Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog.

Anton Bettelheim

•1

. \ .• ......

'V ■:

•. - ; •• * "

Digitized by Google

Digitized by Google

UNIVERSITY LIBR. I XV .

' STANFORD ''oUNIVERSr

"A

'M

LIBRARIES

Digitized by Google

UNIVERSITY LIBRA HTY LIBRARIES . STAT "S STANFORD UNIvd

ANFORD UNIVERSIT .ERS.TY LIBRARIES'

J

{D UNIVERSITY LIBRaj

•1»

I

Digitized by Google

Digitized by Google

I

UND

•:)i:U rSCMl-R NKKROI J )C.

VON

V. ii!/' » A. 'HS KkAVi,!., Hh.NKj. H i K":i>irNr, .* •« ) «.Nll'k.

1 »•<•, a:» LtiRIAV ;\0»1< * 1 J ; k •/• .1.

liL;-.M.irK KUH IS<iI\*. f ..^ I.. >''»l' 4'

HKRAtSCI r.KM! N

VON

ANTON liüTTIlLlIlCiM.

I. 1UNI>

l>i N i '»«K;i ON IUI I •« HKIC I M> 1>I lltii» L.'>li«iNI> IN lillMooIUVcIti;

i;i:ri in.

••tc r\j. Vi:»<J Au Vi)S ül'OKG RKIMr.K

Digitized by Google

I

BIOGRAPHISCHES JAHRBUCH

UND

DEUTSCHER NEKROLOG

UNTER STÄNDIGER mrWlRKUNG

VON

F. V. BKZOLD, AI.OIS BRANDL, HEINRICH FRIEDJUNG. AUGI ST FOÜRNIER, 1.UDW1G GEIGER, K^\RL GLUSSV, SIGMUND GÜNTHER, EUGEN GUGLIA, OTTOKAR LORENZ, JACOB IHNOR, FRIEDRICH RATZEL, PAUL SCHLENTHER, ERICH SCHMIDT, ANTON S. SCHÖNBACH U. A.

HERAUSGEGEBEN

VON

ANTON BETTELHEIM.

L BAND

MIT DEN BILDMlSäEM VOM TRE1T8CUSB UHD DU fiOI8-RBTMOMD IN IIKLIUUKAVUUE.

w « ^ ,

' « '

BERLIN.

DRUCK UND VERLAG VON GEORG REIMER.

1897.

Digitized by Google

191183

» ♦•♦"••»••1

*•

•»

Digitized by Google

Vorrede.

Ueber die Vorgeschichte, den Plan und die Aufgabe dieses Jahr- buches gaben die Verlagshandlung und der Herausgeber Ende Januar 1897 Aufschluss in dem folgenden an Freunde, Förderer und Mitarbeiter unseres Unternehmens gerichteten Rundschreiben:

»Die » Kiugra]; hi^cben Hlaticr«, die^bisher im Verlage von Ki nst Hofman & Cie, Berlin unter ständiger' MitWirlcung von Michael Bernays, F. T. Besold, Alois Brandl, August Fournier, Ludwig Geiger, Karl

Crlossy, Sigmund Günther, Eugen Guglia, Karl v. Liitzow, Ottokar Lorenz, Jacob Minor, Friedrich Ratzel, Anfon F.. S( l^önbach, Krich Schmidt u. A. von Anton Bettclheim herausgegcijen wurden, sind mit Neujahr 1897 in den Verlag von Georg Reimer, Berlin übergegangen. Die Zeitschrift, die 1895 als Vierteljahrs- 1896 als Zweimonatsschrift, beide- male im Umfang von je 30 Bogen T exikon-Ol^tw , erschien, wird fortan als 'Biographisches Jahrburh und I )eu tscfi c r \ rol og« im Wesentlichen unter stnndi^er Mitwirkung derselben oben genannten Haupt-Mitarbeiter, geleitet von demselben Herausgeber, im gleichen Umfang alljährlich spätestens Mitte November als Band von 480—500 Seiten Lexikon-Oktav veröffentlicht werden. Wie bisher, sollen biographische Kunst und Forschung in unserem Jahr- buch theoretisch, kritisch und praktisch ge|)flegt werden, Abhandlungen, Essays, Biographiecn, Sell)srhekenntni!^se, Briefe und nciikwürrHi^keiten nach Mna>L;abc des N (»rhandenen Raumes eine Stalle linticn. Viclseiiiucu, \on benifons'eu l ach- männcrn ausgesprochenen Wünschen gemäss, soll indessen fortan das Haupt- gewicht avf einen sorgsam und vollständig gearbeiteten »Nekrolog der im vorangehenden Kalenderjahr beimgegangenen Deutschen von Be> deutung« gel^ werden. Mebter der Natur- und Geisteswissenschaften hil'cn übereinstimmend der Klage Ausdruck f^rgeben, dass seit dem Ab- -<chiu!»s des 30. Jahr|:aiiL;s Hos Neuen Nekrologs der Deutschen im Jahre 1854 unserer Liiiciatur ein zuverlässiger, mit Tag und Jahr gehender Nekrolog fehlt. Die Allgemeine Deutsche Biographie konnte, ihrer ursprüng- lichen Anlage gemäss, diesem Bedürfniss nicht genügen; Wurzbachs bio-

Digitized by Google

IV

Vorrede.

graphisches Lexikon für das Raiserthum Oesterreich schloss schon 1891 mit dem 60. Band ab; die nekrologiachen Mitthetlungen unserer Ge- lehrten- und Tages - Blätter entbehren der ordnenden, siditenden Hand,

die das Wesentliche ausheben und in einer C\Mitralstelle zusammenfassen wllrrie. Mit l"u<; und Recht konnte deshalb I-iiedrich Ratzel schon vor Jahren m den Grenzboten die Mahnung aussprechen, dem immer ärgeren »Vei&U unseter Nekrologie« Einhalt zu thun und zum Heil der politischen und der Culturgeschichte reditzeitig das Andenken Aller festzuhalten, die für deul - Ii Art und Kunst von Bedeutung waren. Dieser Forderung soll der > Deutsc he Nekrolog; - tinseres Biographischen Jahrbuches ent- gegenkommen. (Jenaue, von sachkundigen Bearbeitern lierriihrende I.ebeiis- Besdireibungea der im Vorjahr verstorbenen bemerkenswerihen Fürsten, Staatsmänner, Dichter, Künstler» Soldaten, Juristen, Theologen, Medianer, Gelehrten, Sdiulmänner, Beamten, Parlamentarier, Industriellen, Schrittsteller, Publizisten, Frauen etc. sollen je nach der Wichtigkeit des behandelten Charakters in künstlerisch nind ausgeführten Darstellungen oder in bündigen, alle Angaben aus erster Hand schöpfenden Abrissen unter Benützung und Anführung der gesammten, erreichbaren Quellenstellen den Freunden bio- graphischer Kunstwerke, dem Historiker, dem Fachgelehrten, dem Redacteur geboten werden.

Ausser diesen in erster Reihe stehenden biographischen Nachri( hten über die unmittelbar Cies( hietienen sollen nach Maassgabe des vorhandenen Raumes Ergänzungen und Verbesserungen zu den biographischen Samniel- w^eii der Nation Aufiiahme finden; endlich wird die gesammte einschlägige biographische Litteratur, wie bisher, bibliogmphisch und kritisch, gewissenhaft und regelmässig gewttrdigt werden.

Zum Gedeihen unseres Unternehmens ist repe Mitarbeit von Kennern, l.ielilial)ern, Sanmilern nnerlasslich. Wir bitten fleslialb alle Betheiligten und Berufenen, auch ohne besondere AuUorderung, für unsere Zwecke geeignete handschriftliche und gedruckte Materialien an uns gelangen zu lassen.«

Dieser Anregung fehlte es nicht an Widerhall. Allen voran er- munterte der ehrwürdige Herausgeber der Allgemeinen Deutschen Bio- graphie, Excellenz Rochus Freiherr von Liliencron, unser Beginnen mit Rat und That. Von ihm rührt nicht nur der erste Beitrag her, mit dem wir unseren Neuen Deutschen Nekrolog schmücken durften. Er billic^tc auch die Bcrcchti^unf;;* , ja die Notwcndii^keit unseres Unter- nehmens in brieflichen Acusserungcn, die hier Dank seiner ausdrück- lichen Ermächtigung wiederholt werden dürfen.

Schleswig, 27. März 1897.

Sehr geehrter Herr!

Ich danke Ihnen freundlichst für Jlire mir liente ^ugepanpene Auf- forderung, an den Nekrologien Ihres umgestaitcten Jahrhuches leikunehmcn. Schon durch die Zeitungen war mir Ihre Absidit bekannt geworden und mit der lebhaftesten Freude enah ich daraus den Plan, einen neuen Nekrolog für Deutschland zu begründen. Was Sie in der Begründung dieses Planes von dem Fehlen eines solchen Werkes seit dem Jahre 1854 sagen, das hat wol

Digitized by Google

Vonede.

V

Niemand so srlimerzürh empfunden nls prernrk- iih se]!>st bei den Arbeiten f'ir flic A]lgcmeii\e Dcuisclie liio};r;i])liie. 1 );iss diese \ernu)^^e ihres .uan/en i lanci einen jährlichen Nekrolog durchaus nicht ersetzen kann, versieht sich von sdbst, da die Grenzen des Nekrolog» Über die der AI lg. Deutschen Bio- graphie weit hinauagdien. Innerhalb der historischen Commission ist es schon wiederholt, wenn auch nur ganz obenhin, zur Sprache gekommen, was dann weiter geschehen solle, wenn wir das Z erreicht haben würden. (Im Vorbei- }^ehn will ich hier bemerken, da.ss wir dem Z zunächst noch einige Bände folgen lassen wollen, welche neben allerlei Uebersehenera oder nicht recht- zeitig Erreichbarem vor AUem diejenigen nachtragen sollen, welche während des Ersdieinens der »A. D. B.« so spät gestorben sind, dass sie nicht mehr berücksichtigt werden konnten. Damit wird denn die Biographie wenigstens nach Massgabe der ihr gezogenen Grenzen glatt bis an das Ende ihres letzten Bandes geben.) Auf die Frage, was dann weiter geschehen müsse, habe ich immer mit eben dem Plane geantwortet, den ich jetzt zu meiner grossen Freude von Urnen aufgenommen finde; nidit etwa, als ob ich selbst daran nodi die Hand legen möchte, wenn ich Uberhaupt noch lebe. Meine Meinunir war nur, das meinige dafür zu thun, dass eben auf diesem Wege die Faden der Biographie tur DeuLschInnd weitergesponnen würden. Es ist mir daher doppelt erfreulich, dass ihre und ihrer Mitarbeiter Einsicht die Richtigkeit desselben Zieles erkannt hat und dass Sie damit schon jetzt einsetzen wollen. Auf diese Art entsteht nicht erst eine Lücke, ja ich selbst, sofern mir beschieden ist, die Biographie bis ganz hinauszuführen, werde noch die ersten Früchte Ihres Unternehmens ftir das unsrige ernten können. Sie sehen hieraus, verehrtester Herr, mit wie grosser 'iheiinahmc ich die neue Wendung Ihrer biographischen Blatter begrüsse.

Solchen Worten aus solchem Munde entsprach durch wc£^ das Ent- gegenkommen aller Geladenen. Gelehrte Körperschaften, Vereine und Redactionen, Fachmänner der verschiedensten Berufskreise, Schriftsteller und Sammler, deren namentliche Aufführung aus Raumrücksichten un- thunlich ist, unterstützten uns wolwollend und hilfsbereit. An die Stelle von Michael Bernays und Karl v. Lützow, die aus der Reihe unserer ständigen Mitarbeiter durch jähen Tod gerissen wurden, traten zunächst der mittlerweile leider gleichfalls vorzeitig heimgcgangcne Jacob Baechtold (dessen Fürsorge wir für die Auswahl und Zusammenstellung der Schweizer Nekrologe dieses Bandes verpflichtet bleiben); Heinrich Friedjung und Paul Scfalenther. Der Treue dieser neubenifenen, wie der ahbewShrten Berater und dem Zusammenwirken von mehr als bimdert Miterbeiteni ist das Grelingen unseres Versuches zu danken: die Wiederbelebung des Deutschen Nekrologs, dessen 30. Jahrgang 1854 im Voigtischen Verlag zu Weimar mit einem recht schwermütigen, vorwur^ vollen Abschiedswort des damaligen Herausgebers erschien. In zwei Klein-Oktav*Bänden wurden dort 1269 im Jahre 1852 verstorbene Per- sönlichkeiten eines Nachrufes gewürdigt, der in 971 Fällen mit der ein- fachen Angabe des Namens nebst Geburts- und Sterbetag sich be*

Digitized by Google

VI

Vorrede.

gnügte, und ausserdem to/ knappe und 19 1 ausführlichere Lebensbe- schreibungen brachte.

Den Vergleich mit diesem Vorläufer hat der vorliegende Neue Deutsche Nekrolog schwerlich zu scheuen. Unser Band bringt 274 selbständige biographische Würdigungen in reicher Mannigfaltigkeit des Tones, in sorgsamer Abstufung der Behandlung. Curtius, Du Hob Rcy- mond, Humann, Rohlfs, Treitschke erscheinen in abgeschlossenen, akade- mischen Ch.irakteristiken von berufener Meisterhand. Albrcdif, Ludwig Gabiiion, den beiden Hohenlohe, A. v. Roberts, Constantin Rössier u.V. A. werden sachkundigste Nekrologisten in der Kunstform des Essay gerecht. Und Musiker und Mediciner, Ingenieure und Aerzte, Theologen und Juristen, Männer der redenden, wie der bildenden Künste, der Geistes- und der Naturwissenschaften, Inthi^trielle und Architekten, Militärs und Beamte kommen zu ihrem Recht, entweder nach dem von Dove geprägten Wort in zuverlässigen, ans erster Hand geschöpften »Biogrammen<c, oder in weiter ausgreifenden Studien, die fortan in manchen Fällen als urkundliche Zeugnisse in Geltung bleiben werden.

Die begreifliche Genugthuung über so bedeutende Leistungen meiner Nothelfer darf und soll mich indessen nicht abhalten, auch auf die Lücken und Mängel des Bandes hinzuweisen. Einige sehr wichtige Nekrologe (u. A. von Camphausen, Krzlierzog Karl Ludwig, Fürst Otto Stolberg -Wernigerode) mussten auf den nächsten Jahrgang verspart bleiben, weil die Fachreferenten verhindert waren, die vor Monaten zu- gesagten Arbeiten rechtzeitip^ abzuliefern. Ein Gleiches gilt von einigen Künstler-Hiographien , für deren Uebernahnie nach dem Scheiden von Karl von Lützow nicht sofort vor^resorc^t werden konnte. Andermale gelang es meinen eifrigsten l^enuihunj^en nicht, für vieiberufene Persönlichkeiten u. A. GefTcken, l^aron Moriz Hirsch, W. Wyl, Nekrologisten zn i^ewinnen, die Abschliessendes aus den Quellen zu bieten vermocht hätten.

Die meiste Sorge machte mir aber che Frage, welche Persönlich- keiten den Worten des IVoL^ranmis i^emäss als »Deutsclie von liedeutung« in Betracht k:imen. In cHeser Bezicliunc^ sind MeinnnLjsverschiedcnheiten und Irrtluimer unvcrmei<lHch. Ob und \vieweit diesmal die reehte Au':- wahl getruffen wurde oder in Zukunft iiberliaupt j^ctrofien werden kai^i, überlasse ich dem Urtheil clcr Sach\''M-'^t:in(hi;en. ihrt.- fördernde Kritik macj zur T.ösuni^ dieser und anrleicrr .^einviei-it;kciten !)eitra'j;en, ihr Gut- achten fiir die vollständige dem nächsten Jahrgan-j, aufbehaltene Toten- lisie ma-s|^ebend werden, die Erfahrunsf das rechte Gleichmass in dei x\bwägung des in jedem Falle zuzubilligenden Raumes geben. Einst- weilen bitte ich alle wolwoüenden Leser unseres Jahrbuches, Vor>chl.!gc zur Verbesserung oder Nachträge zur Ergänzung des Neuen Deutschen

Digitized by Google

Vorrede.

VII

Xekro!o!:^cs dem Verlag oder dem Tlcraiisjj^ebcr Tiugchcn zu lassen. Wir aber wollen weiterhin unserer Sache dienen, treu der Goethe'schen Mahnung Memento viverc, cinj:;c(lcnk des mächtigen Chors der Todtca von Conrad Ferdinand Meyer;

Wir Todten, wir Todten sind grössere Heere

Als ihr auf der FkIc, als ihr auf dem Meere!

Wir pflügten das Feld mit gethildigen Thaten,

Ihr schwinget flic Sicheln iinfl srhneidct die Saaten,

Und wa» wir vollendet und was wir begonnen,

Das fUllt noch dort oben die rauschenden Bronnen

Und all unser Lieben und Hassen und Hadem

Das klopft noch dort oben in sterblichen Adem

Und was wir an ptltiiicn Sat/en gefunden

Dran bleibt aller irdische Wandel ucbunden

Und unsere Töne, Gebilde, (ietiichte

Erkämpfen den Lorbeer in strahlendem Lichte,

Wir suchen noch immer die menschlichen Ziele

Drum ehret und opfertl Denn unser sind viele!

Wien, 18. Oktober 1897.

Aaloii Bettelheia.

Digitized by Google

1

Inlialt

Biographisches Jalirbuch

Biographische Aufzeichnungen Ludwig Richter's aus Otto Jahn*s Nachlass

Clara Schumann

Mtchad Berna3rs

Hugo Bürkner

Erinnerungen an Friedrich Boden- stedt

Franz Armand Bulil Ucbersicht der Bibliographie der biographischen Litteratur 1896

Seite. 1*^77*

Ad, mhaeUs i*

Bernhard SchoUt 12^

Hermann Ukde ly*

Dr. K, Bürkner 22*

Carl von IMUtaw 42*^

Marquardsen 49*

Dr. Jük. Ltdher 54*

Deutscher Nekrolog vom i. Januar bis 31. Deccmbcr 1896 1 455 Alphabetisches Namenverzeichniss dasu 456

Digitized by Google

Biographisclie Anfiseiolmuiigen Ludwig Bi(diter*8.

Aus Otto Jahn 's Nachlass. Eingeleitet und mitgetheilt

vf>n

Ad. Michaelis.

Als im Jahre 1851 das »Richter- Album« in erneuter und vervoll- ständigter Gestalt erschienen war, Hess Otto Jahn sich gern von dem ihm nahe befreundeten Verleger Georg Wigand bestimmen, für die da> mals von seinen Freunden Gustav Freytag und Julian Schmidt heraus- gegebenen »Grenzboten« einen Aufisatz über Ludwig R. und seine Werke zu schreiben, wohl die erste zusammenhängende Würdigun«,' des deutschen Meisters. Der Aufsatz erschien im Februar 1853 (I. S. 201fr.) und er- freute den Künstler herzlich, der seine Dankbarkeit alsbald durch die Zeichnung des obigen, Büchersammlern wohlbekannten Bücherzeichens Tür Jahns grosse Bibliothek bewährte. Schon am 12. März schickte er die Zeichnung an Wigand mit den Worten: >Nach vielfachen Versuchen habe ich für Hm. Pr. Jalin das beifolgende Compositiönchen heraus- gebracht. 'Inter folia fructus' passt gut zum Zweck des Bildchens . . . Sic lassen es wohl bei Flegel oder Kretschmar schneiden. Wenn es dann fertig ist, bitte ich auch meine Grüsse und nochmaligen Dank Herrn Pr. Jahn auszurichten.« Ein freundschaftliches Verhältniss zwischen R. und Jahn ergab sich von selbst.

Einige Jahre darauf sollte das Richtcr-Alhum wiederum in neuer Auflage und Auswahl erscheinen. R. schrieb bei dieser Gelegenheit an seinen Sohn Heinrich (1854): »Ich sollte gar meine Biographie auch dazu

Blair. JaM. «. DnMiMr WMng, S

Digitized by Google

3* Bi()scxitbi»ebe Aufseichnniigen Ludwig Richter's.

geben, aber ich "^yctdc mich hüten; es ist gar zu viel Eitelkeit dabei und kann Niem*nc^.* interessiren, wenn ein gewöhnlicher Künstler oder Gelehrter sein •iMSchen Notiz über ein selir ^e\v(ihnlichcs Leben auftischt. 'Kr lebte, iKi^im ein Weib und starb' ist meist die Hauptsache«'). In- dessen ei^ligte er sich doch mit Wigand dahin, dass Jahns Skizze in nmgearb'eiteter Gestalt dem Werke vorgesetzt werde, und lieferte diesem auf einer 'Reihe loser Blätter kurze lebensvolle Aufzeichnungen, deren BeyutziHig der Schilderung einen wesentlich verschiedenen, intimeren Ciijwfäkter verlieh. So dienten Jahns ;:>MitthcilunL,'en über Ludwig Richterv: ,\Ccr' dritten Auflage des Richtci Albums (1855), und in wcnic; ei-weitcrtcr ••^Gfestalt auch der vierten Auflage (1861) zur Kinleitung l,n<]!;ch nahm '•Jahn sie auch von neuem überarbeitet in seine »Biographischen Aufsätze*- (Leipzig, S. llirzel, 1866, S. 221Ü'.) auf.

Obschon nun R.'s eigene Aufzeichnungen von Jahn theils wörtlich abgedruckt, theils in engem Anschiuss an ihren Wortlaut benutzt worden sind und daher den Kennern jenes Aufsatzes nur wenig Neues bieten, scheinen sie mir doch in ihrer kunstlosen, frischen, natürlichen Aussprache so anziehend, dass ein treuer Abdruck') gewiss auf dankbare Leser rechnen darf, auch unter denen, welche die ausführlichen »Lebenserinnc- rungen« des beschaulichen Greises R. kennen und hoch schätzen.

Die in der ersten Jugend erhaltenen Lebenseindriicke sind mir für die späteren künstlerischen Productionen immer der ergiebigste Quell gewesen. Bei den gelungensten Cfimpositionen fiel mir nachher ein, dass der Keim dazu aus den Knabenjahren herrührte und durch eine äussere Vcranl^issung derselbe plötzheb Lebens- und Gestaltungskraft empfangen hatte, nachdem er so lange Jahre wie todt oder vergessen geschlummert hatte. Mir föllt dabei das Kern ein, das der Hand der Mumie entnommen in fruchtbarem Boden plör/Üc Ii aiiflcbt und sein Ciewärhs ^iebt. iV-r Sitin für eine gewisse Gattung karakicnstisclR-r IVrsönlu hkeiten wurde wohl in den Umgebungen der beider- seitigen Grossakern geweckt.

Mein Grossvater väterlicher Seite war ein armer Kupferdrucker, der ne- benbei leidenschaftlich mit Alchymie und Goldmacherei und später mit Uhren* machen sich beschäftigte. Das dunkle Stübchen in einem Hintergebäude, in wcl< ])cm zwnn/ijr Wnndnhren wie verrückt tickten und tarttcn, und kiinst- lielK' Kukuks <iit_: Stunden sehnen; ilic seit ^-wanzi^ Jnhren 1 »linde ( Irossmiii tcr, eine Jieilere originelle 1 rau, die ihre Kinder und Enkel schwarmenseh liebte, mich immer im Gesicht befühlte um ein Konterlici meiner Augen, Nase, Ohren und Mund, dazu meiner Grösse sich machen zu können» das gab ein ganz eigenes Stilllcbcn. Zur blinden Grossmutter, die sich gar gern unterhielt, kamen so oft wie möglich alle Enkel; dazu hatte sie aber einen höchst wun*

•) L. Richter, Lebenserinnerungen, 5. Auflage, 1887, S. VIII.

^ Nur geringe orthographische oder grammatische Flüchtigkeiten sind geändert urorden.

Digitized by Google

Ad. Michaelis.

3*

dcrlichen Kreis alter Käuze und Ka\izinnen, die ihr Neuigkeiten berichteten, deren Gestalten alle noch in meinem Kopfe spuken. ~ Der (»rossvater wnr eine Figur wie etwa der alte Kljerhard Stilling geschildert wird: ruhig, etwiu» ironisch, mit religiösen und alchyraistischcn Gegenständen sich gern befa^cnd. Oer hatte nun wieder einen andern Vertrautenkreis. Verschimmelte Alchy- misten und alte Wunderseltsame kabbalisierende Judenexemplire vom reinsten Wasser s.ili ich da mit stiller Verwundertmp; ein- und nusm-hcn.

l>ie Cirossältern mütterlicher Seite waren nicht weniger Originale. Sie Ucsa&scn ein Haus und grossen Garten in der Friedrichstadt. Er war Kauf- mann von der kleinsten Sorte. Ein gutmüthiger aber polternder aoffiüirender Mann mit der weissen Ztpfelmtttze, dflrr und immer beweglich. Das Gegen- theil dastt war die Grossmamma. Eine dicke, phlegmatische Holländerin, die aurh eine irrnsse Crrnvitiit zu ontwirkeln wnsstc, eingedenk, <lass sie eine ge- hüicne v;in der l'.crg und ihr Vater ein etwjis grösserer Kaufmann in Amster- dam gewesen war, als ihr Ehegatte in der Friednchsuidt. Ein alter Haus- fietmd, ebenfalls ein HdllUider» sass als täglicher Gast im kleinen Zimmerchen und drehte die Daumen um einander. Die Perttke mit Haarbeutel, das lange spanische Rohr, der hechtgraue Frack mit blitzenden Stahlknöpfen u. s. w. gahcn ein Bild des verflossenen Jahrhtniderts.

r>ns kaufende Ladenpublikum war in dieser armen Vorstadt ein nicht mijider interos»anteS| und wie ich später die Chodowieckyschen Kupferchen kennen lernte, fimd ich viel alte Bekannte wenigstens glaubte ich sie schon Ichendig vor mir gesehen zu haben. In meinem vierzehnten Jahre machte ich sogar mit einigen Schülern meines Vaters vollsUindig Jagd auf malerische Subjekte aller Art, und wer ein glücklicher Entdecker war, rief den andern nur zu: »Gestern hab ich einen kc^tlichen Chodowiecky gefunden

Manchmal überrascht es mich, dass mein Vater doch ganz und gar schon dieselbe Art der Naturauffassung, dieselbe Art das Menschenleben in Betidhttng

zur lanrlsrh-^ftlichen Umgebung darzustellen 1)osa.ss, x\'ie es wieder 1»c! mir mm Vorschein gekommen ist. T.cider sind seine Zeichnungen dieser Art meist unter Zingg's Namen) nach Idolen gekommen. Zum kujjferstcchei li.iiic er weniger Gaben; als Landschaibnaler wäre er bedeutend geworden.

Derselbe Kuns^genius, der bei meinem guten Vater wegen drückender äusserer Verhältnisse und wegen Ungunst der Runstzustände, wo aller auf- blinkenffc wr\hre Kunstgeist in der vorfrefundenen Manieriertheit ersticken nuisste, nicht recht zur Ausgeburt koiiuiien konnte, der setzt nun in <iem fiiius noch einmal an. Er hat das Gluck von einer besseren Zeit getragen »1 werden, in welcher sich seine Ideen besser realisieren konnten, und so muss sich fiiius nur rechts und links, beim Vater und beim genius sacculi, für glücklif lun Erfolg bedanken. Verdienst und Wiirdi^^'keit fällt somit fort wie die Ituiter \oiu I'>rof!e, tmf! nitf meine Rechnung;, fühl ich wohl, kommt nur ein deficit, Ausfalle, die icii wohl hätte decken können, wenn ich nicht so leichtsinnig und zugleich verzagt gewesen wäre.

Einer meiner Lehrer sagte: »Wenn Sie Baumschlag machen wollen , so

nehmen Sie einen Streif Papier, brechen den zusammen AAAVS. biegen

a*

I

i

Dlgitized by Google

4*

Biognpbiidit Attfceichnungen Ludwig Richter*«.

diese SpiUen herum ^ und setzen diese Formen mit 3— 4''S

6 Spitzen in Gruppen neben einander. Pns «jiebt Baumschlag! wie fipiirn j^eigt. dito macht mr\n aiu h (Ira^ilf? Arh ^uti^ei (loti, ich war Tags vorher im Plauenschcn Grund gewesen und war vor Wonne fiast aus der Haut ge&hren, wie ich am MUhl^aben und in den Wiesen im hochauf» ^rossenden Grase die prachtvollsten rothen Kleeblumenf Butterblumen, Gun> termann, Pechnelken und tausend andere Farben und Formen aufblühend ge* sehen hatte. Ich hatte die l^mrisse der Krlen- und Haselhfische, der Eichen und Buchen mit Wonne verfol^a, und sollte nun iiaumsch la£j machen, der fast aussah wie bÖUeme spaiusche Reuter! Es war zun» V'erzweilehi ! Und doch hatte ich su grosse Pietät fttr die Weisheit der Professoren» ich musste meinen Ansichten misstrauen, den ihrigen folgen. Nichts in der umgebenden Kunst- und Künstlerwelt, wa«? einem hätte auf die Sprünge helfen können. Von der Noth einer manierierten Zeit hat die jetzige jüngere Künstlerwelt keinen ßegrifi l

Durch C. Wagner kamen mir Göthes Gedichte und der W. Meister in die Hände. Ich war zu ungehobelt, um den Dichter einigermassen zu vcr* stehen. (Ich hatte nur lesen und schreiben gelernt, sonst äst nichts.) Aber ein Etwas zog mich wunderlich an, und wie ich mirs redit besah, so schien

es mir die ^rade, offene, ^'esnnde Art nnrl Weise zu seyn, wie Göthe den Ge^^enstanden dtr Nalur auf den Leib rückt, sie uinsrhliesst, aufnimmt und wiedergiebt. Ich dachte, der giebt keine spanischen Reuter oder Baumschkig fUr des' liebjsn Gottes schönes grünes Laubwerk. Nun ver- suchte ich auch, zu machen wie ich sah, mit aller Liebe und Treue, und Hess den Herrn Professor nichts davon sehen; da in der Werkstatt hobelte ich Baumschlag narh der Methode, Jahr aus Jahr ein!

Nun kam Dahl nach Dnsden, dir m seinem damals alle Schranken des Hergebrachten durchbreclientlcn Nitiuiiüisnms ein mächtiger Impuls wurde für die Dresdner jüngeren Künstler; dazu erschienen auch wie einsehie Schmet* tertinge vor Beginn des nordischen Frühlings mehrere Bilder der neuen Schule aus Rom, die immer mehr auf die rechte Spur führten. Die Natur wurde nun nicht mehr in die fcrtisje manierierte Ktinstform srepresst, welches man idealisieren nannte, sondern man suchte das ideale uieiir im tieferen, wahreren und klareren Erfassen der Natur und ihrer ganzen Schönheit.

Friedrich, der Landschafter, und noch freier sein Freund Carus (Geheim- Rath) wirkten zu gleicher Zeit ein, und so befreite sich die junge Welt aus den Spinnwebe!\ des Manierierten und des Zopfes. Die lockenden StimmcTi aus dem süssen SiKllaiuie, aus Italien, klanu'en immer heller und heller, als blidie dort im lichtesten Glänze ein überaus iierrlicher, aber lange lange nicht da gewesener Frühling herauf, den jeder miüeben müsse, den nur irgend die Flügel bis zur heiligen Roma zu tragen vermöchten. Und die jungen Maler wurden flügge, flogen aus dem Neste, und husch! Alles auf nach Rom.

Da ich nur mit wenigen der jungen Künstler in einiger Verbindung stand, so sah ich dies frohlii he Künstlertreiben als ein Einsamer nur mit stiller Trauer aus der teme an, denn ich hatte keine Hoffnung, weil keine Mittel, je Italien zu erblicken. Da rttckte der alte treffliche Arnold plötzlich mit

Dlgitized by Google

Ad. Michaeli»,

den Worten hervot: »Lieber junger Freund, Sie mitssen fort, nach Rom. Ich gebe Ihnen jährlich 400 Thaler, wofilr Sie keinerlei Verbindlichkeiten einzu- gehen haben und ungehindert studieren können. Also in Gottes Namen,

auf]. -

Und ich nahm mein Bündel, lief bis Florenz m Fuss, und von dort erst kutschte ich mit einem Vetturin gen Rom. So kam ich ganz allein. Wenigen bekannt, ab ein Spätling und Nestfaäkgen xu dem fröhlichen, glttcklicben Schwann 1

') Im Juny fiin^ icli, versehen mit einer l'nterstutzung von jährlich

400 Thalem von meinem vaterliclien Freunde, dem Buchhändler Arnold, nach Rom. Nur bis Hof fuhr icli, den ganzen übrigen Weg bis Florenz machte ich zu Fuss ab. . Htinchen hielt mich nur einen Tag, weil ich bei hellem "Wetter die Alpen erblickte.

In Sa]/!)urg blieb ich einen Monat, zdchnend Und .malend, überaus glück- lich m dieser wundervollen Natur.

In hispruck niusste ich auf Geldbriefe wiurten, und in dieser Zeit der Müsse fiel mir Schlegels Buch über christliche Kimst in die Hände, was einen gewaltigen Eindruck in mir hervorbradite, da alle diese Ansichten so sj hnurstracks dem entgegenliefen, was ich bisher gehört od«r gelesen, nament- lich in Frankreich auffresrhnappt hatte. Wie icli nun in Verona hie und da etwas altitaliänische Kunst sah, so wurden mir viele der Schlegelschen Aus- sprudle erst recht lebendig und verständlich. Vielleicht wäre ich ohne diese ziifiülige Lektüre an jenen Bildern ruhig vorUberge^u^en. Namentlich ergriff mich ein Bild von Girolamo dai libri, eine Madonna auf dem Throne von singenden wunderschönen Engeln umgeben, die noch heute lebendig vor mir stehen, wnhrend ganz Verona aus meinem (icdiU htnisse yiemlirh verschwunden ist. Zu meiner Freude fand ich dies liiki spater in einer Anmerkum^ des Hni. V. Quandt in der Uebersetzung des Lanzi als eines der liebhchsten jener Schule und Periode beschrieben.

In Florenz, wo ich mehrere Wochen verbliel), fiilirte mich nun der MaJer Rehbenitz (jetzt in Kief^ in die Herrlichkeit und Fülle der vorraphaelischen Meister ein; eine mir vorher gänzlieh unbekannte Welt!

Es war Oktober geworden ehe ich nach Rom kam. Schon vor Ponte moUe brachte ich den Kopf nicht mehr in den Wagen; alle so oft betrach- teten und kopierten alten Kadierungen von Both, Swanefeld u. a. waren lebendig geworden und lagen im schönsten Sonnenschein und warmer Farben- [•r-tcht vor meinen Augen. Unter Olorkenpelriiitc und Kanonendonner zog ich selig, wenn auch nicht heilipr, dur( Ii die Porta popolo, n.i< lidem mich der Ornziante am Thor als Signor Landschalt auf dem Passierzettel angeschrieben batte; er hatte aus meinem Fasse von dem Landschaft-Malor Riditer das Erste Beste behalten.

Fast vaschäint trat ich, der allerjUngst^ ich war noch nicht zwanzig Jahr, unter meine juncren T.andsleute, weil sie nie etwns von mir gesehen hatten; denn in Dresden lebte ich einsnm und .ilii^eschlossen, aus Zw.ing mit zienilith trivialen Arbeiten beschaliigl. (Jehnie, C. Wagner ^^Hofmaler ni Mei- ningen) und Götzloff waren die nächsten Bekannten; mit ihnen zeichnete ich

') Dieses Blatt ist anscheinend etwas älter als die ttbrigcn. Ks ist Ton J«bD erst bei iUr leut«n Bearbeitong in den »Biographischen Aufsfttsen« (1866) benntst worden.

Digitized by Google

6*

Biographische Aufzeichnangcn Ludwig Richter's.

noch bei dem mildesten i-icrbstwetter in der loraischcn Oimpagna, die ja alle Maler durch ihre grossartige Einsamkeit entzückt.

Im Winter 1824 malte ich nun den Watzmann. Der alte Koch war

entzückt darüber und trieb alles in mein Atelier, &as> Bild zu schauen. Ich war von dem Erfolg überrascht, ich hatte meinen T ehrhrief jjclöst und ge- hörte nun dem edlen Gesellenstande an. Uit» Bild kam nach Dre^leii, uncl die günstige Beurdicilung desselben durch Hni. v, Quandt im Kunstblatte trug nur dazu bei, meinen Muth zu erhöhen und mich unter meinen Mit- gesellen für ebenbürtig zu halten.

Von den nun folgenden drei Jahren ist s( hwer etwas zu sn^en, weil jeder Tag ein reines ('lürk in .seinem Schoose trug. Jung, gesuiul, ohne Sorgen, in der gi ossär ugsicu, unendlich reichen Umgebung, in welcher Natur, Ge- schichte, älteste, alte und neueste Kunst taglich das Ausserordenüichste an das junge empfindungsfähige Herz drängte; endlich die hohe Begeisterung und das freudigste Regen und Streben der Kunstgenossen ein solches erhöhtes und beglücktes D.iseyn ist Poesie durch und durch.

Hei alle dem ist nicht zu vergessen der gemuthhche und roin.intisrhe Hintergrund eines leisen Heimwehes mitten aus den blülienden Orangen her- aus nach den grünen Eichen und Linden und dem ehrbaren deutschen Still- leben; desgleichen der heimlichen Freude, wenn ein Brief von lieber treuer Hand anlangte, der das Heimweh auf Momente [zwar] erhöhte [, aber mich auch überaus lieglückte. Es wnreti die Vorboten eines Glückes» das mir nachher volle 25 Jahre gewährt worden ist].')

In Rom war mir ausser Schnorr und Koch (welchen Kunstgrössen gegen*

über irh aber mehr im Verhältniss des Schtllers /um Lehrerstand) die innigste Freundst liaft eines höchst geistvollen T iefliinders Ludwig von Mavdell nirh allen Seiten furdemd. Aelter als ich, ki imtnissrcicher und welterfahrcner, schloss er sich doch so iimig, zuletzt fast ausschüessJich an mich, dass wir die Unzertrennlichen hiessen.

(Kr schrieb kurz nach meiner Abreise einmal : »Jetzt laufe ich hier herum wie ein I^uett, dem die zweite Stimme fehlt; ich habe auch gar keine Lust mir eine andere zu suchen, wo vielleicht cintire Töne harmonieren, aber bis auf den Grtind halt keiner bei weitem aus, und ich weiss au( h nii ht wie das mit andern als mit Dir gehen sollte. Es ist wirklich kurios wie wir in ein- ander hineinpassen, grade in unseren Verschiedenheiten, wo wir uns gegen« seitig ergänzten, und ich meine dass der liebe Gott aus uns Beiden ^len ganz exrellcntcn Kerl gemacht haben könnte. Es ist aber recht gut dass Er es nicht gethan iiat, denn gerade fins Gefühl des Krgänztwerdens ist so gar angenehm, so wie das Loschen des Durstes« u. s. w.)

Er war in seinem ganzen Wesen höchst anregend; voll hoher kuuMlen- scher Gaben, die er aber aus Mangel an Technik nie vollkommen zur Gel- tung bringen konnte denn erst im dreissigsten Jahre konnte er zur Kunst sich wenden, da er in russisrhen r>ien<ten ^'csfr^nrlen und als Artillerie-Offizier b' iei(> den Fekl/ng in Kr ank reich mitgemacht liaUe. In Dorpat lebte er spater abgeschnitten von allen künstlerischen Berührungen mehr in dem Kreis

') Die cingeklMmnerten Worte sind ein späterer Zusatz, nach dem Tode der Krau [1S54] hinzugefitgt.

Digitized by Google

Ad. Micbatflts.

7*

der Universitäts-Plrofessoren (Engelhardt, Rektor der Universität, war sein

Scliwagcr). Ex malte dort Altarbilder, führte Compositionen aus zum hohen Liede in Mini.itnr .luf rcrirament (im Besitz der Kaiserin\ radierte aufKuiifcr, liihographiei tc, schnitt m Holz, arbeitete Büsten in Miirmor, verfertigte künst- lerische (ioidschmidtsarbciten ; schrieb dabei z. B, über eine Geschichte des lifl. Adds, welche er mit Radierungen herausgab, über dortige Armenpflege, deren Vorsteher er war, und dergleichen mehr. Zu den meisten Gattungen dieser Ktmstthätigkeit musste er sich sogar die Werkzeuge erfinden oder nach '^rinen Angaben erst Tnarlicii Iri'^sen, weil er zu weit ans rleni Bcrcicli tler KunstA»-eIt gekommen war. Kr starl) in den vier/ij^er Jahren in Re\al an der Cholera, ein seltener Mensch; ernst, tief, alles lebendig erfassend und inner- lich verarbeitend, bei allem feiten, mflnnlicfaen Wesen kindlich fromm. Wir blieben immer in brieflichem Verkehr, und sein Andenken ist mir gesegnet, denn ihm habe ich viel vteUcicht das Beste zu verdanken.

Noch muss ich von Rom der freundlichen Aufnahme im Hause des ]>rcMNMS( licn ( icsandten Bimsen erwähnen, und der Freundbchafi des damaligen GcaaiuliÄchafLsprediger.s Rothe (jetzt Professor in Bonn), in dessen Hause schöne Abende verlebt wurden.

Ueber den Aufenthalt in Rom würde mir es schwer werden, etwas zu

saeen, was genügend den Zustand bezeichnete, ohne ins Breite zu gehen.

Die Grossartigkeit der Natur, die Fülle der Kunstschätze, das begeisterte, aufstrebende Leben junger Kunstgenossen erhoben und schwellten das Dascyn einem idealen, jeder Tag barg ein Glück in seinem Schoossc, das Leben, die WirkUchkeit war Poesie geworden durch und durch.

Der Winter fesselte regelmässig an eine grössere Arbeit, und die Abende wurden, nadidem noch ein paar Stunden l)ei Lampenlicht nach schönen Modellen pe/eichnet war, überaus frohlit Ii in grosster Gesellschaft in einer Osteria /u^eb^acht, wo die Kunstgespräche und heitersten Scherze unerschöpf- iich w;iren.

Im Sommer lebte ich dienfalls in Gesellschaft von Kttnsüem (Fries, ()dmie, Neher, Gdtzloff, v. Maydell u. a.) in den herrlichen Gebirgen, wo die

reichsten Studien gesammelt wiirden.

So malle ich im ersten Winter am Watzmann, im zweiten eine Land- schaft von Koren di Mezzo, im dritten das Thal von Am ilfi.

Der erste Sommer 1824 führte die Landschafierschiuij nach -fVlbanu, dann ins Sabinergebirge nach Olevano und Tivoli. Im zweiten ging ich kurze Zeit Dach Neapel, bis Pästum, und mit meinem Freund v. Maydell zu Fuss und OOfcs der Räuberbande und der Sommerhitze über Monte Cassino, Taglia- ro77o im<! den l.a^d di Fuccino einen selten betretenen ödesten Gebirgsweg luch CivitcUa zurück'). Freund Maydell und ich waren die ersten nentschen welche ihre Herberge beim Governatore dieses hohen malerischen l elsen- Tiestes nahmen. Nach uns ist es eine gewöhnliche Station geworden. Im dritten Sommer trat ich ebenfalls zu Fuss die Rückreise über Florenz und Carrara an.

Schon in einer frülieren Notiz *) habe ich erwähnt, wie Koch's Bilder tmd

') Eine handschnhlichc Üesclireibung dieses Weges von Ed- Gerhard aus dem folgen- den Jahre 1825 ist in meinem Besitz.

Damit scheint auf ein verlorenes Bktt lungewiesen ta werden.

Digitized by Google

8*

Biographische Aufzeichnuogen Ludwig Kichter'$.

sein Umgang auf mich grossen Einfluss übten.* Fast noch bedeutender viel- leicht wirkten die zwei Bände voll landschaftlidu r Zeichnungen meines Freun- des Schnorr, welcher mir dieselben längere Zeit überliess, und deren ein- fachere Schönheit in der Auffassung und Behnndlun^ mir noch mehr zusagte, als das Pathos der Kocii sehen, welches inemer Natur fremd war, trotzdem dass ich es hoch bewundern musste. Die Krone aller Landschaftsbild er ist mir indess immer die grosse Landschaft erschienen, welche ich in der Gal- lerie Camuccini sah, das Götterfest von Tizian (die Figuren sind von Bellino ist auch im Vasari angeführt). Als ich sie zum erstenmale sah, war mirs zu Muthe und sprach ich »als sey ich voll süssen Weines , sn drtss mei^^c kühleren Begleiter mich als einen Neuling unter den Kunstschatzen Korns darüber neckten, als solche, die schon mehr vertrage konnten.

Noch möchte ich erwähnen, dass in dem letzten Jahre des römischen Aufenthalts ein Freundschaftsbündniss sich knUpfte, d is I is heute ungetrübt währt und dun h genenseiti^e immer neue Anreguni: Iel)en<liL' '.'obliehcn \<t. Ich nieiiH" lien innig>icii X'crkelir mit meinen Freunden ( »chmc und Pesciiel ^ersterer Hotmaler, letzterer Piolcxsor an der Akatlemic). Mit letzterem machte ich auch noch vor wenigen Jahren eine Walliahrt nach Gent und Brügge, uns an Byk und Memmelink zu erbauen, und es war uns als kämen die jungen Jahre wieder.

1826 kam ich nach Dresden zurück. Die Aussichten waren keine gün- stigen, denn die Kunstvereine existierten damals noch gar nich^ und in Dres- den gab es wenig Privatleute, welche etwas fiir Gemälde verwendeten. Um

so erfreulicher war mir ein Auftrag des Herrn v. Quandt, der sogleich zwei liilder bestellte, das bereits erwrdinte '> T.ariccia und rlas Abendbilf! von ('i\ t- tella. Noch ermuthigentler waren desselben Ikjc Ii verdienten und begeisterten Kunstfreundes aufmunternde Aeusserimgcn in oflcnüichen Blättern und spätere ehrenvolle Erwähnungen in einigen seiner Schriften (z. B. dessen Reise nach Frankreich und Spanien). Ueberhaupt wnr v. Quandt datnak der Mittelpunkt alles ^'cistitien Lelicns \m<] Streitens in der Inesigen ICttnstlerwelt. Die neue Kichnmu fand in ihm ihren Vertreter und hörderer.

Im Jaiire 1828 bekam ich die Austeilung in Meissen. Bei dem Mangel künstlerischen Umgangs, in der dortigen Einsamkeit, überliess ich mich einem imgestörten Brüten über meine mitgebrachten römischen Studien und den Krinnerungen einer SO überaus seligen, mit Begeisterung durchlebten schönen Zeil. Das Heimweh nach Ttah'en überfiel tviich immer gewalti<;er, \c un- nii>uii( lier mir es wur<U', l ine auch nur kurze Reise dahin zu unternehmen, denn die \ eriiailnisse waren allzu bescliränkt. Endlich gab mir der Verkauf eines grösseren Bildes Hoflhung auf Verwirklichung des heissen Wunsches, und ich wollte mich zweien Freunden, die ebenfalls zum zweitenmale dahin zurückgingen, anschliessen und mit denselben wenigstens an die schöne Schwelle Italiens, an den Ci irdasee, mich begeben. Da wurde meine liebe l-rau schwer i^rank, ihr /usLaiid war lebensgct ilnlirh und /<>- sich Monate lang hin, ehe eine glückliche Krisis eintrat. Daruber verging tier Sommer in schwerer Sorge um die innig geliebte Frau, die ich zu verlieren befürchten musste. Es vergmg aber auch die Zeit und das Geld zur Reise. Meine Frau

1) Die ErwähAung findet sich nicht in den vorliegenden BUittern.

Digitized by Google

Ad. Miekadb.

9*

^en.is, und als Entschädigung mnrhte ich im Herbst eine kleine \Vanrlcr\jng (las Elbthal hinauf über AussIlt und Kainaik bis Lowositz. Mich üVicrrast litc (iiese herrliche Natur über alle Maicsscn, und das Herz ging inir nun erst gross aul^ und die Augen dazu, über die Schönheit deutscher Natur, die mir stit Italien unbegreiflicher Weise ganz verschlossen und versiegelt geblieben xi-ar, in welcher ich herumlief trotz dem ärgsten Philister nur ein Raum, um sich auf demselben die nöthige Leibesbewegung marhen zu können. Irh Vnm mit Studien nach Hause; wie rhirch ein gründliches Sturzb.id er- frisclu, ja wirklich neugeboren! Waren mir die Augen kürzlich aufgegangen, s<> gingen sie mir nun fast über, ob meiner früheren Blindheit, und wie der Mensch so verrosten, verdursten und sdi machten kann, wo lings um ihn tausend Quellen strömen, die sich nur nicht in das zugestopfte und gci)fr()|>fte Men<:rhcnherz crdessen können wcpen rles alten (ierümpels, das er darauf hat liegen lassen. Das italiänische Heimweh war weg, oder trat in gebUrliche Entfernung zurück, und von nun an wurden mir Kuiist und Natur zwey I^bensadem, die täglich das Herz durchströmten und frisch pulsieren mach- ten. Ich segnete Krankheit und vereitelte Reise und sang:

Willst du immer weiter -chweiftD? öieb das Gute liegt »o nah. Lerne du u. s. w.

Das Ist ein rechter Wendepunkt fUr mein Leben und meine Kunst gewesen. Die Oeschichte ist aber in dem biographischen Aufsatz nicht ganz riditig erzahlt').

Im Jahre 1849 und 1851 sah ich zum erstenmal die herrlichen Rhein- gcgendcn und die Niederlande auf Badereisen nach üstendc. Das Dombild in Coln, die Malereien in der CapiteUStube von St. Jean in Brügge, Kiks Anbetung des Lammes in Gent, und endlich vorzugsweise die wuntlerbar schöne draljlcLjtmcr Quintin Mcssys in Antwcrjicn zündeten aufe Neue und in höherem Grade die Vorliebe fiii die ältere deutsche Kunst.

Im Jahre 1854 erfuhr ich den grossen Schmerz, dass ich meine theure Frau verlor, mit der ich 25 Jahre in [jlnrlcHrhster Flie £:c!ebt denn sie war auch (^wie früher Maydcllj eine voiisi.indige »gänzvuig meines sehr ein- seitigen Wesens. Gesund und kräftig, in heiterster Stimmung, umgeben von den Ihrigen und den Freundinnen, sank sie plötzlich leblos in das Gras, und nach wenig Stunden schlug das Hers nicht mehr. Und seitdem isls trübe, tiübe.

Nach dem Erscheinen der dritten Auflage des »Richtcr-Albums« n;it Jahns erweiterter Lebensskizze schrieb R. diesem am 29. September 1855 nach Bonn:

»Selir verehrter Herr Professor; Freund Wigand hat es übcrnoniiiicn , meine neue Radirun;.;') Ihnen zu ubersenden. Ich bitte Sie das Blatt als ein Zeichen meiner Hochscliätzung

') I). h, in Jahn's erstem Entwurf in den Grenzboten 1852, I S. 209. ') ^Christnacht«, für den -h>i-c.1i« n K^.n^tvercin radiert. Das Bild hing iminer in Jahn's ZiunZDcr, s. dessen Besprechung iliogi. Auis. S. 258 f.

Digitized by Google

I

lO* Biognpliische AufMicbnungeD Ludwig Ricbter'».

iinil Dankbarkeit oder da es dazu nicht recht auslangt als einen recht herzlichen Gruss aufzunehmen.

Die liebe »Christenfreude« ist nun auch fertig. Sie kennen vielleicht das erste Heft derselben? Sobald ich fertige Exemplare habe, erlaube ich mir, Ihnen eins zu senden. Mir scliicn es nicht das Feld zu seyn, auf welchem ich mich eigentlich frei bewegen kann, allein meinem Schwiegersohn konnte ich doch die Arbeit nicht abschlagen; und ich habe mir damit -eholfen oder zu helfen versucht, dass ich die Lieder als geistliche Volks-, nicht gerade als Kirchenlieder fasäte. Wenn ich nicht irre, lässt sich das wühl auch rechtfertigen.

Ich habe neulich Freund Wigand den VorscliUii^ |j;emacht, die Jui^end- jahre H. Stillings zu illustrieren. Ich verspürte schon seit Jahren ein Gelüsten darnach, denn ich wiisste kanm ein Buch, was einen so ausserordentlich reichen und ganz wie für mich geschaffenen Stoff darböte, als diese Jugend- jahre. Es diirfte also mit dem Aufenthalt in Strassburg schliessen, den Thcil, welchen G< >the herausgegeben hat; denn was später hinzugekommen ist, ßillt sehr ab und ist jetzt ganz ungeniessbar. Mir ist dies Büchlein innner klas-^isch vorgekommen, und ich meine, es ist nicht nur die älteste sondern in mancher Beziehung auch die beste Dorfgeschichte. Denn Pestalozzi ilaiihardt und Gerdruti Immerniann (Der Dorfschulze, Münch- hausen) und Auerbach siml mehr für die Gebildeten, fürs Volk weniger geniessbar. An H. StilUngs Jugend erfreuen sich beide. Wigand kannte es nicht, oder hatte es vielmehr nicht gelesen; er war aber sehr geneigt auf die Sache einzugehen, doch bat ich ihn selbst, vorher es anzusehen und das Urtheil liber den litterarischen Werth des Buches von iMäimern von Fach zu hören. Ist das Huch noch in liirer l^rinnerung lebendig (es gehört freilich unter die Anti(,|uii.aeii, aber nicht unter die veralteten), so könnten Sie ^vohl gelegentlich pro oder contra einen V\ uik an Wigand ausL^ehen lassen.«

Dieser Plan ist nicht zur Ausführung gekommen. Am 28. Oktober 1856 sendet R. an Jahn seine Sommerarbeit, das Vaterunser t;. Dass es nicht nii Kirchenstyl gehalten ist, werden Sie bei mir wohl recht und billig finden. Ich bin so wenigstens mehr in meinem Elemente geblieben; ob etwas löbliches daraus hervorgegangen, bleibt immer noch die Frage, die ich aber am wenigsten beantworten kann. Also: Bitte um freund- liche AufnalmteU' ') Dann berichtet er über den ihm sehr zusagenden Verkehr mit dem von Jahn ihm empfohlenen Klaus Groth und über den Beginn der Bilder zu dessen »Voer de Goern«; endlich dankt er für den »wundeivoUeii * Mozart"), er ist meine Erholung in den Abend-

') Jahtt's Urthefl findet sfch Biogr. Aufs. S. ayi f.

*) bandelt sich am den eisten Band von Jsha's Biogtnphle Mozart's (1856).

Digitized by Google

Ad. MicbMlic.

II*

-lumlcii. Welch liebens\vür(liL;c Nritur mit all den Schwächen, l.s thut citicrn aber ;4ar wohl, dass es hier nicht nach Lack und Firniss vom l^eaiallen Holze riecht. Ks ist gesund gewachsenes, imd ein recht kost- bares dazn«t. Am 2T. Decenibcr 1857 beginnt er über anj>cc;ritVene Augen zu klaLjcn, die den FortL^ani^ der ZeichnunL;cn für (iroth verzögert hätten, und schÜesöt: »Ich scliwclgc jetzt im dritten Band Ihres Mozart. Wenn Sic Wülsten, was mir das Buch für Freude macht und wie icli drin lebe! Tausend, tausend Dank dafür. Sie haben gewiss ein Meisterwerk ge- liefert!«

Der letzte Brief R. s an Otto Jahn, der sich erhalten hat, ist vom 29, December 1861 und nimmt auf die neue Ausf^abe des ^^Richter- Albums« Bezug: »Freund Kd, Cichorium und seine Vrini waren längere / ;t hier, und wir haben viel mit einander verkehrt. Ich habe es be- iLaicrt, dass ich nichts von der neuen Bearbeitung der Bioc;raphie in meiiK-ni Albuni wusste*), ich hätte Sic gebeten, die wirklich bedeutende Sammlung, der llandzeichnun,:^en meiner .Saclicn, welche E. Cichorius zusammengebracht hat, zu erwälinen. Ich wünschte Sie sähen sie ein- mal, ich würde gerechtfertigter vor Ihnen stehen, als mit den Holz- schnitten. \'or zwcy Jahren habe ich die Sammlung mit grossem Inter- esse durchgesehen (der Zahl nach mindestens 6 700) weil sie mir fast wie Arbeiten eines Andern erschienen, der innerlich mit mir recht geistesverwandt sey; denn die mehresten Sachen hatte ich vergessen, und die Behandluni^ derselben war mir bei allen fremd tjewordcn. Ich bin in der That dem Freunde, der so fleissig alles sammelte und es auch später beisammen lassen will, sehr hoch verpllichtct, denn diese Sammlung zeiL;t erst, was ich wollte. In den Holzschnitten ist für mich aller Reiz verloren ,i;e;4anL;cn. Jahn ist der Mahnung eingedenk gewesen, als er 1866 die »Mittheilungen« für seine »Biographischen Aufsätze« öbcrarbeitete: ein neues Blatt von R.'s eigenen Aufzeichnungen (oben S. 5* ff.) und Cichorius' Mittheilungen über seine Sammlung sind der neuen Bearbeitung zu gute gckonnnen.

Jahn w.ir nur ungern an die neue Bearbeitung gcgiingen. »Mir fehlte die ennua- tt-rnrle TbeilTi iliriic Hcorg Wignnd's [gest. 9. Februar 185R'. ik? ttelTlichcn ehrenhaften Ktriiincnsclu-n , lioi niii «meiner frischen Originalität, seiner uncrrnudlichcn I h ^t' r tlt, mit vcmem gesunden iluiuor und seinem warmen Herzen, ein ganzer Manu aus emcui ^tUck, MtDcn Frenadcn in guten «nd bMen Tagen httUreidi (Ue treue Hand boL Auch ihm wird Riditendbiua ein ehcendes Gedenkseicben feinl«

Digitized by Google

12*

G«n SdkttnuuiD.

Clara Scluunaim.

Am 20. Mai. 1896 ist Clara Schumano dahingeschieden aus einem Leben» reich gesegnet an Glück und Leiden, an K&npfen und Erfolgen, ein Leben, das sich vor uns im Spiegel der Erinnerung und Be- trachtung ausbreitet wie ein reines Kunstwerk, makellos und vollendet, ^ ein Leben »köstlich«, wie der Apostel sagt, und doch »voll Mühe und Arbeit«. Wahrlich, eine gläubige Seele kann sich nicht mehr an dem Wandel der Heiligen erbauen, als die Berufsgenossen der Dahin* geschiedenen es können an dem Bilde der hohen Frau. Unbeirrt durch die Lockungen der Eitelkeit, welche an den Künstler so versuchend herantreten, und nicht achtend die Last der schwersten Sorgen, ist sie hinangeschritten zu dem Gipfel des heiligen Berges, auf welchem unsere höchsten Meister einen herrlichen Tempel erbaut haben zur Ehre Gottes und zur Befreiung seiner Kinder von den Mühen und Sorgen des Lebens, einen Tempel jener echten grossen Kunst, welche den Menschen erhebt» welche die Ahnung, ja die sichere Gewähr einer höheren Hiirmonte als süssen Trost in die Wimisse und Dissonanzen des Lebens hineinträgt. Steh diesem Tempel als Priesterin zu weihen, war das Ziel der Frau» welcher wir gedenken.

Clara war geboren am 13. Sept 18 19 in Leipzig. Ihr Vater, Fried, rieh Wieck, ein erfahrener Musik* und Klavier-Pädagoge pflegte mit sorglicher Hand das irüh offenbarte grosse Talent seines Kindes. Schon im zehnten Jahre trat Clara Wieck öffentlich auf, in ihrem 13. Lebens- jahre unternahm sie die erste, grössere Konzertreise.

Durch die ernste Arbeit des Vaters war der Boden bereitet, auf dem die Blttthe ihrer Kunst sich spater so lieblich entfalten sollte. Aber ihre eigentliche künstlerische Entwicklung dankte sie der Berührung mit Geistern höherer Art. Claras Kindheit fiel in jene gesegneten Jahrzehnte» in denen die Muse unser Volk so überschwänglich mit den köstlichsten Gaben beschenkte, dass wir heute noch an diesem Reichthum zehren. Mozart und Haydn waren nicht lange geschieden, Beethoven stand in der Vollkraft: seines Schaffens, und schon sangen Weber und Schubert» die ersten Romantiker, ihre süssen, ergreifenden Weisen. Die deutsche Musik glich jenen Bäumen des Südens, an denen die unerschöpfliche Kraft der Natur zugleich goldene Früchte zeitigt und neue, * duftende Blüthcn entwickelt

Auf Schubert und Weber folgten zwei jüngere Meister, welche, selbst Herrliches schaffend, zugleich die Begeisterung f&r die Werke

Digitized by Google

Bernhard Scltulx.

1 der vorangegangenen Heroen der Tookuost sa lichter Flamme anfachten. Felix Mendelssohn zog die Passionsmusik Joh. Seb. Bach's, welche fast verschollen war, wieder an das Tageslicht, und Robert Schumann wies unermödlicb auf diese neue OfTenbarung deutscher Tiefe hin. Den edlen KQnstlem, wdche die eigne Schaffenslust und Schaflfenskrait so harmonisch mit der Pietät vor den gewaltigen Sdiöpfungen der das- sischen Periode verbanden, schloss sich Clara Wieck an.

Der Freunde Einfluss entschied die Richtung der jungen Künstlerin. Aus der geistigen Genossenschaft erwuchs ihre Liebe su Robert Schu- mann; und als de nach harten Kämpfen den Ehebund mit ihm ge- schlossen hatte» da gaben die Beiden der Welt das entsOckende Schau- spiel, wie swei Genien im innigsten Verkehr miteinander die Schwingen immer mehr entfalteten, sich <;cgcnseitig su immer höheren Leistungen begeisterten, einem X^erdhenpaar vergleichbar, das, sich umwirbelnd, to den blauen Aether aufsteigt

Den Eindruck, den Clara Mßeck schon als Kind und als heran* blOhende Jungfrau machte, muss ein bezaubernder gewesen sein. Dichter und Musiker huldigten ihr als einer Erscheinung höherer Art Besonders schon spricht das Grillparser in den Strophen aus, in denen er sie als das Schaferkind preist, welches, am Strand des Meeres spielend, den Schlüssel SU dem Zauberschreine findet, welchen der unmuthig grollende Wundermann in die Fluthen geworfen hatte. »Der Schlüssel passt, der Deckel fliegt Die Geister steigen auf und senken dienend sich der anmudireichen, unschuldvollen Herrin, die sie, mit weissen Fingern, spielend lenkt« Schon im Jahre 1833 hatte Robert Schumann selbst Ober das vierxdmjährige Mädchen geäussert: »Sie sog irClhseitig den Isisschleier ab; das Kmd sieht ruhig auf der ältere Mensch würde vidleicfat erblinden.« Fünf Jahre später schrieb er an Clara: »Andere dichten Du bist eine Dichtung.« Frans Lisst sagte von ihr: »Eine Geweihte des delphischen Gottes dient sie mit schauernder Gewissens- treue seiner Kunst«

Auch das grosse Publikum empfand es, wie sie gans anders wirkte, als die übrigen Virtuosen: sie wollte nicht blenden, sie woUte erheben. Wenn sie im Concertsaale erschien, so verbreitete sich in der Hörer- schaar ein Gefühl der Andacht und heiligen Ernstes. Alle wurden sich bewusst, dass sie einer Offenbarung des Schönen gewürdigt werden sollten^ Nicht als eine flüchtige Gabe des Augenblicks, sondern als ein dauernder Gewinn lUr die dürstende Seele wurde iliie Leistung empfangen und erfosst Sie selbst gab sich dem Kunstwerk voll und gans hin. Dem Streben, es in seiner Reinheit und Eigenart danmstellen, opferte sie ihre Persönlichkeit; aber in der Fluth der Tone, die sie dem Instrumente entlockte, pulsirte ihr eigenes Hersblut, und darum

L.

Digitized by Google

Qara Schnmaoik

Sie war aber nicht nur eine herrliche Künstlerin und eine unüber- treffliche Lehrerin ; wir lernten sie lieben als eine überaus gute und edle Frau. Denselben adligen Sinn, der ihre Kunstleistungen durchdrang, bewährte sie auch im täglichen Verkehr. Wie liebevoll und sorglich war sie mit ihren Schülerinnen I Sic berieth und unterstützte dieselben, wo und wie immer sie konnte. Nicht nur, dass sie wohlthätigc Freunde veranlasste, materielle Hülfe zu spenden, wo es nöthig war, sie nahm sich auch der geistigen und gemüthlichen Ausbildung der Mädchen an, die ihrer Obhut anbefohlen waren und sorgte ihnen für ein behagliches Heim, wie für wissenschaftlichen Unterricht. Vielen ist sie eine Freundin geworden, mehr als Einer eine zweite Mutter.

Dreizehn Jahre lang durfte sich das Dr. Hoch'sche Conservatorium do? Wirkens einer so grossen Künstlerin und Lehrerin erfreuen. Im Herbst 1891 n.ilimcn Stönui^en des Gehörs, an welchen Clara Schumann schon früher gelitten hatte, in so bedenklicher und peinlicher Weise bei ihr zn, dass sie steh von der öffentlichen Thätigkeit zurückziehen und darauf beschränken musste, hie und da Privatunterricht zu erthcilcn. Ein An- erbieten des Curatoriums unserer Anstalt, sie ohne jede Verpflichtun;^ aJs l'^hrenmitglicd dieser zu erhalten, wies sie ab; sie erklärte, ohne be- stimmte Lcistinif^an kein Honorar annehmen zu können.

Stiller und stiller wurde es um sie; Conzertc besuchte sie nur noch ausnahmsweise; es war ihr schmerzlich zu bemerken, wie weni^^ sie von der c^elicbtcn Kunst mehr vernehmen konnte. So nahm sie allmählich Abschied vom Leben; ihr Tod war ein leises \'^ergehen. An einem sonnijren Pfingstfrühlinji^stage, während unzählige Nachtigallen ihr Klagc- und Trostlied anstimmten, wurde sie an der Seite des geliebten herr- lichen Gatten auf dem alten Friedhof in Bonn bestattet Da ruhe sie sanft'

I i nnsrer dankbaren l'",rinnerunL; aber, in den Herzen ihrer Freunde tmd Sciuiler lebt sie fi)rt, eine Vollendete, eine Verklärte. Glücklich ein Jeder, der diesem edlen l-'raucnbilde nälier treten durftcl Ihm bleibt ein Gewinn für das ganze Leben. Frankfurt a. M.

' Dr. Bernhard Scholz.

_l

Digitized by Google

liiduwl Benwyi.

MicMel Bemays.

;* 1834— 1897.

"Wcnif^e Monate nach dem Hinscheiden Hcinri< hs von Trcitschkc hat die dcuLsclie Wissenschaft von neuem den Verlust eineü bedeutenden Ver- treters zu beklagen. Nach langem schwerem Leiden hat am Mittag des 15. Februar Michael B. 'seine Augen &tr immer geschlossen. War auch Treitschkes Name einem l>ei weiten grösseren Kreise bekannt, drängten sich luch alljiihrücli viele TTumlcrte um den ^^efcierten T, ehrer, so müssen wir doch erwri^cn, dass er sich ein Wirkungsgebiet mm Felde seiner erspriessHchen Tbaugkcit gewählt hatte, das von jeher die Begeisterung vor allem der natkmal gesinnten Jugend entfiwiien miiaste,' und- dass et durch" das Wirken Leopolds von Kanke den Weg vorgeteichnet fand/ den er sicheren Fusses hthichritt. Dagegen musste sicli H., nicht weniger national gesinnt als Treitschke, deri Hoden erst schaffen, auf dem er zu wirken gedachte, er b itte für die Exisien^berechtif^ung der durch seine Persönlichkeit und seine bchriften ge- forderten Studien zu kämpfen, bis sich endlich die deutsche Litteraturgeschichtc die Gleidiberechtigung mit der klassischen errang. Wie um Txeitschke in Berlin, so versammdten sich um B. in München Semestw auf Semester Studirende aller Facultäten, um dem hinreissenden Vortrag des verehrten Lehrers zu lauschen, der ihnen, seinen junjjen Freunden, als »Erster unter Mitstrehenden- entjrepentrnt. l^nd als er die T,ehrkan/.el verliess, erwarteten die Letzteren, dass er mit seinem WiJ»sen m grundlegenden Werken die Freunde und die gesamte deutsche Wissenschaft fördern wflrde. Diese Hoff- nung hat sich nicht erfüllt, sei es, dass B. die Neigung numgelte, das Wort, mit dem er so oft vom Kathdtler herab Hunderte begeistert, auch in Buch- form zu fassen, oder dass er schon bald durch den Beginn seines Leidens an einer erspriesslichen Thäiigkeit gehindert wurde. In den sieben Jahren, die er als Privatgelehrter in Karlsruhe verbrachte, hat er nur einen Band »Schriften sur Kritik und litteratui^eschicfate« veröffentlicht, ein zweiter sollte folgen, als ihn der Tod aus seiner Arbeit fortrief. So nimmt er die Pläne zu grösseren, umfassenderen Arbeiten, von denen namentli< h Tlomer in der Weltüttoratur« seinen rastlosen (»eist, wie schon in früheren Jahren, eifirigst beschäftigte, mit sich ins alizufrühe Grab.

Ifichoid B. ist in Hamburg am 27. November 1S34 geboren, und ge- ftm seine Ersiehung auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt dem Johxmneum, welches schon damals der Pflege der edelsten Bestrebungen - sich erfolgreich bcfli-is. Unter der Leitung des liewährten Adolf Kraft ward der kaum aciu/clinjahri^e auf das eingehendste mit dem Studium des soj.liokleischen l>ram;is wie der ganzen antiken klassischen Geisteswelt vertraut, ein Wissen, %'elches später dem Dozenten bei der Bq;p:ündung der streng philologischen Kritik in der neueron Ltttevmtur nicht wenig zu Gute kam. Bei der Auf- führung der von Töpfer einstudirten Antigene scheint er ^ als Kreon ifum crstenrh de mit seinem Vortrni,' allf^emcine Bewunderung erregt zu haben, zugleich ward sein Name /um ersienmale wissenschaftürh genannt, da er »einem verehrten Direktor bei der Herausgabe eines Real- und SchuUexitons

Biofr. Jahrb. n. Deatacber M«krolof . b

Digitized by Google

Michael Benwyi*

hilfreich fiirdenid zur Seite gestanden hatte. Wenige Monate s]iätcr sagte der ahgeliende Primaner mit einer Rede, in der er ausgehend von Goethes 'l'a.s.so tlas Verhältnis des Dichters zu »einem Werk erläuterte, dem Gymnasium Lebewohl, um an der Universität Bonn sich erst für kurze Zeit dem Studium der Jurisprudenz hinzugeben. Aber bald wandte er sich mit Feuereifer der kliiüsischen Philologie zu, eine Thätigkeit, die er auf das nachdrücklichste fortsetzte, wenn auch gnr oft äu«5scre Sorgen ihn zu hemmen, niemals aber zu lälnnen vermochten. Nach lionn sieht iim die altehrwürdige Universität Heidelberg, wo er neben dem Studium der antiken Litteratur auch als Schüler von Holtzmann und Gervinus bei letzteren freundschaftliche Anerkennung und Achtung fand. Doch schon in dieser Zeit zeigte sich in ihm die unge- wöhnliche Begabung zum Dozenten. Als Mittelpunkt eines kleinen Kreises von Stildiengenossen, zu denen auch Treitschke gehörte, hielt er Vortriit-e über Shai;esj)eare, in denen er eine so hervorragende Kenntnis des Dichters und seiner Schöpfungen verriet, dass die bewundernden Freunde ihn er war kaum 21 Jahre alt mit dem ehrenden Beinamen »Meister« begrüssten, der ihm von da an bis zu seinem Ende im intimen Kreise seiner Freunde und Srhfiler gehheben ist. Im Jalire 1.^55 errang er die akademische I)o<:tor- wiirde und liereitete sich seitdem ^um Dozenten vor, eine Aufgabe, zu tler ihn Cn.Tvmus eigens ermuntert hatte. Zugleich suchte er seinen Namen in der wissenschafUidien Welt bekannt zu machen, indem er im Morgenblatt, der Kölnischen Zeitung, und anderen bedeutenden Zeitsdiriften grössere und kleinere wisscnschafUiche .Arbeiten veröffentlichte, die leider jetzt .so gut wie verloren sind. Fs crflUlte ihn später stets mit besonderer Geniigthtnmg. dass er in einem seiner ersten Artikel warm fiir die künstlerisc hen liesirelnuigen Anselm l euerbachs eingetreten war, dessen Werke, statt die geliuhrendc An- erkennung zu finden, fast allgemein in jener Zeit auf das entschiedenste ver- urteilt wurden. Auch zeigte B. bei einzelnen festlichen Gelegenheiten reiche dichterische Begabung. So entstand 1859 ein Festspiel zur buivlertsten Wiederkehr von S( hillers Geburtstag, i S6 4 begrüsstc er die dreihunderl- jalirige Jubelfeier .Shakespeares mit begeisterten Versen. Kurze Zeit darauf hat er für Beethovens Musik zu Goethes Egmont einen verbindenden Text geschaffen, der auch später noch mehrfach aufgeführt wurde und nach iast 30 Jahren die Karlsruher Theateileitung veranlasste, B. um einen grösseren einleitenden Prolog zu >Tozarts Requiem zu ersuchen. Doch vermochten diese gelcgcntlirhcn Unterhrcrhungen keineswegs;, ihn aus dem (lang seitK-r ernst wissenschatüichen Arbeiten zu reissen. Unbeirrt schritt er seinem Ziele zu. Als ihn Treitschke in Erinnerung der gemeinsam verbrachten Heidel- berger Studienzeit aufforderte, mit äm die Redaction der »preussischen J ilubudier zu übernehmen, lehnte er dieses Anerbieten mit dem Hinweis ab, dass ihn eine solclie Thatigleit gän/lit h «;einen cigcnth'ehen Zwecken entfremden würde. Im gleichen Jahie (^1866; lics.s er die S( lnit"t ^/ur Kritik und (ieschichte des Goethe'schen Textes^ erscheinen. Damit bekräftigte er auf Lachmanns Spur, dass die Anwendung der Methode der klassischen Philologie auf die neuere Litteratur für die Richtigkeit der Texte unserer grossen Dichter unumgänglich notwendig sei. Diesem mühseligen, aber ruhm- voller) WVTl:e itber Goethe folgte nach zwei Jahren die Hcr,nisgnl>e der durch ein gros.scres Vorwort ein-eleiieten liriefe (ioeiiies an Frieitrich August Wolf. Mit seiner nächsten Arl)cii Zur Entstehungsgeschichte des Schlegelschen Shakespeare« stellte er sich in die ersten Reihen der Shakespearelbrschung.

Digitized by Google

Hcnttaim Uhde.

19*

Neben diesen grösseren, breit ausgefiihrten Schrifien, veröffentlichte er im N'euen Reich eine Reihe kleinerer Arbeiten, die, obwohl schnell ireschricbcn, das stauneiihwerte Wissen des Verfa^^ers im bereich der gesamten Litteratur bekundeten.

Unterdessen hatte die Gründung des neuen Deutschen Reiches, die B.

auf (las freudigste begrüsste, aucli auf seine Bestrebungen hervonagenden Kinfluss gehabt. Der Sinn für seine Dichter ward im Deutschen mehr und mehr erregt, man gedachte der Zeit, in der allein flic T ittcrntnr rlie Einigkeit des Vaterlandes l)ezeugte, und als B. den Entschiuss liu»ste, sich an der UniTemtät Leipzig zu habilitiren, ward er mit iUlgemeuier Freude von der Studentenschaft begrttsst, stündlich wuchs sein CoUeg, bis endlich der grösste Saal die Hörer kaum zu f;issen vermochte. War es zu vci\Min<lern, dass «lieser ungewöhnliche Erfolg bei auswärtigen Universitäten flen Wunsch er- weckte, einen solchen (lelchrten und Dozenten an siel» zu ziehen? Vor ;illt. in ward auf entschiedenen Wumch des hocbsinnigen Königs Ludwig II. an der Universität München ehie Professur lillr deutsche IJttisraturgeschichte die erste in Deutschland begründet, und B. auf dieselbe berufen. So sah der Forscher sich im Alter von 39 Jahren am Ziel seiner Wünsche (1872). Freu- «ligen Sinnes folgte er dem Ruf n;a 1) Miitu hi-ii und ^elanule sn rnsrli zu An- sehen und Aficrkennung, rlass er liereits nach amlerthalb Jahren zum ortient- lichen Professor befördert wurde. Siebzehn Jahre hat ex in dieser Stellung gewirkt, das Beste, was er gdeistet, hat er vom Kadieder der Mttnchener Univeisität erreicht, gross ist die wissenschaftliche Anregung, die von ihm ausging, gross aber auch die Verehr ii'u, mit der seine Schüler an ihm hingen. Ci'änzend vereinigten sieh in ihm die 1 fau|trt\5fjenflen, rlie SrhlL-iennacher für <iie Kunst des Universitätslehrers unbcdiii^'t \crlangie, Lebendigkeit imd Be- gcistenmg auf der einen Seite, Besonnenheit und Klaiheit auf der ajidern, um, was die Begeisterung wirke, verständlich und gedeihlich zu machen. »Ein Professor, der sein ein für allemal geschriebenes Heft immer wieder abliest imd abschreiben lässt, mahnt uns sehr ungelegen an jene Zeit, wo es noch keine I>r\ir1:erei gab.': Zu diesem treftlirh geschilderten Schleiermacher'- schen Wagner bildete allerdings B. einen entschiedenen Gegensatz. Wie sehr seine Art des Vortrags, die fteie ungebimdene zwanglose Rede zu wissen- schaftlicher Mitteilung seine Hörer anregte, schildert au& anschaulichste ein Bericht des bekannten Dichters Karl Stieler, der sich stets mit Stolz zu den '"f'^ten Münchner Schülern rechnete. Es war alu 1 !i etwas ganz eigenartiges, V t :in 1?. sprach. T^cL^^bt mit cincrn un^'chLMiLrcn ( iedachtni^se, das er von Jugend auf zu üben und auszubilden verstanden hatte, vermochte er ohne MUie nicht nur die gesamte deutsche Litteratur zu llberblicken, nein, im gldchen Masse war er auch bewandert in den Litteraturen der Engländer, Franzosen, Italiener, und iii( !i( zum mimlesten in der Kenntnis des kl.i.ssischcn Altertums, die so eingehend und gründlich wor, dass er nur all/uhnuftg Phi- lologen von P'ach reichliche Bclehrnn^r angedeihen la.sseti uiui Irriunur ver- bessern kormtc. Dieses Wi.ssen im Bereich des antiken Geisteslebens, das er iilr' die einzige und unumgängliche Grundlage fUr das Studium der neueren Litteratur hidt, und das er von seinen Schülern mit hartnäckiger Strenge forderte, verdankte er nicht zum mindesten dem Etnfhiss seines ebenfalls hochbcfleulenden F-?nidcrs l.icoli, der als Frofo-sor nnfl OberltiMioihcVnr in Bonn wirkte. Inrlem i-r so ni scnicni ( leiste lu 1 rhi hcn .S( li<)|'ruii;^cii aller Lander und Zeiten fortwährend gegenwärtig halte, ergab sich lur seme Vor-

b*

Digitized by Google

ICidiaet Bemayi.

lesungen ein Gesamtbild der dichterischen und wisscns( haftlirlicii. kurz, der gesamten geistigen Entwickchmg einer Nation. Dabei wiircn ihm die Werke derjenigen Meister, die vor allem das geistige Leben ihres Volkes beeintlusst hatten, auis innigste vertraut, alle einschlägigen Citate waren ihm -so geläufig, dass es ihm leicht wurde, die trefiendsten Parallelen zwischen den Peisönlicti» keiten und ihren Werken zu ziehen. Aber was B. bot, war nidit eine kalte Wiedcr^alie dessen, was er durch jahrzehntelange Arbeit zu seinem geistigen Eigentum gemacht hatte, durch sein rednerisches Talent, unterjslüt/.l durch sein herrliches, nie versagendes Organ, fühlte sich der Hörer in die Zeiten versetzt, da Dante und Ariost ihre unsterblichen Dichtungen schufen, vor seinem Auge erhoben sich die Peradnlichkeiten Klopstock's, Schiller's und Goetbe's su un- geahnter Grösse, er ward aufs eingehendste vertraut mit den künstlerttchen Rich- tungen, (h"e Sliakespeare und Miltnn in England, Corneille und Ranne in Frank- rcicli den iioetischcn S< liöpfungcn ihrer ileiniai gegeben haben. Der Kenner der Wekliticraiur war und blieb zugleich ein wahrhalt patriotischer Mann, der abhold war allen particularistischen Bestrebtmgen. Wie leuchtete sein Auge, wenn er auf den £influs8 Kant's am Beginn der Befreiungskriege, woin er auf Kichte's Reden zu sprechen kam; mit Begeisterung wiederholte er Goetbe's Schlussworte aus dem Epimenidcs, die Deutschlands Befreiung aus dem Joch der Knechtschaft jubelnd verkünden. .Ms er im Jahre von der Stadt

München aufgefordert wurde, bei dem am Geliurtüiagc des Kaisers gegebenen offiziellen Festdiner das Wohl des Königs Ludwig II. auszubringen, kam er diesem Wunsche nach, indem er den Anteil des Herrschers .m dem nationalen Werk auf das rühmendste hervorhob. In der gleichen Rede ward der kunst- sinnigen Freundschnft <!es Könip:«; ftir die Werke Richard Wagner's gebührende Erwähnung gcthan, wie ül^erhaupt B. jede (Gelegenheit wahrnahm, des be- itthmten Komponisten, zu dessen »Vertrauten« zu zählen er sich rühmen konnte, in dankbarer Verehrung zu gedenken. Zumal am 14. Februar 1883, am Tage nach Wagner's Tode, gab er der Trauer um das Hinscheiden jenes (rewaltigcn richtigen Ausdruck. Ucbcrhan|)t bc-ntir/tc B. manclinial ilie kv^enhfir. am Hcginn der Stunde, oder ankniiplend an den Kalunen seiner Vorlesung einen bedeutungsvollen Tag zu feiern, so am 26. April 1887 die hundertste Wiederkehr von Ludwig Uhland's Geburtstag; auch unterliess er es niemals, am z8. Januar seine Schüler auf die Gründung des Deutschen Reiches hinzuweisen.

So war seine Thätigkeit an der Universit.'it eine gesegnete und erspriess- liche, aber, da er die meiste Zeit dis I .i^cs mit \'(ni)creitunu zu si-nu ii Vorlesungen, oder in Uaulcni sucngwi-ssenschaldiehcn Vcikelir mit anhänglic hen Schülern und gleichgesinnten Freunden verbrachte, gewann er wenig Müsse zu schriftstellerischer Thätigkeit. Bereits in Leipzig war er von dem bekannten Buchhändler und Sammler Salomon Hirzel zur Herausgabe der sämtlichen von Goethe lu rnihrenden Dichtungen und Briefe während der Jahre 1764 76 aufgetordcrt worden. In einer längeren Einleitung rerhttertiiite er den Zweck dieser Sammlung, die, 1875 in drei Bänden erschienen, ein glänzendes Zeugnis fUr die Sorgfalt der Herausgeber ablegt. Kurz darauf erschien ein, für die allgemeine deutsche Biograj>hie veriasstes »Leben Goethe's«, weldies auf all- gemeinen Wunsch auch gesondert, zusnmmen mit einer kurzen Biographic (iottsrhcf!'«; veröffentlicht wurde, (xSjo", und mfolge seiner Srh.^rfe und Reich- haltigkeit gros.sen Beifail fand. Au.sserdcm be.>>urgtc der Forscher die Heraus- gabe des von Schlegel und auf Veranlassung Tieck's von Baudissin und l)o>

Digitized by Google

Uernunn Uhde.

rodiea übersetzten Shakespeare, zu dessen 2. Auflage er vor wenigen Jahren cm umfangreiches Nachwort ver&aste, in dem er nochmals aufs schärfste dem Gesamtnamen »Scfalegel-Tieck'scher Shakespeare« zn Leibe iUckte. Auch auf dem Gebiet des dritten grossen Dichters, der neben den beiden Erwähnten

seinen f^ist stets l)es( häftigte, wurde er thätig. So veranlasste er 1881 die Festausgabe der \ou Voss hundert Jahre zuvor übersetzten Odyssee, der er ebenfalls eine gehaltvolle Kinleitung vorausschickte. Ausser diesen drei Ein- leitungen und den erwähnten kleinen Biographien hat er von einigen, auch grösseren Aufrätsen in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung abgesehen ~ als Dozent nichts verö£fenÜicht, nicht einmal den 1889 in Weimar an- I is^Iic Ii der noetlieversammlunp gehaltenen Vortrag über die Farbenlehre, dessen Erscheinen schnlit Ii erwartt-t wurde.

Trotz allem waren seine Schüler und i reunde schmerzlich überrascht, als B. im Herbst 1889 seine Entlassung forderte und sein Gesuch damit be- gründete, dass er nunmehr seine Lehre auch in geschriebenem Wort für dauernd festzulegen beabsichtigte. Eine von Erich Schmidt verfjisste, von einer grossen Anzahl von Celehrten unterschriebene Adresse begriisstc jedoch diesen Schritt mit freudigen Erwartungen wachsender litteranscher Wirksmn- kcit B.'s. Als B. 1890 nach Karlsruhe übersiedelte, ward ihm die Freude zu TeQ, dass ihm von verschiedenen, meist schon älteren Schülern gelegendich seines 60. Geburtstages eine Festschrift gewidmet wurde, l'nur diesen be- finden sich von Dozenten Bodmer, Colilur, Simonsfcld, Vollmölier, Witt- kowski, Wunderlich, Nf.ix Koch. Wölttlin iukI andere.

Aber die allseitigen Hoffnungen sollten sich nicht erfüllen. Es ist be- reits erwähnt worden, dass sich wohl schon damals der Keim zu seinem Leiden fühlbar machte. Noch einmal (1892) sprach er vor grösserer Versammlung, als in Karlsruhe das Denkmal SchdGTers enthüllt wurde, bei welcher Gelegen^ heil die Stadt ihn als den Würdigsten, die Festrede zu halten, erwälih hatte'). Im nai listen Jahre veroftenilit hte er den i. I^and seiner gesamnieiien .Schrif- ten, der jedoch nur zwei neu entstandene Aufsatze brachte. Mehr und mehr zog er sich in sein stilles Heim «irflck, wo er unter seinen Bttchem bis spät in die Nacht hinein arbeitete, aber leider nur immer, um seinen eigenen un- gestillten Wissensdurst zu befriedigen. Grosse Freude gewährte es ihm, wenn er einem Jüngeren dur( h «^cinc Anregungen forclerürh sein konnte, und gar viele haben dauernd Grund, ihm dafür dnnkbnr /u sein. Viel beschäftigte er sich in den letzten Jalircn mit Homer, daim nni Wordsworth, dessen Ver- nachlässigung ui Deutschland ihn stets geschmerzt hatte, und er beabsichtigte, letzterem m einem umlassenden Werk die verdiente Anerkennung zu ver- schaffen. Aber im Frühling des vcr};aiigenen Jahres zeigte sich ein Mcr/Ieiden, r!r!s mit unerwarteter Srhnelligkeii sich verschlimmerte. Die sorgsamste Pflege vermochte nicht, die hereinl>re( liende K.u.isLroj>he aufzuhalten.

Solange der DeuLsche Sinn und Begeisterung für die Werke seiner Grossen hat und dieser Sinn wird niemals schwinden, bildet er doch das eigenste Besitztum des deutschen Volksgeistes , solange wird auch an deutschen Universitäten deutsche Litteraturgeschichte gelehrt werden. Sie hat si< h die Aufgabe gestellt, das Werden flcs Geistes darzustellen, in dem die [ ineraiur unseres Volkes sich fortwährend ofienbart. Mit dieser Definition hat xMichael

*) BcnwTs bat sie in unseren »Biognpbifchen Blittcm«, die er fODCr stMndieen Mi»> ■fbeit watdigte Band I, Heft 1, 1895 Tcrtfficntliclit. D. H.

Digitized by Google

22*

Hago BUrkaer.

B. in seinen CoUegien ilie wissenschaftliche Erklärung der von ihm vertretenen Studien begonnen: seinem Wege, der auf die Höben der Menschheit zu führen bestimmt war, sind im Laufe der Zeit (icnoi itioiun von SchOiem gefolgt, von denen wieder viele selbst als Dozenten im Sinne des entschlafenen Lehrers fortwirken.

Drum IcLi er auch nach seinem Tode fort

Und hi so wirksam, als er lebte,

Die teilte That, das «f-hnne Wort,

Es strebt unsterblich, wie er sterblich Mrehtc.

Her manu Uhdc.

Hugo Bürkner

von

Dn K. Bürkner.

Es ist ein schöner Vorzug der bildenden Künste, dass ihre Schöpfungen in den weitesten Kreisen der Mitwelt nicht allein sondern auch der Nachwelt aul Smn und dcuuith zu wirken in> Srinde sind. Wahrend der (ielehrtc, mögen seine Forschungen auch von dci gru»icn wissenschaftlichen und wirth- schafüichen Bedeutung sein, ja vielleicht auf einem Gebiete des öffentlichen Lebens geradezu eine Umwül/ung herbeiführen, doch fast immer unmittelbar nur für eine verhältnismässig kleine Clcmcinde verständlich wird, ruft des Malers, des l^ildhrtiiers T lirstcllunf: hei jedem Beschauer irgendeine mehr oder weniger bestmimte XOrstcllun^ hervor, gerade wie auch des Dichicis Wort selbst im beschränkten (Jeiste Kmpfindungen zu wecken, wie des Tonsctzers Weise hei jedem Hörer einen lebendigen Widerhall zu finden vermag.

Aber auch unter den bildenden Künstlern besitzen jenen Vorzug keine in so hohem Maassc wir dujenigen, welche sich die Vervielfältigiuig von bild- nerischen WV'rken /ui Aiifi;ibe marhcn. Mit vollem Rfnlite ist nnmentlicb der Holzschnitt als die voiksthumiichste der Künste be/eit liuei worden; ist doch gerade das Messer des Formschneiders berufen, die Schöpfungen des Stiftes, des Pinsels, des Meisseis, welche im Urbilde nur wenigen Bevorzugten zugänglich bleiben, in einer ungemessenen Zahl von Abdrücken in alle Welt zu zerstrene'i, in Verbindung mit dem T^nrlulr,;. 1 c (Um todlen Worte I cl cn zu verleilien und damit der Wissenschaft nicht minder als der Kuiist un- schätzbare Dienste zu leisten.

Wohl wenige Meister der Griiielkunst haben durch die Zahl und den Werth ihrer mühsamen Arbeiten in so hohem Grade zur Verbrettung wahrhaft kUnstleris- hcr W'. i Vr T eigctragen, und wohl keiner von ihnen hnt in der neueren Zeit auf die Kntwickehtnii des Tb b'^c luiittcs in der seiner Handha- bung entsprechenden Eigenart .so UclgiciiciRl cuigewirkt. wie der am 17. }n- nuar 1897 aus dem Leben geschiedene langjälirige Veiudcr der Holzschnei- dekunst an der Dresdener Akademie, Hugo Bttrkner. Durch ihn trat, wie A. Hagen in seiner -^Deutschen Kunst unseres Jalirhunderts« (I, 434) sagt, »die neue Formschneidektmst in das rechte fintwickelungsalter, indem sie sich

Digitized by Google

Dr. K. Bttilnier.

»3»

in den CIrenzen eines Albrecht Dürer und Hans Holbein hält und den Bildern durch eine kernhafte Entscliicdenheit ein volksmässigcs Aussehen i»iebt .

WeshiUb gerade Hugo jiürkner betähigt war, in einer so entscheidenden Weise für die Wiederbelebung des Hobcscbiiittes einzutreten, wird durch den kflnsderischen Entwickelungsgang des Meisters erklärt.

Hugo Leopold Friedrich Heinrich Bürkner wurde am 24. August

1818 in Dessau geboren, wo sein Witer roli/eidire('tor war. Mit einem fröhlichen Kreise von ( iest liw istern wuchs er in dein l'.lternhause heran, dessen einfache, behagliche Lebensführung zu der schlicliten und milden Entwicke- hing seiner Snnenft den Grund legte. Wie seine Brüder so erging sidi audi Httgo mit besonderer Vorliebe in allerlei Leibesübungen, die er, soweit es anging, aiu h noch im höheren Alter gern pflegte. Nicht minder fanden kiinsricrische Bestrebungen Eingnng in's Vnterhrius: so wurde das einhellige /•is.immenleben durch musikalische (ieniisse verschont; und da sämmtliche liruder ausgesprochene Anlagen zum Zeichnen und Malen verricthen, so wurde manche arbeitsfreie Stunde höheren Zielen gewidmet. Besonderen Werth legte der Vater auf die Entwickelung der Handfertigkeit, und mit Dankbarkeit hat der Meister es anerkannt, dass die in der Kindheit geübten Buchbinder- und Tischlerarl)eiten ihm in späteren Jahren sehr zu Statten kamen.

F.nie Reihe von Jahren l)esu< hie Hu 1:0 Hurkner das Gymnasium seiner VuLcrsiadi, welches er Michaelis 1835 mit der Reife für Obcrsccumla verUess. Schon während der Schidjahre regte sich in ihm der RUnsder: einer seiner Jugendfi-eunde berichtet, Hugo habe in der Schule in alle Tische und Bänke geschnitten, auch habe ihn einst der Mathematiklchrer, wahrend die Classe mit der T,ösun£r einer gestellten Aufgabe beschäftigt gewesen sei, dal)ei er- tappt, wie er .sein, des Lehrers, Bildniss gezeichnet habe. »Das schemt ja recht äluilich zu werden«, habe er gesagt, »wenn Du fertig bist, gicb es mir.«

So war auch die Zeichenstunde, welche im Gymnasium der Hofmaler Beck ertheüte, dem Schüler besonders lieb; für die alten Sprachen war bei ihm weniger Theilnahme vorhanden, doch blieben auch von diesen fiir das spatere Leben noch ganz ansehnhrhe Kenntnisse haften.

Wie die meisten Knaben verrieth Hugo Biirkner schon fruh/eitig eine grosse Vorliebe für Pferde; dieselbe ging bei ihm indessen so tief, dass er einen Beruf zu ergreifen wünschte, welcher eine tägliche Ausübung des Rei- tens bedingen sollte. Seinem Drängen nachgebend liess der Vater ihn im Octolicr i?^.>5 in den her/o<^ii( hen Marstall als Scliiiler eintreten, damit viel- leicht einmal ein Hofstalhneister aus ihm werden nuH lue. So stolziric denn der Jungling, von manchem seiner bisherigen Mitschüler beneidet, in Leder- hosen und kunem Rdtfradc und fimd ein hohes Vergnügen darin» sich auf den feurigsten Rossen zu tummeln.

Indessen emp&nd Bürkner Indd, dass sein wahrer Beruf nicht in der Rcilliahn zu suchen sei, da ihn wohl die Iraftiue T eibcsiiltunti und die iiunlieit der edlen l'terde erfreute und uiUerhielt , eine dauernde ISefriedi- gung als LcbensHutj^abe aber keineswegs gewahren konnlc. Schon wahierul er der Reitkunst mit ausgezeichnetem Erfolge nachging, vo-brachte er viele Stunden mitUebungen im Zeichnen, und bereits zu Neujahr 1S36 war es für ihn beschlossene Sache, dass er Maler werden wdllc. Nach einer mehrmo- natlichen Lehrzeit fiab er daher das Reiten als Hcruf auf, wenn er auch später iioch gern und so ot'i sich Gelej^enheit \)<>[, in den Sattel gestiegen ist imd die Freude an rferdeu bis in s huchsLe Alter bewahrt hat.

Digitized by Google

24*

Hafo Bttrkner.

Durch einen Zufall wurde Bürkner schon in jener Zeit der Holzschnei- dekunst /.uj^cftihrt: Der Vater hatte ein nach seinem Dienstsiegel in Holz f^c- schnitztes retschaft beschlagnahmt, welches dem geschickten Verfertiger zur Fälschung von Ausweispapieren dienen sollte. Der ältere Bruder Hugo's, welcher dieses Corpm delicti sah und nachahmungswerth fand, versudite sich an dem Reichen Gegenstande, und seine Leistung üel so gut aus, dass sie von dem gestrengen Polizeidirector sogleich vernichtet wurde. Indessen hatte auch Htiiro in diesem Versuche eine Anregung gefunden, welche fiir ihn von der grossten Bedeutung werden sollte. Er begnügte sich nun nicht aliein mit dem unter Leitung seines Lehrers mit vollem Eifer aufgenommenen Zeichnen, sondern ging daran, ohne jede Unterweisung und mit keinem anderen Werk* zeug als seinem Taschen* und Federmesser Holzschnitte herzustellen, welche er mit der Stern jiel presse aus des Vaters Kan/lei driu kle. Main her Bauklotz aus dem ahen Ijirnhölzernen l-amihenhaukasten wurde z\i diesen mit Mriist betriebenen Hebungen verwendet, und so ist auch der älteste Holzstock, welchen der Meister aufbewahrt hat, ein auf einen solchen Klotz, und zwar in's Langholz, geschnittenes Kosakenpferd (1S36), das er aus einem Bilder- buche nachgezeichnet hatte.

Da diese ersten Versiu lie fiherrasrhend c;ut gelangen, sri sr ntete der Vater den angehenden KiinsUer mit eini^'en notluhirftigen Wcrkzcu^'^en aus, und mit diesen versehen begab sich Hugo Bürkner an die Nachbildung von alten Holzschnitten Schäufiblin's und DOret'^ wddie der Hofinaler Beck ihm lieh* Er ahmte das Kräftige und Bestimmte in der Linienführung seiner Vorbilder mit solcher pein1i( !ien Genaui|^eik und mit so verständnisvoller Wahninp: ihrer Kigenart na( h , dass an seinem ungewöhnlichen Geschick und seiner jeder l'rolje f^ewac hsenen Ausdauer nicht i^ezweifeh w erden konnte.

So gab denn der Vater, nachdcai Hugo last zwei jaine lang in Dessau gezeichnet und zahlreiche alte Blätter in wahrhaft künstlerischer Abrundung in Holz nachgeschnitten hatte, seine Einwilligung zum Besuche einer Kunst- akademie; denn in der Heimath, das war wohl nicht zu verkennen, war zur Ausbildung' kiinsderisrbcr Anlagen keine hinreichende Gelegenheit geboten. Die Wahl fiel auf Düsseldorf.

Am I. November 1837 Hugo Bürkner seine Reise an. Er wan- derte meist, und zwar bei dem schleditesten Wetter, zu Fusse, benutzte nur gelegentlidi ein Lastfuhrwerk, zuletzt stellenweise die Post. Der We^s wel- rhcr tiher Merseburg, Heiligenstadt, Cassel, Arolsen unil Klherfeld führte, wurde in zehn Tagen zurückgelegt, und am 10. November traf der Wanderer in Düsseldorf ein, dessen Kunstakademie damals unter Wilhelm Scha- dow's Leitung in lebhaftem Emporblühen begriffen war. In Karl Sohn's Werkstatt gab sich der junge KUnsder nun zwei Jahre hindurch mit Eifer und, wie noch erhaltene Studien aus jener Zeit beweisen, mit Gewissenhaf- tigkeit und Gesrhick den nchungcn in der Malerei hin. Indessen liess er daneben, i>I»\vnhl er Maler zu werden beabsichtigte, seine in der Heimath mit so schönem Erfolge begonnene Beschäftigung im Hol/schneiden keineswegs ruhen, führte vielmehr, wenn er die Palette bei Seite gelegt hatte, auch jetzt eine Reihe von Schnitten, besonders nach Dttrer'schen und Behaim'schen Blättern, mit gründlidisfcer Nachahmung der Vorlagen aus. Nicht ohne Nutzen war es für ihn, das«; er seine Wohnung bei einem ehrsamen Tischlermeister (namens Wtist auf der KatiuL^cr Strasse) aufgeschlagen liatte, welrlier ihm manche wohl zu verwerlliende Anleitung ftir die Behandlung des Holzes gab.

Digitized by Google

Vi. K. burkoer.

25*

Dis Hemusheben grösserer Flächen zwischen den stehenbleibenden Linien der Zeichnung, das dem jungen Selbstk-hrer bei seiner Arbeit mit dem einfadien Messer früher SchwierigVeitcn bereitet hntte, ging nun viel leichter von Statten.

Unter den Kunstjnnj^oni , mit \\cl(licn das gemeinsame Streben Hugo Burkner in Düsseldorf zusamnicufuhrLe, waren es vorzugsweise Eduard fiendemann und Julius Hübner, beide Schüler von Wilhelm Schadow, denen jener sich anschloss. £ine Frucht dieser Freundschaft var es auch, uenn einer seiner ersten Holzschnitte» welche den Weg in die Oeffentlichkeit fan<!en, eine Zeichnung von Hiibner vervielfältigte. Die snu!)cre Ausführung dieses ijchnittes so wie der frulicr und gleichzeitig entstandenen blattet ver- schaffte dem eifrig weiter strebenden Künsüer alsbiUd grössere Aufträge; und als Bilrkner in den Jahren 1S38 und 1839 mit der Bearbeitung mehrens' Abbildungen zu der »Olustrirten Geschichte der Deutschen Kunst« des Grafen Raczjrnski (Arabeske und Schweinsjagd nach Wach, Jahreszeiten nach Dacge, Tag und Nacht nach Thorv.ildsenl betraut wurde, an deren bildnerischer Avjsschuni( kung nur die bekanntesten und bewährtesten Formschneider jener Zeit mitwirkten, reifte in dem Schüler der Malerwcrkstatt der Entschluss, der veiteren Uebung mit Palette tmd Pinsel zum Bedautfn des Lehrers zu entsagen und der Kunst in erster Linie durch VervielflUtigung ihrer Schöf'fungen zu dienen.

In diesem Vorhaben hielt es der gewissenhafte Künstler für angezeigt, obwohl er bereits einen %'ortheilhaft bekainUen Xanien besass, sic h zur Ver- Vüllkommnung seiner aus eigner Kraft und ohne Kennlnis des fachmännischen Verfahrens herausgebildeten und mittelst der ursprünglichsten Werkzeuge > geübten Kunstfertigkeit mit den neueren HUlfsmitteln und der aus England herübergenommenen Behandlungsweise des Holzstockes bekannt zu machen. Kr reiste deshalb im December iH^t) auf drei Wochen nach Berlin, um sich bei dem damals als besonders tüchtig anerkannten Fr. W. Gubiu zu unter- richten. Allein dieser Meister verhielt sich dem jüngeren Fachgenossen gc- genQber ablehnend, wahrend sein Schüler F. L. Unzelmann, welcher be> sonders durch die Wiedergabe der Zeichnungen von A. Menzel bekannt ge- worden ist, mehr Entgegenkommen zeigte. ^Tag si( h Bilrkner nach mehr als dreijährigem Selbstunterricht während seines kurzen Aufenthaltes in Berlin Manches von Unzelmann's Arbeitsweise angeeignet liaben, so dürfte doch die Bezeichnung, welche sich in J. F. Hoff's Buch Uber Ludwig Richter findet, dass er »Schüler von Unzelmann« gewesen sei, kaum gerechtfertigt erscheinen.

