspricht. Demgemäss müsste die ganze Tabelle reducirt wer!«

P. fand nur:

8 = 1

S = 1,5

ESI

ISI

ESI

bei 40 Männern

2

16 |

18

^ |

l

10 Frauen

2

6

1

- 1

2

2

22

19

* 1

i

also S > 1 in ca. 92 %i da die ersten Columnen mit S = 1 und S = 1,5 nach vsr- genommener Reduction auszuscheiden hätten. Die ursprüngliche Annahme, des die Naturvölker den Culturvölkem mit ihren Sehleistungen so gewaltig überleget seien, hat auf Grund vergleichender Untersuchungen modificirt werden müssea. Aus der Cohnschen Zusammenstellung*):

•) B«rl. KUn. Wocbentchr. 1898. 3Jo. 20.

Digitized by Google

11. Besprechungen und Litteraturangaben.

305

S 1 2

S 2 8 ;

S 3 4

S 4 8

8>1

238 Uncivilisirte

48%

40%

1%

5?

00

©

90 V.

2620 Civilisirte

62

23

3,6

0,3

90

2858 Untersuchte

61%

25%

CO

0,8 V.

90 Vo

geht hervor, dass auf beiden Seiten S> 1 bei 90% der Untersuchten vorhanden war, wobei allerdings zugestanden werden muss, dass die Naturvölker mit 42% S>2 die Culturvölker mit rund 27 % über ein Beträchtliches überragen.

Sehlaefke (Cassel).

Pestnachrichten.

Die Hoffnung auf ein baldiges Erlöschen der Seuche in Indien hat sich nicht erfüllt. Mitte August meldete die Stadt Bombay das Wiederauf flackern der Krankheit. Die dritte Augustwoche brachte 103 Todesfälle gegen 83 in der Vorwoche. Die Verschlimmerung der large dauert an. Die erste September- woche forderte in der Präsidentschaft Bombay aus 167 Districten über 2000 Todesfälle gegen 7 im ganzen übrigen Indien, die folgende Woche wies für die Präsidentschaft 2800, für die Stadt 170 Todesfälle auf. Die letzten Nachrichten vom 30. September verzeichnen 119 Todte in der Woche für die Stadt Bombay, 3000 für die Präsidentschaft, 1 für Karachi, 2 für Kalkutta, 2 für die Präsidentschaft Madras.

Der Bestätigung bedarf noch die Nachricht von dem Auftreten der Pest in X all -T rang (Französisch -Hinterindien), wo sich das Inipfungs-I-ahoratorium von Dr. Yersin befindet. M.

b) Pathologie und Therapie.

Malaria.

lieber die Wirkung des Chinin* auf die Leukocyten von C. Binz. Ann. internst, de Pharmacodynamie. VoL IV, fas. III et IV.

Binz nimmt gegenüber den von Laveran (traite du paludisme) mehrfach ge- äusserten Zweifeln Veranlassung, seine schon in den 70er Jahren gefundene und seither durch zahlreiche Untersucher bestätigte Beobachtung über den lähmenden Einfluss des Chinins auf die Leukocyten von neuem nachdrücklichst zu betonen. In dieser Beziehung theilen die Leukocyten genau das gleiche Schicksal mit den Malariaamöben. Damit soll aber keineswegs die Frage berührt werden, ob die I.eukocyten bei der Heilung der Malaria unter Umständen doch eine Rolle spielen könnten. Da Laveran selbst hervorhebt, dass das Chinin die Malariaparasiten sicher tödte, so ist zunächst nicht einzusehen, warum noch die Leukocyten bei dem Heilungsvorgange neben dem Chinin in Action zu treten hätten. Wohl aber ist auch Binz davon überzeugt, dass diese Körperchen bei der Spontanheilung der Malaria (ohne Chinin) durch Phagoeythose betheiligt sind.

0. Schellong.

Digitized by Google

306

II. Besprechungen und Littcraturnngabcn.

Ueber Malaria- und andere Blutparatiten nebst Anhang: Eine wirksame Methode der Chromatin- und Blutfärbung von Dr. Hans Ziem&nn, Marinestabsarzt. 180 Seiten mit 165 farbigen Abbildungen und Photogrammen auf 5 Tafeln und 10 Fieber- curven. Jena, Verlag von Gustav Fischer, 1898.

Im Vorwort giebt Verf. au, dass seinen Studien Malaria-Fälle zu Grunde liegen, die er 1894 im Mariuelazareth zu Wilhelmshaven, 1894/95 an Bord 8. M. S. „Hyäne“ in Kamerun und auf einer sechsmonatlichen Studienreise v»»n April bis September 1897 in den Fiebergegenden Italiens beobachtete. Ausserdem wurden noch eine grosse Anzahl von Vögeln und Kaltblütern untersucht, um Material für ein vergleichendes Studium der betreffenden Blutparasiten zu ge- winnen.

1. Historischer Ueberblick.

Nachdem der Verf. kurz die grundlegenden Arbeiten Golgi's und der Italiener gestreift hat. kommt er unter

2. Eintheilung der Malaria-Parasiten auf seine eigenen Untersuchungen zu sprechen. Er verfügt über ein Material von 254 Malaria-Fällen, und zwar umschliesst dieses Material heimische, italienische und tropische Malaria. Mannaberg’s Eintheilung in Parasiten mit Halbmond- bildung und ohne Halbmondbildung nimmt er an. Allerdings weist er die An- sicht M's.f dass die Halbmonde durch Vereinigung zweier Parasiten entstünden, zurück. Er tritt sodann Laveran’s Ansicht, dass der Malariaparasit einheitlich aber polymorph sei, mit demselben Grund entgegen, den Ref. in seinem Referat über Laveran's neuestes Werk „Tratte du paludisme“ auch schon angeführt batte: Z. sagt wörtlich: „die degenerirenden Parasiten der leichten heimischen Malaria werden aber nie zu Halbmonden. Letztere gehören vielmehr nur den Parasiten der bösartigen Tropen- bezw. estivo-autumnalen Fieber an.“ Auch erkennt er den Unterschied zwischen dem Golgi'schen Tertiana- und (Junrtana- Parasiten an. Ob der sogenannte kleine Parasit verschiedene Abarten hat, lässt Z. noch offeu. Einen Parasiten der Tertiana maligna will er eventuell noch gelten lassen. Die Fieber mit langen Zwischenräumen erklärt er dadurch, dass einzelne Parasiten durch das Chinin nicht vernichtet würden und nun lange Zeit brauchen, bis sie sich wieder so weit vennehrt haben, um einen neuen Anfall auszulösen. Beweis für die Richtigkeit seiner Annahme scheint ihm der Umstand zu sein, dass solche Fieber mit langen Zwischenräumen nach einer energischen und zeitig genügend anhaltenden Cbininbehandluug selten oder gar nicht beobachtet werden.

3. Allgemeine Morphologie und Biologie der Malariaparasiten.

Nachdem die Ansichten der Italiener und Mannabergs über den feineren Bau der Parasiten und über die Veränderungen, die sie während der Foit- pflanzungsperiode erleiden sollen, mitgetheilt sind, werden die Ausdrücke ..Plas- modien, Sporen und Sporulation“ als unrichtig bezeichnet. letztere beiden des- halb, „weil die sogenannten Sporen von den jungen Parasiten in der Struktur gar nicht zu unterscheiden sind“. Es ist das nach Verf. ’s Ansicht wichtig, weil man den Sporen eine ganz besondere Widerstandskraft gegen Chinin bounass. Die Darstellung des allgemeinen Entwicklungsganges der Parasiten entspricht dem in den früheren Arbeiten gegebenen. Ausdrücklich bemerkt Z. noch, dass die Entwicklung sümmt lieber zur Fortpflanzung kommenden Malaria- parasiten an die rothen Blutzellen gebunden ist, und dass er eine

II. Besprechungen und Litteratu rangaben .

307

sei bstständi ge Fortentwicklung im Pias ma, wie sie La veran annimmt, ■vorläufig nicht anerkennen kann. Dies schliesst aber nicht aus, dass die Parasiten manchmal 'len Blutkörperchen nur angeheftet sind. Als Beweis für dieses Vorkommen wird der Umstand angeführt, dass man öfters in gefärbten Präparaten die Parasiten und zwar die kleine Parasitenart theilweise den Hand des inficirten Blutkörperchens überragen sieht.*) Andererseits erklärt diese Thatsacho wiederum die Erscheinung, dass die kleinen Parasiten mechanische Hindernisse im Capillarkreislauf finden und sich in den Capillametzen der inneren Organe ansammeln.

Viele der Parasiten werden steril und erscheinen dann als grosse, ninde, freie Körper, deren Pigment lebhaft beweglich ist (Sphären). Ein Unterschied zwischen den Sphären der Tertiana- and ljuartanaparasiten liess sich nicht er- nennen. Sowohl von den Sphären der grossen als auch der kleinen Parasitenart können sich kleine runde Stücke abschnüren, die ebenfalls lebhafte Pigmentbe- wegung zeigen, uud diese Körperchen sind es, die wahrscheinlich Laveran zum Glauben an ein extraglobuläres Dasein der Parasiten gebracht haben. Der Ein- wurf Mannaberg’s, dass es sich bei diesen kleinen runden Körperchen wegen der grossen Beweglichkeit des Pigments nicht um kadaveröse Formen handeln könne, erscheint nicht stichhaltig, da Verf. in 2 Fällen von Perniciosa bei der Section noch 11 bezw. 14 Stunden nach dem Tode im Milzsafte solche kleine runde Körperchen mit lebhafter Pigmentbewegung fand, während die amoeboide Be- weglichkeit der endoglobulären Formen bereits erloschen war. Ausserdem lässt sich an diesen runden freien Formen im gefärbten Präparat der allmälige Untergang des Chromatins nachweisen. Natürlich kann man auch chromatinhaltige Sphären finden, wenn ein rothes Blutkörperchen zerrissen und der fortpflanzungs- fähige Parasit**) damit frei geworden ist.

Zwischen entwicklungsfähigen und sterilen Parasiten giebt es natürlich eine Menge von Uebergangsformen. Der erste Anfang zum Sterilwerden der Parasiten ist durch staubförmige Beschaffenheit des Chromatins gegeben. Dann tritt eine auffallend starke Pigmententwicklung und Pigmentbeweglichkeit hinzu. Das Pigment wird grobkörniger oder stäbchenförmig, und es lässt sich eine Vo- lumenzunahme des betreffenden Parasiten über das Normale hinaus feststellen. ..Zwischen der Abnahme der vitalen Eigenschaften, speciell der Fortpflanzungs- fähigkeit der Parasiten und der Zunahme des Pigmentes besteht ein directes proportionales Verhältniss1' und umgekehrt.

In Bezug auf die jüngsten Formen bemerkt Verf.: „Im ungefärbten Prä- parat Ist indess ihre Unterscheidung von Trümmern von rothen Blutzellen nur dann leicht, wenn die jungen Parasiten sich noch nicht getrennt haben und noch in der Nähe des Pigmenthaufens liegen. Starke Beweglichkeit können auch die ebenfalls runden oder ovalen, abgeschnürten Stücke von rothen Blutzellen zeigen . . . Aber auch hier (bei Quartana) getraute ich mich nie, einen jüngsten noch extra- globulären, einzelnen (Juartana-Parasiten im lebenden Präparat als solchen zu diagnosticiren”. (Mit dieser vorsichtigen Auffassung stimmt Ref. vollkommen überein.) Die allerjüngsten , extraglobulären, chromatinhaltigen Parasiten der

*) Vom Ref. wiederholt bei Kamerun-Malaria beobachtet.

••) Junge extraglobuläre cbromatinloae Parasiten wurden nie beobachtet, wohl aber bei leichten Recidiven jüngere endoglobuläre Parasiten mit wenig oder keinem Cbromatin.

Digitized by Google

308

II. Besprechungen und Litternturaagabcn.

Sommer- Herbst- und Tropenfieber wurden nie im peripherischen, sondern nur im Milzblut gefunden. Die Geisselformen sieht Z. als „untergehende“ Formen an, weil sie gleich den freien, sterilen Sphären häufig eine Beute der Leukocyten werden und lebhafte Pigmentbewegung haben. Im gefärbten Präparat wurden sie nie gefunden.

4. Der Quartauaparasit und 5. Der Tertianaparasit werden gemeinschaftlich abgehandelt. Für die erstere Parasitenart standen 10 Fälle italienischer Quartana und ein Fall aus Mittelamerika, für das Studium der Tertiana 15 Fälle aus Deutschland, 18 Fälle aus Italien und Trocken präparate aus St. Louis (Amerika) zur Verfügung. Es ist nicht möglich, in einem Referat die eingehende Beschreibung des Entwicklungsganges der beiden Parasitenarten, wie sie Verf. giobt, ausführlich zu besprechen. Ich will nur einzelne wichtigere Punkte hervorheben. Entgegen seiner früheren Ansicht, dass in den Tropen möglicherweise häufiger die sterilen Formen der kleinen Parasiten für erwachsene Tertian- oder Quartanparasiten gehalten worden sind, giobt Verf. jetzt zu, dass der Tertian- und Quartanparasit nicht allein an die gemässigte Zone gebunden sind.*) Ein allmäligerj l'ebergang einer Parasitenart in die andere, speciell des Quartanaparasiten in den Tertianaparasiten, wurde niemals beobachtet. „Nach dem jetzigen Stande unsorer Kenntnisse ist der Quartanaparasit jedenfalls mor- phologisch wie biologisch als wohl charactorisirt zu betrachten.“

Nachdem die bereits von Golgi aufgestellten Unterscheidungsmerkmale der beiden Parasitenarten mit Ausnahme der regelmässigen Theilungsformen aner- kannt sind, hebt Verf. noch besonders hervor, dass die {»orcellanartige Beschaffen- heit des Protoplasmas des (Quartanparasiten der hyalinen Beschaffenheit des Pr*- toplasmas des Tertianparasiten **) gegenüber sehr charakteristisch ist. Auch behält der wachsende junge Quartanparasit in Folge seiner geringen amöboiden Be- weglichkeit eine mehr runde Form oder erstreckt sich als breites Band von einem Rande des Blutkörperchens zu dem gegenüberliegenden, während der Tertianparasit die abenteuerlichsten Formen zeigt. Das Chromatin liegt beim Tertianparasiten fast immer excentrisch, oft wie ohne Zusammenhang mit dem Protoplasmaleibe, beim (Quartanparasiten in der Peripherie oder in der Nähe der Peripherie, jedenfalls nie so excentrisch wie beim Tertianparasiten. Während nun bei Tertian parasiten die Chromatintheiluug erst 12 Stunden vor dem Aufall beginnt, tritt sie beim Quartanparasiten schon 24 Stunden vorher ein.

Dabei ist die beim Tertianparasiten sehr deutliche achromatische Zone beim Quartanparasiten selten zu finden. „War das Chromatin des erwachsenen Tertian- parasiten schon in eine Anzahl feinster Chromatinfäserchen zerfallen, so gestaltet sich die folgende Theilung ganz ähnlich, wie beim Quartanparasiten, jedoch derart, dass sie nach im Ganzen etwa 48 Stunden schon vollendet ist. Die Zahl der neuentstandenen Parasiten betrug in der Mehrzahl 16.“ Die Theilungsfonn der Margarethenblume hat Verf. im lebenden Blute beim Quartanaparasiten zwar gefunden namentlich wenu nur 5 6 junge Parasiten bei der Theilnng ent-

*) Kef beobachtete sowohl Id Westindien (Port an Princc) als mach bei einem aas TjUltJM' (Java) stammenden Malarlafleberrückfall Malariaparasiten, die von den Parasiten der heimisch** Tertiana nicht zu unterscheiden waren.

**) Diese Form beobachtete Kef. auch bei einem aus Java stammenden doppeltes Tertianfieber.

LI. Besprechungen und Ijtteraturangaben.

309

standen aber auch die Morulafonu. wie sie sich bei der Reifung des Tertian- parasiten findet. „Ueberhaupt konnte ich eine solche Gleichmässigkeit der Ent- wicklung, wie sie Golgi beschreibt, nicht immer finden. . . . Die Lagerung der jungen Parasiten (Tertiana) im Mutterparasiten bot nur selten die regelmässige, von Golgi beschriebene Sonnenblumenform. Meist zeigten sie die Morulaform.“

6. Die Parasiten der estivo-autumnalen Fieber der Italiener (der Perniciosa der Tropen).

Hier standen 210 Fälle zur Verfügung. 87 stammten aus Kamerun, einer aus Persien (Moliammerah), einer aus Ostafrika (Erythrüa) und 121 aus ver- schiedenen Gegenden Italiens. Einen deutlichen Unterschied zwischen den kleinen, aus verschiedenen Gegenden der Erde stammenden Parasiten konnte Yerf. nicht finden*); auch keine Veränderung in den Parasiten bei Rückfällen, die später in Deutschland auftraton. „Oefter schon bei diesen kleinen Formen (1 % p) sieht man, im Gegensatz zu den Parasiten der leichteren Fieber, sjieciell der Qnartana. wie sich das Chroniatinkörnchen in die Dingo streckt, Stäbchenform annimmt und nach vorhergegangener Einkerbung in 2 3 sich wieder rundende, kleine Chromatinkörnchen zerfällt“ Häufig sind die Blutkörperchen mehrfach inficirt. Es wurde ein Fall von fünffacher Infection eines rothen Blutkörperchens be- obachtet. Hat das Chromatinkorn eine Grösse von etwa 1 p erreicht, so ver- schwinden bei der Kameruner Malaria die Parasiten aus dem peripherischen Blute, um ihre Entwicklung in bekannter Weise in inneren Organen zu vollenden. Bei den Sommer -Herbstfieborn Italiens erscheint 80 St. nach Beginn des Anfalls der Parasit als kleine Scheibe von */« Blutkörperchengrösse. Das Chro- matin entfaltet nunmehr eine intensive Thatigkeit durch Theilung und Ab- schnürungen. „Niemals sah ich indess wie immer bei der (juartana und häufig bei der Tertiana, einen Zerfall des Chromatins in einzelne kleinste Fäserchen.“ Es entsteht vielmehr ein kurzer, etwas aufgelockerter, mit Einbuchtungen ver- sehener Chromatinstrang. Das allerletzte Stadium der Reifung ging aber auch in Italien in der Mehrzahl der Fälle in inneren Organen vor sich. Es bilden sich 8 16 junge Parasiten unter gleichzeitigem Verblassen und Zerfallen des nicht vergrösserten, infioirten Blutkörperchens. Die Theilungsform ist die Morula- form. I)a es wegen des zeitweisen Verschwindens der kleinen Parasitenart aus dem peripherischen Blute nicht möglich ist, eine genaue Bestimmung ihrer Ent- wicklungsdauer vorzunehmen und da sonst durchgreifende Unterschiede nicht nachweisbar sind, so fasst Z. die kleinen Parasiten zu einer einzigen Gruppe zusammen.

7. Die sterilen Formen der kleinen Parasiten.

Zu diesen Formen rechnet Yerf. neben den freien Sphären und Geissel- körpern auch die Halbmonde. Eine Membran konnte er an letzteren nicht er- kennen. Bei den italienischen Halbmonden wurde öfters ausgesprochene Sichel- form mit spitz ausgezogenen Enden und starke Einknickung beobachtet, die so weit gehen konnte, dass zwei mehr oder weniger gleich grosse Theilstüeke ent- standen, die nur noch durch eine dünne Brücke mit einander in Verbindung

*) Die Thellungsformen der italienischen Sommer-Herbstfieberparoaiten hatten durch- schnittlich 3 4 Blutkörperchengrösse , die der Kameruner Malaria manchmal sogar

nur » *

Digitized by Google

310

II. Besprechungen und Litteratur&ngaben.

standen. Verf. hält das nicht für ein Anzeichen von Fortpflanzung, sondern setzt diese Erscheinung in Parallele mit den Abschnürungen, die er bei den Sphären der heimischen Malaria beobachtete.

„Einer der Hauptunterschiede zwischen sterilen Formen der benignen und malignen Parasiten ist jedenfalls die eigenartige Starrheit, welche das Protoplasma der Halbmonde und der entsprechenden Sphären, im Allgemeinen, wenigstens Anfangs zeigt, ausserdem die dunklere Farbe des Pigments.“ Chro- niatin Hess sich zum Theil in verkümmerter Form in den Halbmonden nach- weisen. in der übergrossen Mehrzahl der Fälle verschwand es aber gänzlich, und an seiner Stelle blieb ein hellerer Fleck übrig, der sich ebenso wenig wie die achromatische Zone färben liess. Daher kommt es auch, dass die Halbmonde gewöhnlich nur an den Enden Farbe annehmen. An den Sphären Hessen sich nur degenemtive Vorgänge beobachten.

8. Klinische Bedeutung des Parasitenbefundes bei tropischen bez. estivo-autumnalen Fiebern.

Der Parasitenbefund steht zuweilen im Widerspruch mit den klinischen Erscheinungen. Verf. beobachtete in Grosseto (Italien) 4 derartige Fülle, wo der Milztumor, die übrigen klinischen Symptome und die prompte Wirkung des Chinins die Diagnose auf Malaria stellen Hessen und wo trotzdem in einigen Dutzenden von Präparaten keine Parasiten zu finden waren. Umgekehrt be- obachtet man Fälle, in denen bei relativer Geringfügigkeit der klinischen Symp- tome die Anzahl der Parasiten auffallend gross ist. Um dies zu erklären, muss einmal eine grosse Empfänglichkeit des Erkrankten für das Malariagift bezw. eine starke Virulenz der Parasiten oder eine gewisse Immunität bezw. eine mangelhafte Virulenz der Parasiten augeuommen werden.

Bei Fällen von italienischer Tertiana maligna konnte der jeweilige Parasiteo- befund mit dem jeweiligen Krankheitsstadium in Uebereinstimmung gebracht werden ähnlich wie bei der Tertiana siinplex. Während des Aufalls fanden >ich die ganz jungen Fonnen schon in erheblicher Zahl, am Tage der meist kurz dauernden Apyrexie die grösseren Siegelring- oder die bereits gerundeten Formen mit Pigmentbildung, vor, und während des Beginnes des Anfalls die grosseren homogen aussehenden Fonnen mit Pigmentblock. Wie bei der gewöhnlichen Tertiana, so veranlasst auch bei der malignen Tertiana nur die Mehrzahl «ier zeitlich auf derselben Entwicklungsstufe stehenden Parasiten die jeweiligen An- fälle. „Eine ganz gleichzeitige und gleichartige Entwicklung sämintlicher Mit- glieder einer Parasitengeneration findet sich eben nicht Dieselben sind oft mindestens 12 14 Stunden auseinander Hegend. Dies ist auch wohl der Grund für die oft ausserordentlich lange Dauer der Anfälle, so dass die Apyrexie zu- weilen nur einige Stunden beträgt.“ Bei den übrigen Fiebertypeu der Sommer-, Herbst- und Tropeufieber war es nicht mögUch die Gesetze, die Golgi für Quar- tana und Tertiana aufgestellt hat, praktisch verwerthen zu können. ,.In der überwiegenden Mehrzahl der eben erwähnten Fieber findet man während und gleich nach dem Anfalle eine Anzahl jüngster endoglobuhirer Parasiten, welche einen Rückschluss auf die vorher stattgehabte Reifung der kleinen Parasitenart gestatten. Im Stadium der Apyrexie findet man grössere Ring-, Siegelring- "der schon unregelmässige Formen. Die weitere Entwicklung findet in inneren Or- ganen statt.“ Nun giebt es sicherlich typische intermittirende Tropenlieber,

II. Besprechungen und Littcreturangaken.

311

die durch verkehrte Behandlung irregulär gemacht werden können, indess be- obachtete Z. in Kamerun trotz symptomatischer Behandlung Fieber, die von vornherein irregulär waren.

9. Beeinflussung der I’arasiten durch Einwirkungen irgend welcher Art mit therapeutischen Bemerkungen.

A. Durch Tod des Patienten.

11 14 Stunden nach dem Tode wurden die endoglobulären Parasiten ruhend und in Scheibenform gefunden. Die Ringform wurde nicht mehr beobachtet. Das Chromatin erschien rundlich, war aber noch gut färbbar. Im Gegensatz hierzu fand sich das Pigment der Sphären in lebhafter Bewegung. Diesen letzteren Umstand sieht Z. für einen Beweis dafür an, dass diese letzteren Formen Kadaverformen sind.

B Beeinflussung der Parasiten durch Conservirung von Malariablut in

BltUegt’n.

Es wurden folgende Resultate gewonnen :

1. Die Parasiten lassen sich anscheinend 24 St. lang im Blutegel erhalten, ohne sich morphologisch zu verändern.

2. Eine Weiterentwicklung im Blutegel findet uieht statt, im Gegentheil von einem bestimmten Zeitpunkte ab degenerative Vorgänge.

3- Das Chromatin bleibt länger färbbar als das Protoplasma

4. Die jungen Parasiten des Sommer -Herbst -Fiebertypus fangen nach 2 3x24 Stunden an, ein extraglobuläres Dasein zu führen.

Infeetionsversuche konnten mit dem im Blutegel conservirten Blut nicht vorgenommen werden.

C. Beeinflussung der Parasiten durch Phenocollum hydrochloricum.

Es wurden zur Prüfung Fälle von Malariafiebern genommen, die keine Neigung zur Spontanheilung zeigten. Weder auf die grossen noch auf die kleinen l’arasitenarten wirkte es irgendwie hemmend ein. Die Parasiten entwickelten sich weiter.

D. Beeinflussung der Parasiten durch Methylenblau

Es wurden zur Prüfung dieses Mittels ebenfalls nur Fälle ausgesucht, die keine Neigung zur Spontanheilung zeigten. Neigung hierzu kann man annehmen, wenn man „bei Tertiana und Quartana zu einer Zeit noch Parasiten mit beweg- ichem Pigment findet, wo die Pigmentbewegung schon längst hätte aufhören müssen, wo sich mit anderen Worten schon vor dem Fieberanfalle eine Anzahl ler grossen sterilen Formen im Blute finden“ und wenn sich bei Sommer-Herbst- iebern oder Tropenficbern eine Menge steriler Formen wie Halbmonde etc. im Blute finden. Das Methylenblau hatte absolut keine Wirkung auf die Parasiten md wurdo wegen seiner Nebenwirkungen : Strangurie trotz Muskatnuss Appetitlosigkeit und Erbrechen ungern genommen. Versuche mit kleinen Tages- losen 0,4 0,6, die wochenlang angewendet wurden, konnten nicht gemacht venien. Das Mittel konnte im Durchschnitt bei einer Tagesdosis von 0,9 2,0 .ielmehr nur 3 Tage lang gegeben weiden. Bei diesen Versuchen fand Verf. iugleich, dass die entwicklungsfähigen, ringförmigen, endoglobulären Parasiten Ier Sommer-Herbstfieber im lebenden Präparat sich nicht mit Methylenblau Archiv {. Schiff«- o. Tropenhygiene, n. 23

Digitized by Google

312

II. Besprechungen und Ijtteraturangaben.

färben Hessen, wohl aber Sphären. Dieser Umstand mag seine "Wirkungslosigkeit in der Blutbahn erläutern.

E. Spontanheilung.

Wie die Spontanheilung zu Stande kommt, ist noch unentschieden. .Jeden- falls ist der Vorgang des Absterbens der Parasiten bei Spontanheilung verschieden von der Abtödtung, wie sie durch Chinin erfolgt.“ Die Leukocytose als Heil- factor weist Z. zurück. Denn er konnte nie chromatiuhaltige (also fortpflanzung- fähige) Parasiten im Innern von Leukocyten finden, vielmehr waren es immer nur sterile Formen, insbesondere die Sphären und Geisselkörper. die von Leuko- cyten umflossen wurden. Bemerkenswerth erschien in einigen Fällen lang an- dauernder Fieber die auffallend starke Vennehrung der Blutplättchen. Dasselbe geschah in dem in Blutegeln aufbewahrten Malariablut.

F. Beeinflussung der Parasiten dureh Chinin.

„Während bei der Spontanheilung das Chromatin der Parasiten schwindet, und darauf auch die anderen schon beschriebenen characteristischen Veränderungen im Parasiten eintreten (Zunahme des Volumens. Zunahme des Pigments etrl wird nach meinen Untersuchungen durch Chinin in erster Linie der Protoplasmi- leib des Parasiten betroffen. Das Chromatin wird scheinbar erst durch die Zer- störung des Protoplasmas in Mitleidenschaft gezogen .... Je weiter der Para-;- in der Entwicklung fortschreitet, desto schwieriger wird es, die zerstören;» Wirkung des Chinins wahrzunehmen . . . Giebt man also das Chinin so. da* die Hauptwirkung desselben in die Zeit der Bauptthätigkeit der Chromatintheilur.- fällt, so geht die Entwicklung der Parasiten ruhig weiter, d. h. die Theilung des Chromatins schreitet fort“ Der Grund zu dieser Erscheinung liegt darin. (!*>■ das Chromatin beim erwachsenen Parasiten etwa die Hälfte, beim jungen aber nur des Volumens einnimmt Es können also die jungen Formen dem Chinin nur wenig Widerstand entgegensetzen, weil sie zum grössten Theil aus Prx- plasina bestehen, das vom Chinin zerstört wird. Bei den reifen Formen ist da- Verhültniss nahezu umgekehrt. Also wirkt das Chinin wenig oder gar nicht zaf sie ein. Dazu kommt noch, dass bei den reifen Formen die Vitalität des Chr- matins besonders stark Ist was seinen Ausdruck in der Theilung desselben find- ; „Es Ist durchaus rationell, das Chinin in einem möglichst frühen Stadium mS die Parasiten wirken zu lassen, wenn irgend möglich noch auf die extraglobulärs Formen, dieses sowohl bei der heimischen wie bei der tropischen Malaria" . Eine ältere Vorschrift sagt bereits, dass das Chinin, welches nach 5 6 Stunde! seine Hauptwirksamkeit entfaltet, 5—6 Stunden vor dem Anfalle zu geben sei. da dann im Anfalle selbst das Chinin auf die neu entstandenen Parasiten wiri‘ Es ist aller auch rationell, das Chinin im Fieberabfall zu geben, wenn sich sch« jüngste endoglobuläre Formen finden. Meist gab ich das Chinin bei tropisch* und estivo-autumnalen Fiebern beim ersten T.-Abfall, um nicht die Wirkung de Chinins mit der des Anfalls zusammenfallen zu lassen. Bei heimischer Miiir- braucht man derartige Rücksichten weniger zu nehmen, da die betreffenden An- fälle an sich schon leichter sind. Aehnlich wird schon längere Zeit von Marineärzten gehandelt. . . . Empfehlenswerth ist es im Allgemeinen, bei Tertücu und ljuartana an dem alten Modus festzuhalten und 1,0 Chinin 5 bis 6 Stand-' vor dem Anfälle einzugeben.“ Da aber in allen den Fällen, in denet Neigung zur Spontanheilung besteht, die Parasiten auch in vors!-

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturaugahcn.

313

schritteneren Stadien leichter vom Chinin beeinflusst werden, so können derartige Fälle nicht dazu benutzt werden, um aus ihnen allgemein gültige Gesetze für eine rationelle Chininthorapie her- zuleiten.

Chinin giebt Verf. fernerhin auch dann, wenn sich nur die sterilen Halb- monde im Blute zeigen; nicht der sterilen Halbmonde wegen, sondern um die eventuell noch in inneren Organen befindlichen kleinen Parasiten zu tüdten.

„Die Höhe der einzelnen Dosis überschritt bei der Tertiana und Quartuna sinipl. nicht 1,0. Wenn 5 bis 6 Stunden vor dem erwarteten Fioberanfalle 1,0 Ch. gegeben war, so wurde diese Dosis auch an dom folgenden Tage wiederholt.

Seihst schwerer verlaufende Fälle von Tertiana wichen durchaus den gewöhn- lichen Chinindosen .... Nach der Entfieberung wurde auch bei heimischer Malaria noch 3 bis 4 Tage täglich 1,0 Chinin gegeben, oin Verfahren, das ich Golgi in Pavia ebenfalls amvenden sah. Man hat dadurch die Möglichkeit, etwa noch übrig gebliebene Krankheitskeime ebenfalls abzutodten und dadurch spätore Kecidive nach Möglichkeit zu verhüten. Bei Tropen- und estivo-autuiunalen Fiebern war die höchste Tagesdosis 3,0 Ch. Es war das nur in allarmirenden Fällen, wo es sich um einen enormen Parasitenreichtlium handelte. Meist kam ich mit 1 2,0 vollkommen aus. Indication zu sofortiger Chiningabe war das 'Vorhandensein einer Anzahl kleinster endoglobulärer Parasiten (steht im directen Widerspruch mit R. Koch’s Ansicht. Ref.). Fehlten dieselben einmal nach Eintritt des Fiebers und ging die Temperatur nicht herunter, wurde trotz- dem Chinin gegeben, in der Annahme, dass sie sich noch in inneren Organen aufhielten . . . Eine Verzettelung des Chinins in kleine Dosen fand nicht statt Im Gegcntheil wurden eine Stunde nach Verabreichung des ersten gr. Chinin, eventuell noch 0.5 1,0 Chinin gegeben, nach einigen Stunden im Bedarfsfälle noch einmal 0,5 1,0. Handelte es sich bei Remittens in Kamerun um Parasiten verschiedener Entwicklungsstufen, so muss man jedenfalls versuchen, durch auf ■den Tag vertheilte Chinindosou eine fractionirte Sterilisation des Blutes zu er- zielen . . . Nach unseren Beobachtungen schwinden die kleinen Parasiten bei durchschnittlich 2,0 Chinin pro die schnell aus dem Blute.“

Warm empfiehlt Z. Einspritzungen von Chinin, bimur. 0,5 auf 2,0 Wasser in die Glutäen. Diese Einspritzungen sind schmerzlos und nicht von unange- nehmen Nebenwirkungen wio subcutane Chinineinspritzungen begleitet (Intra- muskuläre Chinineinspritzungen von höherer Concentration als die angegebenen sind schmerzhaft )

„Während der Infection wurden solange täglich 1 2, selten auch 3 gr.

■Chinin gegeben, als sich noch fortpflanzungsfähige Parasiten im Blute fanden . . .

Auch nach der Entfieberung wurde Anfangs täglich, etwa 2 bis 4 Tage lang, später bis meist zum 8. Tage jeden 2. Tag 1 gr. Chinin gegeben, ev. noch weitere 8 Tage jeden 3. Tag . . . Bei diesem Verfahren gelang es, speciell in Kamerun, die Zahl der Recidive ganz aussorordentlich einzuschränken. Bei meinen Fällen verhielten sich die Neuerkrankungen zu den Recidiven wie 2,8 : 1, dies in einem schweren Fieberjahre. Früher war das Verhältnis« oft umgekehrt.“ Durch prophylactisch angestellte Blutuntersuchungen gelang es Z. in 15 Fällen, die Fiebererreger vor dem Anfall zu erkennen, durch Chinin zu tödten und so die Infection überhaupt zu beseitigen.

„Wenn es nicht gelingt, durch Chinin, gegeben in der Apyrexie, den

23«

| Digitized by Google

314

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

2. Anfall bei einer Quotidiana zu verhüten, so ist damit noch nicht gesagt, dass das Chinin nicht im Stande wäre, eino stärkere Wirkung im sogenannten Incu- bationsstadium auszuüben. In diesem ist die Zahl der Parasiten noch klein, der Körper durch die erste Fieberattacke noch nicht geschwächt Bekanntlich müssen die Parasiten erst eine gewisse Anzahl erreicht haben, ehe sie im Stande sind, einen Anfall auszulösen. Ich will gerne zugeben, dass der Aufenthalt an Bord des gesunderen Schiffes möglicherweise günstigere Bedingungen schafft für eine derartige prophy laotische Anwendung des Chinins wie an Land.

Ich will ferner zugeben, dass diese Art der Prophylaxe in den Tropen io erster Linie nur wird von den Schiffsärzteu geübt werden können, die ihre Leute auf dem Schiff immer beisammen haben. Bei der angedeuteten Behandlungs- weise erkrankte in Kamerun und überhaupt in Afrika nur 31,39 % der Besatzung incl. Neuerkrankungen und Recidive, obgleich die Mannschaft viel an Land kam.

Von den Officieren, die sehr viel auf Jagd gingen in gefährlichstem Malaria- terrain, erkrankte überhaupt nur einer mit einmaliger T. Steigerung auf 37.8 mit gleichzeitig massigem Parasitenbefunde. Die Zahl 31,39% bleibt noch um 6% hinter entsprechenden Zahlen in sogenannten guten Jahren zurück.

