Grobianische literatur

Adolf Häuften

O U/V/

I

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QUELLEN UND FORSCHUNGEN

ZU I!

SPRACH- UND CULTÜRGESCHTCHTE

DER

GERMANISCHEN VÖLKER.

HERAUSGEGEBEN

VON

HERN HAH!) TEN 1SKIKK, ERNST MARTIN,

ERICH SCHMIDT.

LXVI.

CASPAR SCHEIDT DER LEHRER FISCH ARTS. STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER OROUIANISCHEN L1TTERATUR IX DEUTSCH LAND VON DR. ADOLF II AUFFEX.

STRASS1HJRG.

VERLAG- VON KARL J. TRÜBNER.

1889.

1

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CASPAR SCHEIDT

DER LEHRER F1SCHARTS.

STUDIEN ZUR GESCHICHTE

DER

GROBIANISCHEN LITTE KATUR IN DEUTSCHLAND

VON

DR. ADOLF HAUFFEN.

STRASSBURG. VERLAG VON KARL J. TRÜBNER.

1889.

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o » Hof-Uuchdruckcrci in Darmstadi.

MEINEM LIEBEN BRUDEK

JOSEF HERMANN HAUFFEN.

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V O R R E D E.

Äussere Gründe, die mir einen rascheren Abschluss meiner Arbeit wünschenswerth machten und der Umstand, dass Herr Prof. Strauch eine Monographie über Caspar Scheidt vorbereitet, bestimmten mich, meinen früheren Plan, das Leben und die Werke dieses Dichters ausführlich im Zusammenhange zu behandeln, abzuändern. So beschränkte ich mich auf Scheidts 'Grobianus' und seine zweite anti- grobianische Schrift, die 'Lobrede von wegen des Meyen, verfolgte hiebei natürlich die StofTkreise und Tendenzen nach vor- und rückwärts, so dass meine Studien mehr die Darstellung eines ganzen Litteraturzweiges, der grobianischen Dichtungen in Deutschland , als die Würdigung eines ein- zelnen Mannes enthalten.

Der Grobianismus ist keine erquickliche, wohl aber eine sehr wichtige Erscheinung des deutschen Lebens und der carikirenden Satire im XVI. Jahrhundert; die hier zu behandelnden Dichtungen können nur geringen ästhe- tischen Werth beanspruchen , verdienen aber eine um so grössere Aufmerksamkeit in cultur- und literarhistorischer Beziehung. Was sonst mit den grobianischen Dichtungen zusammenhängt, die Trink- und Narrenlitteratur , die An- standsregeln , Sittenspiegel und Lehrdichtungen , die paro- distischen und Thierdichtungen des Mittelalters und der Reformationszeit habe ich hier nur insoweit berücksichtigt,

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VIII

VOR KfcDE.

als sie für die grobianischen Schriften als Quellen in Be- tracht kommen oder im Zusammenhang der Wechselwirkung stehen.

Doch die Einwirkung Scheidts als Lehrer auf den jungen Fischart glaubte ich hier in einem eigenen Capitel besprechen zu dürfen, weil sie gerade auf dem Felde der grobianisch-satirischen Litteratur besonders sichtbar wird. Es erhöht die Bedeutung des anspruchslosen Scheidt um vieles, dass eine Darstellung seines Wirkens zu Fischart auf- steigen muss und der Nachweis möglich ist, Scheidt habe die Anfange eines der ersten deutschen Satiriker kräftig gefordert.

An dieser Stelle fühle ich mich auch verpflichtet, meinen aufrichtigen Dank Herrn Prof. Erich Schmidt abzustatten, der mir während meines zweijährigen Aufenthalts in Berlin vielseitige wissenschaftliche Anregung zu Theil werden Hess und mir besonders bei der vorliegenden Arbeit mit Rath und Hilfe zur Seite stand.

Schliesslich schulde ich noch herzlichen Dank Herrn Prof. August Sauer in Prag für manchen freundlichen Wink, sowie den Vorständen der königlichen Bibliothek zu Berlin, der Stadtbibliothek zu Breslau und der Bibliotheken zu Darmstadt, Dresden, Gotha, Graz und Wolfenbüttel für die bereitwillige Mittheilung ihrer Schätze.

Laibach, März 1889.

A. H.

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INHALT.

Seite

l. capitel. Anatandsregeln und Tischzuchten dos Mittelalters.

1. Die altdeutschen Tischzuchten 1

2. Englische, Französische und MittellateinUche Tischzuchteu. !4

3. Der Übergang zur Parodie 18

Ii. capitel. Dodekinds und Scheidts Grobianus 82

iil capitel. Nachgeschichte des Grobianus 63

Dedckinds zweite Ausgabe tili

Grobiana 72

Hellbachs Bearbeitung 77

Kienheckeis Bearbeitung 8t

Schorffürs Übersetzung 83

Dio Nachwirkung des Grobianus 89

iv. capitel. Scheidts 'Lobrode von wegen des Meyen* .... 94

v. capitel Schoidt und Fischart ilO

Eulenspii'gcl Rcimenswoiss 113

Fischarts Trunkenlitanci 122

ANHANG.

1. Dio Wormser Bearbeitung de» Freid.iuk vom Jahre 153S. 130

2. Zu Scheidts 'Frölichor Heimfart* 13t

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I. CAPITEL.

ANSTANDSREGELN UND TISCHZUCHTEN DES

MITTELALTERS.

1. DIE ALTDEUTSCHEN TISCHZUCHTEN.

Eine mittelalterliche Sage, durch Konrad von Würz- burg in deutsche Verse gebracht, erzählt uns folgende Be- gebenheit, die sich auf einem Osterfeste des Kaisers Otto mit dem Barte zugetragen haben soll. Die Tische standen schon, mit Gebäck und Geschirr besetzt, für die erwarteten Gäste bereit, als der junge Sohn des Herzogs von Schwaben, nach Kinderart dem Hunger folgend, an die Tafel trat, ein Weissbrot ergriff und verzehrte. Diesen groben Ver- stoss gegen die Tischzucht bemerkte der kaiserliche Truch- sess, der eben das Zeichen zum Beginne des Mahles geben wollte, und da er von heftiger Gemüthsart war, schlug er mit seinem Stabe den edlen Knaben also auf das Haupt, dass dieser blutüberströmt zur Erde sank. Des Knaben Zuchtmeister Heinrich von Kempten sprang sofort herbei und stellte den Truchsess zur Hede. Dieser aber versetzte höhnisch, es komme ihm zu, einen Schalk, der se hove nn- zühtec 1 sei, also zu strafen. Darüber ergrimmte der Zucht- meister und erschlug den Truchsess.

1 V. 121. Die ganze Begebenheit bei Lambel, Erzählungen und Schiränke S. 246 - 249. Ähnlich Pauli, Schimpf und Ernst S. im Kr. 256; dazu Oeaterley ebenda Ö02.

QF. um. 1

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2

I. CAPITEL

Dio ältere Sage und diese jüngere dichterische Be- arbeitung erweisen uns hier, wie schwer in der höfischen Zeit des Mittelalters die Verletzung der Tischzucht geahndet wurde. Und dass sie innerhalb der ritterlichen Gesellschaft nur selten vorkam, zeigen uns andere Dichtungen an zahl- reichen Stellen. Niemals vergessen Ritter und Frauen, die sich zur Tafel setzen, die allgemeingiltigen Gebote der Tischzucht, etwa das Waschen der Hände, selbst in den unbehaglichsten Situationen. So fanden, um nur ein Bei- spiel zu nennen, Herzog Ernst 1 und Genossen nach monate- langer Seefahrt im Lande Grippia eine reichbesetzte Tafel. Heisshungrig stürzten sie hinzu, um sich zu sättigen, ehe noch die rechtmässigen Besitzer zurückkehrten, doch sie wuschen vorher ihre Hände. Das Unterlassen der Hände- waschung insbesonders gilt als sprechendstes Zeugnis bäu- rischer Unsitte - und noch im XVI. Jahrhundert den Fana- tikern als Sünde3. Bei Hofe und auf den Kitterburgen aber schätzte man die Abstammung und den Stand des unbekannten Gastes nach dessen Benehmen bei Tische und verhöhnte den Ungeschickten4. Ehrgeizige Bauernjungen zogen an den Hof, um zu lernen, wie man essen soll5; wer an der Zucht festhielt, galt als Liebling Gottes, der Unge- zogene aber wurde des Himmelreichs für verlustig erklärt6. So viel galt in den massgebenden Kreisen die Kenntnis der Tischzucht.

Der Grund hierfür ist ein doppelter. Einmal gebot die Art des Essens eine grosse Reinlichkeit. Man ass ohne Gabel mit der blossen Hand, gewöhnlich ein Herr mit einer Dame, seiner Tischgenossin, von einem Teller7; deshalb

» Herzog Ernst, ed. Bartsch. V. 2398 ff.

« Witten weilers Ring, ed. Beckstein 34 « V. 3. Kainer do sein hende tcHoseh.

% Murners Narrenbeschwörung, Cap. 77 V. 30 ff. 4 t. d. Hagens Gesammtabenteuer, Nr. 10. K. v. Würzburgs Die halbe Bim, V. 90, 106 f., 114 u. a.

6 Ebenda Nr. 63. Heinz des Kellners Turandot, V. 49, 1 1 1, 1 1 7 u. a.

« Tannhäusers Hofzocht, V. 229—240, siehe unten 8. 9 f.

' A. Schultz, Das hufische Leben zur Zeit der Minnesänger I,

S. 325.

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1. DIE ALTDEUTSCHEN TISCHZUCHTEN.

geben die mittelalterlichen Tischzuchten genaue Bestim- mungen, wann man die rechte, wann die linke Hand ge- brauchen dürfe, deshalb auch das abermalige Händewaschen vor dem Nachtisch. Mehrere Gäste tranken aus einem Glas, oder ein grösseres Gefäss kreiste, daher die häufigen Ermahnungen, nicht mit fetten Lippen den Becher zu be- sudeln, nicht in den Wein zu pusten und anderes mehr. Daher auch die Verordnungen für die bedienenden Knaben, welche den Wein herumreichen, den vorgelegten Braten zerschneiden mussten.

Ferner aber war die Mahlzeit der Mittelpunkt des geselligen Lebens. Sie wird von den Dichtern der besten Zeit mit grossem Behagen geschildert1, bei feierlichen An- lässen mit reichem Aufwand unter der sorgfaltigen Auf- sicht des Truchsess oder Seneschalls vorbereitet. Die Tafel- runde war die eigentliche gesellige Vereinigung, wo man besonders seine zuht gegen Frauen erweisen konnte. Die hervorragendste Tugend des mittelalterlichen Ritters be- stand aber gerade in der zuht, welche auch als Frau Zucht2 personificirt erscheint und die nicht nur eine edlere Bil- dung des Gemüthes als Frucht einer sittlichen Erziehung, sondern auch Selbstbeherrschung und äussere feine Sitte3 bedeutete. Die ritterliche Moral vermengte eben Sitte und Sittlichkeit und stellte sie einander gleich. Der Unge- schickte, dörperltche, galt für böse, der hövesche hingegen für ehrenwert.

Als in der weltfreudigen Blütezeit mittelalterlichen Lebens und Dichtens die alte strenge Sittlichkeit sich zu lockern begann und sofort Lehrdichter auftraten, um in gereimten Ermahnungen und Rügen die Gefahr abzuwehren, da setzten sie bei den Anstandsregeln ein und klammerten sich an die äusseren Formen der gesellschaftlichen Über- einkunft, um mit der Schale des sittigen Betragens auch den Kern der Tugend zu retten.

1 A. Schultz a. a. O. I 293. » Grimm, Mythologie 8. 846 ff. » Mhd. Wtb. 3, 9J1R.

1*

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4

I. CAPITEL.

Einer der ältesten mittelhochdeutschen Didaktiker, der Ritter Winsbeke (1210 1215) gibt seinem Sohne die schönsten allgemeingiltigen Lehren von innerer Würde und Frömmigkeit, aber er vergisst nicht, ihm auch die be- sonderen Pflichten des Ritterstandes ans Herz zu legen, und rühmt neben Tugend und rechter Scham immer wieder zuht] und hoveliche site2 und tcol gezogene^ Benehmen. Und schon sein nächster Nachfolger, Thomasin von Zirclaria (1216), ein Italiener, doch aus dem deutschen Grenzgebiete Friaul stammend und von deutscher Bildung und Gesinnung, eröffnet die lange Reihe allgemeinerer Anstandsregeln und besonderer Hofzuchten und Tischzuchten, die einander bis in die Mitte des XVI. Jahrhunderts zu Dedekind und Scheidt hin ununterbrochen folgen und alle unmittelbar oder mittel- bar von ihm beeinflusst sind.

Thomasin stellt den wankenden sittlichen Grundsätzen, den beginnenden religiösen Verwirrungen seiner Zeit als ethischen Halt die stvcte, die Beharrlichkeit im Guten ent- gegen, welche die zehn Bücher seines Wälschen Gastes als grundsätzlichen Anfang aller Tugenden im Gegensatz zur umtäte als der Mutter aller Laster preisen. Mit philosophi- schen Erörterungen und praktischen Vorschlägen zur Besse- rung rückt er den Hauptgebrechen seiner Zeit zu Leibe und schöpft seine Lehren und Beispiele, wie die meisten späteren Lehrdichter, aus den Classikern, der Bibel und den Kirchenvätern, doch auch aus der unmittelbaren ritter- lichen Umgebung, die er mit gesundem Herzen und klarem Blick beobachtet hat.

Gewissermassen als Einleitung zu dieser Tugendlehre gibt er im ersten Buche Rittern und Frauen Vorschriften für den geselligen Verkehr. Er hat hierfür den Inhalt seines früheren verloren gegangenen italienischen Werkes über höfische Sitten verwcrthet 4 und lehrt hier anschlies- send den Hauptgrundsatz der ritterlichen Moral, man müsse

! Winsbeko ed. Haupt 11,7 f., 22,3 u. a.

38, 1. » 39, 8. « V. 1173 f.

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1. DIE ALTDEUTSCHEN TISCHZUCHTEN.

2uht und hüfscheit in seiner Jugend haben Von den Frauen verlangt er ein tugendhaftes Herz, doch auch feine Sitten. Eine schöne Gebärde und eine freundliche Rede krönt die guten Werke der Frau2. Mit sanfter Stimme soll sie sprechen, nicht ein Bein über das andere schlagen, nicht fest auftreten3, die Reize ihres Körpers sorgfältig ver- hüllen4, sich nicht umsehen, nur sprechen, wenn sie gefragt wird, und besonders während des Essens nicht zu viel plaudern. Den Ritter lehrt er Mässigung, Vermeidung jedes rohen, lärmenden Wesens5, Ruhe in Rede und Hal- tungr>, den richtigen Sitz zu Pferde und endlich die höfische Tischzucht7.

Ohne die Beispiele gröberen Unfugs, wie sie spätere Tischzuchten bieten, ertheilt hier Thomasin jene strengeren Vorschriften, welche noch in den besten Kreisen seiner ritterlichen Zeitgenossen beobachtet wurden. Doch für die äussere Form der Lehre und für die überall geltenden Re- geln benutzte er eine fremde Quelle: die Disciplina cleri- calis9, ein in Deutschland und Frankreich viel benutztes Werk, das im Anfang des XII. Jahrhunderts von einem spanischen Juden, Petrus Alphonsi, nach morgenländischen Vorbildern lateinisch abgefasst wurde. Die Einkleidung: Ein weisser Vater belehrt den scheidenden Sohn, kennen die Bibel, Nordländer und Romanen, und unter den deut- schen Lehrdichtungen : König Tirol, der Winsbeke und Cato. Bei Petrus beginnt der Vater auf die Frage des Sohnes ,J Die ergo quomodo ubique debeam comedere mit der Regel, die in den meisten Tischzuchten an erster Stolle steht: Quum ablueris tnanus ut comedas, nihil tangas nisi prandium

1 V. 1708 f. Ähnlich V. 182 f an h. und an guoten dingen. 1 V. 203 f.

* V. 400 ff.

V. 451 ff. 1 V. 297 ff. « V. 443 ff.

1 V. 471-626.

8 Der wälsoho Gast, ed. Rückerf, Anm. S. 521. Disciplina clericalis, ed. Fr. W. Val. 8chmidr, Berlin 1827. » Cap. XXVIII, 7.

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I. CAP1TEL.

tionec romedas. Iss nicht das Brod vorher ne duaris im- patiens. Nimm nicht so grosse Bissen dass dir's vom Munde träuft, schling' sie nicht hinab ehe sie gut gekaut sind, trink' nicht mit vollem Mund ne dicaris vinosus, sprich nicht mit vollem Munde dass es dir nicht eine Ursache des Todes werde. Gefallt dir ein Bissen bei deinem Tisch- genossen, so greif nicht danach ne dicatur prava rusticitas. Nach dem Mahle wasche die Hände, quin physictim est et cnrabile. Der Einladung einer vornehmen Person leiste sogleich Folge. Diese knappen Regeln sind das Gerippe, um welche sich immer weitere Ausführungen ansetzen bis zu den dickleibigen Sittenbüchern des XVI. Jahrhunderts. Auch die Form der directen Lehre, die später zu einem kunstvollen Schema ausgestaltet wird, liegt hier im ein- fachsten Umriss vor: Thue es nicht, weil entweder Rücksicht auf das durch den Verstoss hervorgerufene Ur- theil du als vinosus, deine Handlungsweise als rusticitas bezeichnet würde, oder Rücksicht auf das eigene Wohl weil es dir schaden, dich tödten könnte. Ja selbst die Ansätze zur parodistischen Behandlung der Tischzucht finden wir hier, indem der Vater dem Sohn räth, an einer fremden Tafel viel, an der eigenen möglichst wenig zu essen1, und ihm die schlauen Entschuldigungen eines trägen Dieners2 und den grobianischen Schwank eines gefrässigen Spielmanns8 erzählt.

Thomasin nimmt also die meisten Regeln des Petrus auf und vermehrt sie um einige besondere Vorschriften, die ihm in seinen Kreisen entgegentraten. Wie: man solle sich nicht zum Genossen mit dem Becher wenden, ehe man diesen vom Munde absetzt4, nicht trin aus dem Becher sehen, nicht mit beiden Händen essen, sondern mit der linken, wenn der Genosse zur rechten sitzt, nicht gleich- zeitig mit diesem in die Schüssel greifen ; auf die von den Gästen abgelehnte Speise muss auch der Wirth verzichten.

i Cap. XXVIII, 12. Cap. XXIX, 1. » Cap. XXIX, 3-6. 9 Cap. XXII, 1-8. « V. 490 ff.

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1. DIB ALTDEUTSCHEN TISCHZUCHTEN.

7

Nur die Ritter dürfen sich nach dem Mahle des herum- gereichten Wassers bedienen, die Junker und Knappen müssen sich abseits waschen1. Zwischen diesen Regeln fehlen auch nicht die ürtheile: so V. 496 duz stät hü/schliche niht oder umgekehrt V. 482 deist wol getdn.

Die eben besprochenen Theile aus dem ersten Buche Thomasins wurden bald hernach ausgeschrieben, erweitert, zu drei Abschnitten von den Männern, den Frauen und der Tischzucht bearbeitet und unter dem Titel Hofzucht in mehreren Handschriften verbreitet2. Diese beginnt mit der Fabel vom Esel und der Löwenhaut, welche mit Abände- rungen Boners Edelstein Nr. 67 nacherzählt wird. Daran * anschliessend wird die Hofzucht gelehrt, das Benehmen gegen Frauen, gegen Genossen und Fremde ; vor übermässigem Weingenuss und Spiel, vor unanständigem Betragen bei Tische wird gewarnt und hiebei über Thomasins Regeln hinaus manche ärgere Unschicklichkeit getadelt, die sich die rohere Zeit erlaubt: man solle sich nicht auf den Tisch legen, nicht mit dem Tischtuch den Mund abwischen, nicht in den Zähnen stochern. Solch ein Gebahren wird mit dem Ausdruck umuht verurtheilt 3. Mit den Vorschriften für Frauen, die zum Theil wörtlich aus Thomasin entlehnt4 sind, schliesst die Hofzucht.

Weiters wurde das Excerpt aus Thomasin interpolirt in spätere Bearbeitungen des deutschen Cato. Der Cato ist die älteste jener mittellateinischen Spruchdichtungen, die einen grossen Einfluss auf die deutsche Lehrdichtung hatten,5 er ist, wie bekannt, spätestens im vierten Jahrhundert abgefasst

* V. 519 ff.

a Vgl. Geyer, Altdeutsche Tisohzuchten, Progr. Altenburg 1882, 8. 33 f. Auf die einzelnen Fassungen der Hofzucht gohe ich nicht genauer ein, weil Geyer eine Abhandlung darüber verspricht und weil ich die für vorliegende Arbeit wichtigeren Theile derselben bei der Gruppe der Tisch züchten bespreche.

8 Keller, Erzählungen aus altd. hss. (Bibl. d. lit. Ver. Nr. 35), Stuttgart 1855. Die Hofzucht 8. 631 ff. Die Tischzucl.t 8. 541Jff. bes. 8. 542 V. 19.

* Die Parallelstellen verzeichnet Keller, 8. 543 f.

* Darüber unten 8. 19 f.

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I. CAPITEL.

und seit der Mitte des dreizehnten frei und mit Benutzung Freidanks ins Deutsche übertragen worden. Er enthält Regeln für das Verhalten vom Morgen bis zum Abend, die mit gelegentlichen Tugendlehren verwoben sind. Fünf Cato- Handschriften 1 aus dem XV. Jahrhundert haben nun nach Thomasin drei längere Dichtungen eingeschoben von den manen, von den frowen2 und eine Tischzucht3; die beiden ersteren haben ausser den Erweiterungen der Hofzucht noch einige Aussprüche Freidanks zu Thomasin hinzugefügt, während der dritte Abschnitt um die Lehren der Rossauer Tischzucht, die wir gleich näher kennen lernen werden, 'vermehrt ist. Nur sein Anfang ist selbständig:

So du ze tische wellest gdn die erbern soltu sitzen län

vor dir und dich erst setzen, wenn's dir der Wirth sagt. Die nassen Hände wisch' nicht am Gewand ab ; falls kein Hand- tuch zur Stelle ist, mag die Luft sie trocknen. Im Verlaufe der weiteren bunt durcheinander gemengten Regeln ist ein Widerspruch mit Thomasin auffallend: V. 301 swer trinkt und in den becher siht, hingegen der Wälsche Gast V. 495 swer trinkend ü% dem becher siht, ist unanständig4.

Diese Cato-Interpolation hat von neuem Clara Hätzlerin für ihr Liederbuch5 frei bearbeitet; ihre zahlreichen selb- ständigen Zusätze sind für die Entwicklung dieser Gruppe von Dichtungen ohne Belang. Interessant nur ihre Special- bestimmungen V. 170 ff.: man dürfe nach Mus und Äpfeln nicht trinken, doch sicher nach Birnen und ähnliches mehr.

Ausser diesen Hofzuchten gibt es eine grössere Gruppe meist in Reimpaaren abgefasster altdeutscher Dichtungen, die mehr oder weniger zusammenhängen und nicht inner-

» Zarncke, Der Deutsche Cato. Leipzig 1852. S. 126 ff.

2 Ebenda 8. 134 ff.

3 8. 136 ff. Die Parallelstellen zu Thomasin usw. verzeichnet Zarncke in den Anmerkungen.

4 TannhäuserB Hofzucht V. 89 über den becher.

5 Ed. Haltaus 8. 276 ff. Die PanilleUfellon verzeichnet Geyer a. a. 0 8. 34.

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1. DIE ALTDEUTSCHEN TlöCHZUCHTEN.

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halb eines grösseren Werkes, sondern selbständig unter dem Namen Tischzucht die Regeln über das Verhalten bei Tische zusammen fassen. Sie bedürfen nun zu ihrer Abrundung eines eigenen Anfangs und Schlusses, die in allgemeinen Bemerkungen über Zucht und Unzucht und Gebeten vor und nach dem Mahle, in Benedicite und Gratias oft von grösserem Umfange bestehen. Die einzelnen Vor- schriften werden sehr vermehrt und specialisirt und immer gröbere Misstände getadelt, wie sie oben mit dem raschen Sinken der Sitte den Moralisten entgegentraten. Je nach der milderen oder strengeren Auffassung des Autors werden dieselben als Ungezogenheiten, Thorheiten oder Verbrechen bezeichnet. Im Laufe der Zeit schliessen sich die Be- stimmungen für den bedienenden Knaben und das Gesinde an und es werden zunächst jene Untugenden besprochen, die bei Tische besonders auffallen, wie das übermässige Zu- trinken (bald mit Motiven wie in der Trinklitteratur des XVI. Jahrhunderts), die Geschwätzigkeit, Prahlsucht, Verleum- dung, Gotteslästerung, aber auch andere Laster, wie der Kleiderluxus, die Üppigkeit, Unkeuschheit, die sieben Haupt- sünden insgesammt, Verstösse gegen die zehn Gebote. Thomasin und Freidank steuern viel bei zu diesen Aus- sprüchen der Sittenstrenge. Allmählich wird dann auch die Beschäftigung vor und nach dem Mahle behandelt. Da die Hauptmahlzeit am Morgen eingenommen wurde, tritt das Aufstehen, die Morgentoilette und der Kirchgang leicht in den Rahmen der Lehre ein, ebenso nach der abendlichen Kneipe der Heimweg, und zu Hause die Behandlung des Weibes und des Gesindes. Wie sich die Tischzuchten von allgemeineren Lehrdichtungen losgelöst haben, so schwellen sie wieder langsam an zu Verhaltungsmassregeln für das ganze Tagewerk, zu vollständigen Sittenspiegeln.

Obschon diese altdeutschen Tischzuchten erst in Hand- schriften des XIV. und XV. Jahrhunderts erhalten sind, ist der Sprung von Thomasin zu ihnen kein sehr weiter. Sie stammen alle von einer verloren gegangenen strophischen Dichtung ab, deren älteste Bearbeitung in der dem Tannhäuser zugeschriebenen Hofzucht C vorliegt, die in der Mitte des

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I. CAPITEL.

XIII. Jahrhunderts entstanden sein dürfte1. Nach den all- gemeinen Bemerkungen, mit welchen die Tischzuchten ge- wöhnlich beginnen, ermahnt C2 bei Tische der Armen zu gedenken um Gottes willen und gibt dann die üblichen Vorschriften für ein anständiges Verhalten. Ausserdem aber verbietet C noch gröbere Unschicklichkeiten. Man dürfe nicht aus dem Löffel oder gar aus der Schüssel schlürfen, mit dem Munde schmatzen, sich in das Tischtuch oder gar in die Hand schneutzen, mit den blossen Fingern das Salz anfassen, abgenagte Beine oder abgebissene Brocken in die Schüssel zurücklegen; ebenso sei es nicht erlaubt, sich während des Essens den Gürtel weiter zu schnallen oder aus Nase, Auge und Ohr den vnfldt zu neh- men. Diese und andere Verordnungen werden natürlich wieder unterbrochen von den üblichen Urtheilen: da% übele stet V. 80; sälh vnzuht iegent die hübsclien nider V. 48; ja sogar als grö$ missetät werden solche Verstösse bezeichnet V. 52, 81 u. a. Mit Rücksicht auf die Nachbarn V. 115: Die zuokapher merkent da%, Swer sülhe mizuht niht verbirt; mit Rücksicht auf die Gesundheit des Leibes und der Seele V. 168 ff.: vom Überessen und vielen Trinken kommen Krankheiten und Sünden. Das komische Element beginnt hier bescheiden mit Vergleichen: man soll nicht das Brot beim Schneiden an die Brust setzen wie schwache Frauen V. 75, oder die Finger auf das Messer wie ein Kürschner V. 101; essen wie ein Schwein V. 42; schnaufen wie ein Wasserdachs V. 62 ; und mit Übertreibungen : mancher ist so gierig, dass er sich in die Finger und die Zunge beisst V. 145—149. Der Hinweis auf Gott und allgemeine Be- merkungen beschliessen auch wieder diese Tischzucht. Dir am nächsten stehen nun die allerdings viel kürzeren, unter einander eng verwandten Fassungen Ä und B, die Rossauer

1 Die meisten Bearbeitungen sind abgedruckt bei Geyer a. a. 0. ; daselbst ist auch das Verhältnis der Handschriften sorgfältig darge- stellt. Den überzeugenden Beweis, dass C älter als A ist, hat Martin gegon Geyer geführt im Anzeiger f. deutsches Alterthum (Zs. 26) 8, 309 f.

» Bei Geyer B. 9 ff.

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1. DIE ALTDEUTSCHEN T18CHZUCHTEN.

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und Karlsruher Tischzucht K Neu ist bei diesen vor allem die besondere Bestimmung für das Eieressen V. 93— 102, die in allen späteren Tafelregeln wiederkehrt: spitzt das Brot hiefür mit den Fingern, taucht damit in das Ei, legt die Schalen nicht in die Schüssel zurück. In der nieder- deutschen Fassung D2 finden wir dann die weiteren Be- stimmungen, man dürfe sich nicht in den Busen greifen; nicht sprechen, wenn schon ein anderer spricht. Wer sich gegen den Anstand vergeht, der ist nach D ein Thor V. 42, 106, oder ein Affe V. 92, und thut den Leuten weh, die es sehen müssen V. 96. Und hier schon die Weiter- führung der Regeln für die Zeit nach dem Mahle V. 123 ff. Man gehe auf der Strasse nur mit ehrlichen Leuten und auf dem besten Wege, man schlafe nur bei guten Menschen, thue das, was dem Nächsten lieb ist, und erziehe seine Kinder streng. Die zahlreichen Fassungen (Handschriften und Drucke) der Gruppe V* vermehren noch die bisher er- örterten Gebote und führen einen oder den anderen humo- ristischen Zug ein (so durch Hinweis auf einen Schwank: man mache sich nicht um den Mund fett, gleich einem Hunde, der Wischdenbart heisst, V. 98 100) und erweitern die in den älteren Tischzuchten angedeuteten Motive und Bilder durch eine derbere Ausdrucksweise, durch Anfänge drastischer Schilderungen. Ich gebe nur wenige, bezeich- nende Beispiele dieser stufenweisen Ertwicklung. C V. 43: so er i%et) als ein swin; AB 33 f.: rehte als ein stein, der schol bt anderm vilie sin und mehrere Drucke der Gruppe V (Variantenverzeichnis V. 105 f.): als ain eberschwein, der sol pei anderen sauen sein; oder C 46 f.: wer die Bissen in die Schüssel zurücklegt näch gebürischen siten; AB 36: näch gar gebiurischen siten4; V V. 112: näch der groben pauren

1 Geyer 8. 8.

* a. a. ß. 12 ff. Die niederdeutsohe Litteratur, in welche auch der Cato, der Renner und Freidank aufgenommen wurden (Zarncke, Der deutsche Cato 8. 155), betheiligt sich noch mit anderen Tischzuchten und Anstandsregeln an dieser Gattung.

3 8. 14 ff.

Diese Beispiele treten wohl bekräftigend zu Martins Erweis hinzu, wonach C älter als Ä ist.

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I. CAWTEL.

siten mit dem Zusatz : sie beschmieren ihre Finger und ver- dienen der Welt Fluch, denn sie sind gröber als Kitteltuch. Auch zu der Lehre in C 93 und AB 65, die Lippen vor dem Trinken zu reinigen fügt V. 126 die Begründung hinzu, das der wein nicht yewinn vaiste zinken, und einzelne Fas- sungen von V überdiess : die schweben dann in dem trinckge- schir oben, fürwar es mag das niemandt geloben. Auch ge- wagtere Situationen vermeidet V nicht mehr, V. 138—142 umschreibt aber noch den stärksten Ausdruck: man verstet wol, was ich mein. Der interessanteste Druck dieser Gruppe ist gl; in Worms im Jahre 1538 bei Sebastian Wagner, dem Vorgänger von Scheidts Verleger Hoffmann edirt, dürfte er dem Verfasser des kleinen Grobianus2 so- wie Scheidt kaum entgangen sein, g hat grössere Erwei- terungen; nach V. 150 3 warnt es die Tafelnden vor dem Ehrabschneiden, das man so häufig bei Tische pflegt, vor Gotteslästerung, Schwören und Fluchen, vor unkeuschem Ge- schwätz, vor viehischer Völlerei und dem argen Zutrinken, das die Leute zu Narren macht, sodass sie auf ebener Erde straucheln und alles wieder von sich geben wie die Hunde. Zur Strafe für diese Lnzucht hat uns Gott in dieser Zeit die vielen Plagen gesendet. Wir hören den Moralprediger des XVI. Jahrhunderts aus diesen Versen heraus. Auch ein längeres Gratias fügt g nach dem Mahle hinzu4 und ge- meinsam mit den übrigen Drucken das Gedicht Wie jung knaben vor dein tisch sollen stan , ein häufiger Anhang der Tischzuchten : die bedienenden Knaben sollen nicht unnütz hin und hertreten und mit den Händen herumarbeiten. Sie sollen immer aufpassen, ob nichts mangle, jedem Befehl so- gleich und ohne Widerrede Folge leisten, Mädchen sollen schweigsam und schamhaft sein. Einige Drucke geben noch die Verse vom Hausgesinde5 bei, welchem die Reinigung der Tische, Bänke, Gläser und Messer, aufmerksame und

1 Geyer S. 8.

2 8ieho unten 8. 47.

3 Geyer 8. 18 Varianton.

Nach V. 234 8. 20 Varianten.

* Im Text V. V. 234 ff.

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1. DIE ALTDEUTSCHEN TISCHZUCHTEN.

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rasche Bedienung, Ehrfurcht vor den Priestern, Eltern und Hausherren in sprichwörtlichen Wendungen eingeschärft wird.

Ausser diesen auf ein Original zurückführenden Tisch- zuchten finden sich besonders in späteren Handschriften und Drucken des XV. und XVI. Jahrhunderts zahlreiche andere Vorschriften für den Anstand beim Mahle, welche zwar von den bisherigen formell unabhängig sind, aber dieselben oder ähnliche Regeln enthalten. Bei einer flüchtigen Besprechung sollen nur charakteristische Momente der einzelnen Gedichte erwähnt werden, die zugleich zur Entwicklung der ganzen Gattung beitragen.

Die Siegburger Tischzucht1 stellt nach den alten und einigen neuen Verboten (nicht beim Händewaschen ins Becken zu spucken, nicht in die heisse Brühe aus vollen Backen zu blasen) die Vorzüge zusammen, die aus dem guten Anstand sich ergeben. Männer und Frauen hassen den Unschicklichen V. 114, halten ihn für einen Thoren, den Geschickten aber für einen Weisen V. 126 und 12. Von drastischer Anschaulichkeit sind hier V. 87 f. dat yeboirss vnpen dat ich lass, dat synt dry vynger in dem saltzfas.

Auch aus dem Anfang des XVI. Jahrhunderts stammt die 'Rinderzucht* 2. Sie schärft in der üblichen Weise ein, wie man essen und bei Tische bedienen soll , beginnt aber bereits mit der Morgentoilette, gebietet das Kämmen, das Ausspülen des Mundes, die sorgfältige Reinigung der Kleider, fügt allgemeine Lebensregeln hinzu und tadelt zum Schluss den Zutrinker als unchristlich und wirft ihm vor, er sei schlechter als eine Kuh, die ja nur zur Befriedigung ihrer Nothdurft saufe.

Auf der gleichen Stufe der Entwicklung stehen die ersten drei Tischzuchten von Hans Sachs3, die sich unter- einander inhaltlich decken. Auch er tadelt neben den be- kannten Unschicklichkeiten das Zutrinken, böse Nachrede,

1 Ed. tod Rud. Sohmidt nach einer Darmstädter Hs., Anfang des XVI. Jahrb. Zeitschrift f. deutsches Alterthara 28, 64 fT.

2 Geyer 8. 27 ff.

» Oeyer 8. 29 ff., o, h u. c aus d. J. 1534, 1542 u. 1543.

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14

I. CAPITEL

unanständige Worte und Streit bei Tische. Ein beliebtes komisches Motiv des gegen Frauen so ungalanten XVI. Jahr- hunderts klingt hier an V 60 f. : Dergleichen maid, jungk- fraw vnd frauen Solln nach keym ftoch hinundter-fischen.

Viel Neues bietet die niederdeutsche Tischzucht aus Wolfenbüttel Sie beginnt von einem heiligen Orden zu erzählen, dem jene Leute angehören, welche die Regeln der Tischzucht kennen. Dem Laien aber sollen sie hier ge- lehrt werden. Mit originellen Vergleichen: man stecke nicht vor den Leuten den Finger in den Mund als wollte man pipen den gasen, man lasse nicht ein Knie über dem andern hängen olse me Pilatus plecht to malen. Die Ver- gleiche aus dem Thierreiche sind hier zu einer Reihe zusam- mengesetzt, welche die verschiedenen Unarten beim Trinken geisselt S. 425 Z. 30 ff. Du sollst nicht über den Becher starren wie eine Kuh, nicht laut trinken wie ein Ochs, wie ein Pferd, wie ein Schaf usw.

Ein Widerspruch gegen frühere Regeln ist hier die Erlaubnis, das Brod beim Schneiden vor die Brust zu setzen, weil es in freier Hand zu gefahrlich sei. Diese im Gegen- satze zu den bisherigen prosaisch abgefasste Tischzucht ermahnt zum Schlüsse: fragt dich ein Unsinniger, ein Bezechter oder gar ein Jude nach heiligen Dingen und un- begreiflichen Lehren des Christenglaubens, so vermeide die Antwort. Zwei Schwanke exemplificiren diese Ermahnung.

2. ENGLISCHE, FRANZÖSISCHE UND MITTELLATEINISCHE

TI8CHZUCHTEN.

Die Tischzucht ist keine eigenthümlich deutsche Gat- tung der Lehrdichtung, sondern wie Thomasin durch eine fremde Quelle zu der ersten deutschen Tischzucht angeregt wurde, so nahmen an der Ausgestaltung dieser Gattung

1 Ed. Lübben, Germania 21, 424 ff.

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2. AUSSERDEUTSCHE TISCHZUCHTEN.

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neben Deutschland alle Culturländer des Mittelalters theil und besonders die internationale mittellateinische Litteratur. Durch die gemeinsamen Ideale des Ritterthums und der katholischen Hierarchie war die mittelalterliche Cultur Europas auf Jahrhunderte hinaus kosmopolitisch geworden und so wie die Ritter in Südfrankreich oder Thüringen die Damen ihres Herzens mit ähnlichen Liebesliedem feierten, in Baiern oder in England mit ähnlichen Märchen und Sagen die Ohren der Hörer erfreuten, so galten auch bei allen die gleichen Vorschriften für Turniere und hohe Festlich- keiten, für den feinen Verkehr mit Frauen und Jungfrauen, für den Anstand bei Tische. So zeigen die unter gleichen Bedingungen erwachsenen Anstandsregeln untereinander eine grosse Verwandtschaft und zahlreiche parallele Erscheinungen zu den deutschen Lehrdichtungen. Ein Blick auf die eng- lische und französische Didaktik erweist diese Behauptung.

Ob aber eine der zahlreichen lateinischen Tischzuchten eine gemeinsame Quelle der deutschen und ausserdeutschen Tischzuchten ist, ob in der Abhängigkeitsreihe Zwischen- glieder vorhanden oder verloren sind, ob eine unmittelbare gegenseitige Beeinflussung zwischen den verschieden- sprachigen Vorschriften stattgefunden hat, muss vorläufig unentschieden bleiben ].

Auch in England gibt es grössere didaktische Werke und besonders im XV. Jahrhundert gnomische Lehrdichtungen, Anstandsregeln und Sittenbücher. Lehren, die der Vater seinem Sohne, die Mutter ihrer Tochter gibt, ohne wörtliche Anlehnung an die Winsbeken, aber mit ähnlichem Inhalt, Hofzuchten und Tischzuchten in Versen und in Prosa. Furnivall 2 hat von diesen eine grössere Zahl nach Drucken und Handschriften des XV. und XVI. Jahrhunderts gesammelt.

1 Ich gehe am so weniger auf dieses schwierige Kapitel der in- ternationalen Beziehungen ein, weil Geyer a. a. 0. S. 34 verspricht, in einem Programm das Verhältnis der deutschen Anstandsiehren zu der verwandten germanischen, lateinischen und romanischen Littoratur zu behandeln.

* Early english text society Nr. 32. The Babees Book etc. ed. Furnivall, London 1868.

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16

I. CAPITEL.

Gleich das erste Gedicht The babees book 1 ist eine erwei- terte Tischzucht. Die bekannten Ermahnungen kehren hier insgesammt wieder. Junge Leute müssen sich bei Tische ruhig verhalten, den Würdigeren Platz machen und ihnen reines Wasser und das Handtuch reichen; sie dürfen nicht in den Zähnen stochern, nicht mit unreinen Lippen trinken, nicht die besten Bissen aussuchen, gierig essen, lachen und schwatzen usw. Auch hier die Urtheile dazwischen: for that is curtesy, V. 161; for yt ys nouhte yuys convetiyent, V. 172; for so ytvys yee shalle a name deserve, Off' gentyl- nesse and of good govemaunce V. 187 f.; auch hier wird nach dem Mahle ein Gratias gebetet und mit dem Hinweis auf Gott die Tischzucht geschlossen. Strengere Vorschriften zeigt Urbanitatis S. 13 ff. für den Anstand vor höheren Personen, während das dritte Gedicht eine religiöse Kinder- zucht ist: The lytylle childrenes lytil boke etc. 1480. Hier erklärt der Autor in der Einleitung nachdrücklich that curtesy from hevyn come 2 und verlangt wie C, dass man zu Beginn des Mahles an Gott und die Armen sich erinnere. Die weiteren Regeln bieten nichts Neues, abgesehen von einigen drastischen Vergleichen, wie V. 47 Bulk not as a Bern were yn thi throte. Den bedienenden Knaben sind hier ganze Lehrgedichte gewidmet, S. 27 fF. Stans puer ad tnensam. Mit der bekannten Weiterführung nach beendigtem Mahle V. 18, walke detnurely be streetis in the town*. Von grossem Umfang sind jene englischen Anstandsbücher, welche ausser der Tischzucht genaue Verordnungen für den Dienst bei Hofe, Fürsten und Grafen, Kochrecepte und Speisezettel, diätetische Vorschriften, Lehren für den Kellermeister, Senne- schall und Badediener enthalten 4. Ein Verstoss gegen den Anstand gilt hier begreiflicher Weise als moralisches Ver-

1 Ebenda S. 1 ff. aus d. J. 1475.

2 Vgl. Tisohzuoht C V. 239 f. Kein vngezogev man der kan Ze himelriche nimmer komen u. a.

» Vgl. Tiachzuoht D V. 123 f. Ga gi mit erliken Iwhn vp der Straten usw.

* Furnivall 8. 115 ff., 297 ff. u. a.

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2. ArssfcKDEUTSCHK TISCHZUCHTEN.

gehen that is a vyee Und wie die deutsche Lehrdichtung so enthält auch die englische Verhaltungsmassregeln für das ganze Tagewerk, die sich vorn und hinten an die Tischzucht angeschlossen haben. The boke of Nurture- etc. und The srhoole of Vertue* etc. behandeln das Aufstehen und die Morgentoilette, den Gang in die Kirche und in die Schule, das Verhalten gegen Eltern und Lehrer sowie bei Tische, sie enthalten Gebete, Ermahnungen zur Reinlichkeit, Wahrheitsliebe , Bescheidenheit , dazu andere Sittenlehren, nieist in sprichwörtlichen Wendungen. Und wie die deutschen Epiker, so berücksichtigen auch die englischen in ihren Darstellungen die Tafelsitten. So schildert Chaucer4 seine Priorin als strenge Beobachterin der höfischen Sitte beim Mahle: nie entfiel ein Bissen ihrem Mund, nie tauchte sie die Finger in die Brühe, und sie wusch die Lippen vor dem Trinken so rein, dass nicht ein Schimmer von Fett an dem Becher haften blieb. Man merke, dass also hier am Ende des XIV. Jahrhunderts dieser feine Anstand als auffallend verzeichnet wird.

Alle diese Erscheinungen zeigen sich ebenfalls in der französischen Lit-teratur. Tischzuchten nach Handschriften des XV. Jahrhunderts sind z. B. La mattiere de se Content r a table und mehrere andere, inhaltlich vollkommen mit dieser übereinstimmend, bei Furnivall!i und die Contenaticc de table''. Alle beginnen mit dem Gebet vor Tisch, dem Waschen der Hände und fahren in der bekannten W eise fort, unterbrochen von den Urtheilen, die wie im Deutschen verschiedene Arten und Grade der Auflassung bekunden. Thu es nicht, si tn e.< sai'je um c'est untj let [*oinf honnestt' ne si

1 8. 30:2, vgl. Twolizucht C V. 52 u. 81, miasetät.

2 Ebenda 8. 61 ff. 1 8. 338 ff.

* Canterbury tales, cd. Morris, London 188U. V. 118-141, be- sonders V. 127: Ät nute ivel i-tuuyht was sehe trithulle. V. 132: In citrtesie teas sett al Iure teste.

» n. a. O. II. Theil S. 3 ff.

fc AltdeutHch» IHiitter Ton ll .upi ... llullii.H.m l, 2G(J ff. QF. i.XM. •>

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18

t. CA HTM.

accorde 1 car ccst rhose desrotivenoble oder gar r'est rhose traf) cillaine-.

Ein französisches Beispiel allgemeiner Anstandsregeln ist Robert de Blois' Chastiement des Daines*5 aus dem XIII. Jahrhundert. Nicht nur das Essen und Trinken, auch das Benehmen auf der Strasse, bei Besuchen, dem Bewerber gegenüber wird hier den Frauen gelehrt. Das Beispiel einer Tischzucht innerhalb einer grösseren erzählenden Dichtung bietet der Kornau de la Hose V. 14 825 ff, 14 34« ttY1

Die lateinischen Tischzuchten bei Furnivall (11. S. 2b* ff.) wiedelholen unter den sprechenden Titeln Ut te geras ad Mensam; Staus Buer ad Mensam und Modus Cenandi nur bereits Bekanntes. Die Zwischenbemerkung der Autoren, die dann noch bis auf Dedekind im Gebrauch bleibt, ist liier: si vis urfumus haberi .

X DK 11 ÜBERGANG ZUR PARI) IHK.

Ausser den oben erwähnten kurzen Vorschriften gibt es eine hYihe grösserer niittellateinischer Aiistandslehren, die nicht mir als beachtenswerte parallele Erscheinungen, sondern neben den altdeutschen Tischzuchten als wichtige nachwirkende Erscheinungen für die Entwicklung der

« Bei Furnivall V. 4!>, '2>, '21. Zu 4<1 vgl. Siegbur-.-r T. V. p> so spryrht man du syst uyss. Kbeuso Fucetus V. 178.

* Altd. Hl. S. '210.

s Abgedruckt in Fnbliaux et eoutes publica pur linrbiunn et Mfion, Paris 18(J8. S. 196—201.

* Auch ein ähnliches Verhältnis wio zwischen den Vierzeilern und Reimpaaren der deutschen Tisc hzuehten C und A (Vgl. Geyer a. n. O. S. 2) finden wir in der französischen Litterat ur.

Quatrnin Nr. I (Altd. Bl. S. Tr2): Furnivall II ;]

Enfunt qiti reult estre cowtoyx t$c tu venlx enive hien courtoys Et ä toutes gens ayreubles Keyarde res reiyles tu franfoys.

Et prhtcip dement ä table Garde ees reyles en frangoys.

5 Die lateinische Tisohzucht des Erasmus erwähne ich später S. 34.

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3. 1>KR C'BKRÖANO» ZtU PAttOMK

-

19

deutschen Lehrdichtung überhaupt und für den Übergang der Sittenvorschriften zur Parodie insbesondere ins Auge zu fassen sind. Es sind dies vorerst zwei Schriften, die sich selbst im Titel als Fortsetzungen der Disticha Ca- tonis bezeichnen , der Moretus der die Jugend ermahnt wahrheitsliebend , verschwiegen , bescheiden usw. zu sein, der Facetus, in welchem allgemeine Lebensregeln und Lehren der Tischzucht einander ungeordnet ablösen, und endlich des Keinerus Phagifacetus oder die Thesmophagia. Diese lateinischen Sittenbüchlein gehen den früher darge- stellten deutschen Anstandsregeln zeitlich und dem Grade der Entwicklung nach weit voraus (der Phagifacetus stammt aus dem XII. Jahrhundert), aber sie haben keinerlei Einfluss auf diesen Zweig der deutschen Lehrdichtung, be- vor sie am Ausgange des XV. Jahrhunderts von einem Manne in die deutsche Litteratur eingeführt wurden , der als Sittenrichter an der Schwelle der kirchlichen Refor- mation steht und kurz vor Beginn des neuen Zeitalters das alte in strafenden Bildern, in geisselnden Schilderungen fest hält, von Sebastian Brant. Brant hat den Cato neu übersetzt und dadurch alle älteren Fassungen verdrängt, er hat sich durch die Bearbeitung der ('ato-Fortsetzungen - und der Thesmophagia auf sein Hauptwerk, das Narren- schiff, vorbereitet, das von beispielloser Einwirkung auf alle nachfolgenden Satiriker und Didaktiker auch für die besonderen Gattungen der Grobianus- und Trinklitte- ratur den unmittelbaren Ausgangspunct bildet.

Zwei Jahre vor dem Narrenschiffe (1490) übertrug Brant die Thesmophagia ins Deutsche". Er hielt sich

1 Er beginnt ähnlich wie die obenerwähnte französische Tischzucht : Facetos fili cupievs perdiscere mores, Itigenuosque cito perlege parvum opus hoc.

2 Diese Übersetzungen sind abgedruckt bei Zarncke: Brants Narrenschiff, Leipzig 1854, und zwar der Cato S. 131 ff. ubersetzt i. J. 1498. Faoetue 8. 137 ff. J. 14W5. Moretus 8. 142 ff. J. 1499. Im Fa- cetus ist für Brant charakteristisch die Ausdrucksweise: man blase nicht mit nerscher wise ins Glas.

3 Die lateinische und deutsche Fassung edirt von H. Lemcke, Stettin ISSO (Z ir Beprinsung der deutschen Philologen und Pädagogeu-

2*

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1. CAPlTfcL.

hiebei streng an den Inhalt des Originals und wollte nur die mythologischen Tropen vermeiden; für Vutcanus sagt er die hitz, für Najade limpidior : vi! tut er dann das weisser, für Scylla : wirbel. Er hat sprichwörtliche Wendungen und Sätze mit ausdrücklichen Hinweisen auf die Zucht, z. B. V. 574 Gemein hof sucht ob allen disch int . . usw. hinzu- gefügt. Die Thesmophagia ist die umfangreichste Tischzucht. Die üblichen Kegeln sind hier nur Ü berschrifteu kurzer (Japitei, die in einem Dutzend oder mehr Versen den In- halt der Vorschrift genau bezeichnen. So De manilus laium- dis ; De discumbendi ardine. Durch diese breite, mit Be- hagen durchgeführte Darstellung der Unschicklichkeiten, die getadelt werden, der Situationen, die abschreckend wirken sollen, tritt die Thesmophagia aus dem Kähmen einer einfachen, theoretisch lehrenden Tischzucht heraus und bildet den Übergang zur Satire, ja zur Parodie.

Man darf nur etwa zu der Schilderung des Fressers, (V. 584 ff.) der gierig nach Geflügel, Wildpret und Fisch herumtappt, mit den besten Stücken gierig seinen Wanst füllt und die mageren Bissen dem Nachbar vorlegt, statt der Warnung dies nicht zu thun die Aufforderung hinzu- fügen dies zu thun, und die Parodie in der Art von Dede- kind-Scheidt ist vollzogen. Übrigens rühmt auch die Thes- mophagia im Gegensatze zu anderen Tischzuchten den Wein in begeisterten Apostrophen. Und einige .Jahre spater hat Braut selbst in der zweiten Auflage seines Narrenschiffes 1495 in einein neuen Capitel 110 a den gleichen Inhalt be- handelt, doch auch der Form nach bereits als völlige Satire. Schon der Titel ist bezeichnend: Von discltes unzmhl, denn hier wird nicht mehr Zucht gelehrt, sondern Unzucht absehreckend geschildert. Brant nimmt also auch die

Versammlung). Nur die latuiniMche: Httbich, Gymn.-Prograram, Gotha 1860. Nur die deutsche: Zurncke a. a. O. ^. 147. Kino Besprechung der Beziehungen zwischen der Thesmophagia und anderen lateinischen Lohrdichtungen würde den Rahmen dieses einleitenden Capitels über- schreiten. Hoffentlich wird unn Geyer auch darüber nähere Aufklärung geben. Die Thesmophagia wurde schon vor Brant, doch ohne weitere Nachwirkung, ins Deutsche übertragen.

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3. DER ÜBERGANG ZUR PARODIE.

21

Ungezogenen in die Zahl seiner Narren auf, doeh an letzter Stelle, weil sie nicht so gänzlich der Ehrbarkeit und Gottes vergessen1 haben wie die früheren Narren. Das unschick- liche Betragen ist demnach bei Brant ein weit geringeres Gebrechen als in der ritterlichen Zeit. Für die einzelnen Ungezogenheiten selbst benutzt er die Thesmophagia 2, zu- weilen wörtlich, meist verändernd und frei umstellend, ver- meidet alle ihre unerquicklichen Längen (statt der vierzehn W»r»ei über das Händewaschen hat Brant nur zwei: V. 15 f.) und lässt alle genaueren Bestimmungen etwa über das Zer- schneiden der Speisen und alle moralischen Bemerkungen bei Seite. Durch einen selbständigen Anfang und Schluss hat er die Darstellung der unho/firhai Narren in die neue Fmgebung eingefügt und mit der an Redensarten und Sprichwörtern reichen Sprache, in der das ganze Narren- schiff abgefasst ist, durchtränkt. Im Ausdruck ist er viel derber und drastischer als seine Vorgänger, die deutschen Tischzuchtdichter, und macht auf dem Wege zu denGrobianus- dichtungen einen weiten Schritt, indem die von ihm ge- schilderten Narren zur Ausbildung des Typus des Grobianers vieles beitragen. Eine Haupteigenschaft , die schlaue und rücksichtslose Verfolgung der eigennützigen Absichten, tritt in vielen Einzelheiten hervor : der Grobianer legt hier allen Fleiss darauf, nur sich selbst zu füllen, V. 65; er dreht die Schüssel herum, bis der beste Bissen vor ihm liegt V. 104 ; er schwatzt laut über Tisch und lässt keinen anderen zu Wort kommen V. 119; er ärgert sich, wenn ihm der Nachbar freundlich etwas reicht, denn selbst hätte er sich Besseres genommen V. 160, und ist auf dem Gebiete des Unappetit- lichen seinen nächstenNachfolgern bereits ebenbürtig. Epische Züge (Anspielung auf einen bekannten derben Schwank V. 139 ff.) und dramatische Anfänge (directe Rede V. 21 ff.) erhöhen die drastische Wirkung des Capitels.

Doch nicht nur zur Zeichnung des Helden und zu den Einzelheiten der Handlung hat Brant beigesteuert, er hat

1 Capitel 110a V. 8-11.

2 Die Parullelstellen in den Anmerkungen zum Narrensohiff, Ooedekes Ausgabe 8. 232 ff.

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1. CAPITEL.

der ganzen Richtung einen Schutzpatron und dadurch auch einen Namen gegeben. Ein nuer heilig heisst Grobian, den will ittz füren iederman, so beginnt Brant sein 72. Capitel, in welchem er die Schlemmer geisselt1. Mit dieser scherz- haften Heiligsprechung hat Brant den Vogel abgeschossen. Sanct Grobianus wird nun dem ganzen XVI. Jahrhundert Schutzherr und Anwalt jedes derben Spasses, jedes unan- ständigen Benehmens, all des rohen Schmutzes in der Kneipe und in der Familie. Er wurde, wie Brant klagt, mit schänd- lichen Worten, wüsten Werken und Weisen, die man als Scherz betrachtete, verehrt. Den Namen selbst fand Brant schon vor. Eine Bildung aus grob', wie später Grobhard und Grobhans (bei Scheidt), mit einer fremden Bildungs- silbe nach Art des Dummrian, Schlendrian ist er zuerst nach- gewiesen 1482 in Zeningers Vocabularius theutonicus2 als Übersetzung für rusticus'. Aber auch die Heiligsprechung ist einigermassen vorbereitet. Einmal mussten die Heiligen des Mittelalters für alles Erdenkliche herhalten und wie S. Urban der Patron der Gicht oder gleich dem heil. Ulrich ein Helfer in den Nöthen des Magens s, wie S. Martin (durch Einwirkung der Martinalien) der Anwalt des Schlemmens war*, so weihte man den letzten Trunk vor Beendigung eines Gelages dem heil. Johannes r> ; andererseits verdankten viele komische Heiligennamen dem Mis verstand ihre Entstehung, so der heil. Hosianna und Celebrant und die heil. Halleluja t:, und endlich lag es dem lästerlichen wortspielenden Witze

1 Darüber mehr in meinem 5. Capitel.

* Bl. C 4a. Den Nachweis liefert Wrampelmeyer : „Cordatus" Tagebuch über Luther. Zu Gespräch 1738.

3 Scheidt, Grobianus, Randbemerkung S. 9*1, Fischart, Gesdiicht- klitterung, Neudruck S. 147.

4 Unland. Volkslieder Nr. 205— 207. Gocdeke-TiMmann, Lieder- buch 8. 173. d. Hagen, Gesammtabonteucr II, Nr. 50 (die Erzählung Sente Mirttnes naht).

5 Vgl. Germania 21, 8. 213 ff. Mhd. Wtb. 1. S. 773. Soheidt, Grob. Randbom. S. 121. Pauli, Schimpf u. Ernst S. 300 Nr. 522. Un- land, Volkilieder Nr. 309. Zingerle, Wiener Sitzungsberichte 1862.

6 Piper. Die Spielmannsdichtung 1.8.245 f. Germania 13,8.301). 28, 8. 9 u. 512.

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3. DER ÜBERGANG ZI K PARODIE.

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des XV. und XVI. Jahrhunderts nahe, scherzhalte und unan- ständige Heilige willkürlich zu erfinden, da die Scheu vor kirchlichen Dingen überhaupt gewichen war. Man veröffent- lichte komische Predigten1 und Parudirungen der Messe-, nia.ii erdichtete einen S. Nemo:; und Nimmerlein, Schwann und Kosman4. Die Zahl dieser Schutzpatrone wächst noch in der Zeit nach dem Narrenschiff: Hans Sachs nennt einen heil. Kolbman und Stolprian \ Wickram einen S. Nimmers- tag-'. Fischart einen S. Schmossmann \ einen jüdischen S. Thalmutlr und einenS.Schweinhardus'\ noch Grimmelshausen einen S. Nitglass. Keiner von diesen aber kommt an Ansehen und Verbreitung dem heiligen (jirobianus gleich. Hasch be- mächtigt sich Murner 1,; dieser Figur und stattet sie mit vielen neuen Zügen aus. Im .1. 1537 erscheint dieser Heilige in einem Colmarer Fastnachtspiel11. Mit wörtlichen Ent- lehnungen schliesst sich an das 12. Capitel des ßrantschen Narrenschiffes ein ReyyeHlied von Sunt Grobian V2 aus der Mitte des XVI. Jahrhunderts an. Hans Sachs nennt die un- anständigen Menschen, indem er das Bild erweitert, Ordens- le ute im Kloster Sant Grobian y\ Luther gebraucht den Aus- druck als Schimpfnamen, den späteren Verkehrten Tisch- zuchten' ist er ein willkommener knapper Titel, ja er dringt sogar mit dem Kahlenberger und dem Eulenspiegel in den französischen Wortschatz ein.

Zur Popularisirung des Narrenschiffs haben die Pre-

» Wackerna^el, Fisohart S. 102 Anm. 216.

I Ebenda S 103 Anm. 218. 1 Ebenda S. 101.

* Weirnarisehes Jahrbuch 5, S. 479 ff.

* Brants NarrenschifF, ed. Goedeke, 8. 137 Anm. 6 Rollwa^enbüehlein 8. 72.

: Eolenepiegel Reimensweiss löOn.

* Ebenda 102 b.

9 Nachtrabe S. 220. Geschiel. tklitterung S. 68. ,J S^helmenzunft 21 cap. d*. Näheres später.

II Zarnckc, Brants Narronschiff S. CXX.

1! Wackernagel, Fischart S. 111 Anm. 236.

,J Goyer a. a. O. S. 33 V. 97 f. Mehr darüber in Goedekes Xarreoschiff 8. 137 Anmerkung und in meinem 4. Capitel.

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2X

1. CAP1TKL.

digten des Geiler von Kaisersberg kraftig beigetragen. Die breitesten Volksschichten machte Geiler mit dem Inhalt der einzelnen Capitel vertraut *, die er der Reihe nach vornahm und nach einem bestimmten Schema Brants System weiterführend genau zergliederte. Setzt Braut jedem Lasterhaften die Narrenkappe auf, so unterscheidet Geiler noch die einzelnen Schellen daran, welche ihm die Unterabtheilungen des betreifenden Lasters vertreten. In eigenartigen Erklärungen und satirischen Erzählungen, die er frei hinzufügt, bietet er bei Besprechung eines jeden menschlichen Gebrechens neues interessantes Material. Die Unzucht bei Tische wird gar zweimal besprochen ; zu dem 16. Capitel, bei Brant nur gegen das Zutrinken gerichtet, fügt Geiler die landläufigen Regeln der Tischzucht. Er vergleicht die Trunkenen mit verschiedenen Thieren3, schilt die Schlecker nnd gierigen Fresser und zählt dann die ein- zelnen Unarten auf z. B. Decimu quinta nola est inordinatio in scindendo panem, masticando cibum etc., 16: brachia eri- yere ((/not Lossen triben) etc., neugierig herum blicken, die fetten Hände an die Kleider wischen etc. und schliesst mit den Übertreibungen im Trinken 27: Cum crepitu vitri (tut pocuti bibere, 28. bibere cum bu ryinarum effusione . . dass es aufs Gewand herabträuft, oder dass der Athem ausgeht. Und Capitel 110a verwendet Geiler zu sechs Predigten4, in denen er die Narren an der Menschen Tafel und an Gottes Tisch (beim Empfang des Altarsacraments) , Reinlichkeit des Körpers und Reinheit der Seele vergleicht und so die Regeln der Tischzucht symbolisch verwerthet. Die erste Schelle ist hier Manus mm lavare, eine Unschicklichkeit an der Menschen Tisch, eine Sünde vor Gottes Tisch. Dann erfolgt die Deutung : Aqua est contritio, lotio est con- fessio, moppet est satisjactio. Dies wird im Detail ausgeführt:

1 Nauicula siue speoulum fatuorum etc., vgl. Qoedeke GrundrisB 1, 400, 16. Vom Jahre 1511 Berliner König]. Bibl. Yg. 5824. * Oolosorum turba XVI.

3 Ein bekanntes Motiv, schon in der Bibel angedeutet. Mehr darüber 8. 42 f.

4 Turpium commeosalium turba Bl. CVII ff.

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H. DER fRKKUANil /AR PAR0D1K. 25

»las Wasser der Reue rnuss warm und sauber sein usw.. ebenso bei den andern Regeln. Die zweite Schelle ist EHyvre pr int tun locttm auch vor Gottes Tisch muss man deiniithig sein. Und weitere Vergleiche: an der Tafel darf man nicht die Speisen prüfend kosten am Altare nicht über das rätselhafte Wesen der Gottesspeise nachgrübeln. Bei Tische darf man nicht Flöhe und Läuse suchen beim Altare darf man nicht an Sünden denken. So geht es weiter durch 12 Schellen. Die strenge Durchführung dieses Vergleiches ist hier neu, ein oder der andere Ansatz hiezu kommt schon früher vor, so im Beginn des XV. Jahrhunderts in dein Ritterspiegel von Johannes Rothe der den Rittern Massigkeit im Essen und Trinken und sittiges Betragen dringend anempfiehlt. An einer Stelle gebietet er: gib dem frommen Ritter nach Tische Handwasser und ein reines Tuch: er denke dabei, dass er sich an kein böses Weib kehre, sondern die eheliche Treue bewahre, seine Hände wasche er rein von unkeuscher Begierde * . Später 1514 hat Murner in seiner geistlichen Badenfart* das Baden in allen Einzelheiten als allegorisches Bild für die Reinigung von den Sünden durchgeführt. Geiler fügt den obener- wähnten Vergleichen noch eine ähnlich abgefasste Predigt hinzu, in welcher er von den Freuden des Schlaraffenlandes ausgehend die Wonne des Himmels zu deuten und zu schildern versucht. Er setzt hier alle Motive dieses alten Märchens bereits als bekannt voraus, während Brants 108. Capitel trotz der Uberschrift tfas schhtr äffen schiff nichts davon erwähnt. Die Einführung des Märchens vom Schlaraffenlande oder doch dessen weitere Verbreitung in der deutschen Litteratur fallt eben in die Zwischenzeit, in den Anfang des XVI. Jahr- hunderts. Die Griechen hatten dieses alte Motiv bereits ' ins Scherzhafte3, die romanischen Völker des Mittelalters

1 Ed. Bartsch, Mitteldeutsche Gedichte. Litter. Verein Nr. 33. Stuttgart 1860, 8. 89 ff., besonders V. 1557 ff., 2667 ff., 3261-3312.

4 V. 2065 -2D75.

1 Job. Poeichel : Das Märchen yom Schlaraffenlande. Paul und Braune, Beiträge 5, 2 ff. 8. 7.

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l. CAl'lTEL.

ins Grobianische 1 gezogen. Im XV. Jahrhundert taucht der Name2, im XVI. Jahrhundert die ersten poetischen Darstel- lungen des Schlaraffenlandes in Deutschland auf. Hier erfreut sich dieses Märchen bald einer grossen Beliebtheit. Die Mo- ralisten benutzen es als Tendenzdichtung, um Üppigkeit und Unfleiss zu verspotten, die trägen (lenussmenschen als will- kommenen Spielplatz der Lüste und Wünsche ihrer ungezügelten Einbildungskraft. Essen, Trinken und Schlafen ist die Haupt- beschäftigung der faulen Zunft in den deutschen Schlaraffen- dichtungen. Der Träge, Gefrässige, Unanständige wird reichlich belohnt, ein Motiv, das sich mit der neu auf- kommenden Richtung der Grobianusdichtungen, welche den Schlemmer und Säufer, den unhöflichen Egoisten beloben und als nachahmenswertes Vorbild für den Leser schildern, sehr nahe berührt. So erstehen diese verwandten Dich- tungen nebeneinander und fördern sich durch gegenseitige Beeinflussung in ihrer Ausbildung. Eine Dichtung wie das Schlaraffenlied eines fliegenden Blattes5, das jedem, der vom unmässigen Trinken und Essen speien inuss, zehn Kronen für den Löffel voll verspricht, ein Pfund für jede Stunde, die er verschläft, zwei Pfund für die Verunreinigung des Bettes, unterscheidet sich von der Dedekindschen Pa- rodie nur dadurch, dass dem Grobianer klingender Lohn und dort lobende Anerkennung zu Theil wird; ja ein späteres Schlaraffenlied \ das für jeden Trunk drei Batzen, für jeden Wind einen Thaler verheisst, wTeisti direct hin auf den Grobianus. Wer dort (d. h. im Schlaraffenlande) will sein ein tjlehrter Mann Mass gstudiert haben Grobian.

Es waltet in der Litteratur eine Periode der Narr- heit, des derben Scherzes, der ironischen Satire. Wie gross die Lust nach Verkleidung und Maske, wie empfänglich* die Stimmung für das Unwahrscheinliche, Wunderbare, und Verbotene war. zeigt die eifrige Wiederaufnahme bestimmter

1 Ebenda 8. 23.

2 Keller, Fdstnachtspielü Ö. 53, 27; S. 721, 2.

3 Zarncke, Brants Narrenschiff 8. 455, bes. Strophe 5 * Altdeutsohe Blätter 1. 8. 168 ff.

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3. 1)EK ÜMKKCMNM ZUR 1'AKODIK.

27

älterer Erscheinungen, wio der verkehrten Welt der Lügen- diehtnngen, der volkstümlichen Räthsel- und Lügenlieder, der Erzählung von fernen Gegenden und wunderbaren Menschenarten (besonders der Fabeleien im Herzog Ernst, im St. Brandau, im hürnen Siegfried), des Thierepos, der komischen ärztlichen Vorschriften1, die möglichst star- ken Weingenuss und Ahnliches anrathen, das bekunden auch neue Erscheinungen, wie die Epistolae obscurorum virorum, des Erasmus Lob der Thorheit und zahlreiche andere Encomien, die Trunksucht und Unkeuschheit, das Podagra und sonstige unwichtige und schädliche Dinge in ernst gehaltenen Lobsprüchen feiern. Die meisten unter ihnen wurden zu moralisch-satirischen Zwecken verwendet und machten den Boden fruchtbar zum Aufkeimen der ver- kehrten Sittenbücher, der Strafpredigten, die sich in das Gewand einer unflätigen Komik hüllen.

Die Vorbereitung zu dieser Umkehrung der Lehre konnte aber auch auf dem Gebiete der Tischzuchten und Anstandsregeln selbst bereits verfolgt werden. Schritt für Schritt geht die Verwandlung vorwärts. Humoristische Anspielungen, drastische Vergleiche und Witze blitzen auf, derbe Schwanke und satirische Genrebilder werden hinzu- gefügt, unappetitliche Situationen, die abschreckend und komisch zugleich wirken sollten, mit Behagen dargestellt. Endlich im Jahre 1492 enthält die ernstgemeinte Tischzucht Köbels2 mitten in den Sittenlehren, die sie dem Regimen moralitatis, und in den Tischregeln, die sie der Karlsruher Tischzucht B entlehnt, eine schlaue Anweisung, wie man den Nachbar betrügend den besseren Bissen erhasche (V. 93—100), und nach der humoristischen Ausführung eines unanständigeren Betragens den Rath, alsbald so zu thun, denn es ist deinem leib gut vnd gesund (V. 227—232). Vor der Mitte des XVI. Jahrhunderts entstehen dann jene con- sequent durchgeführten Parodien, in welchen sich der Autor selbst unter die volle, grobe Rotte setzt, mit ihr kneipt

1 Germanin 8, 63. Zs. 15, 510 f. Keller, Fastnachtsjiiele 3, 1197 ff.

2 Geyer a. a. O. S. 22-27.

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28 I. CA PIXEL.

und johlt, ihre wüsten Scherze und schrankenlosen Unflätig- keiten verherrlicht.

Es ist in Anbetracht dieser allmählichen Entwicklung autfällig, doch bei der rohen Lustigkeit, die schon zu Heginn des XV. Jahrhunderts herrscht, immerhin begreiflich, dass der erste kurze Versuch einer solchen Uinkehrung der An- standsregeln bereits ein Jahrhundert früher fällt, nämlich die Parodie des Cato 1 : Wie der meister sein sun lernet. Die Sprüche Catos in einer späteren erweiterten Fassung werden einfach umgekehrt und was dort verboten war wird hier gerühmt. Steh nicht zu früh auf, dass dich nicht das Haupt schmerze, zieh dich unordentlich an, damit aus dir ein Bieder- mann werde ebenso das Verhalten bei Tische und auf dem Heimweg (dem Grüssenden danke mit einem Fluche oder einer anderen Unhüflichkeit), endlich zu Hause: da schlage Weib und Gesinde. Rücksichtslosigkeit gegen die Umgebung wird ihm eingeprägt: acht nit wer da% für viel hab (V. 60 u. a.); ja eine handgreifliche Antwort auf jeden Wider- spruch: eine Maulschelle oder Kanne an den grind. Durch die Betonung des Nutzens da$ zimet deinem wagen wol V. 110 und durch erneutes Einschärfen so tuost du nach dem willen mein V. 71 oder gedenk vnd werfe, wa% ich dir sag V. 111 u. a. sucht der Meister seine Lehre zu bekräftigen. Diese Form, sowie der Inhalt wirken noch lange nach auf die späteren parodistischen Sittenlehrer, die alle, wie etwa Dedekind und Scheidt, auch die ernsten Sprüche des Cato kennen und sie citiren. 2 Doch den ersten Platz als Meister und Lehrer der Sitten, den Cato durch Jahrhunderte ein- genommen hatte, macht ihm nun mit Erfolg der heilige Grobianus streitig, der Archon Eponymos der verkehrten Tischzucht.

Die erste wüste Tafel unter dem Vorsitz des Gro- bianus finden wir in Murners Schelmenzunft 1512. Grobianus ist hier ein Schwein, das im Kreise der Zecher herzlichst

1 Zarncke, Der dentschn Cato 8. 143 ff., ed. nach einer Ha. des XV. Jahrhunderts.

2 Bei Dod. Cap. 4 Str. 68.

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3. DER ÜBERGANG ZUR PARODIE.

begriisst und feierlichst gekrönt wird; worauf das Mahl be- ginnt. Die Vorschriften, die hiezu gegeben werden, laufen den Kegeln der Tischzucht schnurstracks entgegen.

Ist schon ein edler do, den ir

Des achtendt nit greyfst in das geschirr

Wo das best lege anderswo

Greifst domoch vnd nemens do

Und achtendt uit vor wem es lig.

Nimm vom Karpfen die Zunge, vom Kalbskopf das Hirn, hau drein wie ein Eber, stochre mit dem Messer in den Zähnen! Das ist nur ein kurzer Anfang1.

Im Jahre 1538 aber erscheint und zwar in Worms, der Heimat Scheidts, schon ein selbständiges Büchlein: der sogenannte 'kleine Grobianus' unter dem Titel : Grobianus Tischzucht hin ich geHaut, <<en Brüdern im Seirordett uolbekant von \V(ilhelm ?) S(alzmannr') '-. Der Humor dieser prosaisch abgefassten Lehre liegt hauptsächlich in der Gesetzmässig- keit, mit welcher in IG Artikeln dem Grobianer die schlauesten Kathschläge zur rücksichtslosen Befriedigung seines Appetites ertheilt werden. Artikel' nennt bereits die Parodie des Cato ihre Vorschritten: V. 191 f. ieheltst cht die artikel gemein «er höc/isten krön gib ich dir ein , und die strenge mit Ord- nungszahlen versehene Reihenfolge der einzelnen Unarten zeigen bereits die Narrenschellen in Geilers Predigten und eine Tischzucht in Liedform", die wahrscheinlich kurz vor dem kleinen Grobianus in Nürnberger Meistersingerkreisen entstanden ist. Diese gebietet : Zum erstenmal all svhamper irort vn werck vermeid, zum andern mal keinen andern sein ehr nhxehneid - zum fünfften mal so bist du weiss, mit dem messet- sture nicht in deinen zeenen dies geht so weiter bis zu dem Schluss: zum zehenden so wasch die hend vnd

1 Cap. 21. d5, Deutsche Drucke alter Zeit etc., ausgewählt von W. Scherer, Berlin 1881. Auch in seiner Narrenbeschwörung, 18. V. 86 f., erwähnt Murner die Grobianer im Verein mit Schelmen und moren.

1 Merlin, Kgl. Bibl. Yz330l; und der spätere Abdruck mit ortho- graphischen Abweichungen Y2 3302. Die Titel bei Goed. Grdr. 2, 4nj.

3 Ein Schön New Lied, die Tischzucht. In des Römers yesang weiss. (Mit zwei Tischgebeten) Nürnberg bei Gutknecht o. J. Berl. Kgl. B. Hytnn. 651. Heyse, Büehorsuhutz 1177.

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t. CAPITEIj.

sprich auch Deo gratias. im kleinen Grobianus aber ge- hören diese Artikel zur systematischen Einkleidung der ganzen Schrift, welche in der Form eines Erlasses an die Brüder und Schwestern der neu geschaffenen Bruderschaft vom Säu-Ordcn abgefasst ist. Schon das Mittelalter kannte den Ordo vagorum. Die niederdeutsche Tischzucht hat von einem Orden der Züchtigen berichtet, der Witz des XVI. Jahrhunderts aber schuf nach Analogie der ver- breitetsten und wichtigsten socialen Körperschaft der da- maligen Zeit: der Zunft und der vielen religiösen und Betorden, eine Schelmen- und eine Narrenzunft, einen Trinkerorden und hier den Säuorden der Grobianer. Diese Zusammengehörigkeit verstärkt die Eindringlichkeit der Vor- schrift. Dem Ordensbruder wird nun die Ungezogenheit angerathen, nicht nur weil es nicht schadet oder weil es wohl- gethan ist. sondern auch weil dann im Orden um so mehr von ihm gehalten wird. Ein fruchtbares Motiv, das später mit vielem Glück reichlich ausgebeutet wurde, das aber der Ver- fasser des kleinen Grobianus nur kurz berührt hat, so wie er in seinen Artikeln einen reichen Inhalt von Unarten und Kniffen kurz aneinanderreiht , die breite Ausmalung, die satirische Durchführung und die Exemplificirung geschick- teren Nachfolgern überlassend. Sein zweiter Artikel allein enthält eng zusammengedrängt den Inhalt mehrerer langer Capitel Dedekinds und Scheidts. Er beginnt folgendermassen : Das du so malzeit ist, vleissig fragest, wo das beste mal be- reit sey. Ob dich der wirt nicht gebeten oder sonst engem sihet, schat nicht * setz dich nur frey nider an die beste stet, od der oben an, mit vngewaschenen hendenf langen vnd schwartzen negeln an den fingern, vnd das du dein stet wol bewarest, ob jemand von Priestern oder andern Erbarn leuten keine, nicht weichtsty so lang bis der tisch vol wird. Hierauf er- mahnt der Artikel, wenn die Speisen aufgetragen werden, den Genossen bei den besten Bissen zuvorzukommen: des darffestu dich nicht Schemen; nach fetten Speisen sich die Finger abzulecken und mit vollen Backen zu trinken, fällt dann etwas Fettes ins Trinkgeschirr das stehet wol rnd macht ander levte nach dir lustig zu trinken. Soll auch trinken»

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i\. DKK ÜBEROAtfU ZUR 1'AKODIK. M

nicht außhörcti, so fang bis dir der odem zu kurtz, oder die äugen vot wassers stehen, ( der der Lecher oder glas ledig ist. Du soll (unh das uort alireg allein behalten darbe g erkent man dein geschicklichkeit. - Wie vieles ist nicht in diesen kurzen Sätzen berührt und wie vieles das sich die Nach- folger zu Nutze gemacht folgt in den übrigen Capiteln ! Bestimmte Unarten beim Wechseln der Teller, beim Hände- waschen. Besondere Vorschriften beim Essen von Wildpret, Fischen, Krebsen, Eiern, Mehlspeisen, Käse und Obst. Dem Grobianer wird geboten, sich in das Tischtuch zu schneuzen und andere ärgere Ungezogenheiten, wo möglich vor Frauen und Jungfrauen, zu begehen; dann werden sie ihn heimlich lieben und wird //// guUn deiner v<n jnen ge- dacht, irie Pilatus im Credo \ Er soll singen und trinken und Streit beginnen, nach dem Mahle im tiefsten Schmutz nach Hause gehen , damit er nicht an die Häuser stosse , jeden der entgegen kommt mit bösen Worten anfahren und erst, wenn er durchgeprügelt wurde, sich schlafen legen. Aber bei all dem stofflichen Reichthum kennt der Verfasser des kleinen Grobianus weder eine Disposition noch eine Mannig- faltigkeit in den Mitteln der Darstellung, er kommt an zwei, drei Stellen auf die gleichen Dinge zu sprechen und be- hält die ganze Schrift hindurch in eintönigster Weise die deichen Redensarten und Zwischensätze, den gleichen Wort- laut der Ermahnung und des Urtheils bei. So hat ei- sernen Inhalt glücklicheren Nachfolgern überliefert und ist von diesen, eben wegen seiner mangelhaften Darstellung, völlig verdrängt worden.

1 Audi die ml. TinHizucht orwal nr »Ion l'ihitus.

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II. CA1MTKL.

DEDEKINDS UND SCHEIDTS GKOBIANUS.

Das Hauptwerk der ganzen grobianischen Litterat ur, die verbreitetste Satire gegen die unhöflichen Schmarotzer und wüsten Zecher, der lateinische Grobianus führt uns vom Rhein ab nach dem Nordosten, auf sächsisches Gebiet. In der protestantischen Universitätsstadt Wittenberg ver- fasste der Studiosus Theologiae und angehende Magister Friedrich Dedekind kurz vor der Mitte des XVI. Jahr- hunderts , in sittlicher Entrüstung über das rohe Gebahren seiner Genossen, eine ironische Sittenlehre, der er als treffenden Titel den volksthümlich gewordenen Namen seines Helden vorsetzte. Die zahlreichen lebenden Grobianer, die in Wittenberg herumlärmten, sowie ältere Didaktiker, Satiriker und Trinkdichter steuerten Beispiele und grobe Stücklein, Wirthausscenen und tölpelhafte Streiche in ge- nügender Zahl zum Inhalt des Werkes bei, das Dedekind in dem Umfange von 2400 Versen (Distichen) und da es vorwiegend für seine Commilitonen berechnet war in lateinischer Sprache zusammenschweisste. In einer Vor- rede, die er im Mai 1549 unterzeichnete, entwickelt er den Anlass zu seiner Schrift und erklärt, wie er diese ver- standen wissen will. Da alle seine Vorgänger, die in ernsten Worten zur rivilitas ermahnt hatten, einfach verlacht wurden, so will er den umgekehrten Weg versuchen, um diese

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DEDEKINDS UND SCHEIDTS 0R0BIANU8. 33

Krankheit worum foedifotew zu befehden, so wie die Arzte von der erfolglosen warmen Behandlung zu der kalten übergehen. Die Lacedämonier nachahmend, welche ihren Kindern trunkene Sclaven vorführten ein Beispiel, auf welches in der Trinklitteratur des XVI. Jahrhunderts sehr häufig hingewiesen wird will er nun das Treiben der Grobianer recht possenhaft und abschreckend schildern und das Verabscheu ungswürdige preisen. Den völlig Verdorbenen wird seine Schrift nichts nützen, aber er hofft, üass besse- rungsfähige Zecher bei dieser Leetüre über ihre eigenen Thaten erröthen werden. Auch dieser Gedanke ist in den Vorreden der Trinkdichter sehr häufig. Die vorgeführten Schv änke so meint Dedekind können kaum jemand verderben, denn er habe ja nichts erfunden um ein böses Vorbild aufzustellen, sondern nur geschildert was aller Orten thatsächlich betrieben werde.

Dedekind hüllt also wieder, wie so viele seiner Vor- gänger, die ernste sittliche Lehre in das Gewand des Scherzes und huldigt so mit einer parod istischen Darstel- lung dem Geschmack seiner ^ o it. Aber er wagt mehr als seine Vorbilder. Er setzt sich selbst an den schmutzigen Tisch der Zechgenossen, athmet mit scheinbarem Wohl- behagen die Stickluft der Kneipe ein, belacht herzlichst die rohen Witze der Grobianer und bewundert die dreiste Rücksichtslosigkeit ihres Auftretens gegen Höhere und Frauen. Ja er reizt sogar als Lehrer und Rathgeber seine Schüler zu möglichster Roheit auf und lehrt sie die schlauesten Ausreden zur Verteidigung dieses Gebahrens. Er bezieht sich hierbei auf die Anschauungen und Regeln des Ordens der Grobianer, die er als die einfältigen, natür- lich-derben Sitten der alten, unverdorbenen Zeit zu erweisen sucht

Die Zahl der Vorgänger, die Dedekind kennt und theil- weise benutzt hat, muss als eine grosse angenommen werden. Dedekind selbst nennt in den Titelversen unter

1 Vgl. Charakteristik und bibliographische Nachrichten in Soherer» Artikel Dedekind der A. d. Riographi,. 5, 1?-I5.

QF. lxvi. :i

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IL CA.PITEL

anderen auch Cato 1 und Erasmus Roterodamus. Die mittel- lateinischen Disticha Catonis und die Cato-Parodie können ihm nicht unbekannt geblieben sein. Wie diese, so bespricht auch Dedekind das ganze Tagewerk des Grobianers, beginnt mit dem Aufstehen und der Morgentoilette und geleitet seinen Schützling auf dem W ege nach Hause, lässt ihn da- selbst Weib und Gesinde raishandeln und zu schwerem Schlaf ins Bett sinken. Den Mittelpunct der gesammten Darstellung aber bildet die Tafel. Für das Benehmen bei Tisch und für den bedienenden Knaben hat nun Dede- kind alle die Kegeln verwerthet, die wir in den verschiedensten Tischzuchten kennen gelernt haben. Er dürfte besonders lateinische Quellen benutzt haben, die Stans puer ad mensam und die Modus Cenandi, da er neben dem Inhalt auch deren Redewendungen beibehält. Auch an die lateinische Tisch- zucht des Erasmus 2, den ja Dedekind nennt, muss gedacht werden. Sie bewegt sich in dem gleichen Geleise wie die übrigen Tafelregeln. Bete vor Tisch, nimm den Platz ein der dir angeboten wird, trinke nicht zu viel, fahre nicht mit der Hand in die Schüssel, verschlinge nicht gierig, rede nicht mit vollem Mund usw. Die Urtheile hierüber boten in ihrer Mannigfaltigkeit für Dedekind eine reiche Auswahl dar: ridiculuin est, inelegans, rusticanum est, viciodatur, ineptüte tiibuitur, mit Steigerungen: inurbanum, inurbanissimum est, mit Vergleichen aus dem Thierreich : ossa dentibus arrodere caninum est, Lingua lambere felinum est. Doch auch einige neuere Bestimmungen, die sich Dedekind zu Nutze machte, erscheinen bereits bei Erasmus: In conviriis assit Maritas, absit pettdantia, nam in conviviis nec tristein esse decet, nec contristure quenquam :i , oder Candelam emuncturus, prius iliam e mensa tollito, quodque emunctum est, protinus aut arenae immer gito , aut solea proterito, ne quid ingrati

1 Und später I, 4 I, 9. Noch öfter in der zweiten Fassung. Siehe unten S. 70.

2 Erschienen in Erasmi Roterodami De civilitate morum puerilium libelluB. In Scheidts Übersetzung lautet der Hinweis auf Erasmus (S. 2, V. 18 f.): Erasmus hat gelert darbet/, Wie sich züchtig zu hatten sey.

* Ded.»kindl,5 Selieidt,V. 1.325 ff. Dedekind II, 1. Seit. V. 2559 ff. u.a.

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ÜEDEKlNDS UND SCHEIDTS GROßlANUfc?. 35

nidoris offendat naresK Erasmus veröffentlichte ausserdem in seinen Colloquia familiaria mehrere Tischgespräche, in denen er die Unmässigkeit und den Trinkzwang bei Tische heftig bekämpft, die Lebensansichten der Stoiker und Epicureer2, antike Vorbilder von Zucht und Sitte, die Schädlichkeit oder Nützlichkeit einzelner Gerichte 3 usw. ausführlich bespricht.

Den grössten Antheil an diesen Partien des Dede- kindschen Buches hat aber, wie bereits erwähnt 4, der kleine Grobianus, dessen kurze Artikel hier zu langen Capiteln ausgedehnt werden. Besonders bei einzelnen Verordnungen, wie für das Krebsessen oder das Wechseln der Teller zwischen den einzelnen Gängen, bei den drei Trinkregeln 5 herrscht zwischen den beiden Grobianusdichtungen eine so genaue inhaltliche Übereinstimmung, als sie nur bei der Verbreite- rung, die Dedekind durchführt, möglich ist.

Brant hatte, wie bereits oben gezeigt wurde fi, zur Zeichnung des Grobianertypus und zur Bereicherung der Handlung wesentlich beigetragen. Aber auch Thorheiten und Laster, wie die Liederlichkeit, die Prahlsucht, die tollen Kleidermoden, die Trägheit usw., die Dedekind gelegent- lich in seine Satire aufnimmt, berühren sich in dieser Dar- stellung mit den entsprechenden Capiteln des Narrenschiffes. Endlich bildet Brants 16. und 72. Capitel den Ausgangspunct für die sogenannte Trinklitteratur. Diese aber bot auch Dedekind besonders zu jenen Abschnitten, welche Wirths- hausscenen , allgemeine Saufgelage und Einzelleistungen des zechenden Grobianers schildern, so manche Quelle dar.

Die Trinklitteratur ist im XVI. Jahrhundert ein wich- tiger, umfangreicher Zweig der deutschen Dichtung, dessen

i I, 7 Sch. V. 1706-1712.

* Nach der Ed. Budisninae 1566 (Prag). D 8 ff. Con?mum Pro- phannm.

8 I 2 ff. ConT. fabulosura.

« Vgl. oben S. 30 f.

» Dedekind II 8 Scheidt V. 4269 ff. D. II 3 Sch. V. 2942 ff. u. 3257 ff. < S. 21 f.

3*

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II. CAF1TEL.

Anfänge bereits imXIII. Jahrhundert beobachtet werden können. Schon von der guten mittelhochdeutschen Zeit ab beginnen die Lehrdichter, Satiriker und Prediger, ein Thomasin und Freidank, später ein Berthold von Regensburg und Hugo von Trimberg neben anderen Lastern der Zeit auch die Trunksucht zu befehden, die allmählich in die besseren Kreise eindrang. Im XVI. Jahrhundert aber, da die Trunk- sucht zu einem allgemeinen furchtbaren Nationalübel wird, entsteht auch eine eigentliche Trinklitteratur : zahllose satirische und didaktische Schriften, die nicht allgemeine Sittenlehren enthalten, sondern nur gegen oder für das Trinken das Wort ergreifen. In den verschiedenartigsten Einkleidungen, in deutscher und lateinischer Sprache, in Prosa und in Versen abgefasst, zeigen doch die meisten dieser Schriften einen verwandten Aufbau der Vermahnung und der Aufmunterung und ganz ähnliche technische Mittel der Darstellung. Die Beweisgründe für die Vertheidigung und die Bekämpfung des Weingenusses, die Motive zur Schilderung der Saufgelage lagen bereits in Dichtungen des XIII. Jahrhunderts, dem Weinschwelg, der Wiener Meerfahrt usw. vor. Die Schriftsteller des XVI. Jahrhunderts schöpften aus diesen und ähnlichen Werken nicht direct, aber durch Vermittlung zahlreicher späterer litterarischer Erzeugnisse, und sie besassen in den genannten Capiteln des Narrenschiffes eine gemeinsame Fundgrube biblischer und historischer Bei- spiele, derber Redensarten, ironischer Bezeichnungen und drastischer Vergleiche. Die nahen Beziehungen zwischen den einzelnen Schriften der Trinklitteratur werden noch durch den Umstand vermehrt, dass jeder spätere Dichter seine Vorgänger kennt, diese ausschreibt oder doch leicht benutzt und dass sich nur ein bestimmter Kreis von Männern mit gleichartigen Ansichten und verwandtem Bildungs- grad an dieser Litteratur beteiligt: in früherer Zeit Huma- nisten, später nach dem Auftreten Luthers, der selbst besonders in seinen Tischreden gegen den Epicureismus und das Voll- saufen gedonnert hatte, meist protestantische Prediger, Schul- meister und Professoren. Verfassten die Lehrer der Hoch- schulen moralische Schriften, so boten ihnen die Studenten

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DEDKKINDS UND SCHEIDTS GROBIANUS.

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auf ihren zügellosen Kneipen reichen Stoff zur schildernden Satire dar. Manche Schrift dieser Art ist aus Universi- tätskreisen hervorgegangen, gleich die Erfurter Scherzrede De generibus ebriosorum, walche eigentlich den Reigen der Schriften gegen die Trunksucht eröffnet. So konnte Dede- kind zu Wittenberg diesen Zweig der Lehrdichtung leicht näher kennen lernen.

Auch die Bühne des XV. und XVI. Jahrhunderts liefert ihren Beitrag zur Vorgeschichte des Grobianus, des wüsten Helden und seiner zechenden Genossen. In den Fastnacht- spielen eines Rosenblüt und Folz 1 hat der Trunkenbold, der berauscht nach Hause wankt, Woib und Kinder prügelt, oder von seiner gestrengen Hausfrau eine kräftige Straf- predigt zu hören bekommt, eine grosse Rolle inno. An ehe- lichen Streitscenen, allgemeinen Prügeleien im Wirthshause, Flüchen und gegenseitigen Beschimpfungen, grotesker Per- sonalschilderung, an den unerquicklichsten Darstellungen des Speiens und ärgerer Dinge, an unsauberen Krankheitsge- schichten und den unflätigsten Witzen ist hier kein Mangel. Diese Spiele unterscheiden sich aber dadurch wesentlich von den eigentlichen Grobianus-Dichtungen , dass bei ihnen die schamlose Besprechung der geschlechtlichen Verhältnisse den breitesten Raum einnimmt. Lebendige Wirthshausscenen lieben ferner die Komödien vom Studentenleben2, die Prodi- gus-3 und Hecastus-Dramen4.

Auch einzelne Persönlichkeiten sind schon lange vor Dedekind zu Helden einer Reihe zusammenhängender grobi- anischer Schwänke geworden. Die bekanntesten unter ihnen der Pfaff vom Kahlenberg, Markolf und Eulenspiegel. Ihr Charakter zeigt eine Verbindung von Schlauheit und Un- flätigkeit. Sie begehen eine grosse Zahl von losen Streichen zum Schaden ihrer Umgebung aus schnödem Eigennutz, zur

1 Fastnachtspiele aus d. XV. Jahrhundert ed. A. r. Keller, Litt. Verein Nr. 28-30, Nr. 46.

2 Erich 8ohmidt, Komödien vom Studentenleben aus d. XVI. u. XVII. Jhdt. Leipzig 1880.

» Spengler, Der verl. Sohn im Drama d. XVI. Jhdts. Innsbruck 1888. 4 Goedeke, Eteryman, Homulus u. Hecastus. Hannorer 1866.

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H8

II. CAPITEIj.

Befriedigung ihrer materiellen Genusssucht oder aus blosser Freude an tollem Schabernak und schmutzigen Spässen. Von dem weiblichen Geschlecht ihrer Zeit haben sie eine sehr geringe Meinung. Ihre innere Verwandtschaft mit der Figur des Grobianus ist unverkennbar und Scheidt hat auch in seinem Prologe jeden dieser drei groben Heiligen um seinen Beistand angefleht1.

Was Dedekind so mit der grössten Belesenheit von den verschiedensten Seiten aufnahm, vermehrte er noch um einige grobianische Anekdoten und verarbeitete es zu einer consequent durchgeführten Parodie. Allerdings disponirt er nicht sehr geschickt, kommt öfters auf bereits Erwähntes zurück und wiederholt sich in Witz und Situation. Diesen Mangel fühlt er selbst und entschuldigt sich mit der drängenden Eile, die ihn zum raschen Abschluss nöthigte. Die Vorzüge seiner Schrift aber sind die staunenswerthe Erfindsamkeit in drolligen Einzelheiten, der unverwüstliche Humor des Ganzen, die herbe satirische Strenge, welche ununterbrochen den deutlich erkennbaren Grundgedanken bildet. Und trotz dem gröbsten Ton, trotz den gewagtesten Situationen in allen 17 Capiteln nicht ein unsittlicher Witz, nicht einer jener unzüchtigen venerischen Schwanke, die zum täglichen Gesprächsstoff aller Kreise der Zeit und in den Schandsammlungen eines Montanus, Schumann, Lindener zu der gangbarsten Waare damaliger Unterhaltungslitteratur gehörten.

Dedekinds Grobianus zerfällt in zwei Theile. Im ersten wird der Held als Diener oder Sohn des Hauses aufgefasst, im zweiten als Gast im fremden Hause oder als Gastgeber. Eine Scheidung, wie sie schon früher, z. B. in Röbels Tischzucht, angedeutet erscheint. Nach dieser Eintheilung wird dann entweder geschildert, wie sich ein Muster-Grobianer aufführt, oder gelehrt, wie sich der Leser und Schüler be- nehmen soll. Beide Arten der Darstellung gehen immer ineinander über.

Der Inhalt ist folgender. Ein echter Grobianer soll

V. 63-56.

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DF.DEKIND8 VHI) SCHEIDTS GUORIANITS.

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nicht aufstehen, ehe er den Tisch gedeckt sieht, soll den Morgengruss der niemand Nutzen bringt im Bett vergessen, soll sich schleuderisch anziehen in der warmen Familien- stube, ob auch Frauen und Jungfrauen dabei stehen. Ein sorgfaltiges Waschen und Kämmen ist überflüssig und un- angenehm. Auch die Zähne mögen gelb bleiben, Safran und Gold haben ja die gleiche Farbe. Lachen und niesen, husten und sich räuspern soll man möglichst laut, möglichst empfindlich für die ganze Umgebung. Ein schmutziger Hut und kothige Schuhe, ein kurzes Affenröcklein oder ein überlanger Mantel kleiden am besten. W er im Grobianer- Orden Ruhm und Lob erwerben will, der misachte bei Tisch alle Gesetze des Anstands und der Höflichkeit, ver- kehre unehrerbietig mit den Standespersonen und frech und zudringlich mit jungen Mädchen, der lasse den Bedürf- nissen und Äusserungen seines Magens in jeder Beziehung den freiesten Spielraum. Ein Diener, der wie billig seinen eigenen Vortheil im Auge behält, stellt sich dumm und schwerhörig und entgeht so mancher lästigen Arbeit. Was er aber besorgen muss, das thut er ungenau und unge- schickt. Er verschüttet den Wein und zerbricht die kost- barsten Gläser. Ehrbare und langweilige Gäste sucht er rasch trunken zu machen oder schenkt ihnen den sauersten Wein, damit sie eher heimgehen. Den richtigen Schlemmern aber schanzt er die besten Sachen zu und setzt sich möglichst bald in ihre Mitte. Dann erklingen wüste Lieder und tolle Gespräche: der eine erzählt, wie viele Mädchen er er- obert, der andere beichtet seine Miserfolge auf dem gleichen Felde, der dritte renommirt mit Jagd- und Kriegsabenteuern, der vierte berichtet von fernen Ländern. Dazwischen fallen dreiste Bemerkungen über die Seelenwanderung, über die Unsterblichkeit der Menschen, über die materialistische Welt- anschauung. Erhebt sich dann ein allgemeiner Streit, so wirft der schlaue Diener alle Gäste zur Thür hinaus, legt sich rasch noch angekleidet ins Bett und lässt den Haus- herrn die Lichter auslöschen und die Pforten sperren.

Ist aber der Grobianer als Gast geladen, dann soll er sich vorerst bei dem Diener seines Wirthes nach dem

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11. CAl'ITKti

Speisezettel erkundigen und, wenn sich der Besuch lohnt, bei Tafel ohne Rücksicht auf den Gastgeber und die Tisch- genossen nur auf seinen Vortheil bedacht sein. Er soll erst in später Stunde heimgehen, auf der Strasse Lärm schlagen und sich in jeder Beziehung ungebührlich betragen. Zu Hause soll er seiner keifenden Frau mit Prügeln antworten und dem Gesinde durch Verunreinigung der Stube noch böse Arbeit machen. Als Wirth behandle er seine Gäste möglichst schlecht, damit sie nicht wiederkommen. Eine Fülle grobianischer Exempel, den Schülern zum Vorbild erzählt, beschliesst den zweiten Theil.

Durch diese wirksame ironische Lehre hat der Sitten- prediger Dedekind den bäurischen Gesellen des damaligen Deutschlands einen Hohlspiegel vorgehalten, in welchem sie sich in ihrer ganzen Lächerlichkeit und Verkommenheit abschreckend dargestellt sahen. Und wurde auch der Grobianus in diesen Kreisen vielfach nur zur Belustigung gelesen, so mag er doch manchen Verständigeren aus dem Sumpfe der Verrohung gerettet haben. Aber auch gesittete und gebildete Zeitgenossen Dedekinds begrüssten mit dank- barem Beifall ein Werk, das dem Umsichgreifen der Sitten- verwilderung in bestimmten Kreisen einen dauerhaften Damm entgegensetzen sollte. So war dem Grobianus ein rascher, aber auch ein lang nachwirkender, allgemeiner Erfolg beschieden. In dem gleichen Jahre, 1549, in welchem er zu Frankfurt a. M. erschien, vervielfältigten drei Nach- drucker die gesuchte Schrift an verschiedenen Orten in gleich- lautenden Ausgaben1.

Erwägt man, dass im XVI. Jahrhundert wichtigere deutsche Lehrdichtungen ins Lateinische übersetzt wurden, so Brants Narrenschilf von Jac. Locher, Murners Schelmen-

1 Milchsack in seinem Neudruck: Dedekinds Grobianus verdeutscht von Scheidt, Einleitung 8. IX f. wirft die Frage auf, ob die Frank- furter Ausgabe oder einer der von ihm unter I A 2. 3. 4. beschriebenen Drucke die editio princeps sei. Ich habe die 4 Drucke sorgfaltig mit- einander verglichen und aus den zahlreichen orthographischen und grammatikalischen Fehlern der übrigen Ausgaben die Gewissheit erlangt, dass die Ausgabe I A 1. (Frankfurt a. Main), welche immer die richtige Lesart zeigt, thatsächlich die editio princeps ist.

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DEDEKISDS UND SCHEIDTS GROBIANUS.

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zuntt von Job. Flittner, dann ist die weite Verbreitung des Dedekindschen Grobianus trotz dessen lateinischer Fassung kein erstaunliches Ereignis. Sollte aber diese Schrift in jene Kreise eindringen, denen sie am meisten Noth that, zu dem groben Gesind und sewischen volck , das ja lateinisch gar nicht verstand so war ihre Verdeutschung ein dringen- des Bedürfnis. In der That meldeten sich gleich nach dem Erscheinen des Originals mehrere Dichter zu dieser Auf- gabe ; da sie aber durch mannigfache Zwischenfälle daran verhindert wurden, so gingen mehr als zwei Jahre ins Land, ehe der berufenste Übersetzer Caspar Scheidt seine Bescheidenheit, in welcher er den Rivalen nicht zuvorkommen wollte, ablegte2 und, Ende des Jahres 1551, seinen deut- schen Grobianus veröffentlichte3.

Vor dieser Übersetzung hatte der Wormser Schul- meister Caspar Scheidt4 zwei Flugblätter verfasst , welche der Trinklitteratur angehören und sich dem Inhalt und der Darstellung nach mit älteren Schriften dieser Art eng berühren. Sie erschienen zu Worms in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre. In der ersten von beiden: De Gene- ribus Ebriosorum et Ebrietate Vitanda* (I) stellt Scheidt in lateinischen Distichen mit starker, zum Theil wörtlicher Benutzung der gleichnamigen Erfurter Scherzrede die Schlemmer beim Wein als Thiere dar, bedauert die Trunk- sucht, weil sie die deutsche Nation entkräfte und die ein- zelnen Glieder des Körpers schädige, und schildert im Einzelnen das Gebahren des Berauschten. Diesen Distichen,

> 8oheidts erste Vorrede bei Mihhsack 9. 6. f. - Ebenda.

5 Edirt von Milchsack a. a. O. mit erschöpfenden bibliographi- schen Nachrichten.

4 Über ihn besonders Scherer, Literaturgeschichte 8. 291 f. ; Wackernagel, Job. Fischart von 8trassburg S. 105 ff., 110 ff. ; Wendeler, Fischart-Studien des Freiherrn von Meusebach. Hallo 1879 S. 140 f. u. a. Goedeke 2. 455 f. Scheidts Neue Zeitung vom Jahre 1549 (Weiler, Die ersten deutschen Zeitungen S. 148, Nr. 188) ist, wie mir Prof. Strauch mittheilt, nicht wieder aufzufinden.

6 Von Strauch aufgefunden und veröffentlicht, Vierteljahrschrift f. Literaturgeschichte 1, 64 ff. Vgl. besonders die Anm. S. 69.

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IL CAP1TEL

welche also De generibus ebriosorum handeln, folgt eine lateinische Prosarede, welche De ebrietate vitanda christlich- religiöse Beweggründe angibt, die auch sonst früher und später häutig vorgebracht werden. Scheidts zweites Flug- blatt 'Die volle Bruderschaft' 1 (11), von grösserem Umfang und in deutschen Knittelversen abgefasst, benutzt wieder einige Andeutungen der Erfurter Scherzrede und zeigt eine unverkennbare Abhängigkeit von Bocks 'Der vollen brüder orden'2. Gleich der Titel zeigt die Berührung, dann die Ein- gangsverse, in welchen die Schritt den Trinkern als Spiegel vorgehalten wird3, ferner die Charakterschilderung der einzelnen Thiere (beim Schwein4, Esel5, Bär, Hund6 mit wörtlichen Anklängen) , im Beschluss die gleichen Er- wägungen: die Thiere sind vernünftiger als die Menschen, die sich betrinken7, die Heiden waren massiger als die Christen von heutzutage8, und endlich der Hinweis auf Gott. Den Inhalt dieses Scheidtschen Schriftchens bildet haupt- sächlich die Metamorphose berauschter Menschen zu Thieren. Dieses Motiv geht auf eine alte jüdische Überlieferung zurück9. Als Noah den Wein pflanzte, da düngte er die Erde mit dem Mist von Schafen, Bären, Schweinen und Affen. Darum hat der Wein auf jene, die von ihm be- rauscht werden, eine vierfache Wirkung, der Eigenart dieser Thiere entsprechend. So lautet die Sage, welche Rosenblüt in seinem 18. Weinsegen 10, Hans Sachs in einem Spruche11, Pauli in einem Schwank 12 und viele andere wiedererzählen.

1 Zum ersten Male vollständig abgedruckt von Strauch a. a. O. 8. 71-82.

* Strauch Ö. 90 ff.

5 Sohoidt V. 6 daxu Strauchs Anm. 8. 7*2.

* Ebenda S. 74 Anm.

6 S. 75, Vgl. dazu Murners Narrenbeschwörung Cap. 72, V. 11 6 8trauch S. 76 ff.

' Scheidt V. 176-181, Book V. 21-28, Strauoh, S. 96.

8 Scheidt V. 181-187, Bock V. 17-20 u. s. w.

9 Vgl. 8trauoh S. 88.

"> Altdeutsohe Blätter 1. S. 412. » Keller 4, 237. •* Österley 162.

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DEDEK1XDS Ü2il> SCHEIDTS GRüBIAKUB.

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Aber auch die griechische Sage von der Zauberin Circe trug zur Ausbildung dieses Motivs bei. Wie diese Zauberin. so führte man aus verwandelt auch der Wein die bezechten Menschen, je nach ihrer Charakterverschiedenheit in ähnlich geartete Thiere, deren Zahl bald auf 9—12 erhöht wurde. Scheidt (I V. 10) schreibt der Ebrietas Circeas artes zu. In den älteren Darstellungen dieser Thiermeta- morphose, in der Erfurter Scherzrede, in Obsopöus Ars biben- di, in Schertlins 'Künstlich trincken wird das üebahren jedes Thieres nur mit kurzen Strichen skizzirt. Bock in 'Der vollen brüder orden vergleicht in breiter Darstellung die Eigenart verschiedener Thiere mit den verwandten Unarten eines Zechers und entrollt, über den Vergleich hinausgehend, manches satirische Genrebild. Scheidt aber hat in seiner 'Vollen Brüderschaft5 bei jedem Thiere nur die Eigentümlich- keiten der verschiedenen Zecher charakterisirt und dieses Motiv, die mannigfaltigen Wirkungen des Rausches zu exemplificiren, am klarsten und schematisch gleichförmigsten durchgeführt. Das Titelbild zu diesem Flugblatt, eine zechende thierköpfige Gesellschaft, 1 verwendet Scheidt noch einmal für seine erste Grobianusausgabe. Die beiden Schriftchen, in welchen Scheidt den wüsten Zechern seiner Zeit ihre thierische Verkommenheit auch in einem Spiegel- bilde entgegenhielt, waren ihm eine Vorbereitung für die mit der gleichen moralisirenden Tendenz durchgeführte schwierigere und umfangreichere Arbeit den lateinischen Grobianus frei zu verdeutschen.

Auch in allen späteren Schriften Scheidts tritt uns derselbe sittlich strenge , tüchtige Charakter entgegen. Sei es nun dass er in der 'Lobrede von wegen des Meyen die Aufmerksamkeit der Jugend von der dunstigen Kneipstube und den üppigen Genüssen des Herbstes auf die reinen Freuden der erwachenden Natur unter Gottes freiem Himmel zu lenken sucht2, sei es dass er in der 'Fröhlichen Heimfahrt*

i Straaob 8. 66—68.

» Darüber Näherei in meinem 4. Capitel.

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II. CAPITEL.

einer eben verstorbenen treuen Gattin und liebevollen Mutter ein poetisches Denkmal setzt, dass er die Lehren und Ereignisse des alten Testamentes in Verse kleidet, oder im Todtentanz durch den Hinweis auf das rasche Schwinden jeder irdischen Pracht und Glückseligkeit zur Reue und Bekehrung auffordert. Er knüpft mit diesen Schriften an die verschiedensten wichtigeren Litteratur- strömungen des Jahrhunderts an, er hat die humanistische Bildung seiner Zeit in sich aufgenommen, kennt die clas- sischen Autoren und entnimmt der antiken Mythologie allegorische Figuren und lehrhafte Beispiele. Seinem Wohn- orte nach, mitten in einem litterarisch angeregten Gebiet kann er auch leicht den Vermittler zwischen der franzö- sischen Litteratur und dem kunstsinnigen Heidelberger Hofe bilden er citirt und übersetzt französische und italienische Verse und scheint seinem eigenem Zeugnis zufolge2 selbst in Frankreich gewesen zu sein. Dabei vergisst ei- nteilt der heimischen Schöpfungen, versificirt die Satzungen der Wormser Meistersinger, kennt zahlreiche Volkslieder und jüngere Darstellungen der deutschen Heldensage, be- herrscht den Schatz volkstümlicher Redensarten und Aus- drücke, wie kaum Einer vor ihm, zeigt ein warmes Gefühl für die Nation, für die Würde des Reiches ;, für ein tüchtiges Bürgerthum und die junge protestantische Kirche4. Alles Keime, die er mit dem Vorbild satirischer Darstellung in das empfangliche Herz seines begabten Schülers und Vetters Johann Fischart legte, wo sie zu reicher Blüte gediehen \ Scheidt wurde nach kaum zwanzigjähriger segensreicher litte-

1 Darüber Nähere« in meinem 4. Capitel.

- Grobianus V. 4411, In Welschland hab ich das erfarn. Unter Wälsch versteht Scheidt Französisch. Darüber mehr S. 60 und im 4. Cap.

3 Z. B. Die frolich Heimfart B 2.

Z. n. Die frolich Heimfart M 4 f. P I. P 3. wo die Leotüre der Bibel sehr anempfohlen, D3, wo Rom als ein Herd aller Laster bezeichnet wird.

•s Darüber Näheres in meinem 5. Capitel.

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DEDEK1KD8 UND SCHEIDTS OR0BIANU8.

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rarischer Wirksamkeit, wie uns Hellbach1 erzählt. 1565 mit Weib und Kindern von der Pest dahingerafft.

Auf den ersten Blättern seines Grobianus wendet sich Scheidt in bescheidenen und herzlichen Worten an Dede- kind, dem er den Anlass zu einer Verdeutschung des be- rühmten Originals auseinandersetzt. Im weiteren Verlaufe dieser anspruchslos vorgetragenen Einleitung wiederholt er seltsam genug den Inhalt von Dedekinds eigener lateinischer Vorrede und führt besonders dessen Begründung weiter aus, warum zu der ernsten Ermahnung ein humo- ristisches Gewand gewählt wurde. Hiefür verweist Scheidt auf des Persius Satiren, die auch in ergetzlichen Schilderungen einen lehrhaften Zweck verfolgen sollten, und auf das Ovi- dische Nitimnr in vetitum. Darum will er das Laster, das er befehdet, in unterhaltender Darstellung loben, gleich den Ärzten, welche bittere Pillen mit süssem Gewürz und Zucker bedeckt den Kranken eingeben. Von Dedekind völlig un- abhängig ist Scheidts zweite Vorrede an seine lieben unflii- thigcn , groben und unhöflichen Schüler und angenommenen Kinder. Der Verfasser tritt hier als Lehrmeister Grobianus auf, der seinen zahlreichen Jüngern alle grobianischen Regeln im vorliegenden Büchlein zu ewigem Gedächtnis zusammen- stellt. Dieses Motiv, durch welches Dedekinds Andeutungen ausgebaut werden, erscheint durch alle Theile der deutschen Übersetzung folgerichtig durchgeführt, in Zusätzen und Zwischenbemerkungen, die immer wieder auf die Gesetze der Schule, auf die Lehren des Meisters hinweisen. Durch die Figur des Schulmeisters hat Scheidt den Grobianus, der vorerst nur ein Heiligenname und hernach als Schwein bei Mumer und als Abt in Grobiani Tischzucht2 nicht mehr als eine typische Bezeichnung war, zu einer sprechenden Person, zu einem lebendigen Charakter erhoben 5. Mit einem

« Vgl. unten S. TS.

2 Worms lf>38. VrI. ol>on S. 29 f.

5 Herford, Studie« in rhe litorary relution« of En?luni und Ger- man v in tlto 8ixt«enth wnlury. CftmlirMso IBSfi. S. 8*7.

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II. CAWTfcL.

bei ähnlichen Vorreden üblichen scherzhaften Datum schliesst Scheidt: Geben zu Lourdemont 1 den 31. februarij, im jar meiner weisterschufft on zal2.

Mit dieser Einleitung hat Scheidt alle Grobianer zur Schule gerufen, sowie Brant die Narren in sein Schiff ge- laden hatte. Wie hier der Narren, so ist dort der Grobianer eine unzählbare Menge, und wie sich Brant zuletzt selbst in die Reihen der Narren begibt, so tritt Scheidt zuletzt selbst in die Sippschaft der Grobianer8. So hat Brants Narren- schiff, das weit über das XVI. Jahrhundert hinaus durch eine fortlaufende Reihe von Ausgaben4 die Aufmerksamkeit der Lehrdichter wach erhielt und dessen Redensarten in den Sprachschatz der Nation übergingen, auf die Einkleidung der Scheidtschen Parodie im Grossen und Ganzen, doch auch, wie wir später sehen werden, auf den Inhalt mehrerer Erweiterungen, auf die humoristische Ausdrucksweise und den Wortlaut Scheidts eingewirkt. Auch Murner, dessen Schelmenzunft er in einer Randbemerkung (S. 1 13) erwähnt, blieb nicht ohne Einfluss, besonders auf den poetischen Be- schluss, den Scheidt zum Original frei hinzugefügt hat. Hier erklärt der Autor, dass er im Grobianer-Orden Pedel und Partner (V. 4898) und auch bereit ist des Ordens Schreiber zu werden. Ganz ähnlich beginnt Murner die Scheliuenzunft :

Die Schelmenzunft hat mich erweit Und für eyn Schreiber her ye stell.

und später eb:

So ich diß jor zun ffm eyster byn.

So stell ich sy fdie Soholrae) nach meynen syn.

Scheidt eröffnet den Beschluss V. 4875 ff:

* Gebildet aus frz. lourd, ungeschickt, dumm, grob; lourdaud, Tölpel. Vgl. Scheidts Randbemerkung 8. 88 f. La belle contenance des lourdaulx u. 8. 104. Imm frowenzimmer zu Lourdemont. Eine Art Sohlaraffeuland. Vgl. Der volle Berg bei Hans Sachs ed. Keller 5, 339.

* Vgl. hiezu Grobiani Tischzuolit, Vorrede: Geben zu Nasteden um Fassnachttag, eine stunde nach mittemacht etc.

Herford u. a. O. 8. 379 ff. (bei Scheidt S. 140, Randbemerkung und V. 4885 ff.

* Bis WO. VkI. Zurnrke 8. LXXIX.

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DEDEKtNDS UKD SCHEIDTS GROBUNtTS.

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Wolan es ist zum theil gemelt Vnform vnd grobheit diser weit.

Das Buch wird vielen nützlich sein, weil jeder sich an den geschilderten Fehlern erkennen dürfte. Dazu die Randbemer- kung Grobiitnurum infinitus est numerus. Ebenso beginnt Murner seine Schlussrede, die er Entschuldigung betitelt (f 5h)

Ich wolt der weite tandt beschriben Do müsl ich vff dem achlagk beliben . . So gatt es werl ich nit fast wol All diß weit ist schelmen fol.

Weitere Beziehungen: Scheidt versichert (V. 4905—4925), er habe durch seine Schrift niemand beleidigen, sondern nur jedermann nützen wollen.

Ob mir schon einer drumb wolt fluchen So werd ich jn im Zedel suchen.

Denn nur getroffene Hunde schreien. Wer sich also einer Schuld bewusst ist, thäte besser daran zu schweigen. Ahnlich Murner 5b: Treff ich Einen

Dass er mit fluchen wider redt So wisst ich da 88 ich troffen hett. Dorum wer weissheit brachen wil Der selbig schweig nur luter Stil

dann lasse ich ihn in Frieden, will er aber zornig schnurren und gegen meine Zunft murren, so muss er sich stellen Ion von myr in disse zunfft. Gegen Schluss erklären beide Dichter, dass sie zu Gottes Ehre diese Lehren verfasst haben, und nennen ihre Namen.

In der ersten Einleitung und im Beschlüsse nimmt Scheidt die Maske der Parodie ab und zeigt seinen Lands- leuten sein wirkliches bekümmertes, ernstes Antlitz.

Scheidt übersetzt Dedekinds Grobianus, Capitel für Capitel dem Inhalt des Originales getreu folgend. Er lässt nichts weg, vermehrt aber das Werk um das Doppelte und verändert wesentlich die äussere Form. Die Art seiner Bearbeitung charakterisirt er selbst in der Vorrede (S. 7) mit den Worten: Nehmt mir's nicht übel, so ich etwan vom Text geschteeifft^ vnd wie sichs bißweilen auff Teutsche art vnd sprach geschickt, wie mirs zugefallen, hinzu

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IT. CAPITEL.

gethon, vnd mit ein gemischet, vnd wie die Musici nff'termals vnder die fürgeschribne notten jre läuflin machen, vnd das gesang coler leren, doch altveg wider in schlag komen . . ich habe nichts abgehrochen oder genomen, sondern mit mancher- lei/ Scholien gespickt und gesaltzen. Die Composition des Ori- ginals hat Scheidt allerdings nicht verbessert ], weil er an der Reihenfolge des Erzählten gar nichts ändert. Sein Verdienst liegt im Vortrag. Grobianus musste deutsch reden. Durchweg hat er den richtigen Ton angeschlagen, das Schema der Dede- kindschen Parodie vertieft und so deren Wirkung verstärkt. Er hat die Form dem grobianischen Wesen des Werkes ange- glichen durch eine anschauliche, drastische Ausdrucksweise, durch eine Fülle derber Redensarten und köstlicher Witze, die mit den inhaltreichen Randbemerkungen eine Fundgrube des deutschen Humors im XVI. Jahrhundert und eine wichtige Stufe der Vorbereitung zu Fischart bilden. So hat Scheidt den Grobianus durch seine Überarbeitung nicht nur zu einem interessanten und volkstümlichen, sondern erst zu einem wirklich deutschen Werke umgestaltet.

Erste Gruppe der Zusätze und Abände- rungen. Dedekinds Schema der Parodie wird von Scheidt entschiedener durchgeführt und vor allem mit solchen Zusätzen vermehrt, welche die besonderen Lehren des Schulmeisters für den Schüler und An- gehörigen des Gr o bianer ordens enthalten. Der Corpsgeist der unhöflichen Schlemmerzunft tritt kräftiger zu Tage.

Dieser Standpunct erscheint schon im kleinen Grobianus vom Jahre 1538, wo gegen das gesittete Betragen die gegen- teiligen Vorschriften des Säuordens ins Feld geführt wurden. Aber auch der einfache Grundriss zu einem be-

1 Scherers Urtheil a. a. 0. 8. 291 Scheidt wusste die Unflätereien zu vermehren, ohne die Composition und den Vortrag zu verbessern' wird den Verdiensten des Bearbeiters entschieden zu wenig gerecht. Milchsacks Bemerkung, Einl. S. VIII f., Scheidt wäre zu solcher Eile genöthigt worden, das» er in einem Schlussenpitel (II, 8) vorher Über- sehenes nachholen musste, ist ein Irrthum, denn die betreffenden Verse 42*25— 4228, worin dieser Orund nngegoben wird, sind einfach dem Original entnommen.

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DEDEKINÜS UNI) SCHEIDTS GROBI ANUS.

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stimmten Schema der Parodie wird allmählich sichtbar. Die Thesmophagia schildert ausführlich grobes Benehmen und fügt hinzu: thue es nicht. Der umgekehrte Cato schildert dasselbe, aber fordert zur Nachfolge auf. Der kleine Gro- bianus zeigt schon ein Schema von vier Theilen : a) Kurze einleitende Aufforderung, b) Schilderung des grobianischen Streiches, c) Egoistische Begründung oder schlaue Ausrede, d) Erwähnung der beiwohnenden Personen, die unter dem Streiche leiden oder sich über diesen freuen. Bei Dedekind und noch mehr bei Scheidt werden diese Ansätze compli- cirter, ja kunstvoll weiter gegliedert und die einzelnen Unter- abtheilungen werden in der mannigfaltigsten Weise ausge- führt.

a) Die ein leitende Ermahnung ist bei Dedekind- Scheidt entweder ein kurzes Befehlswort : fac, Druwb hör V. 228 oder eine längere Belehrung mit dem Hinweis auf die Tischzucht und Sitte der Grobianer Zusätze dieser Art fugt nun Scheidt in grosser Zahl dem Originale bei, er fordert immer von neuem zu möglichster Ungezogenheit auf und wendet sich ausdrücklich an seine Kinder oder Schüler, denen er die Regeln und Gesetze seiner Schule oder seines Ordens vortragt2. Hiebei bringt er so häufig als möglich die Bezeichnung grob und Zusammensetzungen mit diesem Ausdruck an : Ihr groben Kinder schämt euch keines groben Schwanks; das ziemt eurer Grobitet ; Drumb lieber mein Grobharde* glaub V. 2678; Grobhaus V. 3032; so will's der Grobianer Zunft4. Mehrere dieser Ermahnungen eröffnet Scheidt mit dem Befehlswort lüg oder brauch dich, etwa: So lüg bey Zeiten V. 3194 (ähnlich V. 3681, 4605 u. a.) , Vud brauch dich sehr V. 1080, Ein jung man sol Ja brauchen

i Z. B. V. 2851 für Valde urbanus eris si. » V. 3036 f. 445, 625, 354, 274, 888, 978.

3 Zu dieser Bildung vergleiche man: Seuhanl (kl. Grobianus), Schweinhart (Fischart), Nithart, Narrenschiff Cup. 53 c.

V. 171, 585, 1068, 1340, 1759, 2707, 3507 u. s. w. Bei Dede- kind hiefür meist nur: nimplicitas.

QF. LXVI. 4

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II. CAPITEL.

sich V. 1049; Wendungen, die auch Brant in ermahnenden Sätzen häufig bietet1.

b) Die grobianischen Streiche, die dem Schüler als nachahmen8werthes Vorbild erzählt werden, sind am breitesten ausgeführt und bilden natürlich den eigentlichen Inhalt des Werkes2.

c) Egoistische oder sc he rzhafte Begründung des groben Streichs. Allerdings bringt hier Dedekind keine geistreichen philosophischen Motivirungen vor3, aber die mannigfaltigsten schlauen Ausreden und dummdreisten Ent- schuldigungen. Begeh den Streich, so lehrt er seinen Schüler, weil er dir reichen Vortheil bringt und weil das Gegentheil oder die Unterlassung schädliche Folgen nach sich ziehen würde; begeh ihn, weil er unserer Ansicht nach sehr schön ist oder weil ihn eben die Situation erheischt.

Die grösste Rücksicht wird hiebei natürlich dem kör- perlichen Wohlbefinden gezollt: Lange nach den besten Speisen , iss reichlich , trink' in grossen Zügen , halte mit der nöthigen Entleerung deines Körpers nirgends und nie zurück, dann wirst du gesund bleiben. Diese Begründung leuchtet ein; doch auch für ganz zwecklose und verwerf- liche Situationen und Streiche zieht der erfindsame Meister irgend einen Vortheil bei den Haaren herbei. Welch ein- schmeichelnde Farben wählt er, um die angenehmen Seiten des Gefängnisses zu schildern, das den Sträfling vor der Verfolgung der Feinde, vor Hegen und Sonnenhitze, vor Reif und Schnee behütet4. Vor allem betont er die Be- rechtigung der Unhöflichkeit , zeigt an vielen Beispielen, welche nutzung sie groben Gesellen gebracht hat5, und rühmt es als schönen bossen, etwa das Kleid des Nachbars aus Ungeschicklichkeit zu begiessen und Ähnliches mehr6.

1 Thesmophagia V. 212, Lug oiich wenn du dich setzen W//, ähnlich V. 653, Cato V. 440, Narrenschiff 110* V. 87; Narronachiff 38 V. 26, wer eigens kopfs sich brachen will, der soll usw.

- Mehr darüber bei Besprechung der zweiten Gruppe S. 53 ff.

* Scherer, A. Biographie.

V. 3891 ff. ähnlich V. 301 ff. 1050 ff. 5 V. 2529, 4540 ff.

« V. 1622, ähnlich V. 243.

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DEDEK1NDB UND SCHEIDTS OROBUMIS.

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Auch Zusätze dieser Art hat Scheidt über Dedekind hinaus in grosser Zahl. Er fügt zu den angeführten Be- gründungen noch neue hinzu1, vertheidigt und beschönigt Handlungen, die jener nur erwähnt 2, und hilft der mangel- haften Beweiskraft seiner Entschuldigungen mit Redens- arten und Sprichwörtern auf die Beine. Er räth seinem Schüler träge zu bedienen denn Von eylen kam doch nie kein gut V. 1687, frech an die Mädchen heranzutreten denn Kein zager bült kein schönes weih V. 1078, und lehrt ihn die unverschämtesten Bemerkungen : Erzähle neue Zei- tungen, die du erfunden hast denn Wir schreiben doch kein Chronick nit V. 979, zerschlage den Ofen denn der Hafner kann jn schöner machen* V. 3802.

d) Verhältnis zur Umgebung, zu den Tisch- nachbarn und Hausgenossen. Dedekind stellt die ironische Behauptung auf, dass die unflätigsten Scherze und das albernste Gebahren allgemeinen Beifall und grosse Freude hervorrufen4. Wenn du dich ungebührlich benimmst, so versichert er immer von neuem, dann lacht Alles über deinen Witz, rühmt den guten Schwank und bewundert deine Kühn- heit. Man hält dich für einen Hauptmann, wenn du mit den Händen herumfuchtelst, für einen Weisen, wenn du dich in die buntesten Farben kleidest, hingegen für einen albernen Tropf, wenn du anständig und bescheiden auftrittst"'. Protestirt aber einer der Betroffenen gegen dein Vorgehen, so versetze ihm eine gepfefferte Antwort6. Scheidt, der eine Menge ähnlicher Sätze zum Original hinzufügt, ge- braucht hier meist die Anrede 'Landsmann' oder 'Gesell'. Z. B. V. 665 Sprich, auf lantzmann setz dich hiehar, Geh aus meim ort, dann ich gh6r dar. 7 Ähnlich V. 3150, 525 f. u. a.

* V. 3902 ff. V. 369 ff.

* V. 692, 852 f. 2370 f 3876 f. 3987 f.

» Aua»erdem vgl. V. 1489, 2633 f. 2950, 3884 f.

V. 2762 f. 1625 f. 1639.

» V. 476, V. 4662, V. 280.

V. 689 f.

' Vgl. dazu in der gleichen Situation Braut« Narrenschiff. 110* V. 21 f. ho! uolnf yiit frilnil xitz abhar dol

4*

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II. CAPITEL.

e) Beispiele, Aussprüche von Gewährsmännern. Zur Vertheidigung des grobianischen Streiches weist Dede- kind auf berühmte Muster hin, führt Beispiele aus der Ge- schichte und bekannten Schriften an, Gutachten der Arzte, die Ähnliches gestatten1, oder stellt mit einer Steigerung der Ironie Thiere als Vorbilder auf. Er citirt Catos Lehren, wo sie ihm in den Kram passen2, und weiss von Asop, Antonius und Eulenspiegel nachahmenswerthe derbe Stück- lein zu erzählen 3. Die fernliegendsten Ereignisse zieht er zum Vergleich heran, z. B. : Befiehlt dir ein Gast einen Dienst, dann mach' als hörtest du s nicht, Dessgleichen auch Ulysses thet, Do er Syrenen gfunden het V. 2193 f.4. Blecke die Zähne wie ein Hund, leg' die Stirn in Falten wie ein Stier. Folge jenen Fritzen, den allzeit jre ermel glitzen usw.5 Uhige- kehrt werden zu dem Rath, eine oder die andere Höf- lichkeit zu unterlassen, Individuen genannt, denen man's nicht nachmachen soll. Z. B. Du brauchst dich nicht zu schämen, denn Dieb und lecker scheinen sich (V. 275). Scheidt fügt noch viele Beispiele und Vergleiche von grösserem Um- fang hinzu.

f) Ein Theil des Schemas , den eigentlich nur Scheidt ausgebildet hat. Ähnlich wie in a, als Einleitung zu dem erzählten Schwank, rühmt hier zum Beschlüsse der Meister den Schüler wegen seines unflätigen Benehmens, preist seine That als Meisterstück, das den Gesetzen des Ordens entspricht und den echten Grobianer ehrt. Bei den unappetitlichsten Handlungen ruft Scheidt aus: Das ist ein sonder adlich stück, damit bekuntpstu gunst vnd glück V. 889f. Oder: Das ist ein guter Tafelschwank, das hat Fug; das zeigt dich als einen Mann, der die Kunst der Höflich- keit versteht; kein Doctor kann dir besser rathen". Natürlich

i V. 1010 ff.

* V. 673, 2379.

3 4114 ff. 1000 ff. 919 f.

* Vgl. dazu Narrenacbiff 36, V. 31. Das brutto Wistes uf dem do er sach der Sirenen her.

» V. 300, 211, 255 ff. ' V. 672, 1019 usw.

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DEDEKIÄD8 UND SCHEIDTS GROBIANUS

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gefällt solch eine That am besten dem Meister selbst und der Grobianerzunft. V. 2768 So hob ich gross gefallen drab, V. 3072 So wiirstu vnsern orden zieren1. Und sehr häufig entfährt dem Verfasser das anerkennende Urtheil. Das ist ein rechter Grobian; Der ist von Grobianer gschlecht. Das ist der Grobianer bscheid, oder er spornt den Schüler zum Eigenlob an V. 677 Vnd rhüm die that mit grossen freiden; V. 4744 Vnd sag du habst tcol auss gericht.

Nattirlich ist nicht jede einzelne Belehrung so abge- rundet, dass alle Glieder des Schemas von a f in ihr ver- treten sind; häufig fehlt das eine oder das andere Glied, manche sind länger ausgeführt, andere nur angedeutet, mehrere treten in einer Gruppe doppelt und dreifach auf, oder in etlichen von einander getrennten Theilen, bei Scheidt immer reichlicher gegliedert als bei Dedekind2.

Zweite Gruppe der Zusätze und Abände- rungen. Getreu dem bereits erwähnten Grundsatze, die an ssere Form dem Inhalt des Werkes anzupassen ist Scheidt bemüht, durch realistische Schilderungen, durch launige Einfälle den humoristischen Grundton der Quelle zu heben, die Ausdrucksweise bis in's Einzelste mannigfaltig zu beleben, volksthümlicher und derber zu gestalten.

Kurze Bilder und Vergleiche fehlen nicht in Scheidts Zusätzen, aber sie sind dem Inhalt entsprechend meist drastischer Natur. Das Thierreich liefert willkommene Beispiele. Der Grobianer soll einen kurzen Rock tragen, Gleich wie ein Äff vnd Bavian V. 374; er soll darauf los essen, als hätte er ein magen wie ein strauss V. 2896; er soll im geeigneten Augenblicke brummen wie ein Bär, schreien wie ein Ochs, hüpfen wie ein bleiern Vöglein, sich ge-

1 Wo Dedekind alle Grobianer meint, dort spricht 8oheidt seinen speziellen Schüler an : ornat Mos qui cultum simplicitatis amattt Soheidt V. 232 Das ziert dein nasen vberaiiß.

2 Als Beispiel nenne ioh die Gruppe V. 659—680. Hier finden wir b + c + b (wieder ein Theil des Streiches) + f (V. 672, Zusatz Scheidts) + e + b + d (die beiden letzteren V. 676—679 und Y. 680 wieder Zusätze Soheidts).

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II. CAIMTKL.

bärden wie Wölfe und wilde Schweine *. Aus den Reihen der Mitmenschen werden natürlich nicht die besten Schichten zum Vergleich herangezogen: sclielmmschinder und faulhenßlin* Diebe, Lotterbuben und 'Credentzer 2. Der Teufel 3 fehlt nicht in dieser Gesellschaft. Auch leblose Gegenstände niederer Gat- tung: faul wie Mist, still wie ein Stein 4. Nur der Renommist, der am Kneiptische die Schönheit seines Liebchens preist, bedient sich höherer Vergleiche : ihre Augen brennen wie der schön Carfunckel, ihr Mund ist rot tvie ein rubin, ihre Stirn wie Elfenbein und weisser Marmor, ihre Wangen Ge- temperiert wie milch vnd blüt (V. 2124 2142). Sprich- wörter verwerthet Scheidt in reichlichem Masse5. Im Streit und Gezänke fliegen volksthümliche Redensarten gleich Bällen hin und wieder. Heisst euch braten eine Wurst; ich wollte euch nicht eine Schnalle drum geben; du musst einen andern Löffel suchen; ich will dir auf die Hochzeit kommen, dir eine alte Sau in den Bart werfen und einen Fuchsschwanz streichen6. Verlogenheit wird öfter ange- raten: fiders (leufj) dass sich die baickcn biegen (V. 312. 4610)7. Zuweilen klingt Scheidts Ausdrucksweise an bekannte Volks- lieder an8. Die üblichsten Flüche und Betheuerungen des XVI. Jahrhunderts finden wir auch hier. : Z. B. botz verden blut, V. 1742; botz Frantzosen willen V. 1723; Sant Veitin V. 2794; 0 guckule* 2414; infs ritten namen V. 1556; dass euch der jarrit schütt V. 71 w. Ebenso häufig sind Schimpf- wörter wie voller flegel, suppenwüst, Weinschlauch, Unflat usw.

* V. 425, 2323, 8995 u. a.

* V. 626, 1686, 2112, 3425.

* V. 4692.

* V. 947 u. a.

* Vgl. oben 8. 51.

* V. 3080, 1803, 8143, 4297, 4634, 1367, 3829.

1 Diese Wendung sehr häufig bei Murner, Wickrum u. Fischart; ausserdem vgl. Müller-Fraurouth, Die deutschen Lügendichtungen 8. 29 und S. 111.

8 V. 2161, 3690 f. 4217 f. Vgl. Uhland, Volkslieder 8. 55 u. 450.

9 her Cucule, Narrenschiff 65 V. 21.

10 Ausserdem V. 1546, 2798 usw. ebenso bei Murner, H. Saohs, Fischart usw,

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DEDEKIND8 UND SCHEIDTS OROBIAKÜ8. 55

Die gewöhnlichste Art der Erweiterungen des Übersetzers bilden die Zusätze sinnlich bezeichnender Natur, welche den eigentlichen Inhalt weder abändern noch vermehren, die aber durch eine genauere Darstellung, durch einen bestimmten Hinweis die gegebene Situation heller beleuchten. Zuweilen sucht Scheidt nur durch einen kurzen Satz die Art und Weise der angeführten Dinge näher zu bezeichnen l. Häufig aber malt er die von Dedekind angedeutete Hand- lung mit Interesse und Behagen aus, steigert und überbietet die rohen Spässe durch neue Unflätigkeiten, setzt besonders die unsaubersten Scenen der Quelle mit einem gewissen Vergnügen fort und scheut nicht eine ekelerregende Detailmalerei2. Lange Schilderungen drehen sich um die Bedürfnisse und Beschwerden des Magens, um die Leiden einer durstigen Kehle, um die Ausflüsse von Nase und Mund3. Seine Meisterschaft in der anschaulichen, oft dramatisch belebten Darstellung erweist Scheidt durch zahlreiche grössere Erweiterungen, in denen er das Treiben der Bezechten, die verschiedensten Grade des Wortwechsels und Streites, Wirtshausscenen aller Art, das gierige Essen der Grobianer, das gegen jede Tischzucht verstösst, Namen und Gattung der aufgetragenen Speisen, erregte Gespräche zwischen Herr und Diener, den Verkehr mit Mädchen, die Pflege des Haupthaars und seiner Bewohner, das Aus- ziehen und Schlafengehen usw. mit einem nie versiegen- den Vorrath der drolligsten Einfalle schildert4.

Wo Dedekind eine Thatsache in einfachen Worten trocken berichtet, da wählt Scheidt eine drastische Ausdrucksweise und volksthümliche Redewendungen: z. B. te pugnacem esse

* Z. B. V. 3214, 3292, 4015, 4029, 4742 u. a.

V. 964—969, 1033—1039, 4198 f. u. a. 5 V. 252—254, 939 f. u. s. w.

V. 1862-1865, 2079-2082, 2043 f., 1652—55, 1658 f., 1908—18, 1921—23, 1298-1319, 670-672, 675-677, 3137—43, 523—529, 824-856, 871—876, 2790 -2804, 1530—1533, 1086—1091, 1110 1114, 1280-1200, 2365—68. Als Beispiele ergetzlicher Einfälle dienen V. 149 f. 2280, 2694—2704. Auch philosophische and roedioinisohe Fragen erörtert ßoheidt in witzigen Zusätzen V. 2468 ff., 3324 f. 3229-3232.

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II. CAPITEL

V. 474 f. Dann stell die hend in beide seilten, als wölstu jrer vier bestreitten ; coenantes V. 1651 Vnd lüg wie jn die meuler gehn; nec reliquis purum te magis esse reor V. 333 Du darffst dich nit so mausig machen1; und verwandelt die meisten indirecten Reden des Originals in directe, ja er gibt dort, wo Dedekind einen Befehl, eine Ansprache nur erwähnt, den ausführlichen Wortlaut des Befehls usw. Z. B. Sin fueris jussus V. 590 Spricht man zu dir, hebs auff du laur; pelle loco socium V. 665 f. Sprich, auff lantzmann, setz dich hiehar, Geh auss meim ort, dann ich ghör dar2. Bis ins Einzelste lässt sich Scheidts Bemühen nach dieser Rich- tung verfolgen ; er versieht die Substantive mit bezeichnen- den Attributen : für calceus V. 683 grobe paurenschüch. ebenso die schuartzen ktiie V. 145, der adlich arm V. 1118; er fügt zu den grobianischen Streichen adverbiale Bestim- mungen: mit Schall, mit Lust, behend, fein heimlich, bei guter Zeit usw.; setzt statt des allgemeinen Gattungs- wortes oder eines Pronomens einen besondern Ausdruck : für escam V. 2827 das kraut; für cibus V. 3068 braten hün; tua facta V. 327 solcher zott; cuique V. 3758 Manch schlücter; multi V. 1516 viel freyer knöpff ; Semper V. 700 in> allen zechen; auch ein derberes Wort: für os V. 238 gfress; bara- thri fauces V. 295 die wüst spelunck; uxori V. 4027 dem bösen suppenwüst usw. Auch die mythologischen Tropen und fremdwörtlichen Ausdrücke vermeidet Scheidt: für Plutus V. 42 1 7 nach grossen güt ; Mavortius miles V. 2153 Hauptmann ; Bacchum et Cerealia V. 1849 wein vnd hier; Lucifer Ocea- num surgens cum liquerit almus V. 4202 Biss dass die morgenröt her geh; Tullius Ausonia Consul in urbe V. 433 f. Burgermeister zu Rom; Sithonias niues V. 2743 weiss wie der schnee; ne longius ipsa Iliade V. 2455 f. (Schreibe ich mehr, so wird mein Buch) schwerer dann ein Bibel.

Wie für die Belebung des Vortrags, so sorgt Scheidt gleichzeitig für eine reichere syntaktische Gliederung im

1 V. 472 f. für gestus; 1544 f. für hunc codas looum usw. a V. 2028 - 31 für Conuiuasqoe suos iussit abire doraum; V.2546 —48 für: mox plena mero pocula posce uaw.

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DEDEK1NDS UND SCHEIDTS GliOBIANUS.

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einfachen Satze und im Satzgefüge. Der sprachliche Aus- druck wird lebendiger, mannigfaltiger.

Hieher gehören die zahlreichen, im XVI. Jahrhundert allgemein beliebten, gepaarten Ausdrücke statt des ein- fachen im Original. Wie etwa für gemmas V. 225 edel gsiein vnd perlin güt; für conuiuis V. 1614 frembd gest vnd güte freund; res minor V. 3087 dergleichen ding vnd kinder- spiel; matula V. 4195 kachel oder kübel. Scheidts Absicht derbe Bezeichnungen zu häufen tritt auch hier hervor: os V. 329 das maul vnd seinen kropff ; caput V. 4028 gefrdss rnd lenden usw. Auch bei Adjectiven und Verben zeigt sich die Paarung: für terenda V. 3300 zergrümelt vnd ver- bröckelt gar; quam sis gracilis V. 421 Ob du seist mager oder feisst; abire V. 142 Der geh hinauss vnd jrr mich nicht; reuocaverit V. 556 der bell vnd grumm dir jmmerzü. Auch drei- und mehrgliedrige Ausdrücke statt des einen sind nicht selten: z. B. de choreis V. 3239 Von tantzen freudeti- spiel vnd springen; tibi V. 4234 deinem alter, stand vnd wesen; pro regibus V. 2278 Von Keiser, König, Fürsten Herren; tantos clamores V. 3852 Da plerr, rumor, sing, jauchts vnd schrey ; excellens corpus V. 1047 jungen, graden, stoltzen leib; ignavos V. 1437 zaghafft, faul, vngschickt; varias V. 4659 geel, grün, blaw vnd rot; referent V. 2427 auffghaben, hin- gstellt, auffgeraumpt usw. Zu ganzen Sätzen dehnt sich die Zweigliedrigkeit der Bezeichnung aus z. B. Sobrius ut mensa surgere nemo queat V. 3151 f. Vnd sorg dass keiner lehr auf steh , Vnd nüchtern von der taffei geh ; Et patulas nares hic novus intrat odor V. 4575 f. Vnd wirf, der new zur nasen streichen, Vnd müss der erst dem letzten weichen. In ähnlicher Weise fügt Scheidt Sätze hinzu, die eine parallele Ergänzung oder die Erweiterung des Bildes durch den Gegensatz enthalten : z. B. interitum V. 1434 f. Der sichs todts nicht erweren mag, der leben möcht noch manchen tag; (Geh den breitesten Weg) Zusatz V. 1353 Zur tugent geht ein schmaler steg; (Ein alter Wein ist gut) V. 1314 f. Alt eyer ich nit loben thüy Vnd acht keins alten gauls darzü; (Ist's kalt, so muss der Knecht die Thür schliessen) V. 1541 Ist's heiss, so müss er's öffnen baldt.

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II. CAPITEL.

Zwecklose Zusätze, überflüssige Wiederholungen; Füllsel des leichteren Keimwortes wegen sind bei Scheidt nur wenige zu finden. Ebenso selten lässt er ein schmückendes Bei- wort oder einen ganzen Satz der Quelle weg. Wenn es geschieht , so trifft es einen oder den anderen einleitenden oder von einer Periode zu der zweiten überleitenden Satz, welcher der lateinischen Rhetorik mehr entspricht als der deutschen. Und nur da, wo Scheidt eine zu volltönende oder gelehrt klingende Stelle vermeiden will, bedient er sich einer knapperen Ausdrucksweise. Z. B. Cumque trium- phalst iam de ratione fugata, Mensque erit e solio praeci- pitata suo V. 2218 Vnd die vernunfft mn dannen fleuyt. Oder für: Hoc ubi dixisti, nihil amplius ille loquetur, Verba- que continuo per tua victus erit V. 530 Also ist jm cer- sto^fft das maul.

Endlich zeigt Scheidt an zwei Stellen V. 784 und 911 die gleiche Ausdrucksweise Vnd Schweilers wider in die phtt für verschiedene lateinische Sätze : patinae vis reddere und in mediam injice lancem.

Dritte Gruppe. Umfangreichere selbständige Erweiterungen und neu hinzugefügte Schwänke.

Scheidt erzählt unabhängig von seiner Quelle eine grosso Zahl von Spässen , Thorheiten und Unarten der Grobiancr. Er gibt in detaillirter Ausführung an, welche Possen ein Grobianer während der Mahlzeit mit seinem Hunde treiben soll wie er seinen Tischnachbam die Regeln der Wahrsagekunst vorführen, als Diener seinen Herrn beim Wein betrügen, als Wirth seinen Gästen die Güte und Kost- barkeit der aufgetragenen Speisen rühmen soll2.

Über die lächerlichen und anstössigen Kleidertrachton, welche in das damalige Deutschland aus fremden Ländern eingedrungen waren, äussert sich Scheidt an mehreren Stellen in ähnlicher Weise wie Brant, Geiler und andere Moralisten der Zeit3.

« V. 2S64-66, 2*71-2890, 2916-26.

2 V. 2290-2303, 1493-1509, 4140 -4163.

' V. 361-383, 430-435, 1593—97. Scheidt schläft dem Grobianer vor: einen langen nachschleppenden Mantel, oder ein kurzes Röcklein,

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DUDEKINDS UND SCHEIDTS OROBIANUS.

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Im achten Capite! erzählen Dedekind -.Scheidt sehr hübsch von den renommistischen Gesprächen der Kneipbrüder. Scheidt aber setzt hier viele neue und gelungene Züge hinzu, sowohl bei der Beschreibung des Liebchens (V. 2133 f. 2137- 39. 214H— 51) als bei jener des Soldatenlebens (V. 2155 62) und erwähnt unter den Prahlereien des Jägers (V. 2163 —2172) jene bekannte Lügengeschichto von dem grossen Hirsch, der mit einer Kugel durch Kopf, Ohr und Fuss ge- troffen wurde1. Später beginnen etliche von fremden Ländern zu erzählen (und Scheidt gibt hier selbständig die Stoffe dieser Berichte an) V. 2246 2267, von Menschen die sich mit ihren breiten Füssen vor dem Regen schützen und jedem Thier entfliehen, von anderen die mit ihren langen Ohren den ganzen Leib bedecken oder die Augen auf der Brust haben, von Sirenen, Meerwundern und Herzog Emsts - bewährtem Schiff,

Dum sich biss auf die hüfft kaum streck, Vnd dir tiit wol den hindern deck, ein möglichst zerrissenes Wainms oder so leichte Bekleidung, dass man seh wo das f&nlin hangt, Wo dir der sturtz zum gsess nauss brangt. Vgl. Brants Narrenschiff Cap. 4, V. 19 f. 25 f. Man trägt heutzutage wildkappen, menteU umblouf dran ; der jüdisch sit wil ganz ufsian odor kurz schfintlich und beschroten rock, das einer kum den nobel bdöck. In der Ausgabe N. (8trassburg 1494) an dorselben Stelle: Wie sy in seltzen kleidern walten, Und ketschen ein teil vff der erde, (die Kleider haben einen Spalt) man tnoss im sehen wamsz vnd hosen. Geiler: Tales Testes 8candalosae oocasionem malarum coneupiscentiarum feminis praestantes. Job. Pauli : Du siclist ouch da die erlosse kurtzen Bock, die nit allein den hindern nit decken, ja die lenden vnd den Nabel nit. Weitere Parallelstellen in Zarnckos Anmerkungen zum Narronscliiff 8. 306 ff.

1 Die gleiohe Oeeohiohte erzählt Hans Sachs, Der verlogene Edelmann, ed. Goedeke 1, 128, daselbst weitere Nachweise; Egenolfs Sprichwörter etc. Über Jägorlügen Müller-Fraureuth 8. 40 ff.

- Hundsköpfe, Plattfüsse, Langohren, Brustaugon , der Kar- funkel usw. werden erwähnt in Isidor, Gesta Romanorum , Rolands- lied, Annolied, S. Brandau usw., aber auch im Herzog Ernst V. 4667 ff., den ja 8cheidt auch anführt. Als Scheidts Quelle käme das in Prosa abgefasste Volksbuch vom Herzog Ernst in Betracht, bei Bartsch, Einl. 8. LXXII-LXXVIII u. 227 -308, Goedeke S. 341 f.

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f)()

II. CAPITEL.

Vnd wie Signot den Berner 1 trug Vnd wie Wolf Dietrich wurm erschlug Vnd wies sanl Brandon* vbel gieng . . .

An drei Stellen schiebt Scheidt ganz selbständig grobianische Schwanke ein. So V. 3552 3565. Ein Junrk- frawknecht wollte in höflicher Weise ein Licht reinigen, doch in seiner Verwirrung steckte er es statt in die Sandbüchse in das Weinglas der Braut. Ferner V. 1445— 1481. Ein junger Grobianer, dem der Lehrer das Alphabet beizubringen suchte, wollte trotz allen Streichen und Ermahnungen keinen Ton von sich geben. Eines Tages sprach ihm ein Bekannter zu, er möge doch wenigstens a sagen. Nein, antwortete der fleissige Schüler, wenn ich a sagte, müsste ich auch b und c sagen und mit all den übrigen Buchstaben viel Plage und Mühe haben. Dazu die köstlichen Randbemerkungen Principijs obsta und du müst dm hraten bey Zeiten schmucken. Endlich nach einer spasshaften Einleitung erzählt Scheidt V. 4410—4540 einen Schwank, den er in Wälschland3 ver- nommen haben will. Zwei Klosterjungen erhalten den Auf- trag ein Ferkel am Spiesse zu braten, während der Koch mit dem Prior und den Mönchen in der Kirche weilt. Das schöne Aussehen des Bratens verleitet die Jungen nach und nach die ganze Haut zu verzehren. In der Angst, die sie

* Von dorn Borner, dem Ecke usw. ist in mehreren Kneipdarstel- lungen die Rede, im Renner V. 10307 f., in Wittenweilers Ring 36d V. 3.

2 8. Brandau, ed. Schröder, Erlangen 1871. Auch sehr beliebt im XV. u. XVI. Jhd. Der Pfaffo Amis zieht mit dem Haupt des h. Brandau herum, bei Lambel 8. 32 f. Wickram in seiner Vorrede zu den Sieben Hauptlastern spricht von alten Exempeln, die nicht mehr im Gebrauch sind, wie sant Brandans Lügend. Also schon 1556.

* Damit dürfte Frankreich gemeint sein. Vgl. darüber mehr im 4. Capitel. Auf dem Holzschnitt zu Brants Narrenschiff, Cap. 2, braten zwei Narren eine Sau am Spiesse. Ähnliche Erzählungen, in denen ein Freund oder die Frau während der Abwesenheit des eigentlich Berufenen das vorgesetzte Gericht verzehren und sich dann durch scherzhafte Ausreden zu retten suohen, finden wir öfter; Eulen- spiegel Nr. 37 Der Pfarrer und die rothen Würste. Die Hasen von dem Vriolsheimer, unl der reiger (v. d. Hagen Gosamm tabenteuer II, Nr. 30 u. 31); Pauli, Schimpf u. Ernst S. 224 Nr. 364. (Nachweise von Oosterley dazu S. 514).

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DEDEKINDS UND SCHEIDTS GROBIANUS.

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darüber befällt, eilen sie in jene Capelle, worin der Prior um Abwendung jeglichen Unheils betet und flehen Gott um eine neue Schwarte an. Unterdessen verbrennt das ganze Ferkel, und Prior und Koch, die zurückgekehrt sind und den Schaden entdecken, gerathen in die grösste Wuth. Doch nachdem der Prior die Schuldigen gefunden und ihr offenes Geständnis entgegengenommen, verzeiht er und schenkt ihnen die guten Reste des verunglückten Bratens. Daraus ersieht man, folgert Scheidt, dass aus einer einfältigen That dem Grobianer nur Glück und Vortheil erwächst.

Ausser diesen verschiedenartigen Erweiterungen, welche das Werk gegenüber dem Original um das Doppelte ver- grössern (Dedekind hat 2400, Scheidt 5000 Verse), versieht Scheidt die einzelnen Capitel mit Überschriften, welche kurz deren Inhalt angeben und den ironischen Ton beibe- halten (z. B. 1. Buch 2 Cap. von höfligkeit des nasen- butzens, niesens, lachens , hüstens , vnd vil anderem wohtand der kleider oder 2. Buch das VIII vnd htst Capitel, begreift einen gantzen hauff'en, lieblicher , höflicher Grobianischer hoff- bösslin, allen Grobianern notwendig), und ausserdem mit zahl- reichen Randbemerkungen. Diese sind nach der litterarischen Sitte jener Zeit entweder knappe Inhaltsan- gaben oder kurze Ausrufe zum Texte; auch am Kande ertheilt der Verfasser dem Schüler Rathschläge: Gib güte Exempel S. 59 , Brauch das maul auch ein mal S. 72 , Sey vnuerschawpt gnüg S. 78 usw. oder gibt ihm Kosenamen, wie Märzenkalb, Unflat, Hüpsih hensslin S. 22 >, feiner gEsel S. 96*, O ungeschickter Grobian S. 81. Mit Art und Wesen der Grobianer beschäftigen sich die Randbemerkungen überhaupt sehr viel: z. B. Grobianer seind auch leuty sind aber nicht leut , nie ander leut S. 30 usw.8. Scheidt ver- sichert mehrmals, dass ihre Menge unzählbar ist wie jene der Narren4, und bezeichnet die tölpelhaften Streiche des

1 Vgl. Brants Nar ronschiff 26, V. 55 die hübschen /Innseti, Murner mehrmals, s. Zarncke Anm. 8. 345.

2 Vgl. Strauch a. a. O. 8. 76. Anm. 68. > Ähnlich S. 89, 96 u. a.

8. 75, 121, 140.

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II. CAPITEL.

Textes als schöne Tischzucht und ausgewähltes feines Hof- recht l. Unter den fremdsprachigen Randbemerkungen sind mehrere französisch und italienisch die meisten lateinisch. An zwei Stellen hat Scheidt Dedekindsche Verse an den Rand geschrieben S. 44 und 97; Bibelcitate, Hinweise auf bekannte Lieder, Schwanke und Fabeln sind sehr häufig3. Im Übrigen bieten die Randglossen eine reiche Blütenlese derber deutscher Sprichwörter. Hie und da scheint Scheidt zu dem Erzählten gereimte Sprüche selbst zu bilden, so S. 63 Xantippe noch vil töchter hat Die tvolteti es uiird nie- mands satt. Selten stehen die Randglossen im Widerspruch zu dem Toxte, wie etwa S. 15 im Texte: Dann werden dir alle Jungfrauen hold, am Rande: Jede sagt: nimm du jn , ich will jn nicht, oder S. 66 im Text wird die Schön- heit des Liebchens gepriesen, am Rande: Sie hat die sieben schön, sie seind aber vmbgewent 4. Endlich S. 62 im Text: Den guten, gesitteten Leuten bring' ein schlechtes Getränk, denn ein starker Wein würde ihnen Schaden bringen, am Rande : Eine fatde entschuldigung.

So gehören die Randbemerkungen nicht nur zur humori- stischen Einkleidung der Parodie, sie lassen auch an ein- zelnen Stellen die moralisirende Tendenz des Werkes durch- schimmern.

* 3. 84, 96, 103.

2 8. 59, 83. S. 70, 110 u. a.

* ö. 46, 117, 71, 103 u. a.

* Vgl. Keller, Fastnachtspiele I, S. 72 V. 6.

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III. CAPITFX.

NACHGESCHICHTE DES GROBIANUS.

SPÄTERE AUSGABEN, BEARBEITUNGEN UNI) ÜBERSETZUNGEN. NACHWIRKUNG AUF SCHRIFTEN VERWANDTEN INHALTS.

Dedekinds Grobianus in seinor ersten Gestalt vom Jahre 1549 wurde in den nächsten zwei Jahren noch ein paar Mal aufgelegt, ausserdem im Jahre 1612 in die Grutersche Sammlung neulateinischer Dichtungen Delitiae poetarum germanorum aufgenommen und erlebte noch 1624 einen verspäteten Nachdruck1. Im Übrigen aber wurde diese Fassung völlig verdrängt durch die neue, bedeutend veränderte und vermehrte Gestalt, die Dedekind selbst im Jahre 1552 seinem Grobianus gab. Diese in Leipzig ver- öffentlichte Ausgabe hat nunmehr 4600 Verse, statt der früheren 2400 ; sie ist in drei Büchern abgefasst, mit mehreren neuen Capiteln und dem Anhang Grobiana versehen. Ob- wohl die Grobiana erst in der Ausgabe des Jahres 1554 im Titel erscheint und dieser noch öfter sich ändert, so bleibt doch der Text des lateinischen Grobianusinall den zahlreichen nachfolgenden Ausgaben2 bis zum Jahre 1704 immer wörtlich gleichlautend mit der umgearbeiteten zweiten Fassung des Jahres 1552. Diese ist also für die Nachgeschichte die wichtigste Ausgabe. Doch herrschte

1 Nähere bibliographische Mittheilungen von Milohgack a. a. O. 8 XV f. Nr. 5—10.

* Milchnack, S. XVII-XXI, Nr. 1 1—26.

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III. CAPITFX.

bis jetzt über die Art der Vermehrungen, die ihr Dedekind einverleibte, eine wesentlich irrige Ansicht. Hellbach 1 er- zählt nämlich in der Vorrede S. 6b seiner späteren Ver- deutschung darüber Folgendes : Caspar Scheyd hat in seinem Grobianus die sack im Teutschen weitleufftiger tradiert, dann das Latein mit sich bracht hat. Solch s wie es für den Herren Dedekwdum kommen, hat es jhme der- mussen gefallen, dass er etliche derselbigen digression Latinis nersibns reddiert, denn es sich nicht durchauß hat schicken wöllen, sintemalen sich oft solche Teutsche uÖrter zütragen, die man ins Latein nit bringen oder Lateinisch außsprechen kan. Vnd dardurch vrsach genommen sein Büchlein ver- mehren. Diese etwas unklare Stelle sowie die Thatsache, dass Dedekind in seinem zweiten Grobianus eine grosse Zahl neuer grobianischer Streiche und Anekdoten hinzugefügt hat, verleitete alle Literarhistoriker , die sich mit dieser Frage beschäftigt haben, Wackernagel2, Kurz3, Scherer4, Gervinus5, Milchsack6, Herford7 u. a. zu der Ansicht, die oft ausgesprochen und nachgeschrieben wurde, Dedekind habe die Änderungen und Zusätze der Scheidtschen Über- setzung für die neue Fassung seines Grobianus vom Jahre 1552 benutzt. Eine genaue Vergleichung dieser Ausgabe mit Scheidt aber erweist das Gegen theil. Dedekind hat schlechterdings keinen einzigen Zusatz Scheidts aufgenommen, er hat alle seine neuen Erweiterungen völlig unabhängig von diesem verfasst, ja er hat wahrschein- lich zur Zeit seiner zweiten Bearbeitung von Scheidts Übersetzung keine Kenntnis gehabt, jedenfalls

* Vgl. unten 8. 77 ff.

*

2 Johann Fischart von StrasBburg 8. 105.

3 Gesch. d. deutschen Lit. 2, 62.

* A. d. ß. ö, 14 'Soheidts Vermehrungen benutzte Dedekind zum

Theil*.

* Gesoh. d. deutschen Dichtung 3* S. 201. Änm. 186.

(i a. u. 0. 8. VI f. Dedekind habe Scheidts Zusätze 'reichlich be- nutzt und in einem dritten Buche hinzugefügt*.

7 a. a. 0. 8. 386. 'Dedekind adopted a large number of bis trans- lators suggestions'.

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NACHGESCHICHTK des orobianüs.

aber diese noch nicht zu Gesicht bekommen. Um die Wende des Jahres 1551 auf 1552 erschien der deutsche Grobianus zu Worms, bereits im März 1552 unterzeichnet Dedekind zu Wittenberg die Vorrede zu seiner zweiten Bearbeitung; so wird es wohl kein affectives Stillschweigen sein, wenn Dedekind in seiner wesentlich veränderten Vorrede der Ver- deutschung seines Werkes durch Scheidt mit keinem Worte gedenkt. Auch im Texte sprechen zahlreiche Stellen dafür, dass er Scheidts Zusätze nicht kannte. Nur einzelne Bei- spiele mögen herausgegriffen werden. In der ersten Aus- gabe (II, 4) erzählt Dedekind die bekannte Geschichte 1 von einem jungen Thüringer, der zu einer Hochzeit geladen sich wählend der Mahlzeit ungebührlich benimmt und da er vor Scham entfliehen Will, mit den Spornen das Tischtuch und alles, was darauf steht, nach sich zieht. Scheidt hat diesen Schwank mit vielen köstlichen Erweiterungen, ausgeführten Gesprächen und neuen humoristischen Zügen2 versehen. Nichts von alledem verwerthet Dedekind in seiner zweiten Ausgabe, obwohl er hier (III, 5) die gleiche Geschichte auch seinerseits vermehrt. Im Gegentheil, während Scheidt z. B. erzählt, der Jüngling habe das lahm gerittene Pferd auf dein Heimweg beim Zügel genommen furts hinden nach vnd gitng zu füss usw., lässt sich Dedekind diesen gelungenen Einfall entgehen und sagt in zwei neuen Versen ausdrück- lich: Hoc aucto clauduui comcendit eaballum, et repetit etc.3. In den nächsten Jahren hat Dedekind jedenfalls Scheidts Übertragung kennen gelernt und scheint diese auch in den neuen Capitelüberschriften der Ausgabe vom Jahre 1554 benutzt zu haben, soweit nicht der veränderte Inhalt der Capitel auch andere Überschriften erheischte l. Trotzdem

1 Mit kleinen Abänderungen erzählt sie auch Frey, Gartenge- selliichnfr (Ausgabe vom Jahie 1Ö75 R1. l'22b ff.) Von einem Studenten zu Francfort an der Ader etc.

* Diese sind V. 838-1-34:?.% 3490- 38, 3456-61, 3170-75, 3182 -3513.

' Vgl. noch unten 8. 60.

* Als Beispiel : 8cheidt I, 1 Von auflsiehen, anziehen, langem hare und oeelen zenen, Dedekind Quae modeslia A<krtiamlii »it unine in ueshtu,

QF. LXVL Ö

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HL CAPITEL.

hat Dedekind in dieser und allen späteren Ausgaben weder Scheidt erwähnt, noch dessen Zusätze aufgenommen1.

DKDEKINDS OROB1AKU8 IN DER ZWEITEN VERMEHRTEN FASSUNG VOM

Die Einleitung an den Leser, die Widmung an Bingius (die früher in Prosa, jetzt in Distichen abgefasst ist), den poetischen Prolog hat Dedekind in der neuen Ausgabe um viele Verse, doch um keinen bedeutenderen Gedanken ver- mehrt, den Text des Werkes selbst aber hat er einer völ- ligen Umänderung unterzogen. Auch dort, wo er den gleichen Inhalt beibehielt, unternahm er die saure Arbeit fast jeden Vers umzuarbeiten oder doch um ein Geringes zu ver- ändern. Er corrigirt den Ausdruck, verschiebt die Wort- folge, gebraucht neue Bezeichnungen; in den meisten Fällen ist der Grund dieser Änderung ganz unerfindlich, zuweilen scheint Dedekind einen reineren oder prägnanteren Aus- druck anzustreben, was ihm nicht überall gelingt-. Da er ferner nach jedem zweiten oder dritten Vers einen oder mehrere neue einfügt und wegen der geänderten Buch- und Capiteleintheilung auch die Reihenfolge des Erzählten ver-

eapillis, facie et dentibus niundaiid:*. Oder I 3 Von digehzucht, im dischdienen, auff rtid abfrage», vnd ander grachtritidiykeit. Ded. Mensa, quomodo adornandn, et removenda et de mensu» ministerio eto.

' Von 1564 ab lautet der Titel: Grobianus et Orobiana. Bei den Ausgaben vom Jahre 1631 u. 1704: Ludus satyricus de morum sirn- plicitatc. Einige wenige Druckfehler und nebensächliche Abweichungen des Wortlautes haben sieh vom Jahre 155*2—1704 in den Text einge- schlichen.

* Einige Beispiele solcher Änderungen:

Noo surgens membris uestes super- Nec reliquis surgens te uestibus

At te, si nolit cernero abire iube. Cernere ni talom nolit abire iube. Ut defendSris noeiturao a frigoro Tutus ut a tristi rigidae sis frigore

JAHRE 1552.

1549 Cap. I.

1552

indue.

indue.

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DEDEKIND8 ZWEITE AUSGABE

schiebt1, so hat er vom alten Bau kaum einen Stein auf dem anderen gelassen.

Dedekind hat kaum 4—5 Verse2 seiner ersten Aus- gabe völlig gestrichen ; folglich besteht die wesentlichste Eigenart der neuen Fassung in den hinzugefügten Vor- schriften und Beispielen*.

Die grösseren Erzählungen, die Dedekind zum Vor- bild der Grobianer in seine Lehren einschiebt, hat er ein- fach Bebels Facetien und anderen verbreiteten Schwank- sammlungen entlehnt, in den kürzeren aber verwerthet er reichlicher als zuvor seine Kenntnis der römisch-griechischen Anekdotenlitteratur. Den grössten Thcil der Vermehrung aber bilden jene zahlreichen kleinen Zusätze, die oft nur aus zwei Zeilen bestehen und jeden Augenblick den Text der ersten Fassung unterbrechen. Diese verbreitern das Werk in höchst ungünstiger Weise, sie hemmen und ver- zögern den früheren flotten Gang der Erzählung, sie machen die Darstellung schleppend und eintönig. Sie vermehren

1549 1552 Cup. II

To quocunque Übet tibi, lumen Quo tibi ci:mqu<> libot tu lumen

utrumquc uagari. utrumquo uugnri.

CaP. VI.

Sed Hol occiduaH declinat fesftus 8ed modo caerulea» declinat Phoe-

ad undas. bus ad undnti.

1 Die Capitel der beiden Ausgaben entsprechen sich in folgender

1549

1552

1519

1552

1549

1552

1. Buch.

1. Buch

<>

7

2

2

Cap. 1

1

7

8 + 9

3

3 + 4

2

2

8

10

4

5

3

8

9

11

5

0 + 7

4

4+5

2. Buch

2. Buch

6

8

5

6

1

1

<

9

Für das alte 8. Capitel hat nun die zweite Aufgabe: 3. Bu:?h, Cap. 1—7 mit sehr grossen Erweiterungen.

* Bei Soheidt V. 299-302 und 13f>9 f.

1 Wie das schon der Titel besagt: Libri tres plerisquu in locis cum praeeeptts tum exemplis aueti.

5*

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68

HI. CAPITEL.

die Unflätigkeiten, steigern sie ins Abgeschmackte und Ekelhafte und brechen so durch die unerhörteste Uber- treibung dem Scherz vollends die Spitze ab. Auch unter- scheiden sie sich zu ihrem Nachtheil von Scheidts Zusätzen darin, dass sie meist ganz witzlos und höchst albern sind, oft eine mislungene Bemerkung zusammenhangslos an die andere reihen und durch die erneute Wiederholung über- flüssiger allgemeiner Aussprüche thatsächlich lästig fallen. Der muntre Wittonberger Student vom Jahre 1549 hatte mit seinem Werke, das in geschickter Verbindung aus dem wirk- lichen Leben und den Schriften bedeutender Vorgänger schöpfte, einen glücklichen Griff gethan. Die überaus rasche Verbreitung, die Zustimmung aller Freunde und wahrschein- lich auch das Drängen des Verlegers verleiteten den Ver- fasser nun zu der irrthümlichen Ansicht, er müsse Dar- stellungen, die so sehr eingeschlagen hatten, erweitern und überbieten. Doch der Neustädter Pastor vom Jahre 1552 hatte sich bereits ausgeschrieben und traf fern von seinem früheren studentischen Kreis nicht mehr den alten Ton. Und wo er sich nun nicht wiederholt oder durch eine Anleihe bei fremden Kräften seinem geschwächten Witz auf die Beine hilft, um den erweiterten Rahmen von drei Büchern, den er sich jetzt zugeschnitten , auszufüllen, da wird der Inhalt ganzer Capitel recht kläglich, langweilig und widerlich.

Dedekind führt nun fast jeden grobianischen Streich seiner ersten Ausgabe weiter. Die meisten dieser Fort- setzungen aber haben nicht mehr den Werth einer Satire, denn sie lehren Unmögliches, erzählen Beispiele, die nicht glaubwürdig oder in der sichtbar erzwungenen Erfindung nicht mehr komisch sind. Etwa III, 4 : Lass dir den Bart übers Maul wachsen, damit du durch diesen alle Getränke durchseihst und allen Schaden von dir fern hältst. Auch der Ausfluss deiner Nase kommt dir dann nicht in den Mund, sondern bleibt am Barte hangen usw. Oder1 nach V. 463:

1 Ich citiro, wo es angeht, statt der lateinischen Verse die ent- sprechenden deutschen, weil nur dieso mit Zahlen vesehen sind.

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DEDEKINDÖ ZWEITE AUSGABE.

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Deine Hose sei so lose angenestelt, dass du sie mit der rechten Hand halten musst, um sie nicht völlig zu verlieren, während du mit der linken Hand den Gästen servirst. Die neuen sinnlosen Trinkregeln, die Dedekind jetzt aufstellt (z. B. nach V. 3286 : Aus leeren Bechern sollst du nicht trinken und wären sie auch aus ungarischem Golde) und die neuen Aus- reden könnten auch vom Standpunct des Grobianerordens nicht als stichhaltig betrachtet werden. Nach V. 620 er- mahnt er: Wasch' dir nicht die Hände vor dem Mahle, denn ist etwa das Wasser reiner als deine Hand ? Die Erde ver- schluckt ja das unsaubere Wasser und gibt es wieder. Wenn also alles was von der Erde kommt rein ist, dann muss ja deine Hand auch rein sein. Man vergleiche mit diesem hellen Blödsinn die gelungene Begründung Scheidts V. 621 624: Du müst sie sonst erst trücknen wider, Dieweil setzt sich ein ander nider. Vnd nimpt dir ein dein beste statf So mrstu dann kaum halb so sat. Wären Dedekind diese und ähnliche Zusätze seines Übersetzers bekannt gewesen, so hätte er's doch kaum gewagt sein albernes Geschwätz an die Stelle dieses echten Spasses zu setzen. Einen un verhältnismässig breiten Raum nehmen in den neuen Erweiterungen die ausfuhrlichen Beschreibungen aller Naturalia ein. Ganze Capitel des dritten Buches sind nur den Functionen der Ver- dauung u. dgl. gewidmet.

Besser gelingen Dedekind jene Zusätze, in denen er sich an fremde Vorbilder anschliesst. Jedenfalls hat er wieder die eine oder die andere Tischzucht durchgesehen 1 und für das neue Capitel III, 2 Kneipschilderungen wie die von Obsopöus, Franck usw. benutzt, deren typischer In- halt auch bei ihm in allen Einzelheiten wiederkehrt2.

Die antike Welt wird häufiger als früher zur Auf- stellung eines Beispieles herangezogen. Trink' die Suppe aus statt den Löffel zu benutzen, so wie Diogenes den Becher entbehrte (I, 5). Oder nach 3318: Wie Demosthenes Kiesel-

1 Nach V. 692 erwähnt er den Schlüsselring (Köbels Tischzucht V. 23) und nach V. 3308 und III, 1. mehrere Tischzuchtregoln über das Schneiden des Brotes, über das Salzfass usw.

* Vgl. unten in meinem 5. Capitel.

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III. CAHTEL.

steine, so wälze du Fleischstücke im Mundo herum. Nach 3953: Prügle dein Weib, doch nicht ohne Grund, das thun nur die Cyklopen in Sicilien. Nach 370 : Dein Gewand sei rings mit Schmutz verbrämt, dann hält man es für eine römische Toga. Viel öfter als in der ersten Fassung wird Cato hier erwähnt : im Anfang des ersten Capitels , im An- fang von II, 1, in den verschiedenen Vorreden usw.

Endlich sucht Dedekind sein Werk, besonders die letzten inhaltleeren Capitel des dritten Buches mit land- läufigen Anekdoten aufzuputzen. Einige von diesen erscheinen schon in Bebels Facetien und später in den Schwanksamm- lungen Lindeners , Kirchhoffs und anderer. Mit Sicherheit lässt sich wohl nicht die Quelle bezeichnen, der Dedekind die einzelnen Erzählungen entlehnt, denn mehrere dieser beliebten groben Stücklein verdankt er jedenfalls der starken mündlichen Verbreitung; überdies hat er, wie es scheint, etliche Nummern vor der Aufnahme in seinen Grobianus umgemodelt. Nach V. 1509 und 3617 sind kleine Ge- schichten eingeschaltet, welche die Schlauheit eines be- quemen Knechtes und verschiedene ungezogene Spässe beim Händewaschen schildern ; die eigentlichen Schwänke aber be- ginnen erst III, 5: Ein reicher Bürger hat einen Fürsten zu einem prächtigen Mahl geladon und überreicht ihm daselbst einen kostbaren Fisch. Doch dieser entschlüpft den Händen des Bürgers und fällt in dessen weite Stiefelröhren. Der unerschrockene Mann zieht den Flüchtling beim Schwänze heraus und sagt zum Fürsten: Esst ihn trotzdem, mein Knecht hat heute Morgen meine Stiefel ganz blank geputzt. Im Anschluss daran wird weiter erzählt, wie ein Bürger an der Tafel eines Fürsten vor Verlegenheit einen vollen Becher umstösst. - Femer: Herr und Diener sind gemeinsam zu einem Mahle geladen. Der hungrige Diener füllt sich vor den übrigen Gästen seinen Teller. Sein Herr, darüber erzürnt, winkt ihm heftig ab. Der Diener versteht ihn falsch und wirft das Stück, das er eben erfasst hat, unter den Tisch. Da ihm der Herr wieder winkt, wirft er auch das zweite und die übrigen Stücke nach , denn er glaubt, der Herr gebe ihm ein Zeichen, dass alles vergiftet sei. Ein Bauer isst

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HEDEKINDS ZWEITE AUSGABE.

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bei dem Mahle seines Vetters in der Stadt die Nieren völlig auf und versichert den Vetter, der ihm davon abräth, es werde ihm ganz gut bekommen. An einer andern Tafel aber hält sich kein Gast für würdig die Nieren zu essen, sodass sie unberührt zum Gastgeber zurückkehren. Dieser aber wirft sie dem Hunde vor, weil er nicht ein Gericht essen will, das alle Gaste verschmähten1.

III, 6. Eine längere und sehr unsaubere Geschichte von einem jungen Mann, der bei Tafel zwischen jungen Damen sitzend sich schämt einmal auf die Seite zu gehen, mit allen unangenehmen Folgen dieser falschen Scham. In den Schluss ist geschickt der Bebeische Schwank von dem Narren verknüpft, der Nachts des Herrn weite Stiefelröhren gröblichst misbraucht2. Ein Doctor kommt auf Reisen in ein Gasthaus, wo er sehr schlecht behandelt wird, zu unterst sitzen und sauren Wein trinken muss. Als es ihm zu arg wird, gibt er sich als Doctor zu erkennen und wird nun auf das aufmerksamste bedient und prächtig bewirthet3.

In einer lustigen Gesellschaft wird ausgemacht: wer beim Rundtrunk mit seinen fetten Lippen den Wein verun- reinigt, soll die ganze Zeche zahlen. Ein schlauer Fuhrmann aber, dem eigentlich diese Falle gestellt wurde, leert, so- bald er an die Reihe kommt, den ganzen Becher und be- merkt lächelnd, es sei weder Wein noch Fett darin4.

Der Bürgermeister einer huldigenden Stadt überreicht seinem Fürsten einen Krug Wein. Da sieht er eine Feder oben auf schwimmen und weil kein anderes Instrument zur Hand ist , nimmt er sie mit einer Lichtschere wieder heraus. —Ein Zecher hat mancherlei Weine durcheinander getrunken, die sich in seinem Magen nicht vertragen wollen, sondern

1 Die gleiche Geschichte erzählt Kirchhoff, Wemlumnuth eto. Frankfurt 1563 1 Nr. 169 und Lindener, Katzipori 1558 Nr. 100 weist darauf hin.

1 Facetiarum Henrioi Bebeiii libri tres. (ioh benutze die spätere Ausgabe Tubingae 1550) III Bl. I02b De fatuo cuiusdam prineipis.

1 Dasselbe erzählt Bebel von einem Amtmann. II Bl. 33 De quodam tribuno plebis.

« Lindener, Raatbüchlein 1558 Nr. 27.

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III. CAPITEL.

grossen Streit erheben. Der Zecher befiehlt ihnen, wieder Frieden zu schliessen. Da sie ihm nicht Folge leisten, speit er in grossem Zorne alle Ruhestörer gleichzeitig aus1. Ein anderer Zecher speit einen Hut voll. Sein Diener setzt hierauf diese schwerwiegende Behauptung einem Nachbar auf den Kopf2.

III, 7. Einem Redner entfährt, da er vor einer Fürstin sein Knie beugt , etwas Ungebührliches. Eine Jungfrau aus dem Hofstaat begeht vor Lachen den gleichen Verstoss. Schnell gefasst, schliesst der Redner daran eine witzige Be- merkung, die ihn vor Schande und Strafe bewahrt3. Ein paar Geschichten vom Rülpsen und ärgerer Unschicklich- keit beschliessen dieses Capitel.

In dieser zweiten Fassung fällt Dedekind öfter noch im Texte des Werkes selbst aus dem Tone der Ironie. Am Ende des ersten Buches hält er eine lange Strafpredigt gegen die Grobheit der Welt und klagt in bitteren Worten darüber, dass Greise in weissen Haaren, Fürsten und hohe Herren den Jüngeren und dem Volke mit so schlechtem Beispiel vorangehen. Am Anfange des dritten Buches und am Ende der ganzen Schrift wendet er sich in persönlichen Äusserungen an seinen Gönner Bingius.

GROBIANA.

Die interessanteste Neuerung der zweiten Fassung ist das völlig selbständige letzte Capitel des dritten Buches. Für die litterarische Zukunft und Nachwirkung des Werkes von grosser Wichtigkeit, bildet es wahrscheinlich auch den Hauptgrund zu der Bevorzugung der zweiten Ausgabe vor der ersten. Wie im Grobianus dem jungen Manne, so werden in diesem Anhange der Jungfrau die Vorschriften und Vor-

1 Bebel III Bl. 68 Ebrij ouiusdam dictum iooosum.

3 Ähnlich Wickram, Rollwagenbachlein 1555 Nr. LH.

1 Dio gleiche Geschichte bei Bebel II, 8. 43. De quodara consule Ulmensi (am Hof der Erzherzogin Mechthild von Österreich). Ebenso Kirohhoff, Wendunmuth, 1. Nr. 121. Frey , GartengeseDschaft 1575 Cap. 99. 8chcrz mit der Wahrheit 1550 Bl. 50. Fischart, Geschieht- klitterung Cap. 22. 8. 285.

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GKOBiANA.

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bildcr zu einein möglichst groben und ungezogenen Betragen auf der Strasse, bei öffentlichen Schaustellungen, daheim und in der Kneipe, zu einem freimüthigen, ja zudringlichen Verkehr mit Männern gegeben. Auch der Inhalt dieses Capitels zeigt keine weiteren Beziehungen zu Scheidts Zu- sätzen. Bemerkenswerth aber ist, dass Scheidt in seiner humoristischen Vorrede (S. 8) die Bezeichnung Grobiana, so weit es bekannt ist, zum ersten Male gebraucht und wahrscheinlich selbst gebildet hat. Er spricht hier von seiner aller liebsten zarten vnd tugenthafften hauss/rawen Grobiana, enr elter Spinnerin der groben vn gezognen diernen vnd faulen mägd. Diesen Ausdruck aber kennt Dedekind in seiner zweiten Ausgabe noch nicht ; hier überschreibt er den betreffenden Abschnitt nur mit Caput ultimum ; erst in der dritten Ausgabe vom Jahre 1554 taucht im Titel des ganzen Werkes und in der Überschrift des Anhangs der Name Grobiana auf, ein Beweis mehr für die oben ausge- sprochene Behauptung, Dedekind habe erst vor seiner dritten Ausgabe Kenntnis von Scheidts Übersetzung erlangt Die Schilderung der Grobiana aber ist vielfach vorbereitet. Seit dem neuen Erblühen der Lehrdichtung am Beginne des XIII. Jahrhunderts wandten die Didaktiker ihre Aufmerk- samkeit dem Benehmen der Frauen und Jungfrauen in der Kirche der Gesellschaft, der Familie, sowie dem Freier und Verehrer gegenüber zu. Die Mutter Winsbekin unterwies ihre Tochter in der Frömmigkeit und Sittsamkeit, aber auch in der Kunst Männern zu gefallen. Thomasin hatte in einem eigenen Abschnitte des Wälschen Gastes, der dann, wie wir oben gesehen haben, auch in die Hofzuchten und Catos Distichen aufgenommen wurde, das Leben der höfischen Frau in die strengen Regeln der ritterlichen Gesellschaft gebannt und lehrte in dem sechsten Capitel die besondern weiblichen

1 Herford, der diesen Umstand nicht erwog oder nicht kannte, behauptete den Einfluss Scheidts schon für die zweite Fassung, a. a. O. 8. 3S8 a new chapter, stujgested by Scheidts picture of Grobiana. Ausser dem Namen gibt es aber, wie erwähnt, keine Beziehungen zwischen Scheidt uud Dedekinds letztem Capitel.

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III. C&PITEL

Tugenden, verlangte von den Frauen eheliche Treue, von den Jungfrauen die richtige Mitte zwischen einem gewinnen- den Wesen und spröder Keuschheit. Aber von dieser Höhe der moralischen Vollkommenheit und des feinsten Umgangs entfernten sich die Frauen fast eben so rasch wie die Männer. Bald erheben die Lehrdichter, Freidank1 voran, ihre tadelnde Stimme. Hugo von Trimberg2 entwirft eine beissende satirische Schilderung von den Verführungs- künsten und der Männersucht der üblen Weiber. Meister Reuaus gibt den Frauen alle Schuld an dem Verfall der Sitten, Brant spricht schon in der Vorrede3 zu seinem Narrenschiff von den Närinnen, die mit spiten Schuhen, seltsamem Kopfputz und ausgeschnittenen Kleidern einher- steigen, und weiss in einer Reihe von Capiteln von den Frauen viel Schlechtes zu erzählen4. Ein ärgeres Sünden- register aber, als es den Frauen in den Fastnachtspielen des XV. Jahrhunderts vorgerückt wird, ist kaum denkbar; die Ehemänner beschuldigen hier ihre Gattinnen der Streit- lust, der Trunksucht und des Ehebruchs, die Freier ihre Bräute heimlicher Buhlschaften. Die auftretenden jungen Weiber selbst unter ihnen Zerrbilder schmutziger Häss- lichkeit - ergehen sich in den schamlosesten Witzen, auf- dringlicher Geilheit, unersättlicher Genusssucht. Neben den alten Weibern dieser Kreise aber erscheint der Teufel nur als schwacher Stümper.

In der Litteratur des XVI. Jahrhunderts tritt ein starker misogyner Zug hervor ; wo Frauen erwähnt werden, geschieht es meist um über sie zu klagen, billige Witze zu reissen oder sie zu beschimpfen. Von der Galanterie, von der idealen Frauenverehrung der ritterlichen Sänger keine Spur mehr. Ein grosser Theil des zarten Geschlechtes im XVI. Jahrhundert scheint, mannigfachen Lastern ergeben, die Misachtung der Männer verdient zu haben. Sie

1 Cap. 37.

IV. 8. 11.

V. 110—120.

Cap. 13, 32, 33, 64.

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GKOBIANA.

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frtfhnten nicht nur in aussergewöhnlichem Masse dem Luxus und der Wollust, sondern auch der Trunksucht. Murner wendet sich in dem 18. Capitel seiner Narrenbeschwörung hauptsächlich gegen die Weintrinkerinnen, und die Trink- litteratur sowie zahlreiche Schwanke berichten, dass sich Frauen zu den wüsten Gelagen jener Zeit fleissig einfanden, um daselbst die rohesten Scherze, die schändlichsten Er- zählungen ohne Erröthen zu belachen.

Und als sich die Parodie der Lehrdichtung be- mächtigte, musste sie auch die Frauen in ihren Kreis auf- nehmen. Schon Grobiani Tischzucht richtet Vorrede und Schlusswort neben den Brüdern auch an die Schwestern des Säuordens, und Scheidt vermählt dem Lehrer tölpischer Gebärde Meister Grobianus die zarte Hausfrau Grobiana. Dedekind bietet schon in seiner ersten Ausgabe Stellen, die zur Zeichnung einer Grobiana fruchtbare Motive andeuten Er hat diese Anspielungen in der zweiten Ausgabe er- heblich vermehrt und lüsterne Witze hinzugefügt, die er früher sorgfältig vermieden hatte.

Die parodistische Lehre seiner Grobiana hat Dedekind ebenso aufgebaut wie im Grobianus und diesen auch dem Inhalt nach öfter als Vorbild gebraucht. Für die weitere Darstellung aber mag er einfach die Regeln dieser oder jener Jungfrauenzuchten und Frauenspiegel umgekehrt und mit Witzen verbrämt haben.

Der Verfasser erklärt im Beginne dieses Abschnittes, sich kurz fassen zu wollen, da ja die Mädchen an Grobheit die Männer noch weit übertreffen. Dann folgen die Lehren : Auf der Strasse lass die Augen frei umhergehen ; nur Leute, die etwas verbrochen haben, blicken zur Erde2. Heb' das Kleid hoch über die Kniee auf, entblösse Hals und Schultern, so wirst du bei jungen Knaben Gunst erlangen und mancher wird dich zur Frau begehren ; nur was man sieht, kann

i V. 1070 ff. u. 1664 ff.

* Vgl. Grobianus I, 2 Esse pudens caueas ullaue rubescere culpa, Criminis admissi quos piget, illud ayant.

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III. CAJMTRL.

man lieben1. Kommst du mit einer Freundin zusammen, so gebraucht die Gabe der Geschwätzigkeit, die euch Gott verliehen hat. Da gibt es viel zu klagen, über die strenge Mutter, über die Nachbarn, über den ungetreuen Buhlen 2. Auf dem Heimweg nasche Apfel und Birnen oder renne zu einer Schaubude, wo närrische und leichtfertige Dinge aufgeführt werden. Über die rohen Spässe darfst du dich nicht verfärben. Lache nur mit, dann hält man dich für ein unschuldig Kind, das den Handel nicht versteht. Vor allem aber geh in die Kneipen, dort kannst du viel bäurische Dinge sehen und die Heimlichkeiten der Männer erfahren. Gefallt dir einer besonders, so setze dich zu ihm, gib deine Liebe durch Zeichen zu erkennen, trink' ihm ge- hörig zu, erlaub' ihm dann alle Freiheiten, die dir selbst angenehm sind, reiz' ihn durch kleine Geschenke zu reicheren Beweisen der Erkenntlichkeit und Liebe3. Was aber das Buhlen betrifft, so lies Nasos Schrift, der lehrt es dich viel besser4.

Gehst du zum Tanze, so setz' den Kranz möglichst fremdartig auf, am besten auf die Nase. Führe auch ein Hündlein mit, das reisst dich aus mancher Verlegenheit. Dann beginnt ein neues Motiv:

Perpetua« agitant pulices et loemina litea Bellaque iu aeternum non dirimonda gerunt, Insidius paruus tenebriB defcnaus iniquis, Collocat, cxiguo pungat ut orc pulex . . .

Gegen diesen lichtscheuen Feind richte deine Wuth. Und sieht auch jemand deinem Treiben zu, vestibus ex- cussis such' den Verbrecher aus seinen Schlupfwinkeln her-

1 Vgl. Grobianus I, 1 : Erscheine in lässiger Kleidung, lass deine Kniec seilen Nam sie uirginibus nitre, tacita ratione placcbisy Teque sibi optabit quaeque puella uirum u. vgl. Vorrede zu Braute Namnschiff.

* Vgl. Qrobianue I, 8 (V. 2107). Ein Mann erzählt dem anderen, welchoa Unglück er in der Liebe erlitten hat.

1 Vgl. Orobianus II, 5 (V. 3666 ff.) eine ganz ähnliohe 8cono.

Catos Distichen, älteste Rumpfübersetzung V. 247 ff. teil du aber dtne sinne keren an wibes minne* duz sol dich Ndsö leren.

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HELLBACHS BEARBEITUNG.

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vor und schone keinen. Nur durch Grausamkeit wirst du vor deinen Feinden Frieden erlangen.1

Hierauf gibt Dedekind noch ein grobianisches Exempel und ermahnt seine Schülerin auch allen Lehren, die für das männliche Geschlecht gegeben wurden, nachzufolgen. Er könnte noch Besseres vorbringen,

Sed mea nie fessos reuoeare Thalia iugales Et modio oursu runipere coepta iubef. Krgo uale et si quid oionitis profoceri* illis Prospera «loetori fata precare tuo. a

H ILLBACHS VERDEUTSCHUNG DES ERWEITERTEN OROBIANÜ8.

Der deutsche Grobianus von Scheidt machte auch seinen Weg. Mehr als ein dutzendmal wurde er bis in die Mitte des XVII. Jahrhunderts hinein aufgelegt. Besonders rasch hintereinander in den ersten .Jahren nach dem Erscheinen". Der Text blieb in allen Ausgaben der gleiche, abgesehen von kleinen Änderungen , wie V. 77 zerstrohelt (1554 ff.) für ztrzöbelt oder Erstlich soll dir zun ohren yehu V. 123 für Zum ersten soltu mich versteht usw. Auffallend ist es aber, dass bereits in der Ausgabe des Jahres 1554 alle Randbemerkungen und die Verse des Beschlusses 4875—4882, 4973—5000 wegfallen und auch später nicht wieder auftauchen. Nach dem Jahre 1568 wird die Pause bis zur nächsten Ausgabe (1002) 4 eine sehr grosse. Ur- sache dieser Unterbrechung ist die inzwischen erschienene neue Übersetzung von Hellbach.

1 Ygl. das altere Volkslied in Fihchtirts Flöhhuz (llr.iunes Neu- drucke 5, Hall«- 1877 S <W) besonders V. 1 f. Die Weiber mit den Flöhen, Die han ein stäfen krieg. V. 9 f. J-er krieg hebt an am morgen^ Vnd icerd biss in die Narht. V. 13 f. Vnd so sich die Schlacht Jahet <iw, Werffen sie das Gewand da man. Auf Fiachnrt selbst mng Dede- kind sninorseit* dureh obige Darstellung eingewirkt haben.

2 Facetus (Zarncke, BrnnM Nnrrenpehiff 8. 142) V. 515 ff. Ob du das thust (was irli dich gelehrt habe) so trurslu icerdi All Menschen ehren dich rff erdt. (Doch zu viel darf umn nicht lehren) Drumb wil ich hye bliben ston. Myn roß ist mued, es will nym gon.

» Milohsaek 8. XXI ff. Nr. l-lö.

* Nr. 18 bei Milchsnck 8. XXV ist naeh Druuriius Bibliotheca I, 731 vom Jahre lfi02, »l«o vor Nr. 1*2 anzusetzen.

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III. CAPITEL

Scheidt hatte sich aus naheliegenden Gründen zu einer Übertragung des zweiten erweiterten Grobianus vom Jahre 1552 nicht entschliessen können und als er vollends im Jahre 1565 starb, bewog der erste Verleger 1 des Dedekind- schen Werkes den Pfarrherrn von Eckhardtshausen in der Grafschaft Büdingen, Wendelin Hellbach2 zu dieser Arbeit. Hellbach, gebürtig aus Mühlberg in Thüringen, der schon vorher einige kleine deutsche Epitaphien veröffentlicht hatte und später im Jahre 1593 einen Lusus poeticus de causis nigredinis vel fusci coloris corporis humani verfasste, vollendete seinen Grobianus im Jahre 1567 3. In seiner Vorrede erklärt er, er habe es sich zur Aufgabe gemacht, alle Zusätze Scheidts mit den Dedekindschen Erweiterungen der zweiten Fassung zu verbinden dass keinen nichts möchte genommen oder ausgelassen werden, was ihm viele und grosse müfie bereitete, ausserdem habe er über Wunsch des Auftrag- gebers der selbigen Ezempel eins odder ztceg hinzugefügt. Damit also nichts verloren gehe, hat Hellbach neben seiner Vorrede noch Scheidts Widmung an Dedekind A und dessen Ansprache an die Grobianer, Dedekinds Widmung an Bingius und beider Dichter Eingangsverse an den Leser wörtlich abgeschrieben, beziehungsweise getreu übersetzt. Von Scheidt und Dedekind benutzte er spätere Ausgaben; von Scheidt: weil auch bei ihm die Randbemerkungen und die oben er- wähnten früh weggefallenenen Verse des Beschlusses fehlen, von Dedekind : weil er im Titel die Grobiana führt und in den

1 Johann Cnipius Andronicus seonndtis der Schwiegersohn der Ege- nolphin, übernahm nunmehr den alten Frankfurter Verlag von Egenolphs Erben, bei denen die editio princeps erschienen war.

a Ooedeke, Ordr. 2, 112 u. 456.

3 Genaue Ausgabe des Titels usw. Milchsack XXVI f.

Hier schiebt Hellbach nach den Versen Ovids des Alberus Commentirung dieser Verse ein, zu 8. 4: Mit Geld bekompt einer ein Weib, mit eittem zarten schönen leib. In aller Welt, regiert das Gelt, Dass man bettet die Juden an, Gelt solche zuuegen bringen kan usw. und zu 8. b\ Z. 7: Von den thörieluen und kostspieligen Kleidern der Landsknechte und Haiidwerksbiirschen.

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HELLBACHS BEARBKITUNO.

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Capitelüberschriften eine Übertragung der späteren latei- nischen Fassung zu erkennen gibt

Wie sämmtliche Vorreden, so hat Hellbach auch die von Scheidt hinzugefügten grobianischen Schwanke aufge- nommen. Ausserdem hat er nicht nur alle Erweiterungen der zweiten lateinischen Ausgabe übertragen , sondern sehr häufig auch daneben die abweichende Fassung von 1549 in der Übersetzung Scheidts verwerthet. Diese Verzahnung besorgt er mit peinlicher Sorgfalt und sichtlicher Anstrengung, nicht selten mit Geschick2, dehnt aber so das Werk bis auf 6ÜU0 Verse aus. Wo Hellbach Scheidtsche Verse auf- nimmt, behält er deren Wortlaut bei und weicht von

1 Er berücksichtigt aber hiebei nach Möglichkeit den Wortlaut Scheidts. Die Überschrift von I, l ist gleichlautend mit Scheidt, hin- gen I, 2 Vom Frühstück höfiigkeyt der Augen Stirn nasenbutzens Schwatzen s% niesensy lachend, Hüstens rnd vom Gehen vnd kleydung auff der Gassen stimmt weil der Inhalt auch theilweise ein anderer wurde mit Dedokind (1554) überein: De jentaculo et m od est in oculuruni, frontis, narium, item de garrulitatc, sternutation« , obscoe- uitate, tussi, ructu et de incessu ot habitu in platcis.

« Ein Beispiel. I, 1 sagt Dedo- kind 1549:

Egregic ciuilis eris, si nulla pn- rentes

Mane salutandi sit tibi cura tuos. Pronpera quantumuis optes quid

proderit illis? Com dare non possis, quamlibet ua-

que uelis. Dedekind 1552 Egregie -tuos ebenso, für die nächsten *wei Verse aber:

Non homini cuiquam felioia fata preeerts

Saepe tibi gratea dioere ne sit opus.

Prospera qunntumnis optes quid

proderit illis? Optima non damnum est perdere

uerba leue.

Hellbach (S. 37) fügt zu Scheidt 127—130 noch eine Übertragung der 2. Fassung Dedekinds :

Soll auch niemand bey meiner gunst

Einen guten morgen wünschen sunst So darß dir keiner danckm drumh

Dasselbig tcol zu hertzen nimm

Denn was hilft sies mSeht ich

gern wissen Wenn du sie gleich thetst alle

grüßen ? Es ist ftineur ein schade groß

Gut Wort verlieren also bloß.

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80

Iii. CA.PITEL.

diesem nur unwesentlich und selten ohne Grund ab. Da aber, wo Scheidt das lateinische Original mit grösserer Selbständigkeit übertragen hat, corrigirt ihn Hellbach in der kleinlichsten Weise: Sagt z. ß. Scheidt für Talis erit iuueni generoso uultus habendus V. 21b* Solch sitteu müss ein junger hon so verbessert es Hellbach 39,9 Ein solch GsiclU . . Ebenso ergänzt er Scheidts Text, wo dieser einen oder den andern Vers Dedekinds weggelassen hat, und vermeidet beharrlich jeden Dreireim Scheidts 1 dadurch, dass er einen Vers einfach streicht oder, wo es nicht angeht, an Stelle des dritten zwei neue, anders gereimte Verse setzt-.

Was aber Hellbachs Übertragung des lateinischen Originals betrifft, so ist Schritt für Schritt zu ersehen, dass er von Scheidt gelernt hat. Wie dieser schiebt er gern Sätze ein, welche den Grobianer ob seiner That rühmen und ihm die Zustimmung aller Nachbarn und Genossen ver- heissen, z. B. I, 4 So acht man dich für einen Held; Dass jedermann darob wirt lachen. Er sorgt für die Belebung der Ausdrucksweise durch eine sinnlich bezeichnende Über- setzung, entnimmt gleich Scheidt seine Vergleiche dem Thier- reiche' und ist um derbe Redensarten' und Schimpf- wörter r' nicht* verlegen. Er vermeidet mythologische oder minder verständliche Bezeichnungen: z. B. für Regna paler quando Saturnus prisca tenebat H. 38,6 die Gulden zeit ; für Natus et Attaeis esse ftrere iocis H. 59,10 Vnd seist geboren zu gütcn bossen, setzt directe Reden statt indirecter, ausge- führte Gespräche statt der blossen Erwähnung, breite humo- ristische Schilderungen statt der kurzen Andeutung im Ori- ginal 6.

1 Duruber mehr im 5. Capitel.

* Z. B. für 602 hat H. 49, 18 Vnd alle sampt einhelliglieh Darmnb zum höchsten loben dich.

s II. 37, 2. Du dehnst dich wie ein Hund usw

4 Für 'kneipen' häufig die liebe Heyde walten laßen (II, 7) oder da 8 Kalb redlich außtreiben.

5 Z. ß. lC9b.

6 Für Delicias faciat protinus ille tibi führt Hellbnch 11*2, 10 in mehr nh 20 Veraen an, worin dies«, deliciae bestehen. Ebenso vermehrt

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KlKNH ECKELS BEARBEITUNG.

81

Bei der oben besprochenen 1 Wirthshausscene, in der sich die Kneipgenossen altdeutsche Heldensagen erzählen, er- wähnt Hellbach 94, 10 auch den hornin Seufried2 und den Schneblerkönig , fügt zwei neue Jagdlügen hinzu 92 , 5 und ein neues Liebesabenteuer, 90' ff. : Ein Buhler will zu seinem Mädchen durch das heymliche Gmach einsteigen, fällt aber in den Mist*.

Endlich nimmt Hellbach in seine letzten Capitel zwei neue Schwänke auf 187": Auf einem Schlosse im Harz hat ein Küchenjunge einen Hasen zu braten, isst aber während des Drehens den Spicken auf. Da ihn der Amt- mann zur Strafe dafür prügeln will, schreit der Junge : 'ich hab's nicht gern gethan. Der Amtmann fängt darüber an zu lachen und verzeiht ihm 4. Endlich H. 200, 8 : Ein Fuhr- mann und elf Junker sitzen um einen Tisch zum Mahl. Der Wirth bringt eine Gans und elf Krammetsvögel. Nachdem sich jeder von den Junkern einen solchen zugelangt, sagt der Fuhrmann: 'Jeder von euch hat seinen Vogel, zuletzt will ich den meinigen nehmen, ergreift die Gans und ver- zehrt sie5.

PETER KLENHECKEL8 BEARBEITUNG IX PROSA 1607.

Ein sonst völlig unbekannter Mann , der Nürnberger Peter Kienheckel entschloss sich zur Vertreibung der müssigen zeit in seinem trawrigen Wittibstand womit im XVI. und XVII. Jahrhundert öfters die Wendung zur Schriftstellerei begründet wird den Hellbachschen Grobianus in prosam orationem umzuarbeiten und im Jahre 1607 in bedeutend

H. 81, 12 die von Dedekind I, 8 aufgezahlten Bieraorten um das Doppelte und erweitert die Anekdoten aua dem Alterthum. H. 71b usw.

1 Oben S. 59.

2 Auch bei Fischart häufig, vgl. W. Grimm, Heldensage Nr. 1Ö0, S. 311 (2. Au«. 8 316).

8 Theilweise ähnlich Boccaccio, Dccamerone 2, 5. Keller, Fast- nachtspiele aus d. XV. Jh. 1, 119 V. 13-28. » Vgl. 8cheidt oben 8. 60 f.

5 Kirchhoff, Wendunmuth 1, Nr. 213. Von einem Kochersperger bauren.

QF. LXVI. ö

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III. CAPITEL.

gekürzter Fassung unter dem Namen Grobianus Rediuiuus 1 zu veröffentlichen. In fünfzig einleitenden, gesucht reimlosen Versen tritt der Verfasser als Grobianer auf und spricht seine Schüler an: Der Grobiuner bin ich genant \ Manch groben gselln wol bewusst. In Grobheit hin ich Doctor worden. Grob- heit geht allen Künsten vor2. Ich hab* genug daran studirt, um nun euch zu lehren. Korn her du Heiter schuler mehi, Vnnd lern rleissig dein Capitl, dann wirst du unsere Reihen vermehren.

Hierauf folgt eine kurze prosaische Vermahnung, in der ein Platzregen von Schimpfwörtern auf den armen Schüler niedergeht und nach dieser beginnen die Lehren des ersten Capitels : Vnnd erstlich, wann du nun die gantze Nacht über, biß an hellen Hechten Tag fein sanfft geschlaff etu geschnarcht, dich im Beth (du habst gleich vff einen, oder beyderley weg ein hoffrecht darein gemacht^ oder nit, gilt gleich) genugsam hin vnd wider geschlegelt* gewältzt, gestreckt, vnd aussgienet hast, Wie dann dasselb der Artzney gelerten meinutig nach, dem Leib gar gesund vnd erf rißlich seht soll, So darffstu doch wider deinen guten willen ehe nicht aufstehen, dann du seyest zuuor vffs wenigst einmal, oder zwölffe gewecket worden usw.

Die Art seiner Bearbeitung bietet nichts Bemerkens- werthes. Aus dem Inhalt ist ersichtlich, dass er den zweiten erweiterten Grobianus, aus dem Wortlaut, dass er nicht das lateinische Original, sondern die Übersetzung; Hellbachs benutzt hat3. Die Reihenfolge des Erzählten ändert er will- kürlich ab, und da er sich befleisst vff das Kürtzte hindurch zu gehen , lässt er alle längeren Schilderungen und ein- geschobenen Schwanke weg. Mit dem Ende des zweiten

1 Tito] und Beschreibung bei Milchssek S. XXIX. Hier auch schon der Hinweis darauf, dass KienheckelJHellbachs Fassung benutzte.

2 Grobheit als erste Kunst, sowio das Schmarotzen , das Trinken usw. haufi? im XVI. Jh.

8 z. B. Kienheckel A 3 sondern hob ein grenlichs krumbs Ge- sicht, vgl. Scheidt V. 4J01 ; oder A 4 Du habst ein pf äffen mag dt ge- fressen, die z6pf hangen dir noch w Nasen herauß, vpl. Hellbach 40, 9.

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8C1IKRFFERS ÜBKRSETZUNO.

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Buches bricht er ab. Vom dritten Buche und der Grobiana keine Zeile! Für seine selb/J eigenen Jungen^ denen er die Schrift bestimmte, wäre dies auch keine passende Leetüre gewesen.

WfiXZEL 8CHERFFER8 ÜBERSETZUNG.

Wenzel Scherffer von Scherffenstein, Organist zu Brieg, übersetzte im Beginn seiner litterarischen Thätigkeit unter dem Titel Der Grobianer vnd die Grobianerin, Das ist, Drey Bücher Von Einfalt der Sitten. Brieg 1640 etc.1 die er- weiterte Fassung des Dedekindschen Grobianus nach einer späteren Ausgabe2 direct aus dem Lateinischen, ohne Scheidts oder Hellbachs Übertragung zu kennen3. Für die äussere poetische Form befolgt er Opitzens Lehre und Beispiel und weist im Titel und in der Vorrede ausdrücklich daraufhin4. Nach OpitzensVorschrift baut er Alexandriner von zwölf Silben bei stumpfem und dreizehn Silben bei klingendem Ausgang und häufigem Enjambement5. Wie Opitz vermeidet er Fremd Wörter und deckt den Ausfall durch neue zusammengesetzte Aus- drücke. Wie der Meister der deutschen Renaissance- Poeten ziert er seine Darstellung mit dem Schmucke der antiken mythologischen Bilderwelt und fordert die Anschaulichkeit der poetischen Sprache durch zierende Beiwörter und eine sinnlichere Bildhaftigkeit der Bezeichnung. Wie jener eifert er gegen Nachäfferei fremder Moden und Sitten und erzieht den Geschmack für das Vaterländische ß. Aber eben hierin eilt er den gelehrten Poeten weit voraus, denn er schöpft

1 Beschrieben von Milchsack 8. XXX f.

2 Dies erweisen wieder der Titel und die Capitelüberschriftcn.

3 Paul Drechsler, W. 8cherffer, Inaugural-Dissertation, Breslau 1886. 8. HS. Milchsacks entgegengesetzte Behauptung (8. VII) ist falsch. Scherffer erwähnt nirgends Scheidt und Hellbach, er nimmt an keiner Stelle deren Zusätze auf und erklärt in der Vorrede ausdrücklich, dass er sein Werk aus dem Latein übertragen habe. Auch seine Capitel- überschriften sind abweichend von Seheidt und Hellbaeh genaue Über- setzungen der lateinischen.

* In Alexandrinische Reime, nach atnvcisung H. Opitij gegebenen reguln, genaiv vnd vleissig gebracht. (Ich bin) Opitij endungen der Syllaben stracks nachgegangen.

1 Vgl. O. Witkowski, Opitzens Aristareh und Buch von der deutschen Poeterey S. 59, Hl, 98 u. 101.

* Ebenda, S. öf>.

Ü*

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III. CAPITEL.

aus dem frischen Born des volkstümlichen Wortschatzes und des wirklichen Lebens. Gerade Scherffers Grobianus ist reich an schlesischen Dialektausdrücken und realistischen Bildern heimischer Zustände1.

Die Beobachtung der eben erwähnten Momente aber nöthigte Scherffer unwillkürlich zu einer Verbreiterung. Der Teutschen Muttersprache Weit Schweifung 2 zwingt ihn den In- halt eines lateinischen Verses auf zwei oder mehr deutsche auszudehnen. Weniger die zahlreichen Zusätze, als eben diese Umständlichkeit der Ausdrucksweise, dieser gezierte schleppende Ton:* verlängern das Werk bis zu 8400 Versen4.

i Drechsler, 8cherffer S. 21, 8. 48 ff.

1 Über diese beklagt sieh Scherffer in der Vorrede zu seiner Übersetzung der Pia Desideria des Hugo. Drechsler a. a. O. 8. 43.

3 Als Beispiele gebe ich einige Verse von I, 1. Man vergleiche diese mit den entsprechenden ß lateinischen Versen von Egregie bis uerba Jene und der Übersetzung Scheidt-Hellbachs, oben 8. 79 Anmerkung. So wird es wunder/ein und hüpsck und höfflich stehn Wenn Du zu solcher Zeit die Eltern heg zu gehn Dich schweigend nimmest an ; vnd jhnen weder grüß Noch sonsten bringest zu den ehr- vnd liebes-kuß. Wünsch keinem Menschen auch nicht einen gutten Morgen So dar ff er nimmer nicht vmb Dankens worte sorgen Und ob du jhnen gleich viel wünschest gutte zeit Wo* haben sie davon? Dir aber sey es leid Viel außerlesner wort also dich zu entladen. Viel Worte zu verlieru ist nicht ein gringer Schaden. Als zweites Beispiel diene die Floh-Episode in der Orobiana 274, 1. Man vgl. die lateinischen Verse oben 8. 76.

Sonst führen steten krieg die Weiber vnd der Floch Der vor der Welteinfall nicht kriegen mSvht ein loch. Im finstern dieser schalck ohn sonderlich gezabel Jetzt da jetzt dorten hin einsetzet seinen schnabel. Das Jungferliche Fleisch kost er an jedem ort Vnd durch die zarte haut mit seinem Stachel bort Das schmertzt das liebe Volck so so das sie mit schlagen An diese schwartze macht manch ernstlich gänglein wagen. Bekämpft dich dieser Feind rnd arge Bösewicht Der gern im finstern zeucht vnd scheut daß tagesliecht 9 So setz getrost jhm nach vnd jhm das Uder zause Bey frembden oder sonst vor Leuthen vnd zu hause. Wie das anwächst 1 Dedekind (1549) hat 2400 Verse, Dedekind (1552) 4H00, Scheidt 5000, Hellbach 6000 und Scherffer 8400 Verse.

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SCHKKFFERS ÜBERSETZUNO.

85

Im Vergleich zu der knappen Derbheit, zu den rasch einander folgenden drastischen Wendungen Scheidts macht die steifleinene Übersetzung Scherffers einen schlechten Eindruck. Z. B. für nulla uerendarum tibi sit reuerentia matrum, Ntdla puellarum cura nec ulla uirüm sagt Scherffer 62: Schew du zu keiner zeit ein erbare Matron, Noch die freyledig ist, noch keine Mannssperson, Zu reden und zue thun sey dir anlieim gestellet, Es ist genung, dass dirfs alleine tcohlgefdlfet. Vgl. dazu Scheidt V. 1664-1668. Oder sagt Scheidt V. 3731 kurz: Sprich es sagt niemant war dann ich, so wird Scherffer gegen den Sinn dieser Stelle beinahe höf- lich 171, 21 : Ihr Herren seid gefraget, Ob einer hat von euch die Wahrheit so gesaget , Alss eben Ich, ia Ich ; für Scheidt: V. 207: (Lass) Beide Kalbsaugen utnbher schiessen sagt Scherffer 7,22 du aber fasse frey dein äugen rumher- gehn. So drückt sich Scherffer viel anständiger, aber auch viel farbloser und eintöniger aus. Seine derben Ausdrücke und unflätigen Stellen aber, die er natürlich weder ver- meiden kann noch will, widersprechen dem gezierten Ton der hochtrabenden Alexandriner zu sehr und erscheinen weit widerlicher und abstossender, als in den flotten Reimpaaren Scheidts. Im XVI. Jahrhundert ist die rohe Sprache eine naive, ursprüngliche, bei Scherffer ist jeder derbe Witz ein bewusster. Solch eine unnatürliche, absichtliche Grobheit sinkt rasch zur Gemeinheit herab, die nicht nur anstössige, sondern geradezu unsittliche Situationen erzeugt. Eine pi- kante Anspielung wie Scherffer 204, 25 : Von Artischocken, du doch diese lehre merke, Sie sind ad coitum, das ist zur Magensterke wird man bei Dedekind und Scheidt vergebens suchen.

Mythologische Bilder und Anspielungen auf antike Sagen behält Scherffer nicht nur an allen Stellen bei, wo die Quelle sie darbietet, sondern gebraucht sie auch unab- hängig von dieser sehr häufig, z. B. für quos lenis urit amor Scherffer 4, 10 Bey denen Venus wil vnd Amor einfurieren; für solis ab aestu Sch. 185,7 Von Phoebus hitz befreyt; für: Virigineo in coetu Sch. 290,8 Der schönsten Nymphenschaar, Ebenso für Wein: Bacchus usw.

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III. CAPITEL.

Für die Ausschmückung der Rede sorgt Scherffer ausser- dem noch durch Beiwörter z. B. 46,22 rosenrother Mund, durch Specialisirung einer allgemeinen Andeutung z. B. für longitiquis missus ab oris 262,23 Weit, weit noch hinder Schweden und durch Redensarten z. B. für Cedere maiori praecipit ipse Cato 26,5 Das allemal der scherff dein groschen weichen sol usw.

Übi •igens ist die Ausdrucksweise Scherffers im ein- zelnen eine von Scheidt und Hellbach wesentlich verschie- dene. Besonders die Kosenamen, welche hier dem Schüler, seiner Sippe, und seinen Heldenthaten zuerkannt werden, sind ganz neu. Der Meister, der hier die Gröbeleien, Gröbelstücke, die Regeln des Gumpelbuches und der Gröbel- zunft lehrt, ruft seinen Schüler bei den Namen Simpel, Lümmel, Pürschlein, Gröbel, Schelm usw.

In der Mehrzahl der grösseren Erweiterungen erzählt Scherffer neue unflätige Stücklein und grobe Verstösse gegen den Anstand bei Tische, auf der Strasse usw., die er lebenden Repräsentanten der Grobianer-Zunft in seiner Heimath abgelauscht hat, zeichnet deren Treiben mit manchem hübschen realistischen Zug1 und erweitert die Schilderungen dor Tafelfreuden mit den Kenntnissen eines Feinschmeckers durch die Aufzählung der seltensten culi- narischen Genüsse und der feinsten Weinsorten2. Unter den Zusätzen der letzteren Art zeigt einer die merkwür- digste Übereinstimmung mit dem sechsten Artikel aus Gro- biani Tischzucht vom Jahre 1538. 8 Daraus lässt sich mit

1 Beispiele bei Drechsler a. a. 0. 8. 40 f.

2 Besonders II 2.

» 8cherffer 205, 13 -206, 4 gibt die gleichen Vorschriften für die Vorspeisung von Gründein und Schmerlen und den Rath, von kleinen Fischen eine grosse Menge auf das Brod zu streichen , wie der kleine Orobianus. Den letzten Witz von den kleinen Fischen erzählen auch Pauli, Schimpf und Ernst Anhang 5 und Hans Sachs 5, 394. Eine Anspielung darauf bei Wickram, Eine schöne kurtzwoil (Loosbuch) 1539 E 3. Beziehungen finden ferner statt zwischen dem 5. Artikel von Grobiani Tisohzucht und Soherffer 206, 6 ff. bei Aufzählung der Fisch-Delicatesscn und etwa dem vierten Artikel: (beim Eier essen) vnd

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SCHERFFERS ÜBERSETZUNO.

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Sicherheit schliessen, dass Scherffer in dieser oder ver- wandten Schriften nach Stoffen für seine Einschiebsel ge- fahndet hat.

In jener Kneipscene I, 10, die auch Scheidt und Hellbach mit grösseren Erweiterungen versehen haben, führt Scherffer mehrere neue Charaktere und Vertreter bestimmter Stände ein, die in der Trunkenheit —jeder nach seiner Art redselig werden. Ein Adelsstolzer, ein Zungendrescher, ein Stumpf- sinniger usw. Der Landmann bringt seine Bauernregeln vor : 97,7 Vmb Benedictus strew er Haber in das Land, Vnd vmb Ambrosi steck er Zwiebeln in den Sand usw. Der Hofmann berichtet von seiner Toilette: 94,2 Vnd das die haare sich vnförmlicJi nicht erweisen, So brennet er sie vor mit einem heissen eysen. Der Soldat erzählt vom grossen Kriege, wie er bald dem Kaiser, bald den Schweden gedient habe.

Aus diesen EinschÜben ersieht man bereits, dass Scherffer in seiner Bearbeitung auf die veränderten Zu- stände seiner Zeit Rücksicht nimmt. So hat er sich auch die Befehdung der modernsten Unsitten, der Ausländerei und des Fremdwörterunfuges, in dieser ironischen Sitten- lehre zur Aufgabe gemacht. Er warnt seinen Schüler 112,25 vor dem Krimskrams der höflichen Bewegungen, denn diese nennt man Ceremonien und das ist kein deutsches Wort. Er lehrt den Grobianer : 123,9 Fang Wdlsch zureden an; Frantzösich wo du kannst, Damit die Leuth auch hörn, dass nicht in deinem wanst, Allein nur deutsches lieg, und verhöhnt an mehreren Stellen die Sprachmenger

Ein weiteres neues Laster, das der glückliche Dede- kind noch nicht kannte : das 'Tabactrinken* behandelt Scherffer in einem grösseren Abschnitt III2 (215,7 219,12) Nun hat der Geyer jetzt ein new getränk erwehlet, Jahrhunderte lang hat Deutschland seinen Durst mit Bier und Wein gelöscht, nun führte Mars der Prahler eine neue Art des Trinkens

zuletzt mit dem daumen rund vmbher faren odder mit der zungen aus- lecken und 8eherffer 19S, 19 So was inwendig dann an schalen bleibet hangen, das kau der Finger Prinz der daumen leicht erlangen. 1 Die aswei booten Beispiele druckt Drechßler ab S. 39.

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III. CAPITEI .

ein. Scherffer erzählt dann, wie in den Winterlagern ge- dampft wird, welche Übel ein Neuling dabei durchzukosten hat und schimpft, des ironischen Tones satt, wacker auf das Rauchen l.

An einer Stelle 36,5 weist Scherffer darauf hin, dass sich die Tracht seit dem XVI. Jahrhundert verändert hat. Er wiederholt Dedekinds Lehre vom Aufnesteln (I, 5), bemerkt aber : Zu solcher Xcsteley gab immer recht und fug, Die Zeit da man den Bauch im deutschen Wümmes trug; heute sind die Nesteln kein Riegel mehr, sondern nur Zierrath, sodass der Bauch sich nach Lust blähen kann.

Im Jahre 1654 erschien eine Titelauflage von Scherffers Übersetzung; im Jahre 1708 wurde sie noch einmal abge- druckt unter dem Titel: Der unhöfliche Monsieur Klotz2. Auch die Grobiana erhält hier den neuen Namen die Ma- demoiselle Klotzin. Vor dieser Schrift steht statt der vielen Vorreden und Eingangs verse Dedekinds und Scherffers ein kurzer Vorbericht. Am Schlüsse sind zwei Anekdoten hin- zugefügt vom Käsehändler und Backtrog-Schläffer: Ein Mann, der selbst alle Einkäufe besorgt, wird bei einem Streite von den Marktweibern über und über mit Käse beworfen. Daheim legt er sich einmal im Rausch statt in sein Bett in den Backtrog, der eben voll Teig ist3. Ein

* Ahn lieh den Schrifton der Trinklitteratur erschienen nun auch mehrere BQcher gegen oder für das Rauchen. In einem Mischbande der Berliner legi. Bibl. Tu 7991 findet man: Der politische Tobacks- bruder d. i. eine sonderliche Beschreibung des Edelen Krauts Toback etc. Ton Michael Kautzschen 1684. Tobacksstadt und: Neu erfunden und wohlgegrundete Tabacks-Zunfft-Ordnung, allen Liebhabern dos edlen Krauts, des Tobacks, zum Besten und ihren Aufnehmen vorgestellet, von der sämtlichen Zunfft, Altmannern, Obermeistern, vnd andern Bey- sitzern. o. O. 1676. Vgl. ferner Goedeke 3, 64 Nr. 4. 8. 114 Nr. 17. Weimarisches Jahrbuch 2, 243 - 260 und eine englische Orobianusdichtung vom J. 1609, vgl. Herford a. a. O. 8. 392.

2 Vgl. Milchsack a. a. 0. S. XXXI.

1 Trotzdem diese Erzählungen niohts Anstössiges enthalten, wurde der neue Herausgeber H. Bockemeyer mit der Confiscation des Buches bestraft. Goedeke 3, 54.

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IHK NACHWIRKUNG DES GROBIANUS.

Kupfer illustrirt diese Geschichte und den Schwank vom Thüringer auf der Hochzeit (III, 5).

So wurde der Grobianus in lateinischer und in deutscher Fassung in seiner Heimath bis zum Anfang des XVIII. Jahr- hunderts immer von neuem verlegt und bearbeitet. In mehr als fünfzig Ausgaben erschien er in den verschiedensten deutschen Städten von Worms und Frankfurt am Main bis nach Brieg, von Nürnberg bis nach Köln und Hamburg, er wurde in Leyden und London nachgedruckt und schliess- lich auch ins Ungarische und Englische1 übersetzt. Mit der zweiten englischen Übertragung von Roger Bull 1739 be- schloss er seine nahezu zweihundertjährige litterarische Lebensdauer.

DIE NACHWIRKUNG DE8 GROBIANUS.

Von einer grobianischon Litteratur neben dem Hauptstrang, auf welchem die unmittelbaren Bearbeitungen des Dedokindschen Grobianus einander folgen, kann eigentlich nicht die Rede sein. Die wenigen hieher gehörigen Schriften nach der Mitte des XVI. Jahr- hunderts haben gerade bezüglich des Orobianismus keinen selbständigen Werth, weil sie Derlekind oder den 'kleinen Grobianus* benutzen oder ausschreiben. Die späteren Tisclizuohten, die innerhalb grosserer An- standsbfloher oder humoristischer Welt- und Sittenspiegel nicht Beiton sind, gehören der Culturgeschichte an.

Dem Grobianus von Dedekind-Scheidt folgt als nächste Tisch- zucht-Parodie ein 'Schwank* von Hans Sachs : Die verkehrt dischzuecht Grobianj von J. 1563. (d)2 Hier ist aber Hans Sachs von jenen Sati- rikern völlig unabhängig. Er hat nur die Regeln seiner früheren Tischzuchten von J. 1584 (a) 5 und 1542 {bc)* einfach umgekehrt und für etliche parodistische Zusätze die Wormser Grobianus' Tischzucht 5 vom J. 1538 benutzt. Die neuen verkehrten Regeln haben meist die Fassung von bc, mit einer Negation verschon. Z. B. bc V. 1 f. Hör mensch wen dw zw disch teilt essen, Wasch dein hend ee dw pist gesessen. Und d V. 5 f. Hör mensch, wen dw zv gast wilt essen, Wasch dein hent nicht e dw pist gsessen.

» Milchsack 8. XXXII f. Bd. I: R. J. Sent verbessert Herford 8. 389 in R. 8. Gent.

* d abgedruckt bei Geyer, Altdeutsche Tisohzuchten. Progr. Alten- burg 1882 8. 32 f.

» Ebenda 8. 30.

8. 8t u. vgl. oben 8. 13 f. 5 Vgl. oben 8. 29 ff.

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HI. CAPITEL.

Hin und du wird die neue Passung drastischer: a V. 30 gleich eint hund; d V. 52 gleich aim ßaischacker hund. Von Grobian ua* Tischzaeht entnimmt Hans Sachs den Titel den Zusatz V. 45 48 von den kleinen Fischon2, die Beschönigungen jeder unflätigon That, wie V. 58, 70 usw., besonders die Wondung vnd achatt dir nicht \ schliess- lich die Ermahnung sich beim Hftndewaschen ungebührlich zu benehmen mit der Versicherung V. 96 98 Den spricht iederman wol dein triezen, Vnd helt dich fuer ain ordensmann, In dem klont er Sant Grobian. Denn auch dort ist vom Säuorden die Rede, und von den pnro- diBtischen Klosterwürden des Abtes Grobianus und des Subpriors Setc- hardus.

Dem Titel nach schliesst sich an die Hellbachsolio Bearbeitung- die niederdeutsche Schrift *Orauianus vnd Grauiana. Von vntüohtigen, grauen, vnhönisohen Seden, vnd Bflrisohen geberdon. Lis wol dith Bökelin offt vnd veel, Vnd ilo alltydt dat wedderspeel' o. 0. 1583. Scheidts Gedicht 'An den Leser* ist hier abgedruckt und seine zweite Vorrede nachgebildet; sonst ist der Text einfach eine niederdeutsche Übersetzung des 'kleinen Grobianus' vom Jahre 1Ö38. Natürlich auch in Prosa. Die 16 Abschnitte sind hier nicht mehr 'Artikel', sondern 'Capittel' überschrieben«.

In unmittelbarer Abhängigkeit von dem Grobianus (in der Hell- bachsohen Fassung) aber stehn einige Capitol der Erhographia Mundi (I. Theil 1607») von Johannes Sommer (Variscus). In der Vorrede zu diesem Sittenspiegel entschuldigt sich der Verfasser wegen seiner groben Schilderungen und beruft sich auf Fisoharts Gargantua und Dedekinds Grobianus (A 4), benutzt in dem achten der darauf folgenden Naturge- mäßsten Gesetz etc. der weltliebenden Zunfft die ersten Capitel des Grobianus (besonders E 6b, E 7) und gibt unter anderem auch den Rath : auß der schönen Tischzucht deß Herrn Grobiani die außerlesene Lehren zu Practlciren. (E. 7b)«.

Die übrigen Tischzuchten nach der Mitte des XVI. Jahrhunderts sind koine Parodien, sondern ernste Anstandsiehren. So: 'Kurtze Tisohzucht für die vngehöfelten Grobianusknochte in 44 gute Rogein

1 Die Parodie des Gato (Milchsack S. IV) kann nicht Vorbild sein. Sio zeigt keine näheren Beziehungen und enthält auoh nicht den Aus- druck Grobianus.

* Artikel 6 Vgl. oben S. 86 Anmerkung.

Vgl. oben 8. 80.

Milchsack S. V. Goedekc, Grundriss 2, 457 Nr. 5.

* Titel usw. bei Goedoke 2, 584 Nr. 8. Obige ältere Ausgabe befindet sich in der herzogl. Bibliothek zu Gotha. Miscell. Poes. 8. 2860.