Fin entscheidender Wende] »unkt im Leben Bürkncr's wurde durch seine im Marz 1840 erfolgte Uebersiedelung nach Dresden herbeigeführt. Zu dieser entschloss sich der junge Künsüer, um nicht von seinen Freunden Eduard Bendemann und Julius Httbner getrennt zu werden, welche an die Drodcner Kunstakademie berufen worden waren. und fär deren bildliche Ausstattung des Nibelungenliedes er einen grossen Theil der Holzschnitte übernommen hatte.

Tn der siu hsischen Hauptstadt, weif he mit ihren inierinesslu hen Kunst- sthaUen immer neue Anregungen bot, entfaltete lUirkaer nun sülurL eine überaus reiche Thätigkeit. Der geschäftliche und gesellige Verkehr mit gleich- gesinnten Künsdem wurde ebenso fitr ihn wie durch ihn zu einer unversieg- liehen Quelle der Arbeit und der Erfrischung. Hier wurde unser Künstler auch mit dem um ftin&ehn Jahre älteren Meister Ludwig Richter bekannt,

Dlgitized by Google

36*

Hugo UUrkner.

mit welchem er bis an dessen Lebensende diirdi innige Freundschaft und durch gemeinsames Schaffen verbunden geblieben ist.

Ucber das gesellige Leben des damaligen Dresdener Künstlerkreises, zu welchem ausser Eduard Bendemnnn, Julius Hübner, T u d wig Rieh t c r , Hugo Bürkncr auch Adolf Khrhardt, Theoder von Oer, Hermana Plüddemann, Robert Reinick, Alfred Rethel u. A. gehörten, schreibt Richter in seinen »Lebenserinnerungen eines Deutschen Malersc (S. 345):

»Die meisten Vorgenannten trafen sich allabcndUch in ttnem Kaffee-' hnusc, in welchem auch Peschel, Oelime. f^iio Wagner und irh uns ein/iitiiulcn ])flei;tcn. Aus diesem ziit illii/cn /usanimcnfindcn bildete sich ein Gesellschaftskreis, der in einem gemieiheicn Locale regelmässig einmal wöchent- Hdi sich vereinigte und gegen zwanzig Jahre lang in jedem Winter sch er- neuerte.

In den ersten Jahren seines Hestchci^^ war monatlich ein Componir*

abend festgesetzt worrlen, wo jeder Theilnehmer eine ('omyiosition mitbringen musstc, an wclrhcr von Allen die vie!seitii;ste Kriiik geübt wurde. Diesen Abenden verdanken die bei Wigand erschienene »iVmmcnuhr« und das »ABC-Bttch Dresdener Rünstlera mit Text von Reinick ihre Entstehung. I>ttrchs Loos wurde der zu illustrirende Stoff eiiHsm Jeden zugetheilt, von der »Ammenuhr« die Verse, vom »ABC-Buch« die Buchstaben des Alphabetes.«

"Fine andre Gesellsc liaft hatte sit Ii /n jener Zeit zusammengefunden, die sii.L;cn;tnnte Montagsgcscilsrhaft, an wi-K licr si< Ii littcr.ii ix lic v.nd künst- lerische Kräfte bcthciligtcn: Auerbach, (iuL/kuw, Klaus (iroth u. A. . .

In beiden geselligen Vereinen hat Hugo Bflrkner als eines der an* regendsten Mitglieder lange Zeit verkehrt. Auch mit Robert Schumann, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Ferdinand Hiller hatte sich ein freund- schaftlicher l^mgany nnL'eb r^hnt , welcher dem jungen Künstler bei seinen Neigungen zur Tonkunst liochsi ci.spiiesslich wurrle.

Zu den in den ersten Jahren seiner Dresdener Thätigkeit von Bürkner mit Holzschnitten versehenen Werken gehören die schon erwähnte bei (i. Wigand erschienene Nibelungen-Ausgabe, zu welcher der Künstler (1840—1841 < ine grössere Anzahl von Stöcken lieferte, der Sarhsisrlic Vol kskalcnder vfm (i, Nieritz (von 1842 an), Musacus' Volksm.ihrchcn (1842), die oben ciw.ihte Ammenuhr (1843), die Alten und neuen Stu- dentenlieder (1844), das »ABC-Buch Dresdener Künstler« (1S45), die von Richter mit Bildern geschmückten Volkslieder (1846) und viele andere Werke. Nach fast ausschliesslich eigenen Zeichnungen stattete Bürkner im Jahre 1844 die Erzählnni: Taul und Virginio von Saint ricrre Deutsch von A. Kaiser) an**. Alle diese Hfirber L'-ehuren /u den besten und helicb- tcsten Bilderwerkca, wcklic in jener Zeil erschienen und noch heute von vielen Kunstsinnigen hochgeschätzt sind.

Die grössten Verdienste um die Verbreitung solcher mit wirklich künst- lerischem Bilderschmuck ausgestatteter Bücher haben sich neben Hugo Bürkner der feinsinnige VerlagsbuchhantUer (ieorg Wigand in Leipzig, bei welchem die Mehr/ahl jener W^erke erschienen ist, und (ler damals gerade die Guiist der weitesten Kreise gewinnende Ludwig Richter erworben, von welchem eine erstaunliche Menge der vorzüglichsten Beiträge herrührten.

Cicrade mit und itir Ludw Richter hat Hugo Bürkner vier Jahr- zehnte lanp^ zTim Segen der deutschen Kunst irewirkl. ; Wenn man Richter den Kuhm nicht versagen kann« mit seinem Zeichenstifte den deutschen

Digitized by Google

Dr. K. Bürkner.

27*

Holxsdtnitt aus seinem Winterschlafc geweckt zu haben (sagt J. R. Wessel y in den »Graphischen Künsten« 1885 Heft i), so nimmt Bürkner mit seiner

Sthulc den weitgehendsten Antheil an diesem Kuhmc.«

Ueber 500 T^lHtfer hnt Bürkner nach Ric hter pesrhriitten oder von >cinen Schfilern nn<l (icliülfcii schneiden lassen, und einen grossen, wolil den grössten i heil davon verlier nach den Urbildern auf den Hoizstuck über- tragen; und für diese teichner^che Thätigkeit ist L. Richter seinem Freunde umso dankbarer gewesen, als ein langwieriges Augenübel ihm selbst die Aus- führung seiner Blätter in den letzten Lebensjahren unmöglich machte.

Bürkner sagt (bei T. F. Hoff: Adrinn T.ndwii^ Richter): ^Während ich die Aufzeichnungen in den iet/.ten Werken RichLei s /.ienilidi vollständig aus- führte, z. Th. sogar nach unfertigen Entwürfen, habe ich bei früheren Blättern oft nur das Figödiche (resp. mit Interieurs) vollständig gezeichnet, während Richter das Landschaftliche (wozu er weniger scharf zu sehen brauchte) voll* ständig selbst hinzuRigte. Hei anderen Blättern hal)c i< h das Oanze so vor- ^czeichnet, dass Richter mit weniger eigener Narhliulte die Zeichnung fertig >icJlen konnte; bei ganz vereinzelten Blättern habe ich vielleicht selbst nur die Pause geliefert. Durchgängig haben jedoch meine Aufzeichnungen seiner Revision unterlegeni und er hat K^Spfdien und was ihm sonst nothwendig vhien und besonders das, was ich ihm (als fraglicher Art) dazu nur durch leise Aufzeichnung präparirte, fertig gemnrht. Es Miirdc somit sehr schwer •^ein, meine Mitwirknni: dabei vollständig zu detailiiren inn! festzustellen. Immerhin geben meme Pausen sicheren Anhalt. Auch zu fruliereii rein illu- strativen Bildern, z. B. schon zu Musäus und mehreren Jahrgängen der Spinnstube, habe ich ähnlich mitgewirkt. Im Grunde kommt es speziell wohl auch nicht viel darauf an, und wenn überhaupt festgestellt bleibt, d.H" irh vielfach das ('.Itirl; und die Ehre hatte, in der dargestellten Art m <licsen Illustrati<jnen mitzuwirken, so ist das auch für Sammler uiitl lür die »Geschichte« wohl ausreichend.« Kein Wunder, wenn Wessely in »einem oben erwähnten Aufsatse fragt: »Wo hört nun Bichter auf und wo iangt Bürkner an?«

Je uneingeschränkter die Verdienste Bürkners um die Herstellung und \c'rl>reitunir der K i chter'schen Zeirhnunijen von s:irhVuniliL'er Seite und nicht zum v^cnigsLen von Richter selbst anerkaiiiU worden sind, umso auf- fallender muss es erscheinen, wenn P. Mohn in seiner Lebensbeschreibung Ludwig Richters (in den Kttnst]er«Monogra]>hien von H. Knackftiss) den Xamen Bürkner nur einmal ganz nebenbei unter ar,<lren Holzschneidernamen L-rwähnt, ohne auf den Antheil des Meisters an Richters Wfilen auch nur riüthtig einzugehen. Hebt Mohn flie Betheiligunti «meines S< Invieirervaters \. Gaber, der ein Schüler von Bürkner war, ausdrucklich lierv'or, so hätte wohl der langjährige Freund und Mitarbeiter Richters, ohne dessen Ver- mittelung der letztere voraussichtlich weder seine VoIksthOmlichkeit, noch seinen befruchtenden I'anfluss auf die Holzschneidekunst erlangt haben würde, eine pcrcrlnerc Wilrdi-^imi^ verdient.

l>ie angestrengte i hatigkeit liess dem Meister Bürkner ausserhalb des ^jcscUigen Abendverkehrs mit seinen Kunstgenossen nur wenig Zeit zur Er- holung. Zwar ftihrten ihn Beruisgeschäfte mitunter auf einige Tage nach Leipzig, Familienereignisse im elterlichen Hause nach Dessau; gcössete Reisen aber hat Bürkner in den ersten Jahren nur zweimal unternommen. i.S (t besuchte er von Mitte Juli bis Mitte September mit Bendemann das Bad

Digitized by Google

Hugo BttiloMr.

Ostende tifid die Städte Gent, Antwerpen^ Brüssel und im folgenden Jahre reiste er mit seinen Freunden Gustav Metz und Felix Schadow über Prag, Linz, Ischl, S.ilzhurg, Gastein nach Innsbruck und München, wo die Werkstätten der berühmtesten 2^itgenossen besucht und anregende Bekannt- schaften angeknüpft wurden.

Das Jahr 1846 brachte unsrem Kflnstler als wohlverdienten Lohn flir seine in den Dienst der wahren Kunst gestellten Bemühungen eine aka- demische Anstellung. Die maassgebenden Kreise konnten ?;irh nämlich der ErkcnntTiis nicht länger vcrschliessen, dass die seit langer /eil (laniederlie;^en<lc, für Kunst und Wissenschaft gleich wichiige Hulzschiieidekunst einer kräf- tigen Unte»tUtzung von Staatswegen bedürfe. In der Tliat müssen die Zu- stände vor den vierziger Jahren» wie aus einer SdiUderung von F. Eggers im Deutschen Kunstblatt (6. Decb. 18$$) hervorgeht, traurig gewesen sein. Eggers schreibt:

»Bis ckihin waren eiiuge nacli Leip/iy ^^ekommeiie Engländer und kran- zvsen die hauptsächlichsten Arbeiter der Illustrationen gewesen. Sie be- trachtetem es als ein einträgliches Gesdiäft und liessen skh ihre Sachen theuer bezahlea. Die Letpsiger Buchhändler drangen daher bei der königl. Sä« lisischen Regierung auf die Gründnng einer Unterrichtsanstalt für Forin- s(hnei(ler. Elie die?;e eingerichtet werden und emporblühen konnte, hatten die l.eii)/i<^er Anstalten von K. Krctsrhmar und Fle-^el sclion einen sieg- reichen Kampf gegen die fremden (.iraljstichel begonnen; immer aber blieb es von grosser Wichtigkeit und sehr wünschenswerth, fttr die Bewahrung der Kunst» die im fabrikmässigen Betriebe des Blustrationsgeschäftes leicht von ihrer Würde einbüssen konnte, eine Wansstätte zu j^ründen. Dies ^reschah denn im Jahre 1846, und Fiilrkner \Mirde als I,chrer der Holzschneidekunst an der Akadenne der Künste in Dresden aiii^estellt. Die einst so geliebte Malerei trat nun ganz in den Hiniergiuiul. l ieilich halte sie dem Kunstler den widitigen Dienst erwiesen, dass er, so zu sagen, von oben herab au seiner Beschäftigung gekommen ist und dadurch die sicherste Gewähr hatte, inmitten der oft mechanischen Beschäftigung des Holzschneiders ein wahrer Künsder zu bleiben.«

So eröffnete denn B., am i. Juli zum Lehrer an der Akademie berufen, am 15. Juli 1846 seine Künstlcrwcrkstatt, in welcher im Laufe der jalire etwa 50 Schul» zu tüchtigen Hoheschneidem herangebildet worden und aus welcher bis zum Jahre 189a ungefähr 11 000 Holzschnitte hervorge- gangen sind.

»B. hatte ,''wie l.i;gers a. a. O. srhrcilm in seiner Schule bald (iele^^eii- heit genug, zu bemerken, wie die Meiirzahl der jungen Leute, welche sich dem Fonmichneiden widmen, wohl fUr den handwerklichen Theil ihrer Kunst, nicht aber dafür gebildet sind, eine Zeichnung auf die geeignete Weise auf den Holzstock zu Ubertragen. Dies zu ' ' en, darauf riditete er seine ganze Aufmerk s imkcit, dcTm es lic^t ihm vor Allem am Herzen, dass seine Kunst nicht in den Hmdm riiltenilener \erwahrlose und /iinirksrhreite. Nicht er will durch die Uolzschniitc wachsen, der Holzsclinilt soll durch ihn womög- lich wachsen, wenigstens in seiner ganzen Reinheit und Keuschhdt bewahrt bleiben vor Uebergriffen in andere Gebiete.«

Wie ernst es der Meister mit seiner Kunst nahm, kann man aus einem Rund »^rh reiben erkennen, weh hes er in dem Journal für Buchdruckerkunst« (1846 No, 21) veröffentlicht hat. Ks liei^t darin;

Digitized by Google

Dr. K. Btifater.

»9*

»Nach der Wiederbelebung des Holzschnittes, der flic iiatiirlichste und urspriingikhsie Verwandtschaft mit dem Buchdruck hat, ist die artistische Ausstattung der Bücher in stetem Wachsen geblieben. Leider müssen vtir aber gestehen, wenn wir unsere jetzigen Producte dieser Art «imal in Er- innerung der Fortschritte, welche in der Technik gemacht wurden be- trachten, dass wir noch wciiij^ l)csit/en, was mit den ersten T.ei^^tnnj^^cn dieses Kunstiiweiges in Ver^lcirh /.vi /ichcn sein dürfte. Die unselige unbedingte Nachahmerei der Franzosen und Engländer, die hier entschuldbar ist, da wir von jenen die neue Anregung zu diesem Fache erfaidten, hat imsere ganze Richtung verrückt, schöne Kräfte schmählich verschwendet und eine selbst- ständige Entwickclung nur zu lange zurückgehalten.« . . . Wiederholt macht B. in seinem Runtischreiben femer darauf aufmerksam, »dass er nur auf solche Aufträge eingehen wird, welche eine wirklic h künstlerische Ausfiihnmg bean- spruchen, versichert dabei jedoch jede nur mögliche Accommodation an die ihm nicht unbekannten Interessen der Verleger und an die Art des Unter- nehmens, c

Einem so zielbewussten Streben konnten schöne Erfolge nicht vorent- halten bleiben. Znhlreirhc Künstler wnndtcn sich an den Meister, um ihre Schöpfungen von seiner er]ir()l)icn Hand \ ei \ iclialtifjt 7U sehen. »Man kann sagen, dass das sichere und luchtige Mittel der V'crviellältigimg erst die Meister hervorrief. So wurden L. Richter, E. Hasse u. A. dazu angeregt, den Illustrationsstift in die Hand zu nehmen, und es konnte bei der leben- digen Thätigkeit, die sich entwickelte und welche in den Büchern aus allen Sphären rler Wissens( haft und des T cbcns die Zeilen wie lockeres Krdreich auseinandcrriss und den lebendigen liaum bildlicher Darstellung fiir die An- schauung daraus hervorwachsen Hess, nicht felilen, dass die Dresdner Schule hold einen hervorragenden Rang unter den Deutschen Formschneidewerkstätten einnahm. Oaber, der eine Stutze dieser Schule geworden ist und eine eigene Werkstatt in Dresden gegründet hat, ist ein Schüler Hürkner's.«

Haid häuften sich die Aufträge derart, dnss es dem Begründer der Sc iuile nicht mehr möglich war, die Holzschnitte eigenhändig auszuführen; seine eigene Thätigkeit beschränkte sich bald, schon vom Jahre 1851 an, im We- sentlichen auf die Uebertragung der Vorbilder auf das Hob und auf die Vo'besserung der von seinen Schülern und Gehttlfen geschnittenen Stöcke: Kein Holzschnitt ist aus der Werkstatt hervnrpef:nngcn , welcher nicht von der ausfeilenden Hand des Meisters überarl)eit('t uorden w uc Dabei war CS B.'s bescheidene Gepflogenheit, den fertigen Schnitt nicht mit seinem, sondern mit des ausfahrenden Formschneidefs Namen bezeichnen zu lassen. »Idi habe nie (sagt er bei Hoff a. a. O.) von meinen Geholfen meine Firma unter die für und durch mich gearbeiteten Blätter setzen lassen, obwohl sie alle meiner ganz speziellen bol/srhneiderisrhen Correctur unterlagen. So ist auch der «^rösste 'i'heil di-r IJlattcr \ ()n ( >ertel und Gunther imd l\i< hier eigentlich aus meinem Atelier hervorgegangen, wie Alles was Zscheckel, Gocht, Steinbrecher, Bosse, Hertel und A. Kretsschmar geschnitten haben. A. Gaber verfuhr umgekehrt; er filgte vielen aus seinem Atelier hervorgegangenen .Arbeiten seinen Namen zu und entfenite die Namen der eigentlichen Holz- schneider, die meist auf den Probedrucken noch zu ünden sind, vor der Verwendung zur Auflage.«

Inzwischen hatte die äussere Lebensführung Hugo IJürkners eine gluckliche Veränderung erfahren, indem er am 36. April 1847 eine junge Beriinerin heim*

Digitized by Google

Hugo Bärkser.

führte, welche er zwei Jahre vorher in dem Hause ilires Verwandten Eduard Bendemann kennen und alsbald lieben gelernt hatte. Fast fünfzig Jabre hat diese leichgesegnete Ehe gedauert, bis der Tod des (iatten sie wenige Monate vor der schon vorbereiteten Feier der goldenen Hochzeit löste.

Im eignen Heim konnte der behagliche geselH^^c ^''crkehr noch rei<^firr und fruchtbringender ausgestaltet werden, als es tleni Junggeseilen beschicdcn gewesen war. Ruhig und glücklich flössen die ersten Jahre dahin. £inige Aufregung wurde nur in der Zeit der btirgerlichen Gährung in die junge Familie getragen; hat dodi auch B. damals sich ;ini öffentlichen Lel)en zu betlieiligcn für Pfli du j^chalten. Er hatte schon im Jahre 1848 mit Hübner, Bendemnnn, Ricts( hei u. A. eine -^Eegiont gebildet, welche in dem aus- gedehnten Hnlnicr-licndemann'schen Garten eifrig exercirtc und in den be- wegten Maiuigcti des Jahres 1849 am Pimaischen Schlage auf Wache zo(c» um die Zufuhr von Lebensmitteln zu überwachen und zu begleiten. I^ange währte indessen dieses Kriegsspicl nicht: nach einigen Tagen löste sich die Wachr wieder auf.

Jenen nnruhi^en Zeiten verdanken auch yvvei der am hociisien geschätz- ten Hülzschnitivserke des Meisters ihre Kntstehung: »Der Todtcntaiut von Alfred Rethel und desselben Künstlers Blätter: »Der Tod ab Würger und »Der Tod als Freund«, Blätter, welche in ihrer breiten, wuchtigen Zeichnung sich besonders ftir die von B. gepflegte Art des Holzschnittes eigneten und die, zumal zur Zeit ihres Krscheinens in Tausenden von Abdrücken Verbrei- tung fanden.

Noch vor seiner Verheirathung hatte H. in Verbindung mit dem stetü fUr das Gute emptanglichen Verleger Georg Wigand ein Unternehmen in's Leben geruten, welches seinen Namen in Sturmeseile in den weitesten Kreisen bekannt und beliebt machte: den Deutschen Jugendkalender. Diese Jugendschrift ist mit Ikiirii^cn hervorragender Maler und Schriftsteller \ou 1847 bis 1858 erschienen und hat eine überaus grosse W*rbreitung gefunden. Die beiden ersten Jahrgänge hat B. allein herausgegeben, später hat ihn Robert Reinick (1849 bis 1852) unterstützt, dem überhaupt in schrift« Stellerischer Beziehung ein grosser Theil des Verdienstes zuzusprechen ist. Die I^nnde fiir 1853 und 1855 hat Ii. wieder allein, den Jihrgang 1S54 in Verbmdun^ nnt l.udwiif Hc hstcin, den Jahrgang 1858 nul <Uto Rn»]uette herausgegeben. An der büdlichen Ausschmückung hatten neben dem Heraus- geber sdbst, welcher zahlreiche anmuthige Zeichnungen des eignen Stiftes in seinen Kalendern veröffentlichte, fiist alle befreundeten Künstler Dresdens ihren Antheil.

Mir Tiezug auf den Deutschen jiii^entlkalonder srhiicb im Deutschen Kunstbiatte (185T, S. F. Kggcrs: »Diese? l\alciMkr hat si<:h schon

vollständig bei der Jugend eingebürgert, Sie erwartet nicht mehr einen, sie erwartet ihren Kalender auf den Weihnachtstischen;« und im Dresdner Anzeiger (1887 Januar) lesen wir: Dieses überaus liebenswürdige Jahrbucii ist eines der reizendsten Denkmäler der damali;icn Drc-^flner Kunst. Freilich falmflet mnn fruchtlos nach ihm, denn diese Kalender siml '^o vollständig in das Kigentiium der Deutschen Jugend übergegangen, sind so in Leib und Seele hinein zerlesen worden, dass längst kein volles Stück mehr aufzutreiben ist. Einzelne Blätter und Schnitte freilich finden sich allerwärts als namen- loses Gtit hier- und dahin verstreut utid zum Avifputz ihrer Werke von Vielen verwandt, die damit stUlschweigend dem alten B. 'sehen JugendkaJender ein

Digitized by Google

LU. K. Bürkncr.

31*

Ehrenseugniss ausstellen. Der Kalender seichnet sich u* A. dadurch aus, dass jedes Jahr neue allerliebste Monatsbilder darin erschienen; alte Dresdner

Künstler steuerten dazu bei: Ludvig Richter, Oscar Fletsch, Lorenz Frölicli, die Thierzeichner Hammer, Hnsse und Hahn, femer Metz und Bürkncr selbst, Theobald v, Oer, Hubner, Schnon und Bendemann. Der liiicrariijche Theil ergänzte dabei den kunstlerLschen in schönster Weise. Robert Reinick, der Dichter nach dem Herzen der deutschen Kinder, traf in Poesie und Prosa stets den rechten kindlichen Ton; ihm war es ein ganz besonderes Vergnügen, zu den mannichfach eingehenden Künsdergaben Ge- schichten, Gedichte und Reime zu schmieden, die es nicht ahnen lassen, dass sie vicHach erst zu und nach den Bildern geschaffen sind. Ihn gefunden /.u luibcn mag nicht minder als Verdienst wie als Glück B.'s betrachtet werden.«

Die grosse Vorliebe, welche B. seiner ganzen Entwickelung nach für die alten Meister der Holzschneidekunst verrictli und seine besondere Befiihigung zur Nachahmung ihrer Werke verschafften ihm nicht allein die erwünschte Geleirenheit, sich an der Herstellung rics berühmten Wcij^ersrhen Holzschnitt- vvciKcs zu betheiligen, welches die besten alten Blätter m getreuen Nachbil- dungen brachte, sondern veranlasste ihn auch zur selbständigen Herausgabe des »Alten Testamentes« von H. Holbein (Leipzig, G. Wigand, 1850), durch welches er sich unter Künstlern und Kunstgelehrten viele Verehrer gewann.

l'm dieselbe Zeit erschienen im Kiu hlKimlel aiu h ilic i^rnssc tmd die kleine Bilderfibel , ^'wei rasch beliebt gewordene Kmderschriüeti, über welche das Deutsche Kunstblatt (1851, 399) eine sehr anerkennde Besprccliung brachte: »Wir hoffen, dass diese mit echt kitn^risdiem Sinn gefertigten Fibdn dch eine recht ausgebreitete Bekanntschaft erwerben; sie werden zu fesseln wissen, wo sie einmal Eingang fanden, und mancher Knabe, wenn er spater über dem frrossen und Ueincn /iimjit schwitzt, wird mit Seliiisurht ucslehen, dass der grosse und kleine Burknei , der ihn /u weiteren Studien vcrlührt liat, mit seinen schönen Bildern doch anuis.inler war.«

Zu Anfang der filniziger Jahre gingen femer aus B/s Werkstatt eine grosse Zahl von Holzschnitten zu Schnorr' s Bilderbibel, zum Deutschen Balladenbuch (Leipzig, Wigand 1852), zu Bechstein's Märchenbuch (ebenda 1853), zu Zweihundert Deutsche Männer in Bildnissen und T.ebens]ies( hrei- bungen« (cbeiuUt 1^*54, II. Aufl. 1880) hervor, l ur karl Bottger s Bear- beitung des Robinson Crusoe (ebenda 1855) lieferte B. auch die Zeichnungen zu den Holzschnitten aus eigener Erfindung. Vid Anklang fand das vom Meister gezeichnete und in seiner Werkstatt geschnittene Bildniss des Königs Johann von Sachsen (1855), ein Meisterwerk sowohl in Bezug auf die Manier ik nti( Ii in Betreff der Ausfuhrun<f (j). Kunstbl.). Auch die in demselben Jalire herausgegebenen Tafel- und Jagdkalender mit Holzschnitten nach Bendemann und Hammer wurden als besonders geschmackvoll günstig aufgenommen; nicht minder die vier Vorlegeblätter »Zahmes Geflügel «, welche nach Zeichnungen von E. Hasse in B/s Werkstatt ausgeführt, »wie mit Druck ersrhwär/c ^remnlt wurden.

Aus der grossen / ilil von Werken, welche B. ausser für Georg Wigand für verschiedene bedeutende Verlagsgeschätte, wie Carl Flemming in Glogau, Ferdinand Hirt in Breslau, Alph. Dürr in Leipzig, M. Schauenburg in Lahr, Gebrtlder Benz ige r in Einsiedeln, mit Holzschnitten versehen, zum Theil auch selbst herausgegeben hat, erwähnen wir nur noch die »Heimischen Vögel« nach Hasse (1856), die »Hubertusbilder« von Hammer (1856), die

Digitized by Google

3«*

Hugo Büikncr.

»Brandenburgisch - Preussischen Regenten aus dem Hause Höh enzollem« (Leipzig, Wigand 1856), »Hugo Bürkner's Holssdmtttmappe« (1858)^ acht HolzscbnittUStter mit Tondnick nach veischiedenen Kttnstleni, besonders aber

die sechs Blätter des »Hannibalzuges« von Alfred Rethel, wdche von der nesellsrhaft für vervielfältigende Kunst in Wien veröffentlicht wurden und ^Tosscs Aufsehen, zumal bei Denen crre^'t haben, die die kräftigen Linien der Holzschnitte mit den »matten Andeutungen« der Vorlagen zu vergleichen Gelegenheit hatten. Die Hohschnitte xa den in alle Welt zerstreuten Bilder* bttchem von Oscar Fletsch sind fast durchgängig in B/s Werkstatt gear- beitet worden. Aus dem Jahre 1878 ist noch die »Gironik des Sächsischen Königshauses zu erwähnen, welche die Stadt Dresden dem Könif«?iianre zu dessen silbernem Ehejubiläum widmete und für welche B. die Holzschnitte lieferte.

Der letzte Hollschnitt, welchen der Meister eigenhändig ausgeführt hat, war ein grösseres Blatt von J. Schnorr von Carolsfeld »Wie Siegfried*s

Leiche nach Worms gebracht wird« (185 1). Es ist schon oben angedeutet worden, dass die l^clKrhäufung mit Arbeiten aller Art, rlie Nothwendigkeit, den Schülern, die tlii/.u nicht im Stande waren, die Vorlagen auf das Holz zu übertragen, die Menge der an den Schülerarbeiten vorzunehmenden Ver- besserungen den Meister von der eigenen Arbeit mit Messer und Stichel ab- zogen. »Es ist gewiss (sagt Wessel) a. a. O.) eine ebenso grosse Beschei- denheit als Enthaltsamkeit des Künstlers, der auf der Hohe «meines Kunstkönnens authört, selbständitr zu schaffen, um «;eine volle Kraft der Schule, dem Nach- wuchs zu weihen und in den Arbeiten seiner Schuler weiter zu leben.*

In späteren Jahren kam noch der Umstand hinzu, dass der von B. auf seine uxsprfingliche einfache Eigenart zurückgefilhrte Holzschnitt dem aus- ländischen Geschmacke folgentl wieder andere Bahnen zu wandeln anfing, mit flenen der Meister, »der letzte Klassiker des IHnitsc hen Holz- schniltcs«, wie G. Pauli (Kunsth:illc 1897 No. 12; ihn genannt lial, niclit einverstanden war. Einsichtige Männer geben B. Recht: »Eacsimile sit aut non Sit« sagt Pauli vom Holzschnitt, und er drttckt damit Das aus, was jener als Grundsatz sein Leben hindurch festgehalten und bethätigt hat

Noch ein anderer Grund war es, der den Meister nicht mehr zur eigen- händigen Ausübunjr de'; Holzsrhneidens kommen Hess: B. hatte si< h schon seit i<S.}3 mich der Radirun^' /ugewenflet, da manche von den ihm tut Vervielfältigung anvertrauleu Kunstwerken sich für die Kuj)ferplattc nielir als für den Holzstock eigneten.

Die erste Gelegenheit, bei welcher der Meister die Bemerkung machte, dass der Holzschnitt für den bestimmte Zweck ein unzulängliches Verviel- fältigungsmittel sei, fand sich, als es sich um die künsUerische Wiedergabe des von Benrlemnnn gemalten Iricses im Thronsrxnle fies Köni^'lichcn Schlosses zu Dresden handeke. In den Wintermonalcn des Jahres 1841 hat B. zwei Bilder dieses Frieses in Holz geschnitten; doch fielen die Abdrucke 1 t zu seiner Zufriedenheit aus, und er beschloss, einen Versuch auf der Kupferplatte zu machen. Die erste Radirung, die der Meister überhaupt ge- liefert hat (die »Schafschin' ) gehört zu diesem umfanfrrciehrn Werke, welches 1847 1^ Blättern erschien. Der Ruf B.'s als tüt liiiger Radirer wurde auch in weiteren Kreisen fest begründet, als der Säclisische Kuastverein eine gleich- falls von ihm auf Rupfer geätzte Folge von Blättern, welche die Wandmale- reien Bendemann's im Ball- und Concertsaale des Dresdener Schlosses

Digitized by Google

Dr. K, Bflrkncr.

33*

darstellten, im Jahre 1857 als Vereinsgnbe herausgab. Das Deutsche Kunst- blatt (1858. 292) bezeichnet diese Radirungen als »wahre und ganz vortreff- liche Mei*iterwerke.«

Kill /weites Unternehmen, welchem B. seine Nadel lieh, war das von Julius Hüboer herausgegebene »Bflder-Brevier der Dresdener Galerie«. Hier handelte es sich um die Wiedergabe der Meisterwerke in kleinstem Um- fange, Schon das erste Blatt, welches der Künstler fertigstellte, die H(>< !i- £eit von Cana« des Paolo Veronese, wurde mit grossem Beifall aufgenommen. Im Deutschen Kunstblatte (1856. 325) lesen wir darüber Folgendes: »Man denke sich das riesige Bild des farbenprächtigen Veronese und eine Radirung von der Grösse von einigen Zollen und man wird lächeln; man schaue aber anf die heutige Betlage (ein Abdruck war beigeni^t ) mul man wird angenehm überrascht, ja erstaunt und erfreut sein. Gerade dieses liild, jjerade die hier gelöste Aufgabe das wird mnn zugeben war eine der schwierigsten. Es hat uns noch eine Anzahl der übrigen Blätter vorgelegen und wir müssen bekennen, mit jedem neuen Blatte immer wieder gefesselt worden zu sein. B. zeigt sich darin als ein feinbeobachtender, sein Object von der richtigen Seite erfassender und mit ge..< hickter Nadel wiedergebender Radirer.«

nie Wiedergabe der gleic hzeitig ers( hieiienen »Sixtinischen Madonna« nach Kaffael rechnet dasselbe lilatt »unter die besten Blätter, welrhe diesen Himmelsgruss des Genius wiederholen«; noch höher stellt es die Radirung der Holbein' sehen Madonna und als eine der schönsten hebt er den »Zins^ grcföchen« nach Tizian hervor: »Die Köpfe sind i Zoll 4 Linien gross und da-s Bild vereinigt alle Vorzüge der B.'schen Nadel in sich. Der Bildton, der Ausdruck der Kopfe, die unverglctrhlic lie Hand, Alles ist gegenwärtig: ausser- dem kann man daran studiren, wie eine voriretVliche Rndirtechnik Nortreitlich gebandhabt ist. Das ist Uberhaupt etwas, worauf mit Nachdruck hingewiesen werden muss: B. hat fortwährend die Aufgabe gelöst, jede Mal weise des Künstlers in die geeignetste Radirweise zu tibersetzen.«

In den ersten ftinfundzwanzig Jahren seiner Thätigkeit im Aetzverfahren hat B. auch zahlreiche Blätter nnrh eigenen Zeichnungen radirt. Nicht alle diese Stücke, welche zum grossen 1 iieile Bildnisse nach dem Leben waren, sind veröffentlicht worden, und besonderes ist eine grössere Anzahl von ge- legentlich entstandenen FamüienbUdem nur zu Geschenken innerhalb der Verwandtschaft und im Freundeskreise benutzt, wesentlich auch nur zu diesem Zvetke hergestellt worden. Theils nach eigenen, theils auch nach fremden Schoiifvingcn hat der Meister einige vierzig Bildnisse gestochen, darunter die des Herzogs Leopold Friedrich und der Herzogm Friederike von Anhalt [ 1 851), des Malers und Bildhauers Metz (i 853), des Geschichtsfonche» Johann Gustav Droysen nach Bendemann (1856), des Dichters Krasinski (1859)» des Bildhauers Emst Rietschel (nach Bendemann, z86i), des Dichters Robert Reinick (1863) u. v. A.

In den J.diren iS67 bis 1.S71 arbeitett- der Mei5;ter an;;estrengt an einer grossen Reihe von Negerkoplen, welche auf 16 l'afcln emen zu dem Reise- werke von Gustav Fritsch gehörenden Adas bildeten. In die sechsziger Jahre fallt auch die Bearbeitung von verschiedenen Bttcherzeichen, so fiir Julius T'riedlacndcr (nach Zeichnung von Bendemann, 1860) für die drei Söhne Julius lliihners mach Zeichnungen von llfilmer, i86R^;; a\ich s|>äter sind noch einige derartige Kx-libris-Hlalter (Quinc ke, v. Laiour-Tliurnihur^. 1877) entstanden. Ais veru'andt mit diesen Werken sind eitle grossere Anzahl von Müiiztatcln

Blogr. J&hrb. a. l>«QtMb<r Nekrolog. C

Dlgitized by Google

34*

Hugo BUrkucr.

20 nennen, weldie der Meister xu vorsdiiedenen Zeiten Dir die MOnzfoischer Fxiedlaender und Lmhoff ausgeführt hat.

Aus dem umfangreichen Werke des Meisters heben wir im Folgenden nur norh die grösseren niälter hervor. Es gehören dahin zunächst das Richter sehe BI:itt «In der Kulirl , welches T872 erschien, eine »Mutter mit Rind« nach Augu.sic Lud ewig {i^H), die »Häusliche Andacht« nacJi C. Lasch (1873). J''^^ 1^74 Künstler im Verlage von Alphons

Dtirr in Leipzig seine »Bilder aus dem Familienleben « heraus, welche einen Theil der oben erwähnten Malerradirungen aus dem eigenen Familienkreise enlhaltcn und welche, mit Ver«!en von Frnn? Hfmn versehen, sich grossen HcilalU und grosser Verbreitung zu erfreuen liaticn. O. Banck schreibt da- rüber (Dresdener Journal, 9, December 1874): »B. hat darin in den meisten Blättern und Darstellungen durch einen dnfachen und tiefen Emst der Auf- fassung, die sich streng an die glückliche Wirklichkeit hielt und niemals mit der Naivetät cokettirt, die gelällige Acusserlichkeit eines berühmten modernen Illustrators aus dem Kinderle!)en in meinen Augen weit übertroffcn.«

Ks folgten die Radirungen »Zum Empfang« nach Ludwig Richter (1875), drei radirte Bildnisse des Königs Johann von Sachsen «1 Paul von Falkenstein's Lebensbeschreibung dieses Fürsten (1878), »Betendes römi- sches Mädchen« nach Kuntz rS8o), »Verlieht nach Hugo Kauffmann (1881), »Ueberfahrt nm Schre« kenstein nac h Ludwig Richter (iSS-\ »Abschied von der Sennerin nach Franz Defregger (1883), »Näheiuies Mädchen« nach W. Hasemann ^1884), das »Urtlieil des Brutus« nach L. Hey (1885), »Die Tanzpause« nach B. Vautier (1885), »Die Werbung« nach F. Fagerlin (1887); fast sämmtliche Blätter nach Gemälden der Dresdener CKÜerie und fUi das von der Verwaltung dieser Kunstsammlung herausgegebene Werk ausgeführt.

Wohl das mühsnmste Blatt, welches B. ra<hrt hat, vollendete er, als ci bereits das siebzigste Lebensjahr überschritten halle : den kleinen Flügelaltar des Jan van Eyck aus der Dresdener Galerie (1889). »Ohne Uebertreibung ist dieses Werk als eine Perle chalkographischer Kunst zu bezeichnen« sagt die Magdeburgisch c Zeirnng (1889 N. 653), und das Christliche Kunstblatt (i. Januar i8oi'i nilmit die Kunst des Meisters, »die einzelnen Striche na( h Art des Grabstichels sorgsam zu ziehen«, die »in ihrer Sauberkeit und Bieg- samkeit so recht geeignet war, um auch der Plasdk der kleinsten Einzelheit in jeder Weise gerecht zu werden.«

Im Jahre 1892 folgte dann das »Vater Unser« nach Gabriel Max, 1893 das »Lesende Mädchen« nach Jean Vermeer vnn Helft und als letztes Werk des greisen ivünstJcrs, wckhes in den »(Graphischen Künsten« pCVUI. Jahrgg. Heft 4 imd 5. 1895; veröffentlicht wurde, 1894 die »Holzträgerin« nach Lorenz Frölich. Der Meister, dessen Hand in Folge der ihr fast sechs Jahrzehnte hindurch am Arbeitstische zugemutheten Anstrengung in diesem hohen Alter nirlit mehr ganz sicher war, hatte die Platte mit einem gleich» falls flort ahf;edruckten riilirenflen kleinen Gedichte eingcsc hickl, welc hes ein Ah^chieds^russ an die \\'iener f reunde und an seine Verehrer u!)erall, \\jc ein Scheidegrus» an seine Kunst sein sollte. Em wehmutiger Zug gelu durcii die schlichten Verse, eine bescheidene Ergebung s[)richt sich darin aus.

Wohl hatte der ergraute Meister Ursache zur Entsagung! Nicht allein des (rreisenalters Mahnungen machten sich, obwohl Bürkner sich noch einer ungewöhnlichen Rüstigkeit und Frische erfreute, immerhin bemerklieb: er sah

Digitized by Google

Dr. Barkner.

35*

mit Schmertcn, wie die rem flim neubelebte und in angemessene Bahnen ge- lenkte Holzschneideliunst, in die Nothwendigkeit versetzt, fttr Zeitschriften

eilige, billige Dutzendwaare zu liefern, auf Abwege, ja mehr und mehr unter Aneignuns: fremdländisrher l^narten in Verfall gerieth; wie in der Radierkunst eine gescUniacklobe Sucht nach absonderlichen Wirkun<;en und ein fieberhaftes Streben nach sogenannter geistreicher Darstellung sich breit nuichle; er be- obachtete mit Wehmut, wenn auch nicht ohne vorurtheÜslieie Anerkennung, die ungeahnten Fortschritte, welche die auf das Lichtbildverfahren gegrün- deten ver\'ieirn1tigcnden (Jewerbe auf Kosten der Kunst machten; er empfand mit warhsender Sorge Air seine Schüler, wie in Folge dieser l^nwülzung «lie Möglichkeit eines anständigen Verdienstes durch echt künstlerische Arbeit mehr und mehr eingeschränkt wurde und zu schwinden drohte.

Aber mit umso grösserer Befriedigung durfte Bttrkner auf sein vollen» detes Lebenswerk zurückblicken, das an Bedeutung wie an Umiang der Arbeit ;:fcirh bewundertinpsw (irdiu ist. Dass aus seiner Weikst:itt bis zu einem im J.thrc iHr)2 von ihm \(»r[;eti<)mmenen Abschlüsse bereits ungefähr iiooo Hd!/- schnitte nach über loo Künstlern, zum grössten Theile von ihm selbst aut- gexeichnet» hervorgegangen sind, wurde sdion oben efw8hnt Die Namen vieler der gefeiltsten Künstler seiner Zeit sind in dieser langen Lbte ver> treten ; näcl^ 698 eigenen Bildern, welche meist ftlr Jugendschriften bestimm t waren, begegnen wir 510 von T.udwi:? Richter, •^qo von Oskar Fletsch, ■^Ti von T.eopolfl Veinis, zqG \<)n Krnst Hasse, 27 f ^^M^ l'.uil Thu- mann, 209 von Lorenz Frölich, 200 von (juidij 11 iiuincr, 152 von E. Sachse, 139 von F.Seidel, 136 von A.Ehrhardt, 130 von W. Glau« dius, 131 von C.Schänherr, 121 von Theob. v. Oör, 117 von R. Schuster, 106 von E. KHmsch, 105 von F. W. Heine, 76 von F. Flinzer, 64 von W. Scliurig, 50 von J. Hübner, 44 von E. Bcndemann, 43 von H. Plüdde- mann, 40 von W. Camphausen, 40 von |. Srhnorr v. Cartdsfeld, 13 von A. Kethel, 10 von E. Rietschel, 10 von M. v. Schwind u. s. f. Hierzu kommen noch fast soo Radierungen, von welchen manche mehrere Jahre der Arbeit erfordert hat.

Einen zwar keineswegs vollständigen, aber lehrreichen Ucberblick über das Werk Hupo Bürkner's ^^rib eine von fler Leitung der Königlichen Kupferstichs4unmlung in Dresden 18H7 veranstaltete Sonderaussteilung. Wie dn fachmännischer Bericht (Iber dieselbe ausspricht, wurden die Verdienste des Heisters, »mit dessen Kamen ein bedeutsames Stttck deutscher Kunstge» schichte eng verknüpft ist«, durch die vorgeführten Blätter eindringlich klar« gestellt.

Mit der ThHtigkeit des Holzschneiders, Zeichners und Radierers war Burkncr's künstlerisches Schatten aber noch nicht erschöpft: abgesehen von ongecttUten Bleistift- und Farbenskizzen und Studien, wdche in des Meisters Büchern und Mappen verborgen bUeben, sind noch ediche hundert kleine Bil- der in Wasserfarben zu erwähnen, welche Bürkner zur Ausschmückung von JneendsrhriMen f^elieterr h-^.t I>ie meisten dieser liebenswürflii^en . ans[)ruch- k^^cn. \om Stein/ei( hncr un<l nnieker leider oft recht arg verstümmelten Biauer waren für die weitverbreiteten jährlich erscheinenden Jugendbucher der kürzlich verstorbenen Schriftstellerin Thekla von Gumpert bestimmt Sowohl fUr deren »Töchteralbum« (seit 1854), als für deren »Herzblättchens Zeitvertreib« (seit 1855) hat der Meister bis zu seinem Tode, also mehr als 40 Jahre lang, die Bilder theils selbst gemalt, thetls von anderen Künstlern

Digitized by Google

36*

Hago Bflrlmer.

herstellen lassen; die künstlerische Leitung beider Werke lag ausschliesslicli in seinen Händen.

Ueber den äusseren Lebenslauf BUrkner's seit seiner Anstdlung an der Akademie ist nidit viel nachzuholen: einem so unausgesetzt thättgen

Manne ist weiii.^ C»elegenheit zu besonderen Erlebnissen geboten. Von früh bis zur einbroclKMuleii Dammeninf^ hat der Ktinstlcr bis in die letzten Jahre hinein mit nur einer kur/eii Mittiigsunterbrechung am Arl)citstische gesessen, tief auf seinen Hokstock oder seine Kupferiilatte gebeugt, wie es die l-em- heit des Werkes bei den bald hochgradig kurzsichtig gewordenen Augen er- forderte. Möglichst regelmässig unternahm er, wenn die Verhältnisse es ge- statteten, mit seiner zahlreichen Familie ein- bis zweimal wöchentlich ge- meinsame Spaziergänge in die Umgebung Dresdens die Darstellung eines solchen Ausflujjes bildet eines der reizvollsten lUatter der erwähnten »Biltlcr aus dem Familienleben« ; un Wauer crgnig er sich, ein ausgezeichneter ScMtttschuhlttufer, mit grossem Vergnügen auf der Eisbahn, und diese Leibes- ti])uag hat ti ])is in sein hohes Alter fortgesetzt. Des Abends aber ptlcgte der Meister sich mit Kunstgenossen zum geselligen Verkehr zusammenzufinden. Hier fand er Crcle^jcnhcit, mit fllcich- und Andersgesinnten die öffentlicin n Tagesfragen zu besprechen, welche ihm stets am Herzen lagen; denn obwohl er auf politischem Gebiete nie hervorgetreten ist, verfolgte er die geschicht- liche Entwickdung des Vaterlandes mit offenem Blick. War er im Jahre 1866 noch sehr voreingenommen gegen Preussen, so dass er sogar die Ver- wandten seiner (iatiin, sv elc he als preussische Offiziere auf dem Durchmärsche ihre l'L^tirhe abstatteten, inii pemisditcn Gefühlen begrüsstc, so emjit.ind er nachher doch die garue Herrlichkeit der bald darauf erkämpften Einlieit mit aufriditiger Begeisterung. Seiner Ueberzeugung nadi freisinnig war er allen Bestrebungen cter Dunkelmänner wie der Stürmer abhold; aber, wenn er auch als Jüngling in seiner Vaterstadt seines Vollbartes wegen der Demokratie ver- flächtip erschien, ja auf ausdriirklichen Befehl des Landesherrn sich dieser männli( hcn /icrdc berauben niussic, so war ci doch thatsächlich, wie in allen Dingen, auch auf politischem (iebiete von durchaus gemässigter Anschauung und seinem K^fnigshause ein treuergebener Unterthan.

Gar manches Mal mögen die Geister an jenen geselligen Abenden mächtig aufeinandergeplatzt sein, auch wenn es sich um andere als Staatsangele- genheiten handelte. Umso grösser war dann auch die Anregung, um deren willen der Meister seinen Verein haupisarhlich besuchte. Eine willkommene Abwechselung und körperliche liewegung hol auch das daselbst gejitlcgie Bil- lardspiel, an welchem Bttrkner sich ebenso gern und eifrig betheiligte, wie er im Sommer einen Abend der Woche dem Kegelspiel zu widmen pflegte.

Für mächdgere Anregungen von aussen und namentlich für grössere Reisen blieb dem Künstler, wenigstens so 1anj:e er im kräftigsten Mannesalter stand, nur selten Zeit. Ausser dem erwähnten Marsche durch das Salzburger und Tiroler Land mit München als Hauptziel hat er eigenüich nur noch eine grössere Keise unternommen, als er sich t868 seinen Freuiuien, den Pro- fessoren Fr. Arnold und Gustav Heine anschloss, um Mailand, Venedig nnf! Wien 7u besuchen. SjKitcr crfi ist hte er sich öfters iinrl mit ornssem Ge- nüsse (zuerst 1862, zuletzt 1885; im Seelsade Sylt, und in (kn Ici/ten zehn Jahren seines Lebens zog er es mit Rücksicht auf seine tiesundheit vor, im Frtihsommer regelmässig im Bade Wildungen neue Kräfte zu sammebi. Das Jahr 18S3 führte den Meister nochmals nach Wien» wo er auf der Au»*

Digitized by Googl :

Dr. K. BUrkoer*

57*

steUung Itlr GrifiieUtfinste mit der Anordnung der Sächsischen Abtheilung be- traut war.

Wie westnUli( h FStirkiicr s cii;cncr AnLiieil an dem Krfolge dieser Avis- steUung war, können wir einem Berichte aus der Feder Max Lclirs' ent- nehmen, wdchen dieser bei Gelegenheit der nachträglichen Vorführung der Sächsisdien Abtheflnng in den lULumen des Kunstvereins zu Dresden schrieb (Dresdner Journal 13. u. 14. Febr. 1884): »Die Zusanimenstelking der ein- zelnen 0!ijerrc i'^t mit rlem feinsten ncschmack in rirhticrcr F.rlenntnis des zumeist Charakterisüx hon dure hi;etu!irt inul damit der kleinen S])e/i;ilausstcl- lung eine Vielseitigkeit verliehen worden, wie man sie bei ähnlichen Vorfüh- rungen, etwa im Rahmen einer aUgemeinen Kunstausstellung, nimmer findet. Das Verdient dieser musterhaften Anordnung und damit ein guter Theil am Erfolge der Sächsischen Ausstellung in der österreichischen Metropole kommt dem Altmeister der Dresdener Knpfcrsterhersrhule, Prof. Hugo Bürkner, zu. Er gieht auch der Aiisstc!lun_u ihren ei^a'nartii;en Chnrnkter, denn, wrih- rend die Arbeiten der meisten uhrigen sachsischen Iviinsilcr ehensogul in an- deren Gegenden des Deutschen Vaterlandes entstanden sein könnten« hat Burkner's Kunstweise schon in der Wahl des Stofflichen etwas so spezifisch r)resclnerischcs, dass seine Arbeiten wohl vor allen anderen als Frototjrp der heimischen Kupferstech- vmd TIo!/srhneideknnst gelten können. -

Diese soeben erwähnte f;lü( kli« lie Heihaiii^img des Künstlers als Anorihier einer Ausstellung, welche seinem engeren Vaterianile zu hoher Ehre gereichte, fährt uns auf ein andres Gebiet seiner Wirksamkeit, auf welchem seine Lei- ^t^nl;e^ /.war weniger in die Augen springend als die Werke seiner emsigen Hand, deshalb aber nicht minder verdienstvoll waren: Hugo Riirkner hat neben semer erstaunlich fleissi^en Thlltigkcit als srhnffender Künstler stets noch Zeit gefunden, sich öffentlichen unti gemeinnutzigen Angelegenheiten zu widmen und mit tiefgehendem Verständniss flir die allerverschiedenartigsten, ihm oft scheinbar ganz fem liegenden Fragen mit regster Antheilnahme und opferlreudi^ter Bereitwilligkeit zuweilen recht undankbare Aufgaben zu be- wältigen.

Wohl am f^rossien \k'ar die Arlieitslast, welrhe ihm die nwf den Bn\j eines Kunslicrhauscs in Dresden gerichteten Bestrebungen aufbürdeten. Lange Jahre hindurch ist Bttrkner die Sede diews von ihm mit in's Leben gerufenen» auch heute noch nicht zum Abschlüsse gebrachten Unternehmens gewesen» über dessen schwierigen Entwickelungsgang er bei seinem 1891 erfolgten Aus- scheiden nus dem Vorstande eine Iclare p;esrln'f htlit lic Darlefjnnff veröffentlicht hat. Eine besonders schwere East hatten des Künstlers S(lniltern /u tragen, als ihm die Vorbereitung und Leitung eines Verloosimgsunternchnicns zufiel, welches die Mittel zum geplanten fiau mehren sollten, und nicht weniger schwer mochte ihn die Verantwortung drücken, als er von 1867 1891 die Cassenverwaltung zu ftihren hatte.

Fin andres Gebiet, auf welchem Btirkner mit nie ermüdendem Eifer thatig war, betraf die äusseren VcrhiUtnisse fler nothleidenden Künstler. Seit 1S58 hat der Meister den Vorsiu in dem 1836 gegründeten Sächsischen Kttnstler-Untersttttztmgsverein geführt, Uber dessen Ziele und Erfolge er selbst sich in einem »Rückl)h( k auf die Entstehung und Entwicklung des Vereines« (1861) in sehr bezeichnender Weise folgendermaasscn ausspricht : ^Von den Künstlern gegründet, durch eigene Kräfte und Opfer gestärkt nnd gross ge- zogen, ist unser Verein ein Eigenthum der hiesigen Kümtlerschaft im Ganzen,

l

Digitized by Google

38*

Hugo Bttrkncr.

wie nur ein Werk das Eigenthum seines l'rlieliers sein Vnnn! Nicht empor gebracht durch Gunst oder TäuschuiiL', al)tr j^etragen und ^^cfoidert von dem VVohiwolleu und der Eimicht der Behörden, der Theilnahme der Mitbürger, der Thätigkeit und der Opferfreudigkeit hochsmiiiger Genossen, sehen wir nicht ohne Selbstgefühl, aber mit innigem Danke gegen Gott, der das Ge- lingen da/AI gab, auf die verflossene Jugendzeit des Vereins zurück. Er konnte von Jahr zvi Jahr mehr seinem woliUhätif,'en Zwecke entsprechen, denn seine Kräfte wuchsen mit den AnspriK Irmi, die an ilm gestellt wurden. Für man- chen unghicklichon (»ciiossen war er ein stetiger Halt; wie manchem Andren, der es nie gedacht, nahm er die drückendsten Lasten des Augenblicks; hier milderte er die Noth des bedürftigen, liUlfslosen Alters, dort half er bei der Erziehung unmündiger, verwaister Kinder! Wer weiss nicht, wie breit schon im engen Kreise der Strom des Kummers und des Elends schwillt, das mit voller Hand gedämmt und gemildert werden kann! Und wer wollte dafür zumal bei seinen Genossen nicht gern sein Schcrflein beitragen Ic

Dass die Mitglieder des Vereines mit B.'s Geschäftsführung zufrieden waren, geht aus der Veranstaltung eines ehrenvollen Festes hervor, durch welclies dem Meister im November 188;; der TXink fiu st inc damals fünfund- zwanzi-ialiri<.;r Thätigkeit als Vorsitzender ausgedruckt werden sollte. •'In stiller, taktvoller Amtswaltung, ohne Anspruch auf irgend welche Entschädi- gung dafür, hat der Gefeierte fiinfimdzwanzig Jahre lang dem Vereine seine Kräfte gewidmet und den Dank einzig und allein in der Art seiner Wirk- samkeit gefunden« so üasst der Festredner die Verdienste des Meisters zusammen .

Auch im Sächsischen Kunstvereiiie, in der Urendner Kunst^iciios.scnsehafb hat B. jahrzehntelang als Vorstandsmitglied zu den leitenden Persönlichkeiten gehört. Sein ruhiges, sidberes und maassvolles Urtheil, seine reichen Ge* Schäftskenntnisse, sein gerechtes, vosöhnlidies £ingdien auf fremde und ent^ gegengesetste Ansichten, die Klarheit und Bündigkeit seiner Darlegungen mussten seinem Worte überall ein besonderes Gewicht beilegen imd ein ne- nci^^ai s Cichor \ ers< iiafVeii. So hat B. auch Innere Zeit dem Vorstande des (iewerblichcn Sachverständigen- Vereines fui das Königreich angehört, den Künstlerischen Sachverstindigen-Verein geleitet und in deren Geschäften manches vrichtige Gutachten stets die Frucht gewissenhaftester und müh* samer Untersuchungen erstattet ; so hat er jahrzehntelang seine Kräfte der Tiedge-Stiftung, seinen Rath der Hermannstiftung und andren gemeinnnt/igen Zwecken zur Verfügung gestellt; und noch wenige Monate vor seinem lüde hat er das dornenvolle Amt eines Mitgliedes und Anordncrs im Ausschüsse für die im Mai dieses Jahres erttfthete Internationale Kunstausstellung in Dresden übernommen.

Vicr/if^ Jahre lang hat B. endlich, ein nicht am 15ur]istaben hängender aber wahrhaft frommer Christ, dem Consistorium der t van^eliscli-reformirten Gemeinde angehört, auci> hier eines der thädgsten Mitglieder, ilessen Ratii gern und oft als ausschlaggebend in schwierigen Fragen gehört, dessen ge- schidute Vermittelung zur Lösung von persÖiUichen Gegensätzen wiederholt in Anspruch genommen wurde.

Als eine besonders günstige Fügung: be'i ' h'' -e es der Künstler, dass ihm vom Prinzen deor^f von Sachsen im Jaiuc xööG die Leitung der Kupfer- stichsammiung weiland Konig l riedrich August's 11. übertragen wiude. Unter den hier vorhandenen kostbaren Kunstblättemf velche er mit Lust und Liebe

Digitized by Google

Dr. K. Bürkner. ^g*

gesichtet hat, in welchen er reiche Gelegenheit fand, seine kunstgeschicht- lichen Kenntnisse zu emeuem'und zu erweitern, hat er mit wahrem Sammler- eifer geschalter, uiul mancher von den Forschem, die die Sammhmg benutzten, ist ifim fiir gern und gründlich erthcilte Förderung äu Danke verpflichtet

worden.

Zu den Gesellschaften, welche B. legdmMsstg besacfat hat, gehören audi zwei der Tonkunst gewidmete Vereine: die Dreyssig^sche Singakademie, in

welcher er sich Jahizi^te lang ain Chorgesang betheiHgt hat und welche ihn in dankbarer Anerkennung seiner lanpinbripcn und lioc livcrdicnstlidun Wir]<- sanikeit« am 24. März 1884 zu ihrem Ehrenmitglietlc ei nannte, untl der Ton- k tinsücrverein, desseii vornehme künstlerischen Darbietungen ihm manche weihevolle Stunde bereitet haben.

Schliesslich ist noch des Allgemeinen Turnvereines zu Dresden zu ge- denken, welchen B., von jeher ein rüstiger Turner und ein verständnissvoller Freun<l der KörperÜbung wie ein abpef?af^ter Feind ihrer »^sportmässigen« Auswüchse, im Jahre 1844 mitgegründet hat und zu dessen Vcreins-Aeltesten (^Khrcnmitgliedern) er seit 1886 gehörte.

An Ehren hat es dem im Dienste alles Guten und Sdiönen so lange Zeit wirkenden Manne auch sonst nicht gefehlt. Am 13. März 1856 wnnle er. !iis dahin »akademischer Lehrer«, zum Professor an der Kunstakademie ernannt; am 15. November 1856 wurde ihm vom llcr/.og von Anhalt eine goldene Denkmünze verliehen. Die k. k. Akademie der Bildenden Künste in Wien ernannte den Meister am 30. September 1874 zu ihrem Khrenmitgliede; am a. Februar 1884 wurde er mit dem ^toterreichischen Orden der Fisemen Krone HI. Cl . , n April 18S5 mit dem Ritterkreuze I. Q. des K(">nigli( h Sächsischen Albrechtsordens ausgezeichnet, dessen Offizierskreuz ilim bei seinem Abschiede aus dem Staatsdienste iSoOi verliehen wurde. Auf der internationalen Kunstausstellung in Miinchen 1876 wurde ihm die broitfene Medaille, auf der Berliner Ausstellung 1891 die kleine goldene Me> daille zuerkannt.

In eigenartiger Weise hat im Jahre 1877 die Gesellschatt iUr ^ervicl- fältigende Kunst den Meister geehrt, indem sie der Besc hreibung seines Lebens und seiner Werke ein besonderes, von J. K. Wessel) verfasstes, mit /alil- rcichen Abbildungen ausgestattetes Heft der »Graphischen Kungle« gewid- met hat

Zu einer ehrenvollen und erhebenden Feier des Künstlers gestalteten sich femer noch der auf den 24. August 1888 Mende siebzigjährige Geburtstag und die Erinnerungstagc der vierzigjährigen und der fünfzigjährigen Anstelhing im Staatsdien!^te. Nainenthrh dns Fest, welches die Dresdner Kunstgenossen- schaft ihrem verdienten Mitglicde am 23. October 1887 gelegentlich seiner vierzigjährigen Amtsjubetfeier veranstaltete^ hat gezeigt, welch einer Vereh- rung der greise Meister sich erfreute. In der von dem Kunstgeschichtsforschcr Dr. Paul Schumann gehaltenen Festrede wurde die TV-deutnnfr des (lefeierten in würdiger Form beleuchtet; der bescheidene Sinn des Kunstlers mag viel- leicht mehr nocli an dem zweiten Theile der Feier mit seinen auf die Holz- schneidekunst bezüglichen scherzhaften Vorführungen Gefallen gefunden haben.

Einen mehr amtlichen Anstrich hatte die flln&igjährige Jubelfeier am 6. Juli 1 896, zu welcher die Studirenden der Akademie in festlichem Aufzuge ihrer Verehrung durch nnrbicttinfi eines T<orbeerkr:in/es. die damnliuen Schüler des Meisters ihrer Dankbarkeit durch Ueberreichung einer Sammelmappe mit

Digitized by Google

40*

ilugo BUrkncr.

eigenen Arbeiten und Beiträgen von ehemaligen Schülern der Weitstütte Ausdruck verliehen. Diese Zeichefi der Liebe und Hochachtung dürften dctn ergrauten Lehrer nnrh mehr zu Herzen gesprochen haben, als die elirciulen Worte der Vertreter des Ak arlemischen Rathes und andere amtliche Anerken- nungen, mit welchen er bedacht wurde.

Eine grosse Freude bereitete ' dem Meister auch die I>resdener Kunst- genossenschalt indem sie ihn als »den feinsinnigen Kttnsder und langjährigen Förderer ihrer Bestrebungen« einstimmig zu ihrem Ehrenmitgliede ernannte und an jenem Ehrentage die künstlerisch ausgestattete Urkunde darüber über- reichen Hess.

Aile ciiese Ehrungen nahm der Meister mit einer bei so grossen Verdien- sten seltenen Bescheidenheit hin, und wie er sich selbst nie genug that, so spornten sie ihn nur au immer vermehrter Arbeit und Mühe an. Eine unge-

wöhnhche Frische des Körpers und des Geistes war ihm bis in sein hohes Alter heschieden, und erst im letzten Jahre seines T.eliens stellten sich gewisse Scijwacheerscheinungen ein, welche den greisen Künstler veranlassten, seine Dienstentlassung nachzusuchen. So trat er mit Beginn des Jahres 1897 in den wohlverdienten Ruhestand; nur die I^eitung der Kupfeistichsammlun^ König Friedrich August's II. behielt er noch bei, weil die Thätigkeit ftir diese nicht eine so sichere Hand erforderte wie sein Kunstschaffen und weil er glaubte, hier noch nützlich sein zu können.

Lange sollte sich Hugo Btlrkner der Müsse nicht erfreuen. Noch ehe er seine Professur niederlegte, gegen Weihnachten 1896, befiel ihn, den bis da- hin stets Gesunden, ein inneres Leiden» welches seine Lebenskraft schnell aufzehrte und ihn, so sehr er sich dagegen sträubte, schliesslich auf das Krankenbett zwang. Wenige Tage der zunehmenden Schwäche, und es war zn seinem Todtenhett geworden; eine pitige Fügung hat den Clreis vor jeflem lodeskampf bewahrt und ihn am Abend des 17, Januar 1897 ruhig und friedlich, ohne eine Ahnung, wie es schien, des bevorstehenden Endes hinübcr- schlummem lassen.

Die Trauer um den dahingeschiedenen Meister war in weiten Kreisen eine anfnchtige. War Vt. dnch dnrrh seine Werke zu einem der vnlksthUm» li( hsten Kunstler wrnn auch nicht mel>r für das jüngste desc hlecht geworden j war er doch m Dresden, wo er siebcnundfunl/.ig Jahre gelebt und gewirkt hatte, eine der bekaimtesten Persönlichkeiten. Nicht mit Unrecht wurde an seiner letzten Ruhestätte von einem bejahrten Einwohner der Stadt, der den Verstort>enen oft mit seiner freundlichen, wohlwollenden Miene hatte durch die Stra.ssen geh^n seilen, geäussert, es sei mit dem alten Herrn ein Stück Dresden zu (irahe getragen worden.

Stets zur Erweisung von Gelälligkeitcn uiul Diensten bereit halle der Entschlafene sich in seinem grossen Wirkungskreise überall Freundschaft und Dankbarkeit erworben. Einen Feind hat er wohl kaum gehabt, und das hcisst viel bei einem Manne, der so unerschrocken .seiner Meinung Ausdruck zu verleihen hebte, so fV-st wie er auf seiner Uel?er7ciignng zu !>eharren ge- wohnt WiU. Aber seni niakello.se.s Wesen, seine unbeugsame Gerechtigkeits- liebe, sein sittlicher Ernst, sein fester Blick, mit welchem er stets die gute Sache, um die es sich handelte, im Auge behielt ohne Ansehen der Person; sein oft erprobtes versöhnliches, ausgleichendes Wirken in den verwicJcdtsten Angelegenheiten diese vortrefflichen Fii,'enschaften des Ceistcs und des Herzens hatten ihm ein $0 hohes Ansehen unter den älteren wie unter den

Digitized by Google

I

I

I

Dr. K. Btirkner. 41*

iBogcren setner Genoasen vendiafR, dass auch Andendenkende keinen Groll

^egen ihn zu fassen vermochten.

Si( Iierllc h hat auch sowohl /u dem puten Kinvcrnehmen als /u der all- sei!!^ cnt^c^i ngehrachten Hochac litung ein fiir sein«.- aufrichtige Bescheiden- heil bezeichnender Schritt des Meisters beigetragen, zu welchem er sich als ein echter Weiser entschloss: nachdem er das siebzigste Lebensjahr über« schritten hatte, trat er eine nicht eben häufig geUbte Entsagung von <kn meisten der leitenden Stellen, welche er bis dahin inne gehabt hatte, frei\*illig zurück, ohne dass etwa ein fiihlhares Schwinden der Kräfte oder ein äusserer Umstand dazu verrtnlasst hätte. Wenn aber Hurkner, nur »um jün- geren Genossen Plau zu machen«:, auf seinen Kintluss verzichten zu sollen glaubte, so konnte et nun mit Genugthuimg erkennen, wie oft nnd gern sein ^'creifter Rath noch eingeholt wurde, als er nicht mehr verpflichtet war, an <len (ieschäften theilzunehmen. Thatsächlich hat denn auch der Meister bis in die letzten Wochen seines Lebens an allen wichtigen Angelegenheiten seines Berufes regen Antheil eghabt.

Wie schon erwähnt wurde, hat Bürkner wohl mit Kummer, aber auch mit Bewunderung das Aufblühen der vervielfältigenden Gewerbe verfolgt, durch welche den nachbildenden Künsten in der jüngsten Zeit mehr und mehr der Boden entzogen worden ist. l">cnno( Ii hat er niemalN seine Ueberzcngung preisgegeben, dass die Kunst trotz Handwerk fortbestehen werde. In einem Aufsätze »über graphische Künste und (jcwcrbc« (Wissensch. Beilage der Leipziger Zeitung 1885. No. 59) sagt Bttrkner: »Die graphischen Künste werden durch das ungemessene Bedttrfois unsrer Tage nach billiger und schneller Illustration ihre reichliche Förderung und durch die wissenschaft- liche Fortbildung ihrer Grundltedinf^nngen ihre l'ortsc liritte ni^it herl sehen, die wir mit liewunderndeni .Antlu-il vertnliien ; die ^^raphi-sclien Künste, als ein natürlicher und unersetzlicher Theil der Kun.st überhaupt, werden auch fenier ihren schöpferischen Kunstgesdiwistem folgen und werden ftlr ihre höchsten Ziele, wie diese, mit auf die Huld und Hülfe einsichtiger Mächte angewiesen bleiben; ihre wahre und selbständige Entwickdung ist nur in enp^fer CeTneinsrhnft mit den Schwestern an den Stellen zw erzielen und zu erhotkn, wo der l)ildenrlen Kunst in weitestem Maasse die Hüllsqucilcn ihrer Hebung und l'tlege geboten sind,«

Der feste Glaube des Meisters an die Kunst wurde auch nicht erschüt- tert durch die wuchernden Auswüchse des neuesten Geschmackes, welche in der Sucht nach AbsonderHchem lieber das Unschöne und Krankhafte so- wohl in Bild als in Schrift darstellen, als die überlieferten Bahnen des Schönheitsgefühl es innehalten. Mit Unwillen wurde der Künsüer, dessen eigene Schöpfungen sich durch Keuschheit, Anspruchslosigkeit, Gemüthstiefe und Anmutfa auszeichneten, erfüllt, wenn er solchen Verimingen der neuen and neuesten Kunstrichtungen gegenübertrat ; gleichwohl hat er auch in ihnen (las nach seiner Meinung Oute vmd Brauchbare anerkannt. In einer kleinen .\l)handiung über 'Freilichtmalerei« (Dresdner Anzeiger 29. Fcbniar 1892), welche für seine künstlerische Auffassung in mehr als einem Sinne bezeichnend ist, sagt Bürkner: »Unsre nationale Empfindung, unsre Ansicht Uber den biiheren Zweck des Kunstwerks, wendet sich davon (er spricht von der >Stimmungs«-Malerei) ab, und wenn wir es h lebhaft wünschen, dass immer wieder die Forderung der äusseren Wahrheit und Natürlirhkeit als £10 Hauptmittel fUr die volle Erreichung des eigentlichen Zieles auf die Fahne

Digitized by Google

42*

Erinnenuigai Fri^dricli Bodenstedt.

des Fortschritts geschrieben wird, so wollen wir doch nicht vergessen, dass unsre deutsche Eigenart uns noch starker auf die innere Wahrheit und <lie

Bewegung: des (Jemüthes hinflilirt, dass von alten Zeiten her eine Reihe vaterländischer Künstler uns in diesem Sinne voranleuchten, die />um Ruhme unsres Volkes die Kunst in dem Banne der Wahrheit und Schönheit fest- hielten. Und dabei möge es bleiben!«

Was der Meister in so eindringlichen Worten als das Verdienst unsrcr alten vaterländischen Kiinstlcr hitisirllr, es d.irf, dünkt uns, auch von ihm selijst gesagt werden: ;ui< h Hiip^o IJnrkncr hnt stets die Kunst im B.innc der Wahrheit uml Schönheit Icstgehallen zum Kuhrae unsres» Volkes, er i-dcr letzte Klassiker des Deutschen Holzscliniltes!«

Erlzmenuigen an Friedricli Bodenstedt

von

Cu-1 V. LfitsowO*

Meine geistige Berührung mit Bodenstedt, stmächst par distance, reicht

bis zu meiner Ciöttinger Studentenzeit um den Anfang der fünfziger Jahre zu- rück. Die LiL(lcr (ks ^Tir/a Schaffy waren eben ersehiefien. Hin Ntedi/iner aus Schleswig- Holstein, Buic mit Neimen, br:i( hie sie in unseren Kreis urul würzte mit dem Vortrag derselben die (ic:>elUgkeii der Kneipaiiemle. Es war eine sehr ausgelassene Geselligkeit, mit der wir aber, kernfest wie wir waren» jeder in seiner Art» das fleissigste Studium und den Sinn fUr die Literatur stets zu verbinden wussten.

T>er gesunde Duft, der aus den T tcrlcrn des vermeintlichen Sängers von Titiis hervorströmte, behagle dem jugendlichen Cicsehmack, vollends nach der süsslichen Amaranthpoesic, die wir niemals recht hatten gcniessen können. Selbst Geibel schien uns durch Mirza-Schafiy an Lebensweisheit und Schlag- fertigkeit Überboten. Mit meiner seit frühen Tagen gehegten Verehrung ftr Ciöthe dagegen» Stimmten die von Bodenstedt angeschlagenen Töne besser zusammen.

Mit solchen poetischen Idealen bezog ich im Frühling 1854 die Münchner Universität» um dort unter Leitung von Thiersch, Spcngel, Prantl u. A. meine philologischen und archäologischen Studien fortzusetzen. Wie glücklich war

ich, als sich mir kurz nach der Ankunft die Gelegenheit bot, die persönliche Beknnntsi Iiaft des wirklichen Mir7n-S( l)afT\- ru mnrhen! I'oflcnstedt. der eben nach Mum hen (i!>crsjede!t wnr, um in die literarische Tafelnnule des Königs Max ein/u treten, machte durch die gaiuc Zeit seines Jurugen Aufenthallci ein sehr gastliches Haus. Seine leutselige Art zu verkehren, erwarb ihm bald

Kur/ vor ücinctn viel zu frühen Tndo «schrieb T.litzow diese Krinncrungen für unser Uiographiscbes Jahrbuch, zu dessen treuen woblwollendcn iitäiidigen Mitarbeitern er gebürtc Seine verelirte Fr«tt« die er zucnt in Haute Bodenstedt'« sehen und kennen lernen sollte, hatte <h\- Gate, uns dieses Kapitel tot seinen DealarBrdigkeiten ans dem Nacblats sn Aber' antworten. D.

I

Digitized by Google |

C«rl T. Lutzow.

43*

vide Fieunde. Nam^tlicb die Herzen der Jüngeren, 2u denen sich bald nach mir auch mein Ju^ndgenoase Kari Lemclce gesellt hatte, flogen ihm m

und empfingen von seinen beredten Lippen mit Wonne die Lehren heiterer Welterfahnin? und feiner Kunstanschauung, die er sich aus dem Orient mit-

gebracht hatte.

Ein neues Reich des Cieisies und des Lebens tiiai sich lür uns auf. Was hatten whr von da Poesie des modernen und des alten Persien bis dahin

geuusst! Wie gering war unsere Kenntniss Russlands und seiner ^cisti^cn Kiitwickelung! In beiden Gebieten war Bodenstedt gleichmässig bewandert. \'on Russland .aus war er ja, wie es uns in seinem »Tausend und ein 'l'ng im Orient« so anmuthig geschildert wird, nacli dem Kaukasus und nach Persien gekommen. Mit Russland pflegte er stets intime Beziehungen. Zalil- reiche bedeatende Persönlichkeiten aus der russischen Künstler-, Musiker- und PoctenwcU, auc h Damen und Herren der vornehmen Gesellschaft, u. A. die schöne Madame Kalergis, die dazumal in politischer Mission für Napoleon reiste, habe ich in seinem Hause ge.sehen und einige auch näher kennen ;,'e- lerat. So z. B. den trefflichen russischen Schlachtenmaler Alex, von Kotzebue, den Sohn des Dichters, der lange Jahre, mit grossen Aufträgen l&r den Pe- lenburger Hof beschäftigt, in Mttnchen lebte. Flflchtig ist meine Erinnerung an Rubinstein's dunkle, dämonische Gestalt. Unvergesslich dagegen der Ein- druck, den Tnrjjcnicw nuf mirh machte. Ich sali ihn zuletzt in den Corne- liussalen <ier ( il\ i)ti)thek, als sein I l.iupt, mch dem man hätte einen Poseidon mcisseln können, schon ergraut war.

Als idh Bodenstedt kennen lernte, hatte er seine meistf»haften Ueber- Setzungen Lermontoff*s und Puschkin's eben abgeschlossen und war noch ganz erfüIU von Begeisterung für die Gedanken und die hohen sittlichen Kigens( haften dieser Dichter. I"r srbildcrte uns mit Vorliehe die geistijien Kampfe der russischen Poeten seit Gogol, ihr Martyrium, die Reinheit und den Adel ihrer Gesinnung. Von Puschkin citirte er mir einmal die eben übersetzte Strophe, die eine Figur in dem Roman in Versen, Eugen Onägin» schildert:

Der «;Hssr Drang nach Ruhm bewegte ihn früh, wie Mitleid, edle Glut; In unentweihter Liebe pflegte Kr illes was nur «rhf\n und ^ut. Und durch die Welt mit seiner Leier Zog er in Scbiller^s, GoeOie's Feier; An dieser DichtcrsoTiiK-n Pracht War seine eigne Gluth erwacht. Der GlflcUieliet Selbst im Gewtthle Der kahen Welt schämt' er sich nie Der keuschen Gluth der Poesie, Seng nnr erhobene Gefttkle: Die Träume seiner Jugendzeit Die Anmuth edler Einfachheit

- Tfcrzen hat gnn/ Recht, füL^te er hinru, wenn er der russischen Literatur lUiiinihmt, da^s alle ihre ausgcveu hneten Autoren Weltmänner waren. Die Kleganz direr Ausdrucksweise, ihr Maasshalten, ihre cdicu iJilder kommen daher. Und diese formelle Gemessenheit, sagte Kerzen, beschränkte den In« Halt nicht, sie verlieh ihm im Gegentheil mehr Kraft; das grobe, gemeine F.Iement hat in der russischen Literatur nie Bürgerrecht bekommen. Es war ein tieier Zug geistiger Verwandtschaft, welcher Bodenstedt zu den so gear-

Digitized by Google

44*

Erin&enmgm an Friedrich Bodenstedt.

teten russischen Poeten hinzog. Audi seine Natur war zart und feinflihlig angelegt, allen Extremen al »geneigt, kraftig im Beharren, in rastloser Arbeit gestählt, aber keiner vehementen Ausbrüche fähig. Eine wahre Ehrfurcht besas«; Bodenstedt vor den volksthiimlichen Dichtungen der Orientalen und der Küssen, auf deren Zusammenklang in der Weltanschauung er uns oft hinwies. Der grosse Sinn für die Natur und ihre Heiligkeit, der in den Poeten des Ostens lebt, erfüllte ihn mit Bewunderung. »Ein geheimnissroller poeti-scher Duft« sa<,t er von Lermontoff »weht aus allen seinen Ge- bilden, als ob die Wälder, die Blumen, die Wiesen uns unmittelbar ihren Wohlgeruch entgegenhaurhten. Dabei war Bodenstedt jetlcm Oliscuraniismus feind. Ijfichts ergriff ihn mehr als das persönliche Schicksal, das seine ge- liebten russischen Dichter um ihrer Gesinnung ^llen erdulden mussten. Wie ergreifend klingen in seiner Uebersetzung diese Strophen LermontoATs:

Einer Jugendfreundin. (\^or meiner Verbannung in den Kaukasus.)

Zwm Süden muss ich, von dir scheidea. In meines Schicks.ils raschem l lug, Mit meines müden Herfens Leiden, Mit meiner KrcTirlcn h\intcm Tr^ij^: Wirst du auch stets dem lernen Freunde Ein Schild sein und ein fester Hort, Vor bfisen Zungen seiner Feinde, Vor der Verläumdung gift'gem Wort? O sei est Halt in deinen Inaem Die BiJdcT iin«rcT JniTcnd fest, Dass mich ein seliges ErinnerOt Dass mich die Lust nicht gtnx ▼erlSsstl

Da^^ ]<h in der VerViruinniii; -i^i.-: Es gicbt cm Herz, das treu mir blieb, Mein Leiden elirt vad meine Klage, An« dem die Welt mich nicht vertrieb l

Der warme Erfolg, den Bodenstedt mit seinen Liedern des Mirza-Schaflfy da- vongetragen hntte, beruhte nirht zum ;j:t'ringsten Theil auf der brillant ge- schliffenen, Sprac hiii Iicn i'oiin. Die FrL-md.migkeit des Aiisdmrls, die dem »West-Oestlichen Diwan« anhaftet, die Virtuosität in der Behandlung des IVortes und des Verses, die uns vor der »Webheit des Brahmanen« ziu- Be- wunderung zwingt, war hier zur völlig freien, reinen Kunst geworden, deren Kr/.eugniss wir hinnehmen wie ein Originalwerk heimischen Ursj)rungs. Auch liodenstedt's Ueberset/.ungen der Mirza-Schaffy war ja mclir :\ls dies tnfren einen durchaus originalen Sicmpel. Sie sind frei und ^'circvi zugleich im emineniesteii Sinn. Der Uebersetzer hat sich über seine Methode in der Einleitung zum Lermontoff sehr bestimmt in folgender Weise ausgesprochen: »Vertrauend auf die hohe Ausbildung, den Reicbthum und die Biegsamkeit der deutschen Sprache, steckte ich mir diis Ziel, die ganze Farbenfrische des On^innls wiederzugeben, ohne in den mctrisrhen \'(irl)ildcrn das Cerini^ste zu andern, ohne ein Bild odci einen Gctlanken zu verwischen und vor Allem; oime das Maass des Schönen zu überschreiten.«;

Man darf nicht glauben, dass die vollendete Technik, welche den lieber- setzer Bodenstedt auszeichnet, l>ei ihm nur eine Frucht seiner seltenen Bega* bung gewesen sei. Sie beruhte zum grösseren Theil auf den gründlichsten und umiassendsten Sprachstudien. In die vergleichende Sprachwissenschaft

Digitized by Google

Ourl T. lAUOW,

45*

war Bodenstedt namentlich durch Schleicher eingeführt worden. Er trieb diese Studien sein Lebelang mit stets erweitertem Umfange und fiihrte uns Jüngere, denen die vergleichende Methode bis dahin höchstens innerhalb der klassischen Philologie zugänglich geworden war, zuerst in das Gebiet der sla» vischen Sprachen ein.

Natürlich ging es da nicht ab ohne die Beschäftigung mit der Königin- hofer Handschrift, ans der ich, unter Rodenstedt's Anleitung frischweg ein Stück ins Deutsche übertrug und auf seinen Rath hin auch drucken liess. Ergiebiger waren jedoch die vergleichenden Studien des Altserbischen und Russischen, welche »Mirzac so nannten wir Bodenstedt mit seinen reichen historischen und biographischen Kenntnissen uns in jeder Hinsicht fesselnd und lehreich zu gestalten \vu?;ste. Bodenstedt ist für Deutschland und Oe'sterreirh durch seine Schriften über Russland unti seine l'eberset/unf^en der russischen Dichter der Balmbrecher für unsere Ivenntniss des grossen Siawenreiches geworden.

Es wäre zu wttnschen, doss die von ihm ausgestreute Saat in einer stets reicher erblfihenden Kultur fortgedeihen möchte. Denn auf der innigen wechselseitigen geistigen Erkenntniss der Völker 1)eruht der P'riede der Welt.

Kbenso ernst wie das Studium der Sprac lien Ijetrieh Bodenstedt dasjenige der Metrik. Ich weiss mich noch deutlich des Kindrucks zu entsinnen, den die Sduift Pof^Fs über den Reim saf mich machte, deren Lecture mir Mirza empfahl. Auf weite Gebiete der Literatur und der Kunst warf sie für mich das erste licht und gab mir den Schlüssel zu der Erkenntniss geschicht- lif her Kntwickelungen an Stellen, wo bisher in meiner Vorstellung nur Zufall oder iiersönliclie Willkiir geherrscht hatten.

Die wisseaschaftiiche Grundlage von Bodenstedt's geistigem Wesen und Schaffen war die Ursache seines regen persönlichen Verkehn mit der Mün« chener Gelehrtenwelt. Durch ihn lernte ich Fallmerayer, den Fragmentisten kennen, zu dessen umfassender Gelehrsamkeit und hoher sj)rachlicher Meister- ><haft wir alle bewunrlernd emporschauten. Als ein Muster gedrängten, farbenreichen Prosastils bezeichnete uns Hudenstedt immer die berühmte Stelle in Fallmerayer's Vorrede mi Geschichte der Halbinsel Morea: »Das Gesclilecht der Hellenen ist in Europa ausgerottet Schönheit der Körper, Sonnenflug des Geistes, Ebenmaass und Einfalt der Sitte, Kunst, Kennbahn, Stadt, Dorf, ^äulenprarht und Tempel, ja sogar der Name ist von der Oberfläche des griechischen Continents verschwunden. Eine zweifache Erdschichte aus Irümmern und Moder zweier neuen und verschiedeiien Menschenraren aufge- lübift, deckt die Gräber dieses alten Volkes.« Fallmerayer lebte zurückgc/.ogen. Aber schon ab immer gern gelesener Mitarbeiter der »Augsburger Allge- meinen Zeitung« beschäftigte er häufig in lebhaftem Für und Wider die lite^ rarisdun Kreise. Tlisw eilen tauchte er auch in der Weinstulie auf, in der tch mit einem kleinen Kreise von Freunden, Melchior Meyr, Wilhelm Hertz, Carl Lemcke, l'rcuner u. A. zu Mittag ass. Eine gedrungene Figur von strammer Haltung, doch mit etwas schleppendem Gang, durch und durch ein Charakter von eherner Standhaftigkeit, aber dabei sehr verbindlich in den Manieren bis zur Herablassung: so steht er in der Erinnerung vor mir. Und c irh seiner gedenke, tritt neben ihm die kernige Gestalt seines trefflichen Hciausm'hers Thomas aus dem Nebel der Vcrges-senheit r»ns Licht hervor. Sein stets energisches, hell lunendes Wort, sein scharfes blaues Auge fehlten Diigends, wo es etwas Tttchtiges, Fördemdes durchzusetzen galt. Er war mir

Digltized by Google

, *n(fm aa fMcdrieh Bodenstedt.

C'*r«mcnnAtur, ebenso wie sein Freund Max Josef ^. ..; .Jc<n ich auch durrh Hodenntctll in Tk-riilirung kam. .A iKiuii^ iieiner Uebersetatung Pus( likin s wandte sich ^ ^ :<n L iteratur «u. Die Uebertragung der Shakesj>eari- .>4aiuicn. vSbrend wir hst täglich mit einander verkehr* ik,.»c uUer dem Studium der Sprachen des Ostens die si i iicraiiT fler westeuropäischen Völker nicht verabsäumt; , > 1 1> Knghsche und I ranrösische vollkommen und widmete '...HilLwhcu Literatur jahrelange Studien. Die erste Frucht . . ^ »II di* Welt Shakespeare's war die Ucberset/.ung der Son- »weh lebhaft vor mir, wie er, mit dem ihm eigenen . » . vc^v lU t Selhst/nfricdenheit uns das erste, fertig cisdirte Meister- vvv^i'Khen Kleinkunstwerke vortrug, mit erhobenem Finger den K . ^v^viul. und durch Heben und Senken seiner wohlklingenden X v.v^vasAt^c der Gedankenwendungen maikirend: »Die MninKscIie Rhetorik deiner Augen, ^Vo)^e^re» keine ird'schcn Gründe taugen, \>rmhrte mich; darf mich die Weh bescIuiT(Iigcn, Well ick Ihr treulos ward, um dir zu huldii^cn?

Die Krau'n verschwor ich und gemeinen Triebe, l>och tla du Göttin, gilt mein Kid iiirlu dir, Mein Schwur ist irdisch, himmlisch lucinc Liebe, Urum deine Eiuld sUfant alle Schuld in mir.

Mein Eid war Hauch und blo-vcr Dunst ist Hauck, lJu ichöne Sonne, wenn dein rcinci. Licht Den Dunst verscheucht, so bist du schuldig avek, l>enn du brachst mein Gelübde, ich thats nicht, Und ibat ich's, welcher Thor wir' so von Sinnen, Ks nickt su tkun, ein Eden tu gewinnen.«

iVr Krfolg den Bodenstedt im kleinen Kreise mit den eisten Proben

nidodiösen Verse erzielte, spornte ihn mir energischen Fortsetzung mid

UmIku \'»»llendunf,' der Arbeit an. Oft wnr es mir vergönnt, ihm dabei zu- /.usv l\av>e»i Wiederholt wo^^ er, im Zimmer auf und nbsrhrcuend, (ied.mken- ukh.dl Uiui l't»rni des ürgcdichles ab. Dann ging er Hugs ans Nieders« lireihcn uiul braehte nicht selten das Ganze in einem Zug aufs Papier, nur W eniges tluuhMiriMChend und verbessernd. Ich gewann dabei tiefen Einblick in seine, Ulli Mi'iHlewhaft geübte Technik. Bald grifT Bodenstedt dann weiter aus M\( »hin Oebiete der nUenglischen Poesie. N^nmcntlich sein dreibändiges Wi ll» vShakcspeare's Zeilgenossen*; hat märluiL' eiuuew irkt auf das geschieht- iuhe Ver.sUindniss des grossen Dichters in Deutschland. Bei a]]' fb'esen AihHtrn Wieb filr Bodenstedt der Gewinn an echter Poesie stets die Haupi- HAi'ht, Was er an solchem reinen Gold aus dem Schachte der Vergangenheit m|»oi/iiholen im Stande war, das machte vor Allon ilim selbst eine kindliche t'unnle; ^oin helles Larlieii erklnng niemnis hcr/li( her, als in solchen Augen- bh« ken und sein höchstes Gllick war, zu sehen, dass die Seini^en die Freude tun ihui tlieilten. Mochten seine Neider es Eitelkeit nennen, was nach einer IlHungenen That aus seinen Augen strahlte: ich habe niemals eine liebens- WUrdiK^Tc Eitelkeit gesehen.

Ilodcnstcdt wnr eine rlurrliaus naive Nnti:r; darauf beruhte das Geheim* niss seiner bedeutenden KiüAise. I )er (inmdton von Geibel's Wesen dagegen >vjir pathetisch und seine Dichtung auch gewaltig genug. \uu ganze Genera- lionen deutscher Jünglinge in den Strom seiner Verse lunein zu ziehen. Ich

Digitized by Google

Carl T. LtttMW.

AI*

entsinne mich noch vom Oyrnnasinm her eines solc hen fanatisciicn Oeibcl- schwarmers. Wir staunten ihn an wegen seiner kidensrhaftitrhcii Hingebung, lasen aber im Uebrigen unseren »Faust« und »WaUenstein« weiter.

In München habe ich dann fireilich auch Geibd aus der Nähe kennen and aufe Höchste schätzen gelernt und will hier einige Worte über ihn ein« flechten» weil er zu Bodenstedt, ich will nicht sagen in Gegnerstellung, aber (Jo'-h in einer Art von Gej^ensntz sich befand, (kibers Poesie, dass wissen wir Alle, h;ii einen starken ])atriotisrhen 7.ug und dieser ist noch am Knde ^iner Laufbahn, nach der VViederaufrichiung des Deutschen Reiches, in den Heroldsrufen und Zeitgedichten henerhebend und klangvoll zu Tage getreten. Bodenstedt verhielt sich zu den nationalen Dingen und den Aufgaben der ('Cgenwart stets warm und hingebend, aber seine Grundstimmung blieb doch immer fbe eines Wcltweisen. dessen Uebersnhau zu weit war, um in ihm die metiiilisrlic Kraft von Geil^el's nationale!" Denkungsweise zu entwickehi. Bodenstedt war <ler Gnomiker, da.s Wclikind, Geibel der Seher, Und von dieser Seite, filr die man in frühester Jugend kein Auge hat, lernte ich Geibel l)ci näherer Bekanntschaft in München wie keinen Zweiten bewundern. Seine Kenntniss und Beherrschung der Sprache waren unvergleichlich. Er hand- hafitc sie mit überraschendem Erfolg als Improvisator und nirht minrler als Correkior. Wenn ein Mitglied der »Krokodile« der Name dieser Mün- chencr DichtergeseUschaft ist den Literaturfreunden geläufig etwas Neues zum Vortrag brachte, so übten die Andern daran oft scharfe Kritik. Geibel nicht selten in praktischer Weise, die vorgetragene Form in eine bessere utn> iriessenrl. Auch die complicirteste machte ihm dabei nicht (itc mindeste ^' hw u'ri^'kcit. Tni Ge^enlhefl: er liebte die faltenreichen T>rai)erien des Ge- dankens. Und wie Rhythmus und Reim, so folgten Wort und Wendung willig seiner meisterhaften Führung. Besonders wenn es galt ein seltenes, ein höher gestinmites Wort fllr ein triviales einzusetzen, traf er es immer mit erprobter Sicherheit. Seine ganze Art, so deutsch sie n , st md trotzdem der franzö- sischen Kunstweise näher nls (hujenigc P>()(lenstc(lt's. l^nd mnn weiss, rjnss (tcibel Tiodenstedt's Uebertragunuen aus dem Mn^'lisi hen und Russis« hen durch nicht weniger gelungene Umdichtungen aus dem Französischen ergänzt hat. Sein hochbegabter Genosse dabei war Heinrich Leuthold, ein geborener Schweizer, der eben&lls damals zu den jüngeren Mitgliedern des MOnchener Dichterkreises zählte. Vollendeteres hat Gt ibcl selbst zu ihren »Fünf Bücher französtsrher T.\nk nirht beipcsteuert, als Leuthold's vortrefifliche Ueber- i>clzung des Beranger'schen «Rossignol* .

»Die Nacht lässt ihiea öcMeier fallen, Es senkt der Schlaf sich auf Paris;

Das i^t (iic Zeit der NachtigaUen,

Die Zeit, die stets mich trflmnen hicss,« u. s. w.

Ks wnr für die Ztihörer ein Genuss eip^ener Art, wenn Txnithold mit den starken liutturaltöncn seines heimischen Dialektes ims die eben vollendeten l'roben seiner Arbeit vorlas. Wie über Fclsgestein rauschte der Strom der Verse herab, gurgelnd und brausend, aber mit hinreissender Gewalt

Geibel verlor bald nach meiner Ankunft seine junge, von ihm schwär- Tnerisch geliebte Gattin und wurde dadurch, sowie auch durch ein Innres Leiden, das ihn quälte, der grösseren Ciesellschaft entzogen. Kr verkeliile nur im intimsten Krci<;e, vornehmlich mit Hevse, dnnn \\. A. mit Hans H(i|,ren, Uer sich innig an ihn anschloss. Bisweilen machte er auch mich zu seinem

Digitized by Google

4«*

firinoeiUBgeii an Friedrich Bodenstedt«

Vertrauten und zwar vielleicht gerade deshalb mit um so rtickhaltsloser Offen- heit, als ich nicht dem engeren Dichterbimde angehörte. Nach weiten Spa- ziergängen lud er mich ein, mit ihm den Abend in seinem Hiaiue za ver- bringen. Ein köstlicher Wein, der in immer verbesserten Auflagen heramückte,

öfifhete ihm das Herz. Da habe ich viel unvcrpcssliche Momente mit ihit^. verlebt und in sein leidensrhnftHchcs Innen- ^cl)Ii( kt, in dem die reinen Ideale von Einigkeit und Vaterland mit jugendlichem Feuer erglühten.

Ueber alle Tiefen und Höhen der Poesie und Kunst liess er in solchen erregten Stunden die Blicke schweifen, und sein Haupt erhebend, den langen Kinnbart drdiend, sddeuderte er seherische Kernworte hervor, die von der hohen Gesinnung zeugten, die in ihm lelite, Bei solchen Anlässen offen! ja rtc er auch die mit ])riesierii( heni Krnst sich kundgebende l-'römnii^keii seines Wesens. Jeder Freigeisierei und jeder heidnischen Ucbcrhebung WiU er iil>- hold. Als einmal ein gemeinsamer Freund sich zornig äusserte Über den grausamen Tod eines jugendlichen Gefährten, da verwies ihm Geibel seine Aeusserung mit strafenden Worten: »Lieber Freund« so mahnte er mit sanfter Energie * ergeben Sie sich in (lottes Willen! Auch Bodenstedt war eine tief religiöse Natur, aber von durchaus anderer Färbung, ohne den leisesten Anklang von Pietismus. Die Religion war ihm die ehrwürdige Grundlage des Culturlebens der Völker, an der er festhielt wie an einer ge- heiligen Tradition, aber ohne persönlichen Eifer für die Sache. Namentlich in späteren Jnhren beschäftigten ihn diejenigen Weisen xmc] r)i( liter des Orients am eingeliendsten, die den ewigen l'roblemen über den Ursprung und die göttliche Leitung der Welt ihr Sinnen zugewandt hatten. Ganz besonders feierlich trug er seine Uebersetasungen solcher Weike vor und schlug flir ihre ernste AufiuJmie in kurzen Worten den Ton an.

Wenn auch Poesie und Lebensweisheit den Hauptinhalt seines geistigen Daseins ausmachten, so war Bodenstedt do(li auch sehr empfinglich für alle anderen Arten künstlerischen Scliaffens. Die Musik bildete ein von ihm be- vorzugtes Klemcnt der Geselligkeit in seinem Hause. Seine Gattin Mathikle, seine Muse, die er als die Edlitam des Mirza Schafiy verewigt hat und die er auf Schloss Escheberg» beim Baron Carl von der Malsburg, seinem und Geibel's gemeinsamen Gönner, kennen gelernt hatte erfreute ihre Gäste oft mit den Liedern, die ihr Gatte an sie gedichtet und sie selbst romponirt hatte und die sie mit ihrer feinen zrtrt nusgebildeten Stimme so anmiubig vorzutragen vcrsl;md. Im Gegensatz dazu schmetterte l'raulcin Eugenic Jolm die spätere Marlitt ihre Arien mit so elementarer Gewalt heraus, dass die Wände bebten. Sie hatte sich, von der Fürstin von Schwarzburg'^onders^' hausen protegirt, bekanndich Anfangs für die dramatische Laufbahn entschieden und lictrat auch vorübergehend in Wien als Sängerin die Bühne. Ein schweres Ohrcnlciden behinderte sie an dem weiteren Fortschreiten auf diesem Wege. Als wir sie in München sahen, war sie als Schriftstellerin noch unbekannt. Sie machte eben unter Bodenstedts Leitung ihre ersten Versuche. Ein selt- samer Abglanz von noch ungeklärter Iimerlichkeit gab dem dunkeln Locken- ko])f mit (lern bleichen Antlitz und ikn glan/eii<len sfhwar^'cn Augen etwa^ eigenUuimlich Verheissungsvolles. Eine der markantesten (iestalten unter den Musikern des Miinchener Kreises war der Keichstreiherr Robert von Horn- stein. Die Kapellmeister von der strengen Observanz wollten zwar behaupten, er sei ein Dilettant. Die Kunst ist, wie die Wissenschaft, nach deutsdier Auffassung, ein bürgerliches Metier. Wer von adeliger Abstammung ist, wird

Digitized by Google

Cmrl LfltBOW.

49»

gern für einen Eindringling crkliirt. So ging es, wie mir scheint, atirh unserem irefflirlien Freunde Hornstein, Ein Quell süsser T.ieder sj)ru( leite in seinem innern. Mit schunem, weichem Bariton trug er sie vor. Auch aui dem l eide der diamatMchen Musik hat er sich versucht. Das Wiener Carl-Theater bradite in den sechager Jahren eine Operette Hornsteins. Aber das Geschick, das über der Laufbahn des begabten Mannes und gemüthvollen Menschen waltete, ist kein glückliches gewesen. Das Andenken an ihn wurde lebendig in mir, als \ot Kurzem verlautete, t'ranz Lenbach habe sich eine seiner Töchter zur Frau erkoren.

Eine Generation ist dahingegangen, seit die Menschen, von denen diese Erinnerungen Kunde gaben, in der Blfithe ihrer Jahre standen. Neue poli- tische Ordnungen gelten, das kommende Jahrhundert kündigt sich an. So manchem von den Alten droht bereits die Vergessenheit.

Unter solchen Umstanden schien es mir kein unfruchtbares Unternehmen, von dem Wesen eines edlen Mannes und von seinem Lebenskreise hier ein lebendiges Zeugniss abzulegen. Man wird das Eine daraus deutlich hervor« Uingen hören, dass die Atmosphäre, in der wir damals athmeten, ein rein künsdcrisches^ T.cbenselement war, voU ausgesprochener Gegensätze zwar, aber frei von Bestand theiien unedler Art.

Franz Armand Buhll

Geboren den 2. Februar 1S37, gestorben ücii 5. März 1896.

Unter den Oj^fern, welche das Jahr 1896 aus den Reihen der ber\'or- ragciKien deutschen Politiker und P;irlamentarier gelordert hat, ist an erster Steile der Reichsrath der Krone Bayern und langjähriges Mitglied des deut- schen Reichstags Dr. Armand B. zu nennen, welcher seit dem 7. Miliz des Jahres auf dem rebenumkränzten schlichten Friedhofe des pfälzischen L^nd- !?tädtchens Deidesheim an der Seite seiner Eltern rulit ein deutscher Mann, des<jen Bedeutung und "Werth für das p;anze Vaterland flie Ehrenbe- zeigungen nnd dankbaren T^iebesspenden bekundeten, welche an di*- trauernde Familie gerichtet wurden oder den Grabhügel des Entüchlafeiien hciimuckten.

Voran das Oberhaupt des Rönigsreichs Bayern, Prinz Regent Lui^old, Tiehen ihm der deutsche Reichstag, mit dessen Leitung als erster Vizepräsident 3 Jahre lang, von 1887 1890, seine Kollegen den Verstorbenen betraut hatten, und die bayrische Rcichsrathkammer , in welche er als lebenslängliches Mit- glied von der Krone berufen war bis herab zw den ihm in herzlicher Dank- barkeit ergebenen schlichten Arbeitern auf seinen liesiuungcn, Alle haben mit einander gewetteifert, dem den Seinigen und dem Vaterlande allzu früh Entrissenen die letzten Ehren zu erweisen.

Von den nahezu /.ahllos«! Kundgebungen schmerzlicher Theünahme, sei nur einer hier gedacht:

') S. a. Deutscher Nekrolog S. 220. litogT. Jahrb. n. Dcnucber Nekrolog.

Digitized by Google

I

Fmu Arnold Bold.

Der tiefgchcuf^teii (lattin sprach Fürst Bismarck sein tief t'm]jfiin(lenes Jit ileul aus XU liem Hingaiig »seines politischen Milkampfers und personliclien Freundeit«,

NlU'huk der Familie empfiEmd am tiefeten den unenetzKcben Verlust die lllllion«lli))«ri\le Tarte», in deren Reihen seit mehr als zwei Jahrzehnten Attn unl H als der Iksien einer frckämpft hat und die ihm in ihrer (iesammU luii, \lt vulor lun;;, mit unbegrenztem Vertrauen und in herzhcher I.iebe uuU \ crchrung zugeihan war. Nicht blos die gegenwärtige Reichstags&action,

leitlcr 9eit den leisten Neuwahlen von 1893 den bewährten Fflhrer und Krvund in ihrer Mitte veimisaen musste, auch die nationalltbearalea Fractionen tili (Unuschen Einzelstaaten und der Centraivorstand der Gcsammtpartei im Kcii hr. Ii al«en es an Beweisen der Verehrung und Dankbarkeit gegen den Hii iVilh UciiHgegangenen nichi ft:hlen lassen.

