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LUFTDRUCKMITTEL

DER JAHRiCSZKITEK aus den .TaJiren inHS.iHßi- u.mas.

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Die Mecklenburgischen höhenrücken (geschiebestreifen)

Christian Gruber, Franz Eugen Geinitz. Friedrich Gustav Hahn, Hermann Ignaz Bidermann. Karl Jansen, Richard Assmann. ...

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LANDES- ÜND YOLKSKONDE

IM AUFTRAGE DER

OENTRALKOMMISSION FÜR WISS£NSOUAFTUCHE LANDESKUNDE VON DEUTSCHLAND

HBBATreOBGBBffll VON

DB. RICHARD LEHMANN,

PSOmaOB l>Bt KBDKÜMDB AM MB JUUBBIIB MOMHIBB LV.

ERSTER BAND.

KIT IS TAISLN KASTEN UND PROFILE. SOWIR EIN£K KARTRH8KIZZE UND NBHRKRKN FBOFILGN IM TEXT.

VEKL AG

STUTTGART.

VON J. ENGELHORN. 1886.

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Drudt ▼Ott 0«brtd«r Erftur in StvttgMt.

1. Der IJodt ii Met kk-iiburf,'.s, von Dr. E. <!einitz, ord. Prot', der

MincTdlogiu und lifologie an der Universität Rostock ....

2. Die oberrhüiniöche Tiefebene und ihre Kandgebirge, von

Dr. Richard Lepsin», ord. Prof« der Gre<dogie und Mineralogie «ad Direktor der GroMhm<^l. heae. geolog. Laadesanstalt in Dann« stadt. Mit Tebersichtskarto des oberrheinischen Gebirifsfjystema .

3. Die Städte der Norddeutschen Tiefe beut- in ihrer Be-

ziehung zur B o d e n c s t ii 1 1 11 n ;jr . von Dr. F. Ii . H a h u, ord. Prof. der Erdkunde un der L'nivcräität Königüberg

4^ Das M&nchener Becken. Ein Beitrag i^ur physikali- sclien Creographie Sttdbayerns, von Chr. Grnber. IGt 1 Kartenskizze und 2 Profilen im Text

5. Die m e c V 1 e n b urgi.sch en Höhcnrii'kfu (Geschiebest reifen) und ihre B e z i e h u n gen zur J ] i s z e i t , von Dr. E. G e i n i t z, ord. Prof. der Mineralogie und Geologie an der Universiti^t Hoetock. Hit 2 UebersichtKkBrtchen und 2 Profilen

G. Der Einfluss der Gebirge anf das Klima von Hittel« deutsc bland, von Dr. med. et phil. R. Ässm an n, Oberbeamter im Königl. preuss. Meteorologischen Institut und Dozent ttSit Me- teorologie zu Berlin. Mit 7 Karten und 10 Profilen

I. Die Nationalitäten in Tirol und die wechselnden Schick- sale ihrer Verbreitung, von Dr. H. J. Bidermann, ord. Prof. der Statistik und des Staatsrechts an der UniversitBt Graz .

8. Poleographie der cimbrischen Halbinsel, ein Tersuch d i e .\ n s i e d 1 u n g e n N o r d a 1 b i n g i e n .s in ihrer Bedittgt- heit durch Nutur und Geschichte nachzuweisen, VOn Prof. Dr. K. J a n ü e n in Kiel

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Druckfehlerberichtigung.

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IM AUFTRAGE UND UNTER MITWIRKUX« DER

CfiNTMIiKOMMlSSlON FÜR WI88EN8CHiVFTUCH£ LAND£äKUMD£

VON DEUTSCHLAND

H£BAÜ8üE(*EltEN VON DEREN SCHRIFTFÜHRER

ßlCHAl^D LÜHMAJS'N,

0»BKtiXB»Xa ÜMO POOKMT AH »SB WITBkttvXV KAIiIi« Ajk

ERSTER BAND.

HEFT 1.

DER

BODEN MECKLENBURGS

^ 1

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MmUMOIB TOS OMKiOnB AH Sn UMIVIMlsXs MMMOB*

1

STUTTaABT.

yERliAG VON J. ENGELHORN.

1885.

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BODEN MECKLENBURGS

VON

D' E. QEINITZ,

uvaauxoott im» oBotio«n ak osb mtvaMorS» aocrocB.

STUTTGART. VERLAG VON J. K xN G H L H () il N.

1885.

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Prack rou CWbrAder KrOuer in Stuttfurt

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Mit der folgenden Uebersicht über den geologischen Bau Mecklen- burgs kommt der Verfasser der Aufforderung, einen Beifarag zn den

, Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde* zu liefern, nm so lieber nach, als er hofft, damit diesen interessanten und schönen

Theil des norf1fieiit?;t'hen Tieflandes auch weiteren Kreisen bekannt zu machen, als bisher leider der Kall war. Zur Orientirung über specielle geologische Arbeiten über unser Gebiet seien folgende Schriften auf- geftlhrt:

E. Oelnlt«: Die geolo^gehe Literatur Heeklenbnrg« Ut 1878. Arebiv des

Vi rrini; der Freunde der Naturgesehichte in Mecklenburg. XXXII. 1878. E. Geinitz: Beitr^ zur Geologie Mecklenburga. I— VI. Archiv XXXIIl.

1879 XXXVin. 1884. (Auch separat.) E. Geinitz: Die Flötziortnationen Uecklenboivs. Mii geologischer Karte.

1883. Güstrow. (Archiv X2UILVIL) Anch will ich es nicht nnterlftssen , an dieser Stelle die drei Mlnner m noiinen. denen die Geologie Meeklenburgs eine so ^ti isho Zahl wielitiger Heobacii- tangeu and Aufzeichnungen verdankt: G. A. Brückner, Ernst Boll und F. E. KQch.

Eine topographische Beschreibung des Landes liegt nicht im Plane ▼orliegMider Darstellung ^) , doch sei hier die grosse Mannigfaltigkeit

des Landschaftscharakters hervorgehoben, die durch das iialie Zusaramen- vorkoiTimen aller Typen der reinen norddeutschen (^uartärlandschaft beding ist: die ^Moränenlaiidsrhaft" ist ebenso in den bewaldeten Gegenden wie in den mit Fi ldwirthscliaft bestellten Theilen kenntlich; coupirtes Terrain durch isoiirte oder zu Ketten verbundejie Hügel, mit kleinen, von Wasser oder Torf erfüllten Kesseln, Böllen oder grösseren S>>en zwischen sich, der Boden oft massenhaft mit erratischen Blöcken bestreut; tiefe romantische Schluchten, in denen die dem Geschiebelehm entstammenden grossen Blöcke wild durcheinander liegen . denselben landschaftlichen Charakter liefernd wie die vom anstehenden Graniifels der thüringischen oder Harzer Thäler losgelösten Felsblöcke. Die -weiten Dilnvialplateanfläclien mit ihren rasch wechselnden «yerscMessen- den* Bodenarten, wo die dorch den Grossgrundbesitz bedingte auf

') Vergl. hierüber £. fioll, Abriss der mecklenburgischen Landes- kunde. 1861.

TondraBtni su dantsdwii X*Mid«»- vad Tolkdrand«. LI. 1

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weite Strecken« glfTi(j)i;OirjiMge Eeldbestellung auf den Wanderer oft einen recht eintöJjfjCferr^ ßiiiHrnick aäclife^-'sind besonders da, wo sie aus dem , oberen Gescbiebemergel" zusammengesetzt werden, wie durch- siebt von den isolirteu kleinen runden Wasserlöchern , die unten als Solle beschrieben sind. Auch die drei grossen Haidegebiete mit ihrem feinen gelben Sand, in dem aich oft eine nndttrchdringliche Schicht von Raseneisenerz I dem «Ortstein", bildet, liefern mit ihren Dfinenzügen interessante, wenn auch oft eintönige Landschaftsbilder, zum Theil aber auch, wie z. B. in der Ro'^tocker Haide, wegen ihrer gfinstigen feuchten Lage präcbtifxen Baniiiwnolis.

Mehrfache isoiirte oder zu Zügen vereinigte Berge erheben sich ans der Landschaft; als Beispiele seien genannt der SchSnberg im Kllltzer Ort 92 m, Diedrichshäger Berg bei Doberan 130 m, Schmoks- hetg bei Teterow 135 m, Hohe Burg bei Schlemmin 144 m, Mamitzer Bei^ bei Pnrehim 105 m. Helpter Berg bei Woldegk ca. 170 m.

Die zahlreichen grussen und kleinen Seen mit iliren oft wunder- Yollen bewaldeten Steilufern bieten nach allen Kichtuiigeu hin, wissen- ■chaftfidi wie vraktlsoh, das mannigfaltigste Interesse, abgesehen von den wediselvoUen Bildern, die die einseinen Seen mit ihren Inseln, ihren Schlössern am Ufer oder ihrer romantischen Einsamkeit im di'']]fen Walde flem Lunflschafter vor Alicen ffibren. Die mannigfachen grossen und kleinen FluHsläufe bieten in ihrem N'erlauf und ihren eigenthümlichen ürsprungsgebieten ein für die norddeutschen Flüsse recht charakteristisches Bild, das in seiner Allgemeinheit manches bisher rithselhafte Oberfl&chenphftnomen erklären wird Seen wie ThaUftufe weisen allermeist deutlich auf den einstigen grösseren Wasserraohtbom des Landes hin, die Seen durch ihre jetzt trockenen Uferterrassen und Vorländer, die Flusslüufe durch ihre breiten Sand- oder Mooreheiieii, welche den jetzigen schmalen Wasserfaden hegleiten oder einzelne Seebecken zu einem einzigen Stromlauf vereinigen. Zahlreich^ Torf- moore miterbrechen den Znsammenbang des Dilnvialplateans oder sdlieben sich in die Hügelketten ein.

Endlich gewährt noch die Küste mit ihrem senkrechten, von einem Kranze von erratif^chen Blöcken umsäumten Abbruchsufer (Klint) oder ihren flache Moorlaiidschaft oder Fhissnitindungen abgrenzenden Dünen und mit ihrem oft haffartig in das Land eingreifenden Verlauf ▼ielfaches Interesse nnd mannigfaäie Schönheiten*).

1. DiluTinro.

Die fast ganz allgemeine Bedeckung des mecklenburgischen Landes wird von dem DüuTinm nnd AUoTium gebildet, während die

^ 8. Beitr. z. Geol. Meckl. VI. 1884.

Dr<?8 die zahlreichen landpchaftlich überauB schönen Gegenden Mecklen- burgs noch so wenig bekannt und aufgesucht sind, bat seinen wesentlichen Grund in dem fiir Touristen höchst unbequemen Manpel pausend gelegener Gasthäuser, zum Theil auch in der häufig betrnohtlichen Strrckc weniger anziehender Partien zwischen den besuchenswertheu (vielfach im Privatbesitz befindlichen) Punkten.

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Der Boden Keeklenburgi«.

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llteren Fonnationen da, wo sie zu Tage treten, auch fast stets noch T<m einer geringen Quartärbedeckung (Abraum) tiberzogen sind.

Die Bodenarten (Gesteine) des Quiirtärs, welche an der Znsaniniensetzung des mecklenburgischen Bodens tliexiuehmeu, sind die folgenden :

GeBchiebemergel und -Lehm, Thon, Eies, Sande, Torf, Moor, Diatomeenerde, Hnmnserde, Wiesenkalk, Raseneisenstein, Kalktnff.

Die Bildung und Ablagerung dieser Gesteine im einzelnen brauche ich hier nicht besonders auseinanderzusetzen; es genügt getj^eiiwärtig der Hinweis auf die nunmehr allgemein acceptirte Glaciaitheone.

Der Geschiebemergel ist nach dieser Theone das Ablagerungs- prodnct der Gnmdmorine m skandinavisch-norddentscfaen InUndglet- sehers. Brist ein blaugraues oder gelbbraunes, thonig>kalkiges, mehr oder weniger sandreiches Gestein von /äher, im feuchten Znstand ziem- lich plastischer, im trockenen harter und bröckeliger Beschaffenheit, in dem völlig regellos Sand, Grand, Gerolle und Geschiebe eingelagert sind, ohne jegliche innere Schichtung. Von derselben physikalischen Besdbsffenheit wie die Chrnndmorftne jedes heutigen Gletschers giebt sieh der Geschiebemergel als das festgepackte Zerreibongsproduct des nordischen und einheimischen Felsunteigrundes zn erkennen.

Dort wo der Geschiebemergel einigermassen mächtig ist, liefert er eine der tjesten Bodenarten, für Weizenfelder, Rübenbau, Buchen- wald geeignet. Als , schwerer* Boden bedarf er vielfach ausgedehnter Drainage. Oft ist er so widerskandsf&hig, dass er bei grösseren Erd- arbeiten, wie Eisenbahnbanten n. dei^l. mit Pulver gesprengt werden muss («. B. bei Möllenhagen* 1884). Seine Mächtigkeit ist sehr ver- schieden , von 1 dem bis zu 20 , 30 oder mehr Metern. Abgesehen von seinen grösseren Blöcken, Geschieben und Gcrölleu ist er in seiner Hauptmasse verschiedener Beschafienbeit, niimhch bald mehr thonig oder lehmig und fett, bald mehr sandhaltig und ma^er, schliesslich ganz in den unten erw&hnten Geschiebesand und -Kies libergehend; stets ist er im frischen Zustand durdi seinen Kalkgehalt ausgezeichnet, welcher bedingt ist durch fein zerriebenes Kalkmelil und grössere Kalksteinstücke. An der übertiäche unterliegt er drei Arten von Umwandlung: während er in der Tiefe von blaugrauer Farbe ist, entsprechend den in ihm enthaltenen Eisenoxydulsilicaten, erhält <nr in der Mühe der Oberiäche (oft in sehr wedisehaden Tiefen) die lehm- gelbe Farbe durch hOhere Oxydation seines Eisens. Eine weitere chemische Veränderung tritt dadurch ein, dass sein Gehalt an kohlen- saurem Kalk durch da.s einsickernde Tagewasser mehr und mehr ent- fernt wird und er dadurch aus Mergel in Lehm ubergeht. Der Kalk wird meist in tiefere Lagen gefüiirt und hier häutig in unregelmässig der Oberfläche folgenden Schichten oder Schmitzen all weisser Beschlag Ton Bergmilch abgesetzt. Diesem Process zufolge wird aus einem Mergelboden allmiihlich ein Lehmboden, der nun durch künstliches Auftragen von frischem Geschieberaergel oder Kalk meliorisirt werden mu.Ms; daher auf allen Feldern die zahlreichen Mergelgruben, , Mergel- kahlen*, an deren Abstichen man obigen Process zur Genüge oft

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beobachten kann. Die dritte Art der l unvandlunL^ ist eine mechanische, indem hier das Sickerwasser die tenien Staub- und Thontbeile all- mählich weglüUrt und aus dem fetten Mergel ein immer magerere», bis sniletzt sandiges OeBfcem herausbildet Dies findet besonders rasch da statt, wo der Oeschiebemer^l weniger micfatig ist nnd einen san» digen Untergrund hat

Die Blöcke oder Geschiebe, welche in wechselnder Menpje, meist in sehr lietriichtlicher Masse, in dem (ieschiebemergel eingebettet lagern, smd von ganz besonderem Werth in einem Laude, welches festes, SU Banzwecken geeignetee anstehendes Gesteinsmateinal nicht besitzt. Allerwärts werden daJher diese Blöcke, die sogenannten «Felsen*, gesanunelt und za Strassen-, Eisenbahn- nnd H&nserbauten verwerthet. Da wo der Geschiebemergel vom Wasser anspjewaschen wird , wie an der Seeküste, wird das feinere Material weggeführt, und die grossen Blöcke bleiben an Ort imd Steile liegen. Da nun die Küste immer weiter landeinwärts rflckt, erklSrt si<£ das Vorkommen dieser , erra- tischen Blöcke* in dem Strandgebiet nnd am Grunde der See sehr einfiush. Genau ebenso sind die auf dem Lande oft in ungeheuren Massen heramliegenden Blöcke liefen gebliebene Reste des Gescliiebe- mergels, dessen feinere Theile vom Wasser fortgespült sind. Alle unsere erratischen Blöcke, gross und klein, sind also nicht als solche isolirt auf dem Eise aus dem Norden zu uns gekommen , sondern als Bestandtiieile der Grundmorine und erst aus dieser herausgewaschen. Die meisten Blöcke des Geschiebemergels erweisen sich als deutliche , Geschiebe", indem sie auf einer oder mehreren Seiten mehr oder weniger glatt geschlifPene Flächen zeigen , auf denen wieder scharf ausgeprägte Schrammen, flache oder tiefe, schmale oder breite Furchen, in paralleler oder sich kreuzender Richtung lautend, eingekratzt sind.

Nach der Natur der Geschiebe lassen sich zwei Gruppen derselben unterscheiden. Die eine, welche die bei weitem grOsste Menge ge- liefert hat, ist als die der nordischen Geschiebe zu bezeichnen. Es sind Granite, Fel.sitporphyre, Syenite, Syenit}»orj)hyre. Diabase, Diorite, Gabbros, Porphyrite, Melaphyre und Basalte; ferner (Ineisse, HäUe- flinta, Glimmer-, Hornblende-, Augit-, Chloritochieier , Quarzite, kry- staUinische Kalksteine, Phyllite, Thonscluefer; von den Vezsteinerungen fahrenden Schichten Vertreter des Silur (und Devon?), nllmlidh Sand- steine, Thonschiefer, Kalksteine (letztere zum Theil local so massenhaft, dass Kalkbreunereibetrieb darauf lohnte), der Trias (Sandstein und Kohle vom sudlichen Schweden), des Jura (versteinerungsreiche Sandsteine), der Kreideformation mit Feuerstein, Kreide und anderen verschiedenen Kalksteinen, endlich des Tertiär. Von fast allen diesen Geschieben, soweit sie einigermassen charakteristisch sind, konnte ihre Heimath nachgewiesen werden 0: meisten sind skandinavischen Ursprungs und zwar aus einem mehr oder weniger eii«.^ umgrenzten Bezirk des südlichen und mittleren Schwedens, während sowohl westlichere als

') S. Beitr. z. Geol, Meckl. III.— V. und N. Acta d. Leup.-Carol. Acad. 45. 2, 1882.

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Der Boden Mecklenburgs.

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östlichere Gegenden (Norwegen resp. Finnland) keine oder nur liöchst untergeordnete Vertreter geliefert haben. Der Transport dieser niecklen- burgischen Diluvialgeschiebe durch das Eis erfolgte somit m nordnordost- sfldgQdwestlicher Richtung. Der andere Theil der nordiMfaeii Oeidhiebe sfeBHunt ans dem Östlichen und sfldlichen BSnemark, sowie dem swischen diesem und der deutet hen Küste gelegenen Balticmn ; es ist dies neboi dem Saltliolinkalk und Kreidekalk von Faxe vor allem die weisse Schreibkreido und der Feuerstein, welche beide in enormer Masse iin norddeutschen Diliiviinn liegen.

Neben diesem nordischen Material, das als skandinavi8ch*»8 und baltisches getrennt werden kann, treten nun noch einheimische Geschiebe auf. d. h. soldie, die vom Gletscher dem mecklen- burgischen Boden entnommen sind. Dieselben sind stets auf die Nachbarschaft der betreffenden Flöt/formation localisirt und bilden hier zuweilen dif Varietät des Ge-sciiiebemorgels. die man ah . Krosssteins- gruri' bezeichnet. Dazu gehören Muschelkalkgerölle, Juragerölle zum Theil, Kreide und Feuerstein, Pläner, Septarien, die sogenannten Stemberger Kuchen, Terkieselte HOlzer zum TheiL Nirgends ist auch hier ein Geschiebe aus südlicher oder Ost- und westlicher Richtung darunter. Eine einzige Ausnahme, die Bernsteinstiicke, welche zuweilen im Geschiebemergel gefunden werden, reducirt sich dahin, dass diese Stücke leicht durch Wasser verschwemmt werden konnten und dann in die Grundmoräne eingebracht sind.

Wo sich organische Reste, insbesondere Knochen von höheren Thiereu, im GescUebemergel finden, sind dieselben ebenfalls Fremd- linge für denselben, meist ans zerstörten sedimentüren Diluvialablage- mngen stanunend.

Der GeschiebenuTgel zeigt im normalen Falle nirgends Schichtung. Dagegen ist er häufig nahezu hurizontal in dünnen Bänken abge- sondert, was auf den gewaltigen Druck zurückzuführen ist, unter dem die Grundmoräne des riesigen Gletschers stand. Diesem Druck ist auch die grosse Menge von Schichten Störungen des Unter- grundes zuzuschreiben, welche in allen Verhältnissen ungemein häufig sind. Von den geringen wellenförmigen Anfbiegungen der unterlagern- den Schichten zu schleifeaförmi^en Verbiegungen und Stauchungen und zu grossartigen mächtigen Emquetschungen des Moranenmateriales in den Untergrund lassen sich Tausende von Beispielen anführen. Oft ragt auch der Geschiebemergel buchtenartig in Form von Biesentöpfen in den Untergrund hinein.

Schliesslich sei noch erwähnt, dass auch dünne <»der dickere Lagen, Schmitzen und Nester von geschichtetem Sand oder Kies öfters miäen im ungeschichteten Geschiebemergel angetroffen werden. Die- selben sind local durch Schmelzwasser angeschlämmte Theile der Grundmoräne.

Nächst dem Geschiebemergel sind es zwei andere Arten von Ge- steinen, die das mecklenburgische Diluvium im wesentlichen zusammen- setzen, nämlich die geschichteten Thune und Sande. Für sie ist der Geschiebemergel gewissermassen das Muttergestein, sie sind die natllr- Uchen Schlämmproduete desselben. Demgenuiss bestehen sie aus g^ian

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(IfMiisolhen Material wie die>er, auch hier wieder vorwiegend nordischem, zurUcktreteud eiiiheimiächem.

Die groben Schlftmmprodncte sind die Sande, Orande, GeröUe und Kiese.

Der gemeine Dilnvialsand, wegen seines Gehaltes an Feld- spathkörnchon auch als S{)athsand bezeichnet, besteht hauptsächlich aus Körnchen von Quarz, Feldspath und zum Theil Gümmer, Augit, Horn- blende, Magneteiäen, und ist in seiner ursprünglichen Beschaifeuheit stets durch seinen gewöhnlich 2 3 ^jo oder auch mehr betragenden Ealkgehalt ausgezeichnet. Der Chrand und die GerOlle unterscheiden sich von dem Sand durch das grössere Korn ihrer Gemenge, der Kies ist durch ungleich- massig wecliselnde Korngrösse charakterisirt. Audi diese grobkörnigen Sedimente führen Kalk, zuweilen sind sie „unrein", d. h. mit Lehm oder Thon vermengt. Die iJiluviaisaniie liefern in ihrer ursj»riiii«fliL'hen Beschailenheit einen zwar „leichten", aber doch noch leidlich irucht- baren Boden wegen ihres Gehaltes an allen für die Pflanzen brauch- baren Mineralnährstoffen. Das Sickerwasser laugt aber dieselben leicht aus und wandelt diese Bodenarten in unfruchtbare um. Der Kalkgehalt wird leicht aus den oberen Partien durch das Wasser weg£,n'führt und an anderen Stellen wieder abgesetzt; daher die vielen Kalkcoiuretionen, Incrustationen, Cunglomeratbildungen oder Ausblühun^en von Bergmilch in tieferen Schichten von Sandlagem. Dasselbe wird auch oft Ton Eisen geliefert.

Sand, Grand, Gerölle und Kies zeigen durch ihre Lagerungs- verhältnisse deutlich ihren Absatz aus Wasser an. Feine Schichtung, Wechsellagerung aller möglichen Varietäten der Sande, discordante Parallelstructur , Steinpflaster u. a. m. beobachtet man in schönster Form und mannigfachster Ausbildung an allen fHsch ansgegraben«! Au&chlflssen.

In den Sauden finden sicli zuweilen Knochenreste diluvialer Thiere, Conchvlicn sind bisher no( h nicht nachgewiesen worden. Dünne Zwischenschichten von Sand , die durch PÜanzenreste schwarz gefärbt sind, trifft man zuweilen in grösseren Sandablagerungen. Von häu- figeren einheimischen Geröllen sind zu nennen Braunkohlenstficke, ver- kieselte Hölzer , Conchylien des Stemberger Oligocän und Holsteiner lÜocSn, während reichlich angehäufte Bryozoen der Kreide in dem sogenannt«'!! Korallcnsand zu den nordischen Fremdlingen gehören.

Ein sehr feinkörniger und oft stark thoniger, gelblicher McrL'el- sand, „Schlutf", kommt häufig als Zwischenschicht in Sandal)lageruiigen vor oder ist der Begleiter von Thonschichten. Als »Wellsand" oder »Triebsand* wird oft ein sehr feiner, thonarmer Sand bezeichnet, der in gewissen Tiefen häufig Wasser fCÜirt.

Die Sande sind je nach ihrer Beschaffenheit zu verschiedenen Zwecken verwerthbar; aus den groben Gerölllagern gewinnt man Bau- und Strassensteine, Kies und Grand wird zu Dammschüttungen gesucht, der scharfe Grand als Mauersand, der feine Sand als Zusatz für den Ziegeleibetrieb.

Der diluyiale Thon (zum Theil aSehindel'' genannt) tritt nicht 80 häufig bis ganz zu Tage, wird aber in zaUloeen Gruben für die

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Der Boden Heekleiibaivs.

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Ziegeleien, Cementfabriken and Thonwaareuanlageii abgebaut. Er bildet kleine Zwischenschichten in SaiKlnblagerungen oder mächtige reine Lager von 30 m und mehr Mächtigkeit. Meist ist er frei oder ganz arm an grösseren Steinen, stets etwas kalkhaltig und von sehr verschiedener Beimengung au Sand, wodurch Uebergänge von dem 8dilti&and durch Bändeiihon zu fettem zfthem Thon entmien. Seine Farbe ist blaugran oder rothbraun und gelblich. Oft enthält er mergelige Concretionen von derselben Gestalt wie die LOsapnppen, ferner ro£- braune Lettenzwischenschichten.

Conchvlien konnten Uisher noch m keinem Thonhiifer auftjetunden werden, eine Thatsache, die um so mehr besondere Beachtung verdieat, ab in den Nachbarprovinsen solche Fände mehrfach gemwmt worden sind. Dagegen erwies sich das ausgedehnte Thonlager Ton Wendisch Wehnii^en an der Elbe als eine diatomeenreiche Ablagerung, in der auch eine schwarz gefärbte Schicht von reiner, thonfreier Diatomeen- erde eingeschaltet ist^); der Hauptbestand derselben ist nach Cleve die Süsswasserform MeLosira lyrata neben dem spärlichen marinen Cos- einodiseut sublUis.

Bas ZnsammenTorkommen dieser Dilnvialaldagerungai ist ein ungemein wechselvolles, und dadurch wird der rasche Wechsel der Landschaft und der Bodenarten bedingt. Ganz kurz sei noch über die Gliederung des Diluviums einiges raitgetheilt. Auch in Mecklen- burg kann man das Diluvium in zwei Abtheilungen gliedern, dem Ober- und Unterdiluvium der Mark entsprechend, welche zur Hervor- hebung ihrer stratigraphischen Ungleichartigkeit auch gut als Deck* und HauptdiluYinm bezeichnet werden kOnnen.

Die bei weitem mächtigsten und mannigfaltigsten Ablagerungen gehören dem H a u p t d i 1 u v i u ra an. Hier finden sich die genannten drei Gruppen von Gesteinen in allen möglichen Varietäten in mannig- fachster Wechsellagerung und Vertretung, ohne dass mau berechtigt wäre, noch weitere Gliederungen fthnUch wie bei den Etagen der Flötzformationen Torzunehmen. Jeder grössere Aufschluss durch Gruben, Bahnbauten u. dergl., Bohrprofile und audb die Oberfläche der Felder führen uns di^s Verhältniss immer von neuem vor. Lassen sich auch ftir manchr Ablageningen, wie z. B. für manche Geschiebemergel- partien, Thoulager oder Sande, ziemlich weite Strecken gleichbleibender Ausdehnung und Ausbildung nachweisen, so genfigen sie doch nidit Sur Berechtigung von Horizontunterscheidungen. Und hftujGg ^enug ist man überrascht durch das plötzliche Wechseln und gegenseitige Ab- schneiden der einzelnen Ablagerungen. Zu diesem Phänomen gehört auch die Thatsache, dass auf den Feldern die Bodenarten oft rasch iverschiessen", d. h. in ihrer petrographischen Beschaffenheit plötzlich we«sbseln, so daas s. B. in einem sdiweren Me^elbod^ dnzdne grossere (oder auch so kleine, dass sie kartographisä nicht mehr dar- stellbar sind) Flecken von reinem Sand auftreten; ein zufällig hier entblösstes Profil (Drainage, S'trasseneinschnitt oder der<^^l.) zeigt dann mitten im Geschiebemergel eine von unten heraufgequetschte oder ganz

0 Beitr. z. Geol. Meckl. I. S. 40.

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Geinits,

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isolirt ^elepene Sandschmitze oder Sanduest. Es wäre ein Leichtes, noch zahlreiche weitere Beispiele der Art aufzuführen.

Einige Beobachtungen an Bohrprofilen ergaben eine mehrfiiehe Wechsellagerung Ton Geflchiebemergel und Mdimentären Diluvial» bildnngen : doch können sie meiner Ansicht nach wegen der üngleich- miesigkeit in den Lagernngsverhiiltnissen der Nachbarschaft nicht als Beweise für die von A. Penck auch für Deutschland anffenomniene Theorie der dreifachen Vergletscherun^- mit entsprechenden Inter- gladalieiten gelten. Zwei dieser wichtigsten ProiBüle seien hier mii- getheilt :

Bohrloch in Probst Jesar bei Lübtheen: 0 1,40 m Auftrag und Fluniusbodenf

2,10 . gelber Haidesand,

19,0tJ , oberer Sand und Kies,

—24,65 grauer Geschiebemergel mit Saudeinlagerung,

^25,45 , grauer feiner Sand,

34,50 grauer geschichteter Thon,

—42,00 , Sand und Kies,

53,90 , grauer sandiger Geschiebemergel,

62,30 , gro])er Kies.

64,80 , grauer saudiger Geschiebemergel, —97,90 , Sande, Thone und Brsimkoble des Tertiir.

Bohrloch bei Trebs in der Nähe von Lübtheen:

0— 16,1 m gelber Haidesand,

22,4 , Saud und Kies,

31,2 , grauer Geschiebemergel zum Theil mit Kies,

36,3 , Kies und Sand,

49,0 , eingequetschter Tertiftrsand,

S0,7 « Dilnvialkies,

53,8 graner sandÜger Geschiebemergel, ^

75,1 , Kiof.

82,3 , grauer sandiger Geschiebemergel.

133,1 grober Kies, wechsellagernd mit sandigem Ge- schiebemergel.

Das letztere Bohrloch ergab llberdies die enorme Mächtigkeit des Dilnvilinis von 133 m fd. i. 115 m unter dem jetzigen Ostsee- spiegel) : es ist da.s die nilclist dem Spandauer Bohrloch bekannte grdsste Mächtigkeit des deutsclien Diluviums.

Das Deckdiluvium tritt zwar gegenüber der mäciitigen und mannigiuliigen Entwickelune des Hauptdiluviums stark zurück, ist aber geologisch wesen seiner nSoBgen discordanten Ueberlagernng meist gat zu unterscheiden und in agronomischer Beziehung deshalb von besonderer Bedeutung, weil es den fast allgemeiiieu Ueberzug des Haupt- diluviums bildet und durch seine Eutwickelung oben die Bodenbeschaffen- heit wesentlich htMÜnf^t oder wenigstens lieeintlusst.

Das Deckdiiuviuui ist als der Absatz des Kückzugsgletschers und seiner ScbnelzwSsser zn bezetebnen; es besteht im wesentlichen ans

0 Ftötsformat. Meckl. 6. 114.

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Der Boden Hedcleobafgs.

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Geschiebemergel oder Sauden. Hiiiifip sind seine Ablagerungen durch einen Ueichthum an Geschieben ausgezeichnet, doch ist dies kein Cha- rakteristicuni desselben, da die Geschiebe in grosser Masse auch ebenso dam Hanptdiliifiiim angehören. Eine Veraduedenlieit in der Natur der Geschiebe ist nicht zu eoustatiren, ebenso wenig eine grossere Häufigkeit Ton geschrammten Geschieben g^^nüber denen im Haupt- dilurium.

I)er ,obere'' G e s c h i f h p m e r g o 1 ist tlieils wegen seiner den Tagewässern exponirteu Lage, tlieils auch schon von Anfang an (wegen des reichlichen Schmelzwassers in der Grundmoräne des Rückzugs- gletschers) meist nicht so fett wie der untere, sondern sandiger ; auch ist er gegenwärtig meist von lehmgelber Farbe und in seinen oberen Partien sehr liäiifig zu Lehm ausgelaugt. In diesen Eigenschaften liefert er (»iiieii sehr guten BodtMi. der, wenn er auch den , unteren* Mergel nodi als Untergrund hat oder in bedeutender Mächtigkeit (die bis 3, sogar zu 10 m ansteigen kann) vorhanden ist, als schwerer Boden bezeichnet werden muss; wenn er in geringerer Mächtigkeit oder als Bedeckung von Sand auftritt, diesem an sich weniger werthvollen Untergrund erhöhte Bonität verleiht. Dadurch, dass er nicht in gleicher Dicke ausgebreitet ist. sondern oft rasch in allen Grenzen schwankt, kommt das ,Versi hi« ssen" des Bcidens mit zu Stande.

An anderen Stellen ist die Ablagerung dieser Grundmoräne keui Hergel, sondern dadurch, dass von Anfang an oder auch zum Theil duroi spätere WegfOhrung die feinsten Theile diesem Absatz fehlen, der sogenannte Decksand, Geschiebesand, Deckkies abge- lagert. E> ist dies ein mehr oder weniger lehmiger, ei.senbraim ge- färbter Siind und Kies, in dem ordnungslos Gerolle und Geschiebe eingestreut sind. Zuweilen sind letztere so massenhaft vertreten, dass man von einem Steinlager zu reden hat, in dem nur vereinzelt zwischen den einzelnen grossen Blocken der lehmige Sand steckt. In beiden Formen ist der Decksand wegen seines Gehaltes YOn etwas Feinerde immerhin nocli ein leidlicher Boden, der allerdings /n einem fast un- fruchtbaren wird, wenn der Decksand nar wenig mächtig auf reinem Sand lagert.

Sind durch späteres Wegwaschen der Feintheile von dem Deck- diluTium nur noch die einzelnen grossen und kleinen Steine liegen ge- blieben, so ist dies die ,Ste i nbestreuung", wie sie ungemein häutig auf altdiluvialem Untergründe (Mergel oder Sand) in allen Gegenden de'! T.nndes vorkommt; dazu gehOrt auch die Anhäufung Yon „erratischen Blöcken«.

Das.s auch der leine llaidesaud zu dem Oberdiluvium gehört, hat neuerdings Berendt gezeigt Diese Ablagerungen sollen weiter nuten besprochen werden.

In dem oberen oder Decksand finden sich an vielen Stellen des norddeutschen Diluviums und so auch in Mecklenburg die eigenthüm- lichen, von B e r e n d i als D r e i k a n t e r od er V y r a m i d a I g e s c h i e b e bezeichneten, besser wohl als »Kautengerülle" zu benennenden Gerölle, an denen zwei oder mehrere Flächen gerade abgeschliffen sind und durch ihr Zusammenstossen scharfe Kanten hervorrufen, wodurch eine mehr

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Qeiniti,

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oder weniger deutliche Pyriimidenfonn auf einer oder beiden Seiten entsteht, die oft als Kunstproduct angesehen worden ist. Diese Drei- kanter sind nicht allgemein im Deckdilnvinm verbreitet, sondern nur auf die Nachbarschaft p^rösserer Hiiidestrecken odfT juugdiluvialer Flussläufe beschränkt. Sie bilden häuiig eine Art von Steinpflaster unter dem feinen Haidesand. Ihr angegebenes beschrftnktes Vorkommen ist eine wohl zu beachtende Thatsache, die für die Erklärung ihrer Bildungsweise wichtig ist. Sie sind dnrdi « ine besondere Art von Wasserbewegung abgerieben worden . durch das Abschmelzwasser des Rückzug.Hgletschers und nicht als Producte der vereinigten Wind- und Sanderosiou, als »sandcuttings" aufzufassen, wie dies Gottsche ') (uud früher Meyn) thut*).

Der Qeschiebemergel des Deckdiluvinms bedeckt die Haupt» dihiTialscbichten biludg in discordanter Ueberlageruug und schneidet dieselben oft ganz harf ab oder greift buchtenartifj und mannigfache Schichtenstörungen verursacliend in dieselben ein. Zuweilen erscheint er auch in seinen untersten , einige Centimeter dicken Partien auf- geschlämmt zu Bänderthon, Kies oder Sand, eine Erscheinung des am Grunde befindlichen Schmelzwassers der GrundmorSne.

Eine für die mecklenburgische Diluviallandschaft sehr charakte- ristische Erscheinung sind die das Land in nordwest-südöstlicher Rich- tung parallel durchziehenden Geschiebestreifen, auch Geröllstreifen genannt. Es sind dies nicht wallartige Gesteinsniauorn, sondern durch- schnittlich ',2 Meile breite (zum Theil auch bis 2 Meilen breite), nicht vdUig geradhnig verUufende Höhenzflge, die sich oft in eine Reihe verschieden hoher Hügel auflösen und durch ihre nnglaubliclie Menge an Geschieben und Geröllen ausgezeichnet sind. Durch die weg- waschende Arbeit der Tagewässer werden die grossen und kleinen Steine von dem wenigen sie umge))enden Mergel oder Sand befreit iwd gelangen so an die Oberfläche, hier auf llügelu wie in Thälern in so grossen Massen herumliegend, dass sie oft der Feldbestellung äusserst hinderlich werden, ja dieselbe an manchen Stellen ganz un- mö^ich machen. Die Felder sehen in diesen Gegenden wie übersäet ans mit den nnwirtliliclieu Steinen, und man kann keinen Schritt thun, ohne an einige Steine zu stossen. Oft liegen die Steine auch noch unter der mergeligen Ackerkrume und nur ein zuiuiliges Tiefpflügen offenbart hier zuweilen den ungeahnten, fttr Wegebauten trefflich tw- werthbaren Steinreichthum. Man sucht die Steine von den Feldern zu beseitigen, indem man sie zu Manem an Wegen und Gdböften anhäuft, sie in Gräben und Teiche versenkt oder sie zu grossen Haufen zu- sammentr;l<i;t, die oft wie Hünengräber aussehen; ferner sind die Hänser dieser Gegenden zum Theil aus den Feldsteinen gebaut. In Mecklen- burg laufen vier solcher Streifen durch das . Land : der erste , im Klfitzer Ort beginnend, zieht sich zum Nordzipfel des Schweriner Sees

iSedimentargescliiebe d. Prov. Öchleswig-iiolstein. 1883. S. Ö. Vergl. hierüber eine weitere demniclutige Nolls das Yerfeners in der Zeitechr. der deotscli. geol. Gesellsch.

*) Vergl. auch £. Boll: Zeitachr. d. deutsch, geol. Gesellsch. 1851. Taf. 19.

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Der Boden MeeklenbofgB.

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über Sternberg, Alt-Schwerin durch den Müritzsee ühtT Fürstenberg bis Oderbers; hin (hier den Stein wall von Liepe bildend). Der zweite Streifen verläuft von Buckow über Steinliagen, Satow, Warnow, Zehna, Sieinbeck, Roth»palk zur Südspitze des Moichiner Sees, über Vieliat nOrdlieh Ton Waren, Mdllenhagen bei Penzlin nach Feldberg. Ein nahe dabei gelegener dritter Vm^i l eginnt auf den Diedrichahiger Bergen bei Doberan und zieht sich über die Gegend von Schwaan und Teterow zum Malcliiner See. Der letzte verläuft an der poimnerschen Grenze aus der Gegend von Ribnitz über Sülz nach Deniniiu und weiter.

Da» Material, au^ dem die Gescbiebestreifeu bestehen, ist hanptsSchlich der Geechiebemergel reap. Qeechiebekies und Steinpackung, zum Theil nehmen auch Sande nnd Kiese an ihrer Znaammenaetziing Theil. Sie sind nicht blos aus dem oberen Diluvium xnsamm engesetzt, sondern das Hauptdilnvium betheiligt sich ebenfalls wesentlich mit an ihrem Aufbau ; oft bestehen gerade die höchsten Hügel solcher Reihen au» mäcbtigea Aufschüttungen von Sauden. Nie sind es mauerartige WftUe, sondern nur durch gewaltige Steinanh&ufuug ausgezeichnete Horftnenablagerungen. In der Oegoid der Qesohiebeatreifen ist die »Moranenlandschaft'' mit ihren Seen, Kesseln und Söllen stets ausge- zeichnet entwickelt.

Zum Theil werden diese Hügelzü^e der Geschiebestreifen i>euk- recht durchbrochen von Flussthäleru oder Seen, die Streifen betheiligen sieh an der Zusammensetzung des mralisch-baltischen Höhenzuges. Hinter den einzelnen Streifen liegen ebenfalls häufig grössere oder kleinere Seen (z. B. der Krackower, Flauer See u. a.). Häufig ist auch die Gegend, welche hinter, d. Ii. südwestlich von einem Geschiebe- streifen liegt, dadurch ausgezeichnet, dass hier vom Hügelzuge her die Steine immer kleiner und spärlicher werden, bis sie schliesslich ganz Terschwinden und der Haide Platz machen. Sehr schön lässt sich dies s. B. beobachten auf dem Wege von Yoürathsruhe am Sfidende des Malchiner Sees Über Cramon znr Nossentiner Haide.

Zur Erklärung der Bildung dieser eigenartigen, Asar-ähnlichen Geschiebestreifen hat man drei Möglichkeiten. Bereu dt hebt hervor, da.'>..s der Druck der zurückweichenden Eisdecke in dem eben ver- la^seuen Terrain eine dem Rande des Gletschers parallele Erhebung, ein Emporpressen des noch plastischen durchfeuchteten Bodens Ter- unaehen konnte. Auch als Anhäufiingsmassen von Endmoränen des Blldcsugsgletschers kann man die Geschiebestreifen deutm. Nach meinen weiteren Untersuchungen scheint es mir aber nicht ausreichend und zum Theil nicht nöthig. die.se Erklärungsweisen in Anspruch zu nehmen. Vielmehr sind hiernach die Geschiebestreifen anzusehen als der Moränenschutt, der, sich an den das Land zu versehiedener Höhe in Nordwest-Sfidost-Richtung durchquerenden Bodenwellen des Flötz- gebirgsuntergrundes stauend, hier auf- und angelagert worden ist. In der That fallen die Aiiliäiifiingen des erratischen Materiales, die Ge- schiebestreifen, zu>amuien mit dem Auftreten der Flötzformatiouen.

Auch die al.s „Kames" oder ,Eskers* bezeichneten isülirteu Geröllhagel finden sich in Mecklenburg, z. .B. bei Gnoyen, wie an anderer Stelle ausflOhrlicher gezeigt werden solL

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Oeinitc,

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Der topooraphische Charakter der mecklenburgischen Landschaft wird denniHch durch die beiden Factoren bedingt: Kern oder Unter- grund durch das Flötzgebirge, Oberfläi heuforraen durch die Glacial- fh&tigkeit und Erosion des Qnartörs.

2* FlStrformatloneii.

Im Anschhiss an das sim Immi Flrörterte seien hier die Vorkomm- nisse der vordilnvialeii. als Flötzformutiunen bezeichneten Ablaf?erun<^ft'n erwähnt, soweit dieselben als nutzbare Mineralien für die Kenniniss des mecUenburgischen Bodens von Wichtigkeit sind.

Man trifft in Mecklenburg sieben hanptsScbliche parallele Er- hebungen des Flötzgebirgsuntergrundes, welche alle der hercynischen G eb i r pi^ri c h f u 11 g folgend, in Südost-Nord wf.st-Riclitung das Land durch(|ueren und an resp. auf welche sich die geächiebereichen Glacial- maasen besonders reichlich abgelagert haben.

Die älteren Formationen, die aus dem Untergrund von Mecklen- burg anstehend bekannt sind, sind Dyas, Jnra, Kreide und Tertiftr.

A. Dyas.

Bei dem Flecken Lübtheen, 8 km südlich vom Bahnhof Pritzier an der Berlin-Hamburger Bahn, liegt der seit langen Jahren in Abbau

befindliche Gypsberg als eine bis 20 m über den Meeresspiegel sich erhebende, von Diluvial- und Haidesand bedeckte Kuppe. Im Jahre 182') fand man den Gypi^ unter dem Sande auf und errichtete später einen sich immer mehr entwickelnden Abbau auf den Gyps, der als treu- liches Material zu Düngezwecken und zu Fusssböden sehr gesucht wird.

Wegen des stockfSrniigen Auftretens findet der Abbau in der Art statt, dass man in den H< i u; von oben herab einen Steinbruch angel^ hat. der den rundlichen Theil des Gypses al liutzmauer stehen lässt und ailjälirtich weiter nach der Tiefe geht. Der starke Wasserzuflnss (ca. cbm j»ro Minute) erfordert die dauernde 'i'hiitigkeit eines Pump- werkes, nach dessen Einstellen sich bald der Bau mit Wasser füllt und somit in den Zeiten, zu denen nicht gebrodien wird, ein tiefer Teich die Stelle des Gypsbruches einnimmt.

Der Oyps hat eine heU- bis dunkelgraue Farbe, nnregelmassig dunkel durciiadert, und ist von mittlerem Korn, meist derb, doch auch dünn geschiefert. Nach unten geht er in Anhydrit über. An den Seiten gewahrt man, dass d«*r Gyps von dunkelgrauem Dolomit bedeckt ist, und diesem ist häufig tertiärer Septarienthon aufgelagert. Auch die in der Nachbarschaft angefahrten Bohrungen ergaben vielfach dieselbe üeberlagerung. An dem Gypsstock und seiner Bedeckung ist das Diluvium als Sand und zum Theil auch als Geschiebemergel an- und aufgelagert.

Das Vorkommen von Salzquellen in dem Gypsbruch und in der weiteren Umgebung liess schon längst auf das Vorhandensein von Steinsalz unter dem Oyps schhessen. In der That ist auch durch die neueren Tiefbohrungen in jener Gegend das Dasein eines mächtigen

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Der Boden Mecklenbnfgs.

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Sieinsalzlagers unter dem Gyps nachgewiesen. Ein Bohrloch am Rande des 0 vp:>bnirhp.s erg'ab in -VIl m Tiefe Steinsalz, welclies hei 477 m noch nicht durchftuukeu war. Das hierbei gefuudeue Proüi ist folgendes: 0— 22,33 m Sand, 22,33—135,00 , grauer und weisser Gyps, oben zerklüftet, 135,00—288,36 » bl&nlicher, grauer und weuser Gyps und

Anhydrit,

288,36 327,40 grauer Mergel mit rothen und weissen Salz- körnern in dunklen Thonlagen,

327.40-477,08 ^ Steinsalz.

Auch Abraumsalze sind aufgefunden worden, ohne jedoch bis jefert zu einer teehniBchen Yerwertfaung gelangt zn sein.

Durch das Vorhandensein von Salzquellen und den im Gjps- gebirge so häufigen Erdfällen (Pingen) ist die Ausdehnung des Lüb- theener Gyps- resp. Salzlagers mit ziemlicher Sicherheit auf eine Strecke von 42 km nachgewiesen ; dabei hat sich herausgestellt, dass das Dyas- lager von Lübtheen, der , Lübtheener Gebirgszug^, in Ostsüdost- VVest- Dordwesi-Richtaiiff streieht

Zu diesem Gebirgszug gehört auch die jetzt unverwerthete, ziem- lich starke Soolquelle von Sülze bei Conow, 17 km südöstlich von Lübtheen gelegen. In der Zeit zwischen 1307 und 1320 wurde dort eine Saline eingerichtet; später verfallen, wurde sie in der Mitte des 17. Jahrhunderts (1052) wieder aufgenommen, jedoch nur mangel- haft Terwaltet und endlich im Jahre 1746 gelegt.

Neben diesem Dyaszug finden sich noch vier, gteichfialls in der hercynischen Richtung streichende, die tlieils durch Salzquellen, theik durch Erdialle sich kenntlich machen. Ks sind dies die folgenden:

1. Sülsdorf Suiten südlich Schwerin Sülsdorf bei Schönberg ( Segeberg in Holstein).

2. Sülten bei Brüel Silz bei Nossentin.

3* Neuenkirchen Bfltzow Schüeffimberg ^Franzensberg Sfilten

bei Stavenhagen. 4. Ribnitz Sülz Golchen— Wittenbom.

Bei Sülten zwischen Brüel und Sternberg war schon im Jahre 1222 ein Salinenbetrieb ^): ebenso war bei Neuenkirchen unweit Schwaau wahrscheinlich früher eine Salzsiederei; im 16. Jahrhundert aoU bei Bibnitz und 1170 in Selz bei Golchen eine Saline in Betrieb

gewesen sein. Die gegenwärtig einzige noch in Betrieb befindliche aline findet sich in dem an der pommerschen Grenze befindlichen Städtchen Sülze. Die Quelle enthält ähnlich wie die von Sülz bei Conow einen beträchtlichen Gehalt an Kahum und Magnesium. Die älteste Urkimde^), welche von den Soolquellen bei Sülz spricht, ist vom Jahre 1243, wo schon die Benutzung der Soolquellen von den Toifahren erw&hnt wird. Seitdem war hier &st dauernd eine Salz-

•) V'ergl. die geschichtlichen Notizen von Lisch, Jahrb. d. Ver. f. meckl. Qochichte. Schwerin 1846.

^) iS. Koch, Geschichte der Saline su SiUs. Lisch'a Jahrb. f. mecki. Gesch. 1846. t>. 'J7.

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Oeinitx^

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siederei im Betrieb. Seit 1822 ist daselbst eiu Soolbad errichtet, welches hauptsächlich für scrophulöse Kinder benutzt wird. Im Jahre 1882'83 prnducirte das Salzwerk 1 514 100 kg, von denen 1 170 400 kg Speiaesalz und 97 800 kg zu anderen Zwecken verwendetes !Salz im Lande blieben, während das übrige nach Pommern Termndt wnrde. Die Prodndaon des Jahres 1883/84 betrag 1 447 400 kg, das versteuerte Salz (1 264 400 kg) lieferte einen Steuerertrag von 151 725 M. Auch pine chemische Fabrik ward 1^28 daselbst gegründet zur Verarbeitung der ziemlich beträchtlichen Mutterlauge u. a. m., mosste jedoch bald wieder eingehen.

B. Jura.

Zwischen dem Dobbertiner und Goldberger See im mittleren Mecklenburg^ wnrdf in einer Thonprube die Juraformation entdeckt, ein blaiirrraiier fetter Thon mit einer grossen Menge von rundlichen, brodfürmigen Kalkconcretionen, bedeckt von Diluvialmassen ; ausserdem in starker Schichtenverdröckung ein bitumenreicher sandiger Posidonien- schiefer. In leteterem finden sich charakteristische Yersteinernngen des oberen Lias. Die Ealkooncretionen sind durch ihren Reichthum an Versteinerungen (Fische, Ammoniten, Krebse, Tnsectwi, Fflansen) ans- gezeichnet, welche dem obersten Lias angehrirfn.

Die Funde von In.secten in dem Juni von Dobbertin . welche bisher einige 40 verschiedene Arten in wuhlerhaltenen zahlreichen Exemplaren geliefert haben, sind in mannigfacher Besiehung von hohem Interesse, auch schon deshalb, weil sie die einzigen derartig reichen Funde in ganz Deutschland sind. £s sind neben einigen Käfern ▼orwiegend Nenropteren und Orthopteren, welche meist am Wasser zu leben pflegen. Es war also hier zur Zeit des obersten Lias eine Meeresbucht an einem Festland resp. Inselland; damit stimmt auch der Fnnd von Landpflanzen flberein.

Technisch wird der Thon zn einem lebhaften Ziegeleibetrieb ver- wer&et, der Schiefer hat noch keine Verwendung analog den warttem- berger Oelsrhiefern icfefunden. Nur hat man seinen hohen Gehalt an Bitumen (er ])reiint mit leuchtender Flamme an der Kerze an) zum Schwärzen und Glanzbrennen der Dachsteine versuchsweise benutzt.

Besonders im östlichen Mecklenburg finden sieh nnier denDilnvial- gpschieben in sehr grosser Menge JnragerOlle mit sehr zahlreichen Versteinerungen des mittleren Jura. Da in den nordöstlich hiervon geleirencn Gegenden Pommerns der braune Jura ansteht, so ist die Annalime berechtigt, dass diese mecklenburgischen Geschiebe und GerüUe aus jenen Gegenden stammen. In der That zeigt eine Karte, auf der die Yerbreitang dieser GeröUe eingetragen wird dass sie sich hauptsächlich da finden, wo fiberhaupt Gesddebe reichlich ange- häuft sind, nämlich im Gebiete der oben erwähnten Geschiebestreifen, und dass sie nicht so wie die tertiären Sternberger Gesteine auf ein beschränktes Gebiet localisirt sind. Man kann also nicht annehmen^ dass der braune Jura in Mecklenburg ansteht.

0 Flötiformat Heckl. TW. 8.

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15j Der Boden Mecklenburgs. * 15

C. Kreide.

Die KrtMilctormation tritt in Mecklenburg an sehr zahlrMichen Stf'llen auf und liefert technisch verwerthbare Gesteine in dem Kreide- kalk zu Bau- und Düngekalk, in den Thonen zu Thonwaaren- und Cementfabriken, in dem Pläner zu vorzüglichem Bau- und Düngekalk mid in den Phosphoriten günstiges Material fttr chemiseh-teehniBGhe Yerwerthung. Der Plänersandstein ist zu nnrdn nnd durch den Glacialdrurk zu stark zertrümmert, als dass er zu Mauersteinen Ver- wendung finden könnte.

Folgende vier geologische Altersstufen konnten in den verschie- denen mecklenburgischen Kreide Vorkommnissen durch Versteinerungen oonslatirt werden:

1. Cenoman oder Unterer Pläner (z. 6. bei Gielow und Moltcow am Malchiner See).

2. Mittlerer Pläner oder Unteres Turon (Plänerzug von Karenz bei Lübtheen und von Brunshuupten bei Doberan).

8. Oberes Turon, Scaphites Geinitzi-Schichten. (,Die meisten Vorkommnisse Ton Feuerstein fQhrender Schreibkreide, mit untergeordneten Thonen.)

4. Oberes Senon vom Alter der Rügen*8Ghen Kreide (Feuerstein führenrip Kreide im Klützer Ort).

Das mecklenhiirgische Kreidegebirge besteht aus fünf parallelen Zügen, die in Südost-Kordwe.st-Streichrichtung durch das Land laufen:

1. Earenzer Pläner und Grünsand, zum Lübtheener Gebirgszug gehörig.

2. Pläner- und Kreidezug von Silbeck in Holstein Klützer Ort— Nossentin Poppentin Gotthun am Müritzsee - Fürstenberg.

3. Planer- und Kalkzug von Cismar in Holstein— Neuhof bei Zehna Jabel Moltzow.

, 4. Plänerzug von Heiligenhafen in Holstein Brunshaupten und Brodhagen bei Doberan Teterow ^Basedow, Gielow imd Len- schentin bei Malchin Nedemin.

5. Kreideztig von Warnemünde Kösterbeck Saroow Glempe- r\oyr Salow— Wittenbom.

Der Pläner von Karenz und von Brunsiiaupteu enthält ziemlich häufig Phosphoritknollen, welche für eine techniche Verwerthung (zu Düngemateiialien) recht brauchbar wSren. Diese beiden Stellen sind als die bis jetzt bekannten westlichsten Ausl&ufier der grossen mittel- europäischen Phosphoritzone zu betrachten, die sich von Central- mssland, Simbirsk , Woronesch, Desnaquellen nach der oberen Kreide Schonens, Seelands und Jütland erstreckt

D. Tertiär.

Die Tertiärformation mit ihren nutzbaren Gesteinen: Braunkohle, Tlum, Sand, Alaunerde ist in Mecklenburg besonders in der südlichen

^) S. FlöUlormat. Meckl. S. 59.

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Geinits,

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Hälfte ziemlich weit verbreitet. Ihr ^geologisches Alter ist wie du im übrigen Norddeutschlnnd oligocän und miocän.

Am besten aufgeschlosseu sind die Tertiärvorkommnisse im süd- westlichen Haidegebiet Mecklenburgs, wo der schon in alten Zeiten mit einem besonderen Namen, »Wanzeberg*, beseichnete HOhen- eomplex der Gegend von Malliss und Bockup in unmittelbarem Zu* sammenhang mit der Ltibtheener Gegend stehend das Tertiär des .Ltibtheener Gebirgszuges" bildet.

Von Malliss über Conow und sodann in nordwestlicher Richtung wieder bis Lübtheen ist ein Lager von mitteloligocänem Septarien- thon nachgewiesen, welches hier ein deutliches Nordwest-Slidost- Streichen und ein Südwest-Einfällen hat. In ihm finden sich zahlreiche charakteristische Conchylien, femer g^t ausgebildete Gypskrjstalle und die grossen, oft 1 m im Durchmesser haltenden Kalkconcretiotien. die „Septarien" oder ('ementsteine , die jetzt noch als werthios hei Seite geschafft werden, sich aber zur Cenientfabrikation vorzüglich eignen. Das Thonlager wird gegenwfirtig in einer gromartig betriebenen Thon- grube, der «Neuen Msllisser Ziegelei", abgebaut und zu einer bedeu- tenden Zie^elindustrie verwerthet. In dem Jahre vom 1. März 1883 bis i'O. September 1884 wurden daselbst 12 188 000 Stück 21 cm lange Ziegel gebrannt und im Sommer durchschnittlich 17."), im Winter 95 Arbeiter beschäftigt. Der Transport der Steine wird durch den bis ans Werk geffihrton Arm des Eldekanab wesentli^ erleichtert.

Das Braunkohlenlager von Malliss und Bockup gehOrt dem südwestlichen Abfall desselben Höhenrückens an und lagert coni rm mit derselben Streich- nn<l Fallrichtung auf dem Septarienthon. Es gehört theils den von reinen glacialen Diluvialmassen bedeckten Höhen an, theils aber auch der tiefer gelegenen jungdiluvialeu Haide, welche das hier von schroffeu Absturzufern begrenzte alte Eidethal einnimmt.

Die Lagerungsverhältnisse sind hier ziemlich r<'(;elmiissig, die Schichten fallen sehr flach nach Südwest ein. Nach dem Fallenden (bei Bockup) nimmt sowohl die .Mächtigkeit der Flötze (es sind deren zwei) als auch der Zwischenraittel und des Hangenden zu. Das Lie- gende und Hangende wird von Gliminersand und Thon gebildet, schliesslich lagert auf den Massen noch ein harter, an miocSnen Gon- chjlien flberaus reicher Sandstein, der bekannte Hock uper Sandstein*. Zur näheren Orientirung sei ein Bohrprofil mitgetheilt:

0 - 1 m Haidesantl.

1 2,8 GeschielM'HKrgel, 2,3 8,0 Dilii vialsand,

8,0 8,9 , Bockuper Sandstein,

8,9—16,7 , grauer Tertiärsand, wechselnd mit Thon und

Alaunerde, 16,7 18,6 , ol>ert's Brsinnkohlenflötz, 18,0 41,5 Glimmersand und Alauuerde, 41,5 40,5 , unreine" Kohle,

46,5—49,0 unteres Braunkohlenflötz , darunter Thon und Sand.

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Der Boden MeeUenborgs.

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Diü hier geförderte Braunkohle ist von dunkelbrauner erdiger Beschaffenheit; sie zerfült an der Luft in kleineckige Sfcfieke. Neben der Mulm- nnd ErdkoUe findet sich liftnfig BlKUerkoble mit sehr viel Lignit, verkohltem Holz.

Eine Analyse der Braunkohle TOn Schulze (Arch. f. meckl. Landesk. 1855. S. 669) er^ab:

58,85 Kohlenstoff, 5,04 Wasserstoff, 0,66 StiekstofP, 34,15 SaueTsbxflf, 1,30 Asche.

Hierbei ist der geringe Aschengehalt bemerkenswerth.

In dem Braunkohlenbergwerk zu Malliss wurden im Jahre 1883 14 860 000 kg Braunkohlen im Werth von 58 700 Mark gewonnen; im Jahre 1882 12 550 000 kg (im Werth von 62 750 Mark); 1873 betrag die Plrodactioii nnr 5 761000 kg, im Jebr 1878 dagegen 19484 000 kg. Das Werk beech&fldgte im Jahr 1882 dnrchedbmttUch d5 Arbeiter täglich.

Seit dem Jahre 1817 wurden bei Bockup (in der Nachbarschaft

von Malliss gelegen) Bohrversuche auf Braunkohlen angestellt, die auch nach üeberwindung einiger äusserer Schwierigkeiten bald zur Anlage eines Bergwerkes „Zeche Friedrich Franz^ führten, welches auf Kosten der Grosäerzoglichen Kammer betrieben wnrde; da aber die Kohlen zn wenig Absatz fanden, wurde das Werk 1888 aufgegeben, und erst 1851 übernahm eine Actiengesellschaft den Betrieb von neuem, wdehe den Besitz 18G2 an eine Commanditgesellschaft tibertrug; diese ver- kaufte es 1873 an die Mallisser Gewerkschaft, welche den Betrieb bedeutend erweiterte. Der jetzige Betrieb schliesst sich an die alten Bauten an und erfolgt durch einen Schacht und einen Stollen, der Art, dass der Schacht das Oberflfttz erreicht nnd der Stollen Tom Eldekanal her das ITnterfl6tK abbaut

Die , Alauner de' aus dem Hangenden der Kohle, die bei Bockup am Absturz des Eldethales, bei Malliss in den Alaunbergen u. s. w. zu Tage ausgeht, lieferte im 16. Jahrhundert das Material zu einer Alaunsiederei bei Malliss, welche aber im Jahre 170!) ,das Schicksal vieler derartiger iiulu»triellen Unternehmungen in Mecklenburg theilte und eingingt (Boll).

Die weissen Olimmersande der dortigen Braunkt^nformaticii WOTden zur Glas&brikation, su Zwecken der TOpfer und Ziegler n. a. Terwendet.

In nordwestlicher Richtung von Malliss wurde im Gebiete des Lübtheener Gebirgszuges bei Hohen Woos 1879 und 1880 und bei Trebs, sowie in Lübtheen die Braunkohle, zum Theil in bedeutender Mächtigkeit und auch in zwei Flötzen aufgefunden. Das Bohrloch bei Trebs (im Kamdohl) ergab ferner unter der Kohle eine Ablagerung TOn GHmniersand, in welcher sieb zahlreiche miocäne Conchylien befinden. Durch diesen Fund ist das geologische Alter der mecklenbnrgischen Braunkohle als miocän erwiesen, im Gegensata

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Geinilz,

zu dem höheren, oligocäuen Alter der Braunkohlen in den südlicheren Theflen des norddeutschen TieflAndes.

Alaunthone und Glimmersande treten ausserdem an vielen Stellen des erwähnten Areales zu Tage nnd werden fOr Ziegeleien n. a. ver* wendet.

Im mittleren M e < k 1 n b u r ist das Tertiär nahe der Ober- fläche au vielen Orten nutgelimden. Brauukohleulager wurden bei Pritz (zwischen Stemberg und Dobbertin), sowie beiParehim dnrch Bohrung in nicht beträchäicher Tiefe nachgewiesen; doch findet an beiden Orten kein Abbau statt.

Tm östlichen Mecklenburg findet sicli nnr n<uh ilas Oligocän, in den mächtigen Lagern von Septarienthon der l nigelinng von Mal- chiUf Neubrandenburg, Treptow und Friedland; ziemlich bedeutende Ziegeiden benutzen diese Lageik

Das nördliche Mecklenburg ist frei von Tertiär, war also ein Ereidefestland zu dieser Periode.

Eines specifisch mecklenburgischen Tertiürge.steines sei hier noch Erwähnung gethan. der sogenannten ^Sternberger Kuchen*. Es sind dies Bruch- und Koilstücke eines noch nicht anstehend aufgefun- denen Lagers, die sich in diluvialen Kies- und Mergellagem inner- halb eines eng begrenzten Districtes finden; ihr Hauptgebiet ist auf die Umgebung von Sternberg beschränkt: von der Ost- und Nordseite des Schweriner Sees, Warin, Warnow, östlich von Sternberg. West- grenze des Dobbertiner Sees, Crivit/, nach der Süd.spitze des Sclnvoriner Sees. Daneben sind noch einige wenige i.solirte Fundpunkte vorhanden. Die Stemberger Kuchen sind recht verschiedener Art: feinkörnige hell|rraue bis dunkle kieseUge Kalksteine, gelbgraae bis weisse kalk- haltige Sandsteine, oft reich an Glimmer und Glaukonit, oder feste oder lockere eisenschüssige Sandsteine, endlich auch kalkige oder eisen- haltige Cnnglonierate und schliesslich sogenannte .Eisensteinscherben", von tniirlK'Ui oder festem eisens<']iTissigt'ni Sandstein Iiis zu reinem glänzendem Brauneiseuerz in Platten uiler dosenfürmige Geoden über- gehend. Die massenhaft in den Stemberger Kuchen enthaltenen Con- chylien sind entweder mit ihrer Kalkschale oder nur als Steinkeme erhalten, bei den abgerollten Stfuken treten sie häufig auf der Ober- fläche etwas hervor nnd haben durch ihr eigenthümliches Aussehen alsdann dem Gestein die alte volksthümliche Bezeichnung verliehen. Nach dem geologischen Alter sind diese Versteinerungen als ober- oligoeän bestimmt (Karsten, Koch, Wiechmann).

3. Postglaeiale Ablagernngeu.

Kehren wir zurück zu den eigentlichen Diluvialabsätzen. Wir sahen, wenn wir Ton allen SinzeUragen absehen, dass dieselben aul- zufessen sind ak die Absitze des Gletschers und seiner Schmelzwässer

während der sogenannten Eiszeit. Der Abschluss dieser (ein- oder zwei- maligen) Vergletschornng Xorddeutschlands kann als die , Abschmelz- periode* bezeichnet werden, die, als postglacial dem jüngsten Dilu-

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Der Boden Mecklenbargs.

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vium angehörend, in die .Jetztzeit, das Alluvium, hinübergreift und daher znm Theil schon zum Altalluvium zu rechnen ist.

Dieser Zeit de» Abschmelzens des DilaTialgletschers gehört in

Mecklenburg (und gleichfalls im übrigen Norddeutschland) TOr allem die Herausbildung der heutigen Wasserlilufe , Niederungen und Seen an, .soweit dieselben nicht schon durch Glacialthätigkeit , prüglaciale Erosion oder Configuration des Flötzgebirgskernes mehr oder weniger scharf vorgezeichnet waren.

Nor Inirz sei hier dieser Vorgang angedeutet.

Durch die im grossen und ganzen ziemlich plötzliche Vermeh- rung der Abschmelzwässer wurde das bisher vom Eis bedeckte Land der verhältnissmässig plötzlichen Einwirkung von stromHchnellenartig hf we Litern Wasser ausgesetzt und in folgenden verschiedenen Formen erüdirt :

Durch strudelnde Wässer (zum Theil auch schon unter dem Eis,

durch ,Gletsrhermühlen") wurde der Boden zu den riesentopffthnlichen sSöUen" aufgewühlt. Dies sind die zu- und abflusslosen, ziemlich kleinen kreisrunden , trichterfx^rmigen , verschieden tiefen Löcher , die ^^'ie Erd^iille zu Tausenden den (Teschiebemergelboden des norddeutsclien Tieflandes durchsieben, und die cisternenartig meist das ganze Jalir llher mit Wasser erflQU sind').

War hei dieser Strudelhewegung reicUicheres Wasser Torhanden, so wurde ein grösserer Fleck ausgearheitet und es entstanden die i.vnlirten Kesselseen mit steilen Rändern und beträchtlicher Tiefe oder flacheren Depressionen von irrr»ssprfMn Umfange, die gleichfalls in grosser Menge das Diluviaiplateau unterbrechen, theils von Wasser erfUlt, ab Sheen oder Teiche, theils zu Moorflächen vertorft.

War noch reidüicheres Wasser Torhanden, so floss dasselbe nicht eindfoch Uber den Rand der ausgearbeiteten, isolirten Vertiefoi^ Aber, sondem verschaffte sich durch Erosion einen in seiner Form spater conserviiteu Abfiuss. Diese Abflüsse haben folgende verschiedene Formen :

Flache Thaldepressionen, die theils nur im Diluvialboden ein- gesenkt sind, tbeik auch Alluvialahsatze fthren. Oft liegen in ihren

< 1 1 ren Regionen reihenförinig hinter einander einige SöUe. Zu ihrer

Hildung bedurfte es nicht langer Zeit, sie entstanden gewissermassen durch ein einmalij^e?^ Ausschlämmen: demgemäss sind sie auch sehr allgemein verbreitet und haben keinen lange dauernden Wasserlauf gefülirt. iiäutig hegt eine Anzahl solcher Depressionen dicht neben einander, ohne je durch eine Erosionswirknng in Verbindung getreten zu sein.

31it grösseren Thälern stehen sehr liäufig in seitlicher Verbindung kurze, oft nur amphitheatralisch oder kesseltormicr gestaltete Seiten- schluchten, in denen nur durch Stauung am Hauptthal alluviale Moor- oder Torfbildung ermöglicht wurde.

Waren an einer SteOe reichlichere oder andauerndere OewKssor

0 8. die Daxatellung im VI. Beitrag zur Geol. Meekl. 1884. *} Beitr. s. Geol, MeeU. I. 1879. 8. 54.

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Torhanden, ao bahnten sich dieselben einen Weg durch ein echtes, häufig Ton Steflnfem begrenztes, znm Theü sehr tiefes Erosionsäial, das später von Alluvionen angefüllt werden konnte.

Der Beginn dieser Thäer ist fast stets in einem oder mehreren oberhalb gelegenen Thalkesseln oder flachen Depressionen zu finden. Dieser Thalbeginn mit kurzem Quellenlauf, bei dem also nach einem oder mehreren Thalkesseln mit folgendem sehr kurzem Erosionsthai naeh gnns koner Entfenrang alsbald der ganze Flnsslaaf in seiner fertigen Breite nnd Tiefe ersdieint, ist fOr die Flfisse nnd Bftche, sowie deren Reste, die Seen, Mecklenburgs und Überhaupt des gesammten norddeutschen Tieflandes charakteristisch.

Da die Abschmelzwässer das Diluvialplateau gleichzeitig an sehr verschiedenen Stellen bearbeiteten, so mussten viele der genannten Bodendepressionen in sehr nahe Nachbarschaft kommen und konnten sieh aueh die Wasserscheiden hanflg sehr nahe zosanunenlegen.

Die Sehmekw&sser erodiiten aber nicht blos den Boden, sondern sie schwemmten auch ans demselben Theile wep . um sie auf ihrem Laufe in anderer Form alsdann wieder abzusetzen. Die Thalsande, zum Theil die Steine der »Steinbestreuung*, ein Theil von Wiesen- thonen u. a. gehören zu diesen Absätzen des Altallu viums, die man snm Thml sogar noch sum Jongdiht^nm zihlt.

Als dann später bei zunehmender Trockenheit, d. h. Eisbefreiung die Wasser allmählich versiegten, wurden die einst von dem Wasser einp^enommenen Niederungen ganz oder theilweise von den eigentlichen Alluvialabsätzen, Flusssand, Lehm, Wiesenkalk, Torf und Moor- erde eingenommen. Dieselben bedecken entweder die altalluvialen Bildungen oder ruhen direct auf den diluvialen Gesteinen; eine Alters- grenze zwischen Alt- und Jung-AUuvium ist häufig ungemein schwierig.

Zu den wichtigsten Ablagerungen des Altalluviums gehört der Haidesand. Di(»ser findet sich in Mecklenburg in folrronden drei grossen Arealen, welche mehr oder weniger deutlich als grosse weite Thalebeuen noch kenntlich sind: das zum Elbthal gehörige, von der Eide, Bfignits und Sude durchfiossene im Sfidwesten, das grösste; so- dann das zwischen dem Goldberger und Fleesen-See in der Mitte des Landes nnä die Rostock-Ribnitzer Haide am Ostoeestrand, bis zum

Darsser Ort sich hinziehend.

Das Haidegebiet im Südwesten des Landes wird von der Elbe abgeschnitten von der Gegend von Boitzenburg bis südöstlich von Bttmitz. Neusfcadt, Ludwi^ust, Grabow, Eldena ^ Dömitz, Lübtheen, Hagenow sind die bekamrtesten Orte, die im Gebiet dieser Haide liegen. Sehr deutlich ist zu beobaehten, dass sieh dasselbe aus folgen- den breiten Thalläufen znsararaensetzt, zwischen denen insel- und zungenfbrmige Rücken von niedriger Erhebung die alten Ufer dar- stellen, welche von älteren Gesteinen, Diluvium oder Flötzgebirge. zusanmiengesetzt werden, oft aber auch schon von einer dünnen Decke des Haidesandes Aberzogen worden sind: es sind die Th&ler, welche heute noch von den Flüssen Elbe, Eide, Bögnitz, Sude, Schaale und Boitze durchflössen werden. Die erste sammelt in ihrem nach Nord- west gerichteten Lauf die übrigen aus Nordost zufliessenden Thäler

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Der Boden Meckleaborgs.

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auf. Letztere haben eine sehr bedeutende Breite gegenüber einem im Yerhältoiss nur kurzen Lauf. Das Eide- und liögnitzthal , soweit es dem Haide^ebiet angehört, beginnt in der Gegend von Parebim, bei Neustadt mit der grossen Lewitzniederung südlich vom Schweriner See in Verbindung stehend. Südlich von Parchim nimmt auch die nur zum kleineren Theil zu Mecklenbirfg i^ehörige Haidethalebene der Locknitz ihren Anfang. Mit der isenstiidter Haide steht in Quer- Yerbiuduug das bei Hagenow Torbeilaufende Haidetlial der Sude, das in der Gegend afidweetlidi Ton Schwerin seinen An&ng hat. Weiter im Westen verlaufen die geringfügigen Thäler der Schaale nnd Boitze. Becht charakteristiacfa ist die häufige Ablenkung dieser Seitenflüsse vor ihrer Mündung zu einem der Eibe parallelen nordwestlich «gerich- teten Lauf: solche Kniee finden sich erst im eigentlichen Elbthal, also nach der geologischen Einmündungssteile. Sie sind sehr autiiiliig bei der Löcknitz, alten Blde und Rögnitz, die sogar noch einen weiteren Parallelarm, die Eralnke, abgegeben hat.

Recht trefi'end schildert Koch den Charakter dieser Haideebene mit folgenden Worten ') : „Es giebt kaum einen grösseren Contrast, als wenn man die reizenden Umgebungen tschwerins verlassend südwärts sich wendet und in raschem Wechsel des Landschaftscharakters plötzlich die anabsehbare Ebene vor sich hat; der Name der .Haideebene' wird dem gerechtfertigt erscheinen, der noch jetzt weite Flfidien, namentlich zwisdien Hagenow und Ludwigslust, vor sich sieht, die kaum eine andere Vegetation darbieten als Haidekraut. Die weitläufig gelegeneu Dorfscliaften , fast ohne Ausnahme alte VVendensitze, stets an feuchten, für Wiesengründe günstigen Steilen aufgeführt, bestellten nur die unmittelbar benachbarten Theile der Feldmark, so dass meilen- weite Flächen als .sogenannte Gonimnnionweide nnbenntat lagen, nur sehlechten Schafsorten kümmerliche Nahrung liefernd. In den letzten Jahren hat allerdings durch den Aufschwung der Landwirthschaft u. a. m. die Haideebene ihren (/harakter sehr bedeutend verändert ..." Neben den sumpfigen tiachen Niederungen, den mühsam bebauten Kornfeldern und Gärten trilft mau im wesentlichen vorwaltend nur Haidekraut und vor aUem trockene Kieferwaldungen von m&cbtiger Ansdehnnng.

Der Boden ist der feine, gelbliche oder weisse, «mahlende* Sand, der bei trockenem Wetter da.s Gehen nnd Fahren so erschwert. Grössere Steine, Geschieben oder Kieslagern entsprechend, fehlen voll- ständig. Nur auf den randlichen oder inseltormigen Bodenerhebungen kommen dieselben aus den Diluviailageru zu Tage und werden natür- lich hier ebenso wie die brauchbaren Bodenarten des DihiTinms (Lehm oder Eies) eifrig gesammelt, am zu Hftnserbauten, Wegebesserung u. dergL verwandt zu werden. Die oberste Decke des Bodms, wo der flüchtige Sand nicht unmittelbar zu Tage tritt, bildet ein saurer kohligharziger Humusboden. Unter dieser folgt eine 1 2 Fuss mächtige, oft auch viel geringere Lage von grauem Sand, auf dem sehr aligemein ein braungelber, oft stoinartig erhirteter, mehr oder minder eisenschfissiger

0 Archiv für LaodeskQnde in den Qroesbenoethflmern Meeklenbaig. 1855. 8. 652.

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k^aüd, die sogenanute Fuchserde lagert. Diese ist es besonders, welche m dem Haidesandgelnet die grosee Unfirachtbftrkeife bedingt

Mit der Bildung dieses branngelben hnmoeen Sandes steht die Bildung des Baseneisenerzes (auch Klump, Ortstein, Ur genannt)

in Zusammenhang. Von eisenschüssigem, lockerom o<lor festem Sand linden sich dabei alle llebergänj^f^zu dem braunen glänzenden, porösen und doch ziemlich festen Erz. Eine Analyse von Raseueisen aus der Haide (Schuhe 1859) ergab:

46,752 PjOj 20,158 H.O 24,630 Sib.. 0,272 Al^füg 4,778 Mn^Og 0,143 CaOOj, 0,011 MgO 2,078 PgOg 0,r>7S BaO.

Besonders rein tindet sich das Kaseneisenerz auf den Feldmarken Grebs, Bresegard, Glaisin.

Die alten Einwohner des Landes haben das Erz ausgeschmolzeu, wie man ans den zahlreichen Schlacken ersehen kann, die noch heute auf den Feldern gefunden werden. Das Ausschmelzen erfolgte an offenen Feuern; bei der UnvoUkommenheit des Betriebes blieben die Schlacken noch sehr eisenreich (30 40 ^o). Nach Lisch ^) erfolgte die erste Eisenverhüttung historischer Zeiten im Jahre 1282 zu Stavenhagen. Später wurden folgende Eisenwerke eingerichtet, die aber alle nur einen sehr kurzen Bestand hatten: 1. zu Ghrabow 1518; 2. Disensehmdz- hfitte, Hammer- und Blechschmiede zu Neustadt 1 544 ; 3. Eisenschmelz* hütte (1570) und Frischhammer zu Neustadt 1574 8(3; 4. Anlagen Herzog Christophs 1573; 5. Herzog Adolph Friedrichs I. Anlagen zu Dömitz und Neustadt 1600; 0. Eisenwerke zu Wittenberg und Zarren- tin 1614; 7. Eisenhütten zu Neustadt 1647, 1661, 1703; 8. Eisen- werke bei Dömitz 1755 70. Gegenwärtig benutzt man das Basen- eisenerz nur noch als Baumaterial, namentlich wegen des Mangels an Qesdiieben und Gevö]]*')u Sehr hübsch sehen die Gehöftemauern und die massiven Gel)äu(le. Ställe oder Wohnhäuser ans durch den Con- trast der dunklen grossen Erzblöeke mit dem weissen Mörtel dazwischen oder den helbrothen Ziegelsteinen der Pfeiler; auch sollen sich die inneren Bftnme solcher Gebäude durch srosse Trockenheit auszeichnen. Wenn sich ein neues chemisches Verfiuiren, aus dem Baseneisenstein die Phosphdrsäure leicht und in brauchbarer Verbindung darzustellen, als pruktist h 1)0 währt, so steht diesen Mineralvorkommnissen, die jetzt nur dem Ackerbau lästig sind, eine grosse Zukunft bevor.

Das Gebiet des Haidesandes ist nicht durchaus eben, sondern man trifft ungemein häußg kleine oder langgezogene, isolirte oder in Läugs- oder Parallelreihen angeordnete Hfigelrfläen oft Ton sehr Steuer Böschung nud bedeutender Höhe, welche vom Wind zusammengewehte

>) LiMh, Jahrb. d. Vereins f. meekl. Qeeoh. VU. 1842. 6. 51—156.

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Der Bod«n Heckleabargs.

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D li 11 V 11 darstellen. In den grossen Waldungen und auf Feldern siÖBst mau ausserordentlich häufig auf diese Höhen, die uns oft nach einer Ausrodung oder Umpflügung wieder daa alte Bild der anfimchtbareii DfinenkadBehaft vor Augen finhren. Aueh auf die alten üfer und Liseln der Haide ist der Thalsand durch wandernde Dttnen hinauf-

rweht und hat dadurch sein Areal um ein Boleutendes ver<^rössert. B. kann man dies an den von Tertiär und Hauptdiluvium gelnldeten Bockuper Bergen, dem Steilabhaug des Eidethaies, sowie an den Mal- lisser Tertiärufem sehr schön beobachten.

Neben diesen Dllnenhügeln unterbrechen noeh einzelne andere Höhen die Haideebene. Es sind dies Inseln oder Ufer der Thal- länfe, aus Geschiebemergel, Diluviul^anden oder Thonen, Tertiär, Kreide oder G vps bestehend. Auf ihnen zeigt oft die oberste Diluvialbedeckung, der Geschiebesand, dieselbe Ausbildung wie auch in den Gegenden, welche dem Beginn der genannten Thäler benachbart sind (z. B. die Gegend bei Parchim) ; er enthält n&nüich hier an der Grenze nach dem Hauptdiluvium einen auffälligen Beichthum an den sonderbar geschlif- fenen harten GeröUen, die man als Dreikanter bezeichnet hat. Ihr Vorkommen in Mecklenburg ist ganz besonders auf die Grenz- regionen der stidwestlichen Haide beschränkt. Sie haben ihre Ge.stalt einer eigenthünüichen Beweguugsform des plötzlich uod in grosser Fülle auftretenden Schmelzwassers zu Terdanken.

Geologisch kann man als einen Theil dieser Haide die grosse Lewitzniederung betrachten, welche sich yom Südende des Schwe- riner Sees in einer Länge von 3 Meilen und einer grössten Breite von ca. 1 Meile bis Neustadt erstreckt. Die moorige, frülier zum errössten Theil völlig unzugängliche, jetzt von zahllosen Kanälen entwässerte Niederoni^ ist als ein anateoeknender See «iftii&ssen, dessen Terrain theÜB Haidesand, theils Yertorfungsproducte einnehmen. (VergL die eingehende Schilderung dieses interessanten Gebietes von Fromm und Struck. Arch. f raeckl. Landeskunde. 18G6. S. 113 f)

Das zweite Haidegebiet Mecklenburgs zieht sich vom Nordufer des Fleesensees (Nossentiner Haide) südhch vom Krackower See nach Dobbertm hin und zeichnet sich durch eine grössere Anzahl Ton Seen und Torfiiiederungen aus. Es ist fisst durchgängig Ton Wald und zwar meist Kiefern bestanden. Auch hier können wir von seinen Grenzen her den Üebergang aus der oberdiluvialen ,Steinbe:streuung* allmählich in den steinfreien feinen Sand des eigentlichen Haideareales auf dem Wege z. B. von Vollrathsruhe südwestlich vom Malchiner See nach Nossentiner Hütte sehr schön verfolgen. Am Südrande bei Jabel fand ich ein grosses EantengerSUe.

Endlich das dritte Gebiet ist nicht mehr vollständig erluiUeii, weü die Ostsee in ihrem heutigen Küstenverlauf diis Areal abgeschnitten hat. Es ist die Rostocker, Gelbensander und Kibnitzer Haide. Die herrschende Bodenart dieses Gebietes ist ein sehr feiner, hell ocker- gelber, zum Theil auch rostbraun, aber auch weisshch gefärbter Saud Ton sehr gleichbleibender Beschaffenheit, f&r welche auch der Orts- und Reviername , Gelbensande " eine sehr charakteristische Bezeichnung ist. Ganz allgemein ist dieser Sand in seinen oberen Partien folgender«

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nuMsen umgewandelt, ünter einer yeiechieden dicken Hnmiuloedeckiuig

folgt ein ca. 20—40 cm mächtiger graner, durch Humus geförbter Sand, als ^Bleisand" bezeichnet; dieser lagert auf einer fast völlig zusammeubängenden , gewöhnlich 20 25 cm mächtigen Schiclit von , Ortstein", einem festen harten Gestein von rostbrauner Farbe, be- stehend aus Sand, der durch Humus und etwas Eisen zu solchen festen Maasen verbunden ist, dass dieselben nur sebwer sn durehstossen sind und Ton den Baumwurzeln nur ganz ausnahmsweise durchdrungen werden. Darunter folgt dann der gewöhnliche gelbe Haidesand. Die Ortsteinschicht ist für den Arkerbetrieb sehr störend, dagegen ist sie in der niedrig und im Seeklima gelegenen Rostocker Haide für die Forstcuitur von huber Bedeutung. Sie verhindert das Eindringen des Wassers in grossere Tiefen und erbitt dadurcb dem Boden eine erbeb- liche Feuchtigkeit; durcb den langjfibrigen Bestand bat sich an der Oberflache die ungewöhnlich mächtige Humusschicht ang^esammelt, die mit dem Sand gemengt den günstigen Boden für ppäcbh'ge Nadelholz- und Buchenstämme bildet. Die mächtigen Wurzeln jener Bäume breiten sich alle fast ohne Ausnahme über der Ortsteinschicht aus, nur in seltenen FSUen gelinst es einer Wurzel, hier durchzudringen. Damit stehen audi die nidit seltenen Windbrflche in Zusammenhang, durcb welche das mächtige, flach in einander verfilzte Wurzelwerk ausgehoben wird» Binnendünen sind auch in dieser Haide nicht selten. Im übrigen ist das Terrain flach zu nennen, mit nur geringen Bodenerhebungen, welche einem Hervortreten des älteren Diluviums entsprechen. In den flachen Bodendepressionen, die besonders im westlicben Tbeil der Haide häufiger sind, tritt sehr leicht Versumpfung und Vertorfung ein. Daher ist unser Gebiet von zahlreichen grossen und kleinen Torfmooren durch- zogen , die mit einander nicht oder nur durch künstliche Gräben in Verbindung stehen. Der Wechsel von schönem Wald mit diesen Wiesen verleiht dieser Gegend neben der Lage am Seestrand jenen landschaft- lichen Beiz, der von den zahlreichen Sommerfrischlern in neuerer Zeit immer mehr gewfirdigt wird.

Das genannte Haidegebiet erstreckt sich vom Breitling östlich von Warnemünde in nordöstlicher Richtung nach Ribnitz. Hier wird es bei Dierhagen von den Torfwiesen abgegrenzt, welche den einstigen weiteren Lauf des llecknitzthales kennzeichnen. Das hier nach Nord- osten sich anreihende Fischland mit seinen Steilufern besteht aus dilu- Tialem Gescbiebemergel, dem noch in der Mächt^keit bis zu einigen Metern derselbe Haideeand aufj^lagert ist; nach der nördlichsten Spitze der mecklenborgisch-pommerschen Küste, dem Darsser Ort, verläuft die Haide weiter und jeder, der einmal eine Wanderung durch die Kiefernwälder und Torfiiird Inningen dieses Landtheiles zu dem Seebad Prerow unternommen hat, wird zur Genüge die öde Haidesandlandschaft kennen gelernt haben, um zum zweiten Mal nicht ohne Noth wieder dahin zu gehen. Wegen des Anschnittes durch die See ist bei noch fehlender genauer Kartendarstellung der Zusammenhang dieser Haide mit altalluvialen Thallänfen zur Zeit noch nicht völlig klargelegt.

Ein kleines vierten Haidegebiet durchläuft die Kisenbnhn dicht sAdöstiich von Güstrow in dem geologischen. Ursprungsgebiet des

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Der Boden HeekleDborgt.

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R^cknitzthales bei Klues. Auch hier sind Dünenzüge, Fuchserde, Kiefernwaldiiiig die duurakteiifitischexi Eigenthfimlich keiten der Land- schaft.

Wir haben in den mächtigen Ablagerungen von Uaidesand oder »Thaband* die Aba&tze der breiten mftch^en Strtnnl&iife a-kaxuit, deren Wassennaesen dnieh das Abechmeken des Gletechers geliefert wurden.

Nach Versiegen der Wassermengen wurde ein ^osser Theil dieser Sande trocken ffelecrt und konnte zum Theil durch die Atmosphärilien um- gearbeitet werden; in Niederungen bildeten sich stehende Gewässer, welche Torfbildung einleiten konnten. Die spärlichen Reste von flies- aendem Wasser, genährt durch Quellen oder Seen, dnrchfliesaen jetzt all schwache Wasserarme die weiten Saad-Thalebenen nnd setzen neue AllnTionen ab.

Tn den schmäleren Wasserläufeu müssen wir dieselVicn Ablage- rungen finden. Ihre Profile zeUfen uns das Altersverhältniss derselben. Wenn auch nicht überall alle Ablagerungen gebildet wurden, so macht sich doch in diesen Thälem als sehr allgemein geltende Aufeiuander- folge die Dreifirliedernng bemerklMur: tu nnterst Flnsssand, darauf Moorerde und Wiesenkalk, darüber Torf.

Die in bedeutender Tiefe solcher Thäler, wie z. B. im Warnow- thal, in ziemlicher Mächtigkeit auftretenden Flusssande (zu unterst in Kie.s übergehend) sind somit allermeist von dem gleichen Alter wie der Haidesand. Zuweilen bilden sie die alleinigen Sedimente der Thal- linfe, dabei oft reoente Condiyliensclialen einschliessend ; meist aber and sie in beträchtlicher Mächtl^eit verhüllt Ton Torf und Moor (zum Theil mit Wiesenkalk). Ein treffliches Beispiel dieser Lage- rung bietet das untere Warnowthal. Bei Rostock trafen vielfach Boh- rungen und Fundirungen folgendes Profil:

1— 4 m Torf (obenj,

2 8 9 Hoomde, zum Thefl mit Wiesenkalk,

darunter feiner, grauer Sand, nach unten in Kies fibergehend. Bine Probe der imter dem eigentlichen Rasentorf liegenden sandigen Moorerde aus der Tiefe von 5 m im Warnowthal am Rostocker Bahn- hof zeugt nach Untersuchung von Früh^) durch die zahlreichen und t erhaltenen Formen von Diatomeen, insbesondere durch die mannig- tigen Skeletttheile des Sfisswasserschwammes und die hinfigen üeber- reste von Nymphaea von einem stOlstehenden, siemlich ruhigen Ge- iHtoser. in welchem Riedgräser und wohl auch Phragmites communis ihre Halme erlKjlM u; die auf dorn Untergrund aufruhende Vegetation enthielt auch Laubmoose, später scheinen die Gräser die Oberhand gewonnen zu haben.

Die erwähnte Dreigliederung entspricht den natürlichen Yerhält- mssm. Bei reichlich und stark strömendem Wasser wurde der Sand abgeliefert; als Product des langsamer und weniger reichlich fliessen- den Wasserf^ wurde die Moorerde (Diatomeenerde) abgelagert, eine Bildung, die noch heute vor sich geht; hier entfaltete sich gleich- zeitig ein üppiges Leben von Süsswasser- und Sumpf-Conchjlien und

0 8. Qeiniti, Beitr. YL t. Qeol. Xeckl. 18M. 8. 84.

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26 Qeinits, [26

Diatomeen; als das Wasser allmählich weiter versiet^tc bildete sich auf diesem Untergrund in dem mehr stagnirendeu äumptigeii W a^äer der Torf.

Daher finden wir fest unter jedem der hierher gehörigen Torf- lager, allerdings in sehr wechselnder Mächtigkeit, eine mehr oder weniger sandige Moorerde von verscliiedenem petrographischem Ver- halten , in der sich liehen den vertorften oder humificirten Pflanzen- resten sehr häufig Schulen von Sumpfconchylien und kleinen Ostracoden, sowie in grosser Fülle Diatomeenpanzer finden. Vielfach ist solche Moorerde, «Modder* hier ffenannt, demzufolge auch direct als Infusorien- erde zu bezeichnen. Auch hierfür liefert das Wamowtiial bei Rostock treffliche Belege. Bei dem Bau der neuen Schleuse vor dem Mühlen- tb'»r zu Rostock hat ni;in diese Erde unter 1 2 ni Torf in einer Miiciitigkeit bis zu 8 ni au^'etrüü'en ; darunter folgt erst diM- für Ftin- diruugsarbeiten sichere Flusssand. Die Moorerde, hier unter dem WassemiTean stehend nnd daher reich mit Wasser imprägnirt, bildet eine zähflüssige schmierige Masse, welche von dem auflagernden Torf in die Abstiche hineingetrieben wird und dem Bau der SchiffiSahrts- schleu.se ungeahnte und kostspielige Schwieri'_rkeiten verursachte. Petrographisch dieser Moorerde sehr nahe stehend und auch dem Alter nach ihr äquivalent sind die Absätze, die sich noch heute vielfach am .Omnde der Flüsse bilden, die sogen. ,Baggermodde*, die uatfirfich local mannig&ltige Beimengongen enthalten kann. Auch in ihr sind Diatomeen äusserst häufig. Sie bildet sich also dort noch weiter, wo wegen des darüber befindlichen Wassers eine eigentliche Torfbildnng noch unmöglich ist.

Neben der Diatomeenerde üudet sich in Thalläufen zuweilen auch noch Wiesenkalk unter dem Torf.

Tor^ damnter häufig Wiesenkalk, sodann Wiesenthon oder Sand, bildet ni^t allein die letzte AnsfCQlnng sehr zahlreicher alter Fluss- läufe . sondern erfüllt auch die mannigfachen isolirten Bodendepres- sionen; diese Bildungen mögen daher gemeinschaftlich besprochen werden.

Als Abweichung von der oben erwähnten Regel in der Lagerungs- folge der AUnvialbildungen sei noch angefahrt, dass auch zuweilen

Wechsellagerung derselben stattfindet und anch nochmalige Sand- bedeckung des Torfes öfters beobachtet wird.

Bisweilen macht sich am alten Ufersaum eine deutliche Terrassen- laudschaft bemerkbar.

Der Wiesenkalk tritt theils als Zwischenlage in Moorerde, theib und zwar häufiger fiber derselben direct unter dem Torf auf. Er ist meist von graulich weisser Farbe, oft durch Beimischung orga- nischer Stofie mehr grau, durch Eisenoxydhydrat zuweilen gellilich ; ini feuchten Zustand bildet er eine plastische schmierige Masse, getrocknet ein krümeliges, sehr feinerdiges Material. In verschiedener Menge liegen in ihm Süsswasserconchylien (Bythinia, Valvata, Fianorbis, Limnea, Gyclas, Pisidium n. a.), ferner Diatomeen nnd zuweflen grössere vertorfte Pflanzenstengid. Durch immer mehr Aufnahme von vertorften \Pflanzentii6ilen geht er oft rasch in reinen Torf über. Wohl in den

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Der Boden MecUenbai^t.

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meisten Fällen ist der Wiesenkalk das Product der Kalkabeclieidiiiig

durch Charen am Grundp der (Tewüsser. Seine Zusamniensetzung ist durch die sehr wechselnden mechanischen Beimenguntfen oder chemischen Verunreinigungen sehr starken Schwankungen unterworfen . zuweilen ist er sandig, zuweilen mergelig, oft ist er wieder fast völlig chemisch reiner kohlensuirer Kalk.

Wiesenkalk findet sich recht weit verbreitet und bildet häufig recht ausgedehnte und bis einige Meter mächtige Lager, die bei nicht zu bedeutender Tiefe mit Vortheil abgebaut werden. Um einige Bei- spiele zu nennen, kommt er bei Roggow (östlich von Güjstrow), bei Dobbertiu, im Uamper Moor im Schweriner See, bei Gnoyen, Krackow, Crivits, im Wamowthal, in den Wolftberger See wiesen Ostlich Ton Boetock, bei Jaebitx im Dossethalt Yipperow am Müritssee n. s. w. in grösseren Lagern vor. Oft sieht man die Wiesenkalklager am Grunde von Seen sich noch weiter bilden, so im Schallsee. im Tollense-See, Müritzsee u. a. a. 0. Man benutzt den Wiesenkalk theils durch directes Aufstreuen als Düngemittel, freilich mit verschiedenem Erfolg, tiieüs wird er gebrannt lus Dfinge- nnd Bankalk verwendet; da1i«i stricht man erst die feuchte Masse in Formen ähnlich den Ziegel- steinen. Zahlreiche Ziegel- ond Kalkhfitten yersorgen das Land mit diesen Producten. Auch zur Cementfabrikation wird er verwerthet; in der grossen Cementfabrik bei Schwerin wird der ganz reine Wiesen- kaik vom iiamper Moor mit dem Thon vom Ziegelwerder im Schweriner See gemiacbi.

Anch in isolirten TorfsOllen ist häufig der Untergrund des Torfes solcher Wiesenkalk, zuweilen auch Thon.

Torf. .T. Früh unterscheidet folgende Arten von Torfmooren.

1 . Wiesi'imioor bildet sich a) in Seen mit kalkreichem Wasser, b) auf Alluviaigebieten von Flüssen oder in localeu Versumpfungen, wo die Oberfläche fortwährend oder wiederholt durch hartes Wasser befenehtet wird. Diese Moore bedfirfen eines Eallrantergrandes.

2. Hochmoor, auf Thonuntergrand, a) in Seen und Teichen mit kalk freiem Wasser, b auf kalkfreien, TOn Wasser berieselten fioden- depressionen entstehend.

3. Mischmoor; auf (oft nur sehr geringer) Unterlage von ilasen- moor entwickelt sich Hochmoor, oder letzteres bildet auch nur eine ganz geringe Decke auf mächtigem Basenmoor.

4. Algentorf, von gallertartiger Beschaffenheit, ans Sllsswasseralgen gebildet = Torfschiefer, Lebertorf.

In Mecklenburg sind am zahlreichsten vorhanden und zeigen die grö.s.ste Ausdehnung die Wiesenmoore. Sie dehnen sich in den alten Fiussthäleru zu deu Seiten des heutigen Wasserlaufes aus oder nehmen das ganze Thal ein, bilden die grfinen Flachen der einst Jim Wasser erftUten SöUe, Kessel und Depressionen, nms&muen die Seen oder nehmen deren Flächen auch ganz ein, gehören also nicht nur den Thälern an, sondern finden sich auch in der hochgelegenen Moränen- landschaft. Ihre Oberfläche ist eben und niedrig. Die Mächtigkeit ist

*) Torf and I>opplerit. Zürich 1888. Oinertation.

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Qehiita,

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recht wechselnd, l 5 m gewöhnlich, in manchen Stellen aber auch beträchtlich mehr. Ihre Masse ist braun oder schwarz und dicht. Oft enthält sie Bamnstftmme, Aeste und Wnrseln ▼on Eieben, Birken, auch wohl Kiefern und Buchen, auch Blätter und Früchte. Als Beispiel sei eine mikroskopische Analyse eines Torfes aus der Warnowniederung bei Rostock initg-etheilt (Früh): vorherrschend sind Hadizellen von Cyperaceen und Gramineen, dann Farne aus der Gruppe der Polypo- diaceen (schön vertorfte Treppen- und Netzgefasse, Sporen, Sporaugien, Hohselleu), endfieh Samen TOn Jnncagiueeu, Pc^enkOrner von Gräsern nnd Pinns, Tereinselte Colonien kleiner einzelliger Algen. Die Vege- tation, welche diese Torfe gebildet hat, ist oft recht mannigfaltig und zeiß^ nicht selten eine Aenderung in den verschiedenen aufeinander folgenden Niveaus. Oft giebt sich dabei sehr schöne feine Schichtung zu erkennen. Nach der Beschreibung von F. Koch ist das Torfmoor, welches die Wasserscheide zwischen der Trebel und Recknitz bei Sülz bildet nnd sich deutlich von dem Wiesenmoor der Recknits abhebt, ein Hochmoor (Mischmoor). In dem nutei t- n Tbeile besteht ee ans einer 'S -4 m mächtigen lockeren moosigen Masse, im oberen, mehr aus den Kesten von Haidekraut gebildeten, ist der Torf compacter und dunkel und enthält zahlreiche Baumstämme . besonders Wurzelstöcke ▼on Kiefern; dieselben nehmen eine bis 3' mächtige Schicht ein und kommen oft in drei&cher Veberlagernng vor; Aber ihnen erhebt sich noch ca. 1 m Torf. In den untersten Lagen vieler Torfmoore finden sich nordische Pflanzen, wie Salix polaris, Betula nana u. a., als An- klänge an die niedrige Temperatur des Schlusses der Eiszeit.

Oft sind die Torfmoore von einer schwarzen trockenen loh- artigeu Erde bedeckt, wie sie sich besonders auf Wegen innerhalb des Möores dnrch Fahren und Geben bildet. Sehr hftofig lagert der Torf anf Wiesenkaik, und stellenweise geht letaterer, wie Boll bereits hervorhebt, sogar allmählich in unteren über; auch wo dies nicht der Fall ist, finden sich hier oft vereinzelte Gehäuse der Snnipfconchylien.

Neben den verschiedenartigen und verschieden häufigen mecha- nischen Beimengungen (Sand u. a.) enthält der Torf oft einen beträcht- lichen Aschengehalt, der besonders dnrch die Menge an kohlenaanrem Kalk bemerkenswerih ist. BolP) berechnete, dass ans dem Torfirtiche des Jahres 1850 bei Malchin mit den 6 968 000 Stück oder »Soden* Torf Tentner kohlensaurer Kalk, 90 Ctr. kohlensaure Magnesia,

210 Ctr. Gyps und 210 Ctr. Kieselsäure in der Torfasche gefördert sein müssten. Sehr häufig enthalten die Torfmoore grosse Mengen Ton Eisen, das sieh in ^rm von braunem Eisenoxjdhjdrat in den Tor^^ben und Moifisten ausscheidet nnd steOenweise die Gewässer mit einer irisirenden Ilaut bezieht, oder die Betten der Wasserlfinfe mit brauner oder blutrother Ausscheidung bedeckt; das Wasser der aus solchen Mooren kommenden Bäche erscheint wie mit Blut ver- imreinigt. Der Torf selbst ist dabei in den oberen Lagen bröckelig imd zu harten rostbraunen Stückchen aufgelöst. Zuweilen sind solche Torflager auch dnrch Vorhandensein Ton Viviamt, pliosphonanrem

0 Anh. d. Ver. d. Nat. MeeU. ZZI. 1M8. S. 45.

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Der Boden Hecklenbiifgs.

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Eisen, ausgezeichnet, der in gewiaser Tiefe und Mächtigkeit bis ca. 1 m das Lager intensiv blau färbt.

Häutig trifft man in der Tiefe von Torflagern die sogen. ,Torf- leber* oder Baggertorf, eine dnnkd oder kdler Inrmime, vom Waeaer so ^prägnirte Masse, dass sie wie ScUanun anseinandeifliessli und auf der Schaufel nickt gehalten werden kann. Sie stellt eine vOUig in Humnsstbffe nTnf?e wandelte Torfsubstanz dar, die beim Trocknen 20 einer harten homogenen Masse von putem Brennwerth wird.

Etwas Verschiedenes ist der Papiertorf, Torfschiefer oder Lebertorf. Derselbe wnrde bisher an vier yerschiedenen Stellen nnter norqialera Mooe- nnd Rasentorf gefbnden. Er ist im feachten Zustand elastisch und homogen, von leberbrauner Farbe; dabei zeigt er sdiSn die Neigung, in parallelen Flüchen leichter zerreissbar zn sein. Beim Trocknen wird er dunkler, hart und zerblättert in oft papierdünne Lagen. Der Torfschiefer oder Lebertorf gehört zur Gruppe der aus Sfisswasseralgen gebildeten Algentorfe, die im Wasser gallertartig und elastisch werden.

üeber die Verbreitung des Torfes in Mecklenburg kann ich hier nicht der Art reden, dass ich alle Funde rubricirt aufzähle. Nach dem einffangs Gesagten müssen wir den Torf als eine der häufigsten AUuvialbildungen der Oberfläche in allen oben aufgezählten, durch die Abschmelzwässer gelielerten Bodenumformungen finden. So giebt ea denn auch im VerbSltoiss nur wenig Feldmarken, die nicht ihr Torf- lager besSssen. Die Millionen Stück Torf, die alljährlich gestochen werden, zu schätzen, wäre eine interessante Arbeit. Zu Hunderten sind die Torfstiche verbreitet , von ganz primitiven , nur bei momen- tanem Bedarf benutzten Öticlien ^) zu grossartigen, maschinell betriebenen

') Tcbcr die primitive Fabrikation des Backtorfes, wie sie auch heute noch •tattfindet, berichtet Boll recht instructiv : Nachdem der Torfbrei auf dem Flatze, wo die Arbeit vorgenommen werden eoU, gleichmäsBig aasgebreitet worden ist, beginnen die Arbeiter, ihn zu „pedden", d. h. mit den Fussen zu treten und darchzakneten. Nach dem wird die ganze zerarbeitete Maase auf dem (trockenen, am Rande des Moores gelegenen) Lagerplatz aasgeebnet, wie ein colosaaler Kuchen, von der Dicke, von welcher die TorCitiloke werden sollen. Hit Schuhen oder mit Brettern nnd Schaufeln wird er noch panz glatt und eben bearbeitet. Bevor sie diese Maaae in Stücke von der Form und Urosse der Ziegelsteine zerlegen, machen sie eine Pause \on eia paar Tagen, damit sie einige GkMBlistenz gewinne, und die?»" /wicclienzeit muss je nnch 'h r Witterung abpernessen werden. Ist die Hasse noch zu weich, so würde die Zerlegung nichts hellen, deun alles würde wieder zusammenfliessen ; wollte man aber damit zu lange warten, so würde der grase Kuchen anfangen «ich zu zerspalten und rissig zn werden. Zuerst «erden Langs- iinieu durchgebchuiiten in einem Absland von 9 10 Zoll, so lang jedes einzelne Torfstäck werden soll, und aufdieeeWeiM das Ganze in „B&nke* getheilt. Nach einer a!>ernialip[en Paase von einigen Tagen fschreitet man dann zu den Quer- achnilleii. die iii den engeren Abstanden der Breite der Torfstucke gemacht werden. NaehdeiD diese nun ihrer Vnrm nach fertig sind^ geht es an das Au.s trocknen der> selben, welches mit grosser V^orsicht geschehen muss. Die Torfstücke müssen erst ein wenig auf die lange Kante und neben einander gelegt werden; nachdem sie 8—14 Tage in der bezeichneten Stellung verblieben sind und etwas Festigkeit erlangt haben, beginnt das „Ringen". Dies besteht darin, dass man die schon nemlich reifen Torfsoden zu kleinen Kegeln so über einander legt, daas sie nur nlt den Enden auf einander fhaeen nnd diM mdgUehst groaie Zwiadkenriame

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[30

Anlagen. Der Torf wird vor allem als Brenimuiterial benutzt, und es gielit wohl kaum einen Hanshalt in Mecklenburg, wo er nidit mehr oder weniger Benutzimg fände. Man benutzt ihn zn diesem Zweck entweder so, wie er im Lager sich findet, wobei natm^^emies die unteren Partien besjserer Qualität sind als die oberen , oder man vermengt ^ie verschiedenen Sorten eines und desselben Lagers durch Press- und Mengmaschinen und erhält so ein gleichmässiges Material. In neuerer Zeit werden auch die oberen, znm Brennen nntanglichen lockeren Maasen, der «Torfinnll", als Siren, zvl Dtlngnng, ab Desinfectionsmittel, Füllungsmaterial von Fussböden oder Wänden tt. a. benutzt. Zur Her- stellung sticksk)ftlialtiger Diin^eniittel könnte er in chemisch-technischer Industrie verwendet werden, doch haben bisher die Berechnungen hier- bei nicht den genügenden Gewinn in Aussicht steilen können. Der dem Torf beigemengte Yivianit kann f&r ShnHcfae technische Zwecke fldir wohl eine gOnstige Yerwerthung finden. Der unter dem Torf lagernde Wiesenkalk £ftt, wie oben gezeigt, seinen von alters her bekannten Werth.

Zuweilen sammeln sich unter den Tort lagern Gase, die aus der Zersetzung des Lagers gebildet werden, in grösserer auffälliger Menge an; die Erscheinung der IrrUchter ist selten beobachtet worden.

Wie sich bei dem Vertorfungsprocess auch häufig auf dem Wasser schwimmende Torfdecken oder Torfinseln bilden können, hat Boll (a. a. 0. S. 2<) {'.) an einiLTen Beispielen sehr anschaulich geschildert. Solche Stellen sind ebenso wie die Moore mit mächtigem Schlamm unter dem Torf sehr lästig für Bauten von Eisenbahn- oder Chausseedämmen, indem sie in ihren Tiefen oft erschreckende Massen tod Schfltfcungs- material verschlingen.

Schliesslich ist noch eines Alluvialabsatzes Erwähnung zu thun, nämlich des Kalktuffes. Derselbe findet sich in Her bekannten Ausbildung und häufig mit den bekannten Thier- und Pflanzen- eiuschlüssen an mehreren Stellen des Landes und verdankt seine Bild^nng der Anslaugung von kohlensanrem Kalk der benadibarten Höhen, der theils aus I n Diluvialabsätzen, theik aucli ans Kreide- massen geliefert wird. Zum Theil ist oder war auf Grund solcher Vorkommnisse auch eine Kalkbrennerei eingerichtet und m Betrieb, so z. B. bei Nemerow am ToUense-See, am Haidberg bei Teterow, bei Malchin u. s. f.

In den Dilnvial- und AllnTialablagerungen Mecklenburgs sind bisher Reste Ton folgenden Säugethieren aufgefunden: Mammuth, Urochs, Bison, Rind, Riesenhirsch, R^nthier, Hirsch, Reh, Zioge, Schaf» Pferd, Schwein, Biber, Hund, Fuchs, Wolf, Höhlenbär.

An prähistorischen Funden ist Mecklenliurg tmgemein reich, deren Kenntniss wir vor allem den Aufzeichnungen und Samm- lungen Lisch^s verdanken. Eiinzelfande von Stein- und Bronae-

zwii^chcn ilint ti bleiben ; die Kegel sind inwendig bohl, und in dieser Aufsteilnngs- wei^e kann der Wind am besten die Aaetrocknoag ToUendeo. (Areh. d. Ver. d. Nat. Meckl. 1868. S. 92.)

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Der Boden Mecklenburgs.

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gerüthen, Dolmen, Kegelgräber, Steinsetzungen, Opfersteine, Pfahl- bmttes, wendische Borg- und Ringwälle, Opferplätze, Umenfelder n. a. ol nnd in grosser Zahl Aber das Land Terstrent. Viele der sogen. Wenden- niederlassnngen geben uns Zeugniss von dem Wasserreichthom des Landes nooli in fiistorisclier Zeit.

Neben den \ eränderungen der Obertiäche, die durch allmähliche natürliche oder künstliche Entwässerung in grossartigem Massstabe verorsacht worden sind, hat das Land an den KUstenstrichen dardi die sftcnlare Landsenknng bedeutende, vom Theil noch in die Gegenwart reichende Veränderungen erlitten. Historische Notizen, der dauernde Abbruch der Ufer durch dir See und das Vorkommen von Torfmooren am Meeresgrund vor den Dünen sind die Beweise der erwähnten Senkung Häufig findet man am Strande nach grösseren Wellenbewegimgen des Meeres (im Frühjahr oder nach Sturmfluthen) grosse losgerissene Schollen Ton Torf aasgeworfen, wie grosse erra- tische Blöcke am Strand liegend. Daneben findet man in allen Grössen Torfstücke, die wie harte Strandkiesel durch die Bewegung im Wasser am Strand zu runden Torfgeröllen abgerollt sind. Auch nach mikro- >-kopi^^cher Prüfun^^ ergiebt sich da.s Material dieser TorfgerÖlle als identisch mit dem aus den Torfmooren hinter der Düne vom Festland entnommenen Matmal; es ist Rasenmoor, Sllsswassertorf nnd nicht ans Seetang gebildet. Zuweilen hat man Gelegenheit, den unter der Dfine befindliehen, gepressten Torf zu beobachten, welcher nach der Bezeichnung ForchharameT's als „Martörv" unterschieden ist; auch dieser ist YöUig übereinstimmend mit dem Torf der dahinter gelegenen Moore.

Durch die Kfiste ist das Land gewissermassen willklirlich ab- geschnitten; wir können danach drei verschiedene Typen der Ufer- rander unterscheiden, nämlich 1, Steilufer oder Klint, ein steiler Ab- bnich des Diluvialplateaus oder eines Flötzgebirgszuges, mit schmalem steinigem Strand, 2. flache Senkung des Diluvialbodens, entsprechend einer muldenartigen Tiefang des Plateaus, und 3. Abschnitt von Alluvial- depreasionen (isolirte Tomnoore oder alte ElnssthiÜer) ; beide lebst- gonnnte Klistentypen haben einen breiteren, simdigen Strand, auf dem sich Dünen erheben. Die Dünenlandschaft ist oft ungemein charak- teristisch ausgeprägt; die Schichtung der Düne, ihr steiler Abfall nnrh der Landseite, ihre parallelen Vorwellen am Strand, auch ihr Vorwärtsschreiten gegen das hinterliegende Land, die Ueberwehung der hinter ihr liegenden Wiesen , das Heraufsteigen auf ein niedriges Abbmchufer n. a. m. sind in mannigfachen Bildern Tertreten, wenn auch die immer nur gwinge Höhe (10 m werden selten überschritten) und Ausdehnung schon es bedinfrt . dass die Landschaft nie den öden nnd trostlosen Charakter gewinnt, wie er von anderen Gestaden bekannt ist. Im „Heiligen Damm" bei Doberan haben wir den Abschluss einer Alluvialniederung gegen die See durch einen aus Rollsteinen aud^l^eschOtteten Ufer wall. Durch die Landsenkung ist auch die

') £. Geinita, Zeitschr. d. dentach. geoL Ges. 188d. 8. 301.

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32 Geiiiitz, Der Boden Mecklenburgs. . £32

eigenthümfiche trichter- oder haffartige M flndung der Bäche

und Flüsse bedlngl, wie sie z. B. in der Wismar'schen Bacht oder im Breitling bei Warnemflnde vorliegt. Die mecklenburgische (wie wohl überhaupt die ganze norddeutsche) Ostseeküste verdankt ihre Con- figuration im Grossen wie im Kleinen dem Zusammenwirken der beiden Kräfte: Erosiouswirkung der glacialen Schmelzwässer und sicnlaie Senkung des Balüemiui; tfe Htodungstrichter, Forden, Hälfe, Strandaeen u. dergL sind nicht das Product yon QletecherenMum oder Meereeemhrflehen *).

») S. Beitr. VI. z. Gcol. Meckl. 1884. Taf. 2.

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Im gleichen Veriftge ill; erachienen:

Aütliropo-Geograpliie

oder

GnindsQge der Anwendung

der

Erdkunde auf die Geschichte

von

Dr. Friedrich Ratzel,

ProfaMor an der t^cbnUchen Bocbfichule In HttttclMB. Preis Mark 10. -

Handbuch der Elimatologie

von

Dr. Julius Hann,

MNlifee» 4«r meteorol. Zeatr«l«Datalt und Profesnor an der UaiveratUl In Wiau.

Preis Mark 15.

Handbuch der Ozeanographie

Ton

Prof« Dr. 6. von Boguslawsk^

I Amt 4m lalt. iaoiMlMn MailnUl«. «nA

Jiand I.

Kiumliche, phyBlluüiMhe nnd cbemische Bescliaffenheit der OietB«.

Preis Mark 8. 50.

Handbuch der Gletscherkunde

von

Dr. Albert Heim,

Frafeanof ter CI«olocto «aSdmeixeriBcfaen Polytedodkm und d«r tUnfarenHit

in Zürich.

Preis Mark 1 3 ',0.

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IttenmÜ^an^lg gemetoerftftnblid^en Kloctrasen

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2Utgmeme €r6f un6e.

Dr. Jvielrririi £i(1^«L

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Jt»*orscftunire

B^Md ' HefV-

DIE

OBEBRHEMSCflE TIEFEBENE

UND IHRE

RANDGEBIRGE

VON

G. RICHARD LEPSIUS,

o. PnrfeSMr der Geologie und Hineralo^^ie an der tf'cbnischen Hochschale nnd Direktor dar grosaherzoglich hessiHcbeu geologUcheu i^mdesanatalt zu Daimstadt.

HU einer Uebersichtskarte des oberrheinischen Gebirgssysten^s.

ÖTUTTGAKT. YERLAG VON J. ENGELHOBN.

1885.

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L Einleitimg.

Eine der aQfßillendsieii Ersclieraiiiigeii in der Oberflftcbeng^estal- tang Ton Deutschland ist die Tiefebene, wel< lic der Rhein durchströmt

in seinem Mittellaufe von Basel bis Mainz. Während das ganze übrige südliche Deutschland aus Hochflächen und Gebirt^en besteht und im Gegensatze zu dem norddeutschen Tieflande als ein Hocliland zu be- zeichnen ist, senkt sich zwischen die vier Gebirge Schwarzwald, Vogesen, Odenwald und Haardt eine langgestreckte Tiefebene von mehr als 10 000 Quadratkilometer Oberfläche ein, deren mittlere Höhe über dem Meere nnr 150 m beträgt, während die umliegenden Ge- birge bis zu Höhen von fast 1500 m aufragen. Diese tiefe T.affc der oberrheinischen Ebene und der Schutz, welchen ihr die begleitenden Gebirgsketten gewähren, bedingen das milde Klima dieser bevorzugten Laadsfcrecken, bedingen auch, zugleidli mit den Anschwemmungen, mit denen der Bhein die Oberfläche der Tiefebene und die Vorhügel der Randgebirge bedeckt hat, die grossentheils reiche Fruchtliiirkt it ihrer Ge- filde. Gehört doch der nördliche Thcil der Ulieinebene und die srhmalen Uferstriche längs des untern Rheintliales zn den wenigen Gegenden Deutschlands, deren mittlere Januartemperatur über CG. liegt Daher denn anch in der oberrheinischen Tiefebene nnd an den Thalgefaängen des Mittdrheins die besten Weine wachsen. Ah Ludwig XlY. von der Höhe der Zabemer Steige zum ersten Male herabblickte auf die gesegnete Ebene zu seinen Füssen, rief er ans: ,quel beau jardiu"; dieses Wort des französifschen Kcinifrs gilt nicht allein vom Elsass, sondern ist auch bezeichnend für die meisten übrigen Theile der ober- nnd mitteliheinischen Tiefebene und der Qebirgsabhänge längs ihrer Chrenzen.

Vier Heilen breit und vierzig Meilen lang erstreckt sich diese

Ebene über zwei und einen halben Breitengrad bis zum fünfzigsten Parallelkreis, der gerade durch Mainz schneidet. Mitten hindurch fliesst der mächtige Kheinstrom , in der weiten Ebene trotz seiner Wasser- fülle nur wie ein silberglänzender Faden von den Gebirgsabhängen aus anzuschauen.

0 SiebfrJ. Hann, Handbuch der Klimatologie, S. 473 ff. Stnltgart 1888.

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Lepsias^

[4

Dass die oberrheinische Tiefebene in ihrer eigenartigen Erschei- nung im südwestdeutsclien Gebirgslande eine ganz besondere geologische Geschichte bis zu ihrer jetzigen Gestaltiing durchlaufen haben rnnss,

wird einem Jeden einleuchten, der gewohnt ist, über die Beziehungen der äusseren Oberflächenformen zn dem inneren Bau der festen Brd- kruste nachzudenken, pjin Pr()V)lpni der mechanischen Genloufie liecft vor uns. Noch .sind wir nicht im Stande, da.s.selbe völlig zu lösen, da hierzu noch die genauen geologischen Aufnahmen des ganzen Gebietes zu aller- meist fehlen. Aber bei der OrOsse des Torliegenden Problems ersdieint es schon wichtig und fördernd, tiber.sichtlich zusammenzufassen, wie weit unsere Kenntnisse von der Ent^t ! ing der oberrheinischen Tief- ebene und ihrer Kandi^ebirge durch du- l>i.-herigen Arbeiten der rhei- uischeu Geologen bereits vorgeschrittea smd.

Die oberrheini.sche Tiefebene ist keineswegs ein vom Rheine ausgewaschenes Thal : so mächtiff der .stolze lihein dahinfluthet. würde es ihm doch nicht möglich gewesen .sein, ein vier Meilen breites Thal in das Gebirgslaud des südwestlichen Deutschlands einzufurchen. Wie ein solches nur vom Flusse gebildetes Thal sich gestaltet, das sehen wir am Rheinthale unterhalb des Binger Loches, wo sich der Strom durch die eigene Kraft des fliessraden Wassers bis nach Bonn hin durch das Seliiefergebircro eine schmale, vielfach gewundene und scharf einije- sclmittene Thalfurclie im Laufe der Zeiten gegraben hat. Dort unter- halb Bingen erkennen wir die eigenartigen Formen eines Erosions- Thaies, wie es Tom Flusse in ein Gebirge eingeschnitten wird.

Vielmehr ist die oberrheinische Tiefebene eine weit klafiSende und tiefe Spalte der festen Erdkruste, eine Spalte, welche längst vorhanden war, ehe der Rhein geboren ward, eine Spalte, welche dieser Strom, als er sich in dieselbe ergcssen hatte, nicht nur nicht tiefer ausfurchte, sondern vielmehr mit dem mitgeschleppten Schutt der Gebirge ganz bedeutend auffüllte und zuschüttete.

Diese Anschauung von der allgemeinen Entstehung der ober- rheinischen Tiefebene ist bereits von den «rsten Geologen, welche die Randgebirge beiderseits der liheinebene genauer untersuchten, ge- wonnen wf»rden; sie wurde von allen späteren Forschern imr bestätigt. Freilich über die be.sondere Art und Weise und über die Zeit dieser Entstehung gingen die Meinungen der Gelehrten sehr weit auseinander und richteten sieh naturgemSsiB nach dem jeweiligen Stande der geo- logi^^ i ] 1 t u Wissenschaft;,

In dem berühmten und für alle späteren geologischen Arbeiten am Rheine rrrundlegenden Werke, den „Geognostischen rinri.ssen der Rheinländer zwischen Basel und Mainz, nach Beobachtungen ent- worfen, auf einer Reise im Jahre 1823 gesammelt sprachen die drei Verfasser C. yon Oeynhausen, H. von Dechen und H. von La Bodie bereits die richtige Ansicht Über die Entstehung der ober-

0 Zwei Bände. Eraen 1825.

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Die oberrheinische Tiefebene und iiire Raadgebirge.

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rheinischen Tiefebene klar aus: .Das Rheinthal von Basel bis Mainz ist so wenig durch eine Auswaschung oder Zerstörung des Gesteins entstanden t class im Oegentheil später noch eine WiederansfOllung stattgefunden hat", und «wenn nnn aber das Rheinthal von Basel bis Mainz nicht durch Auswaschung entstanden sein kann, so verdankt dasselbe soine Bildung; derselben Ursache, welche die Vogesen und den JSrhsvarzwald emporhob, und ist daher von gleichem Alter, wie jene beiden tiebirgszüge" (I. S. 24 und 25). Also schon im Jahre 1828, m einer ZeiC wo die Geologie noch in ihrer ersten Entwieklnng stand, freiiieh in Deutschland unter der energischen Einwirkung eines Leopold von Buch, erkannten jene drei reisenden Qeognosten mit genialem Blicke den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Rhein- ebene und ihren Randgebirgen ! Allerdings die tieferen Ursachen der (iebirgs- und Spalten-bildenden Kräfte konnten damals noch nicht ergrttndet werden; sind wir doch auch heute in der Erkenntniss dieser letiten Ursachen von einer endgültigen und allgemein befriedigenden Lösung noch weit genug entfernt.

Die crennrnostischen Verhältnisse in den Vogesen und im Elsass hatte zuerst Philipp Voltz In^'^t'nieiir en chef des miues in Strass- burg, in ausgezeichneter Weise studirt, sodass er bereits jenen drei Reisenden im Jahre 1823 nach ihrer eigenen Aussage (Vorrede S. III) «mündlich und schriftlich viele wichtige Bemerkungen mittheilen konnte* Auf Voltz^ objektiTe und sichere Beobachtungen stutzten sich auch vielfach die späteren Ausführungen des bekannten fran- zosi^ichen Ooologen Elie de Beaumont. Unter den verschiedeiien Gebirgssystenieii , welche dieser hervorrageml»' (leiehrte in seinen .Recherches sur q^uelques-unes des revolutions de la surtace du globe" aufgestellt hatte ^ war eines der wichtigsten das , Systeme du Rhin*, welches die Gebirge Schwarzwald, Vogesen, Odenwald und Haardt urafasste; die Revolution, welche diese Gebirge und die Rheinspalte dazwischen entstehen Hess, sollte ein;/etreten sein naeli der Ablagerung des Vogesen-Sandsteins und vor der Ablagerung des Voltzien-Sand- steins ; um zugleich diese grosse Revolution zwischen zwei Forma- tionen erscheinen zu lassen, schloss Ehe de Beaumont die Permische Formation und also auch die paläozoische Epoche mit dem Vogesen- Sand-tein, welcher jetzt als mittlerer Bunter Sandstein angesehen wird, und befTnnn den Bunten Sandstein iiiid die Trias-Formation mit dem Voltzien-Sandstein , welcher nunnieiir als olierer Bunt-Sandstein gilt. Dieser Annahme des damals leitenden l'ariser Geologen folgten nicht allein die meisten übrigen im Elsass und in den Vogesen später- hin arbeitenden Geologen, wie Thirria, Hogard, de Billy, Daubr^e,

*) Nicht zu verwechseln mit dem jüngeren Geologen Fried rieh Volts in Hains, dessen Schriften über das Hainter Becken in den Jahren 1851'* 1853 enehienen.

') Siehe anch Ph. Voltc^ G^ognosie des denx d^partements da Rhin, In Anfachl atrr r. Nniivcllr (le5cripfu»ii «k- l Alsacc. Strassburg 1820—1828.

*) Zuerst erächienen in den Annaled des sciences naturelles^ tome XVIIl, Paria 1829; dann weiter ansgeftthrt in einem Artikel de« Dictionnaire nniverael d'hiatoire natnreUe. Paris 1849.

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Lepsius,

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Delbos, Küchhii-Sclilumberger uuii Jacquot sonderu auch einige deutsche, auf dem badisdien Bheimifer aufiielinieiide Oedoffen, vor allen Fr. Sandberger in seiner geologischen Beschreibung aer Um- gegend von Baden-Baden^) und in späteren Aufsätzen

Tn dem grossartig angfleL'tcn und mustergültig au-rrt^f nlirten Werke, dem Texte zur geologischen Karte von Frankreich, welches Anfang der vierziger Jahre erschien, stammt die vorzüghche Beschreibung der Yogesen aus der Feder Elie de Beaumont's^). Daselbst stellt dieser geniale Forscher seine Ansidit Ton der Entstehung der Bheinebene zwischen Schwarzwald und Vogesen in dem hier wiederg^ebenen Dia- gramm dar (Expl. I. pag. 437):

yoflBMO. Bbelnebflim. Sdiwaitwild.

Wie bereits angedeutet, ist die allgemeine Erklärung, welche dieser schematiscben DarsteUung Elie de Beaumonfs zu Grunde liegt, nämlich der zwischen den aufgekippten Rändern eingesunkenen Kliein- ebene, auch jetzt noch die massgebende. Nur darin irrte Elie de Beau- mont. (l:iss er die Entstehung der Rhein-Versenkung zwischen den R;ui(]gel)irgt'n bereits in die Zeit vor Ablagerung des Bunten banü- steius verlegte. Gegen diese unrichtige Zeitbestimmung des grossen Ereignisses hatten sich schon frühzeitig einige französische Geologen ausgesprochen: so Bozet in seiner originellen Beschreibung der Süd- Togesen und Contejean in der geologischen Beschreibung des Canton Montbeliard

*) E. Thirria, Statistique min^ralogiqne et gLologiiiue du dipartement dir

)S Haulc-SaüiK.'. üosanriui ISo;'.

U. Jüogard, Deacription min^ralogiqae et geologiq^ue des r^ioDs grani- tique et ar^nae^e dn Systime des Vosgea. Atcc Atlas de 12 fenilles et nne carte

geologiquc. K[)in!il 1837.

K. de Billy, Eaquisse de la g^ologie du departement des Yosges. Aunales de la soci^td d'Ämulatioti des Vosge». IRIiO.

A. Danbröc, Dc-criplii'H (^'t'olnu i,| ,.( mineralc^que da d^partement da Baa-Khin. Mit Karte und Profilen. i?txaäsburg 1852.

J. Delbos ei KÖehlin-Schlnmberger, Description geolugiijiie et miniralogiquc du dipartcment du Haut-Rhin. 2 vol. Mit Atlas. Colmar IS»!»;.

E. Jacquot, 0. Terquem et Bnrr^, Description min^ralogique et giologiqne du d<^partement do la Moselle. Mit Atla«. Paris 1868.

') In den lit itriigm zur Stati.^tik der inneren Vemraltaog des Grosehersog- Urams Baden. Heft XI. Carlsruhe 18t)l.

•) Zur Urgeschichte des Schwarzwaldes. Verhandl. der natnrforsch. Geaell- schafl in Basel 1877 um! in der Zeitschrift «Das Ausland* 1870.

*) F.xplication (le la carte g^ologiqnc de la France par Dufr^noy et Elie de Hcauniont. Tome 1, pag. 207. chapitre V: Les Vosges. Paris 1841.

^) Rozet, Description geologiqne de la rägton möridionsle de Is cbatne des Vosges. Mit geologischer Karte. Paris 1834.

Ch. Contejean, Esquisse dune description phyeique et g6ologique de Parrondissenicnt de Montbeliard. Ans den Meni. de la 80C. d'imnlation de Hont- b61iard. 2. serie, I. vol., pag. 41->13ii. Paris 1862.

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Die oberrbeiuische Tielebeue und ihre Raadgebirge.

S9

Mit Bezug auf diese Streitfraffe aber die Zeit der Entstehung des .Rhein-Systems* ') stellte die philosophische Fakultät der neu ge- grflndeten UniTersität Strassburg im Jahre 1873 eine Preisanfgabe mit der Fraije: ,lst der Vogesen-Sandstein vom Bunten-Sandstoin zu trennen?", eine Fraeo . welche auf Grund der stratigraphischon Ver- hältnisse dieser Sandsteine in den Vogesen unbedingt zu verneinen war Endlich hat W. Benecke in seinem Werke über die Trias in Elsass-Lothringen und Luxemburg (Strassburg 1877) in einem Schlusskapitel die verschiedenen Ansichten über diese Frage noch einmal zusammengefasst (S. 794 823) unter der Ueberschrift: ,Elie de Beaumont's Hypothese von der Hebung der Vor;es«'ti nach Ab- la<rerung des Vogesen-Sandsteins* : B<*net ke hat durch diese klaren und trelieudeu Darlegungen wohl endgültig Elie de Beaumont's Hypothese beseitigt und die Zeit der Entstehung von Yogesen und Schwarzwald in eine viel jüngere Epoche verwiesen.

Freilich können wir damit die Frage Über Zeit und Weise der Ent.-tehung des oberrheinisclien Gebirgssystems noch nicht als gelöst betrachten; dazu müs^jen erst, wie gesagt, die in Elsass-Lothringen und Hessen fortschreitenden, leider in Baden immer noch nicht be- gonnenen geolMpschen Spezialaufnahmen fertig vorliegen. Wie weit bisher unsere ^nntnisse fiber das »Rhein-System'' gefördert wurden, wollen wir in den folgenden Abschnitten unserer Abhandlung be- trachten

') Leopold V. Buch) Ueber die ecognostiscben Systeme von DeatoclilaDd. Ein 8eikr«iben an den Oeli. Rath t. Leonhard, in t. Leonhard*« mineralogiBchem Taschenbuch für das Jahr 1824. S. 501-50'!. Mit Karte. Frankfurt a. M. 1824. Auch in L. v. Buch s gesammelteu Werkeu^ Band Ul., S. 218. Berlin 1877.

*> Ans der prftmurtcn Preisarbeit veröffentlichte der VerAMser einen Annng mit Kartenskizze und Profilen in der Zeiteehrift der deuteehen geolog. OeeellscC Jahrg. 1875, ä. 83 ff.

*) Aqmw der bereits genannten Uteratnr erwfthnen wir hier noch: die wichtigen Abhandlungen zur geologischen Spezialkarte vr»ii Elsass-Lothringen, Binde 1—1 V, Strassburg 1875 1884 i daraus Jenes oben citirte Werk von Benecke ober die Trias; dann A. Andreae., Ein Beitrag zur Kenntniss des Elsftsser Ter> tiar?. in Band II. Heft 3, 18S:'.~18S{; D r s e 1 !. «• . Der Dilavialsand TOn Hangea- bieteu im Unter- Elüasti, io Baud 111^ lieft 2, 1884.

Femer: ErliMiterangen aar geologischen Karte der Umg^nd von Strassbnrg, bearbeitet von G. Schamacher. Mit geologischer Karte im Jlassstabe 1 : 25 000. Strassburg 1883.

FQr Hessen: B. Lepsins, Ueber die dilnyiale Entstehung der Rhein« Versenkung zwischen DarmsUult nnd Mainx. Zeitsehr. d. deutsch, geolog. Qcsellseli^ Jahrg. 1880, S. 672.

R. Lepsins, Das Mainzer Becken, geologisch besehrieben. Mit geologischer

Üebersichtpkart.' in 1 : 100 000. Darmstadt 1884.

Für Baden siud bisher einige geologische Karten mit Beschreibung ver- dffentlicht worden in den «Beitrilgen snr Statistilc der inneren Verwaltung des Grossherzogtlmras Baden". 11 Hefte. Carlsruhe 1858—1873.

Ferner: W. Benecke und £. Cohen. Geognostiscbe Beschreibung der Umgegend von Heidelberg. Mit swei geologischen Karten in 1 : 50 000. Strass- borg P74 l'^'=!l.

U. Eck, (ieognostische ICarte der Umgegend von Lahr. Mit Profilen und Erllnteruugen. Lahr 1884.

Für W ürtte m Ii e r^' er.icliienen bereits 44 Bliittt r der gfognostischen Spezial- karte im Massstob 1 : 50 000 mit Begleitworten. Stuttgart 18b5— 1883. (Forts, f. S.)

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LepeiuB,

[8

IL Orographisohe Uebersicht.

(Siehe die Kertensklue auf Tafel I.)

Das oberrheinische Gebirgssystem umfasst die Gebirge Vogesen, Schwarzwald, Odenwald and Haardt und die inmitten derselben liegende Tiefebene. Diese verschiedenen Landestheile des südwestlichen Deutschlands gehöreu deswtMjen zu ein und demselben Gebirgtssvstem, weil sie der gleichen ursiiciilichen Kraft ihre Entstehung verdanken; wir werden Mben, worin wir die gleichzeitig wirkenden Kräfte er- kennen. Die ünsseren Grenzen des oberrheuiiechen Gebirgssystems reichen zum Theil weit über die Grenzen jener genannten Gebirge hinaus; indessen wtirde nns hier eine Erörterung über den Umfang des Systems zu weit führen, da wir uns liier nur mit den inneren, wichtigsten Theilen des Systems beschäftigen wollen. Betrachten wir inerst, wie die yier Randgebirge der oberrheinischen Tiefebene ftnsser- Hch uneem Blicken sich darstellen.

1. Die Yogesen.

Die Yogesen richten ihre Bergzüge von SSW nach NNO, oder genauer in N 25 ^ 0. Dire höchsten Hohen liegen im sfidlichen Theile

des Gebirges, in dem festgefügten, aus krystallinen Gesteinen nnd paläo- zoischen Formationen gebildeten Beichenstock, welcher nnch Süden getreu die weite Lücke von BeHnrt (,1a trouee de Belforf* oder ,die Burgundische \ ülkcrpforte*") steil und unvermittelt abbricht. Nach Norden hin nehmen die Höhen des Gebirges allmählich ab und gehen ohne scharfe Grenze in die Sandstein-Plateaus der Haardt Uber. Der zweite auf- fallende Charakter in der äusseren Gestalt der Vogesen bekundet sich darin, dass dieselben auf ihrer Ostseite noch steiler als gen Süden zur tiefgelegenen Rheinebene abstürzen und dabei unmittelbar über der let/temi ilire höchsten Höhen besitzen, während «;ie sich nach Wesleii gauii ullmuhlich verflachen in die burgmidisch-luLhnngische Hochebene.

Die absoluten Höhenzahlen lassen diese Verhältnisse am schärf- sten hervortreten: in der Rheinebene liegt Cohuar in 195 m, Schlett- stadt in 178 m, Hagenau in 140 m über dem McfM-f-; dagogf'u erreicht lit inirpmont an der Mosel 393 m, E})inal, obwohl es Ijereits weit ab- wärts im Moselthale liegt, noch oii ui, Saarburg in Lothringen 292 m Höhe. Dabei steigt man s. Q. Ton dem 1866 m hohen Hohneck, der anf der Wasserscheide des Gebirges zwischen Colmar nnd Epinal

Sodann: Die gcognostische Proflliran^ der wflrttetnberf^Bchen Eisenbahn» liniei], von 0. Fraas. Drei Lieferungen. StnttK.itt l'^S:'»— 1RS5.

0. F r a a B . Gengnostische B«ficbreibung vou Württemberg, Baden und Uohen- sollem. Stuttgart 1882.

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Die oberrheinische Tiefebene und ihre Kandgebirge.

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steht, zu der nur 20 km eutfernten RheiDebene bis zu 200 m herab, wSlirend man in entgegengesetzter Richtung von der Mosel bis nach Nancy etwa fünfmal so weit, nämlich fast 100 km weit Tom Hohneck ans hina])steiL;en mtiss, um die gleiche Höhe von 200 m Aber dem

Meere zu erreichen.

Bei niiberer Besichti<;nnrr theilt sich die Gebirgsmasse der Vo- geseu iu drei von SO nach ^nW aufeinander folgende und au Höhe in dieser Bichtnng abnehmende, parallele Bergzüge (siehe das hinten beigegebene Kärtchen).

Der mittlere dieser Längszflge ist der Hauptkamm des südlichen Belchen-Massivs und trennt als Wasserscheide dieZnnfisse des Douhs. der Saöne. Mosel und Menrthe von denjenigen derill, welciie von der Burj^nui- di&chen 1' forte an bis unterhalb Strassburg alle VogesenabÜilsse dem Rhein TOnvegnimmt. Dieser Kamm hBlt sichanf einer mittleren Höhe von llOOm. Er beginnt im Sflden mit dem steilen Vorgebirge der Planche des helles fiUes 1150 m und zieht über die breiten Rftcken des Elsässer Beleben 12 -' i m, des Rothenbach 1319 m, dos oben genannten Ilolnieck 1306 m bis zu den Hautes Chanmes de Pairis 130(5 m. Weiter nördlich erlei- det der Kamm durch das iu leichter zerfallende Schiefer eingeschnittene WeüerChal eine tiefe Einsenkang in der Steige bis auf 600 m, um sich jenseits noch einmal in dem breiten Granitstock des Hochfeldes (Champ du feu) bis auf 1095 m zu erheben

Diesem S'i) km laiiL'f'n Hauptkainme der Vogesen ist südöstlich ein kürzerer, parallel f^erichteter Bergzug vorgelagert, welcher des- wegen nicht mit dem mittleren Kamme vereinigt werden kann , weil seine Berge zum Theil höher sind als diejenigen des letzteren. Seine Richtung bezeichnen die mächtigen Pfeiler des Bärenkopfes 1078 m, des Rossberges llOö m und des Gebweiler (oder Snlzer) Beleben 142»3 m, des höchsten Berges der Vogesen , um 60 m niedriger als der höchste Punkt des oberrheinischen Gehirgssystems, des Feldberges drüben im Schwarzwalde-). Mit dem Kleinen Beleben {oder Kahlen Wasen) 1274 m endigt dieser vorderste Bergzug.

^) Allerdings trennt Kosenbusch (Die öleiger Schiefer^ Abhandlung zur geolor,'. Spezialkarte Ton Klsast-Lothringen ^ Band I, 8. 80) nach dem Vorgange von Dechen niul Klic il c H e ii ii in o n t (Ins Massiv des Hochfeldes als ein bc- aoodereä Glied der üesamrotvogeeen ab, weil dasselbe von der Kammlinie der Sfid vogesen darch das breite wetlerthal getrennt sei. Indessen hebt Rosen bnsch seihst licrvor. (lui^s das IIochfeM „genau iu iler Strt'ii liriclituiiy: iler Kaniitiliiiie der ÖüdTogesen" UeRe. Das Vorhandensein der leicht erodirbaren ächiefer im Weile r- thal und anf der Steige ist doch gegenöber der von der allgemeinen Gcbirg.- erhebung ahliiuigigcn Stieichrichtmivr «ier I5t'rgkiin)nie nur eine zunUlige und eecandi^re Erscheinung, was auch daran zu erkennen ist, dass die Triastafcln west- lieh dieser fiinsenknng in ihrem Streichen Iceine Einwirlcnng derselben erweisen.

-) In Bezug iuif die in dieser Abliandlung angegebmen Höhenzulilen bemerke ick, dass es bekanntlich eine Seltenheit ist, wenn für em und denselben Berg in den Terschiedenen besten geograf^hischen Handbächern die gleiche Höhenzahl an« gegeben wird, da die zu ürunde gelegten Materialien von sehr verschiedener Genauigkeit zu sein ptlegen. Ich habe mich bemüiit, für die vorliegende Abhand- lung möglichst sichere Zahlen za sammeln, und habe stets die Landeskarten, nicht Zahlen aus Büchern, dafür benutzt. Für die bayerische Pfalz i.st es besonders schwierig, richtige Uöhenzahlea au gewinnen : denn die Pfälzer Karte in 1 : 50 000

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Lepsius,

Lio

An diesen Eckpfeilern des Belcbenstockes muss naturgemSss die Denudation nnd Erosion stärker wirken nnd rascher nagen als an dem mittleren Gebirgskamme, da der letztere nur von zwei, jene

vorgeschobenen Rf-r^e aber von drei Seiten angegriffen werden ; noch dazu bestehen diese zunächst über der Kheinebene liegenden lit ige zum grossen Theil aus leichter zerstörbaren Gesteinen (nämhch aus Grauwacken nnd Thonschiefern) als die Wasserscheide, deren m^st granitische Gesteine langsamer zerstört und abgetragen werden; ciidHch muss an diesen schroff ansteigenden Bergen, von denen der höchste von 142(3 m auf eine Entfernung von 8 km bis auf die Tiefe von 2(50 ni Cfebweiler) abstürzt, die Abtragung (Um- OberHäche

viel energischer vor sich gehen, als an den Bergen mitt<?n im Ge- birge Wenn trotzdem die höchste Erhebung, der Gebweiler Beleben, hart am äusseren, südöstlichen Rande des Gebirges liegl^, so erklärt sich dieser innere Widerspruch nur aus der Art und Weise der Auf- richtung des ganzen Gebirgssystems, auf welche wir unten näher einzugehen ha})en.

Während die l)ei(lt'ii ersten Züge dem krvstallinen Belchenstock augehörten, fällt der dritte, am meisten auch Westen gelegene Bergzug seiner ganzen Länge nach in das ausgedehnte Suidstdn- gebiet der Vogesen. Er beginnt im Süden auf dem Plateau an der oberen Mosel und Meurthe; als erster hervorragender Berg ist dort etwa der Noyemont !••')() m bei Oerardmer anzuführen. Daun iVdgt eine lange Sand^tt iiiketie vom Ormont Sil») m bei St. Die an über die Hautes Chaumes 933 m bei Plaine (zu unterscheiden von den oben genannten Hautes Obaumes de Pairis des mittleren Kammes) bis zum Donon 1010 m, Prancey 1007 m und Schneeberg 90.3 m: von dort senkt sich der Kamm allmählich bis ZU 101 m Meereshöhe bei Pfalzburg auf der Zaberner Steige . um jenseits durcli das Sandstein- Plateau von Bitsch einzutreten in di»' Haardt. Des öfteren wird dieser westliche Bergzug von Flüssen und i*ässen quer durchschnitten, da die Sandsteine einer viel rascheren Zerstörung anheimfallen, als die Granite und Grauwacken des Beichenstockes. Die Bichtung dieses

bietet nur wenige Zahlen nnd swar diete in bayerischen Rathen ! Für die Höhe dea

Donnersbern-f's . liöolisten I!t'ri:jos der bayoriscli»^n Pfalz, (Inden pioh z. B. die l'ulgenden Angaben: K lüden., Uandb. der Erdkunde 1875, II, 6. 107: Gä8,0in; Onthe- Wagner, Lehrb. der Oeogr. 1879, S. 781: 684 ro; Nenmann^t geogr. Lex. des deutschen Roirhcs IS^i;;. I. S. 217: 7l?J m: Ritter's {jeo^^r. Lex. 1. ä, 444: Ö89 m; Laspeyrcs, ZeiUchr. d. Ucutäch. geol. Ges. 1867, Ö. 800: OSO m nnd 691 m; Reymann's Spezielkarte, Blatt Worms: 666,5 m; Stiel er'a Hand- atla.«. Knrte Nr. 30:11: m; Giinjbel. Geo^rr;ost. Verluiltiiisse der Pfalz 18(>.'>. ä. 15 : GUI in : die bayer. Generalstabskarte der Pfalz in 1 : 50 000, Blatt Lauter- ecken; 288,1 bayer. Ruthen. Man hat also nntcr diesen 10 Angaben die Wahl; die Mnioritiit spridit für HOl in, welolie /alil drfinial wioderkeliit . wfilirend alle anderen Angaben untereinander dilTeriren, und zwar von 000,5 m bis 722 m.

') Ger 1 and. Die Gletseherspnren der Vogesen, Verhandl. des 4. deutschen Geograpliontar'cs zu .MüiuIumi. Merlin l^^^i, .«^atit S. 101 fferade im (Ji'pt'iisatz ZU der oben ausgedprocheocn Anbicht, dass der mittlere Vogesenkamm deswegen niedriger als der Oebwetler Reichen sei, weil er durch die ettdwestUch benm«

ziehenden Regen und Wetter stärker denn ^rf winlen W&TC als jener Eckpfeiler. Der Geologe kann dieser Meinung nicht beipllichten.

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Die oberriieiniBcüe Tiefebene und ihre Randgebirge.

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Kammes ist parallel den ersten beiden in N 25 ° 0; seine Länge TOm Nojemont bis zur Zaberner Steige beträgt 80 km. KSrdlieh der tiefsten Senkung dee Kammes bei Pfalzbnrg imd Lfitzelstein, welcher

drüben die ebenso tiefe Einsenkung des Kraichgaues zwischen Schwarz- wal(] u!i(l Odenwald entspritlit, sollte man nicht niphr von Vorlesen syirechi'n : das ^Bitsclit-r Land^ ( Pavs d«- Kitsch ) gehört bereits zur Haardt. Die Entfernung dieses westiiclien Bergzuges vom mittleren Hauptkamme der \ ogcsen beträgt durchschnittlich 10 km, d. h. eben- soTiel wie die zwischen dem leteteren uud dem südöstlichen Bergzuge ; »eine Hohe liält sich in 900 his 1000 m^ erst gegen die Zaberner Senke hin nimmt dieselbe ansehnlich bis auf 400 m ab.

Während die beiden erstgenaimten Bergzüge durch mehrere Querrioo"«'! verbunden oine fcstgofiigte Masse und das Hauptnias^^iv des Gebirges ausnia(lii n. .sodabs wir sie nach dem Vorgange Elie de Beaumont's unter dem Namen des ^ Beichenstockes " zusammen- fassten, ist der dritte, nordwestliche Bergzug der Vogesen von den beiden ersten scharf getrennt, sellwt von dem Funkte, wo die Wasser- scheide TOm mittlert ii auf diesen westlichen Gebirgskamm Übergeht, bei Saales: ein scliroffes nehüngo wendet dieser Sandstein/.ug dem Belchensttx ke zu. während er nach Westen allmählich in das niedere Plateau iil>ergeht.

Die Wasserscheide des Gcliirges läuft im südlichen Theile der \ ogesen vom Elsüsser Beiehen an über den mittleren Kamm bis zum Climout 974 m, biegt dann nach Westen aus und sinkt auf dem Pass bei Saales zu 558 m Höhe hinab, um dann wieder in die Hauptstreich- richtung des Gebirges in NNO und auf den dritten, nordwestlichen Kamm einzulenken. Vom Passe bei Saales strömt nach SSW in der Verwerfung zwischen dem zweiten und dritten Zuge die Fave nach St. Die am Ormont zur Meurthe hin, nacli NNO in der Fortsitzmig desselben Bruches die Breusch, die sich in ihrem unteren Laufe um das Nordende des Hauptkammes, den Nordabhang des Hochfeldes, nach Osten zum Rheine hin herumwendet. Weiter nördlich fliesst die Zorn an&ngs längs der Westseite des dritten Gebirgsk minies, um ihn dann in der Zaberner Senke (fuer zu durchbrechen nnd nach Osten in die Kheinebene hinauszutreten, gerade wie jenseits der Neckar erst den Ostrand des Schwarz waldes umtliesst, aber sciiliesslich quer den Gebirgskamm zur Rheinebene hinaus durdischneidet.

Von grossem Interesse ist die südliche Fortsetzung der Wasser- scheide südlich der Vogesen zwischen Mfilhausen und Beifort: hier scheiden sich die Gewässer, welche dem Khein und der Nordsee zu-

f^iessen, von denen, welche durch die Uhone in das Mittelmeer ge- langen: wir stehen also hier auf der primären ^Vasserscheide des europäischen Continents. Für die innere Strm tiir der \ ogesen ist es von Bedeutung, dass diese AVasserscheide auf der Burgundischen Pforte nicht am Stldende des mittleren Hauptkammes der Vogesen, am Elsasser Beleben ansetzt, sondern von diesem Berge sich zunäclist östlich zum S&dende des ösÜichen Bergzuges, zum Bärenkopfe begiebt und erst Ton diesem Berge aus in die Senke hinabsteigt. Auch hieran ist zu

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Lepsin«,

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erkeuuun, dass der östliche Bergzug, der Ostrand der Vogesen, von Yornherein die höchste Erhebung des Gebir^ war.

Die grosse Yölkerpforte zwischen den Vocresen und dem Schweizer Juragebirge hat eine Breite TOn etwa 30 km oder 4 geographischen Meilen, also diescU»-' I^n'ito. wie die oberrheinische Tiefebene. In der That i?5t die Hurunindische Pforte topoirraphisch und geologisch die durch das Juragebirge resp. durch (iuä Aipeusystem etwaa nach West verschobene sfldliche Fortsetzung der Rheinebene. Der niedrigste Punkt der Wasserscheide liegt bei Dammerkirch im Col de Valdieu 850 m hoch, also nur 100 m über dem Rheinspiegel bei Basel, jedoch 700 m unter dem nächsten Vogesenberge, dem Bärenkopfe.

2. Der Sehwanwald.

Betrachten wir nun das den Vogesen gegenüberliegende Rand- gebirge der Khoinebene. den Schwarzwald, m finden wir dort eine ähnliche ;lu.ssore Gebirgsform wie hier, nur dass d«'r Steilhang des Schwarzwaldes nach Westen, die Üache Abdacimng desselben nach Osten gerichtet ist. Im einzelnen treten manche Unterschiede in dem Aufbau beider Gebirge hervor, im grossen und ganzen aber ist der Schwarz wald das getoeue Abbild, der symmetrisäe Gegenflfigel der Vogpspii.

Per Sfhwarzwald richtet seine Kiininio parallol den Bergzügpn der Vogesen in NNÜ; er hat seine liin listen Höhen ebenfalls mi Süden und näher dem westüchen als dem östlichen Gebirgsrande. Er sondert sich wie die Vogesen in zwei, auch äusserlich leicht kemit- liche Theile, das krystalline Grundgebirge der Beleben und das manteU formig um diesen Kern lagernde Sandsteingebirge : im einzelnen lassen sich beide Theile in mehrere parallele Bergzüge gliedern, welche den soeben besprochenen Zügen der Vogesen parallel, in der allgemeinen Streichrichtuug des oberrheinischen Systems in N -5" 0 verlaufen.

Im Sehwarzwalde steht der höchste Berg, der Feldberg, auf dem mittleren Gebirgskamme, welcher im Gebiete des krvstallinen Grund- gebirges zugleich die Wasserscheide darstellt und dem mittleren Vogesenkamm entspricht. Dieser Hauptbergzug des Schwarzwnldcs bc^ginnt im Süden mit dem Hohen Mohr, nordöstlich über Schoj t in ini im Wiesenthaie, mit einer absoluten Höhe von iiSO m; er läuft dann über den Rohrkopf 1161 m, den Hochkopf 1265 m, den Bldssling 1312 nt, das Herzogenhorn 1417 m zum Feldberg 1495 m. Von dem breiten Rücken des Feldberges sinkt die Höhe des Gebirgskammes zum Pass über dem H(")llentlial Ins auf 012 ni herab, um jenseits 'wieder anzu- steigen Zinn iloch.strass (oder Hohlen Graben) \'2'M ni und weiter zu gehen über die Ecke 1004 m bei Furtwangen zum Brend llöO m und Rosseck 1148 m. Das obere Gutaehthal zwischen Triberg und Hom- berg begrenzt diesen Hauptzug. Durchschnittlich hält sieh dieser Kamm des Belchenstr»c1:,.s in liOOm Höhe, steigt im Feldberg bis fast auf löOO m und lallt im llöllenthalpas.s l)is auf 012 m.

Nahe diesem mittleren Hauptkamme des Schwarzwaldes zeichnet

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Die oberrheinisdie Tiefebene und ihre Randgebirge.

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sich noch weiter östlich ein vortjelagerter Bergzug &u.s, der im Süden mit den weit nuch Süden bis an den Uhein durchziehenden Höhen des Vor Waldes östlich über dem Wehrathai bei Homberg mit 1035 m ein- setzt; er zieht fiber den Bützberg 1210 m und Habsberg 1209 m am Schluchsee zum Hochfirst 1101 m bei Neustadt, an dessen Nordfuss die Gutach (Wutach) in enger Schlucht diesen Bergzug durchbricht. Ueber den Steinbühl 1139 m am SchoUachthal und den Kesselberg 1009 m gelangt dieser östlii he Zug auf dit> 1 )()nau-IUi<'in-Was8erscheide im Sonimeraupass 877 m bei Triberg, dem niedrigsten Pass der Wasserscheide, welcher im Tmmel toh der Schwarzwaldbahn durchfahren wird. Jenseits be- ginnen die zusammenhängenden Sandsteinhöhen im Windkopf 045 m und Brielkopf 882 m; schon die Schramberger Haardt 748 m bei Schiltach streicht mit den Triastafeln des Mantels mehr in nördlicher Richtung.

Westlich des Hauptkammes zur liheinebeue hin tulgt ein dritter paralleler Bergzug; derselbe beginnt im Sflden mit dem Schlöttleberg 965 m bei Eandem, zieht auf den Belchen 1415 m, nächst dem Feld- berg die höchste Erhebung des Schwarzwaldes, und läuft über den Erzkasten 1280 m, den Kandel l_M:{m, den Rohrhardts])erg 1144 in, den Grossen Hnndskopf 052 m bei Pft^rsthal bis auf den Kniebis 973 m. Ueber das obere Murgthal hinaus lässt sich dieser Zug noch in das Sendsteinplateau bis auf den Hohloh 991 m und den Rösberg 886 m bei Gemsbach Terfolfifen. Dieser Tordere Bergzug des Schwarz- waldes wird durch zwei Thäler tief zers( Imitten, w«dche von dem Hauptkamra herabkommen, das Dreisamthal, dessen Sohle hin Zarten oberhalb Freiburg 'M^) ni tief liegt, und dann durch das Kinzigthal bei Wohach in 240 in Tiefe. Die Länge des ganzen Zuges vom Schlöttleberge bis zum Kniebis beträgt gegen 100 km, und die Kichtung desselben streicht in N 25* 0, der Hanptrichtnng des oberrheinischen Gebirgssystems.

Noch weiter westlich von diesem dritten Bergzuge des Schwarz- wald»*s rheben sich am Steilhange zur Rheinebene noch einige be- sonders liervorragende Bergkuppen, welche zum Theil bereits dem an der Kbeinspalte abgesunkenen Gebirgsrande augehören, zum Theil noch als Ausl&ufer jenes Zuges zu betrachten sind. Von diesen Aussen- gliedern nennen wir den Blauen 1107 m, den Schönberg 040 m bei Freiburg, den Hünersedel 746 m, den Rauhkasten 041 m und den Steinfirst 002 m, welche Berge sämmtlich auf abgesunkenen Gebirgs- streifen liei^eu; endlich die Sandsteinreste des Mooswaldes 878 m und der Horm.sgnnde 1100 m, welche durch Erosion vom östlichen Haupt- kamme abgesondert liegen. Es entsprechen diese Vorposten den isolirten Kuppen, welche drüben in den Vogesen gleichfalls nahe über der Rhein- ebene vor dem Hauptkamme liegen, wie der Hohnack 080 m über Colmar (nicht zu verwechseln mit dem Hohneck auf der Kammlinie), der Alteuberg 880 m, der Ungersberg 905 m imd der MenneLstein 819 m fiber Barr bei Strassburg gelegen.

Die Wasserseheide des Schwarzwaldes scheidet ebenso wie die- jenige der Vogesen zumeist Gewisser, welche ein und demselben Flusse, dem Rheine zufliessen; nur die kurze Strecke des mittleren Gebirgs-

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LepsioA,

kammes vom Hocli?itiass an über die lixjsseck b»M P'urtwangeii und den Kesselberg bis zum Sommeraupasse bei Triberg, eine Strecke von el^a 80 km Länge, trennt die Zufifisse der Donau, Brege nnd Brigach und also des Schwarzen Meeres von den Znflflssen des Rheins nnd der Nordsee. Hier stehen wir znm stweiten Male*anf der primären eiirop;iis(]ipn Wasserscheide, so dass demnach die genannte Strecke auf dem Scliwarzwalde jener noch kürzeren in den Südvogesen vom Elsässer Belchen bis zum Bärenkopfe entspricht, in welcher sich die Rheinzuflfisse Yon denjenigen der Rhone acheiden.

Wenn nnn auch einerseits die Mosel, Heurthe nnd Saar, andrer- seits die Wutach und der Neckar in ihrem Unterlaufe Hüninitlich in ein und denselben Strom, den Rhein, einmünden, so bleiben doch die mittleren (Tebirgskämme der Randgebir«?e auch ihre Hauptwasser- scheiden, weil die Verhältnisse des Unterlaufes dieser Flüsse nicht mass- gebend sind für die Wasserscheiden im oberen Lauf derselben. Durch die eigeuthtlmlichen hydrographischen Verhältnisse im Stromgebiete des Rheins durchbredicn die Zuflüsse öfters die Hauptwasserscheiden der Randgebirge im oberrheinischen Gebirgssysteme, wie es bei der Zorn in den Vogesen, beim Neckar im Odenwalde der Fall ist.

Die Hauptwasserscheide des Schwarzwaldes beginnt auf dem Vor- walde über Säckingen, vereinigt aich im Hochkopf mit dem mittleren Gebirgskanune nnd bleibt anf diesem bis znm Bosseck, Ton wo an sie sich wieder östlich dem dritten Bergzuge zuwendet und fiber den Kesselberg und Sommeranpass Übertritt anf die Sandsteinsfige des Mantels.

3. Die Haardt

Den Vogesen schliesst sich im Norden ohne scharfe Ghrenze, doch nach einer fast ebenso tiefen Senke wie drflben zwischen Schwarzwald

und Odenwald , das Gebirge der Haardt an , welches im Ganzen den Platcaucharaktcr eines jeden ausgedehnteren Sandsteingebirges trägt, ähnlich dem hinteren Odenwald oder dem Spessart. Wie in den Vo- gesen liegt auch in der Haardt die höchste Erhebung unmittelbar über dem steilen Abbruch zur Rheinebene. Hier Yerlluft am Osfennde des Gebirges eine Bergkette, welche im Hanptstreichen des ober- rheinischen Systems sich in NNO richtet. Im Süden beginnt dieser Zu'_r mit dem isolirten Hd -liwalde bei Wörth, der bis zu '»1^ m an- steigt, sich also 441 m über dem Hheinspiej^el bei Lnntf^rbnr«; ( 1()7 m) erhebt. Dann folgen der Trifels 457 m und Hohenberg öoö m bei Annweiler, der Teufelsberg 003 m, Schänzel 616 m und der Gnwse Kalmit 681 m, der hOchste Berg der Haardt; endlich der Hohe Wein- bieth 555 ra bei Neustadt und der Peterskopf 497 m bei Dürkheim.

Dieser äussere Bergzug hat eine Länge von 05 km. An drei Stellen wird er von grösseren Rheinzuflüsseu durchschnitten: von der Lauter bei W^eissenburg, von der («Queich bei Landau und vom Speyer-

') „Haardt* bedeutet Wald; daher die Beteichnang „Haardtwald", wie sie zuweilen fttr dieses Gebirge gebraucht wird, eine Tautologie ist

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Die oberrheiniBche Tiefobene und ihre Randg^birge.

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bach bei Neustadt. Diese drei Fliis.-e (Inrchsclineideu das Sandstein- gebirge bis auf das unterliegende GnmdL^ebirge , welches auch läiitrs der hüchsteu Erhebuug .des Gebirges an den unteren Berggehüugen swiBchen der Qaeioh und dem Speyerbaeh flberall m Taffe tritt Der Ostfoss der Haardt in der Vorderpfalz Hegt etwa in 200 m, während der Kordwestrand von Göllheim nach St. Ingbert eine mitÜere Hohe ▼on 235 m hositzt.

Ein zweiter Bergzug zieht 15 km weiter westlich mitten durch die Haardt: er setzt an im eingesunkenen Hügellande zwischen Zabern mid Hagenau mit dem Bastberg 329 m bei Buchs weiler, tritt in das Gebirge ein mit dem Plonn 413 m bei Offweiler, zieht ttber den Grossen Winterberg 577 m bei Niederbronn, den Grossen Byberg bei Dahn zum Eschkopf 012 m auf die Frankeiiwoide, welcher Kücken in der mittleren Haardt dominirt und zugleich die Wasserscheide bildet; dieser Zug bleibt dann auf der Wasserscheide im Waltersber«:^ 4r)," m und im Heiligenberg bei Hochspeyer und endigt im Stumpfwaide bei Güliheim.

Erst der dritte, westlichste Bergzug der Haardt bildet die Fort- setzung (]»'s Kammes der nördlichen Vogesen, welcher, wie erwähnt, direkt über den tiefen Einschnitt des Zornthides in das Hochland von Bit<f h nVtergeht. Die einst als Strassenkunstwerk berühmte Zaberner St^iige erreicht eine Höhe von 10 J ni: in dieser Höhe etwa bleiben die Bergzüge in dem ausgedehnten Sandsteinpiateau des Westrichs ; nur die höästen Kuppen strecken sich etwas höher. Der Sattel der Strasse Ton Bnehswcnler über Lützelstein nach Saamnion liegt mit 395 m zwar um 0 m niedriger als der Gebirgskamm aof der Ziwemer ?^tra«tse: er entfernt sich aber auch ansehnlich weiter vom abgewnsrhonrn östlichen Gebirgsrande ; diesem Rande stehen der höhere Hünenberg 419 m bei Neuweiler und der Euglischberg 393 m bei Ingweiler näher. Weiter nach Norden zieht dieser Bergzug über den Sarreinberg 484 m bei Oötzenbrfick, den Hohen Kopf 443 m bei Bitsch, den Kirchberg 387 m bei Pirmasens und endigt in der Sickinger Höhe 475 m zwischen Kaiserslautern und Landstnlil.

Der Nordrand der Haardt streicht parallel dem gegenüberliegen- den Hunsrück in ONO von Göllheim über Kaiserslautern und Homburg bis nach Saarbrficken.

Die Lange des westlichen Bergzuges der Haardt Ton der Zabemer Steige bis auf die Sickinger Höhe beträgt 77 km; rechnen wir hinzu die Fortsetzung desselben durch die Saudsteinvogesen bis auf das Plateau an der oberen Mosel, so erreicht dieser fortlaufende Bergzng eine Länge von 100 km. Yogesen und Haardt zusammen sind etwa 200 km lang, während der östliche Gebirgsrand der Rheinebene, Schwarzwald und Odenwald, noch um 70 km langer ist.

4. Die beiden Senken bei Zabern und im Kraichgan.

Wie wir gesehen haben, bleibt der verbindende Bergkaiuru zwischen Yogesen und Haardt in der Strecke von Pfalzburg bis Lfitzel- stein mit 4(M) m Meereshöhe nur wenig unter den Höhen des Bitscher

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LepsiuSf

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und Westricher Hochiandes; jedoch erhebt sich der höchste Berg der Haardt, der Grosse Kalmil, um 280 m fiber denselben. Zu dies^ Sandsteinzuge westlich fiber Zabern ist geologisch das tiefer ein- gesunkene Uflgelland zwischen Zabern und FIa«):enau als «gleich werthig hinzuzurechnen. Unter dieson Unistäiidon ist der Unterschied zwischen der ZalxTiior Lücke und (icr Seukinig drüben iui Kriiicb^au nicht so bedeutend, als er t<jpograj)hiscli aui den ersten Blick erscheinen künnte. Die abgesunkenen Juraschichten in den Verbergen bei Lan^enbr&cken entsprechen den gleichen Schichten im Zabem-Hagenauer HOgellande.

Der Gebirgskamni östlich oberhalb der LangenbrÜckener Senke tritt zwar äusserlich nicht so scharf hervor als derjenige bei Zalu rn. weil ihm der abgebrochene yteilhiuicr fehlt; auch liegt er nicht auf Bunt- sandstein, sondern auf Muschelkalk und Keuper, besitzt aber immerhin eine mittlere Höhe von >V2h m, gegen 4ü0 m drüben bei Zabern.

Ebenso wie in der Zabemer Senke die Wasserscheide weit nach Westen von der Bheinebene entfernt liegt, so weicht auch im Kraich- gau zwischen Schwarz wald und Odenwald die Wasserscheide etwas nach Osten aus: dieselbe zieht sich aus dem Xordrande des Schwarz- waldes von Dobel 722 m ül>er den VVartberg 44l> ni bei Pforzheim, den Scheuelberg 383 m bei xMaulbronu zur Grossen Haardt 330 m und erreicht unterhalb Neckarelz den Neckar, um sich jenseits im hinteren Odenwald weiter fortzusetzen.

Ein zweiter vorderer Bergzng in der Kraichgauer Senke läuft westlich des erstgenannten und näher der Kheineltene vom Nussbaum 3211 m bei Bretteu zum Kreuzberg 332 m bei Klsenz und Eichelber«x 328 m (der Steins! >erg 335 m etwas östlich des Eichelberges ist eine aufgesetzte Basaltkuppe), erreicht den Hohberg 260 m bei Sinsheim und tritt jenseits in den Sandstein-Odenwald ein.

5. Der Odenwald.

Im Odenwalde richten sich die Bergztige etwas mehr gegen K als in den anderen drei Randgebirgen der Bheinebene: während das Streichen der Kämme in den letzteren in N 25 " 0 geht, verläuft das- selbe im ndetiwalde mehr in N 15*0. Am deutliclisten tritt dieses Streichen in dem Bergzuge hervor, welcher die vorderen Hcdien der Kraichgauer Senke nach Norden fortsetzt: er zieht durch den Stüber Centwald zum Auberge 516 m bei Eberbach , setzt dann Aber den Neckar weiter, an der aufgesetzten Basaltknppe des Katzenbuckels ()28 m, i1 Mii liöchsten Berge des Odenwaldes, westlich vorüber, auf die Sensbacher Höhe 558 m, den Krähberg 548 m bei Bct i felden, den Baurück 550 m bis zum .Tairdhaus Eulbach 505 m und darüber hinaus bis an den Main. Der scharte N-S gerichtete Einschnitt westlich dieses Zuges liegt zumeist in einer Verwerfung und Bruchlinie, in welcher nach S der Gammebbach, nach N die Mümling abläuft; auf der Passhöhe 400 m zwischen beiden Bächen entspringen in Beer- felden starke Quellen, welche aus den westlich gelegenen, in 0 ab- fallenden Sandateinhöhen gespeist werden.

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IHe oberrheinische Tiefebene und ihre Sandgebirge.

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Dieser östliche Theil des Odonwaldcs , der -hintere Odenwaki", Fetzt sich zusammen ans mehreren in X 15 o 0 streichenden Sandstein- zügen, welche im ganzen ein Hochplateau von durchschnittlich 450 m Meereshöhe bilden; der Spessart ist die unmittelbare Fortsetzung des hinteren Odenwaldes, nur getrennt durch den Main, welcher sich quer durch r]ie S'andstcinifige nein Bett grub.

Der Rheinebene näher zieht am Westrande des Sandstein- plateaus ein Bergzut^ von Wiesloch herauf über die ersten Höhen am Südende des vorderen Odenwaldes auf den Köni<j;.stuiil 507 m bei Heidelberg, dann über dea Neckar zum Haidenbuckel 523 m, über den Hardeberg 582 m und Kottenberg 550 m bei Siedelsbrunn , die Walpurgiskapelle 521 m bei Weschnitz, den Morsberg 517 m, die Böllsteiner Höhe 407 m , den Heidelberg 364 m bis auf den Klotze- berg 350 m bei Umstadt.

Im vorderen Odenwalde zwischen der Bergstrasse einerseits und den Thälern der Weschnitz und Gersprenz andrerseits, in dem das kryttaUine Grundgebirge Torherrscht, macht sieh die Aufkippung der Gebirgsränder längs der Rheinebene besonders kenntlich in dem Berg« zuge, welcher mit dem Auerbacher Schlossberge 350 m und dem dicht über der Rheinebene aufraffenden Melibocus 510 m beginnt, über den Frankenstein 424 m nach Norden fortsetzt und in den Berufen östlich Darmstadt, im Dommerberg 280 m, der Ludwigseiche 289 m und in der Wasserscheide gegen Offenbach am Main hin ausläuft. Die höchsten Höhen des vorderen, krystallinen Odenwaldes liegen auf dnem weiter Östlich streichenden Zuge in der Seidenbucher Höhe 598 m und in der weiter in NNO gelegenen Neunkircher Höhe 591 m.

Die Tier Randgebirge der oberrheinischen Tiefebene zeigen demnach im allgemeinen die folgenden Verhältnisse. Der Beichenstock

der Vogesen besitzt im Südosten und dicht über der Rheinebene seine höchste Höhe mit 142() m und nine Kammhöhe von 1300 m Meereshrdie. Das •'h-nndgebir^'e des Schwarzwaldes liat seine höchste Erliebung mit 14l'.'> m mehr inmitten seiner Breite, näher dem Süd- als dem Nordende seiner Länge, und einen weniger geschlossenen Kamm als die Yogesen, ▼on 1200—1400 m Höhe.

Die Sandsteinrücken der westlichen Vogesen von 900 1000 m Höhe verl)inden sich durch einen Sandsteinzug von 400 m Höhe mit dem Plateau der Haardt, deren höchster Berg, wie in den Vogesen, dicht am östlichen Gebirgsrande mit (iSl m Höhe steht; die Horli- kiimme des Westricher Hinterlandes besitzen 400 500 m Höhe. Der «regenfiberliegende Odenwsld ist einerseits durch eine etwas flachere Tind breitere Senke von 325 m Höhe der Wasserscheide vom Schwarz- walde getrennt, andrerseits dem äusseren Anschein nach (aber nicht geologisch) etwas weniger hoch gehoben als die Haardt; der höchste Berg des Odenwaldes liegt, wie im Schwarzwalde, mehr inmitten des Gebirges und hat eine Höhe von 028 m; die Trennung in einen krystallinen Kern mit Höhen von 500 m am westlichen Rande und fast 600 m in der Mitte und in einen östlich gelegenen und scharf

VovMlniOfm mr dfvtaolMii LaadM- vnA Volkskoiide. Z. 9. 4

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Lepsiiu,

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abgesetzten Saudsteinmantel mit Plateaus von 4r)() .'»Od ni Höhe tritt im Odeuwaide ebeaso deutlich hervor als im Schwurzwaide und iu den Yogesen, während in der Haardt die Unterlage des Sandsteins, das kry- staUine Grundgebirge, nur in den tiefeten Thaleinschnitten su Tage tritt

6. Die Eheinebene.

Die zwischen diesen Gebirgen abgesunkene Rheinebene endlich dacht sich allm&hlich mit dem StrorogeföUe nach Norden zu ab, Ton

250 m Meereshöhe im Süden bis 80 m im Norden , also im ganzen 170 m auf eine Liinge der Ebene von Basel bis Miunz von 280 kra. Das Gefälle des Rheins in dieser Strecke ist bekanntlich verhältniss- mässig gering und beträgt ,von Basel bis Ötrassburg ungefähr 107 m, von da bis Mannheim 45 m und von da bis Mainz 15 m; es ist also in den oberen Gegenden um vieles stärker wie in den unteren Theilen der Tiefebene. Man kann annehmen, dass das starke Gefälle von Basel bis zum Einfluss der Murg (bei Rastatt) reicht und wenigstens ra beträgt, von da bis Mainz aber nur noch 31 m* (von Dechen 1. c. 1SlI5 S. 25). Zum Vergleich sei aufrt'tuhrt, dass der Rhein vom Bodensee bis Basel auf eine Länge von etwa 112 km 150 m und von Bingen bis Bonn auf 150 km um 33 m f&llt.

Der Feldberg ragt 1200 ra, der Gebweiler Beleben 1221 ni, der Katzenbuckel 532 m und der Grosse Kalmit 580 m über den Rhein- .«ipiegel empor; die beiden nördlichen Randgebirge sind also etwas weniger als halb so hoch als die ])eiden südlich gelegenen. Die (Te- birgsliuie längs der Westseite der Rheinebene sinkt von 1420 m im Gebweüer Beleben bis auf 400 m in der Zabemer Senke , also um 1026 m, und erhebt sich dann wieder um 281 m bis 681 m im Grossen Kalmit. Auf der Ostseite sinkt die gleiche Linie von 1495 m im Feldberg um 1 1 70 m bis auf die Kraichgauer Senke und hebt sich zum Katzenbuckel wieder um 303 ni Hrdienunterschiede, gegen welche die Abdachung der Rheiuebcne von Basel hin Mainz mit 107 m gering- fügig erscheint.

7. Die äusseren Orenien der ?ier fiandgebirge.

Ziehen wir endlich noch die Höhen des Aussenrandes der vier Gebirge in Betracht. Diese Linie des Aussenrandes ist allerdings nur mehr oder weniger willkfirlich zu ziehen, da die äussere Abdachung des Gebirges eine ganz allmfthliehe ist und eine scharfe Chrenze gegen

die anstossenden Hochebenen nur an wenigen Punkten gegeben ist. Nehmen wir als Grenze diejenigen Gebiete, in denen der Charakter des Waldgebirges übergeht in das bebaute Hache Hoch- oder Hügel- land, so erhalten wir für den Schwarzwald als östliche Grenzlinie etwa die folgende: rom Bbein oberhalb Waldsbut längs des Thaies der Wutach hinauf nach Blumberg 708 m, dort über die Wasserscheide in 740 m Höhe zur Donau nach Donaneschingen 680 m, dann die

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Die oberrhciniBclie Tiefebene nnd ihre Randgebirge.

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ßrigach hinauf nach Villingen m, wieder über die primäre euro- päische Wasserscheide in 7(30 m Höhe hinüber zum Neckar; weiter an der alten Hönierstrasse entlang auf dem jilatten Kücken zwischen Neckar und Eschach ca. 1)50 m hoch und um Neckar hinab bis Horb, hier über die Wasserscbeide in 575 m zur Nagold und endlich dies Flüsscben hinab bis Pforzheim; die Wasserscheide zum Rhein liegt hier in nur 300 m Höhe. Eine srdche Linie von Waldshut bis IM'orz- heim würde durchschnittlich eine Uöho des (istlichen Schwarzwaldraiides von *)'»() m ergeben: jedoch würde dieselbe im Süden höher als im Norden liegen, da die Wasserscheiden bei Douaueschingen in 740 m, bei Yillingen in 769 m, dagegen bei Horb in 575 m nnd bei Pforzheim in 9ßO m Höhe sich befinden.

Als Ostgrenze des Odenwaldes wn'irde etwa die Strasse von Neckarelz über Auerbach, Buchen, Walldürn im Baulande nach Werth- heira am "Main anzusehen sein ; hier liegt die Wasserscheide zwischen Neckar und Main in 430 m Meereshühe.

Die westliche Umrandung der Vogesen tritt noch weniger dent- lieh als die Östliche Grenze des Schwarzwaldes henror: sie würde etwa durch die Orte Faucognej 364 m, Remiremont 393 m, Bruyeres (>()1 ra, Raun TKtape 285 m, Cirey les Forges 309 m zu bezeichnen sein, dann zur Saar hinüber nach Saarburg 202 m und quer nach NNO über die flachen Plateaus weiter als westliche Grenze des Ilaardtgebirges über Kauweiler 283 m, Ganeweiler 3ü0 m, Lorenzen 230 m, Rohrbach 350 m, endlich das BickenthiJ hinab nach Zweibriicken 217 m nnd Homburg 233 m verlanfen. Die Wasserscheiden dieser Begrenzungslinie liegen im Süden zwischen den Quellflüssen der Mosel und Meurthe in 050 m, weiter nördlicli zur Saar hinüber in 450 m. dann auf dem Plateau -tlirh der Haardt in 350 ra. Im ganzen würde demnach das Hoch- land westlich der Vogesen und der Haardt um etwa 100 m niedriger sein als dasjenige ösIMdi Tom Schwarzwald nnd Odenwald; die west- liche Grenzlinie sinkt ziemlich gleichmassig nach Korden zu mehr nnd mehr ab, die Ostliche steigt ans dem Neckunhale wieder auf zur Wasser- scheide gegen den Main.

Eine der eigenthümlichsten Erscheimuigcn im Stromgebiete des Rheines ist der Verlauf der Rhein-ZuHüsse: Neckar und Main, Mosel, Zorn und Saar durchschneiden quer Gebirgskämme und Plateauhöhen, welche nach den äusseren topographischen Kiveaubeziehungen scheinbar nur dadurch überwunden werden konnten, dass die Flüsse einst bergauf Üoft-n; so bricht z. B. der Neckar nicht an der tiefsten Stelle, in der Kraicligauer Senke, durch den Gebirgsrand hinaus zur Rheiuebene. sondern hat Berge des südlichen Odenwaldes durchschnitten, welche mehr als 200 m höher sind, als die Wasserscheide ju jeuer Senke. Solche hydrographischen Batiisel sind topographisch unlOsbar; nur aus der geologischen Geschichte der Gebirge werden sie entziffert. Die mecha- nische Geologie weist nach, dass die jetzigen NiveanverhiUtnisse der Oebirge gegen die Hoch- und Tiefebenen in früheren Zeiten andere waren, dass sie bedeutende Veränderungen im Laufe der Erdgeschichte erlitten, während gleichzeitig die Bäche und Flüsse unablässig beschäftigt waren, ihre Fnrdien in die ErdobeiflSche altentiialben zu ziehen. Aus

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den meist complicirten Wirkungen, welche durch die Gleichzeitigkeit der mechanischen Gebirgs-Bewegungeu und der Erosion der Flüsse, sowie durch die uumterluNMdiene Folge und die lauge Daner beider Eraeheiiuiiigeii TeruzBacht wurden, lassen sich allein die mannigMtigen Bathsel der Hydrographie lOsen und erklftren.

UL Der geologische Bau.

Die bLslier betrachtete äussere Gestalt der Rheinebene und ihrer Kandgebirge ist abhängig von der inneren Structiu: derselben und nur ans der Erkenntniss dieses geologischen Baues TerstSndlidi. Als seciiuJäres Formelement der Oberfläche kommt dann die abtragende, einschneidende und auffüllende Thätigkeit des fliessenden Wassers hinzu, welche die innere Strnctnr der Berge und Ebenen oberflächlich verwischen, aber nicht verändern kann, und welche stets jenem geo- logischen L actor die massgebende Stellung überlassen muss.

Zwei scharf Ton einander getrennte Schichtensysteme lagern im südwestlichen wie im übrigen Deutschland discorduit Qber einander: (las krystalline und paläozoische Grundgebirge wird ungleichförmig bedeckt von den unter sich concordanten Schichten der Trias?- und Jura-Formationen. Jenes Grundgebirge umfasst die azoischen Schiefer. Gneiss, Glimmerschiefer und Urthonschiefer mit ihren granitischea Eruptivgesteinen, sowie die Silnr- nnd DeTon-Schiehteii und die SteinkoUenformation. Das jüngere Schichtensystem beginnt mit den CoDglomeraten und Sandsteinen des Oberen Rdtliliegenden. Im Ver- laufe der Steiiikohlenzeit vollzocr sich allmählich in den damaligen coutineutalen Strecken des a\ östlichen und südwestlichen Deutschlands eine allgemeine Zusammenstauung des Grundgebirges: es entstanden die langhinziehenden, in ONO streicihenden Falten des rheinischen Schiefergebirges; andi noch die Schichten der productiven Steinkohle in den Becken von Aachen, an der Ruhr und von Saarbrücken uiussten den gleichen Bewegungen nachgeben. Gleichzeitig und in Folge dieser Bewegungen ergossen sidi aus den aufgerissenen Erdspalten grosse Massen von Lava, welche in tlen 1 ornien der Melaphyre und Porphyre er- kalteten. Erst gegen das Ende der Kothliegeudeu 1 urmation sanken die continentalen Strecken Deutschlands mit allen anf ihrer Oberfliche befindlichen Beiden, Thälem und Ebenen unter den Meeresspiegel und wurden dann zunächst durch die Geröll- und Sandmassen des Ob^en Äothliegenden iilterschüttet und nivellirt.

Die Meeresbedeckung dauerte nun ununterbrochen fort bis zur Zeit nach der Ablagerung der Oberen Juraformation. Während sich aber in den Heeren anderer Gebiete die ganze mächtige Reihe der Kreide- und der ältesten, eocänen Tertiär-Schichten absetzte, wurde und blieb das sfidwestUche Deutschland wiederum Contineni

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Die obenrheiniaelM Tiefebene und ihre Randgebirge.

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Erst das tnitteloligocäno Meer brach von Süden herein ül)er dio da- mals in ilirer Entstehung begriffenp Rheinversenkiing. Wir erkennen daher m unserem Gebiete eine zweite discordante Ue})erlugerung, welche geschah nach langer eontinentaler ünterbreebung: die ob'go- cSnen, jungtertiären imd diluvialen Schichten bedecken ungleichförmig das Grundgebirge und die Trias- und Jara-Formationen. Wir wollen mm sehen, welche Rolle diese drei von einander scharf getrennten, aber in sich einheitlich gefügten Schichten?ysteme, Gruml «Gebirge, Trias und Jura, Tertiär und Diluvium, in dem Aufbau des obc^rrheinischen Oebirgssystems spielen.

A. Das Grundgebirge.

Das krystalline und paläozoische Grundgebirge, wclclio«; in allen vier Randgebirgen der Kheinebene den Kern der munteltoriiiig um- lagernden Schale \) von jüngeren Formationen bildet, ist bisher noch verhiUtnissmässig am wenigsten untersucht worden; wir können den Aufbau desselben daher nur an einigen Beispielen erläutern. Die einst auch an der Oberflüche zusammenhängenden Strecken des Grundge- birges treten jetzt im .südwestlichen Deutschland nur noch zu Tage in den Beichenstöcken von Schwurzwald und Vogesen, in dem vorderen Odenwalde längs der Bergstrasse und in den tiefsten Einschnitten am Ostrande der Haardt. In allen vier Gebieten herrschen Gneisse und Oranite Tor; Glimmerschiefer und Phyllite finden sich untergeordnet in den Vogesen. Die Silurformation wurde bisher nicht nachgewiesen. Granwacken und Thonschiefer sind in den Vogesen weit verbreitet, auch linden sie sich in Schwarzwald und Haardt: man bezeichnete sie frtlher als ,Uebergangsgebirge", eine unbestimmte Bezeichnung, die noch von Werner aus dem vorigen Jahrliundert stammt; das Alter derselben ist auch jetzt zum Theil noch nicht erkannt worden, zum anderen Theil wurden sie durch Funde von Yersteinenmgen als devonisch, zum grössten Theil aber als unter -carbonisch (Kulm) be- stimmt. Productive Steinkohle (Oberes Carbon) wurde bisher in den Vogesen nur in der Umgegend des Leberthaies bei Schlettstadt und im Schwarzwaid an vereinzelten Orten nachgewiesen. Es interessirt uns hier allein die Lagerung der Schichten des Grundgebirges, da wir nur aus derselben den Bau der Gebirgskeme erkennen können.

1. Im Schwarzwalde.

Das Grundgebirge des Schwarzwaldes besteht zum grosseren Theil aus Gneiss. Drei Granitstöcke durchbrechen und umgrenzen die (ineissflSohen: der eine derselben nimmt die südlichen Berge des

Ein Ausdruck, den bereits Peter Merian anwendet in seiner wichtigen GcogDMttoehen Uebenicht des sttdlichen Sehwsnwaldes, S. 188. Basel 1881.

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Lepüiu,

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Sciiwarzwaldes ein und zieht vom Blauen über den Hochkopf zum Hoehfirst bei Neustadt an der Wntacfa; dieser Gramtsng trennt den

Gneiss des Vorwaldes von den grossen, zusammenhängende GneisiK gebieten, welche vom Beleben und Feldberg bis nach OfTenburg und

Oppenau rpiVlien. Auf der Grenzo zwischen diesem Granitzug und dem nördlicli anhebenden Gneisse zieht sicli eine henierkenswerthe Zone von Kulm-Grauwauken und -Thonachiefern quer durch den Schwarzwald von Westen nadh Osten. Audi umsehliesst der Oranit mehrere einzelne Ghieissschollen. Ein zweiter Granitzng tritt bei Triberg auf und reicht Über Hornberg bis Schiltach und Alpirsbacb. wo der Granit unter der Sandsteindecke von der Oberfläche verschwindet. YAn drittes Graniff^ebiet finden wir im Nordwesten der Gneissfläcben: es nimmt den ganzen nijrd- lichen Theil des Schwarzwülder Grundgebirges ein. von Ottenburg bis Achem nach Gemsbach und bis ins Enzthal nach Wildbad hinüber.

üeber die Structur dieser krystallinen Massen des Gtrundgebirgea im Schwarzwalde sind wir noch wenig unterrichtet; jedoch l&sst sich bereits so viel erkennen:

1. Die Schirhteu des Grundgebirges bilden im allgemeinen ein System von aufgebrochenen und abrasirten Falten, welche vorherrschend von WSW nach ONO, zuweilen auch in NO und in 0 streichen; die Flügel der Falten fallen in der Regel in NNW oder NW, weniger häufig in SSO oder SO ein und zwar meistens mit steilen Winkeln.

2. Das so ursprOnglich gefaltete Grundgebirge wurde später bei Entstell de«: oberrheinischen G ebirgssystems in einzelne Stufen tuiVltVinnit; zerbrochen, welche im aligemeinen Streichen dieses Systems nach NNO gegeneinander verworfen liegen, so dass sie aUseits unter der Triasdedce yon der Oberfläche des Gebirges Terschwinden.

Das Streichen der älteren Falten des Grundgebirges geht parallel dem Streicben des rheinischen Schiefergehirges und demjenigen des Alpensystem«:, «soweit das letztere südlich am oberrheinischen Gebirgs- system vorüberzieht. Der spätere staffeiförmige Abbruch der einzelnen Streifen in der Hichtung NiS O entstand gleichzeitig mit dem Embruch der BhdnTersenkung und wurde massgebend fttr die äussere Gestalt des Schwarzwaldes.

Die „im Kleinen stark gebogenen, gewundenen und geknickten Schichten" des Gncisses lassen nicht allein im sfidlichen Schwarzwalde, wie Peter Merian a. a. 0. S. 73 angiebt, sondern auch in den übrigen Theilen des Grundgebirges das Fallen und Streichen der Gneisse schwer erkennen^). Doch herrscht im allgemeinen ein ONO-Streichen mit

Vogelgcpan g in ?einrr vortrefTlichen Beschreibung des Gneiasgebietes der Umgegend von Triberg (Curlsruiie 1872, S. 47^ giebt es auf, „irgend welche Gesetzmässigkeit in der Stellang der Sehichten nnd in der Richtung der Sehiefe- rong" der Gneisse zu flnden.

Fr. Sa ndb erger sagt darüber in seiner geologischen Beschreibung der Umgegend von Badenweiler (Carlsrulve 1858, S. 18): ,Die Sehiefemng des Gneisses lässt keine bestimmte Richtung auf weitere Strecken erkennen.) im all- gemeinen scheint die Gneissmasse hora G (von \V nach O) zu streichen." An einer anderen Stelle, nämlich in der geologischen Beschreibung der Umgegend der Renchbftder (Carlsrabe 1863, S. 27) spricht sich Fr. Sandberger folgender-

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Die oberrheinische Tiefebeoe und ihre Randgebirge.

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nördlichem Einfallen'); gelegentlich wird das Streichen ein mehr öst- Irahes oder nontOsUicnes und das Falleii ein sttdlidies^. Die grossen und gegen den Tangentialschub ypn SSO her spr&de sich Yerbaltenden Oranitstöcke hahen an ihren Grenzen besonders starke Verstauchmigen

und Störungen in der Lap^ernn^ der Gneisse hervorgernfen.

In den verschiedenen Partien von jüngeren Thonschiefern nnd Grauwacken, welche zwischen Gneiss und Granit eingeklemmt liegen, iSsst sich Streichen und FaUen tmd die allgemeine Stnictur des Grund'- gebirges leiehier erkennen als in den Gneissen, weil dieselben dent- ucher geschichtet sind als diese.

Durch den südlichen Schwarzwald streichen von WSW hvi l^aden- weiler über Schönau nach ONO bei Lcnzkircli ansehnliche Partien von Grauwatken, Thonsebiefern und Congloweraten, der Unteren Stein- kohlenformation (Kuhn) angehörig und dünne Anthracitlager enthaltend; die grösseren Verbreitungsgebiete derselben beschreibt schon Peter Merian (a. a. 0. 1831, S, 100—132) genau, später wies Fromherz») nach, dass diese Schichten nicht drei von einander getrennte Ab- lagerungen, sondern einen zusammenhängenden, aher sehr dislocirten Zug ((lUT durch das Gebirge von Badenweiler bis Lenzkircli bilden, nur mit einer Unterbrechung durch Granit zwischen dem Thal von Menzenschwand nnd der Aha.

Das Streichen der Schichten in diesem Kulmzuge richtet sich im al^meinen in 0 bis ONO, das Fallen ist ein steiles (70 80°) und unregelmässig durch die starke Zusammenstauchung der Schichten zwischen der südlichen Granit- und der nördlichen Gneisszone*). Interessant ist die Ueberkippung des Gneisses am Nordrande der Schönauer Schieferpartie, wie sie Merian beschreibt im Wiesentfaal swischen den Dörfern Gschend und Todtnau und westlich davon in einem Seitenthal der Wiese zwischen Uzenfeld und Wieden, während längs des Südrandes derselben Partie die Schiefer dem Granite einfach auflagern. Eine solche mechanische Ueberkippung der Schichten und Ueberschiebmig des Gneisses über Kulmschiefer durch Druck von SSO

massen aus: „Dass die Lagerang der GneisM meistens eine wellenförmige^ mit bald steileren^ bald flacheren Sätteln und Mulden ist, lässt sich ausser vielen kleinen Profilen in allen Thcilen des Gebietes beweisen." Jedoch giebt Sand- berger dabei nichts über die Richtung des Streichens und Fallens an. bezieht sie!) vielmehr nur auf das eine von ihm gezeichnete Profil Taf. I. 3, welches ober- h.ilb Peterathai zwischen Böstenbach und Mauren verschiedene Sättel und fluiden des Gneisses mit NW-8t reichen zwischen zwei Granitztigen darstellt. Wie sich diese üneisspartie mit NW-Streichen gegen die übrige Masse des Schwarzwälder Grundgebirges mit vorherrscliendem ONO-Streichen verhUt, iat naeh den bisher vorliegenden geringen Angaben nicht zu erkennen. Eine genaue geologische Kartirang des Schwar/.walde.s auf der Grundlage der vorzUglich ausgeführten badischen Karten im Massstabe 1:25000 wflrde aneh ttber die Lagerung der

Schwarzwälder Gneisse Licht verbreiten.

») P. Merian a a. (). S. 7:5 und 130.

') H. Eck. (ii >K'iH>sti<«che Karte der Umgegend TOn Lahr, S. 80. Lahr 1884.

») N. Jahrh. tiir Min. 1817. S. 813.

*) Siehe auch über die Verhältnisse bei Badenweikr die geologische Be- schreibung der Umgebungen dieiea Badeortes von Fr. Sandberger a. a. 0. 1858, 8. 17.

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LejpftioB,

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her entspricht, der Faltenbildnng und den Ueberschiebuugen , wie sie in den Gebirgasystemen nördlich und südhch untjeres oberrheinischen Systems, im DeTon des rheinischen Schiefergebirges und in den nörd- lichen Randzonen der Alpen häufig vorkommen unter dem gleichen Streichen, durch denselben Süddruck hervorgerufen.

Jüngeren Ursprungs dürften die Yerwerfunpren dieses Kulmziij^es sein, welche die bedeutenden Niveauuntersdiiede in der Richtung des Streichens hervorgerufen haben; jedoch sind hierüber die Unter- suchungen noch dürftig: es scheint der Granit des Blanen bereits zu den längs der Rheinebene abgesunkenen Partien des Schwarzwaldes zu gehören, da die Schieferpartie bei Badenweiler auf dem Nordabhang des Blauen um mehr als .300 m tiefer liegt als die östliche Fortsetzung derselben auf der Sirnitz am Beleben in lllG m Meereshöhe.

Hier sei bemerkt, dass die Annahme einer Bergkette quer durch den Schwarzwald von WSW nach ONO vom Blauen über die Simita zum Beleben und Feldberg und zum Hochfirst bei Neustadt, wie sie Peter Merian (a. a. 0. S. 12) und nach ihm andere Autoren ziehen, nicht dem inneren Bau des Gebirges entspricht: der Blauen stellt südlich des Kulmzupes, ist Granit und liegt wahrscheinlich in einem spät abgesunkeneu Gebirgstheile; im Beleben trifft Granit auf Gneiss; der Feldberg besteht aus echtem Schwarzwälder Gneiss, der nördlich der grossen Kulmpartie bei Todtnau liegt; der Oranit des Hochfirstes endlich befindet sich mit seinen beiderseitigen verworfenen Buntsand- steinresten bereits im östlich absinkenden Stufenlande. Für die Rich- tung der Bergketten in nnsern Gebirgen sind mass<xebend die erst spät entstandenen NNO-Verweri\aigeu; ob von der älteren ONO-Richtung des Grundgeljirges noch Spuren an der Oberfläche in ostnordüstlich laufenden Bergketten flbrig gebUeben sind, müssen erst genauere Auf- nahmen nachweisen.

Die kleine Kulmschiefer-Scholle bei Hofen, östlich von Kandem, scheint nach ^lerian's BeschreiVinnf^ (a. a. 0. S. 102) durch mehrere Verwerfungen stark zerrüttet /u sein, so dass eine vorherrschende Streichrichtung schwer zu erkennen ist.

Am Ostrande des Grundgebirges im Schütadithale unterhalb Schramberg stehen am Granit und unter dem Bothliegenden und Bunt- sandstein zu Tage Thonschiefer und Sandsteine der Steinkohlenfor- mation mit Pflanzenabdrücken und Kohlenschnüren; die Schichten dieser carbonischen Lager erweisen die })rimäre Streichrichtung des Grund- gebirges von W nach 0 mit N- und S-Fallen von 20—30°, während die discordant auflagernde Triasdec^e das jüngere Streichen des ober- rheinischen Systems in N aufweist 0>

Eine grössere Ausdehnung gewinnen Reste der Steinkohlenfor- mation zwischen Lahr und OfVLii))ur(j in den bereits zur Rheinspalt« absinkenden Gebirgsstreifen; Sandsteine, Conglomerate und Schiefer- thone mit anthracitischen Trümern streichen von Diersburg nach Berghaupten in ONO bis NO und fallen mit steilen Winkeln von

0 E. V. Paulas, Begleiiworte sar gcognostischen Speeislkarte tod Wdrttem- ber^, Atlasblatt Oberndorf, S. 8->10. Stattgart 1875.

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Die oberrheinische Tieiebeae uud ihre Kaudgebirge.

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50—90^ in NW oder in SO ein. Die ganze Partie ist stark ver- qnetocht, so dass die wohl einst znsammeimftngenden, bis 10 m starken

KuiileuSötze in viele einzelne anskeilende Trümer in der Richtung des .Streichens aiiseinandergezogen wurden. Die Kohlenmulde wird umschlossen von Gneissen, welche dasselbe Falh^n nnd Streichen be- sitzen, wie die Steinkohlenschichten an der Grenze ^egen jene. Dabei tritt auch wieder der bemerkenswerthe Umstand ein, das.s durch den starken Sfiddmck die Mnlde an der NW-0renze überkippt ist, so dass die Gneisse dort die eingeklemmten Steinkohlenschichten überlagenif während die SO-Grenze zwischen beiden Gesteinen flach nordwesÜieh einfallt*). Auch im Streichen erlitt die Kohlenmulde Verstauchungen. Niicli den in den Schichten bei Diersburg uud Berghaupten vorkom- menden Pflanzen ist diese Ablagerung nach H. Eck jünger als die Knlmbildungen von Badenweüer^Lenskirch und gehört der nnteren pfoductiven Steinkdile an.

In der Fortsetzung der Streirhrichtung nach NO findet sich in Hinterohlsbach bei Gengenbacli bis hinüber in den Hesselbach, der ZOT Rench fliegst, 200 300 m höher eine Mulde von Sandsteinen uud Thonschiefern der oberen produotiven Steinkohle, concordant überlagert Ton Unterem BoÜiliegenden, das von jenem schwer abzutrennen isi (H. Eck a. a. 0. S. 64), eine üeberlagenmg, wie sie im Becken Ton Saarlurflcken in gleicher Weise vorkommt. Die Schi( l^tfu lagern anf Crneiss und Granit und sind wie jene bei Diersburg muldenförmig zn- samiuengeschoben mit NO-Streiclien.

Eine dritte Scholle von Schichten aus der oberen productiven Steinkohle ist unter dem Porphyr und auf Gneiss am Rinkhofe im Lieibachihale bei Oppenan in eben^aUs ca. 600 m Höhe erhalten, nnd zwar liegt auch diese Partie in der ONO-Streichriehtimg der OhJs- bacher Mulde 2).

Wir erkennen in diesen drei Resten von Schichten aus der Stein- kohlenzeit, dass auch hier bei Lahr und Otfenburg das GrundfTrebirtje in Falten durch Druck aus SSO zusammengeschoben wurde, dais .so- gar, ebenso wie im sfldliehen Schwarzwald bei Todtnau, am Kordrande der Mulde eine Ueberkippung des unterlagernden Gneisses über die Kohlenschichten stattgefunden hat. Auch streichen diese Steinkohlen- mulden in ähnlicher Weise wie diejenigen von Badenweiler-Lenzkirch nahe der Siidgrenze eines grösseren Granitmassives hindurch und parallel der m ONO verlaufenden Grenze zwischen Granit und Gneiss, dem letzteren aufgelagert. Die TJeberkippimg der Schichten vor der Graiiitgrenze veranlasste hier, wie in zahlreichen ähnlichen Fällen, die nnrichtige Vorstellung, als ob der Granit durch .seine Eruption die stärkere Faltung und Verstauchung der Gneisse bewirkt hätte. Ur- sächlich für die bedeutenderen Störungen in seiner Nähe ist der Granit

') V. Dechen, Oeynhausen und La Roche, 1825, I, S. 246. Eine genaae Beschreibung dieses Vorkommens giebt M. Eck, Geognoatische Karte der ümgegend von Lahr 1884, S. :34— 6ö.

'l Fr. Sand berger. Geologische Besckreibung derümg^end der Rench* Inder, & 17. Carisruhe 1863.

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Lepeius,

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allerdings, hier wie in allen anderen FSllen, aber nicht durch seine

Eruption, sondern dadurch, dass das spröde Granitmassiv durch den mechanischen Druck bei der Faltung des Grundgebirges nicht zusam- men f^epresst werden konnto, und daher die faltbaren geschichteten Ge- steine der Umgebung des Granitstoc kes um so stärker verstaueht wurden.

Weiter südlich von diese in Zuge sind zu Hoheugeroldseck bei Lahr nnter Porphyr nnd anf Gneise Sandsteine und Sdueferthone anf- geschlossen und erbohrt, welche H. Eck (a. a. 0. S. 72) nach den darin vorhandenen Pflanzenresten ebenfalls zur oberen productiven Steinkohle (Ottweiler Schichten des Saarbrückener Beckens) rechnet; ans der ver- worrenen Lagerung ist keine vorherrschende Streichrichtuug zu ent- nehmen.

Am nördlichen Ende des Schwarzwilder Grundgebirges erscheinen in den zur Rheinebene absinkenden Gebirgstheilen der Umgegend von

Baden-Baden mit Gneiss und Granit unter den discordant überlagern- den Schichten des Oberen Rothliegenden und des ßunt^andsteins ein- zelne Reste von Thonschiefern des „Uebergangsgebirges", und wieder- um eine ziemlich ausgedehnte Mulde des oberen Carbon.

Das ganze Absenkungsgebiet der Umgegend Ton Baden-Baden mit seinen zahlreichen Verwerfungen ist höcnst charakteristisch in seiner geologischen Structur und recht geeignet für die Entzifferung der jüngeren, tertiären Ein])rüclie der Rheinversenkung. Bisher be- sitzen wir nur die geologische Beschreibung der Gegend Yon Baden von Fr. Sandberger vom Jahre 18<)1.

Die Thonschiefer des «Uebergungsgebirges* sind ihrem Alter nach unbekannt, da in ihnen bisher keine Versteinerungen gefunden Avurden; ihrer petrographischen Beschaffenheit nach gleichen sie den Schiefern des Weilerthales in den Vogesen (siehe unten); auch zeigen sie am Granit eine ähnliche Contactzone mit Hornstein, Adinolschiefer etc., wie sie ans dem Weilerthale von Rosenbuscli beschrieben wurde. Diese dunkelgrauen Thonschiefer streichen nach 8andberger (S. 40) in ONO (N 60« 0) und fallen mit 50—88 <> in SSO ein; sie treten in Baden selbst, dann weiter nordöstlich bei Bbersteinburg über Granit auf und zeigen sich noch bis nach Gaggenau hinüber ins Murgihal, wo sie in der Nähe einer Gneissscholle ebenfalls südlich einfallen. In letzterer Partie bei Gaggenau enthalten die Schiefer feinkörnige Kalk- steine. Es liegt kein Grund vor, diese Schiefer für devonisch zu er- klären, wozu Sandberger (a. a. 0. S. 51) neigt.

Bei Baden werden diese Siteren Thonschiefer discordant über* lagert von groben Sandsteinen und Schieferthonen mit Steinkohlen- flötzen der oberen productiven Steinkohle (Ottweiler Schichten), welche sich unter dem Rothliegenden und Porphyr nach S l)is Steinbach und Geroldsau, nach NO bis gegen Gernsbach verbreiten. In nächster Umgegend der Stadt Baden und bei Umwegen sind die Eohlenschichten sehr zerrfittet durch die jüngeren Brüche nahe der Rheinebene. Bei Malschbach fallen sie in NW ein. Oberhalb Baden im Oosthale an der Seelarh fallon sie in NXW mit 28" ein; von 01)(M-beuren ziehen sie dann ununterbrochen liinüber nach Gernsbach, indem sie mit 15 50° N vom Granit abfallen (Sandberger a. a. 0. S. 40).

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Die oberrheinische Tiefebene und ihre Randgebirge.

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Wir erkennen demnach auch bei Baden in der Lairerung der Thonaehiefer und der Stemkohleiifleliiehteii trote der q»2tteren Zerrfittvmg, die gerade hier am Kordende des Grundgebirges sehr bedeutend i^

eine ältere, ursprünf^lich Todbaadene Streichrichtung in 0 bis XO. Im GeiT'^nsatz zu der Zerreissung und Absenkung der jüngeren Flötzfor- mationen des Mantels wurden die Scliicbten des Grundgebircres im Schwarzwalde durch einen Süddruck zusammengefaltet und luehr oder weniger steil aufgerichtet, in der gleichen Weise, wie die Devoiifor- mation des Diederrheiniscbeii Schiefergebirges.

Diese grosse SchichtenznsammenfaLiumg des Grundgebirges er- reichte ihr Ende vor Abliig:ernng des oberen rotlilieg^enden Sandsteins, da dieser und die jttnjieren Formationen über die Mulden und Ruttel der Gneisse und Thouschiefer discordant fibergreifen; wami dieselbe ihren Anfang genommen, läsat sich jetzt noch nicht bestimmen; wahr- eeheinlich wirkte der stauende Sflddmck bereits lange Zeiten, da die Gänge der Granite und der älteren Porphyre im 8<£warzwalde schon Beziehungen zu dieser alten Gebirgsbewegung zeigen. Jedenfalls wurden auch die Schichten der Steinkohle und des unteren Bothliegenden noch mit^efaltet.

Die zweite grosse Schichtenstör un^, welche zur Tertiärzeit im sfidwesdielien DeutschUind das oberrheinische Gebirgssjstem entstehen liess, zerbrach auch das Grundgebirge des Schwarzwaldes in Stufen und Tafebi, welche im allgemeinen in NNO und normal dazu in OSO aneinander verworfen wurden. Die Wirkungen dieser Bewegung sind scharf ausgeprägt in den Tafelbrüchen der Trias- und Jura- Formationen rings um den Schwarzwald; das Grundgebirge des Schwarz waldes je- doch kennen wir noch zu wenig, um den verlauf von Verwerfungen parallel der Rheinspalte oder senkrecht dazu angeben zu können.

2, Im Odenwalde.

Im Odenwalde tritt das krystalline Grundgebirge hervor in den Bergen, welche zwischen der Bergstrasse einerseits und dem Weschnitz-

und Gersprenzthale andrerseits 1)is zu HOh^ von 508 m ü])er dem Mt ere und etwa 500 m über dem Rheine sich erheben. Die Gneisse, weiche den grösseren Theil dieses Gebirges einnelimen, erweisen im allgemeinen ein regelmässiges Streichen in ONO bis NO, also parallel dem Taunuskamme. Natürlich nehmen die Schichten der verschieden- artigen Gneisse, unter denen Hornblende-Plagioklasgneisse vorwiegen, nicht einen so lirnaren Verlauf, wie Ludwig denselben auf den Sectionen Worms, £rbach und Kossdorf der hessischen K arten bliitter 7f»irhnet; auch fügen sich die Granitstöcke nicht so prleichfÖrmifj in den \ erband der Gneisse ein. Dennoch scheint das NO- bis ONO-Streicheu vor zuherrschen bei steilem S- und Is -Fallen. Diese Sfcreichrichtuug ist z. B. deutlich ausgeprägt in dem fast 4 km langen Zuge Ton Marmorlagern, welche in mehreren bis zu 40 m mächtigen Trümern im Streichen der Gneisse N 00*' 0 (hora 4) von Bensheim oberhalb Auerbach hindurchziehen bis hinauf zum Felsberg bei Hochstätten;

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ÖO

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die Trümer feilen mit den Qneissen 60 70^ in SSO ein. Auch an mehreren anderen Stellen des vorderen Odenwaldes, so auf dem Meli«

bocus. dann in den Bergen sfidlith von Darmstadt und nalie der Ost- greuzc der Gneisse im Gersjtrenzthale bei Brensbach liegen Marmor- trüiuer im Streichen der üueisse.

Zu beiden Seiten des Gersprenzthaies sind die Gneisse typischer ansgebfldet als an der Bergstrasse, wo die grobkörnigen Homblende- Plagioldasgneisse in mächtigen Stöcken vorherrschen ; aber die scharfe Grenze , welche Ludwig auf Section Erbach zeichnet zwischen den angelflich versohiedenarti^en Gneissen westlich und östlich des Gerspreuz- thal»'-:, ist in Wirklichkeit niebt vorhanden. Vom Gersprenzthalc sind die Gueisse oberßäclüich zu verfolgen nach !NNO über Hering uud Gross-Ümstadt nnd nnter dem MaindilnTinm hindurch nach Asdhaffen- bnrg; sie zeigen in diesem ganzen Gebiete stets ein ONO-Streichen.

Marmortrömer sind aus den Gneissen des Schwarzwaldes nur von einer Stelle bekannt: am linken Kinzigufer oberhalb Offenburg am Gaiskopi'e eutdeckte Platz ^) eine l)is 8 cm mächtige Schicht körnigen Kalkes in Begleitung von Wollastonit, Granat, Yesuvian, Schwefelkies, Titanit, grünem Augit, Quars etc., wie bei Auerbach; die Schicht fiUlt mit dem umgebenden Gnetsse 50^ in NW ein; in der N&he dieses Punktes fond H. Eck *) später noch zwei andere Trflmer des Marmors, deren einer bis 16 cm mächtig war. Ein grösseres Marmorlasrer schliesst der Gneiss von Markirch in den Vogesen ein, welches von P. Groth genau beschrieben wurde Diese verschiedenen Punkte sind die einzigen im Gnmdgebirge des oberrheinischen Systems, die his jetzt bekannt wurden : ihrer petrographisch-mineralogiechen Aushfldung und ihrer Lagerung nach verhalten sie sich nahezu gleichförmig.

Ob die Gneisse im Odenwalde abrasirte Falten oder einfach auf- gekippte Schichten darstellen, lässt sich jetzt noch nicht sagen: jeden- falls folgen sie dem allgemeinen ONO -Streichen des krystallinen Grundgebirges im Schwarzwalde und dürften einfach als die nördliche Fortsetzunff des letzteren anzusehen sein. Im Kraichgau und sttdlich Ton Heidelberg wird das verbindende, I unterlagernde Grundgebirge von den Tria«- und Juraschichten überdeckt. Bei Heidelberg schneidet der Neckar den Buntsandstein durch bis zur granitischen Unterlage, gerade wie drüben die Biiclie der Haardt.

Jüngere Schichten als die Gneisse sind bisher aus dem krystallinen Theil des Odenwaldes nicht bekannt geworden; discordant Uber die einst denudirten Schichtenköpfe des Gneisses lagerten sich die Sand- steine und Conglomerate des oberen Kothliegenden, über welchem bei Heidelherrr und längs des Ostrandes der Buntsandsteinflächen noch schwach entwickelter Zechstein sich einstellt, welcher im Schwarzwalde und linksrhemisch fehlt.

') Ph. Platz, Beschreibung der Umgegend von Lahr nad Offenbiuqg,

t>. 7. OarlsruUe 1807.

*) HL Eck a. a. O. 1884, S. 32.

^) Das Gneissgebipt von Mnrkirrli im Ober-Elsass. Ahlinndl. znr geolog. äpezialkarte von fileass-Lothringen, Band I, S. 393. ätrassburg 1877.

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Die oberrheiniiehe Tiefebene und ihre Handgfebirge.

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Das krvstalliiie ürundf'ebirtrt* des vorderen Odenwaldes ist in

*

seinen nördlichsten Ausläufern zwischen Darmstadt und Offenbach von dein südöstlichen Theile des rheinischen Schiefergebirges, dem Taunus, nur durch eine 30 km breite Bedeckung Ton oberem Bothliegenden, tertiären und diluvialen Schichten getrennt, eine Zwischenzone, welche etwa dieselbe Breite wie die ßheinebene zwischen Darmstadt und Mainz besitzt. Die nördhchsten krystalliuen Gesteine bei Darmstadt und Messel sind Hornblende-Gneisse , Diabase und (Ti-anite, welche von Melaphyr und oberem Kothliegeuden discordant überlagert werden. Die südlichsten Gesteine des Grundgebirges am Sfldrande des Taunus sind balbkrystalline Sedimente, welche oonoordant unter den untersten ver- steinerungsffthrenden Schichten des Unter-Devon hegen und mit steilem SSO -Fallen unter das obere liothliorrendo bei Lorsbach zwischen Wiesbaden und Frankfurt in die Tiefe absinken. Wir werden unten bei Besprechung des Grundgebirges der Haardt und seiner Verbindung mit dem Hunsrück auf diese Verhältnisse östlich der Bheinspalte Be- siehung nehmen.

3. In den Yogesen.

Der Beichenstock der Yogesen enthftlt neben Gneissen und grani- tischen Gesteinen die uns aus dem Schwarz walde bereits bekannten Grauwacken und Thonschiefer der Steinkohlenformation in viel be- deutenderer Ausbreitunfj als im Grundpfebirge jenseits des Rheins. Der Gneiss in den Yogesen beschränkt sich auf die Umgegend von Urbeis NVV Colmar und das Leberthal W Schlettstadt. Die letztere Partie ist ziemlich ausgedehnt und yon P. Groth 0 eingehend beschrieben ; sie enthalt die oben erwähnten Marmorlager bei Markirch. Im All- gemeinen streichen die beiden von Groth im Leberthale unter- schiedenen Gneisse parallel dem Granitzutje vom Bressoir nach Kesten- hülz in X G't'^ O mit 40" X\V- Fallen; liei den häutigen localen Schichtenstoruugen und Knickungen schwankt das Streichen von 0 bisN, das Fallen ist gelegentlich flacher bis 25^ oder steiler bis 9b ^; auch sind einige Gneisssättel vorhanden oder abradrte Falten mit Einfallen in NW und in SO. Der ältere, graue Gneiss \(m Markirch enthält vorwiegend dunklen Magnesiaglimmer, ist dünuschiefrig und djcktiasrig und dürfte den weitverbreiteten Schwarz wälder Gneissen ent- sprechen , während Groth's jüngerer Granat^Gneiss bisher aus dem Schwarzwalde noch nicht mit Siiäerheit erkannt wurde Im Granat- Gneisse bei Markirch lagert Hornblende-PlagioklasgneisSf welcher früher von Delbos und Köchlin-Schlumberger, ähnhch wie an der Bergstrasse, ab Diorit bezeichnet wurde; mit den Gneissen in den Yogesen

') a. a. 0. Siehe ausserdem: Delbos et Köchlin-Schlumberger, Description g^ologique et niineralogique du departement du Hniit-Rhin. I, 8. 140 bis 149 und II. S. '2^9—290. Colmar 1866, und Beaecke, AbdM der Geologe von Elsaas-Lothnngeu , S. 4 8. Strassburg 1878.

*) Siehe H. Bck a. a. 0. 1884^ 8. 88.

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Lepsitts,

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erscheinen mächtige Stücke von Granit, Sjenit, Diorit und Diabas, in gleicher Weise wie im SehwarzwaMe und im Odenwalde.

Eine grosse Ansdehnmig gewimien in den Yogesen Thonschiefer und Grauwacki ii , welche zum Theil als devonisch, zum andern Theü

als carhonisch duicb Ver^^tf■^nprungen charakterisirt sind, deren fprösserer Theil aber keine Versteinerungen enthält . so dass ihr Alter noch nicht bestimmt werden kann; Benecke hält die letzteren auch für paläozoisch.

Am besten bekannt sind bis jetzt die Schiefer im Weiler* nnd

Andlanthale bei Schlettstadt ^) : dort liegen zunächst Phyllitgneisse,

Glimmerschiefer nnd Phyllite mit eingelagerten talkigen Schiefern und Quarziten concordant auf den echten Gneissen von Urbeis : dann folgen mächtige Thonschiefer, durchl)roc]ien von Graniten; eudhch concordant über diesen ein mächtiges System von Grauwacken und Thonschiefem, welche auf der Nordseite des Hochfeldes im Brensch- thale Kalklager mit devonischen Versteinerungen (Korallen, Crinoiden nnd Brachiopoden) einschliessen. Wir haben hier im Weüer- und Brenschthale ein sehr mächtiges System von Schichten vor uns. welch»' etwa den Schichten am Südrandc des Taunus mit ihren L^hyliitgii- issHii. Phylliten und versteineruugsführeuden unterdevonischen Schiefern und Orantracken oder den Formationen am Nordwestrande des rheinischen Schiefergebirges in Belgien entsprechen, nur dass wir hier in den Vogesen noch als Unterlage der Phyllite echte Gneisse kennen lernen.

Diese ganze Schichtengmppe von den Phylliten bis hinauf zum Devon streicht im Allgemeinen in ONO, „wenn schon, zumal in der Nähe der eingeschalteten Granitmassen, grössere und kleinere Ab- weichungen dnrchans nicht selten sind; trciz der ni^t unbedentenden Schwankongen, welche oft anf enf^em Ranm neben einander als förm- liche , sogar lii<* und da senkrechte Knickungen im Streichen der Schichten beolnichtet werden können, ist die allgemeine Streichrich- tung ziemlich rcirehnässig, nahezu ONO Iiis WSW, wie sie schon von Elie de Beaumont zu N 55^ O angegeben wurde/ (Koscnbusch S. 91 nnd 93.) Dabei sind die Schichten von Süden her äteil auf- gekippt, so dass die ältesten Schichten im Sfiden zum Vorschein kommen und alle Schichten bald senkrecht stehen , bald in steilen Wiiikt'hi nacli NW oder in SO einfallen: die Schiefer sind „gemein- scliat't]i( Ii aus urs{)rünglich horizontaler Ijagernn«;' zu einem Systeme von mannigtach aufgerichteten, sattel- und miiidenrörmig gebogenen und überkippten Schichten zusammengepresst" . Der faltende Druck kam ans SSO. Wir erkennen also Her in den Schiefem am Hoch- felde ganz die gleiche Lagerung der Schichten, wie sie das nieder- rheinische System, das rheinische Schiefergobirge, beherrscht, eine Lagerung, wie wir sie im Grundgebirge des Schwarzwaldes gleichfalls vorfand» 'u.

im Süden des Weilerthaies sind zu beiden Seiten des Leber- thales einige Beste von Gbauwacken Aber den Gneissen erhalten, welche

*) H. Rosenbasch, Die Steiger Schiefer. Abhandl. aar geolog. Spesial» karte von Elsass-Lotbringeii. Band. I. Strassbni^ 1877.

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Die oberrheiniiche Tiefebene und ihre Randgebirge.

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auch im allgemeinen in ONO streichen und inXNW einfallen, Schollen von ehemals n:rös.sert'r A usdehnung, welche den jüngeren Grauatgneissen nicht ganz, aber , ungefähr concordant" (P. öroth S. 477) auf- lagern. Wir erkennen ans diesen Verhältnissen, dsss die Faltnng der Chieisse, Grauwacken imd Thonschiefer erst lange nach Ablagenmg der devonischen Schichten des Brenschtlmlea TOr sich ging.

In den südhchen Vogesen verbreiten ^\ch Grauwacken und Thonschiefer von Luxeuil hinauf zu der Planche des belies filles, südlich entlang am Elsüsser Belchen im Thal der Savoureuse und steigen nach NO hinanf auf den Bärenkopf sfidlich des Dollerthales; ein anderer Theil zielit nOrdlieh des Elsftsser Belehens, der am Qxanit besteht, über den Col de Bnssang 734 m und durch das Thurthal hinauf zum Gehweiler Belchen und zum Kahlen Wasen und reicht nach Norden hinüber bis ins Münsterthal Die jedenfalls verschieden- artigen Schichten dieses grossen Gebietes sind bisher noch nicht von einander getrennt; an Yersteinerungen wurden zahlreiche Abdrficke Ton fossilen Pflanzen *) nnd eine B«ihe interessanter marin» Hollnskra nnd Korallen bei Thann und Niederburbach (5 km S Thann) gefunden, welche die dortitjen Schiefer und Grauwacken zum Kulm stellen; auch lagern bei Thann häufig Schmitzen von Anthracit zwischen den Grauwacken. Jedenfalls sind auch ältere Schichten als carbonische unter diesen Gebilden der Südvogesen vorhanden, wie z. B. die ge- legentlieh auftretenden PhyUite beweisen.

Die südlichsten Ausläufer des Grundgebirges der Yogesen sind die beiden lang in ONO gestreckten Rücken des Salbert und Arsot, zu beiden Seiten der Savoureuse einige Kilometer nördlich Beifort gelegen ; diese beiden Berge bestehen auf einer Strecke von 10 km Länge aus Thonschiefem , welche regelmässig in ONO streichen und zumeist in NNW fiülen; am Hont Salbert sdieint anch der Sfldflflgel der Falte erhalten zn sein (Delbos et Edchlin I, S. 48).

In dem grossen Gebiet p (hr Grauwacken, Schiefer und Con- glomerate im südlichen Theih' «b s Relchonstockes sind die Lagerungs- verhältuisse verworren, besonders dnrrh zalilreiche Einschaltungen von Eruptivgesteinen, Porphyren, Meiaphjren und Diabasen, deren spröde Massen dem Oebirgsdruck weniger nachgeben konnten als die meist dflnnschiefirigen Oranwacken; noch dazu wurden die alteren Granite zwischen und neben den Grauwacken heraufgeschoben. Stellt man sich die zahlreichen AngaV»en, welche Delbos uiul Kfu'hlin-Schlum- Iteruer a. a. 0. I, S. 34 113 über Fallen und »Streiclien der Grau- wacken macheu, übersichtlich zusammen, so ergiebt sich bereits erstens ein vorherrschendes NO -Streichen, wie es diese Autoren auch in dem zweiten Bande ihres Werkes S. 288 benrorheben, nnd zweitens, dass das hanfig wechselnde Fallen nach NW und SO wiederholte Falten an-

Dcllios et K ö c Ii I i n - S c hl u m b e rge r a. a. 0. I, S. 31— II-"?. J. K »» c h 1 i n-S c hiu m be rger et W. P. Schi in per, Memoire sur le terrsin de transition des Votges. Strassburg 1802.

') G. Meyer, Beitrag' zur Kenntniss des Culm in den südlichen Vogesen. Abbandl. zur geolog. Spezialkarte von Elsasd-Luthringea. Band III, üelt 1, S. 93 und 95. Strusborg 1884.

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LepsiuS)

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deutet, deren genauere Lage festzusetzen den^äteren Spedalaufnahmen Torb^alteu bleibt. Einen ersten glücklichen versudi, die verschiedenen Falten der Grauwacken in Beziehung zu einander zu setzen, machte kürzlich G. Mov^r (a. a. 0. 1884): er erkannte in den Doller-, Bur- bach- und Thur-Thiilern fünf Mulden und Sättel, welche ziemlich I regelmässig in NO streichen; das Fallen ist öfter steil und vertikal als flach, wie schon die Angaben von Delbos und Eöchlin-Sdilumberger beweisen.

Endlieh hetheiligen sich an der Zusammenseteung des Grund- gebirges der A^ogesen noch einige auf den älteren Schichten iil>riiT- gebliebene Rpsto von prodnrtivem Steinkohlengebirge, gerade wie im Schwarzwaldt' ; rs ^in*l Scliulleu von Sandsteinen (Arcosen), Conglome- raten, Schielern mit einigen Kalkbänken und mit jetzt zumeist ab- gebauten SteinkohlenflStzen von geringer Mächtigkeit, welche in der Umgegend des Leber- und Weilerthaies die dortigen älteren Thon- sehiefer, sowie Gneiss und Granit discordant überlagern. Wegen der geringen Ausdehnung der einzelnen Reste des einst grösseren Beckens ist eine regelmässige Lagerung nicht mehr wahrzunehmen (vergl. Delbos und Köchlin-ScMumberger I, S. 198 und 11, S. 209). Doch scheinen die Schichten weniger stark gefaltet zu sein, als die filteren Thonschiefer und Gneisse; sie werden wiederum discordant Ton dem oberen Rothliegenden und dem Vogesen-Sandstein überdeckt. Wir erkennon an« dio^;on Verhältnissen, dass in dem Grundgebirge der Voge.sen die Faltung und Aufki}){)ung der älteren marinen Ablagerungen bis zum Kulm bereit« ziemUch weit vorgeschritten war, ehe diese jüngsten Schichten der oberen Steinkohle in Sflmpfen und Landseen des alten Continents zum Absätze gdangten.

4. In der Haardt.

Während das krystalline Grundgebirge im Schwarzwalde noch bis zu Höhen von 1405 m, in den Vogesen bis 142(3 m, im Odenwald bis zu 598 m fiber dem Meeresspiegel aufragt, kommt es unter den

Buntsandsteinen der Haardt durchschnittlich nur Iiis 230 m, an zwei Stellen bei Albersweiler und am Schieferkopf bei Hambach bis etwa 400 m Höhe zu Tage. Das Nord^ndo Ach Grundgebirges in den Vo<zesen lieiyt am Nordfuss de.s lloc]itelde.s im Breuschthale bei Schirineck. Nachdem dort die Grauwacken und Thonschiefer unter der Rothliegenden und Trias-Decke yerschwunden sind, finden sich weiter nördlich die ersten Spuren des Grundgebii^s wieder im Jiger- thal bei Niederbronn : hier tritt Hornblondegranit hervor am Fusse des Windsteiner S( lilussbcrges imd auf demselben Reste vom Stein- kohlengebir^e . in einer Höhe von etwa 280 m Sodann treüen wir das Grundgebirge wieder am Ostabhauge der höchsten Haardt-Krhebuug

') Sielie über das Jägerthal : Daubr^e, Description geologitjue et inin&^- logiqne da döpartemeDt du Bas-Rhia, S. 2ä, 73, 82. Strassbarg 1852.

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Die oberrheiniache Tiefe1>ene und ihre Handgebirge. 65

von TT^'is^^enburg an über Landau bis Neustadt; auck in Dürkheim ist es nuch erbolirt worden.

Die Lauter hat oberhalb Welssenburg bei dem Dorfe Weiler den Bnntsandsiein des Kammes durcligescbmtten bis auf das Grund- gebirge und hat ein kleines Gebiet desselben freigelegt. Die kürzlidh erschienene Stndie von G. Linck^) bietet eine treffliche Beschreibung dieses interessanten Vorkommens: nach derselben sind hier devonische Sclucter und Grauwacken in einer abrnsirten Falte zusammengepresst, so dass die Schichten in ONO streichen und östlich an der Khein- spalte bei Weiler in 70® NNW, weiterhin senkrecht und westlich am Krrazweg 75*^ in SSO fallen. Die Schichten der Falte sind zam TheU fiberkippt; auch Verschiebungen und Knickungen der Sdiichten nnd Faltelung der Schiefer sind öfters zu beobachten. Der zusammen- faltende Druck wirkte demnach auch hier wie im ganzen bisher be- trachteten Grundgebirge von SSO her. Ausser Porphyriten und Minetten, welche als EruptiTdecken den Schiefern einlagern, sind hier bei Weiler keine anderen Gesteine des Grandgebirges aufgeschlossen. Der Abbrach der Schichten zur Rheinveraenkung verläuft in N 15" 0 gerade duzt^ Dorf Weiler. Hier schneiden sich also die beiden Gebirgssysternc, d:\!^ l'unirere oberrheinisclie und das ältere niederrheinische Sjstem, in einem VVmkel von 50 " (N 15" O und N 05" 0).

Weiter nördlich längs des Abhanges der Haardt finden wir wieder einen bedeutenderen Aufschlnss des Grundgebirges in dem tiefen Ein- schnitt des Queichbaches oberhalb Landaa in den grossen Steinbrüchen im Gneiss bei Albersweiler. Eine genauere Beschreibung dieser Vor- kommnisse an der Haardt fehlt uns bisher noch; in der kurzen Ueber- sicht der geognostischen Verhältnisse der Pfalz-) giebt Giunbel nur an, dass „die Lagerung der Gneisse bei Albersweiler sehr verworren durch starke Biegungen und gangartiges Eingreifen der Granite* sei. Femer zeigen mäk Granite bei Weiher, bei Rhodt, an der Ludwigs- höhe und am Fuss der Haardt bis gegen St. Martin bei Edenkoben hin. Grauwackon erwähnt Gümbel über dem Gneiss von Albersweiler, aus den Sieiniiriuhen am Öchiei'erkopf bei Hambach und aus dem Xeu- stadter Thale; hier oberhalb Neustadt zeige die Lagerung der Thon- schiefer und Grauwacken Tielfiiche Störungen. H. Lauhmann*) er- wähnt, dass die Grauwacken bei Neustadt mit 34^ in N 23'' W einfellen, also dasselbe Streichen in 0X0 oder genau N 67 0 wie an der Lauter oberhalb Weissenburg liesitzen; Laubmann berichtet aurb . da.ss dieselben Thonschiefer , welche bei Neustadt anstehen, im Bohrloch des Maxbrunnens zu Dürkheim unter dem Buntsandstein in 330 m erbohrt wurden. Nach dem Profil, welches H. Ott fiber die Bohrungen zu Dürkheim gab*), liegt das Bohrloch bereits in einer

') G. Linck. Geognostisch-petrogrnphische Beechreibung des Grauwackea- gebietes von Weiler bei Weissenburg. Band III, Heft 1. Strassbnrg 1884.

*) Separat- Abdruck aus „Bavaria*, IV. Band, 2. Abtheilung, S. 25. Mtin- ciica IHüT).

U. L a u b m a n n , Dürkheim mit seiner Umgebung (geolog. Bescbreibang) in PoUichia, 25.-27. Jahresbericht, 8. 72—158. Dürkheim 18G8.

*) Heinrieh Ott, Ueber den Ursprang der Dörkheimer Solquellen. Pol-

7oTMliratm tnr daatidMB Landet- vmä Tollakande. T, t, 5

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Lepsios,

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zur Rheinspalte Iiin abgesunkenen Banteandsteiustufe ; Dürkheim liegfc 126 m über dem Meere.

Endlich wurden noch weiter nördlich bei Battenberg so zaiilreiclie lose Blöcke von Gneiss und Granit gefunden, dass wohl auch dort noch diese Gesteine nahe unter dem Tertiär vorhanden sind ; dies wäre der nördlichste Punkt in der Haai dt, an welchem das Grundgebirge hervortritt.

Dagegen schliesst sich nun nördlich au die Haardt das Saar- brlickener Kohlenbecken an, welches seiner Lagerung nach mit znm Gnmdgehir;^^' /u rechnen ist und uns daher Aufschluss darüber geben kann, wie sich das Grundgebirge des oberrheinischen Systems anordnet an den Südrand des niederrheinischen Systems.

Wir erinnern daran, dass wir iu ibni \'ngeseu bereits productives Steiukühlengebirge kennen lernten, welches discordant die älteren Formationen des CFrundgebirges Überdeckte; jedodi folgt dasselbe, wie wir schon im Sdiwarzwalde erkannten, noch denselben zusammen- faltenden Bewegungen TOn SSO her, welchen bereits alle älteren Schichten unterworfen waren. Die Schichten der productiven Stein- kohle, und fügen wir gleich hinzu, ebenfalls die im Saarbecken darauf toigeuden beiden unteren Abtheilungeu der iiothlie^endeu Formation (Enseler und Lebacher Stufen), sind mit ihren StemkohlenflOtzen in Binnengewässern, nicht in einem Heere abgelagert, während die untere Steinkohlenformation (Kulm) und die oberen Rothliegenden Saadsteine mit allen folgenden Stufen der Trias- und Jura-Forniationen marine Gebilde sind. Nachdem nun die älteren azoinchen und paläozoischen Sciiichten des Grundgebirges continentale Landstrecken wurden und Yon ^0 her aufgerichtet und gefaltet worden waren, bildeten sich in einigen tieferen Einsenkungen der Oberflidie dieses Gontinenta Landseen und Sümpfe, in denen sich die Steinkohlen und ihre Zwischen- niitt(4 absetzten; der grösste dieser Landseen in unserer Gegend, der am längsten bestanden hat, war derjenige, welcher die damals >^cbon tiefe Einsenkung zwischen den steilen Devoufalten des Hunsrück und dem Grundgebirge der Haardt bedeckte.

Nach Ablagerung der oberen Steinkohlen- und der unteren und mittleren Hothliegenden Formation wirkte der SSO-Druck weiter fort und faltete auch noch diese Gebilde, so dass das Saar-Nahe-Becken und längs des Nordrandes des rheinischen Srbiefergebirges das Aachener und Ruhrbecken gleichfalls noch in dem Sinne des niederrheinischen Systems in ONO streichende Mulden und Sättel mit zahlreichen Verwerfungen im Streichen und Fallen der Schichten zusammengeschoben wurden. Die Falten des productiven Steinkohlengebirges und der imteren Bothliegen- den Stufen konnten aber in Folge dieser späteren Bew^^ungen nicht mehr so steil aufgerichtet und scharf gefaltet werden, wie die älteren Formationen vom (Tueiss an bis zum Devon und zum Kulm. Daher sehen wir bereits iu den Vogesen, dass die Schichten der oberen Steinkolile mit flacheren Winkeln einfallen, als die unterlagernden Gnetsse nnd Grauwacken, und dass die Schichten der productiven Steinkohle und des

lichia. 40.-42. Jahresbericht, S. 59— 72. Mit geologiBehen PnilOeii. Tafel L Dürkbeim X884.

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Die obenrlMinisch« Tiefebene vad ihre Randgebirge.

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unteren und mittlereu KolliliegenJen discordant übergreifen über die früher entstandenen und steileren Falten der älteren Formationen.

Auf die fnedellen Nachweise dieser LagerungsverbSlinisse im Saar- Xahe-Beckra können wir hier nidit eingehen^); dieses Saar-Nahe- Gebirge') oder Saarbrückener Kohlenbecken bildet ein selbständiges Zwischenglied zwischen dem rlieiiiischen Schiefergeltirp^e und dem ober- rheinischen Gebirgssystem oder zunächst zwischen Hunsrück nnd Haardt.

Das Grundgebirge, welches wir am Ostrande der Haardt zu Tage treten sahen, erscheint nicht mehr am Nordrande desselben Gebuwes. Eine sehr bedeutende Verwerfung in der Richtung von St Arold in Lothringen über Merlenbach, Forbach, Malstatt bei Saarbrücken nach St. Ingbert, Wellesweiler bis Ober-Bexbach hat den Siidfiügel des bteinkolilensattels abgeschnitten und neben die untersten Scliichten der productiven (obereiij Steinkohlenformation den Bunten Sandstein ge- worfen. Südlich dieser Verwerfung wurde z. B. bei St. Ingbert die prodnctiTe Steinkohlenformation, welcbe kanm 2 km nördliä dieser Stadt in ihren untersten Schichten an der Oberfläche liegt, erst in lo8 m Tiefe erbohrt, unter 202,5 m Bunt-Sandstein und 255,5 m Koth- liegendem Sandstein; bei Mittel-Bexbach wurde das Kolilengebirge in 238 m Tiefe angetroffen^). In Lothringen wurde die Steinkohlen- formation südlich der Verwerfung zwischen St. Avold und Forbach im Bosseltlial in 588 m Tiefe noen nicht erreichtf während nnr 700 m nördlich dieses Bohrloches im Hocbwalde bei Merlenbach dieselbe schon in 173,7 m erbohrt wnrde*).

Die Bohrlöcher an der Pfälzer Grenze bei St. Ingbert und Bex- bach beweisen jedoch wenigstens, dass südlich der grossen Verwerfung daö productiye Steinkohlengebirge unter dem Rothliegendeu noch vor- handen ist, wShrend wir gesehen haben, dass 50 km weiter OstJich Ton Bexbach am Ostrande der Haardt Aber dem Gmndgeburge nicht allein die productive Steinkohle, sondern auch die im Saar-Nahe-Becken so mächtin-f'n linmischen Schichten der Rothliegenden Formation voll- ständig fehlen. Das Liegende der productiven Steinkohle im Saar- brückener Becken ist noch nicht erbohrt worden.

Die Verwerfung von St. Avold-Forbach-Bexhach zieht ziemHch geradlinig im Streichen des niederrheinischen Systems, in N 55^ 0, weiter über Reichenbach nnd am Donncrsljerg vorbei bis nach Alzey und Oppenheim am Rhein, wo sie die in NNO verlaufende Bheinspalte in spitzem Winkel durchschneidet^).

'i Sielie Weiss und LasjM'yros, Geognostische Urbfrsichtskarte dea kohlenrührenden Sa&r-Rhein-Gebietes, Berlin 1868^ und Laspeyres, Kreuznach and Dflrkhefm a. d. Haardt Zeitoefar. d. deutsch, geol. GeseUseh. 1807, Band 19, & 803—022. Mit Profiltafcl.

G um bei a. a. 0. 1865, S. 15 macht mit Recht darauf aufmerluam, dass der Ueintte Theil des Saarbrttckener Kohlenbeckens auf PflUser Gebiet flUlt nnd daher die Benennung „Pfälziscli-iSaarbrüikVclies Kolilengebirge* nnpassend sei. Allerdings liegt der höchste Berg dieses Gebirges , der Donnersberg &il m, noch auf Pftlcer Gebiet

\) Gümbol a. a. 0. S. 28.

*) Benecice, Abriss der Geologie von Elsass-Lothringen, 1878, S. 21. OB* LepsiaS) Ites Xabuer Becken, geologisch beschriebai, S. 173. Darmstadt 1883.

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Lepsius,

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Wir haben demnaeh im Yerkuf unserer üntersudrong erkannt, dasB die vier Randgebirge der oberrheinischen Tiefebene ein Grund- gebirge enthalten, welches vor der neuen Meeresfiberfluthung su Beginn

(1er Zeit dt s oberen Rothliegenden einem weitausgedehnten, in sich fest zusaniuienhängenden Coutiueut angehörte. Diesem Contineut fohlte noch vollständig die Rheinversenkung und fehlten Gebirgszüge von der liich- tung und der Form der jetzt im südwestlichen Deutischland vorhandenen Gebirge; vielmehr werden die Berge dieses Gontinentes mit ihren Kämmen in der Streichnchinng ihrer Formationen, nämlich in OKO gerichtet gewesen sein.

B. Die Trias- und Jitra-Tafeln.

Nachdem nun dieser Continent in ganz Deutschland zu Anfang der Bildimg des oberen Rothliegenden Conglomerates wieder vom Meere bedeckt worden war. lafj^^rten sich während eines sehr langen Zeitraumes in diesem Meere die Foruiutionen des oberen Rothliegenden, des ZechRtein^. drs Buntsandsteins, Muschelkalkes und des Keupers, sowie fast die sämmt- Uchen StufSsn der Juraformation ruhig und aUndhlich ah. Ohne jede Schiditenstörung, ohne einen einzigen Ausbruch der Erdlava ging diese ganze lange Zeit der Meeresbedeckung für Deutschland vorüber. Die Gesteinsbeschaffenheit der genannten Formationsstufen bleibt in Folge dieses ununterbrochenen Al)i«atzes in einem grossen Meere über weite Strecken hin nahezu gleich: der Muschelkalk in Lothringen sieht ebenso aus wie derjenige an den Bindern der Bheinehene und wie in Schwaben und Franken; der Lias dehnt sich ohne wesentliche Ah* weichung seiner Gesteine und seiner Fauna gar fiber den grOssten Theil von Europa aus.

Erst zu iv'ginn der Kreidezeit trat das Meer vom südwestlichen Deutschland zurück: die Jurakalke erschienen an der Oberfläche des neuen Oontinentes. Nun erst wurden diejenigen Bewegungen in unserem Gebiete eingeleitet, welche in ihrem langen Fortgange und in ganz allmShlidier Wirkung die oberrheinische Tiefebene und ihre Rand- gebirge als endliches Resultat zu Stande brai Ilten. Nicht plötzlich und auf einen Guss entstand dies neue Gebirgssystem mit seinem NNO- Streichen, sondern von kleinen Anfangen an und durch unzäbligemal wiederludte kleine Absenkungen und geringe Einbrüche der Schichten- oompleze. Koch heute sind diese Bewegungen im Sinne des ober- rheinischen Gebirgssjstems nicht zur Ruhe gekommen, wie die häufige Erdbeben in der Rheinebene Ix' weisen.

In dem Grundgebirge erkannten wir eine Lagerung der Schichten, welche durch Zusammeuschub und durch tangentialen Druck von SSO her- ▼orgerufen worden war. Die neuen Bewegungen von der Kreidezeit an bis heilte, weit entfernt davon, die Schichten ausammenzuschieben, haben dieselben vielmehr in der Rhcinspalte mitten auseinander gebrochen und sie in den übrigen Theilen des Systems tafel- und stufenförmig neben einander absinken lassen. Die Wirkung dieser tafelförmigen Zerstücke- lung der Erdkruste erkennen wir am deutlichsten in der Lagerung der

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Die obcrrbeiiitoehe Tiefebene mid Ihre Randgebirge.

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aljgewoifenen Trias- und Jnrascbichten, viie sie die stehen gebliebenen Kerne des Grundgebirges mantelfönnig amhtOlen und an deaaelben

abgesunken liegen.

In seinem geistvollen Werke ,I)as Antlitz der Erde* nennt Suess die Brüche zwischen solchen absinkenden Schichtentafeln .Tafelbrflche*, eine sehr treffende Bezeichnung dieser Art Ton Brficben im Gegensatz zn den Faltenbrücben, nnd setat zugleich den funda- mentalen Unterschied von tangentialen, zusammenschiebenden und Ton vertical absinkenden Bewegungen im Erdgewölbe klar auseinander (S. 142 189). Daselbst kennzeichnet Suess die stehen eehliebenen Grundstöcke von Scbwarzwald, Vogesen, Odenwald und Haardt als sHiNTste*, Yon äeam allseits die Trias- und Jnratafeln absinken (S. 167 und 265). Rings tun diese Horste »ToUzieht sich die Ab- trennung der mesozoischen Tafeln vom alten Gebirge in mehr oder minder dem Gebirgsrande parallelen Brüchen, welche häufig TOn Quer- brächen rechtwinkelig gekreuzt werden* (S. 257).

Oestlich des Schwarzwaldes und Odenwaldes brach das grosse friakiseh-schwäbische Senkungsfeld ein, wie die «eingebrochene SSs- decke eines entwässerten Teidies* (8. 253); westlich der Vogesen nnd der Haardt sinken die Tafeln ebenso ab zu dem nordiranzflsischen Senkungsfelde, dessen Mitte das Pariser Becken einnimmt.

Mitten zwischen diesen beiden vertical absinkenden und dabei treppenturmig zerbreehenden grossen Trias- und Jura-Tafelgebieten bfieben als Brücken oder , Horste" zwischen dem Alpensystem und dem niederrheinischen System die beiden Grundgebirgskettni auf bei- den Seiten der Rheinebene stehen. "Weshalb dieselben nicht mit den beiderseitigen Senkungsfeldern in die Tiefe sanken, lässt sich schwer erklären. Vielleicht giebt die La^e der Brücken einen Anhalt: hier be- findet sich die kürzeste Kntlernung zwischen dem in der Schweiz weit tangential nach Norden geschobenen und dabei gerade dort am stärksten gefalteten Alp ensjstem und dem grossen MassiT des rheinischen Schiefer- gebirges; wie zwischen den beiden Backen eines Schraubstockes wur- den die Horste festgehalten von Norden und Süden her, während östlich und wf'^tlich der Brücken genügend Kaum war, um dasselbe Grund- gebirge mitsammt den darauf befindlichen Trias- und .Turntafeln in die Tiefe absinken zu lassen. Wahrscheinlich sind die beideu nachbarlichen Gebirgssjsteme auch daran schuld, dass die Horste am Sfid- und Nord- rande höher liegen als in der Mitte, indem zugleich dem höheren Alpensjsteme die grössere Höhe der Brücken im Süden und die weitere Entfernung der mittleren Einsenkungen (Zabern-Liuifrenbrückpn) nach Norden entspricht. Auch würdo sich auf diesf Weise zugleich «t- klüren, weshalb die östliche Brücke, Schwarzwaid und Odenwald, und das fr&nkisch-sehwftbische Senkimgsfeld rerhSltnissrnfissig hoher stehen als die westliche Brücke, Yogesen und Haardt, und das lothringische Senkungsfeld; westlich ist mehr Raum zwischen den Alpen (resp. dem Centralplatean Ton Frankreich) und dem niederrheinischen System, als im Osten.

') Eduard Suess, Das Antlitz der Erde, I. Prag 1883-1885.

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Lepains,

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Der Horst bracli seiner Länge nach niittpii auf und tlieilte sich in zwei Brücken: eine 4 Meilen breite und 4<) iMeilen lanpe Spalte entstand von Basel bis Mainz, in welche die Trias- und Juratat'eln embraclien, so daas sie jeizfc in Stficken den inneren, dem Blieine zu- gewandten Rändern der stehen gebfiebenen Brtteken des Omndgebirgee steil aufgerichtet oder Üach yerworfen anlagern.

Die bisherigen Arbeiten und geologischen Aufnahmen der um die Kerne des oberrheinischen Gebirgssyst^'infs stufenförmig nieder- gesunkenen Schalen der Trias- und Juraiaieiu lassen bereits eine grosse Anzahl von Spalten nnd Verwerftingen erkennen, welche das grosse Bmcfanetz der Senkongsfelder Ensammenseteen Einige der wichtigsten wollen wir anführen, um daran zu zeigen, in welcher Weise die Trias- un l Tut atafein die oben gekennzeichneten Grundstöcke der vier Randgebirge umlagern.