6 Auf Blatt E 8b sind Regeln die mit Hellbaoh I. 4 u. III 5 zu- sammenhängen. Auf Bl. F. b F. 2. b G 5— G 8 ist Fisoharts Trunken- litanei ausgeschrieben (Neudruck S. 124, 134, 142 f., 148).

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DIE NACHWIRKUNG DES GROBIANUS.

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gefasset etc. von Kys.* Vierte Ausgabe Erfurt 1594 *. Hier wird neben den gewöhnlichen Tischzuchtregeln gelehrt: 9) Wenn einem Fett an dem Messer klebet und er dasselbige an den Sehnen abreibet1 . . das ist grob, dSlpisch vnd abscheulich, 10) . . es geht nicht an seine Grobheit mit einem PoRsen zu entschuldigen, 20) Schneid nicht die Rinde rund herum vom Brod ab, darnach das ander da liege (wie die deutschen sagen) geschindet als S. Botholomeus s\ 27) Du darfst nicht nur gewisse Thoile von den Gerichten nehmen, etwa von der Gans nur da* Leder , 28) Nicht die Hand lausen , Blattern aufstechen , auf die Teller klopfen K 44) Geh nicht im Hemd oder halb angekleidet in die 8tnbe, wo andere Leute sind. Vor anderen darfst du dir nicht Strümpfe und Wamms aufnesteln, besonders nicht vor Jungfrauen *. Zum 9chluss wird die Episode aus Reineke Fuchs (Braun der Bär als Bote) als Bei- spiel angefahrt, wie grobe Individuen von scharfsinnigen betrogen werden. Kys nennt keine Quellen , doch Hellbachs Grobianus wird nicht ohne Einwirkung auf ihn geblieben sein.

Der Ausdruck 'Grobianus' begegnet uns in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhundert sehr häufig*. Theils ist es Brants Heiliger Grobianus der im Volksmund.' und bei den Schriftstellern weiterlebt, theils Dede- kinds "Werk, das als Mustersammlung grober Streiche citirt wird, theils eine humoristische Redeweise, welche sich dieser treffenden und ge- meinverständlichen Bezeichnung bemächtigt hat. Nur wenige Beispiele: Wickram erzählt in seinem Rollwagonbüohlcin 1655 Nr. LII (ed. Kurz 8. 93), dass in den Abendzechen saut Grobianus mit seinem seytenspil zum Sewtrog geloffen kommt, und erwähnt oine bruderschttfft S.Grobianus. L. Hollonius, Freimut : Das ist vom vorlornen Sohn usw. Newo Comoedia 1603 III, 4 bemerkt Brantisch: Dem newen Heilgen Grobian , Beim schwelgen dient fast Jedermann.

Bei Lindencr, Rastbüohlein 1558 Nr. 28 lautet eine Verordnung des Königs Volnarri: Zum andern soll ein yeder . . sich aller hdfflig-

» Goedeke Grundriss 2, 457. Nr. 6 Berliner kgl.Bibl.Yz 3341. Hier befindet sich auch die dritte Ausgabe Miscell. Fa 4921 Nr. 6. Etwas kürzor in '40 Regeln' 1585. Da dieser Ausgabe mehrere Blätter fehlen, so citire ich oben naoh der vierten. Eine erste und zweite Ausgabe kenne ich nioht.

« Vgl. Scheidt V. 683-686.

5 Vgl. 8cheidt V. 4376—78 Vnd macht ein Bartolmeum drauß (aus der Gans), bei Hellbach ausserdem I 7 (73, 5. u. 6) genauere Be- stimmungen über das Wegschneiden der Brodrinde. Ferner Oeilers Predigten, Qbersetzt v. Nie. Höniger, Basel 1574, gedruckt in Scheibles Kloster I, 311. Dann es seind et lieh, die sein also vn züchtig in dem Brot schneiden, das sie dasselbig schinden vnd machen ein Bartholome y darauß, indem sie die Rinden darvon schneiden vnd essen.

4 Hellbaohs Zusatz I 4. Soheidt-Hellbaoh I 1.

6 Vgl. oben 8. 23 und bei Fisohart unten S. 122 Aum. I.

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III. CAPITEL.

keyt* wie dann im Grobiano vil/eltiger weiß begryffen , ernstlich be- ßeyssen. N. Hönigers Übersetzung der Geilerschen Predigten (ßoheibles Kloster I; 8 617) 1574 : Wer noch mehr von säuischen Narren hören will der lese den Grobianum , der er zeit jr schöne fugend all in einer summa. H. Kornmann, De Linea Amoris Commentarorius Francofurti 1629 p. 37 zählt unter den lihris obscenis et prohibitis auch den Gro- bianus auf. Und noch Moscherosch in den Gesichten erwähnt ihn.

In einem gesprech des Herrn mit S. Petro (Schade, Satiren und Pasquille, Hannover 1856. 1, 158 u. 163) beklagt sich S. Petrus über das Schlemmerleben der Schulmeister: statt den Cisioianum zu repctiren, decliniren sie den Grobianum, statt fromme Lieder zu singen, deolamiren sie den Grobianum.

Von dem Gipfel, welchen die grobianische Litteratur in der Parodie Dedekind-Scheidts erreicht hat, geht sie den gleichen Weg abwärts, den sie einst zurückgelegt hatte. Statt der Parodie finden wir bald wieder die Schilderung der Ungezogenheit und hernach ernst- gemeinte Tischzuchten, die selten als selbständige Schriften erscheinen, sondern in allgemeine Sitten- und Anstandsregeln aufgenommen werden. Die Zahl dieser Complimentir- und Zuchtbüchlein, dieser 'politischen' Lebensregeln und moralischen Erziehungsschriften ist besonders im XVII. Jahrhundert eine sehr grosse. Meist in schmuckloser, pro- saischer Darstellung, ohne grössere Verschiedenheiten untereinander abgefasst, sind sie ohne literarhistorischen Werth, aber von cultur- historischem Interesse

1 Die Titel einzelner wichtigerer Schriften dieser Art mögen hier folgen :

Simon Verepeo: Zuchtbüchlein (für die Jugend). Innsbruck 1587. 16. Joh. Gasa Galateus: Büchlein von ehrbaren Sitten. Frankfurt 1587. 8.

Othomani Sigberti von der Lippe Schöner und polierter Spiegel von allerlei Ständen. Erfurt 1593. 4.

Stephani Guazzi Vom Bürgerlichen Wandel vnd zierlichen Sitten Frankfurt 1599. 4.

Melchioris Haganaei Vnderweisung zum Bürgerlichen Leben Justi Lipsij. Frankfurt 1599. 4.

Aegidius Albertinus : Institutiones vitae aulioae oder Hofschul etc. Münohen 1600. Bl. 48-55 eine Tischzucht für Hofleute.

(P. Beda Stubenvoll, Geschichte des kgl. Erziehungsinstitutes Festschrift, Münohen 1874, theilt zwei Tischzuchten aus den Jahren 1607 u. 1635 mit).

Trincier oder Vorlegbuoh darinn berichtet wird, wie man aller- hand . . Speiss auf fürstlichen Taffein zerlegen soll (nach dem Italie- nischen des Procacehi) Leipzig 1620 Fol.

Peregrination oder Reyse-Spiegel aus Anangkyloraitens , eines . . grob- vnd vnhöflichen vermeinten Cavalliers oder Alamodo-Monsieure

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DIE NACHWIRKUNG DES GROBIANUS.

Zur Nachgeschichte des Grobianus aber gehört indirect auch ein zweites Werk von Caspar Scheidt, das in innerem Zusammenhang mit dessen Grobianus steht, die 'Lobrede von wegen des Meyen'.

aus Frankreich in Teutschland gethanon . . Reisebeschreibung. Allen . . grob-vnhöfflich vnd bäwrischen gEsellen . . new polieret offgestellet von Urban Politico zu Civil Hausen 12. Leipzig 1631.

Anleitung zu einem Adelichen Leben, nach dem Französischen des Bernhardt von Hanss-Michel Mosch erosch, Strassburg 1645.

Simler, Teutsche Gedichte (III. S. 208-212, eine Tischzucht). Zürich 1648.

Philipp Zesen : Kurze doch gründliche Anleitung zur Höflichkeit Hamburg 1649.

Schmiede des politischen Glücks, darinnen viele nützliche Lehren, angefügt des Herrn von Limburgk Thesaurus paternus und William Cecill von Burghleys Lehren an seinen Sohn. Hamburg 1669. 16.

Georg Greflinger: Ethica complementoria, das ist Complementir- Büchlein mit angefügtem Trenchir-Büchlein. Amsterdam 1675. 8.

J. Christstein : Der heutige Weltmann in seinem politischen Habit, o. 0. 1675. 12.

Der moralische Robinson, ein Stück Reise in die Provinz der ün- höfflichkeit. Halberstadt o. J., um 1750.

Vgl. noch die Schriften von Christian Weise, Good. 3. 278 f., Gerrinus, Geschichte d. d. D. 35, 8. 525 und Draudius, Biblioth. libr. germ. classica 1620. 8. 596 f. S. 611. 1625. S. 441.

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IV. CAP1TKL.

SCHEIDTS LOBREDE VON WEGEN DES MEYEN.

Swenne ich sihe bringen In irizem becher guoten whi Daz mm ich für des meien schin Und für der rogelin gesanc.

So sang der Zecher im 'Weinschlund* und so dachten alle seine Genossen im XII. wie im XVI. Jahrhundert und zu jeder Zeit. Im geraden Gegensatze hiezu aber schrack Scheidt als Freund der Sommerlust vor dem Dunste der Kneipe zurück. Und dem wüsten Treiben seiner zechenden Landsleute setzte er in seinem zweiten Werke die ewige Heilquelle aller menschlischen Laster und Leiden, die Natur, entgegen. Im XVI. Jahrhundert war die Freude an der Natur in neuer Stärke erwacht und bildete ein Gegengewicht gegen die Verrohung und den Schmutz, die in die satirischen Schriften des Jahrhunderts eingedrungen waren.

Scheidt aber erscheint in allen seinen Werken als ein getreuer Eckart jeder gesunden und edlen Bestrebung seiner Zeit. Und war er durch die derbe Satire seines ersten grösseren Werkes, des Grobianus, bemüht seinen Zeitgenossen die Freude am Schlemmen und Prassen gründ- lich zu verleiden, so bot er ihnen jetzt in seiner 'Lobrede von wegen des Meyen einen Spaziergang durch Wald und Feld mit schönen Mädchen, duftenden Blumen und singenden Vögeln als Ersatz an. In ausdrücklichem Gegensatze zum Herbst, der Jahreszeit der Weinlese, des Schweineschlachtens,

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der grossen Schmause, erhebt er den linden Frühlingsmonat, das erfrischende Wasser, Massigkeit und Gottesfurcht.

Zu einem Kampf zwischen idealer und realistischer Lebensführung gestaltete sich so allmählich der Streit der Jahreszeiten, der schon in altgermanischer Zeit im Gegensatze der Naturkräfte des Winters und Sommers zu heidnischen Mythenbildungen Anlass bot und im christlichen Mittelalter in allegorischen Gesprächsliedern und Bühnen- spielen, die zu Mittfasten aufgeführt wurden, weiterlebt. Vom VIII. bis zum XVI. Jahrhundert sind solche Streitgedichte zwischen Sommer und Winter erhalten1, in denen der letztere die frohen Mahle, die süsse Rast am warmen Herdfeuer, Fastnachtspiele und Schlittenfahrt als seine Vor- züge preist, der Sommer aber den Trägen schilt, dass er alle Schätze, welche die früheren Jahreszeiten in fleissiger Arbeit aufspeichern , ruhig verzehrt. Die eigentlichen Früh- lingsfeste aber wurden von Alters her im Monat Mai gefeiert, weil da erst Wald und Haide im neuen Schmucke prangten und der Sommer als entschiedener Sieger2 begrüsst werden konnte. Mairitte, Tänze, Freischiessen, Umzüge und Lust- barkeiten jeglicher Art wurden zu Beginn dieses Monats von der fröhlichen Menge begangen3. Der 'Herr Maie wird als Vertreter des Frühlings und Sommers wie eine lebendige Persönlichkeit aufgefasst4. Im Eingang zahlreicher Liebes- lieder des Volkes5, der Spielleute6 und der Minnesinger7 wird er mit heller Freude begrüsst. Im Mai gehen die Frauen wieder in die freie Natur und enthüllen ihre schönen

1 De cuculo, Uhland, Schriften 3, 23 f.; 'Sommer und Winter', Unland, Volkslieder S. 19 Nr. 8. Ein Gespräch y. H. Sachs 1538. Unland, Schriften 3, 19 usw. Germania 5, 284.

2 Uhland, Schriften 3, 30.

3 Scheibles Kloster 7, 309 ff. Frey tag, Bilder II 2, 298 ff. Böhme, Geschichte des Tanzes in Deutschland 1, 151 ff. 2, 194. Grimm, Mytho- logie S. 736 ff. 725 ff.

* Grimm, Mythologie 720 f.

5 Uhland, Volkslieder S. 87-92. Goedcke-Tittmaon , Liederbuch 147 160.

* Piper, Die Spielmannsdichtung 1, 26.

7 Zs. f. d. A. 6, 72 ff. Uhland, Sohriftcn 5, 120 ff.

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IV. CAPITÜL.

Wangen den lauen Lüften; der Mai kann die Liebenden von neuem vereinigen oder durch die Macht der wannen Sonne und des süssen Vogelsangs das Herz der spröden Schönen rühren.

Bei den späteren Minnesingern aber gedeiht die derbe Gattung der Herbstlieder, welche den Mai und seine Freuden verhöhnen, dagegen des Herbstes reiche Gaben verherrlichen und bald zu Preisliedern auf dasSchlemmerleben übergehen. Steinmar eröffnete den Reigen dieser Dichtungen, wie es scheint durch lateinische Vagantenlieder1 dazu an- geregt. Von seiner Geliebten verschmäht, wendet er sich unmuthig von den Freuden des Sommers überhaupt ab : V. 11 13 Herbest, underwint dich min, wan ich wil din helfer sin, gegen dem glänzen meien. Er verlangt dann vom Wirth Fische, Hühner, Schweinebraten und Wein und will sich völlig dem materiellen Genüsse hingeben : V. 47. herbest, trütgeselle mm noch nim mich zingesinde. Nachfolger Stein- mars auf dem gleichen Gebiete sind Büwenburc, Fürst Witz- law IV. von Rügen und Johannes Hadloub, der Steinmar im Aufzählen der Speisen noch überbietet und diese den Freuden des Mais gegenüber stellt : V. 38 f. tüben . . und ouch vasant wilde: daz nent si vürs meien bluot.2 In den Fressliedern des Neidhart Fuchs wird ebenfalls die Partei des Herbstes ergriffen. Endlich finden wir den Streit zwischen Mai und Herbst in einer längeren Dichtung auch bereits vor Scheidt behandelt. Der Herbst und der May' ist ein erzählendes Gedicht aus dem XV. Jahrhundert betitelt '*, das einen solchen Kampf schildert. Beide Gegner treten gewappnet auf. Der Mai hat einen Panzer von grünem Gras, darüber ein Koller aus weissem Klee usw. Doch der Dichter wagt es nicht ihn zu sehr zu loben, sonst wird ihm der Herbst böse, dessen Wein er so gerne trinkt.

1 Neumann, Über d. Leben u. d. Gedichte des Minnesänger« Steinmar, Leipzig 1886. S. 85 ff. Bartsch , Schweizer Minnesinger 8. 170 ff. Unland, Schriften 5, 245 u. 279.

* Bartsch, S. 109, Nr. 18.

3 A. v. Keller: Erzählungen aus ad. hss. Stuttgart 1855. 8. 588 ff.

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Die Rüstung des Herbstes besteht aus Ochsenbraten, Würsten usw., sein Helmschmuck sind vier gebratene Gänse, sein Pferd ein Fass. Sein Diener ist der luderer, der den Knappen des Mais den mynner 1 verhöhnt (S. 593, V. 35) : Solt ich bei liechten bluemmen rot, Vor hunger leyden grosse not ? Der Kampf endigt mit dem Siege des Herbstes. Eine zweite Dichtung ähnlichen Inhalts ist ein Bühnenstück : Ain $i>ill votn May vnd dem herbst, yetbeder tail mit fünf knechten2 v. J. 1512. Hier betheiligen sich auch die Knechte lebhaft an dem Wortwechsel. Des Maien Ritter sind der rosn platt, der trasn schmakh, der zart frauenlob usw., die in bekannter Weise die Macht ihres Herrn preisen. Trotz allen Bemühungen gelingt es ihnen nicht, die Partner des Herbstes den schlauch und den Schlendrian, den trunkenpolt, den gross f ulier usw. zu widerlegen und zu überzeugen. Interessant ist schliesslich ein ähnliches Streitgedicht, das uns Clara Hätzlerin3 mittheilt, weil hier dem Mai auch ein Monat, als Vertreter des Herbstes, der August, ent- gegentritt.

So war der Gegenstand, den Scheidt in seinem zweiten Werke behandelt, schon lange beliebt. Den äusseren Anlass zu seiner Schrift aber bot ihm ein Fest am Hofe zu Heidelberg.

In Heidelberg regirte seit dem Jahre 1544 Friedrich II. als Kurfürst und Pfalzgraf bei Rhein, ein ritterlicher, ehr- geiziger, abenteuerlustiger Fürst4. Ehe er die Regierung antrat, hatte er ein verschwenderisches Leben geführt, weite Reisen unternommen und lange an fremden Höfen, besonders in Wien, Paris und Madrid geweilt. Er besass eine feine höfische Bildung, hatte gern wissenschaftlich her-

1 Vgl. Dichtungen wie Der mynner u. der trinker, Lassbergs Liedersaal 2, 329.

2 Sterzinger Spiele, ed. Zingerle 2 S. 1. ff. (Sauers Wiener Neudrucke 11).

3 Liederbuch II Nr. 60 S. 248 ff. Ain krieg von dem Mayen vnd dem Äugst Mon.

4 Leodius (Hubert Thomas) Annalium de vita et rebus gestis Friderici II comitis palatini libri XIV. Frankfurt 1665.

<|F. lxvl ' . 7

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IV. CAPITEL.

vorragende Männer zur Seite, deren Rath er befolgte, und förderte im Sinne seiner älteren Vorfahren die huma- nistischen Studien. Er verbannte die scholastischen Streitig- keiten von der Universität, schuf neue Lehrstellen und berief fremde Gelehrte. Zu dem nahen Frankreich und den litterarischen Centren des Oberrheins unterhielt er enge Beziehungen. Vor allem aber liebte er als Regent festliche Turniere, Gastmähler und Trinkgelage, an denen er seine Umgebung zu heiteren Gesprächen und improvi- sirten Dichtungen über Gegenstände des Lebens und der Kunst aufmunterte. Im November 1551 ergab sich ihm eine dreifache willkommene Gelegenheit zu einem grossen Feste. Einmal trat der Fürst selbst sein siebzigstes Lebens- jahr an und ausserdem feierten an seinem Hofe ihre Ver- mählung der Graf Philipp von Hanau mit Helena, der Tochter des Pfalzgrafen Johann von Simmern, und der Graf Philipp von Leiningen, Herr zu Westerburg und Schwanenberg mit der Grätin Amalie von Zweibrücken und Bitsch. Tage lang währten die Mahlzeiten, Aufführungen und Ritterspiele dieses prächtigen Festes. Nicolaus Cisnerus1, ein hervor- ragender Jurist und Professor an der Heidelberger Univer- sität, berichtet in einem längeren lateinischen Gedicht 2 mit mythologischer Einkleidung über die Vorbereitungen und den glänzenden Verlauf des Festes, die Abstammung der Brautleute, die Ansprachen und Geschenke des Fürsten.

Für diese Feier verfasste nun Scheidt seine 'Lobrede von wegen des Meyen, die er kurz vor dem Feste dem Pfalz- grafen Friedrich widmete und übersandte. Zur Begründung dieser Sendung sagt Scheidt in seiner Vorrede3, er habe zwei lateinische Bücher zu Gesicht bekommen: eines 'das Lob des Meyen' von Nicolaus Cisnerus, das andere die

* Vgl. Goedeke, Gr. 2, 110 Nr. 163.

* N. Cisueri Palatini Dcseriptio corum, quae iu nuptiis duorutn Comitum . . Hcidelbcrgae acta sunt. In : Delitiac poetarum üerma- norum. Frankfurt 1612. 2, 411 ff.

3 Diese Vorrede und der grössere Theil der Schrift sind abge- druckt bei Hub, Die Komische und humoristische Literatur der deutschen Prosaisten des XVI. Jahrhunderts 2, 291) -329.

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SCHEIDTS LüBRKDK VON WEGEN DES HEYEN. 99

'Nutzbarkeit des Herbstes betreffend* von Joannes Mercu- rius. Auch habe er erfahren, dass am kurfürstlichen Hofe darüber Gespräche gepflogen wurden , dass das Hofgesinde in Maimänner und Herbstleute sich geschieden habe, der Kur- fürst aber sammt Gemahlin dem Mai günstiger gesinnt sei und wünsche, dass derlei Bücher auch in Teutsch gebracht würden. So entschloss sich Scheidt ein Lob des Maien rasch zu verfassen, damit seine Schrift auf dem geplanten Feste vnder anderen materien bei den Tischgesprächen zur Kurzweil diene.

Die genannte Dichtung des mehrerwähnten Cisnerus ist das Idyllion de Man et veris laudibus1. In lateinischen Hexametern streiten sich hier zwei Schäfer, eine Ein- kleidung, die den Vergilschen Eclogen, beziehungsweise den Theokl itschen Idyllen entlehnt ist ob dem Mai, der auch hier als Vertreter des Lenzes und Frühsommers überhaupt erscheint, oder dem Herbst der Vorzug gebühre. Corydon rühmt vorerst mit einem grossen Aufwand mythologischer Bilder die Schönheit des Frühlings, die Farbenpracht der Blumen, die Freude der Thiere, die von Venus Flammen erhitzt sind. Und erst nachdem sein Gegner Bassarus den Nutzen des Herbstes und seiner Früchte preisend er- hebt, betont auch jener die materiellen Vorzüge: wie der Mai Milch , Käse , Schafwolle spende, weist darauf hin, dass bereits im Lenz und Sommer die Herbstfrüchte im Keim entstehen , behütet und gezeitigt werden, und zählt alle schädlichen Einflüsse der winterlichen Jahreszeit auf. Ein dritter Schäfer unterbricht den Wortschwall der Gegner und erkennt dem Mai den Sieg zu.

Nur weniges hat sich Scheidt von dem Inhalt dieses Idylls zu Nutze gemacht, wie die folgenden Zeilen erweisen sollen. In noch geringerem Masse dürfte dementsprechend auf ihn das Werk des Mercurius- eingewirkt haben, das ja schon der Tendenz nach von Scheidts Lobschrift ab- weicht.

1 Delitiae poetaruni Germ. 2 S. 446—477. Meine Versuche, diese Schrift in einer «1er grösseren deutsehen Bibliotheken zu finden, hlieben erfolglos.

7*

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IV. CAPITKL

Seine Lobrede von wegen des Meyen eröffnet Scheidt mit einer gereimten Einleitung, in welcher er einen Traum erzählt. Ein Beginn, der den epischen und didaktischen Dich- tungen der Meistersinger, besonders des Hans Sachs sehr ge- läufig ist. Dem Dichter erscheint unter süssen Melodien der Lenz in Gestalt eines engelschönen Jünglings, mit einem Gewand von grüner Seide angethan, und drückt sein Er- staunen darüber aus, dass ihn jener nicht erkennt.

Vnd bist so offt zu mir in grünen Waldt Spatzieren kamen zu den Brünlin kalt . . Gedeukstu nun derselben zeit nit me Wie du offt sassest in dem grünen kle Vnd sähest zu dem lautern b&chlin klein Das lieblich rauscht rber die glaten stein . .

Da gaben dir die Musen :

Des süssen trancks zu Ion

Auß jrem klaren brünlin Helicon.

Scheidt hat also selbst die Wirkung des Lenzes empfunden und ist von seiner Schönheit zu dichterischem Schaffen an- geregt worden. Darum sind auch die Schilderungen, die er im Laufe der Schrift vom Mai entwirft, anschaulich, lieblich und der Wirklichkeit getreu Der Dichter fühlt sich um so eher berufen für den Mai einzutreten , als dieser in dem Zeitpunct , da Scheidt die Lobrede verfasste (Ende November), nicht durch seine eigene Erscheinung für sich selbst sprechen konnte. Mit einer innigen Be- geisterung ergreift er die Partei des Frühlings und kehrt in allen Theilen seiner Schrift deren anti-grobianische Richtung hervor, durch die bittere Befehdung des Herbstes, seiner Gaben, Freuden und Anhänger. Er schilt die Herbst- leute, die saufen allzeit voll, dass sich der Herbst warlich jr sollt beschernen, die mit saufen prassen vnd der laster vil, Beim wein in vnzucht, oder grossein spil ihre Zeit ver- geuden1. Im Herbst ist Bacchus auff die ban geschlichen, vnd hat sein vbel lautende, vnd von grober matery gegossene

1 Sehr hübsch beschreibt Scheidt den Mai auch in seiner 'Frölich Heimfart' B 2 f .

2 B 2 u. B 2b.

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glock vor den beweglichen ohren viler, die jm on das geneigt gewesen, tag vnd nacht on vnderlass gehütet, so dass mancher den Sang der Vögel überhörte ]. Bei der Weinlese da werden vnnützer wort , vppiges schandtliches geschwätz laut, da wirt nur des bauchs gedacht., Vnd röhmet sich der Herbst wie ein Epicurer nur seines fressens vnd sauffens -. Scheidt erzählt weiter, wie der Wein verfälscht und ver- pestet wird und tritt offen auf die Seite des Wassers: Wasser trinken wer das best, als sie auch vor dem Sündfluß kein wein getruncken denn es war das Wasser besser dann vnser Maluasier, oder was wir sonst für getränck zum geschleck vermischen mögen*. Und so geht stellenweise bei Scheidt der Streit zwischen Mai und Herbst in den Streit zwischen Wasser und Wein über, der im XVI. Jahrhundert oft zum Gegenstand moralisirender Dichtungen gewählt wurde4, und Scheidt citirt auch5 eine Dichtung dieser Art von dem weltberöhmten Teutschen Poeten Hans Sachs6.

Scheidt richtet seine Ausführungen unmittelbar an die Versammlung am kurfürstlichen Hofe und theilt seine Zuhörerschaft in vier Gruppen7: Jünglinge, Frauen, Jungfrauen und Männer. Die ersten drei Gruppen rechnet er schon ihrer Natur, Jugend und Schönheit nach zu den Mey günstigen, in der letzten Gruppe aber vermuthet er et- liche Herbstleute, zu deren Bekehrung er nun den Mai

' C2.

> Hub 8. 306. ' Hub 8. 314.

4 Z. B. Jörg Wickrams Dialogus von der Trunkenheit und ähn- liche Dichtungen der Trinklitteratur . Ferner AVitzstat, Wein und Wasser, Strassburg 1630. u. a. Oder unter den Volksliedern im Anschluss an den Mai, aber vom 8tandpunct des Schlemmers: Gocdcke-Tittraann, Liederbuch 8. 135 Nr. 128 Mancher spricht: im waten, sind uns die brünnlein gsund, des sich die leut erfreuen ; ich sprich es hob feein grund. . . ich lob die edlen reben, die geben uns gu4 wein. Mit Abände- rungen in Fischarts Trunkonlitanei 8. 125.

* Hub 8. 307.

8 Ein kampfgesprech zwischen tr asser und wein. Ausgabe des litt. Vereins. Stuttgart 1870. 4, 247-254. ' C 2b-C 4.

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IV. CA ITTEL.

herausstreichen will. Er entwirft hiezu vorerst ein klar geordnetes Programm 1 , woran er sich auch während der ganzen Arbeit streng hält. Er beginnt mit dem Namen des Maien und bespricht sodann dessen Natur, Eigenschaft und Complexion, die Farben und den Nutzen des Frühlings, seine Wirkung auf das körperliche Befinden der Menschen und Thiere und schliesst mit der Aufzählung der wichtigsten Ereignisse und Wunder, die sich im Frühling begeben haben.

Scheidt erweist aus den Namen primauera und prin- temps, dass der Frühling die erste Zeit des Jahres ist und behauptet in einer launigen Stelle, in welcher er den Schulmeister hervorkehrt, dass dem Mai schon nach der Zu- sammenstellung seiner lautlichen Bestandteile der Vorrang vor dem Herbst gebühre2. Ausserdem zeichne den Frühling Wärme und Feuchtigkeit aus, also Bedingungen des Ent- stehens und Gedeihens, den Herbst aber Kälte und Trocken- heit, also Ursachen des Verderbens. Der Mai sei sangui- nischer, der Herbst melancholischer Complexion3. Die Farben des Mai seien grün und blau , die des Herbstes schwarz und grau, zugleich die Farbe der Bettler, Mönche und Esel4.

In diesem ersten Theile, sowie in der Einleitung schildert Scheidt besonders die siegreiche Anmuth des Frühlings, geht aber dann zur Besprechung der nutz- barkeit über, gleich Cisnerus aus dem Grunde, weil der Herbst sich so aufdringlich seiner materiellen Vorzüge rühme5. Scheidt erwiedert dem Prahler an mehreren Stellen6, dass er alle seine Gaben nur dem Frühling und

C 4 u. C 4\

2 Hub S. 302.

3 Ebenda 8. 303 ff.

8. 309. Dieser antikatholisehc Witz, Mönche und Esel der Farbe wegen zusammenzustellen, ist auch bei Fischart überaus häufig z. B. Barfüsser Sekten und Kuttenstreit (Kurz I, 112) d' Kult soll hellgrau' sein , wie Eselfarb rttd teie die schweift . . Ach du fttein Eselgraices Kleid. S. Dominici Loben 8. 136 Die Eselgntwen Münch usw.

* Hub 8. 310 u. 319.

<• Hub 8. 310, 317, 319.

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SCHEIDTS LOBREDE VON WEGEN DES MEYEN. 103

Sommer verdanke. In diesen Jahreszeiten werde geackert und gesäet, würden die Felder von der Sonne erwärmt, und die Früchte gezeitigt. Keine Traube könne der Herbst allein zur Reife bringen. Und Scheidt folgt weiter den Beweisführungen des Cisnerus, wenn er die schön tempe- rirte Luft des Maien rühmt, die der Gesundheit so zuträg- lich sei, die kräftigenden Maibäder, den fruchtbaren Boden, der den Menschen heilende Kräuter, den Thieren gute Weide biete, den Wohlgeruch der Blüten1, Milch, Butter und Käse, die im Mai am schmackhaftesten zubereitet würden2, die langen Sommertage, an denen so viel Arbeit verrichtet werden könne, die Freude der Menschen, die wieder in die schöne Natur hinauswallen, ihre Wohnungen lüften und reinigen3, und die Freude aller Thiere4 ; während der Herbst durch die nebeligen Tage, die langen Nächte, die rauhe Kälte jedermann beschwerlich falle 5. Schliess- lich stellt Scheidt die Ereignisse zusammen, die sich im Frühling zugetragen haben. Im März wurde Adam erschaffen, Christus empfangen, im April fiel die Sintflut und führte Moses die Juden aus Aegypten, im Mai fuhr Christus in den Himmel und sandte seinen Jüngern den heiligen Geist. In den Frühling fällt die Erschaffung der Welt und das goldene Zeitalter6. All diese Ausführungen belegt und unterbricht Scheidt mit Aussprüchen der Bibel, der Kirchen- schriftsteller und bekannter Dichter. Sitch in den Büchern , lauff durch die Poeten1 rieth ihm der Mai vor Beginn der Arbeit und so fülirt Scheidt zu Gunsten des Maien Hans Sachs, Brant, Königsperger, ein unechtes Neidhart-Lied 8, ein Volkslied vom Mai9 und andere ins Feld. Weiters rieth

» 315—320.

* S. 320 f. Cisnerus 8. 451 gelegentlich mit wörtlichen Überein- stimmungen.

» Hub S. 322.

* 8. 325 f.

* 8. 323.

* 8. 328 f. Originalausgabe K lb— K 2*. ' B3b.

8 8. 326, der Anfang von Neidhart Fuchs.

9 Unland, Volkslieder 8. 87 Nr. 57 ; bei Hub 8. 326.

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IV. CAPITEL

der Mai : Auch weil es in derselben werden Statt, Gelerte leut vnd vil Doctores hat, So misch Lateinisch verß zuweilen ein l, darum erzählt Scheidt antike Anekdoten und verwerthet lateinische Sprüche und Redensarten, Ovids Verwandlungen und Vergils Georgica. Endlich ermahnte der Mai :

Darbey wiß daß der Chur/ürst hochgelert Satnpt seim Gemahel gern Frantzösisch hört. May 8t tcol in Welschen bxichern vmbher ßschcn Vnd jrer Verß auch etlich drunder mischen *.

und Scheidt nimmt französische Kalendersprüche3, ein fran- zösisches Volkslied4 auf und liefert zu den Eingangsversen von Clement Marots Le temple de Cupido6:

Sur le printemps, que la bella Flora [bei Ouiffrey : belle]

Les chatnps couuers de diuerse fleura [bei G. couuerts u. ßoura] Et son amjf Zephirus les esuente

Qu and doulcemenf en Vair suspire et uente [O. Vaer souspire.]

eine eigene Übersetzung:

Im Freiing wann Flora die schSne meidt Die Felder mit vil Blumen hatt bekleidt Vnd sie erwehet Zephirus jr fründt Sausend im lufft so ttS/J mit sanfftem windt.

Mit diesen Versen führt Scheidt Marot in die deutsche Litteratur ein. Der Ruhm Marots (1495 1544) hatte da- mals in Frankreich seinen Gipfel erreicht. Dieser Dichter vermied die humanistischen Übertreibungen der Schule Ronsards und blieb in seinen Dichtungen dem eigenartigen Geist seines Volkes treu, er lernte es aber auch auf dem heiteren, kunstsinnigen Hofe Franz I, seine Gefühle in zier- lichen , formvollendeten , höfisch feinen Dichtungen aus- zusprechen; so war er in allen Kreisen beliebt und drang in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts all- mählich nach Deutschland, vorerst an die Höfe. Es ist darum bemerkenswerth, dass Scheidt zuerst Marot gerade am Heidelberger Hof präsentirt, wo diesem französischen

1 B 3b.

1 Desgleichen; U tisch also für Französisch, vgl. oben S. 60 Anmerkung 3.

« 8. 306 u. 113. D 3 u. D 3b.

s D 3b In Guiffreys Marot- Ausgabe 2 S. 67 bei Jannet 1 ö. 8.

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SCHEIDTS LOBREDE VON "WEGEN DES MEYEN.

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Lyriker späterhin noch eine wichtige Rolle beschieden war. Durch die Einführung des Calvinismus in der Kurpfalz unter Friedsich III. im Jahre 1562 nahm daselbst der französische Einfluss sehr überhand und eine Folge dieser confessionellen und litterarischen Abhängigkeit war die Übertragung der Psalmen in der französischen Bearbeitung von Marot und Beza durch den Heidelberger Gelehrten Paul Melissus Schede im Jahre 1572.

Scheidt ist aber auch ein Vorgänger von Melissus in der Nachahmung französischer Metra. In seinem Grobianus hatte er sich noch der Reimpaare mit viermal gehobenen (8— 9 silbigen) Versen bedient, welche bis zur Mitte des XVI. Jahrhunderts allgemein üblich waren. Nur einige Dramatiker wie Kolros, Rebhun, u. a. versuchten neue Formen nach antikem Vorbild in Verse einzuführen. Für diese Anläufe aber zeigte die Zeit noch kein Verständnis. Scheidt aber lernte von den Franzosen. Marots Lieblingsmetrum waren die vers communs, jambische Verse von 10 (beziehungs- weise bei klingendem Ausgang 11) Silben. Marot erfand dieses Metrum nicht, aber er bediente sich desselben ausser- ordentlich häufig, führte die Cäsur nach der vierten Silbe ein und brachte es durch seine gewandte Behandlung zu einem hohen Grade leichten Flusses und vollendeter Anmuth In dem gleichen Metrum übersetzt nun Scheidt die vier Verse Marots, die er in seine Lobrede einschiebt2, und versucht ausserdem in seiner langen gereimten Vorrede die vers communs nachzuahmen. Die Bemerkung, welche Scheidt seinem Prologe vorsetzt: Sind rheimen von zehen sylben wöüen lind außgesprochen werden, sagt deutlich, dass wir es hier mit einer Neuerung zu thun haben, die der Verfasser ausdrücklich hervorhebt. Scheidt hält in diesen neuen Versen an der natürlichen Wortbetonung nahezu ausnahmslos fest und gebraucht gleich Marot häufig klingenden Ausgang; nur über die Cäsur stolpert er häufig, so wie Ambrosius Lob- wasser, der im Jahre 1573 Marots Psalmen ins Deutsche

1 Ste. Beuve, Tableau historique etoritique de la poesie francaise.. an XVI« siecle. Paris 1843. 8. 30—32. * Vgl. oben 8. 104.

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IV. CAPITEL.

übersetzte, während Melissus die Cäsur in jedem Verse streng beobachtet

1 Über Melissus und Lobwassers Psalmeniibersetzung vgl. Höpfner, Reformbestrebungen nuf dem Gebiete der deutschen Litteratur des XVI. und des XVII. Jahrhunderts. Berlin 1866. S. 25 f. Man vergleich© die folgenden Beispiele von Zehnsilblern Scheidts, Lobwassers und Melissus'. Der Letzte beobaohtet die Cäsur am strengsten, der Erste die natürliche Wortbetonung. Lobwasser und Melissus haben eine •böse romanische Silbenzählung* durchgeführt. Vgl. Erich Schmidt A. d. B. Bd. 21, 296. Scheidt: Einführung in die 'Lobrede' B 1 und B lb.

Ich kleid die bergy ich deck die treffe thul

Ich bin der selbig der all Bäum bekleidt

Ich bin, der Mann vnd Weib mit Lust erfreidt

Dann ich bescher den Feichten jre blüt,

Das schafft allein mein tilgend vnd mein güt

Dann ich bin milt getrew, vnd tugenlhafft

Bescher gesundheit, macht vnd grosse kr äfft . . .

Der edel Mey bin ich mit lob genant

Soviel Poeten durch gedieht bekant

Vnd thu euch menschen souil dienst vnd güts

Ich mach euch frSlich fraidig, vnd güts müts.

Vgl. den Anfang des ersten Psalms bei Lobwassor:

Psalmen nach Frantzösischer Melodcy vnd reimen art. Durch A. Lobwasser. Heidelberg 1574. Berl. königl. Bibl. Eh 3024.

Wer nicM mit den Gottlosen geht zu raht

Vnd nicht tritt in sündlicher leut fußpfaU

Der auch nic)U mit sitzt auf der

spätter bencken Sonder auff Gots gesetz mit fleis

thut dencken Vnd sich deß tag vnd nacht nimpt

hertzlich an Fürwar das ist für Gott ein selig

Man

Denn er wirt gleich sein einem bäum der fein

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bei Melissus:

Di Psalmen Davids In Tou- tischc gesangreimen, nach Frant- zösischer melodeien ünt sylben art .. von Melisso. - Heidelberg 1572. Berl. kgl. Bibl. Eh 2970.

Wär nicht in rat gotloscr leute geht

Noch auf dem weg verwegner pulen stet,

Noch üf der bank der spÖtter ist gesessen

Sonder bedenkt tag ünt nacht on

vergessen Des Hern gesetz, ünt hat sein lüst

darän

Selig furwar preis ich daenselben man

Gleich wird aer sein aim hübschen bäum gerdd

SCHEIDTS LOBREDE VON WEGEN DES MEYEN. 107

Wenn ferner Melissus und noch mehr Lobwasser die

mannigfaltigsten französischen Versmasse der beibehaltenen

Melodien wegen Silbe für Silbe getreu übersetzen und auf

diesem Wege eine grosse Zahl neuer Strophenformen und

Weisen in Deutschland einführen, so geht ihnen Scheidt

auch hierin voraus und zwar ebenfalls der Melodie wegen.

In seiner Lobrede citirt er (D 3 u. D 3b) ein trioletmässiges

FratizSsisch Meyenliedlin:

Ce moy de May au ioly verd bosquet

Cet ung plaisirt que Desire soulz Votnbrage

1j ung faict chapeaux, Vaultre faxet ung bouquet

Ce moy de May au ioly uerd bosquet

Tout cueur fachi lors reprent son couraiye

Le Rossignol en son plaisant langaige

Faict rage.

Au boscage

Son chant ramaye

Triumphe assis sur le ßeur du muguet Ce moy de Moy au ioly uerd bouquet,

Weichs in eyl also mag geteutschet werden (folgt die silben- getreue Übersetzung; nur im achten Verse eine Silbe zu viel, im zehnten zwei zu wenig):

In disem Mey, im schönen grünen waldt

Ist freud vnd Iwt, im schatten sich erschwingen

Eins macht krentzlin, jhens streußlin wolgestalt

In diesem Mey, im schönen grünen waldt

Manch trawrigs hertz laßt jm mit Jreud gelingen

Fratv Nachtigall mit jrem scltöuen singen

Laßt klingen

In grünen dingen

Ir stimm erklingen

Sitzend auf blümlin manniyfalt

In disem Mey, im schönen grünen toaldt.

Gepflantzet steht an einem wessei'- Lustig gepflanzt an klarer queln

lein gestdd

Oer seine frucht zu seinen zeiten Daer sein f rächt bringt bei zeit in

treget schönem wetter

Dtß laub auch nimmer abzufallen Daes faln nicht ab noch welken

pfleget, seine biet t er :

So auch was solcher mensch thut Auch alles was sölcher thüt wil

rnd begint begint

Dasselb allzeit ein glücklich end Gerit ym wöl ünt gut gedeien

gewint, find.

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IV. CAPITEL.

Scheidt fügt hinzu: Ich hob nit on vrsach diß liedlin an- ziehen wollen . . . mag es doch den Musicis oder Spielleuten . . . ein vrsach geben, den Mey anstatt der wolsingenden vögel, auch mit gesang vnd Instrumenten loben, vnd diß Lied (gemeint ist die Melodie) in Französischen Partibus, da es mit vier stimmen meins bedunckens schön vnd krauß genüg ist suchen.

Scheidts zweite Schrift macht einen sehr erfreulichen Eindruck. Ein, im Vergleich zum Grobianus, überaus wohl- thuender Stoff erscheint hier durchwegs mit aufrichtigem, warmem Gefühl behandelt. Scheidt reiht nicht die in älteren Streitliedern typisch wiederkehrenden Vorzüge des Früh- lings trocken aneinander, sondern bietet unter dem frischen Eindrucke dieser Jahreszeit, die ihn selbst in Tagen der Krankheit und des Schmerzes mit neuem Muthe be- seelt hat ,, das Ergebnis persönlicher Empfindung und ein- gehender liebevoller Naturbeobachtung dar. Er selbst nennt seine Schrift eine Rede und wirklich tritt er hier mit der Eindringlichkeit des gesprochenen Wortes für seine Sache ein, wendet sich in lebendigem Vortrag direct an die Zu- hörer2, schmeichelt den Gesinnungsgenossen und bemüht sich durch zahlreiche Beweggründe die Gegner zu über- reden. Er fordert seine Zuhörer auf selbst die vorgeführten Vorzüge und Nachtheile der beiden Jahreszeiten gegen- einander abzuwägen und prophezeit den halsstarrigsten An- hängern des Herbstes, dass sie beim Einzug des Frühlings ihrem alten Herrn die Gefolgschaft kündigen werden. Nach einem klaren Plane hat Scheidt seine Lobrede gegliedert. In aufsteigender Linie preist er zuerst die Anmuth, dann die nutzbarkeit des Maien und führt endlich religiöse Momente auf, welche den Frühling auszeichnen. Zu dem Ausbau dieser Glieder hat er ein reiches Material von Aussprüchen der Bibel , antiker und moderner Schriftsteller , von Volks- bräuchen und Redensarten verwerthet. Zusammenstellungen, wie die über die Farben grün und blau (bei Hub S. 308 f.) können als Vorläufer des 13. Capitels in Fischarts Gargantua

» B4»

» Bei Hub S. 302, 304, 314 f.

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SCHEIDTS LOBREDE VON WEGEN DES MBYEN. 109

(über die Farben blau und weiss) betrachtet werden. Zu- weilen schweift er von dem strengen Gang der Beweis- führung ab und entrollt realistisch ausgeführte Genrebilder 1 oder ergeht sich in Lehren und Warnungen damit auch nutz bty kurteweyliger red gespurt werde2. Aber er vermeidet Weitschweifigkeit und eine verwirrende Häufung von Be- weisgründen und erhöht durch öftere Ruhepuncte 3, in denen er den Inhalt der früheren Abschnitte kurz zusammenfasst und auf das Folgende hinweist, die Klarheit der Anordnung.

Ob die 'Lobrede', die an mannigfache ältere Motive der deutschen Dichtung anknüpft und auf neue litterarische Bestrebungen einen Ausblick eröffnet, in Heidelberg nach Scheidts ausdrücklichem Wunsche ein Gegenstand des Vor- trags und der Unterhaltung wurde und Herbstleute bekehrt habe, darüber schweigen die Berichte. Cisnerus, der in Versen, und Hubert Thomas, der im prosaischen Chronikstil das Hochzeitsfest beschreibt 4, erwähnen nur die vielen Ge- lage und ritterlichen Spiele. Doch sicherlich ist die Schrift am Hofe des Kurfürsten, dem sie Scheidt gewidmet und übersendet hatte, nicht ungelesen und unbeachtet bei Seite gelegt worden.

' S. 322 f. Original B 1«.

S. 307 u. a.

3 S. 314, 325. K 2h u. a.

Oben 8. 97 f.

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V. CAP1TEL.

SCHEIDT UND FISCHAKT.

Scheidt hat durch seine Ubersetzung des Dedekind- schen Grobianus einen üppigen Zweig der deutschen Dich- tung des XVI. Jahrhunderts gepflegt und eben durch seine Verdeutschung zu der Verbreitung und langen Lebensdauer des Stoffes wesentlich beigetragen. Doch sein Einfluss auf spätere Darstellungen verwandten Inhalts ist sofern man von Hellbachs Bearbeitung absieht durchaus nicht per- sönlicher Natur, sondern der Inhalt der ironischen Sitten- lehre, der bereits in der lateinischen Quelle lag, wirkte zwei Jahrhunderte lang nach. Mehr Berücksichtigung aber als diese in den grossen Zeitläuften verblasste Nachwirkung erheischt der volle, frische Eindruck, welchen Scheidt, als Verfasser des deutschen Grobianus, aber auch als Mensch und Dichter überhaupt auf seinen grossen Schüler Johann Fischart ausübte.

Scheidt war der Lehrer und zugleich ein Blutsver- wandter Fischarts und, noch erheblicher, beide einander auch an Geist verwandt, da musste der jugendlich streb- same und bildsame Sinn des letzteren doppelt und dreifach empfanglich für Lehre und Beispiel sein' K Zeitlebens er- scheint Fischart von seinem Lehrer angeregt, nicht nur in

1 Wackernagel, J. Fischart von Strassburg S. 106. Vgl. auch Scherer, Ltg. 8. 291 f. und Zeitschr. f. oster. Gymn. 1867 S. 477 ff.

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SCHEIDT UND FISCH ART. 111

der Wahl der Stoffe, in der Art der Behandlung, sondern auch in der sittlichen Richtung der ganzen schriftstellerischen Thätigkeit. Scheidt und Fischart sind in ihren Stoffen nicht originell, sie übersetzen aus fremden Sprachen oder knüpfen ihre Dichtung an eine äussere Gelegenheit an1. Aber beide schaffen die fremden Werke zu neuen, völlig deutschen Er- zeugnissen um und erheben sich, weitausblickend über den geringfügigen, zufalligen Anlass zu einer Darstellung von dauerndem Werthe2 aus dem Gebiete des Erdenglücks oder der menschlichen Laster und betheiligen sich an den wich- tigsten litterarischen Richtungen ihrer Zeit. Beide kennen die Classiker des Alterthums und die französischen Zeit- genossen, aber von der Höhe ihrer Bildung neigen sie sich herab zu dem Volk ihrer Heimath, auf das Engste ver- traut mit dessen Leben und Sitten, Wortschatz und Redens- arten, mit dessen historischer Vergangenheit und reicher Sagenwelt3. Beide zeigen Beziehungen zu anderen Künsten, verfassen Bildergedichte4 und rühmen die Musik5. Beide behandeln volksthümliche Stoffe in humoristischer Form und suchen durch ironische Lobschriften belehrend und bessernd zu wirken. Sie verschonen ihre Landsleute nicht mit herber Scheltrede wegen einheimischer Laster und der tollen Nach- äffung fremder Modethorheiten6. Aber trotz der ungemeinen Derbheit ihrer Satire, halten sich beide fern von dem raffinirten Cynismus der zeitgenössischen Erzählungslitte- ratur7 und zeichnen sich durch ehrenhaften Biedersinn,

1 Bei Scheidt: 'Die freilich Heimfart' auf den Tod der Frau Anna von Emtrawt, 'Lobrede von wegen des Meyen' auf Wunach des Kurfürsten Friedrich v. d. Pfalz zu einer Doppelhochzeit.

2 Vgl. Erich Schmidt A. d. B. 7 8. 40 u. a.

» Vgl. oben 8. 44 u. 59 f. und Dederding, Zur Charakteristik FiscbartB, Progr. Berlin 1876 8. 6- 10. Alemannia I, 113 ff.

Wackernagel 8. 107.

5 Fischart: Lob der Laute; Scheidt: Reformation, Lob und Satzung der Musika. Erich Schmidt, A. d. B. 7 8. 33.

* Scheidt vgl. oben 8. 58 und Vorrede zum Grobianus 8. 4. Für Fischart: Dederding a. a. O. 8. 12 f.

7 Vgl. oben im 2. Cap. u. Fischart in der Vorrede zum Eulen- spiegel Keiinen8weiss.

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V. CAPITEIj.

strenge Sittlichkeit und durch unbedingte Anerkennung der Heiligkeit der Ehe aus. Sie sind fromm und wahrhaft christlich gesinnt. Als Protestanten aber treten sie für Glaubensfreiheit ein, wie als Söhne unabhängiger Reichs- städte für die politische Freiheit l.

Noch spät gedachte Fischart dankbar und in Ehren seines Meisters2 und wandelte auf den Wegen, die ihm dieser gewiesen, aber schon als Jüngling wuchs er ein kraftstrotzendes Genie gewaltig über Scheidt hinaus. In den späteren Schriften Fischarts kann man unter den üppig wuchernden Gebilden seiner überreichen Phantasie jene Keime nicht mehr erkennen, die er der liebevollen Saat seines Lehrers verdankte. In den Anfängen der litterarischen Thätigkeit Fischarts aber treten die Beziehungen zu Scheidt natürlich greifbarer zu Tage. Nicht in den allerersten Werken ! Diese sind religiöse Streitschriften und persönliche Angriffe, wie sie Scheidt niemals versuchte. Aber auch hier trotz dem völlig verschiedenen Inhalt blickt Verwandtes hervor. In den Randbemerkungen zu S. Dominici Leben3 können wir dieselben mannigfaltigen Abstufungen unterscheiden wie in jenen zu Scheidts Grobianus4.

Auch Fischart setzt ausser Bibelci taten und Anspielungen auf antike Erzählungen, deutsche, lateinische und französi- sche Sprüche, ironische Bemerkungen zum Text und Schimpf- wörter an den Rand5. Einmal berührt sich die Situation der Erzählung und die Glosse mit einer Stelle in Scheidts Grobianus 6.

* Vgl. Scheidt in allen Vorreden u. Beschlüssen s. oben S. 44. für Fischart: Dederding a. a. O. S. 16 f.

2 Diese vielberufenon Stellen sind zusammen abgedruckt in Wackernagels Fischart S. 107 Anm. 232.

8 Kurz, Fischarts sämmtliche Dichtungen I.

* Vgl. oben 8. 61 f.

* Beispiele : V. 3599 f., 4460, 2379 , 3041 , 2837 ff., 2444, 2862 f. 4350 ff. usw.

6 Soheidt V. 2083 ff. Die Zecher erzählen sich allerlei, besonders S. 67 f.: 'Nauita de uentis*. Die gleiche Randbemerkung macht Fischart zu V. 3517 ff. (Geschwätz der Mönche im 'Sprachhaus').

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SCHEIDT INI) FISCIIART.

113

Doch von einer eigentlichen erkennbaren Abhängig- keit kann erst in jenen Schriften Ficharts die Rede sein, welche grobianischen Inhalts sind. Vor allem im 'Eulen- spiegel Reimensweiss', Fischarts viertem Werke das er als freie Bearbeitung des Volksbuches vom Till Eulenspiegel nach dem Erfurter Texte (1532) 2 im Jahre 1571 verfasste und vor der Fastenmesse des Jahres 1572 veröffentlichte3. Ursprünglich war diese Arbeit von Scheidt selbst geplant, der durch Dedekind (I, 4 Nr. 17) auf Eulenspiegel gewiesen wurde und der in seinem Prolog zum Grobianus neben anderen (frohen Heiligen auch den Eulenspiegel als Helfer zur Arbeit herbeiwünscht4. Scheidt wurde von wegen SchuUjescheJft rml

1 Die Reihenfolge der ersten Schriften ist nach Scherer, Zeit- schrift f. öster. Gymn. 1867 S. 476: Nachtrabe. Sekten- und Kutten- streit. S. Dominici Leben. Eulenspiogel Reimenswoisa. Lob der Laute.

» Beschrieben wird diese Erfurter Ausgabe bei Lappenberg, Murners ülenapiogel , Leipzig 1854 S. 162 ff. und Till Eulenspiogel, Halle 1884. (Braunes Neudrucke Nr. 55 u. 56) S. XVI f. Lappenbergs und Knusta Angabe, Fischart habe gerade diese AuagHbe benutzt, be- stätigt sich.

* Das Jahr 1572 steht fest nach Willers Messcatalog. Vgl. Wen- deler, Meusebach« Fischartstudien 8. 187. Weller, Annalen 2, 380. Zacher und Below , Fischarts geistliche Lieder 8. 1135. Bekräftigend treten hinzu: Fischarts eigener Ausspruch im FJöhhnz 1573 (Auagabe Halle 1877, 8. 67 V. 67 ff.) Was soll ich vom Eulenreimer melden, der vor eim Jar im Enlenhelden, den Eulenspiegel eic. und die Thatsaehe, dass Fischart, wo er in den späteren Schriften des Eulenspiegels gedenkt, immer ausdrücklich seine eigene gereimte Bearbeitung nennt (die Stellen bei Flögel, Geschichte der komischen Lilteratur 3, 374 ff.) vor dem Jahre 1572 aber überall nur das Volksbuch erwähnt. So 8. Dominici Leben V. 163*2 ff. Weist nicht, trau dich gelehret hat, der Eulenspiegel mit dem lenopff etc.

Exemplare des Fiachnrtschen Eulenspiegel sind vorhanden in Berlin, London (Brit. Museum), Wien, Zürich. Neugedruckt sind in Goedekes Deutacher Dichtung, 161 ff. die Capitel 1, 23 , 30 , 33 , 35 und 70. Der ganze Titel und dio Vorredo bei Wackernngel, Fischart 8 138 ff.

Über das Verhältnis zwischen Fischart und seiner Quelle gibt Lappenberg a. a. O. S. 186 ff. einen kurzen Bericht. Ich bospreehe hier Fischarts Umarbeitung nur insoweit diese von Scheidt abhäugig ist and behalte mir eine genauere Darstellung für einen eigenen Auf- satz vor.

* S. 12, besonders V. 53—58.

QF. lxvl 8

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V. CAIMTEL.

ernstlicherem studieren von der Ausführung dieses Planes abgehalten und bestimmte zu dieser Arbeit seinen Schüler Fischart, der sich schon mit dem Eulenspiegel beschäftigt hatte 1 .

Mit dem Plane hat Fischart auch Ideen zu dessen Ausführung von seinem Meister übernommen. Gleich die abred an die Eulenspiegler erinnert an Scheidts Vorrede zum Grobianus, wenn sie auch die letztere an Umfang und ge- drängtem Gedankenreichthum, sowie durch eine Fülle von Anspielungen und Witzen übertrifft. Wie Scheidt bekennt er in grosser Bescheidenheit, er habe sich erst an die Arbeit gewagt, als andere daran verhindert wurden und Freunde und Gönner ihn dazu gedrängt hätten ; er berichtet dann über den Grund, warum er das Original umgearbeitet und über die Art und Weise, wie er dies gethan habe2, und entwickelt gleich Scheidt mit vielen Citaten aus den clas- sischen Autoren das moralische Programm seines Werkes : Durch Scherz will er belehren, denn Ist es nicht angenemer, ermant werden mit sehertzen, dann mit schmertzen? Viut mit süsse, dann mit hüssen? Die heutige Welt vertrage weder Tadel noch Strafe; was bleibe übrig dann daß man jr in schimpf}' auch die warheit sage, rmul jren durch ein Prill oder Spiegel zeige t was sie für ein schalckhafft ver- schmitztes Jünckerhin sege3. Mit seinem Eulenspiegel hat er sich vorgenommen die Welt nicht nur zu ergötzen, sondern er will ihr zugleich mit dem ergetzen, dest süsser das gute einsehwetzen , daß jren mit dem spotten vnd sehertzen, die lasier desto mehr giengen zu hertzen4. Eine grobe Darstellung konnte der Verfasser nicht vermeiden, es freut ihn aber, dass dennoch im Eulenspiegel kein Jio- cacische Sehandparkeit, rnd vnzimliche Jlulereg fürfallet oder

« Vgl. Anm. 3 zu 8. 113.

2 B>i Wackornagel a. a. O. 8. 130 u. 144.

" Wack©rniiff»'l S. 140 f.

4 Ebenda S. 143. Vgl. Scheidts Vorrede S. ö. mder dem schein eines aussen fmlrerlins , auch (ins bitter zu jretn nütz rnd fhsundheit einbringen u. 8. 7 damit das se wisch rolck beij Zeiten ein spieyel het, darin es sich besehen mSrht.

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sCHKiriT INI» Kl SCHAUT.

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gefunden trirdt, dar mit man doch heut alle Bücher, so kurz- weilig heissen sollen, spicket vnd füllet \ Ähnliche Gedanken spricht in der gereimten Vorrede der Eulenspiegel zum Leser aus. Nachdem er sich auf seinen Pegasischen Esel geschwungen, bietet er statt des Schildes jedem schalck zu einem trutz. Den Spiegel, daß er sich drinn mutz. Da treiser raht gar nichts erschießt , Auch schärpffe nur die leut ver- drießt, so versucht er's auf umgekehrtem Wege : Dann durch sj>ott vnd ergetzlichkeit. Bringt man zur Weißheit offt die leut.

Von dieser sittlichen Tendenz, die Fischart nicht nur in der Vorrede ankündigt, sondern in der Darstellung wirk- lich überall zur Geltung bringt -, ist im Volksbuch vom Till Eulenspiegel keine Spur vorhanden. Hier war es die aus- gesprochene Absicht des Sammlers nur: ein jrölich gemüt zu machen in schweren Zeiten* vnd die lesenden vnd zuhören- den mögen gute kurtzweUige fröden vnd schtcvnck daruß fabu- lieren*. Ausser an dieser lehrhaften Tendenz lässt sich in Fischarts Eulenspiegel die Schule Scheidts noch aneinergrund- sätzlichen Änderung der ganzen Darstellung erkennen, die schwerer ins Gewicht fallt, als all die zahlreichen inhalt- lichen Zusätze. Im Volksbuche werden nämlich das Leben und die Thaten des Eulenspiegel vollkommen objectiv er- zählt. Nirgends tritt der Autor hervor, nirgends eine Be- ziehung zwischen diesem und dem Melden. Ganz anders bei Fischart, der den Eulenspiegel, wie es schon Scheidt beabsichtigte, dem Gr ob i an o gleichmessig4 behandelte; das heisst das Verhältnis zwischen Fischart und Till Eulen-

* Waekernagcl 8. 145.

2 In zahlreich«!) Aussprüchen allgemeiner Lebensweisheit oder geiner persönlichen Ansichten und Erfahrungen entwickelt er Rein,, strenge moralische Überzeugung. Am Sellins* eines Cupitels gibt er gewöhnlich dessen Moral in nuce. Seine grosse satirische Kraft, die er in den ersten Schriften im Kampfe gegen die katholische Geistlich- keit übte, bewährt er jetzt gegen alle Stände: Juristen, Gelohrte, Hofraänner, Kaufleute usw. Hier fehlt mir der Raum, dies weiter auszufuhren.

3 Till Eulenspiegcl , Halle 1885 (Braunes Neudruck Nr. 55 und 56) S. 3.

Wackernagel S. VM

8*

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V. CAWTKI,.

spiegel entspricht hier völlig demjenigen zwischen dem Meister Grrobianus und dessen gelehrigem Schüler bei Scheidt. Der Verfasser tritt hier mit starker Subjectivität hervor, er spricht den Leser an, verweist auf frühere Theile seines Werkes1 und unterhält vor allem dauernden Verkehr mit seinem Helden. Der Verfasser betrachtet den Eulenspiegel als seinen Schützling, er ermahnt und belehrt ihn, treibt ihn an oder warnt ihn. Er rühmt oder tadelt dessen Thaten, gar zu grobe Streiche begründet und entschuldigt er dem Leser gegenüber zuweilen mit wörtlichen Anklängen an Scheidt. Mein Tyll, mein Eulenspiegel, mein guter Eulen- traber 212\ meinem alten künden Tyll 284\ mein kumlt 88a, 120b, vnserem armen Eulenknaben 287'' usw., so spricht er ihn an, so redet er von ihm. Unabhängig vom Erfurter Texte bildet Fischart Sätze, in denen er sein Urtheil fällt: Z. B. Eulenspiegel hat Brot gestohlen, Fischart 15" Biß war sein aller ei'ste prob Vnd war fürwar schier allzu grob und setzt die Ermahnung hinzu : Doch wolt ich Eulenspiegel </*>, Auch ratheny daß nit für vnd für, Mit diesen groben bossen kernst, Das nit ein böses end mol nemst2 und ferner 16": Drumb dich mein Eulenspiegel hüt, Der bossen wird man sehr baldt müd. Er tröstet den Till, als ihn die Arzte mit ihrem Hass verfolgen 42a: Drumb laß dich mein Tyl nicht er- schrecken, Vnder Doctor find man auch geckm usw. Fischart betont aber auch bei sonstigen Streichen, dass sich Eulen- spiegel damit bei anderen Dank verdiene oder sich selbst einen Vortheil errungen habe. So 183b, Eulenspiegel spielt seinem Herrn als Koch einen tollen Possen; dies that er den Gästen zu Liebe: Daß sie auch was zu lachen hetten'\

1 Z. B. Blatt 8b. Zum Leser: Aber nun hf/rt ein (/rossen scheid. Die gleichen Zusätze fügt Scheidt zu Pt-dckinds Text hinzu z. B. V. 3445 Nun hurt, wie sich mgluck zütregt. Aul ein I ruh eres Capitel verweist Fisehart z B. Bl. 171*: Zu Erfurt war Eulenspiegel gut be- kannt, weil er dasolbst ein groben Esel lesen lehrt.

2 Scheidt V. 616 Das wer zu grob vnd stund nit wol. V. 2833 Vnd ist fürwar schier gar zu grob.

3 Bei Scheidt sehr häufig: Treibe Possen, V. 600 Vnd werden alle gest dein lachen. V. 1245 So lachen dein die nachpanrn all. V. 3052 So lachen alle disch genossen. V. 2884 Daß man zu lachen vberkumb.

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SCHK1DT t Nl) FISCH AKT.

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Vnd nil von ärgern suchen redten. Oder 36b Durch einen derben Spass gewinnt er einem Pfaffen eine Tonne Bier ab; Fischart fügt hinzu: Secht wie er jm solch schleckere So fein kan nützlich wachen frey Eulenspiegel erhält wegen seiner geheuchelten Frömmigkeit grosse Geschenke ; Fischart 65*: Secht. wo die ein fall kommet hin, Was ist dar- bey nur für gewinn? Da Eulenspiegel die Menschen mit Benutzung ihrer eigenen Geldgier betrügt, ruft Fischart aus 287b: Das ist ein rechtes Meisterstück2 Zu zeigen der Welt jre tück und sie bei der Nase herumzuführen, weil Reich- thumb fr Heiligthumb ist. Oder 10' : 0 Eulenspiegel es gfalt mir recht. Daß du nit so erschrickest schlecht wenn dir der erste Streich misslingt, sondern dass du weitere Versuche anstellst. Was Eulenspiegel trieb 4* das stund jm so visier- lieh an, oder Fischart bezeichnet es 69* als ein visierlich that3. Aber in der Senfgeschichte treibt es ihm Till zu arg und er fahrt ihn an 26*: Pfu dich du grosser vnflat jriß jn . . man möcht schier kotzen für cnglust. Oder Fischart klagt ein ander Mal 4b: 0 Eulenspiegel es ist schad, Daß man die Rut gespar et hat.

Mit regem Interesse erfüllt Fischart auch das innere Leben und die Charakterentwicklung seines Helden. Zu- weilen kurze Andeutungen der Quelle benutzend, meist aber ganz frei von dieser, führt Fischart genau aus, was Till vor oder nach jedem Streich sich denkt, seine Angst und seine Freude, seine Pläne und Absichten, gibt Übergänge von einem Streich zum anderen, innere Erklärungen für den häufigen Berufswechsel des Helden. Meist verlässt Eulenspiegel seinen Dienst und den Aufenthaltsort, wenn Strafe und Gefahr droht. In mannigfaltiger Weise spricht er an den verschiedenen Stellen diesen Entschluss der Flucht

1 Scheidt V. 4Ö42 ff. Daß du auch wißt was guts drauß kumb, . . Wann man sich grob vnd vngschickt helt V. 2529 Nu lüg was das (seil, eine Grobheit) für nutzung bring.

2 Scheidt V. 889 Das ist ein sonder adlich stück. Randbe- merkung 8. 34 Ein meisterstück eines vnflats.

8 Scheidt V. 1862 Wann du dich so visierlich steht. V. 2562 Vnd treibt visierlich äffen spiel.

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118 V. CA FIT KL.

aus z. B. 77*: Sand Veltens leyden wird dich bscheissen, Nun ist zeit warlich außzureissen ; 87b: Sie wurden mir den Beltz sonst weschen usw. Kommt er davon, so fügt Fischart noch hinzu 27b: So mocht er seiner Lenden schonen1 oder 70b: Von glück ich nun wol sagen muß. Gelingt ihm das Spiel, dann denkt sich Till selbst, er müsse es noch einmal wagen 171b: Dess guten thut man nicht zuviel. Oder 18b: Er dachte auff all weiß vnd weg, wie er sich rächen sollte, bis er fand letzlich diesen fund, Der jetzund folget zu der stund. Fischart erklärt meist gleich zu Beginn der Capitel, wie Eulenspiegel in die neue Situation hineingerieth. So Cap. 27 (Hist. 28 des Volksbuchs): Teglich nahm Eulenspiegel zu, An kunst vnd schalckheit, die er thu, Das Mahlen ist jm wol abgangen, Der- haWen hett er Jetzt verlangen, Versuchen, wie studieren thet, Wann man mit den Gelehrten redt usw.2.

Eulenspiegel ist unter den Händen Fischarts ein echter Grobianer worden. Unflätig war er vom Hause aus, aber jetzt nähert er sich durch seine eigennützigen Ausreden, sowie durch seine fortwährend ausgesprochene Freude an Speise und Trank auch äusserlich dem Helden Dedekind- Scheidts. Z. B. 23b Eulenspiegel sieht, dass es noch finster ist, da denkt er sich, jetzt magstu schlaffen auch mit fug . . Daß jn eine grosse Sund bedaucht, Daß er solt wachen in der nacht, Die doch zu schlafen wer gemacht* oder 15 lb der Kürschnermeister macht Till Vorwürfe wegen seines ungebührlichen Benehmens, dieser antwortet: Wie thut jr so , sprach Eulenspiegel , Ich hob am Furtz noch Zaum , noch Ziegel, Daß ich's anbindt vnd halte4.

* Scheidt V. 3963 f. So müssen* da . . frer lenden fürchten sehr

U. 80119t.

2 Die längsten Erweiterungen widmet Fischart seinem Helden in dun letzten Capitelu Bl. 273* ff. Hier schildert er die letzte Krank- hoit und den Tod Eulenapiegels mit vielen sinnigen Aussprüchen, treffenden Wortspielen und Witzen.

3 Vgl. Scheidts langero Ausführung V. 2395 2422. Besonders V. 2419 f. Vnd schliß mit rhu on sorgen hin, Biß dir die Sonn in d\tugen schein.

4 Vgl. Scheidt V. 960 ff. Wolt aber jimandt dich drumb straffen . . Sprich, es ist nicht in meinem gwalt, Daß ich die fürtz in henden halt.

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SCHEIDT UND FISCHAKT.

119

Fischarts Eulen spiegel trinkt noch viel öfter und mehr als der des Volksbuches. Er ist immer der erste voll und thut mit Freuden Bescheid, so 191" Ein trincklein ist mir nicht erleidt. Seine Erwägungen sind natürlich auch auf diesem Gebiet ganz grobianischer Natur. Im besten Essen denkt er sich 194ü: Ich kan nit auff der Post so fressen, Ich muß auch vor ein trünklin holen1 Der Anblick von Speisen er- regt seinen grössten Appetit (29*) und im Fressen steht er seinem Vorbilde durchaus nicht nach 96" : Vnd frasse dapffer weidlich gnug, Mit Handvoll er zum Maid zutrug, Er dacht du teilt das Gelt gewinnen, Mit fressen wilt kein seiden spinnen. Er hats auch Ritterlich bewissen, Es weich kaum ein dem andern bissen. Er fuhr so weidlich da zu loch*, Daß man nit viel vom Tisch meh brocht. Dazu hat er tapffer auch gesoffen, Daß jm der Bauch ist auffgelojfm. Ähnlich an zahlreichen andern Stellen. Zuweilen, wenn sich Fischart über die allgemeinen Zustände seiner Zeit auslässt, verfällt er in den Ton der Trinklitteratur. So z. B. 178": Die Leute werden krank und brauchen Brillen, Weil sie sich gar vngmässig halten, In sauffen . . Sie fressen sich tod, doli vnd blind . . Vnd vberschütten gar das Hirn, Saufen die Augen auß der Stirn, Bekommen zittrecht Köpff vnd Glieder, Groß rote Nasen hin vnd wider. Er spricht vom vollen Orden 179* den vollen Brüdern 245b und klagt patriotisch, 158": Vns Teutschen fdlts Gelt durch den Bauch. Von allen Fressgelagen entwirft Fischart eine genaue Schilderung, ebenso gut wie von sämmtlichen unappetitlichen Situationen,

Grobianixcho Ausreden gebraucht Fiscbart auch für andere Personen: 2b Die Leute gingen in ein Wirthshaus, es war sehr heiss. So mußten sie ja Labung suchen. Wer wolle darumb jnen fluchen?

» Vgl. Scheidt Y. 2897 ff. Vnd ob die speiß dir wer zu dürr . . So trink darzwischen offt vnd dick, bo fleußt hinab manch großes stück u. a.

2 Vgl. Scheidt hat an mehreren Stellen, ähnlicho Schilderungen z. B. V. 694 ff. besonders V. 698 Vnd also bald zu loch mit far; Das . . kompt dem bauch vnd »tagen tcol. Oder V. 3293 ff. Schlucke nur grosse Stücke herab, denn V. 3296 Dein mxitter spann dich nit auß seiden usw. Ähnlich V. 531.

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V CAPITEI..

die in der Quelle nur flüchtig skizzirt sind. So von den Blähungen und Absonderungen des Magens (151b, 68b, 224* u. a.). Und gut grobianiseh sagt Fischart bei einem höchst unflätigen Streich 68*: Es war schad Eulenspiegel jmmer, Daß nicht da war das Frauenzimmer. Ein ander Mal ver- pestet Eulenspiegel die Luft 226*; der Verdacht fällt zuerst auf die Hunde, dann auf die Kinder, schliesslich auf die Frauen: die man auch darumb an wolt schauen. Das kein wunder gewesen ist, Es iver vor angst jn was entwischt.

Zu den erwähnten Beziehungen zwischen Fischart und Scheidt treten noch einige wörtliche Übereinstimmungen. Fischart beschliesst seine zweite gereimte Vorrede auf den Eulenspiegel mit den Worten Es butz die Naaß wers fiSren mag. Ähnlich Scheidt, auch am Schluss seiner gereimten Vorrede V. 115 f. wer hören will, Der butz die naß vnd schweig fein still. Fischart 248*: Holländer haben einen Magen wie Sträuß die Eysen tragen. Scheidts Randbemerkung S. 65 Verddwcn ein hüffeisen wie ein Strauß l. F. V. 105b Till zum Wirt: Sag ich euch drumb Grand meng. Sch. V. 746 Sag jm kein Grammer cy darumb. Fischart erwähnt auch Dietrich von Bern 68b2, den heiligen Grillus 90* 3 und thoilt mit Scheidt die gleichen landläufigen Redensarten4.

Die dichterische Rede Fischarts steht weit hinter seiner virtuosen Prosa zurück5. Fischart betheiligt sich gar nicht an der Opitz zustrebenden Reform, zeigt keine metrischen Feinheiten und öfters bei klingendem Ausgang unreine Reime. Trotzdem zeichnen sich seine Verse vordem hölzernen Geklapper der übrigen Reimpaare des XVI. Jahr- hunderts vortheilhaft aus6. Er verhindert häufig durch eine geschickte Anwendung der Synkope die naturwidrige Be- tonung tonloser Silben, lässt die stumpfen Reime mit zahl-

> Wickram, Loosbuch 1539. E 3b. 2 Scheidt V. 2259. « V. 4947.

4 8iehe unten 8. 128.

5 Jacob Grimma ürtheil vgl. Wendelor, Meusebachs Fischart- studien 8. 310. Gervinus, Gesch. d. d. D. 3* 192 ff.

6 Vilmar, Ersen u. Grubor Encyklopftdie 1, 51 8. 169 ff. Diesen berichtigend Erich Schmidt, A. d. B. 7, 44.

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SCHEIDT UND FISCHAKT.

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reichen klingenden abwechseln und schreitet bei Vermeidung aller Flickwörter und Füllsel rasch und lebhaft vorwärts. Alle diese Vorzüge zeigt schon Scheidts Metrik: Sie zeigt, wo man den Grobianus aufschlägt, mit Hilfe der Synkope eine vernünftige Betonung \ klingende Keime, nirgends eine schwerfällige und unbehilfliche Breite. Auch den Dreireim, den nach Hans Sachs und anderer Vorbild manche zeit- genössische Dichter zum Abschluss der Acte und gewisser Abschnitte verwenden-, gebrauchen Scheidt und Fischart häufig am Schlüsse der CapiteR

Im Jahre 1573 behandelte Fischart wieder ein gro- bianisches Thema im 'Flöhhaz', zeigt aber hior ausser einer wörtlichen Übereinstimmung keine engere Beziehung zu Scheidt4. In dieser Zeit schrieb er vielleicht, auch durch seines Lehrers Flugblätter veranlasst, eine 'Volleseuord- nung 5.

Endlich ist der Grobianus auch ein Vorläufer von Fischarts Geschichtklitterung0. Schon das Original, Rabelais' Gargantua,^ stellt das Urbild aristokratischer Schlemmeroi jener Zeit dar. Fischart aber hat in seiner freien Übertragung und in den überreichen Vermehrungen das grobianische Ele- ment dieses Fürstenbildes sehr verstärkt. Des Vaters Grand- goschier Appetit, seine Thesen und Beweisführungen 7 würden auch dem Helden Dedekind-Scheidts alle Ehre machen. Auch citirt und erwähnt Fischart öfters Scheidts

1 z. U. V. 225 ff. Auch edel gstein , vnd perlin <jut , Daß tnans an d'nu8en he ticken thüt. Solch yiit hat 'dir das glück nit bschert, lirumb hör was zu deiner nasen Jiört usw.

2 Kachel , Heimbrechung und Dreireim im Drama de» Hans Sachs etc. Progr. Freiberg 1870.

3 Im Eulenapiegol Reimonsweiss 15 mal, im Grobianus 7 mal.

Fischarts Flöhhaz. Neudruok, Halle 1877 V. 1283 f. und Sohoidt V. 73 f.

5 8trauch, Viorteljahrschrift f. Lg. 1, 97. « Gervinus 31, 202.

' Fischarts Geschichtklitterung. Neudruok, Halle 1886. S. 69—73. ö. 60-62. 8. 76-87. 8. 57, 59, 82.

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V. CAPITEL

Grobianus1, verwendet die gleichen Redensarten* und er- weist eine nähere Verwandtschaft mit dieser Schrift in seinem achten Capitel, der Trunkenlitanei.

F1SCHARTS TRUNKES LITANEI.

Fischarts Trunkenlitanei bildet den Gipfelpunct aller Darstellungen wüster Gelage. Mit unnachahmlicher Meister- schaft hat Fischart in diesem Capitel der Gesehichtklitterung den tatsächlichen Verlauf einer Kneipe festgehalten, dem Charakter einer geisselnden Satire gemäss alles Derbe und Gemeine stark aufgetragen, doch in allen Einzelheiten des Bildes das wirkliche Leben nachgezeichnet. Neben der treuen Beobachtung seiner Umgebung flössen ihm noch ältere und jüngere litterarische Quellen, die ihm sowohl fin- den ganzen Aufbau und den Gang der Handlung, als auch für die reichlich mitgetheilten Gespräche, Spottreden, Sprüche und Schlemmerlieder Vorbilder und Fundgruben waren. Bereits die älteste Kneipschilderung in der 'Wiener Meehrfahrt' (1254-1283) enthält im Keim alle Motive und Mittel zur Darstellung eines Saufgelages. Hier schon die mannigfaltigen, aber in typische Unterabtheilungen ge- gliederten Unarten und Thorheiten der Berauschten, ihre tollen Gespräche und Prahlereien, die allmähliche Steigerung aus den Anfängen harmloser Freude bis zu dem lärmenden, eklen Ende mit allgemeiner sinnloser Verwirrung und den unheilvollen Wirkungen des schweren Rausches. Hugo von Trimberg, der in seinem Renner die Fabel der Wiener Meerfahrt aufnimmt (V. 10210 ff.) überbietet in drastischen Häufungen die Kneipdarstellung der letzteren und verzeichnet in langer Reihe die verschiedenartigen Thaten der Be- zechten. Den Mittelpunct von Wittenweilers 'Ring* (vor 1453)

1 S. 25 und sohroibt hier aus dem Grobianus ab : V. 95 f. V. 105-108. V. 111—114. Ferner Cap. 24. (Schoiblos Kloster 8, 296.) Des Grobians zwölf Tafeln. Cap. 43. (Scheible S. 405) Anspielung auf Scheidt V. 223—231.

* Wackernage) 8. 56. Anm. 125, ausserdem Scheidt V. 3949 u. 3951 gloich Geschichtklitterung Cap. 43 S. 462 u. unten S. 128.

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KIHCHAKTtt TKt/NKENLITANEI

123

bildet eine Bauernhochzeit1, auf der im ausgesprochenen Gegensätze zu den Regeln der Tischzucht gegessen und ge- trunken wird. Keiner wäscht sich vor dem Mahle die Hände, jeder hält das Brod heim Schneiden an die Brust, lässt Speise vom Mund in die Schüssel triefen , erfasst den Krug mit beiden Händen, schlürft aus den Schüsseln und legt sich mit den Ellenbogen auf den Tisch. Die Gäste trinken, bis es ihnen an Athem gebricht, bis die Augen übergehen , die Ohren niederhangen und der Gürtel platzt. Sie verlangen vom Wirth immer weitere Getränke, indem sie sich dabei auf ärztliche Vorschriften oder auf volks- tümliche Redensarten berufen; sie erlauben sich mit einer von Gang zu Gang wachsenden Roheit immer derbere Scherze, immer unanständigere Gebärden, bis die Witze und Hohnreden in eine allgemeine Prügelei ausarten. In Brants Narrenschiff liefert der Holzschnitt zum 16. Capitel einige Wirthshaustypen : ein Feinschmecker der schmunzelnd einen ganzen Schinken zum Munde führt, ein renommistischer Biersäufer der ein ganzes Glas geleert hat und einen schwächeren Trinker zum Bescheid zwingt, ein anderer der nach der Kanne greift weil ihm das Glas zu klein ist, ein Schwärmer der in die Luft hinein declamirt, ein Mürrischer der im Hintergrunde dem ganzen Treiben zu- sieht2. Und im 72. Capitel taucht mitten in den Witz- reden das neue Evangelium der deutschen Schlemmer das epicureische post mortem nulla voluptas auf. V. 76 ff. nach dem strafenden Bibelwort: Lasst uns fröhlich sein und prassen, dieweil wir noch leben, nach dem Tode gibt es keine Freude mehr; niemand hat uns noch von Hölle und Himmel erzählt, der dort gewesen wäre.

Im XVI. Jahrhundert waren Saufgelage der gewöhn- lichste Zeitvertreib in vielen Kreisen. Starke Anspan- nung der körperlichen und geistigen Kräfte verlockte die Menschen zu ausserordentlichen Genüssen; ausserdem suchten breite Schichten des Volkes, deren Gut und Blut

* ed. Bechstein, Stuttgart 1851. Litt. Verein Nr. 23 V. 34d— 38°. 2 Zarncke S. LI Anni. 1.

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V. CAPITEL.

durch die dauernde Unsicherheit der Verhältnisse, stete Kämpfe und ansteckendo Krankheiten jeden Augenblick ge- fährdet oder verderbt wurde, ihre Sorgen und Qualen bei den Scherzen zügelloser Kneipgenossen und bei den Phantasiegebilden, die der Rausch erzeugte, auf Stunden zu vergessen. Zahlreiche volksthümliche Schlemmerlieder hul- digen dieser Richtung. Sie besingen den Genuss des Augen- blicks, verklären dichterisch die Armuth und preisen den Leichtsinn. Sie begrüssen den Wein als Buhlen und lieben Freund und lassen ihn mit reicher Einbildungskraft in den verschiedensten Gestalten auftreten. Sie schildern in rea- listischer Zeichnung das Treiben der Zecher, wie sie einander zutrinken, den Rundtrunk um den Tisch senden, Saufturniere abhalten und den Wirth hohnnecken.

Aber auch die Lehrdichter, als Gegner der Trunksucht schildern Gelage. Sie warnen vor diesem Laster nicht nur durch die Darstellung seiner schädlichen, vernichtenden Folgen für Seele und Leib, sondern auch durch die abschreckende Schilderung des lächerlichen und widerlichen Verlaufs einer Kneipe und der mannigfaltigen Wirkungen des Rausches auf verschieden geartete Personen. Die Erfurter Scherz- rede, Franck (Von dem Laster der Trunkenheit) Friederich (Wider den Saufteufel) und von diesen abhängig Obsopöus (De arte bibendi), Nigrinus (Wider die Bacchanten), Scheidt in seinem ersten Flugblatt und im Grobianus 1. Buch Cap. 8., Dedekind in der zweiten Fassung des Grobianus III, 2 und andere entwerfen zusammenhängende Bilder vom Treiben der Schlemmer. Auf der Kneipe, so erzählen sie, werden Halbe und Ganze vorgetrunken nicht nur aus Gläsern und Bechern, auch aus Kannen und Kübeln, aus Küchengeschirren, Stiefeln und Hüten, ja oft aus den unsaubersten Gefässen \ Wer im Bescheidthun säumig ist, den trifft unbarmherzige Verhöhnung. Die Sauglocke wird geläutet2, die Zecher

1 Friederich 2. ed. N 3. Dedekind , Grobianus , 2. Ausgabe III, 2. Albertinus, Der Landstärtzer Guaman 1615 S. 472.

a Franck C 4. Obsopöus E 4b. Dedekind a. a. 0. Brant, Narren- schiff 72, V. 9 u. 21.

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FISCH ART8 TRÜNKENLITANKI. 125

fluchen und schwören, plaudern das Geheimste aus und ver- breiten ihre eigene Schande. Andere hinwiederum lügen, dass sich die Balken biegen, rühmen ihre Weiber und Kinder, prahlen mit ihren tapfern Kriegsthaten \ erzählen von fernen Landen, wundersamen Menschen und kühnen Rittern. Viele fangen Streit und Hader an, andere springen toll umher wie Affen oder beweinen ihr 'trunken Elend'2; etliche fressen Kerzen und Gläser, die Ärgsten entblössen sich zum Gelächter der Genossen, machen ein 'Hof recht für die Hunde und singen die 'Trunken Metten* , dass lange Noten zu Boden fallen 3. Jeder wird zum Trinken genöthigt: aut bibat aut abeat', mit den Wölfen muss man heulen. So geschieht's, dass mancher unter der Bank liegen bleibt oder auf dem Heim- weg Rock und Mütze verliert. Am nächsten Morgen richten sie durch Branntwein ihre schmerzenden, wirren Köpfe wieder ein und rühmen einander, wie sie am Abend vorher 'das Rädlein fröhlich herumgehen Hessen' und alle anderen darniedersoffen4. Hat die Besinnungslosigkeit und Verkommenheit der Zecher den ärgsten Grad erreicht, so werden freche Scherze über heilige Dinge laut, die Be- rauschten beginnen zuerst von der heiligen Schrift zu reden, erheben Zweifel an Christi Gesetz und Gnade, schwören und fluchen bei Gottes Leiden, beschimpfen die Priester, läugnen die Höllenstrafen und lästern Gott5.

Was diese und verwandte Kneipschilderungcn an Mo- tiven darbieten und alle Mittel wirksamer Darstellung, die sie versuchen, hat Fischart in seiner Trunkenlitanei ausgeführt, aufgehäuft und überboten. Aber ohne epische Beschreibung! Er gibt uns nur eine verwirrende Fülle von Witzreden und

1 Franok u. Obsopüus ebenda. »Scheidt, Grobianus S. 67.

2 Scheidt I V. 34. Frnnck K 4b. Schertlin bei Strauch S. 89. V. 9 ff.

8 Franck , Obaopöus a. a. O. Friederich 2. ed. N 3. f. Scheidt, Orobianus S. 37 f.

* Obsopöus F. Friederich 2. ed. 0 2. Nigrinus S. 40 ff. u. a.

5 Obsopöus B 2. K 3b. Zarncke, Deutsche Universitäten im MA. S. 121. Pauli, Schimpf und Ernst 8. 183 Nr. 280. Albertinus, De con- vjvii« etc. S. 27b.

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126

V. CA ITTEL.

Tischgesprächen verschieden gearteter Zecher, Schlemmer- liedlein, Citate, Wortspiele, Redensarten und Anspielungen auf die Zustände und Misbräuche der Zeit und zwar mit solchem Geschick verwerthet, mit solch folgerichtiger Steigerung zum Drastischen hin, mit so vollendeter Rea- listik und Anschaulichkeit, dass uns aus den gedruckten Zeilen förmlich der jauchzende Chor der Kneipsänger, das Geschrei der Bezechten, der betäubende Lärm der vorge- schrittenen Stunde entgegentönt. Natürlich hat Fischart hier auch das entsprechende (5.) Capitel Rabelais' benutzt *. Gleich im Beginn: die Aufzählung der verschiedenen Trink- geschirre, die Rufe nach neuem Wein, die Aufforderung vom Trinken zu parlieren. Aber wie dürftig erscheint Rabelais' Darstellung gegenüber dem üppigen Reichthum Fischarts, der für jeden Begriff, für jede Redensart des Originals bis zum Übermass synonyme Ausdrücke und deutsche Sprichwörter aufeinanderhäuft. Der Rundgesang hebt bei Fischart immer wieder von neuem an. Und an den Wortlaut der mitgetheilten volkstümlichen Lieder schliessen sich scherzhafte Wechselreden an. Ein Lied wird parodirt, das andre gibt Anlass zu Schimpfnamen,. Bei- fallsbezeigungen oder Hohnreden. Der Wirth und die Wirthin mengen sich in das Gespräch. Kleine Gruppen rücken zu Trink- und Würfelspielen zusammen. Schwänke, gelehrte Anekdoten werden vorgebracht, lateinische Verse citirt bis wieder ein kerniges Lied dieses Tintendeutsch unter- bricht. Wein und Bier messen in Strömen und steigen den Kneipanten gewaltig zu Kopfe. Die Gespräche drehen sich bald nur noch um das Trinken. Wer viel verträgt wird gerühmt, der Mässige verhöhnt. Für neue Züge werden die albernsten Gründe erdacht. Den Grazien zu Ehren wird dreimal getrunken, auf die Musen neunmal. Mit viel gro- teskeren Kosenamen als in den Weingrüssen wird dem edlen Nass geschmeichelt. Aber auch von seinen unan- genehmen Wirkungen auf dem Heimweg und am Morgen, von

1 Vgl. Ganghofer, Fischart u. seine Verdeutschung des Rabelais. Mflnchen 1881. S. 27-37.

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FISCHARTS TR U N KEN L1TA N EI .

127

der Gardinenpredigt der Hausfrau ist die Rede. Die üblen Nachwehen stellen sich bald ein, dem Sodbrennen und Rülpsen folgt St. Urbans Flage, dass die Noten klafterlang zur Erde fallen und vom Hausknecht ausgekehrt werden1 (S. 147). Und wie Rabelais die Zecher gotteslästerliche Witze reissen lässt: In meinem Mund ist Gottes Wort, Sitio, ich dürste usw., so unterhalten sich auch die Be- rauschten bei Fischart (S. 146 und 150) über Himmel und Hölle und parodiren die Dreieinigkeit: Das walt sie der V atter Der Son trinckt ; das walt sie der Teufel. Die all- gemeine Verwirrung und Besinnungslosigkeit hat den höchsten Grad erreicht, hie und da erhebt sich ein heftiger Wort- wechsel oder eine Prügelei. Die Gespräche werden immer unverständiger und unflätiger, die Lieder immer unge- reimter; die dreistesten Vergleiche, die krausesten Ideen, Philosophie, altdeutsche Heldensage, Schlaraffenland, Worte in fremden Sprachen, die obscönsten Witze, die tollsten Laute, das alles tönt und schwirrt durcheinander, bis end- lich auch die tapfersten Zecher unter dem Tische liegen bleiben oder mit Mühe und Noth heimwärts taumeln.

Trotz Fischarts umfassender Kenntnis der heimath- lichen Zustände, der volksthümlichen Lieder, Redensarten, Trinkregeln usw. ist anzunehmen, dass dieser für manche seiner Zusammenstellungen ältere Compendien, die uns noch unbekannt sind, unmittelbar benutzt hat. Sicher ist nur, dass er die Erfurter Scherzrede De generibus ebriosorum stellenweise ausgeschrieben hat - und dass mehrere seiner

Vgl. darüber oben S. 22 u 125 Anni. 3, Friedend), Saufteufel 2. ed. N 3b Das er anfehet die truncken Metten mit den langen Nolten zu singen. Scheidt V. 1018 tnd singst mit dicken notten und Kaiidbem. S. 37 Nr. 0. Wickram, Irreitend Hilter S. LV1 /darinnen sie die resper xangen, Das an den wenden bliben hangen, Die nofhen. Ähnlich Uell- bach 13 lb Saiten klingen.

2 Die Zusammensetzungen mit Löffel (Fischarts Trunkenlitanei, Neudruck S. 131) ist sicher angeregt durch die allerdings kürzere Reihe in De generibus ebriosorum (Zarnckc, Die deutschen Uni- versitäten im Mittelalter S. 124) : leßehneiiler sewlejfel, genßleffel usw. Ferner Fischart S. 142 Z. 9 Ede bibe lüde usw. besonders aber von Z. 21 ab Nun ist bibendum, nun pede libero . . . stimmt nahezu

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12S

V. CAI'ITRL.

Liederanfänge, Sprichwörter und Kneipwitze J sich auch in älteren Schriften der Trinklitteratur z. B. in Bocks 'Der vollen Brüder orden 1 dann in Lindeners Katzipori2 und in Scheidts Grobianus vorfinden.

Abgesehen von den Motiven, die allen Kneipschilde- rungen gemeinsam sind, zeigt Fischart noch weitere Be- ziehungen zu Scheidt. Er führt ähnliche Gespräche mit dem Tischjungen aus, erzählt von den Hunden, die sich in der Kneipstube ungebührlich benehmen 8, erwähnt den Rath der Ärzte sich zweimal im Monat zu besaufen und Ähn- liches4, verwendet dieselben Trinkregeln5 und anj vielen Stellen dieselben Redensarten c\

Noch in den jüngeren Werken Fischarts sind, aller- dings nur spärlich verstreut, einzelne Spuren des Grobianus zu entdecken7.

Aber auch durch seine 'Lobrede von wegen des Meyen* geht Scheidt in mehreren Puncten seinem Schüler voran. Eine in der Lobrede kurz angedeutete Skizze vom Krieg der Weiber mit den Flöhen gehört mit zu der Vorgeschichte

wörtlich mit DGE 8. 121 Z. 4 ff. überein. Dann citirt DGE den An- fang des Liedes; Kein besser freud auß Erden. Fischart schreibt das Lied bis zu Ende auf, kommt aber S. 143 Z. 26 mit der Erwähnung des Schlaraffenlandes wieder zu den Ausführungen von DGE zurück. Die Redensart bei Fischart S. 140 Z. 23 f., die Schimpfname« Z. 15 f. u. ähnliches finden wir auch bei DGE S. 124 f.

Fischart S. 125 Z. 7 f. S. 141 Z. 21 f. und noch einmal S. 140. Z. 15 f. stimmt überein mit Bock A4 und D3 (Strauch S. 95).

» Fischart S. 141 Z. 1 und 8. 135 Z. 18 berührt sich mit Lin- deners Katzipori Nr. 78 und S. 188.

s Fischart 8. 130. Scheidt 8. 51. S. 8G f. u. a.

F. 8. 135. Z. 1. 8ch. V. 1010 ff. - F. S. 149. Z. 9 ff. 8ch. V. 2927 ff. » F. 8. 148. Z. 29 ff. Sch. V. 2357 ff.

6 F. 8. 126. Z. 24. Sch. V. 1557. - F. 8. 128 Z. 5 f. Sch. Rand- bem. 8. 58. F. 8. 129 Z. 11 f. Sch. Randbem. 8. 32. F. S. 140. S. 23. Soh. V. 1569. - F. 8. 151. Z. 20. Sch. Randbem. S. 60. F. 8. 153 Z. 3. t. u. 8ch. V. 817 usw.

7 Im Philosophischen Ehzuchtbüchlein 1578 citirt Fischart zu einem Wortwechsel zwischen Mann und Frau : criminor te kratzenor ä te (Scheibles Kloster 10, 641), wie Scheidt an einor ganz ähnlichen Stelle (8. 116).

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FISCH ARTS TKU.NKENL1TANKI.

129

des Flöhhaz In der Aufnahme neuer französischer Strophen- formen und Melodien, welche Scheidt hier zum ersten Male versuchte2, folgt Fischart ebenfalls den Spuren seines Meisters. Er verdeutscht französische Rondeaus und Alle- mand d'amours in den Tönen des Originals und übersetzt im Jahr 1576 französische Psalmen in den Versmassen und Weisen, welche ihnen die evangelische Kirche in Frank- reich gegeben hatte :\ Die gleiche Freude an der Natur, welche Scheidt erfüllte, spricht auch aus Fischarts 'Lob des Landlustes 4, einer freien Bearbeitung der Epode des Horaz, Beatus ille. In umfangreichen selbständigen Erweiterungen entwirft Fischart hier ein überaus anmuthiges Bild von den Heizen der ländlichen Natur. Und wie Scheidt im ausge- sprochenen Gegensatze zu den Schlemmern die Schönheit des Mai preist, so wendet sich auch Fischart in seinem Lob der Laute'5 direct gegen die vollen brüder. Lasst diesen, so ruft er aus, ihren Bratspiess, Bier und Wein,

Vnd harnten klopfen, glässer brechen Der thon tvürd sich icol an jn rechen Vnd jhn zerst&ren leib vnd seel,

ich aber lobe mir den süssen Seitenläany . . Und mit warmer Empfindung rühmt er dann die veredelnde nachhaltige Wirkung der Frau Musica.

Beide, Scheidt und Fischart, gehören nicht zu jenen Satirikern, die wie etwa Braut alle Laster ihrer Zeitge- nossen mit ascetischer Strenge, mit einer Verbissenheit, die jeden heiteren oder hoffnungsvollen Gedanken ausschliesst, verdammen. Scheidt und Fischart bieten in ihren satirischen Schriften reichliche Mittel zur Verschönerung und Veredlung des Lebens, zur Milderung der Übel dar. Ihr Streben geht dahin, die Besserungsfähigen von jenen, die in der Nacht des Lasters wandeln, zu den lichten Höhen eines frommen und schönen Erdendaseins emporzuführen.

» Wackernagel, Fischart S. 107 Anm. 230

* Vgl. oben S. 107 f.

* Wackernagel S. 124. Erich Schmidt, A. d. B. 7 S. 45.

4 ed. Kurz III, besonders V. 705 730.

5 ed. Ooedeke, Dichtungen von J. Fischart S. 253 ff.

qf. i.xvi. \)

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ANHANG.

1. DIE WORMS ER BEARBEITUNO DES FREIDANK VOM

JAHRE 1338.

Goedeke spricht in seiner Einleitung zu den Dichtungen von J. Fischart S. XXII f. die Vermuthung aus, dass die neuen Ausgaben, die von 'Freidunk' löJW. von der 'äusunna' Rebhuns lf)38, vom 'Sehlauralten Lanut' 1541 in Worms bei Seh. Wagner erschienen sind, durch Scheidt bearbeitet wurden. Da Wagner der Vorganger von Gregorius Hoffmann, dem späteren Verleger Seheidts, ist, da ferner einige Zusätze der nouen Freidank-Ausgabe Themata der Trinkliitc- ratur behandeln, so entbehrte diese Vermuthung nicht jeder Grundlage. Sie kann trotzdem bei einer näheren Untersuchung nicht bestätigt weiden. Die vier Abschnitte über die Trunkenheit auf Iii. XVIII und XIX der Wonuser Ausgabe stimmen wörtlich überein mit einzelnen Partien aus Leonhaid Sehcrtlin« 'Künstlich trinken' (Strassburg 1538) und zwar bie Trunckenheyt zu jren dienern von Merckt di/J ist meiner diner Ion bis l ud also Nobis huuß erwirbt mit Schertlin Bi] u. B4; dann Klay übers ziisaufftn von 0 Gott vom himmcl sihe darein bis Il- leben ehe verlassen yar mit Schertlin C lb u. C 2 (abgedruckt von Strauch, Vierteljahrsehrift für Liiteraturgeschh-hte 1 S. 88 f.; V.3-10 fehlen im Freidunk); Ziculff eygenschafft der Trincker von Zuülfl eyymsehufft ich zeyy hie an bis Wieteol jn Qot das selb hat bschei't mit Sehcrtlin C 4 (bei Strauch S. 89 f.), endlieh Von schaden da' truncken- heyt durch exempel anyezeyyt bis Die thund den hüten vil zu leydt bei Schert» n D 2 u. D2b.

Die anderen eingeschobenen Capitel Von dem Ehlichen standl (eine Aufzahlung berühmter keuscher Ehefrauen aus der Bibel und der alten Geschichte) und Von nutz der Messen, Von Rom vnd dem Bapst (protestantische Tendenzpoesie) sprechen nach keiner Richtung für Scheidt als Verfasser.

In der Wormser Bearbeitung von Rebhuns Susanna sind die

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ANHANG.

131

antikiMi V rsmasse in die gebräuchlichen Reimpaare umgeschrieben und alle Feinheiten der Form plump zerstört worden. Sollte diese Arbeit von demselben Scheidt besorgt sein, dessen reges Interesse für neue Motra oben (S. 1<>5 ff.) dargelegt worden ist?

2. ZU SCHEIDTS FRÖLICHER II KI MF ART.

Auch in seinem dritten Werke 'Die frölieh Heimfart' verleugnet Scheidt nicht seinen Oroll gegen die Schlemmer. Er beklagt sich in der Vorrede üb°r die Vielen, die irie die vnuernünft igen Bestien als JCjn'atrische sew* dahin leben rnd nichts anders int mund haben dann Iriß, spil vnd sauff zu diser Frist* Dann nach dem todt kein trollust ist2; er sagt an einer Stolle B 2 im Sinno seines Maienlobs: So schmackt jr baß des Brunlins ström, Dann der gut Griechisch teein zu Born, er gedenkt bei Gelegenheit einer Götterversammlung M 2 verächtlich de« Bacchus, Bachus der trang sich auch mit ein, Vnd bracht mit jm ein flaseh toi icein; er behauptet M 4 ähnlich wie in seiner Vorrede zum Orobianus (S. 4 ): Wer nicht Geld mit bringt und wäre es Homer selbst, der wurde nirgends aufgenommen werden So aber einer mag wol saufen, «o liebt man ihn, In allen Hufen kom/d er toi, Vnd uürt geuent ein weidlich Man.

Scheidts 'Frölicho Heimfart' gehört zu der überaus reichon Eho- litteratnr des XVI. Jahrhunderts. Im Gegensatze zu der geringon Achtung, welche sonst dem weiblichen Geschlecht dieser Zeit gezollt wurde, ehrte man in der nouen evangelischen Kirche, welche die jung- fräuliche Himmelskönigin entthront hatte, aus praktischen und moraliHchon Erwägungen dio bravo Gattin und Hausfrau, einen frommen und glück- lichen Ehestand. In zahllosen Gospräehcn, Komödien, GelogenheitH- dichtungen und Abhandlungen pries man besonders in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts dio Ehe und auch Fischart betheiligte sich im Jahre 1578 durch sein 'Philosophisch Ehozuohtbüchlein' an die»er Litteratur. Scheidt beschreibt in seiner 'Frölichon Heimfart' das Leben und dio Ehe der im Jahre 1552 verstorbenen Frau Anna geb. von Erntrawt und widmet es dem betrübten Witwer Jacob von Wachen- heim als Trostschrift. Durch Johann von Schwarzenbergs 'Kummertrost', der im Jahre 1534 aus einem ähnlichen Anlasse entstand, wurde Sohoidti wie er selbst gesteht 3, zu seiner Arbeit angeregt, hielt sich aber in

» Vgl. Strauch 8. 75 Anm.

a Epicurs Edo lüde übe; vgl. Fischart, Trunkonlitanot, Noudruck 142 und oben S. 127.

* Vorrede A 2. Der Kümmert rost so weilend Herr J. r>. Sch. in absterben seiner Haußfruwen, beyde loblicher gedechtnuß, jm zu trost sellbs geschriben hat . . Hat mich für gut angesehen, ettwas dergleichen auffs erst zu beschreiben.

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ANHANG.

Beinen Ausführungen völlig unabhängig von jenem. Nur die Vorrede, in der 8cheidt berühmte Frauen der Bibel, der Griechen und Römer als Vorbilder nennt, die Verderbtheit der gegenwärtigen Welt beklagt und auf den raschen Tod warnend hinweist , verräth Beziehungen zu Schwarzenberg1. Scheidt hat aber seinerseits zweifellos auf Jörg Wickrams 'Irreitend Bilger' eingewirkt, der 1550 gedruckt wurde, doch schon im Fröhsoromer des Jahres 1555 fertig war2. Wickram hatte keinen bestimmten äussern Anlass wie Scheidt, aber auch keinen innern, die Schrift zu verfassen. Er erklärt in seiner Vorrede, er habe sich in seiner Krankheit zur Zerstreuung nach einem schriftstellerischen Thoma umgesehen. Da fiel ihm wahrscheinlich Scheidts 'Frölich Heim- fart' in die Hände, denn seine Erzählung ist eine gerade Fortsetzung der Scheidtsohen. Diese borichtet nämlich im Sohlusscapitel , der Witwer habe sich dem Lesen der heiligen Schrift und anderer Trost- bücher hingegeben, um vor sinnlichen Anfechtungen und der Not- wendigkeit einer neuen Heirath bewahrt zu bleiben. Hier setzt Wickram zunächst mit Reminiscenzen aus dem „Ackermann von Böhmen" (E. 8chmidt, Archiv 8, 327), ein; der Held seiner Erzählung ist ein Witwer, der in einsamer Zurückgezogenheit gelehrte und fromme BGcher liest, doch trotzdem von sinnlichen Anfochtungen geplagt wird. Um diese zu ertödten unternimmt er eine Reise, deren Wochselfälle den weiteren Inhalt der Erzählung bilden.

Scheidt und Wickram klagen in ihren Vorroden über ihr'Hauptweh', crmahnen dio Menschen mit einem Hinweis auf den plötzlich eintreten- den Tod zur Busse und ciriren 8irach , Hiob usw. Beide beschreiben einen Garten, Blumen und Brunnen9, beide berichten gegen das Ende der Darstellung Thatsachen, di» sich früher ztigotragen haben, beide gebrauchen Figuren der antiken Mythologie sehr häufig und unbedenklich neben Christus und seinen Engeln* und berühren sich hie und da nahezu wörtlich.

Man vorgleiche folgende Stellen.

Bei Wickram S. LXX Boi Scheidt Bf. (Viele Vögel

Die vogel sungen, das es zw Uzet t singen)

Die Nachtigall süs Tünorirt Da ztvitzert manches züngle in

Die Lerch dar un der discantirt. klein . .

» Der 'Kummertrost* ist abgedruckt in Sehwarzenborgs 'Der Teutach Cicero', Augsburg 1534. Für Scheidt wichtig Bl. CLIX, CLVII u. CLI .

a Dio Vorredo ist unterzeichnet am Petri u.Pauli-Tag(29. Juni) 1555

> Bei Wickram 8. LXXXIIII, bei Scheidt M 4.

4 Bei Scheidt z. B. gleich im Beginn, wo der Invocatio pia eine Invooatio poetica folgt, oder L 1 : Phöbus führt, von Engeln begleitet, die Seele in den Himmel.

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ASHANG

133

Die Trostel und die Ameltz gilt Sungen den Alt mit /reifem tnut Der Distelzweig vnd Gintlein klein

Sungen gar stark den Alt mit ein Dadurch der gantz wald über all Ertönen thet von solchem hall, dasses den Reisenden ausserordent- lich gefiel >.

Die Troschel vnd fraw Nachtigall Hört man vor andern rSgel all. Die Troschel fürt st ei ff den Tenor Die Lerch den Alt sang hoch entbor :

Ein Di sie If i n k h ich den Di s- cant

Fraw Nacht igalt braucht jm Vagant' Auch ein par Turteldauben saß Die fürten jn darzu den Baß In Harmnny die fanden sie Baß dann ichs kann beschreiben hie'

Und an oiner andern Stolle genauere Beziehungen.

Wickram 8. XIX beschreibt Gemälde :

Ja wann Apelles dis ab- sanken

Gtnalt het, dürfft er sein

n it schamm e n Oder der künstlich Teurer zart So Z'nürenberg vergraben war dt Der sein kunst hat so weit außbracht Daß sein würt ewig werden

g da cht.

Dazu die Randbemerkung: Apel- les der aller ber&mptist maier ge- wesen bei den alten. Albrecht Teurer aber zuNierenberg bey vnsern Zeiten.

Eine ahnliohe Stolle forner 8. LXXIX-

Dis alles stund gemalt so schon Als wanna Apelles selb het gton

Der aller Maler maister was, Wiewol zu unsern Zeiten sas Albrecht Teilrer zuNtlrenberck Sogmacht hat manig künstlich werk Ob schon Apelles wider kumen Er het im gwiß kein bensei gnummen.

Scheidt F. 4 boschreibt don Grabstein der Frau: Von Malern auch Apelles kam Der gute Meister mit jm nam Es war auch hoch geacht bei jnen Der thewr berumpt vnd hoch von sinnen

Alb recht Durer der scins Ver- stands

Ein zier war gantzen Teutschen lands

Sein Werck noch machen offenbar Wie trefflich vor jr Meister war Farnemiich ist der Taflen ein Noch in einr statt ligt an dem Main

Solt sie Apelles han ge- mach t

Er het sich noch viermal

bedacht Ich gsweig der Kunststück die er hat Gstochen in der werden Statt On was er sun&l in Truck hat geben Des muß sein Nam auch

ewig leben.

« Das Volkslied vom 'Ritt durch den Wald' (Böhme, Altd. Liedor- buch 8. 275 Nr. 189) hat vielleicht auch auf Wickram eingewirkt, doch ist noch über dieses hinnuH diu Verwandtschaft mit Scheidt auffällig. Die 8tclle des Volksliedes lautet: (Ich hörte singen) die röglein jung und alt, die Trossel und Frau Nachtigall, sie sungen von heller stimmen, daß in dem wald erhal.

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134

ANHANG.

Inh erwilhne nur heilfiufi?, da«** auch in der NVerth^'h'i'Z'inij Dürers Fiachart seinem Lehrer nachfolgt. In der Vorrede zu den Arcu- rütae effigies 1.Y73, in welcher Fischart Oberhaupt mit grosser WSrmo die Partei der deutschen Kunst gegenüber der fremden ergreift, rühmt er Albrecht Dürer als Ku{dVr*teoher, das noch heutigen tages alle Volcker sich seines fleiß im reissen vnd stechen hoben zu verwundern. Und später : Xun diser Albrecht Durer hat ein solche an zahl fvrnnner Mdcr hin mnd wider in Höcht eutschland erwecket das* sie >ille andern Nationen übertreffen (Wackernajjel S 153 f.)

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NAMENS VERZEICHNIS.

Ackermann von Böhmen 132. Albertinus, Agidiun 124 f. Alberus, Erasmus 2S* Amalie. Gräfin von Zweibrücken

und Biisch 98. Amis üü.

Annolic«! 59.

Ayrer 12L

Bebel ßL 70 f. 22.

Bertholii von Ri-gensburg 'Sit.

Beza 105.

Bingius titi. 22.

Blois, Robert de, iE.

Boccaccio 8_L

Bock, Hieronymus 12.

Bockemeyer 88.

Bouer !L

Brandau, Sannt 22. 59 f.

Braut, Sebastian 19—25. 35 f . üL

HL 49— fr>. ÜL 58—61. LL HL

HL 103. 123 f. 129. ßuwenburc 96.

Cato, der Deutsche 5. 7 9. LL 19»

28 f . 34. 49. ÜL Iß. 90. Chaucer iL Circe 43.

Cisnerus, Nicoluus 98 f. H12 f. 109. Clara Hätzlerin 8. 92. De generibus ebriosorum 32. 121 f. Egenolf 59.

Epistolae obscurorum virorum 22. Erasmus Boterodamus 22. 31 f. Ernst, Herzog 2. 2L 59 f . Erntrawt, Anna Ton 1 1 1. 1HL

Eulenspiegol, das Volksbuch 22 f. ßÜ. Facetus 19* 22. Fastnachtspiele 32. 74. Fischart 22 f. 44. f. 54. 22. TL

8L 90. 1Ü1 f . 10& 110-129. 131.

134.

Flittner 4L

Folz, Hans 32.

Franck, Sebastian 69. L24 f .

Franz 1 von Frankreich IUI.

Freidank 8. LL 36. 24. 130. Frey 65^ 22.

Friedlich. Matthen» 124 f. 12L Friedrich II von der Pfalz 92 f.

109. LLL Friedrich III von der Pfalz 105. Geiler von Kaisersberg 24 f. 29.

5d f. 91 f. Gengenbach 121- Gestu Romanorum 51). Grimmelshausen 23. Grobiani Tischzucht '29—31. 35.

45 f . 18 f. 25. 8fi. aa f. Gruter 03.

Hadloub, Johannes 96. Hcoast us-Dramen 32. Heinz der Kellner 2. Helena von Simmern 98. Hellbach Wendelin 45. OL 77—84.

f . 90 f. 110. 12L Höniger, Nicolaus 91 f. Hoffmann, Gregorius 12. 130. Hofzucht 2 f. Hollonius, Ludwig SLL

13(»

NAMENSVEHZKICHMS.

Hugo von Trimberg 36. 74. 122.

(der Renner) 11. 60. Isidor 59.

Johann, Pfalzgraf von Simmeru 98. Kahlenberg, Pfaff vom 23. 37. Karlsruher Tischzucht 11. 27. Kautzsch, Michael 88. Kienheckel, Peter 81-83. Kinderzucht 13.

Kirohhoff, Hans Wilhelm 70—72. 81. Kübels Tischzucht 27. 3S. König Tirol 5. Königsperger 103. Kolros, Johannes 105. Konrad von Würzburg 1 f. Kornmann, Heinrich 92. Kys 91.

Leodiui, Hubert Thomas 97. 109.

Lindener 38. 70 f. 91. 128.

Lobwasser, Ambrosius 10.'»- 107.

Locher, Jacobus 40.

Luther 22 f.

Markolf 37.

Marot, Clement 104 f.

Mclissus (Paul 8chede) 105- 107.

Mercurius, Johannes 99.

Montanus 38.

Moretus 19.

Murnor 2. 23. 25. 28 f. 36. 40. 42.

45-47. 54. 61. 75. Neidhart Fuchs 96. 103 Nigrinus Georg 124 f. Obsopöus 69. 124 f. Opitz 83. Ovid 45. 78. 104.

Pauli, Johannes 1. 22. 42. 59 f. 86. 125.

Petrus Alphonsi 5 f. Philipp, Graf von Hanau 98. Philipp, Graf von Leiningen 98. Prodigus-Dramen 87. Rabelais 121. 126 f.

Rebhun 105. 130. Reiner us 19-21. 49 f. Reuaus, Meister 74. Roger Bull 89. Rolandslied, das 59. Roman do la Rose 18. Rosenblür, Hans 37. 42. Rossauer Tischzucht 10 f. Rothe, Johannes 25. Sache, Hans 13 f. 23. 42. 59. 8«.

89 f. 95. 100 f. 103. 121. Scherffer, Wouzol 83—88. Schertlin, Leonhard 43. 125. 130. Scherz mit der Wahrheit 72. ' 8ch)aruffen]an<i, das Märchen vom 25 f. 130. Schumann, Valentin 38. Schwarzenberg, Johann von 131 f. Siegburger Tischzucht 13. Siegfried, der hürnen 27. Sommer, Johannes (Variscus) 90. Steinmar 96.

Studeutenlobon, Dramen vom 37. Tannhäusers Hofzucht 2. 9 f. Theocrit 99.

Thomasin von Zirelaria 4 9. 14.

36. 73. Vergil 99. 104. Vriolühoimer, der 60. Wachenheim, Jacob von 131. Wagner, Sebastian 12. 130. Weinschwolg, der 36. 126. Wickram Jörg 23. 54. 60. 72. 86.

91. 101. 120. 127. 131 f. Wiener Meerfahrt 36. 122. Wiosbeke, der 4 f. 15. Winsbekin, die 73. Wittenweiler 2. 60. 122 f. Witzstat 101.

Witzlaw IV von Rügen 96. Wolfenbüttler Tischzucht 14. Zeninger 22.

Die Namen Dedekind und Scheidt, sowie dio der Büchertitol auf S. 92 f. habe ich in das vorliegende Verzeichnis nioht aufgenommen.

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Hochbedeutendes litteratur- und kulturgeschichtliches Werk.

QUELLEN ZUR GESCHICHTE

DES

GEISTIGEN LEBENS

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NACH HANDSCHRIFTEN herausgegeben und erläutert von

DR. ALEXANDER REIFFERSCHE I .

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BRILFF G. M. LINGELSHEIMS, M. BERNEGG F. RS UND IHRER FREUNDE

Nach Handschriften

der kgl. Bibliotheken in Kopenhagen und Stockholm, der Stadtbibliotheken in Bremen, Breslau. Danzig, Hamburg und Lübeck, der Universitäts-Bibliotheken in Leiden und Stockholm, der Bibliothek der kgl. Ritterakademie in Liegnitz, des kgl. Staatsarchivs in Breslau und des Reichsarchivs in Stockholm.

XIX, 1048 S. Lex. 8. geh. M. 30.—

Die „Quellen zur Geschichte des geistigen Lebens in Deutschland während des XVII. Jahrhunderts'4 sollen in mehreren Bänden auf Grund planmassiger Durchforschung der Bibliotheken und Archive Deutschlands sowie des Auslandes eine sorgsam gesichtete Auswahl aus der reichen handschriftlichen Litteratur des XVII. Jahrhunderts geben, welche freier und rückhaltloser auftritt, als die durch verschiedene Rücksichten ge- bundene gedruckte, und daher auch in höherem Grade als diese das Verständnis des damaligen Geisteslebens zu erschliesscn vermag.

Dieser 1. Band, der endlich nach langer Vorbereitung erscheint, enthält Briefe aus dem Heidelberg-Strassburger Kreis«* , der eigentlichen Geburtsstätte der neueren deutschen Litteratur. Den geistigen Mittelpunkt bilden der Geheimrat Georg Michael Lingelsheim, <ier später in seiner Vaterstadt Strassburg lebte, der von ihm angeregte Professor Matthias Bernegger und die von ihnen vertretenen Interessen. In einem An- hange folgen Auszüge aus Briefen des Strassburger Schulrektors Job. Sturm an einen vertiauten Freund. Nur wenige Briefe sind gedruckten älteren Sammlungen entnommen, da sie zum Verständnis der übrigen unentbehrlich sind Die meisten waren bisher ungedruckt.

Briefwechsel zwischen Jacob Grimm und Friedr. David

Graeter aus den Jahren 1810— 1813. Herausgegeben v. Hermann Fischer. Geh. M. I. 60.

Briefe von Jacob Grimm an Hendrik Willem Tydemann.

Mit hinein Anhange und Anmerkungen hrsg. v. Dr. Alexander Reifferscheid, ordentl. Professor der deutschen Philologie zu Greifswald. Geh. M. 3. 60.

Briefwechsel des Freiherrn Karl Hartwig Gregor von

Meusebach mit Jacob und Wilhelm Grimm. Nebst einleitenden Bemerkungen Ober den Vorkehr des Sammlers mit gelehrten Freunden, und einem Anhang von der Berufung der Bruder Grimm nach Berlin. Hrsg. v. Dr. Camillus Wendeler. Mit einom Büdnias (Meusebachs) in Lichtdruck. Geh. M. 11. 50.

Freundesbriefe von Wilhelm und Jacob Grimm. Mit An- merkungen hrsg. von Dr. Alexander Reifferscheid. Mit einem Bildniss in Lichtdruck von W. u. J. Grimm. Geh. M. 4. .

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Die deutschen Neuphilologentage

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Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache

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jUoff £octtt.

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QUELLEN UND FORSCHUNGEN

ZUR

SPRACH- UND CULTUßGESCHICHTE

DER

GERMANISCHEN VÖLKER.

HERAU8GEGEHEN

VON

BERNHARD TEN BRINK, ERNST MARTIN,

ERICH SCHMIDT.

LXVII.

ULRIC HS VON HUTTEN DEUTSCHE SCHRIFTEN.

ttNTRKSUCIIKNGKS NKJIST KINKK NACHI.KSK VON SIK1.I K1KI) SZAM ATÖt.SM.

STRASSRURG. KAHL J. T K Ü Ii N E R. 18IM.

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ULRICH8 VON HUTTEN

DEUTSCHE SCHRIFTEN.

UNTERSUCHUNGEN NEBST EINER NACHLESE

VON

SIEGFRIED SZAMATÖLSKI. /

STRASSÜUUU. KAKL J. T M Ü K N K K. 1891.

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<7

U. Otio's Hol Buchdrucker«! in Darmutailt.

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MK1XKM VKI.'KIIKTKX LKlIHKIi

PROFESSOR DR ERICH SCHMIDT

IN TREUER DANKBARKEIT

ZUGEEIGNET.

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VORWORT.

In der Huttenforschung ist seit dem gewaltigen Fort- schritt, den sie durcli Strauss und Pöcking erfuhr, ein Still- stand eingetreten: mit der Darstellung des congenialen Bio- graphen und der Sammlung des scharfsinnigen Editors schien sie nach dem allgemeinen Urtheil zum Abschluss gediehen zu sein. An ihre Stelle trat eine Litteratur, die sich fast aus- schliesslich auf die Popularisirung der von jenen Forschern erzielten Ergebnisse beschränkte und ihrerseits allenfalls nur eine Verschärfung der politischen und confessionellen Ten- denzen hinzufügte; so dass sich mehr und mehr das für die Forschung leicht verhängnisvolle Wort von Strauss erfüllte, eine Schrift über Ulrich von Hutten bedeute notwendiger- weise Streit. Auch die vorliegende Schrift knüpft an die Arbeiten von Strauss und Böcking an, jedoch nicht in dem angedeuteten Sinne, sondern um ein von diesen durchaus nicht erschöpfend behandeltes Gebiet von neuem zu durch- forschen, das in litterarischer wie historischer Hinsicht einen der wichtigsten Abschnitte in Huttens Schaffen bildet: die deutschen Schriften.

Wenn diese Untersuchungen zu neuen Ergebnissen ge- langt sind, so danken sie diese neben dem überkommenen Material besonders der Entdeckung einer Fülle unbekannter Urkunden. Meine Nachforschungen nach dem handschrift- lichen Nachlass Ulrichs von Hutten setzten dort ein, wo Böcking die Verfolgung der vom Begründer der Hutten- forschung, Jacob Burckhard. aufgestöberten Spuren eingestellt

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vm

VORWORT.

hatte: in Eichstätt. Für die nicht ungegründete Annahme, dass durch den Fürst-Bischof Moritz von Hutten dorthin ein handschriftlicher Nachlass Ulrichs von Hutten gekommen sei, fand sich jedoch kein Beweisstück, weder in den Bibliotheken, die ich mit freundlicher Unterstützung des Bibliothekars, des Herrn Prof. M. Romstoek selbst durchsuchen konnte, noch in dem Archiv , für das ich mich auf die kundige Aussage des Archivars, des Herrn Geistlichen Rathes Prof. M. Lefflad berufen dnrf. In eine neue Bahn wurden die Nachforschungen durch die gütige Unterstützung Sr. bischöflichen Gnaden des hochwürdigsten Herrn Bischofs von Eichstätt Dr. Franz Leopold Freiherrn von Leonrod gelenkt, der unter Hinweis auf analoge Zeugnisse der eigenen Familiengeschichte die Vermuthung aussprach, dass der fragliche Nachlass nach dem Tode des Fürst-Bischofs an die Familie derer von Hutten zurückgefallen sei. Eine Durchsicht des Würzburger Familienarchivs, die auf Veranlassung des Besitzers, des k. b. Majors ä la suite Karl Freiherrn vou Hutten der dortige k. b. Archivar, Herr Reichsarchivrath Dr. A. Schäffler für mich vorzunehmen die Güte hatte, war jedoch wiederum ganz ergebnislos. Hier ist aber die Möglichkeit nicht ausgeschlossen , dass sich Stücke dieses Archivs, Ulrich von Hutten betreffend, noch in dem Nachlasse des jüngst verstorbenen k. b. Generals Ulrich von Hutten befinden. Ebenso wenig wie das Würzburger ergab das Steinbacher Familienarchiv ein Beweisstück für den Eich- stätter Nachlass. Aber die Ausbeute einer Durchsuchung dieses bisher ganz unzugänglich gewesenen Steinbacher Archivs, die der Besitzer Fritz Freiherr von Hutten mir persönlich versprach und alsbald auch ausführte, war trotzdem über- raschend reich. Dank der Güte des verehrten Gönners Jtanu ich wenigstens das Hauptstück seiner Schätze veröffentlichen: Huttens letzte deutsche Schrift, den 'libellus in tyrannos'. Und noch ein drittes Huttenarchiv, aus dem bereits Burckhard, wie ich später aus seinen Wolfenbüttler Collectaneen ersah, ein Stück erhalten hatte, erschloss sich mir. Ich empfing den Hinweis auf das Archiv von Birkenfeld durch die Güte des Freiherrn Karl von Hutten, der mich auf diesen Stamm- sitz der im vorigen Jahrhundert ausgestorbenen protestantischen

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VORWORT.

IX

Linie der Freiherren von Hutten aufmerksam machte. Dank der gastfreundlichen Liebenswürdigkeit Sr. Erlaucht des (j rufen Friedrich zu Ortenburg konnte ich das Birkeufelder Archiv selbst durchsuchen : dns Ergebnis war, neben anderen wich- tigen Urkunden zur Reformationsgeschichre, ein Bündel Briete von, au und über Ulrich von Hutten aus der Zeit des Reichs- tages von Worms.

So war diese neueste vergebliche Ausfahrt nach dem Eichstatter Nachlass doch reich an ungeahnter Ausbeute, und dankbar für die gespendeten Schätze verzeichnet die Huttcn- forschung in Ehren die Namen des Freiherrn Fritz von Ilutien zum Stolzenberg und Sr. Erlaucht des Grafen Friedrich zu Ortenburg.

In aufrichtiger Dankbarkeit bringe ich dies Buch meinem verehrten Lehrer dar, der mir für meine Arbeit nicht nur, durch den Hinweis auf die stilistische Forschung, die erste Anregung, sondern auch bei ihrer weiteren Ausdehnung stete Förderung hat zu Theil werden lassen.

Berlin, den 1. Dcceniber 1890.

SIEGFRIED SZAMATOLSKI.

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STILISTISCHES

Mit einer Antithese, die zu den dauerhaftesten Erb- stücken der deutschen Literaturgeschichte zählt, wird in Ulrich von Hutten ein eleganter lateinischer und ein schwer- fälliger deutscher Schriftsteller contrastirt. Die deutschen Schriften werden an den lateinischen gemessen und nach modernem Stilgefühl ohne stilhistorische Erwägungen ab- geurtheilt. Naturgemäss müssen der Schärfe einer solchen Antithese, die durch Rücksichten auf die Grundunterschiede der lateinischen und deutschen Sprache, die Besonderheiten der deutschen Sprache des XVI. Jahrhunderts und die eigenen Absichten Huttens nicht gemildert wird, die deutschon Schriften zum Opfer fallen.

Nicht minder verderblich wirkt die Antithese zwischen Hutten und Luther. Neben das abfällige Urtheil der ersten Antithese wird das preisende Urtheil über Luthers Sprache gestellt, das immer noch, soweit es eben nicht lautliche und grammatische, sondern stilistische Fragen angeht, viel mehr auf der Schwärmerei früherer Zeit als auf moderner wissen- schaftlicher Untersuchung beruht. Da nun seltsamer Weise die Schwärmerei des XVIII. Jahrhunderts für die Wucht und Kraft der Lutherischen Sprache bei denselben Leuten sich wirksam erweist, welche Huttens deutsche Schriften tadeln, weil sie in ihnen die leichte Eleganz der lateinischen Werke nicht wiederfinden, so kann es geschehen, dass man Hutten im allgemeinen aus demselben Grunde verwirft, aus dem man Luther erhebt.

Noch ein drittes Vorurtheil steht einer gerechten Wür- digung der deutschen Schriften Huttuns im Wege. Man

QF., LXVil. i

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2

STILISTISCHES

glaubt auf sie geringschätzig herabblicken zu dürfen, weil sie 'lediglich aus praktischen Gründen entstanden seien. Mit gleichem Recht könnten gerade die bekanntesten Schriften Luthers bei Seite geschoben werden. Denn Luther wurde ebenso wie Hutten von der lateinischen zur deutschen Sprache durch den rein praktischen Grund geführt , dem ganzen Volk zu weisen, 'welches die braut sey, darumb man jm tantzen zägemüt'. Sollte aber jener Vorwurf eigentlich sagen wollen, dass Hutten durch praktische Gründe zu einer Auf- gabe gedrängt worden sei, für welche ihm ebenso die An- läge wie die Übung fehlte, so verkennt man durchaus die Stellung der deutschen Schriften in seiner Entwicklung. Hutten war ein Schriftsteller des deutschon Volkes geworden, ehe noch die erste deutsche Schrift unter seinem Namen ausging.

Die folgende Untersuchung will dem Vorurtheil über Huttens deutsche Schriften an die Wurzel gehen und daher zwar ebenfalls den deutschen Schriftsteller mit dem latei- nischen vergleichen, aber nicht bei einem allgemeinen anti- thetischen Urtheil stehen bleiben, wie man es über eine lateinische Schrift des Humanismus und ein deutsches Werk des XVI. Jahrhunderts a priori fällen kann, sondern zu einer wirklichen Darstellung von Huttens deutschem Stil vordringen und zwar auf dem Wege aller wahren Stilkritik: durch empirische Beobachtung und historische Vergleichung.

Ein brauchbares System für stilhistorische Unter- suchungen ist nicht vorhanden. Auf der Grundlage der Stilistik des Altertums lässt sich eine charakteri sirende Darstellung eines gegebenen Stils nicht errichten. Ebenso wenig gibt es für die deutsche Stilgeschichte des XVI. Jahr- hunderts jene einzelnen fruchtbaren Gesichtspuncte, die für die mittelalterliche Litteratur in so grosser Anzahl bereits aufgestellt sind. Einige scheinbar feste Gesichtspuncte, von denen aus man die Beobachtungen beurtheilen zu können glaubt, erweisen sich bei näherer Prüfung als schlecht be- gründet. So müssen die Kriterien, nach welchen die Beobachtungen gruppirt werden können , im Verlaufe der Arbeit durch stete Vergleichung gewonnen weiden.

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ULRICH VARNliÜLKK

3

Zinn Gegenstand der Untersuchung ist daher die Schrift Huttens gewählt worden, welche im reichsten Mass die Mög- lichkeit der Vergleichung gewährt: die Übersetzung des Va- discus. Neben Huttens eigenes Werk können wir eine selb- ständige, fast gleichzeitige Übertragung Ulrich Varnbülers 1 legen. Ferner bietet der Vadiscus Ausblicke auf zwei be- deutsame Werke ähnlichen Inhalts, Huttens eigenes Gedicht 'Clag vnd vormanung' und Luthers Schrift 'An den Christ- lichen Adel deutscher Nation'.

Trotz den angedeuteten Schwierigkeiten darf die Unter- suchung hoffen, in den Kern der Frage eingedrungen zu sein und das Charakteristische des Huttenschen Stiles getroffen zu haben, denn ihre Ergebnisse bestehen die Probe, die ihnen in der Untersuchung über die anonymen Ubersetzungen ge- stellt wird.

ULRICH VA UN LEU.

Der stilistischen Untersuchung möge vorangestellt werden, was über Ulrich Varnbüler zu erkunden war, denn für eine gerechte Beurtheilung der zweiten Ubersetzung des Vadiscus ist einige Kenntnis der Persönlichkeit und der Absichten ihres Verfassers nicht zu entbehren. Leider hat dieser den Brauch jener Zeit verschmäht, in einem An- hange seines Werkes über diese Fragen selbst Auskunft zu ertheilen. Der Name mit seinem Zusatz und die Jahreszahl sind die einzigen Anlialtspuncte, welche er der Forschung an die Hand gibt. Der Name als solcher lenkt den Blick auf einen Mann, der im Vordergrunde der deutschen Kunst- geschichte des XVI. Jahrhunderts steht: das grösste und bedeutendste Porträt, welches Albrecht Dürer in Holzschnitt veröffentlicht hat, ist das Bildnis des Protonotarius Ulrich Varnbüler. In die Bestrebungen dieses Mannes, über welchen genügende Forschungen vorliegen, würde ein Werk wie die Übersetzung des Vadiscus sich sehr gut einfügen lassen.

i Eyn lustiger vnd nutzlicher Dialogus, Herr Vlrichen von Hutten, Vadiscus . . . genant. Durch Vlrichen Varnbülor dm jüngern, auli dem Latevn neulich verteüt»ehet . . . Oetiuekt zu Strasburg Key H.Beck 1544.

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4

STILISTISCHES.

Doch all die Fäden, welche man zwischen diesem Varnbüler und unserer Ubersetzung ziehen könnte, werden gesprengt durch den Zusatz des Namens. Der Jüngere' wird sich zwar auch der Protonotarius sicherlich einmal genannt haben zum Unterschiede von seinem gleichnamigen Vater, dem berühmten Bürgermeister von St.. Gallen. Dieser war jedoch bereits 1496, also fast ein halbes Jahrhundert vor dem Erscheinen unserer Ubersetzung, gestorben. Nimmt man nun selbst an, dass der allein nachweisbaren Ausgabe von 1544 eine Ausgabe vorangegangen ist, die etwa un- mittelbar nach dem lateinischen Werk Huttens, also schon 1520 erschienen wäre, so würde auch dadurch die Schwie- rigkeit nicht gehoben sein; denn man kann nicht annehmen, dass der Sohn noch ein Vierteljahrhundert nach dem Tode des Vaters jenen Zusatz geführt hätte. Thatsächlich hat nun auch der Protonotarius schon 1519 in der Übersetzung von des Erasmus Erklärung des Sprichworts 'dulce bellum inexperto auf dem Titelblatt und unter der Vorrede einfach Virich Varnbüler gezeichnet. Man kann sich somit der Ver- muthung nicht verschliessen, dass der Verfasser unserer Uber- setzung in einem jüngeren Mitgliedo des Hauses Varnbüler zu suchen ist, das sich gerade von dem auch litterarisch bekannten Protonotarius durch den Zusatz 'der Jüngere* unterscheiden wollte. Die Adelsbücher, in denen die Varnbüler als altadeliges Geschlecht verzeichnet sind, melden von keinem Ulrich Varnbüler, auf den unsere Voraussetzungen passten. Die auf den Protonotarius folgende Generation ist nur durch seine Neffen, die Söhne seines einzigen Bruders Johann Varnbüler, Bürgermeister von Lindau, vertreten. Unter ihnen führt keiner den Vornamen Ulrich. Die Adels- bücher scheinen jedoch eine Lücke zu haben, welche dadurch erklärlich ist, dass die Linie Ulrichs, des Protonotarius, nicht wie die Johanns den alten Adel, den sie um diese Zeit beide nicht mehr führten, später wieder aufgenommen hat. In zwei alten Chroniken finden sich auch über den bürgerlich gebliebenen Zweig der Varnbüler Angaben, aus denen sich die Persönlichkeit unsers Ulrich feststellen lässt. Schweizer Chronik von Stumpf 1606 S. 389: Item der

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ULRICH VARNBÜLER

5

teur, kunstreyeh, weyß vnd verstendig mann, Herr Ulrych VarnbOler von S. Gallen, war der Rom. Keys. Maiestet Ver- walter der Kammergerichts Cantzley, vil jar in grossem thun : welcher auch zween geschickte männer, nämlich Herrn Hans Ulrichen vnd Frentzen, die Varnbüler, beid Burger zu Strassburg, hinder jm verlassen hat rc. wie gleichfalls sein Bruder Johanns Varnbüler, Burgermeister zu Lindow, vier Söhn gelassen, so alle beyder Hechten Doctores gewesen, nämlich Dr. Hans Jacoben, deß Marggrafen von Niderbaden Kaht vnd diener, Dr. Georgen am Kammergericht zu Speyr. Dr. Niclausen zu Tübingen ein Läser vnd Dr. Hans Ludwigen rc, welche alle Herrn Ulrichen Varnbülers Weyland Bürgermeister zu S. Gallen säligen söhn und sohns- söhn gewesen.

Schwäbische Chronik von Crusius II, 2:J8 (Tübinger Matrikel von 1534) : Johann Jacob Varnbyler von Lindau, Ulrich und Frantz Varnbyler von Worms'.

In dem Hans Ulrich oder Ulrich dieser Nachrichten ist der Verfasser unserer Übersetzung gefunden. Alles, was wir von ihm wissen oder vermuthen können, entspricht den Voraussetzungen genau. Er führt den Zusatz zum Unter- schied von seinem Vater, dem Protonotar. Er scheint um die Mitte des zweiten Jahrzehnts geboren zu sein, wie sich aus dem Jahr der Immatriculation annähernd vermuthen lässt. Seine akademische Bildung scheint er zu keinem Ab- schluss geführt zu haben, da die Schweizer Chronik von ihm im Gegensatz zu seinen Vettern als von einem einfachen Bürger spricht. Die Motive seiner Übersetzung lassen sich mit ziemlicher Sicherheit vollständig erschliessen.

Die Erneuerung einer Huttenschen Schrift im Jahre 1544 ist eine auffallende Erscheinung, denn deutsche wie lateinische Ausgaben seiner Werke Überschreiten nicht oft die Mitte des dritten Jahrzehnts. Nun fällt gerade in dieses Jahr auch eine Erneuerung des lateinischen Vadiscus: Pas- quülorum Tonti dito. Quorum primo uersibus ac rhythmis, altero soluta oratime conscripta (juampluritna contiuentur, ad eahilarandum, confirnuindumque, hoc perturbatissimo reriwt statu pii lectoris animum, appriwe conducentia. Elvuthrropoli

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6

STILISTISCHES.

1544. Diese in Strassburg oder Basel gedruckte Sammlung kann jedoch die Vorlage und somit die Anregung nicht ge- bildet haben, weil in ihr der Vadiscus um seine Einleitung gekürzt ist, die bei Varnbüler nicht fehlt. Seine Vorlage lässt sich unzweifelhaft bestimmen aus der Übersetzung eines im Zusammenhang ganz sinnlosen Wortes, das sich durch ein Versehen des Druckers in die älteste Ausgabe eingeschlichen hat. Nur in dieser findet sich avaritia statt amicitia, die Veranlassung zu Varnbülers sinnlosem Satz: 'vnd nit zu zeitten ein stund oder zwo zum studieren vnd zum geitz (H. güter geselschafft 167) stälest'. Die Heran- ziehung jener Pasquillsammlung ist jedoch nicht ganz nutzlos. Sie weist gleich im Titel auf einen Grund ihrer Entstehung, aus welchem auch wol unsere Übersetzung erwachsen ist. Es scheint kein Zufall zu sein, dass diese Ubersetzung in Strassburg verfasst und gedruckt ward. Ge- rade in der von der Schweizer Chronik überlieferten That- sache, dass Ulrich Varnbüler der Jüngere Bürger von Strassburg war, liegt ein Keim seines Werkes. Strassburg ist im zweiten Viertel des XVI. Jahrhunderts eine Hoch- burg der Reformation, in welcher in enger Freundschaft neben einander Wolfgang Capito (1523 1541) und Martin Butzer (1523 1548) für Luthers Sache kämpfen. Die an sich wahrscheinliche Vermuthung, dass die Übersetzung des Vadiscus nicht ohne Einfiuss dieser Männer entstanden ist, wird weiter dadurch gestützt, dass zwischen dem Protonotar Ulrich Varnbüler und Capito engere Beziehungen nachzu- weisen sind, die sich ohne Zweifel auch auf den Sohn über- tragen haben werden. Capito hatte im Jahre 1525 seine Institutionum hebraicarum libri rfuo dem Huhlerico Varnbidi ro Cancellario Reyimenti Imperialis gewidmet. Es muss endlich in Betracht gezogen werden, dass Capito wie Butzer als ehemalige Freunde Huttens der Übersetzung eines seiner Werke ganz besonders geneigt sein mochten. War doch sogar Butzer selbst als Übersetzer Huttens thätig gewesen. Weniger gesichert ist die Annahme, dass auch vom Vater auf die Übersetzung gewirkt wurde. Der ältere Varnbüler hat eine lange Reihe von Jahren gerade mit dem fränkischen

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KANZLEISPRACHE.

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Humanisten kreise, welchem auch Hutten angehörte, in ebenso regem wie vertrautem Verkehr gestanden. Sein Interesse für die Bestrebungen dieses Kreises bewies er durch eine eigene Übersetzung, und in mannigfachen Geschenken und Widmungen wissenschaftlicher und künstlerischer Werke empfing er die Beweise der Liebe und Anerkennung seiner Genossen. Die Unterschrift des Dürerschen Bildes ist be- zeichnend : Albertus Durer nork( u)s hac imagine Vlrichum co(jnom(en)to Vambuler, Ro. Caesarei Reghninia in Imperio (i Secretis* simul (ar Jchigramwateum, ut quem amet vnice, etiam Posterität i (ruljt cognitum reddere, (colere)que amutur. Einen gleichen Beweis herzlicher Freundschaft lieferte Wilibald Pirckheimer in der Widmung zu seiner lateinischen Uber- setzung der Lucianischen Navis. Kleinere Zeugnisse können hier übergangen werden. Dürer und Pirckheimer, welche aus diesem Kreise am meisten mit Hutten befreundet waren, mögen nun die persönliche oder auch nur litterarische Be- kanntschaft zwischen ihren Freunden vermittelt haben. Jenes Kxemplar der ältesten Ausgabe der Dialoge mag der jüngere Varnbüler aus dem Besitze des bücherliebenden Vaters über- kommen haben.

KANZLEISPRACHE.

Hulderich us de Hutten Eq. Sebastiano de Rotenhan equiti

nur. adfini mo salutem dulcissime adfinis, . . . 'Dem

Strengen vnd Ernuesten her Sebastian vom Rotenhan Ritter meinnem lieben Schwager entbeüt ich Virich von Hutten Poet vnd Orator meinen freüntlichen Gruss, Freüntlicher lieber Schwager vnnd freünd,' . . . (I, 322 f.)

W7enn man die beiden Fassungen der Überschrift der Widmung auch nur flüchtig vergleicht, entdeckt man das Eindringen eines eigenthümlich deutschen Elements, das den- jenigen überraschen muss, welcher in Hutten ausschliesslich den Humanisten sieht, der in der deutschen Sprache nicht geübt ist. Wenn man sich jedoch vergegenwärtigt, dass er über sein eq. germ. stets eifersüchtiger gewacht hat eigenhändige Notizen beweisen das als über sein poetu

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STILISTISCHE*.

laureatus, dass eine Reihe von Sendschreiben von ihm über- liefert ist, welche den Regeln der 'Formulare vnd Tütsch rhetorika', der 'Titel'- und Cantzleybüchlein genau ent- sprechen, so wird man es für ganz natürlich erachten, dass Hutten für diejenigen Begriffe des öffentlichen Lebens, für welche die Kanzleisprache besondere Formeln bot, statt Nachahmungen der lateinischen Ausdrücke die eigentümlich deutschen einsetzte. So zeigt gleich die Überschrift statt einer einfachen Ubersetzung den Eintritt einer kunstgerechten 'Salutatz', die im Aufbau wie in den einzelnen Stücken vom Latein charakteristisch abweicht. Der Name des Angeredeten ist vorangestellt und nach dem formelhaften entbeut' folgt der Name des Redners. Der Zusatz 'streng vnd emuest* zeigt, dass sich Hutten eng an die Vorschrift der fränkischen Kanzleisprache gehalten hat: ein Cantzleybüchlin von 1522 hebt hervor, dass dieser Zusatz, 'als manß am Rheinstrom vnd im land zu Francken pfligt', der passendste sei. Auch der Zusatz 'Poet vnd Orator' ist auf die Kanzleisprache zurückzuführen, welche die Titel sorgsamer als das Latein behandelt. Was etwa ein vom Latein abhängiger Über- setzer aus einer solchen Überschrift macht, kann man aus folgendem Beispiel abnehmen (II, 47): Vlrichus ab Hutten eques Carolo V Romanorum imperatori salutem 'Huldrich von Hutten tzu Carolo Romischen kaiser des namen dem fünften, seinen grus tzu vor.

Die Einflüsse der Formeln der Kanzleisprache sind überall sichtbar. Auf sie ist es zurückzuführen, wenn an die Stellen der Namen der weltlichen und geistlichen Herrscher die Bezeichnung der Würde tritt oder doch zu dem Namen hinzugesetzt wird: a Maximilyano ... ad Leonem X. 'von dem keyser Maximiliano ... an den bapst Leonem' (232, 39. V. 'vom Maximiliano brieff begeret zum Bapst Leo ), a Leone von dem Bapst' (176, 15. V. 'dem Bapst Leo'). Hierher gehört auch voronavit Keyser krönen (17(5, 28. V. 'krönen'). Aus der Menge derjenigen Fälle, welche Einfluss oder Ersatz durch die Kanzleisprache zeigen, seien einige herausgehoben: omnium in Germania urbium 'vnter allen Stetten teütscher Nation* (149, 23), t>d in caeteris pro-

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KVNZLEISI'RACHK.

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chiciis oder in andern vnsern landen (1(52, IS), Imperium occidentis das gantz Komisch Heych gegen niderganck der sunnen' (172, 30. V. 'die Herschung des nidergangs der Sonnen ), in Germania 'in Teütschen landen (195, 29. V. 'inn dem Teütschen landt') , principe^ viroa fürsten vnd herren' (235, 32. V. 'Fürsten vnd fürnämbsten leuten), quanto quisque nobilior est was vom adel ist* (156. 20. V. ye ein edler . . . gemüt einer hat'), Imperium des Heyens würde vnd herlicheit (159, 23. V. 'der gewaltf).

Zur Kanzleisprache zu rechnen sind diejenigen Begriffe der Kirchensprache, welche sich mit der Hierarchie und den äusseren Formen der Kirche beschäftigen. In den Kanzlei- büchern ist ein Theil stets der Kirche gewidmet, sacerdotia 'geistlichen lehen' (178, 29. VT. 'Priesterschafft'), prineipes eccle- */<is Yürstliche lehen der kirchen' (199, 28. V. 'die fürnämbsten kirchen'). Wenn Hutten für pedum oseufationes 'demütig kussz seiner säligen fuß' setzt, so ist dies keine willkürliche Ironie, sondern die ironische Verwendung der gebräuchlichen Formel (225, 37). Auch seine Behandlung der Fremdwörter der Kirchensprache, auf welche wir an anderer Stelle kommen, zeugt für seine Kenntnis der deutschen Kirchenkanzlei- sprache, wenn man von einer solchen reden darf.

Noch stärker zeigt sich überall das Eindringen der deutschen Kirchensprache im engeren Sinne. Es werden zunächst die heidnischen Anklänge ausgemerzt, welche in den rhetorischen Formeln der Anrufungen Gottes im Latein liegen: dii boni o got' (172, 39. V. 'Lieber Gott'). Dieselbe Ab- wendung von heidnischen Formeln tritt in der Neubearbeitung lateinischer Schritten hervor. So sind in den handschriftlichen Bemerkungen, mit denen Hutten zum Zweck des Neudrucks mehrere seiner lateinischen Schriften versah, stets immortalis X* oder hrm Imortals für dii oder deos immortales der alten Texte eingesetzt (III, xxi, xxv). Zu den Namen der Heiligen tritt fast immer das Zeichen ihrer Heiligkeit: Petri sant Peters (171, 24. V. Petri). Überall wird das Christenthum durch das Wort selbst stärker hervorgehoben: pacis . . . caritatis Christlichen friden .... Christlichenn liehe (181, 19), ecclesia heyligen Christlichen kirchen' (223,

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STILISTISCHES.

22), per officium caritatu 'in Christlicher lieh' (235, 22). Statt einer wörtlichen Ubersetzung der lateinischen Ausdrücke tritt stets die eigentümlich deutsche Wendung ein : spiritalis grutiae gnad des hoyligen geystes (163, 38), revirtura 'auff- ersteen (177, 21. V. 'lebendig werden), vitam, beafitudinem 'das ewig leben, vnd der seien säligkeit' (179, 28), vitae 'ewig leben' (181, 25), in divos 'in die schar der heyligen* (232, 32), iurent 'zn got vnd den heiligen zu vorschweren* (179, 34). Varnbüler folgt genau der Vorlage.

Hier ist auch zu erwähnen, dass Hutten die Schlag- wörter des Kirchenstreites ganz geläufig sind : einendatio, emendare wird meist 'Reformation, reformieren', piacuhnn ketzerey' (201, 20). Zuweilen setzt er um der Deutlichkeit willen das letztere Schlagwort frei hinzu: propter detestatidnui novitatem umb der ketzerischen verflüchten newerung willen' (192, 37).

RITTERSPRACHE.

Ein Vergleich der Gebiete, aus welchen Hutten im Latein und im Deutschen seine Bilder schöpft, ergibt ganz deutlich den stärkeren Einfiuss der Sprache des Ritterlebens für das Deutsche. Ein gleiches lässt sich unschwer für die einfache Wortwahl nachweisen. So sind manche Ausdrücke, die unter der Urkundensprache behandelt sind, ebenso sehr der engeren Rittersprache zuzurechnen : z. B. quanto quisque nobilior est was vom adel ist" (156, 20). Ist doch die Kennt- nis und strenge Handhabung der Urkundensprache überhaupt vorzüglich Huttens Eigenschaft als deutscher Ritter zuzu- schreiben. Die besten Beweise für die Wirkung seiner Standessprache hat Hutten jedoch in dem übertragenen Ge- brauch einer Reihe von Verben gegeben, welche zunächst Thätigkeiten des ritterlichen Standes bezeichnen. Die Be- deutung der Beispiele wird klarer durch einen Vergleich mit Varnbüler und dem auch an der späteren Stelle heran- gezogenen Gedichte 'Clag vnd vormanung: coenobia invudunt 'fallen sye die klöstcr an' (206, 27. V. sy greifen an'. 01. V. 1056. mich fallen an, vnd mit gewalt züfüren hin ), omnes

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KITTERSPK ACHE.

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eins obserearent motus wo sich die hjnwegt. bestelt . . . . werde' (212, 2:5. V. jr, wa sy sich regte, waraiimen. CI. V. 1140. Man stell der Curtisanen lauft"), quid eaptent 'wo nach sye stellen' (224, 3o\ V. warauff sye es thünd. Cl. V. 1080. 'was stellest du nach meinem blut?) omvem oppugnn- t ionein propelhmt alle anfechtung überstreiten' (249, 33. V. aller widerstand hinweg genommen1. Cl. V. 1178. da seind wir u berst ritten von), aliquot ltnliav urbibus multarit cum 'hat jn . . . vmb etzliche stat, die er jm hat müssen über- geben, geschätzt' (176. 33. V. jhn ertlicher statt in Italia beraubt. Cl. V. 798.' *do gehetzt man dann die armen leüt. / nimpts hör hinweg vnd auch die heiiC); der Zusatz 'wenn sye einem wollen' (210, 23) ist zu vergleichen mit Cl. V. 950. 'Wollauff, ist zeyt, wir müssen dran'; non invadent gehen sye die nit an* (25b\ 28. V. 'wollen sy nit angreiften'), quo intaetos uos siiwnt 'darmit sye vns nit angeen gedorffen (208, 32. V. darmit sy vns nitt auch berüren'). Die Wahl solcher standeseigenthümlicher Wörter ist als Kriterium Huttenschen Stiles zu verwenden.

HOFSPRACHE.

Die deutsche Übersetzung Huttens ist von ihrer latei- nischen Vorlage im allgemeinen durch hellere Beleuchtung und grellere Farben deutlich unterschieden. Eine um so mehr auffallende Erscheinung ist die Dämpfung und Verdunkelung einer Reihe von Stellen, in denen die Unsittlichkeit im engeren Sinne behandelt wird. Huttens Sprache verfügt über eine ausgebildete Technik dieses Verfahrens, das in ausgeprägtem Gegensatz zu dem gewöhnlichen Stil seiner Zeit steht. Während Varnbülers grobianischer Stil mit dem antiken an naiver Nacktheit wetteifert, entfernt sich Hutten von beiden, indem er der klassischen Nacktheit nach höfi- scher Sitte ein Feigenblatt aufklebt. Ein Vergleich der drei Texte bringt ihre Unterschiede zu klarem Ausdruck. Nur in zwei Fällen, welche bezeichnender Weise in zweien jener 'Gedritte' stehen, die besonders scharf Roms Laster zusammenlassen, hat Hutten die eindeutigen Ausdrücke

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STILISTISCHES.

wiedergegeben: lenones 'hörenjnger' (239, 20. V. 'Hürenwirt') und scortis 'hören (239, 35. V. 'Hören). Alle übrigen Stellen bekunden die Einwirkung jenes Verfahrens in ver- schiedener Weise. Die erste Art zeigt am deutlichsten den höfischen Ursprung. Statt klarer deutscher Wörter werden romanische Fremdwörter eingesetzt, welche damals wie heute eine formale Abschwächung des groben Inhalts aus- üben. So gibt Hutten zweimal lenones mit 'rüffianer' (242, 31; 188, 18. V. 'hörenwirtenV So gibt Hutten caUnnitis mit 'buseronen' (188, 19. V. "schandtböben). Dies Wort ist so wenig in die Litteratur aus den höheren Kreisen ge- drungen, dass bis jetzt seine Bedeutung in den Wörter- büchern nicht sicher angegeben werden konnte. Die beiden Stellen bei Hans Sachs und in Luthers Tischreden reichen nicht aus. Grimm im D. W. schwankt zwischen mendujr und concuhinus. Dietz im Lutherwörterbuch zieht die letztere Übersetzung als die wahrscheinlichere vor. Durch unsere Stelle wird seine Auffassung gesichert. Bs ist nicht zu begreifen, wie Böcking mit Diez' Etym. Wörterbuch und Grimm 'Lästerer ansetzen kann.

Die zweite Art des Verfahrens besteht in der Er- setzung der eindeutigen Wörter durch solche, welche noch nicht ausschliesslich niedrige unsittliche Bedeutung erlangt haben: scortari 'Bülen' (185, 18. V. 'Hörerei treiben'), scor- tandi 'zu bübischem unzüchtigem unfrommlichem leben (181, 38. V. Tiörerey zutreiben'); meretricatio 'büberey' (182, 19. V. 'hörerey'), meretrices 'vnreyne frawen' (242, 20. V. 'Hören'), 'gemeyne frawen' (212, 35. V. 'Hören'), stnprum intuhrit 'sich vermischet nett* (230, 38. V. 'hett geschendet'), scortandi 'zö vnerlichem leben* (199, 18. V. 'hörerey zu treiben), meretrices 'ire weyber' (256, 35. V. 'hören').

Die leitende Absicht tritt am klarsten und unzweifel- haftesten da hervor, wo Hutten über den Gegenstand wider seine sonstige Gewohnheit den Schleier einer abstracten Wendung wirft: cum meretricibus libidinari 'durch vnkeüsch- heit lusts pflegen' (181, 35. V. 'denen hören am liebsten sein), in yanenm ad amicam 'zö einer brasserey vnnd vff die böl- schafft' (254, 31. V. 'in ein Frawenhauß oder sunst auff die

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HOFSPRACHE.

bülschaft'), viryinein errlesiam prostituistis lr hapt die reinig- keit der iungfrewlichen kirchen geschendet, vnnd vorunrey- niget' (168, ;32. V. 'die reyn junckfrawen die Kirchen, zu einer schandtlichen hären gemacht'). Die letzte Über- setzung Varnbülers gibt am schroffsten den Gegensatz des grobianischen Stils.

An Unterdrückung streift die Behandlung folgender Stelle: meretrices et catamitos 'ire weyber vnd ander* (250, 34. V. 'ire hären vnd schandtbüben ).

Hutten steht in der Litteratur seiner Zeit nicht allein mit seiner hier durch die That ausgesprochenen Ansicht, dass die Nacktheiten des Lateins im Deutschen zu verhüllen seien. Einen genau entsprechenden Fall bietet die Vorrede Jac. VVimpfelings zu seiner Übersetzung von des Philippus Beroaldus Declamationes de trihus frutrilnts, in der VVimpfe- ling die in der Übersetzung gebrauchten grobianischen Aus- drücke entschuldigt: 'wol mir uwer strengkeyt verzeihen grobe unzüchtige, ungeschickte usslegunge etlicher wort als huren vnd hurerig vnd desgleichen, dann ich von dem latin nit haben wollen wychen vmb merer kreftiger nachtrück zur inbildung vnd herzigung der Verachtung vnd Verwerfung diser grossen laster. Dass der gute Wimpfeling, theil weise wenigstens, hier aus der Noth eine Tugend gemacht hat, verräth er selbst in dorn Schlusssatz der Widmung: 'V. G. woll dise ungezirt vnd vngeschmuckt usslegung, dann ich hofttichs vnd verbliempts dutschens ungeübt bin, gutwillig- lich annehmen'. Es ist beachtenswerth, dass Wimpfeling in seiner lateinischen Ausgabe des Beroaldus über die groben, unzüchtigen' Worte der Lateiner sich nicht auslässt und seine beiden Nachfolger in der Ubersetzung, Frank und Frölenkint, ohne ein Wort der Entschuldigung in Varnbülers Weise stets das Ding grobianisch beim derbsten Namen nennen. W ie deutlich solche Unterschiede der Wortwahl ge- fühlt wurden, zeigt auch folgende Beobachtung Panzers. Indem ersten Nachdruck von Emsers Bibelübersetzung, welche ihrer- seits nur ein Plagiat der Lutherschen Übersetzung ist, wird versprochen, dass gewisse 'freche und ärgerliche' Wörter, die Luther gebraucht und Emser übersehen habe, in 'züchtigere'

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u

STILISTISCHES.

Wörter umgewandelt werden sollten. Panzer hat keine anderen Veränderungen fesstellen können, als dass Hurerey, Hure, huren durch Unkeuschheit, Bulin, vnkeuschen ersetzt sind (Grotefend, Luthers Verdienste u. s. w. S. 62 f.). Der Schlusssatz der Widmung Wimpfelings weist zugleich von neuem auf die Quelle, aus welcher Hutten den Ersatz für die Wörter seiner Vorlage schöpfte : die höfische Sprache. Die Gewandtheit, mit welcher Hutten in diesen wie in an- dern Dingen die höfische Sprache handhabt, erklärt sicli aus seiner gesellschaftlichen Stellung. Hutten ist als Ritter und Hofmann ein nicht unbedeutsamer Vertreter der höfi- schen Sprache der deutschen Litteratur seiner Zeit und steht als solcher im Gegensatz zu Luther, dessen Stellung in der deutschen Stilgeschichte durch die bewusste Ver- wendung und Vertheidigung der Volkssprache gegen die Hof- sprache bezeichnet wird. Luthers Schrift an den deutschen Adel bietet zwar keinen Stoff zu einem durchgängigen Ver- gleich, jedoch einen vorzüglichen symptomatischen Beweis für seine Stellung zu der hier behandelten Frage: Ist das nit ein hurhauß vbir alle hurhewßer, die yemant erdencken mocht, ßo weiß ich nit was hurhewser heyssen. Ein solcher Satz ist bei Hutten unmöglich. Wenn von Luther ein Urtheil Über Huttens Verfahren gefordert worden wäre, so würde er es gemisbilligt haben, weil die Sprache nach seiner Meinung nur brauchen darf 'verba simplicia, non castremia nee aulica. Unser modernes Stilgefühl, das sich in Strauss* Ubersetzung darstellt, steht zwischen Luther und Hutten.

FREMDWÖRTER.

Paul Pietsch sucht in seinem Buch über Luther und die hochdeutsche Schriftsprache seinen Vorwürfen gegen Huttens deutsche Schriften durch einige allgemeine Vor- würfe gegen den Humanismus einen Halt zu geben: 'Un- willkürlich oder auch wol überlegt musstc sich ihnen (den Männern der humanistischen Richtung) die deutsche Rede mit lateinischen Worten mischen, nuissten dem über alles

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FREMDWÖRTER.

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hochgeschätzten Latein nachgebildete Ausdrücke und syn- taktische Fügungen in ihre deutsche Rede einfliessen. In welcher Ausdehnung dies geschehen, können wir am besten erkennen, wenn wir wahrnehmen, dass auch der doch sonst so kerndeutsche Luther sich nicht von allen aus dieser Quelle stammenden Einflüssen hat frei machen können'. Unsere Aufgabe ist nur, diese Vorwürfe so weit zu prüfen, als sie Hutten betretfen. Eine Prüfung jenes allgemeinen Vorwurfs gegen die Humanisten, der ebenso verbreitet wie unbewiesen ist, lässt sich erst anstellen, wenn eine Geschichte des Eindringens der Fremdwörter vorliegt. So viel kann aber schon jetzt behauptet und mit sympto- matischen Beweisen belegt werden, dass in der bisherigen Auffassung eine Verwirrung herrscht zwischen dem Hu- manismus und den Bestrebungen zur Heception des römi- schen Hechts. Die Klagen über das Fremdwörterunwesen richten sich von jeher ganz ausdrücklich gegen die Hechts- gelehrten. Die Fremdwörterbücher nehmen stets unmittel- bar Bezug auf die Bräuche des Gerichts. Es lässt sich auch an einzelnen Beispielen jetzt bereits nachweisen, wie das Eindringen der Fremdwörter genau mit dem Eindringen römischer Juristen zusammenfällt: so geht aus den Ur- kunden des Mainzer Erzbisthums hervor, dass der Wechsel zwischen 'Kanzler in dütschen Landen' und 'Kanzler in Ger- manien mit den ersten Einwirkungen des römischen Hechts zeitlich zusammenfällt. Es ist anzunehmen, dass erst von den Kanzleien, welche die Sammelbecken für den Einfluss römischer Fremdwörter bilden, sich der Strom über Deutsch- land ergiesst und je nach der Anlage seine Spur in huma- nistischen und nicht humanistischen Schriften zurücklässt. Allerdings darf nicht geläugnet werden, dass |eine immer mehr verbreitete humanistische Halbbildung einen sehr em- pfänglichen Boden darstellte. Dem gegenüber lassen sich Zeugnisse beibringen, dass gerade die Humanisten die ersten und einzigen gewesen sind, welche deutlich und klar die Reinheit der Sprache verlangten. Bereits aus früherer Zeit ist die scharfe Polemik Aventins gegen das 'felschen mit zerbrochnen lateinischen Wörtern* be-

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IG

STILISTISCH KS.

kannt. Neuerdings hat Hartfelder in einem aus Heidel- berger Handschriften schöpfenden Programm ein Wort Reuchlins veröffentlicht, welches allein jene alte Behauptung erschüttern könnte: 'Merk hie, das man sich schemmen sol in dütschen reden vnd predigen vil latyns darunder zu müschen. Der Humanist, der die Forderung der Reinheit zuerst bei einer fremden Sprache zu würdigen gelernt hat, ist naturgemass der erste, der gleiche Forderungen an seine eigene Sprache stellt. Kluge hat in seinem Buch 'Von Luther bis Lcssing diese Bestrebungen der Humanisten gewürdigt, aber leider immer noch in einem Capitel 'Latein und Humanismus'. Das Fremdwörterwesen gehört nicht in dieses Capitel, sondern, wenn man zu den obigen Bemer- kungen noch die Hindeutung auf die ungeheuren Einflüsse der Kirchensprache hinzunimmt, unter den Titel: 'Fremd- wörter und Kanzel- und Kanzleisprache'.

Nach Pietschs Worten, welche nur die landläufige Ansicht wiedergeben, stellt Hutten die Verkörperung übler humanistischer Eigenheiten dar, und in Luther sind nur die Nachwehen der gewaltigen Verheerungen zu spüren, welche vom Humanismus ausgingen. Diese Combination hat nach den allgemeinen obigen Andeutungen wenig Wahrschein- lichkeit. Hutten ist ebenso sehr wie Luther ein Feind der römischen Juristen und Priester. Seinem Widerwillen gegen ihre Sprache gibt er deutlichen Ausdruck schon in seinem lateinischen Dialog Vadiscus : 'Huttenus: Sed nimm pracfari oportet , vores barbare insuni ', ne te moveatit. Emholdus: Ali moveant, quasi ita delicatae mihi au res sint, aut ignorem suis uti barbarant Curiam vorabuiis. Dir igitur de Curtisarm, de Copiistis, de scobatoribus, de beneficiis curatis et non curatis, de famltatibus, de f/ratiis, de reservatiombus. de reyressibus, de annatis etiam, et cruciata, si libet^ de devisiunfom rotae ac iure patronatus, nihil dederis molestiae (lö8, 13 ff.). Solche Wörter der römischen Kirchensprache, deren Contrast dem humanistischen Latein gegenüber in ähnlicher Weise fast überall spöttisch hervorgehoben wird, werden von Hutten auch in der deutschen Übersetzung mit einer bestimmten Absichtlichkeit gehandhabt, während Luther sie meist als die

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FREMDWÖRTER.

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natürlichen Ausdrücke ohne einen starken ironischen Ton anwendet. Ein Vergleich mit der Schrift an den Adel liefert überraschend viele Parallelen, welche auf Luther durchaus nicht das Licht werfen, in welches er bei Pietsch gerückt ist. Auch ein Vergleich mit Varnbüler ist lehr- reich, weil in ihm gewissermassen der allgemeine Hinter- grund des Durchschnittsstils gegeben ist.

Da die Stellung zu den Fremdwörtern hier nicht den Gegenstand einer eigenen Erörterung, sondern nur die Unterabtheilung einer Stiluntersuchung bildet, so können und müssen einige Andeutungen genaue statistische Vergleiche und Aufzählungen ersetzen.

Die oben angeführte Äusserung Huttens ist bedeut- sam für sein Verhalten in der Fremdwörterfrage. Fast überall, wo er ein Fremdwort anwendet, liegt ein ironischer oder agitatorischer Ton. Varnbüler hat hierfür kein Gefühl. Während er sonst in einer Fülle von Fremdwörtern schwelgt, pflegt er gerade an besonders bezeichnenden Stellen die Fremdwörter zu übersetzen : tibi pnlchre observant praeriara üla prineipum concordata 'die kostlichen bullen, Concordata prineipum genandt' (199, <V.\. V. 'der Fürsten verwilligung'). Es liesse sich eine grosse Menge von Beispielen dafür an- führen, dass Hutten mit seinen Fremdwörtern in der deut- schen Sprache, ebenso wie mit denselben kirchenlateinischen Worten in seinem Humanistenlatein, eine bestimmte Ab- sicht verfolgt. So besonders in Aufzählungen, wie der oben erwähnten, die Varnbüler ohne Verständnis für ihren Zweck einfach ausgelassen hat.

Bei Bräuchen der römischen Kirche, welche in Deutsch- land so eingebürgert waren, dass sich deutsche Bezeich- nungen gebildet hatten, wendet Hutten diese an: Bann, Ablass, Bischofsmantel setzt er ineist statt Interdict, Ab- solution, Pallium. Varnbüler übersetzt auch unübertragbare Fachausdrucke: ordinär io 'ordinarius' (205, 35. V. 'ordenlich Herr). Niemals fast verfehlt Hutten, fremden Ausdrücken, deren Verständnis für den Fortgang des Dialogs wichtig

ist, die deutsche Übersetzung beizufügen.

qf., lxvu. 2

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STILISTISCHES.

Luthers Stellung wie die Varnbülers ist in diesem Theil schon angedeutet.

Bezeichnender für die allgemeine Stellung zur Fremd- wörterfrage ist die Aufnahme nicht technischer Ausdrücke fremder Sprachen. Die Fremdwörterliste aus Huttens Übersetzung des Vadiscus ist nicht grösser als die eines heutigen Schriftstellers. Fast alle seine Fremdwörter sind auch bei Strauss zu finden. Luther dagegen hat manche Wörter aus der rechten helgrundsuppen heraufgeholt : tribu- Heren, contentiern, Comment, Valete, Auditoribus, Germanien und eine Reihe, die schon nicht mehr als einzelne Fremd- wörter, sondern als lateinische Citate zu rechnen sind. So hat Varnbüler: stumptieren, vacieren, registrieren (statt reformieren) u. s. w.

Auffallende Fremdwörter bei Hutten sind: Item' (190, 17), 'compact' (224, 19) und in, einer bei ihm nicht seltenen Verbindung, 'die summa daruon zu reden' (181, 20); phisicant' (209, 21) und 'falsirer' (189, 27) als Scheltwörter.

Im Gegensatz zu Luther und Varnbüler wendet Hutten nur im Singular und zuweilen im Nom. Acc. Plur. latei- nische Endungen bei Fremdwörtern an, gleichviel ob es Appellativa oder Eigennamen sind. Im übrigen Plural kommen nur bei Titeln von Bullen u. dgl. lateinische En- dungen vor : an stat der alten Scipion, Marcellen, Maximen, Caton, Metellen, Ciceron, vnd Marien, . . Vitellien, Othen, . . Nerones . . Domitiani' (178, 20. V. 'Scipionum, Marcellorum, Maximorum, Catonum, Mettellorum', . . . .)

Wichtiger noch als eine Feststellung der Wörter, welche Hutten gebraucht, ist eine solche der von ihm nicht gebrauchten. Hutten hat niemals 'Germanien' gebraucht, ebenso wenig 'Alpes'. Grotefend hebt einmal mit besonderem Nachdruck hervor, dass 'selbst das Wort Religion, wel- ches wir jetzt kaum zu entbehren verstehen', bei Luther nicht vorkommt. Auch Hutten bietet es niemals, sondern übersetzt rd'ujio mit den verschiedensten deutschen Wen- dungen : gemeyner christlicher glaube, geystlicheit, Glauben, recht Glaube' u. s. w.

Hutten hat in seiner Übersetzung keine lateinischen

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SYNONYMA

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Wortspiele, wenngleich sie die Vorlage bietet und wenn- gleich mehrere neu geschaffene deutsche Wortspiele seine Neigung bezeugen, auch die Ubersetzung mit Wortspielen zu zieren : superstitione . . religionem : *aberglaubens . . rechten glauben (219, 37), sine reliyiom 'vnangesehen was geboten oder verbotten ist* (186, 27). So lässt er das Wortspiel pretio prece (162, 13) fallen. Geschickt gibt er wieder discordem concordiam zwiträchtigen eintracht' (191, 19), mit bewunderungswürdiger Geschicklichkeit concilium . . con- ciiiabtdum rat . . rott' (217, 25). Diese geschickte Über- setzung überrascht um so mehr, als bei Luther in der Schrift an den Adel sich das lateinische Wortspiel findet (C 1 b): 'nit ein Christlich Concilium . . . Conciliabulum'. Luther hat auch sonst lateinische Wortspiele: 'Es heyssen Compositiones, freylich compositiones, ja confusiones (E 2 a).

Endlich muss betont werden, dass sich in der Über- setzung Huttens nicht ein einziges lateinisches Citat findet, während solche ohne Erklärung die ursprünglich deutsche Schrift Luthers in nicht geringer Anzahl bietet.

SYNONYMA.

„Luther hat 'die Neigung, denselben Begriff in kräf- tiger Variation des Wortes mehr als einmal und dadurch der Phantasie um so viel drastischer, dem Gemüt um so viel wärmer auszusprechen. Damit steht Luther durchaus auf deutsch volksmässigem Boden. Diese Neigung ist von jeher in unserer Sprache vorhanden gewesen und nicht nur da, wo dieselbe im Gewände der Poesie auftritt, sondern in weiter Ausdehnung zum Beispiel auch in der Rechts- sprache. Luther hat also auch hier aus dem Born wahr- haften Volkstums geschöpft, der ihm vor allen Zeitgenossen so unendlich frisch und lebendig sprudelte, und man darf sagen, dass ein Teil der wunderbaren Wirkung, welche Luthers Schriften auf den Leser ausüben, auf der reichlichen und doch nicht überreichlichen Anwendung dieser uralten

deutschen Stil form beruht. Und wir verdanken es wol

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STILISTISCHES.

zu einem nicht geringen Teile Luther, dass sich unsere Schriftsprache ein Gefühl für die Wirkung der Sprach- formeln bewahrt hat, welches auch heute, wo dieselbe in mancher Hinsicht so sehr nüchtern geworden, noch nicht erloschen ist."

Mit diesen Worten hat Paul Pietsch in seiner Schrift 'Luther und die hochdeutsche Schriftsprache die zwei- und dreigliedrigen Formeln bei Luther zu würdigen gesucht, für welche Heinrich Kückert, auf dessen Ausführungen Pietsch unmittelbar zurückgeht, in seinem Buch 'Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache' eine Sammlung alpha- betisch geordneter Beispiele gibt. Diese Redeform ist auch für die Charakteristik des Huttenschen Stiles von der höch- sten Bedeutung: in der Übersetzung des Vadiscus finden sich nicht weniger als ungefähr dreihundert mehrgliedrige Ausdrücke, welche in der Vorlage nicht vorhanden sind. Stellt man sich nun ohne weiteres auf den Boden der An- sichten von Kückert und Pietsch, so wird man in dieser Erscheinung eine mächtige Wirkung volkstümlicher Ein- flüsse und Bestrebungen sehen und Hutten als einen deut- schen Schriftsteller rühmen dürfen, der wie Luther zu den Quellen volkstümlicher Sprache hinuntergestiegen ist. Von einem solchen Urtheil halten jedoch zwei Bedenken fern, die aus unmittelbarer Beobachtung des von Kückert ge- botenen Materials und aus einer diese Stilerscheinung ver- folgenden Vergleichung der Huttenschen Schriften unter einander sich ergeben.

Wunderlich genug hat ein so feinsinniger Forscher wie Heinrich Kückert übersehen, dass in der grossen Masse der mehrgliedrigen Ausdrücke jene alten Formeln, auf welche er sich bezieht, eine solche Nebenrolle spielen, dass man kaum allgemeine Schlüsse auf sie bauen kann. Weil eine Minderzahl in der Liste sich als alte Ver- bindungen erweist, wird für die ganze Sammlung in un- klarer Verallgemeinerung das unmittelbare Wirken altehr- würdigen und volkstümlichen Sprachbewusstseins ange- nommen. Auch wenn man sich mit Kückert und Pietsch auf das einfache Stilgefühl allein verlässt, muss man er-

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SYNONYMA.

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kennen, dass Verbindungen, welche nach Rückert nur die Erklärung von Fremdwörtern bezwecken, wie 'ansehen und autorität, exempel und fürbild, condition und mitter u. s. w. und die Menge loser Häufungen, die sich besonders unter den dreigliedrigen Ausdrücken finden, einer anderen Quelle entstammen als jene alten Formeln, die durch AUitteration, Assonanz, Reim oder auch innere Klammern logischer Natur verbunden sind. Wer nicht den Blick ganz einseitig auf diese alten Bestandteile richtet, kann nicht in der Masse der mehrgliedrigen Ausdrücke einen be- sonderen Beweis der Volkstümlichkeit finden.

Schwerer und zwingender als diese Beobachtung ist das Ergebnis, welches man aus einer Vergleichung der Huttenschen Schriften erhält. Wenn man dieselben auf die Häutigkeit jener Stilform untersucht, so tritt ganz deutlich eine Steigerung hervor von den Gedichten zu den Über- setzungen der Gespräche, von diesen zu den Übersetzungen der Klagschriften, von diesen wieder zu ursprünglich deut- schen Schriften wie der 'Endtschüldigung, von diesen end- lich zu den eigentlichen deutschen Sendschreiben. Während in den Gedichten meist nur die alten Formeln zu finden sind, drängen sich in den Sendschreiben die Fremdwörter- erklärungen und losen Häufungen am meisten auf. Doch gerade diese Sendschreiben haben für ihre Form im allge- meinen wie ganz im einzelnen eine zähe Überlieferung, welche bis auf die Anfänge des Buchdrucks unschwer zu verfolgen ist.

Die Vereinigung dieser Beobachtungen führt auf eine sonderbare Spur, denn das Gebiet, auf das wir bei der Forschung nach dem Ursprung dieser Volkstümlichsten' Stilform gelenkt werden, ist kein anderes als gerade das- jenige, in dem jene beiden Forscher, die diese Frage ange- regt haben, alle Gegensätze der von ihnen allzu modern construirten volkstümlichen Sprache suchen: die Kanzlei. Es würde vom Gegenstande zu weit abführen, wenn auf die Prüfung jener Ansicht eingegangen werden sollte, die entgegen einem bekannten deutlichen Wort Luthers auf Grund geringfügiger Angriffe, die er gegen die Kanzlei

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richtete, einen absoluten Gegensatz zwischen Luther und der Kanzlei aufstellt. An die Schwäche ihrer Grundlagen soll nur erinnert werden, damit das Ergebnis dieser Unter- suchung vom Scheine des Paradoxons frei bleibe.

Die Zeugnisse der Kanzleisprache sind erhalten in den Urkunden und in den Lehrbüchern. Diese Lehrbücher sind nun eben jene 'Formulare vnd tütsch Rhetorica, aus deren Untersuchung Pietsch sich mit Recht neue Ergebnisse ver- sprach. Schlägt man ein solches Formulare auf und geht die Urkunden und Briefe durch, die sich als Musterzeugnisse des Kanzleistils geben, so findet man sie mit einer erstaun- lichen Masse von jenen Formeln geziert. Man kann sogar sagen, dass ihr einziger rhetorischer Schmuck eben darin besteht. Geht man nun zur Einleitung der Formulare zu- rück, in der unter anderem Schmuckstücke für Urkunden und Briefe in einzelnen Abtheilungen zusammengestellt sind, so findet man die Beobachtung von neuem bestätigt. Wenn man etwa in der Rhetorica von 1483 die Abschnitte 'Merck hernach schön gcleychnuß' und 'Hyenach volgend etlich co- lores vnd exempla rethoricales mit hübschen beschliessungen vnd hofrlichem teütsch von allen reden außgezogen* einer genauen Prüfung unterzieht, so wird man mit verschwindend wenigen Ausnahmen überall nur synonyme mehrgliedrige Ausdrücke als bezeichnendes Merkmal feststellen können. Spätere Formulari vnd tütsch rhetorica* wie das von 1488 unterscheiden sich fast nur in den Überschriften: 'Schon geplönite red* und Hienach volgent aber ander colores rhetoricales, mitt exompeln vnd hibschen beschiessungen, vßzogen von vil reden. Endlich findet man einen Ab- schnitt, der sich überall ganz offen gibt als das, was er ist : Sinonima rethoricalia (1483) oder 'Sinonima oder glych- bedeutende Wörter (1488). Es kann nach den früheren Beobachtungen kein Zweifel über den Zweck bestehen, zu welchem diese Sammlungen gegeben wurden : dem Schreiber sollte die Möglichkeit geboten werden, sich aus den ein- zelnen Synonymen mehrgliedrige Ausdrücke nach Art der geplömpten red' und der colores rhetoricales' für den eigenen Bedarf selbst zusammenzusetzen. Diese Ansicht

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SYNONYMA.

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wird gestützt durch die Worte, mit denen die Synonyma im Register angezeigt werden : Hie hebendt an die Syno- nima durch die man wolgeziert geplompt red vnd kostlich Collores der Rhetorica formieren mag'. Eine fernere Be- stätigung finden wir in einem gleichzeitigen Zeugnis, in der Polemik, welche der unter starkem lateinischen Eintluss stehende Verfasser des bekannten 'Spiegels der waren Rhe- toric, Friedrich Riederer von Mühlhausen gegen diesen Gebrauch der Synonyma unternimmt: 'etlich redner vnd schreyber gebrauchend sich vil Synonima inn ein red zftuer- sammlen, vnnd vermeynend damit die red zeweytren vnd züzyeren, so doch der selben wort keins weyter oder ge- meyner bedeütnuß hat, dann das ander, auch keins das ander erklart, noch einig frucht noch nutz inn der red ge- bürt, dann inn yeder red sollen die wort nit müssig, noch on vrsach stehen, sonder etwas nutz tragen. Das beschicht inn den gantz gleychen Synonimis nit, dann gantz unnütz, vnd nit zierlich ist die red, Also, du hast mich meiner eheren beschuldiget, belümbdet, gescholten, geschmächt vnd ge- schmutzt. Angesehen das der selben wort keins das ander inn bedeütnuß vbertrifft. Aber bestendig ist, wann sie inn vil reden, oder teylen der red, also das andere wort, da zwyschen kommend, gebraucht werdend sollicher form, Peter hat Jacoben beschuldiget, Conrathen verlümbdet, Katherinen gescholtenn, Vrsulen geschmächt, vnd alle menschen an eheren geschmutzt. Vnd ist zewissen, dz Synonima darumb erfunden sind, wann ein wort sich auff vil artickel, wie inn nechst vorgehendem beyspyl zebrauchen gebürt, das wir dann ein anders, das jm inn bedeütnuß gleych sey, an sein statt zebrauchen haben, dadurch vermitten bleyb, die vbel- thönend red: Peter hat Jacoben verlümbdet, Katherinen verlümbdet, Vrsulen verlümbdet, vnd alle menschen ver- lümbdt* (Ausgabe von 1535, 35 a). Ungemein bezeichnend ist es, dass Riederer in dem praktischen Theil seiner Rhe- torik sich nicht nach dieser Regel richtet, die er selbst mit nachdrücklichster Breite vorträgt, sondern fast überall die Pfade des allgemeinen Kanzleistils wandelt. In seinem Werk fehlen allerdings die oben angeführten drei syno-

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nymischen Abschnitte. Spätere compilatorische Thätigkeit hat den armen Riederer mit den von ihm bekämpften Bestrebungen zusammengespannt. In den Egenolffschen Rhetoriken ist vorn mit der Vorrede des 'Spiegels' der Aus- fall gegen die Synonyma gegeben, hinten aber eine zum grossen Theil auf den alten Sammlungen der Formulare be- ruhende Synonymenliste abgedruckt, über deren praktische Anwendung die Zeit nun einmal andere Ansichten hatte als Riederer.

Man ist nicht berechtigt, Schlüsse aus diesen alten Rhetoriken auf die Zeit Huttens und Luthers zu verbieten ; denn erstens sind die Rhetoriken fast ganz unverändert bis in das sechzehnte Jahrhundert hinein wiedergedruckt worden, zweitens sind in den späteren Rhetoriken wie in der des Hug von 1527 zwar jene allgemeinen synonymischen Theile wie die ganze Einleitung der alten Formulare fortgelassen, in den Beispielen aber doch überall befolgt; endlich hat sich vorläufig wenigstens ein Büchlein gefunden, welches den unbestreitbaren Beweis liefert, dass auch in dem hier zu untersuchenden Zeitraum noch genau dieselben Ansichten lebendig waren, welche sich aus den alten Formularen er- gaben. Bereits der Titel dieses Büchleins bestätigt auch für unsern Zeitraum unmittelbar die obigen Beobachtungen, nach welchen das Wesen des rhetorischen Schmuckes des ganzen Kanzleistils allein in der Synonymik zu suchen ist. Der Titel lautet: Hie hebent an die synonima die man nent gezierte geblümte, vnd colores der schonen hoffkunst- rethorieken formieren' (o. 0. 1522).

Dieser Titel spricht das Ergebnis der Untersuchung aus: die mehrgliedrigen Formeln sind für das XVI. Jahr- hundert nicht Bestandteile der Volkssprache, sondern der 'hoffkunstrethoriken*.

Die Aufgabe einer umfassenden Untersuchung wäre es, den Quellen dieser stilistischen Erscheinung nachzugehen. Es wäre zu erforschen, in welchem Zusammenhang die Synonyma mit jenen alten Formeln der Poesie und Rechts- sprache stehen, denen man sie bisher einfach gleich- setzte. Es wird sich ohne eine solche Untersuchung vor-

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SYNONYMA

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läufig nicht entscheiden lassen, ob die Synonyma eine un- mittelbare Ausartung der alten Formeln oder ein neues Erzeugnis der Kanzlei sind, welche vielleicht auf diese Weise die mühsam gesammelten Schätze der Synonymik zur Schau stellen wollte.1 Für die erste Annahme scheint zu sprechen, dass in den Synonymensammlungen, so also auch in der zuletzt angeführten, sich unter den einfachen Syno- nymen nicht nur alte durch Reim oder Allitteration ge- bundene Formeln, sondern auch Auflösungen von solchen alten Formeln finden, die gar keine synonymische Verbin- dung haben : 'Biegen, Schmiegen' (c 6), 'Glitzet, Plitzet' (c 2) ; 'Schirm, Schutz' (a 7) ;'Schand, Schaden (b 1),' Wandeln, Handeln' (b4); 'Willen Wissen, (b2). Zuweilen ist sogar das be- zeichnende 'vnd' mit eingeschlichen: 'Lob vnnd eer (b3). Diese Erscheinung ist aber ebenso gut dadurch zu erklären, dass bei der aus anderen Gründen entstandenen Synonymen- jagd mit den gesuchten alten Formeln durch Unachtsamkeit auch solche eingefangen wurden, die in die neuen Samm- lungen eigentlich gar nicht passten. Für unsern Zweck kann diese Frage unbeantwortet gelassen werden, da schon in den dargelegten Beobachtungen ein hinreichend fester Standpunct zur Beurtheilung der im Eingang aufgeworfenen Frage geschaffen ist.

Halten wir das Ergebnis der Untersuchung zunächst neben Rückerts Aufstellungen über die Bedeutung der Syno- nyma bei Luther, so sind wir nicht nur berechtigt jenen Satz Rückerts umzustossen, in welchem er auf Grund seiner Beobachtungen über die Synonyma Luthers Sprache 'das Centrum oder den Mikrokosmus des volkthümlichdeutschen Sprach bewusstseins nennt, sondern wir müssen sogar an seine Stelle den Gegensatz rücken, dass Luther in keiner stilistischen Erscheinung deutlicher zeigt, wieviel er von der Kanzlei gelernt hat, als in dem Gebrauch der Synonyma. Jene Worte der Tischreden, in denen Luther sein Verhältnis zu den Kanzleien ausspricht, können also nicht allein auf lautliche und grammatische, sondern auch auf stilistische

Vgl. Joh. Müller, Der deutschsprachliche Unterricht 8. 371.

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Eigenheiten bezogen werden. Ein Wirken volksthümlichen Sprachbewusstseins ist nur insoweit zuzugeben, als Luther die in den Synonymen enthaltenen alten Formeln be- sonders pflegt und durch allitterirende und reimende Neu- bildungen vermehrt.

Was ergibt sich hieraus für die dreihundert mehr- gliedrigen Ausdrücke des Vadiscus? Dass wir nicht be- rechtigt sind, in jedem mehrgliedrigen Ausdruck ein er- freuliches Zeichen frischer Volkssprache zu sehen, dass wir vielmehr im einzelnen prüfen müssen, wie Hutten sich der von der 'hoffkunstrhetoriken erlernten Mittel zur Gestaltung seiner Sprache bedient hat.

Man darf nicht meinen, dass die Übersetzung dadurch, dass sie jene dreihundert mehrgliedrigen Ausdrücke auf- genommen hat, in den Kanzleistil verfallen wäre. Den charakteristischen Unterschied ergibt ein Vergleich mit einem eigentlichen Sendschreiben Huttens. In einem solchen Er- zeugnis des Kanzleistils, welches in einer gewissen Breite und Fülle seine Würde sucht, sind die cohres rhetoricahs in einer gleichmässig dicken Schicht über die ganze Rede gestrichen, so dass die Zeichnung meist nur verwischt und verdeckt wird. In der Übersetzung des Vadiscus dagegen benutzt Hutten die colores rhetoricales fast stets, um an den bedeutsamen Stellen hellere Lichter aufzusetzen, welche das ganze Gemälde heben.

Naturgemäss entwickeln sich also die doppel- oder mehrgliedrigen Ausdrücke am häufigsten aus den vielen Scheltworten der scharfen Polemik gegen Rom. Der Vor- gang ist so einfach, dass wenige Beispiele für die grosse Menge der Fälle genügen: nefarium sünd vnd schand* (180, 20), infatuatum 'betöret vnd geaffet' (245, 22). Besonders bevorzugt wird diese Art der Übersetzung für die Steige- rungsgrade der Adjectiva mit tadelnder Bedeutung: ocerbior vordrißlicher vnnd' vnleydlicher (158, 28), nefandissima 'vnzimlichst schalckhafftigst lästerlichst* (189, 23). Theil- weise dient der zweigliedrige Ausdruck geradezu als Ersatz für den im Latein sehr verbreiteten rhetorischen Superlativ : (jravissimo schwärem vnnd vnträglichem' (192, 35).

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SYNONYMA.

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Eine kleinere Zahl von Fällen zeigt den entsprechenden Vorgang bei solchen Wörtern, die einen Ton der Zuneigung in sich schliessen : innoeeniibus 'frommen vnd vnschuldigen" (210, 18), liberalitas 'miltiglich, freüntlich, vnd dinstlich geberen (239, 33).

In all diesen Fällen ist deutlich zu bemerken, wie sich unter dem Druck des rhetorischen Tones das einzelne Wort in mehrere spaltet und so der Ton gewissermassen ver- körpert wird. Eine Minderzahl der mehrgliedrigen Aus- drucke hat sich nicht aus der Rede heraus entwickelt, sondern ist als fertige Formel übernommen worden. Hier- her gehören die an anderer Stelle besprochenen Formeln der Kanzlei-, Kirchen- und Hofsprache, unter welche auch fast alle Fremdwörterverbindungen fallen.

Zum Schluss noch eine Bemerkung über die Form der mehrgliedrigen Ausdrücke, weil sich aus ihr ein sicheres Merkmal Huttensehen Stiles ergibt. Es ist oben erwähnt worden, dass in der Zahl der colores rhetorirales auch die allitterirenden und reimenden Formeln vertreten sind. So hat denn auch Hutten gifften und gaben, schänden vnd schaden, liegen vnd triegen, rupften vnd rauben u. s. w. Das Muster solcher Verbindungen hat nun zu Neubildungen Anlass gegeben. Wie sich bei Luther manche allitterirenden und gereimten Verbindungen finden, die sicherlich nicht übernommen, sondern von ihm geschaffen sind, so hat auch Hutten eine allitterirende Verbindung, welche er mit Vor- bebe anwendet, während sie sonst nicht zu belegen ist: molles et delicati weych, weybisch, vnd wollüstig' (243, 37). Clag vnd vormanung : 'Ein weybisch volck, ein weyche schar* (1174). Inspicientes: mollitie et luxu weychmütigkeit vnd weybischem leben (282, 36). Varnbüler sagt an unserer Stelle 'weych vnd verwänt'. Varnbüler hat die mehrgliedrigen Aus- drücke als Kind seiner Zeit auch nicht selten. Da es ihm aber an jedem rhetorischen Talent gebricht, so sind sie fast immer unnöthiger Ballast an unrechter Stelle.

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STILISTISCHES.

ABSTKAOTA.

'Ex abunduHtia ronlis os loquitur. Wenn ich den Eseln sol folgen, die werden mir die Buchstaben fürlegen, vnd also dolmetschen, Aus dem vberflus des hertzen redet der mund. Sage mir, Ist das Deudsch geredt? Welcher Deudscher verstehet solchs? Was ist vberfluss der Hertzen für ein ding ? . . . . also redet die Mutter im hause vnd der gemeine Man: Wes das herz vol ist, des gehet der mund vber. Das heist gut Deudsch geredt, des ich mich geflissen vnd leider nicht allwege erreicht noch getroffen habe. Denn die Lateinischen Buchstaben hindern aus der massen sehr, gut deudsch zu reden'.

Die stilistische Frage, welche Luther mit diesen Worten im Sendbrief vom Dolmetschen erörtert, betrifft die Bc- handlung der lateinischen Abstracta bei der Übertragung ins Deutsche. Luther deckt einen Grundunterschied der beiden Sprachen auf, der nur in der modernen Schriftsprache fast völlig überbrückt erscheint, und er hat Recht, seine Gegner, welche den Unterschied übersehen, der Unkenntnis deutscher Sprache zu zeihen.

In den Reihen dieser Gegner müssten wir Hutten finden, wenn wirklich seine Prosa sich jenem Übersetzer- deutsch des Nicolaus von Weil, einem Deutsch, hinter welchem Wort für Wort das Lateinische liegt' mit Wacker- nagel gleich setzen Hesse. In einer überwältigend grossen Anzahl von Stellen hat jedoch Hutten deutlich bewiesen, dass auch in dieser Frage sein deutsches Sprachgefühl ihn nicht verlassen hat. Wenn er dann auch in manchen Fällen dem Einfhiss des Lateins erliegt, so muss daran erinnert werden, dass auch Luther nach eigenem Geständnis sich demselben nicht immer ganz entziehen konnte.

Es ist kein Zufall, dass in dem von Luther angezogenen Beispiel gerade ein Verbum das Abstractum ersetzt; denn in der grössten Zahl der Fälle findet ein Austausch zwischen Abstract und Verbum statt. Diese Erscheinung ist aus der Entstehung der Abstracta leicht zu erklären.

Diese Ersetzung durch ein Verbum braucht nicht immer

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ABSTRACTA.

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eine Veränderung des Satzbaus zur Folge zu haben. Der Satzbau bleibt ungeändert, wenn ein mit einem Hilfsverb verbundenes Abstract entweder allein oder sammt dem Verb in ein Verb verwandelt wird: qua rioleutia quae possit esse yraviur. quae foedior contumelia, quae f>eior servitus? Ist das nit ein vngehörter vnbillicher gewaltsam? Oder wie möcht man vnß nier, vnnd höher beschweren? Wie möcht man voriichtlicher vnnd schmälieher vntertrucken ein volck? (156, 28). Dies Beispiel ist dadurch besonders bemerkenswert!! , dass es die allmähliche Trennung vom Abstract zeigt, ne sit svortandi ittrum occasio 'vff das sye .desto weniger vnerlichem leben vorursacht werden' (199, 18) miseria (est) 'ist erbarmen* (249, 28).

In allen übrigen Fällen wird jedoch durch die Um- wandlung des Abstracts in ein Verbum ein neuer Nebensatz bedingt: summae spei adulesceuti prineipi 'dem edlen iüng- ling, zu dem yederman alles güt vorhoffen ist' (159, 25); in tunta verum pvuuriu 'die weyl der stifft sollicher massen vorderbt ist' (193, 21); umnes eins observarent motus, omnem »crluderent exitum 'wo sich die hjnwegt, bestelt, wohjn auß sye wolt, beschlossen werde (212, 23); 'imyudenfia autem oerer uudiain dissipat, et quo minus pudeat ftagitii, ipsa efficit Wer aber zu Rom auff kummen wil, darff nit vast schewen, ein groß böß wichts stuck züthün. Hyrumb muß man Horn vnuorschampt sein , vnd vor keiner begangen schand bald rot werden (202, 34 ff.). Das letzte Beispiel über- schreitet bereits die Grenzen der einfachen Ersetzung des Abstracts durch ein Verb, konnte aber nicht übergangen werden, da es klar zeigt, wie aus der Verdrängung der Ab- stracta sich andere Verdeutlichungen unmittelbar ergeben.

Eine zweite Art der Umwandlung des Abstracts ist die Einsetzung durch ein Adjectiv: Magna cum utilitate et publica commodo 'das würt auch nutz güt, vnd yderman erschißlich sein' (198, 23), 'ad vitae beatitudinem 'in dem seligen leben' (227, 17).

Nicht alle Fälle, welche die auffallende Bewahrung oder gar Einführung eines Abstracts zeigen, beweisen ein Erliegen vor lateinischem Einflüsse. Fügungen wie 'auß

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STILISTISCHES

Bäpst liches geytzes anreytzung vnd bewegnülj für ooarifiae pontificalis insünctu (174, 23) können allerdings den latei- nischen Einfluss nicht verläugnen. Dagegen sind zahlreiche Fälle, in denen das Verb in Abstract und Verb zerlegt wurde, aus Forderungen des deutschen Satzaccents zu er- klären. Andere Fälle sind im Abschnitt 'Hofsprache' bereits erklärt.

Die hier beobachteten Erscheinungen liefern keinen Beitrag zu den individuellen Stilkriterien. Überall lassen sich bei Varnbüler ähnliche Wandlungen aufweisen. Charakte- ristisch sind die Beobachtungen trotzdem, weil sie Hutten in freier Bewegung gegenüber denjenigen Kräften des Latein zeigen , denen selbst der Sprachgewaltigste und endlich unsere Sprache als solche nachgeben musste.

PRONOMINA.

Die pronominalen Bestandtheile haben bei der Über- setzung sich eine wesentliche Einschränkung gefallen lassen müssen. An die Stelle der substantivischen und adjecti- vischen Pronomina und der Pronominaladverbia sind in sehr vielen Füllen die Nomina selbst getreten. Diese Wendung lässt sich zunächst aus einem allgemeinen Stilunterschied der beiden Sprachen begreifen. Dem lateinischen Stil ist ein Beichthum an pronominalen Bildungen und dessen aus- gedehnteste Verwerthung eigenthümlich. Er wird durch den- selben weder in seiner Natürlichkeit noch in seiner Deut- lichkeit beeinträchtigt. Von dem deutschen Stil, soweit nicht die moderne Schriftsprache in Betracht kommt, darf man in allen Puncten das Gegentheil behaupten. So erklärt es sich, dass jede Übersetzung, die sich nicht die peinlichste Nachahmung der lateinischen Vorlage zur Aufgabe gesetzt hat, also auch Varnbüler, nicht wenige Beispiele dieser Er- setzung aufzuweisen hat : haer ille detestabatur Christus hat die krieg gescholten* (181 , 32. V. 'hat Christus den selben verflucht'), illius . . huius Pij . . Julij' (216, 17. V. an dem . . an dem)' ; hoch honore 'Bischoffl icher Eeren (194, 19.

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PRONOMINA.

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V. 'zum ßistumb'); hie 'in .teütschland' (l.r>8, 34. V. 'haussen'). An einigen Stellen ist der Übergang vom Pronomen zum Nomen bei Hutten noch erhalten: ille er Carolus' (176, 15. V. 'der Keyser Carolus), Uli 'sye die Komanisten' (210, 34. V. sy ).

Dieser einfache objective Ersatz der Pronomina kann, da er einem ganz allgemeinen Zug des deutschen Stils ent- springt, für Huttens Stil nur insofern bedeutsam sein, als er bei ihm ungewöhnlich häufig durchgeführt ist. An sich charakteristisch ist dagegen derjenige Ersatz, den man am besten den subjectiven nennen kann. Das subjective Urtheil, das vielfach in dem lateinischen Pronomen nur angedeutet ist, wird in deutliche Worte umgesetzt: nemo arhitrutnr 'das narrisch volck glaubt nit' (228, 22. V. vil leüt meynen . . kein'), hae 'die gütten frommen weyblinn (228, 35. V. ettliehe); mores hos 'ire böße sitten (219, 34. V. 'dißer boß- heit'j, illml bellum ein vast schädlicher krieg (195, 24. V. 'der krieg'). Wenn sich auch zuweilen ein solcher Fall bei Varnbüler findet, so ist doch' die Erscheinung, zumal in ihrer vollen Ausbildung, fast nur bei Hutten festzustellen. Es ist seinem Stil eigen, dass die Flamme des Unwillens, welche der lateinische Kedner durch jene Pronomina halb verdeckt, im Deutschen überall durchbricht und in scharfen Worten hell auflodert.

Um ein statistisches Beispiel der Wirkung dieser Be- strebung zu geben, mögen die Zahlen verglichen werden, welche das Auftreten des Namens Teutsch oder Teutsch- landt lind Germani oder Germania bezeichnen. Allerdings kann hier zuweilen nicht bloss die Abneigung gegen das Pronomen, sondern auch eine patriotische Neigung für den Namen wirksam gewesen sein. Der Umstand aber, dass dieselbe Erscheinung auch bei gleichmütigen Städtenamen (z. B. 150: viermal Meilitz, während es im Latein gar nicht vorkommt) sich zeigt, beweist zur Genüge, dass hauptsäch- lich die hier zu besprechende Kichtung gegen das Pronomen wirksam gewesen ist:

Latein: 57. Varnbüler: 64. Hutten: 79.

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BILDER.

Die Behandlung der bildlichen Ausdrücke bietet einen vorzüglichen Massstab für die Sorgfalt und Gewandtheit des Ubersetzeis und die Lebendigkeit und Anschaulichkeit der Übersetzung. Es lassen sich mehrere Arten der Be- handlung deutlich von einander scheiden : der bildliche Aus- druck wird übernommen, wird weiter ausgeführt, wird durch einen neuen ersetzt, wird in einen unbildlichen umgewandelt. Ein Vergleich der beiden Übersetzungen ergibt fast durch- gehend* einen Unterschied zwischen Hutten und Varnbüler, welcher stets zu Gunsten des ersteren spricht. Es kann kein Streit darüber bestehen, dass man von einem Über- setzer die Bewahrung der Bildlichkeit eines Stils fordern muss, wenn man diesen nicht in seinem Charakter und in seiner Wirkung schädigen lassen will. Während nun Hutten alle jene Arten der Behandlung pflegt, welche die Bildlichkeit des Stils bewahren oder erhöhen, gibt sich Varn- büler am häutigsten der Umwandlung des bildlichen Aus- drucks in einen blassen unbildlichen hin, die bei Hutten uns gar nicht begegnet. Aus der grossen Menge der Fälle, welche sich hier zur Beurtheilung bieten, sollen nur einige hervorstechende ausgewählt werden, um an ihnen die Gründe und Wirkungen der verschiedenen Behandlungsweisen dar- zulegen. Sie werden geordnet nach der Art der Behand- lung, welche Hutten ihnen angedeihen lässt.

Der bildliche Ausdruck wird von Hutten nicht so oft einfach übernommen, wie man erwarten möchte. Die Gründe der Abweichungen werden mit diesen zusammen behandelt. Anulhemate conßxit pontifex 'hat der Bapst mit dem bann geschossen (192, 2<i. V. 'hat der Bapst in den Bann gethon), vix jHiuca attiyissv 'er hette noch erst ein wenig obenhyn berurt' (207, 38. V. 'er hett vil vergessen'), levare adversum se digitum einen finger gegen jnen auffheben (237, 28. V. 'ein finger wider sy auffheben').

Die Fälle der einfachen Übernahme sind eingeschränkt zunächst dadurch, dass Hutten durch seine Neigung zu grösserer Sinnlichkeit im Deutschen dazu geleitet wird, die

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BILDER

bildlichen Ausdrücke weiter auszuführen und so fast zu einem Gleichnis zu gestalten: qni cerebro carent 'in deren kopffen kein hyrn meer ist' (210, 32. V. 'der nit bei sinnen ist ), spiriUdki nobis seminareut 'sye einen geistlichen somen vnder vns würffen' (222, 19. V. 'sy vns nur geystliche gütter saeten), eertum est veteri nausea desuetum denuo vexare stomachwn, ut haue breviter devoremus molestiam et obduetam refriceniHS ckatrirem 'dann ich hab mir vorges&tzt, meinen magen. der solliches grawens schon entwonet was, widerumb vff ein newes zu belastigen, damit wir kürtzlich diße vnlü- stige speyß vorschlicken, vnd den ruf, damit die alte wund überzogen was, widerumb abklawben (189, 34. V. dann ich muß ye sollich feyndtselig ding noch ein mal hören, wie wol ichs schier entwonet binn). Der Unterschied der beiden Übersetzungen und die Eigenheit einer jeden kann nicht klarer hervortreten als in der letzten Parallele.

Am meisten liebt Hutten die Ersetzung durch ein neues Bild, während Varnbüler hier wie vorher meist der Umwandlung in einen unsinnlichen Ausdruck huldigt : conni- ret aheriter gar frölichen durch die hnger sycht' (214, :17. V. 'verwilligt'), laqueos iniciendi Christionac libertati 'Christlicher freyheit hand an zulegen' (224, 28. V. 'der Teütschen freyheit mochte strick anwerfen1), execrationibus ftdmhiabunt 'werden mit bannen vnd maledeyung vmb sich werfen* (237, 30. V. 'vnd verfluchen vnd in Bann thftn), ei quod sie peperis deereto 'was er also zymmert' (225, 27. V. 'was er dann also beschleußt'). An einer langen Reihe von Beispielen Hesse sich immer dieselbe Erscheinung aufzeigen, dass bei Hutten zwar oft das Bild der Vorlage wegge- schnitten wird, immer jedoch ein neues zum Ersatz an derselben Stelle hervorspriesst.

Für den Übergang des bildlichen Ausdrucks in einen unbildlichen sind in Huttens Verdeutschung kaum sichere Beispiele zu finden, während Varnbülcrs Übertragung solche fast bei jedem Griff geboten hat.

Die angeführten Beispiele rechtfertigen den Eingangs- satz. Aus den Zusammenstellungen ergiebt sich, wie hin- gebend und gewandt Hutten gearbeitet hat und wie an-

Q.F. LXVII. 3

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STILISTISCHES.

schaulich und lebendig seine Arbeit geworden ist. Die lebendige Anschaulichkeit ist ein Haupterfordemis des volksthümlichen Schriftstellers. In auffallender Stärke hat sich diese Seite von Huttens Stil in seinen ursprünglich deutschen Schriften weiter entwickelt. Schon oben wurde erwähnt, wie der bildliche Ausdruck ins Gleichnis übergeht. Ein vorzügliches Beispiel solchen Ubergangs bietet eine Parallele der '(lag vnd vormanung zu einer oben ange- führten Stelle des Vadiscus (224. 2S) :

Hyerumb wo etwas frey noch wer,

bald bringen sye ein vrsach her zfi fassen das mit einem strick.

do werden gstellet garn vnd rick, vff dass nur hye kein frcyheit bleib. |74S tt.)

Während im Latein das Bild so leise angedeutet war, dass es leicht durch ein anderes ersetzt werden konnte, hat Hutten es im deutschen Gedicht zu einem Gleichnis erweitert, das ganz deutlich die sinnliche Anschauung als Quelle verräth. In demselben Gedicht finden sich noch mehrere Beispiele, welche die grössere Sinnlichkeit als einen Vorzug der deutschen Schritten Huttens beweisen. Auch sie sind Spiegelungen des Ritterlebens:

vil frommer Teütschen seind bedacht die werden greyffen eiich in zaum

dann werdt ir vns entryten kaum. (450 ff.)

Doch ist der geytz der sye das heisszt der Bapst mit dilien falcken bcisszt, die jagen jm das wiltprecht auff. (403 ff.J

Solche Beispiele hat Huttens Latein nicht aufzuweisen. Der Humanist wirthschaftet mit den Stellen antiker Schriftsteller, die schon oft zur Belebung und Ausschmückung verwendet sind. Ein fertiges Bild zu übernehmen erfordert nicht die gleiche Kraft der Sinnlichkeit wie die Schöpfung eines neuen Bildes aus eigener Anschauung. Die grössere Kraft der Sinnlichkeit, welche sich mithin in den ursprüng- lich deutschen Schriften olfenbart, ist auch wirksam ge-

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CITATfc.

wesen bei der Übersetzung. Die eigentümliche Weise, in welcher Hutten im Gegensatz zu Varnbüler die bildlichen Ausdrücke behandelt, und die Schöpfung neuer Bilder aus der eigenen Anschauung liegen auf derselben Linie der Ent- wicklung seines Stils.

CITATE.

Der Dialog ist von einer langen Reihe von Citaten durchzogen, die zum grösseren Theile aus römischen und griechischen Schriftstellern und nur zum kleineren aus der Bibel stammen. Die Übersetzung der biblischen Citate als solcher bietet wenig Charakteristisches. Hingegen lassen sich mehrere wichtige Eigenthümlichkeiten Huttenschcn Stiles aus der Behandlung der classischen Citate abnehmen. Für diese hat Hutten, da sie nicht als Beweisstücke, son- dern als Schmuckstücke der Rede eingefügt sind, mit Recht ihre wesentliche Form zu bewahren gesucht. Während Varn- büler auch die Citate in gebundener Sprache prosaisch um- arbeitet, hat sie Hutten in metrischer Form herübergenommen. Statt der lateinischen Hexameter ist jedoch überall die deutsche Form der Reimpaare gewählt. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass vor der Übersetzung des Vadiscus bereits die Clag vnd vormanung liegt, so ist es erklär- lich, dass in diesen metrischen Übersetzungen Hutten eine solche Gewandtheit zeigt, dass er beispielsweise in den ungefähr fünfzig Versen Vergils, die er citirt, die Murnor- sche Arbeit, die er übrigens nicht gekannt hat, weit über- trifft. Seine Verdeutschung ist treffender und knapper.

Eine sehr gewichtige Änderung zeigt die Art der Einfügung der Citate. In der lateinischen Fassung sind mit wenigen Ausnahmen die Citate ohne irgend welcho Quellenangabe zu finden. Wie sehr hiervon die Behandlung in der Übersetzung verschieden ist, lässt sich an den zehn Vergilcitaten zeigen. Im Latein sind sie ausser zwei Fällen (Virgilianum 244, 10; Vergiliano 247, 4) ohne "weiteres in die Rede aufgenommen. In der Übersetzung heisst es drei-

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STILISTISCHES.

mal als (wie) Virgilius sagt (spricht)' (I6.r>, 29; 235, 24 ; 237, 19); je einmal als der poet sagt' (243, 32), 'von den geschrieben (244, 19); in einem der beiden bezeichneten lateinischen Fälle tritt auch die Person hinzu, die bei Vergil gemeint ist: 'die reüber (244, 28); in zwei Fällen findet sich mit der Nennung des Dichters auch der Name der Person ein: 'Sinonis, von dem Vergilius schreybt' (159. 35), als sye jm Virgilio Dranccs zürn Turno sagt' (173, 23). Nur einmal fehlt wie im Latein die Nennung des Dichters (257, 20). Varnbüler hält sich in dieser Hinsicht streng an das Latein. Ein analoger Fall für biblische Citate : wie Christus gesagt* (229, 32). Wie schon aus den Vergilischen Beispielen zu sehen ist, will die Einleitung zuweilen nicht mehr als eine Art hörbarer Anführungsstriche für das ungeschultere deutsche Publicum sein: als man spricht* (237, 26). als das Sprichwort sagt* (236, 36).

Auch der Inhalt der Citate erfahrt bei Hutten eine charakteristische Änderung. Die individuellen Bestandteile der Citate werden ausgemerzt, da sie zwar der Leser des lateinischen Dialogs, nicht aber der Leser der Übersetzung sich zu erklären weiss. So werden die Namen aus Ver- gilischen Versen entfernt : Murpesia ccwtes 'felß' (165, 31. V. 'fels). Dass Varnbüler hier den Namen nur fortgelassen hat, weil er ihn nicht verstand, und welche Verwirrung durch die einfache Übernahme der Namen angerichtet wird, zeigt sich an einem anderen Beispiel, das auch zu den früheren Beobachtungen stimmt: nemo ausu* est tarnen recla- nia re Uli vel Iiis rerbiat,

(Juid miaeroa totus in operta pericula cires

Proiici\ o Latio caput horum et cauasn tmilortim? [Verg. 11, 360 f.]

Hutten: yedoch hat jm sollichs niemant vnbilligen gedornten, noch entgegen reden, auch nür mit Worten, der gleychen als sye jm Virgilio Drances zum Turno sagt.

0 haupt vud vrsprung aller sach

Die vns hau bracht in vngciiiaoh, Wenn hörest auff, in offne not

Das volck zu fAren vnd den tot?' (173, 22 ff.)

Varnbüler: so dorffte dannocht niemants das maul gegen

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CITATK.

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jra auffthnn , oder dise wort zu jhm sagen , Was bringstu die armen Burger in solche grosse gefärligkeyt, der du eyn anfang vnnd hauptsacher bist alles jamers, so über das Welschlandt geht*.

Zum Vergleich der Versübersetzung möge auch Murner angeführt werden:

0 Turne wie so manigs mul

in sachen die seind Schadens vol Stosscstu dein burger drein

die wol zufrieden mochten sein Du bist ales bösen vnfals

das haupt, den welschen lendern alli. (154 b.)

Bei der unmittelbaren Einfügung des Citats durch Varn- büler muss die Klage über das 'Welschland', da doch im Latein von der ganzen Christenheit die Rede ist, ganz unverständlich bleiben.

In ähnlicher Weise hat Hutten qiiantam riov y.axiov llhudu mit 'weihe einen hauffen großes Übels ertzelest du (215, 27) übersetzt, während Varnbüler ans dem Parallel- glied ijiude praesHyium für das ihm unverständliche Griechisch was verzweifelten dings ergänzt.

Einmal hat Varnbüler ein griechisches Citat richtig übersetzt, wol mit fremder Hilfe, weil die griechischen Worte in seiner Übersetzung sonst falsch oder gar nicht wiedergegeben werden. Der Fall mag angeführt werden, denn er zeigt, wie umständlich Hutten bei der Verdeutlichung der Citate seinem deutschen Publikum gegenüber sein zu müssen glaubt: at Bomanornm virtutem pro extineta habent omnes, ut in hac re proverbium iactetur etium,

HdXai .vor' tjaav uXxtfiot Ahbjmot.

'Der Römer macht haltt man vor auß gestorben vnd ver- gangen, so gar, dz auch ein Sprichwort, so etwan vff die Milesier geredet, yetzo auff die Kömer gezogen würt. das ist, 'Etwan waren Römer. (250, 34. V. 'der Römer dapffer- keyt langest abgangen vnd erloschen ist, also,' das man auch derhalben das Griechisch Sprüchwort auff sy deüttet, die Milesier seind etwan streng vnd dapffer gewesen').

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STILISTISCHES.

Wie leicht wird im Latein das Citat auf die Römer übertragen, wie schwer und vorsichtig im Deutschen auf sie hinüber gezogen!

Aus der Behandlung der Citate geht uns recht klar das Bild des Humanisten auf, der zu seinem Volk herabsteigt.

ERKLÄRUNGEN.

Die Erkenntnis des Unterschiedes zwischen den beiden Leserkreisen der lateinischen uud der deutscheu Schrift hat Hutten am deutlichsten belegt durch die 'vorred vnd auß- legung\ die er der Übersetzung des Dialogs 'lnspicientes' bei- fügte.1 Für den Leser des lateinischen Werkes hatte es nach seiner Meinung keines Commentars bedurft, der dio zahl- reichen antiken Elemente des Dialogs in ihrer historischen und litterarischen Bedeutung erläuterte. Dem Leser des deutschen Gesprächs glaubte er jedoch einen solchen Leit- faden an die Hand geben zu müssen, weil 4diß nachfolgend büchlin, etzwas mer dann die vorigen, vff poetische art zü- gericht1 sei. Auch in dem unmittelbar vorhergehenden Stück des Gesprächbüchleins, dem Vadiscus, zeigt Hutten, wenn auch nicht in einer zusammenfassenden Einleitung, so doch in mannigfachen Zusätzen, dass er auf die geringeren Kennt- nisse seines deutschen Publikums Rücksicht nimmt. Durch kleine Änderungen sucht er sowohl Elemente der antiken Sage und Geschichte wie des römischen Kirchenrechts für seine deutschen Leser in ein helleres Licht zu rücken. So setzt Hutten an die Stelle eines allgemeinen Hinweises auf die Verdienste des Tacitus Tacitum . . authorem, quo nemo de ve- teri nationis huius laude meritus est melius eine Erklärung dieses Lobes 4Tacitum . . , so doch kein historien schreyber mer von vuserm volck geschriben, vnd vnsere alten lob höch- licher gepreist hat1 (154, 35). Den Vergleich zwischen der Aufnahme der römischen Legaten seitens der Deutschen und der Einholung des hölzernen Pferdes seitens der Trojaner

1 H. W. 4, 270 f.

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ERKLÄRUNGEN.

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macht er durch den Zusatz des Vergleichuugspuuktes, deu die Leser der lateinischen Fassung aus ihrer Kenntnis des Trojanerkriegs selbst ergänzen konnten, für das Publikum der deutschen Übersetzung verständlich: 'vnd vff die ver- storung zogen' (230, 31). Statt der leise andeutenden Worte ceterum Mos spmtrias setzt Hutten den klareren Hinweis •den keyser Tyberium, vnd seine künstiger, die er Spintrias nennet' (182, 26). Wie nöthig diese Erklärung war, zeigt Varnbülers Auslassung der Stelle. Dass Hutten nicht immer sich ganz auf den Standpunkt seiner deutschen Leser zu stellen vermochte, beweist eine zweite Auslassung Varn- bülers: den Hinweis auf das Prytaneum (184, 34), den Hutten ohne jeden Zusatz übernehmen zu dürfen meinte, hat sicher- lich das deutsche Publikum ebenso wenig verstanden, wie Varnbüler. Vorsichtiger noch als dieser ist Hutten, wenn er das Vergilische ultima Thüle durch ietsten Ißlandt' (242, 26) ersetzt.

Auch auf kirchcnrechtlichem Gebiet kommt Hutten dem Verständnis seiner Leser entgegen. Auf die Übersetzungen, die er den Fachausdrücken beigibt, wurde schon in Abschnitt 'Fremdwörter' hingedeutet: pectoralis reservatio 'die vorbe- haltung im hertzen, pectoralis reseruatio genennt' (180, 22). Vielleicht gar zu bedächtig erklärt er patronis durch 'patron (das ist einer der ein lohen gestifft hat)' (241, 31). Zuweilen hebt er den technischen Ausdruck, den er verdeutlichen will, aus dem Satzgefüge heraus, in das er in der Vorlage zu tief hineingearbeitet ist, um das nöthige Licht erhalten zu können : eorum qtiae semel locavit pontifex regressum, ut vocant 'Etwan was gewonheit, wann der Bapst schon ein mol etzwas ver- lyhen hatt, das es doch darnoch wider an den Ordinarien fyelc. daß hyessz man Regressz' (206, 31).

Auch Varnbüler hat, abgesehen von den Übersetzungen der Fachausdrücke, einen eigenen Erklärungsversuch unter- nommen, der jedoch kaum anders als aus dem Bestreben zu begreifen ist, das Verständnis für eine Anspielung Huttens zu bekunden : Nimirum Petri successores piscari decet (226, 26) versieht er mit dem gänzlich überflüssigen Zusatz: 'dieweil er auch ein vischer gewesen ist'.

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STILISTISCH KS.

POLEMIK.

Aus dorn tiefgründigen Quell des Zornes, dem der Va- discus entsprang, hat auch die deutsche Übersetzung un- mittelbare Zuflüsse erhalten. Die Strömungen des Zornes, die den Vadiscus durchziehen, gehen durch die Verdeutsch ung mit noch stärkerem Wellenschlag. Diese Erscheinung ist nicht allein daraus zu erklären, dass die polemischen Stellen unter dem Einflüsse der Gefühle, aus denen sie vor kurzem entstanden waren, bei der erneuten Bearbeitung auch ohne bewusste Absicht des Verfassers anschwellen mussten. An der Verstärkung der Polemik hat vielmehr eben so sehr die Rücksicht auf das veränderte Publicum ihren Autheil. Der lateinische Schriftsteller, der auf einen feinhörigen gebildeten Leserkreis rechneu kann, darf sich der derben Mittel ent- schlagen, die der deutsche Schriftsteller anwenden muss, um auf die breite Masse des Volkes kräftig zu wirken.

Von den zahlreichen Mitteln, die Hutten zur Verstärkung der Polemik braucht, ist eines der allerwirksamsten schon unter anderem Gesichtspunkte gewürdigt: die Synonyma. Eine verwandte Erscheinung ist das Hinzutreten eines oder mehrerer Attribute zu einem Substantiv; denn wie bei den Synonymen liegt die beabsichtigte Wirkung in der Wucht des mehrgliedrigen Ausdrucks: avaris 'geytzigen geltfressern1 (153, 10), impostoriöm 'eytelen auffsätzigen betriegern' (1 72, 24).

Zum kräftigen Ausdruck des Mitleids und der Gering- schätzung bedient sich Hutten gern des Deminutivs, so dass er zu den in der Vorlage gegebeneu noch neue hinzufügt. Varu- büler hingegen lässt die Deminutive fallen und giebt auch keine neuen, wenn mau von Verbindungen wie 'nit ein diugle, nit oiu würtlin' absieht: palliolum 'hüpsch mäutelin' (192, 34. V. 'pallium'), oratorculum 'ein legatlm' (245, 27. V. 'vermeynten Redner') ; ovibiis 'schäfnin' (204, 29. V. 'schaffen), populum 'volckliu' (220, 21. V. fehlt), midieres 'die guten freülin (228, 32. V. 'die weiber').

AVenn es gilt, einen Begriff wirksam herauszuhebeu, greift Hutten oft zur Litotes, während Varnbüler sie nur selten

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POLEMIK.

wählt. Sie tritt nicht nur für einen positiven Ausdruck ein, sondern entsteht auch neu als Attribut eines Substantivs: iniquissime comparatum est 'es ist ye nit wol verglichen' (22b*, 28. Y. 'das rheymet sich ye gar über), grave sit 'nit behaglich' (230, 20. V. 'nitt gern'); periculum est 'es ist nit ein kleine farne* (207, 31. V. 'ein grosse gefar), nefas ducant 'nit vor ein gering missethat achten' (225, 21. V. 'eyn grosse sünd). Die beiden letzten Beispiele sind ausserordentlich bedeutsam dadurch, dass beide Übersetzer einen verstärkenden Zusatz für nöthig finden und Hutten in beiden Fällen die Litotes einsetzt.

Das wirksamste rhetorische Mittel neben den Synonymen ist die antithetische Herausarbeitung der in der Vorlage nicht immer scharf genug abgehobenen Gegensätze. Entweder wird zu der einfachen Aussage das Gegentheil gesetzt und so der Satz antithetisch gestaltet oder es werden die in der Vorlage zerflossenen oder nur augedeuteten Gegensätze scharf in einem eigenen Satz einander gegenübergerückt: indignum 'nit billich oder recht, auch vngebürlich' (158, 26), qnando detravtum huiuscemodi omne prope velum est 'dann der Homer trngerey (die bißher vordeckt gewest vnd nit idermau bo- kendt) hat yetzo iren deckel verloren' (160, 22). Durch die Hinzufügung des Gegensatzes wird die Aussage selbst wirksam eingeleitet und wie durch kräftiges Ausholen dem Hieb grössere Wucht verliehen. Die neu eingefügten anti- thetischen Sätze sind von sehr verschiedenem Umfange. Bald wird der antithetische Sinn vorhergehender Sätze ganz kurz in einem 'er sey reych oder arm' (228? 24) zusammeugefasst, bald auch der in der Vorlage nur angedeutete Gegensatz mit nachdrücklicher Breite ausgeführt: quid autem refert quibus armis vincatur Germania 'weissz kevn vuterscheid, ob Teütsch land mit eysen, pley, oder anderm metall überwondeu werde, dann das sich schämen ist, vus die auch gegen stahel vnd eysen, vnüberwiudtlich bleiben solten, mit pleyeneu Schwerfen gezwungen werden' (244, 33). Hierher gehört auch die Verbin- dung zweier Sätze durch ein *vnd nit allein', das den Inhalt des mit 'sonder' folgenden Satzes antithetisch vorbereitet: ita luimus, ut iniitriam adhuc fingert rotidie patiamur "entgeltung

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STILISTISCHES.

tragen, vnd das nit allein, sondern auch lassen wir vns nach täglich mer vnd weyter mit beschwärungen überladen' (191, 23). Ein solcher Satz mit *nit allein' wird zuweilen aus den vorhergehenden Sätzen heraus neugeschaffen: Immo quem meminimus veterum relatione etiam aut literarum traditione aliquot iam seculis? 'Nit allein mag vns keines sollichen ge- dcncken, sonder auch hör ich nit von den alten, das bey iren zeyten einer gewesen' (183, 27).

Nicht sowol auf eine einfache Hebung des polemischen Tones, wie zumeist die bisher besprochenen Mittel, als viel- mehr auf die Deutlichkeit der Polemik wirkt eine Erscheinung, die theilweise schon berührt wurde : das gerade Aussprechen des subjectiven Urtheils. Wie Hutten statt der Pronomina charakteristische Nomina setzt, so fügt er zu den objectiven Angaben der Vorlage Randbemerkungen seiner persönlichen Ansicht, die er ebenso wie den Inhalt der Pronomina von den Lesern der lateinischen Schrift einfach hatte errathen lassen: arbitrantes 'so gantz närrisch, das etliche meinen' (154, 21), existimant 4Vnd meynen die törechten menschen' (228, 30). Mit Vorliebe verwendet Hutten zu diesem Zweck den losen parenthetischen Einschub: suadefite diabolo Stuß rot des teüfcls (als sye das nennen)1 (230, 35), vetustissimam donationem (Constantini) Von dißer so alten (wie sye sprechen) Übergebung (174, 36).

Hierher gehört auch die Behandlung der rhetorischen Fragen, die häufig in Aussage- und Aufforderungssätze um- gewandelt werden, um die Deutlichkeit und Eindringlichkeit für den deutschen Leser zu erhöhen: quid posset fieri nefa- rium magis? 'so möcht doch grösser sünd vnd schand nit geschehen' (180, 20), nam quid Diocletianum ethnicum sie detestari oportet 'Derhalben mich offt wondert das man dem heyden Diocletiano . . . den grösten hochmüt schreibt' (182, 36), Immo quid illorum convenit? 'Wie sich auch andere ire sachen reümeu vnd fügen' (184, 21), quid orari te pateris? iassz dich nit lang bitten' (167, 26). Varnbüler bewahrt fast ohne Ausnahme die rhetorischen Fragen der Vorlage.

Die Form der parenthetischen Zusätze wählt Hutten auch, um neue Stösse auf den Gegner zu fuhren : ubi rescisso

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POLEMIK.

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foedere in contraria*» deelinare partem placuit 'So bald er aber (als sein gewonheit was) das bündnuß zerschnitten, viid vff die gegen seiten gefallen ist' (238, 25); die Parenthese ist nicht immer deutlich bezeichnet: qitia Leonis X. bulla can- tnm sitf nequis enm denuo excudat decennium intra *vnib einer bullen willen, die der Bapst deßhalben hat lassen außgeheu, darinnen er vff das der Komisch trücker desto mer gewinne, vnd auß keiner anderen vrsach, vorbeut, das man genanten Tacirum in zehen iaren nit wider soll trocken' (153, 34). An solchen den Gegner noch mehr erniedrigenden Zusätzen hat wol mehr die Berechnung auf das Publikum als die innere Erregung gearbeitet.