Armand B. wurde am 2, August 1837 zu Ettlingen im Grossherzogthum IlHiien geboren, wo die Familie B. seit langer Zeit angesessen war. Sein Vater I runz Peter B., der seiner Zeit dem badischen Landtage so wie später (lein ba\ris(hcn als Mitglied der zweiten Kammer angehörte, wnr durch die Vrrhoiratung mit Josephine Jordan, der Schwester des bayrischen l^ndtags- abK^'ordneten und späteren Reichstagsmiigliedes dieses Namens, zur Ueber- Nitidlung in die Pfak veranlasst worden. Aber die Beziehungen zu Baden wurden in dem Sohne auch dadurch wieder angeknüpft, dass nachdem die erNten Jugendjahre in Deidesheim und in häuslicher Erziehung verflossen waren, der 15 jährige Knabe mit seinem zwei Jnhre jüngeren Bruder F.ii^^en, {km gegenwärtigen lel)eMs!änglirhcn KcichsraUi und früher lant'ialirigen b.iy- lihihcn Abgeordneten auf da^ Maiinheiraer Gymnasium kam, wo in dem Hause des Prof. Baumann eines Jugendfreundes und Gesinnungsgenossen Itudwig Häussers, die trefflichste Grundlage für die Entwidmung des JlHtglings im Denken, Wissen und Können gewonnen wurde. Für seinen vnniiiKsichtlirhen Beruf, als Leiter eines landwirtsrhaftlirhen Cirossbesit/es mit weitreichenden Handels- und Verkehrsbeziehungen, wurde der junge ii. iin hantlels wissenschaftlichen Ausbildung nach Lübeck gesandt, wo er mit dem gegenwärtigen Vertreter der alten Hansastadt im Bundesrath und Ge- hiiiidten der 3 freien Städte am preussischen Hofe Dr. Kliigmann, (der eine /fit lang auch mit ihm Reichstngsabgcordnctcr war"; in ein inniges Freiind- iM'luiftsbtindniss trat. Von Lfihec k sietieke er nach Ifeidelberg ul)er, um dort nvlicn allgemein wissenschaftlichen und politisch-historischen Vorträgen (ausser llliujwer war Robert v. Mohl damals noch in voller akademischer Thätigkeit) unter Bunsen, Kirchbolf, Hesse Naturwissenschaft zu studieren und wo er jiurh als Abschluas seiner akademischen Studien die philosophische Doktor<- WUrde erlangte.

Der Aufenthalt in Heidelberg war aber auch fiir seine ijoliiische Knt- wii klung von der grössten Bedeutung. Hier hatten die Gesinnungsgenossen des Vaters, die alten £rbkaiserlichen oder Gotha, neben den schon genannten l<ehrem Häusser und von Mohlj auch von Rochau, der verdienstvolle Ver> fuNser der »Grundsätze der Realpolitik« und langjährige Herausgeber des Wochenblattes des N ationalvereins u. A. ilircn Sit/, und wie der treu und mit Zuversicht avif eine bessere /ukinift zur alten Fahne haltende Vater il, von früh auf den Sohn für die freie bürgerliche Pflichterfüllung in (ie- nicinde, Kreis und Stadt innerhalb des nationalen Gemeinwesens vorzubilden jjestrebt gewesen war, so wurde grade in dieser Umgebung die Richtung

Digitized by Google

tfoiqmfdten.

des Sohnes auf die naiioiiale Kinigung im erneuten Geiste und Sinne der Rodisverfiissung von 1849 vertieft und vollendet.

Schon i86a starb leider der Vater im rostigsten Mamtesalter und mit ihm sdiied einer der feurigsten Patrioten und zugleich ein namentlich für

den Weinbau und dif v\ irtsrhriftliche Entwiclclving der pf.mzen Pfalz wie kein rwciter hochverdienter, weidjlickender praktischer Land- und Volkswirth. In beiden Beziehungen ist Arm^md B. der würdige Erbe und Nachfolger seines Vaters gewesen,« wfthrend er durch die Liebenswürdigkeit und lebens» frohe Heiterkeit an manche Zfige semer geliebten Mutter erinnerte, der es noch vergönnt war, die ersten Erfolge des Sohnes auf der politischen und pariamentarisrhen T,auf1).'ihn mit freudigem Stolze zu crleljcn.

Mit dem Tode des Vaterü war die Verwnltung des grossen F)esitzes an Wein- und andern Gütern m seine Haj»d gekommen und er zeigte bald, dass er seine Lemjahre nicht umsonst verbracht und auch die auf Reisen vorher gemachten Erfahrungen wohl zu verwerthen verstand. Zur politischen Thätigkeit rief ihn zunächst das Jahr 1866 auf, wo in Folge der eigenthüm- Uchen Verhältnisse, vor und zur Zeit des glücklicher Weise so kurz ver- laufenen, äusserlich an die Schleswig-Holsteinische Frage angeknüpften deut- schen Krieges schwere Besorgnisse um das künfüge Schicksal der Rheinpfalz wachgerufen wurden« Armand B. trat mit anderen Freunden aus Rheinbayem und Rheinhessen damals an die Spitze einer Vereinigung, um unter allen Um- ständen das Verl^leiben der Pfalz in deutschen Händen zu sic hern. (Verein zur Walirimg der Interessen des linken Rheinufers.) Die geniale Politik des ersten deutschen Buntles- und Reichskanzlers hat die damahgen Befürchtungen rasdi aus dem Wege geräumt, tmd von da an bis zu seinem letzten Lebens- hauch ist Armand B. ein treuer fibentengter Anhänger des gewaltigen Schöpfers des neuen deutschen Reichs geblieben, und als im Jahre 189s dem Altreichs* kanzlcr die Pfälzer in einer grossnrtigcn Massendeputation zu Kissingen ihre dankbare Huldigung darbrachten, s( hritt U. als ihr selhstverstfindhrhcr l'iihrer voran. Bei den Wahlen zum Zollparlament und wahrend des französisch- deutschen Krieges finden wir ihn auf allen Gebieten, wo er nur dienen konnte, rastlos illr die nationale Sache thftdg und daneben vernachlässigte er auch nicht, im Geiste und nach dem Beispiele seines Vaters und ge- meinschaftlich mit seinem Oheim Jordan und seinem jüngereii Rnider Eugen die pfälzische W einkiiUur weiter zu fördern imd ihr den Rang zu sicliern, den sie jetzt unbestritten cnmimmt.

Bei den Wahlen sum ersten deutschen Reichstage rief ihn das Vertrauen des piälsischen Wahlkreises Homburg-Kusel in den hohen Rath der Nation, dem er ununterbrochen bis zum Jahre 1893 angehörte.

Was ihn damals nach der wegen der ^filitarvorl i l-^o erfolgten Rcirhs- tagsauflösung von eüiem Theile seiner meist landlichen Wählerschaft trennte, die durch engere landwirthschafüiche Interessen bestimmte verschiedene Auf- fassung der durch den Nachfolger Biamarck's Reichskanzler v. Caprivi abge> schlossenen neuen Handelsverträge mit Oesterreich und Rvissland, wäre kein Hinderniss gewesen, ihm in andern nationnl-Uhcraicn Wahlkreisen einen Platz zu sichern, aber er ver7ri( biete darauf. Hie Anitsentlassung des Fürsten Bis- marck durch den jungen Kaiser hat Bulil gewiss nicht minder schwer em- ]ifnnden als die grosse Mehrzahl seiner Parteigenossen, wohl aber stand auch ihm wie Anderen die Verpflichtung vor Augen, nachdem einmal, wohl oder Ubel, der Wechsel im Reidiskansleramt eingetreten war, soweit es die dgene

d*

Digitized by Google

Fnutz Arnold Buhl.

ehrliche Ueberzcugung gestattete, dem neuen Regimente im nationalen Inter- esse keine Schwierigkeiten zu bereiten. Es ist oft darüber gestritten worden ob Buh] theoretisch Schutzzöllner oder Freihändler gewesen sei. Wenn auch zur Zeit seiner wissenschaftlichen nationalökonomisrhen Ausbildung die so- genannte Manchester Schule dm grosse \Vt»rt führte, so h:it sich tlot h Hiihl, eben weil er so jung verantwortungsvoll in da^ practiiche Leben zur I hiitii^- keit bemfen wurde, stets als ein Vertretn gemässigter, den realen Dingen angepasster Grundsätze auf diesem Gebiete erwiesen. Wenn als Mitgrund seines Verzichts auf ein weiteres Reirhstagsmandat auch noch der Umstand betont worden ist, dnss Buhl als Mitglied der Rudgetcommission durch theil- wcise Ablelinnnir f1er \on der Rei( lisregieruiig erhobenen Militarfordcrungeri den ücbcrzcuyuugcn seiner Wiüiler nicht cntsproclien habe, so ist diesem Grunde kein wirkliches Gewicht beizulegen; eben so wenig einem angeblich schroffen Entgegentreten des damaligen Reichskanzlers von Caprivi gegen den bewährten Volksvertreter. Was aber dessen Verlust für die Partei, ftir den ganzen Reichstag und ftlr das Vaterland zu liedcuten hatte, haben die letzten Jahre nur zu deutlich gezeigt, um so iruhtliehcr war die Hoffnung, dass er sich bei den nächsten allgemeinen Neuwahlen zur Wiederannahme eines Man- dats wohl hätte bestimmen lassen.

Em Rückblick auf seine Thätigkeit im Reichstag während der 22 Jahre, in denen er demselben ununtcrl)rochen für einen und denselben Wahlkreis angehörte, ist eine Anreihung von stets sich steigernden Krfolgen tur ihn und die besten Interessen der Nation. Mit seinem durch unermüdliche Arbeits- freude und Arbeitskraft erzielten Ansehen, als Redner im Plenum und Be» rather in den Commissionen, hielt seine Bescheidenheit und sein coidiales Ent- gegenkommen gegen ehrliche Andersdenkende Reichen Schritt und so war Buhl iinl)estrittcTi eine der allbeliebtesten und sympathischsten Persönlichkeiten des ganzen Reichstages.

Es ist unmöglich, alle die Fragen und namentlich auch nur die wichti- geren Gesetsentwttrfe auficuzählen, an deren Gestaltung zu Gesetzen gerade er wesentlichen Antheil gehabt hat; es wUrde ein förmlicher Catalog werden. In der Budgetcommission hat er jahrelang die nnch den verschiedensten Seiten so überaus wichtigen ?kTilit;ir-Etat-Frngen bearl)eiiet, auf allen volkswirthschaft- lichen frebieten war er zu Hause wie selten eui Anderer und als nach der kaiserlichen Botschaft von iSüi die social-]>ohlische Gesetzgebung in Angriff" genommen wurde, war Buhl zweifellos derjenige, der ui die meisten Eirael- fragen am tiefsten eingedrungen ist und dem z. B. das nach mehreren An- läufen schliesslich zu Stande gekommene schwierige und im deutschen Reieiie allein noch einzig dastehende Werk der Alters- und Invaliditats-Gcsetzgelning, an deren Vollendung noch viele Hände zu bauen haben werden, in erster Reihe verdankt wird. Mit seinem Riesenfleisse, dem ein anscheinend allen Anforderungen, audi des fröhlichen Waidwerks» gewachsener, kerngesunder Körper als Träger diente, ermöglichte er daneben ein su Jeder Zeit dienst- bereites Auftreten für die Partei ])ei Versammlungen, Festen und Wahlkampfen. Sein liebensw 'i'f'iL^cs Wesen, das heitere süddeutsche Naturell, seine im besten Sinne des \VoitCi> populäre ungekünstelte Redeweise bicherten ihm überall das herzlichste Willkommen, und ungern liess man den neugewonnenen Freund aus dem Kreise fröMidter Zecher und heiteren Zusammenseins, dessen Zierde er war, scheiden.

Neben seiner parlamentarischen Th&dgkeit im Reichstage ging nicht blos

Dlgitized by Google

Marqttttdscn.

53»

seit dem Jahre 1885 fiic Mitwirkving in der bayrischen Landesvertretung als lebenslänghches Keichsrathniilglicd einher, lange Jahre hatte er auch der pfälzischen Provinzialvertretung, dem Landrath der Vüih, eine Zeidang als Ptäsident desselben, angehört, bis die Berufung in den Reichsrath der llieil* nalime am Landratli gesetzlich ein Ende machte. Auf landwirthschaftlichem (iebiete hat er sich als Präsident des deutschen Weinbauvcrcins, nicht blos um seine engere Heimath, die prössten Verdienste erworben. Die enerpsrhe Bekämpfung der Schädlinge des deulüchen Rebbaus durch Gesetz und uner- mfLdiiclie Controle, sowie die Ehre und das Ansehen der deutschen Wein- production haben in Buhl bis in seine letzten Lebenstage den unennUdlichen UDBsichtigen Beflirwoiter und thatkräftigen Mithelfer gehabt, wie zahlreiche Kundgebungen aus allen weinbauenden 'l'heilen des deutschen Vaterlandes dankbarst bezeugten. Seine allgenit-inen volkswirthschaftlichen theoretischen sowohl ids praktischen Kenntnisse fanden weitere Verwerthung an der Spitze diter Reihe von erfolgreichen, nadi vielen Seiten segensvollen industridlen Unteinehmungen seiner engeren Heimath.

Die reichen Glücksgüter, womit er gesegnet war, konnten an seiner ein- fachen schlicht bürgerlichen Lebensführung nicht?? ändern; wohl aber dienten sie ihm, den in seiner Familie erblichen, verstimdigen Wohlthatigkeitssinn in weitestem Umfange zu bethätigen, wie dies an seinem Grabe der Geistliche seines Heimathsorls dankbar und diiend anerkannte. Von den viden Nach" rufen, welche dem nach kaum i4tägtgem Kranksein an einer Lungenentzün- dung Dahingeschiedenen dort dargebracht wurden, sei hier nur der einen Er- innerung gedacht: der Abschiedsgruss des so früh vollendeten Freundes an das Vaterland war die am 18. Januar 1896 von ihm am Kaiser- und Reichs- feste zu Neustadt gehaltene zündende Rede zur dankbaren Verherrlichung der deutschen Siege ein würdiger Scfaluss fllr ein würdiges Leben!

Was Buhl seiner Familie, was er den persönlichen Freunden war, die ihm im Treben nahe standen und von denen so Manche ihm <lanials weh- in.ithsvoll ins Grab nachblickten, braucht hier ni( lit gesagt zu werden. I~)ie edlen gewinnenden Eigenschaften, die ihm die Herzen der zum ersten Mal Nahenden zufUhrten und die ihm seinen politischen Freundeskreisen so lieb und theuer machten, wurden im Kreise der Familienangehdrigen (aus der Ehe mit Julie, geborenen Schellhom-Wallbillich ist ein einziger Solm Franz ent- sprossen und zwei Brüder, der gegenwärtige Reichrath Eugen von Buhl und der ordentliche Professor des Rechts an der Universität Heidell»erg Heinrich Buhl überleben ihn) imd seiner persönlichen Vertrauten eine Quelle innigen Giacks bd seinem Leben und sie sind jetzt, da er so früh von ihnen ge- schieden ist, eine Quelle des Leides und des Kummers, fllr die es keine Worte giebt

Ularquardsen.

Digltized by Google

Ueberaicht

der

Bibliographie der biographischen Litteratur 1896.

Zusammengestellt von

Dr. Johannes Luther, BtUlfltttkw aa &k KtaialisiMa BUtbotM Bvlta.

Hertel, Thdr.: Michael Abel ■«« Ftciüc-

lurt a. O., Humanist und gekrönter Didi*

tcr de«i 16. Jahrh. Ein Lebensbild. Pots- dam: E. Donag's Erben in Komm. (V, 40 S.) 8.

Voss, Cco. : Andreas Achenbach. [Am: Die graph. Künste.] Wien: Gcsellsch. f. Tervieiräldg. Koiut. (20 S. m* 19 Abb. u.

K -\ a(.) 2.

jaden, H. K.: Thcudor Kurner und seine Braut. Kttrncr in Wien, Antonie Adam* berger und ihre Familie s. Körner.

Geheimrat Detlev Ahlefeldt« Memoiren «Mis den Jahn» 1617 bis 1659. Nach der OriginallT;. im Ilaseldnrfer Archiv hrsg. V. Louis Bebe. Kopenhagen: A. F. Höst A tön. (3 BL, XIX, iSi S., I geneaL

Tab.) ^.

Kotb, F. W. £.: B^trige 2ur Geschichte des Enbiaehoft AtbfMht IL 'von Meine

1514 1545. Nach ungedruckten Quellen mitgetheUt. (IlUtorisch-politische Blätter f. d. kathol. Deuttehla&d. Bd. ItS. MOn*

eben: Komm. d. litcrar.-ertist. Anstalt. %,

S, 73—92. 160—167.)

Hagen, Heinr. v.: Prinz Friedrich Heinrich Albreeht von Preussen. Beitrag zu den Erinncningen 1870/71. Berlin: £. S. Mittler & Soüiv. (32 S.) S.

Sticlcr, J.: Amalia, Herzogin v. Sachsen* WVim.ir. 'Slicicr, ]. . 1 .cbcnsbüdcr Deut- scher Männer und Frauen. 2. Auü. Glo- gau: B. Flcmming» 8. 8. j|6i— 277.)

Sonnenbnrg, Perd.; Herzog Anton Ulridi TOD Braunschweig als Dichter« BexUa: L. Simion. (XI, 95 S.) 8.

Rank, J.: Erinnerungen an Bcrtbold Aucr- i>a^ h und Lndwig AiUMiigniber 1. Auer*

Lach.

Ernst Monu Arndt: Meine Wandcruugco and Wandelungen mit dem Reichsfreihcm Heinrich Karl Friedrich vom Stein. Hrsg. von Robert Gecrds. Leipzig: Ph. Rc- clam jttn. (231 S.) 8. {UniTen.*Kbl{oüi. No. 347? '73 ]

Mcisncr, H.: Emst Moritx Arndt im Par- lamente. (Dentsclie Revue IIb. d. feeamtc natinnr^lc T.cben d. Gcf^cnwart. »i.Tnhrg. Bd. 4. Stuttgart, Leipzig, Berlm, Wico; Deutsehe Veri.-An»t & S. 345 351.)

Brande«. G.; Kahc!, T^cttina [v. Andajlt Charlotte Stieglitz s.Rahcl.

Arnold, Hugo: Unter General v. d. Tai». Filfhugserinncrgn. 1 870/71. 2. Der Feld- zug an der Loire* Vor Paris. Ueiouuaisch und Eintttg in MBnehen. Manchen: CR Beck. (VIII, 268 S.) 8.

Hartmann von Aue im Lichte der neuesten Untersuchung. (Historisch-politische Blät- ter f. d. katholische Deutschland. Bd. 117. München: Kotnm. d. 1 i terar,«artist> Aastilt. 8. S. 15 26, Si 91.)

Rank, Josef: Erinnerungen an Berthold Auerbach nnd 1 ,iuUvi^ AnrenijTuber. (Bio- graphische Hiättcr. Bd. n. BerUn: E. llul-

munn & C & S. 217—216.)

Digitized by Google

Biofnpliisdie Mbliogmphie.

1 '^••enz, Ottokar: Eine fürstlicTie Stamm- muiter. (Herzogin Auguste von Coburg, geborene Prinxessm von Reuss-Bbeisdorff.) (I^renz. O.t StnatsmSnner und Oeschicht- ^hrcibcr des DeuQzebj)te& Jahrhunderts. Bertin: VT. Hcrts. 8. 8.893—307.)

Schneider, H. : J. M. von Bahos , des Dichters voo Otto von Wittelsbach, Ertt- linggwerfc. irad Stdltin^ TB d*r Litera« tur. (Tn.itt(.r f. tl. Gymiiabial-Schulwc-cn, hrs^. V- Bajrer.Gynmasiallebrer verein. Bil.32. Manchen: J. Lindaaer. 8. & t— 17.)

Kronenberg, Moritz: Ludwig Bambergcr. (Nord u.Slld. Bd. 79. Breslau: S. Schott- laender. 8. S. 36—49, m. Bildn.)

Gunther, Siegmund : Heinrich Barth, der Erforscher des dunklen Kontinents. (Bio- graphische Blatter Hd. II. Berlin: E. Hof- 1 ann & C. 8. S. 166 -185.) Schc rcr, Hcinr.: Ludwig Bauer, Schnlrat. Euj Gedcnkblatt zu dessen 25 jähr. Dien- stes i u I . i 1 n um. Angtburg: B. Seluiiid's Sort > ) 8.

liaucmfuld. Aus B.'s Tagebticbern. IL 1849 bis i879< Hrsg. von Carl Gloiqr. (Aus: Jahrb. der Grillpar^cr - G«t.) Wien: C Kooegcn. (144 S.) 8. Erdberg-Kreseneiewtki: Johann Joa- chim Becher. Ein BcitrAg zur Gcsrluchk' der Nationalökunomik. Jena: G. Fischer. (VIT, 141 S.) 8. [StaatswisBeoschaftliche Studien. Bd. 6. H. 2.\ Korn, Amandus : August Becker. (Hedwig. Ria Roman aus dem Waigau Ton August Becker. 2. Aufl. Berlin: P. Fontane A C. 8. Bd. I, S.m— XI.) Wae 1 e « , T otris: Nikohut BeokOT, *der Dich- ter des Kbcinliedet'« Bonn: P, Hatutdn. (VH, 115 S.) 8. Sin neues Buch über Beethoven und seine Sinfonien. (Grove.) (Die Grenzboten. SS- Jahrg. IV. Lciptig: F. W. Gnmow. 8. S. 38—48.) Grore, George C. B.: Beethoven and his Nine Srn^phonics« London: Norello 1896. (408 S.) S.

^ochh. -immer, A. : Ludwig van Beetho- vcn's Leben und WirVcn ni. btsnnd. Be- rücksichtigung >eiue:> bchati'enü ali» Sym- plumlker. (Mit Hildn.) (Erlanger, G.: Bee> thovcn's Symphonien, erlüut. mit Notcn- beispieleo. Frankfurt a. hLi H. Bechhold. 8. Einlaihng.)

Hub er, Alf.: Biographie von Ign. BcidteL (Beidtel« J.: Geschichte der österrdcbiscb. Staahrrerwallung 1740— 1848, am sdnem

v.l. blass llrs^^ v. A. Ilulter. (In 3 Bdtt.) Innsbruck: Wagner. 8. Bd. I.) Klimont, }.: Rudolf Benedikt. (Gestorben

ra 6. Februar 1896 /u Wien.) ("Aus: Chem. Reme ttber die Fett- und Harz-

55*

Industrie.) Wien, (Letpxig: E. Baldamos.)

(8 S.) 4.

Fitte, Siegfried: Bemknrd von Weimar. I.

II. (Sonntagsbeil. No. 33. 34 7. Vossisclien Zeittiog. Berlin d. 16. 23. August) Aus den Tagebflchem Tbeoder Ton Bern*

hardi's. (Dcul-chc Rundschau. Bd. 86. Berlin: Gebr. PaetcL. 8. Bd. 86, S, »77—293; Bd. 89, S. 106 121, 272 283,

377—39.5-) Bettina s. r. Arnim,

Lorenz, Ottolcar: Freiherr Friesen, Graf

Bcust und Graf Vitzthum s.v. Friesen. Bcyschlag, Willib.: Aus meinem Leben.

Erinnerungen und Erfahrungen d. jüngeren

Jahre, i. u. 2. unveränderte Aufl» Halle:

E. Strien. (VTH, 559 S.) 8. Willibald Beyschlags Lcbenserinucrungcn.

(Die Grensboten 55. Jahrg. IV. Lcipaig:

V. \v. Giunow. 8. S. 279— 333—

331)

Eincrt, E.: C!csammtpOStmeister (Matthias) Bieler. l'in Beitrag zur Gc-,ehiclitc der deutschen FosL (Archiv f. Post u. Telc- graphie. 34.Jabrg. Berlin. 8. S. 3 19^339, 251—260.)

Verzeichnis e. Bismarck-Portraits- u. Bildcr- Saaunlung« Mit i Portr. in Holssebn. v. Rieh. Kopp. ChemniU: M. Buk. (Villi 89 S.) 8.

Henri ei: Hersog Friedrieh von Schleswigs

Holstein u. riir>t Bismarck s. Friedrich Herzog von Schleswig-Holstein. Jahnke, Herrn.: Flint Bismarok. Eine Jo-

bilaumsgabe f. das deutsclie N'oll;. Reich Ulustr. V. ersten deutschen Künstlern. 20. bis 24. Lfg. Berlin: P. Kittel. (S. 769 bis 1044.) 8.

Jahnke, Herrn. : Unseres grossen Bismarcks Leben und Thaten. Der gesaroten deut- schen Nation dargestellt. Mit sehr vielen ein- n. rweiseit. Kunstbeilagen in Lichtdr., l'liotügraphiedr. und Autotyp., sowie einer grossen Anzahl authent. Textabli. Berlin: r.Kittel. (In .'4 nfln.) T. Hft. (l -48 S.) 8.

Jcnsjcn, O.; Herzog Friedrich v. Schleswig- Holstein u. Forst Bismarck s. Friedrieh Herzog v. Schleswig-Holstein.

Poschinger, Heinrich v.: Fttrst Bismarck und der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (F^rt?.') (Deutsche Revue üb. d. gas. nationale Leben d. Gegenwart. Jahr- gang 31. Bd. 3. Stuttgart^ Lciptig, Berlin, Wien: Deutsche Verlagsanst 8. S.46— $7. 129—144. 257-273.)

Poschlttger, Heinrieh ▼.: Fflrst Blsmarek und der Bundesr.it de^ Deutsclien Zoll- vereins. (Deutsche Revue üb. d. i^es.tuite nationale Leben d. Gegenwart. 2t. Tihrg. Bd. 4. Stuttgart, Leipzig, Perlin, Wiens Deutsche VerL-Anst. 8. S. 186—192.)

Digitized by Google

Biograwliische Bifaliogripliieb

Kogge, Bernh.: Fürst Bismarck, der erste Reichskanzler Deutschlandi. Ein Lebens- bild, zu dessen Geburtstag am l. April gezeichnet. Neue Aufl. Hannover: C, Meyer. (IV, 70 S. m. Abb ). 8.

Geyer, Alb.: Generalfeldmarscball Herwarth V. BJttcnfeld. Zur Tubelfeicr seines loo- jüUr. üeburtstagcs ;ua 4. September iSgb. Den tapferen Söhnen des Infantcrie-Ke<^M- ments Herw u th von Bittenfeld (i. Westf.) Nr. 13 gewidmet. Münster: Theissing. (19 S. m. BUdn.) 8.

Bodelschwingh, V. v.: Tagebach-Aufzeich- nungen aus dem Feldzuge 1870. Bielefeld* GadderbAum: Sebrlften - Niederli^ der Anstalt Bethel. (86 S.)

Brandes, Georg: Ludwig Börne und Heine. Zwei litterar. Charakteibüdcr. (Ueben. von A. V. iL T.iiulen.) Leipilg: H. Ban> dort (in. 154 S.) 8.

Franeke, Otto: Karl Augntt BSttiger, seine

Anstellunf; als Gyniii.(si:ilcIirektor in Weimar und seine Berufungen. Neue Mitteilungen. (Euphorion. Bd. 3. Jahrg. 1896. Bamberg: C. C. Buchner. 8. S. 53—64, 408—421.)

M e i n e c k c , Friedrich : Das I^ben d. General- Feldroarschalls Hermann v. Boyen. Bd. l. I77X 1814. Mit I Bildn. in Lichtdruck. .Stuttgart: J. Cotta Nachf. (X, 422 S.) 8.

Meinccke, Friedrich: Boyen und Roon. Zwei preussische Kricifsnuni'-ter. (Histori- sche Zeitschrift. Bd. 77. München: K 01- denbuurg. 8. S. 207 233.)

Schulte, Eduard: Metneckes Schrift über den Feldmar-schall Boyen. (Sonntagsbcil. No. 32 z. Yossischen Zeitung. Berlin, d. 9. Angoat.)

Gensichen, Otto Frnnz? Da^, Ihiideröslein von Scsenbcim. (Friederike Brion.) Berlin: Gebr. Paetel. (VO, 318 S.) S.

Musiol, Rob.t Huf^'o Brückler. Fin Bei- trag zur Geschichte des musikal. deutsch. Liedes. Dresden: L. Hoflkrth. (35 S. mit I Tlildn.) S.

Koth, F. W. E.: Leonhard Brunner. Ein theologischer Schriftsteller des t6. Jahr^ huiiderts. (Theolog. Studien j. Kritiken. Bd. 69. Gotha: F. A. Perthes, ü. S. 74—80.)

David» Ed.: Georg Bfiehner. (Büchner, G.: Der hessische Landbote. Sowie des Ver- fassers Leben und politisches Wirken von Dr. E. David. München: M. Ernst. 8.) [Sammlung gcscllschaftswisaensehafUicher Aur«:itze. Meft lo,"j

Rauchhaupl, <';irl: Akten«nasj»igc Ge- schichte über das Leben und Treiben de«

!«criichti;_,ncn käuberhrtiiptmanns Johanne«; Bückler, genannt Schinderhannes, und seiner Bande. Authentische Ausg. nach den Orig.-Prozes'-Akten. Mit Orti^.-rortr. der Haupträuber u. c. Anh.: Anekdoten,

wie sie vom Volksmunde erzählt wc&öen. 2. Auflage. Kreuznach: F. Harrach. (Y, 133 S.) 8.

Gabriele v. Bülow, Tochter Wilb. v. Hum- boldts. Ein Lebensbild. Aus d. Familien- papieren W. von Humboldts und seinci Kinder. 1791 1S87. 7. Aufl. Mit 4 Bildn. Berlin: K. S. Mittler Sohn. (XU, 572 8.

Oijerlireyer, Max: Rudolf BlUlgtt. 2a des Dicliters 60. Geburtst.'«^'. (Aus: Runen.) Paderborn: Verlag der Runen'. (7 m- Bildn.) 8.

Leyser, J.: Joachim Heinrich Campe. Ein Lebensbild aus dem Zeitalter der Auf- Utonnf. 3. [Titel-JAusf . Mit einem Poitr. 2 Bde. Braun?chweig: F. View«g 4 Sohn. (XL 420 u. 412 S.) 8.

Angeli, Morits Edler Erihersof Carl von Oesterreich als Feldherr und Heere s- oiganisator. Im Auftrage seiner Söhne der Herren Erxherso^ Albreeht und Wilhelm, dann seiner "Hnkel der Herren Erzlicrroi^'^c Friedrich u. Eugen nach Österreich. Orij{.- Aeten dargestellt i. Bd. s. HXlfte. Mit t Uebersichtskarte und 5 PUnen. Wien: \V. Braumüller. (IX, 279 S.) 8.

Hüffer, Hermann: Erzherzog Carl v. Oester- reich. (Biogr.iphische Blätter. Bd. IL Ber- lin: E. Mofmann ^v; C. S. 209- 217.)

Geiget , l hdr. : Conrad Ccltis in seinen Be- ziehungen zur Geographie. München: Th. Ackermann. ^40 S.) 8. [Münchenet geo- graphische Studien. 2. Stück.]

Brun, Xavier: Adelbert de Chamiwo de Boncourt (1781 1838). Thise pntir Ic doctorat es lettres presentee ä la Faculte de Toulouse. Lyon; Ancienne Imprimerie A. Waltcner & C. , 371 S.) 8.

Daniel Chodowiecki. (Die Grenzboten. 55. Jahrgang. I. ]>ipstg: P. W. Gmnow. S. S. 605 -- 612.)

Kretzschmar, H.: Zum. siebzigsten Ge- burtstag Friedrieb Chrynaden. (Die Grcnrbolin. 55. J t i i>^. III. LdpSIgl F. W, Grunow. S. S, 69—77.)

S t i el e r , J. : Matthias ClatuiliM. (Stieler, J. t T,cl>enshiider deutsc her Manner u. Frauen. 2. Aufl. Glogau: C Flenuning. S. 293—316.)

Braunntühl, A. ▼.: Nicolaus Coppemlcus. {Biographische Blätter. Bd. II. Berlin: £. Hofmann & C 8. S. 267—279.)

Froelich, X.: De Courbi^re, Gouverneur der Festung Graudenz. Ein Lebensbild. 2. AuH. Graudenz: J. Gaebel. (5! S.) 8.

Rohde, Eivviu; Friedrich Creuxcr u. Karc- line Günderode. Briefe u. Hichtungen. Hrsg. V. R. Heidelberg: C Winter. ^V, 142 S.) 8.

Emst Cttrtius. (Die Grenzboten. 55. Jahr- gang. III. Leipxig: F. W. Grunow. 8. S. 174—181.)

Digitized by Google

fiiognpbische Bibtiogrnphie.

57*

Crimm, Hermann: Ernst Curtius. f 1 1. Juli lS96> Ein Brief an seine Krtunde. (Deut- sche Rundschau. Bd. 88. Berlin: G«br* Paetd. S. a. 302—304,)

Kekule von Stradonitt, Rhard.: Emst Curtius. Gedftchtniirede, '^ch. bei der v. der Berliner Studentenschaft am 26. Juli 1896 vennttalteten Tr«uerfcier. BerUn: \V. Spcmnnn. ^23 S.) S.

Stiehl er, Heinr.: Simon Dach. Sein Lehen ■ad sein« «ttgewihtteii Dichtungen fftn dcutüche Volk. Königsberg: Haftung. (166 S. m. 1 BUdn.) 8.

TAt Baehdrneker Decker. (Archiv f* Post B. Tdcgraphie. Jahrg. 24. Berlin. 8. & 263 -aya.)

Roieaberg, Adf.: Defregger. Mit 96 Abb.

nach GcmaUIen u. Zeichnungen. Bielefeld:

Yelha^ien & Klasing. (106 S.) & [KOnitler-

Monographien. XVIII.] Unger, W. V.: Feldmarschall Dcrfflinger.

Dem Dragoner'Regiment Freiherr v. Derff-

linger gewidmet. Berlin: £. S. Mittler &

Sohn. [Beiheft sum MiliUr-Wochenblatt.

1^96. n. 7. S. 295—430 m. 17 Skizz.) 8. Dewora, Viktor Joseph, der trierscbe Over-

beig. Sein Leben, Wirken u. seine .Schrif«

ten. Neu hrpfj. u. mit erlHut. Anmerkgn.

versehen v. Jos. Niessen und Pet. Mertes.

Trier: Loewenberg. (III, a96S.in. tl4eht>

drtick-BilJn.^ 8. Pestalozzi und Diestcrw«^^ s. Pestalozzi,

Heinrich.

Pastor D. Tuüuv Disselhoff. Zum Gedächt- nis. . . Kaiserswerth a. Rhein: Verlag der DiakiRussen>Aast (3aS.cinBehL iBildn.) 8.

Dittersdorf, K. v. : Autoliiogniphy, diitated to bis Son. Traoslated from German by A. D. Coleridge Bentley. (336 S.) 8.

Köhler, Richard: Zur Erinnerung an Fried- rich Dittes. (Rheinische Blatter f. Erziehung D. Cntenicbt. 7a Jahrg. 1896. Frankfurt a. M.: M. Diesterweg. 8. S. 289 308.)

Münz, Bernhard: Ignaz von Döllinger. (Biographische Blätter. Bd. II. Berlin: E. Hofmann & C. 8. S. 24$— 359.)

Chroust, Ant.: Afiriham v. Dohna. Sein Leben und sein Gedicht auf den Reichs- tag von 1613. München: G. Frans i. Komm. (XII, 388 S. m. Bildn.) 8.

Drocse, Max: Generallieutenant Georg Wil- hebn V. Driesen. Ein Lebensbild. BerKn: F. S. Mittler & Sohn. (26 S.) 8.

Ferdinand Dümmler, geboren den 10. Febr. 1858, gestorben den 15. November 1896. "liicl : SohweighauserischeBiu hdr. (2oS.)8.

Knackfuss, VL: Dürer. Mit 134 Abb. v. Gemälden, Holssehnitten, Kupferstieben u. Zeichnungen. 4. Aufl. Bielefeld: Velh iLjcn & Klasing. (144 S.) 8. [Kttnsüer-Mooo- graphien. V'.]

Lansre, Konrad: War Diircr ein Papist? (Die Grensbeten. 55. Juhrg. I. Leipatg; F. W. (]runow. 8. S. 266 280,)

W eis b ach, Werner: Der Meister der Bcrg- mann'schen Officin und Albrccht Düren Bcf iehunjii'en zur Basier T?uchillustr,itinn. Ein Beitr. z. Gesch. d. deutsch. Holzscbn. Mit 14 Zinkttcgn. u. i Lichtdr. Strass- burg: J. H. K. Hc ' - MIT ».q .S.) 8. [Stu- dien zur deutschen Kunstgescbicbte. H. 6.]

Wilhelm Heinrich Dufour. (Die Schweizc- xische Landesvemiessung 1832 1 864. Ge- s<Afehte der Dufoarkarte. Hrsg. v. Eidg. topogr. Bureau. Bern: Buchdr. StllBpfli & C & S. 28 tf. m. Hilda.)

Albett Dnlk. (Die Gtensboten. 5 s. Jahrg. in. Ldpsig: F. W. Granow. 8. S. 613^ 62a.)

Graf K. F. Vitzthum von Eckstadt s. Vits- thum.

Karpeles, Gust.: Jos. Frhr. v. Eicbendorff. (i-^ichendorfifs Werke, in 4 Bdn. Mit einer bio^'r. Einleitnng. Leipsig: G. Fodc Mit

Büdn.) 8.

Elisabeth Charlotte als Philosophio. (Die Grenaboten. sS- J^hrg. IIL Leipaig: F. W. Grunow. 8. S. 545 -558.)

Müller, VVillib.: Josef v. Engel. Ein Le- bensbild, sugleich Erinnemngsblatt an seine Thätigkeit Stadtverordneter u. Bürq:cr- meister d. königlichen Hauptstadt Ulmtitx. Wien: C Graeser. (V, 8a S.) 8.

E. L.: Fxcellen/ Wilhelm Engelhard f. (Militär -W'ochenbktt. 81. Jahrg. Berlin: E. S. Mittler & Sohn. 4. Sp. 1717— 1726.)

Gering, Huyo: 0>k.ir Erdmann. (Zeit- schrift für deutsche Philologie. Bd. 28. Halle; Wüsenhans. 8. S. 328—235.)

I, : ' 1 , Arth.: Erinnerungen an Oskar Erdmann. Königsberg: Härtung. (24 S.) 8. (Aach in: Festschriflt snm 70. Geburts- tage Oskar Schade dargebracht t. seinen Schulern u. Verehrern. Königsberg L P.: Härtung. 8. S. 153— 176.)

V olger, Frz.: Herzog Ernst v. Sachsen- Altcnburp. Ein deut>clies rtirstenlcben. Mit 26 Abb. Allcnburg: < 1. Hönde. (IV, 190 S.) 8.

Loren r,, Ottokar: Herzog Ernst II. von Sachen-Coburg-Gotha, f 1893. (Lorenz, O.: Staatsminner und Gesciüchtschreiber des neunzehnten J.ihrhunderts. Berlin: W. Herl». 8. S. 308— 326.^

Benndorf, Otto: Adolf Exaer. Worte so seinem Gedächtniss, bei der Aufstellung seiner BUste in den Arkaden der Uui- ▼errimt Wien am 21. Jani 1896 gesproeben. Wien; A. Holder. (16 S.) S.

Lasswitz, Kurd: Gustav Theodor Fcchner. Stuttgart: F. Franummn. (VIII, 207 S)

Digitized by Google

58*

BiographUche Bibiio^phie.

8. [Prommaim's Kliutilasr der Philotophic.

F..!. i.l Fcrber, s. Stagefyr.

Marcuard, F. v.: Das Bildnis des Hans V. Schöniu u. der Maler Melchior Fcsclcn. Kunstf-c>. hrrhtl. Sludie. München: Ver- lagsan^l. 1. Kun-i u. Wissenschaft. (III, 27 S. mit Abb. u. S Ileliogr.) gr. 2.

Vogt, Tlulr.: J. C. Fichte, fj. G. Fichtcs Reden an die deutsche Nation. Mit Fichtcs Bk^fiaphic sowie mit erUnt. Anm. ver- sehen. 2. Aufl. Langen'al.'n- U. Rcr«^er S SöbDC. (VU, 288S.) & [BibUothek päda- K<HP>cher läassiker. Bd. 30.I)

Jakobowski, Ludwig: J. G. Fischer. Eine Studie. (Nord und Süd. Bd. 79. Breslau: S. Schottlaender. 8. S. 176— t89mitBadD.)

Fred Crnf Frankenberg. Kriegstagebücher von 1S66 und 1870,71. Hrsg. v. Heinrich ▼on Poschinger. Stattgart, Leipzig, Berlin, Wien: Deutsche Vcrlags-Anst. (XI 1, 439 S.)

Poichioger, Heinrich v.: Au5 den Tagc- büclieni des Grafen Fred von Fnuiken- berg. (Deutsche Revue Qb. d. gesamte nationale Leben d. Gegenwart. 21. Jahrg. Bd. 4. Stuttgart, Leipzig, Berlin, Wien: Deutsche Verl.-Anst. 8 S. 1 13.)

Frank 1 , T.ndwiL: Auirust' nc>:inn meiner mediiiüL-chcii Lchi jähre Au> ticn» Nach- lasse. (Biographische Blatter Bd. II. Berlin : E. n-.fui.inii v^v C. I.V.. 8. S. 143-152.)

Scliuchardt, Ottomar: Coustantin Frantz, Dcntsehlaikb wahrer Real -Politiker. Mel« sungcn: W. Hopf. (,it S.^ S.

Clausen, Julius: Frederik Christian, Hcr- tng af Angiutenborg (176$— 1814). En moiiogrftfi-k Skililrino;. ^fcd 2 Portr. Kopen- hagen: Schubothc [VlU, 14« S. u. I Taf.)8.

Memoiret de Fridirique Sophie WUbel- minc, Margravc de Bareith, soeur de Fre- deric le Grand, dcpuis l'annee 1706 iusqu'ü 1743, ecrits de sa mala. Qnatri^e edition, cnntinuec jusqu* a 175S et omcc du por- trait de la Margrave. Edition de luxe. T.I.II: Leipzig. H. Bandorf. I. (i B1.. HI, 308 S., I Portr.) H. (i Bl., 309-618 S.) 8.

Thiele, Richard: Aus eines Dichters Werk- statt. Ein Beitrag zur Charakteristik von Ferdinand FrcÜigrath. Vortr., geh. in d. ordentl. Sitzg, d, Kgl. Aknd. gemeinnUtz. Wiss. zu Erfurt an» 8. Mai 1895. (Jahr- bücher der König]. Akademie gcmcinnüt*. W;v.-.cii^c1iartcn ni Frfurf. N. F. Heft 22, Etfurt; C \ illarcl. S. 7 -22.)

Elster, Ernst: Gustav Freytag (Biogra^ phische Bliitter Bd. II. Berlin: £. Hofimnn & C. 8. S. 87—107.)

Landmann, K.: Goethe v. Gnatav Frqrteg s. Goethe, W. v.

Lorenz, Ottokar: Gustav Frey tags politi- sche Thitigkeil. (Lorens, 0.x SiaatnnSaner

und Geschichtsehieiber des neunsehnten Jahrhunderts. Bertin: W. Herta. 8. & 327

-360.)

Neubauer, H.: Zur Erinnerung an Gustav Frcyta^. Vnrtr,, geh. in d. ordentl. Sitzg d. Kgl. Akad. s^ciiiciiitiHtr. Wi«;«!. /u TCifurt am 29. Mai 1895. , J.ihrbücher der KümiiL Ak.id. gemcinnlUz. Wissenschaften zu Er- furt. N. F. Heft aa, Erfurt: C VOlaret «. S. 89—111.)

Priederike Sophie Wilhelminc, Marlc- ;^räfin von Bayreuth s. Frcdr^i n

Oberbreyer, Max: Herzog Friedrich v. Anhalt Kin Gedenkbhitt anm Regiefttng«* Jnbilliutn Sr. Hoheit am tM* Hat 1896. l^ipztg: F. Simon. (16 S.) 8.

Stein ho ff, JuL; Grotshersog Friedrieh

Raden. Zur Feier seine- 7'>. Geburtstages. Mit 5 l'urtr. u. 2 Abb. Karlsruhe: K. Schcrer. (IV, 103 S.) 8.

Stenglin, F. v.: Friedrich Gros>!ier/og v. Baden. Lebeosbild. (Neue Aufl.) Berlin: Verlag des christL Zeittehriftenvereinf.

M S. mit 8 III.) [Nene Volksbücher, llrü^'. V. d. Vereinigg v. Freunden chriatU Volk<;-T,ittcratur. IG. Bdchn.1

L uc an u ? , C. : Kronprinz Friedrieh Wilhelm fd. i. Friedrich III., Kaiser von T)cut- landj und die deuti>chc Kuii!>tindu»tric. Vortr., geh. am 26. Januar 1896 in der Festversammlung der KrL Akad. gcmcin- ntiUu Wissensch, xu Erfurt rur Vorfeier det Geburtstages Sr. Majesttt dei Kaiser«. ^Jahrb«r!icr der Kttnigl. Akad. gemein- nütziger Wissenschaften zu Erfurt. N. F. Heft 33. Erfurt: C.ViUarec. 8. S. «35— 250.1

Berger, Hcinr.: Friedrich der Grosse [König T. Prenssen] als Kolonisator. H. e. Vorw.

V. W, Onckcn. Im Aidi. 2 Tnf. n. i Ueber- sicbtskt. Glessen: J. Ricker. (VIII, Iii S.) 8. [Giesiener Studien auf d. Gebiete der

Gesell iohfe. ITft. S.l Fitte, Siegfried: Friedrich der Grosse und

Mecklenburg. (Sonntagsbeilage No. 3$ xur

Vobsischen Zeitung. Berlin, d. 21. Juni.) Franz, Julius: Friedrich der Grosse und

der Ursprung des siebenjährigen Krieges.

(Die Greiuboten. 55. Jahrg. HI. Leipzig:

F. W. Grunow. 8. S. 19— 30- 57 69.) Volz, Gustav Bcrthold: Kriegführung und

Politik König Friedrichs des Grossen in den ersten J.diieM dos siebeniiihritjen Krie- ges. Bcilin: S. Cionba. b. (2 BL, 21S S.) 6. Wagner, Ferd.: Friedrichs des (;ro>-en P.o/ielninEjpn tu Fr.inkreich und der Be- ginn des siebenjährigen Krieges. Hamburg:

G. W. Seite Nachf. (XI, 157 S.) 8. Hcnrici: Herzog Friedrich von Sclilcsswit^-

Hobtein und Fürst Bismarck. (Deutsche Revne üb. d. gesamte nationale Lehe& d.

Digitized by Google

Btognpbische Bibliogzuphie.

59*

GcgcüwafU 21. Jahrg. bd. 4. Stuttgart, Leipzig, Berlin, Wien: DenlKh« Veil^-Anst ^. S. 216 ~ 220.) Jensen, 0.: ilerzog Friedrich vou Schles- wig-Holstein a.Fttnt Biaawrck. I. (Dentselie Rmic üb. d. gesamte r.itronale I.cben der Gegenwart. 21. Jahrg. Bd. 4. Stuttgart« l^Apagt BerÜB« Wien ? Denlsehe Vert'AmBU

S. S. 107— 1 T I . 1 Friedrich ChrisUjui, Herzog t. bchleswig- Holllein - SiMiderburg - Aucrastenbnrg

F r k.- J c r I k.

Friedrieb Heiarieli Albrectat Prinz von PicniMn fl. Alb recht Priiui Preasaen.

Lorenz, Ottoltar: Friedrich Wilhelm IV. (KOaig von Preus&en). (Loreiu, O.: Staats- ninner «nd Gcschichtschreiber des neun- xebDten JahrhandcitB. Berlin: W.HcitK. &

S. 128-193.)

Friedrich Wilhelm Kronprinz des Deut- schen Reiches and von Pretu^en s. Fried« rieh III. Kai'^er von Deutschlnnd.

Lorenz, Otiokar: Freiherr von Friesen, Graf Beiist o. Graf X it/thtim. f Loren*, O.: Staatsmänner und Go^ohichtSLhrciber des neunzehnten jahrliundcft». Berlin: VV. Hertz. 8. S. 194—215.)

Ryjsel, V.: Otto Fridolin Fritzsche, ge- borea den 33. September iSia, gestorben den 9* MMr* 1896. (Theologbehe Zehsehrift aus der Schweiz. XUI. Jahrg. 1896. Zllricil : A. Friclu & S. 108—123.)

Lorens, Ottolart Ein Lebendanf tob Ju- lius FröbcL fLoroiv , n. : Staatsmänner und Geschichtschrciber des neunzehnten Jehrbnndertt. BerUn: W. Hertc 8. & 143 -255-)

Ziehen, Jul.: Robert Fröhlich, geb. am 19. lOrs 1844, gest. an 2% M«i 1894. (Aus: Jahresber. üb. d. Fortscbr. d. class. Altcrturoswiss.) Berlin: S. Calvary & C.

(6S.) 8.

Friedrich, Job.: Jakob Frohschammcr. Ein Pädairoj^c unter den modernen Philo- sophen. Einfuhr^' in das philo»opbisch- pUdagog. System Frohs- bammeri. Fflrib: G. Rosenberg. (V, 9S S.; 8.

Gucns: Emil Frommel f. (Militär-Wochen- blatt 9l. Jahrg. Berlin: E. & Mittler & Sohn. 4. Sp. 2621 2625.)

11 B.-G.: Ludwig Gabillon. Geb. zu Gü- strow, 16. Juli 1825; trett* sn Wien. 13. Fe- bruar 1896. Fericn-Erinnerangen. (Bioji^ra- phische BUUter. Bü. U. Berlin: E. llof- mann ft C. S. & 979—984.)

Pieper, Herrn.; Der mhrkischc CTirnni-t Zacharias Garonetifl(-GarU). TL i. Leben des Garcaeus. Profr. Berlüi: R. Gacrtner. (21 S) 4. [Wi«:«en-cliaftl. Reil. /. Jabrc-N. der zweiten Stüdt. Realschule zu Berlin. Ostern 1896.J

Goriz s. Garcaeus.

Petermann, Theodor: Franz Ludwi;; Geb« und die Gt*he-St?ftung. (Jahrbuch d. Gchc- Stiftung zu Dresden. Bd. L Mit u. Bildn. ▼on F. L. Gehe. Dresden: v.ZabnftJaenaeb. 8. S. V l ATl.)

Steig, ReinLoId: Aus Emanuci GcibelS Jogendadt. (Euphorion. Bd. 3. Jahrg. 1S9& Bamberg: C. C. Büchner. S. S. i;; 27.)

Mayer, Hermann: Johannes Geiler von Kay- sersberg, hauptsScbUeb in leinen BetieKim- gin 7-11 I rei!>ur',' i. Br. Mit Nac!il<i!dij[ti. alter Holzschnitte und Zierleisten. (Schau ine Landl 33. Jahrlanf dea Brdagav-Vcr- eins. 1896. Freiburg i, Br.: gedr. L d.Uni- vcrsitatsdr. 4. S. l - 17.)

Ott, K.: Ueber Mumers Verhältnis zu Gel- Icr M urner.

Bell es heim, Alfons: Eine neue Biographic des Cardinal-Erzbischofs Johannes v.Gcis- acL (Historbch-polit. Blätter f. d. kathol. Deutschland. Mihn liLii: Koiiiinv. d. Üternr.- artist. Anstalt. S. lUi. 117, S. iqi -201, Bd. 1 18. S. 827—836.^

Pfülf. mto: Cardin.il v. Gcisscl. An^ seinem handschnftl. ISachiass geschildert. 3. (Sehluss-) Bd. Freibttrg L B.: Herder. 'XVI, 675 S.) s.

Slieler, J.: Christian FUrchtcgott Geliert. (Scieler, J.: Lebensbilder deatsefaer lUnner u. Frauen. 2. Aufl. Glogau: Flcmming. 8. S. 120—136.)

Georg der Fromme, Landgraf m Heesen.

der Stifter di-s Hes-en -T^.nni-tiidti-clien Regentenhauses. Dcuksciinlt zur Eriunc- rmig an den vor 300 J.ihrcn, am 7. Pebr. 1596, vcrstorb. Fürsten, vi i oifcTitl. v. dem histor. Verein f. d- Grosslierzoi^t. Hessen* Mit dem Portr. d. Land^^r lün, den Abb. des Paradebettee, des Leichenbegängnisses und des Denkmals in der Stadtldrcbe zu DaruLstadt, sowie I Stammtaf. Dannstadt A. Bergsträsscr. (XXVI, 70 S.) 8.

Lorenz, Ottokar: Der (Jencral - .\djutant Leopold von Gerlach. (I.orcnx, ().: StaatsmSnner und Gcschichtschreiber des ncunrchnt. lahrhuodert». Berlin: W.Hertz. a. S. 156 ly.v)

K rt h 1 e r , Joh. Aug. Ernst : Traugott v. Gcrs- dorffs Reise durch das Erzgebirge i. J. 1765. Nach dem dabei geführten Tage- buche bearb. (Ans; Glttekaiif.) Sehnee- ber^: (B. F. Goedeche & R. Unger.) (36 S.) 8.

Lena, Max; Floriaa Gejrer. (Preusaisehe

JalitbiirliCT. Ba.84. Berlin. S. S. 07 - I27.) Schienther, Paul: Geschichtliches Uber

Florian Geyer. (Sonntagsbeilage No. f zur

^'<)ssischcn Zeitung. Berlin, d. 5. Januar.) Ein Soidatenlebcn. General der Infanterie

Adolf V. Gmaer. (Milittr^Wochcnblatt,

Digitized by Google

6o*

Biographische Bibliographie.

8i. Jahrg. Berlin: K. S. Mittler & Sobn.

4. Sp. 2869— 2S7 V)

Genend Neithardt von Gneisenau als Be- werber um die preussische General - Post- mcisterstelle. (Arcluv f. Pn-t u. Tckgraphie. Beihefte zum Amtsi-litt des Reichs-Po8l- amts. Jahrg. 24. Bcrüji. 8. S. 1 5.)

C'lcmen, Otto: Johann Pupper von Goch. Leipfif,': Dun< kcr & Humblot. 'X, 2<)0 S.) 8. [Leipziger Studien aus d. Gebiet der (leschichte. Bd. II. H. 3.]

Zur Würdi^unf^ des Dichters Cuido Görres. (Historisch-politische Blätter f. d. kathol. Deutschland. Bd. 1 18, Mttnchen: Kommv.

d. literar.-artisL Anst. 8. S. 776—779.) Meyersi J.: Guido Görres. Beiträge sur

Geidilehte adnes Lebent und Wirkens. Sehulprogramni.

Sepp» J. N.: Jakob Joseph Görres. Ber- lin: E. Holraann C (XV, aoS S, mit Bildn.) S. [Gciste9heldCD. Bd. aj. (IV. öammlg. Bd. 5.)]

Hermann, Emst: GOtheB Matter in ihrem alttcstamentliche» Cottvertraucn. (Päda- gogisches Archiv. 38. Jahrg. 1896. Oster- «jeelc i./Hars: A. W. Zickfeldt. 8. S. 4S3 -487.)

Stieler, J.: Frau Elisabeth Goethe. (Stic- 1er, J.: Lebensbilder deutscher Männer n. Frauen. 2. Aufl. Glogau: C. Flcmming. 8.

Goethe als Krziehcr. Ein Wort an cman- cipirte Frauen. Von einer Frtti. Mlüiehen: A. Schupp. ^32 S.) S.

Bielschowsky, Aib.: Goethe. Sein Leben und seine Werke. (In 2 Bdn.) Bd. i mit

e. Photograv. (Goethe in Italien v. Tisch- bein). München: C. H. Beck. 8. (VIII, Sai S.)

Büchner, Wilh.: Goethes Beziehungen zu Eisenach. Eisenach: U. Kahle. (14 S.) 8. [Beitrflge rar Geschichte Bitenaehs. IL]

Erdmannsdorfer, B.: Kleine Bcifrä;:^e zur Goethe -Biographic. (Neue Heidelberger Jahrbticher. 6. Jahrg. Heidelberg: G. Koe- stcr. 8. S. 187—210.

Habich, Georg: Goethes Erziehung zur bildenden Knnst (SonntagsbeiL No. 40 1. Vossisdien 2cittuig. Berlin, den 4. Okto- ber.)

Landmann, K.t Goeflieim Liebted. Gegen- wart. I. II (Goethe und Gustav Freytag). III (Goethe u. Richard Wagner). IV (Goe- the u. Grillparzer). (Pädagogisches Archiv. 38. Jahrg. 1896. Oiiterwicck i./Harz: A* W. Zickfeldt. 5?. S. 407—423, 487—504, 635, 726-741.)

Lavater's Aufzeichnungen Uber seine Reise mit Goethe n.ich 1'iiis. Mit^^'ctcilt v. Hein- rich i- unck. (Nord und Süd. Bd. 76. Bres- lau; & Sdiottlaender. 8. & 403—405.)

Lewe«, G. M.: Goethe« Leben a. Werke.

Aii'c i irtf Uebersetzung v. Dr. Jul. Frese. 17. Autl. 2 Tic. in I Bde. Stuttgart: C, Krabbe. (XXIV. 288 u, XII, 380 S.) 8. Müller, Gust. Adf.: Goethe in Strassburg. Eine Nachlese T-ur Goethe- u. Frieden kcn- forschunf,' aus der Strassburger ZciL Mit vielen ticucn Abb. Leiptig: W. Radestock. (V, 71 so s.

äclücuther, Paul: Goethes Epinienicic^. (Sonntagsbeil. No. 37 t. Vossischeii Zeitg, Berlin d. 5. Juli.)

Specht, Fritz: Goethe als Dikutor. (Sonn- tagsbeilage No. 31 z. Vossischen Zcitunfp. Berlin, d. 2. August.)

Stieler, J.: Johana Wolfgang Goethe. (Stieler, J.t LebentUlder deutscher Männer u. Frauen. 2. Aufl. Glogaa: C. Flemmiog'. 8. S. 7—50 m. I Bildn.)

Wasserzieher, E.; GoethestKtten In Frank- furt ,1. M. fCeiitral-Organ für die Tntercs-cn des Realschulwcsens. 24. Jahrg. Berlin: Prfedberg & Mode. 8. S. 577—581.)

Söffe, Krail: Ludwii; Goldhann. F.in T-e- bensbüd. (L. Goldhann's Leben u. Werke. Mit c. Geleitsworte von Fn. Goldhann tu e. Lebensbilde des Dichters von E. Sofie. Hrsg. V, deutschen Journalisten- u. Schrift* steller-Ver. f. Mähren U.Schlesien. Brilon: (R. M. Rohrer.) (XIII, 251. S. in. Bildn.) 8.

Kilinn, Kuf,'cn: Friedrich Wilhelm Gotter. (Uiographischc BUittcr. Bd. II. Berlin: £. Hofinann A C. 8. S. 157—

MQnz, Sigm.: Ferdirv.-tnd Grcgorovius und seine Briefe an Gräiin Eriili;i ("act.mi 1 .0- vatelli. Berlin: Gebr. Paetel, (IV, 221 S.; 8.

Grein?:, Rudolf ITcinrirh : Martin GreiTs gesammelte Werke. (Historisch-politische Blatter f. d. kathol. Deutsehland. Bd. 118. Manchen: Kommv. d. litenr.-«rtist AnsL 8. S. 857—864.)

Landmann, K.: Goethe v. GrillparMT «.

G n c t h L".

Stieler, J.: Die Gebrüder Grimm. (Stic- 1er, J. : Lebensbilder dentscher Mlaner n. Fr iucn. 2. Aufl. GIog«tt: C. Flemming. 8*

S. 154-170.) Conrady, E. v.: Leben nnd Wirken des

Generals Jor Tnf uitcrii.' u. komin.uidircnilen Generals des V. Aimcckoips Canl v. Grol- maa, Ritter d. hohen Ordens ▼. Schwer^ zen Adler in Brillanten. Gestorben .im 1 5. Septbr. 1843. Ein Beitr. s. Zeitgesch. d. Könige Friedrich Wilhelm HL tt. Friedrich Wilhelm IV. Nach archival. u. handschriftL Quellen verf. Tbl. 3. Von 1815- 1843. Mit e. Abb. v. Grolmans Denkmal auf d. Friedhofe zu Posen. Berlin: E. S. Mittler & Sohn. (V, 312 S.) 8. Rohde, E.: Friedrich Creuzer u. Karoline V. GttndMTOd« s. Creuser.

Digitized by Google

Biogiaphiache Bibliographie«

Schliebitz, Vikt.: Johann Quistiati Oun- yi«r. Ein Lebeusluld zur aoosten Wieder» kehr von Güntbcr's Geburtstage. 1695 1S95. Stfiegau: Ph. TschOmer. (UI, 50 S.; 6.

Dam mann: Karl Günther. Ein Lebensbild» (Ceh. Mcdicinalrat Professor Karl Wilhelm Adalbert Günther, geb. 28. Juli 1^22 tu Haaaitvcr, gcst 13. Jtdi 1895.) (AfdiW f. wis^D schaftliche und praktische l'hierJieil- kiiode. Bd. aa. Berlin. & S. VIl~XVUI.)

Ackerttann, Karl; Dr. Johamief Gmid- lach. I.cbcn-sbild eint-s deutschen Natur- forüchcrs auf der Insel Cuba. (Aiu: Ab- haadlgn. o. Beriebt d. Verein« für Natura kundc zu Ka>selO Ka-scl: Stlbstv. (12S.) 8.

Sclir«der, Bruno: Händel. Leipzig: Ph. Rcdam jun. (103 S.) 8. [Musiker-Biogra- phien. Bd. 19. K Untvcnal -Bibliothek No. i497.]

Fiscber, wUh.: Aas dem Leben n. Wirken e. interessanten Mannes. (Cari Hagcnbeck.)

Hamburg: (J. Brüse.) (64 S. vn. Bildn.). 8.

Wurm, Paul: Pbpp Matthau» Hahn, weil. Pfr. (Hahn, Ph. M,; Betrachtungen und Predigten tib« r die sonn- u. feiertäglichen Evangelien. . . Mit Hahns Bildn. u. Le- bcntbcschrcibung, nebst e. Charakteristik seiner Pcrsönllt hkcif u. seines Wirkens V. P. Wurm. 8. Autl. Basel; Jaeger Koler. (XXIV, S87 S.) 8.)

Knackfuss, H.: Franz Hals. Mit 40 Abb. von Gemälden. Bielefeld u. I..etpzig: Vel- hagcn & Klaitng. (2 BL. 60 S.) 8. [KOnst- ler-Monngraphicn. XU.''

Dilkcl, Friedrich: Der jun^c Hamcrling. (Die Greniboten. 55. Jahrg.mg iV. I^eip-

F. \V. C w. S, S. 404 415.)

Lemmcriuiiycr» Friu: Persönliclie Er- unernngen an Robert Hamerling. (Deut* f>chc Revue Ub. d. gcs. nationale Leben d. Gegenwart. Jahrg. 21. Bd. 3. Stuttgart, Lcip^i^, Berlin, Wien: Deutsche Verlags- anst. 8. S. 177— 187. 307— 317.)

Rabenlechner, Michael M.iria r Die ersten poetischen Versuche Hamcrlings. Zur Geschichte seines Zwettler Aufentli.ilts. H^mburgr Vcrlaj^sanst. & Druckerei A.-G. (32 Ü.) 8. [ijammlung gemeinverständl. «ittCBtchallL VortrSfe. N. F. Ser. 11. (H- 245 )]

Lange, Gustav: Dr. Friedrich Hardeck f. (Angemcinei itatistiseiica Archiv. 4. )ahi^.

TüMnjjen: II. T.aupp. S. 378— 3S2. Baach, Alfred,: 'Barbara Uarscherin', Hans

Saehaens swehe Frau. Beitrag lo e. Bio-

g-raphic des DI» hter>. Nanbargl Ph,

Raw. (iiaS. mit 7 Abb.) 8. itelelie, Emil: Hans Saehtent twdte Frati

(d. I. B.Trbara Harscherin). (SonJitaf;slici- lagc No. 39 zur Vosaischen Zeitung. Ber- lin, d. 27. September.)

Eucken, Rudolf: Die Lebensanschauung H^eto. (Sonntagsbeil. No. 42 z. Vossi- schen Zeitunf^. Berlin, cl. 18. Oktober.)

Fuchs, Gwü. Heini Heim. (Das Werk des Malers Heinz Heim. Hrsg. Geo. Fuchs. Mit Titelzcicluuinf^ u. Init. v. Jos. Sattler. Berlin: J. A. Stargardt. (23 S. mit Abb. tt. ai TaT.) a.)

Brandes, G.: Ludwig Börne u. Hebte a. Börne.

Hoff er, HennaBBt H. Heiae uBd Emst

Christian August Keller. Mit Idslier un-

gedrackten Briefen Ueine's. (Deutsche

Rundschau. Bd. 8& Berltai : Gebr. Paetel.

8. S. 126-^137.) jnngmann, Max: Heinrich Ueiae ein

Natiooaljude. Eine kritische Synthese.

Berlin: J. Cronbach. (48 S.) 1 Bd. 8. Kaufmann, Dav. : Aus Heinrich Heine's

Ahnensa.il. Breslau: Schles. Buchdr. (Xll,

312 S.) 8.

Poritzky, J. K.: W ie sollen wir Heinrich Heine verstehen. Eine psychului^ische Stu- die. Berlin: C. Duncker. (83 S.) 8,

SchUddekopf, Karl: Prin? Heinrich und die deutsche Literatur. 1.- Iii. (Sonntags- beilage No. 3, 4, 5 zur Vossischen Zeitg. Berlin, d. rq., 26. Jann ir, 2. Febr.)

Fabricius, Hans: Der Parteigänger Fried- rich V. Heliwig und seiae Streätflge, im kriegsgeschicht). Zusammcnhanffc betrach- tet. Ein Beitr. sur Geschichte des kleinen Krieget in den Jahren 1792—181$, unter Bcniitziini; irrhiv.al. Quellen I>e.irb. Mit 2 Uebersichts-Skixxen. Berlin: A. Bath. (IV, 260 S.) 8.

l. pstein. .S.: Hermann V. Hclmholtr, als Mensch u. Gelelixter. (Aus: Deutsche Revue.) Stuttgart: Deutsche Verl.- Anstalt. (9a &) 8.

Kusch, E.: C. G. J. Jacobi u. HelmholU auf dem Gymnasium s. Jacobi.

Heanlag, J. W. M., von 1827 bis 1851 Di- rektor des kfini;:!. Schullehrcrseroinars in Kösliii, ein ^cliUler 11. JtJngcr Pest.olozzis. ZUye iu> dem Hilde seines Lebens und \\ irkens. Dansig: R. Barth. (47 S. mit Bildn.) 8.

Keiirici,Dr., Reichsgerichts-Scnats-PrUsident

a. !>.: Au^ den I .el)en>orinTieruni:ren eines Sichieswig -Holsteiners. (Deutsche Revue flb. d. ges. nationale Leben d. Gegenwart. Jahrtr. 2r. I?d. 3. Stuttp;^art, Leipzig, Berjin, Wien; Deutsche Vcrlagsanst, 8. S. 28 44, 218—232, 333—34«.) Bartholomiii, Fr.: Joh. Friedr. Herhart. (J. F. Herbarts pädagogische Schritten. Mit Herbarts Biographie hrsg. v. Dr. F. Bartholomäi. 6. Aufl., neu bearb. u. mit erläuL Anm. versehen von Dr. E. v. iSall- wflrfc. Bd. I. Langensalsa: II. Beyer ftStthne,

Digitized by Google

6a* Bit^raphiBcbe Bibliographie*

S.) [Bibliothek p ulagogischcr Klas&iker. Bd. 8.]

Herborn, «. St fy r.

Herbst, l,ml\vig l'crdiniUid, geb. den 30. Juni tSll, gest. den 23. Novbr. 1894. Nekro* log-c V. A. Schöne u. All). MilUcr. (Au'?: Jiibrcsi»er. üb. d. Fortschr. d. classischen Altertumswiss.) Berlin: 8. Calvuy & C. (II S.) 8.

Bloch, Dav.: Herder aU Aesthetiker. Ber- lin: Mayer & Mflller. (48 &) 8.

Fi rmcnich-Kicharts, £du.ird: WinCim V. Herle u. Herauuin Wynrich v. Wesel. Eine Studie sar Geicblehte der altköln. Malo^rhule. (Aus: Zeitschr. f. christliche KuDst.) Dilsseldoir: L. ächwaon« (84 Sp. mit 4 Abb. n. 4 Liehtdr.) 4.

Müller, Toliatina: Erinnerungen an All>ert V. Hermann. Wien: A. Hölder. (88 S. m. 3 Bildn.) 8.

Burd.ich, Konrad; Rudolf Hildebrand. Worte der Erinnerung, gesprochen bei der Einweihung seines Denkmals auf dem Jo- hannisfriedhof in Lciptig am 13. Oktober 1895. (Euphorien. Bd. 3. Jahrg. 1896. Bam- berg: C. (*. Buchner. 8. S. i 7.)

Wolff, Eugen: Rudolf Hildebrand. (Zeit« sclirift f. deutsche Philologie. Bd.a8. Halles Waiseniiaus. S. S. 73 79.)

Hastencamp, R.: Chr. Mart. Wieland und Katharina v. Htllcrn s. Wieland.

Litsmann, Bertlu: Hölderlin. (Hülderlin'& geiaatmelte Dichtungen. Nea dvrchgec u. verm. Au«:p^. in 2 Bdn. Mit biograph. Tin- leitung hrsg. v. B. LitzmaDD. Bd. I (mit Bildn.). Stuttgart: J. G, Cotta Nach/. 8.) [Cotta'sche Bibliothek der WdtUtttntnr. Bd. 374.]

Wilbrandt, Adolf: Priedrieh RIHderlia.

Fritr Reuter. 2. Aufl. Berlin: F. ITofm.mn & C. (155 S. u. 4 Bildn.) 8. [Gei»te*- helden. Bd. 3. (T. Sanimlg.)] H ü 1 h r o c k , Adb. : Eine Erinnerung an HofF- mann v. Fallersleben. Leipzig, München: A. Schupp. (16 .S.) 8. [Kleine Studien. II 20.]

Vocldci n-ln, ff, Ott.) Tih. v.: Fiu>t Chlod- wig zu liuhcnlohe. ^Biogiupinachc Blätter. Bd. n. Berlin: B. Hofmann C 8w S. 36

- 40.')

Kuacktuss, H.: Holbein dei jüiigcrc. Mit 151 Abb. V. Gemllden, Zeichnungen und Holrschnitten. T. o. Aufl. Bielefeld & Leipzig: Velhagen cV Klasing. (2 Bl* 152 S.| d Tafela.) 8. {Kflnttler - Monograpliien. XVTT.l

iiöcbsmann, Jobs: Johannes Ilunter, der RefomatoT SiebenbHrffeos und de» sieh*

sischen Volke?, l'in I ebcnsbild aus der I. ILilfte des 16. Johrh. Wien: C Graeser, (III, 124 S.»it Bildn.). &

Stielet, J.: Alexander von Humboldt. (Stieler, J.; Lebensbilder deutscher Männer und Frauen. 2. Aufl. Glogau: G Flem- ming. 8, S. 317—346.)

Gebhardt, Bruno: Wilhelm v. Humboldt als StJiatsmann. (Tri 2 Bdn.) i. Bd. Bis tum Auagang des Prager Kongresao. Stutt- gart: J. G. Cotta. (VUt 487 S.) 8.

Keller, Ludwij,': Neue Arbeiten tllicr Daniel Ernat Jablonsky. (Monatshelte der Come- nint-GeaeUscluift. Bd. 5. 1896. Berlin it Münster (Westf.): Verl. der Coneniut-Get. 8. S. io8~iio.)

KTaesala, J.? FOnfaig; Jahre im prevtmscben IT(ifprcdi>rcrdien>te. D. E. Jablonsk y. Vor- trag, gebalt. in der Aul« der Universität. (Ans: Acta et eomnentationet imp. mi- vcrsitatis lurievensis) JurjcAv; (Gieuto: Kommv. F. Ricker.) (23 S.) 8.

Kusch, Emst: C G. J. Jacobi und Helm- holtE auf dem Gymnasium. Beitrag sur Geschichte des Victori.i- Gymnnsinms zu Potsdam. Progr, Potsdam; (Leipzig: B. G. Teubner). (43 S. m. 3 Fkea«) 8.

Meister, Frau/.: Krinncrting an Johanne« Janssen. Drille, bedeutend erweit. Aull. Frankfurt a. M.: A. Foesser Nuchf. (XV, Sil S. mit I Bildn.) 8.

Dieraucr, Jobs: Georg Jennt«ch. Ein Vor- trag. 2. Aufl. SL Gauen: Fehr. (40 S. mit t Bildn. ^ 8.

Pfcitf er-Wcimar, L.: Zur Jenoerfeier des 14. Mai 1896. Medalllcii, Poitritt tt. Ab- hildfni, betr. F.. .Icnncr, die Variolalion, die Vaccination u. die Vaccine. Tübingen: H. Laitpp. (64 S. mit Abb.) 8.

Immermann, K.irl. Fiiie Gcdäclitiii?schrift cum 100. Geburtstage des Dichters. Mit Beitrugen von R. Fdlner, J. Geffeken, O. H. Geffeken, R. M. Mtyer u. Fr. Schultess. Mit I Fortr. Inunermanns in Photograv. 0. 1 T>iehtdr.-Taf. Hamborg! L. Voss. (VII, 220 S.) 8.

Arnold, Roh. F.: Karl Immermann. Ge- denkrede sur Centenarfeier des Dichters am 24. April 1896 in der Wiener deutsch- akadein. Lese- nnd Redehalle. Wien: M. Perle s. ;i9 S.) gr. 8.

Fei In er, Richard: Karl Immermann und (ii^ (l<.ut>clie ßulme. I. II. (Sonn tags beil. Mo. 17. it> zur Vossischen Zeitung. Berlin, d. a6. April, 3. Mai. )

Mcycr, Richnrd M.: Karl Immermann. (biogr.iphische Blatter. Bd. 11. Berlin: £, Hofinana & C 8. S. 107^113.)

Sander, Hem-i.; Die Ermordung dc'^ vorarl- bergischen KjTcishauptmanns J. A. v. Inder- muier (an lo. Aug. 1796) u. ihre Folgen.

Iiinvliiurk: W.if^cr. fX. 2«! S.) Magnus Jocbam's Erinnerungen, (llistorisch- politifche Blütter f. d. kathoL Dcutschlaad.

Digitized by Google

I

Biognqpliiiclie Bibliogimpbie.

63*

Bd. 118. München: Komtnv. der litcrar.- artitt Aast. 8. S. 554—562.)

Jlcinriiri.n eines Obskuranten. Eine f^elbst- biographie von Dr. Magnus Joeham, erzb. edtd. Kath, Lycealprofescor in Freisinn. Nach dem Toilc des Verf. hrsf,'. v. Prior P. Magnos Sattler O. S. B., Prior in An- dcelu. Kempten: J. KStel. (VI, 853 & mit Bildn. u. 13 Al.K.) S.

Kalk, K: Zar BiognpJuc des Johannes von Lytora. (Der KatboHk 76. II. Mains: J. Kirchheim. S. 437 454.)

Ucvesi, Ludw.: Wilhelm Junker. Lebcos- fcfld eines Afrikaforschers. Berlin: Weid- mann. (VII, 243 S. mit Bildn.) 8.

Winter, Fricdr. Ju\.: K.u] Friedrich Au- gust Kabnis. Ein thcoli>;,\ Lebens- u. Charakterbild, seinen eliemal. Schalern dargeboten. Festschrift zur Feier d. 50 jäh- rigen BestebcQs des theologischen Studen- tenvereins in Leipzig. DOfffling Francke. (IV, 98 S.) 8.

Sc han xenbach , O.: Jakob Friedrich Käm- merer von Ladwigsbnr; and diePhotpher^ nrcichhöl/er. Ein iieitm^ /ur Ccschichte des Ludwigaburgcr Gewerbes. Ludwigs- hmg: Bnehdr. UngeheMr Ulmer. (39 S.) 8. [Schanzenbaeb, O.: Alt-Liidwi|^baxg. (No. 5.)J

Sebttne, Gmtav Reimaim: Die Stell nng

Immanuel Kants innerhalb der geoj^T.iphi- schen Wissenschaft. (Altpreussische Mo- ttstssefarift 11. F. Bd. 33. Königsberg i. Pr. S. S. 217 296.) äiramel, Georg: Was ist uns Kant? I— III. (SonntagsbciL No. 31. 32. 33 zur Vossi- schen ZeitwDf . Berlin, den a., 9.» 16. An- gust.)

Vulpinus, Thür: Ritter Friedrich Kuppler, e. elsüssischcr Feldhauptmann aus dem 1 5. Jahrh. StrassburK: J. n. F. Ilcitf. (VIII, III S.) 8. [P.eitrugc 2. Landes- u. Volkes- kunde \. Klsass-Lothringen. H. 21.]

Kastner, Ed. Fed.: Aus meinem Leben, nebst losen Gedanken m, e. Gcleitsbriefe V. Anton Obon a. neuen Gedicbten. Mit 2 Portr. u. 2 Handschriften. (Erweit. Son- derabdr. aus: 'Böhmens deutsche Poesie o. Knatt*.) Wien. (Leipzig: A. Sebiüse). (108 S.) 8.

V. Paczynski-Xenczyn: Lcbeusbeschrei- bong des General •Feldmartdians Keitfi. 7.UT 2i>ojälir. Gedenkfeier meines Geburts- tages auf Veranlassg des Infanterio-Rcgi- raents KdA *(u Obenebles.)' Nr. 2a in 2. Auä. bearb. Mit 2 Bildn. in Lichtdr. Berlin : £. S. Mittler & Sohn. (69 S.) &

Hsffer, H.: H. Heine und Ernst Christian August Keller s. Heine,

Klaus, B.: Johann Michael Keller. (Klauü. B.: Gmüoder KUnstler 1. in: WUrttem-

bergische Vierteljahrshelte t l^ndesgesch. N. F. IV. Jabnr. 189$. Stuttgart: Dt.t.W.

Kohlhammer 1896. 8. S. 350 2^J.) Lorenz Kellner. (L. Kellner: Zur Piidagogik

der Schale and des Hauses. Aphorismen.

14. Aufl. Mit Rildn. u. Bio-vrnphie d. Vfs.

Essen: G. D. BMdckcr. 8. S. VU— XVI.) QVbtber, Sicgm.: Kepler^Salüd. Berlin:

E. ITofniann & C (VII, 233 S. m. 2 Bildn.)

8. [Geistesbeldcn. Bd. 23. (IV. Samml.

Bd. 4.)]

Schlee, Ernst: Christian Kirchhoff, geb. am II. Juni 1822, gest. am 23. Aug;. 1^04. (Aus: Jahresber. über d. Fortschritte d. class. Altertums wisa.) Berlin: S. Calvaiy C. (4 S.) 8.

ilumann, A.: l'rofcs^or Dr. Max Kleemann. Ein Lebens- u. ( h irakterbild. Hildburjg« hausen: Kcsselrin^. S. [S -hriften ile< Ver- eins für Sachseu-Meiuiugische Geschichte u. Landeskunde. Heft 20. III.]

Conrad, Herni.: Heinrich von Kleist als Mensch u. Dichter. Vortrag, geh. im Ca- sino der Raupt *Kadett«i- Anstalt (Dtbr. 1895). Berlin: II. Walther. ' ; 8.

Zimpel, Helene: Heinrich von Kleist und die Romantik. (Nord «nd Sflid. Bd. 77. Brt-slau: S. Schottlaendcr. ^. S.36<> 3<M.)

Dechent« Hennann: Goethes schöne Seele Snsanna Kadutrina von Klotteoberg. Bin Lebensbild im .Anschlüsse an eine Sonder- ausgabe der Bekenntnisse einer schönen Seele entworfen. Goäw: F. A. Pertiies. (VIII, 231 S.) 8.

Rieger, M.: Friedrich Maximilian Klinger. Sein Leben und Werke. Tl. 2. Klinger in seiner Reife. Mit e. Brief buch. Darm- stadt: A. BergstrMs.«tr. (XI, 6438.; 296 S.) S.

Michaelis, Carl Thdi : Gustav Adolf Klix. Breslau: F. Hilf. (72 S. m. Bildn.) 8,

Ho e r s ch el m :in n , F.: Andreas Knopken, der Retormator Kiga.-). Ein Beitrag zur Kirebengesch. Livlands. Leipzig: A. Del- chert. (XII, 257 S.) S.

Schlie, Frdr.: Ueber NikoUns Knüpfer a einige leiner Gemälde, besonders Aber seine 'Jagd nach dem Glück' (sog. Con- tento) in Mlincbcn u. Schwerin. Zugl. c. Beitvaip aar Bbheimer Firage. (Ans dem Schweriner Muscuin.) Schwerin: Bären- sprung. (IV, 32 S. m. 13 Lichtdr.-Taf.) 4.

Renner: Dr. D. Rudolf Kögel f. (Nach- ruf.) i'Kirchl. MoiMtstdirift. 15. NLii^dc- bnrg: £. Baensch juo. &. S. 699—717.)

Fanlus, K.t Conrad K9Uitt. Bin Tbeologe des 16. Jahrhunderts. (Zeitschrift für ka- tholische Theologie. 20. Innsbruck: F. Rauch. 8. S. 47 72.)

Jaden, Ilm- K. Frhr v.: Theodor Körner und seine Bniut. Kcirner in Wien. Antonie Adambergcr u. ihre Familie. Ein Beitrag

Digitized by Google

64*

Biographische Bibliographie.

mr Kttraer>Litteratur u. zur Geschichte des k. k. Hof burgtheateri in Wien. Dresden: Universum. (X, loo S.) 8. Lautenbscher, J.: Adolf Kolping «ib

Schriftsteller. Frankfurt a. M. : A. Focsser

Nachf. (28 S.) 8. [Frankfurter £citgcD)ässe

BlOtchUren. N. F. Bd. 17. H. i.] Wen fei, Johs: Adolph Kolpinjj, der Ge-

selienvatcr. Beiliu: Germania. (64 .S. m.

Bildn.) 8. [Katholische Flogiehriftcii tnr

Wehr 11. T.chr. Xo. 106.] Wciw.tl, Johs; Adolph Kolping's sociaJe

riiiiti^keit. Herlin: Germania. (I16S.) 8.

[K.itiioliscbc Fhit^schriften «ur Wehr n.

Lehr. Nu. 110. m.] Keidel: Tezel und (Konnd) Kraft in Ulm s. Tezel.

Krauer, J. G., der Dichter des Rtttli-Liedes und seine Zeit. s. Tenn. Anfl* Aaniu: H. R. S iiieriander C (vm, 358 S. ».

büdn.) 8.

Klota, JnLEfieli! MaxKreteer. EineSta-

die zur neueren Litteratur. DrCfldC&t E.

Pierson. (66 S. m. Bildn.) 8. JugenderitAcmnifeo eines dten Mtnnes (WU*

heim von Ku^jclgcn.) 17. Aufl. Berlin:

Besser. W. Hert*. (YUI, 49« S.) 8. Kfihn«, Rithe: TiH^ebncbblitter, besehrieben

wnhrend der J. 1891 bis 1S95 in Stldafrika.

Berlin: ETaogel. Missionsges. (110 ä. m.

Abb.) 8.

Golther, Wolfj^anj^: Nacliruf auf Ludwig Laistaer. (Biographische Blätter. Bd. U. Berlin: E. Hoftnann & C 8. S. 303—

209.)

Paulas, Nik.: Luthers Lebensende u. der Eislebener Apotheker Jobann Landau s.

Luther.

Lavaters Aufzeichnungen Uber seine Reise mit Goethe nach Ems s. Goethe.

Kronenberg, Morits: Leibniz als Politi- ker. (RonntafT^bfilnge No. 26 zur Vossi« sehen Zciiung. Berlin, d. 28. Juni.)

Sit};erist, Georg: Leibniz u. das geistige Berlin. (Sonntagsbeilaj^c Xo. 2f- ur Vossi- schen Zeitung, lierlin, d. 28, juuij.

Ernst, A. W.: Lenau und Sophie Schwab. Mit ungedruckten Briefen Lenaus. (Die Grenzboten. 55. Jahrgang. IL Leipzig: F. W. Grunow. 8. S. 313— 3*8.)

Reinbeck, Emilie v.: Aufzeichnungen Uber Leaaus Erkrankung 1844 1846. (Lenau, ftik,: Briefe an Emilie v. Reinbeck und deren Gatten Georg v. Kcin>icck 1844, nebst Emilie v. Kcinbccks Aufzeich- nungen ttb. Lenaa't Erkrankung 1844«— 1846, nach d. prossentcils ungcdr. Orig. hrsg. V. Anton Schlossar .... Stuttgart: A. Bont & C 8.)

Buchholtx, Arend: Wie Moh Lenz und Voss um das Kektoramt in Riga bewarben.

(Sonntagsbeilage No. 10 zur VofUSCbeni Zeitung. Berlin, d. 8. Märt.)

Brasch, Mor.: Gotthold Ephraim Lessifig. (G. E. Lessing's Werke in 6 Bdn. M. e. biogr. Einleitung v. Dr. Mor.Brasch. Leip- zig: G. Fock. 8.)

G rucker, Emile: Lessing. (In französ. Sprache.) Nancy: Beiger LemuU & C. (XVI, 666 S.) 8.

Nieten, Otto: Leasings religions-philoso- phischc Ansichfen l -^ 7, J. 1770 in ihrem bistortschcu Zus.iu iiiinhang u. in ihren lüstorischen Beziehungen. Xebst Anh.: GrundztJg^c von Lessings Rcligionspbilo- sophic. Dresden: J. Naumann. (96 S.) &

Ernst, Adolf Wilhelm: Heinrich Leuthotd als Essayist. (Nord u. Süd. Bd. 76. Bres- lau: S. öchottkender. 8. S. 95— 116. 169 -195.)

Eid, Ludw.: Marimnc v. der Leyen geh. V. Dalberg, die 'Grosse Keicbsgrähn' des Westriebt Gcdenkblltter. Zweibrttcken: M. Ruppcrt. (120 S. m. 2 Portr., $ An- sichten, 2 Plänen u. i Kt.) 8.

Walther, Lina: Bttrgenn«blcr Benjamin LieberkQhn. Ein T^bensbild aus Halber» Stadls Vergangenheit. Gotha: G. Schloess- nann. (V, 184 S.) 8.

Seilers, Edith: Wilhelm Liebknecht, thc Veteran Icadcr of the German socialists. (The fortnightly reriew. VoLLDC. Lon- don. 8. S. 997- ichdS.)

Schönbach, Anton E.: Ueber den steiri- sehen Minnesänger Ulrieb von Lieebten- stein. (Biographische Blatte; H l II Ber- lin: £U Hofmann &C S. S. 15—36.)

Ebart, Patd. r,: Berahard August v. Ua- denau. Mit 3 Bildnissen Lindenaus und 3 Ansichten. Gotha: StoUberg. (VII, 196 S.) 8.

V olger, Frz: Bernhard V. Lindenau als Gelehrter, St.iatsmann, Menschenfreund u. Förderer der schönen KUnste. Ein Lebens« bild. Altenburg: O. Bonde» (III» I16S. m. 7 Abi,.) 8.

Müller, Jobs: Liücow und die Bibel. Kö- nigsberg; Härtung. (42 S.) 8. (Festschrift imn 70. Geburtstage Oskar Schade dar^c- bradbt t. seinen Schulern u. Verehrern. Königsberg: Härtung.)

Zum einundachtzigsten Geburtstage d. König- lichen Obersten z. O. H(einrich) v. Löbell. (MiUtlr-Wocheablatt. 81. Jahrg. Berlin: E. s. Mittler & Sohn. 4. Spalte «849'

2854-)

Wolters, Paul: H. O. LolUng, geb. an

23. Novbr 1^4^, gest. am 22. Febr. 1804. Nebst Verzeichnis der Schriften Lollings. (Ans: Jahmber. üb. Fortsehr. d. elasi. Altertumswiss.) Beriin: S. Ca] Vary 9t C (38 S.) 8.

Digitized by Google

Biographische Bibliographie.

65*

Btek, W.; Dr. K. J. LorloMr, Regierungs>

u. Gclieiincr Mcdirinal-Rat. Sein Leben Ii. seioe Verdiemte um das Tumeo. Zur loojährigen Wtodokdu tettm Geburls- t^^^cshcarb. Oppelnt G. Maske. (¥,438. OL blido.) 8.

Stam per, Georg: Uwe Jou Lornsm. Zur EriDneruDg an einen deutschen Patrioten. (Biogisph^e Blatter. Bd. II. Berlin: E. Hofiräans A C 8. S. 196—203.)

Duncker, Carl t., Oberst: Aus (Gideon) Loudons Leben. (Oesterreich, milifriri- sche Zeitschrift. 37. Jahrg. Wien; W. Brau- mUiler. 8. Bd. i. & 97—191. 266—984. Bd. 2. S. 1- 76.)

Lorenz, Ottokar: König Ludwig II. von Baiem. (I.orenz, O.: Staatamtoner und Geschichtschreiber des neunzehnten Jahr- hunderts. Berlin: W. Hertz. 8. S. 264

König, Bruno Emil: Vor 90 Jahren. Die Schreckenstage von Saalfeld a, S. u. der Hddentod des Prinsen iMdwlg Perdteaad V. Preassen. (10. Oktbr 1806.) N.nch den gediegensten, zuverlässigsten u. seltensten Ittstor. Qttdlen daijgestellt. MebiiDgent Junglianss & Koritrer. (45 S. m. aciligedr« Skizxen u. 2 Lichtdr.-TaC) 8*

Seidelbaeli, Hans: Prin»*Regent Luitpold . Bayern. E. vaterländ. Geschichtsbild. M. zaiUr, Abb. Volks- u. Schulausg* des gleidmam. Prachtwerkes. Ifttnehen: Rcf« delbach. (304. S.) 8.

Haasrath, A.: Luthers Bekehrung. (Neue Heidelberger Jahrbücher, 6. Jahrg. Hei- delberg: G. Koester. 8. S. 163- 186.)

Kleis, J. A.: Luthers 'heiliges Leben' u. 'heiliger' Tod. A. d. Norweg. über;», v. J. Olaf: Mains: F. Kiiddaein. (Vm, 248 S.) 8.

König, Gustav, u. Köstlin, Juliu>. Martin Luther. Dem deutschen Volke geschildert in 48 bildlichen Darstellunfjen (v. G. Kö- nig) und in geschichtlicher Ausführung (v. J. Köstlin). 35. Tausend der König' sehen Bilder. Berlin : Reuther & Reichard. (IX, 108 S., 48 Taf.) 4. (8.)

Kremers, Herrn.: Martin Lutil^i derdent. sehe Christ. Leipzi>: C. Rratm. (S S.) [Flugschriften des Evangelischen Bundes. Heft tas.]

Paulus, mk. : Luthers T,e1>ensende u. der Eislebener Apotheker Johann Landau. Mnntt F. Kiichheim. (IV, 25 S.) 8.

Rein , Wilh.: Das Leben D. Martin Luthers, dem deutschen Volke erzählt. 2. [Titel-] Anfl. Leipsig: G. Reichardt. (X, 209 S. m. Bildn.) 8.

Schäfer, E.: Luther als Kirchenhistoriker. Ein Beitrag sor Geschichte der Wissen- sdiaft. TL t. Rostocker Inangn «Dis-

BiDfT. Jateb. a. Daaiatfh«- Hakiatof .

scTtath». Gvtennloli: C Bendsmsiia. (aBL,

110 S.) s.

Lysura s. Jobannes v. Ljrsura.

lÄUsier, I. Staatsanw., Hauptm. a.D.: Tage- buch aus dem französischen Kriege F. die Zeit vom Ausmaisch bis zur Waffenruhe. Magdeburg: HeiBi{chs1iofen*s Sort (V, 268 S.) 8.

Roch oll, R. D.: Der Freiherr (Friedrich) von Malzahn. (Sep.-Abdr. ans d. Neoen kirchl. Zs.) Ldpsig: A. Dciekeis. (II,

18 S.) 8.

G o 1 d s c h m i d t , Henriette : Bertha v. Marmi- hOlts-BüIow. Ihr Leben und Wirken im Dienste der Erziehungslehre Friedrich Frö- l>els. Hamburg: Vcrlagsanst (54 S.) 8. [Sammlung genkdnTerstindUeher wissen- schaftlicher Vorträge. H. 239.]

Aus den Jugendjahren Maria Theresias. (Zum Geburtstage der grossen Kaiserin.) (Oester^ reichische militärische Zeitschr. 37. Jnhrg. Bd. 3. Wien: W. Braumüllcr. 8. S.97 107.)

Loesehe, Oeo.: Lebensgeseliielite des Jo- hannes Mathcstus. (J. Mathesius: Aus- gewählte Werke. Bd. 1: Leichenreden. In Attsw. hrsg., erL u. eingeL m, e. Lebens- gesch. d. Matliesiu> v. Dr. Geo. Loesehe. Prag Wien: F. Tempsky; Leipsig: G, Frey tag. 8.) [Bibliothek deutscher Schrift- steiler aus Böhmen. 4.]

Walthcr, Wilh.: Johannes Mathesius. (Theolog. LitemtnibL 17. Jahrg. Leipzig: 1 Dörffling & Franke. 4. Sp. 97^99.)

Klaus, B.: Johann Michael Maucher von Gmünd. (Klaus, B.: GmOnder Künstler. L in: Württembergische Vierteljahrshefte f. Landesgeschichte. N. F. IV. Jahrg. 1895. Stuttgart: Dr. V.W. Kohlhammer. 8. S. 247 250.)

Roth, F. W.: Nikolaus Maurus. Eine bio- graphische Skutc. (Theolog. Studien u. Kritiken. Bd. 69. GoOta: F. A. Perthes. S. S. 60-74.)

General der Infanterie (Oskar; Frh. v. Meer- scheidt-HuUesem f. (Militär-Wochenblatt 81. Jahrg. Hcrlin: E. S. Mittler & Sohn. 4. Sp. 393 390.)

Sebnlthess, Otto: Konrmd Meietwhaai.

(Aus: Tnhrcshcr. tib. d. Fortschr. d. clas3. Altcrtumswiss.) Berlin: S. Calvary & C. (10 8.) 8.

Philipp Melanchthon, der Lelirer Deutsch- lands. Ein Dank- u. Gedenkbüchlcin zum 16. Febr. 1897. Kaiserswerth: Diakonissen- Anstalt. 136 S. m. Abb.) 8. [Geschicliten und Bilder fürs deutsche Volk. No. 25 —«7.]

Buchwald, Geo.: Plnlipp Melanchthon. Eine Schildcnmg seines Lebens u. Wirkens in Wort imd Bild, der dentscben Jugend •daigeboten. Leiprigt Richter. (94 S.)

e

Dlgltized by Google

66*

Biographische Bibliographie.

GttstftT, G.t Philipp ll«taaelith«tt. Bin

Lebensbild f. juii}J vi. ilt zur Feier seines 40ojähr. Geburtstages. üresLau: G. Sperber. (IV, ro6 S. mit 3 Abb.) 8.

Joidan, Ricli.: Pliilipi) Mclanchthod, der Lehrer Deutschlands. Ein Lebeiu>bild aum 40ojähr. Geburtstage de» RefoRMtOtt. Fir Scluilc 11. II.ius. DnrÜDlIDd: P. W* Rullfns. (94 S. mit Abb.) 8.

Kaiser, Paul: Philipp Helaaehtlioii, Deutschlands Lehrer. Zur Jubelfeier sei- nes4oojähr. Geburtstages (i6. Febr. 1897). Dem dcutscheo evangel. Volke dargeboten. Bielefeld: Vdhagcn & Kleting. (7SS. mit Bildern). 8.

Nebe, A.: i'hilipp Melanchthon, der Lehrer 1' n hlands. Bielefeld: A.Ilclniich. (39S.) 8. inirnlung pidagogiffther Vomige. ßd. iX. il. 7.j

Pe trieb, Heim.: Melanchthon - BuchldB» d. i. Leben'Jj^esch. de- Magisters FMiilippu-?, Dr. Luthers getimcu Mitrcformatorb. Zum GedSehtni* seines 40O)Mhr. Geburtstages, den t6. Febr. 18971 cvnng^cl. Christen- gemeinde aufs neue ertählt. Mit Vorwort ▼•D.EmilFromiiiel. Anldeni; A.Sdiiiiidt (16 S. mit 4 Bild.) 8.

Po lack, Friedrich: Philipp MeUachthon, Deutschlands Lehrer und Luthers Freund u. Milbelfer. Bilder aus seinem T.ebc'i u. Wirken. Zur Jubelteicr von Mclanchtbous 40ojähr. Geburtstage (16. Februar 1S97.)

Wiltcnl.erg : R. I levrose. (107 S. in. Abb.) j;.

i'eici Mclandcr im dreissigjlüirigen Kriege. (Historisch-politische Btttter f. d. kathoL Deutschland. Bd. 118. Münclicn ; Kommv. d. iiterar.HU'tist Anst. 8. S. 168—179.)

Komm, Mich. Fd., Bisch. Dr.: Gedlchtniss- Rede auf Se. Eminenx den Kardinal Paulus Melchcrs, geh. Im hoben Dome zu Köln am 27. Dczbr. 1895. Trier: Paulinus-Dr. (16 S.) 8.

Kihn, Heinrich: BrUfjjje u. Hans Mcmling, ein UeuUcber Maler. (iitäturt»ch puliüsche BlMtter f. d. kathol. Deutschland. Hd. 117. München : Koniniv. der HterRr.-artist. Anst. 8. S. 157-176, 237^352.)

Simon, Heiniidkt Felix Mendelssohn als Student. (SonntagsbeiL No. 52 z. Vossisch. Zeitung. Berlin, d. 27* Detbr.)

Dorge rl o h , A. : Adolf Mensel. Zu dem Ld>cn des Künstlers. 8. (Vrr/cichnis dc-r durch Kunstdruck vervielfältigten Arbeiten Adolf Measels. BetehiicbeA von A* Dorgerloh. Leipzig: E. A. SecnuiB. 8. & XU^XVI, mit Bildn.)

Lorens, O.: Staatsminner und Gesehichts» Schreiber des ncunsehnten Talirhonderts. Berlin: W. Herta. 8. S, 1—94.)

Loebell, Rieh.: Der Anti-Neeker J. H. Merdu und der Minbter Fr. K* v. Moser.

Ein Beitr. tur Beurteüiing J. H. Mereks*

Darm<;tadt: A. KUngdhocSi» L K. (III,

55 s.) 8.

V. Meytenbwrg-Rauseh, Frans Anselm, Bor*

germcister: Lebcnscrinncruntjcn. (17S5 bis 1859.) I. Hälfte. Schaff hAusen: C. Schocb in Komm. (II, 31 S. mit Bildn.) 4. [Neo- jalirsbl.itt dej. historisch-. mtiqu.irischcnVer- eins und des Konstrcrcins in SchafThaitaeo für 1896.]

Frey, Adolf: Conrad Ferdinand Meyer. (Neue Züricher Zeitung v. 11. Okt. 1895, zum 70. Geburtstag des Dichters. Auch in: Biographische Bliitter. Bd. II. Berlin: E. Hofmann & C. 8. S. 41 45.)

Zaddach, Gustav: Emst Meyer als Gelehr- ter u. Dichter. Oeflentl. Vortrag, gehalten in Kc5ni^5berfj am 22. Febr. 1S70. f.Mt- prcuääischc Monat^tschr. neue Folge. Bd. 33. Königsberg L Pr.: F. Beyer. 8. & 36 —66.)

Bärwinkel: Joh. Matthäus Mcylart, Rektor der Universitftt u. Senior des evangelischen Ministeriums zu Erfurt, Dichter des Liedes 'Jerusalem, du hocbgebaute Stadt'. £in- likdungBsdirift tor Gerstenbc^-Feier em 27. Decbr. 1896. Erfurt: C VOIafet i. Comm. (17 ä.) 4.

Mitseherlieb, A.t Eflhard Miteehertlcta. (Mitscherlich, F.: Gesammelte Schriften. Lebensbild, Briefwechsel u. Abhandlungen. Hrsg. V. A. Mitscherlieh. Mit den Bildn. Mitsclierlicbs und Perzcliu-' in Helici-r., 85 Abb. im Text und 10 i ai. in Steiiidr. Berlin : E. S. Mittler ASohn. (XI V, 678 .S.) 8.)

Cii^Ha.Eug.: Friedrich Mltterwuncr. Mit ein. Portrait Mitterwurzers in Lichtdruck. Wien: C Gerold's Sohn. (XV, 145 S. mit Bildn.) 8.

Minor, J.: Friedrich Mitterwurzer. (liio- graphische Blätter. Bd. II. Berlin: E. llof- mann & C. 8. S. 118— 128,)

Zum (Johann AdanV; Möhler-Jubillium. (Ilisto- risch-poliiiüchc liLitter f. d. kalb, Deutsch- land. Bd. 117. München : Kommv. d.literur.» artist. Anstalt. 8. 8.629 633 )

Knöpf 1er, Alois: Johann Ada.m Möhler. Bin Gedenkblatt zu dessen loo. Geburts- tag. München: J. J, Lentner. (U^ 149 & mit Bildn.) 8.

Fröhlich, Fnout: Molfke tmd seine Be- zichtin>:jcn zum kl;i«;si?chcn Altertum. (Fest- schrift zur Eröffnung des neuen Kantons- sehnigebittdes m Aaitn «6. Aptfl 1896b Aarau : Dr. v. H. R. SenerlMnder A C. 4. S. 93 III.)

Loebell, R.: Der Anti-Necker J. H. Mereks u. d. Mini-ter Fr. K. v. Moser >. Merck.

Pniower, Otto: Karl MiUlenhoff. (Sonn- tagsbeilage No. 9 lur Vossiscbsn Zeitung. Berlin, den t. Mäis.)

Digitized by Google

Biognphitche Bibliogimphi«.

67*

hciicrer, Wübelm: Karl Müllcnhoff. Eis LebcDsbild. Berlin: Weidnuin. (V, 173 & m. Bildn.) 8.

Fiake, Heior.: Cirl MüUcr. bein Leben O. kOBstler. Schaffen. (1. Vereinstduift der Gr.rresgesellschaft f. 1S96.) Köln: J. P. Ba- chem in Komtn. (119 S. mit Bildn. U.Abb.) 8.

Ott, Kärl: Ueb« Murnem VerikUtnbs nt Geiler. (Aus: Alemanai«.) Bonn: C Hui- itein. (103 S.) S.

Hack» Jobs., Müett Wie Mutiher Kuut- kritikcr wnrde. Ein Reitrag zur Psychologie des Grössenwahos, seiner ZUcbtuog u. Näh- Tang;Lcip«ig^eadaiti»IULTheni.(i8S.) 8.

Matthai, Adelbert: Riebard Bluther und d. deutsche KanstwiMmscbaft. (Die Grcni- boten. 55. Jahrg. HI, Leipzig: F. W. Gftt- now. 8. S. 122 - 131.}

Cramer, C: Leben und Wirken von Carl Wilhehn Nägeli, Prof. der Botanik in München, Fhrcnmitjjl.d. Zürcher 11. Schweiz. aataxforsch.Ges.etc. Gest icMai 1S91. Zü- rich t F.Sehnltlicat. (Vm, 9t S. n. iTab.) 8.