Gestatten äussere Verhältnisse nicht systematische Blutuntorsuchungen. so rathe ich dringend, bei Aufenthalt in gefährlicher Malariagegend z. B. bei Jagd- parthien, jeden 3. Tag 1.0 g Chinin zu nehmen, bei längerem Aufenthalt viel- leicht jeden 4. Tag 0,5 g, und zwar immer Abends, um die Chininwirkung währeod der Nacht abklingen zu lassen.“

(Ref. hat dies Capitel desshalb so ausführlich behandelt, weil die Frage der Chinintherapie ja in letzter Zeit von Robert Koch aufgerollt worden ist.)

10. Leben der Parasiten in der Aussenwelt und der Infectionxmodus.

Ueber das lieben der Parasiten in der Aussenwelt und über den Infection*- modus ist Sicheres bis jetzt noch nicht bekannt. Vert versuchte in Fliegen, die er mit parasiten haltigem Blute gefüttert hatte, die Parasiten später vergeblich nachzuweisen. Ebenso wenig Erfolg hatte die Untersuchung von Erde aus Malariagegenden. Die Uebertragung durch Mosquitos ist nur eine Hypothese, ebenso wie alle die anderen Vermuthungen und Ansichten, die über den In- fectionsmodus ausgesprochen sind.

11. Incubation.

Ein Incubationsstadium von wenigen Stunden erkennt Z. nicht an. Denn selbst die kleinen Parasiten brauchen mindestens eine 24stündige Entwieklungs- dauer. Wer eine wenige Stunden betragende Incubationsdauer annimmt, muss dann auch annebmen, dass in solchen Fällen die Parasiten sich bereits tm Theilungsstadium befandeu, als sie in den Körper eindrangen. „Damit wirs aber gesagt, dass der Parasit eine ähnliche Entwicklung in der Aussenwelt durefa- machte wie im menschlichen Organismus .... Sicher erscheint mir, dass der Parasit nicht sofort so doch mindestens sehr bald nach erfolgtem Eindringen in den Organismus dieselbe Form zeigt wie während der Malariaerkrankung selb«. Das zeigen die festgestellteu Fälle von etwa 4 8 ständiger Incubationsxeit“

Für gewöhnlich wird eine Incubation von 8—20 Tagen angegeben.

II. Besprechungen und Litteraturaiigaben.

315

12. Stellung der Blutparasiten im Thierreiche und Eintheilung.

„Als Nichtzoologe habe ich von einer eingehenden Erörterung dieser interessanten Frage absehen zu müssen geglaubt, umsomehr, als es sich dabei nur um Hypothesen bis jetzt handelt“ Bis jetzt erscheint es am practischsten, alle Parasiten der rothen Blutkörperchen von Menschen und Thieren unter dem Sammelnamen Haemosporidien zusammenzufassen, ihre Stellung im zoologischen System aber offen zu lassen.

Die Haemosporidien oder Blutkörperparasiten wären dann einzutheilon in :

t. Haemosporidien des Menschen oder eigentliche Malariaparasiteu mit folgenden Arten oder Varietäten:

a) Parasiten der Tertiana

b) ,, (juartana

c) Tropen- bez. estivo-autumualen Fieber.

2. Haemosporidien anderer Sängethiere. Zu ihnen gehörte als den Malaria- parasiten nahestohond

a) Der Parasit der febris malarioformis.

b) Parasiten des Texasfiebers der Rinder und des Carceag der Schafe.

c) Parasiten der Ictero-Haematurie der Schafe.

d) Parasiten des Hundes. Es handelt sich dabei um kleine bimförmige bewegliche, endo- und extraglobuläre Gebilde, färbbar mit Methylen- blau und nach Chinin verschwindend. Sie fanden sich bei einem Hunde, der nach einer Jagd im Sumpfterrain unter Fieber, Schwäche und etwas Icterus erkrankt war.

Ob und welcher Zusammenhang unter den Formen von a d besteht, kann nach dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse noch nicht entschieden werden.

3. Huemosporidien der Vögel.

4. Haemosporidien dor Kaltblütler.

13. Untersuchungen über die Parasiten des Texasfiebers des Rindes.

Verf. konnte Trockenpräparate von Rinderblut untersuchen, das von Rindern stammte, die an Blutpissen zu Grunde gegangen waren. Ein Fall stammte aus der Nähe von Venedig (Codigoro), die anderen aus dem ager romauus. Die auf- gefundenen Parasiten bestanden aus einem Chromatinklümpchen, einer achro- matischen Zone und dem Protoplasmaleib. Die kleinen Formen waren rundlich, die grösseren bimförmig, zeigten aber kein Pigment. Einmal wurde ein chromatin- und pigmentloses Gebilde angetroffen, das einem Halbmonde der menschlichen Malaria ähnelte, nur 3 bis 4 mal so klein war. Ueberhaupt ähnelten diese Parasiten morphologisch ganz ausserordentlich den Parasiten der Sommer- Herbstfieber.

14. Die Blutparasiteu bei Vögeln.

Untersucht wurden im Ganzen 190 Vögel und zwar auf Helgoland 102 und in Italien 88. Von den auf Helgoland im October und November untersuchten Vögeln, die von Norden nach Süden zogen, war kein einziger inficirt, von den von Mitte April bis Mai von Süden nach Norden ziehenden Vögeln hingegen 20 und zwar am stärksten Buchfinken, dann Thurmfalken, Sumpfohreulen, braunkehlige Wiesenschmätzer und rothrüc-kige Würger. In Italien waren die Sperlinge und Nachtigallen am meisten inficirt. 3 Steinkäuze zeigten eine neue Parasitenart. Es gelang nichtinficirte Vögel durch parasitenhaltiges Blut von Vögeln derselben

Digitized by Google

316

II. Besprechung»; n und I.itteraturangaben.

Art zu inficiren und im Blute der Impflinge stets dieselben, wohl charaeterisirtei Parasiten wieder nachzuweisen. Auch gelang es, einen Grünling durch das Bin: eines iuficirten Buchfinken und eine I /ich taube durch das Blut einer in heilten Turteltaube zu inficiren. In beiden Fällen aber verschwanden die Parasiten aß- mälig wieder aus dom Blute der Impflinge.

„Allen Vogelblutparasiten war gemeinsam, dass sie auch in kernlosen rothec Blutzellen schmarotzen konnten, und dass die gestreckten, endoglobulären , ver- wachsenen Formen bei der Beobachtung des lebenden Blutes nach einiger Zeit z. Th. das Bestreben zeigten, extraglobulär zu werden und sich abzurunden."

Eintheilung.

Verf. nimmt 8 Typen an:

1. Typus A. Eine Fortpflanzung liess sich innerhalb der rothen Blut- körperchen nicht mit Sicherheit feststellen. Dieser Typus hatte 2 ünterab- theilungen :

a) Parasiten von gestreckter Form, mit oft typischer Hantelfigur.

b) Parasiten von oft mehr plumper Form mit abgerundeten Ecken z. Tb. auch mit kurzen, amöboiden Fortsätzen. In der äusseren Form nähern die letzteren sich schon

2. Typus B, bei dem eine Theilung des Chromatins vorzukommen schien, und der in seinem ganzen morphologischen Verhalten eine Mittelstellung zwischen A und C einnahm.

3. Typus C, mit schneller Entwicklung, die in einem Falle höchstens etwa 48 Stunden dauerte. Der Typus ist klein, dreht den Kern des infkirten rothen Blutkörpers in typischer Weise um seine Längsachse, bildet oft nur 6 i junge Parasiten und kann pathogen sein.

1. T ypu* A.

Aus der Fülle der Beobachtungen und der eingebenden Beschreibungea können nur verschiedene Thatsachen hervorgehoben tverden. Einzelheiten müssen im Original nachgelesen werden.

Der Typus A wurde in Italien bei Nachtigallen, Sperlingen. Lerchen und Steinkäuzen, in Deutschland bei Buchfinken, braunkehligen Wiesenschmätzern. Thunn- falken, Sumpfohreulen, Sperbern etc. gefunden. Sie sind schwerer zu erkennen als die Malariaparasiten dos Menschen, denn ihre Conturen sind weniger scharf. Ihre Lage ist vorwiegend an der Längsseite des Blutkörperchenkernes. Sie büdea Pigment. Amöboide Beweglichkeit ist nicht wahrzunebmen. Typisch war die schwache Entwicklung des Chromatins. Von den inficirten Blutkörperchen btieh oft nur der freie Kern übrig. Der dadurch extraglobuliir gewordene Parasit nahm runde Form an. Diese freien runden Formen kamen häufig beim Typus A und B vor und erwiesen sich oft in Folge lebhafter Pigmentbewegung. Abnahme der Färbbarkeit des Protoplasmas etc. als steril. Nach Ueberimpfungen auf gesunde Vögel wurden bei den Impflingen die ersten Parasiten am 7. bezw. 8. Tage ge- sehen. Diese Impfungen fanden auf Helgoland statt, wo eine natürliche nach- trägliche Infection ausgeschlossen war. Verfütterungen von stark inficirten Yogei- organen an Schwarzdrosseln führten auf Helgoland zu keinem Erfolge. Ibe inficirten Vögel zeigten nie Spuren von einer Krankheit oder von verminderter Fresslust.

Digitized by Google

IJ. Besprechungen und Litteraturangaben.

317

2. Parasiten des Typus B.

Dieser Parasit ähnelt dem vorher genannten sehr und wurde an einem ThunnfalJieu beobachtet. Er hat im Allgemeinen Neigung, sieh abzurunden bezw. ovale Form anzunehmen. Die erwachsenen Formen sind etwas grösser als beim Typus A, sterile Formen kommen auch hier vor. Neben runden sieht man auch gestreckte freie Formen. Chromatintheilungen wurden beobachtet. Sie ähnelten denen der Quartanaparaaiten. Die Dauer des Entwieklungscyklus konnte ans Mangel an Material nicht festgestellt werden. Verfiitterung von Organtheileu eines Thurmfalken an Athene noctua blieb erfolglos.

3. Parasiten des Typus C.

Diese Farasiteuart wurde bei einem Kirschkembeisser und bei 2 Grünlingen beobachtet. Hier zeigten dio Thiore deutliche Krankheitssymptome. Der Kirech- kembeisser starb sehr rasch, der eine Grünling nach 2, der andere nach 3 Tagen.

Die Parasiten zeigen eine geradezu erstaunliche Proliferationsfähigkeit des Chromatins, „so dass es zur Fortpflanzung kommen kann ohne jede Spur einer Pigmentbildung, ferner die häufige 2-, 8- ja 10-faehe Infection eines rothen Blut- körperchens.“ Merkwürdigerweise wurde eine Drehung des Blutkörperchenkernes um seine Längsaclise in den inficirten Blutscheiben wiederholt beobachtet Der wachsende Parasit behält im Allgemeinen seine rundliche Form. Das Chromatin theilt sich ähnlich wie bei den Parasiten der Sommer-Herbstfieber. Die grösseren Formen können die Blutzellen oft bis zu */5 ausfüllen. Unter den mittelgrossen und besondere den grossen Formen lassen sich sterile erkennen. Alle Formen kommen extraglobulär vor.

15. Eine neue Parasitenform beim Steinkautz (Athene noctua.)

(Das sogenannto I^ukocytozoon Danilewsky?)

Auch hier können aus der eingehenden Beschreibung nur dio wichtigsten und interessantesten Thatsachen herausgenommen werden. Verf. unterscheidet 3 Phasen.

1. Phase. Man bemerkt runde oder ovale zarte Parasiten, die etwa */$ oder volle Blutkörperchengrösse haben und frei sind. Amoeboide Bewegungen nicht mit Sicherheit festzustellen. Sie enthalten Chromatm.

2. Phase. Neben den eben erwähnten freien Formen finden sich auch solche, die den ebengenannten sehr ähnlich aber mit einer äusserst fein contourirten und stellenweise granulirteu Masse umgeben sind. Di&se Masse Hess sich nur matt „grauröthlich“ färben. Innerhalb derselben fand sich noch ein Leukoeytenkern. Ob es sich bei diesen Gebilden um Parasiten handelte, dio in einem Leukocyten schmarotzten, konnte Verf. nicht mit Bestimmtheit entscheiden. Der Parasit wächst bis zu IV, Grösse eines Blutkörperchens von Athene noctua, färbt sich auffallend viel dunkler als eine freie Form und zeigt neben einem Chromatinkern ein Chro- matinbüschel. Das ganze Gebilde wird wetzsteinförmig. Es fanden sich bis 8 dieser Gebilde im Gesichtsfeld.

3. Phase. Der Parasit wird oval und schliesslich rund, der degenerirte Leukoeytenkern löst sich ab, der runde Körper des Parasiten zerfällt Eine Thei- lung des Chromatins konnte mit Sicherheit nicht beobachtet werden. In inneren Organen fanden sich ebenfalls keine Theilungsformeu. Trotz mehrwöchentlicher Dauer der Blutuntersuchungen wurde stets doreelbe Blutbefund erhoben. Der Vogel zeigte nio Krankheitssymptome.

Digitized by Google

318

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

Es wurden häufig Geissein beobachtet. Die Geisselkörper war etwa von Blnt- körporchengrosse. Sie waren unpigmentirt und hatten 2 4 GeLsseln. Sie fand« sich fast immer schon unmittelbar nach Anfertigung des Präparates.

16. Blutparasiten bei Kaltblütern.

Positives Resultat hatten die Untersuchungen nur bei Rana eseulenta. Ifc- Jugendform des Parasiten stellt sich hier als 3 n langes, ovales oder bimförmiges Körperchen ohne amooboide Bewegung dar. Im gefärbten Präparat zeigt sich ec compactes Chrumatinkorn. Der Parasit streckt sich beim Wachsen in die fängt, der Rand zeigt zuweilen amneboide Beweglichkeit. Die Theilung des Climmatins ist der bei Malariaparasiten ähnlich. Schliesslich wird der Parasit mehr und mehr rund, seine nmoeboide Beweglichkeit deutlich, die lichtbrechende Stelle, in der di? Chromatin liegt, verschwindet ebenso wie bei dem reifenden Malariaparasiten, in- dess das Chromatin verschwindet nicht. „Es wird wegen der jetzt stattfindend« Theilungsvorgänge nur unsichtbar im ungefärbten Präparate“ . Der Parse:* kommt zur Ruhe. Es tritt eine Differeucirung im Protoplasma auf und zuletzt tauchen immer deutlicher werdende, kleine lichtbrechende Stellen auf. und es bilden sich 10 12 kleine, junge Parasiten, die dann anfs Neue rothe Blutzoll« infieiren können. Im gefärbten Präparat stellt sich die Theilung des Chromatins ähnlich wie beim Tertianaparasiten dar.

Ob ein Unterschied zwischen diesen eben beschriebenen Froschblutparasif« und den sogenannten Gaule'schcn Würmchen besteht oder nicht, konnte Verf. nicht entscheiden. „Denn im gefärbten Präparat liessen die Jugendformen d-*r beiden keinen Unterschied entdecken, die von Labbe als Cvstenbüdungen be- schriebenen Formen repräsentirten in meinen Präparaten keine Cysten, und end- lich konnte ich eine Fortpflanzung der Gaule'schen Würmchen nicht entdecken.' Verf. hält es für möglich, dass diese Gebilde den Halbmonden der menschlichen Malaria entsprechen, also steril sind. Z. machte noch die Beobachtung, dass Frösche, die anfangs sieh bei der Blutuntersuchung als nicht inficirt erwiesen haften und dann mit inficirten Fröschen zusammengesperrt wurden, nach einigen Tag« mit amoeboiden Blutkörperchen parasiten inficirt waren. Er lässt die Frage offen, ob wirklich eine Infection stattfand, oder ob es sich bei den scheinbar gesund« Fröschen um einen Zustand der Iätenz gehandelt hat.

17. Die sogenannte Cytamoeba bacterifera Labbc.

Diesen Parasiten erkennt Verf. nicht an. Er glaubt, dass es sich einfach um Bactericn handelt, die zufällig mal auf einem Blutparasiten oder in einer Blutknriterchenvncuole lagen. Diese Bacterienbündel fanden sich auch frei ie Blute.

Eine wirksame Methode der Chromatin - und Blutfärlmng.

Nachdem die Färbemethoden von F. Plehn, Grassi und Feletti, sowie tob Mannaberg kurz erwähnt sind, bespricht Verf. die Methode von Romanowskv Das Verdienst R.’s besteht nach Ansicht des Verf. darin, dass R. er- kannte, dass sich bei der Mischung von wässerigen Methyl enblau- und wässerigen EosinlösungeD ein dritter neutraler Farbkörper er- geben kann, dereine besondere Affinität zu den chromatiren Kern- netzeu besitzt. Verf. färbte nach der Romanowsky 'sehen Methode, erhielt aber .stets unbrauchbare Präparate. Er ging also^nun darauf aus, ein Verfahren sus-

Digitized by Google

II. Besprechungen uii'i Litteratuiangaben.

319

findig zu machen, bei dem es gelingt, den vorerwähnten neutralen Farbkörper so zu erhalten, dass sich mit ihm brauchbare Chromatinfärbungen erzielen lassen. Bei diesen Versuchen stellte sich zunächst heraus, «lass die verscliiedenen Methylen- blausorten der verschiedenen Fabriken sich verschieden verhielten. Als brauch- bar erwiesen sich nur das Methylenblau med. pur. der Höchster Farbwerke und das Methylenblau reetificat nach Ehrlich von Dr. Grübler. Aber auch diese beiden Methylenblausorten waren verschieden in ihrer Wirksamkeit. Ja! selbst das Methylenblau der Höchster Fabrik, das Yerf. später ausschliesslich benutzte, war in seinen verschiedenen Lieferungen von verschiedener Wirksamkeit. Das wasser- lösliche Höchster Eosin hingegen Marke BA und AG verhielt sich fast constant, auch dasjenige anderer Fabriken.

Beim Arbeiten mit diesem Höchster Methylenblau und Eosin fand nun Z.. dass der dritte neutrale Farbkörper, der beim Mischen wässeriger Losungen der vorgenannten Farben sich bildete, sich sowohl in einem Ueberschuas von Methyleu- blau als auch von Eosin wieder löste. Es kam also darauf au. auf empirischem Wege eine Mischung herzustellen, iu der der dritte neutrale Farbkörper weder in dem Methvleublau noch in dem Eosin der Mischung sich wieder auflöste.

Die mühsamen Versuche, die hierzu uöthig wurden, beschreibt Verf. aus- führlich. Sie müssen im Original eingesehen werden. Das Resultat, das schliess- lich gewonnen wurde, ist folgendes. Die besten Chromatin -Färbungen wurden mit nachstehender Mischung erzielt:

1 % 24 Stunden alte, wässrige Methylonblaulösung: 0,1 % wässeriger Eosinlösung*)

= 1:5 oder 1 : 6.

„Nach durchschnittlich 80 Minuten**) hat man ein prachtvoll klares Präparat mit intensiver Färbung des Chromatins. Nach etwa 8 Wochen ist das Mischungs- verhältniss der beiden F'arbencomponeuten manchmal schon wie 1:4 V* oder 1 : 5l/i“.

Dies ist dos allgemeine Schema. Da aber selbst das Methylenblau der Höchster F'arbwerke in seiner F'arbkraft verschieden ist, so ist es nothwendig, dass der je- weilige Untersucher sich seine Farbmischung immer erst einstellt. Er muss von vornherein darauf gefasst sein, dass die Chromatinfärbung schon bei einem Ver- hältniss des Methylenblaus zum Eosin von 1 : 4 eintritt oder aber auch erst bei einem Verhältniss von 1:7. Es ist daher uöthig, sich die zwischen diesen Grenz- werthen liegende Mischungsverhältnisse herzustellen, alle Mischungen mit Prä- paraten zu beschicken und von 10 zu 10 Minuten den Erfolg der Färbung zu prüfen. Da sieh nun die Kerne der weissen Blutkörperchen ebenso färben wie das Cbromatin der Malariaparasiten, so kann man zur Einsteihing der Farb- lösung einfache Blutpräparate verwenden und braucht keine Malariapräparate zu opfern.

■) Wird am besten durch entsprechende Verdünnung einer 1 % wässerigen Eosinlösung hergestellt. Verf. versuchte später sc Stelle dee Eosins diesem nahe stehende Verbindungen wie Phloxin, Rose Bengale, Uranic und Erythrosin r.n verwerthen. Aber nur das letztere er- wies «ich in nachstehendem Verhältniss anwendbar: 1 o,o Methylenblaulösung 0,1% Erythrosin- lösung = 2 : 3 bis 3 : 4. Ee dauerte aber 45 Mim, bis die Chromatlnfärbung eintrat, und die Resultate waren wenig sicher und weniger gut als Eoslc.

Kann unter Umständen aber such 60 Minuten dauern. Umgekehrt erzielte Verf. schon nach 1 1 r Minuten wundervolle Chromat in firhun gen bet Anwendung folgender Mischung : Com- , Sltrirte Methylenblaulöaucg gemischt mit 1°0 Eosinlösnng im Verhältniss S : tl. Durch sehr vorsir-htigee Erwärmen der Mischung konnte die Färbezeit bis auf 1 , Min. abgekürzt werden. Dann waren die erstellen Resultate sber oft ungletchmässig.

Digilized by Google

320

II. Besprechungen und Tjtteraturangaben.

Bei der Herstellung der Farbmischung sind aber verschiedene Vorsiete- manssregeln zu beobachten. Um eine vollständige Lösung des Methylen Was? zu erzielen ist es nöthig, das Methylenblau in kleinen Mengen nach und a»± unter fortwährendem Schütteln und Umrühren in siedend heisses "Wasser n schütten. Es darf die ganze Menge des Methylenblaus nicht auf einmal zugesetz werden, auch das Wasser nicht etwa auf das Methylenblau gegossen werden, wa sonst ungelöste Methylenblaustückchcn sich erhalten und die Farbreaction di- el u roh unsicher gemacht wird. In gleicher Weise ist die wässerige Beinloses: herzustellen. Filtrirt zu werden brauchen die Lösungen nicht. Filtration ~ch»»-r ausserdem die Färbekraft für Chromatin.

Sind diese beiden Lösungen fertig, so wird zunächst die erforderliche Mes« Methylenblaulösung im Messcylinder abgemessen und dieser unter stetem Ft- rühren, das wenigstens zwei Minuten lang fortgesetzt werden muss, die eben« genau abgemessene Menge Eosinlösung zngesetzt. Ein dicker Niederschlag*! = wie bei der Mischung von stärker concentrirten Methylenblau- und Eosinl-ösuue^

bildet sich bei diesen dünnen Lösungen zwar nicht, wohl aber ein meullisti schimmerndes Häutchen. Dies Häutchen ist für gewöhnlich das Zeichen, I die Mischung das richtige Verbältniss und damit eine gute Farbkraft für ds Chromatin hat.

Die Farbllüssigkeit wird nun in ein Blockschälchen gegossen, indem beiws ein beschicktes Deckgläschen liegt und zwar mit der Blutschicht nach unten. E.- ist nöthig, in der Flüssigkeit zu färben und das Deckgläschen nicht etwa schwirrest zu lassen. Denn das vorerwähnte metallisch schimmernde Häutchen, das dis Flüssigkeit überzieht und auf welches das Deckgläschen zu liegen kommen würfe enthält Niederschläge und Crystalie, die das Präparat verunreinigen. Dieses Hjk’- chen ist daher auch mittelst Fliespapiers zu entfernen, sobald man das Präpaiv aus dem Blockschiilchen nimmt.

Das herausgenommene Präparat wird in frischem Wasser abgespült oed untersucht

„Es sind dann die rotheu Blutzellen rosa gefärbt, die Kerne der sämmtikfe* Leukocyten in einem beinahe leuchtenden wundervollen Carminviolett, die Fr- toplasmaleiber der Lymphocyten blau, der grossen mononukleären Leukocyta hlassblau, oft bis auf eine schmale Randzone beinahe farblos, der Mastzellen ebee- falls bläulich. Der Protoplasmaleib der neutrophilen Leukocyten erscheint M* carminviolett gefärbt, die Granulationen derselben noch etwas dunkler oanm> violett .... Die Granulationen der eosinophilen Zellen erscheinen tiefreti. Findet man, wie nicht ganz selten bei Perniciosa, kernhaltige rothe BlutzeU-c. s- ist auch deren Kern dunkel carminviolett gefärbt . . . Die Blutplättchen nebtwe ebenso wie das Chromatin der Kerne der weissen Blutzellen die eanninvioWst Färbung an . . . bandelt es sich um Malariablut, so erscheint das Chromatin der Parasiten ebenfalls carminviolett, oft umgeben von einem deutlich sichtbare bellen Hofe, das Protoplasma der Parasiten blau. Bei Tertianablut färben ja die rothen Blutzellen, die schon etwas herangewachsene Parasiten beherberge, nur schwach rosa, entsprechend der schon im lebenden Präparat zu bemerkend«

•) Den dicken Niederschlag, der eich bei der Miachung concentrirtcrer Methylenblau- Eoeinlösungen bildet, nahm Verf. vom Filter auf und versuchte Ihn direct zur Färbung zu br* nutzen. Der Versuch misslsng, weil sich der Niederschlag nicht löten lieaa.

Digitized by Google

11. Besprechungen uml Litteraturangaben. 32 1

Entfärbung .... Die Nüaneen der speeifisehen Chromatinfärbung schwankten zwischen einem zarten Both bis zu einem kräftigen, leuchtenden Carminviolett, das zuletzt in eine beinahe schwärzliche Färbung übergehen konnte. Diese letzteren Nüaneen erhält man bei Anwendung besonders wirksamer Mischungen und hei längerer Dauer der Färbung.“ . . Die Kerne der Lymphocyten nehmen die spezifisch zu nennende Färbung früher an wie die anderen Leukozyten und ver- lieren sie auch schwerer. Andererseits nehmen die kleinen Cbromatiukiirner der jungen Parasiten, die sich bei Tropen- und estivo-autumnalen Fiebern finden, die spezifische Färbung eher an als die Kerne der Lymphocyten. Ferner ist die Färbung der Chromatintheilungsfiguren der erwachsenen Parasiten schwerer zu erzielen als die der jungen Parasiten. Präparate von Vogelblut erfordern länger dauernde Färbung als die von Menschen oder F’roschblut, vorausgesetzt, dass mau auch die Kerne der rothen Blutkörper carminviolett färben will.“

..Noch an */« fahr alten ungefärbten Trockenpräparaten vermochte ich das Chromatin der Leukocyten und der Malariaparasiten zur Darstellung zu bringen. Zum Einbetten der Präparate nehme man am besten Xylolcanadabalsarn. Meine Präparate erhielten sich bis jetzt 1 */» Jahr z. Th. vollkommen unverändert.“

Zum Schluss ist noch zu bemerken, dass jede für Chromatinfärbung bestimmte Lösung nur einmal benutzt werden kann. Schon bei zweiter Benutzung derselben Lösung weiden die Kesultate unsicher. Misch- und Mess- gefässe sind vor jedem Gebrauch auf das Peinlichste zu reinigen. Die Peinigung ist bei dem Gebrauch von dünnen Losungen sehr viel leichter als bei der An- wendung von concentrirten Lösungen.

Weiterhin machte Verf. Färbeversuche mit seiner Methode bei verschiedenen Ba'terienarten. Bei Oidium lactis, Oidium albicans, Aspergillus uiger, Torula rosacea, Torula alba und nigra, Sacharomyces cerevisiae, Spirillum undula majus und minus, Spirillum rugula etc. gelang es ihm, neben dem blaugefärbten Protoplas- inaleib das enrmingefärbte Chromatin darzustellen. Hierbei kam es nun öfters vor, dass die Präparate überfärbt wurden. Anfangs entfärbte Verf. mit •/» 1% Essig- oder Salzsäure. Späterhin aber verworthete er mit grossem Ge- schick den Umstand, dass sich der dritte neutrale Farbkörper so- wohl in einem Ueberschuss von Methylenblau als auch von Eosin löst. Er legte die überfärbten Piäparate entweder in eine 1% Methylenblau- oder 0,1% Eosinlösung, je nachdem eine zu starke Färbung des Chromatins oder des Pro- toplasmas stattgehabt hatte und erzielte mit diesem Verfahren ganz ausgezeichnete Kesultate. Die Lösungen wurden so dünn genommen, weil in stärkeren Lösungen eine zu rasche Entfärbung erfolgte.

Das vorliegende Buch enthält vorwiegend die Resultate eigener Beobachtungen. Der Verf. hat alle Typen der Malariafieber in verschiedenen Theilen der Erde ge- sehen und ist somit in den Stand gesetzt, Vergleiche anstellen zu können. Das reichhaltige Material ist gut durchgearbeitet, die Thatsachen sind nicht wie z. B. in dem neusten Werke iaveran’s (Traitö du paludisme 1898) nur einfach anein- ander gereiht. Im Gegentheil! An der Hand der durch eigene Beobachtung gewonnenen Ansichten bespricht der Verf. die Ansichten anderer Autoren und erörtert eingehend das „F'ür“ und „Wider“ in den verschiedenen Streitfragen. Ob er dabei immer das Richtige getroffen hat, wird ja die Zukunft lehren. Im Grossen und Ganzen aber kanu Ref. ihm nur beistimmen.

Durch die neue Färbemethode ist Z. im Stande gewesen, verschiedene bis

Digitized by Google

322

II. Besprechungen und Litteraturaugal >ei\.

jetzt offene Fragen zu lösen. Einerseits erscheint die Alt der Fortpflanzung der Malariaparasiten endgültig feslgestellt und andererseits ist uns ein VerstänJniss dafür möglich gemacht worden, wie und warum das Chinin sehr viel mehr auf die jüngeren Malariaparasiten als auf deren reife Formen wirkt. Wir haben durch die Chromatinfärbungen endlich einen positiven Anhalt für die Behandlung und Beurtheilung der Malariafieber erhalten.

Die beigegebenen Tafeln sind nicht nur sachlich richtig, sondern auch künst- lerisch schön. Namentlich gut getroffen ist der Farbenton auf Tafel 1U einen gn >ssen Quartana- Parasiten darstellend und die feinen Farbennüancen der sterilen und chininisirten Formen auf Tafel I. Diese Tafeln sind eine Zierde des Buches und stechen vortheilhaft gegen die nichtssagenden Abbüdungeo in dem eben erwähnten Buche Laveran's ab. Das vorliegende Buch bedeutet jeden- falls einen wesentlichen Fortschritt in der Malariaforschung.

Buge. Kiel.

Beri-Beri.

Heber Beri-Beri von Dr. F. Grimm, Berlin. Deutsche Med. Wochenschrift No. 29.

1898.

Der Aufsatz stellt einen Auszug dar aus eiuem 1897 bei S. Karger er- schienenen Buche „Klinische Beobachtungen über Beri-Beri“ von A. Grimm, welches in diesem Archiv von Scheube und mir s. Z. besprochen wurde. Der Verl widmet in seinem Aufsatz ganz besonders der Symptomatologie der Beri-Beri seine Aufmerksamkeit und behauptet, wie auch in seiner Brochüre, dass von einem anerkannten, einheitlichen Krankheitsbild der Beri-Beri nicht die Rede sein könne, ohne übrigens auch hier seiner bereits besprochenen Arbeit irgend etwas Neues hiuzuzufügen. Das Anfangsstadium der Beri-Beri, meint der Verf., sei ausser von ihm , niemals genauer notirt resp. gesehen, und er unterscheidet je nach ein- maliger oder wiederholter Aufnahme des hypothetischen Virus, das einfache wo von dem complieirten Beri-Beri accumulntum. Da, wie erwähnt, die Abhandlung auch in diesem Abschnitt nichts Neues bringt, aber unserer allgemeinen Auffas&um: der Krankheit als eine degenerative Neuritis entgegentritt, ohne sie, wie man fordern muss, dafür pathologisch -anatomisch anderweitig zu characterisiren, kann man darüber nur auf die früheren Recensiouen hinweisen, welche eine solche Art der Publication ablelinen. Dasselbe gilt von Verf.'s hypothetischem Virus, als aetwh- gischem Moment, welches er sich in Seeth ieren vorhanden denkt, und welche* durch richtige Zul>ereituug. Garkocheu z. B. unschädlich zu machen sei Die* richtige Zubereitung kann doch ebensogut in Privat- oder Krankenhäusern, auch in einem Gebiet, wo solche Seetliiere vorzugsweise genossen werden, erfolgen- überhaupt stets bei ärztlicher Coutrole, und doch empfiehlt Verf. in erster Luü? als Therapie und zur Verhinderung wiederholter Aufnahme der Noxe die anderer Auffassung gehandhabte und erfolgreiche Translocatiou in Beri-Ber* freie Gegenden, und giebt zugleich au. dass Beri-Beri von Chinesen n*h Australien verschleppt sei. In seinen Angriffen gegen meine Recension sein« Buches, sowie gegen andere Beri-Beriforseher, so besonders in Bezug auf grundlegenden Arbeiten Sehenbe’s, auch auf die Glogner's machte Verf. ua- riehtige und geringschätzige Bemerkungen. So sagt er, dass Scheube in seine»

II. Besprechungen und I.itteraturangaben.

323

'Werke: „Die Krankheiten der wannen linder“ das Fehlen des I’atellarreflexes als ein Zeichen beginnender Beri-Beri ansähe, während Scheube pag. 157/58 nur sagt: Dagegen fehlen die Kniescheibensehnenrellexe. auch nach Jendrasik (Pekel- haring u. Winkler) sehr häufig, namentlich fast ausnahmslos in allen Fällen mit ausgeprägten p:\retischen Erscheinungen. Dies Symptom ist manchmal schon wenige Tage nach Beginn der Erkrankung nachzuweisen und überdauert oft Monate lang, ja ein Jahr lang und darüber alle übrigen Krankheitserscheinungen. Zu Anfang der Krankheit und in galoppirenden Fällen beobachteten Pekelhariug u. Winkler auch Steigerung der Kniescheibensehnenrellexe mit Fussclonus." Vorher sagt Scheube: „Was die Reflexthätigkeit der Beri-Berikrnnken botrilft, so verhalten sich nach meinen Beobachtungen die von der Haut ausgelösten Re- flexe in der Regel normal, nur ausnahmsweise sind dieselben vermindert oder gesteigert." Pekelharing und Winkler lässt Grimm aber dazu im Gegensatt erscheinen.

Wie Herr Dr. F. Grimm Thatsaehen behandeln zu müssen glaubt, zeigt er weiter, indem er pag. 460 Zeile 22 u. 23 in Bezug auf einzelne Anschauungen M. Glogner's, die übrigens durchaus nicht richtig aufgefasst zu sein scheinen, einfach sagt: „Karl Däubler empfiehlt die Lehren dieses Autors als fundirt". That- sachlich habe ich pag. 213 im 8. Heft dieses Archivs im Hiublick auf Herrn Grimms Schrift pnblicirt: „Aber er (der Anfänger) wird auch sonst in Bezug auf die unvergleichlich besser fundirten, verdienstvollen Arbeiten Scheube’s, Pekelhariugs's, Bälz's, auch Glogner's und Anderer irregeleitet etc.“ Auch in seinem polemischen Artikel braucht er, wie früher die Trichinosis zum Vergleich bei der t ’onstruction seiner verschiedenen Krankheitsformen und verwahrt sich dabei gegen die Ansicht Gelpke's, dass Beri-Beri mit der Trichinosis grosse Uebereinstiminung zeige. Herr Grimm verlangt bei Reeension seiner Arbeit weitere Nachprüfungen, wo er selbst nur Vermuthungen, aber keine experimentellen Nachweise auf ätiologischem und pathologisch -anatomischem Gebiete aufstellen kann, während wir durch eigene klinische Beobachtungen an grossem Material in verschiedenen Tündern, verbunden mit mikroseopischen Arbeiten und Sectionsergebnissen, wohl im Stande sind, sein angegebenes klinisches Material und daraus abgeleiteten Schlüsse zu beurtheilen.

Weder durch geringschätzige Hinweise auf seine Recensenten, noch dadurch, dass Herr Grimm seine ,. 20jährige naturwissenschaftliche und ärztliche Thätigkeit“ hervorhebt, kann er das, was haltlos ist und wissenschaftliche Principien verletzt, ausgleichen. Dass bei sehr acuter Beri-Beri mit kurzem, nicht ganz 48stüudigem Verlauf in den äquatorialen Trepenländem fettige Degeneration der Nerven, auch des N. vagus vorkommt, habe ich früher nachgewiesen, dieser Befund ist anderer- seits bestätigt, aber auch bei nicht acuten Fällen ist dieses vom ersten Anfang an beobachtet worden, besonders in der indischen Armee, wo von Soldaten anstrengen- der Dienst gefordert wird. Daher muss die Zumuthung Dr. Grimm's, worauf er einen Theil seiner Symptomatologie stützt, alle vorgängigen Beobachter hätten den Anfang der Beri-Berierkrankung nicht gesehen, zurückgewiesen werden.

K. Däubler.

Digitized by Google

324

111. Sonstige Werke.

III. Sonstige Werke.

Malittle predominantl nei paeai caldi e iemperati. von Dr. Filippo Rho, Turin 1S97.

Rosenhorg & Sellier. (Fortsetzung.)