Auch in formell und inhaltlich selbständigen Einschoben macht sich das Bestreben geltend, die schwachen Seiten des Feindes mit noch grösserer Wucht anzufallen, als es bereits in der lateinischen Schrift geschehen war. Wenn in der Vorlage eine Reihe von Vergehen und Verbrechen augeführt wird, für die Ablass zu erlangen ist, so tritt in der Über- setzung mit einem 'Ja noch mer' die steigernde Angabe hinzu, dass man auch für zukünftige Sünden Vergebung kaufen könne (230, 25). Wenn in der Vorlage eine einfache Hin- deutung auf den Nutzen der Schamlosigkeit in Rom genügt, werden in der Übersetzung ausführlich die Vortheile erwogen, die dort 'wolgestalt des leybs' gewährt (202 f.). Bei Varn- büler darf man solche Verschärfungen nicht erwarten , da er sich inhaltlich keine Abweichungen von der Vorlage ge- stattet. Dass aber auch eine gewisse Milde der Ge- sinnung dieser Zurückhaltunjg zu Grunde liegt, lässt sich aus einer auffallenden Lücke seiner Übersetzung abnehmen. Während er sonst nur solche Sätze auslässt, die er, wegen der griechichen Sprache oder der feinen Anspielungen auf antike Verhältnisse, nicht verstehen kann, hat er den sehr verständlich ausgedrückten Wunsch Huttens, dass Rom, mit Ausnahme der echten Priester, lieber von den Türken ver- nichtet werden möge, als dass die 'gemeyne ergernuß' weiter bestehe, einfach unter den Tisch fallen lassen (219, 39).

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STILISTISCHES.

SYNTAX.

Die Syntax kommt für unsere Untersuchung nur so weit in Betracht, als sie für die Frage der Abhängigkeit vom Latein von Bedeutung sein kann. Die niedere Syntax bleibt also ausserhalb der Beobachtung, und nur die grösseren Satz- gefüge als solche werden für die Entscheidung der Frage hier skizzenhaft, herangezogen.

Als Eigenthümlichkeit der frühesten Prosa der Neuzeit ist mit Recht die Anlehnung an das Latein in Infinitiv- und Participialconstructionen hervorgehoben worden.1 Naturgemäss richtet sich bei der Prüfung der Ubersetzung eines Huma- nisten die Aufmerksamkeit zunächst auf diese Klippen der ersten deutschen Prosa, zumal gerade Hutten in der bereits erwähnten kühnen Charakteristik seiner deutschen Sprache dem Hauptvertreter der latinisirenden Richtung, Niklas von Wyle, unmittelbar an die Seite gestellt wird.2

Die Construction des Accusativs mit dem Infinitiv kann mit Rücksicht auf die Ergebnisse historischer Betrach- tungen nicht an sich als Zeichen lateinischen Einflusses gelten: erst die Häufigkeit ihres Auftretens giebt den Ausschlag. Prüft man Huttens Übersetzung von diesem Gesichtspunkt aus, so wird man ihn weit eher neben Luther als neben Wyle stellen; denn die Verwendung des Accusativs mit dem In- finitiv bleibt vollkommen innerhalb der Grenzen des Gebrauchs dieser Zeit. Eine eigene syntactische Untersuchung würde für diese einfache Form den statistischen Beweis erbringen können.

Die Participialconstructionen der lateinischen Vorlage machen sich in der deutschen Prosa gewöhnlich nicht nur durch die strenge Nachahmung, sondern vor allem durch die ungeschickten Auflösungen hemerklich; sie äussern sich in Fehlern der logischen Verknüpfung und am häufigsten durch

1 H. Rückert, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache, 1,

392 ff.

* W. Waokernagel, (i (»schichte der deutschen Littcratur, zweite Auflage besorgt von K. Martin, 2, :m.

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SYNTAX.

eine Überlastung des Satzgefüges. Nachahmungen der latei- nischen Form sind jedoch bei Hutten nicht in dein Masse zu bemerken, dass man wie bei Wyle bewusste Anlehnung an die Vorlage behaupten dürfte; die häufigere Anwendung des activen Participiums ist auf Rechnung des damaligen Sprachgebrauchs zu setzen. Dass Fehler in der logischen Verknüpfung nicht vorhanden sind, ist bei der Übertragung eines eigenen Werkes selbstverständlich. Aber auch eine Überlastung des Satzgefüges vermeidet Hutten fast überall, da er für die Auflösung neben Relativ- und Conjunctional- sätzen mit besonderer Vorliebe coordinirte und ganz selb- ständige Sätze verwendet.

Dasselbe Streben nach Einfachheit und Übersichtlich- keit zeigt sich auch in der allgemeinen Behandlung des Satzbaus. Hutten sprengt nicht nur in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die sogenannte relative Anknüpfung, sondern löst auch sehr häufig conjunctionale Gliederungen. Grössere Sätze zerlegt er öfters in mehrere selbständige oder erleichtert sie durch Aufnahme einzelner Theile iu Paren- thesen. Nur selten bringt er kurze selbständige Sätze der Vorlage durch die Übersetzung in ein Satzgefüge. Behält er die langen Perioden der lateinischen Vorlage bei, so schreckt er nicht vor zwei vorwiegend deutschen Mitteln zur Erhöhung der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit zurück: er ver- wendet den zusammenfassenden Einschub und besonders gern die Anakoluthie, die wieso viele Eigentümlichkeiten der ge- sprochenen Sprache in der damaligen deutschen Schriftsprache in voller Blüthe steht. Diese Beobachtungen, die nicht erst durch Beispiele erläutert zu werden brauchen, erweisen zur Genüge, dass von der behaupteten sclavischen Abhängigkeit vom Latein nicht die Rede sein kann, dass vielmehr überall sich ein lebendiges Gefühl für die Eigentümlichkeiten der deutschen Sprache zeigt. Eine genauere Würdigung wird erst dann möglich sein, wenn die historische Syntax solchen Urtheilen die erforderliche Grundlage gegeben haben wird. Zum Schlüsse mag nur noch das eine gesagt werden, dass das wegwerfende Urtheil über Huttens Satzbau sich allerdings vor dem modernen Stilgefühl, das sich auf die heutige Schrift-

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STILISTISCH KS.

spräche gründet, vollkommen rechtfertigt: dem modernen Leser, der etwa in Höckings Ausgabe deutsche und lateinische Fassungen neben einander durchgeht, muss Huttens Deutsch sicherlich recht schwerfällig erscheinen. Wenn man jedoch daraufhin Huttens deutsche Schriften für einen misslungenen Versuch und im allgemeinen für eine Niederlage des Huma- nismus auf deutschem Sprachgebiet erklärt, so begeht man einen groben sprachgeschichtlichen Anachronismus: den ab- soluten Vergleich mit der heutigen Schriftsprache und dem humanistischen Latein kann vor dem modernen Stilgefühl auch der Satzbau des Sprachmeisters jener Zeit nicht be- stehen; mit vollem Recht sagt Strauss in der Vorrede zu seinen Übertragungen der Dialoge von Hutten1: 4Sein classi- sches Latein steht unserm heutigen Deutsch näher als Luthers Kirchenlatein uud ttibeldeutsch'.

KLAOSCHRIFT AN DEX KÜRFÜRSTEX VON SACHSEN.

Die Ergebnisse der rein darstellenden Untersuchung haben practische Bedeutung für die Frage der Verfasserschaft Huttens an den anonymen I bersetzungen seiner Schriften. Sobald aus anderen Gründen die Vermuthung entsteht, dass eine anonyme Ubersetzung Hutten zum Verfasser hat, ist in der stilistischen Vergleichuug eine sichere Gegenprobe ge- boten. Diese stilistische Probe soll nun hier allein bei der bisher nicht neugedruckten anonymen Übertragung der Klag- schrift an den Kurfürsten Friedrich den Weisen, als deren Verfasser Hutten auch auf anderem Wege zu erweisen ist2, zur Ausführung gebracht werden, weil sich gerade für diese in einer bisher Hutten zugeschriebenen Ubersetzung ein Gegen- bild, wie Varnbülers Verdeutschung des Vadiscus zu Huttens eigener, bietet.3

' Strauss, 8. IX. » Vgl S. 70 ff.

« Die erste Übersetzung steht S. 127 ff., die zweite H. W. 1, 383 ff. Letztere wird mit A bezeichnet.

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KLAGSCflRlFT AN DEN KURFÜRSTEN VON SACHSEN. 47

Wie im Vadiscus Huttens Stellung; zur Kanzleisprache schon in der Überschrift der Widmung hervortritt, so zeigt sich auch hier an derselben Stelle bereits ein für Hutten be- zeichnender Unterschied der beiden Übertragungen : 7ww- ctis&imo i>rincipi Fridericho Saxonum duci ehetori Vlrichus de Hutten eques Germanus salutem 'Dem Durchleüchtigen Hochgebornen Fürsten vnd hern, hern Friderich Hertzogeu zu Sachsen vnd Chürfursten etc. Entbeut ich Ylrich von Hutten meinen vnterthänigen willigen dienst' (E 3a. A; 383, 29 kDurchleuchtigstcr hoch geborner Churfürst gnedtigster Her'). Gleich dieser doppelseitigen 'Salutatz' entsprechen Huttens Gepflogenheiten auf diesem Gebiet Übersetzungen wie : Decimo denn Bapst' (E 3b. A; 384, 35 'Leo den zehenden'), De- ämus kbapstLeo' (F 3b. A; 393, 23 'Der Leo der zehend'), Gennaniam nostram 'vnser vatterland Teütsch Nation' (E 3 b' A: 385, 21 'vnser Teütsch land'), bonis 'frommen Christen' (E 4 b. A; 386, 30 'frumen'). Besonders wichtig ist fol- gende Parallele: nie equitem 'mich einich armen edelman (F 3a. A; 392, 22 'mich reutter'). Niemals wird Hutten, der 'reutter' zur Bezeichnung von Söldnern in seinem bekannten Liede neben 'landßknecht' gebraucht (H. W. 2, 94), sich selbst mit diesem Ausdruck bezeichnen.

Auch die Rittersprache macht sich im Gegensatz zu der Übersetzung bemerklich: invade 'an zufallen' (F 3a. A; 392, 27 'greiff dar nach') , nobiscum faciant 'würden sye sich vns schlagen' (G lb. A; 397, 20 'werden sie es mit vns halten'); ein entscheidender Fall ist bei der Behandlung der Bilder zu besprechen.

Bei der Übertragung der auf die Unsittlichkcit bezüg- lichen Stellen übt auch hier die Hofsprache ihre mildernde Wirkung: scortorwn utriusque sexns innumerabifan turbam ac lenonum exercitum 'ein vnzälich schar Hären vnd bäben, vnd ein grosszes hör der ruffianer' (F 3 b. A; 393, 30 'ein vnzcllig schar hären, püben, ruffiener, vnd kupier'). Ist hier die Wirkung wie auch in einzelnen Fällen des Vadiscus noch gering, so zeigt sie sich in ihrem vollen Umfang bei folgender Parallele: mater scortationim et abominationum terrae, quae corrupit terram prostitutione sui 'ein mätter aller bfiberey,

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STILISTISCH KS.

schand vnd laster der weit, die durch abwcrffung irer schäm vnd orea, hat die gantzen weit georgert' (E 4 a. A; 380, 17 'ein müter der hfircrey vnd büberey vnd der allergrowliehsten vnmenschlichen handlung des erdtriehs, welche das erdtrich hat durch jr hürisch vnwesen vergifft vnd verderbt').

Die Behandlung der Fremdwörter in den beiden Über- setzungen weist alle Unterschiede auf, die man zwischen einem Huttenschen Werk und einer Durchschnittsübersetzung erwarten muss: yloria 'lob' (F 3 a. A; 802, 25 'glorien^ Epicureorwn 'trunckeuen vollen pfaffen' (G 2a. A; 397, 34 'der Epicurer vnd lustbegirigou') ; Othones 40tthen' (F 2 a. A; 390, 30 'Ottones'), Cymbros et Teutone* 'Cymbren vnd Teütoncn' (F 2a. A: 390, 30 'Cimbris vnd Teutoncs). Bezeichnend ist der Unterschied in der Übersetzung von Germania: während die fremde Übersetzung wiederholt 'Germanien oder (vnd) Teutsch land' (384, 30; 389, 35; 390, 23; 391, 34) auwendet, giebt die nunmehr Hutten zugesprochene Über- setzung an allen Stellen teutsch land (nation)'.

Ein Vergleich mit dem Vadiscus bezüglich des Auf- tretens synonymer Ausdrücke führt zu dem allgemeinen Er- gebnis, dass die Huttensche Übersetzung, wiederum im Gegen- satz zu der fremden, sich wie der Vadiscus in der Auwen- dung dieser Ausdrücke von logischen und rhetorischen Rück- sichten geleitet zeigt. Schlagende Beweise bieten im übrigen auf diesem Gebiet zwei Stelleu (vgl. S. 27): molltbus et effoeminatis ' weychen . . . vnd wey bischen' (F 2 a. A; 390, 28 'verzagten vnd weibischen'), mollis et delicatus vel avarus 'die weychen weybischen wollüstiger, noch auch die geytzigen geldtsüchtigen' (F 4 b. A; 395, 37 Sveybischer, blöder, lust- süchender, oder geitziger'). Zum letzten Teil der zweiten Stelle ist zu vergleichen im Vadiscus: avaris 'geytzigen gelt- fressern' (4, 153, 19).

Während die Beobachtungen über die Abstracta natur- gemäss keine Beweise liefern können, ist eine Prüfung der pronominalen Bestandteile um so fruchtbarer: tunc 'Dann so bald ich das vermercke' (F 1 a. A; 388. 23 'dan'), Mim 'Römische' (F 4 a. A; 394, 30 'benants'), te 'einem solichen Fürsten' (G 3 a. A; 399, 30 'E. C. G.'), sihi 'irem künigreich

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KL ABSCHRIFT AN DEN KURFÜRSTEN VON SACHSEN. 49

vnd land güt? (G lb. A; 397, 20 'jnen selbst'). Dieselbe Erscheinung, die am Schlüsse des Abschnittes über die Pro- nomina bezüglich der Häufigkeit von Teutsch oder Teutsch- lands bemerkt ist, zeigt sich auch hier: Latein 12, Anony- mus 12, Hutten 20.

Das Gebiet der Bilder liefert, ohne daneben irgend welchen Widerspruch zu bieten, einen Fall, der einen schlagen- den Beweis für Hutton darstellt: Posses autem lachrymas eff andere tu si , cum multa egregie gessissent maiores tut, nullam tibi reliquam adeundae gloriae occasionem fecissent. at optimam reliquerunt et fertilissimam ; tu modo invade et occupa! 'Hotten deine ältern allewog lob erwerben einge- nommen vnd besatzt, also das dir kein vrsach oder bequem- nussz cor erlangen über blieben wär, möchtest billich weynen. Sye haben dir aber den aller breytsten vnd fruchtbaresten zü- ganck offen gelassen, hyrumb dir den on weytter harre oder bitt an zufallen vnnd eiuzünomou gebürt' (F 3 a. A; 392, 24 'Nün mocht E. C. G. weynen, so weyl ewr vorfordern vil löblicher "vnd grosser geteth vnd geschieht gethan, jr kein vrsach vud golegenheit gelassen hett auch rüm, ere, vnd glorien erlangen. Aber sie haben E. C. G. die aller best vnd aller fruchtbarst gelegenheit gelassen. E. C. G. greiff nur kecklich vnd küulich dar nach'). Huttens Vorliebe für die Ausführung von Bildern, besonders solcher aus dem Kitter- leben, zeigt sich hier ganz deutlich, indem das in der Vorlage nur angedeutete Bild, das der Anonymus verwischt, bis in alle Einzelheiten entwickelt wird.

Wie im Vadiscus classische Citate, so werden hier biblische Citate, die aus dem Text stärker hervortreten, als solche kenntlich gemacht: 'dar von in Apocalypsi geschriben stot' (G 2b; ähnlich E 4a zweimal, E 4b); 'dar von ge- schriben' (G 2 b). Derartige Einschübe kommen bei dem Auonymus nicht vor.

Auch erklärende Zusätze sind nicht bei dem Anony- mus, wol aber bei Hutten vorhanden : dure aliquo Othone 'etwan einen grosszmütigen haubtman als Keyser Otho der erst gewesen ist' (F 4 a. A; 395, 19 'ein haubtman den alteu keyser Otton gemeß"), expulm indigenis Anglos ex se et Scotos U.V. lxvh. 4

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50 STILISTISCHES.

deduxerunt 'nach außtreibung der inwoncr ein newes volok auß jn darein gesetzt, die sye Engellischen vnd Schotten genennt haben' (F 2 a. A; 390, 35 'nach vertreybung der einwoner, die Engeilender von jnen vnd Schotten darein gesetzt'), Cherusci . . . eximium virtutis suae specimen dederunt hello Bo- nano '. . . in dem Römischen kryeg, den etwan der keyser Oc- tauianus mit vnsern vorfaren gefürt' (F 2 a. A; 390, 20 'in dem Römischen krieg').

Einen besonderen Reichthum an Entsprechungen finden die beim Vadiscus beobachteten Eigentümlichkeiten in Huttens polemischem Stil. Dass die Synonyma zu polemischen Zwecken eingesetzt werden, ist schon oben angedeutet. Auch die Vorliebe für die Verwendung der Deminutive zeigt sich deutlich dadurch, dass Huttens Übersetzung sechs, der Ano- nymus eins und die lateinische Vorlage gar keines hat: Corona 'krentzlin' (E 4a. A; 385, 34 'krön'), agno 'lämblin' (E 4b. A; 387, 29 iamm'), scintillam 'füncklin' (F Ib. A; 389, 30 'funcken'), plebi 'völeklin' (G la. A; 396, 21 'folek'), apes 'byenlin' (G 2a. A; 398, 27 'pyn') , agninam innocentiam 'vnschuldigen gedultigen schafTflin' (G 1 a. A ; 396 , 26 'vn- 8chuldigc lemblein'). So tritt auch die Litotes ohne Anregung der Vorlage bei Hutten viermal auf, während sie beim Ano- nymus ganz fehlt: omnino prope 'nit weyt dar von' (E 4a. A: 385, 35 'gentzlich nahend') , magno malo 'nit on grosszen ver- dörblichen schaden' (F2a. A; 391, 19 'mit grossem schaden'), vel tantillum 'nit ein harbreyt' (G 2 b. A; 398, 36 'das we- nigst'), periculi 'nit kleine far' (G 2 b. A; 399, 23 'ferlickeit').

Häufiger als in dem dialogischen Vadiscus werden zur Belebung der fortlaufenden Rede der Klagschrift die anti- thetischen Fügungen eingeführt: expulsis autem ignavis fucis melliferae advolabunt apes 'So bald dann abgetriben werden die vnfruchtbaren wespen, vund humelen die honig essen, machen aber keins, werden herzu fliehen die honig machenden byenlin' (G 2a. A; 398, 26 'Wen wir nün die müssigen vnd faulen prenisen oder bummeln vertriben haben, so werden die honigbringende pyn zufliegenn') , et genio indulgentes se- cure deliciantur 'vund on allen abbruch, was zfi ires leibs nit allein uotturfft, sonder auch lust gehört, schaffen sye jn zfi

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KLAOSCIIRIFT AN I>KN KURFÜRSTEN VON RWII8KK. ">1

guten rüwen1 (F 3 b. A; 393, 33 'vnd warten jrcr wolust on alle sorg') ; servire non possum . etiam Germaniam videre ser- viertem non possum. '. . . Vnd nit allein meynet halben, sonder auch mag ich nit sehen . . (G 2 b. A; 399, 25 '. . . Ich kan auch nicht sehen , . .'). Der Anonymus wagt derartige Ab- weichungen nie.

Dasselbe Verhältnis besteht bezüglich des Ileraustretens des subjectiven Urtheils: tanta fiducia 'sich des selbigen ge- walts also mißbraucht' (E 4 a. A; 386, 28 'mit so grossem durst); nm quod tu iAitherum foves 'Wie wol du allein dich nechst fürstlich bewison hast, do du../ (F Ib. A; 389, 28 'allein das E. G. G. Doctor Martinus Luther . . /). Endlich findet auch die Umwandlung der rhetorischen Frage in einem Dutzend von Fällen statt, während sich der Anonymus streng an die Vorlage hält.

Auf dem Gebiet der Syntax, deren Gesammtcharakter den allgemeinen Beobachtungen über den Vadiscus völlig entspricht, fallen besonders die zusammenfassenden Zusätze auf: 'Hyerumb wo wir den selbigen vnterworffen' (F 1 b), 4 wo sollich gelt bey vns bleibe' (G 1 b).

An diese mehr syntaetischen Zusätze schliessen sich verschiedene Einschübe ganz freier, mehr inhaltlicher Art an, die ebenso wie die bisher besprochenen stilistischen Kriterien die Annahme bestätigen, dass nur der Verfasser der Vorlage der Übersetzer sein kann: so wird der Antrag, aus den Geldern, die man von den römischen Abgaben ersparen könne, unter anderem die Mittel zur Erhaltung von Heeren und zur Belohnung tugendhafter Leute zu entnehmen, näher erklärt durch die Zusätze: 'stets bereyten vnd verordneten kryegs volcks' (G 1 a) und 'dardurch man zu wolthat gereytzet würd' (G 1 b). Der erste Zusatz ist von besonderer Bedeutung, da durch ihn erst der Vorschlag Huttens seine vollkommene Klarheit erhält.

Zum Schluss dieser stilistischen Vergleiehung und Probe möge die Vorrede des Sammelhefts, in der sich diese Über- setzung befindet, durch eine einfache Gegenüberstellung in ihre Huttenschen Elemente zerlegt werden, um aueh für sie

ausdrücklich Hutten als Verfasser zu erweisen. Der ausge-

4*

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STILISTISCHES.

'Virich Vom Hutten, entbeüt allen Christlicher Freyheit lieb- haberen, nlles gftts/

(Vorrede der «Coocill*'. U.W. 2, 78.)

'Yetzt ist die zeit, züheben an vmb freyheit kryegen, gott wilshan.'

(Clag vnd Vormanung, V. »39 f.)

'ich wil dir wecken auff zu gut, vnd reytzen manchen stoltzen hilt.'

(C. V., V. 895 f.)

führte Beweis für die übrigen Theile der Sammlung kann alsdann um so eher erspart werden (vgl. S. 71).

'Ein vnbekanter liebhaber der göttlichen warheit, vnd des vatter- lands, enbeüt allen frey en Teütschen heyl.

Wolauff lieben frommen Teüt- schen, es ist zeyt, das wir vnsere yetzo lang har verlorne freyheit, widerumb zu erlangen vntersuchen. Hye habt ir den rechten anreitzer, der vns ob gott wil, die grossen hopter, als Reiser, Fürsten, vn den Adel zu hilff in diser Sachen erwecken sol. Dorzfi, vnd anderem seinem lobliohen fftrnemen, geb jm glück vnd heyl der allmechtig Oott, welchem zu eeren, uns allen zu nutz vnd gut er dißes on zwyfel vor- genommen hat. Vmb gemeynes nutzs willen hab ioh ettliohe seiner schrifften, als mir die henden kommen, auli dem latin ins teütsoh transferiert, so vil das die zyer latinischer sprach (die in ettlichem nit züverteütsohen ist) hat leiden mögen. Got geb eüch allen vil heyles, vnd ein bestendig vest ge- mut, Christliche warheit, vnd frey- heit des vatterlands verfeohten. Hyeneben lassent eüch den from- men Hutten befolhen sein. Trotz KomaniHt'.

'vom latein in dz deutsch, wie

wol das im latein vyl lieplichcr

vnd kunstlioher dann im deutschen

lauten mag,'

(Vorred© zur Febrii, H. W. 1, 24T.)

'in teutsche sprach, so best ich jmer mag, vnd sich das schicken will, tranßferieren vnd auflegen'

(Nachwort zur K Umschrift an alle Deutschen, H.W. 1,419.)

'Gott geb jm heyl, der bey mir kempfft.' (C. t. v., v. 1570.)

'Last Hutten nit verderben.* (Lied, H.w. 8, 94.)

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HISTORISCHES.

Huttens Wirksamkeit als deutscher Schriftsteller wurde zuerst von G ervin us als eine der bedeutsamsten litterarischen Erscheinungen des beginnenden sechzehnten Jahrhunderte erkannt, und mit Recht wurde von ihm für diese Uberbrückung der Kluft zwischen lateinischer Humanistonpoesie und deutscher Volksdichtung auf die grosse kirchlich - politische Bewegung der Zeit als Grundlage hingewiesen. 1 Wenngleich nun auch Strauss diese Beziehungen im allgemeinen richtig erkannt hat, ist es ihm doch nicht gelungen, die organische Verbin- dung zwischen Huttens deutschen Schriften und den einzelnen Phasen seiner politischen Entwicklung aufzuzeigen und dar- zustellen: so trefflich sie meist analysirt und charakterisirt sind, schweben sie doch haltlos und wirr durcheinander. Dieser Mangel ist vorzüglich durch die Geringschätzung und die aus ihr folgende flüchtigere Behandlung der deutschen Schriften, zum Theil auch durch die damalige rnvollkommen- heit des biographischen Materials zu erklären. Der inzwischen erfolgte Zuwachs an neuen Quellen hat wenig gefruchtet, da man sie bisher gar nicht oder falsch benutzte. Der einzige Forscher, der die Schwäche dieses Theils der Straussschen Darstellung erkannte und zuerst aus den neuen Nachrichten über Hutten schöpfte, hat die biographischen Verhältnisse nur noch mehr verwirrt und überhaupt nicht daran gedacht, dass die deutschen Schriften, wie sie aus der politischen Stellung zu begreifen sind, auf diese ihrerseits Licht werfen.2

1 Geschichte der deutgehen Dichtung, 2*, 383.

Ä W. Maurenbrecher, Ulrich von Hutton, Grenzboten 1871, ferner 'Studien und Skizzen zur Geschichte der Reformationszeit', 1874 und endlich *Geschiohte der katholischen Reformation', 1880. Von Schrift zu Schrift steigert sich die ungerechte Behandlung Huttens.

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HISTORISCHE«.

Die ungelöste Aufgabe will nun die folgende Unter- suchung behandeln, die ausser dem bereits allgemein zugäng- lichen Material noch eine Reihe neuer Entdeckungen benutzen kann, durch welche die Grenzen Huttens deutscher Thatig- keit vorwärts wie rückwärts erweitert werden. Die Unter- suchung geht aus von einem neu entdeckten Brief, in dem wir, wenn man von Widmungs- und Fehdeschreiben und ähnlichen Schriftstücken absieht, den ersten und, neben zwei anderen später zu besprechenden neuen Briefen und zwei bereits bekannten Fragmenten, den einzigen deutschen Brief Huttens besitzen1; sie schliesst mit einer ebenfalls neu ent- deckten Schrift, die wahrscheinlich Huttens letztes deutsches Werk ist.

Jener erste deutsche Brief muss schon deshalb den Ausgangspunkt der Untersuchung bilden, weil er den Anfang1 der Bewegung, in der Hutten zum Schriftseller des deutschen Volkes wurde, zum ersten Male klar legt: er zeigt Hutten am Scheidewege.

Bei Hutten besteht neben dem steten Vorwärtsdrängen zum kirchlich-politischen Kampf gerade vor dessen Ausbruch eine starke Gegenströmung, in der sich seine Sehnsucht nach einem friedlichen Gelehrtenleben geltend macht. Aus den bisher bekannten Anzeichen, die besonders in den gegen Fischer und Glauberg geäusserten Eheplänen enthalten sind, glaubte Straus8 nur auf eine oberflächliche Bewegung schliessen zu können.2 Aber das neue Zeugnis lehrt, dass Strauss diese Erscheinung unterschätzt hat, wenn er sie in der etwas ro- mantischen Beleuchtung eines einmal auftauchenden und dann für immer versinkenden Traumes zeigte. Aus dem neuen Brief geht hervor, dass Hutten sich durch das Scheitern seiner vorjährigen Pläne nicht hindern liess, im Frühling 1520 wiederum dem Hafen der Ehe zuzusteuern. Hatte er damals sich um eine Frankfurter Patriziertochter beworben uud um

1 Vgl. 8.126 f. Die von Böcking veröffentlichten deutschen Briefe werden sämmtlich mit Unrecht Hutten zugeschrieben; vgl. den Anhang I. Für die Brieffragmente vgl. Waltz in der Ztschr. für Kirchengeschichte Bd. II.

a Hutten, Viorte Auflago S. 260 ff.

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EINLEITUNG.

55

ihretwillen seine Niederlassung in der freien Reichsstadt ge- plant, so scheint er nunmehr, wenn man von der Person der Mittlerin schliessen darf, ein Mädchen aus dem fränkischen Adel und ihr zu Liebe als Wohnsitz den bischöflichen Hof von Bamberg gewählt zu haben.1

Dass Hutten trotz der nicht weit zurückliegenden Con- flicte am Mainzer Hofe wiederum Dienst bei einem geist- lichen Fürsten suchte, muss um so mehr überraschen, als er um diese Zeit durch die Herausgabe der Schrift 'de unitate ecclesiae conservanda', durch die Drucklegung der Dialoge und die geheimen Verhandlungen mit Melanchthon sich dem Kampfplatz schon genähert hatte. Wenn er nichts desto weniger solche friedlichen Lebenspläne schmiedet, so geht hier- aus wie schon aus den Briefen an Fischer und Glauberg hervor, wie wenig er vorläufig daran dachte, mit seiner eigenen Person sich in den Kampf zu begeben.

In dem Bamberger Aufenthalt hat bereits Kampschulte, dem wir die erste Nachricht über ihn verdanken, einen Wendepunkt in Huttens politischer Stellung erkannt.2 Aber mit Unrecht suchte er den Anlass dieses Umschwunges in dem Zusammentreffen mit Crotus. Den wahren Urheber offenbart der neue Brief: Sickingen. Noch war Hutten mit

1 8trau88 meint den Frankfurter Heirathsplan bis in das Jahr 1520 hinein verfolgen zu können, weil am 8. Februar dieses Jahres Cochläus aus Frankfurt schreibt, Hutten werde bald eine edle und reiche Frau heimführen, wenn seine Hoffnung nicht fehlschlage. Der Frankfurter Ursprung dieser Nachricht bedingt aber durchaus nioht eine Beziehung auf den Frankfurter Heirathsplan. Zudem zeigt ja auch der vom 1. Januar datirte Dialog Fortuna, den Strauss selbst ganz richtig auf die Frankfurter Angelegenheit bezieht, dass Hutten damals seine Hoffnung auf jenes Mädchen bereits aufgegeben hatte. Folglich muss die ) Nachricht des Cochläus mit ihrem bedächtigen Zusatz, in dem man seine Mitwisserschaft um das Fehlschlagen des ersten Planes spüren könnte, auf den zweiten Plan zu beziehen sein; Huttens un- datirter Brief an Glauberg (H. \V. Suppl. 2, 798 f.) ist demnach aus dem Februar 1520, in den ihn Bückling und Strauss setzton, weiter rückwärts zu legen und zwar etwa in den Octobor 1519: auch zu dieser Zeit begab sich Hutten von Mainz nach der väterlichen Burg und wird auf dem gewöhnlichen Wege sowol Frankfurt wie Steinheim berührt haben.

» Die Universität Erfurt 2, 60 ff.

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HISTORISCHES.

der Verfolgung seiner friedlichen Pläne beschäftigt, als ihn plötzlich vor der Entscheidung ein Brief Sickingens, der ihm Aussicht auf eine freilich noch unbestimmte Stellung beim Bruder des Kaisers eröffnete, aus der Bahn riss. So stand Hutten am Scheidewege: in Bamberg winkte dem Hu- manisten der Friede eines sicheren Gelehrten- und Beamten - lebens, in Brüssel dagegen erwartete den revolutionären Poli- tiker der Streit mit feindlichen Parteien. Ehe wir Hutten mif dem letzteren Wege folgen, den er bekanntlich einschlug, wollen wir wenigstens einen Blick auf die Bahn werfen, die sich ihm mit dem Eintritt in Bambergische Dienste eröffnete.

Der Bamberger Bischof, Georg III., Schenk von Lim- purg, ist unter den Kirchen fürsten seiner Zeit einer der freiesten und feinsten Geister.1 So ist es begreiflich, dass Hutten schon 1517, als er nach seiner Rückkehr vom zweiten italienischen Aufenthalt einen deutschen Hofdienst sucht, neben den glänzenden Höfen des Kaisers und des Mainzer Kur- fürsten auch Bamberg in Betracht zieht, dessen Fürst den neuen poeta laureatus augenscheinlich gern an sich gefesselt hätte2; und so erklärt es sich, dass Hutten auch 1520 seine Hoffnung auf Bamberg setzt. Mehr aber noch als der Schutz und die Unterstützung des Bischofs selbst hätte für seine litterarische und politische Entwicklung der Einfluss des Mannes bedeuten können, der am Bamberger Hof das höchste weltliche Amt bekleidete. Es ist kein Zufall, dass unser Brief Hutten mit diesem Manne in engster litterarischer Ge- meinschaft zeigt8: der Bambergische Hofmeister Johann von Schwarzenberg steht in politischer und litterarischer Hinsicht Hutten sehr nahe. Er gehört wie dieser zu dem Theile des Rittor- standes, der eine Reform des Reiches und der Kirche anstrebt. Aber die Besonnenheit des gereifteren Alters, die Stellung als fürstlicher Beamter und endlich der, in der Halsgerichts- ordnung bewiesene, streng rechtliche Charakter zeichneten Schwarzenberg einen anderen Weg vor als den, auf welchem der jugendliche, heimatlose und alle Schranken durchbrechende

1 Vgl. Leit8chuh, Oeorii: III., Schenk von Limpurg, Bamberg 1884. * LeitRChuh, 8. 15 f. 3 Vgl. S. 66 ff.

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EINLEITUNG.

,57

Ritter zum Ziele gelangen wollte. Schwarzenberg konnte niemals mit Hutten sich einer Partei anschliessen, die ihre Reformgedanken auf dem Wege der Gewalt durchsetzen wollte; er vertrat sie vielmehr bedächtig, aber beharrlich auf dem Boden des Rechtes und Gesetzes. In der Gleichheit der politischen Gesinnung und des litterarischen Strebens war die Grundlage für ein Bündnis zwischen Hutten und Schwarzenberg gegeben, das für Huttens Entwicklung und Schicksal wesentlich andere Folgen gezeitigt hätte als die spätere Verbindung mit Sickingen. In der kühlen Besonnenheit und der parlamentarischen Be- gabung Schwarzenbergs1 lag das einzige wirksame Gegen- gewicht zu Huttens radicalem und fanatischem Charakter. Man wird natürlich kaum erwägen, geschweige denn entscheiden können, welche Bahn Hutten gegangen wäre, wenn er sich am Scheidewege Schwarzenberg statt Sickingen zugewandt hätte; aber man muss doch die Frage wenigstens aufwerfen, wenn man die Entwicklung dieser beiden Männer auch nur für wenige Jahre verfolgt. Drei Jahre später, im Frühling 1523, ist Sickingen am Ende seiner Pläne und kann nur trotzig den Todesstreich der Fürsten erwarten ; Schwarzenberg aber steht auf der Höhe des Lebens : denn er ist es haupt- sachlich gewesen, der während des Nürnberger Reichstages in regelrechter Verhandlung mit dem reformfreundlichen Papst Adrian VI. die Beschwerden und Forderungen des deutschen Volkes zur Geltung und zum Ausdruck brachte und so den nationalen Bestrebungen einen bedeutsamen Sieg erfocht.2 Man kann es sich sehr gut vorstellen, dass Hutten unter dem Einfluss Schwarzenbergs ebenfalls zu einer Art parlamenta- rischer Thätigkeit gelingt wäre, wie er sie im Anfang seiner politischen Laufbahn auf dem ersten Reichstag dieser Reform- epoche in Augsburg selbst schon ausgeübt hatte.

Aber diese friedliche Unterströmung, die wir eben auf- zudecken und zu verfolgen suchten , brach Sickiugen , der Hutten durch die Berufung nach den Niederlanden mitten

1 Vgl. Luthers Auaspruch in der Schrift von Concilien und Kirchen bei Weißel, Schwarzenberg S. :J6.

2 Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation 28, 37 ff. und Buumgarten, Geschichte Karls V. 2, 247.

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HISTORISCH KS.

ins politische Leben hineinriss. Erst aus dieser Anregung" Sickingens ist Huttens vielbesprochene Reise an den Hof Erzherzog Ferdinands zu begreifen. In den früheren Dar- stellungen inusste der plötzliche Übergang von dem Streben nach Ruhe und persönlichem Zurücktreten zu dem Sprung auf den offenen Kampfplatz vollkommen unerklärlich bleiben ; und das ganze Unternehmen, in dem man nur einen persön- lichen Einfall und Versuch sehen konnte, hatte das Ansehen einer Donquixotiade, wie man sie Hutten gerade damals nicht zutrauen darf. Wenn in der bisherigen Beleuchtung da« Misslingeii der Reise ganz natürlich erscheinen muss, so würde man aus den Vorbedingungen, auf die wir sie nun- mehr gegründet sehen, eher einen günstigen Erfolg erwarten. Die beiden Männer, die Hutten ihre Hand zur Einführung bei Hofe boten, hätten auch ein weniger sanguinisches Temperament mit freudiger Zuversicht erfüllen köuuen : denn ebenso wie Franz von Sickiugen stand der Bischof von Lüttich, Graf Eberhard von der Mark, wegen der um die Wahl Karls V. erworbenen Verdienste in hoher Gunst am Brüsseler Hofe.1 Die Aussicht, an der Seite dieser beideu Männer, von denen er den einen auf dem Augsburger Reichstag für die Kirchenreform2, den anderen im wirtemberger Kriege für die Reichsreform als Parteigenossen erkannt hatte, fast un- mittelbare Einwirkung auf das neue Oberhaupt des Reichs auszuüben, war glänzender als Hutten selbst hätte erwarten können. In der That wurde er durch Sickingens Eröffnung überrascht, aber allem Anschein nach doch nicht durchaus freudig; denn obgleich er schon im Januar Ferdinaud als eiuen nothwendigen Bundesgenossen bezeichnet hatte und ihm ausdrücklich in diesem Sinne im März die Ausgabe der Schrift 'de unitate ecclesiae conservanda' mit einer begeisterten

1 Baumgarten, Geschichte Karls V. 1, 389. Ulmunn, Franz von Sickingen 8. 162 f.

2 Eberhard ist jener Lütticher Bischof, der damals eine so scharfe Denkschrift gegen die Missbräuche der Curie an den Reichstag sandte, dass Luther ungläubig von einem 'siuutltttus' episcopus Leodiensis schrieb (Luthers Briefwechsel, herausgeg. von Ludwig Enders, 1, 303).

3 II. W. 1, 321; 325 ff.

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EINLEITUNO.

Od

Vorrede widmete3, scheint er doch eine persönliche Berufung weder erwartet noch gewünscht zu haben : sonst würde er sie mit grösserer Freude und weniger Bedenken angenommen haben. Neben den allgemeinen Sorgen über die Schwierig- keit der neuen Verhältnisse, in die er sich begeben sollte, regte sich wol besonders die Unlust, auf dem eben erst be- tretenen Wege zu einem ruhigen Leben umzukehren einer Stellung zu Liebe, die noch nicht einmal bestimmt gesichert war. 1 Wenn nun Hutten trotzdem Sickingens Wunscho Folge gab, so wirkten wol zunächst auf ihn das Pflicht- gefühl gegen seinen Beruf und die Achtung vor dem be- wunderten Freund, sodanu aber auch die verlockende Aus* sieht auf die Ehre eines, wenn auch nur vorübergehenden, Hofdienstes beim Bruder des Kaisers. Gewiss erleichterte ihm den Abschied von der Heimat auch der Misserfolg seines zweiten Heirathsplans, von dem er nach seinem Aufbruch von Bamberg durch seine Base Gertrud in Birkenfeld unterrichtet wurde, und andrerseits die Hoffnung, im Glanz der neuen Ehre mehr Glück in seinen Bewerbungen und somit in seinen Ruheplänen zu haben.2 So nahm er denn den Ruf an, je- doch nicht ohne vorher seinen Vetter Bernhard gebeten zu haben, ihm inzwischen eine Stellung in der Heimat zu verschaffen.

Noch bevor er abreiste, wurden die Wirkungen der neuen Wendung bei ihm sichtbar. Hatte er bis dahin immer eine gewisse Deckung in seinen Angriffen gegen Rom bewahrt, so geht er bereits während der zwei Monate, die er aus un- bekannten Gründen bis zum Aufbruch hinzögerte, offen aus sich heraus. Das Widmungsschreiben an alle freien Deutschen und der erste Brief au Luther zeigen3, dass er sich nunmehr in doppeltem Sinne berufen glaubte, mit eigner Person an

1 Vgl. H. W. 4, 689: Hodie enim Femandum accessurus exeo, curarum plenus maxinuirum. De condiciotie nova nun dum est ut yra- fnlen'8. Ferner H. W. 1, 341 und 358. H. W. 1, 344 legt der Mainzer Leibarzt Stromer dem Ritter die Titel eines Mainzisohen und Erzherzog- innen Käthes bei, obgleich ihm der eine nicht mehr, der andere noch nicht gebührte.

* Vgl. den Brief des Erasmus vom «. Mai 1524 H. W. 2, 410; dazu Böcking8 (ebenda) und Strauss' (21, 66) Bemerkungen. 3 H. W. 1, 349 ff.; 355 f.

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HISTORISCHES.

die Spitze der nationalen Bewegung zu treten. Um so starker musste er den Rückschlag fühlen, den all seine Hoffnungen in Brüssel erfuhren. Am Hofe des Erzherzogs fand er die ihm feindliche Geistlichkeit in so mächtiger Stellung, dass er auf den Rath seiner Freunde, die sogar von meuchlerischen Nachstellungen sprachen, unverrichteter Sache sofort wieder umkehrte. Zur vollständigen Erkenntnis seiner plötzlich so veränderten Lage gelangte Hutten aber erst, als er Anfang August bei seiner Einkehr in Frankfurt bestimmte Kunde er- hielt, dass der Papst selbst seine Hand nach ihm ausgestreckt habe und ihn vom Kaiser und den Fürsten als Gefangenen nach Rom vor sein Gericht fordere. Während er sich eben noch als Führer der nationalen Bewegung träumte, sah er sich mit einem Schlage in die Rolle eines Märtyrers versetzt, in der er noch unlängst Luther bewundern zu müssen glaubte.

Huttens ferneres Verhalten erklärt sich aus dem Kampf gegen die päpstliche Verfolgung. Man hat ihm seine Grund- lage durch den Hinweis zu entziehen gesucht1: 'der. ganze „päpstliche Anschlag auf Huttens Freiheit und Leben" be- ruht auf Huttens Aussagen !' Mit Recht bemerkt allerdings Strauss, dass sich in den erhaltenen Briefen an den Kurfürsten von Mainz, d<»u Hutten besonders als Beauftragten des Papstes bezeichnete, die angeführte Forderung der Festnahme und Auslieferung nicht befinde. 2 Die nein sten reforinatious- geschichtlichen Veröffentlichungen aus dem Vaticanischen Archiv8 gewähren jedoch in ebenso überraschender wie schla-

1 Kumpschulte, Die Universität Erfurt, 2, 82.

2 S. 319. Ähnlich im feindlichen Sinne (Jarcke), Studien und Skizzen zur Geschichte der Reformation S. 193; Janssen, Geschichte des deutschen Volkes 22, 115. Böcking hat des Kurfürsten Antwort- schreiben auf das päpstliche Breve in die Mitte des Juli gesetzt (H. W. 1, 363 IT.), während e9 doch mit der Angabe beginnt, dass Albrecht die Breven erst am 25. October empfangen habe. Vgl. auch Baum- garten, Geschichte Karls V. 1, 395, wo Böckings Irrthum gerügt ist. Demgemüss ist auch der Brief an Capito (H. W. 1, 365 f.) nicht mit Bocking vom Ende Juli zu datiren, aber wol auch nicht mit Baum- garten vom Ende October, sondern mit Rücksicht auf die Erwähnung der Clag vnd Vormanung' vom Anfang November.

5 Monumenta reformationis Lutheranae ex tabuluriis secretioribus ,S. Sedis 1521 1525. ed. Petrus Balan, 1884, S. 8 ff.

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EINLEITUNG.

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gender Weise eine Bestätigung der Huttensehen Angaben. Unter den bisher unbekannten Stücken befindet sich eine In- struction für den Nuntius Aleander, die ohue Zweifel mit den übrigen auf ihn bezüglichen Geleitschreiben iu die Mitte des Juli zu setzen ist. Diese Instruction ermächtigt eingangs den Nuntius, Luther und seine Genossen nach Verkündigung der Bulle und Ablauf der Widerrufsfrist ins Gefängnis zu werfen und sogar zum Tode zu verurtheilen, ferner die Hilfe weltlicher und geistlicher1 Fürsten in Anspruch zu nehmen unter Androhung des Bannes für den Weigerungsfall. Am Schlüsse beauftragt sie den Nuntius mit der Forderung an den Kaiser und alle Fürsten, zu der genannten Zeit Luther zu fangen und gefesselt der römischen Curie zuzuführen -, da- mit ihn die gebührende Strafe treffe. Luthers Anhänger könnte der Nuntius auf Grund seiner Inquisitionsvollmacht namentlich bekannt machen, damit sie ähnlich bestraft oder doch aus Deutschland vertrieben würden. Mit Rücksicht auf das Breve an den Kurfürsten von Mainz wäre mau ohne weiteres be- rechtigt, unter den Genossen Luthers besonders Hutten zu verstehen. Aber die Instruction selbst giebt dieser Annahme eine ausdrückliche Bestätigung dadurch, dass es am Schlüsse des Absatzes über die in gleichem Sinne verurtheilten Bücher heisst: 4. . sicut est Hutteni epistola prefixa libro cujusdam scismatici, Trias et similia.' Huttens Augaben beruhen mit- hin auf Tbatsachen. Demnach würde er kaum zwei Wochen nach der wahrscheinlichen Abfassung der Instruction und fast zwei Monate vor dem Eiutreffen jenes Breve an den Mainzer um die Pläne des Papstes gewusst haben. Dies Ergebnis würde unglaublich erscheinen, wenn nicht gerade durch die Aussage des Nuntius Aleander bezeugt wäre, dass z. B. die berühmte, von Hutten glossirte und von Luther verbrannte

1 Unter diesen ist merkwürdiger Weise nur Huttens Gönner, der Bischof von Lüttich, namhaft gemacht.

* . . . Murtinu» capiatur, et ut vinetus duc.utnr ad Curinm Bo- manatn .., dazu Huttens Aussage (H. W. 1,408): ... iam literis con- tendere a quibusdam in Germania principibu* episcopum Bomunum, nonnullis suo iure et iam imperure, ut vinetum me Bornum miltant. Ganz ähnlich schon am 8. August in dem Brief an Capito (H. W. 1, 367).

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HISTORISCHES.

Bulle in Deutschland bereits gedruckt war, bevor sie in Rom publicirt wurde.1

Dieses Ereignis schürte in Hutten den Gedanken eines Pfaffen krieges, der in den eigentümlichen Elementen seines Standes und Temperamentes schon vorher Nahrung gefunden hatte, zur hellen Flamme an. Der erste Brief, der aus der Zeit nach der niederländischen Reise vorliegt, gipfelt in dem Ruf: 'Quam gestiunt gladii mihi.7 Jetzt besonders übte die Verbindung mit Sickingen ihre verhängnisvolle Wirkung: das Vertrauen zu dem waffenmächtigen Freunde, der in geistlichen wie weltlichen Rechtshäjideln mit eiserner Faust kurzen l'rozess zu machen gewohnt war, musste Hutten in seinen Plänen befestigen. Wenn auch Sickingeu zunächst von Gewalt massregeln abrieth und auf den Schutz des Kaisers hinwies, so musste Hutten doch von dem Mann, der noch un- längst auf seine Veranlassung für Reuchlin gegen den Prediger- orden die Hand drohend ans Schwert gelegt hatte, die sichere Hoffnung hegeu, dass er auch für ihn mit dem ganzen Nachdruck seiner Waffeumacht eintreten werde. Es wäre mithin vollkommen falsch, dem temporisirenden Verhalten Sickingens einen wirklich mässigenden Einfluss auf Hutten zuzuschreiben, wie ihn nur das principielle Entgegentreten eines Schwarzenberg hätte ausüben können. Das nächste Ergebnis ist eine Reihe von Klagschriften über die drohende Gewaltthat des Papstes, in denen sich die innere Zwiespältig- keit Huttens spiegelt. Während er in der ersten von ihnen, die wol zumeist unter Sickingens Einfluss verfasst und von diesem dem Kaiser überbracht wurde, seine Sache bedingunglos in die Hände des neuen Herrschers legt, zeigt er doch schon dadurch, dass er sich ausserdem iu vier anderen Schriften an den Kurfürsten Friedrich von Sachsen als weltlichen Fürsten und Beschützer Luthers, an den Kurfürsten Albrecht von Mainz als geistlichen Fürsten und seinen eigenen Gönner, an den Ritter Sebastian von Roten ha n als Verwandten und Ver- treter des Adels, sowie endlich au das gesammte deutsche Volk wendet, wie wenig er geneigt ist, auf eigene Thätigkeit in

1 Th. Brieger, Aleander und Luther S. 32.

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CBERG AN<iSZKIT.

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seiner Sache zu verzichten. Wahrend er in der Klarschrift an den Kaiser hervorhebt, dass er dessen Entscheidung der Anwendung von Waffengewalt vorziehe, verräth er an vielen Stellen der übrigen Klagschrifton gegen seinen Willen, dass er insgeheim doch den Plan eines Pfaffenkrieges iu eigener wie des Volkes Sache unablässig verfolgt. Die sicherste Handhabe für den Nachweis solcher revolutionären Pläne bietet Hutten jedoch in jener Stelle am Schlüsse des letzten Klagschreibens, welche Strauss mit Recht als Markstein einer Epoche in Huttens Schriftstellerei herausgehoben hat: aus der Angabe, dass er bisher lateinisch geschrieben habe, um das Volk nicht in die kirchenpolitischeu Verhältnisse einzu- weihen und so einen allgemeinen Aufruhr zu vermeiden, lässt sich mit vollkommener Sicherheit abnehmen, dass der im Herbst 1520 vollzogene öffentliche Übergang zur deutschen Sprache einen entschiedenen Fortschritt auf der revolutionären Bahn bedeutet. Hiermit sind wir an dem Punkte angelangt, von dem wir uns zu einer eingehenden Untersuchung dieser bedeutsamen litterarischen Entwicklung wenden müssen.

Jene Worte am Schlüsse der lateinischen Klagschrift an alle Deutschen und einige Verse der 'Clag vnd Vormauuug' haben die Grundlage für eine ganz falsche Darstellung dieses Problems abgegeben. Strauss schreibt 1 : 'Noch in dem Send- schreiben an die Deutschen aller Stände, mithin Ende Sep- tember 1520, hatte sich Hutten . . . darauf berufen, dass er bisher lateinisch geschrieben habe. . . . Noch war das Jahr nicht zu Ende, als er diesem Aulass Folge gab, und deutsch zu schreiben begann: Latein ich vor geschrieben hab u. s. w.' Wenngleich Strauss weiterhin richtige Erwägungen über die politischen und persönlichen Motive giebt, durch die Mutten zu diesem Wechsel geführt wurde, so haftet doch seinen Dar- stellungen ein schwerer Fehler an: Huttens Übergang zur deutschen Sprache erscheint als ein durch äussere (i runde erzwungener plötzlicher Sprung in ein unbekanntes Land, iu dem er sich denn auch nie ganz habe zurecht fiuden

' S. 345.

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HISTORISCHE».

können.1 Strauss trägt hauptsächlich die Schuld daran, dass man Huttens deutschen Schriften überall als schlecht vorbe- reiteten und übereilten Erzeugnissen einer politischen Unter- nehmung mit schlimmem Vorurtheil begegnet.

Eine erneute Prüfung dieses Problems führt jedoch zu dem entgegengesetzten Ergebnis. Man wird sich zunächst von dem Glauben lossreisssen müssen, dass Hutten sich vor jenem ersten Bekenntnis überhaupt nicht auf dem Felde der deutschen Sprache versucht habe. Allerdings liegen die Be- weise dieser früheren deutschen Sehriftstellcrei nicht ganz klar am Tage und sind zum Theil erst neu entdeckt.

Schon im Frühling lr>17 scheint sich Hutten an einem der hervorragendsten Werke deutscher Litteratur- und Sprach- geschichte jener Zeit, der Ciceroübertragung Johanns von / Schwarzenberg, betheiligt zu haben, bei der er die Revision des Buches vom Alter besorgte. Wenn man einem seiner Genossen an dem grossen Wrerke glauben darf, wnr eine solche Revision gleichbedeutend mit einer selbständigen Über- setzung; denn Schwarzenberg Hess die Schriften Ciceros zueist von einem Lateinkundigen ins Deutsche übersetzen, änderte dann selbst ohne Kenntnis der lateinischen Sprache die Ver- deutschung im Sinne der von ihm anerkannten 'hoffränkiseheif Sprache und übergab sie endlich zur Revision einem zweiten Lateinverstäudigen.- Bedenkt man, dass eine solche Revision die sorgsamste Vermittlung zwischen dem lateinischen Original und dem hoffränkischen Ideal bedingte, duss ferner grund-

1 Vgl. 8. 358.

* Leitschuh S. 17 hat wie andere vor ihm diese Thntigkeit Huttens in den Bamberger Aufenthalt des Jahres 1520 verlegt. Hier- gegen spricht jedoch, dass nach dem folgenden Zeugnis Behnims Schwar- zenberg gerade zur Zeit von Huttens erstem Aufenthalt in Bamberg mit der Revision seines Übersetzungawerkes beschäftigt ist, und auch der Um- stand, dass Hutten in dem weiter unten besprochenen Brief von 1520 von einer Betheiligung am Cicerowerk nichts erwähnt. Behaim an Pirck- heimer, September 1517 (H. W. 1, 154): Opi quandam durum pro- vinciam revidendi translat ionem Cicerouis officiorum de Todvsco in 7b- descum, id est de malo in peius, quin rideu errorem purere error tm : natu utrobique aliqnando non aequuntur von modo iextunt, sed ne seusutn ifuidnn fi.r1us; <1 sie quasi tertimn fatio fo<h*cnn r/r.

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ÜBEK0ANUSZE1T.

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bätzlich eine Übersetzung 'nit von Worten Worten, sunder von synuen synnen1 verlangt wurde \ so wird man, selbst wenn man den angeführten Ausspruch Lorenz Behaims nicht ganz für wahr nimmt, doch die technische Leistung und den bildenden Einfluss eines solchen Unternehmens mindestens ebenso hoch wie den einer selbständigen Übersetzung an- schlagen müssen.

In die Reihe dieser früheren deutschen Schriften sind aller Wahrscheinlichkeit nach auch die anonymen Übersetzungen der beideu Huttenscheu Dialoge Febris und Phalarismus- zu setzen, obgleich sie in auffälliger Weise eine fremde Flagge aushängen: 'durch .. Virich vom Hutten in lateiu beschriben, yetz durch gut gunner zu deutsch gemacht' und 'Erstlich durch . . Vlrichen von Hutten . . jm lateiu seer zirlich beschriben, darnach durch andere, jn das teutzsch, wie sich das hat schicken wöllen, bracht.' Die stilistische Prüfung kann allerdings bei dem ersten Dialog nur wenige Beweise erzielen; dagegen enthält der zweite eine Reihe von Merkmalen Huttenschen Stiles. Für Huttens Verfasserschaft spricht im zweiten Fall auch die popularisireude Einleitung, mit der dieses 'etwas meer vfF poetische Art zugerichte' Gespräch ebenso versehen ist wie die sicher von Hutten stammeude Übertragung des gleichfalls sich an die Antike anlehnenden Gesprächs 'Iu- spicientes'; ferner auch das Bild, die Ermordung Hans' von Hutten darstelleud, das sonst nur von Hutten selbst be- sorgte Drucke, die erste Ausgabe des Phalarismus und die Steckelberger Sammlung, enthalten. Gegen Hutten scheiut bei der Febrisübersetzung zu sprechen, dass er selbst in der Widmung au Sickiugen bemerkt, er habe den Dialog über- setzen 'lassen'/* Dies Bedenken wird jedoch reichlich dadurch aufgewogen, dass er dieselbe Übersetzung in einem 'fast nur in Betreff der Rechtschreibung und der Scheidezeicheu ab- weichenden'4 Neudruck seinem Gespräch büchlein einverleibte, das er wiederum Sickingen als sein eigenes Werk widmete.

1 Joh. v. Schwarzenberg, Der Teütsch Cicero, 1534, 8. XXI", XL1". » H. W. Ind. bibl. XXI, 4, 27 ff. ; 1 ff.

H. W. 1, 247.

* Böckings Urtheil in seiner Vorrede H. W. 4, 28.

<JF. LXV1I. 5

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HISTORISCH Ksä.

Der Anlas» des Versteckspiels muss aus der Ent- stehungszeit erschlossen werden. Die Febrisübertragung ist nach der Widmung in den Februar 1519 zu setzen. In die- selbe Zeit fällt auch sicherlich der deutsche Phalarismus. Der Zweck jener Zusammenkunft, bei der Hutten von Sickingen zur Verdeutschung der Febris angeregt wurde, war eine Be- rathung über den gemeinsamen Feldzug gegen Herzog Ulrich von Wirtemberg. 1 Da nun Hutten um jene Zeit bereits die Steckelberger Sammlung plante, in der er seine sämt- lichen Schriften gegen den wirtembergischen Fhalaris her- ausgab, so musste sich ihm aus Sickingens Anregung zur Übertragung der Febris der Gedanke ergeben, den einzigen Dialog unter diesen Schriften in einer gemeinverständlichen Form ins "Volk zu senden, damit dort wenigstens dieser Theil die agitatorische Wirkung übe , die er von der lateinischen Sammlung nur für engere Kreise erwarten durfte. Aus der Zeit der Entstehung folgt für die Geheimhaltung des Namens die einfache Erklärung, dass Hutten aus humanistischem I Schriftstellerstolz Bedenken trug, selbst mit Verdeutschungen 'seiner Schriften hervorzutreten: zwischen der verdeckten Aus- gabe der deutschen Febris und ihrer Aufnahme in das Ge- sprächbüchlein liegt eben Huttens öffentlicher Übergang 7ur deutschen Sprache. Die merkwürdige Art des Versteckspicls lässt sich gerade bei Hutten leicht erklären. Die Erinne- rung an das grosse 8chwarzenbergsche Cicerowerk mit seiner vielköpfigen Ubersetzergesellschaft mag es ihm eingegeben haben, auch für seine kleinen Übertragungen stets ein ganzes Collegium vorzuschieben. Aber diese 'guten gunner, die sich weiter sogar noch in die schemenhaften 'anderen' ver- flüchtigen, können mit ihrer luftigen Namenlosigkeit den wahren Verfasser nicht verdecken.

Doch nicht nur in Übersetzungen fremder und eigener Werke, sondern in selbständigen Schöpfungen hat Hutten die deutsche Sprache verwendet, ehe noch politische Motive ihn veranlassten, sie offen zu gebrauchen: um Ostern 1520 ver- fasste er zwei Reimgedichte, wahrscheinlich politischen In-

1 Strausa, Hutten 8 252.

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ÜBERGANGSZEIT

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halte. Leider sind beide Gedichte uns verloren bis auf einen winzigen Rest, der in der Quelle dieser Nachricht er- halten ist, in eben jenem neuen Brief, mit dem Hutten in den Wege einlenkt, der ihn zur offenen Verwendung der deut- sehen Sprache führen sollte. Die Nachrichten über den Inhalt der Gedichte fliessen nur spärlich. Ober das erste Gedicht, das Hutten für seinen Vetter Bernhard als Ersatz für ein von diesem verfasstes und ihm zur Prüfung übersandtes Werk schrieb, lässt sich weiter nichts erschließen, als dass es allgemein interessanten, wahrscheinlich politischen Inhalts gewesen sein muss. Nähere Vermuthungen gestatten die An- gaben über das zweite Gedicht, das er in Gemeinschaft mit Johann von Schwarzenberg, dem Genossen vom Cicerowerk, hervorbrachte: nach dem mitgetheilten Titel und der Analogie verwandter Dichtungen Schwarzenbergs und Huttens scheint es sich um ein satirisches Gedicht gegen den Kaufmannstand zu handeln. Diese bisher ganz unbekannten Nachrichten be- weisen aber nicht nur, dass Hutten um Ostern 1520 den deut- schen Reimvers zu handhaben verstand, sondern mit einiger Sicherheit auch, dass er hierin schon damals eine längere, anerkannte Übung und Fertigkeit besessen haben muss. Sonst würde er von dem selbst dichtenden Vetter kaum um sein Urtbeil und seine Hilfe angegangen wordeu sein, noch hätte er das Gedicht so scharf kritisiren und so schnell durch ein eigenes ersetzen können. Ferner ist sonst schwer zu erklären, wie Schwarzenberg, ein im Reimgedicht bereits so gewandter Mann, der damals sein grösstes Gedicht, wenigstens in erster Fassung, und eine Reihe von Sprüchen geschrieben hatte, sich Hutten zu poetischer Thätigkeit gesellen konnte.1 Aus dem Briefe geht ferner hervor, dass Hutten sich schon zu einer verfeinerten Technik des Verses durchgearbeitet hatte. Da derselbe Grundsatz strenger Achtsilbigkeit auch von Schwarzen- berg ausdrücklich betont wird 2, so erhebt sich die Frage, von

1 Der 'Kummertrost' ist in seiner ersten Fassung (die leider immer noch im Sohwarzenbergschen Archiv zu Wiltingen verborgen liegt, vgl. Weißel, Schwarzenberg 8. 38) schon 1502 entstanden, die Sprüche der Halsgerichtsordnung wenige Jahre später.

2 Teütsch Cicero, 1534, S. XCVIP. Abgesehen von don Versen

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CS

HISTORISCHES.

welchem der beiden Ritter er zuerst aufgestellt wurde. Da nun Schwarzenberg in den früheren Versen der Halsgerichts- orduung ganz unregelmässig verfährt, so scheint die Bewegung von Hutten auszugehen, der mit ihr etwas von der strengeren Metrik der antiken Poesie in den deutschen Reimvers einge- führt hätte. Noch schwerer ist aus dem vorhandenen Material die Frage zu entscheiden, inwieweit Schwarzenberg mit seiner bereits befestigten Technik des didactischcn Reimgedichts auf Hutten eingewirkt hat oder ob dieser sich selbständig einen ähnlichen Stil schuf. Auf jeden Fall aber ist durch die Thnt- sache der gemeinsamen poetischen Beschäftigung mit Schwarzen- berg der unzweifelhafte Beweis erbracht, dass Hutten kein Neuling auf dem Gebiet war, auf dem er sich ein halbes Jahr später unter dem Drange politischer und persönlicher Verhältnisse öffentlich zeigte.

Ebenso wenig lässt sbh das zweite Vorurtheil halten, dass Hutten in überhasteter Eile als deutscher Schriftsteller aufgetreten sei. Strauss' Darstellung erweckt den Anschein, als habe Hutten ganz plötzlich eine Production in deutscher Sprache entwickelt, die selbst mit Rücksicht auf die eben auf- gedeckte Vorbereitung, mit der Strauss nicht einmal rechnen konnte, ganz unerklärlich und unglaublich ist. Setzt man Strauss allgemeine Andeutungen in Daten um, so müssen die 1578 Verse der 'Clag vnd Vormanung' in dem Zeitraum vom 28. September bis zum 13. November beschlossen, gedichtet, gedruckt, verbreitet und beurtheilt worden sein: denn am letztgenannten Tag kann Hutten an Erasmus schon über die Aufnahme dieses Gedichts in Basel berichten.1 Die Unwahr- scheinliclikeit dieser Annahme wird noch gesteigert, wenn man zu der Erkenntnis kommt, dass nicht die 'Clag vnd Vor- inanung', wie Strauss meint, die Schrift ist, mit der Hutten

der 1507 zuerst erschienenen Halsgeriohtsordnung liegen die Gedichte nur in undatirten Drucken oder den posthumen Ausgaben des Teütsch Cicero' vor.

1 Bei dieser Berechnung ist die Zeit zu beachten, die durch Be- förderung von Schriften und Nachrichten zwischen der Ebernburg und Basel und in umgekehrter Richtung verbraucht wurde. Vgl. H. "W. 1, 425.

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ÜBERGANGSZEIT. 69

den deutschen Boden betritt, dass vielmehr zwei andere deutsche Schriften noch zwischen dem 28. September und der Ausgabe des Gedichts erschienen sind.

Die erste Schrift ist die von Hutten selbst in einem Nachwort als sein Eigenthum bezeichnete Übersetzung der Klagschrift an alle Deutschen.1 Der Beweis für diese Da- tirung liegt in einer schon von Strauss benutzten, aber falsch ausgelegten Stelle der 'Entschuldigung'. In dieser Schrift er- wähnt Hutten neben 'etlichen klag geschrifften vber die Curti- sanen' lein klagschrifft', die er 'außgehen lassen vnd öffentlich an- geschlagen' habe.2 'Jegen Strauss' Annahme, dass die lateinische Klagschrift an alle Deutschen geineint sei, sprechen folgende Gründe. Die lateinischen Klagschriften sind nur in einer Sammlung erschienen : iu der angeführten Stelle wird aber deutlich eine Einzelausgabe unterschieden. Hutten erwähnt, dass er die fragliche Schrift öffentlich angeschlagen habe: dies ist weit eher auf eine deutsche als auf eine lateinische Ausgabe zu beziehen. Ferner zeigt das Nachwort, das übrigens ganz im Stile eines öffentlichen Anschlages gehalten ist, dass diese Verdeutschung der erste Vorsuch ist, dem Volke zu zeigen, 'welches die braut sey, darum!) man jm tantzen zügemüt\ Nimmt man endlich hinzu, dass Hutten in der 'Entschuldigung' mit klaren Worten erzählt, dass er erst nach der eben be- stimmten Schrift die 'Clag vnd Vormanung1 habe erscheinen lassen {: so kann trotz jeueni vielcitirten Vers dieses Gedichts, der sich später erklären wird, nicht mehr darau gezweifelt werden, dass nicht mit dein Gedicht, sondern der Verdeutschung der Klagschrift an alle Stände der öffentliche Übergang zur deutschen Sprache erfolgte.

Unmittelbar an diese Schritt schliesst sich ein Werk au, das bisher als Huttens Eigenthum noch nicht erkannt worden ist : die anonyme Sammlung von Ubersetzungen aller fünf

1 H. W. 1, 405 ff., besonders 419.

« H. W. 2. 130 f.; dazu Strauss, Hutten 21, 92.

3 8trauss, Hutten S. 346, folgert aus dieRer Stelle, dass Hutten durch das Geschrei der Curtisnnon über seine Klarschrift an alle Deutschen zur 'Abfassung* des Gedichts bewogen sei. Hutten sagt aber nur: 'ich einen sprach .... hnb „auß gehen*4 lassen' (H. W. 2, 131 J.

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HISTORIXJHKS.

Klagschrift.cn.1 Bevor dies Huttensche Werk datirt wird. mu88 es als solches erst erwiesen werden.

Ein Versuch, die Ergebnisse stilistischer Beobachtungen über eine Gesprächsübersetzung an den verdeutschten Klag- schriften zu erproben, führte zu der Aufgabe, Huttens Ver- hältnis zu den anonymen Übersetzungen seiner Klagachriften, die man bisher mit fast unbeschränkter Willkür ihm zutheilte oder absprach, einer neuen eingehenden Prüfung zu unter- werfen. Es waren nämlich zu jenem stilistischen Vergleich herangezogen die eben besprochene Einzelübertragung der Klagschrift an alle Deutschen, die ja Hutten selbst anerkennt, und eine anonyme Einzeln bersetzung der Klagschrift an Kur- fürst Friedrich von Sachsen, die Strauss und Böcking wie alle ihre Vorgänger als ein Werk Huttens betrachten.2 Das Ergebnis der stilistischen Probe war ein auffallend zwiespäl- tiges: wie sie an der ersten gelang, so versagte sie bei der zweiten. Infolgedessen erschien die von Strauss und Böcking ohne Angabe von Gründen aufgestellte Behauptung über die zweite Schrift zum ersten Male bedenklich und behufs weiterer Untersuchung die Heranziehung auch der anderen anonymen Verdeutschung der Klagschrift an den Kurfürsten Friedrich, die sich eben in der fraglichen Sammlung findet, berechtigt und geboten. Obgleich diese Sammlung nicht einfach anonym, sondern als Werk 'eines vnbekanten liebhabers der göttlichen Wahrheit' auftritt und die Einleitung von Hutten als einer fremden Person redet, war doch das Ergebnis der stilistischen Vergleichung bei ihrer Klagschrift an den Kurfürsten Friedrich im Gegensatz zu der Einzelübertragung eine vollkommene Übereinstimmung mit der Gesprächsübertragung.3 Diese merk- würdige Feststellung regte nun einen neuen Vergleich an, nämlich zwischen der mehrfach erwähnten Huttenschen Über-

* H. W. Ind. bibl. XXXI, A, a. «KL1 H. W. 1, 383 ff. Vgl. 8trau88, Hutten 8. 356. Jacob Burk- hard hatte in «einem grundlegenden Werke (1717—1723) 2, 119 sich noch mit einem m/W ontnia me fallunt salvirt; Meiners (1797) da- gegen giebt 8. 214 die Yermuthung seines Vorgängers als Thatsache. Diesolbe Meinung scheint Pnnaer (1798) S. 135 zu vertreten.

' Vgl. 8. 4P, ff.

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I'BKRGANUSZEIT.

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setzung der Klagschrift an alle Deutschen und der ent- sprechenden Übersetzung der Sammlung. Der Vergleich er- gab eine überraschende Eutdeckung.

Die Sammlung ist bereits von Böcking benutzt und ge- druckt worden, aber nur insoweit als er nicht Huttensche Übersetzungen gefunden hatte. Da er nun eine solche in der Einzelübertragung der Klagschrift an alle Deutschen besass und in der an Kurfürst Friedrich wenigstens zu besitzen glaubte, so entnahm er der Sammlung nur die übrigen drei Stücke, also die Klagschriften an Kaiser Karl, den Kurfürsten Aibrecht von Mainz und den Ritter Sebastian von Rotenhan1; die beiden anderen Ubersetzungen hat Böcking und ebenso Strauss sicherlich nicht angesehen, wenngleich letzterer gerade über diese Sammlung scharf gegen eine thörichte Vermuthung Münchs polemisirt2 Hätten Böcking und Strauss auch diese beiden Stücke verglichen, so würden sie entdeckt haben, dass die Übersetzung der Kingschrift an alle Deutschen in dieser Sammlung keine andere ist als Huttens eigene Einzelüber- tragung.3

Die aus textkritischer Vergleichung gewonnene Be- obachtung, dass das Stück der Sammlung ein Abdruck der Einzelübertragung ist4, könnte zu der Vermuthung verleiten, dass es sich hier nur um ein Plagiat seitens 4eines vnbekanten liebhnbers' handle. Da jedoch die stilistische Vergleichung nicht nur für die Klagschrift an Kurfürst Friedrich, sondern ebenso für die übrigen drei Stücke vollkommene Überein- stimmung mit den Merkmalen Huttenschen Stiles ergiebt, so ist vielmehr die Annahme geboten, dass die ganze Sammlung

» H. W. 1, 371 ff., 400 ff., 403 ff.

* Münch hatte in seinem confusen Huttenwerk 5, 3 f. im An- schlug» an Panzer (S. 135) und Burckhard (2, 120), der sioh allerdings wieder vorsichtiger ausdrückt, die Vermuthung aufgestellt, dass Huttens Ausfall in dem oben erwähnten Nachwort sich auf diese Schrift beziehe. Mit Strauss1 Ausführungen stimmt Meiners (8. 214) überein.

3 Dass Huttens Nachwort auch in der Sammlung steht, hat Böcking bemerkt, aber nur ganz flüchtig erwähnt, entgegen seiner sonstigen Gepflogenheit, auch die Lesarten selbst modernster Neudrucke im Apparat zu verzeichnen (H. W. 1, 419).

* Vgl. die Lesarten S. 142 ff.

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HISTORISCHES.

ein Werk Huttens ist. Dies wird durch die weitere Unter- suchung bestätigt.

Der einzige Grund, aus dem die anonyme Einzeln* ber- setzung der Klagschrift an Kurfürst Friedrich von Böckiug und Strauss Hutten zugesprochen wird, liegt, abgesehen von dem verführenden Vorgang früherer Forscher, wol dariu, dass die als fremd angesehene Sammlung gar nicht den Ge- danken aufkommen Hess, neben ihr das Einzelheft als zweite fremde Übertragung anzunehmen. Den einzigen Grund aber, aus dem die Sammlung von beiden Forschern ebenso wie von ihren Vorgängern Hutten abgesprochen wurde, stellt sicherlich deren Vorrede dar, in der eben jener 'vnbekante liebhaber' die Verfasserschaft für sich iu Anspruch nimmt.

In Anbetracht der litterarischen Gepflogenheiten jeuer Zeit, die wie kaum eine andere das Versteckspiel der Autoren liebte, könnte aber diese Vorrede sich den stilistischen Be- weisen gegenüber selbst dann nicht behaupten, wenn sie auch in sich festgeschlossen uud unaugreifbar wäre. Nun ist aber ihre Glaubwürdigkeit und somit ihre Beweiskraft durch den Nachweis einer unzweifelhaft Huttenseben Übersetzung in- mitten der Sammlung vollkommen erschüttert. Entweder ist der Verfasser der Vorrede 'ein vnbekanter liebhaber': dann ist er nicht der Verfasser aller von ihm herausgegebenen Übersetzungen, und mau ist der Vorrede als einem unwahr- haftigen Zeuguis nicht zu glauben verpflichtet. Oder er ist der Verfasser sämmtlicher Stücke: dann ist er kein lvube- kanter liebhaber', sondern Ulrich von Hutten.

Das merkwürdigste Ergebnis einer genauen Untersuchung dieser Vorrede ist aber die Beobachtung, dass sie vollkommen im Hutteuscheu Stile geschrieben ist.

Hierzu kommen noch die Beweise aus den Eigenthüm- iichkeiteu der Einrichtung und Ausstattung des Werkchens: iu beider Hinsicht zeigt es genaueste Übereinstimmung mit einer Reihe wenig späterer deutscher Schriften Huttens. Ge- nau wie diese zeigt die Sammlung am Rande die reich liehen Inhaltsangaben, die bei fremden Übersetzungen z. B. bei der Einzelübertragung der Klagschrift an Kurfürst Friedrich fehlen. Die Identität des Druckes wird durch das unparteiische Urtheil

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fJBERGANOSZElT.

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Söckings bestätigt.1 Ferner enthält die Sammlung das be- rühmte Bild Huttens, das sonst nur in sicher Huttenschen Werken bekannt ist.

Endlich scheinen für unsere Annahme drei briefliche Zeugnisse zu sprechen, die Böcking und Strauss theils nicht gekannt, theils nicht gewürdigt haben. In den Briefen des bekannten Nürnberger Rathssyndicus Lazarus Spengler an Wilibald Pirckheimer, die von der Huttenforsch uug bisher ganz übersehen worden sind, stehen zwei Äusserungen über unsere Sammlung-: am 11. November 1520 berichtet Spengler, Hutten habe 'sein lateinisch conquestion' verdeutscht und so veröffentlicht; am 26. November giebt er an, zwei Bücher empfangen zu haben 'gedruckt latein und teutsch, so Virich von Hutten gemacht', und führt dann die Titel der lateini- schen Klagschrifteu zum Tlioil an. Die wörtlich angeführte Stelle des ersten Berichts lässt zwar auf grammatischem Wege keinen Schluss zu, ob er eine einzelne Klagschrift oder aämmtliche meint. Da aber für den ersten Fall diese einzelne Klagschrift hätte namhaft gemacht werden müssen und ferner

1 H. W. Ind. bibl. 8. 59 : 'Tübingen bei Anshelm ?' und 8. 50 die Vermuthung, dass das Gosprächbüchlein, die Concilia, die Anzöig, die Dialogi novi u. a. m. zuerst bei Anshelm in Tübingen erschienen seien. ~ Mit dieser Vermuthung tritt Böcking Zarncke gegenüber, der für diese 8chriften als Druokor Johann Schott in Strassburg behauptet. Die ron beiden Forschern vorgenommene typographische Vergleichung braucht nicht erst naohgeprüft zu werden, um in dieser Streitfrage für Zarncke gegen Böcking entscheiden zu können, denn erstens ist das bekannte grosse Bild Huttens, das die meisten der hier in Bctraoht kommenden Drucke schmückt, sonst nur in einem sicher Schottschen Druck, der Expostulatio cum Krasmo, nachzuweisen (H. W. Ind. bibl. XLV, 1); zweitens aber liegt ein Brief Sohotts an Hutten vom 3. Sep- tember 1521 (H. W. 2, 80 f.) vor, dessen Anfang vollkommen uncrklfirlieh ist, wenn sämmtliche fraglichen Drucke Anshelm zugesprochen werdon, über dessen Beziehungen zu Hutten zudem nuch nicht das geringste Zeugnis vorliegt: 'Naohdem vnd Ewer Streng Ernuest vnd gunst mich bisher mit bucher zutrucken vor eim andern beschucht behuldct vnd gunstlich be- gabt, des ich nit wenig Nutzbarkeit vnd wolthat befunden . . . Böcking hat es unterlassen anzugeben , auf welche Drucke sich diese Worto Schotts beziehen könnten, wenn nicht auf die oben angeführten Werke, welche sftmmtlich in die dem Brief unmittelbar vorhergehende Zeit fallen.

» Vgl. 8. U9.

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IIISTOKISCIIES

der zweite Bericht sich unzweifelhaft auf sämmtliche Klag- schriften bezieht, so ist sicherlich auch der frühere Bericht vou der Gesammtheit zu verstehen. Demnach liegt in diesen Aussagen Spenglers aus Huttens engerem Kreise ein Zeuguis für seine Verfasserschaft an der anonymen Sammlung vor. Im selben Sinne zeugt eine bisher nicht beachtete Stelle in Huttens eigenem Brief vom 2h. November 1520 an seinen Genossen Bucer: lHabebas nescio quot Conquestionum Lati- narum exemplaria'.1 Wollte er die lateinischen Conquestionen nur von der einen Übertragung der Klagschrift an alle Deut- schen unterscheiden, so hätte er sich einfach mit der Form der Mehrzahl begnügen und auf den attributiven Zusatz ver- zichten können. Letzterer ist nur dann erklärlich, wenn er als Gegensatz zu den 'Conquestiones latinae' die anonyme Sammlung der deutschen Klagschriften im Sinne hatte.

Auf diese Zeugnisse, insbesondere den ersten Brief Speug- lers kann man zugleich die Datirung der Schrift gründen: sie ist ungefähr Anfang November erschienen.2

Der Anlass dos Versteckspiels lässt sich nur vermuthen. Von humanistischem Schriftstellerstolz kann nicht mehr die Rede sein, da dies Unternehmen eigentlich nur die Erfüllung eines Versprechens darstellte, das Hutten ganz offen in dem Nachwort seiner ersten Übersetzung gegeben hatte. Es scheint bei ihm vielmehr das Bestreben wirksam gewesen zu sein, |rlen einfachen Übersetzungen durch die Form der Darbietung einen neuen Reiz zu verleihen und zugleich unter der Maske eines 4vnbekanten liebhabcrs' sich selbst ein Vertrauensvotum darzubringen, wie er solche damals in Wirklichkeit von ver- schiedeneu Seiten öffentlich erhielt.

Zieht man nun von der Zeit, in die nach den obigen Ausführungen die *Clag vnd Vormanung' gesetzt werden müsste, noch die auf diese beiden Schriften verwendeten Tage ab, so bleibt für die Abfassung des grossen Gedichts so wenig übrig, d iss man eine mehr als Hans Sächsische Eloquenz und l'roductivirat für Hutten behaupten müsste?.

1 II. W. 1, 429.

1 Mit völliger Sicherheit ist die Priorität der anonymen Samm- lung gegenüber der 'Clng vnd Yormiinuiiff' nicht zu erweisen.

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f BKK-- *N«i>ZHT.

Diese Schwierigkeit lasse sieh nur auf einem Wege fort- schaffen: man muss annehmen, dass Hutten den Übergang zur deutschen Sprache bereits beschleusen und vollkommen vorbereitet hatte, als er am 2>. September 1520 in der latei- nischen Klagschrift an alle Deutschen die Worte niederschrieb: *ut intelligatis quam non fuerit meum consilium publicam isti statui eversionem moliri. La t ine scripsi, quasi secreto admonens\ Liest man aufmerksam weiter, so bemerkt man auch, wie der nächste Satz mit *Xunc quia* deutlich auf die Verkündigung eines fernerhin veränderten Verhaltens hinstrebt, dann al>or mit einer in diesen Klarschriften häutiger zu beobachtenden vorsichtigen Halbheit plötzlich abbiegt.1 Aber trotzdem Hutten das positive Geständnis unterdrückt , leuchtet doch gerade durch die auffallige Negation klar und fest der INau und die Drohung hindurch, nunmehr den Kampf iu deutscher Sprache auszufechten : man hört zum ersten Male das Schwert der deutschen Sprache klirren. Nur als eine Art Selbstverrath lässt sich der vielcitirte Satz erklären. An sich ist er eine Sophisterei, die Hutten selbst kaum ernstlich vertheidigt hätte : wenn er bis dahin lateinisch geschrieben hatte, war durchaus nicht die Absicht massgebend gewesen, sich nur einem kleinen Kreise anzuvertrauen ; hatte er sich doch wie gerade in dieser Schrift selbst so auch in zwei früheren Fällen ausdrücklich an alle Deutschen gewendet.2 Latein hatte er bis dahin ge- schrieben, weil er als humanistischer Dichter und Schriftsteller gar nicht an die öffentliche Verwendung der deutschen Sprache 1 dachte. Mit jener Sophisterei unternimmt er den Versuch, aus der (Jewohnheit eine Tugend zu machen.

Huttens Umwandlung muss stattgefunden haben, als er einsah, dass für seine eigene wie für die allgemeine Sacho die

1 . . . adtnonens ; ue<jue vulgum habere sfatitn canscium rolni, auf populäres tnox coniingere nures, qua »tri* cur hoc facerem, plus satis caussae haberein. Nunc quid sanifatis capnees esse pie "dtnaniti unn riden- turf seil fraternae adhuc correptioni exitinm obrertunt, nihil vel sie gra- vius consulnm. (H. W. I, 418.)

1 Die zweite Ausgabe der Türkenrede in ursprünglicher Gestillt hatte er schon Anfang 1519, eine Sammlung alter Sendschreiben im Mai 1520 allen freien Deutschen gewidmet. (H. W I, 240 tf. und 349 ff.)

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HISTORISCHES.

Einwirkung auf die breiton Massen des Volkes erforderlich, diese aber nur durch die Anwendung der deutschen Sprache möglich sei. Auch der vorbildliche Einfluss der Anfang August erschienenen Schrift Luthers an den christlichen Adel deutscher Nation muss in Betracht gezogen werden.

Alle diese Erwägungen führen zu der Annahme, dass die 'Clag vnd Vormanung' gleichzeitig mit den lateinischen Klagachrifteu, theilweise vielleicht noch früher entstanden ist. Hierfür spricht auch die vollkommene Identität des Inhalts. Während z. B. die etwas später entstandene ^Entschuldigung' gerade die zwischen der Verdeutschung der Klagschrift an alle Deutschen und der 'Clag vnd Vormanung' vorgekommenen Drohungen und Verfolgungen als Grund für die Herausgabe des Gedichtes angiebt, geht dieses selbst auf jene Ereignisse mit keinem Wort ein, sondern behandelt neben den allge- meinen Zuständen nur dieselben persönlichen Angelegenheiten wie die Klagschrifteu. Auch der Umstand, dass die gemäss Huttens eigener Aussage erst nach der ersten Verdeutschung erschienene Dichtung den Vers 'Latein ich vor geschriben hab' enthält kann allein durch die Annahme erklärt werden, dass sie bereits vor jener geschrieben ist: die 4Clag und Vor- manung' muss also im August und September entstanden sein.

Die Voreinigung aller dieser Beobachtungen giebt ein wesentlich verändertes Bild von dem bedeutsamen Wende- punkte in Huttens schriftstellerischer Entwicklung: als Hutten im Herbst 1520 plötzlich zum eisten Male das Schwert der deutschen Sprache wider seine Geguer schwingt, führt er keine ungewohnte und erst im Toben des Streites aufgeraffte Wehr, sondern eine längst erprobte Waffe, die er für diesen grossen Kampf zur rechten Zeit erwählt und bereit ge- macht hatte.

Die Veröffentlichung der ersten deutschen Schriften, die weniger eine Klärung als ein?4 Verschärfung seiner politischen Ansichten und Absichten bedeuten, wird begleitet von einer Steigerung seiner persönlichen Thätigkeit. Derselbe Brief Spenglers, der die erste Nachricht über Huttens deutsche Schriften enthält, liefert auch den Beweis, dass Hutten gleich- zeitig insgeheim die geplant.» Waffonthat vorbereitete. Auf

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REICHS l AU VON WORMS. 77

Grund geheimer Mittheilungen eines vertrauten Freundes kann Spengler angeben, dass Hutten 'sich bey etwouil fursteu vnd denen von Adel wider alle Bapstischen vnd Curtisan hoch beworben hat; so hat er ainen den Ir auch kennt der reit heimlich vmb, dieselben Romanist« u außzuspehenV Mau kann mithin in den verschiedentlichen Stellen von Privat- briefeu, wo Hutten offen von kriegerischen Plänen spricht, nicht mehr hohle Rodomontaden sehen. Unentschieden muss dagegen bleiben, ob damals Sickingeus und anderer Freunde Mahuungeu, auf die er wiederholt hinweist, ihn vom Los- schlagen zurückhielten oder ob nicht vielmehr das Ver- sagen der erhofften Unterstützungen, das er einmal erwähnt, ihn zum Abwarten zwang.- Seine Thatenlust regte sich be- sonders heftig, als er die ersten Nachrichten von der in den Niederlanden mit Karls Erlaubnis veranstalteten Verbrennung Lutherscher Schriften empfing; sie wurde jedoöh paralysirt durch das von Sickingen vermittelte Versprechen des Kaisers. Hutten seinem Wunsche gemäss nicht ohne Verhör verur- theilen zu lassen/5 So konnten jene Feuergerichte sogar ihren Weg durch Deutschland nehmen, ohne dass ihnen Hutten etwas Anderes als Worte entgegenstellte: in den Anfang December fällt nach Strauss' Datirung der einzigen, die ihm bei deutschen Schriften gelungen ist 4Eyn Klag über den Luterischen Brandt zu Mentz'.4

Hutten fühlte sich in seinen Hoffnungen bestärkt durch die Aussicht auf den Reichstag, gelegentlich dessen er mit Sickingen eine nationale Umstimmung des Kaisers seitens der deutschen Fürsten erwartete.5 Aber bald sollte der Hoff- nungsstrahl, der in den Versprechungen und Vermuthungen Sickingens aufzuleuchten schien, wieder erlöschen. Während Ende November unmittelbar nach der Ankunft des Kaisers in Worms dessen Räthe verkündet hatten, es sei unmöglich,

1 Ygl. 8. 149. Hierzu stimmt Huttens Mahnung an Luther und 8palatin in dem Brief vom 9. December (H. W. 1, 437; vgl. S. 151).

* H. W. 1, 435.

* H. W. 1, 365 f. (vgl. S. 60, Anm. 2); 436.

* H. W. 3, 451 ff. Hutten 2», 99. 6 H. W. 1 436

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78

HISTORISCHES.

einen Deutschen zu verdammen, ehe man ihn gehört habe, und infolgedessen der Kurfürst von Sachsen aufgefordert war, Luther auf den Reichstag mitzubringen, schrieb der Kaiser, in dem politische Motive inzwischen einen Umschwung herbei- geführt hatten, am IT. December dem Kurfürsten, er solle Luther nur für den Fall eines Widerrufs und auch dann nur bis Frankfurt mitbringen.1 Aus dieser Wendung der kaiser- lichen Politik zog Hutten, wie aus einem neuerdings ver- öffentlichten Brief hervorgeht,2 den Schluss, dass der Kaiser auch ihm gegenüber das im November gegebene Versprechen nicht halten und er selbst dadurch auf den Weg der Gewalt gedrängt werde. In diesem entscheidenden Zeitpunkt griff er von neuem zur Feder, um zum letzten Male seinen gegen- wärtigen Standpunkt und seine ferneren Wege zu bezeichnen und so den Freunden eine Mahnung, den Feinden eine War- nung zu Theil werden zu lassen : er schrieb die "Enudtschül- digung Wyder etlicher vnwarhafftiger außgeben, von ym, als solt er wider alle geystlichcit vnd priesterschafft sein, mit erklärung etlicher seiner geschrifften'.3

Die chronologische Einordnung dieser Schrift ist bisher nicht gelungen. Während Strauss, der sie einfach im An- schluss an die durch sie vorzüglich commentirte 'Clag vnd Vormauung' bespricht, sich mit dieser Frage nicht beschäftigt, hat sich Böcking zweimal über sie geäussert.4 Zunächst setzte er die 'Entschuldigung' ohne Angabe irgend eines Grundes, also wol nur mit Rücksicht auf die ebenso unbegründeten Behauptungen seiner Vorgänger5, ins Jahr 1522. Von dieser argen Verirruug kam er erst zurück, als er in einem nach-

1 Baumgarten, Geschichte Karls V. 1, 383, 396 f. 1 Johannes Bolte, Ein ungedruckter Ii rief Huttens. (Deutsche Dichtung 4, 66.)

3 H. W. 2, 130 ff.

* Hutten, S. 361 ff., II. W. 2, 130, Suppl. 2, 805.

5 Burckhard, de Ulr. Hutteui Tita commentarius, 3, 260 f.; Meiners, Über das Leben uud die Verdienste Ulrichs von Hutten 8. 306 f. der sich trotz eines richtig erkannten Widerspruchs iu dieser Annahme fest zu Burckhard bekennt. Nur (Jarckc), Studien und Skizzen zur Geschichte der Reformation 8. 203, hat, allerdings mit unzulänglicher Be- gründung, das Frühjahr 1521 als Eutstehungszeit vennuihet.

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träglich aufgefundenen Brief eine aller Wahrscheinlichkeit nach auf diese Schrift bezügliche Stelle entdeckte, nach welcher sie schon Ende März 1521 im Druck vorgelegen hätte, und glaubte nun, die Schrift in diese Zeit verlegen zu müssen. ]Sun mag Böcking zwar vollkommen Recht haben, wenn er diese Nachricht auf die von ihm als original angesehene Aus- gabe der 'Entschuldigung' bezieht; aber daraufhin darf er nicht behaupten, dass im März 1521 die Schrift zum ersten Male erschienen sei; denn nicht der von ihm Vorgezogeue, sondern ein anderer Druck, in dem er nur eine 'durch Auslassungen und Verderbungen entstellte1 Erneuerung sah ist die wahre erste Ausgabe und jene nur eine durch- gehends überarbeitete Wiederholung. Von den zwei Klassen nämlich, in die Böcking die Varianten eintheilt. ist die der Verderbnisse eine verschwindend kleine, und beide Ausgaben haben ihrer ungefähr gleich viel; die überwältigend grössere Anzahl der Varianten besteht in den sogenannten Auslassungen, die nach Böcking die zweite gegen die erste Ausgabe sich erlaubt haben soll. Wenn schon die grosse Reihe solcher Aus- lassungen etwas seltsam erscheinen muss, so wird Böckings Auffassung doch erst dann bedenklich, wenn man entdeckt, dass fast sämmtliche Auslassungen einzelne Worte betreffen und dass auch ohne diese stets ein sinnvoller und einheitlicher Text bleibt: während nun die Gründe des Bearbeiters, der solche Auslassungen auf das sorgsamste bewerkstelligt haben müsste, schlechterdings unfassbar bleiben, ist das umgekehrte Verhältnis, dass nämlich ein Bearbeiter in den ursprünglichen Text überall einzelne Wörter einfügt, um den Gegenstand in Inhalt und Form klarer zu gestalten, durchaus begreiflich. Bemerkt man sodann, dass die angeblich secuudäre Ausgabe an mehreren Stellen eine richtigere Fassung hat als die an- geblich originale, ohne dass an die Thätigkeit eines fremden Bearbeiters gedacht werden kann; bemerkt mau ferner, dass eine Anzahl sachlicher Verschiedenheiten nur aus der erneuten Thätigkeit des Verfassers selbst erklärlich ist; bemerkt man endlich, dass auch einzelne stilistische Änderungen die charak-

' H. W. Ind. bibl XL1V. *

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so

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teristischen Züge Huttenscher Schreibweise zeigen, so gelangt mau auf diesem Wege textkritischer Beobachtuug zu dem Er- gebnis, dass Hutten selbst der Verfasser beider Ausgaben ist und dass das von Böckiug behauptete Verhältnis der beiden Drucke umgekehrt werden muss. Hieraus ist aber nur zu folgern, dass die von Böckiug verkaunte erste Ausgabe vor Ende März erschienen ist. Die engeren Zeitgrenzen dagegen müssen aus inneren Gründen erschlossen weiden. Die diesseitige Grenze ist dadurch gegeben, dass der Reichstag von Worms noch mit keinem Wort erwähnt wird und die ganze Erörterung der Keformationsangelegeuheit noch als bevorstehend erscheint; insbesondere wird Huttens Erbieteu und Verlangen, sich in einem Verhör vor dem Kaiser zu rechtfertigen, nochmals vor- getragen.1 Wenn hiernach die diesseitige Grenze für die Abfassung der Schrift vor den Reichstag verlegt werden kann, so liegen in dem Umstände, dass Hutten die 'Entschuldigung' noch nicht in dem Brief an Luther vom 9. December wie seine übrigen eben erschienenen und nah bevorstehenden Schriften erwähnt, sowie in der Erwägung, dass der hoff- nungslose Ton, in dem er die erwähute Forderung ausspricht, nur durch die Wendung des 17. Decembers veranlasst sein kann, Anhaltspunkte genug, um als jenseitige Grenze die zweite Hälfte des Decembers zu bestimmen : die 'Entschul- digung' ist um die Wende des Jahres 1520 entstanden.

Diese Schrift, die eine Verteidigung, ein Programm uud eiu Ultimatum zugleich darstellt, giebt zum ersten Male das offene uud deutliche Geständnis, dass Hutten entschlossen ist, seine und des Volkes berechtigte Forderungen, wenn sie nicht vom Kaiser uud deu Fürsten beachtet würden, gegen die Curtisanen und liomauisteu mit Waffengewalt durchzu- setzen. Während diese rein sachliche Schrift merkwürdiger uud doch, wie sich alsbald zeigen wird, erklärlicher Weise von den realen Machten, auf die Hutten seine Drohungen baut, nichts verlauten läs.st, gewinnen wir durch die vom 13. Januar lfvJl datirte Sammlung der kDialogi uovf auch hierüber Klarheit: Sickingeu, den Strauss mit Recht den

1 Vgl. besonder« II. W. 2, 144 f.: Abschnitt X.

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Helden dieser Dialoge geuannt hat, wird in ihnen überall als der kriegerische Vorkämpfer der Reformation gefeiert.1 Am deutlichsten enthüllt Hutten die auf Sickingeu gerichteten Hoff- nungen gegen Schluss der beiden Dialoge 'Bulla' und 'Monitor secundu*'. Die Schlussscene des ersten Werkes, die Strauss gar nicht gewürdigt hat, zeigt Hutten im Streit mit der per- sonificirten Bulle ; bevor er sie aber thätlich angreifen kanu, ruft sie zu ihrem Schutze den unzähligen Schwärm der Curtisauen herbei, so dass er nun auch seinerseits seine Stimme um Hilfe ertönen lassen muss: und wirklich trifft diese alsbald ein und zwar in Gestalt Franzens von Sickingeu, der an der Spitze von hunderttausend Deutschen das Heer der Curtisanen in die Flucht jagt, um dann mit Hutten vor den versammelten Reichstag zu treten und, während dieser nur in eigener Angelegenheit spricht, für rKe allgemeine Sache der Nution gegen Rom das Wort zu führen; und diese poe- tische Reichstagsverhandlung schliefst mit einem bedeutsamen Lakonismus des Kaisers, der auf die Frage der Rulle 'utetur ne (Leo) obsequeuti filio?' weiter nichts erwidert als 'sumidem pater est ipse1. In dem zweiten Dialog, der später geschrieben ist und daher keine so ideale Auffassung des Kaisers mehr zeigt, wird Sickingen ganz ohne Rückhalt als Nachfolger Ziskas dargestellt: er selbst beruft sich auf ihn und erklärt, dass er, wenn alle Mahnungen nichts fruchten sollten, gerade aus Rücksicht für den Kaiser auf eigene Faust etwas wagen würde, möge es ablaufen, wie es wolle; zuweilen sei Ungehor- sam der wahre Gehorsam.

Nimmt man hierzu noch die berühmte Vorrede zum Gesprächbüchleiu vom M. December 1520, in der Hutten Sickingeu mit den wärmsten und innigsten Worten, die er jemals einem Manne widmete, als seinen treueu Beschützer und besten Freund pries und Sickingens Burgen als Herbergen der Gerechtigkeit im Kampfe gegen die Curtisauen feierte2, so begreift man, wie der in Worms sich versammelnde Reichs- tag zu der festen Überzeugung gelangte, dass die beiden auf

1 H. W. 2, .1; 4, 309 ff.: besonders 328 ff. nnd :*57. * H. W. 1, 447 ff.

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der Ebernburg vereinigten Ritter an der Spitze einer wol organisirten Adelsbewegung ständen, die auf ihren Befehl jeden Augenblick losbrechen könnte. Hat doch auch die moderne Geschichtsforschung Huttens Darstellungen seiner Lage und den Schilderungen in den Depeschen des päpst- lichen Nuntius Aleander so vollkommen Ülaubon geschenkt, dass sie folgerichtig das Ausbleiben des befürchteten Gewitters als ein ungelöstes Problem bezeichnen musste.1

Durch die Entdeckung eines Bündels von Briefen, die zwischen Hutten, Sickingen und einer Reihe vertrauter Per- sönlichkeiten zu Beginn des Jahres 1521 gewechselt wurden, lässt sich endlich Huttens Lage in ihrer wahren (testalt er- kennen und somit, in Verbindung mit den Depeschen Ale- anders, auch jenes Problem lösen. Das nächste Ergebnis dieser Briefe ist kein geringeres, als dass zur selben Zeit, da Hutten jene poetischen Verherrlichungen Sickingens, in denen die beiden Ritter zu Schutz und Trutz wie etwa auf dein modernen Denkmal bei einander stehen, abschloss und aus- gehen Hess, eine Auseinandersetzung zwischen ihnen statt- fand, in der Sickingen Hutten nicht nur die Mitwirkung an seinen gewaltsamen Plänen, sondern sogar, falls er in Fehde mit den Curtisauen käme, den weitereu Schutz seiner Burgen versagte.

Diese Klärung ihres Verhältnisses wurde offenbar durch das Hernnnahen des Reichstages herbeigeführt, der nuf den Dreikönigstag ausgeschrieben war. Mit Hinblick auf die Eröffnung dieses Reichstages, auf dem die Entscheidung über sein Schicksal fallen musste, wird Hutten in den ersten Tagen des neuen Jahres Sickingen um seine endgiltigen Erschlies- sungen befragt haben. Das Ergebnis einer solchen Unter- redung ist ein Brief Sickingens an den Grafen Robert von der Mark, den 'Eber der Ardennen'. 2 Dieser Brief, der in einer wahrscheinlich von Hutten selbst veranlassten Abschrift erhalten ist, stellt gegenüber der grossen Menge von Äusse- rungen Sickingens, die uns von Hutten in Briefen und Schriften

1 Maurenbreoher, Ulrich von Hutten, Grenzboten 1871, S. 1011.

2 Vgl. 8. 153 ff.

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übermittelt sind, das einzige unmittelbare Zeugnis Sickingens über Hutten dar; in seiner Einleitung bildet er ein Seiten- stück zu der nur um eine Woche älteren Widmung des Ge- sprächbüchleins, wenngleich seine Lobpreisung Huttens infolge der geringeren rhetorischen Gaben des Schreibers und der peinlichen Veranlassung des Schreibens jene an Feuer und Fülle nicht zu erreichen vermag. Die Fortsetzung und der eigentliche Inhalt des Briefes bietet wiederum zu einer der oben angeführten Äusserungen ein Gegenstück und zwar im eigentlichsten Sinne des Wortes. Hatte Sickingen im 'Monitor secundus' verkündet, dass er auch gegen den Willen des Kaisers zu handeln entschlossen sei, und dies mit der spitzen Sentenz begründet, dass Ungehorsam zuweilen der wahre Gehorsam sei, so beruft er sich hier gerade auf seine Dienst- pflicht gegen den Kaiser als Hinderungsgrund für die Unter- stützung Huttens im Kampfe gegen die Curtisauen und bittet, da dieser unvermeidlich zu sein scheint, den Grafen von der Mark um Unterschlupf für seinen Schützling. So klar dieser Brief Sickingens Stellung zu Hutten beleuchtet, lässt er doch seine tieferen Gedanken und Absichten nur vermuthen. Die Berufung auf den Willen dea Kaisers ist wol nur ein Vor- wand, um sich von dem ungestümen Stürmer und Dränger zu befreien, der ihm seine besonnereren, aber auch selbstsüch- tigeren Pläne zu stören drohte. Auch die Wahl des Zu- fluchtsortes scheint geheime Pläne Sickingens zu verrathen. Zunächst wird man allerdings den auffälligen Umstand, dass Sickingen keine Scheu trug, die Schlösser eines Mannes zu wählen, der in immerwährendem Schwanken zwischen Deutsch- land und Frankreich sich gerade kurz vorher wieder vom Kaiser getrennt hatte1, aus dem Schutz- und Trutzbündnis erklären können, das Sickingen früher mit ihm geschlossen und sogar von seinen Verpflichtungen gegen den Kaiser aus- genommen hatte.2 Doch die geheimnisvollen Andeutungen Huttens in seinem Brief vom 27. December, dass noch andere dem Beispiele Roberts folgen würden \ ferner das nicht be-

1 Ulmann, Sickingen 8. 56 f., 85 f., 192 ff. * Ulmann S. 57, 161. 3 Vgl. S. 78, Anm. 2.

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deutungslose 'noch', mit dem Sickingen seine Pflichten gegen den Kaiser zu begreuzen scheint, endlich die Rücksicht auf Sickingens früheres und späteres Verhalten führen zu der Vermuthung, dass dieser Brief aus der Absicht uutsprungen ist, durch Hutten eine Brücke zur Verbindung mit. Frank- reich zu schlagen, um sich gleich dem Grafen von der Mark in dieser kritischen Zeit eine Herrschaft von souveräner Bedeutung zwischen den beiden Reichen zu schliffen. Dass man von französischer Seite solchem Unternehmen geneigt war, beweist der Umstand, dass höchst wahrscheinlich um diese Zeit Her König von Frankreich Hutten eine Pension von vierhundert Kronen anbieten liess.1

Aber eben diese Beziehungen zu Frankreich, über die Sickingen mit der Freiheit eines hierzu privilegirten deut- schen Fürsten dachte, scheinen Hutten von vornherein He- denken gegen den Schutz eingeflösst zu haben, den er auf Sickingens Fürsprache bei dem Grafen von der Mark sicher erwarten konnte. Zu der Nachricht, dass Hutten aus patrio- tischen Gründen jene Pension abgelehnt habe, stimmt es vollkommen, wenn nun Hutten am selben Tage, an dem er mit Sickingen zugleich und wol auf dessen Wunsch an Robert schreibt, sich in der gleichen Angelegenheit auf eigene Hand an seine Familie wendet, obwol er auf wiederholte» frühere Gesuche keinerlei Antwort erhalten hatte.

Huttens Beziehungen zu seiner Familie sind nur für die Zeit der Lehr- und Wanderjahre ziemlich klar beleuchtet. Für den wichtigsten Abschnitt seines Lebens aber besitzen wir bisher nur eine Notiz in der Verteidigungsschrift des Brunfels. Eine Reihe unbekannter Briefe von, an und über Hutten gewährt nunmehr den interessanten Anblick, seine welthistorische Unternehmung in der Spiegelung verwandt- schaftlicher Meinungen und Beschlüsse zu betrachten.2 Der

1 H. W. 2, 840. StrauBs (S. 447) setzt das von Brunfels be- richtete Anerbieten gegen Ende 1522 an. Es ist jedoch schlechterdings kein Gmnd zu finden, warum König Franz sich damals um Hutten hatte bemühen sollen, während er zu Beginn 1521 thatsächlich ohne Unterlass Anknüpfung mit den Gegnern des Kaisers sucht.

* II. W. 2, 329. Vgl. S. 153 u. S. 157 ff.

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Brief vom achten Januar ist wie das in ihm erwähnte ver- lorene Schreiben an die; Gesammtfamilie derer von Hutten mit dem Ersuchen gerichtet, über seine Bitte um Hilfe gegen den Papst und seine Curtisanen einen Beachluss zu fassen und ihm mitzuthcilen. Unter den Familienmitgliedern, die in der Aufschrift namentlich aufgeführt worden, steht ?ils Erster Frowin von Hutten. Seine Stellung als Hofmeister des Kur- fürsten von Mainz verschaffte ihm innerhalb der Familie die Geltung eines Oberhaupts Uber ihn sind mehrfache Lob- sprüche Huttens bekannt: neben Ludwig von Hutten, dem Vater des vom Württembergischen Herzog ermordeten Hans, rühmt er ihn als freigebigen Förderer seiner Studien, neben seinem väterlichen Freund Eitel wolf von Stein als Gönner des Humanismus. So hatte Hutten neben Steiu besonders Frowin seine eigene Stellung am Main/.ischen Hof zu danken.1 Nach seinen bisherigen Erfahrungen durfte also Hutten auf Frowin einige Hoffnung setzen, wenngleich bei diesem aller- dings jene Oesinnung, die ihn später zu einem hervorragenden Bundesgenossen Sickingens im Kriege gegen Trier machte, damals noch nicht nachzuweisen ist.2

Aber zunächst verlautete wiederum nichts von einem Familieubeschluss; dagegen liefen schon wenige Tage später zwei Antwortschreiben des Grafen von der Mark an Sickingen und Hutten ein Roberts Brief an Sickiugen hat eine hervor- ragende Bedeutung nicht nur als Zeugnis über Hutten, son- dern mehr noch als einzig dastehendes Selbstbildnis des Ebers der Ardennen. Bedenken wie Sickingen braucht er nach seiner neuesten Schwenkung natürlich nicht zu hegen; er er- klärt sich gern bereit, Hutten gegen Papst und Kardinäle wie jeglichen Fürsten zu vertheidigen. Hierzu fügt er mit einer Schärfe, die eine ins Haudegenhafte übersetzte Familien- ähnlichkeit mit dem Auftreten seines Bruders, des Bischofs von Lüttich, zeigt", den Wunsch, Hutten möge seinetwegen gleich ein halbes Schock Kardinäle mitbringen. Seinen Höhe- punkt erreicht das Schreibeu in einem zweiten vierschrötigen

1 Struuss 8. 5, 24, 77, 204 f. - Ulnmnn 8. 309. : Vgl. 8. 58, Anm. 2.

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Scherz, dem eine historische Bedeutung zukommt, weil er wie kein früheres Zeugnis die allgemeine Meinung mit scharfer Pointe zum Ausdruck bringt: 'ich mag leiden, das jr auch den luttor mit dem vom Hutten allezeit zu mir schicket, do mit ßie einander gut gesellschaft mechtenV Der Brief schliesst mit der Bitte an Sickingou, nebst dem Danke für das entgegengebrachte Vertrauen Hutten seine Ent- schuldigung zu übermitteln, wenn er ihm nur kurz antworte, da dieser nicht Französisch könne und er selbst dessen 4vhast zirlich vnd künstlich' abgefassteu Brief nicht recht verstehe. Ahnlich beginnt Roberts Schreiben an Hutten mit der Be- merkung, dass er von dem gelehrten Briefe, den er leider nicht mit eiuem gleichen erwidern könne, nur den auch von Sickingen besprocheneu Hauptpunkt ganz verstanden habe. Er stelle ihm gerne all seine Schlösser zur Verfügung, vor- züglich das der deutschen Grenze zunächst gelegene Schloss Florgingen, wo Hutten auch seine Gemahlin und ausserdem einen zuverlässigen Amtmann finde, der ihn auf seinen Wunsch weiter führen möge. Überall könne er bei ihm auf beste Unterstützung rechnen, sowol um Sickingens Fürsprache willen wie auch wegen seines guten Rufes und endlich wegen des Vertrauens, das er ihm entgegenbringe.

Aber Huttens Vertrauen, über das Robert sich so aus- drücklich erfreut zeigt, war doch nicht so stark, wie dieser annahm; und es war auch nach den verheissungsvollen Briefen Roberts nicht gewachsen. Hatte er vorher sein Miss- trauen durch das Mahnschreiben an die Gesammtfamilie ver- rathen, so jetzt unmittelbar nach dem Empfang dieser Briefe durch ein Schreiben an einen auch dort genannten Vetter, den oben erwähnten Bernhard von Hutten.2 Dieser Ritter, der selbst den Adelsgenealogien kaum mehr als dem Namen nach bekannt ist, verdient in der Huttenbiographie, die von ihm bisher überhaupt nichts weiss, einen hervorragenden Platz; denn ausser den oben berührten persönlichen und lit- terarischen Beziehungen verbindet ihn mit Ulrich, wie neben

' Vgl. S. 155.

2 Vgl. S. 59, 67; l.">7 f.

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den hier zu besprechenden Briefen vorzüglich ein späterer Brief seines Sohnes bezeugt1, die Neigung zu den von die- sem vertreteneu kirchlichen Bestrebungen. Zu einem beson- deren Briefwechsel zwischen Ulrich und Bernhard gab zu dieser Zeit ein Familienereignis den Anlass. Ohne eine Ähnung von Huttens gegenwärtiger Lage und dem Schreiben an die Oesammtfamilie zu haben-, hatte ihm Bernhard eine Einladung zur Hochzeit seiner Tochter gesandt und ihn zu- gleich in einem beigelegten Zettel auf die günstige Gelegen- heit aufmerksam gemacht, sich einmal selbst unter den Töch- tern des Landes umzusehen. An diese doppelte Einladung knüpft Huttens Brief vom 19. Januar an. Er bedauert, an dem Fest in Anbetracht des Standes seiner Sache nicht theil- nehnien zu können, und schickt unter den herzlichsten Glück- wünschen als seinen Vertreter seinen Bruder Lorenz, offenbar seinen Vertrauten in politischen Angelegenheiten5, wol in der Hoffnung, dass er bei diesem Familienfeste auch für seine Sache wirken könne. Bezüglich der zweiten Einladung nimmt er wiederum die Vermittel ung seiner Base und seines Vetters in Anspruch und verleiht der Hoffnung auf einen glucklichen Erfolg ihrer Bemühungen Ausdruck. Von diesem freund- lichen Zukunftsbild geht er dann gleich zur düsteren Gegen- wart über und giebt nun, obgleich er auf den mündlichen Bericht des Bruders verweist, die ausführlichste und intimste Darstellung seiner Lage, die wir von ihm aus dieser kriti- schen Zeit besitzen. Die Gegner hätten es durchgesetzt, dass der Kaiser weder ihn noch andere zum Verhör zulasse, ob- achou alle verständigen Fürsten und redlichen Leute über dieses Verfahren erbittert wären. Wie man Luther von Worms durch Androhung des Interdicts für die Stadt fern- zuhalten suche, so wolle man Sickingen dahin bringen, ihn aus seiner Burg zu vertreiben. Wenn Hutten nun weiter

1 In einem Brief, der sich im Archiv zu Birkenfeld befindet, wird Bernhard von seinem Sohn Moritz, dem späteren Bischof von Eichstätt gewarnt, noch weiterhin mit Entschiedenheit für die Lutherische Sache einzutreten.

2 Vgl. S. 161.

3 Vgl. auch H. W. 1, 365, 4:30.

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erzählt, Sickingen habe gesagt, 'so lang man vnß nit zu vor- hör kommen lasse, w611 er bey der such halten, jn allen auß- gangk\ so berichtet er von ihm wieder einmal mehr, als er selbst ernstlich glauben und hoffen kann. Stand statt des Verhöres die baldige Yerurtheilung bevor, so war auch der Losbruch eines Kampfes zwischen Hutten und den Curtisanen nahe; und für diesen Fall hatte sich Sickingen ven Hutten bereits losgesagt. Dass das Bündnis nicht so ganz solidarisch ist, verräth Hutten selbst mit dem Hinweis auf den bereits besorgten 'weiteren 'Enthalt'. Nachdem er dann nochmals die Aussichtslosigkeit aller Hoffnungen auf rechtliche Verhandlung betont hat, erzählt er als Beweis für die ihm drohenden Nachstellungen, dass ein grosser Curtisau seinen Kopf auf dreihunderttausend Gulden geschätzt habe, weil dem geistlichen Stand noch grosses Unheil von ihm be- vorstehe. Behalte der Curtisan in dieser Voraussage Recht, so sei es nicht seine Schuld, denn er habe hier berührt er sich mit der 'Entschuldigung' nur die Curtisanen ge- meint und nicht die übrige Geistlichkeit, die sich jetzt auch in die Angelegenheit mische. Da nach alle dem der Kampf unvermeidlich sei, so bittet er, zum Schluss und Kern des Schreibens gelangend, Bernhard und die übrigen Vettern, ihm doch wenigstens eine Zuflucht nach vollbrachter That und zwar auf der anderen Seite des Rheins, im Hennebergischeu oder im böhmischen Gebirge, zu verschaffen.

Auch auf dieses Schreiben blieb Hutten vorläufig ohne Antwort, da Bernhard sich erst nach Kenntnisnahme von den Beschlüssen der anderen Hutten äusserte. Es dauerte aber fast noch einen ganzen Monat, ehe Huttens Rund- schreiben bei der Familie ordentlich in Gang kam. Erst am 13. Februar meldet Dietrich von Hutten1 an Friedrich von Hutten, dass er einen Brief von Frowin erhalten habe. So weit der unleserliche und undeutliche Brief Dietrichs ein Urtheil gestattet, begab dieser sich eines eigenen Votums und stimmte im voraus dem Beschlüsse der übrigen Familie zu.

1 Vgl. S. 159. Landau, Die hessischen Ritterburgen und ihre Besitzer 3, 27C: Dietrich ist das Haupt der Stolzenberger Linie.

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Ein vom 15. Februar datierter Brief Friedrichs von Hutten \ den mit ihm auch sein Sohn Eitel unterzeichnete-, £ri«»bt der Sache eine neue Wendung. Während Frowin uach Friedrichs Aussage in seinem an Dietrich und alle übrigen Hutten gerichteten Briefe den Vorschlag gemacht hatte, auf einein allgemeinen Farnilientag über Ulrichs Antrag Beschluss zu fassen, tritt Friedrich diesem Vorschlag mit dem Hin- weis auf die dadurch bedingte Verzögerung der Angelegen- heit entgegen und beantragt seinerseits, dass dem Mainzischen Hofmeister, der sich in Worms in der Nähe des Kaisers, der Kardinäle und Fürsten befinde und jedenfalls das beste Urtheil besitze, Vollmacht ertheilt werde, Ulrich auf sein Gesuch, falls es begründet sei, eine befriedigende Antwort zu geben : 'wer vnß al vom hutten ein bracht vud groß ere, ein drostlich ant- wort geben, damit her Virich auch hört vnd se, daß wir alß die freundt jm gern nach vnserm vermögen hilfflieh vnd radt- lich wo wir konden sein wolten/

Dieses Schreiben , das sich an die auch von Ulrich ge- nannten Ritter Ludwig3 und Bernhard 4 und ferner an die Ritter Erasmus, Georg, Ulrich und Wendel5 von Hutten rich- tete, scheint die Zustimmung der Familie gefunden zu haben. Allerdings liegen über die Meinung der Einzelnen keine Zeugnisse vor ausser einem Briefconcept Bernhards und einem weder datirten, noch unterzeichneten Blatt , das die Beilage zu einem anderen Briefe gebildet haben muss. Der unbe- kannte Schreiber dieses Blattes*' erzählt, dass gelegentlieh eines

1 Vgl. 8. 159 f.— Landau S.309: Friedrich ist dorVatersbruderUlrichs.

2 Landau 8. 331: Eitel Sebastian oder Eitel, wie ihn Humbracht (Die höchste Zierde Teut9ch- Landes 8. 167) nennt, hatte von seinem Vater bereits bei dessen Lebzeiten alle Güter übernorameu; hieraus erklärt sich wol die Mitunterzeichuung.

Landau 8. 294: Ludwig ist der Bruder des bekannten Hans von Hutten.

4 Landau 8. 295: Bernhard ist das Haupt der Birkenfelder Linie.

6 Landau 8. 290: Erasmus ist das Haupt der Arnsteiner Linie; Georg ist ein Bruder Ludwigs (Humbracht 8. 168); Ulrich ebenso (Landau 8. 294); Wendel ist ein Sohn des Vatersbruders unseres Ulrich (Humbracht 8. 167).

« Vgl. 8. 160. Aus den Namen Murstnt (vielleicht für MunerstadM und Siluester ist mit Hinblick auf das bekannte Schreiben Silvesters von

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1IISTORUSCHKS.

Gesprächs über den Briefwechsel Huttens, Siekiugeus und Roberts davon abgerathen worden sei, dass Ulrich sich in den Schlitz des G raten begebe; wenn dieser auch selbst zuverlässig sei, so seien doch seine Diener zum grösseren Theil Welsche und somit Feinde der Deutscheu. Man rathe vielmehr, Hutten solle vou den Zufluchtsorten Gebrauch macheu, die im Henne- bergischen sicherlich zur Verfügung stäuden. Vor Robert müsse er um so dringlicher gewarnt werden, als hinter dessen guten und biederen Worten sich jedenfalls nur die Absicht ver- berge, Huttens und Luthers Sache zum Anlass einer neuen Fehde zu nehmen: er gehe nach dem Winde bald mit Frank- reich b'ald mit Deutschland.

Das wichtigste Zeugnis ist aber der Entwurf des Briefes, den Beruhard wahrscheinlich gegen Ende Februar an Ulrich schickte. Das ebenfalls nicht unterzeichnete Schriftstück ist schon auf Grund der Handschrift, deren Unleserlich- keit kaum ihresgleichen hat, Bernhard zuzuweiseu. Nach diesem Brief scheint in der That die Übertragung einer Voll- macht auf Frowin stattgefunden zu haben. Erst nach einem solchen Hinweis auf den Familienbeschluss wendet sich Bern- hard zur Beantwortung vou Huttens letztem Schreiben. Da Hutten für das Verhör auf sein gutes Gewissen und im anderen Falle auf Sickingens Schutz bauen könne, der ihn ja unverhört nicht vergewaltigen lassen wolle, so solle er nur vorläufig Gott uud der Zeit vertrauen.1 Er für seine Persou würde eine gewaltsame Unternehmung weder veranstalten noch zulassen, bevor die Entscheidung des Reichstags gefallen sei: 'besser allenhalb gelassen dan getan'. Käme es doch uoch zum Verhör, so glaube er, dass zu der Zeit die von Hutten uud deren wie Ulrichs Freunde so stattlich in Worms vertreten sein würden, dass er schon bestens bestehen solle.2 Geriethe

Schaumburgs an Luther, das von Munerstadt datirt ist, zu vermuttien* dass es sich um ein Mitglied der Familie Hutten handelt , das zu den Sohauraburg in Beziehungen stand.

1 Vgl. S. 161 f. In diesem Bescheid rächt sich Huttens übertriebene Darstellung der Sickingenschen Bundesgenossenschaft; vgl. S. 87 f.

8 Eine unklare Bemerkung scheint ihre Mitwirkung auch für staat- liche Reformen in Aussicht zu stellen.

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Ulrich nach dem Verhör ungerechter Weise in Noth und Gefahr, so hoffe er, gute Freunde und Gesellen genug zu finden, d it» ihm mit Rath und That zur Seite stehen würden. Ulrich brauche dann nur die Vettern und Freunde au einem gelegenen Ort, etwa der Kizigbrücke, zusammonberufen. Dann sei er zu allem bereit. Nach diesen waffen klirrenden Rathschlägon schliesst der Brief mit einer idyllischen Nachricht: er habe sich mit seiner Hausfrau zwar umgethan, aber kein Mädchen gefunden, das hinsichtlich ihrer Familie und ihres Besitzes seinen An- sprüchen genügen könne; er müsse sich daher auf die Zu- kunft vertrösten.

Wenn man von diesen Ausführungen Bernhards einen Schluss auf die Stimmung der übrigen Familie ziehen darf, so war diese geneigt, im Nothfallc für Ulrich zu einem Fami- licnkrieg zusammenzustehen, wie sie es zur Rache für den er- mordeten Hans von Hutten gegen Herzog Ulrich von Würt- temberg gethan hatten. Einen Nothfall aber sahen sie in dorn gegenwärtigen Stand der Dinge nicht im entferntesten. Auch Bernhard beschränkte sich vorläufig darauf, sich nach Ulrichs Wunsch um einen Zufluchtsort auf der rechten Suite des Rheins zu bemühen: um die Wende des Februar schrieb er zu diesem Zweck an Hans Pflug von Rabenstein auf Vetschau und Königswardt und an Kaspar Eilbegh zu Trausuit, Land- richter und Pfleger zu Parkstein. Die Antwort des böhmischen Herrn, die vom 6. März datirt ist, war eine ablehnende. Er sehe aus den ihm zugesandten Briefen, daas Hutten im Kampf für die Wahrheit und das Wol des deutschen Adels sowie anderer Stände unschuldiger und ungerechter Weise in eine gefährliche Lage geraten sei. Gälte es weltlichen Händeln, so wäre er zu seiner Unterstützung schon durch die Pflicht der Dankbarkeit veranlasst, zu der er und seine Brüder der Familie Hutten verbunden seieu. Da es sich aber um 're- formacion vnd dispitacion des kristlichen Glaubens' handele und diese Bestrebungen, wie er aus Luthers Schriften wisse, mit dessen Sache zusammenhingen, so könne er über Ulrichs Angelegenheit eine entscheidende Antwort nicht geben, ehe nicht die königliche Krone von Böhmen oder deren Re- giment sich über die Glaubensfrage geäussert habe. Im

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Gegensatz zu dieser Antwort, die sich auf «'ine kundige und politische Erwägung der Sachlage gründet, steht das zwei Tage später erlassene Schreiben Eilbeghs, der als Verwandter und Freund Meinhards sich ohne weiteres zur Erfüllung seines Wunsches bereit erklärt.1

Durch diese Briefe wird die wahre Grundlage enthüllt, von der ans allein Huttens Verhalten auf dem Höhepunkt seines Lebens zu begreifen ist. Bei diesem Blick hinter die Coulissen des politischen Schauplatzes gewahrt man die über- raschende Erscheinung, dass. Hutten in dem Augenblick ver- einsamt dastand, als er angesichts der Eröffnung des Reichs- tages und der nahenden Entscheidung das Schwert zückte, um alle (i leichgesinnten zum Kampfe zu sammeln und hinaus- zuführen. Das völlige Ausbleiben der von der deutschen Ritterschaft erwarteten Hilfe und besonders die entschiedene Ablehnung Sickingens brach seinen kriegerischen 1 Manen die Schwingen, uachdem er sie eben zum ersten Male, in der 'Ent- schuldigung', frei eutfaltet hatte. Statt durch gewaltige Waffeu- that musste er wiederum durch litterarische Leistungen auf den Gang der Dinge einzuwirken suchen und die Eutwicklung seines eigenen Schicksals bis zum äussersten abwarten. So sehen wir denu Hutten während des Reichstages in seinem persönlichen Verhalten wie in seiner litterarischen Thätigkeit mit unermüdlicher Beweglichkeit dem fortgesetzten Wechsirl der politischen Constellationen folgeu. Die scheinbar halt- lose Beweglichkeit hat ihm gerade von Seiten der protestan- tischen Geschichtschreibung den Vorwurf der Charakterlosig- keit eingetragen. Eingehende Betrachtung jedoch erweist, dass nicht Maurenbrecher2, sondern der Jesuit Pallavicini Recht hat, der unter Benutzung derselben Quelle, aus der jener seine Anklageakte schöpft, zu dem Ergebnis kam, bei Hutten eine nicht gewöhnliche Charakterfestigkeit anzuerkennen. :J

Der Reichstag wurde statt am Dreikönigstage erst am 27. Januar eröffnet. Auch dann noch verging Tag auf Tag, ohne dass die von Hutten mit Spannung erwarteten Ver-

' Vgl. 8. 162 ff.

8 Mnurenbrecher, Geschichte der katholischen Keformntion S. 199. 3 Pullavicini. Gewch. d. Tridentiner Concils deutsch. 1, 80.

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handlungen über die kirchlichen Angelegenheiten begannen; denn inzwischen hatte thatsächlich der Kaiser, wie Siekingen vorausgesehen, «eine Meinung nuter dem EinHuss der deutschen Fürsten wiederum geändert , so dass von einem sofortigen Einschreiten gegen Luther und seine Anhänger vorläufig keine Rede mehr war. 1 Diese günstige Wendung und andrer- seits das Ausbleiben der von der Familie und insbesondere von Bernhard erwarteten Briefe scheint Hutten veranlasst zu haben, Ende Januar in friedliche Bahnen einzulenken: er schrieb die Vorrede zu einem Buche, in dem er eine alte Schrift aus der Zeit des Basler Concils und eine neue von dem Bamberger Vicar Konrad Zärtlin herausgab.2 Ehe diese Veröffentlichung in ihrer Bedeutung gewürdigt werden kann, imiss die hier angenommene Datirung begründet werden, die sich von der Festsetzung Strauss' und Böekings wesentlich unterscheidet. '' Strauss glaubte auf Grund folgender Beweis- führung, der sich auch Böcking anschloss, die Vorrede auf den 14. Juni verlegeu zu müssen Hutten datirt seine Vor- rede, in der er angiebt, dass er die erste Schrift vor kurzem in der Ebernburger Bibliothek gefunden , die zweite bald darauf von Zärtlin empfangen habe, 'vff den tag Valerif; Zärtlin datirt die Widmung seiner Schrift, die er dem Hilter Johann Schott darbringt, vom 20. Februar. Da nun Strauss nieinte, dass Huttens Vorrede, die ja ausdrücklich auf Zärtling Schrift Bezug nimmt, später geschrieben sein müsse als dessen Widmung, und er neben dem eigentlichen Tag Valerii, der auf den 29. Januar fällt, noch auf einen Tag Valerii und Ruflmi verweisen konnte, der den 14. Juni bedeutet, so bezog er das Datum der Vorrede auf den letzteren. Ab- gesehen davon, dass für eine solche Veröffentlichung zu dieser Zeit innere Gründe schlechterdings unauffindbar sind4, er-

1 Baumgarten, Geschichte Kar!« V. 1, 397, 400, 437.

* 'Concilia wie man die halten sol. Vnd von verhyhung geyat- licher lehenpfründen . . . Ermanung das ein jeder bey dem rechten alten Christlichen glauben bleiben, vnnd sich zu keiner newerung bewegen lassen soll . . H. W. [nd. bibl. XL.

3 Strauss, Hutten 21, 167 ; Böcking H. W. 2, 78.

4 Vierzehn Tage nach dem Schluas des Wormser KeichstageR,

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scheint Strauss' Behauptung auch schon an sich durchaus haltlos; denn die Thatsache, dass in einer vom Januar datirten Vorrede eine Schrift erwähnt wird, deren Widmung erst im Februar geschrieben ist, läsat sich ganz einfach dadurch er- klären, dass diese Widmung erst nachträglich, etwa während des Druckes, hinzugefügt wurde. Diese Erklärung gewinnt an Sicherheit durch eine genauere Prüfung der Zärtlinschon Widmung und Schrift, welche ergiebt, dass beide eine genaue Kenntnis der von Hutten aufgefundenen Schrift zeigen: denn auf sie weist unter ausführlicher Angabe des Inhalts der Schluss der Widmung1, und der zweiundsiebzigste Artikel enthält überhaupt weiter nichts als einen Fingerzeig auf 'das obgetruckt büchlin'.2 Wenn man sich nun nicht etwa zu einer Annahme entschliessen will, die mit Rücksicht auf Huttens klare Auseinandersetzung in der Vorrede unzulässig erscheint, dass nämlich Zärtlin vor der Ubersendung seiner Schrift von Hutten ausführliche Mittheilungen über das von diesem aufgefundene Werk erhalten habe, so muss man in den erwähnten Stellen die Beweise für eine Umarbeitung der ur- sprünglich au Hutten gesandteu Fassung sehen, die stattge- funden haben müsste, als der Druck der von Hutten aufge- fundenen Schrift vollendet war und der des Zärtlinschen Werkes eben beginnen sollte. Wenn man also annimmt dass Zärtlin an der Drucklegung betheiligt war und auf Grund der fertigen ersten Bogen der Ausgabe seinem Manuscript noch die Widmung und den erwähnten Artikel zufügte, so ist alles befriedigend erklärt, sowol die Einwirkung der 'Concilia' auf Zärtlin wie die Priorität der Huttenschen Vorrede.

mit dem für Hutten alle friedlichen Verhandlungen endeten und der Krieg begann, soll er sich mit dieser friedlichen Schrift an den Kaiser gewandt haben (vgl. die Schlussverse : 'O Carle, keyßor lobesam, griff du die sach zum ersten an, Gott würts mit dir on zweyfel han'), dem er wegen seiner antilutherischen Gesinnung nahezu die Fehde angesagt hatte (vgl. S. 107 Anm. 1).

1 H. W. 2, 79.

2 G 3 a: 'Was aber biß her verwandelung besehenen in denn geystlichen lehen, etlicher mosß angezöigt, von dem so beschriben hat das obgedruckt buchlin, des titel ist, von haltung der Conoilien, vnd ver- leyhung der geystlichen lehen1.

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Zärtlins Schrift ruht auf dem Grundgednuken , dass die Reformation keine Neuerung, sondern eine Umkehr be- deute und richtet in diesem Sinne ihre Angriffe besouders gegen Beichte, Bann, weltliche Herrschaft des Papstes und Beitelmönchswesen. Das dürftige Werkeheu, dem es an Neuheit und Wucht der Gedanken mangelt, enthält einen Artikel, der von grosser Bedeutung ist, nicht sowol an sich als vielmehr dadurch, dass Hutten ihn durchgehen Hess und so gewisse rmassen anerkannte: 'Doch soll niemant aufrürig sein, niemant dem anderen das sein nemen, vnd niemant die alten titel crmessen, wie yeder dem seinen kommen. Sunst würd ein seltzam entborung. wie dann den weltlichen auch allerley zesagen wer*.1 Einem solchen Satz konnte Hutten nur zu einer Zeit beistimmen, da ihm ein friedliches Verfahren wegen seiner eigenen Machtlosigkeit und der günstigen Stimmung der kaiserlichen Regierung gerathen schien.

Die friedliche Gesinnung, die der negative Artikel Zärtlins verkündet, wird in positiver Form in der von Hutten herausgegebenen alten Schrift vertreten, deren praktische Bedeutung für die Gegenwart er selbst auf dem Titel in den dreimaligen Ruf 'ConciliunT zusammenfasst. Diese Schrift erhebt mit ausführlicher Begründung die Forderung, dass alle zehn Jahr an einem Ort, an dem nicht der Papst und die Kardinäle die Macht in Händen hätten, ein ( oncilium abzu- halten sei, an dem sich auch der Kaiser betheiligen müsse, damit er Spaltungen verhüte und für die Ausführung der Beschlüsse sorge. Auf diesem Concil seien nicht nur kirchliche Angelegenheiten, wie vor allem die Pfründenverleihung, sondern auch staatliche Fragen, wie der allgemeine Landfrieden, das Knmmergericht uud allgemeine Reichsabgaben2 zur Berathung zu stellen. Ein zweiter Theil der Schrift beschäftigt sich mit der Aufgabe, die Superiorität des Concils über den Papst

' 0 3a; Artikel 75.

2 Wegen dieser Vorschläge gebührt den 'Concilia' neben den von Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation l6, 69 ff., be- handelten Bohriften ein Platz in der Vorgeschichte des Wormser Reichs- tages von 1495.

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aus der Bibel, den Kirchenvätern und der Geschichte nach- zuweisen. Den Schluss bildet eine Vertheidigung des Basler Concils. Indem Hutten diese alten Forderungen, die zum grossen Theil bereits erledigt, aber wieder vergessen waren1 von neuem zur Sprache bringt, bekennt er sich bereits zu einer Partei, der er wenige Zeit später thatsächlich beitreten sollte.2 Man würde sich niemals durch die Umstände?, unter denen dieser Schritt erfolgte, zu der Ansicht haben verleiten lassen, dass er nicht aus Uberzeugung, sondern aus käuflicher Nachgiebigkeit geschehen sei, wenn mau erkannt hätte, das* Hutten das Programm, auf das er sich durch ihn verpflichtete, schon vorher selbständig durch die 'Concilia' verkündet hatte. Wenn Hutten sich unmittelbar nach der Eröffnung des Reichs- tages entschließen kann, bei dem Kaiser für die Concils- , forderung einzutreten, so zeigt er damit, dass er die radikalere Entwicklung Luthers nicht mitgemacht hat, sondern auf dem Boden der älteren Reformation stehen geblieben ist. der auch die kaiserliche Regierung, besonders der Kanzler Gattinara und der Beichtvater Glapion, und der grössere Theil der deutschen Fürsten angehören. Während schon aus seinen eigenen Schriften hervoigeht, dass er dieser Partei näher steht als Luther, weil er nicht sowol das Dogma als die Verwaltung, nicht den Glauben, sondern die Politik der alten Kirche angreift und somit weniger eine religiöse als eine kirchenpolitische Reformation anstrebt, ergiebt diese Ver- öffentlichung mit Huttens Vorrede und Versen, dass er auch praktisch, nachdem er vorläufig die revolutionären Kriegs- plane aufgegeben hat. sich an die gemässigte Partei an- schliesst, da er im Gegensatz zu der von Luther schon in Leipzig ausgesprochenen radikalen Opposition den Weg con- ciliarer Verhandlung eingeschlagen wissen will. Wären die Concilia' noch in der ersten Hälfte des Februar im Druck fertig gewesen und dem Kaiser zugekommen, so hätten sie nicht nur gleich den hundert hirchenpolitischen Beschwerden

1 Vgl. Johann Friedrich, Der Reichstag zu Worms 1521 (Abhand- lungen d. hist. Cl. d. Kgl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften XI, III, 61 ff.J.

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der deutschen Nation gegen Rom, welche um weniges später die Stände, wie schon ein Zeitgenosse und Mitglied jenes Reichstages bemerkte, unter dem Einfluss der Huttenschen Schriften verfassten1, die Billigung der kaiserlichen Regierung finden müssen, sondern zugleich eine neue Auffassung von Huttens politischer Stellung erwecken und damit seiner per- sönlichen Lage eine entscheidende Wendung geben können.

Schon in der Mitte des Februars jedoch trat in Luthers Angelegenheit und zugleich auch, wie man wiederum aus Balans Veröffentlichungen aus dem Vatikanischen Archiv2 entnehmen kann, in Huttens Sache eine gefährliche Krisis ein, die in der friedlichen Entwicklung sofort einen Stillstand hervorrufen musste. Am 10. Febrnar langte in Worms mit der ersten Fassung der bekannten Bulle vom 3. Januar ein vom selben Tage datirtes Breve des Papstes an, welches dem Kurfürsten von Mainz, den es zum Generalinquisitor für ganz Deutschland ernannte, sowie den päpstlichen Nuntien Instructionen zur Ausführung der Bulle ertheilte. Während nun die uns erhaltene zweite Fassuug der Bulle neben Luther dessen Anhänger nur gauz allgemein erwähnt, nennt das Breve, sicherlich in Übereinstimmung mit der verlorenen ersten Fassung der Bulle, nicht nur Luther als dem Banne verfallen, sondern in einer Reihe mit ihm Wilibald Pirckheimer, Lazarus Spengler und Ulrich von Hutten.3 Zieht man in Betracht, dass Pirckheimer und Spengler kurz vor dem Eintreffen der Bulle ihre Absolution empfingen4, dass mithin ihre Nennung im Breve keine praktische Bedeutung mehr hatte, so finden

1 Waltz, Der Wormser Reichstag (Forschungen zur deutschen Geschichte 8, 32). Vgl. auch B. Gebhardt, Die Gravamina der deutschen Nation 8. 90 f. Auf der Kgl. Bibliothek zu Berlin befindet sich ein bisher unbeachteter Auszug der Gravamina für Laien (Cu 7272. 4°).

* Balan, Monumenta reformationis Lutheranae S. 17 ff.

* Auf Grund dieses Breve ist Briogers Conjectur zu Aleanders Depesche vom 5. April (S. 121), alli di pnssati' statt 'alli de 4 passati* zu lesen, als überflüssig und falsch zu verwerfen.

* F. Roth, Die Einführung der Reformation in Nürnberg 1517 1528 S. 85.

Q.F. LXVIL 7

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wir ganz entsprechend der allgemeinen Auffassung jener Zeit, die auch Huttens eigene war, Luther und Hutten als Häupter der verurtheilten Bewegung auch vom Papste anerkannt. Das Breve ertheilt Befehl, gegen die genannten Ketzer wegen Ablaufs der Widerrufsfrist die Bulle zur Ausführung zu bringen und ebenso gegen alle ihre Anhänger, gleichviel welches Standes, sogar gegen Kurfürsten, Universitäten und Städte zu verfahren. Während aber diesen für den Fall ihrer Umkehr die Absolution auf gewöhnlichem Wege zuge- billigt wird, behält der Papst die Hauptschuldigen besonders und ausdrücklich seinem eigenen Urtheil vor. Eine Vertheidi- gung und Appellation sei diesen nicht mehr zu gestatten, und für die Vollstreckung solle man nöthigen Falls den Kaiser als katholischen König von Spanien und Anwalt der römischen Kirche sowie andere katholische Fürsten um Hilfe angehen.

Während Hutten gewiss keine Kenntnis von dem Inhalt der Bulle und des Breve erhalten hat, die ihm die längst erwartete endgiltige Verurtheilung seitens der Kirche brachten, sollte er bald diese Wendung seines Schicksals mittelbar durch die Verhandlungen des Reichstages über die Lutherische Sache erfahren. Der Kaiser wurde durch die Schreiben des Papstes zur Aufnahme dieser Angelegenheit veranlasst und war nunmehr geneigt, sie im Sinne des päpstlichen Nuntius Aleander zu entscheiden.1 Da er jedoch fürchtete, durch einen eigenmächtigen Beschluss sich das Wolwollen der überwiegend national und antirömisch gesinnten Stände zu verscherzen, dessen er für seine politischen Pläne dringend bedurfte, so zog er sie zur Entscheidung mit heran, indem er den Nuntius beauftragte, ihnen die Forderungen des Papstes darzulegen, und seinerseits ihnen das Edict, mit dem er diese Forderungen erfüllen wollte, zur Begutachtung unterbreitete. Trotz der geschickten Rede des Nuntius, der unter absicht- licher Vermeidung der kirchenpolitischen Fragen Luther als Feind des alten Glaubens und Gegner der Concilien behan- delte, billigten die Stände nach längerer Berathung nicht ohne

' Baum garton, Karl V. 1, 437 ff.

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weiteres das kaiserliche Edict. Wenngleich sie hinsichtlich der vom Nuntius behandelten Fragen völlig mit diesem und dem Kaiser übereinstimmten, beantragten sie mit Rücksicht auf die allgemeine Stimmung des Volkes, dass Luther nicht ohne Verhör verurtheilt, sondern unter sicherem Geleit berufen werde, um die gegen den christlichen Glauben gerichteten Schriften und Artikel ohne weitere Disputation zu widerrufen. Wenn er widerrufe, so solle er in anderen Punkten und Sachen gehört und nach Billigkeit darüber verfügt werden. Andernfalls sei das kaiserliche Edict zu veröffentlichen. Zum Schlüsse betonten sie die Beschwerden der deutschen Nation gegen den römischen Stuhl. Der Kaiser, der sich durch seine politische Lage zu ferneren Zugeständnissen gegen die Stände gezwungen sah, lud durch ein am 6. März aus- gefertigtes und am 15. März abgeschicktes Schreiben Luther behufs Befragung über seine Schriften vor den Reichstag und forderte die Stände auf, ihre Beschwerden zu weiterer Berücksichtigung schriftlich einzureichen.

Hutten war schon am Morgen des 14. Februar über die Rede des Nuntius genau unterrichtet.1 Aber erst Ende März entschloss er sich , seinem Zorn offenen Ausdruck zu ver- leihen. Der Grund dieses Schweigens ist aus den dargelegten Verhältnissen leicht ersichtlich. Zunächst hinderte ihn die Erkenntnis seiner eigenen Machtlosigkeit an einem sofortigen Losbruch. Sodann konnte er aus der Einmischung der Stände von der er gewiss ebenfalls sehr bald Kunde erhielt, Hoff- nung genug schöpfen, um sich vorläufig abwartend zu verhalten. Endlich aber scheint Hutten auch durch eine Annäherung der kaiserlichen Regierung boeinflusst worden zu sein. Aleander erzählt in seiner Depesche vom 8. März, dass Hutten von dieser Seite durch ein Schreiben veranlasst worden sei, bis auf weitere Anweisung zu schweigen. Man gehe im kaiserlichen Rath sogar mit der Absicht um, Hutten in Dienst zu nehmen und dadurch stumm zu machen; es sei nicht leicht, einen deutschen Edelmann ohne grossen Aufruhr, zu strafen, zumal wenn er so mächtige Genossen wie Franz von Sickingen habe, und

1 H. W. 2, 14.

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den in Deutschland populären Krieg gegen die Kirche be- treibe.1 Zu diesem Bericht Aleanders passt Brunfels' An- gabe, dasB Hutten von dem Haupt des kaiserlichen deutschen Rathes, dem Kardinul-Erzbischof Matthäus Lang von Salzburg, verlockende Anerbietungen erhalten habe.2

Aus dieser Zurückhaltung trat Hutten erst heraus , als plötzlich ein neuer Umschwung in der wechselvollen Behand- lung der Lutherschen Sache einzutreten schien. Während Luther sich bereits auf der Reise nach Worms befand und die Stände mit der Zusammenstellung ihrer Beschwerden be- schäftigt waren, erliess der Kaiser eine Veröffentlichung, die in diesem Zeitpunkt Freunden wie Feinden gleichbedeutend mit einer Verurtheilung Luthers und der ganzen Reformations- bestrebungeu erschien : am 26. März wurde in Worms an den Kirchenthüren ein Mandat vom 10. März angeschlagen, das die Aualieferung aller Schriften Luthers gebot. Als erste Folge dieses Sequestrationsmandats meldet nun Aleander am 5. April das Eintreffen einer Reihe von Briefen, in denen Hutten sämmtlichen Geistlichen und den Nuntien insbesondere die Fehde ansagt. Hutten war also auf den Standpunkt der 'Entschuldigung7 zurückgekehrt, indem er durch drei In- vectiven an die Nuntien Aleander und Caracciolo sowie alle antilutherischen Geistlichen und durch ein rückhaltloses Mahn- schreiben an den Kaiser klärlich das Ultimatum stellte, ent- weder die Forderungen der Nation zu erfüllen oder eines Pfaffenkrieges gewärtig zu sein.3 Obgleich Hutten so keck von neuem den Kriegspfad wandelt, ist doch nicht abzusehen, auf welche realen Mächte er sich bei seiner Drohung stützte. Weder die Antwort seiner Familie, die er inzwischen erhalten haben rauss, noch das Verhalten Sickingens konnte ihm irgend- welche Zuversicht einflössen.4 Dagegen mag er vielleicht

1 Brieger 8. 92.

* H. W. 2, 340.

* Briegor 8. 122 ff. H. W. 2, 12 ff. Strauss, Hutten 8. 396 ff. Über Nutzers verlorene Übersetzungen vgl. H. W. Suppl. 2, 806.

* Uhnann, Sickingen 8. 177 f., hat mit Recht eine von Butzer Ic- riohteto kriegerische Äusserung Sickingens auf eine augenblickliche Aufwallung zurückgeführt; sie ist zudem sehr unwahrscheinlich, da nach

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einerseits auf freiwillige Hilfe bei den grossen gährenden Massen des niederen Adels und andrerseits mit der schon ein- mal bewiesenen Ängstlichkeit und Hilflosigkeit der kaiserlichen Regierung gerechnet haben.

In der That verfehlte auch dieses Mal der Nimbus der Vereinigung mit Sickingen nicht seine Wirkung. Da man in Hutten überall den Herold Sickingens sah1, so hielt man die Invectiven für die Ankündigung einer nahe bevorstehenden grossen Umwälzung. Mau muss an der Hand der Depeschen Aleanders verfolgen, wie übertriebene Befürchtungen von einer allgemeinen Bewegung des 'armen Adels' Huttens ganzes Auftreten in Worms erregte, um zu begreifen, dass diese In- vectiven wie das Brausen des Sturmes vor dem Gewitter auf die Gemüther wirkte. Die kaiserliche Regierung entschloss sich, da es ihr an Zeit und Mitteln zur Anwendung von Gewalt gebrach, der gefürchteten Erhebung durch gütliche Verhandlung zu begegnen. Zugleich verfolgte sie aber auf diesem Wege noch andere Zwecke. Sie hatte nicht erwartet, dass Luther von der Citation , in der sie nur ein formelles Zugeständnis an die Stände sah, Gebrauch machen würde, und befürchtete, als nun sein Nahen sogar trotz dem Mandat ge- meldet wurde, von seinem Eintreffen in Worms die schlimm- sten Unruhen. Zur selben Zeit steigerten sich die Sorgen der äusseren Politik durch neue Verwicklungen mit Frankreich. Die Verhandlungen auf der Ebernburg sollten deshalb gleich- zeitig dahin gehen, Luther von Worms fern zu halten und Sickingens Hilfe für den Krieg gegen Frankreich zu sichern. Als äusseres Zeichen der kaiserlichen Zustimmung, welche die Gesandtschaft nicht officiell melden durfte, wurde Hutten die Verdoppelung seiner bisherigen Pension angeboten.2

Die Gesandtschaft, zu der man deu Kämmerer und den Beichtvater des Kaisers, den Ritter von Armstorff und den

diesem Bericht Sickingen in der ganz unmöglichen Rolle eines zur That treibenden Berathers des friedlichen Hutten erscheint. 1 Brieger S. 125.

» Brieger S. 123 ff. ; 132 ff. ; Waltz in der Zeitschrift für Kirchen- geschiohte 2, 124 ff.; Ulmann S. 179 ff.; Mauerbrecher, Studien und 8kizzen S. 267 f.

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Franziskaner Glapion bestimmte, hatte also eine dreifache Aufgabe zu lösen : die Insassen der Ebernburg davon zu über- zeugen , dass der Kaiser geneigt sei, die Forderungen der deutschen Nation durchzusetzen; sie zu der Ansicht zu be- kehren , dass es für Luther und die Sache der Reformation im allgemeinen besser sei, wenn er nicht nach Worms komme, sondern sich durch ihre Vermittlung bereits vorher mit der kaiserlichen Regierung verständige; endlich Sickingens Macht, auf die sich die Revolution zu stützen drohte, dorn Kaiser zu gewinnen. Die Verhandlungen zerfielen mithin in einen theo- retischen und einen practischen Theil. Die Leitung des ersteren und schwereren übernahm der Beichtvater des Kaisers, dessen Stellung zur Reformation durch die Verhandlungen mit dem sächsischen Kanzler Brück bekannt ist: als Anhänger der spanischen Reformbestrebungen war er einer Abstellung der Missbräuche und Uebelstände in der Verwaltung und den Sitten der alten Kirche lebhaft zugethan; dagegen kannte er für alle Angriffe in Sachen des Glaubens nur das Gebot des Widerrufs. Zieht man nun Huttens oben angedeutete Stellung zu den beiden Seiten der kirchlichen Reformation, der dogma- tischen und der politischen, in Betracht, so muss man das Er- gebnis der Disputation zwischen dem Ritter und dem Mönch ganz folgerichtig und natürlich finden: Hutten gab die Erklärung ab, dass er mit Luther durchaus nicht in allen Stücken über- einstimme, auch seine Sache nicht mit der Luthers vermischen wolle; er verlange nur, dass die Priester in Zucht genommen würden und die grossen Reichthümer lassen sollten, die ihnen ihr lasterhaftes Leben ermöglichten.1 Hatte sich im Feuer der Disputation mit dem scharfsinnigen Franziskaner Huttens Stellung nun einmal so weit geklärt, dass er sich im wesent- lichen zu dem Programm der spanischen, also katholischen und kaiserlichen Reformpartei bekennen konnte, so stand einer practischen Verbindung nichts mehr im Wege, zumal dadurch die öffentlichen und persönlichen Anliegen Huttens nur ge- fordert werden konnten.

So übernahm Hutten mit grosser Freude den Auftrag

1 lirioger S. 133 f.

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des kaiserlichen Beichtvaters, Luther durch private Verhand- lungen zu veranlassen, dass er die offenbaren und verurtheilten Angriffe gegen den Glauben widerrufe, damit alsdann die ganze Angelegenheit bis zum nächsten Concil verschoben werden könne.1 Bei der Dunkelheit, die über den auf Luther bezüglichen Besprechungen liegt, ist leider nicht zu entscheiden, ob auch bestimmte Abmachungen für den Fall getroffen wurden, dass Luther weder auf der Ebernburg noch in Worms auf seine dogmatischen Streitsätze verzichtete. Wenn Hutten später seinen ersten Brief nach Luthers Abreise mit der Klage anhebt, gewisse Kaiserliche hätten ihn mit der Angabe be- logen, Luther werde zu rechtlicher Verhandlung nach Worms berufen2, so darf man hieraus vielleicht schliessen, dass die Gesandtschaft in der sicheren Hoffnung, dass er schlimmsten Falles wenigstens in Worms Widerruf leisten werde, eine öffentliche Besprechung der kirchenpolitischen Forderungen Luthers fest zugesagt hat.

Eine einfache Folge dieser theoretischen wie practischen Vereinbarung war es, wenn Hutten den kaiserlichen Gnaden- beweis unbedenklich annahm und alsbald die mehr als frei- müthige Sprache seines Mahnschreibens durch einen Ent- schuldigungsbrief an den Kaiser gut zu machen suchte.3 Das litterarische Ergebnis dieser Verbindung bildet Huttens Schrift: 'Anzoig, wie allwegen sich die Römischen Bischöfi, oder Bäpst gegen den teütschen Kayßeren gehalten haben, vff daz kürzst Chronicken vnd Historien gezogen, K. maiestät fürzübringen.'4

Strauss und Böcking haben die 'Anzeig' in die Mitte des Novembers 1520 gesetzt, weil Hutten in dem Brief an Erasmus vom 13. November seine Hoffnung auf eine Um- kehr des Kaisers mit dem Satz begründet, dass es leicht sei, ihn durch eine Menge von Beispielen daran zu mahnen, dass es in Rom keine Treue gebe.5 Wenngleich selbstverständ- lich zugegeben werden muss, dass in diesem Satz der Grund-

1 Brieger, Neue Mittheilungen über Luther in Worms S. 8 ff. 8 FI. W. 2, 59. s H. W. 2, 47 ff.

4 H. W. 5, 363 ff.

5 Strauss, Hutten 21, 112 f.; H. W. 1, 425.

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gedauke der fraglichen Schrift ausgesprochen ist, so kann doch an die Abfassung oder gar Veröffentlichung zu dieser Zeit noch nicht gedacht werden. Zunächst hat man über- sehen, dass die 'Anzeig' in dem sonst vollständigen Schriften- verzeichnis fehlt, das Hutten am l). December 1520 Luther mittheilt. Sodann aber zeugt entschieden gegen Strauss' An- sicht das eben besprochene Mahnschreiben an den Kaiser vom 27. März 1521. 1 Da nämlich Hutten hier den Kaiser vor dem Rathe der Priester warnt, weil sie, wie sich mit nicht weit hergeholten Beispielen lehren lasse, wegen ihrer Abhängig- keit von Rom keine Treue halten könnten, und weiterhin vor der Freundschaft mit Leo X., weil noch niemals ein römischer Papst und nun gar ein Florentiner seinem Bundesgenossen Treue bewahrt habe; da Hutten endlich auch das Wort Kaiser Maximilians anführt, mit dem er die historische Be- trachtung der 'Anzeig' wirkungsvoll abschliesst, und bei alle- dem mit keinem Wort auf diese Schrift hinweist, die doch nach Strauss längst erschienen und dem Kaiser, sogar mit günstigem Erfolg für Hutten, überreicht sein sollte, so muss man annehmen, dass die 'Anzeig', wenn auch vielleicht schon vorher begonnen, so doch erst vollendet und herausgegeben wurde in der Zeit nach dem 27. März und zwar zwischen den Verhandlungen auf der Ebernburg und denen in Worms, als Hutten von neuem der Hoffnung lebte, auf die Erschlies- sungen des Kaisers einwirken zu können. Aus dem Gefühl, als officiÖ8er Berather des Kaisers auftreten zu können, erklärt sich auch der auf den Kaiser bezügliche Zusatz des Titels.

Die Ebernburger Zusammenkunft hatte nicht den von allen Seiten erhofften Erfolg. Huttens Lage wurde durch sie allerdings vorläufig bedeutend gebessert ; sie brachte ihn nicht nur in die verhoissungsvollen Beziehungen zum Kaiser, sondern bewirkte auch zugleich einen Rückzug des Nuntius, der in ihr eine so unzweifelhafte Anerkennung von Huttens Macht sah, dass er das Vorgehen gegen Hutten einzustellen be- schloss, ehe er noch die Ergebnisse der Sendung wissen konnte : schon am 5. April richtete er an den päpstlichen Vicekanzler

1 H. W. 2, 41 ; 43 f.

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KKIC11STAG VON WORMS.

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Medici ein Gesuch, das er am 29. April dringend wieder- holte, ihm für die am 10. Februar crhalteue Bulle vom 3. Januar eine neue gleichdatirte zu senden, in der Hutten nicht genannt sei, da er es nicht wagen könne, vor seiner Abreise aus Deutschland gegen diesen aufzutreten; und er erhielt auch wirklich am 8. Mai eine Bulle in der erbetenen Form.' Dagegen gewannen die Ebernburger Abmachungen keinen Einfluss auf den Gang der Lutherschen Angelegen- heiten; denn der Reformator lehnte den angeboteuen Com- promiss mit der kaiserlichen Regierung unter der Begründung ab, dass er sich keinem Concil unterwerfen wolle, da auf einem solchen wol bezüglich der Sitten Besserungen geschehen könnten; aber die evangelische Wahrheit sei noch nie gut behandelt worden auf den Concilien. Somit war die ge- sammte Entscheidung von dem Reichstag zu erwarten. Wie sie ausfallen würde, war kaum noch zweifelhaft.

Hutten gab gleichwol noch nicht alle Hoffnung auf, sondern sprach Luther noch an dem Tage, an dem er vor den Reichstag treten sollte, sein Vertrauen auf einen end- lichen Sieg der gemeinsamen Sache aus; während er ihn aber auch für seine eigene Person eines treuen Ausharrens ver- sicherte, fasste er doch zugleich, wol in Erinnerung an die Disputation mit Glapion und die Ablehnung Luthers, den Unterschied ihrer Ziele und Wege in die klaasischen Worte: 4in eo differunt utriusque consilia, quod mea humana sunt, tu perfectior iam totus ex divinis dopendes'.- Doch der grosse Entscheidungskampf, der nunmehr im Reichstag erfolgte, ver- wischte diese Grenzen innerhalb der gemeinsamen Bestrebungen, zumal für ein so feuriges Temperament, wie es Hutten be- sass. Wenngleich das Ergebnis von Luthers Auftreten vor dem Reichstage gerade durch sein Festhalten an denjenigen Sätzen bedingt war, die Hutten selbst nicht vertheidigte, und durch seine Opposition gegen denjenigen Ausweg, den Hutten selbst aus eigenem Antrieb und auf Veranlassung Olapions vorgeschlagen hatte, so fühlte «ich Hutten doch eben durch

1 Brieger 8. 129; 169; 191 f. » H. W. 2, 55 f.

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die Verurtheilung als solche wieder zu Luther gedrängt, weil er in ihr einen Angriff auf die gemeinsame Sache, die deutshe Freiheit, und eine Schmach für das Vaterland sah : *Me pudere ineipit patriae7. 1 Hatte er schon vorher Jodocus Jonas ge- standen, wie ungern er sich bei diesem Augenblick als ruhiger Zuschauer verhalte , so schrieb er am 20. April an Luther, dass er sicherlich durch eine kriegerische Demonstration auf den Gaug der .Verhandlungen eingewirkt hätte, wenn er nicht durch die Klugheit seiner Freunde zurückgehalten worden wäre'-; allerdings verräth er nicht, dass diese ihn ebenso sehr wie auf die Gefahr, die aus solchem Unternehmen für Luther selbst in Worms zu befürchten war, auch auf seine Ver- pflichtungen gegen den Kaiser hinweisen konnten, die er nicht so leichthin verletzen durfte. Auch in dem offenen Schreiben an Pirckheimer, der ersten Äusserung nach Luthers Abreise, lässt Hutten wiederum kriegerische Pläne durchblicken , bei denen er, wie bereits früher iu dem Dialog 'Praedones', auf die Städte und, wie immer bei einem Auftauchen von Kampf- gedanken, wenigstens Anderen gegenüber, auf Sickingen rechnet. In seiner kriegerischen Stimmung wurde er noch befestigt durch einen Brief Hermanns von dem Husche, der ihn unter Hinweis auf den Übermuth und Spott seiner Gegner, die Hutten bereits mit einem zwar bellenden, aber nicht beissenden Hunde verglichen, dringend aufforderte, die ange- sagte Fehde endlich zu eröffnen und vor allem die Haupt- schuldigen, die päpstlichen Nuntien nicht ungestraft entwischen zu lassen. In gleichem Sinne richtete Eobanus Hesse ein Mahngedicht au ihn, mit Sickingen zusammen die deutsche Sache mit dem Schwerte zu vertheidigen, da es mit Schriften und Versen nicht mehr gethan sei.3

Hutten wartete nunmehr die endgiltige Verurtheilung Luthers, die nur noch eine Frage der Zeit war, nicht erst ab, sondern eröffnete bereits vor der Veröffentlichung des Edicts

1 H. W. 2, 59 ff. Eine Übersetzung des Briefes an Pirckheimer giebt in sinnloser Voreinigung mit dem zweiten Brief an den Kaiser das anonyme Heft. H. "W. Ind. bibl. XXXVII, a.

* H. W. 2, 56; 58.

8 II. W. 2, 62 ff.; 6n ff.

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ITAFFEN KRIEG.

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die Feindseligkeiten folgerichtig dadurch, dass er auf das Sti- pendium des Kaisera Verzicht leistete, weil er bei den» völligen Gegensatz ihrer Gesinnungen ihm weder dienen könne noch wolle.1 Zugleich entschloss er sich, die Ebernburg zu ver- lassen; wahrscheinlich auf Verlangen Sickingens, der gerade zu dieser Zeit sich dem Kaiser neu verpflichtet hatte und die Folgen einer gewaltsamen Unternehmung seines Schützlings nicht auf sich nehmen wollte.2 Am 31. Mai endlich schritt Hutten zur That; aber die Nuntien, denen er einen Hinter- halt gelegt hatte, entkamen unter dem Schutze des kaiser- lichen Gefolges. Da dieser Anschlag, von dem wir nur durch Hutten selbst wissen, kaum bekannt wurde und jedenfalls ohne Folgen blieb3, da es ferner an einem Ziele für neue Angriffe fehlte und endlich Hutten auch durch einen Anfall seiner Krankheit zur Unthätigkeit gezwungen war , so ver- änderte sich in seiner äusseren Lage vorläufig gar nichts. Erst später scheint er sich aus Furcht vor den Nachstellungen seiner Feinde auf der Sickingenschen Burg Dürmstein ver- steckt zu haben. Er musste sich damit begnügen, seinen Zukunftsplänen in Worten Ausdruck zu verleihen. In einer Antwort auf das Carmen Eobans verkündete er den Ent- schluss, an dem von diesem gewünschten Pfaffenkriege wenn auch nicht als Führer, so doch als Kämpfer theilzunehmen.4 Die Stimmung dieser Zeit aber verewigte er in dem berühmten

1 Brieger 8. 227, wo auch die frühere Litteratur über diesen wichtigen Schritt verzeichnet ist, der Huttens Charakterstärke über allen Zweifel erhebt. Vgl. Ellinger in Geigers Vierteljahrsschrift für Kultur und Litteratur der Renaissance 1, 244 ff. und 2, 107 ff., der mit be- rechtigter Schärfe Maurenbrechers Darstellung gegentibertritt.

9 H. W. 2, 76 ; Suppl. 2, 807.

* Strauss, 8. 412, hat in einer von Böcking aufgefundenen Nach- richt mit diesem den Beweis gesehen, daas Hutten einen Begleiter der Nuntien erschlagen habe. Waltz, Zeitschrift für Kirehengeschichte 2, 126, hat diese Geschichte als Legende erwiesen, die übrigens aus dem Zusammen stoss mit Hochstraten sich entwickelt zu haben scheint.

* H. "W. 2, 71 ff. Böcking setzt dies Gedicht, das doch den Anschlag gegen die vom Reichstag ziehenden Nuntien berichtet, selt- samer Weise schon in die Mitte des Mai und das mit ihm beantwortete Mahngedicht Eobans erst in den Sommer,

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HISTORISCHE8.

einzigen deutschen Liede, das als Krone seiner deutschen Dichtungen angescheu werden muss: 'Ich habs gewagt mit sinnen*.1 Strauss hat dies Gedicht in die Zeit der 'Clag vnd Vermanung' setzen wollen.2 Während aber für diese Datirung, für die Strauss keinen Grund angiebt, schlechterdings nichts spricht, weisen auf die Zeit nach dem Wormser Reichstage und während des Dürmsteiner Aufenthalts folgende Stellen : erst nach Schluss des Reichstages kann Hutten sagen, dass er nicht zum Verhör zugelassen worden sei; und nicht von dem allbekannten Aufenthalt auf der Ebernburg, sondern nur von dem sorgsam verheimlichten Versteck auf Dürmstein kann er sagen, dass er zwar vorläufig geflohen sei, aber wiederzu- kommen hoffe. Das Lied bildet also den Schluss der Höhe- zeit in Huttens Leben.

Wie Strauss diese Höhezeit und die in ihr liegende Krisis nicht richtig erkannt und dargestellt hat, so vermochte er auch den folgenden Niedergang nicht zu würdigen. Seine Charakteristik dieser Zeit lässt sich in die beiden Sätze zu- sammenfassen, dass in Huttens Schriftstellerei eine Pause der Verlegenheit eingetreten sei und dass er dem Unmutli über die Vereitelung seiner grossen Pläne in einer Reihe kleinerer mehr persönlicher Fehden Luft gemacht habe.3 Man kann diese Zeit nicht unglücklicher charakterisiren, als wenn man sie auf solche Weise als ein Intermezzo behandelt. Huttens Verhalten während des Jahres vom Herbst 1521 bis zum Herbst 1522 ist vielmehr die genaue Ausführung des Planes, den er infolge des Ausgangs des Wormser Reichstages ge- fasst und verkündet hatte: die Fehden dieses Jahres sind Theile eines grossen Pfaffenkrieges. Dass Strauss die Be- deutung der Fehden unterschätzte und verkannte, ist zunächst daraus zu erklären, dass er sie gar nicht in ihrem vollen Umfang übersah. Wenn er nur die rein persönliche Fehde gegen die Strassburger Karthäuser und den allerdings schon mehr principiellen Streit mit dem Frankfurter Pfarrer Meyer heran-

1 H. W. 2, 92 fT.

2 Strauss 8. 365 f.

8 Strauss 8. 414, 416.

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PFAFFENKR1EO.

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zog1, so konnte er allerdings kaum zu einer anderen Auf- fassung gelangen; dass es sich aber um mehr als rein per- sönliche und einzelne Fehden handele, hätte Strauss schon aus der von ihm selbst entdeckten Kriegserklärung Huttens vom 11. April 1522 schliessen können, in welcher dieser den Pre- digermönchen und den Curtisanen sammt ihren Genossen in Deutschland und Welschland die Fehde ankündigte, wenn sie seine Forderungen nicht erfüllten.2 Wie wenig diese An- kündigung als eine leere Drohung anzusehen ist, konnte Strauss aus den allerdings dürftigen Nachrichten in Jungs Beiträgen zu der Geschichte der Reformation entnehmen.3 Diese Nach- richten, die bisher von der Huttenforschung nicht beachtet worden sind, müssen uns die in ihnen benutzten, wahrschein- lich verlorenen Urkunden fast ausschliesslich ersetzen. Am 6. Mai, also noch während des Streites mit dem Pfarrer Meyer, beklagten sich die Vorsteher des Strassburger Domi- nikanerklosters bei dem Rath über einen Fehdebrief Huttens. Kurz darauf erhielten die Stifter zum Jung St. Peter, St. Thomas und Alt St. Peter Fehdebriefe. Aus einem Schreiben, das Hutten einige Wochen später an dun Bischof von Strassburg richtete, theilt Jung mit, dass er von den drei Stiftern verlangt hatte, sie sollten keinem Curtisan mehr etwas von ihren Ein- künften bezahlen, und ihm viertausend Goldgulden geben, weil sie dieser Aufforderung Folge geleistet hätten. Einer dieser Fehdebriefe ist erhalten, das Schreiben an das Stift zum Jung St. Peter vom Mai. Es übertrifft an Werth die vielen uns sonst erhaltenen Fehdebriefe, weil es allein die princi- pielle Bedeutung der Fehde betont4: 'Wisset Probst Capitel

1 Strauss S. 416 ff., 419 ff. Für eines der Hauptstücke aus dem Streit mit den Karthäusern, die Ehrenerklärung und Abbitte für Hutten, die bisher nur in dem Entwurf vorlag, hat sieh im Archiv zu Steinbach eine Abschrift der vollzogenen Urkunde gefunden : sie trägt das Datum 'Strassburg vff Donnorstag nach Conceptionis Mariae. In dem Jare nach der Geburt Christi vnsers Herren Tausend fünffhundert Ein und zwantzig*.

* H. W. 2, 119.

s A. Jung, Beiträge zu der Geschichte der Reformation, zweite Abtheilung 1, 64; 227 ff.

4 Das Arohiv zu Steinbach besitzt eine Abschrift dieses bisher unbekannten 'Feinds oder warnungs BriffV. Vgl. auch S. 175.

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HISTORISCHES.

Vicarien vnnd alle des Stiffts zum Jung S. Peter zu Stras- burg Vorwanten, das wie wol nach dem jch lang hievor auß bil- lich ehrlich Christlich Vrsachen aller Curtisanen vnd Romanisten jnhaldt ettlichcr offenen drücke darüber außgegangenen feynt worden , liehst verschiner zeyt ein vormanungsschrüVt vnter meynem jnsigel allenthalben angeschlagen, darinnen jch jeder- mau sich hinfur derselbigen Curtisanen vnd Romanisten zu entschlagen weder theyl noch gemein mitt jhnen zu haben ge- warnet genugsamlich angezeigt So höre vnd sehe jch doch . . Da trotzdem das Stift zum Jung St. Peter Curtisanen und Romanisten bei sich beherberge, so fordere er es auf, diese binnen acht Tagen zu entlassen oder seiner Feindschaft ge- wärtig zu sein. Diese Händel endeten nach Jung damit, dass Sickingeu Huttens Forderung zunächst übernahm, dann aber in Rücksicht auf sein Unternehmen gegen Trier fallen Hess. Sicherlich ist auch mit diesen Fehden, wie man schon aus den weiteren Nachrichten über Gewaltthaten an verschie- denen Geistlichen vermuthen kann1, die Reihe der Unter- nehmungen Huttens noch nicht abgeschlossen : es mögen viel- leicht noch manche Fehdebriefe zu Tage kommen. Aber schon aus den mittelbar und unmittelbar erhaltenen Zeug- nissen, insbesondere dem letzten neuaufgefundenen, geht mit vollkommener Sicherheit hervor, dass diese Fehden die con- sequeute Erfüllung von Huttens Verkündigungen im Frühling 1521 und 1522 bedeuten2; man kann mithin auch nicht von

1 Strauas S. 424.

* Dass Strausa die Bedeutung dieser Fehden unterschätzt hat, zeigen auch die allerdings übertriebenen Besorgnisse, die durch die oben er- wähnte Kriegserklärung in Rom hervorgerufen wurden. Während nach den bisherigen Darstellungen, die sich allzusehr auf Busches Aussagen beschränkten, Huttens Drohungen seit dem Wormser Reichstag keine Wirkung mehr thuten, liegt nunmehr in einem von Balan (8. 297 ff.) zuerst veröffentlichten Breve Papst Adrians VI. an den kaiserlicheu Statt- halter Erzherzog Ferdinand ein Zeugnis vor über den gewaltigen Ein- druck, den Hutten durch sein Vorgehen gegen die Predigermönche in Rom erzielte. Dns ziemlich umfangreiche Breve stellt an den Erzherzog unter Hinweis auf die Kriegserklärung Huttens und die Bedeutung des bedrohten Ordens das Verlangen, den Papst und die heilige Kirche gegen einen solchen 'Mahumethanisohen' Angriff zu sohützen, damit Hutten Deutschland nicht aus einem Freund zu einem Feind des Glaubens

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FÜH8TKNKRIEG.

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einer Pause der Verlegenheit in seiner Schriftstellerei reden, wenn sie sich in dieser Zeit auf die Fehdebriefe beschränkt. Aus den niederen Bahnen, in die seine litterarische Thätig- keit durch den hartnäckigen kircheupolitischen Kampf hinab- gesunken war, konnte sie sich erst aufschwingen, als sich für Hutten ein neues Feld zu publicistischer Thätigkeit eröffnete: der Krieg des Ritterthums gegen das Fürstenthum.

Nicht zum ersten Male betrat Hutten diesen Kampf- platz. Schon in der Fehde gegen den Herzog von Wirtera- berg war ihm der Gedanke einer Reichsreform auf Kosten des Fürstenthums aufgegangen; und in der Programmrede, mit der er sich auf dem Reichstag von Augsburg in die politische Welt einführte, hatte er gleichmässig scharfe Kritik an der Kirche und dem Fürstenthum geübt. Wenn er im Sommer 1522 diese Bestrebungen nach langer Pause wieder aufnimmt, indem er ein Gedicht an die freien Reichsstädte verfasst, so ist dies aus verschiedenen Gründen zu erklären. Durch den Wormser Reichstag, der ein vom Fürstenthum beherrschtes Reichsregiment geschaffen hatte, war das Ritter- thum, das schon durch den Landfrieden von 1495 in seiner Existenz schwer bedroht worden war, zum Entscheidungs- kampf gedrängt.1 Als Rufer auch in diesem Streit aufzutreten musste Hutten um so eher geneigt sein, als er nach dem Ausgang des Reichstages mit den Hoffnungen, die er für seine kirchenpolitischen Pläne auf die Fürsten gesetzt hatte, auch die Rücksichten aufgeben konnte, die er ihnen zu Liebe sich für seine staatlichen Reformpläne augenscheinlich auferlegt hatte. Die stärkste Anregung zur litterarischen Betheiligung an diesem Kampf mag er aber dadurch empfangen haben, dass Sickingen sich endlich entschlossen hatte, die ihm längst zugedachte Führerrolle zu übernehmen. Der Grundgedanke des Gedichtes an die Reichsstädte ist die Umformuug eines Planes, den Hutten bisher für den kirchenpolitischen Kampf zu wiederholten Malen und so noch zuletzt in der 'Ermanung

mache: die Bekämpfung Huttens sei wichtiger als der Türkenkrieg. Das Breve schliesst mit einem bedeutsamen Fingerzeig auf das erfreu- liche Verhalten Kaiser Karls gegen Luther auf dem Wormser Reichstag. 1 Ulmann, Sickingen 8. 230 f.

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HISTORISCHES.

an Worms' verfolgt hatte1: Vereinigung des Adels und der Städte.

Obgleich Strauss dem Gedicht eine recht ausführliche Wiedergabe gewidmet hat2, macht sich doch auch hier die unzulängliche Würdigung der deutschen Schriften geltend: die textkritische Behandlung des Werkes, die zudem für die historische Auffassung nicht geringe Bedeutung hat3, ist bei ihm wie auch bei Böcking völlig verfehlt. Das Gedicht liegt

. in zwei undatirten Fassungen vor : 'Beklagunge der Freistette deutscher Nation' und 'Vormanung an die freien vnd reich Stette deutscher nation'. Wie nun Strauss ohne nähere Aus- führungen die 'Beklagung' als den besseren Druck behandelt, so giebt Böcking einer gleichen Meinung dadurch Ausdruck, dass er beide Ausgaben für Abdrücke verschiedener schlechter Handschriften erklärt und für seine kritische Herstellung des Gedichtes die 'Beklaguug' zu Grunde legt, die 'Vormanung' aber nur in zweiter Linie heranzieht.4 Für diese Auffassung muss der Umstand entscheidend gewesen sein, dass die 'Be- klaguug' um sechs Verse reicher ist als die 'Vormanung'. Sieht mau zunächst von diesen Versen ab, die ohne engeren Zusammenhang am Anfang und am Schluss des Gedichtes stehen, so bieten sich zwei Arten von Kriterien, um den Werth der beiden Drucke zu bestimmen: neben den inhalt- lichen Merkmalen ist durch Huttens metrische Bemerkung

' über die verlorenen Gedichte in der Betrachtung des Vers- baus eine hichere Handhabe gewährt.5 Dass bei den inhalt- lichen Variauten die 'Vormanung' deu Vorzug verdient, hat Böcking selbst anerkannt, indem er fast überall deren Les- arten in seine Herstellung einführt. Dass auch in metrischer Hinsicht die 'Vormanung' dem Original näher steht, kann man daraus entnehmen, dass sie nur eine ganz geringe Anzahl von Unregelmässigkeiten enthält, die alle leicht aus Unachtsamkeit des Setzers zu erklären sind, während in der

1 II. W. 2, 87 ff.

2 8trau88 S. 425 ff. 2', 211 f.

3 Vgl. S. 113.

4 H. W. Ind. bibl. XLII; 3, 527 ff.

5 Vgl. S. 67 ff.

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Ff KSTENKKIKG. Iii*

-Beklagung' durchschnittlich auf jedeu dritten Vera ein Ver- stoss kommt und ein grosser Theil dieser Fehler durch Zu- sätze und Umstellungen veranlasst ist. Nach textkritischen Gesetzen müsste also die 4Vermanung' ohne weiteres der Her- stellung zu Grunde gelegt werden, wenn nicht die erwähnten sechs Verse dieser Auffassung noch zu widersprechen schieueu. Doch auch dieses Hindernis schwindet vor einer kritischen Beleuchtung; denn diese Verse Verstössen sämmtlich gegen Huttens Gesetz der Achtsilbigkeit und zwar in so arger \ Weise, dass sie ausser dem ersten auch durch gewagte Con- jekturen nicht einzurenken sind. Nimmt mau hinzu, dass sie, wie schon oben angedeutet, nur in ganz losem Zusammenhang mit dem eigentlichen Gedicht stehen, so wird man vermutheu müssen, dass man es mit Zusätzen eines fremden Heraus- , gebers zu thun hat. Mit diesen Versen fällt zugleich der ein- i zige Grund gegeu eine einfache Herleitung der lBeklagung' aus der 'Vermanung* fort. Auf Grund dieser textkritischeu Feststellung lässt sich auch folgende historisch wichtige Va- riante würdigen (V. 241 ff.):

Yermanung.

. . in dissem reginient. Drumb muß es werden bald zertrent. Deß ist vnß allen grosse not. Dan es ist widder er vnd got. Entgegen aller erbarkeit.

Der Nihilismus, der durch die Fassung der 'Beklagung' vertreten wird, widerspricht durchaus den politischen An- schauungen Huttens: im Gegensatz zu Böcking, der diese Variante seiner kritischen Bearbeitung einverleibte, wird man in ihr nur eine willkürliche Entstellung sehen müssen, die sicherlich von demselben Herausgeber herrührt, der auch an dem metrischen Gesetze Huttens seine revolutionäre Gesinnung in so rücksichtsloser Weise bethätigt hat.

Mit diesem Gedicht musste bisher jede Darstellung von Huttens deutschen Schriften abbrechen; zum Abschluss kann sie erst jetzt geführt werden, nachdem ein längst verloren gegebenes Werk entdeckt worden ist: 'Ein gegenredt oder ausschreiben Virichs von Hutten widder pfaltzgraf Ludwigen

Q.V. LXVll. 8

Beklagung.

. . in diesem regement Drümb mhfisens werden baldtzutrent Dan es ist wider eher vnd got Drumb wider zustreben ist yns not Entgegen aller Aberkeit.

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HISTORISCHES.

Chürfürstcu.' Zwei Nachrichten in den Briefen Huttens und Erasmus' hatten bereits früher über den Kreis der be- kannten Werke auf eine Schrift dieses Inhalts hingewiesen. Unzweifelhaft ist die Beziehung allerdings nur bei der Äusserung des Erasmus: 'roganti mihi quamobrem Huttenus scripsisset amarulentum libellum in comitem Palatinum, quem etiam aediturus erat siquem typographum tarn insanum nan- cisci potuisset, 'quoniam' inquit 'fidclissimum illius famulum et innoceutissimum (summo supplicio affecit)\l Weniger sicher dagegen ist es, ob Hutten selbst diese Schrift gemeint hat, wenn er an Eobanus Hessus am 21. Juli 1523 schreibt: 4Qui has perfert, habet a me libelli quiddam in tyrannos, quod curet typis imprimendum ; ibi quaeso tuam mihi atque i 1 Ii aecomoda operam: potest silentio transigi negocium et occulte; . . . extet et in luce sit uovae et iuauditae improbitatis protestatio; videant et cognoscant futura post nos secula quales fuerint qui honestati, legibus, iuri, fidei ac religioni scelere et audacia so opposuerint.'2 Strauss, der zuerst die Frage aufwarf, ob der 'libellus in tyrannos1 identisch sei mit dem Schreiben gegen den Pfalzgrafen, war geneigt, sie zu verneinen, weil der Plural und die Art, wie Hutten in obigem Briefe den Inhalt jenes Mibellus' bezeichnet, ihm auf ein allgemeineres Werk, etwa gegen die zu Sickiugens Bekämpfung vereinigten Fürsten, zu deuten schien/5 Diese Auslegung der Huttenscheu Worte haftet aber wol zu sehr am Buchstaben: sie sind durchaus erklärlich , wenn man annimmt, dass Hutten mit ihnen nur einen allgemeinen Ausdruck für die principielle Bedeutung der älteren Schrift geben wollte, die eben jetzt, nachdem sich mit dem Schicksal Sickingeus der Kampf zwischen Fürstenthum und Ritterthum entschieden hatte, von neuem einen actuellen Werth erhielt und daher einen ueueu Versuch zur Veröffentlichung zu verdienen schien; und die Annahme eines allgemeineren Werkes gegen die Fürsten erscheint um so weniger nothwendig, als Hutten ein solches ja bereits in dem Gedicht an die Reichsstädte gegeben hatte.

* II. W. 2, 430 f.

2 H. W. 2, 253.

s StruusH, Hutten 2\ 313.

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! -TKSTKXKlilKti.

11,*)

Die Entstehungszeit der undatirten Schrift kann aus ihr selbst annähernd erschlossen werden. Eine jenseitige Grenze liegt in der Erwähnung des Verfahrens gegen den Kurfürsten von Mainz, das in die zweite Hälfte des Oktobers fällt.1 Eine diesseitige Grenze bietet der Umstand, dass von dem Ver- lassen Deutschlands, das etwa Anfang November erfolgte, noch nicht gesprochen wird : das Werk ist um die Wende des Oktobers 1522 entstanden.

Das Ausschreiben gegen den Pfalzgrafen ist nicht, wie man nach der Überschrift vermuthen könnte, ein einfacher Fehdebrief, der auf Grund rein sachlicher Darlegung das Ultimatum stellte; der Charakter der Schrift wird am besten getroffen, wenn man sie als Huttens einzige deutsche Invective bezeichnet. Ihre ganze Anlage und Ausführung macht sie zu einem vollkommenen Seitenstück jener lateinischer In- veetiven, in denen Huttens kirchenpolitische Stellung ihren schärfsten Ausdruck gefunden hat. Auch darin gleicht die deutsche den lateinischen Schriften, dass der wild dahin- brausende Strom ihrer Rhetorik sich nicht in eine ruhige Analyse überleiten lässt ; diese muss sich darauf beschränken, die Hauptpunkte sprungweise zu verfolgen, ohne dabei dem Werk eine Gliederung aufzuzwingen, die nicht in ihm liegt.

Die Schrift geht aus von zwei ungerechten Thateu, die Hutten von dem Pfalzgrafen widerfahren sind: dieser habe seinen Diener, der in seinem Auftrag zwei Abte angefallen habe2, als Strassenräuber aufgegriffen und hingerichtet; ferner ihm selbst Bücher und Kleider fortgenommen, die er Fuhr- leuten zur Beförderung durch pfälzisches Land übergeben hatte. Er wolle den Pfalzgrafen zur Verantwortung ziehen und nachweisen, dass der Kaiser keinem Schlechteren als ihm das Amt des Vicars «in vertrauen konnte. Der Pfalzgraf wolle nur die Freiheit Deutschlands vernichten und vergewaltige daher jedeu, der ihm zu selbständig uud mächtig erscheine. Man müsse ihm um des Friedens willen seine Macht nehmen. Insbesondere müsse sich der deutsche Adel gegen ihn erheben. Der Hauptgrund seiner frevelhaften Unternehmungen sei sein»»

1 Vgl. S. 167, Ulmann. Siekingen S. 311 f.

i Such Krnsnius (11. W. 2, 40!)) waivn »*s drei Abt»;.

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HISTORISCH KS.

Begehrlichkeit. Das Rechtsverfahren sei nur ein Vorwand, den Landfrieden zu brechen. In einer langen Reihe von Antithesen werden uun Hutten und der Pfalzgraf als wahrer und falscher Beschützer des Landfriedens contrastirt. Er habe das Unglück, dass der Pfalzgraf gerade an ihm eiu Exempel seiner Gerechtigkeit statuiren wolle. Gott werde den Tyrannen strafen wie dessen Verwandten, den Herzog von Wirteniberg; und nun giebt Hutten eine Geschichte des Pfalzgrafen von der Kaiserwahl bis zum Wormser Reichstag: ein letztes Glied in dieser Kette von Handlungen gemeinster Begehrlichkeit sei der Überfall auf ihn. Der Pfalzgraf habe die schlechten Priester für Geld iu seinen Schutz genommen und leite hier- aus sein Recht zum Einschreiten gegen Hutten her; er habe seinen Diener getödtet, um einen Beweis seiner Macht zu liefern und so noch andere zur Erkaufung seines Schutzes zu verlocken. Aber die Curtisanen würden trotzdem keinen Frieden geniessen, weil sie allein die Herrschaft des Papstes über Deutschland aufrecht erhielten und den glaubensfeindlichen römischen Hof unterstützten. Der Pfalzgraf vertheidige die Curtisanen nur um des Geldes willen; da er allein auf dieses sehe, könne er nur schlechte Genossen haben. Er habe auf Hutten schon vor dem Angriff auf die Abte streifen lassen, weil er diese Enthüllungen befürchtet habe. Aber wenn er ihn auch heimlich getödtet und dann eines Verbrechens be- schuldigt hätte, so würde man doch den wahren Grund er- rathen haben, ldu kanst doch sclbs nit, ob du schon gern woltest, vorwar kanstu nit, verhelen, das du förchtest, die weil ich der bin, der warheit zu offenbaren, vnd laster zu schelten pflege, das nit etwa vil ding, vnbillich von dir be- sehenen, durch meyne schrifft zu erkanntnuß kommen. Vnd dir nit vnwrisscn, das ich tyrannen zu verfolgen geboren bin.' Der Dieuer, der ihm abgefangen sei, dürfe nicht als Strassen- räuber betrachtet werden : er habe ihm nach alter Rittersitte in einem Kriege gedient, den er auf gemeinem Reichstag angekündigt hatte, ohne Einspruch zu erfahren. Wenn der Pfalzgraf dieses Recht abschaffen wolle, müsse er zunächst selbst Alles herausgeben : sein Vater habe nur durch Krieg Reich, Out uud Ehren, die er durch die Acht verloren hatte,

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FÜRSTEXKRIEG.

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wiedererlangt. Dann müsse er den ganzen deutschen Adel vernichten, da jeder Ritter einmal eine Fehde geführt oder unterstützt habe. Auf eine allgemeine Vernichtung des Adels scheine ihm auch das Wüthen des Pfalzgrafen zu zielen. Weil das Verfahren gegen ihu ein Präjudiz über alle Edel- leute bedeute, hoffe er von diesen kräftigen Schutz nicht für sich, sondern auch für die alten Ritterbräuche : 'wir iu vnsere vehden thun nit widder gewonheyt, recht vnd gute sitten, dan wir verthedingen vnser gut mit woffen, Beschirmen die vnschultigen gegen gewalt der mechtigen, erheben die vor- gwaltigten vnd vnderdruckten mit hilf vnd beistand ; versagen keinem frömen vnser arm und vermögen widder die bösen. Disses ist ein alte vnd vnstr&ffliche der Teutschen gewon- heit, welche, wo du abthun, ach got wie ein tyranney würstu dan vffrichten.' Hoffentlich aber scheitere der Plan des Pfalzgrafen. Zunächst müsse dieser sich selbst wegen seiuer Cbelthaten rechtfertigen ; vor allem wegen dieses Krieges, den er ohne Erlaubnis des Kaisers und Regiments führe. Die Schrift schliesst mit einer zusammenfassenden Charakteristik des Pfalzgrafen und der Androhung eines Rachekrieges.

Durch einen persönlichen Streit, der sich aus den kirchen- politischen Verhältnissen entwickelt hatte, war Hutten, der bereits den allgemeinen Kampf gegen das Fürstenthum auf- genommen hatte, in unmittelbaren Conflict mit einem Fürsten gerathen. Wie der kirchliche, so wird auch der politische Kampf erst dann von Hutten mit ganzer Kraft geführt, als seine Person hineingezogen wird. Der Conflict mit dem Kur- fürsten von der Pfalz ruht auf derselben Grundlage wie der allgemeine Streit zwischen Fürstenthum und Ritterthum, dem Fehderecht der Reichstage zu Worms von 1495 und 1521. Stellt man sich auf den Boden des gegebenen Rechts, so ist es leicht, eine Rettung des Fürsten zu bewerkstelligen, 'der von Hutten in dieser Schrift als Tyrann sondergleicheujdar- gestellt ist; insbesondere ist das Verfahren gegen Hutten selbst aus den Bestimmungen über die 'Nacheile' gewiss zu recht- fertigen.1 Auf eine solche Entscheidung aus den vorhandenen

1 Vgl. Ulmann, Sickingen 8. 242.

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IIISTOUISCIIKS.

Rechtsverhältnissen lässt sich Hutten aber gar nicht ein; und eben darin liegt die grosse Bedeutung der Schrift. Ihre Eigenart erhellt am besten aus einem Vergleich mit der Ver- theidigung des von Hutten als Leidensgefährten erwähnten Hartmut von Kronberg1 : auf eine juristische Erwägung seines Falles gründet dieser das Verlangen nach einem Schiedsgericht. Ein solches Rechtserbieten kommt Hutten gar nicht in den Sinn. Die ganze neuere Entwicklung des Fehderechts, aus der Alles zu begreifen ist, scheint spurlos an ihm vorüber- gegangen zu sein: die Thatsache, dass durch das bestehende giltige Recht dem Ritter, nicht aber dem Fürsten das Schwert entwunden ist2, scheint für ihn nicht vorhanden. Indem Hutten diese Rechtsverhältnisse, in denen der Sieg des Fürsten- thums über das Ritterthum seine gesetzliche Bestätigung ge- funden hatte, vollkommen eliminirt, nimmt er den grossen principiellen Kampf von neuem auf uud zwar in der ihm eigentümlichen persönlichen Art. Die Bestrebungen des Fürstenthums, die dieses im Kampf mit dem Ritterthum leiteten, werden dem Pfalzgrafen persönlich beigelegt, der doch nur das überkommene Recht vertritt: statt aus Rechts- verhältnissen wird Alles aus dem persönlichen Charakter des Mannes erklärt. So wird von dem Fürsten, den die unpartei- ische Geschichtschreibung zu den besten seiner Zeit zählt, ein Bild entworfen, das man auch ohne Huttens Hinweis neben das Ulrichs von Wirtemberg stellen würde; und im Gegen- satz zu dem Tyrannen Ludwig zeichnet sich Hutten selbst als Vertreter eines idealen Ritterthums. Von diesem Stand- punkte aus erscheinen die Persönlichkeiten der beiden Gegner in einer Beleuchtung, die, ohne dass im Einzelnen Entstellungen nachzuweisen wären, doch historisch falsch genannt werden muss. In litterarischer und publicistischer Hinsicht verdient trotzdem diese Schrift den ersten Platz in der gesammten Litteratur des Ritterkampfes; denn neben der äusseren rhe- torischen Form, die au Wucht, Schärfe und Beweglichkeit

1 Die bisher verloren geglaubten Schreiben haben sich im Archiv tu Hirk»'iifeld gefunden.

2 Ulmnnn, Sickingen S. 231.

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fCkstknkrieo.

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alle früheren deutschen Schriften übertrifft, ist es gerade der mit der Naivität des Ideologen vorgetragene Grundgedanke der Gleichberechtigung von Fürstenthum und Ritterthum, der ihr die gewaltigste Wirkung verschafft hätte, wenn sie zu ihrer Zeit an die Öffentlichkeit gelangt wäre: unter all den Fehdebriefen und Klagschriften des Ritterthums hat allein Huttens Ausschreiben an den Kurfürsten von der Pfalz die Bedeutung eines 'libellus in tyrannos'.

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ANHANG I.

Während Böcking in der grossen Briofsammlung auch nicht einen einzigen deutschen Brief Huttens aufzuführen ver- mochte, glaubte er nachträglich mit einem Male deren vier geben zu können.1 Aber genauere Prüfung ergiebt mit mehr oder minder grosser Sicherheit, dass alle vier Briefe nicht von unserem Ulrich, sondern von dessen Vater gleichen Namens herstammen.

Am leichtesten und sichersten ist die Beweisführung für die ersten drei Briefe, da sie den diplomatischen Weg be- nutzen kann. Böcking giebt für diese Briefe ausdrücklich an, dass sie von Huttens Hand geschrieben seien. Den Beweis für diese durch keinerlei Vergleiche gestützte Behauptung scheint das beigegebene Facsimile des zweiten Briefes dar- stellen zu sollen.2 Man braucht dieses jedoch nur mit dem Facsimile eines lateinischen Briefes bei Böcking selbst zu ver- gleichen3, um einen Unterschied wahrzunehmen, der nicht durch die wenigen zwischen beiden Handschriften liegenden Jahre, sondern einzig aus der Verschiedenheit der Schreiber erklärt werden kann. Noch klarer wird diese Beobachtung, wenn man das deutsche Facsimile mit eiuem der sicher auto- graphen deutschen Briefe Huttens vergleicht, die hier zum ersten Male veröffentlicht werden. Schon auf Grund dieser negativen Feststellung ist die Annahme gerechtfertigt, dass nicht unser Ulrich, sondern der ältere Ulrich von Hutton zum

1 H. W. Suppl. 2, 785 ff.

2 H. W. Suppl. 1. » H. W. 2.

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ANHANG I.

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Steckelberg der Schreiber dieses Briefes ist. Ein glücklicher Zufall ermöglicht nun auch den positiven Beweis. Bei den Schreiben unseres Ulrich liegt im Birkenfelder Archiv ein Brief, dessen Schrift genau der des facsimilirten Briefes gleicht; und sein Schreiber ist unzweifelhaft eben jener ältere Ulrich von Hutten zum Steckelberg. Will man sich also nicht etwa zu der Annahme entschüesseu, dass Böcking auch die Identität der Handschriften der drei Briefe unter einander mit Unrecht behauptet habe, so ist zugleich für den ersten und dritten Brief der diplomatische Nachweis ihres Schreibers erbracht.

Bei dem ersten Brief kommen auch noch inhaltliche Gründe in Betracht. Da dieser vom 13. Februar 1513 datirt ist und dem Inhalt nach in der Heimat, wahrscheinlich in Steckelberg geschrieben sein muss, so würde man durch dieses einzige Schriftstück zu der sonst ganz uugegründeten Annahme genöthigt sein, dass Hutten seinen ersten italienischen Auf- enthalt im Winter 1513 unterbrochen habe. Diese Folgerung erschien bereits Strauss so bedenklich, dass er sich ihr durch die Annahme ein Schreib- oder Lesefehlers zu entziehen suchte.1 Aber selbst wenn man sich entschliesst , diese Schwierigkeit auf solchem Wege zu umgehen, bleibt doch iu einer bisher übersehenen Stelle ein unüberwindliches Hindernis bestehen. In dem ersten Satze nennt der Schreiber einen Bruder Fried- rich: für unseren Ulrich jedoch ist kein Bruder, wol aber ein Vatersbruder dieses Namens erweisbar.2

Von dem vierten Brief hat Böcking leider anzugeben unterlassen, ob er von derselben Hand wie die ersten drei Briefe geschrieben ist. Obgleich man aus dem Schweigen eher für als gegen diese Annahme entscheiden könnte, muss sich doch die Beweisführung vorläufig auf die inhaltliche Untersuchung beschränken. Zunächst scheint für diesen Brief allerdings keiu Zweifel an der Urheberschaft Huttens bestehen zu können , weil er genau zu dem Bericht einer Erfurter

« 8traus8 8. 72.

2 G. Landau, Die hessischen Ritterburgen und ihre Besitzer, Tabelle »u S. 346, und J. M. Humbracht, Die höchste Zierde Teutsnh- Landes, S. 167 Vgl. auch oben 8. 89.

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ANHANG I.

Chronik passt1, den man bisher anstandslos auf unseren Ulrich bezogen hat: wenn man nach diesem Bericht annimmt, dass er schon in der ersten Hälfte des Jahres 1514 in Mainzischem Dienst befindlich und thätig war, so wird man auch diesen Brief, der wie jener Bericht einen Ulrich von Hutten in Erfurt für Mainz thätig zeigt, unserem Ulrich zuschreiben müsseu. Aber die Voraussetzung dieser Schlussfolgerung, die Identificirung des Ulrich von Hutten der Erfurter Chronik mit unserem Ulrich, ist schlecht begründet. Nach allen zu- verlässigen Nachrichten ist unser Ulrich erst 1517 nach seinem zweiten italienischen Aufenthalt in Mainzische Dienste getreten, wie ihm dies nach seiner eigenen Aussage bei seinem ersten Aufenthalt am Mainzer Hof im Jahre 1514 versprochen worden war.2 Dass er schon vorher als Mainzischer Com- missar verwendet worden wäre, ist um so weniger glaublich, als er in seinen gleichzeitigen genauen Berichten über seine Beziehungen zu Mainz hiervon nichts erwähnt und auch von Seiten der Erfurter Humanisten, mit denen er bei seinem dortigen Aufenthalt 150(5 in Verbindung getreten war, nichts verlautet. Hingegen geht aus dem dritten der oben be- handelten Briefe des älteren Ulrich mit ziemlicher Sicherheit hervor, dass dieser schon Ende 1513 und zwar in Erfurt mit dem späteren Kurfürsten von Mainz über seinen Eintritt in dessen Dienste verhandelte.3 Hiernach ist man berechtigt den Maiuzischen Commissar wie den Schreiber des vierten Briefes wiederum in dem Vater unseres Ulrich zu suchen. Würde man somit auf die hübsche Anekdote von dem ge- waltsamen Rechtsverfahren für unseren Ulrich verzichten müssen, so fiele andrerseits der ohnehin wenig gegründete Verdacht Böckings, dass Hutten dem traurigen Richter- collegium angehört habe, das den 'falschen' Pfefferkorn ver-

H. W. i, 32 f.

- Hutten S 77 und H. W. 1, 43.

3 Allerdings fällt unter den Gründen, mit denen Böcking auf Albrecht von Brandenburg als Adressaten schloss, die Verfasserschaft Huttens fort; dafür muss man berücksichtigen, dass dieser Brief sich mit dem ganz gleiohgearteten und sicher an Albrecht geriohteten vierten Brief zusammen erhalten hat.

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ANHANG II.

1 2:5

urtheilte.1 Wonu gegen dieses Ergebnis eingewendet werden kann, dass eben jene Anekdote vorzuglich zu dem Charakter Huttens passt und ferner seine 'exclamatio in sceleratissimam Joannis Pepericorni vitam' eine genaue Kenntnis mit dem Hallenser Ereignis voraussetzt, so ist auf diese Einwände zu erwidern, dass erstens die betreffende Charakterähnlichkeit zwischen Vater und Sohn ebeuso begreiflich wie bewiesen ist und dass zweitens Hutten die bezüglichen Kenntnisse sehr wol durch ein damals sehr verbreitetes Flugblatt erhalten haben kann.2

ANHASG IL

Eine Untersuchung über Huttens Wendung zur deutschon Sprache darf nicht an einer neuesten Erklärung stillschweigend vorübergehen, die bisher von keinem Kritiker beanstandet worden ist. In dem Buche 'Von Luther bis Lessing' stellt Friedrich Kluge auf Grund eines Fundes in der Jenenser Bibliothek eine Erklärung jenes Vorganges auf, die er schwer- lich für eine einfache Ergänzung zu Strauss' Ausführungen gehalten hätte, wenn ihm von diesen mehr als die eine halbe Seite gegenwärtig gewesen wäre, mit der er seinen Fund in seltsame Verbindung bringt.

Der bekannte Stadtschreiber und Buchdrucker Jacob Köbel hat im Vorwort einer 1519 erschienenen Schrift an Hutten die Mahnung gerichtet, sein *hohe kftnst vn lere vnscre teutschen zungen durch seyn Translation auch ynzugyessen1. Hieran knüpft nun Kluge folgende Bemerkungen (S. 13): lDieser vor der Nation ergangene Mahnruf, der vielleicht nicht vereinzelt geblieben ist, dürfte auf den ritterlichen Humanisten Eindruck gemacht haben; er rechtfertigt alsbald seine la-

» H. W. 3, 343 ff.; Strauss, 8. 74. 8 H. W. 3, 349 ff.

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ANHANG II.

tüinische Schriftstellerei, mit welcher er die „Kirchenhäupter gleichsam unter vier Augen nahe warnen wollen". „Latein ich vor gesebriben hab u. s. w.u So wurden conservative Gemüther, die zu einer friedlichen Ausgleichung der Gegen- sätze hin neigten, in die revolutionäre Bewegung gezogen, welche jedem unabhängigen, jedem national gesinnten Kopf einen gewaltigen Einttuss auf die Tagesfragen und eine bleibende populäre Berühmtheit versprach.' Kluge hat augenscheinlich folgenden Anfang des bezüglichen Kapitels bei Strauss mehrfach missverstanden : 'Noch in dem Sendschreiben an die Deutschen aller Stände . . . hatte sich Hutten als auf einen Beweis, wie wenig es ihm um gewaltsamen Umsturz zu thun gewesen, darauf berufeu, dass er bisher lateinisch geschrieben habe, um die zu reformirenden Kirchenhäupter u. s. w.' Strauss hat diese Vertheidigung nur angezogen, um zu zeigen, wie spät noch Hutten seiner Meinung nach der deutschen Sprache fern stand; Strauss hat diese Vertheidigung sicherlich ebenso wenig ernst genommen wie Hutten selbst, der gewiss gestaunt und seine Verfolger weidlich verspottet hätte, weun auch nur einer von ihnen auf diesen sophistischen Beweis seiner Friedfertigkeit eingegangen wäre und darauf hin den Herausgeber der Schrift 'de unitate ecclesiae conservanda', den Verfasser der 'Trias Romana' hätte laufen lassen als 'ein conservatives Gemüth, das zu einer friedlichen Ausgleichung der Gegensätze hin- neigte'. Mehr noch wäre Jacob Köbel, der überdies trotz seiner Beziehungen zu Luther und Hutten der katholischen Reformpartei angehörte, überrascht gewesen, hätte crjseinem ästhetisch - philolologischen Verlangen die Wirkung zuge- schrieben gesehen, jenes 'conservative Gemüth' 'in die revolu- tionäre Bewegung gezogen' zu haben.

Doch Kluge hat nicht nur die Vertheidigung fälschlich ernst genommen, sondern zugleich auch deren Inhalt verkehrt: aus Strauss' Angabe, dass Hutten seine kirchenpolitische Stellung durch den Hinweis auf die lateinische Abfassung seiner Werke zu rechtfertigen gesucht habe, wird eine Recht- fertigung der lateinischen Schriftstellerei und zwar^auf Röbels Mahnung.

Der wichtigste Punkt in Kluges Darstellung ist die

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ANHANG II.

125

Behauptung, dass vorzüglich Röbel Hutten zur deutschen Sprache geführt habe. Eine solche Behauptung könnte wenig- stens einen Schein der Berechtigung haben, wenn zwischen Kübels Vorrede und Huttens Übergang keine anderen Motive für diese Ereignisse zu finden wären. Nun hätte aber Kluge, statt mit einem 'alsbald' über diese Frage fortzugehen, auch nur die Folge jener verhängnisvollen halben Seite sich gegen- wärtig zu halten brauchen, um die persönlichen und politischen Motive aufgezählt zu finden, die thatsächlich den Ausschlag gegeben haben. Neben diesen kann Köbels Mahnruf ebenso wenig ins Gewicht fallen wie Schwarzenbergs Aufforderung zur Catorevision oder Sickingeus Anregung zur Febrisüberserzutig. Schliesslich noch die Bemerkuug,^dass* bereits in einem Auf- satz über Röbel in den historisch -politischen Blättern für das katholische Deutschland 1878, Bd. 82, die Widmung au Hutten angeführt wird.

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NACHLESE.

Birkenfeld 12. Apr. 1520.

Ulrich von Hutten an Bernhard von Hutten.

Meynn dinst zeu vor lieber veter vff gester Oster mitwoch bin jeh alhir geyu birckenfelt körnen vnd von meyner basen so vyl vorstanden, das es der jungfrawen halben, jr wol wist gar mit nicht vor mich jst. Nün solt ihr vornemen wy es eyn gestalt vmb mich hat. Jtzo do jeh zu bamberg bin gewest, der meinug bey dem bischoff dinst an zeu nemen, jst mir schrifft von frantzen von Sickingen körnen, deß jn- halts, er hab mir durch den bischoff zu lüttich, doch selbs auch bey wesend, dinst bey dem Hertzogen ferdinando kor Mt bruder zu wegen bracht, der hab eyn sonderlichen gefallen ab mir, vnd sey seyu rat, das ich alle ding zu rück ge- schlagen, mich eylents erheb vnd hinab körnend mich guedt^ hertzog^ anzceyg. Was meyn sold, stand, vnd beuelh seyu, würd er frantz mich vnterweg^ wan jeh jm anspreche berichten. Gibt mir vortröstüng dißer dinst werde gantz vor mich seyn, myt er vnd nutz erschißlich darvmb ich mich erhaben, vnd denck jtzo in eine reyten hin ab, was mir dan hernach be- gegnet, wil ich euch zu seine> zeyt nit vorhält^, Vnd bitte jr wollet jn mitler zceyt vmbsehen vnd gedencken, ab hie zcü land etwas vor mich sey, off das ich mich nit jn eync) fremb- deu art indtschlagen dörff. Wo jr dan etwas vornemet, so wollet all vmbstend erfragen, vnd sehen, off was woge man es angehen müsse, darnach mir sollichs zeu erkenen geben, 2C. Was jeh euch vud den ewern dan auch hernach an dem oder andern enden libs vnd dinsts magk fügen, werd jr mich gantz ewers gefallens haben. Ewern sprüch wüst ich gantz

I IUI .

Anm. Für die Textgestnltung sind Böckings Grundsätze mass- gebend goweseii.

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ULRICH AN BERNHARD VON HUTTEN.

12t

nit bessern, dan die reymen gar nicht dochten, Off das

euch aber gefallen widerfür, hab jeh die arbeyt daran gelegt,

vnd jn gleycher meynflg eynr* sprüch gedieht, den jeh euch

alhie lasse, mit bitt den je in keyne wegk vnter meyne namen

auß zu breytt^, oder jmants zu weysen, dan ir wol zu ermessen

hapt, was mir auß sollichem mocht erschis9en, So vordenckt

man mich an das, so bald etwas newes auff kümpt. So schicke

jeh euch auch eyne sprüch von kauffleut^ haben her hanß

v. Schwarzbergk vnd ich gemacht. Wenn ir dy ausschreybet,

so wollet je acht haben das jr nichtes darinnen vorwandelt,

dan die reymen seyn nach der kunst mit sylben gemessen

vnd lassen sich nit ander aussprechen. Als nemlich jn dissem

wo er dan fürchtend sollich bschwerdt Seynn schaden fleucht, das recht nit gerdt,

Wenn jr hie wolt die worter vorwandeln vnd schreybt be- schwerdt, vnd begerdt, wären die reymen vngleych vnd hett^ nit iren gutt^ laut, der gleychen an andern orten, ic. frantz hat mir geschrieben ko. Mt. werd in dissen meyen heratlß seyn. Sunst weyß ich nichts newes dan das der frantzoß, venediger, vnd bapst eyn new bündtniß haben zu samen gemacht. Hirmit seyt got beüolhen der frist euch lang gesundt.

Dat^ zu birkenfeit meyn hand vff dounerstagk nach dem heylig^ Ostervest jm jar je xx

Virich vom Hutt^ ?c

DEm ErnVesten bernhart vom Hutten zu birckenfeldt meync lieben vetern zu hand^.

[Huttens eigene Handschrift. Archiv zu Birkonfeld.J

Ebernburg U. Sept. 1520.

Ulrich von Hutten an den Kurfürsten Friedrich von

Sachsen.

Dem Durchleüchtigen Hochgeboruen Fürsten vnd hern, hern Friderich Hertzoge Hachsen vnd Ohürfurston ic. Entbeut ich Virich von Hutten meinen vnterth&uigen willigen dienst.

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12S

NA ('Uli KSK.

JEtzo erst sych ich 0 Edler Fürst, das man den Römischen tyranneii entgegen grymineu müß, ia ytzo erst, nachdem vnsere freund die Romanisten, offt bruderlich vermäte, offt mit darbrachten vrsachen vberdisputiret, wollen nitt alleyn in den dingen do mit sie vnß bcschwern etwas uachlossen, sonder ye mer, vnd mer vntersthen sye sich gätz trotzlich die frey- licher dft sye hievor gepflagcn, zü. treyben. Villeicht hastu wol gebort wie sie mich gefangen gen Rom fordern, vnd wie billich oder jnen gemaslich das besehen verstanden. Aber ytzo, hilft1 gott, wie ein vngestüme, wie ein grymmige bullen, habenn sie wider Doctor Luther her geschickt.1 Fürwar das ist ein rechtes lewen geschrey , dz die armsalige' schoff Christi hörend, nitt als ein güttige stini jres hirtens erkennen, sonder als gege einem blütdörstigen gral eines nachstellen- den böstes erzittern. Dan der massen wütet vnd tobt der bapst Leo,2 in seynem zorn, das ich keyn füßstapfen Christ- licher miltikeyt, kein anzeygens d' Aposteln sitlicheyt bey jnen finde. Vnd am meynsten erscheynet seyn grimikeit wen er (als offt in gedachter bullen) sich selbs birget, 3 vnd ein erdichte gütte vfl gütwillikeit fürwedet. Als nämlich an de ortt, do er de |* Luther ge Rom erschmeicheln vnd'stet, als ob wira nit vor wüsten wie er vns halten werde, wo eynweders Luther von jm mit gütten Worten vberschwätzt gen Rom käm, oder b ich mit gewalt0 do hin gezoge würde.4 Hyrumb will Luther meynes ratzs volgen, sol er nymmer in den gewissen todt gehen. Aber meinet halben wundert mich vast, wer denn Rapst überredt, das ich so leichtlich fahen, vnd gefangen vber das hoch, vnd schwerlich er- steygen gebirg hin füren sey, ob er das schonn vermocht, so gehört doch je keine hirtö zü, 5 seyne schaff ermorden, einem bischoff oder stathalter gotes, seynen nechsten Christen menschen vnbeklagt, vnuerhort, on gericht vnd recht mitt grymm vnd gewalt der marter vnd dem todt nemmen.

1 Bapstlich bulen wider doctor Martin Luther. *• ob ir wir. a Griramung vnd wuttag des bapst. b- odet.

3 Vuie der bapst seyne bösen willen zu bergen | bilgera] melt [meitj.

4 Dein bapst nit zu glauben. c- gewalr.

6 Kyne« birtcMi oder bisohofT [ bischoff j nmpt. * i'iijl».

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KLAGSCHRIFT AN DEN KURFÜRSTEN VON SACHSEN. 120

So habenn wir* nichtes vbcls gehandelt,1 gibt vns auch keynes lästere schult, sonder voruolget vnß vmb das wir die Ewangelischen warheyt, vormals lang zeit von den bäpsten, vmb gewinstes, vnd jres eygene" nutzes willen, auß gebrauch gesätzt vfi nahet gätz abgetilget, wider jrem weßen vnd dem lecht bringen vnterstandeu , vnd nitt haben leyden mögen, vnser vatterlannd Teütsch Nation, der doch vor andere allen freyheit gebürt, in gefegnüßb vnd dinestbarkeyt gesatzt werde. Disses hat dem bapst mißfallen , aber gott behagt,2 der verdampten deß Römischen stülcs geytzikeyit schaden bracht, aber vnsermc vatterland, das lang her seiner freyheit beraüpt gewest schelbarlihe nutz vild fröme gericht.2 Nu möge" wir nit in de wir got thiene wölle, d* begirlichheyt eines yden sundtliche menschens gefalle vnnd in dem wir gemeynen nütz deß vatterlädß ra |* ten dar neben auch der Romanisten willes8 gelebe. Hierumb mögen wir mit jnu keynen friden habe, dan sie kriegen wider die warheyt/ Darumb sag ich wie vor, ytzo mflß jm entgegen gestalt werden, dan ytzo ist jr rauberey am gröste, ir mißlebe vnd vnfrökeit vffs höchst auff gestigen. 3 Vn nit allein auß der vrsach , sonder auch die weil es als mich bedunckt, zeyt ist, das got (als der Prophet sagt)4 den hochfertigen der do stöltzlich steigt vber die schwellen deß gottes hauß, vnd erfüllet das mit be- trug vn vngerechtigkeit, besuche vfi rechtfertige, vff dz zer- knütschet werde, dz krentzlin d' trückenne Effraim.6 Fürwar mich betriegen da" alle meinne synn, ist es nit weyt dar von, das (als im buch der heymlichen Offenbarungen geschriben) fi nider falle die groß stat Babylon ein müttcr aller buberey, schand vfi laster der weit, die durch abwerffung irer schäm vnd eren, hat die gantzen weit geergert. Jch meyne den stül Rom, wie wol der aller schandt vnd vnreynigkeit vol mit allen übelthätten, bößheiten vnd argem leben verwickelet,7

1 Luthers vnd Huttgs sach. *• mir.

* Oott vnd de bapst thinne b- ingefegnüß.

$ Der Romaniste sach ytzo am höchsten c- vnsetm.

4 Sophonias.i. d- vn vor schelbarlihö.

5 Bsaias. .xxvüj. «• willes.

6 ApocajLvij. t werheyst.

7 Der stul au Rom. * e iiij a.

QF. LXVIL 9

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1 30

KACIILKSK

sich gantz weyt außwondig von Christi lär holt, wil doch an gotcs statt geacht, vnd allein ein haupt der gantzen kirchen, vrl ein oberkait aller Christenheyt geuennt* sein, vn weyset vns seinen abgot, den gekrönten bapst.1 der wiewol nichtes mer da weltlich regierüg, zeytliche reichtiunb , vnnd W ol- lust deß körpers achtet, auch vmb dorn willc krieg füret, vn blütt vorgeüßt, wirfft er doch für die äugen Christ glaubiger loütt, seynne Schlüssel, mit de er die hymmel auff züb schlissen vernieit,2 vn sich des selbige gewalts also mißbraucht, j* das er vns heylig, geystliche, vnd hymelischc ding taglich vmb gelt verkaüff't, auch etwan der selbige gebraüch,3 so offt jin geliebet, frommen Christo verbeut, vnd benympt. Fürwar er wirt fallen, er würt ye falle. Vnd ist mir gleich als ob ich ytzo horte, die stym in Apocalypsi,4 die vns wider das vil- köpticht thier reytze, sprechend, Gebt jm wider nach wert seiner gaben vnd zwifaltiglich gebt jm belouüg nach seynen wercken , das getrenck es euch gemischt das mischet jm zwifaltiglichen wider.5 Als ser vnd stöltzlich0 sich erhocht, vnd in wollust gelebt, also brengt es zu peyu vnd iamerlicheni leyd. es hat in seynem herzen gesprochen, ich sitze ein kü- nigin, bin nit ein wittib, vnd werde nyemer trubnuß erkennen.0 Eindt weder dißes wirt sich ytzo begeben , oder aber mich betrügt ein so ebene vergleichung als ich nie gesehen. Auch so seind diße ding vffs höchst auffgestigen, vfl mögen höher nit kommen, der halben zu achten, das sie fallen werden. Wer sol aber jr jnne räch geben? Wer müß das böß regiment vnd mißleben straffen, vnd in besserung setzen? Wirt es got thttn?7 Ja er würt tliil , aber wie er oft't hye vor gethau durch die hend der mentschen. Jn weihe euch Fürsten gebüren wil,8 vnns mit rat vnd hilff züuorsehen, znuorau dir, als vff den geerbt ist, der teütschen freyheyt

1 Der bapst ein abgott *• geneint.

2 Des bapstet» angenomner gewalt. zu.

J Des bapstea angenomener gewalt. r- stotzliHi. 4 Apoc.xviij. * e iiij b.

,; Huttens meinung vnnd glaub.

7 Gottes straff

* Der furstnu gebtir.

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KLAGSC1IKIFT AN DEN KUKKÜKSTKN VON SACHSKN. I H

wider zubringen. Ilirumb duck wie du dissen dingg ratgebest, in wz wegs, mit was anfangk, denn sachen helfen sey.1 Wolt gott eyndtwederß der müt wer bey eüch, die jr macht habt, od' aber wir bey den müt ist, hetten die macht,2 das wir nebe de vnschuldige lumblin, dem selig macher des menschlichen geschiiehtos , möchten kriegen ge |* gen dem gehörnte thier, dz aller Christenheit beschwerlich vnd schäd- lich,3 mit aller macht anficht die warheit, bekömert die hey- ligen, vnterdruckt mit gefengnus die freyhen, beuimpt vns vnsere guter, vorschlindt vnsere naruug, ergert die gemeynr sitten , läßt sich anbette von denen, deren namen nit ge- schriben stund in dem büch des lebens. die selbigen sagen vns. Wer mag sich mit dem thier verglichen? oder wer gedarff wid' dz kryegc? Hyrumb, wolauff ire die macht habt, kompt d' gemeyn hilff. lasszet vch ewere macht mit vnserer künheit vermischen, vn same thün. Dan wo das geschieht, mag dem gemeyne gebresten geholfen werden.4 Als vil in mir ist, wil ich mit güten vermanungen von eüch nit lassen, sonder alzeit fleyssigklich anhangen, bitz so lang ich entweders sehe frucht darvon komen, od' aber wisse das ich vorter mer kein vnnutz arbeit an eüch lege solle. Dan so bald ich das vermercke, mag ich darnoch vff andere weg, vns helfen trachten. Jr sollt aber daruor sein, dz solichs nit uöten werde. Dan ir das wol vermöget. So wil eüch übel nach geredt werde, das yemant and's dan ir, de dinge dere ir häupter seyt, hilff bringe.5 Xit allein wir, die icli yetz vennane, trage dieser ding beschwernussz, sond' alle Teütschen in gemeyn, dencken die Komanisten irer freyheit berauben, vn in verderbnussz siitzen. Dißer zweyer, solt ir dz erst nit leyden, als freye Teütschen. Das and' verhüten, als vnsere fürsten. Etwan Rom pflag der alt Cato sprechen,6 man solt die oberste eines regiments mit steynen außwerfen,

' * fia.

2 Apoca.xvij.

3 Der Bapst

4 Hutten vuil mit [nit] vermuiiüg Anhalten.

5 Das dises ein gemyn sach aller teütschen ß Cato der nit

'.»*

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l:*2

NACHLESE.

die wol mochten vnd doch nit verhüten da« yemants gewalt geschah. Dan dißes meynt er von nöten sein, wo man wol regiere wolt.1 So ist es ye vnzimlich, übelständig, vil schand- licli , ein Nation die über alle weit regiere |* vnd herrscheu sol, yemäts dienstbar gefundeu werden, ich geschweyg, d' müssigghede vnnutzö pfaffen. Wolt gott die Türcke herr- schten ec über vns.2 dafl die Türcken seind doch redlieh leüt, streng, Btarckmütig, vnnd der kryeg so verstendig, als man yergett ein nation finden mag. Hyerüb wo wir de selbigen vnterworffen , mochten wir doch dem glück (das in kryegen vil vermag) die schuldt geben. Vber das, so regieren auch die Türcken miltigklicher, dan die bäpst, halten bassz gerechtigkeit in ireni regiment. So hör ich auch, sye kryegen nit vmb des glaubens willen, sonder vmb das sye eer er- werbe, vnd ir gebyet weyteren.3 Aber diße vnsere herren, halten kein massz in betrigen vn beraube. So möeht d' glaub tieffer nit verdruckt werden, dann wenn die fürsten der geyst- licheit, in allen dingen der leer vnd gesätz Christo, auch warer geystlicheit entgegen leben.4 Offt schäm ich mich des teütschen namens, wen ich hör, das der bapst eüch fürsten sein gebott, das er dan so offt im geliebt .vn sein nutz ist, thüt hyeher senden, vn ir seyt im gehorsam.5 Wie wol du allein dich nechst fürstlich bewisen hast, do du dem Luther von allen verlassen, zu enthalten vnterwunden. vnd wirtst gesehen0, noch ein füncklin alter b tugent der teütschen bey dir haben, voun welchem ich hoffe, werd sich noch ein grossz heylsam fewer anzünde dz ich dich flehelich bit, lang thün wölst. nit allein darumb dz es nöte, sond' auch vni dz wir sollichs zu keinem and'n fürstP billiche verhoffen.6 Dali alweg sein die Sachsen frey vnd vnüberwindtlich ge- west. vnnd offt weil gantzes teütsch land ist bezwunge ge- west, so haben die noch widerstridt , vnd seind allein die Sachsen, unter allen andern teütschen, die nye einem auß-

1 TeütschC läd gebürt freyheit «• gesehen.

2 Die Türcken. b- aller.

5 Der bapst regiment. * f i b.

4 H. Schämet sich des teütschen namens.

6 Herrzog Friderich 6 Lob der Sachsen.

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KLAGSCHRIFT AN DEN KURFÜRSTEN VON SACHSEN. UIH

lendige hern» vnterworfen, nyc kein joch getragen od' be- zwanck j* gelitten. Jn sollicher rechnung, gib ich eüch die Westphole auch zü, vfi die man vor zeitö Cheruscos vii Caucos hatt genendt. Die selbigen haben sich übcrauß redlich vnd erlieh beweisen in dem Römischen kryeg, den etwan d' koyser Octauianus mit vnsern vorfaren gefürt. Von jnen ist auch herkommen, der aller vnüberwindtlichst, vnd starckmütigst heldt Arminius 1 (welchem gezeügnussz vnuerglichlicher tugent vnd eeren sein eygeue feynd geben) der nit allein sein ort, gebyet vnd vatterland, sonder die gantzen teütschen nation, den hendr» der Romer, vff die zeit, so sye am aller mächtigsten vnd in der bluet irer herrschung waren, erlößet vnd wider in freyheit gesetzt, den Römern grosszen vfi vnuer- glichlichen schade zugefügt, sye letst gestrenckiich ver- jagt vnd außgetribe.2 Was mag nun wol derselbig heldt, in jhener weit sagen, wenn er sieht vns teütschen, über die er doch die Römer etwan, do sye redtlich vfi adenlich leüt vn herren der gantze weit wäre, nit gewolt herrschen lassen, den weychen zarten pfaffen, vnnd weybischen bischöffen vnter- worffen seind?3 Fürwar er würt sich seiner nachkömende schä- men. Was seindt dafi die drey keyser Otthen für leüt gewest ? Vnd etliche keyser Heinrichö die ewers geblüts. Auch hat sich, was Sachsen für leüt seind, in dem kryeg, den sye etlich vfi dreyssig jar gegen dem grosszen Carolo gefürt bc- wisen.4 Dan vff dz selbig mal habe sye scheinbarlich irer macht vn tugent anzöigung gebe. Es seind auch Sachsen gewest, die zürn letstö die überbliben Gothen abgetilget habe, die Engellant bezwüge,5 vn nach außtreibng d' inwöer ein newes volck auß jn darein gesetzt, dio sye Engellischen vn Schotte genent haben.6 Wz sol ich sage den alten Cymbrc Teütonen , die seind vor zeitö nit on grossze verdörbliche |** schaden, der statt Rom, auß Sachsen in «Italien gezogen7. So

1 Arminius der aller stärokest Teütsch. * f ij a.

2 Vuie uuir teütschen vns geergert habe [nahe]. ** f ij b.

3 Den uuibischg pfaffen nntervuorffen sein.

4 Karolus Magnus.

5 Die Gothen.

* Engellender vnd Schotten. 7 Saohsen in Italien.

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NACHLESE.

ist auch nachmols offt ewcre nation in .Italien geruckt, das geplündert, vnd der glichen Gallien verwüstet, die Hispanier angegriffen. Auch habt ir dapfere that gegen den Polen geübt. Dein landßknecht haben auch grossz lob erworben, vnd schont? überwindtnussz erstlich von den Hünen, darnoch Yngern bracht. Vil wil ich yetzt nit verzelen. Dan eins ist genüg, das allein die Sachsen nie keyne außlenderu vntersvorfen gewest.1 Das stot eüch wol zu bedencken. vff das nit ewer alten (die sollich leüt gewesen) ire tilget au eüch schwinde* sehen. Jr habt sye hyeb vor, so wol als wir andern den Bapsteu überschwätzt, dz joch der dienstbarkeit vff eüch auch genömen.2 dieweyl dz aber, als für ein gemeyne plag vfl straff christliches voleks achten, möcht ir die selbige nachred6, mit einer neweu eer bald abtilgen, wo ir werd sein anfängor vnd forderer, einer erlichen vnd loblichen sacheu. das durch eüch teütsch Nat-iö wider in freyheit gesetzt werd, vnd ir selbst körne, die noch yetzt (dz gott geklagt) nit versteht, vfi leyder nit mercket mit wz vnbillicher beschwerde sye belade.3 Dafl wiewol all«1 menschen bezwanck vnnd dienstbarkeit übel anstcndiga, so ist doch vor an schandtlich , das die allen andern ge- biete sollen, yemant mit dienst vn pflichten vnterworfen sein.4 Hyrumb solten wir teütschen, entweders vus den titel des Römischen reychs nit züschriben, vnd alhye einen Keyser wolen,5 der allein den namen, so er von der sache weyt ist, habe, oder aber mänlich die Bäpstliche tyräney ablegen, vnd ehe wir andern gebieten, vns vor selbs frey machen. Plato sagt,6 alle tugent sey frey, vfl allein die bösen seyen dienst- barkeit würdig. Wolle wir nun lieber vnd' de bösen gezelt, dafl für tugcn tsam geacht werd j* en? Wen der streng haubt- man Themistoclos noch lebte,7 möcht er wie vor zeyten, denS von Eretria, also auch yetzo vns Teütschen sagen, ir habt das schwort, mangelt aber des hertzen. Dan es ist vast die

1 Einig lob der Sachse «• winde.

2 Ein gemeyn plag der Christenheit. b hye. ;* Vnser tcütsohen Schunde «• nachfrid.

1 d- aanstendig.

5 ein tcütschcr keyser * f iij a.

Plate.

7 Themistocles

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KhAGSCHKIFT AN DEN KURFÜRSTEN VON SACHSEN. 135

selbig mcynng. darinnen ich mich ser verwunder, 1 was doch ir Hörsten gedenckent, wen ir mich einich arme edelman seht, mit vngedult diße vnbillikeit leydeu. Dan vil mer solt bey eüch solliche sorg sein.2 Hetten deine altern alleweg lob zu erwerben cingenömen vnd besatzt, also das dir kein vrsach oder be- quemnussz eer erlange über blibe war, mochtest billich weynen. Sye haben dir aber den aller breytsten vn frucht- baresten züganck offen gelassen, hyrumb dir den on weytter harre od' bitt an zäfallen vnd einzünemen gebürt0. Vnser fursatz kan aber nit wol on schwertschlagk vnd blüt vergiessen fürganck haben.3 dz gib ich den besorgen, die vnsz b irer Verfolgung vrsach geben, wiewol die vast würdig seind, letst mit dem schwert geschlagen werden, damit sye so lange her andere geschlagen vn gemordt haben. So pflege die weißen Ertzte, schwer kranckheiten mit bitterer ärtzney auß triben.4 Also müssz man auch hye thün, wo vif andere weiß nit mag geholfen werde. Jch acht das ich dir schimpf- licher nachred vnnd schmach die wir in dißen dinge leyden müssen (das ich dan billich forderst gethan) genüg gesagt habe, von dem schaden vnd nachteyl den vns Kömische tyräncy bringt, darff ich nit lang wort mache. Daß yeder- man wie dz gestalt bey jm selbst ermessen kan.5 Wir sehen das wir nahet kein golt, noch silber mer in teütschen lande haben. Jst aber noch etwz hye, dz selbig dem allerheyligstcn stÜl Rom mit vnsprächlichem grosszem geytz, vnd täg- liche new erfunden künsten vnd listen, jm. zyehen. vnd wefi er das daü |* also an sich bracht hatt, zürn aller hosten gebrucht werden/' Dan ob ir teütsche wolt wissen was doch vnser gelt Rom machte, wil ich eüch des, so vil ich ge- sehen, auch berichten. Es thüt wol etwz. Dan ein teil zer- strewet bapst Leo vnter seine neue, vettern vnd fründ, der er so vil hat, das Rom ein geineyn Sprichwort ist." Bapst

1 Teütsche fürsten gebürr.

8 KrmanUg zu Hertzog Fridorichen b- vssz.

3 Vuie ein reforiiiation gescheen möge * f iij b.

4 Gleychuus8z uon den Ertzte s Schaden uon Ko. tyranncy

* Vuie die Rö. unser gelt brauchen. 7 Des bapstes früinle.