I ' ; ore Fürstin Reuss: Philipp Na- täusius Jugendjahre. Nach Briefen und Tagebflcnen unter MitwiAang von D. Martin von Nathu$iu<^. Berlin: W. Hcitl. (a BL, 282 S., I BL) 8.

KelleT, Ph.Jos.: Baltfettfar Neomann, Ar- tillerie- und Ingenieur-Obrist, ftrstl. bam- belgischer und Würzburger Oberarcbitekt and BandirectoE. Eine Studie zur Kunst- geschichte des 18. Jahrhunderts. WUrz- borg: E. Bauer. (XII, jqj S. mit 7a Abb, u. BÜdn.) 8.

Volkmann, P.: Franz Neumann. Ein Bai* tra^ zur Gcschirl't? ffeiit-r'MT Wissenschaft. i>ein Andenken <ui «Icu Altmeister dur matkematischen Physik gewidmete Blmter unter Bentit^nng einer Reihe von autben- ti!>chen (Quellen jiesamineJt u. hrsg. Mit c. iiildn. Kr.in/. Ncuni.inns. Lfiliaigt B> G. Teubner. (VII, b8 S.) S.

Runze, Geo.: Friedrich Nietzsche l'heo- löge und als Antichrist. 4. Taus. Berlin: Kritik- Verlag. (22 S.) 8. pPxagen d.tfffaBl- liclien Lebens. H. 5.]

Baamgarten, Frits: Friedrich August Nfisa« lin. Freiburg L B. (Leipcig: O* Foek.) (aa S. mit 1 BUdn.) 4.

Batehkorn, Carl: Max Obetbreyer. Eine WOrdt^ng seines litter.ir. Schaffens. (Aus: Kunen.) Paderborn: Verlag d. *Ranen'. (la B. odt Bildn.) 8. [Basehbom, Ct Dii hterstudicn. Bio^Taphien zcitgtAdsilscll. Dichter u. Schriftsteller. H. i.l

Sekmidknnt, Fbns: Mdster OWlIader. (Fieutschc Revue üb. d. gesamte nafioiude Leben der Gegenwart, ai. Jahrg. Bd. Stuttgart, Leipzig, Berlin, Wien: Dentiche VciL^Anat. & S. aao-^aji.)

Oclenbeinz, Leop. : Beitrage /.ur Biogra- phie deü Portrülmalcrs Aug. Friedfieb Oelenhainz. 1745—1804. Wiirttemherpi- schc Vierteljahrshefte f. Landesgeschichtc. N. F. IV. Jal^g. 1895. Shtttgart: Dr. v. W. Kohlbanuner. 8. S. 104— 113.)

Todt-Kicta (Elbe), P.: Hermann Olshau- MB. Ein GedenkUirtt. (Kirdüi^cMonnts- schrifL 15. Magdabnrg: E, Baenseh Jon. 8. S. 794-798.)

BraebTogel, Udo: Oswald Otteadofftr und seine deutsch-amerikanische Zeitungs- Schöpfuog. (Nord a. Stld. Bd« 77. Breslau: S. SdiotOaender. 8. S. 33$'34$m. BOdn.)

Kn.ippel, AI.; Bernhard üciiirich Over- berg, d. l^chrer d. MUnsterlaiides. Mains: F. Kirehbeim. 8. (VIT. 168 S.) {Lebens- bilder katholischer Erzieher. V.j

Steig, Rcinhold: Frau Auguste Pattberg, geb. von Kettner. Ein Beitrag zur Ge- >chichtc der Hcidclberj^er Rom;intik. (Neue Heidelberger Jabxbttcher. 6. Jahrg. Heidel- berg: G. Koester. 8. S. 6a—- laa.)

Perthes, Clcin. Thdr.: Friedrich Perthes' Leben, nach dessen schfiftL a. mttndl. Mit« tei1|^ aufgesdebnct 3 Bde. 8. [Titel«] Aull. Jubilaunis-Ausg. Gotha: F.A.Perthes. (IV, 284; VI, 341 ; VI, 538 S. mit BUdn.) 8.

M. in A. : Karl Ritter a.Oskar PeMhel s. R i 1 1 e r.

Pesselius s. Stempel.

Seyffarth, L. W.: Frau Pestalozzi, Anna geb. Scbulthess. Ein Lebensbild. Liegnitz: C. Seyffarth. (40 S.) 8.

Pestalozzi und nicsterweg. Im Liehte der Gegeowart. Ein Gedenkblatt zu Pcsta- lottia 150 jähr. Geburtstage am 12. Ja- nuar 1S96. (Rheinische UUitter f. Erzie- hung u. Unterricht. 70. Jahrg. 1896. Frank- loct a.M.: M. Dietlerweg. 8. S. 1-14. r54.--T69. 410 430. ^4^ )

Di c raucr, Jobs: Heinrich Pchlulozzi. Vor- trag, gÄ, bei der Pestalozzi-Feier in St, Gallen am l?. J.m. 1896. St. (iallen: Huber & C. (28 S. mit i Bililu.) 8.

Bdelmann, J.: Pestalozzi aucb im Lichte der Wahrheit. Eine Ehrcnrettg. 2. [Umschiag-j Aull. Liehteniiteig: (E. Ger- mann). (63 S. mit 1 Bildn.) 8.

Euler, Karl: Pestalozzi tlbcr die körper- liche Erziehung der Jtigcnd. (Sonntags- beilage No. a tor Vossisdien Zeitung. Berlin, d. 12. Januar.)

Euler: Johann Heinrich Pestalozzi und die kttipcrBdbe Ersiebong der Jugend. (Jahrbuch für Völlig- und Tiif;end5-[)ielc. 5. Jahrg. 1896. Leipzig: R. Voigtländcr. 8. S. 60—64.)

Hoffmeistcr, Herrn. Wilh. : Comenius u. Peatalozsi als Begründer der Volksschule. IKnaienadiaftL dargcit. in e. Parallde naler ot>igem Titel n* der Dissertation *Comenii

Digitized by Google

I

Biographische Bibliographie.

DId«eti€a Magati'. 3. verb. Aufl» Leipzig:

J. Klinkhardt. (97 S.) 8.

Hunziker, O.: Heinrich Pestalozzi, 1746 —1827. Eine biograph. Skine. Mit dem Portr. Pestalozzis in I.khtdr. Zur Pesta- loasifeier, 12. Jan. 1896, aus des Verf. 'Gesehiehte der Schweizer. Volksschute' nach dem gegenwärt. Stand rk-r Pcstalo/zi- forschgn revidirt. ZUrich: F. ächulthess. (Vm, 64 S.) 8.

I>lcr, A.: Heinrich Pestalozzi. Illustr. Festschrift L d* Jugend. Im Auftr. des schweizer. LebrervereiDt snrFder v. Pesta> lozzis 150. Geburtstag auf den 12. Jan. 1896 bearb. Zürich: J. R. MtUler. (64 S.) 8. (Erschien auch in franzOs., Italien. 0. roni^n. Sprache.)

Melchers, Kari: Pestalozzi und Comcnius. Eine vergleicheode Betrachtung ihrer so- zial - politischen und religiös - sittlichen Grundgedanken. (Monatshefte der Come- nius-Gesellschaft. Bd. 5. 1896. Berlin & Münster (Westf.): Verl. d. Comenius-Gcs. 8. S. 24—43.)

Morf, H.: Pestalozzis ilaubpadagogik. (Rheinische Blatter f. Erziehung u. Unter- richt. 70. Jahrg^. tSo6. Kr nikfurt a. M. : M. J)icsterwe|:,'. 8. S. ^,21. 385

393-)

Polack, Krdr.: Vater Pestalozzi. Bilder aus dem Leben des grossen Eizicbcrs. Jugend- u. Volksschrift, hrsg. v. der rhein. Püst.^lo7./i-Sfiflf,^ 3. Aufl. Bonn: F. Soen- necken. (94 .S. mit 13 Bild.) 8.

Schwc nd i m a n n , Jub.: Der Pädagoge Heinricli Pestalozzi , micli /^citjjcnöss. Quellen im Lichte der Wahrheit dargest. I. u. 2. (Umschli^«) Aull. Liuem: Rlber C. (64 S.) 8.

S e n c k e 1 , Krdr. : Johann Heinrich Pestalozzi 1746—1827 u. Johann Heinrich Wiehern tSo8— 1881. Eine 15- u. ic;o]i\hr. Er- innerg an zwei deutsche Volkserzieher. Vortr., geh. in Fiaakfiirt a. O. an 3a Jan* 1896. Fr.mkfurt a. O.: G. Haxnecker ft C. in Komm. (II, 34 S.) 8.

Sefffarlfa, L. W.: Pestalosai in seiner weltgeschiclilliclien Bedeutung. Nach Vor- trügen zur Feier des 150. Geburtstages Pestalozzis, geh. in Liegnitz 11. GharkiUMi- burg. Liegnitz: C. .Scylfarth. ($8 8.) 8,

Seyffarth, L. W.: Pestalozzi, e. Vater n. Anwalt der Amen. Vortr., geii. auf d. ^chlcs. T.ehrcrla^o in Llcj^^nit/. zur ^s iiihr. Jubelfeier des schles. Pestalozzi* Vereins, d. 3. Juni 189$. t, Aufl. Liegnitz: C. Stjf- farth. (39 S.) 8.

Stielcr, J.: Heinrieb Pestalozzi. (Stieler, J.: Lebensbilder dcaltdier Mitiner «. Fn»m. a. Autl. Glogant C Flemming. 8. S. 137

Stnelci, Gotä., u. Ed. Balsiger; Johann

Heinrich Pestalozzi. 3 Reden /.ur Feier des 150. Geburtstages den 11. u. 12. Jan. 1896 in Bern. Vom Centralkoaiitee des

Bern. T -ehrervercins den Mitf^licdem ge- widmet. Bern: (Schmid, Franke & C) (SoS.) 8.

Ufer, Chr.: Zum Gcdai luni^se Pestalozzis. Festrede, bei der öflentL Pestalozzileicr im grossen Saale des Prenss. Hofes so AltcnbiuK' am 13. Jan. 1S96. geb. Alten- burg: O. Bonde. (14 S.) 8.

Vogel, Joh. Geo.: PestaloMl, e. Erzieher der Munschlieif. (Aus: Blätter f. d. Schul- praxis in Volksschulen o. Lehrcrbildgs- anst) Ansbach; (Namberg: F. Korn.) (29 S. mit I Kt) S.

Waldmann, F.: Pestalozzi u. Muralt. Yverdon u. St Petersburg. Ein Beitrag zum 150. Geburtstage Pestalozzi's den 12. Jan. 1896 (m. bisher noch ungedruckten Briefen Pestalozzi*»). (Aus: St Perters- burger Zeitg.) Sehaffhainea: C Seboeh i. K. (58 S.) 8.

Weiner t, H.: Johann Heinrich Pestalotsl. Zum Gedächtnis. (Päd.agogischcs Archiv. 38. Jahrg. 1896. Ostcrwieck/Harz: A. W. Zickfeldt. 8. S. 65-68.)

Zieglcr, Theobald: Heinrich Pestalozzi. Ccboren 12. Januar 1746 m /üricli,

gestorben .uu 17. Februar iSji; iu Urut;^ im Kanton Aargau. (Biographische Blätter. Bd. IL Berlin: E. Hofimann & C. &

s. 2—15.)

Petri, E.: D. Ludwig Adolf PetrI, weil Past. 7X1 St. Crucis in Hannover. Ein Lebensbild, auf Grund seines schriftL Nachlasses u. nach den Mitteilgn. seiner Freunde dargestellt. Bd. 3. Hannover: H. 1 ceschc. (XI, 340 S.) 8.

Pfannschmidt, Mart.: D. Carl Gottfried Pfannschmidt. Ein deutsches Kllnsfler- leben. Mit 12 Blattern Ffannschmidtscher Schöpfungen u. ncbmcn Bolzschnitien. Stuttgart: J. F. Stckütopf. (VHIi 4S7 S.) 8.

Kalkoff, F.: Lttsting Pirkheiflunr*« and

Spenglers vom Banne. Progr. d. Gym- nasiums KU Sl Maria-Magdalena in Bres- lau.

Die Ta<^cbfKhcr de- Grafen August von Platen. Aus der Handschrift des Dichters hrsg. ▼. G. T. Lanbmann u. L. t. Seheffkr. Bd. I. Stuttgart: J. G. Cotta Nachf. (XVI,

875 S.) 8.

Haupt, (Richard): Was ist uns Platen?

Vnrtr.-ig bei der Platenfeier des DcutNchcn Sprachvereins, am 24. Oktober 1896. (Sonder-Abdmek der Sdücswigcr Naeln richten.) Schleswig. Huchdruckerci der 'Schleswiger Nachrichten'. (14 S.) i Bd. 8.

Digitized by Google

Biognphitclie Blbliograpliie.

Mejer, Richard M.: August Graf von Platen. (Sonntagsbeil. No. 43 i. Vownseben Zei* tim;:. l^erlin, d. 25. Oktober )

Schmidt, Erich: Platen's belbstbekenot- nisse. (Deatecbe Rondsehtii. BcL 89. Ber- lin: Gct.r. P.ietcl. 8. S. 200 303.)

Achelis, Th.: A. H. Post und die ver- gleichende ReehtswisscBsebafi Hatinbiirg: Verlag^anst. u. Dr. A.-G. (39 S.' S. fSniiim- loQg gcmeinverständl. wii^en^ciiaftL Vor- trfge. N, F. 8«t. H. (H. 252.)]

Gust;. r 20 PutlitZ. 'Die r;riTi/.hott.M», 55.

Jahrgang. 1. Leipüg: F. W. Grunow. 8.

S. 46a- 47 50

Brandes, Cico.- Rahel, Bettin.i n. Oiarlotte

Sticglits. Drei litterar -hi^tor. Charakter- bOder was der Zeit des 'jungen Deuttcb- land'. (Ucbcr-. yon A. v. der Linden.) Leipaig: 11. Barsdorf. (31 &) 8.

Ruk, Jos.t Erinnerungen am meinem Leben. Leipzig: G. Freytag, (411 S. mit Bildn.) 8. [Bibliothek deuucber ScbriltateUer «1» Böhmen. Bd. 5.]

Groppe, G.: Ranke, <%einc geschichtliche Methode und Geschichtsphilosophie. (Hi- storisch -politische Blütter f. d. kathol. [)eutschland Bd. 1 1 7. München : Komtnv. d. literar.-artist. Anstalt. 8. S. 657— 668, 744-749. 798—809.)

Ritter, Moriz: Leopnld v. Ranke. Seine Gci>te*enrwickchini^ 11. seine Geschichts- schreih;,'. Kciie, bei .\titritt des Rektorats der rhciii. i- riLdrich-WilheUns-Univcrsität am 18. Oktbr. 1895 geh. Stuttgtft: ), G. Cotta Nachf. (32 S.) 8.

Wiedemann, Theodor : Leopold V. Ranke und Varnhaj^cn von Fiisc vor Rankes it.ilienischcr Rci^c. (Deutsche Revue üb. d. ges. nationale Leben der Gegenwart. Jalir;,'. 21. Bd. 3. Stntt^nrt, Leipzig, Ber- lin, Wien: Deutsche Verlagsanst. 8. S. 197 bis 209.)

Rciifert, J. E., em. Pfr., vnrm. Mi^s. : Zehn

Jahre in China. Erlebnisse, Erfahrgn. u.

Rciien. Mit zablr. HL Paderborn: Jnnfer-

mann. (XVI, 280 S.) 8. Lang, Wilh.: Graf Reinhard. Ein deutsch-

fiansO». Lebensbild 1761— 1837. Mit twei

Bndn. in Lichtdr. ßamberKt C. C Bach-

ner. (XI, 614 S.) 8. Schölte. Eduard: Graf Karl Refaüiafd. L

!T. ('S(jiint.if.:>betl. No. so- «. Vossisdicn

Zeitung. Berlin, d. 13. 20. Dexbr.) Stiele r, ),i Robert Reialek. (Stieler, J.:

Lebensbilder dcutjcher Männer u. Frauen.

2. Aafl. Glogau: C Flemming. 8. ä. 333

-26a)

Bey^chla-, Willib.: Bischof D. RcinkenB uad der deutsche Altkatholizi»mus. (Aus: Dctttschc* Wochcabbtt.j Berlin: G. Wal- dicr. (31 S.) 8.

Nippold, Frdr.: Erinnerungen an Bischof Rotnkona. Vortrag L d. Comeniot-Geiell-

schnft in Tcnn nn 1 7. J.inuar i Sof«. N.ieb dem Stenograium der J eoaischen Zeitung. Leipzig: F. Jansa. (22 S.) 8.

M.ibn, Paul: Gustav Kenner. (Snnntag>!)ei!. No. 36 xur Voasischeu Zeitung. Berlin, d. 6. September.)

v; i : ^ , -1 n .h , A. : Friedrich Httldcflin. Friti Reuter s. Hölderlin.

Grosse, Jobs.: Hermann Eberhard Richter, der Gründer des deiitsiheu Aer/.teveretns- bundes. Ein Beitrag xur neueren Geschichte der Mediein. Mit e. Bildn. Riebter't nnd einer Nachbildg seiner Xamensunterschriil* Leipxig: O. Wigand. (63 &) 8.

Mohn, V. Paol: Lndwig Richter. Hit 183 Abb. nach Gemälden, Aquarellen, Zeich- nimgeo u. Holzschnitten. Bielefeld: Vel- bagen & Klasing. (15$ S.) 8. [Kanstler- Monographien. XIV.]

Schädel, Ludw.: W. H. v. Riehl, der Poet der deutschen No»eUe. Mit e. Nachwort tiber seine religiösen Studien eines Welt- kindes. Stuttgart: Ch. Belscr. (56 S.) 8. fZeitfragen des christlichen Volkslebens. XXI, 7. Heft 159.1

Sticler, J.: Fm>t Rit5?chcl. (Stieler, J.: Lebensbilder deutscher Männer u. Frauen.

3. Anfl. Glogan: C. Flemming. 8. 8. 51 --9?.)

Ringscis, Kinilie: Krmncrungsblatter. Mit Erf^Miizuii^'en von Bettina Ringseis. I rei- biirgi. B.: Herder. (1 V. log S. ni. liildn.) 8.

Erinnerunysblaiter voa L. Ringscis. (Histo- risch-politische Blätter fUr das kathoUsehe DcHttcldand. Bd. 118. München: Kommv. d. litcrar.-artist. Anst. 8. S. 706 708.)

Ritsehl, Otto: Albrecht Ritschis Leben. Bd. 2. (.Schlussband.) 1864—1889. Frci- burg i. B.: J. C. B. Mohr. (VII, 544 .S. mit Bildn.) 8.

Stockmeyer, K.: Albrecht RitschL (Bio- graphische Bläuer. Bd. II. Kerlin: E, Hof- mann & C. 8. .S. 284- 294.)

Rittberff, TTcdw. Grir.n: Erinnerungen aii^ 3 Jahrzehnten meines Beruf^'lcbens, nebst Selbstbiographie. Berlin; H. Spamer. (IV, 74 S. mit Bildn.) 8.

M. in A.. .: Karl Ritter und Oskar Pescbel nnd ihre Bedeutung für die VoHcsschole. (Rheinische Blatter f. Erziehung 11. Tnler- richt. 70. Jahrg. 1S96. Frankfurt a. ftL : M. Diesterweg. 9. S. 34-^9.)

V. Rnten, L. L.: IVis I ehcn des Malers Raphael Ritz v. Niederwald. Zürich: (Fttai & Beer.) (3$ S., mit i Bildn. n. i TafA

4. Netij.tbrsblatt der KflnstlergcseUschsn in ZUrich fUr 1896.J

Mitaachke, Panl: Stephan Rodt, ein Ges^windschrciber des Refonnationsieit*

Digitized by Googl

70*

Biographische Bibliographie.

alten. Berlins H. Sebunwim. (30 S. mit

1 Abb.) 8.

Schweinforth, Georg: Gerhard Rohlfs. i83a»i896. 1. n. (SotmtagibeiL No. 24.

25 zur Vossischen Zeitntig. Bciliiii den 14. 31. Juoi.) Bloetch, E.: Johann Peter Roauuif alt

Religionsphilosoph. (Theologische Zeit- fdurift aas der Schweiz. XIII. Jahrg. 1896. Zttrich; A. Frielt. 8. S. 25—43.)

Krieg^minister v. Roon als Redner. Politisch u* militärisch erläut Gcn.-Lt. Reichst.- Mi^l. Waldemar Graf Roon. 2. n. 3. Bd. Breslau: E. Trewendt. (382 S.; 363 S.) S.

Liermann, Otto: Graf Albrecht v. Roon, Kriegsminister n. FeldnaTtchall. Ein BUd seines Lebens u. Wirkens. Frankfurt a. M. : Kesselring. (VI, 42 S. mit Bildn.) 8.

Fulda, Ludwig: Zur Erinnerung an Otto Roquette. (Sonntagsbeilage No. 15 zur Vossischen Zeitung. Berlin, d. 12. April.)

Obert, Franz: Stephan Ludwig Roth. Sein Leben und seine Schriften. 2 Bde. Bd. i. Stephan Ludwig Roths Leben. Mit dem Portr. u. dem Denkroc-d St. L. Roths. Wien: C. Gracser. (VII, 256 S.) 8.

Kefcrsfcin, Horst: Richard Rothe als Pü- dagog u. Soeialpolittkcr. Eine Saninihin^ V. Aussprüchen insbes. a. Rothe's *Thoolog. Ethik', mit voranstt-h. bioj^rapli. Abriss. Lange li&al £u : n. Ucycr X: Saline (VIII, 75 S.) 8. [Pttdagogisches Magazin. 79.^

Hannckc, R.: Friedrich Rückert. (Zeit- schrift für d.is Gymnasialwcscn. 50. Jahrg. Berlin: Weidmann. 8. S. 745 7S90

Balsiijcr, Kd.: llun^ Rudolf Rücgg. Le- bensbild eines »chweizerijichen Schulmannes und Patrioten, zugL ein Beilrag zur Ge- schichte des Volksschulwcsens. Zürich: O. FUssli. 8. (IX S., I BL, aoi S., i Portr.,

2 Taf.)

His, W^: Ludwig: Rütimeyer. Sep.-Abdr. aus: Anatomischer Anzeiger. XL 16. Jena: G. Fischer. S.

A. H. B. (A. n '"»"m inn-Burckhardt, Basel); Prof. Dr. L. Rütimeyer, Mitglied der Sek- tion Baad des S. A. C. In *Al^a, M Itteilg. des S. A. C IV, 3. Zttrich: Arttitt. Inst. Grell Fttssli. 4.

Sehnt dt, C: Kail Lndwig Rütimeyer. Bcil.i^u- zur AUgem. Zcitmig. Manchen, d. 29. MaL

Schmidt, C: Lndwig Rfttimeyer als Oe>

biri^sfor-chcr. (Jahrli. d. Sclnv. Alpcnklttb. XXI. Bern: Schmid & Franke. 8.)

Umlauft, P.t Nekrolog Ober Lndwig RSti- mcycr in 'Deutsche Rundschau für Geo- graphie und SUtistik'. XVIII, 18. Wien; A. Hardeben. 8.

Minor, Jacob: Ferdinand von Saar. I. JII. (SonntagsbcU. No. 49* 50. $1 z. Votsi-

sclien Zdtnng. Berlin, d. 6w 13. 2a De- zember.)

Minor, Jacob: Das ttlttfte Faustbuch und Hans Skelis. (Sonntagsbeilage No. »3 war

Vo^'iischen Ztp. Bcrün, d. 7. juni.)

Kreyenberg, Ghold.: Gotthilf Salznuum u. seine Bedentung ftlr unsere Zeit. a.Attfl. Frankfurt a. M.: Diestcrwcsr. (62 S.) S.

VOlderndorff, Otto Freihr. v.: Noch eiix 48er (Karl Heinrieh Sdinlble). (Biogra- phische Blätter Rd. IT. Berlin: £. HoC- mann & C. 8. S. 1x2—118.)

Des Obersten Sehamhorst Scheiden ans d. Kurfürstlich Braunsehwei^-LüncLurgischeii Kriegs Diensten. (Militär Wochenblatt. 81. Jahrg. Berlin: E. S. Mftder ft Sohn,

4. .Sp. 2041 2050.)

Schreck, Ernst: Heinrich Schaumberger, ein deutscher Volksschriftsteller aus dem Lehrerstande. Bielefeld: A. Hehnich. (23 S.) 8. [Sammlung pädagogischer Vor- träge. H. II.]

SchefRer s. Silesius.

Mosapp, Herrn.: Charlotte v. Schiller. Ein Lebens- n. Charakterbild. Mit 2 Lichtdr.- Taf. u. 3 Textillustr. HeUhronn: M. Kiel- mnnn. (VIII, 224 S.) 8.

Blicdncr, A.; Schiller. Eine pad.iq;of:;ische Studie. Langensalza: H. ikycr & S*1hnc. (66 S.) S. [Pädagogisches Magazin. 78.]

Jacobowski, Ludw.: Friedrich v. Schiller (mit Badn.). (F. v. Schiller: Werke. Ge- sammt-Ausg. in 4 Rdn, mit c. biographisch- litcrar. Einleitung von Dr. L. Jacubowski. Halle: O. Hendel. 8.)

Mttller, Ernst: Schillers Jugenddichtung und Jugendleben. Neue Beiträge aus Schwaben. Stattgart: J. G. Cotta Nadii^ (t;7 S.) 8.

Stieier, J.: Friedrich von Schiller. (Stie- ler, J.t Lebensbilder deutscher Mlfaiiet o. Fmucn. 2. Aufl. GIog«nt CFleaning. 8.

5. 171—231.) Setaladatliaiiiies s. Backler.

Graf, J. H.: Ludwig Schläfli. (1814-1895.) Zum Andenken an die Errichtung des Grabmonumentes SchlÜfll's u. an die Bei- setzung der sterbl. Reste Jacol) Steiners anlässlich der loojähr. Feier des Geburts- tages des Letsteren am 18. Mlrz 1896. Mit dem Porfr. und dem F.tcs. Schläfli'-. (Aus: Mitteilgn. d. naturforsch. Ges. in Bern.) Bern: K. J. Wyss. (86 S.) 8.

Guglia, Eugen: (.Mfr .1 von) .\rncfh ülier (Anton von) Schmerling, (üesterreichisch- Ungarische Revue. Bd. 19. Wien. 8. 8. 328 ■343-1

Grimm, Hermann: Julian Schmidt der Litetarhistorlker. (Deutsehe Rundichaa. Bd. 89. Berlin: Gebr. Paetel. 8. a 426

Digltized by Google ;

Biographische Bibliographie.

Schiin. V.: Zur Knaben- and JflngHagSKit

Tlieodor v. Schön's nach dessen Papieren. Zsgcst. V. seinem Subne. Berlin: L. Simion. (IX. loS S. mit I Hildn.)- S.

Mcntr, C.co.: Johann Philipp von SchSn- bom, KurlUrst von Mainz, Bischof von Warslmx]^ nnd Worms 1605 1673. Ein Beitrag mr Ocsch. des i 7. J.ihrhs. TL Jena: G. Fischer. i^VIII, 188 S.) 8.

WildtCnrl: Johann Philipp v. Schönborn, genannt der Deutsche Salnmo, e. Fricdens- füist zur Zeit des jojähr. Krieges. Ileidcl- hexgt C Winter. (YU, t6» & mit Büdn. u. Stammtaf.) ^.

Fischer, Hermann: I raugott Ferdinand Scholl. (Zeitschr. f. deutsche Philologie. Bd. 2g, Halle: Wmisenlinus. 8. S. 430— 43«)

Gritebachi Edtuurd; Seliopeahau«- trod

seine Mutter. 'Biographische Blätter. Bd. IT.

Berlin: E. Uotmann & C. 8. S. 185 190.) Ritter, Heim.: Fnuz Seliabert. (Geboren

31. Jan. 1797.) Gcdcnk«!chrift zm lOO. Ce-

bortstagsfeier. Bamberg: Handelsdruckerei.

(47 & mit 1 Bildn.) 8. Hirtm.inn, T.udwig: Ernst Schuch und

das moderne Capellmeisterthum. (Nord u.

SOd. Bd. 77. Brefkn: S. Sehottlaender.

S. S. iSS 200.) Der Märtyrer Wolfgang Schuch. (Nachfolger

TOB Leo Jndi in St Filt.) (Refonnixtet

w, hcnblntt. 41. Jaliix. Elberfelds KOtüer.

S. 162 SL)

Wnttmann, G.: Am Clara Schnflimtia

Brautzeit. fDic Grciixboten. 55. Jihrg. IV.

Leipzig: F. W. Grunow. 8. .S. $06—522.) Rein ecke, Ourl: Erinnerungen an Robert

Schumann. (Deutsche Revue Ub. d. ges.

nationale Leben d. Gegenwart. Jahi^. 31.

Bd. 3. Stattg.irt, Leipzig, Berlin, Wien:

Deutsche Vcrlagsanst. 8. S. 361 366. ) Ernst, A. W«: Lenau and Sophie Schwab

s. Lenan.

Buhe, Jobs.: Martin Friedrich Seidel, e. brandenburgischer Geschichtsforscher des 17. Jahrhs. Progr. BerUn: R. Gaertncr. (32 S. m. Bildn.) 4. [Wissenschaftl. Beilage zum Jahrcsber. d. Kttnigstidt. Gymnasioms zn Berlin.]

Bruns: (Alois) Senefelder. Zum loojähr.

Gedcn'r:t,"ij^c der Erfiiidinijx des Stciiulruoks-. (Archiv 1. Post u. I clet;;raphic. J itir;;. 2.^. Berlin. 8. S. 365 370. ) Sticler, J.: Aloy- Scncfcldcr. (.Stirlor, J. : Lcbeosbilder cieutsclicr Männer u. Frauen. 3. Aufl. Glogan: C nemming. 8. S. 93

! I9.>

Hchrniütin: Pastor iiciurich M<itthiaä Scn- gelmann Dr. Eine biographische Skizse. Mh 4 T^ildem. Hamboigi L,Grife&SiUem. (VI, 105 S.) 8,

Sauer, Aug.: Johann Gottfried Seumc. Fe«trede zur Fr^thüüung seines Denknuils in 1 epitu aui 15. September 1895. Prag: F. Haerpfer in Kommission. (20 S.) 8. [Sammlung gcmeinnatziger Vortrige, No. 208.1

Thaddäus Siber's Selbsti.io^raphie bis 1. J* 1803. Hrs^^ v.Gymn.-Rekt. M. Kottminncr. MUncIien : I. J. Lentner. (XVUl, uo S. mit Bildn. ) 8.

Zetter-Collin, F. A., u. J. Zenip: Grego- rius Stckinger, Maler, Zeichner, Kupfer» Stecher und Formscbnelder t. Solothum 1558 1616? (Au?;: Am. f. Schweiz. Altcr- tumskde.) Solothurn: Jent & C. i. Komm. (18 S.) 8.

Sicbold, Alex. Frhr. V. : Denkwürdigkeiten aus dem Leben und Wirken von Ph. Fr. V. SleboM, nur Peier seiiiet toojihrigen Geburtstages zus.immen^i^cst. von seinem ältesten Sohne. WUrzburg, den 17. Febr. 1896. WarsbuTg: L. WoerL («6 S. mit Bildn.) 8.

Mahn, Paul: Angelus Silesius [m. eigentl. Namen Johann Seheffler]. (Sonnlagsbeil. No. 21 zur Vossiselien Zeitung. Berlin,

d. 34. Mai.)

Seltmann, C: Angelos SUeslut nnd seine Mystik. Breslau: Adcrholz. (208 S.) 8.

Eiscubcrg, Ludw.: Adolf SonnentluU. Eine Kflnstlerlaufbahn als Beitraff sur mo- dernen Burgtheater-Gcscliiohtc. Mit e. Vor- wort von Ludw. Speidel. Dresden: E. Pier. soA. (V, 436 S. ta. Bildn.) 8.

Schmidt, Rud.: Otto Tliristof v. Sparr, Unterbefchisbaber Melanders am Nieder- rhein und inWest&lea 1646—1647. Ein Beitr. zur Geschichte des ersten branden- bürg. Feldmarschalls. Progr. Berlin: R, Gaertner. (19 S.) 4.

K n 1 k o f f , P. : Lösung Pirkhcimer's u. SpCQg- ler's vom Banne s. Pirkheimer,

Schmitt, Ludwig: Der Kölner Theologe Nikolaus Stagefyr und der Fran/i-kmer Nikolaus Herbom (d. i. Nikolaus Kcrber, gen. Stagefyr, aus Herborn.) Freiburg i. B.: Heider. (VII, 184 S.) 8. [Stimmen ans Maria-Laach. Ergänzungsheft 67.]

Brahm, Otto: Karl Stauffer-Bem. .Sein Le- ben. Seine Briefe. Seine Gedichte. Nebst

e. Selb"*tportr. des Künstlers n. c. Brief v. Gust. Freytag. 4. Aufl. Leipzig : G. J. Gö- schen. (VIII, 340 S.)

Plinzncr. P.uil: Gust.iv Stelnbrccht. Ein Leben im Dienste der Keitkunst. (Aus: Militär -Wochenbl.) Berlin: E. S. Mittler .»t Snhu. (22 S. mit Bildn. ^ 8.

Grai.J.li.; Ludwig ScliliiHi. Zum Andenken an die Errichtung des Grabmonumentes Schläfli's und an d. Beisetzung der sterbl« Reste Jacob Steiners s. Schläfli.

Digitized by Googlej

72*

Biographische Bibliographie.

Paulus, N.: Johann Stempel, alias Pcsse-

liuä, ein Oominikaner de$ i6. Jahrhimderts.

(Aüch Johtan Ttkntn gfenannt; er selbst

nennt >-icl\ Johann Pcsselius. Aus Tiel in

Geldern gebUrtig.) (Der Katholik. 67. IL

Mainz: J. Kirchheim. 8. S. 475— 478.) B r a T ' , ( : Rahel, Bettfm and Charlotte

Stieglitz s. Rahcl. Dr. Albert StSekl, Domkapittilar u. Ljrceal-

prufcsvor in KichsUitt. Eint- T^ebensskiizc,

verf. V. eisern seiner SchUler. Haijuc F.

KircMidni. (III, 73 S. mit Bildo.) 8. Pruner: Dr. Albert Stöckl. (Der Ka T;.

76. L Mainz: J. Kirchheim, 8. S. i- 11.) Widmann. Enoeh; Der WiederMufer Niko-

laus Storch und seine Anhhnger in Hof.

Aua K. W.'s handschrirtlicbcr Chronik d.

Stadt Hof mitgeteilt von Christian Meyer.

(Zeitschrift f, Kirchengeschichte. Bd. 16.

Gotha: F. A. Perthes. 8. S. 117—124.) General der Infanterie und Admiral Albrecht

V. Stosch f. (Milit.är-Wochenbl. 81. Jahrg.

Berlin: E. S. Mittler & Sohn. 4. Sp. 597

600.)

Batsch, Vizeadmiral: Erinnemngen an Stosch. (Deuts, hc Revue üb. d. gesamte nationale Lcbcu der (iegcuwart 21. Jahrg. Bd. 4. Stuttgart, Leipzig, Berlin, Wien: Deuts, hc VcrI.-Anst. 8. S. 31—42. 203— 215. 321—330.)

Struve* Heinr. v., ein Lebensbild. Erinne- rungen an« dem T.cberi cine> Zwcitmdaclit- zij^jiihrigen in der alten und ucuen Welt, /wette bedeutend verm. Aufl. Leipiig: F.. I nclcich. (VIIL S. mit I?ikln.) 8.

Hcpding, A.: Julius Sturm. Ein Ciedcnk- blatt nebst e. Liedersttanss ans den Werken des Dichters zusammengestellt. Glessen: J. Ricker. (79 S.) 8.

Zur Erinnenmg an Daniel Sudenmuin» geb. 24. Febr. 1530, ,i^c>t. 1632'?). (Monatshefte der Comeoins-Gcsclbchaft. Bd. 5. 1896. Berlin & Münster (Wettf.): Verl. d. Come- nius-Ccs. 8. S. 222 22^.}

Scbmoller, Gust.: Gedächtnissrede auf Heinrich v.SyM u. Heinrieh v. Treltsehke. (Aus: AKhamUgn. d. kgl. preuss. Alv.ul. d. VViss. zu Berlin.) Berlin: G. Keimer i. K. (43 S.) 4.

Keidel: Tc7el u. (Konrad) Kraft in Ulm. (Wttrttembcrgische Viertcljahrsheflc für Landesgesehidite. N.F. IV. Jahrg. 1895. Stuttgart: Dr. v.W.Koblhammer. 8. S. ta7 140.)

Sachse, Rieh.: Das Tagebaeh des Rektors J.iknb Thomasius. Progr. Ldifksig: (J. C Hiuricbs). (3^ S.) 4.

TUnnns s. StempeL

Wilken, Karolint.-, qcV). Ti^chhein ; Auf-^eich- nongen über ihren Vater Johann Friedrich Angust Tlachteia (in; St«U,A.: Der G«-

schtcbtschreiber Friedrich Wilken) tielie

Wilken.

Heinrieh von Trdtidd^e. (Die Grenxboten.

55. Jahrg. II. Leiptig: P. W. Graaow. 8.

S. a73~a78.) Baillen, Pttnl: Hebrich von Treitadüce.

(Deutsche Rundschau. Bd. 89. Berlin: Gebr. Paetel. .8. S. 41— 76. 237—271.) Frey tag, G.: Eine At»ehied*rede an Treitschke. (Biographische Blätt. Bd. II. Berlin: £. Hofmann & C 8. S. 328— «30)

Kaufmann, Geurj,': Heinrich v.Treitschke. (Gestorben den 28. April.) (Sonntagsbeil. No. 19 snr Vosslsehen Zdtang. Berlin, den 10. Mai.)

Lene, Max: Heinrich von Treitschke. An* spräche an die Berliner Studentenschaft bei ihrer Trauerfeier am 17. Mai 1896. (Aus: Preuss. Jahrbucher.) I. u. 2. And. Beriin: H. Walther. (18 S.) 8.

M e i n c c k e , Friedr. : Heinrich v. Treitschke f. (Historische Zeitschrift. Bd. 77. Mttn« chcn: R. Oldenbourg. 8. S. 86—90.)

Schiemann, Thdr.: Heinr. v. Treitschkcs Lelii - und W.uidt ri.ihre 1S34- 1866. Mün- chen: K. Oldenbourg. (Vll, 270 S.) 8. [Historische Bibliothek. Bd. 1.]

Schtn oller, Gustav: Gedächtnissrede nuf Heinrich v. Sybcl u. Heinr. v. Treitschkc s. Sybel.

To 1)1 er, Gust.: Vincon/ IJcrnliard Tschar- ner (1728— 177S.) Ikru: K. J. Wyss. (65 S. mit I Bildn.) 4. [ Neujahrs blatt d. littcrarischen Gesellschaft Bern a. d. J«hr

1896.]

Geiger, Ludw. : Ludwig Uhland. (L. Uh> Innd : Werke in 4 Bdn. Bd. i mit einer biograpb. Einleitung v. L. Geiger. Leipzig: G. Fock. 8.)

Pct7ct, Erich: Johann Peter Uz. Zum 100. Todestage des Dichters. Ansbach: C Brflgel & Sohn. (VII. 88 S. mit Bildn.) 8.

Vadian ^. Wa tt.

Radi CS, i'. v.: Jobann Weikhard Freiherr

▼. VaivM(or(l64f 1693). (Oesterr.-Ungar.

Revue. Bd. 19. Wien: Administr* 8. S. SO

37« »07—137. ^7 220.) Wiederaann, Tb.: Leopold v. Ranke nnd

Vamhagen v. Ense s. Ranke. Engel, Fritz: Emma Vely. Ein Portrait.

(Nord u. Sttd. Bd. 79. Bretlan: S. Schott«

I icnder. 8. S. 294—304 mit Bildn.) Schröder, Eduard: Heinrich Viehoif. (AUg.

Deutsche Biographie. Bd. 40. Leipzig:

Duncker & Humblot. ^. S. 400- 40J.) Walzel, Oskar F.: Alexander von Villers.

(Allg. Deutsche Biographie. Bd. 4a S. 779

- 7^3-^

Ziugcrle, Usw. v.: Hans Vintlcr. (AUg. Dentsehe Biographie. Bd. 4a S. 5- 7.)

Digitized by Google

Biographische Bibliographie.

73*

Professor Virchow aU Anwalt der katholi- schen Theologie. (Historisch politieehe Blatter f. d. 'k itliol. DL-utschl.uui. fnl. T17. Mün$chen: Kommv. der litcrar.-artiat. An- stalt. 8. S. 750—765.)

Christoph Vischer. (AUg. Deutsche Biogra- phie. Bd. 40. S. 30—31.)

OsvsH, }. G.: Priedxieh Theoder Viflcber sb Dichter. Hamburg: Vcrlap-^nnet. u. Dr.

(3S S.) 8. [Sammlung; gemeinver» stiBdLwissentcbaftLVoTtriige. N.F. Ser. 11. (H. 249-)]

Weltrich, Richard: Friedrich Theodor Vi- •eher. (Allg. Dentsche Bif^rapKie. Bd. 40.

S. 31-64.)

Frankel, Ludwig: Ludwig Friedrich Vi- selier. (AUg. Deutsche Biographie. Bd. 40.

S. 65 - 67O

Burckhardt-fiiedermann, Tb.: Wilhelm Vtocher (der Adtere). (Allgem. Deutsche

Biog^raphie. Bd. 40. S. 67 70.) Bernoulli. A,: Wilhelm Vischer, der jUa- gerc. (Allg. Deutsche Biographie. Bd. 4a

S. 70—71.)

Lorenz, Ottokar: Neue Deutsche Denk- wtrdigkeiten ron (Karl Frtedrleh) Graf

Vitzthum (''.011 KckstiiJt). 'T,orcnz, O.: Staat smanner und Ge»chicht»scbxeiber des nenuefanten Jehrhnnderts. Berlin : W. Hertz. 8. S. 215-233.)

Lorenz, Ottokmr: Zur Erinnerung an Graf K. F. Vltxthtun von EctMtdt f i^9S- (Lorenz, O. : Staatsmänner u. Geschichts- schreiber des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin: W. Herl«. 8. S. 233 241.)

Lorenz, Ottokar: Freiherr v. Friesen, Giaf Bcttst and Graf Vitzthum s. v. Friesen.

Hflffer, H.: Alfred Ritter Ton Vivenot. (.\llg. Deutsche Biographie. Bd. 4a & 783 -787.)

Meyer v. Rnonau: Anton Salumon Vöge- lin. (Allg. Dentsclie Biognplüe. Bd. 40. S. 145— 14S.)

Meyer v. Knouau: Friedrich SaIouiou Vo- gelin. (Allg. Deutsche Biographie. Bd. 401. S. 148—154.)

Vogt, Wilhelm: Dr. Joseph Viilk. (AUg. Detitielie Biographie. Bd. 40^ S. 330 232.)

Sauer, W.: Christi m Daniel Vogel. (Allg.

Deutsche Biograp lue. Bd. 40. S. 97— lOOi) Ratze!: Kdiian! Vogel. Afri(;irci>Ltider u.

Aatronom. (Allgcm. Deutsche Uio^^raphie.

Bd. 40. .s. 100—108.)

Katzcl, Friedrich: Ucber den Tod Eduard Vogels in Wadai. (Biographische Blätter. Bd. n. Berlin: E. Hofhiann & C. 8. S. 4$

-49)

Brun, Karl: Georg Ludwig Vogel, Histoncn- auder und Radirer. (Allg. Dentsche Bio- graphie. Bd. 40. S. 116— ISO.)

Polen, B.: ttiuaiti Linsl 1 ticdrich Hanni-

bsl Vogel von Falkcnstcin. (AUgem.

DciiTschc Biographic. Bd 4<i. S. 12')— 135.) Holliiuü, Hj'ac. : Karl ChriaiuiU Vogel von

Vogelstein. Porträt- und Historienmaler.

(Allg. Deutsche Biographie. Bd. 40. S. 135

-139.)

Sternfeld, R.: Vilms von Voggenbnber. (Allg. Deutsehe Biographie. Bd. 4a S. 160 —161.)

Sillem, W.: Caspar von Voght, Seidis-

frc!herr, Kriufniniu> n. Philanthrop. (Allg. Deutsche Biographie. Bd.40. S. 161 166.) Schlossar» Anton: Johann Nepomuk Vogl. (^Vllg. Deutsche Biographie. Bd. 4a S. 167 -169.)

Eitner, Rob.: Abt Georg Joseph Vogler. (Allg. Deutsehe Biographic Bd. 40. S. 169

—177.)

Holland, Byue^: Johann Karl Vogt. (Allg.

1)cutschc Biograpliic. Bd.40. S. 178 - Krause, Emst: Karl Vogt. (Allg. Deutsche

Biographie. Bd. 4a S. 181— 189.) Bockenheimer: N'iiMtlau^ Vogt. i'-MIgcin.

Deutsche Bic^raphie. Bd.40. S. 189 191.) Schorbach, Karlt Heinrich Vogfherr der

Aeltcrc. (Allg. Deutsche Biograplüe. Bd.40.

S. 193-194.) Jacobs, Ed.: Balthasar Voigt d. J. (Allg.

Deutsche Biographie. Bd.40. .'oo— 202.) Lohmeyer, K.: Johannes Voigt. (Allgem.

Deutsche Biographie. Bd. 40. S. 205 2 10.) Vo I L- n , I>. : Kon.^tantin Bernhard v. Voigts-

Rhetz. (Allg. Deutsche Biographie. Bd.40.

S. 216— 220.) Frankel, Ludwig: Wilhelm Gustav Wetuer

Volk. (Allg. Deutsche Biographie. Bd. 40.

S. 227—230.) Eitner, Rob.: Robert Volkmann. (Allg.

Deutsche Biographic. Bd. 40. S. 240- 243.) Gurlt. E.: Richard von Volkmann. (Allg.

Deutsche Biographie. Bd. 40. S. 238 240.) Sauer, W.: Fcrdin.ind Vollpracht. (Allg.

Deutsche Biogruphit:. Bd.40. .S. 255 259.) Egloffstein: Isaak Volmar, Freihr. v. Rie- den. (Allg. Deutsche Biographie. Ekl. 40.

S. 263—269.) Schott, Theodor: Melchior Rofus (RUd)

Volmar. r AIlL'cm. T>ettt8che Biographie.

iid. 40. i>. ^7^!.) Holland, Hyac: Friedrich VoltS, Thier«

bild- u. Landschaftsmaler. (Allg. Deutsche

Biographic. Bd. 40. S- 376—280.) Dieraner: Pankratius Vorster. (AUg. Deut*

sehe Biographie. Bd. 40. S. 312 319.) Buchhoitz, Arend: Wie sich Lenz und

Voss um das Relrtoramt in Riga bewarlien

<. I,c n 7..

Muncker, Franz: Johann Heinrich VOM* (Allg. Deutsche Biographie. Bd. 40b S. 334

Digitized by Google

74*

Biogrftpbiiche Bibltognpbie.

Ellingcr, Gcoii;; Juliu» v. Voss. (All;j, Deutsche Biographie. Bd. 40. S. 349 352.)

Pctersdnrff. H. von: Otto Karl Friedrich von Voss. (AUg. Deutsche Üloj^raphie.

i;<i. 40. s. 352— 361. )

Pc t c r-ci 0 r ff, Tl. von: Sophie Marie Gräfin von Voss, geh. von Pannewitr. (Allgcna. Deutsche Biographie. Bd. 40. 8.361 366.)

Mcndhciin, Max; Christian AugUSt Vul- piuü. (AUg. l>eut!>che Biographie. Bd. 40.

s. 379-381.)

Mcnclhcim, Max: Johanna Christiana So- phia Vulpius. (AUg. Deutsche Biographic. Bd. 40. S. 381—38$.)

Lier, H. A.: Gustav Friedrich Waagen. (Allg. Deutsche Biographie. Bd. 40. S. 410 -414-)

Hippe, M.: Johann Fric(!rich T.Uflwig Wach- ler. (Allg. Deutsche Biographie. Bd. 40. S. 4i6-r4i8.)

Winttt'TÜn, A.: Geort^ FriL-dricli Ehcrh.'rd Wächter. (AUgem. Deutsche Biographie. Bd,40. S. 431— 434.)

Mendhcitn, Max: Gcor;; Philipp T udwig Leonhard Wächter. (Allg. Dcut«chc Bto- grapliie. Bd. 40. S. 428^431.)

T. Eisenhart: Carl Joseph < Icoru Si^'isnuind von Wächter. (Allg. Deutsche Biographie. Bd. 40. S. 435—440.)

Sul L;cr-Gebin^': \Vilhtlm Heinrich Wa- ckenrodcr. (Aligem. Deutsche Biographie. Bd. 40. S. 444 448.)

Philipp Karl Eduard Wackernagel. (Allg. Deutsche Biographie. Bd.40. S.453— 459.)

SchrSder, Edw.: Wilhelm WMli«rugeL (Allg. Dcutidie Biographie. Bd. 40. S. 460

Pcter/d^orff, H. Yoa: Henmna Wagener. (Allg. Deptichc Biographie. Bd. 40. S. 471

-476.)

Schmidt, Erich: Heiiiiidi Leopold Wag- ner. (Allg. Deutache Biographie. Bd. 40. S. 502—506.)

Fränkcl, Ludwig: Johann Emit Wagner. (Allg. Deutsche Biographie. Bd. 40. S. 486 -489.)

Heinrc: Johann Jakob Wagner. (AUgem.

Deutsche Biographie. Bd. 40. S. 510—515.) Knoft, Robert: Johann Philipp Wagner.

(All Deutsche Biographic. Bd.40. S. 519

521.)

H a e b e r 1 i n , C. : Karl Franr. Christian Wag- ner, Di. phil., Geheimer Hofratb. (.'Mlg. Deutsche Biographie. Bd. 40. S.515— 528.)

Ratzel, Friedrich: Murif/. Wa/n^er. fAll:;, Deutsche Biographie. IUI. 40. S. 532

S43-)

Kicbard Wagner s. Wilh. Ri :i.ird W tjrner.

Frankel, Ludwig: Rudolf Wagner, i^ubli- sbt (1829—1894). (Allg. Dentsche Bio- graphie. BdL 40. S. 575—57^0

Winttcrlin, A.: Theodor Wagner, Bild- hauer. (Allg. Denttebe Biogiaphie. Bd. 40.

S. 579

Fiiick, Utiur. 1.: ^Williehii Rickarü] Wag- ner und seine Werke. Die Geschichte seire> T.cljen- mit kritischen FrlrititernnjTcn. Deutsch von <ico. v. Skal. 2 Bde. Breslau: Scbles. lii.chdr. (XXIV, 434; VD. 48S S. mit Hddn.) S.

Glasenapp, Carl It.: Das Leben i Wilhelm] Kichard Wngner's, in 6 Bll^em dar« q'estcnt. 3., p!in/l. neu bearb. Ati>t;f. rnn 'Richard Wagner's Leben und Wirken'. Bd. 2. Abth. I (1843— 1853). Leipsig: Breitkopf & Hirtel. ^VH, 480 S. mit I Bildo.) 8.

Mttocker« Frans: WUhdm Riehard Wmg' ner. ( Allg. Deutiehe Biographie. Bd. 40.

S. 544-S7I-) Goethe und Biehard Wagner e. Goethe,

W. T.

Friedlaender, Max: Jobaima Wagner- Jachmann. (Allg. Dcntsdie Biographie.

Bd. 40. S. 587-58'*.) Holland, Hyac. : Johann Martin v. Wagner. (Allg. Deatiehe Biographie. Bd. 40. S. 5 1 5

Gerland, Georg: Franz Theodor Waitz. (Allg. Denttehe Biographie. Bd. 40. S. 629

Grotcfend, W.: Friedrich Sic i,'m(mdWni tat, ReiehsfrciherrTon Eschen. (.Mit,'. Dcntfche Bi(ii;raphie. Bd. 40. S. 599— 602.)

Fiensdorff, F.: Georg Waitz. (Allgem. Deutsche Biographie. Bd. 40. S. 60*-- 629.)

Föten, B.: Wilhelm Dietrich von W'ake-

ttitz. (Allg. Denttehe Biographie. Bd. 40.

S. 635-638.) Baumker, W.: Adam Walasser. (Allgem.

Deutsche Biographie. Bd.41. S.640— 643.) Tsehackert, P.: Christian Wilhelm Franz

Walch. (AJlg. Dentsche Biographie. Bd.40.

S. 646—650.) on DobschUtt: Jobann Ernst Immanuel

Walch. (Allg. Deutsclie Biographie. Bd.40.

S. 652-655.) Tsehackert, P.: Johann Georg Walch.

(Allg. Deutsche Biographie. Bd.40, S.650

—652.)

Albert, I'. : Kasimir Walchner. (AUgem.

T>e!it«:choBio<;raphie. Bd.40. 8,777 7^0.) Vochczer: Georg Iii. Trucbsess V. Waid- burg. (Allg. Deutsche Biographie. Bd. 40L

Stern, Altred: Bcucdikt Franz L<:o Wal-

deck. ( All Deutsehe Biographie. Bd.40.

S. 668- 673.) Sauer, W.: Graf karl Wilderich v. Wal- derdorff. (Allg.Deiitseli^iogn|»hie.Bd40. S. 693^696.)

Digitized by Google

Biographisdie Bibliogwphie.

75*

Poteo, B,: Friedrich Gustav Graf v. Wal- denwft. (ADf.DmrtsdMBiographie. Bd. 40.

698—700.)

Kawerau, Waldemar: Barkard VValdi». (ABf.Dcottche Biographie. Bd. 40. S. 70t

—700.)

D»ndliker, Karl: Hans W&ldnuuin. (Allg. I>eatfdie Biogniphie. Bd. 40. S. 711— >

715.)

Frinmel, Theodor von: Georg Ferdinand

WaldmQller. (Allg. Devtsche Biographie.

r.ii 40. s. 716—720.) lieinrich, Arth.: WaUenstein als Herzog

▼OB Sagnn. Bfcdaa: Qoerlieli A Goch.

(VII, 96 S.) s. Hcigel; Ludwig Fürst von Oettingen-WaU

lersteia. (Allg. DeutscIieBiographie. Bd. 40.

s. 736—747.)

on GjOrj: Joseph Graf von Wallis, Frei« Iterr von Carighmatn. (Allgcro. Deutsclie Biographie. Bd. 40. S. 751 754.)

Toten, B.: Johann Ludwig, Graf v. Wall- moden'Gimborn. (Allg. Deutsche Biogra- phie Bd. 40- S. 756— 761.)

T.ier, H. A.: Franz Wallner. (Allg. Deutaobe Biographie. Bd. 40. S. 762 764.)

Sauer, W.: Fttrst Walrad zu Nassau-Usin» gen. (Allg. DenUche Biogiaphie. Bd. 40^

s. 770-773.)

Poten, B.: Gerhard Cornelius v. Walrawe. (Allg. Dentsehe Biographie. Bd. 41. S. a

-50

Bu c hholt2, Arend: Ferdinand Walter, liv« länd. Prediger und GcneralsupcrintcTitlent. (AUg. Deutsche JLiiufjraphic. Hd. 41. S. ly 33.)

Hees, R.: Frie<lricli Ludwig Walther. (AUg. Deutsche Biographie. Bd. 41. S. 103 —106.)

Den>ri5ck, Hau«: Hermnnn Walther -f. (Uer V erleger d. Freussiscfaen Jahrbücher.) (Picmdsdie Jahiblehcr. Bd. 84. Berlio. 8.

s. 333-336.)

Eitoer, Rob.: Johann Walther, der Freund vod MIterbtiter Lafhc». (AUg. Dcatwhe

Biographie. Bd. 41. S. 110^113.') Seiffcrt, Max: Johann Gottfried Waltfaer. (Allg. Dentsehe Biographie. Bd. 4t. S. 113

117.

Bar dach: Walther von der Vogclweidc. (Aü^. Dettttehe Biographie. Bd. 41. S. 35 -92.)

Friakel. Ludwig: Karl Friedrich Wilbeim Waader. (AIlg.DeatschcBiographie. ßd.41. S. 130 143)

Petrichi liermaun: Herroaim Theodor Wangeraami. (Allg. Dentidie Biographie.

Bd. 41- 145— '-t*^-) W o 1 k c n Ii a u e r , W. : Johann Eduard Wap- päus. (Allg. Deattche Biographie. Bd. 41. S. 16S-165.)

Fhiiippi, F.: Franz WUhelm Graf v. War- tenberf .(A%. DentaelieBiogiBphie. Bd.4t.

S. 185 192.) Fränkel, Ludwig: Karl Friedrich Anton

Wartenburg. (Allg. Deatiehe Biographie.

Bd. 41. S. 194—197.) llwof, Frans: Joseph Wartinger. (Allg.

Dentsehe Biographie. Bd. 41. S. 902— 907.) Mcycr von Knonau: Johann ircinriili

Waser, Bürgermeister von Zürich (1600

1669). (Allg. Dentsehe B{o(^r.-\phie.Bd.4i.

S. 214 220.) Meyer von Knonau: Johann Heinrich

WaMT, Theologe md Liltciat (1742—

1 7 So ) . ( All p^. Deutsche Biogn^hie. Bd. 41.

S. 220—227.) Wumaim, Friedrieh. Ein deutsches CttMtier*

leben, von ihm selbst geschildert. Hrsg.

T. Berot Grönvold. München : Verlagsanst.

F. Bniekmann A.-G. (VIT. 188 S. m. Abb. 4.) Götsinger, Emst: Joachim von Watt, ge»

nannt Vadian. (Allg. Deutsche Biographie.

Bd. 41. S. 239—244.) Blösch: Nikolaus Rudolf von Wattenwyl.

(All^. Deutsche Biographie. Bd. 41. S.250

254.)

Frenke, ottn von: Christian Bernhard

von Watzdorf. (Allg. Deutsche Biognh^

phic. Bd. 41. S. 258—270.) Wanschnann, E.t Heinrich Wawn Bit*

ter von Femsec. CAllg. Dexitsche Biogrsp

phie. B<l. 41. S. 27.' ..'76.) E.A-: Fr. VV. Weher. Kinc Studie. (Histor.-

politische Blätter f. d. k ithol. Dciit^diknd.

Bd. 117. München: Kummv. d. luerar.-

artist. Anst.ilt. 8. S. 330 344. 466 468.) Pfau, Karl Fr.: Johann Jacob Weber, der

Begründer des Verlagsbausej» J. J. Weber

in Leipsig. (Allg. Dentsehe Biographie.

Bd. 41. S. 311- 3i4.> Mendheim, Max: Karl Julius Weber.

(AUg.DevtsdheBiognphic. Bd. 41. S.334

-339.)

Knott: Robert: WUhelm Eduard Weber. (Allg. Dentsehe Biographie. Bd. 41. S.358

36T.)

Hassel, Paul: Dr. Karl von Weber. (Allg. Deutsche Biographie. Bd. 4t. S. 345'*'349>)

Wa 5 ! c! e w s k i , W. |. von: Karl Maria Friedrich Ernst von Weber. (Allg. Deut- sche Biographie. Bd. 41. 8. jai— 3330

Jahns, Max: l'rcilir. M.ix Mirii V. Weber. (AUg. Deutsche Biographie. Ud. 41. S. 349 -352.)

Fränkel, T.tnhvig: Ernst Wechsler. (Allg. Deutsche Biographie. Bd. 41. S. 78o>-78a.)

Fischer, Hennannt <3eo^ Rndolf Weck- herlin. (Allg. Dentsehe Biographie. Bd. 41.

s. 375-379.)

S ei f f ert, Msoc : Matthias Wedanann. (Allg. Deutsclie Biographie^ Bd. 41. S. 379—386.)

Digitized by Google

76«

Biographische Bibliographie.

I

Stack, Alb. : Johannes Wcddc. Eine littcrar.

Studie. Hamburi H. (^rUning. (47 S.) 8. Frensdorff, F.: Anton Christian Wcdc-

kind. (Allg. Deutsche Bio^^'raphic. 41.

S. 392—395-) Hess, R.: GeorK Wilhelm Frhr. v. VVede-

klnd. (Allg. Deutsche Biographie. Bd. 41.

S. 398-402.) Generalmajor z. D.f IIerm.nnnCarlj v. Wedel f.

(MililUr-Wochcnt.I.itt. Si. Jahrg. Berlin;

E. S. Mittler & Sohn. 4. Sp. 1805 f.) Polen, B.: Karl Heinrich v. Wcdcll. (Allg.

Deutsche Biographie, Bd.41. .S.410-413.) FrMnkel, Ludwig: Krnestine Wegner. (Allg.

Deutsche Bio.i,'raphie. Bd. 41. S. 786- 788.) Frank, G.: Julius August Ludwig Weg-

scheidcr. (Allgen« Deatiehe Biog aphie.

Bd. 41. S. 427 - 432.) liunzikcr: Johann Jakob Wehrli. (Allg.

Dentsche Biographie. Bd. 41. 8.435— 44a) Seifensieder, Jac: Johann Jacob Wehrli,

ein Jüogcr Pesulozxis. FUrth: G. Rosen- berg. (39 S.) 8. Wcichcl s. Weigcl.

Wys$, Arthur: Friedrich Ludwig Weidig. (AUg. Dentsebe Biographie. Bd.41. S.4$o

- 453-)

Knott, Robert : Erhard W^eigel. (Allgcm. Deutsche Biographie. Bd.41. S. 465— 469.)

Müller, r.cori:: V;ilcntin Wcigel (Wcichel^ (Allg. Deutsche Biographie. Bd. 41. S. 472 -476.)

Dietz, Max: Joücf Weigl. (Allg. Deutsche

Biographic. Bd. 41. S. 478—482.) ▼. Weilen. Alexander: Josef Weil, Ritter

T. Weilen. Alli^em. Deutsche Biographie

Bd. 41. Ü. 488—490.) Schwalm, J.: Ludwig WelUad. (Allgcm.

Deutsche Biographie. Bd. 4I. S.490>-493.) V. WcUcn s. WeiU

Hirsch, F.: Dnüel Welnumii, brandcn-

1 ur;;!-cher Geheimer Rath und Kanzler d. llerzogthums Cleve. (Allg. Deutsche Bio- graphie. Bd. 41. S. 494 - 500.)

Schwenke, Paul: Hans W^einreich u. die Anfänge des Buchdrucks in Königsberg. (Aus: Altpreuss. Monatsschrift.) Königs- berg: F, Beyt r. (.\- S.) 8.

Schmidt, Erich, iirul < 'tto Kacmnicl: Chri- stian Weise. (.Ml^'. Deutsche Biographie. Bd. 41. S. 523 ^5.><' )

Jacobj, Daniel: Adam Wciahaupt. (Allg. Deutsche Biographie. Bd.41, S. 539— 550.)

Minor Christian Felix Weisae. (Allg. Deut- sche Biographie. Bd. 41. S. 387 590.)

Heinz e: Christian llcrm.inn Weisse. (Allg. l)cutsche Biographic. Bd. 41. S. 590—594.)

\V.»lk.in, Rudolf: Michael Weisse. (Allg. Deutsche Biojjraphie. Bd.41. S. 397—600.)

Lothliolz: Wilhelm Weissenborn. (Allg. Deutsche Biographie. Bd.41. S. 605—608.)

Ledderhose: Johann Jalcoh Weitbrecht. (Allg. Dentsche Bioffraphie. Bd.41. S<6is

-618.)

Sauer, W.: Johannes Weitzel. (Allg. Deut- sche Biographie. Bd. 41. S. 630— 635.)

Bernheim, Ern>^t: Juliu>; Ludwig Friedrich Weizsäcker. (.Mlg. Deutsche Biographic. Bd. 41. S. 637—645.)

Knol)]auch v. Hatzbach: Williclm Luii- wig Wckhrlin. (All^. Deut.sche Uiograpliic. Bd. 41. S. 645—653.)

Baumeister, A.: Friedrich ('i(>ft!a!' Wcl- ckcr. (Allg. Deutsche Biographie. B«l.4i. S. 633 660.)

V. \V c'e c h : Karl Theodor Welcher. (Allg. Deutsche Biographie. Bd. 41. S. t»6o— 663.)

Frankel, I udw.'.,'; Oskar Welten, Belletrist. (Allg. Deutsche Biographie. Bd. 41. S. 692 —696.)

Fricdricli Wclwitsch. (Nach einem Aufsatz von Dr. Trimen im Journal of Botany 1871, p. I— II.) (Calulogiie of th« African Plants, collcctcd !)y Dr. Friedrich Wcl- wiuch in 1853—61. fP. Lj Dicotyledons, P. I. hy Wifliam PhOip Hiera. London: Pr. bv Order of the Trustct?; sold by Longmans & C 8. S. VU-XVIL)

Wunschmann, B.: Friedrich Welwitscli, botanischer Reifender, ( \!lgem. Deutsche Biographie. Bd. 41. b. 699—702.)

Wenk, K.: HeUiich Bernhard Weack. (Allg. Deutsehe Biogiaphit. Bd. 41. S. 703 -709.)

Gehrmann, Henntnnt Andreas Wcrek-

meister. (.Mlgem. Deutsche Biographie.

Bd. 41. S. 744-749.)

Zinmermenn, P.t J<mann AngcUus (▼.) Werdenhagen. (Allg. Dentsche Biofiaphie. Bd. 41. S. 759—762.)

Poten, B.: Karl Wlthefan Friedrich August Graf von W'crdcr. (Allg. Deutsche Bio- graphie. Bd. 41. 6. 762—767.)

Witkowski, G.: Dicdefidi dtm Wer- der. (Allg. Deutsche Biographie. Bd. 41. S. 767—770.)

Bobe, Louis: Adam Friedrich Werner. (Euphorion. Bd. 3. Jahrg. 1896. Bamberg: C. C. Buchner. 8. S. 469—475.)

Binz, Carl: Doctor Johann Weyer, ein rheinischer Arzt, der erste Bckämpfer des Hexenwahns. Ein Beitrag zur Geschichte der Aufklärung und der Heilkunde. Zweite umgearb. u. verm. Aufl. Mit d. Bil<!nU<^c Jobann Weyers. Berlin: A. UirschwahL (VII. 189 S.) 8.

Senckel, F.: Johann Heinrich Pestalozzi 1746—1827 u. Johann Heinrich Wtcbcm 1808— 1S81 S.Pestalozzi.

Holland, H.: Max Ritter von Widnmann, Professor der BUdhauerkunsL (Biographi-

uiyiii^cü Uy Google

Biographische Bibliographie.

77*

tcbe BiKtter. Bd. IT. BeiUnt E. HofiDsuni

& C. 8. S. 22^.- 22S.) Hasseocamp, K.: Chr. Mart. Widand and Kat&arin« v. Hillern. (Wlirttembcfw gische Vierteljahrshefte f. Landesgc- fecbichte. N. F. IV. Jahxg. 1895. Statt* Swt: Dr. ▼. W. KoMhammer. 8. S. 162 -169.)

Mechel, Haas t.: £riA»eruagen an Oberst Ueinricb WleUuid. Basel: B. Schwabe.

(lo< S. mit rtildn.) 8. Adolf Wilbrandt. (Die Grenxboten. 55. Jahrg. IL Lciptig: F. W. (hmow. 8. S. 17— «6.

127--141.)

L.oreni, Ottokar: Kaiser Wilhelms erste Liebe. (Lorenz, O,: Staatsmänner und (Je^cliiclusL-lircibcr des neunzehnten Jahr- huodcrt>>. Berlin: W.Hertz. 8. S. 256— 263.)

Stnckmann, H., u. J. van Ekeris: Kaiser Wilhelm der Grosse nod seine Zeit. In dankbarer Erinnerung an die ersten deut- schen Kaiser a. d. Hohen/.ollemgesohlechte und zur Belebung wahrer Gottesfurcht, echter Königstreuc und aufrichtiger Vater- land«>licbe dem dcuiscbcn Volke gewidmet. Doitmund : F. W. Ruhftis. (VII, 344 S. m. Abb. u. Titelbild.) S.

Z e h I i cke , Adf. : Kai>cr\V ilhclm dcrGrossc, Deutschlands Retter u. Rächer. Geschichte seiner Zeit u. der von ihm ^^cfülutcn Na- tionalkricge bis zu seinem Tode m. histor. Einleitung. (In Lieferungen.) i. und 7. T Ivft >:^. I— tta miti^BOd.) Berlin: L~ AbU. S.

KrSser, CarlA.: Kaiser Wllhelfli II. Bin Lcbtrisbiltl f. jung u. n!t. \'icrte, vcrm. u. »erb. Auü. Leipzig: J. Baedeker. (IV, 155 S. mit Bndn.) 8.

Sterz cnb ach, K.: Kni«cr Wilhelm II. Seine I<cbensgescbicbte und Regierung. Dritte ▼em. Aafl. Neuwied: L. Ifanser. (43 S. n. Abb.) ^

Hersog Wilhelm von Württemberg f. (Mi- Htlr^WochenbL 81. Jslirg. Berlin: E. 5.

NTiftler Sohn. 4. Sp. 2746—2753.) Stoll, Adf: Der Geschichtschreiber Fried* rieh WHken. Mit e. Anh., entii. Aufaeich- nungcTi von Karolinc Wilken, gel). Tisch- bein, Uber ihren Vater Johann Friedrich August Tischbein «nd ihr eignes Jugend-

leben, sowie 5 Portr. Cassel: Th. G. Fisher

\ r. (yyo S.) 8. Roth, Emst: Morit2 Willkomm. * 29. Juni i82r, f 36. August 1S95. (Biographische Blätter. Vx]. II. Beriin: E. Hofmann & C.

Jacobs, Ed.: Heinrich Winokel nnd die

Reformation im südlichen Nicdcrsacbscn. HaUe: M. Niemeyer i.K. (SS S.) 8. [Schrif- ten des Vereins f. Reformation sgeschichte. Nr. 53-]

Erdmannsdörffer: Eduard Winkeimann (geb. 23. Juni 1838, gest. icFebr. 1896). Gedächtnissrede, bei der akademischen Traaerfeier in der Aula der Universität am 12. Februar 1896 gehalten. (Neue Heidel- berger Jahrbücher. 6. Jahrg. Heidelber|^: G. Kocster. 8. S. 123— 128.)

Firmenich-Richartr: Wilhehn v. Hetle u. Hermann Wynrich v. Wesel s. Herle.

Meyer v. Knonau, G.: Lebensbild des Pro- fessors Georg V. Wyss (geb. 1816, gest. 1893). [Scp.-Ausg. d. Neujahrblätter LVIII u. T.IX fiSos >i- •?96) zum B^stt-n des Waisenhauses in Zürich.] (85 u. 1 24 S. mit a Bildn.) 4.

Z i m m e r '■■ r! n n , Paul: Friedrich WilliL'ini Zachariac in l^raunschweig. Wolfenbuticl; J. /Avissler. (4 BL, «05 .S.) 8. [l eber- iicfcrungcn zur Litteratnri G«ichichte und Kunst. Bd. i.]

Gtlnther, Sicgm.: Jakob Ziegler, c. baye- rischer Geograph u. Mathematiker. (An«- Forschungen zur Kultur- u. Littcraturgescii. Bayerns.) Ansbach: M. Eichinger. (64 S. m. (■■ Fig.) S.

W Ulker, Richard: Julius Zupitza. (Anglia. Bd. 18. (N. F. Bd. 6.) HaUe: M. Niemeyer. 8. S. 139—131.)

Kind, Faul: Ulrich Zwingli und Franz II. Sfona. (1531). (Nach ihrer dureh den mai- lilndischen Hl .itidten Panizzone vermittel- ten Korrespondenz.) (Tbeologii>che Zeit- schrift aus der Schweis. XIII. Jahrg. 1896. Zürich: A. Fick. 8. S. 131-139-)

General der lofauterie (Franz özeliga Zychlio) V. Zyehlinski. (Zur Vollendung seines

80. Lcl en j iliiL .) Militär -Wochenblatt.

81. Jahrg. Berlin: E. S. Mittler & Sohn. 4. Sp. 743-745-)

Digitized by Google

DEUTSCHER NEKROLOG

VOM 1. JANUAR BIS 3i. DECEMBER

i896.

Homo liber de nulla re minus, quam de motte cogitat et ejus sapientia non mortis, ted vitae meditatiu est.

9pla«ia. Btklew pus IV. Pkopot.

Digitized by Google

, » "

I

I

Digitized by Google

- & ?e»rn Br-Sn ^\ot Uvl.Meiatab«^ Riü«r:K A. Co.

Vcrlaovon Geora njitt^r Berbn.

Google

»

Detifscher Ndcrolog vom i. Januar bis 31. Dezember 1S96.

Kail duistoph Heiaclraeh, KOnigl. MuKkdnector. 1840^1896; H. wurde

als Kind kleiner Leute am 24. Juli 1840 in Celle (Hahnover) geboren; besuchte, um sich zum Volksschüllehror :iu?!7u1)ilden, seit Michaelis 1S5.} die Prriparanden- anstalt in Winsen und konnte, zur Musik und zum Orgelspiel l)esoiuleis l»eanlagt und auf allen Stationen seines Lehrganges durch ernstes Streben ausge/eichuet, schon Michaelis 1856 bd dem Oi^iuBten in Altengemme (Vierlande) als'Ge- hfdfe eintreten. Michaelis 1858 ward er in das Seminar ni Lflneburg auf- genommen und hatte von 1859 bis Neujahr 1861 als Adjunrt einen erkrankten und bald verstorbenen Organisten /u vertreten. Daini l)eendeie e r seine Vor- studien m dreijährigem Cursus auf dem Haupiseminar m Hannover, welches er im Juni 1865 mit ausgezeichnetem 'Abgangszeugniss vcritesa. Im Orgelspid war hier Lahmejrer sein Lehrer, ein Scfafller Rinck's (vgl. AUg. D. Biogr. Bd. 28. S. 626). H. trat dann in den Schuldienst, erst als Lehrer an der Wittinger Bürpensrhule, dann als erster Törhtcrlehrer in Lüneburg, wo er noch f'.elegenlicit hatte, weuere Studien in der riieorie der Musik zu machen und sich alhnahlich eine her\'orragende Kemitniss der Orgel zu erwerben. 1868 ward er als KJoster- orgamst nach Uetenen in Holstein berufen, 1872 als Organist nach Neu- münster, und noch im selben Jahre an die besser dotierte Stelle in Gettorf bei Fxkemfbhrde; von da endlich im Januar 1R70 ^n die MaricnVin he in Hcnsburg. In diesen bescheidenen Stellnn^en entfaltete der tietfli( he Mann in eben so rastloser wie selbstloser Arbeit tür die Hebung echter Kirchen- musik in der evangelischen Kirche sowol auf der OrgeA wie im Chor- und Gemeindegesang eine so folgenreiche Wirksamkeit, dass ihm dadurch ein blei- bendes Andenken gesichert ist. Ursprtlns4h'< h war er in der Choralbehand- lung der Bach'schen Schule /nj^efiihrt; denn Rinck war ein Schüler Kittel s (AUg. D. Biogr. 16, 45) des Haupttragers tier Tradition Job. Seb. Bach's, H. aber hatte sich längst mit voller Entschiedenheit und in gründlicher Sacli- kennntniss dem durch Tucher, Layrits, Zahn u. A. ins Leboi gerufenen Streben nach einer strengen' kirchlichen und auf geschichtlichem Boden ruhenden Gestaltung des Kirchenliedes in Melodie und Satz angeschlossei^ ,

Digitized by Google

t

ncilicibad».

wie sie ihren grunrll« -enden Ausdruck in dem von tlcr Kisenacher kirchen- confcrenz 1854 herausgegebenen »Deutschen Kvaiigelischen Kirchen -Cvesang- bttdi«, den •ogeiuuuitcn 150 KernUeden, gefunden hat. Dabei w er je- doch frei von jeder pedantischen Stdflidt, wie sie den Anhängern dieses ernsten und keuschen Styles von den modemer Gerichteten gern vorgeworfen wird. Sein Orgelspiel floss bei bedeutender Technik aus tiefster Fülle eines frommen Gemütes, daher war auch seine Begleitung beim Gcmeindcgesaiig von ungewöhnlicher Lebendigkeit und Bewegitchkeit im Ausdruck und im engen Anschluss an das gesungene Wort. In Hinsicht der weiteren evangel» Kirchenmusik stand er auf dem Bodcti der von Schöberlein (A. D. B, 3a, 208) ausgehenden und in den 3 Händen seines Schat;? des liturg. Chor- und Gemeindegesanges in der deutschen evang. Kirche ausgeprägten Rich- tung. Die £rkenntnis$, dass alle wahre Kirchenmusik einen liturgischen Character haben müsae, tnldete den Kern und oberMen Gesiditspunct von H.'s ganzem Streben. Natflrlich nahm er an den Bestrebungen des AÜgimw Deutschen Vereins für evangelische Kirchenmusik den lebhaftesten Anteil, ist auch auf dessen Generalversammlungen mehrfach als Redner aufgetreten, stets bemüht, den Abwegen, die in der Behandlung der kirchenmusikalischcn Fragen nur zu leicht Gefahren drohen, indem sie in den Concertsaal statt in die Kirche filhren, in kUurer Einsicht in das Richtige entgegensutreten. Viel tiefer gehend war aber seine Wirksamkeit, seit er mit gleichgesinnten M:iiin<^m i. J. i886 den Verein zur Pflege kirchl. Musik in Srhieswiir-Holstein gründete, in dessen Vorstand er dann gewählt ward und dessen hervor- rugendste Arbeitskrali ei bis zu seinem Tode geblieben ist.

Die erste Gelegenheit zu praktischer Ausführung seiner Anschauungen eriiielt H., als Pastor Prahl, der vom Consistorium mit der Herstellung einer neuen Liturgie und eines Gesang- und Choralbuches Air die dänischen Ge- meinden Nordschleswigs beauftragt war, ihn ftir den liturgisch -musikalischcTi Teil dieser Aufgabe heranzog. Prahl war nicht nur für ihre texdidie Seite in ähnlicher Weise, wie H. für die musikalische, theoretisch wie praktisch gleich wohl vorbereitet, sondern er teilte auch H.'s Anschauungen in Betreff des.Standpuncles, von dem aus die Aufgabe betrachtet sein wollte. Sie trug in sofern einen ctgcnliimlithcn Character, weil hier flic von der deutschen if(»ttesdienstlichen Entwickelung doch stark abweichende i.»cstaltung Hc^ d:\ni- schen evangelischen Gottesdienstes fiir die in dieser Tradition lebexmeu C^e- meindcn sum Ausgangspunct genommen werden musste, wenn es sidi auch ttbrigens um eine mit Schonung vorgehende Reform der liturgischen wie hymnolngisi hen Gestaltung handelte. Der liturgische Teil (Lilurgiske Melodier til Brug ved den lutheriske HdimesKe"* erschien 1889, Chornihnrh \to1o- dier tii evangelisk Luihertsk Psalmebog) als einstimmiges Liederbuch 1Ö92, in vmtimmigem Orgclsatz 1895. Eine wahre Musterarbeit sowol in Betreff der Gestaltung der Melodien unter möglichst engem Anschluss an ihre origi> nalen Formen, mt in stylvoll kirchlicher Harmonisierung. Inzwischen war aber H. bereits in eine weitere liturgisrhc Arbeit fllr die Pro\'in7. eingetreten. Consistorium und Provinzialsynode criiessen 189.^ eine neue Gottesdiensr- ordnung, welche /um Ersatz fiir die sehr kahl und kalt gewordenen gottes- diensdidien Formen neue Formulare» liturgisch reichere neben emfiu^eren sur Wahl durch die Gemeinden aufstellu

Die reicheren {•'orniulnrc waren ohne musikalische Bearbeitung der Litur- ipen nicht ausfiihrbar. In der richtigen Erkenntnis, dass, wenn man diese

Digitized by Google

H«iBtlNw1i. ' ApptIL

3

dem Geschmack und der in den meisten Fällen völlig ungenügenden -Sach- kunde der einzelnen GeistHrhen \m<\ Dr^rnnisten überliesse, jedenfalls eine Ijrojise Buntscheckigkeit, überhaupt aber in den wenigsten Fällen etwas Gutes m erwarten sei, Ibtderte du Gontiftoriuni den oben erwähnten Schleswig- Holsteinischen Verein für Kirchemmiatk auf, diese musikalisehe Arbeit in die Hand zu nehmen. Oer Verein übertrug die Ausführung seiner liturgischen Section, in der auch hier wieder Prahl neben H. sass und mit ihm die Re- dacdon besorgte. Der erste Teil der * Gottesdienstordnung für die evangelisch- lutherische Gemeinde -Ordnung der Froviiu Schleswig -Holstein, musikalisch bevbeilet von der liturgischen Commission des Provinsial-Vereins stur Pflege kirchlicher Musik« erschien schon 1893, der «weite 1894. Jener enthJÜt den Hnuptgottesdienst, dieser die Nebengottesdienste, d. h. vor Allem das Material für Metten, Vespern und specielle Kestgottesdienste Beigef^igt ist eine vor- zugliche Auswahl mehrstimmiger Chorgesänge, lmupu>aciUich dem unerschop(> liehen Sdiatz der alten daasisdien Kirchemnustk entnommen« Auch hier konnte swar die von den Bearbeitern wie von ihrem Auftraggeber, dem Ver- ein, vertretene Richtung keineswegs vollständig zum Ausdruck kommen, son- dern nur soweit es der in fier officiellen Gottesdienstordnung gegebene Rah- men zuliess. Aber es konnte ein fester und correcter Boden gelegt werden, auf dem sich zu weiteren Zielen fortbauen lässt und diese Arbeit zählt unbe- dingt unter die reiftten und gesundesten Frttchte, welche die in der evange- lischen Kirche Deutschlands immer mehr Boden gewinnenden musikalisch- liturgischen Bestrebtrn^en bisher gezeitigt haben. Leider ist sie, von kleineren T >ingcn abgesehen, Ii. 's letzte Arbeit geblieben. Sie hatte ihm die Ernennung zum iwuniglichen Musikdirector eingetragen. Der vielbeschäftigte, leider über das Kaass seiner Kittfte aifoeitende Maxm, der dabei mir zu oft die halben Nädite zu Hülfe nahm und sich durch keine Mahnungen seiner trefflichen Gattin und des Arztes zu grösserer Schonung bewegen Hess, hatte schon längst zu kränkeln begonnen; seit 1895 nahm sein T eiden einen besorglichen, im Laufe des Sommers 1896 einen hoffnungslosen Character an. Auch jetzt noch rastete er nicht. Auf seine Orgel Hess er sich noch tragen, als er die Stufen schon nicht mehr steigoi konnte. Dem Tode ging er offenen Auges nratig und in frommer Ergebimg entgegen, ein echter Christ und rechter Olganist, beides im besten Sinne. Er starb am 6. November 1896.

Heinebuch's Persoiuhicteo. Eigene Bekaooticlwft. Nachruf von Prslil in No. 49 L des Schlesw. Holst. Laiitnb. Kiicben- a. SchuIblattM. 1896^

R. V. LiliencrOQ,

J. W. App^ Am & Januar 1896 starb in einer Vorstadt Londons ein

einsamer, in seinem Vaterlande halb verschollener deuUcher Gelehrter, J. W. Appell, der Verfasser des allbekannten, eben neu aufgelegten Buches 'Werther und seine Zeit«. Sein Hinschied erinnert mich schmer/lich an langst vergangene Frühlingstage, die ich 1872 in London zugebracht, wo der cieffKche feing^btldete Mann, an den ich durch seinen Jugendfreund Otto Müller empfohlen war, sich meiner auft fteundlidiste angenommen hatte. D;tmals lebte er in tiefer Trauer um seine Gattin. Seitdem blieben wir in \ rrbindunL', »^'nd nach seinem Tode, von dem die ( Jeftentlichkeit kaum Notiz genommen haben wird, sandte mir seine Nichte Fräulein Laura Butler, die tieue Pflegerin des Obeinis, der seit Jahren gekrilnkclt hatten einige von A. selbst niedergesdiriebene Daten seines Lebens, deren Mitteilung an diesem Orte nicht unerwünscht sein wird.

1*

Digitized by Google

4

.AppdL

A. wurde geboren am 17. Apri! 1H29 auf dorn alten fürstlich Isenburgi- schen Schlosse zu Offenbach am Main als Sohn eines Arlalcrs, der später eine Uthographische Anstalt erriditet hat. Er besudite erst die Realschvile seiner Vaterstadt von 1836 1844. Von 1844 1846 bereitete ersieh unter Leitung von Dr. J. Pfeffingcr auf die Hochschule vor, bezog dann 1846 die Univcrsii;it Erlangen, wo er bis 1840 blieb. Mit VorHel)c l)ctricb er das Kn^lische, dessen er schon mit acht/.ehn Jahren in den» (irade maclilig war, dass er Brentano's Novelle »Vom braven Cosperl« übereetzte und im Druck erscheinen Hess. 1853 leitete er vorübergehend* die »Mitteiibdiilsche Zeitung« in Wies- baden. Sonst hielt er sich bis 1858 meist zu Frankfurt a. M. auf und be> teiligte sich nn dem (lortif^'cn Cf)nver«;ntionf;blntt( und dem Frankfurter Museum« mit Heilragen aus dem (icbieie der Literatur- und Kimstgest hi< Int*. Sein ältester und nächster Freund war der 1894 verstorbene Romandichter Otto MOUer. Von i858->x86o war A. -Redakteur der WoGhenschrift »Recen* sionen und Mitteilungen über Theater und Musik«, die unter den Auspizien der Fürsten Georg und Constantin Czartoryski in Wien erschien.

Mit einer Engländerin verheiratet, siedelte A. 1860 nnrh London über. 1862 gehörte er zu den Beamten der königlich Cirossbri tannischen Koni- mission für die Londoner Weltausstellung; und in Anerkeonimg der Dienste, die er den fremden AussteUungskoramisaionen leistete, wurde ihm das Ritter« kreuz des F>anz Joseph -Ordens verliehen. Im Jahre 1864 wulde A. Kustos in der Abteilun-^ für K<mst und Wissen^^rbnft nm South Ken^infjton Mnsetim ; diese liil^liothekarsteUe hat er bis zu seiner Pensionierung beibehalten. Kr veröttentlichte für das Museum:

»Monuments of Early Christian Art . « . Dlustradve Notes, coUected in Order to promote the reproduction of Remains of Art belonging to the early centuries of the Christian era.« 1872,

»Christian Mosaic Picturcs. A Cataloguc of Reproductions of Christian Mosaics exhibited in the South Kensington Museum.« 1877.

1867 wurde er von der englischen Kegierungskommission als Bericht- erstatter zur Weltausstellung nach Paris gesandt. Infolge aadanemder Krttnk* lichkeit sah sich A. im Spätjahre 1893 genötigt, seine Stelle am Ken- sinEjton-NTiiseum tnederrtilepen. Fr r.o^^ sich nach dreissig arbeitsvollen und t) r;)hrun^'srci( lien Dienstjahren mit einem knappen Ruhegehalt nach Wands- worih Commori, im Südwesten Lon«lons /.umck. Seine Werthersammlung, seltene und kostbare Stücke enthaltend, mnsste er verkaufen. Sie kam an die Stadtbibliothek in Bremen. «In einer öden Vorstadt des neuen Babylons« schrieb er mir im Frühjahre 1895 »sitze ich nun, und sehe keinen Freund, kein neues Bucli, kein deutsches Zcitunpshl.itt. .Ms A. um dieselbe Zeit Hand an die vierte Auflage seines Wertherbuches legte, besorgte ich ihm einige Literatur. »Lange, lange ist es her« dankte er mir am 26. Fe- bruar »dass wir in meinem kleinen Hause Nr. 9 Susaex place» Rensington W., das ich schon Anno 1877 verlassen habe, bis tief in die Nacht freund- schafüirh wnd ^emiitlieh /nsnmmen sasscn, niis langen weissen Thoiii)feiffen, sofrennnnten K ir«'hen\'orsti"hci>i »feiten srhrnauchem!. Ich bin indessen ein allersgrauci Invalide geworden und Icibht li ein gar schwaches Subjekt. In den letzten Jahren war ich ganz nahe daran, in den aufgesperrten Rachen jenes bekannten grossen Haifisches zu fallen, der im Ozean des Lel)ens unserem armen Schifflein beständig folgt. (Ein LiebHngsbild von mir, beiläufig gesagt.) Aber am £nde komme ich doch noch einmal nach Zürich und halte um die

Digitized by Googl

ÄppelL 'Avcaifins.

5

Matid'Ihrer jüngsten Tochter an.^ Und anr ib; Apifl- kamen folgende web* miUTge Zeilen: »Der Imlde Lenz ist ersdiienen ^ auch auf der britischen Insel und die Erde hat Mch wahrscheinlich auch verjiinjjt. Das tetztcre lasst sich jedoch nicht behaupten von dem melancholischen Einsiedler in Wandnrortb Commov; ' Ich will -nicht klagen; ober »Gott hört mich brum- men«,- wie dn alter ehemaliger Hnsarenoffizier zu sagen «pflegte, . den ich in meinen Knabenjahren in Offenbacli a. M. gekannt habe. Ich lioffe, das M~hön>;te Frtihlingswetter hat Sie am Vierwaldstättersec bcplinstigt. Ich habe' diesen See auch einmal besucht. !>n«; \vi\r im Jahre 1847. I ).ima1s war ich auch in Zürich und verweilte sogar eii\ige Zeil in dieser schoneix Siadt. Der Üdi-Beig -steht mir noch vor. dem inneren- Auge; un^ es ist mir, als sei es gestern gewesen, dass nh in einer mondbeglänzten Sommernacht am Rande des Züricher Sees stand in Geraeinschaft mit Gottfried Keller und einem l.-injrst verschollenen deutschen Flüchtling, namens Ludolf. Keller wohnte in Höningen in demselben Hause mit Wilhelm Schulz, und ich besuchte ihn auf seiner Stube.«

Appells Haupt\fcerke bind; " '

1. »Der Rhein and die Rheinlaudc, histomch topographisch dargcätellt von J. W. Appell.« Darmstadt; G. G. Lange. 1847-:-^ i8si. (Wurde ancl» ins Bng^die and Fran*. xOsische (lber«etzt.)

2. »HoDor; or, tbe atory of tbe brave Caspar and the fair Anoerl. üy Clemcni» Brentano. Witb biograpbied Notice of the Anthor, hy J. W. AppdL TntrtJated Iram

ihe German.« I.onf^on- Jnhn Chapman. 1847. (Vgl. The Wcstmiir^tcr and Foreign <,2a^terly Review, vol. Isl \ Hl (iS47), \). 5S7. '.\thenaeuni< , 1S47, No. 1049, p. 1243.)

3. ^Das liau» mit dcu drei Lyreo uud da» Goethedcnkmal in Frankfuu a. M.^voo J.W, Appen.« Fnuikftirt » If.: Friedrich Wilnans. 1849.*

4. Wcrlher und seine Zeit. Zur Coelhc -Literatur. Von J. W. Appell.« Leipzig: Wilhelm Kngeliuaru). 1855. Zweite Ai^iage Leipzig 1865; dritte Auflage Oldenburg 1882; vierte ▼crbcnerte and veim'ehrte 'Auflage Oldeoburg 1896.-

5. »Sophie T.a Roche. Eine biogrepbüich- literarische Skizze ▼OD 'J* VT. AppdL«^

(Im '»Rheinischen Taschenbuch , Frankfurt a. M. : Saucrliindcr 1S56.)

6. »Die Ritter-, Rüuber- und i>chauerToumntik. Zur Geschichte der deuUcbea Unter- haltangt-Litmliir. Von J. W. Appell.« Leipzig: Wübefau SiSgdiMBUi 1859.

fm »Dona Diana. Lustspiel in drei AkteSt Nach dem Spanischen des Don Augusttll Morcto, von C A. West Mit. einer £inlcttuBg von J. W. AppelU, Wient J. B. Wallis-

Lauscr 1862. . . ^

EDÜk Galotti. Bfit einer Einleitung} .iSmaia Gialotti «vf der .BIllme. Stutt- gart 187a.

Daneben lieferte A. zahlreiche Beiträge vomebmlich zur Literatur- und

Kunstgeschichte fiir das Frankfurter »Konversations- Blatt«, das Frankfurter, Museum«, den Hamburger -Telegraph«, das Bremer »Sonntagsblatt , die Blatter fUr literarische Unterhaltung« und die .^Beilage zur Allgemeinen

Zeitung«.

Auf dem letzten schweren und entbehrungsreichen Krankenlager besorgte; Appell noph * die Korrekturen seines Lieblin^uches »Werther« bis auf die letzten zwei Bogen. Seinen Tod erfuhr ich erst im T.nufc des letzlvn Fe- bru»rs durch ««eine Nichte. Klanglos ist er von hinnen gegangen, aber ^cmt^u- Name» gebührt ein freundliches Gedächtnis. . i

.Zürich. J. Baechtold. ..1

Sidund Heiatieli Ludwig Avenarins. Am- 18. August i8i^6 starb int Zäridi der FrbiSsssor der Philosophie Richard Ayenuius im 53. Lebensjahre.

Dlgitized by Google

6

AveiMrhis.

A. würfle am 19. November 1843 in Paris geboren. Sein Vater Eduard, aus einer alten Theolügenfamilie (Habermr^nn'j stammend, besass damals in Paris eine deutsche Buchhandlung verbunden mit Verlag. Bald nach seiner Geburt siedelten die Eltern wieder nach der engeren Heimat, nach Leipzig, Uber. Später, nadidein der Vater den Verlag (mit Ausnahme des Uttenriscfaen Centraiblattes) aufgegeben hatte, wurde der WohnsitB nach Berlin verlegt.

In Leipzig und Berlin verlebte A seine Jugendjahre, zusammen mit drei Brtidern Max, Ludwig und Ferdinanci. Hier genoss er auch seine crs>ti; Er- ziehung. Dem Willen des Vaters entsprechend, widmete er sich zunächst dem Buciihftndlerberuf, so sehr auch seiner tie^rOndigen und poetisch fein- sinnigen Natur alles Geschäftliche widersprach denn von seiner Mutter Cäcilie, geb. Geyer, einer Tochter des Dresdener Hofschaus])ielers T>u(l\vig Geyer umi Schwester Richard Wagner's, hatte der Jüngling eine starke dra- matische Veranlagung geerbt.

Aber wie so oft bei Ifinnem, die durch vfilerlidien WiUen in eine l^benslage entgegen ihrer Neigung gedrängt werden, hing auch A. nun mit tim so grösserer Zähigkeit an dem einmal gefassten Plan, studieren zu wollen. Nachdem endlich der Vater umgestimmt war, galt es zunächst, die Gymnasial- maturität zu erwerben, was binnen kurzer Zeit am St. Nicolaigymnasium in Berlin gelang.

Die nächsten Jahre verbrachte er mit den emstesten Studien teils roma^ nistischer, teils philosophischer Art in ZUrich, Berlin und Leipzig.

Von höchstem KinHiiss auf sein ganzes DcnVen sollten die Vorlesungen des J'h\ siologcn Carl Ludwig werden - das war die Saat, die spater atit- gehen sollte in seiner empiriokntischen Methode. Zugleich trat er in engste Besiehungen su einer ganzen Anzahl von hervorragenden Universitätslehrem, unter denen ich besonders Drobisch, ZamcVe und Wuttke nenne. Sie alle schätzten den jungen Mann hoch, ebenso sehr lun seiner frischen Auffassungs- gabe, als um seiner frischen Heiterkeit willen. Diese Eigenschaften, sein Forschimgseifer und sein liebenswürdiger Humor, waren e.s auch, die eine Anzahl gleicJigesinnter und gleichstrebender Genossen an ihn fesselte, mit denen zusammen er 1866 den akademisch-phttosophisdien Verein Leipzigs gründete.

186S erwarb er sich dann ricn Dtjktorhut mit einer Dissertation: »Über die beiden ersten Phasen des S]Mnozischen Pantheismus und das Verhältnis der zweiten und dritten Phase, nebst einem Anhange über Reihenfolge und Ab&ssungszeit der älteren Sdiriften Spinozas«.

Die folgenden Jahre verlebte A. teils in Berlin und Dresden, wo ihn engste Freundschaft an Richard Henke band, teils a\if grösseren Reisen, die ihn nach Italien und Sicilien, Spanien, Algier und Paris führten. Wissen- schaftliche Studien wechselten mit lyrischen und dramatischen Dichtungen, von denen besonders ein reizvolles Lebensbild: »Ein armer Teufel« Zeugnis ablegt.

Die ihm befreundeten Professoren drängten ihn jedoch immer emster zur akademischen Lauflmhn, seine Begabung richtiger abschätzend als er selbst. Aber in der ihn axiszeichnenden Bescheidenheit seine geistige \'or- bereitung unterschätzend, zögerte er immer wieder mit der Habilitation. Jeden Ifinweis darauf lehnte er mit den Worten ab: »Ich habe den Leu- ten nodi nichts zu bieten bis endlich der Geheimrat Zamdte ihm bedeutete: »Sie sind so voll, dass sie platzen jetzt machen Sie vorwlits«.

Digitized by Google

7

Dann, 1876, habilitierte sich A. in Leipzig mit einer Arbeit: »Philosophie als Denken der Welt gemäss dem Prinzip des kleinsten Kraftmasses, Prolego- meiia einer Kritik der reinen KrI'ahrung«. Hatte er sich in seiner Spnioza- acfarift bestrebt »die Entwicklung einer speciellen Weltanschauung als einen geaebanSssigen Praoen unter rein }>sychoIogi9c]ieii Gesichtspunkten zvl be* trachten«» so war er in seinen Prolegomencn sur Kritik der reinen Erfahrung bestrebt »Wurzel Aufgabe, Methode und fiestaltung der gesamten Philosophie als durch ein alli:tincincs Prinzip l)estimmt zu denken

Mit dieser Arbeit war der erste Schritt zu dem späteren grossen Werke gethan, der Grundgedanke gefasst, der von nun an aUes Foischen unseres Philosophen durchdrang, der von nun an im VMdergrund seiner gesamten geistigen Bethätigung stand. Freilich war der Standpunkt, wie er ihn später einnahm, noch nicht ganz erreicht, in seiner rein beschreibenden Allgemein- heit noch nicht ganz zur Klarheit gelangt; es war ein Uurchgangssladium, ein Stück Schule und Partei« während sein späteres Werk sich über die Parteien erhebt.

Gleichseitig trat an den jungen Dosenten die Anfrage eines befreundeten Verlegers, R. Reisland, wegen der Gründung einer neuen philosophischen /♦•it^rhrift. .\fii allem Kifer nnd reger SrhafTenslust wurde der Ciedanke auf- gcgritfen und das Progiaaun entworfen, l'ntcr der Mitwirkung von C. Göring, M. Heiiue und W. Wundt trat dann die ^ Vierteljahrsschrift fltr wissenschaft- liche Philosophie« ins Leben und wurde von A. mit sicherer Hand während der jetzt zwanzig Jahre ihres Bestehens durch alle Fihrlichkeiten, welche der neuen Zeitschrift drohten, geleitet.

Mittlerweile war in Zürich durch die Abberufung W. Windelbands eine Prutessur freigeworden, und A. erhielt schon nach zwei .Semestern Doientur 1S77 einen Ruf nach Zürich als ordentlicher Professor filr induktive Philo- Sophie. Hier wurde er also Nachfolger Wmdelbands, welchem wiederum W. Wundt und Alb. Lange vomusgegangen war«i.

Jetzt begann eine angestrengte Thätigkeit. Sich auf ein Landhaus in der Nähe Zürichs, in Wipkingcn, mit seiner jungen )• rau , Maria geb. Semper, zurückziehend, arbeitete er i>eine Vorlesungen auä, die sich über Psychologie, allgemeine Pädagogik, formale Logik, und im Anfang auch ttber Spinoza und Gttchichte der griechischen Philosophie erstreckten.

.Alle, die A. in diesen zwanzig Jahren gehört haben, sind cini^^ darin, dass er es in hohem Masse verstand, den Hörer zu fesseln. Nicht durch blendenden Glanz der Sprache, durch freien und rhetorisch aufgeput/icn Vor- trag, auch nicht durch eine populäre, ieichi fassliche Darstellungsform; was an seinem Vortrag ansog, das war die Exaktheit seiner Darstellung, die Lttdcen- losigkeit der Gedankenfolge, die mit befreiender Sicherheit su dem Resultate hinftihrte. Wie man sich im (Gebirge dem Führer vertrauend anschlrcsst, so folgte man tlem sicheren Leiter (hirch das (iebiet der l'',rkenntnis, und hatte, auch wenn man nicht über diesen Begriff verfügte, das Gefühl eines .systema- tischen Genies.

Weniger trat dieser Zug hervor an seiner Psychologie, die daflir za breit gesponnen war, aber in besonderem Masse an seiner allgemeinen Päda-

irogik und an der formalen Logik. Auch das Siiinozn- Kolleg, das ich nicht aui» eigener Erfahrung kenne, da A. im letzten Jahrzehnt sich jeder geschicht- lichen Darstellung enthielt, soll überaus fein gewesen sein.

*) R. AvenaHttti Kritik d. r. Bif.» Bd. Vttrwort S. V.

Digitized

8

Riihip und ernst pflegte er auf dem Katheder stehen und seine (ic- danken vorzutragen, in kurzen Zwischenräumen den Bhck zum Manuskript senkend, Wiederholungen jeder Art vermeidend und dadurch, die angestreiig«- teste Auftnerksamkeit foidemd. Nur selten fUxht er eine Bemerkung» einen Einfall in seine Ausführungen ein, und das geschah dann aumeist mit fidnem Lächeln.

fcrst na( hdem in die angestrengten Arbeiten Uir die Verlesungen cnn^or- massen Ruhe gekonunen war, richtete sich sein Augeiunerk wieder aussclilie;>s- lich auf die Ausarbeitung des Werkes, dessen Grundatige und Umrisse ihm nun schon seit Jahren vorschwebten: die allgemeine Theorie alles mensch* liehen Denkens und Handelns, die Kritik der reinen Erfahrung.

Die j'chn Jahre, die nun bis zur Veröffentlirhunji des ersten Bandes der ^Kritik« folgten, waren ausgefiillt mit emer geistigen Arbeit, wie sie intensiver und ^idauernder zu denken kaum möghch ist. Ihm war, wie er selbst sagt, die «Kritik« zur Krisis seines Lebens geworden.

Je mehr er sich vertiefte, je mehr er dachte und schrieb, desto mehr stürmten (hc Probleme auf ihn ein mit ihrer ;?nn7:en nngt'^eiir»^" idn-rwaltifTcn- den Vieliahij^keit nnrl Vielseitigkeit. »Nach immer neuen leiten erschlossen sich formale Zusammenhange des behandelten Erkennens, immer mehr neue materiale Einzelwerte strdmten zur Einfügung herzu.« (Vorwort zur Kr. d. r. Erf. S. VI.) Die schier erdrückende Masse des zu bewältigenden Stofles war es, die sich auf ihn legte, ihm keine Ruhe mehr lassend zu keiner Stunde des Tau'es inid fast ficr Nacht, die er mit Rie.senanstrengung zu durchschauen, zu bewältigen, rxi /-ergliedern luid zu lösen suchte die Problemhydra mit immer wieder wachsenden Köpfen, die ihn zu tmistricken und zu vernichten drohte, und der er dennoch trotz seines zarten- Kttrpeis mit seinem I>eidier- geiste Herr wurde.