Die Richtung, nach welcher hin die zerbrechenden Tafeln ab- sinken, ist natürlich im allgemeinen abhängig von ihrer Lage gegen die in NNO streichenden Horste: nach OSO fidlen die Stufen in Schwaben und Franken, nach WNW in Lothringen; gegen OSO brechen die abgestürzten Formationen nieder am Kusse der Vogesen und der Haardt, gegen WNW am Rande des Schwarzwaldes und des Oden- waldes; das krystalline Grundgebirge sinkt natürlich unter den Trias- uud Juraschichten in gleichem Sinne mit denselben treppenförmig in die Tiefe; ja auch in den Horsfem selbst wirkten die tertiiren und diluvialen Bewegungen in der gleichen Weise, so dass Theile der- selben ebenfalls stufenförmig von den Hauptkämmen in 0 und W ab- brechen und gegen einander verworfen liegen.

Im einzelnen jedoch unterliegt die vorherrscliciule Fallrichtung der Tafeln nach den Senkungäielderu hin bedeutenden Abweichungen, besonders aus folgenden Grflnden: jede der beiden Brficken bädet keinen einzelnen, durch das ganze Gebirgssystem durchstreichenden Kamm, sondern besteht aus mehreren, in NNO streichenden Parallel-' Zügen, welche mit verschiedenen Längen an den Rändern der vier ge- trennten Horste zickzackfbrmig abbrechen. Deswegen läuft die Rhein- ebene nicht durchweg geradlinig in NNO, sondern springt oft mit BueUen, in denen dimn die Schiäten besonders stark zerrfittet liegen, gegen die Kämme der Horste hinein. Die Grundursache dieser quer gerichteten Abbrüche der in NNO streichenden Kämme und der V>oi<Iea Senken bei Zabern und im Kraichgau, sowie des Süd- und Nordrandes der Gebirge berulit darin, dass das Grundgebirge ein anderes Streichen besitzt als dasjenige ist, welches die jüngeren Bewegungen beherrscht :

') Ausser den bereit« citirten Werken heben wir hier hervor:

Deffner und Fraae, Die Jura- Versenkung bei Lnnpenbrücken. Geo- gnoatische Monographie. N. Jahrb. für Mineral. 1859, S. 1 u. Mit geologischer Karte. Stuttgart 1859.

Ben ecke nnd Cohen, Geognostische Beschreibung der Umgegend ▼on Heidelberg. Mit 2 geol. Karten. Strassburg 1881.

G. Bleicher, Essai de geologie compsrte des Pyr6n£e>f du plateau central et des Vosges. Inaug.-Di,«?. Colmar 1870.

F. Schal ch, Beitrage zur Kenntuiss der Trias am südustlicheu iScinvarz-

walde. Inaog.*DiM. Schaohaasen 187S.

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Die oberrheiniBche Tiefebene und ihre Bandgebirge.

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das gefaltete, in ONO streichende Grundgebirge zerbricht leichter parallel seinem Streichen und parallel seinen Falten, als in der neuen NNO-Richtung des jüngeren Gebirgssystems.

Aus diesen Ghrllnden überzieht rieh das oberrheinische Gebirge*

System mit einem Netz von Brüchen, welche vorherrschend im Haupt- streichen des Systems in NXO und senkrecht zu dieser Richtung verlaufen, welche aber durch die Querbrüche des Grundgebirges je nach der Lage der absinkenden Tafeln von jener Hauptrichtung mehr oder weniger abgelenkt werden. Wenn es dabei auch gelegentlich vorkommen kann, dass das Streichen der jüngeren BrQche dem Sfareiehen des Grandgebirges parallel wird, so unterscheiden sich die Ursachen dieser ähnlichen Wirkungen doch sehr scharf von einander: jene Be- wegung der paläozoischen Zeit schob die von ihr betrotfeuen Schichten zusammen, die jünprere Bewegung der tertiären Zeit riss im Gegen- theil die Schichten auseinander.

1. Am Südrande des Schwarzwaldes.

Die Bergketten des Schwarzwaldes brechen an ihrem Sfldrande nicht geradlinig in die Tiefe, sondern in zwei Absätzen: der Dinkel- berg und die Sandsteinhölien nördlich der unteren AViese zwischen Schopflieim und Kandern bestehen aus fast liorizontal liegenden Trias- tafeln, welche mit ostwestlichem Bruche, also ungefähr parallel der oben beschriebenen Falte von Badenweiler bis Schönau, südlich vor den letzten Hdhen der beiden Kimme des Feldbergs nnd des Bolchens abgesunken sind; nur längs des Bmches sind die Schichten, wie so häufig bei Tafelbrüchen, ein wenig geschleppt, d. h. sie fallen eine kurze Strecke weit vom Grundgebirge ab nach Sfidon. Am Ostrande trennt ein Längsbruch in der Hauptrichtung des Systems die abgesun- kene Triastafel des Dinkelberges vom Gneiss des Vorwaldes, welcher Vla^ der Wohra nach Sfiden vorspringt bis an den Bhein: eist hier zwischen Säckingen und Waldshut endigt mit ostwestlichem Querbrache der östlichste S&eifen des Grandgebirges.

2. Am Ostraade der Bhelnebene.

Längs dem der Kheinebene zugewandten Abhänge des Schwarz- waldes brachen die Trias- und Juraschichten zumeist regelmässig mit Verwerfungen in derNNO-Hauptrichtung am Grundgebirge oder gleich- zeitig mit mehr oder weniger breiten S&eifen des Grandgebirges selbst

zur geöffneten Spalte nieder; dabei finden sich die grössten Störungen mit steiler Abschleppung der Schichten in der Nähe der Hauptbrüche zwischen Trias und krystallinem Grundgebir«;« , während westlich der Hauptbrüche zumeist die Trias- und Juratafeln fast horizontal lagern, wie z. B. in dem breiten Jurahügellande zwischen Kandern, Isteiu and MilUheim.

Bei Freibnrg begegnen wir einer tieferen Einbuchtung, in welcher die abgesonkenen Trias- nnd Jurastufen schneller und steiler direkt

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Lepsins,

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am Fasse des westlichen Hanptkammes des Grundgebirges in die Tiefe sinken: dieser tiefere Einbruch der Schichten in der Rheinebene ver- ursachte das Ausströmen der ErdlaTa in dem Vulkane des Kaiserstuhls

am Bhein.

Charakteristisch für die Lagerung der abgeworfenen Schichten ist der Bau des SchCnberges ') sfidlich Freiburg und seiner Parallel- kette, des Toniberges bei Thiengen: die Trias- und Jnraschxcbten beider Berge streichen parallel der Hauptrichtung in NNO und fallen von den Verwerfungen ab nach WNW dem Rheine und dem Kaiserstiihl zu.

Nördlich der Freiburp^er Bucht ist der ganze Oebirp^sstreilVu zwi- schen Emmeudingen uud Üfl'enburg gegen die Rheinebeue abgesunken*); nicht nur die Trias- und Jurastreifen, sondern auch breite Streifen des Cbrundgebirges brechen Tom Hanptkamme treppenförmig an ein- ander zur Tiefe. Die genanen Annahmen von H. Eck in der Umgegend von Lahr weisen mehrere parallele Verwerfungen im Hauptstreichen des Gebirges, nämlich in NXO nach, zwischen denen die Tafeln hori- zontal, oder schwach geneigt nach W lugern.

Bei Baden und Gernsbach bricht der grössere Tlieil des Schwara- wftld^ Grundstockes qner xnm Streichen des Gebirges in ONO ab; wir finden znnScfast vor den abgeschnittenen Eftmmen die niedersinken- den Formationen in stark verworfener Lagerung, so dass z. ß. am Nordfiisse der Ebersteinburg f^egen Knppenheim zu eine grössere Partie Muschelkalk mit Verwerfungen eingekeilt liegt zwischen den westlichen Buntsaudstein-Höhen uud den paläozoischen Schiefern und Rothliegeu- den Gonglomeraten der Ostseite.

In diesem Umbrüche der Rheinspalte bei Baden b^pnnt die breiie und für den Ban des oberrheinischen Gebirgssystems wichtige Senke des Kraichgaues zwischen Schwarzwald und Odenwald. Von Baden brechen die Tafeln allmählich nieder bis zu den relativ am tiefsten eingesunkenen Jurastreifeu bei Laugenbrückeu. Diese Schollen haben aehon lange die Aofinerksamkeit der Geologen erregt: denn sie sind die letzten Beste der Jnradecke, welche einst Tor den tertiären Brfichen und vor der Denudation der continentalen Strecken das ganze südwest- liche Deutscliland bedeckten. Das erkannten schon Deffner und Fraas, und mit Recht rühmt Suess in sein» in umfassenden Werke (Anthtz der Erde I, S. 250j, dass diese beiden Forscher bereits im Jahre 1859 ^e Entstehung der eingekeilten Jurascholle von Langen- brflcken richtig erkannt hfttten. vom Nordende des Sehwarzwädea bis zur Senkungsmittellinie Langenbrficken - Mühlhausen sinken die Tafeln statfelformig nieder, so dass die SO-Seite jeder Verwerfung stets die relativ höhere ist; nördlich der Mittellinie der Senke findet natürlich das Umgekehrte statt: hier steigen die Stufen zum Südrande des Odenwaldes auf, so dass immer die NW-Seite jeder Verwerfung die höhere wird.

*) Carl FroiuhtTz, Geognostische Beschreibung des Schönbergs bei Frei- barg. Mit Profiltafel. Üniversitäta-Programni. Freiburg 1837.

H. Eck. rmg»-pend von Lahr. 1884. Ph. Platz, Oeologiache B«flchrei- buDg der Uragebungeii von Lahr und ütTenburg. Carisrube 1867.

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Die oberrhefnische Tiefebene und ihre Randgebifi^.

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Da die ganze Kraichgauer Senke quer zu den Zügen des ober- rheini-chen Ge})irgssystems und parallel zum Streichen des Grund- gebirj^es verlauft, so richtet sich die Mittellinie der Senke in N 50 ° 0 und die derselben parallelen Hauptverwerfungen in NO, indem die Tafeln zwischen dem in NNO liegenden Odenwalde und dem in SSW liegenden Sehwarswalde niedersinken müssen. Docli streieht eine Hauptverwer- ftuig, die von Vl^statt, über Oestringen bis in den Buntsandstein bei Spechbach (Bem i ki* und Cohen a. a. 0. S. (iOl) in N 37" 0, also mehr im Hauptstreichen der Gebirge, als in dem der Senke. Die mit den Hauptverwerfungen entstellenden Qnerbrfiche streichen natür- lich senkrecht zn jenen, also in KW bis WNW; in dieser Richtung Terläufl z. B. die Verwcnrfung im Angelbachthale, wo die beiden Ränder des Querbruches so zu einander stehrn. dass Ix'i Wicslodi die NO- Seite höher liegt als die SW -Seite, dagegen oberhalb im Thale schon bei Waldangeloch die Schichten beiderseits des Bruches in gleiches Kireau zu stehen kommen.

Auch die Nahe der Bheinspalte macht sich geltend in dieser Senke, z. B. in der Verwerfung, welche von Nussloch in N 6^ 0 oberhall» Lfinien und über den Speiererhof nach Heidelberg zwischen Eönigstuhi und Geisberg hinflnrch zieht; der Westrand der Verwerfung sinkt ab zur Rheinebene (^Htiuckc und Cohen a. a. 0. 1881, S. 002).

Doch sind wir hiermit schon am Kujide des Odenwaldes ange- langt, an dem nur wenige Reste der abgesunkenen Schichten zn Tage geben. Einige Bontsandstein-Schollen ragen zwischen Grossachsen und tVeinheim am Fusse der Granitberge hervor; die Starkenburg liei Heppenheim steht auf einer an Gneissen hängengebliebenen Buntsand- -teinkuppe; und in Darmstadt sinken Conglomerute und Letten des oberen Kothliegenden mit nord.südlich gericliteter Verwerfung am Granit nach W unter das DiluTium in die Tiefe.

Der Abbruch des Grundgebirges an der Bergstrasse verläuft auch nicht geradlinig, sondern mit einem stumpfen Winkel am Melibocus; in der Ecke südlich vorgelagert diesem neuen gegen W mehr vor- springenden Kamme haben sicli die Scholien des Bunten Sandsteins und der oUgocänen Meeressande bei Heppenheim erhalten.

3* Am Sftdraode der Yogesen.

Betrachten wir nun zuerst den Innenrand der Vdgesen und der Haardt, ehe wir die östliche Abdachung des Schwarzwaldes und des Odenwaldes kennzeichnen, so erkennen wir dort denselben Zickzack- ftrmigen Verlauf der Abbmcblinie an der Kheinversenkung und ähn- liche Buchten wie am inneren Rande der östlichen Gebirge. Der Beichenstock der Vogesen bricht im Süden an der Bnrgundischen Pforte in der Richtung ONO parallel zum Streichen des Grundgebirges ab: längs des Südrandes der oben erwähnten letzten Falte des Grund- gebirges im Mont Salbert und Arsot bei Beifort fallen sämmtlicbe Fotmaftumen vom oberen Botfaliegenden dnrch die Trias bis zum oberen Jnn ab nach SSO, also im gleichen Sinne mit dem Qrnndgebirge,

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Lepdtu,

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indessen discordant über demsellien und mit bedeutend flacheren Winkeln . Dabei macht man hier wie überall die Beobachtung, dass spröde Schichten wie der Buutsandstein tiacher einfallen (hier am Mont Arsot mit 10 15 als die &ltbaren, dünnen Schichten des Mnaefaelkalkee und des Eenpers, die Ober dem Bonisandstein daselbst mit 32^ in SO abfallen. Die massigen Korallenkalke des oberen Jura bei Beifort verhalten sich auch wieder spröde und brechen daher mit drei Längs- verwerfungen staffelförmin" nach SO, mit Winkeln von anfangs 30" beim Fort de la Miotte und von in der zweiten, südlichen Stufe bei Perouse; schon bei Danjoutin liegen die Tafeln fast horizontal also eine Lagerung der abgesunkenen Tafeln mit Schleppung am Grund- gebirge wie &fiben im sfldlichen Schwarzwald zwischen Kandern mid Schopfheim. Nördlich der Falte der Bergkette Salbert-Arsot füllt das obere Rothliegende die Einsenkung bis zum höheren Anstieg des Ge- birges bei Giromagny, und zwar liegt dasselbe fast horizontal über den Köpfen der mit 50 ^ und steiler einfallenden paläozoischen Schiefer bei Sermamagny (Delbos et Köchlin-Schlumberger a. a. 0. 18G7, II, S. 291). Hier am südlichen Abbruch der Vogesen beherrschen demnach die Richtungen des Gnmdgebirges auch diejenigen der viel jüngeren Tafelabbrüche des oberrheinischen Gebirgssystems, weil das letztere überhaupt im Sfiden wie im Norden endigt parallel dem Streichen des Alpensjstems und des niederrheinischen Sohiefergebirges.

4. Am Westrande der Bheinebene.

Längs des Ostabhanges der Vogesen und der Haardt dagegeu sinken die niederbrechenden Trias- and Jnratafeln ein&ch an den NNO streichenden ESmmen na^^ OSO in die Rheinspalte ein; nnr an den

Umbiegungen und in den Baditen des Gebirgsrandes complidren sich die Brüche und Verwerfungen zwischen den Tafelstücken. Zwei Buchten sind hier von besonderer Wichtigkeit: diejenige von Wintz- felden, welche die Ecke zwi^cluMi dem Nordende des südöstlichsten Bergkammes und dem mittleren Hauptkamme ausfüllt, und die Bucht Ton Hntraig, welche Tor dem Nordende dieses zweiten Hauptkammea fainfiberleitet zu dem letzten westlichen Kamme. Da dann die Haardt wiederum bedeutend gegen Osten vorspringt, so entsteht nördlich von dem St(jrunfrc!frebiet von Mutzig eine grössere Bucht bis nach Zabern, Ingweiler und Wörth hin.

Die Bucht von Wintzfelden ist besonders dadurch interessant, dass in derselben aui Fuss der höchsten Bergkette der Vogesen die sämmt- lichen Schichten der Trias und auch noch der Lias mit miToriaderter Mächtigkeit und ohne jeden petrographischen Wechsel hart am Granit des Kleinen Beleben abschneiden: der Lias von Wintzfelden ist derselbe wie derjenige in Lothringen ond in Schwaben. Von einem Meeresarme

0 Siehe Delbos aiidKöeMin-Sehlaiiiberger; Bleieher a. «.0. 1870, bes. pL IV, profil 13; und R. Lepsin» a. s. 0. 1875, Tat VI, Profil &

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IK« oberrheiniflche Tiefeben« und ihre Bandgebirge.

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des Liasmeeres, welcher hier zwischen Vogesen und Schwarzwald hin- durchreichte, kann keine Rede sein; weder diese beiden Gebirge noch

die Rheinspalte existirteu zur Liaszeit

Der Kleine Belchen hat eine absolute Höhe von 1274 ni; rechnen wir die Mächtigkeit der Trias und des Lias in der Bucht von Wintz- felden zu 400 m so ergiebt sich eine Höhe des Verwerfungssprunges von llUO m, hm ca. 500 m Meereshöhe des Lias bei Wintzfelden; gegen die Höhe des stldliGh anfragenden GrcMuen oder Gebwdler Belchens erhöht sich der Abbruch noch um 150 m Sprunghöhe der Verwerfnng: d. h. vor jenen grossen, tertiären Bewegungen und Sen- kungen, welche das oberrheinische Gebirgssjstem und die Kheinspalte entstehen liesstMi. befand sich der Lias, welcher jetzt in der Bucht von Wintzfelden laijert, im Verhältniss zum Grundgebirge des Beichenstockes um 1250 m hoher als jetzt, wo er in ca. 500 m Meereshöhe liegt. Wenn nun das Grandgebirge des Beichenstockes gar nicht höher ge- hoben, d. h. gar nicht weiter Tom Mittelpunkt der Erde entfernt wurde, als vor Entstehung des oberrheinischen Grebirgssystenis, was wahrscheinlich ist, so würde sich dt r Lias von Wintzfelden seit Anfang der Tertiärzeit um 1250 m gesenkt, d. h. um diesen Betrag sich dem Mittelpunkt der Erde genähert haben.

Die einzelnen Stücke der zerbrochenen Triastafeln sind in der Bucht von Wintzfelden durch Verwerfungen von einander getrennt, welche zumeist in NJSÜ und senkrecht dazu verlaufen; die Tafeln zwischen d^u Verwerfimgan neigen sich mit yerschiedenen Winkehi im allge- meinen zur Rheinspalte hin oder liegen horizontaL Nur die innerste Tafel mit der Liasscholle zunächst der grossen Verwerfungsspalte am Chranit fällt gegen den Granit zu ein: diese Beobachtung lässt sich häufig bei Tafelbrüchen maelien, dass nämlirh die Tafel zunächst an einer grossen Verwerfungsspalte gegen diese einfüllt'). Diese Erscheinung erklärt sich aus der Mechanik der Tafelbrüche: Tafelbrüche setzen stets ein Auseinanderweichen der. stehenbleibenden Horste oder erhobenen Theile des Grundgebirges Toraus; sonst mflssten die einsinkenden Tafeln ge- fiJtet werden, was sie nicht sind. Dabei wird häufig am meisten Raum bleiben unmittelbar am Abhang des stehenbleibenden Horstes und daher die nächste au der Verwerfung anlietrende Tafel, statt wie die übrigen Tafeln nach aussen vom Grundgebirge ab, nach innen zu einfallen, nach dem mechanischen Gesetze, welches die Tafelbrüche beherrscht, dass nämlich .die Schichtentafeln sich einfach dahin neigen,

Siehe über diese nunmehr abgetbaae Frage Benecke, Trias in Eisaas* Lotbringen 1877, S. 794-032.

*) Allerdings geben Delbos und Köcblin-Schlumberger I, 8. 225, 251, 274, 277, 283 im ganzen nur 370 —390 m für die Trias im Ober-Elsass an; das dOrfie aber entschieden zu wenig sein. Daubr^e rechnet für die Trias im Unter-£la88 570— COO m, siehe a. a. 0. 1852, S. 87, 116, 12(j, 132.

*) Z. B. an der grossen Yerwerfung am Granitstoek des Adamello in SÜd-

tirol sinkt gewöhnlich die letzte Triastafel gegen den Granit ein: siehe R. Lep- sias. Das westliche Südtirol, S. 73 und 222, Berlin 1878, und Suess, Das AntHta der Erde, 1885, I, S. 815.

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Leptius,

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wo €2tt Raum es gestattet" Diese Erscheinung, dass die nächste Tafel an der Hanpt^erwerfang gegen das Onmdgebirge zn einfftUi, kommt

übrigens am Ostrande der Vogesen öfter Tor was am besten beweist, dass die jEUieinspalte dadurch entstanden ist« dass das Grundgebirge der Vogesen sich nach Westen etwas von demjenigen des Schwarz- waldes entfernt hat. Die Anlagerung der abgesunkenen Trias- und Jura-Schollen am Inuenrand des Schwarzwaldes ist noch nicht so genau untersucht, um uns Beispiele für diese wichtige Erscheinung darbieten zu können.

Die Umbiegung des Ostabhanges der Vogesen an der Bucht von Wintzfelden geschieht bei Raffach, so dass Ton hier ab nach Korden der Rand des Gehircres mehr in NS-Rirhtnnrr verläuft. Längs der Verwerfungen am Grundgel »irire zwischen der Bucht von Wintzfelden und derjenigen von Mutzig sinken die Triastafeln rasch in die Tiefe, so dass die Vorberge nur eine schmale Zone bilden. Auf dieser Strecke zeigt sich die interessante Erscheinung, dass Uuigs der HanptTerwerfunff am Granit und an den paläozoischen Granwacken Muschelkalk und Juraoolithe umgewandelt sind in Eieselgesteine; Kieselsaure hat den kohlensauren Kalk nächst der Verwerfunffpspalte vollständit? verdrängt; zugleich hat sich Schwerspath und Flussspath ausgeschieden. Diese Verkieselung der Kalke ist zu beobachten auf einer Strecke von 40 km von Bergheim über Kestenholz bis Truttcnhausen und Kosheim *). Die Hanptrerwerfung stretcbt auf dieser Linie parallel dem Oebirgskamme in N 22 " 0 ; der siüficirte Muschelkalk fÜlt Ton Bergbeim nach Orsch- weiler bei Schlettstadt mit 85« in 0 22 S ein.

Der Hauptkamm der Vocre^en endigt im Norden mit dem breiten Rücken des Hochfeldes und bricht dann quer ab am Magel- und Breuschthale mit zahlreichen Verwerfungen zwischen Ottrott und Urmatt; von hier läuft der Gebirgsrand wieder nach NNO, am Ab- hang der Hohen Struth über Oberhaskich nach Gossweiler. Dann sinken die Triastafeln noch weiter nach Westen ein bis nach Rein- hardsmflnster, nnd erst dort erreichen wir unmittelbar den Abhamr des dritten, am meisten niirli Westen zu gelegenen Vogesenkarames. Diese mehrfachen Umbi«'!j;nngen des Gebirgsrandes und die beiden gegen die Uheinspalte vorsprin<i;enden Winkel })ei <)ttr<itt und Cossweiler bewirken eine ausserordentUch gestörte Lagerung der Trias- und Juratafeln, welche an dem anfragenden Gebirge in den Yorhügeln zwischen Mutzig, Haslach, Wasselnheim und &bem in viele Stficke zerbrochen liegen.

Ueber den genaueren Verlauf der zahlreichen Tafelbrüche in diesem abgesunkenen Gebiete sind wir noch nicht hinreichend unter-

') 0. Fraas, Genlogisches Profil der Schwarzwaldhahn von ZuflTenhausen nach Calw. Württ. JaUres hefte 1876, S. 12Ö. Siehe auch Suesa, Das AatliU der Erde I, S. 257.

0 Ausser in der Bucht von Wintzfelden auch z. B. bei Niedermorsweier nnd Kienzheim bei Colmar, im Becken von Mutzig bei liiederhaslach etc., siehe die Profile bei Bleicher 1870 und Ben ecke 1877.

'i Siehe Delbos et K ö c h Ii n - Schlttu b erger 1866, I 8. 264 und Daabree, Ites-Rhin 1852, 8, 825—328.

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Die oberrheiiiische Tiefebene und ihre Randgebirge.

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richtet; mit Ausnahme der nächsten Umgebung von Haslach und Mutzig ^) fehlen uns die Specialaufnahnien dieser Gegend. Mit derselben beginnt die weite Bucht von Zaberu-Buchaw eiler, welche der Senkung des Gebiiges zwiBchen Yogesen imd Haardt OstHch vorliegt und der LaogenbrllckeDer Yeraenknng jenseits des Bheines zwischen Schwarz- wald nnd Odenwald en&pri<£t.

Längs des Ostrandes des Grundgebirges der Yogesen brachen bisher die Trias- und Juratafeln so rasch in die Tiefe der Rheinspalte, dass sich die Verwerfnngsspalten, mit Ausnahme der Bucht von Wintz- felden, auf einen schmalen Streifen von Vorbergen beschränkten. Vom ßreuschthale an vertheileu sich die Längsbrüche auf den breiten Kaum zwischen einer Linie, welche in direkter Fortsetzung der sfidlichen Hanptrerwerfung von Mölsheim fiber Truchtersheim, l^mmenheim nnd Schweighau .sen nach Lobsann und Weissenbnrg verläuft, um hier am Ortrande der Haardt in derselben Richtung in NNO weiterzuziehen, und einer zweiten Linie, welche den Ostfuss des Zaberner Sandstein- gebirges von Reinhardsmünster über Nenweiler nach Ingweiler in gleicher NNO-Richtung begleitet. Zwischen diesen beiden Haupt- Terwerfongen liegen zahlreiche andere Verwerfungen, welche die Trias- und Juratafehi stufenförmig nnd die kleineren Sprünge allmählich zur Tiefe absinken lassen*).

In diesem Hügellande ragt der Bastberg bei Bnchsweiler am höchsten auf bis zu 320 m über dem Meere, nur 70 m niedriger als der Sandsteinkamm bei Pfalz)>iirf]:. Der obere Theil «If^s Bastberges besteht aus eocänen Süsswasserkalken und mitteloligocäuen Conglo- meraten. welche zwar discordant über den unterlagernden Jurakalken liegen, aber auch ihrerseits wiederum i-nie gestörte Lagerung zeigen und dadurch beweisen, dass die Bewegungen im oberrheinischen Ge- birgssysteme erst nach Ablagenmg dieser Tertiärschichten ihr Maxirnnm erreichten.

Bei Hagmian durchteufte ein Bohrloch von 290 m Tiefe noch nicht die jüngeren tertiären Schichten, welche rlio Rlioinebene unter dem Diluvium erfüllen; die Bergwerke und Bohrungen bei Lobsann haben die dortigen tertiären Schichten bis in 150 m 'liefe erschlossen, ohne die Unterlage derselben zu erreichen. Wir erkennen daraus, dass die Trias- nnd Juraschichten, welche das Htigelland von Bnchsweiler und Worth bilden, fisäich der Yerwerfnng Mol£eim-Weissenburg in grosse Tiefen abgesunken sind.

Längs des Nordrandes der weiten Zabemer Bucht wendet sich dar Abbruch des Sandstein-Plateaus von Ingweiler wieder zurück über Niederbronn in ONO nach Weissenburg hinüber. Der Hochwald springt an der Ecke vor der ümbiegung des Gebirgsrandes mit Ver- werfungen weit heraus nach Süden; westlich neben diesem Buutsand-

') Benecke a. a. 0. 1877. Geologische Karte der Umgebunfxon von Mutzig. *) Siebe R. Lepsius, Beiträge zur Kenntniss der Juralonnation im Unter- EbsM, 8. 80 ff. and Skisse nnd Profile anf Tafel I. Leipzig 1875.

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Lepsius,

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steinzuge dringt der Muschelkalk grabenartig noch weit in KNO in

das Gebirge bei Lembach ein.

Wie wir bereit8 erwähnten, entspricht die Zaberner Bncht geo- logisch genau der Kraichgauer Versenkung: die Mittellinie und die Ränder der beiden Senken liegen in der üiS'O-Kichtung des Streichens des Grundgebirges und parallel dem Südabhange des Taunus und Huusrück. Die Keste von Jura- und Tertiärschichten nehmen auf der ebSssischen Seite noch einen viel grosseren Bamn ein, als oof der Imdischen. Der Gebirgskamm bei Zabern tritt schärfer und deutlicher hervor, als derjenige von Pforzheim bis Neckarelz, weil jener ao8 spröde brüchigem Snndstoin besteht, dieser aus Muschelkalk undKeuper- mergeln, in denen sich die treppeuiormigen Verwerfungen mehr aus- gleichen.

Am Ostraude der Haardt i»t die Lagerung der am Gebirgsraude abgemtschten Trias- nnd Juraschollen nodi eiäiAcher, als Ift^ der Vogesen: die grosse Verwerfungsspalte zieht von Weissenburg in KNO über Bergzabern nach Neustadt, biegt bei Forst mehr in N nm und lünft ü])er Dürkheim nach Grünstadt, wo die Klieinspalten auf die mittelrheinischen Vorlagen des niederrheinischen Gebirgssystems auf- treffen. Zerbrochene Tafelstücke des Musclitdkalkes liegen an der Verwerfmig niedergesunken von Weissenburg an bis nach Neustadt; auch noch bei Grfinstadt fi^nd Oflmbel Spuren desselben (a. a. 0. 1865, S. 53). Der tiefere Einschnitt der Queich bei Landau entblösst auch noch Keupermergel und Lias. Im übrigen in I es die Tertiärschichten, welclie die Vorhügel am Gebirgsabhang bilden, dif' seihst auch noch an den Bewegungen des oberrheinischen Systems theiluahnien.

Im Bereich der Vogesenspalto geschahen zur Tertiärzeit nur an drei Punkten Ausbrüche von Erdlaven: es sind das die Busalte von Beichenweier zwischen Colmar und Schlettstadt im Oberelsass, dann zwisidien WOrth und Reichshofen im ünterelsass, und endUch bei Forst in der Pfalz; am letzteren Orte ist die Basaltmasse ziemlich bedeutend, an den beiden ersten Punkten gering. Diesen Ausbrüchen an der Vogesenspalte entsprechen diejenigen an der Schwarzwald-Verwcrfung,- im Schönberg und im Bromberg bei Freiburg im Breisgau, im Steins- berg bei Sinsheim und bei Auerbach an der Bergstrasse.

Während im ganzen Gebiete der Vogesen und der Haardt kein einziger Basaltansbruch bekannt ist, finden sich deren mehrere im östlichen Randgebirge, zum Theil gerade auf den höchsten Höhen: nämlich am Oberhaustein bei Hornberg in lü.")! m Meereshöhe, dann bei Neckarbischoffsheim und Neckarelz und im Katzenbuckel in (328 ni Höhe: mit dt iii luisshero- hei Darmptadt beginnen dann die zahlreichen Basaltausbrüche am unteren Main und im Vogelsberge. Als wichtigstes Merkzeichen einer tiefgreifenden Störung im Erdgewölbe steht aber mitten in der Bheinebene und Tor dem Einbrüche der Freiburger Bucht da } reits erw&hnte vulkanische Gebirge des Kaiserstuliles. Indessen scheinen jene vereinzelten Basaltausbrüche alteren Datums* zu sein, als die Entstehung des Eaiseratuhl-Vulkanes.

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Die oberrbeimsche Tiefebene nnd ibre &andgebirge.

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5. Die äussere Abdachung des Schwarzwaldes.

Was nun die äuneren Abdachungen der Randgebirge betrifft, so

neigen sich im allgemeinen die Trias- und Juratafeln g^anz allmählich nach OSO zum schwäbisch-fränkischen Senkungsfelde vom Schwarz- wild und Odenwald ab und auf der anderen Seite ebenso flach in ^V2s W nach Lothringen hinein. Dabei brechen die Tafeln mit Längs- verwerfuugeu treppeniormig aneinander ab. Vortrefflich sind diese Tafelbrüche in Schwaben Ton 0. Fraas in den Ton ihm yeröffentlichten fiisenbahnprofilen dargestellt nnd beschrieben^): «Die heutige Ober- flSchenbildung des Landes erscheint hienach als das Resultat treppen* ftnniger Einsenkungen der Schichten, welche zwischen dem Sdiwarz- walde und dem Xockar statthatten.* Am schnellsten auf einander folgen die Verwertungen zwischen den niederbrechenden Tafeln am büdostraude des hohen Schwarzwaldes am oberen Neckar und im Gebiet der Donauquellflüsse, wo die Schwäbische Alp nahe steht; je weiter nadd Norden, am so breiter lagern sich die einzelnen Tafeln in dem Hflgellande am mittleren Neckar.

Die Umbrechung der Tafeln um das Nordende des Schwarzwilder Grundgebirges bringt wesentliche Unregelmässigkeiten im Streichen der absinkenden Trias: indessen treten einerseits die aus- und ein- springenden Winkel des Grundgebirges nicht so deuthch als am Innen- rande der Gebirge hervor, weil die Verwerfuugssprünge nicht so hoch wie dort werden; andererseits ist die Beschreibung der Lagerung in den Begleitworten der wtirtfcembergischen geologischen Karten von £. Paulus noch zu wrnig ausgiebig, um ein klfures Bild des Bruch- netzes der Triastafeln östlich des Schwarzwaldes entwerfen zu können.

In den vielfach gegen einander verworfenen Triastafeln von Schwaben entstellt zwischen dem südlich angrenzenden Senkungsfelde der Tiefschweiz und der nördlich vorliegenden Kraichgauer Senke, also zwischen dem Rhein bei seinem Dnrchbmch durch den Jura oberhalb Waldshut und dem Neckar ein breiter Sattel, welchen bereits Vogel- gesang in seiner werthvnllen geologischen Beschreibung der Umgegend TOn Triberg und Donanescliingen kennzeichnete (a. u. 0. 1872, S. 9 11). Nach Vogelgesang fallen die Trias- und Juratafeln im Wutachgebiet in OSO ein bis zu einem Sehitiit«^nsattel , auf welchem die Wasser- scheide zwischen Wutach und Donau hegt. Die Donau benutzt eine flache Schichtenmulde, in welcher nach E. Paulus, Blatt Schwen- ningen auch eine Verschiebung der Schichten gegen einander statt- findet, um durch die Jurakette quer durchzubrechen. Ein zweiter Sattel entspräche der Wasserscheide zwischen Donau tmd Neckar: von hier an nach Norden fallen die Tafeln inelir gegen ONO ein , um allmählich die Wendung um das Grundgebirge bis zur Kraichgauer Senke auszuführen.

0 0. Fraas, Die geognostische Profilirung der wiirttembergischen Eisen- bslinliiiien. Stottgart, 1. Uefg. 1883 ; 2. Liefe. 1884 ; 3. liefg. 1885, mit Profilen in Farbendrack; und Wärtt Jahnshefte 1870.

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Lepsiua,

I

Auf dem Donausattel streichen die Schichten nach Yogelgesang ziemlich genau nordsttdüch. Der Abfall der Stnfen nach O gieht sie»

in folgenden Höhenzahlen zu erkennen: der Buntsandstein erreicht auf dem Griindgehirge im Kesselberg bei Triberg 1026 m, die obere Grenze des Muschelkalkes auf dein Donansattel 7HS ni , des Keupers 791 m und des Jura östlich über Donauescliingen 1'42 m. Zugleich beweisen diese Zahlen das rasche Niederbrechen der Tafeln gegen O mit Verwerfungen : denn da die Schichten dieser Tafeln nur mit wenigen Graden einfallen^ würden die obigen HOhenyerhSlioiaae der vier Schichten- grappen , die nach Fraas zwischen Yillingen und Tuttlingen eine Ge- sammtmächtigkeit von 1354 m^) besitzen, nicht möglich sein ohne die treppenfbrmigen Abbrüche der immer tiefer einsinkenden Tafeln.

Nördlich des Douausattels sinken die Triastafeln allmählicli immer mehr nach NO ab, du diesell)en um den nördliclien Theil des Schwarz- wälder Grundgebirges von Freudenstadt über Wildbad nach Ettlingen henunschwenken mtlssen, um zur tie&ten Stelle der Senke bei Langen- brficken zu gelangen. Aus dem reichen Material, welches für die Construction des Tafehiet/.es in Stuttgart vorhanden isii bieten Regel- mann*). Bach ^) und Fraas ' i einiges. Fraas zählt eine Heihe der wiclitig.sten Längsverworfuiigen auf (a. a. O. S. '2'2 If . I ; er liebt

dabei mit Recht hervor, dass im Sandfsteingebiet der Enz und Nagold die Verwerfungen schwer zu erkennen, dagegen in den höheren Stufen der Trias wegen der zahlreichen leichtkennthchen Horizonte besser zu constaturen sind^). Vom Donausattel an nach Norden und Nordosten auf Stuttgart zu führt Fraas die folgenden Hauptverwerfungen an, aeben denen zahlreiche andere Verwerfungen die Thas durchsetzen:

') Nach Fraas^ üeoguostische fieschreibung von Württemberg etc. 1882 berechnen sich die Uiditigkeiten im rinselnen:

Buntsandstein . . . loG m

Muschelkalk . . . . 1<J0 m

Lettenkühle .... 30 u

Kenper .... . 444 m

Tria*: 820 m

Lins 50 m

Brauner Jura . . . 220 m

Weisser Jura . . . 204 m

Jura: 584 m

Dabei dürrte vielleicht der Buntsandstein zu gering gerechnet seiOf d& er im

Schwarzwalde wohl an 400 m mächtig wird.

^) Trigonometrische Hohenbestimmun^en und Notiien Ober den Oebirgsbau,

in den Wiirttcml^cr^isoln'n JrUirtMiclierii 1H77, S. 35.

^) Uegleitworle imu Ailasblatt Böblingen 18t>8.

*) In den TortreffUchen Eisenbahnprollen and in der geognostiseheo Be-

SchreibunfT von Württemberg 18>'2.

^) Dasselbe findet statt im Rheinischen Schiefergebirge ^ wo im Devun die Yerwerftingeii schwer so beobachten sind, dagegen in der aoflageimden Trias mausen» haft erscheinen, obwohl natürlich die Verwerfungen nicht nur durch die Trias, sondern ebenso lahlreieh durch das Devon setzen (siebe U. Grebe, lieber das Ober>Rothliegendft, die Trias, das TerUilr und DiluTium in der Trier*achen G^fend, und Ueber die Trias-Mulde zwischen dem llunsrück und Eifel-Devoo. Jahrb. der k. preuss. geolog. Landesanstalt. Berlin 1882 und 1884).

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49] oberrheinische Tiefebene und ihre lUndgebirge. 81

1. von Yülingeu über Möachweiler und Königsfeld nach Schram- berg; streicht, in N ir, " W;

2. von Dorahan über Lossburg nach (jhribtophsthal bei Freuden- sMt; siareicht in N 30« W;

3. Ton Schopfloch an Dornstoiten Torbei nach Hallwangen ; streicht in N 45« W;

4. im Schönbiuh a) von Bebenhün^cn ül>or Hildrizhansen nach Ehningen, h) von (jrla.-hütte bei AN'aldcnhuch nacli Steinenbronn, c) die ^Oj^se Verwerfung von Aich nach Kohr und Vaihini^en, weh^he die Grenze gegeu die Filder bildet; alle drei Verwertungen streichen in N 45« W;

5. zwischen den Fildern und dem Schurwalde verlSuft eine Ver- werfung von Plochingen östlich über dem Neckarthale nach Unter- tiirkheim und setzt sicli fort von Münster bei Cannstatt Ober Stammheim und Schwielirrdiii^^on ]>is nacli Vaihingen an der Enz; diese 42 km lange Verwerfung ätrei« lit in N T)!)" W :

zwischen Calw luul W eil der Stadt zieht bei Althengstett eine Verwerfung gleichfalls in N 5U" W.

Wir erkennen aus diesen Angaben, dass die Triastafeln, je weiter sie sich vom Donausattel nach NO entfernen, um so mehr ihr an- föngliches NNW-Streichen in NW umwenden, um das Nordostende des Schwarzwaldes mantelförmig bis zur Kraichgauer Senke zu um- gehen: dabei ist im allgemeinen die Tafel auf der NO-Seite der Verwerfung gegen die SW-Seite nbjresninken . so dass die Bahn von Freudenstadt (7lil m) nach Stuttgart (241) m; immer jüngere Schichten rom Bunten Sandstein bis hinauf zum Lias durchschneidet.

Von Querverwerfungen heben wir diejenige im Schönbuch hervor, welche von Bebenhausen nach Aich in N oO» 0 verläuft. Parallel diesen Querverwerfungen streicht der Steilhang der Rauhen Alp : der- selbe ist fa-^t (1urrh;iii'^ fin Resultat der Erosion durch die Neckarzuflüsso.

Im !j:ios.st*u und (ganzen ist demnach die Lagerung der Trias- tafeln m tiem schwäbischen Hügellande mehr beherrscht von der tiefen Einsenknng parallel dem Streichen des Grundgebirges zwischen Schwarz- wald und Odenwald, ab von dem Hauptstreichen des oberrheinischen Gebiigssystems.

6. Die äussere Abdachung des Odeuwaides.

Während wir bereits einigermassen über den Bau der schwäbischen Triastafeln am Ostrande des Schwarzwaldes orientirt sind, mangeln bis jetzt fast vollständig die Nachrichten über die Lagerung der Trias östlich vom nriiinigebirge des Odenwaldes. Das weitausgedehnte Sand- steinplateau des hinteren Odenwaldes zwischen Neckar und Main scheint im allgemeinen aus einer lieihe von Talein zu bestehen, welche durch Verwerfungen in NNO -Richtung von einander getrennt sind: die einzelnen Tafelbrüche bewirken aber meist nicht eine tiefere Lage des Ostflflifels an der Verwerfimg, wie in Schwaben, sondern umgekehrt eine Erhebung der Ost- über die Westseite: z. B. fallen die Sandsteine

ForaDknogeii tat deutteben Lude*» und Volkakvnde. Li. 6

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Lepsin«,

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zwischen der oberen Gersprenz und der Mümling fliirli in OSO prepcn Michelstadt zu ein, so daäs ein Profil in dieser Richtung vom Grund- gebirge bei ReicheUheim enfe den Zechsiein, dann die Stufen des mächtigen BnntBandsteins, bei Steinbach auch den oberen Bantsandrtein durchachneidet und im Münilingthale endlich noch den Wellenkalk an- trifft. Oestlich von Miclidstadt und Erhai !i zieht eine Verwerfung von bedentendnr Sprunirhöhe in NNO hindurch, welche am Westfuss des Krähhcr»^''» 'S den unteren Bunten Sandstein in d is Niveau des Muschel- kalkes tjffwoitcn hat. Wiederum fallen dann im Krähberge die Sand- steine regelmässig in OSO znm Schöllenbach hin.

In den Hauptrerwerftingen des hinteren Odenwaldee laufen die Bäche nach N und S ab : «^o die Gersprenz, Mtlmling und Mudau in den Main, Weschnitz, Finkenbach, Gammelsbach, Sensbach, Itterbach in den Neckar. Die einseitij:fe Anfkippuji^ der Tafeln bewirkt, da.-js die Höhen der ganz fladi in O bis OSO einfallenden Bunten Sandsteine zwischen den A't rwf rfungen in den von W nach 0 auf einander folgenden Zügen last gleich hoch bleiben, im Durchschnitt von 450 m Meereshöhe, und dass der hintere Odenwald ini ganzen als ein f^eich- förmiges Sandsteinplatean erscheint, obwohl hier die Tafeln ebenso zerstückelt sind, wie in Schwaben.

7. Die äussere Abdachung von Yogesen und Haardt.

Die westliche Abdachung dsr Yogesen und der Haardt verläuft nun weit einfacher und regelmässiger als diejenige der Gegenseite in Schwaben und Franken. Bs ist dies verständlich bei der NNO-Richtung

des oberrheinischen Gebirgssystems: wahrend dn'il)cn im Schwarzwalde die Bergzüg*' des Grundgebirijres in sj)itzen ^Vinkeln auf fH»' in NO zur Kraichirauer .Senke ubsinkciwleu Triastat'tdn auftreffen, streicht diesseits« der lange Westkamm fast ununterbrochen vom Hochplateau der oberen Mosel über die obere Saar bis zum Westrich in der NNO-llichtung gleichförmig hindurch. Von diesem Kamme fallen die Triastafeln regel- mässig nach WNW, in derselben Weise einzeln aufgekippt mit steilen Ost- und flachen Westabhängen wie drüben im hinteren Odenwalds. Benecke giebt in seinem Abriss der (icolo'^np von Elsass-Lothringen (187S S. lor» ff.) eine allgemeine Uebersicht tler Triaszüge in Deutsch- Lothringen : ,l)it' /.onenartige Aufeinanderfolge der Formationen von den V ogeseu uacii der Mosel hin veranlasste einen wiederholten Wechsel von Depressionen und erhöhten Rücken, je nach der leichteren oder schwereren Yerwitterharkeit der Gesteine. Die Rttcken liegen wallartig mit dem steilen Abfall gegen die Yogesen und bilden nach Westen ein Glacis.*

Die Triastafeln in Lothringen setzen sich /nnächst vom östlichen Vogesen- und Haardtkamme n\> einer Verwerfung, die ancii im Sand- steiugebicte von Pirmasens ül>cr Bitsch bis ins obere Zornthal in der Haaptrichtung von NNO nach SSW zu verfolgen ist. Dann folgt nach Westen ein scharf hervortretender Muschelkalkzug von den Höhon westlich fiher Saarburg an in NNO, östlich an Saarunion vorbei

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Die oberrbeiniscbe Tiefebene and ihre Kandgebirge.

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nach fiolirlcich und aul Z\veil)iii(krti zu; duran sclilicsst sich wenilieh die Set'iinieileriin<r der Keupermerg«*! in dersell)('n NNO-Kichtung von Avricourt au der französischen Grenze bis nach Saargemünd hin; die SeUle entwässert diese Niederunff nach S, die Saar nach N. Der nächste Wall von Chftteau-Salins über Grosstönchen nach Yahl-Ebersing gehört zum oberen Keuper.

Von diesem letzteren Zuge an macht sich gegen die Mosel bei Metz hin mehr und mehr die NO- bi;^ ONO-Kichtung des nieder- rheinischen Systems geltend, welches nürdluh an dieser Gegend mit der grossen, bereits erwähnten Verwerfimg vou St. Avold über For- bach und Bexbach bis zum Donnersberge abschneidet.

An der Mosel bei Metz und Diedenhofen streichen die BergzQge wieder nordsüdlich ; doch werden sie häufig gequert von den in NO bis ONO verlaufenden Verwerfungen des niederrheinischen Systems. In der yS-Kichtung streicht z. B. die vou Steinniann angegebene Ver- wertung vou Aniauvillers nach l{oml)arh in deiu Plateau westlich über Metz So weit nach Westen erstreckt sich aber nicht die Wirkung des oberrheinischen Gebirgssystems; denn wir befinden uns bei Metz bereits in den Gebieten nOrdlich der das oberrheinische System ab- grenzenden Verwerfungsliuie St. Avold-Bexbach. Die Wirkungen sind indessen hier deswegen ähnliche wie in der Westal)dachvuig der Vo- gesen und der Haardt, weil die Umgegend von Metz ebenfalls zu d«'tn gr<isseu Senkuugsfelde zu rechneu ist, dessen Mitte das Pariser Becken euiuimmt.

Benecke vergleicht den Verlauf der Höhenzüge in Lothringen mit der Gestalt eines liegenden Z, da die Triastafeln zunächst westUch der Vogesen und der Huirdt in NNO parallel dem oberrheimschen System streichen . dann weiter westlich anfangs mit NO-, endlich bei Metz mit N'Streichen um die SW-Scke des Kheinischen Schiefergebirges umlenken.

Diks interessante Brucliuetz, welches Grebe aus der Trias der unteren Saar und Mijsel so trefflich gekennzeichnet hat (a. a. 0. 1882 und 1884), gehdrt vollständig in den Bereich des niederrheinischen Systems.

C. Die terüftren Ablagerungen in der oberrheinischen

Tiefebene.

Die Lagerung der abgestOrzten Trias- und Jura-Tafeln an den

beiderseitigen Gebirgsrändem längs der Vogesen- und sidi /wald- Spalten hat \ms bereits l^lar '^i Tnadit. dass die oberrheinische Tief- ebene dadurch entstanden ist. dass das Grundgebirge in der NNO- Hi( liTnti;^^ des Systems auseinanderVmu h und die Formationen zwischen den Horsten in grosse Tiefen versanken. Der Einbruch der Schichten

*) ü. Stein mann, Geologischer Fuhrer der Umgegend von Metz. Skizze der Verwerfongen auf 6. 10. MeU 1880.

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LepsiiM,

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in die Rheiiispaltt? <;es(liiili zwar wie jedes derartige Ereigniss plötz- lich, aber das Endresultat deüselbun, wie wir es heute vor um sehen, wnrde nicht auf einmal erreicht, sondern erst durch eine sebr grosse Reihe einssehier Eiinbrflche, welche am Anfange der Tertiärzeit be* gannea mid sich bis in die jetzige Zeit fortsetzten. Am Anfang der Tertiärepoche befanden aidi in der wahrscheinlich sehr flach ein- gesenkten Kheinebene nur einige wenige ansgedelnite Landseon, einer z. B. bei Burhsweiler Ith Unterelsass ; dieser Biu lisweiler See vertiefte und vergrösserte sieb bedeutend in der untendigotänen Zeit, wo in demselben die bis 300 m mächtigen Schichten von Lobsann und Pechel- bronn abgelagert worden

Znr mitteloligocänen Zeit war jedoch die Versenkung schon so weit gediehen, dass das Meer in die Rheinebene einbrach und sich über die rr^mA^ p]bp!ie zwischen den Gebirgen verbreitete : von Räders- dorl in der l'tirt im (H)erelsa^•s und von I>ürra('h luid Stetten im Wiesenlliai bei Basel an bis binab nach Heppeiilieim an der Berg- strasse und bis nach Alzey in Rheinliessen, sowie längs des SUdrandes des Taantts kennen wir die Sande nnd Gonglomemte des mitteloligo- cftnen Meeressandes. Eine noch stärkere Vertiefung des Meeres in der Rheinebene beweist die mächtige Ablagerung des darauffolgenden Septarienthones, welcher gleichfalls von Sentheim im Oberelsass durch das ünterelsass bis an die Nahe und bis in die Wettfran zu finden i>t.

In den oberen Tbeil der Septarieiitb(nie geiitiren die i>cliieter- thüue mit Fischresten, welche im Oberelsass eine ziemliche Verbreitung besitzen. Dann folgen in der ganzen Bheinebene bis in das Mainzer Becken feinkSmige oberoHgocSne Meeressande nnd Mergelscbiefer, welche zum Unterschied von den älteren «Alzejer Meeressanden" die , Els- heimer Meeressande' heissen; sie werden nach ihrem häufigen Gehalt an fossib'n Blättern mucIi Blättersaiulslcine «jfenannt.

Mit den überlagernden Cyrenenniergeln beginnt die Aussüssung des Meeres. Der Cerithienkalk imd der jüngere Litorinellenkalk des Mainzer Beckens lagerten sich bereits in einem geschlossenen Landsee ab, welcher nur am Mittelrbein, in Rheinbessen, in der Wetteran und in der Pfelz bis na( b Landau hin sieb ausdehnte. Gleichaltrige Bildungen in Oberbaden, bei Müllheim, Auggen, Schliengen, Kleinkems, Istein und im Tullinger Bei^ bei Basel gehören nK'br der schweizerischen Facies des Miocän an. Wahrscheinlich tlossen dieve Seen nach S^V ab, jedenfalls nicht nach N, da wohl in der Schweiz und im Centralplateau von Frankreich, aber nicht in Norddeutschlaud oder am Niederrhein eine ähuhche miocäne Fauna Torbanden ist. Die jüngste tertiäre Bildung der Rbeinebene sind die fluviatilen Sande mit Resten von Dinotherinm, Mastodon und anderen Landsäugethieren , wie sie von dem Schweizer Jura an bis hinab ins Mainzer Becken und bis auf das Pbitean des rheinischen Schiefergebirges in grosser Verbreitung vorkoinnieii. Erst mit dem Be- ginn der Diluvialzeit, also mit der Einwanderung des Menschen in

') Siehe für das elsässer Tertiär A. Andreae, Beitrag zur Kenntniss des elsilsBer Terti&rB. Straasburg 1883-1884. Für das mittelrheinische Tertiär R. Le p- sias. Das Uaimer Becken, geologisch besehrielMiL Dannstadt 1888.

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53]

Die oberrheinische Tfetebene ODd ihre Randgebiige.

85

Enri)])a. brach der Rhein durch die Juratafeln unterhalb des Bodensees und ht nutzte die grosse Spalte zwisclien Vogesen und Schwjirzwald, um nach Norden abzufliessen. Der Kliein füllte mit seinem Schutte die Kheinebene so weit aus, doas die diluvialen Sande und Schotter über der tertiären Unterlage zumeist 50 100 m mächtig angehäuft liegen; nur an einigen Stellen wie bei Kolbeheim und TmchterBheim bei Strass- burg, im Büchelberg bei Lauterburg in der Pfalz (Andreae a. a. 0. 1884, S. 227) und auf dem Steinmarkt bei Bauschheim zwischen Gross- geraii und Mainz taucht das Tertiär auch mitten in der Kheinebene an die Oberfläche aus dem Diluvium liervor.

Uns interes.sirt hier besonders die Lagerung der tertiären Schichten in ibrem Yerhältniss zum oberrheinischen System. Da erkennen wir znent, daes die Unterlagen, das Liegende des Tertiärs längs der Rheinebene verschiedenartig ist. In Oberbaden lagern die mittel- oligocänen l\;ilk<ande bei Lörrach und am Schloss Rötteln auf der aus- trefiirclitpii OberÜäche der Jnra-Kalke und -Oolithe, deren Material die (ieröile dieses tertiären Meeressaudes eninonimen sind; die Ver- werfungen, weiche hier den Oolith neben den Muschelkalk de.s Dinkelberges warfen, sind offenbar erst später als der mitteloligocäne Meeressand entstanden: denn sonst mtlsste der letztere auch andere GerQlle, ab nur Juragerölle, er müsste Tor allem auch Schwarz- waldgerölle enthalten, was nicht der Fall ist Die Meeressande bei Lörrach liegen in 321 m absoluter llölie.

In gleicher Weise überd ecken ooeiino Thone mit Bohnerzen und obereocäner Melauienkalk zwischen istein, Schlienpen und Kanderi,i die ausgewaschene Oberfläche der oberen und uateren weissen Jura- kalke der am Schwarzwälder Grundgebirge abgesunkenen, ziemlich horizontal lagernden Schollen in 400 450 m Höhe. Die Bohnerzbildung ist hier ganz die gleiche wie auf der schwäbischen Alp und im Schweizer Jura; zur Zeit als diese limnischen eocänen Schichten sich ablaLferten, konnte die Absenkung der Juratafehi um die Horste herum noch kaum be*;omien haben : jedenfalls war das Grundgebirge des Schwarz- waldes zur Zeit noch niclit entblösst.

Weiter nßrdlieh treflfen wir die mitteloligocänen Kalksande und GoDglomerate ausser bei Schliengen, MüUheim, Oberweiler, Stauten a. a. O, auch auf der höchsten Höhe des 640 m hohen Schönberges bei Freiburg und an dem VVestabhang desselben: die Unterlage des Tertiär ist hier ebenfalls tlieils Oolith des braunen Jura , theils noch jünirerer Jurakalk, wie in ganz Oberbadeu, und die Gerölle desselben besteben zumeist aus diesen Jurakalken, zuweilen aus Liaskalk, selten aus Muschelkalk; aber man findet keine Gerölle Ton filteren Ge- steinen. Der ausgezeichnete DarsteUer der geologischen VerhSltoisse des Schönberges, Karl Fromherz (a. a. 0. 1837, S. 3(>) satrt am Schlüsse seiner Abhandlung: „Wenn es sich endlich darum handelt, die geo- logische Epoche der vulkanischen Hebung des Schönberirps zu be- stimmen , so rauss ich mich hier auf die Bemerkung beschränken, dass diese Hebung augensclieinlich erst nach der Ablagerung der tertiären Conglomerate erfolgte. Das Vorkommen dieser Conglomerate auf dem hdchsten Gipfel des Schdnberges in einer Höhe von 2000 Fuss

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[54

«nd die Aufriclituii^' drr Schichten ') dieser tertiären Felsarten am Steinenweg bei Ebringen setzt jene Thatsache ausser Zweifel." Wir sprechen nach unseren jetzigen Anschauungen nun weder tou einer ^Tulkanischeii Hebung* noch von einer Hebung flberhaupt, sondern sehen in der steilen Stellung der Tertiärschichten am Schönberg eine Folge des Absiiikens der Schollen in die Rheins))alte. .TtMlenfalls fareffen wir auch hier b(M Fr<'i]tnr«r noch keine Gerölle des (ilrundLrebirges- in den oligocänen Congi(jnu>raten an und linden diese selbst in einer Höhe über dem Meere von 04(3 m.

Endlich wurden die mitteloligocäneu Kalksande auch bekannt auf dem Schntterlindenberg bei Lahr, wo sie gldcbfalls auf dem Oolitfa des braunen Jura aufliegen und mit 8 16**^, an einer Stelle auch mit 10^') in W einfallen; sie lagern dort in 100 200 m absolater Hölle. l)ies(> Kalksande bestehen nach Walchner^) fast ganz ans den Oolithkörnern ihrer Unterlage.

Gehen wir norli wiMter nördlich, so tindcii wir bei lTl)statt und Malsch imKraichgau mitteleotaneSüsswasserkalke aufgelagert aut unterem brau- nen Jura (HurdliBonae-SandBtein); es sind Schichte von demselben Alter wie diejenigen drüben auf dem äastberg bei Buchswefler im Unterelsass. Die Lagerung der Schichten ist schlecht aufgeschlossen: dodi sagt Benecke (a. a. O. S. OOl): .in horizontaler Lage verblieben der Kalk- sandstein von Ubstatt und die jüntreron Tertiärbildungen. " Sodann begegnen wir bei Grossaclisen einer einzelnen an d<'r Hanptverwerfung abgesunkenen Scholle von mitteloligocänem Meeressande, welche unter Löss und nahe einer ebenfalls niedergesunkenen Partie Buntsandstein zu Tage tritt Endlich hangt eine abgerissene Tafel des mitteloligo- cänen Meeressandes am Gneiss in den Vorbergen bei Heppenheim an der Bergstrasse; nördlich daneben steht die Starkenburg auf einem Rest von Bnntsandstein ''). Hier nun besteht der Ifrtiäre Sand«t<^in zumeist aus Trümmertheilfu der granitischen (icsteiiir des Grund- gebirges, an welchem die Scholle liegt; wir erkennen liieraus, dass an der Borgstrasse bereits das kristalline Grundgebirge eiitblösist war, als das mitteloligocäne Meer die Rheinebene bedeckte. Dieser tertiäre Sandstein lagert bei Heppenheim in 300 m absoluter Höhe.

Für die linke Kheinseite heben wir aus der eingehenden Dar- stellung des elsiisser Tertiär von .\ndreae die folgenden hier in Betracht kommeiidcn l'unktc liervor. Die eocänen Kalke in der l^nigegend von Buchsweiler im I iitrrelsass und zu Morvillars bei Beltort lagern wie diejenigen bei Klcinkems in Oberbaden und bei Ubstatt und Malsch im Kraichgau auf Oolithen und Kalken des braunen Jura. In diesen Schichten gibt uns nichts kund, dass die Rheinspalte bereits Yorlianden war. Zur Zeit des obersten Eocän, als sich der Melanienkalk im Sündgau

') Die Schichten lallen nach WNW ein. *) Eck a. 8. O. 1883. S. 101. '1 Platz a. a. 0. 1807, S. 44.

*) Walcliticr. Ut'biT das Vorkommen von Grobkalk am westlichen Kande des Schwarzwaldes, in Leonh. Zeitschr. für Min. 1827. II Ö. 241—240. ^) R. LepsiuB, Mainter Becken 1883, S. 40.

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55] oberrhcinimslie Tiefebene und ihre Bandgebirge. 87

ablagerte, scheint sich da.s schweizer Molassemeer dem Elflass von Süden her genähert zu haben.

Zur unteroligücänen Zeit entstanden die 200 bis 300 m mächtigen Aspluli-, Petrol- und Braunkohlen-führenden Mergel und Kalke in dem Gebiet zwischen Bagenau, Wörth und Weissenbnrg im Unter- elsass nnd bei Altkirch im Sundgau, brackische Schichten; auch in ihnen finden wir keine Andeutung, dass die Schichtenstörungen des obttrrheinischeii Systems bereits begonTioTi hätten.

Erst mit der weit über die Grenzen des südwestlichen Deutschlands ansgedehnteu allgemeinen Senkung zu Anfang der mitteloligocänen Zeit scheinen die ersten Tafelbrüche im Sinne des oberrheinischen Systems entstanden zu sein; denn tou nun an finden wir Klistenbildungen längs der Linien, welche jetzt ungefähr durch die Vogesen- und Schwarzwald-Spalten gezogen sind. Besonders treten grobe StrandgeröU- raassen an der ganzen Länge der Yogesenspalte auf: die bis 30 (in. ja bis 5(1 em grossen Strandfjerölle des mitteloligocänen Meeres lagern zu Oltingen bei F^rtrt im Oherelsass auf unterem weissen Jurakalk (Astartien) und bestehen selbst fast ganz aus diesen Jurakalken; eben- so bei Beifort und Montb^liard. Bei Rödern und Leimbach S Thann und zu Sulz bei Gebweiler sind die Strandgerölle ebenfalls den Jura- kalkeu, aber auch dem Muschelkalk, dem Voltzien- und Yogesen- Sandstein entnommen ; dagegen fehlen vollständig Gerölle von Granit oder Grauwacke, welche Gesteine dort jetzt di<* Rer<re jenseits der Verwerfung bilden. Auf dem 416 m hohen Hullenberg und über liudacii in ca. 390 m Höhe, dann bei Pfalienheim und auf dem 350 m hohen Letzenberg bei Tflrkheim liegen die mächtigen Gonglomerate des mitteloligocänen Meeres auf braunem Jurakalke; aus diesem Kalke stammen auch die meisten Gerölle selbst, daneben finden sich selten Gerölle aus der Trias, niemals die Granite und Grauwacken des Grund- gebirges. Zu Beblenheim bei Colmar bestehen die mitteloli<r<n iinen Meeresstrandgerölle aus Vogesensandsteiu , Muschelkalk nnd .luni- oolithen; bei Ittersweiler, auf der 350 m hohen Gloriette bei Barr und bei Bemhardsweiler vorwiegend aus braunen Jurakalken « am letzteren Orte auch aus eocSnem Sflsswasserkalk. Auf dem Bischen- berg 360 m bei Obere]) ulicim lagern die Conglomerate auf eocänem SOsswasserkalk ; die Gerölle derselben sind Juraoolithe, selten Bunt- sandsteine. Die mächtigen Strandgerölle auf dem Scharrachberg 31 )! m bei Wcdxheim bestehen vorwiegend ans Juraoolithen ; daneben kommen solche aus Muschelkalk , selten aus Voltzien- und Vogesensandsteiu vor. Der 329 m hohe Bastberg bei Buchsweiler trägt über den Oolithen nnd Kalken des oberen braunen Jura die eocänen Braun- koUenmergel und Süsswasserkalke ; auf diesen lagern machtige Massen von mitteloligocänen StrandgeröUen , die siimmtlich den Oolithen und Kalk (Ml des braunen Jura entnonunen sind; die tertiären Schichten fallen hier mit 0 Itj** in NNO ein.

Bis hieriier lagern die mitteloligocänen Schichten stets anf der ausgefurchten Oberflüche der Kalktafeln des braunen Jura, wie in Baden, nicht auf älteren Formationsstnfen; nur im Sundgau und dann noch weiter sfidlich im Schweizer Jura lagern sie auf noch

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Lepsitts,

[56

jüngeren Stufen, auf den Kalken des weissen Jura. Aber am Ab- hänge der Haardt und im Mainzer Becken wird das anders: schon bei Wdrtii, bei Gonsteti und Weissenbnrg liegen die mitteioligoc&nen Conglomerate auf Lias und anf Muschelkalk; auch zeigen eich keine

Jnragerölle mehr, sondern fast lauter Muschelkalkgerolle ; ebenso zn Leinweiler bei Landau (Andreas IT S. 71). Das Profil von Lobsann (zwischen Wörth und Weissenhnrg) zeiLTt , dass die eocänen Petrol- schichten, die Conglomerate des niitteloliiiociiiien Alzeypr Meeressandes und die ebenfalls mitte loligocäneu Septarienthone mit voller Mächtigkeit an der Verwerfung am Vogesensandstein der Haardt abstossen; die Sep- tarienthone fallen sogar etwas gegen die Verwerfung ein, was wir oben (S. 73) als ein Kennzeichen der Tafelbrüche längs der Vogesenspalte hervorhoben. Die Mächtigkeit der drei tertiären Stufen bei Lobsann ist mit ;iOO m noch nicht durchbohrt; der Vogesensandstein des Hoch- waldes steht .l'H) m über Lo])sann empor; die Mächtigkeit der oberen Trills (Voltzien-Sandstein, Mnsclielkalk und Keuper) ist im Lnterelsass nach Daubr^ anf 175 diejenige des Jura bis zum oberen braunen Jura auf 135 m zu schätzen: rechnet man diese Zahlen zusammen, so ])eträgt die Sprunghöhe der Verwerfung zwischen dem Hochwald und Lt)bsann mindestens 910 m. Diese Verwerfung ist nun sicher erst nach dem Absatz des Septarientliones (wahrsclieinlich sehr viel später) entstanden: die Hheinebene bei W'eissenburg hat sich denmach seit der oligücäneu Zeit im Verhältnis« gegen die stehengebliebenen Ilorste noch um wenigstens 910 m gesenkt.

Im Mainzer Becken nun lagern die mitteloligocänen Meereseande auf den Rotliliegenden Sandsteinen; am Hunsrück und am Taunus end- lich auf den Qrauwacken des devonischen Schiefernde] »irf?es.

Wir erkennen daraus, dass die nördlichen Gebiete der ){ heinebene noch lan<(e Zeit ('ontinent waren und denudirt wurden bis auf das Grundgebirge (bei Heppenheim bis auf d("n Gneiss), ehe das mittel- •oligocäne Meer auch in diese Gegenden von Süden her einbrach, w&hrend dasselbe im südlichen Theile der Rheinebene schon längst die Felsen des braunen Jura überspülte. Die Grundgebirge der Vogesen und des Schwarzwaldes waren damals noch nicht entblösst : denn keine Granit- und Grauwackengerölle, sondern nur Jura- und TriasgerÖlle bildeten die Conglomerate an der Küste des f)linv)tänen Meeres.

Auch noch untrüghcliere Zeiclieu der Brandung des tertiären Meeres finden sich längs dieser dauuiligen Küstenlinie: ausgewaschene und ab- gespülte Felsen der Grauwacken und Quarzite am Taunusrande (z. B. nahe Schloss Vollraths bei Oestrich) und der Rothliegenden Sandsteine, Melaphyre und Porphyre in Rheinhessen. Audi sitzen häufig noch ganze Aiisterncolonien fest an den Porphyrfelsen nahe der ehemaligen Küste. Im Elsass aber erwähnt Daubree auch Bohrlöcher von liohrmuscheln am Strande des initteh)li^'()( änen Meeres in den Jurakalken und im Muschelkalke bei Wörth, am Kleinen Bastberge bei Buchsweiler, am Scharrachberg und Dreispitz bei Molsheim, bei Barr und bei Bliensch- weiler.

Die miocänen Süsswasserbildungen haben eine geringere Ver- breitung in der Rheinebene, als die oligocänen Meeresabsätze; in den

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Die oberrheinische Tiefebene und ihre Randgebirge.

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Cerithieükalkeu und Litoriuellenkalken bemerken wir keine Anzeichen TOD bedeatendeo SiÖnuiffeii. Doch werden audi wShrend dieser Zeit die Absenkungen fnNigeeäritten sein; am stärksten jedoch woU wShrend der pliocänen, jfln^rten Tertiärzeit, wo bereits die grossen Seen aus der Rheinebene verschwunden waren und nur Fhissabsätze sich bildeten. Am Anfang der Diluvialzeit waren jedenfalls schon die fTnindffebirge von Vogesen und Schwarzwald fast ebenso entblösst von den ehemala überlagernden Trias- und Jurastufen, wie jetzt: denn in den dilnvialen Couglomeraten der Rheinebene finden wir die Qranite nnd Grauwacken der Grundgebirge ebenso wie Triasgerölle. Die dflnvialen Gletscher in den Beichenstöcken fanden die Thäler, in welchen sie hinabglitten, nicht viel weniger ausgehöhlt vor, als sie jetzt sich darstellen. Dazu brachte der Klioin alpine Gerolle, die vor der diluvialen Zeit nirgends in den älttren Al>Ia<j:erungen des ober- rheinischen Gebirgssjstems vorkommen. Auch während der Diluvial- seit sanken die Trias-, Jura- und Terti&rtafeln in der Bheinspalte noch tiefer, indem gleichzeitig der Rhein mit dem mitgefUhrten Sand, Kies und Schlick die absinkende Fläche wieder aufiMllte. Hundert Meter mächtig liegen */. B. die diluvialen Rheinablagerungen zu Gries- heim in der Ebene westlich bei Darmstadt, und sie enthalten noch in ihren tiefsten Schichten Flussmuscheln und Flussschnecken, wie sie zur diluvialen Zeit am Rheine lebten.

Noch heute geben uns die sahireichen Erdbeben in der ober- und mittelrheinischen Tiefebene kund, dass diese Bewegungen im Simie des oberrheinischen Gebirgssystems noch nicht zur Ruhe ge- kommen sind; jedesmal wenn eine durch die Senkungen entstandene Spannung im Erdgewölbe ausgelöst wird, lassen die Ein})rüche den Boden unter unseren Füssen erzittern. Dagegen erhuiben die Schutz- dämme, welche jetzt den Strom seiner ganzen Länge nach von Basel bis Mainz yon der ihn umgebenden Ebene abschliessen , dem Rhein nicht mehr, die allmählich tiefer smkenden Flächen der Tiefebene mit seinem Schlicke aufzufüllen; in Folge dessen werden, besonders, am Mittelrhein, die Ueberschwemmungen bei der Hochfluth immer gefahr- hcher und bedrohen immer weitere Gebiete, so dass in fliesen Gegen- den schon ernsthch die Frage erörtert wird, ol) es nicht thunlich wäre, zu dem holländischen Poldersystem überzugehen, den Getreidebau in den Niederungen in der Nähe des Rheines wieder au&.ugebea und, wie frfiher Yor dem Bau der Dämme, zur Wiesencultur nnd zur Viehzucht zurückzukehren.

Dieselbe Erwägung, die wir aus der geologischen Geschichte des oberrheinischen Gebirgssystems gewonnen haben , nämlich dass die Ra.ndt;ebirge der Rheinebene durch langsames aber lange andauerndes Absinken der Trias- und Juratafeln sowie des Tertiärs entstanden sind, giebt uns auch die richtige Erklärung des eigenthümlichen Ver- laufes der Fltlsse im Stromgebiete des Rheines: der Neckar, der Main, die Zorn, die Mosel, die Saar, die Nahe und der Rhein selbst konnten deswegen die Gebirge, durch welche ihr Unterlauf geht, durchfliessen nnd durchschneiden . weil ehemals die Landstrecken ihres oberen und mittleren Laufes in einem höheren Niveau als jetzt sich befanden. In

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90 Upsius, [58

der langen Zeit vom jüngsten Tertiär an durch das Diluvium bis in die jetzige Pf^riode war das; südwestlichf Deutschland ein Continent, auf welchem Flüsse ihr Bett eingruben ; wälirend derselben Zeit sanken die Schichtentafebi in der Rheinebene sowie in dem schwäbisch-fränkischen und in dem lothringischen Seukungsfelde immer tiefer ab, sodass sie sich xran in einem bedeutend tioferen Niveau im VerHlltniBS zu den weniger tief abgesunkenen oder stehengebliebenen Horsten Sehwars- wald, Vogesen, Odenwald nnd Haardt befinden.

Sc hl aas.

üeberblicken wir noch einmal die dargelegten Verhältnisse der oberrlieinischen Tiefebene und ihrer Kandgebirge, so lassen sieh die Resultate unserer Betrachtungen in die folgenden Sätze kurz zu- sammenfassen :

1. Das krystaUine und palftotoisehe Gnmdgebirgef waches in den Kernen der Bandgebirge zu beiden Seiten der Rheinebene zu Tage

tritt, wurde am Ende der Steinkohlenzeit durch tangentialen Druck von SSO her in zahlreiche Falten mit ONO-Streichen zusammengeschoben.

2. Von der Ablagerung des oberen Rotbliegenden an h'is zur Zeit der oberen Jura-Formation war das südwestliche Deutschland vom Meere bedeckt: Schicliten von 1200 1500 m Mächtigkeit lagerten sich während dieser langen Zeit ohne jede Störung allmählich Aber dem Grundgebirge ab.

3. Während der Kreidezeit wurde das südwestliche Deutschland wiederum Continent und blieb es bis zur neuen Ueberfluthung durch das mitteloligocäne Meer.

4. Von der Tertiärzeit an bis jetzt bildete sich das im allgemeinen in NNO streichende oberrheinische Gebirgssy stem heraus: rings um die weniger tief einsinkenden oder stehenbleibenden Horste brachoA die Formationen in viele Tafeln auseinander und sanken mehr und mehr nieder östlich in dem schwäbisch-fränkischen, westlich in dem lothringischen Senkungsfelde und mitten zwischen den Horsten in die aulldaffende Rheinspalte.

5. Quer durch die Ramlgebirge entstand eine Senkung in der ONO- Richtung des Grundgebirges, östlich im Kraichgau zwischen Schwarz- wald und Odenwald, westlich im Zabemer Hügellande zwischen Vogesen und Haardt

6. Die ersten grösseren Bewegungen im Sinne des oberrheini- schen Gebirgssystems s))rechen sich aus in der Küstenbildung des mittel- oligocänen Meeres. Dieses Meer drang von Süden her in die ent- stehende Tiefebene ein. verbreitete sich allmählich bis zum Mittelrhein- gebiet und blieb als ein Meeresarm in Verbindung mit dem schweizerischen und norddeutschen Meere bis zur oberoligocänen Zeit, wo die Aus- sflssung des Wassers in der Rheinebene begann.

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Die oberrheiniadie Tiefebene und ihre Randgebirge. 9I

7. Am meisten beigetragen /nr jetzigen Gestaltung des ober- rheinischen Gebirgssystems hat die jüngste Tertiärzeit.

8. Auch während der Diluvialzeit dauerte die Absenkung der oberrheinischen Tiefebene tort. Zu Anfang dieser Zeit brach der Kheiu in die Tieföbene eis lud flUlte dieselbe in der Folge fortdauernd mit seinem Schotter aof , so daas die d^uvialen Bhein<%ande und -Kiese jetrt bis zn 100 m m&ditig die abgesunkenen Tafeln der filieren For- mationen bedecken.

9. Noch jetzt nehmen die Bewegungen im oberrheinischen Ge- birgssystem ihren Fortgang, wovon die Erdbeben uns Kunde geben.

10. Wenigstens um 2500 m sind die Trias- und Jurataiein in der Bheinebene swischen den höchsten Theilen von Schwarswald und Vogesen von der Tertiftneit an bis jetzt niedergesunken.

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Inhalt

I. Einleitung [3] 35

Q. Orogrsphische Uebersicht [8] 40

1. Die Vogesen . . . ! [8] 40

2. Der ßchwariwald [12] 44

8. Di« Haardt [14] 46

4. Die beiden Senken bei Zabeni and im Kraickigaa . . . [15] 47

5. Der Odenwald . ^ [16] 48

6. Die Rheinebene . ' [18] oO

7. Die äusseren Grenien der vier Randgebii^ge [18] 50

III. Der ppologischp Ban [20] 52

A. Das ürundgebirge [21] 53

1. Im Schwanwalde . . . . [21J 53

2. Im Odenwalde [27] 59

8. In den Yogeaen [29] 6t

4. In der Haardt [32] 64

B. Die Trias- und Jura-Tafeln [36] 68

1. Am Siidrande des Schwarzwaldes [39] 71

2. Am üstrande der Rheinebene [39] 71

8. Am Sfldrande der Vogesea [41] 73

4. Am Weslrande der Rheinebene [4Sf\ 74

5. Die änaaere Abdaehnng des Schwanwaldet [47] 79

6. Die änaaere Abdaehnng dee Odenwaldes [49] 81

7. Die äassere Abdachung; von Vogesen und Haardt . . [50] 82

C. Die tertiären Ablagerungen in der oberrheinischen Tiefebene [51] 88 Schlus« [58] 90

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I

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25

1: Wier? IV. techn. Hoc^ism^^

FTmtmtmmmnmTffnTimnmffmm^

Forsclumgcn

zur dentsehen Landes- und Volkskunde

tm Auftrage der

CeiitraIk<«uiii8rioii für wiMenediaftliche Landeskunde- von Demtaehland

henuiagegeliea von

l^gl D'- Richard Lehmann,

Profmor d«r JSrdkoad*^ an d«r AkMlemie su Münster i;W.

JBrster Band, Heft 3.

DIE STÄDTE

Norddeutschen Tiefebene

IN IHRER E

«8 ZDB

Boden gestaltung.

F. G. HAHN.

der Eidkimd« ui der Pnlvewitftt Leipsig.

STUTTGABT, VERLAG VON J. BNiSELHORN.

188Ö.

LfifkXß: u m 1 rniiTmirnninrnq

illiiiim»JllllUUl)UI'Mn""«f»"''"H«lMUtM"UUt"UM'lll"M"'"'H»»'"f>

IlllllltllUlllrJ

PROSPEKT.

'fj^^^ie ..F(»r.s( liuiigeii zur deutschen Landes- und Volkskunde*' wollen dazu heltVii, »^^Idie heiniisclieu landes- und volkskuudlichen Studien zu fordern, indem n^ie auj UBb allen Gebieten derselben bedeutendere und in ihrer Tragweite über ein blosi (Srtliches Interesse hinausgebende Themata herausgreifen und darttb^ knrzere wissen-

8chaftllclie Abhandlungen hervorragender Fachmänner bringen. Sie woll» n fVriuT aut solche Weise zugleich dahin wirken, dass die l>» züoTichen in den rerschiedenen Teilet unsore^J Landes betriebenen Forschungen melir, als dies bisher meist der Fall war unter einander in Verbinduucr kommen. Endlich wollen sie auch dazu beitragt n, das Interesse für diese Studien in den hölier gebiideteu Kreisen unseres Voikes leb« hafter anzuregen und allgemeiner zu machen.

In r&umlicher Beziehung werden sie sich keineswegs auf das Gebiet des Dentsches Reiches beschränken, sondern soweit auf mitteleuropäischem Boden von geschlossener Yolksgemeins( haften die deutsche Sprache gerch t wird, soweit soll sich auch, ohii< Rücksicht auf staatliche Grenzen, der (it siihtskreis unserer Sammlung nusdehnen Da aber die wissenschaltliche Betrachtung der Landesnatur die Weglassuug einzebiei Teile aus der physischen Einheit Mitteleuropas nicht wohl gestatten \vtirde, so sollen auch die von einer nichtdeutschen Bevölkerung eingenonmienen Gegenden desselbeil samt ihren Bewohnern mit-znr Berücksichtigung gelangen. Es werden demmach aussei dem Deutschen Reiche auch die Länder des cisleithaiiischen Oesterreichs abgesehen Ton (T ili/icn. Bukowina und Dalmatien, femer die ganze Schweiz, Luxembui^, Niederlande und Belgien in den Rahmen unseres L^nternehraens hineingezogen werden. Ausserdem .sollen nocli die Sachsen Siebenbürf^ens mit berücksichtigt werden uml auch Arbeiten über die grosseren deutscheu \'olksiusehi des russischen Reiches nich; ausgeschlossen sein.

In sachlicher Hinsicht lassen wir die Landes^ und Volkskunde in weitem Slime. Ks werden demnach ebensowohl Arlxiten über Bau und Belief des Bodens, fibet fossile Schätze desselben und ihre Verwertung. Über Klima und Hydrographie, Pflanzen- und Tierverhreitunsj^. wie ül»er die antliropologLschen und etlmologischen Verhältnisse der Bewohner, ihre Mundarten, iiu'e rännilirhe A'erteilung und deren Dichte, ihr Wirtschaftslebeu und dessen natürliche und örtliche Bedingungen, ihre Sagen, Sitten, Bi&uche u. s. w. hier Aufiiahme finden kennen und auch Landesver- messung, Kartographie und Geschichte der Geographie in angemessener Weise zur Berüi ksichtigung gelangen. Durch Verbindung mit zalüreichen namhaften Fach- gelehrten ist dafür gesorgt, dass thatsächlich schon in näherer Frist eine grösser*- Zalü dieser verschiedenen (Tehiete zur Bearl)eitnng gelangen wird. Gleichwohl wird daduri h keineswegs ein Chaos heterogener Sp»'zialar)>eiten entstehen. Der leitende Gedankt! in allen Einzelarbeiten, da» innere Band, das sie trotz des mannigfaltigsten Stoffes doch unter einander zusammenhalten wird, bleibt eben, abgesehen von der Ctemein-' samkeit der räumlichen Umgrenzung, die wechiielseitige innere Beziehung der ein- zelnen Gegenstände unter einander. So wird der geologische Bau einer Landschaft nicht behandelt werden, ohne dass zugleich die dadurch bedingte Gestaltung des Reliefs und Zusammensetzung des l^odens erörtert und die Folgerungen mindestens angedeutet wenleu, welche sich wiederum aus diesen beiden Faktoren für die auf diesem Boden hausende organische Welt, ganz besonders aber für die Gestaltung deis wirtschaftlichen Daseins der Menschen, ergeben. So wird ferner der Vegetaticms- Charakter einer Gegend hier nur erörtert weiden kSmien im Zusammenhang einer- seiis uiit den ursächlicli einwirkenden natürlich«! Faktoren, wie Rdief und petoo- graphischer Charakter des Bodens, Temperatur- mid Bewässerungsverhälbiissc u. o.. anderer.seits mit seiner Beeinflussung der übrigen Lehewelt, i^nn/ besonders der

menschlichen Existenzbedingungen u. s. w. Und in analoger Weise werden Abhand- niiA«* Wi«4tt»li<il^«lAl«Am ^^ber \ olki^ar^ VnlIrttwMifiMU««»«* V/^ttifltüiSfiLbyhiwi^

"S -V

DIE STÄDTE

DER

N0EDDEUT8CHEN TIEFEBENE

IN IIÜtfiR BEZIEHUNG ZUR

BODENGESTALTÜNG.

VON

F. ö. HAHN,

PAOFEIMÜB l>£B EKOKDNDE AJt DEB CSIVEUalTAT LEIPZIU.

STUTTGART.

VEllLAG VON J. ENÖELHOKN.

1885.

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Druck von Otbrädsr Krtatr In Stnttgm.

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Inhalt.

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Einleitung [Ö] »7

Waiult-nu)«,' duirli NorrldentM liland von Loiy.zijf bis zur Ostsee S. ffi] iü. üedtutuug iltr Te'mimfoniien ISorddeuUchlands für die Be- siedelung 8. [8] 100. Aufgaben und Grenzen der ge<^prapbi8chen Siedelungslefare S. [8] 100.

Ereter Abschnitt [10] 102

Die Flu.ssniederungen und Sümpfe unseres Gebietes S. [10] 102. IKe Uebergangsstellcn und ihre militäri^jche Bedeutung S. [12] 104. Die Brückenstftdte S. [13J 105. Die Spree S. [141 106. Lübben S. [Vy] 107. Cöpenick S. [15] 107. Berlin S. [IG] l*i^. Brandenburg S. [10] III. Havcllx-rtr S. [19] III. Breslau S. [20] 112. Bartsch und Prosua S. [21] 11;',. Die Netze S. [22J 114. Die Weicli^el [2:1] 115. Ermeland .S. [23] 11-5. Leij.zig und Halle S. [24] II»"-. .Magdeburg S. [25] 117. Die Moorgrbiete de.^ Nordwestens S. [2»;) 118. liremen S. [27] 119. Die oldenburgifichen Moore S. [27] 119. Die Fehn- colonien S. [28 1 120. Papenburg S. [29] 121. Flussvereinigungen im Flathlanil»' und ihre Bedeutung S. [•^()] 122. Festungsstädtc an Flu88vereiuigungen S. 131] 123. Flusskrümmungen ä. [33] 125. Die Alle nnd ihre üferstädte 8. [341 126.

Zweiter Abschnitt [35] 127

Die norddeutschen HOhenrOcken S. [35] 127. Der Fläming S. [36] 128. Die Lüneburger Haide und das Innere Holsteins S. [36] 128. Seenreichthum der Höhenzüge S. [:57] 129. Typen der Städte an I^andseen S. [38] 130. Malaien S. [39j 131. Mecklenburgische See- ort.- S. [40] 132. Holsteinische Seeorte S. [41] 133. Die Ränder dt r H.'ihen/.äge iiti'l ihri- l?edt utuiig S. [42] 134. Randstädte S. [43] 135. Elbing S. [44J i3ü. Dan/.ig S. [44] 136. Stettin S. [45] 137. Magdeburg, Braunschweig und Hannover S. [45j 137. Marsch und Geest S. [47] 130. Orte am Geestrand in Schle.swig- Holstein S. [48] 140. An der unteren Elbe und in Ostfriesland ä. [50] 142. Fruchtbarkeit und SOdtevertheilong S. [52] 144. Bannwteiial S. [52] 144. Mineralachfttze S. [53] 145. Stanfart 8. [54] 146.

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Inhalt

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Dritter Abschnitt * [55j 147

Küstoutypen, welche in Dout.schhmd vorkommen, S. [ob] 147. Die 0.«it«ieeküste und ihre Städt«' in« All^joiuoincni S. [oH] lAS. Riga S. [57] 149. Memel S. [08] löO. Könij?sl)erg 8. 15u. Das

Frische Haff (.j'j] l-M. Daiizi-,' und die Weichsehniinduiig S. [r)!ij l-M. .Stettin und die Odenuiludmif^en 8. |<)0] l.')2 Die Küste Hiuieii>unuuerns S. [02] lö4. (Jreifswald und Stralj'und S. pi] 1"»'). Kugen S. [tj2] 154. Rostock und Wi.inar S. [(H] 15t;. Lübeck S. [♦>')] 1")7. Die Schleswig-Holsteinischen Föhrden ^. [iJ-^j 157. Kiel Js. 158. Die üchlei Ü. |_U7j 159. Die deichtVeien Strecken an der Nordsee 8. [68] 1CK>. Flossmllndungen und Städte .1'. ler Nordsee S. [im] 161. Wilhelnishafen S. [70] 1G2. Knul.<n fe. 1701 lt>2. Bremen und seine Vorhäfen ö. |71J liiS. Hamburg und (fie Elbe S. [72] 164. Hamburgs Beziehung zur Küsten« gestaltung S. [74] 166. Hamborg und Lübeck 8. [75] 167.

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Einleitung.

Treten wir aus der fruchtbaren Gegend von Leipzig und Halle in nordöstlicher Richtung eine Wanderung durch die norddcntsrhe Ebene an . so verlassen wir die leicht wellenförmigen . ertnigrt ichen Ebenen, welche jene Städte auf der Ostseite umgeben, sehi* bald. Schon VeTOr wir die Mulde kreuzen, betreten wir zwischen Tauehft, Delitzsch, Düben und Eflenbnrg leichten sandigen Boden mit einzelnen Torge- Behobenen Kiefernwäldern. Rasch nimmt mit dt r Tnite des Bodens Zahl nnd Volksmenge der Dörfer ab. Jenseits der Mulde erreichen wir die Dtlhener Haide, einen der grö.ssten zusammenhängenden Waldhezirkr der mittleren El))lihider. Nur einzelne Lichtungen tragen hier l)örli r oder kleine Städte, es giebt aljtr auch weite Strecken, namentlich au der anhaltischen Grenze und zwischen DUben, Schmiedeberg und Chr&fen- hajnichen, in denen selbst solche Lichtungen ganz fehlen. Bei Eem- berg ei l . i( hen wir den Beginn der Elbniederung, überschreiten den Strom selltst und müssen jetzt den niedrigen, aber geographisch durchaus niclit uinvir hti'j-eii Rücken des PMäniing übersteigen. Noch am An- fang unseres .laluhunderts wurde (Kr Fläming sehr wenig beachtet. Zur Zeit, als Hermann Berghaus seine Wanderungen durch die Mark Brandenburg antrat (1815), zeigten die besten damals vorhandenen Karten so geringe Andeutungen jenes Landrück^s, dass der Reisende nördlich von Wittenberg ein ganz ebenes Land zu finden erwartete Aiirli die Sotzmann'sche Karte vom ITerzogthum Magdeburg und den ben:i( hl. arten Ländeni zeigt an Stelle des Fläming nur einige ganz un- vermittelt aufsteit;eiule Bergkuppen. Der Fläming zeichnet sich a]u>r wenigstens an seinem Südrande und auf der Höhe seines Rückens durcli fast gänzliche Abwesenheit eigentlicher Gipfel aus. Daneben ist die Armuth an fliessenden Gewässern sowie an grösseren stehenden Wasser- becken sofort bemerkbar. An kleineren Tümpeln und Teichen fehlt e.s jedoch nicht ganz, ebenso ist die Waldarmuth des Fläming noch nicht so gross, als sie häufig dargestellt wird. Der mittlere, am meisten besuchte Theil d»-^ Fläming längs der Berlin- Anlialtischen Eisenbahn ist freilich gerade der waldloseste. Reichlich vertreten sind auf dem

') Berghaus, Landbuch der Mark Brandeuburff, Band 1, Brandenburg 1854» 8. 592 ff.

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Fläming nur «,'(»l('<^''f'ntH( Ii xom Wassor iroftllltc Sflihicliten und Trocken- thäler, wi'lclic <l('r Fliuniiighewolmer wohl liununrlii nennt, nach Ber'_'- haus' Vermutliung (a. a, U. S. 5G7) au> dem Grunde, weil das rasch abfliesseude und bisweilen wie im Karst versinkende Wasser einen dumpfen Schall Terureacht. Die Etörfer des Fläming liegen in ziem- li( h grossen Abständen von einander, Städte fehlen auf der Höhe selbst durchaus. Der Nordrand des Fläming ist etwas schärfer ausgeprägt, hier giebt es Gipfel wie den HagolslM ig liei Beizig, den Golnil)erg zwisclien .Jüterl)og und Baruth und nicht wenige andere, welche, von dee niedrigen Landschaften an der Notte, Nuthe und Plaue aus gesehen, sehr hervortreten.

Wir verlassen den Fläming , von dessen Höhe wir vorwärts bis zu den Havelgegenden und rih kwärts bis zum IVtersberg sehen konnten, und betreten waldiges, sehr flaches Land, welches uns sofort durch seinen weit grösseren AVas^erreichthum auffällt. Mfigen wir die alte Heerstrasse über Treut'iil»rit t7,'ii oder die Eisenbahn über Lnckeiiwalde eingeschlagen haben, innner wenlen wir im ersten Falle bei Beelitz und nochmals bei Saarmund, im zweiten Falle bei Trebbin eines jener höchst aufTalligen und ftir den landschaftlichen Charakter der norddeutschen Tiefebene so bezeichnenden alten Flussthäler zu jiassiren haben, welche meist in ostwestlicher Richtung das Tiefland durchziehen. Bisweilen werden sie von grösseren Flüssen und Strönu^i streckenweise beinit/.t, meist aber eiitlialten sie nur einen kleinen, langsam tliessenden, nicht selten mit verschiedenen Flussgebieten in Verbindung stehenden Wasserlauf, dessen geringe Grösse zu den Kaumverhältuissen des Thaies in sofort bemerkbarem Missverhältniss steht. Einige ermangeln jeg- lichen fliessenden Gewässers und enthalten nur sumpfige Wiesen, da- zwischen Teiche und Seen. In unserem Fall haben wir es bei Trebbin lind Saarmund mit der Nut he. l»ei Beelitz mit einem westlichen Zu- flüsse derse]})en zu tliuii, welelier nach \Vesten hin in der Verlängerung des alten Thaies auch mit der l'lane und hierdurch mit der Havel bei Brandenburg in Verbindung steht. Die geologische Bedeutung dieser erloschenen Thäler zu erörtern, ist diesmal nicht unsere Auf- gabe ; ihre Bedeutung für ^'erkehrswege und Siedelungen dagegen wird uns weiterhin noch mehrfach beschäftigen.

Für jetzt ersteigen wir von Trebbin oder Saarmund aus eine kleine, zwischen die alten Thalläufe einijeschaltete Diluvialinsel, die Landschaft Teltow, auf welcher uns zwischen Lichterfelde und Britz schon eine Anzahl der kleinen runden oder ovalen, über das Plateau yershreuten TUmpel auffallen, denen wir bald noch häufiger begegnen werden. Wir flberschreiten dann das im Verhältniss zur mässigen Wasser- menge seines Flusses offenbar ebenfalls viel zu breite Spreethal, welches Viif^r auch nichts anderes ist. :ils ein Stück eines vom südlichen Polen bis zur Alier, Weser und .lalide zu vertolgenden erloschenen Flusslaufes, und sehen uns jenseits auf einem neuen , diesmal etwas grösseren Diiuvialplateau, der Landschaft Ba r n i m ^ ). Hier ganz besonders bilden

') Die Kurte Girurd's zu seinem Buche: Die norddeutsche Ebeue zwischen Elbe und Weiehsel, Berlin 1855» ist hierzn no^ immer mit Nutien su gebraudioi.

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Die Sadte der norddeutschen Tiefebene.

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jt_-ne kleinen Seen . Tümpel und Kolke einen Hciu|)U:liar;ikterzug der Laudscliut't. Sie sind bald reihenweise aiigeurduet, bald gauz uiiregel- mSssig auf den Hoehebenen zerstreui. Die neuen deutsdien General- stabskarten lassen gerade diese kleinen Wasserbecken in ihrer gewal- tigeii Anzabl sehr scharf und deutlich hervortreten. In geologischer Beziehung sind diese Tümpel, wie Berendt ^) gezeigfc hat, weit wichtiger, als man bis in die neueste Zeit unnuhin. für unsere Zwecke werden sie aber nur dann bedeutsam, wenn sie grösseren Umfang erreichen. Aber auch eigentliche, von diesen Tümpeln wohl zu unterscheidende Seen werden im nördlichen Theile des Landes Barnim schon häutiger, und nach TJeberschreitong eines neuen Thallaufes, welchen der Finowkanal zur Ver)»indung der Havel mit der Oder benutzt hat, stehen wir am Sudrande einer neuen Landhöhe, wt-Mier man wegen ihres Seenreich- 1 ;>n< iferailezu den Namen der mecklenl)urL(isch-pommer'schen Seenplatte 'j;c;^eben hat. Der landschiiftliche Charakter dieser nur einen Theil des grossen Landrückens, welcher den Südrand der Ostsee von Litthauen bis Schleswig-Holstein und Jütland umgiebt, bildenden Seenplatte ist in den belehrenden Schriften des mecklenburgischen Geographen Boll sehr gut geschildert worden Auch hier sind die Blätter der neuen Reichs- karte (besonders Nr. 117 Güstrow, l&O Goldberg u. a.) mit grösster Anerkennung zu nennen. Klar zeigen sie das wirre Durcheinander der kleinen Höhenzüge und einzelnen oft wie Maulwurfsliaufen grup- pirteu Berge, welche den Rücken des Plattau.s bedecken, der zahl- reichen regellosen Flussläufe und Trockeuthäler , der massenhaft auf- tretenden kleinen Kolke und grösseren, unregelmässig gestalteten Seen.

Auch diese Karten beweisen, dass die Landschaften des nord* deutschen HöhenrUckens weit davon entfernt sind, ein so einförmiges Bild zu bitten, wie der Süddeutsche bisweüen annimmt. Jrder, wer den mittleren und östlichen Theü Mecklenburgs aus eii^ener Ausehauung kennt, wird von der reichen Abwechslung zwischen Thiilern und Höhen flberrascht gewesen sein, die er dort fand. Einförmig und noch flacher ab die firuätboren Landschaften an der Saale und Elster, in denen wir unsere Wanderung begannen, sind dagegen diejenigen Striche Vorpommerns, welche wir, etwa bei Neubrandenburg oder Demmin von der Landhöhe herabsteigend , jetzt noch zu durchwandern haben, um das Meer zu erreichen, (rnisscrc Seen finden sich hier selten, auch Waldungen treten sehr zurück, fruchtbare Ackerflächen und Wiesen Uberwiegen durchaus. So erreichen wir endlich die hier flache KUste der Ostsee.

Wir haben auf unserem W^^ schon eine ganze Anzalil der charakteristischen Landschaftsformen der norddeutschen Ebene vorläufig kennen gelernt. Wir sahen die fruchtbaren, l)ald wellenf(irmigen, bald ganz flachen Ebenen, die mit Nadelwäldern bedeckten Sandgebiete, die kaiüen und wasserarmen Höhen ebenso wie die an Seen und Waldungen reichen ausgedehnten LandrUcken, die breiten sumpfigen

') Zoitachrift der Deutsch. Geolog. Gesellschaft Bd. 22, 1880, S. 56 und Tat VII. Jaiurbuch der Eönigl. Preuss. Geolog. Landesanütalt Bd. 1, 1880, S. 279. ') Besonders ia der , Mecklenbmgichea Landeskunde", Wismar 1861.

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Hahn,

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ThSler noch Torhandener oder erlofichener FlUsse. Um das Bfld voll- st im di: /u niilclion, werden wir aus dem deutschen Nordwesten noch die HaideUi die Moore und die Mar^clu n. nus dtm Nordostoi die aus- ffedflinten, nicht blos an Thäler geknüpft» n Siimplwaldunp^en , endlidi Ktistenlandschaften wie die Kreideklippen Kii^tns. die 8trundsecn, La- gunen und Haffe Preussens und J^tninierus , die Dünen der Kurisehen Nehrung und der hinterpommer'schen Küste, die Föhrden Holsteins und Schleswigs, zuletzi die einförmigen eingedeichten Küsten der Kordsee hinzuzufügen hahen.

Die Höhendifferenzen aller dieser Landschaftsfoimen sind nament- lich im Westen der Elbe sdir bescheiden, Erhebungen von 10<*- IHOm über dem Meeresspiegel gelttn schon als nn^flnilit lie Berge und Land- marken und werden in den Landesbeschreilningt n sorgfiiltig verzeichnet. Aber die einfadien Gegensätze zwischen Landhöhe und Niederung sind in ihrer Art nicht weniger auf die Grflndung, das Wachsthnm und die gegenwartige Vertheilung der Ortschaften Ton Einflnss gewesen, als die Bergmassen und Thäler der A\]m\ oder der deutschen Mittel- gebirge. Nur ist in der norddeutschen Ebene nicht sowohl die Höhen- lage selbst das Bestimmende, als vielmehr die Amderuiigen in der Zusammensttyiing und Ertragsfahigkeit des Bodtns. uelelie oft an ge- ringfiigige Hoheudifl'erenzen geknüpft sind. Ferner >pielt in der Tief- ehene die Begehharkeit des Terrains eine grosse Rolle, aher in anderer Weise als etwa in den Alpen. Wie in den Alpenlandem die Pässe die Uebersdireitung der Gebirgsketten vermitteln, giebt es auch im Tieflande zahlreiche und in ihrer Art nicht minder wichtige Passe. Es sind die Streifen trockenen, für Kriegszüge und Hnnddskarawnneii, für rhausseen und Eisenbahnen zugiinglidien Bodens zwischen Stcn. Sümpfen und 1 hissniederungen. Wir werden uns bald näher mit ihnen zu beschäftigen haben. Bei Berficksichtigung dieser Satze und nach ihrer Prüfung an Beispielen kann man sich der Uebeizeugun^ nicht Terschliessen , dass Ansiedlungen und Verkehrswege in dem an- scheinend so einfadmi norddeutschen Tieflande sogar noch strenger von ihrer Naturumgebung abliü!i^''en als in den Gebirgslündern. Nur muss man sich bei diesen Untersudnmgen vor einer Uebersehreitung der Grenzen der Geographie gegen die Gesdiidite hüten. Die Ver- theilung, das Wo und bis zu einem gewissen Grade auch die Anlage, den Qrundplan, die Physiognomie der Städte, das Wie können wir allerdings meist auf geogi'apliisdie Momente zurückfüJiren. Die natilr- liclien Vorzüge, welche der Situation einer Stadt anhalten, sind aber von der Bevölkerung nicht immer in gleicher Weise benutzt worden. Die Bedeutung, Grösse und Verkehrsstelluiig einer Stadt in den ver- schiedenen Perioden der Geschichte ist daher nur zu euiem Theil das Ergebniss physisch-geographischer Verhältnisse, zu einem anderen und oft grösseren Theile aber aus dem Gange historischer Ereignisse abzu- leiten, deren nähere Erforschung und Darstellung dem Geographen nicht obliegt. Wir dürfen auch nicht annehmen, dass eine bestimmte geographische Eigenthündidikeit einer Stadtpositi<m immer in demselben Sinne gewirkt liabe; feste gesicherte Lage z. B. erwies sich in iinrnbigen Epochen wohltlmtig und fordernd,, in friedlichen vid eher naditlieiiig.

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91 Sie Stftdte der norddeatFcheB Tiefebene.. ... 101

Diejcnifxen Städte vccrcltii am ^H-horsten eine einfliissrciilie Stellung' Ijebaiipttn , welclie so reich an jj;Kit:v: ],'\ii^< lie,«: ^'o^KÜ^Vii- yi«p< liif (lf n('r Art sind, dass die wechselnden An^prüclie und Verkelirshedürinii^fc.e alter mtd neuer Zeit gleicbmassig befriedigt werden können. Es wird dann bald der eine, bald der andere Vorzug der Stadt mehr in den T(»dei^nuKl rücken. Wird eine solche Stadt, auch noch durch den frang der Geschichte hegünstigt und werden die Vortheile ihrer Lage klar erkannt und riehtif^ "iM inifzt. so entwickeln sich Ansiedlungen, wie w sie in unstrtni (i(l>ietf weise in Berlin und Hnnihurg be-

sitzen. Sind nur einzelne begünstigende Momente vorhanden, ho werden Perioden des Aufsteigena mit aoläen des StiBstandes oder Sinkens ab- wediseln, je nachdem jene Momente gerade Werth besitzen oder gering geachtet werden. Besonders energische Anstrengungen der Bewohner oder grosse Begllnstigungen durch die Landesregierung können jedoch auch einer solchen Stadt noch eine nehtungswerthe, wenn audi iii< ht aus- Klilii;/ut li» ii(le Stellung verschafitn. lUiss es daneben eine ISlenge von kleinen Ötüdten iu Norddeutschland giebt, welche kaum irgend welchen natOrHchen Vorzug ifir sich in Anspruch nehmen und darum auch wohl nie eine sehr mS^ge Bedeutung überschreiten können, versteht sich Ton selbst. Auch der ausdauerndsten Mühe eines Regenten würde es nicht gelingen, sagt Bernhard v. Cotta mit Recht Dingelstädt oder Breiteiibach in Tliilringen. Altenberg oder Marienberg in Sachsen in Städte ersten Hanges zu verwandeln.

Es kann allerdings vorkommen, dasä Städte auf so zu sageu geographisch unzulässigem Platze gegründet werden, wenn eine t&t» kräftige Regierung einen ganz bestimmten Zweck dort erreichen will. Dieser Zweck kann in der That, wenn auch nach Besiegung sehr grosser Schwierigkeiten, schliesslich erreicht werden, die Blüthe einer solchen Stadt wird jedoch fast immer eine einseitige bleiben. Fülle dieser Art werden wir nur sehr wenige zu betrachten halnn. Andererseits aber ist es iu Xorddeutschland auch nur sehr selten vorgekommen, dass eine Position, welche der Geograph als höchst günstig bezeichnen muss, Willig unbenutzt geblieben ist

Manche Geographen, welche sich mit diesen Fragen beschäftigt haben, wie u. A. der anregende J. G. Kohl, legten zu viel Gewicht auf die weitere Umgebung der zu besprechenden Stadt, auf ihre Be- ziehungen zu ausserdc iitsf li( n. selbst aussereuropäischen Ländcni und liesseu die Untersuchung des Bauplatzes der Stadt und der näheren Umgebung mehr als wünschenswerth zurücktreten. Die Gründuns und erste Entwicklung einer Ansiedlung wurde aber weit mehr durch kleine Eigenthümliclikeiten des Baujdatzes. « tAva eine hohe sichere L'ferstelle, einen kleinen See, an den sich die Stadt anlehnen konnte u. A. bestimmt al?« durch Rücksiehti ii auf Beziehungen, an welche wohl jetzt, aber nicht schon vor Jahrhunderten g( dneht Averden konnte. IManehe Städte waren trefflich zu Verkehrsmitteipuukten kleiner Kreise geeignet, traten aber zurück, als ganz neue grossartigere Yerkehrsbahnen geöffiiet wurden; andere filhrten lange eine bescheidene Existenz, bis die Gegenwart die

)) Beatschlands Boden Bd. 2, Leipzig 1854. 8. 10.

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102 .• : üahn, [10

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grossen VortkiAi^,« .ü^rör.Lage, orkairiit-' nii'l benutzt*-, wt-lche bei dem eugereu G!^clil&^-taiy« \fLi*gi5?i*^*;itir Jahrhuuderte unbeachtet bleiben musste. Als Städte, welche sowohl für den örtlichen als für den Fem- verkehr gleich trefflich geeignet waren, können Torläofig hier wieder

Berlin und Hamburg genannt werden. Ich halje im Allgemeinen mehr Gewicht auf die Betrachtung der ])liysis( hen Verhältnisse des Bauplatzes und der näliereu L^niLreliuni,^ der berucksiclitigten Städte gelegt und die sogenannte Weltstellung" der Stadt luir au>iiahms\vt.Mse gestreift. Uebri- geus liegt l)ei Erörterungen der let^tt-ren Art die Grefuhr immer recht nahe, in allgemeine, schon khngende, aber inhaltslose Betrachtungen za rer^ fallen. Das Terrain der Stadt, der Boden und die Gewässer ihrer Um- gebung müssen filr den Geographen immer die Gnmdlage der weiteren Untersuchung bleil>en, historisclit' Tnat-^arlien und Notizen dürfen in geographischen Werken nicht um ihrer sel!»st willen, sondern nur zur Erläuterung der Wirkimg jdivsisrher VerhäUiii^>e auf die Entstehung und Entwicklung der betreffenden 6tadt herangezogen werden.

Im Rahmen einer kurzen Abhandlung können selbstverständlich nur die Grundgesetze, welche die Beziehungen der grösseren Ort- schaften und wichtigsten Verkehrswege Norddeutschlands zu den Terrain- formen bestimmen, aufgesucht und durch einige Hauptbeispiele erläutert werden. Es wird sich licr;in'->l"rllen . d;iss bei aller Mannichfalti'jfkeit der einzelnen Erseheinuiiuru diese ürundgesetze weder sehr zahlreich noch besouder.s verwickelt sind.

Erster Abschnitt.

Als die grössten Verkehrshindernisse in der norddeutschen Tiefebene konnten stets die SUmpfe und Moore betrachtet werden. Unter diesen waren ^vi( der die Sflmpfe in den FlussthSlem am lastigsten, da sie nicht

wie die Flächenmoore unigjingen werden konnten, sondern an dazu ge- eigneten Punkten wolil oder übel gekreuzt weivlcn mussten. Jedenfalls war die Uebersclu'citung der dm Fluss eiin alinicnden .Suni])fstreifen oder der moorigen, jetzt flusslosen Thäler schwerer und aufhältlicher als die des Flusros selbst, zumal wir bedenken müssen, dass es noch am Schlüsse des Mittelalters beinahe an aQen ReguUrungs- und Entwftsserungsarbeiten fehlte und die Transportmittel und der Zustand <lcr Wege etwa auf der Stufe .standen, wie heute im nfirdlichen Russland. Noch im 18. Jahr- hundert, kurz vor dem Beginn der grossen Uegulirung einiger der ge- fährlichsten und ödesten Sumpfnieih rungf'n unter Friedrich Wilhelm I. und Friedrich IL, wird die Niederung des Oderbruches zwischen Küstrin und Schwedt als ein gewaltiges, von zahlreichen regellosen Flussarmen durchzogenes Sumpfland geschildert, welches zweimal jährlich, um die Fastenzeit und in d< i Glitte des Sommers, tief unter Wasser gesetzt wurde ^). Nach jeder Ueberschwemmung zeigten sich grosse Verande-

^ Berg haus, Londbaoh der Mark Brandenburg, Bd. 8, Brandenburg 1850» 8. 45 ff.

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Di6 Städte der norddeutächeu Tieiebeue.

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ruDgen in der Bicktang und Wassermenge der einzelnen Flussarme. Aber auch Epidemien unter den Bewohnern der nicht zalilreielien, auf den wenigen Höhen gelegenen und gegen d:is Wassor durcli Deiche und Wälle nach Möglich1\eit n<»cli mehr g( ■^irlu rti n l)<irlrr begannen dann autzutreten. Nur im Winter kruiiit»- *Hc Niederung eiiiii^ermassen bequem pasisirt werden, sonst gab e.s nur ganz wenige Verbindungswege, Ton denen nicht leicht abgewichen werden konnte. Sogar die alte Hauptstrasse von Berlin nach der Neumark stand streckenweise je nach der Jahreszeit unter Wasser. Aehnlich sah es im Wartlic- und Xetze- l»ruch aus'). Das Wartht_'])iurh war eine „fast unbekannte Wilstenei'*, T\ie Ber«rhiui< a. a. (). sagt, in welcher fast nur der Fhiss selbst als Strasse benutzt werden konnte. Drirt'er lagen nur ganz vereinzelt auf etwas gescliutztereu Stellen. Am unwegsamsten war das untere Bruch, nahe der Vereinigung der Warthe mit der Oder. Unzugänglich war aach der grösste Theil des Netzebruches, über welches nur wenige aus Baumstämmen und Pfahlwerk hergestellte Ue])ergiinge fülirten, ebenso das ()l)rabruch. die Bartschniederung und andere Sumpfslriche.

Da^ lehrreiche Kärtchen, welches Otto Delitsch ül)er die alten Flu«:stiiäler Norddeutschlands znsanmiengestellt hat, zeigt uns die grosse Zahl die.ser Thäler deutlich genug -). Weichsel, Netze, W arthe, Uder, Spree, Havel, Schwarze und Weisse Ekter, Ohre, Aller und Weser be- natzen streckenweise diese Thäler; wo sie es thun, bekommen sie Neigung zur Zerfaserung in zahlreiche Arme, zur Bildung von Alt- wasj^em und Bayous; sie nehmen geradezu einen mississippiartigen Charakter an. Auch kleine F'lüsse. wie /. B. die Fuhne zwischen Halle und Kothen, konnten durch ilu' breites, suinjdiges Thal wiclitige Terrain- absclmitte und Ijedeutende Hindernisse namentlich für Truppeumärsche werden.

Wohl sind jetzt viele dieser sumpfigen Niederungen regulirt und entwässert worden. Wo sich einst die Wüsteneien des Warthebruches ausdehnten, wohnen jetzt zahlreiche Men.schen in Einzelhöfen und ge- schlossenen D«>rfern, das OdnrVinieh. die Dbraniederung und viele andere haben eine neue (b-stalt angenoniinen und sind viel leicliter zugänglich geworden. Trotzdem bleibt noch sehr viel zu thun übrig. Das Oderbruch ze^ im Norden und Westen der sogenannten ^Insel Neuenhagen") noch Reste der froheren Wüstenei; ähnlich steht es im Warthebruch mit der immer besonders öden Strecke von Sonnenburg bis Küstrin, Zwischen Sonnenburg und der Oder liegt noch jetzt kein einziges Dort Olli r einzelne Ansiedlung: Wiesen, feuchte W älder, Seen als Beste ab- gt'storbt in 1- Flussarme erinnern an den frülieren Zustand. Die l)eiden Spreewäider, die Lewitz in Mecklenburg, Theile des Drömliug in der noTinz Sachsen sind nur die bekanntesten einer noch immer sehr grossen Reihe ahnUcher Brüche und Niederungen. Es ist auch nicht

') Berghauä Bd. 'S, S. 89 u. ö. Deutschlands Oberflächenform, Breslau 1880, Tafel I.

•) Eine Insel wurde dicsos kleine, in das Bruch hineinragende bandstück «rst im 18. Jahrhumlert durch die Anlegung des neuen Durchstiches zwischen Glietzen und llohcnsathen.

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Hahn,

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ZU orwarton (und aus nietrorologischen (irimdcn «owie aus Rücksielit auf die höchst interessante Fauna und Flora der Sihni)le für den Geo- graplien auch gar nicht einmal erwünscht), dass diese Sümpfe in ab- sehbarer Zeit sämmtlich urbar gemacht werden; die aufzuwendenden Mittel würden sehr bedeutende sein und die Resultate wobl nicht Überall 80 günstige und lohnende wie im Oder- und Warthebrucb.

Auch für unsere heutigen Verkehrswege sind die Sümpfe der Fluss* niederungen noch keineswegs zu unterschätzende Hindernisse. Eisen- balnun und I.andstrassen können ilincn nicht gnnz aus dem Wege gehen, machen aber gern Umwege, um wenigstens die schwierigsten Stellen zu vermeiden. Die Dammschüttungen und Brückenbauten in diesen Niederungen gehören immer zu den kostspieligsten und aufhSltUchsten Bauten. Dies zeigte sich bei dem Bau der Chauss^Cf welche die Hark mit der Provinz Posen verbinden sollte. Man hatte, trotzdem andere Richtungen möglich gewesen wären, den AVeg von Kü'-friii durch den ol)en erwälinten Theil des Warthebruches auf Sonnenburg gewälilt, um die Festung Küstrin nieht zu unigtdien. Nun niusste al)er ein langer und hoher Damm aufgeschüttet und mehrfache liegulirungsarbeiten au den Hussen vorgenommen werden, welche von der Regierung för wichtig genug gehalten wurden, um in einer eigenen Abhandlung beschrieben zu werden Den Cisenbahnen boten schon die kleineren Thalniede- rungen (oft Fliesse genannt; ih r Name bezi< lit sich bald auf die Wasserader selbst, bald auf das ganze Thal) Schwierigkeiten genug zu überwinden. Als im .bilirc 1S4<) die Starganl-Poseiicr F^isenbahn ang»'b <:t wurde, versank am Uebergaiige über das Wutziger Fliess bei Woldeii- berg der aufgeschüttete Erddamm so beharrlich, dass bis zur Tiefe von memr als 40 m ein fester haltbarer Boden erst künstlich geschaffen werden musste. An einem benachbarten Fliess, dem Merenthiner *), mussten 20 Monate lang 2 3<>0 Arbeiter mit Schüttung eines festen Damraes «birdi den immer wieder nachgebenden Moorboden bescliüff iüft werden. 1 )er Moorboden und eine darunter Itetindliche MergelseliK iit quollen zu beiden Seiten des Dammes hoch auf und befanden .sich nat Ii Vollendung des Baues 5 6 m Über dem Niveau des Sumpfes, unter dem sie sonst verborgen waren'). Nur dies eine Beispiel aus emer grossen Reihe vorhandener wollte ich anfbhren.

Jedenfalls geht aus diesen Erörterungen hervor, dass diejenigen Punkte, an denen der Uebergang über so hinderliebe Terrainformen leichter ist als an anderen Stellen, für unsere Zwecke ganz besonder-? wichtig sein werden und dass ferner diese Uebergangsstellen durci» lange ZeitriLume hindurch ihre Bedeutung bewahren müssen. Denn ein Abweichen von dem trockeneren und bequemeren Pfade zwischen Sümpfen ist noch schwerer denkbar als das Abweichen von einem einmal als

') Buuau^^fl^hnlngen des Preusüi!*chen Staat»^ Rd. 1, Rerlin 1^42. S. 143 ff., aut Karte. Dieses Werk ist ein Vorliinfer der bekannten, auch reiches geoj^pbi- ■ehee Material besonders in hydrog^rn]ihi8clier Beziehung bietenden Zeitschzilt ftr Bauwesen. Einiges auch bei n*<rghaii,s n. a. O., Bd. 8, 8. S3 ff.

^) Reymann'.s Spezialkarte Blatt til,

') Odebrecht in den Monatüberickten der Berliner Gesellsehait für Erd- kunde. Neue Folge, Bd. 6^ 1848—1849, 8. 115 ff.

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Die Stildte der norddentscfaen Tiefebene.

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InMii. hliar t rkaimteu Gebirgspass. Durch Spren^juni^en uml maiicherlt'i Kun>tliautfii kann eine neue (}»'))irgs.strasse hergestellt und dit; ältere in diu 6chatteu gejjtellt werden; ganze Gebii'gsketten können, wie ge- nde die G^^uwart zeigt, diirckbonrt und so der Verkehr ganzer Alpen- linder nmgistaliet werden. Dagegen hat man sich kaum je dazu eni- schlos-ien, einen vorhandenen Pass durch Sumpthiederungen aufzugeben uA iliiuclu u und in grösserer Entfernung mit vieler Mühe einen neuen irotkeuen und sicheren Weg zu bahnen. Ancli heute wird man dies nur da ausführen, wo ganz besonders wiciitige Interessen auf dem I,- stehen. Die l>e\ölkeruiig der nurddeutscheu Tiefebene ist aber nur selten so dicht, um so schwierige Bauten erwQuscht oder nothwendig m machen. Selbst in der Nahe der grössten StSdte reichen die vOr- handenen oft in sehr alte Zeit zurückgehenden, wenn auch vom Fuss- und Saumpfjid allmählich zur Chausst^e und Eisenbahn gewordenen Ueliergänge meist noch aus, wie die langen brückenlosen Strecken der Spree und Havel in der Mark Brandenburg, der unteren Elbe. (k»r Unter weser uud auderer Flüsse zeigen. Wulil konnten iu früheren Jahrhunderten Rttoksichten auf die Sicherheit yor fdndlichen Angriffen n einer VemachlSssigung des bequemeren aber minder sicheren Ueber- ganges über ein Luch oder Flless führen. Soltald aber friedlichere Zeiten eintraten, brach sich der Verkehr wieder .seine gewohnte Bahn, ujid die Wold sichere, aber weniger günstii; gelegene, etwa üeber- iRliweinmungen ausgesetzte Strasse verödete wieder. Es entspannen sich iu Krieg^zeiten in der norddeutschen Tiefebene sehr häutig Kämpfe um Behauptung uud Eroberung der Ueberg'äuge über die Flusst^ler, welche ZQ ganzen Landschaften den SchlOssel bildeten. Daher die häufige Wiederkehr von Schlachten und Gef^n Ilten an der gleichen Uebergangs- >telle. Besonders auffällig ist dies in den an da.s Deutsche Reich un- mittelbar angrenzenden polnischen Landschaften, deren physische Xatur niit der Xorddeutschlands fast völlig übereinstimmt und namentlich die ofterwähnten alten Thalrinneu iu reiclilicher Menge aufzuweisen hat, £b genflgt, an die Namen Pultusk (Schiachten 1703 und 1806), Ostro- lenka (1807 und 1831) und die zahlreichen westrussischen Orte zu er- umem, bei denen es sowohl auf dem Hinwege als auf dem Rückzüge der nrrn.s. n französischen Armee im Jahre 1812 zu Gefechten kam. Auch bei den oft wiederholton Kämpfen um Leipzig spielte die Lage •lieser Stadt an einem brauchbaren Üebergangspuukte über die weiter abwärts wie aufwärts schwerer zu kreuzenden Thäier der ELster und Fleisae eine wichtige Rolle.

Dass llberhaupt an üebergangspunkten über Flttsse und Thaler gern Ortschaften entstehen mu>-t< u. bedarf keines Beweises. Der tebergang war meist mit Aufenthalt verknttpft, bisweilen mus.ste man ta^'o-, >'elbst wochenlang auf eine Besserung der Was.ser- «xb r Eisver- bältuisse warten^). Da wurden ächutzhäuser iUr die Karawanen, ilire

') Dies geschah an der W»'ic'hsol noch bis zur Erbauuir_' !• r Diis* havier Brücke 1ÖÖ7, an der Memel bei Tilsit noch bis in das letzte Jahrzehnt. Uekaunt iit die Schwierigkeit de« Elbflberganges zwischen Hamburg , und Harburg vor der Eib&onng der gnnen. Brücken.

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lUü

Uahn,

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Zug- und Lastthiere und Waaren noihweadigf Handwerker siedelten sich an, und zuletzt kam auch ein Schanzwerk mit Besatzung zur Deckung des Ueberganges sowie eine Kirc-lio (xU r Kapelle hinzu.

Welche Vorzüge mussten a!)er die zum Uebergauf^ geeigneten Oertlichkeiten bieten? Diejenigen Stellen waren oft'enbar die günstigsten, an denen die Breite des Thal» s niöglielist gering war. Mun sm lite, so weit es irgend ging, auf trockenem holiem Lande an den Fluss heran- zukommen, und wir finden deshalb mit merkwürdiger Regelmüssigkeit yiele in das Sumpfland der Thftler Torspringende Halbinseln mit ge- wöhnlich sehr a1t< n Städten und Ortschaften besetzt. Am gOnsti^ten ist es, wenn beide Üt'er des Thaies einengende Vorsprtinge zeigen, doch wurde auch schon fH<* günstige Gestaltung nur eines Ufers selten unlu nutzt gelassen. Waren Inseln im Fluss. so konnten sie den Ueber- gang dann sehr erleicliteni, wenn sie nicht all/.u niedrig und auch nicht zu gross waren. Umströmte ein Fluss eine sehr ausgedehnte Insel, so wurde die Ueberschreitung der beiden Hauptarme durch einen anzu- langen Zeitraum getrennt, und konnte nicht mehr wohl unter dm Schutze und mit den Httlfemitteln einer und derselben Ansiedlung aus- geführt werden. Man passirt lieber einmal einen etwas breiteren Strom als heute den ersten Arm und morgen oder übermorgen vmter Wieder- holung des ganzen umständlichen l'roces.ses den zwtiten. Anders lag die Sache, wenn die Insel so klein war, ddua beide Stromarme etwa im Verlauf eines halben Tages fiberschritten werden konnten, dann konnte die Arbeit gleichsam durch eine einzige Anstrengung bewältigt werden; die Wassermasse des Stromes aber war doch in erwünschter Weise gethcilt. Eine kleinere Insel konnte an( Ii <lun li eine Ansied- lung ganz ausgefüllt und ausserdem gut vertlieidigt werden. Noch unter dem Schutz der Mauern und Stadtthore konnte die Uebei-schreitung der beiden Flussarme vollzogen werden, die durch Anlage von Brücken- kSpfen am anderen Ufer oft noch mehr gesichert wmxle. Sehr Tor- theilhaft war es, wenn eine beiderseitige Einschnürung des Thaies durch trockene Höhen mit einer günstig gelegenen Insel zusammentraf; wir werden bald einen solchen Fall kennen lernen. Nachtheilig war allzu niedrige, üeberschwemmungen ausgesetzte Lage der Insel, noch mein* ihre Zersplitterung in eine Keihe all/u kleiner Bruchstücke und Eilande. Hie und da konnte auch eine Furth im Flusse, eine Stein- oder Kies- bank den Uebergang erleichtem, jedoch lockte dieser Umstand allein selten einen wichtigen Handelsweg herbei, wenn sich nicht andere Vor* zOge damit vereinigten.

Nach diesen zur Verständigung nothwendigen Betrai htungen müssen wir uns einigen der lehn"eichsten Heispiele zuwenden. Betrachten wir zimächst den Lauf der Spree vom Spreewalde ab. 1 >er gnj.ssere ,.()bere Sj^reewald" ist von dem weniger au»gedehuten unteren nur durch einen ziemlich schmalen Isthmus getrennt. Dieser Isthmus war froher noch schmiler % jederzeit aber auf einer 40 km langen Strecke (von Peitz bis zum Prahmsee, oder, wenn man will, bis Beeeiow) der einzige wiik-

>) Berghaus, Landbuch Bd. 3, S. 646.

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Die Slädte der oorddeutschen Tiefebene.

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lieh braii<liV>art' T'eber;i:aiijif. Hii'rlicr zitlfen denn aufli von i)<t und West mfhicre Strassen'], hier entstand die Stadt Lübben, in ilirer Anlage noch durch die hier stattfindende milssige Inselbildung der Spree »wie dnrcli die Richtung des Ton Südwest kommenden und sich hier mit der Spree rereinigenden Flfisschens Berste begünstigt Vielfache Oefechte und Bestürmungen während des dreissigjährigen Krieges bezeugen die strategische Wichtigkeit des „Passes von Ltil)ben''. Das südöstlich von Lübheri am Westrande des Oberen Spreewaldes gelegene Lübbenau ist uur eine Kandstadt (vergl. den nächsten Al>s< Iniitt) und )>eherrscht keinen Thalübergaug. Unterhalb Lübbeus zeigt uns die Frankfurt- Leipziger Eanstsfamase , welche die hier weit nach Osten ausbiegende Spree noch zweimal ttherschreiten muss, zwei weitere Uebergangspunkte beiTrebatsch und Beeskow^), welche beide sein- merkliche Aehn- lichkeit mit der Gegend von Lübben haben und schon lange vor der Zeit der Kunststrassen einen bescluMdenen örtlichen Verkehr vermittelt haben. Dass nicht an jeder dieser llebergangsstellen eine Stadt ent- stand, ist bei der wenig dichten Bevölkerung des wald- und sumpf- rachen Landes nicht aufSftUig.

Kur zweimal noch, bevor wir Berlin erreichen, zeigt das Spree- thal aufl^ige Pässe. Zuerst nach eiin r längeren, nur von ganz kleinen Dörfern und einzelnen Häusern schwach belebten Strecke bei Fürst en- walde. Hier treten südlich die wichtigen Kauenberge bis auf kaum 1 km an den Strom heran. Auch im Norden rückt gerade hier das Iiüdersdorf-Müücheberger Hügelland, em Theil des Plateaus von Barnim, niher an die Spree, hldbt jedoch immer noch 2 2*/t km dayon ent^ femt Die aus Nord und Süd' bei FOrstenwalde zusammenlaufenden und hier die Spree kreuzenden Strassen sind wiederum sehr auf!ßdlig. Das nächste Stück des Spreelaufes konnte weder zu Ansiedlungen reizen noch Strassen heraTv/iehen , es ist eine noch dichtbewaldete, gegen Nordwest von grösseren Seen «Inrchsetzte Gegend, welche die ziemlich gewundene Spree hier durchzieht. Erst bei Cöpenick hören ^ Seen und Flusstheiltmgen plötzlich auf; hier finden wir denn auch eme der ältesten und in früherer Zeit wichtigsten Städte der Mark, welche jedoch, wie sich gleich zeigen wird, nicht ohne geographischen Grund hinter Berlin so weit zurückgeblieben ist. Cöpenick war haupt- •sächlich ein strategisdi wiclitiger. gegen Angriffe gut gesicherter Platz. Die Lage auf einer Spreeinsel ermöglichte sowohl die Beherrschung des Spreeverkehrs, der durch den hier in den südlichen Spreearm (Wendische Spree) einmündenden D ah mefluss eine besondere Wichtig- keit hatte, füs die Ueberwachung der den Fluss kreuzenden Handels- zQge, die jedenfalls die Insel berühren mussten. Brückenköpfe, die sich spater zu Aveitläufigen Vorstädten herausbildeten, lagen an beiden Spree- ui'em sowie aui' der Kordspitze der grossen, die Müggelberge tragenden

') In Lübben kreuzen sich die wichtigen Landstra^sen von Berlin nach (lörlits nnd von Frankfurt (Oder) nach Leipzig, ^rstere hält sich jedoch immer westlich *0n beiden Tln-ilen des Spri-^ wnlrlr^ und Überschreitet die ^pree hier nicht.

Bei dem grösseren Dorfe Trebat«ch liegt, durch die Spree von ihm ge- trennt, der kleine Ort Sabrod, in dessen Namen vieUeicht das damische brod = Ueberfohr steckt Dies würde auf frühe Benutcung dieses Passes deaten.

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Ualin,

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lusel zwischen den beiden Spreearmen. Indessen waren die Flussarme bei Cöpenick zu breit (noch »eeartig) zur l^equemen Ueberschreitung das unmittelbar angrenzende Terrain ist meist niedrig und die ganze Situation der Stadt der Hntwicklung eines grossen Handels- und Ver- krhrsplatzes jedenfalls nicht hervorras^end gOnstig. Sobald daher die Rücksicht auf die cfesicherte und gli ii lizeitig zur üeberwachung geeignete Lnj^e nicht iiitlir <lie ausschla<rfrclnnde war, verlor die Inselstadt dtu grössten Theil ilii'er einstigen Bedeutung. Unterhalb Cöpenicks bleibt das Thal über eine Meile laug flach, und die Uöhenränder treten hier weit zurOck. Diese Strecke ist noch immer wenig belebt, wenn audi die unmittelbare NSbe der Qrossstadt manche kleinere Ansiedlung hervor- gerufen bai

So erreichen vnr endlich B e rli n. Jeder, der die Umgegend von Berlin und die Stadt selbst mit einiger Aufmerksamkeit durclnvandert hat, muss den Gegensatz des nie<lrigen Alluvialgebietes des Spreethaies und der beiderseitigen Diluvialhöheu im Süden und Norden der Stadt rasch bemerken. Wir lernten schon oben diese Höhen als die Land- schaften Tdtow und Barnim tinen. Die Generalstabskarte zeigt uns aber, dass gerade bei Berlin die Höhenränder sich am meisten nähern. Der Nordrand des Teltow zieht sich von den hNillbonjen bei RixdoH über den Kreuzberg gegen ^^'illnersdorf hin. Der Südrand des Barnim reidit noch mehr in die Strassen des heutigen Berlin hinein, die nörd- lichen und nordöstlichen Stadttheile liegen schon auf Diluvialboden und zeigen stark ansteigende Strassen Die Spree aber, welche auf der ganzen Strecke von der Mündung des MüUroser Kanales bis zur Ver- einigung mit der Havel nach Karrer's Ausdruck «im erborgten Bette'' fliesst. d. h. das alte, tur sie viel zu breite Oderthal benutzt, bildet hier eine Insel von mä.ssiger Gnisse. Die Insel aber war nicht ganz flach, .sondern hatte einen Hügel aufzuweisen, der gegen die grösseren Ueber- schwemniuügen jedenfalls Schutz gewälirte. Wii- müssen doch wohl den Namen der Ansiedlung, welche auf dieser Insel entstanden war, Cöln oder Kölln mit der bekannten slavischen Bezeichnung Kobn, Golm oder Köllen für einen einzelnen, aus .sumpfiger Umgebung heraus- r^enden Hügel in Verbindung bring<'n. Erleichtert wurde hier die Stromüberschreitung und die Bebauung der Insel noch durch den Um- stand, dass zwei Landzungen, von den Höhen des Barnim und des Teltow ausgehend, sich dem Südende der Insel Cöln selir näherten^). In der That ist auch die Insel weit frtther an der SOdspitze als im nördlichen Theil bebaut worden. Jenseits des rechten Spreearmes aber entstand ein Brttckenkopf, der erste Kern des späteren Berlin. Die

^) Jetzt sind Brflcken und lange Dämme Torhanden.

Vgl. Karrer, Dn- Hoden der Hauptstädte Kii ipas, Wien 1881, daselbst den Diirchschuitt auf b. 44 u. 45. Für eiuliUäUcher«j btudien ist Lossen, Der Boden von Berlin, Berlin 1879, mit seinen zahlreichen DorehBchnitten unent- behrlich.

Fidicin, Hauiitmoniente aus der (beschichte Berlins, Berlin 18Ö8, mit lehrreicher Karte. Daselbst 8. 0 auch über den Namen Cöln. Vgl. auch die Karten zu Klöden's Werk: Ueber Pintatehiuig, Alter Und früheste Oesdiichte der Städte Berlin und Kölln, Berlin 1839.

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Die Städte der norddeutacben Tiefebene.

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Lii^c (Ir 1 )<>ppfl>ta<lt Berlin-Cöln war für den Verkehr eine günstige, die Sicherung gegen Feinde aber minder vollkommen als bei Cöpenick, Spandau oder Brandenburg, da die Spreeinsel hier nicht so wie bei jenen Orten durch breite seeartige Flussanne umgeben war. So konnte Berlin erst in friedlicheren Zeiten und unter dem Sdmt/e einer starken Refficrung die grossen Vorzüge, welche ihm sch<jn die Beschaffenheit der allernächsten Umgebung gewälirte, voll ausnutzen.

Zu diesen Vorzügen kamen aber noch andere, welche in der ^'er- lutiiuug (ier Tliiiler und der trockenen höheren Striche in der Mark tief begründet sind Die Stelle, an welcher die Annftherung zwischen Teltow und Barnim stattfindet, war für den gesammten von Süd und BDdwest nach Norden und Nor<losten gehenden Verkehr der gebotene üebergangsjjunkt über die Sj)ree-Havellinie, der nur dann von seinen viel ungünstiger gelegenen Xel)enV)uhlern in den Sciiatteu gestellt wurde, wenn ilie politischen Verhältnisse mehr auf Sicherheit ak auf Bequem- lichkeit und Kürze des Weges zu sehen zwimgeu.

Denken wir uns, wir kommen wie auf unserer einleitenden Wan- denmg vom Flftming herab und haben die OdermUndungen oder Vor- pommern zum Ziel, so werden wir uns gewiss nicht in die sumpf-^ *een- und flussreichen Landschaften im Südosten Berlins (heutiger Kreis Beeskow -Storkow) verlocken lassen, um dann Ikm Fürstenwalde oder Bee'ikow nlüll<^;lln die S|u-' e /n überx hreiten. Noch viel weniger aber werden wir uns der LandschalL Za ucli-Belzig zuwenden. Da hätten wir zanachst mehrere besonders breite Thäler zu überschreiten und würden bei Brandenburg den flATelübergang unternehmen. Der Lauf der Harel würde uns zwingen, oberhalb Spandaus diesen breiten, seenreichen Fluss luxh ein zweites Mal zu überschreiten, um unsere Kichtung nicht ganz zu verlieren. Schlagen wir aber den mittleren Weg ein. so gelangen wir, nachdem bei Trebbin das letzte Suinpfthal überscliritten ist, auf dem trockenen Boden der Landschaft Teltow au die Spree, wo wir den beque- meren üebergaug bei Berlin dem Tiel beschwerlicheren bei Cöpenick sicher vorziehen werden. Jenseits können wir dann auf ziemlich langer Strecke die gleichfalls tr-xkene Landschaft Barnim benutzen. Aber auch wenn wir von der Elbe l)ei Magdeburg herkämen und die Oder etwa bei Frank- furt erreichen wollten, würde der Sjn*eeübergang bei Berlin für uns der vurtheilliafter^te sein, um dann die alte Berlin-Frankfurter Land- fetrasse zu verlblKeu, welche nicht ohne Giiiud deu weiten Umweg über Hfinchebeiv ma^fte, wo sich ihr fast immer trockener guter Baugrund bot Der verkehr innerhalb des westlichen Theiles der Mark war so- mit in ganz bemerkenswerther Weise auf den Spreepass Ton Berlin angewiesen.

*) Schon vor ujehr ah 40 .Taln en luit Kl öden die geof^raphische Lage Ber- liM in dem eben genannten Hiulie S. 17—30 mit richtigem geographiBcheni Dlick «Ärt^rt, Man vgl. hcine Tafel I. Die Ausführungen bei Kohl (Die geographische Lage der Haui)t.sti\dte Kuroi>aV. Leip/iLT l.**74. S. :{M ff.) ontfernen K\rh bisweilen aUzmreit von der rein geograpliischen TeiTainbetraciuung und wollen zu viel be- woiiieD. Kohl versucht hier, wie auch sonst mehrfach, rein historische Entwick- lungen geographisch zu begründen.

Wonüaatgtn rar d«nt«chen L»odM* und VoUuka&de. I. 8. 8

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Halm,

Auch in der Zeit der Eisenbahnen ist das Zusammentreten der Schienenwege in den trockenen Strichen nördlich und sOdlich von

Berlin ( In auffallig, so viel wir auch hierbei der Grossstadt, welche

di«' ]*]iseiil)ahnen herbeizog, ihrerseits wiedw zurechnen können. Aber es fehlt den von rlin aiiscrehenden Bahnen an solchen A^erhindungs- linien. wie sie die Bulinnetze um f.ondon und l*ari.s reichlich aul'zuweisen haben. Die Havel ist von Oranienljurg bis Spandau und wieder von Spandau bis Rathenow '), die Spree sogar von Berlin bis Cottbus ohne jeden Eisenbahnübergang. Man vergleiche damit die zahlreichen Eisen- Dahnbrücken, welche über Seiin . Marne und Themse in einem Umkreise von etwa -jOkni um Paris oder L<Mldon geschlagen sind. Freihch würde eine Kingbahn, Wfklie Berlin etwa in 10—50 km Ab>tiind umgäbe, mit grossen Schwierigkeiten 7.u kiimpfen haben. Zalilreiciie Brücken- und Danmibauteu wären in dem nicht einmal dicht bevölkerten Lande nöthig.

Dürfen wir die Bedeutung Berlins für die Mark mit vollem Recht aus der Yertheilung der Wasserlaufe und LandhShen ableiten, so müssen wir uns doch hüten, auch die Bedeutung der Stadt für die gesammte norddeutsche Ebene oder gar für das Deutsche Reich nur auf geo- gr;t])his('he ^lomente zurückzuftihren. Wir dürfen nur soviel sagen, dass Berlin dnnli die geographischen Verhältnisse st-iner Umgt lnmg nicht daran verhindert wurde, staatlicher Mittelpunkt des Deutschen Kelches zu werden. Hätten es die Verhältnisse mit sich gebracht, dass Cöpenick, Spandau, Potsdam oder Brandenburg an die SSelle Berlins als Haupt- stadt getreten wäre, so wäre durch die Energie der Fürsten und die Bi f ri< 1<s;inik^t der Bewohner die Entwicklung einer Grossstadt auch dort dun liaus möglidi Lr^-wesfu. nur würden die Schwierigkeiten und Hindernisse, welche Bauplatz und nächste Umgcliung einer bedeutenden Vergrösserung der genannten Städte entgegenstelk n, schwerer und laug- samer zu überwinden gewesen sein als in Berhn. Statt der zusammen* hängenden Masse Berlins, welche jetzt aus dem Spreetbale auf die rei(£lich Platz bietenden Höhen des Teltow und Barnim hinaufsteigt, würden wir es dann mit weit ausgedehnten, durch grosse Wassei-flächen getrennten Städteanlagen nach Art von Boston. Storkholm oder Peters- burg zu tliun haben. Eine solche Zersplitterung bietet wohl manche Vortheile, wenn es sich um eine Stadt mit Seeverkehr handelt, iin Binnenlande würden aber die !Xachtheile namentlich die schwierigere Heranftihrung der Bahnlinien gewiss sehr überwiegen.

Unterhalb Berlins treten sorort die Hdhenränder wieder zurück, der Fluss strömt zw ischen feuchten Wiesen hin. Eine rasch vorüber- gehende nochmalige Einengung des Thaies zwischen der Nordspitze des Gnmewaldes und di'u unerheblichen Höhen hei Haselhoi-st bleibt wirkungslos, da die Spree hier keine Erleichterung des Uebergangs bietet und die Zugäuge von beiden Seiten versteckt und weniger bequem liegen. So wird die Vereinigung der Spree mit d&c Havel erreicht, welche durch die Wasserfestimg Spandau bezeichnet wird. Spandau

Die HavelbrOdcen bei Potsdam admeidai nur ein weit nach Sftd ans*

biegendes, ^eearti^ erweitertes Stfick des Flusses ab und sind nicht als ,Ü^Mr* gftnge* in unserem Sinne zu rechnen.

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Die Stftdte der norddentschen Tiefebene.

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wird mit den übrigen nicht e1)en zahlreichen norddeutschen Städten, welche an Zusaninienflüssen j^rr)sserer >itrr)me lie'ren, zu l)etrachten sein, für jetzt setzen wir unsere Fuhrt noch auf der Havel eine Strecke tbrt und überzeugen uns sehr l)ald, dass die hier wie fast auf ihrem ganzen Lauf sehr breite seeartige Havel zu keiner Zeit eine Rolle als stSdte- anlockender Fluss gespielt haben kann. Potsdam, in einer an Wäldern, Hligeln und Seen sehr reichen Gei^^end ziemlich versteckt gelegen, ist eine der alten Grenzfesten Albrechts des Bären an der Nutlie- und Havellinit'. V.< h;\t seine gegenwärtige Bedeutung lediglich der Vorliebe der hrauilt nlaHL,n>ch-preussis(hen Herrscher für diese Stelle der Havel- uter zu verdanken. Säiumtliche Wohugebäude Potsdams wurden von Joachim I. an bis auf den König Friedrich Wilhelm II. auf Kosten der Eurftirsten und Könige hergestellt Geographische Momente sind hier nicht vorhanden. Auf der Weiterfahrt berühren wir noch mehrere unbedeutende Städte, darunter die Inselstadt Werdrr. welche schon durch ihre Lage andeutet, dass Sicherung gegen Angrilfe und daneben etwa noch der Fischfang in der Havel das Ziel der ersten Ansiedler gewesen ist. Die Lage von Brandenburg erinnert uns wieder an Cöpenick. l^randenburg ist als Uebergangsort Aber das Haveltfaal ent- schieden nidit sehr gOnstig gelegen. Nur im Norden treten Höhen bis in die Nähe des Stromes, im Süden dehnen sicli anselmliche Wieseii- flikhen ans, durch welche sich nur im Südwesten ein ganz schmaler Zug unbedeutender Erhebungen hinzieht, an den sich die von Branden- burg nach Ziesar führende LandstrassL- anlehnt. Ein Uebergang bei Brandenburg erschien wenig ratlisam (s. o.), da man gegen Westen und Osten nochmals die Havel, gegen Norden aber das nocb schwerer zu flberschreitende havelländische Luch zu passiren hatte. Es konnte somii nur der Gang der rein histori^ 1 i Begebenheiten, bei denen die vorzügliche strategische Lat^e der den Flus.slauf belierrschenden IhmI- und Halbinsclstadt schwer in das Gewicht tiel, an Brandenburg Zeitweilig eine liangstellung und Macht übertragen, lUr welche ein verkehrsgeographischer Grund nicht vorlag.

Jene ungünstige, inselai tige Gestaltung des auf drei Seiten von der Havel, tas£ der vierten von dem eben erwähnten Luch eingeschlossenen eigentlichen Havellandes Hess auch die noch Übrigen kleinen Passorte an der Havel wenig Verkehrsbedeutung gewinnen, trotzdem Plaue einen leidlich guten U*'l>erLcang an einer der seltenen Stellen, wo die Havel schmäler ist und an beiden Seiten von Höhen eingerahmt wird, darbietet und auch iiatiienow desselben Vortheils nicht ganz ermangelt. Zwischen Rathenow und Havelbei^ lenkt die Havel in die von Osten kommende Senke des Luch ein. Diese Strecke ist besonders unwirth- li< h. Havelberg selbst litgt pliysisch wie politisch schon ausser- lialb der Landschaft Havellan«! und wird zur Priegnitz geredmet. Es ist geographisch sownhl als Fiand- wie als Brückenstadt zu Itezeichnen. Havelbej^ liegt zum Theil auf den hier ganz nahe au die Havel heran-

Derghaus a a. 0. Bd. 1, S. 532, woselbst da.>« Einzelne höchst ausfÜlirlidi daigesteUt wird.

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Hahn,

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rückenden Hr.licn der Pi ironit/. /um Tlioil auf der sehr scharf lit-rvor- ' tretendrii { vitlK-icht künstlich in ilirm rinnsst-n noch regehn;is>ijjr,.r gesttilteien ':') llavehnsel, welche die \Vassei-menge de« Flusses iu er- ' wOnschter Webe theilt und auf längerer Strecke die einzige ihrer Art ist. Am südlichen Havelufer fehlt eme unmittelbar herantretende Höhe, die Stadt hat hier auch keine Vorstädte. Da jedoch weiter südlich (an der Stnke, die der Plaue'sche Kanal benutzt, lufrinnend) ein san- di<jer, mit Nadelholz ])estandener Rü" k«'n die Nifdriunrren der Havt-l und der fast parallel mit ihr fHes>. udcn Elhe ti t iml. war hier eine nicht ganz zu verachtende Gelegenheit geboten, auf trockenem, über- schwemmungsfreiem Boden nach Norden vorzudringen. Jener Rücken hmt sich anfänglich naher an der Havel, biegt aber bei Eamem mehr nach Westen ab. um bei dem Städtchen Sandau aufzubahren. So weist er gerade auf den durch Insel und wenigstens einseitigen Höhenrand begünstigten Pass von Havelberg bin. Wnr aber die Havel hier pas- sirt, so bot sich nun auf dem me( kleiihiiigiM lieii H<ihenrücken. zu dem die Priegnitzhöhen orogruphisch sdion gehören, ein nicht allzu schwie- riger und namentlich von grösseren Flussthalem freier Weg bis iu das Gebiet der Wamow dar.

Die Brücken stä dt ('. wie wir sie kurz nennen Avollen, lassen sifh nun nicht IjIos in der Mark, die wir eines besonders wichtigen Beispieles halber zuerst l>etriiten, .sondoni auch in den übrigen nord- d<'uts(di«'n Landschaften nachweisen. Natüiliih ist nicht ausführbar, sie alle hier zu betrachten, nur einige besouilers charakLeriütische Bei- spiele aus dem Nordosten und Nordwesten der Tiefebene sollen noch erörtert werden.

Bleiben wir zunächst an der Oder stehen, so ist es nicht zu verkennen, dass bei Breslau ähnliche Vorzüge zusammentreffen wie bei Berlin. Die ^)der ist von lirieg l»iv «xcgen Breslau diivli ihr breitis Thal und ihre zahlreiclieii Arm»' und Altwasser wiiul: passirbar, von Ohl au ab tliesst auch noch der gleichnamige kleine Fluss in cproeser Nahe der Oder, nur durch eine wenig hervortretende Kette kleiner Sandhügel von ihr getrennt Bei Breslau mündet die Ohlau endlich in die Oder ein, gleichzeitig erfolgt hier eine allerdings nicht bedeutende Verschraälerung des ganzen TJiales und « in Heran- treten von nieilrigen. aber doch niclit ganz eintlusskoen Hügeln auf lieiden Seiten. Auch Inseln, wt'lchr «Ini Uebergang erleichterten, waren vorhanden, und auf diesen ist die älteste bUidtanlage entstaudeu, die sich dann zuerst nach Süden, später und sparsamer nach Norden weiter entwickelte. Unterhalb Breslaus befindet sich erst bei Dvhernfurth wieder eine kleine In.sel in der Oder, und charakteristisch genug ist auch D3'hernfurth ein in sehr früher Zeit wichtiger Uebergangspuukt von Biibnicn und Mäliifu nach den Bernsteinländern des Xordostens gewesen'). Kr liot l'.rr^lau gegenül>er noch den \ ortheil . da>s .lie Flüsse Lohe, Weistniz und \Veida, welche die Annähemug an Breslau immerhin etwas erschwerten, hier nicht mehr hindernd in den Weg

*) Sadowski, Die HandelBstrassen der Griechen und BOmer durch das Flussgebiet der Oder etc.» deutsche Anagabe, Jena 1877. 8. 9.

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Die Städte der norddeatschen Tiefebene.

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traten. Wir lenien daraus wiederum, da.'^s -wir die alle Xacliliarstädtc Oberra<rende Entwicklung Breslaus nicht ohne ^\ cittTt.s, viclleiclit nicht eiunial zum grösseren Theile der günstigen geographischen Lage zu- schreiben dürfen. Jedenfalls domimrt Breslau die OderUbergänge nicht derart wie Berlin die Spree-Hayellime.

Auch weiter abwärts finden wir an der übrigens auffallend stadte* armen Oder noch einige sehr markirte Uebergangspunkte, wie Crossen und iranz besonders Frankfurt. Bei Frankiurt hat die Oder das alte Ost- VVesttlial , welches sie von der 01)raniündung an benutzt, endlich verlassen und flies.st in .schmälerem Thal zwischen hohen Ui'eru. Bei Frankfurt ist der Abstand zwischen den Thalrändem am geringste tind die Bedeutung dieser Stelle ist um so grösser, als unweit nördlich Ton der Stadt bei Lebus und Beitwein schon der Beginn des uns be- reits bekannten Oderbruches liegt. £s ist auch nicht zu Ubersehen, dass ebenso wie westlich von Frankfurt der Barnim eine trockene Bahn bot, östlich die von Rümpfen und Thälern ziemlich freie, hoch- gelegene Landschafl Sternberg eine bequeme Bahn bis weit in das alte Polen eröfinete. Die Obra war auf diesem Wege bei Bomst nicht schwer zu überschreiten, und auch die Warthe ^t gerade ostwärts Ton Frankfurt bei Moschin eine sumpfige Thalniederung verlassen und kann bei Posen, aber auch noch an einigen anderen, weiter abwärts lie^^enden Stellen überschritten werden. So bietet sicli hier in der Tliat von der Elbe bei Magdeburg über Berlin, Müncheberg, Frank- furt, Bomst, Posen und weiter über die zwar seenreiche, aber nicht sehr sumpfige Gegend von Gnesen eine natürliche Verkehrssti'asse bis zur Weicbsu und Brahe, welche in unserer Zeit durch die MSrkisch- , Posener und Posen-Thom-Bromherger Eisenbahn wieder angesucht imd neu belebt wurde.

Die zalüreichen kleinen Flüsse im nördlichen Mittelschlesien und im südlichen Posen sind auch meist von ansehnlichen Sumpfstrichen eingerahmt und waren nur an bestimmten Stellen für die älteren Hun- delsstrassen zu überschreiten. Grössere Städte sind jedoch nicht au diesen PSssen entstanden, was nicht auffallen darf, da alle Ton Polen bewohnten Landstriche zahlreiche kleine, aber nur sehr wenig grös- sere Städte aufzuweisen hnbm. Ein histiges Hinderniss war und ist zum Theil noch heute die Bartsch, ein Zufluss der Oder, welcher aber der allgemein in der norddeutschen Ebene herrselieiiden Kegel zufolge mit seinen (^uellbächen nahe an den Tystlichen Nachbartiuss, die Prosna, heranreicht. Die Prosna hat hier einen Zufluss von Westen, den Olobok. Ph>sna, Olobok und QueUgegend der Bartsch bilden nun einen, in der jüngsten Vergangenheit sdlerdings stark veränderten und viel zugänglicher gemachten Suinj)f ') . der früher, >vie die unten citirte Karte angibt, nur zwischen den (Quellen der oigentliehen Bartsch und dem Laute einer anderen, zum Olobok fiies.senden Bartsch (Stry- Z(»wer Bartscli) überschritten werden konnte. Am Passe selber liegt kfcin grosserer Ort, nur das Dorf Chyno wa. Dagegen linden wir süd-

BOTinaims Specialkarte Blatt 114 u. 183. Die neuen Generalstabskarten tt>er dieie Gegend liegen nocb. nicht tcmt.

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Hahn,

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lieh von ihm, an der Zuiriings.stra.sse , eine Reihe kleiner Städte, wie Kempeu, Schild berg und Mixstadt, nördlich aber eine etwas grössere mit dem bedeatungsvoUen Namen Ostrowo » InseL In der That liegt Ostrowo auf einem nicht grossen, aber sehr aufiäUigren insd- artigen Stück wasserfreien Landes z\W8chen den Flussthälem. Sehr zahlreiche Strassen vereinigen sich hier von allen Richtungen. Dieser Pass von Chyuowa und O.strowo scheint mir widitiger als der Ton Sadowski a. a. 0. S. 10 erwähnte Pass von Herrnstadt.

Aehnlich wie die Bartsch mit ihren Quellbächen sich der Prosna nähert, greift auch die obere Ketse weit in das Qebiet der Weichsel und ihres Zuflusses, der Brahe, ein. Die Netze, der polnische mi, wie sit^ w(dd genannt wird, war noch selnverer zu überschreiten als die Bartsch Gegenwärtig ftlhren von der Biegung unterhalb der Küddow- niHndung bis zum Anschlusspunkt des Broni]>erger Kanals (bei Nukel) vviclitigere Verkehrswege nur l»ei Usch an der Küddowinünduug, bei Dziembowü (Schneidemülil - Poseuer EisenbahuJ, bei Samotschin und bei Nahel Ober das meist sehr breite Neizethal, also im ganzen nur an vier Stellen. Ich möchte kaum annehmen, dass der Uebergang bei Usch an der Küddow so alt und so wichtig gewesen ist, wie Sa- dowski a. a. 0. S. 15 bemerkt. Das Thal ist hier kaum weniger breit als an anderen Stellen, und im Norden des Pii'^-je«^ wiirde man direkt in die Wälder und Eintiden Poninierellens gelaugt sein, welche zu keiner Zeit einen grösseren Verkehrsplatz oder eine etwas dichtere Bevölkerung enthielten. Die Stadt SchneidemOhl, jetzt als Knotenpunkt von sechs Bahnlinien von einiger Bedeutung, war immer nur klein und höchstens als BriU kenstadt für den die Koddow in ostwestlicher Rich- tung kreuzenden Verkehr vor der Eisenbahnzeit zu nennen.

Von dt r Biegung bei Nakel fülirt eine Thalsenke zur Weichsel herüber, weh he in ilu'em östlichen Theil von der Brahe benutzt wird. Wir haben es hier mit einem Stück des alten Weichsellaufes zu thun, in welchem Brahe und Netze gleichsam niur als Gäste verweilen. Ge« rade das Stttck aber, welches sich die Brahe angeeignet hat, ist nicht so breit und sumpfig als der Rest. Sandhüg( I, die ausser in der näch- sten Umgebung der Stadt Brom berg dicht mit Nadelholz bestanden sind, erheben sich zu beiden Seiten des Thaies. Diese Gegend er- scheint geographiscli als der bequemste Annäherungspunkt an die Weichsel für den von Süd und Südwest Kommenden. Wir werden viel eher hier als bei Usch an der Küddow die Stätte eines alten Verkehrs- platzes zwischen Süd und Nord suchen dürfen. Hier lag in der That, an der Einmündung der Brahe in die Weichsel, die Feste Wyszogrod und etwas weiter an der Brahe herauf der üebergangsort Bydgoszcz. Heute finden wir an letzterer Stelle das rasch aufblühende Brom berg. welches den Verkehr von Westen nach Osten (Warthe Netze Brom- berger Canal Weichsel) und von Norden nach Süden (Eisenbahn Danzig Bromberg Posen) zu vermitteln hat. Wenn auch das Wiedererwachen des hst ganz verfallenen Bromberg gegen das Ende des 18. Jahr»

Karte des Deutsehoi Reiches Blatt 222, 228, 224» 225.

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Die SOdte der norddeutschen Tiefebene.

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huudtrts zunächst das Verdienst der preussischen Regierung ist. ist docli auch die Lage dies» r Stadt physisch eine ungemein günstige zu ueuueu. Das benachbarte Thorn, vortheilhaft au dum hohen üfer- nnde der Weichsel selbst gelegen, nimmt «a den Yortheilen der Brom- berger Gegend noeh Theil und bildet dazu ein Glied in der froher erwähnten Verkehrslinie Ton Berlin über Frankfurt und Posen zur Weichsel. Es giebt aber noch einen anderen Grund, welcher den von West und Südwest kommenden Verkehr gerade diesem Theile der WeichseUinie zuliihrte. Die Weichsel war, abgesehen von <len Zeiten des Eisganges und der Ueljerschwemmungen, auf der Strecke von Thorn bis gegen die Montauer S|>itze hin ziemlich leicht zu überschreiten, da festes Land in zum Theü unerwartet schroffen Wänden theils un- mittelbar an den Strom herantritt, theils wenige Kilometer davon ent- fernt ist*). Ging man auf der genannten Strecke über den Strnm, so betrat man wieder ein ziemlich ausgedehntes hochliegendes und trockenes Gebiet, das Kulmerland. Der Fluss Ossa theilt diese Landschaft in einen grösseren südlichen und einen kleineren nördlichen Theil ; er ist kein grosses Hindemiss, da er an den Quellen umgangen und noch leichtar auf mehreren Pässen zwischen Rehden und Lessen gekreuzt werden kann Die Ostgrenze des trockenen Gebietes wird im All- gemeinen ilurch die Sümpfe an der Drewenz, durch die zwischen Strass- burg, Deutscli-Eylau und Sualfeld sich hinziehende Grupjie ];inLrL''estreckter Seen, endlich durch das Thal des kleinen Flusses Sorge gebildet. Die Sorge aber fällt in den Drausensee südlich von Elbing.

Der Gegensatz zwischen dem Kulmerland und den östlich an- grenzenden auch heute noch als schwer gangbar geltenden Strichen ist ein sehr scharfer. So Lst es nicht wunderbar, dass das Kulmerland, ' in welchem der Verkehr nach allen fUchtungen hin leicht war, tai nicht allzu kleinen wohlgel)auten Städten reicher wurde als Masuren im Osten und Pommerellen im Westen. Hier konnte mit Recht ein neu ent- standener Schienenweg die , W e i c h s e 1 s t ä d t e b a h n " genannt werden. Sie berührt auf einer Strecke von nur 154 km (einschliesslich der 17 km langen Stichbahn nach Kulm) die Städte Thorn, Kulmsee, Kulm, Graudenz, Garnsee, Marienwerder, Stuhm und Marienburg ^. Die Krei.se Thom, Kulm, Graudenz, Rosenberg, Marienwerder und Stuhm zählen zusammen 18 Städte. Nordöstlich vom Kulmerland und nur durch eine schmale Fluss- und Seelinie davon getit mit, liegt das eben- t'allM meist trockene Ermeland. Um aus dem Kulmerland nach Erme- land zu gelangen, kreuzte man am besten die Sorge, bevor sie in die SOmpfe am Drausensee gelangt, etwa bei der alten, bezeichnender Weise viel umkämpften Pa.ss- und Festungs.stadt Ohristburg, über- schritt bei Preussisch - Holland die Weske imd stand nun schon auf dem wenig v^n Snmpfniederungen und Seen unterbrochenen Acker- und Waldboden Ermelands, auf dem es leicht war, die PregeiUber-

') Kai-tp dos P.nitschon Reiches Blatt 10:1.

0 Der durch seinen seltsamen Lauf ausgezeichnete Fluss Liebe, an welchem Biesenbnrg und M»ri0nwerder liegen, ist noeh Idekter m ftbenehrnteii. *) Muienbnrg mid Elbing gehören in das xAchcte Gi^itel.

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Bahn,

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Ränge, von deren wichtigstem erst -piiter die R<'fle sein kann, zu «ff- wiuueu. Der Pass zwischen dem Drauseusee und der Elbinger Höhe, welchen Sadowski (a. a. 0. S. 23 f.) für wichtu^r halt, erscheint in physischer Beziehung weniger geeignet, da auf diesem Wege, wenn man westlich von der Sorge blieb und bei Elbing den Abfluss des Drausensees überschritt, ein Stück der Niederung zu durchziehen war, welches mindestens in der älteren Zeit gewiss w t ii'ir si( lier»'ii Boden bot. Dass die Gegend des heutigen Elbing früli eine l»e«kutende Ansiedluug aufzuweisen hatte, ist allerdings nicht zu bestreiten, für diese war nnd ist aber der Verkehr zwischen den HaÜgegenden und dem südlichen Binnenlande (Obeillndisch^ Kanal!) wichtiger als der Vi rlct hr zwischen Südwest und Nordost. Tn neuester Zeit hat sich die üstbahn, um Marienburg und Elbing nicht unberührt zu lassen, in die jetzt allerdings gegen die Zeit vor Ankunft der Orden^n'ttt r völlig um- gestaltete Niederung gewagt und überschreitet W'ei« lisd und Nogat auf zwei bekannten Brücken, die Niederung selbst auf langen i>ümmen.

Wir haben Yon den Landschaften an der Spree und der Havel bis an den Pregel eine Zöne trockener wegsamer Gebiete mit sonstigen FlussÜbergängen verfolgt und uns überzeugt, dass eine nicht unbe- deutende Zalil grösserer und kleinerer Städte der günstigen Lage in der Nähe jener Uebergänge einen grossen Theil ihrer BlUthe Ter- danken.

Aber auch bei Leipzig, das wir auf dem Wege nach dem nordwestlichen Theil der Tiefeb^e doch nicht flbergehen wollen, macht sich dieser Umstand geltend. Bei Leipzig vereinigen sich die ziemlich breiten auenreichen Thäler der Pleisse und der Weissen Elstor

zu einem einzigen von solcher Breite, dass wir sofort vermuthen, es sei ftlr die darin fliessende Weisse Elster nicht eigentlich bestimmt. Li der That belehrt uns der Text zur geologischen Specialkarte Sa< h- sens , dass wir es hier mit dem alten M u 1 d e 1 a u f zu thun haben, dessen Spuren von Grimma Uber das ebenfalls sehr breite obere Parthen- Üial nach Naunhof und von da, in mehrere Arme getheilt, bis Leipzig verfolgt werden können. Gerade zwischen der Stadt Leipzig und dem westlichen Vororte Lindenau erfährt nun das Thal, in welchem Elster und Pleisse noch getrennt, aber nur durch einen schmalen, meist mit Hausern bedeckten Auenstreifen geschieden, neben einander herfliessen, eine massige Einschnürung, die auf der geologischen Karte schärfer hervortritt als auf der orographischen Die Scheidelinie zwischen dem Alluvium der Flussaue und dem Diluvialboden der Hdhen ver- läuft an der Wt'stgrenze der inneren Stadt von Leipzig. Dass die Flussauen dt r Leipziger Gegend dem Verkehrsleben früherer Zfift n ein sehr ernstes flinderniss entgegenstellten, l>eweist noch die Schlacht- periode des <\tober 1818. Heinrich Aster würdigt in der geographi- schen Einleitung zu seinem kriegsgeschichtlichen Werk die Niederungen westlich, südwestlich und besonders nordwestlich von Leipzig selir

^) ErliVuterungen zur Section Naunhof. Leipzig 1881, S. 26 ff. *) Geolog. Spedalkarfce des Königreichs Sachsen« Blatt 10» 11.

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Die Städte der norddeutecben l^efebene.

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riclifi<i^ und lu'l)t besonders die ^'osse Scltcnlioit l)niu(h])arer Ueber- gäiige hervor. Noch die Eisenbahnhaut«-]! der iieiiostoii Zeit sind durch diese Terraiiibeschatfenheit vielfacli erschwert worden ; die von Leipzig nach Zeitz ftQirende Linie benutzt, soweit es geht, den Bahnkörper der Siteren, direkt nach Westen führenden Strecke und umgeht dann die Aue in weit nach Westen ausgreifendem Bogen Auch heute noch ist wenig- stens zur Zeit grösserer Ueberschwemmunffen das 1813 viel genannte ,Defile' von Lindenau", d. h. »1er Damm, auf welchem die nach Westen föhrende }le« rsh-a^se den ikm h nicht aufgefüllten und bebauten Theil der Aue überschreitet, iiul iner ziemlich langen Strecke der einzige nicht überfluthete Uebergang. Man wird also in früherer Zeit um so lieber die Gelegenheit ergriffen haben, den AuenObergang etwas abzu- kürzen-). Dazu kam noch die sehr feste uml ge sicherte Lage des alten Leipzig hart am Auenrande und nach Norden noch durch die hier einmündende Parthe gedeckt. Es waren daher wrdil mehr diese L'mstände als die weiten wellenförmigen Ebenen um Leipzig die ja auch anderen Gegenden nicht fehlten, welche kriegführende Heere so oft gerade bei Leipzig zusammentreffen liessen. Auch Heinrich Aster (a. a. 0. S. 10, 11) nennt die TenainTerhSltnisBe um Leipzig solche, wie sie vorzugsweise eine sich Tertheidigende Armee braucht, und denkt dabei an die Thalniederungen der drei Flüsse.

Was aber den friedlichen Verkehr betrifft, so ist anzuerkennen, dass historische Ereignisse und menschliche Thatkraft das rasche Wachs- thum und die Blüthe der 'Stadt Leipzig doch mehr gelordert haben als eine einmal gegebene Natuilage. War auch bei Leipzig der beste Uebergangspunkt Uber Elster und Pleisse, so blieb im Westen doch immer noch der Terrainabschnitt des Saaltiiales zu bewältigen. Dieser war nicht zu umgehen, wohl aber der TJebergang bei Leipzig in dem Falle ülierflüssig, wenn man YOn Düben, Eilenbnrn; oder ^^'nrzen nicht erst auf Leipzig, sondern direkt auf den Saaleübergang Ixn dem benach- barten Halle vorging. Ich glaube kaum , dass man den Halle'schen Saaleübergang für so schwierig hielt, um deshalb, wie Delitsch a. a. 0. 8. 13 u. 14 meint, lieber Ober Leipzig zu gehen. Die Saale blieb etwa bei Mersebui^ oder Weissenfeis für Jeden, der westwärts über Le ipzig liinauffiugehen dachte, doch noch zu kreuzen, und die dortigen Ueberträni^e sind nicht wesentlich bequemer als der bei Halle. Viel- mehr war der ^rrosse Fluss gerade ein A'ortheil für das auch sonst geographisch mannichfach bevorzugte Halle, und es ist um so be- merkens- und anerk ennens werther , dass Leipzigs Bewolmer, durch die ThUtigkeit der Regierungen vielikch begünstigt, diese Bevorzugung zu einem sehr grossen Theile wieder ausgeglichen haben.

Eine BrUckenstadt mit allen uns nun schon hinreichend bekannten Kennzeichen der TiH^xo ist auch Magdeburg. Oberhalb der Stadt ist gegen Schönebeck grosse Breite des Thaies, Bildimg von Nebenarmen

') VoQ Mn( kern unterhalb Leipzig bis Ammendcnf bei Halle Wild das Klater^ thal von Eisenbahnen nicht überschritten.

*) Vgl. Otto Delitsch bei Hasse: Die Stadt Leipzig und ihre Umgebung, Leipng 1878. & 13 u. U.

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Hahn,

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und Altwassern /u ln.'inerken ; dieselbe Erscheinun!.'' tritt ;ni(li unter- halb Magdeburufs zwischen der Neustadt und der nhreniüinlung auf. Nur bei der Stadt selbst reicht steües Ufer bis au den Fluss, wie mau in den zur Elbe stark geueigten Strassen des alteren Stadttheiles dea^ lieh walinielimen kann. Auch im Osten streift eine trockenere Zone gerade bei Magdelnirg an die Elbe. Passende Inseln fehlen auch nicht, während älinliche aufwärts und abwärts auf weiter Strecke nicht vor- kommen. Magdeburg ist für die Elbe, was Frankfurt für die Oder, und srlüiesst sich der oben besprochenen Reihe der uordoatdeutschen BrUckeustädte ah» letztes westlichstes Glied au.

Wenden wir nns jetzt dem äussersten Kordwesten der Tiefebene zu, so sehen wir hier nicht mehr so sehr die Thäler als Tielmefar die ausgedehnten Mo or <^^e biete die Wegsamkeit des Landes beeinflussen. Die Flüsse werden hier sogar von den Ortschaften aufgesucht, da sie hänfi'^ von sclnnalen Sandstreifeii begleitet werden. w»'lehe eine sichere Veri)Uidung zwischen den Mooren hinrliirch ernnigliclien. Aber auch fern von den Flüssen giebt es einzelne festere Steilen, die die Fläche des Moore« theilen, und diese Stellen sind seit alter Zdt von den An- siedlem sorgfältig ausgewählt worden. Die Moorpftsse sind noch viel constanter als die Pässe über die Flussthiller der Mark und des Xordostens; wer würde auch neue Wege durch das Bourtanger Moor, die oldenburgischen und Diepholzer Moore balmen wollen . um sich daran anz u s i d e 1 n V ') Die spärliche Bt'vtilkcrung reichte mit den vorhandenen Strassen ebenso wie mit den Wolmplätzeu, die nur höchst selten zu grösseren Siftdten anwuchsen, Tollkommen aus. Nur in Eri^^ Zeiten yersuchte man hier und da in die Moore selbst einzudringen, wie die eigenthümlichen Bolilwege, deren Reste an verschiedenen, ziemlich weit auseinander liegenden Punkten gefunden wurden, bezeugen. Fried- rich von Alten, dem wir eine werthvolle, von einer Karte begleitete Monographie über die Bohlwege verdanken , schreibt diese Bauten durchweg römischer Thätigkeit zu. Doch sind auch in späterer Zeit noch Terdnzelte Bohlwege iheils hei den Örtlichen Fehden der Friesen, theils zur schwachen Verbesserung einiger gar zu ungenügender Yer- bindungen zwischen den Moororten hergestellt worden.

Unter denjenigen Städten nun, welche Moorpässen einen grösseren oder geringeren Theil ilirer Bedeutung verdanken, nenne ich zuerst Bremervörde. DitM-r Ort ist zunächst wiclitig als einer der wenigen guten Uebergangspunkte über die Oste. Dann aber sind die Geest- streifen zwischen den hier sehr ausgedehnten Mooren so Terthdlt, dass der Yerkehr eines ziemlich grossen Landestheiles den Pass vonBremervdrde benutzen muss. Die zahlreichen Landstrassen, welche sich dort kreuzen, halten sich sehr genau an die Geestrücken und überschreiten nur ein- zelne kleinere Moorstreifen. Die Strasse von Bremervörde nach Oster- holz umgeht so das gro.sse Teufelsmoor im Westen , die Strasse nach Zeven thut dasselbe im Osten, die Strasse nach Neuhaus kann einen

') Leber eine doch vorkommende, ganz clmrakteristische Auitnahme siebe weiter unten.

*) Die Boblwege im HenogÜiam Oldenburg» Oldotbiug 1879.

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Die 8t841e da norddeutsohen Tiefebene.

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Gee.strückeii zwischen der Oste und den Sünipien des Iliidehischen Siethlundes Itenut/.en. Alle aber liäiii^en genall von den Bodenverhiilt- nLssen ab und kömiteu iiicht beliebig verlegt werden. Blieb über das ▼Ott den lebhaften Elb- und Wesermftrschen weit entfernte Bremer- Torde ^) immer klein, so erwies sich eine Ansiedlung auf einem anderen Geeststreifen zwischen den Mooren an der Weser viel entwicklungs- fiUiiger.

Dies ist H reinen. Wir wollen e.s dahingestellt sein lassen, ob der Nunie Bremen wirklich von dem Stannne „brim'' herkommt, der einen i^chmalen, scharf begrenzten (Terrain- J Rand bezeiclmen soll; jeden- fails ist festzuhalten, dass das östliche Ufer der Weser von der Mün- dung der Aller bei Verden bis zu der Yereinigping von Wflnune und Hamme oberliillt Vegesack von einem nicht breiten, aber stellenweise durch seine Höhe auffallenden Geeststreifen begleitet wud . welcher eine trockene Verl»in«liinLr liiny^s des wichtigen Flusses erniiiglichte. Die Landstrasse von \ erden nacli Bremen sowie später die Eisenbahn von Hannover nach Bremen und Geestemünde folgen diesem Geest- streifen. An seinem nördlichen Ende bei Burg und Lesum ist der Streifen sehr schmal, dn wichtiger Pass führt OMr die Lesum, wie die Tcreinigte Hamme und Wümme genannt wird, zu einem en^egen- kommenden Geestrücken. Dass sich die grössere Ansiedlung nicht hier, sondern an der ansehnlicheren Weser entwickelte, ist begreiflich. Warum man aber gerade die Stelle gewählt hat, wo jetzt Bremen steht, lässt sich durch geographische Thatsachen nicht ganz entscheiden. Dicht am Strom sich erhebende, zu jenem Geestzug gehörende Hügel, welche sich bei Wanderungen durch das ältere Bremen noch bemerk- lich machen, femer die immerhin auffällige Zunahme der Schiff barkeit des Stromes von der Gegend von Bremen ab mögen die erste Ver- anlassniig gegeben haben. Das Terrain ist durch die Bebauini.;" sowie zalUreiche Weserdurclistiche hier gnn/, verändert worden. Eine Brücken- stadt im Sinne der trülier betrachteten ist Bremen jedenfalls nicht, da auf dem westlichen Wesenifer sich auf ziemlich weite Entfernung nur flache, Yon Qrftben durdizogene Wiesen und Weiden, aber kerne Geest- hohen finden'). (Ueber Bremens Beziehungen zum Meere Ab- schnitt m).

Wer den Eisenbahnweg von Oldenburg nach Leer und dem nörd- lichen Holland einschlägt, streift bald nach der Abfahrt den Nordrand der grossen oldeuburgischen Moore, welche sich hier von den Flüssen Yehne, Soeste und Mfurka in langsamem Lauf durchzogen, viele Stunden

Dieser Punkt ist j^tlorh in mehreren Krief?en wichtig geworden, zuletzt im siebenjährigen, (iuthe, Die Lande Braunschweig und Hannover, Hannover 1807» 8. 50^ Amn.

*) Outhe a. a. 0. S. Hl, Anm.

') Die Kisenbahnen, welche noth wendig die grosse Handelsstadt berühren nraseten, hftben gleicliwoh] die Wesermarschen ober- und unterhalb Bremens mit

Brücken übersetzt. Rein geographisch betrachtet wörde übrigens das «b-iu M»'*re noch nähere Vegesack sich bei seiner vortheilhaften La^xe hart am Strom und doch auf hohem Uferrand ebenso gut zur Grosdstudb entwickeln können als Bfeoieii»

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weit nach Südwesten ausdehnen. Es ist eine der au Orten und Strassen ärmsten Gegenden des ganzen Keiches. Ansiedlungen sind hier nur auf den schmalen Landstrdfen möglich, welche die Flüsse jedoch nicht stets einrahmen, mit den Nachbarorten ist die yerbrndung- eine sehr schwierige. Bis in unser Jahrhundert hinein waren die FlOsse die einzigen Verkehrsstrassen; an der Marka hatte, wie Schacht an> führt jeder Hausbesitzer sein Scliiff', auf dem er zur Ems hinabfuhr, um dort Torf zu verkaufen und ihm nöthige Waaren dafür zurückzu- bringen. Die Gemeinden Scharrel, Ramsloh uud Strückliugen, aUe an der Marka, bilden das Sagterland, in dem sich in Folge der schwierigen Verbindungen mit der Aussenwelt noch manche eigenthdm- liehe Sitten sowie Reste der friesischen Sprache erhalten haben.

In neuester Zeit hat man allttdings b^jonnen, auch Landwege auf den fteeststreifen an den Flüssen anzulegen, und so ist das einsame Sagterland jetzt nach Südosten mit der kk^'nen, einen Landrücken an der Soeste einnehmenden Stadt Frieso vtlie, der einzigen dt> eigent- lichen Moorgebietes, und dadurch mit dem hügeligen Süden Oldenburgs, nach Nordwesten mit der Gegend Ton Leer yerbunden. Viele benadi- harte Moorgebiete haben aber seit Anfang des Jahrhunderts nur wenige Veränderungen in der Wegsamkeit erfaliren

Westlich von der Marka finden sich als Vorposten des Hohen HUmmeling noch einzelne sandige trockene Rücken, auf deren einem sich dm Dorf Esterwege mit der Ruine einer Tempelherrenburg und sogar Ton einem kleinen Gehölz umgeben erhebt. Noch weiter gegen Südwest beginnt dann schon der Hflmmeling selbst mit seinen haide- und waldbedeckten Kuppen.

Auch in den übrigen Theilen der deutschen Moorgebiete sind die Ortschaften vorzugsweise an die Geeststreiten westlich der Ems viel- fach Tanifen «benannt geknüpft. So läuft die Strasse von Nord- horn (am Rande des grossen Bourtanger Moores) nach der holländischen Grenzfestung Coevorden auf einer Tange entlang, die streckenweise der Sanddamm heisst; zahlreiche Ortschaften zeichnen diesen von fast menschenleeren Strichen umgel>enen Damm aus.

Es giebt jedot li eine Culturmcthode in den Moorgebieten, welcJie die Besiedelungsverhältnissp merklich verändern und unter günstigen Verhältnissen sogar neue Städte schaffen kann. Ich meine die Felin- colonien^). Die Fehnwirthschalt beruht darauf, dass von dem nächsten Flusse aus ein Kanal rechtwinklig in das Moor vorgetrieben wird, der lange Zeit als einziger Zugangsweg zu den Häusern der Colonisten dienen muss. Die Colonisten wohnen zu beiden Seiten des Hauptkanals, so dass die ältesten Höfe dicht am Flusse, die jüngsten am £ndpunkt

') Petermann 's Mitth, 1883, S. 10.

') Man verfrl. 'n in noner, gänzlich umgearbeiteter Ausgabe er-

Bchienenc Rlatt 5:5 dor l-if viuarm sehen Karte mit ältereii AiiNi.'al)en desselben Hlattes.

') Die Schreibart ^Veen'' würde holländisch sein. 1 rl i i- die Fehncolonien zu vergleichen u. \. de Vries und Pocken, 0^itfriesland. Kinden IS^l. bpsond*»rs S. 31 ff.; dann Die Moorgebiete des Herzogthums Bremen, Berlin 1877, mit lehrreicher Karte. Dies sind nur einige der am IdditMten sogltaiglidMn aeaeren Schriften.

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Die St&dte der norddeutocboi Tiefeben«.

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<1es Kanals tief im Innern liegen. Unter Hinterwieken versteht nnm Kanäle, welche parallel mit dem Hauptkanal in das Moor eindringen, unter ibiwieken Verbinduug»kanäle zwischen dem Uauptkaual und den Hmterwieken. Die Colomsten entfernen auf ihrem Gebiete den Torf bis auf den Uuter<ri-und, um auf diesem dann Ackerfelder und Wiesen anzuletren, Avelehe hei sorgfältiger Cultur und Düngung reeht guten Ertrag liefern. Die Fehncolonien sind verhältnissmilssig nocli nicht alt, im Jahre lt>33 wurde von vier Enidt'ner Bürgern das .sogen. Grosse Fehn, das erste der ostfriesisclitu Fehne angelegt. Es liegt hei Timmel gerade östUch von Emden. Man sieht leicht ein, dass die Fehne die Besiedelungsverhftltnisse einer Gegend wesentlich ändern k<">nnen. auf jeder guten topographischen Karte Ostfrieslands treten die Fehne scharf hervor*). Hart an der Grenze Ostfrieslands liegt die für den Geographen wichtigste Frlinculonie. nänilioh Papenhurg. Tm Jahre iriTö fanden sich liier nur sieben Häuser und ein verl'allenes .Schloss, 181)0 wurde der aufgeblühte Fehnort zur Stadt erhoben. Papen- burg hatte 1880 U73G Einwohner und besass 1882 nicht weniger als 126 eigene Seesduffe, während Emden (1881) nur 83 besass'). Der Plan der Stadt zeigt noch ganz deutlich die Entstehungsweise Papen- burgs an, wir können den Hau})tkanal, die Inwieken und Hinterwieken sehr gut unterscheiden, fast »5 km weit erstrecken sich die hiluser])eset7.en Kanüle der eigenartigen Stadt in das M<nn- hinein. Wir haben hier ein wichtiges Beispiel, dass nicht nur die Lage, sondern auch die Physif)gnomie einer Stadt durch eine eigenthümliche, freilich nur diesen Hoorgebieten angehörende Culturmethode bestimmt werden kann. Eine so grossartig entwickelte Fehncolonie wie Papenburg finden wir ni( ht weiter vor, grosse stadtälmliche stundenweit sich hinziehende Ansied- lungen aber noch mehrfach. Wenn in den letzten Jahrzehnten nicht .*^o zahlreiche Fehnkolonien angelegt wurden als Iriiher und wenn da- nel)en die alr»^ unvollkommene ^) B ran d( U 1< ur trotz aller Bemühungen der liegieruugen , Vereine und einzelner Personen noch fortl)esteht, so ist die Veranlassung wohl in der immerhin grossen Eostspiehgkeit der ersten Anlage des Fehns zu suchen. Ausserdem sind die besten den Flüssen l^lchsten Angriffspunkte nach und nach vergeben worden; je weiter man aber in das Moor vordringt, desto schwieriger und theurer wird die Anlage.

Das zweite Hauptgebiet der Fehncolonien ist in den Mooren des Herzogthums Bremen zu suchen, wo diese Betriebs- und Siedelungs- methode zuerst 1720 in den Aemtem LiUenthal und Osterholz auftaucht^). Noch in den Jahren 1855 und 1856 wurden in den Aemtem Osterhof und BremerTörde neue Fehncolonien eingerichtet. Zu einer Entstehung -

'1 V^'l. auch die zu de Vries und Focken's Werk gehörige Karte, sowie die ganz neutin Sectionen 37, 52 u. ö3 der Keymann'sehen Karte.

Allfirdinga waren die Emdener Schifte dafür grösser. Die 88 Emdener Schiffe hatten zu^^ammpn 21.1^4 Ki'Lri-t. rtünioii. di'- 12*1 aus l'npenburg nur 19.044.

') Vgl. Robcher, Natioualökuuoiiii.k deü Ackerbaues, 10. AuÜ., Stuttgart 1SS2, 8. 79. 80 (in Amn. 14).

*) Moorgebiete des Henogthums Bremen, S. 21.

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Hahn,

neuer Städte ist es liier bis jetzt uoch nicht gekommen, wtun auch die in der früher so gefürchteten Gegend des Teufelsmoores erzielten Resultate bedeutende zu nennen sind.

J. G. Kohl meint, dass der Punkt, wo zwei Flüsse sii Ii vereinigen, ein lilr den Stiidtebiiu si-lir rrpschitkter sei Dieser Satz kann nicht allgemein als richti*^ anerkannt werden, es zeigt sich vielmehr, dass weniL'^tt-ns im 1'i< fT,in<lc. und ganz besonders im norihh-utschen, Flu>s- veremigungeu ia.st niemals einen günstigen Baunlat/. iür grössere Au- siedlungen darbieten. Sie sind zu sehr von Ueberschwemmungen be- droht, sind oft weithin Ton feuchten Wiesen und Laubwalätreifen umgeben, wShrend die Strecken festeren Bodens, die bisher f&r uns so wichtig waren, nur selten gerade an die Flussvereinignngen des Tiif- landes lierantreten. Dazu k(mimt die grosse VeränderhcliKcit dt"^ Fahr- wassers und der Flüsse ülu rhaupt in der Nähe der Vereini^un;^. sowie der oft V)emerkbare ^Mangel guten Trmkwassers und die nicht selten ungünstigen GesundheitsrerhJÜtnisse Wo uns Iddnere Karten grosse Stäte hart an der Gabel zweier bedeutender TieflandsflOsse zeigen, finden wir bei Heranziehung topographischer Blätter meist, dass die Stadt doch nicht genau an der Vereinigung liegt. Khartum um nur einige der bekanntosten wenn auch unser Odtirt nicht berührenden Beispiele anzuiülu'en - liegt nicht an der Vereini;4^uiig der beiden Nil- arme selbst, sondern um Blauen Nil, noch über ö km von der Mündung entfernt*). St Louis beherrscht ebenfalls nicht genau die Yerdnigung des Mississippi mit dem Missouri, sondern Hegt am Mississippi, der schon 20 engl. Meilen weiter oben den Missouri aufgenommen hat. Wo man doch die Vereinigung aufgesucht hat. muss man auch die grossen Nachtlieile mit in den Kauf nehmen. Der Platz, auf welchem die Messe von Nishnij-Nowgorod abgehalten wird, liegt auf der flachen Landspitze zwischen Wolga und Oka und wh'd bei hohem Wasserstande von den Finthen der beiden FlOsse fibersehwemmt, ob- wohl man sich bemOht hat, durch künstliche Aufhöhimg diesem üebel- stände abzuhelfen^). Ganz anders verhillt es sich selbstverständlich mit Flu88vereinigungen in Bergländem; hier sind dicht an die beiden FlOsse angelehnte Städte häufig und ihre Anlage TortheiUiaft, es genügt an Pas sau, Co b lenz, Lyon etc. zu eriunern.

Wenden wir nun das Gesagte auf die norddeutsche Tiefebene au, so dürfen wir nicht erwarten, an den zahlreichen Flussrereinigungen derselben^) grössere Städte zu finden. Während die Weichsel auf der

0 Verkehr und Anaiedlongen der Hauchen, Dreaden und Leipsig 1841, Seite 481.

*) Die VorttieHe, iHreldie die Yeoieinigung zweier Flflaae f&r Handel nnd

Srhifftahrt bietet, könn*>n anoli aus einigttr £ntfenimig von der Veretaigongaetdle fmt ebenso gut verwertliet werden.

*) Peterniann*8 Mittb. 1884, Taf. 8.

*) Man vergl. den .'fchönen Plan der Stadt in Banlekor^ Russland, 1. Aufl., S. ;M8. sowie die lehrreicben Ansichten bei Ragosin, Die Wolga, 2. Bd., Peters- burg 1881, S. 1 u. 120.

^) Die Tin ilung eines Flus8es in mdirere Arme, wie bei der Montaner Spitze, verhält sich offenbar ganz ähnlich.

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Die ät&dte der norddeutBchen Tiefebene.

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deutschen .Strecke au Stüdteu nicht arm ist, bleibt der Montauer Spitze, dem Trennungspunkt der Weichsel und Xogat, aus gutem Grunde jede grossere Ansiedlting fem, denn gerade hier ist eine Statte fortwähren- der V«faridrnmt:eii. die theUs durch die Hochfluthen und Eisgänge, theils aber auch durch die Bürger der Städte Danzig und Elbing venirsacht wurden, welche sich in vergangenen Jahrhundei-ten oft Ixniühten, die in'i'»>>»'re Wassernieiig»- gerade ihrer Heimathstadt zur Hebung des Stroni- verkehrs zukommen zu lassen, und den Stromai'm des üeguers mich Möglichkeit Teratopften oder abdämmten. Passarge hat den Kampf um die Montaner Sjntze in einem interessanten Abschnitt seines der besseren Reiseliteratur angeh()rigen und durch die hinziigitilgten Quellen- nachwt isc auch wisstnschattlich verwerthbaren Scliriftchens sehr an- schaulich l)eschriehen V). Städtelos ist auch <]vv TrHiurnngspunkt der Danziger und der jetzt fast völlig trockenen Elljiiiger Weu hsel. ()l>glei( Ii gerade hier ein kleiner Hügel, das sogenannte Danziger Haupt, die Ein- förmigkeit der Niederung unterbricht. Das Delta des Niemen wird Ton der Stadt Tilsit beherrscht, Tilsit aber liegt mehr als 10 km aufwärts 10m Trennungspunkt .In- beiden Hauptrunn Ifuss und Gilge.

Warthe und Netze vereinigen sich in einer weiten Bruch- und Wiesenlandschaft. Es scheint nie ein grösserer Ort hier gelegen zu haben, wenn aucli das benachbarte Schloss Zantoch eine gewisse Be- deutung gehabt haben mag*). Es hatte übrigens nur einen wenig bequemen Wartheaberguug zu decken, mit der Flussvereinigimg als solcher aber sicherlich nichts zu thun.

Am Zusammenfliuss der Oder und Warthe finden wir die Festimgs- stadt Kü strin. Festungen siedeln sicli gern an Flussvereinigungen an, hefsonders wenn die Vertheidigungsfiihigkeit der Gegend durch ^Silmjife, vielleicht auch durcli die Miitrüchkeit. ein grö.sseres Gebiet vorübergelu nd unter Wasser zu setzen, noch erhöht wird. So gewimit man einen guten Stützpunkt für die Vertheidigung, mid der Verkehr auf bdden itidmen wird Überwacht und beherrscht. Die militärischen Interessen überwogen stets bei Kflstrin; auch die sechs Bahnlinit n, welche man hier zusammenführte, um die wichtige Fi stungs^tadt nicht zu umgehen, werden die Stadt kmnn zu einer für das benachbarte Frankfurt bedroh- Ucheu Verkehrslirdie ansteigen lassen.

Ganz in dieselbe Kategorie wie Küstrin gehört auch Spandau au der Spree und Hayel. Bereits oben wurde erörtert, dass die Verkdirs- strassen der Mark Brandenburg bei Berlin zusammenlaufen mussten; über Spandau konnten nur diejenigen Handelszüge und Kriegsexpeditionen gehen, welche in das Havelland selbst eindringen wollten. War aber die Hedtiitung des I'unktes für den Landverkehr nicht sehr gross, sy ist die SchiftTahrt auf Havel und Spree doch eine lebhafte iin<l die Sicherung dieser Flüsse durch eine pa.ssend gelegene Festung sehr an- gezeigt. Wie alle Städte, welche auf beschränkten Bauplatz angewiesen und dazu noch Ton Festungs wällen umgeben sind, besitzt auch Spandau

Passar^^e. Aus dem Weichi<eldelta, Berlin 1657, S. 224 IT» *) Sadowski, Handelastrassen, S. 12.

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ziemlich entfernte, weitliiutige Vorstädte, namentlich gegen Norden und gegen Südosten, wo der häoaer&eie Raum zwischen denselben und den westlichen Erweiterungen von Charlottenburg immer kleiner wird. Der€kdanke Iit-<rt nahe, dass einst Spandau gleichsüm mir die Citud eile des grossen imter dem Namen Berlin zusammengefassten Städtecomplexes sein wird.

An der Elbe sehen wir uns verirehlich nach Flusf>mündungst!iihtMi um. Die Havehnündung i.st von Havclberg weit entfernt, die klenie Stadt Werben, aber, welche der MOndung gegenüber am linken SSb- ufer, wenn aucli nicht unmittelbar am Strom hegt, ist nur eine Rand-

statlt (vgl. den nächsten Abschnitt) und steht zur Havelmündung kaum in Beziehung. Auch an der Mündung der Saale, welche von grossen Wie<ontlächen niriijel»en wird, liat si( h Ivcinc grn«Jsere Ansiedlung ent- wickt lt; selbst I )r)rfer fehlen in unniitt» ll)arrr Xälic des Zusammenflusses.

An der Mündung der Mulde linden wir in KÜnsiiger strategischer Lage die kleine Stadt Rosslau, der wohl zumeist die Überwachung der SchiffiPahrt auf den beiden Flüssen oblag; sie lehnt sich an den Rand des schon zum Fläming aufsteigenden Hügellandes. Das benachbarte Dessau ist nur als lirückenstadt der Mulde zu Ijetrachten; bei eigener Durchwanderung der (iigt iid sowie auch mit Hülfe guter Karten ent- deckt man baM, dass der von Ost nach West gehende \ erkehr die Mulde am vortheilhaftesteu bei Dessau kreuzte, da man unterhalb rasch in das Gebiet der ElbQberschwemmuugen, oberhalb ftir eine Strecke von mehr als 15 km in eine gleichfalls sumpf- und waldreiche Gegend gelangte'). In neuester Zeit ist aber bei Des-au ein wirkliclu r Miln- dungsort im Entstehen, dies ist Wall witzhafen, etwa halbwegs zwisclien Dessau und Kosslau sehr günstig an der Elbe, einem Mün- dungsarm tb r Mulde und der Eisenbahn gelegen. Wie weit sich das niedrige Deituland liier zur Anlage eines grösseren Wohuplatzes eignet, muss tinh allerdings noch zeigen.

Die Weser verhalt sich nicht anders wie die grösseren östlichen Ströme. Die Allermündung ist als städtelos zu betrachten, da Verden sich ähnlich zu Aller und AVeser stellt wie Dessau zu Mulde und Elbe. Es liegt auf einem äliidichen Geestrncken wie Bremen an der alten Handelstrasse von Bremen nach Minden ^). Von ö<ler Gegend ist die Mündung der Leine in die Aller umgeben, ebenso städtelos ist der Eintiuss der für den Handelsverkehr älterer Zeit nicht unwichtigen Oker. Nur ein Dorf Namens Müden findet sich hier, dessen Name, angeblich die platt- iitsche Form für Münden, noch an mehreren Flussmündungen wieder- kehrt, wie z. B. an der Vereinigung von Wietze und Oertze nördlich von ^'<1I<'. Diese letztere Allerstadt bezeichnet einen >nchtigen Fluss- übergang, dann abt-r auch einen für die Vergangenheit wichtigen Scliiff- fahrtsab.schnitt, indem hier die Aller durch die Fuse und die Lachte eine namhafte Verstärkung erfährt. Für die neuere Zeit hat dieser

') Im 30jiihrig*'n Kriege fanden wicbtiffe Kämpfe an der Dessauer Brücke statt. *) Vgl. über die bu^'e von Verden: Gnthe, Die Lande Brannachwmg und Hannover, Hannover 1807, S. 129.

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Die Städte der norddeutschen Tiefebene.

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Abschnitt il»'r Schitt'Uaikcit seine Bedeutung fast völlig verloren. Aus diesem Grunde, dann aber auch in Folge staatlicher Veränderungen ist Celle gänzlich hinter Hannover zurUc^eblieben. An der Ems finden steh zwei StSdte, die zu einmündenden >iebeüflassen in Beziehung stehen könnten, nämlich Meppen und Leer. Jedoch sind sowohl Hasse als Leda nicht von solclier Wichtigkeit, dass man ihrer Mündung eine grosse Anziehinigskratt in dem sonst menschenarmen Lande zuschreil)en könnte. Es ist vielmehr auch hier ein längs der Ems verlaufender Düuenzug, welcher bequemes Vordringen nach Norden eruKigliclitu und den Ort des Haaseflberganges bestimmte. Hanptstrasse* und Eisenbahn folgen ihm auf weiter Strecke. ' Bei Leer finden wir bei näherer Be» trachtung, dass die Stadt gar nicht an einem der beiden sich hier ver- einigenden Flüsse liegt, sondern vielmehr auf einer kleinen Erhöhung zwi- >' li»'n den F'Iüsseii. W ahrscheinlich hat die gesicherte Lage dieser Anhöhe zuerst die Blicke auf sicli gezogeu. Guthe (a. a. 0. S. 21)0) l>elehrt uns zudem, da.ss die Bewohner von Leer bis zur Mitte des vorigen Jahr- hunderts kaum Gebrauch von der vortheilhaften Position ihrer Stadt nahe an der Grenze der See* imd Flussschifffahrt gemacht haben und das8 gerade der älteste Theil der Stadt am fernsten von den Flussufem liegt. So erwies sich auch hier die Flussrereinigung nicht als bestimmend lur die Entstehung einer Stadt.

Am deutschen Niederrhein endlich sehen wir in der Fe.stimg Wesel au der Münduiig der Lippe noch einmal ein Seitenstück zu KOatrin und Spandau. Wesel ist eine echte, den Einfluss des bedeuten- den Nebenflusses beherrschende Festungsstadt, hat aber daneben auch maunichfache Industrie sowie Antheil an der Rheinschifffahrt. Hier wie in Küstrin kreuzen sich sechs wichtige Bahnlinien innerhall) des Festungsrayons. Kuhrort wäre trotz der nahen Einmündung dei- Ruhr » in unbedeutender Ort geblieben, wenn nicht die Verschitfung der reichen Kolilenschätze des iiuhrbeckens hinzugekommeu wäre. So stieg die Einwohnerzahl der Stadt von nur 1443 im Jahre 1816 auf 9130 im Jahre 1880. Ruhrort hat jetzt den grdssten Flusshafen des deutschen Beiches, und vielerlei Industrien und Transportgewerbe haben sidi in dem gewissermassen mit den englischen Städten Sunderland und Shields zu vergleichenden Kohlenhafen entwickult.

Auch die Krümmungen gni^serer Flüsse haben im Tief lande nicht denjenigen Eiufluss auf die Städtelage wie im Berglande. Im Berglande finden wir sehr häufig starke Flusskrümmungen von Städten eingenommen, ich erinnere nur an die Stadt Bern auf ihrer von drei Seiten von der Aare umströmten Halbinsel Das benachbarte Freiburg nimmt an der Saane eine ganz ähnli< In Lage ein. Es sind vorzugs- weise Bücksichten auf die Sicherheit, weiche eine solche Wahl bestimmen

') Alf» eigentlich*' liiim- iii;n'iize de.-i Seevorkelu> kann Ixvsser Papenliur g beseichnei werden.

*) Etwas unterliiill» H.'ins -rlineiilt t Aare eine nocli j^rössere auftiill irrere Hnlbiut«el heraus, welche aber, wie man leicht sieht, ihrer unregelmä.s.«jijfen Form halber weniger zQ einet Stadtanlage geeignet, auch weniger gesichert war, als die Halbinsel von Bem.

Foracliiuigen nr drataehen Landn* und VoUukuode. LS. 9

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können. Ffir den Verkehr kann eine Lage wie die von Bern kaun ab gOnsdg bezeichnet werden: die Strassen können die Stadt nur anf

einer Seite bequem erreichen, auf il* n ainlt ich sind sie zu bedeuten- den Brüc'Venbauten gezwungen. Die Ei.seiibalnien nähern sich fast alle der Stadt Bern nur auf «grossen Umwe^'en. da man sich nicht ent- 8<liliessen konnte, die Aare «itter als einmal für Eisenbahnzwecke zu überbrücken. Dieser Umstand hat es luitveraulaäst, dass die Buudes- kauptstadt Bern nicht ein so bedeutender Bahnknoten geworden ist wie Ölten, Solothum oder Biel.

Im Flachlande treffen nun die Stiulte an den Flusskrünimungen dieselben Nachtheile wie im Berglande, ohne dass sie dafür die Vorzüge einer besonders gesicherten Lage gent'issen. Daneben ist noch der oft mangelnde gute Bau^niind, die an den Krünmnnigen besonders grosse V eränderlichkeit der Flüsse u. s. w. in ganz ähnlicher Weise wie bei den FluBsrereiniguugen in Anschlag zu bringen. Die Erscheinung, dasa Flusskrttmmungen im Tieflande der Städte ermangehi, ist denn auch in Norddeutschland eine so allgemeine, dass es gar nicht nothwend^ erscheint, »lie deutschen Flüsse in dieser Hinsicht einzeln zu besprechen. An allen Flüssen der Tiefel>ene werden die gerade verlaufenden Strom- strecken den stark gekrümmten gegenülx r eiitsi Iiieden bevorzugt. Die einzige wichtigere Ausnahme ist die ganz moderne (irossstadt Düssel- dorf am Rhein, welche an der convexen Seite einer gröaseren ErOm- mung liegt. Das Aofblohen Dflsseidorfs, anfänglich durch politische Verhältnisse veranlasst, hängt in der neueren Zeit mit der Entwicklung des Elberfeld-Dortnmnder Industrie- und Bergbaubezirkes zusammen. Für diesen öffnete sich in dem Thal der Düssel. welches bei Vohwinkel nur wenige Kilonieter vom Wupperthal entfernt ist. nelxii der Ivnlir ein zweiter leidlich bequemer Ausgang nach dem iÜiem, deu eine der iUtesten deutschen Eisenbahnen (DOsseldorf— £iberfeld) benuiste. Hit der Gestaltung des Rheinlaufes auf der Strecke von Cöln bis zur Ruhrmündung hat Düsseldorfs Aufblühen wi iiig zu thun.

Sehr charakteristisch ist es dagegen, dass dla, wo die norddeutschen Flüsse in tief eiliges* linittenen vieli/ewnndenen Tliälern fliessen und sich dem Charakter der Hergflüsse niilu rn. auch sotort an Bern erinnernde Halbinselstädte auftreten. Diiis ist der Fall bei dem ostpreussischen FlusB Alle. Schon im Pregeithale fallt uns auf, dass die Stidte Tapiau und Wehlau entgegen unserer Mher erörterten Regel hart an Fluss- vereinigungen resp. -theilungen liegen; wir sehen aber sofort, dass der Pregel von ziemlich steilen Höhen rändern eingefasst wird, jene Aus- nahmen daher ifanz wohl begründet sind. Gehen wir an d(^r ^VUe liiiiiuif. so erblicken wir bald die Stadt Alienburg in sehr benierkeiis- werilier Lage auf einer etwas erhöhten Halbinsel, welche im Westen Ton der Alle, im Süden gleieh&Us von der Alle und dem hier ein- mündenden Omet, im Norden von der Schweine begrenzt wird. Nur im Osten bleibt ein sehmaler Zugang offen, auf den verschiedene durch Omet und Schweine eingeengte Strassen uiul Wege, die aus dem Osten kommen, hinfiihren. Auf einer ähnlichen Halbinsel des linken Ufers, die durch einen Bach noch schärfer herausgehobi u ist, liegt die Stadt Fried lau d, noch weiter aufwäi-ts wieder auf dem rechten Ufer

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Die Städte der norddeutschen Tiefebene.

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Schippen beil. dieses besonders an Bern erinnernd. Auch bei Schippen- mündet ein Seitenfluss, der Guber, in die Alle. Bartenstein, Heil.sberjj; und Gutstadt i^ind weniger auffallend, dagegen ist wieder Allensteiu auf einer Flusshalbiusel angelegt, aber später daiüber hinaus- gewachsen. So zeigt sich an der meist zwischen hohen Ufern fliessen- den, emem Tieflandsstrom wenig ähnliehen Alle sofort jener Einflnss starker Stromkrümmimgen , der hei den Ohrigen StrOmen unseres Ge- hietes yermisst wird.

Zweiter Abschnitt*

Wenn auch eigentliche Gebirge m unserem Gd»!' fe nicht vor- kommen, so fehlen beträchtliche Höhenunterschiede doch keineswegs. Völlige Ebenen sind sel]>st in den Kilstengegenden nicht sehr häutig, nur etwa die Marschen, die Mündunj^s^eluete der Weichsel und des Niemen, sowie einzelne Striche Vorpommerns können als solche an- gefbhrt werden. Aber auch die Marschen werden von einzelnen Geest- hügeln unterbrochen, das Niemendelta hat zerstreute sandige, f&r die Besiedeluug nicht unwiclitige Reihen aufzuweisen, und im Weichseldelta macht sich von den beiden Hauptstromrinnen der Weichsel und Nogat an< eine leichte Senkung des Bo(lt>ns nach der iMitte d'-r Niederung benierklcir. wo die ^^ asserläufe T i e g e und Sc Ii we ute su li entwickelt haben. Diese Senkung erklärt sich unschwer durch die grössere An- häufung der Sedimente in der Nähe der Hauptarme.

Zwei grosse Landrücken durchziehen das norddeutsche Tief- land, welche man früher wohl als den uralisch -baltischen und den aralisch-karpathischen Höhenzug, jedoch ohne innere Berechtigung, be- zeichnete. Sie sind nicht so geschlossen , wie sie die älteren Karten darstellen, zerfallen vielmehr in » ine Heilie einzelner Landhöhcn, welche durch Thäler und oft nicht unbedeutende Niederungen von einander getrennt sind), so dass Flüsse und Kanäle die beiden Züge kreuzen können. Der sQdliche Zug, den wir im weitesten Sinne vom östlichen Oberschlesien bis zur Wingst bei Cuxhaven verfolgen können, ist häu- figer und stärkt r unterbrochen als der iK'h-dliche, welcher in Masuren in das Reich eintritt, um dann di( Ovtsi elüTuler l)is Nordschleswig und über dif* Keichsgrenze nach .lütiand hinein zu durchziehen. Ausserdem unterscheiden wir noch Höhen zwi.schen dem nördlichen Zuge und der Ostseeküste, Hohen zwischen beiden Zügen und endlich Höhen zwischen dem sfldlichen Zuge und dem deutschen Hittelgebirge. AUe diese Höhen treten meist als Landrücken, als niedrige Plateaus auf; eigentliche Hügel- gruppen finden sich selten, wirkliche kleine Ketten noch seltener. Die Be- ziehungen, welche zwischen diesen Erhebungen und der Vertheilung der Städte obwalten, lassen sich nun leicht auf wenige Hauptsätze zurückführen.

Zunächst ist zu merken, dass eine Aldiiingigkeit der Städtelagen TOn einzelnen Berghöhen, wie sie in Mittelitalien, Sicilien und Griechen- land so oft zu beobachten ist, in Korddeutschland nicht vorkommt. In jenen Ländern suchte man der Sicherheit halber gern sdiwer zu-

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»fiintjliclie und ol)en geringen luiuni bietende Berge aut und nahm die gru.sseii isuchtheile, welche mit einer solchen Lage yerknüpft sind, in den Kauf; im nördlichen Deutschland sind auch die wenigen jenen italienischen Beiden etwa zu vergleichenden Hügel unbenutzt geblieben, da sich auf Flussinseln, zwischen SUmpfen. und besonders an den bald zu besprechenden Landscen strategisch günstige Positionen in mehr als genügender Zahl l>oten.

Betrachten wir aber die Scheitel der langgestreckten nord- deutschen Höhenzüge, so werden wir bald wahrnehmen, dass die Ver- theilung der Städte auf denselben durchaus keine gleichmassige ist. Sehr stadteann ist im Ganzen der südliche Zug; auch die Dörfer liegen hier in weit grössere Abständen als auf dem nördlichen Rücken. Der Grund dieser Erscheinung scheint mir darin zu liegen, dass der südliche Zug im Allgemeinen wasscrärmer ist und namentlich der zahl- reichen Land Seen des nördlichen so gut wie völlig entbehrt. Der südliche Zug stellt sich meist als ein Terraiulundeniiss dar. das mau seiner Wasserarmuth imd seiner Sandstrecken halber möglichst rasch durchzog, wo auch kein besonders wichtiges Bodenerzeugniss, kein zur Vertiieidigung oder Deckung eines wichtigen Passes geeigneter Terrainabschnitt zur Ansiedlung und zum Verweilen anlocken konnte. So fehlen Städte völlig auf dem iiücken des Fläming. Alle an diesem Hr)1irnzuge vorhandenen Städte liegen bei genauerer Betrach- tung nicht aut der Höhe, sondern schon an den Abhängen, es sind Randstädte (s.u.), wieZiSsar, Beizig, Zahna, Seyda, Jüter* bog, Dahme, Luckau un'd manche andere. Der sogenannte Lausitzer Grenzwall, die östliche Fortsetzung des Fläming und das schlesische Katzengebirge verhalten sich ganz ül)ereinstimmend.

Ganz besonders arm an Städten und überhaupt grösseren Wohn- plät/.en ist das Innere der Lüneburg er Haide. Ks ist auch wenijjf Aniass zu einer grossen Verdichtung der Bevölkerung hier gegeben, da der durchschnittlich nicht reichlich lohnende Boden und namenÜicfa der grosse Bedarf an Haide zur Streu für den einzelnen Besitzer ein grosses Wirthschiiftsgebiet zur Xothwendigkeit macht Dazu kommt auch wohl noch die in der nordwestdeutschen Bevölkerung verbreitete Abneigung gegen stäiltisdie Bauweise. Indessen wäre es nicht richtig, da, wo wenig Städte liegen, auch Mangel an gesclilossenen Dörfern zu erwarten: gerade die Landdrostei Lünel>urg hat geschlossene Dörfer und wenig Städte, das MOnsterland dagegen Einzelhöfe und daneben ziemlich zahlreiche kleine Städte. Die an Städten ärmste Haideland- schaft wird durch eine die Städte Hotenburg, Soltau, Walsrode, Hude- milhlen, Celle, Gifhorn, Brohme, Wittingen, Salzwedel. Lüchow. Dannen- berg, LünelHirg. Win^'-n . Hnrburg. iiiixtehndc . Harsefeld und Zeven verbindende Linie umschrieben, in diesem grossen liaume liegt nur

') Ueber den starken Verbrauch il-r ll iido Ter^. das für die Kenntniss der Lüneburger Haide überhau{)f \vi(litiLr.' \\frkrbcn von W. Peters. Die Heid- fläclien Norddeutschlanda, j^ekrönte l'rei.sschritt, Haunuver 1862. Uebrigens werden die Verhältniflse dieser Haidegegenden in vielen Schriften mit zu grellen Farben geschildert.

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Die St&dte der 'norddeatBchen Tiefebene.

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die Stadt Uelzen an der Ilmenau. Die Position von Uelzen ist

jjeo^rraphisch kaum zu het^lnden; eine Thahvcitung der Ilmenau, von der initlie a. a. (). S. 'J5 spricht, ersclieint in dmi aiicli sonst iM quem zugängliihen Thal dieses Flusses nicht so wicliti^^. um finr ^M<'>s«<cre Ansiedluut' heruiizuzielieu. Immerhin i&t es bemerkeuswurth, da-ss das Thal der fimenau nicht nur im Mittelalter, sondern auch heute von der wichtigen Route Hamburg Frankfurt a/M., einer der bedeuteamsten, die es in Mitteleuropa giebt, durchzogen wird. Jetzt wird diese Eiseiihahu- »trasse in Uelzen von der von Stendal nach Bremen führenden gekreuzt, welche die Haide, olnu- sich an 1)estimmte Bodenwellen oder Gewässer anzulehnen, ziemlieli gt-radlinig durchzieht.

Nicht so umi'angreich ist ein in seiner Naturbe^chaÖ"enheit sehr ähnliches stSdtdoses Gebiet in Holstein, also auf don nördlichen Hdhen* zuge. Es liegt zwischen Hamburg-Altona, Oldesloe, Segeberg und den heiderseitigen KüstenstUdten . Nur N e u m ü n s t e r und K e n d s b U r g finden sich hier. Letzteres ist t ine übrigens nicht bedeutende Brttcken- stadt an der Eider, welche ursprünglich auf zwei Eiderinseln lag, .sich dann aber nach beid«'n l'fern des Flusses ausgclireitet hat '). Bis zur Mitte unseres Jahrhunderts galt Kendshnrg als starke Festung. 2seu- mttnster liegt weder an einem wichtigen Uebergangspunkt noch an einem Terrainabschnitt in einer ziemlich einförmigen, Haidecharakter tragenden Ebene. Die Stadt ist um ein wichtiges Klonter entstanden; dass später hier Avichtige Handelsstrassen zusammentrafen, hat sie keinen Besonderheiten ihrtr Lage, sond»'rn nur dem Unistande zu verdanken, dass auf dem menschen- und d<»rtarmen Haidt riU ken ein Stützpunkt, wie ihn das Kloster und der um dasselbe entstandene Ort bot, schon an sich gern benutzt und von den Handelswegen (Lübeck Dithmarschen und Hambuig— Kiel) aufgesucht wurde. Jetzt ist Neumflnster der wich- tigste Bahnlmoten der ganzen cimbrischen Halbinsel geworden, sechs Linien vereinigen sich hier.

Ganz andere Erscheinungen tiiiden wir auf dem bei weitem grös- seren seenreichen Theil des nördlichen Höhenzuges. Die Seen, dereu Gestalt meist eine sehr unregeluiässige ist, boten zalilreiche, sich wenigstens durch ihre Sicherheit empfehlende Bauplätze ; auch der Fisch- reichthimi vieler derselben mag häufig anziehend gewirkt haben. Später fireilii h. als die RUcksicht auf die Sicherheit nicht mehr überwog, litten gerade die Seeorte schwer unter ihrer nun hervortretenden ungünstigen Verkehrslage. Chau<s.'en und Eisenbahnen konnten die versteckt ;nif Halbinseln oder Insehi gelegenen kleinen Städte nur schwer t rn i( lu n. Bei der grossen Anzahl der Seen, der auf weiter Strecke gleichturmigen Bodcnbesehaffenheit des Landes und dem Mangel an besondei» wiSeh-»- tigen, anderen Gegenden fehlenden Producten gab es für eine solche kleine Seestadt wenig Möglichkeiten, eine grössere Bedeutung als viele benachbarte zu gewinnen. Diese Städte blieben deshalb früh in ihrer Entwicklung stehen, und manche haben an Einwohnerzahl sogar ver-

') Auülübrlicb dargeätellt bei Schröder, Topographie der üerzogtbümer Hobtein and Laneaburg, Oldenbmrg in Holstein 18^, Bd. 2, S. 886.

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loren, da die Masse der Bevölkerung sich lieber den lohnenderen Erwerb versprecheudeu Gros.sstädten zuwendet Schon Bergbaus bat in seiner Scbildenmff der Stadt Teupitz*) ^esen Städtetjpus treffend charak- terisirt. Teupitz hatte 17r>0 nur 258, 1800 erat 372, 1850 530 und 1880 immer erst Gl :> Kiuwohner; von 1750 1800 wurden nur 6, Ton. 1800 l^oO ^ar nit ht ein einziges Haus neu f(el)aut. Dabei ist Teupitz noch durch die schüi'bare Verbindung' seines Sees mit der Thilime und hierdurch mit der Spree etwas günstiger gestellt als viele andere Seeorte.

Es lassen sich nun unter diesen Seeansiedlungen folgende Typen

unterscheiden :

1 . Die Stadt liegt am Ende eines länglichen Sees, gewöhnlich da, wo der Ein- oder Ansfluss des den See ])assirenden Wa^serlaufes sich befindet. Viele Seen der norddeutschen Seegebiete haben gegen 'früher au Umfang sehr verloren, die Stadt liegt deshalb häuhg jetzt von dem Ende des Sees etwas entiernt, oder es ist auch der ganze See trocken gelegt worden und erloschen, so dass seine Stelle nur noch durch eine Wieseniläche bezeichnet wird

2. Die Stadt liegt auf einer Halbinsel, welche entweder in den See liinein vorspringt oder durch zwei in das Land eingreifende schmale Bui hteii (K s Sees gel)ildet wird. Zuweilen hegt auf der Halbinsel welche oit nichts ist als eine durch Anschwenimung oder künsthclie Verbindung iandfest gewordene Insel nur das Schloss oder das Kloster, an welches sich die spätere Stadt anlehnte, wahrend die Häuser der Stadt verschiedene Punkte des Seeufers in der Nachl^ar- ßchaft besetzen. Dadurch entstehen weiträumige Ortschaften, welche mit ihren durch fiärten und Felder unterbrochenen Strassen weit mehr Platz einnehmen, als man nach ihrer geringen Einwohnerzahl er- warten sollte.

3. Die Stadt liegt aul einem Isthnms zwischen zwei Seen. Die Zahl der Seen ist so gross und sie liegt n oft so dichtgeschaart, dass dieser Fall keineswegs zu den seltenen gehdrt. Offen])ar wurde hier die Vertheidigung besonders erleichtert; wuchs aber die Stadt an, so

bildete sie eine langgestreckte, oft sehr scluualf. nur von einer oder •zwei Strassen gebildete Häusernienge, welche schw ci' zu Ul)ersehen und von den jenseits der Seen belegenen Acker- und VV'eidestücken oft weit entfernt war.

4. Die Stadt kann endlich ganz auf einer Insel des Sees (oder seeartiger Flusserweiterungen) liegen. Dieser Fall ist nicht selu* häufig, da die rein insulare Lage der Stodt sehr bald fOhlbare Unbeqaemlich-

Landbuch der Maxk Brandenburg, Bd. 2, S. 524. Tenpitx liegt allerding«

nicht auf dem nnrtllirhcn Höht'nzug'e, sondern in einer Senkung am Niirdrando des südlichen (im Kreise Teltow), kann aber ganz gut a\s Beispiel einer solchen zurück- gebliebenen Seeansiedlung gelten. In PreuMen, Pommern und Mecklenburg fehlt« C8 nicht un Seitenstfidcen sn Teupiti, wenn anch die neueste Zeit hier vieles ge- bessert hat.

') Bei grösseren Seen liegt auch wohl an jedem Ende eine Stadt. Gans kreisf&Timge Seen, bei denen jeder Punkt des Ofen dch gleich gut cur Besiedelung «ignety sind bei uns sdir selten.

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Die Stildte der norddeutschen Tiefebene.

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keiten sich brachte und auch die Sicherheit dann eine fragliche

war, wenn sich der Soe mit Eis ühorzot;.

A\ as Kolli über die Aiisiedhiiiixeu an Landseen mittht ilt. ist für uns ohne Bedeutung, da Kohl nur grössere Seen und liiinieunieere heranzieht Nur beiläufig bemerkt er S. 3U8 , Aum. 1 , dass auch kleinere Seen der malerischen Lage oder auch der durch sie gewährten leichteren VerÜieidigung gegen Feinde wegen oft stark um])aut werden.

Wir können nicht jeden nonhleutschen Landsee hier besprechen, nur einige besonders charnktoristisrlio Seeiref^enden sollen kurz erörtert Averden. Die Landschaft Masuren ist durch ihren Heichthum an Laudseen der verschiedensten Grösse und Gestalt ausgezeichnet. Die vorhandenen Städte zeigen sich eng an die Seen geknüpft. Zwar liegt nicht an jedem See eine Stadt, das w&re bei ihrer ^prossen Anzahl nicht möglich, wohl aber liegt hier fast jede Stadt an einem See. Die Stadt Johannisburg entspricht dem ersten der aufgestellten Fälle, sie liegt kaum 1 km von dem starkgemmdenen Warschausee. gerade da, wo der l*ischekfluss denselben verlassen hat: der Zwischenraum zwi- •schen Sta<lt und Sre wird von sumpfigem Wiesenland eingenommen. Auch die benachbarte kleine Stadt Jiialla hat eine ähnliclie Lage wie Johannisburg; der flache Sumpfboden nördlich von der Stadt, durch wdichen sich mehrere Dämme als Winterwege nach dem auf einer höheren Stelle inselartig liegenden Dorfe Oblewen ziehen, kann nur als ein altor fcseegrund aufgefasst werden. Die Stadt Lyck liegt am gleichnamigen See an der östlichen Langseite. Auf einer Insel im See, der Stadt gegenüber, tindet sich das Scldoss Lyck. und im Anschluss an dieses ifet die städtische Ansiedlung entstanden, welcher die Schlossinsel gleich- zeitig einen Ueberffang über den See gewährt Schmale, langgestreckte Seen verhalten sich in ihren Einwirkungen auf die Besiedelung ofl wie breite Flüsse. Wir bemerken noch die Stadt Oletzko auf einer Hoch* fläche zwischen dem grossen (>let/.ko»*r See und dem Thale des kleinen Flusses Lega; fenier das ganz besonders interessante Lotzen auf einem Isthmus zwischen dem Löwentin- und dem vielverzweigten Mauersee. iJer Isthmus von Lotzen ist einer der wichtigsten Zugänge in das öst- liche Masurenland, da sfidlich Ton ihm ausgedehnte, mit Seen unter- niLsdite Sumpfwälder, nördlich eme Reihe grösserer Seen namentlich den Marscli von Trttp])en erschweren. Die Landstrasse von Königsberg nach .I(i1i;uinisburg und der russischen Grenze, sowie die Eisen]>ahn Ton Königsberg nach Lyck (und weiter nach dem südwestlichen Kuss- land) benutzen diesen Pass. dessen Bedeutung durch die Festungswerke, welche die Höhen nordwestlich von der Stadt bedecken, noch erhöht worden ist.

Eine langgestreckte Kette meist schmaler Seen sdeht sich rou der kleinen Stadt Klieiii nach Süden bis weit in die Johannisburger Haide hinein. Die Stadt Rhein ist auf dem Isthmus zwischen dem Nordende dieser Seegruppe und einem kleineren isolirten See zu l)eiden Seiten des Terbindenden Gewässers erbaut, also gleichzeitig Brücken-

*} Verkehr nnd Anriedlimgen, S. 301 ff.

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und Isthmusstadt. Noch aulttilli^er ist die Lage von Nikolaikcn zu beiden Seiten des hier stiu'k verschmälerten Sees. Viele Strafji<en und Wege führen Ton beiden Seiten auf diesen Uebergaiig>puiikt zu.

Gleichfalls zwischen zwei langgestreckten Seen liegt Sensbnrg an einem wichtigen Strassenfibergang, der aber doch unbequemer zu erreichen ist als der Pass Ton L(")tzen. Weiter nu rkeu wir uns noch die Seeorte Orteisburg und Passenheim. I>er schninle See, an welchem Ortelshurg sich lang hinzieht, ist in der Mitte durch eine Brücke überschritten. l*assenheim liegt nicht auf der »ehr charakten- stisclieu, weit in den Kalbensee vorspringenden südlichen Halbinsel» sondern im Hintergründe einer Bucht; die Halbinsel scheint -sich wegen ihres unebenen Bodens weniger zur Stadtanlage geeignet zu haben ala ähnliche Terrainformen bei vielen anderen Seen.

Weiter westlich wandernd tretfen vnr an der Orenze von Ost- und Wcstpreusscii mehrere Städte des Halbinseltv|)us. So ist l)eutsch- Eylau auf einer Halbinsel in den oberen Geserichsee hinau>>gebaut Riesenburg und Stuhm haben Isthmen zwischen zwei Seen sehr geschickt benutzt Namentlich Stuhm war eine' wichtige Burg der Ordensritter, um welche sich die Stadt angesiedelt hat. Viele der kleinen ost- und westpreussi<( hen Städte sind im Anschlttss an die Ordensburgen entstanden, die ( h densritter haben die Terrainverhältnisse des Landes für ihre Burg- und StUdtegründungen meist sehr glücklich benutzt und die am meisten gesicherten und zugleich die Verbindimgeu beherrschenden Stellen rasch herausgefunden.

Versetzen wir uns Ton hier^ um dieses Kapitel nicht zu sehr aus» zudehnen, gleich in die Seelandschaften Mecklenburgs, so finden wir dort die Seeorte des ersten und dritten Ty}ius besonders zahlreich ver- treten. Da liegt Wesenberg am Südende des Woblitzsees, Mirow und Woldegk, das erste am Südost ende, das zweite an der Westseite von Seen, deren Spiegel in historischer Zeit viel an Umfang verloren haben. Neustrelitz lehnt sich an die Ostseite des Zierkersees, eines der wenigen fast runden norddeutschen Seen. Vielüiush sind die mecklen- burgischen Seeorte zugleich BrUckenorte ftlr die aus den Seen kommen- den Flüsse.

So liegt der wichtige Strassen- und Bahnknotenpunkt Xeubranden- bürg kaum einen Kilometer vom unteren Ende des Tollensesees am gleichnamigen Fluss. Da unterhalb der Stadt sein* bald wieder Sumpf- und Bruchland im ToUensethal beginnt, war der Pass von Neubranden- burg für die von Ost nach West Mecklenburg durchziehenden Routen gar nicht zu umgehen. Auch die Stettin— Hamburger Bahnlinie hat ihn aufgesucht. Verfolgen wir diese Linie in der Kichtung nach Hambui^, so treffen ^vir bald die Stadt Malchin in ganz ähnlicher Lage an der Peene zwischen dem Malcliiner und dem Cummerower See. Auch der Pass von Malchin ist schwierig zu umgehen. Wir merken noch Plau am Austritt der Eide aus dem grossen Plauer See, Goldberg am Ausfluss der Hfldenitz aus dem Goldberger See und Malchow an einer schmalen Stelle des Malchower Sees. Letztere Stadt hat nicht nur eine im See liegende Insel besetzt, sondern sich auch noch auf beiden Ufern ausgebreitet

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41] Die Stftdte der norddeutschen Tiefebene. 13S

ZuLlreidu' intM klt nbiirgische Städte haben sich an mehrere nahe bei einander litgeiide Seen angelehnt. Fürstenl» erg Hegt auf einem Tou der Havel in mehreren Armen von West nach Ost durclizogeueu lithmus, welcher östlich vom Baalensee und Schwedtsee, westlich yom Röbüiisee begrenzt wird. Die Landstrasse und die Berlin-Strakunder Eisenbalm benutzen diesen Päse, un da^ nach Ost und West hier ganz besonders entwickelte Seengebiet zu durchschneiden'). Penzlin (west- lich vom Tollensesee) beherrscht einen ähnlichen Pa.ss inmitten von mh'i kleinen Seen. Auch Waren am Nordende des Müritzsees ist zwi^clien die>en und einen nördlicheren kleinen See eingeschaltet. Da der Müritzsee den Wegen ein so grosses Hindernis« entgegenstellt, dringen sich dieselben um so mehr an seinen Spitzen zusammen, und so ist auch Waren ein Strassenknoten geworden, imd in allernächster Zeit wird es einer der wichtigsten Brenninmkte des sich jetzt stark tergrofisemden mecklenburgischen Eisenbahnnetzes werden.

Mit Uel»er<rehung einiger l^leinerer Städte erwähne ich dann noch Schwerin, weh hes östlich an den grossen, sonst al»er städtearmen Schweriner See grenzt und westhch, südlich und nördlich von einer ganzen Kette kleinerer Seen, die zum Thefl von den Häusern der Stadt oocb berOhrt werden, umgeben wird. Diese Seen sind der Faule See, der westlich dur( h ein sumpfiges Thal mit dem langen schmalen Neu* mOhler See verbundene Ostorfer See, der Lankow er See, der Medeweger See. der Ziegelsee und der Heidensee. Der Ziegelsee flrinsrt mit einem Golfe, (h in IMatFenteich, und der SchAveriner See mit dem Buig&ee und dem sogenannten Beutel noch besonders tief in das Stadt- gebiet ein. Das Schloss entstand auf der Insel zwischen Schwerinersee und Burgsee, der älteste Theil der Stadt zwischen dem Burgsee und dem Pfaffenteich. Die Lage war für die Yertheidigung eine imgemein günstige, die um das ganze Stadtgebiet sich herumziehenden Seen» welche die Stadt wie eine Inselstadt erseheinen lies-^^eii. haben jedoch Schwerin verhindert, ein ebenso wichtiger Strassen- und Bahnknoten zu werden, wie manche kleinere Stadt des mecklenburgischen Landes.

Halbinselstädte giebt es im Gebiet der mecklenburgischen Seen- platte nicht Tiele, erwähnenswerth sind nur etwa Dob bertin am Dobbertiner- und Röbel am Müritzsee.

Höchst auffällig ist dann wieder die Lage von Ratzeburg. Der Keni der Stadt befindet sich auf einer grossen Insel des Ratzeburger Sees. Vorstädte liegen auf dem ö-tlidien und dem früh besiedelten Westlichen LTfer, von letzterem aus streckt sich eine Halbinsel der Stadt- insel entgegen. Man beachte auch die Lage des nahen Mölln auf einer fast bis an das gegenfiberliegende Ufer reichenden Halbinsel des Möllnersees. Da dieser See nicht sehr um&ngreich ist, hat er die KLsenbahn nicht zu einem Umweg gezwung^ und wird Ton ihr auf einem Damme überschritten.

Im (iebiete der grossen Seen Ostholsteins haben wir endlich die Stadt Eutin als eine Isthmusstadt zwischen dem grossen und kleinen

*) Man Tgl. hierzu das Blatt 215 der Karte des Deutachen Reidies.

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Eutinersee und das an Schwerin erinnernde Plön zu erwähnen. Es wird von dem grossen utkI kleinen Plönersee. dem Trammersee und Schöhsee umgeben. Plön lehnte sich wie Schwerin an ein festes Schloss an, hatttf aber hinnchtlich der LandTerbindimgen mit denselben Nach- theilen zu kämpfen wie jenes. Landstrassen und die ein/ige hier vor- ilheifüfarende Msenbahn niUssen theils auf D&mmen die Buchten der kleinen-Ti Rppn überschreiten, theils mit grossen Umwegen die schmalen Landzungen zwischen den Seen aufsuchen.

Wir verlassen hier die Landseeii und die Scheitel der norddeutschen Höhenzüge, um noch die Abfälle derselben gegen das niedrigere Land zu untersuchen. Es leuchtet ein, dass an den Rändern der HdhenzOge fast stets Aenderungen in der Beschaffenheit und Zusammensetzung des Bodens eintreten werden. Dunit ändert sieh aber auch die Ertrags- tVihigkeit und die BenutzungswtM<p. Ebenso wie schon im Waldbau die (irenze /wischen Höhenzug und tiefliegender Ebene sich s*'br liriiifig durch jjlöt /liehen Wechsel des Bestandes zu erkennen giebt. iht aut den Höhen in der Kegel Nadelwald, in der Tiefe wenn sie nicht allzu sandig ist Laubwald Torhenscht, ist dies in noch höherem Grade bei dem em])findlicheren Ackerbau der Fall. So kann eine an sich unerhebliche Höhendifferenz die Grenze zwischen gutem und kärglich lohnendem l^xtdeii \m<\ damit zwischen grösserer [)irlite und Wolilhaben- heit der Brw ( »liru r und schwach besiedelten, ärmlichen Strichen werden. Ueberail aljer, uo (Tebiete verschiedener Anbauweisen und Bodenerzeug- nisse zusammentreöen , ist Gelegenheit zum Austausch und damit zur Entwicklung von Verkehrsplätzen gegeben.

Dazu kommt, dass auch die Land- und Wasserwege an der Grenze zwischen Höhe und Tiefebene gewöhnlich eine Veränderung erleiden, welche Aufenthalt und dadurch auch wieder Ansiedlung<Mi hervoiTuft. Die Landwege zwar werden sich durch die TTrdienziige nicht immer be- irren lassen, aber sie zielien docli, so lange sie können, am Rande eines solchen Kückens hin, dadurch gerade hier Leben und Verkehr befördernd und hervorruÜBnd. Audi & ISsenbohnen machten nament- lich in den ersten Jahrzehnten der Eisenbahnzeit gern Umwege « um den be.scheidencn aber d\o SteigungsverMltntsse doch oft unangenehm beeinflussenden norddeutschen Höhenzügen aus dem Wege zu gehen oder sie doch an der becjnemsten Stelle zu überschreiten. M;ui erinnere sich an den Umweg der Berlin-Anhaltischen EisenVcilin zwisi hen H. rlin und Wittenberg, um einen günstigen i iämwigübergung zu gewmnen, femer an den Umweg der Ostbahn zwischen B3bing und Brannsbeiig zur Vermeidung der Elbinger Höhe und zahlreiche ähnlidbe Fälle.

Beeonders ist aber der Uebergang in die Tiefebenen bei den Wasserwegen zu beachten. Vielfach reicht die Schitlbarkeit eines Gewässers gerade bis an den Rand eines Hölienzuges hinan; hier ent- stand dann, wenn man einmal den Fluss als Verkehrsstrasse zu benutzeTi e^e- lernt hatte, ein L mladeplatz für Waaren und hier uud da auch Aufenthalt ftlr die Reisenden selbst. Es kommt auch vor, dass die Schiffbarkeit eines Gewässers beim Durchbruch durch einen wenn tack unbedeutenden Höh^urOcken eine Torübergehend e Hemmung oder Minderung erfahrt, indem eine Barre oder ein Felsriff das Strombett durchsetzt oder das

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Die Städte der norddeutschen Tiefebene.

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Fahrwasser auf eine srlniinlc Kinne beschränkt. Auch an solchen Stellen eutstehen wohl AusiedlunLK ii . tlii "las Fahrwasser ijeaulsichtigt und im Stande gehalten, die Fahrzeuge durch die schwierige Stelle hindurch- geleiiet oder auch, wo dies nicht angeht, die Waaren auf kleinere Schiffe umgeladen werden mfissen. Es werden auch gern Mühlen an solchen Punkten angelegt. So zog eine dem Rande der Tiefebene wenigstens sehr nahe gelegene Stadt, nämlich Hameln, einen grossen Theil ihrer Ein- nnlimen ans der Durchleitnng der SchitFe durch das soo-pnannte Hanielnsche Loch, die getürchtetste Stelle der ganzen Weser von ßremeji bis Münden

Mehrere der norddeutschen Hr)henzüge sind an ihren Abhängen TOü einer sehr deutlich hervortretenden Stüdtereihe begleitet, am meisten da, wo auf dem Scheitel des Zuges selbst die AnzaM der Stftdte sehr gering ist. So werden das schlesische Katzengebirge, der Lausitzer Orenzwall und der Fläming von zahlreichen Randstädten umgeben (s. o.). Es sind am K atzen ijebirge Trebnitz. Prausnitz. Stroppen li. a.; am Lausitzer Greuzwall Neustädtel, Freystadt. Naumburg am Bober. Summer- feld, Forst, Spremberg. Alt-Döbern, Kalau: am Fläming Luckau, Dahme, Jüterbog, Treueubrietzeu , Niemegk, Beizig, Ziesar als nördliche Randstadte zu bezeichnen. SQdliche Randsfödte sind am Fläming u. a. Möckern, Leitzkau (auch noch das schon höher liegende Lol)urg ). Zerlest, Coswig. Wittenberg. Zahna, Jessen, Schweinitz. Schlieben. Kirchhain, Finsterwalde. Senftenberg, Hoverswerdri sind die wi( htigsten südlichen Kandstädte des L a n s i t z e r (i r e ii z w a 1 1 e s : am K a t z e n e 1 » i i" g e mr»chten etwa Wohlau. üels, Bernstadt und Xamslau als Städte des Siidraudes mit einigem Rechte zu bezeichnen sein.

Andere Randst&dte finden sich am Saume der frflher besprochenen Vreiten Flussthäler. Sie sind von den BrUckenstädten sehr wohl zu unterscheiden, da bei ihnen nicht die Möglichkeit des Ueberganges über das Thal, sondern nur die Lage hart am Thalraiide das Htstimmende i>t. Diese Laire erm<>;xli<"ht es, sich nicht nur gegen Feinde hiniänglicli zu sichern i besondt-iN \s t ini mim auch noch die vom Flusse abgewendete Kflckseite der Stadt mit W all und Graben uragiebt), sondern auch in der Flossniederung Aecker, Wiesen und Weiden zu übersehen und zu bewirthschaften. ohne dass die Stadt sdbst den in der Flussebene leicht mO^^lichen Schädigungen ausgesetzt wird. An der Weichsel gehören Kulm und Marienwerder, dann aber auch das hart am Rande der Niederung liegende Marien bürg zu diesen Handstädten. Die Lage Ton Marienburg ist in der That eine sehr bedeutungsvolle. Das rechte Ufer der Nogat ist hier noch ziemlich hoch (20 80 ni) und gestattet eben sehr guten UeberbUck über die ganze Niederung, in welcher bis T^irsdiau, Danzig und Elbing kein Höhenzug, kaum ein vereinzelte Hügel dem Blick entgegentritt. Die Gegend von Marienini rg ist aber auch gerade die des letzten Herantretens der südöstlichen Höhen an den Fluss, weiter abwärts an der Nny-at würde man vergebens nach einem ähnlichen die Niederung beherrsi hendeu Bauplatze suchen (Elbing 8. u.). Xui nebenbei sei angedeutet, das.s die Lage Marieuburgs auch

^ Gnthe, Die Lande Brannachweig und Hannover, 8. 4d4.

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Hahn,

[44

eine leicht^' \'t il>iniluiig mit allen Tlu-ik-ii (k-s au>üi «leimten Ordens- lunde^ ermöglulite, zumal sich im Kückeu von ^liinenburg die Irüiier erwähnten trockenen und wegsamen Landsfanche des Eulmerlandes hin- ziehen.

Aber auch Elhing und Daiizig sind echte Randstädte an der Grenz- scheide zwi.schen Höhe und Niederung. Es läs.st sich kaum ein schärferer Gegensatz denken als der zwischen den Hügellandsdiaftm der bei Tninz 2<^1 m Höhe erreichenden, von zahlrei( In n raschtlics>L'uden Bächen und l iüsschen durchfurchten und stark bewaldeten Elbinger Höhe und dem fast TöUig ebenen {a. jedoch am Anfang des Abschnittes) waldlosen aber dicht mit Ortschaften fibersäten Niedertmgslande. Die Sstlicheii Vorstädte von Elbing liegen schon auf den Vorvtuf. n der Höhe, die westlichen jenseits des Elbingflusses auf Niederungsliudcn. Die Verkehrs- wege EUniigs sind schon mehrfach berührt worden, die Eisenbahnen, welche die inneren Tlicilt- des Weichselwerders lange ^^ streng geniied« n haben, berührten auch Elbing bisher nur mit eiuer allerdings besonders wichtigen Linie. Begehen wir uns jetzt auf das linke Ufer der Weichsel, so bemerken wir im Vorfibergeben die früher nur als Randstadt, seit Vollendung der ostpreussischen H€'iuptlandstra>se und zumal seit Erbau- ung der Ostbahn auch als Brückenstadt zu bezeichnende Stadt Dirschau. Strasse und Eisenbahn wurden wohl deshalb mit grossen Kosten und vieljähriger Ar})eit durdi den südlichsten Theil der Niederung ge- führt, weil bei einem südlicheren Weichselübergang (unter Ersparung der Nogatbrücke) nur kleinere Orte von der Bahn berührt wSren, Elbing aber und das jetzt durch eine kurze Zweigbahn angeschlossene Danag allzuweit seitab gelassen wären. Durch die Nogatbrücke ist auch Harien- bürg, jedoch in geringerem Grade, zur Brtickenstadt geworden.

Die Lage von Danzig entspricht in ludiem (Jrade derjenigen von Elbing. Unmittelbar westlic h von Danzig erheben sich ansehnliche Hügel, auf denen ein Theil der wichtigen I)anziger Festungswerke errichtet ist. Die Stadt liegt genau au der nordöstlichen Ecke des ganzen Hügel- hmdes, welches den Lauf der Weichsel hegleitet hatte und sich von Danzig ab im allgemeinen der Meeresküste parallel nach Nordwesten wendet. Oestlich und südristlich \nn Danzig dehnen sich sofort die weiten von Weichsel und Mottlau dun lizogenen Ebenen des Werder^ ans. Nördlich von der IStadt beginnen bald die hier und damit Waldung bedeckten Sand- felder und Dünen der Küste. Da die eigentliche Stadt Danzig nur einen kleinen Kaum einnimmt, ziehen sich hier wie bei alleu f estungsstädten Vorstädte weit hinaus. Sie liegen theils südlich ^on der Stadt am Bande des HfigeUandes (Petershagen, Alt-Schottland und das weit entfenite aber noch zum Stadtkreise gehörende St. Albrecht) theils nordwestlich an der Fortsetzung des Höhenabfalls (Ncu-Schottland, Langfuhr), theils ziehen sie sich in Thalrinnen zwischen den Hügeln bergan (Neugarten. Schidlitz, Theile von Langfuhr). In der Niedeiiing liegen durchaus keine eigeutlichen Vororte Danzigs, ebensowenig in den DUneugegendenr

') Erxi in neuester Zeit geht man an die Auslührung einer von der Dirschau- Marienburger Strecke abzweigenden und sieh nach Nord gegen Neateich und Tiegen* faof wendenden Stichbahn.

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Die Stidte der norddeutsch«! Tiefebene.

1S7

(über I)anzi«;s Vorhafen und BezicluniLicn zum Meere s. u.), dai^egen hat die Stadt hier einen grossen Theil ilire.s Grundliesitzes (I)anziger Rieselfelder östlich von WeichselmUnde, Waldungen auf der Danziger und Friscfaen Nehrung weit nach Osten reichend). So ist die Stadt am Rande ihrer sichemden Höhen den GMahren der Kiederun^ fast gänz- lich entrückt, vermag aber die Ebenen gut zu übersehen und Theile derselben für sich auszunutzen. Wiederum der Lage von Danzig ähn- lich ist die von Stettin. r)io eigentliche Stadt und ihre durch die Aufhebung der Festung intiglich gewordenen Erweiterungen nach Ost und Nord liegen auf der Höhe, die sogenannte Lastadie und Silbervviese schon auf tiefliegenden Oderinseln; auch der südliche Vorort Oberwieck ist zwi- schen den Al)hang des Plateaus und den Hauptarm der Oder eingezwängt und deshalb ziemlich eng gel)aut. Die übrigen Vororte Stettins, welche jetzt nur noch theil weise als solche zu erkennen sind, da sie in die neuangelegtt^n an Gnis^t' das alte Stettin weit übertretfeiiden Theile der Stadt hineingezogen wurden, liegen sämmtlich auf der Höhe, nordwest- lich und besonders nördlich von der Stadt, wo sie sich mit Fabriken und Schiffbanplatzen untermischt fast 5 km weit auf dem Höhenrande enÜang ziehen. In der Niederung der Oder liegt kein besonderer Vor- ort, an der AufflnUndimg der Dunzig, Ptniitz und Reglitz in dengrossen Damni'schen See stehen kaum einzelne Hauser. OeLfcn Südost, jenseits der kleinen Reglitz, beginnt das grosse Stettiner Elsbrueh, eine tief- liegende Waldung. Nur die Landstras.se und die beiden Eisenbahnen nach Stargard und Kü.strin durchziehen nicht ohne Mühe das sumptige Land, um den entfernten Östlichen Thalrand zu gewinnen.

Wir überschreiten wiederum die Elbe. Die Randstädte des Harzes Abgehen wir für diesmal ebenso, wie wir die RandsiÄdte des Kiesenge])irges als unserer Aufgal)e schon femer liegend übergangen haben. Wohl aber muss daran erinnert werden, dass die drei Orossstädte Magdeburg, Braunschweig und Hannover in gewissem Sinne gleichfalls als Randstädte aufzufassen sind. Das fruchtbare, hügelige, hier und da noch von kleinen Berg^zügen mit anstehendem Gestein unterbrochene Ackerbaugebiet erreicht ziemlich genau in der Nahe der drei genannten Städte seine Nwdgrenze. Diese Grenze verläuft von Hannover, in dessen Nähe wir noch erhebliche, auch für den Geologen wichtige Höhen er- blicken, ostwäi-ts etwas südlich von Lehrte, dem bekannten Bahnknoten, über Peine, nahe vor den nördlichen Tlioren von Braunschweig V{ud)ei, dann auf Oebisfelde, Neuhaidensleben und erreicht die Eibe etwas süd- lich* Ton der OhremUndung unterhalb Magdeburgs. Nördlich von der eben gezogenen Linie herrschen Wald, Haide, hier und da auch Sümpfe, der Boden ist fast durchweg von geringerer Güte als in den südlicheren, niit Ausnahme jener klriiuMi Gebirgszüge fast waMlosni Strichen. Pie Dichtigkeit der Bevölk» i iiiig sinkt bei Ueberschreitung jener (Trenzlinie sofort auffallend. Man vergleiche folgende, nach den Ergebnissen der Zählung von 1880 aufgestellte kleine Tafel:

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138 Hahn, [46

Südlich von jentr (irenzf. | Nördlich von derselben.

(Abgesehen von kleinca, durch die nothwendi^e Benutzung politischer Be>

xirke veranlassten Aliweichungen.)

Kreis Hannover- Land .... 90

Hildesheim 142

i> 1 i 205

, Mmunschweig . . . < ^„

, HL«hu-,tt'at 73

, Neuhaidensleben . . . 82 , Wolmirstedt .... 7:i

Krei» Fallingbostel 22

. Celle 37

« Gifhorn 29

, Salzwedel 42

, (tardelegen 38

» Stendal 61

Mittel 88. I Mittel 38.

Diese Zalilt n. welche dem Text zu Ksivensteins Bevri]kt'run<j:skarte des Deutschen iieiclies (im Atlas zu dem bekamiten NeumaiiH '-i hen T.exiknii, Leipzig 188Ü) eutuoiuiuen sind, bezeichnen die Seeleii/ulil aul dem Quadratldk)iiieter. Die Sordae sind bo ao&el&lirt;, dass jedesmal zwei räumlich benachbarte Kreise, einer des sQaliehen und einer des nOrd* liehen Gel)ietes, einander gegenübergestellt sind. Bei Braunschweig ist in der ersten Angabe die Stadt mit eingerechnet, bei der zweiten je- doch nicht. Für den Mittehveiih ist natürlich nur die zweite Zalil heran^e/.(»gen. l)ie Differenz zwisclien den Zahlen für die Kreise Wohuirstedt und Stendal ist nur gering; der EinÜuss der wieder besser bebauten, wenn auch der Magdeburger Börde nicht gleichzustellenden Altmark macht sich hier geltend« Dass an der Grenze so yerschieden besiedelter und bebauter Landstriche Austau.sch und Verkehrsplätze guten Boden fanden, versteht sich von selbst. Es ist auch nicht auffallend, dass von den drei hier in Betracht kommenden Städten Ma«jde1nng mit seiner günstigen Lage an einem Elbiibergang und am B<'gnni .l« s früher ausführlich besprochenen 2saturweges nach dem Osten die grösste Bedeutung erlangte. Hannover, durch die Leine audi noch einiger- massen gefördert, ist allerdings durch politische Verfa^tnisse mehnach seta begflnstigt worden, hatte al^er daneben den grossen natürlichen Vorzug eines breiten offenen Weges nach Süden durch das Leinethal. Von Güttingen aus war der T'ebergang znr Fulda nicht schwer, und für den weiteren Weg nacli ►'Süden bot sicli jt ne von der Main-Weserl»alm benutzte Senke zwischen Vogelsberg und dem Ostmnde des sogenannten Rheinischen Schiefergebirges, welche genau auf das Nordende der grossoi oberrheinisGhen Tiefebene zuführt. Braunschweig hatte nur die un- bedeutende, einst aber doch zur Schifffahrt benutzte Oker zur Verfügung, und im Süden die hemmende Masse des Harzgebirges. Es ist sonach nicht zu verwundern, wenn das in früherer Zeit durch mancherlei ver- kehrspolitische Massregeln sehr gehobene Braunschweig allmäldich von Hannover und noch viel mehr von Magdeburg überholt wwde^). In neuester Zeit hat jedoch Braunschweig durch die Betriebsamkeit seiner Einwohner und den blühenden Anbau der reichen sOdlichen und sOd- östlichen Umgegend, welche in Braunschweig ihren Hittelpunkt sieht,' den Verlust zum Theü wieder ersetzt; die Verkehrswege nach Süden

M Ytrl. Zcitschr. für wissenschafÜ. Geographie, Bd. 1, 1880, S. 27 ff., mit

dem Diagramm auf 8. 31.

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Die Städte der norddeutschen Tiefebene.

139

(Qber Hui-zburg iimaus) und direct uach Xordeii fehlen der Stadt jedocli iiodi immer.