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136

NACHLESE.

Leonis freünd. ein teil verzeren also viel hochwürdigsten, der Leo vff einen tag .xxxj. hat gemacht,1 also vil Referen- darie, Auditores, Prothonotarie», Abbreuiatores , Bapstliche Cäntzler vnd schriber, des bapstes kämercr, Official, vnnd der glichen andere, die fürnämsten der Römischen kirchen. Welche darnoch weyter nach jn haben andere ämpter vnd dienst die auch mit grosszem gelt erhalten werden müssen, das seind Copisten, Pedellen, Leüffer, Koch, jnkeüffer, Außkerer, Esel- krätzer, Stallbüben, ein vnzälich schar Hüren und büben, vnd ein grosszes hör d' ruffianer.2 Solliche halten hund, pferde, merkatzen, aflFen, vnd ander gethir von lust wegen. Etliche bauwen heüser von eytel marmelstein, essen und trincken reylich vnd wol, kleyden sich kostlich, vnnd on allen abbruch, was ires leibs nit allein notturfFt, sonder auch lust gehört, schaffen sye jn guten rüwe.3 Die Sum daruon reden, findt man alzeit ein vnaußsprechliche grossze zal böser, vn- flatiger, vntüglicher leüt Rom, auff vnser gelt müssig gehen.4 So denckt Rom niemant vff göttliche oder geistliche ding, ja veracht die, vnnd mer dafi bey dem Türcken selbs ge- schieht. Vnd sein der Römer werck, betriegen, auffsatzen, mit Worten wercken gewin süchen, vn gemeynlich ist ir aller sin vnd gedencken, wie sye nur \T> vns teütschen gelt bringe möge.r) Jr leben ist allein wol essen, trincken, vnnd (ob schon mit grosszem kosten) alles leiblichen |* lusts pflegen, das sye dafi mit vnsermb gelt ausfüren c. dißem gebruch schicke wir järlich ein großes gelt geyn Rom, vnd wollen noch nit verstehen vnd mercken wie übel das angelegt, vnd das es also gar verloren ist was wir do hin gebe.6 Wicwol nit dz ärgest schetzen das es verloren ist. noch bößer achte ich, das es anrichtüg vnd stifftung vnsprächlichs grosszes Übels kompt. Hyerumb wo aller teütschen meynung wär, etzlichen alten Philosophen glich leben, vnd das gelt hinweck werfen,

1 Di© Rümiachö ämpter. «• Prothonatorie. 8 Köstlich leben der Romanisten. vnsern. 8 Müssigganger zu Rom. c- ausfürom. 4 Oeystlieheit zu rom f inj a. & Der Ro. leben.

* Das uuir mit unserem gelt schand uD übel stifften.

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KLAU SCHRIFT AN i)KN KURFÜRSTEN VON SACHSKN. 137

so stossen grosszc see vnd mör au teütsch land, es sindt auch grossze wasser vnd flüssz, alhye bey vns der Meyn weyter hinüber der Rheyn, dort bei euch* die Elb, vfl andere der glichen, werffen wir das selbig gelt da hinein, vnd verlieren das selbig lieber, dann das wir sehen wem es bleybt. Die leüt vmbs gelt wille verlöre" werden, dieweyl wir alle schand vfi laster Rom domit enthalten vnd ernert,1 vnd die sel- bigen so überflüsszigklich, das etwas vonn dannen her vns reicht, dardurch wir Zerstörung gtiter sitten, vnd ein gemeyn ergcrnussz menschlichs lebens vnter vns sehen. Es ist aber nit von nöte das wirs gelt hinwerffen. Allein wer güt, das wir das vns andern nit kommen Hessen.2 Das war dz erst vnd beste werck, vnnd nützlichst vnd verfängklichste weiß die Römische tyrannney zerbrechen. Dann fürwar, so bald wir die narüg ires überflüssigen vnkeüscheu lebens hinweg genome, werde sye sich mind' erheben, vnd würt als dafi bassz mit jn handien sein. Darnoch müsse wir vnter jnc etwa ] eine grosszmütige haubtman als Keyser Otho d' erst gewesen ist, Rom bestichen3 der Romanisten regiment weiß vnd leben erkfnen, jnen ein ordenüg machen, vil <V bösen außtribe, vfi ein wenig |* gütter an die statt setzen, den selbigen beuelhen das sye irer kirchen vnd geystlicheit warten, nit landt vnd leüt regieren.4 Den Keyser (wo er das anders sein wil) widerumb in seine still Rom setzen, den Römischen bischoff in die rechte gewaltliche ordnüg bringen, vfl schaffen, dz alle bischoff widerüb gleich seye.5 Den geistliche hye bey vns ire zinß vnd rendt minderen, vff das sye ein mässzig nüchters leben füren mögen. Sye auch vff ein geringere zal bringen, auß hundert einen bleyben lassen. Was sollen wir aber mit den, die wir Münich nenne, machen ?6 Was and's dafl wie alweg meyn meynung gewesen, alle mü- nichs örden gleich abthün.7 Do ist bedencken, was

1 Vuie gros ergernu8 uon Rom herauaz. »• auch.

* Vnie die Rö. Tyraney zu benemen sey. * f iiij b.

3 Rom visiteren.

4 Der keyser.

5 Die geistlichen reforniiren

Die münich

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138

NACHLESE

nutzes vnd was Fracht, wo solichs beschäh, daruon körnen möcht.1 Erstlich, weil so vil secte, so vil vnterschidlicher leben, so vil Orden, die sich vnter jn mit nicht verglichen, abgethan, vn auß allen widerumb ein gleichmässzig weiß vfl gewonheit einbracht, wirt aufFhören aller heymlicher vergunstv der gemeynn hassz vnd neyd, so ein orden gegen dem anderen hat, vn wirt nit mer vrsach sein, zwcytracht vnter jnen sich erheben.2 Werden all einen herren Christa haben, vnnd vnter dem werden wir einhellig sein, vnd in Fridsamcr ver- sünung einträchtigklich leben. Ynter vns Christen wirt ver- glichung vnd einigkeit sein. vfF das wir desto bassz nebe" de vngläubige" abgesünd't vn vnterschidlich erkänt werden möge.3 Dafl werde nit mer die weychen wey bischen wol- lüstiger, noch auch die geytzigen geldtsüchtige Wucherer, als yetzo, noch geistlichen lehe trachten. Man würt die Frömen vnd gelerten darzü erwelen. vfF dz sich and' leüt, irer gütten beyspiel", am lebe, irer predigen vn vnterweisung, an den sinnen vnd vernüfft besseren mögen. Darnoch (das wir all vornämlich begere |* sollen) werden ein end haben , so vil gleisszner, die yetzo dem gemeynen v61cklin yemer Falsche glantz Für gebe, sich Frömklich erzeygend, der armen schweyssz vfl blüt auß bettlen, yederman außlere, sich erFülle. vnter einer angenömen scheyn der geistlicheit, liegen, bctriege vnd auFs^tzen.4 Dann sichstu nit, wie vil grosszer höben, vil dückenschcr bößwicht, sich vnter der münichs kugelen ver- bergen, vnd ofFt grossze schand vnnd schalckheit richten? Sichstu nit wie vil listiger vfl reytzendcr geyer der vnschul- digeu taube eiuFaltigkeit betrüglich an sich nemen? Wieuil gnmiger wölfF der vnschuldige gedultigen schäFfliu vnschuld Fürwende.5 Semd aber etliche schö nit eins bösen willös vnter jn, die selbigen doch in iremb aberglauben, halten ire eygen vnd menschliche gesätz vnd stifFtung also strengklich vn vest, das syo vnter deß, von Christi vnsers herren leer vnd gebott,

1 Vuiw uon solliohcn nutz bequänie. a- beyspeil.

2 Einigkeit unter den Christen. b- iorrn. ;' Besserug der geistlichen. * g i u.

4 Vuas offt unter den kutten. r' Aborgliiub dor munieh.

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KLAUSCHRIFT AN DEN KIKFÜKSTKN VON SVCHSKX. VW)

sich nit cid wenig absündern vnd trcnen. Wo nun solliehe vetzt in einer kurtze erzalte beschwernussz, de dißer nation giitter ye mer vn mer veretzet vnnd nahet gar verschulden werden, abgenömen, vnd den Romanisten die ire rauberey getrage, vnd entgegen gehakt» würde, möcht ein vngläub- lich grosszes güt vd gold vn silber bey vns teütschen bleyben.1 Des sey nuu vil oder wenig, so woltc wir doch mit dem selbige, wie vil oder wenig das war, etwan einen bessere" nutz schaffen. Vn villicht würd geraten sein, das wir Sollichs gelts ein teyl erhaltung, eines stets bereyten vn verordnete kryegs volcks braucheten, damit man das Rcych beschirmen vn auch mere mocht*, od' den Türcken bekryegen.2 Do würden vil armer gesellen, deren sunst ein teil armüts halben raube vfl stelen, vonn einer redlichen belonung leben haben.3 Mau möcht auch sunst vil armen leüten, mit stewer vfl *almüß der gemeyn hilff körnen, ein teyl möchten wir wende ernärung vnd besoldüg gelerter leüt, von den die tugent in der schriff't vnd güten künsten vff erzogen würde.4 Die sum dar vonn reden, wo sollich gelt bey vns bleibe,5 mochten wir hye die tugent belonen, dardurch man wol- that gereytzet würd, vnnd der heymischen bedürfflicheit zu stewer kommen. Als dann würden auch die trägen, vn- nützen mfissiggenger nit statt habe, würd vil betrüglecheit hinweck genöme. So bald dan Bohemen das ersehen,6 würde sye sich vns schlagen , vnd in alle dingen mit vns übereil} kömen. Dan biß her seind sye, vmb das sye irem künig- reich vnd land güt wid' geytigkeit der geistlichen gehandlet hatten, vns abgescheyde gewesen. Der gleichen auch die kryechen,7 mit vns über ein körnen werden, die dann ein lang zeit bitz här, dieweyl sye der Romanisten tyranney nit haben leyden mögen, noch wollen, durch anrichtung vnd

1 Vuie teütsch lud reioh uuerde niöoht. a- möcli«*.

* Ein stets bereit kriygsuolck zu halten * g i b. 3 Armen leüten helffen

* Gelert leüt zu besolden

" Behenien 1 Kryechen.

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! 40

NACHLKSK.

gewaltsam der Bapst, vor abgesünderten, vnd der kirchen abgeteylten gehalten sein. vns werden auch tretten die Reüssen,1 die das auch nechst gethan hetten, wo sye nit dem Bapst,2 der ine vier mal hüdert tausent gülden järlich gen Rom geben , abfordert verjagt vnd abgestelt wären. Mer, würden vns auch die Türcken weniger hasszen,3 vnnd alle vngläubigen würden vortau nit vrsach haben vns ver- achtenn, oder schelten,4 so bitz her, das schandthafftig leben, der jhenen, die vnßer geystlicheit fürsten vn regierer sein, de Christlichen nammen bey allen vuglaubigeu verhasszt ge- macht hatt. Wo aber nfi obgemelter Vorsatz eine außgangk gewinnen würd, müst man auch sprechen, wir hettö das be- kömort sanet Peters schifflin angefochten,5 die heylig Christ- lichen kirchen zerstört, vnd (als schon |* yetzt die kirchendie- bischen Romanisten vnd trunckene vollen pfaffen außschreyen vnnd rüffen) den vngeneheten rock des herren zerrissen.6 Oder aber mÖcht man billich sagen, wir hetten den Christen glauben durch züzyehung oben angezöigten völckorn vnnd nation, auch besserung gemeyner sitten, hinwecklegung d' ergerlichen vnd wcyt vmb sich verletzenden reüdigkeit ge- reyniget, gefordert, vnd gemört. Darauß magstu erkenen,7 wie gar nit mein fürnemen ist, Christliche lieb vnnd einigkeit abtilgen, sonder die selbigen durch ablegung alles des, so engegen ist, statt machen. Das ich auch nit dencke die kirchen erstören, sonder durch außtreibug des betrüglichen auf- sätzigen Entchrists,8 den frommen Christlichen vnnd gelerten geystlichen, einen zügangk schaffen vfi anrichten. Das würt sein,9 rechte früntliche lieb vnnd einigkeit wider bringen, den glauben meere, die kirchen besseren, vnnd nit allein der

» Reussen. * gij «.

2

3 Turoken.

* Xuoh bis her uns Christen uerhasszt gemacht.

6 S. Peters schifflin.

ö Der rock des herren

7 Ob Huttens uorsatz gut oder bösz.

8 Endtchrist.

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KLAGSCHRIFT AN DEN KURFÜRSTEN VON* SACHSEN. 14!

ga ntzen Christenheit in gemeyn raten , sonder auch darneben vnserem vattcrlandt, eine grosszö vnuerglichlichen nutz vn frömen schaffen. Die sich in irem leben gegen ein ander verglichen, vnter den mag sich bald lieb vnd freüntschafft erheben.1 So bald dan abgetribe werden die vnfruchtbaren wespen, vnnd humelen die honig essen, machen aber keius, werde herzü fliehe die honig machede byeulin, vnd vns die verwüsten byen stock widerüb anrichten vnnd bauwen. Als denn würt ein wäre geystlicheit sein vnnd in grosszer Sicher- heit bleyben.2 Dann do würt nit sein anreytzung zürn bößen, die man vorhin überflüsszigkeit vnd richthümb ge- habt. Vnnd dieweyl sye die geystlichen von dem vnkeüschen boßen leben abgewendet, worden sye auch inH irem ange- hörenden wesen vortan nit also nachlässzig, träg vnnd ver- seümig sein. |* Diße ding zu volbringe, wünsch ich dz entwed's ir wölet, das ir wol vermügt, oder aber ich vermög das ich gern wolte.3 Mag ich euch aber nit bewegen, vnd sunst auch kein fewr, darin die widerwertigen ding verbreneu, anzünden, so wil ich doch so vil an mir ist, mich herin als ein ge- hertzter wol gemüter Edelman beweysen. Vnd so laug ich sinn vn vernunfft hab, wil ich meynem fürsatz nit ein harbreyt weychen noch lencke. Werde ich dan sehen, das bey eüch Fürste" gar kein hilff ist,4 wil ich erbärmnussz mit euch habe, das ir also vertzAglich von mänlicher tugent weychet. Vnnd soll von Hutten nymer gehört werden, das er sich einem außlendischeu Fürsten oder künig, wie grosszmechtig der auch gesein mag, vnterwerff, ich geschweyg, das ich des weybischen vunützen Bapsts gebott vnd geheyssz thün solt.r» Also weyt sol von mir sein, das ich dz vilköpfigt gehörnte thyer, dar von in Apocalypsi geschriben stot, mit eüch andern an bette. Dafi mein natur würt das nit mögen leyden, so achte ichs auch nit meiner gebür, vnd förchte wo ich das schon thät, die schale des göttliche zorns6 (dar von geschriben) möchten

1 Merok ein gleichnusz »• ün.

* Vuas die geystlichc yetzo zu bösem reytzet. * g ij b.

* Vuas jm Hutten uorgesetzt

* Die teütschen fürsten.

* De bapst anbetten.

* Apooal. 16

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142

KACHMtoti.

vff mich gegossen werden. Mitler zeyt, verlassz ich die stett,1 vmb das icli von d' warheit nit lassen mag, vn Verberg mich in meyner freyheit. dan ich mag vnter de leüten wie ander nit thiene. \\i wiewol mir nit kleine far zfi stot, achte ich die doch gering. Dan sterben ist mir nit so erschrockenlich*, als ou freyheit leben. Darumb ich schew bezwanck vnd dienstbarkeit, nit den todt. Yii nit allein meynet halben, soud' auch mag ich nit sehen, teütsch natiö irer freyheit mägeleu.2 Aber villicht werde ich etwan ein mal, auß dißer hole herfür springen , die teütschen irer redlicheit ermanen, vnd wo die grossz Versandung ist, außschreyen. Jst i* yemant der ein hertz hatt, mit Hutten vmb gemeyner freyheit wille zu sterben?3 Hab ich dir nit wolle verhalten, wiewol ich dir hye vil freymutiger, dan einem solichen Fürsten gebürt schreib. Jch hab aber ein güte hoffuung zu dir, vnd darumb hab ich zu einem freyen Fürsten, ein freye schrifft thün wollen. Bissz gesuudt, vil erwecke dich selbs. Data Ebernburgk am .xj. tag des Septembris. Anno .ic. xx.b

[H. W. Ind. bibi. XXXI, A, a.J

1H.

Ebernburg. 28. Sept 1"»20.

Ulrich von Hutten an die Deutschen aller Stände.

(Lesarten zu H. W. 1, 405 ff.)

405 19-25 Ein klagschriffr her Virichs vo Huttenn an ge- meyn Teütsche uation gegen vnnd wider [widen] den tyran- nischen gewalt des Bapstes Rom vn seyuer Komaniste. 26 teüt- schen herren. Edelleütc, Burgeren 27 entbcüt vn Orator, meine 28 willige vnd Gnädige" 29 vfi früud vnnd züney- gung Cliristenlichen H0 wolmevnung Natiö christlich

40ß 19 gebür anngezeygt, vnnd hatt 20 vbermas- sige vnzimlicheu des bapsts dem statt Randnote:1* vuas Hutten geschribeu' 21 voun vnordenlichem vberfluß vu- ersätzlichem goystlichen 22 Simoneischen vnfromkeyt Curtisauen, in 28 Geystiich de geyst fleistlichem lebe

1 Hutten auß den stette uertrieben. erscliroekenticli. 8 Vuas Hutten gedeneke. b- x. . . . xxj.

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KLAOKSCIUUKT AN ALLK DEUTSCH KN.

24 trachtenn (Konstitution gos&tzen 25 vnd vcrneüwen, vonn dem tyrannische 20 vmbher der gleichen dingen Christe- liche 27 abgezogen , teütschland 28 vnd äugen warenn 29 das werden möchten R. : 'Huttens gcvuisscn vnd ver- trauucn' 31 darüb gewarten sonder erkante dardurch ich 33 gehabt, als vormanung sollicher ding Christe- lieber 33 dann glauben nutz Ii.: *Vuas huttes vornemen gevuest' 34 noturfFtig. dan mein gewest wie ich gütige verschaffen 35 möcht da geystlichen erifierteu. vff das sie nit viel 37 lautere Christenlichem 38 etzlicher ich Standts vnterfangö 39 R. : 4Jn uuas farh [färb] Hutten kommen.'

407 30 dan emßigklicher gramschafft hefftige

21 gegenwärtiger solt mich b&pstliche gefengnuß

22 öffentliche bin auch 7?. : 'Vuie hutten geuuarnet'

23 keynes gedeck 24 ermorden. Vn ich gleich inn

25 wol vnd sich 26 sye sie offenbaren ge-gedörffen, So 27 durch? wes vfl 28 geschehenu ich inn da hoffe des R. : 'Yuas Hütte am .K. hoff begegnet' 29 groß- machtigsten vnsers gnadigsten herre Künig Carolus meyner halbenn 30 verharrete, ist vonn bekante ich des 31 ge- schehe wol mein von 32 an de das 33 anderß, dann vorkommen 34 in vnnd sache 35 nitt vnd 36 ich nit eyletes danne 37 nit mir naehgestalt 88 warheit Sonder gfttte 39 lebt" ytzo nit ich

408 20 ich Ii. : 'Yon vuem er färbe zu gevuarten' 21 ich dene geschafften außen eine 22 wolle zu nit 23 grüntlich ich 24 auffgezogen, seind die offetlich Ii. : *Leo der bapst.' 25 alle bapst 26 auff vnd vcruolge. Vn da ich 27 Mentz kommen, haben gütte vnd entpfangenn 23 zükunfft gefreüdt, vnd ich sie 29 mann 30 de sie ein lebe v'zagt 31 fürchtend geschehenn diß mol 32 daselbst erfaren. Da ich vortet Ii. : 'vuie der bapst hutten gefange gen Rom forderet1 33 botten güten gereyset, an- zeygend 3* vnnd botschafften, vonn etlichen 35 dene füge gebotte ge 36 groste 37 haben angeheckter 36 von geschäche früud halten, sonder R. : 4Huttes frund vnd gunder.* 519 sein von wedc mär uußgebroche ist.

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144

409 20 vnd verwädt von 21 kleinmütigen vnnd er- schrockenen als 22 kau niderlandt 23 geschickte, ytzo Römisch. B. : 'Des Bapstes Orator.' 24 allehalbe reych anzügreyffen bekommen 25 de gewalt, vber 'mich zft dergleychen 26 erschröcklichen warnunge vfi nach seit- mal wz 27 vorhie ytzo 28 fürnemen, gemeine 29 vatter- Ifids rechte vnd waren geystlicheyt 30 habe niemäts schelten 31 nöten yderraä warheyt pflegen wollte, be- zeugt werden 82 vmb willen der B. : Sruas Hutten unrath hirrausz entstet/ 83 züforchten od1 weyß 34 fürst- liehen hofeu hab, noch herren fründeu diene mag, vfi 35 dz scheuung (Jurtisanen, deren allen orte 36 vfi on zweyfel dem Bapst 37 offeulicheu entschlagen 38 gc- schweyge sonder dere irem mißleben leyden 39 war- heit außgeben wil ich der selbigen leüt vnd

410 20 entweyche gemeinen vnd öffentlichen 21 dz bezeügung B. : 'Huttes vueyter vuorsatz.' 22 d' warheyt gezogen werden sollenn beschirmung freyheit 23 vatter- läds förchte züthtin 24 vorlange allem vuderstanden früntliehe vermanungen nit do]|hin bringen B.: 'Hurtes fllnttes] frütlich vuormanung/ 25 dinng warheyt vfi vatterlands entgegen 26 zülest 27 leüte hanthabeu, vnd 27 vatter- lands vorfechten helffe meinem lebe behalte 29 d' gantze betraeht die 30 Christeu liehe vortruckten leid vft B. : 'die Christelich vuarheit' 31 selbige mit zeytt onu naehteil 32 vnsers verpledt abwüscheten dz joch so etwan 33 vnßerin herre aufgelegt B. : 'Vntertruekung christlicher freyheit.' ?3 angezeigt? 34 gorsser bitterkayt abwerfen, vn ausschlügen 35 vnnd schädlichen teütsche 36 vndertruekt gewest, hinlegten, vfi widerbrachtenn freyheit, welche gott 37 seine miltiglich Bapst vufrüutlieh 38 vn außgctilget habe selbigen 39 ich vmbgeben nachtrachtunge, getribi» veruolgüg werd ge- zwungen'

411 19 beim yederman ratt 20 vfi züschryen wes bit Gnedigen 21 herre vfi gemeyne teüsche ich Euch B. : 'AnrufTung teuscher nation/ 22 ich. Wolt ir vßtreybenn

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KLAOÖCURIFT AN ALLE DEUTSCHEN

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verdinten: Wolt ir vnschuldigen ^peynigc? . eüch dz einem 24 heymische" vn lands 25 teüschen frembde auß- ledern vft erzeigt habii. R. : 'Miltigkeyt der teuschen alte" her.' 26 dz ir verliessent, ich bezwungen 27 vnnd rüffen sond' 28 vnd meiner widerwertigc vberfalle rechlich R. : 'Das er wider recht vorgewaltiget' 29 ersucht, sonder mitt mutwilligen grymm meyne feindt R. : 'Ermanung durch der tauschen er vnd tugent.' 30 vnd teüschenn vnd manheyt 31 vnd teüschc, beschirmen do hatt 52 eüch Da in Römische R. : 'Das er dises vm aller teutschen vnnd Christen willen leyde.' 33 wolle vatterlandt gemeinem nutz wende dz mit 84 ien meine harte vft schwären vil gcgefel 35 widerwertigkeyt glückes gesucht et- worben hab. darum 36 vnd breyt vil muhe gehabt 37 ein vnd getragenn vill jare eilend

412 16 vfi meinen blüenden jaren 17 vnnd vatter- lands jnen gezoge. Desto mer R.: 'Begert seyner dienst zu geniessen.' 18 dienste Ynud ir entpfahen 19 lassen, aliein vff dienst haben 20 ye das wiewol nic- niants nyemants R. : 4Das er nie beklagt oder hört sey.' 21 hat vor vnd nie keyne missethat 23 werde, vnnd nymmer fügen mich vnuerhört 24 ertotte wiewol teüt- achen vnnd 25 vbelthat ob die ich oder betrieben 26 ge- floge vber alles, spot vnd eyner frembden ober- keyt 27 werden all wegen vnd bit euch. Wo R. : 'Er- beut [Erdeut] sich zu recht vor [von] K.M.' 28schreybens trüg= vnd des halben 29 wolt de meynem natür- lichen, einigen, vnd 30 herre M. vnd vn R. : "vuas er am fordeste hirin forchte.' 31 werden vmb wille dat got 32 willen fürnemeu nah, vmbrächte meinem 33 erdichten meinenthalbcu od' R. : 'Bit durch seyner früt- schaft uuillen.' 31 od' früntschafft hierin verschonen selbige vnd 35 angehangen bitten eüch gleych mitt mir, vnder- thänigklich 86 meyne betrübt«" vnnd 37 jhenen eereu vnnd güunen ritter vnnd R. : 'Ernianung [Ermunuug] seynes uerdiensts.' 38 eüch schrifft gemeiner

413 17 Natiö eüch beuolhen 18vnsers preyß vber er- barmen 19vonn R. : 'Beuuegungzu barmhertzigkeyt.' 20 vnnd

<^.F. LXV1I. 10

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146

NACHLESE.

werden vonn meyncr geburt empfange? 21 früntlieh 22 hab, mein wonüg verlassen, die heymischen herdtstatt vnnd vnd 23 dz elled doselbst lebe, söd' grausame

24 marter schantlich sterben abgenome werde? TIeliFt

25 frömen betrangten vfi binde d' 26 eüch wol- le meyner feinden R. : 'Der Bepst ungcburlich [ungebut- lich] geuualt/ 27 jaren 28 meinem leben schaden dienstes, der viileicht 29 widergeltung v'hoffen. ontschütz der erkant R. : 'Bit gege" auszlendisehc gewalt enthalten werden/ 30 vnder eüch gestrafft solt werden) gegen vßlendigeu land- sleüt, als 31 willen vngebürliche vnformliche 32 vfi gewalt- sam. Dan 33 gebaren vm dan wid' wertigen gezimen. Wie dan 34 werde dz keynes keyner od' vnd 35 rede danoch 36 waffe wirt, vnd 37 hertzen ethit- ziget, iren äugen ein R. : 'Grimikeyt seyner feind.' 38 ymät vubärhertzig disses

414 20 weyne bewegt. 0 almechtiger der all din rechfertige R. : 'Anruffung gottos.' 21 dissen wenden teüschen mich ewern landßman, vnd vnschuldigö 22 vin willen krigende, seit mol eüch 23 antrifft. Dan schein wz nachürteil verdänuug volgen mögen R.: 'Dz disze sach alle teutschen in gemein betreffe/ 24 hierumb verhüttet, das disses weyter bei eüch meinro verderbög 25 todj nor d gefecknüß 26 erkennet wo hin it Manu schul- diget R. : 'Das er vmb seyne woltat ueruolgt werde.' 27 deckt sttaffen wetd 28het meuschenn geletzt vorgenommen, sonder vmb das hilff 29 kummen Nimant Hüten ymät 30 schade v'gwaltigen 31 hilff komme. So nit schuld gebe eyn newes feür R. : 'Das er allein de romische geytz entgegen gewest sey.' 32sünder vnnd werden 33 vmb brennenden Lconischß] Römischen 34 verderbung vnd'- stauden 33 gemessen, sonder eberkait entgelten. Kein sendet R. : 'ermät al teutschen durch ire redlichkeyt.' 36 trew teütschc, verbeugt nitt 37 überwinden nitt fechteu. Lassendt vndertrucke, denen 38 eüch vndertruckte vn

415 19 Vfl dz eüch weitter ermäe dz R. : 'Bit vm recht' 20 keine v'sagt eüch erwerben vnd 21 kommen gewonheyt, Afi 22 vnbeschüldigte vfi

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Klagschrift an alle deutschen.

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meschen 28 minste döte, od' eine 24 vn er- kent ma eim armen 25 R. : 'Das er kein schevu ab de rechten hab/ 26 überwinden krieg? 27 wolt. wiewol 28 dann vonn vertrau wen 29 vorzagen, dan got dz R. : 'IToff- niig zu got/ 30 verzucke, wo 31 habenu vmb geben vn boßwilliger leüt hat warte R. : 'Der Bapst Leo/ 32 be- reyt abwenden R.: 'Die Curtisanen/ 33 vnnd er- strewen iagende vn dem scharpffen 35 Bapstes breunende 3fi würt vngestümmigklich getriben von 37 sicherheyt zeyt von Curtisanen, 38 vnnd selbigen 39 gütt schmertze angefochten 40 vnd verhinderten practikr veruolgen zweyfel

416 18 leben got eüch meinen thalben 19 on, red vnnd seine 20 habe teütscli Nation denken sye all, die 2 Heimlichkeit habe dz teütschen leide? ire ^hoch- fertigen mütwille entgegen werden? Vnd dz ver- stannd haben R. : 'Von wem er voruolgt werd/ 23 nach- stelle, das vn 24 vf> geschriffte 25 vnnd hett 2fi gebe hilff, radt vnd 27 de geschunden R.: 'Beschwerüg teutscher Nation/ 28meinne verflücht symoneischen v'haste, 23 schädtliche haben daruß vnd v'spotett R. : Tuas ubels von Curtisanen komm/ 30 warheyt teütsche vnd be- raubüg 31 vnnd sonder von 32 bringe gemeine site v'kert vn geergt Dan dienner 33 schattier Bapst den R. : 'Das desz bapst macht durch die curtisane erhalte werde.' 34 on komme verhoffen hendlen vfi 35 aber- glaub, vnd außgeschlossen. Durch R. : 'Bapstlich gesatz/ 36 feindt worden dz sie warhafftige Euangelischcn B" ge- schrifft des vnd gesetzt gewin eyge"

417 20 habe attze Roinischen geschlundt, vn

de vnersätlichen R.: 'Romisch geltschlüd vnnd geytzworm/

21 geytzworm v&tterlichen gütter vnnd von widerumb

22 gütter do hin dz 23 angelegtt dan auff knupffen möge. R. : 'Curtisanen des Bapstes iager/ 24 vatterlands ge- bore, diß deß Römischen 25 selbigen fresserey jagen jagen züuil. 26 sollicher vnersetlich äugen teüt- schen, vn 27 eüch beraubt frebde lade brlg nieinste 28 nachteil, vnnd Nept schalkhafftige an-

10*

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Nachlese.

laß 29 kremer der, schedliche kaufflcüt die euch dispen- sation vn R. : 'Aplas Krämer.' 80 die kauffmäschatz geistliche heiige d' 31 daruß etwan vfl nur vn R. : 'KaufFmanschatz in der Kirche gotes' 32 vfl kunstreiche 83 gesehyden dene herküptt verdrucküg gefenck- nuß R. : Svas die Romanisten wider Hutten beweg.' 34 läds verhindernüß vnrüig, vfl 5 vn vm andern willen, dau vßgebenn schäd rauborey gewest, irer vmbarm- hertzige vcthinderuüß 37 gewin entzogen Ii. : 'Dz er bisz- her vffrur vermitte hab vnd darüb latiu gescribe'

418 14 zügange v'mitte 15 geben. Vn mercktet vmkerung 16 geystliche das mißleben vn 17 heTlich jro gebrechen angezeigßd. Dan wie wol 18 füg, vfl dan de 19 hauffe oflfebare. Die weil ytzo syeh, dz sie nit allein durch R. : 'Vuas er nun vorter gedencke.' 20 v'manüg bekere send' auch gegg brüd'licher getrewer v'manüg, mor- derey vfl 21 wil dänoch gegen vornemenn 22 vnd 23 be- werben, vfl jr 24 enthalten Dan R. : 'Bitt allein vorthin zu enthalt werden.' 25 vrsachen gegeben, wil dz jre werde 26 das hinfür od' yemants für zäneme weißen, 27 welehs achten, dz schö vm eüch snch 2S euch erlangen nirt, dz die also hertze nemet R. : 'Bit man wol seyn sach behertzigen'. 29 auge her nach eüch an süche nicht 30 notte werde mall meyner begirde 31 sacheuu cü- wercun troüenu, Genadonn günsteun, als 32 anhengeren Euaugelischenu warheit gerechtigkeit 33 vatterläds frey- hoit, vfl schänden, vnd laster versieh 34 vutertänigklich vnd freüntlich 3*' meinem vermögen Geben bis xx om.

419 9 Über SEitmal etc. : Beschluß red. SEitmal dz R. ; 4Vuie seine bucher ubel auszgelegt worden.' 10 außlegen, vnnd anderß, dan sebs verstände 11 werden verteütscheu, do mit vnd 12 man vnnd 13 Komanisten oben- angezeigter zu veruolgen 14 hab fürgenomme alle 7?. : 'Gcdäck alle seyne sehrifft zuuor teutschen lassen/ 15 vfl darinnen dan uünn sych seinnes gefallens nitt ,6teütsche schicke 17 transferieren vfl Dan trag sonde= R. : 'Vuil dasz ydermä wisz wz er geschriben.' 18 welche= | es darüb tantzen 19 zweiffei gsehrifftg kommen dan

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SPEN<iI/ER AN l'IKKHEIMER.

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20 geschcen anderß nitt, dan erbarlichen, cerliehen 21 vo notdrufft 22 zuor anzeige vfi v'kftnde wollen Virich bis supra om.

LH. W. Ind. bil. XXXI, A, a. j

TV.

Nürnberg. 11. Nov. 1520.

Lazarus Spengler an Wilibald Pirkheimer.

Jch main, vnser Huttenus, der sein lateinisch con- question geteutscht auch hat lassen außgeen, sollt noch ain Heltzam vnfursehen spil zurichten. Jch waiß in Gehaimd durch ain vertrauten freund, das er sich bey etwouil fursten vnd denen vom Adel wider alle Babstischen vnd Curtisan hoch beworben hat, so hat er ainen den Jr auch kennt, der reit heimlich vmb, dieselben Romanisten außzuspehen, lasse vider, wir wollen zusehen. - - Jch hab Huttenus buchlein herru Ti. Adelmann, der mir darnach geschriben, zustundt zu- geschickt. Will Euch in kurtz wol ain anders zuwegen bringen.

| J. B. Biederer, Nachrichten zur Kirchen- Gelehrten- und Bucher- geschiohte, AUdorf 1765. 2, 190 f.]

V.

Nürnberg. 26. Nov. 1520.

Lazarus Spengler an Wilibald Pirkheimer.

Mir sind zwai puchlein zu kommen, gedruckt latein

vnd teutsch, so Virich von Hutten gemacht vnd den Titel ge- geben hat: Vlrici Hutteni ad Carolum Tmperatorem aduersus intentatam sibi a Romanistis uim et iniuriam conquestio. Eius- dem ad prineipes et uiros (iermanie de eadem re conquestio. Darinn keert er dem Bapst vnd gaistlichen, zuuor im teutschen, also grob ab, das Luther noch ain heilig dabey ist. Vnd wann vns gott auß dem spil einmal hülff, wolt wir dem neben

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NACHLKSE.

au (lern auch lang hclffen zu scheu. Aber wir müssen dauuoehr auch sehen, wie wir herauB kommen. ■— ~-

Ricdercr a. n. O. S. 188 f.]

VI.

Nürnberg. 5. TVe. 1520.

Lazarus Spengler an Wilibald l'irkheimer.

Huttens püehlein durfft Jr mir nit mer schicken,

dann ich hab aiu anders vberkomen.

[Ricderer, a. a. 0. S. li)0.|

VIII.

Ebernburg. 9. Doe. I 520.

Ulrich von Hutten an Martin Luther. (Lesarten zu H. W. I, 435 ff.»

435 1 Divini Verbi prwconi 5 Ulrichus Hnttenus Martino LUTHERO. Sal. 6fueris si meas. Ita 7 Jides. dum 8 qvis- qve (und so stets qv statt qu) lmprimis 9 est, adver sari Pontifici 10 Sceleratissimus sit 10 tarnen neque 12 coegerant, qvi Uli, qvo3 13 nnnqvam arbitror Scripsisti, persvuaserant 14 mei, id 15 Adversariis 17 facultate reddidi negotium, paulo t 18 vidit, qvo fundamento, qvam heec audet, ait, qvis- piam convellere, aut si ausit, poterit? 20 animum. Ädeo jam 22 judicii 23 Tum aeeipit, efferendi amplificandi? 24 adsertorem, et 25 sunt, qvi illum conentur magno adsidue opere. Sed 26 Scio. Ita 29 adßrmans. Nam Pra>~ terea Beipubl. 31 LUTHE RE. 436 1 fecerim. Sed 2 me tanto 4 caussain * promisit, non H agitur ut 7 Existimant 8 #W0'/; videbimus confirma, et 9 partim. Habet 11 ifiaw, <?w 12 est. Qvanqvam Pfändern quid m muH um. Sed opor- Urne 17 bullam deeimi a me qvantum CHRISTUM xs potuit Sugillatam Ajunt 19 vidi, qvam alia, qva? 20 miror ad 22 arbitror, non inurbana. Qvem fuerit aeeipies statim. Simul 24 incendium, versibm latinis et germanicis. Utrosqm

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HUTTEX AN LUTHER. CONZ LEFFEL.

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initto. J teilt -6 plectar. Ita me. Qood 27 judicet, qcid Bei- puhlicae ^oporteat. Uli jam damnatum me pronunciaverunt. Sed 29 deo, qvos 3,1 tum? Igitur homines? Imo vero tibi LUTHERE, 32 profuit, unam curare. Qvinetiam 33 Ale- ander amici 34 edere} satis. 4H7 1 complexus. Ut 4 Scrip- seram, Principis 5 perscriberet. Scire cupio, qvid 6 sit, non tibi, jam hoc habere cognitum enim videor, Sed iis etiam, qvi 7 colent. Qcod 8 te. Nescis 9 velit, cel 11 vos. Nam 13 cele- riter. Nam :4 jubetque 15 vale f rater 16 optime ex Idns. decembr. 18 PSct. om. 19 describantur : "Per notorium. A in Rande: crassiore calamo 20 propediem, ita vocanti Fran- cisco. Am Rande: nigriore atramentu.

[Cod. lat. Mon. 2106. Abschrift des XVII. Jhrts., der, wie aus den Be- merkungen des Abschreibers über Tinte und Feder hervorgeht, das

Original zu Grunde liegt.]

IX.

Conz Leffcl.

Ain hüpsch new lied vnd ist in dem thon Von erst so wöll mir loben Maria die rayne mayd.

Gott wöll das werd gebrochen

der Bischoff Übermut

es bleybt nit vngerochen

jr werden Christen gut

sv thond vns vil vertreyben

die vns recht warheit schreyben

sie lassen keinen beleyben

das mag sie helffen nicht

als Virich von Hutten spricht.

[A. a. 0. Strophe 6.]

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152

NACHLESE.

X.

Thomas Murncr. Von dem teutschen adel.

Vnd wil mich kurtz abfertigen in allen dg stucken dy vnsern glauben nit beriere, vn in der taden stond, vn nie in de" rechten dau ob das oder diß güt sei, wil me in erfarener fürsichtikeit ermessen werde, dan in büchlin verschriben. Darumb laß ich das die hochuerstendigen vfl die obcrkeit vnsers glaubens verordenen, welcher sache sich die Offitiel sollen vndcrzieheu, od' ob ein gemein consistorium in tütschen lande sol vff gerichtet werden, vn kein Curtisan die priester laß citioren, die vor behaltenen Casus vnnd feil ab thün, auch die Bäpliche vorbehaltung, dz der bapst offitia vnd sein hoffgesinde miudre, die v'pflichtüg in eids krafft nit me besehehe sollent. Das der bapst vber den Keiscr kein gewalt habe, Der keiser im auch nit sol schuldig sein hulde. Der bapst allein geistliche vn nit weltliche empter vollen- bnge, vnd ob die gab Cöstantini falsch sey, das er Sicilie vnd Neapolis nit sol lehenher sein, im seine fieß nit sollen geküsset werden, die walfarten gen Rom ab sollen gestellet werdß, ettlich clöstcr abdieg, die münch nit mer predigen vn beichthören solten , nit so mancherley orden seient die gilüpt der geistliche ab sey, dz die priester möge ee weiber nemen, das interdict abgethon werde, vfl den ban nit miß- bruchen, kirchweihüg, fil feirtag, vft fastag, feltkirchen vnder- thün, vfl deren gleiche fil, so du in langer ordenüg mit leren worten allein vnd on alle gelchrifft an tag bringst vnd ofFen- lichen beklagest, welche beklage beschwerden, vfl mißbruch der christliche kirchen vor dir noch von andren mer treffen- licher seint geklaget worden in Aluaro in dem büch von dem truren der kirchen, vfl in dem büch Speculum humane vite genant, vnd von Erasmo Roterodamo in seiner Moria, vnd in dem biechlin das man nennet de Petro saneto et Julio sanc- tissimo, vnd in filen Pasquillis, in Triade romana, vnd fil andren mer, wie wol ettlichs schmachbiechlin mögen erachtet werden, vnd ist dennocht alles vngebesseret biß har also beliben.

|'A. a. O. F 4b-G 1 r.J

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TU. MURNKR. ULRICH AN DIE FAMIUK VON HUTTEN. 15.3

XI.

Ebernburg. 8. Jan. 1521.

Ulrich von Hutten an die Familie von Hutten.

Mevnen freuntlichen dinst zu vor lieben herren vnd vetern. Vormals hab ich euch meynes handels halben, den bapst vnd seyne Curtisanen betreffend, geschrieben, welher maß ich von den selbigen vorgwaltiget, angezceygt, ewere rat vnd hilff in dem angesucht, vnd gebeten, mir vff sollichs meyn ansuchen, eyn schrifftlich antwort, darauß zu vorstehen, weß ich mich in disscr sachen zu euch vorsehen solle, zu geben. Seyt mal nün meyn bruder Lorentz nchst selbs bey ewer eyns teyls gewest, vnd mir doch keyn antwort weder durch jnn noch andere, von euch biß her zu körnen, ist nochmals an euch meyn dinstlich bite, jr wollet, mir vff das förderlichst zu vorstehen geben, was ich in angezceygter sach hilff vnd rat, zu euch als meyneu vetern vnd freunden zu gewarton. Das wil ich also von euch besehenen, alezeyt vmb euch sampt vnd sonder zu vorthieneu willig vnd gefliessen gefunden werden Hirmit alle got beuolheu. Dat^ zu Ebernburgk vff den achten den heyligen dreykünig jm jar nach xvu dem xxj. meyn handt.

Virich vom Hutten jc.

Dennc Strengen Vnd ErnVesten Hern fröbin vnd hern Ludwige rittern friderichen ditherichen Bern- hart^ 2G vnd allen andern dcß geschlechtes vom Hutten meyne f^ lieben herren vnd vetern Sampt

vnd sonderlich.

[Huttens eigene Handschrift. Archiv zu Birkenfeld.]

XII

Ebernburg. 8. Jan. 1521.

Franz von Sickingen an Robert von der Mark.

Wolgeborner g^ her euern gnaden sein mein gantz willig dinst mit vleys selbs vormogens zuuor bereyt her Virich vom Hutten ein frenckichser hoch erfarner vnd gelerter edelman durch Theuthchs vnd welchs nacion berumet stett mit den Romischen Curtizanen jn Jrrung vnd fare von wegen etlichen

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NACHLESE.

schrifften die er gemeinen geistlichen standt besonder Thenther vnd andern naciou mit entdeckung der warheit zu ere nutz vnd gutten ansehen lassen hat vnd ßo er bej etlichen geist- lichen vnd weltlichen furstcn vorschoben ist vnd geobert wurt mag sich begeben das er ader sein frantschafft von des selben wegen den Curtizaue jn vhedt ader tetlicli handelung komen mochten Szo mir aber die weill ich noch Komischer Keyr Matt vnsers aller genedigsten herrn diner bin des solch s vileicht zu mißfallen rechen mocht selbst enthalt zur tadt zu geben nit gebureu will vnd ich dan mir seines herkomens furtreffenter kunst vnd offenbarer der warheit antzeig halb die er wider der Roinischen Curtizanen practicken vner- schrockenlich thutt zu aller forderung geneigt bin bit ich euer g^ mit sonderm vleis ob sein herrn Virichs frantschafft ichtz mit vhedt vnd der tadt durch name gefengnus ader anders wes ßie jne einem euern gnad^ oder der Sone heuser wie euer gnad gcuellich gewise offenus vnd enthalt hetten were dan eynicher dem euer gnad gut» gunt der gegen ymante Jhener seitten enthalts begerdt sollen e g^ mein vnd meiner heuser jn dem widermechtig sein vnd wollen sich hirjnne mir zu genedig^ gefallen gutwillig beweisen vnd mich hirauff gemuts eigentlich vorstentigen Herrn Ylrichen vnd seiner frantschafft an czu zeigen darnach zu richten wissen das will ich vmb die selb e g^ die mir schaff zu gebietten mit allem vleis gutwillich vordinen.

Dat^ dinstagk nach der heiligen drey konig tagk Anno ac jm xxj

Gantz dinstwilliger

Franciscus von Sickingen

Auch g^ her die weill e g^ Sone mein her von Brenne mit dem Ronlichen Königs halb jn jrrung hat also das sie bede vhast gleich jn anstandt stehn hab ich bedacht ob euer g^ juem des endts enthalt verschaff^ dat^ vt jn Irls. [Abschrift des XVI. Jhrts. Archiv zu ßirkenfeld.j

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SICKINUEN AN MARK. MARK AN SICKINGEN. 155

XTTT.

Jamiens. 13. Jan. 1521.

Rupricht von der margk je Frantzen von Sigking^

Lieber frantz ich sag euch ein grus vom hertzen vud guts so vill ich vormagk ich hab euern briffe mir geschriben vor- lesen vnd vorstanden des edelmans halben den jr mir schreibt jn euer landt art nit woll sicher sein welche zeit nuu der selbig von euch geschickt zu mir komen wurdt er mir wil- kome sein vnd genem ich hab auch meine amptmann zu florgingen Johan lepage bcuolcn wen er kumpt jm ein czu lassen vnd furter jn meine heuser füren jme die wale geben wue er meint am basten zu sein er wurdt auch mein haus frauen zu florgingen finden jr mocht jnc frey vertrösten das er bej mir vor dem Bapst vnd seinen Cardinalen sicher sein soll vnd wolt er mocht ein halb^ Schilling Cardinalu gefangen mit jme brenge dar zu wolt jeh jme gern heln\_ dan ich wolt mir gar kein gewissen darvber machen ob ich den leinten vill abnemen oder zu leidt thun mocht weitter mocht jr jme auch zu sage von meinet weg^ das keiu fürst ist er sein werbe er woll der jme leidts zu fugen wolt ich sey jme hilff vnd beistentig zu thun bereyt vnd jne zu beschirmen Szo lang ich mein heuser weren wiewoll jr on das wist das euch alwegen hieuar mein heuser offen gewest sollen auch hernach sein [art] vnd mit allen euch sonder auch allen den jhennen für die mein hilff vnd beistandt begerendt ob jm schon jntzunt kein herrn hab Szo will ich doch nit vntt erwogen lassen auch alleczeit wo mit ich vermagk zu dienen warvmb ich dem keyser mein dinst hab auff geschriben vnd wie ich von dem abgeschied^ sey will ich euch jn einer kurtz vrsach schrift- lich antzeigen do mit jr wo sich der halb etwan redt bej euch begeben die warheit do von sagen mocht der andern Sachen halb^ do von jr mir auch gosehrib^ hab ich dem hotten beuolen euch muntlich berieht zu thun ich mag leiden das jr euch den lutter mit dem vom Hutten allezeit zu mir schicket do mit ßie einander gut geselschaft mechten Jme dem vom Hutten hab ich ein kurtze schrifft gethan vmb des willen das er nicht fruntzosichs vorstehet vnd auch das ich sein schrifft die er mir dan vhast zirlich vnd kunstlich ge-

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NACHLESE.

than ßo gruntlich nit hab vorstehn mögen das jeh jrae dar- aufF genügsamen antwort het geben mog^ darvmb wolt mich bej jnc entschuldigen vnd jme von meinet wegen dancksagen das er sich so vill guts zu mir vorsiecht vnd mir vortraudt das er jn mein heuser begerdt ich weis euch merhe nicht zu schreiben dan got gebe euch alles das euer hertz begerdt dat^ zu Jamiens am xnj tag des

[Abschrift des XVI. Jhrts. Archiv zu Birkenfeld.]

XIV.

Janiieiis. 13. Jan. 1521.

Hupricht von der Margk Vlrichcn vom Hutten

Lieber vom Hutten jeh wünsch euch mein frantlichen grus vnd wes ich guts vormagk jeh hab euer schrifft mir jntzun gethan vorlesen vnd die meinüg do von mir auch frantz schreibt vorstanden wolt geren das ich ßo geleret were das ich euer schrifft mit gleichen antworten begegen mocht doch hab ich zu czimlicher mas vorstanden vnd vormergkt das jr jn euer laut« art nicht vhast sicher seyt von weg^_ viller euer widerwertig^ der halben mocht jr frey zu mir komen dan ich sag euch zu das jr in allen meinen heusern sicherheyt vnd offenüg haben solt jeh hab auch einen meinem diner ge- nant Johan lepage den frantz woll kendt wo jr ghen florging^ das dan vor andern meinen heusern dem theutzchen landt am nechsten gelegen soll er euch einlassen vnd ein den selbs ader durch andere sol er euch darnach weitter jn andere mein heuser füren das jr jn[ie] welchem euch gcfeldt sein moget mocht euch kunlich vortrosten wz ich euch lieb vnd guts thun mag das ich do mit vleis thun will vch vmb frantzen willen vnd auch euerm gutten gerucht do mit er euch dan auch selbst hochlich belobet auch vmb des willen das jr euch solcher gutte zu mir vorsehen habt weitter hab ich frantzen meine meinüg angetzeigt von dem ir acht ich . des woll bericht werdet merhe weis ich euch diß mals nit zu schreib^ Sunder got gebe euch alles was jr begerdt Dat^ zu Jamiens am xnj tag Januarij.

[Abschrift des XVI. Jhrts. Archiv zu Birkenfeld.]

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MARK AK Hl'TTES. ULKICH AN BEKM1ARD V. HTTTEK. 157

XV.

Ebernburg. 19. Jan. 1521.

Ulrich von Hutten an Bernhard von Hutten.

Meyue freuntliehen diust vnnd was jch libs vnd guttes vormagk freuntlicher lieber veter ewer schreybeu mir nehst gethan, hab jch vorlesen vnd vorstanden, vnd als jr nüch vff ewer dochtcr hochzceyt geladen, war ich vorwar wo es je meyue gelegcnheyt hett mögeu seyn, von hertzen gern selb« kömen, die weyl sich meyn sachen aber also halten, das jch das mal personlich bey euch nit erscheynen mag, so schicke jch hie meyne bruder Loreutzen von meynet wegen, mit euch vnd ewer fruntschafft frolich zu seyn, vnd wünsche ewer dochter vnd jrem breutgam glück vnd wolfart, got woll seyn guadt thün das sie in aller Eynikeyt vnd guten trewen vnd lieb bey eynander, vnd lang leben. jc. Lieber veter wie jr mir darneben jn eym zcetelen geschrieben, ich soll selbs körnen vnd [ich] mich an dem ort vmb sehen, das wer wol gut gewest, die weyl es aber nit seyn mag, so wist jr doch selbs was vor mich ist, oder nit, vnd zweyfel nit wo jr vnd meyn baß ewer hausfraw vff das mal wölt fleyß thun, jr werd wol etzwas zu wegen bringen. Vorsehe mich aber zu euch jr werdet es thün. Wie es der Curtisanischen sachen halber stehe, würt euch meyn bruder lorcntz berichten. Jch vorsehe mich nftu mer keyner vorhör. Dan die b&pstischen vnd geystlichen ligen dem keyser also jnn oren, das er nit alleyn mich, sonder auch andere, an den jm mer gelegen vbergibt das jch achte, jm zu grosser vordörbnüß reyclien werde. Dan was vou redlichen leuten am hof ist, auch ander fürsten, vnd die ecztwas verstand, haben eyn groß misfallen jn dem regi- meut vnd ist nymant der sich beßerung, ja jderman vorsieht sich je mer grosser ergernüß. Dan der glaub jst gering, vnd geht all ding leychferticklich zu. Die bäpstischen trowen öffentlich, wo Luther gegen Worms körne, wollen sie jnterdict dahin legen. So arbeyt man vest bey meyne wirt, das er sich meyn entschlagen wöll vnd mich von jm thun, dan sie meynß, wen jch hie ausgetriben, wölten darnach wol weyter rat finden, vnd förchten vast den namen meynes wirts vnd

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XAC1ILK8K

scyno) hoüsor. Er spricht aber, so lang man vnß nit zu vorhör kdmon lasse, wöll er bey der sach halten, jn allen außgangk. So bin jch schon, wie es kam mit weyterm enthalt wie euch meyn bruder würt anzceygen, vorsorget. Vnd dörfft der vorhör halber, weyter kcyu zuvorsicht haben. Dan es würt nichtes draüß. Vnd ist wie jch alweg gesagt. Es ist nit müglich, das die leut vorhör diser sachen leyden mögen. Wie hert sie mir aber nachstellen hapt jr auß dem zu ermessen, das sich nehst eyn grossen' Curtisau hat hören lasßen , wo man meync tot mit drey mol hundert tausent guldeu kauften möcht, wer er wolfeyl. Dan es werde dem geystlichen stand noch großes vnglück vnd zerbrechung von mir bekömen. Dar sag jch, würt das selbig geschehen, haben sie schuld doran. Dan meyn meynüg nit gwest andere jn das spil zu zihen, dan die Ourtisan wollen sie aber mütwilligkliehen sich dareyn mischen, da kan ich nit für. Jch müß meynes besten gedencken das ist mir von nöteu, Gott mögen leyden, sie hett^ sich förm- licher jn diser sachen gehalten. Hir vmb über veter, jst anders nit, dan man muß mit der that nun mer handien, Nün bite jch euch vnd ander meyue vetern, jr wollet mir das wol, mit nit mer beholfen seyn, [das] dan das jch etwa vff jhener 8eyten des reyns enthallt hab. Es sey am gebirg jn behemen, jn der hennebergeschen art, oder wo es sey. Das koutt jr woll vorschaffen. So wil ich euch alhie schicken das ich ob got wil auch vorsorgt. Das hab ich euch f^ guter mey- nüg nit verhelen wollen. Euch mit allem vormögen zu thin bin jch bereyt vnd gantz willig dat^ Ebernburgk vffSonnaben vor fabianj jm jar je xxj

Virich vom Hutten.

DEm EmVesten Bernhart vom Hutten meyuem f^ lieben vetern.

| Huttens eigene Hnndschrift. Archiv zu Birkenfeld, j

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FAMILIE VON HUTTEN.

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XVI.

? 13. Febr. 1521.

Dietrich von Hutten an Friedrich von Hutten.

Meyfl f^ dinst zuuor lieber vetter mjr jst eyü schrjfft von her froweu zu kome wje denn hjrjnn zu vornemeu hast . . . dan dijsse sach groß vnd dapffer vnd auß meyfier vor- stendnuß darin zu raden docli waß uwer aller gut dünckou vnd meynung .... auch den hab ich dir njt ver- hallten wollen dat^ vff dem eschermjt wochen anno xxj

Dittrh von Hutt^ Dem ernvesten frjderich von hutt^ mejfi f^ lieben vetter [Original. Archiv zu Birkenfeld ]

XVII.

? 15. Febr. 1521.

Friedrich und Eitel von Hutten an die Familie von

Hutten.

Vusern willig^ vud gancz fruntlich dinst zuuor liber her vnd vettern wir schick^ euch hie briff von her frowert vnd her Virich vom hutt^ an vnß alle vom hutt^ ausgangeu sein vnß vff gestert donerstag von ditherich vom hutt^ zu geschickt word^ der inhalt ir zu vernemen, deweil her frowen ritU hoff- meister je jn seino>> schrifft anzeigt daß er vor gut au sehe das wir alle vom hutt^ zu samen keinen vnd vnß einer ein- trechtig^ antwort her vlrichen zu geben entslossen lisseu wir vnß auch gefal, aber wir besorge lancksam al zu saffien zu komon, der halb sehen wir vor gut an nach dem her frowen iezt bey Kr Mat ist, auch sunst bey etlichen cardinein vnd forsten zu wormbß, vnd hott an zweiffei des haudelß auch gedenck daß ir her frowen gosehriben het, das er her Vl- richen von vnser aller weg^ als den freunden, wo sein sach ein guden grundt hett, alß wir honen, wer vnß al vom hutt^ ein bracht vnd groß ere, ein drostlich antwort geben, damit her Virich auch hört vnd se, daß wir alß die freundt jm gern nach vnserm vermöge hilfflich vnd radtlich wo wir kond^ sein

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NAClILfcSE.

wolt^, so hapt ir in ditherichß schrifft an mich friderich ge- thau sein gemut auch zu verneinen, hie mit euch allen zu dinen seint wir zu thun willig geben vff freitag nach saut feltestag jm xxj

friderich vnd eyttel vom hutten ?c

Den strengen vnd Ernvcsten hern ludewig rittet bernhart Eßrom Jorg Ylrich vnd Wendel alle vom hutten vnsern frunt- lichen üben hern vnd vettern je

[Original. Archiv zu Birkcnfeld. ]

XVIII.

? Febr. 1521.

?

Auch freuntlicher lieber Oheim vff dato bin ich gein murstat kumen in meynüg mich mit den burgern morgen donerstags zulethen, hau ich gedacht hern Vierich hutten der schrifft ßo frantzssßcus von Sickingen dem [von] Ruprecht von Arnberg gethan auch Ruprecht den beid^ lest jm der Cumethor nit gefal das sich h) Vierich zu dem von arn- berg thun [oder] sagt er ken ju vnd ob er gleich seiner persou im gleuben liilt ßo hab er doch den merertheyl seiner diuer welsch dy gennen keine deutschen keines lobs oder gutheu inecht jm zum mynsten vergeben werd^, er sol sich zun deut- schen halthen, der gleich reth Siluester auch vnd sagt in der hen- nebergischen Art zum hutsberg sey jm wol für ein ort enthalt zuerlang^ ßo versehe er sich auch zum Rottenberg wurd er auch angenome dweil es dem dy meynüg mocht Ruprecht von Arnberg 10 Vierich vnd doctor Martin Luther mit guthen wort- ten zu jm bring wer feth sich an jm zuerholen weß an den beid^ bgang^ nach dem ich v'stehe er wanckels muts yzo keiserichs yzo frantzoses wy der winth geth welch ich dir guther fr^er meynüg jn Eyl nit bergen ob du es hern Vierich weß anzuzeig^ datum ut supra.

[Original. Arohiv zu Birkcnfeld].

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BERNHARD VON HUTTEN AN ULRICH.

161

XIX.

? Febr. 1521.

Bernhard von Hutten an Ulrich von Hutten.

Lieber \et) ich hab e schr^. sampt vber schickten ewrn buchleu verlessen [vnd] mit beger entpfang^ [vnd] disser sachen ewrnhalb vor nit wissn gehabt dan [als ich icz gen arnstein komen] ewr sclir^ darine wes jr vnß [alle] vetter allen semptlich gschr^ auch daneben her frowen schr^ als ich gen arnst^ komen da fund^ [v'lessen] darvff her lutwig vnd wir andern vet) hera frowe [vnsser geschr^ geschickt antwurt geben] euch [zu behenden] wes vnser meynung ant- wurt zu geben gcschr^, vnd zu geschickt je It^ vnd erst- lich . . als jr vnter anderm schr^ dz jr ewrß schr^ ge- grünt (?) vnd zu v'antwurt^ wist auch zu ebernberg bey m) swagJ franczen seyt hör ich [meins deyls] ser gern [zu ebern- berg] da jr wol sicher vor welsch vnd deutsch [vnd] des er- freydt zu forderst wol ich wolt jr des last vnd var vberig so aber nit muß man es got vnd der zeit befelhen [befelhen vnd] sich gotes der gerechkait vnd warheyt trost^ [vnd] kainer vngnadt zu hoch erschrock^ allein vor gewalt sich waren vnd nit vil v'trawen vnd als jr verner schr^ wie jr an francze v'trost euch vnvhort nit vergewelg^ lassen ist fürstlich vnd loblich Darvff mcy rat vnd ich thon wolt [ich] wan die sach m) wer mich [mich zur zeit vnd sonderlich] vof reichstag jn kain that für mich selbst begeben auch nymer [nit] verwillg^ die zeit [mit deinen gesellen] etwas m) weg^ [. . . nymer] zu thon ader für zu nemen wolt ein ander etwas thon für sich an ewr wissen vnd befelch kont jr nit als wend^ doch besser allenhalb gelassen dan getan

dan wan etwas vbers [. . .] [. . .] wan

dan der reichtag wer vnd jr vff . . . reichstag [gefordert . . .] verhört v'hoff ich wir hut^, zu theyl auch ewr vnd ander vnsser aller hern vnd frunt sollen die zeit so statlich auch da [zu worm] sein auch ander vermöge euch beystant zu thon damit jr [jr] abgot brechlich vnd wol besten salt ver- hoff auch wie jr schr^ es sol in vil stent^ (?) ein endrung gemacht wo nit wil ich mit pastuln (?) zu sant Jacob wo jr

Q.F. LXVIL 11

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162

NACHLESE.

dan nach v'hor vnd vbor bilkait not vnd abentewr stcn most jr als dan aber [aber] thon wie jm sein wil verhoff wir wollen jr jm rat frunt vnd so vil guter frunt vnd gesellen haben die der sach auch wider volg^ (?) vnd helff^ vnd rat^ sollen mocht jr als dan die vetern vnd andere ewf hern vnd frunt an gelegt art vff die kizig prucken ader ander ent bescheyd^ ferner mit rat handeln was ich dan dar jn rat^ helff^ vnd [dan] thon kan solt jr mich willg haben It^ der andern Sachen halben haben mey hausfr^ vnd ich vnß an etlichen end^ beerbet aber nicht erlange meg^ an

es gern gesehen wer wol etwas zu

erlange dan es nit sunders furderlich mit der fruntschaft oder narung ist dz ich an d . . selben Sachen auch nit rat^ wolt wo wir aber etwas dz vnssers ansehen euch mit frunt- schaft vnd narung dienstlich wer wolt wir euch nit vhalt^ auch die sach jren lassen her Virich

| Bernhards Handschrift. Archiv zu Birkenfeld. |

XX.

Petschau. 6. MÄrz 1521.

Hans Pflug von Rabenstein an Bernhard von Hutten.

MEin dienst zuuor Edler vnd Vester Lieber Bernhardt von Hutten guether freundt euer schreiben wie her Virich von Hutten euer vetter vms lieb dayczs adels auch anderer stendt vmb der warhait willen vmuorschuldt vnuberwunden ainicher vorhoer oder Rechtens vber alles sein rechtlich er- biethen jn vngenad vnd vnsicherhait vnd villeicht gar zue fedth des babst seiner kardisanen etlicher kuemen welche maynung jeh auch jn franciscus von Sigkingen ic schrifften eezwas klerer vorstanden derwegen ewer Bett an mich ge- dachtem her Vlrichen von Hutten euthaldt zuegeben jc hab jeh weithers Besags vornuemen vnd were euch jn deine vnd anderm so es werntlich hendel vnd nicht mit reformacion vnd dispitacion des kristlichen Glaubens belanget als vill mir zuuerantwerthen hirinnen zue wilfarn ane vorzueg wol ge- naigkt dan jr von Hutten mir vnd meinen Bruedern etwas

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HANS PFLUG AN BERNHARD VON HUTTEN.

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mit freundtschafft vorwant Aber nach deme jch beriecht vnd nit änderst wais diese sache dar durch dieße fedth gegen dem Babest vnd seinen kardisanen vnd als ich vornim gegen allen gaistlichen von doctor Marthinus Luther her fliese etwau den Bapst die kardinal vnd gaistlykait zue reformiern jn ander Ordnung stendt vnd weßen zuebringen darinnen eczwas vil des kristlichen glaubens dispitacion eingefuerdt wirdet wie jch das mehr dan einest jn den außgegangenen des Luthers buchern als vil mir der zuekuemen geleßen vber welchs Luthers ausschreiben als vil mich mein ainfeldiger vorstandt weist jn eczlichen sachen nicht vngefallen vnd zuemtayl nit genung vorstendig bin dieweil dan dye obgemeldt hern Virichs widerwertikayt vnd wue es zue fedth geraichen gegen dem Babst vnd seinen kardisanen wue ich änderst recht darane bin Auch die dispitacion des glaubens mit sich bringkt vnd diese hendel jn der kran zue pehem noch nit weitt erleuthert vnd ausgebrayt sin dt domit von meiner oberherschafft der königlichen wirdt zue vngern vnd behem 2c meius gnedigsteu hern vnd dem regiment gemelther kran vnd sunderlich an wissen jrer königlichen wird vnd beruerts regiments mich dieser großmechtigen sachen jn enthaltung Auch dieweils die sei vnd glauben mit Beruerdt alßo gehling vnd vmbedecht- lich zuebegeben auch hiemit zuezueschreiben nicht gebuern will vnd mochte mir darumbe von Gemelther königlicher wird meinem gnedigsten erbhern vnd dem regiment sollich sachen ane wissen vnd auch ane antragen jn der kran zue pehem ein zuefuern zueubel auffgelegkt vnd zuegemessen werden Auch zuuor mein gewissen hirjnnen zuerindern dye natdorfft erfordert Aus dem allem wil jch euers gesinnens vnd anfuerhens eiu Bedacht nemen vnd nachtrechtig sein Auch woe mich vor noth oder vor guet ansehen wirdet an dy hochgenant königliche wirde oder zum wenigisten an das regiment der krane zu pehem gelangen lassen vnd als dan wes mich jn dieser sachen mein gewissen gemelther enthal- dung furschueb vnd forderung halben weißen mir meiner sehl vnd ehrn nach zuethuen geziemen wil solle euch ferner vnuorhalthen bleyben das habe jch euch vff euer schreiben Als deme ich liebs vnd dienst zuerzaygeu genayget zu ant-

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NACHLESE

wordt nit vorhalthen wollen datum zue petschau am Mitwoch Nach dem sontage oculj jn der fasten Anno *c xxj°

Hans ppflueg her vom Rabenstein vff petschaw vnd konigswardt ?c Dem Edlen vnd vesten Bernhardt von Hutten zue Birkenfcldt meinem Guethen freundt ?c

(Unter der Adresse von Bernhards von Hutten Hund:)

her Ylrich b^ [Original. Archiv zu Birkenfeld.]

XXL

? 8. Milrz 1521.

Caspar Eilbegkh an Bernhard von Hutten.

Mein besundcr gauczs willig fraundtlich dienst zuuor lieber sbager pernhart dein sehreiben mir gethan her vlrichen von hutten deynem vettern pelangeu deß jnhalczs hab jch neben deynem ansuchen vernomen will mich dir zue fraundt- licher wilfarung vmb ein euthaldt pemuen am waldt vnd zue pehaim vnd au den arten da jch mich glaubens vnd traueus verbaißs vnd waß jch außricht daß will jch dich mit dem furdcrligsten .... Sigmundt von wirßpergkh mit schritt^ wißen laßen dan jch versieh mich daß jch dir wol außricht^ darober du ein gefallen haben soldt zu dem pistu meins haußs traußnit jn dem dir ader den deynig^ genuezen mag mechtig daß hab ich dir jn fraundtlicher wilfariger autburt nit wellen verhalt^ dar mit will jch dich vnd wer dir lieb jst got vnd der lieben zeit pefolhen haben Dat^ freitag nach oculj A xxj

Casper eilbegkh zu traußnit

Landricht>> vnd pfleger zum pargkstain ?c

Dem erbern vnd vesten Bernhart von hutten zue bircken- fels meynem fraundtlichen lieben Sbager vnd gutten Fraundt 2C

[Original. Archiv zu Birkenfeld. |

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AUSSCHREIBEN GEGEN DEN KURFÜRSTEN VON DER PFALZ. 165

XXII.

? Oot. 1522?

Ein gegenredt oder ausschreiben Virichs von Hutten widder pfaltzgraf Ludwigen Chürfürsten.

Christus hat mich erhört, vnd als mein Eynige bit ge- weseu. das allen mentschen kundt werde, wie du mich so gar on alle vrsach, mit eynem so grlmigem gewaltsam be-» leydiget, hat er mich der gantz miltiklichen gewert, dan du selbst mit deynen vberhauffteu vbclthaten, machst mir zu letzt glauben, bey denen, die nehst meyncten, ich thät im zu vil, in allem dem, so ich von dir klagte, als ob ich schmertzen des entpfangenen leyds, die sach villeicht grösser, dan die an jr selbs, machte. Aber jetzo sehen sie, wie glaub- lich sey, das du mir solliche bitterkeyt angelegt, jn dem du jtzo widdcrüb gegen mir, darnach auch gegen vielen anderen, mit demselbigen deinem grausamen mordsgrim, wütest. Vnd erkennen zum letzten, das ich nit vnbillichen bewegt, das auch war sey die redt, die ich al wegen von mir vßgegeben, es sey mir niemandt veind, er sey dan auch vnsers Vater- lands, vnd aller frofiien veind, jo wöll ich auch keinem nye- mer veind werden, ich erkenne jn dan, der gantzen gemeyn schädlich. Dan als ich noch nit gnugsamlich verschmirtzt hatte den todt, deß, den du, vmb das er mir eynn billichen thienst widder meyne veinde die Curtisanen gethan, vn- wirdigklichen ertötet, hastu dir schnellicklichen, jnn sin ge- nömen, den gewalt, so du mit mir angefangen, öffentlich vnd in gemeyn vorzuwenden. [Hast daruff ein grosse Schätzung, vff alle geistlichen, die in deim gepiet sindt, gelegt, damit ein kriegsvolck vffbracht,] vnd bist daruff also in die Lands- knecht, die von frantzen beurlaubt, dem Trierischen Land zogen, gefallen, allen den deinen erlaubt, wen sie von den selbigen wollen, zu berauben vnd ormörden. Wie ich nun in dem meyne kleider vnd bücher, etzlichen wagenleüten sond' alle hclung, vnd in gutem v'trawen, durch dein Landt zu füren, beuolhen, hastu mir dieselbigen auch mitsambt den wagenleüten, vffgefangen vnd entraubt. Villeicht der vr- sach, das du zweyfeltest, die weil ich noch kein räch gegen

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NACHLESE

dir furname, ob du mir mit der ersten that leydlich genüg zugesätzt hättest. Ynd darumb woltestu meyner gedult eyn newe wunden schlagen, vnd mir also den ersten schmertzen erncwern. Hast das nit on vrsach in dem raub zu forderst vnderstanden, dan dir was wol wissen, das du mit keinem anderem ding, meyn bestendige gedult mer crreitzen möch- test, dan wo du mich meyner bücher, die ich vor den wer- dcsten schätz halte, beraubtest. O ein vnmilte vnbarmhertzige that! "Wer hat solichs vor dir je vnderstanden ? Oder wer ist je so grob vnd vihisch gewesen, der ab eynem so Er- 8amen Raub, seine Hend nit enthalten? Sindt auch die Liberien nit sicher vor dir? Oder wie magstu mich, den du vormals so Jämerlichen betrübt, jtzo widderfib beleydigcn, vnd mein vorigs wo, mit eyner newen peyn erwecken? Wie ein grosses vbel möcht mir dan handen stan, daran du ersatigt? Oder was woltestu wol gegen eynen veind vben, so du mich, der mich noch fründschafft vnd gnaden zu dir vorsehen, so härtigklichen anfechtest? Aber vnder alleu thut mir am leydesten, das du, als meynen thiener tötest, vßgc- geben hast, du straffest eynen straßraub7, als sey meyn krieg ein straßrauberey , hast es auch öffentlich also lassen vs- schreyen, vff das du mich zu dem angelegten schmertzen, noch auch mit schmach vbergüsscst. Also muß ich bekennen, das du meyn gedult vberwunden, vnd von dissem tag an, muß nit mer schuld t in mir seyn, gegen d eyn er grossen arge vnd boßheit. Dir sol auch hinfür, kain sölliche that durch mich nicmer verschwigen bleyben. Dan ich werde dich zu bekäntnuß forderen, bey einer gantzen gemeyn zu reden setzen, vnd Teutscher nation anzeigen, disses die elendesten zeit sein, do dir eynem sollichem die öberkeyt des Regiments beuolhen. Jn welhem billich eynn jeden des frömen Keisers Caroli erbarmen sol, der in abschied, dir das Reych in friden zu vorwaren beuolhen. Vnd muß jetzo sehen, das du das- selbig mit vffrur vnd zwittracht beunrüigst. Dan wo zu anders thient dein anfang, dan zu einer ferlichen, vnd die von nöten sein muß, vffrur, gantzes Teutschen Lands. Deß vberblybene freyheit du zu zerstrcwen vnd vßzutilgen meynst ? Derhalben auch jtzo stets vorsamlüg gehalten werden, vnd bundtnuß

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AUSSCHREIBEN «iEGEN DEN KURFÜRSTEN VON DER PFALZ. 167

gemacht, zuuoran vnder dem gemeynen Adel, den du dir vor- genomen hast, aller seyuer freyheit bloß zu machen . welhem vorsatz als du dir zugesellt, die du dir gemeynt eben sein werden, bistu mit einem her, das du dau von der Schätzung deyner priesterschafft, vnd geistlichen schirmsvor- wanten vnderhultest , vber deyne nachpaurcn gezogen, vnd in dem du die selbigen mit rauben vnd nemcn verwücstest, sprichstu du stillest die Straßräuber. Wer sin dt aber solliche straßräuber O biderman? Wer? Vorwar alle, die darzü sie recht haben vorthcdingcu wöllen, oder deren gemüter zur freyheit gericht, oder deren gewalt vnd macht dir verdacht- lich. Jn welher zal du haltest den Bischoff von Meyntz, dem du mit zökerung desselbigon deines fridschaffenden heres, fünf vnd zweintzig taüsent gülden abgetroet hast, vnange- schen, das er sich vor den Keiser in eigener person, vnd das Regiment, auch zu allem rechten vnd billikeit erboten hat. Heist sollichs des Keisers stat vorwesen ? den Landfriden be- schirmen? Vnd das Reych in ein setzen? Du sagst* Ja, aber alle mentschen mercken vnd sehen, wie zu eynem grossen vnd schädlichen zu kunfftigen krieg du samen strewest, vnd wie mit einer vnheilsamen wunden du Teutsche nation vor- serest. Weihe du auch ein zeither wol versucht hast, was sie leyden möge. Darumb saltu nit zweyfelen, sie hat niemer verstandt, wes jr gegen dir zu trachten von nöten sey. Ja sie hat verstandt, würt eigentlich etzwas gegen deyner vn- sinnikeit vnderstehen. Vnd wil sie meyns rats in dem pflegen, so sal sie nit allein deiner Tyranney weren, sond' gentzlich deine macht zerbrechen. Dan wie mag frid jm Landt sein, vnd eym jeden das seyn bleyben, so lang du ein solliche macht hast, vnd dieselbigen nit zu Verfechtung der billikeit, sonder zu vnd'druckung der vnschultigen brauchest? Vorwar würt diß eyn erbärmlicher stand seyn. Derhalben muß man dir entgegen trachten, vnd ob jrgent jemant nachlässig vnd träg worden war, sol man jn ermüntern vnd vffwecken. Dan wir sehen alle, das Recht vnd gesätz vorgwaltigt werden, boßheit oben schweben, die siten sich verkeren, geistlich vnd

* 'Do entbrist nichts.' (Auf der folgenden sonst leeren Seite.)

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NACHLESE

weltlich in gleicher achtung sein, vnd alle ding sich ergern. Drumb wil ich sagen, das ich gedultigere leüt nie gesehen, dan den Teutschen Adel, wo der nit bald, vnd vor allen anderen, seyne freyheit mit sch werten vnd woffen gegen dir entschütet. Jch wil auch fragen, ob je eyner in vnsern landen gewest, den hoher von nöten, vnd der gemeyn nutzlicher war, vßgeiagt vnd zerbrochen werden? Weiher du, alwegen viel begerest, vnd hast doch an keinem gewin noch züfal genügen. Dein geitz ist so groß, das ich glaub, der gantzen weit gold möcht dich nit ersättigen. Des sollen wir alle jn- gedächtig seyn, vnd gut vffsehens haben, wie weyt den bösen nachzulassen sey, zu voran jtzo, so du gesellen an dich ge- henckt, die von deiner brinnenden begirlicheit entzündt, villeicht nierget nit mit dir vort rucken werden, also das man nun mit krieg vorfolgen müß, die man billich mit recht zwingen sollte. Das wirt ein schädliche vnrfir jm Teutschen Land. Dan wir werden die woffen gegen dem jngeweid* vnsers Vaterlands keren. Weiher dinge du eyn Häubt vnd anfang bist. Du hättest dich aber sollichs nie vnderstanden, wenn dir nit zu dem schweren kosten, den du weyter dan deyne zynß vnd einkömen, auch Schätzung deiner armen leüt reichen, fürest, gelts gebrochen hette. Meynst dich also mit vnserem raüb zufüllen, vnd hast dir das so gar trötzlich vor- genömen, das du auch die, so etwa all jr gut, auch jr leib vnd leben vor dich gesetzt, jtzo mit allem gcwalt vnd vnrecht vberfellst. Vnder weihen dir am aller mynsten geziempt, Frantzen von Sickingen vberziehen. Dan er hat dir etwa sonderlich vnd vor anderen lieb vnd thienst gethan, vber das, alwegen dasselbig geschlecht deinen vorfarcn getreulichen gethient hat. Das dir dan nit vnwissen. Es ist aber dein beger gut zu haben, vnd vns vnderdrucken so gros, das du leichtlich alle danckbarkeit ruck setzest. Wer ist aber den nit erbarme, aüch an deinem hof, vnd in der schar deines thienst volckes, das rdfi Hartmüt von Cronbergk, den vnschuldigsten, vnd frömesten in vnserm orden, on alle ver- schuldt vnd vrsach, besitzung aller seiner hab vnd güter,

* 'Jnngewaid, deß Vatterlandts,* (Am Rande yon anderer gleich- zeitiger Hand.)

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AUSSCHREIBEN OEGES DEN KURFÜRSTEN VON DER PFALZ. 169

beraubt? Es ist achten, die weil du den also zugericht, dastn hinfur, deine räuberische hend von keiner vnschuld entzihen, sond' die allenthalben anwerffen werdest. Ja bey glaüben allenthalben, vnd gantz Teutsch land würstu zeichen, mit fuosstepfen sollicher deyner gewaltsamer mißhandelungen. Dan bey den bisher beschehenen dingen kan abnemen, was du dir zu könfftig vorgesetzt, vnd waruff taglich dein gemüt eylet. Wiewol ich achte, du habst der gleichen lang hieuor zu beginnen gedacht, aber gebrechen der geschick- licheit nit mögen vollenden, vnd dir sey etwa an gelegenheyt der zeit abgangen, aber an willen vbel zuthun, hab dir nie gemangelt. Also bistu vnser zuchtmeister , der die freyheit der geistlichen widder vns schützest, in dem du die, der erst von allen, mit einer schweren Schätzung jres gelts beraubst, vnd der Teutsch Land von Raubereien reinigest, wenn du selbst raubst vnd nimbst, den deinen erlaubung gibst die vn8chuldigen zu ermorden, vnd welher von den schuldigen vnd bösen beschirmt sein wil, der hat macht zu dir zu fliehen, den man etwa für schlaffericht vnd melancholisch hilt, der aber jtzo , die weyl sich gelegenheit begeben , frisch vnd wacker worden bist. Wer hat dein träge natur, so balt mit newer geschicklicheit ermintert? Sag mir aber ein anders, wie vil meynstu wol aus denen, deren bey zweyhundert vff dein geheysß ertötet , wol taüsent beraubt sein , haben dich mit äugen ye gesehen, jch geschweig, das sie dich je erzörnt oder geletzt haben solten? Doch wil ich von anderer vn- schuldt, andere mit dir reden lassen. Was hastu mit mir je zu schaffen gehapt? Od' wo hab ich dir je vrsach gegeben, das du mir so freuelich das meyn abnemest? Od' weihe so grosse vrsach mich zu veruolgen hab ich dir gegeben, das du mögst eynem der mir mit Eren gethient, das leben nemen? Aber du thüst es, vnd darffst ein so gewaltsame, grimige vnbarmhertzige vnd Tyrannische that, ein straff nennen, vnd deine mißhandelüg mit eim vmbhang der gerechtikeit be- schönen. O seligmacher Christo, wie gar nichtes schämen sich die gotlosen. Beschirmestu den landtfriden? Ja wer hat freuelich', mit erweckung eyns grössern tumults vnd grau- samer beschadigüg guter leüt den friden betrübt vnd verkort?

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NACHLESE

Vbestu gerechtikeit? Ja ist auch jrget ein kleins weniglin billikeit od' gerechtikeit in dir ? Oder wer ist jrget vnbillich oder vngerecht, wo du, der so gar on vrsaeh raubest vnd mordest, für einen, der gerechtikeit Vorsorge, salt gehalten werden? Beschirmestu dan die geistlichen, die du heimische vnd frembde mit gewalt vnd vnrecht schätzest vnd plonderst? Weihe leüt aber, den du nur bekant bist, werden glauben, das du rauberey straftest, der allen deynen anstössern, mit nemen vnd rauben beschwerlich bist? Das dan in eim ge- meynen vnd landrüchtigen gespräch jdermans, auch von vilen mit äugen gesehen, mag nit glaubens mangelcn. Des du aber mir schuldt gibst, mfiß mit bezeugung redlicher leüt, als falsch vnd erdicht widdersprocheu werden. Dan mache jeh vffrur im Reych, das du nehst vngehörter weys, vnd dergleichen zu keiner Zeit nie erkannt, verkaufft hast? Oder briche ich den Landtfriden, den du mit so freue- licher vorgwaltung, als nie keiner vor dir, gantz hinweg gethan, mit erbärmlicher beschädigung der gemeyn, vnd tot- schlag viler mentschen, abdringest vnd vsschleüst? Oder handele ich die geistlichen vbel, der sie albegen, wie wol für eym veihend geacht, erlicher gehalten hab, dan du, in des schirm sie sich mit gelt gekaufft? Oder sal man mich Teutschem land, dem ich alwegen ein anzeiger d' war- heyt vnd gerechtikeit gewest bin, vortreiben, vnd dich darjnn halten, der es an so vil seinen orten beschwerest vnd ver- derbest? Dan mir zweyfelt nit, du hörest vmb dich, das erbärmlich geschrey, vnd vngewönliche klag Teutsches lands, das täglich vber dein raubgirige h&nd, vnd vnersätlicheu geitz, weinet vnd heület, das dan auch vßländer erbarmet. Aber du nimbst dir kein maß für, stets auf newe weiß zu schinden vnd schätzen. Vnd je vnbillicher deine thaten von iederman geacht werden, je hefFtiger vnd trötzigklicher du noch jemer wütest. Hirumb, o wie ein schöner Vicarius des Reichs, Ver- fechter der gerechtikeit, beschirmer des landfridens bist du, Aber ich muß vnglückhalf't sein, das du eben vber mir, die erste anzeigung deiner redlicheit solt geben. Nun hin, far vort, volfnr deinen anhäb, vnd iasß nit ab von sollichen siten. Also fahen an, die zergehen sollen. Dan ich meyne je nit

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AUSSCHREIBEN GEHEN DEN KURFÜRSTEN VON DER PFALZ. 171

gotes oron, so gedultig sein, das Er dich eiun sölhen Tyrannen, milticklicher straffen werde, dan deinen Schwager, des glück dir freilich beschert sein sol, vnd den du niemer hettest vortreiben lassen, wenn du nit etwa an seine stat zu treten vorhofft. Das du dan erlaugt. Aber du hast es in dem vil besser dan derselbig, dan nach dem du von höherni stand vnd grösserm gewalt bist, magstu weit' vmb dich greiffen. Derhalben wär zu wünschen, das wir den widderüb hätten, wo du lenger solt geliten werden. Es hat sich auch zur selbigen Zeit Teutsch nation nit wol vorgesehen, do sie eynn Tyrannen vßtrieb, das sie nit vffdencken hätte, wer etwa an desselbigen stat treten möchte. Aber du hütest dich domals still vnd glimpflich, wartend vff ein zeit, da einß andern verdörbnuß, deinem glück stat gäbe. Darnach hat sich das glück, mit newen vnd vilfeltigen zufeilen, vber dich ergossen. Das Römisch Reich wart Keisere 1er, da meyntestu dein gelt kast wär müntz 1er, vnd nit vnbillieh, dan er was ler, du hast jn aber alda gefüllet, vnd daruff geruhet, biß er balt darnach widderüb ler würdt. Dau du bist nit weniger gelt zuvorthun geüdisch, dan das zu samlen geitzig. Dariib möchtestu wünschen, das das Reich widderumb ler würde, vnd ich glaub du hettest die harr nit leyden mögen, wenn das glück dir nit balt eynn newen bissen jn deynn geinenden mund geworffen hette. Dan es meynen viel, etzliche hallten es auch fürwar, das auch du mit den güldenen gebenedei- ungen, die Bapst Leo widder vns gen Worms schickte, be- sprengt seiest. Lasß das aber schon ein jrrige meynüg sein, so hastu aber balt nach demselbigen Reichstag, deyuen hin- derhalt, der bißdahin verborgen gelegen, ich meyne den newen güldenen zol, den dir der Keiser zu Ion, das du dein Chur- 8tini so wol angelegt, hatt gegeben, herfürbracht. Denselbigen so feisten raub, hette jderman gemeynt, deynen geitz zu er- füllen genug sein. Die weil du aber nit getrawen dörffen, also viel von dem zol gefallen mögen, als du dir zu vor- geüden vorgesätzt, vnd auch die weil du durch so viel gaben vnd geschenck vernascht gemacht, dicli bedacht hattest, sol- licher süssikeit mit offenem rächen nach zulauffen, bistu von stund an vff meyne sach gefallen, die ich doch nye gemeynt,

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NACHLESE

dir oder jemants gewinstlich sein mögen. Aber der geitz hat dich nachsuchend gemacht. Dan in dem ich mich nichtes dan not vnd arbeit vorsehen hastu lust vud gewin errochen. Derhalben beginnen dich jtzo die lcüt zu kennen, welhs teyls du seiest. Dan man hielt dich etwa für Lutherisch, das ist für Euangclisch. Vnd ich glaub auch du wärest es noch, wo das Euangelium seinen beschirmern, geinelf maß ge- winstlich wäre. Do du aber daselbst an verzagt, hastu dich von dannen, zu den frofilen Curtisanen vnd prediger munchen gewendt, vnd deinen Teüfelischen schirm vil veyl geboten. Weihen dan so bald nit fröme geistlichen priest', dan dic- sclbigen sind alwegen frey vnd sicher vor mir gewesen, vnd noch, sond' alle die cyns bösen gewissens sindt, von dir er- kaufft haben. Also bistu ein eynige Zuflucht worden, allen den jhenen, die vber jr herbracht leben nit rechenschafft geben mögen. Jn dissen staffeln bistu zu der vestg deiner Tyraney vffgestigen, vnd disses ist der zugang, in dem du bist ein fridbeschirmer vnd handhäber der gerechtikeit worden. Weihe berümung wenn die Leüt von dir hören, so wondert sie, was dan an deinem, deß fridbeschirmers, Hof machen etzlich redlich gesellen, die etwa mer dan jemant ander, ru vnd friden jm Reich vertrübten, werden auch sollichs zu wondern nit vffhoren, biß du sie vnderweisest, einem der die rauber vertilgen wöll, von nöten sein, das er rauber daruff bey jm halte. Was werden nun solliche leüt jtzo dencken, wenn sie sehen, das du nit Rauber veruolgest, sonnd' deine rauber widder Erbare Leüt vnd bezeüg' der warheit brauchest? Werden sie dich auch noch für eynn fridbeschirmer halten? Wiewol mir nit vil zu schaffen gibt, wofür sie dich halten. Aber meyne Er, wil ich gegen dir biß vff dem letzten adem Verthedingen. Wil mich vnderstehen, alle weit zu berichten, das du meynen thiener tötend, nit rauber gestrafft, sond' denen, die dich jnen mit jrem gelt vorpflicht gemacht, zu ge- fallen, das vnschuldig blut vergossen hast, vnd das ich vnd andere, das du sollichs uit thätest, wedder mit bit noch gaben vmb dich erwerben haben mögen. Das du auch denselbigen schlagregen, vngewarnter sach, als ich mich sollichs gantz nit zu dir vorsach, auch aller schuld vnd vorhandclung, gegen

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AUSSCHREIBEN GEGEN DEN KURFÜRSTEN VON DER PFALZ. 173

dir frey wüste, als du dich dan kurtz da vor keiner vngnaden, in deinen mir vberschickten briefen , hatst mercken lassen, vfF mich geworffen. Dan es ist je wissenlich, das ich mein lebenläg, mit dir in vngutem nichts zu thun gehapt. Aber du suchtest vrsach, dich zu beweisen, vff das, ob etzliche wären, die sich noch nit in deinen schirm gekaufft betten, in disser that erkenneteu, das du kuntest meinen veinden widder mich dienen , vnd derhalben bald , mit schweren seckelen zu dir Helfen, frid zu kauffeu, den sie doch nit haben sollen. Dan sich gepürt nit in friden zu leben denen, die alwegen aller vffrur vnd zwittracht vrsach gewesen sindt, die alle sachen des Reichs vßländern verraten, gelt von vns ge- fürt, vnd her widder ergerliche böse siten bracht haben. Ja sag ich keins fridens sollen sich gebrauchen deine schirms-

vorwonten die Curtisanen, vnd dergleichen

* Aber du wilt

sie schirmen, nit das sie des werd (dan du sihst nit an, was ein jeder werd sey) sond' darub das sie gelt habeu, vnd künnen schirm von dir kautfen. Vnder denen einer dir nehst als du gelt bedörfftest, siben tauseut gülden gelihen, vnd die alten Heichsstat Oppenheim zu pfandt, von dir eingenmnen. Zu welher Zeit uiemant zweifelte, wenn ich mit solhem gelt, deiner notdurfft zu Ilülf körnen vermocht, du bettest mir gegen den Curtisanen durch die finger gesehen. Aber der Adel vnd gemein ersufftzten kläglich darüber, vnd alle die es gern gut jm Reich sahen, vnd jr Vaterland liebhaben, trugen deü schmertzen, das dir zugelassen werde, ein so alte keiserliche Stat, einem schandthafftigen besitzer zu vnder- gebeu, vnd alda ist erst scheinbarlich erkannt worden, in was jamer wir gefallen, seither du zu sollichen dingen er- haben. Nun werden sie, mich betriegen dan alle meyn ge- dancken, sehen, das du noch vil vnbillichere ding würst für- nemen, nach dem du ein mal vorpflicht worden bist denen, die nichts erbars oder billichs begeren, an denen du auch (wenn dich jtzo einer zu eroffnung deins gemüds zwüngt)

* Auf Wunsch des Besitzers der Handschrift bleibt ein Abschnitt von wenigen Zeilen ungedruokt.

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NACHLESE.

nichts zu loben weist, dan das sie gelt haben, damit sie gern zu bösen dingen helfen. Dicweil du nun so gar on frund bist, das du von nöten zu frundschafft der aller bößsten flihen muest, vnd keiner von den frömen ist, wenn er dir schon hold sein wölte, der dein vncrsätliche begirlicheit gut zu haben, erffillen mochte, so hastu dir ein ebene vnd deinen siten gemcsse geselschaft funden. Dan allein sind on massen reich, die sich nit schämen gut durch schalckcit zu erwerben. Sihstu das mir nichtes verborgeu deren dingen, die du heim- lich halten wilt, vnd vff das sie nit offenbar werden, meynen tod begerest? Derhalben du auch lang davor ehe meyne thiener die zwcn Epte angegriffen (welchs du jtzo zu vrsach deiner vorgenömenen widder mich vervolgüg nimbst) deinen Reittern beuolhcn hattest, vff mich zu streüffen, vnd meynes vnd ein reiteus, ob sie mich jrget vorzucken möchten, acht zu nemen. Heist das den landfriden schirmen? Ynd des Rcychs frömen schaffen? Denen heimlich nachtrachten, die du öffentlich zu erfordern nit vrsach hast? Was wöltestu nun vor vrsach deiner that angezeigt haben, wenn ich zur selben Zeit, vff deine streftffende reüter gcstossen wäre? Wes wöltestu mir schuld gegeben haben? Vorwar hettestu mich jewo ich zu Verantwortung körnen, nit verurteilen mögen. Darüb hättestu dir villeicht, mich heimlich vmb zubringen, damit du vff den töten etzwas erdichtest, vorgesätzt. Hoffestu aber auch jrget an einem ort so grobe verstäntnuß sein, da man nicht scheinbarlich mercke, warüb du mich tot wöllest haben? Du kaust doch selbs nit, ob du schon gern wöltest, vorwar kanstu nit, vorhelen, das du forchtest, die weil ich der bin, der warheit zu offenbaren, vnd laster zu schelten pflege, das nit etwa viel ding, vnbillich von dir besehenen, durch meyne schrifft zu erkänntnuß körnen. Vnd dir ist nit vnwissen, das ich tyrannen zu verfolgen geborn bin. Hirumb wie teur wöltestu es wol kauffen, das ich hette mögen zu der zeit, do du dich noch keins vnwillcns gegen mir annamest, vnd ich mich gar nichtes arges zu dir versah, von dir ver- dempft werden ? Dan jtzo blib vil von dir verschwigen, vud du möchtest on sorgen deiner bößheit pflegen. Wan das nun nit Vorgang gehapt, vnd dir doch von nöten gewest, meinen

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AUSSCHREIBEN GEGEN DEN KURFÜRSTEN VON DER PFALZ. 175

veinden, wöltestu du änderst gelt von jn haben, widder mich, in was gestalt du möchtest, zu thienen. Hastu mir meine nam abgefangen, den der mir in meiner offenen vorkundten vnd zugeschribnen vehdt, ein vngeferliche Reyß, wie von alter herkömen, vnd al wegen bey der Ritterschafft in brauch gewesen, gethient, ertötet, vnd sprichst du straffest die Straß- rauber. Billicher sal ich dich nennen eynn alter vbelthatigsten straßraüber vnd morder, der auch vnbarmherzigklicher vnd schädlicher dan keiner nye, raubest vnd mordest. Aber jch füre eynn öffentlichen krieg, in dem ich kein vnschuld nie vorletzt, vnd weis vmb meinen handel red vnd antwort zu geben. Dan warüb solt mir nit gezimen vnd zugelassen seiu, billicher vrsach, wie eyn alte gewonheit, eynn krieg zu- füren, weihen do ich ansagt vnd verkündiget, vff einem go- meyng Reichßtag, vnd versamlung der Christlichen Kirsten, hat sich niemant funden, der mir darein spräche, oder den, als vnbillicher weiß furgenömen, verböte? Du vnmiltister aller Rauber vnd mörder, die jrget sin dt, darffstu mich eyn rauber schelten, der alwegeu melier abschewung von vor- loümüg d' Rauberey getragen, dan du je eynig laster zu be- ginnen gezweifelt hast? An dem auch gewieß ist, ob du heut vermöchtest, dissen alt her kömenden Teutscher uation gebrauch, krieg zu füren abzuthun, das man mit gutem recht, alles das du hast, von dir fordern möchte. Dan do dein vater nach sollicher gewonheit kriegte, wart er von Kciser vnd allen deß Reichß ständen, durch öffentliche verkundiguug der schweren acht, nit alleyu seiner guter, sonder auch Eren vnd wirden stand* entsetzt, vnd sein leib vnd leben wart joderman erlaubt. Vnd wiewol dein also, faudt er dannoch leüt, die jn widder dieselbigen macht beliilteu. Die saltu erst vordammen, dan sie auch widder das Reych gekriegt, ehe dann du raüber nennest, die mir in Einer billichen vehdt, die ich on menigklichs verbot vnd eintrag, meynen veihenden öffentlich verkundt vnd zugeschriben hab, thienen. Ja sag ich, ehe mustu allen Teutschen Adel vertilgen, dan du eynen aus den meynen, in sollicher gestalt mit recht ertötest. Dan kaum würstu jemant vom Adel, der anders hämisch füre, finden, der nit etwa, ein wedders selbs dergleichen vehd ge-

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176

KACHLESE.

hapt, ader aber andern in jren vehden, gethient sey. Wie- wol du noch nit vil anders thuest. Dan ich sich dich nie- mant vorschonen, sond' mit gleicher vngestümikeit freund vnd veihend vberfallen, vnd auch die jhenen die dir gut ge- than, vbel handelen. Das ich glaub, du habst dir streng- lichen vorgesetzt, solliche wütterey, so weit dir das glück vorhengen wöll, zu volffiren, daruff zu wachen vnd dich be- flcissigen, wie du den Adel von grund an vßreüttest. Darumb ich auch iu dissem meyuem schmertzeu eynn einigen vnd sondern trost hab, das vff meinen schaden, Hu cht* gevolgt haben, schaden vnd nachteyl viller redlicher leüt, vnd das sollich deiu gegen denn meynen vßgegangen vrteyl ist vber alle Edelleut eyn für vrteyl ist vber alle Edelleüt Tcutscher natiou. Ob nun keyner vom Adel wäre, der mir widdcr deinen gewalt hilff oder beistandt thun wölte, so ist doch disse saoh nun nur also gestalt, das eim jeden vor sich selbs, sein eigen stand, wesen, wolfarn, heyl, Er vnd glimpf hierjnn zu bedencken. Was ansehens mag dan haben, das ich in meinem krieg veruolgt die jhenen, die von allen frömen, oft entlich verhasset, vnd die niemant jn abreden ist, wo an- ders das Komisch Reych, vnser glaub, vnd das heilig Euan- gelium , in wesen bleiben soll , vertilget vnd außgoreüttet werden müssen. Magstu nun, wenn du, die sollicher gestalt vehd haben, tötest, sprechen, du habst vber straßraüber ge- richt gesessen? Oder ob du das mit warheit sprechen möch- test, sihstu dan nit, o du, den der geitz vorblendt vnd vor- steckt hat, das mau billich sechßhundertfelticklichen billich sollich gericht vber dich sitzen solte? Vnd ob man einem vbel reden möchte, der sich gegen gewalt der pfaffen eut- büre, wie viel desto mer dan du vor gotloß sölst geacht werden, der auch den vnschultigen , vnd deiner eygeuen priesterschafft vnd geistlicheit, das jr mit gewalt, entnimest. Ynd man solt es von rechts wegen thun, vnd ein streng vr- teil vber dich gehen lassen. Dan du pflegst warhch rauberey, vnd vff das aller vnbillichst vnd grlmigest raubest vnd mor- dest du, vnd hast daselbst kein vnderschid vnder bösen vnd guten. Wir aber in vnseren vehden thun nit widder gewon- heyt, recht, vnd gute siten, dan wir verthedingen vnser gut

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AUSSCHREIBEN GEGEN DEN KURFÜRSTEN VON DER PFALZ. 177

mit woffen, Beschirmen die vnschultigen gegen gewalt der

mechtigen, Erheben die vorgwaltigten vnd vnderdruckten mit

hilf vnd beistand, versagen keynem frömen vnser wer vnd

vermögen widder die bösen. Bisses ist ein alte vnd vn-

sträffliche der Teutschen gewonheyt, Weihe wo du abthun,

ach got wie ein tyranney würstu dan vffrichten. Vnd du

würst eigentlich etzwas anrichten, wo nit balt geschürt, das

wir alle hoffen seyn, das du in mittelem lauff deiner vbel

thaten, vffgehalten vnd verruckt werdest. Dan nun mer

Begindt man zu verstan, was du sonst willen, vnd vmb was

belonung du die Curtisanen in deinen schirm gegen mir ge-

nomen. Weihes ob schon verthienst geschah, vnd die

Curtisanen mit jresgleichen, solliche leüt waren, das man sie

bey gemeinem friden solt handhaben, so hette ich dich doch

zu fragen, wo her du billicher den frömen fried zuuerkaufen,

dan ich die bösen mit woffen zu vervolgen hette P Oder

was rechten dir gepüre sollich kauffmanschatz zu treiben?

Ob dan ich ein sollicher wäre, das jd'man zugelassen, wie

er wölt gegen vnd widder mich zuhandelen, so wölte ich

dich aber fragen, wie du andere deinen thaten verantworten

wöltest. Vnd zuuoran sag mir, wie wiltu dich entschuldigen,

das du mit eynem schändlichen geding, dein stim in d' keiser-

lichen Chur verkaufft, vnd vber den geschwornen Eyd, dastu

nit vmb gunst noch gab, welen wölst, vff ein compact, vmb

Ion gewelet hast? Wie dan das bundnuß, so du mit dem

Abt von Weissenburgk nehst eingegangen bist? Darjnnen

du, als jed'man vermerckhen kan, zwifaltigen betrug suchtest,

Erstlich wo du de nen vnträglichen zol geiß Wissenburgk

legtest, das du dieselben Erlichen Stat, die vormals auch

jämerlich durch dich beschwerdt, gantz inn grundt verderbtest,

•larnach auch das du mit der zeit, die Ebtev vnd' deinen

gewalt rissest. Was würstu vns dan vor vrsach anzeigen,

waröb dir der Keiser den selbigen zol gegeben, vnd mit was

recht od' billikeit du den vif hebest? Noch sag mir ein anders,

in was gestalt wiltu mir nit zu lassen, den geistlichen,

die mir vrsach gegeben, mit krieg vorzunemen, so doch du

vmb deines eygne" nutzes willen, des gantzen geistlichen Stands

fireyheit vor nichts achtest, vnd die auch vmb jr gelt schirm qp. Lxvn. 12

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178

NACHLESE.

von dir erkaufft haben, zwingst dir Schätzung zu geben? Jtem mer ist es auch billich, mir vor ein vbelthat zu zuschreiben, das ich gegen mynders Stands geistlichen kriege, so du einen Ertzbischoff vnd Chürfürsten, on vrsach widder all recht vnd Billikeit, dir gelt zu geben, das er dir nie schuldig wart, zu zwingen? Was wiltu dan antworten, ob dich einer fragte, so du in abwcseu des Keisers seine stat als ein Vicarius ver- treten das Reych vor vffrur vnd jnwendigem krieg bewaren soltste, warunib dannoch niemants durch dich beschirmet, in sich'heit durch dein Land wandere, er keuff dan zu voran sond'lich vmb sein geld geleit von dir? Wer kan dan jrget so wol reden, das er dich disses deines freuelichen Herzugs mit Eren entschultigen möge, da du so viel redlicher leüt beschädiget, den landfriden, der dir zu handhaben vnd zu schützen beuolhen, widd' deifl Eyd vnd pflicht geschwäht vnd zerbrochen, vber wen du magst mit raub vnd totschlag, in erbarmnuß vnd mitleiden aller gemein, weit vnd breit, wütest vnd tobest? Oder nach was beispil fürestu du frids- beschirmer eynn krieg, den keine gsätz der alten zugelassen, kein newe Statut vorhengt, sond' den du on geheyß vnd er- leubuuß des Keisers, vnd obersten Regiments, keinem guten vorsatz, sond' mit begir des raubs vnd plonders, durch grausame vnd'druckung vieler vnschultigen, vmbfürest vnd vbest? Nembt war, disses ist der fridbeschirmer , der die rauber strafft, rauberey abtilget, die wegfertigen sichert, vnd Strassen rein helt, ein handhäber der gerechtikeit, Beschirmer des fridens, Schützherr der geistlichen, vnd Vicarius deß Keisers. Aber die leüt beginnen jn anders zu kennen, eynn vrsacher viller vffrur, enthalter d' vnbillikeit, handhäber der laster, vnd diplichen bücherrauber, der das arm volk vnbarm- hertzigklichcn schätzt vnd schindt, gemeyne freyheit vnder- druckt, vnd die summ dauon zu reden, eynn Schirmherren der Curtisanen. Mit sollichen färben gepürt mir dich zu malen, vff das dein leben, das du mit eim schein der Er- barkeit zu verdecken, vnd anders dan es was vßzugeben pflagst, der gantzen weit durchsichtig werde. Magstu nun. so weyse her gegen, tugent vnd wolthaten mit den du solliche laster vorgleichest. Jch wil vff diß mal nit mer wort mit dir

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AUSSCHREIBEN' GEGEN DEN KURFÜRSTEN VGN OER PFALZ. 179

haben. Dan ich muß dahin oyleu, das ich alle mentschen, vmb hilff vnd beistand anrüffe, mein vnschuld gegen dir zu vorthedingen, dein vnmilte that, schalckhafftige handlung vnd schändliche morderey mit feur vnd eisen an dir rechen. Amen.

(Von anderer Hand seitwärts geschrieben.)

Auschreiben Herr Virichs vom Hutten wieder Pfaltzgraf Ludwige Cuhrfürste^.

[Handschrift des XVI. Jhrts. Archiv zu 8teinbach.J

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BIBLIOGRAPHIE.

Zu H. W. Ind. bibl. XXVI.

MS. tles Briefes an Rotenhan, des VadiscuB, des Epi- gramms , der zweiten Febris und der Inspicientes im Cod. lat. Mon. 22 121, foll. 2 a— 65 b. Am Ende der Febris steht als Datum des Abschlusses in profesto Divi Galli abbatis 1520* (16. October).

Zu II. W. I, LVII.

Das Original der Urkunde, mit welcher Kaiser Maxi- milian Ulrich von Hutten zum Poeta Laureatus ernannte, be- findet sich im Archiv zu Birkenfeld. Burckhards vortreffliche Wiedergabe geht, wie ein von Böcking seltsamerweise nicht erwähnter Briefwechsel in den Wolfenbütteler Collectaneen zeigt, unmittelbar auf dies Original zurück.

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QUELLEN UND FORSCHUNGEN

ZUR

SPRACH- UND CULTURGESCHICHTE

DER

GERMANISCHEN VÖLKER.

HERAUSGEGEBEN

VON

BERNHARD TEN BRINK , ERNST MARTIN,

ERICH SCHMIDT.

LXVIII.

CUKtt Dl K 81'KACHE DER OBTGOTKN IN ITALIEN.

STKASSISITKO. K AHL .1. T K C H N E K. 1*91.

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ÜBER DIE

SPRACHE DER OSTGOTEN

IN

ITALIEN.

VON

FERDINAND WREDE.

/

HTRASSBUlUi. KAHL .1. TRÜBXKK. 1801.

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G. Otto» s Hof-Buchdrucker«! In DannsUdU

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IXIIALTSCBERSICHT.

A. Einleitung 8. 1-18:

Dialect und Überlieferung der gotischen Bibel S. 1. - Datierung mit Hilfe der Eigennamen S. 3. Betonung der diabetischen Namenforschung S. 4. Überlieferung und sprnchgcschichtücher Wert der Eigennamen S. 6. Die Ostgoten S. 10. -— Fremdo Cultureinflüs9e S. 12. Romanismus S. 13. Mundart 8. 16. Quellen 8. 16.

B. Quellen 8. 19 42:

I. Quellen bis zum Ausgang de« 5. Jahrhunderts:

Trebellius Pollio 19. Flavius Vopiscus 20. Ammianus Marcellinus 20. Claudius Claudianus 20. Zosimus 20. Idatius 21. Apollinaris Sidonius 21. Malchus 21.

II. Quellen aus dem 6. Jahrhundert:

Joannes von Antiochia 21. Ennodius 21. Eugippius 22.

Genoratio rogum et gontium 22. Avitus 22. Boethius 22. Marccllinus Cornea 22. Cassiodorius 23. Anony- mus Cuspiniani 26. Vita Fulgentii 26. Liber pontificalis 26.

Epistolae romanorum pontifieum 28. - Anonymus Valesii 29. Pnpiri diplomatici 29. Jordanes 30. Procopius 32.

Epitome constitutionum Justiniani de reformanda Italia 34.

Liberatus Diaconus 34. Auctarium Prosperi 34. Victor von Tunnuna 35. Gregor von Tours 35. Agathias 35. Marius von Avenches 36. Gregor dor Grosse 36. Euagrioa 37. Chronicon breve 37. Menander 37.

III. Quellen seit dem 7. Jahrhundert:

Randglossen zur Chronik des Vict. Tunn. 37. Isidor 38. Chronicon paschale 38. Joannes Malalas 3S. Fredegar 3h. Paulus Diaconus 39. Gesta episcoporum Neapolita- norum 40. - Theophanes 40. Chronicon Moissac. 40. Agnellus 41. Vita et translatio S. Sabini 41. Geschiohto von Monte Cusino 41. - Erchempert 41. Andreas 41. Vita 8. Launiitii rj. 8uidus 42. Ilistoria iiiUcdln 42.

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Die osmotischen Sprachigste S. 43-1(50:

Ostgoten 44. Greotinge 49. Araalen 50. Theoderic 51.

Walamcr 57. Thcodomcr 60. Horelouva 00. Thcodc- mund 62. Amalafrida 63. Amnlaberga 64. Theodegoto 64.

Ostrogoto 65. - Anmlaswintha 66. - Eutliaric 67. Cillica 67.

Harigern 68. - Bedewulf 69. Gudila 71. Pitzin 72. Bauto 73. - Gevica 74. Erdwih 74. - Thancila 75. - Thrnse- mund 76 Thorisa 76. -1 Triggwa. Triggwila 78. ~ Mammo 80.

Tbba 80. Gattila 81. - Huniniund 82. Hildewara 82. Cunigast 83. Odwin 83. - Athalaric 84. Sigiwulth 85. Dumildi 86. - Goda 87. - Wiljarith 87. Theodahath 89. - Theodennnthn 90. Theodegisl 91. Grippa 92. Asinarius 92. Sinderith 92. - Tzitta 93. Ebremuth 94. - Witigis 95. Mutoswintlia 96 - Optarith 97. ~ Leuderith 99. Marcja 100. Hunila 100. - Wiligisl 100. - Wigand 101. - Wandalari 101. Waci 102. - Albi 103. - Wilja 103. - Wilithcu 104 - Gibiiner 104. Albila 104. Morra 104. Oraja 105. - Wacimuth 105. Sisigis 105. Aus Cassiodors Varien: Anna 107. Matja 107. Umbisuo 108. - Nandwin 108. Sajo 109. Hunsla 111.

- Candnc 111. Bojo III. Oswin 111. Suna 113. Fruma- rith 113. - Butila 113. - Wiligia 114. Adila 114. Aloiso 114. - Suniwath 114. - Marabadu 115. Wundtl 116. Hunigis 116. Leodifrith 117. Sonarius 117. Gcsila 117.

Geberic 118. Tutizar 119. Amara 119. Duda 120. Tufa 121. Theodagundi 121. Guda 122. Gudiscale 122. Fridibadu 122. Mannila 123. - Wera 123. - Gudinanth 123. Aliwulf 123. Tnta 124. - Wilihari 125. Bacauda 125. Gudwin 125. Neudi 125. - Andwit 126. Oppa 126. - Cos- tula 127. Daila 127. Brandila 127. Pa(h)tja 127. Wilithanc 128. Liuvirith 128. Starchedi 128. - Sigismer

129. Tolwin 129. - Quidila 130. Sibja 130. Dumerith

130. - Thanca 131. Gildila 131. Witigisl 131. Wiligisl

131. Wacca 131. Gudeli(n)va 131. Ranildi 132. Wisibadu

132. Dan 133. Tulgilo 133. - Witterith 133. - Hildcbadu

133. Sendefara 134. 8eda 134. Totila 134. Badwila 136.

Bleda 137. Ruderic 138. Sisifrith 138. - Ricimund 138. - Uöda 138. DicUrkuuden von Neapel und Arezzo 138. Wul})r- 140. - Der gotische Hexameter 140. Sunjefrith 141. Theudila 142. - Mirica, Merila 142. - Sindila 142. - Gudeleub 142. - Guderith 143. Malatheu 143. Alamud 144. - Willjonanth 144. - Igila 144. Angelfrith 144. -

- Scipwar 145. Gibila 145. - Gundwulf 145. - Hildwulf 145.

Goar 145. - Usdrila 146. - Darida 146. - Riggo 147. Wnlth 147. Blidin, Widin 147. - Zalla 148. - Tila, Teja 148.

Fridigern 150. - Aligcrn 150. Ragnaritlt 150. - Ade- mund 151. Aderith 151. -- Felithanc 151. - Ruuilo 152. -

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VII

Sisewera 152. - Theudifara 153. - Gundihildi 153. Landn- rith 153. - Gundwulf 153. - Adiuth 153. - Rosemud Faffo 154. Gundirith 154. Lendarith 154. Tzalico 155. Gudila

155. - Wilifara 155. - Hildiwada 155. - Sindula 156. Anila 150. Gundimer 156. - Ranihildi 156. Guderith, Gunderith

156. Manna 156. Nandorith 156. ~ Riccithane 156. Otratarit 156. - Winigild 156. - Wiljnric 157. - Thrasaric

157. Holdigcrn 157. - Odoric 15*. Boherde 158. Tzita

158. - Hildigern 158 _ Wadwulf 158. - Siccifrida 158. Giverit», Giberith 151*. - Hardica 15'J. Ce«sa 159. - Sifilo 160.

I>. Diabetische Merkmale des Ostgotischen S. 161 199: Yocalismus :

o 161. - t 161. - / 162. f, r, i 162. « 164. A 164.

<t 164. Wulf, di > ostgot. ! 165. - Wulf an > ostgot.

u 165. - m 167. Consonantismus :

Halbvucale 167. Labiale 169. Dentale 170. - Gutturale

173. /, r, »t, n 175. Declination:

Starke Declination: Masculina 176 (Schwund des Nominativ-*). Feminina 182. Schwache Declination : Masculina 182. Feminina 183. Wortbildung :

Nominale Compositum 183 (der ostgot. Eigennamen; der wulf. Nouiinnj. Suffixbildung 190 ( Suffix a: primäre und socundaro Hypocorismen). Nnmongebung 196.

K. Schluss S. 200-201. F. Index S. 202-208.

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EINLEITUNG.

Im Jahre 1874 sagte Adalbert Bezzenberger in seiner Abhandlung »Über die /1-Reihe der gotischen Sprache" (Göt- tingen 1874) 8. b* f.: .Die Sprache, welche uns in der go- tischen Bibelübersetzung vorliegt , kann nicht für so alt gelten, dass auf ihre Lautverhältnisse die der übrigen deut- schen Dialecte ohne weiteres zurückgeführt werden dürften. Wir wissen, dass die Bibelübersetzung Wulfilas ein Gegen- stand fortwährender Beschäftigung für die Goten war, welche dieselbe durch Änderungen des Textes, Glossen u. dgl. ver- besserten und verschlechterten. Diese Änderungen und Zu- sätze haben dazu gedient, die Altersverhältnisse der gotischen Handschriften zu bestimmen und die einstige Existenz ver- lorener Vorlagen festzustellen. Die uns vorliegende Bibel- übersetzung kann deshalb nur ihrem Kern nach für das Werk Wulfilas gelten , in der Tat ist sie das Resultat einer hundertjährigen, ja wohl einer zweihundertjährigen Arbeit. Scheinen doch sogar verschiedene Schulen der Text- kritik und Textüberlieferung unter den Goten bestanden zu haben. Dass die Sprache der Bibelübersetzung wenigstens die der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts war. be- weisen die den einzelnen Büchern hinzugefügten Überschriften und Schlussbemerkungen, und dass sie die von den Ostgoten in Italien gesprochene war, beweist die Einteilung des Textes in laiktjons, d. h. Leseabschnitte beim Gottesdienst. Im wesent- lichen bleibt sich diese Sprache überall gleich, in dem Bibel- text wie in der Skeireins. in dem Kalender wie in den

QF. I.XVHI. l

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1

Urkunden von Arezzo und Neapel. Wir haben also die Sprache einer bestimmten Periode vor uns, und als solche miiss die der ostgotischen Herrschaft in Italien, von 49:j bis ,V>:H. gelten; kurz, die uns überlieferten gotischen Texte repräsentieren die Sprache des sechsten Jahrhunderts". In dem Nachwort zum dritten Bande von Ficks .Vergleichen- dem Wörterbuch der indogermanischen Sprachen* (rt. Auf- lage. Göttingen 1x74 > zieht Bezzenberger entsprechende Folgerungen, er will z. B. die germanischen Kürzen < und o auch dem Dialect Wultilas zuerkennen und die con- stanten gotischen / und // auf die ostgotische Aussprache der italienischen Schreiber des sechsten .lahrhunderts zurück- führen (S. :if»S|. Bezzenberger hat mit seiner Theorie keinen Erfolg gehabt. Von vorn herein sind ihre historischen Stützen belanglos; denn es ist nicht einzusehen, was die einstige Existenz verlorener Vorlagen, was die verschiedenen Schulen der Textkritik, was die später- hinzugefügten Über- schriften und Schlussbemerkungen, was die jüngere Ein- teilung des Textes in laiktjons für die Annahme ost go- tischen Dialects und gegen die Annahme einer von Codex zu Codex und von Schule zu Schule vererbten me- chanischen Textab schrift beitragen. Vielmehr ist die Anschauung herrschend geblieben, dass uns in der gotischen Bibelsprüche wirklich Wultilas Dialect des vierten Jahr- hunderts vorliege, und dass nur gelegentliche Schwan- kungen der Handschriften, wie die zwischen *' und ei, zwischen o und u, den jüngeren ostgotischen Abschreiber verraten.1 Nur Julian Kremer begann 1HS2 seine , Behandlung der ersten Compositionsglieder im Gotischen* 2 mit den Worten: „In den uns erhaltenen gotischen Sprachdenkmälern haben wir den Dialect der Ostgoten vor uns. und zwar in der Ge- stalt, wie er während der Herrschaft dieses Stammes in Italien <4!JM 55:1) und früher, also durch ca. anderthalb Jahrhunderte, lebte." Aber Klemers Arbeit, welche von Anfang bis zu Ende auf vorgefasster Meinung beruht und

1 Vgl. z. B. die Zusammenstellungen in Braunes Gotischer Gram- matik» § 221, 1.

2 Paul und Urämie, Beiträge VIII, *n0 ff.

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noch ausführlicher zu betrachten sein wird, bringt für .seine und Bezzenbergers Auffassung ebenso wenig einen positiven Beweis, wie ein solcher bis jetzt gegen dieselbe unternommen worden ist.

Kin solcher wäre erbracht, wenn es gelänge aus den ausserbiblischen Spracbresten der Ostgoten in Italien den Lautstand ihres Dialects festzustellen und danach zwischen ihm und dem Bibeldialect bestimmte Abweichungen zu con- statieren.1 Dieses ausserbiblische Material darf nicht etwa in den beiden bekannten gotischen Urkunden bestehen; denn die Übereinstimmung ihrer Sprache mit der biblischen legt so- fort die Vermutung nahe, dass sie, aus geistlichen Kreisen stammend, in dem diesen geläutigen traditionellen Bibel- gotisch, also in einer über dem Dialect stehenden Schrift- sprache verfasst seien. Dieses ausserbiblische Material sind vielmehr die zahlreichen ostgotischen Eigennamen. Müllen- hoff hat in der Vorrede zu den «Denkmälern* gezeigt, wie aus den Eigennamen alter Urkunden der Lautstand einer Mundart gewonnen weiden kann, und auf diese Weise den althochdeutschen Tatian localisiert, und andere sind ihm gefolgt.2 Tst Ähnliches mit den ostgotischen Eigennamen zu erzielen, dann wird eine solche Arbeit zu den ahd. Localisierungsversuchen in dasselbe Verhältnis der Wert- schätzung treten dürfen wie die gotische Bibel zu den ahd. Denkmälern.

Damit hat denn die vorliegende Untersuchung auch in den Augen derer eine Berechtigung mehr aufzuweisen, welche von einer auf den Eigennamen fussenden Scheidung und P]inzelbehandlung der gotischen oder wandilischen Dia- lecte sonst nicht viel wissen wollen.3 Ich habe eine solche

1 8treng genommen, wÄre die Beweisführung pro et contra erst zu Ende geführt, wenn sieh andrerseits Übereinstimmung der Bibel- sprache mit den» Lautstand erwiese, welchen die mösogotiachen Eigen- namen aus der Epoche des Wulfila darstellen. Allein in jener frühen Zeit fliesscn die Namenquellen noch spärlich, und Stammesunterschiede der Goten sind nur in seltenen Füllen präcisiert.

» Vgl. Anzeiger f. deutsch. Altert. XVI, 289.

* Henning, Singer, vgl. unten S. 4, 1.

1*

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mit der «Sprache der Wandalen" hegeiincn1, ich setze sie hier mit der Sprache der Ostgoten fort: die verschiedenen Ergebnisse beider Untersuchungen bestärken mich in der eingeschlagenen Methode. Auf Procops Zeugnis, der (d. b. Vand. I. 2) allen Wandiliern nicht nur gleiche Statur, gleiches Recht, gleiche Religion, sondern auch gleiche Sprache giebt, ist natürlich kein Gewicht zu legen; schon die geringere Zuverlässigkeit der griechischen Quellen gegenüber der der lateinischen in der Wiedergabe germanischer Namen- ver- bietet, dem Historiker ein feineres mundartliches Unter- scheidungsgefühl zuzutrauen. Dass zwischen den einzelnen Stämmen der grossen Goten- oder Wandiliergruppe diabe- tische Unterschiede vorhanden sein oder sich entwickeln mussten, ist a priori wahrscheinlich, wenn man sich ihre politische Geschichte, die selbständige Gründung eines Wan- dalen-, Ostgoten-, Westgotenreiches, namentlich ihre locale Isolierung in Afrika, Italien. Spanien vergegenwärtigt. Und wenn es heute noch möglich ist, nach den alten Quellen eine selbständige Wandalen-, Ostgoten-. WTestgotengeschichte zu schreiben, dann ist es auch wahrscheinlich, dass genügend zahlreiche, in den Quellen politisch und damit mundartlich geschiedene Personennamen sich vorfinden. Hierzu halte man folgende Tatsachen. Ich erwies für das Wandalische Fortbestehen der alten Diphthonge, namentlich des wulf. ui als wand, ei, ich erweise im folgenden für das Ost- gotische durchgeführte Monophthongierung von wulf. ui zu

e, von wulf. du zu o; ich erwies für das Wandalische be- ginnenden Abfall des Nominativ-.«? nach Dentalen und seine feste Erhaltung nach Gutturalen. ich erweise im folgenden für das Ostgotische durchgeführten Schwund des Nomina-

1 Quellen und Forschungen L1X, Straasburg 1886; besprochen von Kaiser im Jahresbericht ü. d. Ersehnen, a. d. Geb. d. germ. Phil., Jahrg. 1886, S. 28: von Bhdr. im Lit. Contralbl. 1887, Sp. 1009; von Henning in der Dtsch. Littcraturzeitg. 1887, Sp. 1548; von Elingmann im Literaturbl. f. germ. u. rom. Phil. 1887, Sp. 467; von Singer im Anz.

f. d. A. XIV, S. 82; von Goebel in den Mod. Lang. Notes 1888, Sp. »9; von Bartsch in der Germania XXXIll, S. 122. Im folgenden kurz citiert als „Wand.*

* Vgl. u. S. G.

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tiv-.<. Bei solchen Ergebnissen handelt es sich nicht etwa nur um chronologische Entwicklung derselben Sprache: beide (iermanenreiche blühten lange Zeit neben einander, und der Untergang des einen erfolgt nur zwei Jahrzehnte nach dem des andern. Beide Dialecte gingen vielmehr ihre eignen Wege, und nur bei consequent durchgeführter Scheidung sind ihre Unterschiede festzustellen. Sie wären nicht in gleicher Klarheit hervorgetreten, wenn ich sofort an die Zusammenstellung eines gotischen Namenbuches im allge- meinen herangetreten wäre: man berücksichtige hierfür allein den Umstand, dass gelegentlich z. B. in ostgotischen Ge- schichtsquellen Wandalennamen in ostgotischer Dialectum- sihrift auftreten und umgekehrt.

In der folgenden Untersuchung gebietet daher erstens die Absicht, textkritische Gesichtspunkte für die gotische Bibel zu gewinnen, eine chronologische Beschränkung auf die italienische Zeit, und zweitens die Absicht, grammatische Gesichtspunkte für wandilische Dialectseheidung zu ge- winnen, eine locale Beschränkung auf die Ostgoten: sie darf sich nur auf speciellen Ostrogoticis der italienischen Zeit aufbauen, und Ausblicke auf sonstige Wandiliea, ausser Eigennamen auch auf die gotischen IJunenroste1, die Salz- burg-Wiener Handschrift, das Krimgotische2, dürfen nur gelegentliche und vergleichende sein. Eine Gesamtdar- stellung der wandilischen Dialectgruppe aber kann nicht eher versucht werden, als bis namentlich das Westgotische eine specielle Untersuchung erfahren hat3 und auch Wacker-

1 Rudolf Henning, Die deutschen Runendenkniäler , Strasaburg 188«, 8. 141.

* Obwohl die Krimgoten Nachkommen der Ooti Tetraxitae und diese ostgotische Reste Hein sollen: Zeuss, Die Deutschen und die Nachbarstamme (München 1837), S. 4.'t<) ff.; vgl. jedoch Tomaachek, Die Goten in Tnurien ( Wien 1881), S. 10. 12 und jetzt ßraun, Die letzten Schicksale der Krimgoten (Petersburg l*i>0), S. 8 f. Zu Busbecks Notizen sehr richtig Bezzenberger 8. 14, Tomaschek S. 57, Braun S. 55 f.

3 Eine solche wird von all den wandilischen Einzelgrammatiken zweifellos die ergebnisreichste sein, ist aber andrerseits mit grossen Schwierigkeiten verknüpft. Bei dem langen Bestand des westgotischen Reiches durch mehrere Jahrhunderte hat sie nicht nur ciuon bestimmten

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nagels „Burgunder" ' einer eontrolierenden Umarbeitung unter- zogen sind.2

Im übrigen sei auf die allgemeine Einleitung meiner Wand, verwiesen und auf die dortigen Bemerkungen über den spraehgesehichtlichen Wert der Eigennamen. Vorar- beiten auf ostgermanischem Gebiet, Quellenkritik. Einiges hier zur Ergänzung. Wenn ich oben so kühn war Müllen- hoffs Localisierung des Tatian mit dem litterarhistorisehen Endziel meiner Abhandlung in Parallele zu stellen, dann bin ich den Nachweis schuldig, dass die gotischen Eigen- namen bei den Historikern in einer Überlieferung erhalten sind, welche wenigstens annähernd dem Werte alter gleich- zeitiger Urkunden entspricht. Deshalb zu Wand. r>f. noch Folgendes. Dass zwischen griechischer und lateinischer Uberlieferungstreue bei solchen germanischen Sprachresten ein praetischer Unterschied zu machen, ist bekannt. Es findet sich bei den Griechen namentlich für den germanischen Vocalismus wenig Verständnis, für seine Qualität1 wie für seine Quantität,4 während sie für consonantische Reflexe gelegentlich über genauere graphische Mittel vertilgen (z. B.

diabetischen Lautstand festzustellen, sondern innerhalb der »»inen Mund- art mit lautlichen Wandlungen zu rechnen. Ferner ist das westgotisehe Sprachmaterial von ausserordentlichem Umfang, und seine annähernd vollständige Sammlung erfordert noch longo Jahre. Augenblicklich wäre es nutzlos, den reichen Namenschatz der westgotischon Concilien- aeten mühsam aus der indexlosen Ausgabe Mansis zusammenzusuchen und nicht erst die Fortsetzung von Duchennes Liber pontificalis und Thiels Epistoloe romanorum pontificum mit ihren textkritischen Resul- taten abzuwarten. Die westgotischen Inschriften sind sehr zahlreiche und hier ausser den spanischen besonders noch die des Corp. inscr. lat. XU zu berücksichtigen.

1 Sprache und Sprachdenkmäler der Burgundcn, Kleinere Schriften III, 334 ff.

2 Von den sonstigen kleinen Wandilierstämmcn ist zu wenig er- halten, um eine Darstellung ihres mundartlichen Lautstandes versuchen zu lassen. Ihr Namenmatcrial findet man im wesentlichen in Dahns „Königen" bei einander; ich stelle es vielleicht demnächst in einer unserer Zeitschriften textkritisch zusammen.

3 Vgl. z. B. Kossinnn, Anz. XIII, 205.

« Vgl. z. B. Kossinna, Zeitschr. f. d. A. XXIX, 268.

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gr. .*> = gut. />). Andrerseits ist der linguistische Wert lateinischer t berlieferung von je her gewürdigt und ausge- nutzt. Sagte doch schon 1819 Jacob Grimm im Vorwort zum ersten Bande der Grammatik 8. XXXIX: „Es ist falsch davon auszugehen, dass die deutschen Wörter von den Römern entstellt und ihrer lateinischen Aussprache bequemt worden seien : im Gegenteil wird man bei gründlicher Unter- suchung sich immer mehr von der Zuverlässigkeit über- zeugen : bloss die Endungen sind luteinisiert, aber mit wohl- verstandener Uücksicht auf die Analogien zwischen beiden Sprachen* Und alle späteren Forscher auf gleichem Ge- biete, unter welchen Karl Müllenhoff der oberste Platz ge- bührt, haben Grimms Wort bestätigt gefunden. Für die vorliegende Untersuchung sei es in folgenden Einzelpunkten erwiesen.

Als dialectische Eigentümlichkeiten der ostgotischen Bibelabschreiber hat man immer schon, wie oben erwähnt, in erster Linie die gelegentlichen handschriftlichen Schwan- kungen von et ei, i2 und o, w3 angesehen. Aber solche feine lautliche Xüancierungen nach dem ausserbiblischen Sprach- material zu controlieren, sie bei den Historikern in den ost- gotischen Eigennamen wiederzufinden, dieses Unternehmen droht von Anfang an daran zu scheitern, dass in allen unsern lateinischen Handschriften der Wechsel von e und /, o und n ein ganz gewöhnlicher und mechanischer ist und deshalb grade die erwähnten diabetischen Lautwandlungen in den gotischen Eigennamen nicht überwachen lässt. Aus gleichem Grunde verzichtet z. B. auch Bezzenberger (S. 14) darauf, seine westgotischen Namenzusammenstellungen lautlich zu verwerten. Es fragt sich jedoch , ob diese Schwankungen in der Wiedergabe der germanischen Dialectbrocken in der Tat ebenso geläufig sind wie im lateinischen Texte. Dass sich die lateinischen e- und /- , o- und w-Laute sehr nahe gestanden haben , ist durch zahllose Vertauschungen , nicht

1 Vgl. noch Kossinna, Hochfränkische Sprachdenkmäler, QF XLVI, S. 81 ff.

8 Braune3 §g 7, 2. 3. 4. 9, 2. 10, :>. J6, 2. 17, 1. » Braune» §§ 11, 2. 12, 1. 13, 2. t4, 3. 15, 3,

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nur handschriftliche, auch inst hriftliehe, zur Genüge belegt : 1 die Verschiedenheit der lateinischen Einzeldialecte mag die Verwirrung vollendet haben. Daraus folgt aber für die lateinische Niederschrift unlateinischer Sprachteile noch nichts. Kluge hat zuletzt darauf hingewiesen,- wie schwer und unbequem den classischen Organen der germanische Lautcharacter erscheinen musste, und wie ferner nirgends eine Urverwandtschaft zwischen Germanen. Körnern und Griechen geahnt wird. Mag daher der Römer auch häufiger gebrauchte und gehörte Germanen-, zumal die Völkernamen grade so nostrifieiert haben, wie wir heute von Franzosen und nicht von Francais sprechen, so blieb ihm für die bar- barischen Bildungen der Einzelnamen doch nichts übrig als ein genaues dem Gehör folgendes Nachmalen : und je fremder und unlateinischer ihm solcher Einzelname klang, um so weniger konnte er bei dessen Schreibung orthographischen Licenzen folgen, die ihm sonst für seinen lateinischen Text geläufig waren. Die späteren Abschreiber und Verfertiger der uns erhaltenen Handschriften mögen dann in den latei- nischen Teilen ihre grammatische Weisheit durch alle mög- lichen Correcturen angebracht oder lateinische Lautschlüsse durch blinde mechanische Vertauschung von / und e, u und o unmöglich gemacht haben : die Germanennamen hingegen waren für sie in der Kegel grade so wie für ihren alten Autor monströse Bildungen, denen sie nur durch mechanisches Abmalen gerecht werden konnten. Insofern erscheint der Lautstand der germanischen Eigennamen in den lateinischen Quellen von vorn herein in zuverlässigerem Lichte. Und nun betrachten wir unser ostgotisches Material, wie es sich unten im Quellenteil aus den lateinischen Fundgruben dar- bietet, indem wir einige etymologisch sichere Fälle heraus- greifen. In den zahlreichen mit germ. rik~ componierfcm Namen [Theoderie, Eut harte, Athalarie, Wiljarie u. s. w. u. s. w.) begegnet bei keinem Autor, in keiner Handschrift, in keiner Inschrift auch nur ein einziges -reeun o. ä. ! Germ, a zeigt

1 Vgl. z. R. Seelmann, Dio Aussprache des Latein ( Hcilbronn 1885), SS. 183 f. 189 f. 200 ff. 211 f. 214. 216 f.

2 In Pauls Orundrisa der germ. Philologie I, 315,

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sich in Runilo und den mit hun- gebildeten Namen iHuui- tumid, Himila u. s. w.) ohne jede abweichende Lesart! Unter den Kürzen ist da.s gemeingermanische e vor r (wulf. «0 in Erdmh und den Namenbildungen auf -berga , -(fern durch constantes, in keiner Handschrift zu t übergehendes e refiec- tiert! Das gemeingermanische u in den zahlreichen Com- positis mit mund- , tculf- , gunp- hat auch nicht ein o in etwaigen Varianten neben sich ! Das nach gemeingermani- schem Gesetz durch ableitendes i oder /' bedingte * in Wurzel- silben ist in den vielen mit teil ja-, sigis-, ivini- zusammen- gesetzten Namen, auch in den besonders häutigen Koseformen auf -da (Quidila , Igiia , S'ifilo u. s. w.) ebenso fest! Ich denke , das sind für die Zuverlässigkeit der lateinischen Gesehiehtsquellen in dei* Wiedergabe ostgotischer Namen deutlich redende Zeugen. Es versteht sich von selbst, dass für spätere Epochen germanischen Sprachlebens diese Sicher- heit nachlassen wird, je mehr die Germanen alle Teile des alten Römerreichs durchsetzt haben, Germanennamen auch romanischem Munde geläutiger und selbst germanische Dialect- unterschiede bekannter werden. Aber für jene ältesten Sprach- perioden, die noch den brausenden Wellen der Völkerwande- rung und dem ersten intimeren Verkehr zwischen Germanen und Romanen näher liegen, ist der Wert des uns aus roma- nischer Feder bewahrten germanischen Sprachmaterials zweifellos und gestattet positive Rückschlüsse auf alte Sprach- gesetze und Lautwandlungen. Obige Zeugnisse gehörten ins Gebiet des Vocalismus : sie finden für alle andern Felder der altgermanischen Grammatik ihresgleichen. Was den Conso- nantismus anlangt, so ist es z. B. ein characteristisches Zeichen des Vulgärlateins, dass vom dritten Jahrhundert ab d und b vollständig zusammenfallen und promiscue geschrieben werden. 1 Dem gegenüber ist in der lateinischen Wiedergabe unserer Gotennamen für germ. w zwar oft v. aber nirgends b geschrieben ! Und für germ. b findet in den Schreibungen ein Wechsel mit v nur im Inlaut zwischen Vocalen statt, während im Anlaut b fest ist: genau seinem lautlichen

' Scelmann 239 f.

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Charaeter entsprechend, welcher im Anlaut auf Verschluss-, im Inlaut auf Reibelaut weist ! Endlich eine ähnliche (Konse- quenz auf dem Gebiet der Flexion : germanische a-, t-, n- Stämme zeigen auch in der Interpretatio romana im allge- meinen die urverwandte lateinische o-, n- Declination, worauf im einzelnen bei vielen Namen zurückzukommen sein wird.

Diese Sicherheit, mit welcher wir somit an das ost- gotische Sprachmaterial herantreten dürfen , wird weiter bestärkt, wenn mit dem Lautstand der so characterisierten handschriftlichen Überlieferung auch der Lautstand der in- schriftlichen oder urkundlichen Sprachreste übereinstimmt, und die Berechtigung der folgenden ostgotischen Grammatik wird nicht weiter verteidigt zu werden brauchen.

Das grosse Goten volk hatte im Strome der Völker- wanderung die Ufer des Schwarzen Meeres erreicht und das gewaltige Römerreich in Schrecken zu setzen gewusst. Aber dem Ansturm der Hunnen war es nicht gewachsen: die Westgoten wichen nach Süden aus, die Ostgoten erlagen und traten in hunnische Botmässigkeit. Erst nach Attilas Tod erlangten sie ihre Selbständigkeit zurück und besiedelten unter dem Herrscherhause der Amalen Pannonien. Von hier zog der Kern des Volkes mit Theodemer über die Donau nach Mösien. Und dessen Sohn Theoderic führt es 488 im Einverständnis mit dem Kaiser Zeno die Donau aufwärts, steht im Sommer 489 in der Lombardei und überwältigt bis 49M den Odowacar. Italien, ein Teil Pannoniens, die Alpen- landschaften und das südwestliche Gallien bildeten allmäh- lich das mächtige Ostgotenreich, das zumal unter Theoderic die Hegemonie über den ganzen Occident ausübte. Nach dessen Tode (526) ging es schnell mit dieser Machtstellung abwärts, wozu innerer Zwist das Meiste beitrug, und nach aufreibendem Kriege fand 553 der Ostgotenstamm durch die Börner dasselbe Ende, wie es zwei Decennien vorher das Wandalen volk erlebt hatte.

Es bedarf keiner eingehenderen Ausführung, wie intensiv in jenen Jahrhunderten der Völkerwanderung und Völker- mischung die germanischen Stämme das gesamte Römerreich

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zu durchdringen beginnen: barbarische Söldner nehmen schon seit dem dritten .Jahrhundert mehr und mehr zu , und von Jahrzehnt zu Jahrzehnt werden die Barbarennamen häutiger.1 Um so grössere Vorsicht und Zurückhaltung ist geboten, wenn aus jener bunten Periode ein specieller germanischer Dialect eruiert werden soll : wir werden uns streng und ausschliesslich an Germanennamen zu halten haben , deren ostgotische Herkunft direct durch die historischen Quellen oder das politische Auftreten ihrer Träger gesichert erseheint ; und so viele Germanennamen z. B. Procop im Heere Beiisars kennt, und so viele von ihnen ostgotische sein mögen, sie müssen hier ausser Betracht bleiben und können nur auf- gespart werden bis zur zusammenfassenden Behandlung im gotischen oder wandilischen - Namenbuch. Führen wir hier aber eine solche Beschränkung consequent durch, dann darf auf eine zuverlässige und sichere philologische Grundlage für die ostgotische Grammatik gerechnet werden. Denn die Schaaren, welche unter Theoderic nach Italien zogen, waren kein buntes Völkergemisch wie die Massen des Odowacar, sondern sie bildeten eine einheitliche, fest zusammenhängende Nation. «Alle Stammesgenossen, wo sie sich auch befinden mochten , wurden zu einem einzigen Kriegsheer vereinigt. Niemand, sagt Ennodius, wurde geduldet, der nicht ein Ver- wandter war".3 Und wenn auch nach der Eroberung Italiens -die daselbst ansässigen Germanen , soweit sie nicht von Theoderic ausgerottet oder ausgetrieben wurden, ihn sämt- lich als ihren Stammfürsten anerkannten", wenn somit auch die italienischen Goten „in der Tat eine durch Samteid unter sich geeinigte und an ihn geknüpfte Conföderation germa-

1 Brunner, Deutsche Rcchtsgeschichte I, 38 f.

Für die Gesamtbezeichnung der einen Ostgermanenhälfte ist „wandilisch" der älteste bis auf Plinius und Tacitus aurückzuvorfolgende Terminus (vgl. Wand. 6); der geläufigere, „gotisch", ist ungenauer, geht jedoch bis auf Procop zurück (nror»ixn *>rjya). In grammatischer Hinsicht behalten wir im folgenden die Bezeichnung „gotisch" im her- kömmlichen Sinne bei und verwenden nur bei beabsichtigter Differen- zierung „wulfilanisch" und „ostgotisch.41

5 Ranke, Weltgeschichte IV, I, 387.

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nischer selbst künigsloser Gaue" sind 1 . so zeigt doch das Beispiel der Rügen , wie trotz dem gemeinsamen Amalen- scepter die nationale Selbständigkeit der einzelnen Stämme gewahrt blieb : die Rügen haben immer eine ganz nach Ab- stammung ausgeschiedene selbständige Colonie im Gotenstaate gebildet, sie verheirateten sich nur unter einander und hielten in jeder Beziehung auf strenge Wahrung ihres Geschlechts und ihres Namens.2 Die Confession ist bei den Ostgoten für die angestammte Nationalität nicht so ausschlaggebend wie bei den Wandalen :* und auch bei den Westgoten ; kein fanatischer Arianisinus. keine blutigen Katholikenverfolgungen wie bei jenen, sondern äusserste Toleranz , ja eine gewisse Ehrerbietung vor der orthodoxen Kirche herrschen im Ost- gotenreiche, und vereinzelte Übertritte von einer Confession zur andern lassen sich beiderseits belegen. 4

Eine ganz andre ist die Frage, was die Ostgoten in ihren Eigennamen schon aus voritalienischer Zeit an exo- tischem Sprachmaterial mitbringen, wie weit sie ihre Namen von andern Stämmen entlehnten u. s. w. Hierfür wird man sich zuerst der Zeit der hunnischen Herrschaft erinnern müssen; wie Attilas Name ein gotischer ist und sein Hof gotische Sitten annahm, so ist auch der Übergang von hunni- schen Namen auf Goten nicht ohne weiteres abzuweisen.

wenn auch das ,nomina Gothi plerumque mutuantur

Hunnorum" des Jordanes (70, 8 ff.) eine starke Übertreibung enthält \ Zweitens aber müssen die Goten in früheren Jahr- hunderten mit keltischen Stämmen in enger Berührung ge- standen haben , wovon keltische Gotennamen Zeugnis ab- legen6; und dieser Gesichtspunkt verdient um so mehr Be- achtung, als grade Kelten und Germanen in der Bildung

1 Momni8en, Neues Archiv f. 5. d. G. XIV, 538 f.

2 Dahn, Könige II, 127. 227. III, 3. Und so bleibt auch in der folgenden sprachlichen Untersuchung der Name des Rügen trarius (Mnrccll. Com. bei Rone. II, 328; Jordanes 50, 18) ausser Betracht, obwohl er im Jahre 541 fünf Monate ostgotischer König war.

3 Vgl. Wand. 9.

* Zu Dahn III, 199, 4 noch die Ereleuva-Eusebia. 5 Dietrich, Aussprache des Gotischen, S. 28.

Kremer, Beitr. VIII, 447.

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1:>

ihrer Eigennamen die weitgehendste Urverwandtschaft zeigen, die enger ist als die der Germanen mit den Indem oder Griechen J. Wenn man somit darauf gefasst sein muss. unter den ostgotischen Eigennamen auf nngermanische Bildungen zu stossen . und wenn andrerseits die sicher germanischen unter denselben in lautlicher und etymologischer Beziehung die durchsichtigste Klarheit aufweisen werden, dann dürfen bei dunklen Namenbildungen keine etymologischen Kunst- stücke versucht werden. 2 Dass solche Namen den Goten selbst schon vielfach unverständlich gewesen , wird u. a. durch den Umstand bewiesen . dass von den Doppelnamen, die bei den Ostgoten begegnen werden, häufig der eine dunkel und etymologisch rätselhaft bleibt , so dass zu ihm der zweite Name als ein gewisser Ersatz später hinzuge- treten zu sein scheint.3 Übrigens sagt auch Jordanes a. a. ()., dass die Entlehnung fremdländischer Eigennamen nichts Auf- fallendes mehr sei.

Zu solchen ungermanischen ('ultureinflüsson tritt nun in Italien der romanische ! Für die gotischen Verwaltungs- vcrhältnisse hat ihn letzthin Mommsen aufzudecken gesucht : 4 sie sollen allein mit römischem Massstab zu messen sein, es sollen unter den Ostgoten alle unter römischer Herrschaft eingeführten Institutionen bestehen geblieben sein. Und ein solches Vordringen und Durchdringen des Humanismus hat für alle Culturgebiete zu gelten. Komische Bildung, römische Sprache waren schon bei den Wandalen, die in aussereuro- päischer Provinz Roms hausten, von so gewaltigem Einfluss:5 wie erst bei den Ostgoten, die im alten italienischen Stamm- lande sich niedergelassen ! Stiessen zwei generell und graduell so verschiedene ( 1ulturen auf einander wie die gotische und

1 Vgl. zuletzt Kluge in Pauls Gruudriss I, 304 f. Im übrigen wird Alfred Holders angekündigter „Altceltischer Sprachschatz" grade für die altgermanische Namondeutung von nicht zu unterschätzender reinigender Bedeutung «ein.

? Vgl Wand. 7.

3 Vgl. letztes Capitel unter „Namongebung".

4 S. unten S. 17 Anm. 1. 1 Wand. 8.

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die römische, dann bedarf der ausschliessliche Sieg der letz- teren, aller nationalen Opposition zum Trotz, keiner Erklärung. Es sind nur Ausnahmen, wenn der Patricicr Cyprian neben dem Lateinischen und Griechischen auch des Gotischen mächtig war und seine Söhne, pueri stirpis romanae. Gotisch lernen, Ausnahmen . die König Athalaric ausdrücklich anerkennt (Cass. Var. VIII. 2\). Hingegen verstehen und sprechen Theoderic und alle seine Nachfolger Latein, Latein ist die Amtssprache, Latein ist die Sprache in Cassiodors Valien, Latein die Sprache aller specifisch ostgotischen Inschriften u. s. w. Und solche Komanisierung findet ihren wirksamsten Nachdruck in den romanisierenden Neigungen des amalischen Herrscherhauses selbst. Das ganze Streben Theoderics. der nach Odowacars Vernichtung seine gotische Kleidung mit der römischen Tracht vertauschte, geht in seiner inneren Politik darauf aus, die nationale und die geistige Differenz zwischen Hörnern und Goten auszugleichen, und Cassiodor wie .Jordanes geben diesen seinen Anschauungen Ausdruck, so oft sich Gelegenheit bietet ; ihre Identificierung von Goten und Geten ist nichts weiter als ein Versuch, die Kluft zwischen historischem Horner- und Gotentum historisch zu überbrücken. Theodahath und Amalaswintha. Amalafrida und Amalaberga sind der nationalen Sitte völlig entfremdet 1 ; und die schliess- liche Verschwägerung der Amalen mit den Byzantinern, die Heirat der Mateswintha und des Germanus, erscheint als glücklicher Abschluss der ersehnten nationalen Ausgleichung. Natürlich ist dieses Aufgehen in antiker Bildung, wie es die Amalen charakterisiert, nicht in gleichem Grade auf alle Schichten des Gotenvolkes auszudehnen, hier hatte die clas- sische Cultur vielmehr mit der alten gotischen erst zu ringen, bis ihr der Sieg zufiel. Man erinnere sich nur des oben ei- wähnten festen nationalen Zusammenschlusses aller Ostgoten ; man bedenke, dass das Heer, das typische Abbild aller ger- manischen Stammesgemeinschaft, sich so gut wie ausschliess- lich aus Nationalgoten remitiert und Börner ausschliesst? :

Dahn, Könige II, 158. III, 256.

1 Dahn, Könige III, 57 ff., Urgeschichto I, 2U4.

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man berücksichtige auch, dass es Berichte aus griechischer oder römischer Feder sind . welche für die ostgotische Ge- schichte vorliegen, dass diese die Tatsache einer unrömischen Regierung gern verdecken und deshalb das alte einheimische Element in den Vordergrund drängen. Eine oppositionelle, d. h. nationalgotische Partei ist schon unter Theoderic zu spüren , gegen Amalaswintha regt sie sich schon stärker, und sie stürzt ihren Nachfolger, der sich ganz in römische Cultur verliert und alles Nationalgefühl verleugnet Freilich es ist gewiss unrichtig, aus den beiden erhaltenen gotischen Urkunden den allgemeinen Schluss zu ziehen, dass die gotische Sprache auch als Geschäftssprache im Gebrauch gewesen sei ; man bedenke, dass die Parteien, welche sie ausstellen, aus- schliesslich Geistliche sind2, dass andrerseits diesen zwei gotischen Urkunden alle die andern in lateinischer Fassung bei Maring entgegenstehen. Aber die gotischen Helden- lieder sind noch zu Theoderies Zeit gesungen worden, und die Sprache des arianischen , vom katholischen getrennten Gottesdienstes war die gotische4. Im allgemeinen wird die Fügung der Goten unter römische ('ulturverhültnisse in den einzelnen Provinzen eine verschieden abgestufte gewesen sein je nach der verschiedenen Besiodelungsdiehtigkeit : in den von Goten zahlreicher bevölkerten Landesteilen Ober-, Ost- und Mittelitaliens werden altgotische Eigentümlichkeiten leichter bewahrt und den vorgefundenen römischen überge- ordnet worden sein als im Süden und Westen der Halbinsel, wo die gotische Bevölkerungsdichtigkeit eine viel geringere war r\

Es ist nur ein blasser Abdruck aller dieser Verhält- nisse, wenn sich, wie bei den Wandalen,6 auch bei den Goten vereinzelte Namen griechischen oder römischen Ur- sprungs finden. Dazu gesellen sich dann noch etliche bib-

1 Dahn, Könige III, 256 f.

* Vgl. oben 8. 3.

3 Vgl. in den beiden nächsten Capiteln.

4 Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquollen P, 63.

5 Dahn, Könige III, 8 ff.

Wand. 8 f.

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lische. Es genügt hier auf das Nebeneinander von gotischen und ungotischen Namen in den beiden Urkunden, auf das unten unter Ariagne, PiUia, Asuiarius, Athodatus u. ä. Ge- sagte, sowie auf Dahns .Könige" III. 00, 4. 198. 1VT. 147, 1 zu verweisen.

Aber alle culturelle Beeinflussung braucht noch keine physiologische im Gefolge zu haben: das gotische Idiom selbst wird sich so gut wie unberührt von romanischem Sprachcharacter zeigen. Dass gelegentliche Assibilations- erseheinungenf/Vtem, Tzitta, Mazenis, Baza, Tut fcar, PaUenis, Zolin, dazu kawtsjö) ungotisch und romanische Schreiber- gewohnheiten sind, darüber vgl. unter „Pitzia\ Auch die vereinzelten Endungen -o für gotisches schwaches -a ent- stammen nicht dem volkstümlichen Gotisch, worüber unter ^Schwacher Doclination**. Vgl. ferner über vereinzeltes gu statt got. w unter „Wiljarith" und über romanische Nasa- lierung in Gensimund unter „Gesila*.

Quellen für die folgende Untersuchung waren zunächst die erhaltenen Silber- und Kupfermünzen der Könige Atha- laric, Theodahath. Witigis, Hadwila. Teja (Thela). 1 Dazu kommt eine Reihe von Inschriften, soweit sie bei dem torso- haften Zustand des grossen Corpus inseriptionum latinarum zugänglich waren.2 Namentlich im umfangreichen sechsten Bande, der die Inschriften der Stadt Rom bringt, mag noch mancherlei ostgotisches Material stecken, das vorläufig bei dem Fehlen der Indices nicht gehoben werden kann. Trotz- dem giebt das Gefundene und Verwertete für unsere gram- matischen Resultate schon eine solche Gewähr, dass man einer etwaigen Ergänzung des inschriftlichen Materials go-

1 Friedländer, Die Münzen der Ostgoten, Leipzig 1844; Ergän- zungen in seinen Münzen der Wandalen, Leipzig 1849; dazu Dahn, Könige III, 147 ff., Urgeschichte I, 298 f. 300 f. Die Münzen von Theoderic und Mateswintha tragen nur deren Monogramme, nicht ihre ausgeschriebenen Namen.

2 Throdrricus, Tioda, Euthuricus, CHUga, Cellica, Gudila, Gottila, Timilhli, Alhalaricus, Dumilda, Wiliarit, Guiliarit, Tzitlani, Aniora, Guntio, Guntclda, Quiddila, Fandir/tl-*, Sendefara , Seda , Ustarric, Guderit, Alututicus, Ahtt/ildus, Wilifara, Wiliuric, Tranaric.

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trost entgegensehen kann. Nach Erscheinen jener schmerz- lich vermissten Indices wird eine solche leicht an passendem Ort zusammengestellt werden können. Die nächst wert- volle Fundgrube waren Marinis Papyrusurkunden , über welche unten S. 29 f. Und dann folgen alle die lateinischen und griechischen Historiker, deren linguistische Zuverlässig- keit oben characterisiert wurde. Der Weg zu ihrer Be- nutzung ist wieder in erster Linie durch Felix Dahn gebahnt ; man mag über Dahns Arbeiten vom rechtshistorischen Stand- punkt aus urteilen, wie man will, Anerkennung für seine Art die Quellen zu beherrschen kann ihm nicht versagt bleiben, und Band II— IV seiner Könige" werden lange die Grundlage ostgotischer Geschichtsforschung bleiben. Alle sonstige Litteratur findet man bei ihm verzeichnet ; ich nenne hier noch seine „Urgeschichte* und die Arbeiten von Manso, v. Glöden. Kohl, Mommsen.1 Die Quellen selbst habe ich in derselben Ausdehnung verfolgt, wie bei den Wandalen. Viele der kleinen Einzelchroniken, wie sie na- mentlich in der fränkischen Zeit entstehen, konnten ausser Acht bleiben, weil die historischen Vorlagen, welche sie ausschreiben, von uns berücksichtigt waren;- wie weit diese unselbständigen Nachzügler bei dem definitiven Bau des wandilischen Namenbuchs zu beachten sein werden, bleibt noch zu überlegen. Den Vorrang unter unsern ostgotischen

1 Dahn, Die Könige der Oermanen, München und Würzburg 1861—1870, zweite Auflage von Bd. VI Leipzig 1885; Dahn, Urge- schichte der germanischen und romanischen Völker, I, Berlin 1881; Manso, Qoschichto des ostgotischen Reiches in Italien, Breslau 1824; v. Glöden, Das römische Recht im ostgotischen Reiche, Jena 1843; Kohl, Zehn Jahre ostgotischer Geschichte (526—536), Leipzig 1877 ; Mommsen, Ostgotische Studien, Neues Archiv für altere deutsche Ge- schichtskunde XIV, 223 ff. 451 ff.

* Beispielshalber der Catalogus imperatorum, rog. ital., dueum Benevent, et Spol. Farfensis (Mon. Germ., Script, rer. Langob. et Ital. 521 ff.), welcher im Anfang des 12. Jhs. entstand und aus Paulus Diaconus schöpft. Ebenso die Gesta Theoderici regis (Mon. Germ., Script, rer. Merow. II, 200 ff.); denn so sicher auch eine sonst ver- lorene Vita Theoderici Gotorum regis dem 57. Capitel von Fredegars zweitem Buche zu Grunde liegt, entstammen doch diese Gesta frühstens dem 12. Jahrh. und basieren auf sonst erhaltenen Quellen.

QK. i.xvni. 2

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Geschichtsquellen nehmen Cassiodors Varien ein, über welche unten S. 24 ff.

Eine Vorarbeit, die den ostgotischen Dialect nach seinem ausserbiblischen Material im Zusammenhange be- handelt hätte, war nicht zu berücksichtigen; sie fehlt selbst im zweiten Bande von Förstemanns „Geschichte des deutschen Sprachstammes 1 Über sonstige gelegentliche Benutzung des ostgotischen Namenschatzes wird noch an verschiedenen Stellen zu urteilen sein.

* Vgl. Wand. 3. 10.

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(HELLEN.

Wir teilen die Quellen in drei Gruppen:

I. bis zum Ausgang des 5. Jahrhunderts,

II. aus dem (>. Jahrhundert,

III. seit dem 7. Jahrhundert.

Sonst vergleiche man zum folgenden Abschnitt Wand. 12. Münzen und Inschriften fehlen in demselben, weil sie bei seinem chronologischen Aufbau doch nicht zusammen- hängend aufgeführt werden konnten, und folgen im nächsten Capitel unter den einzelnen Namen. 1 Es sind ferner nur die Quellen genannt, welche specielle Ostrogotiea der ita- lienischen Epoche überliefern, und alle die übergangen, welche nur den Volksnamen der Goten im allgemeinen nennen.- Wurde eine Quelle schon für die Wand, benutzt, so ist ein Hinweis auf jene beigefügt, damit ihre Über- lieferung wandalischer und ostgotischer Sprachreste ver- glichen werden kann.

I. QUELLEN BI8 ZUM AUSOANO DES 5. JAHRHUNDERTS.

Trebellius Pollio, einer der sechs Scriptores historiae augustae,3 schrieb zwischen :*02 und 30(>; vita Claudii (reo. Peter, Lips. 1884, XXV):

1 Vgl. oben S. 16 und hinton den Index.

a Strubon, Geogr. VII, 3 rtwrtoit; {? Rovrtor*:, Hoütovh); Plin., Hist. nat. IV, 99 finfoms {(inumrs, GiHotten), XXXVII, 35 Xhttoms (Guioites); Tac, Genn. 43 (i'othonrs, Ann. II, 02 Gottnun; Ptolem., Geogr. III, 5, 20 rtf*«w; u. s. w.

8 Vgl. über sie jetzt Dessau, Hermes XXIV, 337 ff. und Mommsen, Hermes XXV, 228 ff.

2*

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6,2 Aus tro goti (Austor goti ) ; sonst Gothi.

Grutungi (Trutungi): mit Müllenhoff, Zs. IX, 185 entstammt die Stelle griechischer Quelle, ver- mutlich Dexippus, und das Trutungi der Hss. ist aus ronvütyyot verlesen.

Seine biographischen Arbeiten wurden bald nachher von Flavius Vopiscus aus Syracus wieder aufgenommen; vita Probi (ib. XX VIII): Gothi.

18,2 Grouth u ngi ( Gautunni).

Als ein Fortsetzer der tacitcischen Annalen schreibt in Rom um 390 der Grieche Ammian us Marcellinus ausAntiochia (ca. 333- 400) seine nur zum Teil (353—378) erhaltenen Kerum gestarum libri (ed. V. Gardthausen, Lips. 1874. 1875):

Gothi.

27, 5, 6 Greuthungi (Grutungi, Greutungi), 31, 3,1 Greuthungi (Geuthungi), 31, 3, 5 ac Gheuthun- gorum [ugere ut ungorii), 31, 4, 12 Greuthungi (Greustongi), 31, 5, 3 Greuthungi.

Claudius Claudianus, um 400 (sicher bis 404), aus Alexandria (Wand. 14); ich citiere nach der Ausgabe von Jeep, Lps. 1876. 1879, doch war mir durch die Freund- lichkeit des Herrn Professor Birt der Einblick in den von ihm für die Mon. Germ, besorgten Apparat gestattet:

XX, 153 Östrogöthi (Osdrogothi, Ostrogoti, Obstro- goti).

VIII, ()23Grüthungi (Grutungi, Gruthongi. Grotonni, Grotuwpm), VIII, 035. XX, 153. 196. 399. 576 Grüthungi (mit den vorigen und anderen belang- losen Varianten).

Zosimus (Wand. 15) verfasste seine erst nach dem Tode herausgegebene tetootu vta (bis 410) in Constantinopel zwischen 450 und 501 (ed. Lud. Mendelssohn, Lips. 1887):

rd t ü oi.

IV, 38, 1 l'oo&t yyoi (von Salmasius aus llgodiyyoi gebessert, vgl. Müllenhoff a. a. ().).

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Idatius aus Gallicien, um 395 470, (Wand. 16) setzt die Chronik des Hieronymus fort, für die Jahre 427 467 aus eigener Anschauung (ed. Roncallius, Vetu- stiora Latinorum chronica, Patavii 1787, II; auch verglichen die edit. Sirmondi, Lutet. Paris. 1619): Gothi.

Hone. II, 10 Greothingi (ad a. 386); in dem viel- leicht von Idat. herrührenden Oonsulnverzeich- nis ib. 96 Greothingi.

Apollinaris Sidonius, um 430 488 , ( VVrand. 17) (ed. Luetjohann 1887, Mon. Germ. auet. antiqu. VIII): 137 v. 36. C. II. 377. V, 477 Öströgöthus , sonst Gothus, Gothia, Gothicus.

Malchus von Philadelphia in Syrien (Wand. 17) fuhrt in den erhaltenen Fragmenten (474 - 480) die Er- zählung des Priscus weiter (ed. Niebuhr, Bonn. 1829): i'o r 9 oi.

II. QUELLEN AUS DEM 6. JAHRHUNDERT.

Aus der \Jo/ain).oyuc des Joannes von Antiochia, mit Sotiriadis (vgl. u. Malalas) früh ins 6. Jahrb. zu setzen, (ed. Momnisen, Hermes VI);

326, 2 (itvttoi/oc, 326, 16. 21. 332, 1. 5. 10. 14 (')hod(ootyo^.

Der Gallier M a gnus F e 1 i x E n n o d i u s (473 521), Bischof von Pavia, schrieb ausser einer Vita seines Vor- gängers Epiphanias einen Panegyricus regi Theoderico dic- tus zwischen 504 und 508 (Wand. 20) (ed. Vogel 1885, Mon. Germ. auet. antiqu. VII): .

G uii (so in der Hegel die ältesten Codd. statt der Gothi der jüngeren), CIA XX 11 gotietm (rotinta B). Theorieric hs.

231, 24. 26. 31 Jiauto, -onis. 116, 20. 23 Gecieo. 227, 20 GVDILtiVO,

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36, 26 Erdui (sie cod., Erduic Sirm.; Acc). 210, 34 Herd uic.

210, 34. 211, 28 Pitsia, 210, 37.211, 5 Pitzh (Pi^ia).

73, 27 Tancila.

116, 24 Trasemundus.

73, 28 Torisa.

306, 28 Trig gua. Aus der Vita S. Severini (gest. 482) des Eugippius von 511 (Wand. 21) (ed. Sauppe 1879, Mon. Germ. auet. antiqu. I, 2):

Gothi.

44, 4 Theo der ic us (Tcudericus). In der G e n e r a t i o regum et gentium, der sogen, fränkischen Völkertafel, um 520 (Wand. 21) (ed. Möllenhoff, Germania antiqua. Berlin 1873. p. 163 squ.):

11 Gotos Wala ff ot hos (Butes Guolariffutos, Gothos, Gothi Uualaffothi). Schon vorher hätte die Chronik Cassiodors vom Jahre 519 ihren Platz finden müssen, und hier wäre der Ort für das sogen. Anecdoton Holden vom Jahre 522. Jedoch mögen beide, um Cassiodors Werke nicht aus einander zu reissen, aufgespart bleiben bis zur Erwähnung der Varien.

A 1 c i m u s E c d i c i u s A v i t u s (ed. Peiper 1 883, Mon. Germ. auet. antiqu. VI, 2), seit 490 Bischof von Vienne und nach 523 gestorben:

195, 14 Ostroffotus (Histroffotus). 64, 27 Theo d e r i c u s (Theuderich us). A n i c i u s M a n 1 i u s Torquatus Severinus Boethius, Consul 510, auf Theoderics Befehl 524 hinge- richtet, verfasste noch im Kerker seine fünf Bücher De consolatione philosophiae (ed. Peiper, Lips. 1871): I, 4. 29 Co ni (jastus. I, 4, 31 Tri ff ff ui IIa (Triffuilla). Die 534 in Constantinopel verfasste Chronik des llly- riers M a r c e 1 1 i n u s C o m e s (Wand. 24) umfasst die Zeit von 379 534, hat jedoch von fremder Hand zwei Fortsetzungen erfahren, die bis zu den Jahren 548 und 566

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gehen und hier gleich angeschlossen werden mögen (ed. Rone. IT: verglichen auch und übereinstimmend mit der edit. Sirmondi, Paris HU IM: G o t h i.

Rone. II, 299 u. ö. T heod o r ic us , 300 Theoioricus cocjnoniento Vala m e r.

322 Theodahadus (Thcodahatus), 323 Theodatus {Theodahat us), Theodatus, 324 Theodahadus (Theo- dahatuS). Theodahadus* Thtodatus (bis).

322 A m a fasuenth a (-suntha).

323 Tz Uta (Trita).

323 Ebremud.

324 u. ö. V i t i (j e s.

324 M atesuent h a (svinta). 32fi. 328 Orajo.

328 Heldebadus (ter).

328 u. ü. Totila, 330 ein Tofilas.

329 Ruder it. 329 V iiiarid. 329 Bleda.

Die oberste Stelle in einer Quellensammlung zur ost- gotischen Geschichte gebührt Magnus A u r e l i u s C a s s i o - dorius Senator, etwa 481 570 (Wand. 22 f.). Nach- dem schon sein Vater unter Odowacar und Theoderic hohe Staatsämter bekleidet hatte, wurde er selbst unter Theoderic und seinen Nachfolgern Quaestor, Consul (514). Magister ofticiorum und wiederholt praetorischer Praefect und be- währte sich stets als energischer Vorkämpfer von Theoderics Politik (vgl. oben S. 14). Von seiner historischen Schrift- stellerei, die in erster Linie dem Ruhme des mächtigen Amalenhauses dienen soll, fällt die schwülstige Chronik, auf Prosper und die ravennatischen Annalen zurückgehend, ins Jahr 519 (ed. Mommsen , Abhandl. d. Kgl. Sachs. Ges. d. Wiss. VIII):

Gothi.

489. 515 Theoderic us (-richus), 490 Theoderichus (Theodoricus), 491. 493. 500 Theodericus {Theo- dorichns), 502. 504 Theodericus.

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515 A m a l a s n t n t a.

515. 518. 519 Eutha ricus.

518. 519 Cillica.

Aus dem Jahre 522 stammt das sogen. Anecdoton Holderi (ed. Usener, Bonn 1877). ein Exeerpt aus einer sonst unbekannten Schrift Cassiodors, erhalten in einer Reiche- nauer Hs. seiner Institutiones humanarum rerum aus dem 10. Jahrh.f mit Notizen über Symmachus, Boethius, Cassio- dorius :

4, 23 Gothi, 27 Gothicus. 4, 13. 22. 27 Theodorichus.

Es müssten Cassiodors zwölf Bücher gotischer Ge- schichte folgen, die er auf Theoderics Anordnung frühstens 519 und spätestens 521 abschloss, wären sie uns anders als in dem dürftigen Auszüge des Jordanes erhalten (s. S. 30 ff.).

Um so ergiebiger ist das grosse Sammelwerk des Cassiodor . welches er nicht vor 538 und nicht nach 540 herausgab, seine Variarum libri XII: eine Sammlung von 468 amtlichen Erlassen aus der von ihm geleiteten könig- lichen Kanzlei , und zwar lib. I— V 235 Schreiben des Königs Theoderic, lib. VI— VII 72 Formulare ohne Namen und Daten für verschiedene Verleihungen und Ernennungen, lib. VIII- IX 58 Schreiben des Königs Athalaric. lib. X 35 Schreiben, nämlich 4 der Königin Amalaswintha, 22 des Königs Theodahath, 4 der Königin Gudeliva, 5 des Königs Witigis, lib. XI -XII (>8 Schreiben des Cassiodor selbst als Praefectus praetorio. Die mitgeteilten Decrete, von denen keins vor das Jahr 501 fällt, scheinen principiell chronologisch geordnet zu sein. Das gotische Namenmaterial in dieser Collection amtlicher Schreiben ist natürlich ein reiches; es könnte noch reicher sein , wenn nicht so häutig statt des Personennamens blosses „ille et ille" gesetzt wäre unter Hinweis auf sonstige verlorene Beischreiben und Listen, besonders bei Gesandten nach auswärts 1 ; trotzdem bean-

1 Schaedel, Plinius der Jüngere und Caasiodorius Senator, Darm- stadt 1887, 8. 17.

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sprucht das Gebotene volle Dankbarkeit für Cassiodors in seiner Praefatio ausgesprochene Absicht, durch die Samm- lung das Andenken manches verdienten Goten der Vergessen- heit zu entreissen. Nimmt man hinzu, dass Cassiodor ver- mutlich gotisch verstand \ dann muss die linguistische Aus- beute der Varien als eine ganz bedeutende erscheinen. Leider aber fehlte bis jetzt eine kritischen Anforderungen auch nur annähernd entsprechende Ausgabe Mit um so grösserer Freude muss es begrüsst werden , dass diesem Mangel in nächster Zeit abgeholfen werden soll : Theodor Mommsen will seinem Jordanes in den Auetores antiquissimi der Monu- menta Germaniae nun auch Cassiodors Varien folgen lassen. Die germanistischen Beiträge für die Indices wird Edward Schröder liefern, wie sie Karl Müllenhoff für die Indices des Jordanes geliefert hat. Und der freundlichen Vermitt- lung des Herrn Professor Schröder habe ich es zu danken, dass mir Herr Professor Mommsen Einblick in den Teil seines kritischen Apparates gestattete, welcher sich auf die gotischen Eigennamen bezieht, nachdem er mir früher schon für die ersten fünf Bücher die von Mor. Haupt hergestellte Collation des wichtigsten Codex, eines Leidensis aus dem zwölften Jahrhundert3, zur Verfügung gestellt hatte. Beiden Gelehrten sei auch hier mein aufrichtiger Dank gesagt und dafür der Hoffnung Ausdruck gegeben , dass die gramma- tischen Kesultate dieses Buches für die Herstellung des Varien- textes oder wenigstens der Indices gelegentlich von Nutzen sein möchten. Die meisten Personennamen der Varien sind für die Ostgoten nur hier belegt; und da die Erlasse im einzelnen nicht datiert sind, so behandele ich im nächsten Capitel das gesamte den Varien entstammende ostgotische Namenmaterial in ununterbrochenem Zusammenhange: es wäre daher eine Wiederholung dasselbe auch hier hinter

1 Mommson, Jordanes, praef. XXXVII; Schaedel 20.

2 Vgl. z. B. Schaodel S. 3. 33, 1.

* Die Schreibungen dieses Cod. sind teilweise schon zu finden in Ludovici Trossii in Cassiodori Variarum libros sex priores symbolao criticae (Hammone 1853), ohne dass darin Förstemanns Zutaten das gotischo Naroenroaterial entsprechend zu verwerten gewusst hätten.

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einander aufzuführen, und es genügt auf -Anna" ff. zu ver- weisen. Zur Textkritik darf ich nach Moniinsens Notizen erwähnen, dass er die Uberlieferung im allgemeinen für zu- verlässig hält, obwohl die Hss. sämtlich nicht alt sind und nicht über das 12. Jahrh. zurückgehen. Die Inscriptionen der Briefe pflegen in den besten Hss. zweimal zu stehen, einmal zusammengefasst als Latercula an der Spitze des Briefes, einmal im Text, was Mommsen unterscheidet durch L\ I/, M\ M*. Was die Hss. im einzelnen angeht, so sind für lib. I VII die zwei Codd. L (der oben erwähnte Leidensis) und I* massgebend, die beide aus gleicher Urhs. stammen, von denen aber L weit zuverlässiger als P ist. Für I - IV. 39 kommt noch ein viel schlechterer, aber von LP unab- hängiger M hinzu. Lib. VIII XII stützen sich vornehmlich auf BZGr, von denen B und Z derselben Familie angehören ; B ist die beste Hs., hat aber die Inscriptionen nur in lib. X : (i ist nur ein sehr incorrecter Auszug, aber von BZ unab- hängig; daneben noch T für VIII, 1 —10.

Der sogenannte Anonymus Cuspiniani (Wand. 19) ist eine Chronik, welche in der Wiener Hs. mit dem Chrono- graphen vom Jahre 354 verbunden ist und eine doppelte Fassung zeigt: eine ausführlichere bis 49o', die in Kavenna geschrieben und namentlich für das letzte halbe Jahrhundert wertvoll ist , und eine knappere mit verschiedenen Lücken bis 539 (ed. Mommsen, Abh. d. K. Säehs. Ges. d. Wiss. II. phil.-hist. I, p. fiotf):

ad a. 490. 491. 493 (bis) TheoderivH«, 493 (ter). 523 Thcodoricus.

519 Eutarcus Villi gu.

533 Thcodatus.

533 Guitigis. Aus der Vita Fulgent ii (Wand. 25) um 540 (ed. Migne, Patrol. lat. H5):

XIII, 27 (Sp. 130) Theodericus (Theodor ictis). Die Namen aus der jüngeren Fortsetzung des Marcel- linus Comes s. schon bei letzterem, o. Ü. 23.

Es sei hier, gegen die Mitte des 0. Jahrhs., der Li her pontificalis eingereiht (ed. Duchenne, I, Paris 1886). Diese

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Sammlung von Papstviten , welche früher dem Anastasius Bibliotheearius (gest. 886) zugeschrieben wurde, ist nach den Forschungen ihres neuen Herausgebers sicher nicht vor dem Pontificat des Symmachus (498 514) begonnen, jedoch ist ihr erster Teil (bis Silverius 537) noch zur Gotenzeit redigiert und enthält ausserdem Notizen von zeitgenössischer Hand über die Periode von Bonifatius IL bis Silverius. Die wenigen Gotica, welche aus späteren Abschnitten für uns in Betracht kommen , sind im folgenden unmittelbar ange- schlossen. Da der erste Band noch ohne Register ist, führe ich alle von mir excerpierten Stellen an :

287, 5 Gothi {Guti, Goti) , 290, 10. 11. 14 Gothi, 291, 2 Gothi (Goti), 3 Gothi, .8. 11 Gothi (Goti). 12 Gothi (Goti, Gotthi), Gothi (Goti), 18 Gothi (Gotthi), 292, 14 Gothi (Guti), 293, 1 Gothi (Gutti), 296, 2 Gothi (Guti), 298, 12 Gothi, 299, 2 Gothi (Guti), 305, 9 Gothi, 312, 11 Gothi (Guti).

252, 2. 255, 1 Theodor icus (Teodoricus, Theodericus). 258, 2 Theodoricus {Theudoricus, Theodericus), 260, 2 Theodoricus (Theodericus, Teodericus), 5 Theodo- ricus (Teode-l 11 Theodoricus (Teodo-), 269. 2. 7 Theodoricus, 270. 7. 17. 271, 15. 275, 2. 3. 6 Theodoricus (Thcode-) , 17. 270, 3. 5. 10. 279, 1 Theodoricus. 287, 7 Theodoricus (Theode-).

279. 5 Athalaricus (Atcda- , Adalricus) . 281, 2 Athalaricus (Atala-), 285, 2 Athalaricus (Adtala-).

281, 1 Sigibuldus (Gisiboldus, Sigivuldns).

287, 5 Theodatus (Teodotus), 6 Theodatus (Theodadus,

Teodotus) , 290, 2 Theodatus (Theodotus) , 2. 7. 9

Theodatus.

287, 7 Amalasuenta (-suuinta , -subita, -sunta, -suincta , -sinda , -sumta, -suitha), 290, 8 Amala- suenta (-suinta, -sunta, -sinta, -sintha).

290, 7. 8 Witigis [Guitigis), 17 Witigis (Withigis, Guitigis, Gutigis, Guitiges), 291 . 3 Witigis, 10 Witigem (Acc: al. Witigitem, Gitigim , G tätigem) , 296, 2 Witigis (Acc. ; al. Guitigem, Gothicem).

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298, 12 Badua qui Totila nuncupatur (Bandua,

Vadua; Totilla). 309, 1 Unigildus (Unigeldus , Winnigildus , Wim- gildus, VingüiiiSf Gildus). An diese Lebensdarstellungen der Päpste mögen sich ihre Briefe im Zusammenhang anschliessen, obwohl dieselben chronologisch correcter nach ihren Daten verteilt werden könnten: Epistolae romanorum pontificum, rec. Andreas Thiel, I, Brunsbergae 1868 :

pag. 390 (anno 494—495) Zeja (nur in neueren

Ausgaben Ezechia). 489. 490. 658 (a. 501). 695 (a. 507). 768 (a. 516). 938 (a. 520) Theodoricus, 670 (a. 501). 672 (a. 501) Theodericus, 678 (a. 501) Theudencus. 502 Hereleuva.

662 (a. 501) Arigemus (pleraque mss.» al. Aligermis,

Aliernus, AriermiS, Aligenus). 662 (a. 501) Gndila (JudUa, Godila, Gudela). 662 (a. 501) Bedeulf us (Vedeulphus , Bereulphus,

Bideulfus, Verdulfus). 675 (a. 501) (bis). 681 (a. 501) Gndila } Bedeulphus,

Arigemus.

854—904 (a. 519) Eutharicns (11 mal). Dazu kommen aus der Britischen Sammlung von Papst- briefen, welche P. Ewald im Neuen Archiv V (1880) abge- druckt hat, aus Briefen von Gelasius (a. 492—496):

pag. 511. 515 Theodericus, 522 Thedericus (= Thiel 489).

513 Zeia (Teia Hs.), 523 Zeia (= Thiel 390). 521 Ereleuua. Aus Briefen von Pelagius I. (555—560):

pag. 533 Hisdevalde (Gen.; al. Hildivade , Hil- viade).

543 Sindua (Siudtda), 558 Sindula. 556 An i laut (Dat.). 559 Gurdimeri (Dat.). Mögen die genannten Ausgaben des Liber pontificalis wie der Epistolae bald fortgesetzt werden ; für unsern Zeit-

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räum reichen sie aus , während man bei weiteren Unter- suchungen, etwa westgotischen, zu der umfangreichen Samm- lung von Mansi (Sacrorum Conciliorum nova et amplissima collectio, Florentiae et Venetiis 1759— 1798) seine Zuflucht zu nehmen hätte, und diese Folianten sind bei dem Mangel eines Registers sehr unbequem für unsere Zwecke zu ge- brauchen, von ihren textkritischen Schwächen zu schweigen. Vgl. oben S. 5, 3.

Der sogen. Anonymus Valesii (in Gardthausens Ammianus Marcellinus) geht auf zwei verschiedene Quellen zurück: während die erste Hälfte etwa 390 geschrieben wurde, entstand der zweite Teil, die Jahre 473—526 um- fassend, in Kavenna um die Mitte des 6. Jahrhs. : Gothic Gothiciis. Theodericus.

§ 58 Ereriliua {Erereliua).

63 Areuagni (Acc. ; al. areec agni).

68 Amalafrigda.

70 Amalübirga.

63 Theodegotha.

80. 81 Eutharicus, 82 Eutharicus (Euthericus).

82 Cilliga.

96 Athalaricus.

68 Odoin.

82 Triuuane (Abi.; al. Triam). In cultur- und wirtschaftsgeschichtlicher Beziehung sind die von Marini 1805 veröffentlichten Papiri diplomatici, Abdrucke ravennatischer Papyrusurkunden , eine wertvolle Quelle. Marinis Lesungen dürfen als zuverlässig gelten wenn man nur der grossen graphischen Ähnlichkeit einge- denk bleibt, welche namentlich die Zeichen für a und w, sowie für r und s in dieser ravennatischen Cursive unter einander haben. Trotzdem lässt der Umstand, dass Marini nur eine nach ganz äusserlichem Gesichtspunkt zusammen- gestellte Auswahl bietet, den dringenden Wunsch gerecht- fertigt erscheinen, dass alle diese Schätze, vielleicht mit

Trotz der Recension in den Heidelb. Jahrb. d. Lit. 1809.

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einer hochherzigen staatlichen Unterstützung . noch einmal an Ort und Stelle grundlich durchforscht werden mochten. Die meisten der für uns in Be tracht kommenden Urkunden entstammen der Mitte des b\ Jahrhs. : doch habe ich auch .solche, welche erst nach 55:5 entstanden sind, berücksichtigt, soweit Form oder rüstiges Vorkommen ihrer Namen auf Gotenreste hinweist. Da die meisten der Namen aus Marini aber für die Ostgoten nur hier belegt sind, so erfahren sie im nächsten Capitel eine selbständige Behandlung im Zu- sammenhange, und es genügt dorthin zu verweisen. Dazu gehören auch die beiden bekannten gotischen Urkunden von Arezzo und Neapel, über welche gleichfalls im nächsten Ab- schnitt.

Für Jordan es sei auf Wand. 26 f. verwiesen. Er war nach eigner Aussage Gote und gehörte wohl zu den Volksteilen, welche nicht mit Theoderic nach Italien aufge- brochen waren. Seine historische Schriftstellern fällt ins Jahr 551. Dass seiner Gotengeschichte das sonst verlorene Werk Cassiodors zu Grunde liegt (s. o. S. 24), dass sie zum Teil wörtliche Excerpte aus demselben enthält, spricht genug für den Wert des Jordanes speciell für unsere Zwecke. Die Ereignisse nach 52ö' erzählt er nach eigner Kunde. Was die Überlieferung betrifft, so gehen alle Hss. auf denselben Archetypus zurück, welcher bereits Fehler enthielt, die nachweislich von ihm auf alle Abschriften vererbt sind. Ich citiere im folgenden nur die Schreibarten der ostgoti- schen Namen aus der italienischen Zeit : grade für die No- mi na propria giebt Mommsens Apparat erschöpfende Les- arteiizuMammenstellung (vgl. S. 1(17 seiner Ausgabe). Für alles andere genügt ein Hinweis auf die Indices in seiner Ausgabe (18H2, Mon. Germ. auct antiqu. V, 1) und Möllen- hoffs dortige Beigaben.

59, 12. <>4, 22 u. ö. Ostr ogothae (vereinzelte Vari- anten Hostro-) ; sonst immer Gofhi, Gothicus ; 7;t, 15 Goihia, 75, 9 Gotia (Goihia l

59, 11 „Mixi, Eragre, Otingis": s. i. nächst. Cap. u. „Greotinge*.

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64, 23. 76, 18 u. ö. Amali (nur 76 . 18 mit der Variante Hawaii).

44, 30 u. ö. Theodorieus (dazu die häufige, aber nicht regelmässige Variante Theodericus, ausser- dem zu 45, 10. 128, 12. 15 Thederirm , 51, 13 Theodorricus). 77, 5 (bis: Acc. Nom.) Theoderinnn Theodericus { Theuderieuw).

128, 2 Erelieva (Herilieua, herili sua).

135, 3 Ämalafrida i-freda).

134, 17 Thiudiyoto {Tiudigotho, Theodieodo, Theudi- codo, Theudigotum).

134, 17 Ostrogotho (-gotam).

135, 5 Amalaberya {Maleberga).

48, 12 u. ö. Amalasuentha (al. <4f»«-, Atnalae-,

Amale-, Mala-, Mathe- ; -suuentha, -suerda, -suinta,

-senta), 77, 10 Amalasuintha {-suentha usw.). 77, 6 Eutharicns (Deutha-, Deuthe- , Deuthari, de

atharico), 77, 9. 122, 19. 134, 21. 136, 8 £«f/ta-

r/Vw* (al. Euthe-, Eotha- , Ertha- , Atha- , Ente-,

Euta-; -rius). 135, 6 Pitzamum (Acc; al. PiUamum} Piztamum,

Petzamin, Pitzamin, Pitzam), 135, 17 /^te« (Pezza,

Pizza, Pitza). 135, 19 766« (Hibba, Iba, Biba). 48, 11 u. ö. Athalaricus (al. Athalricus , .4Z/a-,

^U/m-, <4ta/a-, Alatha-). 48, 14 u. ö. Theodahadus (al. Theodo-, Theuda-,

Teodö-, Theode-; -adus, -baldus, -badus; Theodatus,

Theudatohalus). 48, 20 Sinder ith (-n7) . 137, 6 Sinderith {-rit,

-rieh).

48, 27. 137, 8. 10 Evermnd (-muth, -mut , -moth, -mor, -mundus, -mund).

49, 1 Fi *t>8 (Cfaitf-), 49, 6. 15. 51, 13 F*%/s, 77, 11 {Uuidicis, Uuidechis), 77, 12 PiViV/ü (Uuiticis, Uuidechis), 137, 14 F/fi^w (F/te-, Fi'tfi-, I/tiüi-; -<//s), 137, 18 Vitigis {Uuiti-, VUti- ; -gim,

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-gern, -gen [Aec.]), 137. 20 Vitigis (Vitti- ; -ges), 137, 15. 138. 3. 6. 13 17%^. 49 , 9 u. ö. 37 a athesuenta , Mathesuentha , Mate- suentha, Mathesuenta (al. Athe-, Math«-; -scuntha, -suerita, -subita, -suenda, -seueutha).

49, 13 H minil a, 138. 3 i/wiS/a (T/z/Va).

50. 15 Heldebailus (Eide-, Hilde-), 50. 17 J/*7<fr- 6ar/t/jf (7///<M, 19 Heidebad us (Eide-).

50. 29 u. ö. TofiV« (al. 7Vrf?7fo). 50, 19. 29 Baduila. Über Procopius von Caesarea vgl. Wand. 28. In seinem Geschichtswerk behandeln die Bücher 1. II die Perser- kriege, III. IV den Wandalenkrieg. V— VIII den Gütenkrieg (bis 553). Procops Stellung als Secretär Beiisars seit 527 kennzeichnet seine Bedeutung als Geschichtsschreiber seiner Zeit; vgl. Mommsens Urteil Ober seine Zuverlässigkeit im Neuen Archiv XIV, 519, 2. Ed. Dindorf. I— III , Bonnac 1833:

7^0 T ^ Ol.

0 s v J fc p i x 0 £

I, 346, 9. 349, 23. II. IG, 20. 65, 7. 593, VJ\1u<t- X ct(f () / da.

II, 65, 7 \i,ueXoflboya. II, 65, 5 Qfvöt/ovoa.

I, 370, 19 u. ö. 'JftuXc<doiv$a.

I, 370, 18 u. ö. \ixa Xtioi/ og (al. l-ird(M/o^).

II 61, 11 Hin ruanZvSa, 185, 22 Mnraaovvtta

(MaXa-), 264, 11 Muvaoovria (JftaXa-), 447, 1

Maraanvv&a (Marm-, !\Ihru-).

I, 357, 8 U. ö. r,odug.

II, 16, 19 u. ü. Qfvddrog, 21, 11 QtvttiTOj (-dnirnc); 29, 8 (^iJaroc f-«r«c).

II, 18, 21 OvXiant,;, 296, 20 OviXiaoi*; (OvdXuoiq, OvaXiuyig , OvaXiapioq) , 297. 6. 11. 18. OviXiaoig.

II, 33,8 / oinnac (l\una), 37. 1. 6. 21. 38. 11 roiTMuq.

II, 33, 7 U. ö. \4atvdotog.

II, 39, ü'EptßitiovO (Kfioiiiov, '%«o5-).

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33

II, 61, 8 u. ö. .Jevdcyif. II, 58, 24 OtvdtytoxXog. II, 39, 4 Qsvötvdvd n (Dat.). II, 58, 10. 12. 13 vO TT x apiq.

I, 156, 7. 216, 1 Oviztiyi^y 216, 2 Ovirriyttoj (Gen. ; al. 'lovrriytJoc), II, 58. 6. 10 und immer Ovmyt*,

II, 71, 13 u. ö. Mapxiag. II, 99, Vö'AXtirjv (Acc).

II, 76, 20. 77, 2 llixlaq, 81. 18 H/rf«* (vulgo Hl 0 Gag).

II, 81. 18 OvviXav (Acc).

II, 92, 22. 93. 6 Oi'oxi?.

II, 82. 18. 187, 18 OiXiyioaXo*

II, 91, 12 ßa^a^io.o,-.

II, 91, 12. 17 Oviauvdn*, 188, lOvioardog (.tyo?).

II, 187, 17 Vi fi i ft f q u (Acc.).

II, 174, 19 OvXiav (Acc).

II, 184, 17 OvXidtog,

II, 187, 18. 226, 13 'AXßUag.

II, 188, 2 MoQoa (Dat.; al. rrJ ,,wo(<), 223, 2 itfo^«c.

II, 196, 3 u. ö. Ovgataq.

II, 265, 4 Ziotyig.

II, 197. 12. 22 Oiaxt^oc.

II, 272, 4 u. ö. 'iXöifiaAog.

TutziXag (TovriXXag Vat., ToviiXag Reg.).

II, 298, 14 HXeÖav (Acc).

II, 298, 14 Pov dogt/oq, 358, 21 PovdtQtXng (-**<*), 360, 4 'Poyöeotyoc.

II, 326, 9 2i<iifp(>ttoc.

II, 358, 1 vO er «Ja ? (fc Jf).

II, 354, 15 P t x i jti o v v ö o g.

II, 577, 12. 579, 9 riflXag (npaX).

II, 577, 12 f. rovvtovXy (Acc; 7oi>nWX, JotwW.),

oontQ , rmc Jf at'mv 'IrÖQvXy ('IvönvX)

txaXow; 579, 9'hdovX(f> (' IXöoixf, /ovi'iWA«/), 584, 9 ' lrdnvX(f> ('/AJoi'y , /ori'<WA), 642, 20 */hWA'/> (7?.<Wy).

qp. lxviii 3

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- 34

II, 577, 12. 579, 8. 625, 5 Jxitio, II, 600, 19 u. ö. Tm«?. II, 602, 21 u. ö. / oao. II, 633. 15. 634, 13 'P«/f«/,/c. II, 606. 21. 608. 14. 21 Ovaöißi 608, 4 Omi- duiXu^ (OvdgiXa*;), 608, 8 OvOdgiXa^ (-AAtts-).

II, 10, 7 «AÄrt (vV/£ Tt du{iiOß xa't.ox fitvoc , nvno yuy aif-oiv rot'V ijyffi6v(t$ oi ßcigßagoi xnkfTv rtvoftixaGi.

In .luliani epitome latina novellarum Justiniani (instr. G. Haencl, Lps. 1873) findet sich (pag. 185 ff.) eine Epi- t o in e c o n s t i t u t i o n u in Justiniani de r e f o r - in «i n (I a 1 1 a I i a (gewöhnlich citiert als Sanctio pragmatica pro petitione Vigilii) vom 13. August 554 (ich gebe die Schreibungen des Cod. 2, eines ..luliani Novellarum exem- plar vetustissimum*, daneben in Klammern die Abweichungen in 3 a und 7):

XV Gothicus [Gut-, Gotth-, Guth-).

VIII Theodor icus (Theudericus 7), XXII Theodo-

ricus (Theudericus, Theodericus). I Amalaeuncta (-ct/uta, Malauncta), Amalasuitttha

{-subita, -siuntha). I Attalaricüs (Atalaricus 7), Attalaricus (Athula-,

Adula-).

I Teudatus (Theodatus, Teodatus), l^eodatus (Theo-

datus, Teudatus), Theodatus.

II Totilanem (Acc), Totilane (Abi.), V Ttttela (Abi. ; al. Totila). VIII Tutelae (Gen.; al. Totilae), XXIV Tutelae (Gen. ; al. Totilae, Atile).

Aus des L i b e r a t i D i a c o n i breviarium von 556 (ed. Migne, Patrol. lat. 68):

p. 1039 u. ö. Gothi. Ib. Theodatus.

Zu Tiro Prosper Aquitanus und seinen späteren Be- arbeitern vgl. Wand. 16. 24. 31. Die jüngste Fortsetzung seines Geschichtswerkes, das bis 560 gehende sog. Aucta- r i u m P r o s p e r i . gewährt folgende Gotica (ed. Rone. I) :

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725. 727 Theodorieus. 730 Entarte us. 730 Cilliea.

Die Chronik des Victor von Tunnuna (Wand. 29) ist erhalten für die Jahre 444 5W> und setzt Hieronymus und Prosper fort. Über die Randbemerkungen zu derselben vgl. unten S. 37. Ed. Rone. II. mit dessen Lesungen auch die der ed. Canisii (1600) übereinstimmen:

345 u. ö. Gothi.

3bl Amata/ rida.

375 Totila.

Die Historiae Francorum des Gregor von Tours (538 594; Wand. 30) stammen in drei Absätzen etwa aus den Jahren 57.") (lib. I IV. hier allein in Betracht kommend), 580 585 (V. VI), 591 (VII X) und zeigen in den bis ins 7. Jahrh. zurückgehenden Hss. die ganze Verwilderung des merowingischen Zeitalters (ed. Wr. Arndt 1885, Mon. Germ, script. rer. Meroving. I. 1):

52, 7 Goti, 70. 15 u. ö. Gothi {Goti), weiter allge- mein Gothi (mit vereinzelten Varianten Ghoti, Goti,Gothii,Ghothi, Ghotti), 18(i, 20 Ghotia [Gothia, Ghotia^ Gotia). 10H, 2. 112, 2. 10. 21. 134, 17 Theudorieus (The<«ht-i Theude-; Theuderiehns , Theodtrichus) ; in Gregors Liber in gloria martyrum 513. 13 Theodcrirus (Theodo-, Teodv-), 540. 1 Theodorieus (Theode-, Theoriem). III, 9 A mala her ff a.

135, 11 Theodadus (Theudadus, Theodafus, Theu-

dotus), 17 Theodadus (Theodotus). VM , 20 Tra <j uilane m (Acc. ; al. Trayuillanem, Trauuilanem) , 135, 2 Trayuihnem (Acc; al. Tranfjuilanem). Agathias aus Myrina in Kleinasien (ca. 530—582) schrieb nach 577 als Fortsetzer Procops fünf Bücher löraniat (ed. Niebuhr, Bonnae 1828): for^o t.

13, 13. 27, 4 Grvdi pr^o,-.

.V

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- :y,

13, 14. 10 0frJ«ros-.

13. 10 0 J V r r / f

14. 2. 11. 21. 3. 31. S TwnA«. 14, 1. 23. 10. 31. 9. 50. 1 T* '/'«•;. 14, 3. r>r». 20 0 ü ( J / j* f o >' o c-

31 , 15 u. ü. V/ A i y f ö r o j,. 92. 9. 9:5. 9. 12 Tay rngih:

Der Annalist Marius. Bisehof von Avenehes 574 59:}, lieferte eine wertvolle Fortsetzung des Chronieon im- periale für die Jahre 455 581, welche nur in einer, Ortho- graphie und Sprachgebrauch der Vorlage, ja damit des Archetypus bewahrenden Hs. erhalten ist (ed. VV. Arndt. Lps. 1875):

Gothi, nur ad a. 508 einmal Goti und so immer in der jüngeren Fortsetzung.

Ad a. 4H4 Theodor icus, 4K<) Themloricus , 493

Theudericua, 520 Theudorkm. 500 Odoind. 509 M a m m o.

519 Euter ins.

520 Atalari c u s. 540 Witte gis.

547. 553. 508 Bad u Ha. 55:*. 554. 508 Tei«.

Papst Gregor der Grosse (540 004) schrieb zum Ruhme der italienischen Ahnen seine Dialoge 593 594 (Mon. Germ. Script, rer. Ital. et Langob. 525):

525, 34 Gothi (Guti), 520, 31 Gothi (Godi), 527, 1

u. ö. Gothi, 530, 10 Gothi (Goti). 540, 9 Theudoricuif (Teude- , Teodo- , Theode-),

20 Theudericus (Theodc-, Theodo-).

Tot ila.

527. 9 Ruderte (Roder igo, Rudirig, Ruderid, Ruo-

dirich). 527, 9 £J/irf#M (Blindiu). 525, 34 Dur ida (I, 2). 527. 0. 12. 15 Riggo.

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527. 9 Vul (Vult, Vuhl).

528. 24 Zu IIa (Tzulla).

Die Ecclesiasticae historiae libri VI (431- 594) des Euagrios, des mit dem Patriarchen Gregor (57(» 5iKi) befreundeten Quiistors und Präfecten in Antiuehia, sind eine letzte Fortsetzung des Eusebius (ed. Migne , Patrol. graee. 86 \ col. 2415 squ. , nach der Edit. Henrici Valesii, Lond. 1720):

IV. IS. 20 I'ot&oi.

III. 27. IV, 18 Qsrt£<>tXos.

IV. 18 \ l (.i a h a et o v v Ü a. IV, 18 \4 tcc'Auoi /oc. IV, 18 (mß t droc'

IV, 18 OvtTTtytdog ((teil. ) , Oumyi^ , Ovivviytv

(Acc). IV, 20. 2:? T(ör,Xa. IV. 2* Tsiav (Acc). Das Chronicon breve unbekannten Verfassers oder Chron. Kuinart. (nach seinem eisten Herausgeber) aus dem Ende des <>. Jahrhs. (Wand. 31: ed. Rone. II): 258 Gothi, 259. 260. 201. 262 Gotthi.

262 Th eode r i c it s tOfjnumcnto V ala m e r , 263 TheodericHs.

263 Athalari c u s.

(iegen 600 setzt Menander in Constantinopel die Geschichte des Agathias fort für die Jahre 558 - 582 (ed. Niebuhr, Bunnae 1829): r 6 x »> o /.

283, 4 Ovtxxtyiv (Acc).

III. QUELLEN SEIT DEM 7. JAHRHUNDERT.

Aus den oben S. 35 erwähnten Randglossen zur Chronik des V i c t. Tun n., welche von dem (H9 ver- storbenen Maximus von Saragossa herrühren sollen (Kuno. II):

357. 358 Theodoricus.

357 Hclbane (Abi.).

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38 -

Isidor von Sevilla (gest. 636) (Wand. 32) schrieb sein bis 615 reichendes Chronicon im Anschluss an Jul. Africanus, Hieron., Vict. Tunn. (ed. Rone. II; ed. Matrit. 1778) und sodann seine auf Hieron., Oos., Idat., Vict. Tunn., Joh. Biclar. fussende Historia de regibus Gotthorum, Wanda- lorum et Suevorum (253—625) (ed. Matrit. 1778: auch bei Hugo Grotius, Hist. Got. Wand, et Langob., Amsterdam 1655):

chron., Rone. II, 419 u. ö. Gotthi (Gothi), 458 Ostro- f/otthi, Matr. 145 Gothi, Gotthi, 147 u. ö. Gotthi, 151 Ostrogotthi; bist,, Matr. 203 u. ö. Gotthi, 210 Ostro'/otthi, Grot. 705 ff. Gothi, Ostroyothi.

Chron., Rone. II, 457 Theodoricus, Matr. 149 Theodoricux {Theudo-)\ hist., Matr. 209 u. ö. Theu- dericus, Grot. 720 f. Tudericus, Theodericns, Teu- dericus.

Hist, Grot. 721 Ebbava (Abi.; Mommsen, Jord.

151, liest Ebbane). Chron., Rone. II, 458, Matr. 151 Tottila.

Aus dem Chronicon paschale, 629 630. (Wand. 32; ed. Dindorf, Bonnae 1832):

604, 15 Oso6f(ji'/((mhodw(n'xiü), 602. 19 Qsoduiw/oc.

605, 12 \4 x a X X d (j t x o g.

Die X/jovoyyu(fta des Joannes M a 1 a 1 a s (bis 565) wird von Sotiriadis (Kritik des .loh. v. Antioehia, Lpz. 1887) ins 7. Jahrh. unter Phoeas und Heraelius (603 641) gesetzt, während man sie früher in die Zeit Justins II. (565 578) wies (Wand. 30; ed. Dindorf, Bonnae 1831):

To x D o i.

380, 4 u. ö. t (ji/oc. 460, 1 \l i> aXa (>i yoq. 465, 9. 11 TU t vag.

Aus den Ergänzungen zu den ersten sechs Büchern (bis 584) von Gregors Frankengeschichte, der sogen. Historia Francorum epitomata, die dem Seholasticus Fredegar zugeschrieben werden und um 660 in Burgund entstanden sind (Wand. 33; ed. Krusch 1888, Mon. Germ, script. rer. Merov. II):

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39

43 u. ö. Goti, Gothi, Ghotki. 44. 78 u. ö. The uder icns. 103, 30 Am all er (ja.

106, 2 Theothatus (Teuthadus, Thedatus, Theo-

thadus), 6 Theuthadus (Teodatus, Theodatus). 10«. 7 Tutila.

Die römische Geschichte des Paulus Diaconus (um 725—797; Wand. 33) entstand vor 774 (Mon. Germ, auct. antiqu. II), die langobardische nach 787 (Mon. Germ, script. rer. Langob. et Ital., p. 45 squ.):

rom. Gothi, 209, 17 Ostrogothae (-gothi) u. ö., 214. 1 Ostrogothi; lang. Gothi.

Korn. 21«, 5 Amali (Alami, Halumi, Halani, Alaui).

Rom. 211. 15 u. Ö. The oder icus (gelegentliche Varianten Teode-, Theodo-, Theude-; Theoricus), 217, 14 Theodoricus; lang. 87, 18 Theude ricus (Teude-, Theode-, Teode-', Thiadric, Thiadricus), 124, 1 Theuderichs (Federicus), 196. 26 Teodoricus, 29 Theodoricus.

Rom. 212, 4 Ar Heu tut (-leuba, -leua).

216, 1. 2 Amalafreda.

216, 3 Theodicodo (Acc).

216, 3 Ostrogotho (Acc: al. -godo).

216, 2 Am alab er g a (Malaberga, Malauer •ga).

216, 4 A mala su in ihn (suinda, Atualauintha), 219, 18. 220, 7. 221, 12 Amalasuinta (suuintu, -suuinda, -subinta, -sunta, -muintha; Amasuuinta, Amalsuinta).

216, 4 Eutharicus (Autha-).

219, 6 Ibba (Ibbla, Ippia).

220, 8. 221, 7. 9. 11 Theodatus, 220, 11 Theo- datus (Theodotus).

221, 11 u. ö. Witigis (gelegentliche Varianten Wittigis, Guitigis, Guittigis, Guitiguis) ; lang. 62, 20 Witichis (Abi.; al. M7//// , t/nfi-, Winti-, Vinti- ; Withids, Witigis, Witavhis, Witichisi, Withichisi, WUihisi, Withigiso, Withisi, Wittisi, Wilticis).

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40

Rom. 224. 1 Heläebadus (Hille-). 224, 3 Bad uila (Baduilla). 224, 3. 9. 19 Totila; lang. 72, 20. 2."» TWi/ei. Lang. 73, 4 IT/rf/w (HW/#n, WWw, ]lriV/i. GmVm), 6 Widin.

Die G e s t a episeoporum Xeapolitanoruni, welche unter dem Namen des Diaeons Johannes gehen, zerfallen in drei verschiedene Teile, von denen der erste um 800 entstand, im wesentlichen aus den Gesta pontif. rom. schöpfte, aber weiter alle bekannteren kirchen- und weltgeschichtlichen Vorarbeiten benutzte (Mon. Germ. Script, rer. Lang, et Ital. 402 squ.):

Goth i.

410, 8. 16 Theodericus, 20. 23 u. ö. Theodor icus.

411, 9 Amalesuinta.

410, 43 Athalaricus. 411 Theodatus.

411, 33. 34 Guitiyis, 38 Vitigen (Acc).

Aus den zehn Büchern der Chronograph ia des Theo- phanes Isaacius Confessor, 758—817, (Wand. 34; ed. Clausen, Bonnae 1839. 1849):

r o t & o t.

288, 11 --/ fiaXaff ot Sa (MaXuyotdu), 289, 15 \ 1tuaXa- tfgiöa.

293, 11 \1 fiaXaoov t'Ü a. 293, 12 \4xald{n y og. 291, 14 royta*

354, 3 TfottXa (TwnXXa vulg. et sie ubique), 5 TwrtXa.

Das im Kloster Moissac bei Toulouse ca. 818 ent- standene Chronicon (Wand. 35) umfasst den Zeitraum vom 4. bis 9. Jahrh. (Mon. Germ, script. I):

Gothi.

285 Athular icu s. 285 Theudann s. 285 Tot i IIa.

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41

A g n e 1 1 u s . der Verfasser des Lib. pontitic. ecclesiae Itavenn., schrieb sein Werk in verschiedenen Absätzen un- gefähr 835 -846, nur wenige Quellen wie Paul. Diac, Anon. Vales., Annal. consul. Itavenn. u. a. spärlich verwertend, (Mon. Germ. Script, rer. Lang, et Ital. 275 squ.): Gothi.

303, 5 Theodoricus (Theude-, Theode-) u. ö., 318, 22. 335. 9. 337, 15 Tlieodericus , 334, 19 Theu- dericus.

326, 27 U nun und hs (Uitimundus), 334 22 Uni' tnundus.

322, 12 Malasintha. 322, 11 Athalaricus. 322, 12. 16 Deodatus. 322, 21 Tutilano (Abi). 322, 22 Teia, 331, 13 Theia.

Aus der Vita et translatio S. Sab in i episc. Canusini, vermutlich um 850, (ib. 586 squ.): Gothi.

587, 12 Totila.

Aus der ältesten Geschichte des Klosters von Monte Casino, vermutlich um 870, (ib. 468 squ.): Gothi.

487, 23 Theodericus. Erchemperti historia Langobardorum Beneventa- norum, bald nach 886, (ib. 230 squ.): 244, 37 TrasaricusJ Im Ausgang des 9. Jahrhs. setzt der Presbyter An- dreas die langobardische Geschichte des Paulus Diaeonus bis auf seine Zeit fort (ib. 220 squ.): Gothi.

222, 6. 9 Totila (aus Paul.).

1 Es bleibt ganz zweifelhaft, ob er hierher gehört. Nur das Erscheinen desselben Namens auf der unten unter „Wiljaric* citierten Inschrift lässt ihn mich hierher setzen, weil letztere möglicherweise mit seinem bei Erchempert erwähnten, sonst aber völlig unbekannten Denk- mal zusammenhängt.

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42

Die Vita S. L a u r e n t i i e p i s c. S i p o n t i n i , aus dem 9. Jahrh. oder später, beruht gleichfalls auf Paulus (ib. 543 squ.): Gothi.

544, 12 Theodor ic us.

545, 24 Badiula. 545 Totila.

Das Lexicon des S u i d a s , etwa von 976, (reo. G. Bern- hardy, Halle u. Braunschweig 1853) giebt II, 789 unter dem Stich worte -ix// den Dativ

r gov $ fyyoitf (—r{Mnt9iyywc, rpovfriyyotc). Und endlich aus der H i s t o r i a m i s c e 1 1 a des Lan- dolfus Sagax, zwischen 977 und 1026, (Wand. 35; Mon. Genn. auct. antiqu. II): Gothi, Gothic iis. 365, 1. 366, 23 Theo der i cns.

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DIE OSTGOTISCH KX SPRACHIGSTE.

Das hier folgende Capitel hat die Aufgabe . für die einzelnen Ostgotennamen nach all den Schreibungen, welche der vorhergehende Quellenteil aufgezählt hat. die specitisch ostgotische Form zu gewinnen und damit das Material zu liefern für da« letzte Capitel, den Versuch einer ostgotischen Grammatik. Die Reihenfolge ist die ungefähr chronologische. Bei der etymologischen Deutung der Namen ist mehr als bisher die nahe Verwandtschaft in Betracht gezogen worden, welche die einzelnen indogermanischen Völker grade in der Bildung ihrer Nomina propria verbindet, weshalb man Fick, Die griechischen Personennamen (Göttingen 1874). häutiger citiert finden wird. Sonst sei für diesen Abschnitt auf Wand. :*6 f. verwiesen.

Es wäre leicht gewesen, unsere übliche grammatische Orthographie auch in den ostgotischen Namen consequent durchzuführen : aus practischen Gründen nahm ich hiervon Abstand. Denn wenn z. B. die ostgotische Namensform peuderik auch zweifellos ist , so werden wir doch schwer- lich dahin kommen, dass unsere Historiker in ihren Dar- stellungen eine so weit vom quellengemässen Theodericus abweichende Schreibung einführen. Und diese Rücksicht- nahme auf den historischen Usus veranlasste mich bei der Schreibung Thcoderir zu bleiben, obwohl eo statt ostgot. eu gewiss nur dem romanischen Schreibgebrauch sein Dasein verdankt. Wir wollen schon zufrieden sein , wenn die Hi- storiker sich zu der Schreibung Themler \c bequemen statt des herkömmlichen Theoderich und damit eine Bildung auf-

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II

geben, welche inconsequent im Auslaut hochdeutschen Laut- stand angenommen . im Anlaut den gotischen beibehalten hat: entweder Theoderic oder Dietrich, alles Sonstige bleibt Willkür ; Theoderic aber gleicht ja dem quellenmässig über- lieferten Theodericus vollkommen . abgesehen von der nur lateinischen Endung. Also aus Rücksicht auf die Historiker zwänge ich die Ostgotennamen die Einzelüberschriften im folgenden geben sie in der Form, die ich für den modernen hi sonographischen Gebrauch empfehlen möchte nicht unter das System einer einheitlichen phonetischen Trans- scription, sondern schreibe jeden einzelnen in der Laut- gebung, welche seine Quellen zeigen. Für die Orthographie gilt daher das Wand. 37 Gesagte.

OSTGOTEN.

Für die Etymologie des Gotennamens seien nur Zeuss 134, Lottner in Kuhns Zeitschrift V, 154, Kremer in den Beiträgen VIII. 44t>. 447 citiert. Wer die Zeuss-Grimmsche Deutung der , Wandalen" als der »Umherziehenden* an- nimmt, wird auch gegen die .Goten" als die .Ausgebreiteten* kein Bedenken haben : got. giutan an. gjöta ags. geotan as. giotan ahd. giozan Rundere*.

Für die Schreibungen ist immer noch auf Rassmann bei Ersch und Gruber, Sect. I. LXXV, S. 204, 1 zu ver- weisen. Die in den historischen Denkmälern des gesamten Mittelalters herrschenden Formen Gothic sind römische

und griechische Nostriftcierungen des Volksnamens 1 und machen für seine gotische Form und Aussprache nichts aus. Nach dieser wäre vielmehr lat, *Guti zu erwarten. Das ursprüngliche n der Stammsilbe wird durch das Gutpiuda des Kalenders, das runische gutanio des Goldringes von Pietroassa2 und für den ostgotischen Dialect durch die sonstige feste Bewahrung des wultilanischen w3 bewiesen.

1 Vgl. oben 8. 8.

2 Hönning, Runendonkmaler 32.

* Vgl. oben S. 9 und unten im „VocalismuB44.

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4:>

Für die lateinischen Historiker ist es bei dem bunten Wechsel von lat. 11 und o 1 nicht zu entscheiden, ob vereinzelte u auf derselben mechanischen Vertauschung beruhen oder etwa als reconstruierte germ. u aufzufassen sind. Nur (abgesehen von den fraglichen /Vro>if c bei Strabon 2 ) die Gutones bei Plin. . die /Vtfe/m; bei Ptol. sind besonders aufzuführen, vielleicht auch die Gvthi bei Marini Nr. 140. Das ursprüng- liche / des Wurzelauslauts3 zeigt sich im gotischen Gut-pinda4, im runischen gutanio , in den an. Gotar und ags. Gotan.h Bei den Historikern classischer Zunge beginnt die Unsicher- heit in der Aspiration schon mit Tac. : Germ. Gothones, Ann. Gotones ; und mit den FvOmv^ des Ptol. wird das ungerm. /// fest und bleibt es für die Geschichtschreibung aller Jahr- hunderte. Über das bunte und regellose Vertauschen von / und th für germ. t und p vgl. unten unter „Consonantismus*. Daher ist auch schwerlich an bewusste Herstellung der germanischen Tenuis zu denken bei den Austrogoti des Treb. Pollio, den Goti des Ennod. . den Ostrogoti des Avit. . den Goti bei Marini Nr. 117, der aclisiu gotica der Neapeler Urkunde, dem goticum im gotischen Trinkspruch, dem gleich- massigen Goti im Prosp. Vatican. (Konc. 1, 706 ff., nur 711 einmal Gotht).*

1 Vgl. oben 8. 7.

* Vgl. oben 8. 10, 2.

5 Möllenhoff, Zs. IX, 244.

* Die Deutung Kremers (Beitr. VIII, 447, dazu 429), der Gut- ])i\u1a als nachahmende Schreibung von gr. for.tot auflagst und got. *ynp- oder *</udapit(da herstellt, bedarf nuch Ablehnung seiner Ety- mologie keiner Widerlegung mehr; vgl. jedoch unten. Das an. Goppjöp (Grimm, Heldensage* 5. 6) zeigt jüngere Assimilation.

* Nähere Nachweise bei Kassmann a. a. O.

* Noch ein Wort Über die gr. rördm. Das feststehende lat. Gothi, das die etwa durch amtliche Berichte aus Rom sanetionierte Form war, in gr. nlftoi umzuschreiben, widersprach der bei den Griechen üblichen Aussprache des bekannten Volksnamens, da ihr v 8pirans war : daher entstand /ortfo. als graphische Compromissform. Oder aber r,ir9oi erklärt sich, ahnlich wie der Name der Schweden aus Svhpfip, aus Gut-piuda, also mit Hereinziehung des Anlauts vom zweiten Compo- sitionsglied in den vermeintlichen Stamm, d. h. grade umgekehrt wie

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Was die Flexion des Gotennamens anlangt, so weisen die ältesten Quellen übereinstimmend auf einen M-Stamm : Gutones Plin. u. s. w. 1 , d. i. got. *Gututis2, entsprechend dem an. Gotar Gotna (dazu das Appellativum gotnar . das Adjectivum gotneskr) und dem ags. Gotati Gotena. Alle späteren Quellen hingegen zeigen nur Gothi , filrdoi, d. i. got. *Gutösz; hierauf führt auch das Compositum Gutpiuda, für welches bei erhaltener //-Flexion seines ersten Gliedes *Gutapiuda zu erwarten wäre4: und das an. Gotar zeigt neben dem schw. Gen. Gotna auch den jüngeren st. Gota. Nun aber hat .lord. (und mit ihm Paul. Üiac.) neben gleich- massigem Gothi ebenso gleichmässiges Ostrogothae, das nur auf dem Sing, -gotha , d. h. auf schwacher Declination be- ruhen kann. Es läge nahe, den Grund hierfür speciell bei Jord. in der Anlehnung an den Namen des ostgotischen Ahnherrn zu suchen, welcher in der Urgeschichte des Jord. (77, 1. 78, 6) eben Ostrogotha (und ebenso bei Cass. Var. XI, 1) genannt wird, zumal alle früheren Quellen, die den zusammengesetzten Volksnamen geben, diesen stark flectieren : Austrogoti Treh. Pollio, Ostrogot(h)i Claud., Apoll. Sid., Avit., später noch Isid. Aber Jord. schreibt auch Vesegothae! Vielmehr hat man aus dem Namen des ( >strogota „mit Recht schon auf das Alter des Volksnamens geschlossen* 5 , und wenn auch „der epischen Sage so viel Glauben zu schenken ist , dass Ostrogota eine historische Person", so bedarf es doch keines Wortes mehr, dass der Name des Heroen nichts weiter als der ältere Volksname ist und nicht etwa erst

Kremer (s. o.J will; jedoch bleibt dann die Beschränkung dieser Form auf die gr. Quellen rätselhaft, man niüsste denn alle lat. Gothi zu Göttin bessern wollen. Jedenfalls vergleiche man nicht Chatthi (ahd. Hcsxi) aus ursprünglichem Cot-ti o. &.

1 Vgl. oben S. 19, 2.

* Hennings Deutung des oben citierten runi sehen (tutuuio aU got. •tjutanjo, schw. Ncutr. des Adj. *<jnf<niei*} (KuiuMidenkmäler 40 f.) knüpft ebenfalls an den alteren «-Stamm an.

* J. Grimm, Kleinero Schriften III, 41 3. 4 Kremer, Beitr. VIII, 394 ff.

& Möllenhoff, Zs. IX, 136.

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dem Stamme seinen Namen gegeben hat Ostroyota ist „der Ostgote4 ; einen Beweis hierfür von andrer Seite er- brachte ich im Neuen Archiv XV, 583 f. , wo ich zeigte, dass Ostrogoto, wie eine Tochter des Theoderic genannt wird, nichts ist als diacritisther Zuname, als das movierte Fem. unseres Volksnamens. „die Ostgotin". Damit ist erwiesen, dass der Gotenname im Simplex stark (*Gutös). in der Kom- position schwach flectiert wird (-guta -gutö). Wenn bei den übrigen genannten Historikern die starke Flexion frühzeitig in das Compositum gedrungen ist, so hat das seinen Grund darin , dass in den geschichtlichen Quellen , zumal den öst- licheren (gewöhnlich bei den Griechen , immer bei Proc), unter Goten schlechthin die Ostgoten verstanden werden2; man beachte z. B. beim Anon. Vales. und Cass. Var. die Gothi neben den Wisigothae, bei Proc. (d. bell. Vand. I, 2) die ausdrückliche Unterscheidung /orfloi und Ovidtyor&ot a ; waren somit Goten und Ostgoten dem Sinne nach identisch, so konnte die Gleichheit der Function um so leichter Gleich- heit der Flexion nach sich ziehen, wenigstens bei den latei- nischen und griechischen Geschichtschreibern. Die Goten selbst hielten an dem alten Flexionsunterschied fest, wie eben Ostrogota* Ostrogoto beweisen, und es ist das ein weiterer Beleg für den im Germanischen zu beobachtenden Trieb, eine Komposition durch schwache Flexion gegenüber dem starken Simplex zu kennzeichnen : got. leih und mankika, daür und augudaurö, an. stafr und rnpstafe, ags. trum und wyrttruma, ahd. tac und svontago u. a. 4 Aus gleichem Unterscheidungs- trieb hat liier das Compositum die ursprüngliche w-Flexion des Gotennamens zäher bewahrt (vgl. oben Gxttones u. s. w.) als das frühzeitig zur starken Bildung übergehende Simplex.

1 Dahn, Könige II, 84; Möllenhoff a. a. O. und im Index zu Mommsens Jord.

* Cber deren ältestes Vorkommen Möllenhoff Zs. IX, 134 ff.

* Das Umgekehrte, dass der Oesamtname Goti die Westgoten bezeichnet und die Ostgoten spooialisiert werden, kenne ich aus der oben S. 22 erwähnten Oeneratio regum et gentium (Möllenhoff, Abh. d. Herl. Akad. 1862, 8. 536), wo die Westgoten Goti, die Ostgoten aber Walayoti heissen; über letztere vgl. unten unter „Walamer*.

* Kluge in Pauls Orundriss I, 396.

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Treb. Pollio schreibt im Anfang des 4. Jahrhs. noch diphthongisches Austro-, alle späteren Historiker mono- phthongisches Ostrogothi( -ae). Dieselbe Monophthongierung von germ. (und wulf.) au zu o wird als ostgotisches Crite- rium noch weiter zu belegen sein.

Der Compositionsvocal o 1 , der durchgängig in allen Quellen von Treb. Pollio bis Isid. und Paul, erhalten ist, muss in so später Zeit auffallig erscheinen, wenn man in ihm mit Kluge 2 altes idg. o sehen will , das in tonloser Silbe die Tonerhöhung zum germ. a noch nicht mitgemacht hat , um so auffälliger , als das Ostgotische dieses germ. a in der Compositionsfuge vielfach schon zu e geschwächt oder gar zu i palatalisiert hat3. Wahrscheinlicher liegt uns eine Form des internationalen Verkehrs, eine nostrifizierte Römerbildung vor (wie oben Gothi). Grade o hatte in den idg. Einzelentwicklungen als Compositionsvocal weite Aus- dehnung gewonnen4, ganz besonders sich im Griechischen verallgemeinert5, und wenn es in lateinischen Bildungen wie albo-galerus u. a.6 mit griechischer oder gallischer Be- einflussung erklärt wird , so mag in unserm Ostro- gegen- über sonstigem ostgot. -a- -e- -i- eine ähnliche ungermanische Anlehnung zu Grunde liegen. Dass dieses Ostro- mit ge- legentlichem Theodo-ricus nicht auf eine Stufe zu stellen, darüber unter diesem.

Ostgot. ostro-, wulf. *austra- (an. oustr ags. edster as. ahd. östar) ist eine suffixale Weiterbildung des Stammes *ausa-1 der unten noch im Namen Oswin begegnen wird und dort zu vergleichen ist , eine Weiterbildung , wie sie z. B. aus got. gis-tra- ahd. ges-taron ags. geos-tra bekannt ist gegenüber ai. hyds gr. ;r#7c lat. /im. 7

1 Grimm, Gramm. II (1H78), 890. 391. * Pauls GrundriBS I, 316. 317.

3 Vgl. unten unter „Wortbildung44.

4 Brugmann, Grundriss der vergleichenden Grammatik der idg. Sprachen II, I, 27.

6 Ib. 45. e Ib. 55.

7 Wie Os-tcin zu Osfro-gotha wird sich auch das auffällige lfV.s/- golhae zu Venfr-olpmi u. A. verhalten, sodass man Sievers' Bedenken

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4<»

GREOTINGE.

Neben der politisch-geographischen rntorscheidung in ( Istiroten und Westgoten steht in alterer Zeit die ursprüng- lichere und nationale in Greotinge und Terwinge. Man vgl. üher beide, speeiell auch über die Identität der Greotinge und Ostgoten, besonders Müllenhoff, Zs. IX, 184 ff., vorher schon Manso :*08 , Zeuss 407 ff. Dieser alte ostgotische Stammname trat uns in folgenden Quellen und Formen ent- gegen : Grutungi Treb. Poll., Grauthungi Flav. Vopisc. Greu- thungi Amin. Marc, Gruthungi Tlaud., fyofriyyoi Zos., Greo- thhigi Idat., l'oovttiyym Suid. Die richtige Etymologie des Namens steht schon bei Zeuss 407, dann bei Grimm in der Gesch. d. dtsch. Spr. 448 u. s. f.: an. gr/ot ags. greot as. griot ahd. gr'wz -Gestein: Sand". Dazu darf die bei .Jord. 59. 11 corrupte Stelle aus König Rodwulfs Diathese von Scadinavien gestellt werden : dehinc Äfiri, Eragre, Otingh (so bei Mommsen). welche Müllenhoff scharfsinnig und zweifel- los richtig emendiert in dehinc mixfi Evagreotingh , wenn dabei das eva- auch noch dunkel bleibt Derselben Stelle folgt bei Jord. die Bestätigung der obigen Etymologie : hi omnes excisis rupibus quasi castellis inhabitant. Auch für die gesamte Textkritik der andern Quellenstellen ist nur auf Müllenhoff. Zs. IX, zu verweisen. Fraglich ist allein, ob er berechtigt war überall den Diphthong eu herzustellen. Locale un<l temporale Herkunft der einzelnen Uberlieferungen ist so verschieden, dass der auf dialectische Verschiedenheit, zurückgehende Ablaut au (Vopise.) n (Poll., Zos., ('lauri.. Suid.) hi (Amm., Idat., .lord.) nicht beseitigt zu werden braucht; man vgl. vielmehr an. grjot und graut r , ahd. grioz und yruzzi, auch die ahd. Mannsnamen Gruzing und Griuzing (Schannat 120). Dass für unsere Zeit der Diphthong eu anzusetzen, beweist Jord.; über die Schreibung eo bei ihm

in Pauls Grundr. I, 408, Anm. nicht zu teilen braucht; vgl. auch unter „Oswin" und Brugmann, Vgl. Gramm. II, I, 185 Anm.

1 Deutsche Altertumskunde II, 63 f. Vgl. wostgot. Kuva -■ Kortens, Evnrix\ Stark, Die Kosenamen der Germanen (Wien 1868), 8. 15. QF. I.XVIII. 4

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und Idat. vgl. unter /f heoderic \ Das häufige unorganische th bedarf keiner Erklärung mehr. 1

Das ableitende Suffix zeigt Ablaut in dem ung der vier älteren Quellen gegenüber dem ing der vier jüngeren ; vgl. got. gadiliggs, skilliggs, wand. Hasdhtg-, Silhig-, gar- ding-.2 Mit der in der Kegel starken Flexion des Suffixes im Germanischen stimmt die Flexio romana et graeea des Greotingnamens überein.

AMALKN.

Das ostgotische Königshaus benannte sieh nach dem vierten Hehlen der jordanischen Stammtafel: lat. Awali. Es sind die aus den deutschen und angelsächsischen Helden- gedichten bekannten Anialunge oder Amulinge: der Name des ostgotischen Künigsgesehleehts ist in der Sage für den Gotennamen überhaupt eingetreten, wie der Name der Has- dinge (Hartunge) für den Wandalennamen u. ä. 3 Die goti- schen *Amalös 4 - die starke Flexion wird durch das gleich- mäs.sige lat. A-mali bewiesen sind die strenui, industrii, infatigabiles (vgl. ahd. em-azzig ; auch ahd. atn-eizza ags. <vm-ette?h an. anri Jabor, molestia") 0 und mit den west- gotischen Bairhen zu vergleichen. Vgl. über das Suffix in Am-al- Wand. Tu den Hawaii des Cass. unorganische Aspiration, ohne class deshalb an dem eddischen Ilamull1 gedacht zu werden brauchte. Der Urenkel des Gapt, welcher dem Hause den Namen gab. ist Amal ; während die Gcnea-

1 Vgl. oben S. 45.

2 Wand. 42. Über das 8uffix vgl. Sütterlin , Gesch. d. Nomina ngentis im Germ. (Strassb. 1887), S. 18 ff.; Brugmann, Vgl. Gramm. II, I, 252; Streitberg, Beitr. XIV, 224; Henning, KunendenkmÄler 145.