Der exanthematische Typhus Ist in wannen Ländern selten, das Riiek- fallfieber bricht, da es nichts mit klimatischen Verhältnissen zu thitn hat. in Indien in Hungerjahren aus und ist auch in Aegypten schon beobachtet wor- den. DerTetnnus kommtauf der ganzen Erde vor. nimmt jedoch in den Tr- pen an Häufigkeit zu. Bemerkenswerth ist es, dass nicht die heissesten Mona- te die meisten Erkrankungen an Starrkrampf aufweisen . sondern die Mona:- vor und nach der Regenzeit, welche die grössten Temjieraturschwankungen zei- gen. Die Neger zeigen eine grössere Disposition dem Tetanus gegenüber, al- die Weissen, wohl weil die zahlreichen leichten Haut Verletzungen das Emdring-t des Giftes erleichtern. Neugeborene weiden vom Nabel aus infieirt und sterben z. B. in Rio de Janeiro alljährlich in grosser Zahl am Tetanus.

Die Tuberkulose verheert den ganzen Erdball. Trockene heisse Lander weiden jedoch weniger von derselben heimgesucht als feuchte, trotz der grösseren täglichen Temperaturunterschiede. Schlechte hygienische Verhältnisse leisten der Krankheit auch in den Tropen Vorschub.

Auch der Aussatz ist allenthalben zu finden, alle Kassen weiden befal- len, in jeder mit Vorliebe die ärmeren Classen wegen der schlechten Körper- pflege und Unreinlichkeit Die Frage der Ansteckung bei Lepra hält Rho für noch nicht entschieden. Selbst bei Rater Damien ist es möglich, dass die Über- tragung nicht von Person zu Person, sondern durch Luft, Wasser. Nahrungs- mittel u. s. w. erfolgt ist.

Es steht nicht sicher fest, ob die Syphilis durch klimatische Verhält- nisse überhaupt beeinflusst wird. Nach Rho spricht sich die Mehrzahl der Beobachter dahin aus, dass der Verlauf in den Tropen ein milderer, die »Jueck- silberwirkung eine leichtere und raschere ist und zwar sowohl bei Europäern wie liei Eingeborenen. Betreffs des Scorbut schliesst sich Rho den I-eitsätzen Moores, welche für Indien aufgestellt siud, aber auch für widere Troj>enländer gelten können, an: 1. Scorbut herrscht in latenter Form l>ei den ärmeren Classen. 2. Der- selbe kann in dieser Form ohne deutliche Symptome bestehen, aber den Ver- lauf anderer Krankheiten ungünstig beeinflussen. 8. Unzureichende Nahrung auch mit frischer Pflanzennahrung, kann die Krankheit hervorrufen, rascher ensteht dieselbe bei Mangel an Pflanzenkost. 4. Mangel an' Sonnenlicht ist für die Krankheit im höchsten l inule begünstigend. 5. Es giebt kein wirklich antiskorbutisches indisches Kraut als Hausmittel. 6. Citronensnft verliert rasch seine günstige Wirkung hei längerer Aufbewahrung in warmen Ländern. 7. Von allen Früchten ist die Mango- Eracht im unreifen Zustande getrocknet als diä- tetisches Mittel am meisten zu empfehlen.

Ueber diu erste Classe der chirurgischen Krankheiten (Cnpitel XX. 1) „lufectiöse W undk rank hei ton”, widersprechen sich anscheinend die Be- obachter. Alts allen Tropenländern liegen Berichte über don Heilungsverlauf bei schwer Verwundeten und 0|>e rillen in den grossen Hospitälern und auf Kriee~- schiffen vor. Während einer Reihe von Jahren ist z. B. in den Kranken- häusern von Calcutta kein Fall von Hüftgelenksresection durehgekommen. Dem-

Digitized by Google

III. Sonstige AA'erke.

325

gegenüber stehen die günstigsten Ergebnisse nicht nur der modernen antiseptischen, sondern auch der einheimischen Wundbehandlung mit Kameelmist, Kuhdünger, (gekauten oder zu Brei gekochten Blättern verschiedener Pflanzen. Ref.) sowie die häufig vorkommende rasche Heilung von völlig vernachlässigten schweren Ver- letzungen. worüber Mittheilungen von Aerzten aller Nationen aus den Colonieu vor- liegen. Der Unterschied liegt in der Oertlichkeit. Massemmhäufung von Kranken begünstigt die Entwickelung der betreffenden Krankheitserreger, welche in freier Luft entweder nicht vorhanden sind oder nicht zur Entwicklung gelangen und anscheinend erst eingeschleppt worden sind.

Oberflächliche, leichte Verletzungen zeigen dagegen allenthalben in den Tropen oft die Neigung sich in „atonische oder phagedänische Beschwüre um- zuwandeln; da ein bacteriologisches Criterium für ein selbstständiges Krankheits- bild fehlt, und Uebertragungsversuehe vergeblich gehlielten sind, so muss man annehmen, dass individuelle Schwächezustände, imgünstige gesundheitliche äussere Verhältnisse und klimatische Einflüsse dem Leiden das eigenthiimliche Gepräge verleihen.

Lymphangitis perniciosa, welche besonders in Brasilien auftritt. und Elephantiasis Arabum behandelt Rho in zwei getrennten Abschnitten. Die Studien von Moncorvo filho (siehe Besprechung in Band I, Heft 3, Seite 215 des Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene), welcher die Lymphangitiden und Ele- phantiasis wenigstens im Kindesalter auf den Erysipel -Streptocoeous Fehleisen’s zurückführt scheinen dem A'erfasser noch nicht bekannt gewesen zu sein. Rho neigt betreffs der pemieiösen Lymphangitis zu der Ansicht, dass dieselben durch Streptococcen hervorgerufen wird, nimmt aber für die Elephantiasis, so- weit dieselbe endemisch auftritt, die Filariosis als Ursache an. Die sporadischen Fälle können durch die verschiedenartigsten Störungen des Lymphumlaufs ent- stehen. Die operative Behandlung des elephantiastischen Scrotums wird eingehend besprochen.

Die Stomatitis intertropicalis hätte bei der tropischen Diarrhöe oder den Aphthae tropicae ihren Platz finden können, Roh giebt hierbei wie bei Er- örterung des in Aegypten häufigen Vorkommens der Mund beule der Kinder, bouton de l’enfanee, brufalo. die Ausführungen von August Hirsch in dem be- kannten grundlegenden Werke wieder. Auch die Angaben über A’erbreitung der Hämorrhoiden bei den Europäern in wannen (Andern, während dieselben bei den Negern nicht Vorkommen (? lief.), und über die Entstehung der bei Tro- penvölkem so häufigen Hydrocele in Folge sexueller Excesse und der Beklei- dung mit weiten Gewändern, welche nicht wie der europäische Hoscuboden den Hoden stützen sind dem oft citirten deutschen Buche entnommen.

Bezüglich der Augenkrankheiten der wannen Länder tlieilt Rho die in ilassauah von den italienischen Aerzten gemachten Erfakningen mit. Europäer und Eingeborene zeigten auf diesem Gebiete der Pathologie eine ganz verschiedene Morbidität. Die Unreinlichkeit der Eingeborenen zeitigt kartarrhalische und eitrige Erkrankungen der Augenbindehaut und Hornhaut in allgemeiner Verbreitung, Ka- tarakte sind sehr häufig, auch die Pocken gehen auf den Augapfel über, sodass Blinde in grosser Zahl in den Strassen zu finden sind. Die Italiener dagegen erkrankten nach den amtlichen Statistiken womger häufig iui Augenleiden als im Mittelmeer oder im indischen Ocean. Nur die Hemeralopie, welche bei den Einge- boroen fehlt, wurde in mehreren hartnäckigen Fällen beobachtet, die Heiin-

Digitized by Google

326

III. Sonstige Werte

Sendung dos Kranken nöthig machten. Das grelle, durch lein Gebüsch gemil- derte Licht der sonnigen Colonie erklärt das Auftreten derselben. Bemerkens- werth ist es. dass die kühlere Jahreszeit mehr Fälle von Conjunctivitis und Hemeralopie aufweist als die heisse.

Wohl nur wenigen colonialen Aerzten ist es heute noch vergönnt, die Aus- führungen Bho’s über die Verletzungen durch Pfeilscbüsse pracrisch verwerthcn. Ihre Behandlung ergiebt sich nus den Grundlehren der Chirurgie. Die vergifteten Pfeilwunden sind nach der Art des Giftes verschieden gefährlich. Die Somali verwenden das Ouabain, ein Glycosid, welches durch Kochen der Wur- zeln mehrere Arten von Apoeineen (Apoeynaceen. Ref.) mit etwas Gummizusatz gewonnen wird, und ein starkes Herzgift ist Derselben Pflanzengattung ent- stammt das Kuua der Bambaras im Sudan; die Körner einer Strnphanthus-Art lie- fern im wässerigen Extraet unter Zusatz von Euphorbiaceen - Früchten dieses Gift. Die Buschmänner sollen Schlangengift für ihre Weile verwenden, die Hotten- totten Saft von Wolfsmilcharten.

Diu wenig bekannten asiatischen Weilgifte rufen llerzlähmung und Krämpfe hervor. Das bekannte Curare ist durch die Giftpfeile der Indianer am Orinoe» und Amazonen -Strom bekannt geworden. DasUpas-Gift der Eingels »ronen Bor- neos quillt aus Rindeneinschnitten von Antiaris Toxicnris und wirkt ähnlich : doch sollen sieh die holländischen Colonialtruppen durch rasches Aufsehneiden und sorgfältiges Aussaugen erfolgreich gegen die Wirkung desselben schützen. Wenn schwerere Erscheinungen nuftreten, so ist künstliche Athmung sorgfältig und lange durchzuführen. Geradezu fin de siede erscheinen die Melanesier, deren Weilgift aus Sumpferde gewonnene pathogene Mikroben enthalten soll, nämlich den Tetanushacillu-s und den Vibrio septicus!

(Fortsetzung folgt.) M.

I)r. Borei: Comment on deviant Mddecin d’un Paquetbot. Paris. Georges Car re et C. Naud. 1898.

lieber Rechte und Pflichten, über specielle Ausbildung, Stellung und Hono- rirung, kurz über den Sonderberuf der Schiffsärzte ist in letzter Zeit mehrfach in der hanseatischen Tagespreise und in ärztlichen Fachblättern geschrieben worden. Namentlich ist der Vorschlag einer besonderen Vorbildung mit an- schliessender Prüfung und einer staatlichen Ueberwachung, ja Verstaatlichung dieses Berufszweiges gemacht worden. Da eischeint die Mittheilung zeitgemkss, wie unsere Nachbarn, die Franzosen, dieselbe Frage geregelt haben.

Dr. Borei, selbst „Medecin sanitaire maritime“, schreibt darüber in dem oben genannten Werkchen kurz, aber klar und sachlich. Er theilt seinen Stoff in fünf Abschnitte: 1. Die Schiffsarztprüfung. 2. Die grossen Dampfergesell-

schaften. 3. Formalitäten bei der Abfahrt. Verzeichniss der Arzneimittel und Instrumente. 4. Der Gesundheitspass. Formalitäten im Ausland. 5. Der ärzt- liche Dienst an Bord.

Für uns hat hauptsächlich das erste Capitel Interesse. DerVerf. citirt aus der Polizeivorschrift für die Schifffahrtshygiene, „regiement de police sanitaire maritime“, deren Cap. III., Art. 15 u. 16:

„Jedes französische Dampfschiff, das für den Postdienst oder für den Transport von mindestens 100 Passagieren bestimmt ist, und das

Digitized by Google

ID. Sonstige Werke. 327

eine Reise von mehr als 48 Stunden, einschliesslich der Anl&ufsplätze, macht, ist verpflichtet, einen geprüften Schiffsarzt am Bord zu haben.“ „Dieser Arzt muss Franzose sein und das ärztliche Doctordiplom besitzen; er führt den Titel eines Medecin sanitaire maritime“ (was wir mit „geprüfter Schiffsarzt“ verdeutschen können).

„Art 18. Die geprüften Schiffsärzte werden aus einem vom Minister des Inneren aufgestelltem Verzeichniss ausgesucht, nach einer Prüfung vor einer Commission, die vom Minister auf Vorschlag des Gesundheitsamtes (Comite de direction des Services de l’bygiene) be- rufen ist“ u. s. w.

Die Prüfungsvorschrift (programme de l’examen) vom 8. XII. 98 beschränkt sich auf einige schriftliche und mündliche Proben (epreuves). Die schriftliche Prüfung umfasst einen Aufsatz über die Pathologie der ansteckenden Krankheiten, und einen Aufsatz über die hygienische Gesetzgebung, zu dem der Candidät die einschlägigen Werke vorgelegt erhält; für den ersten sind 1 */», für den zweiten ist 1 Stunde Frist gegeben. Die mündliche Prüfung besteht aus einer Frage über dieselben Themen, einem practischen Versuch (cpreuve) aus der Bakteriologie („Färbung und Diagnose der hauptsächlichen pathogenen Mikroben“), und einer Desinfectionsprobe („Herstellung und Anwendung der gebräuchlichen antiseptischen Flüssigkeiten, Sterilisation mit den im Laboratorium und an Bord gebräuchlichen Apparaten.“ Für diese practischen Versuche ist je eine halbe Stunde bewilligt.

Yerf. selbst sagt, dass es für einen Mediciner, der frisch von der Univer- sität kommt, nichts Leiohteres giebt, als dieses Examen zu bestehen.

Hoffentlich wird man sich in Deutschland nicht mit einer solchen Prüfungs- vorschrift begnügen, die nicht viel mehr als eine Formalität bedeutet, sondern vor allem Stätten eröffnen, wo der angehende Schiffsarzt sich auf seinen Sonder- beruf — durch Specialcurse an den Krankenhäusern der Hansastädte u. s. w. vorbereiten kann. Borei weiss dem französischen Arzt zu Vorstudien für jene Prüfung nur eine Reihe guter Bücher zu empfehlen, welche allerdings den Ein- druck erwecken, als würde in Frankreich mehr auf dem Gebiet der Schifffahrts- nygiene veröffentlicht, als bei uns. In der That scheint mir, wenn ich die deutsche Litoratur über Schiffshygiene durchgehe das Werk von Kuleokampff, die Ab- handlungen von Nocht, Reineke u. A„ die Rathgeber von Schmidt und Gärtner, die Broschüre von Jentsch u. s. w. das Bedurfniss nach zwei Büchern vor- zuliegen: nach einem Sammelwerk der bestehenden Vorschriften für Hafen- und Schiffshygiene aus der ganzen Welt, als Handbuch mit Formularen und Mustern, das an Bord jedes ins Ausland gehenden Schiffes sein müsste, und zweitens nach einer kleinen sachlichen Schrift, die dem jungen Arzt sagt, nicht nur, wie er eine Stelle als Schiffsarzt erlangen kann, sondern vor allem, wie er sich am besten darauf practisch vorbereiten muss, solange die Vorbildung der Schiffsärzte nioht officiell geregelt ist.

Dr. D— ff.

Zur Besprechung eingegangene Werke:

Compte rendu de la Conference internationale concemant les Services sanitaires et Vhygiene des chemins de fer et de la navigation.

Bruxelles 1898, van de Weghe.

Archiv für Schiff»- a. Tropenhygiene. 1L 24

Digitized by Google

328

UL Sonstige Werke.

Dr. Paaquale Moscato, Sulla emoglobinnria parossistica da chinina.

Milano 1898, Francesco Vallardi.

Sülle localizzazioni multiple che l’infezione palustre puö

produrre. Milano 1892, Leonardo Vallardi Sulla malattia del Tomaselli owero sulla febbre ittero-

ematurica da chinina. Milano 1889 ib. Infezione palustre chronica, Napoli 1897, Detken u. Rocholl.

,. Sulla intossicazione chinica nella infezione tifoide e nella

leucemia. Milano 189S. A. Roncati.

Conun. Salvatore Tomaselli, La intossicazione chinica e l'infezione malarica.

Catania 1897, C. Calatola.

Dr. P. Just Navarre, Le prophylaxie du paludisme.

Lyon 1896, Association typographique. Dr. Bonnasy, Secours aux marins des grandes peches.

Toulouse 1898, Lagarde et Sebille. Dr. L. Leiatikow, Therapie der Hautkrankheiten.

Hamburg u. Leipzig 1897, Leopold Voss. Dr. Friedrich Plehn, Die Kamerunküste. Studien über Klimatologie, Physio- logie und Pathologie in den Tropen. Berlin 1898, August Hirschwald. Dr. Willibald Qebhard, Die Heilkraft des Lichtes. Leipzig 1898, Th. Grieben. Prof. Dr. Leichtenstern, Ueber Ankylostoma duodenale.

Wiener klin. Rundschau 1898, No. 23 27. Dr. W. Zinn und Dr. Martin Jacoby, Ankylostoma duodenale.

Leipzig 1899, Georg Thieme.

Sanitätarat Dr. Scheube. Pest. Separatabdruck aus der Realencyklopaedie der gesammten Heilkunde. Wien, Urban u. Schwarzenberg.

Prof. Dr. C. Eykman, Over Gezoudheid eu Ziekte in heete Gewesten. An- trittsrede gehalten am 1. October 1898.

Utrecht, J. van Druten.

Digitized by Google

Die Behandlung der Syphilis

mit dem Hydrarg. sozojodolic. wird von vielen Seiten mit Recht gerühmt, denn sie bietet folgende Vortheile:

1. Sie führt zu einer Heilung, die von den internen Mitteln in dem gleichen Zeiträume keinesfalls, sondern höchstens von der Inunctionscur erreicht werden kann.

2. Die Infiltration nach der Injection ist viel geringer als bei dem grauen Oel und anderen Quecksilberverbindungen.

3. Das Hydrarg. sozojodolic. hat nicht nur den Vorzug der Leichtlöslichkeit, sondern vereinigt auch in sich die günstigen Eigenschaften der schwerlöslichen Präparate in Bezug auf eine andauernde und energische Wirkung.

4. Wöchentlich eine Injection entspricht einer wöchentlich 15—18 gr in sich fassenden Inunctionscur, wodurch die Anwendung eine sehr billige und bedeutend angenehmere für den Patienten wird.

5. Die Injectionen sind fast schmerzlos, wenn ca. 6 Minuten vorher eino Pravaz - Spritze voll einer 4—5 proc. Cocain, muriat. Lösung an der betreffenden Stelle injicirt wird.

Bp. Hydrarg sozojodolic. 0,8 gr, nommiice cum aq. deat 5,0 gr. adde Kalii jodati 1,6 gr, aq. dest. ad 10 gr M. Filtra! D. S. Bubcutanlöaung.

Conf. Prof. Dr. Schwimmer, Wiener kiin. Wochenschrift , No. 26, 1891.

Prof. Dr. Stetter, Arbeiten a. d. Ambulatorium und d. Privatklinik etc., Heft II. pag. 19 ff.

,, Prof. Dr. V. Janovsky, Caaopis -Lekaru Cenkych, No. 21 und 22, 1892.

Prof. A. Faeann, Archirlo internationale di Medicina e Chirurgia, No. 12, 1897.

Prof. Dr. Seifert, Münchener med. Wochenachrift , No. 47, 1888.

H Dr. Oaudin am Hupital 8t. Louia, Paris, Specialbroschüre.

Dr. M. Endlitz am Ilopital 8t. Louis, Paria, Bpecialbroachüre.

Dr. Thoman, Wiener klin. Wochenschrift, No. 38, 1889.

Dr. Herzog, Therapeut. Monatshefte, August -Heft 1889.

Dr. Rosinski, Therapeut. Monatshefte. Dez. -Heft 1893.

,, Dr. Mario Qro, Le Injezloni di Sozojodolato di Mercurio. Clinica dermopath. di Prof, de Amids, Napoli 1894.

Dr. Payet, Journ. des Malad, cutan. 1895, pag. 200-

Dr. Alfred Berliner (Dr. B. Ledermanns Poliklinik f. Hautkrankheiten, Berlin), Allgem. Med. Gentral - Zeitung. No 38, 1896.

Dr. Eugen Berneick, Inaugural - Dissertation , Königsberg 1. Pr., 1897, pag. 28.

Wie behandelt man Ulcus molle?

Dr. Th. Trapesnikow, Docent an der kaiserl. militärmedicinischen Akademie in St. Petersburg, schreibt hierüber (Therap. Blättor 1893, No. 2) unter anderem: „Bei Tagliihnern, die ihre Geschwüre ausserordentlich schmutzig halten, und bei solchen Kranken, die nur 1 2 mal wöchentlich ambulatorisch behandelt werden, genügten 1 2 Einstreuungen mit feinverriobenem Natrium sozojodolic. pulv. (pure), um die Ulcera zur Heilung zu bringen. Bei gaugrünescironden und phagedäni schon Geschwüren genügte ebenfalls eine 2 3 malige Applikation des Pulvers, um diese Komplikation zum Stillstand zu bringen. Wenn man den Hoilungsprocess des Ulcus molle bei Anwendung von Jodoform einerseits und Natrium sozojodolicum andererseits mit einander vergleicht, so lässt sich nicht verkennen, dass die letztgenannte Be- handlungsweise der ersteren bedeutend überlegen ist und es scheint mirdurchaus nicht übertrieben, wenn ich mir zu behaupten erlaube, dass man das Natrium sozojodolicum geradezu als ein Speeiflcnm gegen das Ulcus molle ansehen kann.'1

In gleicher und ähnlichen Weise äusserten sich:

Prof. A. Fasano, Archivio intornazionalo di Medicina e Chirurgia, No. 12', 1897,

und in Privatmittheilungen viele Herren Aerzte.

Broschüren und Krankengeschichten gratis und franco von

H. Trommsdorff , Chem. Fabrik, Erfurt.

24*

Digilized by Google

Schutz- ,Tabloid‘ Marke.

Hand- und Taschenapotheken

mit comprimirten ,Tabloid‘-Medicamenten ausgeruestet, sind die compacteste und bestmoeglichste medicinische Ausruestung fuer den Arzt. Wir halten eine grosse Auswahl von solchen .Tabloid'- Apotheken auf Lager und koennen dieselben nach Belieben aus- gestattet werden. .Tabloid'-Apotheken wurden in den Feldzueger. von Chitral, Aschanti, Soudan und waehrend des tuerkisch- griechischen Krieges benutzt. Stanley, Nansen, Jackson und die kuerzlich stattgehabten hauptsaechlichsten Expeditionen wurden mit denselben ausgeruestet. Es wurde gefunden, dass die ,Tabloid- Medicamente noch nach dreijaehrigem Reisen in den tropischen Zonen ihre therapeutische Wirkung beibehalten hatten. Die eben illustrirte Hand- Apotheke (Modell K) ist vollstaendig ausgerueste: mit / Tabloid'-Medicamenten, Pravazspritze etc.

Von Mk. 160 an.

BURROUGHS WELLCOME & CO., London.

Fifr ferner« Auskunft, IlloMrationrn «Ir. wrnde nu sich netits» u

P , Linkenheil & Co., Berlin W., Genthinerstr. 19.

Digitized by Google

Jchthyol

Die Ichthyol-Präparate tc i r- den ton Klinikern um i vielen Aerzten aufs Wärmste em- pfohlen und stehen in Uni- rersiliita - u. slädt. Kranken- häusern in ständig. Gebrauch.

wird mit Erfolg ungewandt:

bei Frauenleiden und Chlorose, bei Gonorrhoe, bei Krank- heiten der Haut, der Verdauungs- und Circulations-Organe, bei Iiungentuberculose, bei Hals-, Hasen- und Augenleiden, sowie bei entzündlichen und rheumatischen Affectionen aller Art, tkeils infolge seiner durch experimentelle und klinische Beobachtungen erwiesenen reducirenden, sedativen und anti- parasitären Eigenschaften, anderntheils durch seine die Resorption befördernden und den Stoffwechsel steigernden Wirkungen.

Wissenschaftliche Abhandlungen nebst Receptformeln versenden gratis und franco die alleinigen Fabrikanten

Ichthyol-Gesellschaft, Cordes Hermann! & Co.,

-h Hamburg. -j—

nach Dp. P. G. Unna

schreibt das Archiv für Schiffe- und Tropen -Hygiene auf Seite 855 des Jahrgangs 1897:

„Um die Haltbarkeit der medicamentösen Pflaster zu prüfen, batten wir im Februar und März d. J. an verschiedene Aerzte in den Tropen ln Blechbüchsen ver- packte Pflaatermulle der Firma P. Beiersdorf & Co. in Hamburg versandt und um Bericht über die Brauchbarkeit derselben sowie Rücksendung eines Probestückchens gebeten. Zwei Antworten sind jetzt, Mitte August, eingegangen, nämlich von den Herren Dr. Glogner ln Samarang (Java) and Dr. Klee in Pitas (Britisch-Nord-Borneo). Beide Herren haben besonders das Collemplaatrum Hydrargyri carbolisatum und das Collemplaetrum chrysaroblni, erste res gegen Furunkulose, letzteres gegen parasitäre und seborrhoische Ekzeme und dergl. verwandt und sprechen sich über die Kleb- fähigkeit, Haltbarkeit und Wirkung dieser Pflaatermulle sehr befriedigt aus. Die Probestücke sind im Juni bezw. Juli einfach in Papier geschlagen durch Brief nach Deutschland zurückgesandt, haben aber auch diese ungünstigen Transportbedingungen ohne Etnbusse ihrer Eigenschaften ertragen, wie Referent in praktischer Anwendung an Kranken feststellen konnte.1*

Zur Verhütung von Erkrankungen der Ziilino und des Mundes eignet sieh in den Tropen in hervorragendem Maasse

Ul

in Tuben.

Angenehmer erfrischender Geschmack und antiseptische Wirkung zeichnen sie speclell aut.

Speciflcum gegen mercurlelle Stomatitis. Muster gratis und franko.

Chemische Fabrik, Hambarg.

Digitized by Google

ein wohlschmeckendes Chinapräparat, aus bester China-Calisaya-Rinde le- rntet, enthält sämmtliche wirksamen Bestandteile (Alkaloide) in möglichst wohlschmeckender Form und wird in allen Fällen, wo Chinarinde indicirt ist, angewandt, besonders gegen Verdauungsstörungen, Appetitlosigkeit, Magenbeschwerden und Schwächezustände.

Dieses Präparat ist in verschiedenen Nervenheilanstalten und Kliniken cingeführt und ist als Stärkungsmittel allgemein beliebt

Als Stärkungsmittel nach heftigen Fiebern, besonders nach Influenza, Typhus, Ruhr, Malaria u. s. w. bewährt es sich ausgezeichnet und wir! von medizinischen Autoritäten bestens empfohlen.

Flr die Tropea ela »ehr geeignetes Mittel.

Litteratur mit Gutachten und Attesten gratis zur Verfügung.

Man Note sich »or Nachahmungen und achte auf die Schutzmerke der Fkma.

Albert C. Dang, Freiburg i. B.

English correspondence also solicited.

Farbstoffe, Reagentien

für

Mikroskopie und Bakteriologie

gewissenhaft nach Angabe der Autoren,

Reinkulturen von Mikroorganismen.

Nährböden. Mikroskop. Präparate.

Dr. Gr. Ol-iilhlei* eSt Co.,

Leipzig, Bayerische Strasse.

Centralstelle für mikrosk.-chemlsehen Bedarf.

Preislisten gratis und franko.

~ NEU! NEXJI

Elix. Condorango peptonat. Immermam.

In Original - Flaschen. Ala von vorzüglichem Erfolg anerkannt bei allen Arten von Mageakntk- beit, Indigestion and Dyspepsie, bettet Prlventiv- und Heilmittel bei Seekrankheit und Dysetter« Wichtig bei Neubildungen und zur Normalieiruug der Magenfunctionen während und narb *ö-

gemeinen Erkrankungen. Herr Geheimrath Stöhr, Klaeingen, schreibt: Ich bin so a-

frieden mit demselben, wie noch nie mit einem neuen Mittel! Et Itt von höchstem Werth« Wr* tägliche Praxlt und hat mir so zu sagen schon förmlich Wunder gewirkt namentlich bc alten und chronisch Leidenden . . .** Pllul. Condurango ferro-conchlnlnl In Orlginsl - Flaschen. Mit Immermann'schem Extrakt bereitet Durch seinen Gehalt an sin bestverträgliches Mittel bei mit Magenleiden einhergehender filutarmuth und Nervenleiden Marasmus , Malaria und Tropeuleiden. Zu haben in den Apotheken. Wo noch nicht vor räthlg, bitte, event unliebsamer Irrthümer wegen, Bezug unter gleichzeitiger Mitiheiion* -*•' genauen Fabrikadrease zu veranlassen (vide Gebhard - Michaells’sches Heferat). Proben aa- Drucksachen zu Diensten.

Allein autorlslrter Fabrikant:

Apotheker F. WALTHER, STRASSBIRG, Eis., Rheinziegelstrassf.

Digitized by Googl

Dr. Ernst Sandow's

künstliche Mineralwasser - Salxe

Rationeller Ersatz der versendeten natürlichen Mineral wässer.

Seit 1880 in den Arzneiachatx eingefübrt.

Sie machen keine Schwierigkeiten beim Transport und der Aufbewahrung, eignen eich des- halb sowohl für den Hausgebrauch, als auch für die Reise und für den Versand in ferne Gegenden.

Die Sandowschen Mineral wasaersal/.e Trinkkuren hierdurch auch für ün-

gewahren bis über 20CO pCt Ersparnis^. bemittelte möglich.

Ee kostet z. B. eine 3- bis 4-wöchentl. Kur mit künstl. Einser oder Carlebader Salz nur 75 Pf. resp. 1 Mit. gegen 18 bis 35 Mk. mit versend, natürl. Wasser.

Verzeichniss der dargestellten Mineralwassersalze in Gläsern mit Maassglas zur Abmessung einer Dosis (Trinkglas).

Name der Quelle, deren Analyse der Darstellung zu Grunde gelegt ist.

M

- 5-

03 s u

dl

O ||?

Name der Quelle, deren Analyse der Darstellung zu Grunde gelegt ist.

•3 0-4

X 2 K

ifi

Name der Quelle, deren Analyse der Darstellung zu Grunde gelegt ist.

"3 o—

33 g s Jal « ii

Assmannshäuser . . . .

450

KiBsinger (Rakorzy) . .

100

Sslzbrun. (Kronenq.) . .

200

Baden-Badener . . . .

200

Krankenheiler . . . .

750

8alzachlirfer

75

Biliner (Josepbq.) . . .

100

Kreuznacher (Eliscn-Q.) .

60

Sedlitzer

25

Carlebader (Sprudel) . .

100

Marienbader

10C

Bodener (Milchbr.) . .

150

Eger (Saliq.)

100

Mergentheimer . . . .

25

« (Warrnbr.) . .

120

Elster (Saliq.) . . . .

100

Neuenahr er (Hpr.) . . .

200

(Soolbr.) . . .

40

Einser (Kränchen, Kessel-

Ofener (Hunyadi Janos)

15*

Taraaper (Luciusq.) .

50

brunnen, Victoriaq.)

150

Offenbacher ....

120

Vichy (gr. grille) . . .

100

Fachlnger

100

Püllnaer

20*

Weilbacher (Natr.-Lith )

150

Friedrichshaller ....

25

Pyrmonter (Salzq.) . .

100

Wiesbadener (Kochbrun.)

100

Haller Jodquelle (Tassilo-

liadetner

100

Wildunger(Georg-Victor-

quelle)

50*

Saidschützer

25*

quelle)

300

Hellbr. (Adelheid.* > . .

100

Salvatorq. (Eperies) . .

150

Wildunger (Hclcnenq.) .

120

Homburger Elisabeth-Q.

60

Sslzbrun. (Oberbr.) . .

150

* Besp. doppelte Anzahl Weingläser.

ln loser Form werden die Mineralwassersalze nicht abgegeben.

I>r. Ernst Sandow’s

medizinische Brawsesalzo.

Diese Präparate haben folgende Vorsüge:

Man erreicht die Heilwirkung, welche man für viele Fülle mit sogenannten Trinkkuren beabsichtigt : z. B. durch die Eisen-, Kalk- und Lithiumpräparate, Jodsalz, Selterssalz u. a.

Die Medikamente werden dem Patienten in angenehm schmeckender und leicht zu neh- mender Form geboten.

Die bei der Lösung im Waaner sich entwickelnde Kohlcnaäuro wirkt erfrischend und an- regend auf die Magenschleimhaut und unterstützt, ebenso wie das begleitende Natrium- oder Alkalicitrmt (die Brauaemiacbung) die Wirkung.

Die pflanzensauren Alkalien, speziell die cltronensauren, sollen bei längerem Gebrauch und in Fellen, wo es sich darum handelt, dem Blute grössere Mengen kohlensauren Alkalis zuzuführen, besser vertrsgen werden, als die kohlensauren (n. Btadelmann-Dorpat: Ueber den Einfluss der Alkalien auf den menachlichen Stoffwechsel.)

(•ehranrhKsn Weisung: Man füllt ein Trinkglas (ca. 200 Cbc.) zn >/g mit Wasser, schüttet das mit dein Maassglas oder einem Löffel abgemessene Brauscsalz hinein, rührt schnell mit einem Löffel etwas um und trinkt die Lösung während der Kohlensäure - Entwickelung aus. Kinem Wr Jnglaso entspricht *, Maassglas.

Verzeichnis der Brausesalze in Glüsern mit Maassglas zur Abmessung einer Dosis.

F. Dos. Trink gl.

F. Dos. Trink gl.

F. Dos. Trlnkgl.

Br. Alkallcitrat (für Dia- betiker) 30

Bromsais j 15

75 15 30

I

, Brom-Eiscnsalz . . Cslciuxnpbospholactat Calciumphospholactat

mit Eiaen

, Chlnin-Elsencitrat . .

, Coffeinsalz |

Brom- Coffeinsalz .

Br. Eisencsrbonat s Eisencitrat ... .1 Eisen-Mangansalz .

, Elsen-Pyrophosphat J . Jodsalz 6 pCt, schwach

» 15 pCt. stark .

Karlsbader Salz . a Lithiumbenzoat Lithiumcarbonat . .

Lithiumcitrat . . .

» Lithinmsalicylat . ,|

Auch die oben verz. Mineral w.-Salze werden in Brauseaalzform angefertigt, pr. öl. Mk. 1,20. Die Santlon’ sehen Balze sind su beziehen durch die Apotheken, sowie direkt von der Fabrik. Prospekte gratis »on der Fabrik

30

30

20

20

Br. Jod-Lithinmsalz . . . Lysldinsalz . . . .

* Magncsinmcitrat . . . mit Eiaen

. Natriumsallcylat . . « Piperazinsalz . . . . Wlsmuthsalz . . . .

Rbabarber-Bransesalz

50 20

löffel- weise 30 20 20 20 20

Selters - Erfrlacbungssalz

Chemische Fabrik ron Dr. Ernst Sandow- Hamburg.

Digilized by Google

Vorlag von Gustaf Flacher in Jena.

Soebou erschien:

Ueber Malaria und andere Blntparaslten

nebst Anhang

Eine wirksame Methode der Chromatin- und Blutfärbung.

Von

Dr. Hans Zieinniiii,

Marinestabsarzt.

Mit 165 farbig. Abdg. u. Photogrammeu auf 5 Tafeln uud 10 Fieberkurven. Prel«: 8 Mark 50 Pf.

Weingutsbesitzer und Weinhandlung

Gustav Sehmidt ft lohn

Colmar-Elsass.

Klsässische, Kaiserstüliler und Markgräfler Weiss- and Rothweine.

Alkoholfreie, unvergohrene Trauben- und Beerensäfte.

Hochfeine Lianenrweine ans nnyergohrenen Tranhen- nid Beerensäften. -4-

Preisverzoichniss und Prospecte gratis.

>QOO<i'.

Fabrik haltbarer Speisen

■vH

C. fflulsom $ Co., JCamburg.

w

:=

t-

Conseruen %%

-

o

-=

für die Tropen xubereitet .

Z

Goldene Medaille: Hamburg 1880 u. 1889.

s

Wien 1873. * Paris 1855. * London 1862.

L

München 1854. * Melbourne 1880.

|

Allgem. Gartenbau -Ausstellung Hamburg 1897:

S

Goldene Medaille.

w

Wir garantiren die Haltbarkeit unserer Fabrikate.

Preislisten stehen auf Wunsch gratis u. franco zur Verfügung.

Digitized by Google

Fuln-Ik: V ul«-nt liiNktiiu |> Kl.

VERLAG VON JOHANN AMBROSIUS BARTH IN LEIPZIG.

Therapeutischer Wegweiser

für Ärzte und Studierende.

Von.

Dr. med. G. Wothe

in Berlin.

VIII. u. 268 Seit. mit vielen Rezepten. Auf ganz dünnes Papier gedruckt in Taschenformat. 1896. Preis M. 4. , gebunden und durchschossen M. 5. .