Wir mfissen uns jeizt aber der eigenartigsten Gruppe von Rand-

stridteii zuwenden, welche sich im Westen der Elbe entdecken lässt; dies sind die Stildte an der Grenze von Geest und Marsch. Die Marsch ist fast in jeder Beziehuii«^ das Gegeiitheil der Geest. „Die Marsch/ sagt Bernhard v. Cotta in einer Itekannttn klassisc hen Stelle, die ich hier auiühreu möchte „ist niedrig, flach und eben, die Geest Iiocli, uneben und minder firuditlMur. Die Manch ist kahl und TGlüg InuudIos*), die Geest stellenweise bewaldet, die Marsch zeigt nirgends Saud und Haide, sondern ist ein ununterbrochener fetter, höch.st frucht- Urer Erdstrich*), Acker an Acker, Wiese an Wiese; die Geest ist haidig. sandig und nur stellenweise beliaut. Die Marsch ist von Deichen und schnurgeraden Kanälen durchzogen, ohne Quellen und FHisse*), die Geest hat Quellen, Bäche und Ströme." Jeder wer diese für den Geo- graphen überaus anziehende Grenzlinie zwischen Marsch und Geest selbst besttdit hat, wird diese Worte Cotta's mit den in den Anmerkungen Toigetragenen Einschränkungen bestätigt gefunden haben. Es versteht sich nun von selbst, dass mit jenen Gegensätzen der Landesnatur auch solche der Bewirthschaftung, Besiedlnng. Bevölkenmgsdichte und Wohl- habenheit verbunden sind. Der Gegensatz zwischen Marsch und Geest beherrscht tliaisäcliiich auch die Lebens- und Erwerbsverhältnisse der Dordwestdeutschen Bevölkerung weit mehr, als man sich im Binnen- lande wohl vorstellt

Was die Ansiedlungen betrifft, so ist der Boden der eingedeichten Marschen, welcher nur durch regste menschliche Thätigkeit und unaus> gesetzte Verbesserung der schtitzendeii T)eiche semen hohen Werth er- langt und bewahrt hat, ottenbar keni günstiger Bauplatz für grössere Ortschaften oder gar Städte. Man sucht, wo es irgend angeht, einen wenigstens etwas über das allgemeine Niveau der Mars(£ eihOhten Bsaplatz für Haus und Hof zu gewinnen, um einerseits der immer möghchen Ueberschwemmungsgefalir 1 »esser ssu entgehen, andererseits aber nichts von dem werthvoUen zu Wiesen und Feldern zu benutzen- den Boden mit Häusern zu verhauen. Es tinden sich nun wenigstens in einem Theil der Marschen einzelne sandige Erhöhungen, die aber nur selten so viel Baum bieten, dass ein grösserer Ort darauf Platz findet; nur einige Gehöfte können sich hier zusammendrängen. An

') Deutschlands Boden. Leipzig 1858. Bd. 1, 8. 151, § 308.

' i Die Mancbbaueni haben indessen jetst zuweilen kleine W&ldchen an

ibr^Q Höfen.

*) Wo man, wie im Hadeln^scfaea Siethlande, die Marschen zu früh cingerleicht bat. treten nVior leicht Versumpfungen ein nnd dadurch minder firadit* baie Strecken zwischen die besseren.

*) Dies iat nicht (nim richtig', es giebt in den Hanehen allerdings von der Oeef«t herabkommende klrii <> Flüss«-. nur sind sie meist SO regolirt und unter Auf- iicbt gehalten, das» »ie Kanülen gleichen.

'-) Man vergl. die grosse Kute bei Müller, Besdneibnn^ der Stonnfluthen am 3. nnd 4. Februar 182'). Hannover 1825, welche das an jenen Tagen aber> schwemmte Marschgebiet zeigt.

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140 Hahn, 1^48 !

I

einzelnen Stellen sind diese kleinen Hügel auch wohl kUustlichen Ur- ! Sprungs^ dann aber meist nur für ein einziges OehSft, selten ftlr mehrere besfcinmit. Dass man so grosse Hflgel (Warfe oder Wurthen) auf- geworfen habe, um ganze Ortschaften imd Städte in Sicherheit daraoi

anzulegen, ist nicht wahrscheinHch, wenn auch J. C. Hekelius in euvr Beschreibung der Wassertluthen «ler Jahre 1717 uud 171>^') meint, man habe „Hügel aufgeworiten , auf weldie man sich .sauibt .seinem Yieh reteriret, wenn etwa das Wasser angekommen, wie mau denn noch heut zu Tage hin und wieder solche HOgel sieht und die Flecken und Dörtfer sind auch mehrentheils auf .solche erbauet worden.* Hekelius hielt wohl wie manche Murschbewohner alle diese Ueinen Geestinsdn in der Marsch für künstlich aufgeworfen.

\\ o jedoch ilie Marsch nicht allzubreit ist, da werdi'u die grösseren < Ortschaften .sehr gern auf dem Kande der Geest errichtet. Sie liegen dort in Sicherheit, nehmen nur weniger werth vollen Boden weg, uud die Ländereien in der Marsch lassen sich vom Höhenrande aus ebenso- gut übersehen und beherrschen als bequem bewirthschaften. Da eme geringe Breite der Mai-sch aber fast an der ganzen deutschen Nordsee- küste di«' Hegel ist, .so ist die Lage der Städte auf dem Geei^trande eine ganz allgemeine, weder bei Wan<lerungen an Ort und Stelle noch hei dem Studium guter topographischer Karten zu übersehende Er- adieuiung, die sofort von den Geographen hervorgehoben wunle. ids man begonnen hatte, nicht mehr ausschliesslich auf «Merkwürdigkeiten" und Gewerbthätigkeit der Städte, sondern auch auf ihre Beziehungen zur Landesnatur zu achten*). Wir treten nun eine kurze Wanderang durch diese Randstädte zwischen Mars( h und Geest an und beginnen im äussersten Norden. Noch jenseits der deutschen Grenze erblicken wir genau an dem Geestsaume die Stadt Hipen, deren Bedeutung noch durch ihre Lage auf eiuer Insel der Ripener Au uud an dem letzten günstigen üebergangspunkte Uber diesen Fluss erhöht wird. Ripen ist immer einer der wichtigst«i Orte dieses Theiles der Küste gewe^sen, in ziemlich weiter Entfernung findet sich kein Ort von ähnlicher '^^e und Verkehrsbedeutung. Höver liegt auf einem rings von Marsch- wiesen nnigebenen Geesthügel unweit des Meeres. Von Höver, wo die eigentlichen Deiche erst recht beginnen, weicht der Geestrand bogen- förmig in das Lmere des Landes zurück, er lässt sich über Mögelton- dem bis in die nOrdliche Umgebung von Tondem verfolgen. Tondefn selbst bildet eine Ausnahme unter diesen Randstädten, da es nur auf emer äusserst geringftigigen Bodenerhebung liegt. Man hat diese Lage wohl gewählt, um von der Seeschifffahrt Nutzen ziehen zu können. Das Meer war im Mittelalter viel leichter von Tondern aus zu er- reichen als heute Der ungünstige Bauplatz hat jedoch der Stadt wohl grösseren Schaden gebracht als die Seeschifffahrt Nutzen, zuiii-

Wieder abgedmckt bei de Vries und Focken, Ostfrieshmd, Emden 188L

43eite 46.

*) Tgl. z. B. Mendelssohn, Das germantsehe Europa, Berlin 1836,8.250 f. Schrö'lor. Topographie des Hersogthnms Schleswig, Oldenbnig^ in Uolsiein 1854, Ö. 541 f.

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Die Sadte der norddeutschen Tiefebene.

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reiclie Ueberscliwcmmungen bei SturmHuthen werden gemeldet , deren eine im Jahre Hiir) die Stadt dem Unterganfr^' ^«'hr nahe l>racht«. Melleicht häTi;x< ii auch die zahlreichen Pestepidomirii, von denen Ton- dem im IG. und 17. Jahrhundert heimgesucht wurde, mit der niedrigen Lage der Stadt zusammen.

Der Geestraad, der östlich Ton Tondern nocli weit in das Innere des Landes hmeingreift. wt ndct sich südlich vom Flusse Suderau wieder der Westküste zu; wir bemerken auf ihm die grösseren Orte Süder- lügiini. Braderup. Leck, und namentlicli Bredstedt. Während iu der <istlichen l iiiLft lniii«; von Bmlstedt nocli Höhen von 42 44 m vorkommen, dehnen .sich westlich die von den Deichen umgebenen Kooge mranterbrodien bis zum Heeresufer aus. Auch Husum ist eineRand- sUdt; nördlich, und sfldUch vom Fluss Husumer Au zieht sich je ein Vorsprung der Geest in die Marsch hin ji. auf dem nördlichen liegt die Stadt Husum, auf dem südlichen das Dorf Hödeniis. Oestlich von Husum lie^ren Höhen von 12 22 m, westlich wieder die Marsch. Husum ist gleichzeitig letzter Brückenpunkt an der Husumer Au.

An der Ostgrenze der Marschlandschaft Eiderstedt tritt der Gfeestrand ivieder weiter zurück, mehrfach grenzen grosse Moore an die Harsch und nur einzelne Geestinseln erbten sich dazwischen. So namentlich an dem Moorfluss Treene. Unter den Städten und Flecken Eiderstedts und der ostwärts angrenzenden kleinen Landschaft Sfapel- holm bemerken wir zunächst das «ranz moderne F r i e d r ic h s t a d t. eiue Festungsstadt an der Vereiniguncr von Treene und Eider, also ganz mit Küstriu , Spandau und Wesel zu vergleichen Sie wurde erst 1621 gegründet und hat als Festung im Kriese von 1850 eine Rolle gespielt, jetzt sind die Befestigungen wieder beseitigt worden. Auch xönning steht nicht zur Geestgrenze in Beziehung, es hat eine niedrige Lage und ist deshalb wie Tondern öfters von Uebei-fluthungen heim- L'^^-iiidit worden. Im 17. und 18. .Lihrhundert hat Tönning als Sperr- h -tuiig für die Eidermündung mehrfache Angriffe und Belagerungen durchzumachen gehabt, ist aber jetzt schon lange entfestigt. Im west- Hchen Theile des eigentlichen Eiderstedt macht sich ein niedriger, in ^eeer flachen Landschaft aber doch auffallender Geestrllcken bemerk- lich; er tritt zuerst am .Tunkernhof westlich vou Kotzenbüll auf und zieht sich dann nach Westen bis Ording iu der Xähe der Land- spitze Xackh(»rn fort. Auf diesem sehr stark besiedelten Hcdienzuge zieht sich die Land.strasse hin. auf ihm liegt auch die nicht unwichtige Stadt Gar ding. Schnider (a. a, 0. S. \M\ bezeugt ausdrücklich, dass dieser sandige Höhenzug, Gaardesand genannt, die Veranlassung tm Erbauung einer Ansiedlung, zunächst eines Dorfes, an dieser Stelle gewesen ist.

Wir überschreiten die Eider und gelangen in die Landschaft Dithmarschen, wo uns zunächst ein ähnlicher dichtbebauter Geest-

') .Tedoeh ist Friedrielistadt ursprün)»licli nicht zur Ft,»«tung bestimmt ge- «■f*sen und erst 1850 J)etesti«?t worden. Die inr Verthoidifjunj? höchst günstige Lage der Stadt lies.s aber ein solche.«^ .Schicksal vürau«i.seheu , sobald sicli Kriegs- «ragniaae in der Nilbe abhielten.

F«ndianfm sar dMtaeihen LatidM- und Yolktkniide. t. 9. 10

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streiten wie hei Oardiii^ aullVillt. Er führt V(»ii 1) a h r cii m n rt h unweit der Eider gerade nach Süden auf Weddingstedt und Heide zu ; er bddet die Grenze zwischen der Marsch und grossen Moorgegenden, erhebt sich bis zu 10m und tragt eine wichtige Landstrasse sowie zalüreiche Ort- schaften, «hnunter den Flecken Lunden. Heide .selbst liegt auf dem Geestrande liart an der Marsch, »hr Flecken Hemniingstedt auf einem Ausläufer der Gfost, th r nur fhucli eint n Lran/ schmalen Hürk» n mit dem grossen Gee^(L••t'llit't zusannnenhüntjrt. Uann ioiirt ]M« lilorf aui und au den letzten Ausläufern eines anderen, von Ost nach West streifenden Geestzuges. Von hier an kommt eine ziemlich grosse Zahl Ton Ortsnamen vor, die mit -donn zusammengesetzt sind : Elpersbfltteler- doiiii. Michaelisdonn u. a. Donn hedeutet nichts anderes als einco schmalen langgestreckten Hcihenrücken. Man spricht von Donnketton, dem Ponnraufle. DonnansitMllungen u. .s. w. \). Mr»glicherwei.se hängt das ^\(t^l mit Düne zu>ummen. Ausser Beziehung zum Geestrande stehen in dieser Gegend W essel b uren, eine auceblich der Fischerei halber angelegte grössere Ansiedlun^ in der Mars(£ selbst, und Marne, ein gleichfalls ganz in der Marsch hegender Ort, der wie andere durch üeberschwemmungen und Seuchen srinr ungeeignete Lage zu bUssen hatte.

Sehr markirt ist wieder die Lage der Stadt Itzehoe. Nord- östlich von der Stadt dehnt sich ein echtes Ge»-.t]dateau aus. es ent- hält Höhen bis zu 72 m, die bekannte L(j( kstedter Haide mit ihrem Artillerieschiesyplatz gehört ihm au. Im Westen, Südwesten und Osten Ton Itzehoe herrscht die Marsch, welche hier, zum Theil Ton Sttmpfen und Mooren b^leitet, wieder weit in das Land eingreift Gerade sfldHch von der Stadt aber, auf dem Südufer der St<5r, hebt sich noch einmal eme nicht unbedeutende Geestinsel aus der Marsch; es sind die mit Haide und etwas W ald bede{ kten . den Geologen wegen ihrer Kreide- brüche wohll)ekannten Höhen von Lägerdorf. So besitzt Itzehoe eine höchst eigenthündiche Lage, zumal die Stör zwischen diesen beiden HOgelmassen noch starke KrOmmungen hat und eine auiÜBdlende Insel bildet. Auf dieser Insel entstand die Burg, an welche sich die Stadt anschloss, die aber bald auch das Norduf» r der Stör in Besitz nahm und sich an den Abhängen des oben angeführten Geestj)lateaus hinan- zog -). Itzehoe ist scmach gleichzeitig Hnndstadt und Hrückenstadt. Oestlich von Itzehoe merken wir noch die liandstudt Kelliughusen auf einer sehr auffälligen, weit siclitbaren Geestecke.

Hamburg und seine Umgebuns dem letzten Abschnitt vor- behaltend, gehen wir auf das linke Elbufer Aber und tr^en dort Yon Harburg abwärts an der Elbe entlang eine ganze Reihe von Ortsdriften genau an der Marsch- und Gee.stgrenze. Ziniädi^^t liegt das ebenialls im nächsten Abschnitt noch einnuil zu Iterührendc Harburg selbst genau an der Grenze der hier sehr hügeligen und stark bewiddeten Geest gegen die Elbmarschen, Buxtehude liegt an der Este auf einer Geestzunge, die sich in die Marsch hinein erstreckt. Die Namen

') Schröder. Topographie der Herzogthümer Holstein und Lauenburg, Oldenburg in Holstein 1850, Bd. 2. 8. 568 und an anderen Stellen. ') Viele Einzelheiten bei Schröder a. a. 0. Bd. 2, S. 9.

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Die Städte der norddeutBchen Tiefebene.

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dtr Thore dieses Ortes: Geest-, Marsch- und Moorthor') sind ebenso bezeichnend wie die politische Eintheilung dieser Gegend in einen Stiuler Marse hk reis und Stader G<'estkreis. Horneburg an der Lühe hat eine iilinlielie Lage wie lUixteliude, und Stade selbst beherrscht (Itn AusU iLt der Schwinge aus den hier bis 20 m lioheii Geesthügeln. Auch viele tod den grösseren Dörfern an der unteren Elbe haben sidi an den Geestrand angelehnt, wie Altenwalde bei Cnzhaven und zahl- reiche andere. Die Dichtigkeit der Bevölkt rung ist in der ]\T;iisch selbstverständlich viel grösser als in der Geesl (Stader Marschkreis 7' Kiuw. auf den Quadratkilometer, im Geestkreise nur Ii'), Städt'^ ftr'hlen aber gänzlich, all«- An^^iedlungon ziehen sich incilmhing ;in den (meijjt etwas erhöhten) l lern der Elbe und der zahircichtii einmündenden Flflflse, sowie an den Kanälen, endlich auf schmalen, weniger durch die Höhendifferenz als durch die veränderte Bodenbeschaffenheit hervor- tretenden Rücken durch die an einzelnen Stellen unter dem Meeres- niveau liegenden Marschen hin. Zwischen jenen diclitbewohnten Häuser- ihen sind die mit vielen Obstbäumen bestandentm Flächen fast gänz- lich un>i<-dhings frei. an< Ii einzelne (ielirifte finden sich hier sehr selten.

Aucii in Oldenburg und Ostlricsland können wir unseren liaud- stSdten nochmals begegnen. Im Gebiet der Jahde zieht sich eine schmale Sandzunge nordwärts, auf deren letzten Höhen die Stadt Varel liegt. Auch die Land.strasse von Oldenburg nach dem Jever- lande benutzt diesen bisweilen durdi kleine Hügel ausgezeichneten Kücken, die Eisenbahn nach Wilhelnishat'en hält sich dagegen etwas ostlicher. Auch Jever seihst liegt auf einem in die Marsch hinaus- sehenden und diese beherrschenden Vorspruug der wenig umtungreichen jeverlandischen Gteest.

Von den Städten Qstfiieslands li^ Au rieh auf emem sehr inarkirtMi Geestrücken, der allerdings mehr von Moor- als von Marsdi- liuul begrenzt w ird , Witt ni und. Esens und Norden dagegen auf VorsprOngen der Geest in die Marsch. Auch im Rheiderland, wie die kleine, östlich von der Ems und nördlicli \ "m Dollart begrenzte Landschaft genannt wnd, machen die Geeststreilen ihren Einfluss noch geltend. Von Süden her zieht sich die Spitze des Bourtangermoores in die Landschaft, zu beiden Seiten von je einem sandigen Streifen, einor Tange begrenzt, welche sich über die Spitze des Moores hinaus noch in »las Marscldand fortsetzen. Auf dem östlichen dieser Sandstreifen, und zwar nahe am Ende, liegt die Stadt Weener, auf dem west- lichen Bunde-). So können wir diese Gruppe von Kandstädfcen bis in den äussersten Nordwesten des Keiches verfolgen.

Die geologischen Verhältnisse des Bodens haben in der norddeutschen Tiefebene nur äusserst selten einigen Einiluss auf die Vertheüung der Städte ausgeübt. Beeinflusst werden kann die Be- siedehmg einer Landschaft durch das Vorkommen nutzbarer Mineralien,

') Gut he a. a. 0. S. 107.

Die Karte zu de Vries' oben genanntem Buche zeigt diese Verhuitnisse höcbt deatUch.

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reUurttii (Bausteine) und iVlineralqueilen ; ebt'ii?>() durch die VVasser- armutfa mukcher Bodenarten und durch den verschiedenen Grad der Fruchtbarkeit^ welcher den Verwitterungsproducten der einzehien Fek- artetl, der -Miu. naniiti'n Ackerkrume zukoimnt.

Der letzte Punkt ist durch frühere Betraclitungen schon im Wesentlichen erledigt: wir salien. i\h>>a überall die Städte nicht iffrade in den besonders fnichtban ii Strichen, sondern an ihrem Uaude auf- geblüht sind. Es kann noch hinzugefügt werden, dass gerade in sehr fruchtbaren Gegenden wie in der Magdeburger Bürde zwischen Magde- burg, Bemburg und Halberstadt auch die Dörfer nicht zahh*eich, dafbr aber gross und stadtähnlich sind. Man wollte möglichst wenig des guten Bodens bebauen. Die grosse Zahl der wüsten Dorfstellen in der Börde erklärt sich nicht iiusschliesslich durch die Verwüstunjren des ^Ojährijxcii Krie'^es, sondern ist vielfach darauf zurückzuführen, dass die Bewuiiner kleinerer Dörfer diese verliessen und sich in deu grösseren mit ansiedelten, um ihre Ackerflächen zu erweitern. Das weite Auseinanderliegen der Dörfer verursacht im Verein mit der Baum- losigkeit und der Einturmigkeit iler unabsehbaren Zuckerrübenfelder den öden Land.schaftscharakter dieses Landstriches am Nordrande des Harzes und an der unteren Beule, welcher schon dem Durchreisenden, noch mehr aber dem aufmerksam beobachtenden Fusswanderer un- angenehm entgegentritt. Die grossen Landstra-ssen Ijerühren so selten ein Dorf, dass die gerade hier ungewöhnlich grosse Zahl der ganz einsam an der Heers&»se liegenden Gasthöfe und alten Poststationen dadurch erklärlich vsinl. Wer diese Gegend nicht selbst durchwandert hat, UKige sie nach den Messti.schl)lätteru dos Generalstabes studiren

Wasserarme Bodenschichten hal)en. ab(jesehen von den sch<m besprochenen Höhenrücken (h's Fläming und des I.aiisitzer Grenzwalle.s, wohl nirgends in unserem Gebiete die Entstehung von Städten erschwei-t; ▼iel lästiger war stets dßr allzugrosse Reichtiium an Wasserläufen, wie froher gezeigt wurde. Jenseits der Grenze der Tiefebene macht sieh die Wasserarmuth gewisser Schichten der Trias schon im Thüringer Hügelland sehr benierklich, noch mehr die des süddeutschen Jurazoges und des Sintfeldes sü<llich von Paderborn.

Was die Bausteine anl)etritl't , so möchte i< Ii weiiiirstens fOr unser Gebiet iliren Emlluss auf btädtelage und Städteentwickiung nicht allzu hoch veranachlflgen. Die Wohnhäuser unserer Städte waren im Mittelalter und vielfach noch später aus sehr einfochem und leichtem l&terial hergestellt; Berghaus' Brandenburgisches Landbuch berichtet an vielen Stellen von der späten und seltenen Erbauunir b(»ssercr. namentlich niu^siver Häuser in selbst nicht ganz kleinen Städten. Für die ört'entlichen Gebäude aber, die Schhisser, KUister und Kirchen. h;it mau schon sehr früh gutes Baumaterial aus weiter Ferne herbeigesciiaüi. So ist die sehr alte Kirche des kleinen Ortes Blexen an der Weser- mündung aus schottischen Basaltblöcken und Sandsteinquadem aus dem Teutoburger Walde errichtet, die Kirche zu Wremen im Lande Wursten

') Nr. 2237, 2288, 2309, 2310. 2311 n. a.

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Die Städte der norddeutschen Tiefebene.

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gleichfalls aus schottischen TiiiTsteiBen erbaut. Wurden die Bausteine tHr die Kinhon so kleiner Orte aus weiter Ferne bezogen, so werden grö.sjjere (iemeinweseu durcli ihre Kntfcrnung von einem Bruche pas- senden (iesteines sicher nicht Vf)n der Erriclitunj; <jr<>sserer Bauten abgeschreckt worden sein. Ausserdem hallen die e r r a t i s c h e n B 1 ö c k e, wdche namentlich in Mecklenburg und Pommern, aber auch im Nord- westen stark ausgebeutet wurden, manche Lttcke decken. An der Ostsee mussten und müssen noch heute sogar die auf dem Meeres- kunde liegenden Blöcke, welche durch das grosse skandina^nsch-nord- deutsche Inlandeis oder in t iir/ehun Fallen dunh moderne Eisfelder der Ostsee dahin gebracht wurden, Material zu allerlei Bauten liefern. Es versteht sich von selbst, dass Menge, Güte und petrographische BeschafFenbeit der verwendeten Bausteine die Physiognomie der Kirchen einer Gegend oder selbst die Bauweise ganzer Städte sehr beeinflussen können. So ist der Backsteinban der Ostseeländer und der Mark und •lie Verwendung von Feldsteinen in emigen Marschländern auf die geringe V»'rl»reitung besseren Materials zurückzuführen. W ar aber eine An- >iedlung sonst günstig gelegen oder ein i'latz von hervorragender strategischer Bedeutung, so hat die schwierigere Beschallung des Bau- materades eine weitere Entwickhing gewiss nur wenig aufgehalten. Man befaalf sich mit weniger guten Steinen, mit Backsteinen, Lehm oder Holz so lange und so weit es ging; war die Verwendung guter Bau- steine aus wichtigen riründeii nicht mehr ZU umgehen, so wusste man sie sich auch zu vers( liaiien.

Es wurden Aveiter n u t z b a r e M i n e r a 1 i e n und Mineralquellen erwähnt. Letztere sind in der norddeutschen Tiefebene nicht ganz 80 selten, wie man bei der geologischen Beschaffenheit derselben erwarten sollte, die Landbflcher und Ortsbeschreibungen wissen auch in der Mark, in Pommern und Mecklenburg, selbst in Holstein und Preussen eine Menee derselben aufzuzählen. Ich erinnere nn Bmmstedt in Hol- stein, wo sieli vier Mineralquellen finden, von tlemii zwei eisenhaltig, eine schweteilialtig und die vierte eine Salziiuelie ist *). Mehrmals zogen diese Quellen eine grosse Anzahl fremder Benutzer au, zuletzt noch 1840. Der Flecken Bramstedt gewann manchen VoHhdl durch den Besuch der Quellen, indessen verlor sich der Ruhm ihrer Heil- wirkungen immer sehr bald wieder.

Aus der Mark nenne ich Gleissen in der Landschaft Sternberg mit seinen Eisenquellen; die auch ausstiliall) der Mark bekannten Quellen von Freienwalde, die von \S alilmberg und Erman unter- ^ Buchte Eisenquelle des Luisenbades bei Berlin und die Quellen in der Uckermark, namentlich bei Prenzlau und Gerswalde*). Viele der schwächeren Quellen sind Oberhaupt niemals zu medicinischen Zwecken benutzt worden, andere haben eine kurze Blfithezeit im 17. oder 18. Jahrhundert durchgemacht und sind dann nach Vt rbr<--cni!!g und Abkürzung der Wege zu den wirksameren und schöner gelegenen

') Schröder. Tomographie des Herzogthuius Holstein f tc , Dd. 1, S. 253. ') Hödisfc aosfOhrhcb beechrieben bei Berghans, Landbuch, Bd. 1, S. 137 ff.

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(hit'Uen anderer Tlieile Mitt.'lpurMpas vf)llstiiiidi«( in VerLressenbeit ge- ratlieii. Sie hatteu die KuLwickluag benachbarter Städte eine Zeit lang mitgefördert, bestimmendeii Emflnss auf GrOndung oder AnfblOhen einer Stadt hat keine einzige erlangt.

Auch die meisten der zahlreichen Salzquellen haben die Blüthe- zeit ihrer medicinischen und technischen Verwerthung wolil hinter sich; von den einst zuhlrtMcheren mecklenburj^ischen Salinen ist nach Geinitz ') nur noch die in Siil/r an der pomnierscheu Grenze im Betrieb. Ebenso haben rommern, Brandenburg, die Elbländer, auch der Nordwesten zaUreiche entweder ganz erloschene oder nur noch zu Badezwecken benutzte Salzwerke aumnreiaen; seibat noch im Stromgebiet des Pregels, bei Wehlau findet sich die alte preussische Saline Ponnau*). Die ffegen frülier so sehr erleichterten Verbimhinp^en mit fenien. grösseren Salinen. <^anz Ijesondcrs aber die Entdeckung und Ausbeutung der grossen Sleinsalzlager hat der Benutzung so vieler ärmerer Soolquellen ein Ende gemacht.

Dagegen ist das Steinsalz allerdings Ton wesentlichem Einflnss auf die Entwicklung imd NeugrUndung einzelner SiSdte gewesen. Vor allem ist hier an das Steinsalzlager von Stassfurt und Leopoldshall za

erinnern. Stassfurt war bis in unser Jahrhundert eine kleine BrUcken- stadt an der Bode, die in den Kriegsereignissen des 13. Jahrhunderts eine Rolle spielte, im Verkeiii-^lid>en jedoch nicht hervortrat. Die im Jahre 1857 begonnene Ausbeulung des Steinsalzes und die Verarbei- tung der Kalisalze hat zur Entstehung einer Menge von industrieUen Etablissements Anlass gegeben und £e Einwohnerzahl, die 181«) nur 1G44 betrag, auf 12194 un Jahre 1880 steigen las.sen. Da das Stein- 8alzlager auch auf unmittelbar angrenzendem anhaltischen Geliiet erlxdirt wurde, entwickelte sich dort der (lJ^8<t) 3184 Einwohner zälilende Ort Leopolds hall, dessen Industrie sich der von Stassfurt ganz ausclüie>st. Eben jetzt steht die Erhebung von Leopoldshali zur Stadt bevor. Stass- furt und Leopoldshall bilden bis jetzt die einzigen Bei8|nele eines so weit gehenden Einflusses von Mineralschätzen auf städtische Ansied- lungen innerhalb der norddeutschen Tiefebene*). In unserem Gebiet wenigstens hat da.s Steinsalz der sonst obenan stehenden Kolile und dem Eisen den Rang in dieser Bezieimng abgelaufen. Die Braunkohle ist wohl filr einzelne (»egenden des Tieflandes, die sich jedoch vom Südrande desselben fast sämmthch nicht weit entfernen, wichtig ge- worden, wirkte jedoch nicht städtebildend. Die Steinkohle reicht nur im südlichsten Theü des Regierungsbezirkes Münster in das eigentliche Tiefland hinein und hat dort im Kreise RecklinghaiHen die Beviilki mng * stark anwachsen lassen. Die erst 1845 entstandene Kohlen-, ludustrie-

Heft 1 dieser Sammlung, S. 13. *) Die Provinx Pt^uBsen, Geschichte ihrer CuHur and Beschreibung ihrer

land- und furfitwirthschaftlichen Verhältnisse, Königs])erg 8. 109.

') V. Dechen. Die nutzbaren Mineralien und Gebirgsarten im Deutschen Reiche, Berlin 1873, S. m.

*) Um .Schönebeck zeigt sich eine ähnliche Fabrikthatigkeit . dodi war das Anwachsen dieser Salzstadt nicht ao rasch wie das von Stassturt

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Die Stftdte der norddeutschen Tiefebene.

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und Eisenbalmstadt Oberhausen im Rei^Ierungsbezirk Düsseldorf liegt *:chon so nahe am Kunde des Berglaiides, da.ss man sie nur in Verbin- duntf mit diesem betrachten kann. Wrdlte man Oberhausfii trotzdem <len Städten des Tietlandes anscliliessen, so würde es Stasslurt an rascher Eutwickluug miudesteus gleichkommen. Oberhauseu hob sicli in der Zeit von d5 Jahren auf 16680 Einwolmer, Stassfurt Yon 1855 (kurz vor Beginn des Abbaues) bis 1880 von 2760 auf die oben erw&hnte Zahl Ton 12 194.

Alle anderen mineralischen Pnnhicte haben :iuf die Städteentwick- lunir der Tiefebene keinen nennenswerthen Kintiuss geübt. Auch das Uaseneisenerz macht keine Ausnahme, (ieinitz hat die kurze Lebens- dauer der zahlreichen mecklenburgischen bis in das 13. Jahrhundert zurückreichenden Eisenwerke übersichtlich zusammengestellt^). Ob die bereits in den Topographien und geographischen Wörterbüchern an- geführte Petroleum-Ortschaft Oelheim am Südrande der Lüneburger Haide wirklich dauernden Bestand haben oder gar ZU einer Stadt an- wachsen wird, bleibt wohl noch abzuwarten.

Dritter Äbschniti.

Der letzte Abschnitt dieser Untersuchungen wird sich noch mit

den Beziehungen der Küstenp^estaltung zu der Vertheilung der nord- deut,«<chen Städto zu beschäftigen haben. Von den zehn Kiistentypen, wekhe ich vor kurzem aufzustellen versucht habe- i. kommen in unserem Gebiete nur fünf vor. Der normannische Küstentypus findet sich nur in den Kreideklippen Rügens und einigen Partien der Steilufer des Samlandes vertreten , zu den Städten tritt er nicht in Beziehung. Wichtiger sind die noch übriffen vier Typen. Der cimbrische be- herrscht die ganze Ostkflste Sdoleswig-Holsteins, der ostpreussische ■wird durch die Nehrungen und Raffe Preussens, der friesische durch die deutschen Nordseeküsten, der gas conische durch grössere Strecken der hinteq)ommerschpn und mecklenburgischen Küste vertreten.

Die deutschen Küsten können daneben auch in natürliche und künstliche oder besser in geregelte und unberührt gelassene eingetheflt werden. An den geregelten oder künstlichen Küsten, welche stets Flach- küsten sind, hat der Mensch durcli Deich- und Dammbauten das flache Marschland beschützt und dadurch die Physiognomie der ganzen Küsten- linie wesentlich v(^rändei"t. A?i \\9W natürlichen Küsten waren keine Deich- bauten erforderlicli, hier hat die Küste, abgesehen von einzelnen Eingrirt'en an Flussmündungen und Häfen, ihre natürliche Physiognomie bewalirL Fast die ganze deutsch«; NordseekUste ist als künstliche Küste zu be- zeichnen, die sehr beschränkten Ausnahmen werden unten anzufOhren sein. An der Ostsee wiederum herrscht der andere Typus durchaus vor.

»} A. a. 0. S. 22.

^ Zeitschrift fBr wiasemchaflL Geogiaphiep Bd. 5^ S. 245 ff.

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148 Hahn. [5$

Die Küsten DeiitscLeii Ueiehes sind im iillireineiiRii filr die Besiedt'hmg uiciit günstig zu ueuiieu. ^»iigeuds fijideu sich so städt^i- reiche Ettstenstrecken wie etwa in Ligurien. IJm so mehr ist anzu* erkennen, dass die sich dennoch darbietenden günstigeren Positionen so geschickt liiid zum Theil irlänzend verwertliet wurden.

Uebersclmuen wir die deutsche OstseekOste mit Hinzuziehung der Küste Kurlands und Livlands iiacli ilnei- alltremeinen Anordnung, so bemerken wir sofort eine Reihe von grossen Buchten, welche in das Land eingreifen. Der liigaische Meerbusen zwischen Cap Spint und Lfiserort erOfl&iet die Reihen bei LUserort, noch deutlicher bei Stensort» beginnt eine zweite grosse aber flache Bucht, die gewöhnlich nach der Stadt Dun zig benannt wird. Sie reicht bis Rixhöft; die widerstandsfaliigeren Schichten des Samhindes. welche den Vorsprung Brüsterort bilden, be- wirken whi'v eine Theilung dieser Buclit in einen grösseren nördlichen und k!i ineren südlichen Tlieil (Menieler und eigentliche l)anziger Buchtj. Von Riidiöft bi.s Arcona rechnen wii* die flache Pommer'sehe Bucht, Yon Arcona bis zur Nordspitze Fehmarns die Mecklenburger oder Lübecker Bucht. Es fäUt nun sofort auf, dass die Zahl der grösseren StUdte an jeder dieser Buchten eine sehr geringe ist, dass mehrfach eine diestr Städte die übrigen weitaus überflügelt hat und dass die Ltiise dieser wichtigen Ansicd hingen unverkennbar an die Ein- mündung der grösseren Flüsse gekniijill ist. Es lässt sich sogar eine Be- Ziehung zwischen der Grösse der Städte und dem Umfange des betreö'eu- den Flus^bietes nachweiBen. In der KShe der Flussmfindungen dringt sich der verkehr zwischen dem Meere und dem Hinterlande zusammen; je tiefer der Meeresgolf in das Land eingreift, desto weiter landeinwärts wird auch der Uebergangsplatz zwischen Land- und Seeverkehr nach einem längst erkannten OJesetze das freilic h keineswegs für alle Küsten- typen, doch aber lür die in Deutscldand ^ orkommenden gilt, angelegt werden. Mündet mehr als ein grösserei- l'luss in einen Golf, so werden meist auch mehrere Städte bestäen, welche jedoch durch mannichfeche Besonderheiten des Bodens und der hydrographischen Verhältnisse aus der unmittelbaren Nähe der Flussmündung oder gar des Flusses überhaupt verdrängt und doch auf den Fluss und seine Mündung angewiesen sein kramen. Auch wird man nicht Lrcnide die unmittel- barste Nähe des Mcerrs ;nifsuchen, es ist \iu> virl»ii (iründen der Punkt am Unteriauie des Flusses vortheühaiter, an weichem die See- schiffe Halt machen und ihre Last den Flussschiffen Übergeben mUssen. Vielfach ist auch eben dieser Punkt der letzte, an welchem der Fluss bequem Überschritten werden kann. Die Strecken, welche von den ^lün- dungen grösserer Flüsse zu sehr entfenit sind, werden nur wenige und tast durcnweg kleine Städte aufzuweisen haben. Selbst verständ]i< Ii sind alle diese Regeln nicht etwa von Anfang an von den An>^iedlern und Städte- gründem erkannt und befolgt worden. Aber die allgemeine Anordnung und die Beschaffenheit der Küste, die Vertheilung und Grösse der

') Vgl. Kohl. Vcik'lii \iinl An^iedluogen, S. 364 ff.; andi Schneider, Bie Siedelungen an Meerbusen, Halle 1883.

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Die Stftdte der norddeatsoheii Tiefebene.

14»

einniünderiden Ströme lialien iliren Eiiifluss trotz aller noch so hoch an- ziuchiagenden Einwirkiiiij^rn der Viilker- und Ortsi^csc liic lite so nach- drücklich und unaVilässi;^^ geltend ^^'emacht, dass ungeachtet aller Zer- gtüruugeu und Unterdrückungen an den günstigsten Plätzen immer wieder städtisches Leben aiublühte. Solide Ansiedlimgen dagegen, welche gleichsam an gBographisch unstatthaften Punkte errichtet ware n, haben am Ii durch die grössten Opfer nicht über eine mässige Höhe hinrtusgeht)l)en werden künnen. Eine kurze Durchmusterung der Ostsee- ;g^dte wird uns zahlreiche Beis]»i»'l<- tiir die eben aufge.stillten Sätze Torfiihren. In den 1\ i ira i sc hen (xolt münden an grösst reu Flüssen nur die weit aus dem Innern Kusslands kommende Düna mit iliren un- mittdbaren Nachbarn, der Aa Ton Wohnar und der Aa von Mitau; feiner die Pernau. An der Hflndung der Düna und der beiden Aa greift der Golf am ti( f>ten in den liier so nias>igen Continent hinein, hier am weitaus niiuhtigsten der geKannten Flüsse erwuchs die Sfadf KiL'u, die wichtigste zwischen Petersburg und Königsberg. Sie liegt jede« Ii nicht umiiittelhar an der Mündung des Fhisses, sondern 15 km flus»autN\ ärts. Da aber die Seeschiüe der älteren Zeit alle bis Riga hinauffahren konnten, war ein eigentlicher Vorhafen hier nicht in dem Haasse wie bei anderen Ostseestildten erforderlich. Dttnamünde diente nur ab Sperrfort und Zollstätte. Erst die Ansprüche der neuesten Zeit haben hier oder genauer bei Bolderaa Hafenanlagen für die grössten See^chitfe entstehen lassen. Bf)lderaa bezeichnet zugleich die Mündung der Aa von Mitau. Die Aa von \\ Olmar, obwohl auch eine Strecke weit schifi'bar, ist der Düna zu naiie, als dass an ihr eine gjjössere von Riga unabhängige Stadt gedeihen könnte. Auch Pernau würde ein wenig bedeutender Ort sein, wenn sein kleiner Fluss allein dastände; da er aber durch den See AVirz und den Embach mit dem ganzen Peipn-- gebiet in Verbindung tritt, ist Pernau der Seehafen \\\r einen ziemlich grossen Theil des nördliclien Livlands. Mit der Erl»auinig einer Ei.sen- balm zwischen Riga und Dorpat werden sieli die Verhältnisse alter etwas zu L'iigunsteu Pernaus verschieben. Die übrigen Uferorte des Kiguischen Meerbusens sind ganz unbedeutend.

Wir passiren den Landvorsprung Stensort und treten in den zu- nächst sehr schwach ausgeprägten Memeler Golf ein. Hier ist der Xiemen der Hauptfluss. der jed(ii( li nieht direc t in die offene See, sondern in das Kurische Haff ausniü!i<]rt. Das weitiUutiirf' Delta des Xienieu und die ganze Ost- und Südküste des Hatts sind zu Ansied- lungen wenig geeignet und ermangeln in der That aller städtischen WohnplStze. Die Bedeutung des bis weit in die russischen Gouveme» meuts Minsk und Grodno hineinreichenden Kiemen liess aber trotzdem Mündungsstädte entstehen. Die eine derselben, Tilsit, liegt an der Wurzel des Deltas, eine nicht seltene Erscheinung, sobald das Delta selbst keinen geeigneten H;iuplatz darbietet. Tilsit kann allenfalls uoeh als Seestadt bescheideii>teii Hanges l)etrachtet werden, da es dureh Dampfer, welche das Kurische Hati', den Pregel, einige Arme des Kiemendeltas und verbindende Kanäle beßihren, mit Memel und Königs- berg in Verbindung steht. Jedoch liegt der grössere Theil seiner Be- deutung in dem Verkehr mit dem Innern des Landes.

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Halm,

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Der eigeiitlidie Seeliafon dos Kuri.scheii Halles und der Xieineii- luumluijgeii ist Memtd. Bei Meiiitd eutstijht durch die Anndlieruug der Nordspitze der Kurischen Nehrung an das FesÜand eine flnssutige Meeresstrasse, so dass Hemel den wenigen Meerengenstädten des Reiches zugerechnet werden kann Es kreuzen sich bei Memel drei Verkehrs- bahnen. Die erste kommt von Tilsit )ier (sei es auf dem Hati" oder auf dem Landwon^c über Hoidekrug) und geht an d«'r Mt^-resküste ent- lang nach Norden, kurz vor l*olangen die russische Grenze üljerschreitond. Die zweite hat vüu Königsberg aus den Weg über die Nelirung ein- geschlagen, kreuzt bei Memel den Ausfluss des Haffes und vereinigt eich nun mit der ersten. Besonders der Brie^DOstverkehr schlug tot der Zeit der Eisenbahnen gern den Weg über die Xelirung, Stemel und Pohingen ein. Drittens endhch l)ietet der bei Memel einmündende Flnss Dange eine kurze durch die Nähe der Zollgrenze noch besi^nders erschwerte B.ihn in die nächsten Binnenlandschaften dar. »So vereiiiiirte sich hier mehrcres. um eine Stadt von müssiger Grösse aufblühen zu lassen. Vorübergehend wurde der Verkehr Memels und anderer ost- preussischer Seestädte sehr gesteigert, als während des Erimkrieges die benacli1»arten russischen Häfen nicht l)enutzt werden konnten. Dieser gelegentliclie Vortheil wird jedoeh durt Ii •lic grosse Nähe der (Irenze und den Mangel einer directen Eisenbahnverl>indung über dieselbe mehr als aufgewogen. Auf der einförmigen Küstenstrecke nördlich von Memel sehen wir noch den russischen Hafenplatz Li bau. Für Libau lassen sich weit weniger geographische Momente geltend machen als fUr MemeL Es Hegt weder an einer bemerkenswerthen Einbiegung der Kfiste, noch mündet hier ein wi< lifiuer Fluss. Nur eine Art Lagune, der sogenannte „Kleine See" dient als Hafen, zwis(dien ihm und dem Meere liegt die Stadt. Es ist bekannt, dass sich die russische Regierung seit einigen Jahrzehnten grosse Mühe triebt, Libau trotz der wenig günstigen geo- graphischen Verhältnisse emporzuheben; eine wichtige Bahnlinie, welche ▼on Libau fiast schnurgerade bis Charkow, Itostow und Wladikawkas das sndlidie Russland durchschneidet, bietet einen grossen Vortheil, auf den Memel verzichten muss. Noch nördlicher als I.iban liegt der kleine Hafen Windau, der zw^ar noch keine weitreichende Bahnlinie, al)er doch eine bescheidene Kanalverl)indung des gleichnamigen Flüsschens mit dem Gebiet tles Xiemen für sich anfühi'en kann.

Wii" gehen zum südlichen Theil unseres Golfes über. Wieder zeigt hier die KUstenbildung ein Haff und eine Nehrung, beide sind aber wesentlich milder und zugänglicher als die DOnenwUste der Kuri- schen Nehrung und die stets flache sumpfige Küste des Kmischen Haft'es. Zwei wichtige Ströme, Weichsel und Pregel. münden hier. Beide sind durch Städte von ansehnli< her Grösse ausgezeichnet. Der Pregel hat zwar kein so grosses Gebiet wie der Niemen, beherrscht aber doch einen wichtigen, fruchtbaren und recht gut bebauten Theil des mittleren Ostpreussens. Die Pregelstadt Königsberg ist sowohl BrOdcen- als MOndungsstadt Sie diente nrsprOnglich als Ghrenzfeste

Ausser Memel namentlich noch Stnüsuid und Sonderbmg.

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Die Stftdte norddeutschen Tiefebene.

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und Bri'K ktMikojtf gegen ilas Samlund. Mehrere kleine Hügel erleicli- tertoii Aubau und Vertlieidigung, eine klt iiif liist l im l'rrgcl den Ueber- gang'). p]in anderer i'uiikt hätte nicht Irirlit gcwidilt werden können, denii immittelbar oberhalb von der Stadt beginnt lür eine weite Strecke die Bildung langgestreckter Inseln mit nassem Wiesenboden, unterhalb aber folgt sogleich das ausgedehnte die Mündung umgebende Wiesenland. Hier kreuzte sich der Weg ans dem trockenen gangl)aren Ermeland (Ab- .H'liuitt 1) nacli dem Sandand mit der Wasserstrasse des Pregel. Königs- berg l>ililrt tiTn«-r eine (ireii/e der IMeor- und F]iis>;s( ]nii'tahrt. Es können noch See.schiti'e bis Kr»üii(sl»rr;^ hinaul'i;i'laiiut ii. icdocli nur bis /u -l ni Tiefgaug; tiefergellende müssen einen Theil ilirer Ladung in i'iliau lüDchea, oder, wenn sie Eönigsbeig seewärts verlassen, sich bis Pillau «if Begleit kühnen nachbringen lassen*). Pillau ist also Königsbergs Vofliafen und Vorfestung; es liegt auf dem nördlichen Theil der Frischen X*^lining unmittelbar nördlich von dem Verbindungstief mit der otienen See in einer sandigen Gegeml. Da es Bahnverl»indung besitzt, werden manche tiir das Biixueuland bestimmte VVaaren schon hier au die Eisen- bahn abgegeben.

Das' Frische Haff hat eine Anzahl kleiner Hafenplätze au&uweisen, > 1 Ix zum Theil unmittelbar am Ufer liegen. So finden wir Tolkemit und Frauenburg am Rande der 'Elbinger Höhe gegen das Haff, beide hiW-n nur kleine Häfen und sehr geringen Schiflsverkehr. Im Norden litif.n nocli Brandenburg an der Mündung des Frisching. da wn die alle Berhn- Königsberger Poststrasse das Haß' berührt, und Fisch hausen Btt der SüdkUste des Samlaudes. Brauusberg an der Passarge hat nur wenige Beziehungen zum 7 km entfernten Meere, es verkehrt mehr mit dem Binnenlande, wohin auch seine Eisenbahnen weisen. Auch Elbing steht mit der See nur in schwacher Verbindung, das soge- iiiiniite Elbinger Fahrwasser führt zum Haft", eine complieirte und beschwerliche Kanalverbindung zur Weichsel und nach Danzig^). Auch dag Elbiuger Fahrwasser ist au einigen Stellen sehr eng, der ganze Verkehr wird als „nicht gerade bedeutend** bezeichnet*). Dass Elljing aber daf&r an wichtigen binnenländischen Verkehrsstrassen Theil nimmt, ist schon früher erwähnt worden. Da Nogat und Elbinger Weichsel nicht mehr als Zugänge zur See betrachtet werden kr>nnen, ist jetzt Danzig die einzige Mündungsstadt der Wei( h-rl. Seine Lage am Rande «ler^öhen von Pommerellen ist s( hon cluirakterisirt worden. Näher mit <ier Stadt an das Meer heranzugehen wäre weder der Terrainverhältnisse noch der Sicherheit halber rathsam gewesen. Gleichwolil liegt die Stadt dem Heere noch so nahe, dass ihre Thflrme als Seezeichen benutzt werden kdnnen. Als Vorhäfen dienen Weichsel münde und Neufahr- wasser; ersteres ist befestigt und deckt die £iniiihrt. Fast alle grösseren

*) Da Königsberg" einen pjrossen Raum einnimmt und noch viel Gärten und Uib^Miate Plätze in seinen Mauern einschliesst, fehlen hier die sonst lür Festungs- ttidte so bezeichnenden uuägedehnten Vororte last gän/lich.

*) Segelhandburh Ii n- die Ostsee. Hd. 2. Herlin 18^1. 123.

•) Passarge, Aus dem Weichaeldeltu. Berlin 1857, b. 231 ff. 8«gdhaiidbQ€li, Bd. % 8. 134.

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152 Hahn. [60

Schiffe TnOs55en in X. nt'nlirw asscr fwekhes oft sclileclithin als Danzij^er liheile bezeichnet winl) Ihih muehen. We.sthch von Danzig bot das rasch zu bewaldeten, .schwachbewohnten Höhen ansteigende Land, der Mangel wichtiger Verkehrswege nach dem Innern und das Ton Sand* b&nken nicht freie Fahrwasser der Putziger Wiek wenig Veranlassung zur Anlage von Hafenpliitzen. Putzig dient nur d^ beMihiinktesten örtlichen Verkehr. Autfallend ist <lie Aiisiedlung an der Spitze der Halbinsel Heia, da die sandige und zum Theil mit AVald bedeckte Halbinsel wohl nie einen guten Verbindungsweg nacli dem Festlande daibot. Walirscheinlich ist die öfters wiederholte Angabe, das heute sehr unbedeutende Heia sei einst eine grosse Handelsstadt gewesen, eine ebenso giimdlose Sage wie die Tradition Ton Vineta und Shnliche Terkehrsgeographische ^lythen

Die Pomni »'v'--( lie Bucht reicht von Hixhöft bis Arcona auf gen. Auch in ihr linden wir gegenwärtig die gWisste Stadt in der innersten Kinltuchtung des Golfes und gleichzeitig an der Mündung des grössten Flusses. Wir haben Stettin als Raudstadt schon kennen ge- lernt. Was seine Beziehungen zur KOste und zur ganzen Pommer'schen Bucht betriflFl, so sind dieselben erst in neuerer Zeit recht wichtig ge- worden. 181G zählte Stettin erst 24 000 Kinwohner. * Man sieht leicht» dass Stettin wtdil für den grösseren 'l'heil Fonimems einen passenden iViitralpunkt bildet, die Entfernung von der See ist aber so bedeutend und die Sclnvierigkeiten der zum Theil engen und gewundenen \Va.sser- strassen so gruss, dass die ganze Energie der Regierung und der Stadt selbst daför eintreten musste, um Stettin durch Verbesserung seiner Zufahrtsstrassen und Hafeneinrichtungen auf die heute erreichte sehr rühmliche Stufe zu heben. Fahren wir von Stettin nach der See zu, 80 gelangen wir durch die sogenannte Enge Oder an den nördlichen sehr industriellen Vororten Stettins vorül)er in die KTmigsfahrt. wieder Durchstich von der Engen Oder zum sogeiunuitt n K n ni ee 1 ström ge- nannt wird (auf ültereu Specialkarteu noch nicht angegel»en). Der gro.sse Damm'sche See bleibt dabei rechts liegen, er wird vom Seeverkehr fast gar nicht berOhrt. Der Kameeistrom bringt uns bald in den sogenannt« n Dammsnsch, ein breites Gewässer, in welchem auf kurze Zeit alle Oderarme wieder vereinigt sind. Es folgt eine neue Dn itheihmg des Stromes, wir schlagen den (istlichsten Arm. die Weite Strewe ein und erreichen das i*ai)euwasser, eine südliche Ausbuchtung des grogsen Stettiuer Haifes. Drei Wege führen aus dem Haff in dius offene Meer, von denen aber der Ostliche so gut wie gar nicht, der westliche auch wenig in Betracht kommt. So bleibt uns der mittlere Weg durch diÄ Swine Übrig, und auf ihm erreichen wir endlich bei SwinemOnde das Ende dieser Wasserstrasse, der complicirtesten, Avelche irgend eine der gr<")sseren deutsehen Seestädte mit «lem offenen Meere verbindet. ^^ ir bemerkten auf unserem ^Vege mehrere für Ansiedlungen anscheinend geeignete Punkte au den Stromtrennungen und Wiedervereinigungen-

') Vgl Segelhandbach Bd. 2. S. loi ; femer Aber Heia Schumanii, Geolog. Wanderungen durch Altpreuneo, Königsberg 1869» S. 80 ff.

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Die Stftdte der norddeutsdieii Tiefebene.

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Näheres Studium der örtlicheu Verhältnisse überzeuijt uns indes^r-n '^tot'^. dass i\n^< niedrige sumpfige Wiesenland kaum vu\ gün>tig('r liauplatz geuiinnt werden durt'. Auch ist die Bevölkerung^ der mit ausgedehnteu Waldungen bedeckten Ufergebiete des Hafifs und des Papeuwossers eine noch wenig zahlreiche. Nur einige Zwischenhafen und kleine Ladep^tze haben sich zwischen Stettin und Swinemünde entwickelt, wie Pdlitz an der Lar])e. einem kleinen Seitenarm der Engen Oder, Stepenitz an r Oststite des Papenwassers und einige noch kleinere PlStze. Sie verlialten sieli zu Stettin t-twa wie Brakt' odrr HlsHetli zu Bremen, erreielu-n aber bei weitem uiciit die Wichtigkeit jener Weserorte. £s möge hier gleich der Städte an- der SOdwestkUt^te des Hafts und den dortigen Flfissen gedacht werden. Das kleine Neuwurp an der Grenze 2wi.schen grossem und kleinem Haff au einer Bucht gelegen, ist nur ein Ladeplatz für das Holz der hier besonders ausgedehnten Forsten, üeckermünde und Anclam entsprechen an Bedeutung genau der Orüs-«»- ilirer Flüsse. Beide liegen nicht unmittelbar am Ufer. Uecker- müude an der Uecker, wenig über 2 km vom Haft" entfernt, betreibt iwar etwas Seeschifffahrt, erhebt sich aber nur wenig über jene Oder- stidte zwischen Stettin und dem Hafif. Anclam, mehr als 7 km Tom Ufer an der Peene hat zwar noch weniger Seeverkelu* als Ueckermünde, iüt aber in seinen Beziehungen zum Binnenlande viel widitiger als jenes. Ks ist eine Brückenstadt für den Landweg von Stettin nach \ orpommem und der letzte bequeme Uebergangspunkt über die Peene, bevor dieselbe <iüs HaÖ' erreicht.

Wir kehren in das Haff zurQck. Je weiter eine auf Seeverkehr angewiesene Stadt vom offenen Meere entfernt und je schwieriger der iusserweg dorthin ist, desto grössere selbständige Bedeutung wird der Vorhafen für sich in Anspruch nehmen können. So ist auch Swine- münde, der eigentliche Vorhafen Stettins an der Swine, lebhaft empor- geblüht, allerdings nicht lediglich durch die (iunst seiner Lage, sondern vornehmlich durch die unablässige Thätigkeit der preussischen Kegie- rung Wäre die Peene schon am Aulaug des 18. Jahrhunderts ganz in preussischem Besitz gewesen, so hätten sich die Anstrengungen viel- leicht dorÜiin gewandt ; so aber galt i >. jenen noch halb schwedischen Wasserweg durch die ganz preussische S^vine möglichst zu ersetzen. Swinemünde besitzt jetzt auch eine allerdings etwas weitläufige Bahn- verbindung mit dem Binnenlande und wird vielleicht noch eine zweite (über die Insel W'ollin) erhalten. Mit der wachsenden Bedeutung der Swine mussten die Peene und vollends die sehr ungünstige Dievenow an Verkehr einbOssen; die Dievenowstädte Kamm in und Wo 11 in haben den Kampf fast gänzlich aufgegeben'), die Peenestadt Wolgast dagegen setzt ihn noch rüstig fort und hat sich ein kleines, aber von Stettin unabhängiges Verkehrsgebiet erhalten. Pt enemünde ist nicht al^ Vorhafen Wolgasts zu betrachten, sondern dient nur als Zoll- und L"<'t>»:ii5tation (Segeihandbuch Bd. 2, S. 10).

Mau vergi. hierzu Paul Lehmann, Poauuems Küäte vou der Dieveuow bis mm DsiM, Breslau 1878i bes. 8. 22 «. 23. *) Segelhaadbnch Bd. 2, S. 67 u. 68.

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\\\'ii(lt n wir uns von diest iii ceiitriilt n Tlicile der Stettiner Bucht noch emjual an die Ivüsic Hintcr[)oimiieni8 zurück. bemerken wir hier einen auffallenden Mangel grösserer Städte, aber ein ziemlich häu- figes Vorkommen von Seehäfen dritten und vierten Ranges. Grössere Seestädte sind hier auch nie ht zu erwarte n, da die Küste auf der langen Strecke von der Dievenow bis KLxluilt keinen V)esonders guten Halen darbietet und überhau})t keinen sofort auttallenden und ftir den Ver- kehr witlititren Al>schnitt zeigt. Dazu kommt, dass nwh das Hinter- land im Cianzeu genommen nur eine müssige Fruchtbarkeit besitzt. Der Charakter des Landes und der Landwirthschaft ist weithin der nämliche, die Berölkeningsdichte ist auch in der Nähe der Kttste nicht l>edeutend und sinkt im Innern in den an Wäldern und Haiden reichen Kreisen Kummclsburg, Sclilochau und Könitz noch mehr.

Die Hafenstädte sind last sänimtlich an die kleinen Flüsse ge- knüpft, welche auf dieser Strecke münden. Der Küstensaum selbst ist für Städte meist wenig geeignet. „Aus Seen, Sümpfen und Tori'brücheu setzt sich das Landsc&ftshild der hinterpommer'schen Küste zusammen", sagt Paul Lehmann in einer neueren Arheit flher diese so hemerkens- werthe und doch so wenig besuchte und selten heschriehene Kflste Dazu kommen dann noch die Dünen.

Die Städte Herren deshalb eine kleine Strecke stromaufwärts. Es münden hier die Uega, Persante, Grabow, Wipj)er, Stolpe, Lupow, Leba und Piusnitz. Grabow und Wipper haben eine ge- meinschiÄliche Mllndung. Kur Piasnitz und Lupow haben keine S£iidt aufiEUweisen; an der Lupowmfindung liegt jedoch das Fischerdorf Howe. Eigentliche Seelüifm sind jetzt noch Kolberg mit dem ganz nahen Vor- hafen Kolbergermünde an der Persante, Rügenwalde mit l?ilgenwalder- münde an der Wipper, Stolpmünde an der Stolpe und allenfalls noch Leba am gli'ichnamigen Flusse zwischen Lebasee und Sarbskersee. Dotii ist Leba's maritime Bedeutunj^ ganz gering, ein neuer Halen aber beabsichtigt^}. Stolpmfinde ist nicht etwa der Vorhafen von Stolp, einer reinen Binnenstadt, su welcher keine Seeschiffe hinauf- gelangen können, sondern ein selbständiger kleiner Seeplatz, dessen Hafen aber auch zu wünschen übrig lässt . da ihn die Stolpe und die Küstenstrr)mnnir zu versanden streben (SegeDiandb. Bd. 2, S. l';0. Am wic•htlf;^tt n unter allen diesen Plätzen ist Kolberg, weil >ein Hafen der relativ beste an der ganzen Küsteustrecke ist. Stadt und Hafen waren deshalb stark befestigt, der letztere ist es noch jetzt TTebrigens hat auch gewerbliche Thätigkeit sowie Eolbergs Eigenschaft als Sool- und Seebad grossen Antheil an dem in neuester Zeit rascheren Aufblühen der Stadt; der Schifi'sverkehr im Hafen umfasst jedoch vor- wiegend nur Küstenfahrer. Erhaschen ist K ega mün de, der Vftrhaten von Treptow. Lelmiann macht diirauf aufmerksam, dass dieser st h -n im 14. Jahrhundert ver.sandendc Haien niemals bedeutend gewesen sem kann *). Woher sollte auch im Kittelalter ein so starker Verkehr an

•) Zeitsclirift der Berl. Gesellschalt für Erdkunde Bd. 19, 1884, S. 385. Lfhmunn a. a. 0. S. ;i85. Vgl. Sogelhandhuch Bd. 2, S. 97. Zeitschrift der BerL Gesellschaft ftlr lilrdkande Bd. 19, 1884, S. 3i4 f.

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Die SlAdie der norddeutschen Tiefebene.

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der Kflste Pommems kommen , wie ihn die Vertheidiger der dort be- sonder^ zahlreich auftauchenden verkehr.^gcogrnjilii.schen Stildtesagen annehnitii musstenr' Das Land war weit wcnintr antje^niut als heute, die Verkehrswege ganz unentwickelt, die öHentliche Sicherlieit oit ge- lährdet, die Bevölkerung des ganzen Küstengebietes gewiss wenig atUreich.

In Vorpommern erscheinen zwei Stellen vor anderen zu Städte-

anl.igtn geeignet, der innerste Winkel des Greifswalder Boddens, das Diinische Wieck genannt, und die Ufer des Sundes zwischen Rügen und <hm Festlande. Nur ein kleiner Fhiss mündet in das Diinisdie Wieck, es ist die Ryck oder der Kyckgraben, weldier durch den Schwedengrabeu mit dem Gebiet der Peene in Verbindung steht. Hier liegt Greifswald etwa 3 Ion vom offmien Meere und dem kleinen Vorhafen Greifswalder Wieck entfernt. Der Greifswalder Bodden ist ein ziemlidi beschwerliches Fahrwasser und die maritime Bedeutung (m-ifswalds nicht allzu gross. Im Jahre ISTl* zählte man in Oroifs- wrdd und Wieck zusammen nur S2 aiisgt^hiuh-iie und 114 eingelaufene Seescliiffe ^). Die fruchtbare Umgebung, die Lage dir Sta<lt an der Torpommerschen Ivüstenstrasse, sowie die früher wichtigen Salzwerke und schliesslich auch die Universität haben zusammen mehr zu dem iuiineihin bemerkbaren Aufblühen der Stadt he^etragen, als die Nahe des Meeres. Nur lilr die Verbindung mit dem östlichen Theile Rügens ist der Greifswalder Hafen jetzt von einiger Wichtigkeit.

Stralsund ist die zweite der deutschen Meerengenstiidte, wichtig durch die Verbindung mit dem fruchtbaren Rügen und der schwedischen Südküste, sehr gesichert durch seine wasserreiche Um- gebung. Die Insel Dänholm erleichtert den Uebergang nach Rflgen. Stralsund hat einen erheblich grösseren Schi&rerkdur als Greifswald, seine Einwohnerzahl ist aber nur wenig rascher gewachsen. Die Insel Rügen und ihre Hesicfb lung winl schon von Kohl fr(>rtert -). Sie ^'ehört in die Zahl derjenigen Inseln, l»ei denen Inneres und Küsten von ungefähr gleicher Zugänglichkeit und Anbaulahigkeit sind. Ist nun eine solche Insel nicht gar zu gross, dann genügt ein Hauptort nahe der Mitte tmd wenige andere an den Küsten. So ist es in der Tbat auf Rügen. Die CentraLstadt Bergen wird von dem Kranze der der Küste näheren Flecken und Städtchen Garz, Putbus, Sagard lind Gingst umgeben. Alb- sind der mässigen Gnissc der InseP) entsprechend nur sehr bescheidene Ansiedlungen. Keiner der Randorte liegt jedoch unmittelbar an der Küste. Sagard kann gleichzeitig als Centraiort des fast selbständigen Inseltheiles Jasmund betrachtet werden.

Mecklenburgs Küsten zeigen drei bemerkenawerthere Küsten- einsehnitte. Der erste ist zum Tnefl noch Pommern zugehörig und

•) Segelhandbuch Bd. 2. S. 26.

Verkehr und Ansiedlungen S. 2t)3 f.

^ Es -venteht sich von selbst, dass unter ganz besondert'n. im Deutschen Reich nicht vorkommenden Verhftltnisspn auch eine ganz kleine liisd eine grössere Stadl enthalten kann. Dann ist aber nicht die Grösse der Insel du» Musägebende, •ondeni ihre Beneboog zu Mnem naheUegenden Festlznde oder einer anderen Insel.

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Halm,

[M

wird durch die uinl'ani^reichen Hatte und Hodd« n. in deren innersten AVinkel (Kibnitzer See) die Recknitz mündet. )ji zeicliuet. Die Stadt Ribnitz kann jedoch kaum als Seestadt betrachtet werden, ebenso- wen'ig wie ihre preussische Nachbarstadt Dammgarten. Beide er- halten durch den KecknitzUbergang einige Bedeutung und waren lange wichtige Zoll- und Febergangsplätse an der proussisch-mecklenburgischen Grenze. Die Nelirun«? zwischen dem Hiltnitzer St-e und dem oftenen Meer ist das sogenannte Fi sc Iii and. ein liiiutig geschilderter, von einer rein seemännischen lievölkerung ht-wohnter Strich. In der (lestaltuug der Küste ist liier nichts zu finden, was die Bewohner gerade dieses abgelegenen Gebietes so entschieden auf das Seeleben hinwiese; wir werden auch hier uns vor einer Ableitung der Neigungen und Ab- neigungen der Bevölkerung aus der Landesbeschafienlirit einigermassen zu boten haben. Fcbrigens kommen auch weit im Binnenhmde . wo der Anblick der See gänzHch wegfSillt, Landstriche und Ortschaften vor, deren Bewohner dem Seedienst vor anderen lieschjitl:igungen den Vorzug geben und sich auch gut dazu eignen. Ein solches Gebiet liegt z. B. in der Nähe von Oldenburg bei 6rüp])enbQhren.

Der zweite wichtige Küsteneinschnitt wird durch den Mündungs- golf der Warnow gebildet. Wir haben es hier sclion mit Bildungen zu thun, welche zu den sclileswig-holsteinisclien Frdirden überleiten. Gerade da, wo die Warnow in den Miindunur>gi)lf eintritt, hat sich die Stadt Rostock angesiedelt, gleiclizeitig die letzte Üebergangsstelle über den nun seeartig werdenden Fluss und die Grenze der Seeschifffahrt gegen das Binnenland bezeichnend. Der gute Hafen von Rostock ist um so wichtiger^ als er auf der Strecke von Stralsund bis Wismar einzig da.steht. Vorhafen ist das Städtchen Warnemünde an der eigentlichen Mündun«^ der WaiTiow. Rostock und AVarnemünde >iud das Ausgangsthor für das ganze «östliche und mittlere Mecklenburu. sowie für einige Gegenden der n«irdliclien Mark. Die Stadt Kostuck hatte lauge Zeit nur eine einzige Eisenbahnlinie zur Verftlgimg, Warue- mflnde war ganz ohne 'Bahnanschluss. Die letzten Jahre haben den Ausbau des mecklenbuigischen Bahnnetzes mächtig gefördert und auch Rostock nicht nur die Verbindung mit seinem Vorhafen, sondern auch noch zwei andere Linien gebracht; eine weitere nach Stral>und, welche die letzte wichtige Lücke im Netz der deutschen Küstenbahnen aus- füllen wird , ist im Bau. Während der Sommermonate vermittelt der von Berlin aus jetzt leicht zu erreichende Hafen von Rostock auch einen wichtigen Theil des Personenverkehrs nach den naheliegenden dänischen Inseln.

Wismar endhch li^ an einer noch auffälligeren Bucht als Rostock, so n;\hf^ am Meer, dass es keine** ^^>rll:lft'ns bedarf. Unirij<s. Lage und Bauplan der Stadt erimiern sehr an Kostock . doch ist der Hafen weniger ))e(iuem. Er ist nach Aussage des Segelhandbuches (Bd. 1 , S. 184) nur ein kün.stlich ausgetiefter Graben. Wismar ent- behrt eines grosseren binnenwarts führenden Gewässers; zwischen die grossen Plabse Rostock und Lübeck einge.schaltet, i.st .sein eigenes Vwkehrsgebiet nur gering. Ausserdem haben mancherlei nichtgeo- graphische Umstände die Entwicklung der Stadt lange aufgehalten.

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Die Stftdte der norddeutschen Tiefebene.

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Ih'e Stadt Lülieck, mit der wir den wostlirlisieii Winkel der grosjien mecklenburgischen oder lübischt ii Bucht erreichen, wurde keines- W€^ durch hervorragend günstige nähere Umgebung auf die hohe RaoflBtnfe gehoben f weldie sie knge Zeit einnahm. Die Entfernung der Stadt vom ofPenen Meere ist bedeutend, das Fahrwasser der Trave Im zum Vorhafen Travemünde stark gewunden und trotz sehr energischer Verbessenmgen stellenweise so cn«;. dass die Beir^ ^-iiung zweif-r Schiffe schwierig wird Das Zusammentreffen mehrerer kleiner Flusslitute im innersten Winkel der Lübecker Bucht (Trave. Wakenitz, btepeiiitz, Schwartau) scheint früi» /u Ansiedlungen gelockt zu haben; AltpLQheck, der Vorläufer der heutigen Stadt, kg der See etwas naher tn der MOndung der Schwartau in die Trave in niedriger, aber nicht ungihistitrt'r Gegend *). Das neue Lübeck besetzt eine sehr auffallige Halbinsel, welche von Wakenitz und Trave umgeben wird. Vortheile dieser Lage waren die grosse Sicherheit in dieser last insularen Position, sowie die Möglichkeit, zahlreiche Seeschiffe ankern zu lassen. Wirk- lich zum Anlegeplatz verwendet werden jedoch nur die (iewUsser au der Westadte der Stadt Die Lttbeeker Kriegsschiffe zur Zeit der Hansa lagen weiter abwärts im Stau, einer heute seichten Bucht in der Xülie der sogenannten Herrenfähre Schattenseiten in der Lage von Lübeck waren die beschwerliche Verbindung mit dem Meere (s. o.) und die Beschränktheit des I^nuplatzes, welcbf mit der Zeit durch Anlt'^mntj: von Vorstädten und Häusergruppen jenseits der Jtlüsse aus- geglichen werden musste ■*).

Wir betreten nun das Gebiet der schleswig-holsteinischen FShrden*). Diese KUstenstrecke begünstigt die Entstehung zahl- reicher, wenn auch nicht immer grosser Städte ungemein. Die Ftihrden sind für Seeschiffe meist gut zu befahren, einige derselben gehören zu den besten Häfen Kuropas. T)ie rier leiten der Besiedelung viel we- niger Hindernisse in den W e^ als die oft sandigen und sumpfij^en Küsten Preussens und Pommerns. Die mässig ansteigenden Ulerhügel smd ungemein fruchtbar. Wenn wir auch in den Marschländereien an der Westküste Striche von ähnlicher Fruchtbarkeit finden, so sind dort doch der Küstencharakter und die ganzen Anbauverhältnisse des Msirsch- landes der Städteentwicklung viel feindlicher als in der begünstigten Zon." des Geschiebethons . welche der Ostküste entlan«; zieht und die K'dinlen zunächst umhiebt. In ihr Ketjel liegt der Hauptort einer, jeden Pöhrde tief im Hintergrunde, gleichsam an der ^^ urzei dersell»en, da, wo der Landtransport endet und der Verkehr der Seeschiffe begimit, gleichzeitig aber auch die der Küste entlang führende Strasse die Fdhrde

'i SefrelhanUbuch Bd. 1, 471.

Näheres bei Schröder, Toi>ographie der Herzogäidmer Holstein etc. Bd. 2. ff.

') Segelhandbuch Bd. 1, 8. 472.

*) Man TergL Aber Lfibecks Lage auch die weiter unten sum Vergleich mit Hambuff? einf^efüg^ten Bemerkunfjcn.

Hier zu vergleichen: Jansen, Die Bedingtheit des» Verkehrs und der Aniiedltnigen der Menschen durch die Gestaltung der Erdoberfladie, nachgewiesen u der cimbrischen Halbinsel, Kiel 1861.

Pomtilittagen sar deatadken Lsodct* und Tolkakoiide. Lt. 11

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Uabn,

berülireii musijj. Zeigt die Fülirde abwechsehul Eiusclmürungeu uud Er- weiterungen, 80 kann die EOstenstrasse eine Einschnarung benutzen, um die Föbrde näher am Meere zu ttberschreiten ; häufig findet auch

der Seeverkehr an einer solchen V( rt nirnnu' seine Grenze und ist vom innersten Theil der Föhrde ausgeschlossen. Dann zieht sich aucli die llauptansiedinni; von dem hi< r l)edeutunf;siosen Kmh' der ganzen Fölirde an diese wichtige UeV»(^'rs( hri.'ilunLrs- und Undadestcik». In l)eiden Fäll^^n ))leil)t OS aber gewuhniii Ii nicht bei e i n e r Ansiedluug, auch die üheralJ zugänglichen und anbauföfaigen Uferstrecken der Föhrde zwischen Haupt- ort und Meer sind noch von Ortschaften, bisweilen sogar kleinen Städten, besetzt.

Wenn wir die Küste von Lin)eck bis zur dänischen Grenzf ver- folgen, tn^ffen wir zuerst Ix i XciistmU eine allerdings wenig onl- wickelte Föhrde. an welcher dir r^tadt der zweiten oben aut'gt'st»dlt»n Kegel sehr genau folgt. Auch der Gruber See ist ah» eine uuregel- mässig gestaltete, th^weise verlandete Föhrde zu betrachten; das Dori Grube entspricht Neustadt in seiner Beziehung zur Föhrde, nur dass hier von SeescJiifffahrt keine Hede mehr sein kann. Heiligenhafen ist ausnahmsweise keine Fcihrdenstadt . dir vorliegende, sehr zerrissene Insel Graswarder l)ietet dem kleinen llnfm der Stadt jedoch einen Schutz, der an der einförmigen Küsteustrecke vom Felimarusunde bis zur Kieler Föhrde sonst maugelt.

Kiel selbst zeigt ganz die normale Form der Föhrdenstadte, es umgiebt mit den Vororten Gaarden und Ellerbeck den Kopf der Föhrde und steigt auch an den umliegenden Hölim hinauf, Jansen hat die zaldreichen sich in uud bei Kiel kreuzenden Verkehrswege meist richtig charakterisirt V). Unter ihnen ist für die Gegenwart die grosse AVelt- stnisse von Paris üImt Lütticli. Vcnloo, Münster. Bremen. Hamburg Kiel nach Uüuemark und Schweden um wichtigsten geworden; sie weicht so wenig von der geraden Linie ab, dass ihr sicher keine Gon- ' currenzbahn erwachsen wi^. Aber auch die Beschaffenheit der Föhrde selbst, ihre Tiefe, Geräumigkeit und leichte Verfcheidiginigsfahigkeit sichert Kiel die grössten \'ortheile vor den anderen Föhrdenstädteu. JanscTi. der l'^'U srlirieb. warnte noch davor, auf itn»- KiLTtuschaften «Irr l'<"»]irdt' allzu ^aiiguiiMsclu' Hottnnngen zu l)auen und Inrh «li»^ leichte Verbindung mit Dänemark iür Kiels wii*ksauisteu Vorzug. Im Angesicht des grossen deutschen Kri^hafens Kiel w^Urde er jetzt gewiss anders urtheilen. Die Kieler Föhrde zeigt nahe am Eiugang eine leichte Ein» schnilrung, welche jedoch nicht erheblich genug ist. um hier eine Brückenstadt hervorzurufen; nur die schon \{V.V2 angelegte kleine Festung Fri» <l rirhsort schützt in Verbindunir mit den Werken auf dem iiol- steniiselien Ufer (b ii Kiiiti'ang in die Föhrde,

Eckern forde ist wieder ein gutes Beis]>iel für den zweiten Typus der Föhrd^tädte, es hat sich den üebergangspunkt Ober die schmale Wasserstrasse, welche die weite Aussenföhxde und das als ihre Fortsetzung zu betrachtende, aber Seeschiffen nicht zu^^n^cheWindeb j-

*) Die Bedingtheit de» Verkehrs etc. S. lul ft.

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Die Städte der norUdeutbchen Tiefebene.

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Noer verbindet, erwählt. Bei Eckemförde wird diese Wasserstrasse Ton ^ dem nordwärts ziehenden Landweg© und neuerdings von der Kiel-Flens- ' bur^er Eisenbalm gekreuzt. Ein grosser, ihr eigenthünilieher Vortheil für ih'e E< kcnitorder Hafenhiuht ist ihre seltfiio Eishedeckung: zu Zeiten, Wo die KieK-r und Flensl)urger Ffdirde zuweilen wochenlang zugefroren wareu, hatte nuiu natli Aussage des Segelhaudhuches (Bd. 1, S. 405) in Eckemförde offenes Wasser.

üngewöhnlich weit greift die Schlei oder Schleswiger Föhrde in das Land ein. Die halbmondförmig gebaute Stadt Schh .swi^r unigiebt da^ Binnenende der Föhrde. Hätte die Schlei keine schmäleren über- .»chrt itltare!! Stellen, so wäre sie ein schweres llinderniss für die östliche Kü^tenNtta>-e . mehrfache Eins( hnürungen schaHeii jed'Kli ebenso viele UeW^gaug^|>uukte. Solche sind au der Stexwiger Enge (wenig benutzt^, bei Missunde, wo die Schlei nur 75 m breit ist, bei Amis and bei Kappeln. Die drei letztgenannten Punkte sind durch kleine Städte und Vorhäfen ftlr Schleswig bezeichnet. S( hl ei münde am Eingang in die Schlei ist nur eine Lootsen- und Leuchtfeuerstation, kein Hafenplatz. T)ie Eisenbalm von Kiel nach Flensburg, welche sich mit der Schlei irLjeiidwie abfinden nmsste. hat zum Uelier<x;uiLr keine jener schmäleren Stellen aufgesucht, sondern überschreitet die Sclilei zwischen Missunde und Amis da, wo die beiden Halbinseln Grosses ondKleinesNiss em nördliches Seitenbecken der Sclilei, das Lind- auer Noer, fast ganz umscliliessen. So war nicht nur die hier ziem- lich breite Schlei, sondern auch das Lindauer Noer zu kreuzen. Rück- Mthien auf Einhaltung einer möglichst geraden Hichtini'j. sowie auf 'lie Wassertiefen in der Scbb'i. welche bei Mi.>-sunde. Ka|i|teln und Arnis grösser sind als an der gewiildten Stelle und den Bau des Dammes nnd der Brttcke erschwert haben wflrden, veranlassten wohl zur Wahl dieser breiteren Stelle. FöhrdenOberbrackungen durch Eisenbahnen finden «nch auch in Jütland (Limfjord) und viel grossartiger an der Ostkfiste Schottlands (Taybrückc bei Dundee).

Die Flensburger Föhrde ist sehr unregelmUssig «gestaltet und vielverzweigt. Flensburg selbst umtrieltt wiedf-r den K(»jd' der löhrde, deren überall gutbebaute Ufer noch einige kleine Vorhäfen und ZoUstStten wie Holnis und Ekensund aufzuweisen haben. Kkeusund ist gleichzeitig Brückenort an der schmalen gleichnamigen Einfahrt in das Nflbelnoer, jenes in der Kriegsgeschichte des lahres 18t)4 oi\ genannte Seiten<^ew'ässer der Flensburger Föhrde. r>it Halbinsel Sunde witt trägt keine städtiseht n Ansiedlun«?en , die \ t-rhälf ni-^^e sind zu klein und die Entfernung von dem \ erkehrs- inittelpuukt Flensburg zu gering, um diese vortreli iu litn Positionen recht Terwerthen zu können. Nur die bekannten Schanzen erhoben «ich hier und machten die Spitze der Halbinsel gegen den Alsensund zu einem klassischen Punkte fiir die neuere Kriegsgeschi( lite. Am Alsensund selbst, und zwar auf dem Inselufer (nicht wie bei Memel und Stralsund auf der Festlandscite) liegt die lt f/(e i|er deutschen .Meerea^enstädte. das kleine S o n d e r u r g. Eine Scliitllirücke kuinite hier über den nur 237 m breiten, aber verhältnissmässig tiefen und von kleineren Schiffen dem Weg um die Insel gern vorgezogenen Sund

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Hahn,

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geschlagen wenleii. Die übrigen Stütlte und Flecken der Insel, welche Jausen (a. a. (). OO) durchaus normal vertlii ilt schienen, sind noch kleiner als Sonderburg, viele sehr günstige Städtelagen, wie z. B. aia HöruphafiP, blieben ganz unbenutzt Apenrade liegt ganz normal am Kopfe seiner Föhrde, Hadersleben wieder ist BrQckenstadt an einer schinalen Wasserstrasse zwischen der eigentlichen Hadersleber Föbrde und dem nur 2ni tiefen Hadersleber „Damm".

Zwischen den beiden Ffdirden von Apenrade und Hadersiebon ist eine recht günstige Po-^itioii unbenutzt geblieben. Ks ist die tiefe und gut zugängliche Bucht von ü j enn er, eine echte Föhrde, die nur nicht so tief in das Land hineingeht wie die übrigen. Das Segelhandbuch beurtheilt Bd. 1, S. 361 die Gjenner Föhrde sehr gflnstig, sie bietet grösseren Schiffen gute Ankerplätze und ist durch die Torliegende Insel Barsoe gegen östliche Winde geschützt. Keine andere der benach- barten Föhrden wird in dieser Weise durch eine ganz nahe vorliegende, aber doch nicht hinderliche Insel gedeckt. Im Hintergnindf- der Föhrde liegt noch die kleine, schwach hügelige Insel Kaloe, ganz lür einen Stadtkern geeignet. Aber es findet sich jetzt hier nur ein ganz un- bedeutender Anlegeplatz mit wenigen Häusern. Auch das Iandemw9rt8 liegende Dorf Gjenner, nach welclu ni die Föhrde ^^nannt wird, benutzt den Haft 11 fast nur zur Torfrerschiffung h.k b Aeroe und Alsen '). Viel gereditft rt iutcr ist die Veniachrässigimg der Bucht von Heilsminde an der dänischen Grenze, da sie ziemlich Hach ist und eines Schutzes durch eine vorliegende Insel entbehrt. Der innerste Theii dieser Föhrde, der Heilsmindesee, kommt fUr den Seeverkehr Uberhaupt nicht in Be- tracht An der Wasserstrasse zwischen Innen- und Aussenföhrde hat sich neuerdings ein kleiner Brücken- und Grenzort, Heilsminde, der in einen deutschen und einen dänischen Ortstheil zerfällt, angesiedelt.

Die Betrachtung der jütischen Küsfnistrecke liegt ausserhalb unserer Aufgabe, man sieht jedoch leieiit. dass auch die jütischen Föhrden.städte .sich nach den oben angegebenen Kegeln richten. Kol- ding, Veile, Horsens und Hobro sind Beispiele für die erste, Rauders und Aalborg für die zweite Form. Da gegen Norden die Föhrden seltener auftreten, finden wir auch föhrdenfreie Kostenstrecken durch Hafenstädte belebt, wie Aarhuus, Saeby und FrederikshaTn zeigen.

Es sind noch die Städte der Nordsee zu betrachten. Die deutsche Strecke der Nordsee hat fast dur« liw» *^»- » ine kihistliche. d. h. eine durch Deiche geschützte Küste. Eine Ausiiitliiiie machen nur folgende Strecken:

1. Von der dänischen Grenze bis Hoyer. Mehrmals tritt hier Steilufer auf wie bei der MOndung der Bredeau, bei Jerpstedt und bei £mmerle8^ aber auch die Flachküstenstrecken sind nidit eigentlich eingedeicht.

2. Bei Hattstedt und Scliobidl nördlich von Husum. Auf kurzer Strecke tritt hier eme Geestinsel nahe an das Meer. Eine ganz kurze Dünen- strecke findet si< Ii auch im äussersten Westen von Eiderstedt hei St. l'«'ter. I. A\ estlieh von Cuxhaven bei Duhnen tritt der Gee.*<t- streiien der Wingst oder Wurster Haide auf einer Stiecke von ükm

') Schröder» Topographie des HenogthanM SchlMwig, S. 175.

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Die St&dte der norddeotedieii Tiefebene.

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an die See, so da.ss liier die Deiche unterbrochen werden konnten. h. Nördlich von Varel am Jahdebusen springt bei Dangast ein schmaler Geeststreit'eu gegen die Küste vor. Die deichiose Küstenstrecke beträgt jedoch kaum 2 km. Wenig weiter Badi Südwest setM die Deiche auf kurzer Strecke am Hügel Wulfsgast nochmals aus Diese deich- Gebiete wirken jedoch auf die Vertheilung städtischer Ortschaften nirgends nachweisbar ein. Der ganze Kest der Küste aber ist unge- mein stüdtefeindlicli. Ausserhalb des Deiches würden die Städte ohne jeden Schutz gegen das Meer sein, hinter den Deichen wäre ihre Ver- bindung mit dem Meere eine beschränkte und beschwerliche. Auch haben wur schon früher gesehen, dass das Innere der Marschen ein sehr un- gern gewählter Bezirk für süldtische Ansiedlungen ist.

Um so wichtiger sind aber die Mündungen der nordwestdeutschen Flüsse. An ilinen, wenn auch nicht immer unmittelbar an der See- küste, erheben sich die Ansiedlungen, welche den Verkehr zwischen dem Innern des Reiches und der Küste, sowie nach den überseeischen Ländern zu vermitteln haben. Die Flüsse, welche hier in Betracht kommen, sind die Eider, die Elbe, die Oste, die Medem, die Weser, die Geeste, die Jahde, die kleinen Wasserl&nfe des Harlingerlandes, be- H'uders Harle und Bense, endlich die Ems. Jedem dieser Flüsse ent- spricht eine Mündungsstadt, und » s nniss sofort auffallen, in wie enger Beziehung Grö's'se des Flussi^olnt tts. Länge des Laufes und Bedeutung der zugehörigen Stadt mit einander stehen. Die grössten Flüsse Elbe, Weser und Ems haben auch die grössten Städte, und soweit Eider, Olie, Medem, Harle und Bense hinter jenen Strömen zurückstehen, so sehr werden auch die kleinen Mündungsstädte ') Tönning an der Eider, NeuhauB an d^ Oste. Ottemdorf an der Medem, Wittmund an der Harle und Esens an der Bense von Hamburg, Bremen und Emden -Leer- Papenburg übertrotfen. Von den genannten Städten bedürfen Tönning, Neuhaus, Otterndorf, Willielnishaven und die Enisstüdte keines A'or- bafens. während Hamburg, Bremen, Wittmund und Esens einen solchen besitzen. Die Eiderstadt Tönning haben wir schon kennen gelernt. Neuhaus und Ottern dorf sind für den Wasserverkehr des durch Eisenbahnen noch wenig aufgeschlossenen Innern der Landdrostei Stade ?on nicht zu unterschätzender Bedeutung, namentlich das erstere. Bei Otterndorf ist die sich ausweitende Mündung der Medem als Ottem- dorler Hafen bezeichnet; vielleiclit entwickelt sich hier ein Vorhafen, zumal der Hadeln'sche Kanal die Stadt Ottemdorf nicht berührt. Dieser Kanal fuhrt aber zur Geeste hinüber und ist wichtiger als die kleine schi£fbare Strecke der Medem '). Als Seehafen kommt Ottem- dorf kaum in Betrachi

') lät auf der neuen, elwni •'rschieuenen Ausgabe der Reymami*8clien Karte, i}«ction 37, nicht mehr verzeichnet.

*) Ich nenne Hündimgastftdte solche Orte, welche aa der binnenlBadisdieD

*hein>- dof Seeverkehrs Hegen, ohne Rücksicht darauf, ob sie an der Eüste selbst oder eine Strecke flussaufwürts betindlieli sind.

*) Vgl. Die Moorgebiete dea Herzogthums Bremen, Berlin 1877 « 8. 29, 31 and die wichtage Karte.

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Wilhelm sha v ou hat mit dem kleineu Flüsschen .Jaiidc ) selbst- verständlich wenig zu thun. Der Jahdebusen, einst einem Arme der Weser zum Auefluss dienend, aber erst seit 1218 in seiner heutijafen Gestalt vorhanden -), Avar schon von Napoleon I. zur Anlage einer wich- tigen Eü8tenbei'e8tigung ins Auge gefasst worden. Aber erst 1853 wurde mit der Erwerbung eines kleinen , spater vergr<"i>^s( rt<'U olden- burgischen Terrains «lurdi Prcussen der Antnng zur Anlegung des heutigen Kriegshai'ens genuielit. Die Schwierigkeiten, wekhe beim Bau des Hafens und der Einrichtung des ganz neu anzulegenden Ortes zu Oberwinden waren, müssen sehr bedeutend genannt w^en. Wenn sie trotzdem in verhältnissm&ssig kurzer Zeit besiegt wurden, so haben w ir hier ein seltenes Beispiel einer auf wenig gUnst^em, sumpfigem und des Trinkwassers antanglich entbehrendem Terrain begründeten An- siedlung^l. Wilhelmshaven hatte iHi^o schon 12rt<'2 Einwohner. Neben dem Kriegshafen ist auch ein Handelsliafen angelegt worden. Der ( Jrund- plau der Stadt konnte ganz regelmässig durchgefühi-t werden, fast alle Strassen kreuzen sich in rechtem Winkel. Merkwürdig ist es, dass noch 1867 der Geograph Guthe (a. a. 0. S. 159) nur GeestemQnde und das Knock bei £mden als passende und wUnschenswerthe Punkte für Erriclitung des neuen deutschen Kriegshafens an der Nordsee l»e- zeichnet. nicht iil)er den .lahdebusen. Ueber diesen heisst es S. i2H mir kurz, dass dort die preussische Knme einen »Seehafen anzulegen beab- sichtige, dessen Bau aber nur langsam vorwärts sclireite. Die Eisenbahn- verbindungen Wilhehnshavens sind Uber Oldenburg^OsnabrQck und Jever- Emden ausreichend, auffallig ist noch die LOcke zwischen Jahde und Unterweser (zwischen Varel und Elsfleth oder Nordenhamm). An ansserdeutschen Seitenstücken zu unserem neugegründeten wichtigen Hafen nenne ich Esbjerg in Jütland und La Nouvelle in Rüd- frankreich, beide erst in neuester Zeit gegründet, an Bedeutung aber hinter Wilheluishaven weit zurückstehend.

An der Ems finden wir die drei MOndungsstädte Emden, Leer und Papenburg, von denen die beiden letzten in anderem Zusammen- hange schon früher besprochen Avurden. Emden ist keineswegs als Vorhafen seiner Nachbarstädte zu betrachten, es hat selbständige Ver- kehrsent\vicklun{jr. Die Lage von Emtlen wird durch emen ungemein geräumigen (wohl nicht küiistliclien | Hrdliii^el bedingt, der sich hart an der einst hier vorbeifliessenden Lais erhob \\ enn man das lehr- reiche historische Kärtchen betrachtet, welches de Yries und Pocken S. 346 bieten, so sieht man, wie ungünstig sich die Beziehungen der Stadt Emden zur Ems im Laufe der Jahrhunderte gestaltet haben. Die Ver- bindung mit der weit von der Stadt zurückgew ichenen Ems nniss j<'tzt durch einen auch nicht allen Anfordenmgen genügenden Kanal aui-

') Neuerdings auch ohne h geschrieben,

') Zeitschrift der Berl. Gesellschaft f&r Erdkünde Bd. 16, 1861, S. 168,

und Talel 9.

') N'ähoifs bei Kot ken und de Vries, Ostfrieslaud , 387, wo auch der Plan der Stailt naolizuschen ist.

'*) (iuthe. Braunschweig und Hannover, S. 210.

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Die Städte der norddeutschen Tiefebene.

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recht erhalten Averflen; der Vorsehlag Unthc's (a. a. O. 8. 21 :V). am Knofk ciiipn Vorhateii für Eiii(l<*u zu erritliteii uinl <lit'<t'ii oveiitut41 dorcli ciiieu Kaual mit der Stadt zu verbindeu, ist uocli uicht au.sgeiülut. Wittmund und Esens sind nothwendig auf VorMfiui angewiesen, da die kleinen Flttsse des Harlingerlandes, Harle und Bense, allzu unbe- deutend sind. Für Wittmund dient Carolinensiel (daneben X^'u- harlingersiel), iur Esens Bensersiel als Vorhafen. Von diesen kleinen VorhätVn ist ('arolinnisiel der wichtijjrstf. dem auch ein Theii des Ver- kehrs mit den trieM-i-hen Inseln zu Gute kommt.

Es bleiben noch Hamburgs und Bremens Beziehungen zum Meere zur Betrachtung Qbrig. Audi hier bestätigt sich der Satz, dass die Tollten desto bedeutsamer werden, je unbequemer die Wasserstrasse zum Huuptorte des Mündungsgebietes ist. Bremen war wegen der schwierigen Fabrbarkeit des oft wechselnden Fahrwassers von seinen Vorhäfen stets sehr abhängig. Als Vorhäfen dienten lange die kleinen, mtist oldenburgischen Orte an der linken Weserseite, wie Elsfleth. Brake und andere, sowie das von den Bremern am Einfluss der Lesum (also auf dem rechten Ufer) erst im 17. Jahrhundert, als das BedOrf- niss nach einem eigenen Winterhafen immer sförk^ wurde, angelegte Vegesack Der letztgenannte Ort konnte jedoch wenigstens im Sehiff- fahrtsverkehr mit .seinen oldenlmrgi sehen Gegenorten nicht gleichen Schritt halten. Man sieht leiclit ein. dass emplindliche Naclitheile ent- stehen können, wenn dii- X'orliäfen einer grossen Handelsstadt ganz oder theilweise in den Händen eines fremden, wenn aucli l)efreundeten Staates and. £rst im laufenden Jahrhundert hat Bremen einen eigenen Vor- hafen erlangt, welcher der See nahe genug liegt, um jene oldenburgischen Flussorte weit zu übertreflfen. Nahe an der MUndung der Geeste tritt . noch einmal ein schmaler Geeststreifen an das östliche Ufer der Weser iunm. Dieser für Befestigungen nicht ungeeignete Punkt wurde von ver>t iiiedeneii Kegierungeii zu diesem Zweck in Betracht gezogen. Die Stillteuburg, welche die bremischen Erzbischöfe im Anfang des 1.'). Jahr- hnnderts hier erbauten, erfreute sich keines langen Daseins, ebensowenig wie ein schwedisches Fort, das im Jahre 1673 gegründet wurde ^. Xajjoleon I. wollte hier durch eine Batterie die AVes( reinfahrt sichern. Erst der Bremer Bürgermeister Smidt ersah 1827 diesen Platz zur Aiihige eines eigenen bremischen Vorhafens. W ir haben hier ein be- nu rkenswerthes Beispiel für eine mit vollstem Verständniss und richtiger Bcimtzung der physischen Verliältnisse durchgetiihrte Städtegründung dar neuesten Zeit. Das Ostufer der Weser wurde gewählt, weil das- selbe weniger leicht Ton Eisschollen umlagert werden kann, wenn bei Östlichen Winden Eisbildung in der Wesermtindung erfolgt. Auch fand sich im östlichen Fahrwasser der Weser eine grössere Tiefe als an der oMtplMiriri^chen Küste. Die (leeste bot zuglei( h eine bequeme Wasser- verKiiidiHig mit dein Lande zwischen Weser und Elbe. S'> ist Bremer- huten gleichzeitig Mündungsstadt der Ueesle und Vorhuten von Bremen.

*) Gathe a. a. 0. S. 148. ') Gut he a. a. 0. 8. 155 f.

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Hahn»

1?^

Geestemünde wurde von der hannöTerschen Regierung, welche auch auf ihrem Gebiete einen Weserhafen zo haben wünschte, hinzugefügt

und Ijildet jetzt mit Breinerhafen einen einzigen grossen Hafenort. dem sich Geestendorf im SUden und der ältere Geestflecken Lehe oder Bremerlehe im Xon^'ii l)iild anschliessen werden.

Von besoiidririii gtMt^raithischeai Interesse ist die Strlhin^- Ham- burgs zu seinem Strome und ziuii Meere. Wir haben uns zu frwjea, welche natttrlichen Vortiheile der Bauplatz too Hamburg für die Ent- wicklung einer Stadt bot und welche geographischen Verhältnisse es waren, die in der Folge gerade diese Stadt Uber viele benachbarte Seestiidtc nnporhoben. Zunächst fallen uns aueli hier, wie in so vielen früher Ijetruchteten Fällen, trockene Geest«trecken auf, welche die An- nähenmg an den Fluss auf beiden Seiten gerade hier sehr erleichterten. Auf der Südseite sind es die ansehnlichen, theilweise bewaldeten Har- burger Höhen, welche zwischen den Manchen an der Seeve imd Luhe und denen des ^ Alten Landes ^ an den Fluss herantreten. Im Korden nähert sich der Geestrand der Elbe zunächst zwischen den Flüsschen Bille und Alster, er .setzt sich dann über Altona und Ottensen zu den bekannten Bergen von Blankenese fort, um kui*z vor Wedel, wo die weite Haseldorfer Maisch beginnt, in das Binnenland zurückzu- wflicben. Weiter abwSrts treten nie wieder die GeeethSben in ähnlicher Weise an die Elbnfer b^ran, auch aufwärts mttssten wir bis zu der uralt<?n Uebergangsstelle bei Artlenburg* (40 km oberhalb Hamburgs) zurückgehen, um ähnliche Verhältnisse zu finden '). Der Pass von Artlen- burg würde aber schon viel zu weit von der Nordsee entfernt sein, nii; mit der Uebergangsstelle bei Hamburg, wo der Abstand der Geesträuder allerdings 9500 m beti-ägt, wetteifern zu können.

Nun ist bei Hamburg das nördliche Ufer der Elbe vor dem sQd- liehen durch mehrfache Vorzttge ausgezeichnet. Zunächst ist die Norder- elbe ein besseres Fahrwasser als die Harburg berührende Süderelbe. Es münden fenier hier zwei kleine FlUsse. die Bille und die Alster. von denen die Aister durch die seeartige Erweiterung^ nahe an iler Müuduug einen guten Schutz- und Winterhaien für die Flussschüie dar- bot. Die Stadt Hamburg erwuchs nun zuerst hart an der Alster auf der schmalen Geestzunge, welche Elbe und Alster trennt. Von der Ell)e sell)st war sie zunächst noch durch eine später eingedeidite und besiedelte Marschfläche getrennt, ein neuer Beweis, dass es ursprüng- lich nicht die Lage in der Näli*- der zinii Weltmeer fillirendon grossen Wasserstrasse, sondern der günstigen Baugrund bietende Geestrücken, der hier erleichterte ElbUbergaug und das Wasserbecken der Aister waren, welche gerade hier zur Begrfindung ein« Ortschaft anreizteii. Die in der Elbmarsch belegenen Stadttheile Haniburgs unterscheideD <u-h v.nch heute in Plan und Physiognomie, wie jeder zugeben wird, der Hamburg autmerksani durchwandert bat. sehr scharf von denjeni'jr»'U auf der Geesthühe. lu der Marsch gab es noch 1870 Strassen, welche

'l l t'lHT die Artleiiljurger Fiihrstelle. wo ilie l»r'iil<'rs<'itiijen Gfe^strilnder .'•ich bis auf fast 15U0iu nüheru, vgl. Uamburg iu naturhistorischer und mediciuiscber Benehong, Hamburg 1876, 8. 2 f.

73J Die St&dte der norddeutMben Tiefebene. 1(35

bei den hrK-hsteii Stiirmfluthen bis 2.34 m unter Wasser standen, und bewohnte Keller, in denen unter gleichen Verhältnissen dsis Wasser l)is 3,5 m anwuchs Nur allniählicli ist H!iiiil>nr^' an die Elbe heran- jjerflckt. llarl>urtr, die Statlt des Südulers, liatt< weder einmündende Nebenflüsse noch ein su günstiges Fahnvasser und konnte höchstens eine zur Vertikeidigung etwas besser geeignete Lage fOr sich geltend machen, da der Hflgelzug, an den sich Harburg lehnt, schärfer hervor- tritt als der Geestrücken im Stadtgebiet von Hamburg. Die Vortheile, Wf-Idip Hamburg von der Natur gewährt wnrrlen. suchte später die Kegieriuig Hannovers der Stadt Harbur«; durch kostspielif^e Bauten gleichfalls zu verschafien, doch hat der Erfolg den Erwaitungen im Allgemeinen nicht entsprochen.

Die Oeesthöhen der Elbufer konnten wobl die AnnSherung an den Fluss erleichtern, aber der Uebei^ang selbst blieb immer noch lästig geniiL'. Wir müssen ältere Karten zu Hathe ziehen, um die alte Topo- gRiiihie der Elbinseln, welche von der heutigen sehr abweicht, zu ver- stehen^). Die Zahl der Elbinseln und der zu überschreitenden Arme war im 17. Jahrhundert noch wesentlich grosser als heute, wo kieniere bueln zu umfengreicberen Maasen vereinigt und eine Anzabl kleinerer Stromarme erloschen sind. Aber auch noch im 19. Jahrhundert blieb dar Elbflbergang Tor der Erbauung der grossen EisenbahnbrUcken sdbr unsicher imd beim Eisgange sogar gefährlich. Aeltere und neuere Karten s^twie eigene Durchwanderung der Gegend überzeugen uns jedoch, dass der Uebergang bei Hamburg immer noch am leichtesten möglich war; elbabwärts lösen sich die Inseln in immer kleinere Bruchstücke auf and verschwinden endlich ganz, um dem ungetheilten, nun sur üeber- schreitung schon zu mächtigen Strom Platz zu machen, aufirärts hindert die breite Marschebene mit ihren früher spärlidm und beschwerlichen Wf'gen. Der Flussübergang bei Hamburg kann also wohl '1er letzte vor der Mündung genannt werden. Der ganze Verkehr zwischen Bremen, Lübeck und der östhchen Ostsee, zw^ischen den liheinlanden, Osnabrück, Bremoi und Kiel sowie den skandinavischen Staaten, endlich zwischen Norwegen, Schweden, Jfltland, Schleswig und Lüneburg, Hannover, Hessen, Frankfurt a./M. wurde auf diesen Uebergang hingddtet. Das Eisenbahnnetz der Gegenwart lässt dies noch deutlich genug erkennen. Hamburg' wäre wegen seines wichtigen p]lbüberganges aucli dann noch ein bedeutender Verkelirsnuttelpunkt, wenn die Nordsee der Schifffahrt verschlossen oder ein unermessliches Weltmeer ohne lockende Gegen- kOsten wäre.

Hambui^ ist aber auch ftbr den Verkehr auf der Elbe selbst dn weit wichtigerer Grenzort zwischen Fluss- und Seeschifffahrt, als Bremen dies ftir die Weser ist. Die Elbe selbst ist der Weser gegen- über in fast allen Beziehimgen im Vortheil. Die Weser»chü£fahrt reicht

') Man vergl. Karte 1 u. 2 d"s genaantea. in manchen Abschnitten reiche geo^rraphi^che Belehrung bringende Werkel, aneb den Holxschnitt auf Ö. 15 und

dazu Text 8. W.

^) Di<> erste K.iiic im Werk «Hamburg etc.* (s. o.) zeigt die Elbinteln, wie ■ie zu Anfang des 17. Jahrhunderts waren.

Foncbnogen zur deatschen Lande*, and Volkskaade. I. 3. 12

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Hahn.

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kinnn his in ih\< nürdliclu- Ilt'sseii. die Ell)e «luiretren beherrscht mit ihren Xeh(iiHiis>« ii iiocli einen anselinhVhen Theil von Sachsen un«i Bölnuen. Sie steht mit Oder und Weichsel durch die märkischen Kaual- linieii in Verbrndung, während die Weser nur auf ^ich selbst angewiesen ist. Ist auch die Elbe, wie alle deutschen Flüsse vom Ideal einer Wasserstrasse ziemlich weit entfernt, so fehlen ihr doch so nufiVillige S( hitlTahrtshindrrnisse. wie sie an der u eser zwischen Minden und Karls- halen namentlicli bei Harn« In vorkommen. Vor allem aber ist die K'tzte wichtigste Strecke der Elbe von Hamburg l>is Cuxhaven viel brauch- barer als das entsprechende Stück der Weser von Bremen bis zum Meere, so viele Mtthe man sich auch stets mit der Verbesserung des Fahrwassers in der Unterweser «gegeben ]i;ir. ()))i^]eich 125 km von der offenen See entfernt, ist Hamburj.^ doch so sehr Seestadt, dass nur Wf'ni«^'»' der aUergrössten Schiffe nicht mit volh/r Ladunir bis Hamburg huijiu flehen oder von da aust'aliren kfinnen. Haniijuri^ bezeicluiet tur die Elbe thatsächlich die Grenze der Seeschilltalirt gegen den Flussver- kehr, wahrend diese Grenze an der Weser schon bei Bremerhafen, höchstens (für kleine Seeschiffe) bei den oben erwähnten kleinen olden- burgischen Uferorten zu suchen ist. Die Vorhäfen Hamburgs stehen SWR diesem Gnmde an selbständiirer Bedeiituntr >veit hinter dem pressen imd blühenden Vorliaten Hremeiis zurück. Hamburg zunächst finden sich Brunshausen und Glücksta<lt. ersteres nahe an der Stelle einer plüt2- lichen, merkbaren Tiefenzuualime des Falu*wasäers, letzteres an der ge- wöhnlichen Grenze der Eisbedeckung des Flusses in normalen Wintern. Doch sind beide Vorhäfen nicht sehr erheblich. Xeuhaus und Ottern- dorf (s. o.) können kaum als Vorhäfen ftlr Hamburg bezeichnet werden. D;i«s endlich auch ('uxhaven filr Hamburg nicht eine ^jolelif l^iMleutiniLr besitzen kann, wie Bremerhafen-deesteniünde für Bremen. Iteweist >ch()U der Umstand, da.ss erst in neuester Zeit eine Eisenbahnlinie die Elb- mflndung erreicht hat, während die Wesermttndung schon längere Zeit sogar zwei (nach Geestemflnde und dem oldenburgischen Kordenhamm) au&uweisen hatte. Wäre das BedOrfiouw nach einer EisaibahnTeibin- dung fiir Cuxhaven so dringend gewesen, so würde es gewiss allen ent- gegenstehenden Sclnvieriirkeiten zum Tiotz auch viel t'rülier befriedigt worden sein. Nur für die Zeiten strengen Frostes kann die Bahnver- bindung mit der Elbmündung für Humburg entscheidend wichtig werden, im Uebrigen dient die Linie hauptsächlich der Abkürzung der Fahrt nach Helgoland und ist fÜr die Küstenvertheidigung wichtig.

Noch andere Momente kommen hinzu, um Hamburgs Uebergewicht über seine Niichbarstildt«' /n verstärken. Die Küstenstrecke von der Knismündung bis /ur Kllie bildet mit der Westküste der ('imbrischeii llalbmsel, von kleineu Lnregelmä.ssigkeiten abgesehen, naliezu eiueu rechten Winkel. Eine Stadt, die gerade im Scheitel des Winkels oder demselben nahe liegt, wird einen grossen Theil des Trakehres beider Schenkel zu sich heranziehen können, falls die örtlichen Verhält- nisse nur einigermassen günstig sind. Sind dieselben so ungewöhnhch vortheilhaft wie bei Hamburg und der ganzen Elbmündnng. dann wir«! es den Häfen, weUhe vom Sclieitel des Winkels weiter entttTiit >iml. sehr schwer werden, einen Theil des Verkehrs ttir sich zu behaupten.

75]

IKe St&dte der norddeutedien Tiefebene.

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Tm so anerketiiien>:werther ist die hohe Bedeutang, welche das nur

»iunli die wein«^ <;ünstige Weser unttTstützte Bremen noch immer he- Wiihrt hat. l)as Hinüber jifi'eifeu Haniburisxs in die A'erkclirs'/.onc BronnMis ist allerdings auch durch die hinge Zeit ungewölmlicli uuisiaudlichen Kisenbahuverbindungen zwischen beiden grossen Städten erschwert worden. Mnaste man doch last drei Jahrzehnte nach Vollendung der aus dem ^nenlande nach Hamburg. Harburg und Bremen ftthrenden Eisen- bahnen noch den grossen Umweg über Lüneburg, Hannover und Verden fitHchlagen. wenn man nur von Harburg nach Bremen gelungen wollte. Vor H<'rst«dhmg des ElbUbergangs bei Lauenburg füliiti' die einzige durthgehende Schieuenverbindung zwischen Haiiii)urg und Bremen .-sogar fäatit Magdeburg, Braunschweig und Hannover ').

Viel deutlicher zeigt sich die Abhängigkeit von Hamburg an dem «Ilderen Schenkel des Winkels, der Westküste Schle.swig-Holsteins und .Tntlands. Hier ist an einer sillerdings !s»dn" iingCmstii,'' grstulteten Küste kein einziger Ort auch nur t-ntb-rnt mit llanil)urg zu ver- gleichen. Die eben jetzt im Bau begritlene Bahn von Töiming nach Kipen, welche das Schlus^^stUck in der langen Linie der westcimbrischen Kfistenbahn (von Hamburg bis in den Norden JQtlands) bilden wird, kann mir den Erfolg haben, die Beziehungen der kleinen Städte im westlichen Holstein, Schleswig und JttÜand zu Hamburg noch viel enger za knüpfen.

Man .sieht leieht. dass auch Lübeck im Scheitel ^eines recliten Winkels liegt, welchen die Ostküste Schleswig-Holsteins mit der mecklen- bmgisch-pommerschen KOste bildet Die Antwort auf die Frage, warum Labeck jetzt nicht eine ähnliche Rolle spielt wie Hamburg, kann nicht

schwer fallen. Zunächst i.st die nähere Umgebung und der Baujdatz Lübecks, wie wir frülier sahen, nicht so vortheilhaft für die Entwick- lung einer umfangreichen Stadt als der Bauplatz von Hamburg. I)ie Trave war im Vergleich zur Elbe nur eine dürftige Wa.s.ser.strasse zum Meere. Wenn nun Lübeck gleichwohl eine Zeit lang die massgebende Stadt im westlichen Theile der Ostsee und darQber hinaus war, so haben nirht blos geschichtliche, geographischer For.schung fernliegende Ent- wicklungen dahin geführt, sondern diese Ut'berlegenheit Lübecks hatte auch einige geographische Gründe. Lübecks (iegenküsten, die dilnisclien Inseln und das südliche Schweden, waren nahe und lockende Ziele für den Ostseeverkehr der Hansazeit. Haniburg hatte keine älmlichen Gegeu- kflsten au£euweisen, da der Verkehr mit England besser und leichter über die niederlän^schen und flandrischen HSfen yermitfcelt wurde. Als aber der nordamerikani.sche Coutinent aus dem Dunkel i n [ tauchte und die ganze kaum übersehbare Weite des überseeischen \ n kchrs offen stiuid, da war die Nordseeküste als die der neum W(4t zugewandte weitaus im Vortheil: die skandinavischen Länder und Kussiand verblassten Itlr lange Zeit vor der amerikanischen Gegenküste der Nordseehäfeu. £nt in neuester Zeit beginnen mit der jetzt rascher Torschreitenden

'i Noch heate besteht zwischen Cuxhaven und Bremerhafen keine directe Bahnverbindong.

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Hahn, Die Städte der norddmt«cheii Tiefebene.

[76

AiifscWiessiing und Entwickluiii; der Ostseeländer ülx rliaujtt auch die deutschen ( )stseehiit"t'ii wieder krilttiger in den Weltverkehr einzuf^reiten, und Lübeck, begünstigt durch seine Lage am Scheitel jenes rechten Winkels der Ontseeküsten, wird noch einer neuen, wenn auch jener alteren wohl nicht gleichkommenden BlQthezeit entgegensehen können.

T"''nsere Wanderung überzeugte uns, dass die Bevr»lkerung der nord- (leut<( hm Tit l'ehene die geographisch günstigen Positionen wohl auszu- nutzen versteiit und selbst da, wo die von der Natur gebotenen Vortheile gering und die Schwierigkeiten gross sind, rttstig bemüht ist, den Kampf gegen Wellen und Ströme , gegen Sumpf und Sand au&unehmen und zu einem guten Ende zu führen.

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stets den lüiiereu Zusaiumeiiliang aufzusuchen .streben, welcher besteht zwischen jenen und der Landesnatnr, sowie der Ethnographie und Geschichte. So wird bei aller Mannigfaltigkeit der Gegenstände und Gesichtspunkte immer wieder hervor- treten, daea alle diest* Arbeiten nur verschiedenartige Gerüst- und Bau.stücke sind zu dem einen Werke der wissenschaftlichen Erforsc Itint-jf des heimischen Landes und Volkes in ilirer Eigenai-t und iln-en Wechselbeziehungen.

Schon durch diese leitenden Gesichtspunkte ist ausgeschius.sen, dass ehie hier zur Veröffentlichung gelangende Arbeit jemals zu derjenigen Kategorie von Sonder- arbeiten gehören kann, deren Interesse der Natur der Sache nach ausschliesslich auf einen ganz engen Kreis von Speziali.^^ten beschränkt sein muss. Dfiartige Ai*beiten müssen vielmehr den einzelnen Fachorganen der betreifenden Forst hungsgebiote überlassen ))leiben. Auch 'wird ferner in Behnndlungsweise und r)arstellung «tets, soweit der tiegenstand irgend es zulässt, darauf Bedaclit genommen werden, dass nicht nur die unmittelbaien Facligenosseu des Verfassers, sondern aucli ein grösserer Kreis wissenschaftlich (Sebildeter die Sache verstehen und ftbr die betreffenden Studien ein Interesse gewinnen kann. Damit aber denjenigen, welche diesen Studien weiter nach- zugehen wQnschen, hierfür auf alle Weise der Weg geebnet und der Eintritt erleichtert werde, soll stets di^ wichtigere einschlägige Litteratur namhaft gemacht und. soweit es thunlich ist, zugleich auf diejenigen Momente ausdrücklich hingewiesen werden, unf die es für weitere Forschung iu dem beregten Gebiete vornehndich ankonmien muss.

ünsere Sammlung erscheint in zwanglosen Heften von ungefalu: 2 bis höchstens 5. Bogen; jedes Heft wird eine vollständige Arbeit (ausnahmsweise von kürzeren auch mehrere) enthdten und für sich käuflich sein. Eine entsprechende Anzahl von Heften wird jedesmal zu einem Bande vereinigt, und wird im Jahre etwa ein Band im Umfange von 10—45 Bogen erscheinen. Der Preis eines solchen wird ungeiahr It) 18 Mark betragen.

Bisher sind erschienen:

lieft 1. Der Boden Mecklenburgs, vou.Dr. E. Geinitz, o. Prof. der ilineralogie und Geologie an der Univ. Rostock. 32 Seiten. Preis 80 Pfennig.

Heft 2. Die oberrheinische Tiefebene und ihre Randgebirge, von Dr.

Richard Leps i n - . ord. Prof. der Geologie und Direktor der Grossherzoglich hessisrhon geologischen Landesanstalt in Darmstadt. Mit Uebersichtskarte des o)>errheinisch<'n Gebirgssystems, ÖS Seiten. Preis M. 2.

Heft 3. Die Städte der Ntirddeutachen Tiefebene iu ihrer Beziehung Sur Bodengestaltung, von Dr. F. G. Hahn, Professor der Erdkunde an der Universitilt Leipzig. 76 Seiten. Preis M. 2.

DenrnKchst erscheint: Heft 4. Der Einfluss der Gebirge auf das Klima von Mitteldeutschland,

von Dr. R. As s mann, Vorsteher der Wetterwarte in Magdeburg.

Die weiteren Hefte werden namentlich von den folgenden HeiTcn Beiträge ent- halten: Dr. G. Berendt, Königl. Landesgenloge und Prof. a. d. Univ. Berlin; Dr. K. Freiherr vonFrit<ch. Prof. a. d. Univ. Hülle; Dr. E. Geinitz. Prof. a. d. Univ. Ro.stock; Dr. F. G. Hahn, Prof. a. d. Univ. Leipzig; Dr. G. Helhnann, Vorstand d. Königl. meteorolog. Instituts zu Berlin; Prof. Dr. K, Jansen in Kiel; Dr. A. Jentzsch, Dozent a. d. Univ. Königsberg i/Pr. ; Hoirat Dr. von Inama-Sternegg, Präsident d. k. k. statist. Centraikommission und Prof. a. d. Univ. Wien; Dr. 0. M. Kan, Prof. a. d. Univ. Amsterdam: Dr. A. v. Koenen. Prof. n. d T^niv. Göttingen; Dr. F. Kroues Ritter von Marchland. Prof. a. d' Univ. Graz; l)r. O. Krümmel, Prof. a. d. Univ. Kiel; Dr. A. Freiherr von Lasaulx, Prof. a. d. Univ. Bonn; Dr. F. Löwl, Dossent a. dL deutsch. Univ. Prag; Dr. K. H. Lübben, Physikus in Walters- hausen; Dr. A. Hakowsky, Prof. a. d. techn. Hochschule zu BrOnn; Dr. J. Ottmer, Prof. a. d. techn. HocKschiüe zu Braunschweig; Dr. J. Partsch, Prof. a. d. Univ. Breslau: Dr. E. Petri, Dozent a. d. Univ. B(^rn: Dr. Fr. Pfaff. Prof. a. d. Univ. Krlangen; Dr. .1. Ranke. Prof. a. d. Univ. München; Dr. Fr. Ratzel, Prof. a. d. techn.- Hochüchule zu München: Dr. A. Streng, Prof. a. d. Univ. Gics.sen: Dr. F. Wakn^gle

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Im glt'icheu Verlage ist enschienen :

Anthropo-Geograpliie

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ßrundzOge der Anwendung

der

Erdkunde auf die Geschichte

«Oft

Dr. Friedrich Ratzel,

■a der tccbtiinr hcri HocbaelmlA In Preis Mark IQ.

Handbuch der Elimatologie

von

Dr. Julius Hann,

Plrektor der meteorol. ZpntrnlunxtHlt und ?r .t.^.or an der UniTeraitit In Wien.

I'rt 16 Mark 15.

Handbuch der Ozeanographie

von

Pref. Dr. G. von Boguslawski,

mi ItWf mrtaafl im IIr<lTOffr»|>hiMl)«n Amt d«r KftI». d*ut>cl>rn Adnirtllitt und lafi «AaaalcB der HydrocrapU« nitd nu-itinea HeteorolofU*.

Band

Sliuülolie, phjsikiUscIie nnd clieTin<^che BctehaAili«itl«r

Freis Mark b. 50.

Handbuch der Gletscherkunde

von

Dr. Albert Heim,

Professor der Geologie am s<:hwriz<'insrhfn rolv-technikam und der Universität

in Zmifli.

Freia Mark 13. 50.

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über

2ingcntcinc (£röfun6c.

von

Dr. MmMii Ma^U

Diuck von G*bnid«r Krtoar in Stuttgatt.

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!Ii zur deutsclicü Landes- und Volkskunde

im Aaftra4;e der

CentralkommimioiL Ar wuaaischaAlidie Landeskunde von Deutschland

ly- Bi<diard Lebaiaiiii»

X}r$ter Band. Heft 4.

Das

Müncliener Becken.

Ein Beitrag zur

physikalischen Geographie Südbayerns

von

CHR. GBUBEB.

STUTTGART. VERLAG VON J. ENGELUORK.

1885.

s

it' Forschungen zur dcutscluii Ljindes- und Volkskunde" sollen dazu helfen, ihr beinn' .sehen landes- und volkskundlichen Studien /u lordern, indem sie au* allen Gebieten derselben bedeutendere und in ihrer Tragweite über ein bloss örtliches Intoressa binausgelieude Themata herausgreifen und darüber kürzere wissen- schaftliche Abhandlun^n hemmragender Fachmtoner bringen. Sie beecbrSnken sich dal>ei nicht ailf das Gebiet des Dentschen Reiches, sondern soweit auf niitteleurop:uscbem Boden von geschlossenen Volksjj;emeinschaften die deutsclie Sprache geredet wird, soweit soll sich auch, obne Hikksicbt auf >^taatliche Grenzen, der Gesichtskreis unserer. Sammlung ausdehnen. Da aber die wiNsensehaftliche Betrachtung der Lande.sn;itiir diej AVeglassung eiuzehier Teile axus der physischen Einheit Mitteleuropas nicht wolü ge- statten wüide, 80 sollen aucb die von einer nichtdeutschen BeT(fIkerimg eingenommeneai Gegenden desselben samt ihren Bewohnern mit zur Berücksichtigiing gelangen. £« werden demnach ausser dem Deutschen Reiche auch die Länder des cisleithaniscben Oesterreichs abgesehm von Galizien. Bukowina und Dalmatien, ferner die ganze; Schweiz, T.uxouiburg, die Niederlande und Belgien in den Rahmen unseres Unter-, nehmeiL^ hnieuigezogen werden. Ausserdem aber sollen noch die Sachsen Sielteu-' bUrgeuä mit berücksichtigt werden und auch Arbeiten über die grösseren deutschen YoUcsinseln des russischen Reiches nicht ausgeschlossen sein.

Wir fassen die Landes- ni. l \''olk.slnmde hier in weitestem Sinne. Es werden demnach ebensowohl Arbeiten über Bau und Relief des Bodens, über fossile Schätae desselben und ibre Verwertung, ttl)fr Klima und Ilydrogniidue. l*tlauzi-ii- uivV Tierverl>reitung. wie üljer die anthropologischen und ethnoloniNchen Verliältui.>M-' der Bewohner, ihre Mundarten, ilure r'auniliche Verteilung und deren Dichte, ihr Wirtschaftsleben und dessen natürliche und Ortliche Bedmgungen, ihre Sagen, Sitten, Bräuche u. s. w. hier Aufnahme finden und auch Landesvermessung, Kartographie und Geschichte der Geograjdiie in angemessener Weise zur Berücksichtigung gtTangen. Doch wird dadurcb gleii liwuli] keineswegs ein Chaos heterogener Spezialarbciton entstehen. Sondern wie niannigtaltig auch iunner die Themata der einzelnen Arbeit«:-ii sein mögen, so bleibt doch als leitender Gedanke des Ganzen, der sie alle durch- dringen und wie ein inneres Band miteinander verschlingen soll, abgesehen von der Gemeinsamkeit der räumlichen Unujrenzung, die wechs&eitige innere Beziehung der einzelnen Gegcmstände untereinander. So wird der geologische Bau einer Land- schaft nicht behandelt werden, olme dass zugleich die dadurch bedingte Gestaltung des Reliefs und Zusammensetzung des Bodens erörtert und die Folgerungen minde- stens angedeutet werden, welche sich wiederum «aus diesen beiden Faktoren fiir (Ii- auf diesem Boden hausende orgauische Welt, ganz besonders aber für die Gestaltoiig des wirtschafiilichen Daseins der Menschen, ergeben. So wird femer der V^^tations- charakter einer Gegend hier nur erörtert werden können im Zusammenhang einer- seits mit den ursächlich einwirkenden natOrlidien Faktoren, wie Relief und petro- grapliiscber (liarakter d"s Bodens. Temj)eratur- und Bewilsserungsvcrhältnisse u. a.. andererseits mit seiütr Heeinllussung der übrigen Lebewelt, ganz besonders der mensc hlichen Existenzbedingungen u. 8. w. Und in analoger Weise werden Abhand- lungen über Wirtschaftsleben, über Volksart, Yolksverteüung, Volksbewegung u. a. stets den inneren Zusammenhang aufzusuchen streben, welcher besteht zwiechfin jenen un<l der Landesnatur, sowie der Ethnographie und Geschichte. So wird bei aller Mannigfaltigkeit der Gegenstände und Gesichtspunkte immer wieder hervor- treten, dass alle diese Arbeiten nur versebiedenartige Gerüst- und Bau.stücke sind zu dem einen Werke der wissenschaftlichen Erforschung des heimischen Landes undi "^olkes in ihrer Eigenart und ilureu Wechselbeziehmiireu. ^ ^j^lo l y Google I

DAS

MÜNCHENEß BECKEN.

EIN BEITRAQ ZDK

PHYSIKAUSCHEN GEOGRAPHIE SÜDBAYERNS

VON

CHB. GRÜBE

Mit einer Kafteiufkizze und zwei l*rojHen,

9

VERLAG

STUTTItAKT.

VON J. £NQ£LMORN. 1885.

Druck voa a*brtdAr Krtaer In ttuttfaM.

«

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Inhalt.

Seite

L Zar Einleitung [5-12] 178—180

1. Di« geographiBclie Sftualion des Mflnchener Beekens ...[&] 178

2. t^nvirrriizung und Oberfl&diengeatalt 16] 174

a. Geoiogüicher Aufbau [10] 178

n. Monographische Betrachtung der Moor* und Heideland- schaften an der mittleren Isar [12—31] 180—200

4. Lineamente und Anaddmung d«r Moorlandechaften an der mitt- leren Isar [12] 180

5. Die EnietehunifBurBaeben der Hflndmier Hoore. Eigenart der

Hocli- und Wiesenmoore. Moorrihnlicho Bildungen .... [15] 188

6. Uebcr die Bildung der südbaj erischen Moore überhaupt. Klassi- fikation denelbcn [J4] 192

7. Die Heiden nSrdlick von Httnchen [28J 196

III. Die Isar im Münchoner Becken [32—46] 200—214

8. Charakter ihres Thalweges; Uferränder und Alluvionen . . ['.i2\ 200

9. WaaserfUmmg [34J 202

A. Aus den Pegelurkunden [84J 202

B. Periodische iSchwankungen de» Wasserstandes . . . [3()J 204

C. Zunahme der Wanerknien swisehen einselnen Pegd-

orten [371 205

J). Berechnung den Wassertransportes l38] 20ü

10. GeflUle, Geschwindigkeit, Breite und Tiefe, sowie ihre AV hängigkeit vom W^asserstande [40] 208 .

11. Die Gewässer in den Müncbener Mooren. Vergleich ihrer chemischen Beschaffenheit und Temperatur mit jeuer der Isar [43] 211^

L Zur Emleitmig. Die gaognpliiflelie Sitnatioii des MOadieiier Beckens.

Es ist eiiuT <l«'r eit^eiiartijjfsttMi Züge in «Ut topischen Aiisfj«'staltung der bedeutenderen Flussthilkr des Alpenvorlandes, dass ihi* Mittelstück auf jenem selbst durch eine beckenartige Ausweitung von auffallend regelmässiger Anlage ausgezeichnet erscheint. So wurde aus der Mitte Sodbayems im Gebiete der Isar das Hüncbener Becken gelöst Nur 25 km von dessen Westrand entfernt lagert die schmale Senke zwischen Lech und Wertach ; an der Iiier thut sich um Memmingen and am Inn von Gnrs bis Schärding ein«« aa^ohnliche Thalung auf. in ibrpn Aus- inas.sen tritt letztere durchaus nicht hinter den fast zirkelrundeu Kessel von Rosenheim zurück, welchen Professor Albrecht Penck als centrale Depression des Inngletschets cbarakterisiert >). Dieser ist an der Sslzach die mSchtige Eintiefctng um Sakbnzg, am Lech jene von FOssen analog; im Bereiche der westlichen Hälfte des alten Isai^letschers entsprechen ihr Mumauer Moor. Stafiel- und Aramersee, weiter im Ostt ii Wakhcns(Ms Kochelsee, Ostersee, Wünnsee und schliesslich das ausgetrocknete Doppel- becken im Isarthale selbst.

Während aber diese Depressionen entweder unmittelbar am Fasse des Gebirges oder dodi nicht weit von demselben entfernt auftreten und ▼on einer Reihe kleinerer, mit Teichen oder Mooren erfüllter Mulden innerhalb der unverletzten Moränenlandschaft umralimt werden, setzen die nördlicher jjelegenen Thalweiten ausnahmslos t-rst am Rande der kt/ti rni ein. Und zwar erscheinen sie keiltormig hineingedrängt in die uucli der Donau ausgebreiteten, vorwiegend tertiären Hügekeilien. Olaciale Schotter umranden dieselben auf weite Strecken, bedecken an zahlreichen Stellen ihre Sohlen und so unterliegt es bei dem engen

*) Penck, Dr. Albr.: Die YergMatAiienaig der dentschen Alpen, ihr« Ur^

»acht n . p. rio(lT>cho Wiedorkehr und ihr Kififlyw auf die Bodeagettaltinig. Ge- krönte Preifluchrift Leipzig 1882. S. 337.

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174

Grober,

Anschlu.ss dieser Gebilde an ihre südliche üinp^ebung keinem Zweifel, dass die Ausprägung üiier heutigen ]*hysiognomie durch Erosion Üies- senden Wassers mit den Wirkungen der Eissseit auf die ReliefrerhSltnisse der Donauhochebene in Verbindung gebracht werden muss.

Auch in ihrem geographischen Charakter finden sich wesentliche XJebereinstiraraun^en ; sie stellen vorzugsweise sanft nach Norden und Nordosten geneigte Geröllebenen dar, deren Aussehen Moore und Heiden alieuthalben beeinflussen. Morphologisch sind diese Thalweilungen ebensowenig vom Übrigen Thalweg der FlOsse zu trennen, denen sie zugehören, als de etwa Tereinzelte Erscheinungen in jenem reprilsentieren. Denn eben der ununterbrochene Wechsel von Einenj^mjiir und Verbreite- rung ist das auffallendste Merkmal unserer heiniat liehen Rinnsale. Es kommt hierdurcli eine jedem Kenner der Alpentliiller wohllx kannt*^ Art von Kosenkranzform zustande, welche die Bildungsgeschichte dieser natürlichen Kanäle und die bei ihrer Ausnagung wirksamen Faktoren getreu wiederspiegelt, sowie feste Anhaltipuäcte für eine naturwahre ErkUirung des Werdens derselben bietet. Wirft man z. B. auch nur einen raschen Blick auf den Thalweg der Isar, so treten in ihm nach den enpren Schluchten des Quellgebiet^s die kleineren Kessel von Mitten- wald und Krün entgegen: ihnen folgt der tiefe Liingseinriss in den Hauptdolomit, dessen Mitte die Rissmündung bezeichnet. Er wiederum setzt sich im Tölzer und hierauf im Königsdorfer Becken fort Kurz nachdem der Fhiss die Loisaeh angenommen, wird er aufs neue in einer cauonartigen Rinne gesammelt, die sich erst bei Thalkirchen in das Münchener Becken auflöst. Zuletzt dehnt sich das Isarbett noch einmal bei seinem Ausgang nach der Donau zu einer gerilumigen Kiesniedemng aus, welcher Landau und Plattling angehören.

Man erkennt hieraus, dma sich die 1485 Quadratkilometer um- fassende Thalweitung, deren Ceafarum die Hauntstadt Bayetns einnimmt und auf welche wir im folgenden unsere fietraditung einachrlnken müssen, nicht gewaltsam loslösen lässt vom Thal weg der Isar QberhaHpi, vielmehr mit der lieiitigen plastischen Ausgestaltung desselben in engem organischem Zusammenhange steht. Dabei wird freilich andererseits auch anerkannt werden müssen, dass die Landschaft um München in- folge ihrer Situation, Umgrenzung und ihres geographischeu Charakters auä als mehr oder minder scharf abgeschlossenes Ganzes entgegentritt, dem vor allem die Einflüsse des Grundwassers in den Quartbnchottem ein eigenartig individuelles GeprSge aufdrücken.

2. Umgrenzu^ und Oberfläehengestali.

Das MOnehener Becken repräsentiert sich als eine 70 km lan^Bpe Thalsenke, deren Durchmesser zwischen 40 und 10 km schwankt, im Mittel jedoch 25 km beträgt. Seine zwar schmucklose, nichtsdesto-

wenifj!;er aber äusserst klar hervortretende Umrandung hebt sich durch- sclimttiicli 12 m über den Spiegel der Isar. Dieselbe wird im Süden durch die Schuttwälle der Endmoränen des Is^rsletschers, im Osten und Westen von ebenso aufgebauten glacialen ^igelkomplezen gebfldet.

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7J Das Müncbener Becken. X75

iriUirend sich im Norden ein ichmaler Sifcreifen TertÜr anlegi An seinem oberen Rande biegt unser Gebiet, wie die Nordgrenze der unverletzten Moränenland^chaft auch, weit gegen das Gebirge hin aus. Seinen südlichsten Punkt erreicht es jenseits Holzkirchen, indem sich dasselbe gleich einer breiten stumpfen Bucht zwischen die Ablagerungen des Inn- und Isargletschers drängt. Dort kommt seine Sohle 700 m hoch zu Uegen, wBhniid sie doch an ihrem nördlichen Ende hia auf 412 m herabsteigt Im Durchschnitt fftUt sie 8 4 m auf den Kilometer; die ganze Landschaft besitzt somit die Neigung eines nicht allzu steilen Schuttkegels, Gegen ihre Mitte hin hebt sie sich, wie Weiss ') schon erkannte, liln^'s der Isar schildförmig 12 15 ra hoch über das Niveau der liänder, was bei iler Frage nach den Höhenverhältnissen der Moore und Heiden um Erding, Dachau, Schieissheim und Garching auf Grund authentischer Messimgen eingehender nachzuweisen ist m fibrigen aber dehnt sich unsere Thalweitnng von Hoh^irchen bis Ifoosbnrg, von der Amper zur Darkm als t ine sanftgeneigte Schräge aus, ohne von wesentlichen Auf- ragungen durchsetzt zu werden. Nur Isar, Würm, Amper. Gleisenthal und Teufelsgraben haben tiefere Furchen in sie gezogen; hier und dort erheben sich auch breite La^er aus Löss, so besonders am Ostufer des Hauptflusses und bei Solhi m der Nfthe von Grosshessebhe oder, wie in den Hooieo, istdiwte, aus Lehm und GerSUe aufj^febaute, meist unier 10 m hohe Einzelerhebungen, welche indes den Gesammtcharakter der ialtenlos erscheinenden Fläche nicht sn unterbrechen oder gar zu modi- Üzieren vermögen.

Gleisenthal und Teufelsgraben*) reichen mit ihren oberen L'artieen beträchtlich in die innere Moräneulaudschaft. Beide gehören der sQdfichen Yerräugeruug des Beckens su, und zwar markiert die in breitem Bogen von Süden nacb Westen geschwungene Eintiefuug des Teufelsgrabens ungefähr den Ausgang desselben. Sie reihen sich den f?rössten Trockenthälern des Alpenvorlandes an und zeigen neben einzelnen Unterschieden in ihrer topischen Ausgestaltung eine Reihe auffallender Aehnlichkeiten. Im G^ensatze zum Thalweg der Isar wurden Teufelsgraben und Gleiseniliu aussehliesdich in fluTio-glaciale Sehotter eingenagt Ihre Sohle erreicht niemals den impermeabeln TertünnergeX auf welchem jene ruhen; sie befindet sich unter anderem im oberen Gleisenthal ir>ni über diesem. Auch der allgemeine Grund- wasserstrom der Hochebene, dessen Spiesrel hier ä -0 m über dem Flinz zu liegen kommt, wurde iu beiden Kiimsalen nur an je einem Punkte an- geschnitten. Den starkgeneigten Boden von Teufelsgraben und Gleisenthal sein GeftUe betrBgtbis zu 0,0046 bildet zuoberst eine stellenweise 5 m tielb Bfecklehmschicht, deren Mächtigkeit nach Norden stetig ab- nimmt Sie unterscheidet sich in nichts voif jener fruchtbaren zähen Lehm- httlle, welche die Eintiefüngen zwischen den SchutthOgeln der Moräneoland-

J. H. WeisB: Sfidbayerns OberflRohe nach ihrer ftimereii Gestalt. Geo- gnOBtisch-topographisch entworfen im Jahre IRir,, München 1820, S. 188 u. 189.

') lieber diese Benencuii^ hat Hauptuuum L. Dürr einige Vermutungen auägcüurodicn in Moiiein Tortrage: üeber das Gebiet swiiehai Anmer nnd Maag^ m, Bea. SV Allgem. Zig. 1877, Nr. 8»-85.

Ornber,

[8

schalt aUenÜhalbeii überzieht. Am mtonsivsten kam dieselbe in den beckenartig ausgeweiteten Depressionen zum Niederschlag, welche am Eingang zu den TrocktMithiilern sich ausbreiten. In ilinen ruhen chanikteristisch ausgeprägte und zugleicli (iic ganze Mulde voll ein- nehmende Hochmoore. Ausserdem Imiert am Südende des TeufeLsgrabem» der äuBserat amnutig stillgelegene Eirch- mid Hackenaee. Zwar ver* zeichnen noch die neuesten Karten des bayeriadien Generalstabe auch im Gleisentliid einen Teich ; derselbe iat indes heute bis auf kaum kennt- liche Spuren vrrsclnvundon. Er war, ohne eine tiefere Furche aus- zufüllen, nur Sammelpunkt atniosphärilischen Wassers auf den undurch- lässigen Lehm- und Saiuliaj^eni der Sohle, dadurch aber den zahllosen Weihern verwandt, welche im Gebiet früherer Vergletscherung allerorts zerstreut sind, vor unseren Augen hesti&ndiff an üm£u^ verlieren und sich zu Hochmooren umwandeln oder auch gänjuüch verschwinden. Schliesslich gehört beiden Trockenrinnen noch ein schmaler, tr^[er Wa.sserfaden eigentümlich zu. Er wird im Gleisenthal vom Deiningor Filz, im Teufels- graben vom Kirch- und Hackensee aus genälirt und verschwindet nach einigen Kilometern wieder im Schotter. Ebenso verhält sich im be- nachbarten Föggenbeurer Trockenthal der Thanninger Bach.

In der Plastik ihrer ThakSnder zeigen Gleisenthal und Teufels- graben wesentliche Unterschiede. Anfangs erscheinen sie bis 00 m tief in die Moränenlaudschaft eingesenkt; jedocli vemiindert sieh die Höhe ihrer Steilgehänge stetig mit iltreni Verlaut nach Norden und Ost<'n. Während sich aber das Gleisenthal als scharfer, ungegliederter Eim-i>N repräsentiert, dessen Uferwände auf eine Länge von 10 km und nur 50 100 m Ton einander entfernt gleichförmig nach Nordosten weiter- ziehen, zeigt der Teufelsgral )en eine Anzahl von Thalstufen, welche» ohne ein zununmenhängendes System zu bilden, öfters dreifach über- einanderlagem und denselben bis zu seiner Einmündung in das Mang- fallgebiet begleiten. Diese Trockenrinne stellt nicht das einheithche Gebilde dar, als welches das Gleisenthal auf den ersten Bück hin er- scheint; sie hängt stftrker mit ihrer Umgebung zusammen, und mehrere Flutungslinien bezeugen, dass dieselbe ihre Wassermassen erst nach Norden sandte, ehe sie rechtwinkelig gegen den Inn zu umbog. Das gesamte Relief des ohne die Kirc]is<'er Mulde 2(> km langen und zwi- schen .')0 und 150 m breiten Teufelsgruhens läs.st vernintt n. dass er an- dauernd im Dien-ste einer zeitweise verschieden grosst n. sich alkuälilieh vermindernden Sti-ömung stand. Professor Dr. von Zittel wies in seiner akademischen Rede «Ueber Gletschererscheinungen auf der bayerischen Hochebene" ') mit zuerst daraufhin, dass die Trockenthäler des südlichen Alpenvorlan<les als Abzugskanäle der Schmelzwasser ei.szeitlicher Gletscher zu betrachten seien. Professor Dr. Penck begründete diese Ansicht^), indem er ausführte, dass aus den flurch Gletschererosion geschatlenen Depressionen stets ein tief einschneidender Kanal nach aussen fülirt, dessen Bildung wahrend des GletscherrOckzuges begann und wdcher

') Sitzungsberichte der köiiigl. bayer. Akademie der Wissenschaften. Mathem.- physikalische Klasse. München 1874, S. 2r»2.

*) Die VergUtschenuig der deutBchen Alpen, S. 179.

0]

Das Münchener Becken.

177

diejenigen Wasser nach aussen zu führen hatte, die sich beim Ab- schmelzen der Gletscher im Bereiche jener Depression sammelten. »Da sich nim seiiiher besonders im laargebiete die hydrographisehen V^- bftltniase mehr&ch änderten, wurden mehrere einzelne Depressionen mit^ einander verknüpft und werden nunmehr durch die Isar entwässert, w-ilirend früher eine jede durch ihren eigenen Kanal drainicrt ward. Daiier sind einzelne dieser Kanäle ausser Betrieb gesetzt und erscheinen heute ab Trockenthäler. Die Trockeuthäler sUdüsthch von München, das Qlelsaiiihal b«. Deisenhofen und der Teufelsgraben von Hobskuraben sind Kaidile, durch welche einst die Depressionen des Deininger Filzes und KircKsees entwässert wurden und zwar die letztere nicht wie heute nach der Isar zu, sondern nach dem Tnn hin".

llireni landschaftlichen Charakter nach reihen sicli jene alten Kinn- sale dem tiefen Einschnitt der Isar zwischen der Loisachmündung und Thalkirchen an. Die geographische Eigenart des letzteren hat Professor Dr. Ratsd bei Gelegenheit einer Schildening der Umgebung MOndiens in wenigen markanten Strichen trefflich gezeichnet. Wer jemals durch ein solch vereinsamtes, schattensattes Trockenthal gewandert, wenn es den sich verfjirbenden Laubmantel des Spätsommers eng um seine Schultern geschlungen, wird dort, unbeengt von jedem menschlichen Treiben, ein zu wenig gepriesenes Stück der Schönheit erkannt haben, welche den weiten unoinehnlichen Hügelgruppen und Bbenen auf dj» SchweDe zum Gebirge hin durch fliessendes Wasser gegeben ward.

Schliesslich seien auch hier noch jene gemeinsamen Züge erwälint, die bei einem vergleichenden Blick auf die Gesamtform der Thal- wege am Beginn des Mittellaufes der Isar hervortreten. Durch ihre gleichartige Architektur wurden tiir sie eine Heilie vereinigender Momente gegeben. Allen gehört eine söhlige Weitung an : der Isar das aua- ge&Dclmete Dopp^becken, welches nunmehr den Königsdorfer Filz birgt, der Würm und Amper ihre gleichnamigen Seen, dem Gleisenthal die Mulde des Deininger Hochmoores, dem Teufelsgraben jene um den Kirchsee. Am n<>rdhchen Ende dieser Depressionen setzt eine mächtig entwickelte Thalsciilucht ein. Sie reicht im Gebiete des Hauptflusses von Schäftlarn bis an Grosshesselohe, an der Kinne der W^ürm von Leutstetten bis nnterhalb der Bahnstation Hflhlthal, im Anq>erÜial be- HchrSnkt sich dieselbe auf die Umgegend von Wfldenrott, im Gleisen- thal zieht sie bis Deisenhofen, im Teufelsgraben bis Grub an der Mang- tall. Haben sich die scharfen Konturen dieser Einschnitte gemässigt, jso weitet sich die Thiilsohle aus, die üfennaueni verheren von ihrer Höhe und senken sich meist in Stufen herab, um endlicli als un- p.cheiubare Ränder in der Müncheuer Ebene zu verschwinden. Dies tritt an der Isar unterhalb Thalkirchen, an der Wflrm, Amper und dem Gleisenthal bei den zuletxt angegebenen Punkten auf ihren Flanken ein.

Mflnchen in natarwimenscbafUicher und medizinischer Beziehung. Ftthrer

für die Teilnehmer der .'0. Vorsaininluiig d '':t<chor Natnrfor-<lier und Aerzte. München 1877, S. 139 if. Wir selbst haben dm Gleisenthal im .Auäland** Nr. 4 u. 5, Jahrg. 188^ beaduieben.

178

Gruber,

Lio

S. Geologischer Anfbai.

Der geologische Auf hau uuseres Gebietes, welcher durch Professor Dr. Albrecht Penck eine ebenso mustergültige Untersuchung als anschau- lidie Schilderung erfulir (S. 282 290 semeB Werkes nher die Y ergletsche- rung der deutschen Alpen), erscheint in hohem Grade einfach. Er findet sich allenthalben an den Gehängen der tieferen Thäler sowie in zahl- reichen Kiesgruben mannigfacli und klar aufgesclilossen. Es sind mächtige Schotteraidagerungen fluvio - glacialeu Charakters, die hier, dreifach abgestuft, entgegentreten. Auf die nur 2U 00 cm tiefe Decke des obersten Eluviums % welche die seichte Ackerkrume des (Gebietes darstellt, folgt eine Schicht losen, bunt gemengten EalkgerOUs, das reich mit kry- stallinischen RoUsteinMi aus den Centralalpen sowie mit tertiären und diluvialen Bruchstücken vermischt und stets von Bändern festgefilgten Schwemmsandes durchzogen ist. Wer na< h einem Besuch der Bavaria und Rulimeshalle einige Schritte gegen W e>ten geht, wird jene mächtige Kiesbank bis 15 m hoch sich absenken »eheu. In ihrem Aufbau zeigt sie, wie auch die fokenden Ablagerungen last immer; die ausgesprochene dJdcordante Flarallelstruktur, sowie eine beständige WechfleUagerung gröberen und feineren Materials.

Ein schmaler Streifen bi-aunen Yerwittenmgslehms trennt jenen .unteren Glacialschotter" von einer zweiten, durchschnittlich weniger mächtigen GeröUschicht , die Penck als ^mittleren liegenden Schotter" bezeichnet. Petrogra^hisch stimmt sie mit dem ersteren überein, er- scheint aber gewöhnhch yon kleinerem Korn und häufiger leicht rer- kittet. Ihre Oberfläche wurde stelloiweise durch Erosion angegriÖen, hat daher schwache, leicht gebogene Eintiefungen, was darauf hin- weist, dass sich zwischen die Ablagerung beider Etagen eine Pause von beträchtlicher Dauer einschob. HiertKlr liefern auch geologische Orgeln einen deutlichen Beweis. Es sind langgestreckte, trichter- förmige Einhohrungen, gross und klein dicht aneinandergereiht. Sie errei<men eine Länge von 7 8 m; ihr kreisförmiger Durchmesser ist am oberen Ende 1 1,5 m weit ausgespannt, Teren^t sich aber all- mählich, um den Schlot stumpf endigen zu lassen. \oni gewöhnlichen Grau ihrer Umgehung heben sie sich durch die Ausfüllung mit dunklem Yerwitterungslehni deutlich ab. Im Gleisenthal, in welchem dieselben am mannigfaltigsten entfaltet wurden, kommen häufig zwei Reihen von Orgeha in Tersoiiedenen GkrGUschichten tibereinander zu stehen. Dort fehlt auch dftera die Scheidewand zwischen einzelnen von ihnen, so dass sie, gegenseitig verschmolzen, ein ungewöhnlich breites Profil bei ge- ringer Tiefe erhielten. Entblösst man die Ohei-fläche des festverkitteten Schotters, so erscheint sie ungemein stark zersetzt und mit napfttiruiigeu Eintiefungen wie übersäet. Man erinnert sich beim Anblick dieser eigeu- tUmHchen Korrosionsförm *) an die Schratten auf den Ealkplateaus der Alpen. Gleich den Lehmlagen zwischen den Schottern führen sie auf Verwitterung zurOck. Dieselben sind Produkte chemischer Erosion

h Eine vorwiegend aus Kalkgeroileu entätaudene Verwitterungsscbicht. ^ Eorronon ist luer Auflockmmg und Zenetznng feiten GemiiiH.

Das Mflnohen^ Becken.

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und dadurch entstanden . dns.s die konkaven Stellen der rauhen Ober- fläche jener Ablagerungen einem stärkeren Eiufluss der Atmasphärilien und ihrer zemagendea imd auflockemden Wirkungen ausgesetzt waren. Die Bildung Shi&her Vertiefiingen geht übrigenB noch heute besttndig vor sich. Das jfingste Eluvium breitet sich höchst ungleichmässig gegen die Tiefe aus; man beobachtet an demselben überall kleine zapfen- artige Einsclmitte oder Säckclien verschiedenster Form, welche sich m den , unteren Glacialschotter" senken und nichts anderes als den Ani'ang geologischer Orgeln darstellen.

Dem mitüeren liegenden Schotter folgt nach einer dritten Lage von Verwitterungslehm endlich als unterstes und mSchtigstes Glied die diluviale Nagelfluh. Auch sie kam unter Mitwirkung von Gletschern zustande und fuhrt nt lM ii lokal j^ekritzten Geschieben krvstallinische Rollstücke, wenn auch in «geringem Masse. Diese Schicht stellt in der Kegel nur feste Gesteiuspartieen dar; ihr Material ist unter sich durch ein Ccment aus spätigem Kalk zu einem Konglomerat verbunden. Dass letsteres bereite vor Eintritt der jüngsten Vergletscherung vorhanden war, beweist die Auffindung von öletecherschliffen auf dar Nagi Ifluh, Im Gebiete des Münchener Beckens wurde dieselbe bis zu einer Höhe von 25 m aufgehäuft; sie bedeckt überhaupt das nordalpine Vorland zusammenhänj^end in weiter Ausdehnung und reicht zwischen Iller und Lech sogai' bis an die Donau. Ihr gehören auch meist die vorliin er- vrthnten Schlote zu.

Wie wir mehrfach andeuteten, charakterisieren sich die Schotter^ ablagerungen im Alpenvorlande als echte Glacialanschwemmungen. Es sind umgelaf^erte Moränen, also Sdnittmaterial, d;is von rrlptsTdiem aus dem Gebirge auf die Hochebene gebrai ht und hier durch W asser weiter ausgebreitet und verfrachtet ward. Diese Annahme allein erklärt die geognostische Zusammensetzung sowie die ganze Art der Anlagerung dieser Schichten, deren Gliederung zugleich als Beweis ftlr eine mehr- malige Wiederkehr der Eisaeit gilt Uebrigens folgen, wie erwartet werden muss, die drei Etagen von Kies nicht allerorts regelmässig auf- einander. Die diluviale Nagelfluh tritt in unserem Gebiete zwar selten direkt zutage; dagegen fehlt stellenweise der mittlere liegende Schotter, und. der untere Glacialschotter ruht häutig unmittelbar auf dem Tertiär.

Leteteres wurde mnerhalb des MOnchener Beckens am tieftlen durch die Erosion der Isar angeschnitten und zwar nur in sdnen höchsten Partieen. der oberen Sflsswassermolasse, weichen« leicht zersetzbaren und auiziüockemdeu, sandigen und mergehgen Gesteinsschichten von braun- tfelber bis graugrüner Färbung, an deren Auftrctin meistenteils Quell- ergtisse gebunden erscheinen, lieber ilire Beschattenheit haben besonders eine Keüie Bohrungen im Gleisenthal orientiert, welche, von der Sohle an gerechnet, bis su einer Tiefe von beinahe 50 m reichen und deren Resultate ergaben, dass sich zwischen die imterste Schotterschicht und den Tertiärmergel gewöhnlich eine Lage wirigemengten Gerölles mit mergeliger Zwischenraasse oder kompakten Schwemnisnndes von 0.5 7 ni Höhe einschiebt. Letzterer ist aus gröberen und tcnieren Bändern zu- sammengesetzt imd gleicht nach seiner Bescluitfenheit vollständig den sandigen Strafen in den obeven Seliotlem. Die MdaaBe selbst lagert

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Grober,

hier zwischen 18 und 41 m Tiefe. Sie ist, wie auch der ihr unmittel V)jir auflagernde Tertiärsand, für Wasser in hohem Grade undurchdringlich.

So setzt sich denn der Boden unserer Thalweitung aus zwei wesent- lich verschiedenen Gesteinsarten zusammen : einer Gruppe eng zusammen- gehöriger, wasserdurchlässiger Geröllablagerungen und einer stark sandigen Merixelschichte (Flinz), welche iilr da^ eingesickerte Wasser impermeabel erscheint. Daneben findet sich an emigen Stellen und zwar vor allem am östlichen Uochufer der Isar von jenseits Berg am Laim hia Oherföhring Löss, hier em interglaciales Ahaataprodukt Über dem obersten ESeslager; im Thal des Flusses seihst aber sieht sich an schmaler Streifen junger AUuvionen über dem Tertiär weiter. An die Erkenntnis dieser Verhältnisse werden wir anzuknüpfen haben, wenn im folgenden die geographische Ausgestaltung des Münchener Beckens ge- schildert, sowie die den dortigen Moor- und Heide bilduugen zu Grunde liegenden Ursachen erörtert werden sollen.

n. Monographische Betrachtimg der Hoor- und Heide- landsohaften an der mittleren Isar.

4. Idneftmente uiiI Avsdehnnng der MoorlftBdsebaften an der

mittlerea Isar.

Abgesehen von der Teilung des Münchener Beckens durch den scharf eingeschnittenen Thalweg der Isar treten aus seiner Physiognomie zwei Züge dentUeh markiert herror: die obere Hftlfte dessellMn er- scheint als mächtiges, stellenweise Ton lOssbedeckten Aufragnngen durchsetztes, im ganzen aber wenig ertragffthiges Kieslager; in seinen nnt'^rpn Teilen hinfxepren breitet sich ein weites, zweigegliedertes Qiit'Umoor ans, zwisciien welchem die ausgetrockneten Striche der so- genannten Garchinger Heide auftauchen.

WShrend dieser Moorlandschafi im Westen, Norden und Osten eine leicht erkennbare ümgrenzung eigen ist, scUiesst sie sich gegen Süden unvermittelt den Schotterflächen an, die als verwaschene Mo- ränenlandschaft am Rande des Gebietes früherer Vergletscheningen lagern. Dieselbe endigt aber nach dieser Richtuncr nicht breit und stumpf, sondern hat ähnlich wie das Münchener Becken überhaupt zwei Verlängerungen auf beiden Seiten des Flusses. Dadurch erreicht das Moor in seinen östlichen Partieen bei Riem, in seinen wesÜichein bei Freiham, Germering und Buchheim die Breite Ton Mflnchen, w8h- rend sich die eigentlichen Hauptkompleze der Moorwiesen erst 5 bis <> km nördlich von hier auszubreiten beginnen. f^Okra weit erstrecken sich jene im Westen, 38km im Osten der Isar; dort endigen sie unmittelbar vor Freising, hier in der Volkmannsdorfer Au bei Moos- burg. Beide entfalten in der Linie Neuching- Schieissheim -Dachau ihre grOsste Breite von 18 km und ersdieinen an ihren unteren Ans-

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Da« Münchener Becken.

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"Die

Verteilung der Moore und Heiden im Münchener Becken,

mit Angabe der (irunilwaäserfaorizontalen und Kulturuntemehmungen (unter Be- nutzung der Grund wi\«senue88ungen Niedermeyer 's und Thiem's, sowie einer Karte Drescher 's über die Kultunersuche in Oberbayem entworfen).

Haüsstab 1 : 400 000.

Kvdluirn uirr 100 Schlurrn . . UMtrr 10 . ,

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Graber,

gäugen bis auf 2 km eingeengte Im allgemeinen charakterisiert sich die Oberfläche der Moore, gleich jener der ganzen Thal- weitiincf überhaupt, als ungestörte, nordnordöstlich genei;^te schiefe Ebene, deren Abfall sich zu 2,5 3m auf den Kilometer berechnet, mithin das Gefalle der Isar fast um das Doppelte übertnÜ't. Die Höhe der tfidlichen AnnlSiifer des Erdinger Moores schwankt zwischen 522 und Silin. Riem hat 522, Domach 517,5, Aschfaeim 511,1, Kirch- heim 511,4 m ab Terrainkote. Bezeichnet man den Nordrand der Landschaft dnrcli eine Linie, welche iu der Höhe des Nnll])unktes des Moosburger IsurjieLrels nach Osten verläuft, so erhält man im Mittel 412 m. Es ergeben sich also 110 m als Höhendifferenz für die 38 km entfernten Ausgangslinien des Moores. Den gleichen Abfall beobachtet man an den Dachan-Schleissheinier Moorstrichen. Germering, an ihrem süd- lichsten Punkt, liegt 580 m, das 30 km gegen Nordosten von ihm ge- l^^e Pulling 450 m hoch. Den Charakter einer nach der Theorie ausgebreiteten, ungefalteten Fläche trägt indes die untere Hälfte der Sohle des Mtinchener Beckens trotzdem nicht. Man erkennt dies aus den Resultaten einer ßeihe von Nivellements, welche die oberste Bau- behörde Bayerns im H&rs 1879 anf dem Gebiete des Erdinger, Pro- fessor Kremer auf jenem des mittleren Dachan^ScUeissheimer Ifoorea ansfOhren Hess Konstruiert man einen Querschnitt zwischen der unteren Dorfen und Amper, so fiillt besonders auf, dass die Terrain- koten des Erdinger Moores häufig unter jene des Isarspiegels bei Mittelwasser treten. Es findet dies im ganzen Striche z wisch on Hall- bergmoos und Oberdin^ statt. Sein tiefster Punkt unweit der Gtall- ach liegt 2,97 m niednger als der benachbarte Fluss. Auch in den Linien Freising Schweig und Freising Berglen verhalten sich aus- gedehnte Gebiete in ähnlicher Weise, und zwar steigt der tiefste Punkt innerlialb der ersteren innerhalb der letzteren 1.7:'7m unter

die Obertiäche der Isar. Wir haben darin mit die deutlichste Illustra- tion zu der Behauptung, dass der Fluss über seine eigenen Schutt- bänke weiterroUt, ein Verhalten, das in den Werdeprozess der an- grenzenden Moorlandschaften tief eingreift.

Im ganzen erscheint also die Oberfläche des Erdinger Moores als sanftwellige, leicht konkav gekrtlmmte Schräge. Jenseits der Isar, deren Spiegel hier bei mittlerem Wasserstand eine Höhe von 40G— 448 m zei«jt, hebt sich das Terrain infolge von Schotteranhanfiin^ stetig bis auf 488 m, um bei Lohhot unvermittelt auf 472 m zu lallen. Das Gebiet des Dachau Schleissheimer Moores hat gleich&Us eine mulden-

') Die letztere Arbeit wurde gemäss eines Beschlusses der Kömiwi—ion Ar

Kultivierung der Moore und grösser»')! Otnlungen in Bayern 1850 vot^nommen. Man zerlegte zu diosem Zweck eine 27 üöO Morgen (14,67 Morgen = 5 ha) um- fiuaende Fläche in Quadrate von 400Flli8 (114,28 m) Seite. Die LOnge der nivellierten Linien betrug 230 ."^tunden. die der zur Kontrolle nivellierten Unifänge 42 Stunden. Ini ganzen wurden 071(J Höhenpunkte bestimmt; aus diesen wurden Horizontal- kurvt n von 1—3 Fuss (28 85 cm) vertikaler Erhebung für die Moorfläche konstruiert. Zur Krforschung des Untergrundes wurden :348 Bohrversuche angestellt, 12 chemische Anahsen von Bodenarten und 4 solche von Gewässern vorgenommen. Ein auf die HOhenverh&ltiii«se bezu^ehmender Teil dieser sehr wertvollen, noch unbenQtBtea Fonchimgen liegt in der Registratur des landwirtschaftliehen Vereins von Bsyera.

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Das Mflnchefier Becken

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artige Eintiefnng gegen seine Mitte hin. Die Höhenkurven biegen am Ost- und Westrande dieser Landschaft ein wenig auf, gegen die Amper zu wird ihr Verlauf unruliiger, sonst aber ziehen sie ohne wesentUche Störungen und in regelmässigen AltstSnden weiter. Dagegen fUlt auf, dass diese Hälfte des Mfinchener Mooigebietes in ihren mittleren und oberen Partieen Tielfacli höher zu liegen kommt als die an der Dorfen gelegenen Komplexe des Erdinger Moores, eine I^scheinung, welche sich zwanglos auf den intensiveren Gerölltrans- port im Würm- und Anipergebiet während der Glacialzeit zurück- « tühren lässt.

Trotedem die Moore des Mfinchener Beckens als abgerundete, in sich geschlossene Landschaften Ton einheitlichem, überall deutlich heraustretendem Typus erscheinen, schwanken die Angaben über ihre Ausdehnung in auffallend widersprechender Weise. Und zwar trägt hieran, wie es scheint, weniger die in ihnen versuchte Kultivations- arbeit und ihre Fortschritte, als vielmehr die Art der Ausmessung nnd Zertsilung dieser Gebiete die Schuld. Wihrend unter anderem Zierl die Grösse der Moore an der mittleren Isar allein zo 182 288 Morgen (2,94 Mrg. = 1 ha) Teranschlagte, nahmen nach den damaligen forst- amtlichen Mitteilungen die Torfmoore in ganz Oberbayern mit Einschluss des Salinendistrikte« nur 1 18 OtlT Morgen ein. Auf Grund eingehender Berechnung erhielten wir als GesamttiÜcheuinhalt des Dachau-Schleiss- heimer und Erdiuger Moores 46000 ha. Nach den Aktenangaben der Kommission flir die Knitor der Moore entfollen hierron auf die kleinere Hälfte westlich des Flusses 21 600 ha, auf die grossere Öst- lich Ton ihm mithin 25000 ha.

Diese sehr ansehnlichen Flächen für agrikulturelle Zwecke mehr und mehr auszunützen, ist man von staatlicher nnd privater Seite aus besonders seit den Untersuchungen Professor Kremers eifrig bedacht. Ein Blick auf die Uebersichtskarte der seit 1853 ausgeftihrten KnU turen in Oberhayem zeig:t mit Ausnahme der Umgebung Rosenheims vaaA des Chiemsees in keinem anderen Gebiete so viele und dicht zu- sammenhängende Unternehmungen nach dieser Richtung, als eben im Münchener Becken. In der That berechnet sich auch der Strich, welcher hier seit 1860 mit neuen oder verbesserten Kulturanlagen versehen wurde, auf nicht weniger als 13815 ha, für überbayem flberhaupt (also mit Einschluss des Donaumoores) beträgt die gleiche

Zahl 22510, und fOr die 81 Jahre von 1853—1884 49 011ha.

5. Die Entstehangsursachen der Münchener Moore. Eigenart der HMh- wi4 Wtoeenmoore. MMnrlknliclM BiMnagea,

Die Abhingigkeit der geographischen Ausgestaltung des Münchener Beckens von seiner geognostischen Struktur zeigt sich in keinem anderen Gebiete desselben anschaulicher, als im Bereiche der Moor- und Heide- wiesen. Wir sahen, dass den oberen und mittleren Teil unserer Hoch- ebene breite Gerölllager fluvio-glaciaieu Ursprungs weithin decken,

wei<^ meist locker aufgeschüttet

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Gruber,

Xagelfluh verkittet erscheinen, für die Tagtisgewässer nicht imper- meabel sind. Die abnoBpliSriBcheii NiedemhlSge Tennögeti deshalb ungehindert in dieselben einzudringen und sickern, verstärkt durch ansehnli(^he Partieen Ton Quell-, Fluss- und Seewasser, dureh sie nach

der Tiefe hin.

Es gelanpfen somit sehr beträchtliche Wassermengen bis auf die stark undurchlässige K^chicht der tertiären oberen Süsswa^sermoksse. Hier werden sie Ton weiterem Eindringen zurückgehalten, gesammelt, und fliessen nun auf der Sohle des Hinzes als Grundwasser in den Schottern abwärts. Ausser dieser der gesamten Hochfläche angehörigen unterirdischen Strömung besitzt jedes Thal sein eigenes Grundgewässer, das sich in den vom einzehien Flusse niedergelegten Allnvinnen weiter- bewegt. Innerhalb der iMünchener Terrassenstufen treten .sogar o Ströme auf. Der oberste von ihnen fliesst in den Kiesmassen, welche Bavaria und Ruhmeshalle tragen und dem allgemeinen Plateau angehören. Sein Verlauf ist gleich jenem der analogen mächtigen Strömung auf der östlichen Isarseite so regelmässig, dass sich die Horizontalkurren des- selben oft geradezu der Abdachung des Terrains anscUiessen. Ein anderer Zweig bewegt .sich, dnrch vier Flinzriicken zerteilt und in einer grösseren Anzahl uiuldenförmiger Emtiefungen gesammelt, 5 15 m tiefer auf den mittleren Terrassenebenen Münchens. Inner- halb der dritten Terrasse, durch welche die meisten der Stadtbäche sich hinziehen, stehen viele Brunnen sichtlich unter dem Einfluss des Kückstaues der Isar, deren AUuvialschottem ebenfalls ein Grundwasser- ström zukommt.

Richtung und Geschwindigkeit der Grundwasserströmungen sind von der Konfiguration ihrer Sohle abhängig, weich' letztere allenthalben in breiten Wälenlinien weiterzieht und stdlenweise durch Erosion stark beeinflusst erscheint; sie werden aber zugleich auch durch die grössere oder ^'oringere Dichtigkeit der dem Flinz auflagernden SchotterbSnke mitbestimmt. Im allLrcmeinen geht die Neigung des erst^Ten von Südsüdost zu Nordnordwest und ist etwas geringer als diejenige der Kiesschichten. Auch das Gefälle des Grundwa.ssers bleibt hinter jenem der Oberfläche etwas zurück. So neigt sich die Sohle des Mün- chener Beckens auf der 30 km langen Strecke zwischen ThaUdrchen tmd Pulling 1* i Fk i^iug um 73 m, während die Grundwasserhonzon- talen nur eine Ditferenz von 04 m zeigen; am entgegengesetzten Ufer der Isar fällt das Terrain in der ebenfalls 30 km langen Linie Holzkirchen-Aschheim um 182, das Grundwasser nur um 97 m. Im allgemeinen lässt sich erweisen, das.s letzteres bei je einem Kilo- meter Entfernung nach Norden 2 3 m an Höhe verlieri Auf diese Zahlen. «Iben die beständigen Schwankungen des Grundwasserspiegels keinen irgendwie l)eträchtlichen Einfluss. zeigen sich unabhängig

vom Sinken oder Steigen der Isar und sind durchaus nicht annueller Natur, sondern gehen in grösseren, für heute noch nicht genau bestimm- baren Perioden. Herr Geheimrat von Pettenkofer, der gründlichste Kenner dieser Verhältnisse, hat dieselben in der Zeit vom August 1856 bis September 1878 für die nahe am Sttdende des £rdinger Moores gelegenen Ortschaften Berg am Laim zu 3,61—8,83, Straastarndering

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17]

Das Milucheaer Becken.

185

zu 4,77 4,70 und Kirchtruderiiig zu 4,80m gefunden; au anderen SteUen eirachten sie taai die doppelte HSbe, stets aber ohne wesent- liche Veriindeningen in der Stromrichtnng als Folge zu haben.

Die Mächtigkeit der Grundwasser und Flins überlast rnden Ge- röllschichten nimmt vom Rande der Vorberge an gegen Norden konstant ab. Im Gebiet des Müncbener Beckens berechnet sich der Höhen- unterschied zwisdien der Terrainoberfiiiche und dem Spiegel der 8 bis lOm tiefen unterirdischen Strömung auf der rechten Isarseite bei Holz- kirchen zn 85, bei Oberwarngau za 51, bei Sanerlach zn 40, bei Otterfiog zu 20 , bei Perlach zn 4 m. Unmittelbar am Rande des Erdinger Moores ist derselbe so gering, dass sich die Koten des Grund- wasserspiegels mit jenen des Terrains £ast decken, wie folgende An- gaben beweisen:

UQhe des Terntiiu

Bei Dornach 517,5 m

Bei Daglfing 51()..'in

Bei Aschheim 511,1m

Bei Johanniskircheii 510,0 m

An der Vordermühle 506,9 m

Oestlich Ton Unterföhring am Gleisenbach 502,9 m An der Hintermtihle 500,0 m

Höhe des Gnmdwaaaers

516.3 m 5 1 5,0 m 51U,3 m 508,8 m 506,0 m

502.4 m 499,0 m*).

Die gleichen Verhältnisse wiederholen sich auf der Hochebene des hnken Isarnfers. In Fiixstenried, nördlich Yon Mfinchen, wird das Grundwasser 22 m, in Obersendling 19, in Mittersendling 12, an

der Bavaria 10—11, auf dem Marsield am Ende der Karlsstrasse im Miincliener Stadtgebiet 7, gegenüber dem Zeughaus (>, bei Kbenan sCdlich von München nur noch M.5. vor Moosach 1,5 ni hoch über- lagert. In der Gegend von Ludwigsfeld endlich tritt es zu Tage und fliesst nach Norden in Form sehr wasserreicher Bäche weiter.

So ist denn durch die allmählich bis znm Grundwasserspiegel ab- nehmende Mächtigkeit der quartftren GerOllschichten die wesentlichste £ntstehungsursache des grossen Doppelmoores an der mittleren Isar

Idealer L&ngenschniit durch das MOnchener Becken.

zwanglos gegeben und zugleich erkannt, wie eng g^ nt tisih die Moor- landschaften um Erding, Freising, Schleis.sheim und Dachau zusammen- gehören. Würden die Schottermassen an den Südrändern der Moore um wenige Meter höher aufgehäuft sein, so wäre damit auch die Grenze

') Die Messungen besiehen rieh auf das Jahr 1870. FondiwigtB so« dmtidMB Land—' vad TolUknirfe X. 4.

14

180

Gruber,

1.18

zwischen Tersumpftem nnd anbaufiLhigem Gebiete entsprechend yer- schoben worden. Hier entscheiden .sogar oft nur einige Decimeter

Kiesüberlagerung mehr oder weniger über den Kulturwert ausgedehnter Fläclion. IhVse Thatsache wird uns bei der Frage nach den Ent- .steliungsurstu'hen der von den Mooren umschlossenen Heidestriche in extremer Ausprägung entgegentreten. Die Abhängigkeit der Moor- bildung vom Grundwasser^ welche in den Berichten der Kommission fflr WasRerversorgung nnd Kanalisation Mflnchens neuerdings in ans- gezeichneter Weise durch Baurat Salbach und Ingenieur Thiem ile- monstriert ward, hat übrigens Professor Zierl bereits 1839 im Ceutral- blatt des laud wirtschaftlich »Ml Vereins für Hävern endgültig nach sie wiegen. ,Der \\ asserüberflnss de.s 1 )arhau-Freisuiger Moores." schreil)t er dort, »entsteht durch Durchsick er uug aus dem Untergrund. Alles Wasser, was von den höheren Stellen eingesaugt wird, was ans den BSchen nnd vielleicht auch Seen durchsickert, kommt bis zu der Mergelschichte (dem Flinz), wird Ton hier zurückgedrängt und soweit fortgeführt, bis es in den Mooren, als den tiefsten Stellcii. wieder zum Vf)rschein kommt. Diest's lehrt der unmittelbare Anblick und das \'erhiiltnis der Brunnen. Sie werden um so seichter, je mehr man sich dem Moore nähert, wo endlich das Niveau der Brunnen mit dem des Moores zu- sammenfÜUt. Das Steigen und Fallen des Wassers in den Brunnen, was man hier den Hügel nennt, steht in genauem Zusammenhange mit der Menge des W^assers, das auf den Mooren zum Vorschein kommt.* Noch vor /ierl erwähnte schon W^eiss, der geistvolle Topograph aus dem Anfiuij^ unseres Jahrhunderts, dass die zwischen Mosach und ünter- schleissheim auftretenden Quellen durchgesickertes Isarwasser seien, welches an den unteren ändern eines vermeintlich vom Flusse selbst gebildeten Geachiebekegels wieder zum Vorschein komme

Der ungehinderte Ausfluss von Grundwasser rief nun allerdings nicht allein die Moore des Münchener Beckens hervor. FJiespen jenen doch .v;owohl von ilirer östlichen als westlichen Umrandinifj eine solch* stattliche Anzahl von Quellen zu, dass 0. Sendtner den von ihnen gelieferten Kalksiuter allein für die Entstehung der Erdinger Moor- huidschaft verantwortlich machte*)* Femer dringen ansehnliche Par- tieen der in der Isar gesammelten Gewässer, ähnlich wie nachge- wiesenermaassen in der Würm von Percha ab, direkt durch die stark porösen Alluvionen nach den Moorebenen hin, welche auf weite Strecken unter ihren Spiegel zn liegen kommen; an anderen Stellen ))pwirken sie eine Stavuing des unterirdischen Stroms und erleichtern ihm dadurch eine ausgiebige Durchfeuchtung der Oberfläche des Bodens. Franz von Paula Schrank hat die letztere Beobachtung in fiberzengender W^eii^e schon vor beinahe einem Jahrhundert lOr seine Theorie von der Entstehung des Donaumoores bei Neuburg verwertet. Endlich ist zu betonen, dass die Moorwiesen unter regelmässigen und starken lieber-

') Südbayum8 Oberfliichc nach ihrer äusseren Gestaltung, S. 189. ') Die Yegetationsverhältnisse Südbayems nach den Gruncbätsea d^ Pflanzen- geographie. Manchen 1854, S. (S82.

lyj Das Mimchener Becken. ^ 137

^hwemmonffen ihrer in einem engmaschigen Netze auf faltenlosem Terrain hinffiessenden Bache, vor allem der Mosach nnd Dorfen, leiden. Ans diesem Gmnde zeigen .sich auch die am lueisten vermoorten and am 8chwei*sten /.n kultivierenden Gebiete um Rande jener Gewässer.

Fassen wir all' dies zusammen, so ergiebt sich, d;is-^ dio pfrossen Muoitliiclieu des Münchener Beckens als echte Quellmoore, wenn auch nicht vom einfachsten Typus, zu bezeichnen sind. Sie empfangen ihre Wassermenge hauptsächlich ans dem Untergrund nnd zwar vor- wiegend durch den Ausfluss einer mächtigen Grund wasserströmung. Ihrer geographischen Situation nach müssen dieselben jenen Mooren angereiht werden, welche Albrecht Fenck als Thalmoore bezeichnet, und zwar um so mehr, als ihnen die Isar selbst tributär wird. Thal- moore lagern mit geringen Ausnahmen jenseits des Gebietes früherer Vergletscherung in den weiten, flachen Kiesniedemngen aller bedeu- tenderen sftdhayerischen Flfisse. Sie zeigen indes wesentliche Ver- schiedenheiten untereinander, und ihre Entstehung erseheint stets von mehreren Ursachen zugleich abhängig, was allein schon ihre Lage sowie die Beschatfenheit ihres Untergrundes bedingt. Die gleichen Faktoren, welche neben dem Grundwasser bei Erzeugung des Erdinger und Dachau- Schleisssheimer Moores thätig sind, nehmen auch an der Bildung der unter analogen VerhSitnissett auftretenden Quellmoore in der Tnalweitung unterhalb Augsburg und auf den SchotterflSchen nm Memmingen Teil. Von letzterem bezeugt Otto Sendtner ausdrücklich, dass es dio Eigentümlichki'iten der (^)uellmoore er nennt letztere Wiesenmoore mit am an.^gesprochensten dar.stellt.

Trotzdem aber vermochte auch dieser Gelehrte die jenen Er- scheinungen insge.samt zu Grunde liegende Hauptursache nicht endgültig festzusteUen, irregeleitet durch den gerade in den Moorebenen an der mittleren Isar weithin verbreiteten amorphen kohlensauren Kalk, den sog. Alm. Sendtner führt ihn ausschliesslich auf die den Moorründern entflies- senden QuellergOsse zurück, während er in Wirklichkeit gW'^^stenteils ein Absatzprodukt de.s von Süden her anströmenden und zu Tage getretenen Grundwassers ist. Dieses nahm während seines langen Laufes in den GerßUschichten eine Menge kohlensauren Kalkes auf, von welchem es nach bekannten Gesetzen bei der Berfihmng mit atmosphärischer Luft einen Teil wieder abgibt. Jener Niederschlag bildet in frischem Zu- stande eine breiige, gmraose Masse, im trockenen einen mürben, leichten nnd rauhen Sand von weisser oder gelblicher Farltf. Häufig b«»(ro<rnpt er in seichten Schichten von einigen Centinietern MärhtiLxlo it : wir bemerkten ihn aber auch an mehreren Steilen der östlichen Moorliälfte in Lagen von 1 1,20 m Hohe, und fanden denselben Oberhaupt hier öfter als im gegenüberliegenden Dachau-Schleissheimer Moor. An der Goldach sah ihn Sendtner 5 m hohe HOgel zusammensetzen nnd zu Tuff verhärtet.

Da nun der Alm in hohem Grad«' wasserundurchlässig »'rscheint und die einmal erhaltene Feuchtigkeit für lange Zeit zurückhält, glaubte Sendtoer annehmen zu können, dass er den Mooren auf Kiesniedemngen eine impermeable Unterlage verleihe und gelangte hierdurch zu folgenden Behauptungen: Ursprfin^che Moorbildung findet sich auf Kies nur

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Gruber,

[20

dann, wenn dieser von Alm bedeckt wird; Alm begleitet jede Wiesen- moorbildnng; in allen Füllen ist jeder Wiesenmoorbildung Almbildnng

vonin^eganp;en. Die Mögliclikeit, dass Moor und Alm eine gemeinsame ()u<'lle haben könnten, faml w überhaupt nicht für nötig zu dis- kutieren. Auch eine .sehr geUHUc Kenntnis der Schrift Zierls: Ueber die Gewinnung und Benützung des Torfes in Bayern (München, 1839, 102 S.) leitete ihn nicht auf die so offSsnliegende Grondnnache der Entstehung unserer Thalfiächenmoore. Um eine ihrer sekundären Wirkungen klarzulegen und zu allgemeiner Geltung zu bringen, Hess er ibre eigenen Wirkungen aufhören, nachdem „die durch die Per- mealHlität des Gesteins eriiioL'^Iichte Almbildung die Obertiiiche ganz oder teilweise verschlossen hat. Nur die von jener befreiten iStrecken m^en noch als ursprünglidie Sii^ermoore gelten*. Nun leugnen wir gewiss nicht, dass Alm in ähnlicher, ja Terstärkter Weise wie Torf durch seine wasserhaltende, wasseranziehende Kraft die Fortcrzeugun|^ von Qnellmooren unterstützt. Er ist aber nicht imstande, jene auch nur vorzugsweise allein zu bilden, unterliegt vielmehr selbst der steten Erneuerung durch ansfliessendes Grundwasser.

Sendtners Aliutheorie erfuhr denn auch sofort nach dem Er- scheinen der „VegetationsTerhältnisse SOdbajems* einen energische Widerspruch durch Professor Dr. Fraas welcher auf Grund eigener Studien die Thatsache konstatierte, da>> sich amorpher kohlensaurer Kalk ebensowenig überall in der Unterlage unserer Wiesenmoore findet, als er den Hochmooren fehlt. Ihm erschien derselbe überhaupt nicht impermeabel, deswegen könne auf ihm auch kein Moor wachsen; ausserdem betonte Fraas, dass der Alm der Landwirte ebenso ver- schieden sei, als der amorphe kohlensaure Kalk der Mineralogen« Endlich suchte er noch zu beweisen, dass aof den Lehm- und Thon- schichten des Fichtelgebirges ebensogut Wiesenmoore entstehen kQnnen, als auf dem Kalkgerrtll oder dem Alm Südl)averns.

Leider verliess dieser ( > t h'lntc bei Begründung si-iner Gegen- sätze zu Sendtner allzuhüutig (ieu Ton objektiver Kritik. Zudem verlor er selbst in seinen Behauptungen das richtige Mass, wie denn der Satz, dass Alm nicht impermeabel sei, in dieser allgemeinen Fassung geradezu irrtümlich erscheint. Dagegen haben wir anderer- seits die Be()))achtnng bestätigt gefunden, dass W^iesenmoorbildung und das Vorkommen von ani(»ri»hem, kohlensaurem Kalk durchaus nicht notwendig im Zu.sammenbang stehen müssen. AV)gesehen von der That>sache, dass in den auf Tertiärsand ruhenden W^iesenmooren Süd- bayerns Alm nur stellenweise angetroffen wird, wie auch Sendtner zugeben muss, liefern eine stattliche Reihe von Bohrversuchen und Schürfungen im Gebiet der Moorlandschaften nördlich von Mfinchen die über/eiitfon(]^teii Beweise hierfür. Professor Kremer. dessen sorg- fälti'je Arbeiten über die Reliefgestaltung der Moorhälfte zwischen Garc liijiger Heide und Dachau wir bereits zu erwähnen hatten, fand

Fruas, Dr. J.: Beitrug 2ur Kritik der Ve^etatiunsverhäitnisse Südbayems von 0. Sendtner. Zentralblatt des landwirtachafUichen YereinB in Bayern, 1854. 8. 321— m

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21]

Das Mflnehener Becken.

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hier bei 110 Bohrungen kaum in Fällen Alm. In 21 Schürf- jrrnben. wclrho nelt'£r'"nlieit der von dor obersten Baubeltörrle in München juisLCelulirteu Nivellements in der Mittt> dos Erdiii^er Moores ausgeworfen wurden, iund sich Torf nur zweimal m der ^siihe von Schweig und am Lohmühlbach auf Alm, dagegen achtmal direkt auf Kies rabend. Nach den wenigen Fjrofilen Tbiema bat das Moor bei Daglfing lodkeren Kies als Untergnmd und bedeckt am Fohringerbach fino 50 cm mächtige Lehmschicht, welche ihrerseits wieder einer •.•.20 in li' hi^ii Kiesbank aufsitzt. Wir selbst haben an 1 1 Punkten des luittieieii nn<l unteren Erdinger Moores Aufschlüsse beobachtet, von denen ebenfalls fünf der Meinung Sendtners widersprechen. Da die Schicbtenfolge in mehreren derselben die geognostische Zusammen- setzung des Moornntergmndes Ostlidi der Isar charakteristisch auf- geschlossen darlegt, geben wir dieselbe in einfachen Zeichnnngen wieder *).

Bodenprotile iu» Erdiuger Moor.

BM JM An der B*I

Zragannoo«. SKooiIiuiIdb. Alteoli. Schwaigs

Von den auf Kiesniederungen der Flussthäler ruhenden Quell- mooren bat man seit Zierl die in impermeablen Mulden liegenden Hochmoore jener Autor nennt sie Kessehnoore scharf untcr- .«chieden. Sendtner versuchte später mit einem grossen Aufwand von Gelehrsamkeit nnd Flei.«;.s den OeL'"«'ns!it/ zwischen beiden !mf]i liin- sichtlich ihrer Ptlunzendecke im emzeliien zn jirüfen und durzuieL:' ri. Es gelang ihm, nachzuweisen, dass von Arten (darunter 1-7 eigentfimUche) 22,(i V den Hochmooren und 47,3 ^/o den Wiesenmooren charakteristisch sind, 30,1 ^/o oder 100 Arten aber beiden gemeinsam ZQgebören.

') Die deu Torf hier und anderwärts 0,40 1 m hoch Ijedockoade Erdschicht iflt auffallend am an HineralbestandteUen. Nimmt man mit Vogel das Terhllltnis

der organischen Subtstanzen /.u (1>mi mineralischen in fruchtbarem Boden wi6 1 : 2 an» so ergiebt sich dasselbe für Torf erde wie 5 : 2.

190

Graber,

[2-2

Dieses Verhältnis führt uns wieder zurück auf die Bescliaflfon- heit des Untergrundes genannter Moorformen \md bestätigt , das; die Verschiedenheit beider in erster Linie eben hier zu suchen ist. Professor Dr. Vogel, welcher über die Genesis der südbayerischen Moore mebr- mala Tor der Akademie der Wissenschaften zn München s{)rach, hebt diesen Umstand in seiner Arbeit: ,Hochmo()rbildung im Wiesenmoor* öfters hervor. Er betont aber auch zugleich, dass sich niclit nur in der Ziisjiinuiensetziint; der Unterlage, sondern inidi in }pwv (lt>r das Moor bedeckenden Erdschichten, des Torti -^ und des I Ortwassers be- deutende Unterschiede ergeben, wciclie unzweifelhaft bezeugen, dass in den auf Thon lagernden Mooren Kieselerde, in denjenigen ant Idesigen ThalfiKchen hingef^en Kalk Torberrscht, die ersteren demnach als Kiesel-, die letzteren als Kalkmoore zu betrachten sind, was auch schon dnrcli Sendtner fest^^estellt ward „Nicht das Mass des Wasser- vorrats, auch nicht die jdiysikalischen Eigenschaften des Untergrundes, deren Modifikationen in beiden Verhältnissen gleichen Umfang haben, entscheidet die Verschiedenheit, sondern allein das chemische Element.*"

Letzteres erscheint denn auch als die Hanptnrsache der wesent- lichen Differenzen zwischen Hoch- und Wicsenmoorflora, welche von mehreren Autoren vielleidit zu scharf theoretisch aufgefittst wurde. Der Untergrund unserer Moortlächen erleidet stellenweise einschnei- dende Aenderungen. Mitten im Gebiete der Quellmoore tatu-hen ein- zelne lehmbedeckte Striche auf, welche eine Reihe charakteristischer Vertreter der Vegetation auf Hochmooren tragen. So fimd Sendtner ostlich der Isar zwischen Schdn und Birkeneck eine mit Eriophorum ▼aginatum und Va(;cinium oxycoccos tlberzc^ene Stelle. Am sfidlichen Ausgang des Schleissheimer Moores sah er Arnica raontana sowie Callnna vulgaris und weiter nördlich unter anderem wieder Vaccinitini oxycoccos und Carex limosa. Dr. Eisenbart verzeichnet in dimiselbeii Gebiete Sphagnum subsecundum und Sphagnum cuspidatum; Professor Fraas aber erklftrt, er hStte hier ausserdem Leersia orizoides, Rhyn- diospora alba, Orchis angustifolia und Thysselinum palustre angetroffen. Endlich entdeckte Dr. Vogel im sogenannten Schwarzholz Avestsüd- •westlicli von Scldeissheim eine Oase mit Sphagnen; wir selbst haben an dem gleiclien Orte zwar nicht letztere selbst, aber Vaccinium imd Betula humiUs in prächtigen Exemplaren gesammelt.

Zählen alle erwähnten Pflanzen den eigenartigen Formen der Hochmoore zu selbst Betula humilis gehört mehr ihnen als jenen der Quellenmoore an so lässt sich auch andererseits beweisen, dass der Charakter des Sphagnetums unter dem EinÜuss kalkreicher Ge- wässer wesentlit ]i geändert wird. Fa>t alle Moore an Flnssufern sind selbst aut thouiger Unterlage Wiesenmoore, sobald sie Ueberschwem-

*) öitzuugdbenchtc der königl. baver. Akatleiuie cler W'i>seiiscliat'teu. matbeui.- pliys. Klasse. 1866, I, S. 15 ff.

'■') AäcIic von ITochiiioorirras crgal» bei der Analyse <">'2" o. A.-cIh- von Wi» i^en- iiioorgraa i{4V Kieselerde. In Asche von Hochnioortort landen sieh 12— 30"ü, in jener von Wieaeninoortorf durchschnittlich 2— 5^'o dessdben Minerals. Torferde d.T l'nchinonre entliint im^refälir die 4- oder 5foclie Menge an Kieselerde, welche deijunigeu der Wieseiuuuuru zukommt.

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23]

Da« Müncbener Becken.

191

mungen ausj^esetzt sind. Es ist eine längst bekannte Erscheinung, daas kalkhaltige Bäche, welche durch Hochmoore fliessen, längs ihrer Bander der Sphagnen und der Pinus pumilio entbehren, ebenso wie nach nnserer Meinmig jene yereinzelten Stellen, an denen die imper- meable Thonnnterlage merklich unterbrochen wird.

So greift also die Pflanzenwelt der Wiesenmoore hier und dort auf das Gebiet der Sphagneta über, umgekehrt geliörcn nher auch jenen eine Anzahl inselförmig umrandeter Stelleu an, welche Huchmoor- pflaiizeu tragen Dies beweist uns, dass der ins Einzelne gehende floriatische Unterschied beider Formen wenn auch intensiv, doch nicht aÜKQ allgemein oder ansschliessend hervortritt. Damit ist aber keines- wegs die Yerschiedenlieit jener in ihrer landschaftlichen Physiognomie geleugnet, die niemand entgehen konnte, welcher auch nur vorüber- geliend das weithin baumlose Siidende der Miinchener Moore und eine Partie der waldigen Filze in der Nähe liosenheims gesehen. Zierl schon machte darauf aufmerksam, wie auch das Volk jene Differenz durch die Bezeichnung der Hochmoore mit Filz (Ried) v und diejenige der Wiesenmoore mit Moos. PI. Moser zum Ausdruck bringt, Be- nennungen, welche eben.so häufig in der Moorlitteratur als auf den Karten des bnyer. Oenoralstuhs entgegentreten. Bekanntlich wird der Ge- sarathabitus der Filze durch Sphagnenrasen, Vertreter der Flora unserer Heiden und Wälder aus Pinus pumilio, jener der Moser durch Cype- raceen, Polster aus Hjpnen und kräftige Bestände der Pinus sylvestris vorzugsweise bestimmt.

Da der Gegensatz beider Moorformen an der Hand von Spezial- floren im einzelnen hier nicht näher zu bestimmen ist, möchten wir an dieser Stelle noch auf das verschiedene Mass der Vermoorung in einem und demselben Gebiete aufmerksam nuuhen. Eine Abstufung des Feuchtigkeit«grades innerhalb so weiter Landschaften, wie es die Moore zwischen Dorfen und Amper sind, ergiebt sich schon a priori aus der früher skizzierten Art ihrer Entstehung. Die Mächtigkeit der Kiesdecke Ober d^m Grundwasserstrom, so seicht sie auch sein mag. schwankt hit-r mehr, dort weniger nach der HTilie. lässt des- wegen au( h l>aM grössere, bald geringere Wassermengen zum Ausfluss gelangen. Ihre allmähliche Abnahme vermittelt zugleich einen klar ausgesprochenen IJebergang zwischen den eigentlichen Moorflächen und den sie im Süden begrenzenden fruchtbareren GerSlUagem. £r ist durch eine 2 3 Kilometer breite Zone feuchter, sumpfiger, bereits an sauren Gräsern reicher Wiesen (, Hardtwiesen ") repräsentiert, moor- ähnlichen Erscheinungen, wie sie besonders häufig zwi^^rhen den Moränen auftreten, auf denen aber der eigenartigen Moorveg» tation nur wenig liaum gegönnt ist, falls sie der Dünger überhaupt nicht giiiizlich vertrieb. Dieselben sind jedoch auch mitten im Bereich ausgeprägter Moorkomplexe selbst um so leichter zu beobachten, als sie allenthalben der Landwirt bereits in seinen Besitz genommen. Sie unterscheiden

') Ein«? Reihe üiuleror liierlier jjeliorist^r Beispiele fiticrt .T. .1. Früli in sein'^r Schrift: ,1'eber Torfe iin<l Dopplerite.* Kint' nnnero^'-»'iictischc Studie. Zürich, Verlag von J . Wurster & Cie. 1883. 88 b. S\ Mit emer Tafel.

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Gruber,

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sich Jils eine Art Kulturwieseu in auffallender Weise von den Gras- ebenen und Torflandschaften längs der Moorbäche. Im Verein mit den karg zerstreuten, einem ftrm]i<£en Ackerimu zugänglichen Strecken mindern dieselben den einförmig monotonen Gharaläer unserer Gebiete, indem sie im kleinen eine Reihe mannigfach gruppierter und ver- schieden abgetönter Bilder in die geräumigen Weiten des Moores hineinlegen.

Eine andere Art moorähnlicher Erscheinungen tritt sehr häutifj im Alpengebirge entgegen. Dort hnden sich auf Gipfeln und kleineren Plateaus (Hochfelln, Geigelstein, Daumen), ähnlich wie in den polaren Regionen der Erde auch, echte Torfbildungen, ohne dass eigentliches Moor anzutreffen ist. Sie entstehen gleich wie die mächtigen, meist dem Kalk unmittelbar auflagernden Modt ianhäufnngen der Berghänge (Prof. Dr. Ratzel beobachtete am Karwendelstock eine solrbe u. a. noch in 2300 m Höhe) unter dem Einliuss tortwährender Feuchtigkeitszufuhr aus der Atmosphäre, welche die Erzeugung starker Moospolster bedingt, die mit den in ihnen wachsenden Vaccinien und Heidekräutern sowie den Generationen älterer, abgestorbener Pflanzen eine torfartige Sub- stanz geben. Ihre einzelnen Bestandteile führt Sendtner (S. 645 seines Werkes) an.

6. Ueber die Bildung der .südbayerischen Moore überhaapt.

Klassifikation derselben.

Wenn wir zum Schluss unserer Betrachtung Aber die Moore des Miinchener Beckens einen Blick auf die Genesis der sfidbayerischen Moorlandschaften überhaupt werfen wollen, so ist vor allem der den vermoorten Gebieten an der mittleren Isar, dem unteren Lech und der liier näch.st verwandten Moore längs der Donau sowie der kleineren Flüsse der Hochebene zu gedenken. Das Thal des mächtigen Grenz- stroms zwischen Süd- und Nordbayem repräsentiert sich von Ulm bis Vilshofen als breite Senke, welche durch die Einschnürungen bei Stepp- berg und Abbach in :l grosse Weitungen zergliedert wird. Walther *) nennt diese, ohne damit den geringsten Anhalt für ihren geographischen Ciiarnktor zu geben, obere, mittlere und untere Donauebene. Die lieitlen t isteren tretten auf den nordöstlichen Lauf des Flusses und zeigen »ich auüälieud reich an Mooren: Ulmer Ried, Donau- Ried, die Ueberreste der Moore in dem Mündungsgebiet des Lech, sowie end- lich das grosse Donaumoor, welches von Neuburg aus gegen die Paar hinzieht, lagern ihm auf dieser Strecke an. Nachdem aber die Donau die hart an sie herandrängenden Juraränder verlassen und sich von Regen.sbnrg weg gegen Südosten nach den Ausläufern des ostbayerischen Grenzgebirges gewendet, gehören ihr in Bayern nur noch die Moore bei Deggendorf und Plattling zu.

') Walther, Fr. W.: Topi.«ihe Geographie von Bayern. München, Verlag der litterariecb-artiitischen Anstalt 1844. S. 120 ff.

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25]

Dm Mfincbeiier Bedran.

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Diose iingleicho Verteihine^ beruht in demselben Masso auf der o(mj1( lu'isfhen Vusgestaltung des Thalbodens selbst und seiner Umgebung ah- auf der Kutwickeiuug der Zutiussverhültuisse, die im nordwestiicbeu Teile der Hochebene mteneiYer aiisgeprägt enehemen als im nor^^* liehen imd durch die GerOUftlhrang des Hauptstromes wesentlich beein- flusst werden. Die letztere Thatsache besonders war nicht zu über- sehen und tritt daher in allen Schriften zur bedeutenden Litteratur über das Neuburger Donaumoor seit Ende des vorigen Jahrhunderts ent- gegen. Wenn auch Schrank Aretin Stengel Riedl, Lutz, Kling, Pechmann ■•) und Sendtner irrtümlicherweise das Donaumoor auf der Sohle eines abgelaufenen Sees sich aufbauen lassen, so fanden sie es doch fiKr nötig, die Wirkungen der rückgeschwellten Flusswasser bei der Frage nach der steten Forterhaltung desselben heranzuziehen. Am überzeugendsten haben Schrank, Walther und Sendtner hierfür gesprochen;

erwähnen auch, <lass die Donaumoore niemals unmittelbar an das jetzige Ufer des Stromes grenzen und dieser besonders zwischen Ingol- stadt und Neuburg nirgends die Spur einer ehemaligen Moorbildung entblltost eine Thatsache, welche den deutlichsten Hinweis auf die Entstehung dieser Oebiete enthüU. Indem der Fluss mit nicht allzu- grossem Gefälle über seine AUuvionen wegfliesst, wird je nach dem Pegelstande ein grösserer oder geringerer Teil seines eigenen Wassers gezwungen ^^eit^värts durchzTisickern. Zugleich versperren die Geröllab- lagerungen den zufliesseudcn klemeren Gewässern die Einmündung. Diese werden infolgedessen zurttckgestaut und durchfeuchten um so stärker den Thalgrund, als sie häufig reranlasst sind, der Richtung ihres Hauptflusses eine Strecke zu folgen. Die Schotterstufen und Ki<:'sl»änke unmittelbar an der Donau, der Paar und dem Lech, ffir dessen unterste Partieen analoge V'erliäitnisse bestimmend wirken, verhindern aber zugleich die MoorVulduug, bis an jene Flüsse seihst fortzuschreiten, wie es im Münchener Becken teilweise ja ebenfalls geschieht.

Es sind demnach auch hier die Wirkungen von Grundwasser in Gerollflächen, welche tief in die Geschichte der Erzeugung der Moore eingreifen. Nur strömt jenes nicht direkt aus der Kiesschicht von Süden gegen Norden aus, sondern erscheint als in der Thalsenke gegen die Hochel)ene hin zurückgedrängtes Flusswasser. Ausser ihm tragen die reiclien Quellergüsse, welche den Rändern der 30 100 m tief unter ihrer Umgebung eingebetteten Donaumoore entsfoOmen, wesentlich zu

') Schrank. Fmm von Paula: Nuturhistorische und ökonomische Briefe über das Donauinoor. Nebst einer Euptotafel. Manaheim, bei Schwan n. Q<Stz. 1795. 211 8. 4".

Aretin, (Jeorj,' Freiherr von: AktenmiU^ij^e Donaumoorkultuimüchichte. Herausge^^eben von der kurfürstlichen Donanmoorkulturkommiasion. Nebgt einer Kupfertafcl. Mannlieini. hei Schwan u. CJßtz. 1795. 4 "

*) Stengel, Stcjthan FrL-iheiT von: Die Austruckiumg des Donaunioores. München. .1. Lindner. 17<)J. 22 S. 4».

*) Pech mann. Ifeinrich Fn'ili-'iT von: Oeschichte der Au-trocknung und der Kultur des Lonauiuouros in Bayern. Mit einer Karte des Donaunioorts. Mün- chen, Stuttgart, Tübingen. J. G. Cotta. 1832. 156 S. 8*. Die geogiaphiech wichtige Litteratur übrr ili«' Moore S'ildbayerns übcrlianjit liaben wir in df-m .Tahros- bericht der Geographiächeu Gesellschaft zu München lür 18Ö4 zusammengestellt.

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Graber,

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ihrem Bcj^tehen bei. Da nun dieselben aucli. wie wir aus einer vor- treö'lichen , leider noch nicht zur Veröffentlichung gelangten Arbeit Albrecht Pencks zur Geologie der Donaubocbebene ersalieii, meist auf Sand und jenem Lehmboden ruhen, welcher die AUnvionen der Donau und des Lech von Augsbni^ an bedeckt, so muss selbst jcfle Ueber- schwemmnng dazu beitragen, den Charakter dieser Landsclmften dort im ganzen unverändert fortzuerhalten, \vo der Fluss noch nicht korrigiert.

Die Donaunioore führen also insgesamt in erster Linie auf die Durchfeuchtung des Thalbodens mit rückgestautem und durchgesickertem Flusswasser, sodann auf den grossen Quellenreiebtum der ihnen nahe-

felegenen HUgelsaume, endlich auf die geringe Neigung der ganzen lusBweitung flberbaupt und die hierdurch begünstigten Ueberschwem- mungen zurück.

Welch grossen Eintiuss letztere auf Versumpfung und Moor- bildung haben, tritt in den Thälern einzelner Flüsschen entgegen, welche auf dem Alpenvorlande ihren Ur^^pruiig nehmen. Sie sind ihrerseits durch geringes GefUle, stark ausgeprägten Serpentinenlaui und häufige Stauungen des Wassers Teranlasst; ferner unterstQtzen die mehr oder minder stark impermeablen, lehmig-sandigen An* schwemmungen dieser Ttewässer die Verraoorung ihres Bettes. Am deutlichsten findet .»uh das Wesen dieser TufiUrationsmuore liings der Vils bis zu ihrem Dunlibruche nach der Donau, ferner an der lliu, Isen u. B. w. ausgeprägt.

Alle bisher genannten Moore gehören durchaus der nördlichen Zone der Doimuhochebene an. Ihnen .stehen die ausf,n:>dehnten Gruppen jener Moorflücheu entgegen, welche dem Bereiche der Moränen und dem Gebirge angelKuen Auf die Unterscheidung zwischen Mooren innerhalb und aus.serhalb der Moränenlandschaft hat zuerst Albrecht Penck hinge wie.-en, als er in seinem Werk über die Vergletscherung der deutschen Alpen schrieb: „Wenn man die Moore auch im MorSnen- berdehe als erloschene Seen ansehen darf, so ist es doch nicht ge- stattet, dasselbe von den übrigen Mooren der Hochebene zu behaupten. Diese letzteren '^ind samt und sonders 'Phalmoore; sie werden bedingt durch einen ausserordentlich hohen ( nundwasserstiind. Die Moore des Gletschergebietes sind hingegen durchweg liuclimoore."

Was den spezifischen Charakter vermoorter Striche auf den Moränen anlangt« so haben sie zwei wesentliche Zfige gemeinsam: sie ruhen in lelunbedeckten Mulden \md empfangen ihren Wasserreichtum direkt durch die Atm<>s{»luirilien, sind demnach im gewöhnlichen Sinne Filze. Ihre Entstehung fiihrt meist auf den Untergang grösserer ruhen- der Gewäs.ser zurück. Daher begleiten sie allenthalben die Ränder der heutigen Vorlandseeu, nehmen die Sohlen ausgetrockneter Depressionen ein, welche durch glaciale EisstrSme in die Hochebene und ihre ThaluDgen weithin eingeschnitten wurden, und laffem in mannigfoltigster Grösse und Form zwischen den eiszeitlichen Schottermassen versenkt:

') Die äussere oder verwat^chene MoränenlauiUchaft entbehrt, mit Ausnahme des Haspelmoores, jeder Moorbildung.

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27]

Das Mttnchener Becken.

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allüberall Zeugen eines früher ungleich grösseren Wasserreichtums auf dem Alpenvorland»' als hento.

Die Moore des Gebirges unterscheiden wir am natürlichsten nach ihrer Lage an Gehängen, auf Gipfeln, Pässen, Plateaus u. s. w. An ihrer Entetehung nehmen eine Reihe von Ursachen gewöhnlich mehrfach kombiniert teil und zwar Tor allem: gehinderter Abflnse des Wassers, intensive Quellergüsse, unregelmässig starke Wasserzufuhr , Moderan- häufiiiig (Waldmoorbildunir), Fähigkeit des Wassers, sicli durch Kapil- larattraktioii nacli liöheren Lagen zu verbreiten, Fähigkeit der Ver- witterungsschichten, Feuchtigkeit aus der Atmosphäre zu absorbiereu und zorftohsnhalten, Rückgang der Oebirgsseen.

In nachstehender üebersicht versuchen wir am Schlüsse unserer Betrachtangen über die Moore Südbayerns eine Klassifikation derselben unter wesentlich geographischen Gesichtspunkten zu geben.

Klattifikatfon der sQilliayeritehen Moore.

A. Moore nordlich der Mor&nenlandschafb: Thalflftcfaenmoore.

Hauptnrsachen ihrer Entstehung:

1. ausfliessendes Grundwasser: Qnellmoore (typisch hierfür: die

Moore des Münchener Beckens);

2. nickgestautes und durchsickerndes Flusswasser bei starkem (Jiiellen- reichtum der Tlialsenke und geringer Neigung ihrer Sohle: Stau- uioore (typiscli hierfür: die Moore längs der Donau);

3. Durchfeuchtung der Thalebene infolge trägen Gefälles, starken Serpentinenlaufes und regelmässiger TJeberschwemmui^en des ihr zugehörigen Flusses: Infiltrationsmoore (typisch hierfür: die Moore an der Vils, Ilm u. s. w.).

B. Mooire der Mortoonlandnohaft ; Kuldenmoore.

1. Moore am ilande und den Ausgängen der Vorlandseen (typisch hierfür: die Moore am Kochel- und Chiemsee);

2. Moore in den Depressionen eiszeitlicher Gletscher: Ueberbleibsel untergegangener See II (typisch hierfür: Murnauer Moor, Hoch- und Pangerfilz im Rosenheimer Becken, die Moore am oberen Fiiii'j'aTig df-r <,'rr)sseren Trockeiithiiler) :

;i. Moore, eingesenkt zwischen die Scliutthiigel der IM« ii;iiienland- schaft: meist Leberreste der Moränen- oder , l unMiliungs- seen*, oder auch gewöhnliche Hochmoore auf Blocklehm ruhend. (Allerorts in der MorSnenlandschafb zerstreut, besonders im Ge- biet des Inngletschers bei Wasserburg) ^).

M Einen nusg'Pzeiclm' ten r*'l»erlili(k ülier f»inen f»rossen Teil der Moorland- •chalt^-n Siidliayerns erhält man durch die neuesti«. sehr instruktive Karte fiber die gfeolojii*'('hen VerhSitnisae de» KreiMS 01i»'ilFa\ ♦■rn von Oherhertrdirektor Dr. von (iiinilM l. iKrste H -ilat'*' zu dem im Juni d. J. erschienenea Werk: «Die Land-

wirttichutt in Obcrbuyeru''.)

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Grnber,

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C. Moore des Gebiiges.

1. Moore an Btighimgea (Moore am Schlappolt und Böigen im Algäa, am Wendelstein, Untersberg) ;

2. ^loore auf Bergj^npfelii , Borgplateaus und Pässen (Moore am Gipfel des Hochfelln, der Eibelspitze und des Geigelstein, auf der P( ( hschneit bei Traunstein, dem Blomberg bei Tölz, dem Seefelder Pass u. s. w.) :

;i. Moore auf dem Boden von Zirken sowie an Stelle ausgetrockneter

oder als Begleiter noch bestehender Qebirgsseen (sehr häufig;

Beispiel hierfür: das Moor am Zireiner See, vorderes Sonnen-

wendjoch, Tirol); 4. Moore auf der Solile von Thalweitungen der Gebirgsflüsse und

-Bliche (z. B. Moor au der Aurach östlich von Neuhaus, Schliersee*

gebiet j

7. Die Heiden nördlich Ton Mflnchen.

Mit den Moorgebieten zeigen sich in Sfldbayem eine Reilie von Heideliuidschaften örtlich sowohl als genetisch eng verbunden. Zwischen Erdinger und Dachau-Schleissheimcr Moor lagern am linken Ufer der Isar auf eine Länge von 2'J km die mageren Geiilde der Garchinger Heide. Weiter weltlich drängt sich das Lecbfeld hart an die Moore des unteren Lech. Längs der Wertach wechseln mehrfach yersumpfte Kiesniedenmgen mit trockenen Naturwiesen; für die Umgebung Mem- mingens aber wurde dieselbe Beobachtung bereits in den konBOgra- phischen Mitteilungen von 1748 aufgezeichnet. Unvermerkt endif^en die Quellmoore in den ihnen angelagerten Heidestrecken. So geht jenes von Erding au seinem unteren Ende rasch in die Volkmanns- dorfer An Uber; wer sich ihm aber von Süden her nähert, hat nur das sehmale Gebiet zu ttberschreiten, welches noch auf Karten des 18. Jahrhunderts als , Perlacher Heidt" benannt ward, und steht als- dann unmittelbar am Eingang zu demselben. Doch auch mitten in den Mooren selbst finden sieh einzelne zerstreute Plätze, denen ein ausgesproeliener heideartiger Charakter eigen ist, so unter anderem bei llullbergmoos und Ebing. Aehnliche Erscheumngen treten in grösseren Auen wie bei Puppling auf, wo der Fluss hier den Flinz blosslegte und dadurch starke Quellen schuf, während er nahe daran denselben so hoch mit seinen Schottern bedeckte, dass jede ergiebige DMrcbfiMiclitung der Oberfläche <;e]iiin]ert wird. Der Wechsel von versunipt'teti. moorartigen mid ausser^ew rilmlieli trockenen Tartieen ist überhaupt in den Thalweitungen aller L^eschiebereichen Flüsse der Hochebene häufig zu beobachten, am ausgejjrügtesten vielleicht nahe der IsarmOndung bei Plattling.

Der klare Zusammenhang von zwei in ihrer geographischen Bigenart so wesentlich yerschiedenen Gebieten, wie Moore und Heiden

') Als liöchstes AI, in!" in Siidbii vern palt bisher das Rohxmoos am Joch Windeck unter dem hoheu Ifen im Algäu, etwa 1540 m.

29J

Das Müuchuuer Becken.

197

es sind, führt uns noch einmal auf die gtuguostische Struktur des Mftaichener Beckens und der ihm analogen Bildungen zurück. Wir hoffSen ihn am kürzesten durch ein Resum^ unserer kürzlich erschie- nenen Mitteilungen über die sogenannte Garchinger Heide zu erklären Diese erstreckt sich inmitten einer bunten Al)\\ ecliselung von Wald- arilage und Ackerfeld glatt ausgespannt zwischen Neutreimann und Puppling bei Freisiug parallel mit der Isar nach Nordnordosten hin. Ihr gesamtes Areal liest sich heute auf annähernd 1000 ha Yer- anscUagen. Die Oberfl&che der Heide trägt eine 20—30 cm tiefe Schicht kiesigen Verwitterungslehms, welche ihrerseits auf einer Ge- röllbank aus helleren und dtnikleren Kalken, jMolassesandsteinen und krvstallinischen KolLstückeii nilit. Die ganze Aufschüttung charakteri- sii'i t sicli iniverkeunbur als liuvio-giacial: sie wurde mitten auf die in der Müucheuer Thalweitung sich auskeilenden unteren Glacialschotter, denen sie zngehört, als segmentartig gegen den Flnss und die Moore hin gewölbter Schattkegel abgelagert, der sich im Mittel 12 15 m über jene erhebt. Seine Mächtigkeit betragt bei Garching nahe am Flusse 5 m; im rTebi<'te der Ileidewiesen nimmt sie um mehr als 20 m zu, lim am Westrand derselben rasch bis auf 3 m zu sinken. Am oberen Eingang zur Heidelandschaft wurde der Kies 25 m hoch auf- gehäuft, an ihrem Nordende kaum 4 5 m.

Die Hanptorsache der Moorbildung im Mfinchener Becken er- kannten wir darin, dass die Schicht der Quartärgerölle über der Sohle des Grundwassers von sehr geringer Mächtigkeit ist. Infolge- de>isen decken sich die Grundwasserspiegelkoten mit den Koten des Terrams; die unterirdische Strömung kann also mehr oder minder zu Tage treten, in einzelnen dicht uebeneiuander iiiessenden Bächen in- dividnell werden. Stellen nun, an welchen die GerOlle weniger seicht herrortreten , also in grösserer Hohe den wasserführenden Tertiär- mergel decken, haben naturgemäss hierunter nicht zu leiden (siehe den Längeiischnitt durcli das MüucIhmut l'» * ken iS. [17] 185). was das ganze Gebi«'t df'r sorjfiiannten Garchinger Heide schlagend beweist. Die unterirdische Strömung i.st hier mächtig überdeckt; sie tliesst stellenweise an 20 m tief unter den Naturwiesen. Hierdurch- ist jede ausgiebige Dnrchfeuchtung der Oberfl&che yerhindert; zudem er- mangelt dieselbe der Zufltisse von Quellen oder von Isarwasser. Da aber die ganze Landscliaft leicht porös aufgeschüttet wurde und die friu'litbare. atmosphärilische Feuclitigkeit länger an sich haltende Krume des Kulturlandes nur in Sjiuren trägt, so vermögen aucli die Tag»'s- gewiisser fast wirkungslos bis zum Viiuz einzudringen. Erwähnt doch schon Schönleutner*), dass zwar die wasseransaugende Kraft des Heide- bodens, der fiber 60 ^ abschwemmbaren Kiesel- und Kalksand enthält, 42 ^/o betrfigt, derselbe aber in Wirklichkeit äusserst geringe Mengen

') Jahresbericht rler Geo<;rai>his('li»^n (iescllschaft in München Tür 1H84, S. 24— :iO.

-1 Sfhönleutner, Max: }>i'richt über die Bewirtschaftimj; der königl. bayer. Staatsgüter zu Schieissheim, Fürstenried und Weihenstephau im Juhre isiU bis 1820. Mönchen 1822. 4*.

198

Gruber,

Feuchtigkeit aufbewahrt eine Thatsache, welche zur Entdwhung der Heide ebeuso wesentlich beitrug, als der gehinderte Ausfluss von

Grundwasser.

Das Interesse, wekhe>- die Mtinchener Heifleland.schaft dem Geo- graphen bietet, tritt in der Litteratur vollständig zurück hinter die Diskussion über ein Problem, das sie dem Prähistoriker aufwirft. Die- selbe erscheint nämlich allenthalben bedeckt mit den unTerwischbaren Spuren eines uralten Ackerbaus, langen, flachen Beeten von 3 15 m Breite , die aneinandergelegte Segmente riesirr« r Cylinder darstellen und deren gewölbter Rücken sich lieute noch 1'», ja '»0 cm über die Furche erliebt. Auf manchen dieser Bitange steht bereits wieder Wald, andere sind bei Anlegung neuer Ackergründe untergegangen. Die An- siedelungen finden sich ausnahmslos im Bereiche des alten Hochäcker- gebietes und erscheinen urkundlich sehr frOhe: Mosadi im Jahre 860, Neufahrn (Niwivara) 834, Eching (Echinga) 819, Schieissheim (Slires- heim) 775 und Mintraching (Munirihingas) 704. Um jede dieser Ort- schatten dehnt sich im Ring oder fächerartig die heutige Flur und liess von den alten Ackcrspnren meistenteils nur die Ränder übrig, woraus man mit Recht folgerte, dass die letzteren älter sind als die Siedelungen aus frfihbajuwarischer Zeif)*

Die Yielumstrittene Frage nach dem Alter jener prähistorischen Kulturreste, deren Ursprung bald in die Zeit der römischen InTasion Südbayems, bald vor dieselbe verlegt wird-), tritt für uns liinter die Erwägung zurück, aus welchen Gründen das Heidegebiet in früherer Zeit anbau- und ertragfähig gewesen sein könne, ja sogar wahrschein- lich eine umfangreiche Latifundien Wirtschaft zuliess?

Sendtner, m dessen botanischen Schriften überall ein aufrichtiges Interesse f&r die wirtschaftlichen Verhältnisse der Donauhochebene und alle Anregungen zu deren Verbesserung entgegentritt, und nach ihm vor allem Franz S. Hartmann führen diese eigennrtifje Thatsache auf ausgedehnte Entwaldung und hierdurch erfolgte VerrinL^erunfr der Nieder- schläge zurück. Der zuerst genannte Forscher sprach seine Ansicht in nachstehenden Sätzen ans: , Anfangs, ehe noch die Waldungen gänzlidi -verschwunden waren, war die Fruchtbarkeit hier allgemein so bedeutend, dass gerade die an und für sich trockeneren Bodenarten der Kultur günstiger waren als der schwere Lehmboden. Was aus- nahmsweise nasse Jahrgänge in unseren Tagen sind, das war damals der normale Zustand. Also waren die Kieslager, mit reicher Üamm- erde beladen, unter dem Einfluss grösserer Feuchtigkeit ein ebenso

') Nach den vortretilichen Aui'uahmen der Hochäcker zwischen München, Freising und Dachan, welche J. Diem vornahm nnd die er in einem lO.G qm mn- fB«end« n Kiirt^ nlnlil (1 ; ."iOCO) darstellte, waren im .lahre 1870 noch 10;W8 bayer. Morgen in ihrem Urzustände za erkennen. VgL 32.-35. Jahresbericht des hiator. Vereins Ton Oberbayem.

Die rt.'iche Anzahl von Schriften und Abhandlungen hierüber hat Prof. Fr. Ohlenschlager im Jahresbj'ridit der AlrmdiriHT Geograph, (iesellschaft filr 18SS>^ S. 107 u. I(j8, .sorgfältig zusaiuniengestellt. l nttr ihnen sind besonders die Arbeiten August Hartmann 's (Zur Hochädwrfnige. Oberbayer. Acdliv, 85. Bd.) mit vielen latteraturangaben zur Orienüemng empfehlenswert

^ j i.Lo l v Google

31]

Das Müncbener Becken.

Ihichtbares Land in Oberbajern, als die Lehm- und Tiiungiünde in Nioderbayeni. Im Moder der Waldungen waren die unorganischen Stoffe seit Jahrhunderten oder wer weiss von welcher Urzeit her aaf- gespeichert. Als später der Abtrieb alles Gehölzes die Nebel nnd

atmosphärischen Niederschläge verminderte, vielleicht schon auf das jetzige Mass zurückführte, gebrach es dein Boden solange nicht an der notwendigen Feuchtigkeit, als die Huniusreste hinreichten. Die Verujinderung beider ging Hand in Hand und machte mit einem- male dem Getreidebaa ein Ende. Trockener Moder ist ein Spiel des Windes. War die Gegend berölkert, so war dies allein schon Grund genng, die Bewohner zu yeranlassen, nach anderen Wohnsitzen sich umzusehen."

Gegenüber diesen Ausführungen, deren Grundzug wir nicht angreifen, welche aber von einigen Unwahrscheinlichkeiteu beft'eit werden mfissen, mdchten wir fragen, ob in Wahrheit angenommen werden kSnne, dass mit der Entwaldung dieses schmalen Gttrtels tiefer- gehende Modifikationen der Niederschlagsmengen verbmiden waren. Die Heide, fast gänzlich durch Moor, Moorfelder und Wasserarme ein- geschlossen, nimmt naturgemäss an <leu reichen Niederschlägen ihrer Umgebung teil. Dieselbe ist gewiss keine meteorologische Erscheinung. Auch ist daran zu zweifeln , ob lange und dicht aufgehäufte Moder- massen so rasch nnd in so intensiTor Weise als Ranb des Windes Ter- schwinden, wie unser Gewährsmann will.

Wir glauben vielmehr an eine wirkhche Erfahrung erinnern zu dürfen : Jede von der Kidtur nicht beeinflusste Wiesenflora auf den südbayerischen Ueröiitiächen erscheint nach dem Urteil der Botaniker von dürftiger Beschaffenheit. In wie viel .stärkerem Masse mussten die jahrhundertelang sich selbst überlasseneu Pflanzen auf dem stark porBsen Boden der Heidelandschaft nnd- bei den geringen zurfickge- kssenen Nahrungsstoffen ein ärmliches, trockenes Aussehen erbeten!

Erst in den jüngsten Jahrzehnten begann man wieder, dem sterilen Geröllkegel durch Arbeit und Düngung Ackerboden abzuringen. Vor 50 Jahren noch betrat der Botaniker, wenn er Adonis iiolen wollte, einige Ackerlängen hinter dem Dorfe Gurchmg die unberührte Heide. Jetzt geht man eine betrSchtUche Strecke, um den gewUnschten Platz an erreichen. In gleicher Weise rttcken Wald nnd Flur jeden Sommer im Süden und Westen vor. Wir haben die Thatsache nicht zu verteidigen, dass dem oberbayerischen Ranern ein gewisser natür- licher Konservatismus anhaftet. Aber auf dem Gebiete der Agrikultur durchbricht er denselben oftmals still und mit wahrem Erfolg. Seine Thätiffkeit geniesst von aussen her wenig Unterstützung, und doch nützt derselbe, die Verbültnisse bedScbtig erwägend, jeden anbaunngsföhigen Strich allmählich sorgsam aus. Sdlange man nicht grossartige üeber- rieselungen ins Werk setzt, wird sein Vorschreiten im Gebiete der Münchener Heidelandschaft genügen. Denn er ist in der That Kolo- nisator in der eigenen Heimat.

200

Gruber,

L32

in. Die Isar im Müncheuer Becken.

8. Charakter des Thalweges. Ailaviooen and Uferränder.

Die Isar trägt im Gebiete des Mflnchener Beckens den Charakter

des Bergstroms noch toU und uneingeHchräukt an sich. Während sie aber nach Sinlm p^egen die Loisachniündung hin von grossarti^en Ilochufern wild und enp; znsammengeschndrt wird, öffnet si< Ii ilir Thal jenseits Grosshesselohe zu breit entwickelten Terrassenstiifen, welche sich allmählich nach Norden zu abdachen und deren Ausläufer sich erst am Rande des Srdinger Moores und der Garchinger Heide Terlieren In der Physiognomie des Flussbettes zeigen sich indes kaum merkHehe AenderuDgen. Zwar nimmt demselben von der Maximiliansbrfli^e in München ab eine Korrektionslinie auf 10 km Entfernung seine im- sirliere Gestalt und macht gewaltsame Ausbrüche sowie ständige Lauf- Verschiebungen unmöglich. Kachdeni aber der Fluss die künstlicliou, 45 bis (30 m voneinander entfernten Ufersäume verlassen, rollen seine Wasser wieder in wirr yerschlungenen Netzen, aus denen heraus sich die Hauptader in bald ost- bald westwärts geschwungener Linie stärker markiert, nach Nordnordosten weiter. Die kiesige Einöde des Strom- bettes mit den uinvgehnä.ssig ausgebreiteten Flusspartieen erinnert an die weiten GerölllHger um Wolfratlishausen. Am Ausgang der Kor- rektion bei Ismanning lagern überhaupt die grössten Alluvionen während des ganzen Mittellaufs der Isar. Die innerhalb der regulierten Fluss- strecken konzentrierte Wasserkraft treibt nämlich hei faUendem Hoch- wasser die Geschiebefrachten durch, ohne Schotterbänke liegen zu lassen. Nachdem sich aber die Isar aufs neue in altgewohnter Weise zersplittert, gelangen diese in um so bedeutenderen Massen zur Ablagerung. Auf Grund sorgfältiijster , zu liydroterhnisclien Zwecken vorgenommener Autnalimen beatiniuilen wir die Grösse der am meisten ausgedehnten Alluvionen in der Nähe der Moor- und Heidelandschaften und fanden fOr den Sommer 1878 folgende Zahlen:

Kie«bank b i Flächeninhalt

m m na

Ismanning rechts .... 1200 2'n> 24

Ebing <M)0 l.M) 13,5

Kchertshof 400 125 5

, 000 200 12

Dümeck 650 200 13

000 150 9

Garching Unks 700 250 17,5

Erching 200 75 1,5

400 100 4^).

^) Näheres hiedi)*er sowie über die Mflnchener Temusenatofen in onaerer SrhiM-TimiT : \^c\> I-urtlml zwisclion (\<'v Lnisiu li- und Ainpereinmündung. Jahres- bericlit der Cieograpluhclieu liesellschuft iu München für 1Ö79 IbÖO, 6. 107 tf.

*) Die Rolkteine besitzen hier im Dnrchschnilii eine lAage von. 6 cm, bei 4 cm Breite nnd 2 Sem Dicke. Unter 210 derselben &nden wir nur 8 kryatallinische

33J Manchener Becken. 201

Vim diesen ruhelos bewegten, stetig Tom Fluss angenagten und verschobenen SchotteiflSchen nnterscfaeiden sich allerurts die Auen. Dieselben repräsentieren Terlandete Allnvionpii und erscheinen bald als Inseln rintrs vom Wasser umspült, bald als Halbinseln dem Uferrand angegliedert. Mit ihrem buschigen Gehölz ans Grauerlen. Weiden, Birken, Föhren und zwerghaftem Unterholz verleihen sie dem Fiuss- bette ein eigenartig wechselvolles Gepräge, besonders im Gegensatz zu den mit hellen EalkroUaiteinen fibergoesenen Teilen des Thalweges. Wir haben auehfttr sie in unserem Gebiete authentische G rössenangaben zu gewinnen Tersncht, welche in folgender Uebersicht wiedergegeben sind:

^ I^Dge Breite Fl&cheniiihalt

m m ha

Achering links 100 500 3

, rechts .... 300 300 9

Garching links 1500 400 60

Ebing 5000 600 300

Freieing rechts 2000 450 00

, links 1800 200 36.

Ueber den GesamtÜächeninhalt der dem Isarthale zugehörigen Gedungen fehlt jede direkte und zuverlfissige Messung. Es uess sich indes ans den Akten des Flnssbanamts Mfinchen ein Bild von der be-

ttPiehtlichen Ausdehnung jener Landstreifen gewinnen, welche dem Flusse durch Korrektionsbauten an einzelnen Stellen seines Mittellaufes abge- rungen wurden. Dieses erlaubt nun einesteils einen allgemeinen Schluss qnf die Grösse der bestämlig unter der Herrschaft der Isnr stt'henden, brach gelegenen Flächen, andernteils erhalten wir durch jene Aus- masse ein sicheres Verhftltnis von der Grösse des eigentlichen Ge- wiesers und der die Physiognomie seines Rinnsals in so wesentlichen Zfigen bestimmenden Geröllanhäufungen. Infolge der .Flneskorrcktion abwärts von der Maximiliansbriicke in München wurden am Ende (h s .Tahre.H 1883 zwischen Ober- und Unterföhring^ links der Isar auf 2,2 km Entfernung 60,100 ha, rechts derselben auf 4,1 km dagegen nur 28,960 ha Anlandimgen verzeichnet, da hier die auslaufenden Hochnfer den Elnss in unmittelbarer Nähe begleiten und eine grossere Ausdehnung seines Inundationsgebietes Terhindern. Es treffen somit auf 3,15 km mittlere Lauf länge im ganzen 95,000 ha einstweilen für die Forstkultur brauchbares Gebiet. Da aber die Korrektionsbreite hier 00 m ausmacht, so stellt sich das Verhältnis der Grösse der Wasserfläche zu jener der Anlanduugeu innerhalb der erwähnten Strecke wie 18,000 zu 95,060 ha oder rund wie 1 : 5. Somit war

und tertiäre BmchMtQcke; alle übrigen bestanden aus sehr verschiedenen nord- alpinen Kalken. Ueber die Bewegung der AHuvionen innerhalb der seit wenigen Jahren nicht mehr in gerader Lmie, Bondem in stark geschwongeaen Bogen weiter^ geführten Korrektion haben wir die inleres^ante Beobachtung zu verzeichnen, dass, entgegen den Studien Grebenaus am Rhein, sich hier die Kiesbänke Uber die konvese Seite des Fluasnftn wegbewegen und amwchlieealich in die ironkave in

liegen konirnfn.

Foncbtmgea zax dentaüivn L«ndeii> und VoUwkunde. L 4. 15

. ^ i.L^ l v Google

202

Gruber,

[84

die den Flius vor seiner Begnlierang in breitem Bogen nmrandende

kiesige Einöde fünfmal grösser als er selbst. Oberhalb Freising wurden bei Grüneck dem Isarbette auf 1,(3 km Entfernung beiderseits 29,440 ha Land weggenommen , so dass liei einer Korrektionsbreite von <)2,5 m die Gewässer unseres Flusses bei mittlerem Wasserstand nur den dritten Teil des ilaunies einnehmen, welcher ihrem Thalweg überhaupt auf der Karte zugewiesen wird. Dieaee Verhältnis gilt im Durchschnitt füt den gesamten Mittellauf; es Terrbgert sich in den unteren Thal- strecken um so mehr, je stärker mit Abnahme der Gerolle die ste- rilen , höchstens von einer leichten Grasnarbe bedeckten Kiesflächen hinter die Auen zurücktreten. Im allgemeinen jedoch nehmen die Gedungen nicht nur längs der Isar, sondern auch an allen aus den Alpen durch die Hochebene strömenden Flüssen so bedeutende Areale ein, dass wir dem Ausspruch W. Riehl'a zustimmen mfissen, wonadi fttr die Landwirtschaft in SiidViayem durch die Korrektion von Iiier, Lech, Isar und Inn allein mehr Itaum gewonnen werden könnte, als durch die sorgfältigste Austrocknung der gesamten Moore.

Der flache Saum, welcher die Isar abwärts von München bis zu ihrem Eintritt in die nördliche Hügellandschai't der bayerischen Hoch- ebene umrandet, erreidit in der Konrektionalinie 6, ausserhalb derselben dagegen höchstens 2 m Höhe Ihn deckt nicht das heitere, breite Grün dichter, mit Ahornen und Fichten vennisditer BuchenbestSnde, wie den hoi lianstrebenden Thaleinschnitt gegen das Gebirge hin; hier verrät ein einfacher, oft schmaler, allenthall)en bunt und schmucklos mit Strauchwerk durchsetzter Uferwald den mageren Unterginrnd. Und doch erfreut auch er an dieser Stelle, wo nur das leitende Ruder der Flösse mit schwachen Schlagen die Aber den nahen Moor- und Heide- wiesen brütende Stille unterbricht. Sparsam zerstreute, dunkel glänzende Altwasser zerteilen ihn, in der tiefen Ruhe des Schattens ein will- kommener Gegtiisatz zu den schnelldräugenden , lichtgrüuen Wellen. Vor Freising nimmt die Isar aufs neue ein künstlicher Kanal von 2480 m Länge und 70 m Breite auf. Nachdem sie ihn wieder verlassen, baut sich ein ungegliedertes, 12 15 m hohes, lehmig-sandiges Oe- hftnge an ihrer Westseite auf, wfthrend ihren östlichen Band auch ferner Moorebenen bis zur Volkmannsdorfer Au begleiten. Erst unter- halb Oberhummel vermag sich der Fluss gegen die Amper hin auszu- breiten, welche ihm in sumpfiger, von abgeschnittenen Nebenarmen stark durchfurchter Thalung zuströmt.

9. Wassertransport der Isar.

A. Aua den Pegeloikondeii.

Ehe wir uns der Berechnung des Wassertransportes der Isar zu- wenden, sind aus der Geschichte der hier in Betracht kommenden Pegel

*) Im Süden von München fanden wir luittels Kivellexnents die Uöhe des eigentlichen Steilufers bei SdiAftlam so 79» zwischen HOllrkigelkreiit und Palladk TO 48. bei Orosihenelolie su 89 ra.

35]

Das Müucheuer Becken.

203

sowie der Ablesung des Wasserstandes an denselben einige Tbatsacben zn berflbren, dnrcb welche die faktische Bedentang des auf diesem Wege erhaltenen Zahlenmaterials fttr Schlüsse auf die Wassermenge

und deren perioJisclie Schwankungen klargelegt wird.

Längs des gesamten Thalweges der Isar stehen in Mittenwald (2), Tölz, am Bnmnenbause oberhalb Grüiiwald, hei Grosshesselohe (selbst- registriereudj , Bogenhausen, Freising, Muusburg, Hofham, nahe dem Mazwdire in Landshnt, nnterlmlb desselben, zu Din^lfing, Landau und Plattiing in ihrer Lage amtlich genau bestimmte Wasser- messer. Die Aufschreibungen reichen an mehreren derselben bis in das erste Viertel dieses Jahrhunderts zurück. Ihr Wert erweist sich indes nach unserer Ueberzeugung, abgesehen von einigen langandauern- den Unterbrechungen, in früheren Jahren durchgehend als sehr appro- zimatir. Hierzu kommen Ungleichheiten bei Eiunivellierung der Knll- pankte mehrerer Pegel, welche sich nach notwendig gewordenen Umsetzungen herausstellten. Endlich beeinflusst die Art, wie die Isar ihre Alluvionen verfrachtet und regelmässig umlagert, sowie ihre innerhalb der regulierten Flussstrecken stellenweise unverhUltiilsmässig gesteigerte Erosionskraft wesentlich den Stand des Wasserspiegels. So steht der Pegel bei Freising am Ausgang einer Korrektion zur Sicherung der dortigen Rrttcke, ako an einem Punkte, wo be- deutende Eiesbanke ziur Ablagerung kommen. Diese stauen das Wasser um den Pegel her, und er zeigt deshalb in den letzten drei Jahrzehnten einen höheren Wasserstand als früher. In der Periode von 1826 51 hetnitr die Summe der höchsten Winterwasserstände hier 22,18 ra, zwischen 1852 und ISTli aber 35,62 m ; die mittlere Höhe derselben war in dem ersten Zeitraum 1,305, im «weiten 1,425 m. Von 1826—1851 ergab msk als die Summe der höchsten Sommer- wasserstände 39,26 m, von 1852 1876 hingegen 52,38 m ; die mittlere Höhe der höchsten Sommowasserstände betrug währond der ersten Periode 2,066 , in der anderen 2,095 m. Ferner ergaben die Auf- schreibungen am Freisinger Pegel eine grössere Wasserhölie als an demjenigen von Moosburg In Wahrheit aber ist das Verhältnis umgekehrt Es erklärt sich dieser Fall (wenn wir nicht, wozu kein Grund Torhanden ist, annehmen wollen, dass die Nullpunkte der in Vergleich gesetzten Wasserstandsmesser nicht korrespondieren) dahin, das* ilie lokale Erosion um den erstgenannten Pegel weniger rasch fortst hn itet als am letzteren, was abermals auf die Situation beider zurückgeführt werden nuiss.

Die einschneidendsten Aenderungen in der Höhenlage des Wasser- spiegels aber ergaben sich am Pegel zu Bogenhausen. Er liegt lieute 1500 m unterhalb des Anfanges der EorreUionslinie und 8500 m vor dem Ende derselben. Die Flussregulierung wurde 1849 mit einer "Noriiiulbreite von 72.96 m für Mittelwasser begonnen; 185S erachtete man dieselbe als zu gross und engte den Fluss auf 43,78 m ein. Was

*) Der amtlich festgesetzte Mittclwaaserstand lieträc^t filr Freising + 1,17, für Hoosliurg -f 0,66 m. Zwischen beiden Orten sind der Isar eine Anzahl von Moor- bftcfaen, D«N»dert die Doxfen, tributftr.

204

Gruber,

[30

jenem dadurch an Breite verloren ging, ersetzte er sich durch rasche Vertiefung, so dass nach den neuesten Berechnungen die Sohle des Flusses seitdem um beinahe 5 m niedriger zu liegen kommt. Die Senkung des Wasserspiegels hat man mit Bezug auf die Zeiträume von 1820—1851 und 1851— 187Ü

fOr Hochwasser auf 0,647 m,

, Mittelwasser , 1,067 ,

, Nieder Wasser » 1,115 ,

im Durchschnitt berechnet.

B. Periodiiohe SehwaokaBgeD dea WaMeratandea.

Zwei Momente sind es besonders, welche sich aus den langen Reihen der Pegelbeobachtungen und graphischen Darstelhmgen über die Wasserstäniit» der Isar an den verschiedensten Punkten ihres Laufes scharf markiert abheben: ein Beharrungsätand für Niederwasser im Dezember, Jannar nnd Febmar, der aber aehr hfinfig auch in den NoTember nnd MSrz hinftbergreift, nnd sodann eine Periode hohen Wasserstandes während des Mai und Juni^). Diese Erscheinungen hängen streng mit den ntmosphilrisrhen Vorgängen in den Quell- und Zuflussgebieten zusamimii. Im Spätherbst und Winter, wo sich die Niederschläge als Schnee auf den Bergen sammeln, muss die Isar samt den ihr zufliessenden Gewässern meist klein und unansehnlich zu Thal; wenn aber im Hai dieser stabil gewesene mächtige Wasserrorrat In den grossen Kreislauf gezogen wird, wird die in der kalten Jahres- zeit versäumte Abfuhr in wenigen Wochen nachgeholt. W^ährend des Sommers imd Herbstes erfolgen anf jenen gewaltigen Wasser- transport uuregeimässig und vereinzelt auitretende, nichtsdestoweniger aber häufig sehr bedeutende Hochwasserstände nach heftigen Ge- wittern nnd andanemden B«gengüssen, welche indes gewöhnlich rasch wieder sinken Daher zeichnet sich auch das Sommerhalbjahr durch ein fortwährendes Aufwallen und Zurücksinken der Isar, durch eine oharakteri.stische Bewegung in den Pegelständcn aus. wobei natürlich nicht zu übersehen ist, dass in den meist trockenen Monaten des Nacli- sommers und })eginnenden Herbstes (August, September, Anfang Oktober) eine fast konstante Wasserhöhe oft während einiger Wochen anfhritt. Umgekehrt hat die lange Niederwasserperiode ebenfalls ihre Unterbrechungen, welche entweder auf grössere Niederschll^e oder par- tielle, durch föhnartige Winde Ternrsachte Schneeschmelze znrfickffihren.

') Beide kongruieren mit der Verteil mig der Niederschläge überhaupt, welche nach den Angaben v. Bezolds (Das Klima von Oberbayem. zweiter Artikel der Denkschrift: ,Die Landwirtschaft im Regierungsbezirk Oliorliaycrn", 25 44. München 1885) in München für den Dezember 'M . Januar liü, März 46, dagegen für den Mai 92 und für den Juni 118 mm betragen.

-) Da.«» grösste bis heute lipobachtcte Hochwasser fantl nach einem andanemden Gewitterregen am 2. August 1851 statt; dai«alö zeigte der Bogenbauser Pe^ei 4,80 m Ober Null. Auch im Juli dieses Jähret aidiwoU die Isar bi> so dem nngewOoii- lieh hohen Stand von -|- 0,62 m bei Mttnchen bd.

37]

Das Mttnchener Becken.

205

Sie kommen in den verschiedeusteu Winternionateii zur Beobachtung, «ind aber im allgememen weniger auMlend.

Um ermüdende Zahlenreih en SU Yermeiden, haben wir in der

nachstehenden Uebersicht die mittleren Höhen der höchsten Sommer-

nnd Winterwasserstihule zwischen Mittenwald und Freising, sowie ihr Verhältnis zum amtlich festgesetzten Mittelwasserstand nach Perioden zusammengelasst, da hierdurch der Gang der Wasserführung der Isar iu grossen allgemeinen Zügen mit am deutlichsten gekennzeichnet wird.

Pegel so

AmUlch

ter Mittel- wassorstuid

Mlttlpr»' Hühv cler hürlmscn Wluter-

1

INItttliTO Höhe der höchs'en Sommer- waoserstinde

Differenz der iiiilt-

ler«»n Hübeu der höchiiten Sommer- u. WlnterwMser- 1 ttinte

1825,50

1851/76

1825/50

i 1851/76

1825/50

1851/76

Mitten wald (Pe- gel a.d. Mühl- brücke) . . .

+ 0,39

m

0,002

m

0,504

m 0,948

m

1,020

m

0,346

m

0,510

Tölz

+ 0,44

1829/50

1,295

1851/7G 1,032

1829/50 1,892

1851/70 1,534

182950 0,597

1851/76 0,502

Orflnwald . . .

+ 0,87

1852/76 1,465

1852/76 1,980

1852,76 0,515

Freising ....

+ 1,17 1

182Ö51 1,305

1852/76 1,425

1R2G/51 2,000

I852rrt3

2, im i

1826/51 0,761

1852 76 0,700

Was die niedricrsten. mittleren und höchsten Jahreswasserstände im Ober- und Mittelhuif des Flusses anlan^rt, so ergaben sich dieselben in dem Vierteljalirhundert von 1851 1870

für Mitteuwald zu . . . ?0,151; 0,473 u. 0,900m. , Tök , . . ?— 0,015; 0,413 , 1,021 ,

. GrOowald «... 0,115; 0,667 , 2,056 , , Freising , . . . 0,119; 0,671 , 2,170 ,

C. Zunahme der WaaserhOhen BwiaoheD einielnen Pegelorten.

Eine wissenschaftlich genügende Bestimmung der Zunahme des Wasserstandes zwischen den verMhiedenen Pegelorten unseres Gebietes

M Ks ist kaum notig, an dieser Stolle auf dfii -ein- relativon Wert (1*m- aperiodischen Wasserhöhen" hinzuweiaen , sofern diese btreng nach dem Kalender geniexHene Monat«- oder Qaartahnitte darstellen. Tlrftgt sich ersterer doch selbst aiit eine Berechnuiij,' il*'r mittleren Wasserstilndo für this Jahr über. Pifsp Zahlen können nach der ganzen Art, wie ein Floss seine Wassenuengen verfrachtet,^ ge- wöhnlich nicht als die richtige Signatar der WaeserliShe in der Zeit erodieinen, für welche sie gelten sollen. Daher m Ii lug auch schon Grebenau vor. statt nach mathematisch genau fixierten Zeiträumen zu gehen, einen absolut höchsten und afaaoliit niedrigsten, einen arithmetiflch mittleren Waasercrtand, einen durchschnitt- lich höchsten Wasserstund nach der ITiuiptjahrepzt it . einon WasseiNtand für die V^^etationsmonate (letzterer schwankt im wesentlichen um den Sommerwasserstandj. sowie endUdi einen BehairangswassentaDd ansufthren.

206

Gruber,

138

kann selbstredend ma auf Grand der Resultate langjähriger Beobach- tungen geschehen, deren genereller Charakter ephemere Säwankungen

und TJnsicherheiten verwischt. Nach den Aufschreibungen zwischen 1851 und 1870 gestaltet sich das Verhältnis der Steigerung der Wasser- höhen von Tölz bis Freising folgeudermassen :

a) für Hochwasser wie . . 10,21 : 20,56 : 21,70,

allgemein wie . . . 16 : 21 : 22,

b) für Mittelwasser wie . . 41,3 : 60,7 : 67,1,

aUgemein wie . . . 41 : 67 : 67,

c) fttr Niederwasser wie . . 5,1 : 11,5 : 11,9,

allgemein wie ... 5 : 12 : 12.

Die Zunahme ist nicht fOr die Mittel aller Wasserstände eine gleiche; femer spielt dieselbe im Grunde nur zwischen Tölz und Grünwald. Sie wird auf dieser Strecke fast ansschliesslich durch dio Einmündung der Loisach verursacht. Von ürüHwald bis Freising ändert sich das Ver- hältnis wenig, da der Isar auf dieser Strecke kein wesentlicher ZuHuss tributär ist. Ninunt man die MittelwaaserstSnde zum Ausgangspunkt einer Berechnung, so hetrftgt die Steigerung swischen den beaMidmeten Punkten allgemein 2:3; für Hochwasser ist sie 4:5, für Xieder- wasser 1 : 2. Ans diesen Ziffern ergibt sich, dass der Einfluss der Loisach auf die Hochwasserstände ungleich geringer ist als auf Mittel- und Niederwasser. Es lässt sich veran^rblagen, dass sie durchschnitt- lich bis zum Wasserquantum des liuuptflusses liefert.

Versucht man die gleiche Rechnung f&c dieselbe Zeit und die nämlichen Orte auch auf Sommer- und WintCTwasBerstiüide anzuwendeni so erhUt man die nachstehende Uebersicht:

Tölz Cninwald Freising Wiiiterwasserstand :

12,95 : U,65 : 20,66, allgemein 18 : 15 : 21;

Somnierwasserstand : 10,32 : 19,80 : 20,95, allgemein 10 : 20 : 21.

An den so wesentlirh verschiedenen Wasserständen bei Tölz und Grünwald ist sofort wieder die starke Wirkung der Loisach in der regenreicheren Zeit zu erkennen. Während des Winters bedingen die auf der Ebene mehr denn in den Bergen bewegten Niederschlage den

grösseren Untersdtiied zwischen den Pegelhöhen zu Grtinwald und

Freising. Im Sommer, der Zeit des mittleren und hohen Wasserstandes, sehen wir das Verhältnis '^ich ungofVihr zu r>:10:ll umändern, und damit nähert es sich wieder den aus den mittleren Jabresständen be- rechneten Angaben.

D. Berechnung des Wassertransportes.

Die Au&eidbnuneen der Wasserhöhen unserer Isar in den Pegel- urkunden sind zuglei<m als Basis fttr die Berechnung ihres Wasser- transportes Ton einschneidender Bedeutung. Bekanntlich steht die ab-

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39]

Das Müiichener Becken.

207

geführte Wassermasse im geometriBehen VerhältniB zum Pegelstand und liisst sich aus letzterem mit Hilfe von Messungen über Geschwindig- keit und Querprofilsfl'ache des Wassers genau bestimmen. Zur Be- rechnung der Abflussmeugen in längeren Perioden bedarf es vorerst der sicheren Feststellung des Mittelwasserstandes während der fraglichen Zeiträume, sodami aber der sorgfältigen Bestimmnng des Wasser- transportes bei jenem.

Unter den wenigen befriedigenden Messungen der Wasserabfahr in südbajerischen Flüssen stehen diejenigen, welche Herr Bauamtsassessor Bücking 1878 an der Isar bei Oberf(>hring ausführte, mit in vorderster Linie. JDen uns zur Verfügung gestellten Akten entnehmen wir, oline das Yerfidiren der Messung hier berücksichtigen zu kdnnen, nach- folgende Zahlen:

Für das Winterrierteljahr (Januar bis März) ergaben sich als Mittel aller Ablesungen am Wassermesser zu Bogenhausen 2,33 m. Da bei diesem Pegelstande t)4 chm in der Sekunde abtliessen, so wurde der Wassertransport für die Ol TnuM' des ersten i^iartals 1878 zu 497 6(54 OUU cbui augenommeu. Im Frühlingsvierteljahr zeigten die Wasserslinde eine durehschnittlicbe Höhe von —1,07 m. Auf diese Ablesung treffen 196 cbm Abfuhr f&r die Sekunde , somit f{lr den ganzen Zeitraum 1541 030 400 cbm. Das Sommervierteljahr hatte einen mittleren Wasserstand von 1,39 m; dieser bestimmt in dor Sekunde eine Abflussmenge von 147 cbm, in 92 Tagen also eine solche von 1227273000 cbm. Während des Herbstvierteljahres endlich war der durchschnittliche Pegektand 2,34 m; in der Sekunde passierten, wie im Winter, 64 cbm Wasser, im Quartal 584323200 cbm. Die Oe- samtsumme der AbfluBsmenge im bezeichneten Jahre muss somit zu 3800291200 cbm veranschlagt werden. Dabei fehlten der Isar aber an der Messstelle noch die im Schwabingerbach konzentrierten Stadtbäche. Jener zeigt eine ziemlich konstante Wassermniigc von 1 1 cbm pro Se- kunde und liefert demnach jährlich 340 8Ü0 000 cbm ; diese zur vorhin euMcketten Gesamtsumme gezSbli, erlilUi man für Mflnchen räne Ab* flussmenge tou 4147187200 oder rund 4150 Millionen Kubikmeter').