3 Weitere Beispiele bei Heinzel, Üb. d. ostgot. Heldengage, Wien. Sit7..-Ber. CXIX (18S9), 8. 18 des 8A.

4 So nach den Ältesten Quellen ; patronyinische Ableitung mit -ung -ing erst seit dem 7. Jahrh., vergl. MdHenhoff, Zs. XII, 262; ib. 415 das Älteste deutsehe Zeugnis für Amelunge als Volksnamen.

5 Kluge, Etymol. Worterbuch,4 „Ameise**.

Eine mythologische Deutung des Namens unter Anknüpfung an gr. ä^ula versuchte J. Grimm, Zs. VII, 394. ' Henning, Runendenkmaler 12.

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logie bei Cass.-Jord. jedoch sonst die Namen von Vater und Sohn kurz, nur durch „genuit" verbunden, aufzählt, beisst es hier: eum , qui dietus est Anial; es ist hier also nicht sein eigentlicher Name, sondern ein charakteristischer Bei- name überliefert 1 in der Form eines st. Adj. , ohne dass der ursprüngliche Personenname des Heroen neben jenem erhalten wäre : .lord. Amal für wulf. * Antäte mit ostgoti- schem Schwund des Nominativ-^ (vgl. Frida mal Wand. 75), Cass. mit entsprechender Latinisierung Amatas-.

TIIEODERIC.

Der grosse Ostgotenkönig heisst (mit lateinischer En- dung) Theodericns. Diese Nainensform wird aus sämtlichen erhaltenen Inschriften erwiesen3, auch aus der auf einem Gewichte1, während die Münzen neben dem Namen des Kaisers nur das Monogramm des Königs tragen \ Theode- ricns heisst der König auch bei den meisten lat. Historikern (vgl. im vorigen Capitel unter Ennod., Eugipp., Avit., Cass., Vita Fulg.. Anon. Val. u. s. w.J. Die griechische Form lautet in der Kegel 0M/Jt'(/f/o»* (Malch.. IVoo., Agath.. Euagr. u. s. w.J. Sonst erscheint häutigei' nur Thcodoricus (Marcel!., Lib. pontif., Ep. pontif. , .lord. u. s. w.)? entsprechend, jedoch weit seltener, Gtodtoyt/oq. Dieses Thcodoricus mit seinem zweiten o als Fugen vocal hat mitgewirkt, dass das regel- mässige Theo- der Überlieferung bisher erklärt winde als gelehrte Anähnlichung des got.piuda an gl*. &to- (vgl. Gtodovtjg, htoÖMyo^ u. s. w.).6 Diese Erklärung ist überflüssig, Grade

1 Dahn, Könige II, 119.

* Die Varianten Atnala bei Jord. zeigen nicht die schwache Form denselben Adj., Hundorn eine primäre Kosebilduug aus älterem Voll- namcii , etwa Anialaric o. ü. ; so z. B. ein Franke Anuilo bei Greg. Tur. u. ö.

3 CIL VI, 1665. 1794. IX, 6078, 7. X, 6850. 6851. 8041, 2. XI,

10. 280. 310. 317. XIV, 4092, 18.

4 Friedländer, Münzen der Oatgotcn, 8. 29.

'' Friedländer 24 ff. Zwei Kupfermünzen mit Theodm'icus sind unecht, ib. 28.

Beispielshaibor von Schuchardt, Vocalismus des Vulgärlateins

11, 149. III, 213; auch von mir noch Wand. 66.

4*

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in derartiger Wiedergabe des germ. Diphthongs tu hei den lateinischen Historikern liegt vielmehr ein vortrefflicher Beleg für die (ionauigkeit. mit der sie germanische Namen aufzufassen und niederzuschreiben suchten. Dass eine An- gleichung an gi*. tha- vorliegt, wird einmal durch das regel- mässige (-hi- der Griechen unwahrscheinlich und dann durch das Erscheinen desselben eo in Schreibungen wie Greothingi, Leo</efridus widerlegt. Aber auch an Wirkung des rM'm- lauts darf man nicht denken, wie Jacobi wollte', weil das tv der (xriechen dagegen spricht und weil diese Wirkung bei der einfachen Kürze m des Ostgotischen fehlt. Der (liund liegt vielmehr in dem verschiedenen ('haracter von got. und lat. eii. Der eigentliche idg. Diphthong, der dem wulf. im, ostgot. cm, gr. m entspricht . ist dein Italischen überhaupt fremd2: lat. neuter ist dreisilbig11 -= neunter; seit, neu. reit r.,- Si'f w, n> -f rr {vgl. mrv)A; heu, heus sind irreguläre Interjektionen, nach gr. i/t-v gelehrt so geschrieben5: und was ursprünglich griechische Namen betrifft wie Theseus% Nereus u. a.. so nimmt das volkstümliche Latein Dihärese jedes gr. fv vor (vgl. die Schreibung OrphaeusY'. Der got. Diphthong durfte also durch cm nicht wiedergegeben werden, damit man auf ihn nicht die zweisilbige Aussprache des lat. cm oder die spirantische des er anwandte, sondern das im übrigen phonetisch correcte cm bedurfte einer graphischen Modifizierung. Zu einer solchen benutzte man hier einmal bewusst den aus der lat. Schrift sonst geläutigen Wechsel von e und i, o und u und schrieb daher entweder im" oder

* Beitrage zur deutschen Grammatik (Berlin 184:0. 8. 117. Kr mu8H aber ib. Halbst zugestehen, dnss „in I rkurnlun hei Unterschriften von Kranken wie von Goten, soweit uns dergleichen erhalten sind, d. i. seit 500 n. Chr., gleichmütig bald t u bald ro erscheint, ohne das« dabei consequont dem <n ein / oder u nachfolgt.**

2 Birt, Rheinische« Muaeum XXXIV, 1 ff.

5 Ib. 2 ff.

* Ib. 10 ff.

6 Ib. 33. c Ib. 33.

7 8o entstandene tu in got. Eigennamen darf man also nieht ohne weitere« mit wulf. in identificieren ; vgl. auch lat. Sehreibungen wie Iw/rnior, i ii >i ui'/i ii s , Birt 34.

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häufiger <o,} graphische Verbindungen, die um so überlegter erscheinen müssen, als sie sonst dem Lat. fremd sind. Hin- gegen stand der griechischen Transscription tv nichts im Wege, da gr. u- und germ. en demselben idg. Diphthong entsprechen. Hei den Lateinern wird dann Volks- oder Helehrten-etymologische Angleichung an gr. &ro- allerdings später hinzugekommen sein und die Schreibung befestigt haben. Dass sie für diese aber nicht die Veranlassung gewesen, ergiebt sich auch aus der Chronologie der Quellenbelege. Die Form Theodoricus , deren zweites o in Erinnerung an gr. ('hodoryg, (^foJfr/^o^, (-hodumi/n^2 geschrieben, ist jünger als Theodei'icu8 : die ältesten Lateiner, welche den König nennen, schreiben nur letztere Form ( Knnod.. Eugipp. u. s. w., vgl. oben S. 51), wie andrerseits (•hvdsoiyog die griechischen Quellen beherrscht. Das graecisierende Theodoricus hingegen findet sich zwar schon vereinzelt Ihm Marceil. und im Anecd. Hold, (doch bei Cass. im Chron. und in den Var. Theodericus), kommt aber erst zur vollen Geltung in den kirchlichen Quellen (Lib. et epist. pontif.) und findet hier in der ge- lehrten Bildung geistlicher Autoren seine genügende Er- klärung. Auch Jord. schreibt Theodoricus f seiner Tendenz gemäss gewiss mit Befriedigung darüber, den Namen des Germanenfürsten damit aus einer classischen Sprache zu deuten: Theodericus steht bei ihm nur 77,5 in der amalischen Stammtafel, welche ganz aus Cassiodors Gotengeschichte stammt. L'nd erst jetzt herrscht Theodoricus (Jul. opit, Prosp. auct.. Mar. Avent.. Isid. u. s. w.). Das entsprechende C'Jtodo'tpt/og6 fand ich erst im späten f'hron. pasch, neben ('hodtoi/, vorher bei Joann. Antioch. neben ("JFvdfoi/og.

Dass der Königsname in den meisten, namentlich den gleichzeitigen Quellen als Theodericns so constant ist, wird seinen Grund in amtlicher Tradition haben, wie sie durch die Inschriften und Cassiodors amtliche Erlasse repräsentiert

1 In den zahlreichen lat. Quellen für Theodahath z. B. kein einziges eu.

* Fick, Personennamen 35 f. 176.

* ftfo-Atoq-ixo; ein bekannter griech. Kosename, zu dessen Suffix- bildung Fick XLII.

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wird. ]uh*-r mu h das f*-te th, V. nur -rlt.-n sr.n-t üblicher WVch-el mit f, r.

IM- Name ge wahrt Malaiin <w_:<.t. tur wulf. i": 77*/»"/- findet ri*.*h für den er«ten irot»-nk«"inig auf itaii-chem Boden in keiner Quelle: reine-» hinir» ^»n . wrlche?» dr- oben u*-t\i-\i\fU: ;:raphw-he Änderung in eo nicht erfahren, findet -ich. abge-ch* n von gelegentlichen Varianten, in einem f'ap-tbriefe von r,ol . ferner bei Greg. Tur.. Mar. Awnt.. Greg. Magu.. Fredeg.. Paul, und wird al> o>tgotische Form de Diphthongs noch wiederholt zu belegen sein. Lk-r Name zeigt ft-nur Ab-chwächung des ursprünglichen Fugenvocals " (wulf. *piudff-reikff) zu irrationalem

Dan zweite Glied des Namens, got. r«*/.» steht in lat. Form als -ricu*, in gr. als -oiy/H fi'^t. Neben ersteiem wird gelegentlich -ruhuH geschrieben, ohne dass dasselbe auf eine gr. Vorlage zurückzugehen braucht, so schon bei i.'ass. im Chron. und Anccd. Hold. Diese Schreibungen lat. rh und gr. / können die aspirierte Natur des germ. c [k) bezeugen, mit welcher der reine hauchlose Kxplosivlaut des lat. und gr. Alphabets nicht übereinstimmte. Ks bedarf keines Hin- weises, wie die aspirierende Tenuisarticulation einen wesent- lichen l'nterschied zwischen germ. und idg. Consonantisinus bildet und sich in der Tenuisverschiebung geltend gemacht hat. Iler (irieche aber kannte bei seiner Tennis ebenso wenig eine Aspiration wie der Romane.2 Germ, k war also im Ohr des Griechen von seinem x verschieden: er hatte jedoch zur Bezeichnung der germ. Aspiration ein Mittel in seiner „Aspirata" /, die tatsächlich nichts als p uh war '•; vgl. hierzu schon bei Wulf. Mulkus .loh. 18. 10 für gr. MdXxac, AntifU/a Gal. 2. 11 Antimtkia 2. Tim. 11 für gr. \lvuox*iu, fhakma für gr. d(ju/ft?j u. ä. Der Lateiner hatte eine ähnliche Bezeichnung nicht so geläufig bei der Hand; das oxaetero rh, wie es gelegentliches -richus zeigt,

1 Grimm, Oramm. II (187S), 500.

* Blas*, Ühcjr die Au8spnu;ho dos Griechischen* (Berlin 1882), 8. 71). Hüolmatm 252. 201.

8 Vgl. besonders Blass 84 ff. »7.

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war ihm etwas Fremdartiges, und selbst für die beiden lat. Worte, wo die Aspiration noch am meisten beglaubigt wird, für pulcher und Gracchus, sind die Angaben der alten Gram- matiker schwankende1; daher lat. -richus seltener als gr. -öi/os-: bemerkt sei noch, dass in gebildeten hoehlateinischeu Kreisen aspirierte Aussprache der Tennis eine häufige sprach- liche Affektiertheit und deshalb nicht ganz unbekannt war.2 Man denkt bei diesen aspirierten Schreibungen an die gleiche Erscheinung im ahd. Isidor3, wo ebenso wenig wie hier bei den Ostgoten eine Lautverschiebung gemutmasst werden darf.

Keine Quelle giebt auch nur an einer Stelle Theoderics Namen ohne lat. oder gr. Endung, auch hier wohl infolge des Bannes amtlicher Gewohnheit. Wir müssen daher, um auf die ostgot. Endung zu sehliesscn . alle ostgot. Namen durchgehen, welche dasselbe zweite Compositionsglied auf- weisen. Für die Wandalen waren einige sicher belegte Fälle vorhanden, welche wand, -rix, also wulf. -reifes erwiesen. Für die Ostgoten kann ich gleichfalls einige Citate geben, wo die Latinisierung -ricus nicht eingetreten ist: der späte fcjfojfoi/ im Chron. pasch, nur nebenbei ; aber C'ass. Var. IV, 20 heisst ein Senator unter Thcoderic Geberic (al. Gebe- rich); derselbe Name bei Mai ini 1:11. 2b' Ghiv<ric ; bei Greg. Magn. dial. II , 527 , !) ein Ruderte aus der Zeit Totilas ; vom Jahre 5S!) ein inschriftlicher Wiljaric, vielleicht auch Trasuric bei Kossi, Inscript. christianae urbis Komae (Komae 18bl) I, 1120 (vgl. Ephem. epigr. IV z. S51); CIL X, 7116 L'starric (freilich undatiert): also wulf. reiks, wand, rix ostgot. nV, d. h. Abfall des Nominativ-^! Hierüber aus- führlich unten u. „Declination". Jord. schreibt 77, 2 auch HermenerUj (al. -rieh) und an fünf Stellen Gebevich (al. -rirj, -nc, -W/Ä), doch gestattet das für dieses Auslautsgesetz keinen chronologischen Schluss, weil es nicht feststeht , ob diese Schreibung überkommen ist oder von Jord. herrührt. Müllen- hoff hat zwar davor gewarnt4, in solchen Wortausgängen

1 Seelraann 252 ff. 256 ff. 259. Seelmann 253. 258.

3 Braune, Ahd. Gramm. § 143, 3.

4 In Mommseng Jord. 150.

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germanische Eigentümlichkeiten zu sehen, und sie durch hunnische oder andere orientalische Einwirkungen erklären wollen ; aber es bleibt ganz unerfindlich , wie der Gotu Jordanes so durchsichtige got. Bildungen wie llenm nvri<f, Heinrich durch ungotische Jlvrnac, Sa f räch u. ä. beeinflussen lassen sollte. Der (>n$ bei IVoc. als i)ytii(,)v nov rtaofiuQoiv ist belanglos, weil hier Iat. rex vorsehwobt, wie der Ate. Qtjya (II, 204. 15) beweist. Wenn andrerseits .lord. auch Wandalen (luntharic, llderich nennt, während das Wand. -rix orfordert, so giebt er diese Namen eben nicht in wand., sondern got. Dialectform.1 Das hier constatierte Auslauts- gesetz bringt auch die Erklärung, weshalb die mit -ric- componierten (Termanonnamen in älterer Zeit als -rix bei den Historikern erscheinen {Bohr ix f Mulorix u. s. w.}. - in jüngerer als -riats: -rix mit erhaltenem gorm. Nom.-.< bot eine auch dem lat. Schriftsteller genügende Flexionsendung, während ric mit Abfall desselben einer solchen entbehrte und deshalb zu -ricits latinisiert wurde. Aus demselben Grunde in der wandalischen Königsgeschichle bei den Histo- rikern gelegentlich Hunirix* Hildirix, in der ostgotischen ausschliesslich Theoderkus. Die Endung in -rinnt, -oi/o^ bei dem ursprünglich consonantischen Stamme erklärt sieh aus der auch in das wulf. Paradigma schon hineinspielenden '/-Declination.

Die auf gleichmässigem amtlichen Gebrauch beruhende Übeleinstimmung der Quellen hindert auch, dass wir den Namen des Theoderic einmal in gekürzter Koseform finden könnten/* Eine solche wäre z. B. das inschriftliche Tcodo einer silbernen Fibel4 oder, statt der hypocoristischen un- Bildung eine ja- Bildung. 5 der Name von Theoderics Vice- könig in Spanien und nachherigem westgotischen Könige

1 Demgemäss Wand. 55 zu ändern.

2 Rieger, Zs. f. dtsch. Phil. VI, 335, i.

' Eine fabuloae Geschichte bei Froumund von Tegernsee um 1000, deren Held Tftrodo heinst , geht auf Fredegar als letzte Quelle zurück, bei welchem eine ähnliche Geschichte von dem gotischen Theo- deric erzählt wird. Vgl. Miillenhoff, Zs. XVIII, 2.

* CIL IX, 60«)0, 7.

5 Darüber ausführlich unten u. „Huffixbildung".

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(f>:U - 548) Thiudis .Jord.. favü^ f)Mr.c Proc. : und wenn zahlreiche osmotische Beispiele secundäre Weiterbildung solcher Koseformen auf -/7u noch belegen werden, so ist unter ihnen auch Theudila : Thettderic Theuda Theudi 1 Theudila giebt eine normale onomatologische Keihe.

WALA M ER.

Die germanische und ostgotische Sitte der Doppelnamen ist auch für Theoderic nachweisbar. Wenigstens heisst, er bei Marcell. Iheodorivus vognomento Valatmr und ebenso im Chron. breve. Zwar kann hier ein historischer Irrtum vorliegen: Walamer hicss Theoderics Oheim, der Bruder seines Vaters.'- .ledoch ist für Theoderic ein solcher Zu- name leicht verständlich als Unterscheidung von dem gleich- namigen Sohne des Triarius. ;

Jener Bruder des Theodemer (Jord. 77. \) erscheint sonst noch bei Apoll. Sidon. carm. II. 225 im Gen. als Välämeris, bei Cass. Var. XI, 1 als Wahimer, Anon. Val. g 42 Walamer § 5S Wahtmir , Jord. 42, 2o u. ö. Valamir Valanier, IVosp. Vatic. (Rone. Ii 711* Valamer, Paul. bist, rom. 201. 12 u. ö. Walamir. Uber die Schreibung des halb- vocalischen Anlauts vgl. unten u. Jlalbvoeale*. Die erste Hälfte des Namens ist entweder als wulf. *wala- ~ an. ralr ags. wa>l «Haufe der Erschlagenen" ahd. wal „clades, strages4* 4 oder als wulf. *walha- zum Ausfall des /* vgl. letztes ( apitel ags. Wealh ahd. Walh mhd. Walch

(dazu an. valskr ahd. irulhisc ; vgl. kelt. coh' ir. folg „celer, velox, alacer1*). Beide Etyma finden sich zur Genüge in germ. Eigennamen.5 Für das letztere sei citiert Müllenhoff,

1 Über diese Nominativform unten u. „Declination44. a Heinzel, Ostgotische Heldensage, 8. 17 dos SA.. ' Vgl. bei v. Oloden 19 b den Nachweis von acht historischen Trägern des Namens Theoderic.

4 Henning, DLZ 1890, 8p. 228.

5 Müllenhoff, Nordalbingische Studien I, 210; Förstemann, Alt- deutsches Namenbuch I, 1229 ff.

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DA II, 279: „Der Germane begriff unter Walk, plur. Walhds oder Walhos, eliedem alle seine lateinisch oder romanisch oder keltisch redenden Süd- und Westnachbarn. Dass die (toten und Ostgermanen den Namen gebraucht, kann man zwar nicht belegen,1 muss man aber unbedingt sehliessen, weil er nur durch sie so früh, zunächst in der Anwendung auf die Komanen der griechischen Halbinsel, dann auch wohl schon in der weiteren Bedeutung an die Slawen vererbt sein kann44.- Die Form Wala- ohne Abschwächung des Stammesauslauts in der Composition steht quellenge- inäss fest.

Für den zweiten Teil des Namens, got. niers (in waila- mers) an. mfrrr ags. tmPre as. ahd. märi, beweist der Mirica im ei sten allgemeinen lateinischen Passus der Urkunde von Neapel gegenüber dem Mörila der gotischen Unterschrift die extreme ostgot. Färbung des wulf. i. Hei sonstigem Vorkommen desselben Wortes in den ostgot. Namen zeigt die lat. Uberlieferung beständigen Wechsel zwischen -mer und -mir, doch so, dass die -mer zu den -mir sich verhalten ungefähr wie 2:1; und wenn nun andrerseits gerin. t bei den Lateinern constant als /, ohne solches Schwanken in e geschrieben wird, so folgt daraus, dass dieses jüngere ostgot. / < wulf. e doch nicht völlig mit dem alten /, wulf. ei zu- sammengefallen war; weiteres unter „Vocalismus*. Die Griechen schreiben fast ausnahmslos -//*p ; dass sie mit dem t aber einen gern). /-Laut wiedelgeben wollen, zeigt z. B. Pravn\)n'Ptxtfiowdo$ für Rtci-; und wenn Wulfila dem griech. seiner Natur nach offenen /?3 auch noch sein e entsprechen

1 Vielleicht eben doch mit obigem Walatner und dem Valtiravattit (Jord. 77, tt, Neffe de» Krmanaric) wulf. *Wal(h)a-hrabua. Die Walotfothi der Oeneratio regum (oben S. 22. 47, 3), eine Bezeichnung, welche sich nur hier und sonst nirgends findet und die Ostgoten in Italien von den Westgoten in Südfrankrcich und Spanien unterscheidet (Müllenhoff, DA II, 280; Hcinzel, Ostgotische Heldensage, S. 18 f. des SA), werden schwerlich gotischer Zunge entstammen.

* Ist danach auch das Pferd, welches Beiisar reitet (Proc. II, 87, 21), welches ganz grau, nur von der 8tirn bis zu den Nüstern schnee- weiss ist, und welches die Barbaren fidiav nennen, ein „welsches" Ross ?

3 Blass 24.

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lassen durfte, konnte ein Grieche das ostgot. e des ti. Jahrhs. nicht mehr durch sein n wiedergeben, sondern schrieb statt dessen / oder wie hier f, dessen Wert ein geschlossener, dem i genäherter war.1

Fehlen des Nomin.-.s (ostgot. mer < wulf. mtrs) ist wie im Wandalischen auch im Ostgotischen für alle hierher gehörigen Eigennamen zu belegen : man vgl. mit obigen Citaten für Walamer den Theodemir Thiudimer bei Jord., Thettdimer bei Cass., sonstige Namen auf -mer -mir nament- lich bei Jord. u. a. und beachte hier den häufigen endungs- losen Gebrauch der Namen auch für die Casus obliqui. Was sonst gelegentliche lat. oder gr. Flexion betrifft, so ver- wendet für die obliquen Casus des obigen Walamer Apoll. Sidon. die /-Deelination. Jord. zweimal die o-, viermal die /-Deel., Anon. Val. wie Paul, die i-Decl., ebenso die Griechen Prise, und Theoph. die t-, nur Malch. die o-Decl., für Theo- demer Jord. einmal die o-, zweimal die/-, Paul, die t-DecI., für Sigismer Cass. und für Gibimer Proc. die /-Deel., ebenso der Dativ Gurdimeri oben S. 28; und auch in der Behand- lung der nicht in unsern ostgotisch-italischen Kähmen ge- hörenden Namen auf -mer überwiegt die /-Deel. Diese Flexionsweise kann zur Geschichte des germ. Adjectivums, got. mPrs u. s. w. , einen Beitrag liefern. Sie ist letzthin wiederholt behandelt worden, am ausführlichsten von Ost- hoff, Beitr. XIII, 4:11 ff., womit noch Streitberg, Beitr. XIV, 170 zu vgl. Danach ist der ursprüngliche //-Stamm im Germ, geschwunden und durch ja- oder /-Bildung ersetzt. Das Ostgermanische bevorzugte die letztere, wie got. mers urn. mariR finn. marin zeigen , und zu ihr stimmt das obige Uberwiegen der /-Deel, in der Flexio rom. et gr.2 Die lat. -merns, welche sich bis zum Segimerus bei Tac. zurückver- folgen lassen, könnten zwar noch den alten «-Stamm reflec- tieren, zeigen aber wohl eher, dass neben dem secundären

« Blas« 24. 31.

* Man beachte noch den Gotenkönig Vithimiris (so der Nomin.!) bei Ammian 31, 3, 3 und vgl. Burg, Die alteren nord. Runeninschr. (Berlin 1885), 8. 25.

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/'-Stamm ein setundäror «-Stamm hergegangen ist.' Ein secundärer /«-Stamm fohlt im Kot.; für das Alem. beweisen ihn die Vadoniariits Chnodtnmirim Snowarins Fruomarins des 4. Jahrhs. hei Ammian., cli<* genaue Latinisierungen der auf germ. * Hierjas- beruhenden al. Formen zu sein scheinen. Die in Wurzelvocal und Flexion zusammengehende Abweichung dieser al. und unserer got. Beispiele weist von neuem darauf hin. wie weit seihst in diesen alten Kpochen germanischer Sprachgeschichte mit diabetischen Scheidungen gerechnet weiden muss.

THEODKMER.

Es folgen auf Theodora die Namen seiner Verwandten, auch die seiner Kitern. obwohl dieselben noch in die vor- italienische Zeit zurückreichen. Sein Vater, welcher sich der hunnischen Oberhoheit Attilas beugen musste und damit den historischen Irrtum der späteren Heldensage veranlasste, wonach sein Sohn Theodcric sich hei Attila im Exil be- funden habe, hoisst bei Cass. Tlieudimer in correcter ostgot. Form: mit dem ostgot. Diphthong en,:i dem abgeschwächten und zu / getriebenen Compositionsvocal und der Aufgabe des Nomin.-.s. Dazu stimmen seine übrigen Quellen, .lord. giebt nach Mommsens Schreibungen 4 Theode-, 2 Thiude-, 1 Thiodi-, 17 Thiudi-, die aber in den verschiedenen Hss. wieder bunt mit einander wechseln und sich im übrigen aus dem oben unter .Theoderic" Ausgeführten erklären: für den zweiten Teil setzt Mommsen 7 -mir und 17 -wer ein. und -mer schreiben auch Cass.. Paul, u. s. w., vgl. oben unter -Walamer".

HEUELEUVA.4

Die Mutter des grössten Ostgoten war ebenso aus unebenbürtigem Stande wie die Mutter des grössten Wan-

1 Zimmer, Anz. I, 245.

2 Streitberg, Beitr. XIV, 182. 8 Vgl. oben S. 54.

* Ich behalto da« v für spirantisches got b bei; germ. >/ trans- scribicre ich immer mit auch im Inlaut.

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dalen. wie Geiserix war auch Theoderic Sohn einer Concu- bina (Jord. 12*. D: sie war. obwohl Gotin, nach Anon. Val. 5S zur römisch-katholischen Confession übergetreten und in der orthodoxen Taufe Kusebia genannt worden. Darauf deuten die beiden päpstlichen Briefe, in welchen ihr ursprünglicher Name als Jlrrrleura und als Ereltuua erscheint. Beim Anon. Val. heisst sie Ereriliua (al. Erere-), bei Jord. Ertlievii. bei Paul. Arihuru. Weshalb Müllen hoff (.Jord. U4) den Namen nicht als germ. gelten lassen will, ist nicht einzusehen: weist doch der zweite Teil sofort auf got. Hubs, und erinnert der erste z. B. an jenen Kugenfürsten , der 541 vor Totila die gotische Krone trug1: Erurius Marcell. Jord. ' hlo(toi%o^ Proc.

Freilich die Etymologie dieses Namcngliedes bleibt fraglich. Weder an an. eir ags. Ar as. ahd. rra noch an an. hrrr ags. here as. ahd. heri zu denken geht an, da got. *aiza- ostgot. *esa- lauten würde und got. har/'is ostgot. hart lautet. Dagegen hindert nichts eine Zusammenstellung entweder mit got. hutrus an. hjqrr ags. heoru as. heru -Schwert", dessen Vorkommen in Eigennamen Möllenhoff, Zs. XII. Ml. mit an. und ags. Belegen sichert, oder mit an. harr ags. hur „grau, ehrwürdig" as. ahd. mhd. her -erhaben" - got. *hairs, dessen Wurzel im Dat. pl. hai-zam «Fackeln" vorliegt (Job. IS, ostgot. *hcr mit Mono-

phthongierung. Das anlautende h .richtig erhalten im ersten päpstlichen Briefe und bei Jord. in Varianten. Paul. Ari- fehlerhaft wie sein lutharicus in Varianten für Euthuricus (oben S. :*9).:J

Der zweite Teil des Namens (got. Hubs an. ljufr ags. /eof as. Hof ahd. Hob) ist in Jord. Erclitva verderbt ', sonst aber als -leura sicher überliefert in den Papstbriofon und bei Paul., mit ostgot. eu, mit r als correcter Bezeich-

1 Vgl. oben 8. 12, 2.

* Kluge, EW4 unter „hehr\

3 Einen hierher gehörigen aecundSren Hypocoriflinua Hrrihi belogt Dahn, Könige III, 199, 4.

4 Ein Erklärungsversuch bei v. Orienbcrger, s. u.

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nimg des spirantischen hitervocalischen got. h und mit. starker Flexion, -liua im Anon. für -Huna.*

TIIEODEMUND.

Ein Bruder des Theoderic, der 479 die gotische Nachhut commandiertc und dabei von Zenos Feldherrn Sabinianus verräterisch überfallen wurde, heisst bei Malch. 0tvöituovvdoc.

Erster Teil normal ostgot. Thendi-, vgl. oben 8. (>U.

Zweiter Teil zu an. ags. as. langob. wund ahd. mhd. munt „Schutz, Hand". Die constante gr. lat. Endung -o^ -iis in den hierher gehörigen Namen (Trasewundus Ennod., Hunhnundus .lord. u. s. \v.) gegenüber dem /-Stamm des germ. Appellativums führt auf ein unten u. „Suffixbildung44 ausführlich behandeltes Princip onumatologischer Wortbil- dung: es liegt in diesen Zusammensetzungen nicht der alte «-Stamm, sondern ein secundärer adjeetiviseher «-Stamm vor.'-' Man vgl. an. wund neben Sigmundr u. ä. Während jedoch die an. Eigennamen auf -mundr vielfach in die Flexion des ursprünglichen Stammwortes zurückgefallen sind und statt -munds den Gen. -tnundar bilden 5, seheint das regel- mässige lat. -wundus -mnndi anzuzeigen, dass das Ostgotische

1 Der Name hat neuerdings durch v. Grienbergcr in der Oerin. XXXIV, 410 f. in besonderem Artikelchen eine selbständige Behand- lung erfahren. Dieselbe beruht von Anfang bis zu Ende auf Phantasie und liefert einen deutlichen Beweis dafür, welche gefährliche Bewandtnis es mit Bolchen onoiuntolugischcn Kunststücken hat, die einen Eigen- namen aus seinem diabetischen Zusammenhange hcrausreissen. Eri- soll das hd. Ehre sein: „Das r wird wohl auch schon dem späteren Oot. gemäss gewesen sein", sonst aber keino Frage nach weiteren Belegen dieses r < z! Und dabei hat dieser selbständige Aufsatz für seine Titelheldin nicht einmal alle Belege bei einander: unsere obigen Stellen in den Epist. pontif. fehlen ihm!

8 Zimmer, QF XIII, 19. 24.

3 Noreen, An. Gramm. I § 269, 2. Eine glcicho secundäre «-Bildung in den Namen auf lat. -fridus: wulf. *-fri]m ostgot. -/V/7/ an. -frepr. Hier weisen an. Genetive -/rtjutr natürlich auf Rückfall in die alte u-Decliuation des Stammwortes. Diese Bildungsweisen kommen dann in Verwirrung oder gegenseitigen Austausch, daher z. B. die M-Flexion von an. Namen auf -mundr (vgl. run. Kmiimu(n)diu auf dem Bracteaten von Tjurkö und Burg 8. H9).

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einer solchen Analogiewirkung des /-Stammes *munds noch nicht nachgegeben hat, sondern den secundären tf-Stamm der Eigennamen auch als solchen deeliniert. Der flexions- lose Ademmit (mit incorrectem t für d) bei Marini belegt den ostgot. Schwund des Nomin.-s auch für dieses Paradigma.

Fredeg. '21 findet sich ein Bruder des Theoderic mit Namen Guisirieus, der jenen ermordet haben soll. Da die betreffende Stelle auf junger Erfindung oder historischem Irrtum beruht «lieser Bruder des Gotenkönigs sonst nicht bekannt ist, vielmehr eine Verwechslung mit dem Wandalen Ueiserix vorliegt, so bedarf er hier keiner Behandlung.

AM A LA FRIDA.

Mit dem mächtigen und geistreichen Wandalenkönig Thrasamund vermählte Theoderic seine Schwester Atualafridu. So heisst sie Übereinstimmend bei Cass., Jord.. I'roc, Vitt. Tunn., Theoph., wogegen des Anon. Atnalafrit/da und Pauli Amulufreda nicht in Betracht kommen.

Zum ersten Teil oben S. ."»(>;-' ohne Abschwächung des Fugen vocals.

Der zweite Teil ist das movierte Femin. zu dem S. :\ erwähnten adjectivischen frid? Ob dieses tatsächlich als got. Adj. bestanden hat (*frips: fripus du ups: duupus; an. fripr „Friede* und das Adj. fri/)r .friedlich"), oder ob die Socundärhildung nur in Eigennamen gebräuchlich war, kann dahingestellt bleiben.' Das Abstractum fripus an. fripr ags. fripu as. frithu ahd. fridu findet sich daneben als erstes Namenglied, wie die zahlreichen Frithu-, Fridu-

1 8. die Note dazu in Krtfschs Ausg.

* Ich erspare mir im weiteren solche Citote und verweise ein für nllo Mal auf den ausführlichen Index.

' Vgl. die Lesart Luit frid u. „Liuvirith".

4 Daraus würde sich auch für den Fripa-reikt'i* des got. Kalenders zwanglos der Auslaut des ernten Gliedes erklären, wenn hier das a aus u nicht nur verMchrieben ( Hernhardt, Wulfila LVI ; Urämie, Got. Ornim.» § 210, l).

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*i4

hei Förstemann zeigen, und wird auch in ostgot. Fridibadu, Fridvjern vorliegen mit ostgot. Schwächung und Palatali- sierung des C'ompositionsvocals. Das inten oealische d als tönende Spirans für tonloses wulf. p wie im Wand, ist überall sicher bezeugt.1

AM ALA BERGA.*

»Seine Nichte Amalaherga verheiratete Theoderic mit dem Thüringerkönig. Sie war die Tochter der Amalafrida, aber schwerlich aus deren Khe mit dem Wandalen, sondern einer früheren.'' Die Namensform steht als Amaluberga fest gemäss Jord., (ireg. Tur.. Paul. (Amulnbirya Anon.. ■ftnkofihoya I Yoc).

Der erste Teil wie in Atnulu-frida, w. s.

Der zweite Teil ist Nomen agentis vom Fraesensstamm got. Iminjati an. bjarya ags. beorynn as. ahd. bergan*, fast nur in weiblichen Namen erscheinend \- vgl. an. bjory ahd. brry« mhd. berye .Schutz. Sicherheit. Hilfe".6

THEODEGOTO.

Des Westgoten Alaric II. (184 -.r»07) Hattin wurde eine Tochter Theoderics. welche Jord. Tltiudigofo (dazu die

1 Vgl. Wand. 104. Aber der nlte Frititferu bei Jord. hat noch /, d. b. //*, ebenso Theoph. IUI, 11 *I>qi rr^-iq >•/?; zum Jahre 36», aber

* Jord. lusst Kom. .'586 eine Tochter der Schwester Theodahaths einen Langobardenkünig heiraten. Martens in seiner Jordancsübersotzuntf (GSddV, 6. Jahrb., I) 8. 10» Anm. 1 combiniert diese, also eine Tochter obiger Amaluberga, mit Ikxh'linth , der Gemahlin Auduins. Aber die Quellen der Langobanlengeschichte (Origo gentis Langob. 4, 10; bist. Langob. cod. Goth. », 16; Paul. bist. Langob. GS, 33) wissen von ihrer ostgotischen Nationalität nichts. IHt Name erscheint vielmehr speeifisch langob., namentlich wegen des constanien ö (nicht ostgot. »/; unten u. „Vocalismus4* und C. Meyer, Spr. u. Sprdm. der Langob., Paderb. 1877, 8. 264).

s Neues Archiv XV, 583.

4 Vgl. u. „Suffixbildung"; Müllenhoft', Nordalbingische Studien I, 211; Sütterlin, Nomina agentis 4 f.

6 Förstemann, Namenbuch I, 262.

Zimmer, QF XIII, 246.

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05

Varianten S. M), Proc. ('hvdtyoian, Paul. Theodicodo nennt, während nach dem Anon. Theodegotha den Burgundenfürsten heiratet.1

Die Endung -o steht als got. fest, denn Jord. und Paul, geben sie ohne lat, Flexionsbildung auch als Acc, während Proc. und Anon. gr. und lat. Flexion anwenden. Das c- bei Paul, und bei Jord. in Varianten entstammt entweder dem häufigen mechanischen Wechsel von lat. g und r, bei denen das Zeichen für ersteres erst aus letzterem entstan- den ist, während in ältester Zeit regelrecht, in der Kaiser- zeit seitens des niederen Volkes beide Gutturale durch das- selbe r ausgedrückt wurden.2 Oder aber die Unterschei- dung ist beabsichtigt: got. g war im Anlaut Vorsehlusslaut, im Inlaut Spirans; trat anlautendes g durch Compositum in den Inlaut, so blieb es trotzdem explosiv, und um einer Aussprache wie der des sonstigen inlautenden g vorzubeugen, dazu war die altlat. und immer noch vorhandene Schreibung r ein bequemer graphischer Ausweg. Das / in Procops •yovou mag man ebenso beurteilen: / = c /t3, und sein ov als das alte ursprüngliche u des (iotennamons auflassen4; aber wegen des o an langob. -gu*a:% denken zu wollen, wäre ein Anachronismus, dasselbe kann nur fehlerhaft sein.

08TROGOTO.

Die burgundische Königin heisst bei Jord. und Paul. Oxtrogofho, für deren Namen nur auf S. 47 verwiesen zu werden braucht. Ich zeigte im Neuen Archiv XV, 58:1 f., dass Ostrogoto ein unterscheidender Zuname für jene Tochter Theoderics ist, welche der Anon. Val. Arena gut nennt, dass

' Vgl. unter nO«trogotott.

2 Scelmann 34:* f.

3 Vgl. oben S. 54 f.

4 Vgl. oben 8. 44.

5 Auxtriyumi Austrecuitu heiast die Gemahlin den langobardischen Königs Wacho: da« Langobardische monophthongiert nicht, Meyer 204. 281.

QF. LXVIII. 5

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«6

letzteres in Arittyne verbessert werden muss, und dass diese Ariagne als „die Ostgotin" von der gleichzeitigen byzan- tinischen Kaiserin Ariagne unterschieden wird.

AMALA8WINTHA.

Amalaswintha. die glänzende und geistreiche Tochter Theoderies. die Gemahlin des Kutharic, die Mutter des nachmaligen Königs Athalarie, führte nach dem Tode ihres Gatten und ihres Vaters für ihren noch unreifen Sohn die Regierung ganz unter Anlehnung an den Hof zu Byzanz und wurde etwa M,r> auf Anstiften einer nationalen Gegen- partei unter Theodahath ermordet. Ihr Name steht als Amalaswintha durch alle Quellen fest.1

Der zweite Teil das st. Fem. zu got. su-wps „stark, gesund, kräftig" an. svinnr „verständig" ags. swi[) „stark, heftig" as. swtth(i) „kräftig, tapfer" mhd. swind-e -gewaltig, stark, schnell". Alle Quellen schreiben su-, wie z. R auch im Ahd. u statt mm nach Konsonanten gewöhnlicher ist2; und unsere gesamte ostgotische Uberlieferung unterscheidet germ. w als inlautendes u und anlautendes mm. Für seine halbvocalische Natur spricht deutlich das gr. -aowüa, wo der Halbvocal silbenbildend erscheint und das folgende i verschlungen hat.3 Aber das gelegentliche -suentha für •suintha fällt auf (z. H. bei .lord. sieben e gegenüber nur einem i, vgl. ferner unten unter „Mateswintha" ) ; wenn im Gegensatz zu diesem Sehwanken andrerseits germ. e vor folgendein / oder / constant durch / rehVctiert wird , so folgt daraus, dass der Übergang von v zu i vor Nas. -|- Conson. noch nicht in gleichem Grade durchgedrungen ist und hier erst von einem ostgot. f, noch nicht * gesprochen werden darf; mehr unter Vocalismus". Das th steht fest,

1 v. Froehde setzt in Bezz. Beitr. XIV, 110 unrichtig *Am<thi- 8ivinpö an, das nirgends belegbar.

2 Braune, Ahd. Gr min. § 105. 107.

3 An Notkers nuuümmen für »trimmen , guuünnrn für tjrwinnvn soll dabei nach Kögels Bemerkung im Litteraturbl. 1SS7, 8p. lOtt nicht mehr erinnert werden.

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EÜTIIAIUC.

519 war für Theoderic noch einmal ein glänzendes .Jahr, als sein Schwiegersohn Eutharic, der Gatte der Amala- swintha und gleichfalls aus amalisehem Geschlecht, das Consulat bekleidete. Seine Adoption durch Kaiser Justin, seine grossartigen Circusspiele in Rom, Cassiodors ihm ge- widmete Chronik sind dafür deutliche Zeugen ; und sein Tod 522 war für Theoderic ein schwerer Schlag. Er mag deshalb hier behandelt werden, obwohl er einer spanischen Nebenlinie der Amalen entstammte und Theoderic ihn erst aus Spanien nach Italien übersiedeln hiess, sein Name also eher als west- denn als ostgotisch gelten kann. Derselbe steht mit lat. Endung als Eutharkus fest, namentlich durch Inschriften aus seinem Consulatsjahr,1 aber auch durch Cass., Epist. pontif., Anon. Val., Jord.. Paul. u. s. w.

Der erste Teil eutha-, mit festem th und ohne die in Theode- geläufige graphische Modifizierung des eit in eoy = an. j6p „proles" ; vgl. die Eudoses bei Tac. c. 40 2, die swebischen Iuthungi* und das runische htpinyur auf dem Stein von Keidstad.4

CILLICA.

Eutharic führt einen zweiten Namen, der auf den In- schriften Cillitjtt. (htllka, Cellica, Filicu* lautet, bei den Historikern CiUirti (Cass. chron., Anon. Cusp.) und Cüliyu (Anon. Val., Prosp. auct.). Die schwankende Überlieferung scheint darauf hinzuweisen, dass der Name schon zur Zeit seines Trägers unverstanden war, für den dann Eutharic als verständnisvollerer Ersatz eingetreten wäre. Die Schrei- bung Cillicu das // ist hypocoristische Consonantengemi- nation könnte den „Cilieier44 bedeuten (lat. Cilix -im,

' Ro8«i I, 9GS. 969. 970; CIL V, 740M. Abweichungen V, n:»89: F.hmh ricus \ IX, 410 Kufnriciis ; IX, 5*07 Kuhnens.

2 Müllenhoir, Nordalb. Stud. I, 119 und Zh. X, 5IW f.

3 Zeus* 312 ff; (Jrinim, OddH 1, 500.

4 Burg Ii:» ff.

5 Roh«! I, 968. 969. CIL V, 5426. IX, 410.

5*

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gr. Ki'ui -txoc, bei Wulf, i ilicien Kiltikia) und die Schrei- bung -iga Anähnlichung an got. -eigs. sehw. -W<jr<i sein: doch bleibt diese Deutung grade so fraglich wie die An- nahme einer keltischen Bildung 1 oder Zusammenhang mit an. kill .Meeresarm. Meer*;- eine Anknüpfung an die an. Namen auf -kell, die aus. auf -kill -kil7, verbietet sich von selbst , wenn diese wirklich alle auf -ketill zurückzuführen sind, (iallica wäre zu Förstemann. Namenbuch I. \*V1. 4W> zu stellen, der an an. gala ags. ahd. gaUin .singen, be- zaubern" denken möchte: richtiger wird von dem gallischen Volksnamen auszugehen >eiii. Filira scheint sveundäre Kose- form zu einem Namen wie etwa ostgot. Felithaw.

HARIüKRX.

Während des Schismas vom Jahre oOl und später führt über die Stadt Horn der Conus Ariijnnus {so C'ass. Var. mid die Epist. pontif.) das Regiment.4

Got. hur/'is muss als erstes < Vimpositionnglied harju- lauten. und dcmgcinäss heisst der alte Gotenkönig im 4. .lahrli. bei .lord. wie beim Anon. Val. collect Ariaricns.:' Bei der ostgotischen Ne igung, den Fugen vocal zu schwächen und zu palatalisieren . wäre zunächst über *lntrjt - ostgot. *liarji- zu erwarten, das auch in der Int. Schreibung (It)ari- vorliegen könnte (vgl. lat. abiecre, Pom^i , ai< 11. ä. oder das Hca/tia für scupi ia im gotischen Hexameter). Trotzdem wird auch die ostgot. < ompositionsform schon hari- gelautet haben durch Einwirkung der Nominativform des Simplex, welche ostgot. hari lautet, wie umgekehrt bei den }an- Stämmen das Simplex auf -ja auch das -ja- der Compo- sitionsfuge länger schützt.0 Der Unterschied kurz- und

» Stark, Wiener 8itz.-Bcr. L1X (1868), 206. 2 Cleasby-VigfusHon 340.

* Sturk, Kosenamen 52.

* Mominaen, Neues Archiv XIV, 515. •'• S. MomniKoiiB Jordnnes 8. 146.

* Vf?l. unter Wil,iarith\

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langsilbiger ya-Stämme ist in der Zusammensetzung also nicht mehr erkennbar wie bei Wulf, (alja-hms, andi-laus) und die von Sievers, Beitr. XII, 486 ff. behandelte Verkür- zung des stammauslautenden ja zu i für das Ostgot. sehr einfach erklärt ; wie weit diese Erklärung auch auf andre Dialecte ausgedehnt werden darf, bleibt freilich eine andre Frage.

Das zweite Namenglied, got. yahns (in faihu-, seina- (jairns) an. gjavn u. s. w., ist in Namen nicht selten, wird noch in ostgot. Fridi- Ali- Hildi- Holdi-gem begegnen und zeigt als «-Stamm überall die Latinisierung -genius.

BEDEWULF.

Gleichzeitig wie Arigern werden zwei vornehme (toten und Maiores domus nach Horn mit militärischen Functionen geschickt: Bedetd/us und Guddu, wie sie in den Epist. pontif. heissen.

Für den ersteren Namen bleibt die Frage nach der Etymologie seines Anfangsgliedes bei der schwankenden Über- lieferung (oben S. 28) eine offene. Das häufige ph für germ. f könnte zu der Annahme führen, dass er durch griechischen Mund oder griechische Feder gegangen, und daher das an- lautende ft für griech. Transscription eines germ. w ansehen lassen (vgl. BavdiXoi u. s. w.), wie denn auch zwei Hss. v überliefern. Danach würde der Name der selbe sein wie z. B. der Widulf des Pol. Irm. und dasselbe erste Compositions- element enthalten wie etwa die Goten Vidigoi« und Vidimer bei Jord.: got. *widus an. vipr ags. loudn ahd. tvitu „lignum, silva",1 und für das e der Wurzelsilbe (eine Iis. hat Bidndfits)

1 Hier ist also das inlautende d der Namen das alte gotische. Bedenkt man nun, dass im spateren Got. auch das alte tonlose p tönend wird (vgl. o. Amalafrida und unten „ConsonantismU8uJ, so kann das inlautende d zweierlei Ursprung haben : wulf. d und p, und die häufige Unsicherheit in der Wiedorgabe der dentalen germ. Spiranten bei den lat. und gr. Autoren wird hierauf beruhen. Es ist nichts als sogen, umgekehrte Schreibung, wenn z. B. dem Vidimer oder Vidiyoia des Jord. ein Vithimiri» oder Vithicubius bei Ammian gegenübersteht, wenn

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wäre auf FelUhanc zu vorweisen. Bei die>er Deutung bliebe jedoch das zweite e in Bedtidfus insofern auffallend, als das Ostgot. sonst den Fugenvocal vor anlautendem ic des zweiten Teils auszustossen scheint. Nimmt man hingegen für das erste Glied ursprünglichen Auslaut ja- an, so könnte das <i vor w geschwunden und das restierende j durch obiges e reffectiert sein. Dann würde die Lesart Bideulfus auf got. bidjiiH an. bißja u. s. w.' fuhren, wozu etwa der Bitheridus om .Jahre 37:.t bei Ammian 29, 4. 7 (dessen th nach der vorhergehenden Anmerkung zu beurteilen) oder Förstemann, Namenb. I, 2.r>6 zu vgl. Damit wäre auch das b der Über- lieferung bewahrt. Will man auch das erste e retten und Bedeulf us als das ursprüngliche bestehen lassen, dann gehe man nicht von bidj n , sondern von got. baidjan an. heipa u. s. w. „gebieten, zwingen4*'-' aus und nehme hedr- als ostgot. Monophthongierung; die Bedeutung würde eher für letzteres sprechen.5

Got. wulfs an. Alfr u. s. w.4 erscheint als zweites Compositionsglied in ostgot. Namen bald in der Form ->'//*- bald -uulf-. Dieses Schwanken beweist, dass das halb- vocalische tr hier noch in der Compositionsfuge erhalten ist. Die Schreibung uu kann sowohl lat. (- t u) als germ. (— tcu) sein, und man vgl. damit die ahd. Orthographie5: aber auch

bei letzterem »I, 3, 3 Viderichus, jedoch 31, 4, 12 Vithcricus zu lesen ist. Dass Witiyis alte Tennis enthalt, darüber unter diesem. Kr ist daher vom Vidiguja fernzuhalten und nur dieser allein mit Müllenhoff, Zh. XII, Ü55 ff, für die historische Grundlage des WiUye der deutlichen Hcldcnsago anzusehen ( Witugouuo Wilugö Witigo Witcge ; vgl. aa. Widttgö ags. Wudgd W!di<>\. A. a. O. warnt Müllenhoff auch vor Verwechslung von ahd. Witioio as. U iom/o mit ahd. Wifuliho as. H und für letzteres hat er Jord. 155 auf den got. „VeducHts* hingewiesen ; aber letzterer heisst Jord. 85, 18 im Nomin. Vcduco, d. i. got. *Widuka, eine Koseform etwa zu * Widuganja o. Ä., wo das Suffix gegenüber sonstigem -ika 8uffixablnut aufweist. 1 Osthoff, Beitr. VIII, 140 ff.

* Osthoff, a. a. 0. 145 f.

* Aus der Litteratur über Beda Fimmilena (Scherer, Woinhold, Jaekel) ist zu Gunsten obigen Namens nichts beizubringen.

4 Grimm, Gr. II (1878), 313 f.

5 Braune, Ahd. Gr. § 105.

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die Schreibung u kann für gerui. tcu stehen wie ebenfalls im Ahd.1 Besonders bezeichnend ist bei Marini Waduulftts neben Wadoitulfus, und Ficks Behauptung, Zs. XXVII, 244, trulf- werfe als zweites Oompositionsglied sein w ab, ist für das Ostgot. haltlos2; dasselbe schützt das w hier vielmehr grade so wie in den vielen Namen auf -win, -icih u. s. w. und steht darin mit dem Ags. auf gleicher Stufe im Gegen- satz zum Ahd.5

Der Abfall des Nomin.-* zeigt sich schon bei Jord. in den Amalennamen Achiulf, Oduulf, Ediulf, VultuulfS ebenso bei dem Ostgoten rovvdovXq oder '/ycW/.y Proc. Sonst, dem M -Stamm gemäss, immer die lat. Flexion -ulfus -ulfi.

Für die Bedeutung dieses häutigsten germ. Namen- gliedes sei kurz auf W. Grimms Aufsatz über die mythische Bedeutung des Wolfes hingewiesen "' und an die Wülfinge erinnert, wie Hildebrands Familie und die Ostgoten der Heldensage überhaupt heissen.

GUDILA.

Bedewulfs College heisst nach Cass. Var. und den Epist. pontif. Gtktila, ebenso auf einer fragmentarischen Inschrift von Ravenna, CIL XI. 2b8. Denselben Namen führt ein späterer Gote in einer Urkunde von 5.">7.rt Vorher ist schon in .lordanes' gotischer Urgeschichte der Ko^Xa^ o xwv Opaxoiv flaotXevq des Satyrus bei Athenaeus 13, 5 p. 557d

1 Braune, ib. § 105, 2.

2 Vgl. Martin, Anz. XIV, 285. Der got. Bibelübcraetzer dea 4. Jahrhf*. hieaa mit Caaa. und Jord. Vuljila, nicht mit Auxentius Ulßla, wie Fick a. a O. will, indem er den Namen als eine vom zweiten Compoaitionsglied -ulf hergeleitete Koacform auffaaat; vgl. Bernhardt, Wulfila VII; Sievera in Paula Grundr. II, 67, 4.

3 Kluge, Boitr. XII, 378.

* Zu Achiulf vgl. u. „Thoriaa*, Oduulf u. „Odwin" ; zu Ediulf mit Monophthongierung im Anlaut vgl. u. „Starcediua" und bei Malch. 248, 9 den Amalen AMotyyos a. 479 ; zu Vultuulf u. „8igiwulthu.

5 Z». XII, 203 ff., jetzt auoh Kl. Sehr. IV, 402 ff., besondere 404.

« Dahn, Könige IV, 32, 2.

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zu einem Gudib.i geworden.1 Der Xame ist ein secundärer Hypocorismus . zu welchem der primäre Guda Cass. Var. IV. :W erscheint und der ursprüngliche Vollname in einem der ostgot. Gudinand, Gudtcin, Gndihtib, Guderith vorliegen mag. Mit allen diesen steht auch die Schreibung yud- und damit Anknüpfung an got. an. gup ags. as. </od ahd. f/ot fest. Da das Ostgot. die wulf. Länge 6 zu m färbt, könnte auch wulf. fjoda- (got. (jods an. gopr ags. as. <jod ahd. <juot\ vorliegen, doch wäre dann die Schreibung u für o seil weil ich so consequent.2

PITZ(I)A.

Ein weiterer Comes Theoderics, der o04 die (upiden schlägt, heisst bei Jord. Pitza Petz«; der Acc Pitzamum 1:15, b ist gewiss nur ein Schreiberversehen, welches dem Acc. Pitzam ein lat. nochmals anhängte, wie XYZ auch allein Pitzam haben. Ennod. nennt ihn Pitzia. Ob er der- selbe gotische Feldherr ist, den Proc. unter Witigis ">M ///ru«c nennt, bleibe dahingestellt.3 Der Name ferner als Pitzia bei Gass. Var.4

Dietrich S. 84 versuchte noch eine germanische Ety- mologie des Namens, während schon Grimm, GddS 47t) Anm., ihn lieber für ungotisch hielt. Für letzteres spricht schon das anlautende p. Es ist der gr. Uv&ia<; oder Ilvdtagh. Für das constante tz statt th oder thi erinnere ich an Wand. H8, wonach derselbe Feldherr bei Coripp. Stutias (d. i. got. *Stutja), bei Jord. u. a. Stotzas heisst. Wir haben es hier nicht mit einem germ. Dialectmerkmal zu thun,6 sondern allein mit einer bekannten Erscheinung gr. und lat. Schrift,

1 Grimm, Zs. VII, 395. Dass Dahn, Könige III, 66, 1, Unrecht hatte, den Quidila bei Casa. Var. VIII, 26 in Gwlila zu bessern, darüber unter Quidila".

* Vgl. unter „GudiHcalc".

J Dahn, Könige IV, 174.

4 Dahn, Könige IV, IV.K

4 Academy ISH7, 8. 206. Fiek, Personenn. 74. 6 Wie »Sie vera in Pauls Grundriss I, 416 will.

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mit dorn bekannten Assibilationsprocess der Dentale, für welchen ich kurz auf Seelmann 320 ff. verweise und eben- daher lat. inschriftliche Beispiele entnehme wie Caritze für Ca ritte, Bonizza für Bonitia; auch an Scandza, Burgun- dzones u. a. bei Jord. sei erinnert : und wenn bei I'roc. zu IIi'tLüu; die Variante Tliaaaq lautet, so vgl. man bei Seel- mann Crassano für Gratiano u. ä. Dass diese Assibilation nicht got., nur röm. ist. das zeigt deutlich das katetsjö der got. Urkunde: wäre got. t assibiliert gewesen wie lat. t. dann hätte der Göte nicht nötig gehabt die Assibilation zu kennzeichnen und lat. cautio als got. hawtjo transscribiert ; da sein t jedoch von dem lat. verschieden war, so gab er das cautio, ganz der lat. Vulgärsprache folgend, als kawtsjö.

Ennod., Cass.. Jord. geben dem Namen got. Endung -a statt gr. Häutiger begegnet das Umgekehrte, wenn

Totita als Totiias erscheint u. ä.

BAUTO.

Für ungotisch halte ich den Namen des Kegiae doinus conduetor. welcher nach Ennod. wegen rückständiger Steuern verklagt wird1: Bauto. Denn wenn das au alt, müsste es ostgot. zu o ge worden sein : und junges durch Epenthese aus hadw- entstandenes aa anzunehmen,2 hindert das t; die Überlieferung gotischer Namen ist aber sonst bei Ennod. sehr correct. Der Name ist sonst nicht selten und docu- mentiert sich vielleicht auch als ungernianisch . wenn ihn ein Consul des Jahres 385 3 oder ein Feldherr des (iratian4 u. ä. führen. Nur nebenbei sei an die Gruppe der keltischen Boudius Bomlus erinnert.''

1 Dahn, Könige IV, 141, 2. « Wand. 67 f. 76: lUnuhi*. » CIL XIV, 2934.

* Zosim. IV, .13, 1. 53, 1.

* Zeuss-Ebel, Gr. colt. 34.

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74 -

OEVICA.

Geeint, bei Ennod. ein Impulsor ordinatus. für gut. Gihica (vgl. u. a. den Gihica der Lc* Burg. :i und über- haupt den fi/faV/t der Heldensage: an. Gjüki < *Gibuki ags. *7 ///(•({ as. Iii ceko ahd. Kipieho nihil. Gibcche1) mit ostgot. f für wulf. /, mit spirantischem r für intervocalisches 6 und mit hypocoristisehem Suffix, zu einem ursprünglichen mit got. an. ///;>/" u. s. \v. componierten Vollnamen . vgl.

unten ostgot. Gibimer, Geber'w. Mit anderem Seeundürsuffix auch ein ostgot. Gibila, w. s.

ERDWIH.

Bei Ennod. führt 210, M ein nobilissimus Gotus den Namen Herduic, 3b\ 2b ein illustris vir Ticinensis den Namen Erdui, Ob beide identisch, steht dahin.

Da für got. hairda an. hjqrp ags. heord ahd. herta die gleiche Bedeutung wie für das urverwandte ai. rärdhas „Schar" durch nichts bewiesen ist , so liegt got. lürpu an. jqrp ags. eorpe as. ertha ahd. erda näher, vgl. die Bedeutung von an. jqrp jarpir .Liegenschaften, Grundbesitz".2 Der Fugen vocal fehlt vor folgendem Halbvocal.

Was das zweite Namenelement betrifft, so zeigen zu- nächst beide Citate das ostgot. Fehlen des Nom.-.v. Ferner scheinen sie einen got. Beleg zu geben für das in den andern germ. Dialecten vorhandene Nebeneinander von germ. weg wig und weh wih: Herduic mit auslautendem e für g das hier schwerlich auf römischer Umschreibung aus gr. % (vgl. 'Ylowdiovxoc, \iXäßi/n^) beruhen, sondern nur lat.. nach S. b.r> zu beurteilende Schreibung sein wird, zumal der Lateiner kein auslautendes g kannte, und Erdui mit gewöhnlicher Unterdrückung des got. Ii. Die Geschichte dieses in an. vi ags. wih weoh wig weg as. will weg ahd. wih „Tempel* u. s. w.

1 Grimm, Zs. I, 572; Müllenhoff, Zs. X, 153 f.; Wackernagel, Kl. Sehr. III, 399.

2 Möbius, Altn. Gloss. 223.

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und vielen Eigennamen, namentlich den westfränkischen auf -ceckus -reu* , den an. auf -rir, den ahd. und as. auf -eins -leieh -iria -teilt, vorliegenden germ. Wortes behandelt Henning, Kunendenkmäler :M ff., ausführlich, auch unter Heranziehung reichen Namenmaterials, und auf ihn sei hier verwiesen. Der Wechsel in der auslautenden Consonanz erklärt sich aus ursprünglich verschiedener Betonung. Aber dem germ. trih könnte nur ein got. tea'ih entsprechen, sodass bei dem correcten Ennod. Erdue zu erwarten wäre. Wir lesen des- halb bei ihm besser Erdui und Herditie und legen das den gleichen Accentwechsel wie oben teih wig aufweisende und in germ. Namen nicht minder beliebte *icihan *iei(jan m kämpfen, streiten" (got. teeihan an. ceya ags. irhjan ahd. trihan teiyan) zu Grunde, wovon der zweite Teil unseres Namens als adjectivisches Nomen agentis mit dem Suffix <i gebildet ist (vgl. das an. Adj. e'ujr .kampftüchtig, streitbar" zu an. viy as. icig ahd. wiy nie .Kampf"). Wieweit Abschwächung der Bedeutung und Beeinflussung durch das andere irih tr'uj stattgefunden,1 bleibt dahingestellt, zumal die Identität der beiden Personen bei Ennod. unerwiesen ist.

THANCILA.8

Der sublimis vir comes Taneihi bei Ennod. ist wahr- scheinlich der (Zornes von Comum: Tant ila Cass. Var. Ostgot. Thamila wulf. *patjkda ist wiederum ein secundärer Hypocorismus, woneben auch der primäre Thanea bei Cass. Var. erhalten ist, zu einem ursprünglichen zweigliedrigen Vollnamen wie etwa ostgot. WUithune, Felifhaiie, Rieifhanc. Vgl. got. payks (Acc. pauk Luc. 17. 9) an. pqkk u. s. w., in Namen1 noch mit ganz allgemeiner Bedeutung (vgl. z. B. im Hei. thank ■■=- „Freude, Wille" und seine Bedeutung in Compositis 4). Man denke an die vielfache Verwendung von

1 Henning 33, 3. 35.

2 Zu (iurfilero bei Ennod. unter „Gudeleub".

3 Förstemann, Namenbuch I, 1149 ff. Zimmer, QF XIII, 119.

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huys huyjan in Xanienbildungen 1 : das häufig fränkische Huyo ist eine dem ostgot. Thanca völlig analoge Bildung.

THRASEMlWi).

Bei Ennod. llfi, 24 Trasemundus der Name eines un- glücklichen Mailänders, während 24 der .vir illustris* und .regiae stirpis germen4" Trasimundus vermutlich der gleichnamige Wandalenkönig ist. Wulf. *pras«munds} vgl. Wand. 74.

THORISA.

Gocbel, Mod. Lang. Not. 1888. Sp. 99 . möchte bei Thraaemund nicht nur an got. prasa-fxilpei, sondern auch an den westgot. Thursimnnd denken und beide Formen auf die gemeinsame Wurzel dhurs zurückführen, wozu air. treu gr. &(>aovg an. purs u. s. w. zu vergleichen wären. Abel* zu gr. &oaavq &aoa£w ai. dhdrsatni lit. dräsa stellt das Got. speciell ya-dars (ags. dear as. yi-dur ahd. yi-tar), und das Ostgot. hat beide Stämme neben einander: neben obigem TruAemnndus überliefert derselbe Ennod. auch einen Torisa.2 Letzteres ist ein primärer Hypocorismus, etwa zu Thoris- ntttth, der so in der amalischen Stammtafel bei .lord. und Cass. Var. XI, 1 vorkommt. Als Komposition wie got. siyis-laun liefert die feststehende Schreibung Thoris-muth zu an. pars ahd. durs ags. pyrs (letzteres secundäre ja- Bildung, vgl. mhd. turse) .Kiese* die got. Entsprechung *paüris. Das Wort ist mit dem bekannten Nominalsuftix es is gebildet und hat in den aussergotischen Mundarten seinen Suffix vocal cingebüsst analog an. siyr, hatr u. ä. gegenüber got, sigis, hatis; doch belegt Grimm, Myth. 488, noch eine Glosse dtiris (— lat. dis ditis) und thuris (orcus). Der Dental des Suffixes ist s, nicht zt und got. *Jmurh stellt sich zu got. rimis (Gen. rimisis). ayis (vgl. ahd. eyis-lih

1 Försteniann I, 750 ff.

2 Dahn, Könige III, 117, M.

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eyiso, ags. eyesn), nicht zu got. siyis. hatis, riqis, hariz-eins (vgl. an. cS'/Vyr, r»Wr, /«»;•/•).< Das Suffix bildete auch

(oncreta, wie z. B. ahd. find ags. Ar/^#r got. *hrinpis be- weist.2 Got. *pauris an. /wr* ahd. </nrs ist ^-Ableitung eines primären */>«///•-. welches im an. Verbum /)or« .wagen* got. *paüran (wie an. pda zu got. pulan) vorliegt, und fern- zuhalten3 von got. panrsHs ya-pa'nsan u. s. w. , deren s vielmehr wie das in ai. trsu- t/syati gr. rtymfuu lat. /onw (*/orwo) schon der idg. Wurzel angehörte. Gleich dem secundären *pauris wird auch das primäre *paura- zur Naincnbildung verwertet, wie der got. Thnrvarus, der gepid. Thurisind zeigen,4 und neben dem amalischen Tharis-muth steht ein Hauptmann Beiisars, der bei IVoe. (•Jopi-ftovU heisst. Das liefert einen weiteren Beleg für das häufige Neben- einander von a- und s-Stümmen im Germ., vgl. got. lutis und ahd. hei gehet, got. «As ahd. ahir und ah, ebenso ags. hriper und hrip-hyrde? Für das Got, wird neben gewöhn- lichem hatis das primäre /<«///- belegt durch den Gen. hatis Eph. 2. :5 im Tod. B, welchen ich also nicht mit Kremer6 und Braune7 als liest consonantischer Flexion des ^--Stammes betrachtet Man vgl. ferner den A malen Aehiulf für Ayialf bei .Jord. mit got. ayis (s. o.)9. Holthausens ltequa-livahanusw mit got. riqis, möglicherweise auch den oben behandelten Walamer mit got. ivalis. Mit letzterem Adj. wäre unser

1 Brugmann, Vgl. Gr. II, I, 394. - Kluge, Nomin. Stammbildg. § 84.

3 Kntgegen Zimmer, <JF XIII, 29.

4 Henning, Runcndcnkmulcr !)S.

' Zimmer, QF XIII, 218; Kremer, Beitr. VIII, 389; Kluge in Paul» Grundr. I, 399.

6 Beitr. VIII, 388.

7 Got. Gramm.3 § 94, 5.

* Vgl. Heyne, Ulfilas8, im Glossar, wo jedoch das an. Imlr zu streiohen ist: denn hier ist r suffixal und nieht etwa maHC. Nomin.-r, wie H. anzunehmen scheint: an. iuttr ist Ncutr. (vgl. Clensby-Vig- fusson 241).

» Wenn hier nicht die Schreibung Achlhdf in XYZ auf got. ayls weist.

40 Jahrb. d. Vereins von Altortumsfreunden im Rheinl., Hoft 81 (Bonn 1880), 8. 81.

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*[taüris auch zu vgl., wenn die Erhaltung des im westgerm. (Iuris auf Oxytonierung und damit auf ursprünglich adjec- tivische Function weist.1

TRIGOWA. TRIGGWILA.

Bei Ennod. findet sich ein Triggua und bei Boeth. ein Praepositus regiae domus Triggui/fa (al. Triguilla), ver- mutlich derselbe, welcher als Praepositus cubiculi beim Anou. Val. Triuua (Ahl. Triuuaue) heisst,2 Dazu kommt noch der Sajo bei Cass. Var. III, 20. dessen Name nach der Later- cula-Lesart des Leid, und dem Gros der besseren Hss. jetzt als Triuuila sicher gestellt ist.3 Ein primärer und ein sceun- därer Hypocorismus neben einander und ausserdem jeder voti beiden in der doppelten Form Triuua Triggua 'Triuuila Trigguila! Triggua wulf. *Triggtca ist identisch mit dem an. Tryggvi und geht, wie dieses auf Siytryygr, l'tryggr, Tor- tryggr o. ä..4 auf einen zweigliedrigen Vollnamen zurück, der mit got. triggus (an. trygyr ags. treowe frf/ive as. triuiri ahd. gi-triuui) eomponiert war. Man könnte nun versucht sein in Triuua Triuuila das uu als germ. ir aufzufassen und so zwischen *Triiva und Triggwa denselben grammati- schen Wechsel wie zwischen an. trür und trygyr zu sehen; dies geht jedoch deshalb nicht an, weil die ganze ostgot. Überlieferung inlautendes w nur als m, nicht als uu wie- dergiebt und weil dann speciell Tass. Triuila. nicht Triuuila geschrieben hätte.5 Auch diphthongische Entwicklung und Zusammenfall mit dem ursprünglichen Diphthong germ. eu°

1 Möllenhoff, Zs. XXIII, 172 f. (Hierher auch der Mars Thing- mm *pingis).

2 Dahn, Könige III, 200, 3: Mommsen, NA XIV, 512, 1.

3 Ferner vielleicht ein servus Antalasunthae bei Greg. Tur. 134, 20. 13f>, 2, wenn hier Traguila (al. Trmtttilu) in Tviguila {Triuuila) herzustellen wäre ( vgl. Krusch ib.). Ander« Dietrich 76, ß8.

4 Cleasby-Vigfusson 043.

Andernfalls wäre hier eine 8tüty.e für Bechtcls problematischen Versuch gewonnen (Gotting. Nachr. 1885, 235 ff.), die ostgeriii. Ver- schärfungen nu* ursprünglichen AceentverhiiKuiftsen zu deuten. ,; Wie im Ahd., Braune § 113.

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ist des «instanten i wegen fernzuhalten: denn das Ostgut. hat diesen in seiner alten Form eu nuch festgehalten und lässt ihn nur selten durch iu transscribieren. Hingegen könnten, da die ostgerm. Verschärfung ggw mit Braune 1 auf gemeingerm. trw beruht , obige Trimm Triuuila beim Anun. und bei Gass, dieses germ. trw reflektieren gegenüber dem speeifiseh gut. ggu bei Ennud. und ßoeth. ; aber das gut. ggw kennt bereits bei Wulfila im 4. Jahrb. kein solches Schwanken mehr,'' und obige Trigguu und TrigguiUa des 6. Jahrhs. sprechen für dessen Festigkeit grade so wie seine treue Erhaltung im ital. span. port. tregua tregoa? Viel- mehr werden jene Trimm Triuuila nur auf abweichende Schreibung zurückzuführen sein. Der Guttural in der got. Verschärfung ggw war Verschlusslaut, lat. intervocalisches g hingegen wurde spirantisiert : 4 es machte sich daher für die lat. Niederschrift des got. Lautes das Bedürfnis einer graphischen Modifieierung grade so geltend, wie oben S. u"> beim Explosivlaut g im Anlaut, der durch Composition in den Inlaut trat. Das Uesultat derselben war jedoch hier ein anderes: Triggua wurde vielmehr für den Lateiner zu Triuua} wie das gr. any^ta , Packsattel* von dem römischen Ohre als sauma, gr. Tiijyfia «Gerüst1* als peuma aufgefasst winde.* Dieselbe Nüancierung finde ich .ford. lOrt, (>. 7, wo das

* Beitr. IX, 545.

* Dan* die Gemination gg im Got. zwei ganz verschiedene Laut- verbindungen repräsentiert, gilt aus theoretischen Gründen langst für selbstverständlich (Braune8 § 68 >: obige Triggua TrigguiUa bringen dafür gegenüber dem sonstigen vg auch positive Belege. Ich weiws nicht, ob dieser doppelte Lautwert derselben Buchstabengruppe bei Wulfila schon analogice für die got. Diphthongfrnge verwertet ist : das nasale gg entnahm er dem Griech., dan explosive gg ist einfache Laut- fügung g + g\ ebenso entspricht got. ai m dem damaligen Lnutwort von gr. ««, got. ai äi ist diphthongisches a f ?.

* Es ist also nicht der einzige Beleg dafür, das« germ. w auch im romon. Inlaut durch gu refleotiert wird, wie Diez, Gramm. Is, 325 will; es beruht eben nicht auf westgerm. *trtwu'u (ahd. triuwa as. treu wu ags. treöwe)y sondern auf got. trigguu.

4 Seelmann :t49. Oder liegt volksetyniologische Anlehnung an triu „arbor" vor? Vgl. zu Triuila den römischen Frauennamon Arbu»cula,

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gallische leura oder lenga .Meile" («las Schwanken von r und g beweist auch hier den Verschlusslaut) in der Mehr- zahl der Hss. mit leuua retlectiert wird.1

MAMMO.

Bei dein Dux Gotorum Mamma, den Mar. Avent. zum .lahrc 509 erwähnt, kann an got. mammo .Fleisch4* denken, wer hei dem Wcstgotenkünig Wambu an got. tratnba .Hauch" denkt. Und diese Auffassung letzteres Namens als Neck- name bleibt trotz Stark - immer noch die plausibelste. Der neckende Heiname hat den ursprünglichen Namen ver- drängt, was auch sonst genügend belegbar. (irade in Starks „Wambu (fui et Petrus" (I)iacon von (i:{S) liegt ja noch solche Doppelbenennung vor.

IBBA..

Ibba heisst bei Cass., .lord.. Paul.. Helba (1. Hrbba) in den Kandglosscn zu Vict. Tunn., Ebba bei lsid. der Tomes Theoderics, welcher, Katholik und möglicherweise Gepide, wahrsclieinlicher jedoch3 Commandant des gepidischen Armeeteils der Goten, ein gotisches Heer 508 über die See- alpen führte und die verbündeten Franken und Hurgunden schlug.4 Die Randglosse Helba könnte auf *I/ba weisen r> und einen weiteren Beleg liefern für die Assimilation des / an den folgenden Consonanten in Kosenamen (vgl. ßadäo, Abbo, Woffo < Ihddo, Albo, II W/V ). Dennoch scheint diese Deutung

1 HPVLA, nur fruca O, leugu BY; fogwt in X zeigt Metathcsis wie sp. leijutt pg. legm (Diez, Wörterh. I3, 246). Die umgekehrte Metathcsis im mlat. treuga.

2 Kosenamen 108 ff. Vgl. Wackernngel, Kl. Sehr. III, 850. * Dahn, Könige IV, 171, 1.

4 Vgl. Mommsens Jord. 8. 151. 6 Försteniann, Namenbuch I, 774.

0 Henning, Kunendenkm. 60. Hier kann Hennings Deutung des Wortes 1 (Ulan auf der bürg. Spangeninschrift von Charnay als Hihian aus obigen Gründen gleichfalls zweifelhaft scheinen, zumal er daneben

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bedenklich. Derartige kindliche Lall- und Koseformen nur um solche, nicht um historische Lautübergänge handelt es sich bei den erwähnten Assimilierungen haben freilich zu allen Zeiten existiert, zur Aufzeichnung aber wurden sie erst verwandt, als sie in der Umgangssprache fest ge- worden waren und wie ursprüngliche Namen angesehen wurden; und das ist in der ostgotischen Periode schwer- lich schon der Fall gewesen: von Stark» Belegen1 geht keiner über das 8. Jahrb. hinaus, und ein ostgot. Kurzname wird uns noch als AM begegnen, obwohl kosendes *Abbi den Goten grade so geläufig gewesen sein wird wie andern Stämmen. Dazu ist llba nicht einmal sicher germanisch.2 Dass Jbba* die got. Entsprechung zum ags. ebba nd. ebbe bietet (gewöhnlich zu got. ibuks , rückwärts", ahd. ippihhön „zu- rückrollen" gestellt) und einen entsprechenden Beinamen repräsentieren könnte, sei nur nebenbei bemerkt.

«ATTILA.

Eine Mailänder Inschrift vom Jahre 5 12 4 nennt einen Goten im Gen. Gatti/anis. Man beachte die w-Flexion und die hypocoristische Consonantengemination, die hier den An- laut des zweiten Bildungselements ergriff wie im inschrift- lichen lrsfarric (s. u. „Usda"). Gatiht, zu got. ya-tils „passend, tauglich*4 (ags. ///, dazu an. /// ahd. zil „zu"), würde als characteristischer Zuname in seiner schwachen Form auf- fallen und wird daher eine Substantivierung sein wie got. yamamja zu yamains, unhulpa neben hnlps u. a/'

Yoliiiamcn wie hhlofrctlo, Ii alter ga belegen kann. Ware es nicht mög- lich, nach dem Vorbilde von Titorte- und Thor- oben S. 77 neben dem got. *idte ags. uhs as. täte ahd. Ute (Grimm, Myth. 372) ein primäres *i«7- anzusetzen? Vgl. J. Grimm schon in der Vorr. zur 1. Aufl. von Gramm. I , p. XLII. Sonst «ei noch an das an. Fem. ipa „Wirbel, Meeresstrudelu erinnert (Cleasby-Vigf. 313).

1 Kosenamen 28 f.

2 8tark, ib 113.

3 Förstemann, Namenbuch I, 7f»9.

4 CIL V, 617«.

Leo Meyer, Diegotisch«» Sprache ( Rerlin 18M), § 354 ; Lichten- held, Zs. XVI, 303 ; Kögel, Beitr. XIV, 102.

QF. LXVHI. 6

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HUXIMUXD.

Der in der Amalentafel zweimal erscheinende Name Hunimund {llun{n)imuudns Jord., Utrimundvs Cass.) findet sieh aueh im ostgotischen Zeitraum wieder: anno 24. Theod. wird bei Aguellus ein arianiseher Bisehof von Kavenna Ummtindus genannt.

Nachdem Müllenhoff mit huu- componierte Germanen- namen schon vor dem historischen Erscheinen der Hunnen nachgewiesen,1 wird das Namenglied, wieder mit Müllen- hoff.2 am besten zu an. humi gestellt, mag man es nun mit „eatulus, ursinus" übersetzen und zu den übrigen ono- matologisch verwandten Tiernamen stellen oder als „rccens natus" mit pius, tiiwi, vtnc in Eigennamen auf eine Stufe bringen. Hingegen erseheint ] tiegers Anknüpfung an die norddeutschen Hünengräber und den vermeintlichen Namen der vorgermanischen Bewohner Norddeutsehlaiids3 zwar geistreich, aber grade der vielen hierher gehörigen ger- manischen Personennamen wegen (bis zu unserm lltnnhert, Humboldt u. v. a. herab) wenig wahrscheinlich.

w

HILDE NY AUA.

Eine Urkunde aus dem .Jahre 52U handelt von den kirchlichen Schenkungen einer Gotin Hildevara ;4 so die Namensform bei Marini Nr. 85. 12. 15. 22.

/um eisten Teil, got. Vuldi an. hildr ags. as. hi/d ahd. Inf t ja hiltea hilta, vgl. unter „Dumilda."

Der zweite Teil, got. -war«, ist das femin. Nomen agentis vom Pracsensstamme der germ. Wurzel trar »auf- merken" (gr. Quam), wozu das Masc. noch im ostgot. Sdp- war begegnen wird, auch in dem Goten Thantar al. Thuruar bei Jord. 85, 18 vorliegt.'' Er ist identisch mit dem Adj. got,

' Zu. XI, 284.

2 Zu. XIII, 57fi. Vgl Wand. 04. 8 Areh. f. he««. Oesoli. XV, 4.

* Dahn, Konipe IV, 184.

* Dazu Müllenhoff im Index.

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tears1 an. varr ags. wcer as. war ahd. gi-war und zu trennen von dem /«-Stamm, der in dem bekannten -varii der Völker- namen vorliegt, obwohl die Namen auf -war häufig die in- eorrecte Latinisierung -tvarius zeigen.2

CUNIOAST.

Der bei Boeth. erscheinende Conigastus ist vermutlich jener Vir illustris, der bei (Jass. Var. Cnnigastus heisst: wulf. *K6mgasts, ostgot. Conigast.

Erster Teil got. *k6m an. kenn ags. cPm ahd. chuoni. Bei Boeth. noch das alte o, bei Cass. das jüngere ostgot. u ; wenn andrerseits germ. ü bei den Lateinern constant als n ohne solches Schwanken in o geschrieben wird,3 so folgt daraus, dass dieses jüngere ostgot. u < wulf. 6 doch nicht völlig mit dem alten wulf. ti- zusammengefallen war.

Für den zweiten Teil weist die lat. Flexion an beiden Quellenstellen nicht direct auf got. gasts, sondern wiederum auf eine secundäre. speciell onomatologische «-Bildung.

ODWIN.

Der Comes, welcher einen Anschlag auf Theoderics Leben mit seinem Haupte bezahlen musste,4 heisst beim Anon. Val. Odoin, bei Mar. Avent. Odoind. Mit der älteren Quelle lese ich Odoin, d. i. Oduin, statt des germ. w reflectierenden u wird öfter o geschrieben ostgot, Odtrin. Das auslautende d bei Mar. wird spätere romanische Zutat sein, die sich nach germ. w öfter einfindet.5 Oduin (ags. Eadwinc VVids. 74. 98) - wulf. *Audatrins mit ostgot.

1 So, nicht mit Braune, Got. Gr.3 § 124, 1, Vw netze ich an; vgl. unter „Deelination44.

* Möllenhoff, 7m. XVI, 153 ff.

3 Vgl. oben S. 8 f. und unten u. „VocaliftmuR44.

* Dahn, Konige III, 90.

5 Vgl. noch frz. ulhmnml , normand, Rertrmul: Diez, Gramm. I3, 311.

6*

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Monophthongierung , Einbusse des Gompositionsvoeals vor w und Aufgabe des Nomin.-s.

Das erste Namenglied , als solches überaus häutig, liegt in got. auda hafts „beseligt," attduys „selig" vor und entspricht dem an. aupr ags. ead as. od ahd. ot „Besitz, Gut, Reichtum" : vgl. noch Oderic, auch den alten GJreoting Odotheus bei Claud., (Ji^oOtn^ bei Zosim.1 (wulf. *AuduJ>ius) und bei Jord. den alten Amalen Od wulf (hingegen bei ihm die Frankin Ande.fleda)~

Der zweite Teil, got. *wins an. vinr ags. wine as. wim ahd. wim „Freund", wird noch in ostgot. Natidwiti, Oswin, Guil whi , Tulwin begegnen8 und zeigt überall in der Gompositionsfuge intactes w*.

ATHAL ARIC.

Enkel und Tronerbe Theoderics war Athalaric. der Sohn des Eutharic und der Amalaswintha, 5*J(> 5iU König der Ostgoten , jedoch noch unter Vormundschaft seiner Mutter und Cassiodors.

Die Überlieferung triebt ganz gleichmässiges Atlm- laricus (Gass., Lib. pontif., An. Val.. Jord. u. s. w.), auch die inschriftliche und diese Schreibung wird durch pietäts- volle Anlehnung an den alten Amalen, welcher bei Jord. 77, 1 Alhttl, bei Gass. Var. XI, 1 Athala hoisst.6 und dann wie Tiwodcrirus durch amtliche Tradition so constant gewor- den sein. Erster Teil got. *<//>«/ an. apal ags. ajwhi (pl.) as. (tduli ahd. adal,1 ein weiterer Beleg für das Suffix al im Got.s

1 Dahn, Könige II, 96.

2 Sicher falsch sind die westgot. Etymologien hei Ilozzenberger: Adamir audamt'rs, Adeliutiis uitdtdiubs, zumal er selbst jüngere weatgot. Audibertus, Andemuudwt beibringt. Ebenso bei Dietrich 3.r>. «1.

5 Hierher auch der ßatu ins des got. Kai. * Möllenhoff, Deukmfller« 365.

5 Vgl. seine Münzen bei Friedländcr 30 ff. und z. R. Spreti Rnv. 2, 2 p. 243; CIL V, 641 8.

6 Möllenhoff in Momm*eus Jord. 143, 8.

7 Kluge, KW 4 unter „Adeltt; Möllenhoff, Zur Runenlehro 56. " Wand. 30.

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SIGIWÜLTH.

Papst Bonifatius II. (530 5:*2) war der Sohn eines Goten,1 für dessen Namen die Hss. des Lib. pontif. Sige- bald ns, (Usiholdus, Siginddus geben. Man braucht nach dem ostgot. Sigimer bei Cass. seinen ersten Namensteil nicht in Sigis- zu bessern, obwohl Sigisciddits ein auch sonst in dieser Form bekannter got. Name ist.2 Denn schon die -fyiftt]onc, Segimcrus , Seginumdits bei Strabon und Tacitus bezeugen einen Stamm ohne s- Ableitung, und in germ. Eigennamen gehen von jeher Sigi- und Sigi$- neben einander her, wie Thum- und Thoris- oben S. 77.3 Ob von den beiden Bildungen got. sigis an. sigr ags. sigor und got. signs 4 ahd. sign sigi as. sigi ags. sige die ^-Ab- leitung ursprünglicher ist als die starke Stammform,5 oder ob letztere von Anfang an neben jener vorhanden war, ist unentschieden; doch sprechen die uralten Zeugnisse bei Strabon und Tacitus eher für letztere Annahme.6 Und so ist Sigitculth zu got. sigiis zu stellen wie Wisibadn zu got. *icisu} Felithnnc zu got. filu.

Der zweite Teil -Dtdclus die singulare Variante -buldus wird auf griech. Einfluss beruhen, der für diese pontificalen Quellen auch sonst constatierbar scheint7 ist nicht identisch mit dem got. widpns „Herrlichkeit" * (dazu widpags „herrlich, geehrt"), sondern latinisiert aus einem wiederum mit dem Suffix a gebildeten adjectivischen wulf. *tndps, wie es durch den Namen Vulth repräsentiert wird. In Sigivuldus tönende Spirans d im Inlaut, im ostgot. Auslaut vermutlich noch tonlose, wozu die Schreibung Vidi zu vgl. ist.9

1 Dahn, König* III, 243, 2.

8 Vgl. z. B. Bachlcchner, Zs. VIII, 203.

5 Vgl. z. B. für das Burgundischo Waokcrnagcl, Kl. Sehr. III, 374.

* So gewiss mit Bethge bei Braune, Got. Gr.» § 106, 1.

5 Kremer, Beitr. VIII, 3S8; v. Borries, Das erste 8tadium dos i-Umlauts im Germ. (Strasse. 1887), S. 21. a Brugmann, Vgl. Gr. II, I, 395, 2.

7 Vgl. schon oben 8. 69 zu Bedcwulf\ ferner gelegentliches Gotthi^ Uni' neben Winigildus.

* So Bachleohner a. a. O.

9 Aber bei Jord. der alte Araale noch VuU(h)uulf.

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86

DUM IL DA.

Dieser Name auf* einer Inschrift vom Jahre f»:U bei Rossi I, 1027.

Der erste Teil, noch im Dumcrit des Cass., ist got. döms .Urteil, Erkenntnis41 an. domr ags. as. dorn ahd. tuom, mit ostgot. u für wulf. 6. Der Coinpositionsvocal ist bei der grossen Schwäche des got. // geschwunden wie bei fol- gendem vocalischen Anlaut.

Das zweite Namenglied zeigt sich mit gleicher Flexions- weise noch in einer Ran'dda bei Cass., Ranihildu bei Marini. auch in einer (freilich undatierten) Guntelda auf einer In- schrift von Comum.1 Dagegen steht „Tattilldi vicatu auf einer der Wahrscheinlichkeit nach aus Italien stammenden Bronzeh'bel2 und in der Urkunde Nr. 79 bei Marini vom Jahre 557 Gumiihildi VA. 14. 5b\ Gundiildi 110, und zwar letztere Form für verschiedene Casus, d. h. unuYctiert/1 Wenn es nun schon feststand, dass die meisten germ. Frauennamen auf -hild- -lind- -gvnji- u. s. w. yo-Stämme sind,4 nicht /-Stämme,5 so bringen hierfür obige TanWdi und Gund ihildi auch gesicherte got. Belege: got. hildi wie an. hildr und ahd. hiltja (Hildebrandsl.). Demgemäss sind Dnmilda und die andern -dda nur Latinisierungen solcher ostgot, -Udi.

* CIL V, 5415.

* Erworben durch den verstorbenen Alex. Castellani. versteigert im Mai 1886 zu Paris (vgl. Bulletin opigrnphique IV (1886) p. 150, Mitteilung naeh dem Catalog); die Wiedergabe kann als ^exaetement transerit" angesehen werden (Mowat, Memoire« de la Soci6te nationale des Antiquaires de France t. XLIX, Paris 1S89, S. 7 des SA: Note sur des bijoux antiques ornös de devises ä propos d'une iibule de repoqno ostrogothe). Der erste Teil des inschriftlichen Namens bleibt ety- mologisch dunkel; vgl. Förstemann, Namenbuch I, 831 f. 1141, wenn nicht etwa Taticilldi, d. i. ostgot. Thanc-hildif zu conjieieren wäre.

a Danach ist auch ohne Bedenken Gundihild 1. 16 und Guudihil 17. 22. 25. 27 zu bessern.

* Braune, Ahd. Gr. § 210, 5; Noreen, An. Ur. I, § 298. 5 Grimm, Gr. I (1870), 690.

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«ODA.

Torlos,- to ytvog wird von Proc. der wandalisehe Statt- halter auf Sardinien genannt,' welcher im Jahre 533 die Insel zum Abfall von den Wandalen brachte. Bei Proc. heisst er T tofac, bei Theoph. /o')J«c, an beiden Stellen mit gräeisierter Endung. Die gr. Oberlieferung giebt keinerlei Gewähr, ob ostgot. Gada, Gada (zu got. gods) oder Göda (Monophthongierung aus Gauda, vgl. die westgot. Bischöfe Gaudila von 688 und Gundula von (>532) zu Grunde liegt.

WILJARITH.

Der Commandant von Neapel i. .1. 534 heisst bei Proc. Gvhiupig. Auch sonst erscheint der Name bei Proc.3, in der Hegel correcter Ovtklagt^ (Gen. -pidoq) geschrieben, so für jenen Sieger von Mueella , den Marcell. Viliarid nennt: bei Oass. Var. Wiliarit und ebenso in der Neapeler Urkunde jener VuiUavit, der sich in seiner got. Unter- schrift Wiljarip schreibt; eine Inschrift bei Kossi I, 1028 aus dem Jahre 532 nennt gleichfalls einen Wiliarit und eine Uapuaner Inschrift des folgenden Jahres (CIL X, 4497) einen Guiliarit.4

Das erste Compositionsglied, got. teil ja (auch in wilja- halpei) an. eile ags. tcdla as. williu ahd. willo, zeigt noch intacten Fugenvocal, welcher, im Gegensatz zu sonstiger Abschwächung im Ostgot., hier durch den Gleichlaut des Simplex geschützt wurde, wie andererseits die starken ja- Stämme, die ostgot. auf -i auslauten, ihren Stammesauslaut in der Composition durch Einfluss ihrer appellativen Form schneller abschwächen und palatalisieren/' Doch zeigen

1 Wand. 85.

3 Dietrich 37. 40.

* Dahn, Könige IV, 174.

4 Den Romanisten wird dieacs friiho gu für germ. w interessieren : die Belege hierfür bei Diez, Gr. P, 324 gehen nicht über das 8. Jahrh. hinaus.

5 Vgl. zu Haritjern oben 8. 68,

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weitere Zeugnisse, wie der gleiche Reductionsprocess auch bei den /"//-Stämmen wirkt. Ungeschwächt wie in obigen Namen ist die Compositionsfuge noch in dem inschriftlichen Wiljaric von 589. 1 Aber die nächste Stute WH je- liegt schon vor in dem WiUjenant der Neapeler Urkunde. Und wenn auf dieses Wilje- die ostgotische Neigung wirkt den Fugenvocal in der /-Färbung zu geben, so wird aus 117///- leicht H77/-2, und dieses liegt in den ostgot. Namen Oi'Xr/t- auln^ (Proc), OvXifon*; (Proc), Wilh/is (Cass.). Wilitaneus (Cass.), Wilifara (Kossi I, 109:1) vor, vielleicht auch in W Marius (Cass.), wenn hier nicht Syncope aus Wilja-harius älter ist. Im übrigen beachte man die ganz gleichmässige Schreibung H77-, die nie in Wel- schwankt des folgenden / wegen.

Das zweite Compositionsglied kann als ostgot. -r/7/* entweder auf wulf. *reips oder wulf. *reps (mit ostgot. Färbung) weisen.3 Ersteres , mit dem «-Suffix aus got. *reidan an. ripa u. s. w. gebildet und namentlich in zahl- reichen an. Namen auf -ripr von Bugge nachgewiesen 4. ist jetzt ausführlicher von Henning behandelt. h Die Be- deutung des vorliegenden Namens und die got. Schreibung Wiljunp (nicht -reip) spricht für got. *rips, mit demselben '/-Suffix zu got. redan an. rapa u. s. w.6 In Bezug auf das consonantische Auslautsgesetz seien die ostgot. Namen auf -rith hier zusammengestellt: ausser obigen Viliarid und Wiljarit(h) noch Sinderith (Jord. , der auch ebenso correct den Vater des Geberich Hilderith nennt). Frunmrith (Cass.), Liuvirit (Cass.), Dumerit (Cass.), Witterit (Mar. Nr. 1U), Optant (Neap. Urk.), Guderit (Neap. Urk.; Mar. Nr. 80; CIL V, 1588), Aderit (Mar. Nr. 80), Landarit, Lcudarit (Mar. Nr. 79), Gundirit (Mar. Nr. 79. 80. 88), Nunderit, Otrutarit

1 Kossi I, 1126.

2 Vgl. obon 8. 68.

8 Zimmer, QF XIII, 43. 45.

* KZ III, 26 ff.

s Runendenkmäler t f.

* Wand. 68 f. 05. Zur Bedeutung Bezzcnbergcr in seinen Beitr. IV, 327.

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(Mar. Nr. 75), Giber U (Mar. Nr. 131). Also in keiner Quelle auch nur eine Erinnerung an das ursprüngliche Nomin. -s. Man vermute es deshalb auch nicht in der gr. Transscription -ni^. Wenn Prot*. OvtXinytc, O^r«^/^, .■/<■ tiUp/^ Prot*, und Agath. ' Puyrruitc schreiben, so ist das c eine blosse Schreibung für das spirantische »V -.--= got. p,} welche für das im gr. Auslaut ungeläutige # eine gr. Endung schafft (vgl. die ent- sprechenden Aec. auf "jir bei Proc.2); wer aber dieses -c für got. -s nimmt, müsste erst für den gleichmässigcn Schwund des vorhergehenden Dentals eine Erklärung beibringen. Die constante Überlieferung des / scheint darauf hinzuweisen, dass *rtps und *reif>$ als Namenelcmente ihre Bedeutung längst abgeschwächt hatten und vielleicht kaum noch geschieden wurden. Auf ähnliche Keducierung der Function häufigerer Namenglieder wird man auch durch sonstige Verwechslungen geführt, und für -rith wird noch mechanischer Tausch mit •ric und -hart begegnen u. ä.3

THEODAHATH.

Nach Athalarics Tode 5;U nahm Amalaswintha ihren Vetter Theodahath, den Sohn der Amalafrida, zum Mit- regenten an.

Auf seinen Münzen4 heisst er Theodahathm -hatm -hadut, ein treffender Beweis für den im Werden begriffenen Übergang der tonlosen dentalen Spirans zur tönenden, der in dem Theodahudua bei Marcell., Cass.\ Jord. vollendet scheint.

Den ersten Teil schreiben alle lat. Quellen Theod-, alle gr. Gtrd-.

Das zweite Glied zu got. *liapns an. Hqpr ags. Itaipo- ahd. hadu- mhd. ha<icrH, welches in den späteren germ.

1 Gr. .*» damals schon Spirans, nicht mehr Aspirata: Blass 82.

* Wand. 69; Waokernagcl, Kl. Sehr. III, 394 f.

* Wand. 55.

* Friedlander 36 ff.

6 Ob der Vir Senator Theodahadus Var. III, 15 der spätere König, bleibt dahingestellt; Dahn, Könige III, 94, 5.

* Fiok, Vgl. Wörterb. III3, 60 f.; Kluge, EW« unter „Hader". Gallisch catu-.

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Epochen als Appellativuni verloren ging und sich nur in Eigennamen hielt grade wie das alte *////<//, vermutlieh weil beide Appellativ* zugleich Götternamen waren 1 und deshalb aus religiöser Scheu, später aus Aberglauben in der gewöhn- lichen Hede durch Synonyma ersetzt wurden. Spätere, be- sonders ahd. Namen weisen darauf hin, dass nicht got. *h«f)us selbst, sondern wieder eine secundäre «-Bildung im obigen Namen vorliegt , wulf. *https, ostgot. *hath (mit noch ton- losem //* im Auslaut wie oben in ritit), obwohl der Abfall des Nom.-s hier nicht belegt, sondern immer lat. oder gr. o-Flexion angetreten ist.

Die schon bei Dnmilda beobachtete Syncope des Stammes- auslauts vom ersten Gliede mit dem Anlaut des zweiten muss auch bei Theodahath entweder schon vorhanden gewesen sein oder jedenfalls in gewöhnlicher Hede sein- nahe gelegen haben. Einmal zeigt dies das fiki»J«rrv der gr. Quellen (Proc, Agath.. Euagr.) und dann die spätere Neigung der gelehrten Autoren den Namen als T/no-datns zu etymologi- sieren2: Theodatns (in Varianten mit gelegentlicher Graeci- sierung Theodotus) schreiben Marcoll. (viermal neben drei Thtodahadiis), Anon. Cusp., die gelehrten Schreiber des Lib. pontif., die Epitome Justin., Liberatus, Fredeg.. Paul. u. s. w., auch einzelne Hss. des Cass. und .lord. Daneben zeigt der Theodii d us des Greg. Tur. die organische Syncope ohne solche lat. Deutung. Der späte Thetulanns des Chron. Moiss. braucht nicht auf Schreibfehler zu beruhen, vgl. unter „Anna".

THKODKXANTIIA.

Eine Tochter des Theodahath war die Gemahlin des Überläufers Ebremuth (s. u.): ("hvösvnv&a Proc.

Der zweite Teil, wulf. -nanpa, mit starker Endung und noch unveränderter Spirans, (vgl. Amalaswintha) zu *nanps

1 Jlopr hcisftt Ballier« Bruder; H<fp und Hildr sind Walküron- namcn, beides nicht Koseformen, sondern mythologische Personifikationen: der Kampf, Krieg *«r* *{|o/»/V.

3 Agnellus schreibt sogar Deodatua; vgl. Förstemann, Namen- buch I, 1179. Ein Adeodafus z. B. Cass. Yar. III, 46; ähnlich />«<*- dedit XII, 21.

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(ostgot. in Gudinunth, Wiljenanth, Namlwin, Nanderit), vgl. got. nanpjan an. nenna ags. nfipan as. nadian ahd. mnden wagen 44 (ahd. //<///</ ,. Verwegenheit*). Vgl. noch Xawta, den Namen von Haiders Gattin.1

THEODEGISL.

Einen Sohn des Theodahath hält Witigis in Gewahrsam:

Für -yiscl verweise ich auf Wand. .V2, wo es als romani- sierte Schreihung für germ. -yisl- gefasst ist. Wenn ich aber dort das zu Grunde liegende von welchem -yisl-

eine /-Ableitung wie got. ptrahl von pivahun, fairuvitl von Wz. /r/72, als schwache Ablautsform zu dem starken *'yitiza- an. y<ri/*r ags. ycir as. ahd. //tV erklärte, so wird das zu moditicieren sein.3 Denn in *yaiza- ist der Diphthong uralt und ablautsfrei, wie ai. hi'sas ^Geschoss44, gr. yaloc „Hirten- stabfc, air. yai „Speer* zeigt sowie das Nebeneinander von ursprünglich oxytoniertem *yaiza- und paroxytoniertem *yais- an. yeisl ahd. yeisala. Beide aber sind unverwandt mit got. us-yaisjan , -yeis/ian -erschrecken",4 an welches ich das onomatologisch so häutige -yU- anknüpfen möchte, also als ein Synonymon zu dem ebenfalls in Namen geläufigen atjis «Furcht*4. Wie got. *6yan „sich fürchten* öyjun „in Furcht setzen" auf ein starkes Verbum *«y<tn zurückgehen (un-ayands) und der Stamm des letzteren in der /-Ableitung uyls , unschicklich, schimpflich*5 erhalten ist, so entspricht dem got. yais-jan und yeis-nun ein präsentischer Stamm *yeis- und mit derselben /-Ableitung das vorliegende -yisl.6

« Zimmer, QF XIII, 279. 2 Grimm, Gr. II (1878), 95.

s Ebenso Hildebrand im DWB u. ^Geisel*; doch vgl. man da- selbst die reiche Namensammlung, auch das Nebeneinander der Appol- lativa an f/isl ags. (/isel ahd. gisal und mnd. nrh. yis gisv „obses, vades**.

4 Feist, Grundriss der gotischen Etymologie (Strassburg 1888), 8. 41 ; Webster, Zur Gutturalfrage im Gotischen (Boston 1889 ), S. 22.

* Vgl. oben 8. 77, 9.

" Präsentisches gis, nicht prateritales gis, entsprechend fairweitl zur Wz. wit ; vgl. WUegisen : wisen Rabenschi. 732, 5 (Singer, Anz. XIV, 34). Über da« /-Suffix vgl. Sütterlin , Nomina agentis 29 ff., besonders 35 ff. die zahlreichen Nom. agentis adjectiva.

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GRIPPA.

Ein Anführer gotischer Hinfalle nach Dalmatien i. J. 535 heisst bei Proe. rahnng. Per Name, mit hypocoristischer Consonantendehnung und graecisierter Endung, ^ ostgot. Gripa, ist primäre Koseform zu einem Vollnamen, dessen eines Glied zu got. yreipan an. yr'ipa u. s. w. gehörte1; vgl. an. -yrtpr in den an. Compositis vinyripr, vipyriprr

ASINAUIUs.

Ein weiterer got. Befehlshaber neben Grippa in Dal- matien heisst 535 und 537 bei Proc. . iötruomc. Da das Uot. des Wultila im 4. .lahrh. schon ttsilus hat mit vollen- detem Übergang des ursprünglichen n in l (got. asilus ags. esol eosol as. ahd. est'/ gemeingerm. Lehnwort aus lat. asiwts), so verbietet es sich , Asiwtrius etwa als *Asiht-h(irjis zu fassen, vielmehr bleibt es lat. Bildung.3 Oder aber es ist in Asniarins umzustellen: ostgot. Asni-hari wäre Führer der Söldlinge", zu got. asneis und harjis.

SINDERITH.

Beiisar begann den gotischen Feldzug 535 auf Sieilien, wo sich ihm alsbald der got. Kommandant von Syracus ergab: Sinder äh bei Jord.

Das erste Namenglied , auch in der inschriftlichen Sendefara, im Sindila Sinthila der Neapeler Urk. (wieder mit dem Schwanken zwischen d und />) und im Sindida der Ep. pontif., zu got. stups an. sinn ags. stp as. std ahd. sind „Heise, Heereszug" (dazu got. yasinpa ahd. yisittd as. yisid). Unrecht hat Kremer,4 wenn er wulf. *Swinpartps, Swinpila herstellt, da die sichere Überlieferung z. B. der Amalaswintha

1 Förstemann, Namenbuch I, 551.

8 Zimmer, QF XIII, 45.

9 Dahn, Könige IV, 174. 4 Beitr. VIII, 437. 450.

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die ostgot. Erhaltung dos w beweist. Andrerseits bezeugt der Name auch die Bewahrung des alten n vor Dental ; 1 und wenn ein Amale und Verbündeter Theoderics aus der voritalienisehen Zeit von 475 2 bei Malch. 248, 5. 17 u. ö. ^AÖtfHwvdo^ heisst, so hat der erste Teil seines Namens mit obigem Sind' nichts zu tun, sondern beruht auf gut. sidns an. sipr ags. as. sidn ahd. situ; bei Förstemann3 sind freilich beide Stämme durch einander geworfen.

TZ ITT A.

Ein Fatricius in Mysien tritt zum Jahre 5:15 bei Marcell. auf, mit Namen Tzitta. Die wunderliche Gestalt des letzteren (ebenso Turnte; bei Malal.) ist dennoch nicht anzutasten, denn auch eine Inschrift vom Jahre 508 (CIL V, 7793) giebt den Gen. Tzittuni (man beachte den Reflex des n- Stammes), und in der Urkunde Nr. 122 bei Marini vom Jahre 591 steht dreimal die Form Tzita, einmal Tzitta, einmal Tazitta, einmal Zita, einmal Khtu*

Für das tz oder z verweise ich auf das S. 72 f. unter „Pitzia" Gesagte und füge hinzu, dass assibiliertes ts(i) tz(i) zz{i) z(i) si sich auch im Anlaut findet, dass lat. dies als zes erscheint u. s. w.'' Im übrigen weiss ich keine andere Deutung als den Namen zu Mamma, Wamba u. ä. zu stellen und ihn als einen auf eine körperliche Eigentümlichkeit hinzeigenden Zu- oder Necknamen zu fassen : got. *titta ist die Entsprechung zu ags. tit nd. titte mhd. zitze und wird der romanischen Entlehnung ital. tetta zizza frz. fette span. teta v' zu Grunde liegen.7

1 Wand. 108.

* Dahn, Könige II, 72.

s Namenbuch I, 1103 ff.

* Dahn, Könige IV, 186.

6 Scelmann 322 f.

0 Kluge, EW4 unter „Zitzo".

7 Ein« ganz vage Hypothese könnte nach der einen griech. Umschrift in der citierten Urkunde einen ursprünglichen Guttural an- setzen und die übrigen tz und z als dos Resultat dos romanischen Pala- talisierungsproeesses betrachten, welchen letzthin Hönning (Runendenkm.

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EBRKMUTH.

Der Schwiegersohn des Theodahath ging vor Kegium r>:J»i mit seinen Goten zu Heiisar über, um dann in Byzanz mit Ehren als Patricius aufgenommen zu werden. Ebretnud nennt ihn Marcel 1., Everumd Jord., ' Eflyiuov» Proc.

Für den ersten Teil, das an. jqfnrr („Eber* und übertragen „Fürst") ags. eofor ahd. ebur, weisen Marcell. und Proc. auf ein got. *ibru$. Will man danach das Evcr- des Jord. nicht in Ecrr- umstellen, so kann sein Evermud auf einen got. Mittelvocal deuten, der bei ihm zu e min- dert, bei Marcell. und Proc. ganz unterdrückt wäre: ent- weder wulf. *ibants (vgl. unten ostgot. wisattd gegenüber an. ri.wtidr ahd. irismtt) oder *iburtts (vgl. got. inihiks gegen- über an. mjolk < *meluk ags. meulnr as. tniluk ahd. wiluh). Man beachte das r bei Jord. für intervocalisches b und das constante <• für wulf. /.

Das zweite Glied, inud bei den Lateinern, ftnvü bei dem Griechen, mit ostgot. m für wulf. o (doch bei Jord. in Var. o) und ohne Noniin.-s, ist ein zum wulf. wops ags. as. tuod ahd. mtwt1 gehöriges secundäres Adj. *möps (ahd. -möt -moti,2 as. ~mod in yHmöd „übermütig*3); sonst vgl. Wand. ()7* In der Urkunde von Arezzo der ostgot. Ahnnud gegenüber dem wulf. Dativ Ahimmhi. Eine dem (/-Stamm entsprechende Flexio latina auf -us fand ich bei Jord. 12:1, 6. KU, 21 für Tltorlsmitth , 21 für dessen Sohn

Herimnth?

Ol ff.) in ähnlichem Zusammenhang behandelt bat. Im Inlaut zwischen Vocnlen hat man denselben bin ins 0. Jahrb. hinein zurückvcrfolgt. So problematisch dieser Deutungsversuch bleiben würde, ho gestattet er doch einen Verweis auf Forstcmanu, Namenbuch I, 810 oder 1370.

» Zimmer, QF XIII, 233.

* Oraff II, 084 ff.

3 v. Orienberger, Germ. XXXIV, 407.

4 Bei der dort aufgestellten Parallele //(»o-^«,?-™; verbleibe ich trotz Ehrismann, Literaturbl. 1887, Sp. 408; diese dor. Form ist z. R Pind. Ol. 7, 81 belegt.

b Kin obigem Ebremuib analoges Compositum mit got. *baira an. hjom ags. bera ahd. bero. Über den lieriy der got. Ursage bei Jord. s. Müllenhoff im Index 147.

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WITIGIS.

Theodahaths Nachfolger wurde VVitigis, sein früherer Waffenträger und nicht aus edlem Geschlechte, bis 540.

Er heisst auf .seinen Münzen 1 (auf welchen das regel- mässige anlautende fr zu beachten) Wittges Witigis Wittiges, bei Marcell. Vitiges, bei Cass., Lib. pontif. Witigis, beim Anon. Ousp. Guitigis, bei Jord. (abgesehen von den Var.) sechsmal Vitiges und siebenmal Vitigis, bei Proc. Oviviyiq, bei Agath., Euagr., Menand. Ovitnyic, bei Mar. Avent. Wifttgis, bei Paul. bist. rom. Witigis, bist. Langob. Witichis, in den Gesta episc. Neap. Guitigis und Vitigen (Acc).

Danach steht zunächst Witi- fest. Gelegentliches tt ist hypocoristiseh. Die ganz constante Überlieferung des ersten / verbietet , an got. uaihts an. vettr ags. as. ahd. wiht zu denken,2 weist vielmehr auf germ. / oder besser /, mag man nun got. *treita- ansetzen, entsprechend frawnt idireit, oder *weitja-, entsprechend an. viti ags. icite as. witi ahd. wUi „Strafe-.8 Ferner warnt das feststehende t, Namen wie den des A malen Weimer hierher zu stellen, und lehnt als grammatisch unmöglich die Hypothese ab, welche den Witege der Heldensage mit unserm Witigis in Verbindung bringt, mag sie diesen ganz für Widigoja ein- setzen oder neben ihm gelten lassen.4

Der zweite Teil lautet nach der Majorität der Quellen -gis, d. i. -gis, worüber oben 8. 91. Daher5 kann das häufige -ges nicht auf einfacher graphischer Verwechslung beruhen , sondern wird wiederum eine Vertausehung von zwei namenschliessenden Compositionselementen bezeugen :

1 Friodländer 40 ff.

2 Acadcmy 18S7, 206. Eutharics Vater, der Solin de« Bcriniuth, ein spanischer Amale, heisst bei Jord. an fünf Stellen Vetericns, einmal Vitirichns; hier mag daher utt- - wulf. waiht* sein; dazu Stark, Kosenamen 18; Möllenhoff, Beovulf 61 f.

3 Schlüter, Die mit dem Suffixe ja gebildeten deutschen Nomina lüöttingcn 1874), S. 29.

* So noch Symons in Paul« Grundrias II, I, 46. Vgl. oben 8. 69, 1. 6 Vgl. oben 8. 8 und u. Vocalismus". Auch findet sich nie -ge*(r)l- für -tjig(c)l-.

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wir kennen got. *gaiza- an zweiter Stelle aus Hariogaisus u. ä. und werden in Gestio seine ostgot. Monophthongierung constatieren; somit geht Wittges auf wulf. *Weitigai$ zurück, und ostgot. -gis und -yrs sind vertauscht worden. Zu ver- einzeltem -eis und -ehis oben »S. <>">. Der Name erscheint meist unflectiert ; selten ist sein -is als lat. oder gr. Nomin.- Eudung angesehen , der eorrectere lat. Gen. -chisi nur in zwei Hss. bei Paul.

MATE8WINTH A.

Mateswintha, die Schwester Athalarics, wurde von Witigis zur Ehe gezwungen, heiratete nach dessen

Tode Justinians Neffen Germanus. der r>.r)() Oberbefehls- haber gegen die Goten wurde, und wurde die Mutter des jüngeren Germanus, welcher nach dem Tode seines Vaters 552 als der Erbe des Ostgotenreiches galt.

Sie wird von Marcel). Motesuentho (al. -srinto), von Jord. Mothesuentho , von Proc. MuTttmwvUu genannt. Für den ersten Teil des Namens darf weder an got. mots noch mohts gedacht werden , weil beides i-Stämme sind , die schon bei Wulf, in der Composition moti- mohti- erfordern würden. Anknüpfung an got. inopo hindert dessen Be- deutung, da mapa nur den „sich krümmenden Wurm", be- sonders den w Regenwurm fc bedeutet, nicht etwa mit an. Ii mir ahd. Und synonym ist. Kremer 1 will *tuopo zu Grunde legen, die got. Entsprechung zu dem ahd. »todu einer Tegernseer Glosse,2 das andana (?), palidonia, eine Art Lied bedeuten soll, den suffixlosen Stamm zu got. mop-l an. mo-l ags. mep-el as. ahd. mohal: dann würde der Name zu jener Gruppe gehören , welche Förstemann :i unter moth zusammenbringt.4 Ich stelle dieser Vermutung

1 Beitr. VIII, 426, mit Dreeke, Verwnndtschaftanamcn 168.

* Oraff H, 658.

Namenbuch I, 917 ff.

4 Die kleine Sammlung von German entminen mit Mad- bei Henning, Runemlenkm. 114, ist fern zu halten, du hier das d germ. ist, wenn Henning» Anknüpfung an ags. tneadn n«. madtt mhd. male (Müllenhoff, Zs. XXIII, 5 f.) oder an kelt. math mad „bonus* (zu letzterem noch Stark, Kosenamen 81. 42 1 richtig ist.

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97

eine andere gegenüber, ohne mehr als eine solche geben zu wollen. Der biblische Name Mattathias steht Luc. 3, 25. 2t) zweimal im Gen.: gr. Marrudiov; zu letzterem wurde von Wulfila unrichtig ein Nom. Marratfioc, lat, Mattathim angesetzt und danach Luc. 3, 26 ein got. Gen. Mattapiaus mechanisch nach der i/-Declination gebildet, während ihm Luc. 3, 25 der Ausgang des Namens als got. Pius vor- schwebt und demgemäss Maftapiicis fleetiert wird. Hieraus folgt zweierlei: einmal dass got. pius in Namenbildungen nicht ungeläufig war, ferner dass ein germ. Mata- (Malta- hypocoristisch) in Eigennamen bekannt scheint. Dann ist Mute-, nicht Mathesirentha zu schreiben, und der Name stellt sich zu Förstemanns twu-Gruppe.1 Freilich bleibt auch hier seine etymologische Deutung zweifelhaft; viel- leicht ist an die Bezeichnung einer Waffe zu denken von der Wurzel mat „behauen", vgl. ags. engl, mattock „Hacke", got. *matja ahd. stebmiezzo; letztere scheinen zwar aus dem Lateinischen entlehnte ("ultur Wörter (vgl. lat. mateola ital. mazzuola)? aber doch aus sehr früher Periode, wie die ahd. Lautverschiebung mezzo erweist.

Zum zweiten Gliede oben S. 66. Wenn Friedländer3 die Monogramme auf den Münzen mit Sicherheit als Mata- sunda auflösen will, so kann trotzdem irgend ein Grundstrich noch ein i vertreten sollen, andernfalls würde Matasunda sich als Graecisierung zu Proc.'s Mutaöovvda stellen und sich aus dem byzantinischen Aufenthalt der Fürstin er- klären. Im übrigen bemerke man wiederum das jüngere d dieser Monogramme.

OPTAMTH.

Der Mörder des Theodahath, welcher diesen im Jahre 536 auf Befehl des Witigis, zugleich persönlichem Uache- drang folgend, überfiel und „wie ein Opfertier abschlachtete14, heisst bei l'roc. Onvagig.

1 Namenbuch I, 92G f. Ä Bugge, Beza. Beitr. XIV, 57. 3 Münzen der Ostgoten 42. QF. lxviii.

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Oft -

Derselbe Name im Optovit 1 der Neapeler Urkunde, der in der speciellen got. Unterschrift desselben Mannes ebendort als Ufitahari* wiedergegeben wird.

Für das Anfangsglied des Namens braucht man an Grimms Deutung2 nicht zu zweifeln,3 da auch sonst all- gemeine Adverbien zur Namenbildung verwandt werden (vgl. airman-, filn- u. a.), mag man nun eine ursprünglich vollere Bedeutung zu Grunde legen oder nicht: got. nf ta- rn, opf ags. oft as. oft(o) ahd. o/to. Aber auffallend ist das lat. gr. o, während sonst das Ostgot. den a-Vmlaut des it kaum zu kennen scheint:4 vielleicht ist deshalb daran zu erinnern, dass das gegenseitige Verhältnis von got. nfta „oft" und auf tu vielleicht" noch nicht aufge- klart ist : wenn aber für letzteres Matth. 27, f>4 ufto ge- schrieben wird, dann ist eine derartige wechselseitige Be- einflussung beider Partikeln in Eigennamen erst recht möglich, wo sie durch die Bedeutungsabschwächung der Namenglieder befördert wurde. Über das geläufige lat. gr. pt vgl. Wand. 47 und die dort gegebenen Citate;5 dass es sich nur um ungermanische Schreibung, nicht um Dialect- entwicklung wie im späteren An. handelt.6 wird eben durch das got. Ufta- bewiesen ; 7 dazu kommt, dass inlautendes f dem Lateiner nur in seltenen Entlehnungen bekannt, sonst aber unlateinisch war.8

1 Bernhardt liest Ojjfrit, welches aber nach der got. Sehreibung und nach Proc. ohne Bedonken in Optant zu bessern. Umgekehrt erklärt die lat. und die gr. Umschrift das i im got. Ufita- für Schreib- fehler ( mit Massmann I, da für eine phonetische Erklärung das * könnte etwa den Übergang vom bilabialen ./' zum alveolaren / markieren - jede Analogie in der got. Schrift fehlt.

2 Zs. III, 147 ff.

8 Forstemann, Namenbuch I, 1210. * Vgl. unter w Vocalismus".

6 Dazu noch Wackernagel, Kl. Sehr. III, M41, auch Kluge in Pauls Grundriss I, 315.

6 Noreen § 185. Die älteste isl. Hs., AM 2.17 fol., schreibt in den hierher gehörigen Fällen immer noch //.

7 Vgl. auch unter „Oppa4*.

" Seelmann MO. Dnzu noch Pnul, lieitr. I, 15(1.

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- 99

Wenn die Neap. Urk. dein got. Uftahari ein lat. Optant gegenüberstellt, so sind wieder zwei namenschliessende Compositionsglieder vertauscht worden. In diesem Falle beweist die Vertauschung zugleich, dass die Syncope der Compositionsfuge schon vollendet war, denn nur auf der Ähnlichkeit von *Uft-ari und *Ufta-rith kann sie beruhen, sodass das got. Uftahari sich als historische oder etymo- logische Schreibung erweist. Sie gewährt aber andrerseits zu wulf. harjis an. herr ags. here as. ahd. heri die ostgot. Form hart: mit Einbusse des Nom.-s! Näheres über dieses weitere Stadium des Auslautsgesetzes , namentlich über die Frage, ob der Schwund des s als organischer oder analoger Vorgang (etwa nach dem Acc.) zu fassen, unter „Declination". Die Bedeutung von harjis in Eigen- namen ist die auch beim ahd. Appellativum bekannte von „miles, dux, hostis" ; 1 aber die Abschwächung derselben in den Namen ist, wie obige Vertauschung zeigt, gross und mitunter wird nicht gesagt werden können, wie weit es als blosses onomatologisches Suffix empfunden wurde, das mit dem Suffix -ano- (got. -areis an. -ere -are ags. afr. -ere as. -eri ahd. -äri -ari -eri mhd. -aere-) zusammenfiel. Sonst in der Interpretatio romana et graeca, dem a-Stamm entsprechend, -arim -upio^.

LEUDERITH.

536* werden in Horn 4000 Goten befehligt von .tevöfgts (Proc.) = ostgot. Leuderith.

Zum ersten Teil, auch im Leodifridus des Cass., vgl. ags. leode ahd. liuti? das in Namen wie piuda nur ver- stärkende oder verallgemeinernde Bedeutung haben wird, wenn man nicht an ags. leod Fürst4* denken will.4

1 Möllenhoff, Zs. IX, 247.

* Süttcrlin, Nomina agontis 77 ff.

3 Wackernagel, Kl. Sehr. III, 404.

4 Zimmor, QF XIII, 35.

7*

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loo

MARCJA.

Zuerst als Heerführer in Gallien, dann als Commandant eines der sieben Lager vor Koni erscheint 5;U> und .r>:i7 bei Proc. Mayy.iaq ; wieder mit griech. Endung für got. Mark ja ; als characteristischer Beiname entweder secundäre /Vw-Ablei- tung zu got. marka „Mark, Grenze, Gebiet" an. m^r&ags. mearc as. marca ahd. marcha oder einfacher Nomen agentis zu *mark- jan an. merk ja ahd. merken „bezeichnen, wahrnehmen, ver- stehen" (vgl. das mhd. Adj. merke „aufmerksam");1 Anknüpfung an got. *marh an. marr ags. mearh alid. marah verbietet die Schwäche des got. //, Proc. hätte dann Maytaq geschrieben.

H TN ILA.

Der Feldherr des Witigis, welcher i. .1. W7 zusammen mit Pitzia vor IVrusia von einem römischen Heere ge- schlagen und gefangen wurde, heisst bei .Jord. Hiwtrifa Hiniila , bei Proc. OvviXa^: ein secundärcr Hypocorismus, zu dessen Stammwort oben S. 82.

WILIOISL.

Ein Commandant von (>00 Goten in Tudertum 537 und TMS: OvhylöaXnq Proc.

Zum ersten Teil oben S. H7 f.; Ovh- für OviXt- wie -aowita für -oovtr&a u. ä. giebt den besten Beweis für die halbvocalische Natur des got. u\ das im Ohre des Griechen silbenbildend klingt und den eigentlichen Wurzelvocal verschlingt.

Zum zweiten Teil oben S. 91. Die dem Nichtgermanen unbequeme Lautverbindung sl ist hier nicht als sei, sondern

1 Für die A mal in dea 4. Jahrhs., welche jetzt in Mommsens Jord. 122, 6 Vadawerctt heisst, geben OBXY riclitigeres -»nur- (s. Müllen- lioff im Index); ja vielleicht ist das -marica XY in -mareia umzustellen, welches obigem Markja an die Seite träte; dann wilrc das Etymon auch in zweigliedrigem Ootennamon erwiesen, und aus pinem solchen wäre obiger Mai'kja Koseform.

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durch Svarabhakti umgangen oder mundrecht gemacht, während der gleichnamige Wiligisclus bei Cass. den andern Ausweg zeigt.

W IS AND.

Öviauvöog ist bei Proc. an zwei Stellen Name eines gotischen Heerführers, vermutlich eines und desselben.1 An der ersten Stelle führt er den Doppelnamen Oxhavdoq ßavtidkdmoc, und hiervon ist letzteres der ursprüngliche, normal zweigliedrige Name des Goten, ersteres characteri- stischer Zuname. Dieser, als solcher im Germ, nicht ver- einzelt,- ist nichts anderes als das ursprünglich dem Keltischen entstammende an. visundr ags. wesend ahd. wisnnt mhd. wisent wisente wisant „Wisend. Bisonochse" ; got. *wisands mit derselben Ablautsstufe in der Ableitungssilbe wie z. B. im got. Vogelnamen ah-aks gegenüber den an haukr < Viqb-ukr ags. heafoc ahd. hab-uh (ebenso chran-uh). Ein solcher Beiname passt nur zu gut für den gotischen Helden, welcher in dem Kampfe vor Korns Toren vom Ansturm auf Beiisar erst abliess, als ihn die dreizehnte Wunde nie- derstreckte, welcher dann für tot auf dem Schlachtfelde liegen blieb und erst am dritten Tage noch lebend aufge- funden und gerettet wurde.

WANDALARI.

Sein eigentlicher Name BavdaXdgio^ ist öfter fälschlich als secundärer Beiname gefasst und mit .Bannerträger" übersetzt worden.3 Jedoch einmal sind bei Proc. die germ. Titel nie mit in den griech. Text übernommen, und z. B. alle duces, comites. saiones heissen bei ihm gleichmässig ug/ovTfg; ferner ist das gelegentliche appellativische fidvdov

1 Dahn, Könige IV, 174.

* Ein gleichnamiger Heruler bei Proo., ein Westgote Whandus 683. 688; Förstemann, Namenbuch I, 1331.

Wackernage), Kl. Sehr. III, 389; Dahn, Urgeschichte I, 258; Coote, GSddV, Proc. Got. S. 54, Anm.

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(z. B. I, 415, 20), wenn auch sein germ. Ursprung zweifel- los, grade das römische Heereszeichen (ebenso I, 448, 5 ßuvöntfÖQoq der römische Bannerträger); endlich bliebe für BavdaXaQioc der ableitende Zusammenhang mit got. bandtca handwö rätselhaft. Vielmehr ist der Name derselbe wie der, welchen ein Amale des 4. Jahrhs. führt: Vandalarius (al. Vandiliarius) Jord., d. i. ostgot. Wandalari, syncopiert aus *Wandala-hari , ein mit einem Völkernamen com- ponierter Personenname, ähnlich dem Vhiitharius bei Jord. (Winitarius Cass. Var. XI, 1), wie Ermanarics Nachfolger heisst, d. i. der „Wendenkämpfer".1 BavdaXu(jtog ist die un- mittelbare Übertragung aus dem lat. Vandalarius (daher auch das anlautende ß), ungeachtet des sonst als BavdiXm graecisierten Volksnamens (vgl. die Var. VandilUtritts, noch ohne Syncope und mit i als Compositionsvocal, bei Jord. und den Ostgoten Wand'd bei Cass.). Sonst zum ersten Teil des Namens Wand. 38 f.

WACI.

Ein weiterer aQ/fivrojv tt$ ot x urf urtjq ni'tjo- aus dem Jahre 5:57: Ovaxi^ Proc, vielleicht derselbe wie jener Maior domus, dessen Name bei Cass. Var. X, 18 im Acc. Waccenem lautet. Der zu Grunde liegende , auch sonst im germ. Namenschatze erscheinende Stamm3 kann kein andrer sein als der in nhd. wach. Dieses aber ist ein ganz junges, erst seit dem vorigen Jahrh. belegtes Adj.4, das in den älteren Perioden und Dialecten durch die r-Ableitung *wakrs an. vakr ags. wacor ahd. wacchar ersetzt wird (auch in Namen, vgl. Odowacar u. ä.). Bei Namen ohne diese r-Ableitung ist unmittelbar vom verbalen got. wakan an. oaka ags. wacian as. wakön ahd. wahhen auszugehen, und

1 Müllenhoff, Zs. XII, 291, Mummsens Jord. S. 144, DA II, 8S. 120.

* Dahn, Könige IV, 174.

3 Fürstentum], Namenbuch I, 1222 f.

« Kluge, KW«.

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ostgot. Waci = wulf. *Wakjls ist primäre Koseform mit dem ya-Suftix zu einem Vollnamen wie ostgot. Wacimuth oder dem iiischriftlichen westgot. Ebrovaccus von 527 1 oder dem inschriftlichen bürg. Onovaccus von gleichem Jahr,2 von denen die beiden letzteren deutlich das secundäre Nomen agentis zu wakon mit dem a-Suffix zeigen. Cass.'s Acc. Waccenem reflectiert alte /«-Bildung (vgl. wulf. * \\ akhts * Wakin), und so scheint neben dem /«-Hypocorismus Waci der (///-Hypocorismus Waca bestanden zu haben wie oben S. 56 f. Theudi neben Theoda.

ALBI

Der Name des (-roten, welcher eine Gesandtschaft des Witigis i. .1. 5:i7 zu Beiisar führte und bei Proc. im Acc. "Jhflqv heisst , ist ein gleicher /fl-Hypocorismus zu einem mit an. dl/r ags. wlf ahd. mlid. alp gebildeten Vollnamen: ostgot. Albi, wulf. * Albeis. Dazu das secundäre Albila weiter unten. Über Alp- in Eigennamen s. W. Grimms .Ein- leitung über die Elfen",3 welcher aus der Häufigkeit solcher Namen schliesst. „dass man sich dabei nichts Böses noch Gehässiges dachte- ; dazu kommt, „dass seit der Bekehrung das christliche tngil ebenso wie früherhin alp zu Namen- bildungen gebraucht wurde und insoweit an seine Stelle trat" : vgl. neben Albi AWila weiter unten Anyelfrith.

WILJA.

.W8 wird ein Ovh'ac (Proc.) als gotische Geisel gegen einen Köhler eingetauscht : ostgot. Wilfa, wie der Name bei Cass. an fünf Stellen vorkommt; primäre Koseform.4

1 CIL XII, 2.YS4.

? Wackernngel, Kl. Sehr. III, 351. 406. 3 Kl. Sehr. I, 40*) ff., besonders 439 f. 44").

* Zu dem Inrilia bei .Toni. 131, 2G h. Möllenhoff im Index. Für Alaricus findet sieh bei Cass. Vur. die Lesart Inalaricus V (III, 1. 2. 4J. Das in- wird hier steigernde Function haben und die ehrenvolle JJe-

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W1LITHEÜ.

Ein Oheim des Witigis fallt i. J. 538: bei Proc. im Aec. Ovti&tov. Der zweite Teil, got. plus an. -per ags. peöw ahd. deo,x bedeutet in Namen den Wehr- und Waffenfähigen,2 womit auch eine funetionelle Stütze dafür gewonnen ist, dass germ. *petvaz und *peg-naz (ags. pegn ahd. degan) nur durch den grammatischen Wechsel ge- schiedene Formen desselben Stammes sind.3

G1BIMER.

Der Oommandant von 1000 Goten in Clusium 538 bei Proc. im Ate. rifii,ut()u.

ALBILA.

Der gotische Commandant von Orvieto in den Jahren 538 -539: l-iXptkag Proc.

MORUA.

Der Führer von 2000 Goten in Urbinum 538 : /IVo^r«, Proc. Ostgot. Aforra, Kosebildung zu einem mit dem mau- rischen Volksnamen (lat. Maurus, ahd. mhd. mar4) com ponierten

deutung des Namens noch besonders hervorheben sollen. Einen solchen steigernden Zweck hat es auch sonst in der got. Composition: vgl. htati8 „verständig* inahei „8ittsamkeitu mit aha „Sinn, Verstand", inmaidjan und tnaidjan „verändern", 8tcinpjan, inswiiipjan, gaste i»p ja n „stärken". Mit lnwilja vgl. man den Namen einer Gemahlin dos Frankonkönig» Chlothars I. Ingundis bei Fredeg. 106, 19 oder den eines Burgunden von 537 Ingildus CIL XII, 2405. Anders Wacker- nagel, Kl. Sehr. III, 374.

1 Wand. 85 und oben S. 97; reiches Namenmaterial Zs. f. d. Mythol. III, 141 ff.

* Müllenhoff, Zs. XII, 298.

* Vgl. schon J. Grimm, Kl. Sehr. III, 110 ff.

* Vielleicht zu vgl. Müllenhoff, DA II, 97.

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- 1 05

Vollnamen, mit ostgot. Monophthongierung1 und hypocori- stischer Consonantendehnung.

ORAJA.

In den Jahren 538—540 wird ein Neffe des Witigis erwähnt: Oraio Marcoll., Ovodtu^ Proc. Die schwache got. Endung -a bei dem Lateiner entsprechend latinisiert, bei dem Griechen in andrer Weise graecisiert. Sonst aber bleibt die Namenbildung rätselhaft. Vielleicht steht Oruja für Oragja mit dem unter „Sajo" näher zu behandelnden Schwund eines g\ dann könnte Oragja = Or-hagja sein (ostgot. ör- = wulf. *aur- feucht", vgl. ahd. Or-eniil und unten u. Oswin", und hagja eine jcut- Ableitung zu an. hage ags. haga ahd. hag) und als Beiname seinen Träger als den Besitzer eines feuchten Weideplatzes (so hage im An.) bezeichnen. Oder etwa ostgot. O-ragJa = wulf. *Hauh-hragja „der Hochragende", vgl. ags. ofer-hragian „überragen" ?

WACIMUTH.

Ovaxtfiog, der Sieger von Ancona 5:39, Proc. Dahn nennt ihn WachwnU* und diese Auffassung des Namens ist ansprechend: -/ioc bei Proc. für . ostgot. -moth, wulf. -mops würde genau seinem ständigen -ote für ostgot. -rUh, wulf. -rep 8 entsprechen , worüber oben S. 89 ; vgl. zu 'Eß{Hfiov& bei ihm die Var. 'Eßgi/no*;.

SISIGIS.

^ufr/ig gotischer Commandant in der Provinz der cottischen Alpen 539, Proc.

1 Hingegen zwei Westgoten Maureco bei Julian. Toi. (Dietrich, Aussprache d. Got. 35) und Maurila vom 3. Conc. Toi. (Dietrich 37). Könige IV, 174.

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Das erste in germ. Eigennamen häutige Compositions- glied 1 Jiat man entweder als Contraction von ursprüng- lichem sigisi-2 zu deuten gesucht3 oder an das alte sisna4 „Totenklage ~, dann überhaupt .carincn magicum" fauch in sisesang sesspilon u. s. w.5) angeknüpft.6 Beide Er klärungs- versuche können Kecht behalten. Das alte sisna lässt schon in ahd. sisesang u. ä. sein w-Suftix nicht mehr er- kennen und wird daher ebenso in vielen der Sisinand, Sisebut, Sesuald u. s. w. stecken.7 Gut. *siswa (gegenüber lat. sermo < *ses-mo mit selbständigem ?r-Suftix wie got. taths-tra gegenüber lat. dex-ter) hätte als erstes Compo- sitionsglied wulf. siswa- zu lauten, mit späterer Abschwä- chung sistec- siswi-; wenn nun die vocalische Natur des post- consonantischen w schon in der Wurzelsilbe so stark war, dass es im griechischen Ohre den eigentlich silbenbildenden Vocal übertönte, wie regelmässiges -aow$a für got. -strinfia, häutiges Oiü/- für got. WM- zeigen, dann konnte um so leichter obiges siswi- zu sisn- in der Compositum werden, und dieses ist dann, wie got. filn- in Felithanr. *wisn- in Wisibadn, sign- in Sigiwulth weiter behandelt worden. Andrerseits jedoch wird noch in saio für got. *sagja, Dada für *J)agila der gelegentliche Schwund des intervocalischen spirantischen g bei folgendem * oder j zu eonstatieren sein, und demgemäss kann Sisi- auch aus * Sigisi- über *8iisi- hervor- gegangen sein. Wir entscheiden uns hier für die erstere Deu- tung, weil Cass. einen Sigistner, nicht Sigisimer überliefert. Aber die Ähnlichkeit beider Bildungen kann bei ihrer Bedeu-

1 Förstemann, Namenbuch I, 1108 ff. * Vgl. oben 8. 85.

8 Dietrich 74; Bezzenberger, ,4-Reihe 11. 4 Graff VI, 2X1.

6 Grimm, Gdd8 235; Müllenhotr, Dm.» 550; Jcllinghuus, Korre- spondcnzbl. d. V. f. nd. Spr. 1887, S. 77.

6 Müllcnhoir, De antiqu. Gt-rm. poesi cliorica 25; zuletzt Kögel in Pauls Grundriß 11, 169.

' Henning will DLZ 1887, Sp. 15')0 den Wandalen Scrsao Sesao bei Vict. Vit. ebenso als Settno, d. i. SfSico erklären. Meinen Deutungs- versuch Wand. 06 gebe ich danach und aus andern Gründen gern auf, möchte aber den Namen überhaupt für ungermanisch halten.

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I

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tungsschwäche in Eigennamen früh zu mechanischer Ver- wechslung geführt haben.

Wir behandelten bis hierher die Namen der Ostgoten, welche uns in den historischen Quellen bis zum Ausgang der Regierung des Witigis überliefert und mehr oder weniger genau datiert sind. Ks mögen sich hier die Ostrogotica aus Cassiodors Varien anschliesscn, da letztere zwischen 538 und 540 herausgegeben wurden. Ich verweise auf 8. 24 ff. , namentlich auch auf das S. 2o' Gesagte von der Überlieferung der Varien und füge hinzu, dass es mir bei der Niederschrift des folgenden Abschnittes vergönnt war, die ersten 29 Aushängebogen der neuen Ausgabe (bis üb. VIII, 2) einsehen zu dürfen. Ich gebe zunächst die Schrei- bungen denjenigen Namen in den Varien, welche von uns bereits behandelt wurden, weil sie noch in anderen älteren Quellen erschienen, und schliesse dann alle die an, welche hier zuerst begegnen.

Immer Gothi (doch Wisigothae III, 1. 3). Hawaii IV, 1. 39. V. 43 u. ö. Immer Theodericus. Amalafrida IX, 1 (Amale- Gb). Amalasuintha X, 1. 3. 8. 10. 32. Arigermis III, 3(i. 45. IV, Iii. 22. 23. 43. Gudila II, 18. V, 29. Pitzia V, 29 (al. Pithia). Tancila II, 35. Triuuila III, 20. Jhba

IV, 17. Cunigastus VIII, 28. Immer Atlmlaricus. Wiliarit I, 38. Immer Theodahadus. Witigis X, 31-35. Wilia I, 18.

V, 18. 19. 20. IX, 13.»

ANNA.

I, 5. IV, 18; eine primäre Koseform mit hypocoristi- scher Doppel consonanz zu einem Vollnamen, wie ihn etwa Anagastus. der thracisehe Befehlshaber von 4<>9, trägt;2 zu ahd. ano mhd. am em; dazu das secundäre Anila weiter unten, das also in seiner Function ungefähr mit Attila synonym ist. Wieder eine Vertauschung dieses Namengliedes mit

1 Daa amalische Almenverzcidini* XI, 1: Jfamolits, Oxfroyothu, Äthala, Winitarius, l'nimandm, Thörixmuth, Walamen Theiulinier. * Müllenhoff, Z». X, 17.>: Stark, Kosenamen 52.

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- los

*hapus scheint vorzuliegen, wenn das Chron. Moiss. für Thcudathus Theudadus vielmehr Theudanus schreibt.

MATJA.

I, 5 der Gen. Mazenis,* zu dessen Flexion oben S. 102 f. der Acc. Waccettem zu vgl. Das z für ti beruht auf römischer Assibilation, über welche oben 8. 72 f. Mut ja ist ein Neckname und bedeutet den „Esser*: got. matjan (vgl. das matzia im got. Hexameter) zu tnats an. matr u. s. w. „Speise".

VMBISVO.

Gehört dieser Dativ I, \\) überhaupt zu einem gotischen Namen, so könnte Umhin- zu schreiben sein und an ags. umbor „reeens natus" erinnert werden, das einem got. *ttmbis entsprechen könnte wie ags. sigvr got. siyis* Aber der Schluss des Namens bliebe trotzdem rätselhaft.

NANDWIX.

I, 24 ist der Acc. eines Sajonennamens, Nandum, schon von Tross S. b' richtig in Nanduin gebessert. Man vgl. den Nunticin Nentwin der Heldensage.3

Die Schreibung Nandum Hesse an sich auch eine Auflösung als Nanduui zu, d. h. -wi(h), über welches oben S. 74 f. Die sonstige Oberlieferung der Valien zeigt je- doch, dass Cass. für germ. fr nur im Anlaut uu schrieb, im Inlaut hingegen und hier auch beim ursprünglichen An- laut der zweiten Compositionsglieder consequent einfaches u ; so nach LPM wie nach BZG.4 Noch wäre Nandum zu lesen möglich und damit altes got. tviu erzielt, das Müllenhoff annahm/' da neben dem a-Stamm wih noch ein

1 Dahn, Könige IV, 164.

2 Leo, Ags. Glossar (Halle 1877), 4M2.

3 W. Grimm, Heldensage 103. 137 f. « Vgl. oben 8. 78.

5 Schmidts Zs. f. Gesch. VIII, 210. 264. Zs. f. d. A. VI, 431, IX, 247.

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los*

v- oder wi-Stamm herging 1 ; und wenn der Name des Frankenkönigs Ohlodowech in den Var. II, 41. III, 3. 4 Lmluift oder Luduni geschrieben wird, dann könnten z. B. die Chlodovius der merovingisehen Originalurkunden zu der Conjectur Luduiu veranlassen; diese wird aber durch das Fehlen einer grade hier so nahe liegenden lat. Flexionsen- dung unwahrscheinlich und verbietet sich ferner durch den Lodoin bei Jord. ; es bleibt daher auch hier bei Luduin, d. i. Ludwin, dessen zweite Hälfte hier wiederum aus der Ver- wechslung zweier ähnlicher Namenelemente hervorgegangen.

SAJO.

Nandwin ist der erste Sajo, welcher in den Varien begegnet. Dieser amtliche Titel erseheint liier sein- häufig (I. 24. II, 4. VX 20. III, 20. 48. IV, 14 u. s. w.) und ist immer gleichmässig als sah sahnis überliefert.

Was das ostgotische Amt selbst betrifft, so sei der Reihe nach verwiesen auf Manso M4, v. ülöden 70 f., Dahn, Könige III, 181 ff. (hier auch ältere Litteratur), Monunsen, NA XIV, 472 f. Nach letzterem ist der Sajo ein Subaltern- beamter, der Agens in rebus gegenüber den Untertanen gotischen Hechts, welcher königliche Befehle jeglichen In- halts an die davon betroffenen Personen zu übermitteln und ihre Ausführung zu überwachen hat. Dem Character einer derartigen königlichen Vertrauensstellung entspricht es, wenn wir für die Sajonen nur gotische Namen finden, wenn also nur unmittelbare Stammesgenossen des Königs sie be- kleiden durften.

Für die Etymologie des Wortes sind alle früheren Deutungsversuche2 annulliert durch den Aufsatz Kögels über die „Sacebaronon" der hex salica3. Nach dieser dankens- werten Abhandlung gehört es zu der Wurzel seq folgen* (ai. sac gr. frro/mt lat. sequi) und ist ein hieraus mittels

' Henning, RunenUenkm. 35 f.

* Zu lat. sayitm; spiitor zu an. xnjjtt ags. trct/nn a«. scf/yian ahd. xayt'n.

3 z*. xxxiii, n m

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Suffixes ja abgeleitetes Adj. sagja- „folgend, begleitend": letzteres entstand aus älterem *sagtrja- wie an. ylyr aus *uidywjä- oder ags. meeg (pl. meegas) aus *tnagwja- (zu magu got. magus) und deckt sich sowohl lautlich wie in der Bedeutung mit lat. socius aus *sorp*h-s. Und wenn dieses Adj. sagja- nach Kögel in substantivischer Function vorliegt in as. segg ags. seeg an. aeggr, dann bietet unser sr//0, d. i. got. *sayja, eine schwache Substantivierung dar wie got. gamainja zu gawains u. ä.

Die graphische Consequenz in dem einheitlich über- lieferten sah erklärt sich aus amtlichem Usus, und man ist deshalb noch lange nicht berechtigt, ihre Eigentümlichkeiten auf gotische Lautverhältnisse zurückzufuhren. Ein derartiger amtlicher conservativer Kanzleieinfluss zeigte sich schon öfter; wir fanden regelmässiges Theodericus, regelmässiges ungeschwächtes Amala- in Compositis. regelmässiges Theo- dahadus ohne Syneope, alles amtliche oder historische Formen, welche eben durch ihren häufigen Gebrauch in Erlassen und Urkunden auch für Historiker und Steinmetzen fest geworden waren. Daher auch die lat. Endung -o; für die ostgot. Appellati va aber darf aus dem amtlichen Terminus noch nichts geschlossen werden, vielmehr zeigen die zahlreichen Hypo- corismen auf -er, -//ff, -ica u. s. w. . dass got. schw. -a im Ostgot. intact geblieben. Ebenso verhält es sich in saio mit dem Ausfall des g. Es handelt sich hier nur (ähnlich wie beim got. h) um eine organische Schwäche des spiran- tischen intervocalischen g, welche letzteres mitunter in der lat, Transscription unterdrücken Hess; dieselbe Neigung äussert sich in lat. inschriftlichen Frualitas, Auste, Trienta, Cytheo (— Cethego)1; und mit Hecht sagt Arth. Schmidt: .Aller- dings ist die Form sagio gegenüber der von andern Quellen gebrauchten Form des sah sajo als die ältere zu bezeichnen ; die Form sah sajo hat jedoch die Fassung sagio nicht ver- drängt, vielmehr kommen beide Formen neben einander vor, und lässt sich speciell die Schreibweise sagio bis ins Y.\. Jahrb. hinein verfolgen. * 2 Wenn daher auch das latinisierte sah

1 Soelmann 34«.

2 Zh. <J. Savigny-Stiftunj? IX, 2X>.

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- tu

als die Urkundenform des Titels feststeht, so ist das vul- gärgot. Appellativuni doch ohne Bedenken als *xa</ja zu restituieren.1

HUNSLA.

I. 20 Umcilae (Gen.): Name eines Geistlichen. Mit dieser Lehensstellung harmoniert die, wie ich nieine, einzig mögliche Etymologie des Namens: *Hunshi, als primäre Koseform zu *Hunslamtmd o. ä. , von got. Inmsf „Opfer, heiliger Dienst" an. hual ags. html. Das genn. d ist hier zu seil bequemt.2

OANDAC.

I, M Camlacis (Gen.). Auch hei Jord. erscheint der Name: des .Jord. Grossvater war hei einein Alanen Candar (120, 20. 21. 22) Notar. Der Name ist also alanisch, nicht gotisch.

BOJO.

T. 38 Boioni LJ\ Coiotri M (Dat.): Name eines unge- treuen Vormunds; 3 Knschildung zu einem Mannesnamen, der mit dem Volksnamen der Bojer zusammengesetzt war (vgl. fioiorix*), keltischer Lautgehung entsprechend.5 Die Lesart Coio wird für Goio stehen,0 d. i. ostgot. (*oja, wulf. *Gnuja (*Gawjn)7, Koseform zu Widiyoja o. ä.

OSWIN.

Oswin heisst der Vir illustris eomcs, an welchen T, 40. III, 20. IV. 9. IX, 8 gerichtet sind (dazu noch in IX. 9)

1 Vgl. übrigens schon Diefenbach , Vgl. Wörtorb. ilor got. Spr. (Frankf. n. M. 1851) H, 184.

9 Wand. ö2; oben S. 100.

« Dahn, Könige IV, 147.

4 Möllenhoff, DA II, 119. 120.

s Möllenhoff, DA U, 328.

c Vgl. oben S. 05.

7 Dietrich 07. Wuml. 93.

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und welcher zweimal als Comes Dalmatiae et Suaviae er- scheint. Die übereinstimmende Form des Namens in den Codd. ist Osuhi (M Asnin I. 40, Osum III, 2<>, LT' Osunin III, 20).

Man denkt zuerst an einen importierten ags. Namen (ags. Oswine, Wids. 20, der natürlich auf *ons- *an$- zu- rückgeht). Aber Cass. (resp. der Ostgote) pflegt die Eigen- namen der nichtgotischen Stämme zu gotisieren: den Wand. Geiserir nennt er mit ostgot. Monophthongierung Ge(n)sirints, den Franken Cklodowech mit ostgot. Unterdrückung des im Frank, stark articulierten Gutturalanlauts und mit ostgot. Schwund des Compositionsvocals vor fr Lttduin. Demgc- mäss würde er auch ein ags. Oswine als Atisuin wieder- geben, zumal das erste Namenglied auch in wandil. Namen geläufig war: sogar ein Amale heisst Atisila Jord. 77, 2, ebenso ein Wandale Wand. 72. Wir müssen Oswin deshalb als ostgot. Form zu deuten suchen. Der erste Teil des Namens kann bei dem festen, nicht in u sehwankenden o der Stammsilbe nur ostgot. Monophthongierung zeigen aus *ans- *ausa-, der altidg. Benennung der Morgenröte: ai. usus gr. r,(6g lat. aurora lit. auszrä.1 Nicht hierher gehört ahd. Ör-entil2 ags. Edr-endel an. Aur-randUl, denn diese

1 Die Weiterbildung 'uus-fra- oben S. 48 in den Ostrogotae. An. austr ags. edxt nhd. dstan „Osten" und alle hierher gehörigen Ablei- tungen zur Bezeichnung Östlicher Himmelsrichtung sind in ihren Bil- dungen ursprünglich zu trennen von ags. edster ahd. öntara „Ostern" (vgl. Sievers, Beitr. V, 526): letzteres ist eine schon idg. Bildung oder Ableitung, und das / im Namen der altgerm. Frühlingsgöttin Auströ ist, wie das ai. usrd zeigt, nur das phonetische, nicht ableitende gerra. / (wie in xwextr- gegenüber ai. srdsä, Dat. svasri u. s. w.) ; dagegen ist in den Bezeichnungen für Ost und ostlich der Dental suffixal und zwar ursprüngliches />, der an obiges aus- (vgl. lat. ausser gr. aty-ior) antrat und nach dem * zu / wurde. Ebenso wes-t- (an. vestr ahd. tcestan) zu it rs- m's- (vgl. lat. ven-per gr. h-xe'ea, Wisi-gothae oben 8. 48, 7); ver- mutlich auch stid-, d. i. sund- (an. sunnan ags. sup as. süth ahd. sundan) aus germ. sun-p- zu sun- (got. sun-n6); endlich nord- (an. norpr ags. norp as. north ahd. novd), d. i. germ. nor-p- (vgl. an. wor-n, pl. nor-nir? Weinhold, Zs. VI, 460).

8 Kluge stellt es hierher, EW4 254 und ebenso in Pauls Grund- riss I, 399; dgl. W. Müller, Zur Mythologie der griechischen und deutschen Heldensage I18H9), S. 100.

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- Ii:;

müssen gemeingerm. r, nicht 2 enthalten, weil andernfalls im An. 7?-Umlaut, also *Eyr-vamlill zu erwarten wäre (vgl. an. et/ra got. amö *au2Ö, an. reyrr got. raus *rauza l) ; sie stellen sich vielmehr zu an. aurr Jiumus, Feuchtigkeit*1 ags. edr „Meer, Ocean--, welche demnach germ. aura- voraussetzen 3 ; man beachte auch in der Heldensage das Nebeneinander von Namen wie Orendel u. ä. einerseits, Oserich (im Biterolf) u. ä. andrerseits.4

8UNA.

Ein Comes Sutia II. 7, Sana III, Kr»: an erster Stelle mit extremem ti, an zweiter mit altem 6 geschriebene Kose- form eines Namens, dessen eines Glied sich zu an. sdti „Sühne" ahd. suoita .Urteil. Gericht" stell t.'''

FRUMARITH.

Ein Sajo Theoderics II, V\ Fruma rith LT, -r/7 L'M.

Das erste Glied zu got. fruma „primus*. fr ums „initium", an. ags. frum- (ags. fruma „Anfang", as. ahd. fruma „Nutzen, Vorteil").7

BUTILA.

II, 17 der Name eines Presbyters im Dat. Butilaui*: //-Flexion zum Nomin. Butila , wulf. *B6tila; got. böta

1 Noreen § 68, 5.

« Zimmer, QF XIII, 57; Möllenhoff, DA I, 34, jedoch nicht got. *auz.

» Fick, Vgl. Wörtern. III*, 7. Für das ngs. Appellativuni räremhl lat. Jübar* bloibt dann freilich keine andre Erklärung als die von Müllenhoff, DA I, 33 f. versuchte, dass hier ein Eigenname zu einem Appellativum herabgesunken sei (vgl. das an. Aurvatuiil* tä).

* Bei letzterem nimmt freilich Müllenhoff, Zs. X, 172, altes got. 6 an, weiss aber sonat ebenso wenig eine Deutung wie Heinzel, Anz. IX, 249.

* Dahn, Könige III, 179.

* Vgl. Sunilda Jord. 91, 15 und Müllenhoff im Ind.

1 Förstemann, Namenbuch I, 436 f.; «eine locale Beschränkung ib. widerlegt obiger Ostgote.

" Dahn, Könige III, 143. qf. i.xviu. s*

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1U

„Nutzen* an. böt .Besserung, Ersatz, Busse" ags. bot „Nutzen" as. böta .Heilung, Busse" ahd. bitoza .geistliehe und rechtliche Busse". Hatte das ostgot. Appellativuni schon eine specielle theologische Bedeutung, so kann sich Rutila als Name eines Geistlichen zu obigem Huvsla (S. 111) stellen.

WILIGIS.

II, 20 der Dat. Wiliyis; L' Willigis mit hypocoristischer Gemination, M' romanisiert Guiligis.

ADILA.

Die Verwaltung kirchlicher Güter in Sicilien übernimmt nach II. 29 ein Graf Adila.

Ein secundärer Hypocorismus \ zu welchem die ostgot. Vollnamen Aderith, Ademund, Adiuth zu vgl., und daher nicht mit Athafa (oben S. 84) als ursprünglich suffixablautend zu verbinden. Ad- mit tönender Spirans flu- wulf. ist die suffixlose Wurzel zu *apal (oben a. a. ().).-

ALOISO.

So der Name eines Architecten H, :tt> im Dat. Schwer- lich gotisch; schon sein Gewerbe spricht dagegen.

SUN1WATH.

III, VA Suvhivado der Dat. eines Namens, dessen Träger .ad finienda iurgia" nach Samnium geschickt wird.*

Zusammenstellung des ersten Namengliedes mit obigem Suva (S. 11:5) hindert der Stammesauslaut -i, welcher vor folgendem Halbvocal wahrscheinlich geschwunden wäre. Vielmehr liegt got. suuju- vor (vgl. Sunjefvith), dessen a vor dem folgenden w getilgt wurde, sodass sunt- übrig

1 Mit dem andern .SecundäreufRx ein Westgote Adica 564, CIL XII, 2187.

« Vgl. den westgutischen König Mh)auul/us bei Jord. (a. 410—415). Sonst Förstemann, Namenb. I, 130 ff. 3 v. Glödcn 5">.

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blieb: möglich, dass die Schreibung sunhi- den alten Halb- vocal eharacterisieren soll1; got, nun ja 2 „Wahrheit" an. syn „Leugnen, Verweigerung" as. sannea „Not* ahd. summ „auf Wahrheit beruhendes Rechtshindernis".

Das zweite Glied des Namens ist starkes Nomen agentis mit dem (/-Suffix zu got. *wadan an. vapa ags. wadan ahd. watan „gehen, dringen", wulf. *waps ostgot. wath (nach rith).' Henning4 stellt die hierher gehörigen Namen lieber zu got. wadi „Unterpfand" : wenigstens für die ostgot. Namen ist das abzulehnen, weil in ihnen von der /«-Bildung des got. Appellativums nichts zu merken ist. Wenn aber Dietrich und nach ihm Bezzenberger 5 -vadus lesen, d. i. wulf. ~wrp-, so ist das der gleiche Fehler, wie wenn Kremer c den Goten Erpaniara als Erpa-mara fasst! Die Variante Sunibado in Ml darf nicht mit dem üblichen Wechsel von v und b im Lateinischen abgetan werden, denn got. anlautendes b blieb natürlich auch in der Komposition explosiv: vgl. ebenso zum //oben S. t>5 und sonst 8. !); auch kommt dieser Wechsel z. B. bei den mit -win, -wulf componierten Namen nie vor, obgleich deren w in der Komposition immer als v erscheint (S. 108). Ks wird daher wiederum eine Y'ertausehung zweier namenschliessender Konipositionsglieder, nämlich -wud- und •bad- vorliegen."

MAIiABADU.

Marabadus, Kornes in Massilia, III, IV, 12. 4(J; in 7i ofiäxo*\s Der erste Teil got. *tnarha- (an. marr

1 Vgl. unter „Gundwulf". ' Schlüter, Suffix ja, 42.

8 Vgl. auslautendes -wat -und bei Förstemann, Namenbuch I, 1224. * Runendenkmüler 113.

5 Aussprache 63. yl-Reihe 12.

6 Beitr. VIII, 43<J. Vgl. unter „Amara*.

7 Von den beiden zu Suniwath möglichen Hypocurismen kann der eine vorliegen in Sunnia (mit hypocoristiseher Gemination), dem Namen eines der beiden got. Geistlichen in dem bekannten Briefe des Hieronymus um 390, der andre in dem *\Vada an. Vapi ags. IIW« der Heldensage (Müllonhoff, Zs. VI, 02 tf.).

9 MüUcnhoff, DA II, 120.

8*

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in;

ags. mearh ahd. nutrah) „Pferd" mit geläufigem Schwund des got. Anknüpfung an *mar warei (wulf. mari- saiics) hindert der Stammesauslaut, dessen Färbung zu ost- got. / hier vielleicht grade aus diacritisehen Gründen auf- gehalten wurde.

Der zweite Teil, wulf. *badns badwa-, ist secundäre ^-Bil- dung zu *badwa- an. bop ags. beadu Kampf"; vgl. den secun- dären Hypocorismus Badwila unten.1 Dass für wulf. *badns ostgot. Hadn ohne Nomin.-s anzusetzen, ist nach Vftahari nur zu vermuten, nicht durch Belege zu erweisen.

WANDIL.

III, WandU, got. Befehlshaber in Avignon; so als Dat. Ks liegt also kein secundärer Hypocorismus Wmidüa vor . sondern ein selbständiges starkes wulf. *Wandih, ostgot. M'andil. Der Wandalenname erseheint hier uncom- poniert als Personenname, wie weiter unten der Dänenname, und zwar mit der Suffixstufe des griech. Bavdilot, während der Volksname in damaliger Zeit lat. gleiehmässig Wandalus lautet2: der Commandant in Avignon mag also schon in voritalienischer Zeit zu Theoderics Gefolge gehört haben und sein unterscheidender Beiname Wandil der byzantini- schen Periode entstammen.3 Ein solcher wird in der Be- zeichnung vorliegen und den ursprünglichen Namen ver- drängt haben, womit oben S. (>5 Ostrogoto „die Ostgotin" zu vgl., und an den Namen des wandilischen Eponymus braucht man nicht zu denken.4

IIUNIGIS.

Umgis III, 43 ein königlicher Spatharius. Mommsens Vermutung,5 dass der Name für Vitiges verschrieben sei,

1 Sonst die reiche Sammlung bei Föratemann, Namenbuch I, 196 ff. - Wand. 39.

8 Vgl. umgekehrt den Bavdaid^oy oben S. 102. * J. Grimm, GddS 775. fl NA XIV, 513, 5.

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weil auch dieser königlicher Spatharius heisse, scheitert an dem Umstand, dass die Var. germ. w im Anlaut erster Compositionsglieder immer mit vv wiedergeben. Die Schrei- bung entbehrt nur wieder der Aspiration (vgl. Unimundus XI, 1), und der Mann hiess Hunigis.

LEODIFRITH.

III. 48 ein Sajo Theoderies : Leodifredus, Leodefridtts V.

SENARIUS.

Senarius IV, 3. 4. 7. 11. 13 ist wohl Römer.1 Sonst wäre ostgot. Sen-hari wulf. Sin-harjis denkbar2 und zum ersten Teil got. sin-teins? zu vgl.

OESILA.

Ein Sajo Theoderics . der in Tuscien ausstellende Steuern eintreiben soll, heisst IV, 14 Gestio; ein secundärer Hypocorismus, etwa zu Geshnund o. ä.. wie der alte Amale,4 der Typus germanischer Gefolgstreue und historischer Vor- läufer des mythischen Hildebrand der Heldensage, heisst:5 Jord. 121, 23 Gesi- (Gise- L, Gisi- OB), Cass. Var. VIII, 9 Gensi- B, Gest- TG, Gensmund us Z. Hier kann das e der ersten Silbe nach der oben S. 1H gegebenen Etymologie von gis, welches idg. i enthält, nicht für i stehen : viel- mehr ist gesi- nichts anderes als gesi- < *gaisi- < wulf. *gaiza-*: an. geirr ags. gär as. ahd. ger? Die Varianten

1 Momm8en, NA XIV, 465, 1.

* Förstemann, Namenbuch I, 1102.

3 Feist, Got. Etymol. 8. 101.

4 Vgl. Mommsens Jord. S. 143 f.

5 Möllenhoff, Zs. XII, 251.

* Wand. 56 ff.

7 Müllenhoff, Zs. XXIII, 24; DA II, 206.

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IIS

Gis- bei Jord. werden sich umgekehrt erklären wie oben S. 9.r> f. die Witi-ge$.x und das Gens- bei Oass. ebenso aus romanischem Schreibereinfluss wie sein Gemhicus I. 4.2 Für letzteren steht Geis- als die allein berechtigte wand. Dialect- form fest , und Cass. hat den ihm etymologisch klaren Namen in ostgot. Umschrift wiedergegeben, worüber oben 8. 112. Ge(n)siricus und Ge(n)simundns (vgl. auch V. 4:i den westgot. Prätendenten Gesalecus mit zweifachem ey) be- zeugen also ostgot. ges-, und für um so gesicherter kann diese Monophthongierung gelten, als ihr Analogon 6 < au festgestellt ist.4

GEHERIC.

IV, 20 (reberic (als Dat.: -rieh V). Senator unter Theo- deric.:> Derselbe Name für einen Zeugen bei Marini Nr. 1:U, 2<i Gliivcrir, 51 Giberit* Endlich der alte Gotenkönig aus der Mitte des 4. Jahrhs. bei Jord. Geberich (al. Gibe-: -rig, rith, -riet, r/V).

Das gh des einen Citats wird zu erklären sein wie die gleiche Schreibung im ahd. Isidor." wo vermutlich „durch das h spirantische (bez. nach romanischer Weise palatale) Aussprache des g vor <?, i ausgeschlossen werden" soll und wozu germ. Lehnworte im Ital. wie ghiera, Gherardo u. s. w. zu vgl.h.

1 Danach modificiert sich meine Erklärung vom Gizevicus des Jord. und r#;^t^o; der Griechen Wand. 59.

2 Wand. 58; dazu besonders Seelmann 285. Joli. 8chmidts Ver- mutung (Vocal. I, 136 f.), dass Ginxcricus Getisericus auf Vertauschung mit einer andern selbständigen Namenbildung beruhe , bleibt ebenso fraglich wie deren nppellative Anknüpfung an *us-gins~tian > us- yeis-nun.

8 Vgl. hingegen Dietrich 33 f.

* Vgl. unter „Vocalismusa.

* Dahn, Könige III, 99, 5. « Dahn, Könige IV, 187.

7 Brnunp, Ahd. Gr. § 148, 4.

8 Diez, Gr. P, 318.

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11<J

Sämtliche obige Stellen weisen auf ostgot. ric ohne Nomin.-s! An der zweiten Stelle bei Marini wieder Ver- tauschung von ric und ritIO

TUTIZAR.

IV, 27 ein Sajo Tutizar L. Tzutizar I\ Tzatzar M\ Tznttzur M'.2 Sein Name bleibt völlig dunkel.8 Vielleicht weist seine Endung auf alanischen Ursprung: unten u. „Goar".

AM ÄRA.

IV. 27. 2S ein Sajo Amata.'1 Eine Conjectur Aniaht, welche nahe liegen könnte, verbietet sich durch die varianten- freie Uberlieferung: dazu ist die gleiche Gestalt des Namens in einer Inschrift von Aquileja bewahrt:* und sie ist auch in der Benennung des got. Nationalhelden enthalten, der hei Jord. b5. 4 Eterpamara heisst. Letztere Stelle lautet jetzt in Mommsens Text: „Ante quo* etiam maiorum facta moitulationibus citharisque canehant , Eterpamara , Hanale, Fridigerni, Vidigoiae et aliorum, quorum in hac gente magna opinio est, \ und Möllenhoff im Index weiss für Eter- pamara keine Deutung. Ich schlage vor zu lesen :

canebant et Erpamara et aliorum mit

correspondierendem et et (vgl. () und besonders XY)."' In dem so hergestellten Erpamara vgl. man das erste Glied Erp- etwa mit dem Franken Erpo Herpo bei Fred. 120, 11. 140, 14. 141, 22 u. ö. oder dem an. Erp, dem Stief- bruder der Schwanhild, oder dem mhd. Erpfe, dem Sohn

1 Da die Bedeutung hier wohl nur * Giba-repn, nicht *Gfb«-reip$ zulftsst, so ist für diese Charta damnntae litis der ostgot., nicht langob. Ursprung erwieson ; denn die Langobarden habon schon d für got. e (Meyer 8. 263), müssten also Giberdt haben. Damit ist Dahns Zweifel (Kön. IV, 187) gehoben.

2 Dahn, Könige III, Iis, 2.

3 Vgl. Müllcnhoff in Monimsen» .lord. S. 149.

4 CIL V, 1583.

1 Ähnlich schon Dietrich 98.

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Etzels im Biterolf, u. s. w. : an. jdrpr „dunkelbraun" ags. eorp ahd. erpf .fuscus".1 Der zweite Teil ist obiger Amara, dessen Etymologie freilich fraglich bleibt. Am nächsten läge Erpamara einfach als w Goldammer" zu übersetzen (ahd. amero *amaro) und in ihm irgend einen bezeichnenden Beinamen zu sehen. Oder Amara stellt sich als Hatnara zu got. *hamars an. hamarr ags. hamor as. hamur ahd. ha mar, das ursprünglich eine steinerne Waffe bedeuten soll.2

DUDA.

Name eines Comes IV. 27 Dada, IV. 28 Duda M1, Dudda LPM1 (mit hypocoristischer Consonantendehnung) ; eines Sajo IV. 32. M Duda L'PM*. Dudda L'M1. Dahn und Mommsen :1 sehen kein Hindernis beide zu identificieren. Dagegen überliefern die Hss. IV, Guda, nicht Duda.

Die Ausführungen von Stark4 über die vorliegende und ähnliche Namenbildungen sind haltlos und kommen zumal für unsere frühe Sprachperiode nicht in Betracht. Die Auf- zählungen bei Förstemann/ namentlich ahd. Formen wie Tuata Tuota (dazwischen freilich in bunter Verwirrung auch 'louta und andere ganz heterogene Bildungen ), scheinen auf ein got. *D6da zu führen, wovon obiger Duda dieostgot Entwicklung mit ex- tremer Vocalfärbung zeigen könnte : jedoch dann wäre dieses A für a wohl kaum an allen Stellen so consequent geschrieben, und die Etymologie dieses Dada bliebe ebenfalls dunkel. Ich weiss keinen andern Ausweg als wieder einen Spitznamen anzu- nehmen , der auf eine körperliche Eigentümlichkeit seines Trägers anspielte, und in ihm die got. Entsprechung zu ahd. tut(t)o tut(t)a mhd. ttdte {tüttel, tütelin) Brustwarze, Brust" zu

1 Grimm, Zs. III, 152; 8. auch Kroraer, Beitr. VIII, 436, aber nicht *Erpa-mar», oben S. 1 15. Vgl. das urverwandte gr. opprdt „dunkel" und den gr. Eigennamen 'O^ftv (Fick, Vgl. Wörterb. III*, 37); zur Bedeutung etwa auch Zimmer, QF XIII, 33.

2 Kluge, EW4 untor ,Haramertt. Förstemann, Namenbuch I, 601. » Könige III, 181; NA XIV, 478, 3.

* Kosenamen 33 ff. 5 Namenbuch I, 339 ff.

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sehen (vgl. got. daddja ahd. tdju .säuge", zur Bedeutung vielleicht lett. dein .Sohn" zu de ja sauge" Das se- cundäre Dud'da im Namen eines Westgoten von 64b.2

TUFA.

Tufa IV, 32 3 wird von Mommsen4 mit dem Mag. mil. Odowacars identifiziert, welcher zu Theoderic überging (z. B. Anon. Val. § 51). Folglich ist er kein Ostgote von Haus aus, und seine rätselhafte Namensform5 kann hier ausser Betracht bleiben.

THEODAGUNDI.

IV, 37 heisst eine Femina illustris Theodagunda L\ -(junta nach den meisten Laterculis.ß

Für die Endung des zweiten Teils kann ganz auf das oben S. 86 über got. *hildi Gesagte verwiesen werden. Danach ist -gunda wahrscheinlich Latinisierung von ostgot. -gundi wulf. *gunj>i an. gupr gunnr ahd. gundia. Wieder ostgot. tönende Spirans wie noch in Gundih'ddi Gun- dirit Gundimer für wulf. welches bei Jord. im Namen seines Chefs Gunthicis (126, 23) 7 und des alten Goten-

1 Feist, Got. Etymol. S. 22.

2 Wollte man ausnahmsweise ein Abstractura als characteristis -hen Zunamen einer Person gelten lassen, so wäre an das Suffix ~dApi- zu denken (got. ajuk~, intkil-, gotnain-düps); aus einer solchen Bildung ( vgl. lat. Heren-tas als Namen der pftlign. Venus mit demselben Suffix, Brugmann, Vgl. Gr. II, I, 202) könnte D&da (mit jüngerem ostgot d im Inlaut) eine Koseform sein, und das Suffix wäre wie das zweite Glied eines Compositum« empfunden: Brugmann 291 Anm.

* Dahn, Könige IV, 139, 1.

4 NA XIV, 505, 3.

5 Stark, Kosenamen 117. Fersteroanns Deutung aus an. dubba „schlagen*, KZ III, 311, bleibt willkürlich.

Dahn, Könige III, 27 f.

' D. i. Gunthigis, zu dem c oben S. 65. Sein Zuname Baza (Batzas auch ein Führer gegen die Saracenen bei Marcell., Rone II, 325) steht mit Assimilation {8. 72) für *Baia oder *Batja und ist Kose- form zu einem Vollnamen, der wie der Bat-wins des got. Kai. entweder mit dem Volksnanicn der Butaver, Batten componiert war f J. Grimm,

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fuhrers Gunthericns aus der Zeit Ostrogotas (81, 16). auch in Guntio, d. i. got. *Gunpja, und Guntelda einer freilich undatierten Inschrift von Comum 1 bewahrt geblieben.

OÜDA.

IV. «9 GW« (nicht Uiicfa, S. 120). Vgl. oben S. 72.

GUD1SCALC.

Der Name eines Sajonen Theoderics lautet IV. 47 im Dat. Gudisal V, Guodiscalco U, Godiscalco P, sodass die Herstellung Gudiscalc- unbedenklich ist.2 Da die zahlreichen mit got. f/H/> componierten Gotennamen ganz constantes u in der Überlieferung zeigen . so wird dieser vereinzelte Wechsel von Gudi- und Godi- für ostgot. o, wulf. 6, also für got. f/öds an. gopr u. s. w. sprechen.

Der zweite Teil zu got. skalks an. skälkr ags. sceah as. »kalk ahd. scalch .Dienstmann % ohne dass über die ostgot. Endung etwas überliefert wäre.3

FRIDIBADU.

Laut IV. 49 wird Fridibadus an die Spitze der Pro- vinz Suavia gestellt.

Zs. VII, 471 ff.; Müllenhoff, Zs. IX, 235) oder einfacher mit germ. batn- „gut" (Dietrich 84; Zimmer, QF XIII, 89); da letztere«, abgesehen vom ahd. mhd. Adv. baz, nur aus den comparativen und Superlativen Bil- dungen bekannt ist, ho wäre an die griech. Eigennamen mit «//;6a» ugtaro; zu erinnern (Fick, Personennamen 9. 14. 101. 104). 1 CIL V, 5415.

1 Der Name rodltioxloi eines Goten bei Proc. 1, 39, 22 ist da- gegen leicht in roSiyiaxko; gebessert, wie er den gleichnamigen Wan- dalenkönig (al. /Wi-) nennt; zum zweiten Teile oben 8. 91, sonst Wand. 51 f.

3 Jedoch Ascutr, der Name eines Clienten des Thorismud, Jord. 110, 12.

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12:t

MANNILA.

V. o ein Sajo Theoderics Mannila. Wiederum ein se- cundärer Hypoeorismus , woneben der primäre in dem Testamentsaussteller Manna bei Marini Nr. 75 überliefert. Letztere Koseform deckt sich also ganz mit dem got. Appel la- tivum manna (an. mapr ags. mon as. ahd. man). Vergleicht man das massenhafte Vorkommen von gr. dvrjo avdyo- in gnech. Personennamen, 1 so ist es überflüssig für die Be- deutung von manna in Eigennamen eine Verallgemeinerung2 oder mythologische Beziehung3 anzunehmen.

WERA.

V, 10 ein Sajo Vera (Dat. Verani, Verano V mit Cha- racterisierung der >j-Flexion). Auffallig ist die Schreibung r. da die Varien sonst im germ. Wortanfang w schreiben, doch wird sie auf Beeinflussung durch das tatsächlich ur- verwandte lat. verus zurückzuführen sein. Letzteres be- günstigte auch die Schreibung e, nicht / für ostgot. e\ vgl. unten Sisivera neben -cira. Wera ist primäre Koseform,4 zu welcher der Wöreka, d. i. Werika des got. Kai. die se- cundäre Bildung stellt, Got, *trers (davon alla-werei) ags. iah- u. s. w. ; zur Bedeutung (ursprünglich freund lieh", vgl. unwerjan .unwillig sein"; „wahr" ist got. sunjis) s. Kluge im KW 4 unter „albern".

GUDINANTH.

V. 19 ein Sajo Gudinandus. Auf die ostgot. Endung -nanth führt der Willjmant der Neapeler Urkunde.

ALI WULF.

V. 2i) der Dat. Aliulf o (Ailuffo P'). Der halbvocalische Anlaut des zweiten Compositionsgliedes führt für das erste

1 Kick II. 102. 153.

* Denkendes, sinnbegabtes Wesen: Müllenhoff, Zs. f. Gesch. VIII, 219.

» Mannus bei Tbc: Fiok, Vgl. IIP, 230. 4 Ebenso heisHt ein Westgote von 693.

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nicht auf wulf. sondern alja- (vgl. alja-kuns, alju-leikö):

got. aljis „alius" (in an. elli-gar ags. eli-cor el-cor as. ef-ror ahd. eli-chor), in Namen wohl mit der Bedeutung „pere- grinus" wie in ahd. eli-lenti as. eli-lendi. Die Schreibung AiU P' braucht nicht nur auf graphischer Umstellung zu beruhen, sondern kann auf Verwechslung mit Agil- weisen (oben S. 91), dessen g wie das in saio schwand.

TATA.

V, 2.'.t der Acc. Tatanem. Zur Etymologie weiss ich hier noch ebenso wenig beizubringen wie Wand. 84. 1 Die Deutung Kögels, welcher2 das Nebeneinander von Tatto und Tusso in langob. Urkunden für einen Beleg des im Werden begriffenen Lautwandels tt > ss (wie Ckatti > Hassi) hält, beruht auf einem Anachronismus. Für diesen Laut- process können wohl Formen wie Chatti und Hassi sprechen, zwischen deren Überlieferung Jahrhunderte liegen3; ganz unwahrscheinlich aber bleibt, dass das junge Langobardische des sechsten und späterer Jahrhunderte Tatto und Tasso neben einander haben soll, während schon das Got. des 4. Jahrhs. den gleichen Lautvorgang vollendet hat, wie mw- gatass 1 beweist. Kögel verschweigt jedoch , dass in den erwähnten Urkunden neben Tatto auch Tuto erscheint*; hiernach ist das tt in Tatto vielmehr nichts weiter als die geläufige hypoeoristische Gemination und Tato = ostgot. Tata. Da die Langob. aber germ. t sonst verschieben," so bleibt Meyers Deutung des Namens , welche von einer internationalen kindlichen Lallform ausgeht, vorläufig der einzige Ausweg.7

1 Die dort für die Schreibung Tföior gemutmasste germ. Grund- form i»t mit obigem Tata belegt.

- Beitr. VII, 197; ebenso Brugmann, Vgl. Gr. I, 384. 5 Kögel a. a. O. 178.

4 Kögel a. a. 0. 177.

5 Meyer, Langob., im Glossar. 8 Meyer 267.

7 Vgl. noch Diefenbach I, 81; J. Grimm, GddS 272, Kl. Sehr. III, 412; Wackernagol, Kl. Sehr. III, 410 f.

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- 125 WILIHARI.

Ein Comes V, 23 im Acc. Wiliarium.

BACAUDA.

Dieser Name des Tribuns von Mailand V, 25 ist keltisch,1 und Mommson2 erkennt in ihm überhaupt keinen Goten, wie Dahn.!*

GÜDWIN.

Ein Sajonenname V, 27 Gudui LP\ Guduin P1 und V, 30 Gudui L, Guduin P.

Schwund des Fugenvocals vor Halbvocal. Ist in Gudui nicht nur der Kürzungsstrich für n über dem i vergessen, dann liegt Yertauschung von -w/(A) und -irin vor.

NEUDI.

Der Name eines Vir illustris, der V, 29 im Dativ Neudi L, Heudi P\ Nendi P* lautet,4 ist Hypocorismus mit dem Ja-Suffix zu einem mit got. *niups ags. neöd as. niud ahd. niot Verlangen * 5 (dazu as. niudsam ahd. nietsam „an- genehm*, mhd. nietliche „mit Eifer") componierten Voll- namen. Will man nach P1 Heudi in Theudi bessern, so ist dazu auf S. 56 f. zu verweisen. Doch könnte Heudi auch für Eudi stehen und eine gleiche Koseform etwa zu Eutharic reflec- tieren. Man beachte wieder das ostgot. eu. Die Endung -t kann sowohl dem lat. Dat., wie dem unflectiert ge- brauchten ostgot. Nomin. entsprechen.

1 Vgl. z. B. Kremer, Beitr. VIII, 450. 8. noch die Anm. u. „Totila \

* NA XIV, 495, 6.

3 Könige III, 175, 5. Ein gleichnamiger Westgotc 652.

4 Dahn, Könige IV, 164.

5 Zimmer, Zg. XIX, 457, führt dies zwar als Bpeoifisch westgerm. Wort an, man vgl. jedoch hierzu seine eigenen Bedenken ib. 43S.

<

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ANDWIT

V, 29 Andtiit 1 als Gen., also unflektiert gebrauchter ostgot. Noniin. ohne -s. Denselben Namen führt ein wand. Presbyter, man vgl. daher Wand. o2;4- doch kann das zweite Namenglied auch wulf. -ir«7- sein, dann wäre oben S. 95 zu vgl. und Amhrit etwa = „Vergelter".3

OPPA.

V, 29 der Abi. Oppaae. Diese Kosebildung Oppa. welche auch ein Westgote von b'8:t führt, kann nicht zu späterem deutschen Oppa Oppo gestellt werden , welche wohl aus ahd. Otbert, doch nicht aus ostgot. * Odabert- con- trahiert werden konnten. Desgleichen verbietet sich die Annahme einer Assimilation aus *Opta im Hinblick auf den S. 97 ff. behandelten Optarith, denn hier war ja pt nur un- germ. Schreibung für genn. //. und eine Assimilation könnte allenfalls Ojfa ergeben, wie der Name im Ags. bekannt ist,4 wird aber überhaupt unwahrscheinlich durch das secundäre Optila bei Jord. 10, das die ursprüngliche Consonanz

A

unangetastet zeigt. Will man daher Oppa nicht als Oppa (mit hypocoristischem pp) fassen, d. i. ostgot. Höjw < wulf. * Ilaapa zu *haups (neben *htipah) .Haufe, Schaar," also als Koseform etwa zu *Haupareiks o. ä.r*, dann wird Storks Annahme7 einer keltischen Bildung die beste Lösung bleiben.

' Dahn, Könige IV, 150, Iiier Ochar genannt: geringere Hss. haben für Anduit rätselhaftes Oceri.

* Vgl. noch Wackernagel, Kl. Sehr. III, 374.

* Der Name eines A malen erscheint Jord. 111, 22. 126, 23 im Gen. als Audagi.s Andages. Es ist nicht einzusehen, weshalb Möllenhoff im Index den Nomin. als Andng herstellt: Anda-gis ist eine normale got. Namensform , zu deren zweitem (Jliede obon 8. 91 zu vgl. Der Vater dieses Andugis heisst Jord. 126, 24 im Gen. Amhlc, d. i. Andehte Andilae^ und Audila ist secundärer Hypocorismus.

* Möllenhoff, Beovulf 71 ff.

5 Kluge, E\V< unter „Haufe".

6 Vgl. Opi, Ilopi, Aopi bei Förstemann I, 971.

7 Kosenamen 118, 1.

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121

COSTULA.

V. 30 Costula; derselbe Name, nur mit Suffixablaut, im Costila der Neap. Urkunde. Das gleichmässige o in beiden Quellen hindert die gewöhnliche Zusammenstellung mit got. kustus n Prüfung" oder yakusts an. kostr as. kust ahd. chost „arbitrium",1 und Stark*2 keltische Deutung des Namens behält ihre Geltung.

DAILA.

V, 30 Dada. Da das Ostgot. altes ai zu e mono- phthongiert, so kann Daifu nur Dayila sein mit Ausfall des spirantischen y vor folgendem / wie in s<j/o.3 Dayila, auch Name eines Wandalen,4 ist secundärer Hypoeorismus eines mit got. days an. dagr u. s. w. (in Namen etwa Jux, splen- dor*) tomponierten Vollnamens.

BRANDILA.

Der Name eines Ehebrüchigen , Über den Theoderic V, 32. 33 verhandeln lässt , lautet an beiden Stellen im Texte BrandUa, in den Laterculis zu V, 32 Bland da. An. brandr ags. brand ahd. brant; für die Bedeutung vgl. mhd. brant Brand, blitzendes Schwert4" und das aus dem Deutschen entlehnte gemeinromanische brando „Schwert". Die Schrei- bung Blundda zeigt jüngeren romanischen Schreibereinfluss, indem postconsonantisches germ. r mit / verwechselt ist/'

PA(H)TJA.

Der Name eines got. Soldaten V, 32. 33 im Gen. Patzenis (al. Pathenis, Pattenis). Zur Schreibung U s. oben

1 Dietrich 70.

* Wiener Sitz.-Ber. LIX, 219 f.

* Hoohfrfink. Teino < Tayino: Kostiinna, QF XLVI, 19. 4 Wand. 62.

6 Stark, Kosenamen 59; Diez, Gr. I", 311.

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12H

S. 72 f., zur Endung vgl. Waccenew S. ll>3, Mozems S. 108. P(///Vi kann für *Pahtja stehen und der Name möglicher- weise, „Pächter* bedeutend, für eine frühzeitige germ. Ent- lehnung des lat. iKictum pactus zeugen: vgl. mhd. pfahte neben paht.

WILITIIANC.

V, 33 ein Dux Wilitancus. Die lat. Flexion entspricht dem Nomen agentis mit Suffix a.{ Den ostgot. Abfall des Nomin.-« werden Felithanc und Riccithanc bezeugen.

LIUVIRITH.

Ein Comes unter Theoderic heisst V, 35 Livvirit L, Liuuri P\ Luit fr id Vy ; dazu der Vir sublimis V, 39 Liuerit L\ Libertino L'P. Die beiden ersten Schreibungen weisen auf got. Hubs an. ljufr u. s. w. : Livvi- ist Liuvi- mit v für spirantisches got. b; dagegen ist got. *hliwa- (vgl. den IIlewagastiR des goldnen Horns1) fernzuhalten, weil die Varien für inlautendes germ. w nur v schreiben. In Liuerit steht u für uu wie oben in Aliulf o.

STARCHEDI.

V, der Dat. Starcedio. *St«rce-dius als wulf. *Starki- pius zu lesen verbietet das d. Daher ist Starc-edius zu trennen, das ich als ostgot. Starc-rdi, wulf. *Stark-aipeis fasse, d. i. „der fest Vereidete1* (vgl. uf-aipeis): an. sterhr ags. stearc u. s. w. und got. aips an. eipr ags. Ctp as. Sth ahd. eid.z Man vgl. den Gotenführer Argaithus aus der Zeit Ostrogotas bei Jord. 81, 16 (dazu Möllenhoff im Index)

1 Ebenso Alatattcus CIL V, 8738, Untancus CIL VIII, 8650, letzterer mit pmativem Präßx, vgl. Fick, Personennamen CXCI1I.

2 Burg 19. 21.

8 Förstemann, Namenbuch I, 1121 ff. 581 ff. Zum zweiten Teil vgl. noch KiHulf ohon S. 71, 4.

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- 129

noch ohne Monophthongierung (ebenso ein Langobarde Argait bei Paul. bist. Langob. 173, 2. 4. 12).

SIGISMER.

VIII, 2 der Name eines got. Grafen im Acc. Sigis- merem.

TOLWIN.

Der vornehme und mit dem Geschlechte der A malen verwandte Gote Tohvin beteiligte sich an den Expeditionen 504 nach Sirmium, 510 gegen die Franken, 523 nach Gallien und ist der einzige Gote, welcher zum Patriciat gelangte.1 Für seinen Namen citiere ich folgende Lesarten:

VIII, 9 Tuluitn ß Tuluin Z Tholuin G, VIII, 10 Tolu(i)n B Tolnin Z Tolnm GT, VIII, 25 Tholui B Thohn Z Thohtii G, VIII, 25 Toluit B Tholuit Z Thohtii G, weil sie ein deutliches Bild davon geben können, wie leicht ähnlich klingende zweite Namenelemente mit einander ver- tauscht werden: tritt (-um VIII, 10 G' T - -ttin\ -otii VIII. 25 G ~ oiny wozu unter „Halbvocale"), irili, trit. Der erste. Teil des Namens scheint mit seinem o- und «-Wechsel auf ostgot. wulf. 6 zu deuten und wäre dann mit an. toi ags. töf „Werkzeug* identisch; und damit fiele die auch sonst unwahrscheinliche Etymologie Leos2, der für letzteres Contraction aus teorel mutmasst. Jedenfalls spricht die sonstige Überlieferung des germ. kurzen u im Ostgot.3 nicht für hier vorliegendes got. pulan an. fwla ags. poliatt as. tholian tholön ahd. dolett mhd. doln, das hier etwa grade so zur Namenbildung verwandt wäre wie sonst seine dentale Weiterbildung (ahd. diäten)* und im übrigen die zahlreichen

1 Dahn, Könige IH , 29 f., Urgeschichte I, 291 f.; Mommsen, NA XIV, 515.

Ags. Glos«. 129.

* Vgl. unter „Vooalismus*.

4 Förstemann, Namenbuch I, 1199.

QF. LXVIII. 9

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IM)

mit gr. raXai- -rka*; rlrj- rokuo- gebildeten tiriechennamen 1 vergleichen hiesse.

QUIDILA.

Quidila (im Acc. -anem) heisst VIII, 26. IX, 10 der Prior für die Goten in Reate und Nursia.2 Seine Namens- form wird bestätigt durch die Inschrift einer ostgotischen Fibel von Silber, gefunden in Casteldavio bei Mantua, an- gekauft von dem Antiquar Amilcar Ancona in Mailand; dieselbe lautet nach Mowat:3 Quiddüa vivas in deo; also derselbe Name wie der obige bei Oass., nur mit hypoco- ristischerConsonantendehnung. Ob Quidila als der ,, Schwätzer" zu got. qip an an. kvepa ags. cwepan as. quedan ahd. quedan gehört oder zu got. qipus an. kvipr ags. cvip ahd. quiti, bleibt dahingestellt; in letzterem Falle wäre an Watnba, Mamma u. ä., sowie an griechische mit yaartjg gebildete Per- sonennamen4 zu erinnern.

8IBJA.

VIII, 2b' der Vater des vorigen: Sibia; primäre Kose- form (die secundäre im *Sibika an. Sifka ags. Sifeca mhd. Sibiche der Heldensage) zu einem Vollnamen, der compo- niert war mit got. sihja an. sifjar (pl.) ags. sibb as. sibbea ahd. sippa (dessen ursprüngliche Bedeutung „Friede, Freundschaft- Ä hier erhalten sein mag) oder dem Adj. got. sibjis an. sifr si/i ahd. sippi.

DUMERITH.

VIII, 27 ein Sajo Athalarics Dumerit (so der Dat.). 1 Fick, Personcnnamen 80. 135. 213.

» Dahn, Könige IV, 173, 4. Die Änderung in Gudila III, 6C, 1 verbietet sich noch Obigem. » Vgl. oben 8. 86, 2.

* Fick 20. 161.

* Grimm, Rochttmltertumer 407.

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131 -

THANCA.

VIII, 28 der Abi. Tancane.

GILDILA.

Der Cornea von Syracus unter Athalaric IX, 11. 14 Gildila; Koseform etwa zu Whwßld o. ä.

WITIOISL.

IX, 11 Witigisclus.

WILIGI8L.

IX, 12 Witigisclus. Z sehreibt Ubili-, wozu Henning, Runendenkmäler 113 zu vgl.1

WACCA.

X, 18 der Acc. Waccenem. Vrgl. oben S. 102 f.

GUDELICüjVA.

Von der Gemahlin des Theodahath, die nur hier ge- nannt wird, rühren X, 20. 21. 23. 24 her: Gudeliua (al. -lina, -uela). Das zweite Glied -liua kann zunächst -liva got. -liba mit spirantischem b und daher ein Nomen agentis mit dem Suffix ä sein zu got. liban an. Ufa u. s. w. : dann wäre an Holthausens * Requa-liva-hanm- zu erinnern und an die zahlreichen Namen, welche dieselbe Wurzel mit starker Ablautsstufe enthalten (got. laiba an. leif as. leba ahd. leiba). Wahrscheinlicher jedoch werden wir -liua als -liuua zu lesen haben wie oben S. 128 Liuerit als Liuueril und S. 123 Aliulf o als Aliuulfo, d. i. -liuva wulf.

1 Momm8on transscribiert in der neuen Varien-Ausgabe germ. anlautendes w mit VV; nicht glücklich ; wollte er die zunächst liegende Ligatur W durchaus vermeiden, wäre Uv dio correcteste Dihftrese gewesen.

* Vgl oben S. 77, 10.

9*

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1*2

liuba, dann ist nur auf Here-leiwa oben S. bl f. zu verweisen (GudeueUt X, 24 B vorschrieben aus Gndeleua, d. i. -leura), und der Name ist die movierto Form zu Gudeleuh (s. u.).

RANILDI.

X, 1(> heisst eine Gotin, welche zum orthodoxen Ka- tholieismus übergetreten, Ramida. Derselbe Name bei Marini Nr. SU. II, 4 ohne Syneope als Ramhilda. Sein erstes Com- positionsglied hat letzthin Henning1 ausführlich behandelt; er giebt ein reiches, kritisch gesichtetes Namenmaterial und knüpft an got. *rana an. rani an, das die Schnauze des Ebers, vor allem aber in technischer Anwendung die keilförmige Spitze der nach dem Eberkopf als svinfylcing zubenannten Schlachtordnung bedeutet, so dass die Namen mit rani- sich dem Sinne nach zu denen mit liari- und folc- stellen.

WISIBADU.

Ein gotischer Graf aus edlem Geschlechte2 heisst X, 29 Visibadus B, Wisivadus Z, Winsibaidas G. Wisi- ist nicht mehr an ahd. tcisan u. s. w.,3 auch nicht mehr an ahd. irisa „pratum* 4 anzuknüpfen, sondern entweder an das erste Oompositionsglied der Wisi-gothae (s. o. S. 112, 1 und vgl. Os-u itt) r* oder wahrscheinlicher an das in Eigennamen allen lndogermanen geläufige *wesu .gut" wulf. *tcisu- ost- got. ivisi- (vgl. ai. väsu- av. vohu- illyr. res- agall. vesu- ahd. www-).6 Für den zweiten Teil des Namens ist nach den von einander unabhängigen B und G der Anlaut b- zu acceptieren und v- in Z durch Vertauschung von -tcaih und -badu zu erklären, wozu oben S. 115 zu vgl.

1 Runendenkmäler 10 ff. 135 ff. Dahn, Konige III, 28. IV, 165. ' Wand. 48.

4 Henning, ÜLZ 1887, Sp. 1550: Milllonhoff, DA II, 216.

6 Ehri8mann, Literaturblatt 1887, Sp. 468.

6 Kogel, ib. 108: ßrugmann, Vgl. Or. II, I, 25.

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DAN.

XI, 10 erscheint der Dänenname als Personenname für einen kranken Famulus, wie oben S. 116 der Wandalen- name. Lat. Dauns (der Gen. Dani ist überliefert) -~ wulf. *Dans (wie *Guts .der Gote1*) ostgot. Dan; man vgl. den- selben Namen in den dänischen Königslisten und sonst Möllenhoff, Beovulf 29 f. 34 if.

TULGILO.

An das damit abgeschlossene ostgotische Namen- material aus den Varien schliesst sich zunächst die Urkunde Nr. 114 bei Marini, die aus den Jahren 539 546 stammt und über den Grundstückverkauf einer Witwe Tulgilo ausgestellt ist.1 Der Name der letzteren lautet 21. 39. 76 Thulgilo. 79 Tulgilo, 99 im Abi. Tulgilam. Tulgilo ist se- cundärer Hypocorismus Feminini'- zu einem Vollnamen, dessen eines Glied zu got. tulgus „fest, standhaft", as. tulgo „sehr" gehört.3

WITTERITH.

-

Ib. 14 Witterit. Der gleiche Name lautet für einen Wandalen bei Vitt. Vit. Vitarit* Witterith mit hypoeo- ristischem tt.

HILDEBADU.

Der Commandant von Verona, Oheim des Totila und Neffe des Theudi, wurde 540 durch die nördlich vom Po ansässigen Goten auf den Tron berufen, blieb in hitzigem Gefecht Sieger gegen den kaiserlichen Feldherrn Vitalius, starb aber bald durch Meuchelmord: Heldebadus Marcell., Jord. (al. Eide-, Hilde-), Paul. (al. Hilde-), ' IWßaöoq Proc.

1 Dahn, Könige IV, 183.

1 Der primäre Maso. z. B. im Namen eines Westgotenkönigs Tulga Fredeg. 121, 20. 162, 20. 163, 1.

3 Förstemann, KZ III, 117, denkt an an. dohj u. 8. w., was an dem Anlaut des Namens scheitert.

* Wand. 68.

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134

8ENDEFARA.

Eine Inschrift aus Dertona vom Jahre Ml1 liefert den Namen Sendefara. Zum Wurzelvocal des ersten Gliedes vgl. -suentha und unten u. „Vocalismus". Das zweite Glied liegt noch in Theudifara, Wilifara vor und hezeugt mit diesen das Femininum trotz dem in der Inschrift folgenden „qui vixita, welches ein im späteren Inschriftenlatein keines- wegs vereinzelter grammatischer Fehler ist:2 -fara ist Nomen agentis mit dem d-Suffix zu got. ags. as. ahd. faran an. fara und als solches formell identisch mit dem Ab- stractum an. for ags. faru ahd. fara? Sonst vgl. man Förstemann, Namenbuch I, 398 ff. und griech. Namen wie

8EDA.

Eine ravennatische Inschrift von 541 5 nennt den bei Thcoderics Tode 25jährigen Vir sbl. Seda iynncus et cubi- cularius regis Theoderici. Sgda ist primäre Koseform eines mit got. sidus an. sipr ags. as. sidu ahd. situ componierten Vollnamens. Man vgl. schon den Quaden Sido bei Tac. Ann. 12, 29, ferner Förstemann T Namenbuch I, 1110 f. und griech. Namencomposita mit /)#oc.6

TOTILA.

Nachfolger des Witigis oder genauer des Hildebadu wurde der Neffe des letzteren, Totila (541—552). Die grosse Schlacht bei den Busta Gallorum 552 brachte ihm den Heldentod.

1 CIL V, 7414.

* Vgl. unten 8. 155.

a Zimmer, QF XIII, 250. Das Mase. zu obigem -fara in ahd- ein-far (Graff III, 574) „soliyagus*. 4 Fick, Personennamen 133. » CIL XI, 310. 8 Fick 114.

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135

Die Form seines Namens steht als Totila fest. Über die graecisierte Endung in gelegentlichem Totilas vgl. unter „Declination". Grimm1 und danach Wackernagel2 fassten Totila als Koseform auf, welche im Ablautsverhältnis zu Tata stehe und wie dieses nichts als ein zärtliches „Väter- chen" oder dgl. besage. Aber wenn Tata* als interjectionales Kinderwrort einen Naturlaut wiedergeben soll, der ausserhalb der Lautgesetze steht und deshalb der Lautverschiebung ent- behrt (gr. rar« lat. tata), dann scheint es fraglich, ob man ihn andrerseits für ablautsfahig halten darf. Später4 nahm Grimm Totila ahd. Zuozilo als Spottnamen in der Bedeutung .Nase".5 Stark endlich6 will „Pracht, Ruhm* etymo- logisieren und citiert an. tütna „tumescere" ags. tötjan „eminere" getot „pompa\ Alle diese Deutungsversuche nehmen germ. got. 6 der W urzelsilbe an, und wenn wir letzteres als ostgot. ö schon öfter in der lat. Transscription zwischen o und u schwanken sahen, so findet sich auch hier die Schrei- bung Tutila wenigstens bei Fredeg. und Agnell. , Tutela neben Totila in der Epit. Justin. Trotzdem versuche ich eine andre Erklärung. Denn es muss auffallen, dass alle die älteren lat. Quellen diesen o- und «-Wechsel absolut nicht kennen, auch nicht in isolierten Varianten, dass Marcel 1., welcher doch Ebremud und Ruderit schreibt, Jord., dessen Hss. zwischen -muth und -motk wechseln, Greg. Magn., welcher Ruderte überliefert, Vict. Tunn., Isid., Paul. u. s. w. in dem vorliegenden Namen ganz constantes o geben ; eine fest gewordene amtliche? Schreibung kann hier nicht vor- liegen wie bei ständigem Theodericus, sajo u. s. w., denn die amtliche Form des Königsnamens war gar nicht Totila,

1 Gdd8 272.

* KI. Sehr. III, 416. a Vgl. oben 8. 124. 4 Zs. VI, 540.

* Trotz des kurzen o in „an. tota nasus, ro8trurau ; Cloasby-Vig- fu88on 638 übersetzt „teat or ieat-like protuboranco". Grimm hatte daher besser an tüta (Cloasby 645 „a teat-like prominence") angeknüpft, welches als Zwergname belegt ist.

6 Kosenamen 150, 1.

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sondern Baduila, wie die Münzen zeigen. Mögen daher auch die späteren Fredeg. und Agnell. mit ihrem Tutila eine Vertauschung bezeugen mit dem aus ahd. Zuozo Zuozilo u. ä. bekannten Namengliede (der Tutela der Epit. neben Totila beruht auf P^influss des lat. Abstraetums), so scheint doch das feste o der älteren Lateiner nicht auf ostgot. u, sondern ostgot. 6 < wulf. au zu weisen. Freilich für Totila < *Tautila ver- lässt uns wieder die germ. Etymologie. Aber der König führte einen zweiten Namen, gleichfalls in der Form eines secundären Hypocorismus , eben Badwila, und dieser kann dafür sprechen, dass älteres Totila schon damals den Goten unverständlich geworden war und deshalb einen inhalts- reicheren Ersatz forderte. Ich deute Totila aus dem Kel- tischen. Die idg. Diphthonge au und eu sind im Kelt. zu- sammengefallen, vgl. got. raups mit gall. Namen wie Roudus Anderoudus und andrerseits got. piuda mit gall. Namen wie Toutus Toutobocio.* Und so identifiziere ich das ostgot. Totila mit dem kelt. Toutela Toutillus? welchem eben ein mit got. piuda urverwandtes kelt. *touta zu Grunde liegt (air. tuath cymr. bret. tut corn. tus). Den Namen eigneten sich die Goten in früher Zeit regen Verkehrs mit den Kelten an, aus welcher alle ihre keltischen Namen stammen ; kelt. Toutila wurde germ. Tautila und ostgot. mit Monophthongie- rung Totila? das also in seiner Function mit got. Tlieudila ursprünglich identisch ist.

BADWILA.

Im Gegensatz zu obigen Andeutungen hat man Badwila, den andern Namen des Königs, sonst meist für den ur- sprünglicheren gehalten und Totila als späteren Beinamen

1 Zcuss-Ebel, Gr. celt. 84; Brugmann, Vgl. Gr. I, 56. 77. * Zeuss-Ebel a. a. 0.; Brugmann II, I, 33.

3 Letztere ist in dem gleichfalls keltischen Bacauda (oben 8. 142) unterblieben, da dasselbe noch vollkommen als Fremdwort erkannt und gefühlt wurde; Bacaudae als Name eines Volksstammes z. B. bei Salvian, einer Partei z. B. bei Eutrop u. 8. w.

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t:*7

aufgefasst, namentlich aus dem Grunde, weil die erhaltenen Münzen des Königs allein den ersteren tragen.' Aber es müsste auffallen, in dem jüngeren Zunamen Totila eine etymologische Schwierigkeit vor sich zu haben, während das ältere Badwila an sich schon eine hypocoYistische und dabei etymologisch klare Benennung repräsentiert. Umgekehrt jedoch ist alles klar: der König hatte von Hause aus den Namen Totila und war unter diesem allgemein bekannt, wie die Historiker beweisen (Badwila als alleiniger Name nur bei Mar. Avent, Badwila neben Totila bei Jord., Lib. pontif., Paul., Vita Laurent., sonst immer nur Totila); das jüngere Badwila, welches das unverstandene Totila zu ersetzen hatte, wurde dann vom König auch als seine amtliche Namensform acceptiert und deshalb auf die Münzen geschlagen. Und mit dieser Auffassung des Doppelnamens stimmt auch die in der ältesten Quelle überein: „Totila qui Baduilau heisst es Jord. 50, 29, nicht umgekehrt.-

Die Überlieferung giebt gleichmässig Baduila, mit u für germ. w im Inlaut wie gewöhnlich, so die Historiker (nur im Lib. pontif. steht statt des secundären Hypocoris- mus der primäre Badua), so die Münzen 3 (vereinzelt Baduefa, einmal Badwila, zweimal Baduil*, auf dem Freilaubersheimer Exemplar Baduilla b).

BLEDA.

Die Sieger von Mucella 541 sind Bleda, Ruderic, 117/- jarith. Zu letzterem (OvtXt'aQig Proc, Viliarid Marceil.) vgl. oben S. 87 ff.

Bleda (Marceil., vgl. ebenso den gleichnamigen Bruder des Attila bei Jord.), BX&dft (Proc.) ist immer zu got. bleips „gütig, mitleidig" an. Mipr ags. blipe as. Midi ahd. Midi ge- stellt worden;6 dann wäre bei Proc. die Vocalschreibung

1 Grimm, Zs. VI, 540; Wackernagel, Kl. ßchr. III, 416.

* Ygl. hierzu Wackernagel a. a. O. 1 Friedländer 12. 45.

4 Friedländer 12, Münzen der Wandalen 45.

* Henning, Runeridenkmälcr 79.

6 Förstemann, Namenbuch I, 267 ff.

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l:*8 -

die gleiche wie in seinem 'Pexiuovvtio^, und für den Dental wären die Varianten bei Jord. zu beachten: Bleta, d. i. Bletha. Aber das constante e der Lateiner spricht nicht für diese Deutung, und vielleicht stammt Bleda aus hunnischem Sprachschatze.1

RUDERIC.

Ruderit Marcell., Povdogtxoq 'PovdsQixoq Proc, Ruderte (al. Roder igo Rudirig Ruder id Ruodirich) Greg. Magn.

Das erste Glied zu got. *hröp$ (hröpeigs „siegreich") an. hröpr (hröpigr „ruhmvoll*) ags. hr$p „Ruhm" (as. ahd. hröm), das in zahllosen germ. Namen erscheint;2 hier mit Schwund des /t, mit u für ostgot. o, mit jüngerem d und Schwächung des Fugenvocals.

8ISIFRITH.

^lOHf nidog (Proc.) 545 Commandant in den cottischen Alpen.

RICIMUND.

' Ptxifwwdog (Proc.) 546 Befehlshaber in Bruttien.

USDA.

546 OaSa^ l oT$wv(t7tdvTwv ftuxitttoTaTos* (Proc). Primare Koseform zu einem ursprünglichen Vollnamen, der mit got. *tuda- an. oddr ags. as. ord ahd. ort „Spitze, Waffenspitze"3 componiert war.4 Gehört zu letzterem auch der Ustarric einer Inschrift von Catina5 als ostgot. Usda-ric ?

Um 551 wurde von Marini und Pertz die bekannte got. Urkunde von Neapel angesetzt, und deshalb sei

1 Vgl. oben 8. 12.

9 Förstemann, Namenbuch I, 715 ff.

» Zimmer, QF XIII, 61 ; Wand. 42 f.

4 Förstemann 971 ff.

5 CIL X, 7116.

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ihre Behandlung hier samt der vielleicht noch etwas älteren Urkunde von Arezzo eingereiht. Dass wir in dem Gotisch dieser beiden Urkunden 1 nicht den volkstümlichen Dialect aus der Mitte des 6. Jahrhs. sehen dürfen,2 folgt sofort aus den Abweichungen, welche der Lautstand der Goten- namen in ihren gotischen Teilen gegenüber dem in ihren lateinischen Teilen aufweist. Man muss vielmehr in erster Linie bedenken, dass die Aussteller Leute geistlichen Standes sind;3 Geistliche, wie sie die Verfertiger, d. h. die mechani- schen Abschreiber der got. Bibelhss. waren . haben das ihnen dorther geläufige Gotisch hier wie eine Art Geheim- schrift zu ihren Unterzeichnungen angewandt gegenüber dem sonst überwiegenden Latein. Man kann diese got. Stellen also nur mit ähnlichen gelegentlichen griech. Um- schriften in den Urkunden Marinis vergleichen und darf nicht aus ihnen den allgemeinen Schluss ziehen, dass das Gotisch noch als schriftliche Geschäftssprache im Gebrauch gewesen sei; alle sonstigen historischen Kriterien sprechen gegen eine derartige Annahme. Die Sprache der beiden Urkunden ist also eine archaisierende, stimmt mit derjenigen der Bibelüberlieferung überein, und wir haben hier von ihr nur dasjenige zu betrachten, worin sie von der wulf. Gram- matik abweicht. Das ist unter ihren appellativen Bestandteilen nur mit dem Titel diakon der Fall. VVultila flectierte diakaunus ganz als «-Stamm (PI. nom. diakaünjus, acc. diakaümtns 1. Tim.

8. 12), während in der Neapeler Urkunde Sunjefrith den Nomin. got. diakon schreibt und der Dat. zweimal als dia- kuna, zweimal als diakona erscheint. Wulfilas Gotisierung nach der w-Declination ist also einer solchen nach der a-Decli- nation gewichen. Dass aber statt des zu erwartenden got. *diaköns hier diakon ohne Nom.-s auch in got. Schrift vorliegt, ist für dieses ostgot. Auslautsgesetz eine neue ge- wichtige Stütze auch aus dem Bereiche der Nomina ap- pellativa! Alle sonstigen Gotica der beiden Urkun-

' Bei Mnrini Nr. 119. 118. Masamann, Die got. Urk. v. Neap. u. Arezzo, Wien 1H38. Sonst bei Bernhardt und Heyne. * 8o Bernhardt, WulfUa 64«. » Vgl. oben S. 3. 15.

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140

den richten »ich ganz nach der überkommenen wulf. Grammatik. In der Bibel nicht belegt sind davon papay das Quelhvort für das ahd. pfaffo* (doch im got. Kai. der Acc. papan), ufmeljan, skilliggs, kawtsjo, (ein in dieser seiner got. Transscription sehr lehrreiches Lehnwort, worüber unter „Voealismus" und oben S. 1W zu vgl.), gahlaifs (Wul- lila hat nur das schw. gahlaiba), frabauhtaböka, unkja, hugs.

Im Anschluss an die hier erwähnten Appellativa seien, bevor ich zu den Gotennamen der beiden Urkunden über- gehe, die sonstigen ausserbiblischen got. Sprachbrocken er- wähnt. Für das gewiss ostgotischer Feder entstammende Wort wulpr- im Cod. Brixianus der Itala, einen Term. techn. für die richtigere Lesart, genügt es, auf Haupt8 und Bern- hardt3 zu verweisen. Das Wort (auch Gal. 2, 6: ni waiht tnis iculpris ist) erscheint hier leider nur in lat. Flexion: super vulthre, in ipso vulthre, in vulthre , ipsos vulthres. Diese aber weist auf einen i-Stamm (ebenso wie die Var. wiilprais im Cod. A Gal. 2, 6). WTie got. totdpus, wulpags zeigen, ist in wulprs das r ableitend. Da jedoch im Germ, ein Suffix ri nur zur Bildung von Adjectiven bekannt ist,4 so wird das Subst. *wulprs nur das ursprünglich substan- tivierte Adj. wulprs „wichtig, wert" (Mt. (>, 26) sein, für dessen /-Flexion auch die allein belegte Comparativform wulprizQm sprechen kann. Die Parallele zwischen iculp-ri- und wulp'US widp-ags ist daher die gleiche wie die zwischen skei-ri- und skei-ma, skei-nan, zwischen me-ri- und Osthoffs Wz. w£-5, zwischen an. vitr (gr. ttpig) und ags. wit ahd. wiz.

Dagegen gestatten die bisherigen Resultate über den ostgot. Dialect bereits die Folgerung, dass der got. Trink- spruch in dem Gedichte „De conviviis barbaris* der Antho- logia latina" nicht ostgotischer Zeit entstammt. Dasselbe lautet :

1 v. Raumer, Zs. VI, 408, daru XXV, 99. Bcrl. Ind. leot. 1869 (Opuso. II, 407). s Za. f. d. Phil. II, 297.

4 Kluge, Nomin. Stnmmbildg. § 197.

5 Beitr. XIII, 431 ff.

8 Ed. Riese I, 285, p. 187.

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- ui -

lnter eils goticum scapia matzia ia drincan

Non audet quisquam dignos ediccre versus.

Calliope madido trepidat se iungere Baccho,

Ne pedibus non stet ebria Musa suis. Die richtige Deutung der got. Teile steht bei Dietrich 2b\ sie würden wulfil. aussehen:

. . . hails . . . skapei jah matjan jah drigkan. Schwund des got. h und die Assibilation in matzin sind nichts Auffallendes. Aber wulf. hails müsste ostgot. (h)el lauten mit Monophthongierung und Abfall des sl Deshalb bleibt der got. Hexameter einer vorostgotischen Zeit in Italien, vermut- lich der westgot. Periode Alaries (410) zugewiesen. (Sonst vgl. man zu dem Diphthong in eils das wand, ei < wulf. öi, Wand. 95).

Und nun zu den Eigennamen in den beiden got. Ur- kunden, die wegen ihres doppelten Vorkommens in got. und lat. Transscription besonders interessant sind. Ausser Betracht bleiben die ungotischen Petrus, Defensor , Vita- lianus, Paulus, Minnulus,1 Danihel, Costila? Hosbat? Benenatus, Constantius, Leontius, Donatus. Behandelt sind von uns bereits Optarit und Vftahari oben S. 97 f., Wiliarit und Wüjarip S. 87 f.

SUNJEFRITH.

Suniefridus im ersten allgemeinen lat. Teil, Sunjai- fripas in seiner got. Unterschrift. Suniefridus für wulf. *Sunjafrips mit abgeschwächtem Fugenvocal , tönender Spirans d (im Inlaut) und lat. Endung. Dem lat. Sunie- ent- spricht das got. Sunjai-, d. i. Sunjai-*. Das got. -fripas enthält sicher einen Fehler: es bleibt unentschieden, ob es nur für -fripus (als blosse Umschrift der vorhergehenden lat. Form) verschrieben oder ob ostgot. -früh falsch als wulf. -fripas reconstruiert ist. Jedenfalls ist Bernhardt5

1 Keltisch: Stark, Wien. Sitz.-lier. LIX, 220.

2 Keltisch: oben 8. 127.

» Keltisch : 8tark a. a. O. 4 Vgl. unter „Composition". 8 Wolflla 651.

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und Kremer 1 nicht beizupflichten . wenn sie -fripas als Nebenform des schwachen Mascul. auffassen (vgl. satanas, Vulfihis u. s. w.); denn der zweigliedrige Name kann nur auf ein starkes Adj. endigen, ferner würde dann auch die lat, Schreibung -frida{s), nicht -fridus sein müssen.

THEUDILA.

Theudda zweimal in lat. Teilen, davon einmal in seiner eignen Unterschrift. Man beachte das ostgot, eu.

MIUICA, MERILA.

Afirica im ersten allgemeinen lat, Teil, Merila in seiner got, Unterschrift, Vertauschung der beiden hypoeoristischen Secundärsuffixe.

SINDILA.

Sindila im ersten allgemeinen lat. Teil, Sinthilams (Gen.) in lat. Unterschrift. Wiederum Schwanken in der Wiedergabe der Spirans. Gegenüber Sindila zeigt der Sindula der Epist, pontif. Suffixablaut.2

Gt'DELEUB.

Die Neapeler Urkunde hat in lat, Teilen Gudeliuus, Gen. Gudeliui, die A rezzoer im ersten allgemeinen lat. Teil zweimal Gudilebus, in der got, Unterschrift Gudilub (so der erste Druck bei Gori: die Urkunde ist seit mindestens 17H1 verschwunden) , in den lat. Unterschriften die Ablative Gudileboy Gudüiuo. Hierzu stelle ich noch den Dat. Gudilevo bei Ennod.

Massmanns Herstellung Gudilaib an der got, Stelle ist mir nicht wahrscheinlich; ihr könnten zwar die 4ebus

1 Beitr. VIII, 448.

* Stark, Kosenamen 5G, 2. Wand. 39.

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- 14:1

•levus als ostgot. Monophthongierungen entsprechen, 1 nicht aber die -Uhus, für welche dann Vertauschung zweier Namen- elemente der einzige Ausweg wäre. Massmanns Lesung er- fordert, das zweite u im got. (hidilub als verschrieben aus « anzusehen und Ausfall eines i anzunehmen: ich behalte nur letzteren bei, rette jedoch das u und lese Gudiliub. Aus dessen Latinisierung *Gudiliubus erklären sich ohne weiteres GudUiuws (vgl. in derselben Urk. got. Kaballarja, lat. Caballaria und Cavallaria, sowie oben S. 128 und S. 131), Gudileuus (mit ostgot. eu), aus letzterem Gudilebus; und Gudiliub (man beachte das Fehlen des Nomin.-s an der got. Stelle) ist das Masc. zu der oben behandelten Gudeliva, •leuba. Wer ängstlich Gudilub bewahren will, der nehme gegenüber den andern Stellen Vertauschung an von wulf. Hufs mit einem Nomen agentis des Stammes, der in an. lofa ags. lofian as. lobon ahd. lobön vorliegt, und denke an got. gahihs „kostbar", auch ags. lufu „Liebe*.

GUDERITH.

In lat. Teilen der Neap. Urk. Guderit, als Nom. und Gen., also endungslos. Ebenso ein got. Freigelassener Gude- rit bei Marini Nr. 80, II, und ein Gttderit auf einer Inschrift von Aquileja.2

MALATHEU.

Im ersten allgemeinen lat. Teil der Neap. Urk. Mala- theus. Kremers3 Etymologie des ersten Teils als *mapla- oder *malwa- entbehrt für den dann nötigen Consonanten- schwund jeder ostgot, Analogie. Will man nicht Mala- oder Amala- bessern, so bleibt an keltische Bildungen zu er- innern.4

1 v. Grienbergera neuste Lesung got. Qudilaib (Germ. XXXIV, 411) bedarf kaum der Erwähnung. Vgl. oben 8. 62, 1.

* CIL V, 1588.

» Beitr. VIII, 449.

* Stark, Kosonamcn 49.

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144 -

ALAM III).

In der Neap. Urk. viermal der got. Dat. Alamöda, in der Arezzoer derselbe einmal und zweimal Alamnd als Acc. und als Nom. Der erste Teil des Namens ist derselbe wie in got. ala-mans ala-parbu, an. al-rita al-eyPa al-daupa, as. ahd. al-ung, ahd. ala-wäri ala-niuwi, mit verstärkender Function (omnium , inter omnes ]) ; seine ostgot. Färbung ale- ali- ist aus diaeritischen Gründen unterblieben (vgl. ostgot. ali < wulf. alja- oben S. 123 f.); ebenso in den inschrift- lichen AlatuHCHs Alagildns.2

WILLJEN ANTH.

Der Geistliche Minnulm des ersten allgemeinen lat. Teils der Neap. Urk. unterzeichnet sich mit einem zweiten, gotischen Namen , Wiliienattt. Das erste Glied mit hypo- cori st i schein //.

IOILA.

Ebenso unterschreibt der im Anfang der Urk. Danihel Genannte sich am Ende als lgila. Die Etymologie bleibt dunkel.8 Vielleicht liegt eine Scherz- oder Spottbenennung vor ähnlich wie in Wisand , und man hat an got. *igils „Igelu anzuknüpfen4 (an. igull ags. igl U ahd. igil).

ANOELFRITH.

In der Urkunde von Arezzo Angelf rid- .... corrumpiert, vermutlich aus latinisiertem -fridits. Das ei ste Glied stellt sich entweder zu got. aggilus an. engeil ags. engel as. ahd. engil 5 oder wahrscheinlicher zu dem Volksnamen der Angeln.'5

1 Grimm, GddS 498. * CIL V, 8738. 8760.

3 Vgl. Wand. 47.

4 Burg, Runeninachr. 124, 2.

5 Vgl. S. 103 und Forstemann, Namenbuch I, 89 ff.

6 Müllenhoff, Beovulf 30; Schröder, Anz. XII, 181; Seelmann, Nd. Jahrb. XII, 23.

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8CIPWAR.

An die got. Urkunden schliessen sich der Chronologie gemäss wieder einige Namen aus Proc. «Wovap nennt er einen Getreuen Totilas, welcher 551 vor Ancona die grosse See- schlacht gegen Johannes mit verlor und welcher 552 seinen tätlich verwundeten König aus dem Schlachtgetümmel rettete und verzweifelt verteidigte. Eine normale Namenbildung aus got. an. skip ags. as. scip ahd. seif scef und dem oben S. 82 f. behandelten Nomen agentis und vielleicht ein be- zeichnender Zuname in Bezug auf jene Seeschlacht, formell aber nicht identisch mit dem an. skipveri pl. skipverjar „Schiffsmann-. 1 Wir wissen, dass Theoderic eine Kriegs- flotte von tausend Dromonen bauen Hess.

GIBILA.

Vor Ancona werden die Goten ausser von Scipicar noch von Gibila und Gundwulf commandiert. Wenigstens wird rißkag bei Proc. nicht anders als Gibila zu fassen sein.

GUNDWULF.

Proc: / lovpdovXq> , oonto rir^ dt avrov 'Irdoi'Xy

ixakow", also wiederum ein Doppelname. Die wiederkehrende Variante fovi'JovA (ebenso '/fJovA) kann auf romanischen Einfluss hindeuten (vgl. frz. Ärnoul, Raoid u. ä.2).

HILDWULF.

Jenes etymologisch rätselhafte 'häovhf wird an drei Stellen von der Variante 'DMvtp begleitet und daher in 'Ikdovkfp zu bessern sein.

GOAR.

Einen Goten nennt Proc. jenen r6ag, der als Gefangener nach Byzanz gekommen war und sich 552 zu den Gepidcn

1 Möllenhoff, Zs. XVI, 155. * Dioz, Gr. I3, 324. QP. LXVIII. 10

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siegreich durchschlug. Aber sein Name ist uugotisch. Denn schon in den Jahren 40f>. 412 erscheint' ein Alane gleichen Namens1, und Alanennamen wie Eochar , Beorgar zeigen die gleiche Endung. Vgl. den „alanisch benannten Goten" Aspar.2

USDRILA.

Der OvödQi'lag bei Proc. vom Jahre 552 bleibt in dieser Form dunkel ; denn die Lesart Ovadt'ka*;, welche Förstemann :i nach Grimm aufführt und welche den Namen zu dem pri- mären Uada (oben S. l:*8) stellen würde, existiert in der Bonner Ausgabe nicht. Vielleicht steht Ova^Qtlaq mit der im Griech. nicht vereinzelten Verwechslung von x und d 4 für Ovarptkutf, Ovt(ng{\a$f und Wistrila wäre Koseform aus einem mit got. *Wistra~ gebildeten Vollnamen. :>

DARIDA.

Es folgen einige Namen aus der Zeit Totilas, welche in Gregors des Grossen Dialogen überliefert sind. So der Dux Gothorum Darida. Schon Förstemann 6 stellte Darila Darohi Derlindis Tarro Tara Tarit Tarut zusammen und knüpfte an an. dar „hasta" an. Darida ist die ostgot. Entsprechung zum an. darraßr1 ags. dearod ahd. tart mit Suffixablaut H, mit jüngerem d (wulf. />) und schwacher Flexion. Das Stammwort, an. darr n., später dqr m., ge- hört nicht zur Wurzel dars .wagen",9 sondern zu ahd. terren got. *darjan „beschädigen, verletzen", und Darida Darrapr u. s. w. ist „der Schädiger". Grade zur Bildung

1 Dahn, Könige I, 263.

8 Möllenhoff, DA II, 377.

8 Namenbuch I, 973.

4 Blass 81.

5 Förstemann, Namenbuch I, 1278. 8 KZ III, 308.

7 Cleasby-VigfuKson 1)6.

* Ein weiterer Beleg zu Sütterlin, Nom. ag. 18.

* Fiele, Vgl. Wörterb. III8, 145.

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solcher Kenningar, besonders für Götter- oder Spottnamen, diente das Suffix Up ap ip gern, wozu besonders an. Nomina agentis wie varpapr, bautupr u. v. ä. zu vgl.1 Für die vor- liegende Form des Suffixes vgl. man den Namen des Gepiden- königs Fastida bei Jord. 83, 4. 19 u. ä.2, zu seiner schwachen Form auch an. edda < got. *aipidö*

RIGGO.

Für den Spatharius Gothus Biggo sollte man Rico oder Ricco erwarten (mit latinisierter Endung und hypocoristischer Gemination) oder herstellen 4, da auch der Ruderte bei Greg, die Varianten Rodengo , Rudirig zeigte. Aber wenn das eddische Gedicht den Heimdallr als Bigr auftreten lässt und Müllenhoff5 Recht hatte hierin keltische Lautgebung zu sehen, so mag dieselbe Erklärung auch eine Emendierung des vorliegenden Gotennamens ersparen. Ein Rigmtmd auch im Onomasticon des Smaragd*, und sonst -rig neben -ric als häufige Variante.

WTLTII.

Ib. der Name Vul, al. Vult Vtrtd; kein primärer Hypo- corismus, welcher *Vulda lauten müsste, sondern das oben S. 85 statuierte Adj. selbst in starker Flexion (wulf. *wulps) als ehrender Beiname, identisch mit dem an. Vllr.1

BLIDIN, WIDIN.

Ib. Blidin, al. Blindin, eine dunkle Bildung. Bei Paul, in der Langobardengeschichte erscheint später ein Gote

1 Kluge, Nominale Stanimbildungslelire § 29b, auch Feminina § 43. Sütterlin, Noni. ag. 14 ff.

* Stark, Kosenamen 58, 2.

3 Burg, KuneninHchr. 108.

4 Ein Burg. Rico bei Wnckernagcl, Kl. Sehr. III, 407.

* Za. XXX, 247.

* Ze. I, 389.

7 Bnehleclmer, Zs. VIII, 203.

10*

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Widin \ welcher gegen Narses rebelliert . aber von ihm geschlagen und nach Oonstantinopel geschickt wird. Ich möchte Blidin und Widin für dieselbe Person halten, mag nun ihr Name in der einen Quelle fehlerhaft sein oder eine Vertauschung zweier Namenelemente vorliegen: got. bleips (oben S. l:V7) und got. *mdus (oben S. f>9). Den Ausgang -in lese ich als -tri und verweise auf S. 74 f.

ZALLA.

Ib. Zalla (al. Tzalla).- Das z ist die geläufige roma- nische Assibilation , das II hypoeoristisch , das Ganze eine primäre Koseform, zu welcher die secundäre als Tzalico, d. i. got. Talka noch begegnen wird. Vgl. got, un-tals „unfügsam" ; die zu Grunde liegende Wurzel nach Fortunatow3 auch in gr. «W-JmA-o*- dat-ädX-so±' «künstlich gearbeitet", und auch Juidaloq ist im Griech. Eigenname.

TILA, TEJA.

Nach Totilas Tode wurde Teja zum Gotenkönig erwählt, zum letzten. Er fiel bald nachher in der grossen Schlacht am Vesuv. 55:* wurde Italien römische Provinz.

Sein Name ist auf Münzen erhalten,4 von welchen eine erste Klasse ihn Theia, eine zweite Theia mit der Variante Theia, eine dritte Thila nennt. Dem gegenüber zeigen die Historiker übereinstimmend die Form Teia: Proc, Agath., Euagr. 7V/«c, Mar. Avent. Teia, Agnell. Teia Theia. Der- selbe Name begegnet schon in der ersten Zeit Theoderics, in einer Epist. pontif. als Name eines Comes: Zeia (mit Assibilation).

Bei solcher Übereinstimmung der Historiker bleibt das Schwanken in den numismatischen Belegen um so auffallender.

1 Dahn, Könige IV, 164. Der dort citierto Haminr ist Franke. 8 Dahn, Könige III, 246, 3.

* Bezz. Beitr. VI, 218 Anm.

* Friedender 51 IT.

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Seelmann (S. 327) belegt zwar inschriftliche Fiios (st. Filios), Aureia, Comeius, Oreius, Ducix u. s. w., warnt aber selbst davor, hierin lautliche Entwicklung statt Nachlässigkeit der Steinmetzen zu vermuten; hiernach könnte man allenfalls auf den Münzen Thela Thila heisteilen, schwerlich jedoch bei der ganzen Reihe der genannten Historiker. Ich schlage vor, wiederum einen Doppelnamen anzunehmen, wie bei dem Vorgänger Totila Badwila. Thela Thila, mit verkehrter Aspiration statt ostgot. Teia, erklärt sich am einfachsten als primäre Koseform zu einem mit got. tils componierten Vollnamen.1 Freilich findet sich ein Stamm til auch in keltischen Namen:2 liegt er hier vor, so ward seine Un- verständlichkeit Veranlassung zu dem Doppelnamen, grade wie oben beim Totila. Wer das constante th retten will (auch der Sohn Odowacars, welcher als Geisel an Theoderics Hof lebte , heisst beim Anon. Vales. § 54 Thela) , mag an den alten Stammesnamen der Thelae, d. i. der an. pilir (in pelamqrk, heute Tellemarken) denken, welcher bei Jord. 60, 2 in Taetel entstellt ist3; auch er wird in Italien nicht mehr verstanden worden sein und kann so die Entstehung eines zweiten Namens befördert haben.