Freihrh sobald die Ferien kamen, /og er aus in^ ( birge der Schweiz und Tyrols, nach Italien; aber seine Gedariken gingen mit liim. Seine Gattin fühlte ihn nach Venedig, um ihm auf arztliches yXnraten Zerstreuung y.u ver- schaiTen. Aber fUr ihn gab es keine Zerstreuung. Nachts sass er auf, Notizen machend; von Venedig sah er nichts; am Lido ging er auf und ab und schrieb in seine schwarzen Heftchen bis die Fieberschauer kamen und ihn schttt-' leiten und aufs Krankenbett warfen.

Mit dem Typhus kehrte er heim.

Auf dem. Rigi und im Ötzthal suchte er, nach langer Zeit genesend, seine Kräfte wieder zu heben. Aber kaum trat das ein, als anefa. ctie Arbeit wieder begann.

Schon lr1n*rst hatte er die Wohnung gewechselt und -^var naher an die Universität, in die X'orstadt Höningen gezogen. Den Gehängen des Zurich- bergs nahe, ])llegie er iuer auf einsamen .Spaziergangen, an.den Aussich U».steilen ZU arbeiten imd seinen Gedanken zu skizzieren, so der späteren AusfUfaiung und endgültigen Anordnung vorarbeitend.

Als das Werk sich seinem Abschluss nahte, begann A. seine Theorie noch che sie gedrnckt war in Vorlesungen darzulegen. Wenige waren es, die ihm Interesse dafür entgegen!)] achten und die notwendige geistige Kr^t dazu besessen. Denn gar gewaluge Anforderungen stjellte seine Lehre verlangte sie doch nicht weniger ils ein völliges Anheben, jeder bisherigen philosophischen Denkweise, ganz abgesehen von der Erlernung (ich möchte fast sagen) einer ganz neuen Sprache. Denn .sich besiehungsfreie Ausdrücke

Digitized by Google

9

2U scharten, lag A. so sehr am. Herzen. Er wollte lieber gar nicht verstajulen, als nussTmtanden werden. Und er sagt selbst mt' Vorwort xtnr fCr. d. r. Erll S. XVH): »Unterlässt man es, einen relativ neuen Begriff just so, wie man ihn verstand \md zum Unterschiede von seinen Verwandten kennzeichnen wollte, finrrh neue beziehungsfreie Ausdrücke festzuhalten, so hat man den bekannten Vorwurf des 'neuen Weines in alten Schläuchen' zu befurchten; bildet man neue Termini, so droht die übliche Klage der 'Erschwerung de» Verstfindniases*. Kon, auch hier gilt: was man thue, nan hat es su bereuen.«

Aber gegen das Missverstandenwerden giebt es keinen Schutz auch nicht den einer völlig neuen beziehunpsfreien Terminologie. Denn zufolge dem Träghcitsgcset/, das auch für den Denkprozess seine Gültigkeit hat, werden doch immer wieder die neuen Ausdrücke nach den gewohnten, ein- geübten ausgelegt imd gedeutet, wird ein geläufiiger Sinn und Inhalt in die neuen Ausdrücke hineingelegt.

Diese Gefahr und die Kraft, die dazu gehörte, jeden Ausdruck tastend nach den Grenzen seines Umfanpje? prtifen, ohne sich von vornherein der Tauschvmg hinzugeben, ihn mit Hülfe des Cjcw ohnten zu verstehen und .scmcn kibalt ausschöpfen zu können, diese Anstrengung, welche auch jetzt noch das Wetk von jedem fordert, der neu an dasselbe herantritt, sie war damals bei den Vorlesungen ohne den Anhalt des gedruckten Buches noch weit grösser.

So ist es zu verstehen, dass im Anfang die Zahl seiner Hörer für diese Vorlesungen allgemein-erkenntnistheoretischer Art eine sehr geringe war. Un- ausbleiblich aber war auch, dass diese Hörer sich enger laid enger an ihren Lehrer anschlössen und den Stamm der kleinen Schülergemeinde bildeten, welche sich bald um den verehrten Lehrer tu- gruppieren begann.

Endlich 1888, nach vielem Drängen der Freunde, erschien der erste Band der "^Kritik der reinen Erfahrung«, wekhem der zweite, mehr als doppelt so starke Band zwei Jahre später folgte. '

' Ein Lebensabschnitt des Verfassers ging zu Ende, ein neuer begann. Am Ostermontag iBBSt hatte er * da» Vorwort geschrieben. * »Der EnHf^ schluss«, sagt er dort (S. X), »die ftrfgenden Untersuchungen nunmehr dem Druck ?.u iil »ergeben, ist mir wahrlich nif hts weniger als leicht geworden, (»alt es doch, nicht nur einen intensiven subjektiven WiderAvillcn , sondern auch gar viele und grosse objektive Bedenken zu überwinden! Hätten nicht jüngere Forscher, - die mit den- hier niedergelegten Ansiditen durch meine Voriesungen bekannt und befreundet wurden, mir immer dringender nahe gelegt, dass es sich nun nicht mehr darum handle, von einem Recht für mich Gebrauch zu manchen, sondern eine Pflicht L'<"gen sie zu erfüllen ich gestehe, ich würde es vorgezogen haben, das Werk, von dessen mannig- fechen Unvollkommenheiten niemand mehr als ich selbst überzeugt sein kann, lieber nodi ^ wer weiss für wie langet smttcksubehalten, um* es irorerst durch immer neue Zusätze und Verbesserungen in kleinen Schritten zu fördern in Rirht\ing auf das Ideal, das vor Jahrzehnten der eigene jugendliche Mut geahnt, seit vielen Jahren der reifenden Arbeit %'orgesrhwebt nnd das doch, je weiter ich fortschhtt, desto weiter und weiter und dann endiicii in unab- sehbare Femen surttckwich.c

Das sind Worte beseichnender Art für die Denkweise unseres Philosophen. Ein grosser Erfolg wurde von vornherein nicht erwartet. Aber doch ein kleiner zum mindesten em negativer, eine Kritik, ein Widerspruch, ein Angriff.

Digitized by Google

lO

Avenarius.

Aber nun trat das gi&iizlich Unerwartete. Unvorhergesehene ein» Das Werk fand vorerst unter den Fachgenoisen keine Beachtung, die Kritik he-

5»:hränkte sich in den wenigen Fällen, wo sie überhaupt Notiz davon nahm, auf kurze Inhaltsnngaben, und sonst blieb alles still. Erst der Tod des Autors hat dann Aendcrung geschaffen.

Das anfängliche Schweigen war fretlidi sehr begreiflich. Ratios standen alle vor diesem Werke und seiner Sprache, seinen Formeln, seiner gansen Betrachtungsweise, und ehe sie sich selbst Blössen geben wollten, schlugen sie lieber das Buch m, legten es beiseite und schwiegen.

Der Verfasser desselben aber hatte verzweifelnd rufen mögen: Heran, greift an, stosst zul besass er doch die Mittel der Verteidigung in hohem Masse; aber es. kam keiner. Einsam und unbeachtet blieb er stehen. Nicht ganz ohne sein Verschulden. A., der selbst eine allgemeine Pädagogik vor- 'ni^ und darin nls eins der ersten Prinzipien dns allmähliche Fortschreiten \(jin Bekannten /.um l^nbekanntcn aufstellte, t-r hat mit seinem eigenen Werke diesem Satze zuwidergehandelt. Kr gab das Neue, Ungewohnte, Unbckamite, ohne TO ihm hinsuleiten, ohne den Weg au weisen, wie er selbst an seinen Resultaten gekommen, oder wie seine Leser von ihrem Standpunkte aus au seinem gelangen könnten.

So haben wir hier 'lie Erscheinung eines Baues, <ler abgetrennt vom F^tland des übrigen i-orschungsgebietes einsam dasteht, und der auch einsam bleiben wird, bis durch die Vermittlungsarbeiten historischer und systemaU» scher Art die Brttcke geschlagen wird, über welche hin dann bequem der Pilgerstronn zu seinen Pforten gelangen kann, und durch welche auch di^es einsame Werl, einbezogen wird unter die gemeinsamen Güter der Gebildeten aller Nationen.

Der Eigenariigkeii seines Werkes war sicli A. voll bewusst, wenn er auch im stillen die AnpassungsfiÜii^eit i^eichstrebender Forscher hdher ver- anschlagt hatte. »Wenn ich bedeiäe,« sagt er im Vorwort (S. XIX), »wie wenig es ist, was ich nunmehr in greifbarer (iestalt vorlege, so fühle ich wohl, wie viel mehr es hätte sein können, hätte ich mich Tiaher an das her- kömmliche Verfahren gehalten. Wie viel mehr in der gleichen Zeit, aber nicht mit der gleichen Lastl Wie viel mehr, wie viel leichter und wie viel dankbarer! Aber was überhaupt ftir mich zu erreichen war, konnte ich eben doch nur auf dem Wege erreichen, welcher der meine wurde.«

Die Theorie von A., für welche er die Bezei« hnung Km jiiriokritiris- mns einführte, geht völÜi^ dugmenlos zu Werke, sie nimmt weder BewusNi- seiii, nocli Denken, noch Empfinden an; sie nimmt auch kein Wollen, keine Vermögen, keine Seele oder i)sychtsche Substanz, kein Psychisches überhaupt als Aust^angspunkt an; sie verneint jede dualistische Auffassung, entscheidet sich ;il>er auc Ii nicht fiir eine monistische, sie vernichtet den philosophischen Idealismus kritisch, hebt aber auch nicht flen Realismus auf den Schild ja, sie betrachtet selbst tlas Verhältnis von Ursache und Wirkung schon als Ausfluss einer Theorie, d. h. als unbrauchbar für die Voraussetzung, von wel- cher auszugehen sei, und sie kann das alles um so mehr, als es ihr (wenig- stens für das Hau])twerk, die Kr. d. r. Erf.) nicht darauf ankommt, den Inhalt, das Was der Erfahrungen zu </flien, sondern nur die allgemeine Forin der Krhihrun^a-n ^d. h. unseir ^esammten Denkens und Handelns) zu beschreiben, ihre Beschalfenheitea unci Zusammenhange. Die damit ge- gebene neue Denkmethode in die Philosophie eingeführt und zum

Digitized by Google

Aveoanu». / 1 1_

«nten Male consequent angewendet au haben das ist das grosse Ver *

dienst von A.

(Vgl. Fr. Carstanjcn, Rieh. A.' biomechanische ( ii undlegung der neuen allgemeinen Erkenntnistheorie, eine Einführung in die Kr. d. r. Et, Mün- chen 1894.

M. Heinze, Empiriokritixtsmus, in Ueberweg-Heinze, Gnindriss d. Gesch. d. Philos. m. Th. n. Bd..S sa.

R. Willy, Der Empiriokritizismus als einzig wissenschaftlicher Stand*

pimkt. Vierteljahrssrhr. f. wiss. Phil. jhrg. XX. 1896.

W. Wundt, Empiriokritizismus, Fhilos. Studien. Bd. Xlli. Helt i u. 3. 1898.)

An anderer SteUe wiederum sagt Goethe: »Jede Idee tritt ab ein fremder Gast in die Erscheinung und ist, wie sie sich au realisieien begjont, kaum

von Phantasie und Phantasterei zu unterscheiden.

A. hat fhe Wahrheit dieses Salzes sciimerzHch genug an sich erfahren. Aber die grosse, wahrhaft philosophisdic Duldsamkeit, welche eine der her- vorragendsten Züge seines Charakters war, trat glünaend au Tage, als nach einigen Jahren Berichte einliefen, wie die Urteile euixelner Fachgenoasen ttber sein Werk lauteten*

Aber es ist eine Selbsttäuschung, der sich vielfach Gelehrte und Künstler huigehen, wenn sie glauben, ohne die Anerkennung ihrer Leistungen durch dlie Zeitgenossen auskommen zu können. Das Fehlen der Anerkennung war es im Grunde doch, was A. das Leben veibitterte, was ihm wie ein Wurm am Herzen frass.

Freilich sagt er: Kin Anderer waren wir, als wir den Stab zur Wande- rung nac h dem fernen Land iler Krkenntnis ergritTen ein Anderer sind wir, wenn wir ihn niederlegen. Die kindliche Zuversicht, dass just uns die «Wahrheit au finden« gelingen werde, ist längst dahin; erst während des Fortschreitens erfuhren wir die eigendidien Schwierigkeiten und an ihnen die Grenzen unserer Kräfte. Und das Ende? ^ Wenn wir nur aur Klar- heit mit ups st'lbst gelangten! (Vorr. zur Kr. S. XIX.)

Ja, zur Klarheit mit sich selbst war er gelangt, wie kaum ein anderer. Nicht ein Jou mehr gab es für ihn seil Beendigung der »Kritik« an seiner Anschauung au ändern.

Kach Abschluss seines Hauptwerkes erschienen yon A. nur noch kleinere Arbeiten. Zn-vif-hst: »Der menschlii he Weltbegrifi' if^Qi, nicht eigendich eine »neue* Schrift, sondern in manchen Teilen idter als fhc »Kritik-, wie ihr Vorwort sagt, eine Arbeit, die A. im Gespräch wohl als »Meine Meta- I'hysik« beseichnete. ISe dient hauptsächlich der bei der formalen nicht mit* behandelten inhaltlichen Bestimmung der Erfahrung, wenn auch nur ftir einige Hauptpunkte. Zuletzt erschienen die »Bemerkungen zum Begriff des Gegenstandes der Psychologie« (Vierteljahrsschrift f. wiss. Phil. XVIU t, *, XIX I, 2).

Als nächstes grösseres Weik dachte A. eine Ethik zu verfassen. Von den TrolhättapFälien schrieb er vor zwei Jahren frdhlich heim: »Jetzt weiss ich, was ich noch leisten möchte, eine Frei licht-Ethik « ; ein httbsches Wort f ir den allgemeinen, freien, grossen Charakter, den seine Ethik unzweifelhaft

getragen hütre.

Es soliic anders kommen leider! Wohl arbeitete er an seiner Ethik, eine Anzahl von Keftchen legen Zeugnis davon ab; aber die ersten VorboMm

Digitized by Google

12

Avenarius. Becker.

kttnen; - mahnend, dsas es mit der Kraft und Gesundheit zu Ende gdie.' Wenn der warme Föhnwind kam, klagte er Uber Gedrllcktsein, schmenltch quälte ihn die Ltchins, und schon vor Jahresfrist liess ihn ein völlige Erschöpftsein

Erholung an der Ostsee suchen.

Dann, im Februar iSc)6 stellte er plötzlich seine XOrlesungen ein. Alle hofften, diiüs es nur auf kura^e Zeit wäre. Allein er kam nicht wieder.

Aus der anfänglichen Erkältung wurde eine Lungenentzündung und als diese glücklich vorüber, da setzte plötzlich, und selbst dem ihm aufs engste befreundeten Arzte unen^'a^tet, ein akutes Herzleiden ein, das ihn, schnell und schneller sich entwickelnd, dem Tode in die Arme trieb - ohne dass er es wusste und ahnte, ja ohne dass er über die angstlich vor ihm ver- borgene Ursache Kenntnis besass.

- Über- A. als Menschen sind alle einig, die je mit ihm in Bertlhrung ge- kommen. Seine innerlich vornehme, wohlwollende, liebenswttrdigie Natur machte ihn allen an/iehend und sympathisch.

Über A. als Forscher, liber die »Bedeutsamkeit« seiner Theorie ein Wort au sagen, wäre wenig im Sinne dieser I heorie selbst. Demi auch die »Bc- deutsamkeitc eines Menschen ist ebenso eine Charakteristik, wie »Wahrheit«, »Wirklichkeit« und andere Werte. Über ihn hinweg rollt die Zeit sie allein wird es entscheiden, was an seiner Lehre von Meibendem Wert ist, was an ihr der Ausscheidung verfällt. Ob er als »bedeutei\(lcr Philosoph in Ansehen stehen wird oder nicht auch das ist abhangig von der Vor- l)ereitung, von der Zahl und Autorität der Individuen, welche in seine Ge- folgschaft treten und von der Fruchbarkeit seiner Theorie. Ein System aber, das so* eigenartig ist, wie das von A., das birgt allein schon dadurcli die Keime :,'rosser l'ruchtl).u keit in sich, dass es un«; neue Wege weist, neue Perspektiven eröftVict und die Möplichkeit 7.c\^X, die ahen immer hin und her gewendeten Probleme einmal uiuer emeni gaiu anderen Gesichtswmkcl zu betrachten. Das wirkt immer erfrischend, anregend and fördernd.

Ein Ruf nach Freiburg i. B., als Nachfolger von AI. Riehl, erging in

A. 14 Tage vor seinem Tode. Zu spät! Es konnte ihn nicht mehr be- glücken; nur noch schärfer führte es ihm das Tragische seines Geschicks vor Augen.

Aber vielleicht musste er zum Märtyrer seiner Idee werden, damit diese Idee Lebenskraft gewinne.

Zürich. ■'• Fr. Carstanjen.

Karl Becker. Mit dem cinstiy^en ersten Direktor des Kaiserlichen statisli- se ilen Anjtes in Berlin, dem VVirkli< hen ( teheimen ( Mier-Regierun^-srath a. I). Ih. Becker ist ein Mann aus dem Leben geschieden, der auf die Ausbildung der amtlichen Statistik Deutschlands einen hervorragenden ISinflusB gettussert und suglttch in wissenschaftlicher Hinsicht namentlich auf dem Gebiete der Bevölkerungsstatistik sich ausgezeichnete Verdienste erworben hat. Ludwig Martin Karl Becker war rlcr am 2. Oktober 1823 geborene Sohn eines Arztes unil Krcisj/hysikus zu Strohausen in der heutigen Gememde koden- ku-chen, einem kleinen Dorfe der oldenburgischen Weser-Marsch. Obschon

B. nur die ersten Knabenjahve in seinem Geburtsorte verbrachte, mnes er sich lebenslang als ein echtes Kind der Marsch. In diesem <Iurch An- schwemmnn'^f entstandenen äusserst fnirhtl'aren Xiodernnirslande, in dem der Mensch l eben uml Kigeniiuun ua ständigen kanii^te mit den WasserfUithcn zu vertheidigen hat, m welchem er früher auf aufgeworfenen Hügeln, den

Digitized by Googl

Becker.

»3

sog. Wurpen, seine Woimstätte au&uschlagen gezwungen war» heute hinter micfatigen ErdwiDen, den Deichen, Schuts sucht» aitxt ein auf seine Abkunft Toa TomuJs freiem Frieseogeschlecht stolzer Menschenschlag von ernster»

Tfiher. nhcr auch wortkarger und trotziger Art. Und ;ui(h R. h:\tte, --n kurz die Spanne war, die er im Fltcmhnusc verblieb, den khiren, besonnenen Blick und die Thatkraft, freilich zugleich den Eigenwillen uiul iids gewaluaiiie Wesen seiner Landsteute als Vemrilditniss empfimgen. Mochte diese Veranlagung im Umgänge nicht immer angenehm empfunden werden: fllr einen Maoin, der dazu ausersehen war, unter Ueberwindung zahlreicher Hindernisse neu ge- staltend £u wirken» sollte sie sich als eine Erfolg vcrheissende Mitgift er- weisen .

B.'s ui^prüngliche Neigungen zogen ihn zur militärisdien Laufbahn^ Nadidem er seine Vorbildung auf dem Gymnasium In Oldenbutg» wie damals üblich» bis in die Sekunda empfangen hatte, trat er gegen den Hterbst 1838, '

kaum 15 Jahre alt, in die dortige Militürsrlnile über. Der '!Tt^(>r'>tisr1it' v ie prnktisriic I.elirganpf dieser vortrefflich eingerichteten, in ihren Zielen über die heutigen hinausgehenden OfBziersvorbcreitungsanstalt dauerte zwei jähre, an welchen tkh eine von den Avancementsverhftitnissen abhängige längere oder kOnefe Frist anschloss, in der die OiTisiersaspiranten als Fähnrich bei der ' Tnippe zu verweilen hatten. Erst etwa vier Jahre nach seinem Eintritt in fbe Militärschule, im Juni 1842, wurde H. zum Leutnant, doch bereits und zwar in Folge des ausgebrochenen Krieges mit Dänemark im April 1849 ^""^ Oberieutnant und Bataillonsadjutanten im i. oldenbui glichen Infimterie-Regiment befördert. In dieser Eigenschaft nahm er an dem dänischen Fteldsuge des deutscben Bundes von 1848 und 1849 hierbei an den (iefechtcn bei

Steinbof, Suurlyke, Düppel mir] Niibel im Mni 1S48 theil. Als d;\nn nber die Hundestrup|)cn aus den Klbherzogthüineni zurückgezogen wurden und dio<e ihre Sache selbst in die Hand nahmen, kam B. zum Zweck des Ein* trittes in die neu aufrustelloide schleswig-holsteinische Armee im Sommer 1850 um Verabschiedung aus dem oldenburgischen Kontingente ein. Durch und durch Soldat, fühlte er den Drang in sich, seinen militärischen Sinn im Felde zu bethStipen. Er Hess sich flenn nirh nicht durch die kundgegebene Willens- äusserun^ seines Cirossherzog.s aijschrccken, welche den zur Fortsetzung des Kampfe» gegen Dänemark ausgeschiedenen OfBzieren nach eingetretenem Frie- den die Vfiederaufiiahme in den oldenburgischen Trappenverband versagte* Als Hauptmann dem 10. Infiuiterie-Bataillon sugetheilt, verblieb er in der •^rhlcswig-holsteinischen Armee bi<? zur Auflösung im PViibj ihr 1^51, n:i( hdem er noch in ihr das (iefecht bei Sorfibiiick im April T.S50 mitgemacht halte. Die Autlusung brachte ihm, wie so manchem braven Offizier, der in dem aussichtslosen» von den Mächten aufgegeboioi Befreiungskampfe den Degen gezogen hatte, das Ende seiner militärischen Laufbahn. Immerhhi blieb ihm das Elend, in das damit eine grosse Menge seiner Kameraden gerieth, durch da<i Entgegenkommen erspart, welches die oldenburgische Regierung ihren Landeskindem bewies.

Das Grossherzog limm Oldenburg gehörte zu denjenigen Staaten, welchen die Bewegung des Jahres 1848 eine konstitutionelle Verfassung gebracht hatte. i)ie damit dem Staate neu gestellten Aufgaben, insbesondere die dflentliche und parlamentarische Behandlung fies Stnatshaushaltes und der Cc^etzcs-' vorlagen, nicht nundcr der d:un:ib vorbereitete Ansrhlu«;^ des H.ui|iU><.st.ind- tbeils des Cirussherzoglhums, des sog. Herzogthums Oldenburg, an den Zoll«

Digitized by Google

14

verein Hess eine plaiimässigc, sachverständige Sammlung und BcrciuieUung der wis3eittwerthescien Vorgänge in der Ges^adiaft und Vemnltung fdr den Ausbau des Verihssungswerkes und die Handliabung der Regierung wünadien»-

Werth erscheinen. Wie in den meisten mittleren und kleineren Stantcn des deutschen Bundes fehlte es auch im Crossher^opthum bis dahin an einer fest in den Staatsorganismus eingegliederten Einrichtung zur Pflege der Statistik. Was an Zählungen und sonstigen Emuttelungen ventnsUhet wurde, geschah aus gd^ientlicben AnlMasen und entbdbrte sugleich in der Anlage wie der Verwerthung der kunstgerechten Behandlung. Die Anforderungen an ver- ständnissvolle Gestaltung und Rearbeitimg statistischer Erhel>ungen waren aber erweitert worden, seitdem vor nicht langer Zeit ein Queielet in seinem be- xühmten Werke über den Menschen der Siaiisuk als WisiicnschafL de^» sozialen Kttrpers eine neue verheissungsvolle Grundlage gegeben und im Verein mit Heuschling ebenso ihre gc(ieihli< hcre Ausübung als öfienttidien Dienstzweig durch die Vervollkommnung iles belgischen Zählungswescns erzielt hatte. Die aus Belgien konnneiulcn Anregungen fanden in Deutsc hland kraftigen Wieder- hall und führten um die Mitte des Jahrhunderts zur Emrichtung statistischer Amter in einer Antahl von Ländern, so namentlidi in Ifecklenburg^Schveriny Baden, Braunschweig, dem Königreich Sachsen. In dem leuteren war bmts ein Emst Engel auf d^ Plane erschienen, um der statistisc hen Tlultigkeit \m Creisre Qudtelet's neues T.eben einmhaiirhcn. Kr wohl mehr als ir^'en*] ein anderer hat damals durch die geistreic he und fesselnde Form semcr Dar- stellung dazu beigetragen, das Verstandniss für die statistische Erforschung von lioid und Leuten su verbreiten.

In Oldenburg hatte die Bedeutung einer amtlichen Statistik zuerst der Minister des Innern, Freiherr von Berg, erkannt. Dieser hervorragende Staats- mann, dem das (rrossher/ogthinii in einer fast fünfund/.wanzigjahrigen Wirk- samkeit, seinen heutigen wirthschafUichen Aufschwung zu danken liat, der ein tMs VersttndBiss filr die Bedfiifmsse des Volkslebens besass und ihnen durch thatkrXftiges Vorgehen Rechnung au tragen wusste, er, der selbst bereits ab Amtmann die statistische Erforschung und Beschreibung seines Bezirkes sich hatte angelegen sein lassen, fasste bereits gleich bei Uebernahmc der Ge- schäfte die Begründung eines eigenen stiitistist hen Bureaus ins Auge. Freilich licss sich solche nicht sofort zur Ausführung bringen, da es im InLande an einer geeigneten Kraft gebrach, deren Herb^iehung von aussenher aber bei dem äusserst bescheidenen Zuschnitt der heimischen Besoldungs- und Haus- haltsverhiiltnisse in dem in seiner grossen Melirheit aus bäuerlichen Abgeord- neten zusammengesetzten Landtage an der Kostenfrage gescheitert wäre. Unter diesen Umstimden erschien es Berg angezeigter, auf eine einheimische Persönlichkeit und deren Schliche Ausbildung von Staats wegen Bedacht au nehmen. Seine Wahl fiel auf den Hauptmann B., der mit der bevorstdienden Auflösung der schleswig-holsteinischen Armee gerade der (lefahr gegenüber- stand, in eine bedrohliche Lage ?:u kommen. Mochte bei der Entsrheidunjc für B. gleicli das licbirebcn unterlaufen, einem der aus ihrer Laufbahn ge- schleuderten ehemaligen oldenburgischen Offizieren geeignete Unterkunft zu gewähren, ausschlaggebend war in diesem Falle, dass jener sich bereits früher als ein ttichtigcr m ifhematischer Kopf hervorgethan hatte, der Sinn für Zahlen- grossen besass. X'crir.nili* h sonflirt, crL'rifT mit Bereitwilligkeit flic ihm gebotene Hand, u^deiu er zugicicli die Krklarung al)gnl). dass er Lust und Ucnif zur Sache m sich fühle«. Dennoch fiel es ihm schwer, vollständig auf

Digitized by Googl

»5

die militärische Wirksamkeit tu verzichten. Fr machte darum bei scii\cr Bewerbung den Versuch, wenigstens als beurlaubter OiBzier wieder in den oldenburgischen TruppeirrerlMUMl au^enomraen zu werden» um dodi im Falle eines Kiteges Verwendung m finden. Dieser Wunsch fimd indessen keine Beittcksichtiguiig. Dagegen wurde ihm die Zusichenmg ertheilt, nach einem vvoüHhrif'en -^V ndenusdbcn Lehrgange und bestandener Prüfung im Zivilstaats- dienste \ ersventiung zu erhalten, (ilcichzeitig erhielt er die Anweisung, sich wegen seiner volkswirthschaftlichen und statistischen Studien mit dem hervor* rapiden Gdttingen Nationaldkonomen Georg Hanssen, der su jener Zeit der Vertrauensnumn der oldenburgischen Regierung in der Fhige des An> Schlusses an den Zollverein war, in Verbindiüit:! /.v. setzen. Daraufhin begab sich B. Ostern 185 1 nach (iöttingen. Hier war es Hansscn selbst, an den er sich am engsten anschloss und der den grössten Einfluss aut seine faclilichc Ausbildung flbte. bidessen konnte Güttingen auf die Dauer B. nicht be- friedigen, da ito die hesonderen statisCisdien Lehnweige nicht genflgend ge- sorgt war. Zwar hatte die Universität in Wappäiis den glänzendsten Ver- treter ftir die Bevölkerungsstatistik, dessen später herausgegebene Vorlesungen das grcisste Ansehen erlangt haben. Seine fortwährende Kränklichkeit ge- stattete ihm aber nur selten, seines Lehramtes ungestört zu walten. So ver- mochte B. von ihm auch nur geringe Forderung ta empfimgen. Zudem lidilte es an den erforderlichen Einrichtungen, um in die praktische Thätigkeit eines Statistikers einget Vihrr 711 werden. Für das zweite Studienjahr wählte deshalb B„ unter Zustimmung seiner Regierung. Berlin. Auch an licscr Universität besuchte er eifrig die gebotenen staaiswissenschaftlichen Voriesungen, sein hauptsHchlkiies Bestreben sielte aber darauf ab, sidi mit den Arbeiten des KOiüf^chen statistischen Bureaus» damals noch^aus des gelehrten Hoffmann's Zeiten her das angesehenste in Deutschland, bekannt zu machen, wobei er an dem Direktor Dieterici einen bereitwilligen und nutzbringenden Lehrer fand.

Wie vorgesehei% kehrte B. Ostern 1853 nach Oldenburg zurück, um zunächst in einer wohlbestandenen Prüfung 2^ugni6s absulegen, dass er die kurae Sfianne trefflich benutzt ha1>e, um sich /u einem kenntnissreichen und verwendbaren Statistiker heranzubilden. Ks hatte das seine Anstellung als Hülfsarbeiter des Staatsministeriums zur Folge, als welchem ihm die mühevolle Aufgabe zunel, diejenigen Erhebungsgegenstände zu bezeichnen und zu formu- liren, welche dem deimiSdist su errichtenden statktischen Bureau zur Bearbei- tung überwiesen werden sollten. Da es in Berg's Plan lag, dem letzteren von vorneherein einen lebensfähigen Wirkungskreis zu sichern und seine Er- öffnung so lange hinauszuschieben, bis au«^ iHcn der statistisch cti B'V)bachtung zuganglichen Zweigen des öftentlichen und gesellschaftlichen Lebens cm emiger- massen befriedigendes Material als Ergebniss der zu veranstaltenden Ermitte- lungen zu erwarten stand, so erforderten diese vorbereitenden Arbeiten nahezu zwei Jahre. Schon hierbei zeigte es sich, dass die Wahl B.'s ein guter Griff i^ewesen war. Da es nämlich zuvor keinerlei regelmässige Einrichtungen dir Kgend welche statistische Thätigkeit gab, musste erst ein vollstSndig neuer Hoden hierfür geschaffen, mussten die für die Lieferung von Nachweisungen in Betracht kommenden Organe und die Beschalfenheit Seser Nachweise nach Maassgabe des Geschäftsbereiches der Organe ausgewählt und zahlreiche Ein- richtungen getroffen werden, welche bisher den Behörden völlig fremd waren, welche ihnen nicht nur mancherlei Last und Unbequemlichkeit brachten,

Digitized by Google

welche zugleich vielfach als durchaus überflussig und bedeutungslos angeseiien und belächelt wurden. Der Amtmann, der nach der Beamten-intniktion »der Vater seiner Amtseingesessenen sein . sollte und der die ganze örtliche Gewalt

in Rechts- und Verwaltungssachen in sich vereinigte, sah die Zumuthung unter seiner Wurde an, Vorkommnisse seines Geschäftsbereiches zahlcnmn«;sig in Tabeilenspaiten zu zwängen, fromme Pastoren verschrien die Statistik als Teufelswerk, weil sie den Inhalt der Kirchenbücher nach festen Rubriken iBat profiuie Zwecke pittndem wollte* Mit richtigem Takte und thatkr&ftigem Vorgehen verstand 3* es jedoch den mannigfadien Hindemisaen, die Ümiaus begreiflicher Abneigung; und Verstandnisslosigkeit entpegentr-ifen, 7.n bepepien. Gleichzeitig bekundete er aber auch in der Hinrichtung df s l- i mittehmgs- und Nachweisungs- Dienstes ein sichtbares Geschick: er erreichte es, dass nicht blos in weit gesteckter Ausdehnung die Sammlungen statistischer Unterlagen ins Werk gesetzt wurden, sondern dass auch die zu sammelnden Gegenstände Gewähr fiir eine gehörige Erkenntniss der einschlägigen Verhältnisse leisteten. Freilich würde manches von dem, was damals genügte, den heutigen auf Ver- tiefung der Beobachtung gerichteten Anforderungen nicht mehr entsprechen und ist auch seither wieder Uber Bord geworfen worden; insbesondere war 4lie Individualisirung der BeobachtungsUUle der damaligen Technik, von ganz vereinzelten Ausnahmen abgesehen, noch fimnd. Man musste deshalb häu6g bei den Ifirlu erfassl)aren, darum auch oftmals mehr die Aussenseite beleuch- tenden Erscheinungen stehen ])leil)en. Nichts desto weniger hatten R.'s Vor- bereitungen einen Air jene Zeit ungewöhnlich ergiebigen und lauteren Quell ittr das mit dem Anfange des Jahres 1855 ins Leben tretende statisdsche Bureau erschlossen und B. selbst, der als Vorstand an seine Spitze trat seit 1856 mit der Dienstbezeichnung als Regierungsassessor, seit 1863 mit det als Ministerialrath ~ die Aussicht auf ein gedeihliches Arbeitsfeld eröffnet.

Das statistische Bureau war allerdings nur auf höchst bescheidenem h ussc eingerichtet worden. Während B.'s ganzer oldenbiu-gischer Dienstzeit hatte er nicht mehr als swei Bureaubeamte fUr die regelmSssigen Arbeiten tur Ver- fügung; blos bei grossen Aufnahmen wurden zu dem Ausmittclungsgeschttfte in der K( s^el kommandirte Unteroffiziere der Garnison als Hiilfskräfte heran- gezogen. Dem entsprach aucli die finan/ielle .^tisstattun^': im mittleren Durch- schnitt von 1855 bis 1872 bcsclirankie sie sich lur den ordentlichen sächhchen Anhand mit Einschluss aller Druckkosten fihr die VerÖflimtiichungen auf rund kaum 2000 jMark. B.'s ganzes administratives Geschick und seine eigene Betheiligiing an den rechnerischen und Rcgistrat\irarbciten gehörte dazu, um mit so geringen Mitteln eine solche miit'as«;ende und frucliil)ringende Thaiig- keit zu entfalten, als sie von dem oklen burgischen statistischen Bureau unter seiner Leitung ausgeübt worden ist. Und wie in den Geschäftskosten beengt, war auch das persönliche Entgelt an Gehalt denkbarst niedrig bemessen; das aber nicht blos au Anfimg es begann mit 500 Thalern als die junge Anstalt sich einleben und Beweise ilircr I.cistung^fnhigkeil und Niit/h'chkeit ablegen sollte. .\urh als sie zu cineiu festen, iinenlhehrlii lien Hestandtheile des Vcrwaltungskurpers geworden war, als B. bereits glänzende Proben seiner Tüchtigkeit a})geiegt und sich einen guten Ruf weit Uber die Grenzen sdnes engeren Vaterlandes hinaus erworben hatte, blieb in der amtlichen Würdigung die Stellung eines Statistikers empfindlich hinter der anderer liülierer Staats- fliener /uhM kgc^etzt, Obschon die Anforderungen an seine Arheitskraft sich mehr und mehr steigerte, brachte er es in den zwanzig Jahren seiner olden-

Bcdwt*

burgisrhen Dicnst/cit nicht weiter als Iiis rn einem Oehalte von t200 Thlrn. Das hat ihn aber nicht abgehalten, in ^Tösscster Anspannung und Hingebung ui Bezug sowohl auf die Beschaflung zuverlässiger, erschöpfender Unterlagen, als ftucb namentlich auf deren grflndfiche wissenschalUiclie Verwerthung eine überaus reiche Wirksamkeit zu entwickeln.

Crleich anlänglich nach der Errichtung des statistischen Bureaus trat an dieses eine Aufgabe heran, die B. Gelegenheit gab, sich als einen Mann zu bewähren, der sein Fach beherrschte und gewillt war, auf das höchste Ziel lottustreben. Für die Staaten des ZoUverenis brachte das Jahr 1855 eine der regebnissigen dreijährigen Volkszählnngen, ftlr das Grossherzogthum Olden- burg die erste, seit es mit seinem Hauptlandestheile jenem Verbände ange- hörte Das damalige Zähhingswe<«en stand hier wie dort auf einer L'leirli unentwickelten Stufe. Auch was der Zollverein für die gegenseitige Abrcch- mmg der betheiligten Staaten wie fUr die Beurtbeilung der allgemeinen wiräi- »chsftlichen Zustände bezttglich sowohl der ätisseren Anlage der Erhebung als der zu erhebenden Gegenstände verlangte, bewegte Sich nur in engen Grenzen. Die Zählung selbst gesrhnh zwar mittelst Umfrap^e von Hans :mi TTmiis, doch w^urde die Ivopfzah! jeder einzelnen Familie nach einigen wenigen Merkmalen iummansch für einen bestimmten Bezirk durch die Organe der örtlichen Verraltung, die Gemeindevorsteher, Poliseidiener, Feldhttter in eine sogenannte Urliste zur Verzeichnung gebracht. Ein Verfahren aber, welches so geringe Gewähr Tür die Vollständigkeit und Zuverlässigkeit der Aufnalimen bot, welches überdies einer umfassenderen Beobachtung der Bevnlkerungsvorgänge zuwiderhef, konnte B. nicht mehr genügen, seitdem in Belgien eine sorg- CUtigere Erhebungsweise aufgekommen war, in Sachsen Engel kun suvor eine gründlichere Schilderung der Zählungsergebnisse geliefSut hatte. Sein Absehen ging deshalb darauf hinaus, dass jede einxelne zu zählende Person namentlich und zugleich fjesondert nacli ihren persönlichen Verhältnissen aufgenommen und dass die Zahl dieser persönlichen Verhältnisse thunlichst gross bemessen werde. Da er in Berg einen Minister hatte, der für ver- ständige, wenn auch einschneidende Vorschläge ein offimes Ohr besass, der aber auch seinen Unterstellten eine grosse Bewegungsfreiheit gestattete, gelang

ihm, mit seinem Plane durch/udrinKcn. So konnte er glei< I) l)ei seiner eisten aligemeinen Zahlung durch F.infuhruiig der Hanshakungslistc , in die jeder Haushaitungsvorsteher und zwar, wenn angängig, :»elbst und ohne Ver- mittelung der Zählagentcn, seine und seiner Haushaltungsgenossen Ihdividnal- Verhältnisse einzutragen hatte, mit einer durchgreifenden Verbesserung in der Form des Aufnahmeverfnhrcns hervortreten. Gleichzeitig war es, soviel be- kannt, der erste \'er«.n( h, der mit ihr in Deutschland gemacht wurde. Um ihm gerecht zu werden, muss man betlenken, dass um die Mute der tuntzigcr js^tt, als die Bevölkerung noch nicht wie gegenwärtig daran gewöhnt war, in schneller Wiedertiolung durch die schriftliche Beantwortung oftmals ver- wickelter Fragebogen zu statistischen Zwecken in Anspruch genommen zu werden, als die allgemeine Volksschulbildung, zumal auf dem H u !ien l mde, weil tiefer stmf!. ein solches l nternehmen, wie es B. kühn entworfen hatte, nicht unbedenklich erscheinen konnte. Doch Dank der zweckmässigen Vor- bereitungen, die getroffen waren, hatte es einen durchschlagenden Erfolg. Die ungewohnte Aufnahme hatte sich nicht nur ohne Störung vollzogen, sie hatte auch ein vollständigeres und zutreffenderes Material als je eine der früheren Veranstaltungen erzielt. Und da sis zugleich eine wesentlich reichere

Digitized by GoogL

I

i8

Ausbeute unter der sachkundi^ien Behandlung ihres l'rhelteis hcfertc, so hat die oldenburgische Volkszählung von 1855 gerechte Aulmerksamkeu uut sich gdenkt und eine nachhaltige Bedentung für die Entwickelung des deutschen Zfthlungswesens erlangt. Denn das, wa.s B. schon vor vierzig Jahren anwandte und was sich erst nach und nach in anderen Ländern oin1)ürgcrtc, es ist „gg^nwärtipj in der Hauptsache noch immer das he%vahrtc Verfahren, nacli welchem, zumal auch im Deutschen Reiche, unsere grossen, an die gajue Bevölkerung sich wendenden Ztthltmgen vorgenommen werden.

Der Ausbildung des- Zählnngswesens bHeb B.*s Aufmericsamkeit unaus- gesetzt zugewandt. Schon bei einer der nächsten Wiederholungen der \''o!ks- /ahlung fügte er der HanshaUun^^sliste die KfintrülHste hei, und gab damit (lern Aufnahmeverfahreii, s<^\vcit es das dcsihaiL fler bestellten Zähler betraf, eine erhöhte Sicherheit. Nicht minder war er darauf bedacht, die Erhcbungs« gegenstilnde mehr und mehr zu erweitem. Besonderen Werth legte er damuf, in Bezug auf das Lebensalter und den Familienstand wie auf den Beruf der Hevölkerunp ein reichhaltiges nnrl /ugleidi einwandfreies Material durch ge- naue und ausführüclie Fragestellimu zu erzielen. Das traf in Ansehung der Berufs- und Erwcrbsverhaltnisse vornehmlich bei der vom Zollverein dir das Jahr 1861 vorgeschiidMnen Gewerbesäldung zu. Hatte in ihr wohl der Zoll- verein bereits bei weitem das Maass überschritten, was er sonst bei seinen Zählungen einzuhalten pflegte, so erhidt sie in Oldenburg doch noch eine wesentlich grössere Ausdehnung. Der Umstand, dass der Zeitpunkt der Er- hebung hier etwa mit dem der Einführung der Gewcrbefreiheit zusammenfiel, gab Veranlassung, die gewerbliche Ghederung der Bevölkerung gründlicher SU ermitteln. Es wurde deshalb, als ein neuer Gesichtspunkt, in umstftnd- licher Gestalt das Nebengewerbe imd vor allen Din^^en das landwirthschaft- liche unter Berfirksirhtigung der Betriebsweise und der Art der Viehhaltung m den Bereich der Erhebunj^en gezogen und zudem das Arbeits- und Dienst- verhältniss der Erwerbsthätigen und vurzugitwetse das der landwirthschaftlichen Berufskreise in einer bis dahin ungewöhnlichen Schärle und Ausgiebigkeit erfiuat, und zwar dergestalt, «l.iss das, was B. hier 186t enaelte, gewisser- maassen als der Vorläufer und das Vorbild jener viel gerühmten Berufs- und Gewcrbezählung betrachtet werden kann, wekhe er ?i Jahre spater fiir dns ganze deutsche Reich schuf. Und auch auf anderen Gebieten war er für eine sorgsame Ausgestaltung des Erhebungswesena bemUht. So wurde 1864 eine Viehsählung abgehalten, bei der die Vidihaltung mit Untersdieidung von Alter, Geschlecht und Benutzungsweise der Tbiere haushaltungsweise und nicht blos, wie damals in der Regel, summarisch 7\u Aufzeichnung gelangte, in Verbindung; mit der aber auch bereits der \'ersu( h gemacht wurde, den Werth des Viehstandes festzustellen; so fand im voi hergehenden Jahre eine besondere, namentliche Blindenzählung statt, welche das Alter beim Beginn der Blindheit wie deren Crrad in Betracht sog.

|e mehr B. darauf a\isging, die Zählungen nicht allein uif 'tnndhaftcr (irundlage aufzulKiuen, s<judern auch zu einer möghchst tieigi mim n^x'n Er- kenntni^squeiie zu gestalten und demgemäss die Eintragungspunk tc zu verviel- fältigen, um so weniger konnte er es bei der hergebrachten Auamittdun||Es> weise der Ergelmisse aus den Zählungslisten bewenden lassen. Als er in's Amt trat, geschah die Bearbeitung ganz allgemein nach der sog. dczentrali- sirtcn Methode, dergestalt, dass gemäss einem von der obersten Zählung^- behorde entworfenen Formulare die Organe der emzelnen bei der 2^1ung m

Digltized by Google

BcdMT.

»9

Betracht kommenden Gebietsabschnitte, wie rlic ( icmcinrlcn, die Kreise, die Provinzen, und zwar von unten anfangend, die erfragten Angaben zu Ueber- sichten Htt ihre Bezirke zuaammenauteUen hatten, aus denen dann schliesslich im Mittelpunkt, im statistischen Amte, das Gesammtergebniss Rir den ganzen St.i.it (lurch einfliche Addition angefertigt wurde. Dieses Vorfahren, das sich in vielen, aurh deutschen Ländern noch lange durchgeschleppt hat und in Oesterreich sogar gesetzlich noch gegenwärtig zu Recht besteht, Hess begreif- licberwetse eine irgendwie eingreifende Ueberwacbung der statistischen Be- hörde im Hinblidt auf richtige wie sachgemässe Behandlung nicht zu und hinderte sie an der wtinscbenswerthen Ausbeutung des erhobenen Materials. Denn eben weil die Ausniitielung in den Händen nicht statistisch geschulter Organe lag, die sie nur beiläufig neben ihren anderweilen Obliegenheiten zu erledigen hatten, durfte sie sich auch blos auf einfache und aligemeinere Erscheinungen erstrecken, musste dagegen alle feineren Kombinationen der erhobenen \'orgänge vermeiden. Da war denn B. einer der ersten, die mit Erfolg riarauf drängten, dass (Mc alte dezentralisirte durch eine zentralisirte Aufhereitungsweise ersetzt wetii So kam schon im Jahre 1858 bei der /vi^eiten von ihm geleiteten Zuiilung dieses verbesserte Verfaliren zur An- wendung, welches in hervorragendem Maasse cor voUkommneren Verweithung der grossen Aufnahmen beitragen sollte. Vor vierzig Jahren freilich war man nicht ohne Bedenken, ob es möglich sein würde, die Thatsachen für die Be- völkemng eines ganzen Landes, und mochte sie .luch nur aus 300000 Köpfen bestehen, an einer Stelle auszumitteln. Denn auf solche Hülfsmittel, wie die Technik sie heute an die Hand giebt, auf die je nach Bedürfiii» zu sor- tirenden Zllhlblättchen und gar auf die dektrisch bewegte Zählmaschine musste verzichtet und statt deren die ganze Operatioi^ mit der sog. Aiis- ^trirhelung, jener schwertiilligen Methode hergestellt werden, bei der die ein- /cli\en Falle durch Verzeichnung von kleinen Stnclien in die entsprechenden Rubriken der KonzcntrationsformiUare« ermittelt wurden. Und da wollte es immer «chon etwas heissen, wenn aus etwa 60000 Haushaltun^disten viel- leicht 3 oder 4 Millionen Falle zu entnehmen und in die richtigen Rubriken unterzubringen waren. Al)er B.'s einsichtsvolles Vorgehen hatte auch hier einen erfolgreichen Fortschritt angebahnt.

Nicht blos die gewinnbrnigende Erschliessung der Renntmss des Volks- lebens nahm B.'s 'Diätigkeit von Anfong an fai Anspruch; er erhielt auch bald Gelegenheit, sein Können flir die piaklisdien Aufgaben der Geset^bung zu bewähren. Die schon 1779 errichtete Wittwen- und Waisenkasse des Staates bedurfte in Bezug auf ihre vcrsicherungs-technischen Gnmdl igen einer durchgreifenden Umgestaltung. Hier/u ward B. ausersehen, dessen mathema- lische Veranlagung und Durchbildung in ihm den geeigneten Mann erkennen liessen. Mit HOlie seines Berechnungsplanes ist es dann gelungen, die An- sudt finanziell lebenstähig zu erhalten. Von vielleicht noch nachhaltigerer iTu] einflu«!«5reicherer Bedeutung war 1>. s Mitwirkung, als es darauf ankam, den Landtag von der Nothwcndigkeii tler umfassenderen Anlegung von Staats- chausseen nach einem einheitlich entworfenen Netze zu überzeugen. Das Herzogthum Oldenburg, der Hauptgebietstheil des Staates, durch seine ge- waltigen Moore ohnehin mit den Nachbarländern schlecht verbunden, war huitcr diesen in dem Bau von Kunststrassen bedenklich zurückgeblieben und zwar derartig, dass bei im (lanzcn 33g km auf je i qkm der Landes- fläche nicht mehr denn 0,06 km Chausseen kamen. So sehr der Minister

i

Digitized by Google

20

Becker.

von Herg das zwingende Hcdiirfni.ss erkannte, die ucni;^ cntf.n l\tcii l'ro- duklionskräfte des Landes duicii gehörige Verbindungen /u heben, hatte er doch mit emem heftigen Widerstand des Landtages zu rechnen, der nicht Uos vor den namhaften Aufwendungen surttcksc h reckte, der ainh den Seg- nungen eines maschenreichen Strassennetzes noch kein volles Verständniss entgegenbrachte. Wollten doch selbst die aufgeklarten Marsrlibauern die Chausseen möglichst weit von ihren Gehöften fern halten, damit sie ihnen nicht die fechtenden Handw^sburschen ins Haus brfichtm. Um daher dem Landtage die Vortheile der Kunststrassen klar vor Augen zn Aihren, Itess Berg durch ß. eine Denkschrift ausarbeiten, welche an der Hand eines um- frinijlirhcn, durch schlagende Vcrglcirhungen wirksamen statistischen Materials die Lage d^ Her/o^thums treffend kcnn/.ci< lincte. Wurde es wesentlich mit Hülfe dieser Arbeit erreicht, Stimmung für den Ausbau des Strassennetzes zu machen, nutzte sie mittelbar zugleich dem Ansehen der jungen statistischen Anstalt und ihrem Vorstande, der sich hierdurch flir seine bis dahin thetl- nahmlos ertragenen Bestrebungen eine gUnstige Aufnahme in veiteren Kreisen der heimischen Bevölkerung erwari).

Die zweifellos bedeutsani.sie und vornehmste Aufgabe eines amtUchen Statistakets ist die publizistische, wenigstens dann, wenn sie, wie es die oklen> 'burgische Dienstanweisung von ihm verlangte, darauf ausgeht, das erhobene Material »auf eine dem Stande der Wissenschaft entsprechende Weise« zur Darstellung tw bringen. Dieser Pflicht ist B. nicht nur in mustergtiltii. r Ciestalt, sondern auch mit einer ungewöhnlichen Schaffenslust nachgekommen. Ausserordentlich zahlreich sind die Veröffentlichimgen , welche in den sieb- zdin Jahren, während deren er dem statistischen Bureau in Oldenburg vor- stand, aus seiner Feder hervorgegangen sind, l^ie meisten von ihnen behan- deln in der Regel nur ein/eine Seiten eines grös'^eren Cicbicte^ und haben blos einen beschränkten l'mfang. Dem Inhalte nat h /eigen sie eine grosse Mannigfaltigkeit, insofern fast alle Gegenstimtle, auf welche sich die statisti- sche Beobachtung erstreckte, mehr oder minder ausführlich eine Schilderung erfuhren. Ihr hauptsächlicher Zweck bestand darin, das grossere Publikum mit den Ergebnissen der statistischen Forschungen bekannt zu machen und seine Theiln^hme an den Zielen der Statistik tu erwecken. Daher sind sie überwiegend in inländischen Zeitschriften, insbesondere in dem ^Magazin für die Staats- und Gemeindeverwaltung im Grossherzogthum Oldenburg« encfaienen und wenig ttber die Grenzen des letzteren hinausgedrungen. Manche dieser Arbeiten, so namentlich (Iber das sog. Obersteiner FabrikM'esen die Achat- Schleifereien und rlie hausgewerblit he Herstellung unrichtcr Bijouteriewanren im Nnhethal des l-'urstenthiuns P.irkenfeld - wie über das Yerhältniss der Tagelöhner im HerzogUnune und der sog. Heuerleule h. gleichzeitig zu Diensdeistungen an den Grundbesitzer verpflichteten und in patriardialiKher Beziehung zu ihm stehender kleiner Pächter) im oldenburgischen Münslerlande, stellten lilirigcns gründ]i( he Untersuchungen dar, welche als schätzenswerthe Beiträge zur i andeskunde zu gelten haben.

An Zahl wohl kleiner, an Inhalt aber beiweiicin umtänglicher und ein- gehender sind die von B. begründeten Qudlenwerke, die »Sutistischen Nach- richten aus dem Grossherzogthum Oldenburg«, von denen er dreisehn Binde zwischen 1857 Und 187 s veröffentlicht hat. Sie sind durch ihre meisterliche Behandlung es gerade, in denen sich R. j-nerst als ein '^r nistiker hervor- ragenden Ranges, von streng methodischer Schulung, scbarfsnmiger Bcurthei-

Digitized by Google

Bcdwr.

IimgBgabe und aelbständigpm Vorgehen bethätigt hat, sie zugleich, die seinen N'amen und, unzertrennlich von ihm, den Ruf der oldenburgischen Statistik in der wissenschaftlichen Welt /u Ansehen gebracht und befestigt haben. Auch in ihnen hat ihr Urheber eine grosse Vielseitigkeit an den Tag gelegt; sie behandeln den Stand der Bevölkerung nach den Volksjüüüungen von 18x5 bis X867, die Bevölkerungsbewegung (Eheschliessungen, Geburten» Sterbetalle und Wanderungen) von 1760 bis 1870, die gewerlilii lien Zustände nach der Aufnahme von 1861, die Viehhaltung und die Viehzucht im Ansehluss an die Zahlung \(;n 1864, die Verbreitung der Blindheit nach der Krhelnuig 1863 y den Püst- und Telegraphen verkehr von 1853 bis 1865, die Rhederei und Schiffiahrt wie den SchilBbau von 1843 bis 18651 Preise des Getreides und anderer Nahrungsmittel von 1817 bis 1870 und die des durchschnittli( hen Tageluhns von 1S5S bis 1870; woran sich noch als l)esondcre VerötVeiit- iichung eine soU he der Statistik der Rechtspflege im Jahre 1863 reiht. Allen di^en Werken ist es gemeiiuiani, da&s sie das erhobene, nach den verschie- densten Richtungen hin sorgsam ausgemittdte Material in feiner, eine allseitige Beleuchtung zulassende Zergliederung veranschaulichen. Hierdurch allein schon hoben sie sich vortheilhaft von sehr vielen gleichzeitigen Quellenwerken ah. Ihr haujitsächlirhes und bleibendes Verdienst hegt aber m der \\eitrren tcxilii licn Hearheitinig, die den zu tabellarischen UebcrsiefUen getonnien Nachweisungen zu Theil wurde wie in der Anregung, welche sie hierdurch für die fruchtbringende Behandlungsweise der amtlichen statistischen Veröflent- lichungen gegeben haben. Vom wenigen Austiahmen abgesdieni Hessen es diese in den fünfziger untl selbst not h in den scrhsziger Jahren wesentlich ? eim Tahellenwerke bewenden. Wo solches al)er von textlichen Ausführungen i^egleitet wurde, beschränkten sie sich in der Kegel bios auf die Erörterung ond Beurlheflung des ErfaebungsveHahrens and des daraus gefolgerten metho- dischen Werthes der beigebrachten Zahlengrössen. Das ist auch verständlich für eine Zeit, in der die Statistik erst darauf ausging, durch Ausbildung des Erhebungswesens, insbesondere durch feste Begrenzung der Erhebungsziele sich einen sicheren Boden fiir die Sammlung siichhaluger Thatsachen zu be- reiten. Darum hat nicht minder B. in voller Erkcnntniss ihrer weit tragenden Bedeutung strenge Kritik an seinen Zahlen und der Art, wie sie xn Stande gdcommen waren, geübt, ja hat auf diese Seite seiner Bearbeitung einen ganz besonderen Nachdruck gelegt. So hat er V)eispielsweise regelmä^sig die cr- niuielten (irössen iiber den Ahersaufbau der Bevölkerung von vers( Inedencii (jüsichtspunkten aus eingehend geprüft und in Bezug auf ihre Brauchbarkeit erläutert. Aber B. hat doch seine Aufgabe und das von Anfang an weiter gefa&st. Ihm kam es zugleich darauf an, das zusammengetragene, sachgcmäss ^gliederte und auf seine Beweiskraft hin abgewerthete Material auch seinem inneren, snohlirhen fiehalle nach dem allgemeinen Verstfinflnisse näher zw bringen. Zu dem Knde erschiosi er nicht aliein die starren absoluten Zahlen mittelst umfangreich ihnen beigesellter Verhältni&sberechnungen, er entnahm ihnen ebenfiüls und erläuterte die durdi sie belegten Ergebnisse und, was vor allen IMngen verdienstlich und lehrreich, er suchte ihre Ursachen aufzudecken und z'var das in streng statistisch-wisscnx hafilic her Hehandhing, indcrn er die sie beeinflussenden ihatsachlichcn I'js« bcinungen, liest.mden sie jiun in gesetz- lichen Einrichtungen oder in anderen gesellschaiüichcii Vorgängen, zur Er- Uftrung heranzog und, soweit zifiemmä^sig darstellbar, gemäss ihrer kräfugcren oder schwächeren Aeusserung als Prüfstein benutzte. Und auch darin ragten

Dlgitized by Google

Becker.

I

R.'s Bearbeitungen rühmlichst hervor, dass sie der vergleichenden Statistik einen breiten Raum anwiesen. Mit Recht sah er in der (iegenuberstellung der eigenen und fremden Ergebnisse den besten Maassstab zur gehöngen Bmrthdlung der enteren i deshalb bat er sich auch niemals die ganz erheb» liehe Mflhe verdriessen lassen» die Thatsadien anderer Linder, soweit sie nur irgend dazu geeignet erschienen, zur Abwägung heranzuholen.

Fine solche umfassende Benrbeitungsweise, welche auf die niöglichst all- seitige und vollständige wissenschaftiicJie Wiirdigung des erhobenen Stoft'e-s abzielte, musste um so mehr die Beachtung auf sich lenken, als sie von dem, was man von derartigen Veröflfentiichungen gewohnt war» beroerkenswerth abstach und sich als neue verheissungsvolle Richtung offenbarte. Allerdings hatte schon vorher Engel sich durch seine glänzenden textlichen .Ausfüh- rungen bekannt gemacht. Indessen best.md doch ein entschiedener Gegensatz, zwischen diesen beiden angesehenen Statistikern; der geistreiche überspru- delnde Engel fesselte i^eidi sehr durdi die Eleganz der Darstellung wie durdi die Ftttle anregender Betrachtungen, die er an die zahlenmiissigen Be- lege knüpfte, doch waren ihm diese meist nur die Ausgangspunkte für seinen weit gesteckten Gedankenflug; der nüchterne, gründlich abwägende ß., schwer- fällig und umständlich in der Form, hielt sich strenge an die gefundenen Grössen und suchte in analytist her Eniwickelung ihre Bedeutung klarzustellen. Und eben in dieser Ausbildung dar statistischen Daxstellungs- und Forschungs- mcthode liegt B.'s vornehmstes Verdienst, liegt der hauptsächliche Grund der Beachtung, welche schon früh seine Verofientii« hungcn f'cfuMden halben. Gewis.s hatte die gute mathematische Veranlagung und Schulung B.'s ihren Theil daran, dass er nur wissenschaftlich begründete Methoden der Beobachtung und Messung gelten lie». Aber^ es lässt sich doch auch nicht verkennen» dass ihm die mathematische Seite" der Behandlung als die ungleich anziehen- dere und bedeutsamere erschien. Wo es nur immer anging, suchte er sie hervor^-ukehren und statt der gemeinverständlichen Wortfassung die algebrai- sche Formel zur Anwendung zu bringen und dies kemeswegs immer zum Vortheil seiner sonst so gehaltvollen und lehrreichen Arbeiten, deren Ver- breitung und Benutzung in den weiteren gebildeten Kreisen, auf die sie doch berechnet waren, leiden mussten. Ebenso richtete er bei der Betrachtung der gefundenen Zahlengrösscn das Augenmerk mehr und mit Vorliebe auf ihre F.ntstchung und ihren arithnietisf lu-n Werth, auf den regelmässigen oder ab- weichenden Verlauf der Zahlcmeihen als auf das, was in sachlicher Hinsicht aus den Zahlen sprach, welche anderwettere &»chetnungen die Ergebnisse hervorgerufen haben könnten und welche Bedeutung im gesellschaftlichen Leben ihnen l)ei/i liegen sei. Darum vertiefte er ."^ich gerade am meisten dort in den Stoff, wo dieser zu mathematischer Behandlung \ orzugsweise heraus- forderte. Das ist wohl nirgends melir der Fall, als bei den Messungen der Sterblichkeit, da ht«r die Unzulänglichkeit des durch die Erhebung gewonne- nen statistischen Materials zu seiner Vervollständigung auf dem Wege der Berechnung die Verwendung mathemadscher Hypothesen erforderlich macht. Auf dem Gebiete der Sterblichkeitsstntistik hat B.'s Schaffenskunst denn auch das Beste zu verzeichnen und die grossesten Erfolge erzielt. Und hier ist es vor allen Dingen das grosse, mustergültige Werk über die oldenburgische Bevölkenmgsbewegung, erschienen 1867 und 1870 als Bd. XX. und XI der »Statistischen Nachrichten über das Grossherzogthum Oldenburg«, in wdchen er seinen schöpferischen Gedanken Ausdruck gegeben hat.

I

I

I

!

Digitized by Google j

Becker.

»3

War CS schon dn dankeiiBWerUies Unternehmen, die Vorgange des Be> voQccntngsvechseis bis 1760 surttck nach den vefschiedensten Richtungen hin

ru untersuchen und so in seltener Vollständigkeit und in trefflichster Aus- ft?hmng für einen luindertjiilirigen Zeitiaum (hs BüH von dem Werden und Vergehen der Bevölkerung; zu zeichnen, liegt doeh der bleibende Werth des Werkes darin, dass in ihm H. zur besseren Messung der Sierhhchkeit und zur Herstellung von Absterbeordnungen seine eigenen Forderungen erhoben und begründet, gleichzeitig aber auch ein darnach behandeltes Material aus dem Gro«;s]ierzügthume beigebracht h.it. Hekannilich war der englisrhc Astronom Halley der erste, der im •»»ebenzchnten Jahrhundert eine Sterbetafel aufstellte und zwar Mangels besserer Unterlagen aus den während eines bestimmten Zdtnuims Gestorbenen verschiedenen Alters. Hierbei setste er die Gesanunt- sahl dieser Gestorbenen gleich der Zahl der Geborenen, deren Absterbeord- nung ermittelt werden sollte und brachte von der Gcsammtiahl die Während <!cr einzelnen Altersabschnitte Verstorbenen der Reihe nach in Ab/tiij, bis sehliesshch die Zahl erschöpft Wiir. Er dachte sich nnthin die IkvuiKerung stehend, in welchem Falle allerdings die Annaimie, dass die Anzahl der Geburten sich mit der der Todesfälle decke, zutreffen würde. Weil nun aber eine Bevölkerung nicht zu beharren, vielmehr in der Regel fortzuschrei- ten pflejjt, weil demnach das Verhältniss von Gebtirts- untl Sterblielikeits- häufigkeit zu einander nit ht das gleiche ist, weil zudem lort- und /uzuge im .>piele und alle diese Erscheinungen zeitin hen Schwankungen unterworfen sind, kann eine Sterbetafel, welche di^ maa:>sgcb«aden Punkte ausser Augen Itsst, auch nur als ein höchst unvollkommenes Mittel zur Erkenntniss der Sterbefälle angesehen werden. An zahlreichen und theilweise bemerkens- werthen Bemühungen zm Gewinnunp; geeigneterer Unterlagen und zur An- wendung begründeterer Rechnungsweisen hat es seither nicht gefehlt. Und zwar haben in der Hauptsache zwei Wege zur Berechnung von Sterbetafeln ach allgemeinerer Anerkennung und Verbreitung zu erfreuen gehabt. Der eine, zuerst von dem hervorragenden bayerischen Statistiker v. Herrmann . betreten, verfolgt die Gesammtheit der /.u einem 1)estimmten Zeitpunkt Ge- borenen je nach den errei( hien Aht rsjahren in ihrem ailmähhchen Absterben. Dieses methodisch allerdmg:» einfacii erscheinende Verfahren hat indessen mit der praktisch unttberwindlichen Schwierigkeit zu kämpfen, die einzelnen Per- sonen ihr ganzes, mitimter 80, ja qo Jahre dauerndes Leben, allem Orts- wechsel zum Trotze, im Auge zu behalten. Es lässt sich daher nur unter dem schwer wiegenden Verj'irht nnf die Einflüsse der Aus- und Einwanderung durchführen und bekundet demzufolge eme emptindliche Lücke. Wcü aber das frflhe Ktndesalter gemeüihin wenig von den Wanderungen berührt zu werden pfl^^ empfiehlt sich die Herrmann'sche Methode und wird ihrer Einfachheit und Sicherheit wegen vorzugsweise angewendet zur Berechnung icr KindersierbhVhkcit. Da'^ andere Verfdircn rührt von 1?. her und schlägt den unigekehrten Wcf ein. Ks tindei /un.u list die Sierbenswahrscheiidichkeit, d. h. die WahrsclicnuiciiKcil An einen Mensehen mi sterben, bevor er das iiitehste Altersjalir erreicht hat, und berechnet dann hieraus die Absterbe^ Ordnung. Um aber die Sterbenswahrscheinlichkeit richtig zu finden, hat er, was vor ihm kein anderer gethan, nachgewiesen, da^^ die Gestorbenen nach den drei Merkmalen de«; Geburts-, Alters- und Sterbejalires zn t ruiittcln unri darzustcüen seien. Obschon B.'s Verfahren höchst weitläufig und verwK;kelt ist, hat es dem Herrm an naschen gegenüber den grossen Vorzug der voll-

Dlgitized by Google

I

»4 Beck«.

ständigen Durchführbarkeit, und zwar nach vcrhaknissmassig nur wenigen Beobachtungsjaliren und der Geltung für die Gegenwart, nicht wie bei dem anderen (wenn nämlicfa der Tod in hohem Alter, also weit von der Geburt entfernt ^olgt) fUr eine tum Theil längst vergangene Zeit. B/s VerfiUuen»

von ihm selbst in späteren Arl)eiten noch näher beschrieben, von Männern wie Zeuner in i^eipzig und Kna]»j) in Strassburfi eingehend gcwürrh'^t und weiter ausgestaltet, hat sich m der Wiriclichkcit am besten bewahrt erwiesen und bis jetzt vorzugsweise Anwendung gefunden. Ueber die Bedeutung, wdche B/s scharfsinnige bevölkerungsstatistische Teistungen zukommt, hat sich Nie- mand treffender geäussert als Knapp selbst, dessen Forschungen sich in vielen Stücken mit denen R.'s begegnet haben. Er schreibt darüber: »Was diese Arbeiten vor allen anderen praktischen Arbeiten unserer zahlreichen statisti- schen Bureaus auszeichnet, ist der Versuch, eine theoretische Bevölkerungs- statistik aufeustellen und den Anforderungen einer solchen ttberaU zu genügen.« Und daim ferner heisst es: »Beckers Richtung arbeitet gaiu darauf hin, der Bevölkerungsstatistik eine wissensch.iftli« lie Grundlage fladurch zu versrhaflfen, dass die Krhebungen rationell, d. h. den Forderungen der Theorie euLspre- chend, staufmden, und das.s nur mathematisch begründete Methoden der Messung zugelassen werden. Auf diesem Wege sucht der VerCiuser an Stelle der empirischen Berechnungen vielmehr die Anwendung der Mathematik ein- /iifüliren und so den Untersu* Iningcn der Statistiker eine Si<1ierheit /u geben, wie sie früher nach dem Urtheil vieler Sachkundiger nicht erreicht gewesen war.«

Für die emsige und stille oldenburgtsche Schaffensdiätigkeit wie in den i äusseren LeboHgang B.'s sollten du; Folgeerscheinungen des Jahres 1866 einen

fühlbaren Eingriff thun. Die unselige Zerrissenheit Deutschlands, wie sie zuvor bestand, hatte auch die Wirksamkeit der amtlichen Statistik der einzelnen Bundtbsiaaten namentlich in der Richtung einheitlicher Veranstaltungen läh- mend beeinträchtigt. Es war nur in ganz bescheidenem Maasse ausfilhrbar, den beobachteten Erscheinungen eines liandes gleich geartete aus den anderen 1 oder gar aus der Gesammthdt der anderen deutschen Länder an die Seite 7\\ setzen. Daniii fehlte es aber an der wir bligsten Handhabe zur Beurthei- liing der Tragweite der statistis( hen Krgebnis.se. Wahrenrl bereits die inter- ! nationalen statistischen Kongresse darauf ausgegangen waren, für die sammt- ' liehen grossen Kuiturstaaten trotz ihrer oft so verschiedenartiger Einrichtungen ' und Bedürfnisse die Vorbedingungen solcher vergleichenden Abwägung der gefundenen Thatsachen durch Empfehlung einheitlicher Erhebungen und Nach- , Weisungen anzustreben, hatte sieh im alten detttschcn Bunde keine kräftige Hand gerührt, hier, wo docli wegen rler grosseren Ucbereurstimmung der j Verhältnisse die Voraussetzimgen günstiger, zugleich die Erfordernisse drin- ' gender waren, die zureichenden Grundlagen fltr eine gemeuisame nationale Statistik zu schaffen. Soweit dazu die Anlange vorhanden waren, berührten sie aneh nirht die politische F.inigrmg, den Bund, als vielmehr den wirilv s(hafihchen Verband, den /olKerem. Sollte daher, nachdem der im Kncgs- jahrc 1866 eingetretene Unischwung zu einer strafferen ZentralgewaJl gefülirt hatte, mit deren Hülfe ein gesunder Atisbau einer einheitlichen deutschen Statistik angebahnt werden, musste er auch vom Zollverein seinen Ausgang nehmen, das aber femer deshalb, weil er seiner wirthschaftli» hen Zwecke we^cn einer solchen in ersU r I mie bedurfte nnri weil er vor dem Hinzutritt der süddeutschen Staaten zum Reiche die weitere Gemeinschaft war. Dahin

Digltized by Google

Bäcker.

zielten denn auch die Bestrebungen von Fabricius, des früheren Leiters der hessen-daxoistädtiachen Landesstatistik und damahgcn ZolivereinsbevoUmäch- tigten in Hannover, als er 1868 mit seiner Anregung hervortrat. Die Folge war die Einsetzung einer -Kommission zur weiteren Ausbildung der Statistik (It^ /oüvercins , welche, nach Berlin einberufen, den Auftrag erhielt, die ein- beiiliclie Vcransiuiiung von Zahlungen und Lnuutelungen mid die darauf liissende Herstellung gleichartiger Nachweisungen bezüglich der verschiedenen belangreichen Beobachtungsgebiete in Vorschlag au bringoi. In diese Ver- sammlung, welche in den Jahren 1870 und 1871 unter dem Vorsitz zuerst des Geheimen Ober - Finanzrathes Hasselbach, dann des richeimen Ober- Regierungsraihes Herzog tagte, war von Oldenburg aus B. gesandt. Hier, wo er mit den besten Vertretern des Faches zusammen sass, mit M&nnem, (Ue wie Engel und Böckh (Preussen), Mayr (Bayern), Ramelin (Württem- berg'), Hardeck (Baden), Fabricius (Hessen), Dippe (Mecklenburg-Schwerin), Hildebrnnd und Flirih (Thüringen), Ne?;smann (Hamtnirg^ Tüchtiges ge- leisict hallen, kam 15. 's Persönlichkeit vermöge ihres scharfen, kritischen Ver- standes wie ihrer grossen Sachkunde bald zur Geltung und trug wesentlich ma fruchtbaren Gelingen der schwierigen Arbeiten bei, indem er gleichsehr auf sorgfältige und zutreffende Erfassung wie auf zweckmässige Beschränkung des Erhebungsstoffes hinzuwirken suchte. Der umfangreiche von der Konv mission vorgelegte Plan gi|)fclte in der Errichtung einer eigenen statistischen Zentralstelle für das inzwischen entstandene deutsche Reich, des heutigen Kaiserlichen sutistisdien Amtes in Herlin, dem bereits in dieser l£nsicht baldigst stattgegeben werden sollte. Die Frage nach der Besetzung des nirektorpostens führte, da Engel, der als der leitende Statistiker des fUhren- r!cn deutschen Staates und als tler Itcrühmteste Vertreter seine«; Faches wohl .tm nächsten gestanden harte, kaum je in ernstliche Aussicht genununen war und aiidere m Betracht genonunene Personen abgelelnu haben sollen, endlich zu B. Sprach schon seine bisberige Amtsführung daitlr, seine spätere hat es klar dargethan, dass man st hwerlidi eine geeignetere, durch Oiarakteranlage wie durch Sachkenntniss hervorragende Kraft an diese neue, einen ganzen Mann erfordernde Stelle setzen konnte. H., in seinem fünfzigsten Lebensjahre stehend, fiihite sich noch vollkommen frisch, die gesteigerten Aufgaben zu lösen und folgte mit Freuden einer Berufung, die seiner Schaffienslust ein erweitertes Thätigkeitsfeld anwies. Der nicht lange vorher erfolgte Tod seiner einem langwierigen Brustleiden erlegenen Frau machte ihn zudem einem Orts- ',vc( hscl und der Aufgabe doch im ganzen drih k ender Verhältnisse in der Hcimath geneigter. So trat er denn bereits am 23. Juli 1872 als erster Direktor des Kaiserlichen statistischen Amtes seine neue Stellung an.

Drei Gebiete waren es, welche das Kaiserliche statistische Amt bei seiner Begrtlndung zur Bearbeitung in der Hauptsache zugewiesen erhielt: die Be- völkerungsstatistik, die Statistik iler T andwirthschaft tmd Gewerbe und die Statistik des Verkehrs mit tinschluss der gemcinschaftin hen Kinnahnien der Steuer- und Zollverwaltung. In diese hatte sich B. mit seinen beiden Rathen, flie ihm anlänglich zur Verfügung standen, derart gethcilt, dass er neben den umfilngiidien Direktorialgeschäftoa die Bearbeitung der Bevölkerungsstatistik ubernahm. Zwar gestalteten sich trotz der Massenhaftigkeit des von vorne- herein dem statistischen Amte ziifliessenden Materials die Arbeiten zunächst noch einigermaassen einfach. Denn wenn auch seine Aufgaben als wirkliche statistische Behörde in Bezug auf die ganze Behandlungsweise über das hin-

Digitized by Google

a6

Becker.

aus ging, was früher dem Zentralbureau des 2^11vereins als blosser Kechnuiigft> stelle oblag, wenn ihm namentlich »die technische und wtssenschaftlicfae Ver* arbeitung« des eingehenden Materials wie die in weitem Maasse geforderte »Begutachtung statistischer Fragen« aufgetragen war, so hatte es clo« ii nicht mit der Beschaffung des IVmaterials und dessen umständlicher Aul- bereitung /u thun. Die letzteren verblieljen vichnelir den Einielstaaien, welche dem statistischen Amte lediglich nach fSsst vorgeschriebenen Formularen Ueber* sichten Uber die verschiedenen, der gemeinsamen Reichsstatistik zugewiesenen Gegenstände cin^^urcichcn hatten und in vielen Fällen heute noch haben. Damit war dem statistischen Amte die unmittelbare Einwirkung auf die Ge- staltung des Materials entzogen und bei der schliesslichen Zusammenfassung der T^atsachen für das Reich im Ganzen nur ein begrenzter Spiehaum lUr deren wissenschaftliche Verwerthung gelassen. Doch auch in dieser Beschrün- kung gelang es B. den rechten Weg zu finden und den reichsstatistischen Arl)eiten ein Ocpräge r.w gehen, das sie zu der besten ihrer Art erhol) und ihnen wegen der Klarheit und strengen Objektivität der Darstellung, der Vor- sicht in den Schluüsfolgerungeii, der vollständigen Beherrschung des Stoües schnell die allgemeine Anerkennung eintrug. Wo über den Rahmen dessen hinaus, was die Ein/.elsta.iten dem Reiche an Nadiweisungen zu liefern schul- ilig waren, eine \'ervollständigung der Thatsachen wfinschcnswcrth erst hien, wurde sie auf dem Wege der freien Vcreinhnnmg erzielt oder es wurden die partikularen Vcroft'entlichungen ausgiebig verwendet. Zumal, um den Eiit- wickdungsgang der behanddten Erscheinungen zu veranschaulichen, hat B. vielfach auf die landesstatistischen Arbeiten zurttdEgegriflfen imd dordi die daraus gewonnene Ausbeute wie ebenfalls durch die umtIngKche Vergleichung der deutschen mit gleichartigen ausserdeutschen Vorgängen die Druckwerke des statistischen Amtes zu einer ausserordentlich reichen und werthvoUen Quelle der Belehrung gemacht.

Eine Handhabe, auf die vermehrte Reichhaltigkeit des der Zentralstelle des Reiches zugehenden Materials hinzuwirken, boten die periodischen grossen Zählungen. Da der Bundesrat]) davon A!>stand genommen hatte, ihre Ein- richtung ein für alle Mal festzulegen, mussten sie von Fall zu Fall aufs Neue bestimmt werden. Um sie vorzubereiten, wurden »Konferenzen der Vorstände der deutschen statistischen Zentralstellen« abgehalten, in denen B. den Vor- sitz hatte. Hierbei kam seine sachkundige Persflnlidikeit voll zur Geltung. Mit Nachdruck und Geschicklichkeit war er bemüht, den Kreis der gemein- samen Nachweistmgen zu erweitern. Vornehmlich lag ihm die Ausbildung der Bevölkerungsstatistik am Herzen: dies war das Oehiet, auf dem er sich am meisten zu Hause fühlte und dessen Bedeutung ihm ani iiochsten stand. Soweit hierfür die Volkszählungen die Unterlage abgeben, hat er auch erreicht, dass sowohl das, was erfragt als was ;ul^ dem Erfragten übereinstimmend fÜT die Rei( lis/w e( Ve ansgcmitieh wurde, eine immer vollständigere Gestalt an- nahm. Merkwurdi^^erw eise ist es ihm jediH h ni< ht gelungen und hat er auch keinen ernstlichen Anlauf genommen, die Statistik der Bevölkerungsbewegung zu einer annähernd ähnlichen oder überhaupt zu einer einigennaassen zu- länglichen und des deutschen Reiches würdigen EntuHIckelung zu bringen. Und doch wusste Niemand besser als B., der ja zuvor für Oldenburg diesen Gegenstand ergebnissreich erschlossen hatte, wcU he Wichtigkeit ihm fiir die Erkenntniss der am meisten in die Waage fallenden Vorgange des Volks- lebens beikommt; zudem war gerade in Deutschland seit 1876 in den auf

Digltized by Google

Becker.

«7

Relchsgesel^ beruhenden Sianrlesbiichern wie auf wenig anderen Gebieten die Voraussetzung Air einen immerhin leidlich befriedigenden Zustand gegeben. In keinem sonstigen Zweige ist denn auch so als in diesem die Reich»* statistilc hinter der Landesstatistik der allermeisten Staaten zurückgeblieben.

Aber auch sonst war "B. erfolgreich, das Arbeitsfeld des Kaiserhrhen -Tnristisrhen Amtes weiter zu stecken und ihm einen unmittelbaren Kinfluss Auf die Behandlung des Urmatcrials zu sichern. So kamen hinxu die selir eingehend angelegte Kriminalstatistik seit xSSs, die Statistik der Kranken» ▼cfsicfaenmg seit 1S85 IXngen die durch ein Gesets von 1879

geschaffene durchgreifende Keform der Handelsstatistik und in Zusammenhang mit ihr die Statistik der Grosshandelspreise. Durch die letztere 2:uma] wuchs das statistische Amt zu seinem heutigen beträchtlichen Umfang aus. Wie es im Uebrigen die Regel war, liefen bisher ebenfalls ftir den Grenzverkehr 20U- settig aufgestellte abgeschlossene Uebersichten ein. Der hierdurch und durdi die fernere T^carbcitung im statistisdien Amte geforderte Zeitaufwand Hess nicht die Veroftentlichung der Gesammtergebnisse des Reiches in der nöthigen Ausführlichkeil so schnell zu, wie sie den berechtigten Bedürfnissen des Han- delsstandes entsprach. Um dem zu begegnen, wurden die einzelnen An- schreibungen der Grenzttmter der statistisdien Zentralstdle zugänglich gemadtt. Dadurch, dass jeder einzelne Ein- wie Ausgang nach Waarengattung, Menge, Werth, Herkunfts- oder Bestimmungsland auf Bögen (die in je einen Fall be- legenden Streifen zerschnitten wurden) abgesondert zur Nachweisung gelangte, war es durch ein zweckmässig ersonnenes Arbeitsverfahren möglich, die That- sachen nach den wichtigsten Seiten hin in derartig kurzer Zeit xusammm- zustellen, dass sie schon mit Ablauf des auf die Anschreibung folgenden Mo- nats durch den Drude der Oeffentlichkeii ül>ergeben werden konnten. Stammt <ler Gedanke zu die.scn fiir unsere Handelswelt so bedeutsamen Ausbau der Statistik von Fabririus her, war es H. doch, der ihn mit der ihm eigei\en organisatorischen Begabung ins Leben einführte und die damit verbundene gans neue Art der statistisdien Technik in sdnem Wirkungskreise erprobte. Sein eigenstes ^Verk aber, bei dem er seine ungewöhnliche Gestaltungslvraft in ein helles Licht zu setzen Gelegenheit erhielt, war die Organisation jener mit vollem Recht gerühmten grossartigen sogenannten Berufs^ahlung des Jahres 1882, welche bekanntlich zur Beschaffung der gebotenen Unterlagen die so- ziale Gesetzgebung des deutschen Reiches einleitete. Dieses gewaltige Er- hebung^werky welches für gana Deutschland nicht nur die erste eingehende Ermittelung der Berufs- und Erwerbsverhältnisse, sondern audi zugleich eine umständliche und ergiebige Erfassung der landwirthschaftlichen unrl gewerb- lichen Betriebe mid ihrer Beschaffenheit brachte, das in Bezug auf Sorgfalt der Erhebimgsweise wie auf Genauigkeit und Reichhaltigkeit der Lrfragung bisher uneneicht dastand und in der Folgezdt ähnlidien Unternehmungen fremder Staaten als Muster gedient hat, ist von B. blos unter berathender Mitwirkung des ihm vertrautesten Freundes und Kollegen Hardeck 'Karls- nibe'i bis ins Kleinste selbst ausgearbeitet worden. Auch em Theil des höchst weilschichtigen und schwierigen Ausmittelungsgeschaftes, bei dem eine eigm ersonnene Aufberdtungstechnik Anwendung ünden sollte, fiel B. su, da eine Ansahl der Einzelstaaten jene dem Kaiserlichen statistischen Amte abgetreten hatte. Vornehmlich wirkte er aber an der Bearbeitung der Er- gehnisse der umfangreichen Zählung mit, welrhc er in zehn stattlichen Bän- den, äusserst anschaulich dargestellt und gründlich erforscht, niedergelegt hat.

I

Digitized by Google

I

Becker.

Lies B. es sich mit Eifer angelegen sein, den Ausbau der amtlicfaen Sta- tistik des Reiches zu betreiben, hat er, wenigstens später, eine Seite gaiu ungepflegt gelassen: die internationale Statisik. Er, der vorzugsweise in seinen Arbeiten den Vergleichungen Raum gewährte unfl dazu unermüdlich die fremdländischen Thatsachen zusammentrug, luUerschai/.te die Bedeutung der internationalen statistischen Kongresse in ihrer auf gleichartige Behandlung hinstrebenden Wirksamkeit keineswegs, wenn audi gewiss die Ueberwucherung des Latendementes, die sich hier geltend machte und die Ausartung in pomp- hnfte Festlichkeiten seinem ernsten Sinn zuwiderliefen. So hat er denn aucli anlänglich \on ()Idenl)urg aus an den Verhandlungen des Berliner Kongresses (1863), später von Berlin aus an denen des Budapesier (1876) untl ebenso an den Zusammenkünften der Permanena-Kommission des Kongresses in "YUtn (1873), Stockholm (1874) und Paris (1878) Theil genommen, hat auch für diese Zwecke Denkschriften verfasst oder durch sein Amt verfassen lassen. Als aber dann durch doTi Kinfluss, welchen die Permanenz-Kommission auf die Gestaltung der statistischen Thätigkeit der betheiligten Staaten zu gewinnen suchte, Bedenken bei der deutscheu Reichsregierung hervorgerufen wurden und diese daau eine abweisende Stellung einnahm, wandte auch B. den gesammten internationalen Bestrebungen selbst da, wo sie gangbare Wege verfolgten und keinerlei Verpflichtungen nach sich zogen, fiir immer den Rücken zii. So hielt ihn rlenn, als das berechtigte Verlangen nach VerständiLrnng und (»c- tiankcnauslausch auf verständigerer und aussichtsvülierer Grundlage zur fcm- richtung des »internationalen statistischen Instituts« führte, die Sdieu, Anstoss zu erregen, von den Vereinigungen und der Betheiligung an dessen Arbeiten ab, obschon es sich hierbei nicht um eine amtliche, sondern eine persönliche Theilnahme handelte: er vermochte eben die Bcsorgniss nicht ni unterdrücken, dass er, um den Anforderungen des Instituts gerecht zu werden, in dienst- licher Beziehung auf Schwierigkeiten stossen könnte. Durch diese frostige Zurückhaltung des ersten Vertreters der amtlichen Statistik des deutsdien Reiches ist der Entfiütung der internationalen Sache aber offenbar geschadet worden.

Je weniger B. sich zu den internationalen Vereinigungen hingezogen fiiiike, um ao mehr hat er nach seinem Theiic die nationalen gefördert, die Konferenzen mit den Vorständen der landesstatistischen Aemter. In diesen für die Ausbildung der deutschen Statistik so wichtigen, für ihre Thei) nehmer ausserordentlich lehrreichen Versammlungen zeigte er sich als liöchst beschla- gener, wortgewandter, freilich auch etwas herrischer Leiter, der zugleich die Vertretung der allermeisten Vorlagen persönlich übernahm. Und im Allge- meinen durfte er mit den Erfolgen der Berathungen zufrieden sein, wenn es gleich und nicht zum Geringsten wegen setner Reizbarkeit und Heftigkeit hierbei nicht immer glatt abging. Dorn seine im Gründe ihres Wesens schroffe, auffahrende Natur vermochte sich keineswegs immer leicht mit Widerspruch gegen flns nbzufmden, was er einmal als das allein Richtige unti Zweckmässige erkannt hatte und damit auch den Bedenken genügend Rech- nimg zu tragen, welche aus Gründen der mitunter mit seinen Vorschlägen unvereinbaren Einrichtungen der Einzelstaaten geltend gemacht wurden. Doch was auch die Hitze des Wortgefechtes ab und an Verstimmendes hervor- geschlendert haben mag, das persönliche gute Einvernehmen mit den Kon- ferenztheilnehincni wurde dadurch dauernd nicht beeinträchtigt. Nur mit einem seiner Kollegen, mit Engel, hat B., gewiss zum Nachtheile des Gan-

Digitized by Google

Becker.

19

7er?. ein hcfriedigendcs Verhältniss nicht aufrecht zu erhalten vermocht, sei es, dass dort der Stachel, bei der Berufung in die leitende reichsst4atistischc Stellung übergangen zu sein, sei es dass hier das oftmals schroffe Auftreten sich empfindlich ftthlhar machte; fireilich stellten auch diese beiden ausgqpriig- ten Persönlichkeiten die grössten Gegensätze dar: jener umftasenderen Geistes, voll kühner Pläne hatte die Endziele im Auge, dieser nüchtern abwägend, suchte den sicheren Grund zu legen und darauf Stein für Stein vorsichtig aufzubauen; beide waren sie dabei herrisch und eigenwillig. Unter solchen UmstSnden war auf die Länge ein erquicUidies und fördenames Zusammen- wiricen allerdings nahezu ausgeschlossen.

Vermöge seiner strammen, soldatischen Art sich zu geben, war B. ganz f\cT Mann darnach, einen grossen Dienstbetrieb, r.n dem die statistische Zen- tralstelle des Reichs auswuchs, zu leiten: rücksichtslos im Vorgehen, verstand er es» den Vorgesetzten voll herauszukehren; gleichzeitig hatte er aber einen voUstibidigen Ueberblick ttber das vielgestaltige Arbeitsfeld und vermochte die /.ahlreichen Untergebenen, ihren Fähigkeiten angemessen, trefflich zu verwerthen. In der zweckmässigen Vr^rrheihmg der Geschäfte untl in dem richtigen Inein- andergreifen der einzelnen Kräfte hat B.'s organisatorisches Talent Hervorragen- des zu Stande gebracht, ohne welches die überaus regsame Tbätigkeit ganücht zu begreifen wäre, die von Jahr su Jahr steigend, das statistisdie Amt ent- faltet hat. Bei seiner Begründung hatte B. aswei wi^enschaftUche Mitglieder und acht Bureaubeamte mit einem Gesammtaufwande von 95 280 Mark zur V^erfiigimg; als er abtrat, war das fest angestellte Personal auf 5 Mitglieder, 107 Bureau- und 7 Unter beanue, die Höhe der Ausgaben auf 803 155 Mark gestiegen. Je mehr und in ungeahnter Weise schnell aber der Wirkungskreis des Kaiserlichen statistischen Amtes durch die MassenhafHgkdt des von ihm zu bewIÜtifenden Materials wie durch die rasche Aufeinanderfolge von Volks», ne\verV>e-, Viehzählungen, von Aüfr^nhuicn der Bodenbenutzung und Emte- crniittciungen und daraus sich ergebenden Zusammenstellungs- und Vim offen t- lichirngsarbeiten an Ausdehnung gewann, um so mehr freilich rnu^ibie der Direktor sidh vorwiegend auf die Leitung dieses umfongreichen Geschäfts- betriebes und auf die Fingerzeige für die Art und Ziele der Bearbeitung be- schranken, dagegen in der Ausführung sich auf die Kraft und Einsicht seiner Räthe stutzen. Dass ihm dies auf das Reste gel 'ni/ und er die richtigen Leute auswählte, die im Verein mit ihm die weilschiclitigen und schwierigen Aufgaben der deutschen Reichsstatistik l^^ten, spricht sicher ebenialls fUr B.'s hervorragende und scharfblickende PersltoUichkett: was an namhaften StaCisti- kern, zumal an jüngeren Kräften /u gewinnen war, hat er als Mitarbeiter an sich TW ziehen i/c^rrln Die, welchen die Besdiäftigung mit der Handels-, Verkehrs- und Zollstutisuk oblag, holte er sir h mit Vorliebe aus dem Hiid- deutschen Steuerdienst, da für diesen ein finanzwissenschafiliches üniversitats- studtum die Vonuiasetzuag m sem pflegt. Von ihnen sind besonders Hegel- mai er, jetzt Zollvereinsbevollmächtigter in Darmstadt, der inzwischen veiw storbene von Lossow und das jetzige dienstälteste Mitglied des Amtes und Vertreter des Direktors Herzog zu nennen. Die übrigen Riitlie waren zu- nächst und seit der Begründung her der nachmals ausgeschiedene, jetzt als Uhrer der Statistik an der JBerliner Universität nodi wirksame gelehrte August Meilsen, weitbekannt durch seine beiden grossen, viel gerühmten Werke über den Boden und die landwinhschaiUichen Verhältnisse der preus- äschen Monarchie sowie über Siedelungen und Agrarweten; als Nachfolger

Digitized by Google

Beck«r.

Meiltont dann der gegenwärtige Professor der Staatswissenschaften in Rostock Wilhelm Stteda, den wieder Aiatliias Schumann ersetste, ein namentlich durch Mine GrOndlichkeit und analytische Veranlagung ausgezeichneter Stati- ».lifcfr, rndlich der jetzige Direktor Hans vnn Scheel, früher Universitäts- |iiott*s»or in Hern, angesehen diirrh seine naiiütuil-okonomischen Schriften; er Ut;«unders imlie ^ich um seiner umfassenden K^enntnisse, seiner sicheren und M'hnellen Auffiosungsgabc wie semer ungewöhnlichen Arbeitskraft der Werth- JH hiit/uQg B.'s zu erfreuen. Wo solche schätzenswerthe Kräfte sich unter cu»er festen, zielbewussten Leitung zusammenfanden, da konnte es auch nicht fehlen, dass die von ihnen ausgehenden Leistungen den Stempel der Ge- diegenheit an sich trugen. Die hmlänghch bekannten und geschätzten, stets mit Anerkennung, nicht selten mit Bewunderung aufjgenommenen Verdient- Uchungen des Kaiserlichen sutistischen Amtes legen daftlr ein voUgültigcs liCeugniss ab. Und auch bereits durch ihre Achtung gebietende Anzahl spre- chen sie liir den emsigen Schaffensfleiss B.'s und seiner Mitarbeiter: sind tlorh bis zu seinem Abgang in der Zeit von 1873 bis 1890 allein 102 umfangreiche Bände des grossen Quellenwerkes der »Statistik des deutschen Reiches ^ ausser den dazu gehörigen »Monats-« bexw. »Vierteljahrsfaeften« und ausser dem iSSo begonnenen» weit verbreiteten und viel benutsten »Statistischen Jahr- buche« erschienen.

War es gleich naheliegend, tlass die mehr und mehr wachsenden Direk- lorialgeschäfte B. die regelmässige Mitwirkung an den eigentüchen wissen- schaftlichen Arbeiten ersdiwerten« hat er sich doch zu keiner Zeit ^^nz davon abhalten lassen. So liebte er es wohl, eincelne Absdinitte einer grosseren Veröffendichung, wenn er sich durch sie angezogen fühlte, selbst in die Hand zu nehmen. Und meistens waren es dann gerade die schwierigsten Seiten, die er sich zumuthete. Aber auch ganze abgeschlossene Gebiete hat er noch in späteren Jahren seiner eigenen Darstellung vorbehalten. Das hat er nameni- lich bei der Bearbeitung der Ergebnisse der Berulsermittelung von i88s ge- than. Die methodische Behandlung, welche er ihr zu Theil werden liess» nicht minder wie die feine bcgrifflifhe imd sachliche Würdigung der ver- schiedenen Vorgänge der heruHichen Zusammensetzung der Bevölkerung haben ihm den ungctheiken Beifall der fachgenössischcn Welt und die staunende Achtung aller jener Kreise eingetragen, die aus dem reich fliessenden Born Erkenntniss und Belehrung /u schöpfen Veranlassung hatten. Besonders gerne widmete sich B. aber solchen Gegenständen, welche für eine matliematische Verwerthung ties Stoffes Veranlassung boten. Wenn ausserdem jedoch eine dem internationalen Kongresse unterbreitete Denkschrift über »die Handeis- lalana und die Statistik des auswärtigen Handels« (1876) B.'s Namen trägt, so ist wohl anzunehmen, dass er blos die Veranlassung und die Richtschnur fiir die Bearbeitung dieses ihm im Allgemeinen femer liegenden Themas ge- geben imd sie den Dezernenten des Zweiges, Hegelmaier, zum Verfasser ^hat. Wohl al>er rührt von ihm ein l"el)erl)h( k über die »Organisation der iimilichen Statistik des deutschen Reiches« ^1884) her. Von jenen mehr oder .minder die mathematische Seite berührenden Arbeiten sind aus B.*8 Feder eine ganze Reihe geflossen, und zwar stellen sie das Beste dar, was wir ihm zu daiiken halien . Iiicr l)e\vcgte er sich auf dem ihm vertrautetsten Gebiete, hier kam sein Schartsinn und seine klare Auffassungsgabe am beredtsten zum Ausdruck. Das sind einmal seine Untersuchungen Uber die SterDhchkeits- messungen, so: ein Gutachten für den internationalen statistischen Kongress

Digitized by Google

Becker. 3 1

»Zur Bcrechming der SteAIidikeit an die Bevttlkeningastatistik.TO stdlenden

Anfiotdeningen«; (1874), ein die gleichen Ziele verfolgenden »Bericht an die Kommission zur Vorbereitung einer Reichsmcdizinalstaiistik . (1874), »Peutsrhe Sterhetafel, pep:runilei auf tlie Sterblichkeit der Reichsbevölkerung in den zehn Jahren 1871/72 bis i8äi/S2«, eine ausserordentlich schaizenswerthe und zu- g;ieidi hödisl mflhevoUe Leistung; m dieser Kategorie gehört auch die bereits in Oldenburg im Anadilune an seine dortigen ähnUchen Arbeiten unter- nommene Aufteilung »Preustischer Sterbetafeln, berecbnet auf drund der Sterblichkeit in Hen sech*? Jahren 1859 bis 1864« (in der Zeitschrift tles preussii>chen staiisur^chen Burenns von i86<)>. Die weiteren bevölkerinigs- statistischen Arbeiten von B.'s Hand wjiren: -»Unser Verlust durch VVandc- rangen,« ein Vortrag in der Berliner staatswissenschaftlichen Gesellachaft (ab< gedruckt in S( ] iioller's Jahrbuch fiir Gesetzgebung und Verwaltung» 1887)» "die Jahresschwankungen in der Häufigkeit vererb iodcner bevölkerungs- und moral«?tati«!tischer Erscheinungen , seine letzte Schrift in Mayr's Statistischem Archiv 1891), endlich die hervorragendste aus der Berliner Zeit: »Stand und Bewegung der Bevölkcnuig des deutidien Rdchea und fremder Staaten in den Jidiren 1841 bis 1886« (189a). Dieses grosse, aus langjähriger Samm- lung und Forschung her\'orgegangene mustergültige Werk, welches in seiner Behandlung dem gleicht, das B. 25 Jahre früher über den nämlichen Gcgen- iktand fiir Oldenburg schuf, hat er indessen nicht mehr vollständig zum Ab- sdduss zu bringen vermocht: ausser dem I'lan und der MaterialbcscbafTimg iQbrt nur noch die Textbearbeitung des ersten Theües von ihm her.

Die immer sich steigernden Anforderungen des Dienstes auf der einen, B.'s rastlose Schaffensfreudigkeit auf der anderen Seite hatten seine im Kerne kräftige und feste Gesundheit endlich vor der Zeit erschüttert. Ein wenn auch nur leichter und schnell überwundener Schlaganfall gab ihm doch die Mahnung, an seinen Rtti^tritt su denken. So kam denn der Acfatundsechrig« jährige, nachdem er 38 Jahre der amUichen Statistik, davon 19 im Reichs- dienstc, angehört hatte, um seine Verabschiedung ein, die ihm am i. Mai 1891 gewährt w urde. Nachdem er bereits früher zum Geheimen Ober-Regierungsrath ernannt worden war, wurde ihm bei seinem Abgange der Charakter eines Wirklichen Gebeimen Ober-Regierungsrathes beigelegt. Eine ihn hoch ehrende Auaacichnung von wissenschaftlicher Seite war ihm durch die staatswirth- schafttidie Fakultät in Tübingen zu Theil geworden, welche ihm aus Anlass des UniversitStsjubiläums 1877 den Grad eines Ehren-Doktors verlieh.

Mit dem Rucktritt vom öffentlichen T.ehen hörte auch B^'*? srhriftstelleri' sehe '1 haiigkeii auf. Er lebte fortan ganz seiner Famdie. Nach dem l'utlc seiner Frau hatte er eine unverehdtiäte Schwester su sich genommen, die ihm seine vier Kinder erzog. Von den drei Knaben wurde ihm einer, der d.is Leiden der Mutter ererbt hatte, in Berlin ;ds Sekinidaner entrissen, wäh- rend von den beiden anderen ihn der älteste als Marineoffizier, fler jüngste als Arzt überlebt haben. Die einzige Tochter löste, seit sie erwachsen war, die Tante in der Führung das Haushaltes ab. Mit ihr Uieb B. audi nach ihrer Verheirathung an einen ArtiUerieoffiaier vereint und selbst dann noch führten sie eine gemeinschafdiche Haushaltung, als er in Folge seiner Pen- sionirung die schönen Dienstrilume nm T.ützowufer aufgeben mu«?«?te. Hoc Ii bei der Versetzung seines Schwiegeraiohnes nach Strasshurj:; enis< Ined H. si( h fÖr eine Trennung von den Seinigen und für die laugefj>ehnic Kui.kkehr m das heimathKche Oldenburg. Wie B. einst hier, unter dem Drucke beengen-

Dlgitized by Google

Becker, von Berchem-Haimbatuoi.

der Verliaitnisw, em&ch gelebt hatte, hat er es auch später fortgesetzt. Eben- falls in Berlin stand er dem grossen gesellschaftlichen Verkehr im Allgemeinen

iem, pflegte aber in seiner bdiaglichen Häuslichkeit gerne den Umgang mit guten J-rcim len ;mH Kollepen. Insbesondere fanden seine engeren Lands- leute stets hei ihm willkommene Aufnahme. Mit ihnen vereinte er sich atirh häulig in ihrem Stammlokale beim GIum: Bier. Vielen Genuss und Erholung bereitete ihm tiie Theilnahme an den Vereinsabenden der Berliner Staats* wissenschafdichen Gesellschaft. Li Oldenburg später, als seine Schwester wieder zu ihm gezogen wnr, lebte er noch einmal bei leidlichem Wohlbefinden im regen Verkehr mit befreundeten Familien auf. Daneben war er regel- mässiger Besucher und lebhafter Unterhalter im Zivilkasino. Seine stillen Stunden Haus» verbndite er mit fleissiger Lektüre, wobei ihn immer wieder die Mttrchen der Tausendundeine Nacht ansogen. Oftmals wurde das oldenburger Leben durch Reisen zu seinen Kindern, besonders zu seiner Tochter in Stras.sburg untcrbrorhen. Dort anrh ward ihm die letzte grosse Freude und Anerkenmmg /.u Theil, als ihm zur 1-eicr fies sicbeiizigsten Ge- burtstages die Kollegen des In- und Au2>landes ihre Huldigungen darbrachten. Nicht lange mehr sollte er sich aber hernach des ihn beglückenden Ruhe- standes erfreuen. Zu Anftng des Jahres 1896 befiel ihn ein schweres, nicht gleich als solches erkanntes K rehsleiden, gegen das er noch im Frühling in Wiesbaden Heilung suchte. Doch als sich hier sein Zustand verschlimmerte und aussichtslos befunden wurde, nahm ihn sein jtlngerer, in Charlottenburg wohnender Sohn su sich. Bei dem ist B. nach einem kunsen La^cr voll heftigster Sdimerzen am 20. Juni 1896 verschieden, in Oldenburg aber neben Frau und Sohn zur Ruhe gebracht worden. In ihm hat die amtliche Statistik Deutschlands einen ihrer angesehensten Vertreter, die statistische WisienKiMlft einen der scharfsinnigsten und üiichtbarsten Forscher verloren,

Oldenburg. Dr. Paul Kollmann.