Unsere Zusammenstellung lehrt, dass die Isar nicht weniger als drei Viertel ihrer jährlichen Fracht an Wasser im Frühling und Sommer (April bis Oktober) und nur ein Viertel während des Herbstes und

') At> Quellziiflüssen erhiilt dio Tsar in unserem Oohietp niif ilirtT rechten Seite 420, aul' ihrer linken (500 Sekundt-nUter. Von «Tstercn »'nt l.ilh'ii allein auf den 6 km langen Atuläufer d«« Hochufers zwischen Högenhausen un<l ( )l»'riühring 280, von letzteren auf die 10 km lange Strecke Höllriegelkreut-Thalkirchcn inehr als ti'JU •'^ekundeuliier. Zum Vergleich sei angeführt, dass der Inn 1878— löTy bei Reiitach. 11,5km unter Kufstein, nach den im ersten Teil der ^Hydrologischen Untersuchungen an den öffentlichen Flössen Bayerns* mitgeteilten Messungen 11 842,02 Mill. cbm Wasser abführte, demnach fast dreimal so viel als die Isar bei Mflnchen. Allerdings betrftgt sein Flossgebiet mit der Salzach auch 26 045qkm, wovon bis zum Reisacher E'egel 9635,8 <ikm entfallen, während das ganze (lebiet de« Isar^tems 9039, das des Lech samt Wertach 4328, der liier 2227 qkm aus- macht Die WasMnnenge der Denan fiuid man für I^edorwaMer bei DonanvOrUi zu 123,7 und 12.'. 1. bei Nenbnrg zu i?T^.4. bei Ingolstadt zu ,329.3: am Lech bd Kaofering zu 40,5U und 170, bei Schwabstadel zu 71,ö äek.-Kubikmeter.

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208

Grttb«r,

[40

Winters ablührt. In ihr kommt der Typus jener Flü.sse klar aus- geprägt zur Erscheinung, welche einen grossen Teil ihres Wassers durch Regen erhalten, deren bedentondstes Hochwasser aber infolge der Schneeschmelze entsteht 0- Gleichen Charakter tragen alle den Alpra nach Korden entströmenden Gewässer, und eben er bezeugt wie wenig andere ihrer Merkmale die Abhängigkeit derselben Tom Uoch- gebir<^e in anschaulichster Weise.

Da frühere Messungen des Wassertransports der Isar zum Vergleich fdiloi die Pegelbeobachtuugen in unserem Qebiete aber nicht ohne weiteres als Grundlage für Scblfisse vom Wasserstand anf das Wasser- qnantiini dienen können, welche längere Zeiträume in Betracht ziehen, so müssen wir für jetzt wenigstens noch die interessante Frage olFen lassen, ob eine allgemeine Zunahme oder Reduktion der in der Isar gesammelten Wassermassen innerhalb der jüngsten Dezennien stattfand. Auch .theoretische Berechnungen" über die Mengen der in diesem Gebiete wirklich zum Abfluss gelangenden Niederschlage kOnnen hier nicht zum Yergleich herangezogen werden. Mit Sicherheit I2sst sich dagegen erweisen, dass der Wert des für ein vereinzeltes Jahr fest- gestellten Diirchflnssquantiims von höchst iflutiver Natur ist. Sind doch einem Jahre mehr Hoch-, einem anderen nielir Nieder- oder Mittelwasserstände eigen; in ersterem wird die Abiuhr grössere Dimen- sionen erreichen als im letzteren. Solche Zuckimgen der zu Thal ge- brachten Wasserqnantitftten liegen in der Natinr der hydrographi- schen Elemente. Hinsichtlich der von uns erwähnten 1878 aus- geführten Messungen muss daher bemerkt werden , dass dieses Jahr mit Bezunr anf die Wasserstände einem mittleren Diirchschnittsjahr nahe- kam. Leider ist es ferner unmönrlfch, ein Verhältnis der an verschiedenen Punkten des Thalweges der Isar zum Durchfluss gelangenden Mengen selbst nur für Mittel- oder Niederwasser zu konstmieren, weil eben jede andere Messung bis zur Stunde mangelt. Es bestätigt sich daher auch nach dieser Richtung hin die Wahrheit der Behauptimg, dass wir that- sächlich erst am Anfang der -\rbeiten /n einer Hydrologie Südbayems stehen und dass keine andere Erscheinung des Alpenvorlandes mehr der Erforschung bedarf als das fliessende Wasser, welches der gesamten Physio- gnomie jenes Gebietes so eigenartige und bedeutungsvolle Züge aufprägt.

10. Gefälle, Geschwindigkeit^ Breite und Tlefe^ sowie ihre Abhiagigkeit Tom Wasserstaiide.

Tn strengem Zusammenhange mit den WasserständHii nnd fort- während durch sie moditiziert stehen Gelalle, Geschwindigkeit, Breite

'j A. WoeYkof: Flüsse und Laiulseeu als Produkte dos Klimas. Zcit^chr. der Gesellach. f. Erdkunde zu Berlin. 20. Bd.. 2. Heft. S. 92.

Nur f'ine Angabe, welcher aber kein allzu fjrosser Wert beizulegen ist, er- hielten wir noch vom Assistenten de« Münchener FluHsltauanit« Hoehholzer. Er bestimmte den Abfluss willireufl eines Hochwassers nahe der Grosshesseloher Brücke 7,u 54 00(» Kiil>ikfu8S pro Sekuii l' : »'in and-rer faml ihn wleichzi'if i>: zu (iO 000 Kubik- luss. Nach der gewöhnlichen Annuhm« lührt die obere Isai- zwischen 30 und 1000, die untere svischen 60 und 1200, ein Hocbwaseer ungefiUiT 700 Sek.>Kalnkmetar ab.

Daa Mtbieliener Becken.

209

und Tiefe eines Flusses. Das Gefälle der Isar ward bereits durch Riedl 0 ^Tiiit Inbejjjriff der Erdstrahlenbrechuntr auf den wahren Gesichtskreis pebraclit." Später bestimmte Herr Oberbergdirektor Dr. von Gürabel -) dasselbe und zwar, wie Riedl, für das ganze Langenprofil. In neuester Zeit endlich suchte das Flussbauamt zu Mfinehen auf Grund tod NiTellements mOglichBt sichere Angaben nach dieser Richtoag hin zu gewinnen, und wir verzeiclinen im folgenden die für ganx Terachiedene Stollen erhaltenen Beeultato.

Strecke

Länge derselben m

Absolutes Gefälle m

Relatives Gefille im Meter

Von Mittenwald bis zur Husei-

Von München bis Freising . , Zwischen Freisiug n. Tuching

3000 84 280

700

660

17,700 62,732 0,809 0,591

0,00592 0,00183 0,00115 0,000909.

Rauscht die Isar bei Mittenwald mit dem echten Gefälle eines Berghaches, 1 : 200, dahin, so fliesst sie unterhalb Mfinehen nur mehr mit einem solchen von 1 : 500, um es bis Moosburg gar auf 1 : 600,

an dt r Mündung auf 1 : 1500 zu Terringern. Die dem Lauf des Flusses vom Gebirt:»' lipr dnreb die Vorbor^e ziirEliene entsprecliende Verringe- rung des Gefälles wird indes durcli die Beweglichkeit der Alluvionen und die Höhe des Pegelstandes fortwiilirend beeinflusst. Gelegentlich der Wassermessungen bei Oberföhriug schwankte dasselbe z. B. zwischen 0,00125 und 0,00184 m.

lieber die Geschwindigkeit der Isar erhielten wir^ für die Linie Tdlz Moosburg nachstohende Exgebniuse:

Länge

Absolute Ge-

Relative Ge-

Strecke

in

8ch windigkeit

schwindigkeit

km

m

im Meter

38,25

101,440

0,00205

GrOnwald-Mflnchen (stein. Brflcke)

14

29,587

0,00211

Mtlnehen-Bogenhausen ....

2,50

8,795

0,00252

31,50

58,480

0,00192

18

28,245

0,00157.

Auch in dieser Zusammenstellung soll nur ein durchschnitt- liches YerhiUtnis skizziert sein, da f&r die Isar nachgewiesen werden kann, wie sehr die Geschwindigkeit gleich dem Ge&lle je nach dem

') Biedl. Adrian von: Stromatlas von Bayern. Text hierzu. Mün- chen 1^. 8. 120.

*) Gfimbel. Dr. C.W. : Gcoprnostische Beschreibung des bayenachen Alpen« gebirges und seineo Vorlandes. Gotha S. 36.

210

Graber,

[42

Pegelstande variiert. Während in der Nähe Oberföhrings z. B. am 14. Januar 1879 die absolute Geschwindigkeit 1,185 betrup^ . ^var sie bei Mittelwasser im Oktober 1878 1,449 und 1,884, bei Hochwasser am 4. September aber 2,111. BekanntUdi Indert dch die Geeehwindig- keit selbst ümerhalb eines und desBelben Profils infolge der Reibung des Wjissers an den Rändern und der Sohle des Bettes in ansehn- lichem Grade. Die Untersuchungen, welche in der Korrektionslinie nördlich von München angestellt wurden und aus denen wir in nach- stehender Tabelle die instruktivsten Einzelheiten darstellen, lehren, dass sich erstens die mittlere Geschwindigkeit im ganzen Profil des Flusses, wie auch die mittlere Oberfl&ehen- und mittlere Sohlengeschwindigkeit bei Hochwasser noch einmal so hoch stellt als bei Nieder wasser, und dass zweitens die mittlere Sohlengeschwindigkeit hinter der mittleren Geschwindigkeit im ganzen Profil ungefähr um das Doppelte zurückbleibt.

Geschiriiidiglceitanesmiigen bd Ober- fithrisg im Jahre 1878

1.

2.

3.

4.

Messung

Nieder^ wasser m

Mittelwasser m

Hodi-

w aaser m

1. Mittlere Geschwindigkeit im ganzen Profil . . .

2. GrOsste Geschwindigkeit im

3. Mittlere Oberflächengeschwin-

4. Grosste Oberflächengeschwin-

5. Mittlere Sohlengeschwindigkeit

6. Mittlere Tiefe

1,19

1,67

1,37

1,63 0,60 0,89

1,45

2,02

1,69

2,00 0,98 1»17

1,88

2,43

2,21

2,43 1,12 1,70

2,11 2,70

2,50

2,67 1,22 2,29.

Die Unbeständigkeit des Fhissliettes der Isar, seine Abhängig- keit von den Hochwasserfluteu und die durch letztere verursachten häufigen Umlegungen desselben Terleihen den Angaben Aber Breite und Tiefe keine Sicherheit. Jene haben vielmehr ansserhalb der regulierten Strecken stets nur die Bedeutung von Sch&tznngen und bezeichnen keinesfalls dauernde, sondern stets nur Torübergehende Werte. Was das Anwachsen des Flusses vom Gebirge her anlantrt, so bieten uns hierfür die Korrektionenbreiten einige Anhaltspunkte, wobei aber zu erwähnen ist, dass die Entfernung der künstlichen Ufer- r&nder nicht immer dem durchschnittlichen Wassertransport der Isar entsprechend geführt ward. Sie beträgt bei Mittenwald 25 ni, München 40 00 m , bei Freising 70 m ; für Moosburg ist dieselbe zu 75 ra berechnet. An allen anderen Stellen aber, wo das Wasser sich frei über die Sohle des Thaies ergiessen kann, nimmt es auf Kosten der Tiefe und Konzentration einen viel breiteren Raum ein, den es wiDkflrlich und lannisch bald hier, bald dort anschneidet Im

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Das Müucheuer Becken.

211

Gebiete des Münchener Beckens siebt man den Fluss ansserbalb seiner

Hochufer nie in einer einzigen A»l< r voUgesamraelt. Hüiifi«,^ strömt er 80 90 m breit und dann durchschnittlich 2 m tief nach Norden weiter, umschlnngen von mehreren, wenn auch unscheinbaren Neben- armen. Oettcr zerteilt er sich vollständig in 2 oder 3 Kinnen von wenig verschiedener Grösse; dann scheinen die Gewässer bei niedrigem Stand zwischen den GerOUflichen sn Terschwinden, in weiche sie sich 1 1,5 m tief eingraben. Um so kiWger kommen sie dagegen wäh- rend der Frühlings* und Sommerhochwasser zur Geltung; eine michtig hinfliitende Wassermasse überströmt jetzt nicht sowolil die weit aus- gebreitete Thalsohle, sondern tritt häutig über dieselbe hinaus, bis zu 2 m die Ränder der Steil ni er tnipor oder über den sie begleitenden Saumwald weg gegen Moor und Heide hin.

Die Tiefe der Isar berechnet sich bei Mittenwald im Durchschnitt zu 0,7, bei Töla sn 1,2, bei München zu weniges über 2 m. Die Annahme Grebenaus, dass die Breite des Flusses seine Tiefe um das 20 25 fache übertrefTe, mag für die reguherten Strecken im allge- meinen Geltung haben. Wissenschaftlicher Wert aber wird ihr um so weniger zugesprochen werden können, als das hier angezogene Yerhältnis wiederum durchaus vom Wasserstand abhängig, mithin sehr unstet erscheint. Es liegen uns Beobachtungen Tor, die klar bezeugen, in welchem Grade innerhalb der Münchener Korrektionslinie beim An- steigen des Wassers die Breite hinter der Tiefe zurückbleibt. Wir fanden dieselben interessant rrenug, um sie hier mitzuteilen, obsclion natür- lich zugegeben werden muss, dass sie nur für eine Stelle Geltung besitzen, an welcher sich der Fluss nicht frei entfalten kann.

Zeit der Messiuig

Stand des Bosenhaoser Pegeb

AbfluBs-

men^e pro Sekumle cbm

Verhältnis der Breite mir Tiefe

2,77

89

39,4

23. Oktober 1878

- 2,81

64

30,8

28. August 1878

1,64

122

21.1

209

16,8.

lt. Die Gewässer in den Müuchener Mooren. Yergleich Ihrer « chemlBclien BesehtlTtiiheit und Tempmtnr mit jener der Isar.

Die Wasseradern, welche den Thalflächenmooren nfirdlich von München zugehören und in die Einförmigkeit ihrer Landschaft allent- halben frische, angenehm lebenditje Züge bringen, tragen nach ihrer Entstehung und ihrem Ger^anitcharakter wesentlich andere Merkmale, als wir sie eben am nahegelegenen Hanptfluss fenden.

Sie spannen sich gleich einem engmaschigen Netz fiber die Moor- ebenen hin und umsäumen die braungrünen Naturwiesen wie mit schmalen SUberbändem. Im Gebiete des Erdinger Moores lassen dieselben fünf

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212

Graber,

[44

kl' inore Systeme erkennen: das des Seebach, Schörgenbach, der Goldach, Dorten und iSempt; dem Dachaii-Schleissheimer Moor gehören vor allem Gröben- uud Kaltenbach sowie die Mosach an. So gross nun auch die Zahl jener Gruudwasaerergfisse ist, in ihrer auffallenden Entwicke- luiig spricht sich allenthalben die Gldohartigkeit Ihres Wesens ans. Meist entquellen sie ani Kande oder inmitten des Moores in ansehnlicher ( trösse. Ihren Verlauf kennzeichnet ein steter Wechsel der Breite des Bettes, das hier auf l 2 m verengt \m<] nicht ferne davon zu S *> m ausgezogen erscheint. Einige derselben, wie Seebach und Goldnch. schwinden eine längere Strecke vor ihrer Einmündung sichtlich zusammen, andere wurden mit klinsUich ^ezogenenEanSlen in Verbindung gesetst and erzeugen hierdurch eine Reihe Ton Bifurkationen. Das Bett der Moor- bUche ist durchaus regelmässig angelegt : sie haben steile aber niedrige Uferränder, welche die nach anhaltenden Niedersclilägen meist ein- tretenden Ueberschwemmungen in lioliem (rrade begünstigen. Die durch- schnittliche Tiefe derselben schwankt bei dem ziemlich gleichbleibenden Staude, wie er vom Juli bis September gewöhnlich beobachtet wird, zwischen 0,30 und 1,20m. Lichtbraun, klar und durchdehtig ist die Farbe ihres Wassers; ihm gleichen die von Kalkniedmchl^fen und Algen dunkel gefärbten Gerölle ihrer Sohle.

Die Herkunft der Moorhäche vom Grnndwasserstrom der Hoch- ebene, über dessen allgemeine Neigung gegen Nordnordosten wir auf Seite [lÜ] 184 einige Angaben mitteilten, sowie der beträchtliche Abfall der Sohle des unteren Hflnchener Beckens yerleiheu denselben ein an- sehnliches Qefäll. Schon y. Riedl bezeichnet letzteres «approzimatiT als gross"; wir haben es im allgemeinen zu 0,0012 0,0018 relatiy yer- anschlagt.

Ueber den Wassertransport dieser Gewässer fehlen mit wenigen vereinzelten Ausnahmen grüudhche Messungen. Es ist dies um so mehr zu beklagen , als von letzteren aus ein zuverlässigerer Schluss auf die Qesamtgrösse der «unterirdischen StrOmung" versucht werden kffnnte, wie ihn theoretische Betrachtungen zulassen. Thiem berech- nete die Wassermenge des Seebachs bei Aschheim im Juni 1870 y.u 0,70, einige Kilometer nördlicher an der Hinterniiilile zu 1,27 cbm für die Sekunde. Wir selbst fanden mittels Schwimmer die Quantität der Dorleu in den Moorwiesen westlich von Niederneiching bei Mittel- wasser zu 2,0, 1880 bei Hochwasser zu 2,9 cbm in der Sekunde. 2 km nOrdlich yom Dachau-Schleissheimer Kanal führte der Kalten- graben anfangs Mai dieses Jahres 0,*>. der weiter im Osten fliessende kräftigere Wasserfaden dagegen 1,3 cbm ab. Diesen Angaben lässt sich im allgemeinen noch beifügen, dass die Wasserstände der Moorbäche während des Jalires nur relativ geringen Schwankungen unterliegen (im Maximum kaum 1 m); durchschnittlich kommt die Mehrzahl dem Seebach bei Aschheim gleich.

Was endlich die äemische Zusammensetzung der Grundwasser- ergfisse in den Mooren um Mönchen anlangt, so ergaben die Analysen wesentliche Unterschiede zwischen ihnen luid den südlicher gelegenen Quellen. Infolge der seichten Schotterüberlagerung gelangt die unter- irdische Strömung mit den obersten Bodenschichten allenthalben in

45]

DaH Münchener Becken.

213

Berflhning. Diese werden, um ihre agrikuItnreUe Ausnützung möglich sn machen, einer inienriTen Veninreinigung ausgesetzt, welche sich aoeh auf das Grundwasser überträgt. Dasselbe besitzt deshalb hier einen hohen Gehalt von Chlor und Sjilpetersänre , der ihm sonst in viel geringerem Majisse zukommt. So fand man den Rückstand eines (Grundwassers des Dachau-Schleissheimer Moores (bei Mosach) za 300 mg im Liter; darunter waren 10,G Chlor, 78 Salpetersäure, 119,8 Kalk, 1,40 EohlenaSure. QneDwasser ans dem sfldlichsten Teile der Erdinger Moorlandschafb ergal) 270 mg Rückstand und zwar 5,0 Chlor, 31,3 Salpetersäure, 96,5 Kalk, 1,45 Kohlensäure. Auch die bis an 30 m hoch überlagerten Grundwasserergüsse in der Nähe Gross- hesselohes hatten einen Rückstand von 270 mg: unter diesen war Chlor aber nur mit 2,8, Salpeter mit 4,0, Kalk hingegen wiederum mit 86,8, Kohlensänre mit 1,55 mg Tertreten. Fflr «hw Wasser der Isar fimden Br. Bmnner und Dr. Emmerich, welche eine Torfareffliche Abhandlung über die chemische Beschaffenheit desselben verOffent- lirhtpn oberhalb Münchens folgende Zahlen, die sich anf Messungen im Februar und April 1875 beziehen: Abdampfuugsrückstand 0,2195 und 0,2103: Lösungsrückstand 0,0745 und 0,0716; Kalkgehalt 0.0809 und 0,0t)9ö; Chlor 0,0014 und 0,0011; Salpetersäure 0,0005 und 0,0001; Kohlensänre 0,0820 nnd 0,0590 ; organische Substanzen 0,0194 und 0,0265 ; SQspendierte Teile 0,0027 nnd 0,0280. Bei Garching, 12 km unter Mün- chen geschöpftes Isarwasser ergab: Abdampfungsrückstand 0,2220 und 2,010; Lösungsrückstand < 1,0760 und 0,0670: Kalkgehalt 0,0801) und 0.071:.; Kohlensäure 0,0820 und 0,0740: Chlor 0,0014 und 0,0013; Salpetersäure 0,0005 und 0,0U01; organische Substanzen 0,0253 und 0,0398; suspendierte Teile 0,0044 nnd 0,0382 g im Liter. In diesen An- gaben Üegt der kraftigste Beweis dafSr, dass das Isarwasser wShrend des Durchflusses durch München weder bezüglich seines Kalkgehaltes noch in Hinsicht auf die gelösten und suspendierten Stoffe überhaupt wesent- liche Veränderungen erleidet. In einer Probe, welche unterhalb Gar- ching hei Hochwasser genommen worden war, konnte ein Unterschied gegenüber dem Isarwasser oberhalb der Stadt überhaupt nicht nach- gewiesen werden. Die Zunahme der Rückstände Ton Tölz bis Plattling betrug 29,7 und 38 mg. Parallel mit der Vermehrung oder Verminderung der läckstandsmeoge gehen die Schwankungen des Kalkgehalts, dessen Menge auch zum regelstand in umcrf'knhTt proportionalem Verlililfnis steht. Der höchste Kalkgehalt (85,5 mg) fand sieh bei selir niedrigem, der geringste (55,5 mg pro Liter) bei sehr hohem Wasserstand.

Ko<m bedeutendere Unterschiede als nach ihrer chemischen Kon- sfcitntioii zeigen Isar- nnd Grundwasser in den TemperatnnrerhSltnissen. Letssterem ist im allgemeinen die mittlere Jahrestein}»erati]r Münchens eigen (7,50" C); seine Wärme spielt zwischen 7 und 11 " und unterliegt um so grös«=ercn Schwankungen, je seichter die Schotterdecke über ihm ist. Die Temperatur des Isarwassers dagegen bewegt sich von 1 20" C. Sein Minimum tüilt, wie vorauszusehen, meist mit demjenigen der

*) ZeitMhr. f. Biologie^ Jahrg. 1878, S. 199 ff.

214

Uruber, Das Müncheuer Becken.

[46

Luft zusammen, mid zwar in den Dezember nnd Jannar; das Mazimmn gehört dem Juli an. Konsfauite Tttnperatmrai sind meist nur während eini<rer Wochen dea Spfttoommers, dann aber auch vereinzelt im Verlauf

der lanf^en Niederwasserperiode, welclior fiberhanpt die gerin<]ff;ton Tem- peraturscliwuiikungen angehöreu, zu beobachten; Hochwasser bedingen in der Regel eine rasche Temperaturerniedrigung. Eisbildung zeigt sich an der Isar infolge ihres bedeutenden Gefälles und der hier- durch bedingten Geschwindigkeit nnr in geringem Masse. Sa ist eine selten wied rkehrende Ausnahme, wenn sich im Gebiete des Mfindiener Beckens eine Eiv^'cke über die ßinne des eigentlichen Flusses oder seiner Haiiptader von einem Ufer zum anderen spannt. Dagegen bildet sich regelmässig im Dezember, Januar und Februar dünnes Grundeis; dann entbehren auch die Alluvioueu und Känder des Bettes nicht der achmSIeren oder breiteren Biakaaten, zwisdien welchen das klein ge- wordene Gewisser rastlos nnd ungestört seinen Ereislanf yollf&hrt.

Zum Schlüsse sei noch angeführt, dass nach einer Beobachtung T. Bezolds während des Obcrlaufo^ die o.«twestlich ziehenden Thal- strecken der Isar (^Hinterautliul und Linie Krün Fall) etwas wärmere Temperaturen zeigen als die siidiiördlich verlaufenden Partieen (Schar- nitz— Krün, Fall Tölz). Denn letztere liegen vormittags lanse im Schatten der OstHchen, nachmittags zeitig in jenem der weswchen Berge; die ersteren dagegen geniessen die Sonnenstrahlen wenigstens auf der nach Süden blickenden Abdachung vom Morgen bis zum Abend. Keine Stelle der meridional gelegenen Thaklisclniitte aber scheint in- folge sehr steilen Ansteigens der ihr vorgelagerten südlichen Berg- ketten während de^ Winters einige Zeit der Besonnung gänzUch be- nnbt zu sein.

Durch diese leitenden ( Jesichtspunkte ergiei)t .sich ganz von sell).st , diiss die hier zur Veröffeuthchmig gelangenden Arbeiten sich nie bloss an den engeren Kreis dftr SpesialTeitreter der verschiedeiien Fäeher wenden können, denen sie sunächsfc entstammen, sondern stets aach mehr oder minder weit über denselben hinaus ein

Interesse in Anspruch nehmen dürfen. Es wird aber, bei aller strengen Wissen- schaftlichkeit des Inhalts, anch in Behandhmgsweise und Darstellung stets, soweit der Gegenstand irgend es zulässt, darauf Bedacht genommen werden, dass ausser den uuinittelbaren Fuchgenosseu der Veriasser zugleich ein grösserer Kreis wissenseliatt- lich Gebildeter ihren Erörterungen mit Verständnis imd Interesse tolgcii kann.

Unsere Sammlung erscheint in zwanglosen Ilefitj^n von ungefähr 2 bis höchstens ') Bogen: jt^dc*^ lieft wird eine vollstUndigo Arbeit (ausnahmsweise von kürzereu auch mehrere) enthalten mid lür sieh käuflich sein. Eine entsprechende Anzahl von Heften wird jedesmal zu einem Bande vereinigt, und wird im Jahre etwa ein Band im Umfange von 40 45 Bogen erscheinen. Der Preis eines solchen wird ungeföhr 16—18 l&k betragen.

Bisher sind erschienen:

Heft 1. Der Boden Mecklenburgs, von Dr. E. Geiuitz, o. Prof. der Mineralogie und Geologie an der Univ. Rostock. 32 Seiten. Preis 80 Pfennig.

Heft 2. Die oberrheinische Tiefebene und ihre Bandgebirge, von Dr. Richard Lepsius, ord. Prof. der Geologie und Direktor der GrossherzogUch hessischen ^logischen Landesanstalt in Barmstadt. Mit Uebersiohtskarte des oberrhemischiBn Gebirgssystems. 58 Seiten. Preis M. 2.

Heft 3. Die Städte der Korddeutschen Tiefebene in ihrer Beziehung zur Bodengestaltung, von Dr. F. G. Hahn, Professor der Erdkunde an der Umrersitiit Königsberg i/Pr. Seiten. Preis M. 2.

Heft 4. Das Münehener Becken. Ein Beitrag zur physikalischen Geo- graphie Sudbayerns, yon Chr. Gruber. 46 Seiten. Preis K. 1. 60.

Unter der Presse befindet sich (durch Herstellung der Tafeln etwas verspät et):

Heft 5. Der Einfluss der Gebirge auf das Klima yon Mitteldeutschland, Ton Dr. med. & phil. B. Assmann.

Die weiteren Hefte werden namentlich yon den folgenden Herren Beitrage ent- halten: Dr. 6. Berendt, Königl. Landesgeologe und Prof, a. d. Univ. Berlin; Dr. K. Freiherr von Frit.sch, Prof. a. d. Univ. Halle; Dr. E. Geinitz, Prof. a. d. Univ. Rostock; Dr. F. G. Hülm. Prof. a. d. Univ. K(>ni;4slterg i Pr; Dr. G. Hellniann. Mitglie«! des Königl. Stati.-^t. Bureaus in Berlin; l*role-s>or Dr. K. .jan.st-n in Kiel; Dr. A. Jentzsch, Dozent a. d. Univ. Königsberg iPr.; Hofrat Dr. von Inama- Sternegg, Präsident d. k. k. statist Gentrs&ommission und Ptof. a. d. Univ. Wien; Dr. C. M. Kan, Prof. a. d. Univ. Amsterdam; Dr. A. y. Koenen, Prof. a. d. Univ. Göttingen; Dr. F. Krones Ritter von Marchland, Plfof. a. d. Univ. Graz; Dr. 0. Krünunel, Prof. a. d. Univ. Kiel; Dr. A. Freiherr von Lassnnlx, Prof. a. d. Univ. Bonn; Dr. A. Leskien, Prof. a. d. Univ. Lei]»zig: Dr. F. LTiwI, Dozent a. d. deutsch. Univ. Pnig; Dr. A. Makowsky, Prof. a. d. techn. Hochschule zu Brüini; Dr. A. Nehring, Prof. a. d. landwirtschaftl. Hochschule zu Berlin; Dr. J. Ottmer, Prof. a. d. techn. Hochschule zu Braunschweig; Dr. J. Partsoh, Prof. a. d. Uniy. Breslau; Dr. E. Petri, Dozent a. d. Univ Btrn; Dr. Fr. Pfaff. Prof. a. d. Univ. Erlangen; Dr. J.Ranke, Prof. a. d. Univ. München; Dr. Fr. Ratzel, Prof. a. d. techn. Hochschule zu München; Dr. P. Schreiber, Direktor des Königl. sächs. meteorolog. In.stitut.-^ in Chemnitz; Dr. A. Streng. Prof a. d. Univ. Giessen; Dr. F. Wahnschaffe, Assistent bei der Königl. geolog. Landesanstalt zu Berlin; Dr. K. Wein hold, Prof. ft.d.Uiiiy. Breslau; Dr. F. Wieser, Prof. a. d, Uniy. Innsbruck. . _ yöGogl

Verlag von Tausch & Grosse in JtliiUe (U S,

VORLESUNGEN Hülfsmittel und Methode

des

Geographischen Unterrichts

Vi Hl

Db. RICHARD LEHMANN,

ProiiMOT dm Oeognphte 4. AkaduBie so MflMtor

Alle die miuuugfiiltigeii theoretischen und praktischen Fragen, welche sich an den geographischen ünierriehi und seine Httlfsmittel knfipfen, werden in dem Buche einer Umgehenden sachlichen SrwE- gung uniensogenf und so wird dasselbe gerade durch dieses konkrete Eingehen namentlioh ftr Stndiereode imd Lehrer der GeograpUe ein Ratgeber sein, wie solcher, trotz der. in neuerer Zeit ziemlich lebhaft gewordenen Th&tigkeit auf dem Gebiete der Reform des geo- graphischen Unterrichts und Stadiums, bisher nicht existierte.

Das Buch wird einen Gesamtumfang Ton circa 24 Bogen nebst artistischen Beilagen erhalten und in Heften Ton in der Hegel je 4 Bogen erscheinen, von denen das erste soeben erschienen ist, die übrigen dann in etwa sechswöchentlichen Zwischenräumen folgen. Der Preis beträgt für Abonnenten 85 Pfennig pro Bogen, und verpflichten wir uns, falls der Umfang wider Erwarten noch über 24 Bilgen hinausgehen sollte, diesen Ui-berschuss den Herren Abtai- nenten gratis zu liefern, so dnss der (it&iiiiitpreis des ganzen Buches keinesfalls 0 Mark übersteigen k.ciui.

Xach Erscheinen der let::l€n Lh feruny uird der Preis erhöht.

Lieferiuig 1 (4 Bogen) Preis M. 1.

Omek von Oal>rüd«r Krtoer In Slattgurt.

Seuxd-Heftf S'-

DIB

Mecklenburgischen Höhenrücken

(GESCHIEBESTEEIFEN)

VSD IHBE

BEZIEHUNGEN ZUR EISZEIT

VON

D»- P. B. ÖBINITZ,

t

MU snvei UeberaUIUskürtchen und zwei J^ojUcn»

YEBLAG

STÜTTGAKT.

VON J. ENeELHORN.

188Ü.

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Inhalt.

Einleitung [5—8] 219-222

L 0te Getobiebestreifen [8—66]

6escMebe8ti«ifiBnIV: PAel—HagebSk— GHAon— Qaalits War- now üpaU SothnMdk Pananhenhiigwi Mttitenhagan

Feldberg . ,

Geachiebestreifen V : Klütser Ort Moidentiii Sfcemberg Kai- row Poppentin RecUin W^enberg Fürstenberg . ,

GeschiebeM reifen VI: Brothener Ufer? Ivendorf Schwanbeck Mühlen Kichsen Rugensee Retgendorf Kamin Frauen- mark Lübz Stuer Bütow

6e8chiel)e?<trpifen VII: Ratzeburg Buchholz Wahrholz Schwerin Pinnow Parchim Mamitzer Berge . . - .

GeMhiebertreifen VIII: ZaRentan-VaUiilm^NeDliof-- Witten- burg — Granzin Loosen Wamow

Geaduebestreifen IX: ö allin Lübtheen Conow Böck . . .

Geaeiiiebecfereilien X: Laaenbnxg—Boisenlraxg^Wendiach— Weh- ningen

Geschiebestreifen III: Diedrichshäger Berge Ivendorf Neu Bukow Satow Schwaan Sobnooloberg Tefcerow Mal- chin — Neubrandtmbiirg Helpt

Geechiebstreifen II : Warnemünde Rostock Tesain Dargun Friedland firtthmer Berge

Gescliiebestrpifra I: Fisrhland - Saal - Riboita Süls Loita?

Geschiebestreifen in Pommern und Rügen

Oeednebeateeifen in der Lttneborger Heide

Geschiebestreifen in Schleswig-Holstein , . .

Orographische Gestaltung Mecklenburgs . . . . '

BnMseliQi^ des baltiBehen HSbenrflckau

[81 222

[12] 288

[29] 248

[31] 245

371 251

25;^

[42] 256

[48] 257

52 56 58 59 60 61 641

20H 270 272 273 274 275 278

U. Die Landstriche Bwiiehen den Gescbiebestreifen [67—91] 281—305

1. Die unterdilunalen 8andheidegebieto avieeben Getefaiebe-

streifen IV u. V [67] 281

a) NoMentiner Heide [69] 283; b) Karower, Wooster und Schwinzer Heide [70] 284; c) Pobbertiner Heide [71] 285; d) Turloffer Heide [72] 286; e) Wariner Mulde [72] 286: 0 die Sedimente ha Wimuur n. b. f. [73] 287; g) die Heideeaodg^bieto bei Waien, Fbderow n. s. H [78] 287

218

Inhalt

Sdte

2. Bas Land zwischen Geachiebeatreifen V u. VI

3. Das Laml zwischen GoschiebeHtreifen VT u. VIT .

4. Das Land zwischen Geschiebestreifen IV u. III ,

5. Das Land zwischen Geschiebestreifen III u. 11

6. Die südwestliche Heide (jungdiluvialer Thalsand) die Lewitztniedening

7. Die Rottook-Bibnitser Heide, «Um FiecUand und der Dans

[75

289

29a

294

82'

29t)

83

297

302

.8»

803

lU. Die Besiehniigeii snr Eisseit (91—90] 805-310

Entstehung der Geschiebestreifen

Geschiebestreifen, die Endmoränen der letzten Vereisung . . . Sedimente hinter den Geschiebestreifen von «oberdiluvialem* Alter Inteiiglacialseit

91 91 92 96

305 305 306 810

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Einleitnng.

Nachdem meine geologischen OrientMnmgsarbeiten in Mecklenburg nunmehr masa gewireen Abschluss erlangt haben, ist das Material voll- stänflij]^ genug, um eine übersichtliche Darstellnng der schon mehrfach ') angedeuteten Verhältnisse der mecklenburgischen Geschieb e- sfcreifen (von Boll als „öeröllstreifen" bezeichnet) zu ermöglichen. Wenn auch durch eine specielle geologische Landesaufnahme einzehie Vorkommiiiese noch bemier bekaimt werden und ibr ZueammenliMig vielleicht richtiger erkannt werden wird, so zOgere vsk doch nicht, jebst die schon lange geplante Darstellung zu geben, um so mehr, als die ein- gehende Schilderung einen Beitrag zu manchen wichtigen Fragen der Olacialgeologie liefern muss, insbesondere zu den Fragen einer mehr- maligen Vereisung Norddeutschlands und der Gliederung des Diluviums. Aach für die Praxis wird die genane Angabe der Blockvoikommnisse und des Auftretens des Meigelbodens von Wichtigkeit sein. Zugleich bilden die folgenden Mitteilungen, die eine Uebersieht tiber die geo- lofrischen Grundlagen der topographischen Verhältnisse Mecklenburgs geben, den ersten Teil einer i)ald t'oigenden Abhaudiung Uber die Seen imd Fluäsläufe Mecklenburgs.

Die Geschiebestreifen bilden eine ftlr die mecklenburgiBche DilQTiallandschaft sehr charakteristische Erscheinung, die sich aber auch in den übrigen Gel)i('t. n (\o< deutschen Balticums, wenn erst die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt ist, sicher in grosser Ausdehnung nach- weisen lassen wird und zum Teil, wie auf Üügen und bei Liepe un* weit Oderbei^, bereits bekannt ist.

0 Boll: Creognoflie der deutschen Ostseeländer 1846, S. 107; Arch. f. tneeklenb. Laadetkonde 1855, S. 345; Zeitschr. der deutach. geol. Ges. 1851,

Taf. 19; Abrisa der mecklenb. Landeskimdt' 18H1, S, i:i f. rJeiiiit /, : Beitr. 1. xor Geol. Mecklenb. 1879, S. 48-54; U. 1880, S. 15; Der Boden Mecklenböisi, in Forsch, z. deutsch. Landetk. I. 1885, S. 10.

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220

Geiniti»

Es sind Höhenzüge, zum haltischen Höhenrücken gehöng, welche aus einer Anzahl verschieden hoher, oft kaum über dem nachbarlichen Plateau erhabener, und oft in ihrer Aneinanderreihung schwer zu glie- dernder Hü^el zusammengesetzt, in einer Breite von etwa '/* 2 Meilen dae Land im allgemeinen in nordwest-sfidMieher Richtung durch- ziehen, zuwdien auch durch „Ausläufer" oder , Querriegel " miteinander in Verbindung tretend, imd häufig durch „Moränenlandschaft*', immer aber durch einen bedeutenden iteichtum an grossen nordischen Ge- schieben ausgezeichnet sind.

Die Geschiebestreifen sind anzusehen als der au Geschieben besonders reiche Morftnenachutt Torwiegend des „oberen'', teil- weise anch des „unteren*^ Diluviums, der oft an den das Land zu ▼enefaiedener Höhe in nordwestlidi-sQdjtetiich^ Richtung durch- querenden Bodenwellen des Flötzgebirgsuntergninder? gestaut inid hier auf- und angelagert worden ist. Vielfach fallen nämlich die Anhiiuhnigen des erratischen Materiales zusammen mit dem Hervortreten der Flötz- formationen aus der sonst sehr mächtigen Diluvialbeschüttung des nord- deutschen Tieflandes.

Das Oberflächenmaterial, aus dem die Geschiebestreifen bestehen, ist demgemäss hauptsächlich der Geschiebemergel resp. Blockkies oder die Steinbestreinmg des!o1)eren oder Deckdilu>'iums, zum Teil nehmen auch Rande und Kiese an ihrer Zusammensetzung teil. Das Deckdihnnura hat hierbei gewölmlich eine Mächtigkeit, die von 0,5 bis 5 m schwankt, ein gegenflber der Mftchtigkeit des Hav^t» oder tjnterdihiTinms aof- fftUig zurOcktretender Wert Die allermeisten Geschiebe, kiTstallinttche Massengesteine und Schiefer, wie versteinerungsführende Sedimentgesteine, welche zu den verschiedensten Zwecken vom Dilnviallioden aufgesammelt werden, entstammen dieser Decke, was für andere Fragen über Heimat der Geschiebe u. a. m. von Wichtigkeit ist. Auch da.s untere oder Hauptdiluvium beteiligt sich oft wesentlich mit an dem Aufbau der Gesäliebestreifen, oft bestehen gerade die hUkhateii Hügel solcher Reihen aus mftditigen Aufschfittungen von unteren Kiesen und Sanden.

Niemals sind es mauerartige "Wälle, sondern mehr oder weniger breite, schai-fer oder undeutlieli aligesetzte, durch gewaltige Steinan- häufimg ausgezeichnete Moränenablagerungen. Oft liegen die Steine noch unter der lehmigen oder lehmig-kiesigen Ackerkrume und gelangen erst durch Tiefflügen oder Ausgraben (,,Ausbuddeln") zu Tage. In anderen Fällen brin^ die ffpfllende Thätigkeit der TagewSsser die grossen und kleinen Steine an die Oberfläche, indem sie den umgebenden Mei^ajel, Lehm oder Sand fortführt. Dies hat zu der Auffawsung geführt, dass die Steine im Boden „wachsen". Endlich erfolgt die Isolierung der Blöcke aus dem Geschiebemergel am Meeresstrand durch das Ausspülen vermittelst der Wellen; daher der Strand, wo sein Abbruchsufer einen Geschiebestieifen anschneidet, Ton massenhaften Stöcken umsäumt ist, die weit in das Meer hinausreiehen. Ebenso zeigen einige Binnenseen an ihrem Choind Anhäufungen von ausgewaschenen Blöcken. Sämtliche unserer „erratischen Blöcke'* sind somit niclit anf, sondern mit und unter dem Gletscher zu uns gelangt, sie entstammen der Grund- ni oräne.

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»1

Die mecklenburgischeii Höhe&rackeii etc.

221

In den Gegenden der Geschiebestreifen liegen vielfach die Steine, einige Meter im Ihirchinesser bis herab zu Kopfgrösse und noch kleiner, oft mit ScUififlBelien und Schrammfln, in so grossen Massen. auf den Feldern, auf Hügeln wie in Thälem. dass die Gegend wie beschüttet oder überstreut erscheint mit diesen Blöcken und die Felder oft aus der Ferne aussehen, als ob eine Schafherde darauf weidete. Zuweilen ist ihre Menge der Ackerbestellung äusserst hinderlich , ja an manchen Stellen macht sie dieselbe ganz unmögüch. Man sucht die Steine, die sogenannten , J'elsen", zu beseitigen, indem man sie sa cyklopisclien Kauern iSngs der Wege, Umgrenzen und um die Gehöfte anhäuft, sie in Giftben und Sölle yersenkt, in den Boden eingräbt, oder sie zu grossen kegelftirraigen Haufen zusammenträgt ; femer sind die Häuser dieser Gegenden zum Teil aus den Feldsteinen erbaut und nirm |)flastert lange Strecken Wege; weiter hat sich die Industrie dieser Vurkonimnisse bereits vielfach bemächtigt, indem man die Steine zu Pflaster- und Bau- steinen schll^^ oder ssn Qiausseematerial verwendet, so dass in manchen IHsfarikten durch die Kultur allmählich der ursprüngliche Charakter mehr und mehr verlorai geht. Auch durch prähtötorische Steinbauten sind solche Gegenden ausgezeichnet, Dolmen und Hünengräber, Stein- kränze und Opferplätze sind in den Gebieten der Geschiebestreifen in oft überraschender Menge vorhanden.

Fast stets ist auch die „Moränenland schaft*^ Im Gebiet der Qeschiebestreifen noch deutiich entwickelt: Ein stark coupiertes Tenrain, mit zahllosen Kuppen, Hügeln, BergrÜckoi und Bodenwellen, zwischen denen flache, grössere und kleinere Depressionen oder tiefe Löcher und Kessel, Sölle, Pfuhle, Seen, Thäler und Schlucliten in verschiedenstem Niveau eingesenkt sind, mit grossen und kleinen Wasserflächen oder Torfmooren. Vielfache Buchen wulduiigeu, helle Wasserspiegel oder dunkle im Walde gelegene Seen und Teiche, kleine ringsumschlossene Torfkessel oder .weite Wiesenniederungen und Koppeln, die zahlreichen Steinblöcke auf dem Boden , die schöne Femsidit von den Höhen, malerisch gelegene Gehöfte und Schh'Jsser. oder auch gerade die Ein- samkeit an iuideren Stellen u. a. m. verleihen dieser Moräiienlandschaft zumeist ein überaus anziehendes, mannigfaltiges, Uberraschend schönes Bild.

Zuweflen ist aber auch inmitten eines Geschiebestreifens ein Teil desselben durch die Denudation der Gletscherschmelzwässer mehr oder weniger verwischt worden und andere Streifen sind fast in ihrem ge- samten Verlaufe derartig verundeutlicht, dass sie bisher als solche über- haupt nicht erkannt worden sind.

Boll erwähnt drei Geschiebestreilen in Mecklt uliurg ; in meinen bisherigen Angaben habe ich vier mitgeteilt. Es sind dies die besonders in die Ai^en springenden. Durch die detaillierten Aufnahmen habe ich nun in Mecklenburg zehn parallele Geschiebezüge nachweisen können, von denen einzelne vielleicht als zn8ammengelir>rige Nebenz^e später kombiniert werden müssen. Mit ziemlii^ gleichen Distanzen, wie sie in Mecklenburg von den einzelnen Streifen innegehalten werden, wurden weiter im Nordosten, in Pommern mit Rügen, und im Südwesten, in der Lttnebuzger Heide, je drei solcher Züge konstatiert

Auf dem Uebersichtskärtchen habe ich die einzelnen Streifen

222

Oeiiiiti,

[8

Mecklenburgs von Nordosten nach Südwesten laufend numeriert und anschliessend die drei der Lüneburger Heide. Im Text hin ich fast durchgängig sehr austXÜiriich in die Detailbeschreibuug eingegangen; eine Orientierung über die m^eflllizteii LokaHÜton ü an der £uid der neuen Generalstabskarten zu empfehlen, doch gmllgt fttr die Orts- namen auch die alte Engelsche Karte Ton Mecklenburg im Massstab 1:850000 (Rostock, Tiedemann Nachf.).

Die Detailbeschreihung beginne ich mit dem am augenfälligsten und typischsten ausgebildeten Geschiebestreifen und verfol^-o zunächst die nam Sfidwesten liegenden Paralielzüge, um zuletzt die uudeuthchen und Ton mir noch am wenigaten ausnlhrlich besuchten Streifen im Nordosten anzuschliessen.

L Die GtoscliiebestreifeiL

IT. GMdiielieBtreifen: ,»P56l HagebSk Glashi Qaillti ^ Wwnioir üp«U 'B4itli8pftlk— PansdieiilugCB Kollenhasen ~

Feldbergc".

Die Insel PihA nördlich Wismar, die sich mit einer Erhebung bis zu 27,5 ni ühor den Meeresspiegel dor Wismarschen Bucht vorlagert, zeigt wenig ausgeprägt den Charakter der Moräneniandsclmft, einzelne cjklopische Mauern bei den Gehöften deuten das Vorhandensein von Blöcken in dem sandiglehmigen Boden an. Der sOdliche Teil der Insel ist arm an Geschieben zu nennen. Am 5 10 m hohen Klint erkennt man unter blockarmem Deckgeschiebemergel, der bis 5 m Mächtigkeit erlangt, feinen Spatsand. Erst am Leuchtturm, in der Mitte des West- strandes, werden die ausgewaschenen Blöcke häufiger, und wt itfr nörd- lich tritt hier an dem 10 13 m hohen Klint in verschiedener Höhe auch der blaue untere Oeschiebemergel als Liegendes des Deckmergels herror, zum Teil yon diesem Shnliä wie an der Stoltera bei Warne- münde durch Sandschichten getrennt; oft ist hierbei zu beobachten, dass der 3 0 ni miieliticfe obere Menj^el reichlichere und grössere Geschiel)e enthält, als der untere. Auch nach der flachen kleinen Insel Langen- werde r setzen die Blöcke auf dem flachen Seeboden in grosser Menge fort. In letzter Zeit sind viel Steine hier vom Strand abgefahren worden.

Nordwestlich liegt vor der Insel eine Untiefe, der «Hahnenberg*, mit reichlichen Blöcken. Westlich finden wir die kleine niedrige Insel Liepe, welche ein auf Sand und Sclilick ruhendes Strandgerölle zeigt und von welcher auch weiter westlich zum lüUizer Ort ein Steinlager als Untiefe fortsetzt.

Wir können hiernach die Insel Pöel als den etwa 7 km breiten nordwestlichen Beginn des Ctoschiebestreifinis betrachten, der nach Westen

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9]

Die mecklenbnrgischen HöhenrOcken etc.

223

hin durch die später umgeschlemmten Steinanhäufunt^en bei Lieps mit dem benachbarten Streifen in nahe Berührung tritt.

Die Blöcke setzen von hier über den Breitling, an dessen steilen Lehmnfem (grosser Wiek, Damekow) zahlreiche grosse Blöcke au «^gewaschen Hegen. Das Terrain steigt allmählich zu 40 50 m Höhe nach Osten an (Lisch ow. 0 km von der Ostküsto von F*öel): dieses Gebiet bis zur Wismar-Doheraner Bahn besteht aus oberem Mergel und aus unteren Sanden, die Steinmauern in Drevesk irchen, Alt-Bukow u. 8. w. zeigen die Fortsetzung des Geschiebebtreitons an. Zwischen FOel und Wismar liegt die kleine Insel Walfisch, bestehend ans mäch- tigem (unteren) Gesäiebemergel mit reichen ausgewaschenen Blöcken.

Der Bahnbau von Doberan nach Wismar schnitt quer durch den CJeschiebestreifen und liefert« folgende Aufschlüsse:

Nach einem etwa 4 km breiten lleidesandareal, aus wohigeschich- teten feinen Spatsandeu mit vereinzelter Steinbestreuung bestehen<i, das sich bei Questin und Panzow sttdlidi von Neu-Bukow hinzieht, beginnt in der G^end von Alt-Bukow, bei Teschow, Yogelsang, Lischow, Hagebok. das Mergelgebiet des Geschiebestreifens. Der Bronnen bei Haltestelle Teschow, im Niveau von etwa 45 m Meereshöhe angesetzt, durchsank 2 m Torf und 28 m grauen (? oberen) Geschiebemergel, dessen Liwreudes weisser Spatsand ist. Die südlich folgenden Bahneinschnitte, in dem 50 65 m hohen Terrain, zeigten bei Yogelsang oberen Mergel in der Ifibshtigkeii von einigen Metern, discordtuit zum Teil mit sack- artigen Einbuchtungen Spatsond mit Bänderthon oder Kies überlagernd und diese Sedimente oft in zusammengeschobene Stellung bringend, an seiner unteren Grenze auch häufig zu Sand oder Bänderthon ausge- schlenmit. Auch treten zuweilen Kuppen der unteren Kiese bis zu Tage, nur seitliche Anlagerung des Deckmergels zeigend. Erst bei Lischow und Hagebök beginnt der Deckmerffel sich durch grosseren Reichtum an Geschieben auszuzeichnen; sein Niveau ist hier dasselbe wie in dem eben beschriebenen nördlichen Anfang des Geschiebestreifens, etwa 5'» 'i5 m. Hier ruht der obere unmittelbar auf d(?m unteren Mergel; der Brunnen in Station Hagebök musste M) m grauen Mergel durch^itoäsen, ehe er auf 6nnd kam (Unterkante des Mergels etwa 8 m Uber Ostseespiegel). In einem südlich folgenden Einschnitt bei Neu- burg tritt in dem 52 m hohen Blicken wieder der Kies herauf, unter Blocklehmbedeckung. Westlidi hiervon, in Neu bürg selbst (Höhe 30 m), •waltet der Spatsand vor, ringsum aber von Gebieten des strengen Deck- mei^els umgeben. Der Einschnitt an der Station Kartlow entblösste unteren Sand und Kies unter wenig mächtitjer Bedeckung von blockreichcm Deckmergel; daneben lagerte der Deckmergel ohne Sandzwischenschichten auf gram»lauem unteren Mergel; der Brunnen traf unter 3 m gelbem lehmigen Sand (Oberdflurium) auf 20 m blauen unteren Meigel, dessen Liegendes wieder Sand ist (Unterkante des unteren Mergels etwa 10 m über 0).

Auch der Einschnitt bei Rohlstorf ergab in irleicher Weise mächtigen Deckmergel, der unten durch Aufschlemnumg Schichtung zeigt, mit grossen Blöcken, auf Kies und Sand lagernd. Der bald folgende traf Kies unter Bedeckung von blockreichem sandigen Deck-

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224

Geinitz,

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mergel. Der EinschmU durch den 50 m hohen Rficken Bfidlich HornS' torf traf Blockmergel, auf blauem Thon. Die benachbarte Kiesgrube an der HornHtorfer Scheide zeigt in 15 m Meereshohe wohlgeschichteten

Kies un<l Sand mit kaum merklicher Deckkiesüberlagerun^.

r)ie IJalui durchläuft nach dem AngeMirten hier den Geschieht'- streiten in einer Breite von circa 12 km. Wir sahen, daas derselbe die Meereshöhe von 50 60 m hat, und dass er aiu blockreichem oberen Geschiebemergel der Hauptsache nach gebildet wird, der aber selten bedeutende Mächtigkeit In sitzt und t^ils auf unteren Sauden und Thon, teils auf unt^^rem <i(>s( liit-bemergel discordant aufsitzt . seine Unterlage vielfach in ihrer Lagerung gestört liat, häufig an seiner unteren Grenze aufgeschlemmt ist; durch Aufquetschung oder auch ohne dies durch Zu- rücktreten des Deckdiluviums gelangten auch öfters die unteren Sande zu Tage.

Die eben genannte Gegend kann als die westliche Abdachung der eich im Südosten anschliessenden Höhen betrachtet werden, welche einen vielfach coupierten, zum Teil ziemlich steilen Höhenzug bilden, Ober Nantrow, Madsow, Zarnekow, Züsow laufend und nach Südost weiter zur Hohen Burg von Sc hie mm in, westlich Bützow, sich er- streckend. Seine Höhen betragen 85, 95—105 m. Oestlich schliessen sich daran die Höhen, von 50—110 m wechselnd, welche die coupierte Landschaft des Messtischblattes Kirch -Mulsow bilden, mit den Orten Steinhagen, Kirch -Mulsow, Bälieliii. Glasin, Tüzen, Kospn- ha^cn u. s. w. Prächtig ist hier (]io Moräuenlandschaft entwickelt, mit zahllosen Sollen, Torf kesseln und kleineu Moränenseen; der Boden besteht aus meist vorherrschendem, einige Meter mächtigem oberen Geschiebemergel mit massenhaften Blöcken; besonders auf der Feldmark Glasin finden sich zahllose cyklopische Mauern um die Wege, ein- zelne Schläge, Gehöfte u. s. w., femer sind in dieser Gegend unzählige HünerHjräVM r u. a. m.; zu dem neuen Chausseebau werden die frei herum- liegenden oder lit unter der Oberfläche, in Lehm oder sandi<,'er Stein- packung eingehüllten Blöcke sehr leicht gewonnen. Mitten nii Block- gebiet finden sich auch Stellen, an denen der Reichtum an Geschieben sich stark Termindert (/. B. bei Neu Bah st, Warnkenhagen, Poors- torf u. a.). 1^ sonders da wo die Erosion und Evorsion in das Plateau eingeschnitten liat, treten auch die Grand-, Sand- und Schluffthonr des L nterdiluviunis hervor, unter noch geringer Bedeckung von oberem Ge- scliiebemergel oder dessen Vertreter, dem Deckkies oder der Moränen- steinpackung, zum Tdl in starker Schitditenstörung, oft aber auch völlig ungestört. Auch auf hohen Kuppen tritt der untere Sand zu Tage, entweder als aufgequetschtes Lager oder auch in horizontaler ungestörter Lagerung, zum Teil von Idosscr Steinbestreuung bedeckt. Auch hier sieht man das imtere Diluvium in gleiches Niveau aufsteigen vnc das Deckdiluvium, die Hölienrücken bestehen nicht wie ICndmoränen aus Material des Deckdiluviums, das etwa auf eine gleichmässig ausgebreitete Unterlage des HauptdiluTiums aufgeschflttet wäre. Der obwe Mergel ruht« wie erw&hnt, teils ein&ch auf seinem Untergrund, ohne denselbüsn in seiner Lagerung gestört zu haben, und ist hierbei häufig in seinen unteren Partien bei etwa ^fi m Dicke zu Sand oder sandigem Lehm

llj Die meckkuburgiscben Höhenrücken etc. 225

ausgesdüemmt, teils hak er starke lokale Sehichtenstörungen hervor^ geralen. Seine Mächtigkeit ist dnrchsclmittilicli 8 5 m, Tielfach auch noch weniger.

Dif rfprrpnrl voTi MoltcTiow. ü 1 r 1 k 0 11 Ii 0 f , AVarn kenhagen zeigt neben unteren Sandrn noch vorwie^^eiid strengen oberen Mergel, aber ohne besonderen Steinreichtum, so da.ss man hier, bei einer Höhe von 70 75 m, die sich weiter östlich zu 50 m abdacht, den nordöstlichen Anfang des Geschiebestreifens suchen kann; die Höhe westlich von Warnkenhagen und Tüzen gehört mit ihrem grossen Blockreiditain mid der Moränenlandschafk schon völlig zum Geschiebestreifen.

Von Tüzen und Poorstorf läuft ein nordoststreichender Rücken oder breite Hügelreihe mit über 115 m Meereshöhe über die Orte Pasee, Koseuhagen, Horst, bei Gerdshagen sich zu 90 und 80 ni abdachend, hier nach der 70 m hohen MoritaienlaiLdschaft ron Satow laufend, welche bereits dem anderen schmalen Parallel-Qeschiebestreifen, der über Neu Bukow läuft, entspricht. Per erwähnte breite Hohen- zii*? kann danach entweder als Querriegel und nordöstlicher Ausläufer aiit'^^efasst werden, oder als ein Rest des gesamten, von Nordwest nach Südost resp. hier Nordnordwest nach Südstidost laufenden breiten Ge- schiebestreifens, der bei der Erosion stehen geblieben ist, während in seiner nordostlichen Abdachung eme Ecke herausgehöhlt wurde.

Für die erstere Aufhsrong spricht auch das gleiche Verhalten des südlichen Parallelzuge8, der an entsprechender Stelle bei Schimm einen nördlichen Ausläufer entsendet fs. u.); der erstgenannte Ausläufer ist der von Boll (Abriss d. meckl. Landesk. 1861, S. 247} erwähnte, von den Schlemminer Bergen ausstrahlende dritte Zweig.

Bei Glasin schliesst sich in südösÜicher Biditung ein sehr deut- licher schmaler HöhenrOcken an, der Ober Strameuss, hier im Hohen Berg die Höhe von 101m erreichend. Kätcrhagen, Jabelitz zu den Schlemminer Bergen führt. Der schmale, mir ttwu 3 4 km breite Zug besteht aus einzclnon. oft als schmale seJir rem von Nordwest nach Südost streichende Kücken ausgebildeten Hügeln, von blockreichem oberem Geschiebemergel mit bald darunter vortretenden unteren Sanden gebildet Isolierte Sölle und Torf kessel sind auch hier die typischen Begleiter der Moränenlandschaft. Zwischen Gr. T es sin, am Tessiner See, 75 m, und dem aus blockarmem, wenig mächtigen Deckmergel mit unterem Feinsand bestehenden Kronsberg bei Lüdersdorf hat der Zug seiiK LTfisste Verenginig, etwa 2*2 km, alsbald verbreitert er sich bei Hermaiinshagen, Jabelitz, Göllin zu etwa 5 km.

Hier schliessen sich die Schlemminer Berge an; der Anschluss mit dem Geschiebestreif«^, die Linie Eatelbogen-Strameuss, und ihre [)arallelen Höhen, in nordwestlicher Richtung laufend, werden von P>nll (Abriss 1861. S. 24<)) als erster . Auslihifer" von dem .Knoten- punkt" der Schlemminer Berge bezeichnet. In fltr Mitte zwischen Lübberstorf und Lüdersdorf östhch von Neukloster erreicht das Sandgebiet, welches sUdhch unseres Geschiebestreifens sich ausdehnt (s. u.), sein Ende und tritt zunächst blockreicher sandiger Deckmergel, oft sehr wenig mürhtig den unteren Sand l)e(le(.k(Mi(l. zur Herrschaft. Der Mergelboden wird mächtiger und die Blöcke mehren sich im Neu-

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[12

klosterer Forst zwischen Lttbberstorf und Göll in, wo sich einzelne bis 00 m hohe Kuppen neben den massenhaften Torfkesseln und Söllen der 75 80 m hohen Moränenlandschaft t-rheben. Eine 4 m tiefe Grube nahe dem östlichen Waldrand bei (iöllin zei^'t eine lehmige kiesige Steinpackung von massenhaften grossen und kleinen Blöcken. Auf den Feldern der Dorfechaften Oöllin, Jabelitz, Olambeck und Qualitz sind so massenbafte Blöcke vorhanden, dass sie ausser zu ffitoif^banten zu breiten Mauern längs der Wi'<^v und Grenzen aufgehäuft sind. SöUe und Torfkpssel vereinigen sich damit zur Herstellung der Moränenland- schaft, diese erreicht in den Kuppen der Schlemminer Berge nebst den tiefen Kesseln und Thälem ihren Glanzpunkt.

Die Schlemminer Berge mit den einzelnen als Langer, Bruns, Hei, Rag Berg, Hohe Burg, Egg Berg bezeichneten Hdhenpunkten ▼on 130 145 m Erhebung stellen einen Teil dee in der Umgebung von Schlemmin 100 m hohen Mergelplateaus dar. Zahllose tiefe isolierte Kessel und längere tiefe Thalkessel durchfurchen dieselben und schneiden ins- besondere die lanfjen von Südwest nach Nordost verlaufenden schmalen Eückeu heraus, deren Hache Gipfel mit den erwähnten Namen bezeichnet sind; in diesem nordöstlichen Sireichen d«r einzeben Blicken braucht man indes nicht ein erzgebirgisches Streicfasystem des Flötzkemea aus- gedrückt zu finden, sondeni dieselben sind nur als Reste der lirosion zu betrachten. Die znlilreichen losen Blöcke, div den Bergen neben den tielen Schluchten einen seltenen landschaftlichen iieiz verleihen, ifaben früher Veranlassung zu Bauten von Ilünengräbem ; der höchste Punkt, die Hohe Burg, zeigt uns einen wohlerhaltenen Ringwall (vgl. auch die Schilderung Ton Boll, Abriss 1861, S. 245).

Oestiich bis Kurzen Trechow finden wir noch coupiertes Terram, das rasch zu 40 ni herabsteigt, öfters gelangt der untere Sand hier zu Tage, obgleich der blockreiche mehr oder weniger sandige Deckmergel noch herrscht. Zwischen Kurzen Trechow uud Neuend orf sind zahlreiche Blöcke im Deckkies, einer merglig sandigen Steiupackung enthalten, der auf unteren Sauden, oft bis 8 m MSchtigkeit la^^ert Ein weiterer Abfall des Dfluvialplateaus bis Bfitzow zeigt, dass die teÜiche Orenze des Cteschiel)estreifens nunmehr überschritten ist. Dieser Teil ent- aprichtdera , zweiten Ausläufer" der Schlemminer Berpe (Boll, a. a.O.S.247); es sind die steil nach dem Warnowthal abfallenden hohen Berge der Qualitzer und Kühner Forsten, mit den Orten Kurzen Trechow, Katelbogen und Baumgarteu, welche das östliche Ende des Schiebestreifens darstellen. Auch auf den Höhen, nicht nur an den Thalabschnitten, «rkennt man hier die Beteiligung der unteren Sande am Bau jener Berge, indem ihre Schichten oft nur von geringem Deck- mergel überlagert, in ungestörter oder lokal gestörter Schichtung viel- fach zu Tage treten.

Hier wendet sich der Geschiebestreifeii nacii Süden. Bei Wen- dorf tritt massenhafte Steinbestreuung der Eiesfelder am nördlichen Wamowgehftnge auf, cyklopische Mauern sind häufig. Schependorf, Qualitz, Laase, Mankmoos, mit stark coupiertem Terrain, das noch bis 80 m anstei^^t, gehören zu dem Geschiebestreifen, der sich hier mit einer Breite von 1 Meile nach Süden zieht.

18]

Die mecklenburgischen üöbenrücken etc.

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Bei Eickhof, westlich der Eisenbahnstation Warnow, ist der trefflich in die Augen springende Thalbeginn des unteren Warnow- Unfes zu sehen, im ösüichen Grenzgebiet unseres Geschiebestreifens,

dtf hier die Höhe von 50m besitzt, bei Eickelberg aber noch zu 80 m aufsteigt. Die vielfach kurzen Seitenkessel und die steil abfallenden Ränder des amphitheaterartigen Thalbeginnkessels zeigen bei Eick ho t das Normalprofil: auf den unteren Sanden lagert auch hier noch bei 20 30 m eine 1 m mächtige Decke mächtiger Moränensteinpackung mit gesehiammften nordischen Blöcken, die teils auf den Feldern herum rer- streut liefen, teils zu Starassenbautoi in kleinen Kuhlen oder auf den Feldern „ausgebuddelt*^ werden. Das sumeist aus oberem Geschiebelehm bestehende Plateau bei Eickelberg, von zahllosen Söllen, Torflöchem und kleinen Seen unterbrochen (typische Moränenlandschaft), ist von massenhaften Blöcken überstreut. Die Steine verschwinden ziemlich

S lötzlich in der im Westen folgenden 60 m hohen Sandgegend von fr 088 Labenz (s. u.).

Bei Klein Raden sUdlich Eickhof herrscht sandige Steinpackung von geringer M'dchtigkeit, aber mit bedeutendem Blockreichtum vor, untere Sande bedeckend und diese ziiin Teil in ihrer Lagerung störend; zum Teil tritt der Sand zu Ta^e, zum Teil wird er auch von mächtigem Blocklehiu überdeckt. Blocknmuern , SöUe, kleine Seen smd hier auf dem etwa 40 m hohen Plateau typische Zeichen der Horftnenlandschaft.

Bis in die Gegend der Sternberger Burg erstreckt sich der Blockreichtum. Gross Radejn im Nordosten davon, gehört bereits zum Gebiet ausserhalb des Greschiebestreifen.s. der hier also eine kleine Zunge nach Süden bis kurz vor Stemberg entsendet.

Im Norden gehört die Gegend von Warnow noch zu dem Gebiet. Eine Grube bei der Station Warnow, am südlichen Gehänge des breiten Wamowihales in 25m Höhe gelegen, zeigt den Typus der durch die Schmelzwässer ausgewaschenen Moränenlandschaft, nämlich auf unteren Sanden und Kiesen eine 1 2 m mächtige lehmigkiesige Steinpackung mit normaler Entwicklung des Moränenschuttes. Die Saudfelder der Abhänge sind mit massenhaften Steinen überstreut. Nach dem 40 m hohen, von Sollen und Torlkesselu durchbrochenen Plateau bei Schlockow, Klein Raden, Buchenhof herrscht der strengere Mergel vor, mit massenhaften Geschieben.

Die Kiesgruben an der Bahn dsÜich von Warnow geben daa Ende des Streifens an; circa Im steinreicher, brauner Deckkies, zum Teil noch geschichtet, lagert auf flach wellig gebogenen Schichten von unteren Sanden und Kiesen, unter denen auch Thonlagen auftreten.

Von Eickhof, Warnow, Buchenhof wendet sich der Geschiebestreifen mehr nach Osten und streicht in ostsUdOstlicher Richtung nach Gros» Upahl. Der deutlich zum Teil ziemlich schroff nach Nordosten zum Nebelthal und weniger steil nach Südwesten abfallende Bergzug erhebt sich zu 50 und 60m. vielfach auch 70 und bei Boitin und Gross Upahl über 80ni erreichend. Die Geilend südwestlich von Tarnow^ Pruzen und Häger fei de kann als das nordösthche Ende des Geschiebe- Streifens gehen, Lübzin, Buchow, Lenzen als diesQdwestlicfae Grenze, so dass mer eine Breite Ton nur etwa 4 5 km Torliegt

228

Oeiaits,

Die 60 80m hohe Gegend von Gross Upahl ist wieder die typische Moränenlandschaft, mit zahllosen tiefen AesselUf Sdllen, der gteilufirigen Wanne des UpaUer Sees u. a. m. Ausserordentttch viel

Mauern u. dergl. benützt. Eine Grube iiuf der 80 m hohen Kuppe hinter dem Hof Gross Upalil zei<rt '> m «gelben Blocklehm , unter und neben dem Feinsandschichten heraufgequetsi lit sind; die Brunnenbuhrung ergab unter dem oberen bis zu 30 m Mächtigkeit grauen unteren Ge- MEiebemergd. da aUnich« Enidortaeke fthrt, .uf thomgoa Sind lagerad.

In dem Lahn witzer Forst am Sudende des Upaliler Sees wird der Geschiebestreifen von steinreichem Deckkies gebildet, der in geringer Mächtigkeit auf unteren Sauden lagert; bis Garden dauert die St«in- bestreuung auf dem Sandboden an, auch mit inselartigem Auftreten Ton BlockmergeL Im Süden schliesst sich dann das Sandgebiet mit demselben Niveau an.

Bei Klein Upahl und Gerdshagen OsÜich vom TJpahler See ist gleicherweise eine enorme Fülle an grossen Blöcken in dem bis 100m ansteigenden stark coupierten Terrain vorhanden, nördlich vor dem Hof Genlsliagen endigt der Geschiebesti t ifen in der Höhe von 90 m. und das Land dacht sich von da ziemlich rasch nach Norden ab, daä Sfldende ist heieits südlich Tom Dorf an der Lohmener Ghrense. Von Upahl erstreckt sich in südwestlicher Richtung ein an Blöcken stellen- weise recht reicher Höhenzug (73, 65, 55 m) als Ausläufer des Geschiebe* Streifens über Lenzen, Bolz, Borkow bis in die Gegend von Gä<i^elow unweit Sternliei«^ auf eine Länge von circa 8 km, um sich dort dem Sterubexger Geschiebestreifeu beträchtÜeh zu nähern. Sein Boden ist yielfach von Sollen und Evorsionsseen unterbrochen ; er besteht teils aus sfarengem oberem Geschiebemetgel, teils aus Sauden mit Steinbestreiiuiig. Seine beiden, sehr flach abgäichten Abhinge führen in reine Spat- sandgegenden hinüber.

lieber Neuhof, Zehna. Beilin, Steinbeck, Marienhof, Tessin verläuft nun der Geschiebestreifen mit einer Höhe bis 70 und 80 m nach Grabow und Charlottenthal nördlich von Kiakow. Am ndrdlichen raschen Abfall imd in der südlichen, ziemlich gleich hoch gelegenen Landschaft sind die Sedimente des Hauptdiluviums, als Sande und Thone, entwickelt (s. Beitr. VII z. GeoL Meckl. 1885, S. 59), auf denen der bl<>( kführende Deckkies oder die ihn vertretende Steiu- bestrt'uunt? inuntr mehr zurücktritt, je weiter man sich von dem Ge- schiebestreifen entfernt. So ist noch bei Kleisten und Kirch-Kogel, in der Nähe von Dobbertin, eine enorm reiche Steinbestreuung auf dem 70 m hohen Sandgebiet zu gewahren, die in Sandgruben oft aJs normale Moränensteinpackung von 1,5 Im Mächtigkeit auf unteren Sauden zu beobachten ist. Mau hat dies Ge])iet als südwestliche Ausweitung des Geschiebestreifens zu Ijetrachten. welche, seitliche Hfidegebiete treimend. über den Dobbertmer Lias zu dem südlichen Pai'alleizug von Stemberg- Karow hinläuft (s. u.j.

An die typische ICoranenlandschaft in der dO 75 m hoch ge- legenen Gegend nördlich vom Krakower See, bei Ah r ens hage n, Ko ppe-

umher und sind zu cyklopisch^

15]

Die mecUenburgiacben HöhenrQckeii etc.

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low, Kucheln! iss, mit Blockmergel- oder Deckkiesboden, auf unteren Granden oder Mergel lagernd mit ihren zahlreichen Sollen, Kesseln, Schfaichteii, Thalbeginnen zu den Depressionen dee ndrdlichen Kiakower Sees, isolierten Kuppen, massenhaften Blöcken (cyklopische Mauern!), hier von dem Kombinationethal der Nebel durchbrochen schlies.st sich im Süden bis Serrahn und Neu Zietlitz der blockreirlio Deckkies und seine bis 1 in mächtige Steinpackung als südliches Ende des Ge- schiebestreifens an.

Bei Alt Sammit auf der wesUidieii und bei Zietlitz auf der 0stUcheii Seite des Eraikower Sees finden wir auf dem gleich hohen Terrain nach Süden wandernd eine immer spärlicher werdende Stdn- bestreuung auf unterdiliivi.ilen Sanden , wck-he letztere alsl)ald zur alleinigen Herrschaft in der breiten südlich anschliessenden Ueid^egend gelangen.

Oestlich setzt sich der Streifen in die Gegend vom Thalbeginn des Malchiner Sees fort (s. Beitr. z. OeoL MeckL I, 1879, S. 48 f.).

Langhagen und Rotlispalk liegen am nördlichen Beginn des Geschiebestreifens, dessen Höhe hier 70 90m beträfet, während das nördlich vorlagemde Plateau etwa 70 50 m Höhe hat , mit mannig- fachem Wechsel allmählich flach nach Norden abfallend. Wie an den neuen Bahnprofileu gezeigt (Beitr. z. Geol. Meckl. 1885), gehört Dersentin schon zum Aussengebiet, wo der Deckmergel gegen die' Sande und Thone oder den unteren Mevffel zurttcktritt oder, wie weiter nördlich, sich durch Blockarmut auszeiimnet. Prächtig unverftndert ist die Moränenlandschaft bei Krevtsee und Klein Luckow erhalten, wo die massenhaften Blöcke auf den „Knirkbergen" zum Teil noch jede intensive Kultur hindern (Knirk-Wachholder), Schlossgrubenhagen, Steinhagen, Hallalit, Kirchgrubenhagen, VoUrathsruhe, Gross Behberg, Blllcherhof sind die Orte dieses bei Vollrathsnihe zu 100 m ansteigenden Moränengebietes, bei denen man die Glacialland- Schaft mit am schönsten in Mecklenburg beobachten kann. Die massen- haften grossen Blöcke, oft von enormer Grösse, sind zu cyklo[)isclien Mauern oder Hügeln angehäuft, in die Solle versenkt, zu Haus- und Pfla^terbauteu verwendet, und doch liegen die Felder immer noch viel- &eh wie flbeniet damit. Der Boden irt zwar Torwiegend oberer Block* meigel oder sein Vertreter der Deckkies, doch treten aueh oft die unteren Sande und Grande, zuweilen audi unterer Mergel hoch zu Tsge.

Wandert man von Vollrathsruhe südwärts, so bemerkt man am Abfall des Höhenzuges hinter dem Cramoner Buchengehöl/. eine Al)- nahme zunächst in der Grösse und alsdann in der Zahl der Steine, welche die Felder bedecken, und gelangt allmählich in das reine Sandgebiet der Nossentiner Heide.

Bei Burg Schlitz und Karstorf ist ebenfalls noch Blockreich- tum zu bemerken; so können wir hier den Nordrand des Streifens an- geben, der sich in Burg Schlitz zu 103 m erhebt. Die Breite des Ge- schiehestreil'ens wäre somit hier, zwischen Burg Schlitz und VoUrathsruhe, gerade 1 Meile. Nach Boll soll sich von liothspalk über Burgschlitz und Hohen Demzin ein nordöstlicher Auslftnfer nach Fehns torf (III) abzwe^|mi*

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230

BeiBülow am Norduler dea Makhiner Sees treten auch ziemlich viele Blöcke in dem Mergelboden auf, so daae liier ein HenbrQcken zum nördlich vorlageraden Geechiebestreifen durch die Sandgegend ran Olaaow angebahnt ist

Kimmelir lässt sich der Geschiebestreifeu deutlich weiter nach Osisüdostcii verfolgen; dabei nimmt er eine grössere Breite an. Seine Details wurden schon früher an den Aufschlüssen der Malchin- Warener Bahn beschrieben (Beitr. z. Geol. Meckl. I, 1879, S. 48 f.). Die Orte Klockain, Moltzow, Rambow, Tresaow, Hinrichshagen, Saps* hagen, Marxhagen, Piiuschenhagen, Sophienhof, Hagenow, Sommerstorf, Klein Vieliat liegen inmitten der typischen Geschiebe* Streifenlandschaft, in der wiederum nicht allein der blockreiche obere Mergel oder die ausgewaschenen erratischen Blöcke und der Deckkies herrschen, sondern auch das Unterdiluvium oft zu Tage tritt. Das Terrain steigt im Norden und Süden allmfthlich an, bei Marxhagen ist die grOeate Höhe von 125 m, die lOOm-Kunre niadit sich in dieser Gegend noch häufig geltend. Von der Eisenbahn aus kann man auf den Feldern bis Falkenhagen den grossen Blockreichtum walirnehmen.

Sch wiiikciidorf und Langwitz sind insofern als nördliche Aus- läufer zu betrachten, als hit r, an der Südgrenze der Basedower Heide, innerhalb der auch weiter südlich noch folgenden unteren Granddiüirikle lokal bedeutende Blockanhftufnngen im oberen Mecgel auftreten. Audi bei Rothenmoor tritt oberer Mergel, thet mit weniger Steinen, zum nördlichen Grenzgebiet gehöi^ auf.

Bei Vielist, Schwenzin, Warenshof. Falkenhagen unweit "Waren ist die südliche Grenze bereits überschritten; hier tritt der untere band, zum Teil mit Grand zur Herrschaft, zum Teil noch von stein- reichem Decktiea dlian fiberlagert, der eine dichte Steinbestreuung der Sandfelder Terursacht. Die m&chtige Sandablagerung in dem Bahnein- schnitt am Südrande des Warener Buchenwaldes zeigt ein Ab&Den der Sandschichten nach Süden, von dem Höhenzug des Geschiebesireifens ab. Analog war am nördlichen Parallelstreifenrand am Hainholz bei Malchin der Sand neben flacher Schichtenwölbung im allgemeinen von nördlichem Einfallen, also auch ab von dem Geschiebestreilen.

Der (Jeschiebeetreübn hat hier (zwischen Grabowhöfe und Tresaow reep. Langwitz) eine Breite von 8 13 km.

Südlich davon reiht sich das unterdiluvialc Sandareal von Waren, Federow, JaV>el, Nossentin, wo auch die oberdiluviale Steinbestreuung mehr und melir zurücktritt; nur in Jabel tritt an der Südgrenze dieses Sandgebietes am Bahnhof eine bedeutende Blockanhäufung im (oberen) Mergel auf^ der hier auf dem Kreidekalk lagert.

Aus der Gegend von Panschenhagen sieht sieh der Geachiebe- streifen nach Möllenhagen. Ich habe hier teilweise nur seine südwest- liche Grenzpartie verfolgt, an die sich eine wdte Sandg^end von dem Typus der Lüneburger Heide anschliesst.

Bei Schwastorf und Knrgow sieht man in dem coupierten, von Tiden Sölleu und Torfwauueu (m deren einer die Peeue bei Schwastort ihren Ursprung nimmt) unterbrochenen Tenain wieder die nonnale blockreiche MorSnenlandschaft, hier als an der sttdlichen Grenze schon

17]

Die meeklenburgiMhen Htthenyackeii etc.

281

mit vorherrschendem Sandboden des Unterdihiviiinis, der erst melir nörd- lich dem Deckmergelboden Platz macht. Der EisenbuhnemaciiuitL bei Kargo w zeigt vorzüglich schön das Profil: 0,5—1 m rostbrauner unge- Bchichteter sehr steinreicher Deckides und Steinpackung mit einzekeu sehr grossen Blöcken, scharf abgesetzt von dem darunter lagernden, in mannig- facher Wechsellagerung geschichteten Grand, Spatsand und Geriille des Haiiptdihiviums. An dem Landweg zwischen Kargow und Sch wastorf sehen wir nieist den unterdiluvialen gelblichen Saiul bis zui" OberHäche treten, nur von massenhaften Steinen und Blocken Ijestreut, die zu Mauern oder kegelförmigen, oft Ton Buschwerk bewachsenen Hügeln enffehftnft sind oder in die Sölle und Kuhlen versenkt werden. Von der Eisenbahn aus sieht man auf dem 80 m hohen Terrain viele dieser an Hilnengrilber erinnernden Hügel. In Schwastorf tritt der Geschiebemergel auf, als unterer zu bez«'i(hnen. oft von geschichtetem Grand und Sand bedeckt; nördlich von luer sind oft die kuppenartigen Bodenerhöhungen aus schwerem Lehm zusammengesetzt, während die tieleren Partien ans sandigem Deckkies oder gar unterdiluvialem Sand best I hell. Die cyklopischen Mauern, die aus „Felsen" gebauten Häuser untl das Pflaster der Strassen in jenen Dörfern weisen auf den Ge- schiebcrt irlitnni dt-r Gegend hin. Im Norden gehrtren die Orte Sciilön, Ueberendt-, i'orgelow, Schönau u. a. in das (Jebiet des Geschiebe- ötreifens, hier wolil mit herrschendem Mergelboden. Schmachthageu beseichuet die westliche Grenze gegen Waren hin. An der sOdlichen Grenze von Kazgow zeigt die massenhafte Steinbeschüttung di s circa 75 m hohen Terrains, welche auf kurze Entfernung nach Fede row unter VerkleiTif-ning der Steine bald gänzlich auf dem gleich hohen Sandgebiet zurücktritt, das Südende des Gcschiebestreiiens an.

Nach Boll streicht der Geschiebestreifen nun weiter über Gross und Klein Dratow, Eickhof, Kockow nach Möllenhagen.

. Bei Station MOllenhagen besteht das 95 m hohe Terrain aus blockreichem gelbem Deck-Geschiebemergel von circa 3 5 m Mächtig- keit, dem zuweilen gebogene Thonzwisclienschichten eingeschaltet sind. Der Einschnitt in dem Wald, wo sich der Heilierbrrg zu ll7.r> m Hohe erhebt, zeigte zähen dunkelbhuigrauen Gcscliiebemergei, i>edeckt von circa 3 5 m gelbem oberen, zum Teü auch, besonders am westlichen - Anfang des Einschnittes, von Kies und Sand angelagert Die massen- haften Blöcke, welche den Boden bedecken, sind auch hier zu den diarakteristischon Hügeln zusammengelesen oder in die zahllosen SöUe versenkt. Sehr schön entbhi^ste iuu h der Einschnitt ein einige Meter tiefes Turflager ( VValdtorf I. welches einen trichterlörmig in den Deck- mergei eingearbeiteten alten Soll ausgefüllt hat.

Nach Osten hin erstreckt sich von Marin über Penzlin ein ebenes - «Stromschnellengebiet*.

Der GJeschiebestreifen setzt (nach BoU) fort über Ottenheide, Ankershagen, Kratzeburg, Peccatel, Adamsdorf, Peutsch nach Hohenzieritz, l^sadcl in dns Gebiet des Thalbeginnes der Tollense. Wenn ^lan von Penzlin siidwürts nach Neu-strelitz wandert, durchquert man den Geschiebestreifen auf seine Breite von (i km; das Terrain steigt von 55 bis zu 85 m an. In der an Söllen, Torfkessehi und

FoiMbuicn sw dmitidMB LaadM* «ad ToUakiuid«. hb. 17

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2S2

Geiiiits,

[18

Seen reiclien Dockiiier|T;elgegend trifit mau zuerst bei Christenhol', nordwestlicli Prillwitz, auf den Blockreichtum, bald erscheinen die cyklopischen Mauern ab Weee- und Gehöfteinfassungen bei Hohen- Zieritz. Die Sandgrube sadtieli Hohenzieritz zeigt 1 2, auch 3 m michtigeii blrx k reichen sandigen Deckmergel in 55 m Hdhe, auflagernd auf rasch wechsellagemden Sanden und Granden, am Gehänge des Kückens auch nur Decksand, lehmig mit roher Schichtung. Bis nach Weisdin tritt auf dem mannigfach coupierten, im allgemeinen etwas niedrigeren (60 75 m, zum Teil über auch bis 94 m hohen) Terrain mehr und mehr der unterdfluviale Sandhoden zur 0eltmig, hei Blumen* holz noeh mit ziemlich reichlicher Steinhestrenung (nier mit Drei- kantem). Bei Weisdin treten die Blöcke ganz zurttck, ao daaa schon nördlich davon die Grenze <les Streifens anzugeben ist.

Die Breite; im weiteren Verfolg ist wegen der ausgedehnten Be- forstung nicht leicht zu konstatieren. Der Geschiebestreifen setzt in südöstlicher Richtung ununterbrodien durch den Forst Blumenhageu fort, hier meist mit sandigem Boden. In dem Eeulenberg nördlich von Thurow erreicht das Terrain die Höhe von 138 m. In dem tiefen Bahneinschnitt 6 km östlich von Neustrelitz sieht man eine Fülle grosser Blöcke auf den Abhängen, dem Deckkies entstammend, der hier die unteren Sande überlagert. Südlich hiervon, an der Waldgrenze neben der Chaussee werden in Üuchen Kiesgruben zahlreiche Blöcke (darunter -vid Sflurkalk) fttr Straasenbau »ausgebuddelt* : 1 2 m feiner gelber Heidesand bedeckt hier einen groben braunen, roh gesehichteten Kies, der eine mehrere Meter mächtige Steinpackung bildet, an der Grenze z>vischen Haupt- und Deckdiluvium« Das Terrain ist hier 80 bis 105 m hoch.

Boll gibt hier die Orte Thurow und Cammin an. Oestlicli Zinow zeigt eine in 85 m Höhe angelegte Grube am Saum des Forstes Dianenhof 1,5 m oberen Hergel mit einzelnen grossen Blöcken, auf- lagernd auf horizontalen Bänderthonschicht« n : im Forst selbst herrscht ein stark coupiertes Terrain. Erst bei Carpin tritt grösserer Block- reichtum in 2 m starkem Deckmergel auf, sUdUch davon herrscht der unterdiluviale Feinsand, stellenweise von grossem Blockrt'i( htum bedeckt. Bei Goldeubaum sind wir mitten in der Blockanhäutung, die dem nur 1 m oder noch -weniger m&chtiffen Decklehm entstammt, so dass &st durchgangig feiner Sandboden nerrscht, mit einer enormen FQlle von Blöcken bestreut. Diese, zum Teil 3 m im Durchmesser haltend, sind oft so massenhaft, dnss sie der Feldbestellung fast unilberwindliche Hindernisse bieten. So ist das Areal um den Hünberg ein wüstes, von Blöcken bestreutes Sandfeld, wo Hünengräber, Dolmen und spätere Steinhaufen neben den cjklopischen Mauern längs der Wege ein ganz eigenartiges Bild darbietra. Der Forst LUttenhagen mit den «Stein* bergen*, die Steinmühle, Bergfeld u. a. 0. sind weiter mit einem ausserordentlichen Blockreichtum gesegnet, der teils auf Feinsandboden, teils in strengem oberen Geschiebemergel sich befindet.

Von hier aus gelangen wir in die berühmte steinreiche und land- schaftlich schöne Gegend von Feldberg. Bei LUttenhagen treffen wir den blockreichen strengen Mergel des Deckdiluriums, das coupierte.

19]

Die mecUentrargUclien HOhenrQeken ete.

233

von Sollen und Seen durchsetzte Terrain setzt bis Foldberg und Nt'uliof fort, in einer Hcihe von 120, bis zu 140 ra iu den Rosenbergt n zwiäclieu beiden geuanut^eu Orten ansteigend. An den Gehängen der durch Evornoii nmimigfach herausmoddlierton Bttcken ixiflfe rann bloek- reichen Deckkies oder Hlockbesireuung der unteren Sande: auch südlich ▼on Feldbttg, bei Neu ho f undCarwitz tritt viel£udi der feine Spat- sand zu Tage, mit derselben enormen Blot klwstreuuiig. Die Orte der Umgebung von Feldberg. Neuhof, Carwitz, Thomsdorf, ('onow. Wittenhageu, Tornowhof, Schlicht, Lichtenberg, Wrecheu zeigen alle in ungeheurer Fülle die grossen, oft einige Meter im Durch- meMor haltenden ^rratisehen Blocke, die an cyklopischen Mauern um die Gehöfte und Wege aufgehäuft oä.er zu Steinhaufen zusammengetnigen sind oder zu Pflaster und Häuser- und Kirchenbauten verwertet wer- de!}. Ihre Fülle, m den WfUdeni oft {?.. H. !)ei Weudorf) wie Fels- nieere in Granitgebirgeu erscheinend, verleiht der au sich scliou so schönen Landschaft noch weitere romantische lieize.

Das Terram ist hier die normale Moranenlandschaft, nördlich von Feldberg im Wendoifer Forst bis zu 166 m ansteigend, meist tou oberem Geschiebemergel gebildet, der in einer bis 5 m betragenden Mächtigkeit untere Sande oder Bänderthon (n]or :iuch unteren Mergel bedeckt, zum Teil aber auch durch blosse bteiubeschüttung aui' unteren banden vertreten ist.

Im Süden werden bei Mechow die Steine immer kleiner, bei Lychen sollen sie Tersehwinden. Im Norden ist der Blockreiditum im Deckmergel bei Wendorf noch unverändert, tritt bei Neugarten und Grauenhagen zurück, erscheint aber auf dem 125 m hohen Gloin- berg bei Göhren norhmals auf dem unteren Sand und Kies, um als- dann nach Woldegk zu fast ganz zurückzutreten. Die Bre ite des Ge- schiebestreifens ist denmach iu der Umgegend von Feldberg, an eniigen Stellen aUerdings durch kurze gesduebearme reep. -freie Striecken unter- brochen, in nordnordfiatlicher bis sUdsadwestliaier Richtung gemessen etwa 18—20 Kilometer.

Wie Boll angibt, setzt sich von hier der Ge.schiebestreifen in südöstlicher Richtung weiter fort durch die Uckermark über Brü.sen- walde, Mahlendorf, Warthe, Schönemark, Güstow, Prenzlau, Bertikow, Seehausen, Gerswalde, Blumberg, Fredenwalde, Willmersdorf, SteinhQfel, Alt-Temmen, -Ringenwalde bis nach Schwedt an der Oder.

T. Oeschfebestreifen: „Kliltier Ort Hoidentln Stornberg Karow Popiieiitln - Beehlin Wesenberg Fftrstenberg.^

Der an einer Stelle fast 40m hohe Klint des ,KlUtzer Ortes* (mit welchem Namen der Küstenstrich zwischen dem Da.ssower Binnen- see (istlich Lübeck und der Wohlenberger Wiek westlich Wismar be- zeiclmet wird) zeigt zwischen lieth wisch bei Boltenhagen (Gross Klotz HOred) und Brook und Schwansee in gleicher Weise wie

234

Geinitz,

[20

der Stoltero-KUnt bei Warnemtlnde einen von massenhaffen, mftditigen erratischen Blocken umsäumten Strand, dessen Blockreichtiun weit be-

deute-nder ist als bei Warnemünde, zum Teil allerdings wohl nur des- halb, weil seit Jahren zum Scluitz des T'fors gegen die Wellen die Blöcke nicht weggenommen werden. Der durch den Buchenbestaud seiner Hölien und die schönen Aussichten auf das Meer und die hol- steinsche Küste landschaftlich ausgezeichnete Klint besteht auch hier ans mäehtigem, grauen, unteren Geechiebemereel, der toh oberem gelben Uergel in der Mächtigkeit von einigen Metern bedeckt wird, an dessen unterer Grenze oft Zwischenschichten von Sauden und Bänder- thon auftreten, die von dem Deckmergel vielfach in ihrer Lagerung stark gesWirt erscheinen; zum Teil tritt auch der Deekmergel stark zurück und es erscheinen bei Vorherrschen der unteren Sande in dem Klint die amphitheatralisch zurücktretenden ^Nischen*

Den mächtigen Entwickelungen der Sande zwisdien den Geschiebe- mergelwelien des Strandes entsprechen auch im Hinterlande Unter- brechungen des blockrcichen Mergelbodens durch Sandgebietr , so da^s nicht ein einheit]i< lier Geschiebestn-ifen von Iii lim Bi-eite vorliegt, sondern derselbe in einige parallele, unter einander auch wohl diagonal verbundene Einzelstareifen zerfiült. Der im Kltttzer Ort hervortretende Rficken von Senonkreide ist vom gesamten Diluvium mit Sauden, Thonen und oberem und unterem Geschiebemergel beschüttet worden. Gebiete, in denen die unterdiluvialen Sedimentärbildungen vorbcrrscbf n. finden sich überall inmitten des normalen Geschiebestreifens. Kmi«;e Beispiele seien aufgeführt: Bei dem südlichen Ausbau zu Warnken- hugen in 45 m Höhe tritt feiner Spatsand und Kies innerhalb des Deckmergelgebietes auf. Die Kalkgrube am nördlichen Gehänge des Hohen Schönberges zeigt bei 80m die Ejreide bedeckt von gelbem Geschiebeniergel mit zahlreichen schön geschrammten Blöcken, in der- selben Weise wie alle Kreidevorkommnisse des Klützer Ortes. Nach der H()he zu tritt dazwischen ein Iiis 3 m mächtiges Lager von ge- scliichtetem Blockkies, ein „uuterdüuviales*' Gerölllager; die Spitze des 92,3m hohoa Schdnbei^es wird aus Kies und Sand mit Gerölllagem gebildet, der von etwa 1 m um geschichtetem Deckkies noch überdeckt ist.

Das dahinter liegende 70 80 m höbe, aV)er rasch zu 60 und 40 m abfallende Gebiet zwi.schcn Hohenschönl»erg. Kalkhorst. Ranken- dorf. Goldebeck, in einer Breite von etwa (> km, ist die eigentliche Moräuenlandschaft. Die zahllosen SöUe, Kessel und Schluchten sowie grösseren Torfinoore , die massenbafben grossen Steine auf dem Boden (in Kalkborst gibt es Blöcke von 6 cbm (Grösse), die prächtigen Bucben- waldungen verleihen auch hier dem Lande den Reiz der Gebirg.sland- Schaft ; In deni Parke von Kalkborst ist denn auch durch geschickte Benutzung resp. Konservierung der ursprünglichen Verhältnisse ein reizendes Bild der Gebirgsgegend iixiert.

Auch hier herrscht nicht lediglich der obere Blockmergel, sondern es treten auch blockaime Mergelpamen und grössere oder kleinere Sand-

') Vgl. £. Geinitz: VU. Beitr. z. Geol. Mecklenb. 1885. 8. 57 u. S.

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Die medclenbargiKheii H^^henrftcken etc.

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lager liier zu Tage. Bei Rankondorf werden die Blöcke zum Teil auch vou dem unteren Mergel und von Deckkies geliefert, welch letzterer oft eise dOnne Lage auf unteren Ghranden bildet Bei Ktthlenstein, inmitten der coupierten Landschaft tritt feiner Spatsand mit thonigen Zwischenschichten in mannigfachen VerwerfiaDgeil, zum Teil noch mit gering^er Mergolbodeckung zu Ta^e.

Bei KliUz uii'l Hofzumft' 1 de, wo sicli aus der westlirli LCi leL,'eiien Moräuenlandiscliait eine weite Niederung von nur 10 m Meerc.shöhe ent- wickelt, die itt dem Bottenhiger Thal ftthrt, ist der Blockreichtum Terschwuuden und es treten Sande und ein mächtiges Lager von Bänder- thon zu Tage, stellenweise noch von hlockarmem sandigen Mergel be- deckt. Die Mi'u litiLrkcit rliesor sedimentären Ablagerungen erhellt aus der artesi.-ichen Brunnenbolinni^ in Schlosa Bothmer, welche unter Ackererde, Decklehm, «»:ell»eiii Sand und blauem steinfreien Thon bei 60 m Tiefe eisenschüssigen Saud antraf, aus dem ein bis 47' Uber Tage an&pnidelnder mächtiger Wassersiarahl angezapft wurde.

Im Westen bezeichnen Vogtshagen und Ii oij ^enstorf mit sandigem r>ecklehmboden und häufig hervortretenden hori/rmtal ge- lagerten Feinsanden das Ende des (rescbiebestreifens; allerdiii^'^s sind hier auch noch vereinzelte Blöcke und die Ortscbaften haben einzelne cyklopische Mauern, indes ist die eigentliche liäuligkeit verschwunden.

Der Geschiebestreifen setzt sich in sQdastlicher Richtung fort Uber die Orte Grevenstein, Pohnstorf, Moor, Welzin, Gutow, Küssow.

Eine Kiesgrube an der Grevensteiner Windmühle, circa 50m hoch, zeigt steil nach Rüden einfallende verworfene Schichten von Kies und Sand mit kalkreichen Öchlulfzwischenlagen, angelagert und zwischen- gekeilt Biocklelmi, der oben zum Teil sedimeutiert ist. Bei Welzin sehen wir eine strenge Steinpackung 2 m n^ichtig, auf hSnfig au&e- richtetem Sand und Ghrand. Eine interessante Erscheinung tritt bei Ranke 11 dorf und bei Rolofshagen auf: in einer Kiesgrube östlich von lliinkendorf lagert M m geschichteter Kies auf blockreicheni Lehm, und wird selbst von wenig Deckkies überlagert ; in der Sandgrube an der Chaussee nördlich von Rolofshagen ist unterdiluvialer Grand und Sand TOn mächtiger kiesiger Steinpackung bedeckt und diese salbst nodniuds von geschichtetem Qrand Uberlagert, auf dem (bis 0,5 m) wenig nük^tiger, gelber blockarmer Geschiebelehm folgt Wir erkennen hier wie aucb bei Grevenstein eine mehr oder weniger weit durchgeführte Sedimentierung der Gnmdmoräne des oberen Geschiebeiners^els.

Unter bedeutender Verschinälerung und mit Zurücktreten des Blockreichtums wendet sich von Küssow Rolofshagen der bis 55 m hohe Cteschiebestreifen mehr in östlicher Richtung tlber Warnow, Hoikendorf, Jassewitz, Jamal« Gressow, Hamberge, so dass die Gegend von Grevesmühlen Btstam in das sQdliche normiue Spatsand- gebiet fällt.

Alsdann biegt der Geschiebestreifen, als deutlich sichtbarer Höhen- rücken von 00 80 m Höhe, im Papenberg bei Luttersdorf zu 92 m ansteigend, noch circa 8 km breit nach Sfldosten, Ober Krönkenhagen, Lntterstorf, Beidendorf, Stieten, nach Moidentin bei Mecklen- burg sfldlich Wismar: In der Kiesgrube am Kirchhof Ton Beidendorf

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Geinita,

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sind unterdiluvinle Grunde und Kies, im iill<^'fiiu'inen von liorizontuhr Lagerung, von Deckkies bis zu Im MHcLügkoit überlagert, der zum TeÜ eine dichte Stdnpaekong darstellt 'mit grossen, oft gesehnunmten Blöcken. In einer nahe dabei nördlich gelegenen Kiesgrube sind die in ihrer Lagerung mehr gestörten Kies- und Grandechichten teils von Steinpackunt? und lehmigem Deckkies, teils von strengem Ges(:lnel)elelim bedeckt, der in breiten riesentopt'artigen Buchten in den Grand ein- greift; bisweilen tiudeu sich auf dem Geschiebelehm noch Nester von StoiinpfiGkung. SOdEch Ton Hoidentin ist eine grosse Kiesgrube an der Eisenbahn in Betrieb, die an einem etwa 15m hohen Anfischlnss in mannigfacher Weduellagerung Kies, Grand, Sand und Schluffsand in fast horizontaler Lagerung mit unbedeutenden Verwerfungen abbaut. Diese unteren Sande sind bedeckt von ungeschichtetem, V s 3 m mächtigem Deckkies von ausserordentlich grossem Reichtum an Blöcken, das Normal- bild einer grandigen Moräne darstellend.

Am Ostofer des jetzt Tertorften Dambecker Sees ist lings der Eisenbahn bei Wendisch Rambow und Nalidin das Ende des Ge- Schiebestreifens in der reichen Steinbestreuung der unteren Sande zu erkennen. Der Forst bei Kleinen zeioi noch blockreichen strengen Geschiebemergel ; dagegen treffen wir au der Nordspitze des Schweriner Sees, am Wallensteingraben und dem Lousteuer See sowie bei Hohen Viecheln den reinen unterdiluTialen Feinsand zn Tage getreten.

Nach Norden kann man das allmähliche Anreichem der Stein- bestieuung auf den Feldern nach Moid entin hin verfolgen. In Hohen Viecheln herrscht der feine Saud, doch tritt am Steilufer des Schweriner Sees der Geschiebemergel auf. Weiter östlich reiht sich das Sandgebiet von Ventschow an, welchem der Deckgeschiebemergel teils überhaupt nicht mehr, teils qpirlich oder nur von SteinbeBtreuung vertreten, er* halten ist.

Oestlich von hier tritt eine Unregelmässigkeit in dem Verlauf des Geschiebestreifens auf, durch wel(ht" sowohl die beiden benachbarten Geschiebestreifen als auch an nndt l er Stelle die südlich von ihnen gelegenen Öandterritorien in Vnl»iiuli]ii«r treten.

Oestlich von Hohen Vieche in folgt die von Sauden und Thonen des unteren Dflnviums eingenommene Gegend von Ventschow, Bibow und Blankenberg, welche an letärterem Orte mit der Sandg^^d von Neu kl oster und War in zusammenfliesst. Fleckenweise, wie z. B. bei Bibow, tritt auch hier der obere Mergel in etwas bedeutenderer Mächtigkeit auf, zuweilen ragt aruli der untere oline Sandbedeckimg hervor, aber beide sind arm an Blöcken, das herrschende Gestein Lst der feine Spatsand, zum Teil mit Steinbestreuung.

An die sich bei 60 m erhebende Gegend von Moidentin lehnt sich im Osten bei Moltow. Kleekamp, Tarzow, Schimm eine südsüd- westlich-nordnordöstlich streichende Höhe an, die zunächst bis 70 m über dem Meere, bei Schimm zu 80 m ansteigt und im weiteren nordöstlichen Verlauf über Fahren nach Zurow sich in dem Windmühlenberg nMlidi von Zurow zu 102 m erhebt, um alsdami swisehen Goldebee und Nevern bald auf 60 m abzudachen.

Auf der «Steinkoppel* bei Schimm, 7 hm Östlich von Moidentm,

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Die meddenbiitgiBehaii HOhenrQckeD etc.

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finden wir in enormer Miisse <^'ros?e erratisciie Blckke zu.samniengehUuft, zum Tt'il im Boden unter ganz geringer Erdbedecdvung liegend, eine Morünenstempackung bildend, die auf gemeinem band und Grand des Hauptdiluviiuns auflagert. Grosse cyklopische Stemmauem um die Koppel, Anhäufangen längs der Wege, bedeutende Entnalimen für die PflasfceruDgen in Wismar haben zwar viel w^^eraiunt, aber noch nicht vermocht, den Moränencharakter zu verwischen. Auch bei Tarzow, Moltow und Trams ist noch ein l)edeutender Steinreichtum zu be- merken. Hier liegen zalilreiche kleine Seen und Torfmoore neben Sollen in dem oft kiesigen, coupierten Terrain. Die nördliche Umge- bung von Zurow ist eben&IIs sehr reich an Steinen, blockreicmer oberer Mergel oder lehmiger Deckkies bilden die Felder und den Gipfel des Windmühlenberges.

Zwischen Goldebee und Tatow ist dieser nordöstliche Höhenzug nur durch eine circa 4 km breite, auf 50 m herabsinkende nordwestlich laufende Bodendepression von dem nördlich verlaufenden Geächiebe- sfare^sn «POel-Fddberg* gefarennt

Nach Westen dacht sieh der Streifen in die blockarmen Sand- oder Deckmergelgebiete laugsam ab, nach Osten erfolgt die Abdachung zu dem Sandgebiet von Neukloster- Warin rascher. Der Südabfall des Streifens bei Kleekamp undJesendorf zeigt sehr schön das allmäh- liche Verschwinden der zuerst sehr reichen Steinbestreuuug auf den immer mehr bei Yentschow und Dämelow zur Geltung kommoiden feinen unterdilnyialen Sand.

In der an Seen und Depressionen besonders reichen ümgegend von Bibow und Blankenberg ist der weitere Verlauf unseres Ge- schiebestreifens nur undeutlich zu verfolgen:

Zwischen dem Wariner und Bibower See, bei Nisbill und Hasen- winkel, herrschen nur die Sedimente des Unterdiluviums, feiner Sand und BänderÜion. In südlicher Richtung 7on Trams und Jesendorf treffen wir bei Dämelow und Neuhof lehmigen Decksand oder block- armen Deckmergel. Erst bei Jarchow und Holdorf westlich von Brüel treffen wir wieder auf grösseren Blockreichtnm des oberen Mergels, der in wechselnder Mächtigkeit den unteren Feinsand bedeckt.

Ueber B u c h h o 1 z nach Retgendorf zieht «ich in westlicher Rich- tung von hier ein 65 85 m hoher blockreicher Rücken zum Sdnreriner See, als Querxiegel oder westlicher Auslaufer von unserem Geschiebe- streifen nach dem südlirh folgenden Streifen VI.

Die 50 70 m hohe Gegend zwischen Ooh hen und Brüel, mit Decklehmboden oder Sand mit Steinbestreuung und den zahlreichen eigentümlichen tiefen runden Kesseln, die trocken oder als kleine Seen, zum Teil wie Pingen den Boden durchsieben und dieser Sandgegend einen s^ eigenartigen Habitus yerleihen, kann als sttdOstliche Fort- setzung des Geschiebestreifens von Jarchow aus betrachtet werden.

Nördlich von Brüel dacht sich der Mergelboden allmählich zu dem Thon- und Sandgebiet von Blankenberg ab. Nordöstlich von Brüel aber zeigt sich bei Penzin, au der Bahn in circa 55 m Höhe gelegen, in dem Gebiet der Sande und Thone ein 2 4 m mächtiges kiesiges Stein- lager, lokal auch zu Decklehm fibergehend, unteren Sand und Kies als

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GeinitB,

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nonnaler Moi^enschutt überziehend. Nur kaum 8 km breit trennt diese Mor&ne das Sandgebiot der Gegend von Friedrichswalde und liiibfn/ von dem Geschiebestreifen IV bei Eickelberg: auch nach Osten ^i'ht also hier ein ^Ausläufer" oder Querriegel ab. Südlich folgt Sand mit Steinbestreuung in dem Sültener Forst, und bei Weiten- dorf wird der Anschluss an den Brfleler Sieinzug erreicht

Hier durchbricht in südwestlich -nordds weher Richtung den Geschiebestreifen das schmale tiefe Wamowthal, wekhes die ErosionB- vcrbiTvhinir mehrerer hinter- und nebeneinander gelegener Evoraons- kessel darstellt.

In südöstlicher Bichtimg macht sich immer mehr der unterdiluviale Sandboden geltend, das grosse Eaarzer Holz und die Gegend von Sternberg zusanunensetsend. Das stark coupierte, ron SöUen und tiefen Kesseln und kleinen Seen unterbrochene Terrain zeigt durch ine massenhafte Steinbestreuung die Zugehörigkeit ZU unserem, hier bis 60 m hohen Geschiebestreifen.

Das stark coupierte Decksaiidgel)i»'t westlich von der Stadt Stern- berg, mit 40 60 m Meereshöhe, zeigt sehr steinreichen Decksaud, zum Teü in Steinpackung übergehend, auf unterem Sand und Grand; in dem Deckkies, der oft die Felder mit kopfgrossen SteingerOllen wie ttberriLet erscheinen lässt, liegen h'wr neben den nordischen Gerollen, immer gegen diese stark zurücktretend, die bekannten ^Stemberger Kuchen". Diese Landschaft erstreckt .sich hier mit südlicher Ablenkung von Sternberg über Kobrow, Schönfeid nach Stieten auf eine Breite von etwa 6 km, im Wahrsberg bei Stemberg zu 66,5 m auf- steigoid. Im Süden, bei Demen und Buerbeck entwickelt sich all- mählicb der reine Spatsandboden mit immer kleiner und spärlicher werdender Bestreuunff von Steinen, nur lokal mit etwas blockarmem Deckmergel; in gleicher Weise verschwinden die Gerolle im Norden in dem reinen Sand- oder steinarmen Mergelboden.

In südöstlicher Richtung folgt ein Höhenzug durch den Turloffer Forst nach Ruest und Techentin, mit einer 70 90 m betragenden Erhebung, hauptdkhlidhi aus Sauden, zum Teil auch aus oberem Ge- schiebemergel zusammengesetzt, aber ohne viel Steine. Viele tiefe Solle und Kessel zeichnen diese Gegend aus. Nördlich hiervon breitet sich die Heide des feinen uuterdiluvialen Sandes von l)al)el, Klein Pritz, Schiowe, Dobbin aus, welche ihrerseits im Norden noch von einem Ausl&ufer des Stemberger Geschiebestreifens abgegrenzt wird, der bei Borkow mit dem Upahler Zug in BerQhrung tritt (s. oben).

Zwischen Augzin und Mühlenhof bei Mesthn sehen wir in dem blockarmen Deckmergel- resp. Sandgebiet einen schmalen deutlich von Nordwest nach Südost streichenden Höhenrücken von 8() m Erhebung als parallel dem Streifen von Techentin laufende Moräne, die wir nach ihrer Oberflächenbeschaffenheit gut als Endmorftne bezeichnen könnten.

Als breiter, 70— 90 m hoher, von seiner nördlichen und südlichen Umgebung sich wenig abhebender Rücken zieht sich der Geschiebe- streifen ans der Techentiner tiegend wieder in der alten südöstlichen Richtung über Seelstorf, Diestelow, Penzlin in die Gegend süd*

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Die meckieuboiigiBChen Höhenrücken etc.

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lieh Ton Karow. An seiner Nordseite ist der Dobbertiner, Goldberger und Damerower See gelegen, im Norden von dem unterdiluTialen Heide- sandareal begrenzt, im Süden 2Um Teil in Deckrat'rgellandschaft. Letztere, bei Zidderich, Goldberg, Wendisch Waren tiihrt keinen auffälligen ßlDckreichtom, gehört also schon zum Nordende des Ge- schiebfstreitVns.

Auf dem 80 m hohen Hellberg bei Dobbertin zwischen dem Dobbertiner und Goldberger See, wo bebumÜich der LissÜion und' Posidonienadiiefer zu Tage kommt, herrscht im allgemeinen (als Be- schüttung von unterem grauen Geschiebemergel oder von dem Liasthon)

zusammensetzt, doch tritt hier lokal auch >)lockreicher oberer Geschiebe- mergel auf. Auch am Westufer des Goldberger Sees tritt gelber Ge- schiebemergel auf und ebenso am Lfischowsee. Doch ist dies Vor- kommen von Geschiebemergel innerhalb des Spatsandgebietes ein iso- liertes, oder Ton unserem Zuge bei Wendisch Waren und Goldberg nadi Norden abgezweigtes Areal zu nennen, an welches sich in nordöstlicher Richtung die massenliafte Steinbostreuung von Kleis ton unschliesst, die mit dem nördlichen Upahl- Grabower Geschiebestreifen in nahe Berührung tritt.

Eine Kiesgrube bei Diestelow zeigt auf horizontalen Schichten

▼on Grand und Sand konform aufgelagert 1 m m'ächtigen lehmigen un- geschichteten Deckkies, die Hauptkontur des Hügels bildend. An anderen Stellen ist der obere Geschiebemergelf welcher die Bodenart des Geschiebestreitens bildet.

Bei Karow trifft man auf das Grenzgebiet der nördlich vorge- lagerten Heide. Der Bahneinschnitt südlich vom Bahnhof Karow zeigte in 70 m Höhe 2 m machtigen sandigen Deckmergel mit zahli> uhen grossen HlrK ken, auflagenid auf feinem Spatsand mit dfinnen Thon- zwischensrlnchten. Auf den südlich hiervon gelegenen Feldern bei Leisten und Zarchlin treten noch verschiedene Blöcke aus dem Sand- resp. sandigen Mergelboden hervor, der Bahneinschnitt an der Leister Lanke (70 m Htfhe) lieferte eboifiüls sehr bkMskxeichen gelben sandigen Geschiebemergel auf feinem Sand lagernd, und eine benachbarte Kies- grube zeigt gering mächtigen Deckkies auf Sand mit Thonlagen. Wäh- rend bei Zarchlin der Geschiebemergel herrsciit, aber arm an Blöcken, Tinterlagert von unterem Geschiebemergel, zeigt die Geirend von Plaue r- hagen und Quetzin Sand mit reicher Steinbestreuung. Nach Flau zu kommt allein der Sand zur Geltung, nur am Bahnhof Plan trat noch- mals bloekreicher sandiger oberer Mergel auf Sand lagernd ein; sfldlich der Stadt finden sich mächtige Kies- und Sandlager, so z. B. in dem 92 m hohen Kalüschenberg, westlich von welchem auch nochmals sandiger Blockmergel mit nnterlagerndem Steinptlaster den Kies bedeckt (wohl eine Brücke zu dem südwestlich folgenden Parallelzug, s. u.).

OestUch von Leisten und Karow zieht sich der Geschiebestreifen in bedeutender Verengung Uber Alt Schwerin und Jürgenshof^ Sparow und Xossentin auf die Südseite des Pleesen.sees hinttber. Der nördliche Teil des Flauer Sees, der Tauch ow- und Krebssee ge- hdren zum T«l in sein Gebiet Seine Breite ist hier nur 3 4 km,

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Geinitz,

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seine Höhe beträgt 80 95 m und zeigt nach Norden und Süden in die folgenden Ssiuddistrikte der Nossentiner Heide und der Malchower Ge- gend keine bemerkenswerten Abdachungen.

Teils nur mehr oder weniger dichte Steinbestreuung , teils wenig mächtiger Deckkies, teils auch 1 2 m mächtiger oberer Blockmei^el, auf unteren Sanden lagernd, bildet hier wieder den Boden des Streifens. Die Eisenbahneinschnittc südöstlich von Alt Schwerin entblössten sehr deutlich diese Verhältnisse. Das Seeufer bei Jürgenshof und der bis 93 m hohe Planer Werder sollen den blockreichen Mergel zeigen. In der nur noch zum Teil steinbestreuten Sandgegend bei Sparow, Silz und Nossentin tritt lokal der blockreiche Geschiebemergel auf der hier anstehenden Kreide auf, oft nur in geringer Mächtigkeit, viel- fach in Schichtenstörungen mit seinem Untergrund verbunden. Lra Süden triflFt man inmitten des herrschenden Sandes noch vereinzelte auf- fällige Blockvorkommnisse im Deckkies bei Petersdorf und Lenz, am Südufer des den Planer- und Fleesensee westlich von Malchow ver- bindenden Petersdorfersees (vielleicht gehört dazu auch die ,Steeneck* am Plauersee gegenüber Plan).

lieber den Fleesensee setzt der Geschiebestreifen quer nach den Kreidebergen von Göhren am Südufer des Sees; doch sind mir keine Angaben bekannt über etwa vorhimdene Blöcke auf dem Grund des Sees; Fromm und Struck erwähnen nur*), dass der See ,fast durchweg festen Sand" besitzt.

Westlich und südlich von Göhren herrscht Spatsand, zum Teil auch oberer Mergel, aber ohne erheblichen Geschiebereichtum. Zwischen Penkow und Uoez tritt man in die coupierte, an Sollen reiche Mergel- landschaft des Geschiebestreifens ein, die sich bis 90 m erhebt, im Nor- den aber noch nach dem Göhren Poppentiner Kreiderücken zu lOOra ansteigt. Unmittelbar hinter den Kreideerhebungen sieht man oft, z. B. bei Blücher, mächtige Sandablagerungen, vor und hinter ihnen oft block- reichen Deckmergel auf Sanden, also auch hier, auf dem Streifen Göhren, Blücher, Poppentin, Sembzin, Hinrichsberg, Sietow, Gotthun, das gesamte Diluvium entwickelt. Am Nordostabfall des Höhenzuges sehen wir bei Grabenitz und Klink die Sande und zum Teü Thon in mächtiger Ablagerung und können zugleich auf dem Weg von Sembzin über Klink nach Waren das Verschwinden der Steine an der Oberfläche beobachten. Der Nordrand des Streifens ist ziemlich sicher durch die am Südwestufer des Kölpinsees bei Wendhof und Neu- Grabenitz ausgewaschenen Blöcke angegeben; Fromm und Struck*) bemerken nämlich hierüber folgendes: „An der Südwestküste des Cölpin- sees bei Wendhof und Neugrabenitz liegen sehr viele Geröllsteine, die auch mehrere Ruthen weit ins Wasser hineingehen, aber nicht durch dasselbe fortsetzen, sondern vielmehr in gleicher Richtung landeinwärts gehen. Diese Richtung ist eine solche, dass sie, in sehr schwachem Bogen fortgesetzt, gerade auf den nördlichsten durch die MUritz strei- chenden Geröllstreifen stossen würde."

*) Arch. mecklenb. Lnndcsk. 1865, S. 135. ») Ebenda.

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IHe meddenlMii^giMhen HShenradceii efcc

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Ueber die Verbindung dieses und des nördlichen Par;illelzu<<e.s durch die müchtigeu Blockvorkommniase bei Jabel ist schon oben (IV) Mifcteilimg gemacht.

Den sorgfältigen üntenuchimgen von Fromm imd Struck ver- danken wir di( Xiirlirichten Uber das weitere FortsetEen des Geschiebe- streifens durch die Müritz. Sie unterscheiden vier ,Ger6ll8treifeii''t welche als TTntiefen den See durchqueren ^j:

1. Der nördlichste Streifen beginnt als unmittelbare Fortsetzung des Poppentin Sietower Gesdiiebestxeifens am nordwestlichen Ufer bei Sembzin, mit einer bis zur Sietower Lanka reichenden Breite , 4 ^9^ Wasserhöhe über sich, und setzt sich , unzweifelhaft unter dem Wasser fort* (ir Wasserhöhe) in westtistlicher Richtung oberhalb des Kederank am östlichen Ufer, welches Wesselshop gensmnnt wird, wieder heraus- tretend. ,I)ie Steine in ihm liegen so nahe und sind meistens so gross, dass man das Aufstossen auf sie iühll, wenn man ein Senkblei von betriehtliehem Gewichte schnell hinablilMt.*

2. ,Ein /weiter Geröllstreifen beginnt am östlichen Ufer hart an der nördlichen Einbiegung des Rederank in die MUritz^ wo das Hinnen- feld lit'gt, und wendet sich von Nordost nach Südwest in solcher Rich- tung, dass er in seiner Verlängerung auf das Vorgebirge Steinhorst (bei Ludorf am westlichen Ufer der Müritz) treä'eu würde. Bis zum dritten Teil der Breite, vom Rederank Her, haben wir ihn verlblgt und hierbei u. a. einen Stein von 16' im Durchmesser gefunden. Wahr» scheinlich setzt auch dieser Streifen durch das ganze Becken fort, denn am Vorgebirge Steinhorst findet sich gleichfalls eine beträchtliche Ab- lagerung grosser erratischer GeWUle.**

3. „Ein dritter schmaler Streifen ist östlich von Ludorf am sogenannten Kopf angedeutet, dessen Verlauf zweifelhaft ist.*

4. «Ein vierter, in dem sich ein Stein von circa 14' Durchmesser befindet, geht um das ganze hohe Ufer des Klopzower Eatenortes hemm und streift nahe am östlichen Seeufer bis nach Reblin hin fort; er lässt sich nicht weiter verfolgen."

Bei Eintragung obiger Befunde in die Karte und Berücksichtigung der nicht sicher nachweisbaren Fortsetzungen der vier Streiten in nord- ISstticher Richtung erscheint es naturgemfisser, hier einen einzigen, das Becken der Müritz in nordnordwest - sttdsüdöstlicher Richtung durch- ziehenden l)reiten Geschiebestreifen anzunehmen, der vielleicht in seinem nördlichen Teile einen Ausläufer nacli Osten, zum Rederank und Hinnen- feld entsendet. Dieser Zug wünle genau der südöstlichen Fortsetzung der Poppeutiner Kreide entsprechen.

In der Tfaat habe ich auf dem nordöstlichen Ufer der MOritz, in der Umgebung des Rederank, bei Federow, Müritzhof, Schwarzenhof, keine Spur von Steinen oder Blöcken auf den flachen Feinsand-Distrikten aufgefunden; hier herrscbt auf weite Strecken der feine gelbe Sand der Heide, erst nach Nordosten mit SteinV)estreuung sich an den nördlichen Parallelzug anschliessend. Die Ziegelei Müritzhof beutet ein unterdilu-

*) Aycb. meeklenb. Landeak. 1864, S. 6. Mit einer Karte.

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Ueinitz,

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viales Lager von Bänderthon aus« der in einer Meereshühe von circa 63 m von 0,5 1 m tüluTuden Sandschichteii bedeckt ist

In direkter südöstlicher Fortsetzung der von der Sietower Lanke über den Ludorfer Kopf nach dem Klopzower und Rechliner Ufer lau- fenden (ioröllennhilufun^ triöTt man bei Roggentin und Leppin eine schmale, nur zwischen Holter Mühle und Hof Roggentin, d. i. iu eiuer Breite von li km, sich bemerkbar machende Blockanhäufuug , dem höchstens 1 m nUtohtigen Deckkies, selten dem Decklehm entstammend. In der Kotzqwer Heide südlich hiervon tritt noch etwas Steinbestreumig auf dem feinen unterdiluvialen Sand auf. (Der von Struck a. a. O. beschriebene „Steintan// bei Klopzow bestätigt wieder die Beobachtung, dass die prähistorischen Steiiiil' nkinäler an die geschiebercichen Gegen- den gebunden sind und gewisäerniasäen als Leitfosäilien der Geachiebe- streifen gelten kdnnen.)

Weiter Östlich träft man auf dem 80 m hohen' Kienhont an der Qualzower Ziegelei mitten in der trostlosen Sandgegend von Babcke und Mirow in einer ziemlich blockreichen Deck-Ge.scliiebemergelkuppe auf die Fortsetzung des schmalen unbedeutenden Geschiebe.streifens. Nördlich und südlich iat auf eine ganz kurze Erstreckung noch Stein- beatreuung des Sandes vorhanden.

In südöstlicher Verllagenrng sollen bei der üseriner Mühle, zwischen dem Useriner- und Qiossen Labussee, südwestlich von Neu- strelitz, sich Steine bemerkbar raachen und tritt auf der Höhe des zu 81 m aufsteigenden Wörlandberges bei Wesenberg Steinbestreuung auf. In den beiden Ziegeleigruben östlich der »Stadt Wesenberg finden wir steinreichen oberen Geschiebemergel, allerdings arm an grossen Blöcken, zum Teil auf BSnderthon lagernd. Zwischen hier und Ahrens- berg gewahrt man auf den Feldern eine reiche Stein- und Block- bestreunngf meist dem Deckkies «itstammend, zum Teil auch dem Deck- lehm. Am Sndufer des Drewensees sieht man im Forst Wildhof noch ziemlich reichlich Steine auf dem Sand, und in der Nähe des Forst- hofee Drewiu tritll mau uochmai» m einer kleinen Grube auf ziemlich steinreichen oberen C^chiebelehm. Hiw in der Kfthe wurden auch von Oörner viele der schönen Huschelkalkgeschiebe (in dem Decksand) ge- fbnden^ welche im Neustrelitzer Museum aufbewahrt sind.

1( Ii habe die weitere Fortsetzung des Gescliiebcstreifens durch dit- ausgedehnten Waldungen des südöstlichen Mecklenburg -Strelitz nicht weiter verfolgen können. Boll gibt an, dass er in südöstlicher Rich- tung zwischen FUrstenberg und Dannenwalde, Joachimsthal und Alt KUnkendorf bis in die Gegend von Oderberg veriäuft. Hier ist es der von Berendt und Remels näher bekannt gemachte Geschiebe- wall von Liepe zwischen Oderberg und Eberswalde, welcher die un- mittelbare Fortsetzung unseres Geschiebestreitens darstellt

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Die mecklenburgicchen H&haufloken ekc

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Tl. Gesehiebestreifen: ^Brothener Ufer? Ivendorf Schwan* beek Mäblen Kichsen Rogensee Retgendorf ^ Karnin Fraiieiijnark Lttbz Staer BAtow^,

Dieser Zug tritt, vielftich weit weniger dentlich hervor als dio beiden vorigen; seineu Verlauf habe ich nicht ganz kontinuierlich ver- folgen können.

LängH des .Brothener Ufers* nördlich von Travemünde findet man ahnlich wie am Eltttaer Ort « ine grosse Menge zum Teil sehr schön geschrammter grosser Go^jchiebe aus dem hier klintartig abge- brot henen unteren und ()i>eren Ueschiebemergel herausgewaschen. Der obere Mergel hat oft mehr Geschiebe als der untere; bis '6 m mächtig igt er zmn Teil auch sehr zurücktretend oder verschwindet auch ganz, mid es tritt alsdann der untere Sand, der an vielen Stellen fthnfichot wemi auch nicht so schöne, Schichten Störungen in seinen zwischen bei- den Mergeln eingelagerten Massen zeigt« als Tagesbedeckung des unteren Mergels auf.

Geht man am Ufer der Trave südwärt« von Travemünde, so trifft man bald bei Ivendorf massenhafte Blöcke aus dem oberen Geschiebe- mergel herausgewaschen. Eine Kiesgrube an der Bahn zeigt hier mächtigen steinreichen Deckkies. Bis Dummerstorf zeigt das Ufer blockreichen oberen Mergel m mächtig, auf oft ausserordentlich mäch- tigen unteren Sainlen. deren Liegendes grauer unterer, thoniger, block- armer Mergel ist, «lit iil»er auch gänzlicli vei^eliwinden können und dann den oberen Mergel auf unterem lagern lassen. An melu-eren Stelleu wird auch Deckkies, der als mächtige Steinpackung auftritt, in Kies- gruben abgebaut. Aehnliches zeigt ebe Kiesgrube bei WaldhuseUt landeinwärtsS, wo roh geachichteter lehmiger Deckkies in 1 m Mächtig- keit auf horizontalen unteren Banden und Grandt ii lagert. In dem Deckkies des Travenfers finden sich viele der grUnen Glaukonitpläiier- Sandsteine von Heiligeuhafeu-Brunshaupten.

Der G^Bchiebestreifen setzt wahrscheinlich am Grund des Das- sowersees fort. Bei Schwanbeck unweit Dassow tritt oberer Lehm auf, mit einigen Blöcken, während die Gegend nördlich von Dassow frei davon ist; südlich von Schwanbeck, nach Kleinfeld und Schönberg hin,^ verschwinden au( h .sehr bald die Geschiebe. Die 2<) m hoch gelegene Ziegeleigrube von Öchwanbeck zeigt diskordant auf (i.stlich einfallenden Grand- und Sandschichton strengen, blockreichen Geschiebemergel in einer Mächtigkeit von 1 m, die sich auch auf 0 reduzieren kann. Zwischen Schwaubeck und Sdmstorf ist der Lehmboden ausserordent- lich reich an Geschieben

Das nächste Weiter.sfreirhen des Geschiebezuges konnte ieh bis- her nicht genügend verfolgen, ich njuss niidi bescheiden, einige I 'unkte anzuführen: Bei Hanshageu nordöstlich von Kehna treten wenig Blöcke in dem 2 m mäclitigen, in Biesentö^en in unteren Sand eingreifenden oberen Mergel auf. Bei Rflting, Wttstenmark, Mtthlen-Eichsen

*} VgL Boll, AbriH d. meddcnb. LMidesk. 8. 360.

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GeinikB,

[ao

und Gross Eichsen. an dem Thale der Stepiiitz, zeigt das 'lO tjt) m hohe Plateau mehrfach im oberen Merkel resp. Deckkies ziemlich reich- liche Blöcke t die sttdwesilich nach Vietlttbbe yerschwinden, sich aber

ostwärts nach Moltenow, Schönhof und Dallieudorf fortseteen. Ueberall liat das obere Diluvium nur geringe Mächtigkeit, meist unter

3 m, gewöhnlich nur 1 2 m. Dalliendorf bildet eine Verbindung nach dem vorigen Parallelzug, indem 4 km östlich davon, durch Hie Dam-

Wendisch Bambow sich hier ansehliesst. Südlich hierfon sduiesst sich die steinreiche Gegend von Rugensee und Lflbstorf am Schweriner* see an. In Bu^ensee treffisn wir 3 m Idimige Steinpackung, auch Block-

mei^el, cyklnpische Mauern u. s. f.

Auf der (Jstseite des Schweriner Sees findet man bei Ketgen- dorf in flachen Lehmgruben 0,5 1,5 m mächtigen oberen Mergel oder Deekkies mit grossem Reichtum an Blöcken. Nördlich bei Schlags- dorf treten die Blöcke zurflck, im Sflden sind sie noch bei Cambs in wechselnder Menge vorhanden. Auch weiter südlich, bei Zittow und Langen-Br ätz treffen wir noch viel Steine auf den Feldern, in cyklopisrheii Mauern u. s. w., die aus dem blockreichen Deckmergel oder Deekkies stammen, der hier 1 2 m mächtig unteren Grand und Sand Uberlagert. Das hier bis 60 m ansteigende Plateau wird bei der lUchenberger MOhle bei Kamin von der Wamow durchschnitten in tiefem Erosionsthal; die Höhe desselben zeigt hier eine ganz enorme Steinbestreuung, die Thalwände den unterlagemden mächtigen Hauptsand.

Zur Aufsuchung flor nördlichen (trenz«' gehen wir nördlich und nordöstlich nach Kleefeld, wo im Deckmergcl die Steine noch reich- Uch sind, und Brahlstorf und Liessow, wo ebenso wie südlich von Buehholz die Steine in dem Mergelboden surQcktreten. Hier bei Buchholz nach Jarchow hin scheint in dem herrschenden oberen Gte- schiebemergel das Oebiet unseres Oeschiebestreifens mit dem nördlich vorgelagerten zusammenzufliessen. Bei Buehholz finden sich noch zahl- reiche Blöcke im Deckmergel.

Nach Südosten scheiden sich die beiden Streifen besser vouemauder. Bei Eeez, Nutteln, Qustävel, Zaschendorf und Müsselmow treten die Steine auf dem Ton Söllen, Seen und Thallftufen untere })rochenen, aus Deckmergel und unteren Sauden zusammenge.^etzten Plateau melir zurück, wenn auch in den Dr>rfem noch einige cyklnpische Mauert) das Vorhandensein einiger erratischer Blöcke auf den Fluren andeuten.

Sudöstlich von Kamin liegt K ritz ow mit einer ausserordentlichen FfiUe von Blöcken, welche dem Deckkies entstammen, der auch als

dichte Steinpackung meist nur bis 0,5 m mächtig die unteren Grande und Sande bedeckt; das stark coupierte Terrain ist von vielen Sollen und Kesseln unterbrochen, es hat eine von f)0 80 m wechselnde Meeres- höhc. Bei Vorbeck, Augustenhof und Basthnrst treffen wir eben- falls massenhafte Blöcke oder dichte Steinbestreuuug auf dem hier zu Tage tretenden, 40 45 m hoch gelegenen SpatsandbodoL

Bei Kladow-Gftdebehn an der Wamow haben wir Sand mit Steinbestreuung, und eine Sandgrube zeigt auf mächtigem gelben Spat-

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Die meddenbiugiMiheii HdheDrücken ete.

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sanrl «'ine horizontale 0,2.') m diokf Stein packung, welche noch von 1,5 m feinem, horizontal geschichtetem Grand überdeckt ist.

Im Westen schliesst sich hier jenseits des Warnowdiirchbraches der Steimreiclitam toh Petersberg und Pinnow an, eine Verbindung snm sttdlich folgenden Streifen anbahnend.

lieber den weiteren südiistlichon Verlauf kann ich Tiii ht eingcliond berichten. In der Umgebung von Crivitz ist Deckkies resp. Stein- bestreuung auf dem unteren Sand wahrzunehmen, ohne der Landschaft den Charakter des Geschiebestreifens zu verleihen. In Zapel trifft man oroese Blöcke; auch in dem Eichholz bei Crivitz ist steinreicher Deck- kies in 1 m Mächtigkeit als Bedeckung von fettem Thon. In Frauen- mark und Severin sUdö.stlich Crivitz zeigen reiche Steinmauern den Ge- schiebestroifen an. Wahrscheinlich gehört auch Grt bbin mit dazu, wo in flachen Torfdepres.sionen die Warnow ihren Ursprung nimmt.

Weiter im Südosten treiien wir bei Luthe ran uudLübz (östlich von Parchim)' den Geschiebestreifen wieder an: bei Lutheran seifft der Bahneinschnitt auf feinem, gelbem Spatsand 1 2 m sandigen Bloodehm mit zahlreichen grossen, oft schön geschrammten Geschieben. In der Lehmgrube an der Chaussee hinter Lutheran erreiclit der Blocklehm eine Mächtigkeit von circa i m; auch hier unterlagert ilin Spatsand. OestUch Yon Lübz bis vor Brook tritt der Sand mehr zu Tage unter geringer BlocUefambedeckimg, das Terrain zeigt aber noch reiche Stein- bestreuung. Der Geechiebestreifen, der hier von dem Eldethal durch- quert wird, hat hier eine Breite von circa 5 km.

Nach Südosten habe ich den Streifen bis Stuer nirht verfolgt ; ich gebe demnach seinen vermutlichen Verlauf auf der Karte nur mit Strichen an. In Stuer am Südzipfel des Flauer Sees iiudet man einen grossen Reichtum an Blöcken, sowohl in dem mächtigen oberen Ge- sdnebemeigel, als auch in dem unteren und zum Teil in den unteren Oertülagem. Der Blockreichtnm setzt nördhch fort bis Suckow.

Von hier setzt der Stein- und Blockreichtum in südöstlicher Rich- timg fort über Hogeez, Finken. Leizen, Bütow, (Karabs. Melz, Priborn?) nach den Seen, die sich an den Südzipfel der Müritz an- schliessen. Bei Rogeez und Alt Stuer hat man den Typus der block- nkhen MorBoenlandschaft, auch Dammwolde im Sfiden zeigt noch in dem lehmigen Deckkies oder im Deckmergcl sehr viel Steine.

Der Geschiebestreifen scheint weiter nach Südosten in die Gegend von Zechlin zu verlaufen.

VII. Geschiebestreifen: ^Batzebarg Bachholz Wahrholf Sehwerlo Pinnow Parehiin flamltier Berge^.

Dieser Zug läuft zum Teil sehr nahe neben dem vorigen.

Bei Ratze bürg beginnt mit stark coupiertem Terrain (südlicher Thalbeginn des Sees) der blockreiche Geschiebemergel, der sich wahr- scheinlich weiter muniworts fortsetzt.

Nach Südosten bei Salem und Kogel herrscht nur Spatsand

a

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Geinits,

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von Heidetypus, zum Teil mit wenig Steinbestreuung, erst bei See- dorf am äcbaalsee beginnt der Blockreichtum der Gegend von Zarren- tin (s. u.)>

In dem weiteren Verlauf des Streifens habe ich znnSchsl bis in die Gegend von Gadebusch eine Lücke aus Hangel an Beobachtungen lassen müssen.

Nördlich von Gadebusch bei Buchliolz besteht das üO— ()5 m hohe Plateau aus oberem Geschiebemergel ohne erheblich viel Steine.

Bei Wahr holz, nordwestlich von Schwerin, erscheint der Ge- schiebestreifen auf einem 80— 90 m hoben Pkteau, das als schmaler, drca 2 3 km breiter Rücken von Südwesten nach Nordosten zwischen Ilerren-Steiufeld und Gottmannsforde nach Nienmark verläuft, im Hütten- berg die Höhe von 9G m erreichen»!, im Südwesten bei Rosenhagen und Gross Brütz im Gadebuscher Berg 90 m hoch. Auf der GO m hohen, rasch zu m ansteigenden Wasserscheide zwischen den ThiUeru des KeomQhlersees nnd der Stepnits triffl; man bei Wahrholz auf hori- zontalen oder flach geneigten Schichten von unterem Grand und Sand eine 0,5 1,5 m mächtige Bedeckung von lehmig kiesiger Steinpackung; Thalkessel und Sidle, zahlreiche Blöcke auf den lehmigen Sauden bieten das Bild der ecliten Moränenlandschaft.

Nach Süden daclit sich das 70 m hohe Deckmergelplateau bei Gross Brtttz und Gottesgabe nach Grambow sehr allmählich ab, im Qrambower Moor eine Niederung Ton 48 m Höhe bildend. Die Blöcke reichen bis Grambow, während sie bei Wittenförden stark zurücktreten und hier der 2 3 m mächtifre Deckmergel olme erheblichen Blockreichtum feuien Sand, Grand und Kies des Hauptdiluviums bedeckt.

Der schöne Flusssee, Neuraühler See, zeigt in seinen Erosions- aufschltlssen den Bau des Plateaus, oberer Mergel bis höchstens 3m nü&chtig auf unteren Senden. Zwischen dem NeumOhler und Lankower See, wo der Mühlenberg zu 70 m, h r Weinberg zu 86 ra ansteigt, treffen wir sandij^ien Decklehm mit zahlreichen Blöcken, bei Neumühlen bis zur Sudspitze des Lankower Sees massenhafte Steinbestreuun<^'' der Felder, in der Lehmgrube der grossen Ziegelei blockreichen Deeklehm.

Weiter linden wir in der westlichen Vorstadt von Schwerin nördlich Tom Ostorf er See, bei der NeumQhle, am Galgeuberg, am neuen Kirchlutf und in den hier gelegenen Gärten, in der sogenannten Schweriner Schweiz, in ganz ausgezeichneter Form die typische Moitoenlandschaft mit den zahlreichen tiefen Sollen und Kesseln nnd mit massenhafter Blockbe- streuung. Am (TnlLjenber«? zeigen einige Kiesgruben mächtige horizontal geschichtete Grande und Sande mit Kiesschmitzen, bedeckt von 1 3 m ungeschichtetem rostbraunem Blockkies, in einer anderen Kiesgrube sind die unteren Sande mehrfach in ihrer Lagerung gestört und zum Teil von Blockraergel bedeckt. Vielfach werden auf den Feldeni die grossen Steine, „Felsen". .Mn^tLfdniddelt" und man erkennt hier in ver- schiedenen Meeresliöheu die uoiniale Moränensteinpackuug.

Auch in der eigentlichen W'estvorstadt Schwerins trifft man oft einige Blöcke in dem oberen Geschiebemergel, der hier unmittelbar auf grauem, unterem aufsitzt (so dass die Brunnen hier erst bei 60' (18 m) Tiefe wasserhaltigen Sand antreffen).

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Die mecklenburgischeu Höhenruckeu etc.

247

Die niedriger gelegenen Teüe der alton Stadt zeigen nur Sand,

der auch südlich der Stadt herrscht, vielfach, wie vor Zippendorf und bti Ostorf, noch von Blockkies oder Geröl Hullern bedeckt, oiltr aiuli. wie bei MUss am SUdui'er des äees, von steinreichem oberen üeschiebe- mergel.

Durch den südlichen Teil des Schweriner Sees setzt das Stein- lager nach Ostsüdost fort, wie einzelne groese Steine, .der grosse Stein*,

im See und der blockreiche Deckmergel im Kaninchen- nnd Ziegelwerder zeigen. Gleichfalls eine weitere östliche Fortsetzung trifft man am Südost- ufcr des Sees Iki Rabensteinfeld. Die romantischen Steilufer des Srhwcriner und des Piniiower Sees zeitigen hier mächtisxc Moriinenablage- ruugen, Blocklehm und Blockkies iu einigen Metern Maclitigkeit , auf untren Sauden oder auf unterem Geschiebanergel lagernd. Die zahl- rdchen grossen Geschiebe dieser Ablagerungen wurden seiner Zeit mit SU dem stolzen Bau des Schweriner Schlosses verwendet.

Der Steinreichtum setzt nr»rdlich nach Gör slow fort und reicht östlich bis Pinnow und Petersberg. Während die niedrige, bis 4() ni hohe Gegend von Pinnow nur feinen Spatsand mit unbedeutender Klein- atembes&eunng zeigt, treffen wir auf dem stekoi gebliebenen Plateau- rest, der in dem Petersberg dieselbe Höhe von 67 m bat wie die Ufer von Rabensteinfeld, noch zahlreiche Steine und Blöcke, dem Deckkies entstammend, der hier in geringer Mächtigkeit die unteren Sande be- achüttet. Djls Wamowthal und seine abgeschwemmten Uferhöhen trennen bei Augustenhof das Gebiet unseres Gescliiebestreifens von dem nörd- lich vorgelagerten, offenbar aber nur durch die später erfolgte Erosion, ▼or welcher beide Geachiebeanhäufungen hier in Verbindung gestanden haben.

Südlich vom Pinnower See herrschen die Blöcke noch in dem iiabensteinfelder Forst, der einen keilförmigen Plateaurest zwischen dem Störtbal von Müss und der Zietlitzer Niederung bildet. An l)ei<]cii Steilufern sind die unteren Saude und Kiese angeschnitten, zum Teil mit Schicbtenbiegungen, unter einer Bedeckung von 1 8 5 m mächtigem daenschüssigen , zum Teil geschichteten groben Deckkies (unter desseii grossen Blöcken häufig die Sternberger Sandsteine vorkommen).

Die ^ich in südöstlicher Richtung anschliessende etwa 40 m hoch fjeletrene Kbene von Zietlitz und Suckow weist an Zahl und Grösse zurücktretende Steinbestreuung auf; sie ist als eine durch Abschwem-. mung gelieferte ünterbrechuug des GeschiebeBfareifens insofern anzu- sehen, als auf den jenseitigen Höhen bei Göhren, Settin und Tramm sOdlieh Ton Crivitz, der Blockreichtum fort>rtzt. In der Lehmgrube des 66 m hohen Lelimlterijes bei Göhren tritt der untere blockreiche Geschiebemergel hervor, zum Teil von dünnen Kies- und Sandschmitzen und weiter von 0,5 1 m oberem Mergel bedeckt, an dessen unterer Grenze ein Steinpflaster hegt. Die Felder zeigen massenhafte Stein- beatreuung: auch bei Settin haben wir untere Sande mit reicher Stein* beatreuung; dasselbe in Göhren und Tramm.

Die Nordgrenze des Streifens läuft bis hierher in grosser Nähe von dem als Sudt^renze angenommenen Distrikt des vorigen Parallel- streifens, möglicherweise auch mit ihr verschwommen.

FoHMhungen tax dentacbeB Landes- und Volkskunde. I. 5. 18

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0«miti,

[a4

Etwas deutlicher markiert sich die Südgrenze unseres Geschiebe- sfroifens; wir wandern zu ihrer Auffindung sUdwefltwSrte von Schwccin: Der deutlich ausgeprägte, nordwestlich streichende Edhenrücken von

Wittenfijrden zeigt zwischen Neumühle und Rogahn nur unbedeutende Steinbedeckung; dagegen beginnt bei Klein R ogahn in der Höhe von 70 5r> m die Steiiihedeckung in dem Decklehm, wenn auch nicht in hervorragender Massenhaftigkeit. Weiter zeigt die Kiesgrube in Gross Rogahn 0,5 2m mächtigen sehr steinreichen Deckkies, resp. lehmige Stempackung auf Kies und Orand; im Dorfe sehen wir mSchtige cy- kU>pi8che Mauern. Die Blöcke setzen in wechselnder Menge fort Uber Stralendorf nach WalsmOhlen, wo 1 2m mächtige lehmige Stein- packung Sand mit Thonscliichten bedeckt, mit grossen Blöcken, ferner weitfq- nach D ü m m e rh ü 1 1 e, wo ebenso wie in Walsmiüilen viele Blöcke aul den lehmigen Feldern liegen und mächtige cykio^jische Mauern, das stark coupierte Terrain u. a. m. die MorSnenlandschaft anzeigen. Zttlow, Dummer, Perl in sind durch gleiche Massen von Blöcken ausgezeichnet. Das Deckdiluvium ist meist wenige Meter müchtiger oberer Mingel oder auch Blückkies, auf Ovntvlen und Sanden des Hauptdüuviums lagernd, zuweilen mit starker Schiclitenstöruug.

Die Trennung von dem nördlichen Teil des Geschiebestreifens durch da» Gramhower grosse Moor ist wohl nicht bedeutend genug, um hier zwei selbstöndige Streifen anzunehmen.

Südlieh vom Dümmer See ist auch noch bei Parum reiche Block- anhaul'ung zu konstatieren . meist in leliniigem Deckkies, der sich zum Teil auch, wie in den Parunier Bergen, m Nestern von Blockmergel gestaltet. Bei Schossin und Mühlen beck ist der Blockreichtum noch nicht erschöpft; zwischen beiden Orten zieht sich ein schmaler Rücken mit Steinpackung in nordwestlicher Richtung hin, der sich mit 60m Hohe schön aN Morilne von dem niedrigen Terrain abhebt.

Bei Mühlenbeck und der Sudenmühle kann man in dem 50 45 m hohen (al»ges( hw(>mmten) Sand mit geringer Steinbestreuung das Ende der Geseliie))eanhiiufung annehmen; nördlich davon, bei Kothen- dorf führt uns eine Steinbestreuung des Sandbodens zurück zu der bhockreidien Deckmergelgegend von Walsmühlen.

Auch die Eisenbahn zwischen Haffenow und Schwerin ftlhrt dem Reisenden den Uebergang aus der süäichen Heide in das Oebiet des Geschiebestreifens recht deutlieh vor Augen. Von ITa'jenow aus der Heideebene kommend findet nifui bald hinter dem Aulialt Zaclmn sj)Ur- liche Steinbestreuung auf dem ISaudboden, die alsbald, bei Lehmkuhlen und Holthusen zu immer reicherer Beschüttunff sich herausbildet.

Dasselbe gewahrt man in der weiten Sandebene, die sich wie ein isländischer „Sandr* ') südlich von Schwerin in dem Forst Buchbolz und den Fluren nördlich von Sülstorf und Sültcn ausbreitet. Aus der spärlichen Steinbestreuung bei Sülstorf, einem steinarmen, nur bis 0,3 ni mächtigen Decksand entstammend, gelangt man bei Buch holz oder Plate in reiche Stein- und Blockbeschüttung der dortigen unteren

>) Vgl. Keilhack: Tgl. Beob. an iillad. OletMher* vu nordd. Dilavial'Ab- lagerangen. Jährt», d. preun. geoL L. A. 1883. 8. 162.

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35]

Die mecklenbiugischen HöhenrQckeii etc.

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Saude, aus der sich auch mehrfach lelimiger Kies uud Deckmergel entwickelt. *

Der Geschiebestreifen hat somit swischeii Schwerin und Param resp. zwischen Ziegelwerder und HolthuBen die bedeutende Breite Ton

16 resp. 1 1 km.

JSiullich vou Sülteu erln'ht sich bei Rastow ein isoliertes block- reiches Gebiet schwach au.s der Saiidiebene , das als südöstliche Fort- setzung von Perlin Parum gelten kaun. Ziegeleigruben zeigen block- reidien oberen Oeschiebemergel in der Mftchtigkeit Ton einigen Metern, zum Teil untere Sande und Grande mit starker Schichtenaufbiegung, zum Teil unteren Mergel und Tlion bedeckend. Durch Auswitterung und Ausschlämmung i.st er häufig zu Deckkies umgewandelt, an den Gehängen der tiacheu 40 —45 m hohen Kuppen findet man daher vSand mit reicher Steiiibestreuung. Besonders schön ist ein Auischluss am WindmQhlenberg. Unterer Gtoechiebemergel, blauer Thon, Sehluffsand sind mehr&di in einander gestaucht durch oberen Geschiebemei^el; zum Teil lagert an diesra Massen mächtiger Spatsand und Kies, auf welchem l)t(k>;and mit einem unteren Steinpflaster (liier viele Dreikanter) folgt; diese Decksandmassen sind von Nordwesten her, d. h. von der aus LUbesse nach Südwesten verlaufenden Thahiiederung her, an den Berg angelagert In weiterer Entfernung zeigt sich an der Abdachung dieser Erhöhung nur Sand mit Kleinstembestreuung in gemeinen Heidesand übergehend. Auch bei Ortkrug herrscht wenig Decksand mit kleinen Steinen, zu derselben Landschaft von Sülten im Norden hinüberleitend.

Oestlich folgt hier das scharf in das Plateau eingeschnittene Stör- thal mit der sich daran anschliessenden weiten Niederung der Lewitz. Diese bildet eine Unterbrechung des Geschiebestreifens, dessen Blöcke und Steine erst auf den oben erwihnten östlichen Höhen bei TnumUf Göhren u. s. w. südlich von Crivitz wieder erscheinen.

In südöstlicher Verlängerung dieses Zweiges trifft man bei Raduhn und Garwitz nördlich Spomitz ausserordentlich reiche Steinbcschüttung der SandfeldtT, einem nur wenig mächtigen braunen steinigen Deck- kies entstammend, der untere Grande bedeckt. Südlich davon treten die Steine zurQck, das alte weite Eidethal hat hier ofPenbar das Deck- diluvium entfernt. Die Steinbestreuung dauert mit einigen lokalen Unterbrechungen ostwärts bis Möderitz unweit Parchim.

Bei Parchim findet sich nördlich, nordöstlich und westlich auf fh'in grossen Feld ziemlich reichliche Steinbestreuung auf nntfreii Sauden, zum Teil auch blockreicher Deckmergel bis zu 4 m Mächtigkeit ; es wird hier eine Annäherung zu dem Zuge VI erstrebt. SQdlich von Parchim tritt an den Abhängen des Buchholzes an Blöcken reicher Deckmergel in ziemlich beträchüicher Dicke resp. massenhafte Steinbestreuung auf.

Westlich von Parchim zeigt sich eine reiche Steinbestreuung auf Sand, di»' Erhebung des Sonnenberges zeigt vielfach Rlockmergel des T)erkdihiviuui.s, nach We.sten treten an der Bahn iimiitteü des ein- furiuigeii Sandes mit mehr oder weniger Steinbestreuung bei Spomitz grosse und ziemlich häufige Blöcke in Deckgeschiebemergel auf als

Von hier aus Iftsst sich der Geschiebestreifen in ausgeprägterer Form

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Geinitz,

Terfolgen. An den bis 108 m hohen Sonnenherg schliessen deh die hau 126 m ansteigenden hohen Rflcken bei Kiekindemarb-. Dieselben

bestehen aus Deckmergel oder Deckkies an ihrer Oberfläche und tilliren vielfacli <frf>sse lilr»cke. Der Haiiptreichtum an Blöcken und Steinen ist aber an dem zu 70 ijO m absteigenden südwestlichen Al)- t'all dieses Kückens bei Steinbeck, Granzin, Stolpe und Barkow, auch hier hauptsilclilich dem Deckkies entstammend, der iu geringer MSchtigkeit die unteren Sande bedeckt Bei Granzin wird unter- diluvialer Grand und Sand diskordant von 0,25 m braunem Decksand überlagert, dessen untere Grenze ein Steinpflaster mit Kantengeröllen (Dreikant€rn) ist. Blockmauern und Strassenpflastrr .sind liebst Stein- häusern auch hier »chon da^ oberflächliche Anzeichen de» Güächiebe- streifens.

Repzin und Herzfeld sind hier die sttdlichoi Punkte der 6e-

Bchiebeanhäufung, hier finden sich noch reichliche Blöi^e; sfldUch davon entwickelt sich in der nur 40 m hoch gelegenen Gegend der Heide- mnd mit wenig und endlich ganz zurücktretender Steinbi'stremin«j.

Den weiteren (istlichen V erlaut" kann man sehr schön aut einer Exkursion von Parcbim südwärts nach Maruitz verfolgen. Bei Slate und in den Slater-Tannen hmacht in dem 60 70 m hohen Terrain nur feiner Hauptsand, der alsbald nOrdlicb von Zachow Steinbestreuung und bis 1 m mächtige Steinpackung von Deckkies zeigt; hier treten vereinzelte Dreikanter auf, die bei Poitendorf in grosser Fülle und Schcinheit entwickelt sind. Bei Zachow beginnt der Hauptreichtimi an Steinen, die zum Teil zur Ermöglichung der Feldkultur eingegraben werden, im Übrigen zu verscliiedeneu Bauzwecken seit Jahren abge- sammelt werden. Poitendorf, Tessenow, Poltnitz, Jarchow sind die folgemlni Orte mit reicher Steinbestreuung (darunter Drei- kanter) auf Sand oder mit blockreichem Deckmergel, der zum Teil an seiner unteren Grenze gegen den Sand hin rohe Schichtung zeigt (z. B. bei Poltnitz); das Terrain st» igt hier zu 1(I0 und m, einzelne Kuppen bis zu 150 m. Weitir tinden wir bei Meierstorf, Leppiu und Marnitz (? Suckow) gleichfalls massenhafte BlScke, meist aus mächtigem Deckmergel, zum Teil auch aus Deckkies, der wenig machtig unteren Sand überlagert. Hier finden sidi viele der als läsensteinscherben bezeichneten Sternberger OberoligocUn-Konkretionen im Deckdiluviuni : Dreikanter sind häufig. Block mauern. Felsenhiluser, gepflasterte Strassen in den Dörfern und um dieselben, sowie tiefe Solle und Kessel in dem coupierten Temm kennzeichnen die Moränenlandschaft.

In den Marnitzer Bergen treffen wir längs aller Wege massen- haft die oft sehr grossen, schön geschrammten Blöcke zu Mauern zu- sammengetragen: teils herrscht hier der untere Sand, teils strenger Mergel. Der ITSm hohe Kuhner Berg ist ähnlich wie die nachbar- lichen Reiher- und Priemerberge ein spitzer Kegel von unteren Sauden mit Decksaudbeschüttun^ von geringer Mächtigkeit. Am Südabfall der Berge, bei Ruhn und Drefahl herrschen ebenso wie an den übrigen Flanken massenhafte Bhicke. An dem etwa GO m hochgelegenen Ab&U zwischen Drefahl und Panipin ist in der allmäbUch zurücktretenden Steinbestreuung das Südende des Geschiebestreifens erreicht Die Dörfer

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Dio mecklenburgischen HöhenrQeken etc.

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Pampin und Platschow an der Laudesgrenze haben immer noch

BlockniiiiR'ni.

Sehr wahrscheuiijtii iäutt der Geschiebestreifen Yon hier weiter in sOdflsUicher Bichtang Über Sagaat und Putlitc in die Priegnitz hinein.

Der beschriebene Geschiebestreifeii Yll hat nach obigen Mittei- lungen an einigen Stellen eine ausserordentliche Breite, bis zu 2^8 Meilen, an anderen Stellen scheint er sicli in zwei Parallelzütre aiif/.u- lüsen ; oft ist er durch grossen Bitu kreichtuni in seiner Moräneuiand- schaft ausgezeichnet, im übrigen tritt er weniger markiert aui' als die Streifen IV und V.

Koch weiter südwestlich lassen sich noch drei Gteschiebestreifen erkennen, die aber in ihrem Verlauf nur inselartig aus den alluvialen breiten Heidesanddistrikten der in südwestlicher Richtung zum Elbthal laufenden Thäler hervortreten: zum Teil sind sie nur durch Blockan- iiiiuluugen angedeutet, die sogar oft noch von einer Heidesanddecke Oberzogen sind; doch fiadet sich zuweilen audi noch ausgeprägte Motinen- landecnaft koiuerviert.

Till. 6e8«Meb68trelfeii : „ZarreDÜn Talluhn Nesbof Wittenburg Oransin Loosen Warne wt^*

WahrscheinUch bei Mölln beginnend TerliUift ein breiter Ge- sohiebestreifen bei der Umgegend von Zarrentin am sQdHchen Schaal-

ßte nach Südosten.

Sein nördlicher Anfang in jeuer Gegend hegt bei Zecher am Westufer des ScbaalseeB. Die Fäder sind hier mit grossen BUcken beetreut, grosse Steinmauern laufen längs der Wege, am Steilufer des Sees trifft man in der alten Kiesgrube wohl geschichteten S])at8and und Kies mit Bedeckung von blockreichem sandigem Geschiebelehm von ge- ringer Mächtigkeit. Die an Sollen reiche coupierte. (iO m hohe Deckmergel- gegend nördlich von Zarrentin ist sehr reich an Blöcken des oberen Diluviums, von denen das Rostocker Museum Herrn Apotheker Brath« Zarrentin eine ausserordentlich reiche und Tollstandip^ petrographische S:iiiimlung verdankt. Das Steilufer des Schaalsees zeigt hier 2 m Block- lelmi auf unterem Sand und Kies. Die Sandgrube am Südende des Sees eutblösst wohlgeschichteten Feinsand mit wechsellagernden GeWill- lagem, bedeckt von 1 2 m sandigem Blocklehra, der auf der Höhe an der Chaussee zu 1,5 m mächtigem blockreichem Deckkies wird.

Sttdlich Ton Zarrentin hwradit bei der Schaalmflhle und bei Kölzin noch Steinbestreuung auf dem 40 m hohen flachen Sandterrain <Schaalestromschnellengebiet), die weiter bei Pamprin ganz zurück- tritt; doch finden sich in jenen Orten noch einzelne cyklopische Mauern, auch waren dort früher schöne, jetzt vernichtete Steinsetzungen vorhanden.

Ein ganz besonderer Reichtum au grossen Blöcken ist westUch und sttdweetiich von Zurentin bei Lüttow und Yalluhn vorhanden. Das 45 35 m hohe, meist sandige, lokal auch sandiglehmige Teiram,

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(It's.sen Dörfer mächtige cvklopischo Mauern und auf den Feldern Stein- Iwiufen haben, wo zum Teil auch die , Felsen" eingegraben wurden, zeigt teils 1 m mächtigen Jiteiureichen Deckkies auf unteren Sauden oder BlocUdim auf Thaii, teils auch unter gewöhnlichem Decksand Ton r Dicke die dichte Steinpaclnmg des oberdiluvialen Hoiftnenschuttes. In Schadeland findet eich strenger Blocklehm.

Getrennt durch die breite Boizemoomiedening erheben sich welt- lich von hier die bis 80 m ansteigenden Segralmer Berge bei Gudow, eine aus Sanden und Kiesen bestehende, mit weni^ Deckkies oder Block- lehm bedeckte Au&chttttung wahrscheinlich auf einem Ildtagehirgskem.

Oestlich Ton Zairentin treffen wir jenseits des Schaalsees eine weitere Fortsetzung des Geschiebestreifens: nördlich der Schaahntlhle treten auf dem Sandboden bei Schaliss und Bant in zahlreiche Blöcke auf (die zahlreichen Kegelgräber im Schalisser Forst enthalten im Inneren Steinsetzungen), der Weg nach Boissow und Neuhof ist besetzt Ton grossen Blockmauem, in Neuhof herrscht der blockreiche Deck- geschiebemergeh Das Terrain zeigt keinen auffälligen Höhenzug, etwa nach Nordosten, sondern ist auf weite Strecken TOn der 40 55 m Kurve beherrscht.

Ich habe bis jetzt die zwischen dieser und der östlich davon gelegenen Moriiiu nlandschaft von Dümmer liegende Gegend nicht be- suchen können, also einen etwaigen Zusanuneuhang mit dem nördlichen Geschiebestreifen Vn nicht konstatieren kOnnen; ein irgend bemerkbarer in dieser Richtung streichender Höhenzug ist, wie gesagt, nicht vor- handen, das Terrain steigt mit mehrfachen Unterbrechungen von De- pressioneDi und der Schildcniederung allmählich zu 60 m an.

Bei Karft im Süden werden die Blöcke im sandigen Decklehm seltener, im Dorfe findet man aber noch viel Blockmauem. Die Felder zwischen hier und Wittenburg sowie bei Waschow (45 m hoch) zeigen Spatsand mit geringer Steinbestreuung , entstammend dem nur 0,5 1 m nichtigen Deckssnd oder Decklehm. Eine ^eegrube an der Chaussee vor Wittenburg enthält in den mit Sauden und Granden wechsellagernden Geröllschichten des llauptdiluviums viele grosse Gerolle, in dem diskordant darauf lagernden Geschiebelehm, der zum Teil in geschichteten Deckkies Ubergeht, ßndeu sich nicht erheblich viele Blöcke. Weiter nach der Stadt hin tritt ein Thonlsger nahe an die Oberfi&cbe, dasselbe, welche südlich in der Wittenburger Forst fOi Ziegeleibetrieb abgebaut wird. In der Gegend südlich von Wittenburg herrscht auf kurze Strecken der steinarme Heidesand mit geringer Steinbestreuung. In der <>() m hoch gelegenen Thongrube am Kunde der Wittenburger Forst lagert 1 m Decksand auf dem Bäuderthon; an der unteren Grenze des l^des hegen Terdnzelt oder in grösserer FOlle grosse Blöcke, darunter auch einige sehr grosse Dreikanter. Bei Bobzin finden sich viele Blöcke auf dem 55 60 m hohen Sandterrain: ebenso auf dem nach Hagenow zu 40 m abgedachten Gebiet bei Zapel. Im Helmer Forst, der bis CO m aufsteigt, tritt Sand mit Steinl)estreuung auf, und der Heidberg bei Helm (Ö4 m) zeigt auf (tertiärem ?) Glimmer- sand wenig Decksand mit Steinen, zum Teil noch mit sdur grossen Blöcken. Von hier aus sfldlich, nach Hagenow hin, tritt die Stem-

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Die mecklenborgischea HOhflaurttcken ete.

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bestreuung mehr und mehr zurück und macht der reinen, steinarmen Heide Platz.

SOdlidi Ton Wittenburg yemrate ich bei ESrcbow und Setzin Geschiebeanbäufung; in letzterer Gegend erhebt sich ein bis 80 m hoher Rücken von kurzer ostwestlicher Erst reckung. Toddin und Pätow, östlich davon gelegen , besitzen Blockmauem , bei Toddin werden gebogene Haupisandschichten von 0,5 1 m lehmigem Decksand über- lagert, an dessen unterer Grenze oft Steine (und Dreikanter) alt» Ptlaster liegen; lokal treten auch 5 m tiefe Buchten yon blockreicheni Deck- geschiebemergel auf.

In ettcUSetlicher und südlicher Richtung ist, soweit meine Beob- achtungen reichen, der Zu^j unterbrochen durcli die Heideebene der Sude. Erst der Looseuer Berg, östhch von Lübtheen, '>') m hoch, zeigt an der Windmühle sehr steinreichen Deckkies, zum Teil geschichtet, 1 2 m auf horizotalen Eies- und Ghrandschichten lagernd. Bei Loosen herrscht Sand mit Steinbestreuung, im Dorf trifft man Blockmauem. In Loosen wurde durch zwei Bohrungen ein nahe der Oberfläche lie- gendes, 87 resp. 42' mächtiges Alaunerdelager mit Sand und Thon- schichten erbolu-t Koch*) bezeichnet diese Erliebung am rechten Ufer der Rögnitz, mit den Ortschaften Loosen und Krenzlin, Picher im Osten, Kamm, Quast, Hohen Woos im Westen, als gLooseuer Berg*. Der Östliche Teil desselben mit zum Teil steinreichem Dflu- Tium auf Ttfti&r, zum Teil von Heidesand Abdreht, gehört sicher zur südöstlichen Fort.setzung des hier besprochenen Geschiebestreifens, der südliche Teil lehnt sich an den folgenden Parallelzug an, ohne eigent- liche scharfe Grenze.

Südöstüch folgen diluviale Höhen bei Glaisin« linkseitig der Bögnitz, und Dadow Östlich Ton Eldena, welche die Fortsetsung des Ton den breiten Flusslftufen Tielfseh unterbrochenen (^eschiebestreirons dar» steUen.

Tn der Gegend südlich Grabow und bei Warnow wird dieser Streiten auf mecklenburgisches Gebiet austreten.

IX. GeseUebestreifeu : „Gallin Lttbtlieea ^ Godow—- Böck^.

Verniutlicli nur als Parallelstreif zum vorigen gehörig, verläuft nahe bei diesem aus der Gegend zwisclien Zarrentin und Boizenburg über den Lübtheener Gebirgszug ein weiterer Geschiebestreifen, ebenso wie sein nördlif^er Nachbar nur stellenweise deutlich 2U erkenne, viel- fach von Heidesand unterbrochen oder verdeckt, so dass nur inselartige Erhöhungen aus der Heide heraustreten, welche die Fortsetzung des Geschiebestreifens verraten. Dadurch, dass zuweilen die Blöcke von etwa 1 m alluTialem Heidesand bedeckt werden, wird dort der Charakter der

2 Vgl. Brückner, Grund und Boden Mecklenburgs 1825, S. 66. *) In der anschanlicAien Schilderung dieser DüuviaUnBelii io der Hnde. Zatichr. d. deatocfa. geoL O«. 1856^ & 274.

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j\[oriirienlandschaft völliff odor teilweise verwischt. Fasst man beide Streifen als einen einzigen auf, der nur eine flache Niederung in seinem Verlaufe hat, so beträgt seine Gesamtbreite 20 km (zwischen Neuhof und Lttttennuurk) bis 16 km (swiacben Krenzlin und Bockup).

Sein nordwestlich^' Beginn in Mecklenburg lässt sicli sehr deut- lieh auf einer Exkursion von Boizenburg nacli Zarrentin konstatieren, bei der man die gesamte Breite des Streifens durchläuft.

Bei Schwarte w am Boizeufer bedeckt ein hr»cli.steus V* mächtiger Decksand mit einzelnen grossen Steinen und Dreikantem horizontal gelagerten unteren Send und Schluff. Nördlich da?on tritt ziemlich blockreicher Beckmeigel circa 5m mächtig auf. Bis Greese trifft man mehr oder weniger reichliche Steinbestreuung. Der Haupt- reichtum an Steinen aber beginnt bei Lüttenmark und setzt Ober Greven fort. In Lüttenmark tritit man viele Blockmauern, die grosse Sandgrube am Tlialabhaug xeigt Steinbedeckuug und lehmigen Deck- kies auf Spatsand , die Höhe , die vom Forst Chreren ostwärts zu 90 m ansteigt, führt massenhafte Block- imd Steinbestreuung auf dem Sand- boden, dem einzelne LehmsteUen unteraiengt sind. Beekendorf und Bennin südlich davon, femer Granzin und Gallin sind in gleicher Weise ausserordenthch |ü:esepiet mit Blöcken. Eine Lehmgrube an der Scheide von Granzin und Sternsruh zeigte 1,5m festen Deck- geschiebemergel, unten mit einem Steinpflaidier gegen Thon mit untere Hegendem Hauptgeschiebem^el getrennt, weiteihin aber nur geringen lehmigen Decksand auf mächtiger werdendem Thon, der wohl als Aua- schlemmprodukt des Deckgeschiebemergels gelten kann. In Stern s- ruh ebenfalls 1,5 m mächtiger oberer Geschiebemergel nut unterer Blockpflasterung. Oft herrscht auch reiner Deckkies, liier und bei Nieklitz mit massenhaften Blöcken, die vielfach zur besseren Beacke- rung in den Feldern vergraben wurden.

Nach Pamprin, Kogel und Camin hin treten mit einer Ab- dachung auf 40 35 m die Blöcke völlig zurück, nur Kleinsteinbestreuung der San«lfel(ler herrscht hier ist die Grenze gegen den nur circa •t km entlernten nördliclien Zan-entiner Geschiebestreifen, mit dem aber wohl zwischen Nieklitz, Gallin und Yalluhn ein Verschmelzen stattfindet.

Im Südosten begümt nadi der steinarmen Gegend v<m Kogel bei Camin wieder Steinbestreuung im sandigen und dann strenge Deck- lehm, in Camin treffen wir einzelne Steinhäuser und -Mauern. Bei Goldenbow ist der herrschende Spatsand von vielen Blöcken, darunter prächtigen Kantengeröllen, bedeckt, ^»'ach Y eilahn hin verringert sich die Steinmenge. Erst bei Goosfeld mit einer MeereehÖhe von 50 m trifft man reiche Steinbestreuung (Dreikanter), di^ bei Dttssin zurück- tritt, dagegen im Westen bei Brahlstorf und Damraereez noch reich- lich aufzutreten sch(>int (Trennung vom nördlichen Zuj?? bei Vellahn).

Bei Melkiiof, nahe der Eisenbahn bei Brahlstorf gele;,'eii. wird am Abfall des hier zu 60 m sich erliel)enden Terrains auf weissem Glimmersand lagernd noch eine 2 m dicke Decksandschicht getroffen mit viden Steinen (Dreikantem); alsdann folgt die weite Heidesand- ebene dee Sudethales bis nach Lübtheen. Hier macht sich als Hervor-

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Die mecUenbiurgiioheii Hfthenrflokeii etc.

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ragung aus der Heide der niedri^'e „LuUtheener Gebirgszug** ^) geltend, als Stock f"ür Ablagennif? des Ge.scliielu'streit'ens.

Am Oypslterg von Lül>theen tindcn sich die Blöcke des Deck- diluviunis zum Teil von lieidesuud überweht, die Blockmauer am Kirch- hof mid andere ,Fel8eii-*yerwendungeii zeigen das ziemlich häufige Vorkommen der Öeschiebe in der Umgebung.

Im Süden erstreckt sich bei Jessenitz das von Heidesand und DCmen besetzte Thal dnr Rn<^m\7.. welches, parallel d»>r VAlw. jft/t d:is von dem ehemaligen Elbstrom durchfloäseue Thal mit der Krainke zu- sammen teilt.

Im Sfidosten schliesst sich der 40 50 m hohe Rficken an , aui dem aus der allgemeinen Heidesandbedeckung an einzelnen Stellen bei

Ramm, Trebs, Quast. Jabel, Hohen Woos das Diluvium resp. Tertiär zum Vorschein kommt und die Stein- auch ßlockbedecku^g ♦l^n Geschie1)estreifpn bezeichnet, der teils vom oberen Geschieberaergel, teils vom I)ecksaiid (mit Dreikiiiitirn) zusammengesetzt ist. Schon Koch betont schart a. a. (). das Zusammeuvorkommen des eigentlichen Pflu^ums mit dem Flötzgcbirgskem im (Gegensatz ffa der alluTialen Hdde, und ich brauche hier nidit mehr ausführlich herrorzuheben, dass der Geschiebestreifen hier in genetischem Zusammenhang mit dem Hervortreten der Flötzgebirgswelle steht.

Das Vorkommen an diesen Orten wird durch folgende Aufschlüsse charakterisiert: in der Lehmkulile am Rammer Berg lagert auf block- reichem Oeschiebemergel 0,5 m gelber Heideeand, an seiner unteren Grenze mit Stempflaster. Die Lehmgrube bei Hohen Woos zeigt unter Flugsand lehmigen Deckkies und Sand, dann von kleinem Steinpflaster bedeckt thonigen Geschiebemergel, der auf Tertiärthon lagert; ähnlich ist es in der grossen nachbarliclien Ziegeleithougrube, wo der Heide- sand 0,3 m, der Lehm resp. Biockkies U,2 0,7 m mächtig ist und auf 0,5 m Sand lageii, der den Miocänthon bedeckt.

Sfld5stli(£ von hier treffen wir jenseits des hier aus Nordosten kommenden Rögnitzthales bei Grebs, Conow, Karenz. Malk (von Koch als «Karenzer Berge" unterschieden) und bei Malliss und Bockup auf die Verlängerung unseres Geschiebestreifens. Das Terrain Lst 40 50m hoch, steigt aber im Steinberg htn Karenz zu 71m an. Bei Conow herrscht blockreicher Deckmergel, zum Teil einige Meter m9chtig Blockmauem in den Dörfern und an den Strassen; sowie aus- geackerte Geschiebe deuten den Geschiebereichtum der Gegend an. An den meisten Stellen waltet nur dünner Geschiebelehm oder meist Derkkies vor, der unteren Sand bedeckt, oft lagert auf dem Deckkies oder seinem Vertreter, dem Steinpflaster mit Kautengeröiien, noch feiner Flugsand mit Ortsteinbildung, so besonders schön bei Grebs. Die SUd- westgrenze des Streifens bildet hier die scharfe Ecke des 42 m hohen Gkdgenberges bei Sc hie sin, die sich plötzlich aus der Heidethalebene hervorhebt. Hier tritt uns lehmiger Deckkies mit viel Steinen in einer

') Vgl. F'. Of^initz. Flötzfonn. Mecklenl». und Koch, Die anstehenden Formationen der Gegend von Dömitz. Zeitächr. d. deutsch, geoh ties. 1856» & 249 t, Taf. 12.

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Oeinits»

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Märlitigkeit von 3 m entgegen , unteren Sand und Grand über- lagernd.

Von hier nach Bockup geht man auf der Plateauhöhe, die mit

steilem Absturz nach dem Heidethale TOn Bad den fort undHeiddorf abfüllt. In der Lehmgrube am Abhänge nördlich Raddenfort (25 bis 30 m) ist ein 2 3 m mächtiger Geschiebemergel aufgeschlossen , der von Sand bedeckt wird, mit dünnem Steinpflaster an der Grenze und Einbuchtungen nach unten iu den Mergel. Die Bockuper Thougrube adf der HSie (42 m) zeigt auf dem Hiodliithoii 1 2 m Blocudmi reep. Deckkies , zum Teil mit oberem Steinpflaster und Ton 0,5 1 m Heidesand Qberweht. BeiMalliss, nördlich davon, zeigen Sandgruben unteren Kies, zum Teil auf tertiärem Glimmersand, mit Bedeckung von Deckkies oder riesentopt'artig eingreifendem (d)ereni Blocklehm; das Deckgebirge der Braunk(dilengru))en ist Deckkies mit Ureikantem unter Ueidesand. Auch die grosse Ziegeleigrube von Malliss, am Abhang zum Eldethale, zeigt grosse (Geschiebe in dem hangenden oberen schiebeniergel resp. dessen Vertreter, dem Deckkies. Bei Karenz und Malk lagert geschiebereicher Deckinergel oder -Kies auf unteren Granden resp. tertilirem Alimmersand und Thon. Auch die Wiesenniederungen. bei Göhren unweit Eldena führen häutig noch grosse Blöcke.

Im Norden schliessen sich hier die geschiebereicheu Gegenden von Glaisin u. s. w. an (s. o.), vielleicht zu demselben Zug gehörig.

Jenseits der Eide trifft man auf die zu 46 m ansteigende Er- hebung bei Böck mit der Fortsetzung des Mallisser Tertiars und in die Gegend von Dadow (s. o.).

X. Geschiebestreifen : ^Lanenbnrg Boisenbnrg Wendisch

Wehningen^.

Das hohe, GO 70 m sicherhebende Diluviulplateau, welches zwischen Lauenburg und den Vierbergen bei Boizenburg von dem breiten Stecknitzthal durchbrochen wird und welches dem Andringen des Elb- stromes seine steilen Abbruchsufer entgegensetzt, zeigt in der hoch- interessanten Gegend von Lauenburg und Buchhorst auf den inaimijcr- fachen Ablagerungen des Unterdiluviunis und Tertiärs da.s Deckdiluviiuii als iJecksand oder meist als l)eckgeschiel)enicrgel in einer Mächtigkeit von 1 5 und mehr Metern. Vielfach liegen in ihm zahlreiche grosse Blocke, im Mergel geschrammt, im Decksand auch als Dreikanter, zum Teil auch als dichte Steinpac kung : wir erkennen hier einen steinreichen Horibienabsatz. Sein Liegendes zeigt oft sehr bedeutende Schichten- Störungen. Die Oberfläche ist abgesehen von den tiefen Erosionsseiten- schluchten von S<)Ilen und Kessehi vielfach durchsiebt. Die nördliche Ausdehnung der Geschiebeablagerung habe ich nicht verfolgt

Weiter östlich nach Boizenburg zu erkennt man die Fortsetramg.

*) Vgl. Koch a. a. 0. S. 273.

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Die meckleaburgischen Höhenrücken etc.

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Bei Horst sieht man in der 10m hohen Tenasee des Thaies schffn

die Umarbeitung des Bodens durch den alten Strom: braoner und weisser Spatsand mit diskordanter Purallelstruktur wird von einem horizontal laufenden Steinpflaster bedeckt, auf dem noch 0,5m unge- schichteter bräunlicher Alluvialthalaand folgt. Die 54 m hohen Vier- berge zeigen au ihren Gehängen unteren Sand mit Steinbeatreuung; das bis Boizenbnig folgende Abbruchsufer, welches dem bis 66 m an- stehenden Plateau entspricht, zeigt reiche Blöcke am Elbstrand aus- gewaschen aus dem blockreichen oberen Geschiebemergel, der in be- deutender Mächtigkeit (5 10 m) miteren Sand oder weiterhin steinannen unteren Geschieberaergel bedeckt.

Im iSüdeu grenzen hieran die weiten Marschniederungen des Elb- thales.

Im Nordwesten reihen sieh die oft sehr steinreichen rechtsextigen Elbnfer bis unterhalb Himiburg hier an.

Südlich von Bockup liegt, von dem LUbtheener Gebirgszug durch eine weite steinlose Heidesandebene getrennt, die bis 33 ni aufsteigende Erhebung von Wendisch Wehningen we.stlich Dömitz an der Elbe. Die Felder zeigen hier Sand mit reicher Stembestreuung , gute Dreikanter sind sdir hünfig. Bei anderer Gelegenheit *) habe ich das interessante Thonlager mit seiner bituminösen Diatomeenerde und den Schichtenstörungen beschrieben. Das Hangende bildet hier ein mächtiger Blockmergel.

Es ist möglich, dass die flache Gegend zwischen hier und Neu- haus, welche die der Elbe parallel laufenden Thüler der Krainke und Rdgnits trennt, sich als deniidierter Kern des nadi Boizenburg laufenden Geschiebestreifens darstellt

III. Geschiebestreifen: „DiedrichshSger Berge lyendorf Nenbiikow Satow Sehwaan Schniooksberg Teterow Malchin Kenbrandenbarg Uelpi^.

Von diesem Zuge fehlen noch einzehie genaue Begehungen und ist daher an einigen Stellen die Abgrenzung nicht ganz sicher festgestellt.

Das ni<mt ganz 10 m Hdhe erreidiende iJ>bruchsufer der Ostsee westlich YOTtt Heil Ilgen Damm bis Fulgen entblfiest oberen und unteren Geschiebemergel, zum Teil mit Sandablagerungen zwischen beiden; dem- gemäss ist hier der Sfrand umsäumt von vielen ausgewaschenen Blöcken. Weiter we.stlicli x.wisdien Fulgen und Arendsee wird das üfer immer niedriger und hat auf grössere Strecken den Spatsand eutblösst, so da.ss hier eine Unterbrechiui|p der Blockanhäufung erscheint.

Die Landschaft hmter dem Klint, zunächst der bis zu 28 m an- stdgende flache Biücken zwischen den beiden breiten Thalniedermigen,

') I. Beitrag z. Qeol. Mecklenb. 1879, S. 40 f.

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Gdniti,

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ist bis Doberan hin nicht durch Blockreichtiim ausgezeichnet; im Dorfe BrunsliaupteD laufen hinge grosse cjklopii^che iMueni au den Wegen und um die HSfe« am Rande des Fulgenbachthales tritt in Klein- und

Hinter-Bollhagen mit ihren Blockraauern strenger, lilockreicher oberer Mergel in bedeutender Mächtigkeit auf, als Bedeckung des auch hier vielfach zu Tage tn ten<h'n feinen Sanch^s und Thonsandes. Noch aut- tälJiger ist das Hervortreten und Vorherrschen des iSpat*<audes (mit untergeordnetem Kies, zum Teil auch in seiner Deckkiesüberschüttung einheimieche, aus den sOdlicb gelegenen Höhen tnasportierte GerOlIe ftlkraad!) am linken Gehänge desselben Thaies, wo dieser Sandstreifen von Arendsee über Brunshaupteu, Wittenbeck, Brodhagen zum Kellerswald hei Doberan führt, bis m einer Höhe von et^va 40 m hin- aufreit lund. Aber auch hier leliit der bli •ckreiche Deckmergel nicht völlig; sowohl bei Brunshaupten als bei Brudhagen tritt er in mächtiger Entwiekelung auf.

Nach diesem unterbrechenden Sandstreifeu folgt weiter nach Westen zu der schaff markierte, zu 128 m ansteigende Höhenzug der Diedrichs- hagener Berge mit dem hier zu Tage tretenden glaukonitischen Pläner. Auf dem Bergrücken, der bekauntli(;h ein ausgeprägtes nordwestliches Streichen hat, ist der obere Mergel nur fleckenweise mit bedeutendem Qesefaiebereiekium als Auf- und Anlagerung entwickelt, in den anderen Stellen kommt teils der anstehende Plftn^, teils Spatsand su Tage. Von den ^wältigen Schieb tenstdrungen, die hier drä Pläner und das Hauptdiluviiim betroften haben, ist schon bei anderer Gelegenheit berichtet

Bei dem Bastorfer Leuchtturm (78 m) und auf dem bis 50 m herabsteigenden Plateau bei Hohen Niendorf und Mechelsdorf bildet sandiger Diluvialmergel den Hauptbestand des von SOUen durch- setzten Bodens, doch gelangt hier, z. B. im Bastorfer Holm bei 80 m Höhe, vielfach der Spatsand zu mächtiger Ausdehnung und ist auch der Mergelboden nicht durch eine grosse Zahl erratischer Blöcke ausgezeichnet. Wichmannsdorf, in der Höhe von 100 m gelegen, dürfte die südwestliche Grenze des Blockgebietes bezeichnen. Im Wich- mannsdoifer Holz imd in der Etthlung bei Diedrichshagen, in Diedrichshagen selbst, femer am mrdabbang oberhalb Bruna- haupten, bei Ober Steffenshagen u. s. w. sind au£GUlige Bergkuppen mit tiefen Kesseln und Schluchten, zalilreiche grosse erratische Blöcke, Mergelboden, aber auch Sand und Kies auf und neben dem Pläner, die Typen der Moränenlandschaft unseres (ieschicbestreifens.

Unterhalb Diedrichshagen und Jennewitz beginnt das sand- und bloekBrmwe Deckmergelgebiet des sttdlichen Abfalles, das sidi nach der Kröpelin er Gegend fortoetzt (s. u.).

In südöstlicher Richtung folgt die geschieberei( he Gegend von Reddelich, Doberan, Althof. In Reddelich zeigen schon die < vklopischen Mauern der Gehöfte und \\ ege den Reichtum des Mergel- bodens an Geschieben an. Die Ausschachtungen am Bahnhof zu Doberan

*) FlMsfonn. Mecklenb. S. 54.

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Die mecklenburgischen Höhenrücken etc.

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uud die Befuude der hüdlichen Höhen ergaben müciuige ßlockauhäuiuiig auf ThoDf Sand und Kiesen des UnterdäuTinms %

Die DorCschaften Stalow, Glashagen, Hohenfelde, Althof, Ivendorf, Konow, Hastorf, Hanstorf, Beinshagen, Heiligen- hagen, Bölkow bezeichnen den weiteren südöstHchen Verlauf dos Ge^chiebestreifens, der hier eine Höhe von 40 8U ni hat, mit stellen- weiser Erniedrigung zu 20 m und Erhebung zu über 100 m. Sehr deutliche Einblicke in den Bau jener Gegend ermd^chte der Ghaussee- baa zwischen Doberan und Schwaan in den Jahren 1882 und 1883. Die dabei gewonnenen Einschnitte ergaben ebenso wie die übrigen Auf- schlösse der Nachbarschaft, dass der Geschiebestreifen " nicht etwa eine mächtige Anhäufung geschiebereichen oberen Mergels ist, sondern dass in gleicher Meereshöhe mit ihm auftretend und manniglach zu Tage tretend^ in den bekannten glacialen Schichtenstörungen mit ihm verbun- den, die unteren Sande, zum TeQ auch Thone, eben&Us an der Ober- flachenziisammensetzung jener G^end sich wesentlich beteiligen. Nirgeiidn ist der Charakter einer Endmoräne ausgeprägt, wohl aber •]• rjeiiige der an Sollen und Kesseln reichen G run dmoränen - Ti an d s c ha f t.

Dem sfiehen beschriebenen Diedrichshagen -Ivendorfer Geschiebe- Streifen parallel läuft westlich von Kröpelin ein 4 km breiter Neb en- xug, den ich als Neu Bukow-Satower Geschiebestreifen bezeichne.

Bei Alt und Neu Gaarz tritt das Diluvialplateau mit steilem, zum Teil 21 ra hohem Ufer an die Ostsee. Viele ausgewaschene Blöcke umsäumen den StraTid. lU r Wismar-Rostocker Eisenbabnbau durchschnitt sehr schtin diesen Nebenzug mit seinen beiderseitigen Sandah^n eiizuii^en Nachdem am Bahnhof Kröpelin und noch westlich davon noch mach- tiger (5 8 ni) blockreicher oberer Geschiebemergel und dessen Blpck- bestreuung angetroffen war, als westlicher Ausläirfer des Diedrichshä^ Geschiebezuges, tritt am "Westenbrügger Holz bei Sandhagen der ferne zu Heidesand abgeschlemmte Spatsand auf, zunächst noch mit reich- licher Steinbestreuung (rohe Dreikanter), und erst nach der etwa 4 km breiten Sandunterbrechung kommt bei Neu Jörnstorf und Lehnenhof, bis Neu Bukow reichend, der block reiche Deckmergel in 1 2 m Iföchtigkeit oder sein Yertreter, der Deckkies, in einer Höhe Ton 25 bis 30 m wieder zur Geltung. Hinter Neu Bukow folgt dann ein Spatsandareal in 40—45 m lUihe, bei d^ Panzower Tannen, 4 km breit, diesen Nehenstreifen TOn dem westlich bei Alt Bukow begin- nenden Pöeier abgrenzend.

Im Nordwesten bilden Russow und Zweedorf die Verbindung nach Gaarz. Nach Südosten wendet sieh der Streifen Ober Satow, um sich weiterhin mit dem Hauptzng zu rereinigen.

So trifft man bei Schmadebeck sttdlich von Kröpelin einen be- trächtlichen Blockreichtum, aus sehr wenig mächtigem I>eckkies .stam- mend, der mit Dreikantem und Blöcken oft dicht gepackt, ungefähr horizontal lagernden unteren Sand überlagert oder auch die reiche

') Vgl. Geinitz, VII. Beitrag z. Geol. Mecklcnb. 1885. S. 52. *) Vgl. Geiniti, YIL Beitrag s. Geol. Meckienb. S. 45—47.

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Geinitz,

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Steinbesfareuimg der Felder rersorgt; auf der Höbe, die zn 80 m ansteigt, herrscht oberer Blockmergel. Bei Siemen, südöstlich von liier, finden sich zahlreiche Blöcke in dem oberen Mergel. Oestlich tritt über Hei- ligenhagen bereits die Verbindung mit dem Hauptstreifen ein. Hier schliesst sich direkt im Süden die 0.")— 75 ra hohe Deckmergelgegend von Gerdühageu, Satow und Miekeuhageu an, mit zahlreichen groBBOi Blöcken, tiefen isolierton Moor^ und Seekesseln. Von hier stammt die hauptsachlich aus dem Deckdiluvium zusammengebiBchte Geschiebesammlung, welche das Rostodci r Museum dem verstorbeneii Pastor Vortisch verdankt. Auch hier hat der Deckmergel nur die Mächti<^keit von i)J^ '> m; er lagert auf unteren Banden, unter denen zum Teil noch unterer Geschiebeniergel hervora-itt; der Deckmergel ist oft fein horizontal gebankt und enthält nicht immer sehr viel Blocke.

Sttdin^rts von hier, bei Jürgenshagen und Neukirchen bis Btitzow, treten die Blöcke immer mehr zurück, es herrscht noch Deck- mergel, oft aber unterbrochen von Spatsan<l. Erst nordwestlich von Bützow kommen bei Kurzen Trt'chow die Blöcke wieder zur Geltung, als östliche Ausläufer des SrhlcinmiiK r Geschiebestrcifens.

Zwischen Bölkow und Fulirenholz setzt der nunmehr vereinigte Geschiebestreifen Uber das Thal des Waidbaches; nördlich von Nien- hüsen treten in der Höhe von 25 m massenhafte, besonders durch den rhuuseebau im Winter 1882 1883 geforderte Blöcke aus dein Lfelben Deckge.schiebeniergel zu Tajj^e. Dieser Blockreichtum zieht sieh fort über Ziesendorf nach Bröbberow und Gross Grenz; dicht bei Bröbberow wurde auf den 10 15 m hoch gelegenen Feldern an den Uferh<$hen des Waidbaches unter der dOnnen Aekerkrume ein unge- ahnter Reiditnm an Blöcken durch einfaches «Ausbuddeln*, d. h. Heraus- heben ans dem Ackerboden gewonnen und für den Chausseebau Ter» wertet. Die rrrossfu Blöcke lagern in einer dichten eisenbraunen, kiesigen Stoinpackung von einer Min htit^keit von 1 m auf Spatsand; es war eni tyi»is( her sandiger Moräneuabsatz von derselben Beschaffenheit wie bei Schwerin, bei Eickhof, bei Liepe u. a. 0.

Weiter abwftrts macht sich bei Schwaan nur der rdne Spatsand geltend, so dass hier eine Unterbrechung des (Jeschiebestreifens zu kon- statieren ist. Hier tritt das mächtige und ausgedehnte Diluvialthon- lager von Schwaan. Wiendorf, Viegeln und VValirstorf unter den Sanden hervor und waltet an den übrigen Stellen der feine, oft thonige Sand, oder wie bei Benitz der grobe Kies und Grand vor; dabei tritt in der genannten Gegend lokal auch noch der obere Geschiebemergel auf, aber nur zum Teil mit etwas bedeutenderem Blockgehalt.

Die durch vielfache Lücken unterbrochene, auch im Übrigen sich nicht durch auffallige Oberfläthenbeschaf^enheit auszeichnende südöst- liche Fortsetzung des Geschiebestreifens lässt sich etwa durch folgende Punkte fixieren:

Bei den Östlichen Ausbauen zu Wiendorf, nahe dem Sprenzor Thal, tritt ein steinreicher Blocklehm, zum Teil auch Deckkies in be- deutender Mächtigkeit auf, mit seinem SjiatMind-Untergrund zum Teil schmale Grenzrücken zwisdien den nachbarlichen Tliiilern bildend, die als Reste des hier 30 40 m hohen Plateaus erkannt werden. Oesthch

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Die mecklenbttrgischen Höhenrücken etc.

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hiervon, bei Säbel, Striesdorf, Dolgen, Lautuw, tritt zwar viel- fiMdi sof dem Sand der Deckmergel in bedeutender Bfitohtigkeit auf, S5lle und einzelne eiratiscbe Blöcke sind häufig, aber ein besonderer Blockreichtnm ist nicht vorhanden: wir haben Mer das nördliche Rand- gebiet in einer Meereshöhe Ton 45 m, im Dolgener Beig auch bis zu. 71 TD. anschwellend.

Ein grösserer Blockreichtum nördlich von hier, bei Prisanue- witz, gehört wahrscheinlich bereits zum nördlichen Rostocker Parallel- zag (s. u.).

6 kni südlich von Schwaan triflFfc man in Kassow am rechten Wamowufer eine reiclilichere Steinbestreuung auf dem unteren Sand, und im Dorfe viele Blöcke; östlich und südlich davon, bei Mistorf, Augustenruh, Lüssow timlen sich vereinzelte Blöcke, wenig reiche Steinbestreuung auf feinem Spatsand, oder blockarmer l 3 m mächtiger oberer Gbschiebemergel auf dem 85 m hohen Platean, ohne den Charakter des Gescliiebestreifens zu zeigen. Südlich dacht sich das Plaieau zu dem Nebelthal von Güstrow ab, w'ilirind bei Güstrow die nordöst- lich laufende breite Thalrinne des Recknitzflusses beginnt, deren beider- seitige Uferhöhen bei Sarmstorf und Spoitendorf zum Teil Klein- steinbestreuuug zeigen.

Jenseits des necknitBäulee findei man bei Laage die FcHiBetzung des Nordrandes unseres Oeschiebestreifens angedeutet:

Die tiefen Einschnitte am Bahnhof Laage entblössten einen an Mächtiixkf it vielfach wechselnden (0,0 4 S m). sehr blockreicheii oberen Geschiebemergel, der unter mannigfachen grossartigen Verdrückungen rasch wechsellagenide untere Sande und Kiese, auch Thonsande und unteren Geschiebemergel bedeckt, auch vielfach in Buchtenform in seinen Untergrund eingreifend. Südlich von Laage durchläuft die neue Eisen- bahn bei Lissow, Corleput, Knegendorf, Piaatz das oft vielfach durchfurchte Diluvialplateau mit Sauden und Steinbestreuung, wehho letztere oft ziemlich reich ist und auch in Blocklehm (z. B. bei Lissow) ü>)ergeht; vereinzelte Dolmen, z. B. bei Piaatz, sind auch hier wieder zu treätu. Bei Mierendorf lagert 0,5 m sandiger Decklehni mit Steinsohle auf unteren Sauden und Kiesen, andererseits trifft man unter ESnbuch- ttugen von Decklehm die Sande in schleifenartigen Biegungen zusammen- geschoben. Bei Recknitz tritt am Recknitss^l-Ufer in 15 m Meeres- höhe ein bis 3 m mächtiger sandiger oberer Blocklehm auf feinem Spatsand auf.

Südlich vou Laage erhebt sich der gebirgige Hügelkompiex des Schmooksberges bei Lflningsdorf zu einer Höhe von 135 ra. Je nachdem man den Berg Ton Korden oder Süden und Südosten besteigt,

erhält man einen ganz Terschiedenen Eindruck, da er kein vöUig iscdierter Berg ist, sondern in ähnliclier Weise wie der Heidberg l)ei Teterow u. a. ni. zu dem nachbarlichen Phiteau in engste Bezieluiiig tritt. Die Spitze und der Hauptteil des Gehänges besteht aus Sund und Kies, stellenweise mit vielen Steinen, oft von grosser Unfruchtbarkeit des Bodens; am nordwestiichen Abfall besteht sein Boden aus Geschiebe- luergel, hier zum Teil, z. B. nach der Pölitzer Grenze und am Drölitzer Ab&ll, mit isolierten oder zu Reihen geordneten SöUen und der wilden

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Geioits,

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Moräiieiilandscliaft In DrÖliiz u. a. 0. trifft man häufige Blöcke an den Flanken des Berges. In einer Mergelgrube am Hofe Pölitz ist ein an Blöcken reicher Geschiebemergel (Deckmergel) in irrossartig'e Schii liteiistörung mit nachharlichem Kies und Grand getreten. Aus allen bisherigen Beobachtungen ergibt sich, dass der obere Geschiebe- mergel an den Seiten des Berges Torkommt, wShrend er auf seiner Spitze fehlt und höchstens durch Steinbestreuung yertreten ist ; vielleicht büdete also die von „unterem" Sand aufgeschüttete Spitze eine von der «ober«!!** Grundmoräne fast freie Erlief )iing, ähnlich wie bei anderen Bergen (z, B. Helpter- und Ruhnerberg).

Südlich und südwestlich vom Schmocksberg treifeu wir noch emige andere isolierte Erhebungen und Berge, deren Zusammenhaiiff erst durch die neuen MesstischbUtter ganz aufgeklärt werden wir£ Sie zeichnen sich meist dadurch aus, dass sie bis zur Spitze aus ^un- ten'n" Sauden und Kiesen zusammengesetzt sind, am (Ifh'ange aber auch zuweilen mäehtiye Mertjelbedorkung zeii^en: wnhix lieinlich sind es ähnliche Diluvialauthäufungeu auf einem Flcitzgebirgbkern, wi«- •/. B. die Höhen des Schönberges im Klützer Ort oder der Sonuenbeig bei Parchim u. a. Vielleicht kann man sie als «Ausläufer* oder Yerbin* dungsglieder der l)ena( h))arten Geschiebestreifen auffitssen.

Am Ahrens berg bei lieinshagen, ösÜich Güstrow, treten einige auffällig spitzkegelfi)rmi;^n> Kieserhebungen aus dem steinbestreuten Sandboden her\'or, die wohl kaum allein als Keste des I'lateaus gelten dürfen, sondern vielleicht schon vom Wasser selbst zu ihrer i orm auf- getttimt worden sind.

Die landschaftlich recht aufiälligen, weil sich den nachbar- lichen Wassemiveaus ziemhch bedeutend erhey)enden Höhen östlich von Güstrow, der Haidberg, Priemer, Mestersberg u. s.w.. bestehen gleich dem benachbarten Diluvialplateau aus Sauden oder blockarmem Deckmergel. Ihre isolierten Kuppen sind die bei der Erosion und Evorsion stehengebliebenen Beste des Plateaus, Ton welchem sie sich in ihrer 50 58 m betragenden höchsten Erhebung gegenüber der Meereshöhe des Plateaus von 25 45 und mehr Meter auch nicht be- sonders abheben.

In dem östlich folgenden Vietgester Revier treten ähnliche Höhen auf mit 75 80 m Meereserhebung.

Ein bemerkenswerter Reichtum an Geschieben ist auf jenen Höhen nicht zu konstatieren, dagegen finden wir B. bei den Bahneinschnitten von Ahrensberg an die mächtigen Spathsandht^ häufig blockreichen oberen Geschiebemergel angelagert.

Oestlich von diesen Höhen entltlrissic die neueEisenbahn bei Vi etfjest und Laieudorf blockreiciicn Deckmergel des liier ca. 3H m Indien Plateaus.

Südlich von LaK ndorl steigt das Land über VogeL^aug und Lübsee alsbald zu dem südlichen Hauptgeschiebestreifen von Both^palk an. In den Laiendorfer Blockanhäufungen scheint eine Verbindung der beiden parallelen ZQge angestrebt zu sein.

>) \-^\. an li K r],. Arch. d. Ver. f. Mat. Meddenb. 1884 (88)« 8.255^ und

die ächildurungen vou Boll a. a. 0.

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Die mecklenbnrguchen HShenrttcken etc.

263

In südöstlicher Richtung vom SchmofiTcslu rg durchschreiten wir die vielfacli conpierte, von Sollen und Seen durclisotzto Landschaft von Schlieffenberg, Koge. Zierstorf u. a., in der unterdiluviale Kiese und Sande vorherrscheu , oberer Geschiebemergel aber nicht gänzlich fehlt, jedoch ohne erheblichen Blockreichtum. In direkter Verlängerung der lunrdweatlich-eOdöfltiiGheii Liaie folgen die Höhen der Heidberge bei Teterow. Wie der Schmooksberg, so bestehen auch diese bis 102 m hohen Rücken oben aus Sand und Geröl Hagem mit geringer Deckdiluviiilüberlageruug . und erst an den Abhängen tritt mächtiger, Ott bU)ckreicher oberer Geschiebeniergel auf

Der Eiseubahubau zwischen Teterow und Gnoyen durchschnitt hier zum Tefl die Nordflanke des Geechiebestreifeiis. Bei Thflrkow zeigen die unt^rdiluvialen SandhUgel Steinbestreuung des Dcckdiluviume; der Einschnitt längs des Holzes entblösste Spat* und Schluffsand mit —0.8 m lehmigem Sand darauf, der ziemlich viel Blöcke enthält, zum Teil auch mächtiger wird und in Decklehm übergeht, z. B. bei Todendorf. Weiter nördlich folgt blockarmes Terrain.

Bei Teterow ist die Fortseisang des Gesdiiebesfareifens deutlich zu gewahren. Nach Bolls Mitteflung*) wurde etwa im Jahre 1845 «bei Teterow* für daa Ghausseebau ein mächtiges Blocklager bloss* gelegt, „in welchem die einzelnen Bl 'u ke durcli braunen, eisenschüssigen Sand miteinander verkittet, wie ein dichtes Mauerwerk aufeinander gepackt erschienen" (auflailige Analogie mit Bröbberow bei Schwaan s. o.). Bei Niendorf und Teschow finden wir steinreiche Felder mit dichter Steinbeschttttnng, viele grosse Blocke auf Idunigen KieshOgeln in dem 40 '80 m hohen Plateau. Blockreicher DecSnnergel auf Spatsand lagernd geht weiter nach Wendischhagen und Bristow am nord- östlichen Miikhiner See. Auch bei Kemplin birgt der Deckmergol, in der Tlnaigrube nur 0,5 m mächtig auf Bänderthon lagernd, mehrfach grosse Geschiebe. Auf dem Septarienthon von Pisede ist stellen weise sehr blockreieher Deckmergel auf- und angelagert Dagegen bestdit der hier zu 108 m anftteigende Harkenberg an seinem Qi^el ähnlich wie der Schmooksberg nur aus Sauden, und erst an seinem Gehlnge kommt der Blocklehm zur Gelhmg.

Nordwestlich vom Harkenl)erg linden wir einen Höhenzug, der eich aus lolgeuden aus dem etwa 80 ra hohen Plateau aufragenden, mehr oder weniger isolierten Bergen susammensefaEt: Boben-Berg mit 105,5m, Schlanker Berg 125 m, Hardt-Berg bei Pohnstorf 122 m u. a. m. Auch der Hardt-Berg /.oigt auf seinem Gipfel nur Sand und kleinen Kies, erst an dem Aldiang kommen Hltic^ke und gering mäch- tiger Deckmergel. Westlich ist diese Berggruppe bei Mistorf durch herrschenden Spatsand von dem eigentlichen Teterower Geschiebe- streifen getrennt ; auch an seinem nördlichen raschen Abfall bei Pohnstorf ist kein Geschiebestreifen^us zu g^ewahren.

Die Breitenansdehnung Iftsst sich hier auf einer Wanderung nach

Vgl. Geinitz, 1. Beitrat z. Geol Meckleab. 1S79, S. 29, 61. Abiin d. mecUeiib. LanMfc. 1861, 8. 291. VonAvagm nur dMMhm Laad» vnd TolkAana«. L ft. 19

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Geuoiti»

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Neukaien feststellen. Am Wege zwischen Markow und Hagens- ruhni, sowie vor Barnitz zeigt eine reiche Steiiibestreuung dt-r Sand- felder, zuweilen uiit Deckmergelboden, längs des breiten Thallaules die (Müiche Grenze der Geechiebeaiih&iiftmg an.

Jenseits des breiten Torf- und S^thales des Malcliiner und Onm- merower Sees setzt auch unser Geschiebestreifen fort.

Die Umgebung Ton Malchin wird hier liauptsiUhlich aus zu Ta«xo tretenden unti^ren Sauden gebildet, nur untergeordnet tritt Deckgesehiebe- lehm mit auf. Bei Duckow nimmt blockreicher oberer Mergel an der ZusammensetEung des hier 40 m liohen Plateaus TeiL' Das Hain- lioli bei Malchin besteht am Nordnmd der HOhe aus Spatsand, der auch noch in der Höhe von 24m bei der Gielower Mühle auftritt. Auf dem [üit ken kommt stellenweise auch Blo( kniergel zur Geltung; in den Kalkgruben am Hainholz ist mächtiger, oft Idockreicher Ge- scliiebemergel auf dem l'läuerkalk abgehigert. Auch unterhalb Leuschen- tin finden wir steinreichen Geschiebemergel zum Teil in seinen imteren, gegen den Spatsand grenzenden Partien mit roher^ vom Schmelzwasser geEeferter Schichtung.

Weiterhin habe ich den Verlauf des Ge.schiebestreifens zwischen Malchin und Neubrandenburg noch nicht eingehend studieren können. Die Ei8enV)ahn läuft öfters, z. B. zwischen Staveuhagen und Mölln, hier auf dem sollreichen Deckmergelplateau hin.

In der Gegend Ton Neubrandenburg sind die Geschiebe- anhäufungen wieder recht schön zu beohachten. Die Mak hiner Eisen- bahn läuft kurz vor Neubrandenburg längs des tiefen Erosionsthalcs des Melliner Baches in zum Teil recht ( liaiaktf ristisrher M(»ränenland- schatl. Der Bau der SUdbahn entblösste in dem ersten Einschnitt des Westufers der grossen Tollenseniederung bei Broda unteren Sand und Eies mit östlitmem Ein&llen, der auf der PUteauhöhe Ton Decklehm überlagert ist, in welchem zahlreiche grosse C^chiebe vorkommen. Der lange Einschnitt durch das 60 m hohe Plateau südlich Weit in zeigte oberen und unferen Idot kr( ichen. plattiL' nl>i,n>sonderten Geschiebe- mergel , })ei(h^ zu%v( ili'i) durch eine <>.') m du ke »Sandschicht getrennt. Mit wechselnden Vorkommnissen reicht der l)k>ckreiche obere Geschiebe- mergel westlich bis Wulkenzin, Malliu und Kruckow, coupiertes Terrain, SdUe, EiesrUcken, Morftnenlandschaft zeigen auch hier den Geschiebestreifen an.

Auch djiK schöne, ludie Brodaer nordwestliche Ufer des Tollense- sees bei Belved«'re, N< iibrandenburg, hat d^n Blockmergid ange- schnitten; auch hier kann man Sandein- und Auflagerungen beob- achten; das Ufer ist umsäumt von zahlreichen grossen ausgewaschenen erratischen Blöcken.

Am Ostufer waltet im Nemerower Holz zunächst der feine untere Sand vor, do( h zeigen die Höhen des ()0 75 m hohen Plateaus flu iifalls das zum Teil l)lo( kn ich«' Deckdiluvium, und an den hohen Ufer- steilen nördlich Nenicr«tw tritt der Dcckmcrgcl auch ;in den See heran.

üestlich vor der Stadt erhebt sich ids eine durch das aus Südost kommende Uftthlthal und das aus Ost zur ToUense strdmende IHttzethal aus dem Plateau herausgeschnittene Zunge der Galgenberg. Die

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Die meoUenbnrgisdien Höhenrficäai eta

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hier angesclinittene Wand zeigt in beträchtlicher Mächtigkeit dt-u Sep- tarientlion meist innig mit nordischem Moränenmaterial vermengt nnd schliesslich von blauem reinem Gescliiebemergel bedeckt. Aiü diesem lagert in bedeutender Dicke Spatsand und Grand, zum Teil auch in acnöner SchichtenstOnmg unter Bloddehm. Die bis 58 m hohe Platrau- Oberfläche zeigt vorwiegend Sand mit untergeordnetem Deddehm, weiter östlich und nördlich tiberwiegt die Sandlandschaft immer melir. Auch hier am Galgenberg ist ein selir bedeutender Reichtum an grossen Blöcken in dem oberen Ot schiebemergel zu konstatieren. Auf der Höhe jenseits des Mühl- oder Lindthaies (62 m) finden wir über der hintersten Hoble reiche Steinbestrenung auf Sand und Kies. Bei Wohersin nördlich von Neubrandenburg finden sich auch viele Steine.

Südlich von Neubrandenburg trelfen wir bei Gross Nemerow und Rowa auf dem bis 90 m hohen Mergelplateau mit zahlreichen SdUen die Landschaft des Gesrlncbestreifens.

Die tiefen Kessel bei S targar d, in den unteren Sand einge- arbeitet, die Wegeanschnitte von Sand mit buchtenartig eingreifendem oberen Blockmergel u. a. bezeichnen den Fortlauf des Geschiebestreifens nach Stargard, welcher sich von hier auch noch südlich verbreitert. Am oberen Ende von Stargard tritt bis 8 m mächtiger gelber, ZUm TeU etwas sandiger oberer Geschiebemergel auf.

l.)en weiteren südöstlichen Verlauf des Geschiebestreifens über Cölpin-Petersdorf habe ich noch nicht konstatieren können. Doch tritt er nördlich Ton Woldegk in den GehSngen des Helpter Berges irieder auf.

Sudlich Ton Woldegk sendet der parallele Zug IV Ins nach Graut^nliagen und Göhren einen verbindenden Ausiäufir in nord- r.stlicher Richtung. Die direkte Umgebung von Woldegk enthält nicht viel Blöcke in dem bis zu (im Dicke anwachsenden Deckmergel.

Nördlich der Stadt erhebt sich aus dem zur Woldegker und Helpter Heide mit 120 130 m au&teigenden Terrain der 170 m hohe Helpter Berg als schmaler, langer, nordöstlich streichender Rücken in ganz ähnlic iu r Weise wie die Hohe Burg bei Sclilemmin, an seinen Abhängen und auf der HCihe mit vielen isolierten Torfsöllen. Die Ober- fläche ist meist aus oberem Geschiebelehm mit reichlichen Blöcken ge- bildet, welche ausgeackert oder im Walde durch Ausrodung freigelegt werden; unter dem Beckmergel tritt feiner Spatsand herror. Audi das nördlich nach Helpt bis 120m abfallende Gebiet von strengem Deckmergt'l ist noch reich an Blöcken, im Osten schliesst sich die Um- gebung von Mildenitz in gleicher Beziehung an.

Dietger Geschiebestreifen ist ausgezeichnet durch melirere isolierte bedeutende Erhebungen, die aus unterdiluvialen Sandbeschüttungen be- stehen und wahrscheinlich resp. sicher nachgewiesen einen nerYor- tretenden Kern von Flötzgebirge besitzen. Zuweilen sind auch diese Kuppen etwas TOr die Linie des Streifens herausgerückt.

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Geiiiite,

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IL öeschiebestreifen : „Warneiiiüude Rostock TeflSin Darguu Friedland Bröhmer Berge^.

Im wesÜichen Tefle des bis 18 m hohen Abbrachsufers der Stol- tera bei Warnemünde tritt der an grossen Geschieben sehr reiche obere Diluviahnergel in beträchtliclicr Mächtigkeit (bis 8 m) direkt auf

dem unteren läppernd auf. während woitcr rystlidi nach Warnemünde hin sich viclfjich tSpatsand und Thon dazwischen einschiebt '). Djis hier klintartig von der See abgebrochene flache nach Jsorden geneigte Diluvialplateau erreicht bald, an der Chrenze zwischen Diedrichshagen und Elmenhorst, die Höhe Ton 20 24 m, um bald wieder auf 10, ja auch 5 m (bei Evershagen) zu sinken und alsdann bei Sievershai:^en wieder auf 20 und 24 ni nir/iisteigen. Diese Gegend zeij^t den Boden des ,DeckmerjS2;els* : blorki t lt hen «gelben Geschiebemergel, vieh- ausire- wascliene erratische Blöcke, die auch in den Dörfern zu den charakte- ristischen cjklopischen Mauern verwendet sind (z. B. in Lichten- hagen, Elmenhorst, Diedrichshagen), zidilreiche SöUe. Nur untergeordnet tritt Spatsand und Kies hervor. Nach Westen Terflai^t das Terrain und der Charakter des Geschiebestreifens tritt zurück, an der Ehnenlmrster Scheide sinkt das Ufer bis auf 2 m tief, um alsbald wieder anzusteigen und am Rethwisclier Hol/, i;{ m Höhe zu erreichen, von da wieder rasch zur Niederuog des Couveuter See.s bei Börgerende, nordöstlich Doberan, sinkend. Der Boden bei Elmenhorst zeigt zahlreiche Blöcke, der ganze Klint ist von Blöcken umsäumt, die aus dem anstehenden <)l)eren und zum Teil unteren Geschiebemergel ;uis- gewaschen sind. Di»' Rlockiiiauern in Rethwisch und eine Geschiebe- lehmgrube am unteren Ende des Dorfes Börgerende sowie die zahl- losen Solle in der südlich vom Klint gelegenen Landschaft l>ekundeii, dass das Ende der Deckgeschiebemei^el- Ablagerung erst hier, am Ost- raiide der breiten, durch den « Heiligen Damm* abgeschlossenen Reth- Wischer Niederung zu suchen ist. Das flache Diluvialplateau besteht zwar nicht durchgängig aus dem oberen Mergel, sondern lässt auch vielfach die unteren Sande zu Tage treten (besonders im östlichen Teil), auch ist eine eigentliche „Moränenlandschaft'* nicht entwickelt; doch können wir diesen Distrikt immerhin als Geschiebestreif en" bezeichnen; wir würden sonach seine Breite längs des Klintes (wie ich das «Ab- bruchsufer* nennen möchte) auf etwa 8 km anzugeben haben.

Der südöstliche Verlauf ergibt sich, zunächst längs der Ostgrenze, folgendermassen: wie erwähnt, schiebt sich am östlichen Klint der Stolteiii mächtiger Sand zwischen den oberen und unteren Mergel; vielfach tritt dabei der obere vollständig zurück. Die am Strand aus- gewaschenen Blöcke yerschwinden an jenen Stellen, so dass man längs des Klintes erst nach 2,5 km von seinem östlichen An&ng in das Oe- biet der zunächst spärliclien Blöcke gelangt. Das südlich von hier gelegene, flache und niedere Plateau hat vorwiegend den oberen Mezgel, stellenweise aber auch Spatsand darunter hervortretend.

*) Vgl. auBflkbrUche Betehieibiutg und AuBonuna der Stolten im VIL Bettr. s. Oeol. MeeUeab. 1885.

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Die mecUenlimgiMditii HöhmrOck«:! eic.

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Am Südrand der Breitlingiiiederuug tiiiden sich bei üross Klein, Petersdorf und Peez zahlreiche grosse Blöcke aus dem Gescliiebe- mergel ausgewascheii; em breites Steinlager setzt quer duich den Wutdow- ström bei Gross Klein als Verbindung der beiderseitigen Steinaus- Waschungen. In Lütten Klein ist der blockreiche obere Mergrl aufgeschlossen, die Blockmauern des Dorto> und die nfi(hl);irli<'1i<'n Sr»lle entsprechen dem Geschiobestreiten. Auch die neue Kisenbuim hat zwischen Schniurl und Marienehe den blockreichen oberen eut- blösst, neben welchem zum Teil auch schon Kies und Sand auftritt

Am Ostufer der Wamow tritt der Qeschiebestreifen TÖUig zurQck. Zunilclist im Norden breitet <u \i die Hostocker Heide aus, und in dem flachen, 5 10 m holieii Terrain l>ei Krunimondorf tritt Sand und stellen- weise der sandige, al»er lilockannc ol)ere Mergel auf. Der letztere zieht sieb, oft mit Sandbedeckung, weit nach Osten hin. die zablroichen Solle und tiacheu Depresssioneu zeigen hier das Gren/.geluet au, wo sich die Schmelzwässer zu stromschnellenartiger Th'atigkeit entfolten konnten. In Teutenwinkel mit seinen Blo^mauem hat der obere Mergel noch einige Bedeutung. Viei Dierkow und Bartelsdorf macht sich dagegen der untere Sand und Kies geltend, analog den westlich beiderseits der Wamow unterhalb Rostock gelegenen Orten (lehlsdorf und Bramow. In Gehlsdort treffen wir am VVaruowuier block- reichen unteren, bedeckt Ton oberem Mergel und diesen noch unter einer HoUe von Heidesand. Der Charakter der Moränenlandschaft ist hier uitLrends entwickelt.

Der bis hierher, unterhalb Rostock, verfolgte östliche Teil des Geschiebestreifens hat nach Obigem eine ^/^ ringe Meereshöbe. die sich auf ö 20, auch 24 m belauft; an seiner Zusammensetzung nimmt wesentUchen Anteil der obere Geschiebemergel, doch beteiligen sich auch der untere, sowie Spatsand und bei Wamemtinde ein Kreidekem.

Die westliche Grenze des Streifens verläuft von RethwiH< b und Börgerende ungefähr über die Orte Admannshagen, Allers- hairen, Lambrechtshagen nach Klein Sehwass und Wilsen, so dass hier bis zur W arnow eine Breite von 0 7 km ersdieint. Audi hier tritt zuweilen innerlialb »eines Gelnetes der untere Sand hervor und nicht Überall treten die Geschiebe besonders häufig ab erratische Blöcke auf den Boden.

Einen guten Einblick in den Bau des Streifen- i liloss die Rostock -T^oberaner Eiseuljahn. Es erg.ib -irli hier sehr deutlich eine Zerteilung des blockreichen Streifens in zwei parallele, durch ein breites Sandgebiet getrennte Areale. Das westliche ist bei Sc hwuss besonders reich an Blöcken, sein Gteschiebemergelboden setzt bis Parkentin über Allershagen fort; alle Dörfer haben hier ihore cyklopischen Mauern.

Von Bramow bei Rostock her zieht sich Uber Barnstorf, die Barnstorfer Anlagen nach Biestow und westlich sowie südwestlich vor der Stadt Rostock (die Warneniiinder Bahn durchläuft dies Gebiet ZNvischen Bramow und dem Rostocker Kirchhof) ein gleich hoch ge- legenes flaches Gebiet von feinem Uauptdiluvial-Spatsand in ungefähr nord-sttdlicher Richtung. Auf demselben liegen nur ganz untergeordnet einz^e grössere Blöäe (z. B. an der Verbindungsstrasse zwischen

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Barnstorfer Anlagen und Doberaner Chaussee) oder tritt in Buchten konserviert der obere Geschiobemergel auf, oft schöne Schichtenstdrungen

des feinen unteren Sandes und seiner thonigen Zwischenschichten ver- ursachend. Solclier geschiebereicher Deckmerge! ist u. a. <s\\f anfjre- deckt wordt n durcli die Hiiisthnitte hinter dem £ixerciersciiuppen und aut den Feldern südöstlich vom Kirchhof.

Die Ecke des DihivialpkteauB, auf der die Stadt Rostock steht, gehört dem oberen und unteren Qeechiebemergel an, zwischen denen häufig wechselnd mächtige Lager von Sanden vorkommen.

Oestlich der Oherwamow, von dem Weissen Kreuz an über Bartels- dorf u. s. w. herrschen die unteren Sande und Kiese gegenüber dem Deckmergel derart vor, dass hier, östlich der Stadt Rostock, mit dem zu 20 m ansteigenden Phiteau das östliche Ende des Geschiebestreifens anzunehmen ist

Südlich vor der Stadt Rostock haben die Arbeiten für den neuen Bahnhof und andere Einschnitte den oberen, zuweilen sandigen Geschiebe- mergel mit reichlichen Blöcken entblösst, der oft bedeutend mächtig auf Spatsand und Kies lagert. Der Balmbau bei Gragetopshof, Sil- demow und Dalwitzhof förderte auf der Plateauhöhe von 20m eine enorme Menge grosser Blöcke, die nur unter einer dQnnen Ackerkrume ▼erborgen waren. Eine Erinnerung an die durch lange Kultur und nicdrigi" Lage ziemlich verwischte Moränenlandschaft rufen hier die Solle, Torf- und Seekessel noch wach. Der scharfe Vorspnmg, den hier das Warnowtlial umfliegst, gehört dem Geschiebestreifen an; sein Hoden ist hier der untere Sand und Kies, bedeckt und gestört durch den bis mehrere Meter mächtigen blackr«ichen Deckmergel resp. dessen Beete, die Steinbestrettung. Auch auf der üferhöhe von Papendorf tritt nodi 1 m mächtiger, an saonen geschrammten Blöcken reicher oberer Mergel als Bedeckung von Kies auf.

Weiter nuch Südwesten waltet Sandgebiet vor, als .^fhlliche Fort- setzung des Braniovv-Biestower Sandes; hier tritt auch bei Polchow und Wahrstorf der unterdiluviale Thon in Zusammenhang mit dem Lager bei Schwaaa in beträchtlicher Mächtigkeit zu Tage, viel&eh noch von Deckmergel überlagert. Auf dem gegen 40 m hohen Plateau nördlich von Pölchow, bei Niendorf, Gross Stove, Kritzemow, Wilsen bis Klein Sdiwass, ist zwar der Deckmergelhoden vorwiegend und tniden sich Srdlt' und grössere Tortkessel in ungeheurer Anzahl, doch tritt der Blockreichtum zurück; noch weiter westlich findet sich bei Fahren- holz in dem vorherrschenden Sandterrain noch oberer Geschiebemergel konserviert, mit Schichtenstörungen seines Kiesuntergnmdes.

Jenseits der Wamow tritt in der Gegend von Kessin, Köster- beck und Hohen Srhwurfs .sowie bei Niex gegenüber Papendorf stark coupiertes Terrain auf, zum Teil mit nicht sehr mächtigem oberen Blockmergel, der den unteren Sand und Kies bedeckt oder in Buchten eingreift (z. B. bei Niex), oft mit vielen schön geschrammten Geschieben. Der Sand kommt an den üfergehän^n tmd weiter auf den Höhen zur Geltung, so dass alsbald der eintönige Sandboden des hohen Plateaus vorherrscht, allerdings auch hier noch zuweilen von Deckmergelpartien unterbrochen. Die Höhe des Sigualberges bei Kösterbeck (60 m) besteht

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Die meeklcabargiioheii HOhenrtlokeii ete.

haupteUchlich ihh feinem Spatsand mit untei^eorduetem Deckmergel, die niedrigeren Punkte, auch im Thale bei Kösterbeck und Beselin, zeigen oft reiche Stein- und BloekhtMleckun«^ auf unterdikiviiileni Sand und Ki«'s <)(k'r mächtigen oberen (icsc }ii(.'l.)»*iin.'rgel. l);is liO ti') m hohe Plateau bei Fresendorf besteht aus thouigem unteren Feinsand, dem luer leichlidi grosse Blöcke des weggespülten Deckdiluviums auf- lagern; die zahlreichen isolierten Torfdepressionen und SfiUe, sowie die tidfen Thalbeginne und Schluchten gehören der Moränenlandschafl zu.

Hier schliessen sich mm östlich bis Tessin die grossen Torf- niederungen von W o 1 f s b e r g und G ö 1 d e u i t z an, einstige grosse Seen, und lassen die Fortsetzung des Geschiebestreiteoss ehr undeutlich erkennen.

Im BQdflD ist die Chrenze ehra hei EaTeUtorf (Deckmergel, Blockmanem, SöOe u. a.) su suchen; ein grösserer Blockreichtam in dem bis 2 m mächtig auf unterem Grand und Geschid>anergel lagern- den Deckmergel in dem Bahneinschnitt bei Pris a nne wi tz, sQdlich von Kavelsti^rf, bildet einen südhchen Zipfel des Streifens. Im Osten geben Petschow, Niekrenz, Horst die Fortsetzung nach Südosten an.

In der Garend von Tessin ist das Plateau rechts der Eecknitz- niederung bei Vilz ▼ielfach durchfurcht und zu Belagen modelliert, die aus unteren Sanden und Kies bestehen, mit zahlreichen grossen und kleinen Steinen bestreut, lokal auch Reste von Deckmergel enthalten. 3.5 km südlich von Tessin zeigt ein schöner an der Chaussee gelegener Dolmen auf dem Sand{)lateau die einstige Verwertung der Blockbe- deckuug in jener Gegend.

Die G%AU8see zwischen Tessin und Gnoyen f&hrt uns nicht die Charaktere des Geschiebestreifens vor Augen, meist durchläuft sie ein steinarmes Spatsandplateau. Nördlich von ihr keffen wir bei Samow die dort zu Tajze tretende Kreide von wenig mächtigem Blockraergel überlagert. Westlich von Gnoyen dun hliluft die Eisenbahn bei Boddin einen moränenarti^en Rücken, aus Spatsund und Grand mit mächtiger, blockreicher Gesdiiebekiealthenchllttung bestehend. Eine grosse Lemn- grube sQdlich von Gnoyen an der Chaussee baut einen circa 5 m mächtigen, nicht sehr blockreichen oberen Geschiebemo^gel ab. Auch die Chaussee zwischen Gnoyen und Dargun bietet keine Aufschlüsse über einen charakteristischen Geschiebestreifen, meist ist es Deckmergel- plateau ohne viel Steine, zum Teil auch Feinsand.

Die zahlreichen Blöcke, die zu Mauern angehäuft oder zu anderen Ballten yerwerfcet die nördliche Stadt Dargun auszeichnen, geben uns einflü Anhalt, dass hier der Oi st hiebestreifen seine Fortsetzung nimmt, die nach Südwesten etwa bis Kützerhof reicht, nach Südosten durch mehrfache Blöcke bis Upost noch konstatiert wurde.

Nach Nordosten habe ich den Streifen noch nicht weiter verfolgen können, ebenso fehlen mir Beobachtungen über seinen Verlauf nach SOdosten durch das hier weit eindringende Gebiet von Pommern. Ob die von Boll angeführten Ereidepui&te Peselin und Clempenow, Gel che n nördlich von Treptow zu dem Streifen gehören oder einen divergierenden Seiteuzweig zu dem nördlichsten Streifen bilden, kann ich ebenfalls zur Zeit nicht entselieiden.

In südösthcher Verlängerung des besprochenen, zum Teil freilich

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(ieinitz,

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nur lOckenliaft imtersachten GeschiebestreifeziB «Warnemünde Bostock Dargun" treffen wir wieder in der Gegend von Friedland reiche

Blockanbäufuugen.

Auf dem flachen, zu 45 m sieh erht^jenden Plateau von Salow, westlich Friedland, trifft man die Kreide unter Geschiebemergel, der seinen Untergrund Tiel&ch stark zusammengeschoben hat und der sich durch esnen grosse Reichtum an grossen , oft schOn geschrammten "BLöcken auszeichnet. In dem niedriger gelegenen Areal nach Friedland zu kommt mächtiger unterer Feinsand zu Tage. Die Stadtmauern von Friedland sind ebenso wie die von Neiibraiidenburg nus «Felsen* i^'ebaut und weisen wie dort auf die Hiuili^ktit von Blöcken in un- mittelbarer Umgebung der Stadt hin. Südlich von hier macht sich swischen Sadelkow undOenzkow auf dem 45— 55 m hohen Terrain ein bedeutender Blockreichtum geltend und weiter liisst sich der Ge- schiebestreifen in di( sfnrk eoupierte Gegend der Bröhmer Berge vei'folgen, wo. wieder durch einzelne Sanddistrikte unterbrochen, der von erratischen Blöcken oft völlig übersiUe Boden des oberen Geschiebe- mergols vorwaltet; cyklopische Maueni in den Dörfern, wie z. B. in J at zke, Brehm, Heinriehswalde, Matzdorf u. a., an den Wegen ange- häufte riesige Blocke, Sölle und Torfkessel, stark ooupiertes Terrain, geben hier wieder das typische Bild der Morftnenlandschaft. Das Terrain steigt hier im Bröhmer WaM bi< 1^2 m an, ohne aber eigentliche Berg- spitzen zu hiMf-n; die Kieferwaldungen zeigen, dass auch hier vit'lfa<h der untere »Sand zu Tage tritt. Die Kreide- und Septarienthon- vorkommuisse sUdlich von Wittenborn, von blockreichem Deckmergel Überlagert, erweisen auch hier wieder einen Kern von 8lterem Gebirge in dieser Bodenerhebung. Die grösste Höhe liegt bei Matzdorf mit 149 m. Der sehr ausgeprägt nordweststreichende Hölienzug fällt bei G ehren steil ;ib y.w »b^r weiten Niederung des Gnlo?ibecker S«'»»^ und der grossen Friedliuulcr \Vic>e. Aucii die Sandicldcr bei (iehren liegen noch voller Steine, uud unter dem lU' mächtigen Turf der grossen Friedteader Wiese finden sich nach Boll häufig grosse Steine

Ueber weitere Vorkommnisse von Blockanhäufungen, die einer bedeutenden Breitenausdehnung unseres Oeschiebestreifens bis Friedland eni<?prechen , liegen Mitteilungen von Boll vor bezüglich seines nörd- üchen Streifens (1).

!• Geschiebestrelfen: ^Fischlaud Saal Blbuitz Sülz

Loitzi«

Bei dem Kirchdorf AVustrow auf dem Fischland erhebt sich das Land aus dem niederen Heidesaiid und Moorboden bis über 20 m, um alsdann an der Landesgrenze bei Ahrenshoop wieder zur Heidesiunl- iiiederung des Darsser Ortes hcral>zusinken. Der Klint (Abbruchsufer I, von zahlreichen grossen ausgewaschenen Blöcken umsäumt, zeigt hier

■) Abriüs 1661, S. 13.

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Die uiecklenburgiächoi HöhenrQ«^«!! etc.

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unteren grauen Gescliiebemergdf meist von gelbem oberen bedeckt, und auf diesem nocli den 1 5 m mächtigen Heidesand mit seiner Oi*tstein- bildung. ZwiscluMi Itciden Gcschit'henicrgehi triff sclft-u etwas Sand und auch i't'tft'r blauer Tlion auf. Beide Mer^^el führen einen {jjossen Keich- tum an Blöcken, zuin Teil auch so massenhaft Ki'eidestückeu, dass eine Lo]nlm(H&ie Torliegt, einem nachbarlichen Kreidekem entmsrechend.

Das jenseitige Stdlnfer des Saaler Boddens zeigfc bei Saal Gre- schiebemerfrel und viele aus demselben ausgewaschene Blöcke.

Südlirh vou liier treffen wir den Geseliiebestreifen in der Gegend vonHibnitz, indem hier der gescliiebereiclie Deckmergel zur Geltung kommt. In der Gegend von Freudenberg sind die (ie.Mliiebe nicht besonders häufig, dagegen finden sich in der sich südlich anschliessen- den hügeligen Landschaft yon Tressentin und Jankendorf viele errafisebe Bldcke, in den Dörfern cyklopische Mauern. Der blockreiche Geschiebeniergel oder seine Vertreter, Deckkies und mächtige Steinbe- streuung auf unterdiluvialejii Kies, treten in südöstlicber Fortsetzung auf den linksseitigen Hfihen des Greiiztliales der Re» kiiitz bei Marlow, Schulenbur^ u. s. f. auf. Südlich vor der Stadt Sülz triÜ't mau beim Abstieg in das Thal Hergelboden mit einzelnen grossen Btöcken, im Untergrund Spatsand.

Vorstehende Daten ergänzen die Angaben BolVs. nach welchen der Geschiebestreifen erst bei Sülz beginnen soll, l iii- <lie Fortsetzung 'bs Streifens kann ich nun nur die weiteren Mitteilungen lio 1 Ts hier anlüliren. Danach zieht er sich „durch Pommern an der mecklen- burgischen Orenze entlang zwischen Demmin und Loitz hindurch über Daberkow, Wietzow, Glempenow und Spantekow, berflhrt beiDischley, Ramelow, Br esew itz und Friedland die nördliche Grenze von Mecklenburg -Strelitz. durch.schneidet in grosser Breite die Friedland-Anklamer Thaussee. setzt dann über Neuensund, Klepels- hageu u. s. w. bis in die Gegend zwischen l'asewalk und Frenz- lau fort*

Eingehender bespricht Boll die Fortsetzung des Streifens in seiner

.rweogiio>ir <]. deutMb. Ostseeländer" 1840, S. 108: ,F(dgende Ort.^chaften (nach der Gegend zwischen Demmin und Loitz) sind mir aus diesem Streifen bekannt: Karnitz. -Tahiikow, Waldhof, Mederow, Toitz, Stedorf. C^uitzerow. N'olschow, Kadow, Toitin, Padderow, Kagenow, Priemen, Daberkow, Wietzow, Steinmocker, Spante- kow, Bresewitz, Ramelow; mit seinem SUdrande streift er dann die Stadt Friedland, durchschneidet in grosser Breite die P^iedland- Anklamer Chaussee, läuft sodann auf Putzar und die Bröhmer Berge zu und erfüllt endlich das ganze Dreieck zwischen Prenzlau, Pase- Wiilk nnd Brüssow. indem er bei der erstgenannten Stadt mit dem zweiten Streifen (Steinhagen MöUeuiiagen Schwedt) zuaammenstösst/ Die Torstehenden Angaben Bolls lassen erkennen, dass unser 6e«chiebestreifen I mit der gewöhnlichen Richtung nach Südosten in die Gegend südlich von Anklam föuft; die Vorkommnisse bei Clempe-

Areh. f. Luudeiik. iu Mecklenb. 1855, ä. 345.

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Geiuitz,

[58

now und Fnedland sind zu dem Streifen II zu zSlilen, der am Galen- becker See mit dem vorigen nabe zusammenrückt. Bereits oben wurde

gezeigt, dass Streifen II und III am Helpter Berge sich sehr niheni und aucli IV hier einen nördlichen Ausläufer von Feldberg aus vor- s( hiebt. Dllher die Angabe Boll«, dass in der Oe<7ond von Prenzlau diese (Tt'.s( hi«'hestreitt'n zusammenstossen. Eine .sptM iclle Untersuchung der Verhaltnisse in Vorpommeni wird vielleicht ergeben, dass in jener Gegend eine ümlenkung der Streifen aus der nordwest-sfldOetlichen in westOstliche Richtung stattfindet

Die C^eschiebestreifen sind durchaus nicht auf Mecklenburg be* schränkt, sondern finden sich auch in den ost- und westwärts gelegenen Teilen des norddeutschen Tieflandes, wenn sie auch dort erst noch einer genaueren Darstellung harren. Ganz kurz seien die wenigen mir bisher genau bekannt gewordenen Punkte ausserhalb Mecklenburgs erwSlmt.

Geschiebestreiltn in Pommern und Rügen.

Die nördlich an der äussersten Spitze des DarsserOrts gelegene flache kleine Insel besteht aus Geschiehemergel; liier am Strand und am Darsser Leuchtturm titiden sich die sonst am Darss und Zingsi fehlenden grösseren IStraudgerölle.

Oesthch von hier trifft man auf der Boddenfahrt von Prerow nach Stralsund nach den flachen Sand- und Moorwiesenf welche ein in die Augen springender Beweis f&r die säkulare Senkung der Eflste sind, erst bei dem „Bock" und der Ecke von Zaren z in wieder Steilufw mit Geschiebt'inergfl und bei Stralsund, wie besonders der alten Fähre steib' Mergelabbruchsufer mit vielen ausgewaschenen Blöcken.

Diese Orte gehören einem oder zwei Geschiebestreifen an.

Auch die Insel Rügen zeigt vielfach den Charakter der Geschiebe- streifen.

Biner derselben wird am Baakenberg auf Hiddensöe beginnen, bei Bergen am schönen Rugard treffen wir den Charakter der ge- schieberoicheu Moränenlandscluift, und wahrscheinlich wird si<h der Streifen südöstlich über Futbus, die Inseln Vilm und Stubl)er nach der Gegend von Wolgast verfolgen lassen, oder auch von Vilm nach Sudosten Uber die Tcrschiedenen Untiefen des C^reifswalder Boddens und die Sadspitze von Mönchsgut nach.der Greifswalder Oie laufen

Einen zweiten Geschiebestreifen liat BolP) (als seinen vierten Streifen) beschrieben: dersell)e beginnt auf VVittow, nördlich Ton Puttgarten an der Küste und geht bis Nobbin, wo er erst beim Beginn des saudigen Küstenstriches der Schabe verschwindet und da, wo der Sand aufhört, an der westlichen Spitze von J asm und, bei König s-

') Vgl. ilif Tiefenkartf ck-s Greildwalder BoddüiiB von E. Boruhölt: .Der Gniftwalder Bodden". Dissoi-tation. GreifswalH 180$. *) Geogn. d. d. Ostaeel. S. 108.

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59]

Die mecklenburgiaohen HOhenracken etc.

273

hörn, wieder zum V'orscheiu kommt. Von hier aus folgt er dem Ver- lauf der Jasmundischen KQste (und setzt auf dem Plateau fort), bis er, abermals durch die Schmale Heide tmterbrocheii, wieder in dem Stein- rack, dem Granit z er 0 rt und dem Göhren sehen Hövt zum Vor- schein kommt. Sodann taucht er nochmals bei der Greifs walder Oie auf und geht dann auf das Festland von Hinterpommern ül)er. Vielleicht ist aber dieser südliche Teil noch zum vorigen gehörig imd läuft dieser äuäseräte Zug von Jasmund aus.

Geschiebestreifen in der LUneburger Heide.

Von ganz besonderem Interesse ist es, dass auch noch w titer südwärts von der mecklenburgischen Seenplatte nicht allein im Mccklen- bui^er Heidegebiet (s. o.), sondern auch jenseits der Elbe, in der Lüne- burger Heide, in dem Areal, welches vielfach als von der „zweiten Yereieung" freigeblieben anffeeehen wird, aidi die Qeeehiebestreifen zeigen.

In der unmittelbaren Umgebung der Stadt Lüneburg finden wir auf und an, sowie in KlQft^n in dem anstehenden Gebirge TOU Qjpe, Muschelkalk, Keuperthon, Kreide und Tertiär zahlreiche grosse diluviale Geschiebe im (Tcschiebemert^ei und Deckkies anj^ehilnft. Die vielfachen Schichtenstörungen des Flötzgebirgsuntergrundes durch den Geschiebe- mergel sind bekannt. Auch hier zeigt sich ein unterer und ein oberer Hergel, oft durch Sand und Thonachichten von einander getrennt. Auch nördhch von Lüneburg findet sidx bei Scharenbeck unter- diluvialer Mammuthkies mit Steinbestreuung. Näher an Lüneburg trifft man bei Erbstorf eine block- und steinreiche Gegend, f) (5 km süd- lich Lüneburg trifft mau nach der normalen Heide in derMelbecker Heide auf dem wohlgeschichteten unteren Saud und Grand 0,5 1 m Deckkiee, oft auf den Höhen mit reichen und grossen Blöcken, ganz wie in den südmecklenlmrgischen im Sandterritorium gelegenen Oe- se hiebestreifen; nachbarliche Höhen südlich Melbeck zeigen sogar Geschiebemergelboden mit Buchen- und Weizenl»e>tand.

Etwa 1> km südöstlicli von Lüneburg ist Vastorf reich an Steinen mit Mergel- und Decksandboden. Noch weiter finden sich in derselben Richtung zwischen Beyensen und Göhrde massenhafte Steine.

Wir können diese Orte zn einem XI. Geschiebesfareifen «Lflneburg Vaaforf Göhrde vereinigen.

Ihm parallel liuift ein anderer (Xü), durch folgende Vorkommnisse angedeutet:

Nach P. Engelhardt') finden sich bei Grevendorf an der Luhe, südwestlich von Lüneburg, zahlreiche erratische Blöcke, und weiter abwftrts (nach Nordosten) ist die Heide bei den Ortschaften Dehnsen, Etzen bis nach Wohlenbüt tel , mit dner grossen Menge von Steinblöcken bedeckt, so dass sie stellenweise zu wahren Steinfeldern ausartet". Ebenso findet sich nach Mitteilung von Dr. Sprengell-Lüne- burg noch bei Amelinghausen Lehmboden mit massenhafter Stein-

0 Ueber da« Gebiet dea LnbefluMeB in der Lttnebntgar EMde. DiiaertatiOD. Rostock 1879. 8. 25> 26.

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Qeinitey

[60

puckuiig. Jeue Gegend enthält zahlreiche steiuerue prähistorische Be- grabnisstStteii.

Südöstlich davon treffen wir in dem Deckkies, der den unteren

öescliieberaergel und den diatorneenreichen Süsswasserkalk von Westert Weyhe bei I'^olzen üherlagert, liäiifi^ reiche Steinbestreu img.

Die Feldmark Esterholz, ♦> km südöstlich vou Uelzen, tilhrt oberen Gesuhiebelehui mit masseuhatten Steinen, Sehr grosse Blöcke liegen «if den ablauen Beigen* bei Holzen, sfldlich Uäzen.

Wenn sich in der Gegend Yon Ebstorf die gleichen Verhaltaisse hernusst eilen, so haben wir hier einen ziemlich ToUkonunen nordwest* südöstlich laufenden „Geschiebestreifen".

Siidlicli davon isf in der Heide Hüdlicli von < )beroli«' ein dritter (Xlll.) Zug angedeutet durch die sehr reiche Steiubestreuung auf den flachen Kuppen, die sich aus der Ueidesandebene erheben, z. B. bei Lutter- loh. Bei Ober- und Nedderobe lagort Deckkies mit reichlichen Blöcken und schönen Kantengeröllen auf dem Spatsand, der seinerseits die berühmte Diatomeenerde überdeckt. In den Gehöften treffen wir cyklopische Maueni.

Nordwestlich davon liegt das (^uellgebiei der Luhe, zugleich eine liuuptwasserscheide in der Lüneburger Heide. Es ist dies der Voss- und Johannwarsberg bei Timmerloh. Von dem Boden jenor Bficken sagt Engelhardt'), dass er »aus grobem, mit vielen G^eschieben unter- mischtem Diluvialsand lu steht" ^^ecksand) und dass „die Geschiebe zum Teil eine erstaunliche Grösse erreichen" : westlich von den II ölen Timmerloh findet sich in einem Kieferwald ein über 30a grossem Steiuield mit Blöcken bis 1 cubm Inhalt.

Der von Engelhar dt geschilderte Verfolg des Luheflusses zeigt, dass von dieser Geschiebeanhanfiing (XIII) bis zu der bei Dehnsen (Xn) eine Unterbrechung durch steinannen resp. steinfreien Heidesand vorliegt, also die Annahme zweier getrennter, paralleler Geschiebezüge sich bestätigt.

Geschiebestreifen in Holstein.

Bei der landschaftlichen und geologischen Uebereinstimmung der

Gegenden der Holstinner Seen (z. B. bei Plön, Eutin u. s. f.) mit denen Mecklenburgs ist eine Fortsetzung der mecklenburgischen Geschiebe- streifen nach Holstein zweifellos. Ich gehe niclit näher liierimf ein, da mir genauere eigene Untersuchungen jener Gegtiidt n trhlen.

In Schleswig-Holstein liegen die Verhältnisse ähnlich, wie iu den beschriebenen Gegenden, wenn auch aus der Beschreibung von Meyn^) zunächst nur ein einziger nordnordwest-sfidsüdösthch lau- fender Ibihenrücken mit Oberdiluvium (Deckmergel) vom Charakter der mecklenburgischen Geschiebestreifen vorkommt; an diese Seenplatte

') A. 11. O. S. 17, 18.

*) Mfyn: Die Bodenverhältnisse der Provinz Schloswiff-Üolstein. Mit geol. Uflbenichtskarte von Schletw^Holstein. Abband!, s. geol. BpeaaUcarte von PrenneD, HL 8. Berlin 1882.

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«]

Die meddeDbiugiMdieii HOheorfleken etc.

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schliesst sich iwh Wv^i^^n ganz analopf den unten zu beschreihenden Sandgegenden hinter ileii (xeschiebestreiten ein „Sandrückcn", die hohe Geest, mit folgender Heidesandebene (Vorgeest) und Sandmarsch; (end- hch folgt am Meeresrand im Werten noch die Marsch). (VergL auch die Bemerkung hierzu von Berendt, a. a. 0. S. 32). Aus der ileynschen Karte kami man auch, wenn man die Verhältnisse von Meddenbnrg im Gedächtnis hat, leicht einen von der Meynschen Dar- legung insofern etwas abweirlienden Thatbestand herauslesen, als man mehrere, s üd (Jstl i( Ii - tiord westlich laufende (i es (hiebe st reifen mit ilireu hiuterücgeuden Sandarealen annehmen konnte, statt des einzigen nordsüdlich laufenden Gürtels; der «mitteldiluviale* Deckmei^el findet sich nämlich mehr&ch weit im Westen, innerhalb der westlichen Sandzone Meyns, und umgekehrt der Decksand in der Seenplatte. Obijflf'ich diese V'erliältnisse erst noch genau untersucht werden müssen, halte ich doch die oben angedeutete Vermutung iUr sehr wahrscheinlich.

Zur besseren fJeheiakdit sind die einzelnen «Geschiebestreifen" noch auf eine kkiDflire Uebersichtskarte B emgetragen, mit der ungefähren Angabe ihres Streichens. Es zeigt sich, dass die 10 Zage in Mecklen- burg im allgemeinen einen nordwest - südöstlichen Verlauf hal>en, aber nicht völlig geradlinig gehen, sich zuweilen verzweigen, ver- engen und verbreitern, und ferner, dass sie seitliche Ausläufer ent- senden, die zu geschlossenen Querriegelu zwischen zwei benachbaiteu Streifen werden kdhineni Vom Streifen IX. bis zum III. hin liegt eine besonders auffällige Kette Ton solchen Verbindungsgliedern, die fast wie Reste eines Bogens erscheinen, dessen Centrum im Norden, in Schleswig, liegt. Bemerkenswert ist ferner die ziemlich gleiche Distanz aller Streifen untereinander. Nochmals muss hervorgehoben werden, dass die einzelnen Geschiebestreifen, auf der Karte als breite Bänder angegeben, nicht einen einheitlichen Bücken darstellen, sondern Reihen hinAer- und nebenetnamder gelegener Hügel oder mok gar keine Boden- erhebungen sind.

Die Geschiebestreifen Mecklenburgs stehen in engster Beziehung zu der orographischen Gestaltung des Landes. Diese YerhSltnisse lind seit den Darstellungen von E. Boll *) noch nicht wieder genauer nntersocht; eine endgültige Erkenntnis wird erst nach YeröflPenuichung

der von Herrn Kamnioringenieur W, Peltz- Schwerin zusammengestellten schönen Höhenschichtenkarte Mecklenburgs möglich sein. Holls Be- schreibungen beruhten nicht vollständig auf eigener Anschauung, sie werden mehrfache Berichtigungen erfahren müssen.

Es sei zunftchst kurz die Bolls'che Darstellung referiert: Nach Boll ist die mecklenburgische Seenplatte ein niedriger Landrücken, der mit seinen nach beiden Seiten abgehenden Ausläufern eine Breite von etwa 9 Meilen einnimmt; sdne Hauptachse liegt ungefähr

*) VgL Boll: Abciis der mecklenh. Landeakonde 1861.

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Geinitat,

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in einer von Schwedt, an der Oder zur Mitte des Schweriner Sees ge- zogenen Linie. Auf seinem Scheitel soll er eine weite, flache mulden- förmige Einsenkung zeigen, in welcher sich die Hauptmasse der Seen befindet. „Im übrigen ist die Oberflächengestalt dieses Land- rückens sehr ungleichmässig, indem er sich bald zu wellenförmigen Hügelreihen oder knppenformigen H^Hien erhöht, bald auf grössere Strecken völlig flach erscheint." Seine Ränder im Norden und Süden, welclie 3*/» Meilen voneinander entfernt sind, bilden die Höhenlinien Feldbcrg ^ Knase Manhagen Bothspalk Zehna Eikelberg Qreyesmtthlen Hoher Schönberg bei KlQte, resp. im Sflden Zehdemcker Berg bei FOrstenberg Wesenbeig Woldzegarten Lübz Banun Schwerin Roggendorf.