Der Amtliche Praktiker: In dem vorliegenden Wegweiser ist ein Gedenken von solcher Originalität zum Ausdruck gekommen, dass ce allgemeine Bewunderung erregen muss. Das vorliegende Werkchen stellt nämlich eine höchst gelungene Kombination eines diagnostisch- therapeutischen Kompendiums mit einem Rezept tischenbuch vor, und zwar von solcher Voll- ständigkeit, dass man Aber keine irgendwie belangreiche Frage einen Aufschluss vermisst. Verfasser hat ein mit erstaunlichem Kleies zusammengetragenos, ungeheures Material mit echter deutscher Gründlichkeit nud grossem Geschicke bcarpeltet und für die Bedürfnisse des Prak- tikers zugestnzt. Die Rezepte sind ausserdem sämtlich austaxiert und der Preis ist ln Pfen- nigen nebenbei angegeben. Ala besonders vorzüglich muss noch das Sachregister h. rvorge- hoben werden, dessen sorgfältige Bearbeitung und Ausiührlichkeit das Werkchen erst so recht praktisch gestaltet. Dasu ist das Format desselben bei aller Fülle des Inhalts ein sehr hand- liches, wie auch seine Ausstattung eine kusserst splendide ist. Der „Wegweiser" zeigt demnach alle Eigenschaften, die erforderlich sind, um sich einen grossen Freundeskreis zu erwerben Exeerpta medlca; Der Verfasser hielt sich bei der Abfassung seines kleinen Werkes nicht an die Schablone, sondern wandelte eigene Wege. Er schuf ein wirklich originelles und prak- tisch sehr brauchbares Büchlein, das dem Arzte die besten Dieuste erweisen Wird.

v. Tippelskirch. & Co.

Deutsch -S.W.-^Africa. Berlin N.W. 7. Deutsch Ost'/frica. Swakopmund. Neustadt. Kireh.tr. No. is. Dar-es-Salam.

r Tclegr.-Adr. „Tippotlp“.

Eigene Filiale. ,

Einziges Spezial -Geschäft Deutschlands für complete Tropen -Ausrüstungen

Vertreter :

E. Müller & Dcrers.

liefert:

Tropen - Enxüge , Tropen - Wäsche,

Tropen > JTussh ek leidun g. Tropen -Zelte mit Einrichtung,

Preislisten stehen gratis und franeo zur Verfügung.

Digitized by Google

Vereinigte Chininfabriken

ZIMMER * Co., FRANKFURT a. M.

CIIPUIIUIIÜ oleicll° Heilwirkung wie Ohinin bei Fiebern, Influenza, Malaria, Typhus, Keo^l tuimmn husten, Neuralgie und als Roborans. Kuchlsln schmeckt nicht bitter beläscu/*- den Magen nicht und wirkt viel schwächer auf das Nervensystem als Cbtatr Lltteratnr: von Noorden, Overlach, Qoliner, Panegrossi, Conti, Klein, Fridrlch, Maggi i Oray, Suchomlln, Plehn, Tauser, Solontzeff, Filatow, Alerieff etc. etc.

CIIN ATDAI Vorzügliches Cholagogum bei Gallenstein und anderen Gallen- und Leber- tUll /VI IV UL krankheiten; wird in Form der Eunatrol -Pillen ohne jede üble Neben- erscheinung monatelang genommen.

Lltteratnr: Blum: Der ärztliche Praktiker 1897, No. 3.

II A | lAAl Energisches und dabei lokal reizloses Analepticum; wirkt vortrefflich bei VHLIUUL hysterischen und neurastheniichen Zuständen; ebenso ist es ein gutes Sto- machlcum.

Lltteratnr: Dr. Sch w ersensk y : Therapeutische Monatshefte, Nov. 1897. Scog- n am 1 gl io; Giornale Intcrnazionale dl Medicina Pratica, 1898, Heft 4.

AL* Q_ Enthaltend Chininsulfat und andere Chlnlnsalzc in reinem Zustande, ummn-renen Ohne jegliches Bindemittel. Die Perlen lösen sich sofort im Magen, wodurch prompte und sichere Wirkung gewährleistet ist Lltterntnr: von Noorden: Die Praxis 1896, No. 2. Scognamiglio: Archlvio Inter- nationale »11 Medicina e Chirurgia Fase XU, Dezember 18%.

Proben, Lltteratnr und alle sonstigen Details zu Diensten.

Fernere 8 perl all täten :

Chinin, Chinin-Pillen, '/.immer’i Chinin-Chokolade-Tabletten, Ufain, Kitracte, Jodpräparat« tU.

VERLAG VON JOHANN AMBROSIUS BARTH IN LEIPZIG.

Soeben erschien:

Diagnostisch' therapentisehes V adtmecnm

für Studierende und Amte zusammengestellt

von

Dr. Heinrich Schmidt Dr. L. Friedheim

Dr. A. Lamhofer UD Dr. J. Donat

in Leipzig.

3. Auflage.

V 111 und 426 Seiten Taschenformat. 1898. Mit Abbildungen.

Gebunden Mark 6.—.

MT Uns Erscheinen von drei starken Auflagen innerhalb weniger Jahre dürfte am besten für die praktische Brauchbarkeit des kleinen Werkchens sprechen.

Korreipomlcnzbl.tt ffr die Ärztlichen Beilrkererelne Im Königreich Nachten : Du vorle- gende Taschenbuch soll dem Praktiker in Augenblicken der Unsicherheit als Auskunft»- und Hilfsmittel dienen. Es verfolgt rein praktische Zwecke und bietet nur die klinischen Diagnostik und Therapie der wichtigsten Krankheiten ln gedrängter nnd übersichtlicher Kürze. Die Aus- stattung Ist gut, das Format handlich; cs ist ein neues holzfreies ganz dünnes DrueJrpapfc-r gewählt worden, das den Umfang des Büchleins beträchtlich elnschrinkt.

Schmidt’« Jahrbücher: Man kann nicht gut mehr des Thataächl lohen, Wissen werten aef einen so knappen Kaum zusammenfassen. Die Antworten, die der Unsichere erhält, sind über- all klar und richtig

Digitized by Google

J. Klönne & G. Müller

BERLIN NW., Luisenstr. 49

Lieferanten der bedeutendsten Krankenhäuser und &

Institute des In- und Auslandes. fT" J

Werkstätten für Mikroskopie u. Baeteriologie Im | w

MEHRFACH PR\MÜBT. II I S

Gesammt-Einrichtung bacterlologlscher, chemischer und g&hrungschemlscher Ul i

Laboratorien. © Brutschränke and Sterilisatoren nach neuesten und be- währtesten Modellen. © Gesammt-Einrichtung bacteriologischer Labora- torien für Krankenhäuser. © Bacteriologlsches Laboratorium für den practischen Arzt für Gas-, Benzin-, Spiritus- etc. -Heizung (für Gas- T *5

Einrichtung 240 M). 'C [ J?

8PECIAUTÄT: Thermoregulatoren. ganz aus Metall, für Heizung jeder Art wJBP 3- and Wasserkühlung zur absolut sicheren Einhaltung einer bestimmten H Temperatur zwischen und 100° C. (ges. gesch. No. 35343 ) © Vorzüg- V lieh wirkendes künstliches Brutnest für Eier, auf jedem Thiermostat auf- ff 2*

zustecken (ges. gesch. No. 56740). © Autoclaven neuester Construction I |l

für hohen Dampfdruck. © Dampfsterilisator noch Schimm elbusch zum 1 II ^ Sterilisieren von Verbandstoffen etc. © Regenerativheissluft - Sterilisator. 1 I überall gleichheisB im Arbeitsraum. Schnittstrecker nach Dr. Frank I U ~ K

(mit Aluminiumwalze). © Neuer heizbarer Obiecttisch. Mikrophotogra- II] jj* ©

phische Camera nach Dr. R Neuhauss. © Mikro- Aquarium nach Behau- In °

dium. © Objectträger von Holz für Golgi- Präparate. © Farblösungen II]

noch Professor Ehrlich. ■■ * Ä

D 1 1 d

Mikrotome, Mikroskope, Sperial-Mikroskope. © Mikroskopische Präparate HM *

aus allen Gebieten der Naturwissenschaften ln höchster Vollendung. © U Apparate und Geräthschaften von Metall, Holz, Porzellan und Glas. © IV Objektträger, DcckgliUchen , Lacke, Farben, ParhelÖHnngen genau nach H Vorschrift der Autoren. © Chemikalien etc., Nährboden, Reinkulturen. V

Deckglas -Sehneideanstalt ?

liillig«t« ßezugHftuellp fllr W iedorverkUufer.

I

| Liquor mangano-ferri peptonat. Gude. ■' :

MANGAN-

EISEN-

Erfinder Dr. Jf. Gude .

PEPTON

Bewährtes Arzneimittel gegen Chlorose, Anaemie, Skrofulöse, Frauen- und Nervenkrankheiten, Malaria, Tropenanaemie.

Uf Gegenwärtig bezeugen mehr als 4000 ärztliche Atteste die Vorzüglichkeit unseres Präparates.

Kostenfreie Probesendungen für Versuche halten den Herren Aerzten zur Verfügung.

Dr. A. Gude & Chemische Fabrik, Leipzig.

ln allen Apotheken erhältlich.

Digitized by Google

Für Heizung von Zimmertemperatur bis 100° C.

KNOLL 8t Co., Ludwigshafen a. Rh.^S^

Jodoformogen «.

(D. R. P.-Xamc geschützt.)

Eine Jodoformeiweiss-Verbindung, deren wirk- samer Bestandteil kein chemisch neuer Körper, sondern das Jodoform selbst ist. Staubfein,

nicht ballend, unter dem Verbände last geruchlos! Billiger und 3 mal leichter als Jodoform. Nach I’rivatdocent Dr. Kromayer, Halle a. S.: zur Zeit bestes Wundstreupulver.

Siehe Berl. Klin. Wochenechr. 1898, p. 217. Literatur u. Muster zu Diensten.

Westphal 8t Reinhold, Berlin N.W., Stromstr. 47

fabriziren als Specialität:

| für Krankenhäuser, Tropen- und Privatzwecke.

1898. Archiv No- «•

für

Schiffs- und Tropen-Hygiene.

Band 2.

I. Originalabliandlungen.

Die Beriberi-Epidemien im Richmond Asylum in Dublin.

Von Dr. B. Scheube.

In den letzten Jahren hat das im Richmond Asylum in Dublin beobachtete epidemische Auftreten einer eigentümlichen Krankheit, welche mit der Beriberi identificirt wurde, grosses Aufsehen eiTegt. Bisher lagen jedoch über dieselbe nur kurze Notizen der englischen medicinisehen Presse, namentlich des British Medical Journal, vor, welche kein Urtheil über sie gestatteten. Vor Kurzem hat nun der Director des Richmond Asylum Conolly Norman in einem auf der diesjährigen Versammlung der British Medical Association in Edin- burgh gehaltenen Vortrage, welcher im British Medical Journal veröffentlicht worden ist*), einen ausführlicheren Bericht über die Dubliner Epidemien erstattet. Wegen des Interesses und der Be- deutung, welche die letzteren gerade für die Tropenmedicin haben, dürfte eine eingehendere Besprechung derselben au dieser Stelle ge- boten erscheinen. Ich will daher im Nachfolgenden an der Hand des Berichtes von Norman eine möglichst genaue Darstellung von ihnen geben, damit der beriberi-kundige Leser in den Stand gesetzt wird, sich selbst ein Urtheil über die Natur der Krankheit zu bilden.

Die erste Epidemie im Richmond Asylum wurde 1894 beobach- tet. Den eigentlichen Beginn derselben vermag Norman nicht genau anzugeben, da anfangs, wie derselbe überzeugt ist, viele leichte Fälle übersehen oder falsch gedeutet wurden. Im Ganzen kamen bei einer durchschnittlichen Belegung der Anstalt mit 1 503 Kranken 174 Fälle zur Beobachtung, von denen 127 Männer >md 47 Frauen

*) On beri-beri occurring in temperate climates. Bvit. Med. Journ. 1898. Sept. 24. S 87*.

Archiv f. Schiffs- u. Tropenbygicne. II. 25

Digitized by Google

330 Dr. B. Schaube.

betrafen. Die Erkrankungen nahmen von Juni bis September anfangs allmälig, später rapid zu, und im October fand wieder eine rasche Abnahme statt. Nach diesem Monate traten keine frischen Fäik mehr auf. 18 Männer und 7 Frauen fielen der Krankheit zum Opfer, was einer Sterblichkeit von 14,3 °/0 entspricht.

Im Laufe des folgenden Jahres kamen keine neuen Erkran- kungen vor.

Aber im Juli 1896, in welchem Jahre die mittlere Krankenzahl 1686 betrug, brach die Krankheit von neuem aus und nahm bis zum September zu, und noch bis zum Schlüsse des Jahres zeigten sich Fälle. Im Ganzen wurden 114 Personen, 31 Männer, 76 Frauen und 7 Wärterinnen, befallen, und es starben 2 Männer und 6 Frauen, also 7 % der Kranken. Von den Wärterinnen erlag keine.

Im Jahre 1897, während die Anstalt durchschnittlich mit 1800 Irren belegt war, nahm die Krankheit eine noch grössere Aus- breitung an. Es erkrankten 246 Personen, 47 Männer und

199 Frauen, darunter 2 Wärter und 6 Wärterinnen. 4 Fälle, welche in den Januar fielen, gehörten noch der Epidemie de» vor- hergehenden Jahres an. Bis zum Juli kam keine weitere Er- krankung vor. Dann häuften sich aber die Fälle: im Juli wurden 134, im August 50, im September 7, im October 3, im November 37 und im December 6 beobachtet. Die Sterblichkeit stellte sich auf 4,4 %, indem bei 1 1 Patienten, 3 Männern und 8 Frauen, die Krankheit einen tödlichen Verlauf nahm. Vom Warte personal starb Niemand.

Die Gesamnitzahl der Erkrankten in den 3 Epidemien betrug demnach 534, die der Gestorbenen 44 = 8,23%.

Was das Krankheitsbild, welches die Patienten darboten, betrifft, so schildert Norman dasselbe folgendermassen :

Die erste Erscheinung, welche beobachtet wurde, war gewöhn- lich Oedem auf der Vorderfläche der Tibia. In der Regel bestand auch schon frühzeitig Empfindlichkeit auf tiefen Druck (wo? ist nicht angegeben), und meistens konnte ein leichter Grad von ober- flächlicher Anästhesie nachgewiesen werden. Bei Geisteskranken ist es natürlich unter Umständen schwierig, Auskunft über subjective Empfindungen zu erhalten, und oft ganz unmöglich, das Vorhanden- sein von Sensihilitiitsstörungen festzustellen. Solche Kranke, welche sieb über ihre Empfindungen aussprechen konnten, klagten in diesem Stadium der Krankheit gewöhidich über Krämpfe in den Wadeo-

Digitized by Google

Die Beriberi-Epidemien im ßicbmond Asylum in Dublin. 331

muskeln und auch über ain mehr oder weniger starkes schmerz- haftes Geflihl von Ameisenlaufen sowie eine unangenehme Em- pfindung von Taubsein.

Immer bei etwas vorgeschrittener Krankheit, gewöhnlich vom ersten Beginn an, machten sich ferner Störungen von Seiten des Herzens geltend. Diese waren etwas variabel. Am constantesten ■war eine ungewöhnliche Erregbarkeit desselben, indem schon eine ganz leichte Anstrengung genügte, eine bedeutende Beschleunigung der Herzthätigkeit hervorzurufen. Tachy-cardie , unabhängig von Bewegungen, war allgemein. Häufig bestand ein eigenthiimliches Missverhältniss zwischen Herz und Puls: das Herz schlug anscheinend kräftig, und der Puls war doch äusserst schwach. Starke Herzthätig- keit mit sichtbarer Hebung der Brust war nichts ungewöhnliches. Die Herzdämpfung war in der Regel vergrössert, besonders nach rechts, und diese Vergrösserung trat oft ganz plötzlich ein. Manch- mal zeigte sich der Rythmus der Herztöne verändert. Der 2. Pulmonal- ton war gewöhnlich accentuirt. Verdoppelungen waren häufig, ge- wöhnlich des 2. Tons an der Spitze, bisweilen auch des 1. Mitunter waren Geräusche von variablem und inconstantem Charakter hören, am häufigsten ein weiches blasendes Geräusch über der Pulmonalis, weniger häufig ein Geräusch neben dem 1. Ton an der Spitze, manchmal nur nach Anstrengungen wahrnehmbar. Präcordial- druck und Augst waren nicht selten, selbst in leichten Fällen.

Gewöhnlich bestand auch Beschleunigung der Athmung und Oppression. Verlust oder Schwäche der Stimme wurde mitunter be- obachtet. Bisweilen, selbst in günstigen Fällen, vermochten die Kranken nicht tief zu husten und zu messen. Die Athmung war oft costal, augenscheinlich in Folge von schwacher Thätigkeit des Zwerch- fells. Häufig ward über ein Gefühl von Druck in der Magengegend geklagt. Erbrechen trat in etwa 5°/0 der Fälle auf. In der ersten Epidemie leitete dasselbe gewöhnlich den tödtlicheu Ausgang ein; in den späteren schien es nicht diese übele Vorbedeutung zu haben. In einigen wenigen Fällen begann die Erkrankung mit Erbrechen und manchmal auch Durchfall.

Motorische Störungen. Die erste und auffallendste Er- scheinung war Schwäche der Peronealmuskeln und der Flexoren des Fusses. Die Folge hiervon war fast immer die Neigung den Fuss hängen zu lassen und einwärts zu drehen. In fortschreitenden Fällen wurden alle Beinmuskeln afificirt. Der Gang war sehr verschieden. Die meisten Kranken gingen langsam und schwankend. Einige

25*

Digitized by Google

332

Br. B. Scheube.

schrieben diese Störung, vielleicht ganz richtig, bloss den Schmerzen zu. Andere klagten über Schwäche in den Beinen, welche sie un- fähig machte, dieselben frei zu gebrauchen. Bisweilen war der Gang der Kranken vollständig normal.

Eine sehr gewöhnliche Erscheinung, durch welche der Gang am charakteristischsten verändert wurde, war eine Neigung, den Fus* sehr hoch zu heben, um zu verhüten, dass die herabhängenden und kraftlosen Zehen den Boden schleiften. Der Fuss wurde dann stampfend ähnlich wie bei Tabes auf den Boden aufgesetzt, und wenn der Kranke sich auf die Füsse stützte, trat ein Hm- und Herschwanken nach vorn und hinten ein. Auch noch andere Störungen des Ganges kamen zur Beobachtung, So ging ein Patient mit dem einen Bein in der beschriebenen Weise, während das andere wie von einem Hemiplegiker leicht geschleift wurde.

In einer kleinen Zahl von Fällen waren die Muskeln des Vorder und Oberarmes empfindlich und die Strecker kraftlos. Der Hände druck war oft schwach. Wirkliche Lähmung der Strecker der Hand wurde in weniger als 1 °/0 aller Fälle beobachtet und war nur in

1 Falle vollkommen.

Die Strecker des Oberschenkels waren oft gelähmt. Viele Kranke konnten, wenn sie am Boden sassen, nicht ohne Hülfe ach aufrichten. Oft waren die Patienten unfähig sich zu bücken, ohne zusammen zu sinken. Sie konnten ganz gerade stehen, aber sobald die Kniee gebeugt wurden, fielen sie in Folge der Schwäche des Quadriceps zu Boden. Eine allgemeine Muskelschwächo mit Abneigung gegen jedwede Anstrengung war gewöhnlich vorhanden. Oft boten die Waden, manchmal auch andere Muskeln, in den früheren Stadien ein hartes Gefühl dar-. Dies war mitunter beschränkt auf eigec- thümliche, längliche Maasen, besonders am äussem Kopfe des Gastrocnemius.

In 1 Falle wurde einseitige Lähmung des Oculomotorius, Ptosis. Erweiterung der Pupille und Strabismus divergens beobachtet

Neigung zu Contractureri in den gelähmten unteren Extremi- täten zeigten sich in etwa l/i Dutzend von Fällen, aber nur

2 Patienten blieben in Folge derselben lahm. Eine sehr interessante, constante und auffallende Erscheinung war hochgradige Erschlaffung der Gelenke, besonders der Knie- und Fussgelenke, welche zweifel- los theils auf Muskelschwund, theils auf eine Erschlaffung der Ränder zuriickzufiihren war.

Muskelntrophie zeigte sich selten, ohne dass vorher Oedeir

Digitized by Google

Die Beriberi-Epidemien im Richmond Asylum in Dublin. 333

beobachtet worden war, gewöhnlich wurde erstere nach Verschwinden des letzteren bemerkt. Manchmal war das Oedem nur leicht und flüchtig, und etwas später konnte man Muskelatrophie wahrnehmen. Diese war oft sehr ausgeprägt, und die Muskeln waren dabei weich und schlaff.

Was die elektrischen Reactionen anlangt, so konnten in einigen Fällen gar keine Veränderungen derselben nachgewiesen werden. Häufig waren diese sehr unbedeutend und verschwanden frühzeitig in der Reconvalescenz wieder, lange bevor die Erscheinungen von Seiten des Herzens sich verloren. Oft bestanden sie lediglich darin, dass bei galvanischer Reizung die Gontractionen träge und die .latente Periode lang war. Die Fälle mit ausgeprägter Muskelatrophie zeigten Entartungsreaction. An den Muskeln und Nerven der oberen Extremitäten wurden keine elektrischen Ver- änderungen beobachtet. Der Trapezius wurde nicht untersucht.

Sensibilitätsstörungen. Bei den geistig normalen Kranken bildete oft ein Gefühl von Müdigkeit in den Wadenmuskeln die erste Krankheitserscheinung. Die Patienten klagten über Schwäche und Schwere der Füsse. Krämpfe und Taubsein waren häufig. Eine der Wärterinnen gab an, dass sie weder ihre Fussohlen auf den Pedalen ihres Zweirades, noch die Feder in der Hand deutlich fühlen konnte. Stechende, brennende, bohrende Schmerzen waren regelmässig in der Haut der Beine vorhanden. Eine sehi gewöhnliehe Klage war ein Gefühl ähnlich dem Stechen von Nesseln. Einige Kranke klagten über Schmerzen in den Fussohlen. Einer hatte eine Empfindung, als ob sein Fuss in heissen Leim ge- taucht wäre.

Schmerzen in den Muskeln wurden in einigen Fällen geklagt und waren manchmal sehr heftig. Bei vielen bestanden abwärts schiessende Schmerzen in den Gliedern. Die häufigste Klage war ein mitunter sehr heftiges, schmerzhaftes Gefühl, als ob Insecten über eine wunde Fläche kröchen, welches Norman mit dem Piri-piri der Japaner ideritificirt.

Hautanästhesie war mit verschiedenen Parästhesien gemischt. Eine sehr gewöhnliche Erscheinung war Unempfindlichkeit für ganz leise Berührung, z. B. das leichte Darüberstreichen mit einem Pinsel, während stärkerer Druck auf derselben Stelle Schmerz von dem oben beschriebenen Charakter hervorrief. Oft bestand rund um jede Zone von Hypästhesie herum eine solche mit sehr ausgesprochener Hyperästhesie. In einigen Fällen wurde das Gefühl von Tauhseip,

Digitized by Google

334

Dr. B. Scheube.

die verminderte Empfindung von Objecten, Entfernungen u. s. vr. von Schmerzen begleitet.

Anästhetische oder hyperästhetische Flecken oder Streifen fanden sich in verschiedenen Fällen au vielen Körperstellen, am häufigsten aber an den Unterschenkeln, wo sie auch meistens zuerst auftraten, aber auch an Oberschenkeln, Rumpf, oberen Extremitäten, Nacken und Gesicht. In 2 Fällen wurden isolirte anästhetische Stellen an den Lippen nachgewiesen. Die Anästhesie hielt manchmal eine beträchtliche Zeit an und schien sich allmälig auszubreiten, um dann allmälig wieder abzunehmen. Häufiger zeigte sie kleine tägliche Schwankungen und verschwand oft mit wunderbarer Schnelligkeit. In einigen Fällen war das schmerzhafte, oft mit Anästhesie verbundene Ameisenkriechen am schlimmsten in der Nacht In anderen konnte man häufig die flüchtige und variable Natur der Anästhesie beobachten. Mehr als einmal wurde letztere nur am Morgen wahrgenommen. In einzelnen Fällen wurde auch der Pharynx untersucht und anästhetisch ge- funden.

Die Wadenmuskeln erwiesen sich immer, wenn der geistige Zu- stand der Kranken eine Untersuchung zuliess, auf tiefen Druck empfindlich. Auch die oberflächlichen Nerven waren empfindlich, mitunter sogar sehr stark, besonders der Peroneus.

Die Reflexe, sowohl die oberflächlichen als tiefen, waren in Fällen, welche frühzeitig unter Beobachtung kamen, gewöhnlich ver- stärkt. Wenn die Krankheit fortschritt, wurden die Patellarsehnen- reflexe in der Regel herabgesetzt, nicht immer auf beiden Seiten gleichmässig, und wenn ausgesprochene Schwäche bestand, waren sie immer erloschen.

Wassersucht. Oedem bildete, wie Norman glaubt, eine constante Erscheinung, wenn es auch in einzelnen Fällen so unbe- deutend war, dass es übersehen wurde und die Krankheit daher direct in das atrophische Stadium überzugehen schien. In leichten Fällen und zu Beginn der Erkrankung war es am deutlichsten längs der innern Fläche der Tibia. Weniger constant waren Füsse UDd Unterschenkel allgemein geschwollen. Oedem konnte ferner ge- wöhnlich auch über dem Kreuzbein, oft über Brustbein oder Rippen, über dem Uluarrande, des Vorderarmes entdeckt werden, und nicht selten, selbst in leichten Fällen, zeigte sich das Gesicht gedunsen. Manche Fälle boten allgemeines Anasarka dar. Lungenödem war häufig, und auch llydropericardium und Hydrothorax wurde be- obachtet. Das Hautödem war wunderbar verschieden: in einigen

Digitized by Google

Die Benberi-Epidernien im Richmond Asylum iti Dublin. 336

Fällen erzeugte Fingerdruck leicht eine Grube, in andern war dies nicht der Fall, indem eine teigige, rayxödematoide Schwellung be- stand. Mitunter wechselte das Oedem schneller seinen Ort, als dies bei anderen Formen von Anasarka zu geschehen pflegt, und es verschwand auch in manchen Fällen mit ausserordentlicher Ge- schwindigkeit. In einigen Fällen wurde auch Oedem des Augen- hintergrundes nachgewiesen. Bisweilen bestand leichter Erguss in die Gelenke, insbesondere das Kniegelenk.

Was den Verlauf der Krankheit betrifft, so war der Beginn derselben in der Regel ein schleichender. Bei den geistig normalen Patienten konnte festgestellt werden, dass ein Gefühl von Müdigkeit in den Unterschenkeln mit gelegentlichen Krämpfen oft eine be- trächtliche Zeit bestimmteren Symptomen voranging, während es bei den Geisteskranken im Allgemeinen schwierig war, Prodromal- erscheinungen nachzuweisen. Manchmal waren die Anfangssymptome von einer lebhaften Steigerung der Temperatur begleitet, welche aber bald wieder verschwand. 2 Fälle entwickelten sich in der Re convalescenz von Typhus, und verschiedene Kranke wurden nach dei Genesung von Dysenterie befallen. Der Verlauf der Krankheit war ein ausserordentlich variabler: mitunter war derselbe ein stetiger, viel häufiger dagegen ein ruckweiser. Ganz characteristisch waren die auch sonst bei Beriberi beobachteten Erscheinungen: plötz- liche Aenderungen zum Schlechten bei Kranken, die sich an- scheinend wohl befanden, ausserordentliche Häufigkeit von Relapsen, manchmal ganz plötzliche Todesfälle, welche nicht selten bei an- scheinend gut fortschreitender Reconvalescenz eintraten. Die Dauer eines Anfalles war vollkommen imbestimmt; im Ganzen zeigten die schwereren Fälle der ersten Epidemie einen schnelleren, sei es günstigen oder ungünstigen, Verlauf, als die leichteren Fälle der späteren Epidemien. Im Allgemeinen neigten die Fälle im frühen Stadium der Krankheit zu zunehmender Wassersucht und Schwäche, dann verschwand die Wassersucht, und ausgesprochene Muskel- atrophie trat zu Tage, welche sich wieder allmälig besserte, während Lähmung und Anästhesie sich gleichzeitig verloren.

Der Tod erfolgte auf verschiedene Weise. Jener furchtbare Zustand, der so oft bei Beriberi beschrieben und den Japanern unter dem Namen Shiyo-shin*) bekannt ist und offenbar durch Insufficienz eines überanstrengten und geschwächten Herzens hervorgerufen wird,

*) Deutsch: das Herz wird geetosseu.

Digitized by Google

336

Dr. B. Scheute.

raffte verschiedene Kranke nach kürzerem oder längerem Bestände der Krankheit, oft mit blitzartiger Geschwindigkeit einsetzend, unter den bekannten Erscheinungen (Unruhe, Erbrechen, heftige Pulsation des Herzens, Dyspnoe, Cyanose, Orthopnoe u. s. w.) dahin. Oft war der Tod anscheinend hauptsächlich durch Lungenödem bedingt Auch Synkope, offenbar in Folge von Degeneration des Herzmuskels, die auch nach dem Tode gefunden wurde, war keine seltene Todes- ursache, manchmal, wie erwähnt, in scheinbarer Reconvalescenz. Hydropericardium und Hydrothorax trugen wahrscheinlich in ver- schiedenen Fällen zum tödlichen Ausgange bei. In manchen Fällen, namentlich bei alten und geschwächten Kranken, schien lediglich allgemeine Erschöpfung die unmittelbare Todesursache zu sein. Bisweilen führte Lähmung der Athmungsmuskeln, besonders des Zwerchfells, allein oder in Verbindung mit Herzinsuffidenz, den Tod herbei. Auch anderen Krankheiten erlagen die Patienten leicht

Wie schon aus der oben angegebenen Sterblichkeitsziffer hervor- geht, bestanden bemerkenswerthe Unterschiede zwischen den 3 Epi- demien. In der ersten war die Sterblichkeit hoch, Sbiyo-shin häufig, es gab eine grosse Zahl von Fällen mit allgemeinem, ausgeprägtem Oedem und die Lähmungen waren ausgesprochen. In der zweiten Epidemie war die Sterblichkeit geringer, Shiyo-shin war allgemein, Anasarka selten und die motorischen Störungen weniger in die Augen springend. In der dritten endlich zeigte die grosse Mehrzahl der Fälle den milden Typus, welcher von mir als rudimentäre Form bezeichnet worden ist; allgemeines Anasarka wurde kaum beobachtet Unmöglichkeit zu gehen bestand sehr selten, und es war eine ganz besondere Neigung zum Auftreten von schmerzhafter Formication (Piri-piri) vorhanden. In jeder der späteren Epidemien kamen aber Fälle vor - es handelte sich oft um ,.Uelapse“ welche an die während der ersten vorherrschenden Erkrankungen erinnerten.

Die Angaben, welche Norman über den pathologisch-ana- tomischen Befund macht, sind etwas dürftig. Abgesehen von den weniger wesentlichen Veränderungen und den hydropischen Er- scheinungen wurde in den peripheren Nerven (V agusäste, Phrenicus. Peronei u. s. w.) parenchymatöse Degeneration, in manchen Fällen mit einem leichten Grade interstitieller Besserung gefunden. Gehirn und Rückenmark boten nichts Besonderes dar. Das Herz- muskel zeigte fast immer fettige Degeneration, manchmal ausser- ordentlich ausgesprochen. Die Muskeln der Extremitäten, welche betroffen gewesen waren, wiesen körnige Degeneration auf.

Digilized by Google

Die Beriberi-Epiiiemien im Riehniond Asylmn in Duolin. 337

Die Aetiologie der besprochenen Epidemien ist dunkel. Die 1 »akteriologischen Untersuchungen, welche angestellt wurden, führten zu keinem positiven Ergebnisse. Anfangs glaubte man einen dem Pek elbaring 'sehen gleichenden Coccus isolirt zu haben, später stellte sich aber heraus, dass man sich geirrt hatte. Eine Ein- schleppung von auswärts konnte nicht nachgewiesen werden. Weder bevor noch während die Krankheit in der Anstalt herrschte, kamen ähnliche Fälle anderswo in Dublin zur Beobachtung.

Norman giebt eine genaue Beschreibung der Lage und des Zustandes des Richmond Asylum, welcher ich Folgendes entnehme. Dasselbe ist für die geisteskranken Armen der Stadt Dublin und der Grafschaften Wicklow und Louth bestimmt, und etwa s/s seiner Insassen stammen aus der Stadt. Es befindet sich auf einem un- gefähr 59 Acres (24 ha) grossen Grundstücke, das innerhalb der Stadt gelegen ist, und wird zum Theil von dem dicht bevölkerten Armenviertel umgeben. Unmittelbar grenzen ein grosses öffentliches Hospital, ein grosses Arbeitshaus und ein Getängniss an. Die Ge- bäude liegen verhältnissmässig hoch, 90 120 Fugs über dem mittleren Wasserstande des Liffey-Flusses, an welchem die Stadt erbaut ist Der Untergrund besteht aus festem, undurchlässigem Thou, welcher von einer dünnen Schicht „gemachter Erde*1 be- deckt ist.

Der ältere Theil der Gebäude, welcher jetzt die Frauen- abtheilung bildet, ist etwa 84, der neuere, die Männerabtheilung umfassende, ungefähr 45 Jahre alt, und die hygienischen Verhältnisse derselben sind in mancher Hinsicht schlechte, was sich durch die grosse Häufigkeit von Schwindsucht, Dysenterie und anderen In- fectionskrankheiten sowie die hohe Sterblichkeit in der Anstalt aus- spricht. Da bis vor 12 Jahren die Canalisation sich im denkbar schlechtesten Zustande befand, ist, obwohl seitdem ein ganz neues, gutes Drainage-System eingeführt worden ist, der Boden unter und in der Umgebung der Gebäude mit Abfallstoffen gesättigt. In sehr schlechtem Zustande befanden sich ferner die Fussböden und die Ventilationseinrichtungen, und dabei war die Anstalt seit mindestens 1886 in hohem Grade überfüllt: wo etwa 1000 Kranke Platz ge- habt hätten, waren über 1500 untergebracht.

Das Trinkwasser der Anstalt, welches der städtischen Wasser- leitung entstammt, ist dagegen von guter Beschaffenheit Auch die Kost war gut und hinreichend. Die Insassen der Anstalt bekommen überhaupt keine Nahrung, welche nicht auch in der Stadt allgemein

Digitized by Google

338

Dr. B. Scheube.

gegessen wird. Besonders zu erwähnen ist, dass Reis, welcher neuer- dings wieder verschiedentlich in ätiologischen Zusammenhang mit der Beriberi gebracht worden ist, nur wenig, eigentlich nur zu thera- peutischen Zwecken, verabreicht wurde. Eine Aenderung in der Kost trat zu Anfang des Jahres 1894, also kurze Zeit vor dem Aus- bruche der ersten Epidemie, ein, indem von da an die Kranken, welche bisher Freitags weder Fisch noch Fleisch bekommen hatten, an diesem Tage getrockneten Fisch erhielten. Da letzterer wahr- scheinlich von Neu-Fundland, wo vielleicht Beriberi endemisch ist, kommt, konnte daran gedacht werden, in demselben die Ursache der Krankheit zu suchen. Aber derselbe Fisch wird allgemein Freitags von der Arbeiterbevölkerung Dublin’s gegessen, und durch einen Zufall unterblieb die Fischverabreichung auf der Abtheilung der Epileptischen, und gerade unter diesen traten 1894 verhältniss- mässig die meisten Erkrankungen aut. Endlich wurde gegen Ende 1894 der importirte getrocknete Fisch durch frischen einheimischen Fisch ersetzt, und gleichwohl brach die Krankheit 1896 und 1897 wieder aus.

Dies sind in der Hauptsache die Mittheilungen, welche Norman über die Dubliner Epidemien macht. Der beriberi-kundige Leser wird durch dieselben gleich mir den Eindruck erhalten haben, dass die Krankheit, um welche es sich hier handelt, in der That Beriberi ist. Nicht nur das allgemeine Krankheitsbild, der Beginn und der weitere Verlauf der Erkrankung, sondern auch die einzelnen Symp- tome entsprechen ganz den Krankheitserscheinungen der Beriberi. was bei den sporadisch bei uns vorkommenden Fällen multipler Neuritis gewöhnlich nicht der Fall zu sein pflegt Die verschiedenen von mir aufgestellten Formen der Beriberi, die acute pemiriöse, die hydropisch-atrophische, die atrophische, die rudimentäre, sind sämmt- lich in der von Norman gegebenen Darstellung der Krankhat wieder zu erkennen. Auch der pathologisch-anatomische Befund ist in den wesentlichen Punkten derselbe. Das secundäre Hinzutreten zu andern Krankheiten (Typhus) wurde gleichfalls wie bei Beriben beobachtet.