Haas Enuit Graf tob Berehem-IIaimliaaMA. Am 18. Juni 1896 alaib Graf Hans Ernst Berchem*Haimhausen im Alter von 73 JahvflB, Heer auf Knttenplan in Bohnen. Er entstammte einer aus Bayern ein g'^ wanderten F.imilie, wurde am 20. September 1823 in München geboren, studierte ^vat das (jymnahiuin und ilie juridischen Disciplinen und trat im Jahre 1863 ruich .dem Tode seines Vaters in den Besits der von der Familie erworbenen DornSne Kuttenplan, auf weh her er ids Erbheir scAon seit 1850 als Mitdirigent fun- girte. Er wurde im Jahre 1867 vom Grossgrundbesitze zum Reichsratlis-Abge- ordneten gewfthlt, legte al>er das Mandat sehr bald ^urtirk und widmete sich der Verwaltung seiner Güter. Er verbrachte den Winter gewöhnlich in Mün- chen und den Sommer in Kuttenplan und führte eine sehr einfache, last be- dttrlhtsslose Lebensweise. In Kuttenplan war der von ihm geschafiene Natur» park sein Lieblingsaufenthalt und fast der einzige Luxus, den er sich gönnte. Durch .seinen f )r(lnungss!nn, durch seine Sparsamkeit, unterstützt durch Inng- jährige, treue Diener, erwuchs ihm aus dem v?iterlit hen Krbtheile em reicher Ertrag, von dem er einen wahrhaft hochherzigen Gebrauch machte. Nebst den vielen gemeinnützigen Schöpfungen, die er hinterliess, hat er manchen Bedürftigen geholfen und dabei zur Vermeidung jedes Aufsehens sich hinter der Chiffre B. H. verborgen gehalten. Als im Jahre 1866 bei der Hesctnmg Böhmens durch drts j>reussische Heer flic Hesorgniss der Kinhebung einer Contribution auftauchte, erklärte sich der Graf bereit, die den Bezirk Plan treffenden Abgaben aus Eigenem su leisten. Er konnte um so freier über

Digltized by Google

Graf voD B«reli«Ri-IleiiiibMiwii.

33

seinen Belitz verfligen, als er unvcrmahlt uiul nach allen Seiten hin uiiabliangig geblieben war. Vielfach wurde er für einen Sonderling gehalten, der er auch geswtaen sein mag, aber in des Wortes edelster Bedeutung. Mit einer idealen Auffiusting des Lebens« voller Herzensgute, unentwegter Menschenliebe, regem Rechts- und Gerechtigkeitsgefühle verband er bei aller Vornehmheit seines Wesens doch grosse Ans]>rvu lisIosigkcit, ja licsclicidcnhcit. Dabei war er von warmer Vaterlandsliebe und gänzlicher Hingabe an das Kaiserhaus erfüllt. Durch und durch Deutsch-Oesterreicher, sah er in einer wohlgcregelten, auch die Kenntnisse der Pflichten und Rechte der Staatsbürger vermittelnden Volks- bildung, die Grundlage zur Sicherung der Existens und der Zulcunft des deutschen Volkes in ncsterreich , ja die (inindlage der öffentlichen Wohl- fahrt uberliauijt und in der Wahrung der Traditionen des österreichischen Kaiserhauses, die Burgschaft für ein grosses, einiges und machtiges Oester- reidi. Gans in diesem Sinnig sum Theile dem Benpi^ seines Vaten folgend, veldier im Jahre 1860 testamentarisch eine Stiftung von soooo fl. errichtete, deren Zinsen unter die Lehrer der Domänenschulen venbeilt werden sollten, nahm er den lebhaftesten Anthcil an dem Gemeindewesen, am Schulwesen und an der Volksbildung m den Ortschaften seiner llomane. Er betlicilte die Schulen in Hinterkotten, Heiligcnkrcuz und Neudorf mit SchulbibUo- theken und errichtete in Kuttenplan auf seine Kosten eine Volksbibliothek, und ein physikalisches Kabinet. An dem letsteren Hess er durch einen von ihm dafür besonders honorirten Lehrer Vorträge über Physik halten. Anlässlich des 600jährigen Gedenktages der Vereinigung der österreichischen I^der unter dem Habsburg'schen Sceptcr gründete der Onii am 27. Decem- ber iggs das neue Schulhaus in Kuttenplaner Schmelz, und sur Feier des viersigjährigen Jahrestages der Thronbeste^;ttng des Kaiser Franz Josef, d. i. am 2. December 1888 stiftete er das Schulhaus in Khoau. Ausserdem liess er noch in Kuttenplan ein Schulhaus erbauen, welches er, so wie die übrigen beiden Schulen mit einfacher aber gefalliger äusserer Architektur und zweck- mässiger innerer Einrichtung ausstattete. Im Ganzen hatte er fUr diese Schul' bauten wohl an 70000 fl. aufgewendet. An der Schule in Kuttenplan sidierte er in ausgiebigster Weise eine Stiftung, zu dem Zwecke, um die der Schule «*ritwachsenen Mädchen, von einer da/n bestellten l ebrerin in Handarbeiten, Haushaltung, Oesundheits-, Kinder- und Kranken] »liege unterweisen zu lassen. Auch der Lehrer verjgass er nicht. In den Siebziger- und Achtziger- Jahren erginste er die mit 350 400 fl. bemewenen Gehalte der Unterleluer an den ehemaligen Domänenschulen durch entsprechende Zulagen auf 500 fl. Die Schulen pflegte er selbst zu besuchen, die Kinder mit passenrien Sehnlichen zu beschenken, und die Lehrer versammelte er alljährli( h um sich, um mit ihnen eingehend die schwebenden Zeitfragen im Gebiete des Erziehungs* und Unterrichtswesens zu besprechen. Dabei war er bemühe ihr Standesbewusstsein zu heben, sie aber auch an die ernsten Pflichten ihres Standes zu erinnern. Seine ScMtzung der Schule und ihrer P>edeutung werden am besten tlurch eine Stelle eines Hriet'es an einen Lehrer ( tiaraVterisirt : .... «Lohnen Sie jetlerzcit menie enigegenkonnuende Wohhnemung, indem Sic unablässig bemuht sind, Ihrem wichiigcn Berufe scincai Wesen nach zu entsprechen, in- dem Sie helfen durch Weckung des Denkens und Empfindens Generationen heranzuziehen, welche sich als Menschen und .'Staatsangehörige fühlen und in dieser Oeistesri« luung ;auch in ihrer bescheidenen Lebensstellung) clen höch- sten Aufgaben: Förderung des Wahren, Guten und Schönen entgegenstreben.

Blofr. 4aktb. «. DwnlKlmr N«krolof. 3

Dlgitized by Google

34

Graf von Berebcm^Htinbanseti. von Bniiaen*

In (ier Schule liegt der Keim zur Tugend, zum Patriotismus, /um havislic lien Glück. Vergessen Sic nie, dass Sie der Sämann sind, der diesen Samen, diesen Segen ausstreuen soll, für Gott, Fttrst und Vaterland.« Die FrQchte des segensreichen Wirkens des Grafen blieben auch nicht aus. Sie treten in einer wirVlidien Hebung der Volksbildung und unter anderem auch (leittHrh in dem grosseren Verwaliungsgeschickc hervor, welches die Ge- meindevertretungen der Ortschatten in der Domäne Kuttcnplan bekunden; eine £nrungensdiaft, die heutzutage, wo die Aufgaben der Gemeinde durch die Autonomie so erheblich angewachsen sind, nicht hoch genug zu schätzen ist. Bei seinem regen Sinne für das Gedeihen österreichischer, Wissenschaft* lieber Untemehmutigen hatte der Graf auf seine Kosten in K\itteni>lan eine meteorologische Station erster Ordnun-^ ciimcrirlitct, welche dem österreichi- schen meteorologischen Beobachtungsnetz eingefügt ist und war auch Mitglied der österreichischen meteorologischen Gesellschaft geworden. Er war einer der wenigen österreichischen Grossgrundbesitzer, welcher die Ziele dieser (Jesells( liaff , die eine der f^cschätztesten meteorologiisrlicn Zcitsrhriften durch zwanzig Jahre selbstständig, in letzterer Zeil im Vereine mit der deutschen meteorologischen (ieseilschaft herausgiebt, beachtete und durch semen Beitritt förderte. Als im Jahre 1895 der erste Aufruf der österrdchiBchen meteorologi- schen Gesellschaft zu Beiträgen ftir die Errichtwig eines Observatoriums auf dem Sonnblick erging, spendete B.-H, 400 fl., und als demselben im März des Jahres 189^, mit der Meteorologischen Zeitschrift der Aufruf: «GeHihrdung der meteorologisclien Station auf tlem Sonnblickgipfel, der höchsten meteoro- logischen Station Europas« zukam, spendete er zur Ueberrascliung des Aus- schusses der meteorologischen Gesellschaft neuerdings, aus eigenem Antriebe 500 fl. Von allen Privaten, die zur Schafliing und Erhaltung der meteoro- lo^isrhen Warte auf dem S<innl>li» Iv, an welche sich gegenwärtig .schon höchst lu'a( htiMisw crthe, wissenschaltliche Krt(>lu:c knüpfen, beisteuerten, hat der tiraf am meisten beigetragen. Das seltene, tiefe V'erständniss, welches er in dieser Weise filr die Bedeutung der meteorologischen Forschung überhaupt, und fttr die Thätigkeit der österreichischen Meteorologen insbesondere be- kundete, zeichnen den Grafen als einen klarblickenden Förderer natur« wissensrhaftli« hcn Strebens in unserem Vaterlande ans rmd gemahnen an das Verlialtcn der reichen und feingebildeten englischen Aristokratie, die bei wissenschaftlichen Unternehmungen immer obenan steht, und die Grösse des Vaterlandes auch in der Blflthe der Wissenschaft eiblickt. Mit dem Grafen von Berchem-Haimhausen ist ein Cavalier von edelstem flemein- sinne und warmer Vaterlandsh'ebo dahiniicjrnngcn, der anspnu lislos al*cr /iel- bewusst ein^nitt" um die Menschen .sittlich /u heben, geistig zu entwickeln, der hilfreich zur Hand war, wo seine Mitwirkung Nutzen bringen oder Noth und Elend bannen konnte, tief betrauert von den Angehörigen seiner Domäne, von Allen, die mit ihm in weiterem Verkehr standen.

A. V. Obermayer. Georg %'on Bunsen, <lcutscher Politiker, geboren 7. November 18^4 in Rom, gestorben 22. December 1896 in London. ?> war ein Sohn ties Diplomaten Christian Karl Josias von Bunsen, dessen historischer Name »Ritter Bunsen« geblieben ist. Bis zu seinem zwölften Leben^ahre wurde er in Rom durch Privatlehrer erzogen, dann der berühmten Anstalt Schul- pforta (ibergeben imd bezog die Universitäten Bonn und Berlin, imi Philo- logie, Geschichte und Geographie zu studieren. Er halte die Absicht, sich

Digltized by Googl

von Bansen.

35

dem akademischen Lehrfach zu widmen, wurde aber durch eni langjähriges Lungenleiden daran verhindert. So hat er denn sein ganzes Leben hindurch in der Bevölkerungsstatistik unter der Rubrik »ohne besonderen Beruf« ge- standen. Ein stattliches Vermögen, das er zum 'I'IkmI vom Vater ererbt, zum Theil durch seine Heirat vermehrt hat, ülierliol) iltn der Sorpe fiir den Er- werb; den l:ieruf at)er, seine Kräfte nut/li( ii anzuwenden, hat er stets in sich gefühlt und ist ilun treu geblieben. Dem oiVcnÜichen Leben hat er als Mit- glied des Preussischen Abgeordnetenhauses vom Jahre i86a bis 1879 angehört, zunächst fiir den Kreis Bonn-Rheinbach, dann für Lennep-Solingen, zuletzt für Mettmann. Nach Stiftung des norddeutschen Bundes entsandte ihn der Kreis Solingen auch ui den Reichstaf^ und Miel) ihm auch treu, als der Norddeutsche Bund sich zum Deutschen Reiche erweitert hatte. Im Jahre 1874 musste er seiner leidenden Gesundheit wegen eine Wiederwahl ablehnen. Nach seiner Wiederherstellung erhielt er im Mai 1876 von dem Wahlkreise Hiiscfaberg- Schönau, dessen Vertreter, Professor Teilkampf gestorben war, ein Mandat und hat es bis 1887 inne gehabt. Dann zo^j er sich seines leidenden Zu- standes wegen zurück. Seine parlamentarische Laufbahn be^^ann er mit cuier persönlichen Bemerkung«. Das ist ein seltsamer Anfang und um so seltsamer, als diese persönliche Bemerkung nicht dem entsprach, was die Geschäftsordnung des preussischen Abgeordnetenhauses darunter versteht. Nicht sich selbst vertheidigte er, sondern seinen verstorbenen Vater. Dessen Nnme war m einer Debatte über fÜe schleswig-holsteinische Frage erwähnt und dabei des Londoner Protokolls gedacht worden; ßunsen ergriff das Wort, um darzulegen, da» sein Vater unschuldig daran gewesen, dass im Jahre 1852 die schleswig-holsteinische Frage so Übel verfahren worden. V. B. war ein durchaus liberaler Mann und dabei von Pietät gegen das Andenket! seines Vaters erfüllt, in dessen Bahnen rw wandeln er überzeugt war. Es hat eine Zeil ^egel)en, in welcher Ritter Buasen sich unter lii)eralen Männern keines grossen Anbehens cifieute. Man zählte ihn wie den General Radowiu zu den Männern, welche den König Friedrich Wilhelm IV, auf Irr- wege geleitet oder wenigstens in denselben bestärkt hattai. Diese Anschau- ung wurde freilich erschüttert, als Radowitz an gebrochenem Herzen starb, weil er den Weg des Königs nicht mehr verstand, und als Bunsen von seiner diplomaiisciien Laufbahn zurücktreten musste, und nun aus der Stille des Privatlebens seinen Kampf gegen den engherzigen RonfessionaUsmus Stahls begann. G. v. B. hat stets die Ansicht verfochten, sein Vater sei swar in Fragen der Kunst ein Romantiker gewesen und hierauf allein sei das innige V'erhältniss znrüek/iiftihren , das ihn mit Friedrich Wilhelm IV. verband. In allen Fragen des politisc hen Lehens aber sei er eni (Uirchaus moderner Mensch jjcwesen; er habe auf den kunig nur einen geruigen, aber so weit er reichte, einen heilsamen Einlluss gehabt Man muss dieser Versicherung Glauben ichenken, denn G. v. B., auf den sein Vater den bedeutendsten Einfluss ge- habt hatte, war gewiss ein modemer Mensch. Im parlamentarischen Treben ist er nie bedeutend in den Vordergrund getreten, aber unabhängig davon amd viele Anregungen von ihm ausgegangen. Als im Jahre 1865 der Cobdenklttb gegründet wurde, gehörte er zu den ersten Mitgliedern des- selben und warb unter seinen deutschen Freunden Anhänger. Als Sohn einer Engländerin und Gatte einer Engländerin war er der engiisdien Sprache vollkommen mächtig und so fiel ihm die Aufgabe iv, bei den seiner Zeit berülimten Banketts dieser Gesellschaft im Namen seiner deutschen

3*

Digitized by Google

36

von Bunscfi« BrQckncr.

Landslcute das Wort "zu ftihren. Und bis an den Schluss seines Lebens hat er es nicht verlaugnet, dasü er die Anscliauungen des Freihandels für den einzigen halte, welche den Frieden und den Wohlstand der Nationen verborgen. Im Jahre 1870 wurde der Centraiverein füi Fhiss- und Kanalschifiahrt ge- gründet und hat in seiner langen Wirksamkeit darauf hingewirkt, dass der Uinnenschiffahrt und dem Kanalbau von Neuem diejenige A\ifnierksamkeii gewidmet wurde, die ihm im Verkehrsleben der Völker gebührt. Li den ersten und schwierigsten Jahren dieses Vereins hat B. den Vorsits gd&hrt und mit Erfolg flir seine Ausbreitung gearbeitet. Schiflabrt und Fischerei sind nahe mit einander verwandt und so fehlte ihm auch das Interesse für die letztere niiht. Er war lange Zeit hindurch Vicepräsideni (k?^ deut- schen Fis( Iu'rei\ ereins und hat als Abgeordneter vielfach die Bestrebungen flir Uniersiuuung der deutschen Hochseefischerei unterstützt. Eine Schöpfung der neueren Zeit sind die Asyle flir Obdachlose. Eine der irOhesten, grössten und besteingerichteten Anstalten dieser Art ist die in Berlin und wiederum war es (',. v. B., der fiir die SthafTung derselben gemeinschaft- lich mit anderen hervorragenden Männern thatig war. Die wohlthätigen Anstalten, an denen er sich betheiligte, sind kaum erschöpfend aufzuzählen. In Berlin besteht ein Verein flir bttusliche Gesundheitspflege, der von der Ansicht ausgeht, dass die Krankenpflege in geschlossenen Anstalten den Bedürfnissen nicht genüge, sondern dass man auch den Genesenden imd denen, deren Unterbringvmg in einer Anstalt noch vorgebeugt werden könne. Sorgfalt zuwenden müsse. Auch hier war B. mehrere Jahre hindurch Vor- sitzender. Ueberall war seine Geschäftsführung eine sehr sorgiältige, von Pedanterie und Geräusch freie und auf die Genossen ermutfaigend wirkend. G. V. B, hielt sich zu der Schaar der sogenannten »Secessionisten* , zu denen »um Bamberger«, welche bei den Nationalliberalen nicht aiisharren konnten, weil sie bei ihnen volkswirthsrhaf'tlic he (irundsatze vermissten und bei der Fortschntls])artei nicht ausharren konnten, weil ihnen deren Formen nicht zusagten. Im Laufe seines I/Cbens hat er auch die Anklagebank strei- fen müssen. Im Jahre t88i wurde er wegen Bismajrckbeleidigung angeklagt^ die er in einer Rede begangen haben sollte. Er wurde freigesprochen und es war für ihn charaktcristisrh , dnss er sieh mehr bemühte, die Bericht- erstatter, die mit ihm zugleti h angeklagt waren, als sich selbst zu vertheidigen. Sein hervorstechendster Charakterzug war die Freundlichkeit der Sitten, die jeder erfuhr, der mit ihm in Berührung kam. Sie floss aus einem Herzen, das stets mehr an das allgemeine Wohl als an sich >en)st denkt* Die Gaben, \^'clrhe ihni verliehen Waren, seine Zeit und seine Kraft waren Gemeingut seiner Mitbürger.

Alexander Meyer.

Brttckner» Alexander, Kaiserlich russischer Staatsrath und UntversatiLti^ Professor i. R., geboren am 5. August 1834 zu St. Petersburg, gestorben am

16. November 1896 zu Jena. Elr war der Sohn eines Kaufmanns und zuerst für den Kaufmannsstand bestimmt, erst spät wanfltc er sich gelehrten Studien /u. Von 1857 bis 1861 studierte er auf deutsclien Universitäten, in Heidel- berg, Jena und Berlin, vornehmlich Geschichte und Staatswi&seiischaften. In Heidelberg wirkte besonders Häusser» in Berlin Droysen auf ihn. Nach Russ- land zurückgekehrt, erhielt er alsbald (noch 1861) eine Lehrstelle für Ge- schichte an der Rcrhtssc.luilc in Petersburg, 1867 kam er als Professor der (icschichte nach Odessa, 1872 nach Dorpat. 1891 wurde er von luer nach

Digitized by Google

Bvtfekiicr.

37

Kasan versetzt, die Vorlesungsverzeichnisse dieser Universität für 1891 1893 enthalten seinen Namen. Aber er scheint diese Stelle, die wohl eine Strafe für B.*s Haltung gegenflber der Russifidemng Dorpats sein sollte, nicht ange- treten /u haben, denn der Kürschner'schc Literaturkalcnder fiir 1893 nennt bereite JciKi als seinen Wohnsitz. Dort verbrachte er die letzten J.ihrc seines Leben:». U. schrieb sowohl in russischer, nis nnrh in französisriu r und ilcutsc liti .Sprache, seine hervorragendsten Werke aber alle deutsch. 1867 erschienen Studien zur Finanzgeschichte Russlancfs von ihm, 1869 (in russischer Sprache) eine Geschichte des Krieges zwischen Russland und Schweden 1788 1790, 1874 eine Mono.£rraj>hie nl)er die I-'.unilic Braunschweig in Ru^sland, 1878 -^Culturhistorische Studien {die Russen \m Ausland, die Ausländer ni Russ- land) und die Biographie des Publicisten Iwan Possoschkow, eines Zeitgenosen und begeisterten Anhängers Peter des Grossen. Diese war indess nur eine Vorstudie zu dem das Jahr darauf in der Oncken-Grote'schen Sammlung er- scheinenden Werlte über Peter den Grossen selbst. 1S79 folgte der »Zare- witsch Alexei , 1SS6 *l>arstclltinf;en ntjs rlcr Sittengeschichte Russlands im 1 7, Jahrhuadcru, 1S87 tlie (ieschichte der Kaiserin Katharina II. (gleichfalls in der Oncken'schen Sammlung), im selben Jahre »Beitrage /ur CuUurgeschichte Russlandsc, 1888 »die Europäisirung Russlands«, i888<-^i890 in diei Bänden Materialien zur Lebensbeschreibung des Grafen N. P. Panin, 1894 in russischer Sprache eine Monograi)hie über Potemlcin, sowie die französist lie Aus;^al)e des Werkes von Wassiltscinkow über die l annlie Ra/uniowski, endlich im Herlist 1896 der erste Band einer Geschichte Russlands bis zum Ende des 18. Jahr- hunderts, der zugleich den ersten Band der mmen unter- der Redaction von K. Lamprecht erscheinenden Serie der Heeren-Uckert*schen Sammlung »Ge- st hichte der europäischen Staaten« bildet*). Wie man sieht, umfasst die historin'rra]>his( hc Thätig^kcit Brückner's fast anssrhiiesslich die (Ieschichte Russlands von den Zeiten IVter des (irossen l»i.s Katliirina IT., seine cultur- gcschichtiichen Schriften verrathen indess auch eine gründliche Rcnntniss der älteren Zeiten. In Russland war ihm auf seinem speciellen Arbeitsgebiet viel vorgearbeitet worden nicht durch Karamsin, den Vater der russischen Ge- schichtsschreibung, dessen grosses Werk nur bis znm Jahre 161 1 reicht wohl aber durch Ssolowjew imd Hesnishew-Rjnmin in ihreii \ lelbändigen ( ■iesrhi<"h- ten Russlands, dann durch Usirjalows Biographie Peter flcs Grossen, Biibas- sow*s Katharina II., Nil Popow's »Tattscht^ew und seine Zeitc, durch zahl- reiche Quellenpublicationen und Monographien (von Pekarskij, Wissenschaft und Tateratur unter Peter dem drossen, Pierling, Hamel, Bessonow, 'I'srhisto- witsch. Zwjetajew u. a.\ bi Deuisrhland waren K. Hermann und r»eniliardi seine Vorganger. Aber K. Hermann s Geschichte des russischen Suiaics (in <ler Heeren-Uckert'schen Sammlung), schon vor mehreren Dezeimien gearbeitet, fällt vor die Zeit, da in Russland grosse Quellenpublicationen und E^nzelunter- sudbungen eine Menge neuen Stoff darboten, Bernhardi's Darstellung (in Bie- tlermann's .Sannnlmi«,'', ans^jc^cirhnct in den kriegsgeschichtlichen l'artien, fesselnd ^'es(hriel»on und uberall eine f>ri;iineile schriftstellerische Persönlich- keit verralhend, litt, wie B. selbst mit Ree ht sagen konnte, an zu geringen

') Hiersu kommen noch zahlreiche kleinere Arbeiten in Zeitschriften; russische im Rnssldj WjetlDlk und im Domostroi, deutsche in der Rttssiscbea und in der No«diaclt«n Kevae, dann in der Zeitschrift f. Allgcm. Gcfdiiche (Cotta), in der Beltltchen Monatneliiilti in Mord nnd Sttd a. «. O,

Digitized by Google

38

Brackner. Honegger.

Stutlien und ciiu-r rein /utalli^en Beledenheit und verwiiric iiherdie^ «lurch d>e sclti>amste Anurtliiung, indem der erste Band die Geschichte Kusslandü auf dem Wiener Cpngress, der zweite die der Yoratisgehenden Ereignisse von den Zei« ten Peter des Grossen an brachte, also den Leser zurückführte statt vorwärts. So ist also 1?. schon dadurch für die deutsche historische Literatur von Bc- deuttinp c;ewnrdcn, tlns«; er ihr eine dem hentipen Stand Her russischen (^ucllenrurstliiuig tiiLspret liende Darstellung der so überaus bedeuicnilen Periode russischer Geschichte von 1689 bis '79^ is'^^* ^" Benutzung der Quellen verföhrt er überall mit ITmsicht und Kritik, seine Composition ist verständig und klar, sein Stil lesbar. Aber er wandelt doch die breite Heerstrasse ge> lehrter Sehriftstcllerei ; er i'Jt r»nrh tintrr di-ii Historikern zweiten Rantjes l^:eine Individuahr.vt wie ll.uuNer, Droysen, Nooiden so wie Erforschten, stellten ilar, schrieben ein paar Dutzend andere: die Leetüre seines Peter d. Gr., seiner Katharina muss ermüdend, ja 1ang:weilig auf jeden wirken, der dem Stoff nicht von vorneherein ein grosses Interesse entgegenbringt. Indess sein letztes Buch, eben jener erste Band der Geschichte Russlands bildet eine Ausnahme, es ist eigenartiger hi fler Art wie Tnine's Origincs He la France contemporaine gegliedert, an Sicllc ties hergebrachten Querschnitts< tritt, wie er selbst in der Vorrede sagt, der Längsschnitt«. Und so war ihm kunt vor seinem Tode noch ein rdativ Höchstes jsu leisten vergönnt und wir dür- fen trauern» dass der sweiundsechzigjahrige Mann vorsdmell sein Tagewerk endigen musste. Von russischem ChanvinrNrnn«; w.ir er weit entfernt, er «;prnrh uberall rücksichtslos von der Brtrbnrci des alten, den Gebrechen ile.s neuen Russlands und sah in dem Kitulnngen westeuropaischer Cultur in das Zaren- reich dessen Heil. Aber er war darum doch ein guter Russe und schrieb seinem Vaterland eine grosse Culturmission die Abhaltung der leicht be- weglichen Horden Asiens von Kuropa zu. Für Deutschland, dem er seiner Abstammung und seiner Bildnni' nirh doch zur guten Hälfte wenigstens an- gehörte, hegte er stei^ l'e-t'udere S\ miMthien.

Hinnchiicn, da» iitcrarucbc Deutschland, 2. Auii. 189I. Minerva 1892. l^^}. Kürscb»

acr's Literaturkalender, besooders Jahrgang ^^97'

E. Guglia.

Johann Jacob Honegger, gclioren am i,v J"li '^^^5 Dürntcn bei Knpjjerswyl in der Schweiz, gestorben in Stafa am 5. November tRq6. Kr war zuerst VolksschuUehrer, am Seminar zu Küssnacht empfing er seine Aus- bildung. Erst spat, schon 27 J;üire alt, bezog der Strebsüne die Univeisität Zürich und absolvirte bis 1856 die philosophischen Studien. Nachdem er hierauf einige Zeit in Paris verweilt hatte, erhielt er eine Lehrstelle an eben der Lehrerbildungsanstalt zu Kiissnacht, aus der er hervorgegangen wir: wurde er an die Kantonsschule nach St. (lallen, 1865 an die J .ehramtsschule nach Zürich versetzt. Dort habilitirte er sich denn auch an der Universität als Docent für Geschichte, und 1874 wurde er Professor. Auch in der Politik spielte er in den spateren Se( hzigcr und ersten Siebziger Jahren eine gewisse Kolle. Fr ^v;^r <^in eifriges Mitglied des von T>i. N i^ I rt^mer gegründeten Huttenvereincs und schrieb politische Artikel fir den l\e|itiblikr»ner und andere Blatter, er war an der I.,;mdesgcmenKie von 1S67 einer der Redner in Zürich und functionirte auch eine Zeit lang im Verfassungsrath als Secre^ lar. H. trat zuerst mit zwei Gedichtsammlungen (184g imd 1852, neue Auflage 18851 in die OefJentlichkeit; in die Zeit seiner Lehrth.itigkeit in Rüss- nacht fallt die Schrift ^ Victor Hugo, I..amartine und die französische hyrik

Digitized by Googl

Hooegger.

30

des IQ. Jahrhunderts« (,1858), in die St. C.allencr Zeit die l.iicraiur

wiul Cultiir des 19. Jahrhuiulcrts < . In Züric h arbeitete er dann sein Haupt- werk, aus, das von 1868 in ftinf Bänden erschien; die <('iriindstrino einer allgemeinen Culturgeschichte iler neuesten /ciu. Hierzu kam not 1S75 die »Kritische (i^esdiichte des französischen CuUureinflusies in den lelx- tcfi Jahrhunderten«, 1880 »Russische Literatur und Cultur«. ui^ der »Katechis- mus der Culturgeschichte (in der Weher'schen Sammlung). Von einer > Ail- ^'cmeinen Culturi:cs( hu htc . die er hierauf m An^rrift" nahm, erschienen t\ur zwei Bände, fdci /wlUc iSS^"* fl.is Alterthum uniLiv^nul. Schweres Siech- thum, dct> ihn auch i^i886r) /.ui Nicdcrlegung seiner l'ioiessur nöthigte, hin- rleite die Weiterfilhning dieses wohl auch auf fUnf his sechs Bände liererh- neten grossen Werkes. Er starb, in Zürich selbst ein schon vergessener Mann. H. war ein Gelehrter von umflissendem Wissen, er erinnert an iWv Vo\y- hisiorcn früherer Jahrhunderte; als S( hriftsteller frurlitbai und gcxs.mdi, doch kein Forscher: die Wissensi;hatt verdankt ihm kaum cm neues Resultat. Ab» Atttodidact emporgekommen und auf unregehnä^sigen Wegen zu der Höhe des akademischen Lehramts gelangt, strebte er unablässig, sich neuen Wissens* Stoff anzueignen, sich neu SU bejchrcn und dann drängte es ihn, was er ge- lernt, mit allen Raisonnements, die ihm wahreiKl der Studieti aufgestiegen, in j>o|»uiarer Form, breit und redseli^^ auszusprechen. Mit 50 Jahren liat er noch das Studium der schwierigen lussiiichen Sprache begonnen und in fünf Jahren so gefördert, dass er ein ganz gutes aus den Quellen geschöpftes Buch ül>er rtl^^tsche Literatur von Karamsin bis Turgenjew schreiben konnte. Keine von den Bewegungen seines Jahrhunderts war üini fiemd und rs ;:rnfl;'te ihm nicht, sie darznstellen, er nahm eine fes»e Siclliin;^ iinuiticii tlcrsclhcti cni. Wie er es iii jenem Buch über Russland beKenni: die m administrative Auto- kiatie gebundenen Gesellschaft»- und Staatszustände venntheilte er als cultur- fcindlidh und verdabUch, die moderne Revolution als barbarisch und sinnlos. In der üeurtheilung einzelner historischer Erscheinungen erinnert er (lur< Ii den Mtienrichterlirhcn St/uidininkt bisweilen an SchU»'-^< r, ^"r■^( lir'ir.tm^/' fi wif rf.v » (ientz waren ihm in die Seele zuwider, aber auch ciuciii k.tukc Wianl er im in gerecht; -»weil vor jeder kühneren Selbständigkeit der Ansicht zurückschrcckciwl-, so sagt er von ihm, »den Kernpunkt der Dinge selten treffend. r Kr rUhmt einmal von sidl (im 1. Kand der Grundsteine), dstSH »ich narh zwanzigjährigen Studien seine >^^Grundansirhten »u'd die auf ihnen ruhen<len Tetulen/en fn( ht lim eine ? inie verschoben i. , nur m Kinzelheit^'n ^e'ine Meinung verändert habe. Je mehr man in die Tiefe iicliaut, desto mehr verdu-sicrt sich der lilit k; die in der Geschichte der Individuen und der Völker auf dem Cintnde liegenden lisycholofpadien Tiefen üben diesellie magische Gewalt und verdnsierndc Anziehung wie die dunkelnden Abgründe <ler unenflli<h<;n See.« Aber <lein Leser seiner Bucher otfenbaren >i( h diese 'l iefen, die lier Vert.isser ^'es«haiii luben will, doch fa.st nirgemb, .ini ehoten auf dem Gebiete rier s' honen litentur, »'o er häufig ein fernes L'rtheil un<l eine Vorahiiung kiinfti^er Knt- vickluigen an den Tag legt: m> in dem Bu<.h fitier Rus^j;mrl, wo er tUs Wesen der sogenannten Moderne, die damals noch im er^iten Keime lag, *ehr _ :t erkennt und mit Wider\\illcn /.'.:rnf k \\ ei>.l. A'u b -leii.e Art zu ar!>eiten und zu s^vhreiiKrn hat er ^eTii'-t /u < liar.i^ ten>:ren Ner^ Kfit: ^Iiie N\it -r , s;i;it er einmal, = hat m:r >o viel Sciii'.r.^, ui.d Gtd-id ^e^'cl.en, die hir.ze.h'.if?» zu scudieien, aber nicht gen:;;;, m:< h a'j^arl^iier.d damit fs Le-viiaftrif^f.. Stt dem Bächlein, das den grossen Stromlauf schwellen hilft, m^g Uh jf^rni s^•**^

Digitized by Google

40

Hooegger. WinlieloMnii,

ruhend verweilen, aber als Maler wurde k h seine i(]\ llisrlic Ruhe schwerlich zeichnen, mich locken mehr die uubegretizien Hori/oiue und gewitternden Höhen.«- Freilich wohl, aber diese Horizonte, diese Höhen, er vermag sie doch nicht wahrhaft künstlerisch zu gestalten, alle seine Bttcher sind doch nicht viel mehr als Sammlungen mehr oder weniger pcltinpcncr Feuilletons über die rcrsrhicricnnrtigstcn (TcgcnstAndc. Wenn rlie »Grundsteine« in Fnlp^e ihres verhaltnissmassig beschrankten Vorwurfs noch cme gewisse Eigenart in der innerlichen Behandlung z uliessen, so ist dagegen das, was von der »All* gemeinen Culturgeschichte« vorliegt, nur ein Resum^ zusammengelesener Facten. Ist doch der erste Band ganz der vorgeschichtlichen Zeit gewidmet, j^iebf einen Abriss der Desrenden/lehre etc.: erinnern wir nns, dass Ranke, als er in einem \ iel hctheren Alter an eine zusammen fassende Betrachtung der gesanuiuen geschichtlichen KiuwickUmg der Menschheit ging, die sogenannte »Vorgeschichte« in weiser Selbstbeschränlcung völlig ausgeschlossen hat. Aber auch der /weite Band, das Alterthum umlassend, berulit nur zum sehr ge- ringen Theil auf wahrhafte Quellenstudien - rharaktenstisch, das«; H. in der nar*^tellung einer culturgeschichtlic h so eminenten Krsi lieinun^ wie der grie- chischen Kunst sich hauptsächlich auf den »grossen Kunsthistoriker. K.ugler beruft* Draper, Faulmann (!), Hellwald, Henne am K., Klemm, K.olb das sind im Allgemeinen die Gewährsmänner und Quellen dieser »Cultur- geschichte«, vor groben Versteissen im zweiten Band schützte ihn wohl die !)ur(hsicht des Manuskriptes durch Miiblv in Basel. - Die Bücher H.'s ;^el)en gewiss m,\nc!ien nützliche Belehrung, es ist die Belehrung landläufiger Sammelwerke; einige, wie das über Russland, geben auch etwas mehr. Im grossen Publikum werden sie deshalb noch eine Zeit lang leben. Aber weder ihre Form noch ihr Inhalt wir<l sie vor einem schnellen völligen Vergessen sichern, H. s Xame dürfte schon in einem halben Jalirlnnulert weder in der (leschiehte irgend einer Wi'^sensrhaft , noch der Literatur genannt werden. Sehr möglich aber ist, dass eine Natur wie die seine als Lehrer segensreit h gewirkt hat; doch haben wir Uber seine Lehrthätigkeit nichts in £rfiihrung bringen können.

ZOricher Post vom 8. Hortmhtx 1896. Leips. BliMtr. Zeitang 1896. Nr. a786. (Nekrolog von L. Salomon.)

E. Guglia.

Eduard Wiakelmann, geboren su Danzig am 25. Juni 1838, gestorben

zu Heidelberg am 10. Februar 1896. Kr war der Sohn eines Goldschmieds; der Vater starb 1850, die Familie fast ohne Mittel zurücklassend. Mit Privat- stunden half sich rlcr Knnlie miihsnm durchs (»ymnasium zur Universität. Schon auf der Schule soll ihn vor allem ilas Staufische Zeitalter angezogen, Erzählungen des Vaters von dessen Wanderjahren in ihm eine nie mehr ver- siegende Sehnsucht nach Italien erweckt haben. Als er 1856 die Schule verliess, »war er bereits entschlossen, die Geschi* hte Kaiser Friedrich II. 8U schreiben. v: Er studierte in Berlin und Ciittingen, Ranke tmd W.iit/ .dso waren seine 1-ehrcr, besonder^ des letzteren Schuler konnte er sii h nennen. 1850 promovirte er in Berlin mit der Dissertation »De rcgni Siculi adminisiratione. , in der zum ersten liCal die Regierung Friedrichs in seinen italischen Erblanden (|uellenmässig und ausführlich dargestellt war. Kurze Zeit war er dann bei den Monumcnt.i f.crmani.ie 1 n :s( h.iftigt, 1860 schon sah er sich durch seine äusseren Verhältnisse gcnothigt in den Schuldienst 2U treten; er nahm eine

Digltized by Google :

WinJcdnuin.

41

Lelirsieile an der Ritter- und Domschulc zu Revai an. Dort blieb er bis 1865, heiratete, sah sich bald als junger Familienvater geswungen neben seinen Schulstunden noch Privatunterricht xa gelten, arbeitete dennoch un*

ausgesetzt an seinem »Kaiser Friedriche. 1863 erschien der erste, i^G$ der /weite Band desselben, der letztere mit wie er in der Vorrede dankend erwähnt Unterstuuung der k. Akademie der Wissenschaften in Petersburg. Das Werk fand die ehrenvollste Änerkennimg von berufenster Seite, Winkel- mann erhielt von der Universität Göttingen dafUr die Hälfte des Wedekinder rreise", zuerkannt. Von 1865— 1869 war er Privatdocent in Dorpat, wo er die r.ittliiitlie( .1 I.ivoniae herausgal^ tind mehrere Aufsätze über estländische und ii\ landisc he Geschichte arlieitcte. 1869 bis 1873 wirkte er an der Uni- versität Hern zuerst als ausserordentlicher, dann als orrlenthcher Professor •SO von dem äussersten Nordosten nach den äussersien Südwesten deutscher Cultur versetzt.« Dem neuen Wirkungskreis entstammen verschiedene Auf- sätze zur schweizerischen (beschichte und die nach flem Berner Codex ge- arbeitete Ausgabe dc5 Petrus de Klnilo. Das Hau|)twerk dieser Periode seines Lebens aber war die Neubearbeitung des Abel'schen Buches Uber Phihpp von Schwaben (1873). Als Nachfolger Wattenbach 's wurde er dami nach Heidel- berg berufen, wo er bis su seinem Tode also 39 Jahre ~ als akademischer Lehrer wirkte. In unmittelbarer Beziehung zur Heidelberger Hochschule steht seine Prnreetoratsrede »Ueber die ersten StaaLsuni^ersitriten« (i88o'i und das zu ihrem Jubiläum 1886 hei.ius<;e^rebene Urkundenbiu h der Universität. Von 1883 an war er Präsident der badischen Conunission, unter seiner Leitung bearbeiteten Koch und Wille die Kegesten der Pfalsgrafen am Rhein. Aber seine Hauptthätigkeit galt der Reichsgeschichte des 13. und 14. Jahrhunderts, derselben Zeit also, die ihn schon in der Jugend so mächtig angezogen hatte. 1877 unternahm er eine Reise nach Italien: »Aus r!eni Üeridn über seine archivalischen Forscliungen in Untcritalien und Sicilien klingt die ghick liehe Stimmung Uber all das Neue luid Reizvolle, was ihm in I^dschaft, Denk- mälern und Menschen entgegentrat.« Den wissenschaftlichen Ertrag der Reise legte er in den. Acta imperii inedita nieder, deren erster Band (1880) die Zeit von 1198 -1273, deren zweiter TiSSs^ rh'e Jalire 1200 bis 1400 umfnsst. Daneben führte er die Jahrbücher Otto IV. fort, veröffentlichte eine Reihe von gelehrten Aufsätzen in Zeitschriften, bethcihgte sich an der Allgemeinen deutschen Biographie und der deutschen Ausgabe der »Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit. Etwas ausserhalb seines eigentlichen Arbeitsgebietes lag die »Geschichte der Angelsachsen bis zum Tode König Alfreds«, die 1883 in der Oncken-Grote'schen Sammlunp; erschien , wilhrend ein Peitrn^' zur Ge- schichte Kaiser Paul's (in der Historischen Zeitschrift 1887) an seine Kcvaler und Dorpater nttsischen Studien anknüpfte. Endlich 1889 war es ihm ver- gönnt, den ersten Band einer Neubearbeitung seines Friedrich n. herausgeben zvk können, er reicht bis zum Jahre 1228; den zweiten Pand konnte er nicht mehr vollenden, doch liegt ein grosser Theil de^sellieii, die Jahre bis 1233 umfassend, drm kfertiir vor. Auch (He Fortführung der P.ohnur-I irker'- scben Regei>ten beschäftigten ilui \^ahrend seiner letzten Jahre, in denen er von schwerer Krankheit ge(|uält war. Fast bis su seinem Tode lag er den Studien und seinem Lehramte ob. ;>Auch in unserer schndllebigen Zeit,« so heisst es in dem Nachruf, den ihm einer seiner Schüler widmete, »wird die rührende Gestalt des todkranken l*rofessors, der sich täglich im Rrillstuhl zur Universität fahren lie&s, um seinen Beruf auszuüben, bei den Heidelbergern

Digitized by Google

42

\Vizxkelmmao. Naude.

nicht so bald vergessen sein. Seine Glieder versagten ihm den Dienst, er konnte nur mit fremder Hilfe den Platz auf dem Katheder einnehmen.«

In seinen Kditionswerken zeigt er sich als treuer und würdiger Schüler von W.iit/, in (1cm tmiverscllcn Interesse, mit dem er die vcrs( liiciknartiprsten Pcrioticn (U-i \vflt^ivs( liü lulit Ik-ii l'.ntw i< klung umfasste seine Rccensioncn und der weiic Kreis, den seuie Vorlesungen beschrieben, zeugen davon war etwas von Ranke'schem Geiste wirksam. Fast gleichzeitig mit der ersten Auflage seines Friedrich erschien Schirrmacher's Buch über denselben Ciegen- stand (1859—1865). In einem Briefe an Waiu hat Ranke die beiden Werke gegeneinander abgewogen. Srhirrmacher, schreibt er, verdiene Anerkennung, aber das apologetische Moment trete dann und wann zu stark hervor (at.h habe Stellen gefunden, in denen ich die Texte anders auslegen möchte als er«), Wtnkelmann habe mehr historisches Talent: »er ist unterriditender, weil er die Dinge allgemeiner fasst.« Gegen das 1S44 erschienene Buch von ITöfler nrihmen beide Stcllun^r. l>ort war alles Recht auf Seite ilcr ]^ä])stc erschicneii , auf der (ii.^t.ilt des Kaisers lai^en schwarze Srhatteii: es war die Nachwukung des llurter m iicn Iniiot en/, ni dessen Rahmen ja auch das erste Auftreten Friedrich's noch gefallen war. Dagegen hatte sdion Häusser sich energisch vernehmen lassen, Schirrmadier's Darstellung war ganz in Opposition /.u Höfler geschrieben. Winkelmann nannte dessen Huch in seiner Vorrede eine >Schmahschriff , aber er liess sich so wenig, wie sein 1 ehrer Ranke dies in einem ähnlichen Falle gedian hätte, £u einer apologetischen Färbung verleiten. Indem er sich streng und kritisdi an die Quellen hielt, konnte er woht nachweisen, dass in allen den Streitigkeiten zwischen den Päpsten und Friedrich Jene die Angreifer, dieser im Falle der Nothwehr, jene formell wenigstens im TTTirerhi, dieser im Re( ht irewesen wnr, nlier die ideale Auf- fassung, in der diu (jc.stall tles Kaisers in der trüberen ) ircuesianlischen (io- schichtstradition imd in der Poesie (Imnicrnuum s Kaiser i riedrich!) leblc, suchte er nicht zu halten. Charakteristisch ist dafUr die Stelle, wo er Uber das Abkommen Friedrich*s mit dem Papst nach der Kaiserkrönung spricht; 'Jhm Ing wenig an dem Kirchenthum der Zeit, aber au( b die (legner des- selben waren ihm vollständig ,:,f1eirhgiltig überflll, wo ni( lu unmittelbar ein Naeiitiieil für ihn im Wege stand, kam er gern den Wünschen der Täpsic entgegen.« Dieselbe Aufifossung begegnet uns schon in der ersten Auflage des Buches, dort heisst es: »die Lösung des Widerspruchs (zwischen dem Entgegenkommen Friedrich's gegenüber den Win^schcn des Papstes über die Verfolgung' der Ketzer und seiner späteren temdiichen Haltung gegen die Kirche"^ li«'^t in seinem reii^iusen InditTerentismus. a

Nekrolog von Cad Suttcr in den Monutsbiuttcrn Nr. 2 der deutschen Zeitschrift flir GcflchtditswiMentdwft 1896/97 S. 60 u. f. Hlstonsche Zeittcbrift, 76. Band S. 567 u, f.

K. Guglia.

Albert Naude, geboren am 13. November 1858 in Jiiterbogk, gestorben zu Marburg i. H. am 17. Decembcr 1896. Er gehörte jener französischen Familie Naudti an, die zuerst durch (iabriel Naudt5, den Begründer der Biblio- thek Mazarins, der in Rom zur Umgebung der Königin Clmstine von Schwe- den gehörte, bekannt geworden ist. Der Mathematiker Philipp Naud^ kam 1687 als protestantischer Refvigie aus Metz nach Berlin, wurde Professor am Joaehimsthaler (lymnasium und Mitglietl der Akademie der Wissens< haften in Berlin. Auch dessen Sohn Philipp war Mathematiker, er unterriclueie 1 rie- drich den Grossen in der Algebra. Albert N.'s Vater war Rechtsanwak, ein

Digltized by Googl

43

Freund von Schul/t'-Delitzsch und Gneist. Dieser ubeisieiielie 1862 von Jüterbogk nach Potsdam. Dort besuchte Albert N. 1870 1879 dius Gym- nasium und bezog dann die Universität Berlin. Seine erste wissenschaftliche Arbeit war die Untersuchung über die Fälschung der ältesten Reinhai (1>- hrunner Urkunden (Fierlin if^f^,^"^, mit deren Aiisnrlicitin\;.^ er im November 1S82 promovierte. Wattenbach und besonders Bresshiu halten ihn auf dieses Arbeitsgebiet geflihrt. Einen bleibenden Eindrack hatten aber auch R. Koser's Vorlesungen Über die Quellenkunde der neueren Geschichte, sowie die Vor- lesungen uiul Uebungen Schmoller's (erst seit 1882 in Berhn) über deutsche Wirthschaftsgesrhirhfe. An« Ii nnrh Krlangnn^' des l>o( t()r;,'r;uU-s bliel) er >ritglie<l des Schnioliei s( hcii Seminars und niai lue in diesen» meiirere grössere Arbeiten, so über die Wirthschaftspolitik I ricilrich des Grossen, über alt- preussische Gewerbe|)olitik» Uber das Merkantiisjrstem und die europäische Haji i >Iitik des 16. Ms 18. Jahrhunderts. 1882 Übernahm er auf Koser's ^'Mr^( Iii dessen Stelle in der Reda( tiim der iK.Htischen Korrespondenz hrifdrn li r|. Gr. Dieses grosse Fnteniehinen der Berliner Akademie, 1878/70 von Droysen, Duncker und Syiiel bcgruniict, war in wenigen Jahren mit zehn Bänden von 1740 bis Ende 1754 vorgerückt. N. setzte mit dem Januar 1755 jsm und f&hrte die Edition zuerst allein, später mit Hilfe jüngerer Genossen, zuletzt als revidirendes Mitglied der akademischen Commission in den nach- '^fen 1 2 Bänden fort, sie umfassten hauptsächlich (hc Zeit des sicbeniähn£»en knegcs. Diese 12 Bände waren das Hauptwerk seines Lebens, fast alle seine anderen Arbeiten haben eine Beziehung zu diesem. Da sind zuerst mehrere Artikel in der Allgem. I>. Biografibie über preusstsche Minister des 18. Jahr* hunderts 1'.. ( Ii. von Plotho, Marcp) ud von Printzen), dann die zwei Aufsätze

Friedrich der Grosse vor dem Ausbruch des sielunjalirigen Kriei^c^ in der Historischen Zeitschrift Bd. 5=;. 5^ 0885 I886^; ferner die Abluindlnn:: ^ Xus ungedruckten Memoiren der Bruder Friedrich des Grossen. Die Kntsiehung des siebenjährigen Krieges und der General Winterfidd« in den damals von K.o«er herausgegebenen »Forschungen zur brandenburgischen und [»reussischcn Ge- schichte« I. Bd. (i8SR\ 1888 habilitirte er sich an der Universität Berlin für neuere deut.sc!ie Gest hii litc, und 1890 wurrle er als Na» hfol^rer Knser's, rler nach Bonn ging, zum ausserordentlichen Professor eru.mnt. Zugleich über- nahm er an dessen Stelle die Redaction der »Forschungen«, 1892 erschien von ihm in denselben die Studie »Der preussische Staatsschatz unter König Friedrich Will mm II. und seine Krschöpfung.« 1893 wurde er ordentlicher Professor in Marburg i. H. Im sel!>cn Jahre musste er Ke< tnrar^proi^'rnmm liefern und kam so /u der Abhandlung ^Friedrich des Grossen Angntlsplane gegen (Oesterreich 'c. 1894 richtete Max Lehmann in der Schrift »Friedrich der Grosse und der Ursprung des siebenjährigen Krieges« einen persönlichen Angriff* gegen ihn, hier sowohl wie in den Nachträgen, die in den Göttinger Gel. Anzeigen erscheinen, bczeichiicte er ihn als oberflächlichen gewissen- losen Historil.er unri als [loliti'^r'h tenflen/iösen Streber. N. erwiderte in tien

Beiträgen zur Fnisiehungsgest hichte des siebenjährigen Krieges ; I. untl IL (1895 und 1896). Eine der erbittertsten Fehden, die die gelehrte Literatur unserer Zeit sah, entbrannte mit diesen Schriften und sie dauerte Uber das Grab des frflhverstorbenen N. hinaus l ie Streitfrage war, ob der sieben- jährige Krieg von Seiten Prcnssens ein V'ertheidigungs- oder ein AngrifT>krieir gewesen sei. N. war der crsteren Ansieht, fler auch die älteren Historiker wie Ranke, Arnelh, Beer, Sybel anhingen und für die von neueren Koser,

Digitized by Google

44

Naude. Bruaaemano.

Ihiarcks, Heigel und Schmoller eintraten. Die andere Meinung wurde von Lehmann verfochten und dieser von Delbrück in den wesentlichsten Punk- ten unterstützt. Nicht weniger hart als Lehmann äusserte sich Delbrück über N. auch n u h dem Erscheinen von dessen Vertheidigungssrbrift : X. , sagt er, »hat sich als ein Mann ohne jeden wissenschaftlichen Ernst erwiesen. Ein blosser Klopffechter, der es versteht mit einen Künsten der Menge zu imponiren und hier und da auch einen wirklichen Gelehrten zu täusdien.4r Nur ein indirectes Verdienst gesteht er ihm zu: »indem er darauf ausgeht, diirc Ii (Hl- Massciiliaftigkeit seiner Artennusj'tige den Schein der ndehrs.-imkcit XU erw ec ken und allenthalben spiiri und augt, um zu sehen, wo der ( iejjncr sicli eine Blosse gegeben, da hat er doch auch, was man ja auch Janssen zugeben darf, einiges wirklich 'werthvolle tu Tage gebracht und die ernsthafte Forschung gezwungen, in jeder Einzelheit und jedem Ausdruck sich zu unbeding- ter Korrektheit hindurchzuarbeiten.« Diesem harten Urtheil steht aber schwcr- wiepcnd die Ueberzeugunp von N.'s T. ehrer Srhmollcr gegenüber, der seinen Schuler gewiss gut gekannt hat und m einem warm emplundenen Nachruf ihm volles Vertrauen und hohe Achtung ausdrückt: »Diejenigen, die ihn verlästerten und angriffen, haben ihn nicht gekannt.« Im Sommer 1897 hätte N. Marburg mit Freiburg vertauschen sollen. Als akademischer Lehrer hnt er unstreitig grosse Erfolge gchnbt, und auch sein Verdienst um die Forderung des grossen Unternehmens der »Korrespondenz« bleibt wohl un- geschmälert bestehen.

Schmoller, Zum Andenken an Albert Naudi in den »Forschungen zur braodenburgi« scben und preussischen Geschichte«: IX. Bd. 3. Hälfte. Delbrück, Ueber den Unprong des siebcnjMlirigeQ Krieges in den Pravsstscken JahrbQchein, November 1896.

E. Guglia.

Karl Brunncmann, gehören am ly.Ortoher ifi?-^, gcsujrben .im ?6. .Sep- tember 1896 /u Dürckheim a. iL Kr .siudierle an der Univcr^iiat Berlin hauptsächlich moderne Philologie und Geschichte und wurde 1847 Clymnasial> lehrer su Stettin, 1869 Director des Realg\ ninasiuin^ zu Elbing. Literarisch trat er zuerst 185Q mit der Schrift »Drei schweizerische Freiheitsmänner c auf, 1860 folgte die Befreiung des Thurgaus«, 1866 eine »Geschichte der nord- amerikanischen Literatur«, die fünf Auflagen erlebte, 1872 die »Wanderungen eines deutschen Sdiulmeisters«, 1877 Skizsen und StwKen zur französischen Revolutionsgeschichte (darin u. a. ein Au6atz »der Sturz der Girondisten 1880 eine Biographie Robespierres, die 1885 eine zweite Auflage erlebte, na/wisrhen fallen fran/ösisc In- Sc hulausgaben und andere T.ehrbehelfe, sowie zahlreiche Aufsatze, besonders im Magazin für die Literatur des Auslandes und in der »Gegenwart^, in der auch seine letzte Arbeit über »Maurice liarr^s* erschien. B. war in politischer Beziehung radical •demokratisch gesinnt und fiist alle seine Schriften verrathen in der Auswahl des Stoöes und in der Art der Behandlung eine radical -demokratische Tendenz. Sein Hauptwerk, das T.eliensbüfl Robespierre ist durrhau«; apologetisch, er setzte es der Gott- schall sehen Monographie (im Neuen Llutarch 1875), die er eine »Eiucubra- tion, die so viel Unrichtigkeiten und Entstellungen enthält, als sich auf 19z Seiten sagen lassen« demonstrativ entgegen. Auf dem Titel rühmt er sich »zum Theil noch unbenutzter Quellen«, doch macht er diese weder im Text noch in Noten nanibafr. w^s er <la nnftihrt ist die ge<!r!trkte Literatur der Zeit, die damais glcichütüs laugst gcilrucktcn Verhandlungen der Consiituaiue xmd des Convents, insbesondere aber alle die langathmigen Reden sein^ Helden,

Digitized by Googl

Bniiiiieiiiaiui. d'Elvett.

45

>tles yrosscn Mannes, dessen Namen diese Stiulic ziert. Wissenschaftlichen Werth hat denn auch diese Biograjjhie so wenig wie die anderen Schriften B.'s» und sMda ihre Darstellung ist durchaus gewöhnlich und mittelmässig: ihren Flrfolg verdanken sie nur ihren radicalen Declamaitionen und wie in !cr «Geschichte der nord.imerikanischen Literatur < der glücklirbcMi Wahl des Siotfes. Wie er sit h /u den prossen (»est hehnissen seiner eigenen /eil stellte, xeigt am besten ein Passus seiner Vorrede des Robespierre: »Während die Brtfven«, hebst es da, »die seiner Zeit in der Piak und in Baden ihr Herz- blut einsetsten ftir Deutschlands Freiheit und Einheit nur Hohn und Spott, wenn nicht gar noch Schlimmeres tra( wird d^enige, der sich damals noch mit dem pei«?treichen Gedanken trug, die grossen Städte müssten dem Erd- boden gleich «gemacht werden, nachdem ihm 20 Jahre später nicht die Freiheit, denn i reiheit ist dabei überhaupt nicht herausgekonuuen, aber die Einheit wie eine reife Frucht gewissennassen in den Schooss gefiülen ist, von Alt und Jung, von Hoch und Niedrig beweilir lucht und in den Himmel gehoben, um nicht mehr zn sagen, und sein Monanli niadit ihn, ganz abgesehen von zwei Millionen Dotation (sie) lum Grafen und zum Fürsten.«

HiDricbsen, Das literarische Deut»ohla]id. 2. Auüage. Kttrschner's Literatur-Kalender Rlr 1S97.

£. Guglia.

Christian d'Elvcrt, geboren am 11. April 1803 zu Brunn, gestorben ebendaselbst am 28. Januar 1896. Er war der Sohn eines Elsässers, der als Capitain im Emigrantencorps des Prinzen von Condd diente, nach der Auf- lösung desselben längere Zeit in Deutschland umherwanderte, 1796 sich in Jose^tadt in Böhmen, 1797 in Brünn niederliess, wo er als Dolmetscher und französischer Sprachlehrer ein gutes Auskommen fand. Christian d'Rlvert absolvirte das Gymnasium und die sogenannten plnlosuphischen Studien in Brünn und OlmUtz und studierte hierauf Jurispruderu in Wien und Prag, 1827 trat er beun mährisch-schlestschen Gubemium in den Staatsdienst, wurde 1840 Gubemial-Concipient und 1843 Kreiscommissär. Er diente bei den Kreisämtem Tplau und Brünn, dann wieder beim Guberniiim selbst nnd nach den Veränderungen des Jahres 18.40 bei der neuen mährischen Siatth.dterei. Kifrig betheiligie er sich an den Arbeilen über das mährische Schulwesen, die Durchführung der Robott' und Zehntenablösung, die Verbesserung des Strassenwesens und die Flussre^uilirungen. 1850 wurde er als Finanzrath zur mährisch-schlesischen Finanzdirection versetzt und l)lieb bis zum Jahre 1868, wo er als Oberfman/rath in den bleibenden Ruhestand trat, in rücscr Stellung. Als Fmanzbeamter machte er sich durch seine Arbeiten über Zollreformen, spedfiU antisslich des Handels- und ZoUvertrages mit den deutschen Vereins» Staaten, dann durch seine Thätigkeit in der Commission zur Behandlung der Kriegsschflden des Jahres 1866 und hinsichtlich der Organisirung der Greni> bewachung verdient. In das ])olitisc1ic I.eben luat htc ihn zuerst die Bewcirung des Jahres 1848: vom Wahlbezirk Polnlit/ als F.rsjii/mann gewählt, ii:dim er an einigen Sitzungen des» Frankfurter raiiaujentes iheii. Zugleich wurde er in den mlUirischen Landtag von 1848/49, den sogenannten Bauem-Landtag, gewählt, in dem er viel Gemeinntttziges wirkte. Aus dieser Zeit stammt auch die historisch- staatsret h tische Abhandlung: »Die Vei cinigung der böhmischen Kronländer zu E.ineni Landtag, zu Einer Central Verwaltung.« Erst 187 1 gelangte er dann

Digitized by Google

46

wieder in den mährischen Landtag; er war einer der 33 Abgeordneten der Linken, welche dem T.andeshaui>tmann Fürsten Salm erklärten, dass sie den mährischen Landtag in seiner damaligen 7usammcnset;^nnjj als die verfassiings- miiÄsige und gesetzliche Landes Vertretung Maiircns nicht betrachten könnten. Bis zum Jahre 1878 gehörte nun d*E. dem Landtage an, 1881 wurde er zwar wieder in denselben gewählt, jedoch krankheitshalber für die Dauer der Session beurlaubt. 1871 1882 vertrat er die Stadt Brünn im Reichsrath, wo er sich der (Icutsrh-lil)cralen Partei anschloss; vom 4. bis 10. November 1873 fiin- giiic er als Alterspräsident. 1882 legte er sein Mandat aus Gesundheitü- rticksichtcn nieder. Eine selur erspriessliche Thätigkeit eiitüütete d*K. als Mitglied des Brttnner Gemeindeaussdiusses und als Bürgermeister von Brünn. In den Gemeindeausschuss wurde er schon 1880 gewählt. Besonders nach 1S60 hat er als Obmann der f>rganisirunj;s- und der Finanzsertinn eine segens- reiche 'I'hatij^keit entfaltet, [.S6r wurde er /um f?ürt:ermci>ter ^a-\v.ihlt. Kr bekleidete diese Wurde bis 1864 und dann nucii zweiinai, 1870—1873 und 1873— 1876. In die Jahre seiner AmtsAlhrung lällt ein gewaltiger baulicher und üiianzieller Aufschwung Brünns, an dem er einen grossen und sehr per- sönlichen, auch an höchster Stelle wiederholt anerkannten Antheil hatte. Jm Brünner Wochenblatt, 1824 1827 unter der Redaction von E. Horky erscheinend, veröffentlichte d'E. seine ersten schriftstellerischen Arbeiten. 1828 gab er den »Versuch einer Geschichte Brünns« heraus. Es war tlas erste Buch, das diesen Vorwurf in einer dem grösseren Publikum verständlichen Sprache und Form behandelte und dabei auf die ähere Geschichte des Landes, seine Rechts- und (Milturvcrlinltnisse ein^^nnp;. Hierauf i'ol^^te eine Anzahl von rccl)t.slnsU)ris( hen Nrbeitcn und eine (ics( hic hii' drs lUu lidrurks, des Huch- handels und der Buchercensur m Mälucn, tbc grossen Unwillen des damaligen (vouvemeurs Grafen Ugarte erregte, da dieser Überhaupt ein Gegner aller literarischen Production der Beamten, meinte, d'K. wolle mit dieser Schrift für die Pressfreiheit agitiren. 1845 gab d'K. anlässlich des zweihunderl- jnhri^en Jubiläums der Befreiung Brünns von den Schweden die Schrift die Schweden vor Brünn« heraus. 1S51 trat d'K. als Präsident an die Spitze der historisch-statistisdien Section der Mahrischen Ackerbau-Gesellschaft, die unter ihm einen mächtigen Aufschwung nahm. Fast alle von dieser Section herausgegebenen Schriften zur Geschichte Mährens rühren von d'E. her, in ihnen hat er die mährischen (leschiehtsquellen erst ret lit iM^cntlieli erschlossen; mehrere Stadtgeschichicn, darunter eint ( leschi« htc 1^1. lus, euu- Kcchts- gcschichte, eine Culturgeschichte Malirens, eine Literatur-, eine 1 lieatcr- und eine Musikgeschichte Mährens und Schlesiens finden sich darunter. Im Jahre 1884 erschienen von ihm Beiträge »Zur Geschichte des Deutschthums in Oesterreich-Ungarn , ein Werk, welches durch die Bedrohung und Verdrängung des Deut^f hthums durch f!en Slavismus hcrvorp:e rufen wurde und enerL'isch für die Forderung der deutschen Staatssprache eintritt. d'E. war auch Mit- arbeiter des Kronprinzenwerkes für den Abschnitt über Mähren, seine letzte literarische Arbeit aber war die 1895 erschienenen Beiträge »Zur Geschichte der Juden in Mähren und Oesterreich-Schlesien,« Sowohl um die Begründung des Vereins dir die (Jeschichte von Mahren und Srhlesien l aus der historiscli- slatistis« hen Section der Ackcrbau-Gesellsrhaft her vorgegangen), als um die Ausgesiaiiung des Franzensmuseums in lirunn erwarb er sich die grossten Verdienste. An der Bildung des Brünner Musik* und des Mährischen Kunst' Vereins nahm er hervorragenden Antheil. Schon zu seinen Lebzeiten ehrten

Digitized by Google

d'Elvert. Arnold«

47

ihn seine Mitbürger durch die Au&lellung einer Denkmakbitete in den An- lagen auf dem Spielberg, die die Stadt seiner Anregung verdankte.

Nach einer Artikcl<^crit- im »Tagwboteo au MShrett und ScUcti«a« vom 29. wid 30. JaaiMr und i. Februar 1896.

E. Guglia.

Arnold, Hermann, Historien- und Genreinaier, geboren am 6. Mai 1846 XU Mttnchen als der Sohn des Oberbeamten an der Baierisdien Hypotheken-

und Wechsel-Bank Dr. I udwig Arnold, durchlief die Lateinschule und das ( iynina-sium, trat Hnnn sicl>/chnialirig in die Akademie, machte unter den Professoren Hihciis[>crgcr und Aiisc hiit/ die iii)lic heM \'or>tudien und wurde 1866 fast gleichi^ciiig inii A. (iaUl, Ludwig (iloule und Max Fürst, in die Schule des Professor Johannes von Schraudotph aufgenommen. Hier malte A. nach der strengen i'radition dieses Mebters eine grössere historisch-allego- rische Composiiion ttir die Fürstin Helene von Taxis und ein Aliailiüd nach I^iixemburg, culti\irte aber aurh mit f^rosscr Snr<;fnlt das bei Sehraudolph weniger beliebte Portrait. A. ieichnete die iJiidnisse König Ludwig 11. und der Prinaess Sophie, dann das dfter wiederholte Konterlfoi seines treuen Freun* des, des 1891 verstorbenen genialen Professor Theodor Auracfaer, und viele Andere. Mit der ihm eigenen Vielseitigkeit dichtete A. Lieder und Balladen, Herunter einen *Frauenlob« und glänzte hei den flraniatisrhen AufTtihrnngen <ler junp^en Künstler, insbesondere in der Rolle eines römischen Priesters in der von Emilie Ringseis gediciiieicn Iragödic »Sebastian^, welche im Mai und Juni 1869 in PrivatvorsteUungen über die Bretter des König! . Residens- theateis ging. Das s( h<me KttnsÜer-Leben unterl)ra( h der Krieg 1870: Her- mann A. zog als Landwehrlieutenant im zweiten Infanterie-Regiment ins Feld, wurde in <ler Schlacht bei Beaugency durch einen S( hiiss in den linken Fuss schwer verwundet und in Folge dessen invalide und pensionirt. Nim wendete er sich wieder zur Kunst, suchte bei Arthur von Ramberg und Alexander Wagner die neuere Maltechnik sich anzueignen und ging au dem ihm mehr zusagenden Genrefcch über. So entstanden 1872 ein »Gebet der Mutter« rnd 1^73 ein »Sturm nn der Ostsee« ; darauf folgte ein Srliützenkönig« (als Holzscinutt im »Oeul.st lien Hnn«;srhatz 1877), ein - I ac'li<.-sbrief<: ('1878^ ein ländlicher "l'arisa (ein Jager unter drei Dorfsdiönen, als Holzschnitt in No. 8 »Baaar« vom y6. Februar 1885), ein »Stelldichein an der Gartenmauer« oder ♦die Nacliliarskinder« (in Rococo-Costüm), »Rosen im Traum« und Aehnliches, meist im \'erlage von Finsterlin, TVuckmann und Hanfst.inal phntograj)hirt, tiarunter auch füe aus dem Herrn Bürgermeister, rtarnr, Wirth, Wtrthin, KqsI, Sepp, Ciemeindedicner, Nachtwächter, Schuilchrer und Forster bestehende heitere »Dorfgalerie« (1884). Sehr energisch betheOigte sich A. an den seit 1879 gefiihrten Kämpfen der Münchener Genossenschaft. Eine besondere Ciewandtheit in geschäftlichen Fragen bekundete er in den Jaliren 1881 bis 1884 als Sccretnr der Künsder- Genossenschaft. Für seine Bemtihnngen um die Ausstellung 1S83, auf welcher die Spanier zuerst in imposanter \VeI^e auftraten, erhielt A. das ComUiuikreuz des Isabellen -Ordens. Bald darauf wurde der Maler als Professor an die Kunstschtde nach Weimar berufen und übersiedelte im September 1885 mit freudigen Erwartungen. Im glücklichen Wirken machten sie Ii jetloch die Folgen seiner Verwundung wieder fühlbar, inflem die Anstrengun^ heim Crebraurhe des rechten Fus^cs zu einer Ver- änderung der Blutgefa.ssc führte, wothirch eine Am]»utation nodiig wurde. A. unterzog sich derselben in der Universitätsklinik zu Jena, unterlag aber am

I

!

Digitized by Google

Arnold. Beckemib.

25. April 1896 den Folgen. Er war vermählt mit Fräulein Wilhelmme Freie von Schdnhueb; at» dieser Ehe stammen 6 Kinder. Seine Brust sdmitidcte tias RittcrkiLii/ II. CUusse des K, b. Militär -Verdienst -Ordens mit Kriegs- dekoration, das Ritterkreuz I, Classe des R. b. Michaelsordens und die Kriegs^

denkmünze filr 1870/71.

Vergl. Hermann Mtlller, KUnsÜerlexikon 1882 S. 18. >Allgemciae Zeitung«^ No. 117 Tom 38» April 1896 and > Knust für All«« Tom 1. Jnai 1896.

H. Holland.

Beekerath« Moriz von, Historienmaler. Aus einer alten, in den Rhein-

lantien angesehenen Familie stammend, wurde derselbe 18,58 /u Krefelfl ge- boren, kam 1H57 an die 1 )iissel(l<)rfer Akademie unter l'rofessor Joseph Kehren und 1859 nach München, \v(j er, langst durch Altred kethcl's Vorgang für die ernste historische Richtung gewonnen, in der Schule des Moriz von Schwind und durch eigenes Studium sich weiter bildete. Nadb dem iBeispiel s^er Meister legte auch B. lüles Gewicht auf Composition, Zeichnung und treflTendc Charakteristik, '/n seinen ersten .Arbeiten «(ehörte ein streng durchgearbeiteter Carton mit dem die Sachsen zum K.am|>f anfeuernden «Wittekmd«. Ihm folgie ein Cyklus mit Zeichnungen zur » Geschichte der Brunhild«» eine Episode aus der »Gmbem-Schlacht« und als seine gelungenste Schöpfung eine Folge von sieben Blättern mit Bildern aus der »Geschichte des ersten Kj^ujszu^«, wozu der Künstler sich seinen Stoff beiläufig nach Wilken zurechtlegte. Die be- wegten Scencn des Abs< hieds und Abzugs fi^, der ungcduldij^ vorwirbeln« lo Knäuel der Prestliaften, Krüppel, Busser und .Schwärmer, die nach der Sage als Wegweiser eine Geis und eine Gans vor sich hertrieben (2); die Treu- losigkeit und tückische Hinterlist der byzantinischen Händler 3 , die namen> losen Kntbehrungen bei Wassermangel im heissesten Marsch durch Bithynicn (4) bildeten da'i Vorspiel. Hann folgte der erste Sturm auf die Stadtmauer aus dem Ihurnic des Herzog-Gottfried (5;; das Gemetzel in der blutig er- oberten Stadt (6) und als überraschendes Gegenstück die Andacht Gottfneds von Bouillon in der heiligen Grabkirche (7). B. vereinte in diesen farbig nur leicht untertuschten Zeichnungen, <leren erste 1861 entstand, die wuchtige (Jrösse Retliel's tnii Srinvind's anmuthender Kr7ahleri.;al>e. Später folgte noch eine grosse l'eder/eiehnunir, die »Belagerun,:; <ier Stadt Jerusalem darstellcnil, wobei es dem Künstler gelang, trotz des rigurenrcichen Gewimmels eine über- sichtlich klare Wirkung zu erzielen. Kr bewies sich sowohl in Betreff des Costüms, wie auch durch die im wohlthätigen Wech.sel angebrachten cultur- historischen Charakterzlige als einen genial arbeitenden, dichtenden und den- kenrlen Künstler. Weniger ghirklich war der »Tod des (Trafen l lri< Ii von Württemberg 1388 in der Schlacht bei Döttingen«;, wozu Ludwig Uhland s Ballade den MaJer begeistert hatte. Ganz in Alfred Rethels wuditiger Manier mit scharf umschriebenen Contouren erschien »Göta von Berlichingen unter den Zigeunern« und die »Bestattung des Westgothenkönigs Alarich im Fluss- bett des BusentQci. Geringeren Beifall fanden die Scenen aus »Könij: T ear.:, dagegen traf Beckerath um so packender den Ton mit »Prinz Kugennis^, welcher durch den Holzschnitt in den * Düsseldorfer Monatsheften« freilich etwas modemisirt erschien* Sehr gttnstig aufgenommen wurden von der Kritik seine der neueren Zeit entnommenen Bilder, z. B. »die Flucht Napoleons 1. aus Moskau t [1S66) u. flgl. B. hatte seinen Sitz vorübergehend in Frankfurt und Düsseldorf, später bleibend zu München auff^rs« hlairen, wo derselbe nach längeren 1^'idcn, in der Nalurheilansiiill zu Ihalkirclien, am 17. September

Digitized by Google

BeekenA. Boller. Eggert

4^

i,S()f) vcrst liictl; >ciiKT, oliwohl etwas einseitigen, imiiierhin aber dixh eminen- ten Uegabung war unbegreiflicher Weise kein entsprechender Auftrag zu Thcil geworden.

NOb a6i »Allgeni. Ztg.« ai. S^tembcr 1896.

H. Holland.

Boller, Ludwig, Landschaftsmaler, geboren am 38. April /u Frank-

furt am Main, erhielt seine erste Ausbildung am StadeJ'schen Institvit d isclhst, gmg 1883 nach Ivarlsruhe zu Hcrmami Baisch und 1886 nach München, wo er sich durch seine Landschaften alsbald einen geachteten Namen machte. Die malerischen Moosgegenden Oberbaicrns boten ihm ein reiches Studien» feld : Weiden- und Krlon-hep-enzte Haclu' mit schilfunistaiidcnen Allwassern, sanfte Hugelflachen mit ehrwürdigen Ka< hon waren seine Lieblingsmotive, die er zu vielen, fein empfundenen Studien und Bildern, darunter eine »Ernten

1890), »Abende (1893), wdche im Kunstverein geme angekauft wurden, >'erwerthete. Auch beschickte er regehnässig die Ausstellungen im (^laspalast lind in der sog. Seccssion, immer als wahrer Dichter bildend und schaffend, indem er /Uf;leirh aus der Technik der Neueren Nutzen zog ohne ihre Ein- bcitigkeit zu theiien. inzwischen bethätigie »ich BoUer bei der Ausfuhrung grosser Rundgemälde als Gehttlfe von Philipp Fleischer u. A. So übernalun er 1S94 den landschaftlichen Theil des flir Lemberg bestimmten Panoramas vdie Schlacht bei Raclawice«; im folgenden Jahre erhielt er den Auftrag, mit einem polnischen Künstler ein Rimdgemälde mit der Aiissii lit von der hohen

Tatra darzustellen. Mit l.ifer unterzog er sich dieser Riesenarbeit und treuie .sich auf die Stunde, wo er wieder zu seinen zahlreich projectirten Stati'eiei- bildem zurttckkehren könne, verunglüdcte aber kurze Zeit vor der Vollendung des Panorama durch einen Sturz vom Gerüste am 11. Mai und verschied trotz sorgfältigster Pflege am 19. Mai 1896 drei Monate nach seiner Verheira- Uiung innig betrauert von Allen, die seinen herzensp;utcn Charakter kannten und den originellen Kunstler zu schätzen wussten. Sem überraschend reicher Nachlass von sorgfältig gewählten Studien, welche grösstentheils schon den Charakter der daraus zu erwartenden Bilder trugen, erschien in drei Reihen- folgen im Dezember 1896 im Münchener Kunstverein; sie landen alle in kurzer Zeit dankbare und fretidige Käufer.

»Kunst für Alle« vom 15. Novbr. 1893; F. v. Boetlicber: Malerwerke des XIX. Jahrh. 1895. Nekrolog im Rcchenscbaftsberkbt de^ Kuostvereios fUr 1896. S. 73.

H. Holland.

Eggert, Sigmund, Genremaler, geboren 13. Februar 1839 zu München

als Sohn des seiner Zeit geschätzten Glasmalers Franz Eggert (1802 1876), besuchte die Cicwerbcsrhulc. rlann die Akademie der Kfinstc. trat 1855 in den sogen. Anlikensaai bei l^rofessor Hiltensperger, maiie bei Ans( hütz und componirtc unter Schlotthaucr. Dann nahm ihn der Vater als Glasmaler in sein Atelier als Gehülfen bei seinen grossen Fensterbildem und kirchlichen Arbeiten. Später trat Sigmund £. no^mals in die Akademie und zwar bei Professor Arthur von Rambcrj:, um sieh iran/ dem Genre fach zu widmen. Mit Vorhebe behandelte er das Leben der Landleute in ihrer Häuslichkeit, bei ihren Leiden und Freuden, die er mit einem Anflug leisen Humors zu coloristisch wirksamen Bildern gestaltete. Seine Stoffe dazu nahm er gerne aus dem am Wörthsee (nächst Starnberg) gelegenen Walchstadt, wo E. mit besonderer Vorliebe alljährig die Sommerfrische genoss. Zu seim n von den Kunstvereinen bereitwillig angekauften und in Illustrirten Zeitscluiflen häufig

Dlgitized by Google

I

I

Eggert, Geiger*T1niriii^.

reproduzirten Bildern fiehuicn die meist mit Kimlerscenen stnffirten »Friedens- störer«, ein »Pfliclitvergessener« (1873), »(irossvaters Rekruten« (1874, als Holzschnitt in No. 49 der »Allgem. Familien-Ztg.« 1875. S. 389), ein »Schieds» gericht« (1875)1 *I1a.uderstttndchenc (1876), »Fahrt in die Stadt« (1877» Holz- schnitt im »Hausschati« 1879. S. 356), »Der Dorfschulze cbcndas. 1879. ^ 377)» »Oute Jagdbeute«. (1881), Schustcrbubcn-Idylle »Der Miichdieb« (1881), das »Atelier eines Dorfmalers« (1882), »Seifenblasen« (1883, Holzschnitt in No. 23 »Ueber Land und Meer« 1886. 55, 504), der '> Widerspenstige Patient beim Dorfbader« (1883), eine heitere Episode aus der Werkstätte eines bäuer* liehen »Kunstbildhauers« (Holzschnitt im Kränzchen« 1892. S. 107), ein »Schwerer ?!nts< hl fiRq.}'^ \ind andere harmlose KJcinipkeiten. Besonderen Dank erwarb K. für seine w ohlthati^en ISestrebungen (auch als eifriger Cijjarren- spitzen-Sammler) für arme Kinder, als Distriktsvorsteher und Armenpflege Schaftsrath in München. Er starb am 25. August 1896 zu Walchstadt, wo er nächst der Kirche (in wriche er ein schönes, von ihm gemaltes Glasbild gestiftet hatte) seine letzte Ruhestätte fand. Sein künstlerischer Nachlass mit allerlei Studien, Entwürfen und Skizzen wurde im Kunstverein ausgestellt und von Liebhabern rasch aufgekauft. Knastvereins-Bcricht ftr 1896. S. 73.

H. Holland.

Gciger-Thuring, August, T.anrKchaftsmaler, geboren 1861 zu München als (ier Sohn des Privatiers Karl Anton Ceiger, widmete sich seit friibcr Jugend fler Kunst, besuchte die Akademie und l)ildete si( h weiter unter der Leitung des schon hochbetagten Albert Zimmermann. Die Grossartig- keit der baierischen, tiroler und östeiteichischen Gebirgswelt mit ihren Schneealpen, Gletschern und Sturzhächen, mit ihren gigantischen Bergkuppen und wild aufschäumenden Wassertälle übte mit ihrem hochpoetischen Zauber einen grossen Einfluss auf das Gemüth des jungen Mannes, der als geübter Hoc htourist unermiidlich neue Studien sammelte und zu originellen Bildern gestaltete, welche schon 1886 (die TeufeLsbrückc) im Kujistvereine und auf den Ausstellungen erschienen und vielen Anklang und Beifall fanden. Auch für illustrirtc Zeitschrift«!, wie «Ueber Land und Meer« und »Unsere Zeit lieferte sein immer bereitwilliger Stift schöne Beiträge. Seine ursprünglich frische He^^abung rasch zu skizziren und seine Mccn zu malerischen (lebildcn zu gestallen, zeigte sich bei jeder Gelegenheit, wo er mitwirkend und unter- stützend hd Thätigkdt trat. Auch zu heiteren Festen und wohlthätigen 6e- strebungen bot unser Maler immer seine opferwillige, erfmdungsreiche Hand, so bei den fröhlichen Al)enden der Münchener »Geselligen Vereinigung«;, der »Bürgersängerj'iTnft», im Comit<J des sog. »Armenballs« (wobei er noch im Januar 1896 das »Leckkuchenhaus im Schlaraffenland« inscenirte) und bei verschiedenen Anlässen der Künstler- Vereine. Sehr zu statten kam ihm dabei seine Kenntniss in den Costämen und Volkstrachten. Auch lieh er seinen Erfindungen das belebende Wort und war mit acht dilettanttscher Vidseitig- keif als nichter, Musiker und Schriftsteller thritii:; er exrellirte mit Prolofjen, humoristischen Essays, Theaterstücken, grotesken Balladen, Musikstm ke; u. dgl. bei jeder Gelegenheit. Zu seinen gelungensten Oelbildern gehören die Ansicht vom »Herzogstand und Haimgarten« und ein »Wolkenbruch in den Tauem«. (Vgl. dazu die »Wilde Wasser« in »Vom Fels zum Meer* 1894. 13, Heft und das »Hochwasser« in »Unsere Zeit« Sejuember 1894). Unter der Gewalt des Sturmes biegen sich die schlanken Fichtenstämme,

Digitized by Google

GdjgM^Thnruig. GOteli].

massige, rern<?sene Wolken jagen geballt dahin, man vermeint das Brausen und Tosen des wutlicnd nnpfeschwollenen, Alles vemi( htcnden Wildbarhcs m vernehmen. Im Mai 1895 veranstaltete G.-T. eine Collectiv-Ausstellung von 17, meist unmittelbar nach der Natur gemalten Bildem. Darunter ein »Kirch- hofa, mit wenig Mitteln und doch voll ergreifender Poesie wiedergegeben, eine »Bergwiese nach dem Regen«, Erinnerungen von der »Mangfall <a , eme Abendsonne bei Mondaufrr:inp und ein »Februar-Abend . Während manche seiner Beleuchlungseffekte etwas zu bunt geriethen, ^'lurkicn ihm Stimmungen wie sie (rübe, umwölkte Tage bringen, mit hochgelegenen Bergtbälem und über die Scene laufenden Wolkenschatten. Im Jahre 1887 vermählte er sich mit Fräulein Louise von Hagn, welche, selbst kflnstlerisch veranlagt, ihm eine Ire'ie ne^leitcrin ;uif allen Ber<,'tnuren wurde und ihn bei seinem künstlerischen un<i soicialen Wirken ihatkratti^' iiiUerstutzte. Sein krnftiger und /alielebij^'cr Orgajiismus, weicher schon in der Jugend einen iu<itlich drohenden Anfall von Genickstarre Überwunden hatte, erlag am 28. Dezember 1896 einer in Folge von Influenza eingetretenen, acuten (iehimentzündung. Vier Wochen \r,T «meinem Ableben hatten seine Kitern ihre goldene Hoch/eit gefeiert, dabei nahuKn drei Frauen Antheil, welche hei der Trauung vor ftinfzig Jahren als Brautjungfern assistirt halten. Sein umfassender Nachlass wurde im April 1 897 zur Auastellung gebracht.

VgL Kiinst'Verein*»Baiebt f. 1896. & 74 ff.

H. Holland.

Göschl, Heinrich, Bildhauer, geboren 24. Juni 1839 zu Müiu hen als der Sohn des l'n v itiers Nikolnns (Jöschl, erhielt im elierlirhen Hause eine iretV- lichc Erziehung, absolvierte Lateinschule und (.iymnasium, wendete sich dann zur Bildhauerkunst, besuchte die Akademie unter Professor Max Widnmann und erwarb die silberne Medaille. Anfangs 1870 ging (i. nach Rom, wo er eine «Madonna* im Frührenaissance-Style des Luca della Robbia modellirte. ' Nach seiner Rückkehr schnf der Kiinstler auf dem (iebiete der Kleinplaslik eine Reihe kleiner, meist ntu* 20 cm hoher, fem durchgebildeter Statuetten, daninter die Gruppe eines Italieners und einer Italienerin (1873), ein reizen* des Liebesparchen im Costttm der sog. »Jeunesse dor^< und des »empire« (i874>, ebenso aus der Zeit der Renaissance und des dreissigjährigen Krieges ' iS8 ^,' ; ;;lei< 1) delicios-charakteristisch wnr eine Oru|>]>e: wie Arth ure dem vor dun sitzenden König Friedrich II. mit dein jovialsten Ksprit tleclanmeiul vor- liest; Arbeiten, welche in durchdachter Linienführung und wunderbar- im nu- tidser Ausbildung allein schon geniigen, G.'s Namen in bleibenden Ehren zu halten. Sie wtxrden in Bronze und Elfenbeinmasse abgegossen und bildeten lange Zeit eine besondere Zier der ständigen Ausstellung am Koui^^sj»] it/. Ausserdem nbla^ (i. m seinem nni feinstem Raffinement zu emem waliren Musentempel etabiirten Atelier ebenso fleissig einer sorgsam gewählten Leetüre wie der Musik und erfreute bereitwillig durch sein geistreiches, tiefempiun'- denes Violinspiel den kleingezogenen Kreis seiner Freunde. Leider verbitterte ein hereditäres, in den letzten acht Jahren hartnäckig um sich greifendes Nervenleiden alle weitere Thätigkeit tmd versetzte den Kunstler in eine tiefe MelaiK Iiolic, welche nach langem, standhaften \\ i(l< rsirel>en die Uebersiede- lung des armen Dulders in eine Heilanstalt nöthig uiacliic, wo derselbe am t6. Dezember 1896 unerwarteter Weise plötzlich verstarb. ROhmenswerth war seine ausserordentliehe Bescheidenheit, welche jedes Lob ftir seine Lei- stungen abwehrte und sein unbegrenzter Wohlthätigkeitssinn. Sein längst

4*

Digitized by Google

I

GOschL Grimm.

gefestetes lestament enthielt, da er nicht verheirathet war und keine Ver- wandten hatte, nur wohlthätige Besttiiimungen. Ab Haupterben bestimmte er fiir sein, in einer der besten Strassen der Altstadt gdegenes Haus, den ViiK cntius-Vercin; ausserdem bedachte er mit meist sehr erheblichen I-egaten und Schenkungen viele wnhlthätigen Zwecken dienende Gesellschaften, flic Kretinenanstalt Ecksberg, den i<.unstlerunlersiiitzungs-, Rekonvaleszenten-, Lehrlings -Verein, das Taubstummen-Institut, das Armenhaus Dachau, die ambulante Krankenpflege, das Asyl ittr Obdachlose, den Verein fiir arme \V()< hnerinnen, den Mädchen^ und Knabenhort, den Mariahilfverein, den Samaiitcrvcrcin, den A'erein fiir entlassene Sträflinge, die Ferienkolonien, dtc Anstalt für Unlieilliarc, das Nikolaispital, die freiwillige Feuerwehr und eine iVIenge von Freunden und Bekannten.

VgL Kunstvereinsbericht L 1896. S. 76.

H. Holland.

Grimm, Josef, Dr., Professor der neutcstamentlichen Exegese an der Universität Wiirzburg, wurde am 2-^. Janunr 1827 zu Freising als der jüngste Sühn einer schlichten Bürgcrsfamihe geboren, niachte mit grosser Auszeich- nung seine Studien daselbst und seit 1845 Unfversität zu Mflnchen, wo er im Frühjahr 1848 im Studentcn-Freicori)s \ orübergehend auch die Waffen trug, dann aber eine Preisfrapic über den Historiker Otto von Frei- sint: in einer leider ungedruckten Al)lian(ihnig löste (1848) und noch als Candidat der Theologie eine Inauguraldissertation begann über »Die Samariter und ihre SteUung in der Weltgeschushte», welche, nachdem G. swei Jahre lang eine Stelle als Hofmeister und Ersieher im Hause des Graien von Arco- Valley bekleidet hatte, 1854 in erweiterter Gestalt als Promotioiiaschrift er« schien und dem Verfasser eine Professur der Exegese am T yreiim 7n Regens- burg crw.ul). Während seiner umfassenden Lehrthätifikcit diiseibst verfasste O. die Abhmidlungen über «Die Einheit des Lucas-Kvangeliums« (1863) und ttber »Die Einheit der vier Evangelien« (1868). Hier begann er auch die universellen Vorarbeiten' zu seinem Werke über das »Leben Jesu«, welches er, als t'niversitätsprofessor nach Würzburf^ berufen (1874*, mit energischem Kifer in mehr als zwan/igjährigen Mühen, leider ni( ht völlig /.um Al)sehkis'i brachte. Die lieschichte des öftentiichen Lebens Jesu liegt in vier Banden seit 1887 vollendet vor; von der Geschichte des Leidens konnte der Verf. nur den ersten Band, den sechsten des ganzen Werkes, fertigstdten (1894); die zweite, seit 1890 umgearbeitete Auflage verzögerte unliebsamer Weise den völligen Absrhluss des Ganzen. G. hatte umfangreiche Kenntnisse in den orientahs( hen Sprachen. Er liesass auch ein höchst gediegenes Wissen un Bereiche der Kunstgeschichte; auf vielen Reisen besuchte er fast alle Städte und Museen Italiens und weilte 1890 längere Zeit zu Paris* Die Fachkritik rtthmte seine ausgedehnten Kenntnisse in der Patfistik und im •ranzen Gebiet der Exegese, die Ansprut lislosigkeit seiner Darstellung imrl die warme, mit echter Liebe und grosser Warme des Gefühls verbundene Fröm- migkeit. Seine Zuhörer hielten ihn überaus werth und bereiteten ihrem Lehrer, als es sich im Sommer 1885 um eine ehrenvolle Berufung auf die Mflnchener Hochschule handelte, eine grosse Ovadon. Polemik und Ge- lehrtendttnkel lagen dem demüthig bescheidenen Manne fern ; nur in positiver, excmplarisrh einfacher Arbeit fand er sein stilles Genügen. Ausser den vor- genatmten Werken erschien auch eine Kektorats-Kede Uber »Das alte Israel

Digitized by Google !

I

55

und die InMende Kunst« (1889). G. erlag nach kurzem Unwohlsein einem Schlaganfiül zu Wünburg am i. Januar 1896.

\'gl. den Nek. in Beil. 2 »Allgem. Ztg»« von 3. Januar 1896 und die von Hermann .Schall und Albert Ehrhard herausgegebenen ^ Gedenkblätter« (Wür/burg 1897. 132 S. 8" mit Portrait), welche eine ausführliche Schilderung von Grimm's Lehen, Ch.irakti.-r und Sdiaffim bieten.

H. Holland.

Laagko, Dlcdfieh, Landschaftsmaler, geboren x. Juni 1819 zu Hamburg,

musste trotz seiner grossen Neigung' zur Kunst bei eincMn Stuben- und De- korationsmnler in die T.ehre und dann als Geselle sein Tlrod verdienen, bis er im Sommer 1840 (l;is Handwerk verliess und mit anderen seiner LandsleuLe, wie Karl Marr, K.. Hoff, Lichtenheld und Bernliaid Stange nach München zog und nach dem Vorbilde von Albert Zimmermann, Rottmann und Eduard Schleich im freudigsten Schallen sich hervorthat, so dass schon 1842 eine »Waldlandschaft« im Kunstvcrcin angekauft wurde. Der Uebergang war ihm nicht leicht geworden, mit Kntbehr\ingcn aller Art kämpfend, aber von Be- geisterung getragen, durch das wetteifernde Beispiel seiner Freunde ange> feuert, verfolgte L. mit der ihm eigenen Ausdauer und Festigkeit seine Ziele. Die oberbaserische Hochebene mit ihren wechselnden Beleuchtungen und überraschenden Lichteffekten, die herrlichen Buchen- und Eichenwälder an den r.clanclen der Würm und des Stambergersces , noch mehr der Ausblick von «lern s( hon^'clegencn Klierf'inp, wo sich die jugetidht he Malerkoloiiie ntcdcigcicissen hatte, fesselten ihn ebenso mächtig, wie die Erinnerungen an die heimathlicfae Elbe. Der ganze Edelsinn seines Charakters spricht aus seinen immer grossartig angelegten, ebenmässig <hir( hf^edichteten Bildern, mochten es Wasserflächen sein, in welchen sich der Mond spiegelt, oder von der Sonne durchleuchtete Waldpartien, oder die grosse weite Ebene mit den fernen Bergen, immer die gleiche ernste Ruhe und grosse Auiiässung der Natur y wie in Eichendorff's Liedern. Im steten Wech^l swbchoi Sfld und Nord liebte L., nach Schleich's Vorgang, die Wirkung des von Wolken- schichten gebrochenen Sonnenlichts in allen möglichen Varianten darzustellen. Motive fanden sieh (if>erall, ebenso am lieblichen Chiemsee, wie rm den trü- ben Mooren bei Ronigsdorf. Sogar in den Tsarnnen uikI an der i halkuchner Landstrassc gewahrte sein schönheitslrunkenes Auge den verklärenden Zauber von Farben und IJnien. Eine Zeit lang schuf L. auch Schneelandschaften, so einen »Wintermorgen (»852), eine »Waldpartie im Winter« (185J5' u.dgl. Die neuere koloristische Ri( htunij übte nach Schleich's Beispiel auf 1 . be- flentenden Emflus>, ohne jedoc Ii in seiner bisher geübten Ausführung und Durchbildung etwas zu ändern, doch wiu*de der Vortrag freier unci breiter. Um sich vor Einseitigkeit zu schützen, aber gleichwohl aus allen fortschrei- tenden Ijfahrungen Nutzen zu ziehen, besuchte L. gerne die auswärtigen Ausstellungen, bctheiligte sich an allen Fragen, Controversen und Anliegen der MUnchener Kunst Genossenschaft, opferte au( h bereitN\ iiiig seine gute Zeit bei imdankbaren Hangei onimissionen untl entzog sich keinem wahren Freunde der RuTist, der neue Einsicht brachte oder Belehrung wünschte. Sein klarer Charakter und das neidlose Anerkennen wahrer Verdienste gewannen dem edlen, cinfai hen Mann ebenso viele Verehrer, wie seine adäquate Kunst. Den schönen Lebensabend des immer nc h th.Ttigcn Künstlers trül)tc eine Ver- düsterung des Augenli( hts, welches er jedoch dun h eine gluckliche Operation wieder erhielt. Dann zog er sich aber, taktvoll wie immer, mit den eigenen

Digitized by Google

I

Lugko* Munach.

Schöpfungen vor der Oeffentlichkeit zurück und starb am S.November 18^6 nach kurzer Kranklieit. Den Erwtfrb seines Lebens stiftete er.sur Mfinchener

KiiiistlergenosseTisrh a ft .

No. 311 »Ailgcm. Ztg.«: vom 10. November 1896 und Kcchenschaftsbericht des MUa- diener Kunstvereiiis fftr 1896^ S. 77*

H. Holland.

Mansch, Joseph, Historien- und Gcnremaler, geboren 4. Oktober 1832 zu Linz, arbeitete anfang'; als Verg(>lder im Ckschrift seines Vaters, kam nber seiner künstlcrisrlun Begabung wegen 1853 auf die Münchener Akademie und förderte sich unter rrofessor Phibj^i Foltz so rasch und vollkommen, dass er schon 1856 ein ganz nach den Regeln dieser Sdiule componirtes BUd (Kon- radin und Friedrich von Baden vernehmen das Todesurtheil), freudig von der Kritik begrüsst, im Kunst\eroin ausstellen konnte. Haini malte M. narh seiner sorgfältigen Cjirtonzeit Innmg einen Rudoll von Halislnirg mu h der Schl.ii ht auf dem Marchfeldc vor der Leiche Ottokars von Böhmen«, worauf ein »Her- zog Alba* auf dem Rudolstätter Schlosse« (1860) und die »finnordung des Herzogs von Guise« (1864) in gleicher Behandlung entstanden. Darauf wurde M. mit drei Fresken zu der grossen Bildergalerie des Baierischen Nationalmuseums betraut, darstellend den -^Pilgerztij? des Grafen Ekkehart von Schyren nach Palastina«, eine am l us^e des l'eissenbergs spielende »Scene aus dem Bauernkrieg« und »Herzog Wilhelm V. als Armenvater« wobei der Künstler in glücklicher Weise seine Aufgabe löste und die zur bildlichen Darstellung nicht besonders fügsamen Stoffe geschickt bewältigte. Dazu malte er aucli, nach dem Carton des inzwischen verstorbenen Adam Huber, ein viertes Bild, wobei sieh M. in rulinienswerther, edelstir Humanität bewährte, indem er das wohlverdiente Honorar den Hinterbliebenen seines Freundes überliessl Dann aber wiUüte M., ganz dem Drange seines reichen Innern folgend, eine Reihe von genremässigen Stoffen, die er in an> sprechendster Ausführung und feinster Farbengebunjj; «lurchbildete, darunter die heitere - Kinfjuartierung« in einem für<<tlit lion Frunks<-h!osse (1865), die Kcltung eines »Fmdlings« (1866), eine wahrsagende »Zigeunerin« ^1867), ein fröhUches »Concert«, die »Premiere einer Virtuosin«, täppische »Rekruten* (1868), einen köstlichen »Brautzug«, eine zärtliche »Erklänmg« (1870), »Werbende Krieger« (1871) und gelangte damit schliesslich und fast gleich- zeitig mit Anton Seitz zum kleineren Cabinetssti! sich wendend, in die ihm eigenthundiche liomane, in welcher M. in ubcrras» iK-ndes kcinlu-it und zartfühligster Färbung mit allen seinen V'urgangern wetteifernd exccliine. Diese meist im Costttm des vorigen Jahrhunderts mit Würfel- oder Schach* Spiel sich unterhaltenden Herren, diese zierlichen Matin^es, die an witzi^r Leetüre sich erfreuenden Schöngeister, spintisirenden Forscher vmd nicht zu tief denkenden (lelehrten filmten einen fesselnden Zauber auf den Beschatter. Munsch waj auf allen Ausstellungen zn München, Wien, Berlin, Paris und London ein immer gern gesehener Gast, eine wahre Zierde jeglicher Exposi- tion und Saison. Dabei hielt sich der Maler fortwährend firjach und neu, gleichviel ob er betende Mädchen (1877), einen lebensgelährlichen »Ehtcn- handcl« (vergl, »Kunst für Alle vom i.Juli 1888 und Vineenti in B. 227 »Allgem. Ztg. vom 16. August 1888), das »Glücjc einer Mutter ^< (Holzschnitt in No. 35 »Ueber Land imd Meer* 1879. ^* ^^^) oder das Verklingen eines »Accords« (Holzschnitt in No. 48 »Ueber Land und Meer 1886. S. 1032)

Darstellung brachte« so dass ihm der wohlv^diente Ehrenname eines

Dlgitized by Googl

Mmwch. Windmuer. Ziebland.

55

'deulsrhen Metssonier* und gefeierten Kleinmeisters erblühte. T).i/\vi«:rhen entsiajidcn als walire Perlen seines Humors schon in frühester Zeil allerlei neckische Fest^ und Tanzkarten zu den heiteren Faschings -Spielen und Mai- festen »Jung-Münchensc und der »Tafelrunde« und noch 18S5 lieferte er mit

R. I5eyschlag eine Serie von Schattenbildern «Aus dem Anglerleben« zum

-Deutschen Fischertag«. - Der kernf;esunfle , blühende Mann erlag am 28. Februar 1S96 zu München, mitten im glücklichsten SchaiTeni einer plötz- lichen Lungenkrankheit.

Wursbach, Biogr. Lexikon. 1868. f 9 11.61. MoigeBblatt 63 »AUgem. Ztg.« von 3. Min 1896 und Kttiistv«r«insberieht t 1896. & 79^

H. Holland.

Windmaier, Anton, T anflsrhaftsmaler, geboren 4. April iS.|0 zu Pfarr- kirciien in Niederbaiern, krnie unter drückenden Verhältnissen bis 1S51 d.i^ Tischlerhandwerk, ging zur Zimniermalerei über und trat 1S62 bei einem Dekorationsmaler zu München in Condition. Jeden freien Augenblick zu landschaftlichen Studien verwendend, förderte er sich ohne fremde Unter- weisung bald so weit, dass er schon 1870 sein erstes Bild in die OefK'enilieli- keit brachte. Der ermnthipende Beifall lockte zu weiteren Versuchen; im November 1872 erschienen seine »Kinder am Eis« und bald darauf ein «Winterabend«, wobei der Maler noch an Stademann «cb anlehnte, alsbald aber mit einer »Winteriandschaft« (Motiv aus dem Englichen Garten) schon seine eigene Art zu sehen imd zu fühlen bekundete. Inzwischen hatte er niirb in der religiösen Malerei Vcrsiiche gemacht, Heiligenbilder nnch alten Meistern copiri und eigene, neue gcschaücn. Nun aber ergrirt W. das Herbsi- und Winterbild mit besonderer Vorliebe. Hier herrschte er, mit den gering- sten Mitteln grosse Erfolge erreichend, wie ein Dichter. Unablässig studirte er die Stimmungen der Natur und verstand es bald, selbe mit virtuoser Technik festzuhalten. Welche Poesie sijrirht nns seinen Biu lienwäldem, durch welche (He scheidenilc Sonne ihre letzten Strahlen sendet! l^nd wie beredt wusste <iiCÄ»cr Herold alles Grosse, Krhabene und Edle der Natur zum Ausdruck zu bringen, in bewundenmgswürdigcr Feinheit der Stimmung und wohlbewusster Kraft der Farbe I Insbesondere beliebt wurden seine Mondscheinbilder, die er sowohl an den Strand des Meeres, wie in deutsche Winterscenen, etwa uns fiel l^mgcbung von Freising-Tfaimhausen , verlegte. Auch Regenwetter- Stimmungen liebte er, am meisten aber doch den durch kalte Winternächte Uber einsame Höfe, Brüche und Windmühlen vollaufstralUenden Mond. Was W. auf diesem Gebiete leistete, wird immer zu den Perlen der Mttnchener Kunst zählen. Vor der drohenden Gefahr, etwa einer einseitigen Manie zu verfallen, befreite ihn sein schon am 13. Janiiar i S96 erfolgter Tocl. Seine Ici/ien Jahre ]>rachten herbe Erfahmngen. Der Künstler, auf der rec hten Seite gelahmt, lag zwanzig Monate krank d.u nieder; darui erblindete er noch auf dem linken Auge. Trotzdem führte der vielgeprüfte Maler für seine zahl« reiche Familie den Pinsel und schuf muthig, wie in den besten Lebenstagen. Bedürfni.sse kannte er keine; sein einziges Vergnügen beschränkte sich zeit- weise auf Scheibenschiessen. wobei er auch Preise errang.