.Der nördliche Abfall des Kückens entsendet in nordöstlicher Richtung noch mehrere Ausläufer, zu denen z. B. die Helpter Berge, der Hartberg bei Pohnstorf, der Schmooksberg bei Lüuiugsdurf, die Schlemminer und DiedrichshSger Berge gehören.* Man sollte ver- muten (und in der That ist dieser Intun vorgekommen), dass hier ein erzgebirgisches Nordoststreichuhgssjstem sich an da.s herc^misehe noxd- westlich gerichtete anschlösse; jene „Ausläufer" sind aber meistens nur durch Erosion stehen gebliebene kleine oder grosse Reste von .selb- ständigen, ebenfalls uordw^estiich streichenden Höhenzügen, wie dies u. a. aus den Untersuchungen des in ihnen auftretenden Fldt^ebirges sicher hervorgeht; zum Teil sind es (z. B. bei Pohnsdoif und Helpt) zwischen Schmelzwasserrinnen stehen gebliebene Reste des Diluvialplateaus, zum Teil al)er scheint sich der Sloränenschutt in der That un ihnen nach nordöstlicher Richtung abgezweigt zu haben (vgl. Kärtchen B.).

Die Landschaft nördlich der Mulde zerlegt Boll (zum Teil ziemlich willkürlich) in 5 Gebiete, nämlich in den Küstenstrich zwischen der Dassower Binnensee und der Sfldsjpitze der Wismarsdien Bucht, in das Gebiet der Schlemminer und Diednchsh&ger Barge, die «Becknitz- ebene", die Quellengebiete der IVenr und Tollense. Ton diesen Ge- bieten gehören die })eideTi erstt-n zum Diluvialplateau, in den drei letzten machen sich breite; alluviale Heidesand- und Torfebenen geltend, aus denen sich die Plateaureste wie Berge erheben. Daher lassen sich diese Randgebiete, abgesehen von ihren breiten alluvialen Thalrinnra, nicht Ton der Eih* l ung der Seenplatte trennen, sie sind nur, und auch dies nur zum Teil, der flachen Nordabdachung der Platte zugehörig. Bolls ungenügende Auitassin!<r erklärt sich daraus, dass er diese Ge- biete meist nicht ans eigener Anschauung kannte. Er erklärt aber selbst (a. a. 0. S. 244), das» unter seiner Bezeichnung ,Hügeii-eihen und deren Verzweigungen" nicht immer scharf markierte Höhenzuge zu ver- stehen sind, sondern breite, meist nur schwach gewölbte LandrOcken. So fOhrt er in dem zweiten Randgebiet noch zwei „Ausläufer" an, die resp. aus der Gegend zwischen Warin und Hohen Yiecheln nach Kras.sow Züsow Kin h - Mulsow und bei Eikelberg Katelbogen Schlemminer Berge verlaufen. Die „Wariner Mulde erklärt er als durch Umrandung von zwei derartigen Höhenrücken gebildet. Unter der Bezeichnung „Recknitz-Ebene" iasst Boll einen sehr verschieden- artig gestalteten, durchaus nidit einheiÜichen, ihm selbst meist unbe-

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63]

Die mecklenburgtichen Höhenrücken etc.

277

kannten Landesteil zusammen, der vom Wanu»wtlial zwisdien Schwuau und BUtzow, den Thälern Heiliger Damm Parkentin - Schwaan im Westen, dem Recknite Trebelthal im OsUn und der Gegend sQdfich BUsow Gflstrow Teterow Cnmmerower See abgegrenzt wird. Diese , Ebene" ist aber ein zwar im allgemeinen niedrig gelegener Teil des Diluvialplateaus (mit mehrf ron breiten Alluvialtliäloni) von der Meerea* höhe 20 40 m, in dem aber vielfach Ansfhweliungen bis Uber lOOm auftreten, im allgemeinen eine langsame Abdachung nach Nord und Nordost zeigend; eine einheitliche Ebene ist sie nicht. Mehrere breite ThSler durclikreusen den Landteflf ihre breiten Wiesenflächen haben wahrscheinlich den Anlass gegeben zu der irrigen Auffassung, als sei das Ganze eine von inselartigen Erhebungen unterbrochene Ebene. Das <)nf'll»'ngebiet der l'eene wird als eine Bcr^Inndschaft bezeichnet; dieselbe ist durch den raschen Wechsel von Thalbe^iunen und Thälern iu der MoränenlandÄchaft bedingt. Der hier angegebene »Muldenrand ** ist unser Geschiebestreifen IV. Das Quellengebiet der Tollense ver« einigt nach Boll die Charaktere der Recknitzebene und des Peenecjuell« pebietes; nach unseren Untersuchungen gehört es zum nämhchen Streifen IV. Hier sind die „Ausläufer" auch als durch die Fluss- und Wiesenthäler gesonderte Reste des Plateaus erkannt. Die hohen Berge an der üstgrenze (Helpter, Bröhmer Berg) gehören einem hercynisch stniehenden Hötzgebirgszug an.

«Auch der Büdrand des ROckens entsendet einige Ausläufer in sOdwestlicher Richtung.* Als wichtigste werden die Parchimer und Mamitzer Berge genannt, iinix'deutendere zweigen sich zwischen dem Schweriner See und dem Schaalsee ab. Zum Teil sind es auch hier Teile der normalen, nordwestlich laufenden Geschiebestreifen.

Der südliche Muldenrand zeigt ein allmähliches Abfallen nach Sfidwest zu der Meereshöhe von 40 und 20 m herab und ist zum Teil ein sehr hügeliges Land, in dem sich mehrere isolierte Berge erheben, die Reste des Plateaus mit hercynisch streichendem Gebirgskern sind» Die l)erleutenflsten Höhen sind Her Ronnenberg bei Parchim und der Rulmer Berg bei Marnitz. von denen wn d. r ausstrahlende „Ausläufer'** verzeichnet werden. Die breiten Heidesandtliüler, welche die IsoUerung der Ton Boll als „schwach ausgeprägte Ausläufer* angeführten Land- rücken verursacht haben, werden unten besprochen; sie werden als die „südwestliche Heideebene " bezeichnet. Boll trennt das südliche Rand- gebiet der Mulde in die drei Teile: Parchimer und Mamitzer Bei^e, Ueideebeue und Gebiet der Schaale und Boize.

Die Mulde und ihre Ränder zerlegt er in fünf Gebiete: das Qnellengebiet der Harel, das der Eide und die grossen Seen, das der Wamow, der Stepnitz und Waknitz und das GeWet des Schweriner Sees. ,Da der sicli nach Nordwest allmählich senkende Boden der Mulde selbst ansehnlii Ii hoch liegt, so machen sicli die Händer, von innen aus gesehen, nur wenig bemerk]i( h, '* Im Innern der Mulde, deren Boden als nicht gleichmässig konkave Flüche, sondern mehr oder weniger hügelig angegeben wird, ist ein grosses Sandgebiet; doch ist dasselbe nidit einheit]^, sondern durch vielfache Mergelareale und Gkschiebe- streüen in mehrere isolierte Distrikte geteilt. „In den Vertiefungen

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des unebenen Muldenbodeiis li:il)on sich die (iewä>ser zu grossen innl kleineren Landseen gesaniiinlt , deren Zahl so ansehnlich ist, dass wir wenigstens ^5 aller mecklenburgischen »Seen hier antreÖeu" Weuii wir weiter yernehmen, dass beide Ränder der Mulde von gGeröUstreifen* begleitet werden, so ist der Irrtum leicht begreiflich, annmebmen, dass Mecklenburg von zwei parallelen Endmoränen in südöstlich -nordwest- licher Richtung durchquert wird, zwischen denen ein Sandgebiet liegt, in welchem die Gewilsser zu Seen aufc^estaut worden seien.

Leirt man sicli nach den iMe.sstis(lil)lättern der neuen General- stabskarte Querprohle durch das Land in nordsüdlicher oder nordost- sttdwestlicher Richtung Ober den Landrflcken hinweg (vgl. Tafel 1), so zeigt sich, dass die Seenplatte nicht so einfach gebaut ist, wie de nach der BoUschen Darstellung scheint, sondern dass sie aus mehrerea Wellen besteht, die aus Diluviulanhiiufuncren auf Flötzgebirgskernen ge- bildet sin l. Die „Mulde" wird nach Boll im XonlwMst vom Geschiebe- streifeu IV und zum Teil (im Nordwesten) von \ , mi Süden von VI be-

grenast, in ihrem Inneni Iftuft als Mittelerhebung der Streifen V ; die ndrd- ch und südlich gelegenen Landstriche enthalten in mehrfilehem "Wwhael weitere Bodenwellen, die zum Teil höher als die der „Mulde" au&teigen. Jede der Bodenwellen besitzt eine von Flussläufen. Seen und verscbie- denen Erosionsformen vielfach unterbrochene OberHäche. Vor resj). hinter ihnen finden sich die diluvialen Sandanhäufungen und die Längsthäler.

Ueber die Entstehung des baltischen UühenrUckens herr- schen noch manche unklare Meinungen, was wesentUeh seinen Grund hat in (]• I nii<jreuügenden, nur teilweisen Kemitnis der betreffeuden geologischen Verhältnisse; mit blossen geographischen Spekulationen kommt man hier nicht zum Ziel.

Man weiss, dass auf dem „Landrücken" einzelne Höhenzüge ver- laufen, die durch besonderen Reichtum au erratischen Blöcken und durch Vorwiegen der oberdiluvialen Gnmdmorine ausgezeichnet sind. Boll spricht von zwei den mecklenburgischen Landrflcken als Ränder ab- grenzenden „Geröllstreifen*.» Seine Angaben sind vielfach missver- standen worden, dass man von Asar-ähnlichen hohen Steinmauern spra< Ii welche das Land durdizielien. Auch anderwärts in Norddeutschland sind dieselben Beobachtungen gemacht.

Vor allem ist in dieser Frage das Faktum herrorzuheben, dass die Höhenzuge und Geschiebeanhäufungen nicht ein und dieselbe BiMung sind, wenn sie auch natui^mftss räumlich meist zusammenfalle Da wo die Beobachtungen es gestatteten, ist liäufig als Kern der „Geschiebe streifen", oft zu Tage tretend, oft aber auch mächtig vom Diluvium beschüttet, eine Erhebung, Gebirgs falte älteren Ge- birges, nachgewiesen^). Zuweilen liegt diese Flötzgebirg.serhebung

A. a. 0. S. 890.

^) Girard: Die norddeutsche Ebene 1855, S. 82.

') E. (leiuit/-: I. lioitr. z. Geol. Mecklenb. 1879. Die Flötzformaiionen Meddenbuigs 1883. Lüddecke, üeber Moränenseen, 1881, S. 34, schreibt allei- dinps den Ausspruch Girards aus dem Jahre IRr).", noch ab. da,-)H Rstlu h der Elbe die Erhebungen keinen Zusammenhang unter sieb oder mit anderen Gebirgssystemen erirannen lauen.

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<i5j I^ie meckleaburgischen Höhenrücken etc. 279

aber auch etwas nördlich Yor dem Geflohiebestreifen (z. B. in den Diedrichshäger Bergen).

Wie finiher p^ezeigt^), ist der Faltemvurt" des Flötzgebirges in Mecklenburg iiucb den bislier möglichen Beoljachtungen walirsclieinlich allein nach dem hercyniscbeu Gebirgss^stem gebildet. Obgleich dieser ein&che Bau fast zu ein&ch etschemt, habe ich doch bisher (mit Ausnahme vielleicht der noch undeutlichen Lagerung des Tert&rs und der Krdde bei Malchin) noch nirgends den Beweis für das Dasein des erzgehirgischen Systems auffinden können; ich muss dies liier noch- niais betonen, da Andere, obgleich mit den lokalen Verhältnissen un- bekannt, doch dasselbe behaupten zu sollen glaubten

Eine Folge dieses einfachen Gebii^sbaues ist uucli die sehr charak- teristische Richtung der mecklenburgischen Flussttöler, die als sfldosi- nordweatliche breite LUngenthiUer und als südwest-nordö.stliche schmale Querthiiler oder am Aljfall des Höhenrückens als Südwest - nordcJsthch und nordost - südwesthch gerichtete lireite (ilotscherstrombetten ver- laufen und dadurch die zahlreichen rechtwinkelig aufeinander stos- seudeu Thaleckeu büden und das Land, besonders ausserhalb der Seen- platte, in welcher die «ETorsion* Yorherrschte und die Erscheinung ▼erandeutlichte , in quadratische Stücken serlegen. (Vgl. Uebersichts- kartchen.) Diese R«gelmilssigkeit Teranlasste Boll sggar, nach den damalirr^n j?e< »logischen Anschauungen diese nordöstlichen und nord- westlichen Linien als Risse zu erklären, welche durch «platonische Hebungen entstanden'^ seien ^).

Wenn wir nun in den Bodenwelleu Falten der alteren Formationen erkennen, oft in so regelrechter Weise susammengeschoben, dass man ▼on niederen Gebirgszügen* (z. B. Lübtheener, Diedrichshäger, Poppen- tiner u. a.) reden kann, so ist die Erkläriinii; derselben als Aufpres- sungeu des Bodens durch den Druck der Eismassen längs des Fusses de» zurückweichenden Diluvialgletschers "^j sicherlich ohne weiteres zu verwerfen.

Die mecklenburgische «Seenplatte* besteht aus mehreren

ungefähr parallelen, im hercynischen System streichenden

Flötzgebirgsfalten, an und auf, re.sp. auch hinter denen Mo- ränenschutt und Sediniente des Diluviums aufgeschüttet sind, di*' zuweilen aui Ii als Querriegel die naclibarlichen (Tet)irgs- züge verbinden. Dieser Höhenrücken verdankt also seine Ent- stehung der Kombination der beiden Faktoren: Oebirgsfaltung

Geinitz: FlöUform. Mecklenb. 1883, I. Beitr. z. Ueol. Mecklenb. 1879,

Seite 95.

^) Vgl. Klockmann: T)ir i^eognost. Verhtlltn. der Gegend von Schwerin, Arch. Nat. Mecklenb. Bd. 36, 1882, b, 1Ö4 f.; v. Könen in dem Referat über «Die ilOtsfonn. Mecklenb.'. Nene« Jahrb. f. Min. u. s. w. 1884, II., ä. 336. Abriss d. mecklenb. Landesk. 1861, 8. b.

*) Vgl. Berendt: Zeitachr. d. d. geol. «ie.s. 1879, 8. 15; Wahnschaffe, ebenda 1882, S. 579; Penck: Mittheil. d. Ver. f. Erdk. Leipzig 1879. S. 13. Dagegen ist Löwl (Ueber Thalbildung 18 '^4 , S. 109) richtig geneigt, ,die Ent- stehung des baltiachen LaiidrQokens mit eaoften Schictitenfaltungen in Verbindang 7>u bringen.*

TofMluHMtM aar draiMlMtt LMte- und ToUnkaade. t. 9. IM)

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GeinitBr

[00

der ältereu Formationen und Beschüttung durch das nordische Diluvium

Ehe wir ohne weiteres unsere Geschiebestreifen als Endmoränen erklflren, vergegenwärtigen wir uns nochmals ihren geologischen Bau und die Zu8animeasetzuug der zwischen ihnen gelegeneu Landes- teile. Wir werden hierbei die Fragen über Gliederung unseres Dilu- viums und über die ein- und mehrmalige Vereisung Norddeutschknds fördern.

In der voraufgehenden Detailhcschreihnng fler einzelnen Geschiebe- streifeu ist gezeigt, dass die Geschiebestreiien mit ilneni selir wechselnden Aufsteigen über den Meeresspiegel durch die Blockauhüufuug fast durch-

äängig des sogenanntsB oberen Düunums ausgezeidmet siiäi dass aber ieses nicht die ganze Erhebung wallartig oder endmorftnenartig zusammensetzt, sondern, fast ausnahmslos nur eine u' niz dünne Decke bildet von 1 . sehr scKeii 8 m MUchtif^keit . sehr häufig auch nur 0,5 oder noch weniger mächtig und vielfach auch nur als blosse Stein- bestreuung erhalten. Die Unterlage des oberen oder Deckdiluviums bildet das Haupt- oder untere Diluvium mit seinen Sonden und Granden oder GerOlUagem, oder als Thon oder auch als unterer Geschiebemergel ausgebildet ; in selteneren Fällen ragt auch das tkltere Gebilde unmittelbar unter das Deckdiluvium, hier al)er meistens an einigen Stellen, besonders an den Flauken, auch mit initerdiluvialen An- oder Auflageiimgen. Dieser Untergrund von Unterdiluvium oder Flötzgebirge ist es, welelu-r alle die Bodenreliefs der Geschiebestreifen bildet. Aui ihm, sowohl aui der Hdhe als an den Gehängen^ ist das obere Diluvium als eine Decke ausgebreitet Nur bei den spitzen, hohen Erhebungen treflkn wir hiervon zuweilen eine Ausnahme, indem diese entweder ganz frei oder nur mit einer sehr dünnen De« kr fies Oberdiluviums bedeckt sind, wahrend dieses i rst an den Flanken zur eigentlichen Entwickelung gelangt. Eine andere scheinbare Ausnahme ist djus Zuiücktreten des Deckdiluviums an flachen oder steileren Gehängen gegenüber dem mlchtigein Eni- wickeltsein auf den Höhen ; dies hat seinen Grund in der denudierenden Thätigkeit der Gewässer, welche vielfach erst jene Gehinge durch Erosion oder Evorsion*) geschaffen haben.

S. auch Geinitz: Ueb«r die Entatehnn^ d. meeklenb. Seen. Areh. f. Nat.

Heckl. 1885, S. 2.

') Ueber die besoudere Art von Erosion, die als a^voreion' bezeichnet wud, vgl. E. Geinits: üeber die Bntatehnng d. meeklenb. Seen. Areh. t. Nat NecUenb. 18S5, 8. 9.

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Die mecklenburgischen Uühenrücken etc.

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ü. Die Landstriche zwischen den Geschiebestreifen.

Zur weiteren Erkeuutnis der \ erhültuiöse bedarf es noch der Schilderung der zwischen den einzelnen Geschiebestreifeu l^elegenen Landstriche. Üm nicht allzusehr ins Detul eingehen zu müssen, können hierbei nur einzelne Gebiete, die uls die vmcliiedenea Typen gelten können, specieller beschrieben, die übrigen nur flüchtig erwähnt werden: eine f?enaue Kenntnis derselben, besonders in ihrer Ab- grenzung, wird erst durch die geologische Uebersichtskartienmg Mecklen- burgs ermögUcht werden können.

Diese Landstriche zwischen den Geschiebestreifen gehören drei Typen der Diluviallandschaft an, nämlich: 1) der nach der gegen- wärtigen Klassifikation als unterdiluvial bezeichneten Sand- heide (analog der Lüneburger Heide), 2) einem gemischten Typus, wo neben den unteren Sunden das Oberdiluvium als Mergel oder Deck- kies in grösserem Masse auttritt, 6) der juugdiluvialeu oder alt- alluvialen Thalsand-Heide.

Die Wasserl&ufe, Seen, Moore u. a. alluviale Bodenumfbrmungen werden hierbei nicht besprochen.

Wie oben gezeigt, entwickelt si( Ii hinter den einzelnen Getchiebe- streifen oft sehr ausge])rägt eine von unterdiluvialen Sunden gebildete Heideebene. Diese unterdiluviale Sandheide ist zwar vielfacli etwas niedriger gelegen als das Gebiet der nachbarlichen Geschiebezüge, in- deesen ist dies nicht die Regel, sondern oft besitzen sie eine gleiche Heereshöhe mit diesen; oft ist auch das Gebiet der GeschiebezUge, da wo sie sich verengen, gleichfalls mehr oder woiiger als Heide zu be- zeichnen, nur durch die reiche Steinbestreuung Ton der nozmalen zu unterscheiden.

1. Die anterdiluvialen Sandheidegebiefe zwischen Geschiebe- Streifen IV oud Y.

Von diesen (und zum Teil den nachbarlichen) Sandgebieten macht Boll*) folgende Mitteilung: „Im Innern der Mulde finden wir ein grosses Sandgel>iet. welches im Südosten dieselbe anliiiiglich bis zur Müritz hin in ihrer ganzen Breite erfüllt, von der Nordspitze der Müritz an sich aber etwas verschmälert, wobei es bis nach Sternberg seine nordwestliche Erstreckung am nördlichen Muldenrande entlang beibe- Idüt, von dort aber eine südwestliche Richtung nach Crivitz und zum Pinnowersee einschlägt" (hier Gebiet zwischen V und VI): „im ElOtzer Ort taucht der Sand wieder an dem nördlichen Muldenrande auf." .Der slnvivrhe Name pczik. welcher Sand Itcdcutet, taucht innerhalb dieses (iebietes nocli nielirfach in korrumpierten L<»kaiiiainen auf, wie z. B. in Peetsch bei Mirow, Peutsch bei Penzlin, dem Peutschsee bei FQrstenberg u. s. w., auch in anderen Sandgegenden des Landes trefPen wir diesen Namen wieder, z. B. in Peez, nördlich von Rostock, Peetsch

') Abriss d. mecklenb. liaodesk. S. 319.

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Geioibc,

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unweit BUtzow, dem Peetsohsee in der Xiihe von Plau." Auch deutsche Namen wie Sandkrui;. Srmdhagen, Sandl'eld, Sandhof. Gelben- sande, sind in den Sandrrehieten häuli^'c fharaktoristis( lie Hezeichnungen, sowie in den Ge.schiebe.streifen im Gegensatz wieder rlic Namen Stein- hagen, Steinfeld, Steiuhorst u. a. zu finden sind. „I)tr Uebergaiig des Sandgebietes zu dem nordwärts der Mulde gelegenen Lebm- gebiete wird durch Kiesboden vermitt» It. - .Die nördliche Grenz- linie dieses Saudgebietes verläuft üImm- Laven, JBLOldenbof, Bergfeld. Turow, Weisdin, Peutsch. Adamsdorf, Liepon. Pieversdorf, Bomhof, Borksee. Gross Dratow. Wan-n. Sandkrug, Hiii^cnow, Alt Gaarz, Kriuiz, Cramon, Hohen Wangelin, Liepen, Gross Bäbeliu, Serrahn, Charlotten- thal, Klein Tessin, Eleui Bresen, Lohmen, Lenzen, Buchow, Stemberg, Sagedorf (wo der Sand der „Warmer Mulde* sich abzweigt), Weiiendorf, Eaazz, Jülchendorf, Samelow, Augustenhof nach Pinnnw; die Süd- gren^e /ichf sich nm östlichen und nördliclien Ufer der Müritz ei t- lanir. folgt dann den anderen grossen Seen hi^ Malchow und geht daraut üi)er Karow. Goldberg, Dobhertin, Dobbin, Dinnies, Wamekow, Stieten, Müggenl)urg, Bamin, Crivitz gleichfalls nach Pinnow. Diese Grenzen umfldhdiessen zugleich den grössten zusammenhängenden Distrikt der meckle n burgischen Sandflora."

Die Physiognomie dieses Sandstriches scliildert Boll an anderer Stelle') folgenderniassen : ,Die ol)ere (diluviale) Sandschicht überdeckt in ununterbrochenem Zuge in Me<;klenburg-Strelitz einen Kaum von etwa 10 12 Quadratmeilen, in Mecklenburg-Schwerin aber von ungefalir 20 24 Quadratmeilen. Es sind dies öde, traurige Flüchen, in welchen die Dörfer weit zerstreut liegen; vergebens sucht man hier nach dem frischen erquickend«! Grün eines Laubwaldes, nur ausgedehnte Nadel- holzwaldungen kommen vor; der Ackerbau gedeihet hier mir notdürftig, und grosse Bäume, wo der Sand zu steril ist, sind noch immer aller Kultur entzogen'* (jetzt fast durchgängig beforstet); «statt der fippigen Getreide-, Raps- und Kleefelder anderer mecklenburgischer Gegenden gedeihet hier nur kümmerlicher Roggen, Hafer und besonders Buchweizen, und die Brachfelderbedecken sich mit einem dichten grauen Flor von Mäuseklee (Trifolium arvense), welcher in den fruchtbareren Gegenden des Landes nie in so grossen Massen und so üppig vorkommt. *

Nicht überall ist die Heidelandschaft so öde und unfruchtbar, wie es nach obiger klaren Schilderung scheinen möchte. Durch die vielen Seen und Moore, die Bach- und Flusslftufe u. a. erhftlt die Landschaft oft einen wunderbaren Reiz, eine Wanderung durch die meilenweiten „Tannen" -Forstungen, die hauptsächlich Kiefern fVihren, führt uns Ober Hügelrücken und durch Niederungen oft an romantisch gelegene, düstere Seen und Schluchten, der reiche Wildstand bietet weiter mannigfache Reize. So erquickend eine einsame Wanderung aber auch durch die*e DfluTialheiden ist, so wird sie doch auch oft recht ermfldend, wenn man in den Glebieten der Binnendünen in drückender Sommerhitw die Gegend des .mahlenden' und stäubenden Sandes durchstreift.

') Goognostische Wanderongen durch Meoklabuig. Aich. f. Landesk, in Meckleab. 1855, S. 343.

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Die meckleDborgiacben Höhenrücken etc.

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Sehr instruktiv war mir ein Vergleich dieser inecklenburgischen DUuvialheidei) mit der Lüneburger Heide, den ich durch mehrere unmittelbar aneinander geschlossene Exkursionen aii-^tellen konnte. Üal>ei ergiil> sieh bis luif rinige lokal bedingte Diti'ereiizeu die vrilliire Uebereinstimmung im landüchattlichen wie geologischen Charakter beider Heidegebiefce. Auch die Lüneburger Heide ist ja nicht der Öde Landstrich, als der er vielfach angesehen wird, sondern bietet die mannigfaltigsten Abwechselungen von Hügel und Thal, Sand und Moor oder Gewässer, urifl auch in ihr verlauten blockreiclu- Geschiebe- streifen", otl mit gutem Mergelboden. Ihr Hauptcharakter beruht auf den weiten und oft mächtigen, wohigeschichteten Ablagerungen der nnterra Dihivialsande: dasselbe ist der FaU in den mecklenbui^sehen DüuTialheiden. Der Unterschied zwischen beiden beruht nur m dem Vorwalten der Düuvialsande und dem Zurücktreten der Geschiebestreifen in der Lüneburger Heide, während in Mecklenburg die Sandstrecken bald wieder von den in jeder Beziehung reichen Geschiebe.streifen voll und ganz abgelöst werden; durch iliie Höhenlage bedingt ist ferner ihre Führung von Seen, welche in der Lüneburger Heide, fehlen aber durch Moomiederungen ersetzt sind, welche denselben ürspnmg haben wie die 1 11. <l:ilier gecdogisch dasselbe Bild darstellen (auf einer Karte, wo die Seen blau und die Moorniederungen grOn bezeichnet sind, wUrde dies ganz prägnant in die Augen springen).

A. Kossentiner Heide.

Am besten lernt man die Heide kennen auf einer mehrfachen Durchquerung des Distriktes, z.B. von Vollrathsruh e über Cramon

nach Nossentin, von da zurück nach Sparow und Alt Schwerin und in nördlicher Richtung nach Dobbin und Serrahn. sodann von Krakow wieder südlich überBosaow nach Karow und weiter nord- westlich durch die Wooster und Schwinzer Heide nach Dobbertin. Wir durchkreuzen dabei die grossen Areale der Nossentiner Heide, der Karower, Wooster und Schwinzer Heide, die von zusam- menhängenden Kiefervväldera besetzt sind un<l teils zum Besitz der Klöster Dobbertin und Malchow, teils zur gro.ssherzoglichen Verwal- tung gehören. Nach Nordwest wie nach Südost setzen sich die Forsten weiter, und man kann in dieser Richtung meilenweit iumier im ein- samen Forst gehen, höchstens kurze Lichtungen passierend; Ortschaften liegen nur am Rande der Heide; so erstreckt sich der Forst von Dabei im Nordwesten, wo sich, nach Nordwesten von ganz unbedeutenden Lichtun^'"eTi unterbrochen, die Forsten bei Sternberg anschliessen , nach Jabel unweit Waren im Südoüteu ununterbrochen in einer Länge von circa 45 km.

Oben wurde schon der Uebergang aus dem Geschiebestreifen in das Sandgebiet bei Cramon erwähnt. Der Gesehiebestreifen hat bei Hallalit und Vollrathsruhe eine Meereshöhe von 70 90 m, an den Cramoner Buchen bis 100 ni: die Landschaft südlich davon dacht sich etwas ab. zu 75 (35 m: doch trifft man bei Hohen Wangelin noch Erhebungen von über 80 m. Die eigentliche beforstete Nossen-

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Gexnits,

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tinor Heide hat dieselbe Meeresliöhe. 70—80 m. Der Gescl)i('})f' reich- tiiui des Streifens IV liegt ausser den grösseren Erhebungen somit in gleicher Meeresliöhe.

Bei Cramon üi ein« Abnahme der Steine, eodaim eine Yer- kleineruDg derselben zu bemerken, weiter trifft man nur noch Stein- bestreuung, die schliesslich in der Heide ganz zurücktritt; in der Heide herrsclit feiner und scharfer Sand des Unterdiliiviunis, in den oberen La<^en oft gelb gef}lrl>t. fast durchgängig von einer verschwindend dünnen Schicht Decksand überlagert. Zahlreiche Kessel und Wannen, voll Wasser als grosse und kleuie Seen, oder voll Torf, isoliert oder durch Depressionen verbimden, treten hier auf. Im sUdiichen Gebiet finden wir zahlreiche DOnen aufgeweht, z. B. bei Nossentiner Htttte.

Nach dem über 12 km breiten Sandgebiete kommt bei Sparow, Silz und Nossen t in der (Teschiel)Ostr«'ifen \' mit einer Höhe y<m 80 9() m, auch !>') m; hier tritt ih r Det kmcrgel nur in Kesten erhalt^u auf, das Sandgebiet reicht über ilm nach Süden hinüber in die Mal- chower Gegend, und nur die aufinerksame Beachtung des Block« und Steinreichtums der Sandstellen und der Mergelilecken zeigt die wahre Grenze von zwei Sandge])ieten an. In dem Gebiet des Geschiebestreifens tritt hier die Kreide zu Thljo und zeigt das untere Diluvium ausser Spat- sand aucli grobe (leröUlagcr unter und neben dein oberen Blocklehm.

Die Südgreuze der Heide wird im Osten dmeh den fiachufrigeu Fleesen- und Cölpinsee gebildet Bei Jabel am Cölpin trafen wir ein isoliertes Blockrorkommnis als wahrscheiidichen sfidUoien AuslSufer von IV. Hier tritt zwischen Jabel und Hagen ow eine bedeutende Ver- engun«^'-. vit lleicht sogar Abschnürung des Sandgebietes auf.

Beachtung verdient noch die Ausbreitung der Dünen in die.seui Teile. Die Dünen finden sich, abgesehen von •Mir/» lnf n isolierten Vor- kommnissen im Inneren der Heide, vorzugsweise au deren Südrand. Sie beginnen bei Jabel am Nordiand der grossen Waaserfliche des Cölpin, finden sich wieder bei Nossentiner Hütte, westlidi hiervon, und ziehen sich von hier nach Westen zum Alt Schweriner See, welchen sie beiderseitig innsäumen.

Eine Wamltiung von Alt Schwerin längs des Alt Schweriner Sees nach Norden tühii uns den feinen gelben Heidesandboden, der nur gutes Lupinenland ist, stellenweise auch ganz brach als Schafweide liegt, vor Augen. Das Westufer des Sees hat eine Reihe kurzer DOnen. Im Glaver Forst an der Nordspitze des See.s finden wir den feinen und scharfen, horizontal geschichteten Spatsand von wenig Grand be- deckt, aus dem sich lokal Steinbestreuung entwickelt, die in dem 70 ^T.^m liohen Gebiet an der Rederank und bei Glave (östlich vom Südende des Krakower Sees) reichlicher wird und bei Do b bin durch weitere An- reicherung zu dem Beginn des Streifens IV bei Zietlitz mit derselben Meereshöne hinleitet. Die Heide hat hier eine Breite Ton circa 14 km.

B. Kaiower, Wooster ond Schwinier Heide.

Das Nord- und SUdende dieses Heideabschnittes wurde oben beim IV. und V. G^eschiebestreifen besprochen. Im Norden wie im Sudan

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Die meddeiilniigiBchen HShenrUcken etc.

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finden sich unter dem stark zurücktretenden, als Deckkies entwickelten Oberdiluvium mächtige untwliluvijilc Sund» nicht sowohl als feiiiHi- Spat- sand, sondern als Kiese und (Tnuide iius^rel>ü«iet, denen natürlich ahcr auch feine Sande eingeschaltet sind; auch Thon t'elili nicht. Hei Krakow and die Lager vielfach seitlich zusammenge|>res8t; diskordante Parallel- struktur spricht hier ftar eine starke Waseerbewegung. Bei Neu S am mit tritt die Steinbestreuung auf dem hier horizontal geschichteten feinen gelben Spatsand zurück. In der Mitte der Heide finden wir nur feinen gelben Sand mit verschwindendem Decksaiid. Hier liorren neben zahlreichen kleinen Kesseln und Mooren mehrere grosse Seen mit flachen Ufern, so der Damerower See, der jetzt abgelassene uud vertorfte grosse Serrahn und der Ooldberger See am Sttdrande. An ihren Ufern und in den flachen ebenen Gegenden der Heide sind zahlreiche Dünen aufgeweht, oft (wie z. B. am Hahnenhorst und an der Meileiche) scu grotesken Hügeln sich erhebend.

Die Breite der Heide zwischen Karow und S am mit beträgt iu nurd.südlicher Richtung 10 12 km, zwischen Sa m mit und Wen- disch Waren in nordost-sOdwestlidier Richtung gemessen 9 km. Die Meereshöhe dieser ziemlich ebenen Heiden beträgt 60—65 m, auch ober 70 m ansteigend; im allgemeinen liegt sie iil>o « iuige Meter tiefer als die im Norden und Süden laufenden Geschiebestreifen.

Eine detaillierte Schilderung der Heide würde hier zu w-eit führen; es sei nur hervorgehoben, dass gerade diese Heide sehr typisch aus- gebildet ist. In ihren niederen sumpfigen Teilen geht aus dem feinen gelben Sand grauer und schwarzer humoser Sand henror, auf dem sich dann Torf entwickelt; an anderen Stellen kann man die durch Humus hervorgerufene „Ortsteiu' -Bildung verfolgen, welche den Sand gelb und rostbraun färbt; RaseneLsenerz ist hier selten, fast ganz fehlend.

Am östlichen und nördlichen Rand des Goldberger Sees zieht sich die Heide nach Do b bertin. Hier erhebt sich der Hellberg zu 80 m. Die auf den Liasthon aufgeschütteten unteren Feinsande haben hier eine Mächtigkeit von 11 m.

Durch die etwa 70 m hoch gelegene reiche Steinbestreuung bei Kleisten (auf unteren Sauden und Gerölle lagernd) wird die Heide hier stark verengt und von der im Nordwesten folgenden abgeschnürt (s. o. S. [14] 228).

C. Dobbertiner Heide.

Von hier aus erstreckt sich die Heide unter Verengung nach Westen: es geboren in ilir Gebiet die Gegenden nördlich von Do])hertin, bei S p e n d i n , D o b b i n , K 1 ii d e n bis L U h n w i t z , die Klädener und Schlower Forsten. Ich möchte diesen Teil, der zu verschiedenen Be- sÜEtÜmem gehört, unter dem Namen «Dobbertiner Heide" zusam- menfasse Ihre HShe ist wechselnd, durchschnitÜich bis 60 m. Mehrere Seen und Torfmoore liegen in ihr. Bei Lfthnwitz finden wir eine Ausweitung zu der früheren Breite von circa 7 km. Zum Teil tritt in ihr auch (unterer?) Geschiebemergel auf, so am Woseriner See, Am Pritzer See tritt zwischen Borkow uud Ruest-Dinuies (s. o.) eme neue Verengung auf etwa 3 km ein.

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Qeiiiite,

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B. TorloffiBr Haide.

Westlich vom Pritsser See liegt bei Dabei und Foisthof Turloff ein kleiner Distrikt von gelbem feinem Heidesand, an seinen Rändern

mit Steinbestreuung, den ich als ^Turloff er Heide" abgrenzen wilL Sein Niveau ist 50 60 m; viel&ch ist er Ton breiten, flachufrigra Torfniederungen unterbrocli eii .

Dadurch, dass der (uNcliiebestreitcn V sich hier von Stern berj^ aus in mehr südlicher Richtung wendet und seine 00 m hohen Kücken nur reiche Steinbestreuung auf unteren Sauden zeigen (z. 6. Stieten, Kobrow u. 8. f.), ist er von Boll übersehen worden und das Sand* gebiet von hier aus Uber den Streifen hinweg nach Westen fortgesetzt dargestellt, mit den Südgrenzen Wamekow -Barnin.

Tn Wahrheit aber setzt es nördlich fort über Sternberg, Sagestort, Loiz, Gross Raden, Göruow nach der ^Wariner tfuMe*, zwxiM^heD Penzin und Eickelberg 60 65 m hoch, eine Ein- engung auf 8 km erfahrend.

B. Waviner Mulde.

Die Wariner Mulde, um den Boll sehen Ausdruck bcizubelialten, ist also die unmittelbare Fortsetzung der besprochenen Heide zwischen Gteschiebestreifen IV und Y. Die „Mulde* wird nach BolP) von zwei Hllgelauslftufera der Sehlemminer Berge umschlossen; «dieselbe zieht sich in der Länge von 3 Meilen von Bäbelin aus ganz gerade in der Uichtung von Norden nach Süden herunter, bis sie bei Brüel in die grosse Mulde des Landrückens einmündet; sie ist anfangs nur sehr schmal , erweitert sich aber etwivs nach Süden zu. Ihre Bodenverhält- nisse zeigen mit denen der grossen Mulde eine auiiallende Aehnliclikeit, Sie enthät sieben nicht unbetrichtUche Seen, von denen der Neukloster- See, der Warmer^, der Glamm- und der Tempziner See alle in gerader Linie von Norden nach Süden liegen und in eben dieser Richtung von einem Bache durchflössen werden , welcher sich südwärts von Brüel in die Wamow ergiesst; drei andere Seen liegen in der Mündung der Mulde zienüich weit zu beiden Seiten von dem Tempziner See entfernt, nämlich im Westen der Bibower^ und Hoffelder See imd im Osten der Labenzer See.*

Von Norden und Osten ist die Mulde deutlich durch den Pöeler

Streifen und seine südliche Unibiegung in die Schlomminer Berge, im Osten durch den Höhenzug Moltow-Zurow abgegrenzt und das Terrain fällt von diesen zu 80 100 und einmal zu 140 m sich erhebenden Höhen auf ein Niveau von 60—40 m; indes ist der Boden der Mulde keineswegs eine Ebene, sondern von vieUachen HOgeln und Rtlckeu besetzt; neb«n den genannten grossen Seen liegen hier auch viele kleinere Wasser- und Torfkessel. Meist erfolgt die Abdaduing ziem- lich rasch, doch finden sich auch mehrfach Vorstufen; aiicli das Zurück- treten der Steine findet rasch statt (s. die Schilderungen im ersten Teil).

n Abrin d. tneckleab. Landesk. 8. 8M.

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Die meeUenbnrgieehen HOheturBckoi etc.

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Meist treffen wir feinen Sand an, so bei Labenz, Friedriehs- waldf und in den zwischen Blankenberg^ und Xeukloster aus- gedehnten Forsten: doch tinden sicli auch Kies- und (icrölllatrer, ho rings um Neukloster (nördliches liuudgebietlj, uut" denselben telilt nie eine dOnne Bes<^1ltbing von Decksand resp. zuweilen auch saudigem Decklehm. Im südlichen Teil der Mulde treten auch mächtige oder dünnere Thonhiger in und unter dem Sand auf, welche die Ziegeiden von Warin, Bliinkenberg, Penzin u. a. versorgen: die oberen Thon- schichten in ihrer Wechsellafjerunf,' mit S|)atsand sind meist sehr sandig, als „Schluff*, die unteren, mäclitigen Lager erst reiner Bäuderthon. Die Lagerung i«t teils flach gewölbt, fast horizontal, teils steiler auf- gerichtet oder mehrfach gebogen. Auch hier im SUden findet sich eine dünne obere Decksand- resp. Deckmergel-Üeherlagenmg, ohne viel Geschiebe.

In dem siMlirlicn und südwestlichen Teil finden wir in den nur 2o m hohen (it^tnden von Blankenberg und Biebow ein Lebtr- greifen des Sandluudes über den hier schmalen, niederen und undeut- lichen Geschiebestreifen Y nach der hinter diesem gelegenen Sandregion ▼on BrQel und Ventschow (s. u.), eine Thatsache, die mit der vorher erwähnten Reichen Beobachtung in der Gegend sfldlich Yon Sternberg die Mutma-ssung zu l^estätiijen scheint, dass die genannten Querriegel der (ies( Iii» iM strriti'u eint iii älteren Geächiebezug entsprechen, der in ostwestiichem Bogen verlauten ist.

F. Die Sedimente bei Wismar u. s. f.

Im Nordwesten ist die Wariner Mulde fast gänzlich durch den Zurower Rücken abgeschnflrt von den weiter nach Wismar, Bolten-

hagen und ViUA sich erstreckeu<len Sedimttitdistrikten. Diese können nicht mehr als Heide- liezeiclinet werden, indem in ihrem wechselnd ht'ch ^^'•elegenen, im allgemeinen sich zur Ostsee abdachenden Terrain *i( Ii neben den Diluviaisedimenten auch oberer und unterer Geschiebe- Diergel ziemlich häufig findet Ausgedehnte Thonlager treffen wir bei Wismar und Bothmer nahe der OberflSche, in Bothmer den artesi- schen Brunnen veranlassend.

G. Die HeidegeUete bei Waren, Federow, HeostrelitB n. b. 1

Im Anschlüsse an die zuerst besprochene Nossentiner Heide zieht sich von der auf Kreide lagernden Blockanhüuf'ung bei Jabel nach Südosten zwischen den Geschiebestreifen IV und V ein ununterbrochenes unterdiluviales Heidesandgebiet Uber Waren, Neustrelitz ttber die Qckermärkische Grenze hinaus.

Auch hier ist der Heidetypus normal entwickelt, meilenweit zu- sammenhängende „ Tannen ''-l'orsten mit spärlichen Ortschaften bedecken den Boden.

Bis Waren besteht das 05 75 m hohe Terrain aus wohlge- schichteten Sauden und Granden mit 0,5 bis höchstens 1 m Deckkies-

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GeiaitK,

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beschüttuug Die Stadt ^Varon lit'trt auf emeni aus müclitif^eii Diluvialsanden besteheudeu Pass zwisclieu der Müritz und dem Tiel- Warensee; der bis 84 m hohe Windm Uhlenberg an der Stadt zeigt in sernen Steilwinden Sand und Grand in diskordanier Parallelstraktur unter Decksand. Beachtenswert ist die Lagerung der Sande nördlich Ton Waren am Abfall des Geschiebestreifens: liier fallen die Schichten nach Süden*), also vom Höhenzug ab nach dv.m Sandgobiet , während sie am Balmliof und in sowie südlii h der Stadt horizontal lagern.

Der Sand zieht sich hier südwärts über die sich bis 74 m er- hebende, einst von einer berühmten prShistorisGfaen Ansiedelung gezierte Landenge zwischen dem Müntz- und Cdlpinsee Uber Eidenburg und Klink nach Sembzin und Grabenitz. Am Mtiritzufer bei Klink treffen wir unter dem feinen Sand in der Meereshöhe von circa 65 m ein untcrdihiviaies 1'honlagcr. Die Breite des Sandstreifens ist liier i> km.

Südlich von Waren sehen wir am Norduler des Feisnecksees wenigstens 20 m mächtige horizontale Sandschichten das über 80 m hohe Land bilden.

Das folgende Gebiet des flachen Ostufers der Müritz mit den flachen seithclien Seen, die Gegend von Federow u. s. f., bestehen aus demselben gelben feinen Sand, in den Niederungen hunios . oft zu Dünen aufgeweht. In seinen ol)eren Lagen bildet sich liäutig Rasen- eisen, Ortstein, der den Ertrag der Felder erheblich beeinträchtigt. Bei Müritzhof tritt am Seeufer in der Höhe bis 65 m derselbe bhue Thon zu Tage wie gegenüber bei Klink, sein Hangendes ist der honzontal gelagerte feine Spatsand. Nur am randlichen Gebiet der Heide, bei Kargow, finden sich statt der Feinsande auch grobe Gerölle mit vor- zUglidier diskordauter l'arallelstruktur (s. o.). Die Steinbestreuung wird je weiter nach der Mitte je kleiner und spärhcher, wie man bei Federow gut beobachten kann. Wo ausnahmsweise, wie bei Müritz- hof, die Forsten neben den Tannen auch Buchen und Eichen tragen, hat dies seinen Grund teils in der niederen, sumpfigen Lage, teils in dem Thongchalt der Sande.

Von hier aus erweitert sich das Sandge})iet nach Südosten zu den von Boll angegebenen beiderseitigen Grenzen, mit etwa 12 km Breite. Ein Weg von Federow über Scnwarzenhof, Speck, nach Babke oder 12^ der Waren-NeustretitEer Eäsenbahn führt uns in die Normal- beide, wo der feine gelbe Sand herrscht, zuweilen mit Steinbestreuung, oft zu losem Dünensand aufgeweht, fast lediglich mit Kiefernbeständen und nur durch die zahlreichen grossen und kleinen Evorsionskessel dem Auge eine sonst nicht geahnte landschaftliche Abwechselung bietend. Die Meereshöhe ist 70 80 m.

Mit gleicher Breite und etwas bedeutenderer Höhe folgt dann das Neustrehtzer Sandgebiet. Besonders die Umgebung von Neustrelitz ist trotz des herrschenden Sandes doch von besonderer landschaftlicher Schönheit, wiederum auf Grund der vi«>1«'n Seen und des mannigfachen coupierten Terrains. Ausgedehnte iueteriorste sind auch hier das

>) Vgl. VII. Beitr. z. Geol. Mecklenb. 1885, S. 32. *) Vgl. I. Beitr. s. Geol. Mecklenb. S. 52.

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Die mecklenbiirgigchett Hftbeniflclceii etc.

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Charakteristikum der menschenleeren Gegend ; auf den steinbestreuten Fildern Luptnm, Roggen, Kiurtoffeln, längs der Wege die genügsame

Pappel.

Nach Norden ist die Begrenzung durch den Geschiebestreiien IV ziemlich deutlich, im Ostgebiet sogar sehr typisch, nach Süden dagegen weniger scharf, da hier die unteren Sande ihre Herrschaft behalten. Daher ist auch von Boll die Grenze hier nicht genau angegeben.

Unterer Geschiebemergel, Thone, Gerölle treten vereinzelt auch hier neben dem herrschenden feinen oder schärferen Spatsand auf ; obere Steinbestreuun<^ fehlt «gleichfalls nicht. Zuweilen .sind Dünen aufgeweht. Eine Exkursion in dtm weiteren Umkreis von Neustrelitz ist zur Orientierung über die genannten Verhältnisse sehr instruktiv.

Bei Koldenhof, Läven undCarwitz herrschen schon diegroboi und feinen unteren Sande noch i it Deckkies oder Blockbestreuung; Südrand des Feldberger Gescliiebestreifens.

2. Das Land zwinchen Geschiehestreiten Y und Yl. (Sandheide und gemischter Typus.)

SUdUch vom Ge.<9chiel)estreifen V ist nicht mehr eine so zusammen- hängende Heide wie nördlich.

Im Südosten des Landes erstreckt sich östlich der Mflritz eine Heide, sehr ähnhoh der Torher besprochenen der Umgegend von Neu- strditK, und mit ihr häufig Uber den wenig markierten Geschiebestreifen zusammenflie«:sen(l. Am bekanntesten ist hier die Gegend von Mirow und W e s e n b e r g.

Aus der ungefähr 75 m hohen sandigen Gegend des Geschiebe- streifens bei Drevm gelangt man im Westen zwischen Ahrensberg und Wesenberg an den 105 m hoben Rothen Moorberg, an dessen Sand- gehingen noch bei 60 m Blöcke und Steine liegen. Oestlich vor Wesen- berg bezeichnet eine grosse Ziegelei^rubo in circa 80 in H(")he etwa den Beginn de.«? Sandgebietes. Hier sehen w ir <^pll)<'n Fein.siiiid, circa 2 oder mehr Meter mächtig, mit einer Stein.sohle (Dreikanter) auf 5 m gelbem, blockarmem (unterem) Geschiebemergel, der seinerseits, mit Sandzwischenlage, machtigen flach nach We^n einfaHenden Bänder^ thoii überlagert. Die 80 m' hohe westliche und südliche Umgebung Ton Wesenberg besteht aus unterem Sand zum Teil mit Steinbestreuung; weiter westlicli nucli Mirow senkt sich (Ins Niveau zu 05 ^70 m und herrscht der feine gelbe, oft von Dünen bedeckte Sand: in dem Forst uahe bei Wesenberg wird in flachen Gruben ein dem Sand eingeschaltetes Lager yon blauem, fettem, oben magerem Thon abgebaut. Die aus- geddmten Forsten zeigen den feinen, abgeschwemmten Sand fast ganz ohne Steine. Bei Mirow lierrschen dieselben Verhältnisse; eigentüm- liche hohe Dünen sind ))ei Mirowdorf am Mirower See aufgetUrmL Nach Süden erstreckt sich dasselbe weite ebene Sandgebiet in die sogen. .Sandpro bstei". Erst bei Schwarz steigt da« Terrain wie- der zu 80 und mehr Meter Höhe, indem es sich dem folgenden Ge-

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OeinitB,

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schiebestreifen nähert. Zahlreiche Seen sind in dem besprorliouen Gebiet teils als isolierte Wannen, teils vom Typus der „Fliissseeu". Auch beträchtliche Erhebungen treten bisweilen aui, so der 105 m hohe Sprotzsche Bm bei Retzow.

Den nördOicli^ Rand erreichen vmr Ober Qualzow mit einer Höhe Ton 75 mit Sand und .Schluff" unter geringer Steinbeetreuung, oder westHch davon bei Leppin und Roggentin, wo auf dem 70m hohen Sandboden die massenhaften Blöcke sehr plöt/.licli erscheinen. Die südliche Grenze habe ich nicht aufgesucht; die ungeialire Breite des SandstrichM kann m 14 angegeben werden.

Die Ostseite der Mflrits mit den Orten Krümmel, Qaarz^), Vietzen bis vor Rechlin gehört ebenfalls zu diesem Sandgebiet.

Derselbe feine Sand findet sich auf der Westseite der südlichen Müritz, in der Priborner Heide, bei Vipperow, Spitzkuhn, bis nach Ludorf und Röbel. In Vipperow wird am Seeufer in circa 05 m Höhe ein diluviales Thonlager abgebaut, bei dem feiner gelber Spat- sand auf BSnderthon lagert Bei Röbel treffen wir auf grObere Sande, dem Kordrand entsprechend.

Gleichfalls ein ausgedehntes Sandgebiet li^^ östlich vom Flauer See, zum Teil sclioii mit inselartifjen Vorkommnissen von Geschiebe- mergel oder wenigstens Deekkies. Am Xordrand liegt die Mal che wer Umgebung. Die 80 m hohe Landecke zwischen dem nördlichen Plauer- und dem Petersdorfer See zeigt im Biestorfer Forst heizschend Feinsand, zum Teil mit Blockmergelbedeckung, am Erebssee in dem 85 xn hohtti Sttdrand des Geschiebeefareifens mit reicher Steinbesireuuiig. Auch die unmittelbare Umgebung von Malchow zeigt horizontal geschichteten Feinsand und S( hlulf mit diskordant parallel struiertcm Grand, bedeckt von 0,5 m steiuarmeni Decksand resp. Deckmergel, der noch von Flug- sand bis zu 1 m Mächtigkeit flberweht ist. Die 70 m hohe Ecke, welche den Fleesensee Ton dem Malchower See bei der Ziegelei Ton Laschen- dorf abgrenzt, besteht aus feinem, steinfreiem gelbem Sand: südlich und südöstlich davon finden sich in derselben Höhe noch 1 2 m mächtige Deckgeschiebeniergelreste auf dem in diskordanter Parallelstruktur wohl- geschichteten Sand und Grand. Auch bei Kloster M alchow, südlich davon, herrscht trotz Ansteigens des Terrains auf 95m der Sand und Eies mit reichlicher Steinbesti^ung, zum TeU noch Deckmergelreston. Aehnlich südlich davon an der Klo.stermühle. Weiter bis Petersdorf und Lenz am Planer See ist Sand der Boden der Kiefernwälder, zum Teil mit Lehmbedeckung oder inselartigen Auilageninjjen von unterem Mergel. Fast ununterbrochen setzt hier das Saudgebu r mit Steigung zu 100m und mehi- nach Süden fort über Satow und Kogel bis Rogeez und Stuer, hier an den steinreichen Streifen VI storaend.

Am Bahnhof Plan tritt isoliert der blockreiche obere Geschiebe- meigel in der Hübe von circa 70 m auf. Südlich Tor der St;i<lt fliHk ii wir an dem 92 m hohen Ealüschenberg grobe Kiese und Meigei, noch

') lieber die interessanten i^rilhistorißclion Niederlassungen in jener Ge^'end vgl. u. a. Fromm u. Struck: Die Müntz. Arch. f. Landesk. Meckienb. lb<>4» Seite 88.

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Die meckienburgiüchen Höhenrücken etc.

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weiter sflcUich steigt das Terram bald bei Gneysdorf zu 100 und

115 m, hier den Streifen VI erreichend. Nördlich von Flau kommt in dem 75— 80m hohen Plateau der feine Sand zur Herrschtet, bis er nördlich von Quetzin. unweit Karow, nahe der Ghrenze Yon Streifen V, groben Kitson weicht.

In dem westlich von Plan gelegenen etwa 70 75 m hohen Plateau lauft das Eldethal als einfaches Lüugeuthal. IHe Stelnbestrenmig der losen Sande bei Planerhagen zeigt eine nördliche Verengung an. Westlich sehen wir bei Euppentin (60 70 ra) den feinen Spatsand unter ganz geringer Bedeckung von lehmigem Decksand. Bei Brook, östlich von Lübz, hegt in der Meereshöhe von (55 70 m die Grenze des Streifens VI, mit 3 m mäclitigom Blocklehm auf Kies, welch letzterer dicht daneben in dem zu 90 m aufsteigenden Wohmsberg als geschichteter lehmiger Orand, Ton ganz wenig oberem Mergel bedeckt, eine selb- ständige Kuppe bildet. Aber auch westlich bis jenseits LiiVr/, also inmitten des Geschiebestreifens, kommt der feine Sand, zum Teil auch Grand des , Unterdiluviums", stets zur Herrschaft unter meist nur 2—4 m blockreichem Deckgeschiebemergel; dabei ist das Terrain mannig- fach wechselnd zwischen (30 und 100 m.

IHe Gegend nördlich von hier, gewöhnlich 55 65m hoch, bis zum Goldberger See ist von vielen klemen Seen und zahllosen Sollen durchsetzt und bietet das Bild der kombinierten vielfach wechselnden Vorkommnisse von Sand und Deckmergel. Am nördlichen Rand herrschen gleichfalls grobe Grande und Kiese vor, z. B. bei Diestelow (s. o.).

Es folgt in weiterem Verlauf nach Nordwesten ein 70 80 m hohes Plateau teils aus blockannem oberem Geschiebemergel, teils aus Sauden bestehend, bei Seelstorf, Hflhlenhof, Mestlin, Lenschow, Niendorf, P restin (u. s. f.), wo der Heidetypus fehlt und das ge- wöhnliche, fast möchte ich sagen langweilige, Diluvialplateau sich zeigt. Am südlichen Hand dieses Bistriktes läuft der obere Teil der Wamow bis Prestin.

Den beiden korrespondierenden knieförmigeu Biegimgen von Ge- sduebestreifen Y und VI, resp. bei Stembeig und Eritzow (s. o.) ent- spricht ein westliches Ausweichen des Sandgebietes nach Barnin zu. verbunden mit einem Uebergreifen über den Streifen V nach der Tur- lolFer Heide und über Yl nach der Chvitzer und Pinuower Gegend; vergl. auch oben Boll s Darstellung.

Von dem block- und steinreichen aber wenig mächtigen Deck- kiee der Gegend sfldlich Ton Stemberg bei Stietä und Dannhusen, mit 60 m Meereshöhe, kommt man bei Demen in denselben Sand, aber mit zurücktretender Steinbestreuung, die indes nicht i^uizUch fehlt. Dies bleibt beiderseitig des Wamowthales bei Mttggenbnrix unweit Barnin. Plateauhöbe circa 50 m. Zum Teil kommt auch grober Kies vor. Stld- lich steigt das Terrain zu 00— 70 m und südlich Barn in auf 80 m, doch bleibt der Sandboden längs des Baminsees und greift Über den schmalen Geschiebestreifen VI nach der Grivitzer Gegend hmüber.

Von Demen nördlich und nordwestiich kommen wir durch die aas- gedehnten Forsten von Venzkow, Jülchendorf, Schönlage, mit 55 80 m Höhe, in die Gegend von Brttel. Im Westen läuft bei

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Oanite,

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Kladow, Augustenbof, Basthorst. Wendorf die Qfreoze gegen Streifen VI, überall ilunli rficlie Steiiibe^treuung auf dem verschieden hohen unteren Sand charakterisiert. Im Osten isit die Grenze der eben genannte Stern berg- Stieten er Zug V. In dem Gebiet herrscht nicht fulein der gemeine Spatsand, immer mitDecksaud-Sieinbestreuung, sondern es kommt aucb, wie bei Jfllcliendorf, Schönlage u. a. Kies und auch Bänderthon vor. In Schön läge ergab eiue Bninnenbohning 80' unteren Sand und Ries, d. i. bis auf eine Tiefe von circa 5 m unter den Oatseespiegel. Viele Kessel und kleine Seen sind hier.

Die Gegend von SchTtnl ii<j:e , Kaarz. Necheln, südlich des Wamowthule.s vonBrüel im iUateau ÖO— 7U m hochgelegen, zeigt unteren Fenuand und groben Chrand mit Kies, meist unter Dedcaand. m Westen und Nordwesten wird sie von den steinbestreuten Sauden und dem blockarmen Deckmergel bei Wendorf, Gustävel u. s. w. abgesehlosaai. Charakteristisch ist für diese Gegend , dass in den beiden hier nahe zusammentretenden Geschiebestreifen mit ihrer coupierten Landschaft die unteren Sande mit Blockbestreuung zu Tage treten. Daneben kommt aber auch der obere Oeschiebemergel vor, und auch in dm Zwischengebiet finden wir den gemischten Typus, unteren Sand und Deckmergel das Diluvialplateau zusammensetzend.

Am nord(ist1i(hen Knde des Schweriner Sees ist in der Gegend von Ventschow und A It-Schlagsdorf wieder ein kleines sandreiches Areal, welches mit der „\\ariner Mulde" zusammeniliesst. Das von hübschen runden Seekesseln unterbrochene Saudgebiet, oft mit geringer Steinbestreuung, bildet, durch die Erosion isoliert, einen sUdwc»t-nord- östlich laufenden, bis GO m hohen schmalen Rücken, der die Wasser- scheide zwischen Schweriner See und dem Zufluss von Schlagsdorf- Dämelow zum Neuhöfer See. somit zwischen Nord- und Ostsee, bildet. Die umgebenden Plateaus der Geschiebestreifen haben dieselbe Höhe.

Nordwestlich vom Schweriner See findet sich in dem Zwischen- gebiet semischtes DOuvium, neben den unteren Sinden auch steinamier oberer Mergel. So ist die Umgegend von GrevesmUhlen ein circa 50 m hohes Plateau von unteren Banden, häufig mit Deckkies, oft auch, besonders nahe den Streifen V und VI, als grobe Kieslager entwickelt. An der n<jrdlichcn Grenze, bei Santow und Hamberge, ist in gleichem Niveau der horizontal gelagerte oder lokal stark gestörte Grand von 1— 3 m lehmigem Decksand überlagert, der in seinen unteren Partien als Steinpackimg ausgebildet ist und weiterhin in steinigen Deckmergel mit unterer Steinpackuiiij: ü1)ergeht. Südlich, in der Mitte des Ge- bietes, findet sich in den Wotcnitzer Tannen hauptsächlich Fein- sand und thoniger „Schluffsand'* . bis bei Wotenitz und Kastahn schon der 2 3 ni mächtiffe o])ere Mergel auftritt, der, z. B. I>ei Upahl, untere Graude und ^jande bedeckt und vielfach in ihrer Lage- rung gestört hat. Die Breite des Grevesmöhlener Sandgebietes ist hier- nach etwa 5 km.

Weiter nordwestlich sieht man bei Pohnstorf und Roggens- torf an der Grenze des Kalkhorster Geschiebestreifens bei :iO- 4n m Höhe feinen Sand und Grand , zum Teil in aufgericliteter Stellung, unter Deckkies von 0,5 Im Mächtigkeit. In dem Geschiebeatreiten

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Die mecklenburgiscbeu Höhenrücken etc.

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selbst herrschen vielfach die imteren Sende und steigen im Hohen Schönberg zur Höhe von 02 m an (s. o.).

In und um die Stadt Schönberg herrschen Sande^ zum Teil mit Tlion; die Brunnen der Stadt liefern in grosser Tiefe Springquelleo» wahrscheinlich auf Grund eines tiefen Thonlagers.

Auch die Genend von Dassow führt (bei Wilmsturfj feineu Sand, zum Tefl mit Steinbestremmg, zum Teil auch mit UocIaHniiem Mergel bedeckt.

8. Das Land iwiaeheii OMcUebeBtreifen TI vnd TIL

(Gemischter Typus.)

Auch südlich vom Geschiebestreifen VI sind Sandgebiete vorhanden, zum TeU auch mit Mergelinseln. Bei Massow, Ja(?bitz und Damm- wolde treffen wir den feinen Sand in der Höhe von 80 90 m, nach dem Runde zu mit Steinbestreuung und mit Granden . südlich ziemlich frei von Steinen. Hier ist eine llaseneisensteinschicht nahe der Ober- fläche, etwa in 0,2 m Tiefe, typisch für den unfruchtbaren Heideboden; über ihr ist der Sand häufig als die rostbraune Fuchserde ausgebildet. Bei Marienhof unweit Danunwolde finden sich noch rohe Eisenschlackso auf den Feldern als Zeugen der früheren Schmelzhtttten, welche das Raseneisenerz verarbeiteten.

Der Sand scheint sich weiter nordwestlich Über die 100 m \io\m Clegrad von Priborn, nördlich von Meyenburg, und die Retzower Taimen fortzusetsBoi.

In dem Geschiebestreifen VH der Umgegend von Parchim treffen wir sehr all^^emein. wenn auch nicht ausnalmislns, (Sonnenberg, Marnitzer Berjr. auch am Buchliolz. hei Möderitz u. s. f.) unter dem blockreichen Deckdiluvium die unteren JSaiide und Kieshiger; auch die niedriger ge- legenen nördlichen Gegenden zeigen hauptsächlich untere Sande, so bei Slate, Siggelkow, Paarsch u. s. w., nur an den Rftndem mit Steinbestreuung (hier KantengerÖlle oder Dreikant^jr). Das Buchhols und das nördliche Stadtfeld bilden blockreichere inselartige Partien, Yon Deckmergel in dem hier etwa 7 km breiten Sandzwischengel)iet, welches zu dem nördlichen Geschiebestreiien Vi (bei Lübz) kaum merklich an- steigt (60— 70 m).

In dem Ruhner Berg steigt der untere Sand mit verschwindendem Decksandüberzug bis zur höchsten Höhe von 178 m.

Westlich von Parchim herrscht bis in die Gegend von Spornita der grobe und feine, meist strinbcstreute Sand, ebenso nördlich von Parchim auf den öden Feldern oder in den Tannenwaldungen: Darge- lütz, Domsühl sind die Orte, welche jene Landschaft recht gut präsen- tieren. Das Plateau ist 60- 70, auch 80 m hoch. Oberer Geschiebelehm ist nicht gandich ausgeschlossen, meist aber V* ^Vs™ DecUaes an dw Oberfläche.

In der Gegend von Crivitz treten die beiden Ge.scliiebestreifen ziemlich nahe zusammen; da hier weiter hauptsächlich die unteren Sande

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Geinitz,

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herrschen, nur mit Steinhestreuung iles Deckkieses in den Geschiebe- zü«?en. auch die Plateauhöhen keine erhel)hchen Differenzen zeipren. so hebt sich der Saudzug wenig ab. Bei Barnin. Kladow viTsrhniilzt das Sand- und Kiesgebiet mit dem nördlichen; liier treten z. Ii. im Eich- holz bei Crivitz und bei Kladow auch unterdüufiale Thonlager auf. Das Terrain liegt 60— 80 m hoch.

PinnoWf Petersberg, Augustenhof. Vorbeck bis Langen Brflfz zeigen gleichfalls in verschiedener, im Petersberg zu 'ißni an- steigender Plateauhöhe die feinen unteren Saude resp. zum Teil Kies- lager uuter Steinbestreuuug oder Deckkieü, durch deren reiches Auf- treten die Geschiebestreifen entstehen.

Die geschiebereiche Gegend von Schwerin hat besonders im Westen der Stadt, am NeumQhler Soe u. s. w., Kies- und Sandunter- grund. Die unteren Sande, zum Teil auch tlionhaltig. treten nördlich auf dem üO m hohen Plateau reichlich auf", daneben auch oft noch vom blockarmen Deckmergel bedeckt; da.s tragliche Gebiet ist somit vom gemischten Typus.

Derselbe setzt sich westlich fort; an der südlichen Grenze treffen wir bei Vietlübbe undGadebusch den feinen, oft thonigen mahlenden Sand.

4. Dm Lud zwischen Gesebiebestreifen IV und III.

Der Landstrich nördlich vom Geschiebestreifen IV zeigt vielfach den gemischten Typus.

In dem nordwärts strebenden Zij)fel der Bhxtkanhäufung von Feld- berg triflft man am Xordende des Iwucinsees bei Li( htenberg in der Meereshöhe von 120 m den feinen Sand mit unterlugerndem Bänder- thon. Nördlich davon findet sich am Eude des Geschiebezuges bei Grauenhugeu mächtiger Kies mit Blockbestreuung, auf den höheren Plateau|pebieten mit DeckmergeL üeber Woldegk bis zum Helpter Berg büdet fast durch^^lngig der obere Geschiebemergel den Boden, meist sehr blockarm : m Woldegk bedeckt er mit 2 m Mächtigkeit, durch Kieslager getrennt, den unteren Mergel, der wieder Bänderthon überdeckt. Am Kirchhof kommt feingeschichteter Sand und Grand unter 2 m Decklehm. Der Helpter Berg enthält vielfach feinen Sand.

Die Umgebung von Neubrandenburg hat vielfach die unteren Sande und Kiese in ihrer Geschiebestreifemandschafb. SttdwSrts ge- langen vrir gleichfalls zu Sauden und zu Deckmergel.

Die Kiesgruben und Spatsande l)ei Helle, Wrodow. Lapitz. Puchow, Penzlin und die vereinzelten (Teschiebemergelpartien jener Gegenden zeigen auch hier im nämlichen Niveau mit den Streifen IV und III den gemischten Diluvialbodeu.

Sodlich von Malchin finden wir mächtige Entwichelung der unteren Sande und Grande. Am Hainhob mächtige feine Sande mit Granden, nordwärts d. i. vom Geschieberücken wegeinfallend. Der ganze Forst bis Basedow, G e s s i n und L i e p e n . die .sogenannte Base- dower Heide, zeigt nieist Feinsand, in Basedow horizontal mit tlio- uigen Zwischenschichten, am Basedower Theerofen in dem 66 m hohen Rücken machtige Gerölllager in diskordanter Parallelstruktur Ton mäch-

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Die nieeUenbnigiieheii Hfthenrttck«! eto.

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tigern Blockkies bedeckt; liier ist die südliche Grenze nahe; hvi Schwin- kendorf. schon im G«'l)iHt des Geschiehestreifens, kommen noch mächtige untere Sande und Graude in 65 m Höhe vor. In jenem Gebiet lehlt das Deckdiluvium nicht, oft macht sich der obere Mergel sogar selir stark gleitend. Südwestlich yon Malchin zeigt der 25 m hohe Rücken, der zwischen dem Peenethal und dem B^isedower Thal stehen gehliehen ist, untere Sande mit Deckkies- und Lehmbeschttttungf auf welcher noch ungeschichteter Decksand aufgespült ist.

Auch am Kempliner und {'istdcr Ufer trct*ii Sande und Kiese unter dem Decklehm auf; bei ll^mplin tiudet sich in 30 m Höhe ein Litffer von ^Lnderthon.

Kordlich treffen wir bei Hohen-Mistorf feinen Sand zum Teil ohne Deckmergel, und an diesen schliesst hei Hagensruhm die Sand- landschaft, die zu dem PTardthcrf,' aufsteigt.

Bei Teterow lierrschen Santle und Kiese. Der hohe Heidberg setzt sich aus unteren GeröUen zusammen, an und auf welchen der obere Gesehiebelehm lagert. Sudwestlich von hier ist die starke Qudle ▼on Köthel, auf m£htigem unterem Thon flieesend, bei ungefähr 30 m Höhe zu erwähnen. Auch amRadenerSee steht ein müiimtiges Thonlager.

Durch die Geschiebemergel und viel Sand und Kies haltende Gegend von Laiendorf, südUch und nördlich deren reichlich Sand herrscht, wird nach Westen ein Abschluss erzielt.

Die obenerwähnten Kuppen zwischen hier und Ottstrow, femer die Gegend von Niegleve führen untere Sande, zum Teil auch Grande, oft mit Mergelbedeckung.

Die Gegend von Güstrow zeigt wieder sehr schön die Herr- schaft der unterdiluvialen Sediniente zwischen den Geschiei)estreifen, wiewohl auch hier das Deckdiluvium als Geschiebemergel oder Deckkies nicht ausgeschlossen isi An der Bahn nadi ^«kow, an der Chaussee nach Zehna u. s. w. kann man deutlich den »heblichen Abfall vom südlichen Geschieljesti t if* n IV nach Norden zum Neboltlial verfolgen. Unter Zurücktreten der Blr)rke gewahrt man auch hier zunächst grobe Grande und Kiese im Unterdiluviuni und weiterhin die feineren Sande vorherrschend, bei Hoppeurade auch ein Th()nla;^n r. welches sich nörd- lich bis Güstrow hinzieht, mit einer Muldenlagtrung. Es fehlen aber auch in der Mitte nicht die groben Kiese und der Deckmergel, wie an den Schneiderbergen und an der Gleviner Burg bei Güstrow zu sehen. Jenseits der Nebel wiederholt sich der allgemeine Typus in uragekelirter Folge, erst feine Sande und Thon, weiter Kiese mit reicherer Stein- bestreuung bei Annäherung an den 10— ÖUm hohen nördlichen Ge- schiebestreifen bei Spoitendorf u. s. f. In der Mitte dieser Sandmulde sehen wir östlich Tor Güstrow in den Röwer Tannen typische, so- genannte AUuTialheide, feinen gelben Sand mit Ortsteinbildung, humos in niederen Lagen, mit hohen Dünenaufwehungen. Es ist das die circa 12 ni holie von der Eisenbalm durchlaufene Gegend zwischen dem Inselsee und der Ijn itcn Thalniederung der Recknitz, wo sich der l)reite Alluvial- «trum seinen Thalsand aus den nachbarhchen Diluvialsanden aufge- arbeitet hat.

FoiMhaagm s«r dralMlNii LandM- nad VoUnkund«. LS. 81

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I

296 Gemitit [82

Dasselbe witderliolt sich in noch «j^rössereni Massstab bei der Einmünduugsstelle der Nebel in das Wamowthal südlich Bützow, wo sich bei Langensee aus den unteren, zum Teil steinbeetreuten Senden die alluviale Eeideeandebene der ^Mäcker^* und Vierburg-Waldung entwickelt. In weiterer nördlicher und südlicher Umgebung folgen nach den beiden Geschiebestreif« n öde Saiidgegenden von Peetsch und Zernin im Süden, wo dann der Kies von Waruow als IlinUberleiter zum Gesckie bestreiten in 20 m Höhe folgt und im Norden der Saud von Wolken, Oetteliu bis ziu: Genend tou Schwaau; ebenso ist auf dem linken Ufer der Wamow bei Bfltzow, Horst, Friedriche- hof, Kambs, Vorbeck bis Schwaan der Sand herrschend. Der Beck- mergel und der Deckkies sind hier nicht völlig ausgeschlossen, doch herrscht in diesen (legenden der Sand, besonders feiner und thoniger, bei weitem vor; juicii Thonlager treten auf. In einer 7m hohen insel- artigeu Sauderhuhung inmitten des Waruowthaies zwischen Zerniu und Rtthn oberhalb Butzow trifft man auf dem abgeschwenmiten irohl- geschichteten unteren Spatsand und Schluffsand 0/2 m ungeschichteten Decksand und auf diesem in scharfem diskordantem Absate noch 0,4 m gdben Flusssand.

Nordwestwärts am Nordabfall der Schlemm in er Beriet' n;i( h der Gegend südlich von Satow setzen die Sande fort, auch hier nicht ohne Deckmergelpartieen. Endlich war auch in der Gegend von Neubukow der Sand weit verbreitet, sowohl als Unterlage des Geschiebeetreifens ab auch in der Zwischeng^nd; so z. B. charakteristisch in der Heide Ton Questin und Panzow^).

5. Das Land iwlaelieii GMchlebestrelfen III und IL

(Gemischter Typus.)

Am Nordabhang des III. Geschiebezuges treten bei Doberan ebenso wie am Südabfall bei Kröpelin Sandmassen in grosser Menge auf: Feinsand, Thon und grober Kies, oft von Deckmergel oder von

Deckkies (iberlagert, in dem zum Teil ein südnördlicher Geschiebetrans- port des Brunshauptner Planers zu konstatieren ist (Althof, Bruns- haupt en); vgl. auch die Notiz über die kleinen Heirlcareale von Sand* hagen bei Neubukow im Vll. Beitr. z. (ieol. Mecklenb. S. .'>.

Auch in kleinereu Partieeu finden sich innerhalb des Geschiebe- streifens der Stoltera untere Sande und Thon zwischen den beiden Ge* SChiebeniergclu (vgl. VII. Beitr. z. Gen]. I\[t(klenb.).

Südlich von Rostock dehnt sich ein heideähnlicher Sauddistrikt über die Barnstorfer Tannen und Biestow nach der 0. .r, nd von Schwaan aus, in gleichem Niveau mit den abgrenzenden Ueschiebe- streifeu 11 und 111; oberes Diluvium fehlt nicht.

In gleicher Weise findet sich das Diluvium in Sand- und Kies* resp. Thonablagerungen mit mehr oder weniger zurOcUretendem Ober- diluvium (Geschiebemergel und Decksand) in südöstlicher Fortsetzung;

') Vgl. Vll. Beitr. s. Geol. HecUenb. S. 7.

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83]

Die meddenbiirgiMheii fiSlieottrQckeii elc.

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es nia«! cfenttf^en. als Beispiele nur die Gegenden zwischen Köster- beck und Hohen- Sprenz bei Rostock, von Liiage, Thürkow nörd- lich Teterow, Neukaien am Cumiuerower See, Friedland u. a. zu nennen.

6. Die südwestliche Heide. (Jungdiluvialer Thulsand.)

Die „südwestliclu Ht idt clione" Mecklenburgs ist zwar melirfach geschildert worden doch telilt noch fino eingehende geologische und geographische Darstellung, scjgar ihre Grenzen sind noch nicht genau angegeben; auch an dieser Stelle kann wegen Rauniuiangelü nur ilir Typus dmeli einige Mitteilungen bekannt gemacht werden und muss eine aosftlhrlic^e Schilderung auf später verschoben werden. Im Osten ist die etwa 30 Quadratmeilen grosse Heideebene nach Bolls Schilde* rung von dm Mamitzer und Parchimer Bergen abgegrenzt, die natür- liche Siidgreiizc bildet die Elbe, die westliche Grenze liegt in einer von Schwerin über Klein Kogahn, Stralendori', Toddin, VVarlitz, Goldenitz, Pritzier, Melkhof, DUssin, Brahlsdori' gezogenen Linie, im Norden lehnt sie sich an den Sfldrand des den Schweriner See enthaltenden Mulden- gtOckes an. -Die Heideebene ist arm an eii und Teichen, wird aber ▼on mehreren Flüssen durchschnitten, welche in sehr weiten, ziemlich parallelen, von Nordost nach Südwest sich erstreckenden und nur wenig üi er ihren Wassei-^}ne<ii l sich erhebenden Thälern dahintliessen und nur durch unbedeutende, luselartig aus der Ebene sich erhebende Boden- anschwellungen voneinander getrennt sind.* Diese Flüsse sind die Eide imd Stör, die Rögnitz mit der Krainke und die Sude; ihnen parallel laufen noch im Westen die S c h a a 1 e und Bo i z e mit ähnUchem f'harakter. Von den zum Teil sehr tretlenden Schilderungen Kochs und Bolls sei zunächst nocli einiges mitgeteilt: in landschaftlicher Hinsicht ist die Heide eine traurige Einöde von ausgedehnten Kiefern- forsten, spärlichen Ortschaften mit wenig und änmichem Ackerhau; irOher war das Gebiet nodi viel reicher an Waldmigen als jetzt. In diesen die deutschen Ansiedler wenig anlockenden Gegenden haben sich die Wenden in Mecklenburg am längsten gehalten; die H< i nitj-f noch zahlreiche slavische Ortsnamen. Auch die Ritterschaft iiut wenig darnach getrachtet, hier Landbesitz zu erwerben, daher haben sich hier die vielen Bauemdörfer erhalten (oft noch mit der sonst im Mecklen- burgischen unbekannten Art der Gehöflsanordnung); kein Teil unseres Landes trägt ein so wenig ritterschafüich-aristokratisches Gepräge wie dieser; darin bildet er z. B. zu dem „Quellengebiet der Peene* und anderen Geschiebestreifengebieten den äussersten Gegensatz. „Will man daher das Thun und Treiben unserer Bauern, Büdner und Häusler mehr im grossen kemieu lernen, so muss mau sie in diesen einsam gelegenen, wenig vom Verkehr mit der flbrigen Welt berOhrten Dörfern der Heideebene aufsuchen. Dort trifft man auch nodi vieUiÜtig jene alten Bauemgehdfle, in denen Menschen und Vieh unter einemDache

') Vgl. F. £. Koch: Arch. Nat. Mecklenb. Vli, 1853, S. 17 f.; Zeitschr. d. d. eeol. Ges. 1856. S. 249 f. E. Boll: Abriaa 1861. S. 358 f.

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Qeinitz,

[84

leben, mit derselben baulichen Eimichtuug, wie sie noch zu Anfang dieses Jahrhunderts f&st überaU in den mecuenburgischen Bauemdörfem zu finden war. Sie bestehen aus einem grossen, von Holz und Lehm

(zuweilen auch von Raseneisenstein) aufgeführten und mit Stroh ge- deckten Gebäude olinc Schornstein, aus welchem der Hauch durch (die an der Seite des liolu n, mit dem Pferdekopfpaar gezierten Giebels be- findliche) Thür und iJucii abziehen muss ..."

Die geologische Zusammensetzung der Heide wül ich zunächst eben&lls nach der Darstellung Ton Koch und Boll, aber ohne die daran geknüpften Spekulationen, mitteilen. Die diluWalen Schichten der Heideflächen bestellen aus manniLTfuch wechselnden Lagern eines irlininierreichen feinen Sandes; darüber pflegt die ver- rufene Fuchserde (Ur) zu lagern, ein braungelber, stark eisenschüssiger und bisweilen sieinartig verhärteter Sand, der das Material abgibt zur Bildung des in grosser Menge in allen Niederungen der Heideebene Torkommenden RaseneiBensteins ,* die (>])erste Docke des Bodens bildet im allgemeinen ein saurer, kohlig -harziger Humusboden; stellenweise tritt aber aucli auf grösseren Strecken der feine und flüchtige Sand zu Tage, teil.s selltstäiidige an.st'liiiHchc Hü<X('l!4"ni})peu , Dünen bildend, teils den insularen, mit uordi.schem Düuvmm überdeckten Boden- auschwellungen angelagert; «ersteres ist z. B. in der Httgelkette der Fall, die sich längs des südlichen Eidearmes und der Elbe von Polz nach Dömitz hinzieht, desgleich^ mit der Httg)]<iruppe bei Broda, während z. B. die dem Wehninger Berge anpfelagerten Sandiriass»»n wie auch die bei Lübtheen und Raddenfort auftretenden als Beispieh- der zweiten Art anzusehen sind. Endlich aber bedeckt der Saud in diesem Gebiete auch sehr grosse Flächen, wie z. B. bei Stolpe, Neustadt, Dreekrögen, Moraas, Pampow o. s. w.*

„Vor 30 40 Jahren*) war diesem Sande in <ler Heideebene noch vöUig freier Spielraum gegeben. Auf den l)ewegUchen Feldern, z. B. bei Bockup, Wendisch - Wehningen , Belsch ii. a. . trül>ten bei trockenem Sturrae auf halbe Meilen weit gelbe Sandwolkeu die Luft bis zu einer Höhe von mehr als 100^, und der Landmann war ge- nötigt, seine Felder durch Anpflanzung von ,Tannen* g^g^ii "Ver^ aandung zu schützen; aber auch diese konnten nur unter einer Decke von Tannenreiseni , mit denen die ganz jungen Pflanzen überkleidet werden mussten, Wurzel fa.ssen. Ein kleines Loch in der schwachen Narbe solcher Samlfeldor erweiterte der Sturm oft binnen wenigen Jahren zu einem walueu Sandsee, aus dem noch einzeln stehende Bänke, gleich Inseln, von 4 6' Höhe hervorragten, als Merkzeichen, wie gross die Masse des weggeführten Sandes gewesen war. An diesen Bänken sah man denn auch deutlich, wie dünne Schichten von Damm- erde wohl drei- bis viermal und auch noch öfter mit mehr als fuss- dicken Sandlagen wechselten, und wie also dieselbe Stelle schon mehrere Male das Schicksal der Versandung erlitten hatte."

Koch unterscheidet im Heidegebiet folgende Bildungen: l) die

1) Boll a. a. 0. 8. 390. ") Ebenda S. 363.

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Die mecUenbingudien HOhemrBckeii etc.

299

Gebiete der Flussalluvionen, Marsch. Tiut oder Bruch; 2) das Heide- gebiet, damals von ihm als tertiär angehehen; das Gebiet der uor- di.scheu Geschiebeformation ; 4) die älteren Flötzformationen.

Da eine eingehende Beschreibiing der Heide hier nicht möglich ist, so irollen wir versuchen, das Land auf einer Wanderung von Schwerin nach Süden und Südwest zur Elbe hin kennen zu lernen.

Oben wurde (Ö. -U) n;ezeij^, wie sich von dem Geschiebe- stnifen VII südlich Schwerin bis Pampow und Holthusen all- luiililich da.s Saudgebiet imter Verschwmden der Steinbestreuuug ent- wickelt und im Südwest bei Zachnn und Hagenow die Sandheide kommt, miter aUmÄhlicher Abdachung des Terrains von 00 zu 40 und 25 m. Aus den weiten, flachen Mf)ordcpre.ssionen zwischen Rogahn und Pampow, südlich von Stralendorf und von Walsraühlen u. a. entwickeln sich flache südwestlich lautende Thäler, so das der Sudo.

Oestlich von Hagenow dehnt sich das Saudgebiet mit weiten Mooren in den flachen Niederongen , oft auch ac&m mit einzelnen Dtlnen, nach Kirch-Jesar, Hagenower Heide, Morass, Isasnitz, Fahrhinde, Dreekrögen in die Oefrend von Neustadt und Lud- wigslust aus. In ilim liegt hei Kastow das oben beschrifbene Stein- gebiet. Südöstlich setzt der Sand l>is unterhalb der Kuhner Berge fort. Es wird von den Tiiäleru der Kognitz, Eide und Lfiekuitz parallel der Sude durchflössen. Der Sand ist überall der feiue gelbe, oft Ortstein und Raseneisenerz filhrende Heidesand oder meist horizontal geschichteter Spatsand und Grand mit bis 1 m mächtigem Decksand. Das ebene Terrain liegt meistens etwa 30 m über dem Meer. Der Decksand oder seine Kleinsteinbestreuung herrscht im Norden vor, verschwindet aber weiter nach Süden: im Norden, in der Gegend vom Südende des St liwe- riner Sees, herr-scht der feine Sand, zum Teil auch Kies, unter wenig n^htigem Deckdfluvium. An der 56 m hohen ünterdiluvialerhehung hei Rastow Ist auf dem Deckmergel und Decksand noch reiner Sand ▼on dem nordö.stlich-südwesthch laufenden Kraaker Thal angelagert.

Nördlich vor Hagenow tritt unter dem Sand und dem Deck- geschiebeniergel l)ei circa 2r» - 30 m Höhe blauer Bänderthon hervor; und alsbald sclüiesst sich westlich und nordwestlich der oben beschriebene undeutliche, aber hKufig blockreiche Cleschiebestimfen VJü an (Pätow, Granzin, Helm), wobei sich das Terrain alsbald zu 40 und 60 m er- hebt; hier heiTscht zwar ebenfalls der untere Sand, aber mit stein- reichem Decksand oder DeckmprL'fl Ix'dfM kt, auch als grober Kies au.sgebildet, so dass der Heidecharakter zurücktritt (s. o. S. 38). Süd- lich von Wittenburg treöen wir bei 60 m den gelben Heidcsand mit Ortsteinbildung als wenig mächtige Bedeckung mit Dreikantersohle auf dem Bindertim (nördlicher Rand des Streifens Vlll).

Südlich von hier gelangt wieder die gelbe, in den Niederungen fschwarze und graue Sandheide mit zahlreichen Dünen in dem zu 40 und 20 m abfallenden Terrain zur Geltung, vom Sud» r]ial durchflössen, bis Lübtheen, Redefin, Belsch. Krenzlin u. s. w.

Hier und in den weiter südwärts folgenden Gegenden und nach Sfldost in die Gegend von Eldena forts^zend, herrscht ttberaü der Heidesand, in Niaierungen mit Raseneisenstein, in trockenen Stellen

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Odnits,

[86

mit massenhafton Düiienkuppen. Das Terrain wechselt dabei vielfach uud mau erkeuut hier sehr klar, dass die Heide sich zusammeu- setzi aus den breiten, von Thalsand erfüllten Thalebenen der obengenannten Flüsse und ihrer SeitenthSler und den von ihnen

quer durchbrochenen nnd dadurch als Südwest -nordöstll( Ii strei- chende flache, inselarti«;*' Erhr)liungen erscheinenden Geschie)>e st reifen VIII und IX, welche wep'n ihrer geringen Erhebung noch von einer dünnen Decke Flugsandes üherweht sind.

Als Belege dieser Auffassung seien die Gegenden von Lübtheen und Malliss angeführt.

Der 15 20 m hohe Gypsherg von Lübtheen li^ am Südrande des Geschiehestreifens IX, der sich östlich, immer von Heidesand und Dünen bedeckt, bei Kamm zu 40m erhebt. Südlich dacht sich das Terrain cranz flacli /u der normalen, an Dünen reichen Heide des hier schon dem Eibthaic puraik-ien Rögnitzthales bei Trebs und Jessenitz ab, in der Moomiedenmg mit 10 m Hdhe.

Die dortigen Bohrungen ') zeigten die Mächtigkeit und Beschaffen- heit der Sande an.

Am Gypsherg ?ind dem Gyps echte unterdiluviale Saude und Kiese angelagert; diese sind von wechselnd mächtigem Heidesand liedeckt.

In Lübtheen (VI) hat der gelblichgraue Heidesand die Mächtigkeit von 8,2 m, darunter folgen grauer Sand, fisiner und grober Kies mit Oer5llen und feiner und scharfer glimmerhaltiger Sand bis zur Tiefe TOO 25,5 m, d. i. circa 10 m unter dt ui Ostscespiegel. auf Tertiärsand lagernd. Das Bohrprofil (IT) in Pro])st Jesar bei Lübtheen (ebenfalls circa 17 ra Meereshöhe) zeigte 1,2 m gelben Heidesand auf grauem leinem und grobem Sand und Kies, mit 19 m Mächtigkeit auf Geschiebe- mergel, Sauden und Thon in Wechsellagerung. Die Bohrungen am See von Probst Jesar, in der Meereshöhe von 20 m angesetzt, zeigten 3 m gelben Heidesand auf ß m wasserhaltigem, grauem feinem Sand, der bis 30 m Tiefe Diluvialkiese und Sande mit Thoneinlagerungen bedeckt. Bohrloch (V) im Lübtheener Forst, südlich von Lübtheen fMeereshöhe circa 18m), traf 14,3 m gelben, unten grauen feinen Sand auf mäch- tigen unteren Sanden, die bei 42,8 m Tiefe Geschiebemergel bedecken. Das Bohxloch (I\^ bei Trebs zeigte 16,1 m gelblich grauen feinen Heidesand auf 6,3 m grobem, grauem Sand und Eies, der in ca. 13 m Meerestiefe auf Geschiebemergel ruht. Das in anderer Beziehung wichtitje Bohrloch im Kamdolil bei Trebs flll) hatte 15,7m gelblichgrauen feinen Sand (Heidesand) auf Kies, Sand und Thon von 23,3 m Mächtig- keit getroffen.

Die durchschnittlich 25 30 m hohe ebene (legend sEwischen Lnd- vigslust nnd Eldena, Malliss, zeigt fest durchgängig den Heidesand, an

der Mde mit Dünen besetzt, auf dem Plateau mit flachen Moomiede- rungen und weiten flachen Thälern; dabei finden sich im Gebiete des hier durchquerenden Geschieliestreifens IX fla<'he, bis 50 m ansteigende Erhebungen von Diluvium, Tertiär und Kreide, z. B. bei Loosen,

») I. Beitr. z, Geol. Meckleub. löTü, b. 12, ti4. Flötzform. Mecklenb. 1883, S. 110—116.

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Die meddoibiirgiflchen HOhtiirlleken ate.

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Hohen Woos, Karenz, Malk, Gonow, Malliss, Bockup, Böck

(s. oben).

Einen ganz vorzüglichen Einbhck in die oben gekennzeichnete Natur der «Heideebene* erhält man auf einem Gang von Malliss nach Bockup und Schlesin ndrdlich Dömitz: in der grossen Ziegeleigrube

von Malliss sieht man in circa 40 m Höhe etwa 3 m mächtigen oberen Blorkmergel auf dem SeptiirifMithon aufpfelagert. dem auf der Höhe Heide- sand ioU/L iih Uebonvehung; nördlich davon trifft mau den unteren Sand bei den Mailisser Abbauen an der Chaussee und weiter in den Karenzer Bergen, mit Dreikantem und Decksand. In der rasch zu 25 m Höhe sttd- lieh der Ziegelei ahstOrzenden Ebene der Eide lagert mi&chtiger gelber feiner Heidesand mit seinen Danen. Von hier kann man südwestlich llngs der 40 m Kurve gehend die Grenze des steinigen Diluvialsandes gegen den in der Tiefe (25 m) lagernden feinen Heidesand verfolgen bis nach Bockup, unterwegs auf der Höhe, bei Malliss selbst oder nördlich nach Conow, die unteren Saude oder Kieslager in schöner diskordauter Pandlebchichtung mit oberer Stein- und Dreikanterbestrenung beob- achtend, bis man an der Ziegelei von Bockup, wo der Signalberg zu 48 m ansteigt, am selben steilen Uferrand der sich hier nach Westen wendenden breiten Thalebene die Miocänthone mit ihrer Unterdiluvial- lu deckung scharf abgeschnitten sielit, in der 25 15 m hohen, weiten, überraschend schön sich dem Auge darbietenden Thalebene von Radden- fort, Heiddorf u. s. w. den ÜDinen gelben, mahlenden, zu riesigen Dttnen aufgewehten Heidesand (mit Raseneisenttzbfldung) Tor sich; aber auch auf die Höhe ist der gelbe Heidesand bereits tfewandert; wir finden ihn als eine l 2 m dicke Schicht den älteren Ablagerungen nuf<?eweht. Dieselbe Beobachtung wiederholt sich, wenn wir von lufr westlich über Schlesin zu dem tialgenberg gehen; auf dem 40—45 m hohen Plateau unterdihiTiale Kiese und Sande, zum Teil oberer Mergel, am Bande mit Heidesand bedeckt, welcher unten im Thal allein herrscht. Der 42 m hohe Galgenberg bildet die scharfe Ecke zwischen Aex hier ostwestlich laufenden Thal ebene und dem von Nordnordost kommenden l^ögnit/thal.

Südlich von diesem scharfen Hand breitet sich, wie ersviÜmt, wieder eine normale Thalsandheide aus; die Orte Raddenfort, Heiddorf, Kalliss, Schmölen, Lenzen, Heidhof, Woosmer, Junker Weh- ningen u. a. m. liegen in ihr. Tefls ein&che Sandebenen, 15 m hoch gelegen, teils mächtige Dünen, besonders längs der üferritnder, teils auch weite Moor- oder Sumpfniedwungen setzen sie zusammen.

Aus dieser Heideebene erhebt sich bei Wendisch Wehningen am Elbufer der Diluvialberg mit m Höhe als inselförmiger Rest des Geschiebestreifens X, ringsum, bei Broda unweit Dömitz, im Forst Heidhof, bei Junker Wehningen, von HeidesaaddUnen umgeben, auf der Höhe mit diskordant angelagertem Deckmmd, dessen gute Dreikanter sehr häufig sind. Der Kern besteht ans unterem Oeschiebemergel, dessen Hangendes unterdiluviale Diatomeenerde, Thon und Sand ist, mit denen zusammen er durch den oberen Geschiebemergel mannigfach ver- staucht ist.

Wir haben also den eigentlichen Heidesand als echten „Thal- sand* erkannt, und es ist kaum noch ndtig, die frohere Amdeht zu

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Geinits,

widerlegen, dass er tertiären Alters sei. Seine , kohlig-harzige " Be- sdiaffeime^ an der Obevflilche hängt nicht mit zen&ten tertiiren Braiinkohleiilageni zuMunmeii, aondm ist auf junge Ortsteinbildiiiig

äun h sauren Humus zurückzuführen, wie sie besonders durch Erika ver- anlasst in allen Heidcsaiulcii mehr oder weniger reichlich vorkommt (z. B. Kostocker Heide, Miicker Im i Biitzow, Heide östlich Güstrow, Diluvial- heiden bei Karow, Wittenberg u. s. f.).

In echten unterdüuvialen Sandablagerungen der Höhen finden sich allerdings zuweilen Sande, welche ziemlich reichlich aus der Nachbarschaft tertiäre Sande aufgenommen und dadurch eine von der gewöhnlichen abweichende petrographische Beschaffenheit erlangt haben, so z. B. bei Helm, Bobzin, Melkhof, vielleicht auch bei Malliss u. a. 0. Doch sind diese Sande, von Deckrliluvium Uberlagert, st-ts etwas anderes als untere Thalheidesande. V on ejuer postgiaciaieu Hebung der Geschiebeatreüen-Areale kann natOrlicfa auch keine Rede sein.

Dass die Dfinen hauptsächlich an den Rändern der alten Tbiler Torkommen, ist schon melirfach erwähnt; höchst instruktive und groß- artige Dünenbildungen linden sich u. a. V>ei Jabel, Holien Woos, Heidhof, Bockup, Woosmer; f'trncr bei Lenzen (von der Bahn aus zu beobachten), dann in der Sudeuiederuug bei Gothmann unweit Bonenburg u. s. w.

Auf die eigentfimliche Ablenkung der unteren Läufe der Löckniis, R<')goitK und Sude in eine dem Elbthal parallele Richtung soll an anderer StaUe angegangen werden«

Die Lewitouedenmg.

Wie sich im Südwesten Ton Schwerin am flachen Abfall des Ge- schiebestreifens Vn die weiten flachen Moomiederungen in dem unteren, steinbestreuten Sandboden entwickeln (Pampow u. a.) und die Thal- beginne von südwestwärts laufenden breiten Thäleni darstellen, die ilirerseits zur Bildung der .Heideebene" führen, in derselben Art, nur weit gewaltiger, ist auch im Südosten des Schweriner Sees eine solche Niederung Torhanden, die hochinteressante Lewitzniederung. Eine ausführliche Schilderung derselben muss fÖr die spätere Arbeit über die postglacialen Wasserläufe Mecklenburgs vorbehalten bleiben; jetzt sei nur knrz das Wesentliche mitgeteilt. Wir verdanken eine eingehende Beschreibung (mit Karte) der Arbeit von Fromm und Struck'), während Bolls Darstellungen hierüber ungenügend sind.

Unmittelbar an der Sttdbucbt des Schweriner Sees (mit dnem firosionsthal) begmnend, erstreckt sie sich zwischen hier und Neustadt in einer grössten Länge von 3 und einer grössten Breite von circa 1 '/» Meilen. Durch das über 1 km breite, scharf in dem «10 m hohen Plateau zum Niveau von 40 m erodierte Störtlial bei Müess mit dem Schwerinersee in Verbindung, ferner im Osten durch die breite, weuiffer scharf begrenzte Niederung bei Pinnow westlich Crivitz zu dem Ge-

Besebreibiiiig dei Slörbeckens, I) Die Lewituuedenmg» Aroh. f. Laadeak. Meeklenb. im» 8. 113 a. 325.

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Die mecUenbiuguclieii HOhenrttc^en etd

SOS

schiebe^treifen ^'eöffhet, begiimt die eigentliche Lewitzniedorung, wie auch Boll richtiger als Fromm und Struck annimmt, bei Banzkow, mit fladien, aus abgeschwemmten unteron Sanden bestehenden nördlichen Rändern, welche in jene beiden nördlichen Zipfel allmShlich anslaufen. Die seitlichen Grenzen sind recht deuÜidi ausgeprägt : im Westen durch die steilen, weiter südlich mehr verflachenden Ufer von Plate, Banz- kow, M i r o \\ . 0 () 1 d »" n s t ä d t . D r e e k r ö g e n , W (5 b b e 1 i n ; im Osten durch die Höhen von .Suckow, Göhren, Bahlenbüschen, Tramm, Klinken, Garwitz, Matzlow. Die Südgreuze wird von Fromm und Struck über Dütschow, Brenz nach Neustadt, Wöbbelin gezogen.

Vom Schweriner See fliesst die Stör in die Niederung, bei Neu- stadt tritt die zwischen Matadow und Dütschow einmündende Eide wieder

nach Süden ans-.

Die Nieilcrung ist eine iin<^eführ 35 m hoch gel- Lreiie Ebene, von Wiesen, Briu lieu, Waldung und Torfmooren mit ganz zurücktretenden Aeckem eingenommen, öfters -von wenig höheren fiodaumachwelluiigen unterbrochen. Erst durch die der jüngsten Vergangenheit angehörigen zahlreichen Kanal- und Entntaerungsbauten ist ihre Kultivierung mög- lich geworden: bis dahin war sie eine grosse, fast ununterbrochene Sumpf-, Bruch- und Waldfläche, im südlichen Teil voller ausgedehnter Moorsümpfe; ihr W^ildreichtum (Lewitz == wen<lis(]i „Jagdrevier") wurde schon Ton den Wenden nach Möglichkeit ausgenutzt. Die Eide und Stör Tenirsaehten häufige üeberschwemmungeii.

Wie die nachbarlichen Plateauhöhen unter gleichzeitiger Abdachung nach Süden den allmählichen Uebergang aus dem Gescliiebestreifen in steinbestreute Sandhochüüchen und feindsandige Heide zeigen (s. o.). so erkennt man auch in der Niederung den Uebergang aus den abge- schwemmten Granden, Kiesen und Sanden (z. B. bei Suckow, Zietlitz) in gemeinen scharfen «Seesand*, wie er die Hauptmasse der Niederung bildet (Friedrichsmoor), und klemsteinbestrente flache Sandkuppen, und weiter in den feinen gelben und grauen, zu Dünen aufgewehten Heidesand im Süden, bei Wöbbelin, Hohe wisch, Neustadt. Bei Neustadt und Ludwi^r^slust schliesst sich dann die oben be- sprochene »südwestliche Heideebene " mit ihren Geschiebestreifen-Inseln unmittelbar an.

Auch südlich der Zarrentiner Gegend sind hinter den Geschiebe- streifen Sande entwickelt, nur zunftdist häufig durch die Blockan- häufungen unterbrodien und wenig zum Ileidetypus gelangt und mehr den gemischten Typus zeigend. Doch sind in dem unteren Boize- und Schaaiethal Sandebeueu vorhanden, von denen auch Boll erwähnt, dass «6 ganz denselben Charakter wie in der östlich sich anscUiessenden Hddeebene zeigen; so in der Gegend zwischen Brahlstorf und Boizen- burg oder »adi nördlich daTon bei Vellahn, Gresse u. s. f.

1. Die ]lo8toek*Blbiiltter Heide , das Fischland nnd der Bme.

Nordöstlich von Rostock erstreckt sich, vom Seestrund und der Wamow und im Süden etwa Ton der Rostock -Ribnitzer Chausee be- grenzt, ein zusammenhüngendes Heidegebiet, welches als jungdiluyial zu

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Geinits,

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bezeichnen ist und mit dem der südwestlichen Heide viel Aehuiich- keit zeigt. Es ist fast lediglidi befontet imd umlust die Bostocker, die grosshenogliche G-elbensander und die Ribnitzer Heide.

Seine südliche Grenze ist wenig deutlich. Das 40 50 m hohe gemischte Diluvial})latt'aii östlich von Rost<M k flacht sich ganz allmäh- lich nach Norden zu circa 20—1.') m ab; die Orte Stuthof, Hövers- hagen, Willershageu, liibnitz zeigen blockarmen oberen Geschiebe- lehm, zum Teil auch wenig untere Sande in dem Niveau von circa 10 bis 15 m, meistens noch mit einer 0,5 l m dicken Bedeckung von Heidesand, dessen Dasein dem Feldbau recht hinderlich ist, dagegen für den schönen Buchenbestand in der südwestlichen Ecke der Hostocker Heide nicht nachteilifj ist. Also ein eigentlicher Uferranfl fehlt hier. Ein ähnliches Uebergreiteu des Sandes als dünne Decke diluvialer Ab- lagerungen ist im Westen am Warnowufer bei Oldendorf und Gehls- dorf und im Osten in der Ribnitzer Gegend zu beobaditen. Im Norden ist die Hdde von dem gegenwärtigen Strand gewissermassen willkfirlich aligoschnitfcen, ihr Gebiet reicht auf den Ostseegrund weiter hinaus. Abgesehen von zwei unbedeutenden B:u lilUufen mit ganz Hachen Ufern enthält sie keine Thäler. Dagejict n liiilien sich in fiaiheu Bodensenken weite Torfmoore gebildet. Das Terrain liegt 5 15 m ttber der See, nach Osten etwas ansteigend.

Der Boden wird von feinem gelbem Sand gebildet, der zuweilen zu kleinen DOnen aii%eweht ist. Seine Mächtigkeit ist mehrere MetOTt dnrli fehlen genauere, über 5 ni Tiefe gehende Bohrprofile. In ganz frischen Abbrüdien kann man fiiiie Schichtung, zum Teil mit diskor- danter Parallelstruktur beobachten. Sehr typisch ist die Ortsteinbildung, die in der Tiefe von 0,3 0,5 1 m stattfindet und fast durchgängig aller Orten folgendes Profil liefert: auf dem gelben Heidesand 0,2 bis 0,5 m Ortätein als feste zusammenhängende eisenbrauue Schicht« von verkittetem Sand mit saurem Humus und wenig Eisen, darauf circa 0.;^ m grauer humoser, seines Eisengehaltes beraubter Sand, wegen seiner Farbe sogenannter Bleisand, und darauf oft je nach der T^age in Niederungen noch reiner Humus oder Torf. Die Baumwurzeln ver- mdgen nur ausnahmsweise die Ortsteinschicht zu durchdringen, daher überall flaches, weit in der Horizontale verzweigtes Wurzelwerk und häufige Windbrüche; daher aber auch in den niedrig gelegenen, feuchten Stellen, auch vom Seeklima begünstigt, ein bei dem schlechten Boden Ui>erraschend ü])pi<>;('r Forstbestand, ni^ht allein von Nadelholz, sondern auch von Eichen und Buchen.

Nur an wenigen SteUen tritt in der Mitte der Heide die Untere läge des Sandes, ab G^chiebemeigel oder Eieslager,' in kleinen Kuppen ntdie an die Oberfläche.

Von einer breiten sandigmoorigen Niederung bei Dierhagen, die als Fortsetzung des Ribnitzer Recknitzthaies gelten kann, unterbrochen, setzt der Heidesand nordusthch nach dem Fischland weiter, bei Wustrow zunächst noch allein herrschend, alsdann bei der Erhebung des Landes nördlich von Wustrow und bei Nienhagen und Alten- hagen immer noch die 1 4 m dicke Decke der dortigen Geschiebe- mergel und unteren Sande dildend und auch hier vorzOglich schön die

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Die mecklenbai^cheii HShenrftcken etc.

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Ortatembüdung mit dem ilcimit zusaninienhüngenden «rrellen Farbenwechael von schneeweiss zu gell), braun, rot und schwarz zeigend.

Von Ahrenshoop an zeigt der flache Darss bis Prerow nur den reinen lieideöaud, mit seinen Moorsumpfeu und dem mahlendeu Suid ffewiss jedem Wanderer miTergessUch.

Die flache Insel Zingst Bcfalieast sicli mit gleicher Beschaffraheit im Osten an.

Die anderen Gebiete iiördlic h des Geschiebestreifens II zeigen teils den gemischten Typus mit reichlichen untoren Sanden, t^ils entwickeln sie, z. B. am Gahlenbeckersee, auch weiter alluviale Moor- und Saud- uiederuugen.

m Die Beziehungen zar Eiszeit.

Was die Entstehung der Geschiebestreifen anlangt, so geht aus den oben mitgeteilten Beobachtungen über ihren geologischen Bau (s. S. 64) hervor, dass dieselben nicht den Endmoränen moderner Glet- scher gleich sind; vielmehr sind sie zu bezeiclinen als die geschiebe- reichen Grundmoräuenabsiitze des sogenannten oberen Dilu- rinms')« welche nur in geringer Mächtigkeit (0 8 m) auf schon vorhandenen Bodenerhebungen des UnterdiluTiums und Fl5tzgebir<^es auf- und angelagert worden sind. Dennoch ist es w^en der Analogie mit den in Skandinavien -) als Endmoränen bezeichneten, unseren Geschiebestreiten entsj)reclieudeu Höhenzügen wohl gerechtfertigt f auch unsere Gesehiebestreifen als Endmoränen oder endmoränenartige Anhäufungen der Gnmdmoräne der letzten Vereisung Norddeutschlands zu bezeichnen. Aehnlich ist auch die Deutung, welche Berendt dem mecklenburgisch -pommerisch- preussischen Höhenzni^e gibt'), indem er sagt: „Wo diese Rückschritte des Gletschereises laugsamer erfolgten, wo längere Zeit Stillstände stattfanden oder wo gar gleichzeitig anderweitige Bewegungen in der festen Erdrinde überhaupt stattfanden, da konnten diese Aufquel- lunffen (nämlich durch den Gletscherrand heryorgerufen) auch bedeu- tender und nachhaltiger werden; da mussten sich aber auch andererseits Anhäufungen des Schlammes und der Geschiebe, mit einem Worte, da

*) Vgl. I. Beitr. z. (ieol, Mecklenb. 1871*. S. 54: ... „läset die Gemshiebe- itreifen nicht als blosse Schuttwälle einer Endmoräne erscheinen."

*) Heiland: lieber die glacialen Bildungen der norddeutschen Ebene. ZeitBchr. d. d. geol. Ges. 1879, S. 68 f., S. 105. De (leer: Lieber die zwt'ito AnabreituDg des skandinavischen Landeises. Zeitschr. d. d. geol. Ges. 1885, S. 177 (Ueberaetzung des schwedischen Aufsatzes in Geol. Fören. FörhandL VII, 1884» S. }:',»;— 466). .\»'hnlich fiir Jütland nntl Schleswig von Johnstrop ange- noxmnen: Oversigt Over d. geogn. Forhold, i Danmark 1882.

*) Zeitsolir. d. d. geol. Ges. 1879, S. 18.

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306 Gebito, [92

niussten sich vollständige End ni o r ü n e n bilden. " Letztere Auf- fassung weicht von der meinen nur darin ah, dass ich die Erhehnn«^en des Bodens, (He Höhen von Flötzgebirgswellen und unterem Diluvium ak bereits fertig ounehme und uicht durch Aufquellen am Rande des ROckzugsgletschers «ntstaaden erkläre.

Ein sehr beachtenswertes Analogon fiir die Auffassung der „Ge- schiebestreifen" als ,,Endmor'änenartige Anliäufungen der Grundmoräne" liff^ ni die quer zur Be\ve».'uri!:{srirhtung des Inlandeises gestellten, hoch gek'genen (irundmoriinen - Absätze vor den eisfreien ,,Niniatakker'' in Grönland. (Vgl. Kornerup, in Meddelelser om Grönland I, 1879, S. 133, Tab. V, jy und !>".)

Meine Untersuchungen naben nun ergeben, dass in Mecklenburg nicht bloss drei, sondern zehn, in ziemlich gleichen Entfer- nungen voneinander gelegene, solcher Endmoränen exi- stieren und dass auch die im Nordost und Südwest angrenztnden Ge- biete dieselben Eudmoräuen, mit ziemlich denselben Distanzen, besitzen. Letztere Thatsaehe verdient besonderer Blrwähnung gegenüber anderen AttsfDhrungen Klockmanns die allerdings beäite von Wahn- schaffe*) zum Teil korrigiert sind.

"Weiter hat sich er^'eben, dass hinter jeder dieser ,.End- moränen' ein breiter Sti t ifen liegt, teils in demselben Niveau wie jener, teiJs niedriger gelegen, zum Teil auch mit grösseren Er- hebungen, in welchen die, als oberer Geschiebemergel oder Deck- sand oder Steinbestareuung entwickelte Grundmorftne mehr oder weniger stark zurücktritt oder ^anz fehlt und in wdchem im normalen Falle die Verhältnisse der „Bandr^-El^ rif n ') und der Thals a n d - II e i d c e b e n e n sich ent wickeln. 1 )iesell)en Verhält- nisse tindt-n sich nacli De Geers Schilderungen auch im Norden und nach Kornerup in Grönland, wo sich die Sandebentu, „Sand- sletter^S vor dem Rande des Binneneises ausbreiten. (Vgl. Meddd. GrOnl. I, Tab. V, Fig. A' und A''.) Diese Sanddistrikte sind bei den höhl r fjel. <r( lu 11 mittleren Geschiebestreifenarealen, welche die Wasswr- scheide oder die eigeiitliehe Seenplatte bilden, nur zu den Sandr-Ehenen mit randiicher Steinbestreuung ausgebildet, ohne grössere Stroniläufe, sondern mit den zahllosen isolierten oder perlschnurartig aneinander gereihten Seen und Mooren; dieselben zeigen genau den nämlichen Charakter wie die Geesthöhen der Lflnebuiger Heide. An den altoQ nördlichen und sQdlichen Abdachungen auf welche NB. weiterhin wieder <lie Höhen von Kügen einerseits und von der Llineburger Heide andererseits folgen an diesen Abhängen haben sich aus den ge- neigten Sandr-Ebenen weiterhin die echten feiusandigen Thahsand-Heide- ebenen der breiteren Flussthäier entwickelt.

In vielen der Decksandablagerungen fanden sich die „D r e i k an t e r'* oder „Kantengerdlle*^ als Zeugen der einstigen Thätigkeit der

V) Die aüdl. Vorbreitun^^cnze des oberen Ceschieb6mei]gela etc. Jahrb. d.

preuss. geol. LiindoHunst. f. Berlin, S. 238— 20t).

*| Kefeiat hierüber im N. .Tiihrb. f. Min. 188ö. II., S. 323.

^1 Von K. Koilliark <:Mscliil(b'rt in: Vgl. Beob. an islftnd. Gletscher- und uorUdeutechen Diluviulubla|;eruugen. Jahrb. d. pr. geol. L.-A. f. 1883, 159

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93]

Die mecklenburgiBCben Höhenrücken etc.

307

Abschmelzwässer ; ihre Bildungsweise ist kürzlich von Berendt sehr anacbaidich erkl&rt worden'), und ich kann seiner Deutung nur voll- ständig beistimmen.

Die obigen Untersuchungen bestätigen auch den von Berendt*) aUBgesprochenen Satz, dass „Heidesand und Thalsand einerseits'' (welche übrigens völlig identische Bildungen sind und von denen ersterer, wie gezeigt, nicht bloss eine altalluviale Uniränderung der Nord- und der Ostsee ist), „Geschiebesand und GeröUbestreuung andererseits als gleich- seitige Bildungen zu erkennen" sind.

In den Öeschiebestreifen finden sich unter einer sehr dünnen, oft zu blosser Steinbestreuung liorabsinkendon I)«»fko von „()berdilu\ium* abgesehen von dem älteren Kern, der teils von Flötzgebirge, teils von echtem Unterdiluvium, nämlich unterem Geschiebemergel oder unteren Sanden und Thonen gebildet wird, fast immer noch Sedimente, aller- meist Sande, doch auch Thone, die man nach der bisher Üblichen BSassifikation als unterdiluvial bezeichnet hat. Auch die skandinavi- schen Endmoränen sind im Inneren oft geschichtet*) und zeigen die Sedimente hier auch zuweilen Schichtenstörungen.

Die hinter den einzelnen Geschiebestreifen gelegenen sandrartigen ebenen Flächen und ebenso die innerhalb und ausserhalb derselben be- findlichen Sandkegel bestehen aus Sanden, Granden oder Kiesen, die man als unterdiluvial bezeichnet, und sind bedeckt von einer mehr oder weniger dünnen, sich meistens scharf von ihnen aMu benden Decke des olterdiluvialen Decksandos oder auch nur der Steinbestreuung: nur zu- weilen muss man diesen Decksand als die oberste durch Verwittennig resp. durch die Kultur umgewandelte Decke der unteren Sande be- trachten, nicht als eine fremde diskordante Ueberlagerung. Man muss naturgemäss diese «Sandr* als die Absitze der Ton dem jeweiligen Gletscherrand in grossen Massen abströmend«! SchmebEi^sser betrachten, wt'ldic das nordische Gesteinsmaferial je nach der wachsenden Ent- ferrnin^ von der endmoränenartigen (ilacialanhäufimg der Geschiebe- streifen als Kies und Grande (mit diskordanter Parallelstruktur) oder feinen Spatsand oder endlich feinsten Heidesand ausbreiteten. Alle diese Sandmassen sind also nahezu gleichalterige Bildungen mit den Grundmoränen absetzen des oberen Diluviums, auf die- selbe Ursache zurückzuführen, nUmlicli das Y orschreiten , periodische Stehenbleiben und Abschmelzen des nordischen Gletschers zu ein und derselben Periode; sie verhalten sich genau ebenso wie die ganz all- gemein unter der eigentlichen Grundmoräne von sogenanntem unterem Ueschiebemergel konstatierten Sand- und Gerölllager, die wir meistens auch nicht als präglacial zu bezeichnen haben (vgl. meine Ausführung hierQber in Zeitschr. d. d. g. Ges. 1881, S. 568). Wir müssen dem-

') Geachiebe-Dreikanier oder Pynunidai-Geschiebe. Jahrb. d. pr. geol. L.-A. für 1884, 8. 201-210.

^ Die Sande im norddontsrhon Tieflande und die grosst^ diluviale Abschmelz- periode. Jahrb. d pr. geol. L.-A. für 1881, S. 482—495 ; Zeitschr. d. d. geol. Ges. 1882. a. 207.

^1 De G Oer a. a. 0. S. ISO f. Warum diene Sedimente im Meere abge- lagert und geschichtet sein solleOi ist mir nicht klar.

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308

GeiuiU,

[94

gemäss die bisher Übliche Klassifikation in dieser Beriehimg indem und können die obengenannten Sande, Grande und Kiese der „Sandr" nicht mehr als nUnterdiluTial" bezeichnen, denn sie gehören ihrer Bildung nach zum „Oberdiluvium*' oder „Deckdiiuvium". Wenn wir mit Berendt schon die viele Meter mächtigen feinen Thal- und Heidesande ak juugdiluvial erkannt haben, so mfissen wir ebenso die grilbertti Sandr-Araike ans der nSheren Um- grenzung der Gesofaiebestra&n als gleichaltaige Faciesbüdungen be- trachten, niclit abor bloss die gegenüber ihrer Mächtigkeit versch?mi- dende Steinbestreuung und den dünnen Decksand als alleiniges Aoqui- vab'nt der Heidesando erklären. Diese, das bisherige , Oberdiluvium" darstellend, sind ebenso wie die in den Gegenden mit „gemischtem Typus" insel- und zungenförmig in den Sandr-Gebieten auftretenden Ab- lagerungen von normalem obeiram Geschiebemergel dadurch ssu erUSien, dass der Gletscherrand nicht ein fOat allemal sich auf eine bestimmte Grenzlinie zurückzog, sondern mehrfach oscillierend wieder, ganz oder in Zungen, sich etwns vorschob und dabei seiiie Grundniortine als dünne oberste I)»'rke (Uli fast gleielialterigen Sedinientiii aulset/.te.

Als die Gruudniuräucn-Ablagerungen solcher zuugeniörmiger Aus- läufer oder auch der zungenförmig nach SQden ausgebuchteten und dadurch nicht mehr einfachen GrenzUnie des jeweiligen Gletscherrandes können vielleicht auch die oben im ersten Teil mehrfach konstatierten Moränen-Querricgel oder -Ausläufer betrachtet werden, so dass man in ihnen nicht ein älteres Moränensystem zu suchen braucht.

Durch die Zuziehung eines grossen Teiles der bisher alo unterdiluvial bezeichneten Sedimente (haupträcUich Sande, aber auch häufig Thone) zum OberdiluTium wird auch die bisher aufföUig geringe Mächtigkeit des letzteren erheblich yermehrt. Sei es, dass man dasselbe als Produkt einer selbstihuligen zweiten Vereisung erklärt oder als Ablagerungen während des Endes der einzigen Eiszeit in jedem Fall mu.sste die geringe, V* ^^^^ höchstens 8 oder 10 m betragende Mächtigkeit dieses „Oberdiluviums'' auffallen, welches doch im Stande war, ebenso massenhafte und grosse Geschiebe aus dem Norden herbei- zubringen wie das bis über 100 m mächtige Unterdiluvium.

Die als notwendig erkannte Al)l(»sung eines beträchtlichen Teiles von Sedimenten aus der bisherigen Abteihmg des Unt^rdiluviums ') wird nun freilieh wegen der petrographischen (ileiehiieit oder Aehnlichkeit mit denen des echten Unterdiluviums viel Schwierigkeiten im einzelnen Falle bereiten; vielleicht wird man aber auch merbei einige petro- flraphisch «leitende* Mineral- oder Gesteinsgemengteile finden. Zunäclist kum man auch stratigraphisch noch nicht so eiäach die Grenze ziehen, dass etwa nlh>s. was über dein .vmteren Geschiebemergel" ruht, als zum Deckdiluviuin gehörig m betrachten ist.

Die Geschiebestreifen sind als endmoräuenartige Anhäufungen von Glacialschutt anerkannt. Femer ist es erkannt, daas dieselben am Ab-

') Zu einer gleichen Autiudsung ist auch Keilliack in seiner mir kürzlich SOgSgangenen Untenuchang über die Lagerung-sverhiUtnis^e den Diluviums von Lauenlrarg a. E. gekommen. Vgl. Jahrb. d. pr. g. L.-A. für lb^4 (B«rlin Ifiib)» S. 2ö8.

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95]

Die tnecklaibargiachen Hdhenrttcken etc.

309

schluss der Vereisung Norddeutäclilands abgesetzt worden sind. Es fragt sich nun, ob diese Endmoränen den Abschluss der einzigen Eis- zeit oder der zweiten, Oberhaupt letzten Yerdaung darstellen. De Geer nimmt ftr Skandinavien zwei, durch eine Intcwgladalzeit getrennte, Vereisungen an und erklärt seine, mit den unseren oben verglichenen, Endmoränen als der letzten Eiszeit angehörig. Das Gleiche ist in Nordamerika der Fall.

Die mecklenburgischen und nächstbenachbarten Geschiebestreilen haben keine entecheiaende Thateache zur Frage der mehrfochen Ver- eisung geliefert. Die Frage, ob die oben genannten Querriegel oder Ausläufer als Reste von früheren, etwas anders liuifanden Endmoränen zu befrachten sind, ist zum mindesten offen zu lassen, mit mehr Wahr- scheinlirhkeit jedoch zu verneinen. Je weiter nach Norden, je deut- hcher müssen die echten Endmoränen ausgebildet sein, einmal wegen der Nihe des Gletecherbeginnes, wo inteninTere Moranenablagerungen zu erwartoi sind, so^uin auch wegen der kOizeren Zoi, die über sie verstrichen ist und noch weniger DenudationsTerwischungen erlaubt«. Bei uns tragen diese Moränenanhäuftingeii des periodisch zui-ückge- wiclicnen 01et>-clierrandes schon mehr den Charakter der Grundmoräne; nocli weiter südlich, in der Lüneburger Heide, sind die Geschiebestreifen teilweise noch undeuthcher. Und noch südlicher, bis zum Rande des noirdiBchen Diluviums Oberhaupt, werden sie naturgemSss immer Ter- waschener, schliesslich überhaupt gar nicht zur Entwickdung ge- kommen sein. Doch sind auch dort, in Sach.sen durch neuere Funde von ,.Dreikantem" Spuren vernmtlicher alter nordwestlich - südöstlich laufender MoränenzUge aufgefunden, nämlich: Copitz a. Elbe Dippels- dorf — Buchholz und iS'tolpen iiadeburg Zschorna.

Wenn wir also an der Oberfläche unseres Dfluviimis in ziemlich gleidieai AbslAnden endmoranenartige Ablagerungen finden, die nach Norden zu immer deutlicher werd n. s o brauchen wir aus diesem Grunde nicht eine zwei- oder mehrfache Gletscherbedeckung anzu- nehmen: und auch etwaige sich kreuzende oder abschneidende Moränen- züge können durch zimgeuförmige Ausläufer des Gletscherrandes erklärt wwden. Auf ahnliche Weise können auch die verschiedenen Schrammen- sjsteme auf dem Untergründe ihre Erk^rung finden. (Vgl. such die im gegenwärtigen InlaiideiB Grönlands sich kreuzenden, durch Vnter- grundsklippen, die sogenannten Nunatakker, abgelenkten Qletscheranne mit ihren oft einander entgegenstehenden Moränenzügen : Korner up, Meddelelser om Grönland 1, 1870, -S'. 186 u. f„ Tab. V.)

Für die Annahme einer Interglacialzeit wird die überall') durch- fthrhare Trennung des Diluviums in ein unteres und oberes, femer die Diskordanz und häufige Sdlichtenstöning zwischen beiden und endlich das Auftreten mächtiger, oft fossilführender Sedimente zwischen dem oberen und unteren fJeschiebemergel nngefülirt. Hierin liegt der Schwer- punkt <lieser Autias>uiig und ich gestehe, thi>s e^ leichter ist, alle diese Erscheinungen durch Annahme einer Interglacialzeit zu erklären, als.

Vgl. auch das schön aut'gt'bchlossene Profil an der Stoltera bei Wame- mOnde, YIL Beitr. z. Qeol. Meoklenb. 1885.

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310 Geinitz, Die meckleaborgischen Höhenrücken etc.

wie ich es kürzlieii vi rsuclite auf die subglacialeu und bei Oscilla- tionen des Gletschers heiroigeiufenen Sedimentierangen währaid einer

einzigen Eiszeit zurUckzuflÜiren.

Zmaäch.st abgesehen von den faunistisrl in und floristischen Ver- hältnissen der Sedimente möclite ich aucli heute tiocIi die Fra«^e be- jahen, ob es niot^Heh ist. dass bei immer tortdaneriHleni Ei.s- und Moränenuachschub zwischen zwei oder mehr, fast durchgängig zu kon- statierenden, ungeschicliteten Moränenbänken mächtige Sedimente ab-- gelagert werden konnten und diese, sowie die an anderen Stellen von der oberen unmittelbar bedeckte untere Moränenbank durch die obere in ihrer ursprünglichen Lagerung und Schichtung auch gestaucht und gefaltet werden konnte. Nicht nur tinden sich häutig Schmitzen und dünne Schichten von Sand, Kies oder Thon innerhalb der Geschiebe- luergelbänke, oft von weiter Ausdehnung, oder sind die Geschiebemassen an ärer unteren Grenze ausgeschlemmt zu Bftnderthon, Sand oder Eies, sondern die Tiefbohrungen haben auch vielfach nicht nur zwei von Sedimenten getrennte Gesehieb(Miiergelbänke nachgewiesen, sondern drei oder vierfache solche Wiederholungen, die jedent'allH nicht auf zufällige Schmitzen oder ^n rade zufällig getroffene Auskcilungen einer einzigen Mergeibank zurückgeiiihrt werden können. l)ass wir die Diskordanz und Schichtenstorungen gerade zwischen dem sogenannten oberen Dilu- vium und dem Haupt- oder TTnterdiluTium so oft beobachten, hat seinen Grund in der uns zugänglicheren Lage jener Partien nahe der Oberfläche; bei den tieferen Bänken wird wohl dasselbe zu erwarten sein.

Da.ss sich auch Süsswasser- und sogar marine Ablagerungen mit tierischen und pflanzlichen Bewohnern, die sogenannten interglacialen Bildungen (Diatomeenerde, Wiesenkalk, Torf u. a.) durch Zufbllung Ton see- imd flussartigen Depressionen inmitten der glacialen und sub- i^lacialen Absätze einer einzigen Eiszeit bilden können, suchte ich kürz- lich narliztnveisen Dagegen erhob Keilhaek^) in seiner Unter- suchung des interglacialen Torflagers von Lauenhurg das gewichtige Bedenken, dass die jenes Torflager bildenden höheren Pflanzen einem milderen Klima, demselben wie es jetzt dort herrscht, entsprechen.

Wenn sich solche faunistische und fioristische Bedenken noch weiter- hin erheben, so wird man natürlich nicht mehr /.u eisfreien «Oasen' seine Zuflucht nehmen dürfen, sondern voll der Annahme zweier durch eine wärmere Inteiglacialzeit getrennter Eiszeiten zustimmen müssen.

Anmerkung. Nach Ahschluss vorstehender Arbeit kommt mir die Notiz von Bereu dt (Zeitschr. d. d. i^eo]. Ges. 1885> S. 804) zu, in welcher gezeigt wird. dftSB der Joammsthal-Oderberger Gesohiebewall unterdiluTialen Amn ist.

Dies ist eine willkommene Bestätigung meiner Dant/iingen, nach welchen unsere I JeHchiebestreifen nicht bloss von oberdiluvialem Gescbaebemergel oder Deckkies gebildet werden, sondern alte Bodenwellen darstellen, welche von gering mächtigem aber blockreichem Oberdiluvium bedeckt werden; dasselbe ist bei dem Oderberirer iicschiebewall der Fall, wo auch das Oberdila^'ium nicht ganz fehlte so dass diese Bodenwelle nicht eine Insel, sondern eine Untiefe für die .zweite' Vereisung bUdete.

') Ueber die Entstehung Her mecklenb. Seen. Arch. f. Nat Hecklenb. 1885» S. S. A KaUt. d. mecklenb. üeen, 1885, S. 12.

*) Uebor ein intoighunales Torflager im DilaTimn von Lanenbnrg an der Elbe. Jahrb. d. pr. geol. L.-A. ftr 1884, S. 211—288.

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Uebersicktskart en

der Gesdiek'slreii'en ( Eiiduioraneii) laMecldenLurij.

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inmiraiiaiiiijfjjDiiifflaB

4 X

Forechxm^en

zur deutschen Landes- und Volkskunde

im Anftrapp Jer

Centraikommission für wiasenBchaltliclie Landeskunde von Deutachland

D**- Bichard Lehmann,

Sfdkimd» «B dar Atodanl« wa Mflaflar ftw.

Heft 6>

Dar

Einfluss der Gebirge

auf das

Klima von Mitteldeutschland

TOD

Dr. R. ASSMANN,

' OhMhMuuter im KösigL prenra. Meteoroloig. Inatiuit und Dozent für Meteorologie za Berlin.

■it 10 FrolltoB wid 7 Übenriehtskarten.

STUTTGART. VERLAG VON J. JSNGELHORN.

1886.

uiiftiimi

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ie ,,Forscliiiiigon zur deuts-clien Landes- und Volkskunde" sollen div/.u helfen, die heimischen landes- und volkskundlichen Stndien zu fordern, indem sie aus lallen Gebieten derselben bedeutendere und in ihrer Tragweite über ein bloss örtliches Interesse hinausgehende Themata herausgreifen und darüber wi^enschaft- lich« Abhandlungen herroimgender FaehmSimer bringen. Sie beeelurinken sich da- bei nicht auf das Oebiet des Deutschen Reiches, sondern so weit auf mitteleurop'aLschem Boden von gesclilossenen Volksgeraeinschaften die deutsche Sprache geredet wird, so weit soll sich auch, ohne Rücksicht auf staatliche Grenzen, der Ge.sichtskreis unserer Sammlung ausdehnen. Da aber die wissenschaftliche Betraclitung der Laudciinatur die Weglassuug einzelner Teile aus der j[>hyäidchen Einheit Mitteleuropas nicht wohl ge- fltftiton würde, so sollen auch die y<m einer mehideutochen Bev(fl]cemng eingaiommenen Gegenden demelben samt ihren Bewohnern mit zur Berücksichtiiping geiangoa. Es werden demnach ausser dem Deutschen Reiche auch die Länder des cisleithamadken Oesterreichs, abgesehen von Galizien, Bukowina imd Dahnatien, ferner die ganz* Schweiz, Luxemburg, die Niederlande und Belgien in den Rahmen unseres Unter- nehmens hineingezogen werden. Ausserdem aber sollen die Saclisen Siebenbürgeus mit berttcksiditigfe werden und aucb Arbeiten Uber die grösseren deutschen Ydks- inseln des Russischen Beichies nicht aosgeschlossen sein.

Unsere Sammlung er.sch(>int in zwani^lnsen Heften von ungefähr 2 bis höchstens 5 Bogen; jedes Heft enÜiält eine voUstündige Arbeit (ausnahmsweise von kürzeren auch mehrere) und ist für sich käufhch. Eine entsprechende Anzahl von Heften wird jedesmal zu einem Bande vereinigt, und v^rd im Jahre etwa ein Band im Umfange Ton 40 45 Bogen erscheinen. Der Preis eines solchen wird ungefthr 16—18 Mark betragen»

Bisher sind erodiienen:

Hsft 1. P(M I^ifli'ii Mecklenburgs, von Dr. E, Heinitz, ord. Prof, der Mineralogie «nd Geologie an d>'T ThiivorsitÄt Rostock. 1885. 32 Seiten. Preis 80 Pfaunig.

Heft 2. Di«' 0 b I 1 1 Ii I i M i s eil e Tiefebene und ihre Randgebirge, von I)r. Richard LepHiUK. ord. Prof. der Geologie und Direktor der Grosaherzoglich hcssiachen geo- logis( hen Landesanstalt in Darnistadt. Mit UebersiobtBkaite des obonrheinischen Cto- birgsHjHic'Uis. 1885. 58 Seiten, l'reis M. 2.

Heft 9. Die Stftdte der Korddevtffchen Tiefebene in ihr«r B«iiehang zur B 0 d e II rr e ä t a 1 1 u 11 1: . von Dr. F. G. Ha h n . ord. Fwt. der 'Eedkonde an der Uni* vorsität Königsberg?. löH.'). 76 Seiten. Preis. M. 2.

Heft 4. Das MüQchener Becken. £iuBeitrag zur physikalischen Geographie Sttdbayerne, TOB Cdr. Oraber. 1885. 46 Seiten. PkeieM.1. 60.

Heft 5. Die in e c kl (■ n b u r K i H ch en Höh en r ü k en (Geschiebestreifen) und ihre Beziehungen zur Eiszeit, von Dr. E. Geinitü. ord. Prof. der Mineral Offie und (ieologie an der Universität Rostock. Mit zwei Uebersichtskärtchen und zwei Profilen. 1886. 96 Seiten. Preis M. 3. 10.

Heft 6. Der E i n f 1 u s s der Gebirge auf das Klima von Mitteldeutschland, von Dr. med. et phil. R. Assmaun, Oberbeamter iui KdnigL preuss. Meteorologischen Institut in Berlin. Mit 7 Karten und 10 Proffleu. 1886. 78 & Ma IL 5. 50.

Demnftebst erseheinen:

Heft 7. Die Na tionalit&ten in Tirol und die wechselnden Schicksale ihrei

Verbrcitunj», von Dr. H. ,1. Bid ermann, Prof. an der Univereität Graz, und

Heft 8. Poleograpbie der ciiubrischen Halbinsel, ein Versuch, die A.nsiede langen Schleswig-Holsteins in ihrer Bedingtheit durch Natur nnc Geschichte nachiuirei^en, von Prof. Dr. K. Jansen in KieL

t«r*n»s«ii

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DEK EINFLÜSS DER GEBIRGE

auf das

Klima von Mitteldeutschland.

Von

Dr. med. et phil. R. Assmann,

ObwbMOkter im Königl. PreaMiioheii Meteorologiaelieo Institut so BmUd and DM«iit fBr

Mit Mehn Ftofiten tmd sieben UeberHchtakarten.

STUTTGABT. VERLAG VON J. ENGELHORN.

1886.

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VnA vom Oebrtflwr Krtaer In Bhrtigart.

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Inhalt.

Seite

Eiiilf.'itunß'

Das lioobachtunjjfiniubjriiil

Das lii'obachtunjfiif^ebiet

Das Bodenrelief von Mitteldeutachland

Die klimatischen VerhilltniRse von Mitteldeutschland in ihrer Abhängig- keit von dt'n Bodenn hcbungen . . .

A. Luftdruck und Winde

B. Temperaturverhältnisse

C. Hjdronieteore

a. Bewölkung

b. Niederschläge

KUmatisdie Bedrke in liitteldeiitBdiluid

6 7

8J

17 18

;io

57

60]

31 :> 31»;

317 818

327 328 34.-) 367 367 370 d79

YtmiUkaiB dar MbIa «id Kaitsi.

Zehn Profile des mitteldeutschen Bodenreliefs.

Karte 1. Luftdruckmittel der Jahre 1884 und 1885 und Windrichtungen.

Kart^ 2. Luftdnirknnttel der Jahreszeiten aus den Jahren 1883, 1884 und 1885. Karte 3. Aul den Meeresspiegel reduzierte vierjilhr. Temperaturmittel 1882—1885. Karte 4. Anf den [Meeresspiegel redmierte Mitteltemperataren det Deaember 1879

(Temperatur-Umkeh rnn : Karte 5. Schneehöhen und .Miniiuiilteuijjeraturen am 8. Januar 1886. Karte 6. Jahresmittel der Bewölkung morgens in Prozenten. Karte 7. Niederschlag in den Jahren 1882, 1888, 1884 und 1885.

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Einleitnng.

Das KUniA eines Landes ist nicht allein Ton seiner grösseren oder geringeren Entfemung vom Meere oder von seiner Höhenlage Ober dem Spiegel desselben abhängig, sondern wird rik Ii beeinflusst von Faktoren, welche diircli eine gewisse mehr oder weniger starke Femwirkung die dem Lande sonst eigentümlichen Verhältnisse ab- indem. Das Meer, wie jede andere Quelle sriSsseren Wassergas- reichtumes der Luft, äussert seinen Einfluss nicht nur auf die ihm selbst zugehjbigen Luftmassoi, sondern wirkt, vornehmlich dnrdh Ver- niittelung Ton Luftströmungen, in die Ferne auf seine weitere Um-

ehnlich, aber doch in maunigfach anderer Weise, wirken Bodenerhebungen auf die ihnen benadibarten Landstriche ein, indem sie denselben ein eigentOmliches, 8tren|f örtliches GkprSge verleihen.

Besonders chanikteristisch wird dieser Emfluss der Gebirge dann, wenn die Unterschiede der Höhenverhiiltm'sse auf kleinem Gebiete bedeutende, wenig durch Uebergänge vermittelte sind. Unter diesen Umständen können verhältnismässig unbedeutende aber aus der Tiefebene un- mittelbar aufsteigende Höhenzüge eine grössere Wirkung auf ihre Um- gebung ansahen als hohe Gebirge, wäche in sanfter Böschung aus- Uufen.

Befinden sich aber auf einem räumlich nicht zu weit ausgedehnten Gebiete mehrere Bodenerhebungen mit steilen Rändern und zwischen ihnen Flach- oder Tiefländer in erheblicher Ausdehnung, so kompli- zieren sich die Erscheinungen, indem die Wirkungen des einen Höhen- zuges die des andern beeinflussen. Es entstehen auf diese Weise klima- tische Bilder von mosaikartiger Mannigfaltigkeit und scheinlKin r Un- entwirrbarkeit, bei welchen die Aussonderung der auf dieselbe Ursache zurück fUlirbaren Erscheinungen erlieldidien SchwieriL^keiten begegnet.

Der Versuch, aus einem derartigen bunten WCtttibilde einmal dtu markantesten Faktor, den Einfluss der Bodenerhebungen, auszu- sondern und dessen Wirkungen ttberall, wo sie unzweifi&aft auftu- decken sind, nachzuspüren, dürfte teils ein meteorologisches Interesse beanspruchen, teils auch einen gewissen ge<^raphischen Wert haben. Ein meteorologisches Interesse wesentlich aus dem Grunde, dasa man

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AQMinft.iwi^

[6

die krumme der mamiigfaQbea Wittenmgserscheinungen durch Aus- sondeniBg des gmieni8eEii.fHiGhaDL Faktors «Qebirgs Wirkung" nicht un- we8enfiu£ Terem&Glien würde; ein geographischefl, da die eoigftltige Duichforachung der l>eia:effenden Gebiete imstande sein dttrfte, manche

neue oder doch weniger beachtete Erscheinung ans Licht zu siehen, oder bekAunte einer veränderten Deutung zu unterwerfen.

Das Beobacktuisgiiiftterial.

Als Grundbedingung für ein derartiges Unternehmen ist das Vorhandensein zahlreicher gut verteilter und sicher bedienter Beob- achtiiiigaafaitioiien zu IjeaeM&ien, denn es handelt sich hierbei aus- schUesdich um Lokalstudien. Die zur Zeit vorhandene Anzahl der Ton Staats weg«i eingerichteten meteorologischen Stationen im mittlsfren Deutschland ist auch nicht im entferntesten für diesen Zweck aus- reichend; sie ist kaum imstande, ein allf'cnieines Bild der Witterungs- verhältnisse zu geben. Für Detailuntersuchungen aber bedarf man eines sehr viel dichteren Netzes von Beobachtungsstationen. Zwar wird der für solche Zwecke ideale Grad der Yollkommeuheit juemals zu erreichen sein, indem ein solcher die Besetzung jedes HOgeb, jedes Bergabhanges, jedes Thaies, jedes Waldes, jeder Wasseransammlui^ u. s. w. mit einer meteorologischen Station zur Voraussetzung haben würde; docli ist es nicht zu bezweifeln, dass eine, wenn auch entfernte Annäherung an diesen idealeu Zusumd für die Erforschung der ein- schlägigen VerhSltnisse Ton erheblichem Vorteil sein mOsste. Ausser dem Königreiche PMssen befinden sich die grosseren Bundesstaaten Deutschlands fast sämtlich auf einem derartigen Oiganisationsstapd- punkte, dass die Vornahme von Detailuntersuchungen möglich und er- folgreich ist. Wir brauchen nur an die betreffenden Arbeiten der königi. bayenschen Centraistation zu erinnern.

In Preussett ist es allein in der ftovinz Sadisen nnd denn NachbailSndem, sowie in der Uckermark ausfUurbar, derartige Unter- suchungen vorzunelmien, da hier auf dem Wege privater Vereinigung ein System von Beobachtungsstationen entstanden ist, welches an Zahl und Vollständigkeit zwar noch weit davon entfernt ist, allen Ansprüchen zu genügen, immerhin aber mit denen des übrigen Deutschlands wohl in die Schranken zu treten vermag.

Der durch den Verfiuser duser Abhandlung im Jahre 1881 be- gründete , Verein für landwirtschaftliche Wetterkunde" hat in der Provinz Sachsen, den Herzogtümern Anhalt und Braunschweig, sowie den thüringischen Gro.ssherzog-, Herzog- und Fürstentümern im Laufe von vier Jahren die Aufzeichnungen von 247 meteorologischen Stationen zur Verfügung gehabt, unter welchen auch die der Mehi-zahl der ni diesem Gebieto Hegenden Stationen des königi. preussischen meteoro- logischen Instituts sich befinden.

£b liegt in der Natur der Sache, dass innerhalb eines derartig grossen Beobachtercorps, welches durch keinen diacqplinaren Rinflos«

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7] Der EbfloM der Oebiige anf da« KHma m Hitteldeatoclilaiid. 317

zusammeiigehalten, sonderu allein durcli seinen freien Willen und sein Interesse an der Sache zur nicht mühelosen Mitarbeit veranias.st wird, Schwankungen iu der Stationszahl und in der VoUständigkeit der Beob- adikmgeii vorkommen mlteseii, daher denn Iflckenloee Aaizeioluiiui|^n dnrdiaus nicht von allen 247 Stationen Torliegen. Eine sorgfältige, stets wiederholte Kritik der Aufzeichnungen und Ausschaltung der un- zuverlässigen h:it indes dazu geftlhrt, dass ein nicht unbeträchtlicher Grundstock dunhaus zuverlässigen Materiales vorhanden ist, w»'lche> ohne jede» Bedenken zu allen Untersuchungen verwandt werden kann.

Bei allen sosammenfassenden ünieraudbungen, bei welchen Mittel oder Summen im folgenden auftreten, sind fast auss( hliesslich iQcken- loee and wenigstens 'fier ToUe Jahre umfassende Beobachtungsreihen verwandt worden. Nur in iranz wenigen Fällen wurden Interpt^lntionen angewandt, wenn z. B. durch einige wenige Tagesbeobaciitimtri n das Mittel oder die Summe eines ganzen Jahres zur Unvolktäudigkeit ge- hraeht wurde. Es wurden in derartigen F&Uen sunSchst die sonstigen Au&eichnnngen der betreffenden Station in ein Verhältnis zu denen der nächstgelegenen, möglichst ähnliche klimatist lie Bodinginigen dar- bietenden gebracht, dann die Werte des ('ntsj)rechenden Zeitabschnittes früherer Jahre untereinander ver<?lichen und auf Grund dieser beiden soi^altig festgestellten Proportionen interpohert.

Dm Beobachtungsgebiet.

Mitteldeutschland, in welches unser obengenanntes Beobachtungs- gebiet des Yereinee tSa landwirtsehafyiehe Wetterkimde fUlt, ist, ab- gesehen Ton semer starken Besetzung mit meteorologiscfaeii Stationen,

verm(jge seiner Bodenkonfiguration ganz besonders geeignet , als Objekt für Untersuchungen über den Einfhiss der Gebirge auf das Khma zu dienen. Es besteht in seinem nördliciien Theile aus fast völlig ebenem Tiefland, der grossen norddeutschen Tiefebene angehörig; es besitz rasser zwei kompakten, steil aufragenden OebiigBaiSoken, dem Bam und dem Thüringer Walde, 8ahlrei<^e kleinere Erhebungen, welche im allgemeinen der von Südost nach Nordwest streichenden Faltungs- rirhtun<r folt^en. Zwischen denselben finden wir ziemlich ebene oder inuldtntörmige Plateaus, wie das Unter-Eichsfeld, die Ilniplatte, Saal- platte und das Thüringer Becken, von ausgedehnten Flussniederungen durchzogen, welche an der oberen und mittleren Saale sowie an der unteren Unstrat und oberen Ihn nur schmal, an der mittleren Unstrut und an der Helme als „Goldene Aue' flSchenartig ausgebreitet sind. Zwischen der unteren Saale, Mulde und mittleren Elbe und dartlber hinaus breitet sich fast ebenes Flachland aus, welches nach Nord und Nordost allmählich zur norddeutschen Tiefebene herabsinkt.

Die oben erwälmte Vorbedingung für eine sorgfältige klimato- logische ünteranehung lokaler Erscheinungen, ein reichhaltiges Beob- achtongsmaterial, zwingt uns, für unseren Zweck den Begriff «Mittel- dentscÜand* in einem etwas anderen als dem rein geographischen

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[8

Sinne zn umgrenzen, indem wir im Norden die ^anzo Provinz Sachsen dazu rechnen, im Südosten dagegen das Königreich Sachsen ausschliessen. Zwar ist das Königreich Sachsen in vorzüglicher Weise meteorologisch organirifiri, doch treten hier die in mancher Beziehung abweichenden Beohachtanga-MeÜioden und -Zeiten einer Vereinigung mit unseren Auf- zeichnungen hemmend in den Weg. Die Grenzlinie Itlr unseren Be- griff «Mitteldeutschland* .soll daher durch folgende Punkte gegeben sein : Salzwedel, Hannover, die Weser entlang, im braunschweigischen Kreise Holzminden noch etwas auf deren linkes Ufer übergreifend, die Werra entlang bis zu ihrer Quelle, femer Koburg, dann entlang der Grenze dis K()nigreidis Sachsen durch Zeitz, Leipzig, westlich von Düben, Wittenberg, Brandenburg, über Seehausen in der Altmark zurück nach Salzwedel. Dieses Gebiet fasst die <_ranze Pro%nnz Sachsen, die thüringischen Staaten, die Herzogtümer Anhalt und Braunschweig mit einem Flächenraum von circa 45 000 4km in sich.

Das Bodenrelief tou Mitteldeatschland.

Der Zweck der Torliegenden Untersochung erhebcht iniYlhfdant eine Schilderung des Bodenreliefe unseres Gebietes, unterstfitzt Ton der

beigegebenen Orientierungskarte. Letztere enthSli alle nennenswerten Bodenerhebungen Mitteldeutschlands, deren hervorragendste Hfilicn in Metern angegeben sind, ausserdem die t\lr unseren Zweck wichtigen khmatischen Bezirke; ferner finden sich sämtliche meteorologische Sta- tionen, deren Beobachtungsmaterial im folgenden Verwendung gefunden hat, Teraeichnet, ihre Namen aber aus ätummangel stark abgekflnt Die norddeutsche Tiefebene, welche in der nördlichen Altmark eine Meereshölie von 2') 8.") m besitzt, erhebt sich in der Richtung nach Sud zu nur äusserst allinTtliüfli. .so dass Gardelegen und Branden- burg noch nicht 50, Magdeljurg 54, Hannover 58 m über dem Meere Hegen. Abgesehen von einigen geringfügigen Bodenerhebungen bei Brunau in der Altmark, wo der Dolchauer Berg eine Höhe von 98 m (relative Höhe über der nächsten Umgebung circa <55 m) erreicht, und der Hügelkette der Hell berge, welche nordwestlich von Ghirdelegen bis m 1()0 m (relativ 11 U m) sich erheben, .sowie der bis 137 m reichenden Hüijelreiheu in dem grossen Forstreviere bei Kolliit/, und Letzlingen in der südlichen Altmark ist die nördlichste erheblichere Bodemmschwel- lung durch den Höhenzug des Elm gegeben, welcher, bis zu 327m (relativ circa 240 m) ansteigend, von Schöningen aus in nordw»tlicher Richtung .streicht, eine Länge von 23, eine Breite von 8 km hat und völlig bewaldet ist. Im Nordftstcn wird der Elm flankiert durch den Lappwald, welcher sich nordsüdlich von We+'erlincfen bis Uber Helm- stedt hinaus erstreckt und Höhen bis 214 m aufweist; Dorm und Elz sind kleine, gesonderte Erhebung^en zwischen Elm und Lappwald. Sttd- westlich vom Elm und mit ihm gleichstreichend befindet sich der iso- lierte Höhenrücken der Asse mit Höhen bis 220 m (relativ 150m), an welchen sich westlich der Oderwald (bis 180 m), weiter westlich ein

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Der Einfln» der Gebirge auf das KUma von Ifittddeatachland. 319

langer und schmaler Höhenzug; ansckliesst, welcher, im allgemeinen west- lich bis nordwestlich streichend, bis an das Deistergebirge bei Hannover herttnreicht. Dieser HSheazug wird durch die Wasserl&nfe der Innerste, Aue, Lumme, Leine mehrfach quer duxchhrochen und zerfällt hierdurch in eine Anzahl getrennter Erhehungen, welche zum Teil nicht un- bedeutende relative Hrdien gegen die zwischenliegenden Niederungen aufweisen. Zur Charakterisierung dieser Verhältnisse führen wir nur die Namen der Hauptabschnitte mit deren Maximalhöhen an. An den Oderwald schliesst sich nach Wert au der Hamberg bei Salzgitter (267 m), weiterhin folgen der Hardeweg, Elberberg (233 m), Lesser- holz, Vorholz, die Eggen (274m), Sauberge (822m), Reesberg, Tosmerberg (295 ni), Escherberg mit dem Hildesheimer und Gronauer Holz; ersteres liegt um 200 m über der Flussniederung der Innerste bei Hildesheim. Der Osterwald steigt bis 398 m und liegt um 324 m über der Leineniederung. Der Borgberg vermittelt den Uebergang zum Deister. Von dieser HOgelkette zweigen sich nach Süd einzeme Bergrücken ab, wie der Heinberg (308m) und die Harplage. Nach der Weser zu reiht sieh ein System von Ketten- höhen an, welche streng von Nordwest nach Südost streichen ; dieselben smd in vier parallelen Zügen angeordnet.

Die östlichate Reihe wird gebildet durch die Siebenberge und Verberge (421 resp. 342 m), den Sackwald und den Rflcbsn des Heberberges bei Gandersheim (308 m); die zweite Reihe besteht aus dem Thüsterberge (445 m), Küll und Duingerberge (283 m), femer aus der Kette des Reuberg. Steinberg, Oberberg, Tödingsberg (348 m) und des Seit er (3S0m); letzterer fällt 28U m steil nach dem Leinethal ab. Die dritte Reihe besteht aus dem Lauensteiner Berg (405 m), dem Ith, dem Hils (460 m) und dem Eifas, wozu noch der Vogeler am rechten Ufer der Weser zu rechnen ist. Die weetlichsto und bedeutendste Erhebung dieses Systems ist der Solling, dessen Hrihen bis r)15 m ansteigen. Das Bett der Weser liegt bei Höxter circa liO ni hoch, so dass die relative Höhe des Solling 425 m betrilgt.

An beiden Ufern der Weser ziehen Höhenzüge von ähnlicher Erhebung, wie der Bramwald und Reinhardts wall (468 m), welche ostwSrte in Verbindung stehen mit dem Gdttingerwalde (bis 438 m), mich Südost aber in das vielfach zerklüftete Hochplateau des Ober- Eichsfeldes übergehen; letzteres erreicht im Hohen Stein 500 m.

VomGöttingerwalde gehen zwei ErheVmngssysteme aus: im Norden der schmale und flache Rücken des Rothenberges (circa 200 m), welcher in der Gegend von Scharzfeld an den Harz sich anlehnt, und die nicht unbetriditlichen Kuppen des Unter-Eichsfeldes; in den Gleichen erreichen dieselben 428 m. Ein ostwärts streichender Höhenzug von circa 400 ni Höhe verbindet dieselben mit dem Ohmgebirge, welches im Barnberge und der HaurTtder KJippe Höhen von 519 resp. 524 m erreicht. Nach Ost zu setzt sich dasselbe in die Bleiche- rüder Berge fort, welche, 405 m hocli. mit dem durch die Wipper getrennten, bis 517 m hohen Dfln die sogenannte Eichsfelder Pforte bilden.

Zwischen Werra und Fulda schiebt sich der ausgedehnte Kau-

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funger Wald ein, welcher im SOden im Hohen Meissner') einen kompakten Oehirgsstock mit einer Hdhe von 751 m (relatiT circa 500 m)

bildet. Das ganze Gebiet zwischen Werra Und Fulda ist ein Plateau, dessen l)edeutendere Eüh^m im Süden liegen, WO daeselbe Sur Hohen Khüu mit *J50 ra auschwillt.

Vom Ober-Eichst'elde aus ziehen zwei schmale und lange Höhen- züge ostwärts : der nördliche heisst zuerst D ü n und geht weiterhin in die oetsfldodtv^&rte streidiende waldige Bergkette der Hainleite über, welche 30 km lang und circa 465 m hoch ist. Nördlich von donelben, durch das Wipperthal getrennt, streicht der flachere Höhenzug der Wind leite (bis- 8r>lin), welcher nach einer niedrigeren Einsattelung in den abj^t rumleten (ieliirjrsstock des Kyffhäuser (470 ni) übergeht. Oesthch vom lJurchbruch der Unstrut durch die Hainleite bei der Sachsenburg Thfiringer Pforte genannt setzt sich der HShenzug unter dem Namen Schmttcke (386 m) und Finne (357m) bis an die Saale fort. Der Schmücke und Finne nordwärts Torgelagert finden wir die Hohe Schrecke (302m), welche als eine Fortsetzung der Wind- leit€ und des Kyft'häusers anzusehen ist. Von dieser durch die Unstrut getrennt, zieht die Wüste nordostwärts , um im Mansfelder See- und Sebirgskreise mit den östlichen Anelänfem des Harzgcljirgee zu Ter- schmäsen.

Allmählich erniedrigt sich das Plateau, in welches der Bhn nach Südost und Ost hin iiiisläuft, bis auf circa 110 m Meereshöhe, nur von unbedeutenden Erhebungen überragt. Nach dem Thal der unteren Unstrut hin ist die Höhe jedoch meist noch über 200 m , während das Unstrutthal selbst bei seiner Einmündung in das Saalthal wenig über 100 m Höhe hat

Die Saale bildet zwischen Korbetha und Halle die Sstliche Grenze dieses Plateaus, wälirend nördlich von Halle eine vorgelagerte Erhebung, das Steinkohlengebirge von Wettin. das rechte Ufer der Saale bis gegen Hernburg hin begleitet. Die Höhen dieser Erhebung, wenn auch an sich unbedeutend, sind doch wegen der umuittelbareu Nachbarschaft des Tieflandes relatiT wichtig. Das Flusebett der Saale liegt bei Halle 75 , bei Bemburg 55 m über dem Meeresspiegel ; die Höhen bei Gie- bichenstein betragen 135, bei Wettin bis zu 174m; der Petersberg hat 241 und der nach Ost zu isoliert Torgeschobene Schwarzenberg bei Niemberg 128 m Höhe.

Westlich von der Eibe zieht ein flacher Höhenrücken von Barby bis in die Nahe tod Neuhaidensieben mit Hfihen bis 180 m; welcher nach Ost gegen da« hinterliegende Tiefland ziemlich steil (mn cirea 90— 100 m) abfällt

Zwischen Schwanebeck und Dardesheim erhebt sich der bewaldet* Rücken des II u y w a 1 d e s bis zur Höhe von 308 m ; zwischen Oster- wick undHombuig der^Fallstein (212 m). Die Spiegelsberge (204 m)

') Der Hohe Meissner ist ein faat völlig isolierte?« Bergiuasaiv, welches sich vorzüglich zur Kmchtung einer meteorologischen Hochätation eignen würde. Die* seihe dürfte ein wichtiges Verbindungsglied zwischen dem Brocken und dem Inaeb- bergc bilden; der Yogelsber^ zwischen Giosson und Fulda wftide dann weiter die VerbindoBg nach den rheinischen Gebirgen herstellen.

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11] . ^ EinfliiM der Gebirge auf das Klüna von Mitteldeaticbland. 321

und der Hoppelberg (3U5m) stellen gesonderte Erhebungen nord- teÜich Tom lun tot.

Vom Ober-Eichsfdde gelit ausser dem im Torigen yerfolgten

Höhenzuge ein zweiter aus, welcher zunächst sQdÖstlich, später östlich unter dem Namen Hainich in der Hohe von 450 470m bis an die Nesse streicht und hier wiederum in zwei Teile zerfallt. Der südlich»' zieht weiter in ostsüdöstlicher Richtunf(, bildet bei Gotha den 434 ni (gegen das Thal der Leina IGüm) hohen Krähnberg) fernerhin den markiertoll Hfthenrflekeii der Seeberge (bis 411 m), weitoriiizi die Drei Gleichen hvi Mühlberg (859, 404, 414m) und schliesst sieh im Grossen Tambuch den Plauenschen HOhen und Reinsbergen bei Arnstadt an, welche über 000 m emporsteigen und in direkter Be- rührung mit dem Thüringerwald-Gebirge stehen. Auch östlich von der Jim zeigt sich eine Fortsetzung dieses dem Hauptgebirge parallelen Höhenzuges, indem aaf einem breiteren Blicken kuppen wie der Singerb er ff bei Paulinzelle (582 m) nnd der Kalm bei Stadt-Remda (546 m) angesetzt sind.

Der zweite vom Hainich abgehende Höhenzug trennt sich von demselben am Alten Berge ( is? m) bei Gross-Behringen, nimmt als circa 350m hoher gerundeter Holienrücken den Namen der Haart-Berge an nnd begleitet die Nesse auf ihrem rechten Ufer. Bei Buzg-Tonna erhebt sich der Rttcken wieder über 400 m unter dem Kamen der Fahnerschen Höhe (Abtsberg 411 m) und bei Alach an der Quelle der Nesse unter dem Namen der Alacher Höhe bis circa 'VAO ni.

Die wilde Gera durchbricht bei Erfurt in einem engen Tliule diesen Höhenzug, dessen östUche Fortsetzung nun den Namen Steiger (845 m) führt und nach Ost bis Uber 400 m ansteigt.

Ndlrdlich von diesem Höhenzuge breitet sieh die fruchtbare Fluss- niederung der Gera und der ünstrut aus allen Anzeichen nach ein alter, durch die Arbeit der Flüsse zugeschütteter See. Der Steiger schliesst sich mit dem Kiechheinier Berge (513m) bei Kranichfeld an den obengenannten Höhenzug, weicher vom Hainich ausgeht, an und verläuft mit diesem zusanunen in das ebene Hochplateau der lim- platte.

Nördlich von der Unstrutniederung steigt das Land zu mässig gewellten Hügeln an, welche den Namen der Heilinger Höhen führen. Auch dieser verhältnismässig unbedeutende Höhenzug bildet bei Weissensee eine gegen das Unstrutthal circa 80 m abfallende vorgeschobene Rand- eihebung, welche den Namen der Weissenburg (208 m) führt.

Jenseits der ünstrut bei Weroingshausen tritt dieser Rttcken als Bei^iter der Gramme wieder herror und schwillt nördlich von Weimar zum Grossen und Kleinen Ettersberge (481 resp. 300 m) an, wel- cher, als isolierter, um 250 m das Ihnthal ülierragendor Gebirgsrücken d.'ks linke Ufer der unteren Ilm bildet und, aUmähiich an Höhe ver- lierend, bei Sulza mit der Finne zusammentrifRi.

äne weitere Ftoallelerhebung des Thürmgerwaldes finden wir im steil abfallenden^ scharfkantigen Rücken des Hörseiberges bei Eisenach, welcher bis 486m ansteigt, die Hörsel auf ihrem rechten Ufer begleitet und einerseits in ein H^elplateau xwischen Nesse und Hörsel mit dem

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Ammaim,

390m hohen Kahmberge ausläuft, andererseits auf der linken Seite der Nesse die Vorhdhen des Hauptgebirges bei Waltenhansen und

Priedrichsroda bildet.

Die dem Thüringer- und Frankenwald- Gebirge südlich vorge- lagerten Höhen werden wir, da sie einer selbständigen Gliederung nahezu entbehren » am besten mit der Darstellung des Gebirges selbst verbinden.

FOr diese Darstellung sei noch Torweg bemerkt, dass es nicht in unserem Plane liegt, eine Elimatologie der Gebirge selbst zu geben,

sondern nur deren Einfluss auf ausserhalb liegende oder doch minde- stens selbst nicht gebirgsartii^e (Tehiete y.n iintcr;^nchen : demnach ist im folgenden von einer eingehenderen Beschi-eibung der Gebirge selbst vollkommen abgesehen worden und glauben wir, dem Zwecke unserer Au%abe Genflge za leisten, wenn wir die allgemeinen Höhen- und Streichungsverhältnisse andeuten und dieselben in Verbindung mit dem hintfflpliegenden niedrigeren Lande betrachten. Doch Avollen wir, um unsere Untersuchung nicht gnr tu srhr einzuschnüren, überall dort, wo auch die Hereinziehung der Verliiiltnisse gebirgigen Terrains, z. B. der Neigungen der südlicht»n (Jebirgsränder in Beziehung zu der Sonnen- einstrahlung, Ton Wichtigkeit werden sollte, nicht dem oben aufgestellten Princip zuhebe von derartigen Betrachtungen absehen.

Der ThOringerwald sondert sich mit einer breiten Wurzel aus dem Fichtel- und Erzgebirge ab, wobei er unter dem Namen Franken- wald ein breites Hochplateau von circa 5—600 m mittlerer Erhebung bildet, welchem mehrfach Gebirj^skuppen h'is zu 8<)<) m Höhe aufgesetzt sind. Sein südwestlicher Abfall ist ein durchaus steiler und fa.st uu- yermittelter, während nach Ost und Nordost eine wenig meiUiche Ab- dachimg durch das Voigtländische Gebirge und nach der Saalpiatie liin stattfindet. Die durchströmenden Gewässer habm meist ti^e Thaler mit steilen Rändern eingeschnitten.

Zwischen Lobenstein und Lichtenberg beginnt mit dem 720 ni hohen Culm die ei-ste Andeutung eines Gebirgskammes , welcher nun weiterhin unter zahlreichen Windungen nach Nordwest Terl&uft und erst in der Gegend von Eisenach von seiner mittleren MeereshÖhe Ton circa 750 m abfallt.

Im südöstlichen Teile des Gebirges, dem Frankenwalde, zeigt der Kamm eine viel beträchtlichere Entwickelung von Umbiegungen, als im nordwestlichen Teile. Die Kammkuppen nehmen von Südost aus im allgemeinen an Höhe zu: der Wetzstein bei Lehesten hat 815 m, die Höhen bei Igelshieb 831, der dem Kamm nach Sadwest etwas vor- gelagerte Kieferle 868, der Wurzelberg bei Katzhütte 866m..

Y<m der Linie Eisfeld - Saalfeld an nimmt das Gebirge einen anderen Charakter an. Die trotz des gewundenen Kammes vorhandene plat^auartige Konfiguration verschwindet, an ihre Stelle tritt die Grup- pierung der Bodenerhebungen um eine stark ausgeprägte centrale Leiste^ zugleidh yerschmSlert sich das Gebirge in der lUchtung von Sfldwest nach Nordost ganz erheblich. Die Haupterhebungen, welche bis dahin vorwiegend ileiii südwt'stHrhtii Teile des Gebirges angehört hatten, rücken mit dem Kamme nunmehr in die Mitte desselben, der bis dahin

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I>er EiafliuB der Gebirge auf das KUma von Hitteldeutsohland. 323

steile Abfall nach Süd vertiiicht sich mehr und mehr durch Vorhöhen, während der Nordostrand des Gebirges jetzt der steilere wird.

Der sQdöetliche Teil des eigentiichen Thüringerwaldes enthält nordöstlich von Suhl einen Haupistock des Kammes und zugleich die MaximaUiöheii des Gebirges: der Finsterberg hat 938, der Schnee- kopf 075. der Beerberg 983m. Verfolgen wir den Kamm weiter nach Nordwest, so finden wir den Donnershauk mit H93 m, welcher nach Süd zu durch einen vorgelagerten iiölienzug, den Grossen Her- manneberg (870 m) und den Rupp-Berg (850 m) flankiert wird. Hierdurch wird zugleich an dieser Stelle ein steilerer Abfidl nach Sfid herwgebracht , welcher bei Zella und Suhl fast 400 m beträgt. Von hier an nähert sich der Kamm mit seinen Haupthöhen mehr dem nörd- hchen Kunde des (iebirges und schwillt im Inselsberge noch einmal zu 91 Gm Höhe an. Von hier an verringert sich die mittlere Kammhöhe, welche bis dahin Uber 700 m betragen hatte, schnell auf 600, spater 500 m. Der Kamm findet sein Ende im ESichelberg (341 m) bei HdrscfaeL

Der Südwestrand des Thüringerwald -Gebirges liesteht im allge- meinen aus einer allmählichen Abdachung der durch zalilreiche Wasser- läufe, welche rechtwinklig zum Kamm gerichtet sind, in Rippen zer- schnittenen Vorhöhen. Doch treten auch mehrere gesonderte, mit dem Gebirge selbst kaum zusammenhängende Erhebungen auf, wie der Leimke (336 m) bei Ober -Ellen, der Hilmes berg (458 m) und die Harth bei Marksuhl, der Krayenberg (429m) hart an der Werra und der Winterkasten (383m) bei Salzungen. Im Grossen und Kleinen Dolmar (740 u. 572 m), dem Schorn (574 m), dem Schneeberg (087 m), dem Mittelberg bei Schleusingen (5ö8 m) treten diese Yorberge so selbständig auf, dass sie den Kamm des Hauptgebirges voUstlndig verdecken.

Weiter nach Südost finden wir einzelne namhafte Randhöhen den Steilabfall des Frankenwaldes noch kräftiger hervorheben. Der Bless- berg bei Kisfeld liegt z. B. mit einer Höhe von 8M4m um volle 430 m über der benachbarten WeiTaniederung bei Eisfeld, der Uauenstein liegt mit 820 m um ebenso viel über der Sohle des Itsthales bei Schalkau. Bei Sonneberg betragt der Steilabfall noch circa 800 m und verflacht sich von hier aus weiter bei allgemeiner Höhenabnahme des Gebirges selbst; dodi stellen die dem Main zufflhrenden Flussthäler bei Kronach nocii sehr tiefe und steilwandige Einschnitte dar. Mup- perg und Culm bei Neustadt a. d. Heide (4(31 m), der Eckartsberg und die Teste bei Koburg (432 u. 452 m) erheben sich circa 150 bu 180 m über die benachboiten FlussthUer.

Auf dem linkm Ufer der Werra sind noch zu nennen die Höhen bei Römhild (TTrosser und Kleiner Gleichberg u. 040 m), der Heilige Berg südlich von Meiningen f.^OO ni). Durch den Bless- berg (045 m) südlich von Salzungen treten nun die Höhen „Vor der Rhön* an die W^erra heran. Das Khöngebirge selbst soll zwar uuerem Plane nach ausserhalb unserer Betrachtungen bleiben, doch werden wir nicht umhin können, uns an dessen Existenz und Lage zu erinnern, wenn wir seine Wirkungen in der Werramulde bemerken worden.

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Das Hurzgebirge stellt nach den meisterhaften Beschreibungen ▼on Heinrich Credner (Uebersicht der geognostiscben Verhältnisse Thfirmgens und des Harzes, Gotiia 184H) den Abschnitt einer EDipse dar, deren beide Brennpunkte mit den HanjiterhebtnigBcaKbren des Harzes, dem Brocken und dem Rammberge, zusammenfallen. Der fast gradlinige nordnordtistliche Rand des Gebirges ersriieint als eine Sehne dieser Ellipse, gleichlaufend mit ihrer grossen Achse. Die allgemeine Erstreckung des Harzgebij^es fallt äehr nahe mit der des Thüriuger- waldes zusammen, indem sie die Bichtimg von Westoordwest nadi Ostsüdost innehält. Aehnlich dem ThUriiigerwalde geht der sQd* ' östliche Teil des Qebirges in ein an Höhe abnehmendes, Ton tiefen Erosionsthälem zerschnittenes Hochplateau über. Die fundamentalen Unterschiede beider Gebirge beruhen indes darauf, dass der Harz ein völlig selbständiges, ausser aller Verbindung mit anderen Erhebungs- sjratemen stehendes Massengebirge ist, dass femer der plateanartige Charakter, welcher nur dem südöstlichen Teile des ThOringerwildes, dem Frankenwalde, eigentümlich ist, im Harz durchaus vorwiegt, be- sondere aber in dem fast völligen Fehlen jeder die Konfiguration des Gebirgsaufbaues beeinflussenden Kammbildung.

Zugleich liegt der Harz, was in Bezug auf seine relativen Höhen- Toihiltnisse nicht unwichtig ist, auf einer Basis, wekhe um circa 70 m niedriger ist als die des Thflringerwaldes; ihre Meereshöhe ist am Nordnnde circa 190, am Sudrande circa 220 m.

Diese Thatsache der niedrif^^eren nördlichen Basis des Harles, welche übrigens beim Thüringerwalde, entsprechend der allgemeinen nach Südwest wachsenden Erhebung Deutschlands, ebenfalls vorhanden ist, verursacht in Verbindung mit der Lage der höchsten Erhebungen am Nordrande des Harses die Erscheinung, dass der Nordrand dieaes Gehirges einen viel imposanteren Anblick darbietet sJs der durch Vor- höhen mehr verdeckte Südabfall. Zugleicli aber werden hierdurch, wie wir des weiteren sehen werden, die Erscheinungen des , Windschattens" viel markiertere.

Der südöstliche Teil des Harzes steigt von Sangerhausen und den Mansfeldischen Kreisen (drca 200 250 m) an aUmShlich zum Plateau

von Harzgerode in ein a 100 m Meereshöhe an; da.sselbe ist durch die tiefen Flussthäler der Eine, Wipper und Selke zerschnitten. Zwei beträchtliche Kuppen finden wir diesem Plateau aufgesetzt in Form der isolierten Erhebungen des Rammberges (537 m) und des Auer- berges (570 m).

Hieran scfaliesst sich ein sweites, um circa 100 m hdheres Plateau, welches die Städte Stiege, Elbingerode, Hasselfelde und Bennekenstem tri^ 1^ ^eichfalls durch tiefe Flussthäler, besonders die der Kalten, Warmen und Rapp-Bode, zerklüftet ist. Im westlichen Teile des Harzes, dem überharz, linden wir abermals ein Plateau, welches circa 570 m Meereshöhe hat, von der Innerste bis 300 m tief eingeschnitten ist und die Stüdte Klausthal und Zellerfeld trägt

Zwischen den heiden letzten Plateaas nun erheht sich das Brocken- ^ebirge, bestehend aus den bedeutenden Kuppen des Wurmberges (1000 m) mit dem Grossen und Kleinen Winterberge (930 und

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Der y.infln^ der Qetkirge anf daa Klima von Mitteldeatachland* 325

880 m), dem kegeltormigen Trümmerhaufen der Achtermauusliöhe (925 m), dem langgestreckten Sattel des Grossen KSnigsberges (1080 m), des Rehberges und Grossen Sonnenberges (894 resp. 840 m) und den Hohneklippen (906m), in deren Mitte der Brocken selbst in der Höhe von 1141m mit seinen beiden nach Nordwest und Südost vorgeschobenen Schultern, dem Kleinen Brocken (circa 1000 m) und der Heinrichshöhe (1035 m). Der eigentliche Brocken ist nach Sfldosl von dem Stocke des Wnrmberges durch das tiefe Thal von Scfalnft vnd Schierke, welches mit steilen Böschungen nm 550 m einge- schnitten ist, getrennt, während er nach Nord zu seinen stdlsien Ab- fall nach Ilsenburg hat; derselbe beträgt auf 7 km Entfemunj? circa 000 m. Hoch an der westlichen und südwestlichen Seite des Brockens tritt abermals eine Plateaubildung in dem 850m hohen Brock enfelde auf.

Der Südrand des Harzes sowohl wie sein Südwest- und Nordwest- nnd TeiMert den Plafceancharakter Tollstiadig. Derselbe besteht viel- mehr ans isolierten, durch tiefe FlussÜläler getrennten Bergrücken und Kuppen, unter welchen der weit vorgeschobene Ravenskopf (755 m), der ebenso hohe Stöberhay und der Grosse Knollen (700 m) be- sonders zu nennen sind. Der einzige kammartige Höhenzug des Harzes wird durch den mit grundlosen Mooren bedeckten Bruchberg (900 m) und den Acker (880 m) gebildet, wdcher das Brockengebirge mit den stidwestlichen RandhShen verbindet.

Der ganze West- and Nordrand des Hanes ist steil und fäUt nahezu unvermittelt von einer niittler^ Höhe Tcm 500 550 m nach der circa 200 m hohen Niedenmg ab.

Die dem Nordrande unmittelbar vorliegenden Erhebungen sind ausser dem isolierten Sendsteinfelsen des Regensteines (298 m) und der Teufelsmauer zwischen Thale und Blankenburg für unsere Untere snchu Ilgen ohne Wichtigkeit. Der südliche Harzrand wird indes nach der r>arstellung Crediiers durch einen schmalen Höhenzug begleitet, welcher sich, vom Gebirge selbst durch einen steilen, wandartigen Ab- fall getrennt, über die südhche Ba.sis des Harzes um circa 160 m er- hebt Der Kobnstein bei Nordhausen und der Eulenberg bei Steina (42dm) gehfiren diesem Walle an.

Nach der Durchmusterung der ftir unseren Zweck wichtigeren Bodenerhebungen erübrigt nur noch die kurze Schilderung der von dif'sen Erhebungen umrandeten oder durchzogenen tiefer gelegenen Landstriche, da diese es hauptsächlich sind, in welchen sich die wich- tigsten Erscheinungen der Gebirgseüiflüsse abspielen.

Naiuigemiss werden unsere Untersuchungen sich mehr mit den relatirai Höhenyerhältnissen zwischen Hochland und Tiefland zu be- schäftigen haben, als mit den absoluten Höhenlagen über dem Meeres- spiegel. Zwar sind Tjuftdnick und Teni])eratur von der absoluten Er- hebung durchaus abhängig, aber andere klimatische Faktoren und unter ümen die für unseren Zweck ullerwichtigsten , wie Wind und Nieder- schlag, hingen von der relativen Erhebung Uber die nfthere und fernere Umgegend viel stärker ab, als von der absoluten über dem Meere.

Es erschien demnach im Interesse der Anschaulichkeit geboten, eine Reihe Ton Profilen beizugeben, w^che nach den für uns wiimtigsten

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Amnann,

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Kichtuugen angelegt wordeu sind. Die Profile 1, 2, 4 u. 5, letzteres nur in dem den &tz betreffenden Tefle, aind der Sehnlwandkarte der Provinz Hannover Ton H. Gnthe, Kassel 1883, entnommen, die fibrigen sind neu entworfeu.

Massgebend für die Schnittrichtung war zunächst die Richtung der vorherrschenden Winde, Süd -Südwest bis Nordwest, ferner die StreichuDgsrichtung der Bodenerhebungen, durch welche Quer- und Lingsscbmtte gelegt mirden; endlich wurden die filr charalctorigfeiBche G^genttberstellung Ton Hoch- und Tiefland geeignetsten Stellen aus- gewählt.

Die Reduktion der Längen auf ein Fünftel der für ilie Höhen verwandten Masse Hess sich aus äussscren Gründen nicht umgehen, obwohl dadurch das natUrhche Bild bedeutend beeinträchtigt werdeu mu8s. Die Längen sind von 10 zu 10 km abgeteilt

Die an und zwischen den Oebirgen liegenden rebtiTen Tieflinder fassen wir der besseren Uebersicht wegen zu folgenden Gruppen zn* sammen :

1. Die Mulde des westlichen Harzvorlandes, durch Profil 3 dargestellt. Zwischen dem Sollingerwalde und Hon die Weser be- gleitenden Höhenzügen breitet sich dieselbe bis an den Westrand des Harzes aus, liegt circa 300 m unter der Höhe des SoUing und den westlichen Randbergen des Harzes und wird von der Leine durchflössen. Sie ist ein welliges Hügelland und wii*l im Norden von den Ketten der Ha^7.vorber^^f^ deren Profil Nr. 1 ilarstellt, im Süden durch den (iÖttingerwuld uml lU-n Rücken <]» .s Hothenber|tfes abgeschlossen.

2. Die Mulde des nördlichen Harzvoriandes, durch i^rotil 5 im letzten Teile dargestellt. Sie reicht vom Nordrande des Harzes, welcher sie um 450m ttberri^, bis zum Höhenzuge des Elm, dessen Racken um 150— 180 m Uber derselben liegt. Im Westen ist sie durch die nord- westlichen HarzYorberge , nordöstlicli durch die flache Bodenanschwel- lung bei Seehausen, östlich durch die Erhebung des Hakehvaldes begrenzt. Durch den Höhenzug des Huywaldes zerfällt sie in die Halberstädter Mulde, welche nach Nordost kontinuierliGh in die Bodeniedwung übergeht, nach Südost sich an die Einsenknng bei Frose und Aschersleben anschliesst, und in die Aueniederuug, welche von der Asse bis Aschersleben reicht und sich mit der Bodeniederung vereinigt.

i3. Die Braunschweiger Niederung, begrenzt vom Üderwaid im Süden, dem Elm im Osten, nach Nord und Nordost in die Ohre- und Alleniiederung des Drifmling und in die norddeutsche Tiefebene Ubergehend. Im Osten bilden die HöhenzQge bei Neuhaldttislebeii, im Nordosten die bei Gardelegen die Grenze.

4. nie Börde, ein thiches Hügelland, zwischen der Bode und der Elbe gelegen: ihr ganzer West- und SUdraud wird von der tiefer hegenden Bodeniederuug gebildet.

5. Das Ob er sächsische Tiefland zwischen Saale und Elbe, im Südwesten begrenzt durch die Höhen des Wettiner Plateaus von. Könnern bis Halle, nach Sfld in die Halle-Leipziger Tieflands- Bucht übergehend.

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17] Der Einflnas der Gebirge auf dae EUma von Mitteldentflclilaiid. 327

«3. Die Goldene Auo. von dor südliclien Vorkette des Harzes im Norden, von der Wiudleite und dem Kyöliäusergebirge iin SUden be^prenzt, Ton der Helme durchflössen und bis an den nördlichen "Winkel der Unstmt bei Ariern reichend. Sie gebt Uber in die

7. Frankenhausener Niederung, vom Südrande des Kyff- liiiusers bis Memleben reichend, von der mittleren Unstrut durchströmt, im Süden durch die Hainleite und Hohe Schrecke begrenzt.

8. Die Helbe-ünstrut-Niederung, im Norden von der Hain- leite und Schmücke, au der oberen Unstrut durch die Heilinger Hohen, im Sflden durch die Haartberge und Fabnerscbe Höbe begrenzt. Sie erstreckt dch, aUmüblicb scbmSler werdend, die Unstrut aufwärts bis Mühlhausen.

9. Die Gera-Niederung nördlich von Erfurt, bei Gebesee und Werningshausen mit «Ut Unstnit-Niedming zusammenhängend, im Süd- westen und Süden durch die Alacher Höhe und den Steigerwaid, im Osten durch den Grossen Ettersberff umrandet.

Die unter 8 u. 9 genannten Niederungen bilden den tiefsten Teil dea Thüringer Beckens, dessen weat-östlidu s l'rofil wir in Nr. 0 u. 7, in Südwest - nordöstlicher Richtung in \r. S sehen. Seine Randhr»hon bestehen aus dem Eichsfelde und Hainich im Westen, dem Dün, der Hainleite, Schmücke und Finne im Norden und Nordosten, dem Gros.seu Ettersbeige und der Omplatte im Osten und den dem lliflringerwalde parallelen Yorbergen im Süden. Als letzte Niederung ist noch zu nennen :

10. Das Werrathal'in seinem ganzen Umfange von Eisfeld bis Vacha, südhch von den Ibilu-n vor der Khrm, ni'irdhch von den Vorhöhen des Thüringerwaldes begrenzt. Seine Breite beträgt , ausser bei Eis- feld und Meiningen, nur einige Kilometer. Profil 8 stellt dessen Ver- hSltnis zu beiden begrenzenden Gebirgen dar.

Die klimatischen Verhältnisse von Mitteldeutschland in ihrer Abhängigkeit von den Bodenerhebungen.

Wir werden im folgendmi das vorhandene Material zur Unter- suchung des Einflusses der Bodenerbebungen auf das Klima in der Weise disponieren, dass wir die klimatischen Faktoren als EintfMlungs- princip zu Grunde h'geu und diesen die Betrachtung der einzidnen geo- graphiächen Bezirke unterordueu, soweit der Zweck unserer Arbeit uud das Material es gestatten. Zwar lassen sieb bei dieser Metbode Wieder- hohioffen nicht ganz Termeiden, indem die Witterungsfaktoren selbst ▼iel&ä voneinander abhängig sind, wie Wind und Luftdruck, Nieder- schlag mv] Temperatur: doch erschien uns der andere Weg, die geo-

ronehimgeu zur deuUcben Laadn- und ToUukande. I. 6. 22

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828

[18

Graphischen Bezirke als Einteilungsprincip aufzustellen, an demselben Fehler der Wiederhohm<^en in noch höherem Masse zu leiden. Den un- leufjbaren Vorteil einer dra.sti scheren und anschaulicheren Wiedergabe der Meteoration einer Gegend, welcher der letzteren Methode eigen ist, werdra wir in ein«r zusammen&ssenden Uebendeht am Scfabuse diewr Arbdt uns zu nutase zu machen Teranchen.

Vorweg dOrfte die Erläuterung einiger h&ufig wiederkehrenden Ausdrücke am Platze sein.

Man nennt die Luvseite eines Gebirges diejenige Seite, welche von einer Luftströmung rechtwinklig oder doch auuähemd rechtwinklig getroffisn wird. Die gegenüberliegende, der direkten Windwirkung ent- zogene Sdte heiiflt die Leeseite; man sagt auch, ein Ort liege «im Lee* eines Gebirges. Durch einen Vergleich der Luftströmungen mit den Lichtstrahlen ist der Ausdrnrk „WindschnftcTi" entstanden, welcher, wären die Wimllialinen in \Virklichkeit streng horizontal genchtct, eine unbegrenzte Erstreckuiig in das Hinterland haben niüsste. In der Wirk- lichkeit aber ist der Windschatten durch die an sich überall vorhandenen auf- nnd abwärts gerichteten Bewegungskomponenten der LuftstrQme sowohl als auch <lur(;h die »hinter einem Gebirge* eifolgmide Abw&rts- neigUDg der Windbahneu auf einen mehr oder weniger grossen, von der relativen Höhe und horizontiilen Erstreckung des Gebirges ebenso wie von den lto<_rleitenden Luttdruckverhältnissen in weiter Umgebung ab- hängigen ivuuui eingeengt.

A. Lnftdmök und Winde.

Der Luftdruck wird von Hann mit vollem Recht in seinem Handbuche der Klimatologie als ein klimatischer Faktor von «unier- geordneter Bedeutung* bezeichnet. In der That ist derselbe für klimato- graphische Zwecke genügend erörtert, wenn man seine allgemeinen Wcurte bekannt gibt. Für unseren Zweck dürfte derselbe je£)ch von » inor erheblich gnisseren Wichtigkeit sein, da wir nicht eine Kliniato- graphie zu geben beab.siclitigen, sondern eine wesentlich theoretische Untersuchung des Einflusses örtlicher Eigentümlichkeiten des Bodeu- relie& auf me Gestaltung der kEmatiBehen Faktors. Erst die Ein- wirkung der hierdurch beeinflussten, vielfiEudi lokal umgestalteten Fak- toren auf die nähere oder fernere Umgebung der Störungsursache wird Objekt kliinatofrrajjhischer Darstelhnig werden.

Wir werden ini folgenden noch oft Geh'ijrenheit haben wahr- zunehmen, dass ein gi'osser, wenn nicht der grüsste Teil der Gebirgs- wirkungen mit den Verhältnissen der Luftströmungen, des Windes, susammenhfingt. Die oben erläuterten Bezeichnungen «Luvseite, Lee- seite, Windscliatti n, Hinterland*, welchen wir in unseren Ausführungen auf Schritt und Tritt begegnen werden, beziehen sich ausschliesslich auf das Verhältnis zwischen Luftströmmig und Bodenerhebung. Es erschien dalier. um Wietlerhulungen, wo immer möglich, zu venneiden, ratsam, diese beide Faktoren, Luftdruck und Wind, in ein Kapitel zu- sammenzu&Bsen.

Die Meteorologie lehrt das innige Verhältnis zwischen Luftdruck

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Der Einilusä dpr Gebirge auf das Klima von Mitteldeutschland. 329

und Wind ak ein kausales zu betnushten: Wind entsteht nur dort, wo ein Unterschied im Luftdruck an verschiedenen Orteu vorhanden ist, und zwar strömt die unter st&rkerem Druck stehende Luft nach dem Orte niederen Drucks, von eim*fT<'n komplizierteren Fällen abgesehen, ausnahmslos hin. »Solange diejenigen Scliichten der Luft, in welchen der Lulldruck gleich ist isobarisclie Flächen genannt horizontal sind, befindet sich die Ldft im Zustande des Gleichgewichtes und voll- kommenster Ruhe. Die auf einem Berggipfel lagernde Luft wird keinen Grund zum Abfliessen nach unten erhalten, sohmge der von ihr an dieser Stelle ausgeübte Dnn k ffleit Ii ist dem in einer nach allen Seiten horizontal verlaufenden Ebene. Findet jedoch die geringste Aendening dieses Gleichgewichtszustandes statt, indem der Druck an irgend einer Stelle dieser Horizontal -Ebene entweder abnimmt oder zunimmt, so wird ein Verharren der Luftschichten in der Ruhelage sofort unmOg- li(h. es wird eine Ausgleichung der Drucke beginnen, welche nur darin bestehen kann, dass vom Orte höheren Luftdrucks ein Lufttrans- port nach dem Orte niedrigeren Luftdrucks so lange stattfindet, bis die vorliergehende Ruhelage wieder erreicht ist.

Betrachten wir nun zunächst die Luftdruckverhältnisse in unserem erbiete. Die allgemeine Luftdruckverteilung über Europa ist eine der^ artige, dass im Jahresmittel ein deutlich ausgeprägtes Gefälle in den unteren Luftschichten von Süd nach Nord vorhanden ist. Die in Mittel- europa in annähernd gleicher Hiclitung verlaufende allgemeine Ab- dachung des Landes von dem Alpcnwalle bis an die Küsten der Nord- und Ostsee ist demnach im grossen und ganzen dem diesem Druck- unterschiede entsprechenden Abfluss der Luftmassen günstig, da die Reibung der Uber die Erdoberfläche hinfliessenden Luft durch ein gleich- gerichtetes Gefälle des Grundes olme Zweifel verringert werden muss. Wäre Mitteleuropa ein durchaus ebenes, von Süd nach Nord geneigtes Land, so würde der Einfluss dieser Neigung zweifellos ein nicht unhedentender sein; in Wahrheit treten dagegen die Bodenerhebungen Deutschlands als Hemmnisse dieses Druckausgleiches auf. Sie werden Verzögerungen rein örtlicher Art für doiselben abgeben mflssen, indem sie eine Bewegungs- differenz hervorrufen zwischen den im Norden der Gebirge liegenden Luftraassen und denen, welche von Süd her, dem allgemeinen Aus- gleichsstrom folgend, gegen die Gehiru"»' anfluteu. So wird eüie von lokalen Verhältnissen abhängige Uuterbreclmng der gleichmässigen Luftdruckabnabme von Sttd nach Nord eintreten müssen, welche sich als Vermehrung des Druckes an der Südseite und als Verminderung desselben an der Nordseite der Gebirge darstellt.

Betrachten wir nun darauf hin unser Mitteldeutschland.

Die beiden vornehmlich in Frage kommenden Gebirge . der Thüringerwald un<l der Harz, müssten , sollte unsere oben entwickelte Anschauung eine Begründung in den thatsächlichen Verhältuis.sen finden, eine Differenz der mittleren Barometersfönde an ihren Nord- und Süd- seiten zeigen. In der That scheint diese DifTerenz vorhanden zu sein. Wir sagen allerdings nur , scheint" vorhanden zu sein, da bei der Kleinheit der betretenden Unterschiede eine strenge Kritik leicht zu der Behauptung kommen könnte, dass diese Uuterscluede nur aui einer

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330

Assniaim,

[20

Täuschung beruhen, herTorgemfen durch die bei grOmerer Entfernung

vom Meere und stärkerer Erhebung iiher dasselbe allerdings nicht fortzuleii^ende Unsicherheit der Heduktion der Barometerstiinde auf den Moeresspiogel.

Dem iat zu entgegnen , da:>ä einerseits die Reduktionen sämtlich mit der grössteu Soi^^t oiadi Tabellen auagef&brt wurden, welche unter Berttcksichtigung sowohl der mittleren Temperatur der zwischen dem Beobaclitungsorte und dem Meeresniveau zu denkenden, als auch der zur Zeit fler Beobachtung herrschenden Lufttemperatur für jede Station besonders berechnet sind und in giiiiz kleinen Wertintervallen fortschreiten, dass femer aber, worauf wir noch grösseren Wert legen möchteUf eine Reihe anderer Erscheinungen dafUr spricht, dass die im folgenden anzugebenden Druckdifferenzen einer gewissen Realitftt nicht entbehren.

Trägt man die auf Meeresniveau reduzierten Jahresmittel des Luftdrucks in Karten ein und zieht die diesen Werten entsprechenden Isobaren , so findet man sowohl nördlich vom Harze wie nördlich vom Thtlringerwalde tiefe Ausbuchtungen der Isobaren nach Süd oder Südost zu, welche örtlichen Gebieten niederen Luftdrucks nordöstlich von beiden Ctebirgen entsprechen.

Zur Konstruktion dieser Isobaren sind, wie wir noch glauben betonen zu müssen, ausscliliesslicli die An<?aben solcher Stationen ver- wandt, deren Barometer durch sorgiiilti^a^ \ ergleichunt^ mit den Normal-

oder durch Vermittelung von Reisekontrollbarometem die Möglichkeit

von irgendwie erheblichen Instrumentalfehlem ausschliessen. Es musste daher eine Reihe von Stationen zweiter Ordnung unberücksichtigt bleiben, bei welchen diese Erfordernisse nicht zutrafen. Es worden die Auf- zeiclmungen folgender Stationen lienutzt:

Klausthal, Nordhauseu, Braunschweig, Kunrau, Magdeburg, Bern- burg, Korbeliui, Erfurt, Sulza, Eisenadi, Sidzungen, Memingen, Insels* brag, Gross-Breitenbach, Jena und Dessau.

Die Aufzeichnungen dieser Stationen dürfen als möglichst ein- wiirfsfrei igelten und wurden demnach zur Konstruktion der mittleren Isobaren der Jahre IB;-!;!, 1S84 u. 188.'i benutzt, soweit das Beob- achtungsmaterial lückenlos vorlag, und wurde ferner eine Vereinigung der dreijährigen lückenlosen Autzeichnuugen zu einer Mittelkarte aus diesen drei Junen bewirkt. Obgleich neun Stationen yierjährige Ittcken* lose Au&eichnungen darboten, erschien es doch bei dem wesentlidi. fTcographischen Charakter dieser Frage wichtiger, sechszehn Stationen mit nur dreijährigen Mitteln zur Konstruktion der Isobaren zu ver- wenden, da die Länge der Beobachtungsreihen liei diesen auf denselben Zeitraum bezogenen Untersuchungen erhebliche Umgestaltungen der Resultate nicht herronufaDi kann. Leider musste, was im uiteresse der möglichsten Sicherung der Resultate zu bedauern ist, wegen un-> zureichender Ermittelung der Barometerkorrektionen das vorhandene Material der Stationen Gardele^a^n. Torsran. Malle a. S., Sangerhausen, Langensalza. Heiligenstadt, Güttingen. Kassel, Hannover, ferner Weinnir, Arnstadt, Koburg und Neustadt bei Koburg, wegen Unvollstäudigkeit

entweder an Ort und Stelle

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Der Einfliuä der Gebirge auf das Küma von MitteldeuUcliland. 331

der Aufzeichnuiiffen das der Stationen Brocken, Uefiugeu, Soimenbeiger Forstihaus, Que&nbturg, Alezisbad, SalzwedeU Frankenhausen, Sondeis- bausen, Artern. Oberhof iiml Rudolstadt unberücksichtigt bleiben.

Die folgende Tabelle gibt die benutzten Jahresmittel vollständig an.

Tabelle 1. Mittelwerte dei L«flin«ks, aif den Keeresaplefel rednslerL

StetlOMtt

Meeres- höhe zn

1882

1883

188i

1885

lUittei

•US

1883-85

MittPl 1882-85

Klau-tlli;1

594

761.9

761,0

7t;2.i

701,1

701.: 5

221

7ti2,t>

761,0

702,9

70Ü,Ö

761,8

762,0

86

761.S

760,3

762,0

760,0

760,8

760,9

760,5

701,9

759,7

760,7

54

761,8

760,7

702,1

700,0

700,9

761,1

77

761,0

762,3

760,1

761,1

118

702,5

701.2

762,4

700.3

701,3

761,6

190

702.7

761,3

703,0

700,7

701,7

761,9

134

761.0

762.0

760,5

761,2

Fi-i'ii,lrli

240

701,4

702,8

700,5

701.0

253

701,5

702,6

760,5

761,6

311

762,4

760,0

762,8

759.6

760,8

761,4

Inj^elsberg

900

701.S

7t;2.0

700.4

701.0

GrosB-Hreitenbach ....

646

703,2

702,1

703,2

701.0

702.1

702.2

159

763,0

761,7

702,6

760,1

761,4

701,8

62

761.2

762,2

760,1

761,2

Tragen wir diese Werte tOr die Jabre 1888, 1884 u. 1885 zu dieijübrigen Mitteln vereinigt in eine Karte ein, so bemerken wir

folgendes : Die Isobare 761 mm zeigt eine tiefe Ausbuchtung , welche sich östlich von TTannover in südlicher Hichtuiig bis an den Nordrand des Harzes uiui ostlich bis über die Elbe vorschiebt und von hier aus nordwärts wenig östlich von Magdeburg parallel der Elbe diese abermals kreuzt. In analoger Weise sehen wir £e Isobare 702 nun, vom Südwest- rande des Harzes ausgebend, in sfldöstlicber Ricbtung nabe bei Nord- hausen und Erfurt verlaufend, dann umbiegend in weetlicber Ricbtung die Werra übersdireitend und den westlichen Thüringerwald umfassend län^s dessen Kamm nach Hüdost, später nach Nordost vorlaufen. Zwischen Rhön und Tiiüringerwnld crschciut ein wegen der geringen Anzahl der verlügbareu Stationen allerdings fragliches kleines Gebiet, welcbes von der Isobare 761 umseblossen ist.

Dieses Isobarenbüd ist nun aber der Ausdruck iiir die wahr- scheinliche Exi.stenz zweier Gebiete niederen Luftdrucks, deren eines nördhch vom Harz, d'-nii anderes nördlich vom Tliürincrerwalde liojjt, während im Südwesten des Harzes ein Gebiet relativ höhereu Luftdrucks augedeutet ist.

Ebenso würde die gescblossene Isobare um Meiningen bemm ein eng umgrenztes Gebiet niederen Luftdrucks repräsentieren.

Dei- Vorfasser ist weit davon entfernt, sieh gegen jeden Zweifel

an der Kealität der genannten Erscheinung zu verschliessen. Man könnte sicherlich dagegen einwenden, dass vielleicht nur die Unsicherheit

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332

Auäutanu,

[2-2

der Reduktionen auf das MeeresniTeau in Verbindung mit leicht mög^ liehen Ablesungsfehlem und Instrumentalfelilem diese Erscheinungen vor- trmsrlite, dass nuch die Wiederholung in mehreren Jahren durch die Wieder« hoiuug der felilerhatteii Methode zustande käme.

Gegen diese Auffassung und für die Thatsüchlichkeit der ge- sduldertoi Luftdruckvert^ilung scheint uns jedoch folgendes zu sprechen.

Die Hauptgründe der Unsicherheit liegen sonst in sdlchem Falle

in der vielfach nur aus banmietrischeu Ilrilu ninessungen bekannten Höhenlage einer Station . wodurch selbstverstüiidiiLli ein bedenklic her circuhis vitio.sus entstehen könnte, und in dem Vorhandensein von In- strumentalfehlern.

Diese beiden Grflnde dürften in unserem Falle nahezu gänzlich ausser Rechnung gestellt werden kOnnen: die Höhenlagen sind sämtlich durch Nivellement bekannt nur der Inselsberg ist nicht Eisenbahn- station, aber als Ort eines trigonometrischen Signales wohl als genau in seiner Höhenlage l)estimmt zu betrachten und die Instrumente sind . sorgt iUtig justiert und verglichen. Ferner ist die Höhenlage der bei weitem massgebendsten Stationen eine nur mfissige und mit Aus- nahme von Elausthal, Qross-Breiienbach und Inselsberg 300 m nicht nennenswert übersteigende, da Meiningen mit 311m dieser vom inter- nationalen Meteorologenkonfrress zu Wien im Jahre 1873 gezofrenen Grenze für die UnbedeukUciikeii der Reduktion auf Meeresniveau ganz nahe liegt.

Zur weiteren Sicherung des gefundenen Resultates glaubte der Verfasser bei der Neuheit desselben alle irgend möglichen Garantieen

herbeischaffen zu sollen.

Die Betrachtung der Isobarenkarte lehrt, dass es vor allen andern die Stationen Klausthal. Nordhausen (man sehe in der Tabelle die kon- stante grosse Druckditterenz dieser beiden Orte) und Gross-Breitenbach sind, welche die Isobaren in ihre stark gekrtlmmten Bahnen hinein- zwängen. Da zwei derselben Höhenstatioaien sind, lag der Oedanke nahe, dass fehlerhafte Meereshöhe dersdben die Reduktion der abge- lesenen Bamnieterstiiiule namhaft beeinflussen könnte.

Zur Feststellung dieser Verhältnisse unternahm, der Verfasser Revisionen und Feststellung der Meereshöhen der genannten Süitionen. Die Barometerkorrektionen wurden durch Vergleichung mit einem sorg- föltig vor und nach der Reise justierten Reisebarometer festgestellt, ausserdem aber diirch eine Reihe simultaner Barometerablesungen in der Höhe der Schienenoberkante der entsj)rechenden Bahnhöfe und an den Stationen selbst die Ih'diendifferenz beider Punkte ermittelt. Da die Meereshr)he der Schienenoberkante von den betreifenden Eisenbahn- direktionen auf Ersuchen des Verfassers genau augegeben wurde, diese auch wegen des sorgfältig ausgeftlhrten Nivellements des Bahnkörpers als durchaus TerlUsslich gelten kann, konnte hieraus unter genauer Bei-ücksichtigung aller Kautelen eine genaue Ermittelung der Meeres- höhe der betretenden Stationsbarometer gewonnen werden. Diese Fest- stellungen erjraben . dass die Meere.-^höhe des Barometers in Klausthal 594,1m, also um 2 m höher als bisher angenommen, die des Baiometers

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Der F.influs» der Gebirge auf das Klüua von Mitteldeutschland. 333

in Nordhausen 221,03 m, also nahezu mit der frOher bekannten (222 m) flbereinstinimendf war, w&hr^d in Gross -Breitenbacli das Barometer

durch Wohnungswechsel des BeobachtOTS um 18 in höher auf<^oli*ängt sich zeigte, als in den früheren Jahren, so dass dlf Meereshöhe des- selben jetzt mit 048,13 m in Rechnung zu stellen ist. Dieser Wechsel der Höhe ist jedoch erst im letzten Jalire eingetreten, so dass die Reduktionen der früheren Ablesungen als ziemlich korrekt zu gelten haben. Die in obiger Tabelle angegebenen Bfittelwerfce berficksichtigen die ermittelten Korrektionen

Als fernere Stütze für die Thatsächlichkeit des Vorhandenseins kleiner Gebiete niederen Luftdrucks im Lee der beiden Haupt «^ebirge Mitteldeutschlands kann noch die Betraclitung dienen, dass die Ver- teilung des Luftdrucks, wie sie unsere Karte zeigt, durchaus nicht als eine ein&die Funktkm der Höhenlage erscheint. Wäre dies der Fall nnd die wahre Luf!:druckabnahme von Sud nach Nord eine völlig gleich- massige, Ton lokalen Einflüssen vdllig freie, so müsste die Differenz der Barometerstände zwischen höherem und tieferem Terrain eine nach allen Seiten gleiclimässige sein, d. h. es müsste niederer Luftdruck nicht nur au den Nordseiteu der Gebirge, sondern rings um dieselben henun TOihaiiden sein, während Gebi& relatiT hohen Lufldracks im Süden der Bodeneihebungen nicht vorhanden sem könnten. Femer würde, da Beduktionsmethode und die verwandten Instrumente während des dreijähri?en Zeitraumes von ISPn unverändert geblieben sind, eine gi-össerc Aehnlichkeit der Luftdruckbilder der einzelnen Jahre hervortreten müssen, wenn der Grund ihrer Existenz allein in der Methode läge. Die Konstruktion der einzelnen Jahreskarten sngt aber, dass dieselben von Jahr zn Jahr nicht unerheblich variieren, sowohl was Gestalt als was Ausdehnung betrifft.

Um jedoch unseren Resultaten norli ' '"• (' grössere Sicherheit zu verleihen, ist eine Gruppierung der Luttdruckmittel nach den Jahres- zeiten vorgenommen worden. Würden die gefundenen Luftdruck- differenzen ihren Grund haben in unrichtigen, zur Reduktion benutzten Temperaturwerten der zwischen dem Beobachtungsort und dem Meeres- niveau zu denkenden ' Luftsäule , so w^ürde eine beträchtliche Differenz in den verschiedenen Jahreszeiten, besonders zwischen Winter und Sommer, hervortreten müssen, da die Teniperaturabnahme mit der Höhe im Winter und Sommer sehr verschiedene Werte repräsentiert, zu Zeiten während des Winters, wie w ir dies weiter unten des ^«ähereu sdben wevden, sogar völlig in ihr Gegenteil, eine Temperatuizunahme mit der Höhe, verkehrt wird. Die Erscheinung würde also je nach den Jahreszeiten bald verschwinden, bald wieder erscheinen müssen. Dies ist nun aber thatsächlich niclit der Fall, wie die folgende Tabelle und die Karte zeigen, vielmehr linden wir die lokalen Depressionen zu allen Jalireszeiten wieder.

*) Diese and andere im Verlauf der Arbeit tiHÜg gewoTctanen firmittelungen tragen einen Teil der Schuld an der YenSgerong des Earscheineiis der vorUegenden Abhandliuig.

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334 Assmann,

Tkbelle 2. Inftdrackmlttel ier JahraBieiieB.

Mlti«! aas 1883, 1881,

1886

Mlttol

aus imi.

iKfcS. 18M. lfS85

^ Winter

Früh-

Sommer

Herbst

Winter

Früh»

Sommer

. Herbst

Klausthal

TG1.9

700.1

(<)l,-->

701,0

703,6

760,4

701.0

760,3

Nordhausen ....

763,0

700,5

701,9

761,7

764,a

760,9

761,4

761,3

BraoBschveig . . .

761,7

759,8

mm A « A

761,2

760,8

768,8

760,1

760,5

760,0

Kunniu

761,b

7.'i9,8

760,9

760,5

Magdeburg ....

761,9

700,0

761,0

760,7

763,4

760,5

760,5

760,0

768,8

760,0

761,8

761,0

^

Korbetha

/59,8

701,3

701.4

704,3

700.4

700,9

700,7

Erfurt

7ü2,U

<b0,2

761,8

761,7

764,6

760,8

761,4

760,9

Sulza

762,1

759,7

761,6

761.5

4 U_..J

< 01,0

761,7

708,0

700.1

761,5

701,8

Meiningen ....

762,6

759,2

701,0

701,3

704,3

759,9

760.8

760,6

Ingelsberg

703,0

700,3

701.0

701.0

GroHä-Breitenbach . .

703.6

700,2

701.4

701,9

765,3

761,0

761,1

701,2

702,7

700,3

701,0

701,4

764,5

761,0

761,3

760,6

768,2

759,9 1

761,5

761,1

Je unerwariet^, tot all^ Dingen aber je unwahrsclidiilicher ein neues Ergebnis von Untersuchungen ist, um eo grösser ist die Pflicht, alle irgendwie möglichen Beweise für oder gegen dasselbe herbei-

zuschafl'en.

Aus diesem Grunde wurde f(lr das in Frag^e .stchondo Resiilhit unserer Untersuchungen ein Beweisrtveg eingeschlagen, wciciier davon ausgeht, dass die ünsicheilieit der zurBedu£ion avf Meeresniveau ver- wandten Lufttemperaturen nahesu unwirksam gemacht werden kSnne durch Reduktion der Barometerstände auf em mittleres Niveau. Und in der Tliat mnssto liierdurdi. wenn, wie -wir nachgewiesen hal'ieii. die Meereshöhen in den zulässigen Felilergrenzen bekannt sind, der einzige noch mögliche Fehler zum grössten Teile eliminiert werden.

Wenn wir die Reduktion der Barometerstände, welche au einer 600 m hohen Station beobachtet worden sind, auf das HeeresniTeau ausführen, stellen wir die mittlere Temperatur jener 600 m hohen Luft- schicht in der Weise in Rechnung, djiss wir einen aus der Erfahrung abgeleit<»ten Faktor für die Abniilime der Lufttemperatur nach oben verwenden. Derselbe ist im Mittelwerte = 0*^,5 pro 100 m, d. h. man nimmt an, dass eine 100 m über dem Meeresniveau liegende Station wegen ihrer höheren Lage um 0^5 lädter sei ak eine etwa senkrecht unter ihr zu denkende Station. Eine Station in 600 m Höhe wQrde dem- nach lim 0 X 0*'..') = 8^,0 kälter sein.

Ist dieser Faktor O^Jy pro 100 m aber unrichtig, was er bei dem Fehlen direkter Beobachtungen wohl sein kann, zumal eng lokale Unter- schiede zwischen zwei benachbiut*;u , aber verschieden gelegenen Sta- tionen schon konstatiert worden sind, dann muss der Fehler mit der Mächtigkeit der in Frage kommenden Luftschicht wachs«D. Würde z. B. für eine 000 m hoho Station der Faktor nicht 0*,5, sondern "",7 sein, so würden statt der im ersteren Falle in Rechnung gestellten 8^0 mm 4^,2 verwandt werden müssen, wodurch schon ein Fehler von

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Der Einflnss der Gebirge auf das Eliinft rcn Müteldeutflchland. 335

circa *).:{ nmi in den auf das Meer reduzierten Barometerstand hinein- gebracht werden würde.

Würden wir da<?etren, statt auf Meeresniveau, auf ein mittleres Niveau f z. B. ÜUCm, reduzieren, so würde derselbe- fehlerhafte Tem- peraturfiEiktor nur 0^6 bei der Hitteltemperatur, bei dem Barometer- stände aber weniger als 0,1 mm ausmachen. Haben wir eine Aiwaihl Stationen, welche in sehr verschieden n M r Ii ")hen liegen, so werden wir durch Kt'iluktion der Harometerstände auf ein mittlere^ Niveau die UU8 unrichtiger Ansetzung der Temperaturabuahme hervorgehenden Fehler möglichst einengen.

Die AusftÜmmg der Reduktion sämtlicher in Frage kommender Barometerstände auf ein mittleres Niveau von 800 m ergibt nun einen Verlauf ih r T ohargi, welcher mit dem in Karte 1 wiedergegebenen nahezu identisch ist. Eine Wiedergabe derselben mnss indes aus &U8-* seien Gründen unterbleiben.

Es ist jedenfalls anzunehmen, dass durch dieses Zusammeafallen der beiden Isobarenbilder die Thatsächlichkeit der gefundenen lokalen Depressionen an den Nord- und Nordostseiten der beiden Hauptgebirge Mitteldeutschlands eine erhebliche Stütze erhalt.

Nach alle dem Gesatrtcn werden wir nicht umhin können, die ThatviicliHclikeit des Vorliandenseins kleiner Gebiet»' niederen Luft- drucks nn Norden oder Nordosten des Harzes und Thüringerwaldes, wahrscheinlich auch eines solchen zwischen der Rhön und dem Thü- ringerwalde, anzunehmen.

Wir haben nun noch die Frage zu erOrteni, welches die Gründe für das Auftreten dieser lokalen Depressionen sein könnten.

Wir sahen ölten bei der Betrachtung der nll<jfemoiiien mittleren Luftdruckverhältnisse von 1 )eutschhind . dass unser zu uutersucliendos Gebiet auf einem allgemeinen Druckabhange , welcher von Süd nach Nord geneigt ist, liegt. Dieser Abhang setzt, da fortwShrend infolge seines Vorhandenseins Luft in der Tiefe von Süd nach Nord fliesst, die Existenz eines oberen, entgegengerichteten Ausgleichstromes mit Notwendigkeit voraus, um den fortwährenden Luflverlust in der Tiefe zu decken. An Stellen, welclie du freien Abfluss der Luttmassen in der Nähe des Erdbodens behmderu, also an Bodenerhebungen, muss dieser Druckabgang notwendigerweise ein steilerer sein, als dort, wo diese Behinderung nicht stattöndet. Er bildet also an Oebürgen, deren Längsrichtung senkrecht auf den allgemeinen Gradienten steht, Stufen, Terrassen, an welchen eine schnellere Drnrknbnjilnive auf Iteschränkt^m Gebiet statthndet, als der allgemeinen 1 )ruckal»nahme entspricht. Denn wenn die den Druck eraiedrigende Ursache auf der ganzen Sti'ecke ungetalir gleichmässig wirkt, wie das bei der StrSmux^ in der Höhe der Fall ist, welche durch das Ctebhrge nicht direkt beeinflusst wird, so wird im Schutze einer die untere Zuströmung behindernden Schranke der Luftdnick sinken, bis über der Schranke selbst oder neben ilir der untere Gradient so stark geworden ist. dass die Zufuhr wieder der Abfuhr das Gleichgewicht hält es wird also ein neuer Gleich- gewichtszustand erstrebt und erreicht.

Den hauptsächlichsten Einfluss aber auf das Zustandekommen

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836 AsBinaim, [26

dieser Gclticte niederen Luttdrucks dürfte die Tliatsaclie hüben, dass jahraus jahrein die vorwiegend benutzten Zugstrassen der iuirometrisolien Depressionen nördlich von unseren Gebirgen vorbeiiiüiren. Eine jede nördlich von den Gebirgen TorOberziehende Depression eniiedxigt an deren Nordabhängen den Luftdruck schneller und starker als an deren Sudseite, da die nördlich lagernde Luft kein Hindernis zum Abströmen nach der Depression liin hat, während die südlichen Luftmassen zu- nächst den (iebirgswall ersteigen und übersteigen müssen, um sich dem allgemeinen zur Depression hin gerichteten Strome anzuscliliessen. Wir finden diese Thatsache zu einem mächtigen und allbekannten Phänomen an den Nord- und SQdrändem der Alpen und ähnlich an fast allen höheren Gebirgen der gemässigten und kalten Zonen unter dem Namen „Föhn" ausgebildet. Wenn tiefe Depressionen vom TCnnal aus lieranrücken, pumpen sie nach der allgemein acceptierteu Dar- stellung von Hann die nach Nord offenen Alpenthäler aus. deren Luft ihrem Aspirationszuge ohne weiteres zu folgen vermag, wülirend das Gebirge ds Bewegungshemmung ftbr die Luftmassen der anderen Seite wirkt. So wird der Luftdruck im Norden der Gtebirgskämme sinken, dadurch a])er die über den Kamm herüberkommende Luft von ihrem horizontalen, der Depression zuijerichteten We^e abgelenkt wer<len und zur Ausfüllung des Geljietes niederen Luftdrucks nach unten, und /.w ar wegen der erheblichen Druckunterschiede mit grosser Vehemenz, und wegen Zunahme des auf ihr lastenden Drucks bei der Abwärtsbewegung durch Kompression stark ttwärmt, strömen. Ziehen starke Depressionen über das Mittelmeer, während im Norden hoher Luftdruck lagert, dann tritt in den südliehen Alpenthäh'rn Nordiohn ein.

Gerade diese Thatsache der auf beiden Seiten der Alpen auf- tretenden Föhnerscheinungen zeigt uns, weshalb die Druckabnahnie, weldie wir bei unseren deutschen Mittelgebirgen an deren Nordseite konstatierten, nicht auch an den Al^en auftraten kann. Die Alpen liegen nicht auf einem einseitig geneigten Druckabhang, sondern auf einem Kücken hohen Luftdrucks, von wehhem aus der Dru(k nach beiden Seiten, nach Nord wie nach Süd, nahezu ijleieh st;uk abnimmt. Daher sehen wir auch den Föhn, diesen Ausdi-uck für die Existenz lokaler Luildruckvermiaderung , nur dann eintreten, wenn an einer Seite des Gebirges hoher, an der anderen niederer Luftdruck herrscht. Bei unseren mitteldeutschen Gebirgen aber gehört es zu den Ausnahmen, dass der LuftdriK k südlich von denselben geringer ist als im Norden. Ist nun thatsiu hlioh . wie der Föhn l»eweist, eine Bodenerhei)ung im- stande, im gegeljeuen Einzellalle Druckditferenzen zwischen den beiden Seiten eines Gebirges zu ei-zeugen, dann liegt kein Grund vor, es für unwahrscheinlich zu halten, dass derselbe ^rgang, in geringerer In* tensität fast Tag fOr Tag wirksam, einen konstanten almlichäi Effekt hervorbringen werde.

Wir sind im Verlaufe der obigen Erörtenmgen über die Ein- wirkung der Gebirge auf die Luftdruckverhältnisse in Mitteldeutschland fast von selbst auf die Nennung des von der Luttdruckverteilung ab- hängigsten klimatischen Faktors, den Wind, gekommen. 6elin|;e es uns, nachzuweisen, dass die Windrichtung in den von den supponierten

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27] Der Einflnas der Oebixge auf da« KUma ▼on Mitteldentschlaiid. 337

lokalen Dejiressionen eingenommenen Gebieten eine von der all;^emeinen mittleren ^Strömung abweichende, und zwar in dem Sinne der ange- nommenen Druckunterachiede abweichende ist, so würde unserer An- nahme eine sehr wesentEche Stötse hierans enraduen.

Es wurden m diesem Zwecke fXkr sämtliche in unserem Oebiet liegende Stationen die in den 3 Jahren 1881, 1882 und 1883 beob- achteten Windrichtungen in Proeenten der Gesamt -Beobachtungen be- rechnet und nach Quadranten gruppiert. Um ein übersichtliches Bild über diese Verhältnisse zu erlangen, wurden die vorherrschenden und die zweithäufigsten Windrichtungen in die Karte I. der drei- jährigen mittleren Isobaren mit ein^tragen. Die Torheirschenden Winde <\ni[ durch einen blauen, die zweithäufigsten durch einen roten Pfeil gekennzeichnet.

Diese Karte lelirt uns, dass nahezu ausnahmslos die vorherrschende "Windrichtung dem südwestlichen Quadranten angehört, also dem grossen und allgemeinen Gefälle des Luftdrucks über Central -Europa folgt. Von einer Ablenkung im Sinne der supponierten lokalen Druck- Yer- minderungen ist nirgends eine Andeutung Torhanden, wenn man von den geringfügigen, durch die Erstreckung von Flussthälern oder durch benachbarte Boden -Erhebungen mechanisch bewirkten Ablenkungen absieht, wie wir sie in Sontlersliausen und Frankenhausen finden, wo eine rein westliche Richtung vorherrscht.

Seh^ wir uns dagegen die Anordnung der zweithäufigsten Wind« richtungen an, so finden wir, dass dieselben von anderen als den dem allgemeinen Gefalle zugehörigen Ursachen beeinflusst werden. Wir finden z. B. als zweithäufi'^'ste Dichtungen in Hannover und Braun- scliweig Nordwest, mi Marienthal (am Elm) dagegen Südost, in Magde- burg und Gardelegen Ostsüdost. Dieses Arrangement macht den Ein- druck, sls sei es durch die zwischen diesen Stati<men geftmdene lokale Depression herrorgerufen.

Durchmustern wir die Gegend der andt rtu thüringischen Depres- sion, so sehen wir auch dort eine einer cykloualen ziemlich ähnliche Anordnung, indem Nord hausen Nordost, Sondershausen Nordwest, Halle Südost und Saugerhausen wieder Nordost als zweithäutigste Kichtung zeigen.

Längs des gan^n Nordrandes des ThOringerwaldes finden wir einen gleichmässigen Nordwest, welcher allerdings sich in eine cyUonale

Anordnung nicht ganz streng einfügt; doch könnte man, da diese Richtung mit der Streichungs - Richtung des Gebirgswalles zusamnien- fällt, auch hier an eine mechanische Ablenkung durch denselben denken. Diese gebirgsnahen Stationen werden übrigens wesentlich durch den WeehsM zwischen Berg- und Thalwind beemfiusst.

Wir finden somit aus dem Arrangement der Windrichtungen zwar keine direkten Beweise für die Existenz lokaler Aspirations - Centren, sehen jedoch, dass die zweithäufigsten Windrichtungen in einer Wei^c angeordnet sind, dass sie von lokalen Verhältnissen stark beeiuüusst erscheinen.

Die Berg- und Thalwinde, auch Nacht- und Tagwinde genannt, stellen bekanntlich den (Gebirgen eigentQmliche, durch sie

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Anmann,

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sel^>sf venirsnrbfo periodische Luftströmung;' 'u «Inr, welche von nicht geringt-r klimuti.scher BedeutunjJT für die VentihLtion der Thiili r sowohl, als auch der den tiebirgsründeni beuaclilüirLeu Niederungen sind. Tiefe, den Torhemclieiiclen Winden naheza gSnzlich enbsogene TUUer wttrden sicherlich eine gesundheitsgefäbrlicfae Stagnation ihrer Luft mit den daraus hervorgehenden Folgen der Anhäufung von Schädlich- keiten aller Art erleiden niüt^-sen, wenn nicht diese lokale Cirkulation thätig wäre, welche während des Tages die Luft der Thäler ber<?- aufwürts gegen die Höhen, während der Nacht die reinere Luit der Höhen bergabwärts in die Niederungen fUhrfc. 'V^ dOrfen daher in dieser Thateache eine hOchst wichtige Wirkung der Ckbirge er- kennen, welche auch bis auf eine gewisse Kntfemung liin den gebirgs- nahen Niederungen, besonders denen der Leeseite, staubfreie und kühh rp Wald- und Bergluft zu teil werden lässt. Während der wärmeren Jahreszeit ruht an windstillen Tagen die Luftcirkulation in den Ebenen nahezu gänzlich, da die durch Erwärmung allein auftretende, wesent- lich aufwärts gerichtete Bewegung der Luft nicht als Wind empfunden wird; die Nacht bringt dann über dem hocherwärmten Erdhoden ge- meinhin auch keine aÜgemeine abwärts gerichtete Bewegung, sondern hrKhstens ein Aufhören des Aufsteigens der L\ift zustande: die gebirgs- nulieu Ebenen und die Thäler erhalten indes nun den erfrischenden, abkühlenden Hauch des Gebirges, welcher allerdings die Wärmeschwau- kung dieser Gegenden zwischen Tag und Nacht nicht unbetrftchtlich erhöht und dadurch zur gelegentlichen Erkältungsursache wird, aher das Nervensystem der Menschen wohlthätig erfrisdit und der Vegetation durch Abkülilung der untersten Luftschichten zur Bildung von Tan verhilft, welcher sie befähigt, eine längere Zeit des liegenmangela ohne Schaden zu ertragen.

Andererseits ist wahrend des Winters diese lokale Luftcirkulation die Veranlassung einer intensiveren Erkaltung der Thaler und gebirgs- nahen Niederungen, indem der Nachtwind den Abfluss der an den Gfltirgshiingen erkalteten liuft und deren Ansammlung in den Niede- rungen befördert; Avir werden diese Thatsache l)esonders dnit driitlK h ausgeprägt finden, wo eine Mulde vou allen Seiten durch bedeutendere GebirgshShen umrandet ist, so dass der Zufluss der nächtlich erkalteten Luft von allen Seiten her stattfinden kann. So zeigt das Thflringer Becken im ganzen, die Goldene Aue, die Leine-Ni« ih rung, die Mulde des nördlichen Harzvorlimdes gelegentlich diese Erscheinung in voller Deutlichkeit. Allerdings l»ewirkt die am Tage auch während des Winters erfolgende Bewegung der Luft gegen die Gebirge hin eine Abschwächung oder Aufhebung dieser Ansammlung kalter Luftseen in den Mulden, doch ist iHÜbrend der Zeit des niedrigsten Sonnenstandes die Insol;Lfi()n> Wirkung eine so kuTze und geringe, besonders wenn eine Schneedecke die Sonnenwärme vom Erdboden abhält, dass als He<uliiit der Gebirgswinde doch eine stärkere Abkühlung der Thäler und Niederungen zu konstatieren ist. Bei der überwiegenden Länge der winterlichen Nacht weht auch der Nachtwiud eine erheblich längere Zeit als der auf wenige Stunden eingeengte Tagwind.

In den gebiigsnahen Gegenden Mitteldeutschlands finden sich die

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Der Eiuüusä der Gebirge auf das Klima von Mitteldcutäclilaud. 339

Gfebiigswinde in durchans charakteristischer Weise Tor, wenn man die Perioden heiterer und stiller Witterung für sich betrachtet. Es zeigt sich sowohl am Hai-z als am Thüringer Walde eine dciitlicho Umkehr der Windrichtungen vom Tage zur Nacht. Selbst in <!< n vierjährigen Monatismitteln der Häutigkeit der einzelnen Windrichtungen findet sich eine deutliche Tendenz des Windes vor, am Morgen und Abend vom Gebirge her zu wehen, am Mittag aber Tom Gebirge abzudrehen, also mehr oder weniger .schräg gegen dasselbe anzuwehen. Allerdings wird die grosse und allgemeine Cirkulation der Luft, welche besonder« am Ilar/^'ehirge eine ausgesprochene, dem grossen (^eflille gegen Nord gehorchende ist. in den Mittelwertt^n durch diese lokalen Winde nicht erheblich alteriert werden können, zu deren Zustandekommen eine ge- rade im nördlichen Deutschland selten vorhandene Luftruhe notwendig ist; doch erhalt man eine zweifellose Andeutung hierfür, wenn man die zweithSiifigsten Windrichtungen der Terschiedenen Tageszeiten mit emander vergleicht.

So hndeu wir z. B. für Klausthal im April auM vierjährigen Mittelwerten die vorherrschende Windrichtung morgens Ost, mit- tags Südost, abends wieder Ost; die zweithäufigste Richtung ist für denselben Monat morgens Südost, mittags Südwest, abends wiedor Südost. Am Westraude des Harzplateaus gelegen, bekommt Klausthal seinen Berg^vind aus dem Striche zwischen Nordost und Südost, seinen Thalwind zwischen Süd und Nordwest. Wir sehen in beiden Fällen den Wind zum Mittag vom Gebirge abdrehen, abends wieder daliin zurückkehren.

Nordhausen hat vermöge seiner Lage am Sttdrande des Harzes seinen Bergwind aus einem Striche zwischnn Nordwest und Nordost, seinen Thalwind zwischen West und Südost, Die allgemeine grosse Luftbewegung aus Südwest und \V»>st. welcher Nordhausen vollständig offen liegt, unterdrückt die lokale Cirkulation vollständig, so dass sie m den Mittelwerten der vorherrschenden Winde nicht zu finden ist. Wohl aber tritt sie benror in den Mitteln der zweithauflgsten Wind- richtungen: im Dezember ist die zweithäufigste Richtung moi^ens Nord- ost, mittags We«;t, abends Nordost; im März morgens Nordwest, mit- tags West, abends Nordost; im Juni morgens Nordwest, mittags West, abends Nordwest. Auch hier sehen wir das charakteristische Abdrehen des Windes vom Gebirge zur Ikiittugszeit,

Schwanebeck hat vermöge seiner Lage nordnordöstlich vom Han seinen Bergwind aus einem Striche zwischen Westsüdwest und Sudost» seinen Thalwind zwischen Nordwest und Ost. Die Lage Schwane- becks im Lee des Harzes würde an sich eine grössere Luftruhe und damit eine Begünstigung lokaler Cirkulation befördern, wenn nicht die Nähe der durch starke Luftbeweguug ausgezeichneten norddeutschen Niederung diese günstige Wirkuns des Gebirges mehr als kompen- sierte. Ausserdem entwickeln sich an den lUndem eines Gebirges lokale , einwärts weisende Luftströmung^, welche die Reinheit der Bilder spezifischer Gebirgswinde wohl zu verwischen geeignet sind. Trotzdem finden wir einige Andeutungen datür, diuss auch in Schwane- beck unter günstigen Verhältnissen ein Abdrehen des Windes vom Gebirge

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zur Mittagszeit stattfindet. Im Januar-Mittel herrscht morgens der Südwest (Bergwind), mittags der West, abends der Südost (Bertrwind) vor; der West ist zwar für Schwanebeck nicht als Thal wind autzutussen. ist aber duck vom Gebirge erheblich weiter abgedreht als die beiden anderen Winde. Im Januar ist morgens Südwest, mittags Ost, abends Südost am häufigsten ; der Ost ist für den Nordostraud des Harzes ent- schiedener Thalwind. Unter dt ti zweithäufigsten Windrichtungen finden wir im März einen schönen Beweis für unsere Betrachtung: morgens weht Südwest (Bergwind) , mittags Nordost freiner Thalwnnd) , abends West. Ebenso im Mai: moi^eus Südwest, mitt^igs Nordwest, abends West; nnd im Juni morgens SOdwest, mittags l^rdost, abends West.

Die deutliche Ausprägung der Gebirgswinde in Schwanebeck, welches 30 km Tom Gebirge entifemt liegt, gibt zugleich einen Beweis für unsere oben aufgestellte Behauptung, dass diese lokale Cirkulation sich bis auf die umgebenden Niederungen erstreckt, obwohl sie am und im Gebirge selbst iliren eng lokalen l'rsprung hat. Die Aspiration, welche ein Gebirge am Tage, die Propulsion, wekihe es wlhmid der Nacht auf die umliegenden Luftmassen ausQlit, wirkt weithin in die Ferne , so dass wir mit Tollem Recht die Gebirgswinde als einen von den Bodenerhebungen umnittidbar abhängigen klimatischen Faktor VOn mehr als lokaler Bedeutung zu l)etrachten haben.

Es lässt sich nicht verkennen , dass das Harzgebirge vermöge seiner meeresnahen Lage weniger gut zur Auffindung lokaler Cirku- lationen geeignet ist als ein kontinentaler gelegenes Gebirge wie z. B. der Thüringer Wald. Und in der That finden wir hier auch die ge- nanntr rt Krs( Ii einungen erheblich reiner und deutlicher entwickelt, so dass wir nur ungern aus äusseren Gründen auf die Darstellung dieser Verhältnisse ver/.i( ht(>n.

Betrachten wir nun noch in kurzen W orten die Verhältnisse der Windstärke in ihrer Abhängigkeit von den Gebirgen. Abgesehen TOn der hier nicht zur Betrachtung heranzuziehenden allgemein gros- seren Windstärke an den höher gelegenen Gel)irgsstationen werden wir einen EintluNS der Bodenerhebungen wosentlirh darin zu finden haben, dass di»' (TelnrgstliüU r und gebirgsnahen Niederungen tinerseits einen Schutz gegen die Ut ltigkeit bestimmter, durch lokale Lageuverhältnisse bedingter Winde gemessen, andererseits eine Vermehnnig der Wind- stärke eintritt, wenn tiefe Thäler dem Torherrschenden Winde eine trichterförmige Oefinung zukehren, während si« an ihrem anderen Ende mehr und mehr verengt werden. Es tritt in diesem letzteren Falle eine Zusammendrängung <ler in die weitere Oefihung eingepressteti Luft ein, welche, da die propulsive Kraft fortwirkt, die Wirkung der Verengerung ihres Strombettes nur durch Vennehrung ihrer Sfcrom^e* schwindigkeit auszugleidien yenaag. Die nach Sfldwmt und West sich öffiienden Har/thäler der Oder. Lutter, Sieber, Lonau und Söse .sowie das Thal zwiselien Gittelde und Gi*und sind durchaus geeignet, derartige Erscheinungrn nicht selten autzuweisen, und liegen auch in der That ge- legentliche Ein/elbeobachtungeii dieser Art vor; leider fehlen indes hier noch systematische Aufzeichuungon gänzlich.

Der Windschutz eines Gebirges muss sich Tomehmlich darin ans-

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Der Emflun der Gebirge auf daa Klima von Mitieldeutaclilaiid. 841

drücken, dass die stärksten Winde nicht vom Gebirge her. soiKhrn gegen dasselbe anwehen; doch sind hierbei, wie wir weiter unten seilen werden, die nördlichen Gebirgsrander auszunehmen, an welchen sich föhnarfige Winde «ntwickeln.

Bestehende Ueine Tabelle zeigt die Richtung der stärksten Winde für Klausthal, Nordhansen und Schwanebeck in den yerschiedenen Jahreszeiten.

Winter FrOl^ahr Sommer Herbst

Klausthal Weat-Sttdwest Ost-Nozdost Sttd-Sfidwest West-Sttdwest * Nordhansen Südwest Südwest S&dwest Südwest Sdiwanebeck Nord West Nordwest West.

Wir ersehen daraus, wie für Klausthal die stärksten Winde vor- wiegend aus einem Striche zwischen Süd-Südwest und West-Südwest, für Nordliausen konstant aus Südwest, für Schwanebeck aber zwischen W^est und Nord wehen. Der W^indschutz des Harzes äussert sich demnach für Schwanebeck in der Weise, dass die an sich stärksten Südwestlichen Winde so viel an Stärke einbttssen, dass die im allge- meinen absolut schwfidieren Strömungen ein Uebergewicht ihrer Si&rke erhalten.

Die Erscheinung des durch die rb-ltirfjo aiisrrenVtten Winds( lintzes führt uns zur Erörterung der in derselben Weise hervorgeruieueu Windstilleu.

Wir sehen zmülchst, dass nicht nur die freigelegenen Höhen- stationen sehr wmig Windstillen notieren, sondern dass die Stationen

der gebirgsfemen Ebenen, wie Torgau, Halle, Magdeburg, ausser- ordentlich selten ohne bewegte Luit sind. Genauere Betrachtung lehrt uns aber Gegenden kennen, welclie, weil gegen die vorherrschenden Winde abgeschlossen, einen so beträchtlichen Ueichtum au \\ indstillen haben, dass diese Thatsache ak ein wichtiger klimatischer Faktor für die betreffende Gegend anzusehen ist. Wir finden z. B. Jena mit 37,2 %t aller Notierungen windstill, Kassel mit 40 ** o , Rudolstadt mit 4:}. .'3 Den Grund haben wir ausschliesslich in dem Vorhanden- sein von Bodenerhebungen zu suchen, welche den vorherrschenden Winden den Weg verlegen. Kassel ist durch den nach Südwest und West vorgelagerten Habichtswald, Rudolstadt durch den ganzen, be- trikditiich hohen Südostteil des Thüringer Waldes (rgl. Profil 9 u. 10) gegen Südwest^ gegen West und Nordwest durch die nicht unbeträcht- lichen Höhen rler siidlirhen Ilmplatte ganz ausserordentlich geschützt. Jena aber liegt in dem tiefen Einschnitte, welchen die Saale in das Plateau der Ilmplatte eingegraben hat, gegen Südwest und West Yöllig geschützt.

Ans der ferneren Reihe der sich durch häufige Windstillen aus- zeichnenden Stationen füllt uns noch Klausthal auf, welches trotz seiner hohen Lage 12,7" ., Windstillen meldet. Eine Erklärung dieser merk- würdigen Erscheinung lii^st sich ohne weiteres nicht wohl geben, doch ist anzunehmen. das< Khmsthal dem Steilabfall des Harzes auf seiner Luvseite noch ualie genug liegt, um noch innerhalb desjemgen Gebietes ZU sein, welches infolge der ^npordrilngung der Luftmassen Ton noch nicht wieder horizontal gewordenen Luftströmen ttberweht wird. Ausser-

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dem ist zu bedenken, dass nanieutlidi an Gel)irgen die Luftströnmii'^^^n, !><ilia1i] ein allLrenieinor und fjfrossor Gradient fehlt, als lokale Bei;^'- und Tlialwiiide uultrcteu. l)iesell>f'n weiden sieh auf einer ziemlich ebenen Piateaufläche, wie es diejenige ist, auf welcher Klausthal liegt, weit weniger äussern als an den Abhangen und in den Niederungen. Auch dürfte zur Erklärung dieser häufigen Windstillen vieUeicht die That- sache mit herbeizuziehen sein, dass die Beobachtungstermine 8 Uhr morgens und 8 Uhr abends in fast allen denjenioren Fällen, in welchen diese lokalen Gebirfrswinde wehen . ziemlich nalie mit den Zeiten des Windwechsels zusammenfallen. Berg- und Thalwind, deshalb eben auch als Nachts und Tagwind bezeichnet, wechseln miteinander ab in der Weise, dass der am Tage bergaufwärts wehende Thal wind am Abend abflaut und noch eine Periode der AVindstiUe in den während der Nacht l>ergabwärts wehenden Nachtwind über<^oht. welcher abennals am Morgen schwach, schliesslich still wird, um dem Tagwind zu weichen. Im Sommer wird der Abendwind Wechsel, also die zwischenliegende Stiilenperiode, gegen 8 Uhr abends, im Winter der Morgeuwindwechsel gegen 8 Uhr morgens eintreten, daher leicht eine grössere Ansahl von Windstillen vortäuschen können, als sie in d^ That im Laufe des Tages herrschen. Der Mittagswind ist aber nn Gebirgsstationen häufig der schwächste des ganzen Tages, da die im Spiel der auf- und absteigenden Lull- ströme aus der Ebene heraufgedruugenen Luftmassen ihre geringere, durch Reibung behinderte Geschwindigkeit mitbringen. Doch dürfte Elaustiial noch nicht hoch genug gelegen sdn, um hierdurdi beeinflnsst zu werden.

Einen deutlichen Einfluss der Gebirge auf die Windverhältnisse von Mitteldeutschland ^v^irde man auch aus einer Statistik der Stürme erkennen können. Leider reicht für diese Untersuchungen das verfüg- bare Material zur Zeit noch durchaus nicht zu mid müssen dieselben daher einer späteren Gelegenh^t vorbehalten bleiben.

Wir dürfen jedoch das Kapitel vom Luftdruck und Winde nicht schliessen. ohiw einer Erscheinung Erwähnung gethan zu haben, deren erste Konstatierung auf Grund des dichten Stationsnetzes in Mittel- deutschland durch den Verfasser bewirkt worden ist. Es ist dies der Föhn in den deutschen Mittelgebirgen.

Unter denselben begünstigenden Umstünden, unter welchen, wie wir schon oben erwähnten, in den nördlichen Alpenthälern Föhn ent- steht, also infolge der einseitigen Abführung der Luft, wie sie durch barometrische Depressionen, welclie den Kanal kreuzen, hervorgerufen wird, können wir auch an den nördlichen Abhängen und Thälem des Harzgebirges und des Thüringer Waldes die charakteristischen Föhu- erscheinungen, wenn «ach sdbstredend in abgeechw&diter Intensit&t, wahrnehmen. Einer der charahtmstischesten derartigen Fälle trat am 1. Januar 1883 ein und wurde vom Yertaaser persönlich in Wernigerode beobachtet. Da derselbe als Muster fUr alle übrigen analogen Er- scheinungen dienen kann, sei derselbe etwas ausführlicher erörtert.

Am L Januar lag westlich von Schottland eine Depression von 745 mm Tiefe, welche einen Eeü niederen Luftdrucks südöstlich bis in die Gegend Ton Hannover vorgetrieben hatte; im südlichen Frankreich

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Der Einfliu» der Gebirge auf das KUma too MitteULeutflchlaad. 348

und im südlichen Centraieuropa lagen zwei getrennte Gebiete hohen Luitdrucks. Im Laufe des Tages fiel das Barometer im Nordwest um fiist 10 mm, stieg dagegen in SüddeutscUand um mehrere Ifillimeter. Durch diese fortst hreitende Yentärkuog der Druckdifferenz wurde ein starker Gradient nach Nord zu erzeugt, welchem folgend die Luftmaasen Norddeutschlands leicht und ohne Hindernis, diejenigen von Mitt<>l(Ieutsch- land und besonders die südlich vor den (Tel)irgeu lagernden nur zögernd und iungsumer nach der Depression liiu abströmten. Hierdurch ent- stand eine LuftverdUnnung an den Nordrandem ^et quer zur Strömung sich erstreckenden beiden Gebirge Harz und Thüringer Wald, welche dazu führen musste, daas die den Kamm Übersteigenden Luftmasseiif statt horizontal dem zur Depression hin gerichteten Znp^e zn folgen, mit grosser Gescluvindigkeit abwärts stürzten und bei diesem Sturz in- folge zunehmender Kompression erwärmt wurden. Da sie bei üu-em Aufsteigen an der Luvseite des Gebirges infolge der zunehmenden Ab- kflhlung durch abnehmenden LuftdrucK den grOssten Teil ihres Wasser- gases durch Kondensation verloren hatten, nmssten sie im Lee relativ trocken ankommen und infolgedessen die Differenz der Temperatnr- änderungen mit der Höhe . wie sie zwischen feuchter und trockener Luft besteht, zu enier beträchtlichen Zunahme der Leeseiten- Temperatur ausnutzen.

So herrschte um 8 Ühr abends in Nordhausen (in 222 m HShe)

eine Temperatur von 7 ",5, auf dem Brocken (1 142 m) 5",5, in Wernigerode (rirra 210 m) aber beobachtete der Verfasser selbst 13^5. Der Wind war Südwest, in Nordhauseu massig, auf dem Brocken stark, in Wernige- rode bei klarem Himmel stürmisch, in kurzen heftigen Böen wehend. In Nordliausen und auf dem Brocken fiel ziemlich starker liegen.

Unser Profil 5 kann uns in seinem mittleren Teile dazu dienen, die einschlägigen Verhältnisse zu verfolgen, wo])ei wir natürlich ni(*ht vei^essen dürfen, dass der Höhenmassstab der Profile ein anderer ist als der '1er Läntr«'. Von Nordhausen aus in 222 in TTrdu' . im Profil der Lage von Scluirzteld, welches etwas westlicher liegt, entsprecliend, stieg feuchte Luit mit der Temperatur von 7 ",5 an der Luvseite des Gebirges in die Höhe. Da die Luft nahezu mit Wassergas gesättigt war, wie der am ganzen Tage herrschende feuchte Nebel und die relative Feuchtigkeit von 99"» bewies, so bedurfte es nur eines geringfügigen Aufsteigens. um das Wassertj-as zur Verdichtung zu bringen. Alle auf der Luvseite des Gebirges liegenden Stationen meldeten 100 ''o relative Feuchtigkeit und Hegen, auch der Brocken ebenso. Dieser die ganze Luvseite einnehmenden Dampfsftttigung ist es auch zuzuschreiben, dass die Abnahme der Temperatur mit wachsender Höhe so ausserordentlich langsam erfolgte, dass dieselbe bis zur Brockenhöhe nur 2*^, also bei einer Höhendifferenz von 92<»m nur um 0",2 auf 100 m betnig. Auf diesem Wege muss jedoch die aufsteigende Luft den grössten Teil ihres Wassergasgehaltes durch Kondensation eingebUsst haben, so dass sie, in doi luftverdttnnten Eaum nördlich vom Brockengebirge mit Vehemenz niederstürzend, die Temperaturzunahme trockener Luft er- fahren konnte. Auf diesem abwärts g^diteten Wege von 930 m Höhe wurdt die Luft durch Kompression um volle 8" erwärmt, was einer

Fonduatm sur dmitMlMs LMidM- and VoUnkunda. I. & 24

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A—maim»

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Zuiuihnie von U'',84 aut 100 m entspricht. Leider liess sicli die relative Feuchtigkeit iu VVernigerode nicht feststellen, doch belehrte der heitere Himmel darüber, dass sie jedenfalls aemlich weit vom Sattigungspankte entfernt lag. Die Wäniic war in Wernigerode ^ne geradezu frappante und drückende. Aelinliclie Ersclieinungen der Konipressionserwär- mung wurden auch in Bailenstedt beobachtet, woselbst 10 ".5 notiert wurden, während gleichzeitig Quedlinburg, weiches dem Gebirgsabfiedi etwas ferner liegt, nur G^8 hatte.

Am Thüringer Walde Z6i|[ten sich analoge, wenn auch weniger intensive Erscheinungen: Meinrngen (311m) hatte 8^0, fiahnmgen (253 m) S'*, !, während auf der Nordseite Eisenach (275 m) ^^0, Arn- stadt (287 m) lO'Vi, Erfurt (l!t7m) HM», Rudolstadt (217m) 12".2 beobachteten. Die Gebirgsstationen Grossbreitenbach, Oberhof und Inselsberg hatten gleichzeitig 8 ",9, 8",0, 7",2, sodass eine noch viel langsamere Temperaturabnahme nach oben vorhanden war, als an der Luvseite des Harzes. Dagegen betrug die Erwärmung der nieder- strömenden Luft durch Kompression im Lee des Gebirges zwischen dem Inselsberg und Sal/ungen fast 4*^ bei einer HTihendifferenz von ()30 m. was einer Zunahme von 0'',()4 auf 100 m enb^pricht; zwischen Gross- breitenbach und Rudolstadt betrug diese Wärmezunahme 0*^,8 auf lOO m.

Gleichzeitig wurden auch vom Nordrande der Alpen Föhnerschei- nungen (Friedrichshafen) gemeldet.

Aehnliche Verhältnisse traten am 22. Januar 1884 an den Nord- rändem beider Gebirge auf, als eine tiefe und grosse Depression sich über die nördlirbe Nordsee hinwegbeweorte. Hier hatten die Rand- stationen des Har/es heftige vStürme bei tTockenem Wetter, während auf dem Gebirge selbst bei massigem W inde Schnee und Hegen in

Ein sehr interessanter Föhn trat am 1. Februar 1885 am Thfi- ringerwalde nnd zwar abermals gleichzeitig mit einem schweren Föhn- sturm in Trogen, Glarus und Basel auf. Auf die nähere Beschreibung dieses interessanten Phänomens müssen wir indes hier verzichten, ver- weisen vielmehr auf die bezüglichen Angaben in Nr. 4 der vom Ver- fasser herausgegebenen meteoix>lofftBchen Monatsschrift .das Wetter*, n. Jahrgang S. 72, wo eine ausflmrliche Angabe der betreffenden Ver- hältnisse zu finden ist.

Für den Zweck unserer Arbeit würde es neben der Konstatierung dieser exquisiten Gebirgswirkung darauf ankommen festzustellen, ob fohnartige Erscheinungen derartig häufig an unseren Gebirgen vor- kommen, dass sie imstande wären, einen namhaften Einfluss auf das Klima der Hinterländer oder auch nur einzelner Thaler auszuüben, wie es von einigen der nördlichen AlpenthUler. z. B. dem Illthal bei Blu- denz (Vorarlberg) konstatiert worden ist. Bludenz hat in jedem Jahr insgesamt einen Monat lang Föhn, sodass eine deutliche Temjx rahir- erhöhung dieses Thaies anderen gegenüber hierdurch bewirkt wnrd, was sich auch iu der Vegetation ausspricht

*) Ueber die FOhneracheinangen in den Alpen vgl. Hann, Handbncfa der Klimatologie S. 208 ff.

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Der fimflim der Gebirge «nf cUw KUma von Mitteldeutediland. 345

Für unsere erheljlich iiieflri<reren Gebirge kann der EiVekt natur- geinäää nur ein bedeutend scliwiU herer sein, sodass ähnliche Verhültnisse, wie in Bludenz, nicht zu bemerken sein können. Ausserdem wird eben auch wegen der geringen Intensität die Eracheiiiiiiig häufig unbeachtet bleiben mttssen, oder kann wenigstens nicht mit aller Schärfe nach- g( ^Viesen werden. Aus den letzten Jahren sind ausser den angefllhrt^^n hauptsächlich noch die Tage vom 27. November 1881, 17. Deceniher 1881, 30. Januar 18H;{, 20—24. November 1883, 1. Februar 1884 als solclie zu nennen, an welchen deutlichere l'öhuartige ErscheLnungeu zu be- obachten waren. Wir werden jedoch später in dem Kapitel yon dem Fiintluss der Gebirge auf die Hydrometeore sehen, wie eine wiclitige Erscheinung des Föhns, die geringere Bewölkung und geringere Regen- menge an der Nordseite der Gebirge eng mit den erörterten Differenzen des Luiklrucks an den verschiedenen Seiten der Gebirge zusammeu- hüugt und sich auf weite Entfernungen hin zeigt.

Fassen wir zum Schluss dieses ersten Kapitels Ober den Kinfiuss der Gebirge auf die Luftdruck- und Windverhältnisse von Mitteldeutsch- land unsere Resultate zusammen, so finden wir folgendes:

1. Nördlich vom Harzgebirge und dem Thüringer Walde zeigen sich in den Jahres- und Jahreszeiten-Mitteln kleine Gebiete niederenLuftdruckes, welche zwar die Hauptströmung der Luft nicht abzulenken vermögen, wohl aber die übrigen, weniger konstanten und starken Windrichtungen in der Weise beeinflussen, dass diejenigen, welche ihrem Aspirationszuge folgen, die zweithiiiifigsten werden.

2. Die Gebirgswinde treten in den mitteldeutschen Ge- birgen in voller Deutlichkeit auf und erstrecken ihren Eiu- fluss bis in die gebirgsnaheu Niederungen.