Diesen zweiten Namen, Teia, erklärte Dietrich (S. 02) als *T$wja und stellte ihn zu got. tewa tewi -Ordnung", teiojan .ordnen" ; aber für solchen Schwund eines ic fehlt jede ostgot. Parallele. Ich erinnere vielmehr an den Ausfall des intervocalischen g in sajo < *sa gja , Dailu < Dagila und nehme Teia als *Tegja. In Tegja kann das e nicht kurz sein, weil germ. e bei folgendem i oder / auch in unsern Quellen schon regelmässig durch i reflectiert wird. Folglich kann nur ^ vorliegen und, da wulf. *Tegja jeglicher etymo- logischen Anknüpfung entbehren würde, ostgot. e < wulf. ai. Für dieses ostgot. *Tegja < wulf. *Taigja darf an ahd. zeigön nicht gedacht werden, weil dies eine speeihsch hoch-

1 Vgl. S. 81 und Henning, Runendonkm. 4. Aber ib. 142 sotzt er da« i der Stammsilbe unrichtig als ursprünglich an; vgl. Feist, Got. Etym. Nr. 571.

2 Stark, Kosenamen 121, 2.

3 Müllenhoff, DA II, 66.

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deutsche Bildung isst 1 (dazu got. taik-ns und ga-tei-hati); und so bleibt nur eine Möglichkeit noch: Verbindung mit an. teigr „Erd-, Wiesenstreif". Im An. erscheint teigr sim- pliciter wie in der Composition (Hof teigr , Gullteigr) als Orts- oder Flurname,2 und so kann auch *Tegja den Be- wohner oder Besitzer eines bestimmten *taiyus (wulf.) be- zeichnen.8 Oder aber es bedeutet als Xeckname den „Trinker", wenn man schon dem got. Appellativum wie dem an. teigr den übertragenen Sinn eines „tiefen Zuges* zumessen darf ; das davon abgeleitete schwache Verbum teiga besagt gradezu „einen tiefen Zug thun":4 letzterem entspricht ein got. *taigjan, wovon *taigja Nomen agentis, und Teja wäre der „Trinker u wie oben S. 108 Matja der „Esser". Der gleich- massige Ausfall des g beruht bei dem Königsnamen wie oben S. 110 bei dem Titel sajo auf amtlicher Tradition.

FRIDIGERN.

Der Vater des Teja heisst bei Agath. <!>t)tdtye(>i'o$. Vgl. den gleichnamigen Regulus Vesegotharum z. B. bei Jord. (05, 4 Fridigernus, 93, 2 u. ö. Fritigernus) und Möllenhoff daselbst im Index.

ALIGERN.

Ein Bruder des Teja war 552 Commandant von Cumae, übergab dasselbe im folgenden Jahr mitsamt dem gotischen Königsschatze an Narses und zeichnete sich später im römischen Heere während der Schlacht bei Capua gegen die Franken aus: \4h'yeQvo$ Agath.

RAGNARITH.

'Pdyvaoig der Name eines Gotenführers 552 bei Proc. und Agath. Zum ersten Teil vgl. Wand. 86: got. ragin

' Kluge, EW4 unter „zeigen". 2 Cleaaby-Vigfusson 627. 5 Vgl. Oraja oben S. 105. 4 Cleasby-Vigfuason a. a. O.

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an. regln as. regino (Gen.) ahd. regln- -Hat, Beschluss*, in Namen zum Zweck höchster Begriffssteigerung , wie auch in zusammengesetzten Appellativen des An. Ags. As.1 Zur obigen Syncope unter ,Compositionw.

ADEMUND.

Die Schenkungsurkunde bei Marini Nr. 86 vom Jahre «55:3 2 nennt 21 den Halbbruder der Stifterin mit Namen Ademunt , qui et Andreas appellatur. Man beachte den Doppelnamen. Das incorrecte t für d entstammt lateinischer Feder.3

ADERITH.

Ademunds Vater heisst in derselben Urkunde 1. 19 Aderit (über die Schreibungen AderUnis, Aderitgis ib. für Aderit gls, d. i. gloriosissiini, s. Marini S. 284 und danach Förstemann, Namenbuch I, 135).

FELITHANC.

Die Schenkung geschieht mit Einwilligung des Ehe- mannes der Stifterin, welcher 52. ()3. 73. 77 Felithanc, 66 Felethanc genannt wird 4 : eine ganz correcte ostgot. Schrei- bung, mit ostgot. cy extrem gefärbtem Compositionsvocal, richtiger Aspiration th und ohne Nomin.-s. Der eiste Teil des Namens ist das got. as. ahd. filu an. fjql- ags. feolu feala, dessen Stammvocal, germ. e \ hier wieder bewahrt ist. Vgl. den secundären Hypocorismus Filica oben S. 68 oder den Filimer der gotischen Ursage bei Jord. oder den Rugier Feletheus Eugipp. 8, 1. 31, 1. 33, l.6

1 Möllenhoff, Za. XVIII, 8. 1 Dahn, Könige IV, 185.

3 Vgl. z. B. Mommsen8 Jord. S. 170.

4 Die Identifizierung mit Wilithane (obon S. 128) bei Dahn IV, 185 ist willkürlich; vgl. etwa Seelmann 241 a. E.

1 Kögel, Literaturbl. 1887, Sp. 108.

* Ferner Förstemann, Nnmenb. I, 405 ff., und die zahllosen nof.v in griech. Eigennamen (Fielt 71. 206).

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RUNILO.

Die Stifterin selbst heisst 62. 65. 68. 72. 76. 79 liunilo? eine feminine seeundäre Kosebildung ; zu got. as. ahd. rüna an. rün ags. nni , in vielen Frauennamen auf den Besitz höherer Weisheit hindeutend.

SISEWERA.

Die sich hier weiter anschliessenden Namen erfordern insofern einige Skepsis, als sie der Zeit nach 553 ange- hören. Doch weist ihre lautliche Gestalt sie den ostgoti- schen Kesten zu/2 welche trotz dem radicalen Aufräumen in Italien seitens der Kömer hier noch hängen geblieben sein werden.

In der Urkunde Nr. 93 bei Marini,3 nach 553, ist von einer Schenkung einer Freigelassenen Sisewera an die Kirche zu Ravenna die Rede: 65. 100 Sisioera, 70. 81. 108. 113 Sisevira, 74. 78. 104 Siseotra. 93. 96 Sesivira, 86. 90 in griech. Transscription Ciötßtpa. Zum ersten Gliede vgl. oben S. 106, hier ist es mit ziemlicher Sicherheit als wulf. *sistca-f nicht *sigi$a- anzusetzen, da der Stammesaus- laut vor folgendem Halbvocal schwinden musste, sisi- also nur *sisu- *sisw- reflectieren kann : darauf weist auch das zweimalige Sesi-, dessen e bei folgendem ursprünglichen i {siyisi-) anomal wäre. Weshalb Möllenhoff4 den Namen rätselhaft fand und seinen zweiten Teil nicht an got. wirs anknüpfte, bleibt dunkel; man vgl. oben Wera , Wfrika und andere Belege, die Möllenhoff selbst a. a. O. aufzählt, dazu noch aus den westgotischen Concilienacten bei Mansi XI, 1076 Veremundus 683, XII, 84 Vera 693, femer 533 eine Frankin Leudovera bei Pard. 118. 119, 700 Gunthivera ib. 452.

1 Dahn a. a. O. ; fälschlich liundo III, 134, 2.

3 linnke, Woltgoadiichto IV, II, 145. 1 Dahn, Könige IV, 185.

4 Zs. XVI, 156.

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153

THEUDIFARA.

Die Herrin der Sisewera heisst ib. 23 in correcter ost- got, Lautgestalt Theudifara.

GUXDIHILDI.

Ergiebig an got. Namen ist die Urkunde Nr. 79 bei Marini aus dem Jahre 557. Ib. 1. 16 Gundihild, 13. 14. 56 Gundihildu 17. 22. 25. 77 Guttdihil, 90 Gundiildi. Zur Gundihildi verhält sich die iiischriftliche, freilich nicht da- tierte Guntelda 1 wie Theodadm zu Theodahadus.

LANDARITH.

Ib. 2 Land . . ., 48. 66 Landarit. Got. an. ags. as. land ahd. lantr

G UND WULF.

Ib. 4. 43 Gunduhuls, 30 Gunduhts, 57 Guduhuls. Marini stellt (S. 265, 12) Gundulf her, und ich weiss nichts besseres; ist s jedesmal aus / verschrieben oder verlesen? oder ent- stammt es wie an der dritten Stelle lat. -us? dann zum Ausfall des / oben S. 145; uhu = germ. wu, und das h als Übergang vom Halbvocal zum Vocal?3 Oder aber ist -wids incorrecte Wiedergabe von got. wulp, wie das con- stante gr. -()ig von ftp'i An Einwirkung von -hulps ist für die Form Gunduhuls des ungotischen Fugenvocals wegen schwerlich zu denken.

ADIUTH.

Ib. 43. 58 Adiud, 66. 78 Adiut. Vgl. S. 114 und S. 67.

1 CIL V, 5415.

1 Förstemann, Namenbuch I, 829 ff.

* Vgl. oben S. 115. Man könnte an langobardische Schreibungen wie sruldahis, marpahis, Ahistulf u. s. w. für sculäais, tnarpais, Aistulf denken (Grimm, GddS 4SI ; Wackernagel, Kl. 8chr. III, 366 f.), auch das inschriftliclio Ehurfericus (oben S. 67, I) vgl.

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ROSEMUD FAFFO.

Tb. 44. 58. 66. 7<) Rosemud qui Faffo coynominatur. Das constante o in di r ersten Silbe des ersten Namens gegenüber dem u in der zweiten weist für jenes auf wulf. au, und der Name ist identisch mit dem des alten Goten- führers 'Pavotttodog bei Zosim. 85, IG.1 Sein erstes Glied ist entweder als got. *Hrauza- anzuknüpfen an got. *hriusan an. hrjösa ags. hreosan „fallen", wozu an. hreyr (mit J?-Um- laut) „Leichnam*,2 oder als *Rau2<t- an *riusan, wozu an. rausa „laut sprechen % rausn „Herrlichkeit, Ruhm*.3 Wenn ihrer Bedeutung wegen die letztere Etymologie vorzuziehen ist, dann würde damit in dem vorliegenden Namen auch eine got. Entsprechung zu dem an. Namen Rerir < *Reyrir (Volsungas. 2, ferner Öp-rerir und piop-reyrir Havam. 160) aufgefunden sein, welchen noch Müllenhoff4 ausserhalb der nordischen Sage und in der übrigen germanischen Welt gänzlich unbekannt nannte. Faffo bleibt dunkel ; 5 ff könnte nur hypoeoristisch stehen, da gemeingerm. ff sonst nicht zu belegen ist, und -o für got. schw. -a latinisiert sein: aber was ist *Fafa? Man beachte, dass auch bei diesem Dop- pelnamen die eine Hälfte ein etymologisches Rätsel bietet.

GCNDIRITH.

Ib. 44. 7!) Gundirit, 67 Gunderit; dazu in Nr. 80. II (s. u.) 16 Gunderit (statt sonstigen Guderit) und in Nr. 88a (vom Jahre 572) viermal Gunderit.

LENDARITH.

Ib. 48 Lendarit, 65 Lend .... Marini (S. 265, 1) wollte Leudarit lesen und erinnerte an Procops AtvöfQig. Das geht

1 Dahn, Urgeschichte I, 229. a Cleasby-Vigfusson 286. 290. 3 Ib. 484.

* As. XXIII, 118. 157.

5 Jac. Grimm» Annahme einer Lautverschiebung aus papa (Kl. Sehr. III, 391) verbietet »ich jetzt von selbst.

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155 -

jedoch deshalb nicht an , weil ags. ledde ahd. liuti ein /-Stamm ist. welcher allein ostgot. Leudirit bilden würde. Es bleibt daher bei Lendarit, mit altem e wie in Mate- suentha, Sendefara, und der Name ist entweder anzu- knüpfen an an. Unni linnr ahd. lind „serpens" mit Grimm1 oder an an. ags. lind ahd. Unta ..tilia", in Namen nach uraltem Tropus gebraucht, mit Müllenhoff.2

TZALICO.

In der Urkunde Nr. 140 vom Jahre 557 der Name eines Comes, 22 im Gen. Tzaliconi, 25 Tzali . . . Vgl. oben S. 148. Wenn statt Tzalico vielmehr Tzulico zu lesen, dann zu S. 129.

GUDILA.

Ib. 26 Gudila. Vgl. oben S. 71.

WILIFARA.

Eine Inschrift bei Kossi 1, Nr. 1093 vom Jahre 557:

Wiliera, qui vixit deposita, also ein Frauenname.3

Bei dem inschriftlichen E ist der unterste Querstrich ganz kurz, der oberste lang ausgezogen; jener entstand daher vermutlich durch ein Versehen des Steinmetzen, der E statt F meisseln wollte, jedoch seinen Fehler noch rechtzeitig bemerkte.

HILDFWADA.

In den Briefen des Papstes Pelagius I., 555 560, (oben 8. 28) begegnen folgende vier Namen.

Hisdevalde, al. Hildivade Hilviade, im Gen., -e also für ~ae. Ich stelle Hildiwadae her , mit der movierten Form zu dem oben S. 115 behandelten masculinen Nomen agentis.

' Gr. II (1878), 488. Myth. 652 f. s Zs. XIII, 576 f. 3 Vgl. oben S. 134.

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- 150 -

SINDULA.

Vgl. oben tf. 142.

ANILA.

Vgl. oben S. 107. Ein Westgote Annüa 675.

G UNDIMER.

-

Der Dat. Gardimeri gewiss zu bessern in Gund-.

RAXIHILDI.

In der Urkunde Nr. 80 bei Marini, vom Jahre 564, II, 4 Ramhilda, zu welcher oben S. 132 zu vgl.

GUDERITH, GUNDERITH. Ib. II, 4. 11 Guderit, 16 Gxinderit.

MANNA.

In der Testamentsurkunde Nr. 75, aus dem Jahre 575, wiederholt der Name Manna (so sicher, wie die Schrift- tafel beweist), flectiert Mannanis oder Mannani u. s. w.: der primäre Hypocorismus zu dem oben S. 123 behandelten se- cundären Mannila.

NANDERITH. Ib. sechsmal als Abi. Nattderit.

RICCITHANC. Ib. 10 ... citanc, 39 Riccitanc, 48 Rice . . tanc.

OTRATARIT. So ib. 42 als Gen. Ist Ostrarit zu bessern?

WINIGILD.

Ein Gote war der Vater des Papstes Pelagius II. (578 590), der im Lib. pontif. Unigildus^ Unigeldus, Winni-

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yildus, Winigildus, Vingilius, Gildus heisst. Innerhalb dieser Überlieferung wird keine Vertauschung zweier Namenele- mente, Hunt- und Wim-, vorliegen, sondern Uni- auf griech. Auffassung von Wini- beruhen,1 wie Ovh- für Ovth- u. ä. Der zweite Teil des Namens ist das Nomen agentis mit dem a-Suffix zu got. gildan an. gjalda u. s. w. „gelten, entgelten, vergelten" und mit an. gildr „geltend, tüchtig. tapfer"2 zu vgl. Hierher gehört auch der inschriftliche Alagildus* und ebenso wird der Fandigil . . s einer vene- tischen Inschrift,4 welche vermutlich der ostgot. Epoche entstammt,5 in Fandigildus zu restituieren sein; zu fandi- vgl. ahd. fendeo fetido „pedes, phalanx*, ags. fepa „pedes, acics" e\ woneben ein /-Stamm *fanjn- bestanden hat, wie viele Eigennamen beweisen.7

WILJARIC.

Einen Mag. mil. Wiljaric nennt eine Inschrift bei Rossi I, 1126 vom Jahre 589.8

THRASARIC.

Auf derselben Inschrift der Gen. Trasaric . . Vgl. dazu Trasaricus bei Erchempert, oben S. 41.

HOLDIGERN.

Marini Nr. 121, vom Jahre 591, 8 Iloldigernus. Got. hulps an. hollr ags. as. ahd. hold.9 Zu der Conjectur Hildi- gernu8 unter Vocalismus".

1 Vgl. oben S. 85, 7.

Zimmer, QF XIII, 96.

CIL V, 8760. 4 CIL V, 8747.

6 Ib. 8. 1175.

Dazu Tac. Germ. 6 und Möllenhoff, Zs. X, 551.

7 Ausführlicher Henning, Runendenkm. 58.

Ebenso Ephem. epigr. IV, 851.

» Ein Weatgote Uldila v. 588 bei Dietrich 79.

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ODEKIC.

Ib. 45. 05 Odericus.1

BOHKRDE. So ib. 65 ein Gen. Völlig dunkel.

TZITA.

Marini Nr. 122. vom Jahre 591: 5. 71. 8f> Tzita, 74 Tzitta, SO Ktira, 92 Tasilta, 98 Zi'/a. Vgl. oben S. 93.

HILDIGKRX. Ib. 16 Hildigemus.

WADWULF.

Endlich aus der Charta damnatae litis bei Marini Nr. 131,2 welche nicht näher datiert ist, jedoch dem 6. Jahrb. entstammt: 5. 10. 2:$. 36. 43 Vuaduulfus, 29 Vuad- ouvlfus. An den ersten fünf Stellen ist mm die gewöhn- liche Wiedergabe von got. wu, an der letzten jedoch ist die Schreibung die correcteste: onu ist ovu, das für «rt# steht, worüber unter „Halbvocale*.

SICCIFRIDA.

Ib. 5 S(R)iccifrida, 11. 23 Seccifrida, 16. 36 Sicci/rida, 29 Sicchifrida, 43 Sisifrida. Wer die römische Cursive dieser ravennatischen Urkunden gelesen hat, weiss, wie r und s hier einander ähnlich sehen und leicht für einander verlesen werden können. Deshalb könnte die Herstellung Ricci-, wie sie

1 Dass er Oote, nicht Langobarde, darüber Dahn, Könige IV, 186, und dazu Meyer, Langob. 264, wonach das Langobardische diphthongisches au bewahrt.

* Über ihron Inhalt Dahn IV, 187 ; über ihren got., nicht langob. Ursprung auch oben S. 119, 1.

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Marini an der ersten Stelle andeutet, nahe liegen; sie ver- bietet sich jedoch durch das zweimalige Secci-, dessen <, wenn es germ. i reflectieren sollte, ganz isoliert dastehen würde. Es wird also bei Secci- Sicci- (mit hypocoristischer Consonantengemination, welche hier auch in den ungekürzten Vollnamen gedrungen) bleiben müssen, ohne dass für dessen Etymologie etwas Positives sich beibringen liesse. Allen- falls mag an ein got. *sika- erinnert werden, wie es dem ahd. seh mhd. sech „Karst, Pflugschar" entsprechen würde.1 Zu dem an der letzten Stelle vertauschten sisi- vgl. oben S. 106, zu -frida S. 63: movierte Form zu Sisifrith (oben S. 138).

GIVERIC, GIBERITH. Ib. 131, 26 Ghiveric, 51 Giberit.

HARDICA.

Ib. 33 Ardica, 49 Ardeca. Ein secundärer Hypocoris- mus (etwa zu Ardaric, wie ein Gepide bei Jord. 42, 23 u. ö. heisst); got. hardus an. harpr ags. heard u. s. w. „hart, tapfer, strenge". Man vgl. das reiche Nainenmaterial bei Förstemann, Namenbuch I, 604 ff., und die ebenso häufige Verwendung des urverwandten gr. xqutvq xoutfooi; in griech. Personennamen.2

CESSA.

Führt ib. 51 der Comes und Schwiegervater des Gibe- rith einen got. Namen, so ist der Gen. Cessims zu Cass.'s Mazenis, Waccemm, Patzenis zu stellen und das lat. -inis mit got. -bis zu vgl. In Cessa fasse ich das anlautende c als Vergröberung des explosiven gz und das $8 als hypo- coristische Consonantendehnung und stelle das so gewonnene *Gesa als primären Hypocorismus zu dem oben S. 117 be- handelten secundären Gesila.

1 Kluge, EW« unter „Sech".

1 Fick 42. 46 f. 120 f. 182. Vgl. jedoch Webster, Zur Guttural- frago im Got., 8. 25.

* Vgl. oben 8. 65. III und unter „Consonantismus*.

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SIFILO.

Vielleicht gehört dem b\ Jahrh. auch die Urkunde Nr. 141 an, wo 14 der Frauenname Sißo erscheint: eine femin. seeundäre Koseform zu einem mit got. sifan „sich freuen* gebildeten Vollnamen. Das überlieferte Sifilon er- gänzt Marini gewiss richtig zum lat. Abi. Sifilone, während Grimm 1 darin den ursprünglichen got, Dat. sehen wollte. Vgl. einen primären Siffo vom Jahre 788 bei Meichelb. 62u\ welchen selbst Stark - noch nicht aus Sigfrit o. ii. deuten will.

' Gramm. I1, XLIX. * Kosenamen 120.

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DI ALE (TISCHE MERKMALE DES OSTGOTISCHEN.

VOCAU8MU8.1

a.

Kurzes wulf. a ist in ostgot. Stamm- und Suffixsilben unverändert erhalten. Für langes oder nasaliertes a fehlen die Belege.

f.

Während Wulf, gerra. e und i unter das eine graphi- sche i subsumierte, schied er e und ei: beide müssen daher in der Aussprache deutlich unterschieden gewesen sein. Dass hingegen die häufigen ei oder / statt e, dgl. die um- gekehrten Schreibungen e statt ei oder i2 in den Hss. erst dem jüngeren Dialect der ostgot. Abschreiber entstammen, wird dadurch bewiesen, dass die ostgot. ausserbiblischen Sprachreste ganz denselben Wechsel aufweisen.8 Dass aber trotzdem wulf. $ und ei im Ostgot. noch nicht zu einem Laute zusammengefallen sein können, wird durch die constante Überlieferung des letzteren als i in unsem Quellen deutlich, welche andernfalls eine gelegentliche umgekehrte Schreibung als e schwerlich vermissen lassen würden. Demnach sind wulf. ^ und ei auch im Ostgot, noch als ganz geschlossenes e und als 1 zu unterscheiden.

' Der Stammsilben und stammbildenden 8uffixe. Den Vocaliarau* der CompoBitionsfuge 8. unter Wortbildung", der Endungen unter „Declination".

* Leo Meyer § 409. 449.

9 Vgl besonder« oben S. 58. qf. Lxvm. 11

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1b2

Das lange germ. /, wulf. ei, ist im Ostgot. fest er- halten und überall in den Quellen durch i wiedergegeben.

e, f, t,

Schon Scherer vermutete,1 dass im wulf. u und /' je zwei Laute begriffen wären, dass das eine got. Zeichen für i noch nicht auf völligen Zusammenfall von germ. e und i im Got. zu weisen brauche, grade wie z. B. das mhd. e zwei in der Aussprache genau geschiedene Laute umfasst. Für das Ostgot. führt die Überlieferung auf eine gleiche Unterscheidung, und entsprechend den drei ostgot. Längen e,- (\ / können wir die drei Kürzen e, e, i eonstatieren.^ Offenes e liegt vor im gemeingerm. e, wulf. ai, vor (/* und) r und ist als solches durch alle Quellen hin fest überliefert.4 Das ostgot. f entspricht germ. e. welchem nicht i oder / folgte,5 und zeigt seinen geschlossenen Lautcharacter, wenn die Oberlieferung in seiner Wiedergabe zwischen e und i schwankt. Das ostgot i endlich ist entweder ursprüng- liches e bei folgendem * oder j oder ursprüngliches i und wird in beiden Fällen durch constantes / reflectiert/' Be- achtenswert ist besonders, dass bei folgendem Nasal -f- Consonant nur ein ostgot. r , nicht / angesetzt werden« kann.7

1 ZGddS* 51 Anm. Dazu Braune, Beitr. IX, 548. 8 < wulf. fit; vgl. u. S. 165.

* Vgl. die drei entsprechenden Runenzeichen : Henning 142.

4 Vgl. oben 8. 9. Nachtraglich sehe ich, dass der Anon. Valcs. Amahibirya schreibt; wenn man seine auch sonst eorrupte Wiedergabe der Eigennamen bedenkt (8. 20), wird diese Ausnnhmc nicht ins Ge- wicht fallen.

5 Man beachte auch Schreibungen wie Seda , Felithatic, welche zeigen, das« ursprüngliches u auf das #• der Wurzelsilbe keinen Ein- fluss ausübt.

0 Es bleibt dahingestellt, ob Heldebadits (8. 133) bei Marceil., Jord., Paul, im ersten Oliede nicht den secundaren ./«-Stamm (8. 86), sondern primäre «-Bildung enthalt (8. 191, 2), oder ob in ersterem Falle der I bergang des e zu / vor 7 4 ('onson. gehemmt wurde (Scherer a. a. O.).

7 Vgl. oben S. 66. 96. 134.

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163 -

Für die Chronologie germanischer Lautgeschichte kann diese ostgot. Behandlung des gerni. e manches beitragen. Überlieferte Formen der Urzeit wie Segimerus Segimundus Fenni finn. telio (ahd. dilla) zeigten längst, dass älteres e vor i oder vor Nasal -r Consonant in historischer ger- manischer Zeit noch bestanden hat.1 Wenn jetzt das Ostgot. des (). Jahrhs. für dieses e vor i oder j gleichmässig i zeigt, vor Nasalverbindung aber nicht, so folgt daraus, dass viel- leicht Leffler2 noch Recht hatte den Übergang von e zu t vor / oder /, den er hauptsächlich für das An. erwies, einer gemeingermanischen Periode zuzusprechen,3 andrerseits aber dass v. Borries4 im Unrecht war diesen Wandel für jünger zu halten als den vor Nas. Cons., dass letzterer vielmehr nicht gemeingermanische, sondern einzeldialectische Entwicklung ist, welche im Ostgot. noch nicht durchgedrungen.

Wenn vier verschiedene und von einander unabhängige Quellen (S. 78) das germ. *trewwo- mit variantenfreiem / wiedergeben, so scheint hier nicht nur die gleiche unge- naue Schreibung des ostgot. e vorzuliegen, sondern der Laut- wandel e > % vor der Verschärfung vollendet zu sein, wie im späteren Ahd.5

Auch in nicht haupttonigen Mittolsilben ist dieselbe Tonerhöhung so gut wie zu Ende geführt, wie die Greotinge, Thorisa, Wandil, Darida, Sigis- bezeugen, vor allem auch die zahllosen Hypocorismen auf -ila und -ica. denen gegen- über vereinzeltes Baduela auf Münzen6 und Ardeca neben Ardica bei Marini kaum in Betracht kommen.

Altes germ. i war nur in den mit -frid- gebildeten Namen erhalten und hier durchgängig als i geschrieben.7

1 Kluge in Paula Qrundriss I, 357.

Nord. Tidskr. f. Filol. II (1874).

* Dazu v. Bornes, t -Umlaut 78 f.

4 Ib. 37, 85.

5 Braun©, Ahd. Gr. § 30, 2. Dagegen bei einfachem u> wie ahd. kneuue, gisetcan auch ostgot. -theu (piux).

9 Zu Tutela oben 8. 136.

7 Die Amalafreda beim spaten Paul, ist belanglos, wahrend für den Leodifredus bei Cass. in einem Teile der Hss. die andre Lesart Leodefridu* beweist, dass e und / dort nur umgestellt sind.

w

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IM

Der aus den got. Bibelhss. bekannte Wechsel von 6 und «' entstammt dem ostgot. Dialect: wie zwischen e und i für wulf. e schwankt seine Überlieferung zwischen o und u für wulf. 0, nur dass die Schreibung u häufiger ist als dort die Schreibung t.2 Aber wie e und ?, sind auch ostgot. o und <i noch zu trennen, denn für letzteres, das alte germ. tf, ist keine umgekehrte Schreibung 6 über- liefert.

tf.

Das lange germ. und wulf. ist im Ostgot. fest er- halten und überall in den Quellen durch u wiedergegeben.

u.

Wenn wir oben dem Lautwandel e > i vor Nasal- verbindung den gemeingerm. Ursprung bestritten, so führt auch für die u > o-Frage das Ostgot. zu ähnlichem negativen Resultat. Denn hier ist das alte u nicht nur bei folgender nasaler Consonantenverbindung (mund-, gund-), sondern über- haupt trotz einem ableitenden a bewahrt geblieben (fruma-, (jud-, -wulf, -wulth). Die etwaige Annahme, dass ein ur- sprünglicher Wechsel von u und o, der durch den Vocal der folgenden Silbe bedingt gewesen, bereits durch Aus- gleichung wieder beseitigt worden wäre,8 verbietet sich für eine so frühe Sprachperiode wie die ostgot. von selbst und würde auch für den ausschliesslichen Sieg des u keine Er- klärung bringen. Alle die Guditianth, Guda, Guderith, Bede- wulf, Alhvulf, Sigiwulth, Wulth u. s. w. sprechen vielmehr deutlich dafür, dass der (/-Umlaut des u im Ostgot. noch nicht durchgedrungen ist und daher nicht mehr ein ge- meingennan. Gesetz genannt werden darf.4 Daher war

1 Leo Meyer § 434.

* Vgl. oben 8. 83. 86. 94. 113. 130. 138.

* Vgl. für das An. z. B. Noreen § 172.

4 Griechische Zeugnisse sind hier ungiltig; man vgl. nur die rQo.%yy()l des Zosim. mit den Gruthuu<ji des Claud. u. Ä., auch Braune, Oot. Gr.» § I.i, 1, «owie oben S. 6.

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165

auch die Ableitung des T(h)ultmn T(h)olwin bei Cass. von got. pulan unwahrscheinlich; und die einzige Ausnahme, welche dann noch bliebe, der Holdigem bei Marini, fällt, wenn man ihn in HUdufern bessert und mit dem Goten identificiert, welcher in der bei Marini folgenden und aus gleichem Jahre herrührenden Urkunde diesen Namen trägt. Über Optarith s. S. 98; über den Gotennamen selbst S. 44. Im allgemeinen ist also dem ostgot. (und germ.) e und i nur ein ostgot. (und germ.) u gegenüberzustellen, und die wulf. * und n haben nicht eine übereinstimmende Entwicklung hinter sich.1

Für wulf. au war Thorisa der einzige Beleg; dazu der fragliche Optarith.

Wulf, di > ostgot. L

Dem wulf. Diphthong di entspricht ostgot. Monophthon- gierung e. Die Belege sind zwar nicht zahlreich2 und zum Teil sogar etymologisch nicht ganz sicher. Trotzdem zeugt für die Tatsache dieser Monophthongierung das Fehlen jedes sonstigen Reflexes von altem at8, besonders aber die Ana- logie des sicher erwiesenen ostgot. ö < wulf. au. Und wie letzteres offene Länge ist, so wird auch der Monophthong e als offen von dem alten % zu scheiden sein.

Wulf, du > ostgot. 6.

Dem wulf. Diphthong du entspricht ostgot. Mono- phthongierung <5.4 Ihre ganz constante Schreibung o ohne Variierung in w5 beweist, dass ihr Lautcharacter unter- schieden war von dem des alten got. ö, welches ostgot. meist als u erscheint. Wir haben also im Gegensatz zu letzterem den neuen ostgot. Monophthong als offene Länge anzu- setzen.6 Ihre weit offene Articulation ist auch die Ver-

1 Braune, Beitr. IX, 548.

2 Vgl. 8. 61. 70. 96. 117. 128. 149. 159.

* Zu Daila oben S. 127.

4 Vgl. 8. 48. 83. 87. 104. 112. 136. 154. 158.

Zu Tutila oben 8. 135 f.

Ä Hierauf kann vielleicht für den Oswin der Var. (8. 112) die Lesart Asuin in M beruhen.

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anlassung, dass von der neuen Länge 6 (und ebenso e) keine Spuren in unsere Bibelhss. gelangt sind, da der phonetische Unterschied von altem und neuem 6 (und ebenso e) zu be- deutend war.1 Die Ostgoten des 6. Jahrhs. lasen also die tii und du der Bibel wie £ und ö, die e und 6 wie (■ und {>. Für die ostgot. Monophthongierung des alten Diphthongs spricht ferner das kawtsjo der Neap. Urkunde: das vul- gärlateinische cautio besass damals noch echten phonetischen Diphthong,2 aber die got. Umschrift * kautj 6 hätte der Ost- gote als kotjö gelesen, daher der Ausweg atc?

Eine Chronologie für diese Monophthongierung auf- zustellen ist vorläufig noch nicht möglich. Geht die gotische Urgeschichte des Cass.-Jord. auf eine andre schriftliche Quelle , nicht nur auf mündliche Tradition zurück,4 so mögen der Amale Augis Jord. 76, 17 und der jüngere Gotenkönig Aoric 87, 7 erwähnt werden.5 Diejenigen aber, welche got. di und du schon für die Zeit Wulfilas nur als graphische Wiedergabe von offenen e- und ö-Längen an- sehen,6 mögen sich hüten unsere ostgot. Monophthonge des 6. Jahrhs. ohne weiteres als Stützen ihrer Ansicht aufzu- fassen und deshalb um zwei Jahrhunderte zurückzudatieren. Es wird sich bald Gelegenheit finden die wirklich diphthon- gischen Belege für das ausserwultilanische Gotisch des 4. Jahrhs. zusammenzustellen; vorläufig bleibt immer noch auf Dietrich zu verweisen;7 vgl. z. B. auch oben S. 20 (48. 49) die Austrogoti, Grauthungi des 4. Jahrhs.

1 Welche Spuren von dieser Art Möllenhoff Zs. IX, 136 meint, ist mir nioht klar geworden.

2 Vgl. hierzu Wand. 97 oder Seelmann 223.

* Dasselbe ist hier also anders zu beurteilen wie im biblischen Pmplutfy wo nur mechanische Umsohrift aus gr. Ilauko^ vorliegt (Dietrich 15; Braune, Got. Gr.» § 39).

* Vgl. Müllenhoff in Mommsons Jord. 143, 1.

* Das ao des letzteren eine Vorstufo der Monophthongierung wie im Ahd.? (Braune, Ahd. Gr. § 45, 1. 2.)

* Mit Bremer, Beitr. XI, 51 ff., wogegen Wand. 96 ff. 7 Braune, Got. Gr.» § 21, I. 25, 2.

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eu.

Dass eu die germ. Urform des fragliehen Diphthongs ist, nicht eine secundäre Compromissbildung zwischen eo und im, ist aus Gründen der allgemeinen Sprachverglei- chung ebenso sicher wie nach germanischen Einzelzeugnissen wahrscheinlich.1 Auch für das ostgot. haben wir eu als Dialect- form vorbereitet, wenn wir seine beiden Bestandteile e und u als ostgot. nachwiesen. Und in der Tat ist ostgot. eu durch eine ganze Reihe von Belegen gesichert. Daneben fand sich namentlich die Schreibung eo, seltener in; dass sie nur graphische Modificationen sind, ist oben S. 51 ff. ausführlich gezeigt. Daneben wird sich das gelegentliche tu häutig aus demselben Schwanken erklären, mit welchem germ. e ostgot. ? bald als e bald als i geschrieben wird, ohne dass damit der «Übergang des ursprünglichen eu in das jüngere im, der auf deutschem Boden ja erst in histori- scher Zeit durchgeführt wurde und auch im Norden in keine ältere Zeit als um 500 gesetzt zu werden braucht"2, schon für das Ostgot. angedeutet werden soll. Der pro- blematische Versuch,3 noch gemeingerm. iu als secundäre Entwicklung aus eu vor Labialen und Gutturalen nachzuweisen, wird wenigstens durch die ostgot. Schreibungen, welche im in Compositis mit got. piuda grade so wie in denen mit got. Hufs anwenden, nicht unterstützt.

CONSONANTISMUS. I. Halbvocale. w.

Für die Orthographie des halbvocalischen w gilt in der gesamten ostgot. Überlieferung die sehr consequent beobachtete Kegel: im VVortanlaut mm, im Inlaut (auch als Anlaut der zweiten Compositionsglieder) u ; also ein graphi-

1 Vgl. z. B. Bezzenberger, .4-Keilio 36. * Norecn, Arkiv T, 165. 3 Braune, Beitr. IV, 557.

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sehet* Gesetz, wie es grade so für das Ahd. besteht.1 Uh, d. i. ir, im Anlaut'2 herrseht bei allen unsern Historikern, mit alleiniger Ausnahme des Marcel). , welcher noch lat. v schreibt; für Jord. gieht zwar Mommsens Text o, die Hss. begleiten es jedoch mit gleichmässigem w, und auch der auf Jord. fussende Paul, hat w. Ausschlaggebend sind die Papyrusurkunden, die Inschriften3 und die Münzen des Witigis, welche sämtlich ohne Schwanken anlautendes w bieten. Nur bei folgendem u ist v statt w verständlich in VuÜh und den uulthres des Cod. Brix. und grade so im Ahd. das Gewöhnliche. Ebenso fest ist im Inlaut u, und nur vereinzelte Varianten haben im Anlaut zweiter Composi- tionsglieder das uu aus dem Simplex übernommen. Dieses inlautende lat. u reflectiert den voealischen Bestandteil des germ. w, ist nicht etwa die lat. Spirans 0; das beweist einmal das ov der Griechen ( Muxaoovv&a, 2£xmovaQ), sodann der Umstand, dass w als Anlaut zweiter Compositionselemente den vorhergehenden Stammesauslaut grade so wie jeder andre Vocal beeinflusst.

Schon in der Einleitung wurde darauf hingewiesen, dass der sonst in den lat. Hss. so geläufige Wechsel von v und b in der Überlieferung des ostgot. w vollkommen fehlt.4 Ganz vereinzelt aber wurde für das inlautende u w) 0 geschrieben (Odoin S. 83, Tholoin 129. Wadovulfus 158); diese Schreibung ist auch sonst im Germ, bekannt5 und ihr letzter Reflex in germ. Lehnworten . besonders Eigennamen des Romanischen bis auf heute zu beobachten (frz. Goudoin Gottein, ital. AdaUxildo Adalwalt)*

Dass w vor u auch im Inlaut selbständig erhalten ist, bewiesen die Namen auf -tculf und -wulth. Ober das w im kawtsjö der Neap. Urk. oben S. HJ6. Über die Verschärfung

1 Braune, Ahd. Gr. § 105. Damit vgl. man die gemeinroman. Entspreehungen den germ. w in germ. Lchnworten: im Anlaut $ru, im Inlaut r (Diez, Gr. I", 324. 326).

* Dazu Diotrich 77 f. Wand. 38 101.

3 Vgl. oben 8. S7. 155. 157.

4 Scheinbare Ausnahmen 8. 85. 115. 132.

5 Henning. Kuncndenkm. 143.

6 Diez, Gr. I», 326 f.

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ggw S. 78 f. Über gelegentliche Romanisierung gu- S. 87, 4, dazu hinten im Index.

Der Halbvocal jl zeigte sich wie im wulf. Gotisch unverändert bei den jViw-Stämmcn : Marcja, Matja, sajo, Sibja, Teja. Über die starken /«-Bildungen s. unter wDe- clination", über die Wandlung ja > je > i in der Compo- sitionsfuge S. 68 f. 87 f.

2. Labiale. P-

Das wahrscheinlich bilabiale p fand sich anlautend in Pitzia und Pa(h)tja, wovon ersteres griech., letzteres vermut- lich lat. Herkunft ist, inlautend in Grippa, Oppa und Scipwar. L ber das lat.-gr. p in Optarith vgl. S. 98 und unten Anm.H

b.

Die Differenzierung des got. b als des bilabialen tönen- den Verschlusslauts im Anlaut und postconsonantischen Inlaut und als des bilabialen tönenden Reibelauts im post- vocalischen Inlaut ist im Ostgot. bewahrt und wird durch die auch hier consequente Überlieferung bewiesen, welche im Anlaut nur b, im intervocalischen Inlaut b im Wechsel mit v schreibt.- Auslautend fand sich b nur im Gudüub der Urkunde von Arezzo, für welches auf Braune, Got. Gr.3 § 56, 1 zu verweisen. Die Analogie der Dentale kann dafür sprechen, dass rein orthographisch das aus dem In- laut geläufige b in den Auslaut übernommen und sonst auch im ostgot. Auslaut labiale Spirans anzunehmen ist.

/•

Die bilabiale tonlose Spirans f hat im Ostgot. gegen- über der wultil. Sprache keinerlei Veränderung erfahren. Über Optarith gegenüber got. Uftahari s. S. 98.3

1 Vgl. Wand. 102.

* Vgl. Braune, Oot. Gr.s § 54, 2. Dazu die romanische Ent- sprechung in germ. Lehnworten: Diez, Or. I*, 323.

3 Paul, Beitr. I, 150: „/> für got. / ist jedenfalls aufzufassen wie t für p. Es mag auch sein, dass beide nicht bloss auf nachlässiger

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3. Dentale. t.

Der alveolare tonlose Verschlusslaut besteht unver- ändert wie hei Wulf. Nur seine graphische Wiedeigahe erfordert einige Bemerkungen. Über gelegentliche Assimi- lation s. o. 8. 11 f. JK'l. Ganz regellos war in den lat. Quellen die Schreibung t oder th, in buntester Verwirrung vertraten sie bald got. / bald got. p. Es darf aus dieser Unsicherheit nicht ohne weiteres auf die Verschiedenheit der Aspirationsverhältnisse, des Vocaleinsatzes u. s. w. ge- schlossen werden ; denn einmal würde man dann wenigstens innerhalb bestimmter, auch sonst phonetisch genauer Quellen irgendwelche Consequcnz zu erwarten haben, ferner aber ist der Wirrwarr in der Aspiration der Tenues durch das gesamte Latein hin zu verfolgen.1 Trotzdem muss für den vorliegenden Wechsel von t und th der Grund ein spe- ciellerer sein, weil sich eine willkürliche Aspiration der andern Tenues nur vereinzelt zeigte.2 Man wird in den vielen statt germ. t geschriebenen th vorwiegend umge- kehrte Schreibungen zu sehen haben. Wenn für das got. t und p die Lateiner bald t bald th zeigen, die Griechen dagegen wenigstens im Anlaut consequentes r oder so ist der Grund dafür einfach der, dass die Griechen für got. t und p in ihrem r und & zwei ebenso differenzierte Zeichen besassen,3 dass solche den Kömern hingegen abgingen. Wenn nun schon die lat. Wiedergabe der griech. r und # eine so bunte und inconsequente ist,4 obwohl ihr Unterschied aus der griech. Schrift hätte bekannt und geläufig sein sollen, dann ist die wirre Confusion in der Transscription von germ. t und p um so begreiflicher, als sie auf keine Vor- lage, nur auf acustische Aufnahme angewiesen war.

Sohreibung beruhen, Bondern auch auf ungenauer Auffassung mit dem Ohre. Bei hastiger Aussprache kann die Spirans wenigstens ebenso gut als Tenuis aufgefasst worden, wie die Aspirata oder Affricata*.

1 Seelmann 256 ff. ; dasolbst inschriMicho Belege von der ältesten Zeit bis ins 6. Jahrh. n. Chr.

* S. 54 f.

8 Blass 89.

* Seelmann a. a. O.

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d.

Auch das wulf. d zeigt sich im Ostgot. unverändert. Wenn aber das wulf. p im Inlaut zum tönenden Reibelaut geworden ist (s. u.) und als solcher mit rf, seltener noch mit th wiedergegeben wird, so zeigt das Fehlen der umge- kehrten Schreibung t(h) für got. d im Inlaut vielleicht an, dass dieses alte got. d sich von dem neuen ostgot. unter- schied, möglicherweise also bereits explosiv geworden war. Tritt hingegen d in den ostgot. Auslaut, so zeigt seine Wie- dergabe dasselbe Schwanken zwischen d und ///, wie bei Wulf, vor dem Nomin.-s: die Composita mit *-reips oder *-r$ps endigen ostgot. auf -rit -rith -rid, die mit * möps auf -wod -mud. Hier ist also die alte Spirans bewahrt geblieben. Sonst zu diesem Wechsel Braune, Got. Gr.:{ § 74, 1.

Got. p ist im Anlaut erster und zweiter Composi- tionselemente intact geblieben. In der Transscription ist gr. 0 das Regelmässige, während lat. t und th nach dem S. 170 Gesagten bunt wechseln.

Got. p ist im ostgot. Inlaut in derselben Wandlung begriffen wie im wand.1: die tonlose interdentale Spirans ist tönend geworden, sowohl intervocalisch wie postconsonan- tisch ist die Schreibung d häufiger als das ursprüngliche t(h). Nur d fand sich zwischen Vocalen in den Compositis mit frid-2 (an beiden Compositionsstellon), in Quidila, Rude- rte, Darida, während Enthärte (1 Ehude-) dem Wechsel Adhtd und Adiut(h), ständiges Athalaric den Adüa Aderith Ademnnd Adiuth gegenüberstanden und ebenso die Münzen zwischen Theodahat(h)us und -hadns wechselten. In post- consonan tischer Stellung zeigte sich der Reibelaut in Erduic< Holdigern, Sigivuldus gegenüber den appellativen vulthres?

1 Wand. 104.

* Die got. Transscription Sunjitl/ripns fällt natürlich nicht ins Gewicht.

* Ein glänzendes Zeugnis für den sprachhistorischen Wert der Eigennamen, welohe in diesem Falle dem Appellativum graphisch vorausgeeilt scheinen.

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in Nandwin, -nandus gegenüber -tiantha, in Gund- gegen- über ständigem -suentha, in Fatuiigild Sendefara Sinderith gegenüber Sindila Sinthila. Man könnte versucht sein, zu solchem Nebeneinander von jüngerer und älterer Stufe Fälle wie got. awiliud gegenüber liupareis, an. fiinbul- in verstärkende)! Zusammensetzungen gegenüber ßfl~ \ got. naudi'Paürjts naudi-bandi gegenüber naups naupoi naupjuda' zu stellen. Vielleicht aber warnt grade dieser blosse Schein grammatischen Wechsels, dessen Belege sich unter keinen gemeinsamen Gesichtspunkt subsumieren lassen, davor, auf Accentverschiebung im germ. Compositum Rückschlüsse zu machen.3 Richtiger wird man in dem beständigen Schwan- ken zwischen th und d nur das Bestreben nach möglichst genauer Wiedergabe des spirantischen d erkennen, vielleicht auch das th als incorrectere Schreibung für das aus dem Ahd. bekannte dh ansehen dürfen , auf welches der la- teinische Schreiber nur nicht verfiel, weil es dem Latein vollkommen fremd war.

8.

Wie das wand. sx zeigte auch das ostgot. von dem wulf. keinerlei Abweichung. Tönendes und tonloses s wer- den nicht unterschieden, h und von einem Übergange des ersteren in r ist keine Spur vorhanden (Gesila, Usda, Rose- mud, Cessa). Über den Abfall des Nominativ-« s. unter „Declination*.

» Weinhold, Zs. VI, 318.

* Joh. Schmidt, Anz. VI, 12*5.

8 Kluge in Pauls Grundriss I, 338.

4 Wand. 105.

5 Bekannt ist die Verwisohung des germ. Unterschiedes von s und z in der got. Bibel, ohne dass bisher eine befriedigende Erklärung gefunden wäre (Paul, Beitr. VI, 547 f.); denn für den einfachen Aus- weg der Ausgleichung sind die Inconsequenzen zu gross. Ist unser obiges gleiohmässigcs s nicht nur graphisch, sondern spricht es für ostgot. Zusammenfall von wulf. s und s, dann ist der Einfluss der ostgot. Abschreiber auch in diesem Punkte für die Bibelhss. zu berücksichtigen, und ihrer Unsicherheit n und z zu unterscheiden mögen Schreibungen wie rausa kasa salslep einerseits, riqiz tnimz atz andrerseits (8cherer, zUddS" 182 f.) zur Last fallen.

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4. Gutturale. 7.

Die wulf. gutturale Tenuis ist im Ostgot. unverändert. Für vereinzelte Aspiratiouserscheinungen ist auf S. 54 f. zu verweisen, wenn man sie nicht mit der Aspirierung des lat. c auf gleiche Stufe stellen will.1 c und folgendes bila- biales w in Quidila.

9-

Der für das Got. bisher wenigstens wahrscheinliche Unterschied von explosivem g im Anlaut und spirantischem im Inlaut2 lässt sich für das Ostgot. beweisen.

Im Anlaut ist g die durchaus reguläre Schreibung und zwar im Anlaut sowohl des ersten wie des zweiten Com- positionsgliedes. Während für inlautendes g vor i oder ; häufiger Schwund und deshalb spirantischer Character so- gleich zu constatieren sein wird, fanden wir in der Zu- sammensetzung doch nur Fandigild Alagild Winigild Witt- gis Sisigis Wiligis Hunigis u. s. w. ohne Spur eines ähn- lichen Ausfalls wie in Daila xajo u. s. w.8 Dazu kommt die gelegentliche Schreibung c für g im Anlaut: Coio Cessa Theotlicoto \\'itic{li)is;4 vgl. über dieselbe oben S. 65. Über Ghiveric bei Marini S. 118.

Inlautendes g ist in der Überlieferung nach Conso- nanten fest, vermutlich also auch hier sein Lautcharacter explosiv wie der des postconsonantischen d und b. Inter- vocalisch hingegen kann sein Fehlen in saio für *mgio, in

1 Seelmann 260 f. ; daselbst iiischriftliche Belege.

* Braune, Got. Gr.» § 65. Jellineks Media affricata (Beitr. XV, 282) im got. Inlaut kann mich nicht überzeugen.

* Von den Beispielen, welche Dietrich 73 f. für den Schwund des g auch im Anlaut des zweiten Wortelementes bringt, gehört dem Ostgot. keins an. Wenn sich 693 ein wcstgot. Name Vitisclua findet, während uns Cass. einen Ostgoten Witigisclus nannte, so ist bei jenem die ursprüngliche Selbständigkeit des hier benutzten zweiten Compo- sitionsgliedes nicht mehr gefühlt, dasselbe vielmehr als blosses Suffix empfunden und behandelt worden. Auch hier kann wiedor allein dialectisoho Scheidung helfen, welche bei Dietrich fehlt. Insohriftlich Rchon 547 ein Westgote Gumliischm CIL XII, 2185.

* Dietrirh 7.5.

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Doila für JJagila, auch wohl in Oraja und Teja und manchem Sisi- für *Sigisi~ nur auf seiner in dieser Stellung spiran- tischen Natur beruhen. Aber sein Ausfall vor folgendem i oder j wird in all diesen und ähnlichen Fällen 1 nur als ein graphischer, nicht als ein lautlicher betrachtet und des- halb von matei < *magwi ferngehalten werden müssen. Denn er ist in der Oberlieferung nur ein gelegentlicher2 und hat andre Fälle mit Erhaltung des g neben sich (Sigia-, hjila). Es ist bekannt, dass das lat. g dem germ. / nahe gestanden hat und z. B. das Vorbild für die runische Ge- stalt des letzteren abgab;3 beachtet man ferner den Um- stand, dass in vulgären lat. Inschriften g bisweilen ein ; vertritt,4 so ist es leicht von t>agila über *Dajila zu Daila zu gelangen und in letzterem dasselbe „etwas diphthongische* i wie etwa in lat. abieere ais u. ä. zu erkennen.5 Der vorliegende Process ist also derselbe wie der aus mhd. Formen wie treit < tregit, weit < maget u. ä. bekannte,0 nur das lautliche Resultat ist noch nicht so weit vollendet. Aber eine sprachgeschichtliche Chronologie dieses Vor- ganges ist gegeben, wenn unser Ostgotisch spirantisches g bei folgendem i verflüchtigt, wenn später das Alemannische auch sein explosives g durch folgendes i mouilliert, wenn endlich das Mitteldeutsche den secundären Diphthong auch ohne folgendes i entwickelt.7

Über auslautendes g vgl. zu Krduic oben S. 74. Ent- stammt dessen -c nicht bloss lat. Schreibart, wie daselbst angenommen wurde, so beweist es für got. g im Auslaut die Explosiva, in keinem Falle aber spricht es für .lellineks Affricata (a. a. O.).

Über wulf. und ostgot. ggw oben S. 78 f.

' Dietrich 73 f.; Sievern in Paul« Orundr. I, 41fi.

* Vgl. oben 8. 110.

* Henning, Runendenkm. 154. 4 Seeiniann 349.

6 Seelmann 232. 234 f. 236.

* Fischer, Zur Gesch. d. Mhd., Tübingen 1889.

7 Fischer 25.

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Ii.

Dass der rein gutturale Laut wert des ostgerm. /* stark verflüchtigt und zu dein eines blossen Hauchlauts herabge- sunken war, folgt aus der Sprache Wulfilas,1 aus seiner Be- handlung im Nordischen2 und im Krimgotischen 3 grade so wie aus seiner Wiedergabe im wandilischen Namenschatze:4 ganz regellos wird es im Anlaut. Inlaut, Auslaut bald ge- schrieben bald unterdrückt. Und wie das germ. Runen- zeichen für h dem lat. Alphabet entstammt, so zeigt auch die gleiche willkürliche Behandlung von lat. und germ. h in den schriftlichen Quellen ihre lautliche Verwandtschaft. Für seine organische Schwäche im Ostgot, spricht ferner die Möglichkeit, dass mit h anlautende Stämme an zweiter Com- positionsstelle wie vocalische Anlaute den vorhergehenden Stammesauslaut angreifen können. Für das Wand, bewiesen trotzdem allitterierende Namengruppen (Hunarix und Hildi- rix, Vater und Sohn), dass von einem gänzlichen Schwund des h noch nicht die Rede sein konnte. Solche Beweise fehlen leider zufällig für das Ostgotische; doch werden wir trotzdem auch hier überflüssiges h streichen und fehlendes restituieren dürfen.

5. /, r, m, n.

Für l, r, n sind keinerlei Abweichungen von der wulf. Grammatik zu verzeichnen.5

Die Wand. 52 behandelte Schreibung sei für germ. sl zeigte sich in Ge vtftyiOY.\oq Witigisclus Wiligisrlus ; einen andern Ausweg mittels Zwischen vocals zeigte der Ovhytaakog des Proc, beide vereint der Umcila des Cass. Dass die Lautverbindung dem römischen Organ nicht genehm war, dafür vgl. lat. (da mit as. ahzla ahd. ahsala, lat. relum mit aksl. veslo, lat. telvm mit ahd. dehs'ala aksl. tesla.

' Wa&rattv < *waürhstw, pfoundi < *pti8-hundi (Klugo in Pauls Grundr. I, 330. 406). 2 Noreen § 217.

s Vgl. irt ael ano *ei* mit wulf. iwih halht* Unna saih* (Toma- ach ek 62 ff.).

4 Dietrich 77; Wand. 107 f. 6 Vgl. Wand. WH.

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DECLINATION.1

Von der Aufstellung fertiger ostgot. Paradigmata müssen wir natürlich absehen. Was die Überlieferung für ostgot. Decliuation an die Hand gab, das beschränkte sich auf die Nominativform und Kennzeichnung der Declinationsclassen im allgemeinen. Zeigten erstere eine auch den alten Sprachen geläufige Flexionsendung, so war diese gewöhnlich in der lat. und gr. Umschrift beibehalten. Im andern Falle gaben die Quellen den got. Namen entweder flexionslos oder sie bekleideten ihn mit einer specifisch lat. oder gr. Endung; aber diese Interpretatio romana gewährte trotzdem sehr deutliche Hinweise auf die ursprüngliche Declinationsart. wenn etwa die germ. a-, i-, n -Stämme auch im lat. Ge- wände o-, i-, n-Flexion zeigten. Auf diese Weise war es möglich zu folgenden Resultaten zu kommen.

1. Starke Declination. a. Mnsculina.

Das Characteristische für die ostgot. masc. Vocal- stämme ist gegenüber der wulf. Grammatik die Einbusse des Nominativ-*. Dieselbe war belegt für a-, für für /-Stämme : ric, mund (die «-Bildung secundär), iculf, wih uric, ivulth, rith] moth, gls (hier nach stammhaftem s wie schon bei Wulf.), Wandil, nanth, trit, thanc, diakön, l(e)ub, war, iuth; hart; m$r, tcin.

1 Auf eine Behandlung der ostgot. Conjugation müssen wir ver- zichten, weil uns eine phonetische Wiedergabe ostgotisoher Verbalformen abgeht. Denn die Conjugationsformen in den beiden Urkunden weichen von ihrer wulf. Gestalt nicht ab , stehen also unter demselben schrift- sprachlichen Banne wie die Bibelhss. (Neap. : ufmelida, andnemum, Arezz. : gawaüritia, andnam*ufm£lida)\ und der got. Hexameter in der lateinischen Anthologie entstammt nicht ostgotischer Zeit (vgl. S. 140 f.). Mehr als Rückschlüsse aus der oben skizzierten Lautlehre sind daher für die Conjugation nicht möglich. Wenn das Ostgot. allgemein das wulf. ai zu e monophthongiert und andrerseits das Wand, den Diphthong in Stammsilben zwar noch fest bewahrt, jedoch in der Flexionssilbe zu c werden lägst {armes = wulf. armais^ Wand. 92. III), dann dürfen auch die Monophthonge in den ostgot. Flexionsendungen ausser Zweifel stehen.

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Demnach ist der Process, dessen Anfange sich schon im wand. Dialect zeigten im ostgot. zu Ende geführt, und die Vergleichung der beiden Dialecte gewährt einen höchst interessanten Einblick in seine Entwicklung und Chrono- logie.2 Das Wand., dessen Lautstand für das 5. Jahrh. und das erste Drittel des 6. sich eruieren Hess, hat das Nomin.-.<? nur nach Dentalen abgeworfen, nach Gutturalen hingegen fest bewahrt (labiale Belege fehlen) : das Ostgot. des 6. Jhs. hat das Nomin.-s überhaupt getilgt!

Der erste Anfang dieses consonantischen Auslautsge- setzes liegt bereits im wulf. Got. vor, wenn das s des Nom. sing, nach s (ss, z) schwindet (freihals drus garum swte u. s. w.), und ist hier ohne weiteres verständlich. Die nächste Stufe zeigt ebenfalls Wulf, schon, wenn bei ihm das s auch nach r zuweilen fehlt (tcair baür anpar unsar u. s. w.). Aber die bisherigen Erklärungsversuche hierfür befriedigen nicht. Braune3 will s nach r schwinden lassen, wenn ein kurzer Vocal vorhergeht ; jedoch ein phonetischer Grund für diese Unterscheidung ist nicht einzusehen, und stiur bleibt Ausnahme. Und Brugmanns4 -r < -rr < -rz müsste in eine auffallend frühe Zeit fallen, wo die Nomi- nativendung noch tönendes z war, entbehrt im Inlaut jeder Analogie (fairzna airzeis marzjan), wird besonders unwahr- scheinlich durch das keine Spur vom z > r-Übergang ver- ratende spätere Gotisch,5 findet selbst im An. keine Paral- lele (hainarr annarr ypvarr u. s. w., nicht -ar); und wenn das Nomin.-s beim Masc. der Adjectiva zur Unterscheidung vom Neutr. sonst restituiert sein soll (hörs skeirs), so ist nicht einzusehen , weshalb diese Hestituierung nicht auch beim Masc. von anpar unsar eingetreten ist, zumal grade hier das Fehlen der pronominalen Neutra auf -ata eine

1 Wand. 105 f. * Vgl. Wand. 10G. 1 Oot. Gr.* § 78, 2.

4 Vgl. Gr. I, 519. II, II, .131.

5 Oben 8. 172. Vgl. romanische Lehnwörter wie pr. raus fr. roseau mit got. raus, fr. bexi mit got. basi , welche somit au« dem Gotischen entlehnt xind (Diez, Gr. I\ 315).

QF. LXVIII. 12

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Differenzierung der beiden Genera dringender hätte er- heischen sollen. Das -s jener Adjectiva halte ich vielmehr für das alte unangetastete Nom.-s, und seine Beseitigung in anßar unsar u. s. w. ist eine analogische, veranlasst durch Einwirkung der Verwandtschaftsnamen (hröpar daühtar swistar fadar1) und zuerst etwa anzunehmen in Verbin- dungen wie unsar(s) bröpar, i2trar(s) fadar. Der weitere Anschluss des Lehnwortes kaisur an diese Gruppe wurde durch dessen lat. Form erleichtert. Dazu kamen ferner Wörter wie teatr2 „Mann" Ixiur „Sohn\ und bei ihnen ist die Bedeutung in Betracht zu ziehen: wie bröpar fadar kaisar sind es männliche Personalbenennungen: das stamm- bildende r-Suffix aber hat ursprünglich nicht nur die Ver- wandtschaftsbenennungen, sondern allgemein Nomina agentis gebildet,3 und zu solchen sind icatr baür infolge ihrer functionellen Ähnlichkeit auch in flexive Analogie getreten. Es bleibt daher sehr fraglich, ob zu gabauram (Rom. 13. 13) und gabaurös (Gal. 5, 21) der Nom. sing, als gabaür und nicht vielmehr als gabaürs angesetzt werden muss, zumal zum Unterschied vom Neutr. gabaür Steuer".4 Und ebenso wenig zwingend ist Braunes Ansetzung *tcar statt *warft für das Adj.5 Dagegen kann für das nur einmal belegte stiur (Nehem. 5. 18) gleichfalls seine actionelle Bedeutung („ Zuchtstier ") in Betracht kommen.6

Als eine weitere analoge Entwicklung den ausge- dehnteren Schwund des Nom.-s im Wand, und Ostgot. auf- zufassen, liegt zuerst am nächsten. Danach wären von unsern Belegen die Namen auf -vier voranzustellen : der Abfall des -s hätte sich auf alle mit r auslautenden Stämme

1 Scherer, zGddS« 179. Brugraanu, Vgl. Gr. II, II, 529.

* Kann got. tcairs „schlimmer" hier den unterscheidenden Schwund des « befordert haben?

5 Sievers, Beitr. V, 527; Brugmann, Vgl. Gr. II. I, 354. 364.

* Zimmer, QF XIII, 30«, hält beide für identisch und mochte den Differenzierungsversuch im Genus Wulf, zuschreiben, was aber ganz unwahrscheinlich ist.

* § 124, 1.

« Vgl. hiermit Schulze, KZ XXIX, 271.

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verallgemeinert.1 Auf der nächsten Stufe hätte er alle dental auslautenden Stämme ergriffen,2 und bis hierher ist das Wand, gegangen. Das Ostgot. endlich macht den Ab- fall des Nom.-s zum allgemeinen Gesetz. Es fragt sich nur, weshalb diese ursprüngliche Analogiewirkung zu solcher Ausnah mslosigkeit gelangte. Hierfür möchte ich keines- wegs mit Sievers3 von den Eigennamen ausgehen und das Fehlen des Nom.-s aus einer Vermischung des Vrocativs mit dem Nominativ erklären ; schon das endungslose diakon ist damit nicht zu vereinigen. Eher wird mit Braune4 eine Einwirkung des Acc. zu acceptieren sein, aber doch nur in bestimmtem Masse; denn es ist nicht einzusehen, weshalb eine solche Analogiewirkung sich nach dem Laut- character der vorhergehenden Consonanz richten und im Wand, das Nomin.-s nach Dentalen consequent tilgen, nach Gutturalen ebenso consequent bewahren sollte. Dieser präcise Unterschied weist vielmehr darauf hin, dass die ursprüngliche Analogiewirkung sich zu einem wandilischen Lautgesetz formuliert hat: das Nom.-s schwindet nach allen homorganen Lauten. Und dann erst wird die hierdurch er- zeugte Gleichheit von Nom. und Acc. der substantivischen Dentalstämme auch auf die andern Auslaute gewirkt haben. Also: 1) lautlicher Schwund des Nom.-s schon bei Wulf, nach stammhaftem s, 2) analoger Schwund des Nom.-s schon bei Wulf, in bestimmten Einzelfällen nach dem Vor- bilde der Verwandtschaftsbenennungen und Nomina agentis mit Suffix -ar-, -tar~, 3) nachwulfilanische Ausdehnung auf alle got. -rs, 4) im Wand. Abfall des -s nach allen Den- talen, 5) der durch die Gleichheit von Nom. und Acc. der

1 Inschriftliche Beiego auf den wand. Königsmünzen des Geilamir (nur so; Friedländer, M. d. Wand. 34), auf einer silbernen Schale mit derselben Namensform (Ephem. epigr. V, 826, pg. 426), auf einem quadratischen Stein mit Geilimer (CIL VIII, 10862). (Letztere zwei wand. Nachträge, die mir Wand. 81, 1 noch unbekannt waren, verdanke ich meinem Freunde Dihle, der mich auch auf die wand. Inschrifton CIL VIII, 2013. 10516. 9835 aufmerksam macht.)

2 Wand. 106, oben 8. 176. 8 Pauls Örundriss I, 416.

4 Brieflich.

12*

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Dentalstämme veranlasste analoge Schwund jedes Koni.-* im Ostgot.1

Mit Recht warnt mich Braune davor, den so im Wandilischen constatierten Abfall des Kom.-s mit dem westgerm. in irgendwelche Verbindung zu bringen2 und die für das Wandil. gewonnenen chronologischen Resultate irgendwie zu verallgemeinern. Aber die zahlreichen sicheren ostgot. Belege lassen an dem Process selbst , wenn die wand. Stützen noch nicht genügend erschienen, nicht mehr zweifeln; und wenn die Entwicklung desselben innerhalb des Wand, und des Ostgot. die Vermutung nahe legt, dass er überhaupt als ein wandil isches Dialectcharacteristicum zu gelten hat, so spricht wenigstens der letzte wandilische Ausläufer, das Krimgotische, nicht dagegen: Busbecks Glossar'-' überliefert krimgot. stul wingort alt tag rinck traghen apel schwalth kl ael statz (tz = p wie in goltz gulp, tzo =pu) telich für wulf. s/o/* weinagards aipeis dag* *hriggs *wagns *aplm *swidts hails hallus staps *dwaleiks, und in dem fraglichen Auslaut von wintch wulf. winds, ßsct (d. i. gewiss fisch) ■== ßsks , bars *bards , rintsch (mons), borrotsch (voluntas) darf man daher nicht altes Komin.-* sehen;4 demselben geht in diesen Worten regel- mässig ein Dental vorher, und er bedeutet nichts weiter als eine ursprünglich ungermanische Assibiliemng oder Mouil- lierung dieses Dentals, welche in schwalth und wintch und borrotsch und goltz nur eine verschiedene Bezeichnungsweise gefunden hat. Was dieses flexive Resultat für unsere

1 Diese letzte Stufe schien auch für das Wand, schon angedeutet zu sein, wenn eine Inschrift Kuginari (Wand. 86) bot. Aber schon Wand. 106 warnte ich vor Verallgemeinerung dieses Einzelfalles. Die wand. Herkunft dieser Inschrift war nur durch ihren Fundort wahr- scheinlich. Sie mag trotzdem einen Ostgoten nennen, da rayiti auch sonst im ostgot. Namenschatze vorkommt foben S. 150), und zum üftahari der Neap. Urk. zu stellen sein. Jedenfalls ist meine lautliche Erklärung (Wand. 8G): harjis > harji > hart, haltlos, denn die got. Urkunde würde dann *harei geschrieben haben (vgl. meintti gleich daneben); vielmehr spricht sie für die oben gebilligte Vermischung von Acc. und Nom.

2 Wand. 113.

3 Tomaschok 58 ff.

4 Sievers in Pauls Grundr. I, 416.

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historische Grammatik besagen will, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden: es fällt damit eine der gewichtig- sten Stützen der ostgermanischen Einheit! 1 Sie war be- reits angegriffen worden durch den Nachweis der westgerm. Dative Vatvims und Afiims,- welche zusammen mit den an. Dativen tveimr und primr und den run. gestumR und borumR das auslautende s für die Endung des Dat. pl. als gemein- germanisch erwiesen.3 Jetzt zeigt sich andrerseits, dass der spätere Abfall des ursprünglich auslautenden s im Nom. sg. nicht auf das Westgermanische beschränkt bleibt.4 Was die Unterscheidung der starken Masculina nach den einzelnen Declinationsclassen betrifft, so durften nach den oben S. 10. 176 u. ö. ausgeführten Criterion für das Ostgot. folgende starke a-Masculina aufgestellt werden: Gut, Greoting, Amal, -ric, -mund (secundär, vgl. unter „Suffix- bildung"), -gern, -tonlf, -u>k -wih, -gast (secundär), -tmdth, -rith, -hat/i, -gls, -gisly -m(>th, wisand, -wath, Wandil, -früh, -scalc, -uanth, -wit, -thanc, Dan, -leub, diakon, -war, -euth, -gild. Für die ;a-Stämme giebt das Uftahari der Neap. Urk. die ostgot. Form.5 Danach auch Starchödi (S. 128) und die primären Hypocorismen mit Suffix ja: Theudi (= wulf. *phideis), Waci (*\Vakjis), Alb i(* Albeis), Neudi(*Niudeis). Letztere zeigen im lat. oder gr. Texte zwar die Endung •is; dass diese jedoch eben nur lat. oder gr. Ursprungs ist. wird durch ihr Vorkommen auch in westfränkischen Namen bewiesen ; 6 -iv ist die in griech. Personennamen geläufige Koseendung7 und hier für ihre got. Entsprechung grade so eingetreten wie gelegentlich lat. -o gr. -cov bei

i Scherer, zGddS2 179 ff.; Zimmer, Zs. XIX, 394. 397.

* Much, Zs. XXXI, 357.

* Schorer 188.

4 8oherer 187.

5 Die normale Graeoisierung und Latinisierung zeigten der BavSa- Xaqios des Proc. und der Wiliarius des Cass. für ostgot Wandalari und WHiari: -aoio; -(h)ariu8 ist genaue Entsprechung zu got. *harj(w, wie die vorhistorische Form jetzt mit Brugmaun (Vgl. Gr. I, 517 f. II, II, 532), Kauffmann ( Beitr. XII, 539 Anm.), Streitberg(Beitr. XI V, 181 ) anzusetzen ist.

* Vgl. sohon J. Grimm, Gr. I1, p. XLIX. 7 Fiok, Personennamen XXVII.

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den schwachen (///-Stämmen. Von den wa-Stämmen boten sicli Coniposita mit wulf. piwa- *badwa- dar, leider nie ohne lat.-gr. Flexion, welche hier natürlich besonders nahe lag; doch wird die Analogie aller andern a-Stämme gestatten auch ostgot. *theu *badu anzusetzen. /-Stämme lagen vor in -wfr -mw* wulthr. Für andre Casus als den Nom. sing, ist nichts zu ermitteln ausser, wie aus Obigem folgt, dass der Acc. sing, dem Nom. gleich lautete.

b. Feminina.

o-Stämme (movierte Formen): -leuoa, -frida, -berytt, -swentha, -wara, -tiantha, -fara, -wem, -wada. Als jo- Stamm war ostgot. -hildi inschriftlich und urkundlich belegt, und danach durfte auch die Latinisier ung -yunda als ostgot. •gundi restituiert werden.

2. Schwache Declination. a. Masculina.

Dass hier die wulf. Endung -a im Ostgot. intuet ge- blieben, wurde in erster Linie durch die zahllosen primären Hypocorismen auf -a und secundären auf -Ha -im bewiesen; dazu noch Ostrogota, Darida. Die Belege sind so zahlreich, dass die vereinzelten Namen auf -o (Orajo, Bojo, Biggo, Tzalico) für die ostgot. Endung an sich bedeutungslos sind: es ist nur die lat.-gr. Koseendung 1 an die Stelle der got. getreten, und lat. Talko Taliconh gegenüber got. *Talika *Talikim ist nicht anders zu beurteilen wie etwa lat. -nandm -nandi gegenüber got. -nanps -nanpis. Innnerhin mag in gewissen Namen die lat. oder gr. Endung fest ge- worden sein, und wenn z. B. der bekannte Wandale stets Stüivo lrtXi/u)v genannt wird,- so ist zu bedenken, dass der grosso Staatsmann sich immer in römischen oder griechi- schen Hofkreisen bewegte, seinen Namen unter lateinische oder griechische Urkunden zu setzen hatte u. s. w. Ebenso lautet das ostgot. Appellativuni bei Cass. regelmässig sajo statt *$aja : sein ständiger amtlicher Gebrauch hat es der

1 Fick, Personennamen XXIII f. » Wand. 49.

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lat, Canzleisprache accomodiert. Aber das sind alles ver- einzelte Ausnahmen , die für die ostgot. Vulgärsprache nichts ausmachen. Bezeichnend war hierfür auch das Nebeneinander von Ovpa'ia und Oraio.1 Ebenso ungotisch und durch ihre Vereinzelung als unregelmässig erwiesen ist statt des -a die gelegentliche Endung -as (z. B. rplnnag, Totilas); sie ist griech. Herkunft und schon aus der^wulf. Bibel bekannt (satana und satanas, dagegen papa gotisiert aus nannaq U. S. W.).2

/aw-Stämme : Marc ja, Oraja, Matja, Teja (mittelbar auch Wilja, Sibja).

Die Flexion der «//-Masculina ist in den Quellen ge- wöhnlich die der ersten lat. Deel. Daneben zeigte sich eine mechanische Characterisierung durch Anfügung einer w-En- dung in lat. Formen wie Thancane (Abi.), Mannani Man- nanis (Gen.) u. ä. Correcter war die palatale Färbung des got. Endungsvocals bewahrt in den obliquen Casus lat. Waccenem Mazenis Patzenis Cessinisy welche auf die got. Genetive und Dative *Wakins *Matjin u. s. w. weisen und für ostgot. -fw(s) gegenüber wulf. -m(*) sprechen können.3

b. Feminina.

Ostrogoto Theodegoto Mammo TuUjilo Runilo Sißlo bezeugen die Erhaltung der alten wulf. Nom.-Endung; die- selbe, constant o geschrieben, hat die Färbung zu u also mit den Stammsilben nicht mitgemacht, ein Unterschied, wie er grade so aus dem Ahd. bekannt ist.4 Die Flexio romana zeigt die entsprechenden w-Bildungen. Vereinzelte Latinisierungen in -a -ae sind belanglos.

WORTBILDUNG.

1. Nominale Composition.

Der Compositionsvocal, welcher bei Wulf, je nach der Natur des Stammesauslauts des ersten Gliedes bewahrt

1 Vgl. hierzu Dietrich 82; Henning, DLZ 1887, 1549.

Vgl. schon Jac. Grimm, Gr. I«, p. XLVIII; Kl. Sehr. III, 392.

8 Vgl. oben S. 1«2.

4 Braune, Ahd. Gr. § 38, 2. 63.

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blieb (wiga-deinö, gasti-göds, faihu-skula), zeigt in den ost- got. Eigennamen (soweit er erhalten) eine entschiedene Neigung zur Abschwächung und zwar in palataler Färbung : f werden wir im allgemeinen als den ostgot. Bindevocal bezeichnen können.1 Namentlich das wulf. u der Compo- sitionsfuge ist diesem Process erlegen: Hereleuca (wenn - wulf. *Hatru-liuba) , Wisibadu (*Wisu-badus) , Felithanc (*Filu-pagks). Sonst lässt sich die lautliche Keine > -e- > -(?- > -4- durch alle Stufen hin im Ostgot. verfolgen und zeigt damit, wie der ganze Vorgang noch im Werden begriffen ist. Characteristisch war bei den ja- und jau~ Stämmen die im einzelnen belegbare Stufenfolge -ja- > -je- > worüber oben S. b'8 f. und 87 f. zu vgl. Spuren sol- cher Vocalschwächung , d. h. Eindringen des Sehreiber- dialects, können in den Bibelhss. die Glosse seinai-gairnai des Cod. A zu 2. Tim. 3,2 und die Variante lausai-waurdai in A zu lausa- Tit. 1, 10, d. i. seinal-, laasai- zeigen,2 wenn hier nicht vom gedankenlosen Schreiber die Wort- endung mechanisch vorausgenommen worden ist. Ob dieser Process trotzdem von den Eigennamen aus im gleichen Umfang auf die Umgangssprache des 6. Jahrhs. wird ver- allgemeinert werden dürfen, könnte zweifelhaft scheinen, wenn man bedenkt, dass auch die griech. Personennamen in der Compositionsfuge eine Vocalfreiheit zeigen, welche weiter greift als in der appellativen griech. Composition3; jedoch ist in der Überlieferung der letzteren schriftsprach- liche Gewohnheit grade so in Rechnung zu ziehen wie in den got. Codd. , und die grössere dialectische Genauig- keit liegt in diesem Falle bei der Schreibung der Eigen- namen.

Zweisilbige erste Compositionsglieder bewahren ihre Zweisilbigkeit, d. h. den Fugenvocal oder Stammesauslaut, wenn das zweite Compositionselement mit einem Conso-

1 Kremer will Beitr. VIII, 406. 426. 449 für Ähnliche Fälle Ein- wirkung der lat. Componitionsregeln annehmen , ein Ausweg von bezeichnender Willkür.

2 Vgl. oben S. 141 ; Brugmann, Vgl. Gr. II, 1, 74 Anm. 9 Fick, Personennamen XIV.

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nanten ausser h oder w beginnt ; dagegen kann der Fugen- vocal vom Anlaut des zweiten Gliedes verschlungen werden, wenn dieser /*, tr oder ein Vocal ist; dreisilbige erste Compositionsglieder werden gern auf Zweisilbigkeit redu- ciert.1 Dies die Regeln für die Zusammensetzung der ost- got. Eigennamen. Für ihren ersten Teil brauchen keine Beispiele wiederholt zu werden; es sei aber betont, dass er keinerlei Ausnahme fand und kein einsilbiges Composi- tionsglied bei consonantischem Anlaut des zweiten Elements vorkam. Bei vocalisch anlautendem zweiten Gliede schwand der Fugenvocal wie bei Wulf. Die organische Schwäche des got. h macht sich im Ostgot. wie bei Wulf, geltend, wenn die ursprünglich mit h beginnenden Wörter an zweiter Compositionsstelle den vorhergehenden Stammes- auslaut grade so angreifen wie die vocalischen Anlaute ; 2 doch ist der Process noch nicht consequent durchgeführt: die Neap. Urk. schreibt zwar got. Uftahari, aber die Ver- tauschung mit Optarith in ihrem lat. Teil ist nur möglich, wenn die Syncope des ersteren zu Uftari schon eingetreten war, Uftahari also zum Teil auf historischer Schreibweise beruht; die inschriftlichen Taniüdi und Dumikla zeigen die Syncope vollzogen, während die inschriftlicho Guntelda der urkundlichen Gundihildi, Cassiodors Ranilda der urkund- lichen Ranihilda, das Theodahadus der Münzen anderem GtvdaroQ Theodadus gegenübersteht. Für die Composita mit w?-Anlaut im zweiten Gliede scheint die Sache ebenso zu liegen: Scipmtr Erdwih Gudwin Tolwin Odwin Nand- win Oswin Andwit Gundwidf Wadwulf gegenüber Suniwath Hildiwada Hildewar a Bedewtdf Alimdf; jedoch bei den fünf letzten hat die Frage insofern ihr besonderes Gepräge, als der letzte Laut des ersten Compositionsgliedes hier nicht der ursprüngliche Fugenvocal, sondern stammhaftes j ist (wir stellten Suniwath zu got. sunjis, Hildi- zu dem jd-Stamm *hildi3, Bedewulf zu baidjan , Aliwulf zu aljis) ; es wird daher für das Ostgot. der Schwund des Composi-

1 Vgl. Grimm, Gr. II (1878), 890 ff.

Vgl. Kluge in Pauls Grundr. I, H30, 3 Anm.

s Zu *llildwulj 8. 145 vgl. vorläufig 8. 162, 0.

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tionsvocals vor <r-Anlaut des zweiten Gliedes zu allge- meinem Gesetz erweitert werden dürfen. Bei Dreisilbigkeit des ersten Gliedes endlieh zeigten nur Amalafrida Amata- berga Amatas tri ntha Athalaric Intactheit der ersten Compo- sitionshälfte; dieselbe wird bei diesen der königlichen Familie angehörenden Xamen auf einer historischen Pietät beruhen , da Anud und Atluil amalische Ahnennamen waren,1 und die gleiehmässige Schreibung Amata-, AthaUi- (auch ohne Abschwächung des dritten a) einer traditionellen Schreibung entstammen.2 Sonst wird die ursprüngliche Dreisilbigkeit des ersten Namenelementes zerstört, sei es durch Unterdrückung des Stammesauslauts, sei es durch Syncope der zweiten Silbe: Evvrmud (Jord.) Ebremud (Marceil.) Eßmfiov& (Proc), Angel früh Ragnarith. Auch bei Wulf, linden sich schon sigislatm* piudangardi u. ä. : die selteneren dreisilbigen Compositionselemente im ersten Gliede accomodieren sich, gedrängt durch den nachfolgenden Stammsilbenaccent des zweiten Gliedes, den bei weitem überwiegenden zweisilbigen.4

Die somit gewonnenen ostgot. Compositionsgesetze zeichnen sich durch Einfachheit und Durchsichtigkeit aus. Es ist die Frage, ob sie zur Lösung des wulfilanischen Compositionsproblems etwas beitragen können. Wulfila- nische Parallelen wie guda-faur/tts und gup-blöstreis, lansa- waurds und lans-aiprs sind ebenso bekannt und oft citiert als bisher noch unaufgeklärt;5 namentlich Kremers aus- führlicher Deutungsversuch kann in keinem Punkte über- zeugend Andeutungen aus dem Folgenden gab ich bereits im Anz. XVI, 65 f.

1 Vgl. oben S. 50. 84.

* Nur bei Fredeg. steht Amalbergu, bei Cass. Var. IX, 1 Amalc- frida in Gb.

s Joh. Schmidt fordert in KZ XIX, 281 richtig sigisa-.

4 Weitere Corruption mehrsilbiger erster Namenglieder, wie sie Stark, Kosenamen 41 ff., behandelt, fehlt in der ostgot. Epoche noch.

6 Holtzraann, Altdtsch. Gramm. I, II, 55; Kluge, KZ XXVI, 81; Kremer, Beitr. VIII, 380 ff.

0 Vgl. zu scinor Characteristik in einem einzelnen Punkte auch Streitberg, Beitr. XIV, 190 ff.

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Das Übereinstimmende in den wulf. und den ostgot. Compositionsformen zweier Nomina liegt in dem Schwund des Fugenvoeals vor Vocal. in seinem Schwanken vor h und bei mehrsilbigem ersten Gliede. Das Neue beim Ostgot. liegt in seinem Schwund vor w.1 Und letzterer findet in dem Lautcharacter des w seine einfache Erklärung: iv ist infolge seines vocalischen Anlauts in die Analogie der Vocale überhaupt getreten. Ist damit bewiesen, dass der Compositionsmodus der mit vocalischem Anlaut des zweiten Gliedes gebildeten Zusammensetzungen analogice weiter um sich greifen kann, dann steht nichts im Wege, seine Ein- wirkung auch in Fällen wie wulf. gupblöstreis lausqiprs u. s. w. zu erkennen. Dass wir für solcho keine speeifisch ostgot. Parallelen zur Hand haben, hat in dem Unterschied der Appellativa und Nomina propria seinen Grund. Für den germ. Personennamen ist die Bildung aus zweisilbigem ersten und einsilbigem zweiten Compositionsglied die bei weitem überwiegende, sie darf als die typische gelten ; und bei der mechanischen Art der germ. Namengebung, welche die Bedeutung der Namenglieder früh abschwächte und besonders gern aus den in der Verwandtschaft vertretenen Namenelementen immer wieder neue Composita bildete, kehrte jener Typus beständig wieder, auch wenn das zu- sammengesetzte Appellativum in seiner Entwicklung bereits vorausgeeilt war und die ursprüngliche Zweisilbigkeit des ersten Compositionselementes angetastet hatte; in ahd. Zeit z. B. lässt es sich beobachten, wie der Eigenname erst später hierin nachfolgt und den Fugenvocal tilgt wie das Appellativum.2 Wenn also auch die ostgot. Eigennamen das Eindringen jener Analogie Wirkung nur bei to-Anlaut des zweiten Gliedes zeigen, wo es lautlich befördert wurde, nicht jedoch bei andern Consonanten, so darf auf die appella- tiven Composita daraus noch nicht geschlossen werden,

1 Bei Wulf, nur all-waldands ubil'waürda twalib-wintrus , von welchen jedoch die boiden ersten Doverbativa sind (vgl. ubilwaürdjun

ubil teaürdjan) und das letzte sich aus Urulif wintrjus (vgl. ßmfhundn

fimf hunda u. ä. ) erklärt.

» Vgl. dazu Kosainna, QF XLVI, 62 ff.

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vielmehr können Bildungen wie gupblostreis Ltusqiprs schon zahlreicher gewesen sein als bei Wulf. Klemers .Behand- lung der ersten Compositionsglieder im Gotischen" aber muss höchst bedenklich erscheinen, wenn sie alle chrono- logische Entwicklung ausser Acht lässt und ein allgemeines Compositionsgesetz gleichmässig aus dem appellativen Got. des 4. Jahrhs. und aus den got. Eigennamen aller Jahr- hunderte herleiten will. Dabei aber ist sehr characteri- stisch, dass die Namenbelege, welche er für Schwund des ersten Stammesauslauts beibringt, fast vollzählig Zusammen- setzungen mit Ii- oder «-Anlaut im zweiten Gliede oder mit mehrsilbigem ersten Gliede, die wenigen Ausnahmen hingegen samt und sonders verzweifelte Entstellungen und dunkle Bildungen sind, welche er durch die kühnsten Ety- mologien , durch manchen Anachronismus und Vernach- lässigung jeglicher diabetischer Unterschiede für seine Zwecke zurechtzustutzen sucht.

Fällt auf diese Weise Kremers ganzes Namenmaterial, und streichen wir bei ihm zweitens alle die appellativen Composita, deren zweites Glied mit Vocal, h, tc anlautet oder mehrsilbigem ersten Gliede folgt, dann bleiben folgende wulf. Anomala 1 übrig : gup-blöslreis wein-drugkja man4eika ain-falps aut-lif laus-qiprs brup-faps.2 Die analoge Ein- wirkung der Composita mit vocalischem Anlaut des zweiten Gliedes auf consonantische Anlaute ist also bei Wulf, erst eine ganz vereinzelte und dürfte grade so, wie sie bei den ostgot. w-Bildungen durch die halbvocalische Natur des w ihre besondere Beförderung fand, bei Wulf, noch Fall für Fall durch singulare Gründe unterstützt worden sein: gupblostreis, weitidrugkja sind nach gufi blötan, wein drigkan gebildet; matüeika ist überhaupt keine Ausnahme, da sein erstes Glied ein consonantischer Stamm ist, sondern zeigt für einen solchen noch den ursprünglichen Typus, während

1 J. Grimm, Gr. II (1878), 392: „Einschleichende Entstellungen der älteren Formen *tceitta-<h'u<jkni u. 8. w. Yu Gupblostreis weindrugfeja lamqiprs sind nur je an einer Stelle zu belegen.

8 Alhu trein Röm. 12, 8 ist längnt richtig in alUiwtrein gebessert ; vgl. Heyne8 130.

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bropra-, bröpru-lubö, nahta-mats , mana-maurpja , mana- seps durch dieselbe Analogie vocalischer Stämme be- reits beeinflusst sind , welche auch in die Flexion ihrer Simplicia gedrungen war (vgl. bröprjus% bröprum, nahtam u. s. w.); ainfaip$ erklärt sich durch die gegensätzlichen managfalps fidurfaips ; ainlif ist Zusammenrückung aus ain lif (dazu der Plural twa-lif) ; für lausqiprs wäre directe Beeinflussung durch laushandus nicht undenkbar; und so bliebe nur brtipfaps übrig, aber auch für dieses kann der ursprüngliche mit der Bedeutung zusammenhängende Accentwechsel Kremers nicht angenommen werden, denn zwischen brüpfaps einerseits und hunda-, synagöga-, pusundi- faps andrerseits ist ein Unterschied in dem functionellen Verhältnis der beiden Compositionsglieder zu einander nicht zu erkennen.

Und so scheint mir der gesamte grosse Aufsatz Kremers zusammenzufallen trotz seiner unzähligen Kecon- structionssternchen, seiner blendenden Citatenfülle und seines sonstigen hypergelehrten Apparates. Mit obiger mechanischer Formulierung des gotischen Compositionsmodus aber werden wir uns begnügen müssen, bis die Nominalcomposition der andern germ. Dialecte unter möglichster Berücksichtigung ihrer chronologischen Entwicklung behandelt sein wird. Die Resultate, welche Storch für das Ags. fand, sprechen nicht gegen sie.'

1 Storch, Ags. Nominalcomposita (Strassburg 1886) 1 : „Vor dem Ursprünge der Nominalflexion wurde die Zusammensetzung der idg. Nominn durch Aneinanderrückung der Stämme gebildet. Das später hinzutretende Flexionssuffix wurde als selbständiges Rlemont zu dieser Wortverbindung nur einmal und zwar an das Ende gesetzt. So kam es, dass das Suffix mit dem zweiten Worte zusammenwuchs, während das erste don Character des reinen Stammes bewahrte. Die so ent- standenen primären Composita, die von den durch Zusnmmenrückung zweier flectierter Wörter entstandenen secundären zu unterscheiden sind, bilden auch die Typen der urgerm. Nominalcomposita. Secundäre Coraposita tauchen erst in jüngeren Perioden der germ. Sprachen auf, breiten sich aber ziemlich rasoh aus und gewinnen allmählich den Vorrang vor den primären. Die nhd. Nominalcomposita z. B. werden gegenwärtig zumeist nach secundiirer Weise gebildet. Im Ags. kommt

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2. Suffixbildung.

Nach Möllenhoff1 sind alle Personennamen starker Declination der Form und Bedeutung nach ursprüngliche Adjectiva, die nur nicht wie die übrigen Adj. pronominale Declination angenommen, sondern die alte nominale be- halten haben. Und Kossinna2 hält nur diejenigen Namen für echt, d. h. ursprünglich, welche sich als Zusammen- setzung eines Substantivs mit einem darauf folgenden Adj. erweisen, alle Namensformen aber , die zwei Substantiva, Adj. und Subst. oder zwei Adjectiva enthalten, für unur- sprünglich und einer verhältnismässig jungen Zeit ange- hörig. Ob diese onomatologische Grundregel insofern etwas einzuschränken ist, als Namen mit einem concretcn Sub- stantivum personale im zweiten Gliede (wie harjis miles, *ttins% pius, skalks) trotzdem uralt zu sein scheinen, bleibe dahingestellt. Für ihre Ursprünglichkeit könnten sonst die Namen mit -rh- sprechen (dessen keltische Entlehnung wird natürlich nirgends mehr gefühlt), die als lat. gr. -ricus -(Ji/og erscheinen, also an das Subst. reiks anknüpfen, nicht an das Adj., welches als /-Stamm (Nehem. 6, 17 reikjane) auch im Lat. und Griech. entsprechende Flexion zeigen würde. Dagegen wäre zu den mit got. skalks componier- ten Namen ein secundäres Adj. mhd. schalk hinterlistig, boshaft44 zu vgl., und ähnliche Bildungen könnten von jedem Subst. statthaft sein, wenn sie auch appellativ nicht immer belegt wären oder überhaupt nur für solche Namenbildungen bestanden hätten. Diese Frage bleibt also ebenso eine offene wie der Versuch, die Adj. im zweiten Namengliede practisch zu scheiden in primäre Adj. (got. w/<V.s, Hubs, galms u. s. w.), in secundäre, d. h. nur zur Namenbildung geschaffene Deno- minativa (*-mutids, *-gasts u. s. w.) und deverbative Nomina

die sccundare Composition kaum in Betracht." Auch Storchs weitere Ausführungen zeigen, dass der Unterschied von primärer und seeun- dftrer Composition für den functionellen Character derselben von unter- geordneter Bedeutung ist, und sprechen somit ebenfalls gegen Kremers Leitmotiv.

1 Zs. XVI, 154.

QF XLVI, 64. Anders Burg, Runeninschr. 17, 2; aber das Vorurteil liegt bei Burg.

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agentis (*-reps, *-waps, -berga, -fara u. s. w.) 1 ; denn wie das namenbildende denominative got. *-fripa- zu got. fripus tat- sächlich als an. Adj. fripr und das namenbildende deverbative *-wara (vergl. gr. oydio) als got. Adj. war» vorhanden ist, so mögen *gasta- „gastfreundlich* zu gasti- u. v. ä. auch ap- pellativ bestanden haben und nur zufällig nicht zu belegen sein. Mögen aber alle diese Secundärbildungen einmal selbständige Adj. gewesen sein oder nicht, das Characte- ristische an ihnen ist die Art ihrer Bildung: das Suffix a im Masc. , ä oder im Fem.2 Die Grundregel germani- scher Namenbildung wird also vorsichtiger so zu formu- lieren sein : enthalten die typischen zweigliedrigen Personen- namen im zweiten Gliede nicht ein ursprüngliches persön- liches Ooncrctum oder ein primäres, d. h. appellativ vor- handenes Adj., so liegt eine secundäre adjectivische a-Bildung vor. Die ausserordentliche grammatische Consequenz in der Flexion der germ. Eigennamen bei den lat. Historikern führt unbedingt darauf, dass z. B. in Namen wie Com- gastus Thrasemundu» nicht einfache mechanische Zusammen- setzungen mit den Substantiven gast» *tnunds vorliegen, weil diese als i-Stämme auch im Lat. »-Flexion aufweisen würden ; vielmehr haben sie ihren ursprünglichen Stammes- auslaut abgeworfen und das Secundärsuffix a angenommen, grade so wie zum /-Stamm got. wem- „Hoffnung" ein ad- jectivischer a-Stamm durch alle Dialecte geht (ags. miwen, ahd. urwänaz u. s. w.) oder zum /-Stamm wliti- das An. die er- Adj. dqgglitr jarplitr oder zum //-Stamm fötu- das Ags. das (i-Adj. »cäfföt „curvis pedibus" stellt.8 Ein zu- künftiges germ. Namenbuch wird sich daher der Aufgabe nicht entziehen dürfen, für jedes einzelne Namenglied auch eine lat. Flexionsstatistik aus den historischen Quellen zu- sammenzustellen.

1 Dass auch letztere ursprünglich durchaus als Adj. und sub- stantivisch gebrauchte Adj. zu betrachten, darüber Scherer, zOddS8 458.

2 Für die Feminina ist ä deverbativ (-berga, -fara), denominativ (-hildi, -gundi), ein Unterschied, der noch einer besonderen Unter- suchung bedarf.

3 Zimmer, QF XIII, 225 f.

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Dass das a-Suffix persönliche Concreta bildete, dafür brauchen appellative Beispiele nicht aufgezählt zu werden, man findet sie bei Zimmer bei einander. Aber ihre Ent- stehung fällt allermeist in vorhistorische Zeit; so üppig diese Suffixbildungen ursprünglich gewuchert haben , wie die Vergleichung der idg. Einzelsprachen ergiebt , so ist das Suffix im germ. Sonderleben so gut wie gar nicht mehr in lebendigem Gebrauch.1 Nur in einem Falle hat Zimmer die letzte selbständige Wirksamkeit des Suffixes im Germ, nachgewiesen: die aus dem Ai., Gr., Lat. bekannten «-Bil- dungen, welche als zweite Glieder von Tatpurusha-Compo- sitis vorkommen (vgl. -dama; -da[to<;; -dicus, -ficus, -cubus, -fer, -ger), hat er mit zahlreichen Beispielen aus der an. Poesie belegt (svelgr, -verkr, -oaldr, -räpr, -grtpr, -ripr u. s. w.) und damit den interessanten Nachweis gebracht, „wie ein Wortbildungsprincip, das der Sprache des gewöhn- lichen Lebens längst abhanden gekommen war, in der der Poesie üppig fortwuchert. u Und zu diesem einen letzten Reste lebendiger a-Bildung in der poetischen Sprache stellt sich der andere hier vorliegende in der germ. Namenbil- dung, welche ja immer etwas Poetisches an sich hat. Unter den ostgot. Namen begegnete der primäre Hypoco- rismus Grtp(p)a : er mag aus zweigliedrigem Namen gekürzt sein, dem etwa Zimmers an. vingripr, olpgripr an die Seite zu stellen wären; und zu den zahlreichen Namen auf -rith laufen die poetischen an. Composita aldrdpr gagnrdpr gang- rdpr grandräpr nyrapr, atripr eykrlpr fräripr vigripr parallel.

Diese secundäre a-Bildung findet als formelles oder flexives Grundprincip der Eigennamen darin noch eine be- sonders beweiskräftige Stütze, dass sie als idg. zu ver- muten ist. Seit Ficks classischem Buche über die griech. Personennamen sind die Principien der Namenbildung in den idg. Einzel sprachen als Übereinstimmend und damit als proethnisch nachgewiesen.2 Und wie grade die germ. Eigennamen ihre Urverwandtschaft mit den griech. auf Schritt

1 Zimmer 25; Sütterlin, Nom. agentis, 3.

* Selbst über die Int. vgl. Fick LXV f., über die urmeniflche Brugmann, Vgl. Gr. II, I, 32, 2.

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und Tritt documentieren, so ist auch die behandelte se- cundäre Stammbildung derselben im Grieth, vertreten. Fick führt XIV f. eine Keine von Fällen mit zahlreichen Belegen auf, wo im Auslaut des zweiten Namengliedes die o-Flexion sich statt der ursprünglichen , einer consonantischen oder andern vocalischen, zeigt, will aber hierin nur eine bequeme Erleichterung in der Aussprache erkennen. Jedoch zu- nächst ist nicht einzusehen, wo in Namen auf -arJprv -nav^^ -ftrjTou die grössere Sprachbequemlichkeit liegen soll im Vergleich mit den ursprünglichen ürijy nax^ fit/typ; und dann hätten Fick besonders Namen auf -vixoq -rifioc -<p^wg darauf führen sollen, dass es sich hier um keine sprach- liche Bequemlichkeit, sondern um einen functionellen Process, um die Kennzeichnung eines Nomen agentis gegenüber den Abstracten vtxt] ttfuj tf-tj^ij handelt.

Das Bestreben hingegen , die Aussprache der Namen zu erleichtern, wird auf ganz anderem Wege erreicht: durch die kürzenden Koseformen. Die Hypocorismen ver- einfachen das ursprüngliche Compositum, und zwar taten dies die ostgot. durchweg durch Unterdrückung des einen ('ompositionsgliedes. Eine solche Möglichkeit hypocori- stischen Schwundes ist für jedes der beiden Namenelemente anzunehmen. Hiessen z. B. zwei Brüder ThemUnavth und Giulitmnth , so lag die Unterscheidung ihrer Vollnamen im eisten Glied, hiessen sie etwa Theuditianth und Theudimer, so lag sie im zweiten Glied : im ersten Fall daher die Hypo- corismen Theudiht (liidila, im zweiten Namh'la Merila.1 Der Ersatz nun, welchen die so um ihre eine Worthälfte ge- kürzten Namen fanden, war ein suffixaler. Diese hypo- coristischen Suffixbildungen sind primäre oder secundäre. Die primären zeigten entweder das vocalische Suffix -ja- oder häufiger das consonantische -an-, die secundären die Suffixe -ilan- oder seltener -ikan-, alles Bildungen, welche in der idg. Namengebung ihre Entsprechungen haben.2

1 Vgl. Stark, Kosenamen 12 ff. , und ebenso die griech. Hypo- corismen, Fick V.

» Fick XXVII. XXIII f. L. XLII. Diese Art der Kosebildung ist also die ursprüngliche und idg. (Brugmann, Vgl. Or. IJ, I, 33). qf i.xvm. 13

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Ursprüngliche ^«-Bildungen 1 sind im appellativen Ger- manisch im Aussterben begriffen.2 Um so häufiger sind secundäre Ableitungen.8 welche nichts weiter als die Zuge- hörigkeit zu etwas ausdrücken sollen; die zahlreichen hierher gehörigen got. Bildungen stellt Leo Meyer S. IW3 ff. zu- sammen , und zu ihnen gesellen sich die onomatologischen /«-Bildungen (Theudi Waci Albi Neudi). Characteristisch ist, dass wieder das An., besonders die an. Poesie, im Gegen- satz zu den andern germ. Dialecten das Suffix noch productiv handhabt.4

Bedeutend zahlreicher sind die primären Hypocorismen auf -//«- (Theoda Gada Thanva Thorisa Trigytca Wilja Grippa Suna Wem u. s. w.)*', entsprechend den vielen griech. Bildungen auf -tor. Die lebendige Wirksamkeit des Suffixes -an- im germ. Sprachleben lässt sich in allen Dialecten noch verfolgen; es trat an die Stelle des absterbenden Suffixes -«-, verdrängte dasselbe nicht nur aus seinem lebendigen Gebrauch, sondern zog auch historisch feststehende, mit Suffix a gebildete Wörter in jüngeren Sprachperioden immer mehr zu sich herüber.'5 Leo Meyer stellt in § 354 die got. Nomina agentis auf -an- zusammen. Viele unter ihnen sind nur substantivisch selbständig gewordene Adj. wie blindan- neben Nitida-, ganiainjan-, unhulpan- u. s. w.7,

Starks weitere Reducierungcn der Vollformen gehören samt und sonders jungen germ. Perioden nn. So die Assimilation von Consonantengruppen (Stark 21 ff.): Ga<hhi und Jirtto sind bei ihm die frühesten Belege hierfür (S. 22. 26) und zwar a. d. J. 615, alle andern entstammen erst dem 8. oder späteren Jahrhunderten (vgl. oben 8. 80 f.). Jene Art der Kosebildung, welehe vom Vollnamen das erste Glied ganz, dns zweite nur in einem oder wenigen Lauten beibohftlt (8tark 104 ff.), kann erst in eine Epoche gesetzt werden, welche die Zweisilbigkeit des ersten Namengliedes bereits angegriffen hatte (vgl. oben 8. 126).

1 Stark, Kosenamen 53 ff.

9 Kluge, Nominale Stammbildg. § 7.

9 Schlüter, Suffix jn, 38 ; Sütterlin, Nomina agentis, 5.

* Sütterlin 7 ff.

6 Vgl. die massenhaften an. Namen auf -i (8tark 54). 8 Zimmer 170 ff; Sütterlin 30 ff.

7 Lichtenheld, Zs. XVIII, 41 Anm. Vgl. oben S. 81.

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195

und so verhalten sich die stark flectierten Vollnamen zu den schwach flectierten Kosenamen ganz wie die starken zu den schwachen Adj.: es sind secundäre Individualisie- rungen 1 ; der zweigliedrige Vollname ist man denke an den Zeitpunkt und den Zweck der Namengebung ursprüng- lich praedieativ, der gekürzte Kosename specialisiert seine Bedeutung auf eine bestimmte Person.

Die kosende Zärtlichkeit geht aber noch weiter, wenn die so gekürzten Namen durch Diminutivsuffixe wieder erweitert werden. Die secundären Hypocorismen mit Suffix -Uan- sind am zahlreichsten (Theudila Gudila Thaucüa Triggwila Albila Gesila Badirila, Tulgilo Bundo Sifilo u. s. w.).* Von Appellativen vgl. got. wnguhi mawilö, ahd. niftila scalchilo, an. geisle u. ä.3

Die secundären Bildungen mit einem Suffix -ikan- waren nicht so häufig (Cillica Oevim Mirica Tulica Hardica)* Die andern idg. Sprachen zeigen ebenfalls solche gutturalen Weiterbildungen, aber ihre Consonantenstufe stimmt nicht zu der germ. (ai. -aka -ika, gr. -«xoc -«£ -t/n^ -i/to^, kclt. ~iroh); ob sie zu vereinigen sind, bleibt dahingestellt; das Ausbleiben der germ. Lautverschiebung grade bei derartigen Kosebildungen wäre nicht undenkbar, man denke an inter- nationales Tata (oben S. 124. 1%). Vgl. diminutive Appella- tiva wie ahd. arnühha „paupercula", julihhtt „weibliches Fohlen % smirihha Schwiegertöchterchen \

Die im Vorstehenden geschilderte onomatologische Ent- wicklung zeigte sich im Ostgot. deutlich Stufe für Stufe, wenn wir folgende Heihen fanden: Theoderic (-mer, -wund u. s. w.) Tlieoda Theudi Theudila, Gudinanth (~leub u. s. w.) Guda Gudila , Wilithanc (Ala-, Fell- u. s. w.) ~ Thanca Thancila, (Anagast ) Anna Attila, Sise- wera -- Wera (Werira), Marabadu (Fridi-, Wisi- u. s. w.)

1 Süttorlin 65 f

* Grimm, Gr. II (1878), 108. Suffixablaut in Costila Cosluh; Shulila SinJula.

1 Grimm a. a. O. ; Kluge, Nomin. 8tammbililg. § "»«.

* Grimm, Gr. II (1878), 270; Stark, Kosen. öG. 5 Fiele XLIt; IJrugmnnn II, I, 248.

13

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- 19«

Dadtra Bndwila, (Gesimund ) Cessa Gesila, Triggtra

Triggwila. Alhi Albila, Mauna Mannila, Talla Talica u. s. w.

Im Anschluss hieran, obwohl nicht zur Suffixbildung gehörig, sei noch eines weiteren Hilfsmittels der Kosebil- dung gedacht: der hypoeoristisehen Consonantengeinination.1 Sie findet sich vor allem in den Kosenamen (vgl. Ihha (h'ippa Tsitta Mona Anna Riggo Zalla Ccssa, Gattila Htm- nila Qttiddila Totlila), dringt aber von hier auch in die Vollnamen (vgl. Tanilldi Wittigis Witterith Riccithauc). Die gleiche Erscheinung ist im Griech. genügend zu belegen2, ihre Erklärung aber fraglich3. Wahrscheinlich drückt die Dehnung der Consonanz den zärtlichen und deshalb gedehnten, nicht schnell hervorgestossenen Ruf nach dem Träger des Namens aus, wie wir ihn noch heute gradeso bei lautem kosenden Hufen, zumal aus Kindermund, hören können.

Die vorher erörterten Suftixbildungen waren alle speciell onomatologischer Natur. Was sich aus dem ostgot. Material sonst für die Suffixlehre im allgemeinen ergab, bezieht sich auf einzelne4 Namen und Wörter und ist unter diesen be- handelt, sodass für das /-Suffix auf Amol, -gisl, Wnndil, für -r- auf wttfpr, für -//>- auf Darida, für -ins- auf Sigis-, Thorisa, für -mg- auf Greoting nur zu verweisen ist.

\\. Namengebung.

Storks Annahme, 1 dass in vorhistorischer Zeit alle germ. Personennamen anfänglich einfach, aus einem Worte gebildet waren, und dass die zusammengesetzten erst allmäh- lich, wenn auch noch in derselben vorhistorischen Periode, entstanden sind , ist durch Ficks Nachweise über das idg. Namensystem r> längst widerlegt: die zweistämmigen Eigen- namen sind die ursprünglichen, die einstämmigen sind secun-

1 Stark 19 ff.

* Fick LIX; weitere Litteratur bei Brugmann II, I, 34.

* Verfehlt B. Stark 20 f.

* 157 ff.

5 Bosomio™ CXCII.

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197

däre Kürzungen. J Letztere entstanden nach Abschwächung der ursprüngliclien praedieativen Bedeutung des Vollnaniens. Ein solches Bewusstsein der Bedeutung der Namenglieder aber ist nur für die allorälteste Zeit, vielleicht überhaupt nicht mehr für die historische Periode anzunehmen. Des- halb wäre es überflüssig, die onomatologischen Composita wie die appellativen nach Art der altindischen Grammatiker zu classincieren 2 und etwa Dvandva (z. B. Hildebadn Gundi- h'tldi), Bahuvrihi (Ebenntid), Karmadhäraya (Vftahari), Tat- purusha (Theudimund) unterscheiden zu wollen. Von einem ganz andern Gesichtspunkt aus könnte man viele von ihnen am ersten noch als Dvandva, d. h. copulative Komposita auffassen: wenn nämlich der Name des Kindes häutig aus zwei Namenelementeri, welche in der Verwandtschaft bereits vorkamen, gebildet wurde, dann war bei solchem Namen nicht die Function seiner appellativen Bestandteile, sondern eben die Kennzeichnung der Verwandtschaft die Hauptsache, und z. B. Theudhuudh sollte nichts weiter besagen als etwa „Sohn von Theudimund und Uudinanda\ so zu sagen Theudi- mund i Gudinanda". Für das Zurücktreten der ursprüng- lichen appellativen Bedeutung spricht ausser den Koseformen feiner die auch im Ostgot. genügend zu belegende mecha- nische Vertauschung von Namenelementen : von -mud und -mund, -gis und -grs, -hart und -r/th, -wih und -whi und -/r/7, -ric und -rith, gvd- und gund-, auch von suffixalem -ilu und -ica.

Die Namengcbung kennzeichnete die verwandtschaft- lichen Beziehungen ;{ entweder durch Allitteration (z. B. Athahirk der Sohn von Enfhuric und Amalaswinthi) oder durch gleiche Namenglieder (vgl. Thruderic , seinen Vater Theodenier, seinen Bruder Thcodeninnd, seine Tochter Tluade- gofo- Awtlafrid'i und ihre Tochter . iimdaberga- Theodahnth

1 Die einstämmigen (iötternnmen (ebenso die walkyrischon Fruuen- numon) sind keine Ausnahmen, denn sie sind nieht ursprüngliche per- sönliche Nomina propria , sondern Personifizierungen , personificierte Nomina appellativa.

2 Wio z. B. Kosainna, QF XLVJ, 66, will, s Wand. 115.

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und seine Kinder Thcodenantlut, Tin odvgisl ; Fridigern und seinen Sohn Aliger n\ Advrith und seinen Sülm Adtnatnd u. s. w.). Im übrigen sei an Namengruppen erinnert, welche Tiernamen zur Composition verwenden ! i-tridf, hon-, FJ>n- muth, Berimuth, Afarabadtt, AmaraY lyilu?) oder mytho- logische Begriffe {Thorisa, Albila, Gm!-) oder Völkernamen - (Ostrogoto, Theodegoto, Wandalari , Dan, Morra , Bojo, Angelf rith).

Zunamen oder Doppelnamen, wie sie bei allen Ger- manen geläufig waren :\ zeigten auch die Ostgoten. In Ariagne üstrogoto , Theoderic Walamer waren die zweiten Namen unterscheidende Zusätze, ebenso vielleicht (iundaulf Ililduulf. Jüngeren christlichen Namen neben älterem gerni. zeigen Herelen va al. Fusebia, Wiljetianth al. Minna las, Igila al. DaniheL Ademund al. Andreas. Häutig ist bei Doppel- benennung der eine Name unverständlich und etymologisch dunkel, sodass der andere als Ersatz für ihn eingetreten scheint: Futharic Cillica, Totila Badu ihi , Rosemud Faffo, vielleicht auch Tila Teja. Gewöhnlich jedoch sind solche seeundäre Zunamen keine selbständigen Namenbildungen, sondern Appellativa, welche dem ursprünglichen Eigennamen als für seinen Träger besonders characteristisch angefügt wurden mit Bezug auf persönliche Merkmale, Geschicklich- keiten oder sonstige Beziehungen ; es sind die häufigen Ehren- oder Spottnamen4. Sie haben dann vielfach den ursprünglichen Vollnamen ganz verdrängt, und es ist nicht immer leicht solche einstämmigen appellativen Cognomina von den primären Hypocorismen zu scheiden/' Voller zwei-

1 Schon idg. : Fick VI. Strackerjan, Der Mensch im Spiegel der Tierwelt (Oldenburg 1885), 8. 4 ff., ist ergänzungsbedürftig; das Fehlen des Pferdes in Namen wird mit Unrecht bestritten ( Mambadu).

2 Dietrioh 19, 19; Wuekeruagel, Kl. Sehr. III, 409 f. Müllcnhoffs EitiHcliriliikting, Beov. 30, beruht wohl auf Zufall.

s J. Orimm, Kl. 8chr. III, 355; Stark, Kosenamen 150 ff.; Wacker- nugel, Kl. Sehr. III, 389.

* Schon idg.: Fick VI.

5 Vgl. z. B. oben S. 51, 2; und ebenso für das (Jrieeh. Fick VI. V.h bleibt zu erwägen, ob etwa in Italien römische Namenbildung oder

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1 91)

gliedriger Eigenname und secundärer Zuname liegt im ostgot. Wandalari Wisand vor. Nur der letztere ist erhalten in Mammo, Tzitta, Gattila, Darida, vielleicht auch in Quldila, Sripwar, Hunda, Bittila; hierher gehören ferner die Nomina agentis mit Suffix -jan-1 : Man ja der Merker Matja „der Esser", Teja „der Trinker".

richtiger Benennungaweise die üotcn beoinflusat hat; QuidiUi, Mammo, Wamba könnten auch Bildungen nach römischem Vorbild 8ein.

1 Sütterlin 68 ff. und die got. Zusammenstellungen 70 f.; Streit- berg, Bcitr. XIV, 213. Vgl. S'iifja Wund. 88.

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SCHU'SS

Der ostgotische Dialect des sechsten Jahrhunderts zeigt einen bedeutend jüngeren und entwickelteren Lautstand als der bihelgotische. Die ostgot. Monophthongierungcn , die Reduction des Conipositionsvocals, der Schwund des Nomi- nativ-* u. s. w. sind dafür untrügliche Zeichen. Und dabei bedenke man, dass jene ostgot. Grammatik fast ausschliess- lich aus Eigennamen gewonnen wurde, von denen häufig behauptet worden ist. dass sie hinter der Umgangssprache in ihrer Entwicklung zurückblieben und conservativeren Lautstand als diese aufwiesen. Bozzenbergers Hypothese, dass das Bibelgotische dem ostgot. Dialect des b\ Jahrhs. entspreche,1 ist damit aus der Welt geschafft. Hingegen erwiesen sich die handschriftlichen Anomalien in der gotischen Bibelüberliefcrung als dialectische Symptome der ostgotischen Abschreiber. Wenn es wahrscheinlich ist, dass unter dem einen wulf. Buchstaben / zwei verschiedene Laute begriffen sind , welche sich allerdings sehr nahe gestanden hahen.- so muss, wenn Wulfila andrerseits zwei verschiedene Schreib- weisen e und ei erfand , deren Lautwert noch ein deutlich geschiedene!- gewesen sein. Das Ostgot. jedoch zeigt, dass letztere dicht daran sind lautlich zusammenzufallen, und so findet das gelegentliche Schwanken zwischen e und ri in den got. Hss. seine einfache Erklärung in dem Dialect ihrer Entstehungsperiode, Ebenso verhält es sich mit dem

1 Vgl. oben 8. 1 ff. * Vgl. oben S. 162.

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201

Schwanken zwischen 6 und n oder auf consonantischem Ge- biete mit dem Wechsel von d und p . Ferner zeigen liuteip Mt. 5, 15 für liuhteip, puirtcakands Luc. 6, 12, als Mc. 15, 38, hwarjö Mc. 15, 6\ hwamme Gal. 5, 3 B, uswaurts 2. Cor. fi, 9 B einerseits und waurhtai Rom. 11, 17 für waurtai, ya waurhtai Eph. 3, 18 für ya waurtai andrerseits dieselbe Unsicherheit in der Aspiration, wie unsere specifisch ost- gotischen Quellen, ja den in letzteren so gewöhnlichen will- kürlichen Wechsel von t und th zeigen auch in der Bibel «ßepanda Mc. 2, 9 für uflttandu , witups Mc. 10, 38 für «rilttf.?, ußlöpeitiai 2. Cor. 8, 4 B für ufblöteinui A, A/w/w 2. Cor. 12, 7 A für /mw/o B, yaparhips Gal. 2, 11 für </<^/r- Desgleichen ist die Schreibung des gutturalen Nasals zu beurteilen in paukeip Lc. 14, 31, /miwä: 17, 9, brhiyip 15, 22, brinyandnus 15. 23. /wy/s 19, 31. Eindringen des Dia- lects scheint sich selbst in der Oompositionsfuge zu zeigen : luusaiwaurdai Tit. 1, 10 A, srinaiyairnai 2. Tim. 3, 2 A1, und darauf beruhen auch Schwankungen wie undahtusaUe 1. Tim. 1, 4 A gegenüber andilausa'ue B, mipyardawaddju Eph. 2, 14 B gegenüber mipyardiwaddju A, indem die nor- malen wulf. Stammesauslaute -/- fälschlich als ostgot. Pala- talisierungen gefasst und zu angeblich ursprünglichem -a- wiederhergestellt wurden. Ja wenn der Cod. B drei Nomin. sing, auf -ein überliefert [Ituhadehi, triljahalpein, yayudein),2 so können diese ostgot. Endung statt wulf. -eins zeigen [Uuhadeins A), indem für die Form schwacher Nominal- abstracta (yayudei A) die starker Verbalabstraita einge- treten ist. lTnd so wird es die Aufgabe der Herausgeber neuer Auttagen unserer YYruIfila- Ausgaben und -Grammatiken sein müssen, für alle Anomalien zuerst die Erklärung im eingeschleppten Dialect der ostgot. Hssverfertiger zu suchen, und der hiermit beendete Versuch einer ostgotischen Gram- matik wird daher in erster Linie für die gotische Text- geschichte Früchte tragen.

1 Vgl. oben 8 184.

' Braune, Got. Gr.* § 113, 2. Sonst entnahm ich die vorstehenden Beispiele der Einleitung zu Bernhardts Ausgabe (Halle 1875).

L

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1XDKX.

(Die Zahlen weinen auf die Seiten.

sind dio ostg

Abbo 80.

Achiulf 71. 77.

Achliulf 77, 9.

Adamir 84, 2.

Adoliubus H4, 2.

Ademund 63. 114. 151.

Aderith 88. 114. 151.

Adica 114, 1.

Adilu 114.

A^ittth 114. 153.

Afl'ms IM.

Ahistulf 153, 3.

A'tJoiyyo; 71, 4.

Ailulfus 124.

^Aläßivo.: 74.

/lfci<7/?d 144. 157.

Alamud 94. 144.

Alathanc 128, 1. 144.

Jtti 81. 103.

Albila 103. 104.

AI ige m 150.

Aliw.lf 123. 185.

Aloiso 114.

vl;im/ 50. 51.

Amala 51, 2.

Amalabergu 64. 18«.

Amtdaffida 63. «4, 1. 107. 18«.

Amata* w intim 66. 107. 186.

Amalberga 186, 2.

Amnli 50.

Araalo 51, 2.

Amalcfrida 18«, 2.

Amara 119.

AutXoßtQya 64.

Anaga'tus 107.

Auilavis 126, 3. Andele 126, 3.

Die curaiv gedruckten Formen tischen.)

Andcroudu» 136. Andila 126, '3. Andwit 126.

Angelfrith 103. 144. 186. jlMi/a 107. 156. Anna 107. Annila 156. Ansila 112. Ao »i 126, 6. Aorio 166. Ardaric 159. Ardica 159. 163. Areuagni 65. Argaithus 128. Ariaricu8 68. Arigernus 68. 107. Arileuva 61. Asinarius 92. Ascalc 122, 3. Aspar 146. Aauin 165, 6. Atauulfus 114, 2. Athala 84. 107, 1. 114. Athalaric 84. 107. 186. Attila 107. Audebertus 84, 2. Audefleda 84. Audcmundus 81, 2. Augie 166.

Aurvandill 112. 113, 3. Austrccusa 65, 5. Auatrigusu 65, 5. Auatrogoti 45. 4«. 48. 166. Autharicu* 61.

Bncauda 125. 136, 3. 13addo 80.

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20*

Badua 137.

diclo II«. 130. IH3. /?«/«#• 58,2.

»«r<T«i«(,«ü. 101. 11«, 3. 181, 5. War Wo» 11«.

Butwins 84, 3. 121, 7. ButzttS 121, 7. Baudiis 73, 2. Bauto 73. Baza 121, 7. Bedetatlf 69. 185. Beorgar 14«. -fcm/rt «4. 191. Bcrig 94, 5. Jftrimuth 94. Betto 194. Bidculfus 69. 70. Bitheridus 70. Blnndila 127. Bloda 137. Bli(n)din 147. Boherde 158. Bojo 111. 182. Boiorix 56. III. Brandila 127. Burgundzones 73. Butila 113.

Chlodovius 109. Chnodomariuti «0.

Dagila 127. Daiia 127 Dan 133. Darida 146. 168. Darila 146. Daroin 14«. Darranr 146. Deodatus 90, 2 Derlindis 14«. diakon 139. 179 Dada 120. Dudila 121. Dumerith 86. 88. 130. Dumildi 86. 185.

Eadwinc 83. Earendel 112. Ebba 80.

Ebremuth 94. 18«. '£/??</io,- 105. Ebrovaccus 103. Ediwulf 71. 128, 3. Ehudericus 67, 1. 153, 3. ciU 141. Eldebadus 133. Eoohar 146.

Eoricu» 49, 1. Erarius 12, 2. 61. Erdwih 74. Erclcuua 61. Erelieva 61. Ercriliua 61. Erp 119. Erpamara 119. Erpfe 119. Erpo 119. Etcrpamara 119. Eudoses 67. Eutharic 67. Euva 49, 1. Evagreotingi 49. Evarix 49, 1. Evermud 94. 186. Ezechia 28.

Faffo 154. Fandiyild 157. -fara 134. 191. Fastida 147. Feletheus 151.

Felithavc 75. 151. 162, 5. 184. Fenni 163. Filica 68. 151. Filimer 151. Fraomariua 60. -Jridu 63. Fridibadu 64. 122. Eridiyern 64. 150. Fripareikeis 63, 4. •früh 191. Fritigern 64, 1. 150. Erumarüh 88. 113.

Gaddo 194. gahlaifs 140. Uaisiricus 63. Gallica 68. -gast 83. 190. Gattila 81. Gaudila 87. Oaudula 87. Geberic 55. 56. 74 118. Geilamir 179, 1. Geilimer 179, 1. Oengimundus 117. Gensiricus 112. 118. Gcnsmundus 117. -yer„ 69. 190. Gesalecus 118. Gfsila 117. Geaimutid 117. Gevica 74.

Ghiverio 55. 118. 159.

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Gibeehc 74. Giborich Iis. Giber ith 89. 118. 159. Gibica 74. Gibila 74. 145. Gibimer 59. 74. 104. ttyM«* 145. Gifica 74. -ffild 157. Gildila 131. Gildus 157. Ginsericus 118, 2. -gis(l) 91. Gisiboldus 85. Gisimundus 117. Givoko 74. Giriric 159. Gizericus 118, 1. Gjuki 74. Goar 145. Gada 87. ro<Mtaxt»; 122, 2. ro^tyinxJlo; 122, 2.

Godiscaleun 122. röyr)a; 87.

Goti, Getönes, ninto, etc. 8. ()«t-

gotcn. Go|injo|> 45, 4. r uvvfiovXtp 71. 1 45.

r OVTWVfZ 45.

Grauthungi 49. 16« Greoting 49. 52. 163. Greuthungi 49. Grippa 92. 169. 192. Griuzing 49. rK,o(vp<YYot 40. 164, 4. Grutungi 49. Gruzing 49. Guda 72 120. 122. Gndelenb 72. 142. Gndeli(n)va 131. Guderith 72. 88. 143. 15«. Gudouela 132. r?t<f///rt 71. 107. 155. Gudilaib 142. Gudilebus 142. Gudilub 142. 169. Gudinanth 72. 91. 123. Gudisal 122. Gudiscalc 122. Guduhuls 153. Gudwin 72. 84. 125. Gullteigr 150. Guiliarit 87. Guiligi« 114. Guitigis 95. Gunderith 154. 156.

GundihildiM. 87, 3. 121. 153. 185.

Gundiisclus 173, 3.

Gundimer 121. 156.

Gundirith 88. 154.

Gundubuls 153.

<iundulu8 153.

Gundtrulf 145. 153.

Guntelda 86. 122. 153. 185.

Guntharic 56.

Gunthcricus 122.

-gunpi 121. 182.

Gunthicis 121.

Guntbivera 152.

Guntio 122.

Guodisealcus 122.

Gurdimcr 59. 156.

Gutotios etc. s. Ostgüten.

Gut|)iuda 44. 45. 46.

ri',9t,)pf - 4").

ilumali 50. 51. 107. Hümme 148, I. Hardiea 159. Hart gern 68. HariogaiBut» 96. -halb 89. Helba 80.

Heldcbadus 133. 162, 6.

Herduie 74.

Hereltnva 60. 184.

Herila 61, 3.

Hermcnerig 55. 56,

Hernac 56.

Herpo 119.

Heudi 125.

Hildtbadu 133.

Hilderith 88.

Hilde wara 82. 185.

-hildi 86. 182.

Hildi gern 158.

Hildirix 56.

Hildi wada 155. 1*5.

Hildr 90, I.

Hilda ulf 145. 185, 3.

Hilviade 155.

Hi.sdcvalde 155. HlewagastiH 128. Hofteigr 150. Holdigern 157. 165. llopi 126, 6. Hosbat 141. HojKr) 90, 1. Hugo 76. Humbert 82. Humboldt 82. Hunigis 116. Hunila 100.

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205 -

Hu

Hunirix 5JL Hunnila 100. Hunsla 1LL

Ibbft hlL 107. Iddan 80, !L Iddofrcdo 80, Ü, y.r/,7/* IM. Ilba 8_L Ilderich 5JL *WH/la'hu 1 33. 5 Iltioufp 1 45. Inalaricu* 103, 1,

Irfiovhp 7 1 . 1 4 >.

-/«</ 5JL Ingildu* 103, 4. Itigundis 103. 4 Invilia 103, 4. Itaberga W», iL Iu|>ingar &L Iutbungi üL

Candac 111. kaictftjö JJL 140, lfilL /ftir« L5JL 15t).

Kipicho IA. Coio LLL Oonigafltus SJL Coatiia L2L 141. GWula l£L 195, 2, Cuniffftai KJL lilL Kunimu(n)diu 62j 3.

Lnndarith SfL lüiL Lendarith 8iL 154, Lendifrith 52, 99, LLL 103, 7. Leuderith 8JL 99, Loudovora 1 52. -liub«, -liuba GL Lii£L LiuvirUh 8A \2& Lodoin Luduin ÜÜL Luifcfrid 63, 3. 12s.

Malatheu 143. Malorix 56. Mammo 198, iL 3faw«a L21L CHT Mannila l£IL Mannup 123, Marabadu 1 15. J/anr/a MO. Mateswintha 9JL HIB, i»/a(Ai 108

matzia 141. Mauroco 105, L Maurila 105, L Mazenis 10S. ■mt"r QQ. 190. Jfo'i7a äfi. 142. Minnulus 141. -mir s. -m er. Af/Viea 58, 142. Morra 104. -w>{5//» 94.

-mund LÜIL -muth 0_L

Nanderith 88, 9_L 156, Nandtrin S4. 1LL 10S. Nanna HL -nanth(a) JML Nantwin im Nendi L2Ü. Nentwin 108. AVi«/# 125,

Ocori 12«, L Oidiar I2(>, L Otteric 3JTL5Ü. Odoini d) lfiH, Odotlii'ii« öä. Odowacur 1 02. Odu in

Odwulf 7_L 84. Offa L2fi.

Olrh,*$os H4.

OnovacouR 103. Opi 123 Q, Oppa~T2(). h;o. im

Oppo 12f>.

Optaritb H8, 8JL 9_L L2Ü ULI 185.

Optiln L2JL

Optrit 98, L

Oraja IM, 183,

Orendol LL3.

Orontil LL2.

"Oarla; 138,

Oaerioh 113. Ostgoton 44.

Ostrogota 41L 4L 48, L 107, L

Ostrogoto 4L

Ostein 48. 04, 11L

Otbert 12«,

öprerir 154.

Otratarit 88, 156,

Ov~ 8. aueb W- und Wi-.

Oudxtuo; 105.

Ovaxl; 102.

Ot/ifiiyoT^oi 4L

206

Ovvüa; 100. OZyxtai 105. 183.

OuoJea«; 146.

Pakt ja 127. 169. papa 140. Pathenis 127. Pattenia 127. Patzonis 127. Petza 72.

*fr(tt()iyrQVO; 150. (t*Qnt)ytovr); 64, 1. [Jinda; 73.

Pithia 107.

Pitz(i)a 72. 107. 169.

ff^d^tyyoi 20.

ÖMiVi/a 130. 198, 5.

Itaginari 180, 1. Ragnarith 89. 150. 186. Ranihildi 86. 132. 150. 185. Ranildi 86. 132. 185.

'Ptrt/tHftodo; 154. 'PtMtuovräoi 58. 138. Requalivahamift 77. 131. Korir 154. 56.

•nV 54. 56. 190. Ricci thane 75. 150. Ricimutid 138. Rico 147, 4. Riggo 147. 182. Rigmunt 147. Rfgr 147.

-rith 88. 191. 192. Rodelinde 64, 2. Roderigo 138. 147. Ro8emud 154. PovSfQi^oi 1 38. Roudus 136. Ruderte 55. 138. Ruderid 138. Rudirig 138. 147. Rundo 152, 1. Runilo 152. Ruodirioh 138.

Safrach 56. sajo 109. 182. Seda 134. 162, 5. Segimeru8 59. 85. 163. 8egimundu8 85. 163. Socoifrida 158. Sonarius 117. Sende fara 92. 134. Se(r>tto 106, 7.

Seaivira 152.

8o8uald 106.

Sibja 130.

Sibiche 130.

ZirhuovrJo; 93.

Sido 134.

Sifeoa 130.

Siffo 160

Sifilo 100.

Silk« 130.

Sigibuldua 85.

Si ff ismer 59. 85. 106 120.

8igi8vuldu8 85.

Siffiwulth 85.

Sigmundr 62.

Sigtryggr 78.

Siccifridn 158.

Sinderith 88. 92.

Sindila 92. 142.

Sinduht 92. 142. 156. 195, 2.

Sinthila 92. 142.

8i8ebut 106.

Sisewera 152.

Sisifrith 138.

Si8ii/i8 105.

8i«inand 106.

£m(tp(*f1n: 138.

Sisivora 152. 8candza 73

Seiptmr 82. 145. 168. 1««».

Sana 113.

Starehedi 128.

Stilico 182.

Stotzaa 72.

Stutias 72.

Sana 113.

8unhivadu8 114. 185. Sunjaifripas 141. Sunibadus 115. Sunjet'rUh 141. Sunilda 113, «. Sunitvath 114. Sunnia 115, 7. Suomarius 60. swintha 66.

T a. auch Th. Taotel 149. Tanca 131. Taneila 75. 107. Tanilldi 86. 185. Tara 146. Tarit 146. Tarro 146. Tarut 146. Tasso 124. Tafa 124. 135. 195.

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207

Tato 124. Tatto 124. Tazitta 93. 158. Teja 148. Teino 127, 3. Teoda 56. Tila 148.

Toltrin 84. 129. 165. 168.

Torisa 76.

Tortryggr 78.

Totila 134. 137.

To ura 120.

Touteln 136.

Toutillus 136.

Toutobocio 136.

Toutuft 136.

Traguila 78, 3.

Trusaric 55.

Trasimundus 62. 76.

Trauuila 78, 3.

Trigytca 78.

Triggtrila 78.

Triuua 78. 71).

Triuuila 78. 7<>. 107.

Trutungi 20.

Tryggvi 78.

Tuata 120.

Tufa 121.

Tulga 133, 2

Tulgilo 133.

Tuluiri 129.

Tuota 120.

Tutila 135. 136.

Tutizar 119.

Tzalico 148. 155. 182.

7:,;:o>r 124, 1.

Tzitta 93. 158. Tzutizar 119. Tzuttzar 119.

Th 8. auch T.

Thttnca 75. 131.

Thnncila 75.

Tlmruar 82.

Thcia 148.

Thola 148. 149.

Pelamqrk 149.

Theodadus 90. 185.

Theotlagundi 121.

Theodahath 53, 1. 89. 107. 110.

185. Thcodatus 90. Theodegisl 91 Thcodegoto 64. Theodemer 59. 60. Theodrmund 62. Theodenantha 90.

Theoderic 43. 51. 107. 110. Theodicodo 65. Tlieodo 5G, 3. Theodoricua 51. 53. ThoodotuR 90. Theudanu« 90. 108. Theudericus 54. Theudifara 153. Theud'ila 57. 136. 142. Theudimer 59. 60. 107, 1. 6#vT- 8. auch Tliood-. Gewinn,; 90. 185. fttvÄf(>tx<>* 51. 53. fttvthnourtlu: 62. QMc 57.

fttuÄiX'turta 65.

Thila 14H.

iMlir 149.

Thingsus 78, 1.

Piojtreyrir 154.

Thiudigoto 64.

Thiudimer 59. 60.

Thiudia 57.

Tholoni 129.

Tholuidi) 129.

Tholuit 129.

ThoHsa 76. 163. 165.

Thoriamnth 76. 77. 94. 107, I.

Thrasaric 41, I. 157.

T/mmemund 76.

Thulgilo 133.

Thurisind 77.

Tliuraiiuuiid 76.

Thuruar 82.

Thurvams 77.

Ubiligisclu« 131.

VfOJIahariM.m. 180, 1. 181. 185.

Uldila 157, 9.

Ulfila 72, 2.

Ullr 147.

Umbisuo 108.

-ung 50.

Uuigildu» 85, 7. 156. Unigis 116

Unimundu» 82. 107, 1. 117. Unscila III. 175. Unthane 128, 1. Usda 138. Uadrila 146. Uatarric 55. 8|. 138. Utryggr 78.

H'acca 103. 131. Waci 102.

Wucimuth 103. 105. Wada 115, 7.

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Vadameroa 100, 1. Vadoinarius 60. Wftdouulfus 71. 168. Wadtculf 71. 158. Walagotlii 47, 3. 58, 1. Walamer 57. 77. 107, 1. Valaravans 58, l. Wamba 80. 198, 5. Wnndalari 101. Wandali 116. Wundil 102. 110. 163. Vandiliariu« 102. -uar(a) Ha». 191. -varii 83. Vatvims 181. -wath 115. 191. Vaj)i 115, 7. Vcduco 69, 1. YVera 123. 152. Wflreka 123. 152. Veromundua 152. VcHcgotlmo 46. Vestralpua 48, 7. Vetcricus 95, 2. Videricliuft 69, I. Widia 69, 1. Vidigoia 61». 95. Vidimer 69. 95. Widin 147. Widuoo 69, 1. WidugA 69, 1. Widulf 69. -Wik 74. Wilja l(>a. 107. Wiljaric 55. 88. 157. Wiljurith 87. 107. 137. WiliariuH 88. 125. 181, 5. Wilicra 155. Wiljttwuth 91. 144. Wilifara 88. 155. Wilupi* 88. 114. Wilhihl 88. 100. 131. 175. Wilihari 125.

208

Wilithanc 75. SS. 128.

WilUheu 88. 104.

Willjennnt 88. 144.

Willigis 114.

-tri» 84.

Vingiliu» 157.

Winigild 15«.

Winitarius 102. 107, 1.

AVinnigilduB 156.

Winsibaldus 132.

Winand 101.

Wisihadu 132. 184.

Wißigothae 47. 48, 7. 107. 112, I.

Wiaivadua 132.

Vitarit 133.

Witoge 69, 1. 95.

Witigo 69, 1.

Vithoricua 69, 1.

Vithionbius 69, 1.

Vitbimiria 59, 2. 69, 1.

Witiyis 69, »5. 11«.

Witigisl 131. 173, 3.

Vitiricbus 95, 2.

Vitisclus 173, 3.

Wittnith «8. 133.

Witti gos 95.

Witugo 69, l.

Witugouuo 69, I.

W'itulibo 69, 1.

Woffo 80.

WudgA 69, 1.

Vull d) 147.

-irulf 70.

Vulfila 71, 2.

uulpr HO.

Wulth 85. 147.

Vultuulf 71. 85, 9.

Zalla 148.

Zeia 148. Zita 93. 15S. Zuo/ilo 135. 13«. Zuo/o 13«.

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QUELLEN UND FORSCHUNGEN

ZUR

SPRACH- UND CÜLTURGESCHICHTE

DER

GERMANISCHEN VÖLKER.

HRRAU80KOKIIKK VON

HERNHARD TEN MÜNK, ERNST MARTIN,

ERICH SCHMIDT.

LXIX.

PROTHESE UNI) AFMAERKSK DES II IM ALTHOCHDEUTSCHEN.

STKASSISUKU. K A Kl, J. T H V H N K K.

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PROTHESE UND APHAERESE DES H

IM ALTHOCHDEUTSCHEN

VON

DR HERMANN GARKE.

/

STRA88BUKO. KARL J. TBCBNER. 1891.

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ü. Otto»« Hof-nuch.lruckerol In Ü«rm*(a.lt.

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M K I X E X L I E B K X E L T E R X

GEWIDMET.

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Di, vorliegende Arbeit bietet vor allem eine wie ich hoffe ziemlich vollständige Zusammenstellung der in den ahd. und and. Denkmälern1 vom 8. bis zum 12. Jahr- hundert incl. vorkommenden Fälh' von Prothese und Aphaerese des H. Nicht aufgenommen sind die ahd. Namen aus Gründen, die auf S. ff. zu finden sind. Da- gegen sind aufgenommen der Vollständigkeit zu liebe manche Fälle, von denen zweifelhaft ist, ob sie wirklich mit hierher zu stellen waren. Das gilt z. B. von dem Per- sonalpronomen der III. Person.

Des weiteren bietet meine Arbeit eine natürlich durchaus unvollständige Sammlung von Prothese- und Aphaerese-Fällen aus der späteren schriftlichen Uberliefe- rung und besonders aus den modernen Dialekten. Von diesen Fällen sind diejenigen besonders für sich zusammen- gestellt (S. 127 ff.), welche in der althochdeutschen Zeit keine Parallelformen aufweisen, die Hauptmasse aber hat unter diesen ahd. Parallelformen ihren Platz gefunden.

Meine Darstellung trennt die ganz beträchtliche Masse der Prothesefälle von den wenig zahlreichen Aphaerese- belegen, löst die ahd. Prothese von der Verbindung mit der romanischen und weist ihren Zusammenhang mit der Pro-

1 8oweit die Glossen noch nicht bei Steinmeyer-Sievers zu finden waren, habe ich die Drucke benutzt, dir in der Piper-Holder'schon Zusammenstellung in Pipors Gesch. d. d. Litt, angegeben sind.

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vm

these der neueren Zeit nach, sucht die Entwiekelung und die lautliclie Natur des prothetischen Ii zu erklären, und zeigt, dass der bairische Dialekt von dieser Erscheinung merkwürdig frei geblieben ist; andererseits ergiebt sich, dass Aphaerese nur in tonlosen Silben häutiger vorkommt, soweit es sieh um rein deutsche Denkmäler handelt.

Eingehende Darstellungen oder unifassende Samm- lungen über diese Verhältnisse liegen nicht vor, die in Grammatiken geäusserten Ansichten finden ihre Stelle in der Erörterung. Von grossem Nutzen als klare Zusammen- stellung der einschlägigen lautphysiologischen Verhältnisse war mir A. Fan Ts Hamburger Programm (1888): „Uber vocalische Aspiration und reinen Vocaleinsatz. Ein Beitrag zur Physiologie und Geschichte derselben."

Herzlichsten und ehrerbietigsten Dank schulde und sage ich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Martin, von dem ich die Anregung zu dieser Arbeit und mannigfache gütige Förderung empfangen habe.

Strassburg, im Mai l8fl.

Der Vkrfasskk.

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ABKÜRZUNGEN.

Ad. Bl. Haupt m Hoffmann. Altdeutsche Blatter.

Ahd. Ol. Hoffmann. Althochdeutsche Glossen.

BirL Birlinger. Die Alemann. 8pr. r. d. Rheines.

Brem. Wb. Bremisoh-niedersäohs. Wörterbuch.

BWb.* Schmoller. Bairisches Worterbuch ed. Frommann.

Cfrt. Gonfraternitätsbuch.

Cimbr. Wb. Sohmeller. Cimbr. Wörterbuch ed. Bergmann.

D. Diemer. Deutsohe Oed. d. XI. u. XII. Jhdts.

Dfgl. Diefenbach. Glossar. Latino-germ. med. et infim aetatis.

Dfngl. Diefenbach. Novum Gloss. lat.-germnnicum.

Diefenb.-W. Diefenbach-Wfllcker. Hoch- u. niederd. Wb. d. m. u. n. Z.

iliut. Graff. Diutisca.

DWb. Deutsches Wörterbuch.

Etym. Ni. Wb. J. Franck. Etyraol. Woordenbock d. noderld. Taal.

fndgr. Hoffmann. Fundgruben f. Geschichte der d 8pr. u. L.

Gerb. Oerbert. Iter Alemannicum.

Germ. 8tud. Bartsch. Germanistische Studien.

Grf. E. O. Graff. Althochdeutscher Sprachschatz.

Matt. H. Hattemer. 8. Gallens altdeutsche Sprachschätze.

HeinzeL R. Heinzel. Gesch. der niederfränk. Geselmfrsspr.

Hess. Id. Vilraar. Idioticon von Kurhessen.

Hör. Belg. H. Hoffmann. Horae Belgicae.

Id. Fris. Hettema de Haan. Idioticum Frisicum.

K. Kausler. Denkmäler altndrld. 8pr. u. Litt., ßd. I III.

LmhdWb. Lexer. Mhd. Wörterbuch.

Mnd. Gr. Lübben. Mittelniederdeutsche Grammatik.

Mnd Wb. 8chillor-Lübben. Mittelnd. Wörterbuoh.

Mnl. Gr. Franck. Mittelniederländ. Grammatik.

P. P. Piper. (Notker u. Otfrid- Ausgaben).

Pez. Pez. Thesaurus aneedotorum.

QF. Quellen u. Forschungen.

Ruck. Rückert. Schlesische Mundart im Mittelalter.

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X

Schm. B.M. 8chw. Id. 8-N.

Strssb. 8t. St-S.

sumerl. smrl. Trobn. Ps. Voc opt. Wackern.6 Wvl. Id. WWb.

I. II. vor den

Sehmeiler. Die Mundarten Baierns. Schweizerisches Idioticon. Suhm-Nyerup. 8ymbolae ad litt, teuton. Strassburger Studien ed. Martin u. Wiegand. Steinmeyer und Sievers. Die ahd. Glossen, Bd. I u. II. H. Hoffmann. 8umerlaten. Mhd. Glossen. Pietsch. Trebnitzer Psalmen. Wackernagel. Vocabularius optimus. Altdeutsches Lesebuch. 5. Aufl. De Bo. Westvlaara8ch Idioticon Woeste. Westfälisches Wörterbuch. Belegzahlen ohno weiteren Zusatz bedeuten Bd. I oder II der Steinmeyer-Sievers'schcn Glossen.

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EINLEITUNG

DER LAUTWERT DES DEUTSCHEN H UND SEIN VERHÄLTNIS ZUM ROMANISCHEN. ROMANISCHE APHAERESE UND PRO- THESE IN DEUTSCHEN DENKMÄLERN.

Das anlautende germanische h hatte beim Beginne der ahd. Periode seinen gutturalen Charakter verloren; es war zum Hauchlaute („Kehlkopfspiranten a) geworden und nun- mehr identisch mit dem alten h-Aulaute der germanischen Interjektion. Am längsten scheint der fränkische Dialekt den gutturalen Wert erhalten zu haben ; für die andern Mund- arten können einige Vertretungen gutturaler Laute durch h (hrefti, harles, halagi (IIb); harac (gl. Jun.); hewinnent (Rc); haarpit, hicoz (Pa); hiburlicuru (Merseb. gl. 12) und umgekehrte Fälle wie chanafa (St. Paul, gl.) und chemis (gl. Salom. 2) einmal in ihrer Vereinzelung sehr wohl als Schreibfehler gelten (cf. das humt chumt in der Vorauer Wahrheit: Diemer 89, 27), und beweisen auch wenn man von dieser Möglichkeit absieht noch nichts für gutturalen Wert des anlautenden altdeutschen h, denn ähn- liche Fälle kommen auch in den neudeutschen Mundarten vor, wo doch nur von einem Hauchlaute h die Rede sein kann: krink = as. hrinc (mnd. Wb. II. 171), kedder- nettel = heiternessel (Oldenburg.), käher häher, kamenze =: ameise, kaucheu hocken1 (Hess. Id. 189, 191, 195); umgekehrte harst = karst (mnd. Wb. II.

1 Nnd hUohe = das Hooken.

QF. LXIX. 1

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209), honsdag = godeusdag (Westfäl. Wb. 105), hauern = kauern (D. Wb. 4, 2 582), hitzlein = kitzloin (D. Wb. 4, 2 1586), hugel = kugel (Schweiz. Id. II. 1087). Auch Falle wie Aschonier (Gascoguer Wein), Mnd. WTb. I. 123, enzian = gentiana (Dffb. gl. 260), galaun = alaun (Schindler, B.M-A. S. 487) sind hier wohl in Betracht zu ziehen.

Das deutsche h , das die Romanen bisher gern mit eh bezeichnet hatten eine Gewohnheit, die für den fränkischen Dialekt noch länger nachwirkte hatte sich so dem roma- nischen h genähert aber zusammengefallen ist es nicht mit diesem Laute, es ist immer ein selbständiger Wert geblieben ; das romanische h war Bruchteil eines Lautes, untergeordneter Teil des anlautenden Vocales geworden und sank in seinem phonetischen Werte so sehr, dass es schliesslich ein blosses Lautzeichen war, dessen Bedeutung dem Sprachbewusstseiu verloren ging.

„Es ist ein Sprachgesetz, sagt Curtius über die grie- chische Prothese und Aphaerese, „dass die Aspiration, wenn sie zu weichen beginnt, sich auch am falschen Orte ein- drängt. — Wo die Aspiration des Vokalanlautes im Schwinden, treten Verschiebungen ein im Gebrauche der Aspiration u. Das gilt für die romanischen Sprachen in vollem Umfange (cf. A. Paul: Über vocal. Aspiration und reinen Vocaleiusatz. Ein Beitrag zur Physiologie und Geschichte derselben. Ham- burg. Programm. 1888), und charakterisiert den WTert des h-Lautes, erklärt Aphaerese und Prothese vollkommen auch für diejenigen germanischeu Dialekte, die unter den dominierenden Einfluss romanischer Sprachen geraten sind: westgotische Münzen zeigen Aphärese (Weingärtner 1 S. 55), die langobardische Orthographie zeigt ganz italienische Un- sicherheit, der Wert des englischen h-Lautes sank nach der französischen Eroberung, der westHandrische Dialekt gab in diesem Punkte den intensiveu romanischen Einflüssen voll- ständig nach, und ebenso wie bei den VII und XIII Com- munen der „Cimbern44 im Venetianischen liegen die Verhält-

1 Ansprache des Oothischen a. Z. d. Ulfila.

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nisse vielfach bei den Deutschen in Russland, denn „sämmt- liche Slavinen enthehren des h-Lautes in derselben Weise wie die romanischen Sprachen." (A. Paul, S. 40).

Für Deutschland liegen solche Verhältnisse nicht vor, hier ist das h ja ein selbständiger Laut, nicht „Aspiration des Yokalanlautesa. Die Natur des deutschen Hauches wider- strebt der Aphärese und Prothese: eben seine Schärfe, die dem Romanen so unbequem wird, verhindert ja den Deutschen, in die Sprachfehler des deutschredenden Franzosen zu ver- fallen. Ist die Annahme solcher Sprachfehler also unmöglich, dann liegt es nahe, die Fälle als Schreibfehler anzusehen. „Orthographische Ungenauigkeiteu" nennt Braune (Ahd. Gr. §. 152 anm.) die Prothesebelege, „weil sie sich nur in Quellen mit mangelhafter Orthographie, nur vereinzelt in sorgfältig geschriebenen Stücken Huden." Aber in den Ot- frid-, Tatian- und Notker- Handschriften sind die Fälle durchaus nicht so vereinzelt, wie ungenaue Statistiken an- geben, und der blinde Zufall kann überhaupt nicht mehr dafür verantwortlich gemacht werden, dass 213 Hdss. 755 Prothesebelege überliefern, unter ihnen 72 Hdss. 353 Fälle aus zusammenhängenden Denkmälern; setzt man das durch- gehends prothetische helfnnt mit 150 Belegen an was nicht zu hoch ist -, so sind es gar über 900 Fälle. Für die Aphärese mag eine solche Erklärung in manchen Fällen genügen, wenn auch hier die Belege in guten Hdss. eben- falls häufiger vorkommen, als Braune annimmt (§. 153 a. 2); aber eine so weit verbreitete und so gut verbürgte Erschei- nung wie die althochdeutsche Prothese kann damit unmög- lich abgefunden werden. Braune greift daher, obgleich zweifelnd, auf andere Erklärungsversuche zurück, die roma- nischen Einfluss heranziehen.

Die deutsche Sprache hat ja nicht unter romanischem EinHusse gestanden in ihrer lautlichen Entwicklung, wohl aber die schriftliche Fixierung eines grossen Teiles ihrer Denk- mäler. Für viele deutsche Klosterurkunden des 8. und 9. Jahrhunderts haben wir direkt romanische Schreiber anzu- nehmen, und auch die deutschen Urkundeuschreiber standen unter dem EinHusse westfränkisch - romanischer Schreiber-

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schulen und romanischer Collogen (cf. Q. F. III.1 S. 96). So sind sicher vielfach romanische Eigentümlichkeiten in die deutschen Namen hineingeraten und vor allem eben die romanische Prothese und Aphärese. Andererseits haben grosse Massen germanischer Namen aus dem romanischen Westfranken , Burgund und Italien in die deutschen Ver- brüderungsbücher und ähnliche Denkmäler Eingang gefunden und auf die Schrei bung einheimischer Namen wieder ver- wirrend eingewirkt. Sehr schlimm steht es mit dieser (Kon- fusion z. Ii. in den Weissen burger Urkunden, denn hier zeigt sieh auch noch besonders stark die fränkische Eigentümlich- keit, eh für h zu schreiben. Da kommt es denn vor, dass in einer und derselben Urkunde Trad. 178, a. 774) die Orts- namenendung -heim 2 mal -chaim, 2 mal -ahn und 7 mal richtig mit -haim wiedergegeben wird; der Ort Hambach wird in der Traditio 2f>6 (a. 71.J) sowohl Aganbach wie Uhaganbach, in der folgenden Urkunde desselben Jahres richtig Ilagan bach geschrieben; Trad. l.r>7 (a. 7M») heisst der Schreiber Asaph auch einmal Oasaph. Solche Fälle erklären sich aus den romanischen und westfränkischen Schreibergewohnheiten vollständig und lassen vielmehr gar keine andere Erklärung zu : der Dialekt hat mit diesen Sonder- barkeiten sicher nichts zu thun.

Darf man nun aber diese Auffassung der Prothese und Aphärese von den altdeutschen Namen her auch auf die übrigen Sprachdenkmäler anwenden , darf man sie aus dem Anfange der Periode auf die ganze Ausdehnung derselben übertragen? Meiner Ansicht nach nicht und dabei leiten mich folgende Gesichtspunkte. Deutsche (.Hussen und zusammen- hängende Denkmäler zeigen unsere Erscheinungen in ganz anderer Weise als die romanischen Hdss. und romanisierten deutschen Namen: die romanische Prothese ist gebunden au die Aphärese, das Schwinden des Hauches hat die Verwir- rung erregt, Aphärese und Prothese stehen hier in gewissem Sinne neben einander wie Ursache und Wirkung. Natnr- gemäss ist daher in der romanischen Überlieferung die Aphä-

1 Henning. Die Sgall. ßprachdenkm. bis zum Tode Karls d. Gr.

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rose meist die häufigere, mindestens eine gleich häufige Er- scheinung wie die Prothese. Das gilt auch für die alten deutschen Namen; .jus den Sgallener Urkunden werden Q. F. III. S. 141 bis zum Jahre 700 16 Aphärese- und 2 Prothesofälle , im ganzen bis zum Jahre 814 82 Aphärese-, 22 Prothesefalle belegt, und solche Verhältnisse herrschen bei den Namen auch sonst aber nirgends bei den übrigen althoch- deutschen Sprachdenkmälern. Von helfant ganz abgesehen, zeigen lb"i von den 228 einschlägigen Hdss. also 71 l/2°/o nur Prothese, 15 (= 6!/20/») nur Aphärese, 50 Hdss. (nur 22°/o) zeigen beide Erscheinungen nebeneinander. Es ist also für das Ahd. nicht richtig, dass „Prothese gewöhnlich da vor- kommt, wo auch Aphärese sich zeigt44 die Vorstellung von der unbedingten Zusammengehörigkeit der beiden Erschei- nungen muss hier aufgegeben werden. Noch deutlicher geht das hervor aus einer Vergleichung der Gesammtzahlcn der einzelnen Belege: über !M)0 mal findet sich Prothese Aphärese- belege bietet meine Sammlung nur 157, und von diesen sind erst höchstens 86 beweiskräftig für „schwere" Aphärese am vollbetoiiten Wortanfange (ef. 8. 40). Der romanische Ein- fluss auf die deutsche Schrift hat ja ausserdem auch das 0. Jahrhundert nicht überdauert, es Hessen sich also damit die spätalthochdeutschen 'M5 (ohne helfant) Prothese- und 77 Aphäresefalle in keiner Weise erklären , höchstens die 360 und 80 Fälle der eigentlich althochdeutschen Periode. 1 Aber auch für diese Denkmäler ist meines Wisseus noch nirgends ein bedeutenderer Einfluss der romanischen Orthographie oder gar romanische Nationalität des Schreibers nachgewiesen worden (abgesehen von den „Altdeutschen Gesprächen").

Diese letzten Einwände werden hinfällig, wenn es sich um eine Abart des romanischen Einflusses, um die Erklärung der Aphärese und Prothese uns dem Einflüsse der lateinischen Schriftsprache und ihrer in dieser Beziehung bekanntlich sehr schwankenden Orthographie handelt. Sie hat ja der deutschen Schrift die Buchstaben geliehen und dadurch (für die Gut-

1 Die Belege verteilen sich folgendermaftgen über die Jahr- hunderte: «aec. VIII. 25P.-8A. IX. 240-45. X. 95-27. XI. 180^30. XII. 215-47.

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turalaffrikata z. R.) in die deutsche Lautbezeichnung viel Ver- wirrung und I nhestimmtheit hineingetragen ; sie hat das ganze Mittelalter hindurch den Vorrang vor der deutschen Sprache behauptet : gar mancher deutsche Schreiher auch der spätem Jahrhunderte mochte weit mehr l"bung haben, lateinisch /.u sclireiben als deutsch. Durum darf man aber die Schwan- kungen im Gebrauche des deutschen h doch nicht als „latei- nische Schreiberunarten 44 hinstellen. Auch hier gilt voll- ständig der Einwand, der den romanischen Einfluss wider- legte: die lateinische Aphärese überwiest die lateinische Pro- these naturgemäss bei weitem im Deutschen verhalt sich die Aphärese zur Prothese noch nicht wie 1 : 10; ebenso- wenig wie der Lautwert des deutscheu und des lateinisch- romanischen h ist die deutsche Prothese des h mit der latei- nischen identisch. Wäre das der Fall . dann müssten sich ja die vielen lateinisch-deutschen Paralleltexte darin ent- sprechen. Aber das Latein ist in den lldss. des Keronischeii Glossars so reich au Prothese und Aphärese wie das Latein der llrabanischen Glossars, und doch zeigt der deutsche Text nur im Kernnischen Glossare die gleichen Erscheinungen. Der Text der Murbacher Hymnen (nach Sievers) ist rein von Prothese, zeigt dagegen mehrere Aphäresefalle - die deutsche Übersetzung zeigt keine Spur von Aphärese im Wort- anlaute, Prothese dagegen in reicher Fülle. Das Latein ist in allen Notkerhandschriften in dieser Hinsicht gleichförmig und dabei bieten die Wessobrunner Hdss. weder Prothese noch Aphärese, 27 Fälle Prothese dagegen die alemannischen Hand- schriften. — Nirgends in den c. !M) Fällen, wo helfant das lateinische elephas, elephantus glossiert, findet sich für das lateinische Wort die Form helephas oder helephantus: herbi findet sich ebensogut als Ubersetzumr von Patri- monium wie von haereditas. Diese beiden letzten Bei- spiele mögen zugleich genügen zur Zurückweisung der Ver- suche, die Prothese von Fall zu Fall aus dem Lautanklange des glossierten lateinischen Wortes zu erklären.

Für diese Protheseerscheinuni: müssen alle derartigen rein graphischen Erklärungsversuche scheitern: sie sind un- haltbar, weil sie die ueudeutsche Prothese, der noch niemand

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ihren Lautwert hat absprechen können, vollständig ignorieren müssen. Dass es aber unmöglich ist, etwa die Erscheinung in der alten und in der neuern Periode auseinanderzurcissen das beweisen schon meine Hammlungen allein, und es wird hoffentlich in der folgenden Erörterung noch deutlicher hervortreten. Auch das altdeutsche prothetische h ist als Laut, als Hauch aufzufassen es wird meine Aufgabe sein zu zeigen, wie sich das verträgt mit der festen Natur des deutschen Hauchlautes und des deutschen Vocaleinsatzes.

Die Aphärese wird ihre Würdigung später für sich allein finden zu einer solchen getrennten Behandlung beider Erscheinungen glaube ich nach den vorangegangenen Erör- terungen berechtigt zu sein.

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I.

DIE DEUTSCHE PROTHESE. A. IHR LAUTLICHER WERT.

Der deutsche vokalische Anlaut wird im Satz- zusammenhange oft leiser und lockerer und hat in diesem Zustande unter der Einwirkung der Folge- consonanten den Charakter eines leisen Hauches angenommen, den alsdann die Analogie des echten 11 zum vollwertigen Hauchlaut«» verschärfte. Dieser volle Hauch wird fester Bestandteil des Wortes im Dialekte, und tritt in der Schriftsprache da hervor, wo dieselbe dem Dialekte nahe bleibt. Das ist der Satz, den ich mit meinen folgenden Ausführungen annehmbar machen möchte.

Die ersten Formen dieser Entwicklung sind von ver- schiedenen Seiten erkannt und vermutet: Möllenhoff (dkm.2 635) für das Ahd., A. Paul (prgr. S. 4X) für das As., Rückert (Schles. M-A. S. 166) fassen das prothetisehe h als Spiritus Leuis, also wohl als graphischen Ausdruck für den leisen Vocaleinsatz der zusammenhängenden Rede im Gegensätze zu dem regelmässigen festen vocalischen Anlaute: Weinhold (R. Gr. §. 190) geht noch einen Schritt weiter: er spricht vom „hauchenden h", nimmt es also als „gehauchten Vokaleinsatzu, als „Spiritus asper14. Diese Ansichten haben sich wohl gebildet bei Vergleichung unserer Prothese mit jener „nicht seltenen", besonders bei den V er bis puris auf a, uo stark belegten Erscheinung, „dass im Wortinueru ein h

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eingeschoben wird beim Zusammenstossen zweier silben- bildender Vocale, von denen der erste stets ein langer oder ein Diphthong ist", sahan, bluohan). Wenn Bremer (P. Br. Btr. XI, 62) über dieses h sagt, es wäre „rein ortho- graphischer Natur, denn der Gebrauch zwischen 2 Vocalen ein h zu schreiben zur Bezeichnung des unbestimmten con- sonantischen Lautes, der sich an dieser Stelle bildet, sei gar nicht einmal deutsch, sondern aus der lateinischen Ortho- graphie übernommen*4, so wird durch diesen Nachweis des lateinischen Ursprunges doch nicht bewiesen, dass dies h im Deutschen keine phouetische Geltung haben könnte; dass es dieselbe wirklich hat, weist Braune nach (Ahd. Gr. 152b): „Bei dem häufigen Erscheinen dieses h auch in Quellen, die sonst das h correkt behandeln , muss man demselben einen bestimmten Lautwert vindicieren : es muss ein Übergangs- laut sein , der sich zwischen den beiden Vocalen entwickelt hat und dass dieser t ; bergangslaut wirklich Hauchlaut (Spiritus asper) war, geht daraus hervor, dass bei Notker vor diesem h die gleichen Vocalwandlungen eintreten, wie vor altem hu. -- Wir haben hier also eine analoge Erscheinung: aus einem neugebildeten unbestimmten Geräusche entwickelt sich im Silbenanlaute der leise Hauch.

Man hat denn auch versucht, beide Erscheinungen als einheitlich nebeneinander zu stellen. Erdmaun bemerkt z. B. zu Otfried III, 20, 17: „h zur Vermeidung des Hiatus zwischen zwei Worten (sehiltun, michila hera), nach der Vorsilbe gi- (gihilit, gihereti, giherete) und inner- halb des Wortes (irkntihet)".

Aber einer solchen Auffassung widersprechen die Thar- sachen: der Hiatus, der die Vorbedingung für die Bildung des Hauchlautes im Wortinnern ist, fehlt bei der Prothese- bildung in der Mehrzahl der Fälle : er kann hier also nicht massgebend sein. Im Vi nd obon ensis selbst hat Erdmann Fälle wie selbun hera, managfalten hehtin, wollen h ah ton etc. nicht in Betracht gezogen, und die Hälfte der Prothesefälle ist ja überhaupt au Glossen zu finden, wro von Hiatus im Satzgefüge doch keine Keile sein kann; Hiatus

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-in-

zwischen Gompositionsteilen (nach gi- etc.) liegt nur 36 mal vor, also nur bei 4°/o der Fälle.

Das Zugeständnis» konnte man Erdmann vielleicht machen , dass die Correktorcn der Otfridhandschriften die Prothesefalle, die sie sonst zu beseitigen strebten, dann stehen Hessen, wenn sie durch ihre Beseitigung einen Hiatus ge- schaffen hätten (Vl\ III. 13, 91. IV. 5, 52. IV. 12, 32. V. IV. 4, 25. V, 4, 10. V, 16, 33). Das beweist aber doch auf keinen Fall, dass der Hiatus der Grund zur Prothese war, nur wieder, dass dem prothetischen Ii ein Lautwert zugeschrieben werden muss ein bloss graphisches h wäre ein recht plumpes Mittel zur Uberbrückung eines Hiatus ge- wesen.

Gewöhnlich tilgt Otfrid den Hiatus durch die Silben- verschleifung ; das setzt aber einen leisern Vocaleinsatz vor- aus , und ein solcher muss in der That damals auch in der gewöhnlichen zusammenhängenden Rede Platz ge- griffen haben. Die Differenz zwischen den Vokaleinsätzen in der zusammenhängenden Rede des Deutscheu und des Franzosen von heute bürgt dafür, dass darum der Unterschied zwischen romartischem und germanischem Vokaleinsatze auch in der althochdeutschen Periode nicht verwischt worden ist. Hiatusbildung war und ist aber nicht nötig zu dieser Milde- rung des Vocaleinsatzes heute wie damals tritt dieselbe auch nach Oonsonanten ein. cf. die Beispiele bei A. Paul S. 41.

Mit dem leisen Anlaute verbindet sich gern ein leiser Hauch, das zeigt der lateinisch-romanische Spiritus Lenis (A. Paul S. 16), das zeigte sich bei jenem Silbenanlaute im Wortinnern der Vcrba pura und so hat sich auch der umgebildete Wortumlaut in unserm Falle entwickelt und zwar, wie ich nachweisen möchte, unter dem Einflüsse des fol- genden Consonanten. Die folgende Tabelle diene zum Be- weise.

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DAS VERHÄLTNIS DER WURzELCONSON ANTEN (FüLGECONSONANTEN). ZUR ALTDEUTSCHEN l'ROTHESEBILDUNQ.

Labial.

Dental.

Guttural.

Sni a.

Affricata.

2.

3.

4.

9.

Reine Tennis.

19.

5.

24.

Spirant. Ton. (Wechsel mith in obd. ic, eic, ahs.J

16.

16.

Obd. Tennis.

3.

4.

7.

Reine Media.

35.

19.

54.

Spirant. Med.

9.

6.

4.

19.

Hauchlaut, (ahir, ahorn, ohoim, ehalt-, uohald-.)

16.

Spirant.

27.

51.

129.

207.

Sonorlaut.

w. 75. m. 5.

r. 212. n. 48.

1. 201.

541.

(Vocal. Ausl.

11 io. 1 ei.

12)

Summa Sni.

905.

Vocalischer Auslaut kommt also bei den Prothosefällon nur in verschwindend geringem Prozentsätze vor, einmal bei ei (ovum), das auf S. 47 seine Würdigung finden wird, und in 11 Fällen bei io (eo, ie). liier könnte man ja vielleicht an den alten w-Auslaut erinnern, aber ich glaube doch, man muss diesem hio eine besondere Stellung einräumen: hier hat das h wahrscheinlich einen ganz andern Lautwert und Ursprung. Die altsächsische entsprechende Form ist nämlich gio, die neudeutsche : je zu diesen Formen verhält sich hio wie zu den jetzt allein gültigen Schreibungen Jesus, Jeremias, Jerusalem die althochdeutsch (wie lateinisch) daneben allgemein üblichen Iliesus, liiere mias. Ähnlich wie im Wortin nern bei herihunga, werihan (cf. Braune Ahd. ör. 152 b, 4) bezeichnet dies h den am i leicht ent- wickelten gewöhnlich durch g 'ausgedrückten spirantischen

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Lautwert. Auch vor o kann das h diesen Charakter annehmen, wie die in sgallischen Urkunden vorkommenden Schreibungen .Totti und Jeripol (Q. F. III. S. 142) beweiseu. Einige nur scheinbare Ausnahmen finden ihre Erledigung nach S. 10.

Eigentliche Prothese entwickelt sich nur vor consonan- tischem Folgelaute. 94 von diesen 892 Fallen 10'/20,fl gehören den Verschlusslauten an und verteilen sich auf die Affricata mit 1 °/0, Tenuis mit 3 V«°/o und Media mit C>%.

Die 9 Beispiele für Prothcsebildung vor Affricaton sind vielfach unsicher: hutz, hutz ist nur Lesart einer Hand- schrift (für die sonst als huz, huz! überlieferten letzten Worte Ludwigs, ein anderes hutz steht in den altdeutschen Gesprächen44; von den gutturalen Fällen ist hohilari (occi- pitium) als huo-chalvari eine sehr unsichere Deutung, ob hechelstein hierherzurechucn ist, möchte ich nicht ent- scheiden — kurz, die Affrikata zeigt sich der Prothesebildung sehr abgeneigt. Auch die reine Tenuis zeigt höchstens 24 Fälle, zu denen t die Hauptmasse (19) stellt; in 16 ober- deutschen Fällen (ic, eic, acs, aesila) kann das c nur graphische Variante sein für die meist in demselben Denk- male daneben vorkommenden Formen mit h, man kann das- selbe hier also nicht wohl auf Rechnung der reinen Tenuis setzen. Bei oberdeutschem p und k als Vertretern der fränkischen Medien finden sich nur 7 Fälle, von denen he- puhen (simias) (zu abuh?) noch dazu ganz unsicher, und hepoum aus einem hebhouue (Epheu) der Vorlage ver- dreht ist. Die oberdeutsche Media beteiligt sich dagegen schon mit 6°/o in 54 Fällen an der Prothese; mehr oder weniger spirantisch sind 19 Fälle (über 2%) bei fräukischen und niederdeutschen Medien.

Die weit überwiegende Mehrzahl der Fälle (799—89 1/2%) gehört den spirantischen und sonoren Lauten.

Reine Spiranten liegen vor in 223 Fällen (25°/o); da- von entfallen 27 auf die labialen (21 f, 6v), 51 auf die Den- talen (44s, 7z), 129 auf den gutturalen und ltt auf den „Kehlkopfspirantenu (Hauchlaut). Mit Hiuzunahme der Ver- schlusslautc mit spirantischem Werte sind es zusammen 258 Fälle (29».

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Doppelt so zahlreich vertreten sind die Sonoren: 541 mal

60 1r/2°/o sämmtlichcr consonantischen Fälle. Naturgemäss entfallen hier die wenigsten nur 5 und 48 auf ni und n, denn der enge Verschluss begünstigt die Hauchbildung wahr- scheinlich weniger als die flüssigen, vibrierenden Laute w— 1 r, die denu auch 75—201—212 Fälle aufweisen. W, 1, r und ch sind die zur l'rothesebildung besonders günstigen Laute, sie habeu 617 Fälle geliefert (über b'9°/o).

Die ÜrTnungslaute begünstigen also die Prothesebilduug, die Verschlusslaute verhalten sich ablehnend. Es wird sich wohl ein Begleitlaut entwickeln bei jenen Lauten , ein dem eigentlichen Einsetzen jener Laute vorausgehendes hauch- artiges Geräusch, das sich dann mit dem Vocale verbindet und nun als gehauchter Vocaleiusatz zum Vorschein kommt.

Die lautphysiologischen Verhältnisse dieses Vorganges kenne ich nicht. Vielleicht steht mit der Prothesobildnng im Zusammenhange, was Wein hold (Ii. Gr. §. 1(>0) über das anlautende r in kärntnischen, tirolischen und bairisehen Dialekten sagt: „Jedes r— gleichgültig ob altes reines roder (h) r wird mit einem scharfen Hauche ausgesprochen (hrab, bring, hrecht). Selbst in der Verbindung gr wird r as- piriert (ghrous, ghrad)44. Mir will es scheinen, als ob ein ungekünstelt lautiertes r, 1 etc. überhaupt gern von einem ziemlich starken Hauche begleitet werde. 1 Wenn dem wirk- lich so ist, dann lässt sich vielleicht auch der ahd. Abfall des h in den Verbindungen hr, hl, hw, hn damit erklären, dass man, als anlautendes h zum blossen Hauche herabsank, die besondere Bezeichnung dieses Hauches vor jenen sonoren Lauten als unnötig empfand , weil blosses anlautendes r, 1, w, n an sich schon einen gewissen Grad von Aspiration be- zeichnete.

Für die altdeutsche Prothese hat noch niemand diese Verhältnisse beachtet, wohl aber hat J. Grimm in einer Bemerkung zu heischen, helfant, heidechsc das richtige getroffen, wenn er sagt (Gr. I, 437): „Alle solche Fälle er- fordern eine vernehmliche Spirans des Inlauts, die in der

Man vergleiche den 8piritu8<wper Über dem griechiflehen

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Schnelle »1er Aussprache den Anlaut ergreift und darauf haftet*. EinHutt« der tönenden Aussprache des r hat in H iii- sicht auf mitteldeutsche l'rothesefälle Kückcrt vermutet (Schles. M-A. S. lßty. Die altdeutschen Verhaltnisse bezeugen die Richtigkeit dieser Beobachtungen.

Weniger wichtig für die Entwickelung des neuen Hauch- laute« ist der anlautende Vocal selbst. Wenn Kückert (ebenda) sagt: „Der Spirirus Lenis ist in den altern Denkmälern bloss auf anlautendes e beschränkt, während er in den spätem Mundarten auch andere Voeale erfasst hat" , so gilt das für die althochdeutschen und altniederdeutschen Verhältnisse sicher nicht. Man vergleiche die folgende Tabelle über das

VERHÄLTNIS DKh ANLAUTENDEN VOCAL ES ZUR l'ROTHESEMLDUNG.

Laut.

Kurz. Lang.

Diphthong. Summa. 4. 125.

a. 100.

21.

c. 294.

Ii

131.

53. 478.

i.

57.

37.

33. 127.

H

0.

32.

25.

5.

62.

u.

25.

76.

12.

113.

Summa. 508. ' 290.

,07.

905.

Soviel ist also richtig, dass e für sich allein 53°/o aller Fälle stellt, während auf a 14°/o, i 14%, u 12°/o, o nur 7 '/j0/« entfallen. Eh leuchtet ja auch ein, dass dieser neu- tralste Vocal zur Übertragung des begleitenden Hauches am günstigsten ist, und es passt hierzu, dass grade das alte e mit 215 Fällen besonders stark vertreten ist. Langes e stellt 14«/*%, e-Diphthoug 6<>/o, kurzes e 32V2°/o der ge- sammten Fälle.

Ahnlich liegen diese Verhältnisse auch für die neuere Prothese: o und u sind schwach, a und i zahlreicher, e be- sonders stark vertreten. Hei den Folgeconsonanten über- wiegt der Öffnungslaut fa«t ebenso stark: 50 °/o Sonore, 2b'°/o Spiranten (51/2 o/o spirantische Media) zusammen 76°/o

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stehen 24°/o Verschlusslauten gegenüber (11 V2°A> obd. Media, 10°/o Tonuis, 2V2°/o Affrica ta) ein Resultat, was sich zu Gunsten der Offnungslaute noch bedeutend verschieben würde, wenn man hier nicht bloss die Zahl der prothesezeigenden Wörter, sondern auch die Ausdehnung und Intensität der Prothese daran irgendwie genauer in Rechnung ziehen könute.

Die Ähnlichkeit und Zusammengehörigkeit der neuern und der alten Prothese lässt sich nicht leugnen das muss auch die folgende Zusammenstellung der Regriffe, an denen sich Prothese findet, darthun. Zugleich wird sie der An- schauung, als ob die Prothese neuem Datums geringfügig sei, ein Ende machen: die alte Prothese erscheint au 131 Hegriffen, die spätere habe ich an 128 Begriffen gefunden, wozu noch 87 in neuerer Zeit eingebürgerte Fremdwörter kommen (an 7 Fremdwörtern reicht die Prothese in die alt- hochdeutsche Zeit zurück). Die Dialekte der mittleren Periode beteiligen sich mit 136, die modernen Dialekte mit 124 Fällen an dieser neuern Prothese. Auf Vollständigkeit können diese meist aus Wörterbüchern geschöpften ueuem Relege natür- lich keinen Anspruch machen.

ZUSAMMENSTELLUNG OElt UEORIFFE MIT ALTKK UND NKUKRKU

l'KOTUKSK.

I. SL'IMTAXTIVBKCIRIFFK.

Körperteile u. ä. Ahd.: Achsel. Achselhöhle. Ellenbogen. Auge. Ohr. (Ratze.

Atem. Eiter. Später: Glatze. Stirn. Auge. Ohr. Ellenbogen. Ann. Ge- burtsteile der Kuh? Hüfte. Knöchel. Aberklaue. Ader. Tiere.

Ahd.: Elephant. (Affe?) Iltis. Ochs. Eber. Elch. Igel. Unke. Uhu. Eule. Falke. Schwan. Auerhahn.

Später: Elephant. Affe. Kaineel. Elenu. Ochse? Iltis. Eidechse. Kröte. Ameise. Uhu. Eule, lleergans. Storch. Auer- hahn. Elster Amsel. Goldammer.

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Pflanzen.

Ahd. : Eiche. Esche. Espe. Erle. Ulme. Pappel. Ahorn.

ornaO*). Arlitze. Apfel. Hagedorn. Weissdorn. Epheu.

Erbse. Ampher. Brenn nessel. Ähre. Ast. Später: Espe. Erle. Aberesche, anierella. Arlitze. Ebenholz.

Apfel. Epheu. Aberraute. Brennnessel. Erbse. Lauch.

Ampfer. Attieh. Olsen ig. Ysop. Hengs, agrimonia.

Ederwurz. Astrenze. (Ast). (Ähre), (i ranne.

Gerät.

Ahd. : Ofen. Axt. Egge. Angel. Tafel. Eimer. Henkel.

Später: Tasche. Holzgestell. Wiege. Ofen. (Amboss). Pflug- teil. Henkel. Beil. Axt. Messer. Harpune. Harnisch. Hoboe. Elle. Himpten. Aichmass. Iuful.

Erzeugnisse und Stoffe. Ahd. : Butter. Ei. Irch. Erde. Erz. Eisen. Stahl. Eis.

Eiszapfen. Feuer. Später: Oblate. Ale. Arras (-Tuch). Irch. Erde. Eisen.

Stahl. Eis. Eiszapfen. Welle.

Persönlichkeiten. Ahd.: Oheim. Arzt. Amme. Mädchen.

Später: Oheim. Erzbischof. Vater. Engel. Ulan. Hartschier. Harlequill.

Räumlichkeiten und Zeitbestimmungen. Ahd.: Alpe. Halde. Winkel. Ecke. Eude. Osten. Abend. Mittag. Ostern.

Später: Gut. Anger. Wildlager. Dachtraufe. Ecke. Spitze. Winkel. Ende. Abend. Ostern. Ertag.

Rechtsleben.

Ahd. : Amt. Eid. Habe. Erbe. Handgeld. Exil. Gesetz. Lohn. Ehre.

Später: Eid. Erbe. Handgeld. Lohn. Gesetz. Ehre.

Verschiedenes. Ahd. : Schrecken. Kraft. Gunst. Später: Schrecken. Schneesturm. Schiffbruch.

Namen. Ahd.: cf. S. 4 u. 37.

Später: Anselm. Erasmus. St. Elmsfeuer. Uetliberg. America.

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II. PRONOMINALBEGRIFFE.

Ahd. : ich. uns. ihr. euch, (er u. flekt. Formen). Später: ich. uns. euch, (er u. flekt. Formen cf. S. 40.)

m. ADJECTIVBEORIFFE.

Ahd.: arg. verkehrt, übel. irre. rauh. eben, ernst, arm. alt. eitel, offen, emsig, reich. ein. acht. alle, etlich. erst.

Später: arg. ekel. übel, eitel, arm. alt. offen, edel. ein. all. jemand, erst.

IV. VERBALBEORIFFE.

Ahd.: ächten, achten, besitzen, eilen, üben, heischen, ar- beiten? schöpfen, essen, sein.

Später: denken? (dürfen), achten, (eilen), heischen, ahnden, besitzen, üben, ackern, schöpfen, „acheln" (= essen), essen, uzen (— necken), tosen, „ampeln" (— sich ungeschickt bewegen), sein.

V. LOCALE PRAEPOSITIONEN UND ADVERBIEN.

Ahd. : ab. aftcr. an. in(nen). oben. über. auf. aus. Später: (jenseit.) unten, oben. über. auf. aus. an. ab. in.

vi. PR AFFIXE.

Ahd.: eli-, it-. ant- (int-), un.- ar- (ä.- er.- ir.- ur.-) Später: el-. ant er- (ar-, ur-).

VII. SATZ PARTIKEL.

Ahd. : eecorodo. aber. auch. je. Später: cht (eecorodo). auch.

VIII. INTERJECTIÜNEN.

Ahd.: ach. uch. Später: in jeder vocal. anl. Interj. Schwan- kungen.

IX. TECHNISCH ODER PHRASENHAFT VERWENDETE (iNTERJECTIONALE)

FREMDWÖRTER.

Später: adieu, alleluia. amen, eleeison. extra, a propos. oblige.

allegro. alerte, etc. etc. qf. lxix. 2

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Wir schon : au 80 Bogriffen hat sich die altdeutsche Prothese in die neuere Zeit hinein erhalten ; hier wie dort sind es die concretesten Substantivbegriffe, die Prothese- bildung vor allem begünstigen ; wir sahen, dass die gleichen Entstehungsbediugungen und Eutstehungsursachen vorhanden waren: ich halte den Beweis der Einheitlichkeit unserer Er- scheinung in beiden Zeiträumen für erbracht.

Aus dieser Einheitlichkeit folgt notwendig, dass wir dem alten prothetischen h den vollen Lautwert des echten h zugestehen müssen, den unserm: Hameise, Heidechse, Hullahne noch niemand abgesprochen hat. Es liegt kein Grund vor zu der Annahme, dass die Prothese in jener Zeit noch beim leisen Hauche im Satzzusammenhange also auf der vorhergehenden Entwickelungsstufe stehen geblieben wäre : dazu wirkte (wie bei bluohan etc. im Wortinnern) die Analogie dos echten alten Hauchlautes zu stark. Man hat gar nicht notig, deshalb überall nach Wortanklängen oder Bogriffsanlehnungen zu suchen. Solche Analogiewirkungen sind gewiss vielfach auch im Spiele, aber die grosse Mehr- heit der Fälle widerstrebt solchen Erklärungen. Es ist doch etwas sehr Gezwungenes, wenn man helfant an das Yerbum helfan anlehnt mit der Motivierung durch „die vielfachen Dienste des Elephanteu in Krieg und Frieden u. Was wird der Deutsche viel davon gewusst haben? Und wenn die Analogie deshalb gewirkt haben soll, „weil man dem Elfen- bein Zauberkräfte zuschrieb**, so stimmt das wenig zu der Thatsache, die schon Graff hervorgehoben hat, dass die Pro- these grade für die Bedeutung „Elfenbein" nicht so fest war als für die Bedeutung „Elephant". (cf. S. 117). Lautliche oder begriffliche Anlehnung von eiseön an heizzan ist ja möglich, aber allzugross ist die Ähnlichkeit beider Begriffe und Formen doch eigentlich nicht.

Die Analogie des gewöhnlichen h genügte vollauf, den prothetischen Hauch zu verstärken. Dass dies hier oder da nicht eingetreten sei, dass nur leiser Hauch vorhanden, das Hesse sich wohl für den einzelnen Fall einmal zugeben, sicher behaupten lässt es sich meiner Meinung nach nirgends. Wer in meiner alphabetischen Zusammenstellung Artikel

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prüft wie ähten, ahto, ahton, eht, eigan, elaho, era, erda, erbi, ih, Uen, iuwih wird sich wohl des Ein- druckes nicht erwehren können, dass so häufige Prothese- bildung an einem und demselben Worte in seinen verschie- densten Formen nicht zufällig sein kann : der Hauch „ergreift4* eben nicht bloss den Anlaut, er hat keine bloss ephemere Existenz, die gebunden ist an den Satz und die betreffende Lautcombination, in der er erzeugt ist er „haftet" an dem Worte.

Jene Lautformation , die ihn erzeugt hat, kann sich ändern, selbst der hauchbildende Consonaut kann der Aus- sprache entschwunden sein (ä(h)ten, e(r), e(wa), hu(w)o) -- die Prothese dauert unverändert: sie muss dem Worte also eigentümlich, das h muss ein vollwertiger selbständiger Laut geworden sein. Seine Entwicklung verdankt es der zusammenhängenden Rede seine selbständige Existenz bezeugt die grosse Menge der isolierten Glossen.

Den direkten Beweis endlich liefern wohl Allitera- tionen wie:

heigun sa Northman harto bidungan. (Ludwigslied 24). hurolob ni habe du zi holze ni fluic du. (Lorsch. Bienensegen).

so h evet er hufwerde den halm von der herde. (Vor. Jerusal. 365, 16).

min herze was helende. (König Rother v. 2269).

Man vergl. S. 81 f., wo ich einige solcher Alliterationen und Wortanklänge gesammelt habe. Das sind keine Spiele- reien, wie Diemer meint, keine Alliterationen fürs Auge, sondern wirkliche fürs Ohr.

Eigentümliche Fälle liefert der Helianddichter in den Versen 102 u. 4144: beide Male verlangt die Alliteration die prothetischen Formen :

umbi that helaga hus endi gieng im thie giherodo

helithos usaro hobdo. Thuo sprac thar eu giherod man.

So schreibt aber nur je einer von den beiden Schreibern (102 der Ootronianus, 4144 der Monaoensis), das h scheint

2*

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ihnen nicht mundgerecht gewesen zu sein und so lässt es jeder in dem andern Falle trotz der Allitteration weg1 nimmt man verschiedene Schreiber bei den verschiedenen Fällen an, dann erklärt sich die Inconsequenz ja noch viel einfacher ; jedenfalls ist die Willkür der Schreiber in dieser Hinsicht so gross, dass man kein Gewicht darauf legen darf, wenn der Allitteration zuwider auch prothetische Formen (besonders „Habraham" öfter im Cottonianus) eingeführt werden die Schreiber gebrauchen eben rücksichtslos die ihnen geläufigen Wortformen; der Lautwert der Prothese wird durch solche Verstösse gegen den Vers sicher nicht in Frage gestellt.

Dass Otfrid in den uns überlieferten Handschriften den prothetischen Hauchlaut nicht in der Allitteration verwendete, kann nicht auffallen bei einem Schriftsteller, der die Sprache doch gewissermassen kritisch und nivellierend behandelte; die von mir S. 81 aus diesen Handschriften aufgenommenen Beispiele sind nicht vollwertige Alliterationen, nur Wortan- klänge.

Die althochdeutsche Periode kennt ja eine so scharf ausgeprägte allgemeine Schriftsprache wie die mittelhoch- deutsche und neuhochdeutsche allerdings nicht: der Dialekt herrscht auch in der Schrift wohl zeigen aber unsere alten Denkmäler ganz bedeutende Ansätze zu solcher Entwickelung. Die Tradition der Schreiberschulen verwischte die Differenzen innerhalb des Dialektes und verhinderte, dass allzu indivi- duelle Eigenheiten zur schriftlichen Fixierung allzu oft ge- langten. ITnd milderten schon die Verfasser Provincialismen, so regulierten Correktoren gewöhnlich die Sprache noch mehr, sehr oft war eine solche Entwickelung des Textes die unwill- kürliche Folge da, wo ein Denkmal durch die Hände ver- schiedener Schreiber ging, die nicht ganz sklavisch abschrieben, zumal dann natürlich, wenn eine Vorlage in einen auderu Dialekt umgeschrieben ward. In allen solchen Fällen, wo sich das Schriftidiom vom Dialekte entfernte, schwand auch die Prothese im Isidor wie im Wiener Notker , oder ist

1 cf. ftuoh : holithoa bitungre8 githuinge. Hol. Cot. 2824.

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zum grossen Teile nur noch aus Rasuren zu erkennen, wie in den Otfrid- und Tatianhandachriften.

Die mittelhochdeutsche und neuhochdeutsche Schrift- sprache ist naturgemäss darin weit consequenter : schon das Mhd. hat sämmtliche Prothesebildungen beseitigt bis auf hel- fant, hu wo (huwel), heischen !, und heute hält die Schrift- sprache nur noch heischen fest. Conservativer ist das Mittel- niederdeutsche, Mittelniederländische vom Westflandrischen ganz abgesehen und Friesische gewesen, eben weil diese Literatursprachen mit den Dialekten stets in engerem Zusammenhange blieben.

Die Dialekte aber haben diese Eigenheiten stetig fort- gepflanzt bis auf den heutigen Tag, einiges fallen lassen, anderes neu erzeugt wie es das Wesen der lebendigen Sprache mit sich bringt. Es ist gewiss kein Zufall, dass vor allem an solchen Begriffen die Prothese haftet, die eben auch sonst zu starken dialektischen Verschiebungen neigen: denn wenig erscheinen solche intensiv concreten Begriffe, wie es gut 70°/o der aufgeführten sind, in der Litteratur, und so kann sich an ihnen auch heutzutage der nivellierende Ein- fluss der Literatursprache nicht geltend machen : kommen und kamen sie einmal zur schriftlichen Fixierung, dann fehlt dem Schreiber das Wortbild, er muss nach dem Gehöre schreiben und die Dialektform bieten. Das ist zugleich die einfache Erklärung für das besonders häufige Auftreten der Prothese in den naturgesch ichtlichen Glossengruppen.

Man gestatte mir hier die Erörterung führt in vielen Punkten schon zum folgenden Teile hinüber einige Aus- führungen über einen zweifelhaften Fall, den ich in meine alphabetische Sammlung nicht aufgenommen, sondern auf S. 119 f. gesondert dargestellt habe: über das Pronomen der III. Person in seinen vocalisch anlautenden Formen.

Der niederdeutsche Dialekt zeigt für die Nominativform des Masculinums regelmässig die Formen he, hi, der frän-

1 Mhd. ist hören sehr häufig, aber wohl nicht als Prothese auf- zufassen, was ja auch bei dem allerdings weit selteneren ahd. heren nioht durchaus sicher ist.

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kische sehr häufig he und her, he mehr an der nieder- deutschen Grenze, her allgemein vielleicht nicht im süd- lichen Teile des hochfränkischen Dialektes, wenn man nach der "Barn berger B eich tett sich hierin richten darf. Daneben zeigt sich aber in allen fränkischen Denkmälern fast von Anfang an auch sehr häufig er, teilweise neben her und he seltener oder gleich oft , teilweise auch selbst in mittelfränkischen Denkmälern wie im Trierer Capitulare allein. Das Bairische zeigt keinen einzigen Beleg (über die Fälle im Freysinger Otfrid vgl. S. 31); das Alemannische höchstens 8 Belege, von denen jedoch nur einer in der Sgall. Psalmen version und vielleicht eine Rasur in den Notker- psalmen als rein alemannisch angesehen werden können. Der Gcorgsleich zeigt nach Weinhold 1 eine Dialektmischung und wird seine Fälle von her dann dem Fränkischen zu ver- danken haben. Eine von Schilter überlieferte elsässische Beichte , die den rohesten, vielleicht noch besonders vom Niederdeutschen beeinflussten Dialekt wiedergiebt (cf. dkm*. S. 609), zeigt einige Fälle von ye (cf. S. 11 f.). Die Er- scheinung ist also fast ausschliesslich fräukisch-niederdeutech.

Meist werden nun diese Formen von dem Pronominal- stamme abgeleitet, der im Gotischen himma, hina vorliegt und diese Erklärung findet ihre Stütze in angelsächsischen und nordischen Parallelformen.

Gewichtige Autoritäten sprechen aber auch diese Er- scheinung als prothetisch an, Wein hold (Mhd. Gr. § 243) für den fränkischen, Gallee (As. Laut). § 41) für den alt- sächsischen Dialekt.

Ich möchte der letzten Auffassung beipflichten. Die Lautverhältnisse (der flüssigste Consonant und der leich- teste Yocal) sind im Fränkischen wenigstens für das Niederdeutsche muss Gallee Abfall des auslautenden r an- nehmen zur Entwickelung der Prothese die denkbar günstigsten : und die vocalisch anlautenden Formen der Prono- mina der I. u. II. Person zeigen, wie sehr diese Wortklasse zur Prothesebildung neigt: im Mittelniederfränkischen sind

1 Isidor 8. 89.

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ja die Formen hu, hu wen etc. der II. Person auch vielfach zur Regel geworden. Das Fehlen der Erscheinung im Bai- rischen und ihre Seltenheit im Allemannischen kann nicht gegen eine Erklärung durch Prothese sprechen die Zahl der Fälle, die in mehreren Dialekten zugleich Prothese zeigen, ist ja überhaupt nicht gross. Die Correktoren der Otfrid- handschriften (auch des Tatiantextes an einigen Stellen) haben wenigstens, wie die Rasuren sicher zeigen, diese Fälle als prothe- tische aufgefasst und als solche mehrfach beseitigt, (cf. S. 31).

Wenn sich in diesem Punkte Gewissheit nur durch um- fassende Heranziehung der gesammten germanischen Sprachen erreichen lässt, so liegen die Verhältnisse meiner Ansicht nach einfacher bei den flektierten Formen des Pronomens: hier fehlt dem Fränkischen der Rückhalt am Altsächsischen und also der Zusammenhang mit den ausserdeutschen ger- manischen Sprachen.

Die altsächsischen Denkmäler zeigen (cf. S. 120) nur sehr wenige und zwar nur dann h-Formen , wenn sicher fränkische Elemente darin nachzuweisen sind : im ganzen Heliand findet sich1 nur ein him und zwar im Cottonianus, das hira des sächsischen Taufgelöbnisses wird aus Fulda stammen und das Glossar Id steht sicher (cf. auch die Belege für his-vogel) im Zusammenhange mit den mittel- deutschen Naturglossen. Die Erscheinung greift auch auf das alamannische Gebiet hinüber: von den 6 Belegen sind 3 sicher rein alamannisch, in 3 Fällen könnten die Formen fränkischem Einflüsse zugeschrieben werden , was für die beiden Belege aus der bairischen Überlieferung sicher gilt.

Die Fälle sind auch durchaus nicht an das gleichzeitige Vorkommen der Pronominalform her gebunden im Frän- kischen :das Trierer Capi tu lare wie die Albanuslegende weisen kein einziges her oder h e , dagegen 5 resp. 3 mit h anlautende flektierte Formen auf.

Ich halte es für ziemlich sicher, dass diese Formen erst durch deutsche Prothese in althochdeutscher Zeit gebildet sind die Lautverhältnisse liegen wiederum günstig: der

1 Nach A. Behrmann Diss. Marburg. 1879. Perflonalpron. im Heliand 8. 9.

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Folgcconsonant ist entweder sonor oder spirantisch, der Vocal hell; die Analogie von her wird auch gewirkt haben.

So häufig wie bei der Nominativform des Masculinums sind diese Formen übrigens nicht mit h versehen. Die Fälle sind im hochdeutschen Gebiete nur vereinzelt, sie nehmen zu nach der niederfränkischen Grenze hin; durchgeführt ist dann der Vorschlag des h vor allen vokalisch anlautenden Formen hart an dieser Grenze: im mittelfränkischcn Teile der altniederfränkischen Psalmen (in diesen selber nicht!), und später im Leydener Williram und der Scr- vatiusl egende. Die niederländischen Dialekte haben in der mittlem Periode diese Formen allgemein angewendet.

B.

DIE VERBREITUNO DER DEUTSCHEN PROTHESE.

Es ist nicht gut möglich, die Prothesebelege nach den einzelnen Dialekten reinlich aus einander, zu legen die Hälfte der Fälle steckt in Glossaren, und viele zusammen- hängende Denkmäler sträuben sich ebenfalls nicht wenig gegen genaue Bestimmungen solcher Art: ich erinnere nur an die verwickelten Verhältnisse in der Vorauer Sammel- handschrift. Es Hess sich noch nicht einmal immer der vor- wiegende Dialektcharakter genau bestimmen, der im allge- meinen für meine Zusammenstellung der Prothese und Aphärese zeigenden Denkmäler das Prinzip abgeben musste, das übrigens da durchbrochen worden ist, wo es die Übersicht- lichkeit der Statistik allzu sehr gestört hätte. Für die Dialekt- bestimmung der Prothcsefalle ist ja diese Zusammenstellung doch unwesentlich und jenes Princip nicht massgebend, denn es ist sehr fraglich , ob dieselben wirklich jedesmal dem „charakterisierenden" Dialekte zugeschrieben werden müssen oder können, ob sie von der letzten Hand herrühren oder ob sie aus Vorlagen herüber genommen sind. Diese Fragen müssen vielmehr für jedes Denkmal dieser Art und eigent- lich für jeden einzelnen Fall untersucht werden.

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Man betrachte z. B. die Verhältnisse der verschiedenen Dialekte zu der Prothese an hu wo. Nach der Methode, wie sie Weinhold bei der Gruppierung seiner Prothesebclege anwendet, raüsste ich sagen: die Form hu wo ist allen Dia- lekten gemein, von den 51 überlieferten prothetischen Formen gehören 19 dem alemannischen, 16 dem bairischen, 12 dem fränkischen und 4 dem niederdeutschen Gebiete. Das würde aber ein durchaus falsches Bild geben, wie ich an der Hand meiner Zusammenstellung auf S. 115 ff. zeigen will.

68 mal ist das Wort für jene Periode belegt, und zwar 17 mal in der protheselosen ursprünglichen Form: 10 Glossare bieten nur diese Form, 7 diese und daneben die prothetische. Jene 10 alleinstehenden „echten14 Formen gehören sämmtlich der bairischen Uberlieferung an, ebenso 3 von den 7 Glossen mit Doppelformen, 4 von dieser letzten Gruppe stehen in alemannischen Handschriften, die Glosse St. Paul, d/82 (aus St. Blasien) ist aber vielleicht auch erst durch bairische Hände gegangen. Jedenfalls sind 13 von den 17 prothese- losen Fällen bairisch überliefert. Vergleicht man hiermit die Thatsache, dass der bairische Dialekt in seiner fernem Ent- wickelung nur die Formen auf, auff kennt (nach B. Wb % I. 42) für Nürnberg nur ist die Form hu belegt I. 1030 , und dann vollends die Notiz Conrads von Hegenberg 1 : „bubo haisst ain auf oder in an der m Däu tsch ain hawa, so wird man vielleicht über die 16 prothetischen Formen der bairischen Überlieferung und ihre Beweiskraft für bairische Prothese bei uwo anders denken, zumal wenn man beachtet, welchen Kategorien die betreffenden Glossare angehören, die übrigens nur in 3 Fällen in das 10. Jahrhundert hinein, mit keinem Falle darüber hinaufreichen. Er ist eine sicher vom Mittelrhein gekommene Vergilglosse, eine salomonische Glosse alemanischer Herkunft, eine gehört in das sicher mittel- deutsche Summarium Heinrici, die übrigen 7 Naturglosscn stammen sämmtlich sehr wahrscheinlich aus derselben Heimat; eine sehr verwickelte Vergangenheit haben die 6 Bibelglossen zum Leviticus rein bairisch ist keine von ihnen, fränkische

' Pfeiffer 8. 173. 2. 'd.

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Vorlagen sind wohl überall anzunehmen, wenn auch manches Zwischenglied unsere Handschriften davon trennt.

Ich glaube, die Gcsammtheit dieser Umstände giebt uns das Recht, dem bairischen Dialekte jeden bedeutenderen An- teil an der Prothesebildung bei h u wo abzusprechen ; und es liegen andererseits meiner Meinung nach Oründe genug vor, die gestatten oder gar zwingen , die Belege der bairischen Handschriften der fränkischen oder alemannischen Vorlage auf Rechnung zu setzen: die fränkisch überlieferten Glossen zeigen keinerlei Schwankungen im Gebrauche der pathe- tischen Formen, nur alemannisch (und fränkisch) ist die ana- loge Protheseform hiuwila, die einzigen Belege für (h)uwo in zusammenhängenden Denkmälern bieten Notkers Bocthius und (sgall.) Psalmen, die heutigen alemannischen und mitteldeutschen Mundarten endlich bieten reiche Belege für die prothetische Form hu, huf, huch etc. (cf. S. 117). Ich glaube demnach, es entspricht dem wahren Sachver- halte weit besser, wenn ich sage: die althochdeutsche Prothese beschränkt sich bei hu wo auf die alemannisch- fränkischen Gebiete.

Ebenso wie u w o zeigt e 1 f a n t in der althochdeutschen und mittelhochdeutschen Überlieferung Prothese bei der weit überwiegenden Mehrzahl der Belege; der althochdeutschen Periode können höchstens 16 Denkmäler zugeschrieben werden cf. S. 1 17 f., die in 30 Belegen keine Prothese zeigen: 18 mal für die Bedeutung „Elfenbein*4, 12 mal für die Bedeutung „Elephant". 17 von diesen Fällen stehen in zusammen- hängenden Denkmälern des 12. Jahrhunderts, die ohne Aus- nahme dem fränkischen Dialekte angehören, 13 Belege sind Glossen, unter ihnen sind 3 fränkisch, 2 niederdeutsch, 3 alamannisch, 5 bairisch überliefert. 2 bairische Glossen sind blosse Abschriften einer (mittel)fränkischen Handschrift des Summarium Heinrici also 22 Belege sind als sicher frän- kisch anzusetzen. Sollte man nun nicht geneigt sein, auch die oberdeutschen Belege auf das fränkische Element zurückzu- führen, das in allen diesen Glossenhandschriften nachgewiesen oder anzunehmen ist?

Ich glaube, man darf behaupten : im fränkisch-nieder-

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deutschen Gebiete hatte sieh die protheseloso Form im wesent- lichen allein erhalten durch die altdeutsche Periode hindurch, und vom Rheine her, wo ja auch die geistliche Bildung stets höher gestanden haben dürfte als im Osten, kam dann in Anlehnung an die lateinisch-griechische Form die Reaktion gegen „helfant". Dann erklärt es sich, dass das Mhd. Wb. die Mehrzahl der Relege für die protheselose Form aus Mittel- deutschland bringt, dass das Mnd. Wb. für die prothetische Form überhaupt keine Belegstelle bietet, und endlich: dass die neuhochdeutsche Schrift diese Prothese in einer Zeit auf- gab, wo das Mitteldeutsche und Niederdeutsche bestimmenden Einfluss auf die Schriftsprache gewonnen hatte.

Die Überlieferung wird der Entscheidung über die Dialektfrage häufig noch grössere Schwierigkeiten bereiten als es bei hu wo der Fall war nicht immer blieben sich die Dialekte in den späteren Zeiten so consequeut, , nur oder fast nur in Glossen belegte Prothese wird vorerst für solche Bestimmungen wenig geeignet bleiben. Wo die Belege aus zusammenhängenden Denkmälern und aus Glossaren stammen wie bei elfant, können für die Dialektfrage massgebend nur die ersten sein Gesammtresultate haben keinen Wert, wenn sie mit den Ergebnissen aus diesen Denkmälern nicht in vollem Einklänge stehen.

Wenn ich nun hier eine Tabelle einschalte über die Zahlenverhältnisse der gesammten Prothesebelege in den ein- zelnen Dialekten und Dialektmischungen, dann kann ich wohl versichern, dass ich mir die grösste Mühe gegeben habe, dem jetzigen Stande der Dialektforschung gerecht zu werden ; dass aber die Tabelle richtig ist, wird niemand erwarten; sie möge dem Bedürfnisse genügen, die verschiedenen Procent- sätze ungefähr anzugeben. WTo die Verhältnisse zu ver- wickelt waren, und mir über die Sprache einer Glossengruppe keine Untersuchungen vorlagen beides fiel gewöhnlich zu- sammen (bei den Bibelglossen z. B.) , habe ich die Belege dem Dialekte des letzten Schreibers bzw. des Fundortes zu- weisen müssen.

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TABELLE ÜBEK DIALECT UND ALTER DER l'ROTHKSEBELEOE. (helfant u. pron. III ausgeschlossen).

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Alamannisch könnte demnach die Prothese sein in 421, fränkisch in 446, bairisch in 196, niederdeutsch in 46 Fällen. Für die niederdeutsche Prothese hat dies Zahlenverhältnis keine Bedeutung die Anzahl der auf uns gekommenen altniederdeutschen Handschriften steht ja zu der massenhaften althochdeutschen Überlieferung auch in keinem Verhältnisse ; dass die altniederdeutsche Prothese häufig war, lässt sich schon nach der grossen Menge der mittelniederdeutschen Fälle be- haupten. Dagegen muss es auffallen , dass die Zahl der Belege in den durch bairische Hände gegangenen Hand-

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Schriften so sehr gering ist : bairische Schreiber und bairische Klöster haben ja doch gerade besonders viele und besonders umfangreiche Glossenwerke und überhaupt mindestens eben- soviele Handschriften überliefert wie alemanische und sicher mehr als fränkische!

Yergleichen wir, um festeren Boden zu gewinnen, diese Ergebnisse mit den Dialektverhältnissen der Prothesebelege in den zusammenhängenden Denkmälern.

72 Handschriften und Teile von Sammelhandschriften bringen (von helfant und Pronom. III abgesehen) 353 Fälle. Sie verteilen sich folgendermassen über die Dialekte.

Alemannischer Charakter wiegt vor in 25 Hand- schriften mit 126 Fällen. 2 von diesen Handschriften (N. 5 u. 13) zeigen an 3 Fällen fränkische Spuren, 2 Hdss. (N. 60 u. 78) mit 8 Fällen stammen (vielleicht) von der bairischen Grenze sicher alemannisch verbleiben demnach 21 Hand- schriften mit 115 Fällen.

In 19 Hdss. erscheint fÜT 67 Fälle der bairische Charakter mehr oder weniger als der herrschende. Darunter enthalten 8 Hdss. (N. 5. 33. 34. 36. 41. 42. 48. 51) mit 28 Fällen sicher Fränkisches, 4 Hdss. (N. 7. 40. 43. 49) mit 21 Fällen wahr- scheinlich Fränkisches, 4 Hdss. (N. 37. 38. 46b. 47) mit 13 Fällen enthalten Alemannisches oder gehören zum Grenz- dialekte. — 3 Hdss. (N. 6. 24. 39) mit 5 Fällen blieben übrig für rein bairische Prothese aber auch sie sind nicht sicher für diese Geltung: von N. 6 und 24 lassen sich fränkische Beziehungen nachweisen : der Text der Fassung B des Frey sing. Paternosters zeigt Übereinstimmungen mit dem Weisseu- burger Vaterunser (nach Dkm2. S. 510); Otlohs Gebet ist nach der Rückkehr aus einem achtjährigen Exile in Fulda aufgezeichnet und liegt uns wahrscheinlich in der eigen- händigen Niederschrift des Verfassers vor. Ob das Vo- rauer Fragment „vom hl. Geiste (N. 39) mit 1 Belege (hatem) nicht auch vielleicht auf eine westdeutsche Vorlage zurückgeht, weiss ich nicht, es Hesse sich indess nach Analogie der übrigen Prothese und Aphärese zeigenden Teile der Sammelhandschrift schon vermuten.

Vorwiegend fränkisch sind 26 Hdss. mit 155 Fällen.

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3 Handschriften mit 44 Füllen (N. 8. 9. 10) sind südfrän- kisch ; N. 8 ist wahrscheinlich von einem alemannischen, N. J) von einem bairischen Schreiber geschrieben ; 6 Hdss. mit 16 Fällen sind oberfränkisch; 4 Hdss. mit 22 Belegen sind hochfränkisch (die Fälle im Tatian verteilen sich über

4 Schreiber ((/*, y, J, l) und müssen, da die Begriffe, an denen die Prothese haftet, bei den verschiedenen Schreibern mehrfach dieselben sind, der fränkischen Vorlage zugeschrieben werden); 13 Hdss. mit 73 Fällen sind mittelfränkisch: sicher fränkisch ist die Prothese in mindestens 24 Hdss. mit 115 Fällen.

Sicher niederdeutsch (altsächsisch resp. altsächsich- niederfräukisch) sind die beiden Heliandhandschriften mit zu- sammen 5 Fällen Prothese.

Das Verhältnis der Dialekte stellt sich nach den sicher fixierbaren Fällen der Prothese in zusammenhängenden Denk- mälern demnach so dar:

Niederdeutsch: 2 Hdss. mit 5 Fällen. Fränkisch: 24 Hdss. mit 115 Fällen.

Alemannisch: 21 Hdss. mit 115 Fällen.

B a i r i 8 c h : 3? Hdss. mit 5? Fällen.

Summa: 50 Hdss. mit 240 Fällen.

Alle dialektisch vollkommen gesicherten Fälle gehören also dem westdeutschen Oebiete an, bairische zusammen- hängende Denkmäler zeigen nur dann Prothese, wenn sie nicht rein bairisch sind und Spuren fremden Dialektes min- destens vermuten lassen es fehlt jede Veranlassung bei solchem Stande der Uberlieferung, dem bairischen Dialekte einen irgendwie bedeutenden Anteil an der altdeutschen Pro- thesebildung zuzuschreiben : die bairischen Schreiber haben wohl beim mechanischen Oopieren aus ihrer Vorlage Fälle übertragen, meist haben sie dieselben beseitigt; nirgends lässt sich sicher an- nehmen, dass sie neue Prothese in die Texte hineingetragen haben.

Dem widerspricht auch die Otfrid - U herlief erung nur scheinbar. Der Codex Palatinus bietet 4, der Vindobonensis 17, der Frisingensis 24 Fälle von Prothese. Es scheint dem- nach allerdings, als ob die Belege grösstenteils den ober- deutscheu Schreibern „zur Last fielen k, und hiervon wieder die Mehrzahl dem Baiern. Bedenkt man jedoch, dass die drei

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Handschriften die Fälle hörn, hören, (P und V den Fall her lieh), und V-F die Prothese an ilan, ahtön, ouch ge- meinschaftlich zeigen und zwar durchaus nicht etwa bloss an denselben Stellen , dann wird wohl ein jeder, der meine Ansichten über den Lautwert der Prothese und ihre dialek- tische Natur teilt, erkennen, dass ein dialektischer Zusammen- hang hier existieren muss. Damit, dass die Prothesefälle im Palatinus und vielfach auch im Yindobonensis beseitigt sind, ist meiner Ansicht nach doch nicht bewiesen , dass sie im Frisingensis dem Südfränkischen ab, und dem Bairischen zu- gesprochen werden müssen!

Man vergleiche die Verhältnisse beim Pronomen der III. Person. Der Wei ssenbu rger Katechismus hat nur 3mal er, sonst immer (11 mal) her und beweist damit, dass die allgemein fränkische Form auch im südfränkischen Idiome herrschte. Nun haben die beiden „canonischen" Otfrid- handschriften zwar nicht, wie Braune meint, (Ahd. Gr. § 283 a. 1) nur er vielmehr geht d rof her II. 7. 34 durch alle Hdss., und der Yindobonensis hat ausserdem noch thaz her (II, 12, 65) und unsih (h)er (IY, 27, 12) aber doch haben diese Hdss. das h in her jedenfalls als prothetisch im allgemeinen beseitigt. Im Frising. finden wir dagegen 7 Belege: habet her, moht her, gruazt her, waut her, nintweih her, tho her, io her. Sind diese Fälle wirklich anders aufzufassen als das durch alle Hdss. gehende drof her? Soll man sie wirklich, wie Braune (ebenda) will, als bairische Prothesefälle behandeln? Eine solche Trennung wäre doch wohl sehr willkürlich. Wir haben hier den gleichen Fall wie in Haupts Wiener Predigten: die Formen sind un- besehen aus einer fränkischen Yorlage übernommen. Sonst kennt die bairische Überlieferung kein her. Weinholds (B. Gr. § 190) Beleg aus dem Muspilli habe ich in keiner Lesung entdecken können. Wäre er wirklich vorhanden, so hätte man damit auch nur eine weitere fränkische Spur in diesem Denkmale.

Die Prothesefalle im Frising. stammen nach meiner Ansicht wie diese her (uud hes: F.III, 11. 9. cf. Y. I. 5, 35) gleich den Fällen im Yindobonensis aus der allen Iland-

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schritten zu Grunde liegenden frühern Niederschrift, es sind keine „Fehler der obd. Schreiber44, es sind Reste der Dialek- ticismen, die in dieser „Kladde*4 sicher weit zahlreicher vor- handen gewesen sind als in den vielfach durchgefeilten und übercorrigierten Fassungen , die auf uns gekommen sind. Erhaben über Eigentümlichkeiten dieser Art ist eben Otfrid von vornherein nicht gewesen : die auf seinen Namen lau- fenden Weissenburger Urkunden zeigen ebenso gut wie die übrigen prothetische Namensformen, Strassb. Stud. I. 8. 188 finden wir sogar den Namen Hot-olf, dessen gram- matisch-richtige Schreibung Ot-frid doch wohl gewusst hat. Seine kritischen und nivellierenden Grundsätze haben sich ja erst an seinem Werke gebildet und sind erst in den Correkturen und „spätem Ausgaben44 zur Geltung gekommen; der Frising. ist die am wenigsten „durchgesehene4*, er enthält in dieser Hinsicht viel Ursprüngliches.

Erkennen wir die Fälle im Freysinger Otfrid als süd- fränkisch an, so erhalten wir nach meiner Ansicht einen An- haltspunkt für nicht bloss sachlichen wie schon in den Dkm. nachgewiesen, sondern auch sprachlichen Zusammen- hang des Freysiuger Paternosters mit dem Weissenburger Litteraturkreise : halmahtigo fügt sich dann wie das ot- fridische ouch hellu (I, 23, 32) der Auffassung der Pro- these vor al als einer fränkischen Dialekteigentümlichkeit.; wofür die beiden andern Belege im König Rother und in Schönbachs Predigten sprechen.

Die Fälle von herda im Monseer Matthaeus- f rag in en te können sicher nicht (mit Weinhold. B. Gr. § 190) dem bairischen Dialekte zugesprochen werden. „Der frän- kischen Vorlage am nächsten blieb der bairische Schreiber der Matthäus - Ubersetzung41 (Weinhold Isidor S. 90 f) damit erklärt sich hinreichend, weshalb gerade hier Prothese vorkommt, und in den übrigen Fragmenten, in denen oben- drein „der höchste Stand althochdeutscher Ubersetzerkunst44 erreicht ist, keine Spur davon wie in der bairischen Um- schrift, die uns die Pariser Handschrift vom fränkischen Isidor überliefert hat. Mit den 4 Otfridfälleu zusammen be-

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weisen sie die Prothese an er da für den obcrfränkisehen Dialekt.

Zum M u s p i 1 1 i bemerkte Piper (Z. Zs. XV. 101.) : „die fränkischen Spuren beschränken sich zum grössten Teile auf Schreibergewohnheiten, die nur von Belang wären, wenn sie eine Verschiedenheit der Aussprache andeuteten", den Be- weis hoffe icli geführt zu haben, dass der Prothese Lautwert zugeschrieben werden muss, und ich glaube, dass man nun- mehr einigen (von Piper gar nicht beachteten) Schreiber- gewohnheiten grösseres Gewicht beilegen wird.

Regelmässig, ohne jede Ausnahme schreibt nämlich der Schreiber unseres Denkmals hio und heo und ebenso regel- mässig und ausnahmslos schreibt das Ludwigslied hio. Sonst bietet sich als Beleg für diese Schreibung im 9. Jahr- hundert noch eine fränkisch-alamannische Reichenauer G r e - g o r i u s g 1 o s s e : die Form ist für die eigentlich ahd. Periode entschieden als fränkisch zu bezeichnen worauf auch schon das analoge sächsische gio (cf. S. 11) führt. Im Ausgange der Periode findet sich die Form hie auch alemannisch, auch die beiden Belege aus dem alemannisch-bairischen Grenz- dialekte der Benediktbeurer Predigten saec. XII. lassen sich für die bairische Mundart kaum heranziehen (h i e 1 i c h e i t ist noch dazu sehr unsicher: ein in den Wbb. nirgends be- legtes Wort, vielleicht nur für heilicheit verschrieben, havar ist nur im Muspilli zu belegen von neumittel- deutschen und neuniederdeutschen Formen wie Haber-klaue u. s. w. darf man wohl keine Rückschlüsse machen. An ewa ist Prothese in ahd. Zeit sonst nur in alamannisch über- lieferten Glossen belegt, von denen 4 (Reichenauer) wieder sicher oberfränkische Elemeute enthalten eine davon ist wiederum eine Gregorglosse: gewiss kein Zufall. Die 5 spätalthochdeutschen Fälle stecken im Vorauer Himmli- schen Jerusalem, dem eine oberrheinische Vorlage zu Grunde liegt, 3 Fälle in den oben schon als mechanische Abschrift aus fränkischer Vorlage saec. XI charakterisierten Wien er Pred igten, ein Fall (höwigen) ia der Mil- steter Genesis, deren Schreiber (nach Diemer Einleitung

S. 16) entweder eiu Frauke oder ein Franken gebildet war qf. lxix. 3

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ein ähnlicher Fall also wie im Muspilli. Die Wahrscheinlichkeit weist auch diesen Fall der fränkischen Gewohnheit zu.

Piper giebt als „fränkische Reminiscenzen" im Musp. an: (S. 90) ua neben uo, (S. 92) ki, gi statt ka, ga, (S. 96) das anlautende v statt f, „das in den altern bairischen Glossen ganz fehlt". Wenn er ferner (S. 91) sagt: „die Schreibung fuir scheint besonders fränkisch, erst die Yorauer Hds. kennt sie in Baiern", dann geht diese Handschrift in dem betref- fenden Teile eben wahrscheinlich auf eine fränkische Vorlage zurück (vgl. über die Dialektverhältnisse dieser Sammelhds. Dkm2. S. 438 f. und Btr. XI); und wenn er (S. 89) zu gen, steu bemerkt: „dieses e ist vorzugsweise fränkisch im 9. Jahrhundert, bairisch heisst es gän" und dann als ersten Beleg für späteres bairisches gen eine Stelle aus Otlohs Gebet anführt, dann hat man wohl auch das Recht, umge- kehrt zu schliessen : als Otloh acht Jahre hindurch in Fulda war, hat er sich verschiedene Eigentümlichkeiten der Franken angewöhnt: erstens die Form gen und zweitens die pa- thetischen Formen hafterund hera, wenn er nicht viel- leicht gar sein Gebet nach fränkischem Muster „umgedacht" und niedergeschrieben hat, wofür die schleunige Rasur des h von hera sprechen könnte, („h schon im Texte radiert" Dkm2. S. 209).

Meine Behauptung, dass nach dem Staude der Über- lieferung zu urteilen von helfant abgesehen im altbairischen Dialekte keine prothetischen Formen üblich ge- wesen sind, wird durch diese im Dialekte schwankenden Handschriften eher gestützt als widerlegt: das Vorkommen der Protheseformen nur in solchen Texten ist der indirekte Beweis gegen bairische Prothesebildung.

Die Verhältnisse in den neuern bairisch-österreichischen Mundarten stimmen zu dieser Thatsache.

In der mittleren Periode sind hier Prothesefälle ganz vereinzelt, soweit ich sehen kann. Die ersten deutschen Urkunden der niederösterr. Abtei zum hl. Lambert in Alten- burg zeigen ein Hostern und ein Heritag (für welches Wort hier auch wunderliche Verdrehungen wie Erdtag, Erich tag zu belegen sind). Nirgends von helfant

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abgesehen findet sieh allgemeiner gültige Prothese: das im Alamannischen und Fränkischen so überaus häufige Präfix her- weiss Weinhold für das bairische nur aus dem „Ringa zu belegen , der aus alamannischer Vorlage abgeschrieben für solche Dinge keine Beweiskraft hat. Jedenfalls ist Pro- these im Bairi8chen der mittleren Periode eine grosse Selten- heit — soviel lässt sich sicher behaupten.

Auch die modernen bairisch-österreichischen Mundarten bieten, trotzdem doch gerade hier der Stand der Forschung am meisten Gewähr leistet für die Vollständigkeit der Samm- lungen, nur äusserst spärliche Belege für die Erscheinung, die doch im Alamannischen z. B. an 37 Wörtern nachge- wiesen werden konnte, obwohl das Schweiz. Idiot, den Buch- staben h noch gar nicht vollständig gebracht hat. haischen ist nicht einmal überall durchgedrungen (cf. Bwb*. I. 166), aisch en noch hie und da lebendig1 ; an Eidechse und Elster zeigt das Bairische wie alle Dialekte Prothese, ebenso an dem localen Adverb h ab aus (hinab), wo aber Contraktion aus hie abaus nicht ausgeschlossen ist, wie auch bei dem nach Weinhold allgemein österreichischen hiezt statt izt, ein „hart" ungrade an der bairischen Unterdonau soll dem ahd. ort entsprechen. Dagegen weist das BWb. keine Spur auf von der sonst ziemlich überall vorkommenden Pro- these an Worten wie Uhu, Ameise, Goldammer, Heiter- nessel etc. Sehr unsicher zum mindesten ist meine Zu- sammenstellung von hafen und ofen für die Bedeutung Schlucht, Felskessel, und noch misstrauischer bin ich gegen die Zusammengehörigkeit von oberpfälzisch hirnen mit dem amen (= nachdenken) des bairischen Waldes. Ob die Geburtsteile der Kuh ansen (BWb. I. 112), hansen (BWb. I. 11H5) oder dansen (Frommann Zs. XII. 400) heissen, kann ich nicht entscheiden, vielleicht hilft dazu das von mir (aus Id. Fries. 253) herangezogene friesische henszebene (os podicis). Auf keinen Fall fällt dagegen unter den Begriff Prothese der von Schindler für den Ost-Lech ange-

1 Auch in Ellwangen noch die Form ohne h: Kauffm. Schwab. M-A. S. 205.

•6*

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merkte Wechsel zwischen h i n t e r und unter. Dieser Wechsel zwischen den beiden vielfach sich nahe berührenden Kegriffen, der auch auf die benachbarten alemannischen Gebiete wohl heutzutage noch hinübergreifen wird, ist schon in den ältesten Denkmalern dieser Dialekte zu belegen. Ich habe die Fälle hinten zusammengestellt. Höchstens 6 Fälle kann man demnach dem buirischen (iebiete als vollwichtige Pro- thesebelege anrechnen, wozu dann noch die nicht gleich- wertigen und nicht dem Dialekte eigentlich augehörenden Fälle an Fremdwörtern kommen: harre (arrha) kärnten, harne (ama) , hartschier (arciero) , h a c h e 1 n (achal) Osterr. (und hirch neben irch aus hireus?).

An dem aus der Betrachtung der zusammenhängenden Denkmäler gewonnenen Resultate können die altbairiscfi überlieferten G losseu belege nichts ändern. Sehen wir hier von h e 1 f a n t und dem auf S. 25 f. erledigten h u w o ab, so bringt die alamannischc Überlieferung in 51 Handschriften 160 Belege, die fränkische in 32 Hdss. 99 auf jede Hds. entfallen im Durchschnitt mehr als 3 Fälle; die buirische Überlieferung bringt in 31 vielfach umfangreichern Glossarien nur 59 Fälle noch nicht einmal 2 Fälle kommen also anf die Handschrift: die bairischen Schreiber haben auch hier der Prothese keinen Raum gegeben. Die Relege als bairischo Prothesefalle anzusehen das verbietet durchaus das Ver- halten der zusammenhängenden Denkmäler. Von keiner dieser Handschriften ist un vermischt bairischer Charakter bis jetzt nachgewiesen, meistens sind fränkische, in verschiedenen Fällen auch alemannische Vorlagen vorhanden gewesen, aus diesen sind die Formen mechanisch übernommen, nach den Verwandtschaftsverhältnissen der Glossengruppen und naeb den Analogien jedes einzelnen Falles hat man sie an jene Dialekte zu verteilen.

Mit voller Sicherheit oder doch wenigstens grosser Wahr- scheinlichkeit kann man dem Alamannischcn zusammen 44 Hdss. mit 175 Belegen, dem Fränkischen 44 Hdss. mit 167 Belegen und dem Niederdeutschen 5 Hdss. mit 12 Belegen zuteilen für die dialektische Fixierung der übrigen 350 Belege muss ich auf meine alphabetische Sammlung ver-

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weisen, wo ich die einzelnen Begriffe zu diesem Zwecke so übersichtlich wie möglich zu ordnen bemüht gewesen bin.

Die althochdeutschen Namen habe ich in diese Erörte- rungen nicht hineingezogen, ich durfte es nicht nach meinen Ausführungen auf S. 4 ff., denn ich wollte ja die deutsche und nicht die romanische Prothese darstellen; ich hätte es aber auch gar nicht durchführen können : schon darum nicht, weil viele mit h anlautende Namen besonders in den abge- kürzten Formen voealisch anlautenden Namen so ähnlich sind, dass «'s oft reine Willkür gewesen wäre, wenn ich hätte ent- scheiden wollen, ob echtes oder prothotisches h, oh Aphärese oder vokalischer Anlaut vorliege, (cf. F ö r s t e m a n n Namen- buchs. 1). So habe ich mich darauf beschränkt, in der alphabetischen Zusammenstellung einige Namen unter die übrigen Belege zu setzen sie sollen zeigen, dass auch in diesen Verhältnissen nicht alles auf .Rechnung des Komanischen geschrieben zu werden braucht, dass auch die deutsche Prothese ihren grossen Anteil an dieser gewaltigen Masse von Fällen haben kann dasselbe gilt auch von den flandrischen Pro- these wenigstens der mittleren Periode : nur darf man von mir keine Abgrenzung des Einflusses zwischen beiden Faktoren verlangen, eine solche wird hier wohl unmöglich bleiben.

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11.

DIE DEUTSCHE APHAERESE. A. IHR LAUTWERT.

Mein Verzeichnis der Aphärosefälle macht nach einer Seite hin keinen Anspruch auf Vollständigkeit : Aphärcse an hilft, halh und heit ist nicht aufgenommen, wo diese Worte in der Stellung zweiter schwachbetonter Compositions- teile vorkommen.

Die Fälle sind sehr zahlreich und stehen insofern ab- seits von der sonst vorkommenden Aphärese, als das wirk- liche Verstummen des h an dieser Wortstolle nicht gut au- gezweifelt werden kann. Das verbieten Fälle wie Leich- nam' und besonders der Übergang der Nachsilbe - heit zu -keit, die zuerst immer nach (üuttnralen schon in mhd. Zeit vorkommt. Zumal im Satzzusammenhänge? werden diese ganzen Silben infolge ihrer Toulosigkeit derartig herabgodrückt (Schult hei ss zu Schulz)-, dass ein so schwacher Laut wie das h mag es auch dem romanischen gegenüber fest erscheinen notwendig zuerst reduciert werden musste. Die Handschriften entsprechen also nur dem Thatbestande, wenn sie hier das h- Zeichen ab und zu unterdrücken. Die folgenden Fälle mögen zeigen, wie -haft durch die ganze

* Cf. Kluge, P. B. Btr. XIV, 885 ff. über die Bitdung der Formen kater, marder, ganter (genserich) etc. durch Zusammensetzung mit dem Bildungselemente -liaro, - h a « o.

" Zu Junker aus Jung-herr vgl. das aus Jungfrau Ähnlich reduciortc J u n g - f e r.

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ahd. Periode hindurch so behandelt ist, und wie sich bei -halb und -heit dieselbe Erscheinung im 12. Jahrhundert aus- breitet; die besten Handschriften liefern Belege dazu.

-haft: namaaftosto. samanafric. Pa. 174, 22. 180, 33. triuafte II. 8, 3 triuaftemo. III. 5, 2. unrachaft VI. 1, 2. deodrafte VI. 6, 2. X, 3, 1. lobafter XVII. 2, 1. lichanaftemu XIX. 9, 4.: Murb. Hymnen. redihaftlihaz. Carolsr. 10. 1. 33G, 10. mezaftotn. Oxon. J. 25. II. 766, IL eigenafto. Notkerkate- gor. I. 465, 6. erafti, redeafti Notker psalmen II. 123 2. 493, 9. hoptaften. Bened. Gl. u. B. III. dkm. 96 z. 70. redi- afto Otfrid P.II. 9. 92. scinaftin Tatian 91, 1. erafrlichcru Trier Oap. waraft. Brüssel. Matth.-gl. I. 716, 30. unrocaft Francf. Canon. II. 147, 78. keuoorafteme. Leipz. Canon. II. 143, 46. muazafto. Olm. 19450. Alcim. II. 1, 18. sama,,afta. Paris. Vergil. II. 706, 22. sehadeaftin Kother Palat. v. 537. cllentafte. Prag. II. Ernst, berinteftic. Trierer psalm. 143, 16. ernestachte Albanuslegende I, 11. warehte Frauenlob.