Die Vertheilung der Krankheitsfälle auf die einzelnen Monate, wie sie für die letzte Epidemie angegeben ist, erinnert an die, welche ich bei der Beriberi in Japan gefunden habe. Es ist zu bedauern, dass dieselbe nicht genauer auch für die anderen Epidemien mit- getheilt worden ist und Angaben über die die Epidemien begleiten- den Witterungsverhältnisse gänzlich fehlen. Ueberhaupt ist eine

Digitized by Google

Die Beriberi-Epideinien im Richtnond Asyl um in Dublin. 339

Vervollständigung des Nor man 'sehen Berichtes, welcher gewiss dem- nächst in einer ausführlicheren Veröffentlichung erfolgen wird, in manchen Punkten dringend zu wünschen. Ueber die Dauer der Krankheit lauten die Angaben sehr unbestimmt. Das Vorkommen von Recidiven Norman spricht von „Relapses“ wird zwar er- wähnt, etwas Näheres über dieselben erfahren wir jedoch nicht. Vor Allem ist aber die Mittheilung von Krankengeschichten und Sections- protokollen unumgänglich nöthig. Erst nach Ausfüllung dieser Lücken wird man in den Stand gesetzt sein, ein ganz bestimmtes Urtheil über die Natur dieser Krankheit abzugeben, doch zweifle ich nicht, dass dasselbe ebenso ausfallen wird wie das oben ausgesprochene. Persönlich habe ich ausserordentlich bedaueit, dass ich durch äussere Umstände behindert war der freundlichen Einladung Norm an ’s, welche dieser im Juli v. J., als die letzte Epidemie eben aus- gebrochen war, an mich richtete, Folge zu leisten und mir durch eigenen Augenschein ein Urtheil über dieselbe zu bilden.

Hat man es bei den Dubliner Epidemien wirklich mit Beriberi zu thun, so steht man bei der Frage nach dem Ursprung derselben bis jetzt vor einem vollkommenen Käthsel. Dass die Nahrung, welche man neuerdings wieder als Ursache der Beriberi beschuldigt hat, in ätiologischer Hinsicht nicht in Frage kommt, hat Norman überzeugend dargethan. Die ungünstigen hygienischen Verhältnisse, welche in der Anstalt herrschten, namentlich die starke Ueberfullung d eise Iben, haben zweifellos eine wichtige Rolle in der Aetiologie ge- spielt, wie es ähnliche Verhältnisse auch sonst bei der Beriberi zu thun pflegen, aber an sich können dieselben nach unsem An- schauungen vom Wesen der Beriberi unmöglich die Krankheit erzeugt haben. Gehen wir von der Annahme aus, dass es sich bei der Beriberi um eine infectiöse multiple Neuritis handelt, welche durch die schädigende Einwirkung von toxischen, von einem speci- flschen Mikroorganismus, sei er pflanzlicher, sei er thierischer Natur, gebildeten Stoffen hervorgerufen wird, mag derselbe nun selbst in den menschlichen Körper eindringen oder sich nur in der Umgebung des Kranken, im Boden, in Gebäuden u. s. w. befinden und von hier aus seine Wirkung entfalten welche letztere Ansicht zuerst von Fiebig ausgesprochen und neuerdings von Manson adoptirt worden ist gehen wir also von dieser Annahme aus, so können wir uns das Auftreten der Beriberi an einem Orte, wo dieselbe vor- her nicht existirt hat, nur so vorstellen, dass die Krankheitserreger von irgend einem Beriberi-Herde eingeschleppt worden sind. Dass

Digitized by Google

340

Dr. B. Scheube.

dieselben sowohl durch Menschen als auch durch leblose Gegenstände. Kleider u. dergl., verschleppt werden können, ist als eine feststehende epidemiologische Tliatsache anzusehen. Wenn man bedenkt, dass Dublin eine Hafenstadt ist, die mit der ganzen Welt in Schiffsver- kehr steht auf den in die englischen und auch die deutschen Häfen einlaufenden Schiffen sind Beriberi-Fälle keine grossen Selten- heiten — ferner, dass zwischen der Einschleppung der Krankheits- erreger und dem Ausbruche der Epidemie, welches zudem in seinem Beginn übersehen wurde, vielleicht eine geraume Zeit liegen kann, und dass bei Geisteskranken es oft ausserordentlich schwierig oder selbst ganz unmöglich ist, anamnestische Erhebungen über ihr Vorleben anzustellen, dürfte eine Einschleppung der Krankheit, welche sich vollkommen der Beobachtung entzogen hat, durchaus nicht in das Bereich der Unmöglichkeit gehören. Bei dem feuchten Klima Dublins und den schlechten hygienischen Verhältnissen, welche das Richmond Asyl um darbot, können die Krankheitserreger hier einen günstigen Nährboden für ihre Entwickelung gefunden haben. Dass die Ben- beri nicht auf tropische und subtropische Länder sich beschränkt, sondern auch im gemässigten Klima auftritt, ist eine längst be- kannte Thatsache. Schon im Jahre 1881, nach einer durch Yezo unternommenen Reise, habe ich darauf hingewiesen, dass auf dieser nördlichen japanischen Insel, welche ein durchweg gemässigtes Klima und einen 6 7 Monate langen, kalten Winter hat, Beriberi vor- kommt.

Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, dass fast zu gleicher Zeit wie im Richmond Asylum in Dublin auch in mehreren anderen Irrenanstalten Englands und Nordamerikas Beriberi oder beriberi- ähnliche Krankheiten beobachtet worden sind. So im Suffolk County Asylum in Melton (Suffolk) im Winter 1894/95 und 1896/97, im Alabama State Asylum in Tuscaloosa (Alabama) 1895 und 1896 und im Arkansas State Asylum in LitÜe Rock (Arkansas) 1895. Ueber die Epidemien in Melton und Little Rock liegen meines Wissens bis- her keine genaueren Mittheilungen vor, so dass man keine Ansicht Uber dieselben äussem kann. Ueber die Epidemien in Tuscaloosa hat Bondurant einen vorläufigen Bericht erstattet, den ich leider nur nach einem Referate im Janus (H. 5. 1898, S. 492.) kenne. Durch dies bin ich nicht vollkommen überzeugt worden, dass es sich bei den im Ganzen 84 Erkrankungen wirklich um Beriberi gehandelt hat. Das Krankheitsbild ähnelte nicht so auffallend dem der Beri- beri, wie dies bei den Dubliner Epidemien der Fall war, und zeigte

Digitized by Google

Die Bariberi-Epidemien im Rioiunond Asyluni in Dublin. 341

mehrere Besonderheiten (manchmal sehr heftige Erscheinungen von Seiten des Verdauungskanals, Reizung der Nieren). Die Ursache der Krankheit sucht Bondurant in dem schlechten, einem gestauten Flusse entnommenen Trinkwasser der Anstalt, deren sonstigen' sani- tären und diätetischen Verhältnisse gute waren.

Die von Orthmann (Grafenberg-Ludenberg) und Tippei (Alt- scherbitz) in deutschen Irrenanstalten beobachteten vereinzelten Fälle von multipter Neuritis, welche von Norman gleichfalls der Beriberi zugerechnet werden, haben sicher nichts mit echter Beri- •>eri zu thun. Zu einer so weit gehenden Ansicht, wie sie Balz be- reits vor Jahren ausgesprochen hat, dass die bei uns sporadisch vorkommenden Fälle von multipler Neuritis nichts Anderes sind als sporadische Falle von Beriberi, kann ich mich, wie ich schon früher geüussert habe, nicht bekennen. Meiner Meinung nach sind beide Krankheiten zwar mit einander verwandt, aber nicht identisch, indem sich dieselben zu einander verhalten mögen etwa wie die Cholera nostras zur Cholera aaiatica.

Digitized by Google

Therapeutische Mittheilungen aus der Tropenpraxis

von Dr. J. H. F. Kohlbrugge,

pract Arzt am Sanatorium Tosari (Ost-Java).

I. Zur Behandlung der tropischen Leberhypertrophie oder Leberhärte.

Eine auf Entzündung beruhende Hypertrophie der Leber kommt, wie wir alle wissen, sehr häufig in den Tropen vor, auch ist jedem Tropenarzte bekannt, dass diese Hypertrophie (zuweilen auch nur Hyperämie) durch sehr verschiedene Krankheiten hervorgerufen wer- den kann. Ich will hier auf diese Dinge nicht näher eingehen.

In Bezug auf die Therapie ist natürlich die erste Forderung diese, dass man der Indicatio causalis genügt, dass man z. B. durch Chinin erst die Malaria heilen muss, welche die Leberech wellung hervorrief. Nun ist aber auch- allgemein bekannt, dass nach Elimi- nirung der Ursache die secundäre Leberschwellung (Leberhärte) oft noch lange Zeit bestehen bleiben und den Patienten sehr belästigen kann. Ausserdem giebt es noch eine Leberschwellung sui generis, deren Ursache uns oft unbekannt ist und die man darum klima- tischen Einflüssen in die Schuhe schiebt (Indian liver). Solche primären Leberschwellungen zeigen oft ein sehr unregelmässiges, re- mittirendes Fieber, welches zeitweise oder bleibend verschwinden kann, die Hypertrophie der Leber bleibt in letzterem Falle aber oft noch lange bestehen. Wer einmal solch’ eine Leberschwellung acquirirte, der ist meist vielen Recidiven unterworfen, und sehr oft endet die Krankengeschichte mit einem Leberabscess, den man bei lange an- haltendem Fieber und nach überstandener Dysenterie stets ver- rauthen muss.

Solche Kranke thun gut, die Tropen zu verlassen, ehe es so weit gekommen ist

Es fragt sich nun, wie soll man solche primären Schwellungen, um der Abscessbildung vorzubeugen, wo dies überhaupt möglich ist und die obengenannten secundären Schwellungen nach Wegnahme der Ursache heilen?

Digitized by Google

Therapeutische Mittheilungen aus der Tropenpraxis. 343

Ich beachte dabei flir die primäre Hepatitis nicht jenes Stadium, wo die Entzündung noch in vollem Gange, das Fieber erheblich, die Leber sehr schmerzhaft ist und man die antiphlogistische Behand- lung einleiten muss; ich will hier nur die Therapie des zweiten Stadiums betrachten, in welchem die acuten Symptome schon nach- gelassen haben*) und nun die Leberschwellung Monate, Jahre lang bestehen bleibt, den Patienten belästigend und ihn stets mit neuer Entzündung oder Recidiven der oft der Entzündung zu Grunde lie- genden Malaria bedroht; von solchen Patienten mit vergrösserter oder zuweilen auch nur verhärteter Leber findet man unzählige in den Tropen, viele sind sioh dabei Anfangs dieses locus minoris resi- stentiae gar nicht bewusst. Am besten bezeichnet man diesen chro- nischen Zustand wohl mit „Leberhärte“, und diese wird auf Java mit den folgenden Arzneimitteln behaindelt: Calomel, Karlsbader Salz, Arsenik, Jodkali, Jodtinctur (äusserlich) und besonders auch mit den Toemoelawak-Knollen**).

Ferner schreibt man eine geeignete reizlose Diät vor und schickt die Kranken oft in’s Gebirge, wo die Leber häufig sehr schnell ab- schwillt bei gleichzeitiger Verbesserung des Ernährungszustandes.

Ich will auf diese Heilmittel, die alle ihren eignen Werth haben, nicht weiter eingehen und hier nur ein, wie ich glaube, neues thera- peutisches Verfahren beschreiben, dass ich den Collegen empfehlen möchte, die nur zu oft erfahren haben werden, dass sie ihre Patienten aus der Behandlung entlassen mussten, ohne die Hypertrophie der Leber ganz zum Schwinden gebracht zu haben.

Ich suchte nach einem Mittel, um die Blutcirculation in der Leber zu beschleunigen, da die Hypertrophie in den Tropen mit Hyperämie gepaart ist. Diese Beschleunigung glaubte ich erst durch äusseren Druck, also Massage erreichen zu können, sah aber bald ein, dass diese Methode nicht geeignet sei : Erstens weil die Fälle relativ selten sind, wo die Leber so weit unter dem Rippenbogen hinabreicht, dass inan sie leicht massiren kann, denn oft handelt es sich nur um einen harten Leberrand, den man nur bei tiefer Inspiration erreichen kann. Die Leber ist in solchen Fällen eher atrophisch als hypertrophisch,

*) In einigen Füllen von „Indian liver“ fehlt das acute Stadium überhaupt ganz und ist das Leiden von vornherein ein langsam vorechreitendes . chro- nischer Art.

**) Toemoelawak von Curcuma zerumbeh Roxb. Am besten wirkt der aus den Knollen frisch ausgepresste Saft, weniger gut das Deeoct oder Pillen der ge- trockneten Knollen.

Digitized by Google

344

Dr. J. H. F. Kohlbrugge.

aber sehr hart. Zweitens war die Massage bei den meisten Patienten sehr schmerzhaft und ausserdem ermüdend, da man, um Erfolg zo haben, doch einen Widerstand hersteilen musste, also nur bei durch Inspiration fixirtem Diaphragma massiren konnte. Drittens kann man immer nur den Leberrand und nicht die Leberfläche mit den Fingern kneten.

Ich suchte also ein anderes Verfahren, um einen geringen, mehr indirecten aber gleichmässigeren Druck auszuüben und dabei gleich- zeitig die Circnlation zu beschleunigen.

Solch’ ein Mittel fand ich in tiefen Inspirationen mit gleichzeitigen! Druck auf den Bauch.

Jede Inspiration vermindert den Druck in den grossen Venen der Venenstrom wird beschleunigt, das Venenblut schneller dem Heizen zugeführt. Der Einfluss der Athmung ist bei den grossen Venenstämmen am grössten, in denen ja stets ein negativer Druck herrscht, der positiv wird und stets zunimmt, je weiter die Stammt sich vom Herzen entfernen. Es war also anzunehmen, dass der Blut- druck iu den Venae hepaticae, den letzten Seitenzweigen der Yens cava inferior, welche gerade dort in diese einmünden, wo die untere Hohlvene durch das Foramen quadrilaterum des Zwerchfells in den Brustkorb tritt, sehr dem Einfluss tiefer Athemzüge unterworfen sein müsse, dass tiefe Athemzüge also viel Blut aus der Leber zum Herrn führen würden. Auch wird durch solche tiefe Inspirationen ein Druck durch das Diaphragma auf die Leber aurgeübt Dieser Druck ist aber nicht erheblich, da die Leber in die Bauchhöhle hinabsteigei; kann; verhindert man die Leber, bauchwärts auszuweichen, dann muss durch diesen künstlichen Widerstand jede Inspiration einen starker Druck auf die Leber ausüben.

Von diesen Erwägungen ausgehend, lasse ich nun meine Patien- ten recht oft (mehrmals täglich) eine Art Gymnastik üben. Sie .schnüren den Bauch mit den Händen zusammen, indem sie die Daumen auf die Hüften legen und mit den Fingern den Bauch zu- sammen drücken, dabei inspiriren sie langsam aber so tief wie nur rgend möglich.

Durch dieses einfache Verfahren, das man jedem Patienten in einer Sitzung lehren kann, sah ich die chronische taberhärte sehr schnell schwinden, weit schneller als früher durch die alleinige An- wendung (intern oder extern) von Arzneien, welche man übriges* mit diesem Verfahren combiniren kann.

Tosari, 16. Juni 1898.

Digilized by Google

Kurze Bemerkungen Uber die Theorie der Malaria-Ueber- tragung durch Mosquitos und Uber Geisseiformen bei Blut- körperparasiten

von

Dr. Hans Ziemann, Marine-Stabsarzt.

Den Anlass zu den folgenden kurzen Bemerkungen gab ein sehr interessanter Vortrag*), den Patrick Manson im Juli 1898 zu Edinburg gelegentlich der British Medical Association gehalten.

In demselben giebt M. zunächst eine ganz kurze Darstellung der Malariaparasiten, wie sie sich im lebenden Blute und innerhalb des menschlichen Körpers darstellt. Eine Anzahl der neuentstan- denen jungen Parasiten lässt er eine Beute der Ieukocyten werden, was, in dieser bestimmten Form ausgesprochen, wohl keine allge- ' meine Gültigkeit haben dürfte. Dies nebenbei.

Die chromatinhaltigen, entwicklungsfähigen Parasiten werden jedenfalls nach meinen Untersuchungen nicht eine Beute der Leuko- cyten, sondern nur die sterilen, bez. chromatinarmen.

Im Anschluss an jene kurze Schilderung kommt er auf die be- kannten Geisselkörper der Malariaparasiten zu sprechen, Gebilde, die sich erst eine Zeit nach Anfertigung des Deckglaspräparates aus runden, sphärischen, pigmentirten Körpern bilden und mit einer An- zahl lebhaft beweglicher Geissein versehen sind. Die betreffenden Körper sind schon mehrfach in dieser Zeitschrift beschrieben, sodass eine ausführliche Darstellung unnöthig erscheint

Manson glaubte nun, dass die Geisselkörper, da sie sich erst bildeten nach der Entnahme des Blutes, in Beziehung ständen zu dem Leben des Malariaparasiten ausserhalb des menschlichen Körpers.

Die Malariaparasiten, die nicht von selbst den menschlichen

*) An Exposition of tbe Mosquito-Malaria Theory and its recent Develop- ments. Journal of Tropical Medicine N. 1. Vol. I. Fast derselbe Vortrag erschien auch im Brit. med. Journ. Sept. 24. 1898. N. 1909. cf. auch Lanoet 1898. N. 3912. S. 488.

Archiv f. Schiff*- u. Trop«uhy^lene. II. 26

Digitized by Google

346

Dr. Hans Ziemann.

Körper verlassen könnten, würden mit dem Blute von Mosquitos aufgesogen, in deren Mägen sich dann die Geisselkörper bildeten. Hier brächen die Geissein ab, um alle Eingeweide der Mosquitos zu durchdringen und so das extracorporale Leben der Parasiten gewissermaassen cinzuleiten. Er hält also die Geissein selbst für den wesentlichsten Bestandtheil der Geisselkörper. Wenn der so inficirte Mosquito im Wasser stürbe, könnte nach M. sich der Mensch infi- ciren entweder durch Genuss des betreffenden Wassere, oder durch Einathmung etwaiger staubförmiger Rückstände.

Freie Geissein, die sich von den Geisselkörpem gelöst haben und nun mit ziemlich lebhafter, schlängelnder Beweglichkeit durch das Gesichtsfeld schiessen, kann man nicht selten sehen. Ich sah dieselben namentlich in den Blutpräparaten inficirter Vögel mehr- fach*). Dass die Mosquitos die Wirthe des Malariavirus sein könnten, ist bekanntlich schon von anderen Autoren behauptet cf. Laverans**) neuestes Buch und die Berichte R. Kochs aus Ost- Afrika. Die neueren Arbeiten von Bignami in Rom standen mir noch nicht zur Verfügung***). Manson speciell kam zu jener Hypothese durch das Verhalten der Mosquitos als Wirthe der Filarien.

Gehen wir nun nach diesen Vorbemerkungen zu den Unter- suchungen des englischen Oberstabsarztes Ronald Ross in Ostindien Uber. Ross fand, dass TO*/, von den Halbmonden, die mit Malaria- blut von Mosquitos aufgesogen wurden, sich im Magen derselben in Geisselkörper verwandelten, worauf die Geissein abbrachen. Warum nicht auch die anderen 30 "/„ von den Halbmonden sich im Mosquitomagen in Geisselkörper verwandeln, wird nicht gesagt. Später entdeckte er in den Magenwandungen von einigen ge- sprenkelt ausseheudcn Mosquitos, die mit estivo-autumnalen Parasiten gefüttert waren, einige kleine ovale, pigmentirte Zellen. Zur selben Zeit traf er ähnliche Gebilde in den Magenwandungen eines grauen Mosquito, der einige Tage vorher das Blut eines Tertianakranken gesogen. Das Pigment war in jenen Zellen angeb- lich nicht von dem der Malariaparasiten zu trennen. Ross mass diesen Befunden gleich eine grosse Bedeutung bei.

In der ausgesprochenen Absicht, die Mosquitotheorie weiter

*) H. Ziemann, ITeber Malaria- und andere Blutpamsiten nebst Anhang. Eine wirksame Methode der Chromatin- uod Blutfärbuog. (?. Fischer. Jena 1898.

•*) A. Laveran: Traite du Paludisme. Paris 1898, Seite 66.

***) Zeitungsnotizen. Yergl. indess A. Bignami: Le ipotesi sulla biolcgu dei parassiti malarici fuori dell' uomo. Policlinieo. 1896. Vol. 111.

Kurz» IkmierkoDgen über die Theorie der Malariaübertragung etc. 347

auszubauen, arbeitete er zunächst weiter mit inticirten Vögeln. Menschenniaterial stand ihm angeblich bei Beginn jener grösseren Reihe von Untersuchungen noch nicht zur Verfügung. Er benützte Vögel, die inficirt waren durch einen Parasiten, Proteosoma Labbö. Derselbe ist kleiner als der hantelförmige Blutkörperparasit, den man auch Halteridium Labbe nennt, dreht den Kern des rothen Blutkörpers zur Seite und zerfallt in eine verhältnissmässig geringe Zahl junger Parasiten. Dagegen war es mir bis jetzt trotz einer sehr grossen Reihe von Untersuchungen unmöglich, eine Fortpflanzung der Halteridien in der Blutbahn zu finden*). Die entgegengesetzten Befunde von Labbe, der eine regelmässig auftretende Sporulation beschreibt, glaube ich mit Bestimmtheit als irrig erwiesen zu haben, (cf. v. WasielewBki**). Auf die Unterschiede der verschie- denen Vogelblutparasiten habe ich ausführlich aufmerksam gemacht***). Proteosoma Labbö entspricht in meinem Buche dem Typus C. der Vogelblutparasiten. Wenn nun R. graue Mosquitos mit dem Blute von Sperlingen, Lerchen und Krähen futterte, welches Proteosoma ent- hielt, konnte er sehr oft in den Magenwandungen die schon früher erwähnten kleinen pigmentirten Zellen wiederfinden. Von 245 grauen Mosquitos, die mit proteosomahaltigem Sperlingsblute gefüttert waren, zeigten 72 °/0 also doch nicht alle der Verf. die pigmen- tirten Zellen in den Magenwandungen. Mosquitos, die parasiten- freies Blut gesogen, zeigten pigmentirte Zellen in den Magenwandungen niemals.

Was wird jetzt nach Ross aus den pigmentirten Zellen in der Magen wand des Mosquito?

Letztere besteht aus verschiedenen Schichten, einer äusseren, bestehend aus den Verzweigungen der Luftsäcke, 2 Schichten von Muskelfasern, und zwar longitudinalen und circulären, die mit- einander ein Gitterwerk von rechteckigen Maschen bilden, ferner einer strukturlosen Membran. Die innerste Schicht, gewissermaassen die mucosa des Magens, bestand aus verschiedenen Zelllagen.

R. fand nun die pigmentirten Zellen nicht in der sogenannten mucosa des Magens, sondern auf der äusseren Oberfläche der strukturlosen Membran, bez. zwischen den Maschen der Muskel- schichten. Das früheste Stadium, am 1. Tage der Infektion des Mosquitos, konnte er noch nicht entdecken.

*)Nur einmal habe ich eine Art von Sporulntionskörper bei Halteridien vom Fichtenkreuzschnabei, Loxia europaea, gesehen.

**) v. Wasielewski: Sporozoenkunde. 0. Fischer, 1896.

***) L c.

26*

Digitized by Google

348

I)r. Hans Zientaan.

Am 2. Tage zeigt sich der Parasit als oraler Körper von 6 7 (x Durchmesser, bestehend aus homogenem Protoplasma mit etwa 20 intensiv schwarzen Pigmentkömehen und deutlicher Aussenkontur. Allmälig wächst der Körper, sodass er am 3. und 4. Tage 3 oder 4 mal so gross ist wie am 2. und gewinnt unter Umständen ein granulirtes Aussehen,

Am 4. oder 5. Tage wird er mehr sphärisch mit einem Durch- messer von 60 bis 70 g. Die Wandung ist jetzt dicker. Im Inneren kann man dann Körnchen in concentrischer Anordnung finden. Nach 6 oder 7 Tagen ragt der Parasit als ein warzenähnlicher Körper in das Lumen der Magenhöhle hervor. Er nennt denselben jetzt Proteo- 8oma-Coccidium.

Ross fand ferner, besonders bei den Mosquitos, bei denen die erwähnten warzenähnlichen Parasiten geplatzt waren, in allen Ge- weben sehr kleine spindelförmige Körper. Er konnte dieselben auch erhalten, wenn er die grossen pigmentirten Zellen in der Magen- wandung der Mosquitos durch leichten Druck zum Platzen brachte und dann den Inhalt in Kochsalzlösung untersuchte. Da sie keine deutliche lokomotorische Eigenschaft Insassen , leitete er ihre Verbreitung in den Geweben von der Blutbewegung her. Die kleinen Gebilde , die er germinal rods nannte , fand er auch in den Zellen von 2 Drüsen, die, je eine, an der Kopfseite der Mosquitos liegen und durch einen gemeinsamen Ausführungsgang mit dem Rüssel in Verbindung stehen.

Ross glaubte auf diese Weise den Weg gefunden zu haben, auf dem die germinal rods möglicherweise den Körper der Mosquitos wieder verliessen.

Er nahm zum Beweise Mosquitos, die mit pfoteosonrahaltigem Spatzenblute gefüttert waren und bewahrte sie 6 7 Tage auf, bis er glaubte, dass die germinal rods sich gebildet hatten, und auch bereits in die erwähnten Drüsen gedrungen waren. Dann setzte er die infizirten Mosquitos artf Sperlinge, deren Blut bei genauester Unter- suchung keine Blutparasiten gezeigt hatte. Nach wenigen Tagen zeigten sich grosse Mengen von I’roteosoma in dem Blute der von den Mosquitos gestochenen Sperlinge.

Gerade hier wäre eine Zahlenangabc äusserst wünschenswerth gewesen, da nur grosse Zahlen unter den Verhältnissen, unter denen Ross arbeitete, etwas beweisendes haben.

Zweifellos bieten die Untersuchungen von Ross äusserst Interes- santes dar. Schade nur, dass sie irr einent Lande angestellt sind, wo

Digitized by Google

Kurie Bemerkungen über die Theorie der M&l&riaübertragung etc. 349

die natürliche Infection der Vögel eine so äusserst häufige ist, wo also nicht inficirte Vögel noch während der Untersuchungsperiode eine nachträgliche, natüi liehe Infection mit grösster Leichtigkeit erwerben können. Ich habe derartige Vorgänge in Italien bei Vögeln mehr- fach gesehen*). Dass erwachsene, vollbefiederte Vögel eine natür- liche Infection davontragen sollten durch Stiche inficirter Mosquitos, erscheint mir bis jetzt nicht recht glaublich, oder es müssten nur besondere Mosquitoarten dazu befähigt sein. Andererseits ist es ja möglich, dass junge, noch nackte Vögel ihre etwaige Infection durch inficirte Mosquitos davontragen können, und dass diese Infection sich unter Umständen lange Zeit erhält. Dann fehlt vor Allem auch noch die Nutzanwendung der letzterwähnten Versuche auf die malarische Infection des Menschen.

Ich will zwar nicht leugnen, dass dieselben, oder ganz ähnliche Factoren, die speciell die Proteosoma-Iufection der Vögel veranlassen, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Infection mit den sehr nahe verwandten Malaria-Parasiten des Menschen veranlassen können. Indess die Beschreibung der Biologie jener pigmentirten Körper, die sich in den Magenwandungen saugender Mosquitos finden können, ist doch noch eine äusserst lückenhafte. Das allererste Stadium kann uns Ross nicht zeigen.

Auf welche Weise sich die germinal rods im Blute von Vögeln, die jene germinal rods von Mosquitos ein- geimpft erhielten, nun in echte Proteosoma-Parasiten verwandeln, wird uns ebenfalls nicht verratben. Das wäre doch nothwendig, um die Beweiskette zu schliessen, wenigstens, wenn diese Versuche in einem Malaria-Lande angestellt werden.

In Bezug auf die Befunde von R. sagt Manson selbst, dass er die Malariaübertragung durch Mosquitos nicht für den auschliess- lichen Modus der Infection ansähe. In der That sind mit der Mosquitotheorie manche Thatsachen, wie das plötzliche Auftreten schwerer Malariaerkrankungen nach stärkeren Bodendurchwühlungen, bis jetzt noch nicht recht in Einklang zu bringen. Eine weitere Er- örterung dieser höchst interessanten Frage würde den Rahmen der kurzen Abhandlung überschreiten. In meinem Buche hatte ich auch die Möglichkeit einer Uebertragung der Malaria durch stechende Insekten zugelassen.

*) 1. c. 8. 104 u. folgende.

Digitized by Google

350

Dr. Hans Ziem&nn.

Vor Allem sagen uns die Untersuchungen von Ross noch nicht, wie sich das Malariavirus ausserhalb des menschlichen Körpers fort- pflanzt. Das Malariavirus ist zweifellos schon vorhanden in (legenden, in denen hieb keine Menschen aufhalten. Es muss sich also auch unabhängig von Menschen fortpflanzen können. Manson hält aber eine Infection von Mosquito durch Mosquito für möglich und glaubt, dass möglicher Weise bestimmte Mosquitosorten auch nur bestimmte Malariaparasitenformen beherbergen. Alle diese Fragen werden jedenfalls Gegenstand der eingehendsten Untersuchungen in der nächsten Zeit sein" müssen. Handelt es sich doch um Dinge von grosser practischer Bedeutung. Auch das wird zu prüfen sein, ob nicht etwa das Malariavirus von einem Mosquito auf seine Nach- kommenschaft übergehen kann, wie die Parasiten des Texasfiebers der Rinder von der Rinderzecke auf deren Eier übergehen. Jeden- falls existiren nach meinen Untersuchungen die Blutkörperparasiten ausserhalb der inficirten Menschen oder Thiere entweder in einer anderen Form, als innerhalb des Organismus oder als Parasiten von Lebewesen, die ihnen einen Ersatz bieten für das parasitäre Dasein bei höherem Organismen*).

Bestätigen sich die wichtigen Befunde von Ross, so träfen beide Vermuthungen zu. Wir würden dann möglicherweise auch nur einen Infectionsmodus, den durch Stich von Insocten haben. In diesem Zusammenhänge sei auch der von Manson citirten Befunde von Mac Callum**) von der Jobn-Hopkins-Universität in Nord- Amerika Erwähnung gethan. Derselbe studirte die hantelformigen Blutkörperparasiten der Vögel, die sogenannten Halteridien, und beobachtete, was schon von anderen und auch von mir gesehen war, wie im Deckglaspräparate die hantelförmigen Parasiten die Blutkörper z. Th. verliessen und rund wurden. Diejenigen von ihnen, welche mehr hyalines Aussehen hatten, wurden dann zu Geisselkörpem, von denen die Geissein abbrachen. Letztere drangen darauf in andere, mehr granulirt aussehende Sphären ein. Nach einiger Zeit hätten dann die so gewissermaassen befruchteten Sphären Würmchenform gewonnen und lokomotorische Eigenschaften, die es ihnen gestatteten, durch weisse Blutkörper hindurchzudringen. Nach Mac. Callum wäre durch die erwähnten Eigenschaften den

*) L o. Ziemaun: lieber Malaria etc. 8. 90.

**) On tbe Hämatozoou lafections of Birds. The Joum. of Expertin. Medicine. Vol. UI. N. I. 98.

Karze Bemerkungen über die Theorie der Malariaübertragung etc. 351

Parasiten vielleicht die Möglichkeit gegeben, aus dem inticirten Organismus wieder in die Aussenwelt zu gelangen.

Es ergiebt sich jetzt die Kombination von selbst, dass in den Mitgen von mit Proteosoma inficirten Mosquitos, mit denen Koss experimentirte, sich ebenfalls Blutwürmchen bildeten, ähnlich denen, die Mac Callum bei Halteridien-lnfection fand, und dass diese Blut- würmchen erst sich zu den erwähnten Proteosoraa-Coccidien im Mosquitomagen umwandelten. Ross indess scheint die Bildung der beweglichen Blutwürmchen aus den sphärischen Körpern nicht gesehen zu haben. Ich habe in vielen hunderten von sogleich untersuchten Präparaten von inficirtem Vogelblut niemals ge- sehen, wie freie Geissein in Sphären eindrangen. Wohl alter konnten sie zeitweise sich an eine freie Sphäre heranlegen. Vielleicht hätte aber die Beobachtung des lebenden Blutes noch länger ausgedehnt werden können. Jedenfalls scheint Glück dazu zu gehören, den eventuellen Befruchtungsact zu sehen. Nach Mac Callum würden, wie wir gesehen, aus Sphäre und eingedrungener Geissei ein Blut würmchen mit lebhafter Beweglichkeit. Sollte sich diese Be- obachtung bestätigten, so wäre sie allerdings von principieller Bedeutung. Wir hätten dann eine Bildung, die in gewisser Beziehung an die Bildung der Zygoten aus Gameten bei manchen Algen erinnerte.

Thatsache ist, dass man spedell bei den hantelförmigen Para- siten schon im intraglobulären Stadium öfter zwei Formen unter- scheiden kann, eine mehr hyaline mit oft ziemlich reichlichem, aber aufgelockertem Chromatin und eine mehr granulirt aussehende, sich dunkler blau färbende mit wenigem oder gar keinem Chromatin. Jedenfalls ist dasselbe sehr viel schwerer färbbar wie bei der ersten Form*). Ich beobachtete schon vor Kenntniss der Befunde Mac Callums dieses Verhalten im letzten Sommer auf Helgoland speciell bei Kreuzschnäbeln häufiger. Beide Formen wurden im Deckglas- präparate zu freien sphärischen Körpern, bei denen ebenfalls das Chromatin sich verschieden verhielt Auf Tafel IV, Fig. 11 u. 13. meines Buches ist die Verschiedenheit der beiden Formen ebenfalls schon angedeutet Die dunkelblau gefärbten Sphären zeigten bei den Fichtenkreuzschnäbeln, Loxia europaea, weniger, dann meist compactes, oder gar kein Chromatin, dagegen eine helle Stelle an dem Orte, wo sonst das Chromatin liegt, die hyalinen

*) Ziemanu 1. c.

Digitized by Google

362

Dr. Hans Ziemann.

Sphären oft eine wirre Aufknäuelung von Chromatinfaden, oft auch eine Art staubtörmiger Auflösung derselben. Das Chromatin trat dann aus den hyalinen Körpern heraus, nachdem es zunächst an die Peripheiie gerückt. Taf. IV. Fig. 1 3. Einige Male sah mau die ganze Masse des Chromatins, in anderen Fällen nur einige auf- geknäuelte Fäden desselben neben, aber ausserhalb des Parasiten hegen. Einmal sah ich einem solchen Chromatinfädchen etwas schwach gefärbtes Protoplasma anhängen*). Was weiter aus dem Chromatin wurde, konnte ich damals nicht sagen. Die Mac Callumsche Combinatiou, dass cs sich bei den erwälmten 2 Formen möglicher- weise um eine männliche und eine weibliche Form des Parasiten handelte, ist mir nicht gekommen. Jedenfalls dürfte es interessant sein, dass mir der Nachweis von der Aus- wanderung bez. Ausstossung von Chromatin aus sphäri- schen Körpern gelungen ist. Das Chromatin ist bekanntlich eines der wichtigsten Elemente der Blutkörpcrparasiten. Daher ist meine Feststellung auch für die Mac Callum’schen Untersuchungen vielleicht von Wichtigkeit. Eine Aus- stossung bez. Auswanderung von Chromatinelementen habe ich übrigens auch schon bei den von mir ent- deckten eigenartigen Blutparasiten von Athene noctua in Italien gefunden. Vergl. darüber den betreffenden Passus in meinem Buche. Eine solche Auswanderung, bez. Ausstossung von Chromatin kommt bei den Sporozoen mehrfach vor.

Leider ist es mir bis jetzt nur eimsd im gefärbten Präparate gelungen, eine hyaline, pigmentirte Sphäre zu entdecken, aus der zwei Chromatinfäden heraushiugen, und die als echte Geisselform anzusprechen war. Die Chromatinfädcn fingen zusammen mit einem pheripher gelegenen Cliromatinklumpen. Es handelte sich um ein Präparat von inficirtem Buchfinkenblut. Schon früher hatte der russische Forscher Sacharow die Chromatinnatur der Geissel- liiden darzuthun gesucht. Weiteres habe_ ich darüber in der Literatur bis jetzt nicht gefunden. Sacharow glaubte bei den Malariaparasiten eine karyokinetische Zelltheilung annehmen zu müssen. Wenn diese gestört würde, träte die Chromatinsubstanz aus

*) Von den Protoplasmaf&den, die von absterbenden Zellen, z. B. rotben lllutzellen, zuweilen ausgehen und Goisselbewegung zeigen, hatte ich die Gensei- fiideu unserer Blutlorperparasiten schon früher getrennt wegen ihrer gteich- mässigen Gestalt und der bestimmten, wenn auch äusserst zarten Kontur, d. Ziemann 1. e. S. 31.