3. Die stärksten Winde sind fttr die gebirgsnahen Gegen- den diejenigen, welche nicht vom Gebirge herkommen.

4. Die Gebirge beeinflussen die Ventilation mancher Thäler und Niederungen in der Weise, dass Windstillen eine ausserordentliche Häufigkeit erreichen.

5. In den nördlichen Thälern und Rändern der beiden Hanptgebirge Mitteldeutschlands kommen deutlich ausge- prägte föhnartige Erscheinungen zur Winterszeit vor.

B. Temperatorverhiltnirae.

Es kann nicht Zweck der vorliegenden Arbeit sein, nur diejenig»*n Faktoren zu betrachten, bei welchen ein starker und augenfälliger £in- fluss der Gebirge hervortritt, vielmehr müssen wir auch festzustellen suchen, auf welche klimatischen Elemente die Bodenerhebungen keinen

oder nur einen geringen und gelegentlichen Einfluss ausüben. Letzteres wird um so mehr utitig sein, wenn dieses Resultat des geringen Eintlusses ein unerwartetes und der gewöhnlichen Anschauung widersprechendes ist.

Li dieser Lage befinden wir uns bei der Erörterung der Tem- peraturverhältnisse, deren Abhängigkeit von den Bodenerhebungen ohne eingehendere Befarachtung als eine sehr bedeutende angesehen wird.

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Ammann,

Zweifellos ist dies auch im holieii Masse der Fall, wenn wir deu Be- griö' , Klima von JVlitteldtutscliiaad" m semem weitesten Sinne fassen, so dass darunter z. B. auch die von der Höhenlage der einzelneii G^^den oder Orte direkt abhängiflen YerhSltniBse oder die Einflüsse der Ex- position eines Ortes g^^ttoer der Sonneneinstrahlung verstanden werden. Suchen wir da<::^egt'n in enf^erer Begrenzim^^ unseres Themas nur den Kintluss testzustellen, welchen die Gehirge nicht auf sich selbst, simderii auf ihre nähere und fernere Umgebung, auf Mitteldeut,schlaud ais Ganzes ausüben, eo werden wir nur T^iftltiiinnlBag dttrftige Besnltate bei den Temperaturverhältnissen finden.

Ehe wir jedoch an diese Untersuchung selbst herangehen, ist es notwendig, Uber das benutzte Beobachtungsmatenal zu berichten und dessen ZuviM-lässigkeit zu bestimmen.

Jeder Meteorologe weiss, dass die Bescliuüung völlig einwurfs- freien Temperaturmai^ials zu den schwierigsten Auigabeu gehört, welche die praktische Beobaditnng kennt Die Sdiwierigkeiten der An&teUung von Thermometern, welche weder von der Sonne, noch von reflektierter Wärme getrolFen, dabei aber dein Luftwechsel genügend ausgesetzt werden sollen, welche in möglichst gleicher Höhe über dem Erdboden fern von allen künstlichen W'Urniec^uellen, gegen Regen geschützt au- gebracht sein sollen, werden uui- an sein- wenigen Stationen als völlig Überwunden angesehen werden dürfen.

In unserem BeobachtungSgebiete finden wir Aufstellung( n (h r vei> schiedensten Art und in allen möglichen Höhen über dem Erdboden vor. trotzdem überall in der möglichsten Weise Rücksicht auf die be- kannten Desiderate einer guten Aufstellung genommen worden ist. Dasselbe ist von den Beobachtungszeiten zu sagen, welche in Ofaciiem Arrangement Tertreten sind hier kann, was man sich nicht scheuen darf, auszusprechen, nur der Zwang Abhilfe schaffen. Solange die mühsamen und opfervollen met« i< »logischen Beobachtungen allein auf dem guten Willen der Beobachter beruhen, so lange wird es nicht ge- lingen, die Prinzipien der korrekten Beobachtung als das einzige und unweigerhche Erfordernis bei der Einrichtung von Stationen und Be- stellung Ton Beobachtern gelten zu lassen und Yon der Bequemlichkeit in Oeitiichkeit und Zeit völlig Abstand zu nehmen. Und dies kann nur auf zwei Wegen erreicht werden, dem Wege der Besoldung der Beobachter, wie es im Königreich Bayern zum grossen Segen der Saelie üblich ist . oder indem man die Beol)achtungeu Beamten oder solchen Persönlichkeiten überträgt, welche durch irgend eine disciplinare Ge- walt zur Vernachlässigung der Bequemlichkeitsrücksichten gezwungen weiden kOnnen. Wenn man an massgebender Stelle diejenigen Beru&- klassen, welche naturgemäss der Witterungsbeobachtung am. nSchaten stehen, also die Land- und Forstwirte, für die Uebertragung von Be- obachterposten ins Auge fassen würde, .so würde sich mit Leichtigkeit ein grosser Schritt nach vorwärts in dieser Richtung thun lassen: der Staat verpachte keine Domäne mehr ohne die Bediugimg, dass eine meteorologische Station nach Vorschrift des Centralinatitutes dort er- richtet werde und setze eine Konventionalstrafe fest fOx VemachlässiT gung der Beobachtungen; der Staat rerlange Ton jedem Oberförster

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Der EinflmM der Gebirge auf das KUma von Mitteldeatschland. 347

die Errichtung und Instandhaltung einer Station in seinem Revier, deren Beobachtungen unter seiner Oberaulaicht und N erautwortlichkeit zn erfolgen haben, und man wird binnen kurzem gegen 1500 meteoro- logische Stationen im preussischen Staate haben, bei welchen die Korrekt- heii der Beobachtungen einziger Zweck ist.

Bass es möglich ist. auf diesem Wege das gewtinsclit»« Ziel zu erreichen, beweisen die einschlägigen V erhiiltnisse im Herzogtum liraun- schweig, wo durch die Energie eines Mannen, welcher in der Lage ist, die Fombeamien fitr seine WAnsehe dienshdlUg zn madien, ^n Corps TOn Beobachtern unter den herzoglichen ObenÖrstCTn entstanden ist, deren Au&eichnungen dem Ideale sehr nahe kommen.

Man verzeilie dem Verfasser diese a})s< h\veifenden Betrachtungen, welche sich unwillkürlich autdrängen, wenn man den aus den verschie- densten Rücksichten entsprungenen Metliodenreichtum in unserem Ge- biete vor Augen hat.

Zur DanteUung der Temperaturrerhftltnisse Von Mitteldeutschland suditen wir alles Material zu verwerten, dessen wir habhaft werden konnten, beschränkten uns daher nicht auf die dem Vereine für land- wirtschaftliche Wetterkunde angeliörigen Aufzeichnungen, sondern xoiren auch die in den Jahrbüchern der preussischen Statistik niedergelegten Daten, soweit sie unser Gebiet betreffen, in den Kreis uniserer Unter- suchung hinein. Da das Königlich preussische meteorologische Centrai- institut erat seit dem Jahre 1882 eine steigende Yermehrung seiner Beobachtungsstationen vorgenommen hat, war es schwer thunHch, auf einen längeren Zeitraum für unsere Zwecke zurtlckzugreifen, zumal auch die Beobachtungen des Vereines ftir landwirtschaftliche Wetterkunde, in der Mitte des Jahres 1881 begonnen, im Jahre 1882 zuerst vollständige Jahresresuliate geben konnten. So and denn im wesentlichen die Airf- seichnungen der Jahre 1882, 1883, 1884 und 1885 unseren Betrach- tungen zu Grunde gelegt worden.

Da wir uns die verhältnismässig geringe Beweiskiiift derartig kurzer Zeiträume nicht verhehlen, auch die T<'mperaturverhältnisse jener vier Jahre einseitig abnorme, d. h. durch aubserordentiich milde Winter ausgezeichnete waren, vemMshtmi wir diesen Handel durch Berechnung der 6jährigen Mittel von allen verwendbaren Stationen soviel als m0g- Kch au>/.uglcichen. In diese Reihe kam dann der sehr kalte Januar 1881 und, da die Jahresmittel für das metcorologisrlic Jahr, welches mit dem Dezember beginnt, gebildet wurden, an(li noch der noch kältere Dezember 1879 hinein, so dass die hieraus resultierenden Mittelwerte den normalen näher kommen als die einseitig abnorm beeinfiitösteu der vier letzten Jahre. Bs kommt noch hinzu, dass deren Wärmever- haltnisse allein auch deshalb nicht als normale Werte gelten können, weil der März 188.'? eine so niedrige Temperatur in Mitteldeutschland hatte, wie dies ganz ausserordentlich selten vorzukommen pflegt, z. B. in Magdeburg innerhalb der letzten öO Jahre nur 4mal geschehen ist.

Trotz aller der angeführten Bedenken erschienen uns die vor- handenen Temperaturwerte fttr unseren speziellen Zweck, welcher ja keine absoluten kÜmatologischen Masse, sondern ausscliliesslich Relativ- zahlen verlangt, ausreichend, zumal die zur Verwendung kommenden

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Augabi- u sich alle auf deuselben Zeitraum beziehen oder doch iu Be- ziehung gebraclit WOTden sind.

in Bezug auf letztere Thatsache, dass eine Reduktion soieher Benbacbiongardhoi, welche kleinere Taicken aufwiesen, oder auch s( »Klier, von welchen nur 5- oder 3jährige Reihen vorlagen, auf voll- ständige 0- und 4jährige Mittel ausgeführt werden musste. ist es noch uuBere Pflicht^ iu wenigen Worten die hierbei zur Verwendung gelaugt« Methode daizustellen.

Fehlten einer Beobachtnngsreihe eine oder einige Einzelbeob- achtungen oder ganze Monatemittel . so wurden, wenn möglich, zwei benachbarte, in ilinü T/iuren Verhältnissen möglichst älmhche Stationen in der Weise zur Ergänzung der fehlenden Werte herangezogen , dass die Difterenzen der vorhandenen Angabe für die entsprechende Zeit- einheit, meist also für einen Monat, ermittelt, und dass vermittelst dieser die fehlenden Angaben nach den Torbandenen Aufeeiebnungen der Vergleichsstationen ergänzt wurden. In zweifelhaften Fällen ^vurde, wie dies Prof. Hann in seiner mustergültigen Darstellung der Tempe- raturverhältnisse <ler östcrreidiischen Alpenländer (M. Teil) vorschreibt, einer Station ähnlicher Lage aber weiterer Entfernung der Vorzug ge- geben vor einer solchen in grosser Nähe aber unähnlicher Lage, so dass also Qipfel mit Gipfel, Thal mit Thal, Sfldbang mit Sttdhang Teiglicben und der Erglln/ung unterzogen wurde

Um ein Beispiel der Methode anzuführen, mOge die Ergänzung der für Koburg fehlenden Reihe des Jahres 1882 aus den Aufzeich- nungen von Meiningen kiu-z ;ingege1)en werden. Beide Stationen liegen am westUchen Abhänge von Bodenerhebungen, welche circa 450m hoch sind, Meiningen m 811, Koburg in 824 m Seehdbe, beide dstlicb von einem Wasserlaufe, Werra und Itz, in einem massig breiten, von sanft abfallenden Höhenzügen cingefassten Flussthale, beide Stationen nicht auf der Thalsohle, sondern auf einer kleinen Anhöhe über der- selben. Die grosse Aehulichkeit der Verhältnisse erlaubte hier die Ergänzung der Beobachtungen eines ganzen Jahres, zumal ohne die- selbe die Station Koburg gänzlich hätte aus der Reihe der zu betrach- tenden gestrichen werden müssen, was wepen der geringen Anzahl der Stationen südlich vom Thflringer Walde em entscUedener Verlust ge- wesen sein würde.

Die Jahre 1S!^3. 1884 und ISS,') lagen von beiden Stationen vollstänilig vor. So wurde nun der Januar 1883 von Koburg mit dem Januar 1883 von Meiningen verghcheu. wobei sich zeigte, dass Koburg em um 0'',3 niedrigeres ICittel, 0^8 gegen 0^5 gehabt hatte; der Januar 1884 hatt« in Koburg 2^2, in Meiningen 2^^) als Mitteltemperatur, also gleichfalls 0°,3 weniger Wärme. In dieser Weise ^vurde nun der Schluss gezoffen, dass überhaupt der Januar in Koburg um ()°,3 kälter zu sein j)riegt als in Meiningen. Da nun der Januar 1882 in Meiningen eine Mitteltemperatur von 0",7 aufwies, wmde unter Berücksichtiguug

') Die Temperaturverbältnisse der Oesterreichiächcu Alpeuländer von J. Haan, Sitsnngsberichte der KaiBerl. Akademie der WiBsenachaften Bd. Xdl, 1885, II. Ab- tettung. Joni.

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39] ^ EinfluM der Oebicge auf das Klima von Mitteldeutschland* 349

der gefundenen mittleren Januarkorrektion von 0",3 für Koburg ein Januarmittel von 1°,0 angenommen. Die weitere Fortsetzung dieses YerfaliTeiis auf das ganze Jahr zeigte indes, dass es dnrcbaus figJsch sein vrürde, diese Korrektion von 0*,3 fdr das ganze Jahr als gültig zu betrachten und demnach ZU Terfiiliren. Es zdgte sich vielmehir folgende Korrektionsreihe : Dezember Januar Februar März April Mai

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Eohurg ist also in den Monaten Juli, August und September etwas wänner, sonst aber, und am meisten im November, etwas kälter als Meiningen. Bei derarti<r ausgeführten Erj^änzungen wird sowohl eine von den unvermeidiiciieu Jieobachtungs- und Aufstellungsfehieru nicht wesentMcih abweichende (Genauigkeit erzielt, ab audi die Erhaltung des Charakters der lokalen Verhältnisse der ergänzten Station bewirkt.

Da w^ir in vorliegender Abhandlung nicht eine ausschliesslich für Fachmeteorologen bereclinefo Arbeit zu liefern haben, wird die Angabe der Reduktionsmethode hiermit genügend ausgeführt sein ; ein fach- wissenschaftliches Werk mUsste womöglich die sämtUchen Korrektionen sdhst wiedergeben.

Aus demselben Grunde sehen wir hier ab von der Wiedergabe der Monatsmittel sämtlicher Stationen, gel)on vielmehr in folgender Tabelle 3 die 4j;ihrigen Monatsmittel und Mittel der Jahreszeiten und Jahre einer Arrzalil ausgewählter, für unseren Zweck günstig gelegener Stationen aus den Jahren 1882 1885, dazu die Mittel der Jahre und Jahreszeiten nach Reduktion auf das Meeresniveau. Zum Vergleich dieser Werte mit einer etwas längeren Reihe sind in der letzten Spalte die Ojährigen, gleichfalls auf Meer reduzierten Jahresmittel Ton 1880 bis 1885 wiedergegeben worden.

Die Gruppieriing der Stationen ist nach klimatischen Bezirken erlülgt. wodurch örtliche Zusammengeliörigkeit und Aehnlichkeit der zu einem Bezirke gehörigen Lagenverhältnisse gewahrt worden sind. Wir gewinnen hierdurch, da besonders die Bodeneihebung das leitende Prinzip für die Gruppierung gewesen ist, auch ans den Tabellen sdbst die Möglichkeit einer Beurteilung der Beziehungen der Temperaturen zu den Gebirgen.

Eine Darstellung dieser Verhültuisse durch Karten, wie man sie wohl für geraten halten könnte, hat insofern grosse Schwierigkeiten, als bei der vielfach eng lokalen Beeinflussung der betreffenden Werte durch eigene Höhenlage oder Lage in einem tiefen, die Intensität und Dauer der Besonnung erheblich modifizierenden Thale oder an einem Bergabhang die Tsotlierraen einer kartographischen Darstellung zwischen den Stationen willkürlich angeordnet werden mUssteu, sollte nicht die ffauze Karte in lauter Einzelgebiete zerfallen.

AU idlgeiiHHiie. Rmdt^ des er<ri»n TeOes der Mh«n dass die, abgesehm TOn dem stark lokal beeinflussten Eunrau, nördlichste Station dieser Reihen, Braunschweig, ein um 0^9 höheres Jahresmittel hat als die südlichste unserer Stationen, Koburg; ersterer Ort hat Ö^,9,

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41] Der Einflaaa der Gebirge auf da« Klium von MitteldetttscUaad. 851

letzterer nur 8^,0 im 4jährigen Mittel. Trotzdem Koburg um volle 2 Breitengrade südlicher liegt als Brauuschweig, macht doch die höhere Lage von Eoburg den theimiacheii Vorteil der sOdlicliereii Breite mehr als wett. Die höchsten Jahresmittel finden wir mit 9^,1 ni Schwane- beck und Dessau, aLso Stationen, welche im Flachlande gelegen sind. Die niedrigsten Werte geben uns die Gebirgsstationen . von welchen der ln^el:sl)»*rg, da die Heihen \om Brocken leider nnvoll.standig sind, mit 4",3 obenan steht. Eine dreijährige Keihe ergab für den Brocken 2^3. Durchmiutem wir in grossen Zflgen die Mittel der Monate, so finden wir den Dezemher nur auf den Höhenstationen unter 0^ wlhrend der Januar, von den Gebirgsorten abgesehen, fast in allen südlidi vom Harze gelegeneu Stationen seine Mittelwänne unter dem Gefrier- punkt hat.

Dasä es nicht die Höhenlage allein ist, welche diese niedrigeren Werte herrorruft, sehen wir aus dem Vergleich der Stationen Kor^ betha ( 0^3) und Schwanebeck (0^7), weläe nahezu gleiche Meeres- hohe haben; noch deutlicher zeigt sich dieses bei Erfurt ( 0",7) und Langensalza (0",:{), trotzdem I tztere Station etwas höher liegt als erstere. Der Januar ist in Erfurt ebenso kalt wie in Koburg, trotzdem letzterer Ort um 128 m höher liegt.

Wir sehen also, dass ausser der Höhenlage eines Ortes noch andere Faktoren Einfluss auf die TemperaturreräliDisse ausflben, als deren wichtigsten wir bei den meisten nOrdHch vom Harz gelegenen Stationen die Meeresnähe, bei den übrigen Orten aber die durch die Bodenkftnfigiiration bedingten YerhiiUiiisse der Exposition gegen die •Sonne und gegen vorherr-schende ^Vinde zu nennen haben.

Wie schon aus der Tabelle bis zu einem gewissen Grade ersicht- lich ist, wfirde eine kartographische Darstellung der Mitteltemperaturen zeigen, wie die Temperatur mit wachsender Meereshöhe abnimmt, und insofern könnte sie unserem Zwecke dienlich sein, die IsoÜiannen würden mit den Isohypsen nahezu zusammenfallen : doch wollen wir nirlit diese bekannte Thatsache, sondern den Einfluss der Gebirge auf die Temperatur der Luigebuug untersuchen, und zu diesem Zweck werden unsere Mittel- werte Oberhaupt, wenn wir nicht den Einfluss der eigenen Höhenlage der Stationen ausschalten, unbrauchbar sein.

Zwar darf man sich nicht verhehlen, dass durch eine Reduktion auf den Meeresspiegel, denn liiernm kann es sich nur handeln, die that- siithlichen Verhiiltnisse nur uimühernd getrotlen werden können, welche herrschen würden, wemi mau jede Station als im Niveau des Meeres lie- ^nd sich denken wollte, da der Betrag der Temperaturabnahme mit der Höhe eine stark lokale Erscheinung ist. In trockener Luft betragt dieselbe mit voller QesetemSssigkeit 1 '^.O auf 100 m ; an den Luvseiten der Qe- birge und in den meeresnahen Gebirgen beträgt sie sehr viel weniger als an den trocknen Leeseiten oder an kontinentaleren Erhebungen. Trotzdem ist es, um ein Bild des Einflusses der Gebirge auf ihre Um-

Sebung zu erlangen, notwendig, mittelst eines gemeiuschaiUichen Re- uktionsfiEiktors den Einfluss der eigenen Höhenlage der Stationen zu eliminieren. Als diesen Faktor haben wir den für unsere Verhältnisse der Wahrheit am nächsten kommenden von 0^5 auf 100 m Erhebung

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A— mana,

[42

angenommen und demuacb die in den letzten Spalten der Tabelle ver- zeichneten Jahres- und Jahreszeitenmittel erhalten.

Die Eintragung dieser vom Einfluas der eigenen Höhenlage befreiten Temperaturwerte in Karten wQrde in Übersichtlicher Weise die übrigen

thermisch wirksamen Faktoren veranschaulichen. Wir gehen daher, da der dieser Arbeit gesteckte Ualinien eine weitere Detaillierung nicht erlaubt, die Kai'te der reduzierten Jaliresmittel (Karte 3) wieder, während wir in betreff der Jahreszeiteumittel auf die Tabelle verweisen müssen.

Wir bemerken zunSchst in dieser Reihe, dass eine grosse Gleich- mftssigkeit der Werte eingetreten ist . sodass von einem in die Augen springenden Eintiuss der Bodenerhebungen auf die Temperatnrvertei- lung nicht die Rede zu sein scheint.

Sehen wir uns die Kurte und Tabelle etwas näher an, so tinden wir mit emein Mittel unter folgende Stationen, welche wir nach ihren Mittelwerten ordnen wollen:

Klausthal 8^5 (592 m), Kunrau 8»,7 (63 m), Sulza 8^8 (134 m), Inselsberg 8^8 (906 m). Eisenach 8^8 (275 m). Die gleiche Mittel- temperatiir von S^'.S hat die wegen einiger Lticken in der Tabelle nicht mit aufgeführte Station Katzhütte (VM ni). Wir sehen zunächst hier- aus, dass es nicht ein unrichtiger Keduktionsfaktor sein kann, welciier das Mittel erniedrigt, da es ule Expositionen und Hdhenlagen sind, welche diese Temperaturabweichungen zeigen. Würde man die Thot- sache, dass die Hdhenstationen als zu kalt erscheinen, für sich betrachten, so würde man zu dem Schluss kommen, dass ein grösserer Faktor als 0*^,5 in Anwendung hätte kommen müssen, um Uebereinstimmuug mit der Umgebung zu erzielen. Es würde hieraus ein geringerer Wasser- gasgehalt derjenigen Luftschichten hervorgehen, welche jene Gipfel- und Hdhenstationen umspülen, wahrend wir doch wissen, dass dieselben zum Teil in derjenigen Zone liegen, welche das iiiti^te Wasser in Gestalt von Wolken enthalten. Doch ist der wirkliclie. absolute Wasser- gasgehalt in grösseren Höhen ein geringerer als in tieleren Lagen, für 1000 m Höiie beträgt derselbe nach Hann nur 0,73, wenn man den in 0 m vorhandenen gleich 1,00 setzt. Hauptsächlich dürfte aber der an den Hdheostationen stets rege Luftwechsel zur Erklärung der niederen Temperaturen heranzuziehen sein, sowie die wegen häufigez«r Benetzung des Erdbodens und auch wegen des verminderten Luftdrucks verstärkt« Verdunstung, welche durch Bindung der Wärme abkülilend wirkt. Hinzu kommt noch der beträchtliche Wiirnieunterschied, welcher dadurch entsteht, dass im Frühjahr die höheren Lagen noch eine Schneedecke tragen, welche ihrerseits durch Yerstftrkung der Ausstrahlung und durch Behinderung der Bodeninsolation wärmehemmend wirkt.

Diese Thatsachen könnten uns die niedere Temperatur der Höh^- stationen ausreichend erklären, nicht aber die der tiefer gelegenen Stationen.

Geht man bei KatzhUtte auf die lokalen Verhältnisse zurück, so findet man leicht den ErUämngsgrund für 'seine niedere Temperatur und zwar in einer direkten Wirkung des Qebirges. Katzhütte liegt eingekeilt zwischen hohen und steilen Bergen im oberen Thüle der Schwarza; südwestlich, südlich und südöstlich liegen die höchsten Er-

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43] Der Einfluas der Gebirge auf das Klima von IfitieldentMbland. 853

hebungen des Gehirgskammes an <lit xt Stelle, der Wurzel))erg (860 m) und die Kursdorfer Kuppe (780 lu) vorgela<^ort, welche um 40U ra das Thal von Katzhütte überragen. Die Wirkung dieser Hciheii auf das Thal von Katzhütte muss zunächst die seiu, daas sie, besouder^j wühi'end des Winters, dieBesonnung des Thaies für biBtrftchUiche Zeit ftusschliessen. Bei der Steilheit der südlichen WSnde des Thaies wird bei niedrigstem Sonnenstande im Dezember j^ogar eine Reihe von Wochen vorkommen, an welchen die Sonne überluuipt nicht in Kutzhütte scheint, da die Sonne auf dem 51 ® nördlicher Breite zu dieser Zeit nur eine Mittags- höhe von 14*^,5 erreicht, wodurch eiu Berg von 400 m relativer Höhe seinen Schatten bis auf eine Bntfemung von 1,4 km werfen wQide. Das Sdiwarzathal hat aber an dieser Stelle ^e sehr Tiel geringere Breite, sodass nicht nur die Thalaohle, sondern auch ein Teil der gegenüber- liegenden nördlirh( II ]^ori,'wand dauernd beschattet bleiben muss. So- gar im Xovenilu r und Januar beträgt diese Schattenlänge noch über 1 km, so dass Katzhütte durch diesen Mangel winterlicher Sonnenbestrah- hlDg eine Art Polarnacht aufzuweisen hat. Während dieser Zeit sinkt durch Ansstrahlung die Temperatur nicht allein wShrend der Nacht sondern auch zur Tagzeit, und so finden wir denn in KatzhQtte das mittlere Minimum des Jahres 188:3 mit r,0, das von 1884 mit P,8, während das benachbarte 3ßO ni höher gel<'g»'n<' N»^iihaus am Renn- steig nur ein solches von 2**,4 erreicht. Vergleichen wir die mittleren Minima der 5 Monate November bis März an beiden Stationen, so finden wir für Eatashtttte 4",0, fOr Neuhaus a. R. 3^,6 und wenn wir Neuhaus auf die Höhe von Katzhütte reduzieren, ftir orsteres nur

1",6, sodass Katzhüttc um 3'*,3 kälter ist als letzteres.

Als ferneren Grund für ilic nirdore Temperatur von Katzhtitte haben wir die Thatsacho anzusehen, dass dieses an einem Zusaninien- flubs mehrerer tiefer Thäler liegt, in welchen die nächtlich an den Berg- abhftngen erkaltete Luft yermöge ihrer Schwere zusammenströmt, dort einen See eiskalter Luft bildend, wo die Thalung eine Stagnierung derselben durch Erschwerung des Abflusses und mangelnde Ventilation büdet

^Vlr halten die \ erliiiltnisse von Katzhüttc aus dem Grunde etwas weiter ausgeführt, um ein charakteristisches Beispiel der Gebirgswirkung auf das Sjima zu geben allerdings nur eine Wirkung eines eng nmgrenasten Bezhrkes.

Achnliches würden wir, falls der zur VerfOgung stehende Raum di»'s §rlaubte. noch an vielen Stellen finden können. Pie nicdt rp Mittel- teniperatur von Eisniacli rrklärt sich z. B. aus demselben Grunde, da das von steilen Wänden eingefasste Marienthal, in welchem die Station bis vor weniger Zeit lag, ebenfalls .von einem Strome eiskalter Luft in der Wintemnt in seinen tieferen Lagen durchflössen wird.

Die in der Tabelle 4 aufgeführten absoluten Minima zeigen ferner, wie beträchtlich diese Abkühlung unter diesen Verhältnissen werden kann.

Katzhütte erreichte im Mittel ein absolutes Minimuni von 20",8, Eisenach ein solches von 20 ",0; im Jahre 1881 wurden in Eisenach

26*,9, in Jena 27'',6, in Meiningen 26",5, in Langensalza

25*,2, m Kassel 26*,6, in Schloiheim 25*,2, in Sondenhausen

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354 Assmann, [44

Tubelle ^ Mittlere absointe Maxima und Minima.

Minima

Difforenx

Sonnenberg . Klausthal . . Nordhausen . Bmunschweig Kunrau . . Magdeburg Beniburg . . Schwanebeck

Langensalza . . Erfurt .... Sulza .... Weimar . . . Rudolstadt . . Kisenach . . . Salzungen . . Meiningen Küburg . . . Inselsberg . . . GroHB-Breitenbach KatzhOtte . . . Jena .... Dessau ....

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erreicht. Das niedrigste bislang beobachtete Minimum wurde am iL .Januar 1880 in Langensalza mit 28", 8, in Erfurt mit 27", 5, in Sulza mit 24 ",5. in Frankenhausen mit 24 ",0 verzeichnet.

Vergleichen wir hiermit die absoluten Minima von Gross-Breiten- bach , welches in ti^^O m Meere.shöhe nahe dem Kamm des Thüringer Waldes liegt, so finden wir dessen mittleres absolutes Minimum nur 1(> ".5, das niedrigste Mininmm in ü Jahren überhaupt nur 11|^4 betragen.

Durchmustern wir die Reihe der mittleren absoluten Minima in unserer Tabelle, so finden wir solche von unter 20" aus.schliesslich an Stationen, welche in Thälem, und zwar in Gebirgsthälern oder ge- birgsnahen Niederungen liegen, denn auch Jena liegt noch im Bereiche des von den erkalteten Nordabhängen des Thüringer und Franken- Waldes das Saalthal abwärts fliessenden kalten Luflstromes. Nur die Station Sonnenberger Forsthaus scheint eine Ausnahme von dieser R^gel zu machen, da diese trotz der bedeutenden Meereshöhe von 774 m ein mittleres absolutes Minimum von 20 ",0 hat. Allein hier gibt uns ebenfalls wieder die Oertlichkeit Aufschluss: das Sonnenberger For.sthaus liegt in einer weiten Mulde am Fusse des eigentlichen Brocken- gebirges, welche der Grosse Sonnenberg und Rehberg abscliliessen, auf einem schwarzen , die Ausstrahlung stark befcirdernden Bruche , über welchem die vom Brocken und den anderen genannten Höhen abflies- sende kalte Luft einen förmlichen See bildet. Diese Gegend muss demnach trotz ihrer hohen Lage der Niederung zugezählt werden.

Von den vorher genannten, sich durch niederes Jahresmittel aus-

Der EmfltoM der Gebirge auf das Klima toh Uitteldeutechlaiid. 855

zeichnenden Stationen bliebe nur noi h Kunniii der Erklärung dieser Abnormität bcdUrftii?. Bei Kunniu kommt, wie wir f»bf'n schon sahen, keinerlei üebirgswirkung in Frage, vielmehr ist hier nur die starke AusBtnhluiig, welche dem schwanmi Moorboden eigoi ist, und die wärmebindende Knit der reichlidien Yerdiuietang zur £rkl&nuig heran- zuziehen.

Die Diskussion aller Einzelheiten der gegebenen Daten in den Tabellen würde, (jbwohl sicherlich manches Interessante und für unseren Zweck Wichtige bergend, uns viel zu weit führen und muss einer Detaflbearbeitung an anderer Stelle vorbehalten bleiben.

Um allgemeinere Gesichtspunkte zu gewinnen, wollen wir die Karte der auf Meeresniveau reduzierten Jahresuiittel in Verbindung mit don in folgender Tabelle 5 wiedergegebenen mittleren Maxima und ilniima der Lufttemperatur, sowie der in Tabelle ;3 gegebenen redu' zierten Jahreszeitenmittel einer kurzen Betrachtung unterwerfen.

Ausser den schon für sich im Zusammenhange besprochenen Jahres- mitteln unter 9 ^ finden wir in unserer Karte allgemein die Temperatur zwischen 9 und 1 0 ° liegend.

Mit grosser Deutlichkeit zeigt aber unsere Karte ferner, dass Temperaturen über {♦".5 aussclüiesslich in den im Lee von Gebirgen gelegenen Niederungen vorkommen, während die Abhänge der Luv- seiten der Gebirge trotz ilirer gUnstigeu Exposition gegen Besomiung und warme Winde eine etwas niedrigere Mittelt^peratur haben. Nördlich von den Gebirgen Harz, Thüringer Wald und auch Rhön finden sich also Gebiete mit einem unverkennbaren thermischen Ueber- gewicht gegenüber ihrer Umgebung.

Die Tabelle der mittleren Maxima und Miiiima der Lufttemperatur lelirt uns folgendes: Die mittleren Maxima sind im Lee der Ge- birge durchschnittlich höher als an deren Luvseite. Beispiele geben Braunschweig Nordhausen, Erfurt Meiningen, Rudolstadt Meiningen ab. Die mittleren Minima sind im Lee des Thüringer Waldes nirlit unix'triichtlich niedriger als an dessen Südseite, am Hurz dagegen verringert sich dieser Unterschied, da hier der Ein- fluss der grösseren Meeresnähe die Wirkungen des Gebirges verwischt. AlsBeiBpiele vergleiche man die mittleren Mimnm. vonHeiniugen mit denen von Erfort, Jena imd Rudolstadt, iriUirend zwischen Nordhausen und Braunschwe^ ein weniger grosser Unterschied zu konstatieren ist.

Auch aus den in der let/trn Spalte der Tabelle verzeichneten mitt- leren Jahresmaxima und Minima wird man diesen Unterschied zwischen den Süd- und Nordseiten der Gebirge mit voller Deutlichkeit erkennen. Koch markanter aber zeigt sich die thermische Differenz der gegenüber- liegjNiden Gebirgsränder durch die folgende kleine Tabelle, welche die Differenzen der mittleren .Jahresextreme zum Ausdruck bringt.

Hier sehen wir die mittlere Jahresschwankung von Nordliausen 7",H, von Braunschweig 7°,8, von Neuhaidensieben 8",3, von Magde})urg H",t5 betragen , so dass trotz der grös-seren Meeresnähe der neirdlich ge- legenen Stationen ein Einfluss des Gebirges unverkennbar ist. Fehlt jedoch dieser Einfluss der Meeresn&he, dann wird, wie wir an den beiden Seiten des kontinentaler gelegenen ThQringer Waldes sehr schön

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47] Einflosa der Gebirge anf das Klima von MitteldeutBchland. $57

bemerken könueri, die Diii'erenz eine erlieblieh grössere : Meiningen luit eine Jahresschwankung von 8*^,0, die im Lee des Gebirges liegende Station Erfurt eine solche Ton 9^5, Jena von 9*,6, Rudolstadt Ton 10^7, so dass letztere ()it eine um 2^7 grossere Schwankung auf- weist, als das an der Luvseite gelegene Meiningen.

Wir können ans dieser Tabelle den allgemeinen Satz ableiten, dass die Gel»ir^re Mitteldeutschlands den Teniperatnrverhiilt- nissen ihrer im Lee gelegenen ^iiederungeu einen erlieblich kontinentaleren Charakter yerleihen.

Das gleiche Resultat können wir auch der Tabelle der mittleren absoluten Extreme entnehmen, deren Differenzen z. B. für Meiningen 49",8, für Salzungen 4^»^5, fÖr Eisenach aber 53 ",<>, für Langen- salza r)r,6, für Erfurt 53°,?, für Kudolstadt 54^8, für Jena 54 betragen.

Durchmuatem wir in Tabelle 8 die reduzierten Wintennittel, 80 finden wir zum Teil die schon in den Jahreanitteln bemerkten Er- scheintmgen der oberen kalten Gebirgsthäler wieder, während die Höhen relativ milde Temperaturen zeigen. So hat der Inselsbeig ein Mittel von 2",9, während Sulza 1",? und Eisenach 1 °,8 haben.

Auffallend erscheint es jedoch, dass der Effekt der, wie wir oben sahen, durch Abströmen erkalteter Luft an den Berghängen bewirkten temperaturerniedrigenden Gebirgswirkung ein so eng lokaler ist, dass wir nicht vielmehr rings um die Gebirge berum grosse Seen kalter Luft im Winter wahrnehmen können.

In der That kommen diese Verhältnisse zu Zeiten in ganz ausser- ordentlicher Entwickelung zur Beobachtung, wie uns die beigegebene Karte 4 beweist, welche die auf Meeresuiveau reduzierten Monats- mittel des ausserordentlich kalten Dezember 1879 zeigt. Hier finden wir eine Höhenschichtenkarte vor uns, aber in umgekehrter Anordnung: auf den Gebirgen ist die Temperatur selbst im Monatsmittel um volle höher als in den Niederungen rings um die Gebirge. In der Börde und Altmark stellt »-in See kalter Luit von enier Temperatur von

5 im ganzen Tliünnger Becken ein solcher von unter 7 süd- lich und südwestlich vom ThOringer Walde aber ein solcher Ton unter

r> ^ Das sind ausgezeichnete Fälle von Gebirgswirkung, da es eben die Gebirge, die Bodenerhebungen überhaupt sind, welche die Aufstauung dieser Invcren Luftmassen ermöglichen und zum grossen Teile durch Ausstrahlung an ihren Abhängen da« Er.sat/.niiiteriül für die durch fort- üchreiteade Zusammeuziehung au Volumen abnehmenden Luftmassen erkaltet zuf&hren. Doch sind diese Falle, obwohl nicht gerade so ausser- ordentlich selten, dock nicht imstande, in längeren Zeiträumen erkenn- bare Spuren zu hinterlassen, da die Hauptbedingung fUr deren Zustande- kommen, die möglichst vitllkomuieue Luftruhe. wie ^^ie im Tentrum einer grossen Anticyklone vorkommt, nicht eben häuliLr ertüilt wird.

Sehen wir uns aber nach den Gründen um, weshalb wir, wie unsere Wintertabelle zeigt, lings um die Gebirge verhältnisnmss^ hohe Mitteltemperaturen finden, so müssen wir zunächst die verschiedenen Seiten der Gebirge voneinander trennen.

Die Sadhänge aller Bodenerhebungen werden stets von den

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Souueuätralüen unter einem steileren Winkel getroffen alä das ebene Land und noch mehr als die Nordhänge.

Da die Intensität der Sonnenstrahlung nach einem bekannten Gesetz dem Sinus der Sonnenhöhe proportional ist, so müssen also sanft

geneigte Sii(lal)lr,uiL'"e. M-elcbe znr Zeit der grös.sten Luftwiirme von den Soiineustralileu seiikreeht getroii'en werden, einen erheblichen Würme- überschuss gegen ilire minder begünstigte Umgebung erlangen. Daäs die wirkliche Sonnenhöhe hierbei noch von Einfluss ist, dass also nicht z. B. eine nach Ost gelegene senkrechte Bergwand bei Sonnenau%ang dieselbe Menge W'ärrae zuj^estralilt erhält, als eine um Mittag senkrecht getroffene Berglehne, da doch der Einfallswinkel der Strahlen in beiden Fällen ein rechter ist, erklärt sich aus der grfis.seren Wärmeabsorjjtion, welche die Sonnenstrahlen auf ihrem längeren Wt-ge durch die At- mosphäre bei tieferem Sonnenstande erleiden. Die öüdhänge der Ge- birge werden also intenaiTer bestrahlt als alle anderen Expositionen. Hierzu kommt noch, dass die aus dem südlichen Quadranten her- kommenden Luftströmungen im allgemeinen eine höhere Temperatur besitzen als die von Nord her wehenden. Beide Faktoren, Sonnen- strahlun«!^ und Winde, vereinigen .><ich, um den SUdliängen der Gebirge einen Temperaturüberschuss über die Nordhänge zu verleihen. Die schon oben erwähnte ISngere Beschathmg der Nordhänge im Winter wirkt ausserdem noch in derselben Richtung.

So sehen wir Salzungen und Meiningen, obwohl dem erkältenden Eintluss des Gebirges naheliegend, doch erhehli< h wärmer als Eisenach und lludolstadt; Frankenhausen, obwohl in der zu starker Ausstrahlung neigenden Goldenen Aue gelegen, ist infokre seiner Exposition an dem Südabhang des Eyffhäuser-Gebirges im Wintermittel um 0**5 wSnntf als Korbetiia, welches die an den Abhängen des Saalthaies erkaltete Winterluft erhält; derselbe Einfluss erhöht auch die Wintertemperatur von Sondershausf !! über die seiner T^mgebung, trotzdem es durch den südlich vorgelagerten ]^er<xrücken der Hainleite gegen die Erwärmung durch südliche Wiu(U li;! schützt ist.

Sondershausen liegt aber nicht an der Nordseite der Hainleite, sondern an dem Sttdabhange der dieser parallel verlaufmden, durdi die Hainleite nicht erheblich beschatteten Windleite, verdankt daher seinen relativ milden Winter hauptsächlich <ler intensiveren Sonnen- wirkung. Das Thal von Sonderslmusfu ist zunuü vermöge seiner Er- streckung von West nach Ost den vorherrschenden Winden leicht zu- gänglich, dalier gut ventiliert, wodurch einer Ansammlung kalter, vom Noi3hange der Hainleite abfliessender Luft wirksam vorgebeugt wird.

Auch Nordhausen und Gtöttingen sind verhältnismässig warm im Winter infolge ihrer südhchen resp. südwestlichen Exposition und ge- nügender Ventilation ihrer Thalungen. Doch dürfen wir, je mehr wir uns dem nördlichen Deutschland näheni, die dortiLren Stationen nicht mehr in Beziehung bringen mit solchen, welche südlicher gelegen sind. Denn hier tritt ein neuer Faktor in Wirksamkeit, welcher m Bezug auf seine Wirkung in die Feme den Einfluss der Gebirge weit hinter sich lässt, das ist das Meer. Wir finden deshalb die der nord- deutschen Tiefebene angehörigen Stationen im Winter sämtlich nicht

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Der £mflaw der Gebirge auf das Klima von Miiieldeutschlaud. 359

unerheblich wärmer: Braunschweig hat 2^,4 » Uefingen 2^9, Han- nover 8®,0.

Nachdem wir nun die Gründe ftbr die grössere Wärme der Stld- hänge der Gebirge als von deren Exposition, also einer Wirkung der Bodenerhelnin«^, abhängig erkannt haben, erübrigt es uns noch, die Wmtfrveriüiltnisse der Nordseiten zu untersiiclien.

liier finden wir sowohl nördlich vom Thüringer Walde wie nörd- lich Tom Harze, und zwar in deren Nfthe, Winteimittel, welche wir biet nicht erwarten sollten; Langensalza hat 2*^,7. Rudoli^tadt 2^,0, Erfurt 2^0, Weimar 2^1; nördlich vom Harze hat Schwanebeck 2®,5. Die Exposition kann diesen Effekt nicht liervorbringen, iHu hstens könnte Rudolstadt liierduich einigermassen beeiuflusst werden, die übrigen Orte liegen im iiaciieu Tieilaude. Die erwärmenden südlichen Wnide sind durch die Torgelagerten Gebirge abgehalten und wir sahen, dasa nicht so gar selten das ThOringer Becken und die Halberstttdter Niederung zu Sammelbassins erkalteter Gebirgslufk werden.

Die Thatsachen lassen keine andere Erklärung zu. als dass die vorherrschenden Südwest- und Westwinde, welche ausser der Wärme auch den grössten Teil des Mitteldeutschland benetzenden Wassergases herbeifUiren, durch ihr Au&teigen an den Luvseiten der Gebirge einen ffrossen Teil dieses Wassergases kondensieren und nun getrocknet in das BSnterland hineinwehen, hinter dem Gebirge, ob mit oder ohne die direkte Mitwirkung der im ersten Kapitel erw^ähnten lokalen Depres- sionen , eine abwärts gerichtete Bewe<;imgskomponente erhalten, dem- gemäss komprimiert und erwärmt werden. Es würde indes heissen, Üiatsäcblich vorhandene Verhältnisse in ihrer Wirkung Ubertreiben, wollten wir die höhere Temperatur der im Lee der Gebirge ge- legenen Gegenden als eine reine Föhnwirkung auffassen; wohl aber dürft« die Tliatsache nicht zu bestreiten sein, dass die an den Ge- birgen getrocknete Luft einen nennenswerten Einfluss auf die Be- wölkung und auf die Niederschläge ausübt, wie wir in den betreffenden Kapiteln noch des näheren beweisen werden. Infolge geringerer Be- wdlkung und geringerer Niederschläge kommt die &nnenwirkung auf die im Lee der Gebu^ gelegeneu Gegenden zu ausgiebigerer Wirksam- keit, und diese kann nur in einer Erhöhung der Temperatur bestehen. Die geringere Benetzung des Bodens mit NiederscIilHgen wird ausser- dem die Verdunstung verringern, wodurch wiederum weniger Wärme gebunden wird. Für den Winter wird hierdurch aber auch noch Bewirkt werden, dass eine dünnere Schneedecke abgelagert wird, welche in der trockeneren Luft schneller Terdunstet und durch den häufigen Sonnen^^t )h in schneller gesidunolzen wird. Und es ist bekannt, einen •wie bellt utenJen Einfluss eine Schneedecke auf die Temperatur ausübt. Die intensive Kälte der Monate Dezember 1870 und Januar 1881 war wesentlich durch das Vorhandensein einer Uber ganz Deutschland aus- gebreiteten Schneedecke bedingt.

Der Januar des Jahres 1886 brachte einen derartig augenf&Uigen Beweis ftlr den ganz ausserordentlichen Einfluss einer Schneedecke auf die Erniedrigimg der Temperjitnr . da^s die Darstellung derselben durch eine Karte geboten erscheint. Karte 5 zeigt die Höhe der Schnee-

Foncbuogen zur deuUclwa Landes- und Volkskunde. L 6. 25

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decke Uber Mitteldeutschland am Morgen des 8. Januar 188G, zugleich die in deraelben Nacht beobachteten Muumalteiu])c raturen. Eine n&here Beschreibung der Karte dürfte aus dem Grunde überflüssig sein, weil das Zusammenfallen der niedrigsten Temperatur mit der höchsten Sdmee- decke ein ausserordentlich deutliches ist: je höher die Schneedecke, um so niedriger lag die Temperatur. Ausserdem i^iht uns diese Karte noch ein schönes Bild des durch Bodenkontiguratiun bewirkten ZusaaunenstrSmens kalter Luft nach der tie&ten Stelle des Thflringer Beckens, wo die Isoilierme 25^ den wohl früher TOihanden ge- wesenen Thüringer See von neuem sichtbar werden lässt.

Die trocknende und die Bewölkimg verringernde Wirkuni^ der Gebirge finden wir im Sonmier in erheblich geringerem Masse ausgeprägt, da die in Begleitung von Gewittern fallenden Sommerniederschläge weniger dordi die Bomnkon^purmtkni beeinfiiisBt werden, als die Nieder- scUl^^e der flbrigen Jahresieiten. Bs werden daher besonders in heissen Sommern die charakteristischen Zonen geringerer Niederschläge, wie wir sie im folgenden linden werden, nicht selten fehlen, oder doch sehr schwach entwickelt sein. So finden wir die Unterschiede an den Nord- und Südseiten beider Hauptgebirge wenig bedeutend und von engen lokalen Verhältnissen, wie ^position, waldlosem, trockenem, dunkel- farbigem Boden u. s. w. abhängig. Für die nördlich Tom Harz ge- l^fenen Stationen tritt aiHserdem noch die Wirkung d^i* Meeresn'^e, diesmal aber im umgekehrten Sinne, also temperatoremiediigend, in Konkurrenz.

Zur Verwischung dieser thermischen Unterschiede an den Nord- uud Südrändem der Gebirge trägt auch noch die Thatsache bei, dass im Sommer weniger die sQdwestiichen als die westiiohen resp. nord- westlichen Winde zu fiberwiegen pflegen, wodurch die Leeseiten nach Ost verschoben werden. Jedenfalls ist zu konstatieren, dass im Sommer nicht selten, wie in ausgezeichneter Weise im Sommer 1885, die Ostränder der Gebirge erheblichen Regenmangel gegenüber den westlichen und nordwestlichen liäuderu aufweisen. Die hohe Sommertemperatur von Sangerhausen, 17^7, könnte vielleicht mitdieser Thatsache in Zusammen- hang gebracht werden. Andererseits würde sich die auffiUlig niedrige Sommertemperatur T<m Eisenach aus dem Vorherrschen nordwestlicher Winde erklären lassen, da bei nordwestlicher Windrichtung die, aller- dings sehr schmale, Luvseite des Thüringer Waldes bei Eisenach liegen nmss. Stärkere Bewölkung und häufigere Niederschläge würden in diesem Falle durch Hinderung der Sonnenemstrahlung die medere Sonnen- wSrme veranlassen.

Betrachten wir nun noch zum Schluss unserer Erörterungen Ober den Einflusjf der Gebirge auf die mperaturverhältnisse (V\v Aii?nhl der Sommertage, Frosttage und Eistage sowie die Anzahl der Boden- fröste.

Einen , Sommertag nennt man in der meteorologischen Termino- logie einen solchen, dessen Lufttemperatur den Betrag von 25^ enreichi.

Au^ iL r Uebersicht der Sommertage (Tabelle 6) entnehmen wir flbr unseren Zweck folgendes: im April kommen Sommertage in dem nord- deutschen Tief lande nicht vor; nur Magdeburg hat zuweilen einen solchen

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51] Der IGmflnn dar 6^»urge auf das Klima von Mitteldeutschlaiid. 361

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au&uweisen. Obwohl eine Zunahme nach dem Sflden hin zu konstatieren ist, sind doch ganz streng die Luvseiten der Gebirge ausgeschlossen,

da weder Nordhausen noch Salzungen noch Meiningen solche ver- zeichnet haben. Nur Frankenhausen und Koburg machen eine schein- bare Ausnahme hiervon, doch haben beide Orte den Vorzug thermisch günstiger Exposition, hegen auch dem Abhänge der Hauptgebirge femer; Frankenhausen liegt zumal im Windschutz des gescUossenen Höhen- zuges der Hainleite. Das Thüringer Be<^en dagegen zeigt eine aus- gesprochene Disposition für Apzilsommertage. Die Sommortage der eigenthchen Sommermonate zeigen manche Yerschiedenlieiten in ihrer Zahl, welche sich auch in der .lahressumme ausspricht. Abgesehen von den Höhenstationen, unter denen der Inselsberg einen, Gr. -Breitenbach und Elausthal aber 11 Sommertage aufireisen, ftUt die ganz ausser^ ordentiich geringe Zahl derselben bei Eisenach auf, um so mehr, als das nahe bena<mbarfce Salzungen fast die doppelte Anzahl auftreist. Hier haben wir wieder einen deutlichen Einfluss des Gebirges vor uns, welchen das durch regelmässigen Wechsel von Berg- und Thalwinden gut ventilierte, tief eingeschnittene Marienthal bei Eisenach in seinen Temperaturverhältnissen erheblich herabdrückt.

Dass eine mangehde Ventilation aber die Entstehung hoher Sommer- w'ärme befördert, zeigen uns die windstillen Thäler von Rudolstadt und Sulza, welche die grösste Zahl der Sommerfeage in Mitteldeutschland, 47, aufweisen.

Der September ist, abgesehen von den Höhenstatiuueu, noch all- gemein durch Sommei*tage in geringer Zahl ausgezeichnet, am häufigsten abermals in Sulza.

Die Uebersicht der Frosttage (Tabelle 7), d. h. der Tage, an welchen die Temperatur überhaupt unter den Gefrierpunkt herabgegangen ist, zeigt, dass in den einzelnen Monaten sowohl als in den Jaliressinumen grosse Diöerenzeii zwischen den verschiedenen Stationen vorhanden sind, als deren Grund lokale Eigen tümiichkeiteu nachzuweisen sind.

ZunUchst finden wir naturgemSss die Hdhenstationen durch die zahlreichsten Frosttage ausgezeichnet; auf dem loselsbeige sinkt an fiist der Hälfte aller Tage das Thermometer unter 0".

Die geringste Zahl der Frosttage hat Braunschweig mit 72. jeden- falls ebenso wie die niedrigen Werte aller in der norddeutschen Tief- ebene gelegenen »Stationen ausser Kuurau, durch die Meeresnähe ver- ursacht, funrau haben wir bd versdhiedenen Gelegenheiten als eine dui«fa die EigentQmlichkeiten des Moorbodens im Drdmlingsbruche ab- norme Station geftmden; der Drönding bildet einen kleinen klimatischen Bezirk für sich. Einen nicht 7.u verkennenden Einfluss der Gebirge huden wir indes abermals in dem kontinentaler gelegenen, deslialb weniger durch andere Einflüsse gestörten Thüringen. Die grössere Eontinentalität und die grossere Keereshfilie bedingen an sich eine Ver» mehrung der Frosttage« wie wir denn mit der slleinigen rfttselhaftea Ausnahme von Langensalza überall mehr als lOd Frosttage vorfindeo, Dass es indes nicht allein die binnenländi.sche Lage ist, welche diese Zunahme veranlasst, zeigt uns Meiningen, welches, an der Luvseite des Gebirges liegend, durch Exposition, Windrichtung und stärkere Ven-

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58] Einflott der Oebiige auf das EUma von MitfceldeatBcliland. 863

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tiI;\tion begünstijrt, nur *.M) Frostta^j^c im Mittel aufweist. Auch zeij^t sicii hier der Einfluss « Gebirges als Windschutz gegenüber den kalten nördlichen Luftströmuugon, deren Vorhandensein an Frosttagen in den meisten FftUem zu konstotieren sem durfte.

Zu bemerken ist noch, da^ss an den meisten Stationen im Mai Frosttage Torkommen, wShrend der September fast aiunahmaloe firoet- firei bleibt.

Die Uebersicht der Ei.'<tage (Tabt llt' 8), d. h. nach meteorologischem Sprachgebrauch solcher Tage, an welchen die Lufttemperatur auch im Maadmalwerte den Ge&ieipunkt nicht flbersteigt, zeigt gleicfa&Us lokale EigentOmlichkeiten.

Die gebirgsnäheren Stationen haben hier gegenflber den im offenen Flachlande liegenden ein gewisses Uebergewirht, was wohl auf einen Einfluss der von den Gebirgen abströmenden erkalteten Luft, viel- leicht auch auf eine durch grössere Luflruhe beförderte Neigung zur Nebelbildung zurflckzufUiren sein dtlrfte. Das Zustandekommen -von Eistagen kann auf zweierlei Weise stattfinden: entweder bei klarem Himmel oder bei bedecktem TlimmeL Im ersteren Falle ist der Frost so streng, dass selbst der Mittagssonnenschein die Temperatur nicht an den Gefrierpunkt bi ingen kann, wobei in vielen Fällen eine Schnee- decke höchst wirksame Unterstützung leisten wird, oder dichter Nebel behindert dM Sonneneinstrahlung überhaupt, wobei dann die Frost- tempenttur durchaus nicht eine sehr niedrige zu sein braucht Man kann daher aus der Zahl der Eistage allem keinen Schluss auf die Strenge der Winter einer Gegend ziehen.

T)ie Differenz zwischen Meiningen und Erfurt, 15 und 26 Tage^ ist wiederum eine charakteristisch grosse, ebenso die zwischen Sakuugeu und Eiaenach, 14 und 25 ; auffallend ist die geringe Anzahl der Eu- tage in Rudolstadt.

Der AprU bringt ausserordentlich selten noch Eistage, einmal aber hatte sogar noch im Mai Eisenach einen solchen; ebenso ist der Oktober in den niederen Lagen frei von Eistagen.

Die Zahl und zeithche sowie riiumliche Verteilung der Boden- fröste, deren systematische Beobachtung in unserem Gebiet zuerst iu grosserem Massstabe ausgefOhrt worden ist, wOrde einer eingehenden Erörterung wert sein, zumal daftir ein sehr reichhaltiges Material vorliegt. Gerade die letztere Thatsache aber zwingt uns, von einer tabellarischen Darstellung abzusehen, da diese in den engeren Rahmen der vorliegenden Aldiandlung durchaus nicht hineiiig^czwängt werden kann. Wir wollen daher nur einige der markautebteu Züge aus demselben herausgreifen und eine subtilere Yerarbeitang einer sp&teren Gelegenheit Torbehalteii.

Die geographische Verteilung der Frosttage zeigt, abgesehen von den Höhenstationen und den im Drönilingsbruche und dem Fienerbruche (südlich von Genthin, bei Fienerode) gelegenen Orten, deutlich eine grossere Anzahl in den gebirgsnahen Niederungen: das obere Werrathal, das Thü- ringer Becken, die Goldene Aue, die Mulde des nördlichen Uarzvorlandes haben slmflieh nüehr iJs 140 Tage mit BodenftMen. Da diese Gebiete rings um die Gebirge verteilt liegen, kann von einem ausschliesslichen Eiiäuss der Leeseite nicht die Bede sein; wir haben vielmehr hierin guu

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55] Der EinfloM der Oebixge auf dM Küma von Ifitteldentsdilaiid. 365

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allgemein einen Ausdi-uck fUr die überaü unter günstigen Verhältnissen von den Gebir^shängen absfarSmende, in den ThAlnngen sich ansaaimelnde erkaltete Gebirgsluft zu erkennen. Jede niliige, heitere Nacht läset Bergwinde zur Ausbildung gelangen, welche die Niederungen abkühlen.

In zeitlicher Beziehung ist die auffallende Thaisache zu konstatieren, dass in Mitteldeutschland in jedem Monat Abkühlungen der untersten Lultschicht unter den Gefrierpunkt vorkommen können.

Der Juli bleibt zwar mit ganz seltenen Ausnahmen (z. B. in Gotha und Fienerode) froetfrei, nicht aber der Augtuii welcher in Sehwanebeck, Lengenfeld u. St., Gotha, Berka a. W., Höningen, Hüdburghausen, femer in Fienerode, Gentliin. Dorst. Kunrau und anth'ren Ortrn inner- halb der letzten 4 Jahre mehrfach Bodentröste gebracht hat. Iii Fiene- rode kamen im August 1885 sogar im 4jährigen Mittel 4,7 Nacht- fröste vor.

Der Juni ist &8t Überall zu Nachtfrösten, wenn auch nur auf

kurze Zeit, disponiert: der durch Hellmanns Untersudnmgen bekannte KiUterückfall in der Mitte des Juni f&hrt, sobald Aufklaren eintritt, leicht zum Bodenfrost.

Der zu Nachtfrösten am stärk.s'ten disponierte Ort Mitteldeutsch- lands ist das schon mehrfach genaimte Fienerode, dessen mittlere Nacht- frostzahlen hier, obwohl nicht auf Gebiigswirkung sondern auf starker Ausstrahlung eines sdiwanerdigen Moorbodens beruhend, ihrer Eigen- tOmliehkeiten wegen genannt werden mögen. Im Mittel von 4 Jahren kamen dort Bodenfröste, gemessen am Mmimumthermometer 5 cm Uber Kasensrrund. vor :

Dezember . - i,6 Marz .... 26,0 Juni 5,2 September . G,0

Januar . . . 24,2|April .... 21,2 Juli l,2|Oktober . . 13,2

Februar . . 21,7 |Mai .... 15,5 August . . . 4,7!NoTember . 22,7 im Jahre durchschnitthch 187.

Wie eng lokal diese Erscheinuncr ist, pfeht aus den Verhältnissen des kaum eine Meile davon enti'emten Uenthin her?or, dessen Jahres- summe nur 132 beträgt.

Gar manche Einzelheiten der Tempeiaturreriiiltnisse Mittddeiitadi- lands mttssen hier Obergangen werden, wie die Eni^lrmungswerte des Erdbodens und die mittleren und absoluten Miwiiwa der Temperatur der untersten Luftschicht. Als Kunosnm f?ei nur erwähnt, dass ili.- höchste beobachtete Temperatur des Erilliodciis, an leicht mit Enli- überdecktem Maximumthermometer abgelesen, 67 \ die niedrigste der untersten Luft- scliicht aber (am 8. Januar 1886 in Lengenfdd u. St.) 33^1* be* tragen hat, so dass in unmittelbarer Nähe der BrdoberflScfae eme extreme Wärmeschwankung von 100^1 thatsBchlich in Mitteldeutschland Tor- g^ommen ist.

Fassen wir nun den Einfluss der Gebirge auf die Temjieratur- verhältnisse in grossen Zügen zusammen, so finden wir als Haupt- resultate unserer Uutersuchiuig, denn nur diese vermochten wir bei der Vielseitigkeit unseres Stoffes zu geben, folgendes:

1. Der Einfluss der Gebirge auf die Temperatur ist in den Jahresmitteln deutlich ausgesprochen und zeigt sich am schärfsten in engen Thäiern und gebirgsuahen Niederungen.

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57] ^ EmfloH dar Gebirge auf du Klima von Mitteldeiitiohlaad. 367

2. Im Winter kommen unter besonderen atmosphärischen Bedingungen, vornehmlich bei grosser Lul'truhe und weit- Terbreiteter Schneedecke, Ansammlungen intensiy erkalteter, ▼on den Gebirgen abstrdmender Lufi in den zwischen den Gebirgen liegenden Mulden vor, welche jedoch meist nur verhältnismässig kurze Zeit andauern und die mittlere Winter-Temperatur dieser Gegenden nicht herabzudrUcken vermögen.

3. Die Südseiten der Gebirge erhöhen durch ihre gün- stige Exposition gegen die Sonnenstrahlen und gegen die warmen Winde des südlichen Quadranten ihre Temperatur über die ihrer Umgebung.

4. Die Xordsf iten derGeViirge erhalten durch die an der Luvseite der Gebirge und iiut diesen selbst stattfindende Kondensation der Niederschläge einen Wärmeüberschuss, welcher auf fdhnartiges Herabsinken der abgetrockneten Luftmassen, hierdurch bedingte geringere Bewölkung und Termehrte Insolation, sowie auf geringere Menge der Niederschläge zurückzuführen ist.

5. Die Gebirge vergrössern die Wärme Schwankung in den leewärts gelegenen Niederungen beträchtlich und geben diesen hierdurch einen kontinentaleren Charakter.

6. Die Luvseiten der Gebirge haben weniger Sommer- tage als die Leeseiten; besonders arm an diesen sind nordwärts geöffnete, i^nt ventilierte Thäler.

7. Die Zahl der Frosttage ist an den Südseiten der Gebirge geringer als an den Nordseiten; die Gebirge wirken hierbei wesentlich als Windschutz gegen kalte nördliche Winde.

8. Bodenfröste' kommen rings um die Gebirge in den Niederungen erheblich häufiger Tor als im Flachlande.

Cm HydromoteoTB«

Wir haben in (Vn voranix^'lienden Kapiteln schon hin und wieder einige charakteristisclie Erscheinungen der Hydronieteore , wie Bewöl- kung, Niederschläge u. s. w. gelegentlich erwähnen müssen. Es liegt uns nun ob, dieselben m ihrer Abhängigkeit von den Gebirgen im Zusammen- hange zu tt^Ortem.

a. Bewölkung.

Die Meteorologie lehrt, dass die Kondensation des Wasserdampfes vornehmlich durch Abkühlung der wasser(lnnij)nialtigen Luft unter ihren Taupunkt eintritt. Unter den in der Atmospliure wirkenden Ab- kühlungsursachen steht diejenige obenan, welche einer Luftmasse durch Ausdelmung infolge abnehmenden Luftdrucks W&rme entzieht. Kommt eine Lufbmasse unter geringeren Druck, so wird durch Ausdehnung derselben eine Arbeit geleistet; diese Arbeit leistet aber die Winne

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der Lull, diiliur eben soviel Wärme verschwindet, ak zur Ausführung dieser Arbeit gebraucht wird.

Eine jede Luftmasse, welche durch eine Bodenerhebung von ihrer der Erdoberfläche nahezu parallelen Kichtung naeh oben abgelenkt. emporgedr;iii<rt \vird, kommt a.hvr hierdnrrli unter geringeren Luftdruck, erleidet daher nach dem obigen eine Abkühlung, welche im allgemeinen um so grösser ist, je höher die Lulimasse emporsteigen muss, um das im We^ stehende JBewegungshindenus zu aberschreiten.

Die erste Stufe der eintretenden Kondensation liefert kleine Wassei^ tröpfchen, welche vermöge ihrer Reibung an der Luft schwebend er» lialten werden ; diese Tnipfclien bilden eine Wolke.

Wir werden daher, falls eine Luftmaase an einer Bodenerlieljur.'jf ▼on genügender Höhe emporgedrängt wird, um bis zu ihrem Taupunkt abgelEtthlt werden zu können, stets Wolkeubüdung eintreten sehen.

TJebersdireitet nun aber eine Lnftmasse eine Bodenerhebung, so wird sie das Bestreben haben, auf der anderen Seite derselben sich wieder abwärts zu bewegen, besonders wenn, wie wir dies im ersten Ab.sflmitt sahen, an der Leeseite der Bodenerhebung der Luftdruck ein geringerer ist als an der TiUvseite. Bei der abwärts gerichteten Be- wegung kommt aber die Luft wieder unter höheren Luitdruck, wird daher stärker susammengedrackt, wodurch die zur yormaligen Aus- dehnung Terbnui^te Wärme wieder disponibel wird, da die bei der Kompression erfolgende Arbeit ausschliesslich von dem Gewichte der überlagernden Luftsäule geleistet Avird. Es wird dahw der niedersinkenden Luftma.sse eintreten.

Diese Erwärmung entfernt aber die Luft von ihrem Dampfsättigungs- oder Taupunkte, so da^ das Torher zu Nebeltrdpfchen verdiditete Wasser wieder verdunsten kann. Die beim Auftteigen gebildete Wolke wird also wieder au%elöst werden und versehwinden. Durch diesen Voigang erhalten alle ausreichend hohen Bodenerhebungen eine stärker bewölkte Luvseite und eine weniger bewölkte Leeseite. Die Empordrän irimg der Luft beginnt aber nicht erst unmittelbar am Fusse eines Gebirges, sondern schon in beliftchtlicher !Bntfemung vor demselben, da die am Gebirge emporsteigende Luft einen Druck auf die Uber ihr liegenden Schichten ausübt, dieselbe also weiter rückwSrts gleichfinlls hebt, noch ehe diese selbst das Gebirge erreicht haben.

Alle diese hier skizzierten Vorgänge finden wir nun in voller Deutlichkeit an den Gebirgen Mitteldeutschlands wieder.

Zur leichteren Uebersicht sind die mittleren Bewölkungswerte fbr den Zeitraum von 1882 bis 1885 in eine Karte (6) eingetragen worden, indem der Grad der Bewölkung in Prozenten des sichtbaren Hinimds- gewölbes ausgedrückt wurde. Um aueh die Angaben der nur Morgens die Bewölkun<^ beobuehtenden Stationen niederer Ordnung verwenden zu können, wurden die Mittel ausschliesslich aus den Morgennotieruugen berechnet.

ZunSchst ersehen wir aus unserer Karte, dass Uber dem gebirgigen Teile Mitteldeutschlands die Bewölkung überall stärker ist als über dem Tieflande : Harz, Weserberge, Eichsfeld, Thüringer Wald und Ilm- platte haben über 70 >, der Hochharz sogar Uber 75 >. Die Difierenz

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59] Einfliut der Qebii^ge auf dai Klima von MitteldentsoUaiid. 369

zwischen «lein Hochharz und den höchsten Erhebungen des Thüringer Waldes hat ihren Grund teils in einem grösseren Wasserdampfreichtiim der meeresnSheren, am Harz emporsteigenden Luftmassen, teils in der grosseren HShe dieser Erhebungen.

Femer ])emerken wir, dass am Thüringer Walde sowohl wie am Harz die Zunahme der Bewölkung auf deren Luvseite schon beträcht- lich weit rückwärts beginnt : am Thüringer Walde hat schon das Werra- thal, am Harze die ganze nach Süd und West vorliegende Niederung über 70"/« Bewölkung. Andererseits sehen wir an der Leeseite die Grenze Ton 70*/o siä hart den Hanpterhebtmgen der Gebirge an- schmiegen, wenn nicht, wie im östlichen Teile des Thüringer Beckens, weitere, wenn auch niedrigere Höhen ein ausreichendes Herabsinken der Luftmassen verliindern.

Im Lee der liuuptgebirge selbst aber finden wir abgeschlossene Zonen erheblich germgerer Bewölkung; so im centralen Teile des Thü- ringer Beckens und in der nördlich bis östiich vom Harz gelegenen Niederung. Die geringere Bewölkung des westlichen Teiles des Thü- ringer Beckens ist weniger der Wirkung des Thfliinger Waldes als dvr d»^s vorn-plagerteii Pluteaus des Obereichsfeldes zuzuschreiben, während (He Höllen der Ilmplatte den mit westlichen und nordwestlichen Winden über das Thüringer Becken weggeführten, dort wegen fehlender Boden- erhebungen nicht zur Verdichtung gelangten Wa88erdani|»f kondensieren. Man muss sich auch daran erinnern, dass, wie Hann m seiner allge- meinen Klimatologie durchaus zutreffend bemerkt, an einer Stelle ge- fallene Niederschläge eine neue Quelle des Wasserdampfes flir die hinterlief^euden Gegenden werden. So nehmen zwar die Gebirge den grösseren Teil des zugefllhrten Wasserdampfes fUr sich vorweg, lassen aber auch in Form von Wasserlaufen und Quellen den Leeseiten einen grossen Teil des atmosphärischen Wassers zuströmen, wo dieses nun der Wiederverdunstung verfallt, um bei einer erneuten Kondensations- gelegenheit auf seinem Weiterw^pe Wolken und Niederschlage zu bilden.

Auffallend erscheint auch die geringe Bewölkung des Franken- waldes, welche man nur dadurch erklären kann, dass die Haupterhebuugen des Thtlringer Waldes und die steilen südwestlichen Randhöhen des Frankenwaldes selbst den grössten Teil des Wasserdampfes schon eher zur Verdichtung gebracht haben, ehe derselbe das niedrigere Plateau des Frankenwaldes bei Meura und Leutenber«^ erreicht.

Mit grosser Deutlichkeit zeigt sich die durch das Brockengel)irge an seiner Südwestseite bewirkte starke Kondensation des Wasserdampfes in der geringen Bewölkung yon Bsenburg.

InstruktiTcr noch würde unsere Betrachtung werden, wenn wir auch die Bewölkung zu den verschiedenen Tageszeiten und in den verschie- denen Jahreszeiten durch Karten wiedergeben könnten; doch muss aus äusseren Rücksichten auf diese verzichtet werden.

Die Bewölkung im Winter ist allgemein eine um ca. 10 V stärkere; die Gebiete geringerer Bewölkung liegen ungefähr an derselben Stelle wie die im Jahresmittel sichtbaren, nur erscheint das nordöstlich vom Hans liegende erheblich schmaler, da im Winter die Meeresnahe einen

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Assmaan,

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grüsstren Kiiitluss auf die Bewölkuug ausübt. Im Frülijiilir und Sommer ist die Bewölkung allgemein um 10 ^^o geringer als im Jahresmittel; die Gebiete schwächerer Bewölkung zeigen eine Neigung, in mehrere kleinere z\i zerfallen, da im Frühjahr die Herrachafk der südwestlichen Winde meist auf längere Zeit von östlichen und nordöstlichen Luft- strönmngen unterbrochen wird, im Sommer aber nicht selten lokale aufsteigende Luftstnime die Bewölkung ohne jede Rücksicht auf die Gebirge vermehren. Auch verschiebt der im Sommer meist melir west- liche bis Bordwestticihe Wind die LuTseiten der Hauptgebirge mehr nach West. Der Herbat ist in seinen BewOlkungsrerhutnissen dem Winter ziemhch analog.

Die Bewölkung eines grösseren Gebietes mit voller Genauigkeit wiederzugeben ist eine Aufgabe, welche nur gelingen kann, wenn man ein ganz ausserordentlich dichtes Beobachtungsuetz zur Verfügung hat, da die lokalen Unterschiede zwischen Luv- und Leeseite' von Boden- erhebungen wie im grossen so auch im kleinen herrortreten, sobald die Höhendifferenzen ausreichende Grösse besitzen. Wir haben daher in unserer Karte durchaus nicht ein bis in das Detail richtiges Bild der Bewölkuugsverhältnisse Mitteldeutschlands zu geben gemeint, da ein solches sicherHch ein erheblich bunteres Aussehen haben würde. Die tief eingeschnittenen Thaler der nordwestlichen Kettenhöhen, die hinter OhmgebirgOf Hainleite, KyffhSus«, hinter der Rhön gelegenen Niederungen haben sicherlich deutlich ausgeprägte üntenehiede gegen die Luvseiten dieser Höhen aufzuweisen, welche in unserem Kärtchen verschwinden müssen. Uebrigens wird eine Abstumpfung dieser eng lokalen Unterschiede durch die Thatsache der rückwärts wirkenden Kraft des emporgedrängten Luftstromes bewirkt, so dass bei engerer Lagerung der Thalungen, wie z. B. in den zwischen Weser und Leine hegenden Kettenhöhen, die Luvseitenbewölkung einer Bodenerhebung die Leeseite der vorliegenden berührt

b. Miedersehl&ge.

Alles, was einleitend Uber die Kondensation des Wasserdampfes zu Wolken gesagt worden ist, gilt gleicherweise fdr die Niederschlage,

nur ist es nötig, den Vorgang eine Stufe weiter zu verfolgen.

Sobald Wolkenbildung eingetreten ist. wird ein Teil der zur Ver- dunstung des Wassers verbrauchten Wärme wieder frei, wirkt also bis zu einem gewissen Grade der Weiterverdichtung entgegen. Hauptsach- lich aber wird diese WUnne zur abermaligen AufloÄerung der Luft und damit zur Vermehrung ihres Auftriebes verbraucht, so dass der Kondensationsprozess an der Stelle seines Eintritts zwar verzögert, aber in eine höhere S( hicht verlegt wird. Hierdurch werden schliesshch die die Wolke konstituierenden Wassertröpfchen grösser und grösser, bis sie schhesshch, die vereinte Ki-aft der Lufti'eibung und des aufsteigenden Luftstromes Oberwindend, aus der Luft auf den Erdboden niedmdlen. Durch das Herausfiülen des von der Luft bisher getragenen Wassers wird aber diese um ebensoviel entlastet, daher leichter und zum weiteren Aufsteigen bis zu einer gleich schweren Schicht geneigt

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Der £i&fla88 der Gebirge auf da» Klima von Mitteldeutschland. 371

Unsere Niederschla^skarte (Karte 7), welche diu luittlereu Mengen der Jahre 1882 1885 wiedergibt, hat eine «ewisBe Aehnlichkeit mit der Bewölkungskarte; und dies mit gutem Recht, da b^de Faktoron die-* selben Ursachen für ihre Entstellung haben.

Doch zeigt die Xiederschln^'skarte ein grösseres Detail, da eine Verwischung benachbarter Verhältiiisst'. wie wir sie i der liewölkung sehen, hier nicht in der Natur der Ersclieiuung begrüudet ist. Vielmehr ist der ge&llene Niederschlag eine durchaus, unter ITnutanden ganz streng lokale Erscheinung, wie wir nidit selten Tomehnilich )m sommer- lichen Gewitterregen beobachten k&men, dass die (rrenzzone zwischen benetztem und trockenpin Boden nur wenige Meter breit sein kann.

Die Wirkung der Gebirge zeigt sich in unserer Karte in einer ausserordentlich markierten Weise, besonders wenn mau dazu die in unseren Profilkärtchen gegebenen'Daten zum Vergleich heranzieht, da die Schnitte Tomehmlich zur Verdeutlichung der uns an dieser Stelle beschSftigenden Kiederschlagsverliältnisse in der Richtung der vorherrschenden Winde angelegt sind. Die Lage der trockensten Gebiete Mitteldeutschlands, der südlichen Börde, des Mansfelder Hügellandes, der GoHenen Aue, der thüringischen Greuzplatte, ferner der Halle - Leipziger Tief landsbucht, deren Jahressumme unter 500 mm bleibt, zeigt deutlicher als alle Wind- registrierungen, dass der hauptsächlichste Regenwind im nördlichen Mitteldeutschland der West bis Westsüdwest, in Thüringen aber der Südwest ist.

Dieses Gebiet geringster Niederschläge ist rings umgeben von einem solchen, in welchem 5 000 mm fallen. Dasselbe lehnt sich an die nordöstlichen Gebirgsränder viel enger an als die erstgenannten. Ueber dem Mansfelder Hügellande fliessen die den beiden Hauptgebirgen ange- hörigeu Trockengebiete zusammen, indem sie ostwärts bis über die Elbe hinausreichen, nach Nord zu aber mit dem Niederscldagsgebiet der norddeutschen Tiefebene sich vereinigen. In diesem letzteren finden sich einige Gebiete vermehrter Niederschläge, deren Existenz nicht auf Gebirgswirkung zurückgeführt werden kann. Vornehmlich ist es wieder der Dhcömlingsbnidi bei Kunrau, welcher vermöge seiner niederen Luft- temperatur, welche wir schon oben kennen lernten, aber auch wegen seines grossen Wasserreichtums ein Kondensationscentrum dgener Art darstellt. Die Niederscldagsmenge von Kunrau, 008 mm. entspricht einer solchen, wie sie im Harzgebirge in einer K«)lie von ca. ÖUU ni zu finden ist. Die östlich von der Elbe markierte Zone stärkerer Nieder- schlige durfte der relatiT starken Bewaldung jener Gegend gegenüber der rast waldlosen Börde ihre Entstehung verdanken.

Dagegen ist ftlr die im Anhaltischen markierte Zone si&rkerer Niederschläge ein geographischer Grund nicht aufzufinden.

.Sehr deutlich aber markiert sich in der .südlichen Altmark das waidige Gebiet der Kolbitzer und Letzlinger Höhen durch stärkeren Niederschlag.

Wir haben uns noch femer Rechenschaft zu geben Uber die eigen- tümliche westwärts gerichtete Vorbuchtung der Cfebiete unter r>00 und unter OOOmm, welche wir am südöstlichen Harz über der Goldenen Aue finden. Dieselbe verdankt ihre Entstehung ohne Zweifel dem Höhen-

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zuge, welcher, vom oberen Eichsfelde ausgehend, als ühmgebirge, Düu und Haixileite die Niederung der (toUicheii wldenen Aue trodmet Leidar ennangelt gerade der von der Finne durcbechnittene Teil Thüringens fast gihizlich der Beobachtunguitatioiieii, sonst wllrde höchst wahrschein- lich das jetzt scheinbar zui^ammenbSngende Trockengebiet in zwti durch die Finne getrennte zerfallen.

Wie selbst geringfügige Höhenunterschiede von Einfluss auf die Niederschläge sein können, lehrt uns die Lage des Trockengebietee Uber der Halle-Leipziger Tieflandsbucht: der geringe Höhenunterschied von kaum 100 m (s. Profil G) genügt, um die Ober die nördliche Saal- und Thüringer Grenzplatte hinübersteigenden Luftmassen so häufig über ihren Taupunkt zu erwärmen, dass hier eine um ca. 100 mm geringere Niederschlagsmenge zur Ausscheidung kommt als auf den Yorhöheu selbst

Dasselbe Profil belehrt uns auch Aber den Grund für die ExistenE eines Gebietes geringerer Niedorsdalige im westUchen Thüringen: zwischen dem Obereichsfeld und den Heilinger Höhen liegt die von den west- lichen Höhen um ca. 25(1 m überra<fte Niedenin<r der oberen Unstrut, welche des Regenschattens dieser Höhen teilhat tit^' wird. Unser Profil schneidet nur den nördlichsten, schmälsten und am wenigsten tief ein- gesenkten Teü des ünstrutthales in der Nähe von Dingelstedt, gibt daher den in Fiage kommenden Betrag der Einseokung nicht ganz wieder.

Das sttdfistliche Thüringen, durch den Gebirgskamm des Thüringer Waldes, durcli die vorgehigerteii Parallelhöhen vom Hainich bis zum Steigerwald, sowie durch die bastionarti^ vorgeschobenen Reinsberge bei Plauen und Arnstadt gesehtttzt, zeigt sicm dementsprechend ebea&Us als ein Gebiet relativ geringer Niedtfschlige. Ob die lokale Vermehrung der Xi( ilerschläge bei KranichfeM iu orographischen Verhältnissen begrflndet ist. lässt sieh schwer entsclu Klt ii ; doch dürfte es nicht unmöglich sein, dass die zwischen dein Stt i^t rwald und Riechheimer Berge einerseits, den Reinsbergen und Grossem Kalm andererseits durchgehende Eiusenkung zwischen Ichterdiaasen und Eranichfeld, in welcher die Wippra mit ihren NebenbSchen fliesst, eme lokale Kondensationsschranke an den Höhen (h r Ilm entstehen lässt.

Oesthch von der Saah^ tritt, o])wohl ein bedeutender Höhenunter- schied zwisclien der Ilmphitte und der Saalplatte nicht existiert, in der ganzen Erstreckung der Randhöhen eine Vermehrung der Niederschläge ein. ]>iese Thatsaoie erweckt den Anschein, ab Uenra die Saale selbst hier der wassererschöpften Luft wieder neues Wassergas durch Ver- dunstung, welches nun zur Kondensation kommen könne. Die günstige Exposition des Saalthaies mit seiner Erstreckung von Südsüdwest nach Xonlnnrdost ernKiglicht die volle Besoiuiung beider üferränder und eriiöht dadurch die Temperatur des Thaies erheblich, wie auch aus den oben mitgeteilten Temperaturmitteln für Rudolstadt und Jena, hervor- geht und Überdies durch die Tfaatsache des dort vorkommenden Weinbans bestätigt wird. Die hieraus hervorgehende starke Verdunstung dflrfte wohl imstande sein, eine reichliche Menge Wassergas zu liefern.

Auch die Leineniederung sehen wir in unserer Karte durch eine

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Der £iiifliias der Gebirg« auf das Klima von Sfitteldeatschlaiid. 373

gewisse ikgcnarmut ausgezeichuet, als deren Grund luis Profil 3 die wesÜifih Yorgelagerten Höhen des Solling, Profil 5 die sfidweatiiieli be- herrschenden Höhen des Obereiehsfeldee zeigt.

Das obere Werrathal in seiner ganzen Erstareckung von Vacha bis Hildburghausen, dazu die Thäler der oberen Itz und Hodach zeigen in unserer Karte Niederseiiliige von weniger als 60U mm Mächtigkeit. Der Grund hierfür dürfte unschwer in den nach West und Südwest vorgelagerten dominierenden Höhen des lihöngebirges sowie in dem plateanartigen N<Nrdfrftnki8chen Berglande zu miäen sein. Profil 8 gibt uns Auskimft fiber di betrefifenden Höhenverhältnisse. Es ist je£)ch wohl zu bemerken, dass die Grenze für GOO mm Niederschlag ganz all- gemein links von der Werra, also nicht an der am tiefsten einge- schnitt<^nen, den Abhang des Gebirges begrenzenden Linie liegt: das bei der Bewölkung ausgesprochene Gesetz, nach welchem die Kondensation des Waasergaees schon in einer gewissen Ent- fernung vom Gebirgsabhang erfolgt, gilt auch in Toller Scharf e für den Niederschlag.

Am Harz würden wir dasselbe gleichfalls in voller Schärfe be- obachten, wenn nicht am Sinlwi st- und Westabhange desselben das Stationsuetz ein äusserst weitniasciiiges wäre.

Die Übrigen betrachtlicheren K>denerhebmigen MitteldeutechUmds 'zeichnen sich in völlig deutlicher Weise durch stärkere NiederschU&ge aus: Sollinger Wald nnd Wesergebirge haben Qber 800 mm, ebenso das Obereiolisfeld. Dass in den tief eingeschnittenen, auf die vorherrschende Windrichtung senkrecht verlaufenden Thiilem der nordwestliciieii Ketten- hohen kleine f eng lokal begrenzte Trockeugebiete im Kegeuschatten dueer Höhenzuge Yorkommen, erkennen wir ans dem Vorhandensein einer solchen &ne bei Stadt Oldendorf, wo um ca. 270 mm weniger Niederschlag läUt als in dem unmittelbar Torliegenden Schiesshaus am Solling.

Auch der relativ niedrige, aber völlig bewaldete Hrilienzug des Elm bewirkt eine erhebliche Vermehrung des Niedersclilages an seiner Luvseite, welche bis Riddagshausen bemerkbar ist. Im Lee, welches hier, wie oben gesagt, östlich liegt, zeigt sich ein deutlicher Regen« sdiatten in Gestalt einer tiefen Einlnichtung der Isohyete für 600 mm bis nach Süpplingen hin. Das Gebiet von G 800 mm umfasst den grösseren Teil des nicht tiefländischen Mitteldeutschlands. In dems«'ll>en zeigen sich vornehmlich die beiden Hauptgebirge, der Harz und der Thüringer Wald, als Kondensatoren im grossen Massstabe.

Als prinzipiellen Unterschied zwischen diesen selbst haben wir zonüchst die erheblich grössere Niederschlagsmenge, welche der Harz an sich kondensiert, zu bemerken. Die isriUsir im Thüringer Walde beobachtete Niederschlagsmenge erreicht elit^ii IJiMi mni fN^euhans a. R.), während der Brocken naeli einigen er>t ni neuster Zeit gelunL''« nt n voll- ständigen Jahresbeobachtungen der Iviederscliliige über 17üU mm ver- dichtet Das den ganzen Hochharz und das Plateau Ton Klausthal um- fassende Gebiet von ttber 1400 mm fehlt dem Thüringer Walde gibus- lieh, ebenso das konzentrisch gelagerte, einen Teil des Plateaus von Elbingerode umfassende Gebiet von 1200—1400 mm.

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Awamann,

Der Kamm des Thüringer Waldes hat in seiner guizeu Aus- dehnung, soweit es das ftlr solche Zwecke stets zu weitmasch^ Stations- netz zu erkennen erlaubt, zwischen 1000 und 1200 mm, an beiden Ab- hängen umgeben von einer im Süden breiteren, im Norden relativ schmalen Zone von 800 1000 mm. Am Harz rinden wir die konzen- trischen Zonen der gleichen Niederschlagsmengen be.sonrlo7-s hinter dem Brockengebirge ausserordentlich stark zusammengedrückt als einen Aus- druck m die bei der Bewdikung schon in amlQger Weise gefundene Wirkung der mächtigen Kondensation an der LuTseite des BergmassiTefl, welchem eine entsprechend trockene Leeseite gegenüber lieg^

Die Gründe für die Differenz der Niederschlagsmenge zwischen Harz und Thüringer Wald liegen auf der Hand und sind durchaus die- selben, wie die für die analoge grössere Bewölkung sprechenden : wasser- dampfreichere Luft und girOssere Höhe beim Harz gegenüber dem niedrigeren, kontinentaleren Thüringer Walde.

£s erübrigt nun noch, die Zahl der Xiederschlagstage ttberiiaupt, femer die Zahl der Schneetago mv\ der Hageltage zu untersuchen.

Der Betrachtung über die Zahl der Niedersclüagstage müssen wir leider die Bemerkung voranachickeu, dass es sich nicht hat umgehen lassen, Yon den Yorscfariften einer &Bt allgemein gültigen Yereinbsrung abzusehen. Es gilt nämlich mit Recht seit einigen Jahren der Ghrnnd- satz, als Niedersdilagstage nur solche zu zählen, welche mehr als 0,2 mm Niederschlagsmenge gehabt haben. Ohne hier auf dii» Berechtigung dieser Vorschrift einzugehen, möchten wir doch betonen, dass es für theoretische Untersuchungen durchaus unumgänglich sein würde, ausser diesen Niedersclilagstagen noch die überhaupt, wenn auch nur Spuren TOn Niederschlägen aufweisenden Tage zu notieren. Allerdings würde eine solche Zusammenstellung nur dann wirklichen Wert haben können, wenn das hierzu verwandte Beobachtungsmaterial von gleicher Zuver- lässigkeit wäre. Die nachfolgenden Werte sind denmach als aus denen der Tage mit Niederschlägen überhaupt, ohne Kücksicht auf deren Menge, gebildete anzusehen.

Die üebersicht der Niederschlagstage (Tabelle 9) zeigt uns zu- nächst, dass mit der wachsenden Höhe im Gebirge nicht nur die Menge, sondern auch die Häufigkeit der Niederschlüge zunimmt. Es könnte hierbei auffallend erscheinen, dass der Inselsberg nur einen Betrag von 108 Niederschhigstagen aufweist, während Gross-Brcitenhach 215, Klaus- thal 208, Kriurt 204 und Magdeburg deren 203 haben.

Die Erklärung hierfür dürfte wohl hauptsächlich in der grossen Schwierigkeit der Niederschlagsmessung auf Gipfelstationen, besonders im Winter, zu suchen sein. Die grosse Windstärke lässt ein den that- sächliehen Niedersehlagsverhältnissen entsprechendes Ansammeln des Schnees im Regenmesser nicht zu, häutig treibt ein Windstoss alles das wieder hinaus, was in Stunden vorher sich angesammelt hatte. Die Notierung euies Niedwschlagstages kann aber im Winter auf Berggipfeln meist nur dann geschehen, wenn wirklich Schnee im Hessgefisae ge- funden worden ist, da sehr häufig, ohne dass thatsftchlich Schnee lallt, der liegende lockere Schnee durch stürmischen Wind aufgehoben \m(\ verweht wird, ein Vorgang, welchen selbst der aufmerksamste Beobachter

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Der EinfiiiM der Gebiige auf KEna m MÜleldeatwiiluid. 375

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wenn, wie so häufig, der Gipfel in ^en Wolken steckt, nicht von wirk- lichem Schneefall zu unterscheiden vermag. Es ist denmach sicherlic h waiirscheinlicher , diese Abnormität durch Fehler der Beobachtungä- nettiode richtig zn erklSren, als durch die VemiutaiijKf dass tiiatsSch- lich der Gipfel des Inselsberges schon obeihiilb der Zone der grSssten Niederschlagshäufigkeit liege.

Die Häufigkeit der Niederschlagstage in Erfurt und Magdeburg ist schwer geographisch zu bet^rtlnden, besonders da die entsprechenden Werte der Bewölkung und Niederschlagsmenge durchaus keine Hand- habe daf&r bieten. Die kleinen Werte rar Frankrahausen, Langensaln und Sulza entsprechen der durch gflnstige Exposition gesteigerten Luft- tempMwbBr, wdche nicht 1^ n die wasserdampfreicfae Luft von ihrem Sättigungspunkte entfernt. Emen einfachen Zusammenhang der Nieder- schl^shäutigkeit mit der Bodenkonfiguration, mit den bekannten Ver- hältnissen der Luv- und Leeseiten vermag man nicht aufzufinden. Man könnte Tielmehr eher eine Umkehrung der uns aus obigem bekanuten Verhiltnisse herauslesen, indem die an der Luvseite liegendem Stationen Koburg und Meiningen erheblich weniger Regentage haben als die im Lee gelep^enen Stntioneii Rudolst'.idt und Erfurt. Nur Salzungen macht ge^( n Pjisenach eme Aasnahme hiervon. Man kann das Resultat dieser Tabelle auch so ausdrücken, dass die Luvseiten der Gebirge eine grössere Neigung zu starken, aber selteneren Niederschlägen, eine grössere Niederschlagsdichtigkeit haben als die im Lee hegenden Gegenden, welchen häufigere, aber schwache Niederschläge eigentOmlich zu sein scheinen. Schliesslidi lässt sich der Gedanke nicht ganz abweisen, dass die Häufigkeit der notierten Niederschlagstage im graden Ver- hältnis zur Aufmerksamkeit und Sorgfalt des Beobachters stehe, und aus diesem Grunde ist die Übliche Vorschrift, nur solche Tage zu zählen, an welchen mehr ab 0,2 mm gefaUen ist, sicherlich berechtigt.

Die Tabelle der Schneetage (10) zeigt uns zunächst, dass, abgesehen Ton den Höhenstationeii, in den Monaten Mai und September nur äusserst selten Schnee in Mitteldeutscliland zu fallen pflegt. Die Notiz von Meiningen, welche Schnee im .Juni meldet, steht völlig vereinzelt da. Die Luv- und Leeseiten der Gebirge stehen im allgemeinen ziemlich gleich in der Häufigkeit der Schneefalle, nur Erfurt zeichnet sieh durch etwas grossere Häiägkeit derselben aus.

Bei Stationen, welche nahe dem Leeabhange eines Gebildes liegen, ist auch die Möglichkeit nicht ausser Acht zu lassen, dass Stürme lockeren Schnee vom Gehiri^'e aiiflieben, ihn in der Niederung wieder fallen lassen und hierdurch wirkliche Schneefalle vortäuschen.

In Bezug auf die Häufigkeit der Hagelfälle reicht leider das TeifOg- bare Beobachtungsmaterial nicht aus, indem trots genauer Instruktion von rielen Beobachtern Oraupel- imd Hagelfälle identifiziert oder wenigstens vermischt werden. Die eminent praktische \Vichtigkeit gerade der Unter- suchuiiiren über Hagelfälle, deren lokales, durch Gebirgszüge begün.*<tigtes Auftreten in neuerer Zeit vielfach behauptet worden ist, lässt den Wunsch dringend berechtigt erscheinen, dass denselben eine allgemeine und strenge Aufinerksamkeit zugewendet werden mOge, um zweüeUooes Material hierüber zu erhalten.

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67] Der Emflnas der Gebirge auf dM Klima von Ifitteldeatsehlaad. 377

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378

Anmanii,

[68

Die als Ersatz hierfür melirfach versuchte Benutzung der in den Haj^elversicherungon niederpfelej^ton Daten hat den grossen Nachteil, da.ss hierdurch solche Gegenden, welche vorwiegend den Boden zu Wald-, Hackfrucht- oder Wiesenbau ausnutzen, weniger hagelreich erscheinen müssen als solche, welche Getreidebau treiben, da eben nur die Hagel- schäden den Versicherungen bekannt werden. Aus diesem Gründe ist auch das mehrfach gewonnene Resultat, dass die Gebirgsgegenden weniger Hagelfalle aufweisen als die Niodeningen , mit Vorsicht auf- zunehmen, da in den höheren Lagen der Gebirge Getreide cjar nielit oder nur in geringen Mengen gebaut wird, während die fruchtbaren, Uimatiech begOnstigten Niederungen vorwiegend Getreidebau zu treiben pflegen

Fiussen wir abermals die Resultate der Unterauc^UBgen Ober den Einfiuss der Gebirge auf die Uydrometeore kurz zusammen, so finden

wir folgendes:

1. Die Bcwöikuu^ wird in ganz hervorragender W'eise durch die Gebirge beemflusst, indem an den LuTseiten «ine Vermehrung, an den Leeseiten eine starke Yerminderung

derselben zu konstatieren ist.

2. Dit» Znnahmp der Be\V()lkung beginnt an fl»'r Luv- seite der (lebirge schon in einer gewissen Entfernung vom Fusse derselben.

3. Im Herbst und Winter ist der Einfiuss der Gebirge auf die BewSlkung derUmgebunff ein st&rkerer und weniger örtlich schwankender als im Frühjahr und im Sommer.

4. Das Ilar/f^ebirge hat eine stärkere Bewölkung als der Thüringer Wald.

5. Die Niederschlagsmengen werden von den Gebirgen ebenfalls sehr stark beeinflusst, indem die Luvseiten erheb- lich feuchter sind als die Leeseiten, an welchen sich in grösserer Entfernung von den Gebirgen ausgeprägte Trocken- zonen entwickeln. Selbst (geringfügigere Bodenerhebungen zeigen diesen Einfiuss auf das deutlichste.

6. Die Zunahme der Niederschläge erfolgt an der Luv- seite der Gebirge schon in beträchtlicher Entfernung vom Fusse derselben.

7. Die Niederschlagsmengen des Harzgebirges sind be- trächtlich grösser als die des Thüringer Waldes.

H, Die Zahl der Niederschlagstage zeigt keine von den Gebirgen direkt abhängige Verteilung; die Niederschhigs- dichtigkeit scheint an den Luvseiten der Gebirge grösser zu sein als in den Leeniederungen.

9. Die Zahl der Schneetage zeigt keinen deutlichen Zu- sammenhang mit der Bodenkonfiguration.

Ueber den £influ8s der Gebirge l^tteldeutschlands auf die Haufig-

^) Dt'r Yetfemer hat in seiner Abhandlung: ,Die Gewitter in Mitteldeutsch- land", Halle, Verlag von Tausch & Grosse, 1885, den Versuch gemacht. ein»> Hagelkarte von Mitteldeutschland zu konstruieren, auf welche hier verwiesen sei.

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69] ^ Emflius der tiebirge auf das Kliina yon Mitteldeutschland. 379

keit, Schwere, Gefährlichkeit, sowie auf die Zugrichiung der Gewitter in dieser Abhandlung zu berichten, isfc, so sehr macSi doraititfe Unter- suchungen unserem Thema angemessen sein würden, zur Zeit- noch nicht ausftihrbar, da das speziell fUr Mitfceldeutsehland verwendbare Material noch zu wenig reichiialtig ist, um diesen verwickelten , oft in eug lokale Grenzen eingeschlossenen Erscheinungen folgen zu können.

Klimfttiselie Beilrke in MItteldeiitsdilaBd,

Unserem eingangs entwickelten Plane gemäss wollen wir nun zum Schluss versuchen, eine kurze klimatographisclie Charakteristik « inzelner besonders hervorstechender Be/irkt- zu geben unter steter Rücksicht- nahme auf die Wirkung der zugcliürigen Boden-Erhebungen.

Die orographischen YerhSltnisse dieser Bezirke smd auf S. 16 ff. aosfbhrlich angegeben.

Die Mulde des westlichen Harzvorlandes ist klimatisch charakterisiert durch Vorherrschen südwestlicher, demnächst aber nord- westlicher Winde, welche nicht gerade selten, im Jahre 1884 sogar 13 mal, stürmisch wehen. Trotzdem bewirkt der Windschutz der Weser- berge, besonders des Solling, eine grosse Uftnfigkeit von WindstOlen, welche im Mittel an 50 Tagen beobachtet werden. Die günstige Ex- position der Leine-Niederung, ihre Zugänglichkeit gegen südliche Winde, während der Harz die kalten nördhcheu Winde abhält, bedingen eine verhältnismässig hohe Temperatur. Besonders warm ist der Soiiuner, in welchem mittlere Monatsmaxima von fast 25 absolute Maxima von 35 * Torkommen. Andererseits bewirkt die häufig^ Luftrohe im Winter leicht Ansammlnng kalter Luft, welche Ton allen Seiten m der Leine- niederung zossmmenstrOmt. Im Januar 1881 kamen Minima Ton 24 ° vor.

Die Zahl der Sommertage beträgt gewöhnlich 28 -80, die der Frosttage 05, während Eistage nur 5 8 vorzukonnuen pflegen. Die Bewdlkung ist im Mittel eine massige, heitere Tage kommen durch- schnittlich 80—35, trabe dagegen 190 Tor. Die NiederscUagamenge betrSgt im Mittel wenig über 500 mm; Niederscfalagstage kommen gegen 150, darunter 33 Schneetage vor.

Die dem Fusse des Harzgebirges näherliegenden Teile haben grössere Bewölkung und grössere Niederschlagsmengen.

Die Mulde des nördlichen üarzvorlandes ist in ihren klima* tischen Verhiltnissen zum grossen Teile von der N&he des Heeres abhängig, wird jedoch auch in erheblicher Weise von dem Harz- gebirge beeinflusst; der vorherrschende Südwestwind wird ziemlich häufig von dem Nordwest abgeh'ist, welcher relativ häufig stUrinis( h auf- tritt: Windstillen sind in den dem Gebirge nahen Halberstädter Becken ziemlich häufig, seltener in der nördücher hegenden und weniger ge- schOtzten Aueniedemng. An dem Rande des uebirges treten zuweilen föhuartige Erscheinungen auf. Die Temperatur des Halberstädter Beckens ist relativ hoch, während die Aueniederung am Elm etwas kälter erscheuit. Sommertage kommen durchschnittUch 3Q, Frosttage

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380

AHBimwiPf

[70

Segen 80, Ei.stüge 10 vor. Gharakteriatisch ist für diesen klimatischeD tesirk die rekÜT geringe Neigung zn etailrer nSdiilicher AnsstnUiing; Schwanebeck hat z. B. in den letzten 4 Jahren sein abaolntes Tem- peratorminimüm mit H^^O erreicht. Die höchste beoboditete Ton-

peratur betrug 33 so dass die mittleren absoluten Extremr noch nicht 4() ° aus einander liegen. Meeresniihe und f?ute Ventilation scheinen die Hauptgründe für diese geringe Jahressch wankung der Temperatur zu sein.

Die mittlere Bew()1kting ist infolge der Gebirgswirkung eine

relativ geringe trotz ilrr MeeieanUhe; die Menge der Niederschläge liegt zwischen 600 und 700 mm und sclieint vom Harz nichl bedeutend beeinflusst zu sein, die Zahl der Niedersclilagstagc ist ziemlich be- trächtlich, für Schwanebeck 181, von welchen circa 30 Sclmeetage sind.

Die Braunschw^eiger Niederung verliert durch ihre Meeres- nfthe schon einen sehr grossen Teil der durch den Harz hervorge- rufenen Witterungs - Eigentümlichkeiten. Der waldige Höhenzug des Elm beeinflusst in deutlicher Weise die ihm naheUegenden Gegenden in Bezug auf Niederschläge, indem er schon in der Oogend von Hraun- schweig eine Vermehrung derselben hervorruft, während in seinem Lee eine erheblich trockenere Zone sich findet. Die Zahl der Niederschlags- iage ist eine ziemlich grosse, die Regendichtigkeit aber going.

Trotz der Meerenge kommen gelegentlich bedeutende Tempe- raturemiedrigungen vor , wie in Brauuschweig dnmal 23 " beob- achtet worden ist ; doch ist diese Erscheinung ausserordentlich selt-en, 80 dass das mittlere absolute Minimum nur 16 " beträgt. Der höchste erreichte Temperatur wert betrug 33 ",ö.

Der ndrdlich vom Elm gelegene Teil der Braunschweiger Niede- rung erschemt in seinen TemperatEunrerh^ltnissen nicht nm>edeiitend extremer, wie die Aufeeichnungen in Maricnthal erkennen lasseo, dessen absolutes Minimum und Maximuni 3 .'".8 und 25 %0, dessen mitfeiere absolute Extreme 34^3 und 18,»> betragen.

Es erscheiut nicht unmöglich, dass der nördlich au^enzende, durch starke Temperaturschwankungen ausgezeichnete kümatuche Be- zirk dee Drömling einen gewissen Einfluss auf die nftchste Umgebung in dieser Hinsicht ausübt.

Die klimatischen Verhältnisse der Börde sind vnrnehnilith in den Bewölkungs- und Niederschlagsverliältnissen vom Harzgebirge ab- hängig, da sie noch zum grössten Teile in dessen Windschatten liegt. Die Bewölkung liegt unter 65®/o, die Niederschlagsmengen bleiben fest allgemein untor 500mm, gehören daher zu den geringsten in Ifitfeel- deutschland beobachteten. Egeln hat im Mittel nur 469, Hedersleben 481 mm. Die Anzahl der Niederschlagstage ist ziemUch gross (Magde- burg hat gegen 200) , die Regendichte demnach sehr gering. Schnee fallt nur an 28 -30 Tagen.

In der Temperatur steht die Börde der Ilalberstädter Niederung etwas nach, doch sind die 'V^brmeschwankungen ebenftlls nieht be- sonders grosse. Besonders ist der Winter im allgemeinen relativ mild, während der Sommer nicht selten Temperaturmanma von über 35 bringt/ Sommertage kommen 36—40, Frosttage 80—90, Eistage nur

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71J I>er EinÜus« der Gebirge auf da« iviinia von Mitteldeutsciilaud. 381

18 19 vor. Da der Boden der Bftrde nahezu ganiUdi waldlos ist, emheint die starke Sommerwärme verstiadlich.

Diis Thüringer Becken bildet gewissermassen eine klimatische Provinz mitten in Deutsclüand , indem es durch seine allseitige Um- randung mit Bodenerhebungen dem £influss der Umgebung bis zu einem gewissen Grade entzogen ist. Im Sommer steigt die Temperatur häufig auf betrftchtliclie Werte, so dass gefegenilieh Maihna von UW 3G ** erreicht werden ; im Winter dagegen bedingt der Zusammenfluss kalter Tiuft von den Gebirgen nicht selten ein starkes Heral)frt'ht'n der Temperatur, so dass Minima von 27 " nicht zu den Seltenheiten ge- hören, während solche von fast 29°, wie im Januar 1886 in Langen- salza, nur selten vorzukommen pflegen. Unmittelbar über dem Erd- boden gehen die Minimalwerte bis unter 30* herab, besoaders wenn der Boden schneebedeckt ist. Dass trotzdem das Jahresmittel der Temperatur ein relativ hohes ist, wird nur durch die hohe Sommer- wäiine veranlasst. Die Wärmesch wankmiij ist infolge dieser ausge- sprochenen Kontinentalität Thüringens eine betriuhtliche ; sie beträgt zwischen den mittleren absoluten Extremen lür Erfurt 53'*,7, für Rudolstadt 54*,8, fÖr Langensalza 51*,6. Die mittleren Extreme be- tragen für Erfurt 13^0 und Frosttage kommen im Thüringer Becken 110—112, Eistage 23— 26 TOr, während Sommertage im Mittel 40 45 Ijcobachtet werden.

Die Bewölkung des Thüringer Bec kens ist eine relativ geringe, desfdeichen die Summe der jährhchen Niederschläge. Der Thüringer Wud macht den südöstlichen, das Obere Eichsield den westlichen Teil Thüringens trocken. Trotzdem ist auch in diesen trockenen Gebieten die Zidil der Niederschlagstage sehr gross, die Regendichte aber sehr Idein. Als Schnee fiillt der Niederschlag durchschnittlich an 4() bis 4.^ Tagen. Am Rande des Gebirges kommen gel^enÜich gut aus- geprä^ Föhnerscheinungen vor.

Das Werrathal stellt gleichfalls einen gut isolierten klimatjaehen Bezirk dar, dessen EigentOmMehkeit wesenweh durch seine Lage an der Luvseite eines hohen, dem vorherrschenden Winde rechtwinklig exponierten Gebirgsrückens bedingt wird. Bewölkung sowohl als Niederschläge sind relativ bedeutend, letztere fallen vornehmlich in seltenen aber kräftigen Güssen.

Die günstige Exposition gegen die Somie und die warmen sttd- lichen Winde Teneihen trotzdem dem Werrathal ziemlich hohe Tem- peraturen, welche weniger durch hohe Sommerextreme als durch im allgemeinen massige Winterminima bedingt werden. Das KUma des Werrathales ist entschieden ein gemässigteres als das des Thüringer Beckens zu nennen, da die mittleren Maxima 12°,2, die mittleren Minima 8^2 betragen; die mittlere Jahresschwankung beträgt ftlr Heiningen nur 8^0, f&r Erfurt dagegen 9^5, ftlr Rudolstadt 10%7. Heiningen hat nur 25, Salzungen 35 Sommertage gegenüber Rudolstadt mit 47. Ebenso kommen in Meiningen nur 90, in Rudolstadt 116, in Erfurt 110 Frosttage, Eistage in Meiningen 15, in Salzungen 14, in Erfurt aber 26 vor. Schneetage hnt Meiningeu 4U, Erfurt 48.

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382

[72

Diese kui-ze Skizzienmg der hauptsächlichsten klimatischen Be- zirke Mitteldeutschlaiitls sowie die vorhergehende Untersuchung der eiiizt'lnen klimatischen Faktoren dürfte beweisen, dass die Gebirge Mittel- deutschlands in der That einen sehr erheblichen Einfluss auf die Aus- gestaltung des KUnuu in diMon Gebiete anetiben.

Dieser Tümfliiaa ftussert sich hauptsftcUicli in der Weise, dass die Luvseiten der Gebirge nebst ihrem nächsten Yorlande ein limitierteres, die Leoseiten bis auf weite Entfernungen hin ein excessiveres Klima erhalten. Das Binnenlandsklima wird daher in ein Küsten- und in ein verstärkt kontinentales Klima zerspalten; die erheblich grössere Wirkungssphäre der Gebirge nach ihrer Leeseite hin bedinfft als allgemeines Besultat der Gebirgswirkung eine Vermehrung der Konti- nentalität. Andererseits sind die Gebirge selbst für die Regenbenetzung von erheblichstem Einfluss, indem sie ge- wissernias sen Fangapparate für den atmosphärischen Wasser- dampf darstellen.

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Der EiuÜuss der Gebirge auf dM SHma von Mitteldeutschland. d8t^

Meli« UmHXkSkw BeolMMktagwtatfitten in liitteldealseUaiid nlt Angabe ier in ien Kttrtm geliranckttn Abktrsnngen^

nach EUma-BeKirken geordnet

Klinia-Bozirk

Station

Ottf* 1

Abkür/uug

in (Inn

1. Harz. A. Oberharz, a. JriaL v. iruuiraiu

o<ns

A «•

vim.

b. Hochharz

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Eknd

1142 615

774

585

(706)

(550)

(620)

2. 4. 4. 2. 3. 5. 4. &

Br.

Schrf. MhK. Snbg. Sch. Stöb. Brlg.

B. Unter harz, a. Plateaa v. Elbin- gerode

10. 11.

12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23.

Todtenrode

(450) (400) (490) (640) (380) (460) (260) (420)

(490) (537) (420)

(435) 298

5. 5. 5. 5. 4. 5. 3. 4. 4. 5. 5. 5. 4. 6.

Kh. Rüb.

Wied. Hsf.

Nstdt. Gtbg. Brtat. Allr. Vict.

Todt. Rgst.

b. Flatoaa Han- gerode

Gl Harsrftnder. ft. weltlicher

24. 25. 26.

27.

840

325 (360)

(220)

4.

2

4. 4.

Hgr. Hrb. Sees.

b. nllrdliidiAr

28.

29. 80,

81.

32. 33.

35. 36. 87.

Tlunhiircr .......

Thale

Ballenttedt

(230) (250) (280) (190) (180)

107

(162) (220) 200

A

3.

3.

5.

3. .

Q

4. 4. 8.

Hbff.

Stpbg.

Ib.

Bkbg. Lgst.

Bau.

e. Mlicher

38.

160

4.

iSngh«.

d. tödlicher

:{9. 40. 41.

(170) 222 (260)

3. 2. 6.

Rssl. Ndha. Wlkr.

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3S4

Asemann,

TIA

[74

KliiMrBeriik

Nr.

Station

h6be

Ord- nang

AbkürEimg m don Karten

». BoUingw Wald.

8. Ii«iae'Nied«nuig.

42.

43. 44. 45.

345 150

5. 4. 2. 4. 4.

Fstbg.

NUun. Wreseh.

4. HordirwtlfolM

46.

47. 48. 49. 50. 51. 62.

228

5. 4. 5. 5. 5. 5. 5.

Hbif.

Stold. Schold.

OtM.

HLch.

Bodst. Lchtog.

6. firaonaohweiger

53. 54. 55. 56. 67. 68.

Braunschweig ..... LandesbaumMhule ....

62 87 86

2. 2. 2. 5. 4. 6.

Üfg.

Lbsch. Rddgh. Cmp.

t* Elm a. Halm« •tadNr Hota.

59. 60. 61. 62. 63. 64.

6nM8>Itobde

VoigtÄclahluna .....

bommerschenbiug ....

128 143 190 160

6.

5. 5. 4. 4. 4.

Gr.Rd.

Voigt. SppL

Sschbg. Umdt

7. HUdaoätober HOlMn.

65. 66. 67.

52

3.

4.

o

Wfl.

Fleh. Nhldb.

8. Ohre. Niederung (DrömlixLg).

68, 69. 70.

Dorst

Calvörde

43 68

4. 3. S.

Dst. Clv.

9. Altmark.

a. nfirdliohe

71.

72. 73. 74. 75. 76. 77. 78.

Brunau

Seehauson i/A

(ir. Möhringen

Trfifltedt

26 32 23

49

3. 2. 3. 4. 4. 4. 2. 4w

Btz.

Bm. Seeh. Ostbg. Gr.-Mdhr.

Tnt

b. sttdliche

79. 80. 81. 82.

o^i

4.

5. 4. 4.

LdU. En. Sehr. Rog.

10. Bted«.

83. 84. 86. 86. 87. 88.

Hundisburg

Grosü-Ammenslebea . . . Gross-Rodonsleben .... Klein-Ottersleben ....

GroM-Waiulebea ....

(70) 54

4. 4. 5. 4. 1. 4

Hdbg.

Anisl. Gr.-Rdl. K1.4)tiL

WaL

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76] I>er EinfluM der Gebirge auf das Kliina von MitfceldeafcBchland. 385

Station

Meore«- höhe

Ord-

1 ADkarnng

In dun

1 Kuian

4.

heeu.

(150)

4.

bchorm-

4.

Hl.

4.

\V eg.

DO

4.

Eg.

4.

Bckdf.

3.

Wolm.

4.

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3.

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4.

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77

2.

Bembfif.

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4.

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4.

118

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4.

fecnonw.

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3. 4.

Mnchpf. Redl.

ISO {'>\

o O.

131

2.

Art.

3.

Aum.

3.

Gr.-We.

202

2.

805

3.

Imr.

11. Hakelinld.

12. Aae-Niedenmg.

18. HalberatAdier

14. Xansfelder HflgeUand.

16. Thüringische Chrensplatte.

16. Ooldeae Aat.

17. Hainleite.

104. 105. 100. 107. 108. 109. 110. III. 112.

119. 120. 121. 122.

123. 124. 125.

126. 127. 128. 129. 130. 181. 182.

133. 184.

108. Hetebom

Seehauson (W.) Schennke . . Hadraersleben . Weateregeln . Egeln . . . Bleckcndorf Wülmirsleben . Bahrendorf . . Schönebeck Hohen-Erxleben lir i n bürg . . "VVarniiidorf . . StaiSfifurt « . Heckliiigeii

Wulferstedt . .

Kunenlebea . .

Barneberg . . .

Altenrode . . . Sttttterlingenbarg

Was-serleben . .

Hessen . . . .

Badeielebeii . .

SoUanatedt . .

Schwanebeck Derenburg . Hederelebea Hoym . . Aaäiereleben

118. Gross- Wirschieben .

Gerbstädt . Erdebom , Cröllwitz Teutschenthal

Morfeburg

Korbetha

MtUsheln

Schönewerda , . Mönchpfiffel . . . Reinsdorf .... FrankenhanMn . .

Artem

Aumühle .... Oron*WechBiiiigeii .

bnnienrode .

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886

17«

Klima-Bezirk

Nr.

Station

Meert.'s- höbe

18. Eiohflfeld.

135. 186. 187.

Lengenfeld o. St ...

4.

2.

3.

Dglst. Lfio.

19. bafFiuger WaM.

138.

204

2.

80t B«iliB0cr SOImb.

139. 140. 141.

226

4.

3. 4.

Krn.

Schi. Gr.-Er.

81. Helbe-Unstr.. Kiodemag.

143. 144.

145.

jHemml«ben

201

1-

2. 3. 3.

4.

Grs. HmL

146. 147. 148. 149.

WiBd.*Holsliaa«en . . .

195 196

3. 3.

3.

Tftk WUih.

88. Owtl. Thflr. 84. nmthAL

150.

161.

1.52.

ioo.

Buttfitädt

184 228

4.

2. 2. 4.

Btät.

Sls.

Krf.

86. SttdL Thflr. HoohflAche.

164. 155. 15ti. 157. 158. 159. 160. 161. 168.

OesteriMbriagsn

3. 3. 4. 3.

3. 4. 4. 4. 3.

Wik.

^n8df.

WndL FnL Bnst.

m.

6Ui. Otfeb.

26. Nordr&ud des Thür. Wald«!.

168. 164.

1G5. 166. 167. 168.

170. 171 172. 178.

Rudolstadt

Blankenburg ifVh

Cmwinkfl

Friedrichrodii .....

Ktm<M*K

217

225

287

253

240

3. 2. 3. 3. 4. 2. 4. 4. 3. 4. 2.

Saalf.

Bkbg. SUliu. Ihn.

Crw.

Ohrd.

Frdr.

Lch.

87. Westnuid,

174.

f

3.

Bka.

175. 176. 177.

5. 4. 5.

Möhr. Ast. Scfamlk.

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77] ^ Emflnts der Gebirge anf da« KUma toh

387

Klima-Bezirk

Nr.

Station

höbe

Ord-

nong

Abkürzung In den Karton

K Oberes thaL

80. Tor der BiOm,

81. Nordfr&nk. Bergland.

32. Kamm des Tbflring. Waldes.

88. Frankenwald.

86. SaalpUtte.

36. Halle Leipsiger Tieflandsbuohi.

87.01

Tieflrad.

178. 179. 180. 181. 182.

183. 184. 185.

186. 187. 188. 189.

190. 191. 192. 193. 194. 195. 196. 197. 196.

199.

m

201. 202.

208. 204. 206. 206.

207. 208. 209. 210. 211. 212.

2i:i 214. 215. 210. 217. 218. 219. 220.

221.

222. 223. 224.

Salzimgen . . Meiningen . . Themar . . .

Hildburghansen Eisfeld . . .

253 311

Stadt Lengsfeld Friedelshausen

Rodach . . Ummerstadt

Coburg . . Neustadt b/C.

Inselsberg . . . Oberhof . . . . Schmücke . . , Neustadt a/R. * . Gro88-Breitenbach Oberhaan . . . Katzhfltte . . . Neuhaas a/K. . . Menra ....

Sonneberg

Lehesten

Leutenberg

Bucha 461

324

327

906 808 910 801 630 584 434 806 528

302

Jena . . , Camburg , Nanmbuxg . WeisMufide

Eiaenberg . Wetzdon . Schkölen . Zschoigola . Webau . . Wiedebach .

Zeitz . . .

Lotzen . .

Oetzsch . . Dürrenbttg

Dölkau . , Leipzig .

Gröbers . ,

Halle a/S. .

159

Landsbei^ Düben . Brachstedt COnefai .

92

2. 2. 5. 3. 4.

5. 3. 5.

8. 4.

2. 2.

2. 2. 4. 3. 2. 3. 3. 3. 3.

5. 5.

3. 3.

2. 4. 4. 3.

4.

4. 4. 4. 4. 3.

4.

3. 4. 5. 4. 2. 2. 2.

3. 8. 3. 4.

Them. Hild. Eisf.

St. Lng. Frdh. Kl.Ndlim.

Rod. Unisi

Nstdt.

Sdint. Nstdt.

Oblin. Ktah.

Meur.

Sbg. Lhst. Ltbg. Beb.

Cmbg. Nmbg. Weisf.

Eisbg.

Wtzdf.

Schk. Zflchorg.

Web.

Wdb.

Lts.

Drbg. D51k.

OrOb.

Ldbg. Düb. Brst. C8ss.

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3g8 AramBim, Der Einflim der Gebirge auf daa Klima von HitteldeixUchlaad. [7(

Klima- Bezirk

Nr.

88. Oeatliche Elb- ITiedenmg.

225. 226. 227. 228. 229. 230. 231.

Station

233. 234. 235. 236. 237. 238. 239. 240. 241. 242. 243. 244. 245. 246. 847. 848.

Die mit einem Und. Wstterkonde u.

Glauzig .... Gröbzig .... Klein-Paschleben . Göthen .... Trebbichau . . Frasadorf . . . Qaellendorl . . Deeeaa ....

Wörtlan .... Zerbst .... Badewite . . . Randau .... Föthen . . . . HohennatB . . . (lörzke . . . . Hingelsdorf . . Niegripp . . . Fienerode . . . Genthin .... Bergzow . . . Parey a./Elbe . . Ferchland . . . Jericho w . . , Hohenbellin . .

a5

4.

4. 4. 3. 4. 4. 4. 2.

4. 3. 4. 4. 4. 4. 4. 4. 4. 4. 4. 4. 5. 4. 3. 4.

Abknrzi In ( KMrtnj

Wr

und La

Hb

SttUonen inliAmii aWhi da B5lMB*ABgalwa sind nur MigenliiwH

MtU«WBttM Am Ttreln

DraokMilMriMriflhtfgaiif.

In Kart« 5. Schnei-hölio r.iid MlniuialtornporatTiri'ii am

Iii 1^».... ^. «,vu^. Juiuar 1886, muBs heiiy|

8. Jwuw; »a'di i»t In den IniwU die »uf Seito a8a beginnende Tabelle gimtüdxer B«obi ■UttoMB ta KtttaMmtMlilMd He. nMh ttamuOuXm.

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i-ittridt Inntr-.rtf

KJnnifti iurf/ QtinUuibiUTf

ITi Jitk'tM- W:il(l unil Haj'z zwischen Höxter und Üuedliiibiu'u.

und L;ip|)wald.

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0 K.

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LUFTDRUCKMITTEL

der JaJirc 1883, 1RB4- und I88:>. TurluTrstiu'iiiIi«, xvfpiUiSull^slP Windrichtung.

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Grof r»|ih \unl v Waijnrf (■ Drlir% Lcipnü

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10

52

LUFTDRUCKMITTEL

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VX'iiitrr KriilijiiJii-, Suiimiii- Ilri4isl.

760

782

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MITTELTEMPERATUREN

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DocembtT 1871).

(TimiptTalur-Uui kehiiuigj

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Cfr.'^ Ott.

C'oTblUarH . j<V«

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SCHNEEHÖHEN^ MINI MALTEMPERATUREN

am ßJanuai' 1R86.

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2-15 ' ■■90 C3u.u.mc]xr.

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Cro|r«{ULAn«t. r. Wagnrr r Orb», Lriimtg.

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Jalirrsmlttrl der

BEWÖLKUNG MORGENS

in l'roceiilni .

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&rogra|i)L Aiiat^ r Wagnrr Drbri I.ripslJ

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N9 7.

NIEDERSCHLAG

in den Jaliren luui', ims, 108 + un d 1883

[Züfa0-5OU mm. ■ilOOO-1300 mm.

LU.too-ooo ' Hlisoo-Koo '

CZJeoo-aoo " iK)o-noa

■iSOO-lOOC IBüber 1700

A Vi

OsU. von GrePiTwicK IZ

Grograph. Anjl *• Wagnrr ^ Drbri LrlpziC

d by GoOQle

Die weiteren Hefte werden unter anderem lol</«'nd«' Arl)eii<'ii bringen:

Geb, Kat F. Baer (Grossherzogl. bad. Direktor des Wasser- uud btrastienbauä, der Laadeskultui^ Arbeiten, lAndeermneMnug und Tojiograpbie in Karlaruhe), Die Sntwioklung des Ver- kehrs und der Verkehrswege am Oberrhein.

Dr. G. Berendi (Königl. Landefgeologe und Frof^nor an der Univenitftt -Berlin), Die nord-

deatuchen rrstaromsystenie.

Dr. A. Bezzeiiberger (Prof. an der Universität Köuigäberg), Die Kariscbe Nehrung.

Dr. A. Birlinger (Prof. «n der ünimritftt Bonn), AlemamuecheB: Giensep, Sprache, ESgenwrt.

Dr. Rw BlfteiuB (Bkwraachwei^, €ber ZngverhAltniase mid Vttbreitimg der YOgel in Deotechland.

Oberiorstmeister Dr. Brn ^'^^TCve iT>iirV.for dpi- Königl. Foretakademie zu Uannöv. Münden), Die Terbreituug und wirtscLaftliche Bedeutung der i»ichügeren Waldbaumarten inner- halb DeotMUandi.

Dr. G. Gerlftüd (Prof. an der Univeraitftt Straasbnrg), Über Thalbüdmig in den Vogesen.

Dr. A. Jentzsch (Dozent an der Universität Königsberg). Der Boden Ost- und Westpreuseena.

Dr. 0. M. K an {YtoS. an der Univerntftt Amaterdan), Die Eigentibnlichkeiten des niederUndiachen

Boden».

Dr. A. von Xoeneu (Prof. an der Universität Güttingen), Über die Dislokationen uud Störungen,

«eiche den Bau der denistiieii Ifittelgebixge bedingen. Dr. F. Krones Ritter von March 1 and (T'rof. an der rnivcr^-ität Oraz). Die dout^cbe Be-

aiedeiong der Öetlicben Alpeuiünder, insbesondere h>teietmarks, Kärntens und Krains,

flach ihfvn hiftoriechen inicl topiscben yeHdUtnisMD.

Dr. A. Leskien (Prof. an der Univerntit Leipng), Uiiteilnngen über das ansgestorbene Slaven-

tum in Norddeutschland.

Dr. Th. Liebe (Landesgeolopc und Prof. in Gera), Der Zusammenhang zwischen den orogra- jphischcn und bydiographischen Verhältnissen Ostthüringens und des^ien geologischem dcfaiditenanfbaii.

Dr. A. MaV'owRky (Prof. an der tedmisdien Hochachnle zu Brünn), Das HAhlengebiet des

Devon in Mähren.

Dr. A. Neb ring (Prof. an der huidwirtscbafÜichen Hochschule zu Berlin), Die diluviale Fauna DentaeUaads und ihr Veihftltms mr jeteigai Flaima.

Dr. J. 0 1 1 m ti r (Prof an der tcchnisdien Bochsdrale in Bramischireig), Der Boden der nOrd*

liehen Vorlande des Harzes.

Dr.-J. Partsch (Prof. an der Universität Breslau). Die Oder in Schlesitm.

Dr. Fr. Pf äff (Prof. an der Uaiversität Erlangen), Der Aufbau des Fränkischen Jura.

Dr. F. Ratzel (Prof. an der technischen Hochachnle bu BfOndien), Die Scfaneegrenie im Kar*

wendelgebii^e.

Dr. L. Schlesinger (Direktor in Prafi), Die <tliiioK)tri><!ieii VtrhältnisHo Böhmens.

Dr. F. Wabnscbaffe (Dozent an der Universität Berlin), Die Quartärbildungen des nord- dentsehen Flachhindea nnd ihr EinfliiBB auf die Obei^ldieageBtaltung desselben.

Dr. K.Weiahold (Prof. aa der IMveraitftt Brestan), über die Herkunft der dentschen Sdilener.

Aosserdem haben freundlichst ihre Mitwirkung nigesagt die Herren Dr. K. Freihefr von

Pritsch. Prof. «n der Universität Halle; Dr. F. G. Hahn. Prof. an der Universität Königs- berg; Dr. G. Hellmann, Oberbeamter im Königl. Meteorologischen Institut in Berlin: Tl-iVat Dr. von 1 n a m a - Sl ern egg . l'rä.'jident der k. k. Statistischen Contral-Komun8.sion und Prof. an der Universität Wien; Dr. 0. Krümmel, Prof. an dei Universität Kiel ; Dr. F. Löwl, Dozent an der deutschen Universität Prag; Dr. E. Petri. Prof. an der Universität Bern; Dr. J. Ranke. Vrot an der UniveraitU Mflnchen; Dr. F. Schreiber, Direktor des KOnigLsftcbs. Meteorolog. laititnts in Chemnits; Dr. A. Streng, Pro£ an der Univerdtat (Hessen; Dr. F. Wies er, Ftof. an der ümTersitlt Innsbruck n. a.

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Im gleich«!! V«iige M «nehioi«»:

Anthropo-Geograpliie

Gnmdzflge der Anwendung

der ' '

Erdkunde auf die Geschichte

Dr. Friedrich RatZBli

Pfeif Mark 10.

fiaudbucb der Elimatologie

Dr. Julius Hann,

DlNktor dar m«t«orol. Zoatraianiiuu ocd rrofiMi^or an dar JDxüv«nit4t la WIml.

Preis Mark 15.

Handbuch der Ozeanographie

Prof. Dr. G. von Bogusfawski,

Bamd Jf.

MubUoIm^ ykjBlkilfiebe and chemiflelie BeMiiiihiiMt Ur OmM.

Frei« Mwrk 8. 60.

Handbuoli der Gletscherkunde

von

Dr. Albert Heim,

Protaaaor der fi«<a«gi« •aB(JiweizTiHciu>n rol3^hnttniw and dar Üatveraitit

in Zürich.

Preis Mark 18. 60.

ü&er

2IIIgcmctnc (Eröfunöe.

von

Dr. JTrirtrWi ääI^jL

Druck von Gebrüder Kroner in Stutt|;art.

Digitiz6<f by

(joogle

ejii^miijüiiau

iijiinT^juiiWMniTnmiiL,

iMtlli.U"

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'Forschtmgen

zar deutscilen Landes- und Volkskunde

im Auftityjp dpr

Ceutralkommi^flion für wissenschailliche Land^kunde von Deutschiaud

herausgegeben von

D**' Richard Lehmann,

n ll«aatarl|W.

UftUll

Xvttmte AS Act

Nationalitäten in Tirol

und die

wechselnden Schicksale ihrer Verbreitung

Dr. H. J. Bidermann,

0. ö. Profetsoi der Stati»ttk und dea Staatsrechts an der Univernt&t zu Uraz.

8IUTI0A&T. YBRLAG VON J. EKGBLHORN.

1880.

f [ I < ] : 1 Ol LI ■iniimTiimnni^iiiiiiiiiiiiMiiümiüüiJüiuiuiiiiiiiiHMIIIIIimill^

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Digiti. 0 Uy i^ioogle

DIE

NATIONALITÄTEN IN TIROL

UND DIE

ISCHUEN SCHICKSALE IHM Y£BMTDli&.

VON

DR H. J. BIDERMANN,

0. ö. ProfeMor der Statistik and dea StMtsiecbt« der k. k. Univenität zu Gras.

STUTTGART.

VEKLAG VON J. ENGELHORN.

1886.

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jDruck TOD a«brä(ler SLrüaer In Stattgtit.

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I n Ii alt.

Seite

Einleitung [5] 393

Littentar TlOJ 898

Q^ognpliiseli geordnete üeb ersiebt des statistiaolieii nad geeeUoht-

liohen Saehveribalte.

A. Romanen unter Deutschen.

I. Lechthal [U] 402

n. Ixmiihal [14] 402

in. Wippthal [18] 406

IV. Pusterthal [191 407

V. Eisackthal (zwischen Franzensfeste und Bozen) [21j 409

VI. Oberes Et^chthal (von Bozen aufwärt«) [22j 410

VII. Bozen und die Zwölf Malgreien [26] 414

VIII. Unteres Etschthal (zwischen Bozen und der Sprachgrenze) [30] 418 B. Deutsche unter Romanen.

I. Das Gebiet der Dolomiten (die Thftler Eneberg, Gröden,

Bnchenttein, Ämpezzo, Fama, Flebu, Gembra und PkunSr) [3G] 424

II. Nona- und Snlzberg [42] 480

in. Das Fersinathal mit den Höhen von Pinö [45] 483

IV. Das Brentathal (Valsugan) und der Gebirgsstook swiioEen

ihm und dem Astii r.tbul»' [51] 439

V. Das ICt.schthal von der .'-^pmch- Im zur Landesgrenze mit

Ausnahme der Städte Trient und Rovereto [56] 444

VI. Die SOdte THent und Rovereto [62] 450

Vn. Sarcathal [69] 457

Vin. Das Ledro- und das Chieeetiial [71] 459

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Inhalt [4

Mm

■trtau]« im «IimIimi SeltalNNftiitto.

T. Die voritiilit in-( h.' Zeit [71] 4&5»

11. Liaie Ausbreitung italienischer Einäüsse gegen Norden (1290

—1480) [72j

m. Dentoche Gegeabeatrebimg«ii wid Erfolge (1480—1580) . . [78] 461 IV. Abernmliges Enqpoi^onimeii der italieniedhep Natioiialit&t

(1530-1650) [74] 462

V. Periode de« Stillstands (1G50-1750) [75] 463

VI. (Jesteigertes Umsichgreifen der Verwelschung (1750—1866) [76] 4o4 Yll. Wirksame Versuche, der Yerwelschuug Einhalt KU tbun(1866ff.) [77j 466

a) Wohnplätze der Juden in Tirol [78| 417

h) Nachwirkungen des Slawentama im laeltbale (and in

denen Versweigungen) . [64] 478

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Einleitung.

Ethnographische For?;chiinjP!;en sind wesentlich erleichtert und ihre Ergebnisse sind verlässlicher gewurden, seit mau sich gewöhnt hat, die NatumaHtitt Ton der Kation aoorgfUtig zn unterscheiden. Dieser Untere schied muss insbesondere auch bei Erörterung der ethnographischen Verhältnisse Tirols festgehalten werden. Denn die dortige Bevölkerung ist seit einem Jahrtausende und liinger schon ein so buntes Gemisch der verschiedenartigsten Nationen, dass es geradezu unmöglich, die Geschlechterverbände in ihrer Mitte, worunter mau eben die Na- tionen versteht, streng auseinander zu halten.

Der geistige Typus der BevOlkemn^ dagegen, welchen man die Nationalität nennt, lässt sich hier wie ttberhaupt weit leichter und sicherar bestimmen. Nicht bloss von der Gegenwart gilt dies, sondern auch von der Vergangenheit, wo allerdings der Abstammung grössere Bedeutung beigelegt und diese daher auch häufiger zum Gegen- stande besonderer Untersuchungen gemacht wurde. Es sind ja noch keine fünfzig Jahre, dass, solange eben die ältere Gewerbegesetzgebung und die Autonomie der Zflnfte bestanden, in manchen Stftdten und sonaCigen Zunfthezirken nicht bloss Oesterreichs, sondern weit darüber hinaus nur das Kind deutscher Eltern als zur Aufnahme in ein Handwerk geeignet angesehen wurde, dass nur dieses dort Geselle und Meister zu werden hotten durfte. Und auch sonst kam es auf den Stammbaum vorzeiten weit mehr an als heutzutage. Man denke doch, um Yon allen hiermit zusammenhängenden Vorrechten des Adels abzusehen, an die Stammearechte der Yoneit und an die Voraus- setzungen ihrer Anwendung auf den Einzelnen, der sieh zu ihnen be- kannte. Man vergegen'w^rtige sich die engherzige Sorge, womit noch viel später nicht blDsp der Adel und die zünftigen Handwerksgenossen, sondern auch andere Famiii» n des Bürgerstandes die Reinheit des Blutes sich zu wahren suchten. Jetzt kümmert sich um Derartiges kaum mehr die höchste Aristokratie. So Yiele gesellschaftliche Re- formen da gleich mitwirken, so hat doch auch das im Bewusstsein der Menschen sich vollziehende Zurücktreten der Nation hinter die Natio- nalität daran gewiss einen grossen Anteil. Die Wissenschaft wandelt, indem sie gleichfalls die Nationalität jetzt höher anschlägt als die

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394

Nation, einen ihr durch volkstümliche Anschauungen gewiesenen Weg und darf sich dabei mit der Gewähr beruhigen, welche gerade das geläuterte VoLksbewusstsein bietet. Wie diese« dermalen die Tüchtig- keit des Menschen, der irgendwie in Frage kiunmt, mehr berQchnehtigt ak dessen Abstanuniusg, so fragt auch der Gelehrte, welchem ethno- graphische Aufgaben gestellt sind, heutzutage weniger nach dem gene- tischen Verbände und nach der angestammten körperlichen Beschaffen- heit, als vielmehr nach dem die Leistungsfähigkeit vor allem beeinflussenden geistigen Typus. Ihn leitet dabei auch die Er- kenntnis, dass mit dem Zunehmen und Umsichgreifen <ler Geistes- bildung das physische Machtelement mehr und mehr an Bedeutung yerlicrt. Dem Manne der Wissenschail ist es femer nach dem heu- tigen Stande derselben klar, dass der Begriff der Nation zu sehr schwankt, um ethnographischen Studien zu Grunde gelegt werden

In dieser Beziehung sei gleich hier bemerkt, dass von einer italienischen Kation in demjenigen ausgedehnten Sinne des Wortes, in welchem man dasselbe zur Bezeichnung einer ethnographischen Ein- heit gebraucht, nicht die Rede sdn kann. Was man so nennt, existiert im politischen Leben: es wird aber auch da richtiger das italienische Staatsvolk genannt. Es kann sogar mit Bestimmthfit behauptet werden, dass es von der Zeit an, wo die alten Ituler, wenn sie über- haupt einen Stamm bildeten, als Sprösslinge eines solchen in anderen Stämmen aufgegangen sind, eine Nation, die diesen Namen zu filhren berechtifft gewesen wftre, flberhaupt nicht mehr gegeben hat.

Daher weist auch das Beiwort „italienisch" in keiner Hinsicht auf eine bestimmte Nation, d. h. auf einen eigenartigen Verband von Ge- schlechtem zurück, sondern es ist entwetler unmittelbar aus dem geo- graphischen Begriffe von Italien oder aus dem geistigen Typus» der mit demselben bezeichnet wird, abgeleitet. Dieser letztere entbehrt eben einer nationalen Grundlage. Er entwuchs keiner solchen, sondern ist das Erzeugnis einer Kulturentwickelung, welche Menschen von mannig- faltiger Abstammung das Gepräge einer einheitlichen Nationalität auf- drückte, die man nunnu lir die italienische nennt, wold nur mit Rücksicht auf das Gebiet, in welchem sie emporkam imd so zu sagen heimisch ist. Also steckt auch hinter dieser Benennung eigentlich der geographische

') Ich habe dieser Anschauung Pt-hon im .Tahre 1874 mit den Worten An^- dmck gegeben: ,Die Stimmung eines Volkes und die jederzeit stark hiervon l>e- etnfluBBlß öflentliche Meinung wollen heutzutage mehr als je berücksichtigt sein. Vom Standpunkte der Staatenkunde aus besehen, zerfälK 'lie M('n?rhh<>it nicht sowohl nach äusseren Kriterien als nach der Sin&esrichtuug in (Jruppeu.'* Poch setzte ich damals bei: .Gesellt sieh cur gemeinsamen Simiesrichtung aueb noch ein die rjleichdoukenden umschlingendes Ptaniniesbewu8Btj?ein , so ist, das letztere mag noch so unentwickelt sein, eine feste Grundlage gegeben, auf welcher das, was man die Nationalitftt nennt, sieh ansgr^taltet* Erscheinungen, wddie der unmittelbaren < !efr,-in\art anfjehören , niarlien es mebr und mehr zweifelhaft, ob die KationaUtät überhaupt durch das Bewusstsein der Abstammimg bedingt ist» oder ob nicht ha Oegenteue ihre EzpansiTknft aas dem Vexgesaea dw Ahkonft sidi erklärt. Mindestens lockert sich immer aaflUIiger der boOglidie histmisclie Zn- iammenhang.

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7]

IHe Nationaliliteik in Tirol 6«c.

395

Begriff mit dem einzi<?en Unterscliiede, dass er da iiuttelbar, m der Regel aber, wenn von etwas Itaiieuischem die Hede ist^ unmittelbar zur Geltung kommt.

Anders verhalt es sicli mit der deutschen Nationalitftt. Ihr kann ein nationaler XJrspnmg, d. h. die Entstehung inmitten eines geschloasentti Oeschlechtervorbandes nicht bestritten werden. Das sie kennzeichnende Beiwort ist dem Eigennamen einer wirklichen Nation entlehnt, die mit ihr gross j^eworden. Gab es gleich auch unter den Deutscheu von jeher Uuter8chiede , welche sich vererbten, so dass die Veredelung der deutschen Nationalität erst allmählich auf sie aus- gleichend einwirkte, so haben doch deren Trftger schon toh ▼(umherein an dem geistigen Typus, aus welchem sie sich ^ur heutigen Macht und Gestalt entwickelte, teilgenommen und gleichmässiger zu deren Ent- wickelung beigetragen, als dies von den Voreltern der heutigen Italiener, d. h. der der italienischen Nationalität Angehörenden, in Ansehung dieser sich nachweisen lässL

Damit soll dem Ruhme der italienischen Nationalit&t und dem Ansehen derjenigen, weldie sich um dieselbe yerdient machten, nidits benommen sein. Vielmehr ist es bewunderungswürdig, wie die- selbe in Ermangelung einer eigentlichen Nation, welche den Keim dazu in sich truc; und ihr als Stütze hätte dienen krmncn, in verhältnis- mässig später Zeit entstehen und sich über tin weites (ubit t ausbreiten konnte, dessen Bewohner dadurch erst zu einer Achtung gebietenden geistigen Einheit wurden. Man kann eben das Alter der italienischen Nationalität nicht weiter zurückdatieren als bis zum Aufkommen der italienischen Schriftsprache. Deshalb ist es auch erst von diesem Zeitp- punkte an gerechtfertigt, der deutschen Nationalität die italienische gegenüberzustellen.

In Tirol aber kommen dermalen nur diese beiden Nationali- täten in Betracht, obschon das dortige Völkergemisch der natio- nalen Fragmente, die anderswo Träger besonderer Nationalitäten sind, ungleich mehr aufweist.

Ausser den Rhäto-Romanen und Germanen, die dort zu An- fang des Mittelalters durch Uire Zahl und politische Stellung hervor- ragten, sind dort reine und Romano-Slawen, dann spätere Zuwan- derer aus Nord und Süd, welche teils deutschen, teils romanischen Stammen entsprossen waren, sowie Israeliten teils der italienischen, teils der deutschen Nationaliiät anheimgefallen. Bald breitete sich die eine, bald die andere aus. In dieser Hinsicht können sieben Perioden unterschieden werden.

Weil jedoch die Wandlungen, welche solchergestalt sich voll- zogen, nicht in allen Teilen Tirols gleichniässig eintraten und verliefen, emptiehlt es sich, die eiusclilägigen Thatsachen zunächst in Ver- bindung mit bestimmten geographischen Gebieten, innerhalb welcher sie zur Erscheinung gelangten, dem Leser vorzuftlhren und b( i Begründung obiger Zeitemteihmg sich kurz darauf zu beziehen oder ))l<>ss durch Schlagworte daran zu erinnern.

Anthropologiselip Betraclitungen sind hier ausgeschlossen. Allein die Nationalist kann von denjenigen, deren Erbteil sie ist oder welche

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396

Bidermann,

sich zu diesem in Widerspruch setzen, es verleugnen, nicht getremii werden. Daher ist auf die Abetammung, soweit de dieeiaUs nachwiriEt« allerdings Rücksicht zu nehmen. Daran darf auch der geänderte Familiemiame nicht beirren, ausser wonn fest^^teht. dass der Namens- änderung ein Nationalitätswechsel entspricht. Oft geht aber die erstere diesem Wechsel weit voraus. In Südtirol zumal zählen die ursprüntrlich deutöcheu oder doch germanischen (speziell langobardisclien) Familien, denen im Mittelalter ein italienischer Eigenname aufgedrungen wurde, nicht bloss nach Hunderten, sondern nach Tansenden. Wer Christian Schnellers leider unvollendet gebliebene Skizzen «üeber die Zu- und Familiennamen in Wälschtirol'' ^) zur Hand nimmt, kann sich dsvon gründlich überzeugen. Viele von diesen Familien hielten im tlbrig^en noch um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts an der deutschen Nationalität fest, welche freilich gerade damals unter dem Druck einer falschen Scham, von der auch geistig hervorragende Menschen befallen wurden, häufig mit dem noch dentsäen Namen zugleich der Bonumi- sierung weicht *). Um so gewisser darf angenommen werden , dass Familien, deren deutsche Namen auch diese für sie gefährhchste Periode überdauerten, bis dahin in ihrem ganzen Wesen deutsch geblieben waren, und bei unentstellter Form sind solche Namen auch jetzt noch sichere Belege einer bis au die Gegenwart heranreichenden deutschen Vergangenheit, wenn schon ihre jetzigen TrSger vidleicht nicht mehr der deutschen Nationalifiit sngehdren. Das Segenteil, nSmlich dass ▼erdoutschte Italiener ihren Familiennamen germanisieren, kommt fast nie vor. Diese Bewandtnis bereitet allen damit nicht Vertrauten, denen - auch die bezüglichen Abstammungsverhältnisse fremd sind, arge Täu- schuii^^en, iusofeni sie bei derartitren Familien aus dem Eigennamen einen Schluss auf die Abstammung zu ziehen sich anschicken, und in ihr liegt die Ursache, weshalb die Zahl der Italiener in Deutseh- tirol so leicht überschätzt wird. Umgekehrt wird die Zahl der Deut- schen im italienischen Landesteile auch in den offiziellen, nach der Umgangssprache verfassten AiisAveisen offenbar zu <?ering angegeben, weil d^'utsclie Kinder, die dort zum Erlernen des Ifaiicnischen weilen, mit Kücksielit auf diesen Zweck in den seltensten Fällen als deutsche, d. h. als im Umgänge der deutschen Sprache sich bedienende Personen konskribiert worden sein dQrften. Das italienische Kind, welches, um deutsch zu lernen, in einer deutschen Familie sich befindet, entgeht dem gleichen Schicksale in der Regel schon dadurch, dass es von seiner deutschen T^m^reliunt; trotz dem Zwecke, den seine Anwesenheit hat, als ein fituidartiges Geschöpf betrachtet und sonach als Italiener an- gemeldet wird.

Bei Erwachsenen nimmt man es in diesem Punkte deutscherseits

') Separatabdrnck a. d. Boten f. Tir. q. Yorarlb. Iimsbitick 1867.

■•') So vertauschte der aus dt ni Ddifr ( Iu.-t(.i im Nonsln r^-'r treliürüge Rechts- gelehrte Anton Gigl seinen ererbten Famüieimamen mit dum seine« Geburts- ortes (Archiv. Trent I, 158). Vom Bmder des Trienter Eanslers, Job. Bentter, ist bekannt, dass er sich als Kanonikus (schon zu Anfang des vierzelinten Jahr- hunderts) ZamboQUB (Joannes Boniu) de Tridento nannte. (BoneUi, Monoomta, pag. 283.)

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Die NatioBAlititeii in Tiiol ele.

397

gleichfalls genauer, insofern sie nicht selber durch Beantwortung der Frage nach ihrer Umgangssprache die Nationalität, welcher sie sich zugezählt wissen wollen, zu bezeichnen in der Lage sind. Im allgemeinen hat die Erhebung der Umgangssprache, wenn sie von Penon sa Person direkt gesduehi, eben keinen anderen Sinn als die Torerwähnte Erklärung 'zu provozieren« was freilich bei ^rftchsenen noch einfacher und verlasslicher zu erreichen wäre, wenn man ihnen die vorerwähnte Erklärung unmittelbar abverlangen würde. Bei der letzten Volkszählung in Oesterreich ist dieses Mittel nicht einmal den Erwachsenen gegenüber angewendet worden, und um so mehr verstand es sich bei den Kindern von aelbrt, dass man m betreff dieser bei ihrer damaligen ümgebtmg nach der Umgangssprache sidh erkundigte oder ohne besondere Naiuifiage sie schlechtlun nach dieser ihrer Umgebung klassifizierte.

Die für das Jahr 1 880 vorliegenden Ergebnisse der also bewerk- stelligten Erhebungen müssen den nachstehenden Zalilenangaben sclion darum zu Grunde gelegt werden, weil es befriedigendere Anhaltspunkte eben nicht gibt Säe sind immerhin den ftlteren statistischen Ausweisen vorzuziehen, bei deren Zusammenstellung die Willkttr noch einen brei- teren Spielraum hatte, und es auch nicht sowohl auf die NationaUiät als vi(>lmolir auf die StammbUrtigkeit abgesehen war. .Tene Angaben sind dem „Spezial- Ortsrepertorium von Tirol und Vorarlberg" ent- nommen, welches den 1885 erschienenen achten Band der von der k. k. Statist. Ceutralkommission in Wien herausgegebenen Nachschlage- bUcher dieser Art bildet^). Was den Wert derselben vielleicht am meisten beeinträchtigt, ist, dass die in Tirol weilenden Ausländer in die betreffenden Rubriken dieser Ortsverzeichnisse nicht angenommen sind. Denn beide Nationalitäten kommen demzufolge zu kurz und ^'(•rade in Gegenden, wo das Ausserachtbleiben der Ausländer ver- hältnismässig viel austrägt. Doch hätte diesem Uebelstaude nicht einmal durch spezielle Inanspruchnahme der k. k. statist. Gentrai- kommission abgeholfen werden kdnnen, weil bei der letzten Tolks- zählung die Imgfangssprache der anwesenden AusUnder ttberhmipt nidit erhoben wurde

Um mich bei den kulturgeschichtlichen Bemerkungen, welche ich absatzweise den statistischen Angaben folgen lasse, kürzer fassen zu können und weil die bezügliche Litteratur an sich verdient, ver- zeichnet zu werden, schalte ich dieselbe hier ein.

Dem Titel nach ünterachaden sieh diese Pnblikationen von den Orts*

repertorien , wnlche die nämliche Kommission ,auf OriindlaiT'e dnr Volkszählung vom 31. Dezember 1869' herausgab, durch das vorgesetzte Wort näpezial*. Ihre innere Eiariditang weicht von der der letzteren in vielen Stucken und zwar mxm Vorteile der Forscher ab.

') Aas der politischen Zuständiekeit auf die Nationalität einen sicheren Schltus zn ziehen, ist nnmöglich. HM>en ja doch nach dem 1874 zn Rom ge- druckten Censiraenti) dopli Italiani all' Estero von don in Tirol und Vorarlberg am 31. Dezember 1871 gezählten italienischen Unterthanen 42 die deutsche Sprache als ihre Muttersprache bezeichnet! Und wie wollte man in dieser Beziehung die amreeenden Schweizer, wie die Franzosen, wie aiidi nur die Angehörigen des nngarischen Fiumaner Gebietes klaflsifixieren!

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398 Buterauum, [10

Der Zweck der vorliegeiideu Schrift ist erreicht, wenn der Leser sich dadurch in die Lage versetzt sieht, den Gegenstand bei voller Würdigung beachtenswerter Einzelheiten rasch zu überblicken.

Litteratur.

Das folgende Yerzeichnis von Druckschriften, welche die Natio- nalitäten in Tirol betreffen, macht niclit auf erschOpfrade VoUslindig-

keit Anspruch, umfasst jedoch so ziemlich alles, was an einschlägigen Arbeiten bisher ^^Mlruckt wurde mit Ausnahme derjenigen, welche bloss auf Förderung der Sprachen- und Altertumskunde berechnet sind. Dass auch Quellenwerke allgemeineren Inhalts und einzelne Monographieen, in welchen das Thema der Torliegenden Schrift nur nebenher berührt ist, in dasselbe aufgenommen wurden, bezweckt die Vereinfachung des Citierais solcher Quellen. Ich verweise auf sie mittels der den Titt In vorgesetzten Zahlen. Die sicli anschliessenden Zahlen sind in der lu j^'^el die Seitenzalilen ; nur wenn das Citat aus drei durch Punkte voneinander getrennten Zahlen besteht, nimmt die Seitenzahl die dritte Stelle ein und bezeichnet die mittlere Zahl den Band oder Teil*).

1. Ämbrosi, Francesco, Contribuzione ad ona guida del Trentino. La VaUngaaa.

tiorgo 1879, Giov. Marchetto.

2. Ambrori» Äanoesco. Scrittori ed Artisti Trentmi. Trento 1881.

8. Tireoio ed ii auo droondario descriito al vi^iatore.

Trento 1881.

4. Angerer, Dr. Johann, Deutsche und Italiener in Südtirol. Bozen 1881.

5. Attlmayr. Friedrich v. . deutschen Kolonien im »ichirge zwischen Trient.

Bassano und Verona. Zeitschr. des Ferdinandeums. '6. Folge., 11. u. 12. Heft. Innsbruck 1865 u. 1807.

6. ^aroni di Cavulcal ö, Ch nicntc), Idea della ftoiria e d^e oomraetadini antiche

della Valle Laganua (s. 1. et a.).

7. Bartolome!, Fr. Stefano dd, Cenni intonao al carattere, ai costumi ed atte

UHanzc (Irl Popolo Peginese, dirctti nel 1811 al Prefotto di DqMrtiiiMiilto deir alto Adige. Trento 1800, Marietti. . Baasettl Tito, Cenni intomo alla dviltA. di Trento. Trento 1857.

9. Baumbaeh, Dr., Kine deutsch* S|u-acliln8d in Welsothtirol. Gartoilaiibe 1873,

Kr. b2 (betritt daa Valsugan).

') Zur Kenntnis eines grossen Tt iles dieser Druckadiriflen l uig^t*^ idi durch die Güte des dermaligen Vorstehers dep Nationalmuseums .Ferdinandeum" zu Innsbrudc, Prof. Alphons Huber, welcher mir die der Büchersauuulung dieses Museams einverleibton, sowdt ich sie nicht ehevor kannto, Bng&ngliöh ge- macht hat.

^) Die von mir bei Ausarbeitung der vorliegenden Schrift benutzten Archive und sonstigen Handsdiriftensammlnngen werden iiottols folgender AbkOranngea

berufen :

A. d. M. d. L bedeutet: Archiv des k. k. Ministeriums des Innern in Wien; BibL Tirol. , Bibliotiheea Tirolensis oder IKpanliana im Ferdinandeom

zu Innsbruck:

B. Stdt-A. , Bozener Stadt- Archiv ;

T. 8t.>A. s Innsbmcker Statthalterd-Archiv;

Innsbr. Stdt.-A. » Innsbrucker Stiidt-Archiv ;

R. d. I. Sch.*A.8. , Register des Innsbmcker Schatz -Archivs (im dortigen

Statth.-Arch.).

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11] Die NationaUtäten in Tixol ete. $99

10. Benvenuti, Luigi, La Cronaca di Folgaria e le Memorie di Pergine e del

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11. Bidermann, Herin. Tgn., Die Italiener im tirolieehen ProvinsEialTerbaade. Inns-

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13. Bidermaon , Herm. Ign. , Die Bonanen und ihre Verlnvitung in Oesterreich.

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Id. Bidermann, Herrn, ign., Slavenreste in TiroL Slavische Blätter, Wien 1865. 1. Heft.

14. Bonelli, Benedetto, Notizie ietor. - critiche intomo al M. Addpreto veicoTO.

Vol. I, II. Trento 1760 u. 17Öl.

15. Bonelli. Benedetto, Notizie istor.-cxitiche della Chieea di Trento. (Fortaetsung

des vorhergehenden Werkes, als denen Volume III parte prima ee be- zeichnet ist.j Trento 1762. 10. Bonelli, Benedetto, Monumenta Ecclebiae Tridentinae, (Schluss des Werkes, statt in ital. Sprache in lateinischer verfasst.) Trento 17<1'').

17. Bottea, Tommaso Vigilio, Cronaca di Folu'iuia. Trento 18U0, Monauni.

18. » 1. Memorie di Fergiue e del Perginese. Trento 1880, Monauni.

19. Canii>ell, rhicb. Zwoi BQcher rhiltischer Geschichte. Erstes Buch: Topogr.

Beschreiltung \ün Hohenrhätien, deutsch von Konradin von Mohr. Chur 1851.

20. ChiuBole, Adanio, Notizie della Valle I.agariiui. Verona 1787.

21. Dahlke. O. , Deutsche Ansiedlungen in Welschtirol. Dentache Warte 1874

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22. Egger, Dr. Joseph, Die Tiroler nnd Yorarlbeiger. Wien n. Teschen 1882.

28. Fabor. Felix. Kvagatoriuni in Terrae Sanctae eic Peregrinationem. Biblioth. d. litter. Ver. zu Stuttgart, Ii. Bd., 1843.

24. Filos, Francesco, Sopra qualebe punto della storia trentina Disoorsi. Rove-

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25. Gar. TommadO, Episodio del medio evo Trentino. Trento 1856, Monuuni.

(Betrifft die altdlentflchen Ansiedlmigen nm Pergine.) 20. (Gar. Tommaso) Calendario Trentino pt r l'anno 18.^4. Trento, Monauni.

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34. (Hürniann. Joseph v.) Tirol unter der bajer. Regierung, 1. (^einziger) Band.

Aarau 1816. (Abschn. IV, Ueber den Charakter der Einwohner, ist trota der mitunter boplialtcti TpTn1»'nz überaus rei< h an zutreffenden B»^nii rknTipen.)

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86. Kellner. W. . Die italien. Bevölkerung im deutschen Südtirol, Zeitsrhr. der

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87. Koch, Matthias, K^ise in Tirol. Karlsruhe 1846 (erörtert S. 106—126 die

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88. Ladurner, P. Justinian , Regesten ans tirol. Urkunden. Archiv f. Gesdl. und

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89. La Hara, Im GrOdner Thale. WissenschafU. Beil. zur Leipz. Ztg., Jahrg. 1878,

Nr. 31.

iO. Leck, Hans, Deutsche Sprachinseln in WekchÜrol, mit einem Vorworte von Dr. Hedinger. Stuttgart 1884.

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400

Bidenntan,

[12

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49. Happerg, Dr., Proveia im deutachen Nonsberge. Am allen Weltteilen,

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69. Staffier, Joh. Jakob, Tirol und Vorarlberg. Statistisch mit geschichtlichem

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Die Nationalitftten in Tirol etc.

401

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Die unten folgenden Citate beziehen sich auf die er.ste Anflsge.

71. Steub, LudwifT, Zur rhätif^chen Ethnologie. Stuttgart 1864. 12. , Herbsttage m Tirol. München I8b7.

78. » , Die Entwicklung der dentedwn AlpendOrfer. Angab. AUgem.

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74. Steub, Ludwig, die deutscheu Alpendörfer. Ebenda, 1875, Beil. 328.

75. , , Die Germanisierung Tirols, Vorlesung in der Anthropologischen ( n«?ellschaft in München. (Separatabdruck?) München 1877.

76. Tappeiner, Dr. Franz, Studien zur Anthropologie Tirols und der Sette Comuni

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77. Tartarotti, Girolaiiio. Memorie antidie di Bovereto 0 de* Inoghi ciroonTicini

Yenezia 1764, Marco CargnionL

78. Tedni, Franoeeoo dd (Paroeco e Decniio di Pergine), IHnettatione intomo

alle Popolazioni alpine tedeeohe del Tirolo Mendionale e dello stato Yeneto. Trento 1860, Marietti.

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Vereinen f. christl. Kunst u. Archäologie in Bozen u. Meran. 1. 5. Lfrg., Brixen 1866—1873 (fortgeseUt von Philipp lieeb u. Karl AU, 1. u. 2. Heft). Bosen 1880 u. 1881.

80. Tinkhauser, Georg, Beschreibung der Diözese Brixen (fortgüotot Ton Lndwig

Bapp). Brixen, I. Bd. 1855, II. 1879, III. 1880 tf.

81. (Vian, Jos. Ant., Kurat zu St. Ulrich in Grödeu). Gröden, der Grödner und

seine Sprache. Bozen 1864.

82. Weber, Beda, Die Stadt Bozen und ihre Umgebung. Bozen 1849.

83. , , Das Land Tirol. Innsbruck, I. Bd.. 1887, II. 1838, III. 1838.

84. , , Meran und seine Umgebung. Innsbruck 1845.

85. Zingerle, Anton, Das Fersinathal. Wiener Abenduost lalirg. 1877, Nr. 209 S.I

8. auch Bote f. Tir. u. Vorarlb. Jahrg. 1877, Nr. 247 u. 248.

86k Zingerle, Anton, Die deutschen Gemeinden im Fersinathale. Amthors Alpen- freund Jahrg. 1870. U, 209—215; a anoh den Almaoach ,HerbitblnmeiiS S. 78 ff. Innsbruck 1870.

87. Zotfci, BaliiMle^ Stozia della VaUe Laganna. T. L, II. Ttento 1883.

88. £in Besuch bei den Cimbem in SüdtiroL Korrespondenzblatt dee AUgem.

deateduD Sdralterefaw, 1884, Maiheft. Berlin Im. 88. Deotoche Alpenbewohuer im Tridentinisdun und YiientiniMdieB. Bote f. Tir.

u. Vorarlb. Jahrg. 1882, Nr. 30-35.

90. Benteche Kolonien im südlichen Tirol. Bote f. Tir. u. Vorarlb. Jahrg. 1821,

Nr. 54 u. 55.

91. Das Deutschtum in den Sfldalpen. Jm neuen Reich" Jahrg. 1877, Nr. 10.

92. Die deutsche Gemeinde in Luserna. Mittheil, des deutsch- österr. Alpenvereins

Jahrg. 1877, Nr. 3 u. 4. 99l Der Sammler f. Geechichte o. Statistik von Tirol, 1.— V. Bd. Innsbruck

180G-1809.

94. Sprachenkampf in den Bergen Tirolf. Angab. AUgem. Zeiftg. Jahrg. 1872,

Beü. 303 u. 304.

95. T. M., Ein Besuch Lusemas. Bote f. Tir. u. Vorarlb. Jahrg. 1880, Nr. 194—197,

199 204 211 229.

96. Tirols VenrelMJhnng. Amthon Alpenfreond Jahrg. 1870, S. 868—866.

Hieilier gehörige Druckschriften, welche nach Abscliluss dieses Veneichnissc s zur Kenntnis defl Verfassers gelangten, wurden (um die von obiger Reihenfolge abhängigen Zahlencitate nicht zu verwirren) im Zusammenhange mit dem Gcgen.stande, den sie betreffen, namhaft ge- macht. Das Gleiche gilt von Aufsätzen und Büchern, welche nur bei vereinzelten Anlässen zu erw&lmen waren, ohne daas ihre Anfiiahnie in das Veneichms durch die dabei leitenden QnmdsfttKe geboten gewesen wäre.

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402

Bidenmum,

[14

i

Geographisch geordnete üebersicht des statistischen und geschichtlichen Sachverhalts.

A. Romanen onter Deotschen L Lecliilial«).

Politischer, zugleich Gericbtshezirk Reutte: 3 Italiener, 2 daTon im Markte Reutte, 1 in der Ortsgemeinde Holzgau Tn geographischer Beziehung gehören hierher noch die Ortsgemeiuden Pfafflar und Gra- nuiis de.s Politi'^rlien Bezirkes Imst. sowie die Ortsgemeinde Kaisers des Politusciien Bezirkes Lau deck. Aber in keiner derselben wurde ein Romane angetroffen.

Von der Gemeinde Pfafflar geht allerdings die Sage, daes sie durch Romanen begründet wurde, welche sich aus dem Engadin reli- giöser Zerwürfnisse halber dahin flüchteten, und dass die hiesige weib- liche Bevölkerung einst eine der romanischen Tracht der Montav<Mierinnen ähnliche Kleidung trug (7(». 27). Diese üeberüeferung tiudet an den romanischen Ortsbenennungeu , welche dort vorkommen : Pfaö'lar = pabnlar, Futter- oder Weideplatz; BscUabe = pos Tayes, Uber dem Wasser - einen Halt (CT. 2G4). Allein derartige Benennungen sind im Lechthale Überhaupt nichts Seltenes (07. 262, 265, 268), ohne dass man daraus auf neuere Einwanderer, welche sie aufbracliten oder er- halten halten, zu schliessen berechtigt wäre. Eher könnte auf derartige Zuzüge aus den vielen romanischen Worten, welche sich im Spracli- schatee der Lechthaler vorfinden, geschlossen werden (s. solche 05. 238). Doch ist die heutige Nationalität der Lechthaler kerndeutsch und gilt dies mOasi von den Pfafflarem, deren Eigennamen gleich denen der von ihnen bewohnten Bauernhöfe durchgehende deutsch sind (80. 3. 489).

n. Innthal,

Landeshaupt.stadt Innsbruck: 403 Italiener (darunter über 100 Studierende und 70 Soldaten). Politischer Bezirk (Umgebung) Innsbruck (mit Ausnahme der Gerichtsbezirke Mieders und Steinach): 35ü Italiener, und zwar in der Stadt Hall 199 (wovon 50 auf die

') Nachstehende statistische Angaben, welche den geschichtlichen Be- merkungen vorangestellt sind, bexiehen sich bloss auf die einheimische Be- VÖlkernng, d. h. auf die Oesterreicher.

•) Unter der da.s Haupttlml bezeichnenden üeberschrift sind stete auch die Seitenthäler zu verstehen, ausser wo das (legcuteil ausdrücklich bemerkt ist oder die Bes|>rP( hung der Seitenthäler derjenigen des Hauptthales vorangeht.

^) In der Kolfje werden Ort.sp'nu iiiden beziehungsweise Ortschaften als Wohnaitze von Konuincn nur <hinn iiaiiihatt gemacht, wenn minde-stens ihrer drei bei der "Volkszählung daselb.st ennittelt wurden oder deren Verteilung bei an sieh geringer Zahl arxlers nicht ersichtlich gemacht werden kam aU durch Beaeich- nung der einzelnen Wohnorte.

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Die Nationalisten in Tirol etc.

403

Militärgarnison enttaiien), im Dorie Aniras 5, im Dorte I^radl (Vorort von Innsbruck) 87, in der Ortsgemeinde Hötting (grösstenteiia auch Vorort Ton Innsbruck) 24, im Dorfe Mutters 20, im Dofife Wüten (Vorort von Imubrack) 21. PolitiBcher Bezirk Schwaz: 38 Italiener, und zwar im Dorfe Schwaz (nicht im gleichnamigen Markte) 2"). Politischer Bezirk Kufstein: 151) Italiener, und zwar in der Stadt diese«) Namens 5(3 (darunter 20 Soldaten), im Dorfe Zell 7, im Dorfe Wörgl 10. im Dorfe Wörn^ier Boden 5, in der Ortsgt nieinde Schweich 1 1, Ortsgemeinde Brandenberg 3, Ortsgemeinde Breitenbach 3, Ortschaft Voldöpp 4, Ortschaft Thierbach 4. Politischer Bezirk EitzbOchl: 21 Itahener, und zwar im Dorfe St Johann 5, in den Ortsgemeinden Kitzbüchl und Hochfilzen je 4, in der Ortsgemeinde St. Ulrich Politischer Bezirk Imst (mit Ausnahme der Ortsgemeinden Pfatt'lar und (iramais): 7 Italiener, und zwar im Dorfe Arzl 4, die übri<^en bis auf einen, der sich im Weiler Pilaiiu:" (des Oetzthales) befand, im Ge- richtsbezirke Imst am Sitze der Bezirksbehörden. PoUtischer Bezirk Landeck (mit Ausnahme der Ortegemdnde Kaisers sowie der dem Etschthale angehörenden Ortsgemeinden Nauders, Reechen, Graun, Lang- iaufers und Haid): 102 Italiener, und zwar zu St. Anton am Arlberge 58, in der Ortsgemeinde Perfuclis (Landeck) ^, in der Ortsgemeinde Zams 28 (bei welchen 3 Ziä'ernansätzen man vor allem an den Arlberger Bahubau zu denken hat), und in der Ortsgemeinde Uied ü. Gesamtsumme des Innthaies: 1279.

Die Landeshauptstadt Innsbruck war schon im sechzehnten Jahr- hunderte der Verwelsihung ausgesetzt. Seit dem Jahre 1515 erwarben Italiener in betrachtlicher Anzahl daselbst das Bürgerrecht (12. 160, Note 25). Itnlioiiische Mönche, welche im Jahre löivi sich hier iiieder- Hesscn , musstt'U zwar nach einem .lahr/,ehnte dius vom liaiide.-^türsteu Erzherzog Ferdinand ihnen eingeräumte Kloster wieder verlassen (11. 39), aber der hiesige Hofstaat zählte damals so viele Italiener, welche der deutschen Sprache gänzlich unkundig waren, dass dieserwegen heim Gottesdienste besondere Fürsorge getroffen werden musste (11. 30), und nach WMteren 10 Jahren nahmen zum zweitenmal italienische Mönche von jenem Kloster Besitz, freilich al)ennals nur auf kurze Z»^it. wo- gegen die im Herb.ste 15K3 auch aus Italit»n nach Inns})rnrk })enifenen Kapuziner^ wie F. A. Siunacher in seiner Schrift ^Die Einlührung der Kapuziner in Nordtirol« (Bzizen 1831) S. 28 ff. enSMt, daselbst festen Fuss fSassten. Italienische Beamte hatten schon froher bei der tirolischen Landesbehcirde in Innsbruck Anstellung gefanden (11. 30). Ära 28. Atiiiust 1541* starb hier der k. Hat Hicron. Thremia. Unter der Regierung der Erzherzorjin Claudia F»'li< it;i> . einer geborenen Prin- zessin von Toscana aus dem Hause Medicis, kam es sogar der vielen Italiener wegen, die ihr Gefolge bildeten, zu Beschwerden der bäuer- lichen Bevölkerung in der Umgebung der Landeshauptstadt (11. 40, vgl. 22. 70), und nichts ist fbr deren damaliges Uebergewicht am Sitze der tirolischen Regierung bezeichnender als die italienische Anrede, mit welf'her sich am 1>. A]»ril IfUO der damals grossjährig gewordene Sfdin jeuer Erzher/.o;^nii . Ferdinand Karl, bei dieser in Anwesenheit der Stände des Landes für die Uebertragung der Uegieruugsrechte bedankte

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BMwnnMMBi

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(Tiroler ErbhuldigungBakten im A. d. M. d. 1., IV., H. 3, Stk. 4, Tom Jahre 164G). Eine im Jahre 1(555 zu Innsbruck vorgenommene YoUn^hlung ergab einen starken ProKentsatE itaHenischer Emwofaner, wozu noch immer der erzherzogliche Ho&taai das stärkst« Kontingent stellte (12. 160, Note 25). Unter dem vorgenannten Enheneoge und dessen Bruder Siegmund Franz, der ihm 1662 in der Regierung folg+e, traten zwar in dieser Beziehung Beschränkungen ein, und F. C. Zoller rühmt es in seiner .Geschichte der Stadt Iimsbruck" (I. Teil, Inns- bruck 1816, S. 388) letzterem nach, dass auf seinen Befehl hier mit Nenjahr 1668 wieder «deutsehe Luft zu wehen* begann. Doch bedienten sich die Hofbehörden daselbst nach wie vor im inneren Ver- kehr der italienischen Sprache, was die im I. St.-A. (Wörz'sche Samm- lung) vorhandene Instruktion für das Hofkontrolloramt vom 17. Juli 1668 beweist. Allerdings fordert diese vom Hofkontrollor, dass er neben der italienischen auch der deutscheu Sprache mächtig sei; indessen schreibt sie demselben vor, aJle Auftchreibimgen , dann das Einlaufiaprotdkoll bloss in italienischer Sprache zu fthren und alle -AnftcSge, die der Unterschrift des Erzherzogs oder seines Obersthofmeisters bedOrfen, gleichfalls bloss in letzterer Sprache zu erlassen. Dass gleichzeitig die Bewerbunjxen italienischer Handelsleute um das Innsbrucker Bürger- recht ungeschwächt fortdauerten, versteht sich von selbst. Der Stadt- magistrat musste noch im Jahre 1681 dieselben mit der Befürchtung abwehren: das deutsche BeT6]kerungseIement laufe geradezu Gefidir, dadurch verdrängt zu werden. Nicht minder drängten sich italienische Beamte in die Kandeieii der hiesigen Hofstellen ein. Ihren Höhepunkt aber erreichten diese fremdartip^en Fiiiif^üsse und die Aufdringlichkeit, womit sie sich in Innsbruck bemerkbar machten, genau mit Beginn des achtzehnten Jahrhunderts. Damals mutete die Pohzeideputation der Uegierung, an deren Spitze Graf Vinciguerra von Arco stand, der Landeshauptstadt sogar zu, eine italienische Strafiurt mit Anwendung der sogen. Trappola-Gorda, welches Marterwerkzeug binnen 6 Tagen am Platzturme aufgesteUt werden sollte, zur Ahndung von Bäckern und Müllem und anderen Gewerbetreibenden einzuführen. Dies erschöpfle die Geduld der durchaus . deutsch gesinnten Stadtvertretung, welche am 5. Februar 1700 der Kegierimg darauf erwiderte: Derartiges komme wohl zu Trient und Rovereto vor, wo «die welsche Spradie und derlei Sitten eine Absonderung der Statuten von dem turolischen Landeagmotic bedingen* ; es entstehe jedoch die Frage, ob es sich zieme, ,in Deutsch- land die sonderen Torturen, so in Welschland bei erhärteten GemOtem notwendig und üblich sind", in Wirksamkeit zu setzen: zumnl dies ohne Abänderung der speziellen Landesgesetze überhaupt nicht thunlich sei (Akt 988 im Innsbr. Stdt-A.}. Darauf hm bheb die Stadt mit solchen Massregelungen Terschoni Das italienische Beamtentum aber behauptete sich dMelbst, und der italienische oder vielmehr in neuerer Zeit erst verwelschte Adel Sfldtirols baute sich hier Paläste, wekdie, in deut- scher Umgebung ihn festhaltend, freilich Veranlassung wurden, dass er nach und nach wieder seiner angestammten Nationalität sich zuwendete. Den erwähnten Beanitcnfaniilien erging es ebenso. Demzufolge hat Innsbruck , obschon Hauptstadt eines doppelsprachigen Landes , den

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Die NttUonaUt&ten in Tirol ete.

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fh^utscht'ii riiarakh'r ungescliwiklit beibehalten, und sind die verhältnis- mäisäig wenigen Italiener in ihrer Mitte, welche diesem w iderstreben, dazu Tenirteilt, sich ab Fremde zu f&lüeii. Unter den Gemeindewählem der Stadt befiinden mtk im Jahre 1876 nur 56 unzweifelhafte Italiener. Davon waren 33 Beamte in Aktivität (12. 160, Note 2:>). Die Zahl der hier lebenden Familien mit italienischen Namen, wi lclu' als vollkommen ver- deutscht anzusehen sind, übersteigt in den vornehmeren Bevölkerungä- kreisen allein '»O nnd beträgt im «ganzen mehr ids 100.

Weit früher als in der Landeshauptstadt hat dort, wo dermalen die henachbarte Stadt Hall sich erhebt, der Einfluss italienischer Kultur, und zwar auf vorteilhafte Weise, sich geltend gemacht. Schon im Jahre 1328 erscheint Arthusius de Florentia als Pächter der hiesigen Saline; 1331 war (Jeno})inus de Rossis (insgemein „Schine von Florenz" ge- nannt) Salzniaier d. h. Vorsteher daselbst, und noch 5 .lahre später besass derselbe im nahen Dorfe Thaur einen ihm von <len tiroiischen Landesfürsten an Zalüungsstatt überlassenen Bauernhof. (Freundsberger UrkundenYerzeichnis im Ferdinandeum zu Innsbruck, Mskrpt. I, h. 15). Diese reichen Florentiner brachten die Saline ra.scli i inpor. Nachdem Hall infoIgedesH n zu einer ansehnlichen Stadt erblüht und der hie- '^i'^c Handelsverkehr ein sehr reger geworden war. folilte es allinlings hier nicht an weiteren Zuwandercrn aus Italien (12. KJl, ^»ote 20); doch der Stadt ein eigenartiges Gepräge autzudrücken, waren diese ihre Einwohner nicht imstande, und auch heutzutage spielen dieselben daselbst eine sehr untergeordnete Bolle. Die Erscheinung, dass im unteren Innthal e ifiüiener zerstreut Torkonmif n , hängt mit den hiesigen Forstverliiiltni^st Ti zusammen, welche wohl ancli einzelne Holz- arbeiter dieser Nationalität bestimmten, hier ihren festen Wohnsitz zu nehmen. In den Seitentliäleni hat zuweilen der Zufall Haushaltungen entstehen lassen, deren Gründer italienischer Abkunft waren. So kaufte laut dem Elitzbüchler Yerfachbuche Nr. 930 im Jahre 1839 ein pensionierter ZoUamtskontrollor namens Sevignani seinem Sohne das FischergflÜ zu Waidring, und ini Jahre 1854 war Alexander f'ompaguazzi Besitzer des Eicher-Guts zu Kirchstcg bei Kufstein (vgl. 12. 102, Note 27). Es birgt .sich übrigens hinter nran< lien it;ilienisch klingenden Faniilieniianien dieser Geirend eine uralte deut-( he A listamniung. Die Bauenifaiiiilie Fontana zu Maurach im Gerichts bezirke Kitzbüchl ist aus der altdeutschen Ge- meinde Sappada im Venetiamschen eingewandert; die Bauemnamen Rangediner und Rubisoyer, welche in dortiger Gegend verbreitet sind, gehören .sogen. „Taurer Familien" an. d. h. solchen, die über das salz- burgische Tauenigebirge ans der Windisi Ii - Matreier Gegend in jene Uhersiedelt sind. Die angehlirhe Hesiedelung des Thaies von l'illersee durch Komancn, welche aus Khätien und >ye>ri(um zwischen den Jahren 944 und 10.j4 (!) dahin gekommen .sein .sollen, ist trotz der Details, welche Friedrich Appold in einer von ihm verfiMsten hand- schriftlichen „Beschreibnog des Landgerichts Kitzbttchl'^ darüber bei- bringt, eine Fabel.

FondniBgai snr denttdun Land«» vaA YoUnlniBd«. I. 7.

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BidermMm,

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m. WippttaaL

Hierher gehören vom Politischen Bezirke (Umgebung) Inns- bruck die Gerichtsbezirke Mieders, wo kein einziger Komane gezählt wurde, und Stein ach, in welchem 109 Personen sich zur italienischen Umgangsspradu' Ix'kannttn, und zwar G im Markte Matrei, 27 in der Ortsgemoinde Mühlbachl, 75 in der Steinacher Gemeindefraktion Maum. Das sind fast oline Ausnahme Bahnarbeitcr, welche zur Instandhaltung der Tunnels auf dieser Strecke der Brennerhahn verwendet werden. Jenseits des Brenners gehört femer hierher vom Politischen Be- zirke Brizen der Genätshezirk Sterzing mit 213 Italienern, wovon auf die Ortsgemeinden Jaufenthal, Ratschings und Mareit je 15, auf die Ortsgemeinde Mittewald (das Dorf dieses Namens, den Weiler Grass- sti'in und die Bahnstation Franzensfeste) 41, die Stadtgemeinde St^rzing 80 und die Fraktion Tschöfs der Orts<;emeinde Tschöfs -Hied 32 ent- fallen. In let/tereni Bezirke wirken diesfalls mehrere Ursaclicn zu- sammen, nänüich liie Erhaltung des Bahnkörpers, Steinbrüche und andere den Italienern besonders zusagende Erii^erbsgelegenheiten.

Gesamtsumme des Wippthales: 822.

Zu Grassstein war im Jahre 1873 Massimo Zanotta als Stein- metz etabliert; aber schon im Jahre l')37 lieferte ein Lucio de Sjiaciis Steine aus den hiesi«^en Brth hen zum Bau der Innshnu ker Burg (1. St.-A., Kopeybuch , Entbieten und Bevekli" von ir.37. lU. 242). Die SUidt Sterzing hatte bereits im Jahi'e 1314 Italiener zu ständigen Einwohnern, nämlich den Bartolomeus de Florentia, dessen Oheim Lappo und andere Gesellschafter, die der hiesigen Wechselbank ilire Kapitalien und ihre Thätigkeit widmeten (12. 131). Am Nordabhange des Brenners finden wir im Jahre 1338 die Familie Lazari, Verwandte Heinric hs des Lam- parten, zu Trins fam Eindränge ins Gschnitzthal bi'i Steinaeh) ansä.ssig und zu l'lruusch, einem Weiler der Ortsgemeinde (iries. begütert ( Wiltener Urkuudenverzeichnis im Ferdinandeum zu Innsbruck ]^Iskrpt. I, h. ir>). Die nach Tausenden zählende italienische Arbeiterschaft, welche anlSssIidi des B;dinl);iui > in den Jahren 18(Jr> IHüS das Wij)pthal l)elebte, Terior sich mit der Beendigung dieses Baues bis auf kleine Eolonieen, welche auch jetzt noch längs der Bahn angetrolten werden. Ihr zuliebe hielt damah» ein Kooperator an der Pfarre St. Peter in Ellbogen (ober- halb der Station Patsch) an Sonn- und Festtagen katechetische Vor- träge in italienischer Sprache f&r die Erwachsenen in der Kirche, fÖr die Kinder im Schulhause. Auch ein zweiter Chorherr des Stifts Wilteo befasste sich als Kooperator zu Patsch damals viel mit dem religiösen Unterrichte solcher Kinder in deren Muttersprache (12. 1()0. Note 24). Aber, von den (irral)iiisrhriftt ii des Friedliof'^ abj^t sidu n . welchen die Gemeinde Elllxigcii dieser Arbeitcrbevölkerung zuwies, erinnert jetzt in dortiger (iegend nichts mehr an die massenhafte Invasion welschen Wesens, das sich während jener Bauperiode daselbst breit machte. Aehnlich verhält es sich auch im übrigen Wippthale.

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Die NatiottftUtiUen in Tirol «tc

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lY. Posterihal.

Politischer Bezirk Brunek (mit Ausnahme des beinahe .lu.sschliess- hch von Ladinern bewohnten und den nördlichsten Ausläufer des kom- pakten romanischen Sprachgebiets bildenden Gerichtsbezirks Eneberg) : 42^3 Italiener und Ladiner, welche letzteren hier ohne Zweifei einen beträchtUchen Zusatz bilden und daher besonders hervorgehoben werden mOssen Diese 423 Terteilen sich folgendermassetf: Stadt Bmmek 41, Ortsgemeinde Dietenheim 3(5, Ehrenburg 8, Ellen 4, St. Georgen 3, Getzenbei^ IC, Oreinwalden 18, Hofem 20, Issing 21, Kiens 10, St. Lorenzen 0, und zwar in der Fraktion Saalen, Montal 18, Onach 2i), und zwar 28 im Dorfe dieses Namens, Percha G, Pfalzen 21, Pichlern 5, St. Siegmuud 20, Terenten 8, Ober-Vientl2 (vom Gerichtsbezirke Brunek, dem YOistehende Gemeinden samtEch aufhören, fehlt da eine einzige, nämlich Reischach, in welcher niemand mit italiemacher lesp. Uidinischer Umganirssprache ermittelt wurde); Gerichtsbezirk Taufers 13, davon 3 zu Ahornach und 2 zu St. Johann, die übrigen einzelnweiso /^r- streut; Gerichtsbezirk Welsberg 106, und zwar zu Niederdorf 21, im zugehörigen Weiler Eggerberg 3, in der Ortsgemeinde Olang 6, Ortsgemeinde Piclü 4, Ortsgemeiude Prags lU, Ortsgemeinde Taisten 3, Ort.sgemeinde Tohlach 50. (Keine Italiener bezw. Ladiner sind da aus- gewiesen bei den Ortsgemeinden Antholz, St. Magdalena, St. Martin m Gsies, Nieder- und Ober-Rasen und Welsbei^.) Politischer Bezirk Lienz: 71, und zwar im Gerichtsbezirke Lienz 20, dnvon die relativ meisten (4) in der Ortsgemeiude Assling; im Gerichtsbezirke Sillian 45, und zwar 3<) zu Panzendorf (darunter 30 im Sthlosse lloiiifels ein- quartierte Soldaten), 5 zu Wahlen, je 2 im Markte Sillian und in der Ortgemeinde Ambach; im Gerichtsbezirk Windisch-Matrei: 6, davon 5 in der gleichnamigen Landgemeinde (im Weiler Mooe).

Gesamtsumme des Pusterthals: 404.

Es ist das eine überraschend «grosse Zalil, welche schleclit zu <ler Behauptung (1. 0) ]>;isst. dass im ganzen Pu^tfrthale aus.ser 15 italie- nischen Gewerlisleuteu fast gar keine st;il»ileu Italiener angetroö'en werden, weil „der Volkscharakter in diesem Thale für die Aufnahme des italienischen Elements durchaus unempfiinglich* sei. Dies ent- spricht dem wahren Sachverhalte so wenig, dass vielm^r italienische und ladinische Dienstboten auch auf den Bauernhöfen von Hochpuster- thal keine Seltenheit sind, und es dort wenigo grössere Orte gibt, wo nicht ein paar Familien, dtri-n Stamnivütcr aus Italien einjjft wandert sind, sich befinden. Als Beispiele nenne ich: die VN amesey (aus Aurouzo

') Allem Anscheine nach wunh'ii Ituliener und Ladiner bei der letzton Volks- zählung; in Tirol nicht genau oder überhaupt nicht voneinaiul» r uiiti-rschieden. Sonst hätte die mit rrros«er T'ni*iclit geleitete k. k. Statistische Centralkmiimission in Wien hei Herausguhe de.^ Si.ezial-Oi-tsrepertoriums für Tirol und VoiarUitTg es sicher nicht tinterlasien. diesen rnt<>rschied ersichtlich zu machen , wozu ein paar knne Anmerkunfren und wenige darauf P)t'/.n'jr nehnn'nde Zeichen hingereii ht liahen Wflrden. Ich selbst sehe hier von den Ladinern im weiteren < Wissenschaft liehen) Sinne des Wortes ganz ab und verstehe darunter b1o<;s die in Tirol so genannten, romanisch sprechenden Bewohner der Gerichtsbezirke Eneberg and Kastelrath.

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Bidermann»

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in Kadober) zu Inniclien, die Vicelli (ursprünglich Vicelligo von eben- daher) zu Sillian, die Vidal (Vidale aus Forno im Yenetianischen) zu Niederdorf. Im Dorfe Vierschaeli hat sich sogar im Jahre 1854 eine italiemsche Biiuemlamilie, d'w des Giaconio Girardi. anstandslos nieder- gelassen. Und gross ist die Zahl der Ehen, durdi welche in früherer Zeit Tt.alionerinnen in den Verband von Pusterthaler Familien einge- treten sind. Im Jahre 1<)41t allein kamen 4 solche Ehen zustande, welche in die Trauungsmatrikel der »Stiftspfarre Innichen eingetragen sind. Aher rasch geht die TerdentBchung Tor sich. In der R^el macht schon die zweite Generation nicht mehr den Eindruck von Ita- lienern. Um so geringere Bedeutung haben vereinzelte Zusätze, denen wir in der Geschichte aller ausehnlicheren Orte Pusterthals begegnen, wie denn z. H. in <h'n Jahren 1580 1501 Joli. Ze])hir aus Henjanio Apotheker zu Brunek. 1701 G. A. Verzi Apotheker zu Innichen. l')79 Dr. M. Gabr. Verzi btadtarzt in Lienz, 1717 Dr. M. Jak. Job. Fon- tana dessen Nachfolger, um 1710 ein Herr y. Someda aus Primdr Zolleinnehmer zu Panzendorf (bei Sülian)., 1651 Nikold Passin landes- fürstlicher Forstmeister für ganz Pusterthal war. Um das Jahr 1022 traten auch mehrere italienische Holzhändler als Piu hter hiesiger Wälder auf, was anzunehmen gestattet, dass damals Holzarbeiter gleicher Ab- stammung daselbst sich einnisteten, denen so wie den italienischen B Sagmeistern", d. h. Leitern von Holzsügeu, mau noch heutzutage dort häufig begegnet (vgl. 12. 148). Am intensivsten mag der italienische Einfluss sich zu Lienz unter den Görzer Grafen, welche dort (auf dem Schlosse Bruck) residierten, geltend gemacht haben. Der ungenannte Altertuntsfreund , \ve]clier J. G. F. von Kirchmairs Aufzeichnungen zu eiii' i- Art Pustertliaier Chronik unter dem Titel Verzeicliiiis oder Be- schreibung der Herrscliatt Eueberg und Sonnenburg** ( Hdsehft. tl04 der Bil)l. Tirol.) verarbeitet hat, berichtet diesfalls zum Jahre 1448: »War grosses Missvergnügen unter den Teutscheu am GOnsischen Hof, weilen Graf Johann von Görz sich nu isteiis welscher Bedienten gebrauchet hatt und die deutschen Ministerialen wenig mehr achtete." Und wirk- lich erscheinen wenn schon nicht im Jahre 1448 so doch bald darauf in Urkunden, welche die Görzer Grafen für das Pusterthal ausstellen liessen, Holbeamte italienischer Katiunalität oder wenigstens solche aus Gegenden, wo diese heimisch war; so z. B. 1460 Soldaner de Strassoldo in einer zu Toblach ausgefertigten Urkunde als Kanzler (Oommissio D. Ciomitis) und 1478 als Il;it des Grafen Leonhard ein Baldesar (Bal- theser aus Fleims?), an welciien sich die Markgräfin Barbara von Mantua damals mit einem italienischen Briefe wendete, um des L'^enannteii Grafen Vermählung mit ihrer Tochter Paula zu betreiben, weklie auch erfolgte und jenen Einfluss gewiss noch steigerte. Nach der vorerwähnten Chronik, welche übrigens mit einem grossen TeOe ihres Inhalts zu den gegründetsten Bedenken Anlass gibt und namentiich viele Verstösse gegen die richtige Chronologie enthält, haben italienische KultureinflOsse im Pusterthale schon frühzeitig den Bodenwert erhöhen und Wasser- gefahr abwenden geholfen. Im Jahre lll.'i(?) soll Antlr»-,! dti Saheiii die Umgegend von Lienz und im Jahre 1859 da*; Zusainnit nwirk» n der veuetianischen \Va.sserbaumeister Staniozzi und Simondi den grossen

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Die Nfttionalitaten in Tirol etc.

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See ol)er Webberg trocken gelegt haben (08. 2. 210, 430). Im Ver- zeichnisse der Chorherren von Innichen, welches einer derselben, Ign. Hann, zusammengestellt hat, erscheint beim Jahre 1270 Bonincontro, Patrizier von Verona, und 1889 Nikolaoa de Biccabona. Eine wesent- liche Kräftigung hat das deutsche Element in diesen Gegenden dadurch er£diren, dass im vierzehnten Jahrhundert, wie eine glaubwürdige Sage berichtet, da.s Thal Tilliach (welches, geographisch genommen, keine Abzweigung des Pusterthals, sondern den Hintergrund des kärntncrisclien Gailthals bildet), den Friiiuleru, welche hier ihre Herden zu weiden pÜeg- ten, entzogen und mit Ankömmlingen aus Deutschland besetzt wurde (68. 2. 411). Staffier beruft sich auf die Ueberlieferung der Thalbewohner, welche auch der Meldung in einer handscliriftlichen Chronik der BibL Tirol., alte Nr. 370, zu Grunde liegt, wo als beiläufige Ansiedluiigszeit das Jahr 1334 angegeben ist.

Eiflaoktlial (swiachm FnuuenalSMte und Bosen).

Hier kommen in Betracht: vom Politischen Bezirke Brixen

der Gerichtsbezirk dieses Namens mit 85 Italienern, wovon 63 auf die Militärgarnison der Stadt Brixen . 8 auf die Ortsgeni^intle Afers, 14 auf den Markt Mühlbach (nächst dem Eingange ins Pusterthal) entfallen; ferner vom Politischen Bezirke Bozen die Gerichts- bezirke Klausen, Sarnthal und zum Teil Eastelruth, sowie die Ortsgemeinden Ritten, Wangen, Tiers, Welschnofen undEarneid. Der erstgenannte Bezirk zählt 22 Italiener, die sich auf die Orts- gemeinde Villnös mit 15, auf die Ortsgemeinde Yillanders mit 5 und Feithums mit 2 verteilen. Der Gerichtsbezirk Kastelruth ist hier bloss mit der Ürt«gemeinde Völs und mit der Mehrzahl der Fraktionen der Ortsgemeinde Kastelruth in Rechnung zu stellen, da von diesen Gemeindefraktionen die Dörfer Pufels, Rnngaditsch und üeberwasser bereits zum kompakten ladinischen Sprachgebiete gehören. Sonder* barerweise enthalten die übrigen keinen einzigen Romanen. In der Ortsgemeinde Völs wurden 0 gezählt. Im Gerichts bezirke Sarnthal wohnten 9, davon «> in dem die Umgebung des Hauptorts bildenden Dorfe Samthein; endlich, was den Bozen er Gerichtsbezirk betrifft, in der Ortsgemeinde Karoeid 39, im Dorfe Welschnofen 13, in Tiers und Wangen je einer, auf dem Bitten keiner. Gesamtsumme des Eisaokthaies: 179.

Die Höhen von Gufidaun und Lajen waren bis ins vierzehnte Jalirhundert hinein von verein/falten Romanen bewohnt, wie nicht nur Steub (7*). 430) vermutet, sondern auch unverkennbare Personennamen beweisen (12. 108, Note 2). Damals lebte auch noch der im Jahre 1286 dahin eingewanderte Eonnd Cavozzo, der im Volksmunde nach seiner froheren Hehnat «der Lampart " hiess (Stephan r. Mayrhofen, handschrift- liche Genealogieen der tirolischen Adelsgeschlechter im Ferdinandeum zu Innsbmck, IV. Bd.). Gleichzeitig, im Jahre 1308. weilte zu Klausen Cienus Centomile, Faktor florentinischer Kaufleute, insbesondere der de Rubeiü. Bald daraut waren 3 Höfe zu Salem im Besitze von

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Bidennaaii,

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Florentineni (Climel s ()e«lerr. Geschichtsforschern, 385). Im Jahre 1374 erwarb ein Botsch (aus der bekannten tiorentiuischcn Familie) das ge- samte Gericht Kastelrath (38. Re^. 1034) und um das Jahr 1340 ward Amadeus de Florentia^ Sohn des mercator florentinus Guido de Rossis in der Domkirche zu Brixen begraben Mayerhofen, III. Bd., Artikel „Botsch"). Dieser Bischofssitz zopr auch in der Folgezeit Ita- liener und Ladiner der inanuigfaltigsten Berufe an. namentlich Priester, so dass das hiesige um seinen deutschen Charakter besorgte Dom- kapitel Schutzmassregeln dawider ergriff. In den Jahren 1807 1876 bestand hier eine Andedlung italienischer Jesuiten, das sogen. Kolle- gium Fagnuni (12. 150, Note 21). Ursprünglich in Pbdua errichtet, wurde dasselbe, weil die italienische Regierung es hier nicht länger duldete, nach Brixen zu dem Zwecke übertragen . junge Italiener in den Lehrgegenständen eines Obergymnasiums zu unterrichten und sie in dem damit verbundenen Konvikte zu erziehen. Als diese Lehranstalt wegen Mangels der gesetzlichen Erfordernisse geschlossen ward, zahlte sie 85 Zöglinge, wovon 68 ünterthanen des Kdnigreiehs ItfJien waren. Mit Hinzurec&ung der italienischen Lehrkräfte und der Dienerschaft nmfasste das ganze Kollegium über 100 Personen italienischer Natio- nalität. Es galt für ein Vorwerk der letzteren im deutschen Südtirol. Ein vor langer Zeit schon den Romanen abgenonimeucr Stützpunkt war, wie der Name besagt, Welschnofen, das samt der Umffegend im swöUtea oder dreizehnten Jahrhunderte von deuteehen Einwanderern be- setzt ward (90)

YL Oberes Stsohthal (von Bosen aufvArte).

Es geiiüreu hierher vom Politischen Bezirke (Umgebung) Bozen die Ortsgemeinden des gleichnamigen GerichtsbezirkB : Gries, Jenesien, Terlan, Flaaa und Mdlten. Von diesen ist nur die kleine Gemeinde Flaas ausschliesslich deutsch; Möltcn (1) und Jenesien (2) sind es nahezu. Desto stärker ist der itahenische Zusatz bei den übrigen. Er beträgt bei Gries bei Terlan 23.'. Ferner gehören hierher der ganze Politische Bezirk Meran mit lolü Italienern und vom Politischen Bezirke Landeck (spezieller vom Gerichtsbezirke Nauders): die Ortsgemeinden Nauden, Reschen, Graun, Langtanfers und Haid. Diese 5 Gemeinden zusammengenommen zählen bloss 8 Romanen, nämlich Nauders 7 und Graun einen. Auch im Glurnser Gerichts- bezirk, welcher der den Etsehquellen niichstgelegene des Politisclu n Bezirks Meran ist, koumien bloss 7 Romanen vor, davon 4 im Dorte Tartsch. Der hieran stossende Gerichtsbezirk Sc hl anders weist^ abgesehen vom Gerichtssitze dieses Namens, dessen 35 Italiener zu- meist, nämlich mit 30, auf Rechnung der lüesigen Militärgamison zu setzen sind, bloss ihier 6 auf. Dagegen zählt der Gerichtebezirk

*) Von diesen Einwanderern handelt auch, und zwar auf Grund persönlicher Bekannt' f'haft mit denm Nachkommen. Prof. V. M. Gredler in seiner BrOtchttrO ^Exkursion auf Joch Grimm", Innsbruck 10tj7.

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Die Nationalitäten in Tirol etc.

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Merftn deren 938, und zwar der Gerichtssitz 60, das Dorf Ober- mais 36, das Dorf Mühlbach (Fraktion von Alguiul) 10, das Dorf Orabsch 10, das Dorf SclK'hina 11, die Ortsgeraeinde Tirol 22, die Ortsgemeinde Vöran 18, die Ortsgemeinde Unteniiais 129, Burgstall 215, Gartrazon 2G7. Aus^serdem ist hier der Gericbtsbezirk Passeier mit ö;J Ittdienem zu verzeichnen, wovon 33 in der ()rt.sgenieiude Kaben- steiu und 10 iu der Ortsgemeinde St. Leonhard angetroffen wurden. Den Schlnss macht in der Richtung gegen Bozen der Gerichtsbeztrk Lana mit 271 Italienern, von welchen am öerichtssitze 103, in der Ortsgemeinde Marling 45, Tisens 39, Ulten 41, An<lrian 21 und Nals 17 anwesend waren. Auf das langgestreckte Ultf-nthal verteilen sich die vorerwähnten 41 folgendermasseu : Ortschaft Öt. Gertraud 3, St. Niko- laus 7, St. Pankraz 14, St. Waliburg 17.

Geaamtsumme des oberen Etschthales: 1619.

Maff nun gleich die Zahl der Anc&ssigen unter diesen TerhSltnis- mässig sehr klein und noch immer in Abnahme begriffen sein in der Ortsgemeinde Lana sollen unter 7G4 Grundbesitzern bloss 0 Italiener, unter ir>0 Gewerbetreibenden bloss 3; in der Ortsgemeinde Andrian unter 153 Besitzern 2; in der Ortsgemeinde (largazon unter 13 Ge- werbetreibenden 3, unter 107 Grundbesitzern 4; iu der Ortsgemeinde Buigstall bei 11 Gewerbetreiboiden 3, unter 95 Besitzern 5; in der Ort^emeinde Terlan unter 57 Gewerbetreibenden 2, unter 260 Be- sitz^ 8; in der Ortsgemeinde Gries unter beiläufig 700 (?) Besitzern 2, unter 81 Gewerbetreii)enden 7 sich befinden (4. 12, 13): so ist doch von einem Rückgange der italienisch Sprechenden da wenig zu verspüren. Vielmehr Uberst<„'igt das diesbezügliche Ergebnis der letzten Volkszählung alle Erwartung. Mehrere Jalire zuvor wurde kaum die ^Ifte als im oberen Etschthale vorhanden angenonmien. Man ver^ anschlagte die Zahl der Italiener ffXr Lana, Andrian und Kais zu- sammen auf 50, für Burgstall auf 70, für Gargazon auf 150, für ülten auf 20. ftir Terlan auf 50 (12. 147). Bei den offiziellen Vorerliel)ungen zur „Ethnographie der österreicliis( hen Monarchie" (im Jalire 184G) wurden die damals hier schon beträclitlichen Ansätze italienischer Ein- wanderung ganz übersehen. Also lässt sich mit dem früheren Be- TöUcerungsstuide kein Vergleich ziehen. Wenn aber Lokalkundige versichern, dass in Burgstall die Hälfte, in Gargazon sogar zwei Drittel der Bewohner verdeutschte Italiener sind (1. 12). dass man auch in den Ortschaften Andrian und Nals eine erhebliclie Zalil von verdeutschten Italienern antrifft, deren Abstammung „in Gestalt, Sprat lie und Lebensweise" sich offenbart (4. 11), so ist daraus ein sicherer Schluss auf die Stärke zu ziehen, in welcher das italienische Element hier vor 30 40 Jahren verbreitet war. Immerhin wird Ton der Wahr- nehmung, dass dasselbe nunmehr hier altnimmt, Notiz zu nehmen sein. Speziell wurde dieselbe, was den Besitz von Bauernhöfen anbelangt, zu Burgstall (31. 11, Note) und bei den Gewerbetreibenden in Meran gemacht, deren italif nischer Prozentsatz seit dem .lahre 1870 bis 1880 von Ö auf 4 sich vermindert hat (4. 10). Desto zahlreicher sind die Italiener unter den Taglöhnem yertreten, von welchen be- hauptet wird, dass sie am linken Etschufer von Bozen bis Meran zur

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Bidenuann,

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Hälfte, am jenseitigen aber zu einem Viertel jener Nationalität angehören (4. 13). Auffallend bleibt ee trotzdem, dass am Scblusse

des Jahren 1880, wo auch in diesem seines milden Klimas wegen be- kannten Teile Tirols die Feldarbeiten zumeist ruhen, einzelne Ort- schaften so stjirk mit Tfali^'iiem bevölkert waren. Es i<t dabei wohl auch die (^it ptloucnlieil der Nüusberger, ilire Kinder zum Deutsch- lernen iu diese liegenden zu schicken und daselbst zu verdingen, mit in Anschlag zu bringen. Von einem Umsichgreifen der italieni- schen Nationalität kann da freilich nicht die Rede sein. Vielmehr wird diese im oberen Etschthale häufig von denjenigen, welche sie dahin mitbrini^en , abgestreift und vollzieht sich so ein Germani- sierun^sprozess, welcher selbst bei den später wieder in die alte Heimat Zurückkehrenden andauernde Spuren hinterlässt. Wir haben es da mit einer Erscheinung zu thuu, welche Jahrhun- derte alt ist und bei den Bewohnern des Nonsberges näher zu eröitem sein wird.

Aber auch eine zweite Veranlassung zur Ansammlung von Ita- lienern in diesen di in Weinbau so günstigen Gegenden, nämlich der Besitz sogen. Weingüter daselbst seitens italienischer Famihen, darf nicht übersehen werden. Der Nonsberger Job. Peter Genetti besass zu Siebeneich (Ortsgemeinde Terlan) schon im Jahre 1732 gun riguardevole stabile" (41. 120a); 1753 erhielt Graf Paul Bettoni aus Brescia die gesamte Herrschaft Schönna durch landesfürstliche Verleihung als Pfand- schilling (79. 419). Zur Zeit des Zustandekommens der theresianischen Grundsteuerbürlier (1777) gehörte zu Burgstall das Kofigut dem Freiherm Joseph Priami, der sogen. Mairhof dem Jul. de Quadri, zu Gtirgazon das Porzenmosgut jenem üralen v. Bettoni, dua Boznergut dem Jakob Y. Maffei, das WinUgut dem Job. Bombardi, das Rundegg-Anwesen der Familie Priami -Parayicini. Die Tharonatti und Gunpi waren bereits zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts zu Nals begütert Diese Besitzer Hessen mit geringer Ausnahme ilire Güter durch italie- nische Bauleute bearbeiten und lockten so zuerst eine crrössere Anzahl von italieniselien Familien in die betreffenden Gegenden. Aber an einzelnen Einwanderern dieser Nationalität hat es im sogen. Burg- grafonamte und im Vintschgau auch schon in sehr alter Zeit ni<mt gefehlt

Namentlich war die Stadt Meran durch lange Jahre ein Sammelplatz italienischer Münzarbeiter und der bezüglichen Unter- nehmer, welche teils aus der Lombardei, teils ans Hetrurien her])ei- kamen. Schon im .lalire 1287 hatte Philipp Tuskhan von Florenz in Geraeinschaft mit 2 Brüdern das hieiiige Leihhaus (casanam prestiti) inne (Hormayr, Sämmtl. Werke II, Drk. 49). Im Jahre 1296 er^ scheinen unter den MOnzem zu Meran Tenga Ton Florenz und (als Silberprobierer) Bonus von Trient (A. f. Gesch. u. Altertumskde. Tirols, V.. 24. 25), 1 Pagan von Bergamo (f^S. Reg. :W4) , 1312 Nikolaus von Florenz (Chmers Oesterr. Geschiclitsforscher II, 3r>4). 1318 als zu Meran ansässig Arthusius und Philipp von Florenz (38. Reg. 423), 1301 als Inhaber der hiesigen Münze und Wechsel- bank GhBTO von Florenz, Sohn des Franziskus von Gasaweckl = Casa

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Die Nationalit&ten in Tirol etc.

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▼ecchia (Primissers urkundl. KoUektaueen in der Bibl. Tirol, a. N. 2riÄ), 1421 Bartlmä Beltramel von Mailand (A. f. Gesch. u. Altertumsk. Tirols, y, 41). Im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert geriet das Deutsch- tarn an manchen Orten des Burggrafenamts in Bedäuffnisse, deren es sich aber wacker zu erwehren verstand. So bedimg si^ die Oem^de Ydran im Jahre 1574 vom Möltner PfArrer aus, dass er ihr nur Priester zusende, welche Deutsche oder weni<]^stens der deutsclien Sprache mächtig sind (79. 508). Die Stadt Meran nötigte im Jahre 15*10 dera Churer Bischof Beatus a Porta die Zusage ab, dass er im dortigen Pfarrhause fortan 3 deutsche Priester unterhalten werde (79. 247), und im Jahre 1606 fasste der hiesige Gemeinderat den BescUnss, dass künftig „khain Aidtgenoss, Engadiner, Pundts- Gauer (GxaubflndnerP), Walch oder Saphoyer'^ zum Bürger daselbst aufgenommen werden sollte (A. f. Gesch. u. Altertumsk. Tirols, II, 19(3). Nooli energischer lehnte sich die Pfarrgemeinde Schönna ge<^en die V erwelschung auf. indem sie ihren der deutscheu Sprache nicht genug mächtigen Seelsorger Christoph Gampi im Jafaxe 1686 geradezu yertrieb (79. 423).

ISn grosser Teil des oberen Etschthales und einzelne Seitenthäler waren freilich bis ins sechzehnte Jahrhundert herein von Komanen be- wohnt. So meldet dies der reformierte Pfarrer von Chur, Ulrich Campell, in seiner um 1570 verfassten Besehreibung Hochrhiiticns von den Ge- meinden Taufers, Mals, Burgeis, Laas und Schluderus. Er l'asst in Mals und Nauders die rhätische (ladinische) Sprache ebenso ge- briluchlich sein als die deutsche, und behauptet das Gleiche sogar Ton Partschins bei Meran (19. 3, 4). Danach kann es nicht befremden, dass zu Latsch im Gerichtsbezirk Schlanders in den Jahren 1321 bis 1337 ein Magister Agnellus de Tridento Pfarror war und den Frances- chinus Banchis de Placentia zum Nachfolger liatte (10. 280). Es wird auch im Hinblicke hierauf begreiflich, wie Walgrin von Tarrent an-

§eblich in der zweiten Hälfte des zwölflen Jahrhunderts sich bei Nau- ers niederlassen und das nach seiner Familie benannte Schloss Tarants- berg (Dornsberg) erbauen, wie noch vier Jahrhunderte später der Enga- diner Jos. Mor nach Siberkirchen bei Mals ziehen mochte, und wie im Jahre 1559 Peter de Barbis, ein Italiener, zu Partschins das Pfarramt antreten und es bis 1582 l)eklciden konnte. Zu Burgeis wurde noch im Jahre 1018 in italienischer und ladinischer Sprache gepredigt, und am 25. Februar 1617 musste der Abt Matthias Lang vom Benediktiner- Uoster Marienberg der Gemeinde Schlinig rerbieten, bei ihren öffent^ liehen Zusammenkünften eine andere als die deutsche Sjjrache zu ge- brauchen. Aus welchem Grunde er dies that, lehrt eine Eingabe, die er im Jahre 1610 an den Tiroler Landesfürsteu Erzherzog Maximilian richtete, sich wegen des Beharrens der Burgoiser beim < alvinischen (ilauben damit entschuldigend, dass ihnen mit der katholischen lleligiou schwer beizukommen sei, weil sie sowohl im PriTatTerkehr als öffentlich «allein der barbarischen engadinerischen Sprache* sich bedienen. Die Gemeinde Mals hatte noch vor kurzem eine 1608 angeschaffte grosse Glocke mit romanischer Inschrift. Aus Taufers im Mtinstcrtliale verdrängte das Ladinische erst um das Jahr 1700 der Pfarrer 1*. Per- linger und von Stiifs am Fusse des gleichnaniigea Bergjochs versicherte

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Bidemaim»

detii Benediktiner P. Alois FalUr (dessen schon von Hormayr in den Wien. Jahrb. d. Litteratur Bd. 5. S. 4 benutzte Aufzeichnungen, jetzt in der Bibl. Tirol. Handschrift Nr. 1019, Torstehenden Angaben zu Grunde liegen) zu An&ng des neunzehnten Jahrhunderts ein dort ge- borener Priester, dass er dort Leute kannte, welche noch des Ladini- schen kundig waren (vgl. 11. 33, Note 2). Und wie an der Schweizer Grenze das Ladinische, so erhielt sich im Ultentliale das Italienische noch lange, nachdem das deutsche Volkselement hier zu Ansehen ge- kommen war, im Gebrauche. An der Huldigung, welche die Thal- gemeinde im Jabre 1568 dem Erzherzo|p Feaäinand zu St WaUbnrg foisliete, beteiligten sich, wie die bezügliche Urkunde bezeugt, auch „Leute welscher Zunge" (79. 704). In neuerer Zeit haben daselbst die Malapell und die Sorzi aus dem Nons- und Sulzberge sich ange- siedelt (79. 806). Als(t aurli hier eine rücklüuüij:«' Bewegung, wogegen im oberen Vintscligiiu Eugudmer nur mehr auf der Fahrt nach den Kapital- zinaen, welehe ob dort zu fordern baben, sich einzufinden pflegen.

Vn. Bozen und die ZwOlf Malgreien.

Die Stadt Bozen zSblt nach der letzten Volkszählung ohne ihre Vororte, als was die zu einer besonderen Ortsgemeinde zusammen-

ge&ssten Zwülf Malgreien anzusehen sind, 1142 italienische Einwohner (darunter HO Soldaten), und mit diesen Vororten H.'iO.

So hoch wagte 4 Jahre zuvor nicht einmal der italienische Kaj>lan der Bozener Kapitelpi'arre die Zahl derselben anzuscltlagen. Aber es sind freilich darin viele nur temporär anwesende Bauhaiidwerker und TaglÖhner begriffen. Die Liste der im Stadtgebiete betriebenen Ge- werbe vom Jahre 1B80 weist 36 Italiener auf, von welchen 5 Handels- leute mittlerer und niedriger Kategorie sind, alle übrigen jedoch, mit Ausnahme eine's f'ivilingenieurs, dfm niedrigen Gewerl)estande ange- hören. St'it l>^t)0, wo das betrettende Verhältnis zur Gesamtzahl der Handel- und Gewerbetreiljenden dieser Stadt beiläuhg 0 '^o war, hat sich dasselbe bis auf ungefähr S'/s ^jo vermindert.

So berechnete mindestens der Tormalige Sekretär der hiesigen Handels- und (i* wt rbekammer im Jahre 1881 den bezüglichen Anteil (4. 18). Die Liste der Gemeindewäliler vom Jahre 188.3 enthält unter 788 Wahlberechtigten bloss 55 Italit-n^ r. von welchen 42 dem dritten (471 Namen umfassenden) Wahlkörper angehörten, während im ersten und zweiten mehr als die Hälfte aller Italiener aus Beamten bestand. Von diesen abgesehen, waren der Besdiäfligung nach: 13 Handeltrei- bende, 1 Hausbesitzer, 2 Offiziere a. D., 1 Arzt, 1 Ingenieur, 1 Ad* ▼okaturskonzipient und der Rest (22) Gewerbetreibende ').

Zur Zeit des Bahnbaues, d. h. in den Jahren 1859—1807, leistete die österreichische Regierung in Anbetracht der vielen italienisclu n Arbeiter, welche damals in Bozen und in der Umgebung der Stadt

Ich verdanke diesen Nachweis meinem Freunde Dr. Juliut^ Würz er in Bozon . der aln Kingoborrner , «'hemaliger ßQrgermeiit^ Und iangjfthrigor Notar in dieser Stadt deren Bevülkerung genau kennt.

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sich aufhielten, aus dem sogen. Religionsfonds einen jährlichen Zuschuss von 2UU Gulden zur Erhaltung des hier schon seit 185U in der Seel- sor<re thätiicen italienischen Kaplaus. Aber im Jahre 1807 stdlte das Kultuäuuuisterium diesen Beitrag ein und olles Rekurrieren wider den abweiaHchen Bescheid war finicnllofl. Eine kaiBerlicbe Entschliessimg Tom 9. MStz 1871 mochte den G^egenbestrebungen ein Ende. Aus den bezOglidien Akten ist zu ersehen, da.ss die italienisdien Predigten in der sogen, alten Plarrkirelie zu Bozen auf Ersuchen der hier lebenden Italiener um das Jahr 182i) ihren Anfang nahmen, ein besonderer Pritster hierzu jedoch erst im oliengenannten Jalire bestellt wurde. Ein dessen Eortbestand als notwendig erklärendes SchrifUtück vom 20. Februar 1869 trägt 57 Unterschriften, darunter die der Direktionen zweier Fabriken. Hieraus ist zu entnehmen, daes damals die Zuwande- rung von Italienern in Bozen eher begtlnstigt als hintangehalt» n wurde. Man folgte dabei einer bis ins siebzehnte Jahrhundert zurlU kreieliendeu Tradition, welche mit der Stellung der Stadt als eines der l)edeutend8ten Handelsplätze und insbesondere mit den Jahrmäi'kteu (Messen), welche hier stattfanden, zusammenhängt.

Der sogen. Merkantilmagistrat war in der That eine vorwiegend italieniscbe ^richtung. Zwar sollten in ihm Deutsche und Italiener gewisscrmassen sich das Gleichgewicht halten und wurde nur zu diesem Ende dem Bozener Marktricliter David Wapier (dem Ahnherrn der heutigen Grafen von Sarnthein) iJr. Joh. Baptist Girardi als rechts- kundiger Beistand adjungiert (I. St.-A., „Geschäft von Hof", lli;J;i, BL 58); allein in der That herrschte das italienische Element als das in Handelssachen erfahrenere vor, und vermöffe der italienischen Sprache, in welcher bis um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts die kaufmännische Korrespondenz auf dem Bozener Platze geführt zu werden pflegte (11. '{5- 4. IG), fand es in Kreise Eingang, die sonst sich ihm verschlossen. Der Stadtchronist Zobel meldet, dass im Jahre 172(3 die vornehme Stadtbevölkerung an einer deutschen Oper sieh ergötste, späteihin aber (1753, 1760, 1775) nur mehr an italie- nischen OpemTorstellungen GeÜBÜlen femd. Dieselbe war damals nahe daran, der Stadt ein Gepräge au&udrttcken, das sie um die Mitte des ftlnfzehnteu Jahrhunderts getragen haben mochte, wo sie, freilich nur in den Augen der italienischen Mönche, die damals dort lebten, für eine italienische galt. Der Dominikaner Fr. Felix Faber, der sio im April 1483 besuchte, vernahm dies dort und erblickte eine Be- stätigung dessen in dem Umstände, dass dn ihm bekannter Ordens- bruder zur Zeit, als er in Bozen Ausläufer (cursor) und Prediger war, kein deutsches Wort verstand (28. 71). Beda Weber hat hmwieder (82. 18) den Ausspmch gethan: „Die Stadtgemeinde Bozen war von den ältesten Zeiten l)is zum Jahre 147(5 dergestalt deutsch, dass nach unzweideutigen Akten des dortigen Archivs gar keine Italiener zum Bürgerrechte zugelassen wurden." Allein der walire Sachverhalt ist ein anderer. Gerade das dortige Stadtarchiv enthalt Belege für das Gegenteil. Ein Statut, welches Erzherzog Siegmund von Tirol im Jahre 1488 für die hieeigen Jahrmärkte erliess, konstatiert im Absätze 3, dass ,yil walchen zu Ek>tsen vi! hewser ynd Burgerrecht haben".

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Bldennann,

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{\\<ft aber bei, dass solche trotzdem „nicht wesenHehen da siezen", d. h. nicht daselbst ihr Hauswesen halten, und macht ihnen dies zum Vor- wurfe. Im Absätze 4 erwähnt das Statut abermals, dass „die walchen daselbs zu Botzan vil hewser an sich kauifen', diese aber nicht selbst bevobnen, sondern mit Leuten niedrigen Standes, «die weder zu Bat nocli Gericht preuchig sein", besetzen. Ueber letzteres, nicbt aber ühet die Ausbreitung der Italiener an sich, hatte die Bürgerschaft beim Erz- herzog Best liwerdL' geführt, der sohin anordnete, dass <l(Tlei. ihre Häuser nicht mit [{iUken besitzende Italiener entweder mu h Bozen zu über- siedeln oder ilire Häuser an Leute zu vermieten haben, welche den bürgerlichen Obliegenheiten gewachsen sind, widrigen&Us ihnen audi nicht gestattet sein soll, bei zeitweiliger Ajiweseimeit sich selbst zu verköstigen, sondern sie wie andere fremde Kaufleute im Wirtsliause zehren müssten. Also weit entfernt, den Italienern, welche in Bozen als Bürger leben und den Pflichten solcher persönlich nachkommen wollten, dies zu verwehren, bestand viehnehr die Stadtgemeinde aul' deren Verweilen in ihrer Mitte.

Mit dieser Gleneigtheit, Italiener aufzunehmen, steht auch in -vollem Einklänge, dass die Stadt im Jahre 1473 den Doktor der Medizin Jakob Fontaneiiis zu ihrem „Leiluuzt" bestellte, dass um das Jahr 1485 Jos. Gudoldi aus Verona hier das Bürgerrecht < nvarli . dessen Sohn Vinzenz wiederholt zum Bürgermeister der Stadt erwählt wurde (12. 157, Note 13), und dass e'uw im Jahre 141t.*> von der Familie Orlandini zu Gunsten der Stadt gemachte Stillung (Alte Buchhaltungsakten im I. St-A. D. 6. 191) von der Dankbarkeit Zeugnis gibt, mit welcher einzelne italienische Familien jenes Wohlwollen yergalten. Erst im Jähre 1524 fasste der Stadtrat (laut Sitzungsprotokoll Bl. 10) den Beschluss: .,Es soll auch kein Saffoir, Wälsrher noch Annder, die nicht der teutschen Sprach sein, zu keinem Bur^'-er nicht auf- genommen noch (ihnen) hie ain Gewerb ausserlialb der Miirkht nit gestattet werden.'' Indessen soll nicht in Abrede gestellt werden, dasa diese den Italienern abholde Stimmung bereits um das Jahr 1490 die Oberhand gewann, und zwar infolge steigender Zuwanderung von Deut- schen, deren auch F. Faber Erwälmung äut, indem er ihr die Umwand- lung der Stadt in eine deutsche , als was er sie anerkennt . zuschreibt (23. 72). Unter den in den Jahren 1480 und 1494 neu aufgenommeneu 20 Bürgern, welche im Stadtbuche verzeichnet sind, ist kein einziger Italiener, wohl aber erscheinen darunter 2 Bayern und „Meister Her* mann Parbierer* aus Bingen am Bhein. Mit der Belebung des deut- schen Bewusstseins durch die An&nge der Reformation wuchs die keimende Abneigung gegen das undeutsche Wesen, so dass ihr im Jahre 1514 die italienischen Barfüsser- Mrtnehe, welche seit 1458 das hiesige Franziskam rkloster bewohnten, weichen mussten, um durch deutsche Konventuaien aus Schwaz im Innthale ersetzt zu werden (82. 209). An jenem Botsbeschlusse Tom Jahre 1524 wurde in An- sehung der SaToyer und Italiener 70 Jahre lang festgehalten.

So wies die Gemeindevertretung im Jahre 1532 einen SftToyer mit 'seinem Gesuche um das Bürgerrecht ab, weil „dieselben Personen weder zu Sprüchen oder Tagen (d. h. Gerichtssitzungen) zu geprauchen

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Die NationaUtfttcn in Tirol eic.

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siudt vud aus viel hewe«;lichen Ursachen und Freiheiten". Als im Jahre 1542 dessenungeachtet Bernhard ßonmai-tin sich mit dem gleichen Anhegeu meldete, erneuerte der Stadtrat jenen Beschlusa bezfiglich aller «aiuser teutacher Kaüon" geborenen Personen und schloss er diese sogar Yom Inwohnenrechte aus. Demgemiss erliess er im Jahre 1508 gegen mehrere Savoyer, welclie hei einem ^wiilschen Doktor" sich auf- hielten, ein Abschiiöung.sdekret. Am 8. Mai ir)!'.') machte er dagegen dem Savoyer Michael Martignoy von Augstal in Anbetracht seines vor- gerückten Alters und der Unwalu-scheinlichkeit, dass er hier mehr einen Hausstand gründen werde, gegen Erlag einer Auinahmstaxe von 800 Qnlden das Zugeständnis, dass er in Bosen wohnen dtirfe. Nach- dem derselbe wider Erwartoi sich mit einer BUrgerswitwe yerehelicht und mit Rücksicht hierauf von der Aufnahmstaxe befreit zu werden gebeten hatte, widerrief zwar der Stadtrat die ihm erteilte Erlaubnis nicht, sondern verhielt er ihn im Jahre l'»tMi nur zur Bezahlung der Taxe; ^iber er verschwur es neuerdings, tSavoyer zuzulassen. Den Ladinern aus dem Engadin gegenüber ward Übrigens von jeher in Lesern Punkte Nachsicht gettbt. Dafttr lag Sinen die Stadt mit Schmalz aus ihrer Heimat zu versorgen, worüber unterm 0. Fel^r. 15G5 mit ihnen ein f()rin]ie]ier Vertrag geschlossen wurde, welchem im Jahre 1 .'»»w die Beschränkung ihres Aufenthaltsrechts auf zwei Familien ((iel)rüder Gritti) folgte, denen, allerdings gegen Erfüllung jener \'erpllichtung, ausser dem Wohnen in der Stadt nun auch „das Schuhllicken toleraudo gestattet* wurde. Die Ausschliessung der Übrigen vom Aufenthalts- rechte ward unterm 10. Dezember 1598 erneuert; allein streng wurde dieses Verbot nie gehandhabt, und man setzte sich sogar (mit Be- willigung der oberösterreichisehen Kegierung zu Innsbruck) im Jnlire 1002 ül)er das Calvinisclie Bekenntnis, tleni die anwesenden Engadiner anhingen, hinweg (laut Sitzungsprotokoll von diesem Jahre, Bl. 4 u. 2oJ. Auch späterbin blieben die protestantischen Schmalzhändler aus dem Engadin in Bozen unangefochten, so speziell die Handelshäuser Meieher und Bietti, welche noch im Jahre 1740 dort regelmässig ihre Ge- schäfte trieben (s. den „Generalauszug" der Stadtakt«! im B. Stdt.-A. Bl. 183 a). Mehr im allgemeinen machte die Eingenommenheit geL'en welsche Eiubürgerungsversuche wieder der entgegengesetzten Uesnuiung Platz, sils der oben erwähnte Merkantilmagistrat zu wachsendem An- sehen gelangte und die „Matricola della Contrattatione delle Fiere di Bol- giano' zu einem Ehrenbuche wurde, auf welches die gesamte Bozener Bürgerschaft mit undeutschem Stolze blickte. Beim Jahre 1058 finden wir den Handelsmann Bemardin Giovauelli aus Oandino l»ei Bergamo in diese "Matrikel eingetragen. Er enifthet die Keilie der Italiener, weiche hier ni neuerer Zeit eine älinliehe Holle s]»ielten, wie sie im vierzehnten Jahrhundert Uielueren Gliedern der liorentiner Eunuhe Botsch auch daselbst zu^^efallen war, so namentlich dem Botzo de Bamborossis, welcher im Jahre 1342 den Bozener Zoll zu Lehen trug und im Jahre 1368 starb

') Nach dorn K. d. I. .'<ch.-A.r^ (IV. lOS) hatte , Botsch, Zuanens Sohn voa Florenz", 2 Zollstättea iii Bozen durch Kauf' an siuh gebracht, weiche Erwerbung

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Bevor (li*r neue Umschwung eintrat, ftlhrte hier (his italie- nische Element ein .so bescheidenes Dasein, dass seihst die Au\ve>enheit der Lehrmeister des berühmten Geigeumachers Jakob Stainer, Paolo und Kattia Albani, welche in die Zeit um 1640 fällt, ganz in Ver- gessenheit geraten konnte. Was endlich die ZwtUf Malgreien (so von den Gerichtsstätten genannt, deren alte Bezeichnung in späterer Zeit mwh zur Bezeichnung: von Gemeindeabteilungen diente) . bezw. die hier ansässigen oder weni<ifstens begüjterten Ttaliem r anbelanrrt, so machen sie von jeher nur einen verschwindend kleinen Teil ilirer hier wohnhaften Nationsgenossen aus (vgl. 12. 157, Note 13). Diese sind der Abkunft nach zumeist Fleimser. Einzelne, bei den Sägen in Part- schon biBsd^iftigte Arbeiter stanmien aus der venetianischen Provinz Belluno.

Tin. Unteres fitschthal (zwischen Bozen und der Sprachgrenze).

Vom Polit ischen Bezirke (Umj^^ebung) Bozen gehören hierher die Ortsgemeiuden Deutschnoien und Leifers, erstere mit 'Jö, letztere (bei einer GesamtbeTÖlkerung yon 1292 Einwohnern) mit 380 Itafieaem; femer die ganzen Gerichtsbezurke Neumarkt am linken imd Ealiern am rechten Ufer der Etsch. Jener zählt 1526, dieser 637 Italiener. Yon den e'nzelnen Ortsgemeinden schhessen sicli Aldein mit Montan mit 4 und <ifril] mit 10, als am (lel)irgsabhange gelegen, an die Berggemeimle I »eutschnolen ; dagegen Brauzoll mit 100 (neben 603 Deutschen), Auer mit 115 (neben 1)21 Deutschen), Neumarkt mit 301 (neben 1435 Deutschen) und Salurn mit «620 (neben 1310 Deut- schen) der Reihe nach in der Niederung an Leifers, wovon bloss der Weiler Mazon ober Neumarkt und das Dorf B u c h h o 1 z (ai Pochi) obt r Salurn (dc^s^n Zubehör es ist) verm(")i>;e ihrer erhöhten Lage eine Ausnahme maihrn. Im letztgenannten Dorfe halten sich Italiener (310) und Deutsche {'•V'U')} fast das Gleichgewicht; ebenso im Dorfe Laag (Laghctto), welches eine Fraktion der Ortsgemeiude Xeu- markt ist und neben 110 Deutschen 99 Italiener aufvireist. Dagegen ist die Sprachgrenze gegen das Fleimserthal zu durcli die an dessen Eingange gelegene Ortsgemeinde Mon tan mit nur 4 Italienern (neben 1005 Deuf seilen) scharf gekennzei( Imtt. Am linken Fit schuf er liegt dem Fkisse zunäehst die Ortsgemeinde Ep})an mit bloss 66 Ita- lienern (neben 4680 Deutsdien). Daun folgen die Ortsgemeiuden: Kaltem mit 57 (neben 3687 Deutschen), wovon auf das Unterdorf dieses Namens 32 entfallen, Tramm mit 31 (neben 1753 Deutschen), Kurtatsch mit 55 (neben 2043 Deutschen) , Margreid mit 88 (nebcoi

die Herzogin „OflFmjra" von K&rnten im Jahre 1843 bertatigrte. I>ar8elbe besan 5 Höfe auf dein Ritten, ö in der Pfarre Bozen, Avoitere zu Rontscb. Schenns u. s. w. (38. Reg, 685. 755). Der oben erwälinte BtrnardLii Giovanelli war ein Sohn des um das .Tahr 158;^> aus (»andino in die Bozener Gegend eingewanderten Jos ep h Joanelli, der dtMi Ansitz, li.f^tburg erwari>. Vgl. über diesen als rdch gerOAuntea Kaufmann Hurters tiescb. Ferdinands Ji., Iii. 126.

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31] Die Nationalititen in Tirol etc. 419

575 Deutschen) und Kurtinig mit -2 (neben 233 Deutschen). Durch einen Bergrücken von Kaltem abgesondert, erstreckt sich längs der Etsch die Ortsgemeinde Platten, wo 308 Italienern bloss OU Deutsche

gegenüberstehen, und hinter liurgreid liegt gegen das Oebiige zu die irtsgemeinde Unter -Fenberg (Favogna di sotto) mit 152 ausschliees- lich deutschen Einwohnern, welche im Verein mit denen von Kurtinig hier die Sprachgrenze markieren.

Gesamtsumme des unteren Etschthales: 2'538. Hier nehmen wir kt iii successives Vorrücken wahr, sondern die Verbreitungsweise der itiiiieuer gleicht da der Inselbildung und hat auch besondere Örtliche YerhUtiusse zur Voraussetzung. Vor allem sind es die der Sumpfluft ausgesetzten Gegenden und dann wieder die Lenden (Landungsplätze) an der Etsch, welche in Verbindung mit dem Holzstapel und mit der Znsiunn^enstfUmig der Flösse jene Anziehungs- kraft übten. Die Schittahrt auf der Ktscii war von jeher eine den Italienern nicht nur erwünschte, sondern auch sehr geläutige Beschäf- tigung. Es gilt dies sowohl von den betreüendeu Transportunter- nehmungen als von der unmittelbaren Besorgung der einzelnen Wasser- fracht.

Die Flosslend zu BranzoU ging im Jahre 1424 durch Be*

lehnung seitens des Trienter Rischofs von Rudolf von Bellinzona (dem bekannten Trientner Volkstribun) an Herzog Friedrich von Tirol Ober (lieg. d. I. Bch.-A.s, III, 295). Sie war also kurz vorher in ita- lienischen Händen gewesen. Aus dem sechzehnten Jahrhundert liegen aber auch schon Belege dafür tot, dass «welsdie Schiff leute* im Be- fahren der Etsch mit Schiffen sich den deutschen tiberlegen zeigten. Der Verwalter der Landeshauptmannschaft an der Etsch, Ritter Simon Botsch, Hess durch sie Proben machen, sowohl in Bezug auf die Berg- fahrt zwischen Trient und Neuniarkt als in Ansehung des Wasser- transports zviischen Terlau und Neumarkt. Von ersteren Versuchen meldet er in einem Beridite an die Innsbrucher Hofkammer vom 23. Juni 1560, dass sie geglückt seien (Bibl. Tirol., Handschrift 1155, III., Bl. 185). Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts finden wir den Holzhändler Job. Bapti.st Someda von Claramonte unablässig bemtiht, zwi- scb'ii Siegmundskron und Branzoll eine regelmä-ssige Schiffahrt ein- zurichten. Im Juli 1008 erregte es den Unwillen der Gntfertiger zu Bozen und vieler Besucher der hiesigen Märkte, dass der Vorgenannte mehrere Schi&ladungen sogar mit Benutzung des Eisackflusses direkt Ton Bozen weg nach Branzoll befördert und so die LandfrSchter um Erwerb gebracht hatte. Ihm war es also gelungen, ein schon früher von einem Italiener namens Bontiol entworfenes Projekt, zu dessen Beurteilung die Regierung einen Hydrauliker aus Bergamo und den Hofbaumeister Lucces entsendet hatte, zu verwirklichen (1. St.-A. „Missiven von Hof", 1003, Bl. ll»:ij 'j. In der „Floss-Ordnung", welclie

Deutsche Etsch «chiffer, die derartiges angeregt oder dazu die Hand geboten hätten, scheint es gar nicht gegeben zu haben. AI» Simon Botech im .laluf 1560 dit! oben erwähnten l*rnb< ii vfiaiistaltete, bemOhto mh die Innsbnicker Hofkanuner, Inn-Schiffer, welche damit hätten in Konkurrenz treten mögen, aof-

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420

Bidennami,

[32

Erzherzog Ferflinmid von Tirol im Jahre ir)84 zu Gunsten einer ita- lienischen llamlelögesellschaft, die zu Sacco bei Kovereto ihren Sitz baifce, erlieas, heigst es, dass dieser Gesellschaft seit «unfOrdenklicher'^ Zeit das ausschliessliche Recht zustehe, tod den StapelplfttM Lei- fers, Branzoll und Ens (Montan^ weg Merkantilholz auf der Etsch abwärts zu verlüliren. Dies geschah mittels der Flösse, auf welchen sodann Kanfiuiinnswaren aller Art bis Vercma gehin<rten. Ein Zwang, die letzteren der Saccoer Gesellschaft anzuvertrauen, bestand ursprüng- lich nicht; aber dieselbe wusste durch ihre Gescliickliclikeit und Zu- dringlichkeit (wie es in einem Bericht des Bozener Merkantilmagistrats vom Jahre 180() an die k. bayr. R^erung heisst) es dahin zu bringen, dass die Handelsleute mit geringer Ausnahme ihr die Güter zur Beforde- ning überliessen. Im Jahre 1»I(I4 schlössen »lie Bozener Marktintert ^-^i nten mit ihr einen ftirnilidien Vertrag darüber ab. Die llegieruug aber erneuerte die „Floss-Urdnung* in den Jahren 1084, 17ul und 1714, wodurch sie dieser Gesellschaft mittelbar auch das Monopol des Holz- handels in jenen Gegenden einräumte, bis im Jahre 1744 deren Spe- ditionsprivüegium sogar auf alle Eauf^annsgOter, die zwischen Branzoll und Verona abwärts gin^ren, ausgedehnt wurde. Es versteht sich von selbst, dass dieselbe allentlial!)en italieni'^elier Faktoren und Ar- beiter sieh bediente, weh lie an den genannten Urten sich Unterkünfte mieteten oder eigene Häuser zu diesem Zwecke erbauten. In gestei- gertem Masse geschah dies von der Zeit an, wo sie auch des sogen. Rodfuhrwerks zu Lande, welches stationenweise wechselte, sich bemächtigt hatte. So gab es im Jahre 1735 zu Branzoll 4 italieni.<che Speditions- geschäfte, welche den Landtransport leiteten, und zahllose Italiener f uiden teils hier teils an den übrigen Landungsplätzen dauernde Be* schaftigung.

Einiges scheint zu diesem üebergewieiit der italienischen Natio- nalität der Umstand beigetragen zu haben, dass zur Zeit, wo die sp&ter nach Bozen Terlegten Jammarkte noch zu Neumarkt (in Bürge de Egna)

abgehalten wurden, was bis ins dreizehnte Jahrhundert hinein geschah, am letztgenannten Orte viele romanisehe Kaufleute Häuser für Handels- zweeke besassen(ad consuetudinem Domorum Merratus Tridenti). Eine Urkunde vom 29. Juli 1222 (16. r>4) führt die Namen der Betrettendeu auf, welche (wie lielliua, uxor Venture, Omnibonus Caliari, Milauus, Petr. Oavicicius, Michelotus, Jacobus filius Barieli) keinen Zweifel über deren Nationalität lassen (72. 139). Was Salurn betriflft, so er- scheint hier noch im Jahre 1201 ein Güterbesitzer de genere Roma- norum (12. 1,^0, Note 1). Die neuerliche Verwelschung dieses Ort« schreiljt man <leni Ib rabkommen und Anssterlxm der vornehmen deut- schen Familien zu, welche daselb.st im aelitzehnteu Jahrhundert hau.sten. sind damit die Feigenpuz, Johanueser, Webern, Anderlan, Reiniäch u. s. w. gemeint. Allein wenn dies wirklich der FaU, dann reicht jene Erscheinung schon in die Mitte des genannten Jahrhunderts

zutreiben. Allein auch diese Oberlegten lange, ob sie der Sache gewachsen wären, und l< r r ntemefamendste Idinte es M^ienlich ab, im Etscfalande seinen Aufenthalt

zu nehiuen.

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Die NationaUOten in Tirol elc

421

zurück; denn das Firnibuch der dortigen Plarre enthält eine Seelen- beschreibimg vom Jahre 1749 uach Häusern, von welchen damals schon viele Tennietoi waren und manche bereits Italiener (Nr. 6 ▼. VescoTi, Nr. 18 Graf Zenobio, Nr. 14 Vüos, Nr. 16 Sirard,

Nr. 17 Tschudat, Nr. 24 Talloy, Nr. 28 Decleva) zu Besitzern hatten. Unter den Mietparteien befanden sich gleichfalls Italiener in grös- serer Zahl, ebenso unter den Kolonen und unter der Dienerschaft. Im Hause des Karl v. Feigenpuz (Nr. 1*J) lebten nicht weniger als 17 Bedienstete, darunter ein Verwalter, der selbst adelig war, ein 80 Jahre alter Franzose (Louis Villedeneuf) aus der Noimandie und 2 Italiener (Jos. Deiladia, Dominik Gasata). Auch im Laitoipergerschen Hause ^r. 3) dienten neben 8 Deutschen 2 italienische Knechte. Fassen wir die Gemeindefraktion Buchliolz ins Auge, welche angeb- lich erst seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts Italiener in an- sehnlicher Men^e beherbergt, so finden wir daselbst im Jahre 1749 von -1 Behuu8uugeu, welche damals den ganzen (jetzt deren 80 zäh- lenilen) Ort ausmachten, 18 in den Gülden von Italienern. Den Johan- neserhof z. B. hatte J. Giacomuzzi, den Fennerhof Matthias Saltuari inne; andere Höfe trugen schon Ton firOher her Benennungen, welche alten italienischen Besitz verraten, wie Sardagna, Girardin, Gianin, Thomasi, Dalle Mulle, (ierardi, di Mattio (vgl. 12. 118, Note 1). Nach und nach gewann das italienische Element daselbst die Oberhand, was zur Folge hatte, dass diese Fraktion die Lostreunung von Salum an- strebte, wie aus einer Eingabe Tom 17. Mftrz 1849 eraellt, die zu Iftn- geren Yerhandlungoi geführt hat.

Nach Dr. Angerers Erhebungen vom Jahre 1880 (4. 25) gab es in Saluru mit Buchholz und 2 anderen Fraktionen fKnrneid und Mühlen?) unter 70 Gewerbetreibenden 10, unter 380 tirundbesitzern 182 Italiener, und zwar hierunter sehr viele Auswärtige, d. h. nicht daselbst ansässige; femer unter 307 Schulkindern 170 Italiener, von welchen bloss 91 der ansässi^n Bevölkerung angehörten und 78 die (seit 1860 deutsche) Schule in Buchholz besuchten, deren Gesamt- frequenz 97 Kinder betrug. Für die übrigen Ortsgemeinden am linken Etschufer, welche in der Thalsohle liegen, lieferten jene Er- hebungen (4. 24) das nachstehende Ergebnis:

Gewerbe-

davon

Grund*

davon

Schul-

davon

treibende:

Italiener:

Italiener:

kinder:'

Italiener

Leifers

48

9

213 *

2r!

265

152

Branzoll

16

8

120

57

179

152

Auer

45

4

225

13

138

134

Neumarkt

84

12

302

54

236

88.

Für die Ansiedelungsgeschichte der Italiener in der Gegend von Lei- fers ist ein Bericht der Innsbr. Regierung vom 25. August 1579 (I. Si-A., Ferdinandea) beaeichnend, wonach damals dem Fnaaz Par- thanis zu Bozen im Hose zwischen Auer und Leifers unter der St. Jakobs- kapelle (im Tschindter Reviere) Grundstflcke im Ausmasse von 20 Joch zum Reisbau überlassen worden waren. Hierzu dienten auch die^^e Grundstücke fast ein Jahrhundert liiii'^^ bis sie nämlicli durch Vertrag des Kameraliirars vom 20. Juni l»»»i5 den Cxenieindeu Auer und Branzoll

Foracbungen zur deuUcben Landes- and VoUttkande. I. 7. 89

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422

Bidermaim,

[34

eingeantwortet wurden (I. St.-A., Kameraischatz- A. , L. 5ti, Nr. 140). So wie der Eleisbau daselbst olme Zweifel durch Italiener betriebcoi wurde, so stand dieser Gegend damab weiterer Zuwachs an Italienern

vermöge ein«* Anerbietens bevor, welches im Februar 1679 Dominik de Avanzinis aus Riva in Verbiiiflung mit Kafael Markus aus Florenz und dem Trieiitnor Bürger Christian Viscntiii dem genannten Erzherzoge machte. Diiiuuh sollten zu Bozen ein Seidentilatorium , eine Färberei, Maulbeerplautaguu und eine Wechselbank zur Korrespondenz mit ganz Italien und Deutschland errichtet werden« Der Bozner Stadtrat, welcher die angedeutete Wirkimg vorhersali, sie jedoch vermieden wissen wollte, sprach sich unterm (3. März 1579 an& entschiedenste gegen den Vorschlaj]^ aus, welcher darauf hin von der Kpfrioning abgelehnt wurde. Aber einzelweise kamen Italiener gleichwohl als Seiden- zücliter in diese liegend, deren Sumpf luft ihnen weniger schadete als den Deutschen, ohschon von ihnen so gut als von letzteren gilt, was der Arzt Hippolit Gnarinoni in seinem 1610 gedruckten Buche «Giiuel der Verwüstung" (S. 423) sagt: die Bewohner von Auer, Neumarkt, Salnm, St. Michael seien „ein gar wenig uufgeschoBsen , bleyches, grawes, blödes vnd mehrertheils krankes Volk". Dass wir dabei speziell auch an Italiener zu denken haben, legt uns Martin Zeiller nahe, in- dem er, der im Juni 1629, von Trient kommend, diese Gegend durch- reiste, in seinem .Itinerarium Qermaniae* (S. 345) schreibt, „es gebe biss auf Pocen in den Dörffem noch alleweil welsche Leuth*. Wer je als Fremder unter dieser Bevdlkmmg sich bewegte, hat gewiss die wachsgelben Gesichter der Weiber, welchen höchstens ein paar dunkle Augen lebhaften Ausdruck verleilien, die hageren Gestalten der Buben mit schlotternden Beinen und die ermUdet dreinschauenden Männer in der Erinnerung behalten.

Solche Typen sind da hftutig geworden, seit die Sumpffläcfaen urbar gemacht wurden, was in der Bozner Stadtau (bei Leifers) vor etwa 50 Jahren seinen Anfang nahm (12. 116, Note 4). Am jenseitigen Etschufer lireitet sich die Ortsgemeinde Pfatten (Vadena) au.«?, wo man der nämlichen Erscheinung begegnet. Allerdings sind unter den hie- sigen 200 Grundbesitzern bloss 21 Italiener, welche obendrein zumeist auswärts wohnen, weshalb auch von den 44, durchaus italienischen Schulkindern im Jahre 1880 bloss 4 der sesshaften Bevölkerung an- gehörten (4. 24); aber die Bearbeitung der Grundstücke daselbst ist, besonders im Dorfe Pfatten, nahezu ausschhesslich Italienern über- tragen, und die anwesenden Gewerbetreibenden waren im Jahre 188'> sämtlich solche. Mit Recht nennt Dr. An«:^erer, dessen Angaben (4. 32) hier reproduziert werden, ganz Pfatten »eine grosse Arbeiterkolonie*" und fügt er bei: »Ausser dem Gemeinde- und Bürgermeisterhause und einigen grossen Wohngebftuden italienischer Nobili, von der demfitigen Bevölkerung .palazzi* genannt, findet man dort nur ArbeiterhOtten mit halbverfallenen Tre ppen, zenissenen Dächern und mit Papier verklebten Feiisterscheilx'n." Dass man es aber da nicht mit einer Neubildung, sondern mit einer ins achtzehnte Jahrhundert zurückreichenden Kolonie zu thun hat, beweist das um 1795 angelegte »Catasto della Frazione di Pfatten". Damals schon war namentlich die Familie Tevini (jetzt

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85]

Die Nationalitäten in Tirol etc.

423

zu Piglon ansässig) im Besitze Tieler Grundstücke, welche in diesem Ealaater yeraeidmet «nd, und Y<m «mem Teil doraeIb«n lifiisst es BL 49: «Diese Qttter and durch Stiftbrief yom 16. Juni 1714 dem

Herrn v.Thanvini8chen(Tevinischen)Fideikommi88 einverleibt.* In neuerer Zeit haben einzelne deutsche Bozener Fiimilien, wie namentlich die V. Menz und Ftraumer, ihro hiesigen Besitzim^^on an Italiener, speziell an die Birti, überlassen, wodurch das italienische Element da gekräftigt und erweitert wurde. Indessen halten aucii die deutschen Besitzer, welche bier begütert sind, dnrcbgebends italienisebe Kolonen (Bauleute), und die durch jene Eigentumswechsel in italienische Hftnde geratenen Hdfe der Tedeschgen- oder Pellhamerhof, das Nikolo- oder Ganellenhaus, der Markolinhof waren, wie aus diesen ihren Benennungen erhellt, schon vor Zeiten in solchen Händen. Aehnlich verhält es sich auch mit Kaltem (12. 121, Note 3; 133, Note 2), Tramiu (12. 133, Note 2; 159, Note 19), Kurtatsch (s. ebenda), Margreid (s. ebenda) und Kurtiuig (s. ebenda). Zu Tramin erklärte nod im Jahre 1381 eine Frau die Absicht «Tiyere secundum Curiam Romanam" (38. Reg. 1 1 13). Um Kurtatsch besassen in den Jahren 1272 1283 die Ferandel von Trient Lehen, welche Nikolaus von Flavon ihnen übertragen hatte (38. lieg. 104, 123, 165). Den stärksten Anprall italienischer Be- gehrlichkeit hatte Kaltem zu bestehen, welches erst im Jahre 1(581 das Trientner Statut mit der tirolischen Landesordnuug vertauschte (55. 5. 124) und 50 Jahre zuvor noch in dem Masse f&r ein geeignetes Objekt derartiger Bewerbungen galt, dass der Kunzleibeamte Andrea Qodino im Jahre 1634 mittels eines italienisch geschriebenen Gesuchs um die Stelle des hiesigen landesfürstlichen Pflegers anhielt. Bald darauf gelangte der Regierungssekretär Bonetti in den Besitz der Gugend, wo Später die adeligen Ansitze Ringberg und Ehrenhausen sich erhoben (68. 2. 808). Am meisten vor derartigem gefeit war binwider die Ortsgemeinde Eppan, bis in neuerer Zeit der Blosenhof an der nach Bo/i n führenden Strasse die Zufluchtsstätte italienischer Jesuiten wurde, (welche indessen rasch wieder denselben verliessen) und das Bedürfnis nach billigen Arhoitskriiften auch hier italienischen Taglöhnerfaniilien Eingang verschallte. Dass der Trientner Domherr Jakob de Banissis, welcher im Jahre 1518 Pfarrer von Eppan war, diesem Orte einen

Sei ehrten Schulmeister zudachte (A. f. Gesch. u. Altertumsk. Tirols, L 868), hat vielleicht die Einführung italienischen Unterrichts bezweckt, war jedoch von keiner nachweisbaren Wirkung. Ebenso wenig hat es den deutschen Charakter der Ortsgemeinde Fenberg alteriert , dass im oberen Teile derselben mehrere Höfe Eigentum des Grundbesitzers Joh. Zadra von Mezzolombardo wurden.