-halb: neuueder4ilvo. Paris. Vergil. II. 708, 45. bedint- albere. Srassburg. Naturgl. Ad. BI. I. 352. allentalben Tung- dal. Btr. XIII vv. 268. 275. 282. Prag. H. Ernst II, 1. Trier, ps. 113, 8. bedintalf. Wernh. Ndrh. 55, 13. anderalp Rolaudsl. Palat. 267, 31. sibintalp, uzzirtalp. Trudp. Ilohel. 20, 19. 57, 5. beidintalben. Griesh. Vtrld. 287.

-heit. selfedia. Merseb. gl. 33. chinteite. Olm. 22201. gl. I. 701, 66. boseith Voraucr Gebet. 377, 1. losait. Milst. Hochzeit 20, 23. christait. 8pec. eccl. 46. christeneit, wareide. Frauenlob. wareit 3 mal Wernh. v. Elmend. vv. 536 ff. wjireit Prag. H. Ernst, schalkeit. Reinh. Fuchs v. 207. trakait, ewi- kait, krankait, Wackern.: Goefis-Feldkirchn. Predigten.

Wie in diesen Fällen ist die Aphärese auch an 22 Num- mern meiner Sammlung, die dieselbe am zweiten schwach- betonten Compositionsteile zeigen , aufzufassen. Auch hier liegt wirkliche Verschweigung des Lautes sicher vor das h ist auch hier verdrängt durch den Schlusslaut des ersten starkbetonten Compositionsteiles : der End c o n s o n a n t ist unorganisch in den folgenden Anlaut geraten, der Endvocal ist mit dem hinter h stehenden Vocale zusammengeflossen, der Lautwert des schwachen Hauches ist geschwunden es

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sind Fälle wie zumiftii, u n g a h u r o , w i d o o p a , h o 1> o o - wo, e a 1 1 i g e r ; s i n i w u n , n o u l d a , unursu in i , nm- f 1 u t u s, hou r u «.

Auch wenn die zweite Compositionsstelle wirklich den Wortton trägt, kann Voealversehleifung und Verschmelzung und unorganische Silbentrennung ähnlich wirken und Formen nervi abringen wie : g e a f t o , g i e f t i d , k i a c t i r , g o a 1 1 , g e a 1 1 1) i s si , p i a i /, g i e i z o n t u g e o 1 a d e ; mit a b e n t o, ontabemo, intabeger, intebede, inteiz ete. In diesen (23) Fällen bietet. der schwache Ton der Vorsilbe die Veranlassung zu solchen unorganischen Verschiebungen, geilt i (Otfrid V.), gaizzu, geizze, k e 1 f e n t e ni o (Notkerps.) zeigen, dass die Versehleifung bis zur völligen (Kontraktion ge- deihen, und e n t ta b e n t, dass auch eine Art Assimilation ein- treten kann. Von den consonantischon Fällen stellt das weitaus grössto Oontingent die Vorsilbe mit- (ont-, int-), und diese ist ja auch in der That sehr geeignet zu solcher unorganischen Silbentrennung: das n genügt, um die unbetonte Vorsilbe zu schliessen , das t tritt gern zur folgenden hinüber, wie das die sehr zahlreichen Fälle bei hilft, halb, heit bezeugen. Indessen sind das doch immer bloss individuelle Eigenheiten - die 7 Correkturen beweisen, dass man dergleichen wohl einmal niederschrieb, sich aber darum noch durchaus nicht gewöhnte, solche Schreibungen für eorrekt zu halten.

In 113 Fällen haben wir Aphäreso am Wort an fange.

Erumbc, erwider und ebenso einige Fälle von er statt Herr sind die vereinzelten Vorläufer einer sich in den folgenden Jahrhunderten weit mächtiger entwickelnden Er- 8chcinung dort werden sie ihr*» Würdigung Huden. Wie hier sicher, ist Tonschwäche im Satzzusammenhänge wohl auch mit Ursache für die 6 Fälle von Aphaerese beim llülfsverbum haben.

Hier treten nun auch schon ähnlich wie der Wortzu- samnienhang verwirrend wirkende Sandhi-Erseheinungen her- vor. Der Endlaut des im Satze vorhergehenden Wortes wird in ähnlicher Weise wie der Endlaut des ersten Wortteiles unorganisch herüber gezogen k i u e r k o t a p e t a , k i p u - a z z i t a p e t entsprechen den Formen a n t a b e n t o , inteiz

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etc. , und : du ast den valand getan zeigt dieselbe Vcr- schleifung wie piaiz und gealt, in zius und zimile führt sie wieder zu vollständiger Coutraktion. Solche Zu- sammenschiebungen haben wir bei 40 Fällen aus zusammen- hängenden Deukmällern und einigen Glossen anzunehmen, in Fällen wie: zeiner albcn seiben, don als abes- luge, faterhcnti, den tuwern mantil arm in, d a t e n arte wale, vor der ei den, urdeile e 1 f a , t h e m o hc r e s t e n , t h a z e r z a , u f d c n o f , in o 1 e m fclisom, in clffa, bi ungres githuinge etc. Wie bei der Prothese der im Worte folgende Consonant, so ist hier der im Satze vorhergehende bedeutsam, es ist wohl kein Zufall, dass es auch hier so sehr häufig ein souorer Laut ist.

Solcher Auffassung und Erklärung widerstreben 58 Fälle : 2 im Satzanlaute steheude h e b e des Trudp. Hohenliedes und r>b* Glossen.

12 Glossen stammen aus den Altdeutschen Ge- sprächen, sie können für deutsche Aphärese nicht heran- gezogen werden; 7 andere Belege (uuale avuc = valc h a f u c, a 1 s p o u g d, o 1 b e r g o = h a 1 s b e r g a, e r m i s o h - then ~ harmisotun, eribethoon heribouchan, eriberclil hcribercIih,orohti horuohti (?), - urnite(ags?) sind vollständig verderbt, und sehr unsicher sind auch Fälle, wie usinari, ebine. Audere beruhen auf Wortvcrwechslungen : a g a n a und a g e n sind Coufusiouspro- oduktc aus M a s c. h a g a n (Dorn) und F e m. a g a n a (Stachel,) erd und erdi sind an er da, h er dorn an öra, ebich wohl an e w i g angelehnt, e i f f a 1 1 e r macht auch nicht den Ein- druck, als ob es rein durch lautliche Vorgänge aus h i e f f a 1 1 r a entstanden sei; der Fall [h]ouffo der einzige, wo Aphärese nachträglich geschaffen wäre beruht wohl auf der Flüchtigkeit des Verbesserers: es sollte jedenfalls auch das o noch radiert und ein Wort uffo oder dgl. hergestellt werden, wozu man Belege wie wituffina (strues) und das Verbum u f ö n vergleiche.

Es blieben als volle Aphäresefälle 27 Belege. h a 1 f - tron, harlefa, humbil, agil, anif, arphin, ant- haba, uochilichro, etan; e h n g e s t , a g a s t a 1 1 , a 1 b -

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g u r t i 1 1 a , amstra, artenhcwe, odcn, i m i 1 o t ; havca, hahp(!rga, hovarohter, h u n r i n e r , e i - dhRngelt, e i t i , uskinozza, overor, izzontoro, hebe, hcbe. Hier sind ja nun auch noch mancherlei Wortanklänge und Begriffsanlehnungen auffindbar, es soll aber auch dem einfachen rein zufälligen Schreibfehler sein Recht nicht verkümmert werden, die 10 Verbesserungen bei den 27 Fällen sprechen eindringlich genug für diese Auf- fassung.

Einmal (in ehngest) ist Aphärese durch nachträglich«» Schreibung des h corrigiert, eine ähnliche Korrektur zeigt der Vorauer A 1 exander bei e h 1 m s c a r t. -- Der (»eorgsleich hat diese sonderbare Schreibweise sogar durchgeführt: richtige Aphärese kommt hier nicht vor, an der richtigen Stelle im Anlaut steht h aber auch nur (»mal: 28 mal ist anlautendes h hinter den Vocal gestellt vielleicht wollte Wisulf, der von Orthographie keine Ahnung hatte, durch solche Umstellung die relative Schwäche des Lautes im Satzzusammenhange andeuten.

Nirgends ist nachzuweisen , dass jene Periode an die Stelle des anlautenden h den festen deutschen Voealeinsatz eingeführt hätte ; am W o r t e g e h a f t e t h a t d i e A p h a e - rese nie, auch bei haft und halb und Ii ei t nicht sie hat nur augenblicklich e Berechtigung, hat ihre Existenz nicht wie die Prothese loslösen können von den Bedingungen ihrer Entstehung: im Wort- und Satzzusammenhänge ist sie an die Tonverhältnisse gebunden und wird erzeugt durch Differenzen zwischen der phonetischen und der etymologischen Silbe, wo sie bei isolierten Wörtern wirklich vorkommt, hängt sie von allerlei Zufälligkeiten ab.

Die j ü n gere Apliärese ist nicht anders zu beurteilen sie ist weit seltener als die Prothese natürlich aueh hier: nur 50 Belege habe ich auftreiben können , darunter befinden sich noch dazu 17 Fremdwörter, bei denen von Apliärese ja doch eigentlich nicht die Bede sein kann : Die Formen sind eben ohne vollen Hauch uud ohne h-Zeichen übernommen und so dann ins Volk gedrungen. Dies gilt vollständig auch für Uhr, A b i t und ähnliche Wörter. Hätten dieselben

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ein volles deutsches h im Anlaute entwickelt, so würde man sie mit mindestens demselben Rechte zur Prothese stellen können , als darum , weil sie dies nicht gethan haben , zur Aphärese. Die „cimbrischen", neuflandrischen (und deutsch- russischen) Fälle hätte ich lieber ganz fortlassen sollen sie fallen den romanischen (rsp. slavischen) Einflüssen zur Last und haben für die deutsche Sprache keine selbständige Bedeutung.

Das gilt wohl auch für die Aphärese in den Handschriften brüggescher Schreiber des 14. Jahrhunderts. Hatte die mittel- flandrische Prothese vielleicht noch in vielen Fällen Zusammen- hang mit der deutschen und Hess solche Auflassung mindestens zu, so ist dieser Rückhalt für die flandrische Aphärese , wie wir sahen und sehen werden, nicht vorhanden hier haben romanische Einflüsse auf die Schreiber und auch auf die Mundart wohl schon eingewirkt. Wie gross damals der Ein- fliiss des Romanischen auf jene westlichen Grenzgebiete war, beweist am klarsten die ausgedehnte Anwendung der fran- zosischen Sprache in der Kanzlei Heinrichs von Luxem- burg1. Vielleicht is auch schon u n o r s a m i und a r p h i n in den Glossen von Cambrai, B o u 1 o g n e und' St. O m e r auf diese Rechnung zu setzen, auch für die „Altdeutschen Gespräche" bleibt es ja annehmbar, mit Grimm die- selben einem Deutschen von der Grenze zuzuschreiben die Aphärese darin bleibt darum doch undeutsch. Wie heute im Westflandrischen die romanische Aphärese um sich ge- griffen hat, zeigt De Bo's Westvlaamseh Iditicon. Bd. I. 895 heisst es: H, früher in den vlämischen Schulen aatse oder auch atse (!) genannt, wird vollkommen hörbar ge- haucht in Holland, Limburg und einem Teilt? von Brabant, bei den Westvlämingen dagegen gibt es weiter keine Aspiration als die, welche an und für sich nötig ist, um einen Vocal auszusprechen : ooren und hooron unterscheiden sich laut- lich nicht44 Man sieht, das deutsche h und der

feste deutsche Vocaleinsatz sind zum romanischen Spiritus L e n i s geworden.

1 Des (späteren) Kaisers Heinrich VII.

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Die wirklich rein deutschen Fälle von Aphärese im be- tonten Wortanlaute beruhen . soweit dieselben der Schrift angehören, wohl meist auf blosser SchroilieiHüchtigkeit, zu- weilen sind es „Hörfehler*, Wortverwechslungen wie of fe- il u n g e für h o ff e n u n g e , manchmal (haggers ey inrecht etc.) mag auch wieder unorganische Silbentrennung mit im Spiele sein

(h)ummel ist ein tonmalendes Wort, in dem eigentlich nur der dumpfe Vocal und der vibrierende Folgelauf nötig sind: Die übrigen Laute schwanken wie bei manchen ähn- lichen Gebilden - man vergleiche die bald voealisch bald mit h anlautenden Interjektionen.

Volle» Aphärese haben wir dagegen wohl bei (h)i in beere. Der Fall ist vereinzelt und besonders darum noch merkwürdig, weil wir ihn in so weit getrennten Dialekten, im Alemanu. Hess, und Wcstfäl. zugleich vorfinden was doch kein blosser Zufall sein kann. Sind aber ampe, u in Ii i und selbst im inerte wirklich aus hi in beere entstanden?

Dagegen tritt nun in den spateren Jahrhunderten) viel öfter als im Ahd. Aphärese ein am zweiten schwachbetonten Compositionsteile : Fällt; wie s c h u 1 1 e i z z e (schult.es, schulz), kilchof; flei schauer etc. sind ziemlich häufig in der Litteratur belegt, sanktioniert ist von der Schriftsprache, wie schon bemerkt, das Verstummen des h von -heit nach Gutturalen.

Auch im schwachbetonten Wortanfange 1 ist Aphärese in einigen Fällen allgemeiner geworden : bei her-, h i n - und dem titularen Herr. Hei diesen Worten kann man in- dess von blosser Aphärese des h doch eigentlich nicht mehr reden. Die ganzen Silben werden vielmehr infolge ihrer Tonlosigkeit im Satze so verschliffeu, dass nur der Endconso- uant erhalten bleibt, der allerdings meist noch silbische Natur bewahrt ; das ein e r a u s , e r a b , e r f ü r , e r z u ; enweg etc. ist nur der graphische Ausdruck dieser vocalischen Natur des r und u, sicher hat man schon in mhd. Dialekten raus und 'naus, 'runter und 'nunter gesprochen.

1 cf. Kaufmann Geach. d. «chwäb. Mundart. 8. 204.

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E r im Titel erscheint sehr häufig in den mittelalterlichen Urkunden; auch Luther sagt: „Glück zu, Er König!44 Dass auch hier von der ganzen Silbe mir ein vocalisches r übrig geblieben war, beweist die (nach ])icffenbnch-\Vülcker S. 660) in thüringischen Urkunden vorkommende Schreibung i r das i ist nur andere Form für das oben charakteri- sierte e. Noch heutzutage kann man vielfach „r Pastor44, „V Doktor44 hören.

Der ursprüngliche Sinn dieser verschluckten Titulatur geriet zeitweise so sehr in Vergessenheit, dass in Fällen, wo „der Begriff „Herr44 in mehr bedeutsamer Weise hervor- gehoben werden sollte, es üblich ward, das Wort herre, here in seiner vollen Form noch einmal zu setzen44. (F. Bech. Zeitz, prog. 1870. S. 22). Schliesslich lehnte sich das Wort- fragment an Titulaturen wie er bar, ersam an, und so kam die verlängerte Form e h r auf, die noch in dem „Ehren Pastor44 des vorigen Jahrhunderts zu Tage tritt.

Aphärese im vollbetonten Wortlaute ist also undeutsch ; wo sie in rein deutschen Quellen dennoch vorkommt, ist sie als Schreibfehler anzusehen oder höchstens als Folge indivi- dueller fehlerhafter Aussprache , die niemals den Anspruch erheben kann, in das Gesammtbild der deutschen Sprache aufgenommen zu werden, wozu die Prothese als dialek- tische Eigentümlichkeit durchaus berechtigt ist.

Das deutsche h hat seinen Hauchwert im Wortanlaute bei gewöhnlichem Tone voll bewahrt; wohl haben sich in dem geschilderten Entwicklungsgänge der Prothese neue Hauche bilden können, ein alter Hauch ist dagegen, auch wo er im Satzzusammenhange weicher werden musste, nur selteu in Gefahr geraten zu verstummen : auch in der schnellen Hede ist das deutsche h weit entfernt, mit dem romanischen Spiri- tus asper das gleiche Schicksal zu teilen, wenn es sich dem Lautwerte desselben auch wirklich nähert.

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B.

DIE VERBREITUNO DER DEUTSCH DN APHAERE8E.

Aphärese oder besser Synärese im W o r t i u n e r n und ebenso Aphärese am Anfange tonloser Wörter kommt zu allen Zeiten und in allen Dialekten vor, das hat die vorher- gehende Erörterung schon gezeigt. Ich kann hier davon ab- sehen und mich auf die 87 Fälle „schwerer" Aphärese (im vollbetonten Wortanfange die Altdeutscheu Gespräche ausgeschlossen ) beschränken.

24 Fälle sind von bairischen, 18 von alemannischen, 25 von fränkischen, 20 von niederdeutschen Schreibern überliefert.

Es scheint demnach, als ob zwischen den einzelnen Dia- lekten auch hier kein grosser Unterschied bestände, höchstens kann es auffallen, dnss die wenigen niederdeutschen Hand- schriften so stark vertreten sind.

6 bairischc, 5 alemannische, nur 3 niederdeutsche, nur 2 fränkische Fälle sind nachträglich beseitigt: das rückt die Erscheinung schon in ein anderes Licht.

Gehen wir nun vollends den Spuren des Fränkischen nach in der oberdeutschen Überlieferung, so finden wir, dass von den 67 hochdeutschen Belegen 54 fränkisch sind oder wenigstens auf eine fränkische Vorlage zurückgeführt werden können höchstens 13 Nummern blieben übrig als Belege für rein oberdeutsche Aphärese ; von ihnen stehen auch noch 5 Fälle in den nicht ganz sichern Keronischen Glossen, und

1 Fall in der Vorauer jüngern Judith ; 1 steht in der Münchener Beichte, 1 in Olm. 14395, 2 im Trudp. Hohenliede,

2 im Rheinauer Paulus, 1 in den Züricher Predigten. Von alamannischen Belegen zeigen fränkische Spuren 7 Fälle, von bairischen 10 Fälle; hochfränkisch sind 2, süd- und ober- fränkisch 5, mittelrränkiseh 30 Fälle.

Danach lässt sich sagen: Die Erscheinung ist in den oberdeutschen Dialekten sehr selten, häufiger im Fränkischen

sie wächst mit der Annäherung an die niederdeutsche Grenze. Bis dahin bleibt sie der Prothese gegenüber rela- tiv immer noch sehr gering, sie kommt derselben gleich in

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der "Wernher vom Niedeirhein-Handschrift, deren Schreiber hart an der Grenze, und im Florentiner Glossar, dessen Schreiber wohl schon jenseits der Grenze anzusetzen ist; sie überholt die Prothese - Erscheinung im altniederdeutschen Heliaud und einigen niederdeutschen Glossenhandschriften.

Es ist ja nun immerhin möglich, hierin ein Zeichen für grössere Empfindlichkeit und Schwäche des Hauchlautes im Altniederdeutschen und dem angrenzenden niederrheinischen Gebiete zu erblicken aber ich möchte diese Behauptung nicht wagen. Die Anzahl der Belege in den grossen Heliandhandschriften sind es zusammen nur 6 hierher gehörige ist doch allzu gering andere niederdeutsche Belege sind corrumpiert, und besonders die Wernher-Handschrift auch das Florentiner Glossar sind zu „gräulich44 überliefert, um <feste Stützen zu bieten. Der mittelniederdeutsche und neuuiederdeutsche Hauchlaut ist völlig intakt diese Unter- drückungen des altsächsischen h sind also wohl auch nicht mehr gewesen als Flüchtigkeiten oder höchstens individuelle Sprachfehler. Für das uiederfräukische Gebiet in seinem südlichen Teile wäre ja die Annahme wohl gestattet, dass dem im Mittelniederländischen so verwirrend hervortretenden romanischen Einflüsse eine gewisse Schwäche des Hauch- lautes schon entgegengekommen wäre aber auf die Ad. Gspr. und jene Glossen vom Cambrai, Boulogne u. St. Omer darf man sich nicht stützen und die altniederfränkischen Psalmen zeigen keinen einzigen „schweren44 Fall von Aphärese.

Die hochdeutschen Idiome des fränkischen Dialektes lassen erst recht keine solche Behauptung zu. Die Fälle sind von der Wernher-Hds. allein abgesehen denn doch viel zu selten selbst im mittelfränkischen Dialekte, um Schlüsse auf die Natur des Lautes zu gestatten. Im grossen König Rother, der doch sogar nahe an der Grenze abgefasst ist, sind nur 3 Fälle, im Rolandsliede , in der Vorauer Kaiser- chronik nur je 2 Fälle zu constatieren ; so umfangreiche

1 Hier auch der einzige Fall (h e i) eigentlicher Prothese vor vocalisohem Auslaut, (cf. S. 11). 8ind vielleicht flandrische Bezie- hungen anzunehmen?

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Denkmäler wie der Leydener Williram und die Trierer Psalmen bieten gar keine Belege.

Flüchtiger und unsicherer ist man im Niederdeutscheu und Fränkischen gewesen , das lässt sich wohl behaupten, und darum hat man vielleicht das Recht, die in gemischten fränkisch-oberdeutschen Handschriften vorkommenden Aphä- resefälle dem fränkischen Elemente zuzuschreiben aber die Erscheinung kommt ja auch in sicher rein oberdeutschen Quellen vor, und man hat keinen Grund, aus der grossem Flüchtigkeit der Schreiber ohne weiters auf eine Schwäche des mitteldeutschen h zu schliessen. Wie wäre wohl damit in Einklang zu bringen, dass sich im Fränkischen die Schrei- bung eh für h am läugsten hat erhalten können, und besonders damit, dass (nach Frommann Zs. VII S. 47.) im Krefelder (irenz- dialekte das h heutzutage noch einen Luutwert haben soll, der zwischou dem Hauche und der (iutturulspirnns die Mitte hält?

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DIE BELEGSTELLEN FÜR ALTDEUTSCHE PROTHESE

UND APHAERESE.

ÜBERSICHT NACH DEN DENKMÄLERN.

ALEMANNI8CHE DENKMÄLER.

1. Vocabular ium S. Galli. aaec. VIII. Sgall. 913.

P. 1. hahir (spicas). QF. III. gl. 72. 2. h e c h t (possessio), gl. 306.

2. S.Paul. XXV a/1. a. St. Blasien. Gl. zu Evang. Lucae. saec. VIII.

P. 1 . h a t o u u i (VIII). I. 1 732, 62.

2. hahtozofeoriu (LXXXIV). 735, 39.

3. hih (ego). 737, 13.

3. Gl. K. Keronisch es Glossar, saec. VIII. Sgall. 911.

P. P fona herostin (a Stirpe)

I. 21, 22.

2. herhaft (exorabilis).

137, 17.

3. unharmaherz (immi-

sericors). 183, 21.

4. herhaft (infolas) 199,

20.

5. altherda (omnis

terra). 208, 30.

A. 1. eiti (8exu). 31, 14. 2. inaldhet. 43, 26.

(adcliuus). ? usinari. 197, 2.

(ostiarius). 4. in olem felisom. 252, 32. (concauis saxis). ?oroh ti mosci. 255, 21. (eornipea).

1 Die röm. Ziffern I. II. vor den Belegzahlen bedeuten Band I oder II der Steinm.-Siever'schcn Glossen.

*iF . lxjx 4

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50

(L h«>ra (honorificat). 240. 29,

L halti (senium). 246, ILL

8, hocgo pugi (traniite) 256, 2.

IL habulinonsi (coudincncia). 258. 4.

4- K a. K e r o il C r 1. C a r o 1 s r. CXI. a. Reichenau, saeo. IX. I\ L arhaltet (vetula). L 5, A. L unolda (diabulus).

32. 30,

2. (iz hintirostin (de- ? analdi (iniit). 22S,

mum). 99, 6. 2.

•IL unmezhalt (grandis iL agana (sentes).

senex). 16L 31L 247, 9.

4, h analinet (incubat). 1 93, 18.

iL holdera sahu (quam obrem), 234, 25, - ob(a).

iL Murbacher Hymnen Oxon. Jun. 25, Raec. IX.

1\ L hantheizzom (votis). III. ^ L

2. hensti (gratiae). III. 3, &

3, heitar (venena). III. 5, 4. 4* hera (honor). YI. 4. iL herda (terra). VII. 8, 3. IL hafter (post). VIII. L ~ L hehtim (praodiis). VIII. L

8, hupilo (male-). VIII. 9, 2.

9, hantreiti (ordine). XI. 3, L HL harcheban (redditum). XII. 2j 4. LL haban d sterre (vespero). XIV. 2, L

12, hantreiti (ordinem). XIV. 2j 4-

13. harbeiti (labores). XIV. 3, iL L4. huus (nobis). XVII. 3, L UL zahaban de (ad vesperum). XVIII. 1_, 2. 11L harstantit (surgit). XIX. 3, 4. LL hostrun abaud. XXI. 3, L liL hostarlicheru. XXI. 7^ 2. liL hentriskes (antiqui). XXIV. 9, L

IL Ja. Oxon. Jun. 2iL Glossen zu Bibel u. Passioue8 naec. IX.

L 315, iÜL Genesis.

IM. L luzzil hahtonter (parvi pendeus). (8-N. 174).

51

2. gahotagoter (locupletatus). (174). 315, 39.

3. arhaughit ist (promulgatur). (178.) 364, 25. Numeri.

4. habui (averaio). (181). 543, 5.

5. habucr (veraipellia). (181). 543, 28. Parabola.

6. habui (versutia). (189). ?

7. he altiger (religiosus). (189). 587, 25. Eeclesiast.

8. hatunga (inaectatio). (189). 587, 19.

9. in healtidu (in religione). (189). 587, 52.

10. hili (atudeat). (193). ?

11. helahun (tragelafum). (184). n. 742, 7. Pass. Barth. A. 1. healtiger (religioaua). (189). I. 587, 25. Eoclesiast.

2. in healtidu (in religione). (189). 587, 52.

3. eidhangelt (aacrilegium. (183). II. 766, 23.

Pass. Thom.

7. Ib. Oxon. Jim. 25 Alphabet. G 1. u. Gl. zu Gregor.

aaec. IX.

Alphabet Gl.

P. 1. kihabuhter (depravatua). (ß-N. 202). I. 277, 44.

2. [h]armote (egeatate). (?) 278, 52.

3. hahaala (humorua). (208). 280, 65.

? h a n t mazzistun Oimpidissimi). (212). 283,* 59.

5. hefihauna (obatetrix). (215). 285, 49.

6. harauahti (probaret). (219). 287, 45.

7. h u b a r fahenti (prevaricana). (220). 287, 69.

8. her da. herd. (aolum) (225). 291, 13.

? heimatrir. liutpaga (aeditio). (227). 292, 11.

10. h irrer (vagua). (231). 294, 36.

11. huhaldi (divexum). (203). II. 260, 16. Gre*. dial.

12. huruuafani (inhermia). (211). 316, 9. Greg, homil.

13. hunpuakkhic (idiota). (211). 316, 21.

14. heimatriti (pervicax). (222). 317, 22.

8. Rd. Carolsr. 10. a. Reieheuau. Alphabet. Gl. u. Gl. zu

Gregor, aaec. IX.

Alphab. Gl.

P. 1. hambaht (emiaaariia. miniatria). I. 279. anm. 2. ? h a n tmazziatun (limpidiaaimi). 283, 59.

3. hefihauna (obatetrix). 285, 49.

4. herda erd. (aolum). 291, 13.

4*

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- 52

? heim strit. liutpaga (seditio). 292, 11.

6. h i r r e r (vagus). 294, 36.

7. h i o kauuedarero (utrique). II. 808, 51. Greg, homil.

8. [h]unpuachik (idiota). 316, 21.

A. 1. uskinozza (domestici). i. 277, 62. Alphab. Ol.

2. ouarohter. (gyppus). 280, 48.

3. herda. erd. (solum). 291, 13.

9. T e. Oxon. Ju n. 25. ((} 1. zuCo d. h o in i l.) s a e c. IX.

T. 1. herhaft. uuih. (pius). 8-N. 245.

2. pitoilet hilit (privat). 245.

3. h e halto (pontifex). 245.

4. harmanti (rapidus). 248.

10. Rz. Carolsr. IC. a. Reichenau. Gl. zur Bibel.

saec. IX.

IM. hiru (sibi). I. 335. 16. Exodu«.

2. tatut h i r (fecistis). 335, 23.

3. h i c (ego). 335, 55.

b

4. ki a r i n d a t (exasperaveritis). 410, 34. Judicum.

5. hiuuarcr a (uestro). 425, 8. Re^um.

6. 8uli lujrino (columna* ercus). 447, 15.

7. nieri horiran (inare oreinn). 458, 55.

8. anahilton (inhiabant). 493, 31. Esther.

9. h u t mahiliin (dilic-iis). 493, 34.

10. hauuer:f (abortivum). 510, 1. Job.

11. in feter h eri b u m (in paternis). 585, 68. Eccle*. A. 1. (tyrfahga (ligones . . . .) 678, 1. Michea.

11. Benedictinerregel. Sgall. 916. saec. anf. IX.

I\ 1. hubilan (maluin). A. l....orreu. 118.4. Hatt. I. 55, 3. (obedire).

2. h a c h u s t i in (vitiis). 57. vorl. z.

3. ke h a u c k e n (demonstrare). 57, 1. z.

4. mitheru (cum honore). 61, 3 v. u.

5. in h eri st (imprimis [horis]. 67, 14.

6. h e i k i n i n (proprii). 112, 5 v. u.

12. P s a 1 m e n v e r s i o n a. SG allen. Dillingen-Münchnerfrgni.

SiU'V. IX.

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P. 1. h e 1 i diota (alienigena). A. 1 . oll a (in fern i) 1 14, 107, 9. 3.

2. hiuuuih (vos). 113, 14.

3. hiuuuih (vos). 113, 14.

4. /* i u u u e r i u (vestros). 113, 14.

5. herda (terram). 123, 7.

6. her (ipso). 129, 8.

13. Christus u. die Samariter in. Wien-Lorscher Hds.

saec. X.

P. 1. her (prius). Dkm«. 10. v. 26. 2. [h] e n i n (unum) v. 27.

14. Sgall. 183. Gl. zu Cassianus. auf. saoe. IX.

P. 1 uuio halto (quam olim). gl. II. 155, 32.

15. Carolsr. Aug. CCXVII. a. Reichenau, öl. zu Sodu-

lius. saec. IX. P. A. 1. heialtlihia (religiosa). gl. II. 620, 52.

16. Carolsr. Aug. CCXX a. Reichenau. Gl. z. Gregor.

c. pastor. saec. IX. P. 1. hilet (adtendit). ir. 233, 38. 2. huobare (colonus). 233, 47.

17. Sgall. 216. Gl. zu Gregor, cura pastoralis. saec. IX.

P. 1. hobit (exor(c)it. n. 243, 41. 2. hilint (moliuntur). 243, 42.

18. Sgall. 218. Gl. zu Gregor, cura pastoralis. saec. X.

IM. hist (existit). n. 243, 33.

10. Turic. (Rhonov. 35). Gl. zu Gregor, cur. past. saec. IX/X.

P. 1. hahtont (iusecuntur). Ii. 240, 10.

A. oucror. (gibbus). II. 237, 24.

20. C h o 1 1 e n h a m. 18908. Gl. zu Gregor, dial. saec. IX.

P. 1. hufortson (supinum). 11.248, 11.

2. h ah ton. (insoctati sunt). 248, 14.

3. h e t i c (idoneus). 248, 47.

4. halda h u a haldi (clivum) 249, 21.

21. Sgall. 283. Gl. zur Bibel, saec. IX.

P. 1. heia ho (tragolaphus). I. 366, 9. doutoronnm.

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22. Sgall. 9. Ol. zur Bibel, saec. IX X.

P. 1. helaho (tragelafum). i. 367, 13. deuteronom. (23. Sgall. 1305. (»1. zur Bibel, saec. IX.

A 1? auarah. (gurgustium.) i. 507. 28. j0b. 24. Mon herein. 127. Ol. zur Bibel, saec?

A. 1. unibanga. (cortinej. I. 329, 58. Exod. 25 Sgall. 299. Verschiedenes, saec. IX 'X.

P. 1. hirofolgarun (pedissequas eins). 1.488. 28. Esther. 2. he bah (ederam). I. G76, 1. Jonas. ? hantprahti (contractu). II. 99. Canon. ? heinstrit (seditiones). II. 204, 24. Greg. Homil. 5. haruiz (pisa). Hatt. I. 289. Natu rgeaeh ich H. OL

26. Carolsr. Aug. (XXXV. Ol. zur Bibel, saec. X.

P. ? hepuhen (siniias) zu abuh? I. 430, 40. Regum.

2. h i ru folgarun (pedissequas eins). 488, 29. Esther.

3. he bah (hederam). 070, 1. Jona«.

27. Stuttg. thcol. et phil. 218. a. Zwiefalten, gl. zur

Bibel, saec. XI.

P. 1. heia ho (tragelaphuw). i. 307. 13. Deuteron.

? he buh en al. äffen (simias). 430. 40. Regum.

3. hileut (operam detis). 774. 10. Thessalon.

28. Pauli XXV d.82. a. S. Blasien (?). Ol. zu Bibel

u. Oreg. c. past. saec. X. P. 1. huafftaftiu(pitaciis modicis iwiolis). I. 370,8. Josua.

2. hirforscont (conprobent). 370, 20.

3. in h e r d a (in saltuin). 393. 2. Judicum.

4. ? durc huzlettida (delaturam). 502, 47. Eoclesiast

5. [hjirrinnit (generatur). n. 202, 50. Greg. c. p.

0. mit h a b i c h e ni o (aversa[hastal). 200, 0.

29. Turic. (Rhcnov. 00.). gl. zur Bibel saec. XI.

1 . h o c h i s a n (ascellas). i. 340, 1 4, Leviticus.

2. h o c h c a 1 u e r (recalvaster). 349, 49.

3. hbgasal (albugo). 351, 48.

4. hört (angulos) 301, 13. Numeri.

5. hirgaccizon (niutire). 379, 4. Josua.

A. 1. kiactir (pcrcussus) 301, 30. Numeri.

30. 8 tut tg. herm. 26. a. Weingarten. Ol. zur Bibel.

saec. XII.

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P. 1. huberlith (opcrculum). I. 361, 22. Numeri.

A. l.kiachter (percussus). 861, 31. Numeri. 2. h al s pe rga (lorica . . ) 401, 10. Judicum.

31. Angelomont. a. S. Blasien. Bibelgl. saec. XI.

P. 1. huf (desursum). I. 517, 18. Psalmen. A. 1. indirscrenchiger. (vcrsipellis). 533, 37. Parabola.

32. Carolsr. Aug. CLXXVI1I. a. Reichenau. Bibel-

glossen. saec. XL P. 1. aft huns (post nos). i. 713, 71, Et. Matth.

33. Selestad. Abschrift Murbacher (?) Glossen lOJhdts.

saec. XII.

P. 1. umbc hatttage (ferc dis octo) I. 727,32. Luoae. A. 1 . antabcntu. (longo ageutc). I. 727, 27. Lueae.

2. einzugilcr (idiota). 727, 35.

3. gchilt (aspirat. fauet). II. 39, 11. Arator.

4. kihohtikoten (preditis). 214, 58. Greg. o. p.

5. heim strit (scditioncs). 264, 24. Greg, horaü.

6. enkekinh ufstonte (assurrexerint). 675, 19. VergiL

7. wassiu h i s (aspera glacies). 675, 44.

8. mer h e [ht] (prerogativa). 682, 55.

9. hisili (postliminio). 737, 6. Vita Malchi.

10. hoheT(auunculus). Zs. V.355,8. Naturgesohiohtl. Gl.

11. hohsinari (bubulcus). 355, 57.

12. ? h o h i 1 a r i (occipium). 356, 3. (für (h)uochalwari ?

13. hohsinari (bubulcus). 358, 3.

34. Brit. Mus. add. mscr. 19723. a. Ottobeuren (?). Gl. zu

J u v e n c u s. saec. X. P. 1. zuohilinta (ruentes). Germ. XXXII. S. 354*.

35. Vadian. 336 n. S. Gallen. Gl. zu. Arator. saec. X.

P. I. hebenaltcro (coevo) II. 36, 11.

36. T u r i c. c. 1 64. Gl. zu 1* r u d c u t i u s. saec. IX X.

P. 1. firhksklkt xxbd. (firhisilit uuard) (oxulat). II. 579,

33.

37. Prag. VIII. 11. 4. Ol. zu Prudeutius. saec. IX/X.

P. 1 . helitentuo m o (postliminio). H. 406. 50. (für h-elilent-tuomo (?) cf. ihsili).

38. S g a 1 1. 134. ( rl. zu P r u d c n t i u s. aaec. X.

P. 1. hie m er (in aevum). II. 487, 1.

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2. h u haldigun (summissum). 488, 13.

3. h o b i n tinga («umina). 488, 48.

39. Mon. horem. 316. Gl. zu Prudentius. saec. X.

P. 1. umbc h »i t Ii 1 i c h i u (inseia). Ii. 502, 5. 2. heribo (heres). 513, 30.

40. Bcru. 264. Ol. zu Prudentius. saec. X.

P. 1 h b r b m b (arania) (privates). Ii. 527. 45.

41. Pari 8. n. a e q. 241. a. Augsburg. Ol. z. P ru d e n t. saec. X.

P. 1. hehir (agris). II. 473, 28.

42. C 1 ni. 14395 a. S. !•" in in eram- Augs bürg. Ol. zu P r u d e n t.

saec.

P. 1. deantahis (tepcns glacies). II. 444, 68. 2. h c b i r (agris). 473, 28.

A. l.izzontero. 11.416. 1. (estuante).

43. C 1 m. 18922 a. Tegernsee. Ol. zu P r u d e n t i u s. saec. X.

P. 1. hebruclichan hen (legirupis). n. 477, 5.

44. V i n d o b. 247. Ol. zu Prudentius. saec. XI.

P. 1. bah zu sera (pro pudor). n. 399, 33.

45. A p p o n y i. Pressburg-Augsburg. Ol. zu Prüden t. saec.

x/xi.

P. 1. herlekanaz (residem [ovem]). Ii. 539, 28.

2. hopferhus (sacellum). 543, 21.

3. heigit (veudieat). 546, 20.

46. Augsburger I neu na bei. Ol. Salomonis. saec. ?

P. 1. vil h i r re r (multivagus). Hoff. Ahd.UI. 50, 23.

47. Sgall. 242. Naturgeschic htl. Ol. saec. X/XI.

P. 1 herda (terra). Haiti. 296«. 2. hohasa (ascella). 299*.

A. ? abageiz (de tipulla) 279\ (8t-S. setzen

ahageiz in den Text).

48. Angelomout. 14/11. Na t u rgesc h i c Ii 1 1. Ol. a. St.

Blasien, saec. XII. P. 1 hancho (butirum). Germ. XVIII. 48.

49. Prag-Lobkowitz a. Weissenau. Naturgusehichtl.

01. saec. X. u. XI.

P. 1. haic (quercus). Ad. Bl. 211.

2. hasc (braxinus). 211.

3. h a r 1 e z b o m (cornus). 211.

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57

4. ebah al. hcbchuuoi (edera). z». III. 472.

5. helbez (olor). 475.

50. Prag. Mus. Gl. Salomonis. saec. XII.

P. 1. he Ina (ulnus) Graff. I. 249.

51. Clm. 17152. Gl. Salomonis. saec. XII.

P. 1. hei oho (alx). diut. III. 263. 2. heim (ulnus). Graff. I. 249.

cf. der b6m h o 1 m. Graff. IV. 926 zu ?

52. NoltesFragment. Naturgeschichtl. Gl. saec. XI.

P. 1. heloho (alx). Germ. XX. 149. 2. haspa (tremulus). 150.

53. Berolin. mscr. lat. 4°. 25. Gl. zu Vergil. saec. XI.

P. 1. heich (aesculus). I. 721, 1. 2. herilun (alni). 721, 15.

54. Zwetl. Gl. Salomonis. saec. XI/XII.

A. 1 . zuoflut u s (asylum). Hoff. Ahd. Gl. 55, 9.

55. Bern. 722, 1. Naturgeschichtl. Gl. saec. XII. Copie

X XI saec.

P. 1. h e i t e r nezila (greganega). Germ. Stud. II. 261.

56. Turic. 58. Naturgeschichtl. Gl. saec. XII.

P. 1. hasenhore (didimo). diut. II. 176. 2. heiternezzel (urtica germanica). 276.

57. Heidelberg. Summarium Heinrich saec. XII. 57». (II e i d e 1 b e r g-Salmansweiler. Sum. Hoinr. saec. XI II).

P. 1. hebirwrz (cardopana). Germ. XIX, 216 (Mone

4, 95. 16).

2. heringriez (alictum). Germ. XIX, 216 (Mone

4. 96. 63).

3. heittirnezzili (urtica germanica). Germ. XIX. 216.

58. G eorgsleich. Cod. Palatin. saec. X/XI.

Kegelrecht steht v o c a 1 i s c h e r Anlaut in 61 Fällen. Eigentliche Prothese liegt vor in 9 Fällen. P. huuszieen 24. uhff h e rstuont. 26. 32. 33. 41.

her 33. 27; 40. er 50. uhffherstan. 32». Unorganisch ist h hinter vocal. Anlaut gestellt in 21 Fällen:

zz. 8. 13. 20. 20. 24. 24. 24». 26. 30. 31. 32. 33. 32b. 41. 43. 44. 46. 52. 53. 56/ 56.

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:>s -

Flegel rocht im Anlaut steht h in 6 Fällen : zz. 3. 19 36. 32 \ 45. 45.

Eigentliche A p h ä r c s e kommt nicht vor. Anlautendes h ist hinter den folgenden Vocal gestellt in 28 Fällen: zz. 1. 5. 8. 9. 9. 18. 22. 24. 24. etc.

59. Ezzos Lei eh. Strassburgor Ilds. saec. XI.

P. 1 . hei na v. 1 .

60. Der «ältere Physiologus. Wiener Hds. sacc. XI.

P. 1. hcz. dkm1 32. cap. 9.

2. heissci. cap. 12.

3. h ost e rl i h e hu n. cap. 12.

61. Sgall. 232. Glaube und Beichte I. saee. XI.

P. hich 17 mal. Hatt. I. 8. 329. zz. 1. 5. 9. 12. 13. 13.

14. 15. 16. 17. 23. 25. 28. 31. 38. 39. 43.

18. hie z. 12. (überflüssig vor hich stehend).

pittich z. 18: das einzige ich im Denkmale.

19. hio z. 5.

20. h i u z. 25. dat. pl. II. p.

21. h i ue ro z. 30. anm. 1.

62. Sgall. 1394. Glaube und Beichte II. saec. XI.

P. 1. hio. Hatt. I. 327b.

4. hie 3 mal. 327b. 328*. 328b.

63. Notker. Cod. A. Sgall. 825. saec. X./Xl.

P. 1. h u u u e n unde h ü uucl a. Piper. I. 262, 1 1. Boeth. 2. sin h O h S o. 384, 4. Categorien.

A. ? kote k e 1 f e n t e m o. 228. 15. Boethiu«. A.P ureizgoucha. Graff. IV. 1089.

64. Notker. Tod. B. Sgall. 818. saec. XI.

P. I. sin [h] o h so. Piper 1.384, 4. Categorien.

65. Notker. Cod. J. Sgall. 872. sacc. XI. Maroian. Cap.

P. ? hertinga („heroes i. e. terrigenac44). Piper. I. 822. 12. sonst erdcote für heroes (cf. 822, 9).

66. Notkor. Cod. D. Turic. 121 a. Sgallen. saec. XI.

P. 1. herista. Piper I. 604, 31. (in Aufzählung). Syllo- gismen.

2. der hebergat. 673, 28. Rhetorik.

67. Not kor. Cod. G. Bruxoll. 8742. saec. XI/XII.

P. 1. der hoher gat. Pipor 1.673, 28. Rhetorik.

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68. Notker. Cod. L. Lipsian. Paulin. 1489. saec. XI. (?)

P. 1. [h] a h t o u u i u. Piper I. 858, 24. Musica.

69. Notker. Cod. R. Sgall. 21. a Einsiedeln saec. XII.

P. 1. er „aus h corrigiert". Piper II. 10, 17. Psalmen.

2. daz [hjunrehr. 20, 4.

3. he igen. 52, 28.

4. houene (camino). gl. 67, 3.

5. ze hübe ne heigin. 122, 13.

6. fertiligot heigin. 122, 15.

7. getän heigin. 122, 18.

8. ferslunden heigin. 122, 20.

9. can herben (coheredes). gl. 131, 7.

10. haftcr. 134, 22.

11. uuir noh ne heigin. 198, 4.

12. in haben t. 209, 18.

13. iro hören. 219, 7.

14. fiahflclG. 227, 26.

15. an mir heigin t. 393, 3.

16. den huuucnalde diehiüuuelun. 421, 24.

17. potin hora (apostolatum). 470, 9.

18. (ubefh?] er („Rasur nach ubett). 504, 18.

19. neheina fuora ne heigin. 599, 12.

70. W i 1 1 i r a ms Paraphr. d. Hohenliedes. Cod O aus.

Einsiedeln, saec. XII. P. 1. he igen. Seemüller. 95, 3. 2. h6in. 102, 2.

71. Rheinauer Paulus- II ds. saec. XII.

P. 1. glüginden bovine, v. 7. A. di<? vereislichon izzo 2. hichzs. III. 518 f. v. 22. v. 3.

2. du in isze ulsten.v. 39.

72. Libcr con f ratern i tat u m. Aug. (saec. XII.)

P. 1. unde hirbröder. Piper. II. 677, 21.

73. Bas ler A 1 c x a n d e r 1 i e d. Abschrift, saec. XIII.

P. 1. her (pronomen). Werner, v. 2900.

74. Predigten des Cod. Turic. a. Schaffhausen. saec. XII.

Wackern. I-XIII. P. 1. daz frone h o s t i r lamp. II, 1 4. A. 1 . z i m i 1 e. III.

2. h i u w e t e (= iowihte) 11,41. 116.

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3. herbe in der himilisgen heimuto. IN. 110.

4. himel aide herde. IX, 2.

5. ze eineme h o s t e r tage. X, 36.

6. niuwe hosteran. X, 47.

7. hunsereme herren. XI, 23.

8. gehört in himile. XIII, 5.

9. hüte loben unde heren. XIII, 11. 10. himil unde herde. XIII, 25.

75. Predigten der Engel berger Hds. saec. XII.

Wackern.

V.l. 2. hich geloube hie d. heiige. LXX1II, 1-1.

3. hich gl. u. b. d. heiigen. LXXJII, 15.

4. hubele hellewark. LXXIV, 53.

5. hic. LXXIV, 60. 7f>. Predigten aus Muri. saec. XII.

Wackern.

I\ 1. himil unde die herde a. d. haut hast. LXXVl, 24. 2. ir hör. LXXX, 9.

77. Rein hart Fuchs Heinr. d. Gl. Kasseler Hds. saec. XII.

P. 1. lieht (cht, eecorodo). v. S14.

78. Trudpert er Hohelied. Vindob.

2719. saec. XII.

Haupt.

P. la.b. huubethiuch. 6,26. A. "Ehe uf 13,7. 2. in derhoberosten. 12. 2. 2. o b e uf 13,0. ;i. in ire harmichait.46,24. 3. intabin 29.2.

4. wir uns uoben 53, 10. 4. enttabeut. 72.9.

5. von herst. 72,26. 5. ontebede 105,6.

6. nachderhuffcrte.S7, 21. 6. entabeme 133, 19.

79. W e i n g a r t n e r R e i s e s e g e n. saec. XII .

P. 1. 2. hin dir dir unde hobi dir. dkm*. 4, 8. z. 6.

80. W e r n h e r s M a r i e n 1 e b e n. Augsburger Frgm. saec.

XII/XIII.

P. 1. He daz sie. Germ. VII. 305 ff. z. 523 (317). 2. daz sie qn h ä z noch . . . z. 585 (384).

BAIRI8CHE DENKMÄLER.

1. Pa. Keron. VA. Cod. Paris 7640. saec. VIII. P. 1. haera (honorem) I. 16, 8.

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2. foiia haerostin (a stirpe). 20, 22.

3. haerhaft (exorabilis). 136, 17.

4. her da. (terra) 168, 5.

A. 1. mi g aizzu (adsponsione). 10, 24.

2. pib a i z (promi88Us).

3. pikaltida (custodias).

96, 33. 122, 5.

2. R. Hraban. Gl. Cod. Vindob. 162. saec. IX.

P.? rehtige (dites). I. 101. 39.

3. Olm. 18550 a. Tegernsee. Gl. zu Gregor, c. p. saec. Till.

P. ? h i t uuiza (probrose). n. 220, 54.

2. epano kihereter (consenior). 222, 32.

4. Clm. 6277. a. Freysing. Gl. zu Gregor, c. p. saec. VIII/Xl.

P. 1. baten ta (insequuntur). II. 170, 55.

2. hatamas (insequamur). 175, 22.

3. hattit (insequitur). 175, 64.

4. cihatinne (insequenda). 176, 60.

5. Evang. Matthaei. Monsee-Wicner Fragment, saec. IX.

P. 1. habetgauualtinherdhu.frgm. theot.«. 1, 18.

2. in ha er da hreuue. V, 2.

3. dar her da ni hapta. VI, 7.

4. huuauta h a e r d a . . . haptun. VI, 8.

5. in guota haerda. VII, 19.

6. Freysinger Paternoster ß. ß aus. Emmeram, saec. IX.

P. 1. den halmahtigun truhtiu. z. 20. 2. der halmahtigo truhtin. z. 28.

7. Muspilli a. Emmeram, saec. IX.

P. 1. sia hauar kihalont. dkm*. 3. z. 11.

2. helias . . . pi den houigon lip. v. 41.

3. dar man dar h e o mit . v. (10.

4. dia man dar h i o sageta. v. 78.

5. scal imo hauar sin lip . v. 82.

6. dar ni is heo so listic man. v. 94.

7. der dar h i a u u i h t arlingan. v. 94. A. 1. kiuerkot"hapeta'. v. 36.

2. kipuazzit a p e t. v. 99.

8. Clm. 19410. a. Emmeram gl. z. Isidor de officiis. saec. IX.

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62 -

P. 1. cahereta (coronavit). Ii. 343. 19.

9, Olm. 14747. a. Emmeram Ol. zu Hierou. in Matth, u. vit. ptr. saec. X cop. P. 1. huohaldi (proclivius). H. 829. 74. 2. herhafti (verecundia) 733. 34.

10. Clm. 18375. a. Tegernsee. Gl. zu Priscian. institut.

saec. IX.

P. 1. helmbüum (ulmus) n. 368, 14.

11. Clm. 19417. a. Tegernsee. Ol. zu Canoues. saec. IX.

P. 1. kaheiscoteru (contractu), n. 99, 1 5.

12. C Im. 6375. a. Freysing Gl. zu Rufinhist. eccl.saec. IX.

P. 1. hilta (operam dederat). Ii. 607, 4.

13. Clm. 6325. a. Frey sing Ol. zu I s i d o r de offieiis. saec. IX.

P. 1. hihtial. ampahtes (professionis). n. 344, 20.

14. Clm. 6225. a. Freysing. Gl. zu Hiob. saec. IX.

P. 1. uuonna hiruste(ti) (de loco suo) H. 502, 11.

15. Clm. 17403 a. Tegernsee. Ol. zur Bibel, saec. X.

P. 1. gimesthol,s en (boves pingues). I. 433,26. Regura. ? 2. oug Ii a p h e 1 (pupillam). 685, 30. Zacharia.

A. ? arch (sagma). 350, 40. Levitioua.

2. aven (olla). 518, 16. Psalmen.

3. ebicli (gravis). 659, 34. Daniol. 4. unriner (gallinaceus). 605, 1 1. Esaia.

16. V i n d o b. 2732. a. Salzburg. Ol. zur B i b e 1. saoe. X.

P. 1. wissactuomlih ha tarn (spiritus).l. 351. 30. Leviticus.

2. mest Ii o s u n t (boves pingues). 433. 26. Rcgum.

3. her es (amplifices). 579. 41. Eccleaiaat.

17. S. Florian. III. 222 B. Gl. zu Gregor cur. p. u. Canones.

saec. X.

P. 1. christanhera reverentiam). iL 224, 28. Gregor. 2. ? [h?]eiginun (fundis). II. 116.59. Canones.

18. Vindob. 969. Gl. zu AI dh clm d.i. virgiu. saec. X.

P. 1. hergab (tradidit). Ii. 21, 13. 2. h u p h (sursum). 22, 5.

19. C 1 m. 23486. Gl. zu A 1 d h e 1 m d. 1. virgin. saec. X.

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03

P. 1. heinhenti (mancubium). II. 19, 56. 2. heito (pirarum, ignium). 19, 74.

20. Olm. 14407 a. Emmeram. Gl. zu Canon es. saec. X.

P. 1. uzzariro heigine (per emancipationem). n. 103, 49. (geheiscotoro Graff 1. 496 z. Can 8. in St-S. nicht belegt).

A. 1. ungahuro (portentuose). 101, 57.

21. Clin. 14754 a. Emmeram, a) Gl. zur Bibel, saec. IX/X.

P. 1. after huntor (post meridiem). I. 302, 15. Genesi*.

2. h e r d f i u r (sulphur). 302, 32.

b) Onomast. Gl. saec.? P. 1. hassala. Graff I. 140.

2. helina. 239.

22. Clm. 13079. Gl. zu Ambros. hexam. saec. XII (?).

1. P. haiche (ilices). iL 24, 9.

23. Clm. 14117. a. Emmeram. Gl. zu Ambros. s. Lucam.

saec. X/XI. P. 1. heih (ilicem). Ii. 25, 4.

24. Otlohs Gebet, a. Emmeram. Autogramm (?) saec. XI.

P. 1. [h]era Dkm*. 83. z. 45. 2. superstes h after iro. z. 68.

25. Yindob. 301. Gl. zu Canon es. saec. XI.

P. 1. hintinuu <>rdu n t (spernunt). n. 116, 15. A.(l. untarstanton (insumant). 109, 59.)

2. erepazari (mediocritntis). 122, 23.

26. Clm. 18140. a. Tegernsees, saec. XI. Gl. z. Bibel, u.

C a n o n e s.

P. Ii a s t a 1 o h t e n (scorpiis). I. 439. 39. Regum.

2. hirrituom (veueua). II. 127. 8. Canon.

27. Clm. 19440 a. Tegernsee, saec. XI/XII. Gl. zu Canon es.

P. 1. hehto (rerum). II. 99. 37. Canon.

2. hirrituom (venena). II. 127. 8.

28. Clm. 18059 a. Tegernsee. Gl. zu Yergi 1. saec. XI.

A. 1. amstra i. angnr (gurgulio). Ii. 627. 55.

29. Vindob. 261. Gl. zu Alcimus Avitus. saec. XI.

P. 1. nihilti (non occurrerit). n. 4, 21.

30. Admont. 269. Naturgesch i ch tl. Gl. saec. XI.

P. 1. h eich in er (queruus). z». III. S. 378.

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31. Vindob. 1757 (rec. 3355). Gl. zu Geräten, saec. XL

P. 1. heimpar (situla). diut. nL S. 405.

32. Innspruck. 711. Naturgeschichtl. Gl. aaec. XI/XII.

P. 1. hechelstein (acirum). Mone VII. 599, 70.

Vorauer Handschrift, saec. XII.

33. Kaiserchronik.

Diemer.

P. 1. mit hichte. 37. 14. A. 1. sie bevolhen im

2. werltlich here. 174. 18. di er. 8, 13.

3. her s am. 471. 32. 2. ehlmscart.

4. her s am. 524. 16. 160, 19.

5. wer(l)tliche here. 526. 25.

6. gotes here. 526. 32.

7. in grozzen heren. 527, 13.

8. desriches hdre. 527, 21.

34. Summa Theologiae.

P. 1. herzin dum. 95, 14.

2. herrin. 95, 18.

35. Jüngere Judith.

A. 1. daz er. 151, 16.

36. Alcxandcrlicd.

P. I. habe. 193, 26. A. 1. erumbc. 195,10.

2 ? wert h i u c h , here 2. orwi d e r. 212, 8.

chunich. 220, 5. 3. arte wale. 224,21.

3. hetelicher. 208, 18.

37. Lebon Jesu.

P. 1. hurlop. 235, 3.

2. ha zech . 237, 3

3. heste. . 250, 21.

4. habe hübe. 263, 12.

38. Jüngstes Gericht.

P. 1. wider f. 283, 17.

39. Arnolds Fragment vom hl. Geiste.

P. I. heizet sinen hat cm. A. 1. zeiner alben seibeu. 356, 36. 342, 9.

2. zeiner alben seiben. 343, 3.

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40. Himmlisches Jerusalem.

P. 1. hewen. 365, 11.

2. so hevet er hufwerde 365, 16.

3. den halm von der her de. 365, 17.

4. hin. 365, 19.

5. hiu. 367, 18.

6. hobene. 367, 20.

7. hiuch. 372, 19.

8. hiuch. 372,21.

9. di gotis he. 372, 23.

41. Milstädter Handschrift, saec. XH.

Genesis. Oiem. P. 1. den hewigen hört. 112, 20.

42. Exodus. Diem.

P. 1. here so harte ennahest. 125, 33.

43. Hochzeit.

P. 1. wirt hin hin dir gestozzen. Karajan 8. 40, 20.

44. Wiener Handschrift (2721) saec. XII.

Jüngerer Physiologus. ? A. 1. Er got. Hogm. fndgr. I.

S. 24, 36.

45. Münchner Glaube und Beichte, saec. XII.

A. 1. oupthaftigen. dkm. 97 39.

46. Benediktbeurer Glaube u. Beichte I u. II.

saec. XII. P. heret. dkm2. iL 94, 18.

A. 1. ich geizze i. dkm. 87, 25.

47. Benediktbeurer Predigthds. saec. XII.

P. 1. häht tage Kelle. Bpec. eool. 8. 17.

2. an dem [hjahtodintage 8. 17.

3. geh er et. 8. 25.

4. hieslichin. 8. 71.

P die hie lieh eit sinir güti. 8. 95.

6. sine heßhte. 8. 174.

7. iwer herbe. 8. 176.

48. Haupts Predigten. Cod. Vindob. saec. XII.

P. (1. do her gebot Zs. XXIIL 8. 348 ff. 26. 20.

2. in der alden h e. 3b. 7. qf. lxix. 5

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oo -

3. in dor niwin he. 3b. 9.

4. dor altin ho. 3b. 11.

5. zi hören in. frowin. 4*. 20.

49. Wiener P r o d i g t h n u d s e h r i f t (2050). saee. XI II.

P. 1. sehet hau. fndgr. I. 72, 5.

2. gewant h a n hete. 73, 34.

3. sc hult sie h e r e n. 78, 34.

4. wir pilliehen heren. 78, 36.

5. hinterwerts. (doorsum). 101 , 20.

(? II ih. (Hoffmann : Ilerro ich) 113, 35.

50. Wiener M i s c e 1 1 a n - 1 1 d s. Predigten, saee. XIII.

(? P. 1. weroltliohe heri. Zs. XX. 244, 11).

51. Loy gers Predigten I IX. Leipziger Hds. saee. XIII.

P. 1. der höh s hat sinon herren. 1, 18.

2. daz enhahto nicht vil. 4, 23.

3. daz verlorn her ho. S. 13, 28.

4. an den Worten h ah tot man. 8. 21, 10.

52. Clin. 22258. a. Windberg. P i b e 1 g 1. saee. XII.

P. 1. higli (herinaciis). I. 521, 44. Psalmen.

53. (Mm. 0217. a. Freysing. Pibolgl. saee. XII.

P. 1 . h u o s h i n (ascella). I. 53(J, 3. Parabola.

54. Clin. 14089. a. Emmeram, ßibelgl. (u. onomast. Ol.)

saee. XII.

P. 1. haflaltrinin (scorpiis). I. 439, 42. Ro^um.

2. hopoum (hedera). Graft*. I, 91. A. ( 1 . i n t i r s <• r e n c Ii i t (versipellis). I. 533, 34. Parabola.

55. Clin. 22201. P i b e 1 g 1 o s s o n.saee. XII.

P. 1. h erheitern (urente). 1.309, 2. Geiieris.

2. uezter hosen (bove« pingues). 433,27. Regum.

3. ? hiriores (polimitarii). 333, 2. Exodus.

4. her reu (vetores). 491, 09. Esther.

5. g i h e s c h o t (expetit). 573, 1 3. Eccles. (5. in gigrabener h e r i d e (in humo). 594, 37. Esaia.

7. herinordo in herdo (in profundum inforni) 599, 10.

8. Ii u f f e h a b o t o n (subportabant). 053, 7. Ezechiel. A. 1. int a bog er (eontinens) 507, 10. Eccleaiast.

2. e r d i (solo), 579, 10.

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3. o 1> i n e (traeta). 579, 46.

4. e r m i s o h t h e n (calumniabantur). 646, 28. Ezechiel. 56. Ootwic. 103. liibelglossen. saec. XII (?).

1\ 1. ingrapanero hcrdo (in humo). I. 594, 33. Egaia.

FRÄNK1S0ITE DENKMÄLER.

1. Würzburg mp. th. H. 146. Ol. zu Canon es. saec. VIII.

P. 1. si gihahtot (tractetur). II. 93, 37.

2. Frankfurt. 64. a. Fulda. Ol. zu Canon es. anf. saec. IX.

I\ 1. huobit. (celebratur). (partic.) 11. 144, 10.

2. hehtio. (facultatum). 145, 43.

3. h e h t i. (possessiones). 1 46, 64.

4. hehtio. (patrimoniorum). 147, 53.

5. liehet, (reditus). 148, 1.

6. hehti. (facultates). 148, 4.

7. heihti. (reditus). 148, 73.

3. Mus. Brit. Arund. 393. Ol. zu Canon es. saec. 1X(?).

1*. 1. mein hei da n. (saerificiis). II. 149, 8.

4. Tat i an. Cod. Sgall. 56. a. Fulda, saec. IX.

I*. I . furi thie [h] a h t e n t o u inti harmenton. 32, 2.

2. thaz ir in |h]vliti habet. (p) 35, 4.

3. zi [h|eristen. (primuin). 38, 7.

4. zi h er i sten. (priniuni). 39, 6.

5. azzun h i u u a r a fatara. (patres vestri). (y) 82, 11.

6. thaz ist hiu asuuih. 82, 11«.

7. ? ih [iv]uuih („auf Rasur für Iii?*). 82, 12. H. inuan inio [h]ahtonti. (reputans). 83, 1. 9. bidiu [h] a h t i t u n. (persequebantur). 88, 6.

10. inti h 6 r u n habenti ui gihoret. 89, 5.

11. untar iu [h]ahtot ir. 'conquiritis). 91, 32.

12. teil thero fh] e h t i. (substantiae). 97, 1.

13. teilta thia [h]eht. (substantiam). 97, 1.

14. ziuuarf sina (h] e h t. (substantiani). 97, 1.

15. fraz alla sina [hjeht mit huorun. 97, 7.

16. ? thie [hjahtözeheni. 102. 1.

17. unmahti [h]ahtüzehon iar. 103, 1.

18. gab hiu euua. (dodit vobis legem), (d) 104, 5.

19. gi[h]eret. (houorificabit). (:) 139, 4.

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5. Trierer Fragment der Lex S a 1 i c a. saec. IX.

P. 1. her ist. dkm*. 65. z. 17.

6. Fulda. Aa. 2. GL zur Bibel u. Gregors Horn. 5. IX.

P. 1. ? her dun (stuppa). 1. 382, 21. Judicum. 2. hettim (opibus). II. 318, 62. Greg. Horn il. Anh.

7. Würzburg. mp. th. fl. 3 u. 20. Gl. zur Bibel, saec. IX.

A. 1. in el ff a (in inpensas) L 472, 1 1 . E«dra. 2. ? [h] o u f f o (aggerum). 623, 45. Eaaia.

8. Otfrids Evangelien buch. Cod. Vindob. saec. IX.

A. 1. urdeile elfa. I. 28. 5.

2. ge!lti(= giheilti). HJ. 11. 12. P. 1. mit managfalten [hjehtin. LI. 68.

2. ih [h?] e s (Rasur eines hohen Buchstaben). I. 5. 35.

t) ,. ui i /mit alter Dinte ein klei-\T 1Q k

3. bisuorgeherhcho.^ neB h eingeschoben. J1' 19' 8*

4. so i 1 1 ih (i wie in F d. Rasur a. hohem Buchst.) L 22. 49.

5. unsan fater [h?]eren (auf Rasur). I. 22. 59.

6. man [h?]afaloti (Rasur ein. hohen Buchst.). L 23. 21

7. (drof her (= P. F). IL 7. 34.

8. (thaz[tlh er (Rasur v. t, Kelle: von th). IL 12. 65.

9. sie 11 tun (i auf Rasur f. ein. hohen

Buchst.) II. 14. 93.

10. ther hiar gi[h]er£t (= P. F) III. 13. 91.

11. scono gihereti (= F)-P. giereti. IV. 4. 25.

12. so sehen gi hSrSte (= P. F). IV. 5. 52.

13. selbun[h]era (Rasur von h). IV. 9. 30.

14. habeton sie mihila hÄra (=P. F) IV. 12. 32.

15. sizen herlicho (= P.) F: erlicho IV. 19. 55.

16. (unsih [h]er iz. (h radiert). IV. 27. 12.

17. [h?Jinteretun (Rasur). IV. 30. 2.

18. uuoll6n [h] ah ton (Rasur v. h). IV. 37. 34.

19. giangun [h]ahtonti (Ras. v. h). V. 4. 15.

20. hiar[|] ouh (Ras. eines hohen Striches). V. 11. 31 .

21. nigihilit. V. 16. 33.

22. se hiltun. V. 4. 10.

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m

9. Otfrids Evangelien buch. Cod. Frising. saec. IX/X.

A. 1. gieizenti. I. 7. 22.

2. thaz erza. I. 22. 41.

3. fatcr e n t i. II. 9. 44.

4. themo eresten.II. 8. 37.

5. iohintarquamun.il. 12. 6. P. 1. uuoles (hjahton a. (Ras. ein. hohen

Buchstaben).

I.

1.

43.

2.

(habet her.

I.

5.

57.

3.

uuir h u n s i h.

I.

18.

2.

4.

bithiu h i 1 1 u n.

I.

22.

29.

5.

so[i] 1 1 ih (i wie in V. Ras. f. ein höh.

buchst.)

1.

22.

49.

6.

(fatererbe (auf Rasur).

I.

22.

54.

7.

ouh h e 1 1 u.

T

1.

23.

32.

8.

(egishchen al. legunt. hesslichcn

T

: I.

24.

2.

Dreher nach ocemuller).

9.

hunil uurtiioh her da ouh so herti.

T f 11.

1.

o

3.

10.

himil fuarit ioh h e r d u n.

t r 11.

m

1.

35.

11.

(moht h e r.

TT II.

4.

107.

12.

(trof h e r) (= V. P.)

II.

am»

7.

34.

13.

(gruazt her.

II.

lo.

24.

14.

fon hegislichen suhtin.

II.

24.

26.

15.

(tho her (V. P: thoh er).

MI.

1.

6.

16.

(ioher ,0bi (V. P. ioh er io bi).

III.

5.

13.

17.

so er h u f an himile.

III.

7.

21.

18.

hiar in h e r d u.

III.

8.

18.

19.

(nintuueih h e r.

III.

9.

18.

20.

unerfez h u z then hunton.

III.

10.

34.

21.

(nibat si h c h (V. P : thes).

III.

11.

9.

22.

in h e r d u hiar.

III.

12.

43.

23.

ther hiar gi h e r e t (— V. P.).

III.

13.

31.

24.

hiar h o uch.

IV.

1.

27.

25.

ni eigit h e in i z i g e n.

IV.

2.

34.

26.

seono gi h e r e t i (— V.) P. gieröti.

IV.

4.

25.

27.

so sehan gi h e r e t e (— V. P.).

IV.

5.

52.

28.

adul herben.

IV.

6.

8

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70

21). habetuu sie mihila hera (= V. IV. 12. 32.

10. O t f r i d s. E v a n g e 1 i e n b u c h. ('od. Pal ati n. saec. IX. P. 1. bisuorge h e r 1 i c Ii o (V. herlicho. F orlicho) I. 1!). 8.

3. ih zcUu h i u (Kelle: üborHüss. gesetztes enklit.-ih).

4. ther liiar filieret ( V. F). III. 13. 31.

5. so sehan gi h e re t e (- V. F). IV. 5. 52. 3. habetun sie mihila hera (V. F). IV. 12. 32. 7. sizen herlicho (-■- V.) F orlicho. ]V. 10. 55.

11. Ludwigslied. ("od. saec. X.

dkm*, n.

P. 1. heigun sa North man harto bidungaii. v. 24.

2. tröstet h i u. v. 32.

3. ob h i u rat thühti. v. 34.

4. unzih h i u gineriti. v. 35.

5. so uue hin hio thes libes. v. 54.

6. soscr hio uuas. v. 58.

12. Fränkisches T a u f g e 1 ö b n i s. B : Speyrer Hds. a.

Mainz, saec. VI H/IX. P. 1. (then heidinernan hym za bluastrom. z. 5. 2. gilaubistü h ein an got. dkm'. 52. z. 14.

13. Fuldaer Beichte. Browcrs Druck, saec. IX.

P. 1. 2. (ihhes dkm» 75. zz. 16. 17.

14. Lorscher Beichte*. Cod. Palat. 485. saec. IX.

P. 1. minan heit brah. dkm2. 72»\ z. 24. 2. m(e)inan h e i t suuor. z. 25.

15. Lorscher Biencnsegeu. Cod. Vatican. saec. IX.

P. 1. imbi ist huce! nu tfuic vihu minaz hera. z. 1. 2. hurolob ni habe du: zi holze ni fluc du. z. 4.

16. T h e g a n : L u d w i g s d. Fr. letzte W o r t e. saec. IX .

P. 1. huz! huz! (var. hutz, Ii utz!) M. U. II. »>48.

30. (tho [h?Jenti (Rasur).

31. (uuant h e r.

32. ni holte.

33. hiar h o m i z e n mit hazzo.

34. thio hercru n gilusti.

IV. 24. 25.)

V. 15. 23. V. 23. 52. V. 23. 109. V. 24. 143.

2. (drof Ii e r.

II. 7. 34.

II. 14. 48.

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71 -

17. S trass b u r ge r Eide. Cod. Palat. Paris, saec. X XI.

A. 1. geal'nissi. Nith. hist. III. 5.

IS. Reichenauer Beichte. Vindob. 1815. saec. IX/X.

A. 1. ci us. dkm*. 75. z. 21.

19. Mittelfränkische Psalmen, saec. IX ?

P. 1. (hcrent (haereditatem). Heine, kl. dkm. U, 8. 2. herbremot (exarserit). II, 13.

20. Brüx eil. 18725. Ol. zu Matth, saec. IX.

P. 1. herhaben uuard (fermentatuni est), i. 713. 20. 2. h ah tos (putas). 715. 3.

21. Moguntiu. uon sign. Ol. zu Matt h. saec. IX/X.

P. 1. herbarmida (compassionem). I. 714. 27.

2. Ii os t halben (ad orieutem). 715. 41.

3. zuohafdun dar ho bona (supercaput). 719. 30.

22. Berel in. niscr. theol. f. 481. a. Werden Ol. zu Co-

r i n t h e r. saec. X ? P. 1. dfnnf h p x c h (ceterum) = deune houch. I. 7b'l,40.

23. Carolsr. S. Petri. Ol. zur Bibel, saec. XI./IX.

P. 1. grafhisarn (celatura). I. 339. 4. Exodus. 3. h i c quome (venias). 524. 5. Psalmen.

A. 1. i m i 1 o t. (poliinita). I. 318, 37. Oenosis.

24. Sgall. 292. Olosseu. saec. IX/X.

P. 1. hqome (veniam). I. 524. 6. Psalmen.

2. herholoth (dolata). II. 500. 17. Prudent.

3. herdt""hu (sugillo). 740. 7. Abdia. A. Apost.

4. herdnuz (tubaura). Ilatt. I. 291. Naturgl. Tobias: A. 1. agastalt (peregrinis) l. 475. b\ Prudent: 2. e r i berclil (castrensis). II. 500. (i.

Abd. A. Apost. 3. al bgurtilla (seniizintia) 11.738. 25.

25. P a r i s i n. 1 8554. Ol. zu P r u d e n t i u s. saec. X.

P. 1 . 2. houer-hilind (subsistente procclla). II. 595. 42.

2b'. T r (! v i r. 1 4b'4. Ol. zu A r a t o r u. P r u d e n t i u s. saec XI. P. (? hcrnehanctanio (non licet illi). H.30. t>2. Arator. ? hergienc (fluxit). 552. 52. Prudent.

3. hosit (populatur). 553. 74.

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72 ---

A. 1. unago a f t o n sih. (indulsere). 11.33. 1.

Arator.

27. V a t i c a n. Palat. 1716. Ol. zu A r a t o r. saec. ?

A. 1. zuo afta (subnexuit). II. 772, 51.

28. Mus. Plaut in. 120. Gl. zu Prosperi Epigrammata.

saec. X/XI. P. 1. her (ante). II. 881. 6.

29. Pom ni Orsfeld. 2671. Gl. zu Sedul. Carmen pasch.

s. XII X.

P. 1. huobhoben (assumpsit supra). II. 615. 60.

30. Paris. 10195. a. Echternach. Gl. zu Sallust. saoe. XI.

P. 1. heigenon (patrimoniis). Ii 609. 7.

2. h e r s a m (hon est us). 609. 56.

3. hernosta (seria). 610. 61.

31. Mon. herein. 303 (155). Gl. zu Sallust. aaec. XI.

P. 1. unherun (iniuriej. 11.612, 5.

2. unhera (dedecus). 612, 12.

3. unhera (flagitium). 613, 5.

4. (d eggen (prineipiis) 612, 67. n. St. verschr.

f. h e g g e n (ecken) ?)

5. her (ante). 612, 35.

32. Paris. 9345. Gl. zu Horaz und Tcrcnz. saec. XI?

P. ? huriio (orna). II. 338, 8. ( hurno?). Horaz. 2. hichther (qui) 624, 11. Teron*.

33. Paris. 9344. Gl. zu Vergil u. N a t u r g e s c h i c h 1 1.

Gl. s. XI.

P. 1. hellandf (pulse.). II. 698. A. ehngest cjintarus).

2. huuuilon(ululeJ. 698,43. 11.707. 44.

3. (ki chi IIb (stiria). 703, 20. 2. Vrd6ni(senatus).

4. hissun (crustae). 703,17. 712. 15.

5. hahorn (platanus). 703.55. 3. geolade (excsn).

6. herzagede(discinctos).713. 24. 712. 42.

7. hfrdstat (solum). 715.55. 4. geafto (cotnmi-

8. haspa (tremulus). Zf. XV. nus). 714. 5.

Gl. 83. 5. wideopa (hupopa)

9? hör (ornus). cf. o. huriio. Zf. XV. gl. 11. Zf. XV. gl. 86.

34. Bonn. 193 (173). Naturgeschichtl. Gl. saec. XL

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- 73

P. 1. harrunga (arrabona). Hoffm. Ahd. Gl. 21, 24. 2. hedornezzola (urtica grenatica). 21, 28.

4. ho8cnnabvlo (asparga). 22, 7.

5. hosenzunga (boalca). 22, 8.

35. Clm. 19488. a. Tegernsee. Naturgeschichtl. Ol.

sacc. XII. P. 1. urhosse. Germ. XIX. 436.

36. Vindob. 10. Herbarius. saec. XII.

P. 1. heiternezela (grccanica). sumerlaten. 62, 65. 2. heiternezela (urtica grccanica). 64, 16.

37. Vindob. 804. a. Florian. Abcdarius u. Isidor.

gl. saec. XII.

P. ?1. twerhacs (ascia). sumerlat. 25, 1 = twerh-acs?). 2. satelhachs (bipennis). 32, 44.

38. Darmstadt. 6. S um mar. Hcinr. sacc. XI.

P. 1. hoemessunc (conso- A. 1. eiffaltra (tribulus). brini). Germ. IX. 13 ff. p. 85b. p. 38b. (= hief-

2. hocme (avunculus). p. 85b. faltra).

3. hafte rhemede (supparis). p. 95.

4. hörgolt (inaures). p. 96.

39. Trevir. Summarium Heinrici. sacc. XII.

P. 1. höh ei m es suni (consobrini). Hoffm. Hhd. Gl. 2, 8. 2. aftirherbo (prohcres). 2, 11.

40. Erfurt. homil.F.81. Summarium Heinrici. saec. XII.

P.l. hisin (ferrum). Zf. f. d. Phil. XII. 320. 41. Vindob. 2400. Summarium Heinrici. sacc. XII /XIII.

3. h c r d nuz (tubura).

21, 31.

3. his (glacics).

4. hisin (ferrum).

5. rosthisin (craticula).

6. h e b e r spicz (excipius).

8, 1.

9, 8. 16, 7. 16, 23.

P. 1 . heben hellunge (concordia).

2. h e 1 a h e s(s)uht (clcfantia).

3. h e i 8 c (horror).

4. horringe (inaures).

5. herbe (patrimonium).

6. h i c h e 1 a (stiria, gutta, stilla).

sumerl

l. 5,12 7, 12. 9, 70. 9, 78.

14, 30.

15, 57.

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- 74 -

7. heiter nescele (vrtica). 19, 66.

8. hciterncschcl (vrtica grenanica). 20, 11. 0. heiter ncscel (greganega). 22, 40.

10. ? hertapfel (orbicularis). 23, 16.

11. herbo (heres). diut. III. 238.

12. ebinherbo (coheres). 238.

13. h i s uogel. 241.

14. hört lim. 243.

15. hanphir (= anipfer). 244.

16. h o s t e r riche (oriens). 245.

42. Olm. 2612. a. Alderspach. Summ, Heinrich saee.

xirxiu.

P. 1 . Im? r b o (heres.) diut. III. 238. A . o d e n (testi-

2. ebinherbo (coheres). 238. culi). 230.

3. h i s uögel. 241.

4. hieb da. 245.

5. hisin. 247.

43. 8 B 1 a 8 i e n. 8 u mm a r i u in H e n r i c i. saer. XII.

P. 1. ebiner herbo (coheres). (Herbert. Anh. 8. 18. 2. heitenezila (urtica grenatiea). 8. 57b.

44. Vindob. 1761. Verschiedene (ilossenkategorion. saee.

XI XII.

P. 1. stouphhisam (perpunetoria). Hoffm. Ahd. Gl. 58, 6.

45. Olm. 17153. a. 8cheftlarn. 8 u in m a r. llcinrici. saer

XI'XIII.

P. 1. basale ia (paliurus). Gniff I. 130.

2. h a g e 1 e i a (paliurus). 1 30.

3. hege da (dentilia). 112.

46. Vindob. 232. Naturgesehir h 1 1. Ol. saee. XIII.

A. 1. agon (paliurus). H. Ahd. O. 63, 6.

47. Vindob. 2524. Herbarius. saee. XIII.

I\ 1 . h a u d o r n (spina A. 1. arten hewe (agnus-

alba). suraerl. 58, 40. castus), sumorl. 54,48. 2. Im? r d ephele (cicla- meu). 55, 5J).

48. Bamberg er (Haube und Beichte. Monac. 4460.

saee. XI.

P. 1. hergiride. dkm«. 91. z. 1 III. Vindob. ergiride).

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7")

49. F r i o d b e r g e r Fragm. 0 h r i s t u. Antichrist.

saec. XI/XII.

A. 1. ailun (= hatten), dkm*. 33. A: 9.

50. Kloster-Ncuburger Prcdigtfrgm. saec. XII.

A. 1. int c b e d c. Zf. XV. 439 ff. II. 45.

öl. Willirams Paraphr. des Hohen Liedes. Cod. Lugdun.

saec. XI. Soemüller. P. 1.? thaz her gecrueiget uuarth ande herstarf. 93, 10.

52. W i 1 1 i r a in s Paraphrase des Hohen Liedes. Cod. T r e v i r.

saec. XI/Xn. P. 1. hubelo. Seem. 51, 18. 2. hic (n. Graff. I. 118.)

53. Tobias sogen. Cod. Strassburg-Upsala. saec. XII.

P. 1. hofen (= offen), dkm2. 47. 4. z. 51.

54. S t r a s s b u r g - M o 1 s h e i m c r II d s. saec. XII.

P. 1. hersam. Masamann. v. B380. : Alcxandcrlied.

2. unh e b e II 0. V. 2829. : Hartmanns Glaubensbekenntnib

55. F r a u e u 1 o b (Marieulieder). saec. XII.

P. 1 . dan h a f. Zf. X. 40, 32.

56. 1) i 1 d er u in s ch r i f t en. Cod. Monac. 935 a. d. 0. v.

Bingen, s. XII/XIII. IM. hi hist. Keinz. M. Stzgsbr. 1870. II. 117, 38.

57. Erfurter Judeneid. Originalurkunde, saec. XII.

P. 1. der Juden h e i t. dkm2. 100.

58. M i 1 1 e 1 f r ä n k i s c h e s Fragmen t. saec. XII.

P. 1. houermot. Busch. Btr. z. d. Ph. 1870. 283, 75.

59. K o 1 a n d s 1 i e d. Cod. P a 1 a t i n. saec. XII.

P. I. des swur er h e i d e. 72, 18. A. 1. inantil arm i n.

2. al din h e r e. Griram. 78, 6. Griinm 9 1 . 20.

3. hosen er ha n leite. 108,7. 2. dcualsabesluoge

4. ainehohe der halben. 119. 2. 304.9.

5. derchüninc hantwirt. 129.5. H. min here. 132.20.

7. sin hellen. 190. 12. «0. Hu 1 a n d s 1 i o d. .Schweriner Fragment, saec. XII. P. 1. under den heiden hersterbe. Grimm. 49. 22. 2. huc h we geache dir. 49. 24.

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76

61. R o 1 a ii <1 * ) i c d. Stuüg. l<Y;igim:iit saec. XII.

P. 1. hup er huf. 151, 18. A. 1. heben sie er zu mir.

150. 17.

62. König Rother. Cod. Palatin. »aec. XIT.

I*. 1. hic(allitt.). Ma08m. v. 35. A. 1. du as t den valand

2. h e r (vos). v. 37. Maasm. getan, v. 883.

3. h i c. v. 42. 2. a r d c vreissam.

4. here. v. 119. v. 2725.

5. hic. v. 120. 3. gealt (=-- gehalt).

6. hich. v. 259. v. 21)88.

7. hercn(verb). v. 261. 4. (bitrothere uf den

8. h i s (= ist), v. 459. o f reif. v. 509S).

9. habt (octo). v. 792. verderbt statt: bit

10. here. v. 931. berhrero .... hof

11. hie vor h u w e n hauden. v. 1000. reit.

*

12. hich (allitt.). v. 1009.

13. (hume (= im), v. 1044.)

14. hdren. v. 1179.

15. here. v. 1242.

16. hereu. v. 1548.

17. uffe der h e rd e n. v. 1849.

18. her (vos). v 1971.

19. miu herze was h e 1 1 e n d e. v. 2269.

20. den holenden haftin. v. 2409.

21. heren (verb). v. 2454.

22. her von. v. 3379.

23. •°-b here. vv. 3406. 3670.

24. hic. v. 3790.

25. herron halle. v. 4046.

26. horten die her den biven. v. 4215.

27. hic. v. 5094.

63. Wem her vom Niederrhoin-Hds. saec. XIII.

P. 1. giwapint als ein h i s. A. 1. vordereiden. 4,26.

Grimm. 14, 4. 2. e r adamis. 11, 28.

(„=gcwapint all in hisen"?). 3. sin ovith. 21, 22.

2. undi hidelcheit 15, 31. 4. uf er sich. 23, 1.

3. sime h c n d e na 26, 15. 5. den owesprenken.

4. umbe ein hei 28,22, 38, 13.

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- 77

? mit der Ii e r t Ii eu 44, 27. 6. he v v i n (= huf in)

10. giherbedit. 53, 20. 9. nuavin wir 60, 3.

10. di antuueste 61, 33.

11. heaach inauin 65,6.

64. Trierer Psalmen, saec. XIII.

. 1. herbe (hacreditati). Ch-aff. 67,

9.

2. herbe (haereditati).

81,

11.

3. herbes (haereditatis).

104,

II.

4. hofferten(= opferten).

105,

34.

5. herbe (haereditatem).

105,

38.

6. ge h e t i n t ( persecuti sunt).

113,

86.

7. hehtent (persequuntur).

113,

157.

S. Ii e t h e t i n (persecuti sunt ).

113,

161.

!>. herbe (haereditatem).

m,

13.

10. gebetet (perseeutus).

142,

2.

11. du nahtest (reputas).

143,

4.

65. (Oswald. Schaffhauser Hds. saec. XV).

P. 1. hunz v. 967.

66. (Orendel. Strassburger Hds. saec. XV.)

P. 2. h e i s c h e n t vv. T. d. Hagen. 158;*. 1 885.

67. Rein hart Fuchs. Md. Bearbtg. saec. '/* XIII. Codd.

saec. XIV.

P. 1 . h e r k 1 i c h v. 80. A. er (Titel) vv. 420. 429. 453. Cod. K. 520. 523. 5!>6.

2. dahin(- innel v. 684. Codd. P+K. 610. 785. 806.

3. erhergente. v. 837. Codd. P+K. 1442.

4. höstcr (nach . . . gekeret). v. 938. Codd. P+K.

68. Leysers Predigten II. Leipziger Hds. saec. XIV. P. 1. gehöret. 35, 42.

2. an dem hohsen. 50, 1.

3. zu dem hohsin. 108, 4.

6. (hez ist.

7. zehers

8. nun eres

9. (bis hez

45, 8.) 47, 15. 51, 12. 53, 9.

44, 2. ? offinge (= hoffe- nungeP) 49, 14. 8. alsslagitin 59, 9.

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NIEI >ERDEU T8CI1 K DEN K MALER.

1 . H e 1 i u n d Monnc. saec. IX

IM. hidis v. 823. A. 1. siniun. v. 1085.

2. mcn hedos v. 1504. 2. atendi. v. 2989.

3. hatogea v. 1714. 3. (gierod. v. 4144.

4. hei cor v. 5077. 4. godlicus. v. 4541.

5. gieftid. v. 5053.

2. Heliand Cotion. saec X.

I\ (him (d. sg.) v. 960. A. 1. (gier od o. v. 102. 2. hu80U. v. 2423. 2. elithos. v. 346.

3. ungres. v. 2824.

4. endi v. 4917.

5. thein o b d e v. 5550.

6. 7. er r (m.her).v. 430K

4332.

3. Merseburger Glossen, saec. X.

A. 1. seif e d i a. 33.

4. S t ra sh b u rg. C. IV, 15. Naturgescbichtl. €.31. saec. IX.

1*. 1. siimun hettar-uuitio(semiim venenorum).diut.II.193.

5. Gl. Lipsianae. Hibelglosscn. (saec. IX.)

1*. 1 . (ge b Bredes gerodostu i coronasti). Heyne, gl. 386 f.

2. bereuue (hereditas). gl. 562.

3. hoc (quoquel. gl 589. A. 1. etan saltu (voca-

beris). gl. 264.

6. 1* aris. 2685. B i b e 1 g l o s s e n. saec. IX.

I*. 1. ober b a 1 d a r a (superstitiones). I. 298. 40. Alphabet.

ExocIuh. A. 1. u r n i t e (crabrones). i. 334. 24. Numeri. 2. e r i bethoon (signa \, 358, 7. Job. 3. uuale auuc (herodionV 496, 34.

7. Düsseldorf. F. 1. Gl. zu P r u d o n t i u s. saec. IX.

IM. huzscricta (prosil(u)it). 11.576, 50. 2. beccor 578, 6.

8. lf. Oxon. Jun. 116. Gl. zu Prudentius. saec. IX?

A . 1 . alspougd( bacce) II. 484, 2. 2. olbergo (loricae) 484, 3.

9. Oxon. Auel. F. 1, 16. Gl. zu Vergilius. saec. X?

1*. 1. halebirie (populus). Ii. 718, 10

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T'.i

10. Lips. oiv. rep. 1. 36b. Ol. zu Serv. in Verg. sacc. X. P. 1. hurhano (fasianum). II. 723, 27.

2. hich z. 97.

3. h i c h z. 98.

irao o Ii e. Cod. Paris 764 1 . saec. X.

A. 1. o bot he.

1.

2. an.

3.

3. an sco.

9.

4. e l p e.

13.

5. 6. US.

16. 19.

7. err e.

19.

8. inat.

24.

9. e r r e.

31.

10. als.

38.

11. u n d o h.

41.

12. elfe.

48.

1 3. o rre.

49.

14. coorest.

(»5.

1 5. o r r o.

75.

! 6. i u d a.

80.

17. n-ht.

saec. X. 1

saoc. XI.

Ol. zu Gregor. Moral.

saoc. XI.

in Job.

12. C a in o r i ac. 19!

13. 8. A u d o in a r. IM

14. Bonon. 1P

P.A. 1 hunorsami (inobodiontia). n. 322, 1. 2. (in 13) arpliin iploetro), Zs. V. 206.

15. Lipsiens. civ. rop. 11 A. 6. Gl. zu C anonos. saev. XI.

P. 1. Iiarrokid (exposito). 11.141, 43.

2. bunrecttiu (irrita) 142, 12.

3 fat Ii o r b (patrimoniorumj. 142,21.

4. h unholder (indevotus). 143, 3.

5. harcust (astutia). 143, .'.7.

6. hanegogun (incossoro). 143, 42.

16. Id. Cod. Oxford. Jun. 25. Nach Kategorien geordn.

Glossar, waec. XII ?

Id. Anh. I. 055,8. Ezechiel. P. 1. hi8uögel (aurifi- A. 1. er I ine (senesci)

ceps). 8-N. 268. Aloinaun. saec. IX.

2. h u n c (auguis). '270.

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80 -

17. Flrrent. Uur. plut. XYIT 5. saec. XIII XI. Aldhelmgl. P. 1 . h i 8 i d i D ft (ambrosia) n. 1 15, 41. Pradentgl. A . 1 . a 1 f t r o n (habenis). n. 533, 9.

Summ. P. 2. hocsal (albugo) A. 2. hantaba (ansa). Heinr. Zs. XV. gl 39. Zs. XV. gl. 8.

3. dehsihisen C;S£„,) gl. 459. 3. anif (canniYa). 225.

484. 4. antbaba (capulus). 248.

5. hovrus (ephoebia, 654. lapanar). 348.

607. 6. arlefa (licium). 540.

1628. A.

4. ha'sila (numerus).

5. horhuD (ortigo-

metra).

6. hebirzan (orix). Nicht fixierte Ol.

P. 7. hebeouue (hedera) 8. hahorn (planta- nus).

1708.

9. helliunt (hiena). 1762.

uochilichro (mi- raico). 1179. 8. huf al z e (catax) 1267. 9. liebeouue (hedera) 1628.

10. bumbil (atacus) t665.

11. agil (grando) 1693.

18. Bern. 536. Salomon. Glossar, saec. XIII.

P. 1. heiscen (deposcere). Germ. Stud. II. 278b.

19. Hern. 641. Alphabet. Glossar, saec. XIII.

P. 1. henze (ansa). A. enweg- (a-, de-)

diut. II. 200. 8.200.210. 211. 2. hangele (hamus). 217.

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BEILAGE.

PROTHETISCHES II IN ALLITTERATIONEN UND

WORTANKLÄNGEN.

A. IN POETISCHEN DENKMAELERN.

1. Ther hiar giheret III. 13, 91. Codd. V. P. F. Otfrid.

2. h abetun sie mihila hera. IV. 12, 32. Codd. V. P. F. Otfrid.

3. hiar houh. V. 11, 31. Cod. Vindob. Otfrid.

4. hiar houh. IV. 1, 27. Cod. Frising. Otfrid.

5. werfez h u z then h unton. III. 10, 34. Cod. Frising. Otfrid.

6. so er huf an h imile. III. 7, 21. Cod. Frising. Otfrid.

7. hiar hemizen mit hazzo. V. 23, 109. Cod.. Frising. Otfrid.

8. h imil uurti ioh h e r d a ouh so h erti. II. 1, 3. C. F. Otfrid.

9. himil fuarit ioh herdun. II. 1. 35. Cod. Frising. Otfrid.

10. hiar in hcrdu. III. 8, 18. Cod. Frising. Otfrid.

11. in her du hiar. III. 12, 43. Cod. Frising. Otfrid.

12. h e i g u n sa Northman h arto bidungan. v. 24. Ludwigslied.

13. hurolob ni h abe du: zi h olze ni fluic du. Lorsch. B.-Segen.

14. helias stritet pi den hewigon lip. v. 41 Muspilli.

15. sia hauar kihalont. v. 11. Muspilli.

16. h i n d i r dir unde h o b i dir. v. 6. Weingarten-Reise-Segen.

17. wert hiuch here chunich. 220,6. Vorauer Alexander.

18. h eizet sinen h a t e m. I). 356, 26. Vor. Frgm. v. hl. Geiste.

19. so h evet er hufwerde. D. 365, 16. Vorauer Himml. Jerus.

20. den halm von der her de. D. 365. 17. Vor. Himml. Jerus.

21. den he w igen hört. D. 112, 20. Milstater Genesis.

22. here so harte enuahest. D. 125,33. Milstäter Exodus.

23. habe höbe. D. 263, 12. Vorauer Leben Jesu.

24. hup er huf. 151, 18. Stuttg. Rolandslied.

25. hosen er h an leite. 108, 7 Palat. Rolandslied.

26. aine h ohe der h a 1 b e n. 119, 2 Palat. Rolandslied.

27. under den heiden hersterbe. 49, 22. Schwerin. Rolandsl. qf. lxix. 6

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H2

28. herren halle. v. 4046.

29. h orten die h e r d e n biven.

30. min h crze was h e 1 e n d c.

31. den hellenden haften.

32. hie vor hu wen handen.

Palatin. Rother. v. 4215. Palat. Rother. v. 2269. Palat. Rother. v. 2409. Palat. Rother. v. 1000. Palat Rother.

B. IN PR08ADENKMÄLERN.

1. thie hahtenton inti harmenton. 32, 2. Tatian.

2. ir in h e h t i h abet. 35, 4. Tatian.

3. inti hörun habenti nigi höret. 89, 5. Tatian.

4. fraz alla sina heht mit huorun. 97, 7. Tatian.

5. habet gauualt in herdhu. I. 18. Monsee Matth.

6. in ha er da hreuue. V. 2. Monsee Matth.

7. dar herda ni hapta. VI. 7. Monsee Matth.

8. huuanta haerda... haptun, VI. 8. Monsee Matth.

9. himil unde die h e r d e an der h ant h ast. LXXVI, 24.

Muri. Predigt.

10. h imil unde her de. XIII, 25. Wack. Zürich. Predigt.

11. himil aide her de. Wack. IX, 2. Zürich Predigt. 12 herbe in der himilisgcn heimute. III, 1 10. Zürich. Predigt.

13. hunsereme herren. Wack. XI, 23. Zürich. Predigt.

14. geh er t in h imile. Wack. XIII, 5. Zürich. Predigt.

15. hubelehellewark. Wack. L XXIV, 53. Engelberg. Predigt.

16. der hohs hat sinen herren. Leyser 1, 18. Leipzig. Predigt.

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ÜBERSICHT NACH DEN BEGRIFFEN.

PROTHESE. A.

ä- l.hachustim (vitiis). Hatt. 1.57. Bened.-Regel. A. IX.

2. hauuerf (abortivum). 1.510, 1. Carolsr. IC.Hiob. A-|-oF.IX. aba. 3. babe. I>. 193, 20. Vorauer Alexander. niF-fB. XII.

4. habe. D. 203, 12. Vorauer Leben Jesu. A?F+B. XII.

5. haf. H. Zr. X. 40, 32. (Marienlieder) Frauenlob. mF. XII.

have. vv. 772. 895. 983. 5101. Flandr. Clir. habaus (= hinab). AVeinh. B. G. § 190. Tirol, aband. 6. habandsterre.XIV. 2, l. |

7. habande. XVIII. 1, 2. ) A' 1X'

8. habent. P.II. 209,13. Sg-all.21 . Notker-Psalmen. A.XIT/XI.

pfingest habent. Weint. I. 762. Selse: U. Elsass. a. 1310. abuh. 9. habuhnessi. 1.258,4. Sgall.911. Keron.Gl. K. A. VIII.

10. habui (versutia). Ja. 189. Bibelgl. (V) A+oF. IX.

11. habni(aversio). I. 543, 5. Ja. 181. Parabola. A-f «F. IX.

2. habuer(versipellis).I.543.28. Ja. 181. Parabola. A+oF. IX.

3. kihabnhter (depravatas). I. 277, 44. Jb. Alph. A+oF. IX.

4. habihemo (aversa). II. 200, 0. Paul. Greg. c. p. A. X.

5. ? hebuhen (siniias) \ Statt er. 218. Regum. A. X.

/I 430 40

0. ? hepuh en (simias) I ' Carols.CXXXV.Regum. A.X. (Vafalon. 7. [h?]afoloti. „Ras. ein. hob. Buchst." I. 23, 21. Otfr. V.

sF+A. IX.)

avar. 8. hauar v. 11. Muspilli. ,

9. hauar v. 82. Muspilil. 1H~oK 1X*

6*

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84

haberklaue. DWb. IV, 2. 84. WWb. 1 96. haberrante. DWb. IV, 2.86. WWb. 96. MndWb. I. 754. haberesche. DWb. IV, 2. 734. WWb. 96. after. 20. hafter. VIII. 1,2. Murbacher Hymnen. A. IX.

1. hafter. P.II. 134, 22.Sgall.21. Notker-Psalmen. A. XII XL

2. hafter. Dkm-. 83. z. 68. Gebet d. Otloh. B. XI.

3. hafterhemede (supparis). Germ. IX, 17. Darmst, SniiilL

niF. XL

affaltra 4. haftaltrinin (scorpiis). I. 439, 42. Clin. 14689. Regum.

B-K XII.

agaleia. 5. hagaleia (paliurus). Grf. I. 130. Clin. 17153. Sinn. Heinr.

6. hageleia mF-f-B. XL

hage = age (scharfe Spitze). Mnd. Wb. IL 173. hachel (arista). DWb. IV. 2, 98. hach, hachelijk (granum.). Etym. XI. Wb.2 331. hagle, hägelen^ Schw-Id.3 I. 127. 129. högel. heglen j IL 1081. 1082 f.

ah. 7. hah zu sera (pro pudor). IL 399, 33. Vindob. 247. Prudent.

A+B. XI.

ahir. S.hahir (spicas). QuF. III. 16,72. Vocabul. S. Galli.A. VIII.

9. hehir. . . TT Armn rtr> Paris. n.a. 241. Prudent. . , T1 __ 30.hehirtens) II'4/3'28- Cln, 1 1395. Prudent. A+B'X' lieber. Cimbr. Wb. (261 f). 37*. |mF-robd. XI.

ahorn. l.hahorn (platanus). IL 703. 55. Paris. 9344. Vergil.

2. hahorn (plantanus). Zs. XV. Gl. 1708. Florent. 16.5. Natur.

nd-robd. XI1I/XI.

ahsala. 3. hahsala (humerus).L 280,65. Ib.208. Alphab. Gl. A-foF. IX.

4. jjahsele. P. 11.227,26. Sgall. 21. Notker-Psalmen. A. XII XL

5. hVsila, Zs.XV. 341. Gl. 484. Florent. 16,5. Snm. Heinr.

nd-fobd. XIII/XIL

6. hassala. Grf. I. 140. Clin. 14754. Onomast, Gl. F r B ? ? ahten. 7. [hjähtenton (persequentibus). 32, 2. Tatian. hF. IX.

8. [hj ah t i tun (persequebantur). 88, 6. Tatian. hF. IX.

9. hatunga (insectatio). I. 537, 19. Ja. Eecles.A4 oF. IX.

1 Woeste, westf. Wörterbuch.

8 Frank. Etymol. Wörterb. d. ndrld. Spr.

Sehwoizer. Idiotikon.

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85

40. baten ta(insequuntur). IT. 170, 55. |

1. hatainas(insequamur). II. 175, 22.fClni.

2. hattit (insequitnr). II. 175, H4.1 «reg. e. p. B-f .

3. hatinne (insequenda). II. 170, 60./6277. VIII IX.

4. hahtent. II. 240, 10. Turic. Greg. c. p. A. IX/X.

5. hahton 11.248, 18. Cheltenham. Greg. dial. A? IX.

6. h*hte. III, 174. Kelle spec. eccl. Benedb. Pred. B-fA? XII.

7. beb tent (perseqnuntur). 1 13, 157. \

8. bethetinCpersecutisunt). 113, 161. J

9. gebetint(persecuti8unt). 1 13, 86.lTriererP8,mF" XII/Xn- 50. gehetet (persecutns). 142, 2.J

hätte )

hättis l= Ähtay Trier* Wei8t* anf> 8aeC* XIIL

( (a£er. praedium). Heinzel S. 333. hatthm ° r

habtend. gihath. Zwiefalt. Bened.-R. Schwäb.-M. S. 205. alito. l.batogea. v. 1714. Cod. Monac. Heliand. nd. IX.

2. V hahtözehani. („nicht mehr deutl.u) 102. 1. Tatian. hF. IX.

3. [h]ahtüzehan iür. 103, I. Tatian. hF. IX.

4. hahtozofeoriu I. 735, 39. Paul. XXV a/l.Lucae. A. VIII.

5. hatouuiu(VIII). 1.732,62. Panl.XXV.a/1. Lncae. A. VIII.

6. hatttaga (dies octo). I. 727, 32. Selestad. Lucae. A. XII /X.

7. [Ii | all tonuiu. P. I. 858, 24. C. Lips. Xotkerde Musiea. A. XI.

8. hazech. 1>. 237, 3. Vorauer Leben Jesu. B+A? XII.

9. habt 1,17.)

60. fb]ahtodinI,17.j Kelle Sp. eed. Benedb. Pred. B+A. XII.

1. habt. v. 792. Cod. Palat. König. Rother. mF. XII.

ahtön. 2. sigihahtot (tractetnr). II. 93, 37. Wiirzb. Canones. hF. VIII.

3. [hjahtonti (reputans) 83, 1. Tatian. hF. IX.

4. [hjahtöt ir (conquiritis). 91, 32. Tatian. hF. IX. ahtön 5. hahtos (putas). 1.715,3. Brüssel. 18725. Matth. mF. IX.

6. |h|ahton. IV, 37, 34. (P). Cod. Vindob. Otfrid. sF-hA. IX.

7. (hjahtonti. V, 4, 15. (P.) Cod. Vindob. Otfrid. sF+A. IX.

8. [hjahton. I. lt 43. (P.) Frising. Otfrid. sF+B -j A. IX.

9. hahtonter (pendeii8)I.315.35..Ia. 174. Genesis. A-j-<»F. IX.

70. unibehathlichiu 11. 502, S.Einsiedl. Prudent. A+F ? X.

l.hachtet. 21. 10.) % .

2 hallte 4 23 fLeiPz Hds.LeysersPred.B-f F .XIII/ XII.

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86 -

73. halltest (reputas). 143,4. Trierer Psalmen. mF. XIII/XII. hachtic. Reinart v. 2115. aekus. 4. satelhachs(bipennis)sml. 32, 44.1 Viud. 460 (804).

5. ? twerhacs(aseia) 25, l.J Isidor. Gl. B+F. XII.

6. ? dverhahs(bipennis) 51,48. Vind. 901. Vocabul. B+F.XII.

helmhexse. Mnd. Wb. II. 233. haex. Reinart v. 701. al. 7. helhi. I. 23, 32. (P.) Fris. Otfrid sF+B. IX.

8. halmah ti go. z. 28.1 dkm. 55. Emmer. Hds. d. Freisinn.

9. halmahtigun. z. 20.J Paternoster. B^-V IX. 80. halle, v. 4046. Cod. Palat. König Rother mF. XII.

l.hal sin erbe. S. 175b. Sehönb. Predigten. F. XIV/XH. ?helzete („aus „alle Zeit" entst.?u) S.-Id. II. 1214. von haller weite. Cimbr. Kateehism. S. 14. alpa. 2. halben. 119, 2. Palat. Rolandsl. mF. XII.

alpari. 3. halebirie (pöpulus). 11.718, 10. Oxford. Vergil. nd-f- X. alt. 4. halti (senium) I. 246, 33. Gl. Keronis Gl. K. A. VIII.

ö.arhaltet (vetula) I. 5, 32. Gl. Keronis. Ra. A-f-B IX.

6. unmezhalt(grandissenex)1. 161.36.Gl.Keron.Ra. A-f B.IX.

7. halto (olim). II. 155, 32. Sgall. 183. Cassianus. A. IX.

8. helte. V. 23. 52. (P.) Cod. Frising. Otfrid. sF+B. IX.

9. oberhaldara I. 298,40.Paris. Alphab. Bibelgl. nd-f obd. XI.

holdinges. Mnd. Wb. II. 171. heldest. Id. Fris. 250.

hout. (13 mal). Flandr. Chr. vv. 2638. 2797. 3314. 5292.

etc. Reinart. vv. 112. 2308. ambaht. 90. hambaht (emissariis). I. 279. 2. Rd. Alphab. Gl. A-poFIX. amphir. 1. hanphir. diut. III. 244. Vindob. 2400. SuTil. Heinr. mF.XII.

hampfere. Schw.-Id. I. 240. ana. 2. hanalinet (ineubat). I. 193, 18. Keron. Gl. Ra.A-f B. IX.

3. hanegegun (incessere) II, 143, 42. Lips. Canon. nd -H»d. XI.

4. hanleite. 108, 7. Cod. Palat, Rolandslied. mF. XII. ö.sehethan. 72,5.1 fndgr. I. Cod. Vindob. 2056. Predigten, e.hanhete. 73,34.J B+F. XIII/XII.

?han. Heinzel. dial. VI. Ndrfr. Geschftsspr. S. 351. han. Sievers. I). Dichter in Uussld. p. 18. andorn. 7. handorn sml. 58, 40. Vind. 2524. Pflanzengl. F. XIII/XII. angel. 8. hangele diut. II. 217. Bern. Vocabiüar nd+ ? XIII/XII.

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aneho. 9. h an cho(butirum)G.X VIII,48. Eigelb. Sam. H. A-f F? XII. anna. 100. hefihanna (obstetrix). I. 285, 49. Rd.l Alpliab. Gl.

1. hefihanna(ubstetrix). I. 285,49(215) Ib.J A4- oF. IX. anst. 2. hensti (gratiae). III. 3, 3. Morbach. Hymnen. A. IX.

3. hensti ger(gratiosus). Zs.XV.340,459. Florent. 165. So»».

Heinr. nd-|-obd. XIII/XI. ant- 4. hantreiti (ordinem) XIV. 2, 4. Morbach. Hymnen. A. IX.

5. hantreiti (ordine) XI. 3, 1. Marbacher. Hymnen. A. IX.

6. hanthcizzom (votis) III. 3, 1. Morb. Hymnen. A. IX.

7. ? hantmazzistun (limpidissimi) Rd. | I. 283, 59.Alph.

8. V hantmazziston (limpidissimi) 212. Ib.J Gl. A-f-oF. IX.

9. ? hantprahti (contractu). Sgall. 299. Canones A.-r? IX/X. 1 10. hantwirt (= antwortete). 129,5. Palat. Rolandsl. mF. XII.

hantheiz. Krone. Palat. v. 24280.

handelagen (— andelangen). LmhdWb. I. 55. 1176. MndWb. II. 184. Hess. Id. S. 11.

hantwerk (f. Belagernngsmaschine). MndWb. II. 204. Kauffm. Schwäb. M.-A. S. 205.

henptieng, henpflohen. Birl. Alem. Spr. r. d. Rh. S. 117. aphul. 1. ? oughaphel I. 685, 30. Clm. 17403. Zacharia. B-f-. X.

granathöpfel. Voc. opt. Wack. S. 48b.

happel. mnl. Wvl. Id.1 I. 395. ar- 2. harcheban (redditum) XII. 2,4. Morb. Hymnen. A. IX.

3. harbeiti (labores). XIV. 3, 3. Murb. Hymnen. A. IX.

4. harstantit (surgit) XIX. 3, 4. Morb. Hymnen. A. IX.

5. harsoahti I. 287, 45. Ib. 219. Alphab. Gl. A. + oF. IX.

6. harrekid II. 143, 43. Lips. Canones. nd-f-hd. XI.

7. härenst II. 141, 35. Lips. Canones. nd-}-hd. XI.

harbot. Cimbr. Katecliism. 8. 20. arandi. 8. ki ''arindat I. 430, 34. Carolsr. IC. Judic. A-f-oF. IX. arliz- 9. harlezbom (cornns). Ad. Bl. II. 21 1. Weissenao. Xaturgl.

A-hB. X.

herlitze. DWb. IV, 2. 479. arm. 120. an h arm ah erz(immisericors). 1. 183,21.Keron.Gl.K. A.VIII.

1. |hJarmote (egestate). 1.278.52. Ib. Alphab. Gl. A+oF. IX.

2. harmanti (rapidus). S-N. 248. Je. VGreg. A-f-oF. IX.

1 De Bo. Westvlaamsoh Idioticon.

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123. hbrbmb (privatos). 11.527,45. Bern. 2«4. Prudent. A. X. 4. harmiehait. 46,24. Trudp. (Hohenburg.) Hohelied. A. XII. härm. Flandr. Chr. vv. 3381. 3440. 3446' 3457. arra. 5. harrunga(arrabona). H. Ahd. Gl. 21, 24. Bonn. 218. Naturgl.

mF. XI.

harre, har (ital. arrha). LmhdWb. I. 1187. (Kämt.)

arwiz. 6. harniz (pisa). Halt. 1.289. Sgall. 299. Naturgl. A. X.

haerewis. Mon. Boica. XXXVI. 1,28. (Weinh.)

arzat. 7. herzindum.D. 95, 14. Vorauer Suiii.Theol. B-roF. XII/XI.

cf. heerschebiscop. v. 2175. \ „t , rn

\ rlandr. thron, herdschebiscop. v. 443 /.I

ask. 8. hask (braxinus). Ad. Bl. II. 211. Weissenauer Natural.

A-f-B. X.

cf. Heskirich. Reichen. Cfrt. a. 830. P. II. 564, 31. Maschinen. Regino v. Prüm. Pertz. I. 597. 608. Hascheri. Urk. v. Stablo, a. 924. Heinzel S. 266. aspa. 9. haspa Zs. XV. 48, 83. Paris. Natural. mF-f Obd. XI. 130. haspa (tremulus). Germ. XX. 150. Noltes Naturgl. A.V XI. hespe. Mnd. Wb. II. 259. hesse. Brem. Wb. 5, 387. DWb. IV, 2. 121)9. ast. 1. hastalohten I. 439,39. Clin. 18140. Regum. B~j ? XI.

2. heste. I). 250, 21. Vorauer Leben Jesu. B-jA. XII. hastcling-asteling. Wvl. .Td. 410*. ätam. 3. wissaetuomlihhatam I. 351. 30. Vind. 2732. Levit. B r ? X.

4. hätem. D. 350, 26. Vorauer Hds. Arnold v. hl. Geiste.

B+? XII.

E.

cbah. 5. hebah (hederam). I. 676, 1. Sgall. 299. Jonas. A. IX X.

6. hebah (hederam). I. 676, 1. Carolsr. CXXXV. Jonas. A. X.

7. hebehuuoi(edera). Zs. III. 472. Weissen. Naturgl. A-fB. XI.

8. hebeouueZs.XV, 361. Florent. Natur, nd-fobd. XIII XI.

9. hepoum(hedera).Grf.l.9l. Olm. 14689. Naturgl. B-fF? XII.

hebheu. DWb. IV, 2. 733. eban. 40. hebenaltero (coevo). II. 36, 11. Vadian. 336. Arator A. X.

1. hebenhellunga (concordia). diut. III. 262. Vind. 2400.

Sum. Heinr. mF. XII/XI.

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2. unh ebene, v. 2829. Molsh. Hds. Rede v. Glauben. mF. XII. Hebinolf. P. I. 79. 21. Sgall. Cfrt. Scina (b. Reichenau). P. II. 334, 15. Reichen. Cfrt. etc. ebar. 3. lieber P. I. 673, 28. Turic. 121.

4. heber. P. I. «73, 28.Brüssel. 8742.'Notker Rhetorik A' XL

5. heberspiez. Ahd. Gl. 16, 23. Trier. Sum. H. inF. XII/XI.

H. hebirwrz. Germ. XIX. 216. Palat. Sum. H.mF+A. XII/XI.

7. hebirvvrz. MonelV, 95. Salmansw. Suffi.H.mF+A.XIII/XI.

8. hebirzan. Zs. XV. 344, Florent. Suüi. H. nd-robd. XIII/Xl.

Heburinga. Sgall. Urk. a. 793. QF. III. 141.

Heberuinns. Sgall. Cfrt. Gengeubaeh a. 839. I. 63, 28.

Hebrohardo. Weissenb. Urk. a. 733. 737. 739.

Hebarhart. Trier. Urk. a. 870. 871. Honth. N. 109. 167.

Heverhardo. Heinzel. dial. VII. saec. XI. egeda. 9. hegeda (dentilia). Grf. I. 112. Olm. 17153. Sum. Heinr.

cf. hagaleia. inF.(-rI3 :) XI.

egi. 150. hegislichen. P. 11.24,26. Cod. Frising.Otfrid. sF+B.lX.

I. ?hesslichen „alii legnnt". Freher z. I. 24, 2: Otfrid.

2. heise(horror). diut. III. 263. Vind. Summ. H. mF. XII XI.

3. heise. D. 140, 18. Vorauer J. Judith. B |-F. XII.

4. hagebar t (larva). Wackern5. 122b.

Hegisher. Lorsch. Urk. N. 2841. saec. VIII. hegi - egi (terror, disciplina). Schw.-Id. I. 143. eht. 5. he eht (possessio). QF.III, 16.306. Vocabul. S.Galli. A.VIII.

6. hehtim (praediis). VIII. 9, 1. Murb. Hymnen. A. IX.

7. merhe[ht](prerogativa). 11.682,55. Seiest. Verg. A.XII/X.

8. ?kihohtikoten(preditis). II. 214, 58. Selestad. Greg. c. p.

Wack.: „gemeint ist „kihehtikoten". A. XII/X.

9. h e t i c (idoneus) 1 1. 248,47. Cheltenh. 18908. Greg. dial. A ? IX. 160. [hjehtim. P. I. 1, 16. Vindobon. Otfried. sF-f-A. IX.

1. hettim(opibus). 11.318,62. Fuld.Aa.2. Greg. Homil.hF.IX.

2. [hjehti. 35, 4. Tatian. hF. IX.

3. [hjehti. 97, 1. Tatian. hF. IX.

4. fhjeht. 97. 1. Tatian. hF. IX.

5. [hl eht. 97. 1. Tatian. hF. IX.

6. [h]eht. 97, 7. Tatian. hF. IX.

7. hebet. (reditus). II. 148, 1. Frankf. «4. Canones. hF. IX.

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| dkm2. 72\ Lorsch. Beichte. oF. IX.

U58. hehti. (facultates). II. 148, 4. Francf. «>4. Canones. hF. IX.

9. hehti.(possessiones). II. 1 4*>, 64. Francf. b'4. Canones. hF. IX. 170. heihti. (reditus). II. 148. 73. Francf. <H. Canones. hF. IX.

1. hehtio II. 147, 53. Francf. t>4. Canones. liF. IX.

2. h eh tio.(facn!tatum).II.l 45,43. Francf. «4. Canones. hF. IX.

3. hehto (rernm). II.99,37.Clra. 19440.Cauon.B-i-hF.XI/XII.

4. hihti II. 344, 20. Clm. «325. Isidor d. offic. B+? IX.

5. [h?]ehtige (dites). I. 101, 38. Hraban. Gl. R. B. IX. ei. 6. hei. 28, 22. Wernh. v. Ndrhein. inF. XIII/XII. eid. 7. menhedos v. 1504. Cod. Monac. Heliand. nd. IX.

8. meinheidan II. 149, 8. Mns. Brit. Canones. hF? IX.

9. minan heit. z. 24. 180. m(e)inan heit. z. 25.1

1. heit. dkm2. 100. z. 10. Erfurter Jndeneid. hF. XII.

2. heide. 72. 18. Palatin. Rolandsl. mF. XII.

heit. Trier. Urk. a. 1257. Lacombl. II. 435. eigau. 3. heigun. dkm2. 11. v. 24. Lndwigsl. oF. IX.

4. heigine. II. 103, 49. Clm. 14407. Canones. B+hF. X.

5. [hVjeiginun II. 1 1*5, 59. Florian. Canones. B-fhF. X. ♦i. heigenon II. *>09, 7. Paris. 10195. Sallust. mF. XI.

7. heikinin. Hatt. I. 112. Sgall Benedict.-Regel. A. IX.

8. heigit (vendicat). II. 54»i, 20. Apponyi. Prudent. A. X XI.

9. heigen. 11.52,28. Sgall. 21. Xotker-Psalm. A. XII XI. 190. heigin. II. 122, 13. Sgall. 21. Xotker-Psalm. A. XII/XI.

1. heigin. II. 122, 15. Sgall. 21. Xotker-Psalm. A. XII XI.

2. heigin. II. 122, 18. Sgall. 21. Xotker-Psalm. A. XII XI.

3. heigin. II. 122, 20. Sgall. 21. Xotker-Psalm. A. XII XI.

4. heigin. II. 198, 4. Sgall. 21. Xotker-Psalm. A. XII XI.

5. heigin. II. 599, 12. Sgall. 21. Xotker-Psalm. A. XII XI.

6. heigint. 11.393,3. Sgall. 21. Xotker-Psalm. A. XII XI.

7. heigen. 9ßf 4. Seemüller. Einsiedl. Willir. A+hF. XII/XI.

8. hein. 102, 2. Seemnller. Einsiedl. Willir. A-fhF. XII/XI.

cf. Schw.-Id. II. 890. DWb. IV, 2. 814. haigenshaft, Kauffm. Schwab. M.-A. S. 205. a. 1293. heigen. hein. Boners Edeln. n. LmhdWb. I. 518. heigen. Weist, I. 7(>1 § 1H. Selse (Elsass). a. 1310. heyn, heym. Höfer II, 37 md. n. Weinh. Mhd. Gr. hein (proprium) heine (servus) Id. Fris. 248.

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eih. 9. heissci. dkm2. 82. cap. 12. Aelt. Physiologus. A. XI. 200. haic(quemis). Ad.Bl. 11.211. Weissen. Naturgl. A-f-B.X XI.

1. heicbiner Zs. III, 378. Admont. Naturgl. B-f A? XI.

2. heich (aesculus). II. 721, 1. Berol. Vergil. A-fF? XI.

3. heih(ilicem).II.25,4. Clm. 14117. Ambros.s. Luc. B? X/XI.

4. haiche(ilices). 11.24,9. Clm. 1 3079. Ambr. Hexara. B ? X/XI. ein. 5. heinan. dkm2. 52, z. 14. Fränk. Taufgelöbn. B. oF. IX.

6. [hlenin.dkm2.10. v.27. Cbrist.u.d.Samarit. A-foF?X/IX.

7. beina. v. 2. Strassb. Hds. v. Ezzos. Leich. A. XI.

8. beimstrit (seditio). I. 292. 11. Rd. Alpbab. Gl.A-oF. IX.

9. beimstrit(seditio).I. 292,11. Ib.227. Alphab.Gl.A-f oF.IX. 210. hein.-striti II. 317, 22. Jb. 222. Greg. Homil. A-foF. IX.

1. beinstrit. II. 264, 24. Sgall. 299. Greg. Homil. A. X.

2. beimstrit II. 204, 24. Selestad. Greg. Homil. A. XII/X.

3. heinzugiler (idiota). 1.727,35. Selestad. Lucae. A. XII/X.

4. beinbenti(mancubium)II.19,56. Clm.23486. Aid heim. B?X.

5. beimpar (situla). diut. III. 405. Vindob. 3355. Naturgl.

B-f F. XI.

be(i)ntzeler (Einspänner). Frankfurt Dieffb.-W. S. 658. hentel (= einzel). Mnd. Wb. II. 243. eiscon. 6. kaheiscoterull. 99. 15. Clm. 19417. Canones. B-j-F? IX.

7. ? geheiscotoro 1 Grf. I. 496 z. Clm. 14407. Canones)

8. gibescbot Clm. 22201. I. 573, 13. Eccles. B-f V XII/X.

9. heisccnGerm.St.Il.278b. Bern.Salom.Gl. nd-f A. XIII/XII.

heischen, heisch, heischunge etc. cf. LmhdWb. I. 533. 1223. Kauffm. Sehwilb. M.-A. S. 205. DWb. IV, 2. 897. 896. 901. BWb2. I. 166. hesken. besehen. Mnd. Wb. II. 259' besehen. Reinart vv. 220. 3076. Flandr. Chr. 3067. 3968.

eit. 220. heito(pira™m,ignium).II. 19, 74. Clm. 23486. Aldh. B-f ? X. eitar. l.heitar (venena). III. 5, 4. Murbacher Hymnen. A. IX.

2. hettaruurtiö diut. II. 193. Strassb. Naturgl. nd. IX.

3. hedor-nezzola H.Ahd.Gl. 21.28. Bonn. Naturgl. mF. XI.

4. heitemescele smrl. 19, 66 Vindob. SuüT. H. mF. XII/XI.

5. heiterneschel 20, 11. Vindob. Sum. H. mF. XII/XI.

6. heiternescel. smrl.22. 40. Vindob. Sum. H. mF. XII XI.

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7. heittirnezziliGerm.XIX,216.Palat. Sum. H.mF+A.XII.

8. heitenezzila Gerb. 57b. S. Blas. Suhl. H. niF-f-A. XII/Xl.

9. heiternezela srarl. 62, 65. Vindob. Naturgl. F-i-B? XII. 230. hoiternezila Germ. St. II. 281. Bern. Naturgl. F-r A ? XII.

heiznezele (acalife). smrl. 53, 12; 50. Vind. 2824. Md. XIII. heiznessel. Dfgl. 6". heiternezzel. Lmhd. Wb. I. 536. heiter-,hitter>ader-.haber-nessel. DWb. IV,2. 1 1.91581. heder-, hidder-, hader-nettel. Mnd. Wb. II. 172. hernitel. WWb. S. 99. (keddernettel. (Oldenburg). WWb. S. 99. ekka. l.hecgepugi (tramite). I. 256, 2. Keron. Gl. K. A. VIII.

2. ? deggen („stattheggenu)(principiis). 11.612,67. Einsiedl.

Sallust. F. XI.

ekkil. 3. hechelstein(acirum). Mone 7.599,70. Innspr. 711.Naturgl.

B -F. XI/XII. hecchal = eckel (Stahl). Oinibr. Wb. S. 116. ekkor(odo). 4. heccor. II. 578, 6. Düsseldorf F. 1. Prudent. nd-fA. IX.

5. lieht, v. 814. Casseler Hds. Reinh. Fuchs. A. XII.

hecht. Rein«rt. v. 3432. K. III. Disp. v. Regiere. 349. elaho. 6. helahun II. 742,7. Ja. 184. Pass. Barthol. A+oF. IX.

7. helaho(tragelaphus). 1.366,9. Sgall.283. Deuteron. A. IX.

8. helaho I. 367, 13. Stuttg. 218. Deuteron. A. XI/IX.

9. helaho(tragelafum). 1.367,13. Sgall.9. Deuteron. A.IX/X. 240. heloho. (alx). diut. III. 263. Clin. 1 7 1 52. Saloingl. A.+B XII.

1. heloho. (alx). Genn. XX. 150. Noltes Naturgl. A-f-F? XI.

2. helahesuht(elefantia).smrl. 7, 12.Vindob. Suiii. H. F. XII/XI.

helenhüt. (Elenshaut). Mnd. Wb. II. 231.

(Vcf. Heichart. Sgall. Cfr. P. I. 118, 15). elbiz. 3. helbez (olor). Zs. III. 475. Weissenau. Naturgl. A-fB. XI. elephant. helfant cf. S. 117 f.

eli- 4. helcor. v. 5077. Cod. Monac. Heliand. ml. IX.

5. helidiota (alienigenac). 107, 9. Sgall. Psalmen. A. IX.

6. ?helitentuomo(=helilent-)(po8tliminio)II. 406,50. Prag.

Prudent. A-4-B. IX X.

7. ? hellande.(pulse).II.698.Pari8.9344. Vergil.mF-hobd.XI.

8. helende. v. 2269. Palat. Kön. Rother. mF. XII.

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eli- 9. hellende, v. 2409. Palat. Kön. Rother. mF. XII.

Halisacinse. Weissenb. Urk. a. 737. Strassb. St. I. S. 133.

Helisezo. Lorsch, ürk. (N. 1350.) saec VIII. Förstern. 8. 70.

Helisnuind. Fuld. Urk. (N. 108). a. 801. QF. 46.

Helilant. Reichenau. Cfrt. P. II. 296, 10. 418, 28. 559, 10. cf. hei (= anders, sonst). Reinart, v. 571.

helende. Comb. Hds. K. III. S. 392. v. 388.

hellendig. Hess. Jd. S. 164. elina. 250. helina 2 mal? Grf. I. 239. Clm. 14754. Naturgl. B-t-F? ?

1. helna(ulnuf»).Grf. 1.249. Prag.mus.Salom. Gl. B+A?XII/XI.

hellen (Mas«). Comb. Hds. K. III. S. 150 v. 384.

Katenhellenboge. Flandr. Chron. v. 6273. ellan. 2. hellen. S. 190, 12. Palatin. Rolandsl. mF. XII.

Hellinhart. Reichen. Cfrt. P. II. 521, 32. elm. 3. helmboum(ulmus). 11.368, l l.Clm. 18375. Priscian. B? IX.

4. helm(nlnus). Grf. 1.249. Clm. 17152. Salom.Gl. A-f-BVXII.

5. derbomholm.Grf. IV.926. ? ? ? ? elunt. 6. ? helliunt(hiena). Zs.XV.363, 1 762. Florent 16, 5. Naturgl.

nd+obd. xin XI.

cf. heltenze. (= illintiso). Dfgl. 277*.

helsink. (ein Pelzwerk). Mnd. Wb. II. 235. emiz. 7. hemizigen. IV, 2. 34. Cod. Frising. Otfrid sF-fB.IX/X.

8. hemizen. V. 23. 109. Cod. Frising. Otfrid. sF+B.IX/X. enti. 9. hentriskes(antiqui).XXIV. 9, 1. Murb. Hymn. A+oF. IX. 260.? tho[h?]enti. (P). IV. 24,25. Cod. Frising. Otfr. sF-p-B. IX. l.hcnde. 26, 15. Wernh. v. Xiederrhein. mF. XIII.'XII. hent. hende. Flandr. Chr. vv. 837. 2862. 4402. 5637. 5885. 6916. 8633. 10478. Comb. Hds. K. III. 152, 334. 153, 346. Reinart. vv. 1929. 2571. henden (verb.) Flandr. Chr. vv. 3833. 8948. Rein. v. 450. hende. Mnd. Wb. II. 171. enze ? 2. h e n z e (ansa). diut. II. 200. Bern. 64 1 . Alphab. Wb. nd. XIII.

heinze. Wvl. Jd. 299*. erpron. III. her cf. f. 108. f.

er- 3. herbremot (exarserit) II, 13 (Niederd.) Psalm. mF. IX.

4. herhaben (fermentatum) I. 713, 20. Brüssel. Matth. mF. IX. er- 5. h erbarm i da I. 714, 27. Mainz. Matth. mF. IX/X.

6. herdemphu II. 740, 7. Sgall. 292. Abd. A. Apost.F. IX/X.

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7. herholoth II. 500, 17. Sgall. 292. Prudent. F. IX X.

8. hergab(tradidit).II.21, 13. Vindob. 916. Aldhelm.B4-F? X.

9. -herstuont z. 20. Lied v. hl. Georg. A. X. 270. -herstuont z. 32. Lied v. hl. Georg. A. X.

1. -herstuont z. 33. Lied v. hl. Georg. A. X.

2. -herstuont z. 41. Lied v. hl. Georg. A. X.

3. -herstan z. 32b. Lied v. hl. Georg. A. X.

4. herlekanaz II. 539, 28. Apponyi Prudent. A. X/XI.

5. ?hergienc(fluxit)IL 552. 55. Trier. Prudent. inF-fA. XL

6. herzagede II. 713, 24. Paris. Vergil. mF-f A. XL

7. h erheitern. I. 309, 2. Clm. 22201. Genesis. B+F? XII.

8. herstarf 93, 10. Leydener Williram. mF. XL

9. hersterbe. 49, 22. Frgni. S. Rolands]. m¥. XII. 280. herbedit. 53, 20. Wernher u. Adrhein. mF. XIII XII.

1 . h er gen te. v. 837. Codd. P u.K. Reinh. Fuchs. o?F. XIV/XIL cf. Weinh. A. B. Mhd. Gr. ; Birl. Aleni. Spr. rechts des Rheins S. 117. 23Beisp.: Kauftin. Schwab. M-A. 8. 205. herfert. weist. I. 41 7 ; herdenken 70. herbot. 83. Reyscher. herkennen. Mone. Zf. d. Obrh. VII, 451. herkant. Pank- rotsh. 109.

herbarmen, herbotet, usherwelten. Mone Schausp. I. 200. herlobet 28, 298. herbaitot 28, 95. Liedersaal, lierncrt Ortnit. 1310. herscheint.. 190, 17. herfert 133,

28. Spiegel, her- Ring. 6''. 0C. 7°. hermessen. Zimr.

Chr. IL, 8, 34. Herlöse. Cimbr. Katechism. S. 15. herschlug, fol. 89. herblicket, fol. 93. hercante. fol. 94.

Wolfd. Palat.

Herwegen. 4, 0. herheben 8, 5. herzogen 8, 9. ) ? f! « herbannen 1 0, 4 ; 5 ; 0. lierkennen 1 1 , 8. 1 7, 9. 1 9, 2. 5 | | s herholn. 30, 5. herwein. 61, 10. herwinden 03,7.) *g * % herlost. I. 11, 17. hennorden. I. 075, 0. Myst. herhörest.

Katt. Spieg. 108. herwarb. Kttdiz Hl. Ludw. 103. hermort. 1 18. hernern. 120. herforschte. 121. herhub. 127. herdacht. 129. herhuben. 122. herweycht. hersüffczte. herschrag. 134. herquigken.l35.hersagen. UO.hergreyfr. 141. herbannete. 1 42. herbout. 1 45. herhaben. 1 50. Herwachte. 155. hermannet. 101.

Lcipz. Mlrehrn- llds. aaec. XV. Ad. Bl. I. IIS.

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95

Hess. Urkndn. (v. Baur.)

herstorben. I. 718. herlenbt. I. 670.

herkennet. I. 687. herfroys. III. 875. herkante. III. 1338.

herclagit. III. 1395. hervaren. Höfer I. 2. a. 1 248. haerbeyder. Wvl.-Id. I. 395 mnl. herinnern. Fr. Etym. Nl. Wb. S. 365. herbeginnen, herberen, herbiechten. Wvl. Id. I. 422 ff. etc. er. (Erz). 2. he.rino (e^reas). I. 447, 15. Carolsr. IC. Regum. A-j-oF. IX.

3. heriran (ereum). I. 458, 55. Carolsr. IC. Regum. A + oF. IX. er(prins). 4. Vherostin (stirpe). I. 21, 22. Keron. Ol. K. A. VIII.

5. haerostin, (stirpe). I. 20,22. Keron. Gl. Pa.B-bA?X/VIII.

6. herist. . (in primis horis) Hatt. 1. 67. Benedict-Regel. A. IX.

7. her . dkm2. 10. v. 26. Christ, u. d. Saraarit. A-foF. X/IX.

8. hererun. V. 23, 143. (P). Frising. Otfrid. sF-f-B. IX/X.

9. zi[h]eristen (primum) 38, 7. Tatian. hF. IX. 290. ziheristen. (primum) 39, 6. Tatian. hF. IX.

1. herist. dkm2. 65. S. 178. z. 17. Trier. Lex Salica. hF. IX.

2. her (ante) II. 381, 6. Mns. Plantin. Prosp. Epigr. mF. X/XI.

3. her (ante) II. 612, 35. Einsiedl. 303 (155) Sallust. m?F. XI.

4. herista.P. 1. 604, 31. Turic. 121. Notker-Syllogism. A. XI. er(prius). 5. [hier P. II. 10, 17. Sgall. 21. Notker-Ps. A. XII/XI.

6. herst . 72, 26. Trudp. (Hohenb.) Hohelied. A. XII.

7. He . Germ. VII. 8. 306. Augsb. Wernh. Marienl. A. XII.

8. herrin. I). 95, 18. Vorauer Summa Theol. B-HoF. XII/XI.

9. here. D. 125, 33. Milstäter Exodus. B-rF. XII. 300. ?herren (veteres). I. 491, 69. Clm. 22201 Esther.B. XII.

1. zehers. 47, 15. Wernher. v. Ndrhein. mF. XIII; XII.

2. nuheres. 51, 12. Wernher. v. Ndrhein. mF. XIII/XII.

he (priU8) 57, 10. Trebn. Ps. schles. saec. XIV. he (prins). 89, 2. Trebn. Ps. schles. saec. XIV. ze herscht „im heut. Frankf. a M.u I)ieffenb.-W. S. 658. die bersten. Cimbr. Katechism. S. 14. harra (prius). Id. Fries. 242. herest (prius).Id. Fris. 255. 6ra. 3. hera (honorificatjio]). I. 240, 29. Keron. Gl. b. A. VIII.

4. herhaft (infolas). I. 199. 20. Keron. Gl. K. A. VIII.

5. herhaft (exorabilis). I. 137, 17. Keron. Gl. K. A. VIII.

6. haerhaft. I. 136, 17. Keron. Gl. Pa. B-fA. X/VIII.

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7. haera (honorem). I. 1«. 8. Keron. Gl. Pa. B— A. X/VIIL

8. kihereter (senior). II. 222, 32. Clm. 18550. Greg. c. p.

B+A? Vitt.

9. herhaft (pius). S.-X. 245. Ic. Greg, cod. Homil. A oF. IX. 310. hera (honor). VI. 6, 4. Murbacher Hymnen. A. IX.

1. hern (honore). Hatt. I. «1. Benedict. Regel. A. IX.

2. hera. IV. 12. 32. Tod. Vindob. Otfrid. sF+A. IX.

3. hera. IV. 12, 32. ( od. Palat. Otfrid. »F. IX.

4. hera. IV. 12. 32. Cod. Frising. Otfrid. »F-fB. IX.

5. [h]era. IV. 9, 30. (P) Cod. Vindob. Otfrid. sF— A. IX.

6. jh?]cren. I. 22. 59. Cod. Vindob. Otfrid. sF-rA. IX.

7. gib er et. III. 13. 31. Cod. Vindob. Otfrid. sF A. IX.

8. (filieret. III. 13. 31. Cod. Palat. Otfrid. sF. IX.

9. giheret. III. 13, 31. Cod. Frising. Otfrid. sF~B. IX. 320. jriherete. IV. 5. 52. Cod. Vindob. Otfrid. sF-f A. IX.

1. sriherete. IV. 5, 52. Cod. Palat. Otfrid. sF. IX. era 2. giherete. IV. 5. 52. Cod. Frising. Otfrid. sF-rB. IX.

3. gihereti. IV. 4, 25. Cod. Vindob. Otfrid. sF+B. IX.

4. gihereti. IV. 4, 25. Cod. Frising. Otfrid. sF+B. IX.

5. gi[h]eret (honorihcabit). 139, 4. Tatian. hF. IX.

6. ?giherodo. v. 102. (C. gierodo.) Cod.Monac. Heliand. nd. IX.

7. ?giherod. v. 4144. (M. gierod). Cotton. Heliand. nd. X IX.

8. geheredes (coronasti). 38«. Cod. Lipsian. Bibelgl. nd. IX.

9. cahereta 11.343, 19. Clin. 19410. Isidor de off. B. ? IX. 330.herhaftiII. 733, 34. Clm. 14747. Vitae patr. B-r?. X.

1. hera II. 224. 28. Florian. Greg.c. p. B-rA? X.

2. heres I. 579. 41. Vindob. 2732. Ecclesiast. B-r?. X.

3. [h]era. dkm2. 83. z. 45. Gebet Otlohs. B(-fFr') XI.

4. hergiride. dkm2. 91. z. 119. Monae. Bamb. Gl. hF. XI.

5. unhera. (flagitium). II. 613,5. Einsiedl. Sallust. m?F. XI. «. unhera. (dedecus). II. 612, 12. Einsiedl. Sallust. mVF. XI.

7. unherun. fininrie). II. «12, 5. Einsiedl. Sallust. m?F. XI.

8. hersam. (honestus). II. 609, 5«. Paris. Sallust. m?F. XL

9. ?hergingerdint. III. 420. Prag. Gl. Salom. A+B. XII 340. potin hera P. II. 470, 9. Sgall. 21. Xotker-Ps. A. XII XI.

1. heren. XIII, 11. Wackern. Züricher Predigten. A. XII.

2. geliert. XIII, 5. Wackern. Züricher. Predigten. A. XII.

3. gelieret. II. 25. Kelle. Benedictb. Predigten. B+TA. XII.

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97 -

4. her et. dkm-. 94. 18. Benedictb. Hl u. Beichte. B. XII. ö.ziheren. Zs. XXIII. 350. Wien. Predigt. B+F. XII. era. 6. heren fndgr. I. 78. 34. ^Vindob. 2056. Predigten. B-}-F.

7. heren fndgr. 1. 78. 36. J XIII XII.

8. geh er et. 35, 42. Leysers Leipziger Predigten. F. XIV XII.

9. here. D. 174, 18. Vorauer Kaiserchr. mF4-B. XII. 350. here. D. 526, 25. Vorauer Kaiserchron. mF-fB. XII.

1. here. D. 526, 32, Vorauer Kaiserchron. niF-r B. XII.

2. heren. D. 527, 13. Vorauer Kaiserchron. mF-}-B. XII.

3. here. D. 527, 21. Voraner Kaiserchron. mF-f B. XII.

4. hersam. D. 471, 32. Vorauer Kaiserchron. mF-fB. XII.

5. hersam. D. 524, 16. Vorauer Kaiserchron. uiF-f-B. XII.

6. hersain. v. 6229. Strassburg. Alexander. mF. XII.

7. her s am. (n. Lexer). Palatin. Rolandsl. mF. XII.

8. here. 78, 6. Palatin. Rolandsl. mF. XII.

9. here. 132, 20. Palatin. Rolandsl. mF. XII. 360. here. v. 119. Palatin. Rother. inF. XII.

1. here. v. 931. Palatin. Rother. mF. XII.

2. heren. v. 1179. Palatin. Rother. mF. XII.

3. here. v. 1242. Palatin. Rother. mF. XII.

4. heren. v. 1548. Palatin. Rother. mF. XII.

5. here. v. 3406. Palatin. Rother. mF. XII.

6. here. v. 3670. Palatin. Rother. mF. XII.

7. heren. (verb.) v. 261. Palatin. Rother. mF. XII.

8. heren. (verb.) v. 2454. Palatin. Rother. mF. XII.

Herhart. P. I. 1, 33. Sgall. Cfrt. Schbnenwert. a. 810. Herhart. P. II. 135, 1.319,4. 602, 18 (s. X.) Reichen. Cfrt. Herhardi. QF. 46. Fuld. Urk. a. 841. (N. 534). ?Hericho. Str. St. 1. 127. 158. Weissenb. l'rk. a. 719. 780. daz hArebernde laut. Walther v. d. V. 76, 37. heren. Reinart. v. 2342. onthert. v. 668. gebeert. Flaudr. Chr. vv. 1156. 2150. beere. Flandr. Chr. vv. 3128. 3135. 4893. 5860. 6038. here. Cinibr. Wb. 1 1 7". erbi,-o. 9. fatherb (patrimon.). II. 142, 21. Lips. Canon, nd -\ obd. XI. 370. hereuue (hereditas). gl. 562. Lipsian. Bibelgl. nd. IX(?

1. he reut (statt hereve). II, 8. (Xiederd.) Psalm. mF. IX(?

2. adalherbon. IV, 6, 8. Cod. Frising. Otfrid. hF--B. IX X.

QF. LXIX. 7

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3. feter Ii erib um. I. 585, 68.Carol*r. IC. Ecclesiast. A oF. IX.

4. heribo (heres). II. 513, 30. Einsiedl. 316. Prudent. A. X.

5. canherben. P. II. 131,7. Sgall. 21. Nutk.-Psalm. A. XII XI.

6. herbe. Wackern. III. 110. Züricher Predigten. A. XII.

7. herbe. Kelle. spec. eccl. III. 176. Benedictb. Pred. B f A. XII.

8. herbe, (patrimon.) srarl. 14, 30. Vind. Sum. H.mF. XII/XI.

9. herbo. diut. III. 238. Vind. Suiu. Heini-. mF. XII XI. 380. herbo. diut. III. 238. Clin. 2612. Sum. H. mF. XII/XI.

1. aftirherbo. Ahd. Gl. 2, 11. Trier. Suni. Heinr. mF. XII, XI.

2. ebinherbo. diut, 111,238. Vindob. Sunl. Heinr. inF. XII/XI.

3. ebinherbo. diut. 111,238. Clin. 2612. Sum. H. mF. XII/XI.

4. ebiner herbo. Gerbert, Anh. 18. SBlas. Sum. H. mF. XII XI.

5. herven. v. 3379. Cod. Palatinus Rother. mF. XII.

6. herbe (liaereditati). 67,9. Trierer Psalmen. mF. XIII XII.

7. herbe (haereditate). 81, 11. Trierer Psalmen. mF. XIII XII.

8. herbes(haereditatis). 104,13. Trierer Psalin.mF. XIII XII.

9. herbe (haereditatem). 105,38. Trierer Psalm. mF. XIII/XII. 390. herbe(haereditatem).l34,13. Trierer Psalm. mF. XIII XII.

1. herbe. Leyser 13, 28. Leipziger Pred. B-pF. XIII XII. ? Herbolf (4mal). Str. St. I. S. 207. Mnrb. Urk. a. 786. ?Herfo. Sgall. Cfrt. P. I. 181, 28. ? Heribo. Reichen. Cfrt. P. II. 324, 23. 495, 13. herbo. Btr. XIII. 481. Schwäb. Urk. 1292. untherben. Palat. v. 6023. Iwein. 7 mal : herbe. Rück. Schles. M.-A. S. 166. herbis. Trebn. Ps. 15, 5.

herbin. Hess. Urk. III. 1163. (Weinh. Mhd. Gr.) herve. Höfer II. 36. Heinzel. dial. VI. S. 351. onthervet. Reüiart. v. 668. Flandr. Chr. v. 2629. ontheruenisse. Flandr. Chr. v. 8551. herfelyk. nml. Wvl. Id. I. 395. erda. 2. Valtherda. (omnis terra) I. 280, 30. Keron. Gl. K. A. VIII.

3. herda. (terra). I. 168, 5. Keron. Gl. Pa. B-r A. X VIII.

4. herda. (terra). VII, 8, 3. Murb. Hymnen. A. IX.

5. herda. I. 291, 13. Ib. Alphab. Gl. A-foF. IX.

6. herda. erd. (sohun) I. 291, 13. Rd. Alphab. Gl. A-r oF. IX.

7. herda. 123, 7. Sgall. Interl.-Vers. d. Psalmen. A. IX.

8. herda. II. 1, 3. Cod. Frising. OttVid. sF -: B. IX/X.

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99

9. herdun. II. 1. 35. Cod. Frising. Otfrid. sF^B. IX/X. 400. herdu. III. 8, 18. Cod. Frising. Otfrid. sF+B. IX/X.

1. herdu. III. 12, 43. Cod. Frising. Otfrid. sF^B. IX/X.

2. herdhu. I. 18. Monseer Matthaeus. B-f-oF. IX.

3. haerda. V. 2. Monseer Matthaeus. B-j-oF. IX.

4. herda. VI. 7. Monseer Matthaeus. B-f-oF. IX.

5. haerda. VI. 8. Monseer Matthaeus. B-r oF. IX. (>. haerda. MI. 19. Monseer Matthaeus. B- oF. IX. 7. ? herdun. (stuppa). I. 382, 21. Fuld. Aa. 2. Judic. hF. IX. 8,.?herdfiur. I. 302, 32. Clm. 14754. Genesis. B? IX/X. 9. ? htrdmiz. (tubaura). Hatt. I. 29l.Sgall. Natural. oF. IX X'

410. ? herdnuz. (tubura). Ahd. Gl. 21, 31 . Bonn. Naturgl. mF. XL.

1. ?hfrdstat.(solum). 1.715, 55. Paris. Vergil.mF r obd. XI.

2. herda.(saltum). I. 393, 2. St.Paul. XXV d 22. .ludic. A. X.

3. herda. (terra). Hatt. 1. 296. Sgall. 242. Natural. A. X/XI.

4. V hertinga. P. 1. 822, 12. Sgall. 872. Notk.-Capella. A. XI.

5. herde. Wackern. IX, 2. Zürich. Predigten. A. XII. tf. herde. Wackern. XIII, 25. Zürich. Predigten. A. XII.

7. herde. Wackern. LXXX, 34. Muri. Predigten. A. XII.

8. herden. I). 3<>5, 17. Vorauer Hiiiil. .Terusal. AH B XII.

9. ? herin erde in herde. I. 599, l«. Clin. 22201. Es. B ; ? XII. 420. ingrapanero herdo. I. 594, Gotwic. 103.| Esaia.

1. Vingigrabanerheride. 33. Clm. 22201. J B-r? XI/XII.

2. V he rt prost, (hiatu). II. 355, 8. Clm. 14505. Lncan.B? XI?

3. V hertlim. dint.III.243. Vindob. 2400. Sum. Heinr. mF.XII.

4. ? hertapfel. smrl. 23, 1(>. Vindob. Sum. Heinr. mF. XII.

5. ? herdepliele. smrl. 55, 59. Vindob. 2524. Naturgl. F. XIII. Ii. herden. v. 1849. Palatinus Ruther. mF. XII.

7. herden. v. 4215. PalatinUB. Rother. mF. XII.

8. ? herthen. 44, 27. Wernher v. Ndrrhein. mF. XI1I/XII.

cf. Schweiz. Id. I. 379. DWb. BWb. etc.

he(e)rde. Flandr. Chr. vv. 25<>4. 2848. 4205. 7120.

Bern. Ep. v. 128. (K. III), u. K. III. S. 117, 89. hirde (dominium). Id. Fris. 2<>2. herda. Cimbr. Wb. S. 117». herdäpfel (Oberpfalz). BWb. 139.

' Wir weit in solchen Füllen die Form herd (nm*e.) heranzuziehen ist. Ili«flt nieh nieht entnehnthu.

7*

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MIO

Birl. Alein. Spr. rechts d. Rheins. S. 117. Kauffm. Schwäb. M.-A. S. 205. erüa. 9. herilun (ahn). II. 721, 15. Berol. 4°. 25. Vergil. A?-f F. XI.

Herloaldus. Str. St. 1. S. 132. Weissenb. Urk. a. 739. Herloaldo. Str. St. S. 133. Weissenb. l'rk. a. 739. Herlulf. Försteiiiann. Lorsch. Urk. saec. VIII. (X. 690). Herlnlf. Förstemann. Lorsch. Urk. saec. IX. (II. 1918). Harlebeke. Reinart v. 5334. Flandr Uhr. v. 35. hällern. Mnd. VVb. II. 287. heldern holt. Xnd. herlarenhout. Wvl. Id. 423b.

erin- 430. heringriez. Germ. XIX. 21*». Palat. Suiii. H. A-f F. XII.

i. heringriez. (alietum). Mone 4, 95. Salmansw. Sum. Heinr.

A^-F. XIII XII.

erclich. 2. herklieh. v. 80. Cod. Kalocz. Reinh. Fnchs.oF. XIV XU.

haerch. hcrghe. Flandr. Uhr. vv. 6260. 6738. ernust. 3. hernosta (seria). II. 610, 61. Paris. 10195. Sallnst.mF. XI.

Hernust. Sgall. Ufrt. P. I. 348, 14 u. 52, 14. Reichenauer Ufrt. II. 434, 5. etteslih. 4. hetelicher. I>. 208, 18. Vor. Alexander. Ht mF. XII. ewa. 5. he altiger. I. 587, 25. Ja. 189. Ecclesiast. A + oF. IX.

6. healtidu (religione). I. 587,52. Ja. 189.Eceles. A-oF. IX.

7. hehalto (pontifex). Ic. 245. Greg, homil. A. IX.

8. heialtlihia. II. 620, 52. Uarolsr. CCXVII. Sedul. A. X.

9. heuigon. dkm2. 3. v. 41. Muspilli. B^-oF. IX. 440. hebrucliehan. II. 477. 54. Ulm. 18922. Prudent A^B. X.

1. merhe (prerogativa). II. 682. 55. Seiest. Vergil. A. XU/X.

2. hewen. I). 365, 11. Vorauer Hiinl. Jeruslm. B + AF'PXII.

3. he. D. 372, 23. Vorauer Hiinl. Jerusalem. B+AF? XII. 5.hewigen. I). 112. 20. Milstäter Genesis. B rF. XII.

he. Mnd. Gr. § 44. („in späterer Zeit4*), ezzan. 8. hfiz. Germ. VII, 305. v. 585 (384). Augsb. Frgmt. v.

Wemb. Marienl. A. XII. beten. Reinart v. 3137. hat. v. 271.

beten. Hausier III. 138, 250. 188, 59; 64. 209, 158. cf. böser = öser : mhd. eser. Schw.-Id. 506. („zu äsen - verzehren ").

5. he. Zs. XXIII. 349. 3b. 7. t

Haupts Wiener. Predigt.

B+F. XII/XI.

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I.

idis. 9. hidis. v. 823. Cod. Monac. Heliand. nd. IX.

cf. V Hiddiseckere ( = Itzehoe). Id. Fris. 259. igal. 450. higli (herinaeiis). I. 521, 44. Clm. 22258. Psalm. B4- %i XII. ih. l.hih(ego). I. 521. 44. 8. Paul XXVa 1. Lucae. A. VIII.

2. hic (ego). I. 385, 55. Carolsr. IC. Exodus. A-foF. IX.

3. hicquome. I. 524. 5. Carolsr. 8. Petri. Psalm. mF.XI? IX.

4. h'q^me (veniam). I. 524. H. Sgall. 292. Psalm. oF. IX X.

5. hich ther(qui). II.H24. 1 1. Paris. 9345. Terenz.mF-f-obd. XI.

H. hich. z. 97. Altd. Gspr. nF. X. 7. hich. z. 98. Altd. Gspr. nF. X.

458—474. hich. 17mal. Hatt. I. 329. Sgall. 232. Gl. u.B. I. A. XI. zz. 1. 5. 9. 12. 13. 13. 14. 15. 10. 17. 23. 25. 28. 31. 38. 39. 43. (nur lmal: ich). 5. hic. z. 12. Hatt. I. 329. Sgall. 232. Gl. u. B. I. A. XI. ♦5. hic. Hatt. I. 327b. Sgall. 1394. Gl. u. B. II. A. XI.

7. hich. Zs. III. 519. v. 22. Rheinauer Paulus. A. XII.

8. hich. LXX1II, 14. Wackeru. Engelberg. Predigt. A. XII.

9. hich. LXXI1I, 15. Wackern. Engelberg. Predigt. A. XII. 480. hic. LXXIV, HO. Wackern. Engelberg. Predigt. A. XII.

I. hic. n. Graff. I. 118. Trierer Williram mF. XI.

2. hich. v. 259. Palatin. Rother. mF. XII.

3. hich. v. 1009. Palatin. Rother. mF. XII.

4. hic. v. 35. Palatin. Rother. mF. XII.

5. hic. v. 42. Palatin. Rother. mF. XII.

H. hic. v. 120. Palatin. Rother. mF. XII.

7. hic. v. 3790. Palatin. Rother. mF. XII.

8. hic. v. 5094. Palatin. Rother. mF. XII. hic: ä. Lübecker Recht. Mnd. Gr. § 44.

?ih(s)illa9. kichillb(stiria).II.73(),20.Pari8. 9344.Vergil. mF-f-obdXI. 49u. hichela/gutta, \diut.III. 245. Vind.2400. Sum. H. mF.XII.

I. hichelaVstiria /diut. III.245. Clm. 2*312. Sum. H.mF. XII. cf. kekel. kikele. Hör. Belg. VII. S. 13. u. 19.

hekel, is-hekel. Brem. Wb. I. Hl 5. ihsil i. 2.fkrhksklktxxbd (exulat ). 11.519,33. Turic. 1 H4 . Prudent.

firhisilit wa(r)d. A. IX/X.

3. hisili(po8tliminio).II. 737,H.Selestad. VitaMalchi. A. XII X.

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ilen. 4. liili (studrat). Suhm.-X. 1 Ja. Bibelgl. VA-oF. IX.

5. anahiltonl. 493, 31. Carolsr. IC. Esther. A-r oF IX.

6. hilit. piteilet. Suhm.-N. 245. Tc. Gregor, c homil. A. IX.

7. hilet(adtendit). 11.233, 38. Carolsr. CCXX. Greg.e.p. A.IX.

8. hilint(ni()liuntur). 11.233,42. Sgall. 216. Greg. c. p. A. IX.

9. hilta. II. 607, 4. Clm. 6375. Rutin. last. A-I-BVIX. 500. nigihilit. V, 16, 33. Cod. Vindoh. Otfrid. sF^-A. IX.

500*>. sehiltun. V, 4. 10. Cod. Vindob. Otfrid. sF + A. IX. 1. sief?] iltun. II. 14,93. (P.) Cod. Vindob. Otfrid. sF+ A. IX. 2.8o[?]iltih. I. 22, 49. (P.) Cod. Vindob. Otfrid. sF fA. IX.

3. so[?l iltih. I. 22,49. (P.) Cod. Frising. Otfrid. sF -r B. IX X.

4. hiltnn. I. 22, 29. Cod. Frising. Otfrid. sF-rB. IX X.

5. zuohilinta. Germ. XXXII. 354. Brit. M. Juvcnc. A. X.

6. geh i lt. II. 39, 11. Selestad. Arator A. XII X.

7. hoverhilind. II. 595, 42. Paris. 1854. Prudent. mF - A. X.

H. nihil ti. II. 4. 21. Vindob. 261. Alcimus. A + B? XI. 9. hilent (operam detiß). I. 744,10. Stuttg. 218. Thessal. A. XI.

hila. Id. Fris. 259.

? hille. mnd. und. ( eilig, hurtig) hierher ? inne. 510. dahin, v. 684. Codd.Palat.u.Kalocz. Hh.Fuchs.oF.XIV XII.

hin heyn (= hinin). Rück. Schles. M.-A. S. 166.

hinnen innen, z. B. Dieff.-W. S. 663.

hingesegel (Insiegel). Mnd. Wb. II. 171.

hindrucken (widerkäuen). Schm. B. M. § 502. Lech, int- 1. ? hintinwerdunt (spernnnt). II. 116, 15. Vind. Can.B-r ? XI.

[h?]interetnn. IV, 30, 2. Vindob. Otfrid. sF + A. IX. io. 2. hiokauuedarero. II. 308, 51. Rd. Greg, hom. A f oF. IX.

3. hio. dkm2. 11. v. 54. Ludwigsl. oF. IX.

4. hio. dkm-. 11. v. 58. Ludwigsl. oF. IX.

5. heo. dkm2. 3. v. 60. Muspilli B-roF. IX.

6. hio. dkm-. 3. v. 78. Muspilli B+oF. IX.

7. heo. dkm2. 3. v. 94. Muspilli B-roF. IX.

8. hiouuiht. „. v. 94. Muspilli B roF. IX.

9. hiemer. (in aevum) II. 487. Sgall. 134. Prudent. A. X. 520. hio. Hatt. I. 329. Sgall. 232. Gl. u. B. I. A. XI.

I. hie. Hatt. I. 327b. Sgall. 1394. Ol. u. B. II. A. XI.

2. hie. Hatt. I. 328». Sgall. 1394. Gl. u. B. II. A. XI.

3. hie. Hatt. 1. 32H»>. Sgall. 1394. Gl. u. B. II. A. XI.

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4. hie. Wackern. LXXIII, 14. Engelb. Predigt A. XII.

5. hiuwete. Wackeru. II, 41. Züricher Predigt. A. XII. «.kickte. 1). 37, 14. Vorauer Kaiserchr. B-f-mF. XII.

7. hießlichin. Kellespee.eccl.71. Beuediktb. Pred. B+A. XII.

8. ? hielicheit. Kelle sp. eccl.95. Benediktb. Pred. B+A. XII.

hiemant. Comb. Hds. Kausl. III. S. 47. v. 901. hiemende. Flandr. Chr. v. 1308. kiakuelick (quisque). Id. Fris. 259. hiez(t). Weink. B. § 190. „Allgem. österr." ir.pron.II.9. tatuthir. I. 335, 23. Carolsr. IC. Exodus. A?+oF. IX. 530. her. v. 37. Palatin. Rother. mF. XII.

1. her. v. 1971. Palatin. Rother. mF. XII. ir- 2. [k|irrinnit. II. 202, 56. Paul. d'82. Greg. c. p. A. X.

3. kirforseont. I. 376, 26. Paul. XXVd/82. Josua. A. X.

4. hirgaccizon(mntire). 1.379.4. Turic(Rhen.66.) Josua. A.XI. irah. 5. hirieres (polimitarii). I. 333,2. Clm. 22201. Exod. B-f .XII.

daz hirch. Venezian. teutsch. Nomencl. BWb. I. 130. irri. 6. kirrer, (vagus). I. 294, 36. Rd. Alphabgl. A+oF. IX.

7. kirrer, (vagus). I. 294, 36. Ib. Alphabgl. A-roF. IX.

8. vilhirrer (multi vagus). Ahd. G1.50, 23. Augsb. Salomgl. A. ?

9. h irri tu oin (venena). II. 127, 8. Clm. 18140. Canones. B. XI. 540.hirrituom. II. 127. 8. Clm. 19440. Canones. B+. XI/XII.

is. 1. bis. (glacies). II. 444, 68. Clm. 14395. Prudent. A+B. X.

2. Iiis, (glacies). 11.675,44. Selestad. Vergil. A. XII/X.

3. hissun. (cruste). II. 703, 17. Paris. Vergil. mF-fA. XI.

4. his. (glacies). Ahd. Gl. 8, 1. Trierer Sum. Heinr. mF. XII/XI.

5. kisuögel. diut.HI. 241. Vind. 2400. Sum. Heinr. mF. XII/XI.

6. hisuögel. diut. III. 241. Clm. 2612. Sum. Heinr. mF. XII/XI.

7. hisuögel. (auriticeps). S N. 268. Id. Natnrgl. nd.-f-F. XII? 7b. giwapint als ein his (= al in hisenV). 14,4. Wemb. v. Ndrh.

mF. XIII/XII. Hisuanus. QF. III. S. 141. Sgall. Urk. a. 804. Hislant. P. II. 670, 1. Reichen. Cfrt. saec. XII. VHisker. Wagner 45 ff. Freis. Urk. a. 809. 811. 814. ? his. Roth. 459. Weinh. Mlid. Gr. hiseln (glatteisen). Mnd. Wb. II. 273. hijs. Reinsert. v. 2299. isa(r)u. 8. grafkisarn. I. 339, 4. Carolsr. Petri. Exodus, in F. XI/IX.

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9. stouphhisam.Ahd.Gl.58.6. Vind. Natural. F-r B ? XI XII. 550. hisin. Zs. d/Phil. XII, 320. Erfurt. Sum. H. mF. XII/XI.

1. hisin. diut. III. 247. Clm. 2012. Sum. H.m F. XII/XI.

2. hisin. (ferriini). Ahd. G1.9,8.Trier.Suin.Heinr. mF. XII/XI.

3. rosthisen. Ahd. Gl. 16, 7. Trier. Sum. Heinr. mF. XII XI.

4. dchsihisen. gl. 459. Florent. Sum. H. mF-f nd. XIII/XI.

5. h i s\ n i n a. Zs. X V. 1 1 5, 4 1 . Flor. Aldhelm. nd -f obd. XIII XI.

Hisanharto. QF. III. 141. Sgall. Urk. a. 797. Hysinburc. Str. St. I. S. 201. Murb. Urk. a. 767. Hisinhart. P. II. 622. 18. Reichen. Cfrt. a. 1080. hisern. Mnd. Wb. II. 171. ist. 6. bist, (existit). II. 243, 33. Sgall. 218. Greg. c. p. A. X.

7. hist. M. Stzgsbr. 1870. IL 117, 38. Monac. 935-

Binger Bilderumschr. oF. XII XIII.

8. his(t). v. 8. Palatinns. Rother. mF. XII-

heist -- eist, ist. Comb. Hds. K. III. Bern. ep. v. 157. it(a)- 9. hitnuiza. II. 220,54. Clm. 18550. Greg. B+F? VIII. ital. 560. hidelcheit. 15, 31. Wern. v. Nied. Rhein mF. XIII/XII.

ghehidelt. Comb. Hds. K. III. S. 3. Bern. Ep. v. 63. in(wih). 1. [hjiuuih. 82, 12. Tatian. hF. IX.

etc. 2. hiuuarä. 82, 11. Tatian. hF. IX.

3. hiu. 82, 11*. Tatian. hF. IX.

4. hiu. 104, 5. Tatian. hF. IX.

5. hiu. dkm?. 11. v. 32. Ludwigsl. oF. IX.

6. hiu. dkm-'. 11. v. 34. Ludwigsl. oF. IX.

7. hin. dkm'. 11. v. 35. Ludwigsl. oF. IX.

8. hiu. II. 14, 48. Cod. Palatin. Otfrid. sF. IX.

9. hiuuarera. I. 425, 8. Carolsr. IC. Regum A + oF. IX. 570. hiuuuih. 113, 14. Sgall. Interl.-V. d. Psalmen. A. IX.

1. hiuuuih. 113. 14. Sgall. Interl.-V. d. Psalmen. A. IX.

2. [Ä]iuuuerin. 1 13, 14. Sgall. Interl.-V. d. Psalmen. A. IX.

3. hiu. Hatt. 1.329. z. 20. Sgall. (232). Glaube u. B. I. A. XI.

4. hiuero.Hatt.I.329.z.30. Sgall. (232). Glaube u.B.I. A. XI.

5. hir. I). 367, 18. Vorauer Himl. Jerusalem. B-f-A.V XII.

6. hiuch. I). 372, 19. Vorauer Himl. Jerusalem. B | A^? XII.

7. hiuch. I). 372, 21. Vorauer Himl. Jerusalem. B-A*!? XII.

8. hiuch. D. 220, 5. Vorauer Alexander. B-i-mF. XII. 8'. hiuch. 6,26. Trudpert. Hohelied. A. XII.

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9. huwen. v. 1000. Palatin. Rother. mF. XII.

hu. Rein. vv. 66. 68. etc. fast regelm.

Flandr. Chr. vv. 492. 502. 505. 521. 523. etc. huweetc. Rein. vv. 167. 168. 1656. 1778. 181 1. 2729. etc. Flandr. Chr. vv. 504. 526. etc. fast regelm.

O.

oba. 580. ?holdera sahu (quainobrem). I. 234, 25. Keron. (»I. Ra.

= oba . . .? A4 B. IX.

1. darhoben a(super caput). 1.719,39. Mainz. Matth. mF.IX/X.

2. hoben, (supra) II. 6 15,69. Pommersfeld. Sedul.hF- ?XII X.

3. hobintiuga. (summa) II. 488, 48. Sgall. 134. Prudent, A. X.

4. hoberosten. 12, 2. Trudp. (Hohenb.) Hohelied. A. XII.

5. hobi. dkm2. 4, 8. v. 6. Weingarten. Reisesegen. A. XII.

6. hobene. D. 367, 20. Vorauer Himl. Jerusalem.!*- k. XII.

hoven. Wvl. Id. I. 395. mnl.

hoben. Schweiz. Id. I, 50. etc. ovan. 7. houene. P. II. 67,3. Sgall. 21. Notker-Ps. A. XII XI.

8. bovine. Zs. III. 519. v. 7. Rheinauer Paulus. A. XII.

hafen = Felsenschlucht. BWb. I. 44, sonst : ofen.

hoven. K. III. Disp. v. Rog. v. 1505. offan. 9. hofen. dkm2. 47, 4. z. 31. Tobias-Segen. A? XII.

hopen. Flandr. Chr. v. 9139. K. III. S. 149, 238. 211, 24. oheim. 590. hoheim. Zs. V. 355, 8. Selestad. Naturgl. A -f mF ? XII/X.

1. hoeme. Germ. IX, 17. Darmstad. Sum. Heinr. mF. XI.

2. hoemes. Germ. IX. 17. Darmstad. Sum. Heinr. mF. XI.

3. hoheimes. Ahd. Gl. 2,5. Trier. Sum. Heinr. mF. XII/XI.

hoheim. Nibelungen. C. /LmhdWb 1323) hoeme. Zitt. Jahrb.

hoem. Mecklenb. Urk. saec. XIV. mnd. Gr. § 44. hoem. Flandr. Chr. vv. 4825. 5543. 7865. ohso. 4. hobsen. (boves). I. 433. 26 f. Clm. 17403. Regura. B + V? X.

5. hosunt. (boves). I. 433, 26. f. Vind. 2732. Regum. B + F? X.

6. hosen (boves). I. 433, 26. f. Clm . 2220 1 . Regum. B-f-F V XII.

7. hohso. P. I. 384, 4. Sgall. 825. Notk.-Kategor. A. X XI.

8. [hjohso. P. I. 384, 4. Sgall. 818. Notk.-Kategor. A. XI.

9. hohsinari. Zs. V. 355. Selestad. Naturgl. A-f-FV XII/X.

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ohsu. 600. huhsinari. Zs. V. 358. Selestad. Xaturgl. A ; F? XII X.

1. hosennabvlo. Ahd. Gl. 22, 7. Bonn. Xaturgl. mF. XI.

2. hosenzunga. Ahd. Gl. 22, 8. Bonn. Xaturgl. mF. XI.

3. vrhosse. Germ. XIX.436. Clin. 19488. Xaturgl. iiiF. XII ?

4. hohs. Leyser 1, 18. Leipziger Predigt. F-fB. XIII/X1I.

5. höh sen. Leyser. 50, 1. Leipziger Predigt. F. XIV/XII.

6. hohsin Leyser. 108, 4. Leipziger Predigten. F. XIV/XII.

? hocus pocus Ockes Bockes. DWb. IV, 2. S. 1731. f. ^viell. entst. a. „Ochse, Bock".u opt'ar. 7. hopferhus. (sacellum). II. 543, 21. Apponyi Prnd. A. X/XI.

8. yhouerbu8. (sacellum). II. 513, 24. Turic. Prud. A. X/XI.

9. hofierten. 105, 34. Trierer Psalmen. mF. XIII/XII. nra. 610. horun. 89, 5. Tatian. hF. IX.

1. hören. P. II. 219, 7. Sgall. 21. Notk.-Psalm. A. XII XI.

2. ? hör. Wackern. LXXX. 9. Muri. Predigten. A. XII.

3. hasenhore. diut. II. 276. Turic. Xaturgl. A. XII XIII.

4. horgolt. Germ. IX. 17. Darmstad. Sum. Heinr. mF. XI.

5. hörringe, smrl. 9, 78. Vind. Sum. Heinr. mF. XII XI.

bockeshoren. S.-N. 165. Renner, ed. Cyr. Jacobi. horgolt. höring. Dfngl. 212'. hoer. mnd. Gr. § 44. hören. Reinart. v. 678. ?orno. 6. hor| (ornus). Zs. XV. 48. f. gl. 86. Paris. 9344. Xaturgl.

mF-f obd. XI.

7. huriio(orna). II. 338,8. Paris. 9345. Horaz. mF-f obd. XI. ort. 8. hört (angulos). I. 361, 13. Turic. (Rhen. 66). Numeri. A. XI.

hart = art, ort: ungrade. Weinh. B. § 190. osen. 9. h osit (populatur). II. 553, 74. Trier. 1464. Prud. mF-f A. XI.

hosen. mF. hoozen. nnl. = schöpfen. Et. Nl. Wb. S. 383. ost(ar).620. hosthalbun(ad orientem). I. 715.41. Mainz. Matth. mF. IX X.

1. hoste rriche (oriens). diut. III. 245. Vindob. 2400. Sum.

Heinr. mF. XII XI.

2. hoster. v. 938. Reinh. Fuchs. oF. XIV XII.

Hosthaim. 2mal. Str. St. I. 207. Murb. Urk. a. 811. Hostbeke. Heinzel. dial. I/f. (Veluwegau). Hosterveiden. Althoff. S. 49. (Cöln. Urk.). ostrun. 3. hostrunabend. XXT. 3. 1. Murb. Hymnen. A. IX.

4. hostarlicheru. XXI. 7, 2. Murb. Hymnen. A. IX.

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107

5. Ii o s t e rl i Ii c Ii un. dkm2. 82. c. XII. Aelt. Physiolog. A. XI.

6. hostirlamp. Wackern. II, 14. Züricher Pred. A. XII.

7. hostertage. Wackern. X. 26. Züricher Pred. A. XII.

8. hosteran. Wackern. X, 47. Züricher Pred. A. XII.

? Hosterbold. Hosterh. P.II. 218, 27. 67, 38. Reichen. Cfrt.

Haostarpald. Hosterpert. H-Fr. 36, 12. 58, 42. Cfrt, v. S. P. s. VIII IX.

Hostern. Burger S. 111. Altenb. (östr.) Urk. a. 1305. 6t-. 9. h o t mahiliin (diliciis). I. 493,34. Carolsr. IC. Esth. A-f-oF IX.

630. gahotagoter. I. 315,39. Ja. 174. Genesis. A+oF. IX.

Hautberti. Str. St. I. S. 124. Weissenb. Urk. a. 716.

Hotolf. Str. St. I. S. 188. Weissenb. Urk. (Otfrid. Sehr.)

Hotfrid. P. II. 323, 7 u. 560, 15. Reichen. Cfrt. ouga. l.arhanghit ist. I. 364, 25. Ja. 178. Numeri. A-f oF. IX.

2. kehaucken (demonstrare). Hatt. I. 57. Bened. Regel. A. IX.

3. h ogasal (albugo). I. 357, 48. Turic. (Rh. 66). Levit. A. XI.

4. h c-csal. Zs. XV. 322,39. Florent. Suih. H. nd+ obd. XIII XI.

aus hang! (Schlittenruf). Schw.-Id. II. 1080. hogeler (Augendiener). Mnd. Gr. §. 44. hochsnnlyken. Mnd. Wb. III. 220. vorhoeghet. Mnd. Wb. III. 218\ hoghe, hoeghen. Rein. vv. 1566. 1583.

Flandr. Chr. vv. 10. S. 395. 10420. Kausl. III. 122,42; 43. 124, 84. 131, 19. ouh. 5. houch. IV, 1, 27. Cod. Frising. Otfrid. sF-j B. IX/X.

6. [h]ouh. V. 11, 31. Cod. Vindob. Otfrid. sF-f A. IX.

7. hpxch. (ceterum). I. 761, 40. Berol. 481. Corinth. mF. IX?

8. hoc. (qnoque). 589. Gl. Lipsianae: Bibelgl. nd. IX.

hoc. Bremer Statut, a, 1303. Mnd. Gr. § 44.

II.

ubar. 9. hubarfahanti (prevaric). 1.287 69. Jb. Alph.Gl. A-|-oF. IX. 640. huberlith (opercul.).I.361,62.Stuttg.26. Numeri. A-RXII/

1. houerhilind.il. 5t)5, 42. Paris. 18554. Prudent. mF-f-A. X.

2. houermot. Busch. Btr.z.d. Phil. 1880.S. 238,75. Mfr.Fragm.

mF. XII.

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108

hoever (Ufer). Mnl. Gr. 114,3. hoever (über). Reinart. v. 848. houerhant. Flandr. Chr. v. 5803. nbil. 3. hnpilo. VIII. 9. 2. Murb. Hymnen. A. IX.

4. hnbilan. Hatt. I. 55. Sgall. Benedict.-Regel. A. IX.

5. hubele. Wackern. LXXIV, 53. Engelb. Pred. A. XII.

6. hnbelo. Seem. 51, 18. Trierer Williram. (m)F. XI.

hevelen moede. Wvl. Id. I. 395. mnl. nf. 7. hilf. III. 7, 21. Cod. Frising. Otfrid. sF+B. IX.

8. hufertson. II. 248,1 1. Chelth. 18908. Greg. dial. A ?sF. IX.

9. huph. (sursum). II. 22, 5 Vind. 969. Aldhelm. B+sFV X. 650. hu fstonte (surrexerint). II. 675. 1 9. Selestad. Verg. A. XII/X.

1. huf. (desursum). I. 517. 18. Engelb. Psalmen. A. XI.

2. hufferte. 87,21. Trudp. (Hohenburg.) Hohelied. A. XII.

3. htif. D. 283, 17. Vor. Jüngst, Gericht B-fAV XII.

4. hufwerde. D. 365, 16. Vor. Html. Jerusal. B- A. XII.

5. buffehabeton. 1.653,7. Clin. 22201. Ezechiel. B-f- F ? XII.

6. huf. 151, 18. Frg. W. Rolandslied. mF. XII.

hüffe = üffe. Lmhd. Wb. I. 1378. hüfrig = ufzug. Schw. Id. II. 1065. hof (auf). Comb. Hds. Rose. K. 2955. (K. II), uh! 7. huchund we. 49, 24. Frgm. 8. Rolandslied. mF. XII.

un- 8. hunpuakkhic II. 316,21 . Ib (211) Greg. Homil. A + oF. IX.

9. [hjunpuaehic. II. 316,21. Rd. Greg. Homil. A J-oF. IX. 660. hunrecttiu. II. 142, 12. Ups. II. A. 6. Canones. ud + obd. X.

1. hu n holder. II. 143.3. Lips. II. A. 6. Canones. nd obd. X.

2. hunorsami.II.322, l.Camerac. 199.Greg.iu Job.nd obd. X.

3. hunorsami. II. 322, l.Bonon. 113. Greg, in Job.nd. -fobd. XI.

4. hunorsami. II. 322, 1. Audom. 1 1 7. Greg, in Job.nd -r obd. XI.

5. fhjunreht. P. II. 20, 4. Sgall. 21. Notkerpslm. A. XII XL unc. 6. nunc, (anguis). Suhm-N. 270. Id. Naturgl. nd-|-hd. XII? uns. 7. huson. v. 2423. Cottonian. Heliand. nd. X'IX.

8. hunsih. I. 18,2. Frising. Otfrid. sF + B. IX X.

9. huns. XVI. 3, 1. Murb. Hymnen. A. IX. 670. huns. I. 710, 47. Carolsr. CLXXVIII. Matth. A. XI.

l.hunsereme. Wackern. XI, 23. Züricher Pred. A. XII. huns. Heinzel. dial. VI. S. 351. huns. Mecklenb. Urk. s. XIV. Mnd. Gr. § 44.

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HM)

Husen. Mecklenb. Urk. f. XIV. Bind. Gr. § 44.

Unser. Bremer Statut, a. 1303. Mnd. Gr. § 44.

huns. Zwiefalt. Bened.-R. Kauffni. Schwab. M.-A. S. 205. untarn. 2. afterbnntor. I. 802, 15. Clm. 14754. Genesis. B-f V IX X. uo- 3. huabaldi. II. 2411, 21.Cbeltenb. 18008. Greg.dial. A. sF? IX.

4. bubaldi.(divex.). 11.2(50, 1 6.1b (203). Greg.dial. A-roF. IX.

5. buobaldi.(proclivius)]I.329,74.nni. 14747. Hieron.i.Mattb.

B-rA.V X XI.

6. huhaldigun. (summissum). II. 488, 13. Sgall. 134.Prud. A. X.

7. buastaftim.ffi^Xd,')I.37H.8.Paul.XXVd 82. Josua. A. X.

8. b o chcaluer. (rccalv.). 1. 349, 49. Turic. (Rb. 66). Levitic. A. X I.

9. ?bobilari. (occipium).Zs. V.356, 3. Seiest. Natrgl. A. XII X. iioben. 1)80. buobit. (celebratur). II. 144, 10. Francf.64. Canones. bF.lX.

1 . Ii n o r e. (colon.) II. 238, 47. Carolsr. CCXX. Greg. c. p. A . IX.

2. bibit.(exercit). II. 243, 41. Sgall. 21«. Greg. c. p. A. IX.

3. lantbuoba. (ruricola) Grf. IV. 753. Salom. Gl. A4 B. XII.

4. bu°betbiucb. 0.26. Trudp. (Hobenb.) Hobel. A. XII.

5. uobenuns. 53, 10. Trudp. (Hobenb.) Hobelied. A. XII.

hübe (= üebe). Trebn. Psalmen. 118, 48. bueb (=üeb): Wildlager; Schw.-Id. II. 956.

6. bobasa. (ascella) Hatt. I.299.Sgall. 242. Naturgl. A. X XI.

7. b6cbisan.(ascella8). 1.346, 14. Turic. (Bb. 66). Levitic. A XI.

8. buo8bin.(ascellas).I.536,3.Clm.6217. Parabol.B-+ A?XII.

9. burbano. II. 723, 27. Lips. I. 36. Serv. in Verg. mF? X. 690.borbun. Zs. XV. 344. Florent. Sum. H. nd-pobd. XIII XI.

Hurolf. QF. III. 141. Sgall. Urk. a. 781. Hurolfus. Str. St, 200. Murb. Urk. a. 760. Hurolfus. Str. St, I. 208. Münst. Urk. a. 768. borrebun. Sujn. Heinr. Dfgl. 401c. hurhun (coturnix). Brevil. MndWb. II. 336. borliban (Auerbahn). Schw.-Id. II. 1307. ur-. l.bnruuafani. II. 316, 9. Ib. 211. Greg, bomil. A-|-oF. IX.

2. burolob. dkm2. 16,4. Lorscher Bienen-Segen. oF. X.

3. hnrlop. D. 285, 8. Vorauer Leben Jesu. BfA? XII.

uohasa.

ür.

hoiinf. (Wetterau). /Asylplatz herlop. (Hanau). Vb. Kinderspiel. /

Dieftenb.-W. 671.

uwo. cf. unten.

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- 110 -

uwila. 4. huuuelä. P. I. 262, 1 1. Sgall. 825. Notk.-Boeth. A. X XI.

5. hiünuelun.P.II.42l.24.Sgall.2l.Notk.-Psalm. A.XII XI.

6. huuuilon. (ulule). II. 698. 43. Paris. Yergil. mF r A. XI.

cf. huwo S. 1 1 2.

uz. 7. huzscricta. II. 576, 50. Düsseld. F. 1. Prud. nd-robd. IX.

8. hutz. z. 40. Altdeutsche Gespr. nd. X.

9. 700. huz! huz! Hon. Germ. II 648. Ludw. I. Worte. oF. IX.

1. huz. III. 10, 34. Frising. Otfrid. sF^B. IX X.

2. huce. dkm'. 10, 1. Lorscher Bienen-Segen. oF. X.

3. ? durch uz lettida. I. 562,47. Paul. XXVd/82. Eccles. A. X.

4. huuszieeu. z. 24. Georgsieich. A. X XI.

huz, hüze, hüzeu. oft. Lmhd. Wb. I. 1410 hus-stür. hus-tagen. Schw. Id. II. 956. Uns! „Interj. d. Fortjagens". Mnd. Wb. II. 337. huut, hut. Comb. Hds. fast regelmässig.

1.

^

3.

4.

•).

6.

7. 8. 9.

10. 1.2. 3. 4. 5. 6. 7.8. 9. 20. 1.2. 3. 4.

5.

6.

4 .

8.

AHD. ÜWO-UÜWO (HUC). ovo. II. 654.9. Clm. 18059.

vuin. I. 347. 66. uuun. I. 347. 66. uuo. I. 347. 67. uuo. Ad. Bl. 213. uvo. Ad. Bl. 212. vuo. Petz 1.400. vfe, vue. diut. III. 154. uf. Carm. Buran. S. 175. huuo-uuo. I. 342, 56. huuuo-uiio. I. 342, 56. huuo-uuo. I. 342, 56.

Clm. 4606. Clm. 14689. Gotwic. 103. Vindob. 85(1013). Zwetl. 293. Clm. 14747? Vindob. 804.

Clm. 4660. Sgall. 295. Sgall. 9.

Vergil. B-j F. XI. Leviticus. B4 XI. Leviticus. B-i XII. Leviticus. B-j- XII. Natnrgl. B-j- XL Naturgl. B-r- XI. Natnrgl. B-r XII. Naturgl. Br XU. Naturgl. B-i- XII. Leviticus. A-r? IX. Leviticus. Ar? IX/X. Leviticus. A~\-Y X.

Paul. d/82.

huwo-wo. I. 342, 57. Stuttg. th.et ph. Leviticus. A r? XI. hno-vvo. Zs. III. 369— 376. Admont. 269. Naturgl. B~h XI. huo- vuo. Ahd. Gl. 33, 18-49, 36. Zwetl. Salora. Gl. B+A XI/XI1. huve-uve. diut. ifl. 241— 265. Vind.2400. Summ. H.B-f F.XII. hnwen. I. 347, 65. Stuttg. 26. Leviticus. A-f XII.

huuo. I. 345, 18. Fulda Aa. 2. Leviticus. hF-h? IX. huuuo. I. 355, 9. Carolsr. SPetr. Leviticus. mF+? XI IX. huwin. I. 347, 65. Turic. Rh. 66. Leviticus. A4 ? XI.

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III

9. huwen. I. 847, 65. Engelb.-Blasien. Leviticus. A-f? XL 30. huvn. I. 347, 64. Vindob. 2723. Leviticus. B4-? X.

1. huvn. I. 347, 04. Vindob. 2732. Leviticus. B-h? X.

2. hufe. I. 347, 67. Clm. 17403. Leviticus. B4-? X.

3. huwn. I. 347, 64. Clm. 14584. Leviticus. B-j-? XII.

4. huin. I. 347, 66. Clm. 13002. Leviticus. B-r? XII.

5. huo. I. 347, 67. Clm. 22201. Leviticus. B + ? XII.

6. huo. I. 524, 29. Sgall. 292. Psalmen. oF-h? X.

7. huuuo. IL 697, 23. Melk. n. sgn. Vergil. B f- F. XL S.huuuen. P. I. 262, 11. Sgall. 825. Notker-Boeth. A. XL 9. hunuen. P. 11.421,24. Sgall. 21. Notker-Psalm. A. XII XL

40. huo. Hatt. I. 290. Sgall. 299. Naturgl. A-f? IX X.

1. hu wo. Zs. V. 359. (36, 17). Selestad. Natural. A+? XII X.

2. huo. Gerb. Anh. 136. Einsiedl. Natnrgl. A-r? XL

3. hu we. Germ. VIII. 47. Wallerstein. Naturgl. B-f? XII.

4. huo. Ad. Bl. I. 348. Strassb. A. 157. Naturgl. A+? XII.

5. huuo.Zs. XV. 361, 1631.Florent. 16, 5. Naturgl. nd+hd. XIII/XL

6. hnwe. Zs. IX. 391, 21. Francfurt. Naturgl. F+? XII.

7. huwe. Ad. Bl. II. 214. Adraont. 106. Naturgl. B+? XII.

8. huwe. Ad. Bl. IL 214. Admont. 476. Naturgl. B+? XII.

9. hu. diut. III. 227. Clm. 14747(?) Naturgl. B-f? XII. 50. I. hufi. hauh. Germ. XIX. 436. Clm. 19488. Naturgl. B-f F. XII?

2. huo.Mone 7, 587, 551. Innspr. 711. Naturgl. B + F. XI/XII.

3. huo. Ahd. Gl. 4, 38. Trier. Sum. Heinr. mF. XII. 4. 5. 6. huo. huo.huwo.diut. III. 241.261.265. Clm. 2612. Sum. Heinr.

mF+B. XIII /XII.

7. huo. diut. III. 261. Clm. 1231. Sum. Heinr. mF-rB. XII.

8. huo. Germ. XVIII. 48. Engelb. 1. 4 1 1 . Sum. Heinr. (mF-f)A XII.

9. huo. Genn. XIX. 216. Palatin. Suüi. Heinr. (mF-f)A. XII. 60. huo. Mone 4, 96, 67. Salmannswlr. Sum. Heinr. (mF4-)A. XIII/XII.

J.huwo. Gerb. Anh. 72. S. Blasien. Suiu. Heinr. (mF-i-)A. XII.

2. hvo.Zs.XV,333, 101. Flor. 16,5. Sum. Heinr. nd+hd. XIII/XL

3. buch. I. 352, 49. Oxon. .1. 83. Leviticus. A+F. IX.

4. huc. diut. IL 193. Strassb. C. IV, 15. Naturgl. nd. IX. 5. 6. huc. huchela. Zs. XV, 48. Paris9344. Naturgl. mF+obd. XL

7. huc. Genn. IX, 20. Darmstadt. Sum. Heinr. mF. XL

8. buch. Suhm-N, 267. Id. Naturgl. nd {-hd. XII.

hüuuela. P. 1. 262, II. Sgall. 825. Notk.-Boeth. A. XL

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112

hiuuuelun. P. II. 421,24. Sgall. 21. Notker-Palm. A. XII. huuuillon. II. ($»8, 43. Paris 9344. Vergil. mF+obd. XL

hu Ion. (ululare). II. 711), 18. Paris 9344. Verg. niF 7 obd. XJ.

inhinnilonne. V. 23, 22. V. P. (F. hiulonne). Otfrid. sF. IX. cf. Schw. Id. I. 618 : üwlen (gyn. huwlen). zeigt uns d. nhd. „heulen in 5. ältesten nachweisbaren Gestalt", hule. Reinart. v. 2591. hnlden. Rose. v. 5(J79. huwel (noctua). huwel (ulula). 43*. 43b. Vocabul. opiim.saec. XIV.

(huwe (bubo) 42", nwila (strix). 43*.). hüwel, hTwel, huwel, huel. Masc.

höüle. Femin. Schw. Id. I. 61 8 ff.

rdas v echtere" üwel ist in der Schweiz fast ganz verdrängt,

wie üw durch hfiw". höuler, höiler (Nachteule). Schw. Id. II. 1136. gugge-helen (Ohreule). Schw. Id. II. 1142. huwe, huve, huo : Lmhd. Wb. I. 1410.

auff,auff (Nachteule). BWb2. 1, 42 : Conr. v. Megenb. (173, 2; 3): „bubo heisst ein auf oder in andern Deutsch eiu haw". liueul (Nürnberg). BWb*. I. 1030.

hu, hub, hau, huhu, htiru. DWb. IV, 2. 1848; 562; 1883.

liük (Eule, Uhu). Mnd. Wb. 11. 328.

huck (Uhu), nd. u. md. DWb. IV, 2. 1858.

AIID. KLEFAKT.

elpfantpeinü (eburneis). I. 135, 24. Hraban. Gl. R. B. IX.

elafantiskemo (ebore). I. 639, 6. Carolsr. IC. Threnis. A-f oF. IX. e Inf ante (ebore). I. 654, 38. Carolsr. IC. Ezechiel. A^-oF. IX.

elafantinen (eburneis). 674, 19. Carolsr. IC. Daniel. A-f-oF. IX.

elffantine (eburneis). I. 494, 16. Würzburg. Esther. hF. IX.

elefantes (ebur). II. 626, 42. Clin. 18059. Vergil. B-fF? XI.

alpantbein (ebur). II. 699, 22. Paris 9344. Vergil. mF. XI.

alpant (elephans). Germ. IX. S. 19. Darmstadt. Sunl. Heinr. mF. XI. elefant (elephas). diut. III. 240. Vindob. 2400. Sum. Heinr. mF. XII. elefant (elefas). diut. III. 240. Clm. 2612. Sum. Heinr. mF. XII. elephant (elepas). S-N. 271. Id. Naturgl. nd-t-hd. XII.

elphondbeine,-beinin. 49, 14. u. 11. Leydner Williram. inF. XI.

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elphandin,-inin,-ininto. 61, 1. 3. 8. Leydner Williram. mF. XI.

elfinbein. v. 1093 u. regelm. Strassburg. Alexander. mF. XII.

elfent. v. 4174. Strassburg. Alexander. mF. XII.

ele fände, v. 4262. Strassburg. Alexander. mF. XII.

elfentiere. v. 5959. Srassburg. Alexander. mF. XII.

elphande. v. 1600. Palatin. Rother. mF. XII.

elephant. Carin. ßuran. S. 176. Clin. 4660. Naturgl. B-fF. XHI.

olfant (elefans).diut. II. 213. Bern 641. Alphabet. Gl. nd-f hd? XIII. elefant, elefant. vv. 1333. 1997. Codd.P.u.K. Reinh. Fuchs. oF.XIV/XII. elfenbeinin. VII, 22. Augsburger Grendel. mF. XV/XII.

LmhdWb. el(e)fant. 1.538: Pass. 329,50. H. Ernst. 4204. Megenb. 135, 1.

,. r II. 154. olifant (Wappentier). Krone 18350. 18430. 18510. Mnd. Wb. I. 654. elefant, elifant, elpenbein.

(Keine Form mit h- belegt). In 16 Hdss. sind also (26 -f) höchstens 30 Fälle elfant etc. belegt. (12 Fälle: Elephant (saec. XI XII). 18 Fälle: Elfenbein). Davon sind 22 Fälle sicher Fränkisch, 2 sicher niederdeutsch.

2 stehen in einer (fränkisch inficierten) allemann. Hds.,

3 in 3 bair. tiberlieferten Glossenhdss. Gegentiber stehen über 150 Fälle helfant etc.

WECHSEL ZWISCHEN HINTAR UND UNTAR (INTAR).

iz hintirostin (demum). sonst untar-, undarostin. I, 99, 6. Keron. Gl. Ra. hindir dir unde hobi dir. dkm'. 4, 8. z. 6. Weiugartner Reisesegen, wird hin hindir gestozzen. Karaj. 40, 20. Milstäter Hochzeit, hinterwerts (deorsnm). fndgr. I. 101, 20. Vind. 2056. saec. XIII. Pred. (hintinwerdunt (spernunt). 11. 116, 15. Vindob. 361. saec. XI. Canones). ioh intarquamun. I. 12, 6. Cod. Frising. Otfrid.

untar stanton (insuinant). sonst hintar-. Vindob. 361. saec. XI. Canones. intir8crenchit (versipellis). I. 533, 34. Clm. 14689. s. XII. Parabola. intir8crenchiger(versipelli8). 1,533,37. Engelb. a. S. Blasien. s.XI. Parab.

hinter, hünter statt unter: Ostlech. Schineller B. M-A. § 502.

Hintersewen statt Unterseen. Schw. Id. 1418.

Hinderlappen entst. a. lnterlaeus. Schw. Id. 1418.

QF. LX1X.

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PRONOMEN D. III. PERSON. Nom. Masc.

Niederdeutsch regelmässig: he (hie, Iii, hy). Mittelfränkisch: her-he-er.

he ausschliessl. Servatius. Orendel (Augsb. Dr.). he selten her: infr. Ps. (I mal her: III, 4). Wemh. v. Niederrli. he u. her nebeneinander: Prager H. Ernst; Fränk. hegend.; Floyris. Ii er - Ii e (-er v.obfr. Schreiber?): Rother Palat. her247-he 1 18-er Ü5iiial. he r regelmässig : Brüssel-Mainz. Matthgl. Leydener Williram (1 mal

er: 1.2 in enklit. Stellung. Rother Hannov. Silvesterl. her u. er nebeneinander: Arnst.Marienl.8her 5 er in enklit. Stellung.

Annol. : her regeln». er regelm. in enklit. Stellung.

Aegidiusleg.: her regelm. er regelm. in enklit. Stellg. bei Elision.

Leben Jesu II. her rglm. (Hmal) er 1 mal in enklit. Stellung.

Wernher. v. Elmendorf, er u. selten her: Rolandsl. Frgm.S. 22 er 3 her. Tnngdalus. :

her: v. H>5, sonst er. Pilatnslegende : 8 mal her. er regelmässig: Trier. Capit.— Albanusleg. Rother: Badener

Frgm. Büschs MtVänk. Fragment.

Hochfränkisch: her-he-er.

her--he (-er bei nichtfränk. Sehr. u. Z) : Tatian.

her (- 1 mal he: in he raet): Hildebrandslied.

her regelmässig: De Heinrico.

er (6 mal)- her (1 mal): Trierer Lex Salica.

er regelmässig: Bamberger Ul. u. B. etc. Oberfränkisch, her (-he)-er.

her (28 mal) -he (1 mal) -(er 7 mal in elid. Enklise): Lndwigslied.

er regelmässig. (4 mal). Strassb. Eide. etc.

Süd fränkisch, her- er.

her- er (11 mal 8 mal). Weissenburg. Katechismus, er regelm. -her an 10 Stellen: Otfrid. cf. S. 81. Vind. 8 mal: II, 7, 84. II, 12. I>5. IV, 27, 12. Fris. 8 mal: 11, 7, 84. I. 5, 57. II. 4, 107. II, 15, 24. III. 1,

(i. 111,5, 18. III, », 18. V. 15, 28. Palatin. 1 mal: II, 7, 84. Alamannisch. er einzeln her. (in einem elsäss. Dkm.: ye cf. S. 22). Int erlin. -vers. d. Ps. : 1 mal her. (ieorgsleich. 4 mal her (2 malher).

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(Notkerps.Sgall. 21 . P. 11.504, IS. übe [h]er). Nibelungen. A.993,4. Basler Alexander v. 2900. (a. ein. tränk. Vorl. ?)

(Bairisch). a. d. fränk. Vorlage: Haupts Pred. Zs. XXIII. 348, 1. her.

PRONOMEN DER III. PERSON. Flectierte Formen.

(Niederdeutsch).

hira. Sächs. Taufgelöbnis, z. G. hini. Heliand. Cottonian. v. 960. het. Gl. Id. S-N. 323. 335. 330.

Mnd. (Wb. II. 171. Gr. § 44: Bremer Statuten, a. 1303):

het, hit, her(e), herer, hereme, hören. Nnd.: WWb. 100: het. Siedlinghausen.

Mittelfränkisch.

himo. II. 6. II. 11. III, 2. mfr. Psalmen, hin. II, 5. mfr. Psalmen, himo. z. 9. 13. 19. 22. Trier. Capitulare. hin. z. 12. Trier. Capitulare.

h vor allen vocal. anl. Formen: Leyden. Williram. Servatius.

hez. 45, 8. 53, 9. Wernher v. Niederrhein.

Imme. v. 1044. Rother Palatinus.

hun. v. 707. Annolied.

hin. v. 570. Wernh. v. Elmendorf.

hir. 1, 25. 2, 1. Albanuslegende.

hin. 4. 2. Albanuslegende. Hochfränkisch.

lies. 2mal. Fuldaer Beichte. Browers Druck.

durch hern willen. Rückert. Sehles. M.-A. S. 160. Ober— Südfränkisch.

hym. Fränk. Taufgelöbnis. B.

hin. v. 44. Ludwigslied.

[h]es. I. 5, 35. Vindob. Otfrid.

hes. III. 11, 9. Frising. Otfrid. Alemannisch.

hiru. (sibi). I. 335, 16. Exod. Carolsr IC.

hirn. (eins). I. 488, 29. Esther. Carolsr. OXXXV.

8*

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im;

hiro. (eius). I. 488, 2!). Esther. Sgall. 299. hez. cap. 9. Aelt. Physiologus. hir. P. II. (577, 21. saec. XII. CM. Reichenau, hire. p. 26. Armagnacs.

(Bairisch).

hiru (suo). 1. 502, 11. Job. Clm. (5220. Bt-oF. hin. 1). 365, 19. Vorauer Himl. Jerusalem. B-r oF.

APHAERESE. Ha.

haben. 1. kiuerkot apeta. v. 36. Mnspilli. B-+-oF? IX.

2. apet. v. 99. Muspilli. B+oF? IX.

3. adun. dkm*. 33. Aa 9. Friedb. Frgm. mF. XI XII.

4. ast. v. 883. Palatin. Rother. mF. XII. ö.avin. 60, 3. Wernh. v. Ndr. Rhein. mF. XIII/XII. G.avin. 65, 5. Wernh. v. Ndr. Rhein. mF. XIII/XII.

7. hantaba. Zs.XV. 332,8. Florent. Sum.H.nd+hd XIII XII.

8. antabento. (longe agente). 1. 727,37. Seiest. Luc. A.XII/X.

9. entabeine. 133, 19. Trudp. (Hohenb.) Hobel. A. XII. 10. entthabent. 72,9. Trudp. (Hohenb.) Hohelied. A. XII.

l.inf'abin. 29, 2. Trudp. (Hohenb.) Hohelied. A. XII. 2.intabeger. 1.567, 16. Clm. 22201. Ecclessiast.B + F? XII.

ebben, cf. Fr. mnl. Gr. § 114, 3.

adde(n) Flandr. Chr. vv. 4820. 4859. 4886. 5002. 5006. 5272. 5903. 5959. 6004. etc.

(at. Sievers. I). Dichter, in Russland. p. 19.)

habuh. 3. anale auuc. I. 496, 34. Paris. 2685. Job. nd-f hd. IX. havan. 4. aven (olla). I. 518, 36. Clm. 17403. Psalm. B-f-F? X. haft. 5. gieftid. v. 5053. Monac. Heliand. nd. IX.

6. anageafton sih. II. 33, 1. Trier. 1464. Arator. mF. XI.

7. zuoafta. (subnexuit). II. 772,51. Vat.Palat. Arator. mF. XI.

8. gehafto. (coniminus). II. 714,5. Paris. Verg. mF robdXI.

hagal. 9. agil. Zs. XV. 362,1693. Florent. Natur, nd-f obd. XIII/XI.

hagan. 20. agana (sentes). I. 246,9. Keron. Gl. Ra. A-f-B. IX.

I. agen(paliurus). Ahd.Gl.63,6. Vind. 232. Natgl. F. XIII/XII.

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hagnstalt. 2. agastalt (peregrinis). 1.475. «..Spall. 202. Tobias. oF.IX'X.

Agastalt. Ng. a. 757. Förstern, hacken. 3. kiactir. (percussus). I. 381 ,30. Turic (Rh.66) Levitic. A. XI.

4. kiachter (percussus). 1. 361,30. Stuttg. 26. Levitic. A. XII. halb. 5. albgurtilla. II. 738,25. Sgall. 292. Abd. A. Apost. ^F.IX/X.

6. alben. D. 342. 9. Vor. Hds. Arnold, v. hl. Geiste. B? XII.

7. alben. D. 343, 4. Vor. Hds. Arnold, v. hl. Geiste. B? XII.

alf. Wvl. Id. I. 395. mnl. haldi. 8. inaldhet (adclivns). I. 43, 26. Keron. Gl. K. A. VIII.

9. ?analdi (iniit). I. 228, 2. Keron. Gl. Ra. A-fB. IX.

aide. Ulr. v. Türh. Willehalm. 12". halftra. 30. al f tr on. II. 533, 9. Florent. 1 6,5. Prudent.nd +obd. XIII XL hals. Lais. z. 38. Altd. Gespräche, nd. X.

2. alspougd. (bacce). IL 484, 2. If. Prudeut. nd {-obd. X/XI.

3. olbergo (loricae). II. 484. 3. If. Prudent. nd-f-obd. X XI.

4. älsperga (lorica). L 401, 10. Stuttg. 26. Regum. A+F?XII.

5. als. 304,9. Palatin. Rolandsl. inF. XII.

6. alslagiten. 59, 9. Wernher v. Ndrhein. mF. XIII/XII.

als. Flandr. Chr. v. 2559 halt. 7. piältida. (custodias). I. 122, 5. Keron. Gl. Pa B-f-A. VIII.

8. healtiger (religiosus).I.587,25.Ja. 189. Eccles. A + oF. IX.

9. healtidu (religione). I. 587, 52. Ja. 189. Fccles. A^-oF. IX. 40. heialtihia. II. «20, 52. Carolr.CCXVII. Sedulius. A + ? IX.

1. geaPnissi. Nithard (Holder) III. 5. Strassb. Eide. oF. X IX.

2. gealt. v. 2988. Palatin. Rother. mF. XII.

intalten. Höfer IL 857. (1287). Weinh. Mhd. Gr.

intalten. Hess. Urkdn. II. 721. halz. 3. lmfalze.Zs.XV.355, 1267. Florent.Xtgl. nd+obd. XIII/XL

elzen. st. heizen, (ungeschickt). Wvl. Id. 302". hanistro. 4. amstra i. angar. IL 627,55. Olm. 18059. Verg. B j-F. XL hang. 5.umbanga (cortine). I- 329, 58. Einsiedl. 127. Exod. A XI?

anghen. Wvl. Id. I. 395. mnl. hanif. 6. an i f. Zs. XV. 336,225. Florent. 1 6,5. Sum.H.nd^-hd. XIII/XL hant. 7.henti. II. 9,44. Cod. Frising. Otfrid. sF+B. IX.

8. endi. v. 2989. Cod. Monac. Heliand. nd. IX.

9. endi. v. 4917. Cod. Colton, Heliand. nd X/IX. 50. an. z. 8. Altd. Gespräche, nd. X.

l.ansco. z. 9. Altd. Gespräche, nd. X.

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2 anthaba. Zs. XV 330, Florent. Suüi H. nd-Hid. XITI XI. 3. an t uueste. (st. hantveste) 6 1 ,33. Wli. v. Ndr.-Rh.mF.XIII XII. antwergk. antwergkmann. Wst. von Selse (U. Elsass). anscoen Reinart. v. 752. andelt. Flandr. Chr. 493. antieren. Flandr. Clir. v. 2599 u. regelm. menigherande. vv. 1232. 2612. 4649. 6440. harlifa. 4. irlefa.Zs.XV. 342,540. Florent. SumH. nd-f hd. XIII XI. härm. 5. ermisohthen ftÄT). I. 646,2S.Clm. 22201. Ezechiel.

B-i-F? XII.

V ärmlich = widerlich, mürrisch. (Schwaben) BWb. I. 144. übelschmeckend. (Nürnberg), harmo. 6. arm in. 91,20. Palatin. Rolandsl. mF. XII.

cf Lat. mus Armenins. afrnz. ermenie. harpha. 7 arphin (pleetro). Zs. V. 20(5. St. Omer. 150. nd obd. XI. hart. 8 arte. I>. 224,21. Vorauer Alexander. B i mF. XII.

9. arde. v. 2725. Palatin. Rother. mF. XII.

60. artenhewe. smrl. 54, 48. Vinci. 2524. Natnrgl. F. XIII XII arde. Flandr. Chr. vv. 5306. 5630. 9058.

Reinart v. 153 u. ö. ertiu (dure). Stuttg. th. et phil. 184 saec. XV.

Kaufm. Schwäb. M.-A. S. 205.

He.

heben. 1. ebeuf. 13. 7. Trudp. (Hohenb.) Hohelied. A. XII.

2. He uf. 13.9. Trndp. (Hohenb.) Hohelied. A. XII.

3. entebede. 105,6. Tmdp. (Hohenb.) Hohelied. A. XII.

4. ?ebine. (tracta). I. 579, 46. Clin. 22201. Eccles. B rFVXII.

5. int ebe d e. Zs. XIV. 439 ff. II, 45. Klost.-Neub.-Pi ed. mF. XII.

6. ufersich. 23, 1. Wernher v. Ndr.-Rhein. mF. XIII XII.

7. vvin uf. 42, 2. Wernher v. Ndr.-Rhein. mF. XIII XII. hebig. 9. ebich (gravis). I. 659,34. Clin. 17403. Daniel. B-h? X. heida. 9. vor der eiden. 4, 26. Wernher v. Ndr.-Rhein. mF. XIII XII. heidan. 70. ei dh an gelt. II. 766, 23. Ja. 183. Pass. Thom. A r«F. IX. heil. l.geilti. III. 11. 12. Vindob. Otfrid. sF^-A. IX. heit. 2. eiti (sexu). I. 31, 14. Keron. Gl. K. A. VIII. heizzan. 3. pihaiz (promissus). I. 90, 33. Keron. (Ü. Pa. B4 A.X Vlll.

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4.miVaizzu. I. 10,24. Keron. (i].Pa. B4 A. X VIII.

0. 1nteiz. dkm2. 7«. z. 33. Würzbnrg. Beichte. hF. IX.

6. giheizenti. I. 7,32. Frising. Ottrid. sF+B. 1X/X.

7. etansaltu (vocaberis). Gl. 264. Lipsian. Bibelgl. nd. IX.

8. ?ureizgoucha. Grf.IV. 1089. Sgall.825.Notk'-Boeth. A.XL

9. geizze. P.Notk.IIL Eltg S. V,5. Benedictb. Gl. I. B. XII. 80. isze (— hiezze). v. 39. Rheinauer Paulas. A. XII.

cf. schulteize. z. B. Heinzel. dial. VI. liclfa. l.elfa. I. 28, :>. Vindob. ütfrid. sF+A. IX.

2. elffa. (inpensas). I. 472, 11. Würzburg. Esdra. hF. IX.

3. elfe. z. 48. Altd. Gespräche, nd. X.

4. elpe. z. 13. Altd. Gespräche, nd. X-

5. ? kelfentemo. P. I. 228, 15. Notk.-Boeth. A. XL helid. 6. elithos. v. 340. Cutton. Heliand. nd. XIX- hella. 7. ? ella. Germ. II. 98 ff. 1 14, 2. Sg. Interl.-V. d. Psalm. A. IX. heim. 8. ehlmscart. I). 100,19. Vorauer Kaiserclir. B 4-mF. XII. hengist. 9. einigest. IL 712, 15. Paris. 9344. Vergil. mF-fobd. XL her. 90. eresten. IL 8,37. Frising. Otfrid. sF f B. IX X.

1. erdum. (senatus)ll. 7 12,15. Paris. 9344. Verg. mF r obd. XL heia. 2. err. v. 4308. Cottonian. Heliand. nd. X IX.

3. err. v. 4332. Cottonian. Heliand. nd. X IX.

4. sider. 42. 4. Breslauer Williram. hF. XL

5. sider. Vaterland. 285. Grieshabers Pred. A. XIII XII.

6. erumbe.D. 195, 10. Vorauer Alexander. B-j-mF. XII.

7. erwider. D. 212,8. Vorauer Alexander. B f-mF. XII.

8. erzumir. 150. 17. Frgmt. W. Rolandsl. mF. XII.

erfur. Nibel. A. 749, 4. sider. Nib. A. 47, 4.

eruz. Ködiz. Ludw. L. 103.

ernidere. Ködiz. Ludw. L. 13. Katten-Sp. 68.

erabe. Reinh. Fuclis. Palat. 100. Ködiz. 29. 163.

erwider. Berth. 459. 28.

ernach. Rückert. Schles. M.-A. S. 166.

erheim. („a. harheim") Schw.-Id. IL 1281.

er. Schweiler. B. AL-A. § 500.

ervor etc. Elsass. (Pfingstmontag v. Arnold 1, 5). herapaziri.9. erepazari (mediocritatis). IL 122.2«. Vind. 361. Cau. B. XL herd. 100. herda erd. (solnm). 1.293, 13. Alphabet. Gl. Rd. A -f-oF. IX.

1. erdi. (solo) I. 579, 16. Clin. 22201. Ecdesiast. Ii - F? XII.

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heri. 2. er ibethoon. f heribouchan). I. 385,7. Paris. 2<>S5.

Numeri. ndH-obd. IX.

3. er iberclil. (-- heriberclih). (castrensis porta). II. 500, 6.

Sgall. 292. Prudent. oF(-}-A). IX X.

4. daz er. I>. 151, 16. Vorauer J. Judith. ß-f-mF. XII.

5. die er. D. 8, 13. Vorauer. Kaiserchron. B rmF. XII. herlinc. 6. erlinc. (senesci). I. 655, 3. Id. Anh. (350). Ezech. A. IX V herro. 7. erre. z. 19. Altdeutsche Gesp. nd. X.

8. erre. z. 31. Altdeutsche Gesp. nd. X.

9. erre. z. 49. Altdeutsche Gesp. nd. K. 110. erre. z. 75. Altdeutsche Gesp. nd. X.

1. V Er got. fndgr. I. 24, 30. Jüngere Physiolog. B. XII.

2. er adames. 11, 28. Wernh. v. Ndr. Rhein. mF. XIII/X1I.

cf. DWb.IV, 2. 1 125. Mnd. Wb. II. 246. Weinh. Mhd. Gr. F. Bech. Zeitz, prgr. 1870. über doppeltes : herren hern. ir. thüring. Nbf. zu er. Pieffenb.-W. S. 660. selperlichait = selpherrlichk. BWb. I. 1154. herza. 3. thaz erza. I. 22, 41. Frising. Otfrid. sF-hB. IX X.

Hl.

hieffaltra. 4. eiffalter. Germ. IX. 13 ff. gl. p. 3S\ Darmst.Sum. H. mF.XI. himil. 5. zimile. Wackern. III. 116. Züricher Predigten. A. XII. himilon. 6. imelot (polimita). 1. 318, 37. Carolsr. Petri Gen. mF. XI/IX. hinaht. 7. inat. z. 24. Altdeutsche Gespräche nd. X.

hiuta. 8. lud a.z. 80. Altdeutsche Gespräche, nd. X.

eden (heute). Mnl. Gr. § 1 14, 3. -Muri. 9. ungahnro(portentuo8e).II. 101,57. Clm. 14407.Can.B-f F?X. hiwo. 120. sin in n. v. 1035. Monac. Heliand. nd. IX.

cf. ilch (hileich). „Anlehng an ehelich". Hess. Id. 168. hizza. 1. izzontero (estuante). 11.416,1. Clm. 14395 Prud.A-^-B. XI.

2. izze. Zs. III. 519. v. 3. Rheinauer Paulus. A. XII.

Ho.

hodo. 3. oden(testiculi).diut.III.239. Clm. 26 1 2. Sum. H. mF. XII/XI.

hunds-oden. Schw.-Id. I. 97. hof. 4. uf den of. v. 5098. Palatin. Rother. mF. XII.

ofstede. Wvl. Id. I. 395. mnl.

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hovaroht. 5. ouarohter (gyppus). I. 280,48. Alphab. Gl. Rd. A-J-of. IX.

6. ouer or (gibbus). II. 237, 24.Turic. (Rh. 35). Greg. c. p. A. X. hol. 7. inolemfelisom. (concavissaxis). 1.252, 32. Ker. GL K.A. VIII.

8. ge o 1 ad e (exesa). II. 7 1 2, 42. Paris 9344. Verg. mF+obd. XI. hold. 9. unolrda (diabulus). 1. 99, 30. Keron. Gl. Ra. A-f B. IX. -hopfa. 130. uuideopa. Zs.XV.48, 11. Paris 9344. Naturgl.mF-J- obd. XI. ? hörn. 1. orohti mosci (cornipes). I. 255, 21. Keron. Gl. K. A. VIII. hor(r)en. 2. örren (oboedire). Hatt. I. 114. Benedict. -Regel. A. IX.

3. coorest. z. 65. Altdeutsche Gespr. nd. X.

4. hnnorsami.II.322, 1. Camer. 199. Greg. inJob.nd-fobd. X.

5. hnnorsami. 11.322,1. Bonl. 113. Gr. in Job. nd-fobd.XI X.

6. hun o r s am i. II. 322, 1 . St. Omer. 1 1 6. Gr. in J. nd+ obd. XI/X .

gheorsam. Reinart. v. 2572. gheorsam. Comb. Hds. Kansl. III. S. 113. v. 63. hy oorde. Wvl. Id. I. 395. mnl. houbit. 7. obde. v. 5550. Cotton. Heliand. nd. X/IX.

8. obethe. z. 1. Altdeutsche Gespräche, nd. X.

9. ovith. 21, 22. Weruher v. Ndr. Rhein. mF. XIII/XII. 140. ? oupthaftigen. dkm2. 97. z. 9. Münch. Gl. u. Bchte. B. XII.

oofd, ontooft: Wvl. Id. I. 395. mnl. ?houffo. 1. [Yjouffo (aggerum). 1.623, 45. Würzb. S. 20. Esaia. hF. IX.

oep. Flandr. Chr. v. 4681. howi. 2.owesprenken. 38, 13. Wernh.v. Ndr. Rhein. mF. XIII 'XII.

3. hebeouue. Zf. XV, 361, Florent. Naturgl. nd+hd. XIII XI.

Hu.

huat.? 4. a«ht. z. 66. Altd. Gespraeche. nd. X.

humbil. 5. umbil.Zß. XV, 361. gl. 1665. Florent. Ngl. nd+hd. XIII/XI.

ummel, umbele. Schw. Id. IL 1295. hund. 6. undes. z. 41. Altd. Gespraeche. nd. X.

huoh. 7. uochilichro. Zs. XV. 11 79 Florent. Sym. nd-f obd. XIII/XI. huon. 8.unriner. (gallinac.)I. 605,8. Clm. 1 7403. Esaia. B+F?X. hurnizza. 9. um ite. (ags?) I. 334, 24. Paris 2685. Exodus, nd-f obd. IX. hüs. 150. Vusinari. (ostiarius). I. 197, 2. Keron. Gl. K. A. VIII.

1 . uskinozza. (domestici). 1. 277, 62. Alphab. Gl. Rd. A f oF. IX.

2. ci"us. dkm2. 75. z. 21. Reichenauer Beichte. oF. IX/X.

3. zuoflutU8. Ahd. Gl. 55,9. Zwetl. Salomon. Gl. A+B. IX/.

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122

4. us. v. 4541. Monac. Heliand. nd. IX.

5. us. z. 16. Altd. Gespraeche. nd. X.

6. us. z. 19. Altd. Gespräche, nd. X.

7. hovrus. Zf. XV, 388. Florent. 1 6.5. Suhl. H. nd-f-hd. XIII XL

JÜNGERE PROTHESE OHNE ALTE PARALLELBELEGE.

ader. ?gehäder. ..mit Sehnen und Flechsen durchwachsenes Fleisch.

Schw. Id. II. 982 f. adebar. hadebar , halebart. und. Nbf.

hodevare. Reinart. vv. 2312. 2324.

hovaere. Wvl. Id. S. 806\ äffen. haffen. Mnd. Wb. II. 172.

aga. haga . hach etc. (cf. mnd. ogen, egen) debere. Id. Fries. 233 f.

hackt (conventus). allouc hall auch. mnd. (mlat* alloc). Mnd. Wb. I. 57.

h o 1 1 o u c h. mkd. eine Lauchart, alraune. höllraune. (Umdeutnng). P. Wb. IV, 2. S. 1759. amboss. hanneposs. Cimbr. Wb. S. 1 84*.

ameise. heimeze. Bech. Btr. a. Pegauer Hdss. saec XIV/X V. L 39. hampelte etc. WWb. S. 6. kamenze. Hess. Id. S. 191. h a m b e i s s i etc. etc. Schw. Id. I. 2 1 6. hemei8e. Elsass.

ho m eise. Alem. Spr. rechts des Rheines. Birl. S. 117. ammer. hammer, hämmerling. DWb. IV, 2. S. 316. 319. gold h ä m m e r 1 i , gersthammer. Schw. Id. I. 218. heramerize, Schw. Id. II. 1 276.

h a m e r e , golthamere. saec. XIV. Paul. Vocaleins. S. 40. ampeln. hampeln = 8. ungeschickt bewegen. WWb. S. 6.

hampel (ungeschickter Mensch), hampelig. Hess. Id. S. 147.

h a m p e 1 m a n n. allgemein.

cf. gampeln-ampeln. Mnd. Wb. II. 76. amsel. h am sei. Dfgl. 385*.

ahnden, banden. Reinart. v. 202. Rose. vv. 7950. 7951.

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123 -

anger. h an gar. Oimbr. Wb. S. 184c.

anke. hanke (ahd. ancha). Pferdehüfte. DWb. IV, 2. 455.

henkel. (Knöchel). Tirol. Weinh. B. § 190.

h a n k e-anke : Schinken. Wvl. Id. 53b.

Vansen. hansen u. ansen. Geburtateile d. Kuh. BWb". I. 112. 1135.

da n 8 e n. Fromm. Zs. VII, 400 (achwäb. Retzat).

cf ? henszebene (os podicia). Id. Fris. 253.

Anshelm. h a n 8 e 1 m e. Schw. Id. II. 1 474.

cf. Hanshelini. Q. F. III. S. 141. Sgall. Urk. a. 785.

arm harem (brachium). Comb. Hds. Kanal. III. S. 138. u. 249.

arn herne. altfries. am. mnd. erne. holländ. Mnd. Wb. I. 128.

- Ecke, Spitze.

Varnen. hirnen. (Oberpfalz). , , , T.,TT..> T 1163.

/u w nachdenken; BWb-. I.

arnen (bair. Wald). 164.

asne. hast» e. (Holzgestalt). Schw. Id. I. 504.

asnen. hasnen. (Lohn, Miete.) Mnd. Wb. II. 213.

astrenze. h a r s t r ä n z e. (Pflanze). Schw. Id. I. 577.

attich. hattich. haddig (sambucus ebulus). DWb. IV, 2. 109. 560.

ebnis. hebis (Wagen-, Pflngteil). Schw. Id. 47. 1043.

edel. hedel. Flandr. Chron. v. 2476.

Bern. Ep. (Kanal. III.) v. 265.

cf. die zahlr. ahd. Eigennamen auf Hadal-. eder. hederwnrz (coriandrum). Lmhd.Wb. I. 22. eidechae. heidechae etc. cf. DWb. IV, 2. 802. 812. Schw.- Id. I, 94.

Birl. Alem. Spr. recht« dea Rheinea S. 1 1 7.

BWb?. I. 1053. WWb. 101. Fr. Etym. Nl. Wb. 331.

hitache etc. DWb. IV, 2. 1580. ekel. h e ch e 1 , hekel, heikel. DWb. IV, 2. 101. Schw. Id. 1. 1 65. II. 1 1 1 8. elmsfeuer. helmenfeuer. DWb. IV, 2. 978. elster. häater, hätze etc. DWb. IV, 2. S. 552. 561. 1270. hätz. hätzel. BWb-. I. 1193.

hatzle, hetali. Schw. Id. I. 625. ahd. agalaatra u. agaza. hegeater, hextcr. Mnd. Wb. II. 224.

heiater. Brem. Wb. I. 014. hiakster. WWb. S. 101. häater. Fr. Renter.

ende. h e n n e. (ahd. andi) = Stirn. Cimbr. Wb. 1 1 6. engel. h e n g e 1. Mnd. Wb. II. 171.

hynghel. Wvl. Id. I. 395. mnl.

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124

cf. die asahlr. ahd. Eigennamen auf Heiigil-. ennesit. hensit. (Frankf. a/M. saec XIV.) Dieffenb.-W. S. 664.

hemmesit. (jenseit). Mnd. Wb. II. 238. eren. hehren (= ackern). Luther I. 314b. DWb. IV, 2, 791.

haerne = arend. Wvl. Id. I. 395. mnl. ertag. Heritages. Altenb. (österr.) Urk. a. 1300. Burger S. 97 (sonst Erihtac. z. B. a. 1308. 1311. Erdtag. a. 1322. heartach. Cimbr. Wb. 1 17*.

cf. Heresburg. 2mal für Eresburg. Altlioff. S. 49. ßte. ete. heide, h6de, hßte. Hess. Id. 1162. cf. Fris. Haita-Ajita. obese. h o v e s a c h e (?) = Dachtraufe. Schwab. Sp. 398, 3. olbente. holf. Mnd. Wb. II. 310. uke. büke, hucke (Kröte), cf. WWb. S. 282.

cf. ucha(bufo). If. 384. uche. Innspr. 71 1 . gl. 680. Mone 7,587 ff. auk, auke (inhd. ouke). BWb?. I. 1311. unten, h unten, (aus hie unten ?). Dffb.-W. S. 663. Uetliberg. Hüetliberg. Schw. Id. II. 956. art. hiieb. uzen. hüzen. (necken). WWb. S. HO.-Mansfeld. M.-A. (Jecht). cf. hiuze. munter, frech. Lmhd. Wb. I. 1311.

FREMDWÖRTER.

adieu. hadje(s). häufig.

avaria. havarie, haferei. DWb. IV, 2. 126.

agouter. ? h a g ü t e". Getöse machen (v. Windstössen). Schw. Id. II. 1078.

agrimonia. hagermöndli. Schw. Id. I. 1 27.

acheln. (jüd.) h ach ein. (österr.) messen. BWb". I. 1041.

ale. ?hollys, olies. Lübeck. Urk. 4, 553. Mnd. Wb. II. 288.

alerte, halärsch. Schw. Id. I. 172. IL 1129.

allegro. h aleger etc. Schw. Id. II. 1129.

alleluia. halleluja. DWB. IV, 2. 232.

ama. ham, harne. Aichmass. Lmhd. Wb. I. 1162.

BWb. I. 1105. Mnd. Wb. I. 74. II. 171. 182. amen. harnen. Reinart. v. 619.

amerella. h ä m m e r 1 i n g. (prunus amerella). DWb. IV, 2. 319. America. Hameriga. E. Bormanu. Ued. eines Leibzgers. angusti- hengs (poa angustifolia). DWb. IV, 2. 985. ä propos. hopperobo. Schw. Id. IL 1485.

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- i 25 -

arciero. harschier, hartschier. LmhdWb. I. 1190.

Schw. Id. II. 469 f. BWb*. I. 1170. arena. harein. Schw. Id. II. 1078. (Art. harnten), arlequin. harlekin. DWb. IV. 2. 1480. (h)arnes. hämisch. DWb. IV, 2. 488. arpon. harpune. DWb. IV, 2. 492. Fr. Etym. Nl. Wb. Arras. h arras (mlat. arracium). Flandrisches Tuch.

cf. LmhdWb. I. 1188. MndWb. II. 251. Rückert. Schieß. M.-A. S. 166. ascia. hasche, hatsche. (Beü). LmhdWb. I. 1192. DWb. IV, 2.558. hautbois.h oboe -oboe. DWrb. IV, 2. 731. ebena. heben holz. DWb. IV, 2. 731. eleeison. heleise (Processionsfahne). Schw. Id. II. 1142. emina. hemete. Und. Wb, II. 238.

himpten, himten, himpen. DWb. IV, 2. 1371. Erasmus. Her asm us. Mnd. Gr. § 44, 3. erodius. heergans (heerfalke). DWb. IV, 2. 757.

cf. (h)eringries (alietum)? executio. hexecution. Moscher osch. II. 811. extra, hegätre. Schw. Id. I. 624. infula. hifele. Schw. Id. I. 327. isopus. hispe. DWb. IV, 2. 1579. oblata. hoflete, hofflete. Schw. Id. S. 115. oblige. höblische. Schw. Id. 948. 08cillum. hotze, hotzelreide. (Wiege). LmhdWb. I. 1346. ulan. hui Iah ne. nnd. md. allgemein.

ulsnick. hulsnach (selinum palustre). „Blav.M? Mnd. Wb. 1. 60. unda. den hunden. Birl. Alem. Spr. r. d. Rh. S. 117.

JÜNGERE APHÄRESE.

hachel. messachel. Messgewand, ahd. hachul. Schw. Id. 65. hanrit. amit (— Umzäunung). Lmhd. Wb. I, 51.

ameyde. almeyde (Anlehnung an almende?). Mnd. Wb. II. 183. hahn. aenbalke. Reinrert v. 1612.

krüane. Schw. Id. II, 1308 (nicht mehr verstanden). Hansa. Ansestadt. Mnd. Gr. $ 44,3. cf. : mlat ansa.

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126 -

„Saguntina prosopopoeia der löbl. Anse- nun

Anzweh-Stadt Magdeburg. Flieg. Bl. a. 11531. heilig. gheailighet. aüighen. Cimbr. Ratechism. S. 2 u.U. heim. baggere ey iure cht. Mnd. Wb. II. 175.

eymelic Fr. innl. Gr. § 114,3. herb. erbast toat. (herbste Tod). Cimbr. Wb. S. 48. himbeere? immer te u. ambi. WWb. 6(5.

ampe. (Isenburg.). Hess. Id. 10.

imbere. Birl. Alem. Spr. r. d. Rh. S. 117. hin- enweg- (a., de-), diut. IL 200. 210. 211. Nd. XIII.

ent au. WWb. (57. cf. Schm. B. M.-A. § 500. etc. hippen. holippcn. (gebäck). LmhdWb. I. 1326. BWb*. I. 1139. hoffen, offen. LmhdWb. IL 142. (Krolew. 2661. Str. Alex. 380.

M.-S. 113'. 166b. 173b. Graz. Benedict.-Reg. 24".

Trebn. Ps. 33, 23. („Hörfehler, nicht Schreibfehler"), hoch. ochgezit. Nibel. A. 1309, 1. n. AVeinh. A.

oech. Reimert. v. 509.

oghen, oegen. vv. 79(5. 2109. 6901. oemesse. vv. 3025. 3032.

oeverdich. Flandr. Cliron. vv. 3109. 3183.

omoedicheden. 150,276. omoet. 150,278.

overden. 220, 13. Comb. Hds. : Rangier III. holz. out. Fr. Mnl. Gr. § 114, 3. hosen, harn esc hosen. Mnd. Wb. IL 209.

cf. Schreibungen wie Kirchof, Rilchof ;

vleichower. Rückert. Schles. M.-A. S. 166. etc. hundert, ondert. Flandr. Chron. vv. 2669. 2789. hunger. ungherich. Reimert. v. 1524.

cf. ungres . Heliand. Cotton. 2824.