Nekrologe in der »Allgemeinen Ztg.« Tona 15. Januar 1896 und im Recben- sebaftt'Bericht des MOncbmer Kunstvcreim £ 1895. S. 84.

H. Holland.

Zicbland, Hermann, Genrcmaler, geboren 18. April 1853 zu Veitshöch- beim bei Würzburg (ein Grossneffe des berühmten Architekten Friedrich

Digitized by Google

56

Ziebliiid. Curtiiis.

von Zie1)la!i(T, gcnoss eine sehr gute F.r/iehung, machte seine vielf.n h dun h schweio Krankhellen unterbrochenen Smdicn an der Lateins» huie und am Gymnasium, wendete sich dann an der Kunstgewerbeschule in Niirnberg 1870 bis 1874 und zu Mflnchen an der Akademie zur Malerei, wo er unter W. Diez, Löfitz und Lindenschmit ein geschätzter Genremaler wurde. Er wähhe harmlos heitere Scenen, die er mit Sor^rfnh und gediegener Mache ausfiihrte: Kostiim- stücke, gemüthhVhc Raucher (1882), Zecher, Bauern und Lanchkncrhtc, histiije Gesellschaft (1890). Seine Bilder fanden nicht allein in München, sondern auch auswärts (in London) gute Aufnahme und Anerkennung; man sah es ihnen nicht an, dass die meisten nur in den Zwischenpausen einer elfjährigen Kiankluit entstanden, wdche am $0. September 1896 den Künstler in die Arme des Todes legte.

Kunstreietosbfricfat U 1S96. S. 79.

H, Holland.

Ernst Cnrtliis stammte aus der alten Hansestadt Lübeck, in der sein

\'.uer Karl Georp: seit 1801 das wichtifie Amt des Syndikus bekleidete. Ein tüchtiger jurisi und erprobter Vertreter iles Staates ni «schweren Zeiten, ver- einigte der würdige Mann leine klassische und litercUische Bildung mit poeti- scher Empfindung und ernstem religii>sen Sinn, der sich auf die ganze Familie vererlite. Sein /weiter Sohn Theodor war später Senator und verwaltete wiederholt das Amt des Biircermci<=ters seiner Vaterstadt. Am 2. September 1814 ward der dritte Sohn Krnst ^ehorcTi; er war fast sechs Jahre älter als sein jüngster Bruder Georg, der spatere Sprachforscher. In emem Nachiut an diesen*) hat C. seine eigene KindlMsit mitgeschildert. Seine Erziehung erhielt Emst durch treffliche Lehrer, unter denen er Ackermann und Friedr. Jacol» besonders hervorhob, auf dem heimischen Catharineum, gleich der !ui]|it"i>rte einem festen Bnllwcrk klassischer Studien. Unter seinen >fit- schiilem .sehloss er sich Ijesonders eng dem nur ein Jahr jüngeren Nachbars- kind Emanuel Geibel an, dem Sohne ^es Pastors Joliannes Geibel, dessen »poetische herzergreifende Begeisterung« tief auf den Knaben wirkte. C. selbst hat in seinen Krinnennigen an Geibel«*) dem lebhaften geistigen Treiben dieses Kreises, in ikin ilie Dichtkunst sich mit der Begeisterunu für das klnssisrhe Alterthum mis( hte, ein hübsches Denkmal gesetzt. Die alte Be- deutung der einst führenden Hansestadt weckte den Sinn für tiie Auffassung geschichtlicher Verhältnisse. Die stattlichen Kirchen und die schönen Ge- mälde der ^^hochgegiebelten Vaterstadt« gaben dem Geiste eine andere, aber verwandte Richtung. Die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit, in die der Vater verwickelt gewesen war (auf Nnjioleon's Gehciss hatte er in die Ver- bannung gehen müssen) legten den Giund zu einer giulienden Vaterlandsliebe, die über die Grenzen der Heimathstadt hinaus das ganze Deutschland um- fasste.

Ebenso bestimmend wie diese Jugendjahre ward für K. C, der Einfluss

bedeute n*!ci I i hrer, deren l'^nterricht nnd pcrsönlielien Umgang er während seiner Siudciueniieil (seit Gstern 1.^3 ? 1 ^rnoss. Den Gedanken, in der damals üblichen Weise theologische Studien mit den pliüologischen zu verbmdcn,

') Altcrtluini und Cegciinart III, n. XVI: »Georg Curtius (1886)«.

2Altertbum und Gegenwart III, n. XV: »Erinnerungen an £. G. (1884)«. Vgl. die _ «ngen eine* uideicik Sduilgenoucn, des späteren Gynäkologen C. C Litzmann, in seinem Buche »Gouuivel Geibel«» Berlin 1887, S. itfl^

Digitized by Googl

Curtitts.

57

Hess er bald fallen. In B<»iin fesselte ihn vor allen die warmherzige imrl hohe Persönlichkeit Fricflrirb (iouiieb \VcI< kers. Mit uiiifasi^ender Gclchrsamkeii und poetischer Intuition umspajintc ilieser das ganze geistige Leben und Schaffen der Griechen, erfasste Religion, Poesie und Kunst als Ausflüsse des gleichen Geistes und stellte ein vielleicht allzu subjectives, aber höchst indi- viduelles und geistvolles Bild des Griechenthums seinen Schülern vor Augen. *Auf mich , schrieb C. an (ieibel, »macht Wclrkcr einen fast !>egci«;tprnden Eindruck, der warme tiefsinnige Freund des Alterthums. Ihm verdanke ich, dass ich entschieden beachloss, mich der Alterthumswissenschaft zu widmen, der ich erst durch ihn die wahre Bedeutung abgewinnen lernte. Er erfasst Alles mit seii^cm Helzen und Gemüth, und eben das findet man so selten imd es erfreut so, wo man es findet. Aiirh mit dem Philoso]>hen Brandis knüpfte der jun^'e ("., von seinem l.ul>e(ker Lehrer Johannes ("lassen ihm empfohlen, Beziehungen an, die bald für iiin bedeutsam weiden sollten. So in die griechische Geisteswelt eingefilhrt, siedelte C. im Herbst 1834 nach (Böttingen Uber, wo er in dem noch jugendkrttftigen Karl Otfried Müller, Wclcker's dortigem Nachfolger, einen Lehrer fand, welcher seiner Natur noch mehr entsprac Ii und dem er sich ganz anschloss. Wns Müller sii Ii zur Lebens- aufgabe gesetzt hatte, die Cultiu: der Hellenen imd deren Bedingungen, auch die örtlichen, nach allen Seiten zu erforschen und in einem geschichtlichen <;esammtbilde darzustellen, das ward auch das Ideal, dem der Schüler seine ganze Kraft widmete. »Otfried Müller«, schriel« er, »ist einzig in seiner Art; bei unermesslirher (Jelehrsanikeit frei von aller Pedanterie, ju^rendürh frist Ii und lebendig, geistreich und talent\()!l. Ihm scheint Alle» nur Spiel zu sein, und ein Gewaltiges hat er schon hervorgebracht. Ihm verdajike ich täglich zwei schöne Morgenstunden, in denen er Kunstgeschichte und tragische Kunst der Griechen vorträj^t. Als Göttinger Student, so liekannte er selbst später (lankbar, erhielt er den Antrieb zu eigener 'i hatif^keit. Zum Abschluss seiner Mudien bet^ab sich C. ein Jahr später nnrh licrlm zu MUUer's Lehrer, dem Altmeister Böckh, dem Begründer vmd Meister der Realphilologie, der in seinem Buch Uber die Staatshaushaltung der Athener eine neue, ebenso grOndliche wie gronartige Betrachtungsweise der Grundlagen des attischen SiaatsTwesens eröffnet hatte, der in der Sammlung der griechischen Inschriften die reinsten Quellen dieser Forsi luinfj zusnmmenfasste und in seinen Vor- lesungen über die Encyklopadic der Ailerthuniswissenschaft eine grossgedachte Darstellung des Zusammenhanges der philologischen Studien gab*). Man sollte denken, dass neben Böckh, dessen Lehrthätigkeit eben damals auf ihrem Höbepunkte stand, auch Karl Kitter Einfluss auf C. gewonnen hätte. Denn durch Müller's Anrepm^cn wnr C. ganz f?lr eine Anffassunj; der (jcour.iphie vor!)creitet, weU he ihr Ziel in der Erforschung des \'erha!inisses ^on Land und Leuten zu einander sucht, in dem Aufzeigen der Bedingungen, welche die natürliche Beschaffenheit des Bodens den Bewohnern bietet, und der Aenderungen, welche die Bewohner an dem Lande vornehmen. Aber C. hat als Student nie bei Ritter gehört; die tiefen Anregungen, die er in der That von ihm erhalten hat, stammen erst ans etwns sj)äterer Zeit.

Sellen wird einem reich begabten, für seine Studien begeisterten Jiingliiig das gleiche Glück wie E. C. zutheil werden, eine Reihe hochbedetitender

^ Alterthum und Gegenwart II, n. XVII: »Zum Gedächtniss an Chr. Aug. Brandis nad A. BOekh (1867)«. HI, n. Xlt »Aug. Böckh (1885) <; m XII: »A» Bikikh und K, O, ll«]lcr (l883)€.

Digitized by Google

Curtiuft.

Lehrer m iiiiden, deren Eigenart und Lehre, so ^.inz den naturlic hen Anlagen und Zielen des Schülers ents})rachen und seinen Sinn von An&ng an auf das Ganze der Alterthumswissenschaft, vor allem der griechischen Cultur, richte- ten. Da/u kam noch ein weiteres »freundliches Geschick«. Khe noch C.'s akrirlemisrhe Studien den üMichen Abschluss gefunden hatten, gewährte ihm das Gluck zu den reichen Lehrjahren nicht mmder reiche Wanderjahre, die ihn in den Mittelpunkt seines geistigen Lebens und Strebens ftihren sollten. Brandis hatte den durch Schelling vermittelten Antrag angenommen, dem jungen Kdnig Otto von Griechenland für einige Jahre wissenschaftliche Vor- lesungen zu halten und ihn in den Unlerri« lits.in^cle;:enlieiten des Königreich-^ zu berathen. I )a er mit seiner pnnzcn Familie nach Athrn uhersicfleln sollte, forderte er den ihm in lionn lieb gewordenen C. aul, ihn als Hausielucr seiner ältesten beiden Söhne zu begleiten. Was hätte dem jungen Philhellenen erwünschter sein können? Im November 1836 brach er von Berlin, wo zu- letzt auch Geibel sich eingefunden hatte, zu einem kurzen Besurh in der Heimnth auf. Am i. Januar 1837 verlicss die gan^c (icsellsrhaft l^rankfurl und fuhr zu Lande im seibsterworbenen gewaltigen Postomnibus, der gelegent- lich in Thorwegen stecken blieb, nach Ancona, dann mit der einzigen damals vorhandenen Schiffegelegenheit nach dem noch Öden Patras. Von dort fuhren sie auf dem Deck eines kleinen Segelschiffes der Regierung zwischen Matro- sen tind SoWhiton, weiter: unterwegs ward gelandet, Feuer gemacht vmd ge- ge^sLI1. S(j <iiii^ es bis Korinth, dann über den Isthmos nach Athen. Im Marz trafen sie hier ein.

Fast vier Jahre hat C. in Athen zugebracht. Das Haus des Cabinets- raths Brandis vereinigte allwöchenUich zu gemeinsamer Lectflre und Unter- haltung alles, was damals in Athen geistiges Leben vertrat, sowohl die in Athen ansässifien I rcmden f/. H. die Gelehrten Taulwig Ross und H. N. Ul- richs, die Architekten Schaubert und die Gebrüder Hansen) und die gelegent- lichen Besucher, wie die besten der Emheimischen, die grossentheOs an der neu gegründeten Universität thätig waren. C. lebte sich in die griechische Sprache und den Verkehr mit den Griechen völlig ein*). Seine eigenen Studien wiflmete er iTumeist dem Geof£ra]!hen Strabon und Pausanias' Be- schreibung viin ( ;iie( heniand. Athen ward ihm in jedem Winkel vertraut; die Sommermonate luluicn entweder in die neu aufblühende Hafenstadt Piräeus oder in das wasser« und baumreiche Kephisda, von wo die Abhänge des pentelischcn Marmorgebirges so leicht erreichbar waren. Aber auch weiter ward keine Gelegenheit ungenutzt gelassen, die ^riei Iiis* Iien Landsc liaftcn und Inseln aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Manche tUeser AusHuge machte er in Brandis' Begleitung. Aber ein besonderes Glück begegnete ihm, als er schon im ersten Jahre seines griechischen Aufenthaltes sich Karl Ritter, dem Geographen, auf einer Reise durch den Peloponnes anschliessen durfte. In seiner (iesellschaft «lernte er wandern und übte sich nach seinem Beispiel im Vcrständniss der Terrainformen i. In der That glaubt man an manche!) .Stellen von C.'s > I'eluponncsos« geradezu die cigenthümliche Ausdrucksweise Ritter's herauszuhören. Im nächsten Frühjahr durchwanderte C. von neuem

'*) Vgl. seine Autsützc Uber »Das NeugiiecUiscbc in seiner sprachwissenscbafUicfaeo Bedratang« (Götting. Naehrichtca 1857) und Uber »Die VolksgrUst« der NcagjriMkea to ihrer Beziehung nun Altctthma« (Sitraagsber. der Berliner Akad. 1887)1 in den Ges« AV bandl. II. 495 ff.

Digitized by Google

Curtiiis.

59

rien TVlo]>onnes mit dem feinsinnigen Uebersetzer Shakespeare's und MoUöre'Sy dem (trafen Wolf v. Baudissin.

Bald sollte sich das athenische Leben für Curtius noch annuiüugei ge- scaitenr als im Mai 1838 auch Geiliel nach Athen kam, um bei dem russi- schen Gesandten die gleiche Stellung /.u bekleiden» wie C. bei Branclis. Jet/t bt*irnnnen fiir die beiden Frevmde iku Ii des Ta^cs Arbeit wahrhaft attisc iK- N u hte; genieinsame Wanderungen \ erdoppehea den Genuss. r>er l tuerric ht, den Brandts der jungen Konigin in griechischer Literatur tu crtheilen hatte, ward den beiden Freunden m liesonderem Antrieb, sich ganz in die attischen Dichter hineinzuleben und fiir jenen Gebrauch eine Reihe von MusterstUcken zu übertragen. »Was wir als Gymnasiasten auf den Wällen der Vaterstadt be^'onnen hatten, so erzahlt C, »emeuerlen wir jetzt auf gemeinsamen Spaziergängen, sei es an den stillen Abhängen des Iiissos, wo Sokrates die Einsamkeit suchte, sei es im OelwiUd und am Rand des Kolonos, oder auf den abgelegenen Höhen 'der alten Felsenstadt, welche den Ausblick auf Aegina gewähren. Wir beschäftigten uns mit den Worten der Du hter, ge- meinsam bestrebt, ihnen ihr Innerstes al)/ulaus<hen und dafür den deutschen Ausdnirk zu finden. Al)ends schrieben wir die Zeilen nTe<1er und fajiden in iiicser Arbeit liebevoller Nachdichtung einen unerschdpthchen Reiz.« So entstand das Helschen, das im Jahr 1840 unter dem Titel »Klassische Stu- dien erschien, von den beiden Nachdichtem der Königin Amalia gewidmet*). F.s ist für C. charakterisdsch, dass seine erste Veröffentlichung in poetischer Form erfolgte. Wie er es dfimals in einem Gedieht aussprach, fühlte er »in seinen A(iem giulicn doppelten Beruf« ; doch während der Freund die I)i<:ht- kunst zur einzigen Muse erkor, trat bei C. die Erforschung des griechischen Alterthums immer mehr an die erste Stelle. Immerhin gilt auch für C, was C^ibel von sich selbst sagt:

Was ich hin uiul \vcis>, itcin vtrst;indi^'cn Norrlcn verdank' icbs* Doch das Gtkeininiss der l'onii hat ini' h der Sitilci» ^jclchrt.

Als im L^uifc des Jahres 1839 die Familie Brandis nach Bonn zurück- kehrte, blieb C, ebenso wie Geibel, in Athen, thdls um seine Studien noch ungestörter fortsetzen zu können, theils in Erwartung einer hohen Freude.

Zunächst begab er sich mit dem Jugendfreunde auf einen Ausflug nach der feingeformten Marmorinsel ]*aros tinrl d' in mächtigen Naxos, rler Al ropole der Kykladen«. Fls waren wonnige drei Wochen, die die beiden hier zu- brachten; ihre Stimmung leuchtet noch durch den Vortrag über Naxos, den C. sieben Jahre später in Berlin hielt. Nach Athen zurflckgekehrt, setzten die F'reunde in gemeinsamer Wohnung nahe dem Lysikratesdenkmal an* f'esirlits der Akroi)olis ihre Studien und einen le1>haften Verlelir mit anderen deutschen fort, bis im Frühjahr 1S40 die l.rUillung jener Hoünung cnitrar. In den ersten Tagen des April traf Karl Otfried Müller, von seinem älteren Schaler Adolf Schöll und dem Jenenser Professor Göttling begleitet, in Athen ein. Ueberglücklich schreibt C. an seine Eltern: »Er war zuerst zu mir ge- kommen und hat sich mir gleich auf eine Weise hingegeben, die mich wahr- haft nihri. Den ersten Tap hatte ich frcüirh viel An^st; als ich sah, wie er die Sachen anfasstc, mit welcher Fülle von Cieist und Wilsen er das Kleinste an seinen Ort zu bringen wusste, fühlte ich mich ganz vernichtet und zer- schlagen — aber seine milde Freundlichkeit bat mich bald ganz anders zu

1

•) Bona, Weber, 1840.

I

Cuctina.

ihm gestellt; er betrachtete mi< h gleich nh g;inx zu den Seinen gehörig . . . Unsere Mahlzeiten sind prachtig, wahre attische Symposia. Müller kann dann so ganz unbefangen und lustig sein. O wie sind die Professoren so anders auf den Kathedern und auf der Reise; es ist wirklich ein besonderes Glttck, dass ich dies hier so oft erfahren habe.«

Bald bereiste C. mit Müller und Schöll von neuem die »dorische Insel des Pelops«, und der Lehrer ehrte den Schüler, dessen hervorragende Anlage für historisch-geographische Forschung ihm nicht entgehen konnte, durch den Antrag, fllr seine allgemeine Geschichte der Hellenen als einleitendes Werk die Beschrciliung des griechischen Landes 2U liefern. Der Plan sollte freilich in dieser (iestalt nicht zur Vollendung kommen. In den heissen Sommer- munaien begleitete der des Klimas gewohnte C. die beiden Rei>eget"aln tcn auf jene verhängnissvolle Reise in die Bruthiuc der vun schiiviiiierndcn Fels- wänden umstarrten Schlucht von Delphi, wo Mttller's Lieblingsgott ApoIIon, auf dessen Schutz noch der bereits Erkrankte sicher rechnete, ihn mitten in der Arbeit mit seinen sengenden Strahlen zum Tode traf. Nur mir Mühe brachten die beiden Jüngeren den geliebten Lehrer nach Athen zurück, vo er am I. August, bald nach der Ankunft, starb, um auf dem FeUbügel Ko- lonos seine Ruhestätte und sein ragendes Mal zu erhalten^. Es war ein ergreifoider Abschtuss von C.'s athenischem Aufenthalt, der dem hinterblei- benden Schüler neue Pietätsaufgaben hinterliess. Im December desselben Jahres \erliess er Athen, überwinterte in Rom, wo er die damaligen Leiter des ar( liaologischen Instituts auf dem Capitol , Kniil Hraun und Wilhelm Abcken, kennen lernte, luid kehrte im Sommer in die licimath zurück.

Ein mehrjähriger Aufenthalt im klassischen Süden, vollends in dem eben erst der Freiheit und den Anlangen der Civilisation zurückgewonnenen Grie- chenland, war damals wie noch auf Jahrzehnte hinaiis ein seltenes Cliic k für einen jungen ^^ann. Krst die verbesserten VcrkelirsmitLel und reichlichere Reisesiipendien haben neuerdmgs dieselbe (iunst grösseren Kreisen jugend- licher Alterthumsfireunde vermittelt. Wenige werden unter ihnen sein, die ni gleichem Masse wie für den empfänglichen Sinn vcm £. C. der adienische Aufenthalt fllr das ganze weitere Leben und Schaffen Ziel und Richtschnur gegeben hfitte. T>ns trrit sojjleirli in der ersten Arbeit hervor. ¥s palt jetzt vor allem, die einst unterbrochenen nkadenns( hen Studien formell abzu- schliessen. Nach kurzem Aufenthalt in der Heimatli begab sich C. nach Berlin und, da er die Absicht hatte, sich in Halle zu habOitiren, dorthin« wo er in Bdckh's Schüler M. H. Ed. Meier einen tüchtigen Kenner des attischen Staats- und Rechtslebcns, wenn auch keinen Otfried Müller, fand. Am 22. Dcrcmlicr 1841, nunmehr bereits siebennndzwanzigjährig, erwarb er si( Ii die Uoctorwürde sein Bruder Georg, damals Berlmer Student, war unter seinen Opponenten mit einer Abhandlung über die Häfen A^ens^. Die richtige Benennung der drei Häfen des Piräeus zu linden, überliess er freilich dem trefflichen Bremer Ulrichs, einem der feinsten Topographen; dafür aber erkannte er richtig in dein beherrschenden Tafelberf^e der Halbinsel die Burg Munichia und stellte damit einen wi< htigen Punkt in der Topographie Attikas fest.

Der junge Doctor gab bald den Gedanken sich in Halle zu habilitieren auf und siedelte nach Berlin Uber. Hier machte er zunächst am Joachims-

^) Alterthum und Gegenwart II, n. XVI: »Zun Gednchtniu an K. O, MttUcf «. Commentmtio de portubus AÜieosnun. Halle 1841. .

Digitized by Google

Curtius.

6t

thaier Gymnasium unter der Leitung des ausgezeichneten Schulmanns und Philologen August Meineke sein Probejahr durch, von diesem hochgeschätzt und in seinen Studien gefördert. Jedoch war es nicht C.'s Absicht, bei der (»ymnasiallaufbahn zu bleiben, sondern schon im Jahre 184^^ halMÜtirte er sich als Privatdocent an der Berliner Universität. Die Herausgabe der del- phischen Inschriften, deren Entdeckung und Entzifferung Müller's Tod herbei- geführt hatten» deren Abschriften aber zum grössten Theil von C. selbst her» rührten, war ein Werk der Pietät gegen den Lehrer, dessen Andenken das Buch geweiht ward Oer Verehrung gegen Meineke giebt eine andere cpigrajfhisclK' Arbeit dieses Jahres Ausdnirk, die mit dem charakteristisc hen Satze beginnt; »Nachdem ich Griechenland verlai>sen habe, sehe ich ein, tiass ich nicht anders aossethalb Griechenlands leben kann, als indem ich auch in der Heimath fort&hre, in Athen 2u weilen«. Das Bttchlein erschien su Meineke's Gelmrtst.ip, dem 8. December.

Wenige Wochen darauf trat ein Ereigniss ein, das tief in C.'s ganzes Leben eingreifen sollte. Der bekannte Zoologe Professor Lichtenstein hatte den jungen Docenten, den er zufällig kennen gelernt hatte, dem wissenschaft- lichen Verein empfohlen, der, auf Anregung der Prinzessin von Preussen ins Leben gerufen, aÜwinterlich den gebildeten Kreisen der H:iu|itst;ult eine Reihe von Vortragen in dem Saale der Singakademie vermittelte. Am 10. Feliruar 1844 sprach (J. dort vor einem erlesenen Publikum über die Akropolis von Athen, ein Thema, das damals, namentlich seitens eines Augenzeugen, noch den vollen Reb der Neuheit hatte Die anschauliche Daistellung der Oert- lichkeit und ihrer Schicksale, der hohe Schwung der Begeisterung in der ^< bildcmng der Mei.sterwcrke eines Phidias, der poetische Hauch der mit der H rhabeiiheit des Gegenstandes wetteifernden Sprache ergriffen die ganze Zu- hörerschaft, unter der sich AI. v. Humboldt, liöckh, Ruicr befanden, und machten den tiefsten Eindruck auf die anwesende Prinzessin von Preussen, die Enkelin Karl Augusfs, die alsbald gegen Humboldt den Wunsch aus^ sprach, in diesem ideal angelegten Jüngling den Erzieher für ihren zwölf* j.^hrigen Sohn zu gewinnen. Die sop]ei< h begonnenen Unterhandlungen flilirteti zum Ziel, nachdem der l'rin/ von IVevissen die enf^lier/igen Vorstellungen, dass nur eui geborener Treussc zu suk hcni Amt berufen sei, zu Gunsten des freien Reichsstädters zurückgewiesen hatte"). Koch im Herbst desselben Jahres trat der nunmehr Dreissigjährige, mit dem Titel eines ausserordcnt- !if ben Prnfc<:sors atisgcstattet, das verantwortliche Amt an, die Erziehung des künftigen Königs von Preussen zu leiten.

C. hat dies Amt seclis Jalire lang versehen. Seine specicUc Aufgabe war, den Prinzen in der €^bichte und den klassischen Sprachen zu unter- richten und seine literarischen und ästhetischen Interessen zu wecken. Die Krtüllung dieser Aufgabe ist ihm völlig gelungen» Man hat wohl gesagt, dass gerade flir die Natur des Prinzen ein nüchternerer, entschietk nerer, kriiftigerer Krzieher noch mehr am Platte gewesen wäre; Lehrer uiul Zögling waren vielleicht zu ähnlich geartet. Aber jener hohe ideale Siim, die warme Be-

*) Anecdota Dclphica. ed. B. C Berlin, W. Besser, 1843.

*) In«.OTiptinnes Atticac nnper rcpertac diioiiL'ciin cd. E. ('. Hcrlin, W. Pe>';er, 1^43: Pustquaiu Graeciaiu reliqui, non alitcr extra (iraeciiim vivcntlum esse intcUexi, c^uam ul in pstriam rcilux Athcnis babitare pergerem.

Die Akropolii von Athen. Berlin, W. Besser, 1S44. ' '} Alterthum und Gegenwart HI, S. 5 f.

Digitized

62

Cartius.

geistentng für alles geistige Streben, das Bditempfinden mit den edelsten Kräften seiner Nation, die unwiderstehliche Liebemwürdigkeit seines Auf^

tretens, genug, alle jene P2igens( hnftcn, die dem sjiritercn Kronprinzen, so %vic er einmal war, den festen Plat2 ui den Hvr/.cu seines \'olkes erworben vnul ihm seinen Antheii an der Einigung der deutschen Stamme gesichert haben : sie verdankten ihre Entwickelung zum guten Theil den I^ehren, dem Beispiel, der l^nwtrkung seines jungen Enriehers. Auch das lebhafte Interesse am griechischen Alterthum, das von C. auf den Prinzen überströmte, sollte in späterer Zeit reiche Frucht tragen. Dem T. ehrer aber lohnte der Prinz mit der dankbarsten Anhänglichkeit, the er sein Leben lang neu bewahrte und bei jedem Aniass in herzlicher Weise kundgab. Nicht minder gut war das Verhältntss, in dem C. zu den Eltern und der Schwester seines Zöglings stand.

Die Lehrer so rühmt er selbst, »waren wie Freunde des Hauses.« In den schweren Zeilen des Jnlires 1S4S, als der Prinz von Prciissen als vermeint- licher Führer der Rea« tion den Hass des Volkes zu tragen hatte, thetite ('. mit den Seinen das zurückgezogene Leben einer halben Verbannung, das wohl geeignet war, ihn nodt fester mit der fürstlichen Familie su verbinden. Kr fond leicht ein dichterisches Wort des Trostes oder des muthigen Hinweises auf die Zukunft, wie in jenen prophetischen Versen, mit denen der Prinz Friedrich Wilhelm am Weihnachtsabend 1848 seinen Vater begrüsste:

Zur Ernte reif sind der Gescitichtc Saaten» Die Kurc Ahnen in dies Land gesenkt, Und neue Bahnen winken Bnrea Tbatun. i><» habt nicht Ihr 50 hat es Cntl {^Lloiikt.

Wir sehn auf Euch mit frohem Angesichte, Verbannet sei, wat Angsi nnd Zweifel schuf.

n hiuclicf nufl E- ruft die Weltgeschichte, l nd Hoheiizollcrn hiiref ilncn Ruf'-;.

\icr wechselnde Aufenthalt der inin/li(lien lainilic, bald in Berlin, bnld in Babelsberg, hinderte eine regehuassjge akademische Thätigkeit des jungen Professors, der aber seinerseits gern die Gelegenheit benutzte, noch diese oder jene Vorlesung bei Böckh, Ritter, Bo|)p zu hören, und eifrig die gemeinsamen Interessen mit seinem Bruder (»eorg, der seit i9<.\f) in Berlin Privatdorent war, jjflcgte. l>ancben l>etheiligtc er sich an den Sitzungen der vtm Eduard Gerhard gegründeten art haulogischen Ciesellschaft, in deren erster Sitzung, am Winckelmannstage 1842, er in bedeutsamer Weise »über Erfolg und Hoff- nung griechischer Ausgrabungen« sptadi^^. Auch lieferte er gel^entlich hübsche Beiträge zu Gerhard's Archäologischer Zeitung, so z. B. die Aufsätze über stridfisrhe Wasserbauten der Hellenen ^^1847) ""^ ^über die Märkte hellenischer Städte^ (1848)'*), Proben und \ urlaufer von Untersuchungen über glücklich gewählte Probleme aus der Geschichte griechischen Städtewesens und Städtebaues, wie sie C. auch später noch mit Vorliebe behandelte. Der vorhin schon erwähnte Vortrag ül»er Naxos , i S46 in der Singakademie ge- halten'^)» wandte sich an ein grösseres Publikum. Aber die beste Zeit und

Altcrthum und Gegenwart III, S. 6. Vcrgl. C. Curtius, Zur Erinnerung an E. C,

S. 17.

Arch. Zeit. 1^.%?, 47- Vcrgl. R. Schöne im An*. Anseiger 1897 S.90ff; Uber

C.'s ThStigkeit in der archäologischen Gesellschaft. '•) Ges. Abhandlungen I, S. 117 ff. und S. 148 fr.

X.ivos. Ein Vortrag itn u-i<~Miscli:iftl. Vorcin , Berlin .1111 2t. Febr. 1846 gchslten. lieriin, W, Besser, 1846. AUcrliiuni und (.iegcnwarl III, n. XVll.

Digitized by Googl

Cttitittfi. 63

Kraft, die ihm sein Amt und das höfische Leben mit seinen Ansju üf hcn licssen, wandte C. an ein grosses Werk über den Peloponnes, das er m ge- duldiger Arbeit allmählich reifen licss und mit dem auch jene Themata in imierer Beziehung standen.

Tni Jahre 1.S40 war die l->/ielui!i;^ des Prinzen Friedrich Wilhelm voll- endet; C. liattc nur noch die erfreuliche und schöne Autjralie, ilin a\if flie ihm selbst so liebe Universität Honn zu geleiten und dort in die Studien einzuführen. Im nächsten Jahre schied er endgiltig aus diesem Verhältniss und kehrte nach Beilin zurück, um sich wieder ganz seiner akademischen Lehr« thiti-ileit und seinen wissenschaftlichen Arbeiten zu widmen. So gelang bald der Abschiuss des zweibändigen Werkes (iber rien Peloponnes^'). Der erste Mand, dem Vater »zur Feier seiner fünfzigjährigen Amtsführungf dar^ahoien, erschien 185 1, der zweite stärkere Band, Ritter und Brandis »zur Erinnerung an gemeinsame Wanderungen in Griechenland« gewidmet, schon im folgenden Jahre. Das Buch ist die reifste Fru< In der von Ritter angebahnten historisch- geographi<;rhen Betrachtuni^sw eise. Zugleich eriiuicrt es überall an Müller's Auffassungen, wie es deni\ ja auch «als eine A!'S( iilagszahlung auf jenes Werk betrachtet werden kann, das einst Midier seinem Schüler übertragen hatte. Wtr besitzen keine genauere, keine schönere, keine den charakteristisdie» Eigenthilmlichkeiten ries mannichfaltig gestalteten Bodens in gleichem Masse wie den wechselnden Eindrücken der geschichtlichen Ereignisse so gerecht werdende Besrhreibimg eines klassischen T.andes. Man denke nur an die l^nUi unsäglich trockenen, bald streng sachiic hen, bald lebendiger schildernden, immer aber im Rahmen der Reisebeschreibung sich haltenden Werke Gell's, Dodwell's und des von C. mit Recht besonders hochgesdiätzten Leake^*), um inne zu w erden, dass C.'s Buch nicht nur eine abgerundete und zusammen» bringende ( 'lesammtdarstclhmg mit weitem r^esirlitsl;reis bietet, sondcm dass in ihm ein wirkliches Kunstwerk vorliegt. 1 >er Reisende wird daran einen ('.Lst immer zuverla-ssigen Führer, der Forscher einen wahrhaft fördernden Exegeten schätzen, der Laie die Harmonie des anziehenden und abwechse- lungsreichenr Stofles mit der schönen Form bewundem. Der »Peloponnesos« ist C.'s schönste und vollendetste Arbeit geblieben. Mit Recht hat man an ein Wort Herder's über Winrkclmann's Frstlingsschrift erinnert, dass ^^gewisser- uiassen immer das erste Werk eines Menschen sein bestes sein wird. Er kann nachher an Reife, an Kraft, an Gelehrsamkeit und Kenntniss sehr gewinnen; »eine Morgenröthe aber und erste duftvolle Jugendblttthe liefert er im ersten Werke.c C. selbst trug sich einige 7eu nut dem Gedanken, sein Buch durch eine ähnliche Srhildenmg Norilgriechenlands zu erganzen; andere Arheiten schoben si< h da/wisc hen und haben diesen Plan allmählich zurückgedrängt.

Als noch i\m zweiten Bande des »Peloponnesos* gedruckt ward, trat C. am 10. Januar i9$2 zum dritten Male vor das Publikum des Wissenschaft- lirlieii Vereins mit der berühmt gewordenen Rede über Olympia"). In seiner gehobenen Weise schilderte er die Rolle der Gymnastik im Leben der Hcl-

I*) Peloponnesos. Eine historisch ogvognpbiscbe Beschreibimg der Halbinsel I. IL

Gotha, J. Perthes 1851. 1852.

'•) Altcrthiim und Gegenwart II, n. XIX: »William Martin Leakc« (Prenss. Jahrb. XXXVIII, 1876). Aucti 1,. Kn>,' .TNLi>en und Reiserouten« und -^enisi Ulrichs' »Reisen uxid Korschungfen« stelicri m WliIl' iK 1 Ge'iiohtspunkte und namentlich an Lebendigkeit der gcogr.n)lii~chen AulT.is-img /\:iü. 1..

**) Olympia. Berlin, W. HerU, 185a. Altertbum wtd Gegenwart II, n. VIII.

Digitized by Google

^4

Curttus.

lenen und zauberte an der Hand des alten Führers Pausanias und mit Hülfe eigener Lokalkenntniss ein Bild der Stätte der olympischen Spiele, ihrer Tempel, ihres Statitenwaldes, ihres Festlreibens vor den Seelen der Zuhörer empor. Er schloss mit der Schilderung des Untergangs all dieser Herrlich- keit, erwähnte Winckelmann's Plan, hier Ausgrabungen zu veranstalten und die bald abgebrochenen Grabungen der Franzosen wSUirend des griedüschen Befreiungskrieges: »man hörte auf zu suchen, ehe man zu finden aufgehört hatte. Von neuem wälzt der Alpheios Kies und Schlamm ti])er flen heih"i^en Boden der Kunsi und wir fra;^a'n mit j^estcifiertcm Verlangen : wann wird sein Schoss wieder gculIncL werden, un» tlie Werke der Allen an das Licht des Tages zu fbrdem? Was dort in der dunklen Tiefe liegt, ist Leben von un> serm Leben. Wenn auch andere Gottesboten in die Wtit ausgezogen sind und einen höheren Frieden verkündet haben, als die olympisc he Waffenruhe, so bleibt doch auch für uns ()lyni]iia ein heiliger Ikiden vir sollen ni

unsere, von reiricrem Lichte erleuchtete Weit herübernehmen den Schwung der B^eisterung, die aufopfernde Vaterlandsliebe, die Weihe der Kunst und die Kraft der alle Mühsale des Lebens überdauernden Freude.«

Die W^orte entzündeten em Feuer der Begeisterung. König Friedrich Wilhelm IV. hatte alsbald ein Scherzwort bereit, er möchte si( h glei( h selbst mit dem Sanuntlbecken an die Thür des Saales stellen. Aber wie hatte in jener lahmen, mattherzigen Zeit ein solches Werk m I)eutschlan<l zu Stande kommen können? Als im folgenden Jahre Ludwig Ross einen Aufruf zu Bei- trägen für eine Ausgrabung in Olympia erliess, gingen insgesammt 787 Mark ein"). Anlräfre. von C, selbst im Verein mit Karl Ritter und Rüttirher ge- stellt, strandeten auf den Snndhänhcn fler Bureaus<^ oder scheiterten bei dem drohenden Lrngewiuer des krunkrieges. Es mu&sten erst andere Zeiten über Deutschland aufgehen, ehe der Enthusiasmus sich in Thal unttetzen konnte.

Etwa um dieselbe Zeit erhielt C. einen anderen Auftrag, der ihn in nähere Beziehung zur Berliner Akademie der Wissensc:haüen brachte. Im December 1851 war Johannes Franz gestorben, (ler die einst von Böclch begonnen«^' Sammlung der griechischen Inschriften fortgesetzt und bis zum Ende des dritten Bandes gefüiirt liutte. Der Sclilussband, eine Art Nachlese, war wohl von ihm vorbereitet worden, bedurfte aber noch einer schliesslichen Redaction. Diese unei irculi< he Arbeit ward auf Höckh's und Gerhard's Empfehlung von der Akademie dem in griechischer Kpigraphik l)creits erprobten Curlius über- tragen, der seinen Theil daran die christlichen Inschriften bearbeiieii später Kirchhoff in langsamem Fortschritt bis zum Jahre 1855 beendigle'';. Es ist wohl unter allen seinen Arbeiten diejenige, die am wenigsten seiner Natur entsprach un<l am meisten Entsagung von ihm forderte. Der beste Lohn war seine Wahl zum Mitglied der Akaclemie im J.ahre 1853. Die grosse \!>hnndlung /nr Cieschichte des Wegebaues bei den (Irierben«, mit der er sich dort eiiifuhne, reich aji Thatsachen und Ideen, setzte die älteren ver- wandten Arbeiten auf diesem Grensgebiet von Antiquitäten und Kunst in trefflichster Weise fort*').

") Ausgrabung beim Tvnip«.! <!or ITcrn nnwcit Ar-jns. Ein Brief von Prof. A. Rizo K.iingabe in Athen an Prof. Koss m Halle. Halle 1H55. 263 Th, 10 Sgr.l Die Summe ward uuf die im Titel dieser Schrift beteichncte Ausgnbang^ Terwtndt.

Corpu» imoriptionum GvMcamin. Vol. IV edd. E. Curtini et A. Kirchhoff. Ber- lin i»77.

*■) Abhandl. d. Akad. d. Wiss. 1854, S. 211—303. Ges. AbhudL I, l— lt6.

. ijui. u i.y GoOgl

Cnrtros«

In dieser Arbeit finden sich gelegentlich Anknüpfungen an Karl Bötticher, dessen »Tektonik der Hellenen« in jener Zeit ihren Abschluss erhielt. Voller und deutlicher tritt diese Kinwirkung in fler Rede zum Schinkelfest *über die Kunit der Hellenen«, die C. am 13. Marz 1H53 im Architekten verein hielt, zu Tage'*). Dem jüngeren Geschlecht erscheint es meistens unfaasbar, dass jenes schwerfflllige, aber hochbedeutende Eneugniss mühsamster Geistesarbeit eines von Schinkel und Otfried Müller begeisterten Autodidakten damals auf die besten Forscher einen solchen Einfluss ausüben konnte. F'.s ist ja freilich leicht, Brtttii her s Ansichten von der Parthenogenesis und der bloss in Verfall bestehenden Kntwickelung der griechischen Baukunst als durchaus unlusiurisch und unhaltbar xu erkennen, vie sie denn auch durch die neueren Entdeckungen und Forschungen vdUig widerlegt sind. Aber die von Bötticher zuerst be- gründete Anschauung von der Bedingtheit des 'renifjelbaues durch den Cultus und vor allem sein Cirundgedanke, dass das cigenthuniH« he Merkmal griechi- scher Baukunst und griechischer Kunst überhaupt in dem Streben nach emer Uebereinstimmung von Inhalt und Form bestehe (»des Körpers Form ist seines Wesens Spiegel; durchdringst du sie, löst sich des Räthsels Siegel«), dieser Gedanke birgt eine tiefe Wahrheit in sich, und dieser, die seinem eigenen philoso|jhis< hen und kiinst1eris( hen Rtn))fin(len ganz sympathisch war, ist C* bis /um Knde seines I.ebeuh ireu geblieben.

Eine eigenthumliche Untersuchung jener Zeit mag hier noch Erwähnung finden, die symbolische Deutung des Harpyienmonuments von Xanthos und setner beflügelten >>eileibigen« Todesgöttinnen. C. trug sie in der Winckel- mannssitzung r Arc häologischen Gesells« haft vom 9. December 1854, der letzten, der er tur längere Zeit beiwohnte, vor"). Er hat an der Deutung der Eiform als eines Keimes neuen Lebens, mit anderen Worten der UnsterbUch- katf auch mannidifacliem Widerspruch gegenüber immer treu festgehalten.

Die trockene Arbeit an der Inschriftensammlung fiel mit der Zeit su< sammen, in der C. sich seinen Hausstand begründete. Seiner Ehe mit der Wittwe seines Freundes und Verlegers Besser, Auguste geborenen Reichhelm (ihre jüngere Schwester \nialie war die Frau seines Bruders (»coig;, entspross ein Sohn, Friedlich, bei dem Prinz I riedrich Wilhelm die Pathenstelle über- nahm. Jedoch überlebte die Mutter die Geburt des Sohnes nicht lange. £inige Zeit darauf heirathete C. seine Schwägerin Qara Reichhelm, die fortan alle seine Interessen und Arbeiten theilte und zusammen mit dem (iatten in dem /unachst recht bescheidenen Hauswesen in der Linkstrasse freundliche Gastlichkeil übte.

Inzwischen, hatte das Buch ttber den Peloponnes die Auftnerksamkeit der Leiter der Wddmann'schen Buchhandlung in Leipzig, Karl ReimcHr und Sa- lomon Hirzel, auf den Verfas.ser gelenkt. Seit einigen Jahren gab diese Buch> handlung unter der Leitung der Philologen Haupt un^l Sniippe eine Samm- lung von Ausgaben griechischer und lateinischer Schrilisleller mit deutschen Aimicrkungen heraus, die bestimmt waren, das Interesse an den Klassikern über die Schule hinaus in weiteren Kreisen zu erhalten oder zu beleben. Karl Reimer, der älteste Sohn des berühmten Berliner Buchhändlers (reorg Reimer, des Freundes Schleiermacher's, war eine der bedeutendsten, durch-

*>) Bertin, W. Rertx, t8$3. Alteitb. o. Gegenw. I, a. V.

- At b. Zeifunj,' 1S55. S. l ff. Ges. Abb. II, i64ff. Curtius hatte auch 1852 das ja. VVmc kcl mannsprugramni fUr jene GcscUäckaft verfasst: »Herakle» der Satyr und Dm» fwTiabet, ein VueobUd« (G«4i.Abh. II, 215 ff.).

Blogr. Jahrb. Dtaiaehar Mckralof. 5

. ijui. u i.y Google

66 Curtius.

gebildetsten und energischsten Penönlichlceiten unter den viden bedeutenden

Verlegern, deren sich Deutschland damals rühmen konnte. Es war sein eigen- ster Gedanke, jene Sammlung von Klassikerausfialjen durch eine Reihe von Handl)ii< hern zu erfiiinzen, für die er die geeigneten Verfasser ganz nac h eigenem Urtheil auswählte. Wie er sich fiir die römische Geschichte Theodor Mommsen, seinen späteren Schwiegersohn, ausmah, so ttbertrug er die grie- cbisdie Gescbichte dem Verfiisser des »Peloponnesos«. Das war die C.'s Geschmack und Anlage ganz zusagende Aufgabe, der er sich neben der halb- mechanisrhen Arbeit an (Ten Tnscliriftcn widmen konnte und auf die er sich auch durch Vorlesungen über alte (Icschichte rüstete.

Aus den Vorbereitungen zu dem Geschichtswerk giiig die kleine Unter- suchung ttber die Urgeschichte der lonier hervor, seinem Bruder Georg ge- widmet*'). Wie einst Otfried Müller den dorischen Stamm in den Afittelpunkt der griechischen Völkerjiesrhirhte gestellt liattc, so erst hienen nun dem Sclnilcr die lonier als der eif^enllicli belebende Theil des griechischen Volkes. Ei wies mit Lepsius' Hilfe ihr Vorkommen schon in alten ägyptischen Urkunden nach, und indem er ihre ursprünglidie Heimath nicht auf der europAnchen, sondern auf der asiatischen Seite des ägäischen Inadmeeres suchte, sie von da nach der europäischen Küste übersiedeln und von hier erst später die sogenannte »ionische Wanderung«, seines Erachtens eine Rückwanderung in die alte Heimath, antreten Hess, glaubte er die Lösung vieler räthselhafter Erscheinungen gefimden oder wenigstens richtig angebahnt su haben. Die Bedeutung' der Untersuchung zeigte sich in dem eifrigen Kampfe, der sich über diese Frage entspann. Die heutige Forschung ist zu wesentlich abweichen' den Ergebnissen gelangt, Curtius selbst hat mit gelingen Aenderungen an seiner Ansicht festgehalten.

Mit der Abhandlung über die lonier und der Beendigung seines Anihcils an der Sammlung der griechischen Inschriften schloss C.'s erste Berliner Zeit. Als um Neujahr 1855 wenige Tage nach einander die beiden Vertreter der klassischen Philologie in Göttingen, Karl Friedrich Hermann und Friedrich Wilhelm Si lineidewin, gestorben waren, uurtlen an ihre Stelle C. und Her- mami Sauppe berufen. C. hatte wohl eine kurze Zeit lang gehotit, dort zu- sammen mit seinem Bruder Georg wirken za können. So innig das Verhftlt- niss zwischen beiden Brüdern war und so gut sie einander verstanden, so wichen sie doch in den Gebieten ihrer Studien und in der Art wissenschaft- licher Arbeit so stark von einander ab, das«? es fraglich erscheinen muss, ob sie ganz an einem Strange gezogen haben würden'*). Auch wäre die Philo- logie im engeren Sinne, die kritisch -exegetische Behandlung der Lkcratur- denkmttler, dabei nicht gjua zu ihrem Hedbte gekommen. Für C. hatte der Ruf nach Göttingen noch den besonderen Reiz, dort die Traditionen seines geliebten Fehrcrs Otfried Müller fort<;etzen zu können. War aurli fiir die Archäologie, die Müller einst mit grossem Glnnz und Krfolg vertreten hatie, in Friedrich Wieseler beieius ein eigener Lehrer vorhanden, so blieben doch genug Fächer übrig, in denen C. in engem Bunde mit Sauppe eine reiche Wirksamkeit entfiüten konnte. Als ordendicher Vertreter seiner Wissenschalt

'•"J Die lonier vor der ioimchcB Wanderung. Berlin, W. Herti, 1855* VgL den Aufsau »Wie die Athener lonier worden« im Hennes XXV. 1890, a 141 ff. Ges. Abb. I. 3808:

Mit ^]^■n Studien de- BriMkr'^ berühren sich, obschon ><.hi verschieden in Art und Ziel, eiiuse onomatologischc Aufbaue: Namen der Vorgebirge (1861), Persantonamcn (1870), FluMittfiien (1888); wieder sbgedruckt Oet. Abb. I, 477 K

. ijui. u i.y Google

Cmtiiis*

hatte er eine weit tirosscrc Freiheit, sirli in den iliiii genehmen Lehrfächern auszubreiten, als in Berlin, wo er als Extraordinanus genöthigt gewesen war, mehr die von den älteren CoUegen gelassenen Lücken aiuzufSllen. Unter seinen Vorlesungen stand die üImt alte Länder* und Völkerkunde als an- ziehend und anregend obenan. Hier konnte C. seine im »Peloponnesos« bewiesene Stärke entfalten. Die Zuhörer »nahmen daraus einen weiten und lebendigen, auf Anschauung' aller Art gegründeten Begriff von dem griechi- sclien AJterthum mit ins lieben hinaus, wie man ihn vielleicht auf keiner zweiten Univenität in einer einzdnen Vorlesung übomittelt bekam« **), Hier zeigte sich am besten, wie C. die Philologie als Wtssensdiaft vom Leben der alten Welt nufiasste

Neben den Vorlesungen und l'ebungen ging ein sehr lebhafter Verkehr nuL den Studenten her; für viele (iöttinger Schüler ist die dankbare Erinne- rung an den Lehrer unaertrennlich von der an den angeregten Verkdir des gastlichen Hauses, in d«ii neben dem Gatten auch die Frau des Hauses den jungen Leuten nahe trat. Mit Recht gilt die Göttinger Zeit als der Höhe- punkt von C.'s nk;ulenii*;rher Wirksamkeit. Dass es in der geschlossenen Gelehrtenrepublik der kleinen Stadt auch sonst an vielfachem belebten Ver- kehr mit den CoUegen nicht fehlte, versteht sich von selbst; Sauppe, Waitz, Em. Herrmann mögen besonders genannt sein.

Zwölf Jahre umspannt C.'s Göttinger Lehrthätigkeit. Das wissenschaft- liche Hauptwerk dieser Zeit ist seine »Gncclusche Geschichte«, deren erster Band 1857, der dritte und letzte zehn Jahre später erschien. Zwei Jahre vorher, 1855, war das monumentale Werk des englischen Bankiers und Foli- tikera George Grote, die zwölfbändige Ifistory of Greece, cum Abschluss ge- kommen und hatte auch in Deutschland den lebhaftesten Anklang gefunden. Grote hatte die griechische Geschichte in ihren literarischen Quellen gründ- lirh erforscht, hatte sie mit dem praktischen Blick des geübten Politikers autgefa^st und sich seinen vorgeschritten liberalen Ansichten gemäss in seiner Beurtheilung der Thatsachen ganz auf den Standpunkt der athenischen Demokratie gestellt. Ausser den politischen Verhältnissen hatte er wohl auch die Literatur und theilweise die Religion der Griechen mit in den Kreis seiner Betrachtung gezogen; aber weder war ihm die Bedeutunfr der Inschriften klar geworden, noch besass er eine eif^ene Kenntni.ss des Sc hauplatzes der griechi- schen Geschichte, und daab die Kunst enie nicht unbedeutende Rolle in der Bildung der Hellenen gespielt hat, ertährt man, obscbon Grote den Elginschen Marmorwetken so nahe wohnte, nur in flüchtigen Andeutungen.

C. fühlte sich in starkem Gegensatz zu seinem Vorgänger schon durch den aristokratischen Stanflp\niki , auf den er sich in der Beurtheilung der griechischen Verbältnisse siclllc. (jiote's Stärke, der scharfe politische Blick, fehlte ihm fireil^; dafiir luttte er eine genaue Kenntnias der so Überaus wichtigen inschriftlichen Quellen, der sichersten Urkunden iür eine genaue

•*) Philippi in den Grenzboten 1896, 111,175. Wenn diese Vorlesung päter io Berlitt «o Wfnij:^ Anklang fand, dass Curtius sie zuletzt ganz aufgab, so lag das wohl in erster Linie an der heutigen Abkehr der geogruphi^cben Wissenschaft von Ritter's Betrachtungs- weise and ihrem Ucbergang zu rein naturwlitsenschaftliclicr Behandlung, daneben aber auch IT! flcr Txrm I nlicil der Philoloi^'io lu-uo'liiif;- viclf;uh wieder eiiiteis?enden Beschränkung dcf btuiicutcu auf die sprachljclica, gratumalischen, literarischen beitcn des Alterthums.

") Vgl. besoDder» die Güttinger Rede Uber »Da* Mittlcnmt der PUloIogte« (i8S7): Altertham tmd Gecewart I, a. L

5*

. y 1. ^ . y Google

6S

Gttrthu«

kcmuniss der Thatsachen und Verhältnisse, vor iirotc voraus. Worauf C es aber vor aUem absah, das war der alte Plan Otfned MflÜer^s, ein Ge- sammtbild der griechischen Cultur in ihrer Entwicklung zu geben. So be- gegnen wir sofort den farbenreichen Scliilclcningcn der grierhischeTi Land- schaften, die einen Glanzpunkt seiner Darstellung bilden; auch bei den einzelnen Stadtbildern, bei den Schilderungen der historischen Schlachtfelder und anderer merkwürdiger Oertlidikeiten zeigt sich die gleiche Mdsterschalt. Die Hauptrichtungen und Haupttriger der Poesie und der Prosaliteratur treten uns in ebenso abgerundeten Gestalten entgegen, wie die Erschwungen der griechischen Kunst in glänzenden Bildern nn uns vortlberTriehen, am glänzend- sten natuiii( h in der Schilderung des jjerikicisrhen AUien. Auch che Ent- wickclung der griechischen Religion eriiäk bald zusanunenhängende liehand- lung, badd flüchtigere Streiflichter. In der politischen Geschichte sind es vielleicht allzu sehr die allgemeinen, so zu sagen sittltchen Gesichtspunkte, und andererseits die Charakterbilder der ein/einen leitenden Persönlichkeiten, die den Leser fe??scln, wahrend eine scharfe und vmparteiische Betrachtung der eigendich politischen Verhältnisse und Kntwickelungen eher vermisst wird. C. war wohl ein wanner Patriot, aber kein Politiker.

Man wttrde ihm aber nicht gerecht werden, woUte man in ihm und seinem Werk nur den Gelehrten, nicht auch den Dichter suchen. Beide Seiten sind bei ihm untrennbar. Die trockene und selbstvcrleugnendc Arl)cit müh- samer Quellenkritik ist nicht seine Sache; vor seinem poetischen Blick ge- stalicien sich sofort die einzelnen Bruchstücke der Ueberlieferung zu einem Gänsen. Züge, welche sich diesem Bilde nicht fügen, verblassen, und was in das so im gamen E>sdiaute hmeinpasst, prSgt sich wie von selbst zu lebendigen Strichen aus. Kin energisches Aufräumen mit haltloser Tradition liegt C. fem; lieber sucht er au< h in geringer Ueberlieferung noch ein etwa brauchbaies Körnchen Walirheit. in den Heroensagen erbhckt er den Nieder- schlag alter geschichUicher Erinnerungen, in den epischen Schilderungen werthvolles historisches Gut. Zu Combinationen und Ergänzungen der über- aus lückenhaften und zerbröckelten Ueberlieferung durch eine intuitive Phan- t;u;ie fordert in der That die Vielgestaltigkeit des Bodens und der Volks- stänime (inechenlands auf. Hier fehlt es an jenem einheitlichen Zuge, der die römische Entwickelung charakterisirt ; dafiir fühlt sicli ein nachschaifendcr Geist überall angeregt, Verbindungstäden au riehen swisdien der Mannich- ialtigkeit der Einzelerscheinungen.

Die Erforschung des grie( bischen , besonders des attischen Rechts war damals noch nicht so weit gefordert, wie, grossentheils zufolge neuerer Knt- cleckungen, heutzutage. So konnte das Staatsrecht als ein viel geringerer Factor der griechisdien Gesdiichte ersdieinen, als es in der Hiat der Fall ist. »Was die Römer für das Recht, das sind die Hellenen für Wissenschaft und Kunst gewesen«, sagt C. einmal. So trat denn an die Stelle des festen Rechtes die Mannichfaliigkeit und Tiefe der geistigen Schü]iferkraft der Hel- lenen auf den Gebieten der Poesie, der l'hüosophie, tler Künste, Gebieten, welche mehr zu einer warmen, anschuidichen, mit dem Herzen folgenden Schilderung, wie sie C's Natur entsprach, einluden. Er mag wohl den all- gemeingiltigen Werth der griechischen Geschichte wenigei in den einzelnen ]>ohiiM hen Institutionen der kleinen Staaten tmd in ihren kriegerischen Er- eignissen ai>. in der (resammtheit des idealen Krlies erblickt haben, das das Volk der Hellenen der Menschheil hinterlassen hat. Der Massstab, der an

. ijui.u. l y Google

69

die politischen Verhältnisse und Personen gelegt wird, ist mehr moralischer oder a.sthetis( her Art, Ephoron und seine Nachfolger haben «stärkeren Antheil an dieser Behandhmg der griechischen Dinge, als etwa Thukydides oder eine auf Niebtthr's P£ulen wandelnde Geschichtsforschung.

Mit dem Untergang der griechischen Selbständigkeit bei Chflroneia endigt für C. die griechische Geschichte; mit Athens Niedergang, mit dem Scheitern von Demosthenes' Planen erlischt das Hclleiieiulnim, fiir welches sein Herz warm schlägt. Nicht einmal Alexander <ier Orossc, mit dem Grote abschliesst, geschweige denn die Kämpfe und die neuen Staaisl>ildungen der Diaduchen- zeit, in denen einst Droyscn die Hellenisirung der antiken Welt und die Be- nrituiig des Bodens für die neue Weltreligion erblickt und nachzuweisen g^ Mu ht hatte, haben C. s Darstcllimfrskunst reizen können; denn die geistigen und materiellen Mächte, die hier zur (leltung kommen, halten sich nicht mehr auf der idealen Höhe reinen Griechenthums. Aber der hohen Verehrung und Dankbarkeit gegen den geistigen Reichtbum und eben jene ideale Kraft der Hellenen» welche die jetzt allmtthlidi absterbende Generation unseres Volkes nicht zu ihrem Schaden beseelte, entsprach völlig eine solche ideaÜsnrende Auffassung, ak deren begeisterter Herold C. dastanH l ud nirlu am wenig- sten wirkte dabei seine rhythmische und gehol)ene Spra< lie. Mo« hie ihr Schwung auch etwas allzu gleichmässig sich überallhin verbreiten, inmier i.si, wie jeder anerkennen muss» die Winne von C^s Begeisterung echt, ebenso wenn sie hohen Preis spendet, wie wenn sie sich zu elegisch weicher Stimmung senkt. So tritt uns der Verfasser als edler, warm empfindender Freund der Hellenen und alki» Hellenischen nahe, und wir vers|)t!ren in der ganzen An- schauimg wie in deren Ausdrucksform etwas von jener poetischen Stimmung ewiger Jugend, die C* immer eigen blieb und ihn so liebenswerth machte, die namentlidi in den Seelen einer ideal gesinnten Jugend stets eine empfibig- liehe Stätte gefunden hBt und auch weiter finden möge! Sein Buch, die erste von einem Deutschen geschriebene fleschi« hte Oriechenlands, liat sich denn auch einen festen Platz im historischen Hausschat/ imseres Volkes erworben. Sechs Auflagen des Originals legen davon Zeugniss ab, und Uebersetzungen in die anderen Kultursprachen zeigen, wie hoch auch bei den Nachbarvölkern C.'s griechische (beschichte geschätzt wird**).

In die (iöttinger Zeit fallen auch noch die .Anfange einer andern Stvidien- reihe, die C. bis an sein Knde als eine rechte ix'bensaufgabe betrachtete und förderte, die Arbeiten über die Stadtgeschichte Athens. Im Frühjahr 1862 verband er nch mit zwei Berliner Freunden und Goiossen tn der Verehrung Schinkers, dem sdion genannten Karl Bötticher und dem Architekten Hein- rieh Strack, der einst ebenfalls dem Prin/en Friedrich Wilhelm Unterricht ertheilt hatte, zw einer gemeinsamen Reise nach Athen, das er nach zwei- undzwanzig Jahren zuerst wiede»ab. C. und Bötticher reisten mit Unter-

'^*) Bd. I erschien xuerst 1857, Bd. II 1861, Bd. III 1867, die sechste Auflage 1887 bis 1889. Das wiederholte Durcharbeiten des Buches für neue Auflagen war eine Curtius wenig zusagende Arbeit. »Band i und 2«, schrieb er 1879 einem jüngeren Freunde, «habe ich mit aOaB Eifer neu durchgeackert, aber nun ist meine Geduld zu Ende .... Den beiden grossen M3nncrn Epamir)onda<; und Demosthenes glaube ich gerecht geworden tn Sein .... Wo, was soll ich denn ändern? Besser inachen kanu ich es doch nicht.« Es giebt eine englische L eber-«et/.unj; von A. W. Wavd (1870 ff.), eine italienische von Gius, Müller und Gact. Oliva (1S76 IT.), eine französische von Rouche-Lcokrq (1880 fr.). S^tere Studien zur griechischen Geschichte (Studien zur Geschichte von Korinth; der Sccbnad von Kelanrin; die Griechen m der Ditt^ori) s. In den Ges. Abb. I, 165 ff»

70

Cnrtitu«

sttttsEung der preussischen Regierung, Strack schloss üich ihnen auf eigene Hand an. Während Bötticher den Bainverken der Akr* ^»,>Hs eingehen- le Untersuchungen anstellte, deren Krgchnisse sich naclUraglu Ii fast alle als unhaltbar erwiesen haben; wahrend Strack, an frühere Studien anknuplend, die erfolgreiche Aufdeckung des Dionysostheaters am Sttdabhange der Burg begann» richtete C. seine Aufmerksamkeit auf allgemeinere Fragen athenischer Topographie, unterstützt durch den Major im grossen (icneralstabe v. Strantz, dessen Mitwirkung C. dem wissenschaftlichen und persönlichen Interesse des Generals v. Moltke verdankte.

Auf den westlichen Felshöhen, die die Stadt Athen von der Kttstenebene sdieiden, da wo C. einst mit Geibel dichtend gewandelt war, hatte sein Lehrer Wel« ker, einem Gedanken von Ulrichs folgend, in dem aufgemauerten Halbrund, iti dem man die Stätte der athenischen Volksversammlnnfr, die Pnyx, 711 erl)licken pflegt, ein altpelasgisches Heiligthuni, den l elsaltar des höchsten Zeus, erkannt. Ausgrabungen, die C. hier vornehmen Hess, führten ihn zu dem gleichen Ergebniss, der Ansetzung einer Altarterrasse aus grauer Urzeit. Indem er sodann die über den Felsboden zerstreuten Spuren zahl- reicher Gebäude .luf die uralle Kranaerstadt deutefc, gewann er in dieser westlichen Felsenstadt einen der ältesten Theile der atheni.schen Stadtanlage und wagte von hier weite Blicke in die Urgeschiehie des Landes.

Das zweite Ziel seiner Studien war, die Reste, den Umfang, die Form der Stadtmauer und damit der Begrenzung der Stadt Athen zu ermitteln. Hier erwies sich die Hülfe des Generalstabsofficieis als besonders erspriesslich. Dieser Theil der F( »rst Inmgen, auf si( hrerem Boden gegriiiulet, hat sic h denn auch al<; ein feslerer Besitz der Wissens( haft erwiesen, aLs jener erste 'l'heii, lu dem die Deutung und chronologische l ixirung der gefundenen Spuren zu unsicher, der freien Combination zu grosser Spielraum gelassen war.

An dritter Stelle waren die Untersuchungen der Geschichte des atheni- schen Marktes, richtiger der atlienisrhen Märkte in ihrer Ent^^'icklun^ und /.eitUi hen Abfolge gewidmet. Hier trat C's Gabe narhsrhaflfender Ket on- struction, unter steter Verbindung der C)ertlichkeit mit dem Zwecke der Anlagen und dem Treiben auf den Plätzen, von neuem in helles Licht. So vielbestritten auch noch viele Fragen der athenischen Markttopographie sind, so bezeichnet doch C.'s Untersuchung einen grossen Fortschritt gegenüber den Forschungen 1 eake's und seiner Nachfolger.

Ganz erfüllt von den Ergebnissen seiner Studien auf dem Boden des geliebten Athen, begann C. alsbald mit deren Bearbeitung und Ver- öfTendichung in den Abhandlimgen der Gdttinger Gesellschaft der Wissen» Schäften, der er schon seit dem Beginn seiner Göttinger Thätigkeit angehört imd für die er bereits 1859 die Abhandlung "über p^ricrhis( he Quell- und Brunncninsrhriften« als Gratulalionsschrift zu dem hundertjährigen Jubelfeste der bayerist lien Akademie verfasst liutlc"). Die »attischen Studien« er- schienen in den Jahren 1862 und 1865 wenige Jahre später ergänzt durch die »Sieben Karten zur Topographie von Athene (meistens auf grund der AufiMkhmen von Strantz). Der begleitende »erläuternde Texte gibt bereits,

") Abli. il. Ges. der Wiss. /.u (Jültingcu, Bd. VIII.

»>) Ebenda Bd. XI (Pnyx und Stadtmauer) und XII (D^r Kcrameikos und die Gc*

srhichtf der Apfora von Athen), wieder abgedruckt Ges. Abh. I, 2Sq -379. TeluT die alte und die neue Agora hatte Curtius schon 1856 auf der Hamburger PbüologenTersammiung

eisen Voilng gdialten. *

. ijui. u i.y Google

Cottitis,

auf den Zusammenhang und das Ziel dieser Studien hinweisend, dne ge- drängte Skizze der städtischen Kntwickelung Athens, die neu gewonnenen Resultate mit den Krj^ebnisscn anderweitiger Forschungen \ erbindeiui

Woiil der popuixirste Theil von C. s Gollinger Wirksamkeit waren die Festreden, die er altjührfich am Geburtstage des Königs von Hannover (4. Juni) und auch sonst bei fesdichen Antösseni wie der Schillerfeter im Jahre 1859, zu halten hatte. Eine Wta Samndung »Göttinger Festreden« erschien 1864; sie ist später aufgegrtngen in den ersten Bnnd von »Alter- ihum und Gegenwart«**). Es ist ein eigener Stil fcstliclier Prunkredc, den C. sich ausgebildet hat. Reich an Gedanken, voll schöner liiider, in stets schwungvoller Sprache, nie zu lang ausgesponnen, waren die Reden wohl- geeignet, die zur Feier versammelten Mäimer und Frauen, Jünglinge und Mäd( hen in eine gehobene Feststimmimg zu versetzen. I^esoiulers Ijezeich- nend für C. sind füe Reden über die Idee der Unsterblichkeit bei den Alten (i86i) und über die Freundschaft im Alterthum (1863). Naturlich steht der Gegenstand meistens im Zusammenhang mit dem Alterthum, namentlich dem griechischen. Bald sind es mehr aUgemeine Gedanken und Betrachtungen, bald dient ein antiker Brauch, ein alter Ausspruch, ein religiöser Glaube zum Ausgangspunkt; doch fehlt selten eine Bestehung auf die (iegenwart.

Diese Gegenwart schloss nun aber das Jahr 1866 in sich, in dem C/s lebhaft preussisch fühlendes Herz, so vide Gennnungsgenossen er waxh unter den CoIIegen hatte, doch inmitten der hochgehenden Wogen des

unterliegenden Welten thums peinlich berührt werden miisste. Einen nbge- klärten, aber sehr starken Naciihall fanr! diese Lage in der Festbetrathtinig des nächsten Jahres über »die patriotische Pflicht der Parteinalune«. Curtius geht von der Bestimmung Solons aus, dass ein Bürger, welcher in Zeiten der Bewegung parteilos bleibe, sein BQrgenrecht verwirke und ehrlos sein solle. Die Rede verweilt zunächst fast ganz in Athen und hält sich in den Geleisen akademischer Betrachtung. Aber überall leuchtet flie jüngste Vergangenheit hindurch. »Die Frage nach der Berechtigung des i'heils dem Ganzen und des Kleinen dem Grossen gegenüber zieht sich durch die ganze Geschiclite der Hellenen hindurch; ihre praktische Losung haben nur die Athener ver- sucht, und ihre unvergessliche Heldenzeit beruht darauf, dass nach Misslingen aller föderativen Kinrichtungen der eine kleine Staat für sich allein die Auf- gabe übernahm, weh he der Gesammtheit ()l)iag.« ... »In staatlicher Ge- meinschaft kommt das Volk zum vollen, ruhigen Selbstbewusstsein, zum inneren Frieden wie zur äusseren Geltung; sie hebt die Menschen durch hohe und mannich faltige Pflichten; sie öffiiet allen Kräften der Nation den weitesten Spielraum; sie bietet erst den ganzen Segen eines wahren Vaterlandes. Dess- halb zieht avu h durc h die Völker alter und neuer Zeit eine geheime Macht 2u einem solchen Ziel als ihrer wahren Bestimmung hin, und es kommt für

«) Gotlja, J. Perthes, 1S68.

Die Themata der Junircdcn lauten (mit Berichtigung der im neuen Alninn k vicl- -h falschen Jahreszahlen): 1856 der Wcttknmpf; 1857 das Mittleianu der l'lnlolngic;

der WcUgang der griechischen Kuhur; 1859 Wort und Schrift; 1860 die ßediii^jungen eines glQcklichen Staatslebens; 1861 die Idcc der Unsterblichkeit bei den Alten; 1S62 d.i< .ilte und neue Griechcnlan<l ; 1S63 die Freundschart hn Aliertluitn; 1S64 die Viifreiheit der alten Welt; 1866 der historische Sinn der Griechen; 18Ö7 die patriotische l'thcht der Fkrtcinahme; 1868 Rom und die Deutschot.

. yui.u . l y Google

Caitlai.

ihr Heil alles darauf an» dass die rechte Zeit engerer Einigung nicht ver- säumt und der einzig möplirlie Wc^ nicht eigensinnig verschmäht werde.« Wer den Fanatismus kennt, mit dem in jenen Tagen (lottinger Damen an dem Parteitreiben sich betheiligten, der versteht auch die lange Austuhrung über die Stellung der Frau zur Politik, und findet die ernste Mahnung an die Zuhörerinnen gerechtfertigt: »Gewiss findet jede edle Frau von selbst die Schranke des Gebiets, auf welchem ihr Einfluss mitbestimmend sein soll, und am sirher*!ten wird sie wissen, flass dort ihre Steüf» nicht ist, wo giftif^or Ciroll und Bruderhass genährt wird. . . . Die Frauen können am meisten dazu beitragen, Unfrieden zu verbreiten, Freundschaften zu zerstören und krank- haften Verstimmungen einen chronischen Charakter su geben; sie kutanen den Keim des Uebels, an dem Völker zu Grunde gehen, in die harmlosen Kinder- seclen übcrtrngen und dadurch das Woh) des Vaterlandes schwer schädigen ; sie können aber auch reichen Segen stitten, wenn sie ihren Hervif dann er- kennen, die über allen Parteigeist erhabenen (iuter des Lebens mit treuer Hand zu pflegen ; in allem Wedisel das Ewige, bei allen Spaltungen das Ge- meinsame festsuhalten, die Gegensätze zu müdem, den Frieden zu hüten und in der Liebe zum Vaterlande ihre Kinder zu erziehen.* Mit ernsten, ein- dringlichen Worten über die Stellung, welche eine deutsche Universität In Tagen des Parteigegensatzes einzunehmen habe, schloss die Rede.

Ein Jahr später sprach C. zum letztenmal bei solcher Gelegenheit zu seinem Gttttinger Publikum; er redete auf Anlass einer Romfiihrt über die Wechselbeziehungen zwischen Rom tmd Deutschland und sdlioss mit einem Ausl)licls auf das deutsche archSologische Institut auf dem Capitol. Bald darauf vertauschte er die Georgia Augusta mit der alten Statte seiner Wirk- samkeit, der Universität Berlin.

Am 13. Mai 1867 . war dort Eduard Gerhard, der Begrflnder des arcbtto- logischen Instituts, gestorben, der als Professor der Archäologie und Director des Museums in Berlin für Sammlung und Herausgabe von Denkmälern un- ermfidlich tbatig gewesen war und die archäologische Gesellschaft wie die archäologische Zeitung gegründet hatte, der sozusagen internationale persön- liche Mittelpunkt und geschickte Organisator der Archäologie. Nachdem die zunächst in Aussicht genommene Benifüng Otto Jahns zu seinem Nachfolger sich zerschlagen hatte, folgte C. im Herbst 1868 dem an ihn ergehenden "Rufe. Da wenige Monate nach Gerhard nm August 1867, nuch Röckh 82 Jahre alt gestorben war, durfte C. desto geeigneter erscheinen auch manche Seiten dieses seines Lehrers niitzuvcrtrcten.

Es war insofern fflr ihn eine neue Aufgabe, als nunmehr die Archäologie der Kunst stärker als bisher in den Mittel] »unlsi von C.'s Thritigkeit gestellt ward, theils durch den akademischen LehrauHr.ig, thcils durch die Stelhmg als »Archnolog des Museums«, oder seit Friederichs' Tode tls Director des »Anliquariums« (187a), eine Stellung, auf die C. hohen Werth legte. Dass auch der Vorsitz in der archäologischen Gesellschaft (die Leitung der archäologischen Zeitung erst einige Jahre später , und Toittbeigefaend) C. zu- fiel und dass er in die in Berlin ansässige Centraldirection des archäologi- schen Instituts an Gerhard's Stelle'*) eintrat, versteht sich von selbst. In

*•) S. tibcr diese 27 Jahre umfassende Thntij^keit R. SchMne, Arch. Anz. 1897 S. 2t. Wenn auch nicht als Voreitzcnder. Den Vorsitz führte zuerst R. Lepsius, spttter A, Cooie ab Gcneraltekietlri

. ijui^od by Googl

Cmtios.

73

der AVadcmie hntte er nur seinen allen Platz wieder ein/uiiriimcn. Schon im Frühjahr 1872 ward er nach I rendelenburg's Tode i^u einem der stän- digen Secretare der Akademie gewählt, ein Amt» das er mehr als zwanzig Jahre, zunäch^t neben Haupt^ dann im Verein mit Mommsen, verwaltet hat**). In dieser Stellung**), ebenso wie als Vertreter der X^niversitat '^1, hatte C. reirhlirhe Gelegenheit zu öffentlif lien Reden, tlenen er im ganzen ahnliche Themen, wie den Göttinger Festreden, zugrunde legte, wenn auch bald die grosse Gegenwart immer lauter ihr Recht forderte. Unter dem Titel »Alter- thum und Gegenwart« erschienen allmählich drei Bände, deren letzter, «Unter drei Kaisem« zubenannt, zum grossen Theil persöiiliche Erlebnisse und Erinnerungen umfasst*'^.

An der arrhäolngtschen Kinzelarbeit hatte C. bisher wenig thcilgenommen; historische, anli(|uarische, topographische Untersuchungen hatten ihn vollauf beschäftigt. Fortan treten neben jene älteren Themata die archäolo^chen Arbeiten, auch diese jedoch wesentlich unter geschichtlichem Gesichtspunkt unternommen. Das Kinzelne vermochte til)erhanj)t C.'s Interesse nur so weit zu fesseln, als sich entweder einer zusammenhangenden Rt-ihe von That- sacben oder einem grosseren Gedankenzusammenhang einordnen liess. Alles Vereinselte ebenso wie zu grosses Specialisiren wies er von sich; auch der Jugend empfahl er stets, »die Dinge im Zusammenhang zu studierenc. So handelte denn gleich der erste Vortrag in der Akademie »Aber den teligiösen Charakter der gricrln'sc hen Münzen **>, und fla«? WinrVelmannsprogramm von 1869 id)er die kniccntien Figuren der altgriei hisrhen Kunst : *"). C. wies dann nach, dass das Knieen in der alteren Kunj>t zugleich als Ausdruck ge- wisser Bewegungen, des Laufes, Sprunges, Fluges, gedient habe, und konnte demgemiiss eine grosse Zahl alterthttml icher Darstellungei^ richtiger deuten. Ebendahin gehört die interessante Akademieabhandlung »tiber Waiipengehrauch und W;a^penstil im griechischen Alterthumc die an mykenische F'unde

£r legte CS SU Anfanj; des Jahres 1893 nieder. *) AkademiereilenT 1S73 Phnoaophie «md Geseliiehte; 1S74 Die Idee des KBiiigt1i«nis

in ihriT geschichtlichen Fr t .vickclung ; 1876 Die Gebiirtst.igsfcrcr im Altertbutn: i*^'77 Bo- den und Klima von Atiien; 1S78 Friedlich II. und die bildenden Künste; 1880 Die Entwiekelung des prettAbehen Stasts nach den Analogien der alten Cietdiicbte; Der NVoticifcr der Nationen in Wicdercntcleckun;^ der Länder de> Altertliuni> ; 1S88 Friedrich der Grosse und die deutsche Literatur; 1891 Gedichtnissrede auf den Generalfeldmarschall Grafen Mohke.

Univer^itntsrcdcn: 1870 Die Gastfreundschaft; 1871 Die Weihe des Sieges; 1872 Die Hellenen und das Volk Israel; 1873 Der Gruss; 1875 Arbeit und Müsse; 1876 Die fiffinitficbe fliege von Wistcnseliaft und Kunst; 1878 Das PrieiteTthiBtt bei den Hdlenen; 1S79 Kaiser Wilhelin's P'riedcnsregiment finit He/u);,' auf das 50jährige JubüSuin des Ar- chlologiachcn Instituts); 1880 Rückblick auf Oljmpia; i88t Die Reichsbildungeu im klassi- sota» Alteittran; Witaenieliaft, Kunst md Handwerk (Rectoratsrede) ; iSSs Zur Oedlieht- ni^sfeier König Friedrich Wilhelms IIL (nicht wieder al-gedruckt); 1883 Die Griecl>en als Heister der Colonisation; 1884 Athen und Eleusis; 1885 Der 2Sehnte; August Böckh (Sae- cnlarfeler); 1886 Das Königthum bei den Alten; 1888 GedSchtnissrede Air Kaiser Wilhelm; Rede zur GedSchtnissfder des Kaisers Friedrich; 1889 Die Bargschaften der Zukunft; 1890 Der conservative Zug im Volkscharaktcr der alten Athener; 189X Athen and Rom; 1893 Das Verhihniss der bndenden Kunst cur Architektur.

Berlin, W. Hcrt«. Bd. I, den Jugendfreunden Em. Geibcl und Heinr. Kruse gewidmet, erschien zuerst 187s (4« AufL 189a), Bd. II 1882 (2. Aufl. 1886), Bd. III 189$ (a. Aufl. 1895). »») Monatsber. d. Akad. 1869. Ges. Abb. II, 443 IT.

^ ap. Programm zum Winckelmannsfest der arch. Ges. BetUa 1869. Ges. Abh. II, **) Abb. der K^. Akad. der Wissenseh. 1874. Ges. Abb. II, 77

74

Curtitts.

Schliemaiin's anknüpft; desgleichen die schöne Untersuchung über »die Dar- stellungen des Kairos«**), die den Ursprung des Cultus dieses Dimons des

günstigen Augenblickes in den Wechseltallen der Palästra und der olympi- schen Wettkämpfe aursiulilc. Zu anderen Arbeiten l)Oten die reichen Kr- wcrbungen des Antiquariums den Anlass, bei dessen \'er\v;dtun^ C. zuerst in Heinrich Hcydemann und Georg l'reu, später in Adolf Furtwangler kundige und rttbrige Gehttlfen hatte. C. richtete sein Augenmerk bescmders auf die griechischen und kleinastatischen Fundstätten. Die alterthOmlichen korinthi- schen Thontafeln, eine reiche Auswahl tanagräischer Terracotten, die Tbdn- sarknplinfje von Kla^omenä, die olympischen Dottbletten, andercrseiis der merkwürdige Cioldfund von Vettcrsfelde mögen hervorgehoben werden*'). Aus solchem Anlass ging beis])ielsweise die Akademieabhandlung über »zwei Giebelgruppen aus Tanagra« hervor^*). Auch die Abhandlung über »die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen« '*)> die der Art nach an jUtere Arbeiten erinnert, knflpfte an neue Erwerbungen fies Antiquariums nn.

Schliemann —Tanagra— Olympia, damit ist schon auf die begnmendc Aera der Entdeckungen hingewiesen, die der grossen politisclien Zeit de:» Krieges von 1870 folgte. Während dieser Zeit nationaler Erhebung mochte C. es als eine besonders glückliche Fügung empfinden, nicht mehr, wie 1S66» mit zwiespältigen oder gedämpften Empfindungen den Ereignissen folgen zu müssen, sondern ungehemmt dem vollen (»cnuss der n.itionalen Wiedergeburt sich hingeben zu kcönnen. War doch in tien Grossthaten »unseres Fritz« noch ein ganz pcrsönliclies Moment dieser Freude beigemischt, fiel doch die Ge> fangennahme Napoleon'« auf Curtius' Geburtstag 1 In den Universitätsreden jener Jahre spiegelten sich diese Kämpfe ab, (he Festrede an des Kaisers (leburtsfn;! im Jnhrc 1871 ^n\t der »Weihe des Siegs«. Die Rede adinicr das volle H()< hgeluhl des wiedergewonnenen Friedens und des neugeborenen Reiches; wer mochte aber damals, unmittelbar nath dem Kiesenkampfe, vor- aussagen, dass dieses Friedensreich auch dem nächsten Gebiet von Curtius* Studien, der ^tiechischeu Altcrthumsforschung, so reiches Gedeihen bringen würder Und doch war es eine günstige Vorbedeutiinu, dass der Kaiser noch im Schlosse von Versailles am 2. März 1871 die l nnvandhing des archäolo- gischen Instituts, bis dahin nur einer staatlich unterstützten Privatanstalt, in eine sicher fundirte preussische Staatsanstalt genehmigt hatte. Niemand deutete und nutzte die Zeichen einer neuen Zeit lebhafter als C. Sein häufiger und intimer Verkehr am Hofe, namentlich an den geistig angeregten Thee- al)cnden bei der Kaiserin, kam auch seinen Wünschen und Plänen zu statten. Was unter dem kunstsmnigen Könige Friedrich Wilhelm IV. nur frommer Wunsch geblieben war, das sollte unter dessen Bruder, dem vernieindichen Soldatenkaiser, zu reifer That gedeihen.

Noch im Herbst desselben Jahres 187 1 benutxte C. die mässig v^ längerten Herbstferien im Verein mit dem Major Regdy vom GzosKn General**

*^ Arch. Zeitung 1875 S. i ff. Ges. AM.. II, 187 ff.

^) VgL aber diese Seite von Curüus Thätigkeit R. Schöne im Jahrbucii ftti die pretus. Kunttiaiiuiil. 1896 S. S15 ff.

**) Abh. d. Bcrl. Akad. 1878. . Abb. II, 315 ff.

Abb. d. Berk Akad. 1876. Ücs. Abb. II, 137 ff. Vgl. noch die Aufsätze in der Archlol. Zeitung von 187« »Die Geburt de» £rie1ttlu>Biot«, 1879 »BrouenfigiiveD«, 1880 »l>tc K uupiiore von PUstum«, 1881 »Die Tdamonen an der Sntefel toa Anisa«: Gee. Abb. II, 157 ff. 202 ff. ^71 ff. 286 ff: 429 ff,

. ijui.uu Ly Google I j

ClivtiM»

75

Stab, seinen Freun<lfii Fr. Adler tind Bemh. SUirk (Professor in Heitlell»(ri;> und seinen Schülern Ciel/.er und (austav Hirschfeld 211 einem Austliige nach Klcmasien. C.» der es seit seinem Aufenthalt in Naxos stets betont hatte, dass das alte Griechenland nicht mit dem heutigen Königreicli zusammen- rdle, sondeni in dem ganzen Inselmeer mit allen seinen Küstenländern 1>c- sclilossen sei, betrat zum erstenmalc die kleinasiatischc Küste, riie Ileitnaih seiner lonicr. In der troischen Kbene liaitete seine Aufmerksamiieit noch an der Höhe des Balidagh, oberhalb Bunarbaschi, und Schliemann^s Aus- grahungcn wurden skeptisch beiseite gelassen; ja bis suletast ist C der An« sieht geblieben, dass jene mehr landeinwärts belegene Höhe und nicht Ifissarlik die Stadt rlc«^ Priamos gewesen sei. Pcrfiamon wnrfl 7:um erstejimal eingehender untersucht, luul wenn ruirh das so ue\vi)nnei;e Bild von der Kntwickelung der Stadt bei iler Kürze der Zeil und dem damaligen Zustande der Ueberreste unmög^ch richtig ausfallen konnte, so bot dodi dieser Be- such die erste Anknfipfimg mit dem trefflichen Ingenieur Karl Humann, die sjiater so folgenreich werden sollte. Die mächtig ergreifende Lage der lydi- schen Könipistndt Sardes und ilirer jenseits des Flusses ^-^elegenen lodten- hügelstadt; die Reste des alten hoch gelegenen vorionischen Smyma gegen- über der späteren Stadt; eine reconstruterende Betrachtung der Lage und (iesdiichte von Ephesos, wo soeben der Engländer Wood an der einst von Kiepett bezeichneten Stelle die Reste des berühmten Artemistempels in lang- jähriger, nV)er leider timmltuarisc her Ausjirabung 1>!oss£i:e!ep:t hatte das >Aaren Haui)teri^el)nissc dieser Keeognoscirungsfahrt, die alsbalil in emer um- fangreichen Akademieabhantllung und dem anregenden Vortrag über Ephcsos (7. Febr. 1874) niedergelegt wurden**). !>er Plan, auf dem preussischen Schifte »Delphin«, das C. fUr diesen Zweck zur Verfllgung gestellt worden war, die noch so wenig bcl annte ionische Halbinsel zu umschiffen und die PInt/e von Klazomenä, Kr\thra, ('btos, 'I'cos, Lebedos, Kolophon /u er- forschen, war leider gescheitert. Alier ausser allen EinzeiresuUaien dieser Reise» die den Anstoss zu einer kräftigen Inangriflhahme der topographischen Erforschung Kleinasiens gegeben hat, hatte sich eine allgemeinere Ueber* xeugung ergeben, der C. in einem Bericht an die archäologische Gesellschaft nm Winrkelmannsfest 187 1 Ausdruck gab**). Wir wiederholen sie mit seinen einenen Worten.

»Von den wichtigsten Plätzen aller (Icschichtc sind nur so wenige genau bekarait, geschweige denn ausgebeutet; selbst für die Umgegend Athens ent- hehren wir noch einer genü<jenden Aufnahme. . . Da kann nit ht durch einzelne Reisen, sonrlem nur durch eine ununterbrochene Thätiukeit geholfen werden, v ( !f he nach emem festen l'lane rüe Aufnahme aller lur (.»cschichte nnrl ivunst wichtigeren Plätze des klassischen Bodens, die noch mangelhaft be- kannt sind» allmählich fortschreitend ins Werk setzt und dabei an den be- deutendsten Steilen durch Nachgrabungen unterstützt wird; femer durch die Eirichtimg einer wisseittdialUichen Station, welche wie in Rom, so auch in dem ftir Kunstforschung jetzt so unendlich wichtigeren Athen den ganzen

»Bdtrlg:« tar Geschichte und Topographie Kleinasiens« Abb. d. Akad. 1873, daraut die Abhandlung Zur Stadtgeschichtc von Ephesos«: in den Ges. Abh. I, 233 ff. Ephesos, ein Vortrag. Berlin, W. Hertz, 1874 (Altcrthum und Cc ^n invart II, n. VII). Auch die hier dargelegten Ansichten Uber die topographisch-historische Entwickclung von Ephesos haben neh durch neuere Forschungen als unhaltbar erwiesen.

«0 PrciM* Jahrb. 187a, XXIX, & 7t. Altertb. u. Gegetiw. II, n. VI, »m Schlosi.

I

^6 Cuitiiif.

kunsiliandel überwacht, alle Kntdeckungen genau registrirt und so allmählich das Bfatfirial sammelt, welches su einer umfassenden Kenntniss der atdsclien Kunst unentbehrlich ist. Athen ist zugleidi die richtige Warte für den Orient,

soweit er ei» Schauplatz hellenischer Cultur gewesen ist.

»Die Zeit ist günsticr j^i u:\n7.cn Orient, so weit gebildete MenschcTi wohnen, erwartet man, dass i'reussen seine neue Machtstelhmg bewähre, indem es die Interessen von Kunst und Wissenschaft auf klassischem Boden würdig und kräftig vertrete. . . Ueberall sah man uns, ohne dass wir einen Anspruch darauf machen konnten, als Vorläufer grösserer Unternehmungen an. Möchte man doch erkennen, was sich erreichen lässt, wenn die vorhandenen Kräfte sich in rechter Weise verl)in(len, die Dampfkraft der Marine, die Technik des Generalstabs, die Sachkenntniss des Archäologen und Architekten!«

_ C. war durch und durch Idealist. Daran kann niemand zweifeln, der auch nur einmal sein helles blaues Auge sah, wie es gleichsam ttber das Irdische weg fem in das Weite, gen Himmel zu schauen liel>te; selbst während der Vorlesungen blickte er gern wie weltverloren zum Fenster hinaus, oder ein lebhaft vor seine Seele tretendes Bild so einst liei der Erwähnung der Lisel Naxos Hess ihn den Vortrag unierbrechen, bis er sich über die Stirn fuhr und das Traumbild verscheudite. Aber wer dann zugleich den festen Zug des kräftig geschlossenen Mundes gewahrte, der ward auch inne, dass hier der ideale Wolkenflug mit einer /ielbcwussten Energie gepaart war. So ergriff C. denn auch diesmal den Kairos l)ei der Stimlocke. Bereits am 9. Februar 1872 legte er der Centraldireclion des archäologischen In- stituts einen Entwurf zur Gründung eines Instituts in Athen als Schwester- anstalt des römischen Instituts vor. Der Entwurf stimmte mit einem Vor- schlag überein, den Ulrich Köhler, damals Sekretär der deutschen Gesandt- s('hafL in Athen, eingesandt hatte. Im April reichte die Centraldirection einen dahm zielenden Antrag bei der i>reussischen Regierung ein. Inzwischen war in parlamentarischen imd Regierungskreisen der Wunsch laut geworden und ward namentlich von dem bayerischen Gesandten Grafen Tauffkirdien ver- treten, dass das archäologische Institut von Preussen an das Deutsche Reich übergehen möge. Am 17. Mai nahm daher der Reichstag den doppelten Antrag seiner Hutigetcommission an, beim Reichskanzler sowohl die Um- wandlung des preussischen archäologischen Instituts in eine Reichsaiistalt, wie die Gründung einer Zweiganstalt in Athen. zu beantragen. Die Rede, mit der der Abgeordnete Friedrich Kapp den letzteren Antrag begr(bidete, war nach Georg Bunsen's Ausdruck »wohl inspirirt« : ihr lagen C.'s Aus- führungen zu Grunde. Nach mannichfachen weiteren Verhandlungen und Zwischenfällen wurden beide Anträge im Frühjahr 1874 angenommen.

Mittlerweile hatte C. aber auch mit dem anderen TheU seiner Wünsche Emst gemacht. Nicht umsonst hatte er einst dem Kronprinzen die wanne Liebe zum griechischen Alterthum eingefldsst; jetzt sollte sie ihre Feuerprobe bestehen. Als Protector der Museen war der Kronprinz berufen, diese Interesiscn zu jitlcgcn, und freudig ging er auf die Anregungen seines iUteji Lehrers ein, ein grosses Friedenswerk des Deutschen Reiches imter seinen Schutz zu nehmen, die Ausgrabung der Feststätte von Olympia. Waren es doch nur alte Wünsche, die auch er selbst seit zwanzig Jahren, seit jenem Vortrage über Olympia, im Herzen trug. Er wusste auch seinen kaiserlichen Vater, der im jähre 1869 selber den zurückgestellten Ccdanken wieder in Anregung gebracht, aber bei den damaligen Zeitläuften wiederum hatte fallen

. ijui. u i.y Google

Curtios.

77

lassen müssen*'*), ohne Mühe Air den Plan zu gewinnen, und es gelang ihm noch im letzten Augenblick durch persöaliche Vermittlung beim Könige von tiTi<M:henIand neu aufgetauchte Hindcmisse zu beseitigen. So kam das grosse Werk zu Stande: im Frühjahr 1874 ward C. nach Athen entsandt, um die bekannte uneigennützige UebereiTiVin^ft zwischen Deui'-i M nd und Griechen- land vom 25. April abzuschliesscn, rlic noch in demselben Jahre vom deut- schen Reichstage, dagegen erst ein Jahr später von der griechischen Volks- vertretung genehmigt ward. Eine Besichtigung der Oertlicbkeit im Verein mit Adler schloss sich an* Da aber um dieselbe Zeit auch die Gründung des archäologischen Instituts in Athen beschlossen worden war, konnte C. auch diesem dort seine Heimstätte bereiten. Am Winckehnannstage jenes Jahres ward die Anstalt eröffnet.

Es ist nicht dieses Ortes, eine Geschichte der Ausgrabungen von Olympia oder eine lATflrdigung der Leistungen des athenischen Instibits zu sdu«iben; beide haben ihrem geistigen Urheber hohe Ehre gemacht. Mit dem isteren Unternehmen ist C. als Hau])tleitcr der Commission, dem Friedricli Adler als Architekt und der orientkundige Legationsrath Busch zur Seiten siamleii, in engerer Verbindung geblieben während der mehr als lunl Jahre (1875 bis 1881X in denen diuch unverdrossene und einsichtige deutsche Arbeit <lcr heilige Bezirk der Altis fast vollständig aufgedeckt ward. Noch nie war ein so umfangreiches zusammenhängendes Ganze antiker Cultur in j^leicher Vollständigkeit blossgelegt, noch nie über ein solche*; l^ntemehmen wahrend sein^ allmählichen Fortschreitens mit gleicher Schnelligkeit gründlicher Be- richt erstattet, ja sogar ausgiebige bildliche Wiedergabe beschafft worden. Was aber immer und immer wieder in Deutschland als Vorwurf oder als Grund des Bedauerns geltend gemacht ward, das war die Vertragsbestimmung, nrif h der Griechenland im Besitz der mit dcutsdicni Cfelde zu Tage ge- k)r(lerten Schatze verbleihen sollte. Vollends wurden die±>€ Stimmen laut, als im Laufe des Jahres 1879 ersten Sendungen von Sculpturen aus i'crgamon in Berlin eintrafen. Humann, der einst von C. sozusagen entdeckte, war auf eine Anfrage Alexatuler Couze% C.'s kttrdich neu eingetretenen Collegen am Museum, welches Ergehniss man sich wohl von einer Ausgrabung auf der Konigsburg von Pergamon versjirethen dürfe, mit grösster Lebhaftigkeit ein- gegangen. Conze, durch seine Kntdeckungen in Samothrake geschult, hatte nun sogleich Emst gemacht, und der Kronprinz hatte auch hier seine ebenso venchwiegene wie raXchtige Hülfe und Fürsprache gewährt. In aller Stille nicht einmal der Genen^irector des Museums, Hr. \. Usedom, wusste «larum! - wnr der Firman der hohen Pforte erwirkt, die Ausgrabung unter Humann's Leitung einen Wmter lang durchgeführt, die Überreiche Ausbeute nach Berlin geschaiTt worden. Und alle diese Originale gehörten Preussen, ioUten dem Berliner Museum verbleiben I Aber freilich, hier war es die Tttzkei, mit der man zu verhandeln hatte, dort Orie< lienland, dessen Ver- fassung jede Ausfuhr von Antiken verbietet. Kinsichtig hatte sich Conze selbst schon 1K76 über den olympischen Vertrag geäussert: »Dass Deutsch- land es Uber sich gewann, eine grosse Ausgrabung zu bestreiten und dabei auf Erwerbung der FumbtUcke zu venlditen, entspricht seinem überwiegend geistigen Verhältntss zum Allerthum und dessen Denkmälern; sich geistig der Dinge bemächtigen, hebt ja audi sonst Uber das kleine Sammlervergnligea

**) SchÖD«, Jahrh. d. preuss. Kunstsamml. 1896 S. 3iS.

78

Cturtiat.

hinweg. Diese charakteristische Seite des Unternehmens erscheint mir viel- mehr erfreulich, anstatt beklageiuwerth«

Nodi von einer anderen Seite her drohten die pe^jimiemsdhen Aus* grabungen die olympischen in Schatten zu stellen. Die rauschenden Scencn des ^'cwnltigcn ni^antenlcnm]>fes sprachen die modernen Menschen durch die (.icwak ihrer Barocksi^rache viel utimittelbnrer an, als die noch rcrht arclinisrh angehauchten Gicbelgruppen des Zcusicmpels, ja selbst als die stille Atinnuii des prazitelischen Hermes, in die man sich wer begreift das heute noch? erst hineinfinden musste. So ward denn der Gigantenfries von mnnrhcn ;ils das Höchste der antiken Kunst gepriesen, die olympische Aus- !)cuti' f(criii^j^us( haizt. Fernerstehende bezeichneten das künstlerische Ergebniss der Ausgrabungen in Olympia geradezu als eine Enttäuschung^ einen Mi&s> erfolg. Oass solche Urtheile C. nahe gingen, ist leicht begreiflich. Heute ist es nicht schwer, ob^ectty su tutheilen. Ohne im mindesten die Gering- schätzung des pergamenischen Cligantenftieses zu theilen, die bei manchen an die Stelle jenes anfänglirhen Uehcrsrhwnnpes getreten ist, muss ich doch offen bekennen, dass die Ausgrabungen V(»n ()l\ in|jia an wissensrhaüli« her Be- deutung die pcrgajnenischen Entdeckungen uberragen. Lcuiere liaben uiis eine Diadochenresidenz in ihrer Gesammtheit und allmählichen Entwickelung, sie haben uns die Kunst der hellenistischen Spat/cit in ihrer noch nicht er- losrhcnen Kraft, eine bestimnilc T\i( litiinu derselben in unerwarteter Fülle kennen gelehrt und \nel helleres Li( tit über diese ganze Periode des nieder- gehenden Ciricciicnihums verbreitet. Damit ist ihr hoher Werth voll anerkannt. Aber die olympischen Funde eistrecken sich von den ersten Anfängen griechischer Kunst bis über ihre Glanzzeit hinaus, ja bis in die römische Zeit; sie umfassen eine unendliche Fülle der mannichfaltigsten Denkmäler aus den (lebicten der Haukunst, der Plastik, der Kleinkunst, aus den versriiiedcnsren Richtimgcn und Schulen; src werfen I.icht, nicht Mos aut kuiisileri!>i:he, son- dern auch auf mannichfache antiquarische Fragen; sie haben die Forschung durch eine ungeahnte Menge neuer Probleme befruchtet und ihr nach den verschiedensten Seiten hin neue Hahnen gewiesen. Heide Ausgrabungen er- gänzen sich auf das glücklichste. Wir Deutsche dürfen stol/ sein, der Kcnnt- niss von fier antiken Kunst diese doppelte Quelle erötthet zu liaben, zugleich aber aurli durch beide Untcrriehmungen eine neue Art wissenschaftlicher Ausgrabungen sur Kegel gemacht su haben.

Die meisten früheren Ausgrabungen, wenn sie nicht dem Zu&ll oder einem vereinzelten Zweck ihren Ursprung verdankten, waren mehr oder weniger auf Raubl»nn irerirhtet. Sie sahen es ausschliesslich oder vorwiegend darauf ab, einzelne l'undstUcke, Scuipturen oder Inschriften, zu gcwunien. Nur wenige der älteren Unternehmujigen, wie z. B. Newton's Ausgrabung des Mausoleums oder Thomas' Forschungen in Ninive, machten davon eme Aus- nahme. Zuerst bei den von Conze und Genossen geleiteten Ausgrabungen in Samothrake, dann in Olympia und in Perjjnmon war das Absehen von vornherein auf VS itdergcwinnung des verlorenen Oanzen, in Samothrake des Mysierienlieiligthums, in Olympia <.les heiligen Festbezirkes, in Pergamon der Königsburg und der Hochstadt, gerichtet. Die ursprüngliche Gestalt der Ruinenstätte zu ermitteln, ihre Veränderung^ und £rgänzungen im Laufe der Zeiten zu verfolgen, jeder Kinzelheit, mag sie für sich allein so werthlos oder

Freuss. JahrbUcher 1876, XXX VU, 546.

CortiiM*

79

so unbedeutend scheinen wie sie will, ihren ursprünglichen Platz im Ganzen anzuweisen, das ist das ausgesprochene Ziel und das auszeichnei^de Merkmal dieser Methode. Die Auspabung wird dadurch nicht, wie das sonst nur alko oft der Fall ist, au einer Zerstörung des Erhaltenen, sondern erhält einen entschieden ronscrvativen, reconstruirendcn Charakter. Ocm kommt es in Oljnnpia zu statten, dass alles (lefundenc an Ort und Stelle gcbHe1)en und dort im neugebauten Museum vereinigt ist. i>a aber die Architeivturreste so zu sagen das Knochengerilst der vi^enugewinnenden Anhigen sind, so ist es die noihwendige Vorbedingung des Gelingena, dass die Arbeit zum grössten Theil in die Hände tüchtiger, zur genauen Beobachtung vorgeschulter und mit der antiken Baukunst vertrauter Architekten gelegt werde. Das ist in Samothrake, in Olympia, in Pergamon geschehen; wir heben nur die Namen Alois Hauser, Wilhelm Dörpfeld und Richard Bohn heraus. So haben diese tisteneiciiisch-detttschen Untemdimungen, im Verein mit Schlieniann's späteren Unteisttchungen von dem Zeitpunkt an, wo Dörpfeld sie leitete, zu einer neuen pcnnucn Erkundung der griechischen Architektur gefuhrt. Die befolgte Methode aber ist vorbildlich für aJle weiteren grösseren Unternehmungen, nanventlich die von der griechisclien archäologischen Ciesellschaft durch-» geliihrten, geworden. Wer heutzutage eine umSunende Ausgrabung ohne das gleiche Ziel und ohne die liCitwirkung geschulter Ardiitekten unternimmt, der spricht sich von vornherein selbst das Urtheil.