Kurze Bemerkungen über die Theorie der Malariaüberiragung etc. 353

den runden Parasiten heraus und hülfe zur Bildung der Geisselfäden beitragen. Wie ich schon früher gezeigt, ist indess eine karyokinetische Zelltheilung der Malariaparasiten nicht anzunehmen.

Nachdem das Chromatin aus den hyalinen Sphären heraus- getreten, zerfallen letztere und werden als sterile Körper eine Beute der Leukocyten.

Nach der Auffassung von Mac Callum wirkten die Geissein also wie Spermatozoen. ln diesem Falle aber könnten sie nicht nur aus Cliromatin bestehen, sondern müssten auch etwas Protoplasma haben. Vergl. die obige Beobachtung. Die Untersuchungen darüber werden noch fortgesetzt. Die Beweglichkeit des Pigments hängt bei den hyalinen Sphähren, bez. den Geisselformen möglicherweise zusammen mit der Beweglichkeit der austretenden Chromatinfädchen. Zweifel- los ist die Bedeutung der Geisselfäden bei den Vogelblutparasiten eine ähnliche, wie bei den Parasiten der menschlichen Malaria. Dann würden, die Richtigkeit der Mac C'allum’schen und der Ross’schen Beobachtung vorausgesetzt, die Geisselkörper nicht als sterile Körper zu betrachten sein, also auch nicht die Halbmonde, aus denen bei estivo-autumnalen Fiebern sich die sphärischen und Geisselkörper bilden. Die meisten Beobachter, darunter die ganze römische Schule und ich, betrachteten sie für sterile Gebilde, weil bei ihnen keine Fortpflanzung zu sehen war, weil sie auftraten, ohne das gleichzeitig Fieber zu bestehen brauchte. Ich speciell hatte bei Halbmonden wohl noch Chromatin gefunden Taf. II. Fig. 24 meines Buches, indess in sofort gehärteten Präparaten meist eine derartige feine Auflösung desselben, dass es unter den Pigmentkömehen sich meiner Beobachtung entzog.

Zweifellos werden auch eine ganze Anzahl von Halb- monden in Wirklichkeit steril; da ihr Chromatin ver- kümmert, wenn es nicht Gelegenheit erhält, in einem Geisselfäden wieder als befruchtendes Agens zu wirken. Ein endoglobulärer Parasit dagegen macht seine Entwickelung stetig durch bis zur sogenannten Sporulation, wenigstens bei menschlicher Malaria. Die früher von mir steril genannten Formen, die Halb- monde etc. treten dagegen, wie ich stets betont, erst dann auf, wenn der Körper eine Art Schutzkraft erlangt. Diese lässt es nicht mehr zur Bildung von Parasiten kommen, die aus sich selbst heraus die Fähigkeit schöpfen, sich allein weiter zu vermehren. Fassen wir als Resume zusammen, so baben wir, immer vorausgesetzt, dass Ross

Digitized by Google

364

Dr. Hans Ziemano.

und Mac Callum Recht haben, bei den Blutkörperparasiten Welleicht 2 Arten der Fortpflanzung.

a) eine ungeschlechtliche (die gewöhnliche bei Menschen-Malaria)

b) eine geschlechtliche (meist bei Halteridien).

Die erstere glaube ich endgültig festgelegt zu haben. Ueber die Häufigkeit der zweiten sind weitere Untersuchungen noth- wendig. Die von mir als steril bezeichneten Formen müssten dann nur als männliche bezeichnet werden.

In diesem Zusammenhänge sei noch besonders darauf auf- merksam gemacht, dass ich bei inficirten Exemplaren von Buchfink, Fringuilla coelebs L., und Sumpfohreule, Asio accipitrinus Fall., dem Sperber, Ascipiter nisus, der Turteltaube, Turtur communis, und Fichtenkreuzschnäbeln, Loxia europaea, neben den pigmentirten eigentlichen Blutkörperparasiten auch unpigmentirte, deutlich chro- matinhaltige, z. Th. auch mit Geissein versehene freie Parasiten gefunden habe.

Es waren Gebilde, die sich im gefärbten Präparat als kleine rundliche oder mehr längsovale freie Körper darstellten, mit zart blaugefärbtem Protoplasmaleibe, einer ziemlich grossen achromatischen Zone im centralen Theile und einer compacten, bez. aufgefaserten Chromatinmasse im Inneren der achromatischen Zone. Die ev. Be- ziehungen zu den eigentlichen Blutkörperparasiten wurden noch offen gelassen. Am deutlichsten waren ähnliche Gebilde bei der Athene noctua zu sehen, (cf. die Abbildungen in meinem Buche auf Tafel 111. Fig. 29 u. 33.) Die Mac .Callum 'sehe Beobachtung regt jedenfalls zu erneuten Untersuchungen Uber die Rolle dieser noch unerforschten Parasiten an.

Das Eine erscheint sicher, dass die von mir beschriebene Färbemethode zur Klärung dieser wichtigen Frage beitragen wird Mac Callum selbst betont die Noth Wendigkeit einer wirksamen Kern- lärbung, um seine Untersuchungen über die Bedeutung der ge- schilderten Blutwürmchen zu Ende zu fuhren. Speciell der fernere Vorgang der Verschmelzung eines Geisselfadens mit einem sphärischen Körper würde sich mit unserer Färbemethode ohne grosse Schwierigkeit aufklären lassen müssen. Sehr wünschenswerth wäre es, wenn auch die in den Magenwandungen der Mosquitos von Ros gefundenen pigmentirten Zellen, die zur Bildung seiner germinal rods führen, sich der Färbung zugänglich erwiesen.

In Bezug auf die Färbungsmethode verweise ich auf das Referat Ruges im vorigen Hefte dieser Zeitschrift. In neuerer Zeit ge-

Kurze Bemerkungen über die Theorie der Malamübertraguug etc. 355

lang es mir, meine Doppelfärbung des Chromatins und des Protoplasma schon in 5 Minuten zu erzielen.

Recept: Methylenblau med. pur. Höchst 1,0

Borax 2,5

Aq. destill. 100,0

davon 1 Theil gemischt mit 4 Theilen einer 0,1 °/0 Eosin (A.-G. Höchst) Lösung. Auch bei Anwendung dieser Lösung muss vor Herausnahme der Präparate das ev. gebildete Häutchen von der Lösung abgestreift werden, da sich sonst Niederschläge bilden. Ueber weitere Einzelheiten, speciell auch die Anwendung mit Kalilauge versetzter Methylenblaulösungeu , vergleiche einen demnächst im Centralblatt für Bacteriologie erscheinenden Aufsatz: Ueber Doppel- färbung bei Flagellaten, Pilzen, Spirillen und Bacterieu. Auf das obige Thema werde ich bald noch zurückkommeu.

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

Transformation des Archives de m6decine navaie et coloniale.

1,68 Archives de medecine navaie et coloniale publiees en Francs depui8 trente-quatre ans ont c&sse de paraitre ou plutot se sont transformees.

On sait quelle riebe mine de renseignements constitue ce recueil qoi jus- que dass ces dernieres annees etait le seul qui füt consacre k l'etude de 1’hygteD* navaie et de la pathologie exotique.

Le corps de sante de la marine, qui avait assure los Services de la flotte et des colonies francaises jusqu'en 1890, ayant ete scinde en deux brauch« distinctes, le recueil oii so publiaient ses tinvaux devait cesser d'etre ootnmuü aux deux corps. Ce dcdoublement a ete realise depuis eette an nee (1898).

Le Ministero de la Marine continue de publier les Archives de medeciae navaie, qui font directement suite i\ l’ancienne publication fondee en 1864 per le Comte de Chasseloup Laubat

D’autre part le Minister« des Colonies publie les Annales d’hygiene et de modecine coloniales, dont la redaction est confiee i M. le docteur Ker- morgant, inspecteur general du Service de sante des Colonies franeaises. Cee Annales formeront une oollection de materiaux rolatifs a l’hygiene, a la ptthe- logie, a la climatologie exotiques, a l’ethnographie et aux Sciences naturelles.

Nous sommes beureux de saluer ce nouveau recueil, auquel la baute wa- jietence de son Redacteur en cbef garantit le succes. C. F.

a) Hygiene, Physiologie und Statistik.

Notes sur la mortaliti des troupe* d’lntanterie et d'artlllsrle de marlae eaeemdee w Cochinchine (1890 i 1896). Fontaine. Annales d'hygifcne et de mededne colo- niales, 1898 p. 114.

De 1890 it 1896 les tronpes franpaises casemeee en Cochincbine ontfoars: la mortalite suivante:

Mortalite pour 1000

Annee

Infanterie de marine

Artillerie de marine

1890

10,58

12,00

1891

5,83

28,00

1892

10,00

12,00

1893

10,58

10,00

1894

5,00

16,00

1893

8,18

18,33

1896

19,99

22,85

Moyenne de sept annees 9,93

16,41

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

357

. Moyenne de sept annees pour Iee deux armes 11,22 pour 1000.

L’amölioration des condition» sanitaires de la Oochinchine, signalee dbjä par le travail de M. Bounafy *) s'est donc confirmee. I/augmentation de la mortalite en 1896 est due au deces d’un certain nombre de soldats venus du Tonkin et debarques a Saigon pendant leur vovage de retour.

La mortalite plus consider&ble des soldats d’artillerie parait due k ce que ceux-ci s’occupent sonvent, en dehors de leur Service regulier, a des travaux fatigimnts de construction et de surveillance.

Des deces observee on Cochinchine le tiers seulement est du aux affections sporadiques, chirurgicales ou vcneriennes, qui s'observent aussi en Europa; gräoe au recrutement plus soigneux des soldats designos pour les colonies, cos affections y sont plus rares qu’en Kurope; les deces rösultent surtout des maladies ende- mique*, la moitie environ est due it la dysenterie et ä l’hepatite suppuree.

La dysenterie et la diarrhde chronique restent les maladies dominantes, matgre une diminution de frequeuce et de gravite tres apprcciable dans les lo- calites l'on a pu ameliorer les eaux de boissons.

Le paludisine tend a disparuifre a mesure que les ri vieres sont cultivees: on no constate plus les fornies gravee que dans les postes eloignes et dans les localites l'on affectue de grands travaux de terrassement.

La fievre typhoide est beauoonp plus frequente que le cholera eher, les Europeens, tandis que le cholera sovit ebaque anneo chez les indigenes.

Outre les deces, les rapatriements ont eto tres nombreux, 228 |iour 1000 pour rinfaiiterio do marine, 349 |iour mille pour l’artillerie de marine; une assez g lande proportion de ces rapatriements est due a des maladies sjioradiques, mais ce sont les maladies endemiques, surtout la dysenterie, qui on 'ont necessitc le plus grand nombre. C. F. (Liege).

Ltt Troupe« Colonialei. II. Maladlot du toldat aux payt chaudt p. F. Burot et M.

A. Legrand. Paris. Boiliiere et Fils 1897.

Nachdem die Verf. im ersten in diesem Archiv referirteu Theil ihres dreibändigen Werkes ziffemmässig von verschiedenen Gesichtspunkten aus, in 5jährigen Perioden die Statistik bearbeiteten und bis vor einigen Jahren, um es hier voranzustellen, 42,95 pro 1000 Mann als allgemeine Mortalitätsziffer fanden, gehen sie in diesem Bande darauf aus, zu bestimmen, welche Krankheiten diese Zahl in den Colonien bedingen, welches ihre Ursachen speciell im militärischen Leben waren, seien sie örtlicher Natur in Tropen und Subtropen, oder abhängig von anderen Einflüssen, und weshalb sie hier und da die Malignität der Krank- heiten befördern.

Nach diesem Plane werden in 12 Capiteln abgehandelt Paludismus, Diarrhoe und Dysenterie, Hepatitis, Insolation und Hitzschlag. Cholera, Gelbfieber, Typboid- fieber, Tuberculose. Im 9. Capitel unter verschiedenen Krankheiten die gleichen wie in Europa, so Nervenkrankheiten, Lungen-, Magenkrankheiten, Hautkrank- heiten. Syphilis u. s. w. Daun in besonderen Capiteln chirurgische Krankheiten resp. Verwundungen im Kriege, Unglücksfälle. In einem kürzeren Referate ist es unmöglich, den ganzen knapp besprochenen aber reichen Inhalt des Bandes wiederzugeben, aus der Fülle des Gebotenen möge aber Einzelnes hervor-

* B. Archiv Mr Schiffe- und Tt()penbyg1*nCi 1897, Bud I, 8. 20 S (Bet.).

Digitized by Google

358

II. Besprach ungen und Litte ratu rangaben.

gehoben werden. Die Malaria, Paludisme der Franzosen, rafft unter 1000 •Ge- storbenen der Colonialtruppen f.00 dahin, also 60%, die Diarrhoe, Dysenterio und Hepatitis 200 pro 1000. Noch nicht 35 Verwundungen kommun auf 1000 Krankheitsfälle, während in Dahomey 104 Todesfälle auf 1000 Verwundungen überhaupt entfielen, eine nicht so kleine Zahl! Allein, betrachtet man die Art (Schussfracturen) der Verwundungen, bei denen in grosser Anzahl vergiftete Wunden geschaffen wurden, so erscheint sie viel geringer als die in europäischen Kriegen. Ausserdem starben in den Colonialkriegen an Verwundungen unmittel- bar auf dem Schlachtfelde, wo Colonialtruppen oft in nächster Nähe des Feindes sich befinden, resp. mit ihm haudgemein werden, mehr als */,, aller durch V erwundungen Eingegangener. Die Distanz der Kämpfenden in Dahomey, Tonkio etc. betrug meistens nur 50 200 Meter, niemals war sie höher als 500 Meter. An anderen Orten in den Tropen giebt uns die Statistik von 1890 z. & nur 16,4 Todesfälle auf 1000 Verwundungen an. Der Tetanus spielt unter den Todesursachen der Verwundeten die Hauptrolle, selbst bei Phagedaenismus tropicus. Die Verfasser fanden, dass die hauptsächlichsten Krankheitsursachen für Tropenkrankheiten und eigenartige Zustände sonstiger Krankheiten, wio man sie in den Tropon antrifft, im Boden und im Klima wurzelten In der Periode der grossen Endemien überwogen, wie auch sie fanden, die tellurischen Einflüsse, die Rolle des Klimas hingegen sei eine secundäre. Diese Sätze suchen die Ver- fasser mit Geschick und indem sie eine hervorragende Beobachtungsgabe zeigen, zu beweisen, sowohl bei dem Capitel Paludisme-Malaria als bei denen über Enteritis und Dysenterie in Verbindung mit Hepatitis. Man kann ach nicht dem Eindruck entziehen, dass ihre Beobachtupgen und Versuche beweis- kräftig sind, besonders, wenn man die Ziffern der Mortalität und Morbidität der Europäer, welche permanent am Lande blieben, mit denen vergleicht, welche an Bord von Schiffen, und wie Verfasser hervorheben, auch nur 300 Meter vom Lande entfernt, vorherrschten und dazu die Erfolge der Krankenbehandlung an Bord in Beziehung auf die von an Land Erkrankten oder bereits Beliandelten in Betracht zieht. Man überzeugt 3ich dann, welcher eclatante Unterschied zu Gunsten der Ausschaltung des Bodens am Schiffe, (mehr als %) wenn auch ganz in der Küstennähe, hervortritt. Nach Verf. Untersuchungen ist lehmiger Untergrund, worin Wasserstanung und Ansammlung stagmrender Feuchtigkeit in den obersten Bodenschichten, nöthig zur massenhaften Entwicklung von Malana- keimen, sowie denen der Dysenterie. Die Malariakeime denken sie sich so an der Bodenoberfläche und Pflanzendecke haftend, welche besonders bei be- ginnender Austrocknung gegen Ende der Regenzeit mit der Luft leichter io Contact kommen können. (Insecten? Ref.) Der Infectionsmodus gebt narb Verff. vor sich nicht von Organismus zu Organismus, sondern durch Dazwischen- kunft des Bodens mit stagnirendem Wasser. Die Dyseuterieamöben befinden sich auch hauptsächlich im Stauwasser, resp. Pfützen und dem Wasser aus oberflächlichen Bodenschichten. Am meisten beweiskräftig für die Anschauungen der Verf. ist das glänzende Resultat der Franzosen in den jüngst verflossenen Jahren, welches sie theils durch Bodenassanirung Verbindung künstlicher Drainage mit schon vorhandener natürlicher erreichten, theils dadurch, da» sie Truppencantonnements auf Boden mit Wasserstau vermieden und das Tnnk- wasser sanirten. An den betreffenden Plätzen sahen sie dabei die Mortalität der Colonialtruppen von 42,95 auf 5,4 pro 1000 Manu herabsinken. Die

II. Besprach ungen und Litteraturangaben.

369

III. Bande gegebenen Verhaltungsmaassregeln für die Truppen in den Tropen und Administrationsoinrichtungen reihen sich diesen grundlegenden Haassnahmcn nur an. C. Bäubier (Berlin).

Conaidlrations gdndrales sur la morbidlM et ia mortallM de l’annde 1897. Apercu demographiqne de la Martinique. Gries. Annales d'hygiene et de medeeine coloniales, 1898, p. 234.

la population totale est d'environ- 190000 habitants. La mortalite et la

nataiite annuelles (par 1000) ont ete:

Annee Mortalite Nataiite

1894 32,3 28,5

1895 23,7 27,4

1896 22,3 26,9

Moyenne annuelle: 28,1 27,6

La mortalite considerable de 1894 est accidentelle et due A uno epidemie de grippe; la moyenne des deux annee» 1895 1896 soit 23 pour 1000, est ä jieine superionre ii la mortalite franoame, malgro la densite beaucoup plus grande de la population dans l'ile. Celle-ci compte en effet 191 habitants par kilometre carre, alors que la France en compte seulement 72.

La nataiite (27,6 pour 1000) est plus elevee qu'en France; le nombre des naissances illegitimes parait etre considerable, la nuptialite etant tres faible.

Dans la gamison la mortalite a ete

en 1893 6,14 pour 1000

» 1894 7,tö

» 1895 11,40

1897 20,8

L'augmentation de la mortalite en 1897 est due & une epidemie de fievre

jaune.

Une statistique oomparative, ne portant malheureusement que sur une Periode de quatre mois, tendrait ä etablir que les troupes creoles ont une mor- bidite plus grande que les troupes europeennes de la garnison.

Du l«r Septembre au 31 Decembre 1897 la morbiditn a ete pour les soldata europeens 172 pour 1000 creoles 249

Parmi les diverses inaladies observees en 1897 dang la garnison nous notons 26 cas de fievre jaune dont 10 (leces 4 » grippe dont 0 decös

101 malatlies endemiques diverses dont 2 deces 81 mal. sporad. (f. typhoide) dont 3 deces

48 inaladies chirurgicales dont 0 deces 34 inaladies veneriennes dont 0 dece»

10 maladies cutanees dont 0 deces.

C. F. (Liege).

L’attlgtince publique aux coloniet. A. Kermorgant. Annales d’hygiene et de medeeine coloniales, 1898, p. 244.

M. le docteur A. Kermorgant, inspecteur general du Service de sante des colonies fran^aises, a consacre une etude tres interessante & la qnestion si deli- cate de Tassistanco publique dans les possessions franvaises.

Digitized by Google

360

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

On sait que le Ministers des Colonies possede en France un persoonei medical special ; ces inedecins sont adjoints aux gouvorneurs des colonies non seulement pour soigner les malades, mais pour lui servir de conseillers dans le regiement des questions d’hygiene et de polioe sanitaire. On cherclie k eviter ainsi que daos certaines possessions les lüttes de partis sont tri» aigues, 1'ia- teret des |>opulations ne soit sacrifiö a des interets electoraux.

Le departeinent des colonies a pris a sa Charge les anciens höpitaux rnili- taires et en a fait des höpitaux coloniaux, sont re$us non seulement les fonctionnaires de la oolonie, europeens ou indigenes, mais les colons, les femmes et les enfants. On fixe chaque anoee, pour les malades autres que les militaires, un prix de la journee d'höpital, etabli on faisant intervoair Ta supputation des frais göncraux; on arrive ainsi ä faire rembourser par le budget local et par les particuliers une. notable partie des depenses. L’Etat garde k sa Charge les frais d’hospitalisation des militaires et une partie de la solde du personnel me- dical; de la sorto les sommes dcpensees par l'Etat sont relativement faibies, toat en assurant aux fonctionnaires ct aux colons un reel confort et des soins eclaires.

C’est ainsi qu a la Guadeloupe le fonctionnement de tout le Service medical, y compris les soins donnes aux militaires de la garnison, ne coüte ä l’Etat qnt* 26651 francö (20699 pour le personnel et 5952 pour le materiel).

Dans les colonies qui jiossedeut des ressources süffisantes (Mayotte; Nossi- Be, Dahomey, Congo, Cote d’ivoire, Guinee franvaise) le Ministere fait aujour- d’hui supporter tous les frais au budget local; mais il lui prete son personnel. survoille les achats de vivros, de inedicaments, de materiel et controle les de- penses.

A coto de cette assistance hospitaliere, destinee surtout au jiersonncl eu- ropeen, il existe dans beaucoup de colonies fran«;aises une assistance publique pour les indigenes; ce sont « des hospicos, dos leproseries, des asiles d’alieo*. « des dispensaires, des ouvroire, des creches, des bureaux de bienfaisance. Les « hospices n’admettent en general que les natifs indigents. Quelques uns cepen- « dant peuvent recevoir d'autres categories de malades; mais les (»ersonnes qui « sont on mesure de payer preferent de beaucoup so faire traiter, malgre U

differonce de prix, & l’höpital colonial ils sont sür de trouver le confort et « les soins que ne sauraient leur procurer les hospices. Ceux-ci ne sont en effet « que des ötablissements assez rudimentaires ... On ne saurait songer ä y diriger

un fonctionnaire, si modeste füt-il. »

M. Kermorgant fait une Enumeration detaillee de ces ötablissements d’issi- stance publique destines plus specialemeut aux indigenes a la Martinique, a Guadeloupe, ä la Reunion, ü la Guyane et en Cochinchine; il fournit des ren- seignements tres precis sur leurs budgets. L’auteur expose la necossite de eon- server ooncurremment ces deux systemes d’assistance publique, qui s’adressint a une « clientele » tres-differente, ont besoin d'une Organisation distiocte. La pre- sence des * medecins coloniaux » nommes par l’Etat pennet ii celui-ci d'exercer une inflnence directrice eminemment utile sur lVeuvre si diffteile et si complexe de rassainissement des colonies, et meine l’occupation militaire est reduite k url minimum et semblerait rendre inutile un personnel medical special offidelle- inent attache k la colonie, il importe que l’Etat conserve sa part d’autorit1 dao* le Service des höpitaux destines aux fonctionnaires et aux colons.

Nous ne pouvons que uous associer aux idees de M. Kermorgant: il oons

II. Besprechungen und Litteraturangaben. 361

parait que dans les colonies, le laisser-ailer domine trop souvent la vie, il y aurait un reel danger it laisser entierement aux autorites locales, et surtout 4 des autorites electives, l'initiative et la direction dee mesures d’hygiüno. Nous connaissc ns trop la repugnance des communee, en Europa meme, 4 inscrire 4 leur budget des depenses d'assainissement, pour douter un instant des avantagee d'une intervention du pouvoir central, et aux colonies, il y a plus de choses 4 faire dans cette voie, cette intervention doit etro encore plus energique, pour assurer la protection des fonctionnaires et des soldats envoyes par la metropole.

M. Kermorgant termine son etude par l'expose des mesures d’interet general prises par le Service de sante des colonies pour oombattre diverses maladies evi- tables qui frappaient surtout les populations indigenes.

Un institut vaccinogene a ete fonde 4 Saigon (Cochinchine) en 1890; il donne d’excellents resultats, gräce 4 l'emploi de jeunes buffles pour l'obtention de la lymphe vaccinale. Pendant l’annoe 1895 on a prepare 4 l'aide de 250 bufflons, 80000 tubes de vaccin dont chacun pent servir 4 l’inoculation de 40 personnes; une grande partie de ces tubes a ete distribuee non seulement dans les colonies francaises de l’Extreme Orient mais ä Hong-Koog, Shanghai, Singapore, Bangkok, Canton, Yunnan, Manille. On a meme pu ' envoyer de ce vaccin 4 la Reunion, 4 Mayotte, Nossi-Be, Diego-Suarez, Obock, il a donne des resultats superieurs au vaccin d’Europe. En Cochinchine meme on a pendant cette annee 1895 vaccine 182153 individus, dont 116144 pour la premiere fois, avec 90 pour 100 de sucoes.

Les resultats n’ont pas tarde 4 se faire sentir: la mortalite par variole, si elevee dans certaines colonies, a beauooup diminue et en Cochinchine notamment, le nombre des vaccinations a ete considerable, la population indigöne a augmente de pres d’un quart: jusqu'en 1885, la Cochinchine eomptait moins de 1800000 Smes, chiffre qui ne paratt pas avoir etc depasse anterieurement; en 1891, quelques annees apres la pratique en grand des inoculations vaccinales, la population s’elevait 4 2034453 babitants; 4 la fin de 1896 on en eomptait 2262813.

Un second institut vaccinal a ete installe 4 St-Louis du Senegal, et un troisieme va l’etre 4 Madagaskar.

A ces instituts a ete annexe un Service special pour la vaccination antira- bique*).

Enfin un institut bacteriologique a ete fonde 4 Nha Trang, dans l’Annam pour l’etude de la vaccination antipesteuse.

Ajoutons que le serum antivenimeux du Dr. Calmette, medecin principal des colonies et directeur de l’Institut Pasteur de Lille, a ete repandu gratuitement par ce savant dans les colonies franqaises il rend de grands Services.

Puissent les pouvoire publics pereeverer dans cette voie et se penetrer de cette idee si simple et si souvent meconnue que dans les colonies les depenses les plus urgentes sont celles qui assurent la vie et la sante des colons.

C. F. (Liege).

Dia Akklimatisation das Euraplars In den Tropan von Stabsarzt Dr. Koerfer in

Schlettstadt, Deutscb-med. Wochenschr. 1898, Nr. 27 u. 28.

Die Erschwerung der Akklimatisation des (Nord-) Europäers in den Tropen,

•) 8. Archiv für Schiff*- and •jv0pcnbygieoe> B*nd I, i897, B. 81 (Ref.)

Archiv far Schifft- a Tropenhy^ U. 27

Digitized by Google

362 11. Besprechungen und Litte raturangaben.

und das chronische Siechthnm, welchem er dort anheimfiült, basiren nicht uf einer Erschwerung der Wärmeabgabe. Hierfür sprechen die bekannten Unter- suchungen Eykman’s, welche ergaben, dass „im ruhenden Körper Wärmeabgabe und Wärmeproduction beim Malaien und Europäern im wesentlichen dieselbe »ist und die Körpertemperatur bei keinem von beiden eine Erhöhung erfährt1, ferner die Thatsache, dass Europäer sich in den Tropen bei körperlicher Arbeit im all- gemeinen wohler fühlen, als bei müssigem Leben auf der Station, endlich die grosse Seltenheit des Hitzschlages in den Tropen K. sah in 27, Jahren keines einzigen Fall. Verfasser sieht die Ursache der Erschwerung der Akklimatisa- tion des Europäers in den Tropen in einer unzweckmässigen Lebensweise und zwar einer zu reichlichen Zufuhr von Fetten, zum Theil schädlichen Sorten, und von Alcohol d. h., in einer chronischen Intoxication mit Propylalcohol und Aethylalcohol. K. erinnert daran, dass vom Aequator nach dem Nordpol die Menge der vegetabilischen Nahrungsmittel allmälig ab-, die Quan- tität der animalischen Nahrungsmittel und damit auch des Fettes zunimmt, dass ferner jede der bekannten 3 Zonen auf unserem Planeten ihr bestimmtes Fett hat (Thranzone, Schweinefettzone [nach dem Hauptfettrepräsen- tanten der warmblütigen Thiere] und Oelzone). Es ist nicht gleichgültig, welche Art und welche Menge von Fett man in den verschiedenen Zonen geniesst: die Fette der jeweilig kälteren Zone sind in der nächstwärmeren gesundheitsschädlich, ln diesem Sinne zu verwerten sind die Facta, dass fettreiche Nahrung im Sommer schlechter vertragen wird, als im Winter, die Wintermonate sich zu Leberthrancuren besser eignen, der Leberthran in der kalten Zone ein Nahrungsmittel, in der gemässigten ein Arznei- mittel ist, nicht zum wenigsten das Verbot des Schweinefleischgenusses in Talmud und Koran, hervcrgegangen aus der Erkenntniss der Schädlichkeit dieser Fettsorte im heimathlichen Klima. Wahrscheinlich erklären sich die Tropen- diarrhöen zum Theil durch übermässigen und un zweckmässigen Fettgenuss, die Tropenanämie durch chronischen langsamen Zerfall der rothen Blutkörperdien infolge fortgesetzter geringer Ueberladung des Blutes mit Glycerin, wie sie bei überreichlichem Fettgenuss in den Tropen eintritt (? Ref.). Vielleicht (? Bei) beruhen die Schwarz Wasserfieber auf einer combinirten Giftwirkung der Malaria- toxine und des Glycerins und zeigen sich nur deshalb nicht bei dem Eingebo- renen, weil er ebeu nicht fortgesetzt seinen Körper mit Glycerin vergiftet Intravenöse und subcutane Glycerininjectionen erzeugen bekanntlich Hämoglo- binurie, Glycerin ist andererseits in jedem Fette enthalten.

R. Pfeiffer-Cassel.

Dl« KamerunkDst«. Studien zur Klimatologie, Physiologie und Pathologie in den Tropen von Dr. Friedrich Plehn. Berlin, Hirschwald 1898.

Die sehr hübsch geschriebene, 356 Seiten umfassende Monographie Plehn* giebt ein anschauliches und abgerundetes Bild über alle diejenigen Verhiltnaw der Colonie, welche den Arzt interessiren, und kann in dieser Hinsicht geraden vorbildlich wirken. Denn es ist nicht nur Krankheit und Gesundheit, sondern in feinem zu erschliessenden Colonisations-Gebiet noch mancherlei Anderes, wo- rauf der Arzt zugleich in seicer weiteren Eigenschaft als Naturforscher und Mensch sein Augenmerk zu richten hat; und als ein solcher tritt uns der Ver-

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

363

fassor überall entgegen. Dass er das Ganze unter dem grosseren Gesichts- winkel einer langjährigen tropischen Erfahrung siebtet und der Literatur dabei eine ausgedehnte Berücksichtigung angedeihen lässt, gereicht dem Buche noch zu höherer Werthschätzung; und in dieser Hinsicht hebt sich dasselbe aus dem Rahmen einer localen Monographie weit heraus und wirkt anregend und belehrend auf jeden Gebildeten, welcher an der Eigenartigkeit tropischer Lebensverhältniase überhaupt Gefallen findet.

Aus dem reichen Inhalt des Buches hebe ich nur das Folgende hervor:

I. Klimatische Verhältnisse. In Kamerun besteht eine Regen- und eine Trockenzeit; die Regenzeit, von Ende Mai bis October ist zugleich trotz des höchsten Sonnenstandes, die kühlste des Jahres; die tiefste mittlere Temperatur hatte (1.93/94) der October mit 24,3°, die höchste mittlere Temperatur der Januar mit 26,6°. Januar, Februar und März sind die wärmsten Monate. Während der Trockenzeit ist die tägliche Teperaturkurve eine ziemlioh gleicbmässige; in die Zeit kurz vor Sonnenaufgang, also zwischen 6 6 Uhr, fällt das Temperatur- minimum; dann steigt die Tagescurve steil an, erreicht ihr Maximum gegen 2 Uhr Mittags, um von da ab, langsam und stetig bis zum Minimum wieder abzufallen. Die Tagestemperaturkurve während der Regenzeit ist dagegen eine unregelmässige. Die mittleren Tagesmaxima liegen zwischen 26,2° und 30,2°; der höchste Werth überhaupt betrug 32,8° (Mai 1894); die mittleren Tages- mini ma schwankten zwischen 21,4° und 23,4°; die niedrigste beobachtete Temperatur betrug 20,1 ° (März und Juni 1893). Die durchschnittliche tägliche Temperaturschwankung betrug 6,8°. Das bezieht sich Alles jedooh nur auf die Küstenebene. Das Klima im Gebirge nähert sich mehr den europäischen Temperaturverhältnissen, auch hinsichtlich der täglichen Temperaturschwankung, welche bereits auf der c. 500 m hohen Barombistation 14,4° betrug.

Die Luftfeuchtigkeit ist eine ausserordentlich hohe, 88% im Mittel (1898/94) an der Küste, 75% im Binnenlande.

Trotz der fast völligen Sättigung der Luft mit Wasserdampf ist Nebel- bildung dank der kräftigen See- und Landbrise im Kamerunthaieselten, anders ist es in den tiefer eingeschnittenenen, die Richtung der Brise mehr oder weniger kreuzenden Nebenflüssen.

Am Tage weht der Wind von Westen (Seebrise), in der Nacht von Osten (Landbrise). Die Tornados sind stark webende Landwinde von nordöstlicher oder südöstlicher Richtung; erst wenn sie das Meer erreichen, nehmen sie den Charakter des gefürchteten Wirbelwindes an; die Dauer des Tornado währt höchstens 2 Stunden.

n. Ueber die Beeinflussung einiger physiologischen Funktionen des Europäers durch das tropische See- und Tiefland-Klima.

Wie Plehn bei vorübergehendem Aufenthalt in heisseD Räumen, z. B. den Maschinenraum des Dampfschiffes, eine vorübergehende Steigerung der Körpertemperatur von im Mittel 0,4° C- konstatirte, welche durch körper- liche Anspannung noch erheblich erhöht werden konnte, so fand er bei seinen Selbstvereuchen , beim Uebergang aus der gemässigten in die Tropenzone, und zwar proportional dem Ansteigen der Luftemperatur, eine unverkenn- bare Zunahme der Körperwärme von 86,6° auf 37,6°, und an 5 weiteren Ver- suchspersonen einen mittleren Anstieg um 0,46°. Dabei kommt es auf die Zeit der Ausreise an; fällt di^e]be in den Sommer, so kann diese Temperatur-

27*

Digitized by Google

364

II. Besprechungen und Litteraturang&bcn.

differenz auch ganz fortfallen. „Bei längerem Tropenaufenthalt tritt als eins der Zeichen erfolgter Äccliinatisation ein Ausgleich der Körpertemperatur in der Art ein, dass der in den Tropen lebende Europäer dieselbe Körpertemperatur hat, wie in den gemässigten Breiten“. Die Davy’sche Annahme, dass die Körper- wärme des Tropenbewohners um F. erhöht sei, konnte demnach nicht be- stätigt werden. Die Körpertemperatur der westafrikanischen Neger zeigt keine charakteristische Abweichung gegenüber der des acclimatisirten Europäer*. Auch hinsichtlich des Pulses war ein besonderes abweichendes Verhalten weder bei Europäern, noch bei Schwarzen, zu konstatiren. Dagegen ergaben Blut- druckv ersuche an der Art. temporal, dextra, im Allgemeinen niedrigere Werthe (um 0.6 16,7 mm Hg) als in der Heimath. Hinsichtlich der Respiratioos- frequenz ergab sich keine wesentliche Verschiedenheit beim Europäer in ge- mässigten Breiten und bei längerem Aufenthalt in den Tropen. Das Gleiche gilt von der Urinmenge, welche nur relativ, d. h. im Verhältniss zu der Flüssig- keitsaufnahme verringert ist, dem specifischem Gewicht (1022 bis 1027) und der Reaction des Urins (sauer). Auch charakteristische Veränderungen des Blutes, besonders hinsichtlich der Zahl und Grösse der Blutelemente, konnteo bei gesunden Individuen in den Tropen nicht festgestellt werden; die sogen&nute Tropenanämie ist demnach auch nach der Annahme Plehns eine pathologische Erscheinung. Alles in Allem scheint auch nach Plehns Beobachtungen ein ab- weichendes Verhalten der hauptsächlichen physiologischen Funktionen in den Tropen nicht zu bestehen.