Nicht einmal die im Jahre 1774 begonnene Trockenlegung der Sfimpfe bei Tramin hat auf die BeTÖlkerungsrerhUtnisse der Gegend zwischen diesem Markte und dem Kälterer See einen wesentlichen Ein- fluss geübt. Zwar sank dadurch der Spiegel des Sees, wahrend auf der enisumpften Fläche viele tausend MaiillHM rliiUime gepflanzt wurden, deren Lauberträgnis Peter von Unterriclitt r im dahre 1829 auf OOUU 7000 Stärke schätzte. Gerade aber die hierauf basierte Zucht der Seiden- würmer hielt liier Italiener fest, welche sonst bei verbessertem Klima

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424

BidermaoB,

BeutBchen hfttfcen weichen mfiseen. Und darunter mOgen Familien sich befunden liaben, deren Voreltern des Reisbaues wegen hieriier be- rufen wurden, von welcher um das Jahr 1680 in der Traminer Gegmd

betriebenen Kultur das von Botanikern bcobsuhtete Vorkommen der Reispflanze in derselben noch jetzt Zeugnis ablegt. Wie, von Platten abgesehen , die Dinge am rechten Etschufer jetzt liegen , veranschau- licht nachstehende, den Aufzeichnungen Dr. Angerers (4. 23—25) ent- lehnte Uebersicht:

Gewerbe-

darunt*^ 1

Grund-

darunter

Schnl- danmter

treibende :

Italiener:

besitzer :

Italiener :

kinder: Italiener:

Eppan

160

4 1

1141

r>70 21 »)

Kaltem

138

5 i

1300

30») 8')

42U 1

Tnunin

65

1200

sämiUeh deutsch

Eurtatech

78

1 1

747

6^)

290 10

Margreid

27

4

97

6

112 11

Kurtinig

5

2

113

21

2.

Damit müssen freilich die diurch die letzte Volkesahlung gewon- nenen, oben mitgeteilten Zahlen yeiglichen werden.

B. Dentsehe unter BouAnen.

L Das Gebiet der Dolomiten.

(Die Thäler Eneberg, Gröden, Buchensteia, Ampesso, Fassa, Fleims,

Cembra und PrimOr.)

Dieses am weitesten ^'egen Norden gelegene romanische, und zwar mit geringerer Ausnahme ladinische Sprachgebiet, begreift in sich: ▼cm Politischen Bezirke Bozen (Gericht Kastelruth) die Ort.s- genieinden St. Ulrich mit 179 Deutschen neben 1090 Romanen, St. Chri- stina mit 76 Deutschen neben 775 Romanen, und Wolkenstein (mit 12 Deutschen neben 894 Romanen) nebst denEastelrutiier Gememdefink- tionen Pufels (5 Deutsehe, 137 Romanen), Runggaditsch (4 Dentsehe, 224 Roninm ii) und ITeberwasser (28 Deutsche, 238 Romanen). Diese im Grödnerthale gelegenen Oertlichkeiten hatten also bei der letzten Volkszählung 3858 Romanen und bloss \'M Deutsche zu Bewnhiu ni.

Vom Politischen Bezirke Brunek gehört hierher der Gr- riclitsbezirk Eueberg (ladnii:>ch Mar^, italienisch Marebbe) mit bloss 69 Deutschen unter 5464 Ladinem. Davon entfiülen ain die Ortsgemeinde dieses Namens 58 und hienron auf den eine Fraktion derselben bildenden Qerichtssitz St Vigil 40. Ausserdem wurden in der Fraktion Plaiken 7 und in der M'pi't zerstreuten Ortsgemeinde Abtei (Badia) gleichfalls 7 Deutsche angetroifen. Das Ampezzothal, so-

') Zum Teil verdeutscht.

Sämtlich verdeutacht. *) Zur Hehnahl Angehörige von Taglöhnerfkanflien.

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37] I>ie Nationalitfttea in Tirol ete. 425 *

weit es hier überhaupt in Betracht kommt, ist identisch mit dem Ge- richtsbezirke Ampezzo, dessen 248 deutsche Bewohner, 52 aus- genommen, auf Rechnung der Militärgarnisou zu Cortina zu setzen sind. Er und der Gerichtsbezirk (Thal) Buchenstein (Livmallongo), welcher im ganzen mir 9 Deutsche 6 zu Arabba, 3 sni GoUe SfaL Ludft aufweist, macben zusammen den Politischen Bezirk Ampezzo (Hayden) aus, WO 6024 Romanen den 257 Deutchen gegenüberstehen. Die Tiiäler Fass-a und Fleims entspreclien dem Politisclicn Bezirke Cavalesc, dessen 2 Uurichtsbezirke sich mit den betretienden Thal- gebieten decken. Im Gerichtsbezirk Cavalese (Fleimserthal) gibt es von alters her 2 grösstenteils deutsche Ortsgemeinden, welche frei- lich an dessen nordwestlichem Grenzsaume und somit auch in der näch- sten Nachbarschaft des vorwiegend deutschen (unteren) Eischthales liegen, nämlich: Altrei (Anterivo) mit 430 Deutschen neben 89 Ro- manen, und Truden (Trodena) mit 481 Deutschen neben 21 Homanen. Im Markte Cavalese wurden ISG Deutsche (neben 1*J5*J Romanen), im Dorfe Predazzo 132 Deutsche (neben 2911 Romanen) gezählt; das waren aber hier bis auf 22 und dort bis auf 60 durchwegs Soldaten. Die Gesamtsumme der im (Jerid^tsbezirke CaTalese verzeiolmeten Deut- schen beträgt 1239. Wenn man Ton jenen 2 deutschen Ortsgemeinden und vom Müitär absieht, gab es also im ganzen von 17 610 Romanen bewohnten Fleimserthale bloss 101 Personen, die sict zur deutschen Umgangssprache bekannten. Von diesen lebten 3 zu Moena, 4 zu Tesero, 2 zu Bosin (Ortsgemeinde Ziaiio) und 1 im Dorfe Castello. Der Gerichtsbezirk Fassa aber zählte nur ihrer 6. Gleiches gilt Tom Gerichtsbezirk Oembra, einem Bestandteile des Politischen Bezirks Trient, und vom Politischen (zugleich Gerichts-)Bezirk Primör (Primiero). Die 3 letztgenannten Gerichtsbezirke mit einer einheimischen Ge.samtbevölkerung von 23 971 weisen also zusammen nur 18 (einheimische) Deutsche auf.

Geaamtsumme des Dolomiten -Gebietes: 1708 Deutsche (neben d2 456 Bomanen).

Das Thal Eneberg hat sich, von einzelnen Adelsfamilien ab- gesehen, welche, wie die Ilinkwein, Rost, Prack, Rubatscher, Engelmar und Kolz, sich daselbst Ansitze erbauten (Resch, Monum. veter. Eccles. Brixinensis, Brix. 1765, pax'. (51), nie der deutschen Einwanderung er- schlossen. Aber von der tiei ichtssprache sagt Jos. Th, Haller (3<). 57) : , sie „ist und war von jeher die deutsche Derselbe versichert auch, dass das münnUche GMchlecht dieser Sprache grösstenteils hinreichend kundig sei, dass sie des Verkehrs mit den benachbarten deutschen Gegenden halber für unentbehrlich gelte und deshalb die Knaben ge- wöhnlich schon in frühester Jugend als Hirten in deutsche Orte ver- schickt werdt n. Seit die Volksschulen in Tirol allgemeiner geworden, nehmen derlei ladinische Knaben dort, wo sie zur Erlernung des Deut- schen sich aufhalten, auch an dem Schulunterrichte teil, und viele aus ihnen haben schon zum Besuche Ton Mittelschulen sich emporgeschwungen (12. 159, Note 22).

Aus früherer Zeit sind Eneberger bekannt, welche mit Hilfe der deutschen Sprache zu hohen Staatsämtem gelangten, wie namentlich

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Kas^ifin Tunicretschor, vom Faiiüliensitze Turneretsch zu Welsch-EUen so genannt. Allein die Verfü<riin«^. dass auch an den Volksrhulen des

beteiligten Klerus, sich mit dieser Sprache n&her zu befassen, zurQck-

zuführen ist. Der letztere gibt nämlich der italienischen Sprache, in WfMier er eine veredelte Form der ladinischen erblickt, den Vorzug. I)ie bäuerliche Bevölkerung des Thaies dagegen erklärte sich anfangs mit jener Verfü|jung vollkommen einverstanden. Siehe den Aufsatz „Die Spraohenfrage in den ladinischen Volksschulen*' in Nr. 10 des , Tiroler Schulblatts* Tom Jahre 1876 und die pdemiache Erörterung ^Wohin gehört di» bidinische Volkssprache im Gaderthale?*' in Nr. 104 des „Boten für Tirol und Vorarlberg" vom Jahre 1876 (Extrabtilag» ). Wie wenig die Italiener des Mittelalters von nationaler Verwandtschaft zu den Ladinern Enebergs sich hingezogen fühlten, lehrt das Beispiel des Nikolaus von Prack, der, als er um das Jalir 1308 aus Verona in dieses Thal flüchtete, noch den italienischen Familiennamen Cane trug, jedoch bei Gründung des Ansitzes Asch nichts Eiligeres zu thnn hatte, als denselben ins Deutsche zu Ubersetzen (Stephan v. Maj-rhofen, hand- schritll. Genealogien a. a, 0., Art. »Prack"). Die Ladiner des Thaies Groden zeigten sich gleichfalls bis in die neueste Zeit herauf geneigt, mit Hilfe der di utschen Sprache deutsche Bildung sich anzueignen. Die Insassen der Kuratie St. Ulrich bedungen sich unterm 10. März 1013 beim Pfarrer Yon Lajen, dass er ihnen stets nur einen auch der deui^ sehen Sprache kundigen Priester als Seeborser sende (81. 11). Aber die Verfügung der kompetenten Schulbehörde, dass in Zukunft der Unterricht in den dortigen Volksscliulen ausschliesslich in dcutsch. r Sprarhe erteilt werde, hat die Thalbevölkerung unangenelini berührt und Gegenvorstellungen veranlasst (siehe die Erklärung der 3 (u ineinde- vorsteher des Thaies in der Extrabeil, zu Nr. 30 des „Boten f. Tirol u. Vorarlberg" von 1882). Vom Thale Buchenstein ist zwar bekaimt^ dass es wiederholt deutschen Gerichtsherren gehorchte (08. 2. 506). Auch galt hier ein dem Wesen seines Inhalts wie dem Wortlaute nacJi deutsches Statut {^^^^. 123), Aber »b'r deutschen Sprache liat sich die hiesige Bovrilkerung ilessenungeaclitet nie zugewendet, noch haben je l)eutstlie dieses abgelegene Thal aus freien Stücken sich zum Auf- enthalt gewählt. Nur als Beamte und als Finanz wachorgaue haben solche zeitweilig hier gewohnt.

Anders verhält es sich mit dem Fassa thale, für welches der Brixener Fürstbischof unterm 20. Oktober 1550, als Martin Boymont zu Payersberg hier sein Hauptmann war. eine Gerichtsonbuing erlios«; der Artikel 17 bestimmt, dass von den 4 Rednern oder Gerichtsbei>t;iiulen jederzeit 2 der deutscheu Sprache kundig zu sein hätten, was kaum verordnet worden wäre, wenn nicht inmitten der ThslbeTdlkerung da- mals ein BedUrfiiis darnach bestanden haben würde. Und in der That war dan»»1« unter den Geschworenen des Gerichts Fassa ein Sebastian Mayr, so wie einer der bereits fungierenden Redner Baptist Gottschalk

hiess (Bote f. Tirol u. Vorarlberg, Jahrg. 1836, Nr. 73 ff.). W^ahr-

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Die Nationalitäten in Tirol etc.

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scheinlicli haben die deutschen Amtsleote der Brizner Bischöfe: 1451 Job. Mllhlberger, 1490 Leonhard Völser, 1534 Stephan Larcher (53. 2. 186, 187) die Voraussetzungen dafür begünstigt. Seit der Säkulari- sation des Fürstentums Brixen (1803) gehört das Thal ohne Unter- brechung grösseren Yerwaltungsverbiinden an, für welclie (Vw itjilienische Sprnclie Amtssprache war uud ist; daher kam auch die deutsche hier ganz ausser Gebrauch.

Vom Fleimserthale darf gleiehfaUs behauptet werden, dass daselbst zu Anfang und um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts Deutsche in grösserer Anzahl lebten *) oder mindestens die deutsche Sprache hier verbreitet war, wa.s namentlich vom Hiiuptorte Cavalese gilt (12. 112, Note 1). Einzelne Worte der Thalsprache, wie: amesc für Harnisch, schiera für Schar, fodera für Futter, tasia für Tasche, staiiga für Stange, weisen auf noch ältere germanische Einflüsse hin, und tlie Agrar- Terfassung des Thaies trägt, namentlich was die Nutzungsrechte an den Alpen betrifft, Merkmale davon, deren Ursprung vielleicht in die Langobardenzeit zurUckreicht.

Bis mm Jahre 1839 wechselten sünitliche Alpen (Almen) und sonstige Triften, welche in einer bestimmten Gebirgshöhe liegen, von 4 zu 4 Jahren zwischen 4 Gruppen von Thalgemeinden, welche Quar- tieri hiessen und im Jahre 1(354 gebildet worden waren, um das sogen. Rotieren zwischen den einzeben Nutzungsberechiagten zu vereinfachen. Im erstgenrumten Jahre wurden jene Flächen versuchsweise unter die 11 Gemeinden des Thaies zur bleibenden Nutzniessung aufgeteilt, und da während der folgenden 10 Jahre kein Einspruch dagegen erhoben ward, gewann diese neue Einrichtung im Jahre 1848 feste Gestalt. Aber das Eigentum daran steht noch immer wie vor einem Jahrtausende der »Genendgemeinde Fleims* (communita generale di Fiemme) zu, welche die 11 Thalgemeinden in sich begreift. (Den Ausscbnss der- selbe bilden die Vorsteher letzterer unter einem von ihnen entweder aus ihrer Mitte oder sonst aus der Thalbevölkerung gewählten Präsi- denten: Scario), Sie konnnt jetzt nur mehr als VernKigensgcmeinde in Betracht. Aber vor Zeiten hatte der Vorsteher des ganzen Thaies grosse Befugnisse und wälüten ihn die Regolani der 20 Dörfer, ni welche das Thal damals zerfiel, mit dem Bestände besonderer Wahl- männer, die von den Stinunberechtigten der 3 Qnartieri, denen der regfierende Scario nicht angehörte, dazu entsendet wurden. Der ganze Wahlvorgang trug allerdings mehr ein roinanisches als ein germanisches Gepräge (so wurde z. B. der Gewühlte unter dem Schalle der grossen Glocke „al Banco della itagione" proklamiert, und es üind eine Vor- wahl der Kandidaten statt, unter welchen dann die Gesamtheit der Wähler zu wählen hatte); allein es ist nicht zu ermitteln, ob ihm ein uraltes Herkoramen oder nicht vielmehr die zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts im italienischen Geiste ersonnene Reform des Fleimser (kmeindewesens zu Grunde lag. Am Eingange des Thaies (zu Capriana,

Aus einer deutsch geschriebenen Eintrulc der Tri entner Bürgerschaft vom Jahre 1431 (im laadschaftl. Archiv zu Innsbruck, liehältms V. 19/3) erhellt, duss damals der Friettor Rndolph aut Sachen Pfiurrer im Fleimserthale -war.

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Bidermann,

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Val Florians und Stramentizza) galt bis zum Jahre 1777 die deutsche

Bauoraerbfolge so gut wie noch später in den deutschen Gemeinden Truden und Altrei (93. 1. 251, Note 49). Zur Auffrischung dt iitschen Wesens hat da gewiss beigetragen, dass im Jalire 17G6 zur Verhinderung des Wein- und Branntweins» Innuggels deutsclic Tnvaliden ins Thal ge- legt wurdeu, und duss im ioigeudeu Jaiire (1707) die Geschäi'tsünua .Stabinger und Weber* zu Gasfcdlo eine Glasfabrik errichtete. SiAterhin waren Gerichts- und Forstbeamte die einzigen Beprilsentanten desselben. Im Ccnibra-(Zimber-)thale hat diese Einwirkung kaum Platz gegriffen oder höchstens in sehr alter Zeit bestanden. :ils noch die Herren von liottenburg Lehenti iiger der Herrschaft Segonzauo waren. Nichtsdesto- weniger scheint es auch hier einst Deutsche gegeben zu haben. Denn um da« Jahr 1412 war Joh. Zeiss aus Boptingen in Schwaben (16. 284) und 1521—1533 J. Chr. Naglbeck Pfiurrer ron Gembra (IC. 297) Seit dem 20. September 1 535, wo der Trientner Fürstbischof die vorgenannte Herrschaft der freiherrhchen Familie Prato verlieh, verblieb sie bei dieser Familie bis zum 18. Juni 1821, wo dieselbe auf die Gericht.s- barkeit Vf r/.it ht leistete (3. 112). Ebenso war das kleine Gericht Grumes (Grumeis) lange ein Lehenbesitz der Herren v. Barbi, bis im Jahre 1785 der Dynast von Königsberg, Graf Zenobio , dasselbe an sich brachte. Seine Verfessung war damals schon durchaus itaUenisch, und seine Vcit inigung mit der Herrschaft Königsberg änderte hieran nichts (Bibl. Tirol., Handschr. 1294, III), Dass das Cembrathal eine Zeit hindurch Raststation der Cimbern gewesen, welche das Gebirge im Rücken von Verona und Vieenza besetzten, ist zwar mehrseitig be- hauptet worden, doch fehlt es an Beweisen dafür. Schulen mit deut- scher ünterrichtsspraehe gibt es zwar nur in den deutschen Ber^- gemeinden Traden und Altrei; doch f&r Unterricht im Deutschen ist nunmehr auch zu Malina, Dajano, Varena, Cavalese, Masi, Tesero, Ziano, Predazzo, Penia, Pozza, Ferra, Campitello, Canazei und Alba gesorgt (die letztgenannten 6 Orte gehören mm Gerichtsbezirk Fassa, die übrigen zum Gerichtsbezirk r'avalese). Je spärlicher die Spuren des Deutsch- tums gegen die Mündung des Avisio in die Etsch zu werden, desto reichlicher sind sie ftir einen bestimmten. Zeitabschnitt in der Geechichte des Thaies Frimör zu finden. Wl^hrend dessen Statut vom Jahre 1376, ungeachtet das Thal kurz vorho* unter österreichische Herrschaft ge- kommen war, mit Genehmigung des Bonifaz de Lupis di Parma,' der damals als Kapitän des Castell della Pietra di Primiero die Podesta- würde im Thaie bekleidete, ins Leben trat (55<. 8. 79), also damals der deutsche Einfluss dort sicher noch gering war, belebten es gegen Ende des f&n&ehnten Jahrhunderts deutsche Bergknappen, £e im Dienste deutscher ünteniehmer und unter der Obhut deutscher Betg- richter standen. Den Akten des Innsb. Statth. -Archivs ist darttbtf folgendes zu entnehmen: Am 18. Dezember 1477 erliess Erzherzog

') Vielleicht hängt das Vorkommeu einer deutschen Bevölkerung um Cembra mit dsn Berggruben zusammen , welche laufc emem im Jahre 1480 ftlr die Unter- nehmer ausgofstollten Freibrifft^ des Herzogs Siegniund von Tirol zu ,Wayd ab Fungsberg' im Gerichte Königsberg sich befanden (U3. 1. 126). Wayd ist wohl JVkSao, <tetlich yon Webch^HicbaeL

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Die NatHMUÜiateii in Tirol eto.

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Siegmund von Tirol eine Bergordniing für das , neuerfundene" Bergwerk in Priraör; 3 Jahre später grub liier Anton v. Rost auf Bleierze, die er jedoch der Entlegenheit des Thaies halber ins Ausland abzusetzen gezwungen war, und im Jahre 1482 wurde die laufende Steuer darauf um die Hälfte herabgesetzt, was auf ungünstige Betriebsverhältnisse lundentet. Trotsdem war damals das deutsche Element in Primör so stark, dass die Thaibevölkerung im Jahre 1486 zum Tiroler Landtag einen deutschen Abgeordneten (Hans Almer von Mezzano) entsendete, ein Michael Wettinger Wahlmann war und die Wahl unter der Leitung des Gerichtsverwesers Leonhard Eckhart von ,Wyenn an der Leyt (sie!)* vor sich ging. In den Jahren 1490 1493 klagt der liiesige Berg- richter O&eofurter Uber schlechte Erzgewinnunff, und im letztgenannten Jahre scheint es daselbst zu einem Au6tande der Knappen gekommen zu sein. Denn die Chronik des Haller Salzamts berichtet zu diesem Jahre: „Ist der Zug ins Primör beschehen der Aerztknappen halber daselbs." Es hängt wohl damit zusammen, dass das Gerielit Priniör auf dem Tiroler Landtage von 149(3 durch 2 Italiener (den l\'ter Marcoli und den Bai-tolom Francischiuelli) verti-eten war (11. 155). Bald jedoch hob sich wieder der Grubenbetrieb. Eine landesftrstiiche Konzession vom 4. Juli 1511 begOnstigie die Gewerke am Gämbsberge in Priniör. In diese Zeit fallt die Existenz eines «Teutschhofs* in PrinKir. welchen Leonhard Feyrabend dem Kaiser zur Tilgung einer bchuld abtrat inv] von diesem als Zinsgut zurückerhielt. Kin Bürger von Hall im Inutliale übernahm als Vormund der Kinder jenes früheren Besitzers die Bewirtschaftung des Hofes und nahm daselbst seinen Aufenthalt. Bald darauf (1522) meldete sich ein Italiener, Kaspar de Johann (?) aus Ferrara, mit dem Anerbieten, diesen Hof, welcher offenbar den Afittelpunkt des Deutschtums in Primör bildete, durch Kauf zu erwerben; er wolle, erklärte er, wenn man ihm denselben unter leichten Bedingungen llberliesse, sich „haushäblich" da nieder- lassen und den Bergbau betreiben. Den Vermittler machte Matthias Paumgartner in Primör. Und in der That trug ein Befehl der Inns- brucker Hofkammer vom 9. Oktober 1522 den landesf&rstUchen Be- amten dortselbst auf, dem Angebote zu willfahren. Das Jahr zuTor hatte Hans Ketzer aus Augsburg den Hof samt Zugehör aus dem Nachlasse des Berchtold Feyrabend erstanden. Damals ging das dortige Bergriehteraint von Siegmund Göhl an Leonhard den Vingerl \\her und war Siegmund Schüchtl iandesftirstlicher Pfleger zu Primör. ISocli einmal flackerte deutscher Unternehmungsgeist daselbst auf. Der Augsbui^g^ Bürger Sebastian Wurmb Hess sich und mehrere Ifitgewerke im Jahre 1544 mit einer Oml)« zu Raganel belehnen. Aber schon hatten italienische Holzhändler da Eingang gefunden, und der steigende Preis des Holzes hemmte den Bergwerksl)etrieb. Im Jalure 1548 befasste sich mit diesem Geschäfte Dr. Simon Fedricola, 1(503 der durch seine Scliiilaiirtsprojekte bekannte Joh. Baptist Someda, 1639 eine Gesell- schaft, deren Hauptteilnehmer PetriceUi, Angeli und Macarini hiessen. Inzwischen (2. Januar 1568) hatte sich Eizherzog Ferdinand von Tirol bestimmt gefunden, das silberhaltig^ Bollwerk in Primör dem Simon Botsch und dessen (zwar nicht genannten, aber ohne Zweifel italienischen)

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Bidennami,

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^Mitverwandten" unter der Bedingung zu verleihen, dass sie alle Erzeugni>ise desselben ins Yen ctianische absetzen. Diese Verleihung bedeutet wohl das Erlöschen des Deutschtums in Primör, an das übrigens noch gegenwärtig Terschiedene OertUchkeitsDamen dort erinneni, wie z. B. die zum Dorfe Tonadico gehörigen EinzelhOfe Stzosser, Beizer und Nichene, der Weiler Calderer, die Berge Arzon (Erz), Sptazzi (Spitz), Calaita (Kahle Leithe), die Alpen Grugola und Loch u. s. w. '). Wenn ja die eine oder andere deutsche Knap]ienfaniilie die erwähnten Besitzweclisel überdauerte, so wich sie später den Jierju^amasken, deren die Pächter der Frimörer Eiseugruben sich bei deren Bearbeitung zu bedienen pflegten.

1^ n. Heus- und Snlzberg.

Hierher gehören vom Politischen Bezirke Trient die mei- sten Ortsgemeinden des Gerichtsbezirks Mezzolombardo (mit 9484 Ro- manen), in welchen aber bloss 2 Deutsche angetroffen wurden, und der ganze Politische Bezirk Cles mit 1899 Deutschen (neben 47 595 Ro- manen). Von diesen «itfallen aber auf dtu Gerichtsbezirk Malb (den Öulzberg) bloss i). davon 3 auf das Dorf Alal^, den Sitz des Gerichts. Die übrigen wohnen im Hintergrunde des Nonsberges. wo sie ganze Ortsgemeinden bilden, dann in der Nähe dieser und im Markte Cles, dessen 245 Deutsche übrigens zumeist (nämlich 224) als Sol- daten kein ständiges BevOlkerungselement sind. Von den deutschen Ortsgemeinden gehört das Dorf Proveis, 436 Deutsche neben 99 Ro- manen, zum Gerichtsbezirk Cles, welcher auch die nahe dabei gelegene Ortsgemeinde Runio mit 1») Deutschen (neben 1321 Romanen) in sich schliesst. Drei andere deutsche Ortsgemeinden: St. Felix, 32(3 Deutsche neben 4 Romanen, Laurein (Lauregno), 491 Deutsche neben 10 Ro- manen, und Frauenwald (Senale), 348 Deutsche neben 8 Romanen, sind Bestandteile des Gerichtobezirks Fondo, in welchem ausserdem am Gcrichtssitze (Fondo) 7, zu Cavareno 3, zu Romeno 2 und zu Ruffrfe 12 konskribiert wurden. Ausschliesslich deutsch ist die Sinablana benannte Fraktion von Laurein und. mit Ausnahme einer einziiren Person, deutsch die Malgasott benannte Fraktion von Fraueuwaid, sowie die ebeudahiu zuständige Fraktion Unterau.

Oesamtsumme des Nons- und Sulzberges: 1901 Deutsche (neben 57 079 Romanen).

lieber die Entstehung und den Bestand der genannten 4 deut- schen Ortsgemeindt n des Nonsberges gibt das im Litteratur\'erzeichuisse unter 79 auigeführte Werk (1. 831 ff.) die besten Aufschlüsse. Sie gelten

'J Montebello (4U. 439, 445) bezeichnet die vielen deutschen Bergknappen, welche vm 1480 in PritnSr anwesend waren, alt die Gründer des Hanptorti rietm

di Priniiero und meldet, duKs zu seiner Zeit (Ende des a( htzt-hnten JtihrhunderU) die Wappenscbilde der vomehnu>ten Gewerke in der Pfarrkirche zu Pieve hingen. Er nennt als solche die Römer von Maretsch (am wddier Boxener Famflie 1555 Jakob Hauptmann in Priniör war), die KaadtB, die Raest (Rort), Sweis (Weiss ?X Woest(?), Sieyeat (Ney deck?).

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Die Nationalittten in Tirol etc.

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im allgemeinen ftir Ableger der benachbarten Gemeinden des ültoi- thales und der G«'meinde Tisoiis im Hauptthalc der Etsch. Nur von den Proveisern und Laurengern wird behauptet, dass unter ihnen viele Nachkommen von Bergkna})j)en leben, welche aus entternteren Gegenden herbeikamen. Dieser Beimischung wird die von der Sprechweise der beiden anderen Qemeinden abweidiende Mundart und der ▼erschiedene Körperhabitus der TOfgenannten Qemeindegenossen z\igeschrieben. Die italienische Bevölkerung des Nonsberges belegt alle Einwohner der »Deutschgegend", wie diese ihre Wohnsitze selbst nennen, mit dem Gattungsnamen Cnosseri, was soviel als Bergknappen bedeuten soll. Einst war jedoch das Wohngebiet der Deutschen im heutigen Gerichtsbezirke Fondo und auch im Val Somargine, dessen westliche Abzweigung das Val di Rmno ist (wahrend in der Ostlichen die Ge- meinde Proveis sich erstreckt), weit ausgedehnter. Davon gibt nicht nnr der AVeiler Placeri (Platzer) im Val di Rumo, sondern geben auch bauerliche Familiennamen, wie Larcher 7ai Cavareno, Graif zu Romeno, Sraelzer zu Marzena (Ortsgemeinde Rumo), Conter zu Livö, Frank zu Cloz, Blasinger zu Fondo, Kessler zu Malosco bei Fondo u. s. w. ein beredtes Zeugnis. Die von jeher deutsche Pfarre Prov eis wurde in älterer Zeit wiederholt durch Seelsorger Tersehen, welche aus Rumo, Cloz und Fondo gebürtig waren; ebenso wurde die St. Christophs- kapelle in der Gemeinde St. Felix einst von Sarnonico aus besorgt, gehörte einst die ganze Gemeinde Proveis zur Pfarre Rumo. und <,'il)t es noch jetzt deutsche Bauernhöfe im Sprengel der Pfarren Brez und Revo. Zu Dam bei, das im Jahre 1480 ein Besitztum der später . gegraften Familie Fuchs war, wurden noch tot kurzem deutsche €to- briuche beobachtet (58. 2. 207).

Auf dem Schlosse Fondo residierten in älterer und neuerer Zeit deutsche Machthaber, so um das Jahr 1400 ein Burgherr Namens Eisenhöver, wider dessen Gewaltthaten die Unterthanen des Schlosses sich damals beim Landesfürsten in deutscher Spraclie ') beschwerten (i'rimisser's Kollektaneen in der Bibl. Tirol., Handschrift 253 alte Signat. Urk. 151) und im Jahre 1680 der Pfleger Jakob t. Heufler (79. 1. 758). Unweit Sarnonico steht die Ruine Mohrenberg, einst der Sita der gleichnamigen verdeutschten Familie, die sich durch kirchliche Stiftungen verewigt hat. Darüber hinaus liegt am h'ande des Mendel- gebirges die Ortsgemeinde Ruttre (Kufredo) , die Heimut des 1704 in hohem Ansehen verstorbenen Wiener Bürgermeisters Pet. .Jos. Kofier (41. 98) und noch heutzutage der Standort einer Schule, in wel- cher die deutsche Sprache gepflegt wird. Von der grltflichen Familie Arz, deren gleichnamiges Stammschloss einst das Vu di Rumo

*) Da«8 der Gebrauch dieser Sprache nicht etwa nur das Werk eines Schrei- bers, sondf^ni rltn damaligen BewoliriPm von Fondn -'Hist s^eläufig war. i-rijiht sich mit tn-osser Wahrscheinlichkeit aus einer gleiclueitigeu Urkunde, die im , Archirio Trentmo* (II. Bd. , 8. 254) abgednickt ist. Eine im Jahre 1402 dem Trientner Bischof Geur^j von d< r f lemeinde Fondo (Communitaa villac Fundi) \\hor- reichte Bittschrift um Bestätigung ihrer alten Statuten trägt nämUcli die Unter- tefadlft folmder Syndiker; Oeon^ Sohn de* Bott; Florine, Sohn des Julianns; Hendrich, genannt Robmar, Sohn des Randin.

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Bidemuuui,

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behütete, ist zwar, dass sie deutschen Ursprungs, nicht in Horn Masse gewiss, wie von der Familie Spaur, dem ehemaligen Gräfe ngesclilechte Flavon (über dossfn Anfänge Alb. Jäger in seiner ^Geschichtij der land- stündischen Veriaäsuug Tirols % i. Bd., S. 180 sich ni diesem Sinne g^ussert hat); allein sie und die Mehrzahl der Übrigen Dynastetf- geschlechter des Nonsberges haben die deutsche Abkunft eigent- lich nie \ rläugnet, wenn schon in neuester Zeit und im siebzehnten Jahrhunderte einzelne Angehörige dersell)cn zur itulieni-^chen Nationalität sich bekannten Das zeigt schon ilir ununterbrochenes Erscheinen auf den Tiroler Landtagen, wo übrigens auch Edelleute aus dem Sulz- berge von Zeit zu Zeit sich einfanden, welche man als Deutsche be- zeichnen darf. Speziell gilt dies Ton der im sechzehnten Jahrhunderte aus Schwaben eingewanderten Familie Heydorf, welche auf dem Schlosse Ossana hauste (41. 134), dann von Becdkem des Ansitzes Freienthurm 7m Terzolas, dessen deutsrlier Name schon auf seine Erbauung durch eine deutsche Familie hinweist. Allerdings wanderten auch italienische Familien in den Nons- und Sulzberg ein; so (nach Stephan y. Mayrhofens handschrittl. Genealogie) die Concini ans dem Mailftndischen um das Jahr 1375 nach CasOcz und Tuenno, die Gentfli aus der Mark Ancona um 1390 nach Denno und Nano, die Migazzi aus dem Valtelin um 1420 nach Gogolo. Aber auch sie unterlagen damals beim Verkehre mit dem schon vorhandenen deutschen Adel der Germanisation. ( Vgl. unten die Note auf S. 451.)

War ja doch der Haushalt auf manchen Schlössern des Nons- berges im iQn&elmten Jahrhunderte durch und durch deutsch, sogar mit Einschluss der Burgwftditer! Als ein durch EHnzelheiten beglaubigtes Beispiel sei hier das Schloss Alt-Spaur genannt, wi lches von 1307 1450 im Besitze der Familie Reifer und um das Jahr 1460 der Sclianplatz ehelicher Zerwürfnisse war, bei deren Schilderung der Inn.sbrm ker Archivar Dr. David Schönherr (s. dessen Schrift „Aus dem Leben des Ritters Christoph Reifer von Alt-Spaur etc.'', Innsbruck 1882,

von Eaufbeuem, mit den Knechten (Gereisigen) Haamhauser aus Hfin- eben, Brunner aus Landshut, Keutschacher au.s Kärnten, Hilpart von Hirsberg im Voigtlande, endlich mit einer Magd aus Neunkirchen bei Rosenheini (in Bayern), welche sämtlich in Reifers Diensten standen. Es wird daher nicht blo.ss in den Wallfahrten, deren Ziel die Pfarr- kirche zu Alt-Spaur war, begründet gewesen sein, dass die hiesigen Pfarrer Ton alters her der deutschen Sprache mftchtig sein mussten (s. ttb«r diese Forderung und die Torerwähnte Ursache 41. 113). Auch erklärt es sich hieraus, weshalb ein Kundschaftsbrief über die Leistungs- pflidit der zur Burg Visiaun (nächst dem Rocchettapasse ober Mezzo- Lombardo) dienstbaren Unterthanen zu Andalo und Molveno, deren Gerichtsherr im Jahre 1378 ein Reifer war, damals in deutscher und lateinischer Sprache ausgestellt ward (R. d. L Sch.-As. IV, 144) und

*) Als der am trü besten in diese <W'^end eingewanderte deutsche Edelmann iat wohl der im Rufe der Heiliffkeit gestorbene Bomedins «Tur nobüis ex Bavaria ortu**, der im aehten Jahrhimaerte am Thaur im hmthale suzog, ca befaachtM.

S. 22) uns bekannt macht

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JH» Nfttionalit&ten in Tirol eto.

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wie Tartarotti (77. 48) auf den Gedanken verfallen konnte, der in lateinischen Urkunden vorkommende Ausdruck ,campua Kotalianua" (Ar eine beim Bocchettapasse gelegene Fliehe) rOhre vom deutschen Worte «Rochihal* her. Ea lebte eben noch im achtzehnten Jahrhmidert die Erinnenmg an die vielen deutschen Ortsnamen fort, mit welchen diese Gegend vor Zeiten gleichsam besät war, wie denn z. B. auch in der Nähe des vorerwähnten Piusses ein Anwesen, welches der Weber- hof hiess, in einer Urkunde des 1. St.-As. vom 21. April lt)48 er- schemt. Noch sei aus der Mitte des Nonsberges der Ort Coredo mit den hier heimiechen Familiennamen Moncher, Widmann und Sicher, das Dorf Romalo als Sitz der adeligen Familie Clauser und das Dorf Tavon erwähnt, dessen Sprosse Anton Waldecher (Waldecker) im Jahre 1490 Richter 7U Königsberg war (11. 155), während dort im Jahre 1772 ein berüchtigter Strafprozess zwischen dem Bauer Ötancher und dem Priester Don Ziller sich abspielte (41. 99).

Also fast überall, wohin man im Nonsberge den Blick richtet, und mehrfach auch im Sulzherge (hierher gehOren noch die Eigennamen Chreifenberg zu Terzolas und Mal^, Pezen zu CroTiana,' Bischoff zu Pres- Bon) begegnet man Spuren deutschen Wesens: wenn schon nicht fort- dauernden Rroiinpen desselben, so doch zum mindesten Resten einer deutschen Vergangenheit. Dazu kommt, da.ss die bäuerliche Bevölkerung beider Thäler, die der Volksmuud Berge nennt, seit Jahrhunderten bestrebt ist, die Bekannftechafl mit der dentsehen Sprache fortan dadurch zu erneuern, dass sie einen Teil des mSnnlichen Nachwuchses nach Tisens, Mölten, Jenesien, den Ritten und in andere Gegenden der Etschregion sendet, wo derselbe in der Regel vom 9. bis zum 15. Lebens- jahre Hirtendienste verrichtet , wälirenddem aber die deutsche Sprache erlernt und zumeist fürs ganze Leben sich einprägt. Demzufolge sind die des Deutscheu kundigen Bauern dort zahlreicher als sonst irgendwo im italienischen Tirol, die hiesigen deutschen Sprachinseln ausgenommen. Deutsche Schulen sind ausser der bereits erwähnten zu Ruffir^: zu Lau- rein, St. Felix, Frauenwald und PrOTeis. Ferner werden in den Volks- schulen zu Malosco, Fondo, Ronzone und Revo Freikurse fiir Schüler, welche die deutsche Sprache sich aneignen wollen, gehalten.

m. Das Fendaathal mit 6m. Hohen Ten Vm6,

Dieses Gebiet, welches seiner ethnographischen Vergangenheit wegen hier als ein Ganzes ht liandelt wird und auch geographisch zu- sammenhängt, indem es das Verbindungsglied zwischen dem Etscli- und dem Brentathale bildet, setzt sich aus Bestandteilen des Politischen Bezirks Trient zusammen, von welchem der Gerichtsbezirk Civez- zano (das HShengebiet von Pin^) ganz hierher gehört, und dessen Gerichtsbezirk Pergine mit der Mehrzahl seiner Ort.sgemeinden hier in Betracht kommt. Der erstgenannte Gericht.sbezirk hatte Ende 1880, wenn man vom Gerichtssit/.o, der zugleich Gamisonsort ist, ab- sieht, bloss 3 Deutsche zu Bewohnern, welche sich auf die Dörfer Rizzoiago (Ortsgemeinde Baselga di Pinä), Miola und Montaguana

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Bidermaun,

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(Ortsgemeiiide Miola) verteilten. Im ganzen zählte er allerdings deren 39 (darunter 36 Soldaten am genannten Hauptorte). Der zweit ge- nannte Geriditsbezirk erstreckt sich mit seiner nördlichen Hälfte Uber das Fersinathal, und in diesem liegen fqpezieU fönende Ortn- gemeinden : Roncojjno . Vigalzano , Vinra<ro , Tanezza, ^ogar^ und Sta. Orsola ohne alle deutsche Bewohnerschaft, Serso mit 1, Madrano mit 3 Deutschen, Pergine mit 239 (wobei die 237 deutschen Soldaten der Qamison im Markte Pergine in Anschlag zu bringen sind), Fale- sina mit 180 Deutschen (rein deutsch), Frassilongo mit 276 Deut- schen neben 404 Italienern (und zwar im Dorfe dieses Namens 100 Deutsche neben 288 Italienern, und in der Fraktion Roveda 17«> Deutsche neben 176 Italienern), Fierozzo mit 331 Deutschen neben 352 Italienern (und zwar im Dorfe St. Feiice 1 73 Deutsche neben 218 Italienern und in der Fraktion St. Franzisko 158 Deutsche neben 134 Italienern), und Palü mit 454 Deutschen (rein deutsch). Anfang und Ende des Streifens deutscher Ansiedlunffen im Fermnathale sind also durch rein deutsche Dorfschaften markiert, wobei freilich die Falesina betreffende Angabe in Zweifel gezogen werden muss.

Gesamtsumme: 1473 Deutsche (neben 10 128 Italienern).

Auf den Höhen von Pine wohnten einst Deutsche Dorf au Dorf, wenn es schon nicht richtig ist, dass dies noch vor 100 Jahren der Fall war '). Aber im Jahre 1673 galt es noch von den DOrfem Hiola und Fatda, wShrend die Mehnnhl dieser Gebirgsbewohner bereits italienisch sprach (12. 113, Note 1),

Unter den aufrührerischen Bauern, welche im Jahre 1523 Trient bedrohten, war auch „Christel von Pin«?", und aus dem 1793 ge- druckten „Memoriale del Magistrato Consolare di Trento sopra il Diritto di essigere .... la spesa del rilacimento" erhellt (S. 33), dass im Jahre 1536 Johann Fux Vorsteher (Syndikus) der (Gemeinde Pin^ war. Gewiss gab es hier auch deutsche Bergleute, da um das Jahr 1070 auf dem Berge Gaza hinter dem Lago Santo, unweit der alten Kirche di Santa Colomba, Spuren von SilhcrLrruben und Reste von Pochwerken zu sehen waren (M. A. Mariani. Trento, Augusta 1073, pag. 478). Die Erinnerung an diese deutsche Vergangenheit war noch in Tar- tarotti so lebhaft, dass er (77. 44) die Ansicht äusserte: ,11 nome Fatda (di Find) venga del Tedesoo Faichten (d. h. Fichten)*. Vor kurzem ist das Bewusstsein derselben auch inmitten jener Gebirgsbewolmer der- gestalt rege geworden, dass der Lehrer Tonioh zu Bedol (einem Dorfe, das der Abdachung nach, auf der es liegt. ei»x<'ntlich zum Cembrathale zu rechnen wäre, jedoch dem in Rede stehenden Gebirgsstocke ange- hört) die seiner Obhut anvertrauten Kinder im Deutschen zu unter- weisen begonnen hat, in der Schule zu Vigo gleiches geschah (27. Nr. 227)

') Der daran unBchnldige tJriieber diese« Irrtama, der rieh auch in Dr. Mnp-

pergs Aufsatz: ^Bedroht^'s cUmtschcs «Mit" (47. Nr. 19) oiiigeschlichen bat, wcheint Christ. Schneller zu sein, der in seiner Abbandluns .Deatache und Romanen in Sadtirol' (Gl. 371) sagt : ^Noch vor kaum hundert Jahren hatte das deatache Element in Welschtirol eine viel grössere Ausdehnung .... da herrschte die deutsche Sprfu li»» noch bei dem kräftigen Volke der P i n a i ter im Thale Pin^ ober Trient . . . .* IVeilich beisst es da «bei' und nicht ^unter".

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Die Nationalitäten in Tirol eto.

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^ uud HowolU zu Fulda als zu Montagnana (Fraktionen der Ortsgemeinde Miola) das Yerlaugeu uacli solchem Unterrichte geäussert worden seiu soll (50. 18). Es soUen noch deutsche FamilifflnaTnen, wie: Stohser, Sraldi (Oswald), Redl, Slozzeri, unter ihnen yorkommen (-U. 53). Deutsche Lokalbezeicfanungen aus ihrer Mitte hat uns nebst der Nach- richt, dass um das Jahr 1 785 alte Leute dort noch deutsch nach Art der Cimbern sprachen, M. Pezzo aufbewahrt, indem er (54. 2. 42) schreibt: ,Pine chebbe a questa era delle attempate per- sone di Cimbrico parlare, e^li eziandio ha ü nome di Purga, Laude, Eopfel, Lemp, Falda e altn." Wahncheinlich gehörte diese Oegend TOT Zeiten zur Herrschaft Pergine; denn im Jahre 1376 trug Herzog Leopold von Oesterreich seinem Hauptmanne zu Pergine auf, die ünter- thanen aus den i^opsteien von Melan, Zivitzan und Boneyd zu den üblichen Urbarialleist iingen zu verhalten (R. d. 1. Seh. -As. IV. Bd., S. 14 Ij. Unter Boneyd ist da wohl Pineit (Pi^e) zu verstehen'). Was das Fersinathal anbelangt, so sind die deutschen Ansiedlungen im Hintergründe desselben allem Anscheine nach älter als die am Eingange teils vorhanden gewesenen, teils noch jetzt dort vorfindigen. Urkundlich geschieht ihrer aller mit Ausnahme Palüs, welches als Zu- irehör der Herrschaft Caldonazzo da nicht genannt ist, zuerst in dem \ ertrage Erwähnung, den die (Tesumtgemeinde Pergine (Persines) im Jahre llOü mit der Stadt Vicenza zu schliessen sich anschickte. Da enchemen die Seniores et Rectores ViUanim extra Burgum (Posines) et totius Communis et districtus Persines mit Ausnahme der Pom er- mani in Ploruts (Fierozzo) de Ariraania Domini (Gundibaldi, Reguli Castri Persines), und zwar ausser den Vertretern des Burgfleckens Persen, welche zugleich die Leute von Sivernach (Ziviixnuno) . Vallar und Val d'ürbano vertraten, Abgeordnete von Prato (Pradelle), Vierarh ( Viarago). Porteli (Maso Portolo, Bestandteil der Ortsgemeinde Canezza), Cuuestie (Ganezza), Brases (Brazzenighe) , Sertz (Serso), Artzenach (ein durch die Fersina zerstörtes Dorf zwischen Viarago und Canezza) , Madran, Nogareit (Nogar^), Cantzelin (Oanzolino), Bux (Bus), ÜTarda (Guarda), Viculzan (Vigalzano), Caxilin (Tiisulino), Co.sta (ein Maso von Vi<!;alzano), Susate (Susa) , Tanale. Oostasabma (Costasavina) . Riineou (Iloik o<^nio), Fraxilong (Frassilongo), Robure (Roveda), Hiscla (Ischia), Tenna, S. Cristoforo (am See von Caldonazzo), \'^^ola, Volchesten (Fale- sina), Castöneto (Gastagn^), Yolchnaur (val Canoiera, ehemals auch Valoonaia genannt), und Sta. Caterina (Fraktion von Castagne). Die Zusammenkunft dieser Gemeindevertreter fand im Kloster üvald (Wald) statt, welches wenige Schritte weit vom Burgflecken Pergine stand und nach einem 1854 gerodeten üeliölze, von dem es umgeben war, so genannt wurde. Der damalige Abt desselben hiess Teutwig. Ebenso deutsch Idingen die Namen der Abgeordneten: Benedikt, Sohn des Bumel, lUemar von Ganale, Alhrecht von Susat, Oebrik . . . von Oretung

•) ]^''t]n Weber sagt (83. 2. 500) vmi ihm Pinaitem: „Das Volk ist von gim/. eigentiunliciier Art. einfach in Sitten und Lebeuäweise, höchst aufrichtig und wortgetreu im Umgange und Handelsverkehr, von grösserer Tugend als Wortfiille, 80 da8f< Kt'iint'r nicht umsonst den reherrest eines deut sehen, in den VOlker- Zügen dahin verschlagenen Menschenstammes darin erkennen.*

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Bidenouuin,

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(Gereidt?), welcher als Mansaitu.s de Hochlait hezeiclinet ist, Halitmar, Sülm des Xich von Hiscia, Cutuvert (Gudebert V), Sohu des Kauch von Volclizurige (später Yaiczaig, heutEutage Yignola). Doch feblen aueh nicht romanische Namens wie: Malebrutus, Sohn des Dietrich von Yigalzano, Redox, Sohn des Brenta von Castagnd. Unter den Zeagm ist Benedikt, Sohn des Riprand von Padua als Einwohner von Pergine (habitator m Burgo Pesines) aufgeführt Die Ariinani von Fierozzo reichen ihrer Benennung nach in die Langobardenzeit zurück, und dass auch "Teihiehmer an jener Verschwörung gegen den Schlossherm Gunde- hald dieses Ursprungs flieh bewiuni waren, beweist die Berufung auf uralte Geltung langobardischen Rechts in ihrer ICtte, neben welchem noch die Lex Salica genannt ist als Zeichen späterer Nachschübe. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass die Bewoliner des Berg- distrikts von Fierozzo bis in die neuere Zeit ihre Sonderstellung be- haupteten. Sie standen unier dem Pfleger (Rentamtsbeamten), nicht unter dem Richter, der Hemchidt Pergine (93. 1. 257). JedenftUa iat die deutsche Bevölkerung daselbst Biter als der Bergbau, dem sie sich in spftterer Zeit widmete und welcher hödutens Ankss zu ihrer Yer- mehrung war (10).

Jene deutschen Gemeinden hatten das ganze Mittelalter hindurch an den zu Pergine gebietenden Hauptleut^*n der Herzoge von Oester- reich einen festen Rückhalt, welcher bis zum Jahre 1531, wo diese Herrachaft an das Füntminm Tiient abgetreten wurde, dauerte und gegen das Ende dieser Periode noch durdi den Aufschwung des hie- sigen Bergbaues unterstützt ward. Aber schon vor Be^rinn der oster» reichischen Herrschaft (1363) gab es in Pergine Hauptleute deutscher Nationalität, so z. B. im Jahre 130(3 den Gerhard Franzenspergher und 1349 den Kunz Zinclo (Concius Zinle) (40. 417). Der vSilbergniben zu Pergine (argentifodine Berzini in montanis) thut eine Urkunde vom Jahre 1331 in Verbindung mit dem Bergwerlce auf dem Gebiige Ton Yillanders ErwShnui^ (66. 66). Als das Dominium Pergine aufhörte, ein österreichisches Gebiet zu sein, behielt sich Oesterreich im dies- bezüg-lichen Vertrage vom 12. Januar 1531 gleichwohl vor. dass die Bergwerke ihm und den Fürstbischöfen von Trient zu gleichen Teilen zustehen und gemeinschaftlich betrieben werden sollten. Die damaligen Gewerke, welche um Bestätigung der Bergwerksfreiheiten von 1483 und 1502 baten, hieesen: Stephan Faisl, Peter Pfitecher, Max Stainer, Peter Prett, Blasius Synndl und Leonhard Hochstrasser (Trientner Lehea- buch Nr. im Statth.*Archi7e zu Innsbruck). Drei Jahre früher war auch noch der Aiifrs!)urrjeT "Rürnr^r Hans Ketzer am hiesigen Bergbaue beteiligt, welcher von nun an rasch in Verfall geriet Zwar fand der

*) S. die im Littt'raturvnrzeichniase unter 2h angeftlhrte Schrift . rleren An- hang obige Urkunde im Originaltexte enthält und welcher auch einiKe Naniens- deotnngen, wie ll dass Volchesten Flalesina, Volclinanr Val Canoiera ist»

entnommen sind. Ich hahe Inn Volchnanr ziinlichxt an (Viil) Caorze bei Caldonazzo

Sedacht. Ebenso stammen au» dieser Schrift die das Dorf Arzeuacb und die Lag« es Klosten Wald betreffenden Notizen. Die Uoclileiteii ist ein Berg südlich von Caldonazzo, weldier Ort dem Flusagebiete der Brenta aagehftrt, in OM der hihalt jener Urkunde auch sonst übergreift.

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49] IKe NaiionaUtftten in Tirol etc. 437

Sekretär eiues Kardinallegaten . <ler am Trit-ntner Konzil teilnahm, An*<elo Mavssarellü, als er im Jalue 1540 Pergine besuchte, auf einem einzigen Berge 32 Gruben, welche Kupfer- und Bleierze mit einem durchschnittlichen Silbergehalte von 2 Lot per Zentner lieferten (C. Giuliani im «Arch. Trent* I, 182); allein 3 Jahre zuvor hatte Franz von Castellalt, von den Innsltnuker Behörden aufgefordert, sich über die von den Bauern des Valsiigan angestrebte Freigebung <kr VVald- uutzung zu äussern, den Bergbau um Pergine als sehr herabgekomnien geschildert, und nach seiner Angabe waren von den 3 Gewerken, die denselben überhaupt noch fortsetzten, 2 bereits Italiener^). Frflher noch hatte im Orte Pergine das deutsche Element dem italie- nischen weichen müssen. Allem Anscheine nach tragen Seuchen, welche erstereni arg zusetzten, die meiste Schuld daran. In der zweiten Hälfte de.s fünfzehnten Jahrhundert.s siedelti n sich Familien aus dem Vaitelliu, dem Maüäudischen und Bergama.skischen dort an; um wie viel mehr erst aus der itaUemsehenNaehbaiMhaft! [Drei davon, die Yinci- guerra, Yenturini und Zecchini, blOhen noch jetzt (18. 14).] Aber noch eutbehrten die Deutsc lu n des Ortes und des ganzen Pfarrsprengels von Pergine, der sich mit dem Gebiete der gleichnamigen Herrschaft deckte, nicht der liel)evollen Fürsorg«- staninivcrwiiiidter Priester. Das Ver- zt;ichnis der Ptarrcr (18. 84- ^(1), welches Ijeiin .lalire l-UH mit Johann vou Meran beginnt, beim Jahre 1308 liiTÜ den liochus aus Deutsch- land (Rocco dl Alemagna), 1435 1444 den Jos, Tanner (Alemanno), 1452 1455 den Theodorich Kaschnitz ansLeissnig in der Diözese Meissen, 1401 1481 den Steph. Sigfried Taubenmajer aus der Augsburger Diözese anfuhrt, nennt für die Zeit von 1489 - 1'>'21 den Erzpricstcr Dr. Chri- stoph Clanier. Dieser, dessen Verdienst auch d<r Bau der l'furr- kirche ist, bemühte sich während der Pe.st vom Jahre löll, deutsche Priester um sich zu versammehi, und gewann u. a. als Chorkaplan den Zacharias Möckelin aus Kempten (in Schwaben), der seine Bereit- willigkeit zu kommen in einem an den Gemeindesyndikus Jos. Spitzer gerichteten Briefe zusagte (46. 894), Sein Nachfolger war aber (im Oktober 1521) ein Mailänder, der Trientner Dompropst Dr. med. G. B. Baldironi. der sich kaum durch einen Deutschen wird lialn-n vertreten lajssen, und weiterhin lösten sidi auf diesem Pfarrposteii mit einziger Ausnahme des Trientner Archidiakons Martin lseyde( k (1530 bis 1556) durchaus Italiener ab (18. 85). Damit ist mehr gesagt, als mit allen Einzelnnachweisen der Wirkungen. <\\v das iibtii musste. Indessen bekämpften die Deutschen selbst die ihnen kirchlicherseits drohende Gefahr. Bergknapp»^! von Fiero//n vtifteten im Jalire K>21 zu Pergine das St. Barbarabeuehzium , worüber nach Einstellung

') Die SchlackenhaldtMi bei Viarugo liess der eht'iuulige Kauiiutirgraf za Schoniniz in Ungarn, Andr. Vhr. v. Giovanelli, um das Jahr 1667 untenocfaen. Aber zur Wiederaufnahme der Er/fßrdfrung fand fr H otlpn(>;ir nicht VMnvofjcn. l)<'in Fallier Bergrevierc stattuteu am U. Juni 1Ü7U der üaupuuaun des ^fcblotit>eä Telyana, L. Roveretii, ein Trientner Eddmann namens Lmer mid der Priester M, Ä. Miuiar.i /\\it' dieser a. a, 0. S. 'tUl meldet) einen Besuch ab. bei wcichoin ^ie dort Anbrüche von Bleierz, weiter ubwärta Kupfergruben, die seit beiläuüg SO Jahren verlassen waren, und Rainen von Röstofen antrafen (vgl. 40. 24 ff.). VflndnaiiB snr deotielMB Land»»» und ToIUknnde. I. 7. 90

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Bidermann,

des Bergbaues die Bcrgdirdrtaon zu Hall im Innthale das Patronat ausübte, bis im Jahre 1842, xuusb dem Tode des letzten Benefiziateo,

das Stiftung^ vermögen der Marktgemeinde Pefgine für Schulzwecke eingeantwortet wurde (18. «)5) Vielleicht war es ein Akt ähnlicher Abwelir. (Im die deutscht' Kirchenbindersdiaft zu Tricnt (societii dei Irutelli Aiemani in Trcnto) unternahm, indem sie die Petruskapelle zu Pergine au äicli bracht^e. «Sie beuasä dieselbe im Jahre 1543; das Eigentum dsran ging aber bald darauf an die Familie Gulielmi aus Tessin über (18. 60). Die Deutschen räumten überhaupt in Pergine den Italieuem nur allmählich das Feld. Dies lehrt das Verzeichnis der hiesigen Gemeindevorsteher, in welchem noch bei den Jahren 1555, 1558. 15(>1. 15<>4, 15()7 ii. s. w., ja sogar nocb 170«> und 1731 1732 unzweiteUiaft deutsche Namen (zuletzt Moar = Maier und Autertoller = Afienthaler) erscheinen (18. 87 90). Die Familieu Lehner (aus Schwaz im Innthale), Bizer, Ghebel, Spitzer, Bollinger und Hof berger haben wiederholt aus ihrer Mitte solche Vorsteher hen'orgehen gesehen. So wurden denn auch noch am Schlüsse des achtzehnten Jalirhunderts bei der Karlskapelle im Friedhofe zur Fastenzeit einige Predigten in deut- scher Sprache gehalten {4ü. :595). Desto schneller griff italienisches Wesen ausserhall> des Marktes um sich. Von der Landgemeinde (Gastaldie) Viarago, welche ausser diesem Dorfe auch noch die Ort- schaften Serso, Ganezza, Portole, Mala und Sta. Orsola in sich begriff, ist bekannt, dass sie im Jahre 1522 auf einmal 35 italienische Familien, die bereits seit einiger Zeit auf ihrem Gebiete wohnten, in den Gemeindeverbanrl aufnahm (18. 15). Kein Wunder daher, dass laut dem Steuerbuche der Herrschaft Pergine vom Jahre 158(1 der Stand der Dinge damals folgender war: Im Markte Pergine (PersenJ und der zugehörigen Borfschaft Zivignano (Zivernag) machten, den Eigennamen der Steueipflichtigen nach zu urteilen, die Italiener be- reits die Mehrheit aus und sie überwogen auch unter den wohl- habenderen Besitzern, wenn schon der mit dem grössten Vermögen Eingeschätzte ein Deutscher war. Von der Umgebung des Marktes waren die Ortseliaften Koncogno (Koiiggin) und Canzolino (Chanzolin) ganz oder nahezu ganz italienisch; Serso (Zercz), Viarago (^'^ilrag) und Gasalino (Ghasalii^ Torwiegend italienisch; Ganezza (Khemietscfa), Portolo und Madrano halb deutsch, halb italienisch; Yigalzano (Vigalizan) und Nogare (Nogreid) fast völlig deutsch, und ebenso Fiilesina (Vali.se), Frassilongo (Gereidt) und Hoveda (Aiclileit). Die beiden letztgenannten Ortschattcn bildeten eine Prop.stei t\ir sich und zählten 3-13 fiinwohner. Zu Frassüungo gehörten die Bauernhöfe:

') Im .liihre 1 ")7:i iM^itund noch 7,u Pergine eine Messinghütte, wie aus den 80gen. Bekheimenbüchcrn <1»'h Innsbr. Statth.-Archivs erhellt; im Steuerbuche von 1586 wird sie als «alte Hütt« " emrtUmt, die den Herrn von Segonzano. d. h. der Frtmilie Trutn i^ohört«' PamaN .steuerte das hern^i-liaflliche UrViar zu Pt-rtrine nach der gleichen C^uclle jährlich 40 tl. zum Knappenäpitale daüclbst und zur Altarstiftung bei, welche damit ver))unden war. Zu Fierozzo stand noch im Jahre 1792 ein ärarische.s Si]bor\verk im Hetrii-bf 1 1«!. 406). Die hiesigen Kn]»f r-

fraben lieferten noch in der ersten Uäifte des lautenden Jahrhunderts einige Aus- eute und bescfaftftigten 8 Arbeiter (53. 2. 199).

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Die NationaUttten in Tirol etc.

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Khestenholz und Kliiitzeuriterhof ; die Namen der Besitzer waren; Puecher, Scheiffler, Tiiut'ner, Khnrenteuer, Mair, Hessel, Klioni. Kholler, Am Eckh, tiasserii, Moser, Kiuelier, Holtzer, Läner, Piauetiiel und Bemabe. Ab Besblndteil der Ortschaft Aidildit enchdnt der Bastel- hof; ab hiesige Besitzer aber sind genannt: die Puecher, Fdbuer (PbliSer), Zott, Loczerhaus, Ludtig und Fux. Zu Yigalzano sassen neben den italienischen Familien di Coppi und Termin: die Theiss, Pruner und Hansen (letztere 4 Familien und 27 Köpfe stark). Zu Xogar«^ bildeten „die vom Grossenhaus" allein eine 17 Personen zählende Haus- haltung und erscheinen daneben die Khrebeser, Khanitz, Hais, von St. Agnes und Jakob Meriot Von Falesina bssen sich keine Detaib geben, weil diese Ortschaft mit Yignola (Valczurg) zusammen ver- zeichnet ist. Von den vorgenannten Ortschaften hat am Schlüsse des achtzehnten Jahrhunderts (hr Schriftsteller Montebello noch Fierozzo, Frassilongo, Koveda und Falesina (so wie Vignola im Brentathale) als deutsche anerkannt. Er sagt von ihnen: „conservano il linguaggio tedesco corrotto" (40. 403). Nach Tee in i (78. 32) bewahrten die deutsche Sprache im Jahre 1821 ausser Fierozzo und Palü noch Roveda und Frassilongo; er bemerkt aber, dass noch vor einiger Zeit (tempo ft) u. a. auch die Bewohner von Falesina, die jetzt italienisch sprächen, der deutschen Sprache sich bedient hätten. F. St. dei Bartolomei (7. «)) ])estimmt dies näher dahin, dass zu Fale- sina bis Ende des sieiizehnten Jahrhunderts das Deutsche Umgangs- sprache war. Von Viarago führt Schmeller (59. 589, Note) aus einer Urkunde von 1750 einen Pro^editore Ermon, einen Gastaldo Koner und andere Triiger deutscher Namen an. Derzeit gibt es deutsche Schulen zu Frassilongo (Gereidt) , lioveda (Aichleit) , Fierozzo (S. Feiice) , San Francesco (Ausserberji;) und Palü (Palei). [Letztere Gemeinde hiess vor Zeiten, als sie noch unter dem gräflich Trappschen Pfleger zu Caldo- nazzo stand, »St. Magdalena auf Palü" (93. 1. 257.) Freikurse für Schiller, welche die deutsche Sprache erlernen wollen, bestehen zu Bedol und Yigo (di Fin^. Ihrer wurde schon oben (S. 484) gedacht

17. Das Brentathal (Valaugan) und der Oebirgwtoek zwischen ihm und

den Aaticothale.

An die nunmehr ganz italienischen Ortsgemeinden Costasavina, Ischia, Susa, Tenna und Tastagn^ reiht sicli die Ortsgenieinde Vig- nola mit l'A'A Deutschen neben 200 Italienern. Sie bilden das Queli- gebiet der Breuta und gehören zum Gerichtsbezirk Pergine. Die Fortsetzung gegen Süden und Osten ist der Politische Bezirk Borgo, und zwar zun&chst der Gerichtsbezirk Lerico mit 441 Deutschen (neben 13 754 Italienern), wovon 431 (neben 215 Italienern) auf die Ortsgenieinde Luserna, 4 auf die Ortsgemeinde Casotto, je 2 auf da.s Dorf Pedemonte und auf das Dorf Sta. GiuHana (Fraktion von Levico) und 1 aui das Dorf Caidouazzo entfallen. Von den lUO Deutscheu

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Bideimiuuip

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(neben 14 0<>1 Ttaliencni), wclclie der G eri chts})ezirk Borgo aufweist, enttalleii weitaus iLie meisten (118) auf die üaniisun des Marktes Borgo, wogegen die OrtsgememdenRonceguo, Ronchi, TeWe, TelTedisopra und Torcegno rein italienisch sind und das Gleiche von den hier weiter nicht in Frage kommenden Ortsgemeinden Carzano, Cartelnovo und Novaledo gilt. Im Gerichtsbezirk Strigno endlich, wozu das Seitentbal Tessin gehört, wohnten 10 Deutsche (neben 13 452 Italienern), und zwar 7 zu Tezze (einer Fraktion von Grigno), 5 im Markte Striguo und 1 zu Vill' Agnedo.

Gesamtsumme: 590 Deutsche (neben 45400 Italienem).

Die Ortsgemeinden Costasavina, Ischia, Susa (einschliesslidi der Fraktion Canale), Tenna, Castagn^ und Vignola erscheinai siniitlicli als Teilnehmer an der im Jahre llliti geplanten Unterwerfung der Gesamtgenieinde Pergine unter die Stadt Vicenza und mögen da- mals, wenn schon mit romanisierten Langobarden vermengt, ein vor- wiegend germanisches Gepräge getragen haben. Wenigstens weisen die deutsdien Namen der fiist ausschliesslich gerade diesen Gemeinden entnommenen Abgesandte an die Stadt Vicenza auf Germanen hin« die als Deutsche anzusehen sind. Und nocli im Jahre sassen zu Vignola (Valczurg), zu Costasavina (Costschabin) und auf dem Kbest- neiderberge (um Castagni?) fast lauter Deutsdie; ('atiak' war bulb (l. utvi h, halb italienisch, Susa vorwi^eud itahenisch; die Gemeinden Isclua (Diisehl) und- Tenna (Then) waren ftat auaschliealidi italienisch (12. 110, Note 3). Am Gestade des Sees Ton CaldonazEO standen damua neben 2 Masi (il maso d'aqua bona und il maso h'Toldo) der Motzenhof, der Oeltzerhof, der IManetzer-, der Proner- und der Ungerlehof. Es wohnten dn (am Khestneider Berge) die Familien Khestenholtzer, Stauder, Perger, Eekher, Untersteiner. Hos.sler, Pacher. Poscher, Fritz, Greter. Püchler, Poper, Khlogg, (iiuntiz, Zarethler, Zerchier und Valcanoier. Zu Costa- savina, wo mehrere Familien Weber, Moser und Schneider lebten, be- sessen 2 italienische EdeUeute (Romedius de Gristani und Christoph von Scarpa) einige Grundstücke, gab es aber danrlxn noch ein , Gewelb", d. h. Kleinhandelsgeschäft der Erben nach Jakol) von Gremoneg (Cre- moua?), was reclit deutlirli die Art, wie solche Ansiedler festen Fuss fa.ssten, veranschaulicht. Von jenen deutschen Gemeinden hat bloss das mehr abseits gelegene Dorf Vignola, aber auch nur zum Teile, die angestammte Nationalitilt bis jetzt behauptet, wfihrend es um das Jahr 1811 noch ganz deutsch war, was als eine Nachwirkung des auch hier einst betriebmen Bergbaues, dessen Hauptobjekt im Jahre 1072 »Stubni Canop* (Knappenstube) hiess (Mariani a. a. O. S. 532), anzusehen ist. tSchmeller, der das Dorf im .Jahre lS;3;i besuchte, rechnet e* (äO. 588) zu den „noch deutsch sprechenden Berggenieinden Dass es auch südlich vom vorgenannten See einst deutsche Ansied- lungen gab, ist nicht nur durch die mehrerwfthnte Urkunde Tom Jahre 1D3<>, in welcher «die Hoclileite" als Standort einer ausgedehnten Ikuernwirtschaft vorkommt, sondern auch durch eine Urkunde vom •lahre 1270 verbürgt, in welcher als zu Costa (s. w. von Rovcreto) weide- berechtigt genannt sind: .nmsnadae de Perzina" (Pergine) und daneben »Maser de Cadonazza" mit .seiner Naciikommeuscluift, femer Rolaud, Kam-

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Die Nationalitftteii in Tirol etc.

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balrl. WuMu i Waldner?) mit ihren Erben (>>. 2:>lt). Die Herrschaft Cal- donazzo j^elangte im Jahre 1424 durch Belehnung seitens des Trientner Bisturas an Herzog Friedrich von Tirol, wobei als Zubehör derselben 3 Teile der Berge Laferon (Lavaroue), Yattar (Vattaro), Coflta und Centa sowie der St. Ohrietoplueee (der beutle Lago di CaLdonaszo) bezeichnet sind (R. d. I. Sch.-As. III, 295). Seit 1461 ist sie im Be- sitze der gräfhehen Familie Trapp, welche, aus Steiermark stammend, ihre deutschen l'nterthanen dortselbst wenigstens nicht absichtlich durch italienische ersetzte und solchergestalt das Deutschtum schonte. Dem- zufolge lebten zu Genta (am Wege nach Lavarone) noch um die Mitte des achtsehnten Jabibunderts einige deutsch sprechende Familien (12. 110, Note 3) und wimmelt ee noch jetzt in dortiger Gegend roa deutschen Lokalnamen, so z. B. im Bereiche der Ortsgemeinde Genta : Schiri. Huezi, Tonezzeri, Campregheri, Conci (Kunz). Frisauchi. Auch zu rjilceranica. wo sich ein Pfarrhofsinventar vom .lahre D>7M in deutscher Sprache erhalten hat ( ">(). 1«)), kommt ein Weiler Kampreglter vor. Gleiches ^ilt von den Familiennamen, deren es in jedem Orte dieses Gebiigswinkels als Denkmale deutscher Vergangenheit gibt; so z. B. zn Caldonazzo die Cuizel, Tieeher und Kien, zu Gastagn^ die Eicher und 6rett«r, zu Goetasavina die Prudel und Faifer (Pfeifer), zu Calreranira die Schraid u. s. w. Der zuhöchst gelegene Teil der ehemaligen Herrschaft Caldonazzo sind die Ortsgemeinden Lavarone, Luserua, Pedemoute und Casotto. Die beiden letztgenannten, hart an der Grenze der Sette comuni des vicentiuischeu Gebietes, gf^lten noch im Jahre 1821 ftr deutsch (78. 31), waren es aber in der Tka,t damals kaum melir. Mit mehr Berechtigung konnte H. Pezzo (54. 2. 42) im .1 a h r e 1 7 H :> von der Pfarre Brancafora (P edemont e), worunter er ohne Zweifel auchCasotto versteht, und von T;avarone sagen: ^persevera egU Cimbro favellare" -), Seither ist auch diese über weite Alpentiuren sich erstreckende Ortsgemeinde dem Deutschtum bis auf wenige Fami- lien, die dasselbe im engsten Familienkreise hegen, entfremdet worden. Montebello rechnete am Schlüsse des achtzehnten Jahrhunderts so- wolil Lavaione ak Brancafora zu den deutschen Gemeinden (46. 375). Aber aus eigener Beobachtung schöpfte er diese Behauptung schwer- lich. Ebensowenig dürfte Perini (53. '2. 203) seiner persönlichen Ueberzeugung Ausdruck gegeben haben, indem er Lavarone zu An- fang der 50er Jahre des laufenden Jalirhunderts den Dörfern zuzüiiite, welche «conservano ancora l'originario loro dialetto*. Denn Sohmeller (59. 591) traf hier im Jahre 1833 nur mehr ftitere Leute an, welche die deutsche Sprache kannten, während die jüngere Generation davon so gut wie nichts verstand. Unverkennbare Wahrzeichen der Natio- nalität, welche da einst herrschte, sind indessen die Lokalben*'nTUin^»»ii: Stengheli, Bertoldi, Sclilagenauf, Sosteri, Oseü, MiUegrobbe (Mühlgraben),

*) Vielleidit trag tat Erbaltunsr deutichen Weuna um Galoeiaaiioa der

ßt r(/i>au auf Vitriolerze bei, welcher nier noch im Jahre 1072 betrieben wurde (Mariani a. a. 0. S. 532).

') Wenn er dies auch von Genta di Calcemnega (d. h, bei Calceranica) be- hauptet, 80 wiilt rspricht er damit den Angaben d>- Bartolomeis , der bereits im Jahre 1763 hier das Deutschtum alt im Erlöschen begriften schildert.

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BidemuHun,

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Canepelf (Kiiäpple), sämtlich im (Gebiete von Lavarone vorfindig; dauD Scalceri und Venderle im Gebiete vou Pedemoute. Für die Deutscheu SBU Lftvarone (Lafiraun) war in Sltever Zeit das hier (al Dud) l>e8tendeiie Zollamt eine Stütze. Denn dieses Amt war häufig deutschen Be- amten anvertiaitt. So bekleidete es im Jahre 1582 Sehastian Schulbeck und noch im Jahre 1804 Job. Paul von Bachmayr. Aber unter der bald darauf einm'etretenen italienisch - französischen Zwischenregienini»' machten die deutscheu Funktionäre italienischen Platz und dabei blieb es weiterhin. Noch belebender und jedenfalls konservativ wirkte einst die deutsche Naehharschaft jenseits der Grenze ein. Seit dieser Zu- sammenhang durch das Biindringen italieniRcher Keile unterbrochen ist, krankt das Deutschtum auf dem Gebirgsstocke zwischen Brenta und Astiko an tödlicher Vereinsamung. Bloss die Berggemeinde Luserna hat ^ich noch einige altnationale Lebenskraft bewahrt und schöpft solche von neuem aus der deutschen Volksschule, welche hier seit anderthalb Jahrzehnten besteht. Wenden wir nun den Blick wieder dem Brentathale zu, so fSlttt er vor allem auf den Ort Borgo di Val- sugana (vor Zeiten «die Wiu^^ Telfiau* genannt) und dessen nörd- liche Umgebung. Denn an der Gegend tou Levico, welche an die- jenige von Pergine sich unmittelbar anschliesst, hafi^en mit Ausnahme etlicher Lokalbenennungen, wie z. B. Monte Zaccon (Zacken). Anhtihe Visle (Wiesele) und Thal Puisle (1. t)2), keinerlei deutsche Eriune- nmgen. Desto reicher ist an solchen Borgo, dessen doitsche Be- ▼ttlkerong bis zum Jahre 1514 eines besonderen Seelsorgers sieh er- freute, der ihr damals entzogen, später auf ihr drini:« ndos Anhalten von neuem gewährt und um das Jahr 1500 heim ! ( I)ei]iaii<liit limen der ItalientT vom fürstbischöflichen Ordinariate zu Trient detinitiv ver- weigert wurde *). Zunächst tnig mau derselben allerdings durch Be- stellung eines doppelsprachigen Piarrers Rechnung; doch drängten in das Pfonramt bald Italiener, die dieser Bedingung nicht entsprachen, sieh wo. *) und damit war auch das Los der dieser Pfarre einveileibten deutschen Dörfer der Umgebung entschieden. Glücklicherweise war^ die Dörfer Telve (Telffs) und Roncegno fRundtschein) von ihr frühf^r getrennt worden. So erhielt sich die deutsche Sprache namenthch im gebirgigen Teile der letztgenannten Gemeinde (auf dem sogen. Rundtscheiner Berge) bis gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts. Der Arzt Dr. Hieron. Bertondelli, welcher zu Borgo seine Praxis ans* Übte, schreibt in seinem 1665 zu Padua gedruckten «Ristretto della

') Die beiderßcitigcn Pfründen bestanden nach dem bezüglichen Steuerbuche noch im Jahre 1565 gesondert fort; doch das Register von 1570 spricht bereit« von beiden, als wUren nie vereint (,Teut«cher vnd welscher Pfarrer in der Wurden Telffan)\ Uelnigens hatte die Innsbr. Regienmg selbst im Jahi8l560 beim Kauer diese Vereinigung befürwortet (52. 79).

*) Welche Hebel dabei in Bewegung gesetzt wurden, lehren die im I. St- A. befindlichen Schreiben der Kardinäle Grangi und Paravicini d. d. 18. Juni und 2. Juli 1604, welche die Bewerbung des Priesters« Cäfare T.npi aus Bergamo um diese Pfarre beim Tiroler Landesftirsten Erzherzog Maxiualian unterstützten. Das Erbieten, , deutsche Gesellpriester" halten zu wollen, durch welches ein itsliemsclier Kompetent um die deutsch»- Tfurre schon im Jahre ISPiQ deren ErlsJUgODg sich lU sichern suchte (52. 79), gewährte an und Itlr sich wenig Schutz.

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Valsugana", S, 30 von Roncegno: Die Höhen daselbst seien von einer Bevrdkerung bewohnt, welche mehr deutsch als italieniscli spricht und TOn den Cimbem abstammt (che parlano piü Alemauo che Italiano, che sono ddla descendenza di Cimbri). 120 Jahre später Terddierto M. Pezzo (54. 1. 44), die Einwohner von Roncegno hStten ihm auf die Frage nach ihrer Ahkunft geantwortet: .Bi^r sain Cimhem", und er habe dort Familiennamen wie Speckar, Lotar. Echar. vorgefnnden. Ausserdem ttlhi-t er (ebenda 2. aus der liandschrifthchen Abhand- lung des älteren de' Bartolomei (Simon Peter) ^De Oricntalium Tyroleiisium praecipue Alpinorum ürigiDibus** , welche dessen Sohn nanz Stephan im Januar 176B rtm Pergine aus an den Chrafen Karl Firmian schickte, eine Stelle an, welche den Zusammenhang jener Bergbewohner mit den Cimhwn h^ont und ihr Deutsdisprechen ausser Zweifel stellt wogegen von den in der Ebene wohnenden Hinult- scheiner Bauern rückhaltslos eingestanden wird, dass sie durciiweg der italienischen Sprache sich bedienen (italice loquuntur) *). Ebenda wird ferner vom Dorfe Telve mit Wiedergabe dessen, was der Erzpriest^r der hiesigen Pfimre Gian Franc. Pedri de' Mandeli in einer 1776 zu Yened^p gedruckten Schrift darüher vorgebracht hatte, behauptet, dass hier, wie einst in Borgo, neben dem italienischen Pfarrer ein T)eutscher seines Amtes waltete, und wird auf die damals noch dort Ix stundene .contrada Tedesca" hinijewieseii : aber davon, dass in Telve noch im Jalire 1770 deutsch gesprochen wurde, ist keine Rede. End- lich meldet M. Pezzo mit Berufung auf jeuen Erzpriester Yom Dorfe Torcegno, einer ehemaligen Dependenz der Pfarre Telve, dass dort Spuren von Cimbem wahrzunehmen seien. Vom Dorfe Konchi (Raut- perg) wissen wir nur, dass noch im Jahre 158') ungefähr der dritte Teil aller hiesigen Hofe und Grundbesitzer deutsche Namen trug, was auch auf dem Kundtscheiner Berge der Fall war, während zu Borgo, Ober-Telffs und Castelnöff bloss ein Viertel diese Eigenschaft aufwies (52. 79). Die Gerichtsbarkeit zu Telvana, unter wacher die vorgenaimten Dörfer und der Markt Borgo standen. Übten Jahrhunderte lang Deutsche aus, so 1450 Bernhard Gradner, 1454 Leonh. Braideneck, 14.')r) Leonh. Anich, 1459 Otto Honinger, 1462—1652 die Freiherm von Welsperg.

Beda Weber hat (8:]. 2. 533) noch vor beilftofig 50 Jahren von der Bevölkerung der 'A hinter dem Dorfe Roncegno rrplp«rfnen Berge (nionte di Tesobo, wonte di mezzo und .St. Brigittenbergj beliatiput, dass unter ihr die deutsche Sprache fortlebe, allerdings mit dom&iMtee: .nicht mehr lange wird 68 wlhren, 10 ist die deut.Hche Sjirache ganz vt'r'»rb wunden.'

*) Welchem B<'ilrungni8.se die Deuüschen zu Uundt.-chein ausgesetzt waren, erhellt aus einem Mandate der Innsbr. Regierung vom 25. Aj)ril 1647 (»Entbieten und Bevelch*, Bl. 218 im I. St.-A.). womit sie den .Sie«,M)nnul Freiherm von Wclsjperg beauftragte, die Inhaber de8v:>trällhof8 zuKuudtschein vor den Placke- reien zu schätzen, welche der Pfarrer Dominik Pallude als Zehntherr mid der Trientner Bürger Baptista Geraldi als Zinsberechtigter ihnen zufügten. Den ge- nannten Hof hatten Hans Ringler und dessen Brüder als Lehenträ|[er iane. Im Pfiurdorfe Masi di Novaledo bekam Schmeller (59. 590) eine im Jahrr* 1810 aufgezeichnet« Probe des Dialekte-; vmi Hundtschein, zu Gesicht. Dass Aber diese damals unmittelbar dem Volksmunde entnommen wurde, ist zu bezweifeln.

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Bidwmaiui,

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Spfitcrlnn rf.si(li»>rt>'ii frcilidi ItalieiUT U'ils als Ocriclitshorron. teils als deren Stellvertreter auf dem Schlosse Telvaua, so 1(JÖ2 htB 1661 Michael Fedrigazzi, 1661 die Grafen Jakob und Marino Natali ( Venetianer) , 1662 1788, wo das Sebloas Eigentam der Ctemeinde Borgo wurde, die Familie Giovanelli, welche die Gerichtsbarkeit »rst im Jahre 1831 dem Laiidesfürsteu heimsaf^te und seit dem Jahre 1727 durch Mitglieder der Familie d'Anna. der reichsten, die es zuletzt im ganzen Breutathale <;ah. fiusül)te (1. (57). Ebenso war das benachbarte Schloss Casteilalto bis zum Jahre 1652 in deutscheu Hunden. De: Letsfce der Familie, welche sich danach nannte, Franz von GasteUali, war so wenig Italiener der Gesinnung nach, dass seinen Grabstein in der Pfimrkirche zu Telve (TeliVs) vielmehr eine deutsche Inschrift ziert und er sich dit Famiii«' Trautmansdorf durch Vfirheiratuni^ einer seiner Töchter mit einem Mitglied«- derselben zur Nachfolgerin in seinem Be- sitze erkor (46. 257, 258), welche auch das Schloss bis um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts festhielt. Daun folgten ihr im Besitze desselben die Bufb und die Zambelli ans Baasano, welche der damit verbundenen Gerichtsbarkeit erst im Jahre 1828 sich begaben (1. 65). Ein drittes Schloss im Valsu^fan. namens Ivano. war sogar vom Jahre 1412 an. wo Herzog Friedrich von Tirol den Leopold Zobel zum Hauptniiiim daselbst einsetzte, mit kurzer, durch ()kku))ation sei- tens der Republik Venedig bewirkter Unterbrechung bis in die neueste Zeit herauf im Besitze dentscher Adek&milien (der Ghrafen toh Wek- perg, Altringer und Wolkenstein) (1. 88, 89); allein ftr die Umgebung dieses Schlosses war dies in nationaler Beziehung gleidigUltig, da die- selbe doch schon von den ältesten Zeiten her Romanen zu Bewohnern hatte '). Daher ist auch der im Jahre llJOH getrotieuen Anordnung der Innsbnicker Kegiennig, «lass alle an die Herrsclmften Telvana und Ivano zu richtenden Kauzieiexpetiitionen in deutscher Sprache aus- zufertigen seien (ResoL-Buch in der Bibl. Tirol. Handschrift 1176, BL 143), höchstens besOglich der erstgenannten Herrschaft einiges Ge- wicht beizuh'gen. Zu Vignola wird der Unterricht für die oberen Klassen der Volksschule, zu Luserna durchaus in deutscher Sprache erteilt.

y. Das Etachthal von der Sprach- bis sur Landeägrenze mit Ananalmn»

der Städte Trient mud Borereto.

An dieser Thalstrecke nehmen teil: vom I'olitischen Bezirk Trient der Gerichts bezirk La vis mit 87 Deutschen neben 850(3 Ita- lienern, und zwar Markt Lavis mit 32, Dorf St. Michael (wo eine auch von Deutschen besuchte landwirtschaftliche Lehranstalt sich be- findet) mit 45, das Dorf FaSdo mit 8; femer der Oerichtsbezirk

') Auf diese Gegend pa.s-st vollkonjmen, was Aiiil^rosi (1, 16) von der „popolazione della Valsugana" überhaupt sagt : ,Pare . . . che si sia formata da gent^ venute su pel corso del Brenta e da altre che vennero dalla parte oj[)po!«ta da ort idente, dove si fece la mescnlanza delle genti itale ooi Cenomam ed altri

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Dk Ibtumalüftteii in Tirol eto.

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Mf'zzolombardo mit den Ortsgemeinden Wiilschmetz (Mezzo lomb., 04 i)outsche, 3;i'i4 Italiener), Deutsch-Metz (Mezzo tedesco, '.^2 Deutsche, 1732 Italiener), Aichholtz (Rovere della Luna, 9 Deutsche, 790 Ita- liener), Gramo (kein Deutscher), SchSffbrack QShYB St. Rocco, 2 DeutscUe, 331 Italiener), Zambana (kein Deutscher) und Fai (kein Deutscher), zusammen also mit 97 Deutschen (neben 715G Italienern); dann der Gerichtsbezirk (Umgebung) Trient mit 4 Deutschen neben 12 006 Italienern. Den Abschluss gegen Süden, die Seitenthäler mit eingerechnet, bildet der gesamte Politische Bezirk Kovereto mit 281 Deutschen neben 50 958 Italienern. Von diesen wenigen Deutscheu entfallen 215 auf den Gerichtsbezirk (Umgebung) RoTereto, und zwar auf die Ortsgeraeinden CSalliano 2, Lizzana 7, Marco 5, Sacco (wo eine grosse Tabakfabrik ist) 40; der Uest jener 215 verteilt sich auf die Seit! nthäler Folgaria (Vilgreidt) mit 152 (Fraktion Fol- garia 45, Guardia 5. Mozzomonte 9. Xosellari 4iJ, 8t. Sebastian 2(), St-nada 24) und Vallarsa mit 9. Die am rechten Ufer der Etsch gelegenen Gerichtsbezirke Nogaredo und Mori zäldten nur ü, bezw. 11. Der Gerichtsbezirk Ala endlich war Ende 1880 von 49 einheimischen Deutschen bewohnt, von welchen die Stadt Ala (Grenz- station) 38 beherbergte f auf die Chrtsgemeinden Avio und Borghetto aber 0 hezw. 9 entfielen.

Gesamtsumme: 4t)i> Deutsche (neben 79 22(5 Italienern).

Der Nordrand dieses Gebietes fällt mit dem Streifen Landes zu- sammen, um welchen die deutsche Sprachgrenze im Hauptthale der Etsch seit ungefUir 130 Jahren zurQckgewichen ist. Die dadurch dem ita- lienischen Sprachgebiete zugewachsenen Ortsgemeinden sind: am rechten Ufer der Etsch Aichholtz, Deutsch-Metz, Grumo und Schoff- bruck; am linken Ufer St. Michael. FaJMlo nnd fjavis. Der Flüchen- raum, welchen diese 7 Gemeinden einnehmen, beträtet 12<>4;{ österr. Joche, also 1 '^4 österr. Quadratmeilen = 09 Quadratkilometer. Aller- dinffs war dieses Cbbiet auch Tor mehr als ISO Jahren der Bevölkerung nach kein rein deutsches, sondern von jeher auch Wohnsitz von Ita- lienern. Allein diese machen erst seit der Mitte di s vorigen Jahr- hunderts hier, besonders am südlichen Saume, die Melirzahl aus, und eine uralte Uel)erliefening bezeichnet die Nnceniilndung einerseits, die des Avisio andererseits als nationale Grenzmarken. Das Dorf Aich- holtz anerkennt Tartarotti in einem Briefe an Muratori d. d. Kove- reto 13. April 1743 (77. 53) als von Deutschen bewohnt, indem er schreibt: „Kover^ dallia Luna, rilla sopra Trento .... da' suoi propri abitanti, che parlano la lingua Tedesca. chiamata Eicholtz*, und Chiusole (20. 5> thut noch im Jahre 1787 de.sgleichen. Deutsch- Metz, des-^en (xemeindeakten seit dem Jahre 14t)0 in deutscher Sprache verfasst wurden (24. 37), büsste seinen deutschen Charakter durch das Eindrinffen der Nonsberger und durch die vielen Kolonen ein, welche ▼on itwenischen Ghrundherm aus der Trientner Gegend hierher ver- pflanzt wurden. Im Jahre 175() überwt^n hier, dann zu Schöffbruck und Aichholtz unter den kleinen Besitzern bereits die Italiener, wo- gegen im Weiler Grumo, also unmittelbar an der Mündung des Ulz- (Noce-)flusses in die Etsch die Deutscheu noch in der Majorität

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Bldcniuuiiit

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waren. Am linken Ufer machte im nchtzehnteu Jahrhmidert das Dort St. Michael wohl nur mehr auf iiurciireiseude den Eindruck eines deutschen Orts. Denn ausser den Wirten, welche fast in ununterbrochener R^enfolge Deutsche waren, und den sogen. Strassengewerben gab es dort damals bloss im Augustiner Chorherrnstifte Deutsche in ^n « ^rr r Anzahl. Diese Ansammlung deutscher Priester, welche der franzö- sischen Zwischenre^ierung im Jahre 1810 zu solehrm Anstosse gereichte, dass sie den Konvent deshalb („cosi per essei c es.«-;! quasi tutti Tedeschi' heisst es in der handschriftlichen Geschichte des Klosters von Carlo Qnunatica) auflöste, wirkte übrigens im weiteren Umkreise erhaltend auf die deutedie Nationalität. Denn aus ihrer Mitte wurden die Pfarren Lavis, Pressano, Gioro, Fa6do besetzt. So war z. B. der Chorherr P. Theobald Larch ans Sterzing (am Brenner) im Tahre 1786 Seel- soi-ger zu Oiovo. Den Deutschen 7ai La vis kam auch zu statten, dass, obschon seit 1048 die Brüder Zenobio und s]»Hter die Conti Al- brizzi aus Venedig das Gericht Königsberg, dem alle diese Orte gehorchten, innehatten, doch häufig Mi^^lieder der deutschen FamÜie Schuldhaus von Nevisburg, deren Stammsitz zu Lavis jetzt Eigentum der italienischen Familie Viero ist, die Hauptmannsstelle auf Schloss Königs- berg bekleideten. Dies hinderte aber freilirh nicht, dass der nach dem Avisio (Aviso): Navis, Neves, Nevis genannte Ort. dessen Bevölkerung um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts ausschliesshch deuUich sprach (52. 74, 75), nach seiner Zerstörung durch diesen Wildbach im folgenden Jahrhunderte von Plressano aus mit Italienern besiedelt und so dns (kutsche Klrinent verdrängt wurde (3. 119). Seither machte die Entdeutschung des Ortes solche Fortschritte, dass Beda Weber schon vor ÖO .Jahren durch die „italienische Bauart fest aus Stein", durch „italienische Sitte in Buden und Kaufläden", durch „italienische Zutraulichkeit in Ansprache und Neugier" dort auf den Gedanken ge- bracht wurde, er befinde sich in einer Vorstadt Ton Trient (83. 2. 482). Nordöstlich von Trient erinnert der Gaüsberg an den einst durch Deutsche hier betriebenen Bergbau. Von der gegen Pei^gine ZU gd^fenen Gemeinde Povo (Paho) ist mit «^utem Grunde m vermuten , dass sie bis ins a( htzehnte .lalirlumdert deutsche oder wenigstens von Deutschen abstammende Bewohner hatte. Denn die 1792 gedruckten „Documenti del Comune di Trento d'aver macello pubbl. nel distretto del Comune di PoTO* machen uns mit vielen dieser (Gemeinde angehörenden Eigen- namen bekannt, welche deutsches Gepräge tragen: so z. B. beim Jahre 1538 mit einem Andreas Tophole (StoflFele?), beim Jahre 1691^ mit dem Syndikus Lorenz Frizera (Fritscher V) , beim Jahre 17('9 mit dem Syndikus Franz Ossel und mit eiiu iu Deputierten der Gemeinde- fraktioii Pantt^, namens Niculo Giovanni detto Rengo (Renk) ove Migol. Was diese Vermutung unterstützt, ist die Kundmadiungsart, mittek welcher am 20. Juli 1609 ein Auftrag der Stadtgemeinde Trient so PoTO öffentlich verlautbart wurde. Em Notar, zugleich Kanzlist der Stadt, verlas ihn, d. h. wohl den italienischen Originaltext, und der Stadtoffizinl Steph. Saxo verkündete ihn sodann in Gegenwart des vor- erwähnten Ossel und des Tiientner BürLi;er< Georg Paurnfaint. also woiü in einer vom Originaltexte abweiciienden Sprache. Am entgegen-

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Die NationaHttten in Tirol etc.

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gesetzten Ufer ilor Etsch. nächst der St. Geort;skirihe ülla Scala hinter Doss Trent ert(»nte noch um das Jahr 1070 jährlich eine im Freien gehaltene deutsche Predigt, und zwar am St. Georgstage, wo die Conl'reria Alemanna (die deutsche Bruderschaft) von Trient pro- zesräoDBweise dalun zog (11. 31). Steigt man die Tom Yelabache durch- brauste Schlucht his zum Ursprünge des Baches hinan, so gelangt man zu den Masi di S. Anna oberhalb Sopramonte. Hier stand noch um die Mitte des l"ünfzehnten Jahrhunderts ein Augustinerkloster, dessen Prior im Jahre 144.5 Johann Nachtrausburg war (3. 159). Zu Sopra- monte selbst sassen freie Leute, welche im Jahre 1256 einen kaiser- lichen Schutzbrief erhielten (Codex Wangianus, herausg. von Kink, Font. Rer. Austr., Wien 1852, S. 369). Man wird wohl dahinter Deutsche Termuten dürfen, denen die hiesige Passsperre anvertraut war.

Ostwärts von Calliano, das schon nahe an Rovereto liegt, erstreckt sich die Gebirgsgegend Vilgreidt (Folgaria) ^) , deren am Abhänge des Cometberges befindlicher Hauptort la Villa heisst und weldie ausserdem die Nachbarschaften (Yicinie) Nosellari , St. Sebastian, Serrada, Gnardia und Messomonte in sich hegreift. Mit dem Weiler Nosellari reicht sie an Lavarone, somit an den Gehirgsstock zwischen dem Brenta- und Asticothale, hinan und berührt sie die italienische Grenze. Ihre Besiedlung soll, und zwar auf dem Bergrü<ken Costa Cartwa. zu Anfang des dreizehnten Jjilirhunderts begonnen haben (17. 13). Ursprünglich nach Volano , wel< hes Dorf /wischen Calliano und Ro- vereto an der Etsch liegt, eingepfarrt, erhielt sie zwar frühzeitig schon einen hesonderen Seelsorger, hlieb aber doch in einer ge- wissen kirchlichen Abhängigkeit von dieser Pfane (17. 120). Unter den Priestern, welche im Vilgreidt selbst wohnten, begegnen wir beim Jahre 14(54 einem Wiener (Job. Gehorsam). 1511 einem Augsburger (Joh. Scensbergher) , 151M) einem aus der Würzburger Diözese zuge- wanderten Deutschen (Jakob Denck), der ftir die Rechte seiner Pfarr- kinder gegenüber den Ansprüchen des Herrn von Beseno so kräftig eintrat, dass die Sehergen des letzteren ihn durch Ermordung besei- tigten. Indessen hatte der Gebrauch der italienischen Sprache beim Gottesdienste und bei Gericht schon um das Jahr 15(30 die Oberhand gewonnen (17. 15). und da die Ehen der Einheimischen wenig fruchtbar, die Auswandenmgen häufig, die Zuwanderungen aus itahenischen Gegenden aber zahlreich waren, so vollzog sich die Italienisierung der alten deut- schen Einwohner rasch, zumal seit dem Jahre 1671 fjuat nur Italiener da als Seelsorger wirkten, und die einzigen deutschen Nachschübe, welche eine Zeitlang jenen Abgang ersetzten, nämlich die aus den vicen- tinischen Sette Comuni immer seltener wurden (17. 170). Als Haus- sprache hat sich das Deutsche zn St. Sebastian erhalten, wo seit etwa 7 Jahren auch eine deutsche Volk>s{liule besteht, welche dafür soigt, dass es daselbst nicht ausstirbt. Auch im Hauptorte La \ illa wvaäB im Jahre 1879 1880 deutscher Unterricht erteilt und stand

Christ. Schneller schreibt (62): Folgareit, v. AtÜmayr (5): Vilgrait; ich Ir.ilt. niiih bei der Schreibart ,Vilgi* idt* an die StenerbflcSier des sechxehnten Jahrhonderts, welche in meinem Besitze nnd.

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IKdomuuiii»

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vor kurzem die Be>j;rün(lun«if einer stabilen deutschen Schule iu Aus- sicht, da der Gemeindevorsteher Leitenberger dazu die Hand zu bieten flchien (27, Nr. 281). Von der ehemaligen weiten Verbreitung deot- echen Volkstume in dieser Gebiigsgegend legen viele Lokalnamen Zeug- nis ab, welche zerstreut oder audh zu Gruppen vereinigt dort fast allenthalben angetroffen werden: so z. ß. im Bereiche des Haiijitortes die Weiler Er.sj)anieri. Ni irliell. Peneri : ferner im Bereiche der Fraktion Guardia das Dorf ( hidertlial (Oltertlial ?) unweit der Grenze des alten Burgfriedens, von welchem das Schloss Stein am Callian (i'ietra di Cal- Eano) umgeben war. Auf der Anichschen Karte von Tirol ist audi ein Weikr namens Bospocheri nächst dem Schlosse Beseno yerzeicbnet, und von der Orle^nieinde Besen ello j^ilt es für eine ausgemachte Sache, dass sie em Ableger der Vilgreidter Deutschen ist (17. 179). Zu Serrada vernahm der Kreisgerichtsprasideut von Attlmayr noch im Jahre 18(>2 deutsche Laute aus dem Munde eines älteren \Veil>es (5. 91), und von den MUhleu zu Guardia erwähnt der Verfasser des Au&atees «Tirol mit Vorarlberg* im IV. Band der „Gegenwart* (Leipzig 1850), dass dort deutschsprechende MfiUer und Mahlknechte sich damals befunden haben sollen. Ebenda wird nach den im Jahre 1847 gemachten Wahrnehmungen des Professors Gotthard aus Freising mitgeteilt, dass zu St. Sebastian der von diesen Gebirgs- bewühuern «Slapero" genannte deutsche Dialekt im häuslichen Ver- kehre gebrftucbnch war, was axik seither nicht geiadert hat. Zu Besenello und zu Calliano wirkten im secfaz^nten Jahrhundert deutsche Priester (52. 76, 77), und an letzterem Orte Avar damals die Famüie Westerstetten heimisch (20. 170). während in dem dabei liegenden Schlosse (Pietrn) im Jahre ir)48 Graf Paul Sixt Trautson geboren ward (Xotizbl. dw k. Akad. d. W. iu Wien. 1. Jahrg., S. 24:^). Der Ort Volano (Avenion) liiess im Jalire 1204 (52. 7(3, Note 1) und noch im Jahre 1532 Nussdorf (R. d. I. Sch.*A8. m, 297). Im Jahre 1464 war hier Wolfg. von Mühlbach Pfearer (52. 76, Note 1). Wenn das - Dorf „Wolaut, teutsch Nosdorf*. dessen ein von Schmeller (59. 570. Not« 2) citierter Reisender gedenkt, mit Volano identisch ist und der bezügliche Reiseljericht Glauben verdient war daselbst noch im Jnhre lt)52 die deutsche Sprache allgemeine Umgangssprache. Uebrigeus machte die Ausbreitung des deutschen Elements bei Calliano nicht am Etschflusse Halt, sondern es griff ans andere Ufer hinüber.

Im Jahre 1407 war Michael Westerstetten Pfleger zu Nomi (Tayel der Bevelch von 1496/7, BL 35 im I. St-A.), W iche Buig sowie an< Ii ( 'avtellbarco Kaiser Max I. 3 Jahre zuvor kautVoise an sich gclirarlit hatte, freilich nur. um sie loll an Pelegrin de Buxiis- Castelletti aus Maüaud zu verkaufen (2. 27). Ein Priester Andreas de Alemania war im Jahre 1440 Rektor der Kirche des beiL Anton bei Castellbarco (20. 62). Weiter abwirts finden wir am rechten Etschufer die beiden Hcnxl ft n Castellcorn und Isera vom Jahre 1400 an ])ei der Tiroler 1 Vmiilie Liechtenstein, welche bLs zu ihrem im Jahre 17*>8 erfob^^teü Aussterben dieselben iune hatte, worauf die Grafen Podstatzky-Li« rliten>tt m in deren Besitze folgten (20. 53). Zur Uerräcliaft Caütellcoru gehörten seit 1509 auch die Dörfer Nomesino

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und Marzano, welche somit vor dem Drucke italieuisclier Gerichtshemi bewahrt blieben (Jos. v. Sperges, Mist. Nachr. von Castelcorno, Haud- sehnft 928 der BibL Tirol. S. 28). Das Schloss Stein am Callian dagegen kam im siebzehnten Jahrhundert an die Freiherren von Fedri-

fazzi und von Gioyanelli (53. 2. 380). imd die Grafen Trapp atten als Gericlitslicrren zu Beseno mit den Vügreidter Deutschen von der Zeit an, wo die Republik Venedif^ diese sich huldigen (gemacht hatte, nichts mehr zu schatfen, wenn sie gleich ihre vorigen Kechte über dieselben wiederholt ^ur Geltung zu bringen suchten (17. 28, 34, 45). Am linken Etschnfer schloss sieb an den Bezirk der eben genannten Gebiigabewohner das Gebiet von Terragnollo, einst (yom Bache Leno, der zu deutsch Leim hiess) ^im Leym** genannt. Es wird in einer Aufzeichnung vom Jahre 1532 (52. 77) nebst NorigHo (Orill) und Saltaria. welches jetzt eine Fraktion von Noriglio ist, den „teutschen Berg-Commaunern" im Bereiche der Podestaria von Rovereto zu- gezählt, denen da ausserdem die Gemeinden Trambilleuo (Trumblayt) und Vallarsa (Vilartz) angereiht erscheinen. Von allen diesen Ge- meinden gilt, dass ihre Angehörigen zumeist deutschen Ursprungs, aber dermalen bis auf einige Ortsfremde, die sich in ihrer Mitte aufhalten, ganzhch italienisiert sind. Von der Gemeinde Terragnollo wissen wir genau, wie dies zuging. Im „Florilegio scientif.-stor.-letter. del Tirolo Itahano", welches Buch 185(3 zu Padua gedruckt wurde, ist nämlich ehie um das Jahr 1820 geschriebene Denkschrift eines Giovam- pietro Beltnuni abgedruckt % in welcher das Verdienst (?), dies durch Einschüchterung der Bevölkerung bewirkt, d. h. erzwungen zu haV»eii, dem Priester Don Leonardo ZaneUa zugeschrieben wird, welcher in der Zeit von 20 Jahren (beiläufig zwischen 1800 und 1820) das altdeut>che Idiom zum Schweigen brachte, so dass dessen ^Tod" unmittelbar bevor- stand (di che noi veggiamo quel tale idioma a tale stato, che in brevis- simo tempo egli sara morto e sepolto) In der That fristete dasselbe vor 40 Jahren, wie damals Professor Gotthard aus Freismg konstatierte, im Bezirke von Terragnollo nur nocli künimerlicli sein Dasein. Zu Piazza, dem Sitze der Thalpfnrre, K btc damals als der einzige Mann, der seiner mächtig war, ein Greis von 80 .Jahren, welcher aber noch der Zeit, wo Jedermann daselbst dentsdi sprach, sich gut erinnerte. Man besann sich dort auch noch deutiicii des Pfarrers, der .,nur noch welsch beichten liess und so das Slapero emsig wegfegte" (Gegen- wart IV, 66). Ein harter Schicksalsschlag, welcher diese Gemeinden traf, war die im Jahre 1465 erfolgte Verdrängung des deutschen Erz- priesters Gonobitzer (Giorgio Ganobicev. Tede^i f») aus der Hauptpfarre ZU Lizzana, wohin sie sämtlich gehörten, und dessen Ersatz durch den venetiuuischen Patrizier Leonardo Contarini (77. 85). Dies hängt mit der damahgen Ausbreitung der venetianischen Herrschaft über diese Gegenden zusammen, welche Ton 1480 1509 dauerte und deren Be«

'i füliit >U-n Tit«l .Memoria intorno alla vita e alla morie delia lingoa

dei i)oi)oli <li Tcnag^nullo*.

Hierauf bezieht sieh die Bemerkung Schnit llers (59. 591): er habe ge- hört, dass in Terra^'nollo (Ifujenigen, die nicht italit Tiisch SSU beichten imstande sein würdeu, mit Verweigerung der Absolution gedroht sei.

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giim durch die Freibriete, welche die Republik den emzehien (ieiueiudeu erteilte (so au Terraguollo uud Vallarsa uuterm 29. August 1431), an Trambüleno unterm 18. Januar 1440, an Folgaria unterm 8. No- vember 1441). s. 87. 1. 310), deutlich gekennzeichnet ist. Wie weifc aber das Vorhaudeneein einer deutschen Bevölkeiung dort zurückreichte, ergibt sich aus der am 1>. März 1225 zu Kovereto (in villa Rovredi) in Gegenwart der Gememdevertreter (in comrauni rcffula) durch den Schlossherru Jakobiu von Lizzana vollzogenen Bestellung des Man- fred Ton Lizzana zum Schaffer (TÜlicus), dessen Aufgabe ee war, den Deutschen und Romanen daselbst, sowohl in der Thalsohle als naga auf den Bergen, Recht zu sprechen (ad racionem faciendam . . . in plebatu Lizanae in monte et piano, teutonicis et latinis 87. 1. 407). Als Walirzeicheu deutscher Vergangenheit, welche dem Wechsel der Nationalität bisher trotzten, sind hier ihres Namens wegen zu neuueu: in Trambüleno die Dörfer Möschen, Pozzacchio (Posehacher?), Toldo; in Terragnollo die Dörfer Baisi (Weiss), Campen, Dieneri, Mauren, Peltrari, Pergheri, Pueehem, Stedeleri, Zencheri, Zorreri, sowie die Weiler Gherteri (und Pintereben, welcher Name bei Perini II, 545 und auf der Anichschen Karte sich findet); in Vallarsa die Dörfer Cumerlotti, Huspi, Staineri. sowie die Emzeln- höfe Speccheri, Kida, Arlanch, Norder. Tief unten im Et^ichthale, gegen den Ausgang zu, liegt das Städtclieu Alu, unter des^eu Pne- stem im Jahre 1214 ein l&kon Walland, 1339 ein Pfiurer Dietrich erscheint (53. 2. 9, 10) und in dessen Nähe das St. Margaretenkloeter sich befand, dem im .Jahre 1417 Nicolaus de Alemania als Prior mit Konrad von Schorndorf als Prokurator zur Seite vor<^(»standen ist (52. 7(3). Am einfachsten erklären sich diese Spuren einer dort bestandenen deut- schen Seelsorge aus der Nähe der sogen. Tredeci Cumuni im veronesi- schen Gebiete, welche gleichzeitig bis an die heutigen Grenzgebirge von Tirol mit Deutschen dicht besetzt waren. Deuteche Sprachkurse sind an den Yolks^hulen zu Mezzolombardo imd St. Michael eröffnet. Von der deutschen Schule zu St Sebastian war schon oben (S. 447) die Kede.

YL Die Städte Trient und Bovereto.

Die Stadt Trient zahlte zu Ende des Jahres 1880 trotz der 1508 Köpfe starken Hilitftrgamison, welche 819 Deutsche in sich begriff^ neben 10 90<3 Italienern bloss 1352 Deutsche, wobei in Anschlag zu

T>rint;»'!i ist, dass die hiesige bischöfliche Diözesnnlehranstalt stets von Kandidaten des Priesterstandes aus dem deutschen Anteile des Trientner Bistums besucht wird, und dass die hier zahlreiche Beamtenschaft un- gefähr zum vierten Teile aus Deutschen besteht. Unter der ansfts* sigen Bevölkerung der Stadt ist demnach die deutsche Nationalitat heutzutage so gut wie |far nicht vertreten. Es gibt da kein Dutzend deutscher lUhgpr von emigem Ansehen und Vermögen, obschou es nicht an Trägern deutscher Namen fehlt, welche in und bei Trient reich begütert sind. Die letzteren gehören eben Familien au, welche

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Die NationaUtftten in Tirol etc.

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dem Deutschtum- enth-emdet sind oder weiiig.stens sicli sell)st liui«(st nicht mehr zu den Deutschen rechnen, wenn sie gleich mit diesen noch Fühlung, ja unter ihnen Verwandte haben und deshalb schon des Oebrauchs der deutschen Sprache sich nicht ganz entschlagen. Im Mittelalter dagegen und in der neueren Zeit, bis vor etwa zwei Jahr- hunderten, war ein beträchtlicher Teil der zu Trient ansässigen Be- völkerung deutsch, und noch im Jahre 1798 gab es hier unter der Kaufmannschaft hervorragende Firmen, welche nicht nur deutsch klangen, sondern deren Inhaber auch die deutsche Abkuntl in der Regel nicht Terleugneteu , so z. B. die Handelshäuser Auckenthaler, Palmer, Ca- dauner, Oiele, JEtohr, Eberle, Wenser, Permann, Zwifelbaur u. s. w. (11. 26). Indessen bewirkte doch der internationale Beruf des Kauf- manns, dass dieser Kreis der Trientner Bürger das Italienische bereit- willig als Verkehrssprache annahm und sein Nationalbewusstsein dem Geschäftsinteresse unterordnete. Weniger war dies ))ei <len Wirten, welche deutsche Gasthöfe hielten, der Fall, und in ihier Glitte mag noch am längsten die alte Tradition der Trientner Deutschen, welche im f&n&ehntä und sechzehnten Jahrhundert nicht selten gerade durch Wirte im Rate der Stadt vertreten waren (12. 113, Note 1) sich be- l'.unptf't haben. Wenn in neuester Zeit Trient als eine Stadt hingestellt wurde , für deren ältere Vergangenheit deutsche Einflüsse massgebend waren, so ist dies eine arge Uebertreibung des wahren Sachverhalts (42. 206, 2Ü7). Zur Herrschaft sind die Deutscheu hier nie gelangt, obschon die Trientner FOrstbischöfef deren Residenz sie von den ältesten Zeiten her war, grossenteils ihre Xationsgenossen waren und erst im Jahre 1289 ein Italiener, dem die Verbreitung seiner Nationalität am Herzen gelegen sein mochte, Philipji Bonacolsi aus Mantua, den Trientner Bischofsstuhl bestieg, auf welcliem ilim im Jahre 1;{()4 ein Venetianer, Bartholom. Quirini, folgte. Vierzig Jahre .später suchte Joannes de Pistorio sidi desselben zu bemächtigen; allein es gelang ihm nicht, und ein alter Katalog dieser Bischöfe legt ihm das FVSdikat «Gortisanus de Tus- cia* bei. Dann listen sich auf demselben Deutsche oder doch solche Prälaten, welche keine Italiener waren, bis ins sechzehnte Jahrhundert hinein ab (IG. 77 Ii*.), und ob Kardinal Bernhard von Cles, ob die vier Madruzze, ob die Südtiroler, welche im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert jene Würde bekleideten, sich als Italiener fühlten, das bedarf erst noch des Nachweises Auch im Trientner Domkapitel

^} Nach einer gütigen Mitteilung meines Herrn Kollegen Dr. Arnold Kitter von Luscbin- Ebeugreuth. welcher sich das Studium des öst^ rn irliischen Studenten- tums an ilen italienischen Universitäten zur besontl<4>'n .\ulgal>e geiinitht hat, Hessen die Angehörigen des Nonaberger Adels sich an den Hochgehulen zu l'adua, Bologna, Süna u. s. w. regelmlMig in die Matrikeln der deutschen Nation ein- sclu-'-ibfn . was im «iepensatze zu anderen Uiiterthanen des Fürstentum-^ Trient, weiche der italieniücheu Nation »ich aggregierten, als Aeusserung des nationalen Bewontseins in Betracht kommt. Vom Kardinal Ludwig Madmzs ist obendrein bekannt, dass die deutsche Nution zu Siena ihn wiederholt als Landsmann und Beschützer ihrer iVngelegenheiteu beiui Papste um seine Vermittlung ang^ing, und der Kardinal Christoph Madnus machte kein Hehl daraus, dass die deutsche Sprache ^. in- .Muttersprache" sei (11. .".7. Not* -Ji Auch Kardinal Cles beldeidete das Amt eines Trotektors der deutschen Nation {bü. 5. 174).

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Bidennann,

überwog nicht oft der Zuhl uach das itaiieuische Element. Aber au Versuchen, diesem daselbst das Uebergewicht zu sichern, hat es aller- dings nicht gefehlt und was den italienischen Domherrn an nume- rischer Bedeutung abging, das ersetzten sie durch ihre Rührigkeit und Gewandtheit Bei allen Fragen , die einen nationalen Beigeschmack hatten, konnten sie auch auf die Mitwirkung der mächtigsten Bürrfer- geschlechter der Stadt, ja zuweilen auch der gemeinen Volkskla>>e rechnen, die sich durch it-alienische Agitatoren leicht zu Aufständen hinzeissen liess*). In solche FiÜlflii spielte did deutadie BeivQlkerung ^e untergeordnete Rolle, ausser wenn sie der Bewegni^ sich anschlosH, wie es in der Zeit von 142t) 1430 gesdu lu n zu sein scheint, wo Deutsche und Italiener gleichmäüsig durch den Bi-schof Alexander von Masovien und dessen polnische Umgebung sich bedrückt wähnten Damals näherten sich die beiderseitigen Nationsgenosson und trewannen solclier- geätalt die Ueutächen m Trient steigenden Kiulluäs aul die Leitung der Stadf^^eschftfte Sie Terstirkien si<^ nun auch durch Zuzug von aussen *) und einzelne aus ihnen genossen die Vorrechte des Adels

Schon untenu 7. September 1507 erhess Kaiser Max I. an geiuen Stadt- hau ptmann sa Trient den Auftrag, die nsieh Ssterreiehiflchcn Pfrflnden Ittstemen

J'mtisiinen von nnm"' iibziiwehrcn. und ^ald darauf beklafr^^^ fr sich bei der ober- üttterreicbischen Hegieriung in Innsbruck über «Unordnung und Geschwindigkeit'» womit diese Priester «einsadringHn richvnterBteen*(1le8o1iitiooenbachin derBibi.Tir.).

*) Dllher bat der Trientner Bischof Ulrich von Liechten.'Jtoin den Kaiser Hax schon im Jahre 149t>, in Rom zu erwirken, dass sein Uochstifl als .inn der teutschen Nation*' begriffen und den mit dieser abgeschlossenen Konkordatcai onier» werfen anerkannt werde (I. St. A. Maximil. IX. 79). Vgl. 16. 109.

*) Die Trientner leisteten zwar der Aufforderung des Volkstribuns Nicold Rienzi, an der Befreiung Italiens mitzuwirken, im Jahre 1347 keine Folge; aber zu Anfang des Ittnfzehuten Jahrhunderts empörten sie pich wiederholt, wobei Rudolf von Bellinzona den FOhrer machte und worüber der Paduaner Kechts-

Selehrte Fr. Zabarelli im .lalirc 1407 ein Gutachten abgab, in welchem e?; heisst: ie Aufständischen hiltt<'n .\ iva el popolo e d sfj^nore e niora y truditori* ^e- ruffn. Sit'hf Cl. W. (Jrnf Brandis, Tirol unter Fri< ili irh von Oesterreich, Wien S. liii rt". (insbt•^i. Urk. 2b). Vgl. da« Werk „l>it' Kirche des heil. Vigilius'* etc, Bosen 1825, S. 187 Ii'

*l So heisst es in einer Kiiiiralic der Hürgerscliafl von Trif'nt an den Herzog Friedricli von Tirol von» Jahre 14y*J (l>ei Ju.s. v. Sperges, CoUectanea Tridcntiua, Bibl. Tir. Handschrift 227, S. 12): die polni.«che Dienerschaft des Bischofs Ale> xander sei von Hass erfüllt .in rives tani Teutonicos ([uam Italicos".

*) Das ist der richtige Sinn der Erzählung des Fr. Felix Faber (23. 75): ,Non sunt mniti anni elapsi, quod Theatonid in ilTa dvitate eraat hospites et pauci; nnnc vero snnt eives i-t urbis rectores". V'j]. 52. 62—65; 4:>. 265 (wo das Empor- kommen des deut«c)ien Element« den Begünstigungen, welche die Bitschöfe and deren Vusllen ihm angedeihen Hessen, zuge»icSrieben . jedoch aiHjh lugestaadeB ynxd, dass in der St. Peteri<kirche im XV. lahrhundert der deutsche ( ;otte>dien.st seinen Anfang nahm). Aus dem Jahre I4äl erliegt eine deutsch verfaHdte Be- scbwerdescbrift „der Bui]^ und des Comawns* va Trient im landsdiaftl. ArdiiT Stt Imihbruck (Behältnis \, 19 3).

*| I m ilas Jahr 1485 machten die Trientner Deutschen geltend: ,(^uoniam vero modo plures hone^ti viri Alemani cum uxoribu«, liberis et bonis sni» haac ciritatfm intrarunt" (52. 81).

') So war Anton SchraltfiilMTLror ein Schwager des Anton von Li/rana, nach dessen Tode lJii?chof Joliann llindt rltaeh im Jahre 1472 ihn mit dem Schlosse Lizzana und aller Zubehör belehnte (U5. U"^— 152). S[Ater erwarb derselbe auch die Castellb.irroscben Lehen. Odoricus Scratemparger war schon im Jahre 1407 bischöflicher Kummerer (10. 124).

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Die NationalitiUen In Tirol etc.

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Aber dieser Aufschwung deutschen Wesens liatte in Trient keine Dauer. Um das Jalir 1485 zankt»'n sich hier beide Nationalitäten um ihr numerisches Verhältnis nnd üi)er die Vertretung im Stadtrate, welche die Deutscheu diesem gemäss beanspruchten, indem sie den vierten Teil der ganzen StadtbeTdlkemiig auszumachen behaupteten, wogegen die Italiener dabei nicht auf die Yolkssahl überhaupt sondern auf die Bilrrrerschaft als solche gesehen wissen wollten und ihre deutschen Mitbürger bloss für den zwölften Teil derselben gelten Hessen, auch ihnen vorwarfen, dass sie allesamt Handwerker, daher in den Gesetzen nicht genug bewandert seien. Letztere erwiderten, dass die Steuerbücher

ihre Behauptung rechtfertigten, wichen jedoch dem die Bürgereigenschaft betrefiPenden Argumente so gut ans als dem Vorwurfe, &m sie nicht die erforderliche T^ildung besSssen (52. 87). Und für die damalige Zeit

mag auch diese Einwendung gegründet gewesen sein. Aber um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts verhielt es sich damit anders. Als im April ir>()l die österreichische Erzherzogin Eleonore, Hraut des Herzogs Wilhelm von Mantua, zu Trient verweilte, wohnten einem Hofbwe bei derselben die dort heimischen Deutschen sowohl als die Italiener (U Thodeschi et Italiani di Trento) nicht etwa als blosse Zuschauer, sondern als Tänzer bei. unter welche die Erzherzogin, selbst mittanzend. "sich mengte („Arch. Trent.* III, IG). Dies schliesst wohl die Annahme aus. dass jene Deutschen ungebildete Handwerker oder somst Leute niedrigen Standes waren. Hesass ja doch zu dieser Zeit ein Zweig der Familie Fugger einen Palast zu Trient : die spätere casa Zambelli (8. 22). Kurz vorher hatte auch Kaiser Ferdinand I.

war, wegen seines Eintritte in das Gremium des Reichshofrats unter- handeln lassen, allerdiiifj^s mit Rücksicht auf dessen Vertrautheit mit der italienischen Sprache (Kopeybuch „Von d. kaysl. Mstt." Bl. 2t>7 im I. St.-A.). Wenige Jahre später (1585) war der Weinhändler Khrotten- preuuer zu Trient Hoflieferant (»Gemeine Missiven" von 1585, Anlig., im L St-A.).

Aber schon war der Zuzug auswärtiger Deutscher ins Stocken geraten (52. 71) und dafür drohte die Ge&hr, dass eine Unmenge von Italienern in und um Trient sich niederlassen würde. Im Jalire 1572 hatte sich nämlich Dominik de Avanzini aus Riva in Verbmdung mit einem Kaufmanue &ua Lucca der Tiroler Regierung gegenüber anheischig gemacht, ,biss in ain4aiisent frembder w&ls eher Seidenmacher gegen Triendt zu bringen". Das Projekt scheiterte an den (Gegen- vorstellungen der Stadtgemeinde Bozen, welche, um ihr Gutachten dar- ühi-r niic^errangcn , am 11. März 1572 nicht nur die Nachteile, wehhe für ihre .lalirmärkte daraus erwachsen mussten . her^'orhob. sondern auch Zweifel äusserte, „obs thunlich wäre, ain so Li;r<)sse Auzall frembder walchen in Triendt (daran dem Lande vil gelegen) eiukhomen zu lassen; dann die Teutschen one das mit den wSlsehen in Triennt hoch Übersetzt seindt" (B. Stdt.-A. Abtlg. V, 258). Aber mit dieser Vorsorge, dass das Deuti;chtum hier nicht mehr zurOckge- drängt werde, war nocli keine Abhilfe geschaffen. Vielmehr bezo*;en um jene Zeit welsche Barfüssermruu lie das Kloster, welches dort früher Foracbongen zur deutschen Landes- and Volkskunde. I. 7. 31

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deutsche Ordensbrüder iniie gehabt hatten (so klagt wenigstens ein Bericht der Innsbr. Regierung im Missivenbuche von 1585, Bl. C42), und die Stände Tirols sahen mit Wehmut, wie deutsches Wesen dort inuDfir mehr in den Hintergrund tni Am 5, August 1596 riefateten de daher vom Landtage aus an den Eauer Rudolph II. die Bitte, «insonderheit darob und daran zu sein (inmasscn vnser liebe Altfordem hierauf alzeit grossen Acht gegeben), damit d&s teutsche Wesen in Trient nit gar in Abgang komme, sondern vielmehr erhalten undt er- weitert werde" (Abschriftl. Landtagsprotokolle im landschaftl. Archiv zu Innsbruck VI. Bd., S. 24). Zwar finden wir noch in gleichzeitigen Reiseberiehten die Scheidunff der Stadt in ein Quartier der Deutschen und in eines der Italiener oetont *) ; aber 30 Jahre später geschieht auch dieses Gegensatzes keine Erwähnung mehr, sondern die Reisenden, welche damals Trient berührten, schildern die beiden Nationalitäten als djiselbst vermischt und die Bewohner als durchwegs doppelsprachig wie auch der Minorit Coronelli, welcher im Frühjahr 1696 dahin kam, in seinem »Viagsio d'Italia in Inghliterra* (Venedig 1697) S. 123 den SaehTeihalt sdumert (hanno Tuso promiscno delle dne lingue Italiana e Tedesca). Wie sehr zum Nachteile des Deutschen dies aich seither geändert hat, wurde oben bemerkt. Es ist nun wieder altromanisches Wesen, dem die gotische Okkupation im fünften Jahrhundert so wenig als die bajovarische im achten und neunten die Lebenskraft raubte, daselbst zum Durchbruch und die vornehmlich durch den römisch- katholischen Klerus genihrte lateiniaehe üeberlieferang auf altrömi- scher Chrmdlage (3. 22, 23) zur Geltung gekommen. Deutscher Gottes- dienst wird noch in der Markuskirche gehalten durch einmi besonderen Kaplan, der auch eine ileutsche Schule unterhielti welche nun auf Staats- kosten selbständig fortbesteht.

In der Stadt Rovereto wurden bei der Volkszählung vom Jalire 1880 auch so gut wie gar keine ansässigen Deutschen vorge- funden. Von den 336 Deutschen, die man damals neben 8160 Italienern hier zählte, waren weitaus die meisten (211) Soldaten und beiläufig ein Sechstel Staatsbeamte. Allein dass dem damals so war, während in früherer Zeit die deutsche Nationalität hier eine Achtung gebiet«'nde Stellung einnahm, das lässt sich hier weder auf eine üeberlieferung von der Art der in Trient vererbten noch auf eine altrömische Grund-

So sagt Michel de Montaigne, welcher inkJabre 1580 Trient besuchte» in seinem Journal de Voyage (Rome Paris 1775, 1, pag. 135) von dieser Stadt : ,Cette ville est my partie en ces deus langucs et y nn quartier de ville et Eghsi! quin nome Allemans et un precheur de leur langue." Faul Hentzner, welcher im .lahrf 1599 dahin kam, schreibt davon in seinem Ttinerarium (Nürn- berg 1612. pax. ;iÜO): «Incolae hiyus oppidi Italium versus habitantes Italic» lingua. Oermaniain versus Gwmanica atöntur."

*) .T. Fl. Pflaumern, Mercurius Italirn«; (Augsb. 1625, pag. 7): .Ab hao semi-gennana urbe hbet ordiri Itahe descriptionem. Uabitatur a nostris Italisque promueae etmanet cnique genti patriua «ermo ; sed forme dvesntrarnque oallent." Andr. Schott. Ttiner. Ttaline (4. Ausg.. Antworiion Ifi^.'S. ]u\^. 19): ,Utitur civita? idiomate Germanico et Italico, utpote ex his uationibus conüata, quamquam lou^e tit major numerus Ttalomm.* Der päpstliche Nuntius 0. Caraffa bemerkt m seinem Beiii bt'- \om .Tahre 1628 (Arch. f Kunrl'^ f'.Kt- rr. Gegchicht«quellen 28. Bd^ 360) von Tnent: »Ivi si parla itaUano e Tedetico, ma piü It&liano'.

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laf(e zurückführen, sondern ist lediglich die Frucht derjenigen Ein- richtungen, welche die venetianische Republik hier im fünf- zehnten Jahriiundert, also in verhältnismässig später Zeit, einer bis dahin vorwiegend deutschen Entwickelung aufgepfropft hat Der OrtRovereto erwuchs ans Ansiedlnngen im Burgfrieden des Schlosses Castelljunk, welches als Dependenz der Tlauptburg Lizzana sich (l ir-trllt und gleich dieser im zwölften und dreizehnten Jahr- hundert der nr?«priJnglich deutschen Familie Castellbarco eigen war. Erst zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts hat Willielni von ^astcll- barco sich romanischen Einflüssen dergestalt hingegeben, da^s er iür einen Italiener gdten konnte. Daimds bürgerte sidi Tidkicht zu Boyereto eine romanische Bevölkerung ein Doch kommen neben ihr auch Deutsche als Zeugen und im Jahre 1333 Arimani et Arimaniae familiae hier vor (0. 2G9), was auf die Fortdauer langobardischer üienstbar- keitsverhäUnisse hinweist. Das Lägerthal (Valle Lagarina), dessen Hiiuptort llovereto nun bald werden sollte, «gehorchte damals zeitweilig deutschen Generalkapitänen. Ein solcher war im Jahre 1342 unter dem Titel eines Vikais der Bitter Mörl aus Kaltem (6. 273). Saum aber hatten die Yenetianer m Anfang des ittnfiMhnten Jalvhunderts das Lärrerthal' eingenommen Y so setzten sie zu Bovereto einen Podesta. ein, welcher einem ihrer Pafriziergeschlechter angehörte. Paul Foscolo, der im Jahre 1432 dieses Amt antrat, nannte sich zuerst auch „Vallis Lagaiinae Capitaneus Generalis" (85. 1. 280). Vorher schon (1425) hatte die Bepublik dieser ihrer städtischen Schöpfung ein Statut erteilt, welches (in Verbindung mit den Senatsdekreten Ton 1441 und 1478 87. 1. 345) den venetianischen Munizipalcharakter auf sie übertrug, obschon unter den dabei Mitwirkenden bereits ausser dem Podestii und dem Kanzler (einem Tremoneser) nach venetianischem Muster Sapientes (Savii) erscht inen , darunter ein IHrico d'AUemagna, ospite all' Aquila (87. 2. 158). Ganz hatten also auch die Venetianer vorerst noch das deutsche BerOlkenmgselement in BoTneto nidbt beiseite geschoben. Indessen war die Emwanderung Ton itedienischen Familien aus dem älteren Territorium der Republik so stark, daes die Umbildung Boveretos in eine italienische Stadt mit deren Hilfe rasche Fortschritte machte ■). Als im Jahre 1487 Erzherzog' Siegmund von Tirol die Stadt belagerte, that deren Bürgerschaft ieierliclie Gelübde für den Fall, dass sie vor deutscher Herrschaft bewaln-t bliebe (93. 2. 12'Jj. Nachdem diese im Jahre 1509 gleichwohl hier festen Fuss gefasst hatte, trat allerdings ein Bttckschlag ein. Wir finden im Verzeichnisse derjenigen, wdche

') In einer zu Rovereto «sub domo Comunis" im Jahre l:{07 ausgestellten Urkunde erscheinen als Zeugen: Benaduaius Not. q. Uonüoli de Rovredo, Franc, q. D. Berte de Calapiiia de Kovredo, Nasimbenns dietm Vicentinos, habitator Sovredi»

Älbertaciiis' BerarinK df' dicto loco (lö. 87).

Zutti (87. 1. :]21) sagt: „Le attrative che preseutava noätra Vallt' (d. h. das Lftgerthalj a molti ufficiali della repubblica Veneta, fu ({uella che decisc molti di c^Hi di plantare fra noi stabil dimora e dintro di ««shi molte aitre famij[(lie venetf vonnero ad accrescer»' la popolaxiune de' nobtri paesi, molte dl em fiorirono e fioriscono tuttavia e molti noiui di famiglia della nosfara Valle vanta.no tnttora ori^jinc du V'eneti citt:i«tiiii.* In Rovereto selb.-t erinnern die St. Markuükirche und die Rialtogasse an die venetianische Vorzeit {iA. 2. 82).

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die Podestiiwiirdt' daselbst bekleideten (77. 93—98), bei den Jahren 1513, 152G, 1532, 1541, 1540 und 1554 Deutsche genannt, darunter 3 Scliratteii- berger aus Trient. An einem Darlehen fUr Regierung^izwecke betei- ligten sieh im Jahre 1552 aus Rovereto: die Hafner, Hae&chmidt, Gossmeth, Westerstetteu u. 8. w. (Copeybuch , Entbieten und Bevelch* von 1553 im I. St.-A. 1^1. 73). Aber die Mehrheit der hiesigen Be- völkenmg widerstrebte der Einverleibung in Tirol. Sie verlanLjte, dass Kovereto als eine deutsche Reichsstadt an*jesehen und behandelt werde (87. 2. 119). Als dieser Wunach nicht in Erfüllung ging*), schlug sie eine ezkem-nationale Richtong ein, indem sie durchaus das Italie- nische im Verkehr zwischen ihr und der Innsbracker Regierung an- gewendet wissen wollte *) und sogar die Ausstellung deutscher Zoll- deklarationen verweigerte (11. 38). Mittlerweile hatten freilich auch neue Zuzüge von Itaüenern .stattgefunden, denen im sechzehnten Jahr- hundert nur vereinzelte Einwanderungen von Deutschen, so z. B. der beiden ►Seidenfabrikanten Johann und l*aul Ferlegher (Verleger) aus NOrnberg, des Kaspar von Lindegg aus Steiermark (oder, wie die Familientradition berägt, aus Coblenz am Rhein) zur Seite gingen und erst im siebzehnten Jahrhundert zahlreichere (die der Handeudente und Fabriksuntemehmer Volckliamer. Outtliätter und Unterstairicr aus Nürn- berg, der Kandelperglier aus (Jastelruth, der fSchalckh u. a.) folgten. Die bereits der Italienisicrung Verfallenen mit eingerechnet, waren gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts deutsche Familien zu Rovereto nicht selten. Auf einem Vertrage, den die Stadtgemeinde am 1. August 1683 mit der (tetenreichischen Regierung schloss, sind als Magistratsraie neben solchen, deren Namen italienisch klingen, unterzeichnet: Mel. liior Lindegg, Giacomo (xH/er. Giov. Domenico Balther, G. Giacomo Balther, Andr. von Mitcrniiller. Giov. Haini (11. 42, Note 2). Kurz vorher (107 Ij hatte ein Roveretaner Bürger namens Oretici für seine Vater- stadt ein Gymnasium mit deutscher Unterrichtssprache an den unteren Klasseh gestiftet (IL 50). Es gab da audi eine deutsche Bmdoschsft mit eigenem Vermögen (52. 77), deutschen Gottesdienst, der in der Kirche del Sutlragio gehalten wurde (20. 12), und einen besonderen Kaplan der Nazione Germanica, welches Amt zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts der für Ver]>reitung der deutschen Sprache unter den Italienern Südtirols sehr thätige Priester Matth. Fi.scher aus Landeck bekleidete (Almanaco del Trentino pel 1867, pag. 1 1 3). Dasselbe be- steht noch gegenwärtig stiftungsgemäss fort. Mit der hiesigen Lehrer- bildungsanstalt ist eine dreiklassige deutsche Uebungsschule für Knaben

') Pi>' Innshrucker Re^ieninp trat demselben schon im .hihrt- 1'?)C} cntppir'^n, als die ätadt begehrte, bei der Wahl d^ Podestä nicht aut Tiroler betichräakt za «ein, sondern dasn aach Unterthanen dentBcfaer Reichsf^ebiete in Italien TonddsMa zu dürfen. Diimals Ijcreit-! ht-dputoto jene Beh?>r(1t' «ItT Stadt, sie sei durch Er- oberung nicht dem römiscb-deutscbcu Heiche, Houdem der Grafschaft Tirol einver- leibt (Copeybuch ,An die röm. königl. Majut» von 1536—1588 im I. St-A. Bl 69).

*j In einer Vorstellung an die Tiui-linicker Regierung vom 12. Mür/. lhi>4 erklärt die Studtvertretung, es sei ungerecht, das« man die Roveretaner zwin^ (che noi Latini siamo costretti) . beim Verkehr mit der Hofkammer in Inmhrook der deutschen .Sprache, die hu- «hirduiiis nicht Terrt&nden (che noi del tntto igno;- riamo), 8i<^ zu bedienen (87. 2. 119).

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und Mädchen verbunden. Doch die Hinneigung der {gebildeten Kovere- taner zur Pflep^e der deutschen Sprache, welche im athtzehnteu Jalir- hundert sich benierklich machte, wich damals schon der durch Clemens Vanetti unter ihnen inaugurierten schöngeistigen Bewegung (11. 204), und kam sie gleich später wieder zum Yorscnein (11. 51), so war sie doch Yon keiner langen Dauer (11. 52).

7IL Sarcathal.

Hierher gehören vom Politischen Bezirke Tione der Gerichts- bezirk Stenico mit 9 Deutschen (neben 9780 Italienern), und zwar 4 zu Stenico, 4 im Dorfe Lundo, 1 im Dorfe Fiav^; ferner der Ge- richtshezirk Tione mit 214 Deutschen (neben 13 975 Italienern). Diese 214 konzentrieren sich im Städtchen Tione, dessen Garnison 192 dazu beiträgt Vom Politischen Bezirke Riva sind hierher zu beziehen der Gerichtsbezirk Arco mit 112 Deutschen (neben 9576 Italienern), und zwar 102 in der Stadt Arco, fast sämtlich Kur- gäste, 5 im Dorfe Vigne (Ortsgememde Romarzollo), 3 im Dorfe Vignole (Ortsrjemeinde Oltresarca), 1 zu Ceniga (Ortsgemeinde Drö): endlich der Gerichtsbezirk Riva mit 042 (neben 8498 Italienern', und zwar 513 in der Ortsgemeinde Riva, mit geringer Ausnahme S<jldat*;u (näm- lich 473), 126 im Dorfe Torbole (Ortsgemeinde Nago), ohne Ausnahme Soldaten, 2 im Dorfe Tenno, 1 im Dorfe Canale (Ortsgemeinde Yille del Monte).

Gesamtsumme 977 Deutsche (neben 41 829 Italienern).

So wenig dieses Thal zu deutschen Ansiedhnifren sich eignete, so erschloss es sich doch Deutschen . welche vortib» r^^cheud sich da- selbst niederliessen , in alter und neuer Zeit. ErgriH ja doch von der Rocca di Bregguzzo (bei Bondo unterhalb Tione) ein Hauptmann des Herzogs Leopold von Oesterreich schon im Jahre 1390 Besitz! (29. 139). Und zuvor nodi (1380) war Heinrich von Liechtenstein Vikar des Trientner Fürstbischofs in gan/ .ludicarien (10. 115). Die Burir Stenico hütete im .bihre 1435 im Auftrage des Trientner Hi- schois Alexander ein Hauptmann namens Stengler (IT). 1441 Sieg-

mund von Thun (16. 134), der im Jahre 1448 von hier au» auf Befehl des Herzogs Siegmund yon Tirol die Pfarrsprengel von Rendena, Bono, Tione und Condino besetzte, 1497 Hans von Weineck (#Tavel d. Bevelch- von 1496 im L St-A. Bl. 17). Zu Campo, einst Lehen der Grafen Trapp, die es im Jahre 1470 erliin^^en , sa*^s die Faniilie Prez von Prezenberg, in welcher die hiesige S( hlosshuuptmannschalt sich fortgeerbt zu haben scheint. Die Pfarre Lomas (bei Vigo im Genchtsbezirk Stenico) ging im Jahre 1468 von Konrad Bachmaun an Joh. Eentsch, einen Priester der Di9zese Merseburg, Uber (16. 286). Den Posten eines Seelsorgers zu Dro im unteren Sarcathale versah von 1494 1512 der Priester Bertoldus Alemanus aus der Diözese Regensburg, welcher auch Häuser und Grundstücke daselbst eigen- tümlich besass (58. 2. 53, 54), also sicher hier wohnte.

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BidwnwMBii

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Das KoUegiatkapitel zu Arco hatte, je weiter zurück, desto häufiger Deutsche zu Mitgliedern; so erscheinen: 1284 Arrigo Teuto- nicus und Federigo Teutonicus, 1289 Henricus Teutonicus, 1300 Gislin- bertas, qui BiucniuEeriwi (PcNNlwchiHr?) dieitnr, de Campo, 1316 Henricns Teutonicus, 1330 Hendrichus sive Henricus de Landsperck (58. 2. 8— 13). Im Jahre 1440 erschwang sich Georg Marsckall TOn Obemdorf in Bayern, seit 1444 Hofka])lan der Grafen Arco und zuvor Spitalpriester zu Meran, gar zum Erzpriest er von Arco, in welcher Eigenschaft er Vorstand des KoUegiatkapitels war (58. 2. 20 21). Es deutet dies auch an, wie lange das genannte Dynastengeschlecht, mindestens in einzelnen aeiner Sprossen, sich deutsch erhielt Anch die ?ielen deut- schen Chorherren der Vorzeit hängen ohne Zweifel mit diesem Um- stände zusammen. Als die Grafen von Arco ihrer deutschen Abkunft sich nicht mehr besannen, gerieten sie mit den tirolisohen Landes- fürsten in Konflikt, was zur Folge hatte, dass dirst- die (Tralschaft Arco mit Beschlag belegten. Damals (1579 1014) nahmen im Schlosse Arco deutsche Hauptlente ihr Standquartier, so Konrad Schiessfl und später Balthasar Troyer (58. 2. 29), sdbstrerstSndlich Ton deut- schen Sjriegsknechten begleitet. Laut dem 1604 mit dem Hauptmaone von Arco landesftirstlicherseits geschlossenen Burghutvertran;^ („Missiv an Hof* im I. St.-A. Bl. 710) hatte dieser daselbst 20 .redliche, auf- rechte, teutsche Kriegsleute'' zu unterhalten. Auch im Schlosse I'enede lair damals eine deutsche Garnison unter Hans Georir von Huimsdorfif

(20. 115). TJebrigens erscheinen zu Arco Theutonici et Latini schon im Jaltte 1124 als Gewährsmänner (33. 2. 67). Von der Stadt Riva i.st bekannt, dass unmittelbar, bevor sie in die Hände der Republik Vened^ fiel, in den Jahren 1405- 1436 wiederholt Deutsclir die Würde eine^ Podestä« daselbst bekleideten; so: Jos. Annenberger, Pett'r Limburger, Paul Rasner, Peter von Salzburg, Ulrich Schrankenpaumer. Auch schon in älterer Zeit kam dies vor, besonders zu Ende des dreizehnten und zu Anfang des vierzehnten Jshrhunderts; ebenso nach Vertreibung der Venetianer, solange Riva noch nicht von den Osterreichischen Fürsten förmlich an das Bistum Trient zurückgestellt war, in welcher Periode Joh. von Weineck und Eustach von Neydeck der Stadt vorstanden (Statuti della cita di Riva, Trento I8()l, 'pag. 221)— 232). Die deut- schen Hauptleute verfügten dann auch über eine deutsche Besatzung. Die BUrgersdiaft von Bm dagegeu gehörte wohl jederzeit der itdie- nischen Nationalitftt an imd als Prototyp fta deren ilteste ReprSseo- tanten kann der im Jahre 1208 als hier „romana lege vivens" vor- kommende Jakobin de la Saviola gelten (Codex Wangianus a. a. 0. S. 170). Noch ist des Schlosses Tenno ober Arco (am Wildbache Varrone) zu gedenken, welches im Jahre 1210 Aldrighet von Ulten zu Lehen hatte (16. 133) und wo im Jahre 1441 Georg Viaentainer, 1488 aber Paiikraz Kuen Hauptmann war (Lichnowsky, Gesch. des Hausee Habsbuigt VUL Bd., Bag^ 1086).

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Die Nationalitäten m Tirol etc.

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VnL Das Ledro- und das ChiesethaL

Diese beiden Qrenzgelnete im Südwesten Ton Tirol sind die ein* sig^ wo keinerlei Spuren deutscher Vergangenheit an^troffen werden,

"Wenn man nicht etwa die Grafen von Lodron als ein deutsches Ge- schlecht betrachten will, wofür aber die Beweise fehlen, oder das am 11. März 1488 ausgestellte Notariatsin.strunient, womit die Republik Venedig dem Pankraz Kuen als Bevollmächtigten des Herzogs Sieg- muad von Tirol infolge eines Friedensschlusses Storo, Condino, Brioue, Cimego und Gastellert übergab (Lichnowsky , VllL, Regest 1099^), als ein Denkmal solcher Vergange nheifc gelten ISsst. Somit erübrigt hinsichtlich derselben nur die Anftlhrang dessen, was die Gegenwart betrifft.

Der das Ledrothai bildende gleichnamige Gerichtsbezirk (Bestandteil des Politischen Bezirks Riva) zählte Ende 1880 bloss 2 Deutsche (neben 4726 ItaHenem); der das Chiesethal umfiEissende Oeriebtsbesirk Condino (Bestandteil des Politischen Bezirks Tione) aber zählte 85 (neben 11 794 Italienern), darunter 64 im Dorfe Creto (bis auf 5 sämtUch Soldaten), 3 im Markte Storo und der Rest (18) im Dorfe Condino.

Merkmale der einzelnen Zeitobaelinltte ■)•

L Die yoritaUeniadiA Zeit.

Die durch das ^aaze Land verbreiteten romanischen Oertlich- keitsnamen lassen kernen Zweifel darüber, dass Tirol zur Zeit der W^mischen Heirschaft seiner ganzen Ausdehnung nach von Romanen,

d. h. von Völkern, denen die lateinische Kultur mr Geprige au%edrOckt hatte, bewohnt war (22. 1. 33; 71. 67). Die Völkerwanderung brachte Germanen und Slawen ins Land. Diese Hessen sich zumeist im Drnu- gebiete nieder (13. 45). Jene besetzten nicht so sehr die nördliclien uzenden als vielmehr die gegen bilden und Südosten mündenden Thäier (04. 85—87; 76. 25), namentlieh das Brentathal, wo die GebrSuche ihrer Kachkommen noch nach einem Jahrtausend an die unmittelbare Berührung erinnerten, in welche sie bei ihrer Ankunft daselbst mit

Das8 Ortanamen wie Locca, Enguiso und Leuzumo, welche im Ledrothale Torkommeo, durch ümgeBtaliung der dea<»eheB Worte Laobe» En^ieM, Lenlram

entstanden unil dio liotrofFenden OertUchkeiten einst Sitze von Cimbeni gewesen ■eien, ist eine allzu kühne Vermutung, al« daaa hier damof eingegangen werden könnte.

') Raummangel zwingt den Yerfiisser. im Naclistehenden die Citato und Zu- aäUe auf das Notwendigste zu beschränken. £r verweist daher im imgemeiuen anf die «Geographisch geordnete Ueberricht*^ in welcher die besttgliehen Belege mit geringer Ausnahme imschwer zu finden sind. Um das Auffinden dortiger Be- legstellen, von welchen dies nicht gilt, zu erleichtem, wurde die Signatur de» be- treffenden Absatzes, soweit es überhaupt anging, dem Texte eingeschaltet oder «mnerkmgffweke enidktlidh gemacht

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Tittgern lateinisclier Kultur gekommen sein mussten (33. 1. 1. 141; 7. 15—23).

Und gerade du nach Italien führenden Pässe, an welchen jene Völkerzüge sich gestaut und demzufolge einen Teil der Menschenmas:<e, die sie in sich fasston, gleichsam abgelagert liatten, erhielten im Laute der folgenden fünf bis sechs Jahrliuuderte neue Nachschübe germa- nischer Abkunft zu Bewohnern (04. 87—92; öl. 371—373).

Es wirkte hier wie in der Schweiz die Politik der damatigen deutschen Kaiser massgebend ein (11. 17, 18).

Im Norden des Landes dagegen griff die deutsche Koloni<ati< n nur langsam um sich, so dass es im zwölften und dreizehnten Tuhr- hundert hier mehr Romanenreste gab als allem Anscheine nach an der unteren Etsch und auf den Gebirgen zwischen ihr, dem Avisiothale und Judicarien (71. 28, 129; 72. 129—137, 140, 195). Das geistliche Fürstentum Trient war damals ohne ünterbrechung Priestern anTertiauti welche nicht nur für eine kaisertreue Haltung in Eriegsrällen, sondern auch für eine dem Deutschtum günstige Regierung zu friedenszeiten Gewähr boten (s. oben S. 451).

. Erst als auf italienischem Boden die geistige Bewegung entstand, deren Mittelpunkt wh* in Dante zu erblicken gewohnt sind, ward auch ' die Geistiiclikdt und durch sie der Add jener Grenzmarken» des Deut-, sehen Reiches diesem der Gesinnimg nach entfremdet, somit die Btel-. lung, welche die hiesige deutsche Bevölkerung bis dahin eingenommen hatte, gefährdet, ihr Znsammenhang unterbrochen (59. 70G 7081. uvA der ihr nun auch geistig ülicrlogene. weil in der Verjüngung begriü'ene Romanismus gt \\ iiim hierdurch eme unter diesen Umständen doppelt bedrohliche Anziehungskraft.

IL Srste ▲nabreitang italienischer Kinflftiiiie gegen "Siodi&iL

(1290-1480.)

Kaum hatte die vorerwähnte Neugestaltung begonnen, so gravi- tierten in jenen Grenzgegenden Tomehme GescUechtor, deren Stemm- baum deutschen Ursprung aufweist, nach Italien ^e pflegten mit

italienischen Priestern vertrauten Umgang, gingen immer häufiger mit italif nischen Familien Ehevorhinrhingen ein, unterhielten Fühlung mit auswilrtigen Parteihäupteni und boten zu Umtrieben die Hand, welchen zufolge sowohl der Trientner Bischofsstuhl als eine Anzalil von Dora- herrnstellen im hiesigen Kathedralkapitel Ausländem zugänglich wurden, deren Bestrebungen keine den Deuischen günstigen Ziele verfolgten

') Ein gewisRprmassi>n typisches Beispiel hierfür bietet das Testament iles Wilhelm von Oastellbarco vom 13. August 1319 (33. 1. 2. tJOO fl*.). Es ist das der aftnüiche Edelmann , dessen Gast Dante bei seinem Aufenthalt im Lägerthale ge- wesen sein soll. s. Adolf Piehler's Aoftats .Dante in Tirol* in Amthoxs »Aipet- freund« IX. Bd. (187ÖJ, Ö. 356-359.

*) Schon im JaAre 1806 nraaate Jakob von Rottenbnrg, als er (tanMiaani latinuni Tip^cioTi- ydioma) vor dem von seinen Kanonikern und mehreren KlosteP* vontändcn ^Boua«racia, Boninsegna) umgebeneu Bischöfe von Trient erschien, sidl des Odoncus de Goredo alt eines Dolmetecheis bedienen (98. 4. 285).

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Die Nationalisten in Tirol etc.

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Dazu gesellten sich gleichgesinnte Einwaiulerer weltlichen Standes, namentlich Beaniteniamilieu und deren Anhang (ß. VI; vgl. ilie Serie cronologica dei Podeste o Pretori di Trento, Roveredo e Rits, 26. 79 122), Gewerbetreibende verschiedendr Art, die aus Italien mit Vor- liebe nach Trient übersiedelten und florentinische Kapitalisten, welche TOnui^'sweise in Deutschtirol das aus der Heimat mitij;ebraclite Geld fruchtbringend anlegten, auch dadurch rasch dort zu Macht und An- sehen gelangten*). Aber auch Männer der Wiss» iischaft verlegten aus Italien ihren Wohnsitz ins heutige Tirol, um da im Interesse der neu- erwachten nationalen Bildung thätig zu sein'). Ein ansehnlicher Teil der Bttrgerschafb von Trient huldigte der neuen Geistesrichtung und zeigte sich für Aufstandsveisuche, welche ihre Spitze nicht selten |?egen die Deutschen kehrten, empflint^dirh. Bald auch drängte sich die Re- publik Venedig in diese Kreise ein und schürte, schon um sirli das Vur- driugeu zu erleichtern, die Glut der von ihr vertretenen nationalen Ideen

UI. Deutsche Gegenbestrebungen und Erfolge.

(U80— 1530.)

Die Furcht vor den venetianiachen Anschlägen brachte es dahin, dass tirolischerseits Vorkehrungen zur Abwehr getroffen wurden. Erzherzog Siegmund rüstete nidit nur Truppen aus, mit welchen er den Venetiauern t-ntgigen zog, sondern wendete auch sein Augen- merk den kirchlichen Natioualitütsverliältnissen der Trientner Diözese zu, begünstigte die deutschen Bergwerksuntemehmungen in Primdr und im Yalsugan, bestätigte das Bozener Statut, welches italienische Emschleicher hintanhielt, und gab damit zu einer in den folgenden

') So die vom tirolischen Herzoge Friedrich unterm 27. Juni 1422 im Hin« bUeke auf die Entvölkerung der Stadt mit einem Freiheitsbriefe begnadeten Tneh- macher. an deren Sin'tzo em Rector artis. Konsuln u. s. w. standen, wodurch sie alB Italiener gekennzeichnet sind; femer die von Augustin de Spinolis aus Genua gefblurten Seidenweber, welehe im Jabre 1499 ein Privilegium erlangten (Primiwer^s Collektaneen in der Uilil. Tirol.).

«) S, oben A. U, III, Y, VI, VII.

*) So berichtet St of eil a dalla Croce im «Florilegio scientif.-stor.-letter.

dei Tirolo Italiano* (Padua 185ö) S. 1,S5 von einem , Magister Placentinus, Grani- maticae Professor, quondam Ser Segondi de Placentia", welcher in einem Testa- mente der Kli-sabeth von Castellbarco. Tochter des Azzo di Correggio, beim Jahre 1427 alj- in Rovereto lebend erscheint, und knüpft daran die Vermutung, diese Edelfrau habe ihn mit sich nach Rovereto gebracht, um hier einen Strahl des Lichtes, welche» damals über die italienischen Städte sich verbreitete , leuchten zu lassen md 80 den Ort zu verherrlichen.

*) 'An welch leidensL-haftlichen AuHbrüchen das italienische Nationalgefühl im venetianischen Heere dumal.s sich steigerte, lehrt die Aufforderung zum Zwei- kampfe mit einem deutschen Krieger, welche Ant. Mar. Sanseverin, der Sohn des JBefehlshaber» der Republik, im Jahre 1487 vor Rovereto erliess, damit sieh yf-i^c, um •wieviel die Italiener dvn Deutschen an Tapferkeit überlegen seien (quuntum belli gloria Itali Germanos antecellant, wie der Geschichtschreiber P. Bembo schreibt, 93. 2. 195). Die Republik Hess es ni( Iii nn Si hiiiet( lu lworten fehlen, um italienische Sympaihieen zu verbreiten, aus welchen zunächst sie selbst den grössten Nutzen sog. So belobte rie nicht nur wiedeibolt (1492, 1501 und 1502) die Rovere- taner (87. 1. 405). sondern sie überhftofte anch Landgemeinden mit Gnadenbesei- gungen (87. 1. 310 - 29. 170, 171).

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40 Jahren mit steigender Strenge angewendeten Maxime den Anstoss, welche sowohl in Bosen ab in Meian befolgt ward. Sein diesbesttg- liches Verhalten weckte und belebte auch ohne Zweifel das Verlangen der Deutechen in Trient nach grösserem Einflüsse auf die Stadivar- waltung, welchem Wunsche die dortige Statutargesetzgebung, aber nur vorübergehend, Rechnung trug (52. G8). Maximilian I. und Ferdinand I. fassten die italienif^clien Wirren in Trient, namentlich die durch geistliche Pfründenwerber ins Werk gesetzten, noch schärfer ins Auge. Der Letztgenannte bemichtigte ach sogar gelegentlich des Bauemanfruhn des ganzen Fürstentums Trient und schickte sich an, es nebst andern reicfasunniittelbaren Gebieten, welche Maximilian I. den Venetianem abgerungen hatte, der Gr;iis( liaft Tirol einzuverleiben, wurde jedoch, was jenes Fürstentum anbelangt, durch die Einsprache des Bischofs Bem- hai'd von Cles, der zugleich sein Grosskanzler war, hieran gebindert und begnügte sich mit gewissen Vorbehalten, welche dem deutsdien Elemente immerhin zu statten kamen (11. 105, 123). In den ersten Jahren seiner Regierung regte sich dieses anch oder verrilt es wenigstens noch einige Leben.skraft im Avisio- und Sarcathale, sowie unter Maxi- milian im Gröflnerthale das Bedürfnis nach deutscher Seelsoi^e sich geltend gemacht hatte. Im Thale Primör aber f^ing es mit dem Ver- falle der Bergwerke zu Gnmde und im Fersinathale erlitt e^ aus der gleichen Ursache eine empfindliche liinbusse.

IV. Abarmaligea Anpinkommen der itaileniadhefli Vatiomslttit.

(1530-1050.)

Die Nachgiebigkeit Ferdmands I. gegenüber den Protesten der Trientner, auf deren ungestOmes Andringra eben die hiesigen Bischdfe sich ihm widersetston % hestSrkte diesen Widerstend nnd verleitete aach

die Roveretaner, si* Ii als Ge^nier des Gebrauchs der deutschen Sprache herrorzuthun *). Auf dem Felde des Verkehres und auch sonst den Deutschen sich überlegen fiihlend. entwickelten nun die Italiener auch ausserhalb ihres eigentlichen Wohngebietes eine Rührigkeit, die sie allenthalben auftauchen und die ihnen gezogeneu Schranken durch- bredien machte. Italienische Priester folgten diesem Beispiele, stiessen jedoch gleich denjenigen, in deren Fussstepfen sie traten, bei den mka- trauischen ^Krolem auf mancherlei Hindernisse'), so dass sie nicht

') Kardinal Christnpli von Madruzz hat dies in eUMm SobreibeB an dat Innsbrucker U^iment unumwunden eingestanden (11. 37).

*) NatfbtieherweiM wixkto di« auf weitere Kreiw anitocilnnd, mid m lutA •ich Job. Jakol Römer von ]\raretscb im Jährt» 1555 bewogen, den ihm befrenn- deton italienischen Doktoren an den welschen Cionfinen zuliebe die turolische Landesordnnng vom Jahre 1532 ins Lateinieche sa UbersetBen. In der Widmnig an Kaiser Ferdinand vom 26. April 1556 betont er die Notwondit,'keit , holcher-

geMtalt dieses Gesetzbuch den Kichtem und Unterthanen der dortigen .Ualica ominia' (lingua germanica carentibns) verständlich sn machfln. (Uk Terdaak» die Kenntnis seines Elaborats meinem geehrten Herrn Kollegen Prof. Lnadis-flNB- grenth, welcher eine Abfchrift davon beutst.) ») S. oben S. 403, 413, 416.

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Die NatiomOittteB in Tirol etc.

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einmiil unter dem Schutze, welchen Erzherzog Ferdinand II. in Tirol ihnen angedeihen lie.ns, am Innsbrucker Hofe vor Anfeindungen sicher waren. Doch hielten Höflinge dieser Nationalität letzteren hier stand und die QegetaeSonDBJdon brachte den Romanismus in den yerschie- densten Gestalten Aneder zu Ehren, so dass es zum guten Tone gehörte, italienisch zu sprechen, und es ein Zeichen katholischer Glaubensinnig- keit war. wenn Priester, die dieser Sprache sich bedienten, begeisterte Aufnahme fanden ^). Desto leicliter behaupteten sich solche in Gegenden, wo romanische Dialekte von alters her Üblich waren, ausser wenn diese, wie an der Schweizer Orenze, zur Verbreitung protestantischer Lehren dientett, in welchem Falle sie freilich samt den betreffenden P^digem der Pflege der deutschen Sprache weichen miissten. Und je mächtiger die Gönnerschaft, deren sich italienisches Wesen damals am Innsbrucker Hofe erfreute, war, desto kühner hob es im Süden des Landes das Haupt empor, insbesondere zu Trient. wo nun die Gescliiedenheit der Nationalitäten einem Gemeugsel Platz machte, in welchem die italie- nische der Hauptsache nach vorwaltete. Die Stadt Bozen war nahe daran, dem ninuichen Schicksale zu yerfaUen*).

y. Periode des Stillstands.

(1650-1750.)»)

Bei diesem Entwickelungsstadinm anklangt, hielten beide Nationa- lituten im Ringkampfe, den sie bis dahin mcht Uoss mit geistigen Mitteln geführt liatten, gleichsam ermattet innc, und nur in der Landeshaupt- stadt machten sich Nachschwiiigungen bemerklich, welche von den hie- sigen Deutschen als Bedrängnisse oder doch als Kränkungen empfunden wurden (A. II). Im übrigen Lande nisteten sich unter dem Schutze des Gleichmuts Italiener ein, wie bisher, und erlosch, von niemand betrauert, der Qebrauch der deutschen Sprache an Orten, wo er bis dahin schon in steter Abnahme begriffen war. Am duldsamsten erwies sich damals gegen die ihr anhaffindpu Spuren des Deutschtums die Stadt Trient, wenigstens bis gegen das Ende des siebzehnten Jahrhun- derts (11. 29—31).

') Dies achüdert mit lebhaften Farben Beda Weher in seinem Buche •Tirol nad die Reformation*, Imnbr. 1841. Hptstk. XIX. Vgl. Hermann Sohmied*«

luftor. Roman ^Tior Kanzler von Tirol" (1862).

') Im Tenetianischen Gebiete litt damab deuteohea Wesen durch Verge- wal^gung , vor weleher auch die ÜrcUieheo Organe nicht sniitolnelireekten. Be-

7,ü>?licli des vom Könige Pipin gestifteten St. Zenoklostors in Verona, das bis zm Pest vom Jahre 1630 mit dentschen Beaediktinermönchen besetxt war, meldet diei ZeQler in seinem Itinerarium Italiae (Frankfurt a. M. 1640) 8. 84. Genaner spricht sich über die Drangsale, welche die Italienisierung dieses Klosters r.uni Zweck hatten, der letzte Anwalt des deutschen Charakters dieser .Stiftung. P. Markus Haim, in einem Gesuche an den Erzherzog Leopold von Tirol aus, d. d. 18. Okt. 1G30 (I. 8t.-A. Leopold. A 200).

') Nach Ambrosi (2. 26) «nn periodo di decadimento', und swar schon ▼om Jahre 1600 an.

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Tl. Oesteigertos ümsichgreifeii der TemralsclNing^.

(1750—1866.) <)

Während bei den Deutscheu die Abspannung anhielt und sie stumpf machte gegen dasjenige, was in ihrer Mitte vorging, rafften sich die Italiener, Tomehmlich aus ökonomischen Orflnden, bald wieder

zu thätigeni Vorgehen auf. Sie gründeten namentlich im Etschtale neue Ansiedlungen oder erwarben teils kaufweise teils durch Kolonats- vertriigo Bauenigüter und zwar so zahlreich, wie nie zuvor. Ganze r)<jrfer iielen dieser nationalen W.indlung anheini Andererseits naiun nun der Niedergaug des Deutschtums unter den Italienern Südtirols, besonders in den Städten, einen beschleunigten Yerlaof. Das selbst- bewusste, von altgewohnter Geistesarbeit begleitete Auftreten der hie- sigen Italiener wirkte wie das Entfalten eines Banners, um welches die Halbgebildeten ohne Unters« hied der Abkunft sich scharten, zu- mal den Deuts« ht n daselbst die italienische Sprache längst ^'■eläufigr geworden war und die wenigen Bildungsbehelfe, welche densellien in ihrer Muttersprache dargeboten wurden, keinen Vergleich aushielten mit dem Ton italienischen raestem geleiteten oder ertdlten Unterrichte Auf dem jflacheu Lande war dieser vollends von durchgreifender Wir- kung, wozu im Brenta- und Fersinathale nicht wenig das Erloschen des regen Wechsel Verkehrs beitrug, in weU hein die hiesigen Deutschen mit den ^Cimbern'* der vicentinischen Gebirge gestanden hatten und dessen Spuren .noch M. Pezzo (54. 2. 48) ,all angolo di Treuto'' in dem Ausspruche dortiger Deutschen vemsiim: sie seien «alle Brüdern, alle Sbestem*. Viel schadete diesfalls die ital.-französ. Zwischenregierung von 1810 1813 (s. o. S. 446). Deutscher Gottesdienst erhielt sich eher noch in geschlossenen Orten, als unter der bäuerlichen Bevölkerung, welcher seit der Vereiniguni^ Venetien^» und der Lombardei mit Oesterreich auch kein behördlicher Befehl oder Wink zur Hilfe kam. Vielmehr galt es

*) Ambrosi nennt (2. 41 ff.) die Zeit von 1750—1820 «La rioosaa* und erörtert den Beginn derselben mit spezieller Bezugnahme auf Rovereto.

*) Von den Ursachen dieser Erscheinung bandelt mit grosser Suchkenntiiis Dr. An gerer (4). Vgl. aber anch die unter 87 dtierto Schrift Ton Matthias Kooh.

An dieses geistige Uebergewicht kann nicht oft genutf erinnert werden. Et rdcDt unstreitig ois ins ftnfsämto Jabrbundert ztiHl<». was geschali nidbt

italienischerseits für die Bildung der Jugend in Triont (15. 3. 302). Aren (58. 1. 53, 63. 2. 10), Kovereto (s. oben die Note 3 auf S. 461), Riva (53. 2. 446), ja selbst in Meinen Örten, wie Pergine (16. 75-80), Tione (29. 188, Note *) n. & w.! Ma^

auch Ruhmrediglieit manche unbed«'utende Schule /.um „Ginniu^io" aufgebauscht haben, so ist doch nicht zu leugnen, dass es unter den Italienern Tirols um die Ifitte des ftlnlkdmten Jahrhunderts mehr Gelehrte und mehr zur höheren Bildung angeleitete Menschen gab als in Deutschtirol hundert Jahre später. Und dieser Abstand wirkte nach, wieviel auch in Nordtirol späterhin für das Schulwesen ge- schah (worflber Dr. Jos. Hirn in seinem Buche „Erzherzog Ferdinand 11.", Inns- bruck 1885, S. 322 ft". Belege bringt). Er erleichterte im Vereine mit dem Wohlklange der italienischen Sprache dpu Priei^ttTii dif Yollbrinpung des W^-rk»--. das nicht von ihnen allein begonnen worden war und auch nicht dun h sie aliein zo Ende geführt ward. Zu T r i e n t gab es übrigens aobon im Jahre 1459 eine deutsche Volk8s>cliule. an welcher der Magister Joh. Wisser aus München als Lehrer wu^kte (16. 438, Note).

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Die Nationalillteit in Tirol etc.

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seitdem für eiii Regieruugsprinzip, die sogen. Welschtiroler, aus deren Reiht'ii die Staatsgewalt ihre verliisslidist«!! Organe für die Verwaltung der vor<r<'na7mten zwei Provinzen sich erkor, durch nichts, was sie in nationaler Beziehung hätte verstimmen können, an ihrer Loyalität zu beirren, und es konnte in dieser Hinsicht sogar nur von Vorteil sein, wenn recht viele der Abstanunung gem&u mit deutschen Eigenschaften ausgestattete Kandidaten des Staatsdienstes, welche gewandt italienisch sprat hen, sich darboten So vermeinte denn die Regierung, die Ver- welschung der spärlichen Reste deutscher Einwohnerscliaft in den beiden südlichsten Kreisen von Tirol eher fiirdern als hindern zu sollen. Zum mindesten verliielt sie sich passiv, wogegen der italienische Klei-us, unterstützt von deigenigen, welchen damals schon die Lostremiuug besagter Gebiete Ton Oesterreich als Ziel vorschwebte, alle Hebel an- setzte, um die auch ihm lästigen Deutschen so rasch als möi:^Iich dort verschwinden zu machen. Nicht einmal die Errichtung einer Lehrkanzel für deutsche Sprache am Trientner Lycpum , welche in dit'se Periode fällt, ging aus der initiative der Regierung hervor, sondern es gab dazu der Vertreter der Städte Trient und Riva, Abraham von Schreck, in der Sitzung des Tiroler Landtags vom 22. April' 1823 den An- stoss (11. 49).

YIL Wirkaame Yenmohs, der Yerwelsclraiig Einhalt zu thnn.

(1866 ff.)

Mit der Abtretung Venetiens und der Lombardei an das Königreich Italien sind die Voraussetzungen Air das oben erwähnte Regierungs- prinzip hinfällig geworden. Bevor noch die erstgenannte Provinz das Schicksal der anderen teilte, ei-fasste im Frühjahre ISOt) der damalige Statthalter in Tirol, Fürst Karl Lobkowitz, die veränderte Sachlage und er säumte nicht, daraus die richtigen Folgeruni;en zu ziehen, indem er aul Verwendung des Hofrates in Trient, Graten Karl Hohen wai-t, den deutschen €kmeinden zu Palü, Luserna, Laurein und P^oveis StaatsbeitrSge zum Unterhalt von Lehrern, die in der deutschen Sprache unterrichten, erwirkte (5. 13. 58, Note 14) Im folgenden Jahre wurde

M Schon im Jahre 1819 war iL y. Bonelli aus Cavalese Präsident des Zivil- tnhunalt sa Verona, Fz. 8. y. ünterricbter aan Kaltem Tribunalffprttadent zp

Belluno, Fr. v. On-fici au?» Rovercto Vizx'in-ä^iil^ iit des Ai)p*jllationsf»ericht» zu Mai- laad, K. Isidor Koner aus Calliano Vizedelegat zu Padua, Ferd. Dordi aus Borgo di Talmgana Gnbemiahat za Mailand, Jos. v. Luima^teniefiw aus Imubrack

IVibunalspräsident zu Ver >i\ i . K. Jnst. V. Tomeani au8 CSes XNalegat sn üdme u. s. w. (Bibl. Tir. Hdschft. s. 020).

•) Die erste Anregung dazu soll vom k. k. Schulrat* Anton Stimpel im

Jahn« 1865 gegt in II worden sein. Doch haben sich um die Wiedererweckung des deutschen Schulwe.sens zu Trient vorher schon die dortigen KapUlne Don Patiss (72. 175) und Don Wörndle, letzterer vom damaligen liirstbischöflichen Sekretär MühlbergtT unterstützt, verdient gemacht. Benit^^ im .lahre 1873 besuchten die dorti«:»- deutsche Privatschule 83 teils männliche, teils wcihlicho Schüler und waren daiuntor 40. deren Vater und Mutter der italienist hen Nutionulitüt angehörten. S. die Korresj)ondenz aus Trient in Nr. 14 des ,Bot»*n f. Tirol n. Vordrlber^" vom Jahr 1873. Von 1818—1826 wurde an der Normalschule zu Trienfc Unterricht im

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hinwieder die Staatssubvention, welche der italienische Kaplan zu Bozen bezog, eingestellt (A. VII) und im Jahre 180i< die italienische Schule zu Buchholz in eine deutsche verwandelt (A. VIII). Mittlerweile hatte sich in Imuibruck ein «Eomitoe zur UntetBUtteung der deutacliMi Sehnkn in Welechtirol und an der SEmMshgrenae* ^bildet, welchem Beiträge an Geld und Lehrmitteln sowohl aus Oesterreich als aus dem deutschen Reiche zuflössen. Kaiser Franz Joseph spendete demselben gleich nach Beginn seiner Wirksamkeit 000 Gulden ^). Die Regierung fiihr fort, in jenen Gegenden die Errichtung deutscher Schulen zu begünstigen und selbst Hand daran zu legen. Sie bedachte mit solchen auch die Ddrfer Faesilongo (Gereidt) und Roveda (Aichleit) im Ferainathale und d&s Dorf Ruffrfe auf dem Nonsberge. Später nahm sie sich ausserdem der Schulen zu St. Sebastian in Vilgreidt (Folgaria), ztt St. Felix nnd zu San Franzesco (di Fierozzo) im Fersinathale an. Erstere wurde seit l!^75. die beiden letzteren seit 1878 1879 allmählich verdeutscht. Zu Vignola (im Brentathale) versuchte sie das Gleiche, drang aber bisher nicht ToUst&ndig damit durch. Mit Beginn des Schul- jahres 1878—1879 erSffiiete de zu Trient an Stelle der Privatrolks- schule, welche der hiesige deutsche Ktqilan hielt, eine dreiklassige deutsche Staats Volksschule, deren Erweiterung zu einer vierklassigen im Schuljahre 1884 1885 erfolgte. Die k. k. Lehrerbildungsanstalt zu Rüvereto stattete sie im nämhchea Jahre, wo Trient die vorerwähnte Schule erhielt, mit einer dreiklassigeu deutscheu Uebungsschule für Knaben und MSdchen aus, mit welcher ein Kindergarten in Verbindung steht. Dazu kommen deutsche Freikurse an 22 italienischenSchulen WeLsch- tirols, deren Abhaltung durch Remunerationen aus Staatsmitteln im Betrage von 25 bis 1*^0 Gulden gesichert ist. Der Gesamtaufwand fiir das deutsche Schulwesen in den ehemaligen Kreisen Trient und Kovereto, welchen der österreichische Staat bestreitet, beträgt jährlich 15 000 Childen*). Ausserdem Tcrwendete der 1880 gegrandete Deutsche Schul verein, dessen Hauptsits Wien ist, bis xnm IG. Febniar 188() für Schulen Südtirols 34114 fl. 59 kr. (wovon 8054 fl. 91 kr. in Tirol selbst angebracht worden waren) und zwar

Deutschen erteilt, und zwar in 8 Klaasen dersellx^n. Als die Kt'git!runj,' sich cnt- 8chlo88, am dortigen Lyceum eine Lehrkanzel für deutsche Sprache und Litteratur zu errichten, fimd sie es ftberflUnng, jenen Unterrieht weiter eifeileD ra 1s— gn (U. 48).

') Das Komitee, welches später den Namen ^Deutsche Schulgeäcllüchaft za Inndbruck' sich beilegte, hat über sein sehr erspriesslidies Wirken bisher Tier Berichte, den h'tzten im Talire 1883, durch den Druck veröffentlicht. Dasselbe hat aich namentlich um die Ausbildung von Lehrern für die fraglichen Schulen und um die Verbreitimg deutscher Lehrmittel verdient gemacht. Beide Aufgaben Ter> fol^t es noch go^'cnwärtig. Den Verkehr mit dennuben vermittelt die Wagnenehe Univeraitätflbuchhandlung zu Innsbruck.

*) üeber Entitehmig. Zwedi und Bedeutung dies«: Anstalten gibt eine jüngst h(A F. J, GMsner & Coniii. in Innsl'nirk erschienene Broschöre: ,Dafi deutliche Schulwesen in ItaUenisch-Tirol*, Aufschluss. als deren Verfasser der k. k. Lande»- 9chn1in.'<})ektor Oustav Herr genannt wird. Vgl. audi die BrOrterun^ dieses (u'^en!<tan<l<'s (durch Reden der .Mitjeordneten Frhr. v. Malfatti und Dr, "W eitlof) im stcnogr. Protokolle des österr. Uauttes der Abgeordneten, X. Session, Sitxang (am 3. AprU 1886).

79]

Die NationalitUen in Tirol etc.

467

Tomekmlich zum Zwecke des Neubaues oder der Erwdt^ng von Schul- liausem (zu St. Jakob bei Leifers. zu Ruffro, Proveis und St. Felix im Nonsberge, zu Pähl, Aichleit und Gereidt im Fersinathale, zu Lusema, zu St. Sebastian in Folgaria und mehroris im Thale Enebei^ Auch der Deutsche Schulverein, dessen Hauptsitz Berlin ist, und ein- zdne Ortsgruppen desselben (namentlich Bansen, Stattgart und Frank- iart a. M.) haben in den letat^ Jahren jenen Zweck fördern geholfen *).

Anhang.

a) WoJmplätsd der Jadan in üroL

So Terachwindend klein die jüdischen Bestandtefle der Bevölkerung Tirols nm jeher sind, so trfigen sie doch das Ihrige sowohl zur Ver^

breitung der italienischen Nationalität als zur Vervollständigung der deutschen im Lande bei. Und da sie im übrigen ihre Eigenart bei- behielten, insbesondere der Religion ihrer Väter mit äusserst geringer Ausnahme treu blieben, so verdienen sie als Besonderheiten auch spezielle Berücksichtigung. Als Orte, wo sie, freilich in sehr be- schiSnkter Zahl, anf tirolischem Boden ihre Wohnsitze anschlugen, smd hier folgende zu nennen:

Borgo di Valsugana. Ein von hier gebfirtiger Jude namens Bene- dikt Haltpruner war im Jahre 1602 Diener beim jüdischen Kaufmann May zu Innsliruck (Innsbr. Stdt.-A ). Unterm 18. Februar IGIO erteilte Erzlierzog Maximilian von Tirol dem liier ansässigen Juden Benedetti sicheres Geleit auf ein Jahr (I. St.-A., Leop. ö. 11).

Bo^en. Hier waren schon im .Jahre 1525 Juden ein Angriffsobjekt fUr die aufständischen Bauern und wiu'de namentlich der als Geld- makler, Pfandleiher und Seidenstickw bekannte Jude Simon, welcher selbst mit Kaiser Karl V. GFeldgeseh&fte gemacht haben soll, von ihnen gepltlndert (82. 99). Ein Sohn dieses Simon namens Joseph, zu Bozen wohnhaft. < rhielt unterm 27. Mai 1548 vom Könige Ferdinand einen SchutÄbrief für sich und seine Söhne Oerson und Aron sowie für seinen Eidam Gerscm (I. St.-A., Leop. J. 22). 1551 erscheint auch schon ein hier neu angesiedelter Jude namens

(iffiiilige Mitteilung der Vereinaleitung. Ueldunterstützungen an Schttl- lehxer wurden nur in verhältnismässig wenigen Fällen vorabfolgt. Zu Leifen er> mOgliidite der Verr-in dii^ Krntfming eines Kindergartens.

') Näher<>s , aljer nit ist ohne AngaW der betretfeuden Orte, enthält hier- über dM »Korrespondenzblatt des Deutlichen Schulvereins zu Berlin". Herr Dr. M. Gehre, dir Virfanper der mir t'f^t während des Druckes der vorliegenden Arbeit bekannt gewordenen inbaltereichen äcbrift .Die deutschen Sprachinseln in Oeitmrraidi* (Orowrahain 1886), sch&izt in «nenn an mich gerichteten Antwortr schreiben die Summe, weldi«^ bisher ans dem Deatmlien Reiche ftr Schnlswecke usLoh Tirol Üoss, auf beilüutig 5000 Mark.

468

Bidermaiiii,

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Abrahnin (Ebenda, Pest-Abthg. XVII, öT), 1618 neben Gers*ou. der unterm I L Xovfmbcr lt)13 von der Pflicht, das gelbe Kennzeichen tragen zu niü.ssen, durch den Tiroler Landet^fürsten befreit worden war, ein Nachkomme des 1 509 durch Kaiser Max I. gefreiten Juden Salomon von Bassano, der sich Grassini nannte (Ebenda, Leop. J. 22) und 1(310 als Handelssensal der Hebräer Jeremias Luzzati (Ebenda, Kopeybuchl,, Causa Domini " von ir>17— 1019, Bl. 448). UmdieseZeit übte auch schon ein jüdischer Siedelkoch (Traiteur), Elias Moravia, hier sein Gewerbe, besonders zu Marktzeiten, aus (82, 57). 1678 gab es daselbst bereits 3 jüdische Sensale. Als einer derselben, Abraham NoTara, starb, bewarb aidi um dessen Stelle Emanuel Isaak Lewi von Mantua (I. St-A., Pest-Abthg. Vin, 81). Die da- maligen Bozener Juden gehörten also zumeist oder gar aus- scliliesslich der italienischen Nationalität an. Im 18. Jahr- hundert aber änderte sich dies. Zwar lebte hier im Jahre 1783 noch ein Isaak Moravia; aber neben ihm hatten die Familie des Heinrich Handle, welcher auch 3 Knechte seines Bekenntnisses mit Hausieren beschäftigte, und Markus Oerson mit 2 Stiefsöhnen in Bozen ihren Wohn.sitz und letzterer betrieb die jüdische Siedel- küche (I. St.-A., Puhl. 875, Gub.-Bericht vom 24. Dezbr. 1781). Die crst^j^cnaiuit*' Familie bewolnite das sogen. Judenhaiis, in welchem sich tinc Synagoge befand und von dem die Sage geht. Kaiser Siegmuud habe es um das Jahr 143G zu Gunsten eines veuetia- nisdien Juden Namens Messaneh privilegiert, weil dieser ihm gegen die Venetianer mit PlroTiantlieferung beigestanden hatte ^). Später übersiedelte sie in das von ihr erbaute, jetzt Eberlesche Haus auf dorn Johannisplatze. Sie besass angeblicli auch den sogen. Juden- hot Hl Terlan. Ebenso war die Familie Gerson Besitzerin nicht nur eines Hauses in Bozen, sondern auch anderer Realitäten, was jedoch im Jahre 1846 durch das lunsbrucker Gubemium als un- gesetzlich angefochten wurde. Erst ab Amschel Rothschild sich ins Mittel legte und die Bedrängten auf die deutsche Bundesakte sich steillen, gab das Gubemium nach. Kurz vorher hatten die Gebrüder Schwarz aus Hohen embs (in Vorarlberg) sich in Bozen niedergela.ssen und die Bierbrauerei zu A'ilpian in ihr Eigentum erworben. Auch sie sollten weichen, erwii'kteu jedoch, durch den Wiener Banquier Freiherm von Eskeles unterstützt, die Zurück- nähme ihrer Ausweisung und die grundbflcherliche Intabulierung jenes Eigentums. Seither ist die Gersonsche Familie im Manns- stamme ausgestor))en. Gleiches gilt von der Familie Lehmann, und die in den .sechziger Jaluvn aus Triest daliin gekommene Familie Hänschel ist wieder fortgezogen, so dass dermalen bloss die Familie

') W'ahi-scht-'inlich ist damit der oben tri'nunnU- .Fude aus Bassano gem^-int. wel- chem Kaiser Max I,. d. d. Bozen 7. Dezember 15Ö9, w^ea der im damatigen Kri^ gegen die Repultlik Venedig geleisteten Dienste ein »cbatcdekret verlieh (I. St-A.. l^eop. J. 22). Iis hat jedoch nicht den Anschein, als wäre der damit Begnadete 7. II Bozen p e s > Ii a f t g e w o r d 6 n. Das Dekret lautete auch auf alle österreichischen Länder mit Aufnahme des Erzherzogtums, dami Steiermarks und Kärntens.

81]

Di« NatioDftUtUen in Tirol etc.

469

Schwarz in Bozen das liier ansiissicre Judentum repräsentiert^). Gleidnvolil i>t die Zahl dt r liiesigeu Juden vom Jahre ISÜil 1880 geäUegt iL Uli . iiwar von 11 auf 24, wozu noch 19 im politischen Bezirke (Umgebung) Bozen kommen.

Brixen. Die Erlaubnis, hier zu wohnen, erhielten die Juden .Isak Gangmans Sun und Samuel, sein swager* Tom Bischof Ulnch (aus Wien) unterm 11. Norembw 1403 zuerst auf 2 Jahre in An- betracht (I i Gebrechen, an welchen das hiesige (Tcldleihwesen litt, und um die Cliristen vor Versündigung (durch Zinsennahme) zu bewahren. Ausser einem Hause, für das sie 40 Dukaten Miete zahlten, erhielten sie vom Bischöfe auch ,ain stat, da si Ir tote Juden lunbegraben", eingeräumt. Das Privilegium (s. den Wort- laut bei Sinnacher, Beik. z. Oesch. d. bisch. Eirche Säben und Brixen, VI, 25 if.) erstreckte sich auf ihre Diener und das Hans- gesinde. Ob sie aber davon Gebrauch machten, ist ungewiss. Dsigegeak müssen sich um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts Juden in grösserer Anzahl im Bnxeuer Territorium l)efuiiden haben; denn unterm 18. DezeuTber 1551 erliess Bisciiuf ChriatopU eine besondere Judenordnung für die nachgesetzten Obri^^keiten (BibL Tir. HdscbfL 1229 betr. die Territorialrechte der Bnzener Fflrstbischdfe). Im Jahre 1833 (zur Zeit, wo der Bau der Franzensfeste begann) kauften die später nach Bozen übersiedelten Gebrüder Schwarz das Brixener Siechenhaus, um daselbst eine Fabrik zu errichten. Aber trotz der Gunst, deren sie sich dort erfreuten, verliessen sie im Jahre 1837 die Stadt, um in Bozen als Pächter einer Brauerei sich niederzu- lassen. Weder im Jahre 1869 noch im Jahre 1880 wurde im ganzen Politisdien Bezirke Brixen ein Jude gezählt.

Innsbruck. Die älteste hier vorkommende JudenfiEuniilie ist die der May, als deren bezüglicher Ahnherr wohl Maggio, Sohn des Salomon, zu betrachten ist, welcher vom Könige Ferdinand einen Schutzbrief d. d. Augsburg 18. Januar 1544 erhielt (I. St.-A., Leop. J. 22). Aber die fortlaufende Keilie der Juden namens May, welche hier ein Hauswesen hielten, beginnt mit Samuel, welchem Eizherzog Ferdinand von Tirol am 11. Juni 1578 an seinem Hoflager zu Innsbruck, oder wo immer dieses sonst wäre, sich aulzuhalten erlaubte. Derselbe handelte vomehmlicli mit Samt und -Seide. Neun .Talire später fnntcnn '{. Juli 1587) dehnte der Er/herzog dessen Schutzdekret aut die Kinder und das Haus- gesinde aus, zunächst auf 8 weitere Jahre (1. St.-A. Ambr. Samml. vi, 55). Ntm kaufte derselbe das Haus der Schiesstl am Pickenthore (Innsbr. Stdt.-A., Stk. 811) und begründete damit die Bezeidinung «Judengasse*' , welche die dort mOndende schmale Gasse fortan trug. Ihm folgten Abraham, Marx und Ferdinand May. Daneben siedelte sich um das Jahr 1602 des Erstgemumteu Schwager, Jakob

') Vorstehende, die neuere Zeit belretfende Angabe BOivie die Kenntnis der erw&hntea Sage verdankt der Verf. dem Hrn. Ernest Schwan, einem der beiden nadi Bosen fibersiedelten Brüder dieses Namens.

VomebUBS» dealMÜWD LanJei' ud ToUnkood». L 7. <I2

470

Bidermflan,

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G<")7,1 aus Mainz, an. Auch Salomon Witte aus Venedig wollte m Innsbruck seinen Wolmsitz nehmen. So zahlreich waren daniab hier die Juden, daes sie mehrere Ohristenhäuser hewohnten, un- geachtet die Faniilic Maj bis zum Jahre 1673, wo sie den Besitz auf 4 Jalire verlor, ihr eigenes Haus inne hatte. Die Innsbrucker Bürgersdiaf't wollte sie in den .Tabren 1GG2 und 1(>Ö7 in ♦^in»» besondere Bt'bau.suiij^ /.usamiiK'n^fi'Zwüngt wissen und noch 10 .lahro später war die durtige Stimmung ihnen dergestalt ungünstig, dass der Kaiser unterm 27. August 167? die Verpftebtang der Tabmodae an Johann Ferdinand May widerrief (Innsbr. Stdt-A., SQc. 672). Trotzdem behaupteten .sich Iiier .Juden in gidsserer Angahl. Audi die 1748 über sie verhängt*' Abschatfting gedieh zu keinem Erfolge. Laut Gul)orni;ilbericbt vom -54. Dezember 1781 (a. o. a. O.) trab es in Innsl)rii( k damals allerdings bloss 2 jüdische Famiiicii und /.war namens Ulleulieimer, bei deren einer es heisst, dass sie aua Frank- furt a. M. zuzog, aber beide hatten viele Kinder und zaUreicbe Knechte. Lazar UflPenheimer hatte im Jahre 1765, als da^ kaiser- liche Hoflager in Innsbruck war, hier gegen eine jährliche Kon- zessionsgebllbr von 20 Guldm eine SpezereiwarenliandhnifT erricbtt^t; das Haupt der anderen Familie (Gabriel Utlenlieimer) nahm die Abwickelung eines Salzspeditionsvertrages zum Vorwand, um liier gleichfalls das DtnnizO zu nehmoi und Terlegte sich auf den Hausier- handel Es dauerte kein Jahr, dass ein dritter Familienvater gleichen Namens (Abraham .Tobann) sich in Innsbruck als Uhreu- und Seidenhändler hervorthat, und dass ein mit 4 Kindern gesegneter Jndp namens Abraham Weil in Begleitung eines als Schächter dienenden Knechts gleichfalls dort sein Domizil aufschlug (Gub.- Ber. V. 18. März 1782 im 1. St.-A., Puhl. 2(52 '/a). So melirte sieh daselbst die israelitische Kultusgeraeinde ziudieods. Im Jahre 1804 zäUte sie 47 bleibend anwesende Mitglieder (93. L 63, Note 24). Im Jahre 1869 ergab die VolksÄhlung dort (dem Glaubensbekenntnissen nach) TjO .luden, die vom Jahie 1^80 aber 109. Altansässige Familien gibt es darunter nur wenige: die Danhauser, Steiner, Friedmann ').

Lienz. Bis zum Jahre 1113 gab »'s hier 2 von Juden bewohnte Häuser, deren Insassen damals teils hingerichtet, teils vertrieben wurden. Als 29 Jahre später ein jfldiscber Agent sich hier beim Jahrmärkte ein&nd, wurde er ausgestftupt (Bibl. TiroL Handschr. 904, 5. Buch S. 83, 6. Buch a 24).

Heran. Die hohe Judenziffer der letzten Volkszählung für den Poli- tischen Bezirk dieses Namens, nämlich 170 (g^en30 im Jahre 1860), erklärt sieh vornehmlich aus dem Aufschwünge, welchen die Stadt Meran nebst ihrer Umgebung als klimaf is(ber Kurort genommen hat, der gerade zur Winterszeit aucii am meisten von israehtischeu

*) Die Uftenheimer, seit aaderthalb .lahrzehnien durcb eiiie von ihnen schwunffvoll betrieben«^ Kmi-tstii kfrei und Kizenffinitr kin blicher Paramente be- kannt, sind, da sie iu ucucrer Zeit Christen geworden und die Volkszählung Juden nur der Rddgion nadi keimt, in obiger Zahl nicht begriffen.

83] Die NationaUtUen in Tirol etc. 471

Kurgästen hcMicht Ist. Die Zahl der dort unsä.ssi;^'en Juden ist noch immer .selir i^eriii^. Noch lebt derjenige unter ihnen, welcher zuerst in Heran sein Domizil nahm: Daniel Biedermaim aus Hohen- emb«, wohin deamn Voreltem, die sich Lämle naimten, aus Bayern gekommen waren. Dieser eröffnete dort im Jahre 1824 mit einem seiner Brüder ein Warengeschäft, dem er im Jahre 1846 ein Weohselgeschäft beigesellte. Seit dem .Talire 1852 Bürger der J^tadt und Haiislx'sitzer daselbst, verkautte er im Jahre 1874 beide Geschäfte einer jüdischen Prager Firma, ausser deren Trägern und den betreffenden Familien bis in die neueste Zeit herauf blom der Vorgenannte nebst seiner Haushälterin sieh dort stabil au&ubalten pflegte ')• Wälirend der sogen. Kursaison finden sich da allerdings auch jüdische Geschäftsleute ein, die sich mit dem WarenTertriebe befassen.

Mori. Durch Freibriet' d. d. Trieut, (i. Mära 1554 bestätigte Nikolaus Freiherr von Madni/.z. Herr der 4 Vikariate, dem Jaco]»in tiol del <J. Gh^one hel)re(i de Kiva, ^le^sen Erben und Genossen die Keeiitc, welche sie im Umfang jener 4 Herrschaften, insbesondere zu Mori, bereits genossen (I. St.-A., Post- Abt XVIII. 82).

Neumarkt. Hier mietete im Jahre 1550 der Jude Abraham, weldier frOher samt Familie bei seinem Schwager in Bozen gewohnt hatte, auf Grund eines Schutzdekrefa, da.s ihm K(>nig Ferdinand als dem Diener seiner Kinder unterm 20. Februar ir)4S ausstellte, auf drei Jalirr dir Behausung d*'S Grafen Felix von Aren. Als er im folgenden Jahre die Weisung erhirlt, diesen Ort zu ver- lassen, weil hier früher nie Juden geduldet wurden seien, .suchte er das Gegenteil darzuthun, indem er namentlich anflQhrte, dass gerade sein eigener Schwager, der des Luftwechsels halber später nach Bozen zog, vor ihm in Neumarkt unangefochten wohnte (I. St.-A., Pest-Abt. XVII. r.7).

Riva. Die hiesige Judenkolonie bestand allem Ans» Ikmuc nach zumeist aus flüchtigen Spaniern und IxlrivI» den Druck hebräischer Werke. Sie blühte um die Mittr des sechzehnten Jahrhunderts. Es geuügt in dieser Beziehung, auf Carmolis „Annaleu der he- bräischen Typographie von Riva di Trento*, Frankfurt 1868, hin- zuweisen. Im Jahre 1880 wurden im Politischen Bezirke Riva 10 Juden gezählt. Uebrigens erscheint schon in dem bei Trient zu erwähnenden IVozesso vom Jahre 1475 (p. 429) ein Jacobus de iiippa als Judaeus et Judaeorum fautor.

Trient. Bis zum Jahre 117.". wo hier eine durch die Beschuldigung, sie hätten ein christliches Kind getötet, motivierte Verfolgung

') Diese Angaben stainnnMi aus dem Munde desjenif^en . den sie betreffen. Zwan/.if; .liihre lang hat «leix Uir in Mera« nicht »Munial bei Privatpersonen zur Miete gewohnt, sondern als t'ensionär im (instliet' zur l'ost «.'elcbt, bis es ihm irelanp. alle Vorurt:<!ile zu besiegen, die seiner Niederla*i8ung dort iuj Wege standen. I)er N'erfiisser, welcher, einer alten hürgertaniilie Wiens entsprossen, an den diesbezüg- lirben Krhf'biiniren keinerlei persnnlii li.s Interesse luitte. glaubt das soelx'n HtMiu-rkte ab eine in sachlicher Beziehung chutuktcriätiächu Thataache liier anHihreu zu sollen.

472

Bidennann,

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über sie hereinbrach, lebttu hier Juden iu beträchtlicher Menge. Dea klarsten Beweis daftlr liefern die Akten des damals wider sie

abgeführten Strafprozesses (siehe die AuszOge daraus Collec- tanea in Judaeos B. Simonis interönptores bei Bonelli, 16. 421 ir.J), wo als am 27. Mär/ 1475 zur Haft gebracht folgende Juden genannt sind: Israi'l filius Saniuelis. Moysos antiqun!< de Saxonia, Mohär liiius Moysi, Salomon quondam Meudelini de is- procho, Lasams de Seravaile de Friolo Familius Augeli, Mojses filios Salomonis de Hozpoch, magister filiorum Tobiae, Isaac filius Jacob de Vedera Familius Augeli, Brunetta uxor Sanuielis, Vitalis filius, .... Familius Samuelis, Israel filius Mobar de Brandenburg. Danach zu urteilen, bestand diese Judenkolonie sowohl aus An- gehörigen der deutschen als der italienischen Nationalität. Späterhin fanden sich gewiss nur Anhänger der letzteren hier ein, wie denn i. B. ein Schutzdekret, womit Kaiser Max L untem l. Mftrz 1516 zu Bozen dem Juden Emanuel, Sohn des Samson Judas, für zu Belluno ihm geleistete Dienste belohnte (T. St.-A. Leop. J. 22). speziell Trient und Verona als die Orte bezeichii«-t. wo es gelten soll. Im Jahre lS<i{> wurde zu Trieut kein einziger Jude ge/.iihlt; 1880 lebten dort ihrer zwei.

Wenn im Volkszählnngsoperate von 1880 beim Politischen Be- zirke Land eck 7 Juden verzeichnet erscheinen, so hängt dies mit ilem Bau der Arlbergbahn zusammen. Historisch begründet ist dieses \ or- koimnen da nicht.

bj Nacbwirkongen des Slawentums im Iselth&le (und in dessen Verzweigungen).

Sind gleich viele Jahrhunderte verflossen, seit man das Puster- thal und seine Seitenthäler nicht mehr als von Slawen bewohnte Ge- rrenden betnirlitet lind diese mit Hecht dem Verbreitungsgebiete der deutschen Nationalität zuzählt, so sind docli hier weder slawis(-he Laut«' ganz verklungen noch slawische Ixebräuche ganz ausgestorben. Be- sonders im Iselliiale und in dessen Verzweigungen (den Thälem Kais, Tefereggen und Virgen) hört man jene noch gegenwartig und leben letztere bis zur Stunde fort. Freilich sind es nur mehr vereinzelte Nachklänge, die da in Betracht kommen: aber sie lassen doch das dortige Gemisch von Slawen und Dentschen als eine besondere Abart erscheinen, deren hier noch in Kürze ^eihicht werden soll.

Die Iselthaler nennen die Sauerbeeren: Dabernitzen (vom slaw. dabmiice =: WaldhUgelbeere) , die Hagebutten: Aunitschen (vom slaw. alnice, dialektisch aunice = rote Kirsche), die Stachelbeeren: Ain« schlize (vom slaw. oselice. desstm Wurzel os-et auf Stacheliges, Disteln hinweisf . die Zeitlosen: Perliesken (slaw. perleske), die Eingeweide toter Tiere: Kn'ih (slaw. drob), «gebratene Rüben: Pötschen (vom slaw. peci braten), eine (letreidcharpfe: Koise (slaw. ko/.a, kozolec), eine Grube : Günne (slaw. kouie), eine abschüssige Wiese : Taber (slaw. deber), eine Abteilung im Stalle für Kleinvieh: Glutsche (slaw. l^juc),

85]

Die NatumaHtiten in Tirol etc.

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einen Backtrog: d^^se (russisch: dcza\ ein ijfosrlnvätzif?fs Woib : Mura- matsche (vom slaw. mermraca = Jammerin, Plausclierin), eiueii Kretin: Gumpe (vom slaw. gump = Kropf oder identisch mit gurapec = Narr), eme Spinne: Oragke nach den lan^^en Schenkeln (slaw. krak) u. 8. w. Manche von diesen Ausdrücken sin(l auch im Pusterthale zu hören, wo femer der Holndiiih die alawiscbe Benennung TKchogkl (cokel) trägt und der Tannenzapfen allgemein die Tscliurtsilin heisst (vom slaw. storz = Nadeliiolzhaiim, Diminutiv: storeiz, im V'olksmunde: stürze).

Wenn im Iselthale das sogen. Sternsingeu (durch Knaben aus- geführt, welche die heiligen drei Könige vorstellen) «Tdlkdn* und der dabei Mitwirkende «Töllmer* heisst, so rOhrt dies vom altslowenischen „teUcOTat" (verkünden, deuten, erklären) her. Ebenso ist die dort ge- meinübliche Bezeichnung eines Knabenspiels, bei dem zwei Ostereier aneinander gescbla<;«'n werden, mit dem Worte .Turtsrlien" (in Kärnten sagt man .turtschehi") eine altslawix lu' llnniniscenz (von trreiti. tercljatij, und nicht minder gilt dies von dem Brauche, dass am Abend vor Aller- heiligen Bursche, welche «Groggier* heissen, mit einer Art hölzerner Zange von Hans zu Haus gehen, wobei sie mit verstellter Stimme um Krapfen bitten, die man ihnen in die Zange steckt. Denn das Wort ^Gröggeln". was da so viel heisst, als mit zurückgehaltenem Atem sprechen, entspricht dem sioweniächen »Krigla" = Heiserkeit und die «Sitte selbst ist undeutsch

Weit bedeutsamer noch als derartige Gebräuche sind die rechts- historischen Ueberlieferungen, die sich im Iselthale erhalten haben.

Diese verleihen den hiesigen Bauernwirtschafteu das patriarcha- lisclie Gepräge, dessen der Si elsorger des Kaiser Thaies, Anton Auer, in einem ^Die Iselthaler** betitelten Aufsatze (Amthnrs Alpenfreund, V, 1872, S. 22 tl.) und nach seinen Angaben auch .). Mitter- rutzner (45. 14) Erwähuung thut. Nimmt gleich die Zahl der Bauern- höfe, auf welchen sie beobachtet werden, gelegentüdi der Verlassabhand- lungen >te% ab, so halten doch nach der Versicherung des Bezirks- richters zu Windisch-Mad i i noch manche Bauernfamilim an ihnen fest. Wir baben es da mit der altslawischen Hauskommunion zu tlinn, welche von der unter den Deuf. sehen berkrnntnüchen bäuerlichen Erb- folge und deren wirtschaftlichen Konsot|Uenzen wesentlich abweicht. Es betrachtet sii'h nämlich die Gesamtheit der lebenden Familien- glieder als den KigentOmer des Anwesens, und was das einzelne Fa- milienglied erwirbt, tlirs>f in die Kasse des gemeinsamen Haushalts, auch wenn die betreffende Beschäftigung keine landwirtschaftliche ist, sondern ins Gewerbowoson einscidiigt. Daher vereinigt auch die näm- liche Behausung mrlii. rc Ehepaare mit deren Naclikornnienscliaft, so- weit diese nicht in der Fremde ihr Fortkomnu n sucht und sich vom Familienverbande lossagt (»den Abbruch macht"), was jedoch für un-

') Als da« beseiohnet «io selbst Dr. Valentin ITintncr, ikr doch sooft mit der Anerkennung des slawi8ch«'n Kinflvisses kar)ft . in seinen ^Heiträgm zur tirolischon Dialcktforächung" (Wien 187HK S. 85 u, 2U7. Alle übrij?«'n oben uiit- j^et»'iltfn Slawismen hat Davorin T rs t »■ n j ak, der bekannte slo\v('ni>chi' Oe- lolirtt» (Haiiptpfarrer zu Altonnmrkt Ik'I WindisrlifTriltz) fest^'estellt und dem Verfasser zum wisäcnscbaftliciien (je brauche Uberantwortet, wotiir ihm hier Dank gesagt sei.

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IKdermaoii»

[86

j^ehörig gilt. Jeder Ttünoiiiiior an der Gemeinschaft heisst „Mithiiuaer*, der Vorstelier und Leiter derselben aber wird aVorhäuser" genannt. Zuweilen ist den iVlitliäusem ein gesonderter Verdienst, den sie sich durch Dienstleistimgen bei auswärtigen Landwirten ▼erschaffen nnd der dann zu ihrer eigenen Verfügung steht, gleichsam zugestanden und dürfen sie au< b eigenes Vieh auf die Koramunalpe treiben. Will ein Mit- bUnser sirb Vfclieiraten , so ist er dabei an die Zustimmung des Vor- liiinsers gebuiKieü. Die iilteren üeriebtsbücher enthalten viele, den ge- schilderten Sachveriiuit l>est;itigeude Eintragungen. So heisst es im ^ Urbargerichtsbuch der Herrschaft Windisch-Matrei auf das Jahr 1557 und 1558* Bl. 57: Hans Pfttrer aufRacell, dem die Wirtschaft daselbst für die Dauer eines Jahres Ubertragen wurde, soll gehalten sein, seinen Vetter Blasy samt Weib imd Kind „vmb gesundt rnnd in Allem wie -iu-h trenürdt'* zu unterhalten, dagegen Blasy ^sol sein Arbait, was er ruit Zuut III oder sonnst erobert, inn das Haushaben geben vnd sol mit des Hausen als Wirdts wissen und willen zu zimeru oder sonst zu arbaaten ausgeen*. Wie aus einem im Jahre 1811 Tom da- maligen Gerichtspraktikanten Nagele verfassten Berichte (jetzt im Be- sitze des jubil. k. k. Kanzlisten ünterrainer zu Windisch-Üfotrei) erhellt, wurde seit Anfang des neunzehnten Jahrbiniderts idanniUssit; von den Brlit iidcn aul' die Beseitigimg der Koniinunliuusungen hingewirkt und Vüui Jahre 1804 au namentlich das Eiulieirateu in dieselben geradezu ▼erwehi-t. Daher lösten sich damals zu Windisch-Matrei die weit- schichtigen Wirtschaften der Bainer, Haizer, Hairacher, Jakober u. A., deren Verband 30 tO Personen in sich schloss, rasch auf, und gab es im Teferegger Thale im Jahre 1808 nur mehr vier grosse Kommun- hausungen, nämlich: ..am PIm^s" zu Hoiifgarten . „beim Pichler* ZU Hof, ^an der iiussern" und ,an der inneren llirl>eu''.

Dagegen lietert die Ende Mai lti8() im Teferegger Thale vorgenommene , Seelenbeschreibung " (im W.-Hatreior äerichtsarehive, K<m8istor. Nr. 88 von 1685) viele Beispiele solcher «Hausungen*. Auf dem Pergler-Gute lebt^'n ausser dem Wirtschaftsftihrer Tho- mas P., dessen Weibe und Kinde 2 ^Mithäuser" mit ihren Frauen und 7 Kindern; auf dem M e i x n e r -O u te ausser dem Itejahrt^n Wirt^ichatls- fllhrer und dessen Weibe ein gleichfalls schon ix'tagter , Mithäuser* samt Frau und des letzteren verheirateter Sohn samt Familie; auf dem Unterräsner-Gute ausser dem WirtschaftsfUhrer (Andreas Unter- rSLsner, 37 Jahre alt), dessen Mutter, seinem Weibe und 3 Kindern 1 , Mithäuser", und zwar der G5 Jahre alte Sebastian U. und der ."{0 Jahre alte Hiins V. mit ihren Fiunilien, dann des letzteren 2 Schwe- stern und 2 angenommene Kinder: auf dem Gute der Familie IMassnig (Nr. 8 der Hotte Hopfgarteii) ausser dem 84 Jahre alten Wirtschafts- iQhrer Christoph PI., dessen Sohne und Schwiegertochter mit 7 Kindern ein 71 Jahre futer Bruder, sein Weib, ein «Unterhalter* Namens Veit PL, 9 Kinder von Söhnen, welche ihres protestantischen Bekenntnisses wegen ausgewandert waren, und 7 Dienstboten u. s. w.

87]

Die Nutionalifftteii in Tiiol etc.

475

Nachtrag zur Litteratur.

Delitfich, Otto, Ein nesuch bei den deutechen Ctemeiiiden des Feninatbalea.

,Aus allen Weltteilen*, VI., Heft 9. Zin^erle, Ign. Yinc, Dr., und Delitsch, Otto, Die Dentschen in Südtirol. Ebenda»

III., Heft 5, G.

Zöller, lt., Deutschtum und Ronianentum in Tirol. Ebenda. II., Heft 5.

Vgl. den Aufsatz von Dr. Gr cos „Hücher und kleinere Aufsätze über die Sprach- grenze in unserem Alpengebief im XV, Bde. der .Zeitschrift des deutschen und ögterr. AlpenvereiuH* {.Jahrg. 1884, S. 98 ff.), wo auch andere«, was zur VervoUätäudigung des oben (S. 398—401) gegebeneu Verzeichnissen dient, au^gefflhii ist.

Demnächst erscheint:

Hell 9. Die ethnologischen Verhältnisse Böhmens, von Dr. L. Schlesinger, Direktor in Phig.

Die weiteren Hefte werden nnter anderem folgende Arbeiten bringen:

Geh. Rat F. Baer (Urussherzogl. bad. Dliektor des Wasser- und Strassenbaus, der Landeskultur* Arbfliten, LaadeBvermeniing und Topoffraphie in Karlanihe), JKe EuMcUimg des Yer- Jcelun mA dar VeriEehnnMfe am ObeixiMui.

Dr. 0. Berendt (Königl. Lande^peologe und Profeaaor an der ünivenitlt Berlin), Sie nord- deutschen l ' i-itrotnsysjtemo.

Dr. A. B ez z en b o r ^'f r (i'rol. m> dt r riii\(Tsität Königsberg), l'if Kurisolie Nehrung.

Dr. A. H irlin ^'cr (Trof. ;in der Umversiläit Honnl, Alernannisel^ey : < Denzen, Sprache, Eigenart.

Dr. R. Blasius iBrauiischweig), Über Zugverliältnis>;e und Veriireitiuig der Vögel in Deutschland.

Oberforstmeister Dr. Borggreve (Direktor der KönigL Forstakademic zu UannÖv. Münden), Die Verbreitung und wirtschaftliche Bedeutung der «ichtigeren Waldbaumarten inner- halb Deatidilands.

Dr. ii, O^rland (PMif.. an der üniverritilt Straseborg), Über Thalbüdung in den Vogesen. Dr. A. Jentsseh (Dosent an der UniverBitftt KSnigtbeig), Der Boden Oflt> und WestinrettiBens.

Dr. C. M. K an (Pro! an der Univenil&t Anuierdam), Die EigentQmlichkeiten dei niederlladlsidien

Bodens.

Dr. A. von Koonen (Prof. an der Univer.siiät (Böttingen), V)yrr die Dislokationen und StOrongen,

wt'klu' dfü Bau der deutschen Mittelgebirge bedingt u.

Dr. F. Krön es Ritter von Marchland (Prof. an der Universität Graz), Die deut«che Be- «iedelung der östlichen AlpenlSnder, in.sbe^ondere Steiennarks, Eärnteas und Krains, nach ihren historischen und topischen Verhältnissen.

Dr. A. L c 8 k i e n (Prof. an der UniTerutM Leipsig), Mitteiinngen Aber da» «isgestorbene Slawen- tum in Norddeutflchland.

Dr. Th. Liebe (Lundesgeologe und Prot", in üera). Der Zusammenhang zwischen den orogia- phiiichen und hydrographischen TerMÜtoiwi^ OstUiflringens nnd dessen geologischem Schichtenaufbaa.

Dr. A. Makowsky (Prof. axt der technisoben Hochsdnde lu Britam), Das HOUengdi>iet' des

Devon in Milhren.

Dr. A. Mehring (Prof. an der landwirtscbaillicheu Hochschule zu Berlin;, Die diluviale Fauna Deotsduaiids und ihr Verhftltnia cur jetzigen Fanna. .

Dr. J. Partseh (Prof. an der TJniTeraitftt Breslau), Die Oder in Sehleiien.

Dr. Tt. Pfaff (Fh»f. an der Universif&t Erlangen), Der Anlbao des funkischen Jnra.

Dr. F. Ratsei (Phxf. an der technischen Hochsehnle m MOnditti), Die SdmeQgrenze im Kaz^ Wendelgebirge.

Dr. F. Wahnschaffe (Königl. Lan<ledgeologo und Dozent an der Universität Berlin), Die Quartärbildungen des norddeutschen Flachlandes und ihr Einfluss auf die Oberfläjihen-

gestaltung desselben.

Dr. K. Wein hold (Prof. an der Uiiiversitril lireshiu), 1 l)er die Herkunft der deutschen Schlesier.

Ausserdem haben freundlichst iiue Mitwirkung zugesagt die Hen-en Dr. K. Fri'ilun- von Fritsch, Prof. an der ruiversitüt Halle; Dr. F. ii. Hahn, Prof. an der ünivereität Königs- berg; Dr. 6. He 11 mann, Oberbeamter im KSnIgl. Meteorologisdien Institut in Berlin; Hofirat Dr. Ton InamaoSiernegg, Piftsidentr der k. k. Statistisdien Oentral-Kommiwrion und Prof. an der UniTexsitftt Wien; Dr. 0. Krümmel. Prof. an der Universität Kiel; Dr. F. Löwl. Dozent an der deutschen Universität Prag; Dr. F. Petri. Prof. an der Universitilf Bern; Dr. J. Ranke, Prof. an der Universität München: Dr. P. Schreiber, Direktor des Königl. sächs. Meteorolog. InpfitntK in Chemnitz; Dr. A. Streng, Prof. an der Universität Giessen; Dr. F. Wieser, Prof. an der Universität Innsbruck u. a.

Im gleichen Verlage ist erschienea:

Autliropo-Geographie

odar

Grundzüge der Anwendung

der

Erdkunde auf die Geschichte

von

Dr. Friedrieli Ratzel,

fKOtemn» an der technischen Hochnolm]« ttl

Preis Mark 10. '

Haudbuoh der £limatologie

von

Dr. Julius Hann,

OtMktor d«r neteorol. Zentral ans tait und Profo.sHor ux der UBivemt&t in Wies.

Preis Mark 15.

Haadbuch der Ozeanographie

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Prof. Dr. G. von Boguslawski,

MiMUVIMtiaA !■ H]rdrogr*|ihl*cb»a Amt ilrr Kii« (l'ut.cbui AilmlraliUt «ad SateMlW 4ltt

Band I,

Biiuill«h«, physlladiMlM und chemische BMeliiJMi«it 4ur OietM.

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Handbuch der Gletsoherkuude

von

Dr. Albert Heim,

nraftMor dar 0«ok)gte amSchweiK^riflchen Polyteduükaa and der CaiYttniUU

in Zürich.

Preis Uark 13.50.

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Dr. Stfceteiii^ Ka^ri.

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Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart.

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Forsohiin-Ten

POLEOGßAPHlE

DER

CIMBRISCHEN HALBINSEL.

Ein Versuch die Ansiedlungea Nordalbingiens

in ihrer Bedingtheit durch Natur und Geschichte

nachzuweisen

von

Professor Dr. ph. K. JANSEN,

VERLAG

STUTTGART. VON J. ENGELHOBN. 1886.

Dngk tob CMirtidw MxUnu In 8tiitt|afl

Inhalt.

Vorbemerkung

Einleitung

]. Lage und Bodengestalt der cimbrischen Halbinsel . . .

1. Begrenzung und Gestalt

2. Boden im allgemeinen

3. Niederungen und Erhebungen

4. {-it.' Wässer

5. ZerFichnittenlieit des Bodens

6. Wegenetz

II. Bevölkerung, Städte und btuittt n der cimbrificheu iialbiusel

1. Urgeschichtliches

2. (Jriechisch-röniische Nachrichten

3. Aus- und Einwanderung

4. Fränkische Zeit

5. Srif li.»i«rli.-.ali.sLhe Kaiser

6. Stauhstht' Zeit: erste .Sthauenburger

7. Die Schlacht von Bomhöved und ihre

8. Die Zeiten der Befonnatioii . . .

9. Die neue Zeit

in. Ergebnisse .

1. Bej^icdlungfpfriodcn

2. Verteilung der Bewohner ....

3. Steigerang dee Torkelin Zur Woitdeat

S«it«

5 5

ikttg und Bechtachreibiing

[8] 8 10 12 19 23 25'

29

31 33 3ti 3!» 42 51 57 62 '62 64 73 76

Vorbemerkung.

Dem Griechen bedeutete ^roXig zunächst eine stücUische befestigte Ansiedluug im Gegensatz zu einer ofienen dörflichen, zugleich aber auch einen durch Gesetz und Verfassung umsclüossenen Verein von Meosdiieii im G^Mrensats sEam zenlreaieii und siaaÜosen Dasein. Poleo- grapfaie iMune ich mühin die DarsteUnng der Stftdto eines geographi* schien Gebiets nach ihren örtlichen und staatlichen Verhältnissen. Wenn eine •wissenschaftliche Kunde der mensclilichen Ansiedlungen nur auf Grundlage genauer Kenntnis des Lfindes und der Geschichte gewonnen werden kann, so muss eine Püieograjjhie aui Boden-, Stadt- und Volks- kunde zugleich beruhen.

^ Die Benennung Nordalbingien, seit Einhard von unserem Lande, fireilidi auch in weiterem Umfang fUr das nordöstlich der Elbe ge- legene Slayenland und ohne feste B^prensung in Gebrauch, soll TOn vornherein andeuten, dass ausser der preussischen Provinz Schleswig- Holstein auch das damit in Natureinheit stehende eutinische, lübsche und hamburgische Gebiet Gegenstand der Behandlung ist. In gleichem Sinne konnte die cbnbrische Halbinsel nur als dne Einheii in Betracht kommen und musste Jtttland wenigstens so weit herangen)^^ weiden, als zum Verstftndnis des eigentUchen Gegenstandes nötig erschien.

Einleitung.

Ein Zug wandernder Menschen bewegt sich nach denselben Ge- setzen wie ein Fluss. Er sucht niitiiiu ein natürlich gegebenes Bett, um es sofort zu benutzen oder erst zu gestalten. Seine Richtung geht also unter allgemeinen und gewöhnlichen Bedingungen auf die ebenen, in die ThSler, längs der Flüsse, namentlich der grösseren und beherr- sehenden: wandernde Völker suchen das Meer.

In Bewegung aber ist das Menschengeschlecht von Anfang an wie das flüssige Element. Nur darin untersdieidet es sich, dass die Atome desselben, die Einzelmenscben , in kurzen Fristen der Ruhe-

482

[6

punkte, der Haltestellen bedüHoii. Allf iin-nschlichon Ansiedlungen t>md Pilgerlierbergeu f liegen mithin an den natürlichen oder kanstliehen Strassen, und ihre Grösse nnd Bedeutung steht mit der Bedeutung nnd Belebtheit der Strasse im genauen YeniSltnis.

Belegen sein niüsson dieselben an denjenigen Punkten dieser Linien, welche entweder für Alle die notwendig gegebenen oder ftlr die grössto Anzahl der Wandernden die be<|uerasten und erwünschtesten Haltestellen sind. Die Wohnplätze der Menschen werden also immer un den Halt-, Wende- oder Kreuzpunkten der Strassen liegen, mithin die gipsten an den Tielfachsten Knotenpunkten des Verkehrs

Die Bewegung selbst kommt wie in der natüriichen, so m der Mensrhenwelt /nmal für Menschenmassen nicht ohne eine Nötigung zu- stande: di( N'iri^rung ist entweder äusserer Art und wird als Zwang empfunden, oder innerer Art, Trieb oder Beweisgrund.

Erat beide Ursachen zu^eich, die bedingenden, auf der Boden- gestaltung beruhenden und die erzeugenden, in der Menschenwelt lie- genden ftiliren durch ihr Zusammenwirken stur Gründung, Verteilung und Grösse der mensclilif hi ji Niederlassungen überhaupt. Die Boden- verhältnisse allein, und wären sie die allergünstigsten, können Verkelir und Verkehrsplätze nicht schallen; gesellschaftliche, staatUche, kirch- liche Motive der Terschiedensten Art rufen am meisten und kräftigsten Wanderungen und Anpflanzungen hervor; eine Quelle ein See, der Fluss das Meer, ein Eldorado ein Paradies, ein Heiligenbild ein Tempel ziehen Menschenmengen an sich, bahnen Wege zu sich: Richtung aber und nalt|>unkte des We^es, Belegenheit der Ansiedlungen bestimmt und bedingt die BeschaÜenheit des Bodens.

*) NUier begrflndet aind diese Sfttse sowie aach die dannif beruhende Ein-

teilung d«r Strassen in meiner Schrift: „Die Bedingtheit dos Verkehrs und der Ansiedlungen der Menschen durch die Gestaltung der Erdoberfläche.* Kiel 1861. Uebrigens ist es bemerkenswert, dass die deutsche Sprache in ihren betreffenden Bezeichnungen eine Erinnerung von dem oben dargelegten Sachverhältnis zu be- wahren scheint. »Siedeln' kommt ans dem mitt^^lhochdeutschen sidelon, althoch- deutschen s»"(lal Sitz, Sessel, Wohnsitz, gotisch sitls. In «Dorf* freilich, wie die Bedeutung des gotischen thMfp Feldmark ausser Zweifel 8t«llt, tritt die B^- 7i"biing auf die ^VaIl(^^rbewegung zurück; aber nicht ohne Grund, da ein Dorf hU iiuliepunkt für wandenide Züge nicht in Betracht kommen kniin. Weiler wird wie das sflddeuteche wll mit vula snsammenhungcn. Flecken beruht auch nur auf dem Oegnnwitze zur Linie oder zur Fläche. Aber schon iu dem allgemeinsteii Namen für menschliche .Niederlassungen*: »Ort*, diis in der Wurzel mit Ecke, Spitze eins ist und an den Ostseeküsten mehrfach i^charf vurtretende Laild8|ntMil l)e7,eichnet> Darsser Ort. Brüster Ort, Dag5er Ort, scheint tiie Auffassung von einem •Schneiden zweier Linien zu Grunde zu liegen. Unzweifelhaft aber bedeutet .Stadt* einen Steh- oder Halteplatz. In ihr volles Licht tritt diese einfache und doch »0 treffende BezeichmmLj durch ihren Gegensatz: der Weg, aus der Wurzel weg = ziehen, fahren, zusammenhängend mit wehen, wogen, wagen, weichen. Wind, Woge, Wage, Wagen n. a., ist das, was bewegt and seine Aufgabe nnd Bestimmung in der Bewegung hat (vgl. Kluge, etymolo^ische.s Wörterbuch). In ivso (sk. v&stn von der Wurzel vas weilen, wohnen), liegt der Begriff des Bleibens ^ahd. wis = mansio) auch an Ornnde; «iXtc, von den Wurzeln par, pel, ple Falle, Verkehr, Gedrilnge, «kr. pur, puri-s, püram Stadt, Burg, Fe.«ite, Hlsst die Ft.iatlichr' Unrlpntung mehr hervortreten. Urbs imd oppidum sind in ihrer Grundbedeutung zweifelhaft, t. Curtiiia.

Poleographie der cunbiieolieB Halbinsel.

483

Ob nun, wie unter gewöhnlic In n und ursprünglichen Verhallaiisaeii, der Weg den Ort lierbei führt oder der Ort den Zugang hervorruft, immer werden die Ausiedlungen von den grössten bis zu den kleinsten hinab End-, Wende- oder Kreuzungspunkte darstellen.

So zahllos die Menge derselben ist, so begrenzt sind ihre Arten. Die wichtigsten derselben lassen sich fblgendennasaen ordnen:

L Die Wege des Festlandes ergeben:

1. Kreuzungen gleichartiger Festlandsstrassen;

a) an Meerbusenspitzen,

b) an Landengen,

c) au Furten, Fähren, Brücken,

d) an Mittelpunkten geographischer oder politischer Kreise.

2. Kreuzungen ungleichartiger Festlandsstrassen:

a) von Flachlands- und Gebirgswegen,

b) von Eisenbahnen und Landstrassen, ü. Die Wege verschiedener Media ergeben:

1. Kreuzungen von Fluss- und Festlandswegen :

a) an den stärkeren, uameullich rechtwiukligeu Biegungen der Flüsse,

b) an den SchiffbarkeitHanfengen und Stufen, namentiidi der Mündung.

2. Kreuzungen von Landsee- und Fe.«<tlaudswegen :

a) an den Endpunkten langgestreckter, zumal tieteingesenktor Seen,

b) an der Bfitte ihrer Langseiten.

3. Kreuzungen Ton See- und Festlandswegen:

a) an Meerbusenspiteen,

b) an Meerengen,

c) an den Enden langgestreckter Binnenmeere. IIL Die Wege auf dem Flüssigen ergeben :

1. Kreuzungen von Fluss wegen mit einander:

a) an den Mündungen der Nebenflüsse,

b) an den schärfen Bi^ngen.

2. Kreuzungen von See- und Flusswegen:

a) an den Mündungen ins Meer,

b) an den Ein- und AasflUssen bei einem Laudsee.

3. Kreuzungen von Seewegen mit einander:

a) an Landzungen und Vorgebirgen, zumal weit Torge- streckten,

b) an Meerengen.

Sind diese allgemeinen Gesetze für Mensrhen verkelir und Niederlas- sungen begründet, so werden sie auch in der Besiedlung und den Hauptplätzen der cimbrischen Halbinsel sich bewähren müssen.

484

Jansen,

[8

L Lage md Bodengestalt der cmibrieohen HslbiaBeh

1. Für (Wo Gestalt u^id Bildunp^ des europäischen Festlandes sind zwei Binnenmeere von pfrosster Bedeutung: zuerst das südliche, das den Mittelpunkt der alten Welt gebildet hat und noch Ton den Vdl* kern d«s Ifittdaltei» als das Meer der Mitte bemiMihnefe wotäm iai; eodann das affirdlicfae, aus Nord- und Ostsee mit Suren Terschiedenen Teilen bestehende, das erst seit dem Mittelalter Schauplatz geschieht» liehen Tit'l>ens -werden koinite. Das südliehe ist das «jrilssere, längere, tiefer lu den ganzen Kontinent der alton Welt, d. Ii. in drei Weltteile eindringende; das nördliche leistet für die gernianisehen Länder aber dennoch dieselben Dienste wie das südliche einst für die griechisch- romamsehe Welt und jetzt für alle seemSchtigen Nationen der Erde. Es unterscheidet sich TOn diesem durch die breitere und offenere Ver- bindung mit dem Ocean, von dem das südliehe Mittelnieer fast abge- schlossen ist; das nördliche ist nur ein breit beginnender und alhnählich sich verengernder, wie verflachender Meerbusen des atlantischen Weltmeers.

Zwei Riegel erstrecken sich von dem Körper des Weltteils in ndrdlioher Richtung durch dasselbe vor: Qrossbtitannien, vof Mensdieu- gedenken durch emen Meeresarm vom Festland gelöst, eine Scfants- mauer der flachen Niederungen Norddeutschlands gegen die Wucht der oceanischen Wogen und die mit dem Festland verbundene niedrige Halbinsel, welche wir die cim bris che nt'nn<'n.

Diese selbst ist aber wieder ein Teil eines grösseren Ganzen, die mittlere imd bei weitem längste von den drei Ausbuchtungen der nieder- deutschen Eflste, deren w^tliche, von der Zuidersee bis zur unteren Elbe, in sich n04^ wieder durch DoUart und .Tadebusen gegliedert ist, deren östliche, von der OdermUndung und der Lübeker ') Bucht be- grenzt, in der Halbinsel Zingst und im Darsser Ort ausläuft, ursprrm«^- lich wohl ihre letzte Spitze in dem Vorgelju^f Arcona hatte. So bildet der cimbrische Ghersonnes nach 2sordwesten hin mit der festländischen Küstenlinie einen lediten, nadi Nordosten einen spitsen WinkeL In dem ersteren sieht sich, von dem vereinzelten Helgoland abgesehen, eine Schnur von langgestreckten Ktisteninseln hin, die trockenen Rücken der weit hinausgehenden, flaeh verlaufenden Watten, Trümmer der einstigen Küste; in dem anderen breitet sieh eine Gnijiju' grösserer Inseln aus, durch verschiedene Sunde voneinander und von den benach- barten Festlanden, durch ein breiteres Fahrwasser von der deutschen Küste getrennt, einst wohl ohne Zweifel mit dem südwestlichen wie dem östiichen Festland zusammenhängend.

Die Begrenzung der Halbinsel gegen das Festland ist eine von der Natur nur zum Teil entschieden ausgesprochene: einerseits durch das br«'ite Gewässer der Unterelbe bis Hamburg-, andererseits durch die Lübeker Bucht und die untere Trave bis Lübek; die Verbindungs- linie zwischen diesen beiden Punkten ISsst sich entweder gerade oder auf einem Umwege iSngs der unteren und mittleren Bille nach der

0 s.S. 555.

»]

Foleograpliie der cimbhschen HalbinaeL

48&

Trave zu oder mit der Elbe bis nach Lauenburg, mit der Wakenitz bis nach Rasebnrg zkluik, swii^tti weldien Punkten die Delvenau nnd der Steknitznnal mit semer Niederung die Lttcke nuhesu aus- ftllen würde.

T)iese H;in)insel hat in der nicht bloss reichen, sondern auch be- sonders harmonischen Gliederung des Körpers von Europa eine unver- kennbare Beziehung zu der griecliischen ; beide zusammen stellen zu der Bretagne einerseits, Corsica-Sardinien andererseits, zu Grossbritiauieu- Irland nördlich, Italien-Sicilien Bfldlich die dritte Hauptgliederung dar; wie Griechenland durch seine Inselwelt nach Kleinasien gewiesen und ▼on Kleinasien selbst fortgesetzt wird, so die cämbriache Halbinsel nach imd von Skandinavien; das Schwarze Meer mit seinen hintereinander hegenden Verbindunf?sire wässern erscheint wiederholt in dem Ostsee- becken mit seinen drei nebeneinander liegenden Sunden oder Belten. iraurend aber die gneehische Ton dem Körper des Weltteils durch Gebirge abgeschlossen ist, befindet sich die ombrische mit dem Fest^ lande in engster Wechselbeziehung; die charakteristische Bedeutung der griechischen steigt bei weiterem Vordringen ins Meer, ' die der cimbri- sehen nimmt ab.

Ungleich vollends und fast entgegengf^^etzt ist die Gestalt lu id» r Halbinseln. Während die griechische breit imd kontinental beginnt, ran in immer reichere Gliederung und YerSstelungen auszulaufen, die sich durch Inselreihen nach Kleinasien fortsetzen, nimmt die cimbrische Halbinsel von einer breiteren Basis aus anfiings auch einen Anlauf zur Verjüngung nnd Gliederung, um dann aber in der Tiördlirhen Hälfte zu einer nach beiden .Seiten ausladenden, fast doppelten Verbreiterung überzugehen, die schliesshch in nordöstlicher Richtung mit rascher Verjüngung in eine hafenlose Spitze Terlauft, ohne Forteetzung durch hiscJn zu finden. Die Breite der Halbinsel, gemessen zwis<£en der Westküste von Eiderstedt und der Nordosispitze Ildlstcins, beträgt etwa 22 geogr. M., zwischen Husum und Eckernförde 7 M., zwischen Husum und Schleswig 4\'3 M.. dagegen zwischen Thors Gab und Grenaae 23 M. Schon dadurch ergibt sich eine Dreiteilung des Landes geographischer Natur, die sich zu allen Zeiten auch politisch fühlbar gemacht hat, in eine breite Basis, eine verengte Bütte und ein plumen-, wenig entwickeltes Haupt. Die erste hat noch kontinentalen Zusammenhang und Gharaikter, die zweite ist durch Inseln im Westen und Halbinseln im Osten am meisten g*'gliedert. das letzte Dritteil in Boden- wie Küstenbildung eintcirmiger, ein Verhältnis, das Hurch die Belegenheit der drei Teile zur Achse des betreÖeudeu Mittel meers noch weitere Ausprägung erhält.

Von Bedeutung ist die begrenzende Kflstenlinie. In genauem Verhältnis zu der sehr allm'ählidien Steigung des Bodens nach Osten hin verliert sich die Westküste mit sehr flacher Abdachung in die Nordsee. In Jütland ist sie ohne vorgelagerte Inseln, scharf begrenzt, dureh eine dreifache Reihe von RitFen abschreekend. Die schleswigsche Küste begleitet eine Inselzone von fast eines halben Grades Breite, deren Westgrenze ziemhch genau in der Verlängerung der jütischen Kttstenlinie liegt. Der Westrand von FanÖ, Röm, Silt, Amnim, die Eiderstedter Düne Hitzbaak, die Watten Blanoit und

486

Jansen,

[10

BuschsoDd leiten iu gurader NordsQdrichtung nach der Geest des War» Steuer Landes der sttdelbischen Kttste hinüber. Weite Stii « km sind zwis( lieii dem Festen und Flüssigen streitig bis tief in die Mitte des

Lauflos hinein ; ein nicht <rnn7. schmaler Saum ist im regelmässig ab- wechselnden liesitz des einen und des andern ; breite Untieren erstrecken «ich von wenigen Fuss Wasser betleckt weit ins Meer hinaus, unter- brochen nur durch die Elb-, die EidermUndung und die Lister Tiefe.

Die Ostkttste dagegen, durchweg hoher über dem Meere und steiler in dasselbe abfallend, zeigt eine ähnliche Bildung, wie sie den oceanischen Küsten Englands, den Felsküsten Norwegens. Schottlands, der Bretagne und des spanischen Nordwestens eigentümlich ist. die der Förden, d. h. der sriikrecht eimlriugendeu , meist keilförmigen, teib auch bis zu ilussartiger Länge ausgedehnten Meeresarme, welche den gaoiEen cunbrischen Osten mit einer Reihe vortrefflicher HIfeii aus- gestattet hat Dieselbe Bildung, noch erweitert durch die sogen. N<^ore, enghalsige Nebenbuchtoi der Förden, sowohl in ihrer Längen- ais Querrichtung, Windebyer- und Xübelnoor ^. bedingt die grosse Zahl von Halbinseln, welche bei aller Kleinheit in Holstein und Schles- wig landschaftliche und selbst Stammesbesouderheiieu Jahrhunderte lang erhalten haben: Wagrien, dänischer Wohld, Schwansen, Angeln, Sundewith, Loit, Ness. Die EüstenentwicUung, zuiAchst Schleswig- Holsteins, ist daher auch eine günstige: wenn die Länge der Ostküste 48 23 71 M., die der Westküste von Sclileswig 20, von Holstein bis Brunsbüttel 19, bis Hamburg circa 13 Meilen = 58 gerechnet wird, 80 kommen rund 130 M. Küstenlinie auf eine Fläche von rund 30'^ Qu.- Meilen d. h. etwa 2,ü auf die Qu.-Meile. Auch iu dieser Beziehung ist Jütland, dessen grosse aber wenig Terkehisföliige Binnenseen nicht wohl in Rechnung gezogen werden können, SO dass die ganze Westküste als hafenlos erscheint, weniger begünstigt.

2. Der Roden der < imbrischen Halbinsel, obwohl im alhjfenielnen eben und einliirmig. bietet doch bei näherer Betrachtung bedeutsame Unterschiede und wichtige Abschnitte dar. Die SUdhälfte, Schleswig- Holstein, taucht aus der Nordsee auf mit dem bald breitaren bald schmA- leren, in Schleswig auch zweimal durch Geestvorspclinge unterbrochenen Saum der Marsch; durch die ganze Halbinsel zieht sich der flache, jedoch vielfach von Bodeiurliebungen und Mügelgruppen durchsetzte Heide- rücken, in Jütland durch einen Flugsandstreifen eingefasst; der höhere, aus einem buchten- und seenreichen Hügellande bestehende Oststreifen, der sich in Holstein Uber mehr als ein Drittel des Gebiets bis an die Kitte hin Terbreitert, setzt sich in Jüthmd über das letzte Drittel za- sammeuhängend nicht mehr fort.

Die Grenze zwischen dem Alluvium und dem Diluvium muss nach der Natur der Sache das einstige Meeres-, also jetzige Marschufer sein.

') Wenn die Insel Alsen ihre Förden tind das tiefo Hörnphaff an der West- küste hat. PO wird das mit ihrer Abdachung von Osten nach Westen nn l mii .l-^;- bohrenden Gewalt des von Norden kommenden, mehr und mehr eiu^e2 wandten Strome« nuammenhän^en. Aach Fehmarn hat seine zerrissenen Kfisten im N^niaien , Werten und Sflden; die OitkOtte bildet eine geachlonene Linie.

11]

Poleographie der dmbiuelieii Halbingel.

487

Dasselbe erscheint noch jetzt, mehr oder weniger erkennbar« untor dem Namen Don oder Kleve, Namen, deren Verbreitungsgebiet genau soweit ausgedehnt ist, wie die bezügliche Bodenbildung, d. h. von Holland bis an und über die Grenze Jiitlands. Ahir<*>fehen von den vielfaclieu Vorsprüngen wie Einbuchtungen wird die Linie durch eine Sclmur grosserer und zugleich ftlterer Ortschaften des Westens beaseidmet: Kipon, Tondem, Bredstedt, Husum, Lunden, Heide, Meldorf, Itzehoe, Elmäiomf Uetersen, Wedel; das hohe Ellnifer, auf dem Blankenese, Ottensen, Altona, Hamburg liegen, ist nichts weiter als eine Fortsetzung des Meeresufer am Flusse aufwärts.

Die Grenze zwischen dem Geschiebesand und dem Geschiebe- thon ist zunächst in Jütland Tieliach verschoben und durchsetzt. Das nördlich vom LümQord gelegene Dreieck, teils flach teib hügelig, im Norden und West^ von Flugsand umlagert, mit grossen Strecken ge- hobenen Seebodens, z. B. dem grossen Wildmoor, gehört vorwiegend dem Geschiebethon an. Der Abschnitt südlich vf)m Liinifjord. zwischen diesem, dem Mariager-Fjord und dorn Kattcgatt, auch nicht ohne l)e- deuteude Strecken gehobenen Seebodens, z. B. das kleine Wildmoor mit den die sogenannten Holme um^benden Niederungen, besteht vorwiegend aus Geschiebesand, Vom Manager ' bis Über den Ilanders Fjord, die südlich davon grlrr^ene Hallunsri Ormaae eingeschlossen, westlich bis nach Viborg wechseln Sand und Lelini. Erst von der Kn1(>-Wik nach Süden dehnt sich über den Osten des Landes der Geschiebethon mit seiner wald- und hügelreichen Oberfläche in ähnlicher Weise wie auf den Inseln und in Sdileswig-Holstein bis m einer Linie westwärts aus, die zuerst etwa die Mitte des Landes erreicht, dtfnn aber in der Sfld- richtung mehr und mehr sich der Küste nähert, um sich von Veile an wieder davon zu entfernen. Von der jütisch-schleswigschen Grenze an weicht der Westrand des Geschiebethons, von vereinzelten Strecken, namentHch einem weit ausgreifenden Winkel zwischen Köuigsau und Nipsau, abgesehn, aufs neue mehr und mehr nach Osten zurück; und aswar auf der Halbinsel Loit und Sundewith in genauem Parallelismus mit der ausbiegenden Küste, so dass er sich bei Apenrade, Flensburg und Schleswig wieder na( Ii Westen, in einigem Abstände um die ge- nannten Städte herumweud. t. Von da an schlägt seine Linie eine süd- östliche I?ichtnnf:: oin. bleil)t eben westlich vom Wittensee, östlich von Rendsburg, aucli östlich von Neumünster, von wo sie bis in die Niede- rung der Tensfelder Au, südlich vom Südende des Pldner Sees, gerade ösÜich streicht, um von da wieder in ziemlich gerader Sfldrichtung, westlich an Segeberg und Oldesloe vorbei und mit manchen Ausbuch- tungen in westlicher Hirlitnnq' zwisclien Hamburg und Rorf^oilorf an die Elbe zu gehen, die sie weiter aufwärts nicht nielir erreicht. In bemerkens- werter Weise wird mithin von ihrer westlichen Grenzlinie auch in Hol- stein der Parallelismus mit der Eüstenlinie festgehalten.

Die Marsch, wenig Aber dem Meeresspiegel, um Wüster gar unter dem der Elbe gelegen, hat ihre Eigentümlichkeit im StoflF und in der Form. Die Form überrascht und zieht an durch die völlig wagerechte, wie mit dem Tjinenl ^ez(i</t'ne Linie ihres Horizonts und die gleich wagerechte Ebene ihrer Oberfläche. Der Stofl i^t der sogen.

488

Jansen,

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Klai (clay), ein fetter schwerer Thon, der eiDerseita durch die strotzende Fruchtbarkeit diesen Eflstensaum mit ieinen Weiden und BinderherdeOf Beinen Raps- und Kornfeldern, der Menge seiner Wohnungen, die wie

ausgesät Ober die ganze Fläche crschdneD, zu einem seltenen Bilde ge- se^rncf^stcn Wohlstandes macht, andererseits durch die Zähigkeit und Grundlosigkeit der Bodenart bei Hegen und Winterwetter dem Verkehr erhebliche Schwierigkeiteu bereitet.

Zusammengesetzterer Art ist der breite Mittelstreifen des Landes sowohl seiner Form und Oberflifehe, wie seinem Stoffe nach. Zum grossen Teile Silsswasser-Alluvium, d. h. Moomiederungen und Wiesen, ist er von Heidewand und Geschiebesand bunt durchsetzt; zwischen Stör und Eider tritt Gescliiebethon in grösseren Zusammenhängen auf, der in Schleswig fast völlig fi lilt. Das Bild der Ü1)ertiäche wechselt zwischen der biuuueu Heide und dtiu fahleu und hnstem Torfmoor, der grüne a Wiesenniedening und den dunkefai Nadelwaldungen, in der Gesamt- wirkui^ meist ernst und strenge, oft rauh und ärmlich.

Freundlich und anmutend ist das Aussehndes östlichen Htigel- 1 and es: Weiden. Wiesen nnd Kornfelder, getragen oder durchsetzt von langgcstreekten Höhenzügen und Buchenwäldern, Flussthälern und Schluchten, Seebeckeu und Förden, bieten hier durch Form und Farbe die Bedingungen, welche unter besonders glücklichen Mischungsverhilt-' nissen Landschaftsbflder von wahrhaft Ubenaschender Liebliäkeit er- zeugen.

3a. Erhebungen des Bodens fehlen in keiner der drei Zonen ganz. Während sie aber, von den Inseln Rom. Silt, Amrum, Föhr abgesehn, in der Marsch nur als Uferränder, im MittelrOcken zugleich als üfer- räuder und Plateaus, Hügelreihen und Hügelgruppeu vorkommen, sind sie in dem östlichen Streifen, von kleineren Strecken Ebene oder Wiesenniederungen abgesehn. die einzige Bodenform.

Das äussersto Ufer des Wattenmeers und der daran sich schliessenden Marsch bildet eine Kette von Sandbergen, die sich, vom Meere mehr- fach schmäler oder breiter durchbrochen, von der dänischen Insel Fanö bis in die Eiderstedter Hitzbank fortsetzt und namentlich an den drei Stusem Insefai des Wattoimeers, Röm, Silt und Amrum, in ihrer eigen- tümlichen Qestolt wie Wirkung erscheint. Bestehend aus aufgelag^tem Flugsande zeigen diese Hügel in ihren Linien und Umrissat, in ihren Spitzen oder Kuppen. Trichtern und Schluchten die Formen eines Fels- Gebirges mit überriischender Aehnlichkeit, wie wenn sie ein Relief des- selben im grossen Massstube durstellen sollten.

3b. Die Erhebungen des Mittelrückens vergegenwärtigen sich am besten von den westwärts her tief ins Land ausgebreiteten Niederungen aus.

Wenn nämlich im Osten des Landes das Meer in bedeutender Tiefe zwischen hohen und festen Ufern meilenweit in scharfer Begren- zung in das dortige Hügelland eindriiifjrt, zeigen sich im Westen zwei grössere und mehrere kleinere Einbuchtungen des Meeres oder der meerartigen Niederungen Ton stumpfwinkligen Umrissen, die in unbe- stimmbarer Zeit wirkliche Meerbusen Ton ebenso grosser Ausdehnimg wie meist geringer Wassertiefe gewesen sind: eine Geslalt, welche die-

13]

Poleographie der cimbnaohea Halbinael.

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selben zu einem «n-ossen Teile in den heiden letzten scliweren Flut- jähren 1825 und 1855 noch einmal wieder angenommen haben, zu der flie Anlaufe und Andeutongen in jedem regenreichen Winter zeigen. Die bedeutendsten bilden die nördlichen Mündungsgebiete der Elbe und ihres jp*össeren Nebenflusses, der Stör und das gesamte mittlere imd untere Stromgebiet der Eider mit ihren sililliclien und nördlichen Nebenthälem.

Die grosse Niederung der Elbmarsrh dringt, den GeestrUcken von Nordoe oder Münsterdorf in zwei Armen umspannend, zwischen Itzehoe und Horst durch, halb noch Marsch halb Moor und Wiese oder auch Sand, durch das Thal der Stör in Ostlicher und nordöstlicher Richtung zunächst bis Kellinghus( n ein. Von hier, wo sie sicli zwischen dem Uferrand der Stör und den westlichen Ausläufern des Bramstedter Kückens bis auf eine halbt^ Stunde verengt, setzt sie sich teils in östlicher Richtung durch die Bram-Aue und deren Quellbiiche bis getr^ n St ge- berg hin, teils an Breite wachsend in nordöstlicher Kicliiung aul Neu- münster und weiter nordidMs als Ilohheide auf Nort<»rf zu fort, wo sie schmiUer wird, um akbald wieder nach beiden Seiten hin auszu- greifen und unmerklich in die Eidemiederungen bei Bendsburg über- zugehen.

So erscheint das Gebiet des Geschiebesandes in Holstein in zwei grössere Plateaus geteilt, ein südöstliches und ein nordwestliches: daserstere Yon Bramau, Elbe und Elbmarsch begrenzt, nach Osten bis über die Alster, im Süden sogar bis an die untere BUle fortgesetzt, in der Hauptsache das alte Stormam; das nordöstlidie, westlich von der Marsch und den an- grenzenden Mooren, östlich von der Sarlau imd der Stör, südlich von der Stör- und Elbmarsrh , nördlidi von der Eiderniederung umspannt. Von Süden, Westen und Norden dringen kleinere Meer- oder Moorbusen in diese Platte ein, und zwar zwei, breit und tief, oft überschwemmt und ungangbar, mit besonderer Wirksamkeit: das Thal der Gieselaue von Norden, das der Holstenaue von Süden; so dass sie zu der Sonderung in Dithmarschen und »Holsten* die Grundlage bildet.

Den zweiten grossen Moorbusen stellt die untere Eiderebene dar. Zwischen den Höhen von Heide einer, von Husum andererseits emdringend, breitet sich derselbe, für das Auge in seiner wirklichen Natur unverkennbar, in seinem Umfange unübersehbar in östlieher Bidi- tung bis über Rendsburg in die Nime des Wittenseee, bis an den Fuss der Hüttener Berge, in nordöstlicher Richtung bis an die Ufer- höhen der obem Schlei, an die bastionartig vorspringenden Hügel von Schuby und Hifsby, in nördlicher Richtung endlich durch das weite Treenethal bis unweit Flensburg aus, um hi» i in die mehr unter- brochenen Niederungen der kleineren Auen von Mittel- und Nordschles- wig überzugehen, auf deren baumloflen Flachen der westwftrts Wandernde alsbald salzgesch^^ngerte Meeresluft zu atmen b^^innt. Die Dünen der Hitzbank, die von Tating und Garding, der langgestreckte Rücken von Lunden, halb Dihio halb Geschiebesand, der weithin sichtbare, steil und hoch aus dem Ei Urthal aufsteigende, sanft nach der Treene ab- dachende Bergzug von Stapelholm, das Plateau von Erfde und weiter östlich noch einige kleinere Geestflecke ragen als richtige Inseln aus der fast wagerechten Flache hervor, die, wie oben erwähnt, südlich

490 Jwmn, [14

vou Ueudsburg mit der grossseu holüteuuschen Tiefebene in unmittel- barer Verbindung steht.

Die Erhebungen des Bodens aus diesen Niederungen steigen teils allmählich, teils steiler an. Steil und meist auch verhältnismässig hoch aufragend erscheinen die Uferränder der Flüsse, beziehent- lich der Moore oder Marschen und zwar besonders mit unverkenn- barer Kegelmässigkeit die nördhchen. Das nördliche Elbuter abwärts von Altona steigt, soweit es westlich läuft, bis Wedel hin steü aus der Elbe auf^ im Bauisberg bei Blankenese bis' zu 31 9^. Sowie dasselbe sich ndrdlich wendet, nimmt es mehr und mehr an Höhe ab; schon bei Eilmshom verschwindet der Don dem oberflächlichen Beobachter fast ganz. Scharf ausgcjirii^H ist dann der Hand der holstenschen Platte, vorzugsweise wieder nördlich von der Stör- und Marschniedenmg. Schon oberhalb Kellinghusen erscheint er nahezu mauerartig, verläuft abwärts dieses Ortes in eine Senkung, erhebt sich dann aber oberhalb Itzehoe aus dem Störthale und der Manch Torgebirgsartig als ein brdter und hoher Buckel, der eine der umfassendsten Femsichten von der Höhe des Kaiserberges gewährt: süd- und westwärts über die Elbniederung und Marsch in Hannover hinein, uordwürts über die Ab- dachung bis an den Rücken vou Ilohenwestedt , ostwärts bis an das ostholsteinische Ilügelland. Genau dieselbe Bildung und in gleicher Form wiederholt sich am einstmaligen Nordufer der untersten iSbe, wo aus der Vertiefung der Burgerau und des Kuden-Sees die steilen, auch zum Teil waldigen oder buschigen Hölien „der Bnig* und des Edde- laker Don weithin siehtbjir und weitüberschaut nd emporragen, liebliche l/HTids()iattsbilder zum Teil nicht ohne einen Anüug vou Komantik darbietend.