FREMDWORTER.

habilis. abil, abel, abelike, abelheit. Mnd. Wb. I. 2 f. habitus. ab it. Lmhd. Wb. I. 15.

abijt. Flandr. Chr. w. 78. 2785.

abyt. Id. Fris. S. 5. haeresia. eresie. Lmhd. Wb. I. 626. hälah. hebr. a lohen betteln. Schw. Id. L 187.

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127

hannonia. anno nie. Lmhd. Wb. I. 95. hectica. etica. Lmhd. Wb. I. 714.

helenium.elna. rand. (u. mlat). nnd. hilna. (inula helen.) Mnd. Wb. I. 50. hermodactylus. ermodatten. Mnd. Wb. I. 724. hippocras. ippencras. Mnd. Wb. II. 390. (Gewürzwein).

üpikraz. Schw. Id. I. 365 f. homilia. omelie, omelier. Lnüid. Wb. II. 156.

höra. ore, or. Stunde, orglocke. Stundenglocke. Lmlid. W. I. 1339 f.

orolei, urlei (horologium). II. 164 f. orli, Schw. Id. I. 452.

(höre = Uhr. Mnd. Wb. II. 300. hure Comb. Hds. regelm. horizont. orizon. Lmhd. Wb. II. 167. horribilis. nribel. Schw. Id. I. 420.

hostia. ostie. z. B. Wack. Zur. Predigt. 41, 155. Ende saeo XIV.

ostei. BWb. I. 1 186. humerale.umerale. Hess. Urk. II. 857. (Weinh. Mhd. Gr.)

um ler. („Anlehnung an: um"). Schw. Id. 233. hydor-. iderslange, ydromancie. idromel. LmhdWb. I. 1412 f. hymnus. ymne, imps, ymnodie. imnaere, Linhd. Wb. I. 1422.

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QUELLEN UND FORSCHUNGEN

ZUK

SPRACH- UND CÜLTÜRGESCHICHTE

DKR

GERMANISCHEN VÖLKER.

HKRAU8GKGEHEN

VON

BERNHARD TEN BRINK, ERNST MARTIN,

ERICH SCHMIDT.

LXX.

STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER ITALIENISCHEN NOVELLE IN DER ENGLISCHEN L1TTERATUR DES SECHZEHNTEN JAHRHUNDERTS.

HTKAS8HUKU. K AHL J. TRÜBNER. 1892.

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STUDIEN

ZUR

GESCHICHTE DER ITALIENISCHEN NOVELLE

IN DER

ENGLISCHEN LITTE RATUR

DES SECHZEHNTEN JAHRHUNDERTS

VON

EMIL KOEPPEL.

8TRA88MT&Ö.

KARL J. TRÜBNER. 1802.

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v. 70

O. Oito'« Hof-nuohdruffkprol in Diirinmnclt.

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VORWORT.

Die Notwendigkeit der folgenden Studien ergab sich mir bei dem Versuche einer zusammenfassenden Darstellung des Einflusses der italienischen Novelle auf das elisabethanische Drama. Ich vermisste bei dem Entwurf des Planes einer solchen Schilderung auf Schritt und Tritt eine Arbeit über die Werke, welche den Engländern die italienischen Novellen in englischer Prosa boten. In diese Lücke sollen sich die nachstehenden Untersuchungen einfügen ausfüllen werden sie dieselbe freilich nicht. Denn der Weg von München nach England ist ein weiter, und der Wunsch, ihn zu durchmessen, nicht so oft zu erfüllen, als mau möchte und es nöthig wäre. Das von mir gesammelte Material wird deshalb noch manche Ergänzung zulassen, doch hoffe ich keine der ncnnens- werthen englischen Novelleusammlungen ganz unerwähnt ge- lassen zu haben.

München, Juli 1891.

Emil Koeppel.

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INHALT.

Seit«..

I. William Painter's Palace of Pleasure 1

II. Geoffroy Fenton's Tragioall Discoursea 13

III. Edmund Tilnay's Flowor of Friondshippe 18

IV. George Pettie's Pettie Palace of Pettio his Ploasure . . 21 V. George Whetatone 30

VI. Robert 8myth 41

VII. Henry Wotton 43

VIII. H. Ca Forrest of Fancy 44

IX. Barnabe Riohe 47

X. Robert Greene 51

XI. Bryan Melbancke 59

XII. Tarlton's Newes 62

XIII. The Cobler of Caunterburie 65

XIV. Thomas Lodge 68

XV. Westward for 8melte 71

XVI. The Jest-Books 77

Tabelle der englischen Übersetzungen 79

I. Boccaccio 79

1. II Deoameron 79

2 II Filocolo 88

II. Bandello 89

in. Giraldi Cinthio 98

IV. 8traparola 99

V. Ser Giovanni Fiorentino 99

VI. Machiavelli 99

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I. WILLIAM PAINTER'S 'PALAOE OP PLEASURE'

156768.

„Die schlimme Winternacht und den langen Sommer- tag soll mein Buch den Leaern kürzen, Reisenden ein heiterer Gefährte sein. Und weil schon Tullius, der Fürst aller Redner, sagte, es sei ein Vergnügen Geschichten zu lesen, habe ich dieses Werk schicklich den 'Palast des Vergnügens' genannt." In diesem Sinne äussert sich William Painter in seiner Epistel To the Reader, die er dem ersten Bande seiner Novellen- sanimlung vorausgeschickt hat. Dass ihm der Lohn seiner Mühe wurde, der Beifall seiner Landsleute, beweist die rasche Folge der Fortsetzung, des zweiten Bandes. Dem modernen Menscheu wird hierdurch zugleich bewiesen, mit welch an- spruchslosem und dankbarem Publikum es die glücklichen Erzähler des 16. Jahrhunderts zu thun hatten.

Denn Painter erzählt nicht gut. Er ist ein gelehrter Mann, ein sprachkundiger und gewissenhafter Ubersetzer aber er schreibt einen breiten und reizlosen Stil. Man wundert sich, dass sich dieser ernste Mann, der, sobald er selbst das Wort ergreift, einen hochmoralischen Ton anschlägt, zum Dolmetscher der leichtfertigen italienischen Gesellschaft machte. Ihm selbst scheint es bei der Sache nicht immer ganz wohl gewesen zu sein , er bringt wenigstens wiederholt Entschul- digungsversuche an. Wie schon Chaucer seine freie , dem Wesen der Sprechenden angepasste Rede damit rechtfertigte, dass ja auch Christus deutlich zu reden liebte (Crist spak him-self ful brode in holy trrit Prol. 739), so verweist Painter,

nachdem er von dem schändlichen Leben der Countesse of QF. lxx. 1

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2 I. WILLIAM I'AWTKR'ft I'ALACE OK IM.KASL'RK 1.W8

Celan t berichtet hat, auf die heilige Schrift, iu der auch von lasterhaften Personen die Hede sei und die man doch lesen müsse.

So gering der künstlerische Wert der PainterVhen Novollensammlung ist, in der (ioschichte des italienischen Einflusses nimmt sie, als die erste ihrer Art, gleichwohl eine bedeutende Stelle ein. Ks ist deshalb sehr erfreulich, dass sie jüngst weiteren Kreisen zugänglich gemacht wurde durch einen prächtigen Neudruck , besorgt von Joseph Jacobs.1 Das uneingeschränkte Lob, welches der äusseren Ausstattung dieses Neudrucks zu zollen ist, kann leider nicht auf den Theil der Einleitung ausgedehnt werden, der sich mit den » Quellen der einzelnen Erzählungen beschäftigt. J(acobs) hat die Untersuchungen seines verdienten Vorgängers, Joseph Haslewood, aufgenommen, ohne sie einer genauen Prüfung unterworfen zu haben, so dass verschiedene Irrthümer Hasle- wood's in die neue Ausgabe übergegangen sind. Wir sind deshalb genötigt, uns die in den Bereich unserer Studie fallenden, aus italienischen Autoren übersetzten Erzählungen nochmals, nach ihren Quellen geordnet, vor Augen zu bringen.

1. BOCCACCIO.

Trotz seiner Bewunderung der schönen Prosa Boccaccio'* findet Paintor doch nur den sechsten Theil seiner Novellen

»

zur Aufnahme geeignet; gar manche Erzählung des „Decn- meron" verdiene es, zu ewigem Gefängnis* verdammt zu werden (J. I p. 11). Er hat auch in der That nur folgende 16 Novellen Boccaccio's übersetzt:

v o 1. I (Datum der Widmung: theßrst ofjanuarie 1566) : 2 No. 30 A question of Saladine Dec. I 3 31 Ermino Orimaldi = I 8

1 The Palace of Pleasure. Elizabethen Veraions of Italian and French Novels from Boccaccio, Bandello, Cinthio, Straparola, Queen Margaret of Navarre, and others done into English by William Paintor. Now ngain edited for the fourth time by Joseph Jacobs. 3 vols. Lon- don, David Nutt, 1890.

* Dieser Band enthält 60 Novellen. In der dritten Auflage vom Jahre 1575 bietet er 6 Novellen mehr (nicht 7, wie bei J. p. XLVIII

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1 . BOCCACCIO.

No. 32 Maister Alberto of Bologna Dec. I 10

33 Rinoldo of Esti = II 2

34 The hing of England'* doughter II 3

35 Landolpho Ruffolo II 4

36 Andreuccio = II 5

37 The Erle of Angiers = II 8

38 Giletta of Narbona = III 9

39 Tancredi = , iVl'

vol. II (Datum der Widmung: the IUI. of November 1567) : *

No. 16 The Marchionisse of Monferato = Dec. I 5 17 Mistresse Dianora X 5

18 Mithridanes and Nathan X 3

19 Mistresse Katherine of Bologna = X 4 20 Of Maister Thorello and Saladine X 9 31 Mistresse Helena of Florence = VIII 73 Paintcr äussert sich selbst bescheiden über den Werth seiner Übersetzungen aus dem Italienischen: Other Nouels haue I adioyned, chosen out of diuers Italian and Frenche tcryters. W herein I confesse my seife not to he so well tray- neth pervduenture, as the Jim heads of suche trauailers would desire, and yet I trust sufßciently to expresse the sense of euerye of the same (J. I p. 10 f.). Die Worte beruhen auf richtigster Selbsterkenutniss : Painter's Übersetzungen sind schwerfallig, aber genau. Er hatte sich, bevor er an's Über- setzen ging, eine für seine Zeit sehr gründliche Kenntniss des Italienischen erworben, es lassen sich ihm in den Über- setzungen aus dem „Decamerouu nur wenig Fehler nach- weisen.4 Im Ganzen hält er sich ängstlich an den Text

bemerkt ist). Sämmtliche aus dem Italienischen stammenden Novellen sind schon in der editio prinoeps zu lesen.

1 J. (p. LXXIV) verweist bei den Nachahmungen dieser Novelle auf Turbervile Tragioal Tales* IV. Turbervile's Diohtung beruht je- doch auf Dec. IV 9 (cf. Anglia XIII 50).

» Enthält 34 Novellen; in 2. Auflage 35 (cf. J. I p. XLIX sq.).

3 Nicht Dec. VIII 8, wie J. p. XC bemerkt.

4 Manchmal sagt er allerdings gerade das Qegentheil von dem, was Boccaccio sagt, vgl. Dec. II 3 AUsaandro . . . feceyli la aua camern fare nrl tueno diangiato luoyo della caaa J. I p. 133 Almravdrn . . .

1*

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4 I. WILLIAM I'AINTER S PALACK OK l'LKASUKE 1567 8.

seiner Vorlage, eine boachtenswerthe Kürzung bemerken wir nur in der Geschichte des Riualdo d'Asti (I 33; bei J. I p. 129) beachtenswert!!, weil sie als ein dem Schicklich- keitsgefühl gebrachtes Opfer erscheint. Immer hat jedoch diese Stimme des Anstauds nicht gesprochen, l'ainter hat in audereu Novellen auch recht anstössige Stellen getreulich übersetzt.

Eine Erweiterung zeigt uns nur der Schluss von I 32 (J. 1 p. 123 f.), wo Painter in ziemlich thörichter Weise ein Stück des Rahmens des „Decameron" herübergenommeu und breiter ausgeführt hat. Im zweiten Band, in welchem er sich, durch den Erfolg des ersten Randes gehoben, überhaupt etwas freier bewogt, hat er jeder Novelle eine selbständige, mit den Früchten seiner Belesenheit geschmückte Einleitung vorgestellt.

Die Überlieferung des Textes ist eine gute; an einigen Stellen hätte J. offenbare Corruptelen mit Hilfe des italie- nischen Textes mühelos beseitigen können.

eaused a Chamber to be made redie for him seife in the teorste place of the honse ; Dec. IV 1 Ghismonda . . . dolore inestimabile senti , ed a mostrarlo con ronwrey e con lagrime, come il pitt le /entmine fanno, fn assai rotte ricina : nut pur qttesta viltä vincendo il sno animo ulticnt etc. = I p. 184 Gismonda . . . coneeiued an inest imaLle sorotre, vttering Ihr Harne mang time?, teith otttrries and schrerhes, aecording to ihc maner of womeu (dieselbe. Entstellung de« Originals finden wir in William Walter'* Gedicht, vgl. Zupitzn in Ooigers VierteljahrsHchrift I 80). Weniger auffällige Fehler bemerken wir J. I p. 120, 122; II 356, 372; III 336 z. 17, 344, 352.

1 J. I p. 158 as I see agahtst the fierie flames lies Ist Dec. II 8 come il ghiaccio al fuoco ; II p. 352 f. thereby to great renowme

Heu gel Dec. X 3 per direnir famoso ; I p. 138 z. 1 lies •* für das zweite in. An anderen Stellen kann man zweifeln, ob ein Versehen, dos Übersetzers oder eine Verderbniss der Überlieferung vorliegt: I p. 170 his mother in Latce dor Zusammenhang fordert her; p. 175 diuers aupplications teere made rnto htm to alter his opinion, but all in raiue

dio Vorlage vorlangt her cf. Dec. III 9; p. 187 Z. 4 v. u. cottering it

lies uncovtring = Dec. IV 1 e quell a scoperchiata ; II p. 374 a man of jno] great estimation = Dec. X 9 toi eavalier prorenzale di picrol ralore ; III p. 341 Z. 17 v. u. ist wohl not zu streichen, vgl. Dec. VIII 7; p. 336 Z. 15 v. u. zeigt der englische Text eine Lücke, vgl. Dec. ib.

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2. bandeIjLO.

2 HANDELLO.

Reichlicher als Boccaccio int im Talaee' einer seiuer fruchtbarsten Nachfolger, Bandello, vertreten, obwohl ihn Painter stilistisch tief unter den Vater der italienischen Prosa stellt. Er bietet seinen Lesern deshalb nicht eine Übersetzung der italienischen Originale, sondern der Übersetzungen der Franzosen Pierre Boisteau, genannt Launay, und Francois de Bollc-Forest, die den Text Bandello's mit grösster AVill- kür behandelten und in einer, nach modernen Begriffen, uner- träglichen Weise verbreiterten. Painter gibt ihren Versionen jedoch unbedingt den Vorzug: Out of Bandello I haue sclvcted seuen, chosing rather to follow Launay und Belli -fürest, the French Translotours, than the harren soile of his oun vain wlto bring a Lombard, doth frankly confesse himselfe to be no /ine Florentine, or trimme Thoscane, as eloquent and gentle Boccaccio tras (Kpistte to the Reader, J. I p. II).1 Der erste Band des Talace* enthält allerdings 7 aus dem Französischen übersetzte Novellen Bandellos, hiezu kommt jedoch noch eine direct aus dem Italienischen übersetzte Erzählung, so dass er im Ganzen 8 Novellen Bandellos bietet. J. I p. LXVI be- merkt ausserdem bei No. 11 (King Cyrus and the Ijxdie Fanthta) Source: Probably Bandello III 9 ; Origin: Xenophon (giüen as source by Painter). Painter hat seine Quelle ganz richtig angegeben, seine Erzählung hat mit Bandello's Novelle nichts gemein; sein Bericht beruht entweder auf Xenophon selbst oder auf einer Übersetzung der 'Oyropacdia'.2 Der

1 Painter steht mit seiner Werthsohätzung Launay 8 nicht allein. Der Sprachlehrer Claudius Hollyband empfiehlt «einen Schülern gleich nach der Bibel die Werke dieses beredtesten aller französiHchen Autoren: Then let him [the leamer} take in hand <iuij of the trorkes of Monsieur de Launay, otheraise called Pierre Boaystuau , as the best and tnost elotfiicnt tcritev of our tomjue. His trorkes he le *Theatre du monde\ the 'Tragkall Historie*' , the 'Prodif/ious histories* (cf. The Frenche Littelton: A most easie, Porfect and absolute way to learne the frenche tongue: Seth forth by Claudius Hollyband. London 1581; in der Wid- mung).

8 Auf eine englische Übersetzung Nicolas Grimoald's verweist Warton (HEl\ 1871, IV 49); dieselbe scheint jodoch nie gedruckt

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I. WILLIAM paintkr's palacg uf plkasuke 1567 8.

erste Band des 'Palace* briugt somit folgende Novellen Ban- dellc/a :

vol. I. No. 27 The foue of Antiochus with faire Stratonica

= Band. II 55 ' J. I p. LXX verweist als Quelle auf: Plutarch, Demetrius (probahly in AmyoCs trunslation). Aber Paiuter gibt ja selbst seine Quelle in unzweideutigsten Worten au: Although the wyse Philosopher Plutarche, elegant ly and brießye describeth this Historie , in the Life of Demetrius: yet hi cause Baudeflo aptlye and more at large doth disrourse the same, 1 thought good to apply my pen to his stile. Er bietet in der That eine genaue Übersetzung der Novelle Bandello's. Belieferest bringt diese Geschichte erst in seinem vierten, 1570 abge- schlossenen Bändchen.2

No. 40 Hyerenee the faire Greeke Lauuay Hist. 2 3

(Band. I 10).

41-4 Ladie falslie accused ■-- Belieferest Hist. 8

(Band. I 24).

42 Didaco and Violenta Launay Hist. 5

(Band. I 42).

worden zu sein. Von den französischen Obersetzungen habe ich ver- glichen: La Cyropedie de Xenophon .... Traduite do Graec en langue Francoyse, par Jacques de Vintemille, Rhodien. Paris 1547. Painter's Erzählung beruht auf Ii. V oha. 1, VI 2, 3, 9 VII 4; sein Text steht dem der französischen Version sehr nah, doch lassen kleine Differenzen erkennen, dass sie nicht seine Vorlage gewesen sein kann.

1 cf. La Prima, Seconda, Terza Parte de le Nouelle del Bandello. In Lucca per il Busdrago 1554; 3 vol1

cf. Le Quatriesme Tome des Histoires Tragiqucs . . . . A Turin, par Jerosme Farine 1571. Datum der Widmung: De Paris ce 3. de May 1570. Enthalt Hist. 55-80; cf. Hist. 63.

3 cf. XVIII Histoires Tragiques Extraictes des oeuures Italiennes de Bändel, et mises en langue Francoise. Les six premieres, par Pierre Boisteau, surnomme Launay, natif de Bretaigne. Les douze suiuans, par Fran. de Belle - Forest , Gomingeois. L'an de grace MDLX s. !. Ich citiere die französischen Gesohiohten nach der fortlaufenden Num- merierung dieser Ausgabe, diu mit Belieferest keine neue Zählung be- ginnt. Brunet yerzeichnet eine Ausgabe dieses ersten Bändelten* der HT. vom Jahre 1559, und halt es, da die Druckerlaubnis vom 11. Januar 1558 datiert ist, für möglioh , dass noch eino frühere Ausgabe be- standen hat.

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2. BANDELLO.

7

No. 43 Of a Ladie of Thurin Launay Hist. 4

(Band. II 12). 44 Alerane and Adelasia = Bei. Hist. 7

(Band. II 27).

45 The Duchesse of Suuoie = Launay Hist. 6

(Band. II 44).

40 The Countesse of Saleshurie = Launay II ist. 1 (Band. II 37, nicht II 26, wie ,1. I p. LXXVI angibt).'

Für den zweiten Band des Talace' hat Painter öfters unmittelbar aus Bandello geschöpft. Er bringt mehrere Novellen, die Belieferest erst im dritten und vierten Bändchen der 'llistoires Tragiques' veröffentlichte, und eine, die der Franzose überhaupt nicht übersetzt hat:

vol. II No. 4 Ariobarzanes Band. I 2 (Bei. llist. 53)

,, 5 Aristotimus the Tyrant Band. III 5 (Bei.

Hist. <>9)

7 Sophonisba - Band. I 41 (Bei. Hist. 43) 2

9 A Gentlewoman of Hidrusa = Band. I 50 (Bei.

Hist. (57)

,10 Faustina the Einpresse Band. I 36 (Bei.

Hist. 59)

n 21 Anne the Queene of Hungarie = Band. I 45

(Bei. Hist. 60) 22 Alexander de Medkes Duke of Florence =

Bei. Hist. 12 (Band. II 15)

1 J. I p. LXXIX vorweist ferner zu No. 58 .1 President of Gre- uuble aduerlised of the ill gouemement of his wifey foofe such order, thnt his honest ie was not diminished, and yet reuenged the facte, welche Erzählung Painter au» den 'Contes do la Reine de Navarre* übersetzt hat, wegen der Stoffflhiilichkmt auf Bandello 1 35. Diese Novelle handelt allerdings auch von der Bestrafung einer zuchtlosen Gattin, aber die Nebenumstände sind ganz verschieden. Die französische Erzählung ist vielmehr eine tragisch gewendete Version von Bandello I 11: Un Senatore trou t/ulo la inoglie in adirfterio, fa Vadtdtero fuggire. e salua il 8UO honore insieme con quello de la tnoglie.

9 cf. Lc Troiaierae Tome des Histoires Tragiques A Turin,

par Cesar Farine 1569. Datum der Widmung: I>t Paris ce I de Xe/>- tembre J5ötf. Enthält Hist. 37-54.

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8 1. WILLIAM PAINTER'S PALÄCE OK PLBA8URE 15H7 8.

No. 23 The Duchesse of Malfi = Bei. Mist. 19«

(Band. I 2ß)2

24 7%e Countesse of Celant = Bei. Hist. 20

(Band. I 4)

25 Rhomeo and Jttlietta ^ Launay Hist. 3

(Band. II «)

26 2W Gentlewowen of Venire - Band. I 15

(Bei. Hist. 37) 27 The Lorde of Virle =- Bei. Hist. 1 3 (Band. III 1 7). 28 A Ladt/ of Boeme = Band. I 21 29 Dow Z)te£o ffwrf Gineura Bei. Hist. 18

(Band. I 27)

30 Salimbene and Angelira = Bei. Hist. 2t (Band. I 49; nicht 46, wie J. I p. XC bemerkt. J. gibt Bandello als Quelle an, während er Belie- ferest, aus dem Painter übersetzt hat, gar nicht erwähnt). 33 The Lords ofNocera = Bei. Hist. 23 (Band. I 55) 34 (35 in der zweiten Auflage) The Kinge of Marocco = Bei. Hist. 24 (Band. I 57).

Ausserdem citiert J. I p. XC Bandello 1 35 als Quelle der 32. Novelle des zweiten Bandes, überschrieben: A Gmtle- woman and Wydow caUed Camiola of hir owne winde raun- somed Roland the Kyng's Sonne of Sicilia, of purpose to haue htm to hir Husband, who when he was redeemed vnkindly denied hir, agaynst whom very eloquently , she inueyed t and

1 of. Des Histoires Tragiques, Tome Seoond . . . . A Turin, par Cosar Farine 1570. Die Widmung ist datiert: De Paris, ce vingtrnumt d' Aoust, mil cinq cens soixeante cing. Enthält Hist. 19 36. Brunct be- merkt 'Manuel du Libraire' (Paris 1860) s. v. Bändel, dass dem ersten Band der H. Tr. im Jahre 1569 zwei weitere Bände folgten; das Datum der Widmung des zweiten Bandes und Painter's und Fenton's Über- setzungen aus demselben beweisen jedoch, dass der zweite Band schon früher, 1565 oder, da ihn Painter erst im zweiten Bande seines 'Palacc* benützt, 1566, erschienen sein muss.

2 Warum J. I p. LXXXVII bei dieser Novelle und bei No. 27, 29, 33, 35 Bandello als Source and Origin bezeichnet, Belleforest hin- gegen nur unter der Rubrik Parallel» erwähnt, ist nicht ersichtlich. Painter hat aus Belleforest übersetzt.

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2. BANDELLO.

although the Law proued him to be hir Umband, yet for his vnkindnes, shee ctterly refused hiw. Dass hier ein Irrthura vorliegt, erkennen wir auf den ersten Blick; J. hat ja eben diese Novelle Bandello's, welche eine grundverschiedene, im eigentlichsten Sinne des Wortes schmutzige Ehestands-Ge- schichte erzählt, bereits bei der 58. Novelle des ersten Bandes wegen der Stoffahnlichkcit angeführt (vgl. oben p. 7 Anm. 1). Wir werden die Geschichte der Camiola bei Bandello über- haupt vergebens suchen; aber, obwohl Painter in der Ge- schichte selbst seinen Gewährsmann nicht erwähnt, können wir ihn doch mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit bestimmen. Painter nennt zu Anfang des zweiten Bandes 24 von ihm benützte Autoren. In dieser Liste wird uns unter den neueren Schriftstellern der Name des von Painter noch nicht in Con- tribution gesetzten Baptista Campofulgosus auffallen, der ein umfangreiches Compcndium verfasst hat, betitelt: 'Exemplorum, Hoc est, Dictorum Factorumque Memorabilium, ex certae fidei ueteribus et recentioribus historlarum probatis Autoribus, Lib. IX'. 1 In diesem Werke finden wir Lib. V Cap. III De Ingratis unter der Uberschrift De Rolando Petri Siciliae regis fratre et Comiola (p. 613 ff.) Painter's Geschichte. Doch muss dieser noch eine andere Quelle benützt haben, denn er erzählt viel breiter als Campofulgosus, und führt Thatsachen und Namen an, die jener nicht erwähnt.

Auch bei diesen Übersetzungen aus dem italienischen und französischen Bandello bewähren sich Painter's sprach- liche Kenntnisse ; wir könnten ihm nur eine verhältuissmässig geringe Zahl von Missverständnissen nachweisen2. Auch hier hält er sich im Ganzen gewissenhaft an seine Vorlage. Doch bemerken wir, von den unabhängigen Einleitungen ab-

1 Basileae, ex officina Henric Petrina. Col: Anno MDLXVII Mense Augusto.

* Ein auffalliger Lapsus ist ihm vol. I No. 41 pasßiert, wo er Belleforcst's Bemerkung: Et Bniazet semblablement, ne feist il pas teste au grand Tamberlatt, t/ut s'appelloit le ßeau de Dieu mit einem groben Verstoss gegen die historische Wahrheit übersetzt: Avd Bainzet likewyse, did not he cut of the he ad of the <ireate Tamburlain, which called himselfc the scourye of God (cf. J. I p. 193).

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10 I. WILLIAM PVINTERS l'VLVCK OK PI.K^URE 1 ")fi7 8.

gesehen , manchmal auch in den Novellen selbständige Er- weiterungen Painter's. 1

:i. <ER GIOVANNI FIOHENTINO.

vol. I No. 47 Gabjano and Madonna Minorcia - Peeurotie2 1 1 4S A Duke of Venice and Ricciardo - IX l

4. STRAPAROLA. vol. I No. 49 Phiknio Sisterno Piacevoli N«»tti * II 2.

5. GIRALDI CINTHIO.

vol. II No. 11 Two Maidens of Ca rth a r/e Ilecat. ' IX S

15 Euphemia of Corinth VII 1 10.

Das Ergebnis*» unserer Zusammenstellung ist, dass Paiuter in seinen 'Palace' 4b* italienische Novellen aufgenommen hat 18 aus Boccaccio, 25 aus Uandello (wovon 9 aus dem Italienischen, die übrigen aus dem Französischen übersetzt sind), je 2 aus Ser Giovanni Fiorentino und Giraldi Cinthio, 1 aus Straparola. Er steht somit tief in der Schuld der ita- lienischen Novellatori; doch ist es nicht unmöglich, dass er die erste Anregung zu seiner Sammlung durch die frauzösiche Ubersetzung Bandello's, die Histoires Tragiques', erhielt.

J. hat p. XXX f. seiner Einleitung die abfälligen Äusserungen E. Döring 8 (1572) und Stephen Gosson's (1580)

1 So gibt er z. B. II 24 für Belleforest's Anspielung: Je «fdi/ oii c'eut qne ma chaussure me presse et blesse die ganze Anekdoto zum Beuten (of. J. III p. 47); II 26 findet sich ein Excurs über die Sog- nungett der Ehe (ib. p. 143 f ) und in dieselbe Novelle ist ein Gedicht eingeschoben (ib. p. 129 f.).

' cf. II Peoorone di Ser Giovanni Fiorentino, nel quäle si con- tengono cinquanta noveüe antiohe, belle d'inventione e di stile. In Milano Appresso di Giovann' Antonio de gli Antonij MDL VI II.

* cf- Le Piacevoli Notti di M. Giovan-Francesco Straparola [ge- druckt: Straparola] da Caravaggio. Col. : In Vinegia per.jComin da Trino di Monferrato. L'auno MDLI.

* cf. De gli Hecatommithi di M. Giovanbattiata Giraldi Cinthio Nobile Ferrarese. In Vinegia MDL XVI. Approsso Girolamo Sootto.

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1. WILLIAM PAINTER'S FALACK OK FLEASÜRK 1567 8. 11

über den 'Palace' angeführt. Auch Francis Thynne wirft in der 'Üebatc between Pride and Lowliness' (ca. 1580) einen tadelnden Seitenblick auf Amadis de Gaule, the Pallas f[a]rced with Pleasure, und die Ballads that entreate of nought but loue !. Rühmend erwähnt fand ich den 'Palace* hingegen in der R. B. unterzeichneten Epistel To the gentle Gentlewomcn Readers der um 1580 veröffentlichten, vermutlilich dritten Ausgabe von George Pettie's 'Pettie Pallace of Pettie his pleasure'. R. B. sagt von Pettie's Geschichten : / haue christened them with the name of a Pallace of Pleasure. 1 dare not compare this worke with the former Pallace s of Pleasure, because comparisons are odious, and because they containe Histories, translated out of graue authors and learned writers: and this containeth discourses, deuised by a greene youthfull capadtie and reported in a manner ex tempore. Ausserdem ist der 'Palace' citiert in George Whetstonc's 'Ileptameron' (1582), als eine der Autoritäten für die Gefähr- lichkeit von Mesalliancen: // you coueit more Authonties, to approue so common a mischiefe, read Ouid Metamor phosis in Latine, Segnior Lodoukus Regester in Italian, Amadis de Gaule in French , and the Pallace of pleasure in English, where you shall find störe of Histories to the like purpose (in The fift Daxes Exervise). Besonders der Titel der Paiuter- schen Sammlung scheint gefallen zu haben, er wurde öfters imitiert. Nach dem soeben erwähnten 'Pettie Pallace' des (ieorge Pettie begegnen wir noch einer Gedichtsammlung 'A poore Knight his Pallace of priuate pleasures (1579)- und Gabriol Harvey betitelt in 'Greenes Memoriall, or cer- taine Funerall Sonnet»' (1592) a da» sechste Sonnet: His Palace of pleasure.

1 cf. J. P. Collier'« Neudruck für die Shakespeare Society ( London 1841) p. 67.

* cf. J. P. Collier's Bibl. und Criticiil Account (London 1865) vol. II p. 181.

3 Oedruckt am 8chlu«s von Harvey'« Teure Letters and Cortaine Sonnet«' (cf. Work« ed. A. B. Grosart vol. I p. 2*i8 ff.). Eine weitere Anspielung auf Painter'« Titel findet «ich in Harvey'« 'Pierces Super- crogatiou' (1593): Whut tthould 1 8peake oj the ttco brave Kiiiyhtes,

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12 I. WILLIAM PAINTKIl't» l'ALACE UK PLEASl'KE 1567/8.

Painter selbst acheint nach dem Abschlüsse seines zweiten Bandes die Lust an seiner Arbeit verloren zu haben, wenigstens ist der von ihm wiederholt1 in Aussicht gestellte dritte Band nicht erschienen. Für uns hat der 'Palace' noch grosses histo- risches Interesse und den besonderen Heiz, dass Shakespeare'* Augen auf ihm geruht haben. Schliesslich sei noch darauf hingewiesen , dass wohl durch Painter2 das Wort nocet in seiner jetzt noch geltenden Bedeutung im Englischen heimisch wurde.

Musidorus, and Pyrocles% combined in one excellent kniyht^ Sir Philip Sidney . . . .? Will yoa needes have a tcritten Pallace of Pleatturr, or rather a printed Court of Ilononrt (ib. II 99).

1 Im zweiten Bande, in der Prcface to the Header (cf. J. p. 157) und in der Conclunion^ with an Adaerl isement to the Header (cf. J. III p. 432).

* These hiatoriea (which by another ttrme I call Nouellex) (cf. J. I p. 5).

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II. GEOFFBEY FENTON'S 'TRAG1CALL DISCOÜRSES

1507.

Der Erfolg des 'Palace of Pleasure' rief schleunigst ein Concurrenz-lTnternehmen in's Leben. Noch bevor Painter's zweiter Kand erschien, veröffentlichte Geoffrey Fenton „Cor- taine Tragieall Discourses written oute of Freuche andLatin"1, der Lady Mary Sydney gewidmet. Da gegenwärtig das Lob der von einem so blühenden Weinstock stammenden Frucht in aller Leute Mund sei, habe auch er eineu Theil seiner Muße darauf gewendet, eiuige „Tragieall Discourses" aus dem Französischen zu übersetzen.2 Der junge Fenton lebte damals in Paris, die Widmung ist datiert At my chamber at Paris, XXII. Junij. 1507, und so erklärt es sich, dass die Vermittler-Kollo dos Französischen, die wir schon bei Painter in nicht wenig Fällen zu constatieren hatten , in Fentoifs Sammlung durchgehends zur Geltung kommt. Fenton, der seinen Landsleuten später eine Übersetzung von Francesco Guiceiardini's „Storia d'Italia4* schenkte, übersetzt in diesem seinem Erstlingswerk3 italienische Stoffe aus dem Fran-

1 cf. Warton IV 345 f.; Collier Aco. I 27b ff. 8 For that now a dayes euery mans mouth is open commende the /rufe distilling front so fiorishynge a vine, so for my part, heyng more forwarde then hable to discharge my zeale in that behalfe, haue he st ou- cd some of my voyed howers ivhilest I was in the other sides the Sea, in foregnge certeyne Tragieall Discourses oute of theyr Freuche ienrmes, into our English phrase.

* In einem lateinischen Empfehlungsgedicht von M. H. heisst es

Floruit antiquo Galfridus tempore Chaucer

At tua nunc primum, (Galfride) virescere virtus Incipit, et toneras cum spe producere plantn*.

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14 II. OKOFKKEY FKNTON's TRAGICAM. DISCO URSES 1567.

zösischen ; der Zusatz and Latin ist nur als eine Verzierung des Titelblattes anzusehen. Fenton ist gänzlich von den 'Histoires Tragiqucs' abhängig; es sind daher nicht viele, wie Warton1 sagt, sondern alle seine Novellen auf Baudcllo zurückzuführen. Er bietet im Ganzen 13 Erzählungen:

No. 1 Ä Wonderful Vertue in a yentlman of Syenna on the Itehalfe of his ennemye whom he delyuered from Death etc. - Belleforest Hist. 21 (Bandello 1 49; Painter II 30).

2 The long and loyall Loue betweene Lyuyo and Catnylla toyether with their lamentable death etc. Bei. Hist. 22

(Band. I 33).

3 A Yony Lady in Mylau . . . becoms an unnuturaU nmrderer of the /rufe of her wandte Bei. Hist. 9

(Band. III 52).

4 An Albanoyse Capteine beiny at the poynte to dye kylhd Iiis uyfe etc. = Bei. Hist. 10 (Band. I 51).

5 Sundrye Periiis, happeninge to a yonye geutleman of

My/lan etc. = Bei. Hist. 26 (Band. 128). 6 The vdleunie of an abbott in sekinge to seduce a mayde

Ity forre etc. - Bei. Hist 28 (Band. II 7). 7 The disorderly Lyfe of the rountesse of Celant etc.

Bei. Hist. 20 (Band. I 4; Painter II 24). 8 Julya drowtu th her seife far that her hodye tras abused

by forre = Bei. Hist. 25 (Band. I 8). 9 The impudent Loue of the Lady of Chabrye = Bei.

Hist. 16 (Band. II 33). 10 Luchyn is hmye in loue with a simple mayde ~ Bei.

Hist. 34 (Band. II 26).

1 1 The Crueltie of a Wydoxce -- Bei. Hist. 13 (Band. III, 17;

Painter II 27). „12 Perillo sußreth muche for the loue of Carmosyna -

Bei. Hist. 27 (Band. I 14). „13 A ironderfull ronstanrie in Dom Diego Bei. II ist. 18

(Band. I 27;' Painter II 29).

1 1. c. p. 346 : Most of the ston'es nre on Italian subjects, and mau;/ from Rotuhllo.

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1!. OKOFFRKY FENTON's THAOICALL DISCOt'RSKS 15(»7. 15

"Wir finden in Fenton 's Sammlung vier Erzählungen, die wenig«» Monat«' spater in Painter's zweitem Bande er- schienen. Beide Engländer übersetzen aus dem Französischen, aber sie haben die Sa«;he sehr verschieden angefasst. Painter behält stets seine Vorlage im Auge, Fenton gestattet sieh allerlei Verzierungen und Abschweifungen. Pninter schreibt einen sehr nüchternen, Fenton einen übermässig geschmückt«»!1 Stil. Er trägt kein Bedenken, des Franzosen weitschweifige Prosa noch mehr zu verbreitern J, wofür er uns allerdings durch Beseitigung der meisten pootis«'hen Interpolationen Belleforest's einigermassen entschädigt. Fenton ist ausserdem viel persönlicht»r als Painter, er flicht Reise-Erinnerungen ein8 und kehrt den Engländer mehr heraus. Während Painter, auch wenn von französischen Siegen die Rede ist, gewissen- haft seiner Vorlage folgt und sich nur durch eine Rand- bemerkung über die Eitelkeit und Prahlsucht dc»r Franzosen

1 Ein Beispiel wird uns genügend zeigen, welchen Höhepunkt der Verwasserung Bftndellö'a Prosa bei Fenton erreicht hnt. Bandello erwähnt III 17 in der ersten Zeile Moncalieri (Ca Stella tion molto lon- 1a no da Turino) ~ Belieferest Hist. 13 Or pres de ceste süperbe, et forte eile est assise nie petite ville, noinmee Montcal , Heu non wohin fort, et de defense, nuc bien assis en beau et riebe paisage (— Painter II 27 Now besides this sfately and strong city, there standet h a litle toirtie named MonfcaH , a place tio lesse strong, and of good defence, than trel planted in a faire and rieh soyle) = Fenton No. 1 1 (fol. 22C u ) Someuhat irithont the suburbes of this riebe and populus Citie, is planted in a pleasant volley, a little village called Montcall, wart hie euery wag to be ioyned in neighbourhead to so great a Citie, being inuironed on ihone side teith the fragrant ayre of the fertil feldes al to bedeued teith the sondrg sicete smelles of thincense of Aurora, and on tho/her side icith the loftie hillea, breathing front the mouthe of Zephire the ayre of health, to refresh in tinte of nede the droirsie tenan/s of the volley. Mehr kann man für die 7 Worte Bandello*» nicht verlangen.

2 8o z. B. in No. 11 (fol. 244 b): Roan . ... the toxene , icherei n not longe affore the Duke of Sommerset had burned the counterfait prophet of Fraunce called La Pucelle Jeane , whome some pratinge frenchmen do af firme to haue wrought nierueilles in armes during those tvarrs .... and for a memory of (hat forged ydoll they kepe yet amongest oiher relikes in the abbay of S. Dengs, whych I satre in May last, a great roostie sworde, wherteith they are not ashamed to aduowehe that shee performed diurrne rxpedicioti* and rielories againste thinglishe

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16 II. UEOFFREY FKNTON'S TRAQICALL DISCOURS KS 1567.

rächt 1 , besinnt sich Fenton keinen Augenblick , dem Text eine dem englischen Nationalgcfühle weniger peinliche Wen- dung zu geben. So berichtet Painter II 27, dass der Piemon- tesische Hittor den Talbot sammt seinein Pferde zu Boden warf, was eine Niederlage der Engländer zur Folge hatte.2 Fenton ist die Sache nicht glaubhaft, er erwähnt nur, dass die beiden Ritter sich gegenseitig vom Pferd warfen, von einer Niederlage der Engländer hören wir nichts.5 Die beiden englischen Übersetzer sind jedenfalls ganz unabhängig von einander.

Fenton's 'Tragicall Discourses' erlebten im Jahre 1579 die Ehre einer zweiten Auflage; eine weitere Spur dieser Sammlung habe ich im 16. Jahrhundert bisher nicht finden können. 4 Zu Anfang des 17. Jahrhunderts wird dieselbe lobend, jedoch mit einem sehr verständigen, leichten Tadel der weitschweifigen Schreibweise, erwähnt von Robert Tofte in „The Blazon of Jealousie" , aus dem Italienischen des Benedetto Varchi übersetzt, (Datum der Widmung: Front my Lodging in Holborne, this 7. of Nouember, 1614; ge- druckt 1015). Zu einigen im Text erwähnten Eifersuchts- Tragödien bemerkt Tofte: These two first Tragedies, the one of n Cuptoiite of Norera, a Tonne belonging to the Duke- dorne of Spoleto in ltaly: and the other of u Knight of

nacion, whyrh Sternes as true, as that whieh they are ashamed to put in a chronicle of credit touching the.ir na int Denys, whom they affirme tro« executed al Parys, and came froni thenee wiih his heade in his handy u-hich he huyried in the altbaye. Köstlich iat, mit weloher Nichtachtung der junge Engländer die ihm unangenehmen historischen Wahrheiten behandelt. Vgl. oben.

1 Charles the Seuenth . . . mirat-ulously (But gieue the Frencheman leaue to flatter, and speake well of hys owne Countrey, aecordinge to the flatteringe and vauntinge Nature of that Nation) chased the Englishetnen out of hys Landes (cf. J. III p. 183).

» cf. J. III p. 185.

» cf. No 11 (fol. 245.): In this skirmish (if a man may fredit a french hragge) the Pyemontoyse and Talbot met , and unhorssed eche other.

4 Mittelbar werden wir an sie im Jahre 1574 durch Barnabe Riehe erinnert, der zwei von Fenton erzählte Novellen erwähnt, ohne jedoch Fenton's Namen zu nennen (vgl. p. 47).

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II. GEOFFREY FENTON's TRAG IC ALL D1SCOURSE8 1567. 17

Millane, you shall find in diuers Italian Authors, dinersly set downe, and as well translated (but that hee is a little too tedious in his phrase of speerh) into Enylish by Sir Geffery Fenton Knight, one of our late Queene Elizabeths (of euer- Utting mernory) priuy Coumell in Ireland (p. 60 z). Tofte berichtot aus dem Gedächtnis, die traurige Geschichte von The Lords of Nocera hatte er nicht bei Fenton, sondern bei Painter gelesen (vol. II No. 33, vgl. oben p. 8) ; der zweiten Tragödie entspricht Fenton's 4. Novelle.

Noch im vergangenen Jahrhundert bezeichnet Warton Fenton's Werk als in point of selection and size, perhaps the most capital misrellany of this kind (FIEP. IV 345). Historisch betrachtet ist Fenton jedoch nur ein Nachfolger Painter's, von dessen Epoche machender Leistung die „Trag. Disc.tt bald in den Schatten gestellt wurden.

yp. LXX.

•2

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III. KOSll'NI) TILNAVS 'KLO WER OK FKIKXDSIHITI"

(ir»r>,s).

Im Hause der Lady Julia hat sieh eiue ( jesellsehaft von Damen und Herren zusammengefunden, die sich ver- gnügte Stunden machen wollen. Du es Frühling ist, werde« für die Herren Spiele im Freien, Schiessen u. s. w. vorge- schlafen: Hut M/aisterj Pedro fdi Lusan/ not hin y at alt lykina oj such deuises, wherein the Ladies should he left auf, Said that he well retnemhred huir Hoccace and Von ntie Haitizar trith others recounted many proper deuises for ejrercise, hoth phamnt, and profitable, which , (juofh he , irere used in the conrts of Italie, and some mach like to them arc practised at this day in the Emjlish court, ir herein is not onefy delec- talde, hat pleasure ioyned tryfh profitr, and e.rercysc of the nitte. Fr wird gebeten, solehe Unterhaltungen anzuordnen.

I >io ( iesellsehaft begibt sieh in einen (Jarteii, und lYdro wählt eine Königin , die als Abzeichen ihrer Würde einen Rosenkranz erhält. Fedro schlägt vor, über die I 'fliehten des verheiratheteu Mannes zu disputieren , und übernimmt

1 Ich citiere nach einem auf der Bodleian befindlichen Exemplar dor dritten Auflage dieser Schrift vom Jahre 1571 : A brieß mal pleanant dineoune of dittiis in Mariage, calhd the Flow er of Friendshippe. Im- prhitrd at London by Ihnrie Ihnham, dwelling in Paternoster Howe, at t/n- Signe of the Starre. Anno 1~>7 1. Die Widmung an die Königin Elizabeth ixt unterzeichnet: Yonr Maistica most hnmble Snbiect, Kdmonne Tilnay. Vgl. Collier, Account II 434 f.; Hazlitt, Handbook p. 621.

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111. EDMUND TILNW'V FLOWER OF FRIEXDSHIPI'E 1568. Vi

selbst die Verteidigung der Ehe, während es sich a mery gentleman, called Maister Gualter of Cawne zur Aufgabe macht, die Frauen anzugreifen. Pedro erzählt u. A., mit einem Ver- weis auf Haptista Fulgosa [!] die Geschichte von dem treuen Gatten, der seiner von Seeräubern geraubten Frau nach- schwamm, vgl. in dem oben p. 9 citierten Compendium des Fulgosus Lib. IV Cap. VI De Conjugali Charitate : De Nea- politani regni quodam aecola p. 526 f.

Das Thema des zweiten Tages ist: The office, or duetie of the married icoman. Pedro, der stets das grosse Wort führt, rühmt die Klugheit einer Edeldame, welche ihren treu- losen Gatten nicht durch Vorwürfe, sondern durch eine aller- dings sehr weit gehende Toleranz wieder auf den richtigen Weg brachte Wir erkennen in dieser Anekdote die 48. Novelle des französischen Heptameron : Memorable charitS d'vne feinme de Tours, enuers son mury pntier, 1 welche Tilnay auch im ersten Bande (Xo. 64) 2 von Painter's 'Palace' gelesen hatte. Schliesslich wird Pedro beauftragt, die Gespräche aufzuzeich- nen, und damit hat diese sehr färb- und duftlose Freund- schaftsblume ausgeblüht.

So fragmentarisch und unbedeutend Tilnay's Schriftchen ist, so hat es bei den Zeitgenossen doch viel Beachtung ge- funden ; es wurde 1568 zweimal und 1571 zum dritten Mal gedruckt. Unter der Regierung der jungfräulichen Königin war die Ehefrage eine brennende, welche am Hofe und im ganzen Land eifrig besprochen wurde. Collier (1. c. p. 435) bemerkt, dass eben zur Zeit der Tilnay 'sehen Tlower' das Gerücht einer französischen Heirath ging. Aber auch litterar- historisch betrachtet, ist das Büchlein nicht ohne Wichtig- keit: in ihm beobachten wir zum ersten Mal die Verschmel- zung des Einflusses zweier italienischen Werke, des 'Deca-

1 cf. I/Heptamoron des» Nouvelles do Tresilluatro et Treaoxoellento Prinoeaa«- Murgueritc do Vuloia, Rovno do Nauarre; Paris 1560. Modorno AuHgnhe: Publik nur los maiiuscrits par La Kou< do Linev ot Anntolo do Muntiiiglon; Paris 1SSO, 4 voln.

? Wozu Jacobs vol. I p. LXXX irrthümlioh auf Hopt. nov. 3S vorweist.

o *

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20 w. EDMuao tilkay's fi.owkk of fkiendshippe 1568.

meron'1 und des < Yn-tegiano' dos (trafen Haidassar Oastiglione. Wir werden sehen, dass Tilnav in dieser Hinsieht viele Nach- folger fand, deren bekannteren Werken gegenüber sein Prioritätsrecht nachdrücklich zu betonen ist.

1 Vielleicht auch des „Filoeulo", dessen fünftes Buch, eine Probe des „Deeameron*, kurz vor Tilnay* „Flowor", im Jahre 1567, in'« Kng- lische übersetzt worden war ( vgl. p «0 1.

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IV. (SKOKCiK I'KTTIKS l'ETTIE PALLACE OF PRTTIK HI8 PLFASFRK'. LK'ENSEI) 157«.

Pettie's Novellensammlung ist sehr wahrscheinlich noch im Jahre der Registrierung, l'wti, erschienen. In ihr tritt uns ein originelles Wollen entgegen, mit dem freilich das Können nicht Schritt hält. George Pettie bietet keine Über- setzungen, sondern freie Variationen über bekannte Themata. Er will seine Erzählungen im Kreise seiner Freunde aus dem Stegreif erzählt haben, sie sollen zahlreiche Anspielungen auf Persönlichkeiten dieses Kreises und auf des Verfassers und seiner Freunde Privat .Verhältnisse enthalten. Er habe dabei jedoch eine so grosse Discretion beobachtet, dass nur die Be- troffenen selbst seine Andeutungen verstehen könnten. Unter diesen Umstünden ist es doppelt begreiflich , dass sich für uns dieser pikante Peigeschmack der Pettie'schen Sammlung gänzlich verflüchtigt hat.

1 Die 'i Ältesten Drucke sind ohne Jahreszahl überliefert (cf. Iluzlitt's 'Handbook* p. 455). Zwei derselben stimmen, wenn auch nicht typographisch, so doch inhaltlich überein; der dritte bringt zwei neue, für die Entstehungsgeschichte der l'ettie'sehen Sammlung sehr wichtige Episteln: To the </en(Ie Gmtlncomen Headers, unterschrieben Front my lofiyimj in Fleetst trete Ii. B., und The Letter of G. P. to R. D. con- errnituf this woorke, unterschrieben From my lodffing in Iloulbom, this 12. of Juhj. Taus semper, aat saus nunquam. G. P. Ferner fehlt in dieser Ausgabe die etwas leichtfertige Moral der H. Geschichte, und auch im Druck bemerkt man die bessernde Hand. Der über Erwarten grosse Erfolg des Buches scheint den Autor und den Verleger veranlasst zu haben, dieser Auflago besondere Sorgfalt zuzuwenden.

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IV. GEORGE PKTTIES l'ETTIE PALLACE

Pcttie hat seinen Gestalten zumeist classisehe Masken vorgebunden. Es treten in den 12 Geschichten seines Büch- leins folgende berühmte Persönlichkeiten auf:

1. Sinorix and Camma 2. Tertus and Progne 3. Ger- manicus and Agrippina 4. Amphiaraus and Eriphile 5. Icilius and Virginia2 6. Admetus and Alcest 7. Scilla and Minus 8. Curiatius and Horatia 9. Cephalus and Proer is 10. Mino» and Pasiphae 11. Pigmalion 12. ^tarttts3. In all diesen hochtragischen Geschichten ist das Hauptgewicht auf die erotischen Episoden gelegt, die Pettie breit ausgeführt hat. Er lässt die classischeu Helden und Heldinnen liebeln und schmachten und seufzen , wie es im nächsten Jahrhundert jenseits des Canals das Fräulein von Scuderv nicht besser verstand. Spielt die Liebe in der antiken Fabel gar keine Holle, so wird sie von Pettie auf irgend eine Weise, und sei es bei den Haaren, hereingezogen. Ein Beispiel wird ge- nügen. Die von tragischen Wolken uindüsterte Eriphile wird uns von Pettie als reiche Wirtwe vorgestellt, um welche sich Amphiaraus bewirbt, nicht aus Liebe, sondern aus Habsucht, und aus demselben Grund nimmt sie ihn. Durch diese Heirath wird ein anderer Freier der Eriphile, Nnmens Infortunio, in Verzweiflung gestürzt. Dann wird der Faden der classischeu Sage aufgenommen und der Yerrath Eriphilens, das Ende des Amphiaraus erzählt. Wieder zur Wittwe geworden, wirft die Frau aufs Neue ihr Netze nach Infortunio aus, wird

* O. P. gehreibt an R. B. : Forced by your erneut importunityy and furthered by mine otvne idle oj>ortunity, 1 haue set dotrne in uri- tinge, and accurdynge to your regnest, sent nnto you certuine of those TrayicaU trißes, whiche you haue heard mee in sumlrie compnnies nt snndrye times report, and so neare as 1 could 1 haue ir ritten thrm tooord for word as J tfien told them. R. B. versichert den Damen, dass er von seinem Freunde George Pettie erhalten hnbe the copie of certuine Historien by himself upon hin owne and certuine of hi.s friends primae occasiotis drawn into discourses .... report ed in a manner ex tempore, as I my seife for diuers of them am able to testiße.

* In Otto Rumbnur's Doctorachrift „Die Geschichte von Appius und Virginia in der englischen Litteratur" ( Brettliiu 1890) nicht erwähnt.

* Die sehr ausführlichen Arguments dieser Geschichten sind xu lesen in "The British Bibliographer", vol. II (London 18121, p. 393 ff.

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IV. OEOKOK I'EITIK's l'KTTIE l'ALLACE.

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jedoch verschmäht und stirbt aus Arger. Noch wunderlicher ist die letzte Geschichte, in der Pettic aus der heidnischen Fabelwelt in die christliche Legende überspringt und eine sehr sonderbare Version der Lebensgeschichte des heiligen Alexius zum Besten gibt.

Seine Stoffe hat sich Fettie, von dessen erster Geschichte wir vorläufig absehen, demnach nicht aus Italien geholt, «bor seine zahlreichen Anspielungen auf die Gestalten italienischer Novellen beweisen, dass er wenigstens den 'Falaco of Floasuro* aufmerksam gelesen hatte. Von Boccaccio erwähut er nur die berühmten Freundschaftstvpon Titus und (wisippua (in No. 2 p. IS, No. 5 p. 40), die im Ib. Jahrhundert in England nie fehlen dürfen, wenn von Freundschaft die Kode ist; von Handollo in No. 1: p. 8 Zilia und thekniyht Virle (cf. l'ainter II 27). p. 11 E<l wurde a l'iny of England und die Conntesse of Sali&hury (cf. ib. I 4t>), die Dttchesse of Sauoy und ihren Ankläger, the Karle of Pancntiar (cf. ib. I 45); p. 16 Juliettu und Romeo* (cf. ib. II 25); in No. 3: p. 23 und 2!) Adalesia und Aleram (cf. ib. I 44); in No. 5: p. 45 Julietta und Romeo2; in No. 7: p. 54 Adalesia und Alerane, die Herzogin von Sattotj und den Ritter Memloza ; in No. 10: p. 78 nochmals die Herzogin von Sanofi; in No. 11: p. 84 Faustina (cf. ib. II 10), Blanch Maria (cf. ib. II 24). Aus dem Kreise des 'Palaee* citiert er ferner das dem französischen lleptamoron entstammende Liebespaar Florinda und Amadour (in No. 11 p. 80, cf. l'ainter I 53), aus der italienischen Littoratur im Allgemeinen Rojardo's und Ariost's Angelicu (in No. 4 p. 34). Doch möchte ich nicht behaupten, dass Fettie in dieser Litteratur sehr bewandert war. Im Gegontheil der Um- stand, dass er Guazzo's „Civilo (\>nversazioneu nicht aus dem Italienischen, sondern mit Hülfe eines französischen Mittel-

1 DM Julietta dye upon the corpes of her Romeo? And shall my bodij remayne oh earth , Sin natu* beiny buried? Ich eiticre nach dem von Hazlitt ah «> litio prineeps angefahrte» Druck ( Brit. Mus. Sign. C. 40. d. 5).

8 Such preciseaes of' parents brought Piramua and Thiabe to ivofall ende, Kornea und Julieta to nntimely death.

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IV. GEORGE PETTIE'S PETT1E PALLACE.

gliedes übersetzt hat, 1 lässt seine Kenntniss des Italienischen nicht im günstigsten Licht erscheinen.

Auf diese Gestalten der modernen Litteratur berufen sich Pettie' s classisch benamste Helden ganz zwanglos, wie sein Amphiaraus die Bibel (No. 4 p. 35) und seine Agrippina den Grosstürkeu Muhamed kennt (No. 3 p. 25). Die Leser sollen nicht vergessen , dass hinter den classischeu Masken moderne Menschen, Zeitgenossen stecken. If this mislike you in my discourses, that I make Camma use the example of the countesse of Salisbury, the Dutches of Sauoy, and sutch icho were of far Uder yeeres, then the auncient Camma is, with the like in diuers other of the stories : you must consider that my Camma is of fresher memory than any of them, and I t hinke in your iudgement of fresher hew, than the fayrest of them sagt Pettie in seinem Briefe an R. B.

In unmittelbarem Anschluss an die eben citierte Stelle berührt Pettie auch die merkwürdigste, für die Geschichte der englischen Prosa hochwichtige Eigentümlichkeit seines Büchleins, seinen Stil: Likewise, if you like not of some wordes and phrases. used contrary to their common custome, you must thinke, that seeing we allowe of new fashions in cutting of beardes, in long wasted doublets, in little short hose, in great cappes, in low hattes, and almost in al things, U is as mutch reason wee should allow of netv fashions in phrases and wordes. Schon Landmann2 hat bemerkt, dass Pettie's Schreibweise alle hauptsächlichen Merkmale jenes Stils aufweist, der durch Lyly's Euphues berühmt wurde. Er nimmt deshalb an, dass Pettie Guevara's 'Libro llamado Marco Aurelio cou el Rclox de prineipes* gekannt habe, und macht darauf aufmerksam, dass Pettie's erste Geschichte von

1 Tho oiuile Conuersation of M. Stephen Guazzo, written first in Itulian, diuided into foure bookea, the first thrce translatcd out of Frenoh by George Pettie eto. London 1586. Das vierte Buch hat Barth. Young aus dem Italienischen übersetzt. Pettie's Widmung ist datiert: Front my lodying this sixih of Februarie. 1581.

9 Vgl. „Der Euphuismus, sein Wwen , seine Quelle, seine Ge- schichte" (Giessen 1881) p. 74 ff. ; „Euphues. The Anatomy of Wit e^c.* od. Fr. Landmann (Heilbronn 1887) p. XXL

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IV. GEORGE PETTIE1 S PETTIE PALLACE.

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Sinoriz and Camma auch in Guevara's Work (II 5) zu lesen sei. Dieser Umstand würde allerdings nicht genügen, Pettie's Kenntniss des „Marco Aurelio" zu beweisen; denn Pettie könnte den überaus populären Stoff1 dieser Geschichte ent- weder, wie Guevara2, unmittelbar aus Plutarch geschöpft haben, oder aus einem italienischen Werk, das, weit ver- breitet und allgemein gerühmt, als das Meisterwerk der italienischen Prosa des 16. Jahrhunderts galt, aus des Grafen Baidassar Castiglione 'Cortegiano' (veröffentlicht 1528, in's Englische übersetzt von Thomas Hoby im Jahre 1561). Casti- glione lässt die Geschichte der Camma in seinem dritten Buche von Giuliano de Medici erzählen3. Wenn wir Pettie's Ver- sion mit diesen drei möglichen Vorlagen vergleichen, so ergibt sich uns, dass Pettie dem Bericht des Italieners insofern näher steht, als auch bei ihm Sinorix Gouverneur der Stadt ist, in welcher Camma wohnt, in Übereinstimmung mit der Angabe Castiglione's : Sinorige era . . . quasi Tiranno di quella cittä, doue habitauano, während er bei Plutarch und Guevara nur als sehr begüterter und einflussreicher Mann bezeichnet wird. Auch dass Pettie den Schauplatz nach Italien, nach Scietwa, verlegte, könnte auf italienische An- regung deuten; Castiglione nennt die Stadt überhaupt nicht, während Guevara nach Plutarrh In ciudad de Galacia er- wähnt.

Aber es ist gewiss sehr wahrscheinlich , dass Pettie Guevara'» Werk in den englischen Übersetzungen kenneu lernte, und durchaus möglich, dass er diesen Vertretern des englischen Guevarismus den Parallelismus des Satzbaus, die Fülle der Beispiele und Gleichnisse abgesehen hat viel- leicht auch die Verschärfung der Antithese durch Alliteration, doch würde ich diese Eigenthümlichkeit bei Landmann gern

1 Der 1569/70 sogar zu einer Ballade vorarbeitet wurde, vgl. den betreffenden Eintrag in J. P. Colliers „Kxtract» from the Register« of tho 8tationer'8 Company* fSbnk. Soc. London 1848) p. 224; Warton

IV im*.

2 Plutarcho en el libro de Ins yllusfres mugeres cuenta . . .

3 cf. II Cortegiano del Conto Baldeswar Castiglione. In Vinegia MDLII; p. 120,

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2fi

IV. GEORGE l'KTTIrfsi IM.ITIK IWI.IjAC-E.

durch mehr Beispiele aus North's Übersetzungen belogt ge- sehen haben. 1 Diese Nachbildungen zugegeben, war Pettie doch vollkommen bere htigt, an der oben eitierten Stelle von neuen Moden in Phrasen und Worten zu sprechen, die er in seinem Buche eingeführt habe. Denn es darf nie ver- gessen werden, dass Pettie es war, der dem englischen Guevarismus seine speciell "euphuiKtischett Färbung gab, dass er der erste war, der die Verschärfung der Antithese durch den Stabreim zum Princip erhob und diese Figur bis zum Übcrmass häufte2, dass er der erste war, der in die Monologe seiner Helden die für den Euphuismus s<> bezeichnenden Ketten von Einwürfen einfügte, die der Sprechende selbst in eonform gebauten Sätzchen widerlegt. 3 Es scheint mir noch nicht genügend zur allgemeinen Kenntniss gebracht, duss in Lyly's Stil einzig und allein die überreichliehe Verwendung der einer fabelhaften Naturgeschichte entlehnten (ileichnis.se originell ist, obwohl sich auch dieser Zug bei Pettie bereits angedeutet findet. 4 In allen anderen Punkten hat Lyly nur

1 Vgl. p. 71 »einer Abhandlung und p. X.1X *oiner Ausgabe.

* Vgl. z. B. in No. 2 Progne'a Monolog ( p. 20) : That fayth which a man pro/esseth, is nothing eis bttt (orderte : trueth which he prrten- deth, nothing eis bat trißing : \otte, \ust : woordes, wyles : deedes, deeeipt : vowes, ranities : taithfull promises, (aithlesse practices : eamest othes, errant wtes to deeeiue : Borrowes , Bubtylties : Big he ff , Bleightes : grones, gttiles : crimt, cm/t es : teares, treason : yea al their dooinges nothing huf bayles to intice vsy hookes to entangle rs, and ingtns utterly to undoe ns ; in No. 7 die Schilderung der Pandarina (p. ">5): Bat to paynt her ont more jdainly, she was more ooye then comelg, tnore {ine Ilten well (auoredy more \o/ty then \oaely, more pro«'/ then proper, more preeise then pure, more sttperstitiouB then rr//</iou8, more o/ Bpight then o/ the spirit.

3 Vgl. z. B. in No. 7 Scilla'* Monolog I p. ö7): WViy, Xysus is mg iather : H'/o/, Mino« will bev my Phf/v .• H7/y, Sysus gnue me \if e :

IVhy, Mino« will yeeld me laue : U'hyf Xysus nutde me a maide : HTiy, Mino* will make me a mother : Why, Xysus eherishal me being goung :

H'hy, Minos will makv mach <>/ nur heing aide: B7/y, »ature bindet!) me to Urne my tat her : Whg, God eommaundet/i mr to laue mg husband

* Vgl. in No. 11 (p. S4): True /riends are not like new garments which will be the worsc for wearing : they are rather like the statte of Seil it ia, which the more it is b-aten, the h trder it is.or like Spices, wUich the more t'ieg are poundil, the sweeter they

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IV. OKOROK FKTTIK'S PKTTIE PALLACK.

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den von Pettie scharf ausgeprägten Stil nachgeschrieben , in allen anderen Punkten ist der bekannte Lyly nur ein Nach- ahmer des vergessenen Pettie.

Die oben erwähnten, sich rasch folgenden drei ersten Auflagen des Pettie'schen Büchleins, welches ausserdem noch dreimal, 1598. 1608 und 1613, gedruckt wurde, und vor allem der durchschlagende Erfolg der Lyly 'sehen Imitation lassen erkennen, wie sehr sich die Zeitgenossen an dem künst- lich gebauten und zierlich geputzten Stil Pettie's ergötzten. Mit bescheidenen Worten deutet dieser selbst den Erfolg seines Erstlingswerkes an, in der Vorrede seiner oben er- wähnten Übersetzung Guazzo's: Hauniy (getitle Headers) by reason of a trifling worke of tnitte ( tvhich, by reason of the Ughtnes of it, or at least of the keeper of it, fletv abroade hefore I kneiv of it) alreadie won such fatne, as hee which fired the Temple of Diave, 1 thought it stood tne npon , to purchus*' to my seife some better fatne by some better worke, and to counteruaile my fortner vanitie with some formall graititie. Ausserdem haben wir noch ein sehr bcachtens- werthes Zeuguiss für die Beliebtheit der Pettie'schen Erzäh- lungen. Wenn ein nach der Gunst des Publikums haschender, für das Unterhaltuugsbedürfniss des Tages schreibender Autor fortwährend mit den (.testalten eines anderen modernen Schrift- stellers operiert, sie als Typen verwendet, so setzt er doch gewiss voraus, dass das betreffende Werk weiten Kreisen vertraut ist. Eine solche intime Kenntuiss des Pettie'schen Buches setzt Kobert Greene bei seinen Lesern voraus, seine Romane der achtziger Jahre sind mit Pettie's Gestalten be- völkert.1 Hei dieser Verbreitung des Pettie'schen Büchleins

are etc. Es ist wohl kein Zufall, dass wir demselben Gleichnis» auch bei Lyly begegnen: Touchhtg the yeelding to loue, albeit their heaHes seeme temler, yet they harden them lyke the stoue of Sicilvi, the tchich the more it is beuten the harder it in (of. Euphucs, Arber's Reprint, London 1868, p. 56).

' Vgl. z. B. 'Mamillia* (1583), Grosart'« Ausgabe vol. II p. 34: Horatius und Curiatia, wobei Greene mit gewohnter Flüchtigkeit dio Namen des Pettie'schen Liebespaare» verwechselt hat: What u cold con/eet had .... Horatius at hh Curiatia[* handjf läsut er seinen

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IV. GEORG B PETTIE's PETTIE PALLACE.

braucht «8 kein Spiel des Zufalls zu sein, dass Shakespeare an der einzigen Stelle, welche eine unzweifelhafte Verspottung des von Pettie geprägten und von Lyly nachgeahmten Stiles enthält, in nahezu wörtlicher Übereinstimmung ein Gleichnis* aus Pettie's erster Erzählung citiert. Camraa illustriert die siegreiche Gewalt der verfolgten Tugend durch folgende Bilder: As spices, the more they are beaten, the sweeter sent they sende forth, or as the hearbe Cam/ojmile, the more it is troden downe, the more it spreadeth abrode (p. 12 f.) und Falstaff sagt in seiner grossen Scherzrede in usum delphini: For though the camomile, the more it is trodden on the faster it grows, yet youth, the more it is wasted the sooner it wears (I King Henry IV; II 4, 441).

Die Zeit hat Pettie's Licht bald unter den Scheffel ge- stellt; noch zu seinen Lebzeiten (er soll 1589 gestorben nein) sah er sein Buch durch den Euphues* verdunkelt und diesen selbst, und damit die ganze Stilrichtung, vielseitig getadelt und verdammt. Pettie scheint nach der Übersetzung (tuhzzo's der litterarischen Thätigkeit Valet gesagt zu haben, ich fand seinen Namen nur noch einmal, an einer auch von Land- mann (p. 98) bemerkten Stolle: in dem Autoren- Verzeich- nis vor Francis Meres* 'Palladis Tamia' (1598). Schon im nächsten Jahrhundert fällt Antony Wood, der Grossneffe Pettie's, ein sehr ungünstiges Urtheil über die Erzählungen

Phnriklc» sagen, wahrem! Pettie in Heiner achten Geschichte die Liebe (Ich Curiatius für Horatia behandelt. 'Morando* (1584): Procris und Cephalua ; Eriphile, Infortunio und Amphiarans (vol. IUI. *Arbasto (1584?): Infortunio und Eriphila (vol. III p. 251). Gwydonius' U584): Er i philo (vol. IV p. :i9), Er i philo und Infortunio (p. 47), Terms und Progne (p. 146), Admetus und Alcest (p. 146). 'The Debate betweene Follie and Linie' (1587) Scilla (vol. IV p. 219). An all diesen Stellen geht natürlich aus Greene'* Darstellung unverkennbar hervor, dass or nicht etwa die Gestalten der klassischen Hage, sondern, die verkleideten Elisnbethanor Pettie's vor Augen hatte, vgl. z. B. im Morando4* IVhat should I speuke of that (johlen girle Eriphilc, who bang the Mistresse of many riche Possessions, was notwithstanding so adicted ta the desire of pelfe, that she reiected poore ptstionote Infortunio, and cfto.se that doting olde Pensunt, Amphiants, whom after she be/raied to the Greekes for on ouch of gold.

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IV. GEOUGE PETTIE'S PKTTIE PALLACE.

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seines Verwandten, 1 und der moderne Leser wird es Wood gewiss nicht verargen, dass er diesem Stil, in wrelehem das Wort alles, der Gedanke sehr wenig gilt, keinen Geschmack abgewinnen konnte. Gleichwohl wird jedem, der die Ent- wickelung der englischen Prosa verfolgt, die, wenn auch nicht tiefe, so doch breite Spur auffallen, welche Pettie's Werkchen in der zeitgenössischen Litrcratur hinterliess, und von diesem Gesichtspunkte aus behält es dauerndes Interesse.

i Cf. 'Athenae Oxoniense«' ed. Philip Blisa 1813/20; vol. I p. 553; Warton IV 337.

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V. GEORGE HETSTONE.

George Whetstone, 1 der sich als Dichter nicht über das Niveau der elisabothanischon Mittelmässigkeit erhebt, hat gleichwohl so viele Beziehungen zu den grossen Namen seiner Zeit, dass es keine undankbare Aufgabe wäre, ein zusammenhängendes Bild seines Lebens und Schaffens zu geben, was freilich nur in England geschehen kann. Als vorbereitende Studie für eine solche Monographie wollen wir uns im Folgenden sein Verhältnis* zur italienischen Novelle vergegenwärtigen.

The Hocke of Kegard (1576)-. Unter diesem wunder- lichen Titel hat Whetstone seine poetischen und prosaischen Jugendarbeiten veröffentlicht. In dieser Sammlung finden wir folgende metrische Bearbeitungen italienischer Novellen :

I. The Castle of Delifjht. The disorderetl Ufr of Bianca Maria, coiuttesse of Crlautit, in forme of her romplaitite, suppoml at the houre of her beheadiurj, for procuring the man/er of Ardissino Valpertpi Karle of Afassitto (fünffüssige Jamben, b\S Strophen zu 7 Zeilen, ababbec, und nach der 44. Strophe (> Strophen zu (j Zeilen ababec) , vgl. Bandello I 4, Belieferest 20, Uainter II 24, Feuton 7. An keine dieser

1 Das ist die jetzt allgemein gültige Form des Namens, obwohl die Unterschrift des Dichters in den alten Drucken zumeist ein .s zeigt: }\hrtston8 oder Whetstonett.

2 Datum der Widmung: From >»// lodging in Holharn? Ihr 15. of Ortober l',7G; vgl. Huzlitt „Hnndbook* p. 650, Collier Account" H 504 ff. Censura Literaria v.»l. V (London 1807), p. 1 ff.

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V. (iKOROK WHKTSTONK.

ihm zugänglichen Versionen dieser besonders widerlichen und besonders beliebten Geschichte hat sich Whetstone ängstlich gebunden, sondern sich das Kecht freier Compositum gewahrt. Er lässt die Gräfin ihr verbrecherisches Leben selbst erzählen, wohl nach dem Muster der Autobiographien des „Mirror for Magistrates". 1 Wir finden iu seinen Versen die herkömm- lichen Sprichwörter uud Gleichnisse, aber keine Eigenart, wenn wir dieselbe nicht in einer unerfreulichen Vorliebe für französische Wendungen sehen wollen.2 Nicht ungeschickt hat Whetstone den Hinweis auf ein gegen die Gräfiu ge- richtetes Epigramm, dessen Wortlaut die Prosa nicht angibt, :{ dazu benützt, ein ziemlich schneidiges Schmähgedieht einzu- fügen : An lnvectiue writfen by Roberto Sansetarino , Kurie of Giazzo, ayainst Bianca Maria, Countesse of Cehiut (p. 10 f.)*

2. The Garden of Vnthrif tinesse , wherein is reported the do/orous diseourse of Dom Dieyo a Spaniard , foyelhfr uith Iiis triumphe, vgl. Hamleilo 1 27 ltelleforest IS J'ainter II 2!) Feiitun l.'J. Whetstone bietet eine sehr freie Bear- beitung dieser Novelle, halb in Versen, halb in Prosa.

'J. The Arbonr of Vertue, a Worke ronteiuiny the ehaste und honouruble lift of a Holiemian Ladie, to the uhirh is adioyned the ( ouijtlaint of tiro llunyarian liarons, flutt wuyerd the spode of her Chastitie = Handcllo 121. Whetstone be- merkt in der Widmung; I haue fuithfully (thouyh not rn-

1 Vgl. den Anfang seines Gerüchtes zu Khrcn des verstorbenen Sir James Üier vom Jahre 1">S2 (Fronde« Caducae. Repr. ut rhe Auchinleck Press, by Alexander Hoswell, IS1(>; vol. I):

Lidgatc, Huwldwin, nnd mniiy writers mo[e|,

The heauic fault« of naughtie mon hnuo showne ....

2 Vgl. z. B. in der 3. Strophe des obon erwähnten Schmähgedichts:

That gadding moode shee leamed of sa mere.

3 Painter ( Jacobs III p. 69): an Itaiyan Epigram irherof

the copy I cannot yet, and some suy Und Ardizzino ans the uuthor; Feiiton (fol. 160b): an Itaiyan Epiyram . . . . compvsed na they aayd by therle Valperyo: Bandello I 4: in publica e in prinufo narraimuo le ribidderie di tpullu, facmdala diuenir fanola del poptdo

* Ausserhalb der Geschichte finden wir Maria liianca noch im 4. Tlieil des „Korke** in The Ortehard of repentunce (p. 81), erwähnt.

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V. GEORGE WHETSTONE.

riously) translated the modest and noble life of a Boemian Lady, with the fall of ttvo Hungarian barons. Wir haben keinen Grund, die Richtigkeit dieser Angabe zu bezweifeln, doch hätte Whetstone nicht nöthig gehabt, auf Bandello zu- rückzugreifen, da sich auch diese Novelle in Painrers 'Palaee' II 28 findet. Whetstone erzählt die Geschichte selbst in Septenareu :

p. lOß A8 aupreme hcad of Hungarie a king there whileome reignM, Coruinus hiffht, whoae worthy force a worlde of prnises

gain'd . . .,

während The complaint of the Lorde Alberto and Vdislao, the (wo Hungarian barons (p. 120 3) aus 13 siebenzciligen Strophen besteht.

Ausser diesen Versionen bekannter italienischer Novellen bringt WThetstone in der ersten Gruppe seiner Sammlung, in dem Castle of Delight eine Prosa-Erzählung: The discourse of Rinaldo and Giletta (p. 23 ff.) , über deren Ursprung er sagt: This discourse was first trritfen in Italian by an un- ' knotrne authour. War das nun eine Bescheidenheitswendung Whetstone's, oder wollte er, was wahrscheinlicher ist, seiner Waare den currenten italienischen Stempel aufdrücken unzweifelhaft ist mir, dass diese sehr reizlose Erzählung keine Übersetzung ist , sondern von Whetstone selbst nach be- rühmten Mustern gefertigt wurde. Wie die nach Boccaccio in Meuge auftauchenden italienischen Novellier! den Certal- desen und sich gegenseitig plünderten und beliebte Novellen- Stoffe mit leichten Umformungen wiederholten man denke z. B. an Baudello's Variierung des Romeo und Julie-Motivs mit glücklichem Ausgang (II 41) , so wird es bald auch bei den Engländern Mode, neue Geschichten zu componieren, indem sie italienische Motive mosaikartig an einander schoben. In Whetstone's Erzählung, eine der ersten Erscheinungen dieser Gattung, lernen sich die Liebenden ifrnaldo und Giletta auf einem Maskenfest kennen, wie i?omeo und Julietta; ihre Liebe wird durch Frizaldo's Intriguen gestört, der sich der Kammer- zofe Rosina als Werkzeug bedient, wie Ariost's Polinesso der Verbindung Ariodante's und Ginevra's mit Hülfe der Dal Inda entgegenarbeitet (Orl. Für. V 5 ff.); Rinaldo springt in's

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V. OKORUK WIIETSTONF.

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Wasser, besinnt sieh aber noch rechtzeitig eines Bessern 1 und erkämpft sich schliesslich als schwarzer Ritter die Ge- liebte wie Ariodante; Frizaldo und Poliuesso wollen ihre Mit- schuldige auf dieselbe Weise unschädlich machen, und werden zur Strafe von ihr «entlarvt.

„Aus andrer Leute Häuten ist gut Kiemen schneiden" die Richtigkeit dieses Erfahrungssatzes hat Whetstono nach obigen Ausführungen vollständig zu würdigen gcwusst, und er ist dieser bequemen Methode der Novollon-Compo- sition auch in seinem grössten Werk treu geblieben, in dem

Ileptamoron of riuill Discourses (1582). Auf einer Winterreise durch Italien kommt Whetstono in einem Walde unfern Ravonna zu einem schonen Palast, dessen Be- sitzer Philoxenus ihn sehr freundlich aufnimmt. Philoxenus, der jedes Jahr in der Weihnachtszeit offenes Haus hält, hat eine grosse Gesellschaft von Damen und Herren um sich versammelt, welche von einer durch das Loos bestimmten Königin regiert wird. In diesem fröhlichen Kreis werden allerlei Streitfragen über Liebe und die Vorzüge und Nach- theile der Ehe aufgeworfen, es wird eifrig disputiert und die streitenden Parteien lassen es sich angelegen sein, ihre Be- hauptungen durch passende Erzählungen zu stützen :

The first Daye* e.n- reise. Chießy contayniny : A ciutll Content ion, whyther the maryed or »ingle lyfe is the more icorthy. Nachdem diese Frage zu Gunsten der Khe ent- schieden wurde, erzählt ein weiberfeiudlicher deutscher Doktor, Namens Mossonigo, eine merkwürdige Historie von einem Wiener Sattler Borrihauder, der mit seiner Frau Ophelia in stetem Hader lebte. Die Frau wird sterbenskrank, und wäre gestorben, wenn sie nicht gesehen hätte, das« ihr Gatte, in fröhlicher Erwartung ihres Hingangs, die Magd küsste. Aus

1 Turne ue In Hhtchlo, irho öfter he hod o irhiU' fett (he furie of the floutiex, wax trearie of <li/in</, so tliat tor life he laboured tuito the shoare, trhich recoueretl^ he feit his stomocke ot (hat instant

rather ouercharyed with unter then loue, vgl. OF. VI 5:

Ariniluntc, poi oh'in mnr fu measo,

Si penti di moriro

Si mo?so a nuoto, v ritnniossi ul lito.

<jf i xx

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V. GEORGE WllETSTOKE.

Wuth wird sie gesund , und macht nun ihrem liebevollen Gemahl das Leben so sauer , dass er sich erhängt. Diese Geschichte ist in die jüngste Vergangenheit, in die Zeit Karl's V. verlegt. Wir erkennen in ihr eine Bearbeitung der 71. Novelle des 'Heptameron des Nouvelles' der Königin von Navarra: Une feuime, estant aux abbois de la mort, se cour- rouca en sorte, voyant que son mary accolloit sa chambriere, qxCelle reuint en sante. Whetstone's Mossenigo erzählt etwas derber, aber doch anständiger als die Frau Parlamente der Königin.

The seconde Dayes Exerci[s]e. Contayning . . . a large Discouerie of the inconueniences of forced Marriadges. Faliero erzählt: In Cirene in Africa lebten zwei reiche Kaufleute, Tryfo und Clearches, welche ihre Kinder, Sicheus und Elisa, vermählen. »Sicheus vernachlässigt seine Gattin, die, von Chion geliebt, diesem bedeutet, dass sie, solange ihr Gatto lebte, nicht lieben könnte. Sicheus wird ermordet, Chiuu zum Tode vorurtheilt, und eine Stimme verkündet Elisa's Schuld, die in den Geburtswehen stirbt. Der märchenhaften Sclilusswendung entsprechend, fügt der Erzähler bei, die un- glücklichen Gatten und ihr Kind seien in Schlangen ver- wandelt worden.

The thyrd Dayes Ewer eise. Contayning . . . a large Discouerie of the inconueniences of Rash Mariayes. Doktor Mossenigo erzählt: In der Nähe von Capo Verde, in alter Zeit die Hauptstadt des Königreichs Neapel, lebte ein Jüng- ling Marco Malipiero, der sich in Feiice, die Tochter Philippo Provolo's verliebte. Provolo veranlasst die Liebenden zu einer übereilten Heirath, stürzt aber selbst die Familie bald iifs tinglück durch seine Verschwendung. Sie verarmen, und unter dem Drucke des Mangels schenkt Feiice den Wer- bungen eines reichen Jünglings, Marino Giorgio, the rieh Orphant of Capo Verdo, Gehör. Ihr Gatte wird argwöhnisch, tritt scheinbar eine Reise au, überrascht das Paar und tötet seinen Nebenbuhler. Die Frau wird zur Strafe in ein Zimmer mit dem Skelet des Ermordeten gesperrt und darf nur aus dessen Hirnschale trinken. Schliesslich werden die Gatten jedoch von einem unbetheiligteu Dritten, Cornaro versöhnt

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V. GEORGE WIIETSTONE.

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und leben glücklich zusammen. Die Katastrophe dieser Erzählung, die von dem überaus matten, breit vorgetragenen Anfang auffällig absticht, ist der 32. Novelle des französischen 'Heptameron entlehnt : Punition plus rigoureuse que la mort, d'vn mary enuers sa femrne adultere, welche Geschichte Whetstone auch in Painters's Talace (I 57) gelesen haben konnte. 1

The fourth Daies exercise. Containing : varktie of neces- sarie Di$cour8e[s], and yet wühall, the greater part apper- taining to the generali argument of Marriage. Der Franzose Mounsier Bergetto erzählt The adventure of Fryer Inganno: In einem kleinen Dorf der Apenninen, in der Nähe der Be- gräbnissstätte des h. Franciscus, wohnte eine hübsche Bäuerin, an welcher der Franciskaner Fryer Inganno grossen Gefallen fand. Er spiegelt ihr vor, dass sie demnächst, in Abwesen- heit ihres Mannes, von dem h. Franciscus besucht werden würde, was sie zwar glaubt, aber sehr gegen die Absichten des Mönches, sofort ihrem Pfarrer mittheilt, damit dieser den Heiligen mit Glockengeläute empfange. Von dem Pfarrer aufgeklärt, rächt sie sich, indem sie sich von einer hässlichen und schmutzigen Magd vertreten lässt, in deren Armen Fryer Inganno von dem Pfarrer und den Bauern überrascht wird. Dem falschen Heiligen werden allerlei schmerzhafte Ehren erwiesen, und die zornigen Bauern hätten ihn schliesslich sogar lebendig begraben, wenn sich nicht andere Mönche in's Mittel gelegt hätten. Fryer Inganno war künftig vorsichtiger, aber nicht besser. Denn Leute seiuer Art glauben : Fehler, die die Welt nicht sieht, straft Gott nicht. Whet- stone bietet hier eine ziemlich geschickte Verschmelzung der Abenteuer zweier liebesbedürftiger Kleriker, des Frate Alberto und des Propsts von Fiesole, von welchen Boccaccio, „Deca- meronu IV 2 und VJII 4 erzählt. Die Schluss-Sentenz scheint er der abscheulichen 72. und letzten Novelle der Königin

1 Whetatnne's Text erinnert uns hin und wioder an Pninter, vgl. z. B. Ilee l Marco Malipierof made an Anatomy of her welMoued Marino and set htm in a fayre Chamber, within ivhiche hee inclosed his wyfe, mit Painter f Jacobs II 98) : / <ioe locke her vp in the Chamber ... In the chftrt of whirh Chamber l haue placed the Anatomie of her friend.

3*

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V. GKOKGK WHKTSTONE.

von Navarra entnommen zu haben: Le mesrhant moyne, en parlant tousiours de Dien, paracheua auec eile Voeuure, que soudain le diable hur auoit mis au ruettr .... Vasseurant, gu'vn peche secret n'estoit point imputt denant Dien (cf. 1. c. p. 211*).

An demselben Tag wird noch eine Geschichte erzahlt, die berühmteste Geschichte des Englischen Heptameron, welche ihm einen Platz unter Shakespeare*» Quellenwerken und damit eine bescheidene Unsterblichkeit sicherte: 'Die rare Ilistwie of Promos and Cassandra, reported hy Madam Isabella. Whr t- stone wiederholt hier in knapper Prosa den Inhalt seines weitläufigen, in Versen abgefassten Schauspiels, «las er 1578 publiciert hatte. Seine sehr frei behandelte Torlage war höchst wahrscheinlich die 5. Novelle der 8. Dekade von Giraldi Cinthio's "Hecatommithi'. 1

The fift Daies Exercise. Conlaining a breefe discourse, tourhing the excellenrie of Man: and a large disrouerie of the inronneniences of ouer loftg , and too Itase hone: tri/h other Morall notes, needefull to be regarded. Dieser Tag bringt viele Beispiele, aber keine ausführliche Geschichte. Unter den warnenden Beispielen finden wir Bandello's Durhesse of Mal ff/ und Bianca Maria, wahrscheinlich auch deu König Astolfo aus der Erzählung des Wirths in Ariost's „Orlando Furioso."2 Für weitere Geschichten, welche die gewünschte

1 Das italienische Original und Whetstone's beide Versionen sind zu finden in Hazlitt's 'Shakespeare1« Library' ( London 1875) Part I vol. III p. 155 ff., 169 ff., Part II vol. II p. 202 ff.

* Der Name de* Gatten und die Treulosigkeit der Gattin, die sieh einem niedrig geborenen Buhlen hingibt, finden wir übereinstimmend bei Ariost und Whetstone; die übrigen Verhaltnisse hat Whetstone seinem Zweck entsprechend geändert, indem er die zweite Kpisode der Erzäh- lung Ariont's, den Betrug der Wirthstochter, beniitzte. Exutnine King Astolphusi, what constancie he found in hin three halpenie Jtiell, uhome he had tourned out of Sheepes Hasset, into Clnth of Siluer : In auch honours had wo otherwise alte red her manners, bat that ahe thought the Lappen o f a Captaine was us mreete as a Kings, and therfore in all her brauerie, she feil to her hinde ; cf. O. F. c. XXVIII 4 ff. Im Dunkeln bin ich bis jetzt über Whetstone's Quelle für folgende Anspielung: Andrea Zeno, a Gentleman of Vennice, was as slutishly serued teith Via a Cooke Daughter, tvho upon her Mariadge dag, made an eatye

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V. MKUKOK WHETSTONE.

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.Moral einschärfen, wird auf dio Metamor phosis, Seynior Lodoni- cus Regester in Italian, Amadis de Gaule und den 'Palace of Pleasure* (vgl. oben p. 11) verwiesen. Welches italienische Werk gemeint ist, ist mir nicht ganz klar, doch dürfen wir wohl annehmen, dass Whetstoue die von den Bünden ver- heirateter Frauen handelnden Geschichten im 28. und 43. (iesang von Ariost's Orlando im Auge hatte; Ariost wird ja nicht selten Signor Lodovico genannt.

Ute sixt Dayes Exervise. Contayninye: Many needcfull reyardes, for a Gentleman : with a Disconerie of the incon- neniemes of Marriayes, where there are yreat ineqnalitie of yeares. Auch der über diese Frage geführte Disput bietet keine ad hoc erzählte Geschichte; die sehr farblose, wohl von Whet- stoue selbst ersonnene Anekdote von dem tugendhaften Floradin hat mit dem llauptthema des Tages nichts zu thun. 1

The VII. Dayes Exerrise. Containiny: a Discourse of the excellencie of Marriaye: with many soitnd Lawes and directions, to continue loue hetweene the married : with the rare Historie of Pyriyeus and Pieria, reported by Seynior Phyloxenus: And other yood notes of reyarde. Wieder ein sehr saft- und kraftloses Elaborat. Phrigius (wie der Name in der Geschichte selbst lautet), der Sohn des Herzogs Nebeus von Milet, liebt Pieria, die Tochter des Fürsten Pythos von Myos. Die beiden Städte bekriegen sich; durch die Liebe der Fürstenkinder wird der Friede herbeigeführt und durch ihre Vermählung besiegelt. Die Gatten leben lang und glück- lich, und werden nach ihrem Tod in weisse Turteltauben verwandelt.

way for her Husband, with no better man, Iben a Carpenter. Die Be- merkung: Kiny Cofeina, the AJfrican, became enamoured of a Betjyer erinnert un« an die alte Ballade fcf. Schröer's Percy p. 135 ff.) und nn Shakespeare.

1 Fluradin, beiritched with the loue of faire Persida, his deare Jriend Perirlex Wife, wrole in n table Booke : fye Floradin, f>/e, shre is thy friend Pt rieten Wife: and sa often as idlrnes presented him with thys p<t88'/on, he read his written remembraunce : und by aome honest exercise, remooued hin imuqinntion. Die Krinnerung nu oines der besten Dramen Thomas Hoywood's wird uns folgende Worte beachten lassen: You will kill her with kindnesse, (quoth Maria lielochy ).

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V. GEORG K WHETSTONK

Wie in den meisten seiner ernsten Geschichten, ertappen wir Whetstonc auch in einer humoristischen Episode des zweiten Tages auf fremdem Boden. Mit seiner sehr ausge- sprocheneu Abneigung gegen alles Kömisch-Katholische führt er einen Mönch mit dem Etiquetteu-Namen Fryer Buyiardo ein, welcher von der lustigen Gesellschaft sehr schlecht be- handelt wird. Beim Essen plagen sie ihn mit allerlei neckenden Fragen, welche der Mönch stets nur mit einem Wort beant- wortet, z. B. What drivk is tcorst for the eyne? Wim. Nach dem Grund seiner Einsilbigkeit gefragt, sagt er: Pauca sapienti, worauf sie ihm das reichlich vorgesetzte Mahl ent- ziehen. Der einsilbige Mönch stammt aus einer Anekdote der 'Nouuelles Kccreutions' des Bonaventurc Des Periers: Du Moine (jui respondoit tont par Mon[o\8Stjllabes rymez. 1 Selbsterfuuden dürfte hingegen die wunderliche Erklärung sein, welche Whetstono am Höchsten Tag zu einem Gobelin- Bild gibt, das ein neben einer Jungfrau schlafendes Einhorn- ähnliches Thier zeigt.2 Ismarito welchen Namen AVhetstone sich selbst beigelegt hat erzählt, ein Neapolitaner Hinautus sei von der alten Circo, deren Liebe er verschmähte, in ein Rhinocerot verwandelt worden. In Folge dessen bringe das Thier alle alten Weiber um, und man könne sich seiner nur mit Hülfe eines schönen Mädchens bemächtigen.

Auch in den Gedichten, welche der Prosa des 'Jlepta- meron' eingefügt sind , kommt Whetstone1« Belesenheit zur Geltung, er hat für die Lieder des zweiten Tages manche Anleihe bei Petrarca gemacht.8

1 ef. Los Nouuelles Roerentions et .Toyeux Do vi* de fou Bonnvcn- ture Dos Periers, Valot de Chambre de la Royne de Navarre. A Lyon 1561; p. 164 f.

* cf. Fr. Laucherfs 'Geschichte des Physiologus' (Strnssburg 1889); p. 22 flF.

3 Das Gedicht If on firme Fnith, one Heart uncharg'd teith frawd ist eine ziemlich genaue Übertragung von Son. CLXIX in vita: S'una fede amoro8a, un cor non finto, während er in 2 anderen Liedern an Petrarca'sche Anfangt» Verse eigener Mache gereiht hat, vgl. Tico Soueraigne Dames, Ii autie and Honestie mit Son. XXIX in morte : Ditc grün twmiche insieme erano aggiunte, sowie Hence burnyng sighes, ic hielt nparckle front desyre mit Son. CII in vitn: Ite, caldi sospiri^ al

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V. GEORGE WHETSTONE.

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So sehen wir in dem Geiste Whetstone*», den wir als typischen Vertreter eiuer zahlreichen Klasse der Elisabetha- nisehen Litteraten betrachten können, verschiedene Bildungs- strömungen zusammenfliessen. Offenkundig ist der Einfluss des italienischen „Decameron" und des französischen „Ilepta- meron", aber Whetstone's Werk unterscheidet sich doch be- deutsam von diesen beiden Rahmen-Erzählungen. In ihnen dominiert durchaus das Bild im Rahmen, bei Whetstone der Rahmen selbst. Er hat sich, wie Tilnay, und höchst wahr- scheinlich angeregt von Tilnay, vor allem den 'Cortegiano' Oastiglione's zum Muster genommen, den er auch unter den Büchern seines Gastfreundes Philoxenus nennt. 1 Nicht in der freien Natur, wie Boccaccio und die Königin von Navarra, sondern in einem prächtigen Palast, wie Castiglione, bringt uns Whetstone seinen Kreis vor Augen; dem Grafen, der moralisch-didaktische Gespräche mit knappen erläuternden Geschichten bietet, hat er die breite Ausführung des Rahmens abgesehen. Auch für die einzelnen Figuren Whctstone's sind die Gestalten der italienischen Gesellschaft Modell gestanden: wie bei Castiglione die Gattin des Hausherrn, die Herzogin von Urbino, ist bei Whetstone Aurelia, die Schwester des Hausherrn, der Mittelpunkt des Kreises, Doctor Mossenigo hat die misogyne Gesinnung des S. Gasparo Palavicino ge- erbt, uud die Damen des Engländers sind bei der schlag- fertigen Signora Emilia Pia in die Schule gegangen. Und

freddo core. In Godnnken berührt sich das Lied From shore to sei, from dales to mountaines hie vielfach mit Canz. XIII in vita: Di pensier in pensier, di mottle in nionte. Vor den erwähnten Gedichten wird Petrarca nicht genannt, hingegen werden folgende Verse, auf welche ich mich in den 'Rirae' nicht besinnon kann, als Citat aus Petrarca an- geführt:

The Prince, the Peere, the Subiect and the »laue, Loue giues with care, to him they make their mone, And if by chaunce he graunt the grace they craue, It comes of ruthe, by force he yeeldes to none. 1 For Gouernment, and Ciuil behauiours he read Plutarches Moralles Gueunraes I>ud of Princes : the Courtier of Count Baldazar Castillio. In folge dieser Studien war Philoxenus ein so vollkommener Gentleman, dnss er als Muster hätte dienen können für a Courtier not inferriour to (hat of Count Bahhzar (of. The sixt Dayes Exercise).

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V. GEOK-5K WHKTSTONE.

wie hei t'astiglione, am Schluss dos zweiten uud zu Anfang dos dritten Huehes, wird auch hei Whetstone am 4. Tag die Frage, oh die Frau ein ebenso vollkommenes Wesen sei, wie der Mann, eingehend erörtert.

Zum Loh des Stilisten "Whetstone sei es gesagt, dass er der Modcthorheit des Kuphuismus ziemlich fem blieb ; er gehört nicht zu den Nachahmern Lyly's, sondern zu jener Sehriftstoller-tiruppe, deren Stil in Sidney's 'Areadia' seinen vielgepriesenen Höhepunkt erreichen sollte. Sonst lässt sich allerdings nicht viel Kühmons von Whetstone's Schreihart machen , er ist breit und in der Fülle seiner Bilder und Gleichnisse bringt er wenig Neues und Schönes. Doch sei ihm nicht vergossen, dass er, wie dem Zusammenstoss von Stein und Eisen den Funken, dem Meinungskampf der Menschen die Wahrheit ontsprühen lässt. 1 Aus culturhistorischem Inte- resse werden wir ihm ferner die Unschönhoit eines den Hahneukämpfeu entlehnten Hildes2 vorzeihen, und aus lite- rarhistorischem die Unhörlichkeit, dass er die Fraueuzuuge dem Dreschflegel des Zauberers Yirgilius vergleicht, der ohne Unterschied Freund und Feind traf. :<

1 Aa Yron and Flynt, beut toyether, haue the reritte to smite fyre so, mens teitfes, encvuntruiuj in dautful qm-stions, openeth a passaae far imprisoued Trueth | 1. Tag). Neu wird di« *er (k-dnnke scium zu Whet- stonc's* Zeiten nicht geweaen sein, doch kann er ihn innnerhin selbst- «tändig nochmals gedacht haben.

* Thouah [Beryetto] fainted in hin opinion, yet (Uhr a G>cke, thitt haih one of Iiis eyes strich en out, und ins Imtd ha red to the brn'ueif, yet strikt 'h untill he dyeth), he assayled the Portor trith this om more reas»n . . : . (3. Tag).

s Marie (quoth o pleasant Cotnpanion) it is müde of the sanie meltle, that Virgils Brase n Flayle irns off, irhirh strooke hoth Iiis Jriendes and Joes. Hat (quoth the Gentleman) ViryyJl knete and tattyht others howe to paeiße this enyine. 1t is trae (quoth the othtr): bat in teachiny the .ircret e nnto his Seruant, coste hitti hin outie life \\\. Tag). Vgl. Knrly Knglish Prose Roninnces, cd. by W. J. Thom« C2Qd ed., London 1858); vol. II p. 21 ff, und besonders p. 54 ff.

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VI. RfOBKRT] S[MYTH].

Struunye, lamentable* and Trayicall Hystorica. Trans- lated out of French into Enylish hy R. S. London '1577. Dieses seltene Küchlein finden wir erwähnt bei Warton rlV :i47), Collier (II IH3) und linzlitt (p. 565), jedoch ohne jede Inhaltsangabe. Da es mir sehr wahrscheinlich war, dass diese aus dem französischen übersetzten Geschichten auf italienischer Grundlage beruhten, habe ich den Librarian der Bodleian Mr. E. B. Nicholson, um Angabe des Inhalts ersucht, und die mir mit höchst dankenswerther Freundlichkeit er- theilte Auskunft hat die Vermuthung italienischer Provenienz für .'t Geschichten zur Gowissheit erhoben: K. S. hat aus dem französischen Bandello, aus Bolleforest's „Histoires Tra- giques" übersetzt. Das Büchlein (Sigu. Douce 11. H. 207) hat folgenden Inhalt:

A. 2. Dedication to Henry Vvrnon , of Stocke co Salop, and John Vernon of Sudhnry, hy Th. Newton, puh- lisher.

A. '1, v°. T. N. to the Reader.

Ii. I. A inst fact< hut to cruelL of John Maria, Duke of Myllayne, towarde a Priest extreme couetous [ cf. Bellef. Hist. 29 (vol. JI p. 545Hff.): Acte iuste, mais trop cruel, de Jean Maria Duc de Milan, a Vendroit d'un Cure' trop auare Bandello III 25].

D. 3. The Marques of Ferraria . . . caused his oivne Sonne to he heheaded . . . (crossed throuyh. It is on 'chastitye soulde for haryayned Sommes). Hier mnss ich die (Jnelleiifrage offen lassen.

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vi. h[obkrt] s(myth|.

G. /, v". A Mahometan staue reuengeth the death of Ins Lord, vpon his son [cf. Bellef. Hist. 15 (vol. I p. 337» ff): D'un esclaue Mahometan, leqitel vengea la wart de son seigneur, sur le fils qui en estoit l'homicide etc. = Bandello I 52].

K. 1. The Marques of Ferraria [wie neben, cf. Bellef.

Hist. 11 (vol. I p. 241* ff): Du Marquis de Ferrare, lequel sans auoir esgard ä Vamour paterttcl, fit decoller son propre ßs, pour V auoir trouui en adul- tere auec sa belle-mere etc. = Bandello I 44].

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VII. II[ENRY] WfOTTON].

A Courtlie Controversie of Ctqnd's Cautels: Conteyning five Tragicaü Histories, very pithiey pleasant, pitifull and pro- fitable: discoursed uppon with Argumentes of Love by three Gentlemen and two Gentlewomen, entermedled with divers delicate Sonets and Rithmes, exceeding delightfull to refresh the yrksomnesse of tedious Tyme. Translated out of French as neare as our Englishe Phrase will permit, by H. W. Gent- leman. London 1578. Für dieses Buch bin ich auf Colliers Mittheilungen (Account II 543 ff.) angewiesen, aus welchen sich ergibt, dass H. W. in dem Prosa-Theil seiner „Contro- versie" auf den Spuren Tilnay's wandelt: auch er lässt, wie auf dem Titelblatt angedeutet, eine Gesellschaft von Damen und Herren Geschichten erzählen und über erotische Fragen disputieren. Collier berührt kurz den Inhalt dreier Geschichten : in der einen hat er die Quelle der Tragödie „Soliman and Persedau (gedruckt 1594) erkannt1; eine andere spielt in England und hat William Kufus zum Helden; in einer dritten, von contrarious love handelnden Erzählung sollen die Aben- teuer zweier Scholaren, des Claribel of Poictiers und des Floridan of Xaintes, berichtet sein. Quellen-Vermuthungen kann ich an diese ziemlich mageren Notizen bis jetzt nicht knüpfen.

1 VgL Übor diese Frago meinen Aufsatz „Beiträge zur Geschichte des Elisabeth anisohen Dramas*, welohor demnächst in den Englischen Studien erscheinen wird.

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VIII. II. CS 'FORREST OK FANOY*.

The Forrest of Funcy. \V herein is conteined uery pr<ty Apothcymes und pleasant Historics, hoth in meeter und prose* Sonyes, Sonrts, Fpiyrums, und Epistles, of diuerse mutier und in (I werse munner. London l~»79. 1 Den Schluss «liest* stoff- lich nicht interesselosen Misccllany bilden drei in Prosa er- zählte Novellen , deren italienische Quellen leicht zu be- stimmen sind:

XnA.Seiyneor Francisco Veryclis, for u fayr umbliny yefdiny, suffered one Seiyneor Bichurdo Maynijfiro to tulk uith Iiis wifc etc. - Hoccaecio, l)ec. III ö ; 2. Theodore enamonred of Ma ister Emeries duuyhter . . . yot her with chihf for the which he wus condemned to he hunyed etc. ib. V 7 : <\. One numed Salard , departiny front Genes, cume to Monferat wherc he transyressed tltree commuuudem» ntes that Iiis Fat her yaue htm by Iiis last will and Testamente, heiny condemned to dye, was deliitered, and retour ned - (K/aine into Iiis owne countrey Straparola, Piaeevoli Notti l 1.

1 cf. Sir l^erton Brydjjes „Ro^tituta" vul. UM Londo n 1815 ), wo .siel« p. 4*>«5 -7K eine ausführliche InhaltMnnifalie dieser Sammlung findet: Collier I 2!H ff.; Huzlitt p. 70. Collier macht Aoc !, XIII mit Kocht darauf aufmerksam , dass der Titel dieses Buches durch Forteseue's „Foreste or Colloction of Histnrios* | I.">71 ) veranlasst sein dürfte. Di>r "Fönest of Fände* selbst erscheint nochmals im 17. Jahrhundert auf dem Titelblatt eines linderen Buche«: „Claraphil and Clarinda: in a Fönest uf Fancie*-. By Tho. Jordan (out. s. a. (cf. Ilazlitt p. :U0. 231.

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viii. ii. c.'s fürrest üf fancy.

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Es musa uns auffallen, dass II. (\ die Namen ver- schieden von Boccaccio bildet. Diese kleinen Differenzen bringen uns zur Erkenntnis« der wichtigen Thatsache, dass wir hier auch für Boccaccio's Novellen ein französisches Mittelglied anzunehmen haben. Der Engländer hat nicht aus dem italienischen Original, sondern aus der, der Königin von Navarra gewidmeten, französischen Übersetzung des Autoine le Macon1 übersetzt. Boccaccio's Namen lauten Francesco Vergeltest, Ricciard o il Zima, Amerigo Alaeon hat Fran- coys Vergelesi, Le magnific^ue Richard, Ewery II. C. : Francisco Vergelis, Richardo Ma gniffico, Enteric. Auch für die Novelle des Straparola dürfte der Englander die Version des Franzosen Jau Louveau2 benützt haben, man vergleiche Straparola: Salardo, Genova, Monferi aio Lou- veau: Salard, Genes, Monf errat Ii. V. : Salard, Genes, Monferat.

Ausserdem treffen wir in dem „Forrest* the good Karle of Engers und den Nastagio Boccaccio's (Dec. II 8, V 8), sowie drei berühmte Liebespaare der italienischen Novelle, Baudello's Aleran und Adelasia (Nov. II 27) und die Herzogin von Mafji mit ihrem Mnjordomus, welchen II. C. auffälliger Weise Ulrico nennt,3 uud Ciuthio's Euphemia und Acharisto

1 Le Decameron de M. Jean Bocence Florentin, noiiuelloment truduict d'Italien eu Franeoy» pnr mnistre Antoine le Alaeon couseiller du Roy etc. A Lyon, chez Guillaume Kouille, a VEscu de Venisc M I »LI.

2 Le« Faceeh'use« Nuietz du Seigneur Jim Frnneois Strapurolc . . . Nouuellement traduittes d'Italien en l'runcois, pur Jim Louueau. X Lyon, pur Ouill iunie Kouille 1 r>f ><l.

s Die betreffende Stelle, die sich in einem Prosa-Brief: A yong mint, beiny in Jone nith a foyre yetitlenowan . . . desyreth to he aeeepted for her huaband findet, lautet: Kuphijm]ia Daughter to the King and heyre to the mnene of the Kingdome of t.'orinth, ntatehed her»elfe icith Acharisto her fothern hondman. The Ihitehesse of Mnlfey chatte for her hmsbande her seruaunt l'lrico Wie H. C. auf diesen Namen kam, ver- mag ich nicht zu Hagen: bei Bandello (I 26) heisst der Gatte der Her- zogin Antonio Bologna, und ebenso bei Belieferest und Painter. Robert Greene hat in »einer „Card»' of Fancie" den obigen Passus des „Forrest of Fannie1* offenbar auageschrieben: Efn/phifmjia danyhter to the hing of Corinth, and heire apparent to his craime, who for her featnre uns fnmonsthronghont all the Hast conntrics, vonchanfrd to nppliea snnemigne

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VIII. H. C FORRKST OF FANCY.

(Hec. VIII 10). Der italienische Stempel ist somit auch dieser Sammlung tief eingeprägt, doch scheint H. C. seine Kenntniss der italienischen Litteratur den französischen Über- setzern und Painter zu verdanken.

plaister to the furioua passions oj Acharisto her fathers bondman. The dutchesse of Malphey chosc for her husband her seruant Vlrico (vgl. vol. IV p. 118, und oben p. 52). Der Name Ulricoy und wohl auch die beiden Stellen gemeinsame Form Kuphiitia für Euphemia , verrathen das Plagiat.

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IX. BARNABE KICtlE.

A right excelent and pleasaunt Dialoque, betmne Mer- cury and an English Souldier: conteyning Iiis Supplication to Mars : Beivtified with snndry worthy Histories, rare inven- tions and politike deuises. Written by B. Rieh. London 1574. Diese erste uns erhaltene Schrift des begabten Autors fällt in die Zeit der grössten Beliebtheit der italienischen Novelle, und obwohl das von Riehe behandelte Thema dem Gebiete der Erzählung sehr fern liegt, hat er es doch zu Wege ge- bracht, der Mode zu huldigen. Nachdem sich Mercur mit dem Soldaten über militärische Diuge unterhalten hat, werden wir an den Hof der Venus versetzt, in deren Palast Riehe herrliche Wandteppiche sieht, geschmückt mit the pitiftdl history of Romcus and Juletta, Gismondo and Guistardo, Piramus and Thisbe, Livio and Camilla^ and of many other loving wightes. Die traurige Geschichte von Livio and Camilla stammt aus Bandello I 33: Dui Amanti si trouano la notte insieme, e il Giouine di gioia si muore, e ht Fan- ciulla di dolor s'aecora. Sie findet sich in Feuton's 'Dis- courses' (No. 2 vgl. p. 14), wo sie Riehe kennen gelernt haben dürfte, denn wir erhalten einen weiteren Beweis dafür, dass er Fenton gelesen hatte. Er hört nämlich am Hofe der Venus die Geschichte von der unheilvollen Liebe der Dame von Chabry erzählen = Fenton N 9 (vgl. p. 14) = Ban- dello II 33 Inforttmato et infausto Amore di Madama di Cabrio Prouemale con im suo procuratore, e morte di molti.

1 cf. Collier, Account II 242 ff., auf dessen Beschreibung nieine obigen Angaben beruhen. Das Werkohcn nelbst habe ich nicht gosehen.

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IX. KARNABE RICHE.

Da Riehe schon in diesem seinem Erstlings- AVerkchen, in welchem er als Soldat für den Soldatenstand eintritt, Lust zum Fabulieren hekuudet, kann es uns nicht überraschen, dass er sich in einer späteren Schritt, auf deren Titelblatt und in deren Vorrede er der militärischen Laufbahn valet sagt, ganz als Erzähler gibt, in Riehe his Farewell to Mili- tarie profession : conteining cerie. pleasaunt diseourses fit for a peamthle tyme.x vom Jahre in unserem Jahrhundert

neu herausgegeben für die Shakespeare Society-. Das Ruch enthält im Ganzen !* Erzählungen, da auch in The Conclusion des Verfassers «»ine Geschichte eingekochten ist. Riehe selbst gibt in der Epistel To the Readers in generali folgende Aus- kunft über die Entstehung seiner Geschichten : The histories (altogether) are eight in number, whereof the first, the se> onde, the fift, the serenth and eight, are tales that are bat foraed onely for defight, neither *redihte to be beleved, nor hurt fall to be perused. The third, the fourth, and the sixt are Italian histories. written tikeicise for pteasure by Maister L. B. (p. 10). Diese Angaben entsprechen insofern der Wahrheit, als die 8., 4. und f». Novelle in der That italienischer Herkunft sind; die Initialen L. R. hingegen scheinen den harmlosen Zweck zu haben, eine unbefugte Neugierde auf eine falsche Fährte zu leiten. Denn Riehe hat diese Novellen nicht einem un- bekannten Herrn L. R. entlehnt, sondern den 'Hocatommithf des sehr bekannten Giraldi Ointhio, was bisher noch nicht hervorgehoben wurde. Seine dritte Geschichte Of Nicander and Lucilla (p. U2 ff.) entspricht der dritten Novelle der sechsten Dekade: Don Hercole da Este, ama vna Giouane, priuafa, la Madre di lei glie/e da in sua balia . la Giouane lo prega a non essere eon lei, ina a darin per moglie ad vn suo Amante ; Don Hercole cortese, e datale la dotey

adempie il desiderio delln Giouanr, e salua la sua honesta;'* die vierte Geschichte Of Fineo and Fiamtna (p. 111 ff.) der

et Collier 1. o. p. 247 ff.

2 Kight Noveln employed by Engliah Dramutic Poets of the reign of Queen Klizubeih. Originally publislod by Bnrtmby Hiebe in the year löSl. London, pr. l'or the Sh. Soc. 1846.

3 of. über ähnliche Erzählungen Dunlop-Liebreebt p. 280.

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IX. BAKXAHE RIOHK.

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sechsten Novelle der zweiton Dekade: Fianima awa Phineo, e egli fei, il Padre della Giouune P contrario al loro amore : Phineo vieti j)reso, e Ugato gli le mani, c. i piedi e1 posfo in vna harca solo, nella quäle e preso da corsali; Fugge sinril- mente Fiammn dal Padre, per non volere altro marito, e presa anch' ella da corsali etc. ; die sechste Geschichte Of Gonsales and his rertuous icife Agatha (p. 157 ff.) der fünften Novelle der dritten Dekade: Consaluo^ pigliata Agata per moglie, s'innamora di vna meretrice, .<?/ delihera di auelenare Agata ; Vno Scolare gli du in vece di veleno poluere da far dormire, la da egli afla Moglie, la quak oppressa dal sonno, e sepellita per morta etc.

In diesen drei Erzählungen lernen wir Riehe als sprach- kundigen und gewandten Übersetzer kennen. Wenn er nun diesen Übersetzungen seine anderen Geschichte als Inf forged onelg for delight gegenüberstellt, so dürfen uns diese Worte nicht glauben machen, dass wir in ihnen durchgehends freie Gebilde seiner Phantasie zu erkennen haben. Schon der Herausgeber des Neudruckes der Shakespeare Society hat bemerkt, dass Kicho's zweite Novelle: Of Apolonius and Silla (p. 67 ff.) , welche als Quelle von Shakcsponre's Twelfth Night' berühmt wurde, 1 auf Bandello II 36 und die der Conclusion eingefügte Geschichte auf Machiavelli's köstlicher Historie von dem Erzteufel Kclfagor- beruht. Diese letztere Geschichte hat Riehe verdorben, die Liebe der Silla hin- gegen hat er, romantisch geschmückt, sehr gut erzählt; man begreift, dass sie Shakespeare' s Aufmerksamkeit fesseln konnte.

Auch in den übrigen Novellen Kielte'» wird man oft durch ein bekanntes Motiv geneckt, ohne dass man bei der Verfolgung desselben zur Quelle der ganzen Geschichte ge- führt würde. So verbirgt z. K. in der fünften Geschichte: Of two Urethren and their Wives (p. 126 ff.), Kielte's Mistrcs Dorotie ihren Lawier in einem Koffer, wie Cinthio's Bice

1 Cf. „Shakespeare^ Library" Part. I vol. I p. 387 ff. * Cf. Classici Italiani : Machiavelli vol. IX (Milano 1804) ; vol. CXVII <ler ganzen Sammlung.

qf lxx. 4

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IX. BARNABE RICHE.

iliron GiudireJ und der eingekofferte erhalt derbe Schläge, wie der in einen Mehlsack gesteckte Messer Simplicio dv' ftossi StraparolaV weiter geht die Übereinstimmung in beiden Fällen jedoch nicht. Wir haben es eben auch hier wieder mit Mosaik-Arbeiten zu thun , deren Material zum grössten Theil aus Italien bezogen ist. Immerhin ist die Möglichkeit keineswegs ausgeschlossen, dass sich für die eine oder die andere der in Frage kommenden vier Novellen (Xo. 1 : Sappho Duke of Muntona ; Xo. 5 wie neben ; Xo. 7 : Of Araman- thun, Lome a leper ; Xo. H: Of Phylotus and Emilia) die Quelle noch genauer bestimmen lassen wird.

1 Doeft III Nov. III: Jiiee ama Pam philo, e .sv (jode con lui\ il quäle per ulcuni giomi #i aflontana da lei , ella in gnel tewpo si giace con vn (Hudicr dclla c itta ; llilonia Patn philo ulhi i-pronedatu, incntrr ella } eol (iiudice: onde, temendo di von essci t eolfn con lui, sJ, che Camante recida Vuno, e Valtro, fa nitrure il Giodice in m cofano etc

? Notto II Favola IV.

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X. ROBERT OREENE.

Robert Greene ist in seiner erzählenden Prosa auf dem von Tilnay und Whctstone betretenem Wege weiter gegangen. Eines seiner ersten Werke: „Morando. The Tritamcron of Loueu, (1584) ist vollkommen mieb dem Plane des Whet- stono'sehen 'Heptaineron' gebaut, und auch später benüt/.t er das bequeme, dehnbare Schema der Ivahmen-lM/.ählung sehr häufig. Der italienischen Novelle hat aueh (Jreene manehes Motiv entlehnt, aber das fremde (iut ist bei ihm nieht so leieht von seiner eigenen Habe zu scheiden, wie bei Whot- stone. Dieser wird matt, sobald er selbst zu erfinden beginnt, dem phantasievollen (Jreene hingegen ist manche eigenartige Schürzung des Knotens geglückt, so dass man sich hüten muss, bei ihm nicht zur Unzeit an voleur zu rufen.

Mit Yerwerrhung der Angaben Grosarfs in seiner grossen Ausgabe der Grcenc'schen Werke1 und auf Grund eigener Leetüre will ich versuchen, aus der ungeheueren Menge der Greene'schen Prosa seine Beziehungen zur italie- nischen Novelle herauszuheben. Die dramatischen Dichtungen bleiben, um die Gräuzen dieser Studie nicht zu überschreiten, vorläufig unberücksichtigt.

„Mamillia" (158.'}) bietet nur eine Anspielung auf eine bekannte Novelle liandello's (II 44): What a cold coufect had tlte Lord Meitdozzu at the Dutcltes of Sauoyes hund? (vol. II p. 34).

1 Cf. The Life and Complote Work« in Pioho and Verse of Robert Orrenc In 1") Volumen London issi (The Iluth Library}.

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X. ROBKRT OREENK.

„Morande. TheTritamcron of Loueu (15S4): In MoraimVs Landhaus werden von einer aus Damen und Herren be- stehenden Gesellschaft allerlei Streitfragen erörtert. Das Thema des ersten Tages ist: Amore Ja molto, tun uryentn fa ttttto. Ja, bei Männern! s:igt I*anthia. Nein, lau den Frauen! sagt IVratio. Für die Unoigennützigkeit des weib- liehen Geschlechtes führt Laeena folgende Beispiele an: Did not Campaspe prefer pore Appell es before tniyhlie Ah .raudt r. aud that louelie Lady Euplnuiu rhooxe Aehnrisfo her Fntlars bondman?1 vgl. Cinthio's „lIocatommithiu V f 1 1 10. Am zweiten Tag (The seeonde daies diseourse) \erfheidig( Sil- vestro die veredelnde Wirkung der Liebe mit dem schönen Anfang einer berühmten Novelle Boecaeeio's: Aud to pruue this premisses trith a partieular instannre, I remembvr that nur eouutriman Boeeaee in Iiis Ihrmnvrun brinyeth in one Chymon a Laeedemonian, trho was tnore wenlthie tlan ttittie, aud of yreater pnssession then yood epttdities, yiuen from his hirth to he a seruile drudye by nature, and eould not by his friendes be haled from his ehirnish State by nurture. Sil- vest.ro gibt eine kurze und in den Nebenumständen von dem Original abweichende Version der wunderbaren Wandlung des Cimone aus Pec. V 1.

„Gwydonius. The Carde of Faneieu (15S4): Gwydonius, der die spröde Castania liebt, spielt in einem seiner Liebes- briefe auf Eupkiniu und Aeharisfo an und fügt als weiteres Beispiel hingebender Liebe bei: The duti lasse of Malphry ehose for her husband her seruant Vlriro- (vol. IV p. IIS) vgl. Bandello I 2b. Auch sein Nebenbuhler Valericus er- innert sich der verhängnissvollen Liebe der Königstochter von Corinth für den niedriggeboreneu Acharisto (vol. IV p. 132).

„Perimedes the Blaeke-Smith* (1588): Grosart (vol. I p. 93) hat bereits bemerkt, dass die erste Geschichte, welche

1 Der 'Morando' steht im dritten Bunde der Grosnrt'schen Aus- gabe, ich muss jedoch ausnahmsweise nach dem Text der oditio prineeps citieren.

* Vergl. über diese ganze Stelle, die Greene abgeschrieben hat, oben p. 4."> Anm. \\.

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X. HO BEUT GREESE.

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lVrimode* seiner Gattin Pelia erzählt, auf Boccaccio Poe. II »i beruht (ef. vol. VII p. 14 ff. The first niyhts <liscuurse; p. 2't ff. Perimedes Tale). Greene hat neue Namen einge- führt, den (rang der Handlung «bor nur wenig geändert. I ber die Quelle der zweiten Geschichte (The seeond niyhts discuttrse p. 43 tf. Z)<7<V/ A/r fale p. 47 ff.) äussert sieh < J r< »- sart nicht, obwohl sie auch dein „Pecameron" entlohnt ist. Wir erkennen in ihr eine genaue Keproduction der zweiten Novelle des fünften Tages : (iustttma ama Martucciu (unnitus la ijmde udendn che inorto era, per disperuta solo si wette in u>ui barea etc.

^Cicoronis Amor. Tullies Lone" ( I r>S!>) : In dieser Liebes-Goschichte, deren Personen klassisches ( 'nstiim tragen, entdecken wir mit einiger l 'borraschung «las ( 'imonc-Mntiv Boccaceio's. Der römische Senator Vatinins hat einen schönen, aber blöden und rohen Sohn, der wegen seiner rnbeliolfen- heit Fabius the Foule gescholten wird. Auf ein Landgut verbannt, findet er eines Tages im Walde ein schlafendes Mädchen, Terentia, die Geliebte Tully's. Fabius versinkt in den Anblick der schlafenden Schönheit, und an dieser Stelle erhalten wir den Beweis, dass Greene den Text Boccaccio** vor sich liegen hatte. Kr schreibt: In this huntuur he beyan tu descaut uf her senerall beauties, praysiny hir huire tu he uf t/ulde, hir furchend uf Juurie, hir Ups coro/, and ubuue all hir tiro breast s whieh then beyun tu appeure like pretic t ender bnddes, in such simple surt so distiuyuishiny uf her fnuuurs, that front a y rosse clutene hee bet aute tu be a Judyc uf lieuutie: esper'udly couetiny tu see hir eyes which heuuie sfrepe lind shut up, ileferntiuiny offen io haue truhed hir tu haue ronlenled himselfe wilh tluir siyht (vol. VII p. ISO) in theil weise wörtlichem Anschluss an Dec. V 1 : E (juiwi cuminrio a disfiuyuer le purti di lei, lodando i capelli, Ii ffuali d'oro estimaca, la fronte, d nuso, e la bocen , la yola, e le brucciu, e sommmnente il petto, poeo aneuru rilevatu. F di laruruture, di bellezzu subitantente yiudice tfinenufo, scru suuimamente disideraea di eeder yli occhj, Ii r/uali esstt, da a/tu sonnt) y rannt i, tenecu chiusi: e per rederyli, piu rotte ebbe euluntä di destarbt. Fabius wird verständig und der

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51 X. KOBKKT GREENE.

Nebenbuhler Tully's. Dann treten die lliuptge.<talten der Erzählung in den Vordergrund, und die Ähnlichkeit mit Boccaccio^ Novelle? verliert sieh.

„The Spanish Masquerado* (1589): In dem fünften Abschnitt dieses gegen Spanien und den römischen Klerus gerichteten Pamphlets fällt Greene über die Monkes. Frier.?, und dir ging Priestes her, und tischt mit Behagen zwei der antiklerikalen Novellen Boccaccios auf: Of this generation John Iiuccace in Iiis Derameron tel/eth manie pretie tales: of Iht ir Lecherie, as tvhen /\rier\ 1 Albert ttnder ihe shape of the Angell GttbrieH lag uith Dame Lecetta: oftheirfahe Legendi*]* von welchen er dann noch die köstliche Geschichte von dem lernte Cipolla zum Besten gibt, der den Bauern statt der Feder von dem Flügel des Erzengels Gabriel Kohlen von dem Hoste des h. Lorenz zeigt (vgl. vol. V p. 2b'Ö und Dee. IV 2. V[ 10). Diese offenkundigen Entlehnungen aus Boccaccio sind natürlich auch Grosart aufgefallen (vol. 1 p. 101).

„Philomela. The Lady Fitzwaters Nightingale* (1502): Schon Dunlop, der eine ausführliche Analyse dieser rührenden Geschichte gibt,2 hat hervorgehoben, dass die Schlussepisode derselben, die Selbstanklage der beiden Gutren, der Kata- strophe der berühmten Freundsehafts-Novelle Boccaeeio's von Tito und Gisippo nachgebildet ist. Dass Greene dieser Freund- schafts-Typon selbst wiederholt gedenkt, :J verdient kaum er- wähnt zu werden.

Sehr wahrscheinlich wird sich bei umfassenderer Be- lcscnhcit noch für manche andere Erzählung Greene'« die Benützung einer fremden Vorlage uachweisen lassen. Ich erlaube mir deshalb, da Greeno's Werke auf dem Continont nur schwer zu besehaffen sind, knappe Analysen derjenigen Novellen Greene'* anzufügen, in welchen ich fremde Elemente zu erkennen glaube.

Planotomachia ( 1 585)\ V cutis Tragedie (vol. V p. 5 1 ff.).

1 Grostirt: /<oV, wohl ein alter Druckfehler, vjrl Hoccaeeio*« /rate Alberto

1 Cf. Dunlop-Liebreeht p. I.T> tV.

s Orosart's Ausgabe vol. IV p. 211; vol. VII p. 243.

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X. ROBERT GREESE

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Tin *1 * »ii Sirurni« als Unheilstifter zu brandmarken, erzahlt Venus folgende Geschichte: "In Ferrara lebte der böse Herzog Valdracko, mit seiner Tochter Pasylla, in welche Kodento, der Sohn des Coute Goelio, verlieht ist , trotz der zwischen ihren Häusern bestehenden Feindschaft. Valdracko findet in dem Gemach seiner Tochter einen Brief Rodento's, und begünstigt die Verbindung der Liebenden, um seine ' Feinde desto sicherer verderben zu können. Nach der Hoch- zeit lässt er den Grafen Goolio orschiessen und seinen Schwiegersohn von dem Mundschenken vergiften. Der Schmerz der jungen AVittwe wirkt, jedoch so erschütternd, dass der G iftmischer selbst Gift nimmt und vor seinem Tode Valdracko als den Vrheber des Frevels bezeichnet. Pasylla fesselt ihren schlafenden Vater an Händen und Füssen, hält ihm bei seinem Erwachen seine Sünde vor und ersticht ihn mit demselben Schwerte, mit dem sie nach dem Vatermord ihrem eigenen Leben ein Ende macht.44 Dieses Blutbad unter Verwandten dürfte Greene dein Giraldi Cinthio nach- erzählt haben, der in der zweiten Novelle der zweiten Dekade ebenfalls den Schwiegervater den Schwiegersohn, die Tochter den Vater und sich selbst töten lässt. Satunies Trayedie (p. 104 ff.). Saturn rächt sich durch eine Geschichte, deren tragische Verwickelungen nicht dem Hass, sondern der Liebe entspringen: „Der schönen Buhlerin Rhodopis in Memphis raubt ein Adler einen ihrer goldgestickten Schuhe, den er in den Garten des Königs Psammetichus trägt. Der alte König verliebt sich in den Schuh, ermittelt mit Hülfe des Zauberers Nestes die Besitzerin, und erhebt sie, trotz ihres übelen Rufes, zu seiner Gemahlin." Soweit bewegen wir uns auf bekanntem Boden; die Genesis der oft behandelten Geschieht«; der roseuwangigen Buhlerin hat neuerdings Julius Riegel eingehend besprochen l. Den Schluss der Geschichte scheint Greene selbst nach berühmten Mustern zusammen- gestellt zu haben: „Philarkes, der Sohn des Königs, ist empört

' [n seiner inhaltsreichen Doctorsehrift 'Die Quellen von William Morris Dichtung Tin? Karthly Paradise' (Erlanger Beitrage, IX), Er- langen 1S90; p öl IT.

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X. KüBKRT (iRKENK.

über die unwürdige Wald seine« Vaters, aber seiu Hass ver- wandelt sieh bald in leidenschaftliches Verlangen, dem sieh Khodopis nicht versagt. Sie werden von dem König über- rascht und getötet. Psammetichus vergiftet sich/

,,1'enelopcs Web-4 (1587). Ponelope erzählt ihren Mägden beim Weben drei Geschichten. I'envlopes Tale (vol. V p. 1 08 ff.) : „Oer Sultan Saladin von Egypten verstösst seine tilgend hatte Gemahlin Harmenissa, und vermählt sich mit der Buhlerin Olyuda , gegen welche sich die egyptischon Grossen ver- schwören. Harmeuissa rettet ihre Nebenbuhlerin und ge- winnt durch diesen Edelmuth das Herz ihres Gatten und die Krone wieder44. Pendopes aecond täte (p. 203 ff): „Oala- nuis von Ithaca, ein grosser Verschwender und Wüstling, findet Gefallen an der hübschen Häuerin Cratyna, die, mit Lestio vermählt, von ihrem neuen Verehrer nichts wissen will. Calamus vertreibt deu Bauern von Haus und Hof, und entführt (Vatvna, die ihm jedoch wieder entflicht und zu ihrem Gatten zurückkehrt, der in den Dienst eines Köhlers getreten ist. Um weiteren Nachstellungen zu entgehen, nimmt die junge Frau männliche Kleidung an; trotzdem wird sie schliesslich von Calamus entdeckt, aber nicht mehr belästigt, sondern, aus Bewunderung für ihre standhafte Tugend, mit Gesehenken überhäuft/ Pemlnpes third Ude (p. 228 ff.): Arimenes, der Herrscher von Dolos, hat drei Söhne , von welchen er denjenigen zu seinem Nachfolger machen will, der die tugendhafteste Gattin besitzt. Zwei der Frauen rühmen sich selbst und gerathen dabei in Streit; die Frau des Jüngsten schweigt und sagt erst auf die Frngo des Königs: He thal (jaimth a Crownc, getteth care: is it not foUie Ilten to hunt after Urne? (p. 232). Ihr Gatte erhält die Krone44. Die Ankunft des Ulysses unterbricht die Arbeit und das Gespräch der Weberinnen.

„Greenes Vision44 (1502?). 1 In dieser Vision machen sich Chaucer und tnoral Gower den zerknirschten Greene

1 Die Echtheit dieser Schrift ist nicht über jeden Zweifel erhaben, vgl. Dyco „The Diunmtio and Poeticnl Works of R G. uud George Peelew ( London 18Ü1) p. 80; Collier Account vol. I p. 337 f. Mir scheint

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X. ROBERT GRKEKE.

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streitig. Chaucer, dem die Rolle des hosen Engels zuge- thoilt ist, erzählt, diesem Charakter entsprechend, eine sehr schlüpfrige Geschichte, die grosse Ähnlichkeit mit den italie- nischen Schwänken dieser Gattung hat: (Jhawcers tule of Jealosk (vol. Xfl p. 224 ff.) : „Der Wagnermeister Tomkins in Gramichester hei Cambridge heirathet das hübsche Milch- mädchen Kate, die eine Liebschaft mit einem Studenten von Cambridge hat. Das übermüthige Paar beschlicsst, dem eifersüchtigen Tomkins einen Possen zu spielen. Der Student setzt ihn in Kenntniss von der Untreue seiner Gattin, und zeigt sie ihm auf dem Schoss eines anderen Studenten. Dann gibt er ihm einen Schlaftrunk, Tomkins wird heim- gesehafft , und wie er erwacht und seine Frau zur Rede stellen will, wird ihm weis gemacht, er habt; eine schwere Krankheit überstanden, während welcher er die hässlichen Träume gehabt haben müsse".

Aber auch zugegeben, dass meine Zusammenstellung von Greonc's Reminiscenzon aus italienischen Novellen keine ab- schliessende ist, zwei Thatsachen gehen jedenfalls mit ge- nügender Deutlichkeit aus ihr hervor erstens, dass Greene mit Vorliebe aus dem Urquell der italienischen Novelle, aus Boccaccio'» „Decamerou" , schöpfte; zweitens, dass er, der mit seiner Belescnheit zu prunken und Heispiel an Beispiel zu reihen liebt, die Gestalten der italienischen Novelle auf- fallend selten verwendet. Das ist ein beachtenswertes Factum, denn Greene, der von seiner Feder lebt und deshalb in engster Fühlung mit seinem Publikum steht, ist ein verlässiger Baro- meter, der jede Schwankung des herrschenden Geschmackes anzeigt. Als Greene zu schreiben begann, staud Lyly's lite- rarischer Stern in seinem Höhepunkt, und der tief einge- prägte Stempel des Kuphuismus hat sich in Greenc's Stil nie ganz verwischt. Aber es lässt sich in seinen Romanen doch deutlich erkennen, wie die Extravaganzen des Euphuismus allmählich aus der Mode kamen, von der Mitte der achtziger -fahre an bemerken wir eine bedeutende Abschwächung des

Dyce'a Ansicht, der die Vision selbst für echt hillt, »ehr viel für sich zu haben.

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X. ROBERT OREEKR.

ciipluiisrischon Elementes. Eine ähnliche Beobachtung machen wir betreffs der Helden der italienischen Novelle, die sieh nach dem 'Palace of Pleasure' grosser Popularität erfreuten. In den achtziger Jahren scheint die Leser-Welt ihrer über- drüssig geworden zu sein , und Greene , der seine ersten Komane noch mit ihren Namen schmückt, streicht sie bald von der Liste seiner literarischen Ornamente.

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XI. HR VAX MKLBANCKE.

Phäotimns. The Wurre hetw'wt Natureand Fortune. Com- fiiledby Bryun Melbunclce Student in Grates Inne. London ln83.] Der Verfasser dieses sehr oonf'usen Buches stellt uns two distrexsrd wighles vor, l'andolpho und Feriauder; Pandolpho erzählt, seinem niedergeschlagenen Freunde zum Trost, die Geschichte des Philotimus. Die Haupthandlung dieser höchst reizlosen Erzählung lässt sich in wenige Worte fassen : Philoti- mus, der Sohn des Statthalters von Man t im, lieht Aurelia, die ihm untreu wird; er geht auf Reisen, erlebt allerlei Aben- teuer, und mit seinem Eintritt in den Dienst eines Fürsten bricht die Geschichte ab. Eine in Aussicht gestellte Fort- setzung scheint nicht veröffentlicht worden zu sein.

In den zahlreichen und breit ausgeführten besprächen und Briefen dieser Erzählung hat Melbancke seiue Belesenheit in sehr unkünstlerischer Weise verwerthot. Uns kann dabei nur seine Benützung eines der weniger häufig genannten Werke Boccaccio's, des „Filocolo", interessieren. Boccaccio hat in die uralte? Liebosgeschiehte von Florio und Bianco- fiore bekanntlich eine moderne, neapolitanische Episode ein- geschoben, die als eine Vorstudie für das „Decamoron" gelten kann: ein glänzender Kreis von schönen Damen und Herren, der einer selbstgewählten Königin gehorcht, erzählt Geschichten, in welchen höchst subtile Streitfragen aufgeworfen werden. -

1 Eine ziemlich eingehende Besprechung dieses Buches findet sich in dem ., British Bibliographer" vol. II (London 1812), p. 438 ff. a Näheres bei Gtispary OIL vol. II p. 3 ff.

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XI. HKYAN MELHANCKK

Dieses von der Jlaupthandlung vollkommen unabhängige Intermezzo, welches «las fünfte Buch des „Filoeolo44 füllt, war schon 1507 von einem Anonymus iu's Englische über- tragen worden, 1 und hatte vor dem „J'hilotiinus" bereits drei Auflagen erlebt, zu welchen 1587 noch eine vierte kam. Melbancke hat, ohne seine Quelle zu nennen, dem „Filoeolo44 zwei (ioschichten entlehnt: 1. Ein Jüngling wird bei seiner (ieliebten von deren Brüdern überrascht, die ihm die Ver- pflichtung auferlegen, zur Strafe ein .fahr mit einem häss- lichcn alten Weib zusammenzuleben ; sie lassen ihm jedoch die Wahl, mit ihrer Schwester oder mit der Alten zu be- ginnen, und eine Dame räth ihm, sich wegen der Unsicherheit der Zukunft zuerst <1<t Jungen zu gesellen Queatiotie XII; 2. Die Lady Thiametta verlangt von ihrem Anbeter einen blühenden Harten im Januar = Qttestionc IV,- von Boccaccio im „Deeamoron44 X 5 wiederholt. Im „Filocolo44 ist die Dame namenlos, im „Docamcron44 heisst sie Dianora, viel- leicht hatte Melbancke Fiametta geschrieben, wie die Königin des Kreises im Filocolo44 genannt ist.

Einer italienischen Quelle entHoss möglicherweise auch Molhancke's Version einer sehr bekannten und weit ver- breiteten (icschichte: Ein König belohnt einen Bauern, der ihm eine grosse Hübe bringt, sehr reichlich, und schenkt diese Kühe einem habsüchtigen Höfling, der ihm, in der Hoff- nung auf entsprechend höheren (iewinn , ein schönes Fferd dedieiertc. Diese Anekdote wird von verschiedenen franzö- sischen Königen erzählt: in den Hecatommithi (VI *.)) von Francesco Valrsi primo Re di ' Fntncia di tal uomv; in „I'as- (|iiils Josts44 (ältester Druck Hi04) vou Carl V.; ' in <len „.Mcry Tales and Quieke Answores44 (c'M54!)) von kynye Lotet s of France;* in Domeuichrs "Facetie44 von Ludwig XL:

' Cf. Huzlitt p. 42, G; Warton IV 337.

* „II Philocopo di Motuscr Giouanni Boeeacio in fino u *jui falsa- inoittn dotto l'hiloeolo diligentomento da Messer Tizzone Gaetano d, Pofi Rouisto. Vcncgia 1538; p. 385 ff., 441 ff.

5 Cf. „Shakespeare'« Jost Book«*; od. by W. C. Haulitt ( London 1S04) vol. III p. 51: A deceyt of the hope of the couetous man teith a Turne)).

* Cf. ib. vol.I p. 34: Of kynge Lowes of France, and the husb in (man.

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XI. «RYAN MKMiAXKK.

Lodonieo nndrriino He di Fratn in, Ironanthhi in Uortjoijnn al tonpo (leiht yucrra (fei ben pnblieo, feee sttlla earria fnntiy- linrifa eon nn rertu Cottone, 1 und von demselben König be- richtet sie Melbnneke mit ähnliehen Worten : So it channced, tltat Lodonick bring tronhled irith hnrltj bntiies at honte, retnoned Iiis conti to Bnrynndie, trhere Inj http in his hnntiny he feil acqttaitited with one Conon.

Erwähnt werden ausserdem von den Gestalten der italienischen Novelle Tittta und Gisippns, und Romeo und Jnliet. ßei Melhanckc's sonstigen Entlehnungen aus Helio- dor's „Aothiopica", aus Petrarca, aus Scogghfs Spässen und den „Merie Tales of the Mad Men of Gotham" brauchen wir uns nicht aufzuhalten.

1 Fftcotie, Motti, et Burle, di Diuersi Signori «>tt\ Kaceolte per M. Lodouico Domcnichi. Yenetia 1571; p. 153 f.

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XII. TARLTONS NKWRS.

Tarif ons New es out of Puryatorie. Omlye auch a icst as Iris Jigyc, jit for Geidlemen fo lauyh at an honre. Pub- lislud Inj an old mutpanion of Iris, Bohin Goodfellow. London [1590], 1 Per unbekannte Verfasser dieser, 1S44 von .1. O. Halliwell für die Shakespeare-Society neu herausgegebenen Schrift,2 träumt, er werde» von dein Geiste des populären Komödianten durch das Fegefeuer geführt. Zur Erklärung der verschiedenen über die armen Seelen verhängten Strafen werden folgende Geschichten erzählt, die zum grossen Theil italienischer Herkunft sind :

No. 1. The Tale of Pope Bonifaee, and why he wore a Millers Cap and a Mallem in Puryatorie (p. 50 ff.) eine sehr plumpe Version der oft wiederholten Ge- schichte von den drei Räthselfragen , 5 an welchen alle Weisheit zu Schanden wird, bis sie schliesslich von der Einfalt richtig beantwortet werden. Eine direkte Quelle vermag ich nicht anzugeben, die Ge-

1 Cf. Collier II p. 412 ff., Hnzlitt p. 591.

* Cf. Tarlton'H Josts and Newes of Purgatory ; od. by .T. O. llnlli- wcll (Sbsik. Soc.) London 1844.

5 Vgl. z. B. Gowcr'» „Confcssio Amantis** Lib. I iChaliuors' Eng- liah Poots vol. II p. 41 ff.); die Halinde von „King John und the Abbot of Canterbury", welche auch Halliwell erwähnt (cf. Schroer'a Percy p. 466 ff.); Biirger's Ballade „Der Kaiser und der Abt" und hierzu Dunlop-Liebrecht p. 491 Anm. 333, wo auf SaccheÜi Nov. 4 verwiesen ist. Smu-hi'Ui erzählt n n. O. zwei Versionen «lieser Gcsi-hiehte.

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XII. TAKLTOSS NEW KS.

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schichte liest sich wie eine frei erfundene, antipäpst- liche Variation des bekannten Themas.

No. 2 : The Tale of Friar Ont/on : why in Purgatory he was tormented irith Maspes (p. 06 ff.) = Boccaccio, Dec. IV 2, indem der englische Erzähler für den Frate Alberto den Frate Cipolla aus Dec. VI 10 einführte (vgl. Ilnlliwell's Anmerkung p. 66 und seine Nach- träge).

No. 3: The Tale of the Three Cuckotds, of their im presse* and mottoes (p. 74 ff.)

No. 4 : The Tale of the Cooke, and tehy he sat in Purgatory with a Cruues Leg in his Mouth (p. 78 ff.) Boc- caccio, Dec. VI 4, wie schon Halliwell bemerkt hat.

No. 5: The Tale of the Virkar of Bergamo and why he sits irith a coale in his mouthe in Purgatory (p. 82 ff.). In dieser Geschichte sind zwei Anekdoten der reich- haltigen klerikalen chronique scandalouse an einander geschweisst. Von dem Kleriker, welcher Pasteton stiehlt, die ihm nachher sehr zur Unzeit, beim Pre- digen, aus dem Ärmel fallen, hatte der Verfasser der „Newesu in der alten Sammlung „A Ilundrod Mery Tales" (ältester erhaltener Druck 1526) gelesen, in welcher die 70. Geschichte haudelt Of the frere that stale the podyng;* eine italienische Quelle dieser Geschichte ist mir nicht bekannt. Für die zweite Hcldenthat des Virkar of Bergamo, die Verwand- lung der Feder des Erzengels in die Kohlen des heiligen Lorenz, hat bereits Halliwell auf Decameron

VI 10 verwiesen.

No. 6: The Tale of the Painter of Doncuster, and trhy in Pur- gatory he was beuten with a hel-roape (p. 86 f.)

No. 7 : Why the Gentlewoman of Lyons sat with her Haire clipt off in Purgatory (p. 91 ff.) Boccaccio, Dec.

VII 6, was Halliwell nicht entgangen ist.

1 Cf. Shakespeare^ Jest Book. A Hundred Mery Taljs; od. by Ilormnn Oestcrlcy, London 186ß; p. 120.

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XII. TARLTONR NKWES.

No. 8: The Tale of thr ftro Lavers of Pisa, and irhy flieg were whipt in Purgatory with nettles (p. *)5 ff.) 1 schon Punlop (p. 200) und nach ihm Hiilliwell haben bemerkt, dass diese Geschichte dem Straparola ent- lehnt ist, vgl. Piacevoli Notti IV 4 : Nerino Figlittofo (Ii Galese Re di Portogallo innamorato di Genahhin moglie di wastro Raimondo Brunello fisico, offenne Vamore suo. Dieser letzten Erzählung verdauken wil- den von der Shakespeare Society gelieferten Neu- druck unserer Sammlung; es ist möglich, dass Shake- speare dieselbe für den Plan seiner „Merry Wives of Windsor", benützte.

1 Cf. Hazlitt'« „Shakospeare1« Library" Part. I vol. III p. ßO 11

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XIII. THE COBLER OF CAMTERüriUE.

The Cobler of Cannterburie, Or An Inuectiue Agamsi Tarltons Newes out of Purgatorie. A merrier Jest then a Clownes Jigge, and fitterfor Genffemens hitmors. London 1590. 1 Eine lustige Gesellschaft von Loudonern beiderlei Geschlechts fährt auf der Themse nach Gravesend. Die kürzlich ver- öffentlichte Schrift „Tarltons Newes" wird besprochen und betreffs der darin erzählten Geschichten sehr geringschätzig bemerkt, dass sie zumeist dem Boccaccio gestohlen wären,2 was freilich der Wahrheit vollkommen entspricht. Der un- bekannte Verfasser des „Cobler" will offenbar den Glauben erwecken, er selbst sei ganz unabhängig von den Italienern ; er beschwört Chaucer's ehrwürdige Gestalt: wie die Cantcr- bury-Pilger sollen sich seine Leute G »'schichten erzählen, denen er ein möglichst englisches Colorit gibt. Halliwell theilt zwei dieser Erzählungen mit und sie genügen, uns erkennen zu lassen, dass er, der „Cobler44, durchaus nicht berechtigt war , einem anderen seine Plagiate vorzuwerfen, da er es selbst um kein Haar besser macht.

No. 1. The Smiths Täte (p. 111 ff.). Ein eifersüchtiger Schuster, der seine Frau auf Schritt und Tritt be- wachen lässt, wird dadurch betrogen, dass ihr Lieb-

1 Cf. Hazlitt p. 113. Ich bin für diese Schrift leider auf die Auszüge angewiesen, welche Halliwell in der Einleitung und in dem Appendix seiner Ausgabe von Tarltons Newes" gibt.

* TW/, qitoth aiiother, wost of them arr sfnlnr out of lioccace Decnmeron (p. XLI).

QF. lxx. 5

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66 XIII. THE CÖBLKR OP CA UNTHRBÜRIE.

haber, der Schmied, die Frau bei einem Ausgang mit schmutzigem "Wasser überschütten lässt. Die Tugendwächterin muss nach frischen Kleidern laufen, und die Verliebten erreichen ihren Zweck. Diese Geschichte findet sich in den „Cent Nouvelles Nou- velles": La XXXVII nouuelle par möseigneur de la Roche d' üg ialoux q enregistroit toutes les facons fjl pouoit ouyr ne scauoir döt les femmes ont deceu leurs marys le t8ps passe : mais a la fin il fut trompe par lorde eau que lamant de sadicte femme getta p vne fenestre sur eile en venant de la messe. 1 Bei Dunlop-Liobrecht (p. 296) ist bei der französischen Novelle auf Wright „Lat. Stor.a No. 12 verwiesen; eine italienische Version der Geschichte glaube ich bestimmt gelesen zu haben. Die unmittelbare Quelle des englischen Erzählers wird sich schwer feststellen lassen. Wir sind übrigens mit den Schelmenstücken der verliebten Schusterin noch nicht zu Ende: die zweite Täuschung des Gatten wird bewerkstelligt, indem ihm die Frau selbst von den Nachstellungen des Schmiedes in Kenntniss setzt und ihn auffordert^ ein jenem bewilligtes Stelldichein zu belauschen. Das Paar erzielt auf diese Weise wieder eine ungestörte Vereinigung, und da sie sich dabei fortwährend gegen- seitig mit Vorwürfen überhäufen, glaubt der lauschende Schuster in ihr die treueste Gattin, in ihm den besten Freund zu besitzen : / pereeiue you are as honest as she, and shee as honest as you (p. 119). Dieser Schlu88 erinnert uns an die Worte Egano's (Dec. VII 7), der auch von seiner Frau selbst die ver- brecherischen Anträge seines Dieners erfährt und eben mit Hilfe dieses Kniffes so schlau betrogen wird, dass auch er glaubt d'avere la piü leal donna,

1 Citiert nach folgender Ausgabe s. a. : 8'enBuyuent Les cet nou- uelles: cCtenät oent hystoire» ou nouueaulx comptes plaisans a deuiser on toutes bonnes compaignies par maniere de ioyeusete. Imprime nou- uellement a Paris (Col.: per la yeufve feu Jehan Trepperei). XXX.C. (joden falls = trentc cahiers).

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XIII. THE COBLER OE CAUNTERBURIE.

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ed il piü fedel servidore, che mai avesse alcun gen- tüoumo. Ob die Variierung dieses Motives in der Erzählung des Schmiedes der Phantasie des eng- lischen Erzählers entstammt, oder ob er auch hier auf einem italienischen Nachahmer Boccaccio's fusst, vermag ich nicht zu sagen. No. 2. The Old Wiues Tale (p. 120 ff.) - auf die Heldin dieser Erzählung sind die verliebten Abenteuer der Monna Tessa und der Manna Sismonda Boccaccio'» übertragen. Die alte Frau regaliert uns mit einer Yerbindung der fantasima- (Dec. VII 1) und der Bind- faden-Geschichte (ib. VII 8). Die beiden Proben beweisen uns, dass der Verfasser des „Cobler" ganz im Kreise des italienischen Einflusses steht, und dass er bei der Wahl des zu erzählenden Stoffes nicht durch moralische Bedenken gehemmt wurde. Wenn Robert Greene, dem der „Cobler" zugeschrieben wurde, in seinem Protest sagt: Notce of late there came foorth a booke called the Cobler of Canterburie, a merrie tcorke and made by some madde fellow, conteining plesant tales, a Utile tain- ted with scurilitie, 1 so hat er damit das Wesen dieser Rahmen- Erzählung richtig, wenn auch sehr nachsichtig, charakterisiert.

1 Cf. „Greene« Viaion«, Grosurt's Ausgabe vol. XII p. 212.

5*

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XIV. THOMAS LODGE.

The Life and Death of William Longbeard, the inost famous and witty English Traitor, hörne in the Citty of London. Accompanied with manye other nwst pleatant nnd prettie Jlistories. By T. L.f of Lincolns Inne, Gent. London 1593. Da der jüngste Biograph des Thomas Lodge, R. Carl, 1 dioso Schrift nur mit wenigen Worten und die für unsere Studie wichtigen Geschichten überhaupt nicht erwähnt, so müssen wir wieder auf Collier*» Mittheilungen in seinem „Account* vol. 1 p. 472 ff. zurückgehen. Freilich bietet auch er nur die Titel der betreffenden Geschichten, aber diese kargen Angaben ermöglichen es uns doch, die italienische Herkunft dieser Erzählungen mit völliger Sicherheit zu be- stimmen und zugleich eine neue, wohl noch nie berücksich- tigte Quelle der elisabethauischen Prosaiker zu erschliessen.

Die „Silua de Varia Lecion* des Spaniers Pero Mexia hat einen italienischen Fortsetzer gefunden, dessen Compilation mir vorliegt iu einer Ausgabe vom Jahre 1587, betitelt: Nuora Seconda Seien di Varia Lettione, che seqne Pietro Messiu ; Diuisa in Quattro Parti etc. Nuouamente posfa in luce, e con diligentia correfta. In Venetia, Appresso Giacomo Cornetti MDLXXXV11. Den Namen des Verfassers lernen wir in der an Bernardo Giustiniano, dignissimo CavaUicr di Malta gerichteten Widmung des Druckers kennen : Hauendo giä il Rcnerendo Missier Pre G ieroni m o G i g l io , inio umicisshno, composto la Seconda Parte della Selua di Varia

1 Of. Angl m X 28.r> ff.; p. 253 und 282.

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XIV. THOMAS LODGE

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Lettione, la quäle segne Pietro Messia . . . ho voluto che ella sia proprio, e particolar dono di Vostra Illustrissima, e Rette- rendissima Signoria. Aus diesem neuen Wald hat sich Thomas Lodge, wie die folgende Tabelle zeigen wird, sein Holz geholt :

Xo. 1. Die erste Geschichte handelt nach Collicr's Angabc 1. c. p. 475 von famous piruts who in times past were Lord es of the sea (Dionides, Stilcon. Cleonides, Chi- panda, Millia, Alcomonius, Francis Enterolles, Monaldo Guecca) vgl. Xuova Selva, Parte IV. Cap. XV. (p. 1 70b ff.) : Di tnolti famosi Corsari, che sono statt per mare (Dionide, Stilcone, Cleonide, Chipanda, Milia, Alcamone, Francesco Entorelles, Menaldo Guerra).

Xo. 2. The historie of Partaritus, King of Lombardie vgl. XS. P. III. Cap. X[VII]. (p. lllb ff.): Di Par- tarito Re de Longobardi, il quäle perseguitato da Grimoaldo, fuggl prima a Cucano, Re delli Auari, poi in Francia, finalmente dopo tnolti trauagli, fu nel regno con moltp gloria restitutio, e della gran fedeltä dyun suo paggio. Et di Vntdfo suo fami- liäre. Von den Schicksalen des Partarito erzählt auch Bellcforest in seinen „Ilistoires Tragiques" vol. IV, p. 600 ff. Hist. 74™.

Xo. 3. The wonderfull dreame of Aspatia vgl. XS. P. IV Cap I (p. 153b ff.) : Sogno di Aspasia, ßgliuola di Hermotimo Focense molto pouero, la quäle poi per le sue mirabili virtü, fu prima moglie di Ciro Re di Persia, e morto lui diuenne tnoglie di Arta- serse.

Xo. 4. A wonderfull revenge of Megollo vgl. X S. P. III. Cap. XXX[VI] (p. 137- ff.): Vendetta mirabile di Megollo Lercato Genouese contro V Imperatore di Trabi- sonda. Diese Geschichte findet sich auch bei Ban- dello (II 14) und in den „Histoires Tragiques" (vol I p. 318b ff. Hist. 14"»).

Xo. 5. The memorable deeds of Valasca vgl. XS. P. I Cap. III (p. 12bff): Di Valasca donzella di Boemia, la quäle hauendo fatto uccidere da Valtre donne gli

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XIV. THOMAS LÜDGE.

mariti, frateÜi, e figliuoli, signoreggiö sette anni la Boemia. Auch in den „Histoires Tragiques44 (vol. VI p. 587 ff. Hist. 9me in der Ausgabe vom Jahre 1583: A Lyon pour Cesar Farine).

Xo. 6. An excellent example of continence in Frauncia Sforza vgl. XS. P. 1 Cap. XXV (p. 39bff.): Essempio di continenza di Francesco Sforza.

Xo. 7. Of many learned men, ancient and moderne, who violently and infortunatelie ended their daies vgl. XS. P. I Cap. XXVI (p. 40bff.): Di molti huomini letieraÜy antichi, e moderni, che infelicemeute morirono.

Xo. 8. How King Roderigo lost his kingdome vgl. XS. P. I Cap. XXX (p. 44* ff.) : Come il Re Roderigo, ultimo delia casa Regale de* Goti, perde il Regno, e la vita per la sua incontinenza . Eine poetische Grab- schrift dieses Königs findet sich in Thomas Xewton's „Historie of the Saraccus" vom Jahre 1575 (vgl. Collier Account II p. 31).

Xo. 9. Of manie famous men, uhoe, leaving the goverument of the Commonweule, gave themselves over to pi-ivate Vife - XS. P. II Cap. 1 (p. 46bff.): Di molti huo- mini itlustri, Ii quali lasciato il gouerno della Repu- blik, si diedero alla vita priuata.

Xo. 10. A most subtile dispute amongst Ambasadors XS. P. III Cap. I (p. 92bff.): Disputa molto sottile fatta in Antiochia al cospetto del Re Tolomeo, da sette Ambasciutori, quäl fusse quella delle loro Republiche c hauesse migliori leggi, e ottimi costwni.

Xo. 11 The stränge Lawes of Tyrsus the Tyrant XS. P. IV Cap. VII (p. 159* ff.): Strane leggi di Trizo tiranno per uolere prouedere alle congiure. Dass Lodge in der Wahl seiner Quelle sehr glücklich

war, kann man nicht sagen: der Italiener berichtet mit

chroni8tenhafter Dürre. Doch mag es dem schriftgewandten

Engländer wohl gelungen sein, den Thatsachen eine etwas

gefälligere Hülle zu geben.

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XV. WESTWARI) POR SMELTS.

West- ward for Sinei ts : Or the Water-mans Fare of mad- merry Western Wenches etc. W ritten by Kinde Kit of King- stone. London 1620 (lic. 1619). 1 Diese Rahmenerzählung liegt jenseits der Zcitgrünze unserer Studie, muss jedoch hier erwähnt werden, da sie nur der Reflex eines der vorstehend besprochenen Werke ist. Der Yerfasser von Westward for Smclts" hat sich nämlich in allen wesentlichen Punkten den „Cobler of Canterbury" zum Muster genommen.2 Wie dieser mit seiner Gesellschaft Themse abwärts nach Gravesend fährt, rudert jener seine redseligen Fischerinnen die Themse hinauf nach Kingston. In beiden Booten werden Geschichten er- zählt, uud beide Yerfasser geben uns vor den Geschichten in demselben Metrum drastische Schilderungen der erzählenden Persönlichkeiten. Die Moral der Fischerinnen ist auch keine strenge und in der Wahl ihrer Stoffe sind sie durchaus nicht ängstlich, aber in der Art des Vortrags bemerken wir doch eine gewisse Mässigung der tollen Laune und der verzweifelten Offenheit der elisabethanischen Gesellschaft. Wie der Cobler,

1 Cf. Hazlitt p. 649; in unserem Jahrhundert wurde dieses Werk- chen neu herausgegeben für die Percy Society: Westward for 8melts, an early Collectiou of Stories. Ed. by James 0. Halliwell, London 1848. Auf die nähere Bestimmung der Quellen der einzelnen Erzählungen ist der Herausgeber nicht eingegangen.

* It ts a story book, very mtich öfter the manner of « Westward for Smelts" with poetical descriptions and tales, sagt Halliwell von dem Cobler in seiner Ausgabe von „Tarlton Newcs* p. XL.

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XV. WESTWARD FOR 8*IKLTS

ist auch sein Nachahmer bemüht , seinen fremden Quellen entlehnten Erzählungen eine möglichst englische Färbung zu verleihen.

No. 1. The Fishwife of Brainford (p. 10 ff.) erzählt von einer treulosen Gattin, welche der erzürnte Ehemann in der Nacht zur Strafe an eineu Pfeiler bindet. Ihre Ilelfershelferin befreit sie, nimmt ihre Stelle ein und wird von dem Gatten, dessen Frage sie nicht zu beantworten wagt, an der Nase verwundet. Nach erneutem Rollenwechsel wird die schuldige Frau am nächsten Morgen von dem betrogeneu Gatten, Kraft des Wunders ihrer unverletzten Nase, als schuldlos verehrt. 1 Über die zahlreichen Versionen dieser Geschichte wolle man bei Dunlop-Liebrecht p. 243 und bei M. Landau nDie Quellen des Dekameron" (Stuttgart 1884) p. 132 ff. nach- lesen. Die unmittelbare Quelle unseres Autors glaube ich in einem von Duulop nicht angeführten Werke gefunden zu haben, iu der „Moral Filosophiatt des Antonfrancesco Doni.2 Dieses Werk war schon von Thomas North in das Englische

1 Oedruckt in „Shnkespeare's Library" Port. I vol. III p. 73 ff ' La Moral Filosophia del Doni, tratta da gli Antichi Scrittori; Vinegia MDLII; Libro I p. 53 sqq. Für die Wirkung dieses sehr frucht- baren Schriftstellers auf die englischen Litternten wird sich noch manches Zcugniss beibringen lassen. So habe ich beim Durchlesen der „Mondi Cclcsti, Terrestri, et Infernali, de gli Academici Pellegrini. Composti dal Doni" (Vinegia 1567) gefunden, dass Abraham Fraunce die wunder- liche Geschichte von den einen Weg in den Himmel suchenden C<un~ bridije scftolam, welche er am Schlüsse von „The Third pari of the Countcsse of Pembrokes Yuyohurch* (1592, vgl. über dieses Werkchen Anglia XI 25 ff.) berichtet, einfach mutatis mutandis wortlich aus Doni 1. c. p. 17 sqq. übersetzt hat. Ihm verdankt er somit auch die von mir (Ztschr. f. vgl. Litt.-Gesch. und Ren. Litt. N. F. III 448) betonte Kennt- nis» der «elm osenra Dantes: A questo passo otjni Viyuaiitolo si stilaca il cerrdlo, iniayinandosi per aqua, come le »ari di Luciano ; per terra per ria di qualche selva com? Dante (1. c. p. 17). In den BTre libri di Pistoletti Amorosi del Doni" (Vinegia 1558) lesen wir p. 94 sqq. einen Brief voll bäuerischer Liebeslieder, in deren einem (p. 97 sqq.) der verliebte Bauer seiner Scholien seine Vorzüge aufzählt. Dasselbe Thema variiert Thomas Howell in dem Gedicht Jacke showes Iiis qualities and tjrent (jood a ill to Jone (cf.The Arbor of Amitie, London 156H, p. 36*). Dem Petrarca-Übersetzer Howell können Doni's Episteln sehr wohl be- kannt gewesen sein.

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XV. WESTWARD FOR SMELTS.

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übertragen worden,1 hatte 1601 eine neue Auflage erlebt, und bietet in seinem ersten Buch eine Version unserer Ge- schichte, welcher die Erzählung der Fischerin von Brainford in allen wesentlichen Zügen entspricht. Dass der Ehebrecherin die Nase nur zerschnitten, nicht abgeschnitten wird, wie bei Doni, ist eine der angedeuteten, von dem englischen Autor angebrachten Sordinen.

No. 2. The Fishwife of Stand on the Greene (p. 20 ff.) er- zählt die weitaus merkwürdigste Geschichte unserer Samm- lung, eine nach England, in die Zeit Heinrichs VI., verlegte Version der Novelle Boccaccio's (Dec. II 9) , welcher die Haupthandlung von Shakcspeare's „( •ymbeline" entstammt.2 Neuerdings hat sich R. Ohle in seiner trefflichen Studie „Shakespearc's Cymbeline und seine romanischen Vorläufer" (Berlin 1890) auch mit unserer Geschichte beschäftigt (p. 80 ff.). Er will daraus, dass in ihr der Verrnther die Untreue der keuschen Frau nur durch ein ihr entwendetes Crucifix be- weist, den Schluss ziehen, „dass es thatsächlich in England Redaktionen [der] Sage gegeben hat, welche das erst später in die Intrigue eingeführte Muttermal noch nicht kannten" (p. 81). Ohle hat bei dieser Berechnung die Eigenart unserer Sammlung ausser Acht gelassen oder, richtiger gesagt, er konnte sie nicht berücksichtigen, da ihm nicht der Neudruck von „Westward for Smelts", sondern nur diese einzige Ge- schichte in Leonhardt's Übersetzung vorgelegen zu haben scheint. Ich habe bereits bemerkt, dass der Ton unserer Sammlung, trotz der zum Theil recht lockeren Stoffe, ein möglichst decenter ist; der Verfasser geht über die sittlich bedenklichen Situationen seiner Erzählungen rasch hinweg, ohne sich auf pikante Details einzulassen. Dieser Tendenz entspricht es vollkommen, dass er von Boccaccio, der bei der Schilderung der schönen Nudität ziemlich lüstern ver- weilt, abweichend dem Bösewicht keine Gelegenheit gibt, das unter der linken Brust der Frau befindliche Muttermal zu sehen, sondern ihm nur gestattet, ein goldenes Crucifix

1 Die editio prineeps ist nicht datiert, cf. Hazlitt p. 543 h. v. Sendebar.

* Cf. Shakespeare^ Library Part. I vol. II p. 197 ff.

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XV. WESTWARD FOR SMELTS.

zu rauben, wio ja auch Boccaccio^ Ambrogiuolo nebenbei allerlei Kleinodien au sich nimmt. Ausserdem dürfen wir nicht vergessen, dass der Engländer das Detail seiner Vor- lagen mit grösster Freiheit behandelt. Ich glaube nicht, dass wir beim Suchen nach seiner Quelle über das „Decameron44 hinausgehen dürfen, in welchem auch die folgende Geschichte zu finden ist.

No. 3. TheFishwife of Richmond (p. 37 ff.) erzählt von der ausgesperrten Nachtschwärmerin, die es listig zu Wege bringt, ihren betrogenen Gatten aus dem Haus zu locken und aus- zusperren — eine wohlbekannte Geschichte, die Boccaccio Dec. VII 4 bietet (vgl. Duulop-Liebrecht p. 239 f., Landau p. 262 f.) Ich kann nicht umhin, auf ein unsauberes Detail der englischen Erzählung aufmerksam zu machen: die Frau leert vom Fenster aus auf ihren Gatten deu Inhalt jenes Gefässes aus, welches späterhin in den Prügelscenen Smol- lett's und auch Fielding's eine grosse Rolle spielen sollte. Keine der mir bekannten älteren Versionen der Geschichte kennt dieses Intermezzo. Es kommt hier die englische Derb- heit, die englische Vorliebe für practical jdkes zur Geltuug, welche sich frühzeitig in den englischen Umformungen inter- nationaler Stoffe erkennen lässt. Ich denke dabei besonders an die derben practical jokes, welche in der englischen Prosa- version der Sage von Robert dem Teufel Robert als Narr verübt (cf. Early English Prose Romances, ed. by W. J. Thoms; London 1858; vol. I p. 1 ff.).

No. 4. The Fishwife of Twitnam (p. 47 ff.) bietet uns die Verschmelzung zweier Motive der christlichen Legende: das Keuschheitsmotiv aus der Legende des heiligen Oswald, der selbst in der Ehe jede Regung der Sinne durch eiskalte Bäder bekämpfte, und die Geschichte von dem selbstgenüg- samen Einsiedler, der auf Gottes Geheiss drastisch belehrt wird, dass eine inmitten der Anfechtungen der Welt geübte Enthaltsamkeit noch weit schwieriger und deshalb verdienst- voller sei, als seine weltentrückte Askese.1 Der Engländer

1 Cf. Nouveau Reoueil de Fabliaux et Contes in&tits, publik par M. Meon, Paris 1823, vol. II p. 187 ff . : Du Prevost cTAquilte, oh Dyun Hermite que In Dame ßst baignier tn aigtte froide ; The Bok of the

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XV. WEST WA KD FUK SMKLTS

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schickt den Eremiten statt zu dem Profoss von Aquileja zu dem König Oswald und seiner Gattin Beblam, der Tochter Kynygils, des Königs der Westsachseu. Auch hier fallen uns wieder seine beiden llaupteigenthümlichkeiten auf: er hat die Geschichte durch die Substituierung des angelsäch- sischen Königs nationalisiert, und er erzählt sie möglichst anständig; seine Königin enthält sich der Avancen, welche in den anderen Versionen die Lage des heiligen Mannes noch bedenklicher machen. Die geschickte Verschmelzung der beiden Mähren halte ich somit für das Werk des englischen Übersetzers, der von den kalten Waschungen des heiligen Oswald gehört haben musste, da or sonst schwerlich dazu gekommen wäre, ihm die Rolle des Profossen zu übertragen. Es wäre interessant zu wissen, woher ihm diese Kenntniss kam. 1 An eine italienische Quelle wird man kaum denken dürfen.

No. 5. The Fishwife of Kingstone (p. 52 ff.) erzählt von einer vornehmen Dame, die, einem Greise vermählt, ihren Beichtvater fragt, ob sie einen anderen lieben dürfte. In der Hoffnung, selbst der erwählte zu sein, legt der Priester der Sünde wenig Gewicht bei. Die Dame wählt einen anderen, der Priester spielt durch Betrug in einer Nacht die Rolle des Geliebten, uud die erzürnte Frau lässt ihn zur Strafe ver- wunden (im Original vermuthlich castrieren). Es ist mir jedoch leider nicht möglich, die Vorlage näher zu bestimmen ;

Knight of La Tour-Landry ed. by Thomas Wright, London 1868 (EETS. No. 33) Ca. CXXXIV. llow the holy htrfy approuued the hrremyte (p. 186 ff.), woselbst p. 186 als Quelle the booke of Vitas Pntrum an- gegeben ist. Ich verdanke dieso bibliographischen Notizen 8. Singer's Besprechung (AfdA. XVII 122 ff.) von Siegmar Schultze's Dootorschrift „Die Entwickelung der deutschen Oswald-Legeude" Halle 1888. Sohultzo verzeichnet weitere Litteratur ; die Verknüpfung der beiden Legenden fand ich aber weder bei ihm, noch bei Edzardi, noch bei Berger an- gedeutet. Ich schreibe sie, wie oben gesagt, dem englischen Erzähler zu.

1 Beda's und Aelfrio's Leben des angelsächsischen Königs bietet dieses Detail seiner Selbstkasteiung nioht, vgl. Sweet's „Anglo-Saxon- Readerta (Oxford 1884) p. 98 ff.; Körncr's „Ags Texte" (Heilbronn 1880) p. 16 ff.; Schultze p. 31 ff. Von Oswald's Keuschheits-Gelübde, ohne weitere Ausschmückung, spricht der Mönch Reginald (8chulze p. 34), eine keltische Legende kennt auch die Wasserkur (ib. p. 36)

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XV. WESTWARD FOR SMELT3

dass ich, höchst wahrscheinlich im Italicnischen , eine ganz ähnliche Geschichte gelesen habe, steht mir fest.

No. Ii. The Fishwife of Hampton (p. 58 ff.) führt uns auf bekannten Boden: in der spröden Schönheit Millisaut in Devonshire erkennen wir Bandello's Zilia, die ihrem Verehrer Filiberto zwei Jahre Stummheit auferlegt (III 17). Diese Geschichte, deren Original wir mit vollster Sicherheit be- stimmen können ? zeigt uns, wie willkürlich der englische Erzähler die Nebeuumstände ändert, wie gefahrlich es ist, auf Grund seiner Angaben das Detail seiner Vorlage recon- struieren zu wollen, was Ohle zur Stütze seiner Hypothese gethan hat. Ein Beispiel wird genügen: Bandello lässt den stummen Kitter in den Dienst des französischen Königs Karl VII. treten und im Krieg Ehre und Ruhm gewinnen; der Engländer sendet seinen Mann zu einem Herzog von Cornwal, dessen Kinder er in Musik uud Tanz zu unter- richten hat.

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XVI. THE JEST-BOOKS.

Das 16. Jahrhundert hat auch in England eine grosse Anzahl von Anekdoten-Sammlungen erzeugt, Compendien, welche eine mehr oder minder wüste Anhäufung von Narren- uud Schelmenstreichen aller Art enthalten. Auf dem frucht- baren Boden dieses Jahrhunderts, dem so viele formenschöne und duftreiche Pflanzen entkeimten, wucherte auch das üppige Unkraut der Zote allenthalben. Am frechsten in Italien: in PoggioTs, des hochgebildeten Humanisten, „Facetiae" ist der Höhepunkt der Schamlosigkeit erreicht.

Auf englischem Boden sind besonders folgende Sammel- werke dieser Gattung zu berücksichtigen :

1. A Hundred Mery Talys; 1520. 1

2. Mery Tales, Wittie Qucstions and Quicke Answeres; Ca. 154!>.2

3. Mcrie Tales of Skelton; lic. 1500 7.

4. Scoggins Jests; lic. 1505/0.

5. The Sackfull of Newes; vor 1575. 0. Tarltons Jests; c». 1588. 3

7. Merie Tales of the Mad Men of Ootham; s. a., aus der Zeit Heinrichs Till.

8. Pasquils Jests mixed with Mother Bunches Merri- ments; 1004. 4

1 Cf. Shakespeare'« Jest Book. A Hundrcd Mery Talys from the only perfect eopy known. Ed. by Herman Oenterley. London IHOfi.

* No. 1 und 2 bilden den ersten Band von 'Shakespeare Jest Books' ed. by W\ C. Hazlitt; London 1S«4. VrI. noch Handbook p. 299 ff.

* No. 3— cf. ib. vol. II. 4 No. 7/8 cf. ib. vol. III.

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XVI. THE JE8T-B00KS.

Auch in Thomas Twync's „Schoolcmaster, or Teacher of Table Phylosophie" (1576/83) bietet der vierte Abschnitt: Honest jests, delectable devises and pleasant purposes. 1

Diese englischen Sammlungen haben je nach der Eigen- art des Compilators ein ziemlich verschiedenes Gepräge. Der eine will volksthümlich sein, er verlegt seine Geschichten in die jüngste Vergangenheit und zeigt uns Menschen seiner Zeit, die freilich oft einen uralten Schwank vorzutragen haben ; der andere tritt mit litterarischen Prätensionen auf und deutet durch Quellen-Angaben seiue Belesenheit an. Ihrem Ge- sammt-Charakter nach beurteilt, sind sie nicht so grundver- dorben, so tief unsittlich, wie Poggio's „Facetiae", aber oft noch derber sie bieten etwas weniger moralischen und etwas mehr physischen Schmutz.

Der italienische Eiufluss kommt besonders in den „Mery Tales, Wittie Questions etc.% in den „Hundred Mery Talys'" und in „Pasquils Jeststt zur Geltung. Hier Rüden wir in condensierter Form manche bekannte italienische Novelle, welche Versionen in der den Schluss dieser Studie bildenden Tabelle berücksichtigt sind; weit zahlreicher sind jedoch die Entlehnungen aus Poggio und aus Domenichfs kFacetie, Motti, et ßurle (vgl. oben p. 60 f.). Die Schuld der eng- lischen Compilatoren an diese Männer näher zu bestimmen, habe ich in dieser, der italienischen Novelle gewidmeten Untersuchung keinen Anlass. Überdies verspüre ich keine Lust, auf diesem Gebiet, auf welchem die Zote schamlos, und zumeist auch witzlos, herrscht, weitere Forschungen anzu- stellen.

1 Cf. Collier's Account II 453 ff.

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TABELLE DER ENGLISCHEN ÜBERSETZUNGEN.

Am Schluss meiner Besprechung der hauptsächlichen Werke, welche den Engländern die Kenntnis» der italienischen Novelle vermittelten, scheint es mir rüthlich, uns die Ergeb- nisse der vorstehenden Untersuchungen übersichtlich vor Augen zu bringen. Ich füge deshalb eine Liste aller mir bekannten, dem 16. Jahrhundert eigenen Übersetzungen und nicht dra- matischen Bearbeitungen italienischer Novellen an, und damit man leicht ein Urtheil über die Beliebtheit der verschiedenen Erzählungen gewinnt, verzeichne ich auch alle Stellen, an welchen ich die Helden der italienischen Novellen erwähnt fand. Wie lückenhaft dieser Theil meiner Zusammenstellung sein wird, dessen bin ich mir sehr wohl bewusst aber ich hoffe, dass der eine oder der andere meiner freundlichen Leser Anlass nehmen wird, meine unfreiwilligen Unterlassungs- sünden gut zu machen.

Boccaccio soll den Reigen beginnen , und ihm muss ausserdem noch dadurch eine bevorzugte Stellung eingeräumt werden, dass wir, um zu einem befriedigenden Abschluss zu gelangen, die Gränze des 16. Jahrhunderts überschreiten und kurze Zeit bei der ersten vollständigen Übersetzung des „Decameron* verweilen müssen.

I. BOCCACCIO.

1. IL DKCAMERON.

Giora. I Nov. 3 Die drei Ringe:1 Painter I 30 (1566, cf. p. 2).

1 Den Novellen des „Dcoaraeron" gebe ioh zumeist die von Landau gebrauchten Titel.

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TABELLE.

I 5 Die Marquise von Monferrat: Painter II 16 (1567, cf. p. 3).

I 8 Guiglielmo Borsiere: Painter I 31 (1566, cf. p. 2).

I 10 Alberto da Bologna: Painter I 32 (1566, cf. p. 3).

II 2 Riualdo öVAsti und seine Wirthin: Painter I 33 (1566, cf. p. 3).

II 3 Die englische Prinzessin: Painter I 34 (1566, cf. p. 3).

II 4 Landolfo Ruffolo : Painter I 35 (1566, cf. p. 3). II 5 Andreuccio's Abenteuer: Painter I 36 (1566, cf.

p. 3).

II 6 Die Familie Capece: Greene (1588, cf. p. 53).

II 8 Der Graf von Antwerpen: Painter I 37 (1566, cf. p. 3). 1 Erwähnt in „The Forrest of Fancy (1579, cf. p. 45), in der Prosa-Epistel : A Lotier writ'mg to his choseti friend, icho for his sake susteyned much sorroir, exhorteth her to conihinc constant. Der Schreiber verweist tröstend auf das Schicksal des guten Grafen.

II 9 Die Wette: „Westward44 Nu. 2 (1620, cf. p. 73). III 5 Zima's Monolog: „Forrest of Fancy k No. 1 (1579,

cf. p. 44).

III 9 Giletta di Nerbona : Painter 138 (1566, cf. p. 3).

IV 1 Guiscardo und Ghisnionda: 1. rThe amerous Ay- story of Ouystorde and Sygysmonde* von William Walter (1532); 2 2. Painter 1 39 (1566, cf. p. 3). Erwähnt 1. von

1 Eino wenig bekannte metrische Version (in heroic couphts) dieser Novelle entstand zu Anfang de» 18. Jahrhunderts, wohl nach dem Bei- spiel der Drydcn'schen Übersetzungen: Viofenta, or the Rarani* of Virtur: lum\i from Boccace itifo Verse. London 1704. Anonym; der Katalog des British Museum nennt Mary Pit als Verfasserin.

2 Vgl. über diesen Mann und sein Werk Zupitza's bereits er- wähnte Abhandlung „Die mittelenglischcn Bearbeitungen der Erzählung Boccaccio^ von Ohismonda und Guiscardou in Geiger's Vierteljahrs- schrift I 63 ff. Walters Gedicht beruht auf der lateinischen Prosn- version des Leonardo Bruni, er nennt, in Übereinstimmung mit den alten Drucken der Prosa Bruni's, Boccaccio'* Guisrardo : Guysfarde. Es ist bemerkensworth, dnss wir oben auch bei Peend, Howell und Riehe dieser Form des Namens begegnen worden , und dass Howell in der ersten Fassung seines Gedichtes auch die Heldin mit dem bei Bruni

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TABELLE

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Thomas Peend 1 in „The Pleasant fable of Hermaphroditus and Salmacis". With a morall in English Verse. (1565): Kyng Tancreds doughter Gysmond dyd loue Guistardes bewty bryght, mit der Anmerkung : Gysmonde. Onelye daughter of Tancrede, kyng of Salerne: which loued a sei-vaunte of her fathers: and beinge taken in adultery together, in a Caue in the grounde, the kinge caused her louer Guistarde to be hanged therfore, and sent his harte unto her: whych imbraeynge it, layd it an her breste, agaynste her owne hart, and dranke a cnppe of poyson immedyatly, wherof dyenge : she desyred that they myghte be buryed together; 2. von Thomas llowell, und zwar zuerst in „Neice Sonets and pretie Pamphlets'' (s. a., lic. 1567/8) in dem Gedicht An humble sute to his friende, requesting Loue for Loue, 2 welches Gedicht llowell unter dem Titel „Loue asketh loue* mit geringfügigen Textande- rungen in seinen vDeuises for his owne exercise, and his Friends pleasure" (1581) wiederholt hat. In dieser Samm- lung lauten die Boccaccio's Helden betreffenden Verse nach dem Text der editio prineeps:

I reade howo loue did Gismond wounde

The childe of Tancred, Salerne king:

Her fauour Guistarde constante founde,

8he fanoied eise no other thing,

For riehen nought, nor for his wealth,

Whercof he had but little störe,

His vertue was her onely health,

She likte that well, she sought no more.

They had their hoped hap and ioyo,

If Tanored could contente him so,

But he by working their annoye,

Unto himselfe brought greatest wo.

You arc that Gismond fayro and bright;

Would I had Guistards vertuous Ufo,

And Tancred ehast cleane out of sight,

Then would I wyshe for such a wife.

und Walter erscheinenden Namen bezeichnet: / read the woes o/Sigis- mondc, The chihle of Tanckred, Salerne Kinge.

1 Auch de la Peend. Das oben erwähnte Gedicht ist unterzeichnet: T. D Peend, die Widmung seiner „Historie of the lorde Mandozze" (cf. p. 95 f.) T. Delapeend.

* Cf. The Poems of Thomas Ho well. Ed. by A. B. Grosart s. 1. [Manchester] 1879; p. 128 f.

qf. lxx. 6

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TABKLLE

3. von Barnabe Riehe (1574, cf. p. 47).

IV 2 Der Engel Gabriel: „Tarltons Newes" No. 2 (1590 ef. p. 63). Nachgeahmt von Whetstone (1582, cf. p. 35 f.) Erwähnt von Greene (1589, cf. p. 54 f.).

IV 4 Gerbino und die Prinzessin von Tunis: Turbervile „Tragieal Tales" No. 6 (c-. 1570). 1

IV 5 Der Rasiliontopf: Turbervile No. 7 (c\ 1576).

IV 7 Die giftige Salbei: Turbervile No. 9 (c*. 1576).

IV 8 G irolamo und Salvcstra: Turbervile No.l0(c». 1576).

IV 9 Das Herz des Geliebten: Turbervile No.4(cM576).

V 1 Erziehung durch Liebe: pleasant and delight- full llistory of Gahsus Cytnon and Iphi genta: Describing the ßcklenesse of Fortune in loucü. Translated out of Ha- lt an iuto Enghshe versc, by T. C. Gent. s. a. (wird wohl mit Recht in das dritte Viertel des 16. Jahrhunderts gesetzt).2 Den schönen Anfang dieser Geschichte verwendet Greene zweimal (K>84, cf. p. 52 und 1589, cf. p. 53 f.).

V 2 Gostanza und Martuccio Gomito: Greene (1588, cf. p. 53).

V 7 Teodoro und Violante: „Forrest of Fancyu No. 2 (1579, cf. p. 44).

V 8 Die Spröde und der gespenstische Jäger: 1. VA Notable Historye of Nastagio and Trauersari, no lesse pitic- full then pleasaunt. Translated out of Italian iuto Ettglish verse by C T. (1569);» 2. Turbervile No. 1 (C. 1576). Erwähnt in „The Forrest of Faney" (1579, cf. p. 45), in dem Gedicht The lamentable coinplaiut of a Louer: I might bring in Nastagio if I icould.

VI 4 Der einbeinige Kranich: „Tarlton Newes44 No. 4 (1590, cf. p. 63).

VI 10 Die Reliquien des Frate Cipolla: „Tarlton Newesfc No. 5 (1590, cf. p. 63). Erwähnt von Greene (1589, cf. p. 54).

1 Cf. meinen Aufsatz „George Turbervile'e Verhältnis» zur ita- lienischen Litteratur", Anglia XIII p. 42 ff.

8 Cf. Warton IV 338; Collier „Account* I 302. Da« Gedicht ist übrigens nicht in Stanzen, wie Warton und Dunlop-Liobrecht p. 234 bemerken, sondern in paarweise gereimten Septenaren abgefasst.

a Cf. Wnrton TV 338; Collier II 19 ff.

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TABELLE.

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VII 1 Der Liebhaber als Gespenst: „The Cobler of Caunterburie" No. 2 (1590, cf. p. 67).

VII 4 Der ausgesperrte Ehemann: „Westward* No. 3 (1620, cf. p. 74).

VII 5 Der Eifersüchtige als Beichtvater: eine ähnliche Geschichte findet sich nach Collier's Angabe (Account II 455) in Thomas Twyne's „Schoolemaster" (1576, cf. p. 78).

VII 6 Liebhabor als Verfolger und Verfolgter: 1 „Tarl- ton Newes" No. 7 (1590, cf. p. 63); 2. „Mery Tales, Wittie Questions etc." (c*. 1549, cf. p. 77) No. 51: Of the inholders tryfe and her two louers.

VII 7 Der geprügelte Ehemann: 1. „A Hundred Mery Talys" (1526, cf. p. 77) No. 3: Of the tryfe that mayd hyr husbande to go zijt in the herber in the vyght irhyle her prentya lay with her in her bed ; 2. „The Sackfull of Nowes" (vor 1575, cf. p. 77) p. 169 f. Ein ähnliches Motiv findet sich im „Cobler of Oaunterburye" No. 1 (1590, cf. p. 65 f.).

VII 8 Die verstümmelte Stellvertreterin : „The Cobler of Caunterburie" (1590, cf. p. 67) No. 2. Ähnliche, jedoch aus anderen Quellen geschöpfte Erzählungen finden sich 1. in „Merie Tales of the Mad Men of Gotham" (aus der Zeit Heinrichs VIII, cf. p. 77), The twelfth Tale, die an „Li Fabliau des Treces* erinnert; 1 2. in „Wcstward" No. 1 (1620; cf. p. 72).

VIII 4 Der Propst von Fiesole: Nachgeahmt von Whet- stone (1582, cf. p. 35 f.).

VIII 7 Die Wittwe und der Student: Painter II 31 (1567, cf. p. 3).

IX 2 Die Äbtissin und die Nonne: 1. Thomas Twyne „The Schoolemaster" (1576, cf. p. 78)-; 2. William Warner „Albion's England44 (1586/02). 3

IX 6 Die Wiege : über eine vermutlich zu Anfang des 16. Jahrhunderts verftisste, aber nicht auf lioccaccio's Novelle beruhende Version dieser Geschichte, betitelt VA ryght

1 Cf. Nouveau Recueil de Fabliaux et Contes inödits, publik par M. Meon; vol. I p. 343.

2 Cf. Collier II 455.

9 A. Chalmera' „Engliflh Poetn" vol. II (London 1810) p. 570.

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TABELLE.

pleasaunt and merye Historie of the Mylner of Abyngton etc.tt vgl. IL Varnhagen's Aufsatz „Die Erzählung von der Wiege* ESt. IX 240 ff.

X 3 Gastfreundschaft: Painter II 18 (1567, cf. p. 3).

X 4 Die Scheintodte: 1. Painter II 19 (1567, cf. p. 3); 2. Turbervile No. 3 (c\ 1576).

X 5 Der Zaubergarten im Winter: Painter II 17 (1567, cf. p. 3). Erwähnt von Melbancke im „Philotimus" (1583, cf. p. 60). Melbancke hatte jedoch vermuthlich die iden- tische Erzählung des „Filocolo" vor Augen, vgl. p. 88.

X 8 Die Freunde: 1. „The hysiory of Tytus and Gesyp- pusu frans! ated out of latyn in to englyssht by Wyliyam Walter s. a. Walter's Quelle ist noch nicht bestimmt. 1 2. uThe Boke named the Gouemour, deuysed by sir Thomas Elyot knightu (1531). The seconde Boke. Ca. XII: The wonderfull history of Titus and Gisippus, and whereby is fully declared the figure of perfet amitie.2 3. Tlie most tconderfuU and plea- saunt History of Titus and Gisippus . . . drawen into Eng- lish metre. By Edward Leivicke* (1562); 4. Faithful Friend- ship: Or, Alphonso and Gansdo. To the Tune of Fitfing Farne. Eine Ballade in gereimten Septenaren :

In stately Rorae some timo did dwcll

A Man of Noble Farne, Who had a 8on of seemly Shape

Alphonso was his Name etc.

Ob diese Ballade noch dem 16. Jahrhundert angehört, ver- mag ich nicht mit Sicherheit zu sagen. Sie findet sich in

1 Brunet gibt bei Bandello und Walter des ersteren lateinische Version dieser Novelle: Titi romani et Egesippi athenienais amicorum historia, in latinum versa. Metliolani 1509 , als Quelle Walter's an. Eine Verglcichung wird er schwerlich vorgenommen haben.

2 Wir haben einen schonen Neudruck dieses Werkes: Edited from the first edition of 1531 by Henry H. Stephen Croft. In 2 vols. ; London 1880; cf. vol. II p. 132 ff. Croft bietet unter Elyot's Text den latei- nischen Text des Filippo Beroaldu, betont jedoch, dass Elyot sowohl von dieser lateinischen Übersetzung, als auch von Boocaccio's Original erheblich abweicht.

* Nach Collier „Pootical Decameron" I p. 79 ff. hat Lewicke sich eng an Elyot gehalten.

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TABELLE.

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einer Sammlung, betitelt A Collection of old Balktds. Corrected from the best and most ancient copies extant. With intro- duetions Historical, Critical, or Humorous. London 1723/25, 3 vols; vol. II p. 145/51. Der anonyme Herausgeber war vollkommen im Unklaren hinsichtlich der Quelle dieser Ballade: / remember indeed an old Novel written on the same Sub- ject . . .,but that Novel I take to be borrowed from the Ballad, not the Ballad from the Novel, our Song being certainly by much the more ancient. Theilweise nachgeahmt von Greene (1592, cf. p. 54). Ausserdem soll Thomas Underdowne ein wahrschein- lich verlorenes Werk uponthe friendships of Titus and Gesyppus, Orestes and Pylades etc. verfasst haben (cf. Collier Account I 233). In der englischen Litteratur des 16. Jahrhunderts finden sich zahllose Anspielungen auf die Helden dieser Er- zählung, jeder Autor, der das Thema der Freundschaft be- rührt, nennt ihre Namen. Es wäre zwecklos, den Leser mit der Menge der mir vorliegenden Belege zu belästigen.

X 9 Sultan Saladin und Torello: Painter II 20 (1567, cf. p. 3).

X 10 Griseldis: 1. The Pleasant and Siveet History of Patient Grissel. Translated out of Italian. London s. a. 2. The Ancient True and Admirable History of Patient Grisel. Written first in French. London 1619. Der Herausgeber dieser zwei Versionen1 hält es für sehr wahrscheinlich, dass

1 Cf. The History of Patient Grisel. Two early Tracts in Black- lotter. With an introduotion and Notes by J. P. Collier (Percy Soo. voL III), London 1842; p. VIII. Die oben an erster Stelle angeführte Version bespricht Friedrieh von Westenholz „Die Griseldis-Sage in der Literaturgeschichte*4, Heidelberg 1888; p. 59 ff. Wenig bekannt dürften folgende von Westenholz nicht erwähnte spätere Fassungen dieser Geschichte sein: 1. nG aalt her us and Griselda: or the Clerk of Oxford* 8 Tale". Front Boccace, Petrarch, and Omucer. By George Oyle. London : printed for B. Dodsley. 1739. In heroic Couplets (2534 Verse). Der Verfasser, der sich auf Dryden's ruhmvolles Beispiel beruft, schliesst sich in erster Linie an Chaucer an, will jedoch auch die Schönheiten Boccaccio's und Petrarca's, dessen latein ische Version er über Boccaccio'» Original stellt, berücksichtigt haben. Sein Gedicht ist ein echtes Produkt seiner Zeit : weitschweifig und rethoriach aufgeputzt, hat es mit Chaucer'» rührender Dichtung nur die Thatsaohen, nicht den Geist gemein. 2. „Patient Griselda: A Tale". From the Italian of Boccaccio. By Miss

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TABELLE.

sie vor 151*0 entstanden sind. Erwähnt wird die durch Chaucer nationalisierte Dulderin auch im 16. Jahrhundert häufig als Typus weiblicher Treue und Milde.

Das 16. Jahrhundert ging zu Ende, ohne eine voll- ständige englische Version des „Decameron" geliefert zu haben. Erst im zweiten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts wurde dieses Unternehmen gewagt, und es wäre beinahe noch in der Stunde der Ausführung vereitelt worden: die geist- liche Behörde erhob 1619 in der Person des Erzbischofs von Canterbury Protest gegen die Veröffentlichung dieser Über- setzung. Gleichwohl erschien dieselbe schon im folgenden Jahr, betitelt: The Decameron, containing an hundred [dea- sant Novels, wittily discoursed between seven honourable Ladies and three nobU Gentlemen. In (wo Parts. London, printed by Isaac Jaggard, 1620. Diese scheinbare Incon- sequcnz des geistlichen Oensors wird uns sehr verständlich, wenn wir uns die englische Übersetzung näher ansehen und uns überzeugen, dass der anonyme Verfasser uns nicht die ursprüngliche, sondern die von der römischen Kirche sank- tionierte Form des „Decameron" bietet : er hat seiner Arbeit den beschnittenen Text des Cavalier Lionardo Salviati 1 zu Grunde gelegt. In Folge dessen weicht diese erste eng- lische Übersetzung des „Decameron" an zahllosen Stellen von Boccaccio's Sinn und Wortlaut ab. Die auffälligsten Ände- rungen sind, dass Frate Alberto die von ihm bethörte Schöne nicht mehr als Erzengel Gabriel besuchen darf, sondern mit der Maske Cupido's vorlicb nehmen muss,2 und dass Bruder

Sotheby. Bristol 1798. In heroic couplets. Ausserdem findet sieh in der Sammlung „The New Paradise of Dainty Devices: consisting of original Poems". Dy diferent hands. London 1777 ; p. 31 ein sehr thörichtes Gedicht, überschrieben: The Death of Patient Grizel, and Advice to the Ladies, being the Sequel of Chaucer* s Clerkes Tale, eine plumpe Nachahmnng des bekannten Envoy.

1 II Deeameron di Messer Giovanni Boooaooi ... Di nuovo ristampato ... dal Cavalier Lionardo 8alviati. Quarta editiono. Fircnze MDLXXXVII.

2 IV 2 Fryar Albert made a young Venetian Gentlewoman btleeue. that God Cupid was falne in loue with her, and he resorted o/tentimes unto her, in the disguisc of the same God.

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TABELLE

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Zwiebel seinen Bauern statt einer Feder aus dem Flügel des besagten Engels eine Feder des Phönix , der in Noah's Arche war, vorlegen muss. 1 Für die schlimme Historie von Alibech und Rustico (Dec. III 10) erzählt uns der Engländer die Geschichte der schönen Syritha des Saxo Grammaticus, 2 wie er sie im vierten Bändchen der „Histoires Tragiques" des Belleforest gelesen hatte. 3 Ausserdem Hess er es sich angelegen sein, den Überschriften der Novellen moralische Erläuterungen anzufügen. So lesen wir z. B. vor der ersten Novelle: Wherein is contained, how hard a thing it is, to distinguish goodnesse from hypoerisie; and how (under the shadoic of holinesse) the wickednes of one man mag deeeiue mang.

Diese Übersetzung erlebte im Laufe des 17. Jahr- hunderts mehrere Auflagen. Der erste Theil wTurde schon 1625 neu gedruckt, und zusammen mit den noch vorhandenen Exemplaren des zweiten Theiles der editio prineeps auf den Markt gebracht. In Folge dessen finden sich Drucke, welche auf dem Titelblatt des ersten Theiles die Jahreszahl 1625, auf dem des zweiten aber 1620 tragen eine Unregel-

1 VI 10 Fryer Onyon promised certaine honest people of the Countrey, to shetc them a Feather of the same Phoenix, (hat was with Noah in his Ärke. In sted whereof he found Coales, which he auouched to he those very coate, wheretoith the same Phoenix was roasted.

* Cf. Historia Danica. Ree. P. E. Müller, Hayniao 1839; vol. I p. 330 ff.

s Fol. 112 ff.: The wonderfull and chaste resolued continency of faire Serictha, daughter to Siwalde, King of Denmark , who heing 80ught and sued unto by many worthy persans, that did affect her dearly, would not looke any man in the face, until such Urne as she was married Hist. 75 me Merveilleuse Continence de Syrithe, fillt du roy de Dannemarch , ne voulatit iamuis regarder homme en la face iusques ä tant qu'clle fut marii'c. Bei Robert Greene finden "wir wiederholt Anspielungen auf diese Sage, welche eine verschiedene Fassung derselben voraussetzen, wenn wir nioht eine willkürliche Ände- rung Greene1» anzunehmen haben, vgl. Mamillia (1583): Sirichia, the Daughler of Smald, kiny of the Danes, could not be perswaded by her father to forsake her virginitie, but the third day after his death she was betroathed but to a meane Squire (Grosart vol. II p. 52); Gwy- donius (1587 J : Did not Sirithia, the Princesse of Denmarke, reiect most Itrincely Potentates, and at last aeeepte a poore ptasant (vol. IV p. 132).

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TABELLE

mässigkeit, die schon manchem Bibliographen aufgefallen ist. 1 Weitere Auflagen folgten in den Jahren 1634, 1655, 1657 (Neudruck des ersten Theiles, mit Verwendung der Testie- renden Exemplare des zweiten Theiles von 1655), 1684. Den ganzen Rahmen und 40 Novellen dieses ersten englischen ^Decamerontt hat vor einigen Jahren Henry Morley, mit leichten Änderungen, als 15. Band von Morley's Universal Library herausgegeben. 2

2. IL FILOCOLO.

Lib. V Questione IV Der Zaubergarten im Winter: er- wähnt von Melbancke im „Philotimusu (1583, cf. p. 60).

Lib. V Questione XII Die schwierige Wahl: erwähnt von demselben 1. c.

Sämmtliche 13 Geschichten wurden, wie bereits gesagt (p. 60), von H. G. übersetzt und 1567 veröffentlicht. Betreffs dieser Übersetzung und ihren verschiedenen Auflagen, sowie betreffs Bartholomew Young's Version der „Fiammetta" (1587) habe ich Hazlitt's Angaben im „Handbook" p. 42 f. nichts anzufügen. Dagegen möchte ich noch auf eine Über- setzung eines der weniger bekannten Werke des Certaldescn aufmerksam machen, das die Bibliographen in dem englischen Gewand nicht erkannt zu haben scheinen. Hazlitt 1. c. p. 234 verzeichnet: A Famous tragicall discourse of two lovers, Affrkan and Mensola, their lives, unfortunate loces, and lamentable deaths, together with the of^spring of the Floren- tines. A History no lesse pleasant than füll of recreation and delight. Newly translated out of Tuscan into Frencht by Anthony Guerin, domino Creste. And out of French into English by Io. Goubourne. London 1597. Über die italie- nische Quelle äussert sich Hazlitt nicht. Schon vor ihm hatte Collier (Account! 13) dieses Werk sehr ungünstig besprochen : this prose romance, written in an ajfected style, and the lati- guid story devoid of interest . . . the 18 tedious chapters of

Cf. J. P. Collier'8 „Poetical Decamoron* vol. I p. 196.

The Üeoamoron of Giovanni Boooaooio inoluding forty of ita Hundrod Novels. With an introd. by Henry Morley. 4 * ed. ; London (Routledge and Sons) 1886.

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ichich the Romance consists. Obwohl er bemerkt, dass am Schlüsse der Geschichte zu lesen ist: Thus endeth Maistcr John Bocace to his Flossolan [!]: Data f ata secutus, scheint er doch nicht geglaubt zu haben, dass wir es hier wirklich mit einem Werke Boccaccio's zu thun haben, denn er schliesst seinen Artikel mit den Worten: The whole merüs notice only on aecount of its extreme rarity. Ooubourne's Büchlein ist aber, neben seiner Seltenheit, auch noch aus einem anderen Grunde merkwürdig: es bietet uns eine wahrscheinlich schon von dem vermittelnden Franzosen in Prosa aufgelöste und gründlich verdorbene Dichtung Boccaccio's des Certal- desen „Ninfale Fiesolano ossia Vinnantoramento di Affrico e Mensola". 1

II. BANDELLO.

Parte I Nov. 2 Ariabarzane Senescalco del Re di Persia, quello it uol uincer di cortesia: Painter II 4 (1567, cf. p. 7).

I 4 La Contessa di Cellant : 1. Pen ton No. 7 (15(37, cf. p. 14); 2. Painter II 24 (1567, cf. p. 8); 3. Whetstone (1576, cf. p. 30 f.). - Erwähnt 1. von Pettie (1576, cf. p. 23); 2. von Whetstone (1582, cf. p. 36).

I 8 Giulia da Gazuolo : Fenton No. 8 (1567, cf. p. 14).

I 10 Maometto Imperador de Turchi, crudelmente am- tnazza una sua Donna: Painter I 40 (1566, p. 6). 2

I 14 Antonio Perillo, dopo molti trauagli, sposu la sua Amante, e la prima notte sono dal folgore morti: Fenton No. 12 (1567, cf. p. 14).

I 15 Dui Gentilhuomini Venetiani honoratamente da le Mogli sono ingannati: Painter II 26 (1567, cf. p. 8).

I 21 Mirabil beffa fatta da una Gentildonna ä dui Baroni del Regno d'Ongaria: 1. Painter II 28 (1567, cf. p. 8); 2. Whetstone (1576, cf. p. 31).

I 24 Una Donna (falsamente incolpata) e posta per esca ä i Lioni: Painter I 41 (1566, cf. p. 6).

1 Eine schöne Würdigung dieser Dichtung gibt Gtwpary, GIL. II 15 ff.

* Im Jahre 1611 veröffentlichte William Barksted ein Gedicht: „Hiren, or the Faire Greeke* cf. Handbook p. 26; Shakespeare'* „Cen- turie of Praysc14. 2"* ed. (London 1879), p. 83.

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im

TABKLLK.

I 2(5 11 S. Antonio Bologna sposa la Dttcfwssa di Malß, e tutü dui sono ammazzati: Painter II 23 (1567, cf. p. 8). Erwähnt 1. in „The Forrest of Fancy* (1579, cf. p. 45); 2. von Whetstone (1582, cf. p. 36); 3. von Greene (1584, cf. p. 52).

I 27 Don Diego da la sua Donna sprezzato, ä starsi in una Grotta; e come n'usci: 1. Fenton No. 13 (1567, cf. p. 14); 2. Painter II 2\) (1567, cf. p. 8); 3. Whetstone (1576, p. 31) 4. „Diella, Certaine Sonnets, adioyned to the amorous Poeme of Dom Diego and Gineura". By R[ichardj LfynchJ. London 1506 (cf. Handbook p. 335). Dieses seltene Büchlein bietet an erster Stelle 38 Sonette, deren letztes der Prolog der Erzählung ist:

Sonnet XXXVIII Harken awhile (Diella) to a storie,

That teils of beauty, loue, and great disdainc, The last, caused by suspect; but ahe was sorry That tooke that cause, true loue so rauch to paine, For when she knew his faith to be unfained, Spotles, sinoere, most true, and pure unto her, Shee ioy'd as if a kingdome sheo had gained, And lou'd him now as when he first did woo her . . . Reade all, my Deare, but chiefly marke the end, And be to mee, as shee to him, a friend.

Das Gedicht selbst, überschrieben The Ijoue of Dom

Diego and Gyneura, zählt 154 Strophen, deren erste lautet

In Gatheloygnc, o'repoerd by Pyren Mountainos,

(A Prouinco seated in the East of Spaine,

Famous for hunting sports, and clcorest fountains)

A young heroyck gallant did remaine;

Hee Signier Dom Diego had to name,

Who for his constant faith had got such fame.

Erwähnt in „A gorgious Gallery of gallant Iuuentions" (1578,

cf. Ilandbook p. 483), im 23. Gedichte dieser Sammlung,

betitelt: The Louer tvonnded with his Ladies beauty craueth

merey. To the Tune of where is the life that late 1 led.

Not wofull Monaier dorn Dieg

Or Priam8 noble sonne, Constrayned by loue did euer mone As I for thee haue donne. 1

1 Citiert naoh dem Neudruck des Roxburghe Club : Three Colleetions of English Poetry of the latter part of the 16,h Century. London 1844.

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TABELLE.

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I 28 Varii accidenti . . . auuenuti ä Cornelio per amor (Pirna Giovane: Fenton No. 5 (1567, cf. p. 14).

I 33 Dui Amanti si trouano la notte insieme, e il Giouine di gioia si muore, e la Fanciulla di dolor s'accora: Fenton No. 2 (1567, cf. p. 14). Erwähnt von Barnabe Kiche (1574 cf. p. 47).

I 36 Disonestissimo Amore di Faustina Imperatrice: Painter II 10 (1567, cf. p. 7). Erwähnt 1. von Pettic (1576, cf. p. 23) ; 2. von Whetstone in „The Rocke of Regard (1576, cf. p. 30 ff.), in dem 4. Theil „The Ortchard of repen- tance" : 1t seemeth his Lady Laymos . . . was in very deede as fayre as Flora, as faithful as Faustine, as louing as Layis, as meeke as Aledea, as honest as Hellen, as constant as Cressed, and as modest as Maria Bianca (p. 81).

I 41 Infelice esito de V Amore del Re Masinissa e de la Reina Sofonisba: Painter II 7 (1567, cf. p. 7).

I 42 // S. Didaco Centiglia sposa una Giouane, e poi non la uuole, e da lei k ammazzato: 1. Painter I 42 (1566, cf. p. 6); 2. „A most lamentable and Tragicall historie, con- teyning the outragious and horrible tyrannie which a Spanishe gentlewoman named Violenta executed upon her louer, Didaco, because he espoused another beyng first betrothed unto her. Newly translated into English meter, by TfhomasJ AfchelleyJ. London 1576. 1

I 44 II Marchese Niccolö Terzo da Este, trouato il Figliuolo con la Matrigna in adulterio, ä tutti dui . . . fa mozzar il capo: Smyth No. 4 (1577, cf. p. 42).

I 45 Anna Reina d'Ungaria amata da huomo di basso legnaggio, quello magnificamente rimeritd: Painter II 21 (1567, cf. p. 7).

I 49 Anselmo Salimbene . . . libera il suo Nemico da la morte, e la Sarella di quello pr ende per Moglie: 1. Fenton No. 1 (1567, cf. p. 14); 2. Painter II 30 (1567, cf. p. 8).

I 51 // Caualiero Spada per gelosia ammazza se stesso et anco la Moglie: Fenton No. 4 (1567, cf. p. 14).

I 52 Bellissima uendetta che fece un Schiauo de la

1 Ziemlioh ausführlich besprochen in Collier'8 Account I 4 ff.

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92

TABELLE.

tnorte del suo Soldano contra un maluaggio figliuol di quello : Smyth No. 3 (1577, cf. p. 42).

I 55 Un Castellano, trouata la Aioglie in adulterio col suo Signore, gli ammazza : Painter II 33 (1567, cf. p. 8).

I 56 Strana e merauigliosa usanza che era attticamente in Hidrusa: Painter II 9 (1567, cf. p. 7).

I 57 Una cortesia usata da Mansore Re e Pontefice Maomettano di Marocco ad un pouero Pescatore: Painter II 34 (1567, cf. p. 8).

Parte II Nov. 7 UAbbate Gesualdo uuol rapir una Giouane: Fenton No. 6 (1567, cf. p. 14).

II 9 La sfortunata tnorte di dui infeliei Amanti, che Vuno di iteleno, e Valtro di dolore morirotio, con uarii acci- denti (Romeo e Giulietta): 1. Hie Tragicall Historge of Romeus and Juliet, twitten first in Italian by Bändelt, and nowe in Engliifhe by Ar[thurJ B[rooke]. London 1562 ; 1 2. Painter II 25 (1567, cf. p. 8). Erwähnt 1. von G. Turbervile in seinen „Epitaphes etc.u (1563? cf. Anglia XIII 42 Anm. 2), in dem Gedicht An Epitaph on the death of Maister Arthur Brooke :

ho for Myter did exoell

Ah may bo iudge[dj by Juliot and hir mato: For there he shewde his cunning passing well Whcn he the Tale to Englishe did translato;1

2. von Thomas Peend in „The Pleasant fable of Herma- pliroditus and Salmacis* (1565):

And Juliet Romeus yonge for bewty dyd imbraee, Yot dyd his manhode well agree, unto hys worthy graco. So seemely shape dyd loue procure: And Venus byrdes oame to the Iure,

1 Näheres über Brooke's Verh&ltniss zu seiner unmittelbaren Vor- lage, der französischen Version Boisteau's, bei P. A. David, in der Ein- leitung seines Neudrucks der beiden englischen Übersetzungen (New Hhakspere Soo. : Originals and Analogues Part. I, London 1875). Vgl. auch Ludwig Fränkel's Dissertation „Untersuchungen zur Entwioke- lunga-Goschichte des Stoffes von Romeo und Julia" in der Zschr. f. vgl. Litt-Gesch. und Ren. Litt. n. F. III 171 ff., IV 48 ff.

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TA HELLE

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mit der Anmerkung: Juliet. A noble mayden of the Cytie Verona in Italye, whyche loued Romeus, eldest sonne of the Lorde Montesche, and beinge pryuely tnaryed togyther: he at last poysoned hym seife for loue of her, she for sorotve of hys deathet slewe her seife in the same Tombe, wyth hys dagger 3. von Barnabe Riehe (1574, cf. p. 47) ; 4. von Pettie (1576, cf. p. 23) ; 5. in „A gorgious Gallery of gallant Inuentions" (1578), in dem oben p. 90 erwähuten Gedicht:

8ir Romeus annoy

But trifle seems to in ine,

Whosc hap in winning of his loue

Did clue of cares untwino;

0. in „A poore Knight his Pallace of priuate pleasures44 (London 1579) in der ersten Vision des armen Ritters The Vale of Venus:

Verona path wo left, whero Romeus doth lye, Where Juliet with Iconia inioy a place thereby,

4

und in der dritten Vision : Justice and Judgement, pleaded at Beauties Barre:

Next to the gate, faire Juliet dyd lye, And in the Court young Romeus did stay: Faire Cinthia gaue leue, to peke and pry, But shee oft sayd, when -wilt thou oomo away. Windows (quoth hee) I woulde aasend, faire May, I looke to see the place, where erst I oamo But Tybalt hee, hath olosed up the same.1

7. von Whetstone in „Heptamerontt (1582), The thyrd Daies Exercise (vgl. oben p. 34 f.) : Piramtis and Thisbie, Romens and Juliet , Arnalt and Amicia, and diuers others at the point to possesse their loues, teere dispossest of their liues, but yet unstained with dishonesty.

8. von Richard Stanyhurst in den seiner Virgil-Übersetzung vom Jahre 1582 angefügten Poetical deuises (cf. Handbook p. 632), in dem satirischen Gedicht An Epitaph entituled Commune Defunctorum , such as our unlearned Rithmours

1 Citiert nach dem p. 90 Anm. erwähnten Neudruck des Roxburghe Club. Beide Stellen werden auch von Collier angefahrt, in seinem „Account«4 I 233, II 183.

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94

TAHKU.K.

accusfotnahly malte lipon the death of euerie Tom Tyler , as if it teere a last for euery one his foote:

O you cursed Parcas, why kyld ye the good son of Atlas? And whye, without mercy, doe ye slca the fayre ladye ThUbee, A Sara for goodnesse, a great Bellona for hudgnesse, For myldonosae Anna, for chastitye godlye Susanna, Hcster in a good ehift, a Jadith stoute at a dead lift, Also Julietta, with Dido, ritch Cleopatra ....

citiert nach dem Text der 2. Auflage von 1583 ; 9. von Mel- bancke (1583, of. p. Gl): 0 Troylus teeepe tto more, faire Cressed thyne is lothlye fotvle. Nor Hemdes thou häufe cause to rannt for thy swete Omphale, nor Romeo thou hast cause to weepe for Juliets losse, if euer Aurelia had saluted your sight; 10. in „A Handofull of Pleasant Pelites by Clement Robinson and Diuers Others" London 1584; in dem 17. Ge- dicht: A Warning for Wooers . ... To Salishurie Plaine.

(st. 8) Where was thero found a happier wight Then Troylus was, tili loue did light? What was the end of RomeuR? Did he not die, like Piramus?

citiert nach dem Text des Neudrucks der „Heliconia". Ed. by T. Park, London 1815, vol. II.

II 12 // Marito ftrouata la Moglie in adulterio) fa che impicca V adultcro : Painter I 43 (1566, p. 7).

II 14 Meyuolo Lercaro Oenouese hattuto da un Fauo~ rito de Vlwperadore di Trebisonda, gli fa di molti danni: erzählt von Thomas Lodge (1593), aber nach einer anderen Vorlage (cf. p. 69).

II 1 5 AlessandrOy Duca di Firenze, fa che Pietro sposa una Mugnaia che haveva rapita : Painter II 22 (1567, cf. p. 7).

II 26 Luchino Viualdo ama lungo tewt/w), e non t amato: Fenton No. 10 (1567, cf. p. 14).

II 27 Aleramo et Adelasia: Painter I 44 (1566, cf. p. 7). Erwähnt 1. von Thomas Peend „Hermaphrodirus etc.14 (1565):

The Emperour Othons doughter dere Adelaaie dyd so Regarde the lyuely Aleran, that uhe wyth hym did go

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Tabelle.

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To countreyes straungc : content by hazardo of her lyfe,

Agaynst tho wyll of all her freindes, for to beoome hys wyfe.

With pryncelyke lyfe, for hym ahme an Empyre she wolde lose,

With hym to leade a symple lyfe muoh rather she dyd chose,

All pleasureg in the worlde, in hym alone she then dyd take,

All freindes, for hym alone also she gladly dyd forsake.

With hym for nede right wel she was contented coles to makc,

To couche in cotage lowe, on symple foode to fare.

For all the world, excepted hym, she toke no kynde of care,

He was her blysse. Her ioye was hee And nothing eis ostemed shee;

mit folgender Anmerkung: Adehtsie. Doughter and onelye chylde of the Eniperour Otho the thyrde, so excedynglye she was enamoured of the most valiant Aleran, sonne of a Duke of Saxony that she procnred hym pryuelye to conuey her awaye, uhich by the helpe of an old lady her nurve, he hrought to passe. And afiertrarde heinge rohed of suche money as they had prouyded, they lyued long in a woode, and made coles for theyr lyuynge^ and bare hym seuen sonnes theare, and afteiivarde by the valyantc feates of her eldest sonne, they were hnouen to the Emperoure: and so had hys fauoure agayne, and enioyed the Empyre öfter hym; 2. von Pettie (1576, cf. p. 23); 3. im „Forrest of Fancy" (1579, cf. p. 45) zweimal.

II 33 Infortunato et infausto Amore di Madatna di Cabrio Fronen zale con un suo procuratore: 1. Fenton No. 9 (1567, cf. p. 14); 2. Barnabe Riehe (1574, cf. p. 47).

II 36 Nicuola innamorata di Lattanzio va ä seruirh uestito da Paggio : Rarnabe Kiche No. 2 (1581, cf. p. 49).

II 37 Odoardo III. Ee d'Inghilterra ama la Figliuola d'un suo soggetto, e la piglia per Moglic: Painter I 46 (1566, cf. p. 7); 2. Of King Edward III and the Fair Countess of Salisbury, setting forth her Constancy and Endless Glory. Eine Ballade, enthalten in der oben p. 85 citierten Samm- lung vol. II p. 68/78. Ob diese Ballade noch im 16. Jahr- hundert enstanden ist, lasst sich nicht bestimmen. Erwähnt von Pettie (1576, cf. p. 23).

II 44 Amore di Don Giouanni di Mendozza f e de la Duchessa di Sauoia: 1. Thomas Peend „The moste notable history of the lorde Mandozzeu (lic. 1565). Dieses (iedicht.

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TABKMjE.

das nur als Fragment erhalten ist, hat J. J. Park in dem British Bibliographer" II 523 ff. und 587 ff. ausfuhr- lich besprochen. Seine Vermuthung, Peend habe das Ge- dicht aus dem Spanischen übersetzt, ist hinfallig; Jacobs be- merkt, im Anschlüsse an Haslewood's Meinung: De la Peend must have had proof sheets of Painter (vol. I p. LXXVI), was mir auch nicht wahrscheinlich ist. Ich bin vielmehr der Ansieht, dass die Übereinstimmungen zwischen Peend und Painter ihre Erklärung finden in der gemeinschaftlichen Quelle, die beide Autoren stets im Auge behielten. Diese gemeinschaftliche Quelle ist Pierre Boisteau-Launay's Version der Novelle Bandello's, im ersten Bändchen der „Histoires Tragiques* (1560), Ilist. 6-. 2. Painter I 45 (1566, cf. p. 7). Erwähnt 1. von Pettie (1576, cf. p. 23); 2. von Greene (1583, cf. p. 51); 3. in „A Handefull of Pleasaut Delites" (1584), in dem 24. Gedicht, betitelt The Iximentation of a Woman, bring irronyfully defamed. To the Tune of Dämon and Pithias:

(at. 4) The powoned Pancnllier ful faluly did accusc

The good DutchoRfte of 8avoy becaufic ehe did refuse To grant unto hi« Iotc, That was so ungodlie.

II 55 Selettco Re de l'Asia, dorm la Moglw ol suo Fi- glinolo: Painter I 27 (1566, cf. p. 6).

Parte III Nov. 5 BeUissima uendetta fatta da gli Eliensi contra Aristotifmjo crudelissimo Tiranno: 1. Painter II 5 (1567, cf. p. 7); 2. Turbervile No. 8 (c\ 1576).

III \) Historia de la continema del Re Ciro et amore coniugale di Pantea: Painter I 11 (1566), aber nach einer anderen Quelle (cf. p. 5).

III 17 // 5. Filiberto s'innamora di M. Zilia, che per un bacio lo fa stare lungo tempo mutolo, e la uendetta che egli altamente ne prese: 1. Fentou No. 11 (1567, cf. p. 14); 2. Painter II 27 (1567, cf. p. 8); 3. „A Discourse of the great crueltie of a teidow towards a young gentleman, and by what meam he requited the same. Set forth in English verse by Jo. Gofubourne?]. London [1570?]; lic. 1509/70 (cf. Ilandbook p. 234). Von diesem Gedicht soll nach Haz- litt nur ein Fragment auf uns gekommen seiu; der Titel

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TABELLE.

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lässt mich vermuthen, dass es Bandello's Geschichte von der spröden Wittwe Zilia und der Rache Filiberto's erzählte. 4. „Wcstward* No. 6 (1620, cf. p. 76). Erwähnt von Pettie (1576, cf. p. 23).

III 18 Rosimonda fa ammazzare il Marito, e poi se stessa et il secondo Marito auuelena: Turbervile No. 5 (ca. 1576).

III 19 Paolina Romana (sotto specie di Religione) h da V Am ante suo ingannata, et i sacrificij d'Iside disfatti: erwähnt, aber mit von Bandello's Erzählung abweichendem Detail, von Whetstone in „The English Myrror" (1586) Lib. III Chap. 3 : The Emperour Tyberius put the Priestes of the Idoll Anuhis to the strorde, becatise they were the Instruments for the iranton Knight Mundus to commit adultrey (by theyr deceite) with the chaste Romaine Ladie Paulina (p. 219).

III 21 Uno Schiauo (battuto dal Padrone) ammazza la Padrona con i ßgliuoli, e poi se stesso precipita da un} alta Torre. Zwischen dem 22. Juli 1569 und dem 22. Juli 1570 finden wir in den „Registers of the Stationers' Company" folgenden Eintrag: Rd. of Ryc. Jonnes, for his lycense for pryntinge of a history intituled a straunge and petiefull novell dyscoursynye, of a noble Lord and his Lady, w* thayre tre- gicall end of them and thayre II cheldren executed by a Hacke morryon IIIIdx Collier 1. c. bemerkt, dass diese Ballade [? der Wortlaut des Eintrags lässt es zweifelhaft, ob es sich um eine prosaische oder metrische Version handelt!] nur in späteren Ausgaben erhalten ist, und führt den Titel einer solchen späteren Ballade an. Mit einer von diesem Titel wenig verschiedenen Uberschrift finden wir diese Ballade in „The Roxburghe Ballads" Ed. by Charles Ilindley, 2 vols. (London 1873/4); vol. II p. 339 ff. : A Lamentable Bailad of the Tragical end of a Oallant Lord and a Vertuotis Lady, toith the uniimely end of their two Children, wickedly performed by a Heathenish Blackamor e ; vgl. ferner die p. 85 citicrte Sammlung vol. II p. 152 ff. Meine Vermuthung, dass die

1 Cf. Extracts from the Registers of the Stationers1 Company of Works entered for publication between the yeara 1557 1570. With notes etc. by J. Payne Collier. London 1848 (Shakespeare 8oc.) p. 211. qp. lxx. 7

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TABELLE.

1500/70 eingetragene Geschichte auf Bandcllo's Novelle, oder einer anderen Version dieser in den meisten Literaturen er- scheinenden Geschichte, beruht, findet in dieser jüngeren Form ihre volle Bestätigung die englische Ballade weist alle wesentlichen Züge der Novelle Bandello's auf. 1

III 25 Gian Maria Vesconte, Secotido Duca di Milano fa interrare un Parrochiano uiuo: Smyth No. 1 (1577, cf. p. 41).

III 52 Pandora . . . per gelosia dfun suo Amante che ha preso Moglie, ammazza il proprio figliuolo : Fenton No. 3 (1567, cf. p. 14).

III. GIRALDI CINTHIO.

Ilecatommithi, Deca II Nov. 2. Oronte, alleuato in basso stato, ama Orbecchey figliuola del Re di Persia: vielleicht von Greene (1585, cf. p. 55) nachgeahmt.

II 0 Fiamma ama Phineo: Barnabc Riehe No. 4 (1581, cf. p. 48 f.).

III 5 Consaluo, pigliata Agata per moglie, sfinnamora di vna meretrice: Riehe No. 6 (1581, cf. p. 49). Das Motiv der Verstossung der tugendhaften Gattin einer Buh- lerin zu Liebe finden wir auch bei Greene (1587, cf. p. 50).

VI 3 Don Hercole da Este ama vna Giouane priuata: Riehe No. 3 (1581, cf. p. 48).

VI 9 Francesco Valesi, primo Re di Francia di tat nome b allogiato cortesemente in luogo solitario da vn pouero Contadino: ähnliche Geschichte, aber einem anderen Ge- währsmann entlehnt, bei Melbaucke (1583, cf. p. 00 f.).

VIII 5 Jurisie e mandato da Massimiano Imperadore in hjwuchi: Whetstone (1582, cf. p. 30).

VIII 10 Euphimüi sfinnamora di Acharisto, seruo del Padre di lei, Re di Corinto: Painter EI 15 (1507, cf. p. 10). Erwähnt 1. in „The Forrest of Fancy" (1579, cf. p. 45) zweimal; 2. von Greene (1584, cf. p. 52) dreimal.

IX 8 Chera nasconde vn thesoro, Elisa h per impiccarsi j)er la gola: Painter II 11 (1507, cf. p. 10).

1 Näheres über diese Novelle in meinem oben p. 43 Anm. er- wähnten Aufsatz.

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TABELLE.

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IV. STRAPAROLA.

Piacevoli Notti, Notte I Favola 1 : Saktrdo, ßgliuolo di Rainaldo Scaglia, si parte da Genoua: „The Forrest of Fancytt No. 3 (1579, cf. p. 44).

II 2 Philenio Sisterna scolare in Bologna uien da tre belle dornte beffato: Painter I 49 (1566, cf. p. 10).

IV 4 Nerino Figliuolo di Galese Re di Portogallo : „Tarl- tons NewesK No. 8 (1590, cf. p. 64).

XIII 1 Maestro Gasparino mediro con la suu uirlü sanaua i pazzi : „Mery Tales, Wittie Questions etc." (c*. 1549, cf. p. 77) No. 52 : Of hym that Ivealed f ranticke tnen.

V. 8ER GIOVANNI FIORENTINO.

Pccorone Giorn. 1 Nov. 1. Galgano e madonnu Minoccia: Painter I 47 (1566, cf. p. 10).

IX 1 Ricciardo e il Doge di Vinegia : Paiutcr I 48 (1566, cf. p. 10).

VI. MACHIAVELLI.

Belfagor Arcidiavolo: Riehe (1581, cf. p. 49).

Eine zahlreiche, vielfarbige Schaar neuer Gestalten haben wir ihren Einzug in die englische Litteratur halten sehen. Verschiedenen Führern folgen die Fremdlinge: nach der hohen schwarzumhüllten Gestalt der tragischen Muse schreiten, in ihrer Liebe Glück und Leid versunken, Guiscardo und Ghismonda, die Herzogin von Main* und Antonio, Romeo und Julia von dem Fluch unsühnbarer Schuld getroffen, Bianca Maria und Violante. Mit fröhlichem Gepränge nahen die Helden und Heldinnen, deren Stern aus stürmischen Wolken wieder in des Himmels Klarheit treten durfte: allen voran das Freundespaar Titus und Gisippus, dann der wackere

7*

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SCHLUSSWORT.

Oraf von Antwerpen, Cimone, der allzugetreue Don Diego, die verliebte Herzogin von Savoyen, Aleran und die Kaiser- tochter Adelasia. Ihnen nach drängt sich, geführt von dem die Pritsche des Narren und die Geissei des Satirikers schwingenden Amor, in buntem Gewimmel das liebcstolle Völkchen des „Decameron", schöne üppige Frauen, glänzende Ritter, wohlhäbige Bürger, lüsterne Kleriker sonder Zahl.

Boccaccio und Bandello sind die treibenden Kräfte dieser Invasion. Ihr Einfluss hält sich so ziemlich die Waag- schale, nur zeitweilig, nach dem Erscheinen von Painter's „Palacctf, bemerken wir ein Schwanken zu Gunsten Bandello's, der durch die grelleren Farben seiner Gemälde das schau- lustige Publikum fesselte. Zum Lob der Engländer sei ge- sagt, dass die unsittlichsten Novellen der Italiener keinen Übersetzer fanden.

Nicht immer haben die Engländer unmittelbar aus den italienischen Quellen geschöpft. Im Gegentheil in sehr vielen, vielleicht sogar in den meisten Fällen , hat die fran- zösische Sprache ihre hochbedeutsame Mission, zwischen fremden Culturen die Vermittlerin zu sein, auch hier erfüllt. Das Maass dieser französischen Vermittlung wird sich noch genauer bestimmen lassen, als in den vorstehenden Unter- suchungen geschehen ist.

Die englischen Litteraten, die sich zum Übersetzen be- rufen fühlten, waren keine auserwählten Geister; eine als Kunstwerk rühmliche und eigenwerthigo Leistung verdankt England diesen eifrigen Iuterpreten der italienischen Erzähler nicht. Aber sie haben doch Anspruch auf die Dankbarkeit der Nachwelt ihre Arbeit bestellte das Feld, welches einen grossen Thcil der goldenen Ernte des elisabethanischen Dramas tragen sollte.

GCNEHAL BOOK DINDING CO.

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