III. Die Malaria in Kamerun. Dieses Capitel ist mit grosser Aus- führlichkeit behandelt und umfasst nicht allein eine Klinik der Kameruner Malaria, sondern der Malaria der Tropen überhaupt Plehn hat hierbei -seine neuesten ostafrikanischen Forschungen vielfach mit heranzieben können. Inter- essant sind seine Nachprüfungen der Ross (Manson-) sehen Muskito-Versucbe. wiewohl dieselben zu einem positiven Ergebniss nicht führten. Er fand in den mit Malariablut gefütterten Mosquitokörpem die grossen pigmentirten Amoeben nach 2 3 Stunden nach der Aufnahme lebens- und beweguogs- fähig; doch konnte er „sporulationsähnliche Vorgänge“ bei ihnen nicht beobachten: „nach *4 b Stunden waren die Parasiten ausnahmslos abgestorben, uufarbbar und unbeweglich, soweit sic sich in den veränderten Blutkörpern überhaupt noch er^ kennen Hessen .... Nach noch kürzerer Zeit starben auscheineud die kleinen pigmentlosen amöboiden Formen ab", nämlich schon nach */* Stunde. Halbmonde erweisen sich als widerstaudfähiger; doch konnte die Umwandlung derselben in die ovaläre oder anuere Formen (Ross) ebenfalls nicht bestätigt werden. Auch die Versuche, durch mit Malariablut gefütterte Mosquitos, beim Menschen, eine Infection hervorzubringen, ergaben kein ein wandsfreies Resultat. Immerhin mag die Möglickeit, dass solches einmal geschehen könne, zugegeben werden. Doch sprechen die Kameruner Verhältnisse ganz und gar dagegen, dass dieses etwa der gewöhnliche lnfectionsmodus sei. Auch die Trink wasser- thoorie erfährt durch die Kameruner Beobachtungen keinerlei Stütze. Mit be- kannter Vorliebe verweilt der Verf. bei dem „Schwarzwasserfieber“. Die zahl- reichen aufgeführten Krankengeschichten, z. Thl. mit den dazu gehörigen Sectioo*- protokullen lassen an Ausführlichkeit nichts zu wünschen übrig. Interessant ist der Hinweis, dass das Schwarzwassel lieber durch das gelegentliche Auftreten von Herzthront bösen, intra vitam durch Spitzengeräusch wahrnehmbar, sehr an-

II. Besprechungen und IJtteruturangabon.

365

günstig komplicirt werden kann. Wie bei dem Sch warzwas.se rfiebcr so nimmt Plehn übrigens bei jedem Malariafieber in mehr oder weniger ausgesprochenem Orado, einem Zerfall rother Blutkörperchen an und erblickt event. darin sogar (wie Kef.) die direkte Ursache des Fieberanfalls. Neben dem Schwarzwasserfieber ist auch der eng damit zusammenhängenden Chininbaemoglobinurie ein breiter Raum gewidmet, ohne dass es mit Bestimmtheit ersichtlich ist, ob I’lebn diese beiden Begriffe vollkommen identificirt.

Zwei weitere Capitel sind den nicht auf Malariainfection beruhenden Krank- heiten und den allgemeinen sanitären und hygienischen Verhältnissen der Kameruoküste gewidmet. Hervorzubeben ist daraus ein Fütterungsversuch bei 2 Affen mit den Embryonen der Ftlaria medinensis, welche bei einem Affeu anscheinend ein positives Ergebnias hatte, und wodurch dio Uebertragbarkeit des Guineawurms durch den Genuss von embryonenhaltigem Wasser, ohne das Dazutreten von Zwiscbenwirtben, bewiesen erscheint.

Die sanitären Erfahrungen bezüglich der Colonisationsaussichten von Kamerun fasst Plehn dahin zusammen, dass von dem ungesunden Küstengebiet ein Rück- schluss auf die Verhältnisse der höher gelegenen Partien der Coloniu nicht statt- haft sei. Hier kommen, wie schon auf der Yaundestation ersichtlich, weit günstigere sanitäre Verhältnisse in Betracht, und bleiben in dieser Richtung weitere Beobachtungen Vorbehalten. Eine Acclimatisation des Europäern an der Küste sei nicht denkbar.

0. Schellong.

Pestnachrichten.

Der Monat September hatte mit 1800 Erkrankungen an Pest in Bombay den höchsten Stand der Seuche bezeichnet.

In der ersten Octoberhälfte hielt die Zunahme der Krankheit iu Bombay an. Am 3. October wurdon 209 Todesfälle für die verflossene Woche gemeldet, aus der ganzen Präsidentschaft aber 4000. Besonders heftig trat die Epidemie in Bangalore auf. Der Stand blieb in der ersten Octoberhälfte fast unverändert, am 17. October berichtete Bombay 200 Todesfälle und die Präsidentschaft 4300. Iu Mysore und Baroda trat die Krankheit stärker auf. In Nordmdien erlosch die Seuche, Kalkutta wurde in der zweiten Octoberwoche amtlich für pestfrei erklärt. Mitte October machte sich eine leichte Besserung bemerkbar, soweit die Stadt Bombay in Betracht kommt, denn am 25. October wurden dort 118, am

1. November 98 Pesttodte für die Woche festgestellt, in der Präsidentschaft aber noch 4700 bez. 5000. In verschiedenen Landestheilen nimmt nach Mittheilungeu aus Madras vom 19. Nov. die Seuche stark zu. In Samarkand wurde nach einem Berichte vom 22. October die Pest in dem Dorfe Anzob amtlich zugegeben, wo- hin dieselbe anscheinend durch von einer Karawane eingehandelte Kleidungs- stücke verschleppt worden ist. Die Krankheit hatte bis zu dem genannten Tage schon 32 Opfer gefordert, die örtliche Begrenzung ist jedoch gelungen, denn am

2. November waren von den noch vorhandenen 14 Kranken 9 genesen, 4 ge- storben, ein neuer Fall kam am 6. November hinzu, sodass noch 2 Kranke iu Behandlung verblieben. Bia Jütte November sind dann keine weiteren Er- krankungen vorgekommen.

Digifized by Google

366

II. Besprechungen und Litteraturangaberi.

In Wien starb am 19. October der Laboratoriumsdiener Bariscb. weich« sich beim Reinigen der Käfige für Versnchsthiere angesteckt hatte; der ihn be- handelnde Arzt Dr. Müller und die pflegende Wärterin Pecba erkrankten h(M darauf und wurden am 23. bez. 80. October Opfer ihres Berufs. In Folgt strenger Isolierungsmaassregeln sind weitere Erkrankungen nicht voigekommea

M

b) Pathologie und Therapie.

Malaria.

Noles sur le paludisme obssrv* ä Dakar (Sdntgall. Clarac. Annales d'hygieot et de medecine coloniales 1898 p. 9.

La Situation de Dakar comme port d'escale donne aux observations de 1L Clarac un interet particulier. Les tronpes europeennes de Dakar et des camp! representent, avec les fonctionnaires et les employes de commerce, un total ie hnit Cents Europeens environ, qui presque tous se font soigner ä Fhüpital.

La dysenterie, la diarrhee sont rares parmi cette populaüon, et prae que toujours benignes; Dakar est en effet pourvu d'une bonne distribution d'eaa. et l’on pourrait considerer cette rille comme une des stations coloniales les plus saines, si le paludisme n’y regnait en maitre pendant quatre ou cinq moa de l'annee (Aoüt Novembre).

Dn des traits principaux du paludisme ä Dakar est sa disparition k peu pr» oomplete pendant les septs premiers rnois de l'annee, et l'explosion brusque dimt Epidemie violente vers la fin de la saison des pluies et dans les mois qui lui sac- cedent. La morbidite s'eleve alors k 100 % de la population blanche.

Les malades, k ce moment, ne presentent d’ordinaire pas les trois stad« bien tr&nches de l'acces paludeen classique. Celui-ci ne s’ubserve guere qu'aa debut de la saison seche, chez les sujets anterieurement impaludes, surtout eher les cachectiques. In fievre remittente avec temperatures plus ou moins elevees. mais prolongee avec des periodes de remission plus ou moins nettes, est ie type le plus frequent. Selon le moment et surtout selon le sujet, ce type s’accompagi» de symptömes bilieux, parfois tres marques. Le frisson du debut manque sw- vent ou passe in aper,- u.

La periode febrile dure trois ou quatre jours; la temperature, quelle que soit dailleurs la medication suivie, tombe ä la fin du troisieme jour ou *- oommencement du quatrieme.

Dans certains cas, soit parce que la remission, tres courte, a passe inapervue. soit par 1 Intervention d’acces subintrants, ia fievre affecte la marche continue et le trace thermometrique a de grandes analogies avec celui de la fievre typhoid«. Toutefois ces cas sont rares et l auteur considere comme rares k Dakar lee maai- festations de la veritable infection typhoide.

Notons qne chez tous les malades qu'il ränge sous la rubrique du Psiu- disme, Fauteur a pu constater la presence de l'hematozoaire de Laveran; mais il ne donne auctui detail sur Im forme« parasitäres obeervees et il ne fait aucsa rapproehement entre ces formes et la marche de la temperature ou les pbeoo- menes subjectifs observos.

Les acchs percicieux ont ete plutöt rares, et la mortalite, assez faible. aa

Digitized by Google

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

36t

pas depasse 2, IS pour 100 cas de fievre paludeenne.

Quant aux causes de cette explosion si soudaine du paludisme, l'auteur les trouve surtout dans l’impregnation, par les pluies, des couches superficielles du sol, forme de roches poreuses, riches en fer, impregnatioa suivie d une Evaporation assez considerable, les ondees etant presque toujours Separees par des periodee de plusieurs jours sans pluie.

L'auteur consacre un cbapitre special 4 l'etude de la fievre hemoglobi- nurique, endemiquj 4 Dakar, eile parait etre cependant moins frequente que ne l’ont dit d’anciens auteurs.

M. Clarac a constate au spectrosoope la presence de l’hemoglobiue dans l'urine de oas malades toutes les fois qu’il l'a recherchee; l’examen microscopique lui a montre l'absence d’hemorrhagies renales et, du cöte du sang, la brusque destruction des globules rouges, dont le nombre peut tomber 4 1000000 seule- ment au ’oout de 24 4 48 heures. Mallieureusement il ne parait pas avoir re- cherche, chez les 27 malades qu'il a observes, la presence dans le sang de l'he- matozoaire de Laveron ou de tout autre parasite. Du moins il est muet sur ce point. tout en se prononyant, apres discusaion, pour le rattachement de la fievre hemoglobinurique au paludisme. Signalous un fait interessant observe 4 Dakar, c'est que l’hemoglobinurie n’apparait pas dans cette ville, au cours de i’epidemie annuelle de fievre remittente; eile se montre surtout dans tout le Senegal de Decembre 4 Avril, c’est 4 dire 4 un moment les statistiques hospitalieres in- diquent que le paludisme a commence 4 disparaitre ou a disparu 4 peu pres com- pletement Mais chez les malades observes par M. Clarac il y avait eu anterieure- ment des attaques de paludisme et pour cet auteur 1'iufection paludeenne chro- nique et l’empreinte qu’elle laisse dans l’organismo constituent tout au moins cne cause predisposante tres importante de la fievre hemoglobinurique.

Quant 4 la fievre jaune, qui s’est montree au Senegal, et 4 laquelle certains observateurs ont cru pouvoir rattacher la fievre hemoglobinurique, M. Clarac la oonsidere oomme absolument distincte. D signale l'app&rition de l’ictere comme precoce et brusque dans l'bemoglobinurie et comme tardivo dans la fievre jaune, le facies au debut est rouge acajou, avec injection des sclerotiques.

La mortalite de la fievre hemoglobinurique 4 Dakar s’est elevee, de 1892 4 1896, 4 80% du nombre des cas observes.

M. Clarac discute la question du traitement. Presque toujours, l’hemoglo- binurie etant preoedee d’acces febriles semblables aux acces paludeens ordinaires, le malade a dej4 pris de la qu'nine quand lemission d'urines colorees vient pre- ciser le diagnostic. Des lors M. Clarac renonce 4 la quinine si, ce qui arrive souvent, la temperature baisse; l’encombroment des reins, l'anurie est aussi une contre-indicatioD. Si la fievre persiste il donne des doses moderees, seit par jour 1 gramme ou 1 gr. 50 par la bouche ou 0,75 4 1 gramme en injection», en aoutenant, s’il y a lieu, le oeur par la cafeine.

La medication Chloroformee n’a donne 4 l'auteur que des resultats douteux, et n'a pas artete les vomissements aussi sürement que l'ont obeerve d'autres auteurs.

Quant 4 la tisane de Kinkelibah oonsideree 4 la cöte occidentale d’Afrique comme un specifique, eile a ete difBcilement sup[>ortee et sa valeur therapeutique ne r essort pas des essais irregmjers faits par l’auteur. C. F. (Liege.)

Digitized by Google

368

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

Lepra.

Rapport sur lei condition« dana letquellot ta trouvent actuollement los Idpronx h Nouveile Calddonio. L. E. Pierre Annales d’hygieno et de medeciue colo- niales, 1898, p. 149.

La lepre a pris une grande extension a la Nouveile Caledooie non seole- ment dans la population indigene, mais chez les Europeens. L'auteur estime i une soixantaine le. nombre des lepreux d’origine europeenne: les deux tiers eo- viron sont des condamnes trans portes, les autres sont soit des surveillants, sott des colons libres. Quant aux indigenes canaques, les evaluations sont tres diffi- ciles et varient, suivant les auteurs, entre 1500 et 4000 malades. Les Canaques ont conscience de la contagiosite de la lepre, mais ils ne se soumettent quetns difficilement aux mesures d'isolement qui leur sont presentes, et qui comportent une Separation complete d'avec leur tribu; il en res ulte que sur ce nombre ouo- siderable de malades uno ceutaine seulement sont internes dans une leprosene.

Pour remedier k cette Situation, on a propose de creer pour les Canaques des leproseries particulieres, annexees aux villages indigenes et placees sous U surveillance dun officier du corps de sante des Colonies. Une leprosene speciale sera installee pour les blancs dans une des iles. Mais riuternementen'y sera pas obligatoire: « Tout individu qui justifiera de ressources süffisantes pourra etre « autorise ä se faire soigner chez lui, ä la conditiou de se soumettre aux me- « eures antiseptiques prescrites par les medecins. » C. F. (Liege).

Lepra bericht.

Seit den Verhandlungen der Lepraconferenz ist auf unserem Gebiete eine gewisse Ebbe eingetreten und die Ausbeute in der Literatur nur eine geringe.

Die Untersuchungen über den Leprabacillus und über die Histologie der Lepra von V. Babes (Berlin, Karger, 1898, 8 M.) sind die directe Frucht der Lepraconferenz. Denn diese gab dem Verf. nur wenig Ge- legenheit, auf seine Befunde näher einzugehen. Wohl aber konnte er eine An- zahl von Präparaten unter dem Mikroskop und mittelst Projection demonstrier. Daher empfahlen ihm zahlreiche Mitglieder der Conferenz, seine Befunde genau abzubilden und zu beschreiben. Diesem Wunsche kam er um so bereitwilliger nach, als seiner Ueberzeugung nach einstweilen, bis es gelingen wird, positive Kultur- und Thierversuche mit Leprabacillen anzuführen, die pathologische Histologie der Lepra berufen ist, uns in manchen allgemeinen und practischec, die Lepra betreffenden Stadien eine sichere Basis zu gewähren.

Ausser den anschaulichen Bildern der Histologie der Lepra kommen be- sonders eine Reihe practischer an diese Untersuchungen sich anschliesseuder Fragen in Betracht} welche Babes näher betrachtet und zu beantworten sacht. Dass der Leprabacillus die Ursache und zwar die alleinige Ursache der Er- krankung ist, wird wohl heute kaum mehr angezweifelt. Die Fälle, in welchem der Bacillus nicht gefunden wurde, sind auf diagnostische oder Versuchsfehler oder darauf zurückzuführen, dass die Stellen, an welcher die Bacillen sitzen, nicht entdeckt wurden. Weniger wahrscheinlich ist die Annahme, dass die Bacillen periodisch verschwinden und wieder auftauchen köuneu.

Ob der Leprapilz ein Bacillus ist, hat hauptsächlich theoretisches, botanisches

II. Besprechungen '»«1 litteraturon gaben.

369

Interesse. Viele Anzeichen sprechen dafür, dass der Leprapilz mit dem Tuberkel- pilz verwandt ist. Auch der von Babe« erbrachte Nachweis, dass der Lepra- bacillus eine tuberkulinartige Substanz enthalt, und dass der Lepröse auf Tuberkulin allgemein und local reagirt, sind weitere Beweise für diese Annahme. Babes konnte auch beim Leprabacillus Kolbenbildung und Verzweigungen wie beim Tuberkelpilz nachweiscn. Die feinere Structur des I/eprapilzes ist jener des Tuberkelpilzes sehr ähnlich, dennoch ist es leicht auf Grund der Form, der eigentümlichen Färbungsweise, sowie der Topographie der beiden Bacillen, be- sonders der eigentümlichen Coloniebildung des Leprabacillus, dieselben scharf zu unterscheiden. Ein richtiges Unterscheidungsmerkmal der beiden Bacillen be- steht noch dariu, dass es bisher nicht gelang, einwandsfrei Culturen des Lcpra- bacillus zu gewinnen und denselben auf Thiere zu übertragen.

Bemerkenswert ist, dass Babes bisher in allen tödtücben Fällen von Lepra und oft auch im Lebenden Bakterienassociationen namentlich mit Eiter- coccen und diphteroiden Bacillen fand. Unter den letzteren constatirto er fast regelmässig eine nach Ehrlich nicht gänzlich entfärbte Form, welche auch mikroskopisch dem Leprapilz ähnlich erscheinen kann.

Der von Babes erbrachte Nachweis des Vorhandenseins der Bacillen in den Haarfollikeln und an der Oberfläche der Haut, dann in den verschiedenen Secreten, sowie der massenhafte Bacillengebalt des Geschwürseiters Lepröser, spricht für die Möglichkeit einer Infection durch einfachen Contact. Dennoch aber hält Babes eine Erkrankung auf diesem Wege, ja sogar durch Impfung mit Bacillenmaterial durchaus nicht für einwandsfrei nachgewiesen. Es sei un- zweifelhaft, dass die ausgeschiedenen Bacillen zum Theil lebensfähig sind, zum Zustandekommen der Infection seien aber offenbar noch andere Momente nothwendig.

Nach Babes Anschauung sind wir nicht im Stande, die Wege zu be- stimmen, auf welchen die Invasion der Bacillen in den Organismus stattfindet. Wahrscheinlich können äussere Verletzungen oder die Ausführungsgänge der Drüsen als solche angesehen werden, vielleicht auch die Tonsillen, sowie jene Schleimhäute, wie die Nasenscbleimhaut oder die Conjunctiva, an welcher primäre Leprome gefunden werden. Die tieferen Verdauungs- und Bespirationswege kommen für die Infection vielleicht ebenfalls in Betracht, während in einzelnen Fällen primäre Leprome an den äusseren Genitalien (Kaposi) auch für die Möglichkeit eines Eindringens der Bacillen auf geschlechtlichem Wege hinweiseo. Die lufectionswege sind bei Nervenlepra noch dunkler, es wäre ja möglich, mit Dellio die hyperämischen Flecken bei derselben als primäre Leprome aufzu- fassen, von welchen dann die Invasion der Hautnerven erfolgen würde. Doch wissen wir andererseits durch Philippson, dass derartige Flecken auf metasta- tischem Wege ztt Stande kommen können und also vielleicht immer eine secun- däre Localisation darstellen könnten. Als Wege dagegen, auf welchen die Bacillen den Organismus verlassen können, sind uns die meisten Secrete und Excrete, vielleicht mit Ausnahme des Harns, bekannt.

Merkwürdig ist, dass die Gewebszellen sich dem Eindringen der Bacillen gegenüber auffallend indiffereut verhalten. Was die Streitfrage betrifft, ob die l>eprabacillen innerhalb oder ausserhalb von Zellen liegen, so ist Babes in Uebereinstimmung mit fast allen Lepraforschern aber im Gegensätze zu Unua der Meinung, dass die Bacillen sowohl iutra- als extracellulär vorkommeu. Die

Digitized by Google

370

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

hauptsächlichste Wirkung des Leprabacillus auf die Zelle besteht in Vergrösserang. Vacuolisirung, Pigmentschwund, Kernseguientirung und Fragmentirung, manch- mal Durchtränkung des Protoplasma mit säurefester Substanz und in Bildung fettartiger, sowie gelblicher homogener Massen im Protoplasma.

Babes glaubt nicht, dass die Nervenlepra stets durch lepröse Veränderungen der Hautnerven im Niveau der Flecken und aufsteigender Bacillen in entsprechen- den Nervenstämmen (Dehio), noch durch die von Jeanselme in einzelner Fällen gefundenen Veränderungen der weissen Substanz des Rückenmarks xn erklären sei.

Auf die Frage, inwiefern sich die histologischen Ergebnisse der Lepra- forschung für die Therapie der Krankheit verwerthen lassen, bemerkt Babes, dass diu Verwandtschaft der Bacillen mit den Tuberkelbacillen in Betracht komme. Weiter spricht er sich ziemlich günstig über die Wirkung des Tuberkulin, wis Referent freilich nach seinen eigenen Erfahrungen nicht bestätigen kann. Pie von Babes beobachtete augenfällige Besserung, Abflachung und Erblassung der Leprome beobachtet man eben nach den verschiedensten aber durchaus nicht specifischen Maassnahmen. Von der Surumbehandlung nach Carasquilla er- wartet auch Babes keine wesentliche Beeinflussung des Lepraprocesses.

Für die Prophylaxe der Lepra, glaubt Babes, wird erst dann ein sicherer Boden gewonen werden können, wenn es gelungen ist, die Existenzbedingungen des Leprabacillus zu erforschen. Die Isolirung der Kranken, namentlich in zweckmässigen Asylen wird umsomehr von Nutzen sein, als die Entfernung der Leprösen aus ihrer Familie wohl am wirksamsten die Verbreitung dieser exqui- siten Familienkrankheit hintanbalten wird. Ueberhaupt ständen ja bei der ge- ringen Anzahl von Leprösen in Europa und bei deu in der Regel schlechten socialen Verhältnissen derselben deren Internirung in Asylen viel weniger Schwierigkeiten entgegen, als jener der Tuberkulösen,

Bemerkenswerthe Untersuchungen über die Verbreitung der Lepra- bacillen von den oberen Luftwegen aus liegen von Schäffer aus der Breslauer dermatologischen Universitätsklinik (Ach. f. Dermat. u. Syph. Bd. 44) vor. Man hatte sich schon vielfach mit der Ausscheidung der Leprabacillen be- schäftigt, indess bezogen sich diese Untersuchungen hauptsächlich auf die Haut Wenn uns allerdings neuere Untersuchungen gelehrt habenv dass eine Bacillen- abgabe auf diesem Wege vorkommt, so scheint sie doch nicht allzu gefährlich xu sein, da ja eine Uebertragung auf andere für gewöhnlich nur durch Be- rührung oder indirect durch Wäsche, Kleidungsstücke, Gebrauchsgegenstände etc. zu Stande kommen könnte. Ferner sind die Bedingungen für eine längere Er- haltung der Lebensfähigkeit nicht sehr günstig, da wahrscheinlich die Lepra- bacillen bei längerem Aufenthalt auf der trockenen Epidermis allmälig absterben. Dagegen wurde bisher ein Weg der Ausscheidung der Leprabacillen ganz ver- nachlässigt oder viel zu wenig beachtet, der aus mehrfachen Gründen bedeutungs- voller als die übrigen Arten der Bacillenabgabe an die Aussenwelt erscheint, die Verbreitung der Mikroorganismen von den Schleimhäuten der oberen Respirations- wege, insbesondere der beim Sprechen betheiligten Organe.

Die leprösen Infiltrate sind zumal bei der tuberösen Form sehr häufig der Schleimhaut des Mundes, der Nase und des Kehlkopfes localisirt und ent- halten ausserordentlich grosse Bacillenmengen. In der That ergab nun die Untersuchung, welche Schäffer an 2 Patienten mit tuberöser Lepra aus dem

II. Besprechungen und Litteratu ran gaben.

371

Memeler Bezirk aufstellte, ganz überraschende Resultate. Zherst wurde die practisch wichtigste Frage der Bacillenausscheidung beim gewöhnlichen Sprechen geprüft. Die oft wiederholten Untersuchungen gaben stets positive Resultate, ln 10 Minuten wurden mehrere Tausend gut färbbarer Leprabacilien ausgeworfen. Bei einigen Versuchen Hessen sich Bacillen in einer Entfernung von 1 '/» Meter nachweisen, nach längerem Suchen auch noch in etwas grösserem Abstand.

Es wurden ferner auch von Schaffer Versuche über die Möglichkeit, durch therapeutische Maassnahmen, dem Auswerfen von Bacillen Einhalt zu thun, angestellt. Am meisten schien noch eine gründliche Ausspülung der Mundhöhle mit nachfolgender Aetzung der zugänglichen erodirten oder ulcerirten Flächen mit dem Argentum nitricum-Stift zu bieten. Indessen waren doch noch stets mehrere hundert Bacillen nach 10 Minuten langem Sprechen auf den Objectträgern nachweisbar; auch nahm die Zahl der ausgeworfenen Bacillen schon nach einigen Stunden wieder erheblich zu.

Beim Husten konnte Schaffer eine geringere Verschleppung der Bacillen constatiren. Auch die Exspirationsluft wurde auf ihren Gehalt an Leprabacilien geprüft. Sie kann im Allgemeinen als baclllenfrei bezeichnet werden. Auch beim Niessen werden ausserordentlich zahlreiche Leprabacillen entfernt, die Mikro- organismen werden hierbei noch weiter verbreitet als bei Sprech versuchen.

Darnach kommt Schaffer zu dem practisch sehr wichtigen Ergebnisse, dass von Leprösen mit Schleimhauterkrankungen, die nicht etwa als ungewöhn- lich hochgradig anzuxehen sind, Tausende von Bacillen beim Sprechen, Räuspern, Husten und Niessen in weite Entfernungen verbreitet werden, und dass diese Bacillenverschleppung durch therapeutische Maassnahmen nicht zu verhindern ist.

Hiernach erörtert Scbäffer die Frage, welche Bedeutung diesen Be- funden znkommt Diese grösste Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass die aus- geschiedenen Bacillen lebensfähig sind, zumal sie in feuchtem, schleimigen Stadium nach aussen kommen und gerade wegen der Eigenart des Ausscheidungsmodus in kürzester Zeit auf Gesunde gelangen können. Andererseits sieht aber Scbäffer selbst in der Annahme, dass die Bacillen auf dem geschilderten Wege den Körper grossentheils lebensfähig verlassen, hierin noch kein allzusehr be- unruhigendes Moment, weil die klinische Erfahrung stets gelehrt bat, dass die Gefahr der Lepraübertragung thatsachlich ausserordentlich gering ist.

Spronck (In Semaine med. Sept. 1898. La culture du bacille de Hansen et le serodiagnostic de la lepre) hat zahlreiche Colturversuche auf den ver- schiedensten Nährmedien mit dem Leprabacillus angestellt In 3 Fallen von Lepra mixta erhielt er einen dem Leprabacillus morphologisch ähnlichen Bacillus, der zur Serodiagnose dienen könnte. Die Bacillen entnehmen ihren Nährstoff den leprösen Geweben and eignen sich schlecht zu künstlichen Kulturen. Auf Kartoffeln liegen sich noch am besten kleine Colonien bei 38 Grad in 10 Tagen anlegen. Es gelang nicht, die Colonien auf Kartoffeln weiter zu cultiviren, doch wurden sie leicht auf Löffler'sches Gelatinepferdeserum übertragen. Die nnbewegUchen, chromogenen, faculativ aeroben Bacillen gediehen nicht in Fleisch-, wohl aber in Fischbouillon. Die Kultur erzielt einen vom Leprabacillus etwas verschiedenen Bacillos, welcher durch die Flemming’sche Lösung nicht schwarz gefärbt wird und sich bei dem Ehrlich'schen Verfahren schneller entfärbt als dieser. Er ist für Thiere nicht pathogen und dem diphtheritischem resp. pseu- dodiphtheritischen Bacillus ähnlicher als dem Tuberkel bacillus. Das Serum

Digitized by Google

37*2 II* Besprechungen und Litteraturangaben.

Lepröser agglutfnirte mit den cuitivirten Bacillen im Verhältniss von */» bis */,*. bei 3 alten Fällen anaesthetischer Lepra betrug die Agglutination 20 bis 40. Klinische Symptome, Dauer oder Intensität der Krankheit sind hierbei ohne Eia- tluss. Das lepröse Serum bewahrt unter Abschluss von Luft und Licht seine Agglutinationsfahigkeit 6 Wochen, getrocknetes Serum haftet noch nach einem Monat Zur Serodiagnose lassen sich nur frische, lebende Kulturen verwerthen.

Ueber viscerale Lepra berichtet der Referent (Arch. f. Dermat o. Syph. Bd. 43. 1888). In einem Falle von tuberöser Lepra ergab die Unter- suchung von Leber, Niere und Zunge keine Leprabacillen, während dieselben in der Milz geradezu enorm zahlreich waren. Das hierbei gefundene constante Vorkommen der Bacillen in Zelleu und die zunehmende Vacuolisirung dieser Zellen macheu es ausserordentlich wahrscheinlich, dass die Leprabacillen ge- wissermaassen das Zellprotoplasma aufzehren. Man kann mit Sicherheit erkennen, dass die Leprazellen die durch Bacillen masseu veränderten Zellen der Milzfollikel sind. Darnach hält Ref. mit Neisser an der Thatsache der intracellulären Existenz für den überwiegenden Theil der im Organismus befindlichen Bacillen fest. Die Bacillen fanden in meinem Falle unzweifelhaft durch die Lytnphge- fässe und Lymphspalten ihre Vorbreitung. Ref. vermuthet, dass die Milz eine Art Filtrirkörper darstellt und die Leprabacillen aus dem Blute hierhergeschwemmt und deshalb in so grosser Zahl in der Milz zu finden sind, weil sie hier gewisser- maossen unschädlich gemacht und als Depot reservirt werden können. Freilich liege darin auch wieder eine Gefahr, denn jetzt könne bei jeder neuen Steigerung der physiologischen Zellthätigkeit z. B. bei Fieberzuständen aus der Milz wieder ein reichliches Conglomerat von Leprabacillen in die Blutbahn geschwemmt werden und dort Verheerungen anrichten. Vielleicht sei auch so der schädigende Einfluss des Jodkalium bei Leprösen aufzufassen, wie ja auch andererseits der Nachweis von Leprabacillen im Blute während der Fieberattaquen ausschliesslich oder wenigstens leichter gelänge.

Mit der Serumtherapie der Lepra beschäftigte sich ueuerdings Dehi« (St Petersburger Med. Woch. 27, 1898) und A. Grünfeld (Dermat Zeitschr. Bd. V, 1898). Beide bedienten sich des von Carrasquilla empfohlenen Serams, und beide kommen zu verschiedeneu Resultaten. Dehio bereitete sich da» Lepraheilserum durch Uebertragung auf ein Pferd selbst, während Grünfeld das Serum aus der Fabrik von E. Merck in Darmstadt bezog, wohin er primäres Serum von zwei Leprösen seiner Beobachtung gesandt hatte. Dehio hat seme Kranken fast 2 l/i Monate lang mit Seruminjectionen behandelt, aber was die therapeutischen Erfolge anlangt, so bedauert er, erklären zu müssen, dass die- selben gleich Null waren. Kein einziger seiner Leprakranken wurde geheilt j* kein einziger hatte auch nur die geringste. Besserung erhalten. Im Gegensätze hierzu beobachtete Grünfeld bei zwei Leprösen eine bedeutende, ja bei den einen sogar eine erstaunliche Besserung nach der Behandlung. Er ist überzeugt, dass wir in dem Serum ein Mittel haben, welches Nutzen bringen kann. Dehio dagegen hält es für noch nicht bewiesen, dass in dem Carasquilla'schen Heilseron-, ein specifisches Antitoxin der Lepra vorhanden ist. Er vermuthet vielmehr, das* sich in diesem Heilserum Proteine, Albuinosen und sonstige nicht specifische Eiwei8öderivate vorfinden, welche die von Carasquilla beschriebenen Ver- änderungen bewirken und die Resorption der leprösen Infiltrate und die Heiluugavorgänge an den leprösen. Geschwüren hervorzurufen vermögen. Er

Digitized by Google

II. Besprechungen und LitteraturangabeD.

373

sieht hierin ein Analogon der Tuberkulinwirkung und die Zukunft müsse lehren, ob die therapeutischen Erfolge Carrasquilla’s auf die Dauer Vorhalten werden oder ebenso vergänglich sind wie die Effecte des Tuberkulin.

Eine interessante Mittheilung liegt von Dr. J. A. Yoorthuis (Apeldoorn) vor (Experiments with Dr. Unna's new method of treating leprosy. Janus. Juli-August 1898). Verf. practicirte in Deli an der Ostküste Sumatras, i. J. 1894 hatte er mehrere Europäer wegen Lepra io Behandlung. Die Erkrankung ist daselbst unter den . chinesischen Kulis und den Tabakspflanzern sehr häufig. Unna hatte nun gefunden, dass eine Substanz im menschlichen Körper existire, welche eine vollkommene Immunität gegen den Leprabacillus zeigt, die Muskel- subetanz. Verf. glaubt, dass es von der grössten Wichtigkeit wäre, Lepröse mit einem Präparat zu behandeln, welches aus Muskelsubstanz bestehe. Er benutzte dazu Valentine’s meat juice in Form von subcutanen Injeetionen. Der Erfolg war ein negativer. Dann brachte er die Substanz direct in das Blut duroh intravenöse Einspritzungen. Hier schien der Erfolg ein besserer zu sein. Es wurde begonnen mit 0,2 ccm Meat juice, welches mit der gleichen Menge künstlichen Serum (NaL chlorat, 0,5 Natr. pbosphor. bas. 0,1 Aq. dest 100,0) verdünnt war. Es wurden 4 Fälle bei chinesischen Kulis nnd Tabakspflanzern behandelt. Wenn der Erfolg auch kein sehr grosser war, so konnte doch immer- hin eine bemerkcnswerthe Besserung des Allgemeinzustandes und Zurückgehen einzelner Knoten constatirt werden. Jedenfalls scheint es ihm von Wichtigkeit, eine weitere Prüfung der Muskelextracte auf die Lepra vorzunehmen. Einen genaueren Bericht darüber wird noch Dr. Broee van Dort aus Rotterdam ver- öffentlichen.

Schliesslich sei noch ein Artikel von Prof. Sommer in Buenos Ayres (La Settimana medica. 28. Juni 1 898) erwähnt. Er weist darauf hin, dass in heissen Gegenden die Lepra da am häutigsten ist, wo viel Wasser und daher zahlreiche Mosquitos existiren. Auch Kaposi berichtete auf der Lepraconferenz zu Berlin (Oct. 1897. Bd. II, S. 69) von einem Menschen, welcher bis zu seiner Fahrt im Suczcanal nichts au sich wahrgenomtnen hatte und während dieser Fahrt an seinem Finger ein Bläschen bekam. Er nahm an. dass vielleicht eine Mücke ihm gestochen haben könnte. Unmittelbar darauf entwickelten sich die Er- scheinungen der Lepra.

Max Joseph (Berlin).

Pocken.

Mlsilon« de meine au Cambodge. J. Nogud. Annales d'hygiene et de medecine coloniales, 1898, p. 169.

La variole est tres-frequente au Cambodge, eile existe depuis un temps jmmemorial: endemique dans toute l'etendue du royaume, eile revet frequemment le caractere epidemique. I/es indigenes connaissent bien Ie caractere contagieux de cette maladie, mais ils ignorent les fa^ons variees dont se fait la contagion et, leur incurie naturelle aidant, le fleau fait d enormes ravages. On peut estimer ä 90 pour 100 la proportion des enfants qui en sont atteints; la mortalite est considerable et atteint 60 ä 70 pQU1- 100 du nombre total des malades.

Digitized by Google

374

II. Besprechungen und Idtteraturangaben.

Depuis quelques annees les medecins cambodgiens ont com mente ä pratiquer la variolisation, suivant en cela l'exemple des Chinois et des Malais: ils prennent du pus varioleux sur des sujets porteurs d une variole benigne, et avec la pointe d’un couteau ils font trois scarifications assez profondes ä chaque bras, determi- nant ainsi de 1 arges cicatrices de la dimension d une piece d un fr&nc; les paysan* paient au medecin cambodgien une piastre par enfant ainsi variolise.

M. Nogue a entrepris de nombreux voyages dans l’interieur pour pratiqoer des vaccinations jenneriennes; il employait le vaocin prepare ä l’institut de Saigon (Cochinchine); son rapport, tres dctaille, rend compte des difficultes multiples qa'il a rencontrees dans raccomplissement de sa mission. On regrette de devoir oompter parmi ces difficultes l’indifference ou 1’opposition de divers resident» en- ropeens. II est ä remarquer que des le debut la population chinoise s'est moo- tree beaucoup moins refractaire que les indigenes cambodgiens k l'adoption de U vaccination. Dans ces derniers temps meine, les medecins chinois exenjant au Cambodge ont une tendance tres marquee ä abandonner la variolisation et k pratiquer la vaccination europeenne; ils achetent ä Singapore du vaccin provenant de rinstitut frau^ais de Saigon. # C. F. (liege).