Zum Tiertenmal, um hier Ton dem Stapelholmer Höhenzuge abzusehn, erscheint ein solches breit in die Niederung Yordringendes

Vorgebirge nördlich der untern Treene in dem Höhenrücken von Usteu- feld und Schwabstedt. Auch hier wie bei den erstirenannten verlaufen <lie Hr)hen in der Richtung nach Norden mehr uud mehr in die Ebene, ohne erhärte Ränder zu bilden. Endlich lässt sich am Norduf<^r der Sohohimu in dem Laugen Berg, der Breedeau oder des Lohbek, in der Wanghoi eine ganz iUnüiche Bfldung nachweisen.

Die Übrigen Bodenerhebungen des MittelrQckens sind omegel- mässig verteilt.

In der südö s tl i e Ii cn Platte von Holstein, dem eigentliclicn Stormam, erhebt sich zwischen der obern Alster und obern Schmalfelder Aue ein Massengebirge im kleinen, der sogen. Kisdorfer Wohld bis zu 272'; zwischen Sämalfelder und Osterau dehnt sich die grossen- teils bewaldete S^(eberger Heide aus, nach Westen hin anstdlgend. zuletzt in dem vereinzelten Clausberg; ftlmlich vereinzelt wie der Kis- dorfer Wohld und noch mehr zusammengedrängt zwischen Ostt-r-Au und Stör die Boostedter Berge, an die sich in südwestlicher Richtinig der Ketelviert bei Grosseuaspe imd die Uferhöhen bei Bramstedt anschliesseu.

In der nordwestlichen Platte und zwar zunächst in deren (istlicher Hftlfte, dem eigentlichen Holsten, ist eine dem SOdzande

15]

Poleographia der cambriscihen Bidbinsel.

491

an Höhe entsprecheude, jedoch nicht uferai-tig fortlaufendo Erlubuug des Bodens auch im Norden zu erkennen, der Südriiud der £ider- niederung, teflweise zwischen did Kel»enb&eheder Eider, Jeven-, Lubner-, Haler-, Haner- und CKesel-Aue tot- und eingeschoben, von Heinken- bozstel etwa Ober Hohenwestedt, Todenbüttel imcli Hademamhen.

In Dithmarschen setzt sich die Bürger Platte, die in ihrer westlichen Hälfte alsbald in die Niederung des Windberger Sees und der Süder Au absinkt, in ihrem (istlichen Hände in iKirdl jeher Richtung aufs neue ansteigend über Röst, Arkebeck, Wehubüttei, Teliingstedt aJs ein sehr ausgesprochener Höhenzug fort, als dessen Fortsetzung jenseit der tiefen Niederung der Tielen Au die Hügelgruppe Ton Schalkholz, Fahlen und Dörpling angesehen werden kann, die steil ans der Niederung der Tielen Au, sanfter aus der Eider aufsteigt und jenseit derselben in der Geestinsel von Erfde wieder erscheint. In seiner Mitte entsendet jener Zug einen Zwei^ nach Nordnordost über Bunsoh und einen andern nach Nordwest bis Nordhastedt.

AusdemschleswigschenMitteIrflcken und seinen weiten Heide- und MoorflUchen ragen ausser den erwähnten üferhChen nur vereinzelte und niedrigere Hügel und Bodenanschwellungen hervor. So nördlich der Niederung des Helligbek die Höhen von Schmedeby, Oeversee, Sankelmark an der obeni Treene, zwischen welchen der Trä und Sankel- marker See sich ausbreiten und die Treene mit ihren Zuflüssen sich hinzidit.

Westwärts von der obersten Meynau breitet sich ein Dünensand- gebirge aus, das sidi in westlicher Richtung noch dreimal, bei Medelsby, Westre, Süd-Lügum und Grellsbüll wieder zeigt, dann in die Niederung des Aventofter Sees absinkt.

Das ganze nördliche Drittel des schleswigschen Mittelrückens hat im Vergleich zu dem mittleren und südlichen einen höheren und fast wellenförmigen Boden: so nördlich der Niederung des Lohbeks mit seinen Nebenbächen (Steensberg 308'), so zwischen den beiden Haupte Quellflüssen der Nip^-An, der Jarde- oder Ojels-Au und der Granim- oder Norder-Au, (Fjellumhöi 205'), so endlich nördlich derselben bis zur Königsau; Erhebungen, die zum Teil auf dem hier westlich weit Torgreifenden Geschiebethon liegen.

In JQtland nimmt zunächst an der Westküste der Flugsand einen grösseren Raum ein und dringt nördlich vom Aggerkanal stellenweise weit in das Innere, bis er die nördliche Spitze ganz überdeckt.

Im Gebiete des dann folgenden Heide- und (if schiebesandes herrscht bei vereinzelten Erhebungen die Form der Elxne vor: sie nimmt fast die ganze Westhälfte des südlichen Jütlands bis in die Nähe der süd- lichen Lüm^ordküsten ein, dehnt sich Ober die westlichen Haiden des Amts Aalborg aus und setzt sich auch durch den Westen des nördlich ▼om Liimfjord gelegenen Dreiecks fort.

3c, Ein zusammenhängendes, nur durch Seebecken und Förden, vereinzelte Wiesenniederungen und tiefe Thalsjialten von teilweise gebirgs- artigem Charakter unterVuochenes Hügelland bildetder aus Geschiebe- thon bestehende Ostraud der cimbrischen Halbinsel, der zunächst durch die mehr oder minder tief eindringenden Förden in eine Reihe von

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Janaen»

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Halbinseln zerschnitten wird. So viele Halbinseln, so viele grössere und kkinere Gruppen Ton Hügeln oder BodeoaiiBchweamigen. Die liödiflien Erhebungen finden sich beide Male apuf der grossten Breite

der Halbinsel, in Holstein zwischen der Hobwach ter Bucht und dem lübschem Fahrwasser, der Bungsberg 554', in Jütland nahezu in der Mitte des Landes selbst die Eiersbavnehöi 547' lioch. In Schleswig reichen die höchsten Hügel nicht weit über Ü5U' hinauf.

Das östliche HUgelgebiet Holsteins, obwohl gleidunässig Uber den gesamten Tkonboden ausgebreitet, erlaubt sunftcbst eine Zer- legung in ein sttdliches Viereck und ein nördliches Dreieck.

Das Viereck lässt sich b^^renzt denktti durch den Wakenitz- Delvenau-Einschnitt, die Elbe, eine Linie Haraburg-Segeberg und die .S}>nlte des Warder Sees, welche sich durch den Reiusbek nach der Klever Au und so nach der untern Trave hin fortsetzt. Die Abdachung desselben ergabt sich im allgemeinen duieh. den Lauf der Bille und DelTenau nach Süden, der Wakenitz und Steknita nach Norden, der Trave erst n:u Ii Süden, dann nach Osten. Die Erhebungen sind durch das ganze (Tel)iet ungleirhniilssig verstreut; jedoch drangen sich die h(k hsten Punkte auf einem Striche zusammen, der als südwärts gerichtete Fortsetzung der Höhenzüge westlich und östHch von der Tensfelder Au augesehen werden kann: gerade südüch von dem ersteren zieht sich die Eraebung auf dem östlichen der oberen, dann auf dem westlichen Ufer der unteren Brandsau hin; der Nehmser Berg und die breite Erhebung von Blunk bilden das hohe Südufer des weiten QueUmoors der Tens- felder Au; grade südlich vom Nehraser liegt der 203' hohe Kagelsberg, weiter südlich in ähnhchen Formen der Segeberger Kalkberg, das ein- zige anstehende Gestein unseres Landes, 297' hoch, steil aus der um-

Sehenden Ebene an&teigend; weiteihui sefaen der Donnenberg mit dem dzener See an seinem nördlichen Fusse, der Ton Krems mit dem Leezener See an seinem südlichen Fusse, der Klingsberg, 250' hoch am Nordufer der oberen Bestt?, der Bork- und der 283' hohe Bomberg, die Hü<relreiho in fast gerader öüdrichtung bis an die Ufer der BiLLe und Elbe fort.

Das oben genannte Dreieck hat seine Spitze in der Halbinsel von Oioesenbrode; seine Grundlinie ist eine gebogene und ftthrt von der Spalte des Warder Sees auf die Tensfelder Niederung, von da am Fusse des Tarbeker Rückens herum nach Bomhöved, einbiegend weiter bis an den Fuss des Zuges, der von Pretz am Postsee und über den Botlikamper See auf das obere Eiderthal abwärts Brügge und Bordes- holm streiclit, führt weiter am Ostufer dieses Thaies längs bis au aie Viehburger Höhe, jenseit welches schmalen Joches die Spalten des Eider* thals sofort von der Kieler Förde wieder aufgenommen wird.

Die höchste Bodenerhebung bildet der Bungsbei^ mit seinem ganzen umgebenden wald))ede(kton Hügelland, fast genau in der Mitte einer Linie, die als Grundhnie der verengten ostholsteinischen Halbinsel angesehen werden kann. In nördlicher Richtung setzt sich mit sehr allmähhcher Abdachung ein Höhenzug über Mönchneversdorf fort, bald darauf in zwei Aeste geteilt einerseite bis Hansflhn, anderer- seits bis Nessendorf fort; jenseit der genannten Punkte, im wesentlichen

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Poleograpbie der cimbriMsheii l^buuel.

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jenseit <]er Lutkenburg-Lensahner Landstrasse geht es rascher zur

Küsteuebene hinab.

Auch in südlicher Richtung vom Bungsberg und über Schön- walde lässt sich ein Zug erkennen, der südlich des letzteren Dorfes allmählich sinkt, im GtfmnüaEerberg aber noch wieder m 826' aufsteigt. Nadi Osten, Nord- und Südosten erfolgt die Abdachung so, dima einerseits die Lütkenburg - Lensahner , andererseits die Schönwaide- Lensahner Landstrasse den Rand der Kbene bezeichnet , welche dem- nächst in die Niederung des Wesseeker- und Gniber Sees, der weit ausgebreiteten Biunengewiisser und Wiesengrüude der Neustädter Bucht hinabfidli Jenseits jener Niederung stellt das noch heute stets sogen. jLand" Oldenburg eine waldlose wellenförmige Ebene dar, deren höchster Punkt mit einer Aussicht bis nach Meklenbui^ ^) der Wüibarg bei Patlos an der hier steilen Nordwestküste aufragt.

In westlicher Richtung breitet sich mit vielen Kuppen zwischen 200 und 300' das Hügelland unterbrochen nur durch Wusserläufe und Seen bis an die oben aufgestellte Grenze hin aus. Die Seenreihe vom Stendorfer bis zum Stocksee liegt insofeme an dem sttdUchen Fasse dieser bedeutt n dt ren und komiMhkten Bodenerhebung als südlich derselben, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, ein erheblich niedrij^eres Wellenland sich ausbreitet, das vorzng.sw^eise nur in dem Kücken des Fariner Berges (442' y) in der steil autsteigenden Halbinsel zwischen Stock- und Plöner See, in dem Nehmser und dem Grimmeisberg namhaftere Höhen auizeigt.

In nordwestlicher Richtung endlich dacht sich die Bungsberg- gruppe in eine Senkung ab, die durch den Lauf der Eletkamper Aue und durch die grosse Futterkamper Wiesenniederung mit dem Sehlen- dorfer See bezeichnet wird. Aus dieser steigt der Boden gleichmässig an, besonders merklich am nördhchen Ufer der Kossau. Nr)rdlirli der Landstrasse Lütkenburg -Kiel, westlich und östlich begrenzt vom See- lenter- and vom Waternererstorfer Binnensee, nördlich mit den hltch- sten Kuppen, insonderheit dem Pielsberge, rasch in die Ebene zwischen Heer und Seelenter See abfallend, drängt sich eine Art Massengebirg im kleinen zusammen, das an Höhe (145') noch erheblich unter dem Bungsberg, doch bei seiner schärferen Begrenzung durch Wasserflächen und engeren Konzentration sich bedeutender darstellt. Südlich der ge- nannten Landstrasse am ganzen we^tUchen Ufer der Kossau, besonders ansteigend südöstlich und sOdlich vom Seelenter See, setst sich dieser Iiütkenburger Gebirgsabschnitt in allmählicher Abdachung \vt stwärts auf die untere Schwentine und bis zu dem oberen Ende der Kieler Förde fort, deren östliches Ufer von einer Bodenwelle Vie^'leitet wird, die aus der Senkung des Doberstorfer und i^assader S(?es mit dem Salzauthale aufsteigt.

Mit dem geschilderten Hügellaude durch das Joch von Viehburg in schmaler Verbindung, no<di auf holsteinisidiem Boden, aber in un- mittelbarem Zusammenhang mit der breiten Wölbung des dänischen Wohld, breitet sich die Westens eer Gruppe aus, sttdwestHch und .südlieh nach der Nortorfer und Nenmünstersrhen Niedonrng, nördlich nach dem schleswig-holsteinischen Kanal und den Küsten des Kieler

') s. S. ßSS.

Wendimat&a nr dmilMkaB LoMm^ und TolUkond«. L S.

34

494

Janaen,

[18

1111(1 Eckerulörder Meerbusens abgedacht, östlich durch den langen, wallartigen Uf'errand links von der Eider zwischen Bordeshohn und Schulensee scharf begrenzt.

Aehnlich wie £e Westenseer Berge zur Halbinsel des dSnisdieii Wobld verhalten sich die Hütten er Berge zur Halbinsel Schwansen.

Aus den BodenweUen des Bisten- und Wittensees im Süden^ ganz unvonnittelt aber aus der tiefen Niederung der nberston Sorge und des Owschhiger Mühlenbaches, will sagen. d»'S einstigen grossen Meerbusens Südschleswigs, erhebt sich wallartig steil, östlich santler in die Niederung der Hüttener Au abgedadit, noidwftiis bis an die Schlei ausgedehnt, ein Hügelzug, der im Scheelsberg 879^ hoch, mehr als ii^end ein anderer der Halbinsel gebirgsartigen Charakter zeigt. In norflöstli< !i('r Richtung setzt sich jenseits der genannten Niederung^ die welleuluriuige Bodengestalt, zwischen dem Windebyer Noor und der Niederung des Ost<^rbeks zu einem schmalen Joch eingeengt, auf die Halbinsel Schwansen fort

Die grosse Eblbinsel, welche von Anbeginn der Oeschichte ihren Namen bewahrt hat, Angeln, ist von einer Senkung in der Mitte dureli Lippingau und Geltinger Bucht in eine nördliche und südliche Hälfte geteilt, deren südliche ihre höchste ErlH'lmng bei Withki« l ') westlich von Kuppeln hat, die nördliche bei Quem im Seh. i ^herg (^öö'). Die Halbinsel Sundewith erhebt sich am höchsten in ihrer Grundlinie, öst- lich der Landstrasse Flensburg- Apenrade (im Tasteberg), bei Qua» und Stagehöi, und an ihrer Spitze im DOppelberg 251'. Auch Alsen, ein erst sehr allmählich abgeschnittener Vorposten Sund l ^vif Iis, kehrt seine höhere Seite dem Meere zu (Hnibif r<r 2H0'). Entschiedener als Sunde- with hat die Hallu'nsel Loit ihren Höhepunkt nach der östlichen Küste zu: den Biaubjerg (302'?).

Entgegen der Regel erscheint eine bedeutende Höhe, 336', dicht westlich Ton der Gjenner Bucht, der EniTsberg und Shnlioh die hfichste Erhebung des Herzogtums, die Skanilingsbank 398' unmittelbar west- lich von der Moswik oder Binderuper Bucht und ihrer Niederung. Ein Znir hervorragender Kegel lässt sich ausserdem von der untersten KoMingau bis zur obersten Förde von Hadersleben, dem sogen. Haders- lebener Damm, sowie am Nordufer derselben verfolgen, unter ihnen die höchsten und gehäuftesten westlich ron Christianrfeld (Höibjerg 335% Kobjerg 342').

Wellenffirmig gehoben ist in Jütland v* n der östlichen Zone zu- nächst die Halbing '! von Friedericia zwischen V'eile und Kolding, am meisten in der Nähe des Koldinger Fjord. Veile, im tirt t iugeseukten Wiesenthaie gelegen, ist südlich wie nördlich von Höhen umgeben. Ton Horsens nach dem SkiTefjord, an seinem östlichen Fusse von Viborg bis nach Skanderboig durch eine Seenreihe begleitet, streicht ala Westrand des Gesclnebethons derjenige Höhenzug Jütlands, in dem sich die höchsten Punkte des Landes tiuden: der Hinimelbjerg und die Eiers- bavnehöi, beide gegen 550' hoch. Aui' der östlichen Seite des Üebieta

') Das Wort wiih wird hier dasselbe sein wie in Sundewith; s. zur Wort- dentung S. 553.

19]

Poleographie der dmbriachen DnlboueL

495

der Gutleuau zieht sich ein Kücken auf Aarhus zu; beide Ufer am Ausgang der Kalöer Bucht sowie der Hiiitcignind derselben sind mit namhafteren Hügeln bezeichnet: Jelshöi (401'), Ellemandabjerg (317'), Eald Bamehöi (333'). NOrdlich Aarhus setzt sich die Wasserscheide in nordiiordwestlicher Richtung auf Randers und in nördlicher auf Mariager und auf Aalborg fort. Im nördlichen Dreieck zieht sich der sogen. Jydske Aas mit der Tinghöi und Alleruphöi in nordnord westlicher Richtung durch das südöstliche Viertel. Ausserdem steigen besonders südlich nahe und südwestlich weiter von Frederikshavn vereinzelte Hügel aul".

4. Das somit gewonnene Bild von der Oberfl&che des dmbrischeu Bodens findet eine weitere Verdeutlichung durch eine Uebersicht seiner Gewässer.

4 a. Bi merkenswert i.st hier vor allem das tiefe Eingreifen der Nordsee in das Land. Die Wasserscheide zwischen Nord- und (Ostsee geht von dem Rücken zwischen Steknitz und Delveiiau südwestlich von Mölln in einer vorwiegend nordwestlichen Richtung auf den Bockberg ZU und die Mitte des Yormaligeu Alsterkanals zwischen Alster und Beste. V<m hier an nimmt sie eine nördliche Hauptrichtung bis Bomhöved, TOn wo sie mit leiser Ablenkung nach Westen über Kirch-Barkau bis an das oben erwähTitc Vielibur<;er Hügeljoch. d. h. also bis auf wenige Minuten vom Kieler Meerbusen ausgreitt. Sie begleitet in geringem Abstände das linke Ufer der Kieler Förde bis etwa Christinenhoh, wendet sich dami quer durch den dänischen Wohld Üher Hohenlieth auf den Rocken dicht südlich am Windebyer Noor imd weicht von hier an in südwestlich Torspringendem Bogen auf den SUdfuss der Hüttener Berge zurück, ih ren westliche Alidachung sie bis Breckendorf begleitet. Von hier biegt sie in nordwestlit her Richtung ab. auf die hohen Ufer des Selker Noor und der obersten Schlei zu, an deren Fuss sie sich an- schliesst. Auf schmälster Enge zwischen Lürschauer See und der Niederung des Langsees hindurch und westlich um den Idstedter See herumgehend, lauft sie .luf die bekannte Höhe vfJii Oberstolk zu, von da auf Satiui» und wieder der Ostküste zustrebend bis an die Ab- flachung des S( hers]>erges. Von hier geht sie gerade westlich wieder zurück . um in äliniic her Weise wie bei der Schlei die Höhen an der Spitze der Fleusburger Förde zu umspannen und wieder, wie bei der Kieler Förde, das Nordwestufer his weit hinein in die Halbinsel Sunde- witfa zu begleiten. Die oben erwähnten Höhen setzen ihr hier eine Grenze. Im Halbkreis umzieht sie dann die Apenrader Bucht und dringt aufs neue tief in die Halbinsel Loit vor. Von dort iiord west- wärts gf'wt-ndt't. unizieiit sie in grösserem Abstände (be Spitze der Hadersiebener Förde und behält dann eine nördliche Hauptrichtung auf die Erhebungen bei Christiansfeld zu und mit kleineren Abweichungen bis an die Grenze des Herzogtums.

In Jütland zidit die Wasserscheide um den Eoldingfjord in ähn- licher W'eise herum wie an den schleswigschen Buchten, nicht mehr ganz um den von Veile; sondeni westlich schlägt sie zunüdist bis nahe dem .'»'). " Parallelkreise eine nördliche. <lann an der vorerwähnten Erhebung entlang eine nordnordwestliche Richtung ein bis westhch von Viborg; von da, Viborg umkreisend, wendet sie sich plötzlich scharf

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Jaaien,

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gerade ostwärts bis nahe vor Hauders, eine kurze Strecke nSrdlicli, dann wieder nord westwärts au liobro vorbei, von wo an sie sich bis Aalborg ziemlich gerade nordw&rts fortsetzt Im nOrdliclien Drittel biMet der Jydske Abs den Rflcken, von dem aus in noch entschiedenerer Weise als schon im Aalborger Amt eine Abdachmig und Entwiesenmg nach allen vier Scittm stattfindet.

Diese Herrscliafl des Westmeeres Uber das Land zeigt sich noch deutlicher und greifbarer in dem Eiudringen der Flut in die Elbe bis 4 Meilen Uber Uamburg hinaus, in die Stör bis über Kellinghusen hinaus, in die Eider bis über Rendsburg hinaus, wo der mittlere Unterschied zwischen Flut und Ebbe noch 3 beträgt. zei* Imender vielleicht noch Lst die folgende Thatsache, die meines Wissens bisher ganz un- beachtet geblieben ist: Kaum 1 Meile von der Ostseekttste, auf der Kiel-Eckernförder Chaussee beweisen die sämtlichen Obstbäume mit ilirem gegen Westnordwest gekehrten liücken, wie fühlbar noch an der Sussonten Ostgrenze des Landes der furchtbare Gebieter der West- see ist, der Aber £e sttdschleswigsche Niederung dah«r fegt

4 b. Aus der nachgewiesenen Abdachung des Landes ergibt sich die Thatsache, dass die bei weitem länt:rsten und zahlreichsten Flttsae der Xordsee mittelbar oder unmittelbar /ui'allen mttssen.

Delvenau, Bille, Alster bezeichnen eine südliche, Pinnau und Krtlckau eine westliche Abdachung Lauenburgs und des südUchen Hol- steins. Weit ausgreifend dehnt sich das Nete der StörgewBsser bis in die Nähe von Leezen, Segeherg und BomhÖTed, von Bordesholm und Nortorf und daim bis an den oben erwähnten Höhenrücken von Heinkenborstel, Hohenwestcdt und Hademarschen aus. Die Eider, ziem- lich auf der Mitte der ijeraden Verbindungslinie zwischen NeumUnster und Tretz im Gute Luhmlorf entspringend, macht sozusagen drei ver- gebliche Versuche, dem nächsten Meere, der Ostsee, zuzustreben: der erste endet im Bothkamper See am Fusse der Schdnhorster Hfihen, der zweite im Schulensee am Fusse des Viehburger Riegels, der dritte im Flemhuder See , der Senkung vor dem Rücken des dänischen Wohld. Von da an ergibt sie sich in die Westrichtung. Die Unzahl ilirer grösseren und klemeren Biegungen zeugt von der Flachheit der oben geschilderten Tiefebene. Tributpflichiig ist ihr die ganze nördliche Ab- dachung des eigentiichen Holsteins und Dithmai^ens, welche Ton vielen Auen durchzogen von Nortorf über Hohenwestedt bis Heide in ziemlich gleichem Abstände den Hauptfluss begleitet. In Schleswig, wo sie den Abfluss des Wittensees, aus dem Bistensee die Sorge, aus dem Träsee die Treene mit Helligbek und Rheider Au links, dem Jerrisbek rechts aufnimmt, fallt die östliche Grenze ihres Gebiets mit der Wasserscheide zwischen Ost- und Nordsee zusammen, die westlkhe dagegra, etwa durch die Höhen bei Flensbui^ und den Uferrand bei Wanderup, Jörl und Ostenfei rl bezeichnet, begleitet die Treene bis r v h Schwabstadt in geringem Abstände. Die Eider ist gegenüber ihrer Länge von etwa 20 Meilen und im Vergleich mit andern berühintcrt ii Flüssen von mehr als dreifacher Länge, z. B. der Weser, dem tiuadal- quivir u. a., ein wasserreicher, breiter Fluss schon bei Friedridistadt, noch mehr bei Tönning Ton gewaltiger Fülle und StrOmung.

21]

Fdeogmpliie der cunbiiscben Halbiniel.

497

Unmittelbar westwärts des westlichen üfer^ der Treenc und des Jerrisbek entspringen die kleineren Bäche der Arl- und der Sohohnau. Dagegen dringt das Geäder der Widau, ausgebreitet zwischen den Laud- stnusBen Flensbuig-Leck eineneita und Apenrade-Lygumkloster mäeter- seits quer über das Land bis in die Halbinsel Sundewitli ein ; sUdwest- lidi Yon Tondem erst nachdem von allen Seiten die Quellbäche, deren grössere Zalil von den Apenrader und Sundewither flöhen in sfidwest- Hcher Richtung herabkommt, sich vereinigt haben, nimmt die Widuu aui' Hoyer zu einen uorduordwestlicheu Lauf. Beschränkter iat das Gebiet der Bredenu, deren bedeutendster QaeUbach in fferader süd- licher Richtung von HSirup, nidie der Cyelsau, bis nach Lygumkloster fliesst, wo die Wendung nach Wcvsten beginnt und allraäJilirh in die gerade nordwestliche übergeht. Dagegen breitet sich das Netz der Nipsau mit ihren Nebenbächen von dem Fusse des Steensbjerg, der oben erwähnten Höhen bei Haderslebeu und bei Christiansfeld in durchweg nordwestlicher lüchtuug wieder fast durch die ganze Halb- insel aus. Die vielgenannte Königsau ist bemerkenswert durch die kleine Zahl von NebenflOssen und die tiefe Einsenkung ihres Bettes, namentlich im Unterlaufe.

In Jütland liegen die Quellen der grösseren Auen der weltlichen Abdachung bis über die Höhe von Horseus hinaus wie in Schleswig dicht am \V' estfusse der Wasserscheide, d. b. unweit der Höhen an den Spitzen der Fdrden. Die sttdlichste der drei hier in Betracht konunendoi, die Yardeaa, gelangt in einem nach Südwesten gerichteten Bogen in die lange Bucht von Höi, die mittlere, Skjemaa, westwärts ge- richtet, in den grossen Küstensee des Kingkjöbingfjord, die dritte, Storeaa, nordwestlich gewendet, in den Nissumfjord, eine vierte, deren Quellen denen der vorhergehenden nahe liegen, die Skiveaa, läuft nörd- lich in den Skivef jord ; da nun auch kleinere Bäche in südlicher Rich- tung in die Königsau führen, so tritt für die westliche HSlfte des sttd- lidtön Jtttknd, von der Ostseite abgesehen, eine allseitige Abdachung hervor.

4c. Nach der Ostseite lassen sich längere Wasserläufe nur in der holsteinischen und der jütischen Verbreiterung der Halbinsel erwarten.

Die Gudeuaa, emige Meilen nördlich von Veile entspringend, fliesst in nördlicher Richtung dem Mossee zu, durchzieht die ganze Seenreihe am Fusse des Himmelbjergs und verlksst den Silkeborg Lang als ein für Böte und Prahme 11 Meilen lang schiffbarer Fluss. Den Ab- stand von der O.stkiiste festhaltend, wendet er sich einige Meilen süd- östlich von \'iborg nach Osten und Nordosten herum und mündet nach 19 Meilen Laufes in den Kandersfjord.

Die Schwentine, dem Südabbange des Bimgsberges entspringend, deutet in ihrem gerade sQdOichen o^srsten Lau» bis zum Stendorfer See durch eine Senkung zwischen den Schönwaldt i- und Bergfelder Höben auf den sehr raschen Abfall des höchsten Buckels der holsteini- schen Hügellandschaft nach Süden. Ans dem Stendorfer gelangt sie in den SibV)ersdorfer See, darauf, den Eutiner in seiner westlichen Ecke kaum berührend, durch den Keller- und Dieksee in das Hauptbecken, den grossen Flöner See; zwischen dem Uemen Plöner und dem Lanker

498

Jansen,

L22

See tritt sie, stellenweise seeartig yerbmtert, als Flusslauf nieder her- vor, verlässt den lefastereu bei Pretz, durchfliesst dann anfangs eine offene Wiesenniederuug, von Rasdorf an aber bahnt sie sieh «wischen hohen und

zum Teil waldbedeckten Ufern »'ino oft sehr enge und «^ebirgsartige Schlucht bis zum Kieler Busen. Durch di-n grossen Plöner Si e nimmt sie die gleicbfallä in tiefer und eingeengter Bodeuspalte durch bedeutende Hdhen nordwärts durchbrech^ide Tensfeldw An, durch den Postsee vom nördlichen Abhang der BomhOTed-Tarbeker Hdhe her die Depenau, durch denselben See die ihr parallel, aber in entgegengesetzter Ab- dacliung vom Fuss der Elmschenhagener Höhe aus dem Wellsee kom- mende W ellau auf.

Einen sehr eigeulüniiichen, für die Bodenverhältnisse aber bezeich- nenden Lauf hat die Trave. Sie entsteht eben westlich von dem scharf abfallenden Westufer der Schwartau, nördlich von Giesselrade, geht in sQdwestUcher Richtung in den Wardersee, von dem aus sie sich west- irörts wendet, bis sie auf dir obrn erwähnten Bodenerhebungen unweit Segeberg stösst. Von hier ))is Oldesloe geht sie südlich, meist in einer tiefen, oft auch engen Bodensjtalte, die sie von Oldesloe in ostnordöst- licher Richtung bis nahe vor LUbek leitet, danu aber sich erweitert und verflacht. Auf einem Laufe von nur 14 Meilen zi^ht dieser von Oldesloe an bereits fahrbare, von LUbek an schiffbare tiefe und wasser- reiche Fluss eine grössere Anzahl von Bächen und Seeabflüssen an sich: von links die zahlreichen Auen, die in der langen Spalte des Wardor- sees stagnieren, die Heilsau (Cuscriu) hei Keinfeld, die westlich von Eutin entsprmgende, durchweg in tiefem Wiesenthule iiiessende Schwartau (Zwartowe) bei den Kesten von Alt-Lübek; von rechts die Brandsau oberhalb Segeberg, den Abfluss des Leesener und Mözener Sees, die Beste von der östlichen Abdachung des Kisdorfer Wohlds her, welche ihrerseits von Süden unweit der Billequellen die Barnitz (Bemeze, Bor- neze, Sülze) aufnimmt, dann die Steknitz, den Abfluss des Möllner Sees, verstärkt durch die Steinau, deren Quellen sich mit denen der Barnitz berühren, endlich den breiten Abtluss des Razeburger Sees, die Wakenits (Wocnice, Wockence, Wokeniz).

4d. Zahlreich sind, obwohl eine bedeutende Anzahl zu Wiesen und Mooren aufgewachsen, andere im Aufwachsen sind, noch immer auf der Halbinsel und l)esonders wiederum auf ihren grössten Breiten, der hol- steinischen und jütischen, die Seen und zwar sowohl die Küsten- oder Binuenseen, wie die eigentlichen Landseen. Wie in Jütlaud die längste und bedeutendste Seenreihe den Fuss der höchsten Erhebung des Landes begleitet, so haben auch in Holstein die beiden wichtigsten SeenzOge die unverkennbarste Beziehung zu dem oben vom Bungsberg aus nach Westen verfolgten HUgelzug. Die Seen von Stendorf, Sibbersdorf, Eutin und der KeUersee erscheinen wie ein Saum um den Fuss des Bungs- bergs und seiner nächsten südwestlichen Nachbarberge; auch am Diek-, Behler-, Schuh- und kleinen Plöner See, am Lanker-, Post- und Both- kamper See Überhöht das nördliche üfer das sfidliche. Der grosse Plöner stellt auf der Halbinsel Godau im Süden den nördlidien eben- bürtige Höhen entgegen, auch der Schmalen- und Stolper See ruhen in d^ nördlichen Abdachung der entsprechenden Höhe. Wenn so der

23]

Poleographie der ciiubriflcbeu llulbinsel.

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höchste Racken des holateimscheii Landes südwärts mit einem Kranze stehender Gewfisser eingefasst ttt, 80 fehlt es selbst, um die Analogie

mit den Alpenseen vollständig zu machen, anch am Nordfusse an einem solchen nicht. Der Seelenter schiebt sich dicht an den Fuss des Liltken- burger Berglandes heran, ist mithin im Osten und Süden von be- deutenden Höhen Uberragt, im Norden von einer wellenförmigen Ebene begleitet. Genau so hegt der DobevstorfiNr und seine Fortsetzung, der Passader See Ebenso verzweigt sich der kreuzförmige, Tielannige Westensee mit dem Flemhuder an dem nördli( lien Abhang der kleinen Alpeniandschnft, die er als der Yierwaidstädter See Holsteins belebt und verschönt.

Dieselbe Bodeuform wiederholt sich auch in Schleswig : in ausge- prägterer Gestalt durch den Witten- und Bisteusee am Fusse der Httttener Berge und ihrer südlichen Fortsetzung den Buvenstedter Hflgeln an der Basis der Schwansener Halbinsel, im Lürschauer, Gammelunder und

Sankelmarkrr Sop am Fusse des Anuflcr IMatcaus, im Seegardener und Hostruper iScc am Fusse des Suntlewith und des westlicli altscli liessenden Höhenzuges. Der Botischlotter und Aventofter Binnensee sind Reste einstiger Meeresarme, was der erste nach Dankwerth noch im 17. Jahr- hundert gewesen sein muss.

5. Diese verschiedenen Gewässer, Meerbusen und EUstenseen, Flüsse und Landseen, Moore und Niederungen verursachen in ilirem Zusammenwirken eine Zersclmittenheit des Bodens der Halb- insel, welche vielfach in der Geschichte des Landes wirksam ge- worden ist.

Alle vier Herzogtümer, aus denen das Land besteht, sind in der Hauptsache durch Flussthäler geschieden und begrenzt.

5a. In Holstein trefPen die alten Gaue der Tetraarsgoi, Holcetae und Sturmarii mit den oben nachgewiesenen natiirlirlifn Hodengebieten Ditlimarschen, Holsten, l^tonnarn zusammen; Wjigrini und Lauenburg beruhen zugleich auf laudschattlicher Souderung. Durch die niedrige und öde Mitte geschieden treten in der sfldlidien Hälfte Schleswigs der anglische Osten, der friesische Westen scharf auseinander. Unter» «chieddoser in Bildung wie Bevölkerung ist die nördliche Hälfte. Jüt- land zeigt trotz grosser Zerschnittenheit die rlem südlichen Teile der Halbinsel eigentümliche Besonderung und Maimigf'altigkeit nicht.

Aber auch innerhalb der genannten Teile gibt es kürzere Bodenabschnitte beachtenswerter Art.

Eine völlige Lisel, wenngleich jetzt nur noch durch ein seichteres und schmäleres Gewässer getrennt, als das flache, an drei Seiten von Köstenseen zemssene, wahrscheiiüich einst landfeste Fehmarn, ist das „Land Oldenburg*, durcli dessen oben erwähnte Niederung 1872 der Nordüststurm in rasender Eile eine gewaltige, wallartig abfallende Flutwelle vom Gruber bis zum Wesseeker See hiuUberjagte. Ein zweiter

') Diese Bodcnveiliältnisae kommen in dem bezüglichen Teil des Strassen- Uetzes zum klaren Auadruck: die Landstrassen Kiel - LUtkenburg - OldenbuiK und Kiel -Pretz-Pldn-£atm- Oldenburg Bcblieflsen genau den bOohston Teil des HUgel- laadee ein.

500

Janien«

[24

Abschnitt von der Kieler Förde durch die Schwentine und die Seen- reihe bis Eutin fortgesetzt, au mehreren "widitigen Uebergängeii gangbar, wird zwischen dem Südostende des Steudorier Sees und dem Neustädter Binnengewässer mit seineu Zuflüssen durch einen schmalen Istliinus unterbrochen, eine Enge, die eben sfldlieh von Kasseedorf, rich- tiger Kassiersdorf, überdiea durch den Quellteich der Sierha^rener An auf eine Viertelstunde zusammengedrängt und durch die Waldung^ Ochsenhals gesperrt ist. Ein sehr schmaler Fuss nur liegt zwischen dem Schluen- und Traniniersee und dem tief eingesenkten Wiesen- thal der am 1 uö»e der Lütkeuburger Höhen vorbei in den Binnensee Ton Nendorf und Watemerendorf mUndenden Eossau; ein AbBcfanitfct der in südlicher Richtung von dem kleinen und grossen Plfiner See, der Tensf eider Au, ihrem grossen Quellmoor, das sich in ungangbarer Niederung nach Süden bis Brandsniühle fortsetzt, einst ein See von dem Umfang des Plöner der Brandsau, der Trave, der Barnitz bis in die Nähe der Quellen von Bille wie Steinau fortgeführt wird. Eine Stunde wesUich von dem Uebergangspunkte über die Niederui^ der Tensfelder Au, getrennt durch den oben erwShnten Taibeker KegcJ, beginnt mit dem kurzen aber wasserreichen Bornbek und dem Belauer und Stolper See der Abschnitt der Depenau, die durch den Postsee in die Schwenthie fliesst. Parallel, aber weiter nördlich fortgesetzt, zieht das tiefe Wiesenthal der obem Eider von Brügge bis zum Schul« iisee mit den Brückenpässen Vorde und Hammer; auch der rechte Winkel, den dasselbe Thal von hier nach dem Wwtensee und von dort nach dem Flemhuder See und dem Eiderkanal mit sich selber macht, mit dem Brückenpaos Achterwehr, stellt ein für die Halbinsel Dänischwohld bedeutsame Zerschneidung des Bodens dar.

Im Westen /cip^t das selbst inselartig abgesonderte Dithmarschen innerhalb seiner Grenzen weitere nicht bedeutungslose Unterbrechungen des yerkehrsföhigen Bodens durch ungangbare Niederungen Unter den grosseren derselben ist die sttdlichiBte die des Windberger Sees mit der denselben diirchfliessenden Süderau, die zweite die des Fiehler Sees mit der Miele, deren südlicher ZuHusa zusammen mit der Süderau den Meldorf-Bargenstedter Höhenzug zu einer vollständigen Insel, den Rücken von Heide zu einer „Fastinsel " macht, die von Nord nach Süd gerichtet sowohl in der Höhe von Hemmingstedt, als in der Düne von Stelle und Lunden eine Fortsetzung findet Die dritte Niederung ist die der Broklands- und Tielenau, welche mit der Eider zusammen das nördliche Viertel des Landes zu einer Insel gestalten. So konnte ein von Osten auf dem Landwege eindringender Feind die alte Hauptstadt des Landes, Meldorf, entweder wie 15i)U nur auf eineni lani^en Umwege über Frestedt und Windbergen oder durch den getährlichen Pass der DellbrOcke erreichen, Heide, die spätere Bauptsta&, entweder nur auf der schmalen Enge der Sflderhamme, durch die «Schanze* ZAvisihen der zweiten und dritten Niederung oder wie 1559 durch den gleichÜEdls bedenkhchen Engpaas der jäelenbrücke.

Vgl. die lehrreiche AlibniidUing : KoUter. Burgen und Döfte des allen Dithmarscheus. Meidorier i'rogramui I8ö2 und 185U.

•25]

Foleographie der oimbrächen HalbiiueL

501

5 b. In SchK'swi«^ tritt aus vor allem ein Absrlmitt von über- ragender geseliichtlicber Bedeutung hervor; gemacht durch die tiefe und leissende unterste Eider, durch die untere IV^ene, die mit Leichtigkeit bis HoUingstedt aufwfirts zu einem grossen See erweitert werden kaiui, 1850 erweitert war durch die Niederung der Bheider Au, an welche sich, um die schmale gangbare Enge zu sperren, das Danewerk anschliesst, dann durch die oberste Schlei, die grosse Schicibreite, den sich in sie ergiesseudeu Osterbek, dessen oberster Lauf und Wiesen- niederung von dem Windebyer Noor, d. h. vom Eckerförder Meer- busen nur durch einen sehmalen ROcken bei Kochendorf getrennt wird: eine Stellung, wenn ausreichend besetzt, von um so grösserer Starke, als sie nach beiden Seiten eine wirksame Flankendeckung zur See und auf der freien vorliegenden Ebene oÖ'encn Einblick in die Bewegungen des Feindes frcstattet; eine Stellung von .soU her Bedeutung, dass sie die Stadt öthk'swig und das Territorium Sdileswig geschuÜen hat. Ein zweiter nicht unwichtiger Abschnitt, wie der TorerwShnte gegen SUden, so gegen Norden gerichtet, ist die eben östli(-h vom Lufschauer See beginnende S[)alte des Langsees mit seiner kleineren westliehen und ^seiner bedeutenderen und wirksameren östlichen Verlängerung durch den Wedel- oder Wellbek, dessen Niederung bis an den Fuss der Withkieler Höhe reicht; eine Stellung, 1850 von Willisen gut gewählt, TOn HtHRst i^inzend verwertet, von Willisen schmählich verlaufen. Noch emmal wird durch die Bondenan, den TrSsee, die Treene und den Sankelmarker See die SOdnordstrasse quer durclischnitten. An Wichtigkeit dem Schlei-Treeneabschnitt nahe kommt der Alsener Sund mit seiner Verbreiterung der Alsener Förde. Das tief und breit eingesenkte Bette der Künigsau deutet auf einen einstmaligen Meer- busen, der selbst bis etwa Kjöbeuhoved d. h. bis in die Mitte des Landes von Westen her eiMreifend, durch einen noch nachweisbaren See bei Iljarup und den Koldinger Fjord aufgenommen und durch die Breite der Halbinsel fortgesetzt die wichtige Scheidung mit bewirkt, welche staatlich und sittlich die hier aneinander stossenden Bevölke- rungen trennt'). In Jütland haben die vorhandenen, zum Teil viel stärkeren Durchschneidungen des Bodens bedeutsamere poUtische Ein- wirkung nicht gezeigt.

Als Ganzes encheint die cimbrische Halbinsel kaum aus dem Meere emporgetaucht, im einzelnen auf Schritt und Tritt durch Wasser oder die verschiedenen Zwischenformen zwischen festem und Flüssigem zer^ schnitten.

(3. Auf der so dargelegten Gestaltung und Lage der cimbrischen Halbinsel beruht ihr Wegenetz.

An sie heran fthren und zwar zunächst an ihren südlichen Fuss drei Hanptstras.sen , von denen je zwei Doppelstras m h sind: eine Doppelstrasse zur See und zu Lande, selbst wieder aus vielen Strängen zusammengesetzt, von Westen und Südw^st^^n . di(» Elbe und die hol- ländisch-niederdeutsche Küstenstrasse; eine Doppelstra£>se zur See und zu

') S. Geerz, Geiichichte der geographischen Vermesfiaugen Nortiaibmgieua. Berlin 1859.

502

Janieii,

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Lande, gleichfalls aus vielen zusammengedrängt . von Osten und Nord- osten, die Lübeker Bucht und die pommern - meklenburgische Küstea- starasse; endlich dne Landstrasse von Süden, aus einer Unzahl strahlen- förmig von beiden Seiten zusammenfliessender Nebenwege Terdichtei, und eine Flussstrasse von Südosten , das weit Terzweigte ElbenetE.

An die Westküste führt, abgesehen von den einst gesuchten Kinfnhrten in die Knudctiefe nacli Hipen, in die Lister Tiefe nach lioyer und Tondt-rn. sowie von dem Heverstrom und dvm künstlich gehaltenen jütischen liaitn Esbjerg, nur noch die Eidermünduug ; an die OstkOste aus allen Richtungen der halben Windrose so vi^, als Häfen offenstehen sie au£sunehmen.

Von Norden, d. h. von Skandinavien her, £uid der gerade süd- wärts gerichtete iVnkomniling auf dem lidcn. schwer umbrandeten Saud- rücken von Skagen keine wirtliche Stiitte; der skandinavische Verkehr musste sich, sei es zur See, sei es zu Laude, in die Oststrassen drängen, in dem südlichen Schweden an Terschiedenen, durch verschiedene Ziel- punkte bestimmten Pl&tzen sich sammeln, um von da an die Halbinsel zu gelangen. Den dichtesten und ununterbrochensten Strom des kehrs musste der durch Sund und Belte nur im Winter öfter ge- hemmte Landweg über Seeland und Fühnen an sirli /iehon.

Durch das Land selbst erzeugen sieli mit Nutwemlli^keit zwei Strassen, die an Wichtigkeit und Bedeutung allein und in erster Linie stehen: eine Querstrasse und eine Längenstrasse. Die Querstrasse (I) muss das Bestreben haben, der Basis der Halbinsel 80 nahe wie möglich zu kommen; denn die, in jedem langgestreckten Binnenmeer gegebene, Achsenströmung vo!n Uussersten Nordosten, Riga, Nowgorod oder Petersburg, bis zum äussersten Südwesten. Amsterdam, Antwerpen, London, hat notwendig das dringhchste Interesse, eimnal durch den Riegel der cimbrischen Halbinsel statt um ihn herum zu gehen und sodann auch, so wenig wie möglich von ihrer Richtung ab- gelenkt zu werden, d. h. nach möglichst ausgedehnter Benutzimg des W^assers der Lübeker Bucht und der Trave auf kürzester Linie den geeigneten Punkt im l^'ahrwasser der Elbe und der Nordsee zu er- reichen

Dieses Bestreben zeigt seine Stärke in dem vergleichsweise ausser- ordentlich frühen Versuch Lttbeks, im Einverständnis mit Hambmng, eine künstliche und zwar eine Wasserstrass. Ii erzustellen, die 1391 1398 zwischen Steknitz und Delvenau, d. h. Trave und Elbe in einer Länge von 80 Meilen bei einem geraden Abstand von 9^» Meilen ge-

*) Begreiflicherweise nicht um etwii noch eine Kinwirkung auf das jetat zur AusführunR' pflanir''iK]e Nordo8tscekan;il Pn j. kf y-i üben, sondern nur um aus den gefundenen Verkehrübedinguugeu unserer iieuiiat die sich aufdrängende Folge- mng vn ziehen, bemerke ich, dam vom theoretiachen Gesichtspniikte ans ftr jenen Wasscrquerweg gar keine andere Linie in Betracht kommen könnte ah die von Travemünde nach Hamburg oder auch die von Neustadt durch daA Trave- und StOrthal nach 8t. Margareten. Der TravonAnder Hafen mag seicht Min, der Kieler vortrefflich und schon soweit iiu iri l ant . iiu.sserdeni auf ineussischem Gebiete ge- legen sein : ang^chts der äuuuuen von Zeitgewinn iiir die folg^den Jahrtausende worden Römer den geraden Weg fObr den besten gehalten haben.

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Poleographk der cimbriscbeii Halbinsel.

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graben oder vertieft wurde und im Jalire 1853 noch immer von rund ()0() Falir/cujfen im Jalire durchmessen zu werden pfie<rft'. Eine zweite Uuterueiimung , deuiaielben Triebe entsprungen, führte Hamburg 1525 nach langen Anrufen aus, nämlich den sogen. Alstorkanal, eine Yer- bindung der Trave und Alstor Tennittelst der Beste, aber in so mangel- hafter Weise, dass die Benutzung desselben bereits nach 25 Jahren "wieder aufhörte.

Die Längenstrasse (l), bei Koldiiif? oder auch Hudersieben aus der cirabri*:chen Nordsüd- und der skandinavischen Nordost- und Ort-Weststrasse vereinigt, muss in möglichst gerader Richtung das Süd** liehe Thor der Halbinsel zu gewinnen suchen, umgekehrt der durch dasselbe Thor von Süden einströmende Verkehr, teils gerade nordwärts sich auf Aalborg und Skageu, teils von Hadersleben oder Kolding ab- biegend auf Kopeidiagen und Malmö richten. So folgt sie im grossen und ganzen dem westlichen Kande des Geschiebethons, streift ent- weder die Spitzen der Förden oder überschreitet sie unter geeigneten Bedingungen nahe ihrem obem Ende. Von Schleswig an hört der Parallelismus mit der EUste auf, die von Eckemförde an die Ostrichtung einschlägt. Die von Norden kommende Verkehrsströmung musste in ihrer südlich gerichteten Tendenz den geeignetsten und zugleich ge- legensten Uebergangspmikt über die Eider suchen. Hier kam ihr gewiss schon in urältester, naeiiwcisbar in der Frankenzeit der Süduordverkehr von der Elbe her entgegen. Für diesen aber konnte es gegen die dänische Südgrenze keinen selbstverständlicheren Weg geben, als Am auf dem Fluss- oder Meeresufer, dem Don oder Kleve, über Wedel, Uetersen, Elmshorn zunächst? bis Steinburg. Hier hatte man die Wahl, einen sehr bedeutendin und unsicliern Umweg ins Innere hinein ein- zuschlügen oder die aus dem kurzen Abstände von etwa 2 Kilometern einladende Höhe von Nordoe und den waldigen Uferrand von Itzehoe zu erreichen, d. h. also wie so oft den Uebergang vermittelst eines natürlichen Schrittsteines in der Niederung zu versuchen. So hatte man Schleswig gerade nördlich vor sidi, an den Inseln der Eider einen bequemen Uebergangspunkt und Über Hohenaspe und Hohen westt rlt. über die Jevenau bei .Tevenstedt l)is dicht vor Kendsburg festen Boden unter den Füssen von Koss und JNIann.

Als eine durch die Verbreiterung der Halbinsel in Holstein be- dingte Gabelung der herrschenden Längenstrasse muss schon die von Flensburg über Missunde nach Eckernförde gerichtete angesehen werden, entschiedener ist es die von Schleswig an die Eckernförder und Kieler Bucht, von da ursprünglich wohl Über Bornhöved, Tensfelder Au, Schlamersdorf, Gnissau, später über l'retz, Plön, Ahrensbök nach Lübek fülirende Strasse anzusehen (la), die von dort aus teils über Raze- burg und Mölln nach Lauenburg weiterfährt, teils der meklenburgi- achen Gestadestrasse entgegen kommt. Demselben Zwecke dient die aüdüchere Gabelung von IB^dabuig aus ttber Neumttnster und Sege-

Der Kürze wegen sind die natürlich ge^^ebenen Ansiedlungspankte nicht, wie sie Streag genommen sein sollten, nach ihrer geographischen Belegenheit anf emeni unangesiedelt gedachten Bodm, sondern nach den T<m ihnen bedingten Ortschaften aufgeführt.

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Jansen,

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berg (Ib), von da einmal nach Oldesloe. Trittau, Lauenburg und dann auch über Zarpeu uder lieiuield iiuch Lübek.

Als zweite L&ngenstrasse (2) tesst sich der nord-sQdliGli die Osikllste begleitende Seeweg ansehen, der mit geringer westlicher Ab- lenkung durch den kleineu oder mit geringer östlicher Ablenkung durch den grossen Belt in der bequemen Einfahrt und Tiefe der Kieler Förde sein Ziel findet , sofort aber auf dem Lande seine Verlängerung sucht. Dieser Verkelir erzeugt die Nordsüdstrasse über Neumün;jter nach Hamburg, welche früher die Boostedter Höhen östUch umgehend auf Schma]&ld, seit 1882 mit westlicher Umgehung auf Bramstedt führt

An dritter Stelle erst, der geringeren Verkehrsiähigkeit des Westens zu Land und Wasser entsprccLeud, steht die westliche Ge- stadestrasse (3) , welche von Aalborg an , den Liimfjord westlich und östlich umgehend, einerseits über Thisted und den Oddesund. anderer- seits über Viborg nach Holstebro, weiter über Kiugkjöbing und Varde auf den bequemen Uebergang bei Bipen und von hier dem Bon folgend über Tündern und Bredstedt nach Husum führt, wo sie in ältester Zeit durch den Eider-Meerbusen eine Unterbrechung erfuhr und zu einer Gabelung auf Rendsburg genötigt ward. Allmählich bei zunehmender Sicherung des Verkehrs durch jene Niederung musste die Strasse sich über die Eider auf Lunden, Heide, Meldorf fortzusetzen suchen. Hier war eine zweite Ablenkung von der Sfldriehtung nicht sowohl durch die Bodenbeschaffenheit, als durch die Richtung des untersten Elbetroms bedingt und zwar auf Itzehoe wo die westliche Gestadestrasse aub neue mit der östlichen zusammenläuft.

Nächst der herrschenden Querstrasse zwischen Trave und Elbe ist der in Lübek sich häufende Verkehr auch auf anderen, nanientiich nach dem durch mancherlei Beziehungen mit ihm verbuudeueu Dith- marschen wieder ausgeströmt. So entstand die Strasse Lttbek-Meldorf (II), und zwar in zwei Linien, einmal über Segebei^, Bramstedt, Steinburg, Itzehoe, sodann Uber Segeberg, Neumfinster, Hohenwestedt, Hade- marschen, die sogen, liibsche Trade, welche von Nenniünster an zu- gleich den ganzen Verkehr aus der \va<?rischen Nordostecke von Lütken- burg, Oldenburg, Neustadt über l'löu uud Boruhüved an sich zog und weiterführte. An beide Linien schlössen sich Verästelungen, von Itee- hoe nach Wilster, Krempe, Glttckstadt, von Meldorf nach Heide und Tönningen an. Quer durch die ganze Breite der Halbinsel wirkte die Anziehungskraft Hamburgs auf den Verkehr des ufan/en ristHchen Wagrien, der von Heiligenhafen über Oldenburg und Kutin oder Oldenburg und Neustadt in paralleler Kichtung mit beiden Küsten, den Neustädter Binnensee nördlich und südlich umgehend, sich bewegte, in Segeberg wieder zusammenfloss, um yon hier entweder in Oldeäoe Sudl an die Lül)ek-Hamburger Hauptstrasse anzuschliessen (»der gerade- aus das rechte Ufer der AJisier und so Hamburg zu ezreichen (UL).

Dieselbe hat jahrhundertelang den Umweg Über Hadeiuarschcn und Haaenui, den einzigen schmalen letbmuH in Dithmanchen hinein passieren mOssen. Erff um Ende di-s sechzehnten Jiihrhunderts i nfschlosa sich Dithmarschon, den Dumm durch die Miederung der Holstenuu über Hohenhörn zu schlagen. Die noch nfthere Chaunee Aber Hoondon iit eist 1857 gebaut.

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Poleognphie der dmliriaohen HalbinseL

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Eine vierte Querstrasse von Bedeutung ist die von Kiel nach dem Ülh'steu Schitibarkeitsanfang der Eider, Flemhude oder späteren Rends- burg (IV) , die seit der Erbauung des schleswig-holsteinschen Kanals (1777 84) zugleidi eine Wasserstowse wurde, noch immer von emiji^ Taiuendeii toh Schiffsn benutzt, und in nunmehr absehbarer Zukunft einer flberaus bedeutsamen Steigerung ihrer Verkehrsfähigkeit en^^en geht. Die kürzeste aller das Land durchschneidenden Querstrassen ist die von Schleswig-Husum (V"), deren bequemt' Kürze aber in ihrer erwartungs- mässigen Wirkung durch die zu nördliche Lage und durch die un- tiefen Fahrwasser der Schlei und des Ueverstroms schon früh beein- trächtigt worden ist Aehnlich haben die Querwege von Flensburgs Tondem und Apenrade-Tondem, deren Lauf den betreffenden Quellflüssen der Widau parallel sein muss und bei Buhrkall zur Vereinigung führt, in gleicher Weise auch die Wege Hadersleben-Ripen und Kolding-Ripen unter der früh beginnenden Versandunir oder Verschlämmung der Häieu geütten und mehr als örtliche WiciiLigkeit nicht gewonnen; viel- mehr hat von Flensburg aus der Transitverkehr eine diagonale Richtung nach Husum und nach der EidermOndung einschlagen müssen. Yon vorwiegend örtlicher Bedeutung sind die Verkehrslinien der grössereii Halbinseln, die bei den ^rr>sseren, Wagrien, Angeln, Sundewith, zwei den KUstenHnien entspnH hcnde Schenkel bilden müssen. Als solche Winkel, mit der bezüglichen Grundlinie Dreiecke bildend, kommen zunächst die Strasse Oldenburg-Neustadt-Lübek und Oldenburg-LUtken« burg-Kiel in Betracht, welche hier durch die Kiel-Rendsburger Quer- strasse fortgesetzt wird , dann die Chaussee Kappeln-Flensburg imd Kappeln -Schleswig, endlich der Winkel Sonderburg -Apenrade und Sonderburg-Flensburg.

In Jütland musste die Hauptverbreiterung der llalltinsel in einer

Sösseren Querstrasse Lemvig-Viborg-Randers-Grenaae und diese letztere ilbmsel selbst wiederum in einem Winkel Randers-Gxenaae und Aarhus- Grenaae wirksam werden. Weitere Querstrassen von Aaihus flberSkander- borg an der Seenreihe entlang auf Ringlgöbing zu und von Horsens oder Veile ins Innere ersterben gewissermassen im Sande der Heiden; nur Friedericia und Kolding verbindet schon die Eisenbahn mit dem neu erbauten Hafen Esbjerg.

n. Bevölkerung, Städte und Staaten der oimbnschen

HalbinseL

1. Von der Bevölkenmg der cimbrischen Halbinsel geben die stummen Gräber und Geräte aus unbestimmbarer Vorzeit die erste ebenso sichere wie dunkle und unbestimmte Kunde.

Die Fundorte der Steingräber und der Biesenbetten, in giOsserer

506

Jaiuen,

[80

Ausdebming um Apenrade, auf der Halbinsel Broaker und auf Alsen, im ganzen mittleren Angeln tmd Ober die Schlei sowohl östlich Tom Osterbek als abwärts im nördlichen Schwansen, dann zu beiden Seiten

des Kieler Meerbusens, sildlicli vom Westensee, ettdlich und westlich von den Sclnvontinoseen bis südlicli von Segeberg, um Lütkenburg zwi- schen Neustadt nnd Lüb(d< , südli( Ii und n()rdlich von der Brökau. an der Süd- und Ostküste Fehmarns, ausserdem auf Silt, zwischen Rredstedt und Ilusum, auf dem HaupthöhenrUcken Dithmarschens, iu dem Kerne des eigentlichen Holsten, in Stormam und Lauenburg verstreut gelegen« weisen mit grosser Klarheit auf die Bevorzugung des Ostens gegenflber der gesamten niedrigen Mittelzone und den westlichen Niederungen.

Dasselbe Ergebnis befem und zwar in noch genauerer Ausfilhrun«^ die (Trabhügel, die ziiinlieh gb-ichmässig den ganzen Osten einnehmen, in Schleswig im Norden, der iütte, dem Süden einen Ausläufer in das Innere nach dem Westen Torstrecken, auf dem Jerpstedter Rflcken, auf Süt, Führ, Amrum sporadisch erscheinen, ausserdem aber wieder Ober den Höhenzug Dithmarschens, über die Holstenplatte und jenseits der oben nachgewiesenen Uel)ergangsstelle (S. 489) auf Bramstedt zu sich durch Storinarn l)is an die Grenze des Don verbreiten.

Umengräberft ldcr, aus einer Zeit also, welche von der Beerdigung zur Verbrennung überging oder von einem Volke, dem dieser Brauch eigentümlich war? finden sich wiederum vorwiegend, obwohl bisher nur zerstreut, im ganzen Osttn. namentlich in Angeln um den Trasee und längs der untern Schlei, rund um das ganze obere Viertel der Schlei bis an den Osterbek, nördlich Rendsburg. Eider aufwürt.s bis an d«'n \Vitt» nsee, um die obere Kieler Fönb', <be Seiiwentine hinauf bis an den kk inen Plöner See, in östlicher Richtung von Kiel aus an den Doberstorfer und nördlich längs des Seelenter Sees, die ganse Lüticen* buzger Gebirgsgruppe bis an die Kossau mit umfassend, im Land Oldenburg vom ^V inbarg und Putlos an bis nach Gro.ssen-Brode hin, dann von Bordesholm bis südlich und westlich über Neumünster liinaus. westlich vom grossen Plöner See, zwischen Eutin und Neustadt, um Segeberg und am rechten Ufer der untersten Trave, endlich wieder von Elmshorn an nach Osten hin zerstreut durch Stormam und Laueuburg. Im Westen ziehen sie sich in einem gewundenen schmalen Streifen von dem Ringwalle bei Weddingstedt südlich bis an ilen mehrerwähnten Don, dann zurückweichend über die Niederung der Holstenau im Bogen nach dem hoben Störuferrande bei Itzehoe. Im schleswigschen Westen sind sie und zwar wieder liauptsäcbHch auf den durch Steingräber und Grabhügel bezeichneten Punkten bisher nur sehr vereinzelt gefunden, namen^ch in dem eigentlichen Kerne der Insel Silt, auf ganz Amrum, auf Föhr und beacntenswerterweifle auf der Düne Ta&g> Garding, auch nördlich davon bis ans Meer.

Wesentlich die nämlichen Gegenden unseres Landes enthalton nwh die Fundstätten unserer Altertümer. Die ganze «"»stlirbe Zone des Geschiebethons samt Alsen und dem Südosten Fehmarns ist ein wenig unterbrochenes Fundfeld der Üteren und jüngeren Steiusachen, der Bronze- und üisenfferSte; durch die ganze medere Mitte und den mehrem^nten Halbkreis der Treene-, Eider- und StömiedemDgen

31]

Poleographie der eimbrischen HalbinseL

607

sind ähnliche Sachen nur .selten gt tunden: eben.so nur vt'reinzelt im schleswighchen \V e.sten, auf mehreren Get'striu ken, aut den drei Inseln Silt, Amrum, Führ und auf den Marsehiuseln von Garding, Tating, St. Peter. GehSnft erscheiaen die Fundst&fcten wiedemm 9x3 der Hol- sten Platte, auf dem ganzen nordsfldlich gestreckten Hanpthöhenznge Dithmarschens und in der ganzen Umgebung Hamburgs. Hinausgegangen Ober die son^f von diesen Zeugen der Vorzeit eingehaltenen Grenzen ist die Revülkerunn-. von dem ii iHc Funde melden, an zwei Btj'Uen: einmal in südöstlicher Richtung von Burg aus in die Niederung der Wilsterau bis gegen Wikter hin nnd dann in der Marsch seibat Östiich von Marne.

Feuersteinwerkstätten, zwei auf dem Dithmarscher Höhenzug, und zirar ziemlich am östlichen Kando des stldlichen Drittels nachgewiesen, eine am nördliclien Ufer dt s ()ld('ii1)urjürer Grabens, eine im Winkel z\vi- schen der Kieler Fiirdf und Si hw » utine-Mündung, eine (istlich von Husum und eine .auf Amrum, Küchenal>t;ille, bisher nur am VVindebyer Noor, an der mittleren Ostidlste von Silt und nordwärts der Gjenner Bucht aufgefunden, Hufeisensteine, namentlich am limes Saxonicus, Ton der ol)eren Bille bis nach der Kieler l-Virde zerstreut, Schah nsteine zerstreut durch Sundewith und Angeln, südlich der oberen Schlei und in Schwansen vorkommend: endlich die Runensteine nördlich von Flensburg, in Angeln und drei nalif zusammen südlich der obeirii Sehlei entdeckt, geben von dem Dasein und dem Leben der Urbevölkerung weitere, dimkle aber sicherlich historische Kunde

2. Erzählt von dem nordischen Lande, an dessen Ufern der Bern- stein gefunden wurde, von den Völkern der ^Scythen", die sich nördlich an die Kelten schliessen. hat zuerst der civilisierten Welt von damals ein Mann lie]lenis( hen Blutes, Pytheas aus Massilia, der zur Zeit etwa, wo Alexander an das Ostende der Welt gelangte, die wunderbaren Aleere und Inseln des Nordens erforschte. Aber nur Bruchstücke seiner Er- zählung sind auf uns gekommen. Dann wird uns zuerst wieder, sagen- haft immerhin aber durchaus wahrscheinlich'), von einer Massenaus- wanderung berichtet, zu der sich infolge einer grossen Ueberschwemmung die Cimbern penötij^^t gesehen haben, wt-lche 11:^ v. (Mir. an den nord- östlichen (irt-nzen des rr»raischen Maclit^^eltiet-s t r>< heinen. Darf man im Anschluss an ihr ruheloses Wandern nach llo amielmieu, was er- laubt scheint, dass sie auch vor 113 nirgends nach ihrem Auszug länger gesessen und nur an dem Widerstand der Bojer eine zeitweilige Hem- mung gefunden haben, so wflrde dieser etwa um 140 130 anzusetzen

Duf; rrangbar g< ■'■vnrrlcno. lialb aus Barbarotilatoin, linlb dorn Griechiscli''n rw- sauiiueugesetzte Fremdwort prähistorisch and das gleichwertige deutsche vorgeschicht- Ueh «nth&lt eine Art contradiotio in adjeoto; denn alle Zurtftnde oder Thatsachen, von denen wir. \vf'iinfrl''ich duroli stvimino Zeugen, sirlicre Kunde haben, gehören der tieschichtc an ; was ausserhalb oder vor diesen geschichtlich erkennbaren That- flachen Hegt, ist ffkr uns Qberhatipt nicht vorhanden. Was gescfaichtlioh irt, ist nicht vor der Gencin ]it> : was vor der Oeflchidite ist, ist nicht geachiditliclL, Ur> geschichtlidi sollte uiuu »agen.

*) Strabo (VII , 293) weiss -?on dem Untergang ganzer KlUtenitreeken. Je weniger geläufig oder denkbar ein solcher Vorgang dem Bf-wolmer von felsenfesten KQ«tenrändem war, desto sicherer dürfen wir schliessen, dass er nicht auf gVer- nntong", sondern aof üeberlieferung bemhe.

508

Janaen,

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sein. Wir schliesM^ ii alu r aiis rl er Thatsarhe jener Massenauswanderuiicr infolge einer grossen und verheerenden Flut auf eine nicht inAir aiku apftrliche, dnrdigeheiide Bevölkerung aller, auch der niedrigeren Teile des Landes. Denn eine Höhe der Flut anzunehmen, dass die Bewohner der höheren Gegenden betroffen und vertrieben wären, ist nicht gestattet; die Cimberii müsson also weni«;stpns zum Teil in den westlichen Moor- oder Marsclniiederungen gesesst n haben.

Eine mittelbare Bestätig\ing dieser Thateache, dass mindestens im zweiten und ersten Jahrhundert v. Chr. seit wie langer Zeit, vermag niemand abzuschätzen auch der europiische Norden schon eine ausreichrade Bevölkerung getragen habe, l'asst sich aus den Be- richten Casars ttber die Stämme und Heere der Gallier und die Zu- stände der benachbarten Germanen entnehmen. Die ersto Sei schlarht auf dem Atlantischen Ocean. von der wir hören, muss aut tine uralte Uebung der Küsteubewohner nicht bloss Galliens gedeutet werden. Um so iltff irad allgemeiner in der That muss die ErSndung oder Ver- wendung der Schiffiiihrt in unserem Lande erscheinen , als sie hier not- wendiger und unentbehrlicher war als anderswo. Der Angriff des Drusus auf die Friesen von der See her, sein Kanalbau, die Fahrt des Tiberius nach Norden bis zur Elbe und in die Elbe hinauf, mut- masslich bis Hamburg, die mehreren Züge des Germanicus zur See und fiussaufwärts nach den Schauplätzen seiner Kämpfe lassen zwei- fellos erkennen, dass das Schiff mcht bloss ein bekanntes, sondern in jenen Qegenden geradezu das gewöhnliche Bewegungsmittel gewesen ist, dass die gesamten Küstengebiete der Nordsee bis- weit ins Innere hinein ihren Verkehr vorwiegend durch Meer und Fluss bewerkstelligt haben.

Von Tacitus erhalten wir dann die ei-sten ausdrückliehen und ausführlicheren Nachrichten über uusre Halbinsel selbst. Hierbei ist nun beachtenswert, dass dieser wohl unterrichtete Oewührsmann in seiner Aufzählung unabsichtlich zwar, aber ebenso unverkennbar die doppelte Beziehung hervortreten ISsst, die unsre Halbinsel gemäss ihrer Lage an der norddeutschen Ebene einerseits zu dem friesisch-rheinischen Südwesten, andererseits dem suevisch- elbischen, später slavisch-elbi- £chen Osten hat. Tacitus unterscheidet wiederholt auf das bestimmteste die nordöstlichen Stämme der Deutschoi, denen er den Gesamtnameii Sueven gibt'), von aUen übrigen Germanen («ceteris Germanis*), för die er keine gemeinsame Bezeichnung kennt. Diese letzteren zihlt er in der Ordnung auf, dass er zunächst dem Rheine, dann dem Ocean folgt. Die letzten, die er in dieser Richtung nennt und zwar hinter den Chauken denn die Chatten, Cherusker und Fosen werden als „seitwärts" (in latere) wohnend bezeichnet sind die Cimbem, welche , denselben Vorsprung" (sinus) Deutschlands besetzt hatten, unmittelbar am Meer (proximi Oceano). Ob die friesische Bevölkerung des halben westhchen Sclüeswigs ihm als solche unbekannt geblieben oder dort noch nicht ansässig gewesen ist, läset sich mit Sicherheit nicht erkennen;

Germ. 38: Nunc de Suevis dicendum f^st, quorum non una ut Chattorum Tencterorumve gens; megorem Germaniae pariem obtinet ... in communeSuevi »vocantur*.' Cap. 45: Hic Sneviao mdi.

38]

Polet^liapliio der cimbrisoheii Halbinsel.

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nur will das letztere bei dem seltenen Beliarrungsvermögeu, das diesen Stamm auszeichnet, wenig denkbar erscheinen.

Zum zweitemiiale gelangfe TacituB mit semer Aufeählung an und in unsere Halbinsel, indem er von dem ältesten und bedeotradsten Stamme der Sueven, den Semnonen, elbabwärts in nordwestlicher Rich- tung an das Baltische Meer kommt und die sie])en ^ durch Wälder oder Flüsse geschützten'' Stämme nennt, die nur durch die gemeinsame und feierlich geheimnisvolle Verehruug der Nerthus auf einer „Insel des Oceans" bemerkenswert seien, llire Wohnsitze werden nicht näher bestimmt; jedoch gestatten oder ^dem die Worte: et baec quidem pars Suevorum in secretiora Germaniae porrigitur, sie durch die ganze Länge der .abgelegenen" cimbrischen Halbinsel ,bindurch- rrirheiid" anzusehen. Ob die 7 V^ölkerschaften in der Ordnung von Süden nach Norden aufgeführt sind, wie man freilich nach seiner c. 41 folgenden ausdrücklichen Erkläruiigt erst habe ihm der Rhein als leitender Faden gedient, jetzt, wo er Ton ißrden zurückkehrt, solle es die DonaUf «mebmen möchte, ob überhaupt eine bestimmte Reihenft^e zu Grunde gelegt ist, lässt sich mit Sicherheit nicht ermitteln. Unter allen sind, zumal bei der scliwankenden Schreibung der meisten Namen, nur Angler und .lüten, diese aber mit aller Sicherbeit nachzuweisen. Grössere An- siedlungen werden nicht genannt, dürfen auch bei der grundsätzlichen Abneigung der Oermanen gegen geschlossene, stadtartige Wohnpiätze nicht angenommen werden.

3. Aus den folgenden Jahrhunderten liegen zusammenhängende Nachrichten nicht vor; Andeutungen begegnen, dass die Küstenschiffahrt in stätigem Betriebe ist. Dasselbe ergibt sieb ans (b^r nächsten wold verMirgten Thatsache, die uns Ix'Lfct^net, wieder einer Auswanderung und zwar m grösserem Massstabe als die erste Im Jahre 449, so eraShlt Beda, ging unter Hengist und Horsa ein grosser Zug yon Sachsen, Angeln, Friesen und Jttten nach England hinttber. Mag immerhin in die Mitte des Jahrhunderts eine besonders grosse und planmässige Auswanderung nach dem herrenlos und haltlos gewordenen schönen Inselland fallen, dieselbe wird durch einen altüberlieferten See- verkehr, der hier nur der südwestlich streichenden Küste zu f(jlgen brauchte, um auf die hellen Kreideklippen von Dover zu stossen , vor- bereitet und durch Jahrzehnte-, ja jahrhundertelanges Nachwandem fort- gesetzt und gehalten gewesen sein: eine Wirkung des eigentümlichen Siedlungstriebes, der den Angelsachsen eigen war und geblieben ist und der denkwürdige Beginn einer kolonisatorischen Bewegung, welche, noch weitgreitender als der griecliische Ausdehnnngsdrang, jetzt bereits nicht bloss die Neue Welt, sondern auch einen guten Teil der übrigen Erde der angelsScfasischen Basse, d. h. zugleidi dem Christentum, der Oeeittung, der Freiheit unterworfen hat.

Fand aber eine so bedeutende Entleerung der Halbinsel statt,

0 Beide Wanderungen kOnnen als Belege fllr die Meinung und Ueberlieferung

angesehen werden, dass der urs-prüngHthe Awr Völker auf unserer Halbinsel von Nurden nach äaden geht. Vgl. Mülieuhof in den «Nordalbingiachen Studien' Bd. I, 136. 145.

VofMhnngMB TU dnitielMB Laadsg* und Tolkikuidiei. LS. 35

510

Jaaaen«

[34

wie die Xachrieliteii weniger als die ausgedelmten Staatengrüiidungeu im ganzen südlichen und östlichen England erkennen lassen, so wird ein alsbaldiger Nacbschub von Nachbar^Olkem Ton Tomherein wahr- scheinlich. So drängten denn von Norden her die Jükn, vielleicht selbst gedrangt von nachrückenden Dänen, in das nördHche Schleswig und zwischen Friesen und Angeln hindurch bis an den unttberschritteuen Schlei-Treene-Abschnitt naeli. In das bis dahin ganz germanische Hol- stein werden damals und nicht erst unter Karl dem Grossen die wen- dischen Wagiren oder Waigem, und zwar, in voller üebereinstimmung mit den VerkehrsTerhSltniBsen an der WestkOste, zur See eingedrungen sein. Diese Thatsache geht aus folgenden Umständen mit grOsster Walirscheinliclikeit. um nicht zu sagen mit Siclicrheit hervor. Die Slaven waren bei dem Beginn der Völkerwanderung sofort mit in Bewe*?inig gekommen und den vorwiegend an jener Bewegung sich beteiligenden suevischen Stämmen in £e Ebenen der Weichsel, Oder und selbst der Elbe und Saale nadigerQckt Früh fibten sie regen Seeverkehr und Seeraub in dem ganzen zwischen Skandinavien und G^ennanien verstreuten Archipel und an seinen Küsten ^). Nur so wird es erklärlich, wenn wie die suevischen Xcrthusvölker so auch die ver- schiedenen Shiveii^iämine ein gem«'insanie.s Heib'gtum, den Tempel des Svautevit, dem die ganze Weudenwelt Tribut zalüte, auf einer Insel hatten und derselbe auch noch auf einem dem Festlande abgewendeten Punkte, Arcona, lag*). Die meklenburgische Küste überschaut deutlich und in lockendster Nähe das ganze Gestade Ostholsteins von der Trave- mündung bis zum fehmarnschen Sunde; bei sicher berechenbarem Wind und W«'tfer trug das leichte Schiß' von den diesseitigen zu den jen- M itij^en Laiulungsplätzeii hinüber, deren es dort mehrere sehr bequeme, zum Unterschlupf und zur Lauer höchst geeignete gab. Es ist geradezu undenkbar, dass man diesem kurzen und bequemen den langen und schwierigen, auch leicht versperrten Umweg längs der Ettste, die Trave bis zu einer bequemtti üebergangsstelle aufwärts, etwa über Alt-Lübek, vorgezogen haben sollte. Nicht ohne Bedeutun«^' ist es auch, dnss von den 1' Pflanzenarten des Landes Oldenburg, welche der übrige Boden Holsteins entweder nur ganz ausujiiimsweise oder gar nicht trägt, 8 auch auf meklenburgischer Erde heimisch sind*). Endlich könnte das ge- feiertste Heiligtum der holsteinischen Wenden, der Wienbarg (Helmold, slavische Chronik I, 88) uAd die alte Hauptstadt derselben unmöglich auf jener Insel gelegen gewesen sein, wenn sie dicsellx- ni( ht, wie es immer einem das Festland beherrschenden Feinde gegenüber ratsam ist, zuerst in Besitz genommen und den gewiesenen Uebergangspunkt auf Gestadeinseln (vgl. S. 483, II, 3, b.) in der Mitte der dem Festhmd zugekehrten Seite befestigt h&tten. Stari-grad, die »alte Burg* beweist unwidersprechlich, dass die Wenden selbst in ihrem geschichtlichen

') Nach Helmold II. 13 sind die Slaven von allorB li<r dpiu A<.korfv.iu ab- geneigt, Seeunti'mehniungen zugewendet; ilir Reichtum beruht ganz auf ihren Schiffen; beim H&userbaii gaben sie sich keine Mühe.

■■'l Nocli 711 Aflanrf von Rrenien Zt'it s< hittte nich , wer von Hamboig nacb Jumne zur ijec- wollte, in Oldenburg oder in bt hleswig ein (II, 19).

*) Schröder a. Bieraatiki» Tq[iographie I, 82.

85]

Poleographie der cimbnsclicn Halbinsel.

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Bewusstsein ilire älteste Gescfaidite, soweit sie Uberall in Noidalbingien

spielte, auf diesen Schauplatz Terlcgten. Die Lage der Stadt auf einem in die Niedernnfj und fast bis an die Brökau Yorspringenden schmalen Ausläufer des hohen Nordufers, von drei Seiten durch eine leicht üher- schwemmbare Niederunix, an der vierten durch gewaltige, auch heute noch wolü erhaltene Erd werke, Burg und Wall geschützt, war um so fester, als sie sttdlidi der Au, wohin ein Teil der Stadt unzweifelhaft sich ausgedehnt hat, auch flbeir eine Stellung yeritlgte, die als BrOeken- köpf dienen konnte, den schmalen Engpass nSmlich zwischen der noch heute sehr ungangbaren und tiefen Niederung der Johannisdorf er Au einerseits und der Seebenter Niederung andrerseits, auf welchem in dem \N inkel der Johannisdorfer Au mit den südlich in diese mündenden NebenbÜchen das durch seinen Namen als wendisch beurkundete Zub- bisthoip, heute Sipsdorf, entstand

FäUt aber die Besitzergreifung des Landes Oldenburg, wahrschein- lich samt Fehmarn, durch die Wagern schon in die zweite Hälfte des fünften oder den Anfang des seclisten Jahrhunderts, so werden nurh eine Anzahl anderer Ortschaften zu ungelVihr <,''leich<'r Zeit entstanden sein : so namentlich in der linken Flanke Daimie und (jirube, in der rechten Wesseek (Wotzeke), unzweifelhaft alles drei slayische Kamen.

Eine zweite Haltestelle auf ihrem Wege ins Innere fanden die Wägern in dem Abschnitt der Kossau, der Seen und der Eremper An mit ihren Zuflüssen, eine bastiouartige, nur über die Höhe von Schön- walde und durch die Enge von Kassierstorf (Kusseresthorp) zugängliche Verteidigungsstellung, die wiederum mit drei slavisch benannten An- siedelmigen in Front und Flanken bezeichnet ist: Plön, Lütkenbuig, (Alten-) Krempe. Der Pass yon Plön (Plune, Plone) ist nach allen Anzeichen zu urteilen durch eine zweifache Befestigung geschützt ge- wesen: einmal durch die wendische Burg, welche den westlichen Ein- gang auf die Enge zwischen grossrni und kleinem Ph'incr See wehrte, und die Olseborg oder Alesborg, welche den östliclien Zugaug zwischen grossem Plöuer- und Behler-See bewachte. Lütjenburg, wie es jetzt meist sehr yerkehrter Weise geschrieben wird, richtig Lfltkenburg, vor- mals Luttikenborg oder Lucelenborch, slawisch Liutcha (von ^'ut stiurk?), war offenbar ein Brückenkopf für die Kossau, die hier von der ost- westlichen Küstenstrasse Kiel-Oldenburg gekreuzt werden musste. Die von Hehnold hier ei\vähnte Burg (urbs) wird nicht bei der Kirche, son- dern niu^s, wie der Augenschein lehrt, auf dem jetzigen Vogelsberge gelegen haben, einem offenbar küusthchen Hügel auf natürlicher Vor- arbeit im Norden der Stadt, an dessen Fuss noch heute Reste des Bui^grabens in den dortigen Teichen geblieben zu sein scheinen. Diese ganze Höhe hat eine überaus beherrschende Lage und überschaut ausser den beiden in Bi tradit kommenden Hauptlandstrassen insonderheit auch den nahen Bmneusee und die ganze Hohwachter Bucht, neben Heiligen-

') Pio nicht unbedeutenden Befestigungen auf dem linken Ufer der .loliamiis- dorfer Au,^ von denen eben »üdwestlicb von Sipsdorl die auggebaute üufe »iScbanze" niDgebeB ist, aoUen ans dem SOj&hrigen Kriege stammen. Sie beheirschten die in Sipidorf zQsammenfttosaenden Stmaen von GOld^utein und von Lensahn.

512

Jausen,

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hafen und Eiel den einzigen und in alter Zeit mehr ab jefaet benutzten LandungsplatK an der Nordseite Holsteins, der unter anderm auch 1113

den dänischeu König Niels seiner Niederlage von dem Weii'li nkönig Heinrich entget^onführte. Kreni])en oder Krempe war ur<;prnngLicb der Name einer Bur<jj auf dor noch heute so genannton Insel im N'eustiklter Binnensee, nach welcher einer von den elf slavischcu bei Hehnold erwähnten Gauen seinen Namen hatte; für ein seeräuberisches, fehde- lustiges Volk nach der Land- "wie Seeseite ein besondere wohlgele^^er Plafas. Zu diesen genannten drei Orten wird das gleiclifalls als Mittel- punkt eines slavischen Gaues erscheinende Utin mit Fissau (Vyssouve, Vizzowe, Viscow) an dem Uebergang Aber die Schwentine bald hinzu- gekommen sein.

Eine dritte und letzte Verschiebung der slavischen Grenze stützte sidi in der reehien Flanke auf die untere Schwentine und den BrOeken- ort PretK (Poreze, Paretze), in der linken auf Lflbek, d. h. Alt-LObek oder Bukowec) mit Razeburg und in der Front auf den Alberg d. h.

Scgebcrg, vielleicht auch OMtsloe. Pietz, der Alberg. Lübek äind durch ilii'e Namen als ursprünulirli >lavische Plätze gekennzeichnet, sämtlich auch durch ilire Lage als Brücken- oder Engen-Städte wichtig. Alt-Lübek, im spitzen Winkel, den hier die Schwartau mit der Trave macht, gelegen, zu einer Zeit gegründet, wo die Slayen auch diesen entfemtereu Hafen zu benutzen angefangen hatten, ist erst in der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts gegen Oldenburg, das nach Adam von Bremen (IT, 41) noch im Anfang demselben die volkreicLste Stadt von ganz Slavien war, allmählich em])orgekonimen und für die nur noch kurze übrige Zeit ilirer Herrschatt Uauptsitz der wagrischen FOisten geworden.

Endlich werden auch die Landwege die wandernde Slavenwelt westlich bis an die natüiüche Grenze der Halbinsel, die Wakenitz* Delvenau-Linio und diirüber hinaus vorgescliolieu haben; Plätze wie Razeburg, Mölln, Laueuburg können kaum zu irgend einer Zeit, wo Menschen überhaupt hier gewohnt haben, als nicht vorhanden gedacht werden

4. Während sich so in den Jahrhunderten der Väkerwanderung und nach derselben Ostholstein zu einem Vorposten der grossen slavi-

Diesen , alten" (slavischen) Namen des Kalkherges (Heluiohl c. 49 n i\ 14i, dessen Form freilich nicht ganz feststeht, darauf zu deuten, dass schon die Uiiceien Anwohner den Salzgehalt des Hegeberger Bodens gekaimt haben, w&re ich sehr in Ver-nrh'ing, aher wohl docli nicht l»t»nH'htiprt-

^) I»ie in unserem Lande ziemlich zahlreichen Kingwillle, deren Alter und Herkunft unsicher bleiben mma und sehr verschieden sein kann, häufen sich doch in beachtenswerter Weise auf dem ganzen «'inst shuasiertcn («ebiete imd an dessen Grenze; am dichtesten nördlich von den Quellen der Biile, am Nordufer der unteren Trave, an dem Pass zwischen Behler See and Kossaathal, auf dem ganzen Gruppen- gcbirge von Lütkenbiirg , Jlstlich von der nntem Schwentine nahe dem Dobers- torfer üee, um dm obere Eidorthai und südöstlich von Neumünster; auf schleawig- schem Boden finden sie sieh so sahheich nur um die Spitse der SeMei und in dem eigentlichen Runipr- der Insel Silt. Verstreut erscheinen ilhnliclie Kiirgen nördlich von Oldeuburj^, unweit der Elbe oberhalb Hamburg, Osthch der oberen Alfter, bei Borg, bei Ende, bei Churding, auf Föhr, Sundewitht Alsok und selbst an einer Stelle der Mmoh sttdlich tob Hojer.

37]

Poleographie der cimbmcben Halbinad.

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sehen Rasse gesialtete. von dem aus durch ein sehr wohl mögliches, teilweise sogar verwirklichtes Vordringen nach Westen und bis an die Nordsee ein Keil mitten durcli die Nord- und Südgermancn ixt'tneben worden wäre, war die Entwickeiung des deutschen Staates iu der Ge- stalt der fränkischen Monarchie weit genug gediehen, um von Süden vontoflsend jedem weiteren Vordringen eme erste entschiedene Schranke zu ziehen.

Der Zug Karl Härtels im Jahre 734 gegen den Friesenftirsten Bobo nördlich der jetzigen Zuider See, nach Fredegarii cont. 109 (navali evectione) zu Wasser unternommen, beweist, dass auf Grund der Bodenverhältnisse der Seeverkehr als der regelmässige fortgedauert hat. Noch entschiedener geht dasselbe aus der Thatsache hervor, dass sofort nach der Unterwerfung der Sadisen (785 »tota Saxonia sab- jugata est*, ann. laur.) der Bremer Erzbischof Willebad es ist, der mit dem westlichen Nordalbingien in leichtem Seeverkelu- auf der weit- ragendon Höhe der Meldorfer Tnsel in dem spitzen Winkel zwischen Miele und Süderau die erste PHanzstätte christlicher Mission in unserem Laude, die Meldorfer Kirche, erbauen lässt.

Die Fortfilhrung des Saidisenkrieges gegen die Nordalbingier und gegen, die D&nen, bei welchen der unbeugsame Wittekind Schutz ge- funden hatte, erforderte vor allen Dingen aber einen sicheren imd mög- lichst bequemen üebergang über den breiten Elbstrom. Teils durch die Beschaffenheit beider Ufer, teils durch die Teilung des Fhisses in zwei Hauptarme war die Linie Hai-bur^-Wilhehnsburg- Hamburg, un- zweifelhaft in Gebrauch und Uebung, solange Menschen hier verkehrten, die gegebene. Adam Ton Bremen nennt darum auch sehr richtig (I, 15) Hammaburg „eine Stadt der Nordalbingicr*, die Karl der Grosse »damals" (bezieht sich auf das TOrangehende Jahr 804) mit einer Kirche. natOrlich auch mit einer Buig, ausgästattet und einem gewissen Ueridag Übergeben habe.

Mit der Befestigung Hamburgs war bei der Fortfülirung des Krieges gegen die dänische Cbenze die Sicherung des Stör^üeberganges zugleich notwendig geworden. Durch gradlinige Durchsteehung einer Halbkreisbiegung der Stör gewann man einen geeigneten Platz für die Errichtung eiiier Burg, die bis heute in ihrem Namen fortbesteht, in ihren letzten Bauresten erst nacli der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts verschwunden ist *). In dem Schutze dieser fränkischen Essefeldo-Burg entstand 817 auf dem vorgelegenen Geestbuckel von Nordoe die Gella Welanao des Ebo Ton Rheims und Halitgarius von Gambray, das heutige ^lüii-^terdorf ; flussabwärts unweit eines VorspiiuiLTs des Don, aber doch in der eigentlichen Marsch Heiligenstedten, eine Kirche, deren Sprengel

') Der Name stammt offenbar von dem in der Goscliidite Ditlnuarschens 80 bedeataam gewordenen Wort« »Hamme", Hemmimg, Sperre, Enge. Ygi. Kolater im Meldorfer Programm 185^5, S. 21.

') Ob das als Ort der Unterhandlungen zwischen Dilnen und Deutschen P09 erwähnte Badenfliot in dem abwärts an der Stör in der Marsch, freilich auf einer Erhöhung gelegenen Beidenfleet, ursprünglich Begenflet, also wohl richtiger Beiea- fleet, so erkennen ist , muss zweifelhaft bleiben. Als wahrscheinlich kann es bei der Abgelegenheit des Orts und der UnwegBamkeit der Maisch kaum gelten.

514

Jansen,

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ursprünglich \scit iiu>^f('. lehnt ins j<'tzif(e Kirchspiel Bramstedt übergriff, und schüu iu nördlich vorgeschobener Lage Schenefeld, das Adam von Bremen die Kirche der Holsten nennt. Die vierte Burg, welche Karl der Grosse und zwar gegen die Linonen grOndete, Hohbuoki, scheint doch, wenn nicht in dem uralten, auch als Kirch- und Wallfahrtsort früh berilhniten Dorfe Büchen, Boten, eine gute Meile nördlich der Elbe, am wahrscheinlichsten in der Nähe von Lauenburtr bei Bucliliorst (Bokhorstl i^esucht werden zu müssen. Die Einhardsthe Nachrii ht, Kurl habe ulie Sachsen aus Wigmodieu und den trausalbingischen Gauen mit Weibern und Kindern ins Fränkische geführt und ihre Wohnptitze den Obotriten Uberlassen, kann gegenüber den späteren ihatsichuchen und vcrbüi^^ten Zustanden nur unter der grössten Einschränkung auf Glauben Anspruch machen. Dagegen wird die Einrichtung des freilich erst 810 ausdrücklich erwähnten linies Saxonicus oder miu-ca Slavorum den letzten Jahren Kai'ls des Grossen zuzurechnen sein; eine Grenzlinie, richtiger wohl ein GzenzgOrtel von Befestigungen, dessen Haehweisuiijg im einzelnen nach den Angaben Adams Yon Bremen auch durch die eing( lit Ilde Untersuchung von Beyer 0 nicht ausser allen Zweifel gestallt ist, der aber im grossen und ganzen eine bis zum Plöner See durch die Schwentine, von Segeberg bis Oldesloe durch die Trave vorgezeichnete Richtung vom Kieler Meerbusen gerade südlich bis an die Elbe gehabt hat, d. h. also den sächsischen Charakter von etwa zwei Dritteilen Holsteins ausser Frage stellt.

Schon 826 dringt durch fränkischen Einfluss das Christentum und zwar wieder auf dem westlichen See- und Flusswege auch in das Herzogtum Schleswig, richtiger damals noch an die Schwelle des dänischen Landes, den Schlei-Abschnitt vor. Ansgar geht rheinabwäi-tvS über Doorstede in die Nordsee, läult in die Eider ein, landet im Gebiete der Friesen, will si^en bei HoUingstedt, und erreicht von da die dBnische Grenze, um seine nedigt zu beginnen, die trotz vorttbergehender Hern- nmngen guten Erfolg gehabt zu haben scheint. Bereits 831 ward Hamburg zur Metropole des Averdciiden oder doch entworfenen Er/stifts dos Nordens von Ludwig dem Frommen bestimmt. Die Zerstörunir der Stadt (845) durcli die Normannen konnte die Bedeutung dieses Platzes nicht auflieben. 850 Yollendete sich der erste Kirchenbau auf schles- wigschem Boden, den Ansgar zu Ehren der heiligen Maria «bei der Stadt Schleswig* oder ITeithaby (d. h. wahrscheinlich nicht beim jetzigen Haddeby oder ursprünghch Haddeboth) errichtete. 860 folgte in Ripen durch Ansgars Schüler Rimbert ein zweiter Kirchenbau. Beide Städte, Schleswig und Ripen, haben aber ohne Zweifel lanixe vor der christlichen Zeit als Hatenorte bestanden und handeln (im elften Jahrliundert) der eine

') Beyer, der hmes .Saxoniae Karls das Grossen, 1877. Da«s die sanft nach 8flden abgedachte, leise gewölbte Ebene zwischen Gönnebek-Tarbek. BomhOved und Dalldorf ki'incn Anhalt zu ninor (Jn-nzsoheide mt'hr biotot, lehrt der Augen- schein; auch die unzweifelhaft zum hmea gehörige Höhe von Blank, noch heute dnrch die westiioli Suren Fora begleitende, nftrdhch nnd nordöstlich nmfanende Niederung,' u'^ H hützt , erlaubt es schlcchterdin^^s nicht, die Linie des liiuf ^; . wie Beyer gethau hat, von Brands Mühle auf Dalldorf und so nach Bornhöved zu rieneD.

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Poleographie der cimbriaehen ^dbiiuel.

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nadiSclavanien, Schweden, Samland, Griechenland (= Russland ; Adam Yon Bremen IV, 1), der andere nach dem Saxeulande, nach Frisien, nach En«ifelland, Frankreich, den Mittelmoer-Stiidten nnd selbst dem heiligen Lande. Tondem, 1017 bereitet ein bekannter Uafeu, mag wenig jünger sein.

In Jfitlflnd tritt zwar aus dem Dunkel der heidnischen Vorzeit noch kein grösserer Ort durch bestimmte Zeugnisse hervor ; jedoch wird

mit einiger Sicherheit zu yermuten sein, dass das genaue Centrum des ganzen Landes, zudem ein wichtiger Wende- und Kreuzunifxpimkt einer Längen- und einer (^uerstra^sse, Viborg, richtiger ursprünglich Viberg, in Waldemars II. Erdbuch Wibiärgh (= Weiheberg), schon in ältester Zeit sowohl als Eultus-Statte wie als Fürsten-Sitz nnd Wahlort be- standen hat.

5. Die Zeit der sächsischen und salischen Kaiser ist für misere

Halbinsel nicht ohne Bedeutung.

Widukind (I, 10) berichtet, dass Heinrich I. 034 die Dänen, welche auf ihren Seezügen die Friesen beum-uhigten, überzogen, unterworfen und ihren König „Chnuba" zur Taufe gezwungen habe. Nach Adam von Bremen besiegte Heinrich den König Worm oder ürm (= Ooim) und machte Schleswig, welches jetzt „Heidiba" genannt wird, zur Grenze seines Reichs, wohin er eine sächsische Kolonie und einen Markgrafen vorisotzte, d. h. also die weite Ebene zwischen Schlei und Eidor zu einer schleswigsciien Mark einrichtete: der erste und für Jalirhunderte letzte Schritt des Deutschtums vorwärts gegen das Dänentum und zu- gleich unzweifelhaft eine bedeutsame Massregel für die Hebung des Ortes und für die Entwickelung des ganzen spätem Herzogtums zu einem seil »ständigen Ganzen. Ottos des Grossen Zug in die cimbrische Halbinsel und gar bis an die äusserste Spitze Skagens erscheint nicht genügend bezeugt; an dem vordringenden Einfluss des deutschen lieiches und der deutschen Mission kann nicht gezweifelt werden. Auf der Synode von Ingelheim 948 erscheinen Bischöfe von Schleswig, Ripen imd einer dritten, bei dieser Gelegenheit zuerst henrortretenden Stadt, welche Widukind Harusa nennt: Aarhus, ursprünglich Arus und in isländischen Quellen Aros *). Die gleichzeitige Gründung eines Bistums in Oldenburg beweist wie das Vordringen deutsch -christlichen Geistes gegen den Nordosten, so auch aufs neue die BedLHitung dieser Insel- Hauptütudt gegenüber den sämtlichen Nachbarstädten bis zur Teene, bis wohin sich ihr Sprengel erstreckte. Aber schon Otto TL war zu einem neuen Zuge gegen das empörte Dänemark genötigt, auf welchem er das Danewerk erstürmte. Wenn er dann nach Thietmar (III, 4) ,,unara urbem in bis fmibus (Caesar) aedificans praesidio firmat". so wird das doch wolü nur von Befcsti-^ungsarbeiten vor und an der einzigen Stadt dieser Gegenden, nämlich Schleswig, d. h. also von einer Wiederherstellung der schleswigschen Mark zu rerstehen sein, ilie in der That ohne Besetzung des oben erwiUmten BOckens bis zum Abschnitt des Langsees nicht haltbar «ein konnte.

■) Nar}i Trap(.Stati8tisk-toi>o^;r.iplii-:lc lir-HkrivelseafKongerigefcDanmarkVI, 21) aus Aar, Genetiv von Asl, und Os Mündung.

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Jansen,

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Mit den letzten Jahren Ottos II. beginnt die yerkirohlidning des deutschen Kaisertums, die Abwendung Ton seiner nationalen Aufgabe; die Dänen fallen in die sclileswigsche Mark ein, die Obotriten unter

Mistevoi verbrennen Hamburg (983). 1027 findet Konrnd H. sich ver- anlasst , in Rom dem mächtigen Kanut von Düntmark ohne Schwert- streich und erkennbare Nötigung die Mark Schleswig zu überlassen und die Eider als Grenze zu nehmen. Einer neuen Slaven-Ueberschwem- mung (1032) widerstehen von allen Platzen nur Itzehoe und die bei dieser Gelegenheit zuerst rtwähnte Bokehi-Burg in Dithniarschen, die zu der Grafschaft «beider Ufer*, Stade geh<)rte, wohin seine Verkehrs- wege es wiesen. In bemerkenswertem Parallelismus ragen im west- lichen Holstein sowie die oben hervorgeliobenen drei nördlichen Uferränder, so Hamburg, Itzehoe, Bokelnburg und Meldorf aus dem Dunkel der Ui^e- schichter aus den TrOmmem der cbzistüdien Kultur her?or. 1068 etSoh sich in dem Kampfe zwischen dem berühmten hochstrebenden Erzbiscbof ▼on Bremen-Hamburg Adalb^, der gewöhnlich in Hamburg residierte, und dem sächsischen Herzog Ordulf auf demsfUx n Kleve der Elbe, dem Süllberg (Solionberg) eine Burg, an welche sich in späten r freihch unbestimmbarer Zeit die Ortschaft Blankenese angelehnt haben wird. Die Gewissheit, dass die noch heute so vielfach von ihrer ganzen Umgebung in Art und Sitte gesonderten Emwohner Ton Blankenese, Dockenhuden und Mtthlenbeig, die kaum noch jetzt aus ihrem Kreise hinaus heiraten, eingewandert sind, zusammen mit dem Umstände, dass j'^le Kunde von der Zeit ihrer Einwanderung fehlt, macht es ziemlieh nicher, dass die Eutstuhuni^ dt-r eigentümlichen Ortschaft um Jahrhundt-rt»- vor ihrer ersten Erwähnung mi Aufauge des 14. Jahrhunderts anzusetzen ist. Um dieselbe Zeit (1062) wird zum eratenmale aueh der Razeburg ge- dacht, die, am westliehen Eingange der Stadt gelegen in ihrem Entstehen wohl jedenfalls dem ersten Eindringen di r Slaven angehört. 1066 zutrleich mit dem Sfnr7e Adiillierts ;ils kaiserlichen Vormunds erlagen auch der christliche ^^ fndentürst (iottsclialk und die christlichen Sitze, nament- lich wieder das unverwüstliche Hamburg und Oidenbuig der heidnisch- nationale Partei Das Bistum Oldenburg verschwindet auf fast ein Jahrhundert 600 Familien verlassen Holstein und siedehi sich im Haize an. Der Rugier Fürst Kruto, dem aUe nordelbischen Slaven zinspflichtig werden, errichtet die erste Ansiedlung auf der Halbinsel zwischen Trave und Wakenitz, die Burg Bukow oder Buku und bezwingt Gottschalks Sohn Butne in der 1071 zum erstenmale erwähnten Burg Pluue. Aus dieser Zeit haben wir über die damalige Verwaltungseinteilung des jetzigen Henogtoms Holstein Ton einem wohl unterrichtäen Manne, dem Dom- scholaster Adam von Bremen, eme wertvolle und zuverlässige Nach- richt. Er unterscheidet die Übereibischen Sachsen in drei Völker: „die ersten am Meer wohnenden sind die Tedmarsgoi, Dithmarsrhen, deren Mutterkirche zu Meünthorp, Meldorf, ist; die zweiten sind die Holcetae, Holsten, so genannt nach den Hölzimgen« in denen sie wohnen. Durch ihr Land fliesst die Sturia (Stör) und ihre Kirche liegt su Scanafeld, Schenefeld. Die dritten und angesehensten werden Sturmaren genannt*. Die Grenxen der ersten Völkerschaft sind durch die Natur dermasseu festgestellt, dass sie vom Süden abgesehn nie schwanken und zweifelhaft werden

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Poleograpliie der dmbrisoheu Halbinml.

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konnten. Diese Südgienze bildete die Xiederunjj^, welche von dem Einflüsse der Holsten-Au in die Wilster-Au sich nach dem Ku<lenseü zu erstreckt, Ton da nach der Mbe, der alte sogen. Holstengraben. Dieses dithmarsische Land kam 1148 mit der Chrafschaft »beider Ufern*, Stade, an das Erzstift Bremen-Hamburg. Indes scheint die um die- selbe Zeit geschehene Uebertragung von Meldorf ini das Hnm))Tirger Domkapitel, ,eo, quod aptior fuit", darauf zu deuten, dass allmählicli zwischen Dithmarschen und II oistein- Stormam sich auch ein lebhafterer Landverkehr zu erzeugen begonnen hatte. Die Abgrenzung der beiden andern Gaue muss, und zwar sowohl die wechselseitige zwiscfaen ihnen selbst, als die gegen Wagrien, nicht die gegen Laueuburg oder Sadel- bandia, als sehwankend angesehen werden. Es ist aber TÖllig klar, da^s dies mit der Tinfürlichen Bodeubescliaft'enheit im engsten Zusammen- hange steht. Der Kern des eiiuj'eiitliclien Holsten-Landes ist unzweifel- haft jene von Giesel und Holsten-Au, von Eider und Stör und östlich von der Sarl-Au abgegrenzte Platte, die oben nachgewiesen ist Im Osten ging das Land yHolsten* Uber diesen natürlichen Abschnitt um den „Gau Faldera" (NeumOnster) d. h. um die Ilohhcide, hinaus, welcher Gau als Grenze gegen Wagrien bezeichnet wird M. In diesen Grenzen hat sich da.s geographische Ganze in dem Amte Rendsburg, dem grössten Holsteins und auch heute noch waidreichen, als ein admini- sfaratiTes 0anze erhalten; Schenefeld mit Hohenaspe, Hademarschen mit Hohenwestedt sind die echten alt-holstenschen Kirchspiele. Holsten- Tradht heist in Dithmarschen bis heute die Hademarschener Tracht. Durch die genannte ursprtinghche Begi"enzung war nun aber eine allmählic-he Erweiterung keine-wegs aüsgesc blossen. Ans der Natur der Verhält- nisse und aus einer Anzahl ausdrücklicher oder mittelbarer und unfrei- wiUigei Zeugnisse geht die Thatsache hervor, die noch heute nicht aufhört sich immer neu zu wiederholen, dass zuerst der feste und gesicherte Boden des Landes besetzt und bebaut, dann allmählich unter dem Drange des wachsenden Bedürfnisses und den AVirkunf^on der Ver- besserungsbauten, zum Teil erst im zwfdften und dreizehnten .Jahrhundert ^), in die niedrigeren und unsicheren Niederungen der Moore und Marschen hinabgestiegen ward. Daher wu^d auch nicht im mindesten die oben festgestellte Umgrenzung durch den Zusatz Adams von Bremen erschüttert, dass die Stör durch das Lsad Holsten flösse, noch weniger durch die Anfe'ählung des dem letzten Jahrhundert des Mittel(ilters angehörigen bremischen Presbyters, der die Bewohner der Kirchspiele Schenefeld, Hademarschen, Hohenwestedt, Nortorf, KeUinghusen, liramstedt, Kalten- kirchen und Bornhöved samt denen der Wilstemiarseii als die echten Holtsaten bezeichnet. In ähnlicher Weise berulien die Grenzen Stormarns aaf seinen Bodenverhältnisse und sind sUdlich durch die Elbe, westlich durch die Niederung der Elbe und Stör, nördlich durch die derBram- Au gegeben ; näch Osten dehnt sich der Geschiebesand zwar nur bis zur Alster-Linie aus^ der Unterschied des Oeschiebethons kommt aber

n Helmold 1. 47.

') YgU üaaae Urkunden etc. Nr. 86, wonach die palus Bishorst 1146 Jam non faro inoolitor halntatore.*

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auf ethnographi.schem Gebiet nicht zu massgebender Geltuu;; und erst das Thal der Bille mit dem Sachsenwalde richtet zwischen Sachsen und Slaveu die Scheide auf. So ist das eigeutliche Stormam zu beschränken auf die Herrachaft Pinneberg und die Grafschaft Rantzau rechts, die noch bis nahe uuMer (icMrenwart stormarnsche goiannten Aemter Rein- bek, Trittau und Tremsbüttel links der Alster, wozu da« Gebiet v(^n Hamburu^ <H<' umschlossenen Güter und das Kirchspiel Sülfeld liinzu- zurechiR'ii Mud. Ausserhalb dieser Teilung und für sieh stehen die Gemeinden der liasehlorler, Kremper und Wilster-Marsch, nach ^'atur, Besiedelung und Verfiissung jüngere Bildungen. Der ganze Übrige Osten gehört wiederum in unsicherer und wechsc^der Begrenzung den slaTiBchen Stämmen, zum grösseren nördlichen Teile aber den Wägern an.

(). Eine bessere Zeit &üe Holstein beginnt mit dem Anfang des zwölften Jahrhunderts.

Es ist die Zeit, wo der Kampf des Kaisertums mit der Kirche und in ihm der Kampf der Kaisergewdt mit der Fürsteugewalt zum Nach- teil der Beichseiidieit als in der Hauptsache völlig entschieden angesehen werden kann. Der partikulare Zug der Zeit kommt nun aber offenbar und sehr begreiflicher Weise den einzelnen Landen und dadurch wieder mittelbar der ganzen Xation sowie der christlichen Gesittung zu gute.

Im ersten Jahrzebiit des Jahrhunderts wird die Grafschaft Hol- stein-Stormaru Adolf 1. aus dem kräftigen und tüchtigen Gcschlechte der Schauenburger im Weserthale Terliehen. üm diesdbe Zdt kommt mit Gottschalks zweitem Sohne Heinrich das Christentum und der deutsche Einfluss in Wagrien wieder zur Geltung. Gleichzeitig er- scheinen in der markgräflichen oder herzogricheii Stellung des dänischen Prinzen Knut Laward in Schleswig und in den Landesversammlungen zu ürnehüved (Hvoruhöi 1 Meilen südlich von Apenrade) die ersten deatEeheren Spuren einer territorialen Aussonderung Schleswigs aus dem Oesamtreiche Dänemark. Die anderthalb Jahrhunderte von der Thronbesteigung Lothars von Suplinburg bis an das letzte Viertel des 13. Jahrhunderts, mit einem Wort die staufische Periode, d. h. also die der völligen Ausbildurif^ und Befestigung des Partikularisnnis ist für die Besiedelung und Sittij^ung der cimbrischen Hidbinsel, insonderheit ihrer südlichen Hälfte, von ausschlaggebender und dauernder Bedeutung.

Denn noch während Lothars Regierung im Reich, aber Hein- richs des Stolzen im Herzogtum Sachsen und Adolfs U. in der Graf- schaft Holstein-Stormarn beginnen unter dem Zusammenwirken von Scepter und Knimmstab, Sebwert und Kreuz die Vorarbeiten zu der un- gewrthnlich raschen und gründlichen Ueberwältigung des \\ endentums im ösLiichen Holstein: die Besetzung des Albergs oder die Gründung der Siegeburg (Segeberg), an deren Fasse sich Ssbald eine Kirche und dann ein Kloster erhob, durch Lothar auf Weisung Yicelins, und die Stiftung des ^ neuen Münsters' in Wipenthorp, slavisch Faldera, des in seinen Wällen noch heute erhaltenen Klosters Neuraünster (um 1134 oder lllid). Zum wiederholten, aber zum letzten Male hatte nach Kanut Lawards Tode (1132) das slavische Heidentum unter Pri- bialaw in Wagrien und Polabien sich erhoben: Heinrich von Badewide, durch Albrecht den Bären, in den Kämpfen Koniads HL mit Heinrieh

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Poleographie der cimbriBdieii HalbiiueL

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dem Stolzen und dem Leiwen zeitweiligen Herzog von Sarlisen, zeit- weiliger Graf von lloistein-Storniain. riU litt' einen Uebertall Segebergs und Falderas 1138 1139 durch zwei Feldzüge von solchem Nachdi'uck nnd 80 durchgreifender Schonungslosigkeit, dass Adolf IL, als er nach der WiederherstelluBg seines Lehnsherrn in Sachsen 1143 auch in seine QrafiHshaft zurückkelu-en durfte, dieselbe um Wagrien vergrössert über- nehmen konnte. Lauenburg mit Ausschluss der südlichen, herzoglich bleibenden Gebiete, kam als Grafschaft Razeburg an Heinrich von Badewide. Und nun begann, da diese slavischeu Gebiete durch Tod oder Vertreibung der Besitzer den Siegern zur herrenlosen Krie^beute geworden waren, in förderndem Anschiuss an die neu geweckte &reuz- Zugsbewegung dei it, die an den heidnischen Nachbarn bequemere Ziele fand, eine Kolonisationsthätigkeit eifrigster und berechnetster Art, Einen grossen Teil des gewonnenen Laiides nahmen die ritter- lichen Mannen des (irafen. die 1139 auf eigene Hand losgegaii'jen waren, in Besitz, namentlich die schönen Gaue des „Landes Oldenburg" (terra Aldenburg), des Landes Lutikenburg, die terra Plunensis, d. h. die ganze Gegend, welche von jener Zeit an unter dem Namen der adligen Güterdistrikte das Kemland d< s Grossgrundbesitzes gebUeben ist. Die überlebenden, oder sich fügenden Slaven wurden Leibeigene. Andere Teile kamen in späterer Zeit an Kirchen und Kloster in Lübek Wismar und Pretz. Ausserdem aber riet Herzog Adolf durch laute und lockende Aufforderungen Flandern und Friesen, Holländer und Westphalen ins Land, die er teils in den klösterlich neumOnsterschen Elbraarschen, teils in den Gauen Süsel, Eutin und bei Oldenburg an- siedelte. Der heldenmütige Widerstand von 400 Friesen unter einem Priester Gerlav gegen einen slavischen Ueberfall zei<;t . dass noch einige Zeit hindurch Bauer wie Priester gefasst sein uiussten, Päug oder Kreuz mit dem Schwerte zu tauschen.

Plön und Segeberg wurden wieder heraestellt; LUbek, das neue, an seiner jetzigen Stelle 1143 von Adolf II. gegründet, zeigt in raschem Aufblühen die Bedeutung seiner Lage wie des nationalen und religiösen Aufsch^vungs der Zeit. Vicelin, 1140 zum Bischof des laii'^ verödeten Oldenburger Stiftes erhol>en. gründet das Kloster Hageresth»»rp oder Cuzalin (HögersdortJ bei Segeberg, in Bornhöved und Bosau Kiichtti, sein Nachfolger Glerold Kirchen in LUtkenburg und Olden- burg, einen Markt und städtisches Leben in ütin, in welchem Gau das Oldenburger BLstum mit 300 Hufen ausgestattet wird. Um 1150 kommt als Kirchort Porez, 1151 Oldesloe vor, um llö»; wird eine Kirche in Alten- Krempe erwähnt: 1158 wird Lübek aus einer gräflich holsteini- schen eine herzoglich sächsische Stadt des gefürchteten Slavensiegers Hein- richs des Löwen, die er mit grossen Freiheiten und Vorrechten ausstettet, zum Sitz des Oldenburger Bistums erhebt und mit dem Dome schmückt. Im selben Jahre 1158 begabt Herzog Heinrich unter Genehmigung Kaiser Friedrichs das Bistum Razeburg mit 300 Hufen, um 1178 hat Bergedorf eine Kirrlie. nm 1181 tritt Travemünde hervor, 1182 entsteht an Stelle der Erteneburg das Schloss Lauenburg; der See Mulne, 1188 erwähnt, setzt einen Ort gleiches Namens voraus, das „alte Mulne" in einer Uikunde von 1194 genannt, die kürzlich geschehene Neu-

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Jansen,

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grOndungder Stadt. 1189 stattet Adolf HE. die Gistemenser, «welche er nach Wagrien gemfen hat,* mit der reich dotierten Ahtei Reinfeld aus; um 1197 werden Kirchen in Selent (Z:ilentc), Schlamersdorf und

Siiruu , 1190 zum » rstenmal ausdrücklich Rendsburg, um 1200 als Kircliort Wesenberg, 1219 eine Bur<j^ und 1222 ein Hafen TravemüiKie erwähnt; in denselben Jiihren entsteht aus unsicheren Anfangen das Kloster für Benediktinerinnen in Pretz.

Mit dem Osten hält der Westen Reichen Schritt; um 1140 haben Lunden, Bu.suni , Barmstedt Kirchen, Marne, Elmshorn (1141) sind als Dörfer vorhanden ; Burg in Dithniarschen hat 1 1 öO eine Kirclie, llamburir, wo Herzoi^ Bernliarfl von Sachsen zwischen Elbe und Alster eine ,neue Burg'* i:* >i:ründet und neben dem erzbischöflichen in der Altstadt seinen Wohnsitz genonimen, das dann die gewöhnliche Re- sidenz der Schauenburger Ghrafen geworden war, ist um 1150 bereits den Arabern bekannt. 1200 erscheint Efanshom (Helmeshome), offenbar ein alter Ort, zum ersteuniale, als Dorf. Hohenwestedti Eellinghusen (Kerleggeimsen, Schelinghusen?) , 1217 und 1221 zum erstenmale be- zeugt, werden als grössere Wohnplätze anzusehn sein.

Auch in Schleswig und Jütland zeigt sich in jeuer Zeit „der Waldemare", wie überhaupt so auf kolonisatorischem Gebiete gesteigertes Leben.

In Schleswig ist nebwi Ripen Tendern (Lütken-Tondem im Ge- gensatz zu Mögel-Tondern, vnnnals Thundär, dänisch Tönder) im An- fang des 11. .Jahrhunderts als llandels]t1at'/ bekannt. Hadersleben, ob- wohl urkmidlich genannt erst im \:\. .lalirlimidert (Hathärslöf, Haderslev) kann nicht allzu lange nach Kipen und Tündern, mag eher schon' vor denselben entstanden sein. Auch Apenrade (Obenroe, dSn. Aabenraa, zusammenhängend mit einem benachbarten verschwundenen Dorfe Gam- mcl-Opnör), ebenfalls erst 1257 als Handelsort genannt, wird min- destens im 12. Jahrhundert bereits bestanden haben. Garding er- scheint im Anfang des 12. Jahrhunderts als Kapellen-, Tönningen 118l> als Kirchort. Das Sonderburger ^) Schloss wird für eine Gründung Waldemars des Grossen (1169) gegen die slayischen Seeräuber ge- halten, noch älter das Nor burger, das seinen ursprDnglichen Namen Ais-Slot erst im Gegensatz zu der Sttderburg yenoren haben kann. Flensburg, gleichfalls um eine Befestigimg und zwar um die Johannis- kirche herum, in der llusby-IIarde. d. h. in Angeln, entstanden, gegen die Mitte des 12. Jahrhundi'i-ts schon Sitz einer Knutsgilde, in der ersten Hälfte des folgenden „grauer** und „schwarzer^ Mönche, darf mit einiger Sicherheit zu den ältesten Ortschaften des Herzogtums ge- rechnet werden. Cistercienser und zwar aus dem schwedischen Kloster Herrisvad kommen 1173 nach Lygum, wohin das von Seem veriegt wird ; das Guldholmer wird vom Langsee nach Ryde oder Rye im Glücksburger See ülK-rtragen. Fehmarn, erst seit dem 1 1 . Jahrhundert Dänemark unterworfen und von Dänemark aus christianisiert, so dass es mit dem Stifte FUhnen vereinigt werden konnte, hatte dne ge-

') Vgl. Sondentbamen und Nordhaosen; Sondgau und Sund ist nach Klage die atreng nochdeutsehe Form.

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Poleographie der cinibriächen Halbinsel.

021

mischte dftniscli-sIaTisclie Bevölkerung, grOesere Ortschaften aher noch nicht

In Jütland wird nach Viborg und Aarhus Aalborg, in Waldemars Erdbucli 1231 Alebui-gh genannt (von goth. alhs, alt.säcbsisch alali = Tempel y). als einer der ältesten Handels- und Verkehrsplätxe anzu- sehen sein, ist jedenfalls Adam von Bremen in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhimderbs schon hekaiini. Die gewöhnlidie Strasse der nor- dischen Pilger pflegte auf Aalborg, Ton da nach Viborg, so nach Schleswig und weiter zu fuhren. Auch Kolding, im Mittelalter Kaiding, in Waldemars Erdbuch Kaldyng. Kanders. bei Saxo Grania- ticu.s Kandrusiiim, im Isländischen Randards, in dänischen Diplomen Raudrus und Kandros, unsicherer Herleitung, und Horsens, in Walde- mars Erdbuch Horsnaes, sonst auch Horsenaes (von Hors und naes, Rossnase ?), gehOren alle drei mindestens dem 11. Jahrhundert an, werden mithin auch von dem Aufiuhwunge der Waldemarschen Zeit nicht unberührt geblieben sein.

7. Nachdem nämlich an der Südküste der westliehen Ostsee die unter Heinrich dem Löwen erwachsene deutsche Macht durch liein- ricks Aechtung und die Zerstückelung dieses ersten Ansatzes eines grösseren noradeutschen Partikulantaates Temichtet war, dringt das Danentum, kräftig und rOhrig, wie es alle Zeit gewesen ist, über die südliche Grenze vor, gewinnt die Ditlimarschen, erobert LUbek, er- obert IIolstein-Lauenburg und einen Teil von Mekleiil)nr<7 . nnd «b r angeblich deutsche Kaiser, damals der aufgeklärte ISicilianer Friedrich 11., tritt die wiclitigsten Gel^iete des ganzen deutschen Nordens, alle Lande jenseit der Elbe und der Eide an Waldemar II. ab. Durch den Sieg von Vohnir iassten die Dünen auch im Osten des baltischen Meeres festen Fuss. Wiedtf ist es das deutsche Fürstentum, das sich im eigenen Interesse der nationalen Aufgabe anniinnit. Die wichtige Entscheidungs- .schlacht von Bornhöved 1227 wirft das Dänentuni fllr immer in seine Grenzen zurück: Holstein kam an seinen rechtmässigen Herrn. Adolf IV., zurück, Lauenburg an Herzog Albert, dessen Sohn Johann Gründer der tiUishsisch-Ianenburgischen Linie wurde, die hier bis 1689 bestanden hat; Dithmarschen, die beiden aufbltlhenden Städte Hamburg und Lübek* dürfen wird» i sich selbst angehören, in freier Entfaltung ihrer Kraft und unbehinderter Ausbeutung ihrer T-n'^^e sich rüsten, weit über die engen (irenzen ilirer Gebiet«' hinaus/.utxreileu.

Dabei kommt nun den beiden holsteinischen Städten und den hol- steinischen Grafen das allseitige, teüs schon erfolgreiche uud fortgesetzte, teils neu aufgenommene Vordringen des christlichen Germanentums gegen die heidnischen Slaven, Letten und Esthen und der sehr aus- gesprochene Drang der Nation an das recht eigenthch doch germa- nische Meer, die Ostsee, zu statten. Meklenburg war durch Heinrich den Löwen unterworfen, die Marken durch Albrecht den Bären koloni- siert, Pommern aut demselben Wege besiedelt, auf den Spuren des Sege- berger Missionars Meinhard von Hamburger und Wisbyer Eaufleuten Riga gegründet, Livland erobert, und vom 4. bis 9. .Talirzehnt des 13. Jahrhunderts wurde vom deutschen Fürsten, Ritter, Bürger und Bauer, Priester und Mönche in seltenem Verein die zähe Kraft des

Janven,

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preussischen Heidentums in einem niuhen Lande Ton nnwegBamem Boden langsam aber sicher und gründlich <(< 1)r()rh(n.

Ein ungemeiner Aufscliwunp: des \'erkelirs zur See musste die Fol^'e hiervon sein: die äussersten Pole des nordischen Mittelmeers traten zum erstenmale in Beziehung und eine hohe Blüte besonders der Endpunkte der Verkehrsbahn entwickelte sich mit überraschender Schnelle.

Auf diese Steigmmg von Handel und Schiffahrt im nordeuro- päischen Binnenmeer war die Bd* Vitheit des südeuropäischen Mittel- meers . 'im Anschluss an die naliezu ununterbrochenen Kreuzzugsbe- we<^aingen von 1189 bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, nicht ohne Einwirkung.

Endlich hat auch in diesem Zeitalter das religiöse Leben seine "Wirkung auf kolonisatorische Thätigkeit von neuem erwiesen: der Höhen- punkt der Hierarchie unter Innocens HI. und seinen Nachfolgern, der neue Aufsclnvnni^ der mönchischen Richtung mit wesentlich veränderten, sehr praktischen Z^vecken, wie er in den beiden bald so einflussn'irhcn Orden der Dominikaner und Franziskaner sich kundgibt, sind auch m unserm Lande und für die Gestalt seiner Andedlungen wirksam ge- worden. In Lttbek, dem natOrlichen Brennpunkt aller Yerkehnrtrahleii des Baltischen Meeres, mussten diese verschiedenen Antriebe gesteigertes Leben wecken.

Nach der Aechtung Heinrichs des Löwen von Kaiser Friedrich Barbarossa selbst in Besitz genommen und mit einem kaiserlichen Freibrief begabt (1183), dann eine dänische Besitzung, noch vor der Bomhövder Schlacht aber durdi einen neuen kaiserlichen Freibrief im Lager von Parma (Mai 1226) für eine , stets freie und zum kaiser- lichen Dominium sonderlich gehörende" Stadt erklärt, in ihrem Gebiete er\\'eitert und «gesichert, mit den wcitf^ehondsten Zollfreiheiten . Erlciclit»— runden, lioheitsrcchteii ausgestattet, nalnn Lilbek einen kr;tfti<ren An- teil an dem Kampfe gegen den nordischen Naciibar, ui dein es einen bedrohlichen Nebenbuhler auf der Ostsee erkennen musste, und gewann durch den Sieg die volle Freiheit seiner Bewegung zurück. Das Bttndnis mit Hambuig 1241 sicherte die Transitstrasse von der Mündung der Trave bis „Hamm^nborg* und „von da durch die ganze Elbe bis in das Met r*" gef^en störende Gewaltthat und Strassenraub. So wuchs das kleine rührige Gemeinwesen in kurzer Zeit zu jener Stellung au der Spitze der deutschen Hansa empor, die es mehrere Jahrhunderte ohne ver- brieftes Recht einzig und allein kraft seiner Hachimittel und staats- männischen Klugheit behauptet hat, durch Geld- und Yolkreichtum, E[rieg8- und Handelsflotte, Pflege der Kunst und des Handwerks die Kdnigin des dciitsflion, ja des europäischen Nordens.

Mit Notwendigkeit mussto an diesem Aufschwung der gegebene Ausstraldinigspunkt des baltisclun 1 'urchgangsverkehrs an die uiederlän- disch-cngli säen Kosten, Hamburg teilnehmen. Obwohl eine gräflich hol- steinische Stadt und sogar Fürstensitz, erhielt auch Hambuig kaiseiliche Zollbefreiungen, Fischereigerechtigkeiten und andere Vorteile und er- freute sicli schon l)ald nach iler Bomhövder Schlacht einra eignen Stadtrechtes und des Münziegals.

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Poleographie der dmbrücheu Halbinsel.

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Durcli ganz Holstein verbreitet sich, dieser Aufschwung auf dem Gebiete des Handels imd Verkehrs, der Religion und der Sitte. Das mittlere Drittel des 13. Jahrhunderts ist die Entstehuiij^s- oder Ge- staltungszeit der schleswig-holsteinischen Kaufstädte, und die gehäuften, zum Teil völlig neuen und planmässigen Gründungen von Städten an der Küste wie im Binnenlande lassen auf das erneute Einströmen einer zahlreichen Bevölkerung von jenseit der Elbe, aus Fiaudem, Holland, Kehdingen und aus W estpbalen , Tielleicht auch Hessen sdiliessen. 1286 erhielt FlSn Stadtrecht, 1288 gründete Adolf IV. auf dem alten Bargplatz die Neustadt von Itzehoe, mit lübschem Rechte bewidmet, das der Altstadt erst 1:503 zu Teil ward. Zwischen 1283 und V242, wo sie vom Grafen Joliann 1. ihr Gebiet zugewiesen und 'das lübsche Recht erhält, ist die HoLstenstadt am Kvle ') nach wohlberechnetem Bauplan mit regelmässigem Strassennetz entstanden, unter reger Be- teiligung des holsteinisiäen Adels, aber auch, wie die Namen seiner Strassen noch heute bekunden, südelbischer Stämme. Eine gleich regel- mässige Anlage und genau dasselbe Strassennetz zeigt die „Nygenstadt by der Krempen", Nienkrempe, Nvf^enstadt, Neustadt, deren Stadt- verfassung dem Jalire 1244 angehören soll, deren Kirche, eine der schönsten des Landes, im Jahre 1259 erwähnt wird. Die dritte Kauf- stadt an der holsteinischen Ostkfiste, Hefligenhofen (HeUigenhafen, HaTcnis erscheint mutmasslich zuerst in der TiUa teutonica Hele- rikedorp und ist dann um die Mitte des Jahrhunderts mit dem lübschen Recht Itewidmet worden. Die Kirche wird zuerst 12(i2 genannt. Seit dem Anlang des 13, Jahrhunderts kommt Veile (Waethlae, Waethel, Wedel) empor, 1257 ist Apenrade ein Handelsplatz, 1284 hat Flens- burg, schon länger als villa forensis bezeichnet, städtische Verfassung, im selben Jahrhundert Horsens das schleswigsche Stadtrecht erhalten; 1288 werden die E lvernförder als oppidani bezeidmet. Kolding, seit der Mitte des Jahrhunderts als Grenzfeste wichtig, mag seine 1321 von Cbristopher II. ])est;lt!<^'ten Privilegien um glcirlie Zeit erhalten haben.

Auch im W esteii und im Inneni des Landes entwickelt sich das städtische Leben. 1243 hat Toudern das lübsche Recht, Hjörriug seine ersten PriTilegien, um 1250 Meldorf seine städtische Verfassung er- halten; 1255 erscheinen Krempe, um 12G1 Razeburg und Mölln, 1209 Zarpen (Scerben, Tzerben). dem Kloster Reinfeld gehörig, im selben Jahr Ripen. 1275 Bergedorf und Lütkenburg. wenig später Wüster und Eutin, 1290 Boriilj' ved als Städte und zwar meist lübschen Rechtes.

Mit dieser sichtbaren Rührigkeit auf dem Gebiete der norddeutschen Sonderstaaten treffen die vom romanischen Sflden her rasch fortge- pflanzten Einwirkungen zusammen, die auf religifieem Gebiete von den Bettelorden, besonders den beiden berOhmtesten, den Dominikanem und Franziskanern, ausgingen.

In rascher Folge erstehen in den cimbrischen Herzogtümern von

Ueber den Namen s. snr Wortdeatun^ S. 553. ') Wenn ni- lie pewöhnlicbe mit naes verwandte, bis ,gris nez' herab- gebende Bezeichnung einer Land6pit2e üt, so wird es, wenngleich portus sacer Twkommt, sweifelbfSt, ob Have flberbaopt mit Hafen etwas m tbtm hat und nicht vielleicht da« HaiF meint.

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Jansen,

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1227 bis an und über die Mitte des Jalirbimdeits eine Reihe ron gnind- besitzenden und Bettelklöstern, mit vereinzelten Ausnahmen im Osten des Landes, kein einzit^es im dithmarsischen oder firiesiach^ Westen;

in unmittelbarer Nacliwirkuug des von den Zeitgenossen als ungewöhn- lich schwerwiegend empfundenen Sieges von Bornhöved ward noch 1227 oder 1228 das Nonnenkloster Reinbek, Cistercienser Ordens, von Adolf IV. selbst gegründet; 1227 das Franziskaner in Hamburg, gleich&Ils Ton Adolf IV. der heiligen Mazia Magdalena geweiht, von ihm selbst als Mönch bewohnt; gleichzeitig oder wenig später die Dominikanerklöster in Lübek und in Hamburg, beide zum Dank für den Bornliöveder Sieg; die von TladtTslebfii, Tondern, Hipen, Schleswig, gleiches Ordens, das letzt(>n' auf fall('ii<ltM\v( isf^ aurli der von den Holsten gefeierten Sieg- verleiherin Manu Miigdaleua ^eweilit. Die Franziskaner erhielten sehoii 1225 einen SitE in LÜbek, im 4. Jahrzehnt dieses Jahrhunderts in Ripen, in Schleswig, in Tondern; 1260 erst ward das Kieler Kloster fertig. Gegen die Mitte desselben .hihrhunderts (1235) gründete Heinhdi Ttm Barmstedt das Nonnenkloster Cistercienser ( )rd('ns in Uetersen, dem er «eine Burg an der Pinnau und die Hälfte des damaligen Dorfes Assehurg überlies.s, Heilwig, Adolfs IV. gleichgesinnte Gemahhn, vor 1247 das >iounenklo8tt;r Harvstehude (Herwardeshuthe). Um dieselbe Zeit entstand durch Ter- pflanzung der Mönche ans dem gemeinsamen St. Johannisklosfcer in Lübek das von Cismar; zwischen 124G und 1250 hat das wiederholt verlegte Nonnenkloster Porez seinen dauernden Platz an jetziger Stelle erhalten; 1203 das bisherige Ivenfleeter den seinigen in Itzehoe; auch das des heiligen Johannes bei Schleswig auf dem Hohne muss vor 1250 gestiftet sein. Aehnhch üben in mekrereu der jütischen Städte ktösterliehe und kirchliche GrOndungen dieser Zeit Emfluss auf die Er- weiterung der Ansiedelungen. Mit dem Ende des 13. Jahrhnnderfes sind die geistlichen Stiftungen, von vereinzelten spateren, z. B. Arens- bnk (13S(;), Me1<l()rf (15. Jahrb.), abgesehen, in der Hauptsache zum Abscliluss gekommen.

Damit hat neben Adel und Städten ein dritter, der mittelalter- fiehen Gesellschaft wesentlicher Stand seine Ausbildung und Festsetanmg auch in den Cerzogtttmem erreicht.

Gemäss der Doppehiatur der katholischen Kirche als einer Heils- und Sitfcigungsaiistalt und einer weltlichen Madit zugleich haben auch die kirchlichen Kiiirii htnngen in den einzehien Ländern diese zwiefache Bedeutung. Während die Bistümer, Domkapitel und Klöster als körper- schaftliche Grossgruudbesitzer und reiche Pfründner eine massgebende politische wie sociale Stellung gewinnen, üben sie nicht bloss auf Sitte und Hecht einen sehr sichtbaren Einfluss aus, sondern sie tragen zu- nächst im eigenen Interesse zur Bebauung und Ausnutzung des Bodens, zur Herstellung von Selmtz- und Besserungsbauten, zur Gewinnung neuer Kulturflächen, mittelbar also zum Aufblülien von Stadt und Land in sehr erheblichem Umfange bei. Urnen vorzüglich ist auch die Grün- dung einer Anzahl neuer Kirchen in den letüien Jahrzehnten des 13. nnd den ersten des 14. Jahrhunderts zu danken, welche meist aus dem Bedürfnis kleinerer Gemeinden und näherer Kirchwege liervoigegangim sind; so hat um 1281 Albersdorf in Süder-Ditbmarschen, Hohenaspe auf

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Poleographie der cuubriachen HalbinseL

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Kosten von Hoheuwtstedt eine Kirche erhalten; 128G wird eine Kirche in Brunsbüttel, auch in Grömitz, 1316 in Bramstedt, 1328 in ÄMnslidk (Amesboken Adlemest?) erwähnt.

Im Anfang de.^ 14. JahrHunderts kann die Besiedelung der cim- brischen Halbinsel als wesentlich abgeschlossen gelten. Die politische Zerteilung des Landes hat sich im begreiflichen Anschluss an die natürliche Gescluedeulieit der drei Abschnitte des Nordens, der Mitte und des Südens vollzogen. Zwar erstreckt sich die dünische Ober- koheifc bis an die Eider. Aber infolge teOs der Wichtigkeit, die Schleswig als eine Mark gegen den sOdlichen Nachbar hatte, teib des von An- beginn dieser marl^äflichen oder herzoglichen Stellung trotz naher und närlistt-r Verwandtschaft sicli ontwickehideu Zustandes dauernder Sjianuung und Feindschaft zwischen den schleswigschen Herzögen und den dänischen Königen hat sich das Land südlich der tiefen Furche der Königsau mehr und mehr von dem Übrigen Norden der Halbinsel gelöst und zu einem erblichen Herzogtum ausgebildet; eine Sonderung, die bald in dem aufk miuh uden Namen Schleswig als Bezeichnung des ganzen Landes sich kundgibt.

Jüthmd und Scldeswig zerfullon nach alter nordischer Weise in Sysseln, die Sysseln in Ilardeu. d. h. Hundertschaften. Syssehi gibt es nach Waldemars U. Erdbuch vom Jahre 1231 in Scldeswig drei, das Barwith-, Elläm- und Istatfaesyssel. Ausserhalb der Sysseleinteilung stehen die frie- sisdien Utlande, mehrere Inseln, das durcn verschiedene Gegenden zer- streute Krougut, Höfe, Dörfer, Stadtteile, game Distrikte, die geist- lichen und adeligen Besitzungen, welche letzteren in früherer Zeit ziemlich gleichmässig über das ganze Herzogtum zerstreut waren, und die Städte. In Holstein haben sich zwei nl^äiiti^"^ ausgebildet: der Bauernireistaat Diihmarschen und die Grafschaft Holstein Diese drei alten unter dem Namen Holstein vereinigten Gaue sind damals aber bereits so sehr aus einem Amtsbezirk in ein wirkliches Territorium, Land, übergegangen, dass Teilungen des Ganzen als eines vilterlichen Erbgrundstücks schon seit geraumer Zeit (127;^) als gewohnte LTebung galten. Dal)ei wird al)er doch der Gedankt- der Landest-inheit festgehalten: Gerliard IL, der mit seinem Anteil und seinem Sitze Plön Wagrien, und Heinrich L, der mit Rendsburg das alte Holstenhmd darstellt, erhalten 1307 vom sfichsi- Hchen Herzog Johann entgegen dem sächsischen Lehensrecht die Be- lehnung zur gesamten Hand. Durch ihre Vögte verwalten sie« soweit das Mittelalter überhau j>t verwaltet, von den Hauptsclilössem aus die unter sie gelegten Kirchspiele und begründen so bei fortgesetzter und wechsehider Teilung die bis auf unsere Zeit gebliebenen Aemter, deren

'J hl den Urkunden d«'.s 12. und l'A. .Tahrhunderts wecksehi dio BozMich- nungen de.« Lande« ziemlich l/unt. Die Graten nennen sich .sehr oft von Holstein, Stomiurn . Wagrioi , imd /war auch noch m verschiedener Reihenfolge , oder Hol- stein und Storaiarn in stehender Ordnung, ara meiftf'n aluT doch, schon seit Ende des 12. Jahrhunderts, nur (Jrafen von Holstein (Hol.-^atiae, Holt.satiao u. a., auch Almtiae); die Namen .Srhauenburg be/,\v. Orlamünde treten wohl hinzu; der erstere erscheint oft nucl» allein; einig^eunil vertritt auch Wagrien die anderen Teile mit. Nordalbingien, Transalbingien meint entweder Lauenburg undMekleuburg mit oder auch Holatelii alleiii.

FoMdhmgtD tav deatiolMii LudM« vad Tolkümodc. L 8. 96

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Jaiuen,

Amtmänner Vis m unser Jahrhundert als fürstliche Satrapen betrachtet werden mochten.

Neben den beiden Landen stehen die beiden «Städte* Hamburg

und Lubek mit mehr als ebenbflrtiger Macht; Hamburg gilt noch immer als eine holsteinische Stadt.

An der Ostsee erzeugt der gesteigerte Handelsverkehr der Hansa, welche um die Mitte des 14. Jahrhunderts den Höhepunkt ihrer Macht erreicht, Erweiterungen dürt iicher Ansiedelungen oder Bui'gen zu städtisch Terwalteten Ortschuten, die aber nam Teil mit dem Ausgai^ des Hittelalters auf ihren froheren Stand zurQcksinken. 1328 wird wube, ausdrücklich zuerst erwähnt 12:^2, eine Stadt lübschen Rechtes genannt, 1320 kommen Ratsherren (consnles) auch in Burg auf Fehmarn vor, Grömitz (slaviseli Grobenetze von gral» Weissbuche), 1 -^22 an das Kloster Cismar verkauft, mag nicht viel später städtische Verfassung be kommen haben, in deren Besitz es freilich erst 1440 erwähnt wird. 1436 hat Tön- ningen einen Bttr^ermdster, sein StadtpriTflegium ist erst von 1590. Steide, 1404 noch em kleines Dorf, nimmt seit dem Beschlüsse der 8 nörd- lichen Kirchspiele vom 3. Februar 1447, auf Grundlage eines Land- rechts ein obei-stes Landesgericht zur L^nterdrückung jeglicher Fehde herzustellen zu welchem Gedanken das deutsche Reich sich erst 1495 erhob und dasselbe an dem Punkte, wo die drei Döfte, denen sie angehörten, sich berOhrten, an dem Schneidepunkte der nordsOdlichen Längenstrasse und des ostwestlidien Querweges, «up der Heide* ta erridkten, „die Heide* also, wie der Dithmarscher bis heute richtig sagt, nimmt als Sitz des Lan(lps<j:enchts durch den hinzutretenden Markt- verkehr, dessen frilliore Bedeutung nocli heute durch den ungewöhnlich grossen Markt})latz Ijezeugt wird, rasch einen solchen AufschwuniX. dass es bald, obwohl immer nur noch ein Flecken, die alte Landeshauptstadt flberholte. 1448 trennte sich der zuerst 1252 als Husenbro erscheinende Ort Husum oder Husen als eigenes Kirchspiel TOn Mildstedt ab und ward 146.1 zur Stadt erhoben.

Während dieser anderthalb Jahrhunderte waren in dem Verhältnis der deutsclien Grafschaft Holstein und des dänischen Herzogtums Schleswig bedeutsame Veränderungen vorgegangen. Obwohl die Tei- lungen des Territoriums unter die jedesmaligen Söhne fortdauerten, wie sie seit 1278 in Holstein Sitte geworden waren und nun Hervor^ treten bald zweier, bald mehrerer fürstlicher Linien geführt hatten, als deren Sitze Itzehoe, Rendsbur'^'. Kid, Plön, Segeberg in wechselnder Weise erscheinen, weiss dmh l;!2ii der Rendsburger Graf Gcert der Grosse durch kluge und kräftige Benutzung seiner Verwandtschaft mit dem schleswigschen Herzogshause imd der damaligen politischen Lage in Dänemark che Belehnung mit dem Herzogtum Sttderjfitland d. h. Schleswig zu erlangen. Deutsche Ritter, vorwiegend aus den damals mächtigen Geschlechtern des holsteinischen Adels, setzen sich besonders in der südlichen Hälfte des Dststrpifens ff-st, verdrängen die dänische ^Sprache und ölTiien drntschcm Wesen das einst so gut deutsche, aber seit der Völkerwanderung fast dauisierte Land. Geert bleibt der erste Erwerber dieses Landes för Deutschland. Seine Söhne hielten trots manchen Wechsels der Lage den Täterlichen Anspruch fest Elans

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Pol6(^raplue der eimbnadien Halbinsd.

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erwarb am CO. Jahrestage der ersten Belehnung das Herzogtum, das im Jahre von Geerts Ermordung durch Niels Ebbesen 1310 zum ersten- male mit deutscher Bezeichnung als Schleswig vorkommt, aufs neue als ein zwar dänisches^ aber im Gesamthause der Holsten Grafen erb- liches Fahnenlehen* Und als nun aus einem 80jährigen Kriege das Ghrafenhaus siegreich herrorgegangen war und 1440 Graf Adolf Klaus' einziger liberlebender Enkel, zu Kolding das dänische Fahnen- lehen Schleswig in bündigster und feierlichster Weise zum drittenmale dem deutscheu Fürstenhause erworben hatte, schien es fiir inmier un- angefochten im deutschen Besitze bleiben und einer baldigen Germani- sierung entgegengehen zu mUssen.

8. Aber die Gegenwirkung blieb nicht aus. Der «Rat des Landes* bot 1460, nm nach dem Aussterben der Holsteinischen Schauenburger einer Trennung der Lande durch Erbgang vorzubeugen, dem Dänen- könig Christian I. aus dem Oldenburger Grafenhause die Hand, nicht bloss Schleswig zurück-, sondern auch Holstein dazu zu gewinnen, immerliiu unter der feierlichsten Gewähr einer reinen Personalunion der «auf ewig ungeteilten* beiden Lande mit dem Königreich Dinemark. Schon unter Christians Sohn Johann I. beginnen trotz der Privilegien die Teilungen wieder und zerlegen, ohne die Einheit des Landes ansn- t^sten, jedes der l)eiden Territorien in vieltiu h wechselnder Weise in eine Anzahl gesonderter Grupjien von Aemtern, die nur vom Gesichts- punkt der Ausgleichung an Einkünften gemacht zu sein scheinen und bunt durch beide Herzogtümer zerstreut liegen. Als die Reformation die grosse Menge geistlidben Gutes zu einem bedeutenden Teile herrenlos machte und der „Welt" überwies, griflfen Fürsten und Ritterschaft um die Wette zu. Die schleswig-holsteinischen Ritter, mächtig durch den Besitz bedeutenden Grund und Bod< ns, der Landstandschaft und ge- wisser Hoheitsrechte über ihre Uuterthanen, retteten f[\r ihre Körper- schaft die vier wohl ausgestatteten Klöster Schleswig, l'retz, Itzehoe nnd Uetersen. Die übrigen Klöster yerwandelten siä meist in forst- liche Schlösser, ihre Besitzungen in fürstliche Aemter, die nunmehr eine erhebliche Quote der fürstlichen Landesanteile bilden. 1559 gelingt es endlicli aucli der verbündeten Fürstengewalt, erstarkt wie sie in- folge der Keformation überall war, das ireie Dithmarschen zu unter- werfen und aufzuteilen.

Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts beginnen sieh die mehreren Teile auf zwei Hauptteile abzimmden, einen königlich dänischen und einen herzoglich gottorpischen , neben denen noch die kleinen Ge-' biete der sogen, abgeteilten Herren, eine Art privater Fürstentümer, stehen und auch die Besitzungen von Prälaten und Ritterschaft als gemeinsamer Anteil für sich verwaltet werden. Die Herrschaft Pinneberg, ein Besitz der Stammhuie an der Weser, die freie Reichsstadt Lübek stehen aussen ror. Hamburg konnte noch immer die förmliche Anerkenntmg einer gleichen Stellung nicht durchsetzen. Der Bischof oder Admini- strator des Stiftes Lübek suchte gleichfalls und mit wachsendem Er- folLfe seine Zugehörigkeit zum Lande Holstein zu lösen. Die mehreren Fürstenschlösser zu Haderslcljen, Xorburg. Augustenburg, Glücksburg, Gottorp, Plön, Eutin, Reinfeld, die freilich nur kurz bestehende Reichs-

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Jansen,

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grafschaft Rantzau, gebildet, aus dem kleineren Anteil vuii Pinnel)»*rg, eutUich daa reiclii>ritier»cliatlliche Gut Wellingbüttel, ,terre apparteuaute au baron de Kurtzrock et imm^diatemeat sounuse ä l'Empire d'AUe- magne", wie der Grenzpfahl den biedern Hokten meldete, spiegeln den deutschen Partikulansmus im engen Rahmen eines Temtorinms in be- zeichnender Weise wieder.

Jene scheinbare Vereinfachung der Zersplitterung beider Lande durch eine Zweüierrschaft musste über kurz oder lang zu der unver- meidlichen Entzweiung zwischen zwei an Macht so ungleichen Genossen führen, die obendrein gemäss dem allgemeinen Znge der Zeit auf Sifir- kui^ und Ununiächr'dnktheit der f&rstlidien Gewalt eifrig bedacht waren.

Unter die.sen Verhältnissen erwuchsen am Ende des IG. und iiu Laufe des 17. Jahrhunderts eine Anzahl neuer städtischer Gründungen teils im königlichen, teils im fürstliclieu Gebiete. l^^H2 Hess Hans der Jüngere in dem eben erhalteneu Anteü das alte Rjdekloster abbrechen und ein Schloss, GllUcksburg, in dem schönen Wudsee, den einst die MSnche zu finden gewnsst hatten, erbauen, um welches sidi dann der freundliche Flecken erhob. Derselbe erbaute 1509—1604 nahe dem niedergerissenen Kloster zu Reinfeld ein festes Schloss mit Wa-^ser- könsten und schönen Gärten, das 1772 wieder verschwunden ist und 1839 ein stattliches Schulhaus zum Nachfolger erhalten hat.

Im Jahre 1616 legte Chiistäaii IV. von Dänemark in seinem An- teil an Holstein, nach vorangegangener Eindeichimg der BOlowsehen und Blomeschen Wildnis, am nördlichen Ufer des Rhins, da wo er in die Elbe mündet, „zur merklichen und ansehnlichen Verbesserung Unseres Fürstentums Holstein", wie es in der Gründungsurkunde vom 22. März 1617 heis.st, auch „zu melirerer Sekurität", wie sein Sohn Friedrich in der Bestätigung der städtischen Privilegien sagt, voruehiu- lich aber wohl aus Handelseifersucht gegen das damals noch schauen- burgisdie, eben aufkommende Altona und g^en das blQhende, stets unbotmässige Hamburg, eine Stadt an, die er Glüclcstadt nannte, mit dem lübschen Hechte, genau so wie es Wüster hatte, und in den zwan- ziger .Tnliren noch mit weiteren Privih'gien ausstattete, allen Rehgioiis- bekenntnisseu öflnete, endlich auch zu einer unverächtlichen Festung und zum Sitz der holsteinischen Regierungskanzlei erhob. Die Stadtgemeinde konstituierte sich 1620 mit einem Magistrat von zwei ernannten Bürger- meistern, zwei Batsherren, einem Stadtsekretär und einem Deputierten- kollegium von acht Männern, in welchem alle drei „Nationen", Hoch- deut^rlie. Xiederländer, Portuiriesen (Lutheraner, Reformierte, Juden), vertreten sein sollten. „Gouverm ur" der „Stadt und Feste Glückstadt* war der Anitnianu von Steiuburg. 1020 folgte der wisseuschatlhch angeregte und mit den Besserungsbestrebun^en seines königlichen Kol- legen wetteifernde Herzog Ton Gottorp Friedrich HI. dessen Beispiel und stellte am 21. Oktober eine Urkunde aus, in welcher er, um seine Lande ,zu Wohlfahrt und geschwindem Zun(;hmen zu brinp^en". den- jenigen Persouf^i „remonstrantischer Konfe.ssion", welche, wie er he- richtet sei, „andere Wohnungen suchen*' und auch wohl in „seine Fürstentümer und Gebiete" kommen wollten, „um sich Muslich nieder- zulassen, ihre Religion in Freiheit zu beleben und ihre uegotia und

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Poleographie der cimbriachen üalbinseL

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Handel zu betreiben", „sichern Distrikt zur Wohnung an dem Büder** ström, an und rand berum den drei Schleusen oder der neuen Führe

vergönnte und anwies". Die Remonstranten sollten die Regierung der Stadt und exercitium publicum ihrer Religion haben, wie auch die Ein- wohner augsburgischer Konfession. Diese Rerripi^'i^r? sollte zu einem 1 )rittel aus fürstlicher Ernennuncf. zu zwei Dritteln aus Kooptation der ernannten hervorgehen. Den fürstüchen , Statthalter"* ernannte der Fürst, über aus der „niederländischen Nation*. Ausserdem ward der Stadt Freiheit von Einquartierung und auf 20 Jahre auch von Steuern und Zöllen ge- wahrt. Durch eine Urkunde vom 13. Februar 1623 wurde den , Menno- nisten* „gnädig gewilli<^^t und fürstlich versprochen*, sich „nnpr» hindert, sicher und kühnlich in Unsre Friedrichstadt zu wohnen Ix ^^eben" zu dürfen und „jeder Unseren andern zu Friedrichstadt gesessenen Bürgern und Einwohnern gegebenen Privilegien geuusshaft" sein zu sollen, ohne ZU Leistung von Eiden, Uebemahme von publica offida oder Gebrauch von Wehr und Waffen verpflichtet zu sein. 1624, 25. Februar, erging eine ähnliche «Konzession" zu Gunsten dt r katholischen Gemeinde, da Friedrichstadt vor allem auf den Handel mit den „regnis Hispaniarum et ditionibus BelgicLs* angewiesen sei. Weitere ergänzende Erlasse folgten nach, unter anderen 1706 einer für die Quäker. Das Stadtrecht, eine für alle VerhSltnisse bis ins eiuEelne ausgeführte Arbeit^ 562 Seiten im corpus statutorum Slesvicensium, deutsch und holländisch wie die Stiftungs- urkundet zeigt uns iimiitten eines unumschränkt regierten Fürstentums das bemerkenswerte Bild einer völligen städtischen Selbstverwaltung.

Dil' neue Anlage dehnt sich als ein rechtzeitiges Viereck zwischen der Eider und dem untersten aufgestauten Ende der Treene aus, die in zwei Haupt- und mehreren Seitensträugen durch die Stadt in den Hauptfluss geleitet wird; mit diesen ihren „Grachten*, ihren baum- besetzten geraden Strassen, der Form ihrer Bürgersteige bis heute eine völlig holländische Stadt. Die bald an diesen \V est seehafen geknüpften Pläne, den persischen Seidenhandel nach Kiel und von da auf gottor- pischen Strassen über Fried nrhstadt in den westlichen Ocoan zu leiten, zu welchem Zwecke eine iür gottorpische Verhältnisse grossartige Ex- pedition nach Persien gesandt wurde, haben sich nicht verwirklicht. Wie bei Glückstadt zeigte sich hier der fürstliche Wille doch der Macht der Verhältnisse gegenüber ohnmächtig. Aurli die königliche Schöpfung Friedrichs III. auf Bersodde am Kleinen Bell, begründet dun Ii einen Freibrief vom 15. Dezember 1650, Frideru ia, zunächst bestimmt zu einer wirksamen Zuflucht- und Flankensteliung auf jütischem Boden, wie Älsen es war auf schleswigschem , hat den weitergehenden Hoff- nungen seines GrOnders, trotz späterer Freibriefe, besonders CShristians V. 1682, nicht entsprochen.

Dagegen kam durch die seiner Oertlichkeit innewohnende Gewalt dicht an der westlichen Grenze Hamburgs, dem jetzigen Bek oder Stadtgraben, vormaligen Alteuaa oder j\ltenau, ein Platz immer wieder empor, der, im Anfang des 14. Jahrhunderts abgebrannt, gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts unter dem Namen Altona wieder erscheint, 1547 aufe neue durch Feuer zerstört, trotz der Gegenwirkungen der Hamburger bald auch wieder ersteht und seit 1601 allen Rdigions-

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Janseu,

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genossen geö&et, 1616 bereits als StödÜem bezeidmefc wvd. 1640 ward durch Ausst^ben der schauenburgischen Stammlinie die Herr- schaft Pinneberg, zu welcher der Ort gehörte, erledigt. Der könig- liche Mitherzog ging mit dem Tjr>wenanteil davon; zu ihm gehörte Altona. I»t40, 23. Augiist. verlieh ivönig Friedrich III. dem von der Herrschaft exiniierten, vielversprechenden Ort sein erstes Stadtprivi- legium, dem weitere YercfOnstigungen folgten. Durch die aller Gegen- bemflhtmgen spottende Bedeutung seiner Lage, die Iföbe des damals in Tollt'ui Auf1»1ühen begriff(Nien Hamburgs, den Zuzug reicher und ge- schäftätüchtiger Fremden, namentlich portugiesischer Juden \m<] hol- ländischer Kemonstranten , gewann diese Stadt in wenig Jahrzelinten einen Wohlstand und eine Volksmenge, denen auch die wiederholten Brandschatzungen im nordischen Kriege, die Feuersbrunst vom Jahre 1711 und die berflchtigte Verheerung 1713 dtoeh den schwedisdiea Gkneral Steenbock nichts anhaben konnten.

Durch Altona musste das bereit« 1310 erwähnte, 1548 zu einem eigenen Kirchorte orhobene Ottensen, dorn bis 1(549 Altona eingepfarrt war, als Vorstadt je länger desto mehr mit gehoben werden. Auch Pirnieberg (Bynnenberghe), ursprünglich nur ein festes, im ÜUjährigen Kriege nicht unbedeutendes Schloss, das 1720 abgebrochen ward, scheint durch Altonas Emporkommen imd dun^ das Bedürfnis einer kilrzeren Verbindung Altonas mit Elm.shom geweckt zu sein, hat aber Fleckens- gerechtigkeit erst 1^2»; erhalten.

Nach entgegengesetzter Richtung wuchs unter gleicher Einwirkung das ursprüngliche Dorf, dann Schloss, das im Jahr 1(334 erst zu einem Kirehone eäobene, damals aber auch ab Freistadt für Juden gesuchte Wandsbeck (richtiger Wansbek) an der Wanse, mit seinem grossen Nachbar empor.

Bredstedt wiederum, ein alter Ort und schon 1510 als Flecken bezeiclmet, hat sich trotz der von Thristian IV. 1&62 1(333 und Friedrich III. 1().'')4 erhaltenen Vergünstigungen und Privilegien aus seiner örtücheu Bedeutung heraus nicht zu erheben vermocht.

Derselben Zeit und zwar der R<>gierung Friedrichs IXL gehfiit auch Friedrichsort an. Ursprünglich legte zur üeberwiulmng seines herzoglichen Mitftlrsten TOn Schleswig-Holstein Christian IV. 1632 auf Priesort, d. h. auf der zur Feldmark des Dorfes Pries gehörenden Spitze, die den Innern Kieler Meerbusen schliesst, eine Festung au, die er Christianspries nannte, 1644 aber schon von Torsteuson einge- nommen sehen musste. Sein Nachfolger Friedrich DL liess die Festmig 1648 schleifen, sp&ter aber (1668) auf der jetzigen Stelle, etw» 250 m von der früheren entfernt, die durch den Kirchhof bezeichnet ist, wieder herstellen und nannte sie nunmehr Frierlrichsort. Dass dieselbe je nach den wechselnden Königen bis zur Regierung Friedrichs V., d. h. also bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts bald Kriedrichsort, bald Christiaus- pries genannt worden ist, mag als Unicum und als bemerkenswertes Zeichen der absolutistischen ZeitstrQmung eme Bemerkung Yerdienen.

Auch die gottorpische Regierung setzte ihre Bestrebungen rar Hebung des Landes nach dem Sinne und Geiste der Zeit und den fr**!- tenden AufiEassungen Ton fürstlicher Machtvollkommenheit fort lio

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Poleographie dar cimbrischen flAlbüuel.

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Jahre 1634 hatte eine der furchtbarsten Fluten. <lt>r. n die Ueber- lieferung gedenkt, in einer einzigen Nacht nicht bloss viele Tauseude von Menschen und Vieh, sondern auch die ganze reich angebaute, 3 Meilen lange, 2 Meilen breite Insel Nordstrand in ihren Wellen be- graben. Die kleinere Hälfte derselben tauchte wieder auf, aber in zwei Toncfinander gerissenen Stücken: das westliehe^ Pellworm, wurde in den nächsten Jahren von d^ Yerannt^n Ein-vvohneni «Inn Ii neue Deiche notdürftig geschützt. Das östliche aber bheb einige Jahrzehnte hindurch unbedeicht; und nun ward eine Massregel verhängt von un- glaublicher Ungerechtigkeit und Tyrannei: der Herzog Friedrich über- wies die Insel durch Octroi vom 18. JuU 1052 an eine holländische Gesellschaft, welehe die Mittel hatte, die Eindeichung und Sichsfung der Insel dnrchzafllhren, nnd £reie Religionsttbong für Katholiken wie Hefonnierte, sowie unabhängige GemeindeTerwaltung zugestanden erhielt. Ohne einen rfrosclien Entschädigung wurden die vom Schicksal sdion so schwer iieinigcsuchtcn von Haus und Hof getrieben. Der Thränen- strora, mit dem die Gemeinde die Ankündigung von der Kanzel auf- nahm, stellte die Summe ihres Widerstandes dar. Der schleswig-hol- steinische Westen aber hatte wieder einmal seine uralte Beziehung zu dem ganzen niederdeutschen Küstenlande bewährt, die bis auf den heu- tigen Tag einen leisen Strom der Wanderung her wie hin fortgenährt hat.

Um dieselbe Zeit suchten die Gottorper ihre Gebiete durch Festungs- bauten zu sichern und legten namentlich in Tönningen, das erst 1590 unter Johann Adolf städtische Verfassung erhalten hatte, 1044 mit einem unrerhältnismSsigen Kostenaufwand eine starke Festung an, welche jedoch die nicht mehr allzu ferne Veigewaltigimg durch den übennüchtigen Mitherzog zn verhindern nicht imstande war.

Anderer, obwohl zum Teil doch wieder verwandter Art und in unserin Lande einzig dastehend, eine rechte iSLOlonie und Stätte der Freiheit, ist die kleine Schleistadt Amis.

Gequält und bedrängt von der Gutsherrschaft des benachbarten Roest, welche Hoheitsrechto Ober das ursprOngliche Fischerdorf Kap- peln (genannt von einer St. Nikolauskapelle) gegenüber dem Schleswiger Domkapitel behauptet und durchgesetzt hatte ') und welche damals, wie es scheniK mit mehr als gewöhnlicher Willkür Eigentum, soweit es vorhanden sein konnte, Freiheit und Leben bedrolite und antastete, gaben 04 Kappeler Familienväter über 30 waren zurückgetreten mit mutigem Entschlüsse Hans und Herd auf, um am 11. Hai 1667 «mit gebogenem Knie und mit au^ereckten Fingern unter blauem HimmeP ^) dem Herzog Christian Albrecht den lluldigungseid zu leisten und auf der von demsellien überhissenen damaligen Insel Arnis eine neue Heimat zu gründen, welche die Mittel ihres Unterhalts einzig und allein in Fischfang und Schiifahrt zu gewinnen angewiesen war und gewonnen hat, bis die Lostrennung von Dänemark die Quellen ihres bescheidenen Wohlstandes abschnitt.

>) Erst lä07 hat die Regierung den Flecken für 186 000 Mark vom Gute Hoest neigekai^.

*) Tgl. den interesaaiiten Berieht des Pastors Seholi im N. Staatsb. Magadn m,

7S3 ff.

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Jansen,

Im 18. Jahrhundert kommeii einige Orto zu Flecken empor, einer

wird neu gef^ründet.

Wyk aiit Fr)hr. l)is ins 17. .Talirluanlert ein kleines Fischer- dorf, Ki.'M von heimatlos gewordenen Bewohnern der durcli die trrosse Flut zersUirten (Tcbiete angebaut, erhielt 1700 von Herzog lluistiau August Lostreunuug von der Landschaft und eigene Gerichtsbarkeit. Ebenso ward Barmstedt, dieser alte Adelssitx einer einst mSchtigen Familie, 1787 mit Fleckensgerechtigkeit ausgestattet.

Im Jahre 1771 erwarben die niiihrischen Brüder TOn der dä- nischen Hrgierung unter Christian Vll. zur Zeit der Struenseeschen Vf'rwaltuug die Erlaubnis, « im Amte Hadersleben eine Niederlassung zu erbauen, und legten am 1. April 1773 den Grundstein des ersten Hauses. Der völlig regelmässig angelegte Ort Gbristiansfeld, mit Be* freiung von Einqnartiennig wie Kriegäienst und Freiheit zu jedem Gewerbebetrieb ausgestattet, blühte bud zu jenem lieblichen Stlldti hen cmyior, das den aus Jtltland Herkommenden durch den freundlichen Sdunuck seiner Gärten und die Ordnung und Sauberkeit eines ganzen Aeusseru mit so wohithuender Ueberraschuug anmutet.

Dasselbe Jahr, das die letzte grössere Neusiedlung in unserm Lande entstehen sah, ist auch das, wo eine bedeutsame Bewegung auf politischem Gebiete zu ihrem Abschluss gelangte.

Das Erstjirken der Fürstenmafht hatte mit Notwendigkeit das Bestreben nach Vergrösserung und Abnindung des Gebiets erzeugt. Kine Zersplitterung des Bodens, wie sie die 1 )()ppelherrsehalt zweier re- gierender Herzüge in zwei gesonderten und einem gemeinschaitlicheii Anteil und daneben noch mehrerer «abgeteilter Herren* herbeigeführt hatte, musste den allmfthlich steigenden Ansprüchen an eine geordnete Verwaltung gegenüber unhaltbar erscheinen. lt)40 hatte der kSnig^ liehe Herzog den grössten Teil der Herrschaft Pinneberg an sich ge- bracht, 1721 gelang es ihm, den herzoglichen Milfürsten zunächst niu' thatsächlich aus Schleswig zu verdrängen, 172G vereinigte er die aus dem kleineren Anteil an der Herrschaft Pinneberg hervorgegangene Reichsgrafsohaft Rantzau, dann die Herrschaft Noronrg, daa glficks- buigische AnOe, das «abgeteilte" Herzogtum Plön, endlich 1773 den ganzen damals sogen, grossfiirstlichen Anteil an Holstein mit dem kö- niglichen, so dass \719 nur noch das kleine Fürstentum Glücksburg zu erwerben war, um endlich wieder einmal ein ungeteiltes Scbleswig- Holsteiu herzustellen, aus dessen Verbände freilich dui'ch Verziclit die Stadt Hamburg, als Reichsstadt schon 1471 in der Matrikel gefthit und thaisächlich bestehend und blühend, immer aber noch in einem unklare Verhältnis zmn Lande Holstein, 1708 ausdrücklich entlassen worden war. Auch das Stift Liil»ek hatte sicli seit dem 17. Jahr- bnndert der holsteinischen Staatshoheit thatsa( lili( h ganz entledigt und ward 18Ü3 als säkularisiertes Fürstentum Eutin oder Lübek der im Besitz befindlichen jüngeren gottorpischen Linie belassen, 1823 mit dem Heizogftom Oldenburg in einer Hand vereinigt. 1815 war das seit 1689 hannöverische kleine Fürstentum Lauenburg unter dänische Hoheit gekommen, also mit dem Lande vereinigt, zu dem es jeden- falls geographisch am nächsten gehört. Immer blieben aber noch auf

57]

Poleographie der cimbrnchen fialbinael.

533

so entern Kaum vier verscliiedeno Stantsholieiten iiel)t'iifinander Itf- stehen: die däiiisch-schleswig-liolsteiuische, die hamburgi.sche , die lü- belÜBclie und die oldenburgische. Obendrem waren die Gebiete der letzteren drei Staaten in miärere Parzellen zersplittert; die eutiniscben wurden erst durch deu Vertrag von 1842 mit Dänemark auf zwei Hauptgiuppen abgerundet ; lübis( h ausser dem gesclilos-senen Kern um die Stadt waren 9 kleine Fleckt' iiuurhalb des holsteinischen, lauen- burgischen und strelitzisclien Gebiets, hamburgisch ausser dem Stamm 4 innerhalb des alten Stormarn, will sagen 1 1 Quadratmeilen in 15 Fetzen zerrissen. Auch an gemeinschaftliGhem Besitz Hamburgs und Lttbeks, Amt BiTgedorf, fehlte es nicht. In Schleswig gab es eine Keihe däni- scher Umsclilossenheiten : Uebcrreste mittelalterlicher Kindlichkeit des staatlichen Lebens, welche die letzte Neuordnun«^ der Dinire ftir die hanseatischen Enklaven zu beseitigen noch keine Zeit gefunden, muueriiin auch kein so dringliches Interesse mehr gehabt hat.

9. Diese neue Zeit beginnt für unsere Halbinsel, wie auf poli- tischem so auf volkswirtschaftlichem und Verkehrsgebiet, mit dem Jahre der Julirevolution. Wie urzeitlich bis weit in unser Jahrhundert hinein die Strassen und die Mitttd des Landverkehrs waren, möge zur besseren Würdigung der ungewöhnlichen Fortschritte des letzten halben Jahr- hunderts hier in kurze Erinnerung gebracht werden Den Grund zum Postwesen als einer staatlichen Eimichtuug legte Christian IV. durch zwei Verordnui^en vom Jahre 1624. Unter den sieben Posir- routen, welche l(i25 in Dänemark bestanden, ist auch die von Kopen- hagen nach Hamburg tlber Middelfart und Kolding. Friedrich III. richtete auf derselben Route, aber über Assens und Hadersleben, eine wrichentlich zweimalige, reitende Briefpost ein. welche den Weg in dremial 24 Stunden zurücklegte und eine wöchentlich einmalige Fahr- poet Uber Eolding f&r Personen, Gelder und Gflter, nicht für Briefe. Christian V. ordnete auf dieser Grundlage den Verkehr 1694, so wie er bis 1830 unverändert bestanden hat; nur von Hamburg besorgten die Kopenhan'ener Kaufleute auf eigene Rechnung sieb briefliche Nach- richten noch zweimal wöchentlich mehr. Von Hadei sieben setzte sich die Route teUs westlich nach Ringkjöping, teüs nördlich nach Aalborg fort. Christian V. setzte auch bereits die oben charakterisierte Längen- zweigstrasse von Rendsburg auf Lttbek, sowie die zwischen Hamburg- Glflckstadt und Glückstadt-Itzehoe in Betrieb. Friedrich IV. zog (1720) Heide, Husum, Tondem und benachbarte grössere Orte mit hinein. Eine tägliche und an einigen Tagen selbst doppelte und dreifache Ver- bindung fand im 18. .lahrhundert allein zwischen Lübek und Ham- burg statt. Der dänische Staat unterhielt seit 1777 einen reitenden Boten wöchentlich zweimal, die Si&dte daneben einen fflrachen täglich und gleichfaUs läßlich, seit 1802 nur dreimal wdchen^ch eine Fahr- post. Zwischen Kiel und Altona bewegte sich bis 1832 * ine -Dili- gence" wöchentlich einmal in 24 Stunden und darüber. In Meidorf,

') Vpl. rdiersicht über den Postenj?anff etc. Bericht an d>^ii Fin.nizmini.ster vom (JeneralpofitUirektor 1862. Systematische Sammltiog der iiir die lierzogtiimer Schleswig und Holstein erlassenen . . . Verordnungen und TerfQgungen , Bd. VIII.

534

Jansen,

[58

der alten Hauptstadt des abgelegenen DithmarschenSt wohin 1720 eine Fahzpoflt Uber Itzehoe Ton Hanwurg in Gang gesetast zu mm aehemi, jedenfalla aber nidit auf die Dauer, pflegte die Anknoft des Onmibna von Wrist noch bis in die Mitte dieses Jahrhunderts jedesmal von einer

anst'linlithcn Menge Teilnehmender begrüsst zu werden. In Brief- verkehr durch reitende Boten stand es mit den versiliiedenen Rich- tungen an verschiedenen Wochentagen, au denen die Ablieferung nur zu genau bemessenen Tagesstunden angenommen wurde. Ein Ort von der Entlegenheit wie Lemwig (etwa 1400 Einw.) konnte Pakete nur Tiermal im Jahre entsenden und empfangen.

Zur Besorgung des auf diesen Strassen sich bewegenden Verkehrs ^fenilpften im Jahre 1025 im Könip^eich Dänemark M] Poststationen, deren Zahl erst 1801 auf 82, darunter 15 in Schleswig, 24 in Holstein, 3 in Eutin, Lubek^ Hamburg, 1833 auf 127 sich gehoben hatte. Die Kosten eines Briefi» beliefen sich nach den Terordnuagen von 1734 und 1779, je nach den Entfernungen innerhalb Elbe und Kdnigsau, tou 1—6 Schilling, 7'»— 45 Pf.; 4 Schilling, 30 Pf. kosteten 14—21 Meilen noch nach der Taxe von 1818, so dass ein Brief von Wandsbeek nach Hiiby zu 38 Hbs. d. h. ungefähr 90 Pf. angesetzt ist. Kut- sprecliend waren die Preise der Personenbeförderung. Ein Reisender be- zalüt, so beginnt die Verordnung vom 9. Dezember 183G, vom 1. Januar 1837 an: 1. an Postgeld beim Einschreiben (in den HerzogtOmem) 22*/» Rbs. Sdber (keine .Zeichen" !), 2. an Trinkgeld für den Postilloo auf jeder Station 13 Rbs., 3. Einschreil)efi:ebühr und Wägegeld 13 Rbs., 4. Litzenbruderfjeld 13 Kbs.. 5. Litzenhrudergeld unterwej^s beim Pferde- wechsel (> libs. ; so dass dif erste Meile auf circa 20 Schilling ,lübsch*. d. h. auf M. 1,50 zu stehen kam. Dafür hatte dann der Reisende nach einem Gurknlar Tom 29. August 1789 auch einen Stuhl mit Leimen hinten und seitwärts und wenigstens auch ein leinenes Strohkissen, Tor allem einen haltbaren Waagen zu beanspruchen. Eine Extrapost, auf der man für einen erheblichen Zuschlag, Schilling die >reilp. seit 1835 4 SchillinLC. eiuen so<;en. < 'haisenstuhl haben konnte), gab es nur noch in den belebtesten Plätzen; in Kiel z. ß. erst seit 1813. Die Wege, namentlich in dem schweren Lehmboden Ostholsteins und voll- ends in der Marsch, waren im Winter teils gar nicht, teils nur mit äusserster Anstrengung und selbst nicht ohne Gefahr zu passieren. Wer von Schleswig etwa eine Winterreise nach Hamburg unternahm, pflegte vorher zum A))en{3malil m trHhen. Rcrüehtigt war, auf- fallend genug, besondei-s die l)elebteste Landstrasse, zwischen Hamburg und Lübek. Auf den Heiden, wo in Ermangelung eines Wegekörpers oder einschliessender Knicke im Osten, begleitender Gräben im Westen jeder sich seine Wagenspur selbst w&hlte und oft 5->10 und meiir nebeneinander zu Gebote standen, lag die Möglichkeit des Yerirrens, zumal bei Schupe. so nahe, dass streckenweise die Richtung durch Ptahle bezeichnet war und bei Bau- und Boninierlund Leuchtfeuer (1709) nötig befunden wurden. Als im Jahre 1849 die genieinsame Regierung von Itzehoe nach Meldorf eine tägliche Eilpost in Betrieb setzte, ge- hörte, zumal auf der berüchtigten Strecke des Schweinemoors, jenen »pontes longi* der Hemmingstedter Schlacht, das Umwerfen zu den

59]

Poleographie der dmbnsoben Ualbiusel.

535

allnächtlichen Vorkommnissen Daljei fehlte es an VVegeordnungen, welche Erhaltung und Besserung der Fahrstrasseu bei grossen Geld- Bfcrafen den Anü^jern emschürflen, seit mindestens 1711 nicht Nen- bauten von einiger Bedeutung gehörten kaum in den Gesichtskreis der Zeit.

Lebhafter ist au allen Zeiten zwischen den KUstenstildten der Ver- kehr zur See gewesen, namentlich einerseits mit den däuisclien Land»-s- teilen und den gesamten Ustseeküsten, andererseits der auf der Nordsee durch weit Uberwiegende Vermittlung Hamburgs mit England und Amenka und der ganzen Welt.

Mit dem 1. Juni 1882 beginnt för den Verkehr und zwar nament- lich zu Lande auf der cimbrischen Halbinsel eine neue Zeit, die eines plaumässigen Kunststrassenhaues. „Vom 1. Juni," so kündigt das Kieler Korrespoudenzbltitt. selbst ein Wetterzeichen des kommenden Frühlings, welches das Land „mit sich selbst in Korrespondenz zu setzen" ge- gründet war, mit bewusster Genugthuung an, „wird täglich . . . eine Diligence nach Altona abgehn und täglich eine ankommen. . . Zu gleicher Zeit wird mit der Diligence eine Brief^iost verbunden, so dass man künftig" es schien einer eigenen Versicherung zu bedürfen ataglich nach Haniburg. Altona und dem Auslände Briefe absenden und Briefe von dort empfangen kann.*

Die erste Chaussee des Landes war in den Jaliren 1830 und 1831 fertig geworden, die von Kiel nach Altona.

1844 schon ward sie durch eine Eisenbahn flberholt, König Chi-istians VIll. Ostseebahn, am 18. September, seinem Geburtstage, oWiflnet. der sich 184') die Rendsburg- NeumOnstersche und GlUckstadt- Elmshorner, 1854 die infolge der dänischen Politik unglaublich verfehlte Ohrstedt- Rendsburger, eine Zwei l;1 »ahn der Flensburg-Husum-Tönninger anschlössen. Hatte nämlich die Kiel-Altouaer schon aus Besorgnis unge- nftgenden Ertrages von Neumünster an statt der geraden südlichen Rich- tung eine sehr betrftchÜiche Ausbiegung nach Westen gemacht, um den Verkehr der beiden von Itzehoe an vereinigten cimbrischen Nord-Sttd- Strre^sen zu fassen, so wurde vollends die gemeinsame Nord-Süd-Strasse der Ostküste, die zunächst auch nur von Flensburg an gewagt wurde, aus politischer Berechnung nach dem damals regierenden eiderdänischen System nicht gerade auf Schleswig-Bendsburg, sondern auf Husum gebaut und so der NoFd-Sfid-Verkehr zu dem unglaublichen Umwege über Ohrstedt, etwa eine Meile von Husum, gezwungen, dabei obendrein die schlecht- gesinnte Stjidt Schleswig weit abseits liegen gelassen; Fehler kurzsichtiger Parteiwut, die 1809 unter neuen Kosten j^ebessert worden niussten.

So von einem ersten h-rtum ausgehend hat das gegenwärtige Eisenbahnnetz der ganzen Halbinsel eine von der natürlich gegebenen vielfach yerschobene Glestalt angenommen.

Die grosse Nord-Süd-Strasse, so gewiesen wie nur möglich, macht schon in Jütland, am meisten in Holstein begriffs widrige Zickzack- bewegungen, an denen die Kiel- Altonaer, ein Stück der Kopenhagen-

*) Auch in anderen ouropUifichen Staaten sah es nicht viel Ix'p^er ans. Von Edinbnrg nach London und zurück rechnete man 12 16 Tage; es galt für rat«um, ■ein Testament za machen. Tgl. Jansen: Uwe Jens Lornsen. Kiel 1872.

Jaosen,

[60

Altouaer Liiiie teilnimmt. Dieser Fehler hat neuerdings (1884) die Bahn Kaltenkirchen- Altona nach sich gezogen, emeSekimdftrbahn, welche die geforderte Ergänzung Ealtenkirchen-Neumünster aiusichtsloB macht.

T,;nl^i II fnisse der Westküste, die von Rechts wegen mit einer Zweig- baliii Elmshorn-Itzehoe hätte bejjTonnen werden sollen, ward durch die ziivorkoninicndc Zwcirrhahii Elmsliorii-dlückstadt verdorben, an welche sich nun It^chot-Glückstadt anzusdilii -ssen passend fand. Erst 1878 ward sie l»is Heide, erst in diesen Tagen wird sie bis Ripeu fortgeführt. Die Haujttijuerstrasse, LUbek-Hambnrg, ward erst nach Beseitigung der dänischen Landeshoheit (1865) möglich. Die oben erwähnten Gabelungen der herrschenden Längenbahn, Tm Flensburg durch Angeln auf Eckem- fi)rde und Kiel, die von Schleswit; mit Ausnahme der Strecke Schleswig- Eckernförde. die von Neunuin>ter auf Lübek, auch auf Oldenburg sind hergestellt; die von Hendsburg auf Kiel wird neuerdmgs vorbereiteL Die Lttbek-dithmarsische Querstrasse ist in der Richtung Oldesloe- KeumUnster'Heide wieder erstanden. Die Qnerbohn Schleswig-Husum, wenn auch auf einem ümw^e, der eine Querbahn Rendsbui^-Husum nach sich ziehen wird, ferner die von Flensburg auf Tondem, wieder auf einem T in\v(M_r,.. die von Kolding nach Rij)en und nacli Esbjerg, die durch die gnisste Breite Jüthuids von (irenaae über Kanders nach Viborg und nach Holstebro, endlicli die südlichste, die von Lübek nach Lauenburg, sind vorhanden. Gkmz Terschoben sind die natürlich gegebnen Schenkel der beiden Küst( iistrassen auf der ostholsteinischen Halbinsel: statt der beiden Linien Kiel-LUtkenburg-Oldenburg und Oldenbui^- Neustadt-Lübek mit einer Gi-undlinie Kiel-Plön-Ahrensbök oder Eutin- Lübek dreht sich eine Sclilangeidinie von Kiel tll)er Aschberg, Plön, Eutin, Neustadt nach Oldenburg und eine Zickzackhnie von Lübek Ober Eutin und Neustadt nach (Hdenbuig.

Es ist zu erwarien, dass das dmbrische Eisenbahnnetz unter weiterer Entwicklung der Verkehrs- und Ansiedlungsverhältnisse, die seitl8(t:i be- gonnen hat, noch erhebliche Aenderungen Und Berichtigungen zu erleiden haben wird. (Vgl. S. 55.'!).)

Denn 18t »3 hatte dem dänischen Wahn und Hohn gegen Deutsch- land die Stunde geschlagen.

So wie die dänische Politik 1779 an das Ziel ihrer Bestrebungen gekommen war, Schleswig-Holstein durch Beseitigung aller Kleinfürsten zu einem Ganzen abzurunden, begann sie ein hartnäckig festgehaltenes, immerliin zuerst leise gehandhabtes System der Dnnisierung des nach ihrer Anschiiiuing seit 1721 inkorporierten Schleswig, des nach 180«3 beim Zerfall des deutschen Ileiches gewissermasseu von selbst inkor- porierten Holstein. Ans dem Schlummer diesen versteckten Versuchen gegenüber rief die frommen Holsten der unvei^essliche Uwe Jens Lornsen. Er „determinierte** den AA'illt ii seiner Landsleute, wie er gehoffi, .auf immer". Was ISls 1851 misslang, ward 1864 zum guten Ende geführt. Lauenburg 18<i5, Schleswiir-Ilolstein 18(57 wurden preussich, Preusseu aber war deutsch geworden: seit 1870 weht eine Fahne und waltet eine Heichshoheit über die südliche Hälfte der cinibrischeu Halbinsel; die Partikularstaaten wie im Deutschen Reich Überhaupt, so im Sflden Holsteins haben ihre Bedeutung verloren.

61]

Poleogi-aphie der dmlwisolieii HalbinieL

537

Eine neue Einteilung des Landes zum Behüte der Verwaltung lind der Gerechtigkeitspflege trat an die Stelle der alten, die im engen Anschbiss an die geschichtliche Entwicklung einen Grundstock ältester Gliederung erhalten hatte.

Das Herzogtum Schleswig zei^el bis 1803 in Aemter oder Land- sebaften, adeli([e Distrikte und Städte.

Die Ostseite bestand aus den acht Aemtem : Hadersleben (Osteramt), Apenrade. Sonderburg, Norburg, Flensburg, Gottorp, Hutten, Fehmarn und der Landschaft Arröe: dazu aus den t'üni Gilterdistrikten: zwei Angler, je einer von Ödiwanscn und Dänischeni Wohld und der des St. .lohannis- klosters; die Westseite aus den sechs Aenitern: W^esteramt Haders- leben, Lygumkloster , Tondern, Bredstedt, Husum, den Landschaften Stapelbobn, Eidelstedt, Nordstrand, Pellworm. Die Stftdte waren: Haders- leben, Apenrade, Flensburg, Sclileswig, Eckemförde, Sonderbin u;. Buig im Osten; Tondern. Hu.sum, Friedrichstadt, Tönning, G^arding im Westen. Dazu kamen in der Marsch die octroiierten Köge.

Das Herzogtum Holstein hielt zunächst in den beiden Land- schaften Norder- und SUderdithmarächeu die Grenzen des alten Frei- staats, im Amte Stemburg die beiden Marschen Wilster und Krempe, in den Kanzleigütem und den sogen. Wildnissen, der Herrschaft Herzhorn und dem Itzehoer Gtiterdistrikt die übrigen Marschgemeinheiten, in der Herrschaft Pinneberg, in der Grafschaft Kantznu gleichfalls histo- rische Gt'soiidortheiten fest. Reinbek, Trittau, Tremsbüttel waren die Aemter der östlichen Hälfte des alten Stormarn; auf die beiden grossen Aemter Rendsburg und Neumünster war das eigentliche alte Holsten ▼erteilt. Wagrien war aufgegangen in die Aemter Kiel, Kronshagen, Bordesholm, Segc ))c'rg, Plön, Arensbök, Trarenthal, R* intVld, Rethwisch, Cismar. Ausserhalb dieser zu filnf Gruppen unter je einem Amtmann in sich zus;inimengeh'<rt»'n Bt>/.irke. einstiger Bestandteile der wechseln- den türstliL-lien Par/t llt ii. standfii die klösterlichen l)istrikte von Uetersen, Itzehoe, Pretz, der Itzelioer, Kieler, Pretzer, Oldenburger Güterdistrikt, die holstein-gottoipiachen FideikommissgQter, die lübschen Güter und die lUbschen Stadt-Stiftsddrfer, im östlichen Wagrien bunt zerstreut, in der Marsch wiederum die octroiierten Köge. Städtische Verwaltung hatten: Wilster, Itzehoe. Krempe, Glückstadt. Altona. Kiel, Liitkenburg. Olden- burg, Heiligenhaten, Plön, Neustadt, Rendsburg. Segeberg, Oldesloe.

Hamburg, Lübek, Eutin waren die Hauptstädte der Partikularlande.

Das Herzogtum Lauenburg bestand aus vier Aemtem : Schwarzenbek, Laiienburg, Steinhorst und Razeburg, 22 adeligen Gütern von zum Teil ungewöhnlichem Um&nge und drei Städten: Lauenburg, Mölln, Razehurg.

Unter Preussen wird Schleswig-Holstein, worin seit 187() auch das anfangs gesondert verwaltete Lauenburg als Kreis, aber Krt-is r/ogtnm Lauenburg. aufgenonuMtu ward, eine preiissisrhe Prt»viuz. unrrr einer Provujzialregierung und eiiieui Provinziailandtage; geteilt zum iiehufe der Verwaltung in 21 , jetzt 22 Kreise, unter denen zwei städtische: Kiel und Altona. Von den alten Aemtem und Landschaften sind wenig- stens dem Namen nach eine Anzahl erhalten: Haderslelten, Apenrade, Sonderburg, Flensburg, Schleswig, Eckemförde, Tomleni. Husum. Eider- stedt, Kiel, Plön, Oldenburg, Rendsburg, Segeberg, Stormarn, Norder-

588

Jansen,

[62

dithmarschen , SlUlcnlitliiniirsclien. Steinbur«^, Pinneberg, Herzogtum Laiif-nhurg. Zum Holiutr tUr (uTechtigkeitspflegc bestehen 70 Amts- gerichte, vertoilt :iuf die drei Landgerichte Flensburg, iuei und Altona, unter einem Oberlaiulesgericht.

Bedeutende Veränderungen traten durch die Aufnahme in das grosse südliche Reichszollgebiet und Reichspostgebiet ein in dem ganzen Ver- kehrswesen, besonders im Warenverkehr. Alte Verbindungen mussten abgebrochen, neue geknüpft werden. Wo das letztere nicht gelang, z. B. in Kappeln, in Amis ist Stillstand und Hückgang eingetreten. Die Zutrkraft der (n-ossKtädte wh'kt bei dem freien und erleiehterteu Verkehr aul die kieiaereii iiaeliteilig ein; nur au einzelnen runkteu ist ein Au&chwung bemerkbar. Die BeTöIkenmg hat teils durch das natür- liche Anwachsen, teils durch Einwanderung erheblich zugenommen; eine Zuwanderung, welche einigen PlStxen aus den alten preussischen Provinzen, besondei-s aus Ostpreussen. sodann aber auch aus Schweden und selbst aus Dänemark einen nicht ganz unl)edeutfiitlen Bruchteil ihrer arbeitenden Bevölkerung zugeführt hat. Eine Mischung des Sachseu- stammes mit andern germanischen oder halbgermanischen, slavischen Elementen, eine der Masse unbewusste Duich&ngung der lutherischen Kirche des Landes mit «evangelischen", d. h. unierten Bestandteilen^ neben denen Katholiken und Juden zahlreicher werden, eine Verände- rung auf dem Gebiete der Sitte, endlich eine immerliin nur noch leise, aber doch wahrnehmbare Zersetzung des niedri deutschen Sprachgebrauchs sind Folgen jener politischen Veränderung gewesen; Folgen, die an Um- fang wie Bedeutung weiter sich entwicktBln werden.

ni. Ergebnisse.

1. Die Natur und Lage der cimbriedien Halbinsel liedingt die Kreuzung zweier Hau]itrichtungen des gesamten Völker- und Menschen- Verkehrs, der sieh ül»erhaupt je aut ihr bewegt hat, der Wanderungen sowohl als der Keisen: Nord-Süd, Ost- West. Beide haben notwendig eine Gegenrichtung: Süd-Nord, West-Ost

"Molche dieser Strömungen jedesmal die ursprüngliche gewesen ist, lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden; jedoch deuten Zeichen und Verhiiltnisse allgemeiner Art darauf hin, dass die Einwanderung TOn Osten und zwar zu See und Lande und die von Norden die frühere, die von West und Südwest zur See, die von Süden zu Lande die spätere gewesen ist.

Auf das unzweideutigste bezeugen die Ueberbleibsel der Urzeit eine Scheidung der Bevölkerung in eine dstliche und eine westlidbe, eine der Ostsee und eine der Westsee zugewandte, eine dichtere und eine spärlichere, getrennt durch weite und unwirtliche Niederungen.

Ausdriu klielie geschichtliche Nachrichten und glaubliche geschicht- liche Analogien gestatten die Anualime, dass die Halbinsel viele Jahr-

63]

Poleog»phie der cimbriadiai Halbnuel.

589

hunderte, vielleicht Jalirtausende vor Christi Geburt in ihren höheren und festeren Teilen hewdhnt und au.sreichend bev/ilkert Lrewosen ist. Eine andere als ,8cythische". d. Ii, germanische Urbevölkerung ist niclit n!i< ]nveisbar.

Im 5. Jahrhundert ist eine skaudinavische Einwanderung von Norden und eine sUmache Ton Osten mit Sicherheit anzunehmen. Der erstere der beiden StrSme kommt ieik an der Widau, teils an dem Abschnitt Schlei-Treene zum Stehen; der zweite macht an der West- grenze der Insel Land Oldenburg nur vorüber^nluiid Halt und dauert die folgenden Jahrhundt-rte weiter fort, bis er ungefähr das Gebiet des Geschiebethous eingenommen hat.

Die zweite £iiiwanderungs- und Besiedlungsperiode, veranlasst durch die Gestaltung einer romanisch-germanisäen Weltmonarchie, beginnt mit dem Ende des 8., Anfimg des 9. Jahrhunderts und dehnt sich in ihren Nachwirkungen Ober das 10. und 11. Jahrhundert aus; die dritte fällt in das 12., die vierte in das 13.; die fünfte folgt erst im 17. Jalirhundert.

Die erste betrifft uur den holsteinischen Osten, die zweite den Westen und Südwesten, die dritte mehr das Innere und das Orenzland gegen die Ostzone, die vierte vorwiegend ^e Ostkflste, doch auch den Westen, die letzte spielt, von Friedezida abgesehn, im Westen allein,

DieSlaven bauen vorwiegend Bnrj^en und RriU kenkrjpfe. die Franken Burgen und Kirchen, das 12. Jahriiundert gleichfalls Burgen, Kirchen und Klöster, das 13. Kaufstädte und Klöster, das 17. Freistädte. Als innere Triebfedern erscheinen zunächst das Bedürfnis der Ausbrei- tung und Landerwerbung, dann nationaler* Gestaltungsdrang, weiter teils der fiirstlich-partikularistische Zug der deutschen Entwicklung teils das kräftig aun)lühende Städtewesen, endlich wieder fürstliclie Reform- und Herr^t lialtsjjolitik : begleitend aber und mitwirkend, oft selbst bestimmend kuninit in allen drei mittleren Perioden der missio- narische Drang der katholischen Kirche, in der letzten das religiöse FreiheitsbedOrfeis der evangelischen in Betracht, das seihst noch den einzigen verein/eltt n Spätling unter den Ansiedlungen Schleswig-Holsteins im achtzehnten Jahrhundert, Christiansfeld, erzeugt.

Massgebend aber er<rhf^int in der ersten Periode nationaler IiT^tinlct, in der zweiten kaiserlich»- Staatsweisheit, in der dritten das ritterliche und fürstliche Interesse, in der vierten der bürgerliche Thätigkeitsdrang, in der letzten wieder ilbstliche Politik.

Innerhalb des einmal feststehenden Rahmens der Ansiedlungen haben im Laufe der Zeit durch Zuwanderung in bestimmte, vorzugs- weise gesuchte Punkte bedeutende Veränderungen stattgefunden, im Mittelalter an der Ostsee, in der neueren Zeit an der Westsee, beide Male aber am Fusse der Halbinsel hervorragende Anhäufungen ver- kehrender wie sesshafter Menschen veranlasst.

Ton Nationalitäten sind, soweit sie Überhaupt als solche, d. h. als' grundverschieden angesehen werden können, vorzugsweise nur zwei be- teihgt, die skandinavisclu- und die deutsche, richtiger die Nord- und Südgermanen: von den letzteren diejenigen Stihnnie, welche die süd- westliche Hälfte (h r kontinent^ilen Basis der 1 lalbinstd beNvohnen; von der östlichen Verlängerung der Basis ist nur vorübergehend die slavische

540

Jansen,

[64

Nation eingedrungen. Die Grenze zwischen den betd»i germanischen

Stäniiiien ist im Westen die untere Widau ins auf den heutigen Tai: geblieben; im Osten Jahrhunderte hindurch die Schlei und der Eckem- förder Meerbusen gew<'sen, ciber ni( ht geblieben; nur in der wenig be- lebten Mitte des Landes springt noch ein dänischer Keil bis zur mittleren Treene vor, von Friesen und Angeln westlich und östlich überflügelt. Die ganze Scheidung istak eme geschichtlich entwickelte, nicht nrsprüng- lichOf Ton wenig grosserer Bedeutung anzusehen, als der Abstand zwischen andern deutschen Stämmen auch. *

Die Verteilung der Bewohner über das in Rede stehende n«'Vtiet . ist bis hl Ute im wesentlichen diesrlhe wie in den ersten erkennbaren Urz»it» n.

'2a. Die Bevölkerung häui't sich zunächst in der Läugeurichtuug auf dem ganzen OstfOfOrtel, und zwar in steigendem Masse je weiter nach Süden; hftuft sich seit HersteUung und Sicherung der Deiche in dem Marsch sau rae wiederum, je weiter nach Süden, desto mehr; ist spärlich und dünn m der grösseren westlichen Hälfte von Jütland süd- hch des Lümijords, in der Mitte Schleswigs und der nördlichen Mitte Holsteins. In der südlichen Mitte Holsteins nimmt sie aliniäiilich zu, steigt dann an der Elbe und um Hamburg herum bis zu einem Grade der Dichtigkeit, der nirgends sonst mehr, am entferntesten nicht in Schleswig und Jütland, erreicht wird *

2b. In der Querrichtung treten Wert und Bedeutung der drei geschichtlich gesonderten Teile der Halbinsel, sei es nach ihrer Be- legenheit inncrhiilb des Ganzen, s* i t s nach ihrem Boden, in der ver- schiedenen Dichtigkeit der Bevölkerung sehr sprechend hervor.

Es hat nänüich*):

Fänwohner insgeiamt

Auf die QuadratDV'ib'

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1870 bes. 71

1880

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M Havn ^PiMiiilatiiin^ Kart over d«'t Dnnske Monarki 1845) unt- r- lu'idct Gebiete mit weui^^er uls lOOO Einwohueru in Uolstein von der ä^ebei-(;er iieide spitz snlaofend bu sfldOstHch von Rendsburg, in Schleswig von Treja acb ver- brt'itimid bis an die Nipsau, in .Tütland mdhr als dif wf>tli(>be Tliilfto. ausgenomiuen nur die Küsten und Inseln des LümQord and das nördhche Dreieck; sodann Ge- biete mit mehr «la 2500 Einwohnern in Holstein die Manch und den Osten mit eiinr Ausnahme zwischen Neustadt. Eutin und Land (^Idenbur^' . in Land Oldi'n- burg, in Schleswig die sOdlicbe Marsch und die Ualbinüein bis bundewith, von den Inseln FOhr, Alsen und halb Fehmarn, in Jfltland den Osten bis Aaihos; Gebiete mit mehr als 4000 nur in Holstein, nilmlich den Elltrand der Marsch, Hamburg. Labek und Kiel mit Umgebung, namentlich die ProbsteL Alles übrige blieb zwi- Stilen lOOO und 2500 Einwohnern.

Die folgende Uebersicht ? . ruht teils auf amtlichen Veröffentlichiinrr.-'n. teils auf freundlichen Mitteilungen der betreffenden statistischen Aemter in Kopen-

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Poleogiaphie der cimbrisdien HalbiiiMl.

541

Noch immer also steigt die Bevölkerungsdichtigkeit mit der südlicheren Lage ; aber der Unterschied zwischen Jütland und Schleswig ist in rascher Ausgleichung begriffen: hatte Schleswig 1870 noch 841 Men- schen mehr auf die Quadratmefle, hat es 1880 nur noch 376 mehr und ist seitdem noch um rund 1 7 000 Einwohner zurückgegangen. Dagegen hat Jütland mit der Zunahme des holsteinischen Gesamt- gebietes nicht Schritt gehalten; 1870 hatte das letztere 8772 Menschen auf die Quadratmeilo melir, 1880 .schon 4241. Die Einwirknn«; der politischen Veränderungen aui diu Besiedlung der Halbinsel tiitt deut- Hch heraus. Ffir die Folgezeit ist eine Ueb^ügelung der Mitte durch die dänische NordhaMte der Halbinsd und ein noch stärkeres Zurück- treten derselben gegen den Süden zu erwarten; eine UeberflOgelung des ganzen Schleswig - Holstein aber durch Jütland hegt ausser der rechnungsmässigen Wahrscheinlichkeit. iG<» Quadratmeilen jütischen Bodens tragen jetzt rund 1 lOOOOOEinwohuer, 352 Quadratmeilen schles- wig-holsteinischen Bodens 1 770 000. Die Bedeutung der cimbrischen Hfdhinael nimmt nach wie Tor ab mit der Entfernung Tom Körper des Weltteils, die der skandinavischen und griechischen steigt.

2 c. Die Zunahme der Bevölkerung trifft die verschiedenen Teile und Punkte der Lande in sehr ungleichmässiger Weise; am stärksten w"-hsen im allgemeinen die Städte. Es hatten^):

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677 857

110 262

729 368

319 148

Schleswig . . .

315 830

87 738

806 236

112 082

298 475

102 457

a) Herzoet. Holstein

b) Laaenbarg

3ti3 931 r. 5«o(>o

13 000

1 426 aoo

2di 6SI

437 m

318 006

c) Kutin ....

30 653

3 700

30 571

4 574

30 053

4 666

d. Jliimluirf;

(okne Uiuebüttel)

33 3 16

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3R 38«

410 127

39 767

471411

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r. 10 464

It 701

in :m

67 06.5

Holstein ....

474 384

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ÖU3 945

760 117

1 517 698

845148

Sehleswig Holstein inkL Hamborg etc.

790 2U

678572

1 810281

872199

816178

947605

Auch hier zeigt sich ein Zurückbleiben Schleswigs rrpppn Jütland und gegen Holstein. JUtlands städtische Bevölkerung bildet zu der

bagen, Oldenburg, Hamburg und LQbek. In Jtitland ist 1885 kenne Zfthluug er-

folgt. Das Jahr 1870 I tziiht sich auf die d&nische, 1871 auf die deutsche Zlihlung. Unter ,Land Uoletein* ist das hamburgische, lübscbe und eutinisobe Gebiet mit befiuRi Die Angaben fllr 1885 sind sogen, vorläufige.

') Da.s Verliiiltnis di r ländlichen und Btädtischen Bevölkerung ist hier auf Grundlage der amtüchon Listen und deren Unterscheidung swiscben Städten und Flecken einerseits, Laudgt lueinden andererseits bestimmt. Die folgende Tabelle (S. 543) , in der unterschiedlos alle grösseren Orte mit 2000 Kinwobneni imd ÜM- ftber zusammengestellt ^ind, muss etA^as andere Ergebnisse liefent.

8o die Angabe des statistischen Bureaus m Kopenhagen. Wie die allzn grosse Differenz gegen das Ergebnis auf 8eite 543 za erklären ist, vermag icb nicht zu sagen. Die entsprechende für die schleswigschen und hol.steini.schen Städte ist klein genug, um »ich aus der Weglassung der Orte unter 2000 Einwohnern zu erkl&ren.

VoncAraiigsa rar dsvtoehsB LMidts- vmA TolkSlnnAt. I. t. 87

542

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[66

ländlicheü 1870 etwa ein Seclistel, 1880 schon nähert sie sich der Hälfte; Holsteins städtische BeTölkenmg übersteigt schon 1871 die läDdliche um rund 100000, 1880 um rund 250 000, 1885 um rund 820 000; in Schleswig ändert sich das Verhältnis wenig: 1870 haben die Städte etwas mehr als ein Viertel der Landbevölkerung, 1880 und 1885 etwas m»hr als ein Drittel.

Schleswig -Holstein ziisaramen^jrfnommen hat 1871 noch einen Ueber- schuss der ländhcheu Bevölkerung von rund 170000 Menschen, 1880 bleibt bereits die ländUche gegen die siftdtische um rund 62000, 1885 gar um 131000 zurück.

2d. Die Belegenheit derjenigen Ansiedlungspimkte, in welchen sich die Bevölkerung in mehr oder minderer Dichtigkeit znsamraendränfrt. entspricht t]eii oben aufgestellten Gesetzen, wie nachstehende Tabelle 'j anschauhch machen wird.

Au& schlagendste tritt uns der Zug entgegen, der die Mensdien an das Element des Lebens und der Bewegung, das Meer, zieht Von den 72 Städten oder stadtartigen Orten liegen 56 teils am Meere, teils in wirksamer Verbindung mit ihm, teils doch in seinem Bereiche, nur 16 in der Mittelzone, auch diese fast ausnahmslos an Flüssen oder Seen. Von ihnen allen kommen auf Holstein allein 11, auf Jütland 5, das schmalere Schleswig hat keine einzige. Die Zahl ihrer Einwohner ist gering: 18 haben zwischen 2000 bis über 7000 Einwohner; von den 3 erheblich grösseren stellt Bendsburg einen wichtigen Flussüber- gang und eine Strassenkren/img, Neumünster einen Knotenpunkt mehrerer Wege dar, Wandslxk nährt sich von der nahen Grossstadt.

Von den beiden Gestadezonen übertriflPb die östliche an Zalil der Niederlassungen die westliche mit 34 gegen 22; dennoch aber an Be- TÖlkerungsmenge die westliche die Ostliche 1880 mit 597397 gegen 318499 um fast die Hälfte.

Der Flächeninhalt von Schleswig -Holstein zu dem TOn Jütland verhält sich etwa wie 3:4; die Zahl der Städte aber wie 49 : 21, d. h. wie 7 : 3. Schleswig, ungefähr V' Jütland, steht an Zahl der Städte wie G : 1 1 ; wenn man, wie geographisch richtig wäre, Ripeu zu diesem Herzogtum rechnet, noch etwas günstiger. Holstein, an Qnadratmeilenzahl zu Jtttiand etwa wie 8 : 8, verh^ sich an Zahl der Städte wie 39 : 21, d. h. nahezu wie 2 : 1.

In der Grösse der Weststädte jQtlands und Schleswigs zeigt sich ein gt'wisses Gleichgewicht; jedoch liegt die eine, welche erheblich grösser ist. nack dem Süden des Landes zu, wo auch die Zahl derselben sich häuft. In Holstein bleiben von den Wuststädteu nur 4 unter 4000 Einwohnern und 2 unter 6000 Einwohnern; Heide, Itzehoe, Ottensen, Altona, Hamburg steUm eine wahrhaft reissende Steigerung von rund 7000 zu 10000, zu 20 000, zu 100 000, zu fast 500 000 dar. Bie Bedeutung des Knoten- punktes, der Länge und Belebtheit der hier sich Terdichtenden Strassen,

*) Aufgonomm-Mi sind unter die grösseren Orte alle, welche 1885 mindestens 2000 Einwohner luitton. für Jlltlaad, welche sie nach der WahrBcheinlichkeitsrechnunj? haben innuHtt^n. Di*^ Abgrenzung zwischen Westen, Mitte und Osten ist teils nach dem Verkaiinis zur Kostet teils, namentUch in Holstein, auch mit nach der Bodenart und den Verkehrabeiiehungen gelarofFen.

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544 Jansen, 68]

die durch Europa und durch alle Meere führen, fällt mit grosser Deut- lichkeit in die Augen: der in seiner Art einzige Ansiedlnngspunkt an der bezeichneten Mbüberganga« und Wendestelle mit seinen rond

GOO OriO Eiinvohnem hat mehr als halb so viel Einwohner wie ganz Jütland. fast lialb so viel wie das ganze Herzogtum Holstein. 200 000 mehr als «las iranze Ht rznnftum Schleswig, und nur etwas weniger als den vierten Teil der gunzcu cimbrischen Halbinsel.

Auch an der OstkOste lisst sich eine Zunahme nach SOden in der Grösse und Bedeutung der Städte nicht verkennen. Aber sie ist hier zu allen Zeiten eine allmählichere gewesen und hat nach den vor zwei Jahrzehnten eingetretenen Veränderungen begonnen sich zu ver- wischen. Aarhus, Flensburg, Eiel, LUbek stellen diese Steigerung dar:

1870 1880 1885

Aarhus 15 075 21 831 29 263

Flensburg . . . . 21 325 30 956 33 009

Kiel 31 747 43 594 51 699

Lttbek 39 743 51055 55 399

2e. Hödist beachtenswert nämlich ist der Aufschwung der jüti- schen Stödte. Während auch von den kleineren, soweit sie hier genannt sind, von 1870 1880 keine ^nzige zurückgegangen ist, zeigen eine erhebliche Anzahl der grösseren ein Uberraschendes Wachstum. Aus dem Nichts hervorgerufen ist der Westseehafen Esbjerg. der von 30 Einwohnern 18(50 auf 1529 Einwolincr 1880 gestiegen war und jetzt die 2U00 tiberschritten haben wird. Aarhus, 1769 nur noch 4156 Einwohner gross, zählte 1801 deren 4202, 1855 schon 8891, hatte sich also damals in 86 Jahren verdoppelt; von 11009 im Jahre 1860 ist es 1880 auf 24 831, 1885 auf 29 2(33 gestiegen»), hat sich mithin in 20 Jahren mehr als verdoppelt, in 25 fast verdreifacht. Hatt« es von 1860 1870 um rund 36 also jährlich etwa um 3'/« V zuge- nommen, ist es 1870—1880 um 65 «/o, jährlich um ö'/s %, 1880—1885 freilich nur noch um 17,74^1 ^- h. jährh'ch um 3,5 */o gestiegen. Die bedingenden und erzeugenden Ursachen des Verkehrs und der Ansied- lungen zeigen sich in diesem Falle mit besonderer Deutlichkeit, l^ie ersteren beruhen in der Belegenheit der Stadt auf der Mitte d<r dem Hauptlande des Staates zugewandten Seite, welche Lage seit der Ab- trennung vom büden gleich der Glitte einer Gestadeinsel wirkt (vgl. S. 481 I, 1, c u. II, 3, b und Bedingtheit S. 25); ausserdem in den vergleichsweise gllnstigen Verhältnissen des betreffenden Fahrwassers und des Hafens; die erzeugenden in dem entschlossenen Willen des däni- schen Volkes, durch die Verkleinerung des Staatsgebietes sich nicht ent- muticfpn. sondern nur zu verdoppelten Anstrengungen aufrufen zu lassen und den skandinavisch-dänischen Handelsverkehr nach Müfrlichkeit von der Südrichtung durch die entfremdete cimbrische Balbmsel m die Quer- richtuug zu werfen, um ihn vermittelst eines erstsu schaffenden BaCeoB an der einzigen einigermassen gOnstigen Stelle des Westmeeres* auf den

Diese Angabe verdanke ich der frenadliehen Mitftnluug des Stadtrats von Aarhu«, der 1885^ eine Srtliebe Zftliling am dgcnem Antriebe vorgenommen hat.

09]

Poleograpliie der cimbrischeu Halbinsel.

545

geraden Weg nach England zu leiten. So ist der Abstand zwischen Aarhus und Flensburg, welches in Schleswig genau denselben Punkt darstellt und tjleiche oder noch günstigere Verkehrsbedingungen hat, wie Aarhus in Jutland, von 6000 im Jahr 1870 auf rund 4000 herab* gegangen im Jahre 1885.

Andererseits hat Flensburg Wachstum auch nicht Schritt zu lialten Termocht mit dem von Sid.

Flensburg hatte an der Blüte des dänischen Handels während des amerikanischen ünabhängigkeitskarapfes und der Revolutionskriege bis 1807 einen hervorragenden Anteil. Während dalier fast alle kleineren, auf vSchilf- fahrt und Handel mit dem Norden aufgewiesenen Stiulte Fehles wigs die Trennung von Dänemark schwer empfunden und meist mit einem sofortigen oder beifügen Rückgang erkauft haben, konnte Flensburg, gestOst anf alten, gediegenen und wohl gewahrten Reichtum, sich neue Erwerbswege er- öffnen. 1769 hatte Flensburg 6842 Einwohner, eine Zahl, die Kiel erst 1781 erreicht haben wird; 1803 war Flensburg bereits auf 10 666, lH:i5 auf 12 438 gesti.M^en; 1845 hatte Flensburg 13 443, Kiel 13 572 Emwohuer; 1855 ist Kiel mit 16 218 Einwohnern von Flensburg mit 18875 Uberlioli; 1867 aber schon mit 21707 Einwohnern auf gleicher Hobe wie jenes mit 21 999, das Militär eingerechnet ihm yoraus; 1870 bereits hat Kiel mit infolge der Einverleibung des Vorortes Brunswik einen Vorspniujf von rund 10000, 1880 Ton rund 13000, 1885 Ton rund 18 000 Einwohnern.

Mit dieser Gangart kann auch Lübek niclit Schritt halten. Der Abstand von 1845, 29 234 gegen 13 572, hat sich 1871 bereits ver- mindert auf 39 743 gegen 31 747, jetset ist er von rund 8000 auf rund 4000 herabgegangen und unter Hinzurechnung von Garden, dessen Ein- verleibung in Kiel eine bittere Notwendigkeit sein wird, von Ellerbeck und Diedrichsdorf, die im Grunde auch als „Vororte" auLresebeu werden müssen, würde Kiel wohl schon jetzt die alte Hausestadt um mehr als 9000 Einwohner schlagen. Auf der Ostseite scheint also, wenn nicht besondere Unternehmungen eine Abloakung der eingetretenen Sfardmung hervomfen sollten, die Bedeutu^g^ Lubeks nach seinen naftOrlichen Yer- kehrsbedingungen durch die Wirkungen der erzeugenden Yerkehis- ursachen überwo'Ten.

2 f. Beachtenswert ist feriu r die Thatsache, dass in Schleswig und Holstein seit 1880 last alle kleineren Städte, soweit sie nicht in dem Wirkungsbereich einer grösseren liegen oder sonst erzeugender Verkehrsbedingungen sich eäreuen, im Bflckgange begriffen sind'): Tondem, Tönning, Hadersleben, Apenrade, Sonderburg, Schleswig, Kappeln, Heide, Meldorf, Wüster, Glückstadt, Rendsburg, Kellinghusen, Mölln, Lütkenburg, Oldeuburfj^, TTeiliu^euliafeu , Burg. Pretz, Neustadt. Segebers^ sind sämtlich zurückgegangen und zwar bis auf Haderskl»en. Pretz und KeUmghusen, nachdem sie in den Jahren 1871 1880 emen zum Teil erheblichen Auftchwung genommen hatten.

wäre zur Aufklärung der Ursache von grosser Wichtigkeit, den jetzigen BcTÖlkerungsstand aucli der jütiächen Städte zu kennen, die aber sdhwerÜch aUe wie Aarhus eine Ortliche Zahlung vorgenommen haben werden.

54G

L70

Ein Warlistum und zwar ein beschleunigtes, zeigen haupisäcblich nur Kiel und Hamburg, beide mit den üiran Bereiche aogehörigen Ort^n.

Kiel hat seit 1867 die Wirkungen der erzeugenden Verkehrs- ursachen in ]i()h( m Masse erfahren und somit die in seinen bedingenden Gegebenheiten ruhende Möglichkeit zur Verwirklichung gelangen sehen Bis ttber die RefonastioiL Iuhsub wird Kiel, auf die jetzige Altstadt beBcbribikt, kaum hoher als auf 4 5000 Einwohner anzuschlagen sein» Im Anfang des 17. Jahrhunderts gibt es schon einige Häuserreihen ausserhall) der nltcn Mauern'), die Anfänge der jetzigen Vorstadt, mit Fleethöru und Kuliberg. 1781 erst zählt die Stadt 6(567 Einwohner» die 1803 auf 7(t7r>, 1825 auf 10 035, 1835 auf 1162Ü gestiegen sind. Die Eröffnung der ersten cimbrischen Eisenbahn 1844 gab einen An- lass zu rascherem Wachsen, von 13572 (1845) auf 16218 (1855). In der etwa doppelt beschleunigten Zunahme von 18 695 auf 21 707 in den Jahren 1864—1867 sind die Wirkungen der preussischen Occu- pation sichtbar. Der folgende Zeitraum von 1867 1875 zeiV^t fm Wachsen von zusammen rund 42 "/o, d. h. jährlich 5,2 " n : der letzte von 1875 1885 nur noch ein Steigen von 37 246 auf öl 707, d. h. im Ganzen um rund 88 Vi jährlich um nicht mehr ganz 4%. Wenn die Stadt also mit Aarhus, das ^ 1870—1880 um 6Vt> jShrlich ge- wachsen ist, bei all«r Gunst der Verhältnisse keinen Sdiritt zu halten vermocht hat, so werden die erzeugenden Bedingungen des Verkehrs dort als noch günsti^'f-re angesehen werden müssen.

Der oben erwähnte, durch die berechnende Entschlossenheit der Dänen abgezweigte Verkehrsstrom geht vorzugsweise nach England; denjenigenNord-Sfld-yerkehr aber, der von Hamburg aus nach den ißeder- landen, Paris, in die grosse Welistr;is>t» ih s Rheins, nach der Schweiz und Italien weiter geht, kann Kiel niemand nehmen. Dagegen wird es nach Einrichtunc^ der demnächst zu eröffnenden Route Kopenhagen- Rostock auch noch dt njenigen Teil des Nord-Süd-Verkehrs abgeben müssen, der bisher Uber Uamburg oder Lübek eine südöstliche Richtung ein-

') Di<' obige Ausführung ii<t , wie ich dem Herrn Prof. Hahn pcf^enOber hervorzuheben genötigt bin, mit dem von mir ttber Kiels Lago in meiner Schrift: , Bedingtheit etc.' Dargelegten in der vollkommensten Uebereinstimmung. Wenn derselbe (Die Städte der norddeutschen Tiefebene S. 158) meint, ,im Angesicht des grossen deutschen Kriegshafen» wtirde ich jetzt anders urteilen als 18G1 wo ich gewarnt haben soll, „auf jene Eigenschaften* (Tiefe, Gerilumigkeit, Verteidigun^- lilhigkeit) , allzu sanguinische Hofinmigen m bauen," so ksum ich meine Yerwundenm^ nicht bergen, wie wenig aufmerksam er meine Darlegung gelesen hat. Ich weise hin auf S. 101 : »Wer bedenkt, wa« dieser Winkel der Erde als Teil eines gro-ssen und mächtigen, freisinnig und hoclihorzi^^ geleitetm Rdchea werden könnte, dem zittert das Herz entweder vor Freude odi r audi vor Entsetzen.* Die eut.'^chei- dende Stelle selbst aber folgt S. 103: «Allein auf seine bequeme Tiefe daher, auf aemen Umfang, seine Geschüt/theit HoAnilDgen unbegrenzter Art bauen sa w<dl€n . . . erscheint kühlerer Betrachtung sangumisch.* Pii^ Voranstellung des Worteg gAllein", seine Hervorhebung durch den Druck konnte es doch für nie maad nreifelboft lassen, was der Schkswig-Holsteiner von 1861 im Herzen trug xind wa« er forderte, um die schlummernden Kräfte Kiels in Wirksamkeit ge-setzt zu sehen: ein Deutschland, eine deutsche Flotte, kurz, die erzeugenden ürsachoi des Verkehrs forderte er zu den vorläufig , allein* vorhandenen bedingenden hinzu. Midlt Eurückzunehmen hal>e ii h mein I rfeil, icli darf es als vnll liestätitrf nnsdieB.

*) Vgl. die Abbildung in Bruma und Hogcnbergs Theatiuiu urbium.

71]

PoleograpUe der- cimbriMhen Halbmiel.

547

schlug. Ob und wie weit der nunmehr in sicherer Aussicht stehende Schift'ahrtskanal auf die Bevölkerungs- und auf die Handelsverhältnisse wirken wird, bleibt abzuwarten; gewiss ist einmal. <hss ein Steigen der BeYölkeruDg nicht zugleich immer ein Steigen des Wohlstandes und wahriiafte Blflte bedeutet, sodann dass Oanst und Ungunst der natOrlichen Lage durch keine kttnstHchen lüttel ganz ihre Wirksamkeit verlieren .

Durch die Vorteile seiner natürlichen Verkehrsbedingunjjcn über- ragt der trrosse Verkehrsbrennpunkt Hamburg mit seinen Trabanten weitaus alle anderen. Die Kreuzung der Hauptlängenstrasse mit der Hauptquerstrasse, die Einmündung beider Iiängenstrassen zweiter Ord- nung (2 und 3)f der Diagonalsfarasse von Burg tmd Oldenburg her (III), Strahlen, denen genau enisprechende bei Harburg zusammenschiessen, endlich der End- und Wendepunkt desFIuss- und des Seeverkehrs, Wasser- strassen, die ihrerseits aus zahllosen Fäden eines bezügbch über Deutsch- land und über die Welt ausg<'breiteten Netzes zusammengesetzt siiul, führen in ihrem Zusammenwirken zu Ergebnissen, die einen Vergleicli mit irgend einem anderen HandelrolatiBe der dnSbrischen Halbinsel nicht bloss, sondern des europäischen Festlandes nicht mehr zulassen.

Ende des Mittekitters nach verschiedenen Schiitzungen etwa 12—20 000 Einwohner gross, Ende des ir>. Jalirhunderts vielleidit 20 30 DUO, wird die Bevölkerung 1700 aul ürundlajje vorliegender Geburts- und Sterbelisten auf 97 000 berechnet^}. Für 1789 nimmt Hess eine städtische Beydlkerung TOn 96 000 Einwohnern an, die unter Begünstigung der damaligen europSischen Verhältnisse in den Jahren bis 180(3 als rasch anwachsend anzusehen sein wird. Die Folgen der französischen Besitznahme zeigen sich aber schon in dem Ergebnis einer 1811 vorgenommenen Zählung, das nicht höher ist als rund 100 700 Einwohner. Im Jahre 1821 werden in Stadt und Vorstadt St. Pauli 127 985, 1835 149 520, 1845 166 916, 1855 185 G41, 1865 211038 gezlUilt, 1871 286279, d. h. also in 50 Jahren eine Zunahme Ton rund 110000 Einwohnern, die HSfen und Vororte mitgereclmet Ton rund 172 000. In den 9 Jahren von 1866 bis 1875 ist die Bevölkerung der Stadt mit Häfen und Vororten von 259 134 auf 348 447 Einwohner, d. h. um 3*/5 °n jährlich, in den 10 .Tahren von 1875 1885 von 348 447 auf 471411, d. h. nur noch um etwa 3'/t > jälirlich ge- wachsen, ein kleiner Rückgang also andi hior ein^^etreten. I)er be- deutende Abstand, in dem auch Hamburg gegen die Hauptstadt Jüt- lands, wenigstens in dem Jahrzehnt von 1870 1880 bleibt, wird sich auch hier mit daraus erklären, dass ein erheblicher Teil des Zuwachses, den der Kern der grossen Elbstadt eigentlich erzeugt, den umliegenden Orts( hatten zu gute gekommen ist und kommt, welche grösseren Raum und leichtere Erwerbsbedingungen bieten, ohne bei der Leichtigkeit des Verkehrs die Vorteile der Grossstadt zu entbehren.

2 g. Welch ein Abstand des heutigen Nordalbingiens gegen das ▼on etwa dem Anfange unserer Zeitrechnung ! Damals stödtische Ansied- lungen unbekannt, ja nicht einmal geduldet: jetast ein Zusammendrängen

') Nucb Ireuudlichen Mitteilungen des Hambarger statiätischen iiureatM.

548

jMiMn,

der BevölkerunfT an bestimmten, begünstigten Plätzen, das zn dem Beieinander- ja Uobereinanderwolmen unter der Erde, über der Erde, in doppelten biä vier- und fünffachen Schichten geführt hat, Licht, Lu^ Atem Itemmfc, KzimkhdteiL des Leibes und ScbSden der Seele er- zeugt, AuBwflchee der gesellBchaiÜicheii Ordnung, Bxtreme des Reidi- toms und der Armut hervorruft, aber eben ist und bleibt.

Und dieses ausserordentliche, in mancher Hinsicht bedenkliche Anschwellen der Städte ist erst sehr jungen Datums.

Bis ins 9. Jahrhundert gibt e.s in unserem Lande kaum die

wickelt sich, was man städtisches Leben nennea kann. In den letzten

Jahrhunderten des Mittelalters nehmen zwar Lfibek und Hamburg ftlr Ost^ und Nordsee-Gebiet beherrschende Stellungen ein ; dennoch werden sie, nach allen Anhalten zu urteilen, mehr als je 20 30000 Einwohner kaum gehabt haben; die ländlieho Bevölkerung bleibt die weitaus über- wiegende. Dies Verhältuis dauert trotz allmählicher Zuuaiuue Ham> burgs bis m unser Jahrhundert, ja bis an und ttber die Mitte desselben fort 1803 hat Schleswig-Holstein nach der damaligen Zihinng bei einer Yolkszahl von 604 084 nur 104447, d. h. wenig mehr als ein Sechstel städtisdirr Bevölkerung, unter Einschluss von Hamburg (rund 130000 Einwohner), Lübek (rund 30000), Eutin (rund 2."i00), Lauenburg (rund 3000), nach mutmasslicher Schätzung bei einer Bevölke- rung von rund 819000 eine städtische von etwa 270000 Einwohnern, d. h. immer noch nur etwa ein Drittel Selbst 1875 noch, wo Schleswig- Holstein (107392G) mit Homburg (888C>1S), Labek (58000), Eutin (34 000) eine Gesamtbevölkerung von 1 555 334 Einwohnern trlif^, behält die ländliche mit 811 271 gegen die städtische (346016 -f 348447 -f 45 000 +4000 =) 744163 em Mehr von rund 67000 Einwolun-m. Erst 1880 ist das Verhältnis auch für Schleswig-Holstein umgeschlagen: die Stftdte haben ein Mehr Ton 62000, 1885 schon von rund 130000!

2 h. Auch diese Erscheinung, nicht bloss bei uns, sondern in der ganzen civilinerten Welt, bewährt uns von neuem das Wechselverhält- nis zwischen den „Stätten" und den „Wegen". Die ^Wege'" haben aber erst seit etwa einem Menschenalter ihre eigentliche Aufgabe und Bestimmung der Bewegung in einer Weise zu erfüllen angefangen, dass jetzt erst der ganze Inhalt des Wortes, der wirkliche Tiefsinn der Sprache in sein voUes, ttbenasohendes Licht su treten beginnt Die Y( II ri ilung der Verkehrsmittel hat eine Leichtigkeit und Schnelligkeit der Bewegung ermöglicht, diese zugleich eine Zunahme der Verkehrenden, eine Ausdehnung des V^-rkehrsgebietes, eine Verlängerung der durch- messenen Entfernungen und eine Kürzung der bezüglichen, nntwni- digen Zeitlristen, das» die Kiuwirkung davuu auf die Ualtestätteu niclit ausbleiben konnte. Wuchs mit der LSnge der Verkehrswege und der Zeitersparnis der jedesmalige Verkehrsbereich, mussten in entsprechen- dem Masse die Züge der Verkehrenden dichter und zahlreicher werden. Städte, die früher als Herbergen in Betracht kamen, mussten iliro Be- deutung verlieren, zu blossen Anhaltestellen herabsinken, wohl gar den Verkehr.s.strom au sich vorbeirauschen sehen. Erst in weit grösseren Entfernungen fand sich eine Stadt, die ftlr den so unendlidi erweitertea

ersten Ansätze städtischer Siedel

Erst im 13. Jahrhundert ent-

78]

' Poleographie der cimbriMli«!! Halbinsel.

549

Vorkehrskreis einen bequemen Mittelpunkt darstellte; hier strömte und staute sich nun aber auch die bewegliche Menschenmenge in einer Weise zusammen, dass sie zu ihrer Verpflegung, Ausrüstung, Ausbeutung eine entsprechende Ansiedlung von iiuhenden hervorrufen musste. Die Strasse, die in Hamburg zusamniBn laufen, kommen ans allen LSndern Europas, Amerikas, aneh der andern WeltteQe, London ToUends iel: der Mittelpunkt eines Wegenetzes, das sich gleichm'äsng ausspannt über die Welt.

3. Es wirrl anf^ebracht erschoinen, diese Steigerung des Ver- kehrs in mehr audi iiteiider als ausführender Weise durch einige Zahlen- angaben zu verdeutlichen.

im Jahre 1G25 gab es im dänischen Gesamtstaate 30 Post- Stationen; 1801 deren in Dänemark 40, Schleswig 15, Holstein 24, im Ausland (Eutin, Lubek, ftunbüi^) 8, sosanmien 82, d. h. also eine Steigerung in 17(3 Jahren von etwas mehr als dem Doppelten. 1833 haben Schleswig, Holstein, Tiauenbiirg zusammen 55 Poststationen, 184() 67, 1860 75, ausserdem bereits lOU Briefsammelstellen. Ende 1884 <^ab es im Bezirke der Oberpoätdirektionen Kiel und Hamburg, soweit nordal- bingisches Gebiet in Betraebt kommt, 379 + 49 = 428 Postanstalten >).

Briefe wurden in den Herzogtümern 1838 gewechselt 1165768; 1846 1813809, die Postämter im Ausland eingeschlossen. 1884 sind in den Herzogtümern aufgegeben 27 5(33 803, ein^jec^angen 28203 305, zusammen rund 56 000 000 Briefe, d. h. in noch nicht 40 Jahren eine Steigerung um mehr als das Dreissigfache!

Wertsendungen kamen im Cresamtstaat Dänemaik 1838 Über 34 ICniionen, 1846 aber 59, 1860 Uber 115 Hillionen Reichsbankthaler vor; 1884 sind in den Herzogtümern (Hamburg, Lübek , Eutin einge- schlossen) Wertsendungen allein aufgegeben 291 708 4(38 Mark, einge- gangen 236 846079 Mark, Postanweisinif^'en eingezahlt 106 914 704 Mark, ausgezahlt 83061987, ein Gesamtbetrair v,,ri rund 719 000 000 Mark. Schätzen wir den Anteil der Herzogtümer an dem Gesamtverkehr Dänemarks für 1860 auf etwas mehr als ein Drittel, d. h. auf rund 40 Millionen Reichsbankthaler und rechnen den von Hamburg, Lttbek, Entin, soweit er nicht durch die dänischen Postämter vermittelt sein mag, noch mit rund 8 Millionen hinzu, d. h. also auf 108 Millionen Mark, so würde sich in 24 Jahren eine Steigerung von ungefähr dem Sieben- fachen ergeben.

Am erstaunlichsten ist die Zunahme des PersonenTerkehrs.

1833 noch yerkehrten im dänischen Geeamtstaat mii der Post nur 8290 Personen*). Die Einfahrung von „Diligencen" auf mehreren Strassen, die Verbesserung der Warden durch Federn steigerten diese Zahl in den folgenden Jahren merkbar. 1834 z. B. um 24 */o, auf 10344, 1842 gegen 41 um 61 "/o, auf 41 569 Personen. Die EröfTnung der ersten Eisenbahn Kiel-Altona 1844 machte sich sofort geltend in einem Sinken der Zunahme yon 31 auf 7 ^/ft noch im Jahre 1844, obwohl die Erö&ung

') Diese und die folgenden bezÜgUohen Angaben verdanke ich der freund- lidien Bereitwilligkeit des Herrn Oberpcmdirektorä Hafiftdel in Kiel.

') Urher icbt über den Pottongaog etc Benoht an den Finaninninirter tooi Oenendpostdirektor 1862.

550

JftnMn,

[74

am 18. September stattiand. DeDDOch beniitztcii 184») schon r)4 7G4 Personen die I'ost; 1800 121 812, davon in den Herzogt iiniern 41241, also rund der dritte Teil, so dasa liier 1833 etwa 2700, 1840 etwa 21000 werden befördert sein*

1884 war das nordalbingische EieenbahnnetB bereite so entwickeli» (Iri'^s nur noch 18090 Personen sich auf die Postwagen angewiesen nben. Dafür beförderten die Eisenbahnen iblgende Zahlen 0:

A. Die Privatbahnen.

1, Schleswig-Brarup C4 753

2. Altona-Kaltenkirchen .... 122000«) 8. Lübek-Travcmünde ...... 157 834

4. Lübek-Büchen 191 429

5. Lübek-Eutin 243 572

6. NeomDnsteT'Tönmng .... 261 401

7. Kiel-Eckernt(irde-FIen.sburg ») . 304 483

8. Holsteinische Marschbahn . . . 46ti f>;U

9. Lübek-Hamburg C7u 190

2 482 596

B. Die Staatabahnen.

10. a) Betriebsamt Flrasburg:

angekommen . 000 900 *) ) , ^oi aaa

a>)gegangen . . 604 700 5 ^ ^

b) Betriebsamt Kiel:

angekommen . 1,015 400 j n na? 7aa abgegangen. . 1 02230oM ""^"^^

c) Betiiäsamt Hamburg:

7 839 100 dazu . . 2 482 596

Summa . 10 321696

Von 1884 also bis 1884, in einem halben Jahrhundert, ist die Zahl der dnreh öffentliche Verkehrsmittel beförderten Personen in den Herzogtflmem von rund 3000 auf rund 10000000 gemM^iaen, d. h,

um mehr als daslhcitausendfache; eine Veränderung, wie sie in allen Jahr- hunderten unserer Geschichte zum erstemuale eingetreten ist. Qibt

') Nach gütigen Mitteilungen der betreffenden Verwaltungen.

*) Die Buia ist eist am 8. September 1884 eröflhet nnd hat bis sam 81. Dezember 80 474 Per? onen befördert , -nas su der obigem SddLtxaiig fölni. 1885 ist die Zahl der Beförderten 122 (iai gewesen.

') Vom 1. April 1888 bis 1. April 1884. (Letster Bnieht.)

*) Bei der Zusaninienzählunp der Einzelanpaben für di»' l>o,-onderon Sta- tionen sind die Zelmer nach oben oder unten zu Hunderten abgerundet. Vom Be- triebiamt Hamburg ist natfiriich nur das holsteiiiiBciie Gebiet in Bedmung gezogen.

75]

Poleographia der dmbrucben HalbiiMel.

551

es, soweit ich sehe, auch keine Angaben, selbst kaum ATihalfspunkte, um festzustellen, wie viele von jenen 10 000 000 auf verschiedenen Bahn- strecken zwei-, vielleicht selbst drei- und mebrmal gezählt sind, wie viele Ton ihnen Landeskinder, wie yiele Auswärtige und bloss dttrch&lirende sein mögen, immer wird man annehmen dOrfen, dass tSglich in Nordalbin- gien bei einer Bevölkerong von rund 1 500C 00 Menschen, also vielleicht 1 000 000 Erwachsenen, etwa 20000 auf den Wethen" sind ; ein Wandern und Wogen der Ansässitjen, . der Grenznachbarn, der ganz Fremden und Fernen, das auf Cuwohnheiten und Sitten von immer wachsendem Einflüsse sein muss und verallgemeinert über die Welt, w^ie es zum Teil schon ist, teils immer mehr wird, Zust&nde in GeseUschafI xaid Staat herbeiführen muss, von denen eine klare und richtige VorsteUnng noch nicht zu gewinne ist.

So stellt unsere Halbinsel noch immer wie von jeher eine grosse Brücke, einen langen Damm durcli das nordische Binnenmeer dar, in welchem der Längenverkehr die Querbewegung weit tiberragt und im Vergleidi mit den Torflheigehenden Yölkerb^egungen früherer und frOhester Jahrhunderte jetzt eine Verkehrsader zwischen Norden und Sttdoi, Nordosten und Südwesten tragt, deren schwellender Strom keinen Tag, keine Na( hf mehr unterbrochen gedacht werden kann. In Ueber- einstimmung mit der Richtung dieses Stromes, die ihrerseits eine not- wendige Folge der Bodenbeschatfeuheit und der Beziehungen zu den Nachbarlanden ist, liegt die Vorderseite der Halbinsel in ihrer nörd- h'chen Hälfte nach Osten und Nordosten, in ihrer südlichen Hälfte nach Westen und Südwesten gewendet, dt m unbegrenzten Weltmeer zu. Vom westlichen Ocean her ist die Alte Welt zum erstenmale in unsere nordische Barbarei eingedrungen, ein gallischer Grieche in das "aus.serste Thüle. Von Siuhvesten her haben die Kemier /um erstenmale den Elbstrom befahren; nach Südwesten geht die einzige grosse Massen- auswanderung unserer Vorfahren, von der wir sichere Kunde haben und Ton der dauernde Wirkungen unbegrenzten Umfanges ausgegangen sind. Von Südwesten und zwar wieder zur See kommt uns das Christentum; im Westen wird selbst die Reformation bei uns zuerst lebendig: Visbeke, Bockholt, Tast, Heinrich von ZUtphen gehören alle dem Westen an, der letztere war aus denselben Gegenden, auf demselben Wege ge- kommen, wie einst die ersten Sendboten des Christentums. Noch immer geht über den Südwesten unserer Halbinsel ein stetiger Strom regel- mSssiger Auswanderung in die Welt hinaus. Wie einst an der Bildung einer Nation von der weltgeschichtlichen Bedeutung der enghschen, wird das Angelsachsentum an der Gestaltung des Riesenstaates Amerika einen wesentlichen, ja massgebenden Anteil gewinnen.

552

[76

Zur Wortdeatimg und Bechtschreibiiiig.

1. Ueber die Bezoichnun«^ unserer ciml)rischen Meerbusen, Förden, lässt sich mit Siclierlieit uicht iiielir sageu, als dass sie nordischer Her- kunft und nordischen Bereiches ist. Die Sache selbst aber deutet auf den Begriff des tief Emscimeideiiden, Trennenden , der auch in dem isländischen Sprichwort : eine Förde mnss' liegen zwischen Feinden, eine Wik zwischen Freunden, zur unverkennl^ren Geltung kommt. Und wenn eine cimbri.sche Förde mit ihren zugänglichen Ufern keine Schranke aufzurichten geartet ist, so liegt an den Steilküsten und ^iebirgs- wänden der eigentlichen Heimat der Fjorde, Norwegen und Island, die Sache anders. Bezeichnend heisst darum auch Norwegen FiOrcyOrd terra sinuum oder vidra sunda lönd latorum fretorum terra ^) ; und wenn übertragen koma in hardan Qdrd in difficilem sinum i- « . in angustias venire bedeutet, so muss man geneigt sein, auf eine (Grund- bedeutung Enge, Spalte oder ähnliches zu schliessen.

2. Die Bezeichnung Wik hat einen bedeutend weitereu Ver- breitungsbereich; sie kommt an der ganzen Südkflste der Ostsee, auf dem gesamten niederdeutschen Spiadhgebiet ebenso gut vor wie im Norden; dass noch Brunswik, so un^flcldich verhochdeutsc lit Braun- scliweig, Osterwik, noch sichtbarer gelegen in einer Ausbuchtung des Gebirgs, vielleicht auch Coswig in der zweifellos einst wasserbedeekten Elbebene hierher gehören, macht ihre Belegenheit, wie die in der Nachbar- schaft mehrfach vorkommenden Ortsbezeichuungen, die sonst dem nieder- deutschen Norden mehr eigentümlich sind wie die Endungen -um, -bttttd und Shnliche wahrscheinlich. Wenn die Bedeutung des Wortes nach seiner Verwendung ftir stumpfwinklige, schwach ausgeprägte Einbiegungen der Küste, sei es des Meeres selbst, sei es wie häufig einer Förde oder eines Biuuengewüssers nicht zweifelhaft sein kann, so wird sich die Ableitung von weichen als unbestreitbar ansehen lassen Dass damit der Zusaramenhang des Wortee in seiner i'ctzigen Form als aweiter Bestandtefl eines Ortsnamens mit dem altsächstsdhen wie Flecken Ticus wohl bestehen kann, bedarf keiner Bemerkung.

Ein gleichfalls dem Norden und, soweit ich sehe, nur der cimbrischen Halbinsel in ihrer gnisseren nördlichen Hälfte angehörige Bezeichnung einer bestimmten Wasserbeckenbilduug ist das Wort Noor, bisher meines Wissens nicht erklärt. Herr Professor Möbius, an den ich mich wandte, fand ohne Zweifel sofort den richtigen Weg zu seiner Deutung in der Thatsache, dass die Heerenge von Gibraltar bei den alten Normannen als njörva oder nörva sund bezeichnet werde. Das Mittelmeer ist in der That ein Noor des Weltmeers. Denn sehen wir die Noore unserer Halbinsel an, wie dns Windebyer, Selker, Haddebyer, Holmer, NUbeliioor u. a., so tritt bei allen als bezeichnendes Merkmal

*) Bjilsson Lcxicon poetirum antiqiuio lin^ruaf! soptentrionalis. ^ Möbius Altnordischeä Glossar: vik receääua maris von vikja, das nach Egilsscm audi » fleefcere ist.

77]

Poleographie des cimbrischen Ualbiusel«

558

der Terengte Hak hervor, durch den diese imtergeordneten Wasser* becken mit dem grösseren Gewässer, der Fdrde, verbunden sind. Das Wort erscheint im ags. als nearo, idts. als nam, naro, nazawe, ndd. ndl. als naar. englisch als narrow.

4. Häufig kflirt das Wort with, auch witt geschrieben, in Zu- sammensetzungen bei Ortsnamen wieder: Sundewith, Handewith, Witt lichtiger WitUael. Die Bedeutung ist nicht zweifelhaft: vidr, vidar ist im Altn. Hob, Baum. Dänisch ist es zu ved, schwedisch zu Täd, angels. wudu, engl, wood geworden. (Vgl. Vigfusson, An icelandic engl, dictionary und Möbius, Altnordisches Glossar.) Sundewith ist mithin der Wald am Sunde, Withkiel der WaldquelL

5. Die Deutung nämlich des Namens Kiel = Quell oder Quell- sumpf, Quellmoos, d. h. Moor, sehe ich mich veranlasst, teilä gegen Anzweiflung zu schützen, teils als die meine in Anspruch zu nehmen; 8. Bedingtheit des Verkehrs u. s. w. S. 104 ff., Anm.

Prof. Mullenhof freilich beaeidmete sie, mir gegenüber mündlich, als unmöglich, wenn ich recht erinnere, wegen der verschiedenen Mes- sung der Vokale. Junghan? (Jahrbücher für die Landeskunde der Herzog- tümer etc. IX, 3) findet für die Bestimmung der Grundbedeutung des Worts .den neuerdings (sie!) gefOfarten KachweiB, dass der Name Eid in einfacher und zusammengesetzter Form mit unbedeutender Differen- zierung des Vokals in Schleswig, in Jütland, auf der Insel Mön mehr- fach vor]<nnime*', doch , wichtiger*. „Ohne Zweifel ist" ihm „der , Käme ilLiitschen (germanischen), nicht slavischen Ursprungs und älter ais die Stadt." „Dass nach dem Jahre 1261 sowohl der kleine Kiel als die Förde den Namen kyl lührten, wird schon durch unser Stadt- bnch bezeugt; alles andere*, meint er, ^ist Vermutung, unbewiesen und unbeweisbar."

Der Thatbestand des Sprachgebrauchs ist folgender. Der Name kvl kommt zuerst in der Urkunde von 1242 vor, in welcher Johann I. der «Holsteiistadf das lübsche Recht verh Uit und ihr Weichbild bestimmt, und zwar einmal mit dem Zusatz stagnum , einmal mit scheinbarer Beziehung auf einen Bach . . . usque in kyl sicut rivus descendit. 1259 wird ein fluvius kyl, 1286 ein parvus flutius kyl genannt; die Felder west- lich der Stadt, nördlich ansteigend vom Schreventeich, Ähren bis heute den Namen Kiel-Stein. Der Schreventeich war, ehe seine slidliche Hälfte zum Wasserbehälter iür die Stadt ausgegraben und seine grossere nörd- liche Hallte 1883 zu Gärten umgewandelt und ausgelegt wurde, ein rechtes aMoos* oder Moor, Wiesensumpf, ein seichtes Wasser, toU Binsen und Bülten, wie sie namentlich im Gebirge mannigfach als Flussursprünge erscheinen, das noch immer ein muntres BUchlein in den kleinen Kiel und in die Forde entsendet, freilich zum Teil unter- irdisch, durchaus nicht, wie Junghans meint, Terschwundeu In

^) Schreventeicb iit , wie die alte Fonn für Bchreyenboni , Greveabom und

die Uebfr.-i t zur rr inhmo ( (vniitis für „des Greven Hagen" Busser Z\v( if« ! st<'lli-n ~ *8 Greven 1 eicb. Mitten in dem 1242 abgegrenzten Kieler Stadtgebiet blieb dieses Oewiner gräflich , ,.fiikaUsch", landeBfaerrhch und ist erst 1862 von der Stadt er- woibeD. Es encheiBt mindestens als sdir mflglicb, dass bis 1242 an diesem Mooie

554

Jansen,

[78

Schleswig kuiumt dieselbe Bezeichnung, meist in Zusammensetzungen, an Oiten älinlicher Bodenbeschaffenheit zehnmal vor, nirgends bezeich- nender und sprechender als in «Kieteong* an der Flensbui^r Förde,

dem «Quellenanger" , der QueUenwiese. Im Königreich Däneuiark kommen nach der Topographie von Trap Ortsnamen mit Kiel oder kjel, kille, kilen, kjelle, kjelUng. kjeld 54 vor, mit dem zweifellos verwandteu kilde, kjaeld nocli rine stanze Anzahl mehr, darunter solche, die den Öinu des Wortes deutlich hervortreten lassen: kjeidkjaer (ijuell- eumpf), kjeldskoT (Brunnenholz), küdal (QneUenthal) n. a. In Nor- wegen erscheinen an der SUdkÜste ähnliche Bodenformen mit gleichem Namen. In Deutschland ist der von den „Moosen" der Eifel gespeiste Nebenfluas der Mosel Kyll, samt Stadtkyll und Kyllburg unzweifel- haft von demselben Stamme benannt; auch Kelberg im Quellgebiet der Ahr, Kiiliheim an einem iSebenfluss der Tauber, Kelheim an den Ufer- h5hen der « moosigen* Donau (Tgl. schwäbisch Brunkell) werden gleicher Wurzel sein.

lieber die Bedeutung des Wortes habe ich heute nicht mehr wie ISfU eine begründete , Vermutung", sondern eine zweifellose Gewiss- heit: kil ist nichts anderes als Quell. Zum Beweise diene, was ich (Bedingtheit u. s. w. S. lOGj an sprachlichen und sachlichen Analogien beigebracht habe und was seitdem (1873) durch die Auktorität des Grimm- schen Wörterbuchs in erwünschtester Weise bestätigt worden ist; die hier aus Mathesius Sarepta beigebrachten Stellen (. . . ausz einem jeden kiele, flUszlein, laken oder cistern zu trinken, Sarepta 68 b und . . . den Ursprung oder die kielen des Schwarzwassers [im säelisischen Erzgebirg], Sarepta 117 a) deuten Ijereits, wie die Verwendung des Wortes zu Orts- bezeichnungen, auf ein dem Stamme eigentümliches, sehr begreif licheä Schillem zwischen den Bedeutungen Sumpf- oder Moosqnell und Quell- moos, und da jeder Quell sofort m ein «flfiszlein* ttbeigeht, auch zwi- schen Bachquell und Quellbach.

Ausser dieser Tliatsachc auch noch einige andere zu beweisen, was ich mir erlaube tür möglich zu halten, wUrdi? nicht dieses Ortes «ein. Hier nur noch die Antwort auf eine sich aufdrängende Frage: Fuhrt denn Kiel seinen Namen Quell mit Recht?

1861 schloss ich meine Darlegung mit den Worten: «Wenn daher Kiel, wie vor einigen Sommern, in Dürre zu verkonunen in Gefahr ge- raten kann, so muss entweder der Name kil eine contradictio in adjecto und wie Ukus a non lucendo sein oder die Wttnschelrute fehlen, den Tersprochenen Queüenschatz zu heben."

Derselbe ist seitdem gehoben. Hart nördlich von jenem oben er- wähnten Joch, das Nord- und Ostsee-Abdachung scheidet, waren in dem saftiggranen Wiesengrund, der alsbald in die Förde Übergeht, schon 1844 durch den Bau der Eisenbahn „starkfliessende Quellen" ^) freigelegti welche täglich rund 1000 cbm schönsten Wassers in den Hafen ent-

dcv Name kil gehaftet hat, das seitdem im (Jogeniatie ziua Stadtgebiet all

Greven Teich bezeichnet zu werden begann.

Vgl. P. Chr. Hansen, Schleäwig-HoLatcin , seine Wohlfahrtabeatrebuujfen and gemeinnOtugen EiAriehtungeik

79]

Poleographie der dunbriscben Halbinael.

555

sendeten. Hier sind nun 1879;S0 acht Brmmeu auf 7 8 m Tiefe durch eini|^e Lehmschicbitea in den Koriilieusand abgesenkt, deren Ertrag, zwischen 3000 und 4000 cbm täglich, durch Heberohre in einen Sammelbrunnen bei Garden und von da durch Maechinen in das Haupt- becken auf der Höhe des Viehburger Rückens gehoben wird. Eine aweite Quellen wiese, 150 m entfernt, kann über kurz oder lang in Benutzung genommen werden. Kiel ist die H^^olätenstadt am Wiesen- quell

6. In der Schreibung habe ich einige Abweichungen Ton der landläufigen nötig befunden. Eine innere Berechtigung hat sie oft nicht und dient nur dazu, den Sinn und Ursprung der Benennungen zu verdunkeln. Wie siclitlich ist Fähr-Bellin das durch eine Fähre gekennzeichnete Bellini Wer es aber sclireil)f, wie es heisst, gibt An- stoss. Hier kr»nnten sich die Behfird» ii Vrnlienste erwerben!

Das niederdeutsche Wort tUi- Bach; »Bek" mit ck, d. h. mit doppeltem k zu schreiben, ist ohne alle Berechtigung; einmal, weil der Aspirata des Hochdeutschen die niederdeutsche Tennis entspricht und ein ck auf ein cch führen mtlsste; sodann weil niemand in dem Worte einen geschärften Vokal spricht.

Auch in LUbek hört man einen langen Vokal. Dazu kommt, dass der Name, zweifellos slavischeu Stammes, obwohl nach freund- licher Mitteilung des Herrn Prof. Leslden unsicherer Ableitung (^ubP lieb dann wftre die Form lubica oder lub? Binde), nach ülteater Schreibung nur in der Form Lubice, Lubike, Lubika oder Luheke er* acheint.

Meklenburg, von michel (|iEYaX -), l)ei Helmold Mikilenburg, kann auf richtigem Wege ebensowenig zu einem ck gelangen, das auch die niederdeutsche Aussprache nicht kennt.

In Pretz halte ich die Scharfung durch ein t fUr richtig, weil es slavisch Porelje (Ort am Flusse) ist (Leskien), c aber gleich .tsch ist» Daher auch die alte Schreibung Poretze.

Für Silt, statt des dänisch anklingenden Sylt, spricht sowohl die alte Schreibung Süd (s. die Urkunde Ktniig Erielis [1241?] bei Hasse, S. H. L. ilegesteu und Urkunden i, 279), als auch die eigent- liche, fiiesische Form Sal; friesisch a geht auch sonst in i über, z. B. stal = slalL

Bemerkung zu S. 5:^(5. Elfn vor Thorschluss fällt mein Blick auf S. 16 f. der Deakschrifb der Kieler Uandeiakammer Uber den Nordoatsee-Kanal : das Urteil der Pnuds Aber muer SiaenbahimetB flllt mit dem der Theoxie «Iwmmen.

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NQv 5 1942

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