Parasitäre und Hautkrankheiten,

M. E. Odrlosola, Professeur ä la Faculte de medicine de Lima. La maMie da Carrion ou la vtmiga pdruvienne. Carre et C. Naud, Paris 1898.

Die in Peru unter den Indianern endemische Krankheit Berrugas oder Verruga, maladie de Carrion (nach einem Studenten der Medicin genannt, welcher sich den Ansteckungsstoff einimpfte und 39 Tage später an der Krankheit zu Grunde ging), ist auf Bezirke der Departements von Aniacks und Lima be- schränkt, und zwar hat sie ihren Sitz in bestimmten „Quebradas“, tiefen von Flussläufen durchquerten Gebirgseinschnitten mit tropischer Hitze und Vegetation.

Die Einwohner dieser Quebradas bleiben von der Krankheit verschont oder sind nach einmaligem Ueberstehen derselben immun. Für den Fremden bringt eio Aufenthalt von wenigen Stunden die Gefahr der Infection mit sich. Ausser dem Menschen werden auch Hund, Pferd, Maulesel, Lama, Esel, Kuh, Schwein, Huhn und Puter befallen, besonders schwer meist die Einhufer.

Eine Epidemie mit erschreckender Sterblichkeit breitete sich bei Gelegen- heit von Vorarbeiten für die Oroya-Eisenbahn aus.

Die Inkubationsdauer schwankt zwischen 15 und 40 Tagen. Als Vorläufer treten Kopfschmerz, Hinfälligkeit, Gelenk- und Muskelschmerzen, besondere in den Beinen, auf. Nach Verlauf von weiteren 8 10 Tagen bricht Fieber mit einmaligen oder wiederholten Schüttelfrösten unter Steigerung der Schmerzen bis zur Unerträglichkeit auf.

Den Verlauf kennzeichnet schwere, schnell sich steigernde Anämie bisweilen verbunden mit vielfachen Hämorrhagien, Schwindel und Ohnmächten. Leber und Milz sind geschwollen ebenso wie die meisten Lymphdrüsen.

Deliren und Koma mit schweren Erscheinungen von Seiten der Lungen uod des Verdauungssystems stehen gegen Ende im Vordergründe des Krankheitsbflde*

Ein Symptom der Krankheit ist das Auftreten der eigentlichen verruga „der Blattern der Anden“ (bouton des Andee). Es giebt indessen Fälle, welche k

II. Besprechungen und Litteraturangaben.

376

schnell verlaufen, dass dieses Symptom nicht zum Ausbruch kommt. Tritt die Eruption deutlich hervor, so bessern sich die Allgemeinerscheinungen. Es giebt auch Fälle, in denen die Krankheit bis zum Ausbruch der verruga milde ver- läuft und sogar unbemerkt bleiben kann. Die genaue Nachfrage vermag aber auch dann die Vorläufer des Exanthems meist festzustellen: Mangel an Appetit, Schwäche, unerklärliche Anämie, unbestimmte Schmerzen in den Gliedern, Oedeme der Unterschenkel, subfebrile abendliche Temperaturstoigerungen. Un- gewöhnlicher ist das Auftreten eines rheumatoiden Tortikollis, von Haemoptoe oder pseudotabiscben Symptomen. Es wird die miliare oder knotige Form der verruga unterschieden.

Die miliare Verruga kann sich aus einer Patechie entwickeln, über welcher sich eine rothe, spitze Pustel von glänzendem Aussehen erbebt ln anderen Fällen sehen die Anfangs tstadien wie Thautropfen oder Sch weissperlen aus und gewinnen später das Aussehen eines Variolabläschens, bisweilen bilden sie eine weisse matte Erhebung.

Die Grösse variirt zwischen der eines Stecknadelknopfes und einer Erbse, der Inhalt ist röthlich, bisweilen weinroth. Die grösseren neigen zur Stiel- bildung. Nach verschieden langem Bestehen stösst sich die Epidermis ab, die Knötchen bluten dann und verblassen. Grössere zerfallen schnell und be- decken sich dann mit braunen Borken. Bisweilen trocknen kleine Bläschen ein, ohne sich zu öffnen und verschwinden spurlos.

Das Exanthem tritt zuerst an den unteren Gliedurmaassen auf und breitet sich in Schüben meist symetrisch aufsteigend auf den übrigen Körper aus. Der Ausbruch ist mit Jucken und selbst Schmerzen verbunden. Prädilectionsstellen sind: vordere Seite der Ober- und Unterschenkel, Hinterseite der Vorderarme, Stirn, Backen, Ohr, Nase. Am Knie und Ellenbogen bilden sie häufig warzige Auflagerungen.

Alle Schleimhäute werden von der miliaren Form befallen, besonders die Conjunctiva. Bei Autopsien werden miliare Knötchen in allen Organen gefunden.

Von grossen Knoten (verrugas noduleuses ou mulaires), die aus kleinen Knoten der Haut oder des Unterhautgewebes sehr schnell entstehen, werden be- sonders Gesicht und Gliedmaassen befallen. Farbe und Ferm erinnern an den Milzbrand-Karbunkel, die gespannte Haut ist schmerzhaft, die Knoten werden kugelig und stielen sich. Die Grösse schwankt zwischen der einer Haselnuss und einer Orange. Sie sind von abschuppender Epidermis bedeckt Am Stiel ist die Haut pigmentirt, häufig rissig. Die Oberfläche ulcerirt im weiteren Verlauf, heftige Blutungen und Nekrosen sind nicht selten. Die Eiterung kann in der Tiefe fortschreiten, bisweilen mumificirt die Gesohwulst unter allmäliger Schrumpfung.

Die verrugas mulaires sind auf die Haut beschränkt In den Organen findet man nur miliare Knötchen bis zur Grösse einer kleinen Erbse.

Von Complicationen sind Bronchopneumonien, Darmkatarrhe, Sumpffieber und Tetanus die häufigsten.

Die histologische Untersuchung der miliaren nicht ulcerirten Hautknötcben zeigt reichliche Leukocyteninfilteration auch der Epidermislager. Die Papillen sind zu erkennen: Jede Spur der Drüsen und des Fettgewebes ist verschwunden. Das ganze Knötchen ist von Entzündungselementen eingenommen, von denen

Digitized by Google

376

II. Besprechungen und Litteratu rangaben.

viele in Mitose getroffen wurden. Es fanden sich auch hier und da mit fibrin- armer seröser Flüssigkeit gefüllte Höhlen. Riesenzellen und käsiger Zerfall kommen nicht vor.

Ausser diesen fand sich in den verruga-Knötchen ein Bacillus, welcher unter anderen auch der Weigert-Gram 'sehen und Ziehl'schen Färbung sich zu- gänglich erwies, die Grösse und Form ist den Koch’schen Bacillen fast gleich. Sie liegen meist in den Zwischenräumen, seltener in Zellen und verursachen nie- mals Riesenzellbildung.

Im Blut fand der Verfasser gemeinsam mit einem Schüler einen kurzen Bacillus (de 2 ä 5 p). Die Bacillencultur brachto denselben zur Entwicklung. Iinpfversuchc an einem Hunde waren erfolglos.

Das Werk ist mit Abbildungen und Karten vortrefflich ausgestattet.

Dr. Drüner.

Discovery of tho parental ferm ef a British Guiana bloodworm. By C. W. Daniela.

British Medical Journal. April 16. 1898. p. 1011.

Die erwachsene Form einer der kürzlich von Patrick Manson bei Indianern beschriebenen Filaria hat D. bei der Section von zwei Indianern entdeckt, bei denen die embryonalen Formen während des Lebens im Blute vorhanden waren. Die erwachsenen Formen fanden sich im Mesenterialfette und in der Umgebung des Pankreas, bei der einen Leiche auch im subperitonealen Fett.

Victor Lehmann.

The Texas Screw-Worm. Leading Artide. The New-York-Medical Journal 1898 Vol. LXVII. Nr. I.

In der Decombemummer der Zeitschrift „The Laryngoscope“ sind mehrere Artikel über die Störungen enthalten, welche der sogenannte Texas-Schrauben- wurm im menschlichen Organismus, besonders in der Nase und den Nachbar- höhlen, hervorrufen kann. Nach Dr. Goldstern ist der Schraubenwurm die Urre von Coinpsomyia (Lucilia) macellaria, er ist •/* Zoll lang. V* Zoll breit, aus ea- zelnen Segmenten aufgebaut , zwischen welchen Borsten ringförmig angeoidnet sind, wodurch ein schraubenähnliches Aussehen bedingt wird. Die einzelnen Entwickelungsstadien des Wurmes werden in der Goldstein’schen Arbeit durch Abbildungen illustrirt, entlehnt dem Bulletin of the Texas Agriculture Experi- ment Station (1890). Menschen mit Ozaena, Otorrhoe sind besonders gefährdet; die Larven haften sehr hartnäckig an den Geweben und sind oft nur schwer zc entfernen, am leichtesten gelingt die Beseitigung der Larven nach Abtötung durch Chloroform mittelst einer Zange.

R. Pfeiffer-Cassel.

Gelb/Uber,

Sanarelll: L’immuniti e la aieroterapia contro la febbra gialla. (Annali di medi-

cioa navale. Settembre-Ottobre 1897.)

Das zur Immunisirung der Thiere nothwendige Serum wird entweder der Leiche sofort oder kurz nach dem Tode oder durch Aderlass von Recoovate*

Digitized by Google

II. Besprechungen and Litteraturangaben, 37?

oenten entnommen. Znr Immuniairung von Meerschweinchen gegen Gelbfieber sind 6 bis 7 Monate sehr vorsichtiger Behandlung nöthig. Ebenso sind Hunde and Pferde schwer und erst nach langer Zeit za immanisiren. Immerhin hat Verfasser die schützende and heilende Wirkung seines Meerschweinchen-, Hunde- und Pferdeserums erwiesen. Entsprechende Versuche mit normalem 8erulil von Menschen und Thieren haben keine specifische Wirkung desselben ergeben.

Dreyer (Köln).

Sanarelll: Prfme aaperlenzs intorno all’ Implego 4el alere curatito preventlve eontro la fsbbr* glalla. (Annali di medicina navalo. Maggie 1898).

Die Hoffnungen auf eine erfolgreiche 8erumtherapie beim Gelbfieber stützten sich auf die Verhältnisse der Akklimatisation und der Immunität nach Ueberstehen eines einmaligen Fiebers.

Das Serum zur Gelbfieberbehandlung des Menschen muss von einem Thiere gewonnen werden, dessen Serum die Gelbfleberinfection beim Thiere verhütet und heilt. Dieses Serum wirkt bactericid und nicht antitoxisch. Es kann also nur bei frühzeitiger Anwendung von Erfolg sein. Wenn bereits Anurie oder Delirien bestehen, so ist es für die Anwendung des Serums zu spät.

Von acht mit Serum behandelten Kranken starben 4, die nach diesen Grundsätzen hätten ausgeschlossen werden müssen. Ein sehr schwer Kranker, der aber keine Anurie und keine Delirien hatte, wurde gerettet, ebenso drei mittelschwere Fälle. Nach jeder Seruminjection ging die Temperatur herunter. Bei einem Kranken genügte am zweiten Krankheitstage eine Seruminjection, um Abfall des Fiebers und Heilung herbeizuführen. Später hatte Verfasser Gelegen- heit, reichere Erfahrungen in der Provinz S. Paulo zu sammeln. Zunächst wurden 2 Kinder am 2. bezw. 8. Tage des Gelbfiebers in Behandlung genommen. Sie erhielten je 20 und 65 cbm und wurden gerettet Von 6 weiteren Kranken starben 2, von denen einer bereits anuriBche Erscheinungen beim Beginn der Behandlung hatte. Später wurden die Injectionen immer intravenös und in grösseren Mengen gemacht. Hierbei zeigte sich, dass Fiebersteigerungen auf- traten, auf die aber alsbald Remissionen folgten Uebrigens vertrugen die be- ginnenden Fälle und solche, welche an Affectionen der Milz und Leber infolge von Malaria oder an Herzmuskelerkrankungen litten, diese Injectionen schlechter. Von 22 mit Serum behandelten Kranken starben 6. Diese 27 % Mortalität hält Verfasser für einen Erfolg der Serumtherapie, da die Mortalität beim Gelbfieber sonst 45 bis 50*/o im Mittel beträgt und bei der vorhandenen Epidemie 80% erreichte. Auch der prophylactische Werth des Serums konnte in einem Ge- fangniss erprobt werden, in derh Gelbfieber ausgebrochen war, das mit der propbylactischen Impfung der übrigen Insassen sistirte.

Es ist beschlossen, ein Institut für Serumtherapie des Gelbfiebere in der Hauptstadt von S. Carlos de Pinhal zu errichten.

Dreyer (Köln).

lirri-Berri.

Walther K. Hunter, A contrlbutlon Io tha etiology of btri-berl. The Lancet 1897.

July 31. S. 240.

Derselbe, A nolt on the »tlology of borl-beri. Ebenda 1898. June 25. 8. 1748.

Verf. bricht in diesen beiden Arbeiten eine Lanze für den Pekelharing- Archlv t. Bchlffi- u. Tropenhygiene. 11.

Digitized by Google

378

EI. Besprechungen und Litteraturangaben.

and Winkler’ sehen Beriberi-Coccus, welcher in den letzten Jahren schon tut der Vergessenheit anheim gefallen schien. Es gelang Hunter in Glasgow, in 4 Fällen von Beriberi, welche 8 Laskaren und 1 Eingebomen von Zanzibar be- trafen, aus dem Blute Staphylococcen (mehrmals neben verschiedenen Bacillen, einmal neben Streptococcen) zu züchten, die er mit Pekelharing und Winkl er’ 8 weissem Staphylococcus identificirt, und welche, bei Kaninche wiederholt in die Bauchhöhle injidrt Lähmung, Tod und parenchymatöse Di generation der Nerven der Hinterbeine, bei 2 Thieren, bei denen Injectioneu auf 41 C. erwärmter Culturen, die vielleicht immunisirt hatten, vorausgegangen waren, nur Nervendegeneration (mehrmals auch kleine Leberabßcesse) hervor- riefen. Die nämlichen Staphylococcen, nur weniger virulent, indem Injectionen von ihnen bei Kaninchen bloss Nervendegeneration ohne Lähmungserscheinungen verursachten, fand er auch in dem Reise, welcher 2 der Kranken zur Nahrung gedient hatte, und ist daher geneigt die letztere als die Ursache der Krankheit anzusprechen.

Ref. hat in seiner Monographie über die Beriberi (Jena 1804. 8. 188 ff.) die Untersuchungen Pekelharing und Winkler's einer eingehenden Kritik unterzogen. Das dort Gesagte gilt im Wesentlichen auch von den Arbeiten Hunter’s. Scheube.

Sonstige InfecHonskrankheitetu

Un Cat 4e Tätanee, traltd par l’lnjectlon Intra-c4r4braj« d’anUtoxIne.

Unter diesem Titel erfolgen An Nummer 70, 72, 78 und 77 der Presse medicale 1898 kurze casuistische Mittheilungungen von M. Garnier. M. Robert, M. L. Ombredanne und M. Leon Delmas. Die Behandlung geschah nach der Methode von Roux und Borrel, die Fälle von Robert und Delmas endeten letal, die beiden anderen mit Genesung. Garnier empfiehlt neben der intracerebralen gleichzeitige subcutane Seruminjectionen und Anwendung von Chloral', er führt die in seinem Falle während der Reconvalescenz auftretende, vorübergehende psychische Störung nicht auf die intracerebrale Injection zurück, hält sie vielmehr für den Ausdruck einer verzögerten Reparation bei einem atheromatösen Kranken. Ombredanne injicirte 7 ccm Serum intracerebral, 60 ccm auf subcutanem Wege innerhalb 86 Stunden bei einem 11 jährig« Kinde und gab am Tage der Aufnahme 2 g Chloral. Der ungünstige Aus- gang in Robert 's Falle beruhte möglicherweise auf einem nicht sioher ver- meidbaren — Injeotionsfehler, bei Delmas auf einer Combination der Tetanus- bacillen mit Eitercoocen, gleichzeitiger lymphatischer Constitution und Tubercula«. Delmas empfiehlt prophylactische Seruminjeoüon bei irgendwie tetanusver- dächtigen Wunden und sofortige Injeotion bei sioher ausgebrochenem, diagnostici> barem Tetanus. R. Pfeiffer-Cassel

•acterlolofllacäe Befund« bei Pneumonien der Neger von Dr. W. Kölle in Kimberiej

(Süd-Afrika). Deutsch-med. Wochenschr. 1898, Nr. 27.

Die vielfach verbreitete Ansicht, dass die Negerpneumonie eine Krankheit ■ui generis und aetiologisch scharf von der croupösen Pneumonie der weis«

II. Besprechungen und Litteraturangaben. 379

Race in trennen sei, ist irrthumlich. Nach Kolle sind die klinisch mehrminder einheitlichen Fälle pathologisch-anatomisch in 2 Groppen zu theilen: die eine mit dem anatomischen Bilde der Pneumonia crouposa, die andere mit dem Character der Inflaenzapneumonie. K. konnte aus 15 infiltrirten Langen 11 mal den Fränkel- schen Diplococcus, 4 mal den Influenzabacillus cultiviren, in 18 Sputis 16 mal die Diplococcen, 2 mal die Influenzabacillen bacterioscopisch und culturell nachweisen, und zwar waren die genannten Infectionserreger in Menge in den Sputis vor- handen, ihre biologischen Eigenschaften zeigten keine Abweichung. Beide Infec- tionskrankheiten traten gleichzeitig in Epidemien auf, diese verliefen ungemein bösartig (60—70% Morbidität bei über 1000 Fällen); gemischte Infection mit Inflnenzabacillen und Diplococcen kamen nicht zur Beobachtung. Geeignete Des- infectionsmaass regeln, Verbesserung der Lüftungsanlagen und Cementirung des Bodens der Sohlaf räume brachten beide Epidemien zum Schwinden. Das Vor- kommen einer besonderen Negerpneumonie mit unbekannter Aetiologie ist dem- nach sehr fraglich.

R. Pfeiffer-Cassel.

WMaft raactlen In natives ot Indla. By W. C. Brown. British Medical Journal.

March 12, 1868. p. 684.

Es wird vielfach angenommen, dass die eingeborene Bevölkerung Indiens immun gegen Typhus sei und zwar deshalb, weil die meisten als Kinder leichte Typhusanfälle durcbgemacht hätten. Surgeon-major Freyer glaubte einen Beweis hierfür darin zu finden, dass nach seinen Untersuchungen das Blutserum der Erwachsenen bei der WidaT schon Agglutinationsprobe einen positiven Ausfall gäbe. B. hat nun das Blutserum Eingeborener vielfach geprüft und kann den positiven Ausfall nicht bestätigen. Er glaubt, dass der Irrthum durch falsche Klumpen- bildung entstanden ist, die häufiger und schneller im tropischen als im gemässigten Klima einträte.

Victor Lehmann.

Epidemie Carebro-Spinal Fever In Indla, wlth three cases by Surg.-Capt. Buchanan, J. M. 8 , Read at the British Medioal Association, Edinburgh. The Journal of Tropical Medicine Vol. I No. 1.

Der kurzen Mittheilung dreier eigener Beobachtungen folgt ein historisch- statistischer Ueberblick über die in den einzelnen Theilen Indiens, besonders den grossen Gefängnissen Bengalen« beobachteten Epidemien. Der Abschnitt über die Symptomatologie zeigt die sehr weitgehende Aehnlichkeit zwischen dem Cerebro-8pinalfieber nnd der Meningitis oerebro-spinalis epidemica, auch die Aetio- logie beider Krankheiten ist die gleiche. Der historische Theil bringt mancherlei Interessantes, die übrigen Abschnitte der Arbeit kaum etwas Neues.

R. Pfeiffer-Cassel.

Ei* Fall vor Maltafleber durch Agglutination das Mlkrococcus MolKsntls nachträglich dtagsostlclri von Dr. B. Kratz. 'Wiener kün. Wechenacar. i897, No. 49. Der F«ll betrifft einen Arzt, der im Winter 1896 97 in Ajaocio weilte und im Februar 1897 acut mit hohem Fieber erkrankte, welches mit wechseln- den Remissionen und längeren Exacerbationen vier Monate andauerte, ohne dass

28*

Digitized by Google

380 II- Besprechungen und Litte ratu ran geben.

ausser Milztumor und massiger Anaemie greifbare klinische Symptome anfgetreten wären. Ein leichtes Recidiv schwand spontan, dann folgte dauernde Genesung. Gestützt auf die Mittheilung von Wright und Bensaude konnte Kr. nachträg- lich oonstatiren, dass das Serum des mitgetheilten Falles exquisit agglutinirend auf den Microooccus Melitioensis (Bruce) wirkte und zwar hei einer Verdünnung des 8erums auf das 300 fache, ja wenn gleich mit weniger prompten Erfolge, auf das 1000 fache! Somit war die Diagnose sicher. Der Agglutinations- process ermöglicht es, sporadische Fälle von Maltafieber zu erkennen und die geographische Verbreitung wie die epidemiologischen Verhältnisse dieser interes- santen Infectionskrankheit näher zu studiren.

R. Pfeiffer-Cassel.

SUvestrinli Pouvoir agglutlnant du sang inr Iw euRmw es boulllon de staghyfewgM Sana deux ca» dlnfecUon itaptiylococclque. Riforma medica 1898, Vol. E No. 82. Referat von E. Feindei in Nummer 78 der Presse medicale 1898. An der Hand zweier einschlägiger Fälle schlieest S., dass das Blutserum von Individuen mit 8taphylococceninfection agglutinirende Kraft auf diese Staphylocoooen ausübt Diese Reaction ist eine Infectionsreaction und tritt an Bouillonculturen auf auch bei Anwesenheit der Mikroben im Blute.

R. Pfeiffer-Cassel

OrgankrankKciUm.

Treplcal Haart by Surgeon-Colonel X. Kaokleod, Professor of Clinical and Military Medicine, Army Medical School, Netley. The Journal of Tropical Mediane. Vol L, No. 1.

Verf. betont die grosse Häufigkeit der Herzstörungen in der britischen Tropenarmee: es handelt sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht um schwere anatomische Veränderungen, sondern mehr um eine functioneile Schwäche: Irritabilität, Irregularität der Herzaction, leichte Dilatation, aocid ec teile Geräusche eto. Bei geeigneter d. h. schonender und ruhiger Lebensweise können sich solche Pat. vollkommen wohl fühlen, die Symptome schwinden, dagegen re- agiren sie auf grössere körperliche Anstrengungen sofort mit Herzbeschwerden, sind daher für den Militärdienst meist dauernd untauglich. Aetiologisch wichtig sind vor Allem die Anstrengungen des Dienstes, welchen sich die noch nicht voll entwickelten Herzen 60% der englischen Soldaten sind unter 23 Jahres oft nicht gewachsen zeigen, ferner Aloohol-, Nicotinmissbrauch, Excesse ia Venere und die schädigende Einwirkung der Tropenhitze auf den Organismus mit den erhöhten Anforderungen an das Herz. Es ergiebt sich die richtig« Consequenz daraus, nur Leute mit absolut normalem Herz und Gefäsi- system zur Arbeit, bez. zum Militärdienst, in den Tropen zuzulassen ; nur so wird und kann es gelingen, die hohe Frequenz der Herzaff ectionen bei Europäern in den Tropen ländern herabzusetzen. Irgendwie ein tretende Störung der Hera- action sollte sorgsam beobachtet worden, derartige Leute müssen in weitwar ärztlicher Controls bleiben.

R. Pfeiffer-CasaeL

Digitized by Google

Sachverzeichniss,

(Die fett gedruckten Zahlen bezeichnen Originalarbeiten.)

Abdominaityphus 61.

Aeclimatisation 361.

L’Afrique äquatoriale 58.,

Anaemie, tropische 60. 143, 261. S62. Anchyloetoma duodenale 62.

Archive8 de medicine oavale et co- loniale 356.

Arthropoden Iflt.

Astrolabe-Bay 186.

Angenkrankheiten 86. 240. 288. 825. Aussatz s. Lepra.

B.

Balanitis 288.

Bandwürmer 86.

Bekleidung und Gepäck bei Landungen in den Tropen 38.

Benadir-Küste 188.

Beri-Beri 39. 19, 60, 103, 104. 111, 184. 186, 287. 822. 377.

Epidemie, Die, Im Richmond Asyl um

in Dublin 329.

Bilharzia 258.

Blattern s. Pocken.

Blntparasiten 806.

bei Vögeln 315 n. i.

bei Kaltblütern 818 u. 1 British New-Ouinea bloodworm 875. Bronchitis 288.

Bubonen 109.

Calomel bei Dysenterie 129. Cerebrospinalfieber 879.

Chinin, Zur Frage des prophylaktischen Gebrauchs in tropischen Fieber-

gegenden 167.

149 u. f. 164 u. f. 187 u. f. 306, 812. Cholera 117. 182.

Cochinchine, Mortalite des troupe;

casemees en 856.

Colonies, L'assistance publique aux 361 Colorado Desert 214,

Congolesen 304.

Cuba, Sterblichkeitsverhältnisse des spanischen Heeres auf 218, Cytamoeba bacteriiera 818.

D.

Dakar 866.

Dannkatarrhe 288.

Del Sur 215.

Dengue 6L 117.

Deutsch-Ostafrika 253. 259.

Diarrhöe, tropische 61, 262.

Diphtherie 274,

Dysenterie 67, 61. 96, 109, UL 189, 223. 229. 289, 287,

in Kamerun 126.

Dyspepsie 262.

K.

Eczeme 83, 95.

Elephantiasis 97, 825.

Empyema pericardii 288,

Erysipel 288.

Euchinin 108.

Die bisher mit E. gemachten Er- fahrungen 284,

Exantheme, acute fieberhafte 85,

Digitized by Google

382

Ssch Verzeichnis«.

F.

Farbige, Krankheiten derselben 280. Febris perniciosa 1Q5.

Filaria Kilimarae 28.

medinensis 36. 43 363.

Fort Mojave 2U.

Friedrich Wilhelms-Hafen 187.

O.

Gelbfieber SL 222. 220 u.f. 876. 377. Geologie, der deutschen Schutzgebiete 1 UL Geschlechtskrankheiten 31, 275 u. (. 288. 824.

Geschwüre 62. 97 282.

Giftfische 192. 280, 282,

Gonorrhoe 215 n. f. 288. Grünspanvergiftung, Eine, beobachtete zu Pangani U Guinee-Wurm 62.

H.

Habana, Hygienisches und Sanitäres aus

m

Habana 221.

Harn, Parasiteneier im 114, Hautkrankheiten 83,95.114.244,281.212, Heart, tropical 880.

Hepatitis 117.

Herzfehler 288.

Hitzechlag 60. 120,

Höhenklima 5. 88,

L '

Java 241,

Ichtyol, Das, in der 8ohifts- und Tropen- prazis 23,

Icterus 227, 258.

Impfung, gegen Pooken 84. 239. 292, Influenza 117. 274. 379.

Julian 218.

K.

Kamerun 254.

-Küste 362.

Keuchhusten 86.

Kiautschou, Brief aus 333.

Kisiba 256.

jClima, von Tunisien 102.

von Südkalifornien 19t.

von Kamerun 368.

L.

Las Palmas 219.

Leberbärte 343.

hypertrophie 343,

Lepra 61, 92, 109, 240, 218, 324. 3«8n.f Lepraconierenz 63.

Lethargia intermittens 90.

Lipome 8(L

Loa Angeles 196 u. £.

Lymphadenitis 81, 288.

Lymphangitis perniciosa 326.

M.

Maladie de Carrion s. Verruga.

Malaria, und Höhenklima in den Tropen».

88- 106. 108. HL IAO u. £. ISA 223. 228. 239. 243. 245. 247. 23A 213 n-i 285 n. f. 805. 864. 366.

Blutbefund bei 106. 250.- 306 u- i

haemoglobinurica 92. 154. 286. 3&L r— in der Hauptstadt Mexico 2ßSL

-Uebertragnng durch Moequitoe 861. Maltafieber 379.

Managua 18 u. f.

Marine-Atlas 262.

Martinique 859.

Masern 244. 262.

Matagalpa 73 u. f.

Med ec in de paquetbot 826.

Melannrie 104. 192.

Methylenblau 811. 819.

Militärlazarethe, Zustände in spanischen 218.

Mosqnitos 188. 861 u.f.

Mount Wilson 217.

ir.

Nervenkrankheiten 8L 261. Neu-Guinea, Aerxtiiche Erfahrungen in 186. 276.

Neuritis, multiple 841-

Nicaragua, Tropenmodiciniache EAk*

rangen aus 69.

O.

Orchitis 8L

Sachverzeichnis».

383

P.

Palmdale 215.

Paludismus s. Malaria.

Parasiten fit 114, 181.

Parotitis 81.

Pelantoengan 107.

Peru 878.

Pest 102, 25a.

Pestnachrichten 89. 100. 184. 24fi. 805. 888.

Pfeilgift 828.

Pfeilsehüsse 828.

Phenooollum hydrochloricum an, Pneumonie der Neger 377.

Pocken 84. 227. 239. 282. 292 n. f 868. 878. Polyneuritis 89.

Pyrexien 189.

Q.

Qarantäne 970.

B.

Reis nah rung St 49.

Reunion 175.

Rotz 274.

Ruhr s. Dysenterie.

S.

Salton 213.

Sandflöhe 82. 72,

San Diego 186 u. f.

Scharlach 262.

Schiffahygiene 177.

Schiffearzte 826.

Schlafkrankheit 61 HO.

SchlangengUt 62. 80. 115 191. Schwarzwasserfieber, Umfrage über das92. 168, 182. 248, 258, 265, 26t 382. Soorbut 824.

Scorpione 62, 80, 122,

Siam 808.

Statistica sanitaria 802.

St. Barbara 201 u. f.

Stomatitis 825.

Südamerika, Pathologie der Westküste von

244.

Südkaliformen , Klima und Krankheiten von 126.

Syphilis 324.

T.

Tausendfüssler 62. 182.

Tenggeresen 242.

Terre neuve (Neufundland) 178.

Tetanus 78. 824. 378.

Texasfieber 187. 286, 316,

Texas screw-worm 376. Toemoelawak-Knollen 343.

Trinkwasser 100.

Tropenklima, Einfluss desselben auf 3— Nervensystem 245.

Tropenpraxis, Therapeutische Mitthei lungen aus der 342.

Tropical medicine, education in 100. Troupes coloniales 301. 387 Tuberculose 229. 288. 824.

Typhiitis 127.

Typhus 22L 232, 379.

exanthematicus 287. 324,

TT.

Ulcera cruris 989.

V.

Verruga 244, 374 Verwundungen im Seekriege 2*0.

Vigo 218.

Vorder-Indien 180.

W.

Waffen, vergiftete 62.

Wechselfiober s. Malaria.

Westusambara 245.

Widals Reaction lOfi, 879.

Wundheilung 78, 281.

Wundkrankheiten 824.

T.

Yuma 211 u. f.

Digitized by Google

Namenverzeichniss.

(Die fett gedruckten Zahlen

Abraham, Phineas HO. Accureo iaa.

Alvarez ÖL Arimond 235.

Armaaer Hansen 66. Araing 65 Ashmead 63.

B.

Babes 368.

Bacelli 171.

Baelz LLL äiA Bassonge 271.

Beard 26JL Below 104. 192.

Bense 258.

Bensaude 380.

Berge8grün 65, v. Bergmann, A., 62. 109. Bertram 188.

Besnier 6iL Bignami 18.

Binz 305.

Bo eck 65.

Bondurant 340.

Boorema 17.

Borei 826. 318,

Brieger 66,

Brown 108, 379.

Bruce 880.

Buohanan 879.

Burot llL 801. 357. Buzzi 65.

bezeichnen Originalarbeiten.)

o.

Cagigal 110.

Calmette 115.

Carasquilla 65. 370.

Castellan 102.

Clane 366,

D.

Daniela 376.

D&nilssen f<5.

Danneil 176 Darier 66.

Däubler U, ISA. 32«.

Davidson 9.

Dehio 66, 870.

Delmas 87S.

Dempwolff 106. 131. 276. Dieudonne 112.

Diettrich 105.

Döring 25«.

Do hi 64.

Doysen 35.

Dryepondt 60,

E.

Edauw 106.

Ehlers 6L Ehrlich 368.

Eykman 38. 103. 166, 257.

r.

Fiebig 339.

Firket 62.

F'isch 165.

Fontaine 856.

Namenverzeichnis.1!

386

Franklin 206.

Freyer 879.

Freymadl 88.

Frobenius 164.

O.

Garnier 378.

Gazeau 178.

Glogner 108.

Goedhuis Rail 287.

Goldstein 376.

Golgi 2iL 30t Grawitz 250.

Gray 198.

Gries 859.

Grimm 322.

Growford 85.

Grünfeld 372.

H.

Hagge 134. 150. 287.

Eallopeau fit Hasper 164.

Hellat fib.

Hirota 186.

Hirsch 164. 32t Hüppe 117.

Hunter 104. 377.

X.

Judassohn 9t Jeanselme 65.

Joseph, Max fit 872.

K.

Kaposi 389.

Kartulis 5L 258.

Kermorgant 859.

Koch, Robert 186. 192. 245. 258.255.259.

Körfer 861.

Köster 105.

Kohlbrugge t fit 24t 24t 24t 842. Kohlstook 165.

Kolb 2t Kolle 878.

Kretz 379.

Kronecker 180.

Kruse 51.

Kubitza 256.

L.

Labbe 818.

Labonde 114.

: Langhaus 262.

Laurence 65.

Laveran 1L 110. 175. 247. 861 u. f. Lawrie 108.

Legrand 171. 801. 357.

Leistikow 93.

Lepierre 110.

Löffler 371.

Lu barsch fit Lubbers 107.

M.

Mac Call um 108. 350 u. f.

Maclaud 114.

Macleod 380.

Mannaberg 18 u. f. 170. 250. 306. Manson fit 100. 114, 33t 34t Marchiafava 250.

Mense 33. 61. 92. 249.

Metschnikoff 18.

Moncorvo filbo 325.

Moore 824.

Morris 86.

Musehold 64.

N.

Nagel 109.

Navarre, Just 171.

Neisser 84. 372.

Nieuwenhuis t Nogue 368.

Norman 329 u. f.

O.

Odriozoda 374.

Ombredanne 378.

Orthmann 341.

P.

Pasqualo 57.

Pekelharing 13t 877.

Pergens 804.

Philipson 869.

Pierre 368.

Plehn, A. UL 128, 170. 174. 284. 250. 263.

Plehn, F. 10t 16t 114. 862.

Portenga 260.

Poskin 58.

Pugibet 118.

Digitized by Google

386

Nem enrerx eiche ;js.

B.

Basch 245. #08.

Rho 118. 189. 280. 324,

Robert 878.

Roes 108. 348 u.f. 384, Rothschuh 69.

Roux 878.

Rüge 115. 216. 244. 26».

8.

Sanarelli 117. 376. 877.

Schneller 83. 870. Schellong 134. 134. 167. Schenct 177.

Scheube 117. 322- 829. Schreber 1.

Schumburg 100.

Schwalbe 195.

Sederholm 67.

Semeleder 268. Siedamgrotzky 103. Silrestrini 380.

Sommer 378.

Spengel 80 u. f.

Spronck 371.

Stammeshaus 105. Steinbach 289.

Steudel 150.

Stromer ▼. Reiohenbach 119. Strube 114.

Suess 120.

T.

Therou 179.

Thibierge 68.

Tippei 341.

U.

Unna 63. 369.

V.

Voorthuis 108. 873. Vordermann 48.

W.

Wassiliewaky 847.

Wendland 184. 287.

Weyer 262.

Wigglee worth 109.

Winkler 878.

Wrigth 880.

Wyatt Smith 169.

T.

Yersin 117.

SS.

Ziemann 808. 845.

1 o 9 2 Z 6

Digilized by Google

RETURN TO the circulation desk of any University of California Library or to the

NORTHERN REGIONAL LIBRARY FACILITY Bldg. 400, Richmond Field Station University of California Richmond, CA 94804-4698

ALL BOOKS MAY BE RE CALLE D AFTER 7 DÄYS 2-month loans may be renewed by calling (510)642-6753

1-year loans may be recharged by bringing books to NRLF

Renewals and recharges may be made 4 days prior to due date

DUE AS STAMPED BELOW

MAY 2 1997

-UH

WL

LIBRARY

QlSlJUVUj rÜV

fs.

'«jl,

FOR REFERENCE

NOT TO BE TAKEN FROM THE ROOM

Digitized by Google