C. hat während der Arbeiten mehrmals Olympia besucht. Natürlich folgte er mit gespannter Aufmerkt.samkeit allen Eunden und betheüigte sich theils im Text zu den jährlich erscheinenden »Ausgrabungen von Olympia« und dem Auszug daraus, den »Funden von Olympia«*^, theils in Einzel- arbeiten an der Lösung der auftauchenden Probleme, unter denen die Re- constnirtion der östlichen GiebelgrviiJ])e des /eustempels besonders schwierig und umstritten ist. C. ist seiner anjanglich aufgestellten Ansicht bis zulct/t im wesentlichen treu geblieben"), und ihr folgt die Aufstellung der Statuen selbst im Museum zu Olympia, während die Publication in dem grossen ab- schliessenden Hauptwerke**) die Anordnung Treu's wiedergibt. Ein merk- würdiges archaisclies Erzrelief und die Altäre von Olympia boten Stoff zu be- sonderen akademischen .Abhandlungen**); a1)er auch allgemeinere Themata, wie das Verhältniss Sparta s zu Olympia**) oder die olympischen Münzen""; dienten ak Vorbereitung zu der umfassenden historischen Einleitung, die flUr den ersten Band der staatlichen Publication »Olympia« bestimmt war. Dass auch hier wenigstens einstweilen sicherer Boden bereitet würde, dafür sorgte d.Ts von C. und Adler herau.<5gegebene kleine Heft Olympia und Umgegend« mit Karten und Plänen von der Hand Kaupert's imd Dörpfeld 's *^).

Carthis, Adler und Hinchfeld, Die Aiu^bnnircn tu Olympia. 5 Bde. Berlin, WaiiDUth, 1876— 188 1. Die Fumlc von Oljinpia. Berlin, Wasmuth, 1882.

Städten über die Tcmpdgicbel vod Olympia: Sitzungsber. der prcuss. Akad. i8Sj 777 ff. Die Giebelgruppen des Zcnslcmpeli in OL and die rothfig. Vasen: Arcb. Zeitung 1883 s. 347 fT. (Oes. A])h. II, 3048:). Die Tcmpelciebd von Olimpist Ablu der prenss. Akad. 1&91 (ebenda II, 338 ß.).

•*) Cwtiu» und Adler, Olympia. Berlin, Ashcr, 18900". S. Bd. III, Taf. i8fl:

Das archaische ßronzcrelief aus Olympia: Abb. 1879 (Gex. Abb. II« S44ff.). Dit Aittre von Olympia: Abh. 1881 (ebenda II, 40 ff.).

»*) Hermes XIV, 1879, S. 129 ff. Ges. Abh. I, 219 Ä

' ) Zcitschr. f. Numismatik II, 1875, '^S 480V,

^) Betlin, Weidmann, i88a*

. y 1. ^ . y Google

8o

Coithu.

Ueber Olympia vergass aber C. nicht seine ältere Liebe, Athen und Attika. Die Frtthlingsmonate, die er 1874 in Athen xobrachte, legten ihm von neuem den Wunsch nahe, von Athen, dem Piräeus, der athenischen

Ebene, womöglich von gnnz Atiilcn neue Plane und Karten zu beschaffen. Die Berliner Centraldirection des An hiiologisc hcn Institut«? nahm auch diesen Plan auf, die Akademie und dann besonders das preussische Unterrichts- ministerium leisteten einen bedeutenden Zuichuss 2U den sehr erheblichen Kosten. Die Ausführung alier konnte nur geschulten Technikern anvertraut werden. Seit den Studienreisen von 1862 und 1871 stand C. in Verbindung mit Generalstabsofficieren, v. Strantz und Regely; er war :\nch seit langer Zeit itu dem Chef des (Icneralsiabes, dem (irafen Moltke, selbst einem er- fahrenen Keimer und Förderer der antiken Länderkunde, in Beziehung ge- treten. So ward dem Vermessungs-Tnspector im Grossen Generalatab, J. A, Kaupert, im Jahre 1875 ein Urlaub ertheilt, den dieser zur Einrichtung der ganzen Unternehmung und zur Aufnahme der Stadt Athen benutzte. Seitdem sind zwanzig Jahre hindurch fast ununterbrochen Oftirieie des deut- schen Generaktabes beschäftigt gewesen, die Vermessung und Auhiahme de^ attischen Landes vorzunehmen, so dass Attika heute zu den am genauesten aufgenommenen Ländern gehttrt.

Als ein Vorläufer des grossen Kartenwerkes erschien schon 1878 der »Atlas von Athen« als gemeinsame Arbeil von C. und Kaupert*^. Er bot den weitaus i)esten Plan des neuen und der Keste des alten Athen, sowie zahlreiche bedeutsame Einzelheiten. Während die Tafeln einen erheblichen Fortschritt gegen die »Sieben Karten« von 1868 darstellen, beschränkt der kurze Teat sich auf Nachträge und einzelne Ausfilhrungen. Drei Jahre später erschien das erste Heft der Karten von Attika , die neuerdinp? mit fiem achten Heft ihren AhsrhItJ*;s i^efunden haben**). Der Massstal) für die Stadt- plane von 1 ; 12500 erlaubt, jede Einzelheit genau /u verzeichnen; für das übrige I^nd mit Ausnahme einiger meist bergiger GrenzstreHen ist der Massstab von 1 : 25000 gewählt. Natürlich fiihrte die genaue Neuvermessung des ganzen Landes zu vielen neuen Ergebnissen, die im »erläuternden Text *') niedergelegt sind. Von diesem hat übrigens C selbst nur die Be<;rhreil)ung von Athen und Umgebung geliefert; der weitaus grösste Theil des Textes, auf erneute Bereisung des Landes gegründet, rührt von Arthur Milchhiifer her, demjenigen Schüler von C, der neben Gustav Hinchfeld die Richtung des Lehrers auf toi)ographiscl)-historische Forschung am eifrigsten und erfolg* reichsten fortgesetzt hat. In der That hat vornehmlif Ii die attische 1 »emen- f<)rs( luni<< durch diese L'mersiu Inmgen bedeutende l'orderung ertaliren. I>ie »Probleme der uLhcuischeii Slatligeschicliie«, über die C. .schon 1876 in dci Akademie sich ausgesprochen hatte fuhren fort, seine Gedanken angelegen!' lieh zu besdiäftigen.

^) Atlas von Athen. Im Auftrage dci, Kais, dtutschcit archäolog. Instituts heraui- gegeben. Berlin, D. Reimer, 1878.

Karten von Attika. Auf Veranlassung de^ Kais, ckulsclicn .irchäolog. In^t. und mit Unterstützung des Kgl. prcuss. Ministeriums der {^eistl. Angelegenheiten, aufgenomracn doreh OflfUiere und Beamte des Kgl. preuss. Grossen Generalstabes, mit criiaterndein Text hcr:iu«;f7. von (\ niid K. S Hefte. Rcrlln, D. Rciimi, 1881 1894. Ein neuntes Heft, dessen erste Hälfte ebenda 1897 erschienen ist, giebt emc Keduction der grossen Karte aut I : looooo. ^ Karten von Attika. SrlKntcmder Test. 4 Rcfk». Beriin, D. Retiner, 1881—1895.

Sitrungsber. 1876, S. 39 ff. Ges. Abh. I, 409 ff. Ebenda finden sich einige andere topographische Studien abgedruckt: Zur Topographie von Attika (1871); das Pythion iti

. ijui. u i.y Google

Si

Die Rüstigkeit, mit der C. alle diese Unternehmungen förderte, ohne dabei die nächsten Berufsarbeiten, vor allem das akademische Lehramt, zu vernachläsagcn, liesun es ganz vergessen, dass der jugendfrische 'Mann all- mlhlidi be^ Greisenalter angelangt war« Ab er am Sedantage 1884 seinen 70. Geburtstag feierte, hatte »di ein weiter Kreit von Verehrern und Freun- den im In- und Auslande (namentlich Crossbritannien und Ameri]^;0, an ihrer Spitze die Kaiserin, der Kron])rinz, die (Irossherzogin von Baden und der Erbprinz von Menningen, verenngt, dem Jubilar seine wohlgelungene Marmor- bttste von Sdiaper's Meisterhand zu verehren. Dieser künstlerischen Gabe '1 at eine gelehrte zur Seite, ein Sammelband , wie er besonders in Deutsch- land bei solchem Anlass üblich geworden ist"). Siebenundzwanzig Schüler aus der ersten Berliner, der Höttingcr und der zweiten Berliner Zeit hatten ihre Beitrage geliefert, deren mannichfaltiger Inhalt von dem Reichthum der Jim C. ausgegangenen Anregungen Zeugniss ablegt. Diese Gabe ward C. in Hilgen fibergdien» wo er sur Bihohang weilte. Er erstattete seinen Dank in poetisciier Form.

Den Siebeanodswantig«

WehmathaToB daidulacht' icb den hwd dtr entvdiwiHideBen JakrCk

Dachte des Masses von Kraft, welches dem Menschen gesetzt, Fragte mich still: wie lang wirst du dein Feld noch bestellen,

Bit Mch dir vom Pfla? «fadct die etmattende Ibad^ Da kam Euer Geschenk. Am Kllppcngostade der Ostsee

Bracht' es der Herold mir, welchem die Botschaft vertraut. Und CS entseliwaiid, wie Nebel zerrinnt in sonnigem Lidkte,

Was bei der Wende des Jahrs mein Hrd ir kin L'^t trllht, Mein Werlt endet ja nicht mit dem (so fuhh' ich lebendig),

Was icb tdillditeni begann, ab kdi den Sunen gestitot Dichtere Saat, als ticr Kühnste geahnt, steht wo^'cnd Felde,

HandertiUtig vermehrt gab es der Boden zurUck. Stehe, wie H«id an Rand sieh reih'n als Glieder der Kette,

Welche der Tiefe des Borns lauteres Wasser enlheht. Und die Fackel des Lichts sie wird vom Nachbar dem Nachbar

Brennend gereicht; tagbcfH lenebtet der hinmiliselie Schein. Lieblicher konntet Ihr nicl>t die Stirnc des Freundes bekränzen,

Konntet erquickender nicht heben den zweifelnden Mutb. Treten die Jüngeren so ün Qior an die Seite der Alten:

Zieht ein Leben sich vull durch das Vergängliclie hin, Blüht unsterbliches Wesen, wo sonst nur Todes Gewalt herrscht,

Und das Vcfeincelte schli^st sieh tnm unendlichen Ring.

»Wo sonst nur Todes Gewalt herrscht Wie es so oft geschieht, so ward dieser Höbepunkt des Lebens auch fiir Curtius zum Markstein schwerer Verluste, die den Kreis der Nahestehenden mehr und mehr lichteten. Wenige Monate vorher war sein ältester Jugeridfireund, fimanuel Geibel, gestorben.

Athen fiSyS); das Lcokorion (1S78); EIcusinion und Pelargikon (1884); das Neleion oder litiligthum der Hasilc in Athen (1885). Vgl. auch »Paulus in Athen« (1893) Ges. Abh. Ii, S27 ff.

•') Ilibtorische und philologische Aufsätze E. Curtius tu seinem. 70. Geburtstage ge- widmet. Berlin, Asher, 1884. Die Herausgabe besorgte Hirschfeld, die Beitragenden waren Belger, Bornnann, Conre, C. Curtius, Dittenbergcr, Dörpfeld, DlCMel. Fränkcl, Frick, Furtwängler, Geizer, L. Gurlitt, W. Gurlitt, Hirschfeld, Halm, Jeep, Jordan, Körte, KUbler, Alling, Michaelis, Milchböfer, Purgold, Schöll, Spitta, Tricbcr, Weil. VgL Ernst Cux- . tius sicbiigptcr GdMittitaK. Bcflcht aber di« Fdevk Bedin 1884 (mit ciaer AbbUdmic dtt Bftsie).

Btogr. JahA. m. Dtatsoher Hekrelef . ^

Cnrtiat»

Im näc}i>»icn Jahre folgte Richard Lepsius, der Aegyptologc, sein langjähriger brcund und College, dem C. durch die Heinuh setner Toditer mit Lepsius' Sohn seit Jahren noch ntther verbunden war. Und «nedcnun ein Jahr später

(1886) verlor er in sciiK>m Bruder Georg, dem Leipziger Sprachforscher, den

n:i( listen Frcvmd \\m\ Vertrauten. C. war, wie er selbst erzählt, mit dem, jiinj^ercn Piruder in ununterbrochenem CiedunkenuustMusch geblieben und halte oft für seine eigenen Forschungen dessen spracii wissenschaftliche Kenntnisse in Anspruch genonmien. Es war ihm immer eine Festaeit gewesen, wenn er in Georg's heimlichem Studiendmmer ttber den Fortgang der Alterthums- forschung sich mit ihm hatte austauschen können. Nun hatte das vor der Zeit ein Ende gefunden. Allen dreien hat C. schöne Blatter der Kriniicriiiig gewidmet*"), ebenso wie er es schon früher seinem Freunde Johannes Brandis gethan hatte**). Dann kam 1888 das Dreikaiserjahr mit seinem doppelten schweren Verlost» der C. persönlich noch so besonders nahe gmg» da er tn Kaiser Wilhelm seinen alten wohlwollenden Gönner, in Kaiser Fttedricfa den ebenso heiss geliebten wie stets treu befundenen Zögling verlor. Kin Ton tiefster persönlicher Erregung durchzittert die Reden, mit flenen er in der Aula der Universität, beidemal wenige Tage nach dem Hinscheiden, das Gt- dftchtniss der beiden Hemcher feierte*^. VoU persönlicher Begehungen ist auch die Gedenkrede, die C, drei Jahre später am Leibniztage in der Aka- demie auf Moltke hielt, den thätigen Akademiker, den Schüler Ritter's, den Erforscher Kleinasiens und Roms, den Förderer des attischen Kartenwerkes**).

In so ernster Zeit wandte sich C. religionsgeschichtlichen Studien wieder zu, deren Tendenz er schon 1875 in einem Auftatze ttber »die griechiscihe Götterlehre vom geschichtlichen Standpunkt« dargelegt hatte Der Schüler Welcker's und Müller's, der flbeiMUgtesten Verfechter griechischer Autochthonie unrl Freiheit von allen fremden, namentlich .semitischen Einflüssen, behauptete nunmehr den orientalischen l'rspriing fast aller griechischen Göttinnen. Die mcsopotamische Naturgötiin Mylittii oder IsLir hatte sich danach in Klein- asien in viele einander ähnliche Formen gespalten und erschien im Binnen* lande als grosse Göttin von Komana oder als Rhea-Kybele, an der Westküste als Artemis von Ephesos oder Magnesia, als Hera von Samos, als Ai>hrt)ilitc von Aplirodisias. Von dort seien diese NaturgöttiiMien , den MiinzsystcnK-n lies (Jncnts vergleichbar, nach dem europäischen Griechenland herüber- gewandert und hätten hier durch Verbindung mit dem hellenisdien Zeus als dessen Gattin, Geliebte, Tochter griechische Form und griechisches Wesen angenommen. Nicht einmal Pallas Athena bildet eine Ausnahme. Solche Gedanken htsc liäftigten C. lebhaft. 1879 schrieb er einem jüngeren Freunde: ^Ich nuis> noch die Toiio^raphic von Athen, wenn es geht, fertig bringen und die Grundlinien einer geschichtlichen Gotterlehre. Beides kann kern

**) Alterthum und Gegenwart III, n. Xlllr R. Lcpsius (Jahrb. d. preuu. Kunsts, iS8$)* a, XV; Erinnerungen nn E. Geibel (Allg. Zeitung, Beilage, Aug. 1884). n. XVI; G. Curttttt (Kleine Schuften von G. C. 1886).

*») Alterthum u. Gegenwart H, n. XVIII (Prtwt. Jahrb. XXXH, 1873). Ebenda n. XX aach ein. Nachruf an ^Prof. Adolf Schottmtller« (Preoss. Jahrb. XXVII, 1871).

Altcrtlumi u. Üc^^cnwart III,n. I. II. Tn der ersten Rede findet sich die schöne, von Kaiser Friedrich w.irm begrllsstc Stelle: »Wir sind durch K.ii»er Wilhelm nicht nnr mächtiger und rulunrcichcr, sondern auch innerlich freier, reiner und besser geworden.« Ahertham «.Gegenwart HI, a. III (Shrangsber. d. Akad. 1891).

««) Alterthum o. Gegenwart HI, a. V (Pmus. Jahrb. XXXVI« 1875).

«3

Zwetter machen so wie ich es mir denke. Ich danke Gott, dass mir die Arbeit eigentlich immer mehr zxn T.ebensfreude und immer leichter wird. Die Frist, die mir so gegönnt ist, muss ich nach Kratien benutzen.« So kam C. 1S87 in fleinen »Stadien sur Getdikhte der Artemis« auf jene Gedanken I zurttck, indem er die Verbreitung des Kultes der Göttin von Phrygien aus und i ihre vielseitige Bedeutung im diesseitigen Griechenland darzulegen suchte*'). In den etwas späteren »Studien /.vir Geschichte des griechischen ( )lyni|)s , holte er weiter aus; er unterscheidet eine älteste Schicht ahgriechischer Naturgötter (wie Uraao% Ge, Helios, die Nymphen) von den späteren, auf den P&den der FhOmder eingewanderten orientalischen Gottheiten, die dann an Terschiedenen Orten und in verschiedener Weise hellenisirt, so zum ulym- pischen G/)tterkreis verbunden und mit den urgriechischen Naturgöttern ver- emigt worden seien. C. hat, auch wenn man ihm ni< In sollte fol</en können, jedenfalls das Verdienst, im Widerstreit schnurstracks einander gegenüber- stehender mythologischer Anschauungen und Theorien eine bestimmte, in ge- wisse Sinne vermittelnde Stellung eingenommen /u haben.

Inzwischen gingen C.'s athenisclie Studien ebenfalls ruhig ihren Weg wei- ter, bi.s im Jahre 1.S91, in dem C. sein fiinf/igjahriges Dociorjubilaum be- ging, das diese Studien abschliessende Buch über »die Stadtgeschichte von Athen« ersdiien*^ eine Topographie vom geschichtlichen Standpunkte, wie einst das Bueh Uber den Peloponnes. Seit den Tagen semes athenischen Jugendaufenthaltes hatte er dies Ziel nie aus den Augen verloren, es durch I wiederholte l iiv4crc Rcsnche Athens und durch zahlreiche Untersuchungen

unablässig gelordert, war allen neuen Entdeckungen auf dem Boden Athens I aufmerksam gefolgt. Jetzt fasste er nach fünfzig Jahren die Ergebnisse in einem gesdnditlidhen Bilde der Stadtentwidtelung, auf Grund der natOrlichm Bodenbedingungen und im Zusammenhange mit den sonstigen geschichtlichen Wrhaltnissen, zusammen. Ks ist kein Rejiertoriuni gelehrten Materials, son- dern eine geschlossene, in sich zusammenhangende Darstellung in anziehender Form. »In meinem Athen« so schrieb er bald darauf einem Freunde »habe ich gelebtet, was ich yenaag. Auch das Kleinste habe ich auf das Genaueste buchtet; aber es ist mir unmöglich, alte Controversen immer von ! neuem wieder durchzukäuen. Wen der grosse innere Zusammenhang der T>inge niclit (iberzeugt, den schlagen auch keine Argumente. Darum habe ich mich von <ler allen ScholiiU»tenweise, diese Dinge zu behandeln, möglichst frei gemacht und den ganzen Accent auf den historischen Zusammenhang gelegt, c llilchhöfer's Zusammenstellung der antiken Belegstellen und Kau- perfs Karten tragen den Charakter urkundlicher Beilagen.

Ohne Zweifel wird ein j^ro*^ser 'Hieil der gewonnenen F'rgebnissc von festem Bestand sein; wie viel im Kinzelnen, auch in Hauptpunkten, anderen Auttassungcn wird weichen müivsen, das werden erst fortgesetzte Studien, nicht am wenigsten aber die Werke des Spatens lehren mttssen, die auf dem Boden Athens theils eben jetzt im Gange sind, theils in Zukunft werden untemommfm werden. C. verhielt sich diesen Untersuchungen gegenüber nicht gleichmttthig. Er sah an ihnen weit mehr die schwachen Punkte als das positiv Gewonnene

«0 Ges. Ahh, IT, 1 ff. (Sitiungsber. d. Aksd. t887>

Ges. Abb. U, 22 ff. (ebcnd« 1890). *^ BcrBn, WddnwDn, «891. ^ & obea & 80 Anm. 60.

6*

und war leicht geneigt, im Wtdenpruch oder in abweichender Auffassung etwas Unbegreifliches, wo nicht gar etwas Schliouneres, eine VeisflncUgung am Geiste der Wahrheit, tu erblicken. Lrre ich mich nidit, so liegt der

Hauptgrund solcher Verstimmungen in dem poetischen Element jeder C.'schen Arbeit. Diese nächst liö|)feri.srhe Kraft hat auch an dem Bilde der Kntwirk- lun^' Athens ihren Antheil gehabt, wie sich denn ja ohne eine frevisse recon- structive Phantasie dergleichen Geschichtswiederhersiellungen gax nicht aus- iUhren lassen. Dem Uiheber selbst aber erscheinen natOrlic^, in desto höherem Grade, je stXricer seine poetische Ader und je grosser der Antheil des Herzens an den Dingen ist, die Ergebnisse seiner wissenschafthch-poetischen Arbeit in demselben Masse gesichert, wie sie sich /um abgerundeten Bilde /usammcn- ßigen. Dass dieser »innere Zusammenhang« oftmals nicht in den Dingen selbst» sondern nur in der Auffiiastmg des fietrachtKS liegt, kommt ihm nicht in den Sinn. Er glaubt an daa Erseugnias seiner Combination, er liebt es; es i nmt filr ihn die Stelle einer gesicherton Thatsache ein; jeder Zweifel, jeder Widerspruch scheint ihm von vornherein unverständlich, unberecluigt, und verletzt ihn im Herzen. Das gilt nicht bloss von den toi)ographisrben Untersuchungen. Ebenso erschien C. die Annahme, dass die griechischen Tempd ihr Licht nicht durch eine Oelfiiung der Decke; sondern nur durch die Thür eriialten hätten und dass dies mattere Licht im Lmem eine wohl- thuenderc Stimmung verbreitet hätte, ungeliorig, und er wunderte sich, dass man Kunstwerke wie den olymiiischen Zeus oder die Parthenos in einen, wie er meinte, stockfinstem Raum versetzen wolle ^^). Auch der Nachweis, dass das ftnfte Jahrhundert» die Ghumeit des attischen Theateis» keine erholite Btthne gekannt habe, begegnete bei ihm nur Zweifeln"). »So sind wir«, klagte er vertrauten Freunden, »trotz der glänzenden Entdeckungen doch an wich- tigen Punkten rückwärts gegangen.« Wir können beklagen, dass dem hoch- verdienten Manne in seinen letzten Jahren durch solchen Zweifel und Wider- qmich ein Gefühl der Verstimmung erregt ward, aber wer möchte es unbe- greiflich finden oder gar tadeln wollen? Eine gewisse Eimeitt|^eit ist nOÜng, um selber Grosses zu finden und andere anzuregen.

Noch anderes Leid sollte dem Manne, der l)ishcr so glücklich seine Bahn verfolgt hatte, nicht ers|)art bleiben. Wie VYeUker und (ierhard ihre letzten Jahre blind hatten verbringen müssen, so drohte dies Archäologenschicksai auch C. Zweimal muaste er sich einer Staaroperation unterwerfen; beidemal ward ihm das Augenlicht wieder geschenkt. Auch als er von einem Wagen überfahren ward, kam er ohne ernste Verletzungen davon. In solchen Tagen rler Priifung empfand C. um so voller das Glück des eigenen Hausen, die mnige Gemeinschaft mit der Gattin, die treue i'tiege der ältesten Tochter, die einst selbst von einem Aufenthalt im blendenden Athen ein schweres Augenleiden heimgebracht hatte. Cs freundliche Wohnung in der Bfatdiäi- kirchstrasse war lange Jahre der Sitz einer reichen lebensixdien Gesdlig^dt» die unter einfachen Formen einen Schatz geistigen T.ebens und geistiger .An- rc^iin^' bot. Hier sammelten sich ebenso die alten Freunde der Familie um den traulichen i'hectibch oder zu einer gemeinsamen Lecture, wie die Jün- geren, Studenten, Gelehrte, Fremde, des liebenswürdigsten Empfanges sicher

«

'*) Zur Lehre ▼om Hypäthndtanpel: Arcb. Jahrb. 1893, Aiuteigcr S. ■34-ff* Ges. Abb.

n, 382 fr.

Arch. Jahrb. 1893, Ansttger S. 24 fil

Curtius. t

^raren. »Die -Ladl>e dfer Jttgerid ist Kione - 01611108 lasbens« scfirieb C.

einmal; der empfängKdien Jugend war der Verkehr mit detti Lehrer uhd den

Seinen eine Qvielle immer neuer Liebe dankbar aufgenommener Anrf»ptmg ftir Gci<;t tmd Merz. Aber auch ausser riem Hause ]iel)te C. es, «sich fies Olückes der Seinigen üu freuen und bald bei dem Solme im Elsass, bald bei der Tochter in Dnrmstadt im Krme der Enkel einen Thdl' seiner Ferienseit zu- «ubringen, ein jngendfrischer Grotsvater.

Bei den ernsten Mahnungen der letzten Jahre hielt C. es an der Zeit, «meinen wissen-schaftlichen Nachlass tw ordnen. Die »Karten von Attika« er- reichten, wie oben bemerkt, 1894 ihren Abschluss. In zwei stattlichen Bän- den wurden nunmehr die. »gesammelten Abbandlungen« zasamroengcäiclk und der innere Zusammenhang von C's vissensdiaftlidbem Lebenswerk in einer kurzen Einleitung dargelegt. Audi von den kleineren Aufiätsen und Reden, ^ Alterthum und Gegenwart? , erschienen neue Auflagen. So nahte der Schluss des achten Jahrzehnts heran, urui damit eine neue hohe .Anerkennung.

Am 2. September 1894, C.'s achtzigstem Geburtstag, ward dem in Gastein rar Oir weilenden eine Ueine erhebende Feter' verunstaltet und .eine Adresse fiberreicht, an erster Stelle von 'der Grossherzogin von Baden und dem Erb* prinzcn von Meiningen (die anderen filrstlichen Unterzeichner der .Arlresse von 1884 weiltPTi nicht melir unter den Lebenden), sodann von fasi 300 Ver- ehrern in Deutschland und Oesterreich unterzeichnet. Ihm ward darin an- gekündigt, dass in Olympia an 'geweihter Stätte seine BOsle angestellt werden solle. Die Aufteilung selbst hatte aus lusseren GrOnden bis cum nüohslen Jahre verschoben werden müssen.

So sah denn der 19. .Ayinl 1895 eine grosse internationale Festversamm- lung, wie .sie seit den Zeiten der olympischen Spiele dort kaum wieder stalt- gefundeii hatte, in Olympia vereinigt^*). In der VorhaUe des nach Adler's Plinen erbauten Museums hatte die Bttste ihren Fiats gefunden» als das erste, was den Blick des Besuchers auf sich sieht, gleichsam zur Verehrung des neuen Olym])ionikcn einladend. Die deutsche Heimath hatte eine Copie der Huste von Scha[)er aus scliönem Tiroler Marmor von Laas, die griechische Regierung das Postament aus griechischem Marmor gespendet. Die deutschen Verehrer fanden in DQrpfeld, dem ersten Secretür des deutschen archäologi- schen bistituls in Athen, die griechische Regierung in Kabbadias, dem General- cÜrector der griechischen Mu.seen und Alterthümer, ihre beredten Vertreter. |)a-s gemeinsame Interesse, das alle ge!)ildeten Nationen gleichmassiL' an dieser l eier nahmen, erhielt einen lebhaften Ausdruck in den rühmenden Wurten, die llumoik, der Director der französischen Schule in Athen, für diese und zu- gleich f&r die amerikanische und die englische Schule sprach. Er hob unter anderem das eigenthttmliche Zusammentreffen hervor, dass C. in Olympia das einst von Franzosen begonnene Werk zu Knde geführt habe, während er selbst eben in Deljjhi, wo einst C. mit den Nachforschungen begonnen habe, die französischen Ausgrabungen leite: ein schöner Beleg für die Gemein^iamkeit wissenschafüicher Arbeit ohne nationale Schranken. Endlich ward em jüngerer Schiller von C, Alfred Schiff, der Persönlichkeit des verehrten Lehn rs in warmen Worten gerecht. Bei dem olympischen Festmahle, das der Feier

•3) Berlin, W. Hertz, 1894.

' ) Vgl. Die Ernst Curtius>Baste . tm Museum zu . Olympia. Bericht für die aa der i>üftang BetbeOigten. [189^.] Mit einer AVUIdnog der Bttste.

. ijui. u i.y Google

86

Cnitias.

folgte, hatten dann namentlich die Griechen das Wort, um den Philhellenen C. nach allen Seiten zu verherrlichen. Unter den Kränzen aber, die das neu errichtete Btld schmückten, erinnerten fler aus Oel/.weigen geflochtene der Kaiserin Friedrich und der Lorbeerkranz ihrer Tochter, der Kjonprinzessm von Griechenland, zugleich an den Antheil^ den Kaiaer Friedrich als Kitm« prinz an dem olympisdien Werke genommen hatte, und an das enge Pieläts» band, das Lehrer und Schttler noch nath. dem Tode umschlang. Dieses Ver- hnltniss fand im Herl)st desselben Jahres noch einen anderen Ausdruck darin, dass Kaiser Wilhelm, an dem Tage da er in Worth das Denkmal seines Vaters einweihte, de.s>>en Lehrer den Titel Excellenz verlicli.

Ea wäre eine Gnade des Geschickes gewesen, wäre »der Greis mit jun* gern Hersen und der Arbeitskraft eines Mannes«, wie 'ihn die olympischen Festgenossen in ihrem rJegn'issimpstclcpramme nannten, auf (heser Höhe äusserer Khren und innerer Befriedigung abberufen worden. C liattc sich bisher eine staunenswert he Frische und Elasticität bewahrt. Als Zögling der Griechen hatte er von Jugend auf auch den Körper geUbt, mit Turnen und Fediten, mit Wandern und Reiten. »Bis in die letzten Lehen^ahre hinein nahm er auf rier IVeppe immer noch zwei Stufai auf einmal und trat dann athemlos, frisrli, finstisehen Schrittes wie ein erwartunp;svo!!er Jimglinp ins Zimmer*).« Die Kiuumernisse und Sorgen des taglichen Lehens hatte er bich immer fern gehalten, um ftir seine geistigen Aufgaben fribcli zu bleiben. So war seine Arbeitslust und Arbeitskrarft ungeschw&cht geblieben. Da bereitete ihm ein herbes Verhängniss ein JammergOKihick, ähnlich dem, dem wenige Jahre zuvor sein holicr Schüler erlegen war, wenn aiuh ein anfleres C^rgan der Sit/ des Leidens war. Ciegen Ende des Jahres 1895 traten (He Anzeichen der Krankheit deutlicher hervor, aber noch in der Winckelmannssitzung der Archäologischen Gesdlschaft, am 9. December, sprach C. in famger Rede »wie ein Jttng^ing, eine grossartige Kraftprobec, über Eduard Gerbivd, ttber ein neues Modell der Akropolis von Athen» Aber die Geschichte von Olym- pia'*). Ueber »die Schatzhäuser von OIympia«< handelte auch C.'s letzte Mif- theilung an die Akademie''); der historischen Kmleitung zum grossen Olympia- werk widmete er noch den ganzen Sommer hindurch jeden Rest seiner Ar- beitskraft in den freien Stunden eines schmensTollen Daseins und konnte sie im We.sentlichen vollenden. »Denen, welche C. in den letzten Tagen seines T,eidens sahen, erschien als das Kennzeichen seines Zustandes der Kamj'f, mit dem er sein qualvolles Leiden als etwas Fremdes zu ülterwinden l)enuiht war. .Er sali seine Krankheit als etwas Unwürdiges an, mit dem er keine Gemeinschaft haben wolle. Von ihr durfte als etwas Wirklichem nicht ge- sprochen werden. Kein Bedauern, ja nidit einmal eine Frage danach duldete er. Wurden die Schmer/en /u gross, scj erhob er sich und ging in sein Zimmer; da sah man ihn still auf- und al)gehen und den befreienden Augen- blick erwarten, elastisch und aufrecht, wie immer sein (lang war. Noch wenige Minuten vor seinem Tode stand er auf, frei und ohne Hilfe, stellte sich neben sein Bett, stemmte sich mit den Amen auf das Fussende, reckte sich wie ein Turner rackwärts und in die Breite, und sagte: man muas sieh

**) Ch. Broidier S. 37. 44-

Arcli. Jnhrb. 1896, Anzcißcr S. 27 f. Vgl. die »Stocliep SOT GCMhlAtC VOn Oljlll« ptac in den Sitzungsbcr. <kr Akad, 1894 b. 1095 ff. ^ SitsoBgsber. 1^96 S. 139 £ (5. Ifibs).

4

Cwiias. ^

etwas recken, weil die Muskeln sonst ganz steif werden. Dann duldete er, dass man ihn entkleidete, legte sie h wie zum Schlaf auf den Rücken und tiiat tief und kiaftig die letzten AthemzUge ^').« Am it. Juli schloss er so die Augen.

Ab C. eiiiftt in der Aula der Uhivermlät bei Kaiser Friedrich'» Scheid«i geredet, hatte er sein Glauben und Hoffen in den Worten ausgesprochen; ^"Wer h.it hier nicht tiefer n!s je empfunden, dass wir die elendesten nller Geschöpfe wären, weim dies sichtbare Ende der letzte Abschhiss des menscli- lichen Daseins wäre, ein greller Misston, mit dem eine herrlich angelegte Sympbonie abieisst? Nur eine, lebendige Hoffiiung, die sicherer ist als alles, was vir mit unseren Sinnen wahrnehmen, kann uns aus einem Öden Fatalis- mt!s retten; nur sie kann tins trösten nml erhelien, wie sie des leidenden Kaisers Auge verklart hat, als sein Mund schon verstummt war. Der feste Glaube an die Unsterblichkeit bricht tiberall in C. s Reden hervor. Die Ucber- einstimmung griechisdken und christlichen Glaubens hierin var einer der Hauptpunkte, die ihn den grossen Zusammenhang der geschichtlichen Ent- wickelung hervorheben, das von Jugend auf in ihm lebendi*^e Christenthum als die V»>]lendutve seines geliebten Griechenthums betrachten Hess. F-s war eine geschlossene Weltanschauung', die in ihm lebte; in sie nahm er nicht Uoss aus seiner eigenen Wissenschaft, sondern auch aus jedem ihm zugäng- lichen Gebtete der BQdung ^ denn er war durchaus kein engherziger Fach* mann alle Elemente auf, welche sich ihr einfügten, wahrend alles Fremde oder Widersprechende von selbst von ihm abglitt und gegen alles TT:issliche iirifl Störende seine Augen sich verschlossen^*). So herrschte eine seltene Har- monie in seinem Wesen, das der rauhen Wirklichkeit entrückt zu sein schien: »er wandelte Uber den Gipfeln.«

Selten ist ein Leben, von Anfang an von den gleichen idealen Zielen erfüllt, so harmonisch und so vollständig ausgelebt worden, wie das von E. C. Mit seinen immer grösseren Aufgaben wachsend, hat er die wissenschaftliche Arbeit durch die erfolgreiche Lösung praktischer Aufgaben gekrönt. Wenn wir auf das gaiue Leben ziu-ückblicken, muthet es uns an wie ein abge- schlossenes Kunstwerk und mahnt uns so noch einmal an die eine, die künst- lerische Seite von C.*8 Natur. Manche Ergebnisse seiner Forschung werden S!( h als nicht fest genug in dem l>odeu der Thats.u hcn gegründet erweisen oder durch neue Kntdecktmgen und l^ntersurh\ingen beseitigt werflcn; vieles wird von festem Bestände bleiben, und innner wird bei Unbefangenen und einer idealistischen Denkweise Zugänglichen C als einer der in sich geschlos» sensten und schwungvollsten unter den »nachgebtnenen Hellenen« enchetnen.

*•) n. Grimm, Deutsche "Rundschau 189G, XXIT, 303.

Ueber diese Seite seines Wesens ßnden sich charakteristische Bemerkungen bei Ch. Broidi«r S. 39 ff. »Er liebte es dfe Dfaige halb ▼eraebleiett so teheo. Die harten Konturen des Lebens hatten ihn wund ^estos-ien« (S. yf). Es schmtr/lc ihn tief, wenn CT die Menschen kleiner eiland, als er geglaubt; er litt an ihren Schwächen. Und doch betas« er In auserteseoster Weise dte Fähigkeit ihr IdealbOd in sie hfneintusehen, bis es ihm- neu entgegenstrahlte und ihre Fehler wie verdunkelnde Sch:itten vnriibei zngcn (S. 40). »Die Widersprüche des Leben«; mit dem festen GefUge seiner Anschauungen beirrten ihn nicht Wo sie ihm stfirend entgegentraten, wusste sein Glaube sie in einer Welt höherer Einheit aufzulösenc (S. 43). »Der Naturalismus, ja der Realismus war ilim in jeder Gestalt zuwider, in Litterator und Kunst .... Mochte er sich schon im täglichen Leben nicht mit unangenehmen Attssendfngen befassen, die emst nnd ivtchlfg su nehmen ihm wie Tril* himgen des eigentlichen Lebens erschien, so bcgrilT er vollends nicht, was ihre Dmrslellling mit der Knast, die «rliebea «od Ututem sollte, au thon haben kOnac« (S. 4}).

. ijui. u i.y Google

88

Diesem Aufsatz Hegt ein uiunittelbar Mch Cartiu»' Tode ini Juli geschriebener Artikel in der Beilage der All?. Zeitimg 1896 No. s8a~t84 (7---*o> August) su Gnmdc, deMcn

Beiiut/ung die Rctlaction f;Utiyst jjestattct hat. Ausscrdt'in -iii l mir folgende Artikel /u- gänglicb gewesen: H. GeUer im Deutschen Wochenblatt 1S94 i>- SioS. Herrn. G rimm, E. C. Dentsche Randschau 1896, XXII, 302 ff. (Atigustbert). [Ad. Phiüppi,] K. C, Grenibntcn 1896, III, 174 fr (Juli). Ftrd. Noack, K. C, Gedenkworte, ycspriichcn mm 14. Juli 1896. Dannstädtcr Zeitung 1896, No. 363. 369 (5. & August). Reinh. Keknle Ton Stradontts, B. O, Gediiehtninrede, gehalten bei der Ton der Berliner Studenten- schaft am 26. Juli 1896 veranstalteten Trauerfeier. Berlin, S[Lmann, 1896. Otto Kern, E. C, xum 2, September 1896. Voss. Zeitung N0.411 ^413 (2.-4. Sept). Rieh. Schöne, Zur Erinnciiing an B.C, Jahrb. fltr die preuss.KttnstiaiiMnL 1896 S. 31$ K Chart. Broieher, Erinnerungen an E. C. Berlin, Stilke, 1897 (Preuss. Jahrb. 1896, LXXXVI, Decemberheft). Emst Fabricius, E. C, Deutsche Zeitschr. f. Geschichtswissenschaft 1896/97, Monatsblatt S. 284 ff. Rieh. Schöne, Zur Erinnerung an E. C., Ansprache zur Eröffnung des Winckel- mannsfestes der Arcb. Ges. zu Berlin am 9. Dec. 1896. Arch. Jahrb. 1897, Anzeiger S. 20fr. Carl Curtius, Zur Erinnerung an E. C, Vortrag, geh. am 19. Januar 1897. Lübeck 1897. Friedr. Leo, £. C, Nachr. v. d. Göttinger Ges. d. Wiss. 1897, Geschäftl. Mitth. S. 70 C

Strassburg i. E. Adolf Michaelis.

Reclaa, Anton Philipp, Buchhändler in Leipzig, geboren in Leipetg den

28 Inni 1807, gestorben ebenda den 5. Januar 1896. Er stammte atts einem ( ies( iilecht, das in der Kelurmationszcit aus S.ivoyen nach (icnf gekommen war, siel) von dort spater nach Deutschland gewandt und sich hier den Colonien der Reftiga^ angeschlossen hatte » und aus dem ausser Kanfleuten namentlich eine Anxahl Prediger, KAnstler (mehrere Goldschnnede und ein Maler) und ()ff\/?iere hervorgegangen sind. Sein Crossvatcr, Jean Franc^oi«; Reclam, gestorben T817, war als Goldschmied vielfach von Friedrich d. (ir. beschäftigt und spater zum »Juwelier des Königs« ernannt worden. Sein Vater, Charles Henri Redam, geboren 1776, hatte in der &]iulbadihuidlung von Vieweg und Söhn in Braunschweig den Buchhandel erlernt, i8oa in Leipzig eine eigene Buchhandlung erdffiiet, 1803 sich mit Wilhelmine, der Tochter des Buchhändlers Campe in Braunschweig, verheirathet und starb in Leipzig 1844. Philipp, sein ältester Sohn, kam nach seiner Schulzeit, wo Roderich Benedix sein Kamerad war, 1823 ebenfalls zu Vieweg und Sohn in die LeJure. Nach seiner Heimkehr kaufte- er am. i. April 1828 mit Hilfe eines Kapitals von 3000 Thalem, das ihm sein Vater lieh, das ehemals Bevf^anp'schc, damals Pomsel'srhe »Literarische Museum (ein »Leihcabinet mit dein neuesten in deutscher, französischer, englischer und italienischer Literatur, bei welchem man stets unter InUigsten Bedingungen sidi aboimiren kann« wie es in dem Leipziger Adresstjiuch von 1829 heisst), wagte sich auch bald an Verlagsuntemefamungai: Air die ersten dieissig llialer, die er sich gespart hatte, erwarb er das erste Man i - r -tt, eine Uebcrsctrung aus dem Französischen. 1.S37 verkaufte er aber das -Museum wieder, xwn sich (unter der Firma »Philipp Kcclam junior«) gaju dem liucliverlag zu widmen, und nachdem es ihm 1839 noch gelungen war, von Freimden unterstützt die gut eingerichtete Druckerei von Hftak*s Erben zu kaufen, war er bemüht, sich als Druckör möglichst unabhängig von fremden Aufträgen zu machen die Druckerei so viel .ils niöglii !) für den eigenen Verlag zu beschäftigen. Den Anfang dazu machten seine Bihclausgaben, Schmidts französisches Wörter- buch u. a. Von 1842 bis 1848 verlegte er namentlich Schriften politischen Inhalts. Diese Richtimg musste er aber wieder aufgeben, als m Oesterreich die Verlagswerke dieser »äusserst schlecht berüchtigten« Budbhandlung ver- boten wurden. Seitdem bemühte sich Reclam, durch dauerversprechende Unternehmungen seinem Geschäft cinp sichere Grundlage iax geben. £r ver-

Raclaia. -Rost.

«9

anstaltete, wie Tauchnitz, griechische und römische Classikerausgaben, brachte ausser dem fraosasifclien nocb dn Uodiiisdies VTönerbucb (von MtÜiImann) und ein englisches (von Kfihler), eine »Opembibfiothek« (aavieraiisEttge mit Text)

und endlich eine sehr billige Ausgabe von Shakespeares Werken, übersetzt ▼on Adolf Bottger, Htcs alles stereotypirt. Oer Böttger'sche Shakespeare (er kostete i Thalerl) hatte glänzenden Erfolg. Als daher (nach Beschluss der Deutschen Bundesversammlung vom 6. November 1856) am 9. November 1867 die Werke miserer Qaasiker ftlr den Nachdruck frei wurden, bereitete Redam für diese Frist eine billige Ausgabe von Schillers Werken vor, der sirh später /ahlreirhe andere Itilli^e Classikeraitspabcn anschlössen, und gleit lizeitig begann er ein Unternehmen, das aus kleinen Anfängen im Laufe der Jahre zu einem im Buchhandel noch nie dagewesenen Umfange gelangen sollte: die »Universal- btbliothek«, jene kleinen 'rOÜidien Zwanzig-Pfennig- Heile, die, anfangs v<m manchen verachtet, ja angefeindet, doch von Jahr zu Jahr mehr Beifall Canden, es bis zu Reclam's Tc^de zu der Zahl 3470 brachten, jetzt in Millionen von Abdrticken verbreitet sind und der Firma »Philipp Reclam junior« einen Weltruf verschafft lial.cn. Dreissig Jahre unermüdlichen Heisses hat Reclam di^em Unternehmen gewitlmet. Wiederholt mussten die Geschäft^äume er- 'weitert; die Pressen vermehrt werden, bis sich endlich die Euichtung eines eigenen grossen Geschäftshauses als nothwendig herausstellte, wohin die Buchdruckerei und der Verlag 18S7 übersiedelten, nnrl das schon 1S95 aber- mals erweitert werden nuisste. Trotz solcher Krff)Ige liHeb Reclam bis in's iioch&te Alter der thatige, pflichttreue, nü( hterne und sparsame Mann, der er von Jugend aaf giewcsen war. Seit 1863 stand ihm sein einziger' Solm, Hans Heinrich Redam, geboren 1S40, als treuer Helfer xur Sate. Nack PiiTmtdndK» dar fsianie Rodam.

C. Wustmann.

Rost, Ludvs ig Adolf Herrmann, Bu( iiliändler in Leipzig, geboren den 24. Mai 1822 ni Leipzig, gesiurben ebenda (an seinem 74. Geburtstage) den 24. Mai 1896. Er war der Chef der weltberOhmten J. C. Hinridvi*8chen Vertag»* und Sortimentsbuchhandlung, an deren Spitze von 1840 bis 1856 schon sein Vater Christian Friedri« h Adolf Rost gestanden hatte, und deren Bestehen bis in das Jahr 1791 zurtickrei< ht (lyrjr bis 1796 August Leberecht Keinicke; 1796 bis 1801 Reioicke und Hinrichs; 1801 bis 1818 J. C. Hin- richs; seit 18x9 j; C. Hinrichs'sche Buchhandlung). Er hatte bei Vanden- hoeck und Kuprecht in Güttingen gelernt, dann in Hamburg, Wien und Beiün, vorübergehend auch bei seinem Vater, als Gehilfe gearbeitet, trat 1846 danemd in das Ges' h ift <;eine«? Vaters ein, wtirde tinmittelbnr darauf Prokurist, am I. Januar 1850 1 heilhaber und nach seines Vaters 'lüde (3. September 1856) Besitzer der Handlung. Zu den allbekannten bibliographischen Vcr- laii^erken der Hhiiichs'sclwn Buchhandlung (dem Halbjahrskatalog, dem Vierteljahrskatalog, der Wöchentlichen Bibliographie und, seit 1856, dem Fünfjahrskatalog\ zu ihren Reise- und Kartenwerken, ihrer staatswissen- schaftliciien , juristischen, i)hiloso[)hischen , geschichtlichen und schönwissen- fichaftlichen Literatur gesellte sich unter Hermann Rost namentlich ein bedeutender tiieologlsclMr' und sprach- und altertbumswissenscfaafUicher Ver- lag» Seit 1876 erschien bei ihm die »Theologische literaturzeitungc, von 1877 1888 eine neue Bearbeitung der achtzehnbändigen - Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche«. Schon seit 1858 hatte er die Kunde -des alten Aegyptens durch den Verlag umiangreicher Xn^chriftenwerkQ

. ijui. u i.y Google

I

^ Kost. Zur ijUasseo.

und xahlreidier Eiiizelfoischuiig«ii gefordert. Seit 1865 ▼erlegte er die von Heinrich Brugsch gegründete, dann von R. Lepsius und A. Erman fof^

gesetzte Zeitschrift tur ägyiitisclic Sprache und Ahcrtiimskundc- . Seit 1874 reihte sich liioran nocli citi sUiitlichcr assyriologisciicr Verlag, darunter seit i88i die von F. Delitzsch und P. Haupt herausgegebene »A&syrioiogiscbe Bibliothek« und seit 1889 die »Beiträge zur Anyriologie«. Was Rost selber von einem rechten Buchhiindler verlangte» dass er ein Mittler aet zwischen Wissenschaft und Leben, das war er selbst in hervorragender Weise, unr! er konnte es sein vermöge seiner tüchtigen Bildung, seines klaren peschäftli« lien Blicks unti seines Unternehmungsgeistes. Dabei war er ein kindlich frommer und aufrichtig kirchhch gesinnter Mann (seit 186S gehörte er dem Kirchen- vorstände der Leipziger Nikolaikircbe, seit 1867 dem Ausscboss und später dem Vorstande des Vereins für innere Mission an) und sein hödistes Glück fand er in der T.tebc zu seiner Familie und der FttlSOrge fÜT sie. Nach Frivatdruckco der Familie Rost.

G* Wustmann.

Z«r Stnssea, MekUor, Bildhauer, Direktor des Kunstgewerbemuseums in Letpsig, geboren den s8. Desenber 1833 in Münster in Westfiüen» ge- storb«! den 27. Februar 1896 in Tx-ip/^iK. Sein Vater, der einer altan-

^csessenen Familie Münsters angehörte, l)esnss das prösste Juwelier- und Anti(]uit.iten;j;esrhäft dieser Stadt. Er hatte seinen Geschmack auf Reisen in iulien gebildet, war selbst Kunstsamutler und stand nüt hervorragenden Kilnstlem in Verkehr. Dennoch wurde es dem Sohne nicht leicht gemacht, die künstlerische Laufbahn einzuschlagra, su der ihn Begabung und innerer Dranp: zog. Der Vater überliess 1847 ^""^ Gesundheitsrücksichten sein Ge- schäft (km altern Sohne, siedelte nach Hamm über, wo er Grundbesitz er- worben hatte, und bestimmte rlen jüngcrn Sülm zur Landwirtbschafl. Erst nach manchen Kämpfen setzte es der junge Zur Strassen durch, dsss er 1850 zu dem Bildhauer tmd Dombaumeister Imhoff in KCti in die Ldhre gehen durfte. Dort machte er schnell Fortschritte, eine Arbeit von ihm» die oft in Terracotta vervielfältigt imd vcrk uift wurde, die vierzehn Leidens- stationen in Hochrelief, lenkte die Aufmerksamkeit Rauch s auf ihn, und 1854 zog ihn Rauch in seine Werkstatt nach Berlin. Dort erhielt er schon im Jahre darauf einen eisten Preis und bald auch Aufträge (z. B. eine heilige Flisabeth für das katholische Spital und eine Bronzefigur des Grossen Kur* fursten als Knabe für Kiinig Friedrich Wilhelm IV.) tmd verschatTte sich so die Mittel zu einer Keise nach Rom, die er 1S57 aiitrat. Die Hauptfrucht eines zweiundeinhalbjährigeu römischen Aufenthaltes war die lebensgrosse Gruppe einer römischen Hirtin. Kaum nach Deutschland surttckgekehrt, er- hielt er auf mehrere Jahre em königliches Reisestipendium für Italien und konnte zum zweiten Male nach Rom gehen. Während dieses zweiten Auf- enthaltes schuf er eine Marmorgrnppe der Caritas (filr den Bankier Oppen- heim in Cöln, ein Gypsabguss im städtischen Museum m Leipzig). 1863 kehrte er wieder nach Berlin surttck und bezog ein^ Theil der inzwischen durch den Tod des Meisters (1857) freigewordenen Rauch'schen Werkstatt Auch dort entstand eine Reihe tüchtiger Arbeiten: die in Silber ausgeführte Siegessäule für 1866, die 1867 das Heer dem König Wilhelm widmete (mit vier Reliefs), die Reitergruppe in Silber, die die iJegnissung des König> und des Kronprinzen auf dem Schlachtfelde von Kuniggrätz darstellt, das Krie- gerdenkmal für Dortmund, die Reliefe für das Denkmal auf AUen, s8 in

. ijui. u i.y Google

Zur StnMOL StMckmapn.

Bronze ausgeführte Porträts aus der preusmchen Geschichte fiir den Bibiiothek- saud des Berliner RAliilunises u. a. Aber achon von Jugend auf war die Theilnahme ond Thätif^eit Zur Stnuaen's ausser der Bildhauerei dem Kunst- gewerbe zugewandt gewesen. Schon bei seinem ersten Berliner Aufenthalt

war ihm auf Raurh's Ver^vendung die Leitung der Restavirationsarbcitcn in der Kgl. Rüstkammer übertragen wurden. Nun wurde er 1870 an die kpl. baieriscbe Kunstschule in Nürnberg l>erufen, die damals unter der Leitung Kreling's stand, eben&lls eines Westfalen (aus Osnabrfick), und nachdem im Herbst 1874 in Leipzig ein Kunstgewerbemuseum gegründet worden war, tibemahm er vom i. Aiiril 1875 an die Stelle des Inspektors dieses Museums und mgleith eine Tx-hrerstelle an der Kgl. Kunstakademie in T,eipzig, bald darauf auch eine zweite an der neu begründeten Gewerbeschule, die er jedoch nach wenigen Jahren wieder aufgab. Als Büdhauer hat Zur Strassen in Leipzig ausser zahlreichen PortrÜtbOsten (u. a. der Büste Wilhelm Seyflerth's für den Johannapark) namentlich eine Reihe dekorativer Arbeiten geliefert: so die Gruppe in dem Ciebelfelde des Hauptpostamts, rlie Figur der Lipsia auf der Börse, die Statuen von Rembrandt und Rubens am städtischen Museum, die vier Standbilder Herzog Friedrich's des Streitbaren, des Rur- Ittrsten Moritz, Goethe's und Lessing's an der Universitätsbibliothek, die sym* bolische Frauengestalt auf dem deutsi lien Bttchhindlethause, ausserdem einen I IC Meter langen Fries mit Darstellungen an«; rlcr T.andcs-gcsrhirhtc fiir das Museum in Linz. Danel)en entfaltete er auch in Leipzig, wie früher in Nürnberg, eine anregende und erfolgreiche Lehrthätigkeit: Lehnert, Seöher, TM)st und andere Bildhauer, die heute bereits als geachtete Künstler dar stehen, sind seine Schttler gewesen. Die graten Verdienste aber hat er sich um das Leipziger Kunstgewerbemuseum erworben. Die Entfaltung dieser Anstalt von kleinen Anfängen rn ihrem jetzigen Umfing und Werth ist zum grössten Theile sein Werk, und seine reichen Ketmtnisse und prak- tischen Erfahrungen auf den verschiedensten Gebieten der Technik, sein feines Stilgefithl und sem sicheres. Uberzeugendes und nie verletzendes Urtheil sind unzähligen, die bei ihm Rath und Belehrung suchten, Künst- lern, Haii' Iv. rrkcrn und Laien, zu Gute gekommen. Isabel war er ein (iber- an«? bescheidener Mann, voll Wohlwollen und Her/ensgütc, und in seiner amtlichen Stellung voll Eifer und Pflichtgefühl. Schon erkrankt, leitete er mit Aufbietung aller seiner Kräfte die Uebersiedelung des Kunstgewerbe» musenms aus den engen, dUstem Stuben am ThomaskÜHchhof, wo er einund- zwanzig Jahre hatte ausharren mttsscn, in die weiten, lichten Räume des neu- erbauten Grassi-Museums. Aber wenige Tage vor dem Tage der feierlichen Einweihung (5. Februar), der für ihn ein Ehren- und Freudentag werden sollte, den er jahrelang herbeigesehnt hatte, versagten seine Kräfte. Drei Wochen darauf wurde er aus dem Leben abgerufen.

Eine Biograpbie von ihm, von B. Trauttwcin von Belle, die aber manches irrtbflmliolie imd phaatattüch «otgctchinBckte enthUt, im FrttoldscheB Kurier, Dezember 1S70.

G. Wustmann.

Staackmann, Johannes August Ludwig, Üuchhändlcr in Leipzig, geboren den 3. Juni 1830 in Wolfenbüttel, gestorben den 13. Dezember 1896 in T^ipzig. Er stammte aus einer FamUie^ die ursprünglich in Stadthagen im Lippischen ansSssig war, und von der sich ein Zweig nach dem Braun« schweigischen gewandt hatte. Sein Vater war in Woifcnbfittel Backermeister. Nach seiner Schukeit trat er mit vierzehn Jahren bei einem Kaufmann in

StaacknuMUk. BttiUc

der Nähe von Wolfenbüttel in die Lehre, mit siebzehn kam er als Comrois nach Btaunschweig in ein Bankgesdtäft» imd iMchdein er 1850 ab Frei- williger gedient hatte, 185 1 nach Halle in ein Colonialwaarengesdlilft. Aber

bald kehrte er muh T^rnunsdiwcig zurück, in ein (leschäft, das repclmris'^ig die Leipziger Messen l)esuf hen Hess. 7a\ diesen Bestichen wurde er .m?»- erwahlt, und die Folge war, dass er 1857 ganz nach Leipzig übersiedeke und hier in das Bank- und SpeditioD^geschlft A, lieberoä etnttat. Dieser Ortswechsel wurde entscheidend seine Zukunft. Das rein kaufinännische Erwerbsleben befiriedigte ihn auf die Dauer nicht. Von Jugend auf hatte er lebhafte littenorische Neipnngen gehabt. Schon als Knabe hatte er die grösste Freude an Büchern gehabt und sich selbst von gespartem Oelde eine kleine Buchersammlung angeschafifl, die er auch an Schulkameraden gegen ein ge- ringes Leihgeld verlieh, das er dann wieder zum Ankauf neuer DUcher ver> wan<lte. Daneben hatten Theatervorsiellungen sein Literesse erregt, er hatte sirli selbst l'uppentheater i/rVn-ir und damit vor seinen K^mieraden Vor- stellungen gegeben, deren kleine Enmalunen auch nvir der \'ermehrung seinci» Bucherschatzes dienten. Während seiner I^hrzeit hatte er jede freie Stunde benutz^ seine Kenntntsse in der Litteratur und in den Sprachen zu envettem: er konnte fertig französisch, englisch und italienisch sprechen. Als tSjlUiriger Commis in Braunschweig schrieb er Theaterkritiken, hinter denen nicm.ind einen jungen Katifmann als Verfasser vermuthete. So war es denn auch die glückliche Mischung von geistigem Leben und geschäfüichem Streben« in Leipzig, was ihn bewog, ganz nach der alten Mess- und Universitätsstadt äbersusiedeln. Bald fiind er hier Geistesverwandte in zwei BCSnneni, mit denen er dann in ungetrübter Freundschaft bis i, seinem Tode verbunden geblieben ist: in Friedrirli Spielhagen, der damals Lehrer an dem Hauschil fi- schen »Modemen Gesammtgymnasium« war, und in Dr. Max Abraham, dem spätem Besitzer der weltbekannten Musikahenhandlung von C. F. Pelers, und so fosste er «Endlich den Entsdiluss, noch in vorgerückten Jahren umzuntteln und Buchhändler zu werden. Er trat 1868 bei Friedrich Löwe, der bis da- hin ein Sortiment für ausländische Litteratur geführt hatte, als »Socius« ein und gründete mit Löwe zusammen unter der Firma »Löwe und Staackmann« ein »Baarsortiment«, das zweite in Leipzig. Mit richtigem Blick erkannte er sofort die Bedürfhisse der Zeit. Gleich sein erster G^ianke» die Einführung gebundener Exemplare von der eben emporkommenden »Edition Peters« hatte glänzenden Erfolg. Am i. Oktober 1869 trennte er sich wieder von Löwe, führte das Raarsortimcnt allein weiter, erwarb dazu von Johann Ambrosius Barth d. J. dessen unter flcr Firma ''■Hans li.irlh« geführtes Commissions- geschäft und ilbernahm eiullich auch noch den Verlag der Werke Sptelhagen\ WOZU sidi 1S94 der Verlag der Schriften Kosegger's gesdlte. !KGtten aus einer an Ansehen und Erfolg sich ununterbrochen steigemden Thiitigkeit wurde er nach kurzer Kranklieit hinweggerafft, viel zu friih lür alle, die ihn kannten und liebten. Unti wer ihn kannte, der liebte und verehrte ihn auch. Denn er war eine schhchte, offene, gerade Natur, ein »echter Niedersachse«, ein Mann von sdiarfem Verstand und bedeutender Arbeitskraft, dabei doch mild und feinsinnig» immer getäJUg und hil&bereit. Vielen ist er Vorbild, viden Freund, Berather, auch Wohltfaäter gewesen.

Nach einem Privatabdrocit. G. Wustmann.

Bfirklc, Johann Martin, wurde am 14. I''el>runr 1832 im PfarrdorfFlatten- hardt bei Stuttgart geboren, musste, da die Mittel zum Studium nicht aus>

. ijui. u l y Google

Bflrklfc TliadcB* Banauum.

93

reichten, dem Wunsche, Theologe zu werden, zunächst entsagen, widmete sich dem Beruf des Volksschuliehrers, war als Lehrgehilfe thätig, diente dami bei der reitenden ArtOlerie und wanderte 1859 nach Noidamcrika aus. Hier trat er in den Kirchendienst des Staates Ohio, Staad seit s86o der evange- lischen Gemeinde zu FiTiflltM', seit 1876 der ni Chrcstline vor und war seit

1879 Pfarrer an der I'auluskirche in New-Bremen. Er gehörte zu den brauch- barsten Vorkämpfern der demokratischen Partei und pflegte in den Wahlzeiten als Wandesredner seinen ganzen Einfluss für den jedestnaUgen PrHsidentsdiafts- kandidaten setner Richtung in die Wagschale zu legen. Daneben wirkte er als Dicliter und Schriftsteller mit unermüdlichem Eifer und brachte im Laufe der Jahre eine stattliche Anzahl Bücher auf den Markt: religiöse Gedichte,

i rauerspiele u. s. w., auch fj-zählungen und Lieder im heimatlichen Dialekt. Mit den mundartlidien StQcken füllte er hauptsächlich seine su Grmvville in Ohio er- scheinende bumoriscisdbbcUetristisGfae Monatsschrift »Der Vetter aus Schwaben«, die er 1889 begründet hatte. 1894 in den Ruhestand versetzt, lebte B. fortan auf seinem Gut zu Stuttgart in Arkansas. Er starb im Anfang Septemljer 1896.

Der Beobachter 1896 Nr. 239, A. Holder, Gesch. der schwäb. Dialektdichtung (Heilbraiui 1896) &S39. Fnuis Brflmmcr, Lexikon der dcutselicti Dichter vad Pnwaiitcn de^ 19. Jahrhunderte (4. Auflage) I, S. 203. Pic Werke BSrUc^i vollständig in Kttrtch- oer's Deutschem Litteratar*Kalender auf das Jahr 1896.

Rudolf Rrauss.

Thaden, Ludwig. Am 16. Februar 1849 im Oldenburgischen Dorf Waddens als Sohn eines wohlhabenden Kaufinanns und Landwirts geboren, kam Ludwig Thaden nach seiner Konfirmation als Lehrling in ein Tuch-

gesrhäft zu Stade. Seinem Wunsch, einen gelehrten Benjf tu ergreifen, gaben die Eltern erst nach langem Sträuben nach, und nun besuchte er noch in höheren Jahren die Gymnasien zu Jever und Bremen. Zum Studium auf einer Universität |kani es jedoch ni^t. Thaden beschlösse Schriftsteller zu werden, bereiste Deutschland und lebte seit 1875 ini Eltemluius zu Waddens. 1883 siedelte er nach Berlin iilier, und nach ein paar weiteren Jahren zog er nach .Stuttgart, wo er bei der deutschen Verl.igsanstalt Anstellung fand. Zuerst war er al.s zweiter Redakteur an »lieber Land und Meer« thatig, 1891 wurde er verantwortlicher Leiter der Zeitschrift »Aus fremden Zungen«. Der heitere Junggeselle, der fast allen Stuttgarter litterarischen und künst- lerischen Gesellschaften als eifriges Mitglied angehörte, war in diesen Kreisen wohl gelitten, und er selbst filhlte sich unter den Schwaben, zu deren schwer- fälligerem Naturell seine übersprudelnde Art freilich einen starken Gegensatz bildete» behaglich. Ein altes Herzleiden setzte nach mehrwöchigem Kj-anken- lager seinem Leben am 15. Oktober 1896 ein frühes Ziel. Als Schriftsteller debUtiertc er 1875 mit dem Roman »Eine Frau von Adel«, dem ein weiterer Roman »Antonie« (tSotX einige Bändrhen Novellen sowie Uebersetzunpen aus dem Englisclien und Französischen nachfolgten. Durch keines seiner Werke ist die deutsche Litteratur wirklich bereichert worden.

Schwäbische Kroaik vom 15. Oktober 1896 (Abendblatt) and 19. Oktober 1896 (Mit- tagsblatt). ~ Franz. BrUramcr, I^cxikoA d«r deutschen Dichter und Pronjsten dei 19. Jmhr- huitderts (4.AuAage), IV, Ü, 199 L

Rudolf Krauss.

Bumann, Bugen, eifalickte am xs. Dezember 1846 zu Cannsutt in Würt- temberg als Sohn eines Apothekers das Licht der Welt. Nachdem er die Lateinschule .seiner Vaterstadt und das Gymnasium der benachbarten Residenz durchlaufen hatte, hörte er am Stuttgarter Polytechnikum Vorlesungen und'

. y 1. ^ . y Google

94

Bnuamn, Corfcu*

machte daneben die Lehrzeit in der vaterUchen Apotheke durch. Dann war er einige Jahre auswärts in Lttbeck und Gothenbarg als phannazeuttsdier Gehilfe bescbftftigt, studierte im Sommer 1870 tn Tflbingen und bestand das StaatÜdie Apothekercxamen ; 1872 promovirte er bei der Tübinger natur-

wissenschafth'chen Fakulriit. Der iK-rtilinite Professor Hoppe-Scylcr, dessen Assistent B. erst in 'l'iihingcn und sfir 1S72 in Str.isshurf,' war, gewann ihn lur (iic physiologische Chemie. Von biraijsburg, wo er seil 1876 zugleich PrivatdoMnt war, wurde er 1S77 nach Berlin zur Leitung der chemischen Abteilung des dort von du Bois-Reymond neu erbauten physiologischen In- stituts berufen, habilitirte sich daneben fiir Chctnic an der philosophisi hea Fakultät, erhielt den Titel Professor und 1882 die Stellung eines ausserordent- lichen Professors an der medizinischen Fakultät. Herbst 1883 trat er als Ordinarius flir Chemie in die medizinische Fakultät Freiburg i. Br. ein. Im selben Jahre gründete er sich einen Hausstand. Einen Ruf nach Straasburg als Nachfolger seines T. ehrers Hoppe-Seyier schlug er 1895 aus. Dagegen teilte er sich nnn mit dem Marburger Professor Kossei in die T.eitung von -»Hoppe- Seylers's Zeitschrilt für Physiologis( he ("heniie< . A'if der Höhe dei> I.cbcn*> und wissenscliaitlichen Wirkens wurde Baumann :an 3. November 1896 von einem rasch verlaufenden Hertleiden weggerafft. Mit ihm schied einer der bedeutendsten physiologischen Chemiker aus dem Leben. Eine Reihe glän- zender Entdeckungen, aus denen die praktische Medizin den grösstcn Nutzen zog, knüpfen sieh an seinen Namen. Seine letzte Leistung, die Auffindung des organisch gebundenen Jods in der Schilddrüse, machte gewaltiges Auf- sehen. Sein Laboratorium war ein MBttd]Hmkt für medizmisch-chemische Forschung, und zahlreiche Schüler dankten ihm eine ausgezeichnete wissen" schaftliche Fachbildung. Auch ab Mensch genoss Baumann ttberaU ehrliche Achtung und Beliebtheit.

Schwih. Kronik vom 4. November 1896 (Abendblatt) und^aadere Zeitung^aotixco »us j«Ben Tagen. Medidnitches Correspoudcnxblatt des WSrtt. arstl. Landetrerefas 1896 Nr. 46. Hoppe^lcr's Zeitschrift Ar Physiologische Chemie. XXIII, i (1897), S. 1— aa.

Rudolf Krauss

CurfesSy Emst. Der Sohn eines Buchbinders, erlilit kte Em.st Curfess am II. Juli 1840 in der württemlicrpischen OberamLsstadt Aalen das Licht der "Welt. Er durchlief die Re:Ubchuie seiner Vaterstadt, machte dann im Zeichen- und Modelliersaale des Huttenwerks Wasseralfingen Studien für den künst- lerischen Teil der Eisenindustrie und fand 1871 in der Kubn'sdien Fabrik zu Berg bei Stuttgart Anstellung. Von hier aus besuchte er als Hospitant die Sttut<;arter Ktmstsrhnle. Bald siedelte er r.m Fortsetzung seiner Studien nach Berlin und 1874 nach Rom über. Der jun^e Bildhauer zog zuerst nn Jahre 1877 durch Ausstellung einer fast lebensgrossen Broncehgur (Kjiabe, aus einer Amphora naschend) die Aufinerksamkdt der Stuttgarter Kunstkreise und namentlich des Königs auf sich, der das Werk ankaufte. Dauernd in die Heimat zurückgekehrt, wurde er durch die Gunst des württembergischen Hois zu einem Ansehen emporgehoben, das freilich über die schwfibischen Grenzen nicht weit hinausreichtc. Portratbiistcn des jetzt regierenden Konigs- paars mehrten seinen Ruf. Später erhielt er die seit T. L. Hofer's Tod nicht mehr verliehene Stellung eines Hofbildhauets. Curieas, der onveifaeiratet blieb, war ein heiterer Lebemann und spielte in den el^puiten Kreisen Stutt- gart«; eine j^cwissc Rolle. Ks fehlte ilmi nieht an nanirlirhem T.nlcnt, aber an gründlicher Ausbildung. Seine Kunst betrieb er mmier etwas kavalier«

. ijui. u i.y Google

GaffcM. Hidcer.

95

massig, l^as Monumentale sagte ihm (iherhaiipt weniger zu. Durch sein Hauptwerk, das Danneckcr-Denkmai, wird truU trefflichen Einzelliciten infolge der geschmacklosen Kompomtion der prächtige Stuttgarter ScMossplatz eher verunstaltet, als geziert. Ausserdem sind das Schubart-Denkmal in Aalen Und ilie Figuren am Karl-Olga-Monumcnt im l)Otanisrhcn Garten der Stuttgarter ICönigl. Anlagen zu erwähnen. Weit besser entsprach das Genrehafte seiner Begabung, und auf diesem Gebiet hat er manches köstliche, mit naiven Reiten geschmttckte StOck gesdiafiim. Cnrfess wurde am Abend des 4. Mai 1896 9)5 einem kleinen Au^ug zwischen Unter-TOrkheim and Wangen vom Schlagfloss getrofien und verschied zwei Tage darauf im Stuttgarter Ludwigs- spital, wohin man ihn überführt hatte. Er ward in seiner Vaterstadt Aalen begraben, wo bald darauf Freunde des Künstlers an dessen Geburtshaus eine Gedenktafel anbringen lieshcn.

Schwab. Krottik vom 7. Mai 1896 (.\ben(ibl«tt) und is. Mai 1896 (Mittugbblatt »Im

wUrtt. Kunstverein«). Zerstreute Notizen in der (A.ileacr) Kocher-ZcitttDS (DankeDttick vom II. Juli 1S96). Aelterc Zeitungskorrvspondenica.

Rudolf Krauss.

Hacker, Gustav. Karl Gustav Hacker wurde am 9. September 1822 zu Stuttgart, wo sein Vater Stadtrat und Besitzer des Gasthauses zum Peters- burger Hof war, geboren, besuchte das dortige Gymnasium, studierte zu*

nächst in Tübingen und Berlin allgemein bildende Fächer, namentlich Kunst- und Musikgeschichte, und wandte sich d.ann auf der wtirttembcrgischen Universität dem juristischen Fachsiudmm zu. In praktischer Ausübung seines Berufs gewann er an diesem mehr und mehr Geschmack und sireble vor allem nach dem Ruhm edler Milde und Menschlichkeit, Er nahm ver- schiedene richterliche Stellungen in Geislingen, Ellwangen, Esslingen und Stuttgart ein. Die Kunst, hauptsächlich die Tonkunst, begleitete ihn durch alle T.cbcnsstationen. Tn seiner Familie fand die klassische Musik liebevolle Ptlege; in Esslingen war er Vorstand des Oratorienvercin.s; in Stuttgart trat er als Musikkritiker hervor. Diese Beziehungen zur Kunst gaben den An- lass, dass der Hofkammerpräsident von Gunsert die erledigte Stelle eines Hoftheater-Litendanten probeweise im Jahr 1873 dem ihm befreundeten Oberjusti/rat H. anbot. Dieser willigte freudig ein und machte sich mit Eifer an seine neue Aufgal)e, die er von den idealsirri ( rcsichi.spiuiktt'n aus bcuachiete. Aber die ihaLsachlichen Verhallnisse i ilmiicu seinen reinen Willen. Tausenderlei Hindemisse setzten sich ihm entgegen, und das grösste war das en^enige Sparaamkeitssystem des ihm übergeordneten Hofkammer- präsidenten. So zog er vor, nach Ablauf des Probejahrs im Frieden zu scheiden, und trat in sein altes Amt zurück. 1879 wurde er Landgerichts- direktor in Ravensburg, 1881 in Tübingen und 1887 Landgerichtspräsident in letztgenannter Stadt. Im Jahre 1893 bescfaloss er seine fifiendidie Lauf- bahn, die durch mancherlei äussere Eluen gewürdigt worden war, darunter die Verleihung des Doktorgrads honoris causa durch die juristische Fakultät der LandeshochHcfiulc. Fr verbrachte seinen Lebensabend in Stuttgart, bis ihn der bei einem Frühjahrsaufentlialt in Baden-Baden am 14. Juni 1896 rasch eingelretene Tod aus der Welt abrief. Dass H. Gelcgejiheitsgedichte machte, war eine in weiten Kreisen wohl bekannte Thatsache: ]>f1egte er doch jedes häusliche Fest» jede Vereinigung von Freunden durch seine Verse zn sclunücken. Aber was ihm die emsthaftere lyris( he Muse be- acbcerte, bewahrte er lange Zeit ängstlieh vor fremden Augen. Erst in

96

Hücker, Heerbr^ndt Henke.

den letzten Jaliren begann er vereinzelte Proben seines poetibciicii Konnens ha der Deutschen Dichtung und andern Hlättem zu verftfientlidien. Sndiidi entschloss er si( Ii auch dazu, eine Sammlung seiner Gedichte cu venmatalten; es war ihm jedoch nicht mehr beschieden, das Werk selbst zu vollenden. Der Sohn des VcrstorVjcnen unterzog sich nun der Arlieit, und so konnte das »Aus frühen und späten Tagen: Ein Lebensgang in Gcdi< luen von Gmtav Häcker« betitelte Bachlein auf Weihnachten 1896 ^Stuiigart bd Greiner und Pfeilfer) erscheinen. Ein warmes, reines und frommes Gemtttp ein iroher Sinn und echt schwäbisches NaturgefUhl sprechen aus H*S. zwar nicht sehr gehaUvolIen, aber in sauberen und geschmackvollen Formen dar- gebotenen Liedern.

SchwMb. Kronik vmn 15. Juni 1896 (AbendUatt). BlBtter def Schwlb. Albverdai 1896, Nr. 12, Sp. 405!. Aus dem Schwarewald. IV (1S96), S. 4. Aus fxHheil und »pateo Tagen S. IX—XX. Adolf Falm, Briefe uu der Bretterweh S. 368.

Rudolf Krauih.

Heerbraiidt, Gustav. Am 14. Marz 1819 zu Reutlingen geboren, wurde Gustav Heerbrandt Buchhündler und leitete eine Budidruckerei und Buch« handlung erst in Ulm, dann in seiner Vaterstadt* Die politische Bewegung

des Jahres 1848, an der er regen Anteil nahm, vernichtete seine l>iirgerliche Existenz in der Heinial. Nathtleni er eine .siebcninonathclie Haft auf dem Hohenasperg verbüsst hatte, wurde er unter der Bedingung begnadigt, dasi» er nach Amerika auswandere. Es glückte dem mitcametunungslustigen Mann, in New^York, wohin er sich wandte, zu Reichtum und Ansehen zu gelangen. Die wirtSchaftHche Katastrophe des Jahres 1873 brachte ihn jedodi tmi sein gan7:es sauer erworbenes Vermögen. Er arbeitete sieb von neuem empor und begründete im Jahre 1S76 das New-Vorker Schwäbische Wochenblatt, dcis er bis zu seinem am 26. Mai 1896 erfolgten Tod mit Glück leitete, nebenbei noch Verlags* und allerhand andere GeschAfte betreibend. fTs. Zeitung bildete einen Mittelpunkt fiir die in den Verdnigten Staaten von Nordamerika lebenden Scliwalten. Der TIerausge])cr selbst blieb zeitlebens ein crhl schwäbisches Origmal und setzte seine Ehre darein, sich durch ab- sichtliche Derbheit und Grobheit seines Wesens als solches auszuweisen. Der urwüchsige, oft sogar unflätige Ton, den er in seinem Blatt anschlug, leistete seiner Popularität noch Vorschub, da man wusste, dass sich hinter der rauhen Aussenseite ein ehrliches TTerz verberge. H. gab sich ganz besondere Mühe, flie schwäbische Volkslitteratur in Amerika zu verbreiten. Er veranstaltete Ausgal)en s( hw;ii»ischer Dialektdichtungen, namentlich der Werke Weitzmann s und Nefflcn's. Er selber verfertigte gelegentlich mundartliche Verse, über- trug hochdeutsche Gedichte in die sdiwäbische Volkssprache, gab heimat- lichen Sdiwänken und Anekdoten schriftstellerische Fassung. Von den ver- schiedenen kleinen Büchlein, die aus seiner Feder geflossen sind, seien die iSq? erschienenen »Oedi< hte in schwäbischer Mundart« hervorgehoben: von derbem Humor gewürzte Rnüiielverse ohne poetischen Wert.

Der Beobachter 1896 Nr. 209 f. ~ Blatter dei Schwib. Albvereins 1896 Nr. 7. A. Holder, Geschichte der schwäbi«ich. Dinlcktdif^htunp (Heilbronn 1896) S. 230 232. ¥nxu Brttmmcr, L«xikon der deutschen Dichter und Prosaisten des 19. Jahrhimderts (4. Auflage). U, & 116.

Rudolf Krauss.

Henke, Philipp Jakob Wilhelm, kam am 19. Juni 1834 zu Jena als Sohn

des dortijjen Theologieprofessors F. Th. Henke 7.ur Weh. Fr besuchte das Gymnasium Marburg und studierte an dieser Universität 6, an. der

. ijui^.^.i y Google

Hcnlw.

97

Göttinger 3 Semester Medizin. 1857 in Marburg zum Doktor promoviert, verbrachte er noch zwei Semester in döttingcn iinrl Hcrlin behufs weiterer Ausbildung und wurde dann A<isistcnt des bcruiniiten Ophihahnologen Dondcrs in Utrecht. Anfangs schien es, als ob er sich der Chirurgie in die Anne werfen wolle, aber bald zog ihn die Theorie mehr und niehSr an» -und nach einigem Schwanken zwischen Anatomie und Physiologie erkor er sich die crstere zum Spezialfach. liabilitierto er sich an der IJ"niversiiat M.iil)ur<:,

war auch eine Zeit lan^' Pr(»sc( U>r, holte 1861 die Staats[)rUfung in Rassel nach und wurde 1864 /.um ausserordentlichen Professor ernannt. Seine Marburger Stellung liess ihm reichlidie Müsse zu Ittterarischen Beschäitigungen. Aus einer Reihe kleinerer Abhandlungen ging sein erstes medizinisches Werk hervor, M'odurch er seinen Ruf begründete: »Handbuch der Anatomie und \f< 1 h;inik flcr (»elenke« (1863^. Daran srhloss sich der »Atlas der topogra- phischen Anatomie des Menschen (1864 1867) an. Neben diesen facli- wissenschaftlichen Arbeiten liefen ästhetische Aufsätze her» die er in ver- schiedenen Journalen, hauptsächlich im Stuttgarter »Morgenblatt für gebildete Loserem verGffentlichte. 1865 folgte H. einem Ruf als ordentlicher Professor der Anatomie an die kleine Universität Uosloik, nachdem er sich kurz vor- her t int n eigenen Uau>st iii(l i^ei^rumlct hatte. Auch tlort fand er zu allerlei mcdiziiuschcn, ästhetischen und politischen Aufsätzen Zeit; ja der grosse Aufichwung der deutschen Nation im Kriegsjahr 1870/7 1 begeisterte ihn sogar zu poetischen V^ersuchen; überdies bethätigte er seinen Patriotismus durch )>raktischc Wirksamkeit am Rostocker Kriegslazarcth. Im Jahr 1872 ging K ah ordeiulif her Profe.ssor an die damals noch ungeteilte Pra;,'er Hoehsrhule, wo ihm die schone Aufgabe zuteil wurde, eine neue Anatomie einzurichten. Er fand hier nicht bloss in seinem medizinisdien Btmf ein grosses Wirkungs- feld, sondern auch Anregungen aller Art, Verkehr mit Kttnsdem, Schauspie- lern u. (1-1. Ausserdem war das Gefühl für ihn wohlthucnd, dass es in der höhmisi lu 11 I laujitstKli eine natinnale Mission zu erfüllen pebe. Aber all- mählich \cis( harttc sich der ( it i^cnsat/ »Kr Nationalitäten inmur mehr, untl ein Konflikt, der zwar zu seiiicn tiunsicu erledigt wurde, mahnte ihn doch an die Unsicherheit seiner Lage, so dass er im Hinblick auf seine Familie n^7 5 einem Ruf an >Uc Universität Tübingen fol-r leistete. Hier, wo eine befriedigende Lehrthätigkeit, Müsse zur Arbeit untl behagliche gesellschaftliche Verhältnisse seiner warteten, verbrachte er den Rest seines Lebens. Kr be- arbeitete seinen AUas vollständig neu unter dem litel >Topographische Anatomie des Menschen in Abbildung und Beschreibung^ (Adas 1879, Lehr* buch 1884) und gab 1888/9 ein YTerk für Studierende »Handadas und An- leitung zum Studium der Anatomie des Menschen im Pr q . rirsaalec heraus. Daneben liefen allerhand P.ros( liincn, Programme und Aulsaize aus dem (»e- biet der Anatomie wu (kr Iwmsi lui. Seine Teilnahme an den politischen Ereignissen bekundete er dun h Zciuin^sai tikel und (Gedichte, die er nament- lich dem von ihm mit glühender Begeisterung verehrten ersten deutschen Reichskanzler widmete. Scim n lanpfang bei Bismarck in Kissingen 1S92 be- trachtete er als den Höhepunkt seines Lebens. Nachdem H. im Jahre iSn^^ 'o ? die Würde des akademischen Rektors bekleidet hatte und durch Verleihung de» rait dem Personaladel verbundenen Rr.-Ordens der württ. Krone ausgezeich- net worden war, nötigten ihn wiederholte Schlaganfälle 1894 zum Rücktritt. Er lebte als Pensionär in Tübingen, bb ihn der Tod am 17. Mai 1896 von seinen schweren Leiden erlöste. Karakteristisch für H. war die Vereinigung

Blocr. JtMb. 9. DratoelMfr K«kfdt«f * 7

. y 1. ^ . y Google

98

Henke. Herzog WiiUciiu«

der fachwissensdiafdichen und kOnsderachen Anlagen. Anian^^ stritten beide miteinander tun die Oberhand, bis sie schliesslich friedltch und gleich bererh- ,

tipt nebeneinander herpnpen. Beide Richtungen entsprnn;?en (iersclbon Quelle und imindcti-n in einen Strom /usanimen. h.is Studium des toten Mensciien führte ihn /u dem des lebenden, und die weiteren Schritte zur Plastik, Mimik, Aesthetik vie 2ur Psychologie Tollsogen sich von selbst. Den bildenden Kttnsten und unter den redenden der dramatischen braclue er besonderes Interesse cntfrcpen. Seine kinisthistorischen und kunstkritischen Studien fanden bei Kachleuten wie beim grösseren gebildeten rul)liknm An- erkennting. Dabei war er ein tUchdger Anatom, der die fachwissenschattiichc Litterotur um selbständige Werke bereicherte und seinen Schülern gründliche Kenntnisse mitsuteilen hatte. Sein ganzes Wirken trug das Gepräge einer warmherzigen tind in hohem Grad idealistisch veranlagten Persönlichkeit, lg

Srlnv'Oi. Kronik vom l. Juni 1896 (Al'Ciulhlatl), Wilhclni Henke, Bing^rnpfii-tbc bkir.2c von August Froricp. JeiiSt Gustav Fischer. 1896. (Separatabdruck aus: Anatomi* »eher Anteiger. XII. Nr. 19 f.). Medidiiuehc« Cem^wndensbfailt des Wflitttnib. IntL LandwTCfeiDi. 1896, Nr. S4. KonTCiMtiomlexikB.

Kudolf Krauss.

Henog Wilhelm Nikolaus von Wfbttemberg erblickte am so. Juli 1S38 zu Karlsruhe in Schlesien, auf der Besitzung seiner Familie, das TJcht der Welt. Sein Vater, TTcr/og Eugen, war mssischer General, riet jedoch infolge srbh'mmer persönhcher Krfahrungen tlcm Sohn, lieber in Oesterreifh Kriegs- dienste zu nehmen. 1848 trat dieser als Lieutenant in das Infanterieregiment Kaiser No. i ein. £r nahm, allmählich bis ztim GeneraJmajor aufirückend, an den italienischen Feldzttgen von 1849 und 1859, am dänischen Krieg 1864 und an der Schlacht von Sadowa 1866 in ruhmvollster Weise teil; in der Sch!a<ht l)ti Novara am 2.-5. Miir/ iS.fq trug er eine schwere Verwundung davon, (lor ii«>< It manclie leichtere naclifolgte. i86q /um 1' cldmarsrhallieuie- nant belordert, ruckte er 187S an der Spitze der 7. Division in Bosnien ein und schmückte sich, bald darauf zum Feldzeugmeister ernannt, in den folgen- den Kämpfen mit neuen Lorbeeren. Ms Hdcbstkommandterender und Chef der Landesregierung in Bosnien und der Herzegowina leistete er für die Zi- vilverwaltung dieser (lebiete ebenso TrcftHrhes wie für ihre militärische Sicherung. 1881 ubernahm er den Posten des kommandierenden Cienerals in Lemberg, 1889 in Graz. 1891 zog sich der Herzog, der in einem etwaigen Krieg fUr die SteÜung eines iSsterreichisdien Heerführers vorgemerkt war, ins Privadeben zurück und erwählte sich Wien zum Wohnort, In Meran, wohin er sich Knrle Okiolicr i?>qft zuiri K uruclir.au h lirüclicn hatte, ereilte ihn am 6, November der '1 od. Kr w ar vww alli^^'nicm ]j:,rM htctc und im ösii-rr^ bi- schen Heer und Volk populäre Fer^uMlu likeii. Seine iaicnle und Interessen waren nicht in die Sciuranken seines Berufs gebaxmt; auch als Militärschrift- steller that er sich hervor. Herzog W. starb unvermählt. Seit der Thron' besteigung König Wilhelm's II. von Württemberg war er als Urenkel des regierenden Herzogs l<>tedhch Kugen der nächstberechtigte Krbe der wUrttem- bergischen Krone.

\Vurzl»ach, Biogr. Lt-xikon dts Kaisertbiiins t)csterrcich, 58. Thcil, S. 234 258. Schwhb. Kronik VOm 6. November 1896 (Abendblatt) und sonstige Zeitungsnachrichten aus jenen Tagen. Robert Rottock, Furchtlos und treu. Geschichtliche Sldtte (lilar* bürg 1S97).

.Rudolf Krauss.

Christaller. Ofterdinger.

99

Christaller, Theodor, der Sohn des 1895 verstorbenen Missionars

J. G. Christaller, erblickte /u Schorndorf in Württemberg am 2. Januar 1863 das Lj< bi der Welt. Nachdem er sirb auf der Lateinschule zu Srbonidorf und in der Präparandenanstalt und dem Semmar zu Ivünzelsau rtini Volks- schullehrer herangebildet hatte, wurde er 188a am Mission.sknabenhaus in Hasel angestellt. Im Jahr 1886 liess das Auswärtige Amt bei ihm anfragen, ob er die Leitung der beabsichtigten ersten deutschen Reichsschule in Kamerun übernehmen wolle. Freudig willigte der junge Mann, dem die Thatenlust im Blute steckte, ein und reiste Faule Oktober nach seinem Bestimmungs- ort. Am 24. Februar 1887 eröttnete er die Schule zu Bonamondone. C. war ganz der ricbuge Mann, um die unendlichen Schwierigkeiten, die sich dem Werke in den "Weg stellten, zn Überwinden. Kr erzielte bald bei seinen schwarzen Schülern, die sich in Scharen zum Unterricht drängten, erfreuliche Resultate und konnte schliesslich sogar abendliche Fortbibhm^skursc einrirbtcn, Die Duallrtsprarhe beherrschte er voilstänfii«;, wovon seine drei Lehrbücher Zeugnis ablcii,cn, insbesondere das i8y2 verofleiillit litc Hauptwerk '^Handbuch , der Duallasprache« mit angehängtem Wörterbuch. Ausserdem Übersetzte er , deutsche Liedertexte für die Zwecke seiner Schule. C, eine kraftvolle und frische Natur, erwarb sich rnirh sonst um das Deutschtum in Westafriln ent- schiedene Verdienste: er war Dolmetscher l>ei ( lerichtsverhandlungen, zuletzt Beisitzer des kaiserlichen Gerichts, ubertrug die Gesetze und Verordnungen ' in die Landessprache u. s. w. Abenteuern und Gefahren pHegte er nicht ! auszuweichen, und bei seinen dreimaligen Besuchen im Vaterlande konnte er tftwas erzählen. Selten hat sich ein deutsches Schulmeisterleben in so merk- würdigen Bahnen bewcp;t, wie das C.'s Srhaflc, dass ihm das Ziel so kurz gesteckt war. Nachdem Anlang 1896 diis verdienstvolle VViiken des Mannes ] durch Verleihimg des Oberlehrertitels anerkannt worden war, fiel er am

19. August desselben Jahn dem Schwarzwasserlieber zum Opfer. I Schwitb. Kironik ▼om 2. September 1896 (Mittwochsbeilacc)-

' Rudolf Krau SS.

I Ofterdinger, Ludwig, wvirde ani iS. Mni iSio in der kurz vorher initer

wiirttembergische Herrschaft gekommenen oberschwabischen Reichsstadt Bibe-

I räch als Sohn des dortigen süldtischen Arztes geboren. 1827—1831 studierte er in Berlin Mathematik und Astronomie, trat zu Hegel, A. von Humboldt und andern Koryphäen in persönliche Beziehungen, löste eine Preisaufgabe ■!nd erwarb sich den philosophis« ben Doktorgrad. Hess er sicli als

i'iivatdozent für die mathematischen Fächer in i ubingen nieder, schrieb ein populäres Werk über Astronomie und erhielt 1850 den Titel eines ausser- ordentlicben Professors. 1848/9 gehörte er als Abgeordneter des Biberacher Oberamtsbezirks dem sog. langen wUritembergisdien Landtag an. lS$3 Wurde ihm die Stelle eines iMathemathikprofessors am l'bner ( Hicr^^'vmnnsium üUertragen. Die ganze zweite Hallte seines lan<;en Lebens verluachte O. in tlm, das ihm zur zweiten Vaterstadt wurde, und um dessen geistiges Leben et sich in mannig&cher Hinsicht verdient machte, namentlich als vieljähriger ^ erstand des Vereins iür Mathematik und Naturwissenschaften. 1875 Kiihestand getreten, verwendete er seine Müsse zu wissenschaftlichen Arbeiten verschicflener Art. Neben einer <^Ies( hit lite der jirierbisrbcn NTatliematiV:, die er fast vollendet hinterlassen haben soll, widmete er sit Ii kuliur- und iitterar- historischen Studien. Und zwar wählte er sich die Vergangenheit des heimi- Bdien Biberach's und dessen grössten Sohn Guristoph Martin Wieland zum

lOO

Oftefdinger. GemcfL Wolit

GcgcMstnnfl. Scint- Fors« litingen legte er in einzelnen Aufsätzen, die haupt- sächlich in den Wiirttcniljcrgischen Vicrtcljahrshcftcn für Lanclesfjesrhirhrc abgedruckt wurden, und ui dem 1877 (Heiibronu, bei Hcimiiiger) erschienenen Buch »C. M. Wieland's Leben und Wirken in Schwaben nnd in der Schweix nieder. Leteterea Werk bietet trotz etwas dilettantenbaftem Gepräge manches Neue. O. setzte sich auch in den Besitz einer stattlichen Sammlung von VVicl.ind-Srhriften imrl -Bildnissen und trug rhtrrh seine Heiiiiiliungen nicht wenig zum ZustandekoninKii des liibcrachci Wielanddenlnials bei. Am 10. April 1896 verschied dci Greis plötzlich infolge von Herzlähmung.

Sehwlb. Kroiiik vom 11. Mki 1896 (Abendblatt)^ Ulmer Tageblatt 1S96, Nr. 85 (tweitcs Blatt).

Rudolf Krauss.

Georgii, Ludwig. Am 25. April 1810 zu Urach ge!)oren. machte Jo- liann Christian laulwi^^ G. den üblichen Bildungsgang des wurttcmbergischcn evangelischen Theologen durch, bestand seine Dienstprüfungen mit Auaseich- nung^ wurde 1834 1840 Pfiirrer in Dörrenaimmem (Oberamt Künzelsau), 1840 1846 Helfer in Calw, 1846—1853 Stadt))farrer und Dekan zu Bracken- heim, 1853 Dekan in Tfn>inp;cn und iMfit) Prälat und Generalsu]>enntenf leiit daselbst. Als soU lier gehörte er der wui ttembergischen Abgeordnetenkanniicr an, wie er 1848 Mitglied der Kin henverüussungskommission gewesen war und zweimal in die T.iande8synode von 1869, bez. 1879 gewählt wurde. 1890 in den Rtilustand versetzt, lebte er in Tübingen still vor sich hin, bis in's höchste Alter körperlicher und geistiger Rüstigkeit sich erfreuend. Nachtlem er am 27. Mai iHq,^ flas seltene FamilionfcKt der rliamantcnen Hochzeit ge- feiert hatte, entschlief er am 18. März 1896 nach kurzer Krankheit. Kr war Ritter dea württembergischen Kronordens und als solcher persönlich geadelt, femer Dr. phil. und theol. honoris causa u. s. w. Als Gelehrter erforschte er, ein Schüler Baurs, namentlich die ältesten Zeiten des Christentums und das Gebiet der <,'rieebis( hen l'hil(is(i|iliie. Insbesondere 70<i ihn Pinto an, tle.s^en Srhriiien er lur die im Mei/U r sehen Verlag zu Stuttgart erschienene Sammlung von KUissikei-Leber»eli;ungcn verdeutschte. 1838 gab ei auch eine »Alte Geographie« heraus, femer nahm er an Pauly'sRealenzyklopSdie teil.

Schwab. Kronik wom 18. Märe 1896 (AbcndblatQ.

Rudolf Krauss.

Wolff, Emii, wurde am 30. August 1818 711 Flrnsbiirs^ in Srlileswig ge- boren. Er .studierte 1838 1843 in Kiel, Kopenhagen und Berlin erst Medizin, dann Naturwissenschaften, i)romo vierte 1843 ^ Berlin, war Assbtent am chemischen Laboratorium der Universität Halle, 1847 1850 Dosent für Naturwissensdia ften an der landwirtschaftlidien Privat-Ldiranstalt zu Pk» 1 bei Bautzen im K<)iii^aei<li Saehscn unfl wurde 1851 7nm Vorstand tier ersten deutschen landwirtsc liattlit hen \ rrsiK hsstation in Muckern bei Leipzig berufen. Die Organisalii»ii, die er hier trat, wurde in den Grundzügen von allen späteren ähnlichen Anstalten adoptiert. November 1853 erhielt er eine Anstellung als Professor der Agrikuliurchcmie an der würtieml>er^is( hen ]and> wirtschaftlichen Akademie Hohenheim, der er über 40 Jahre lang seine ganze Kraft widmete. Neben umfangreicher Pehrthiitiijkeit leitete er die iSi^»; unter seiner Autsicht gegründeic wirtschafUich-djemische Vcrsuchsstauon. Seine wirtschalttichen Forschungen, die er im grossen Stil betrieb, bezogen sich auf das gesammte Gebiet der Pflanzen- und Tierproduktion. Die Er* gebnisae seiner Studien und Untersuchungen, die er in zahlreichen Abband*

Wolff. Grilnonwald. loi

langen und Schriften niederlegte, den weiten Kreisen der praJctisclfen «Land* Wirte sttgänglich und somit dem Erwerbsleben dienstbar tu machen^ be- trachtete er als seine wichtigste Aufgabe. Seine Hauptwerke, namentnQh'ndie •Praktische Düngerlehrc und »Die landwirtsclmfüiche Füttenmf^slehre«'. •er- lebten viele Auflagen und wurden in die verschiedensten fremden Si)ra>hen ul>ersetKt. Der Ruf W.'s kam auch der Anstalt, der er diente, zu gut und^. zog eine grosse Anzahl Studierender nach Hohenheim. An äusseren Axt^ Zeichnungen fehlte es ihm nicht, an einem Ehrendoktordiplom so wenig wie an liolien Orden. Die Fetcr seine.s fünfzigjährigen Doktorjubil.iums iSq^ gab n.iiiiciiilirh 7U Ovationen aller Art Anlass. 1894 liess sich der scrhsund- siebenztgjahrige noch rüstige (Jreis pensionieren und siedelte nach Stuttgart über» wo er am 26. November 1896 seine Tage beschloss,

Sehwtb. Kronik vom 27, November 1896 (Abendblatt). WOrtt Wochenblatt fUr

Landwirtschaft 1S06, Nr. 49. - A. Morgen, Die Mitwirkung Hohenheim^ <1or Knt-

wicklung der Agnkulturchemie (Hohenheimer F<»tr«de, Stuttgart 1896}, Konversations- lexika.

Rudolf Rrauss*

GrSnenwald, Jalcd», war ein Bauemsohn aus Bünzwangen (im wtirttem- bergischen Oberamt Göppingen), wo er am 30. September 1821 geboren wur<lc. Die Zeichenkunst war von Jugend auf seine Liebe, und mit seiner Bestimmung zum Schulmeister konnte er sieh durchaus nicht aussöhnen. So gab man ihn einem Lithographen in Ciöppingen in die Lehre; später machte er daselbst in einer Blechfabrik Lackmalereien. Als er das nächste Ziel seines Strebens, den Besuch der Stuttgarter Kunstschule, erreicht hatte, that er sich durch eisernen Fleii« hervor und erwar!) sich nebenher seinen Lebens- unterhalt durch kunstindustriellc Arbeiten. Die Anfangsgrflnde des Oelmalens brachte ihm der Landsc haüer Albert W.if^ner bei; dann nahm ihn Professor Dietrich, nach dessen Tod Bcrniuird Neher als Schüler an. Nebenbei be- teiligte er sich an der durch Professor Rüstige begründeten Koroponierschule mit feurigem Eifer. Von zahlreichen Entwürfen wurde nur einer »Pilger vor Jerusalem« ausgeführt. Unter Neher's Aufsicht entstanden ein paar religiöse Gemälde und ausserdem verschierlene Genrebilder, die Anfmerksnm- keit erregten. 1855 ging G. nach München, wo er im Verkehr mit Fiioty, W. Kaulbach und andern Meistern die schönsten und fruchtbarsten Jahre seines Lebens verbrachte. Während in Stuttgart die Kunst noch ganz im formalistisch-akademischen Stil geübt wurde, hatte sie in München bereits eine Wendnnf^ zur koloristisch naturnlistischen Richtung genommen. G. ver- legte sich mehr und mehr auf die (icnrcma)erei. die einerseits seiner He- gabung trefflich zusagte und andrerseits finanzielle Ausbeute trug, was ihm hei einer rasch sich vermehrenden Familie nicht gleichgiltig sein konnte. Seine kleineren Bilder fanden stets den gewünschten Absatz,. Doch schuf er auch grössere Werke und dekorative Stücke, wie 1863 die N'iedci niei/hmg iler bayerischen Bauern bei Aidenbach und die Sendbnuer Schlatht vom Jalir I705 als Fresken für das Alünchener Nationalmuseum. 1877 er- hielt G. einen Ruf als Professor an die Stuttgarter Kunstschule, dem er folgte, wie ungern er sich auch von München losriss. Als Lehrer des An- tikensaals widmete er sich fortnn meinen Schülern mit so grosser Hingabe, (lass die eigene Produktion rlai (iiier stark nA<b!icss. Fr blieb seinem Stutt- il,^TtcT Wirkungskreis bis an sein Ende getreu, da» am 26. September 1896 nach kurzer, aber schwerer Krankheit euitrai. Mit ihm schied ein wackerer,

. ijui. u i.y Google

X02 *'. Grancnwald. Rens. .Pnidaier

schlicWef'.Mensrh und ein Künstler ans dorn Leben, der von senicm Beruf die Itütiisic Vorsieiluiig hatte und darin alles leistete, waü lur ein initderes Ta^V 'erreichbar ist Von seinen Gemttlden seien noch »Der HagdscMag« (^Itgarter Staatsgalerie), »Der unterbrochene Hochxeitssugc, »Das Braut- fäa/i und »Schäfers Heimkehr« namhaft gemacht.

Schwdb. Krnnik vom 29. September 1S96 (MittagsbUtt) und 31. Oktober 1896 (Sonn- t^gbbeilage). Konversationslexika.

/ Rudolf Krauss.

Rens, Wilhelm Theodor, kam am lo. Januar 1834 im obersdiwftbtschen Dorf Oberdischingen (wiirttembergisclies Oberamt Ehingen), wo sein Vater Ar/t war, zur Welt. Er studierte in Tübingen Medi/in. hielt sich behufs weiterer Xiisliildung in T5ern, Heidelberg und Herlin auf und liess sich nach kurzer praktischer Wirksamkeit in Tübingen 1862 als Arzt zu Eliingen nieder, wo er sich auch verheiratete. 1865 begab er sich zum Studium einer Trichinenepidemie nach Hedersleben und legte das Erigebnis seiner For* srhungen 1867 in einer »Die Trichinenkrankheit des Menschen« betitelten Schrift nierler, was ihm den württemberpis( lien Horrru^^titel eintrug:. Im seilten Jahr siedelte er nach Stuttgart über. 1868 wurde ihm die erledigte Stelle eines Badearztes im wurtiembergischen W^ildbad übertragen. Hier fand er ein seinen Talenten trefiflich zusagendes Wirkungsfeld; unzertrennlich ver« knü|»fte er seinen Namen mit dem Aufschwung des Badeorts. Er cmfiltcte eine reiche organisatorische I luitigkeit, j^Linzende Neubauten, wie die 1 rmk halle 1870 ntid das Könii^-Karls-Bad iS()i. entstanden in senier Anibi/eit. Auch zur i'eder griflf er, um den Ruhm senies Badeorts zu mehren. 1869 erschien erstmals sein seitdem wiederholt aufgelegter Führer »Die Kur zu Wildbad in Württemberg«. Eine Reihe weiterer Schriften teils medizinischer, teils mehr populärer Art folgten nach; iu<li die Erforschung der Geschichte und l.itteratur iles Wildbads liess sirli R. an;^ele<:en sein. Im Jahre 1891 nötigte ihn er war inzwischen (»eheuuer Holrat Dr. von Renz geworden ein Sclilagäuss zum Rücktritt. Er verbrachte den Rest seines Lebens in völliger Zurück gezogenheit, bis er am S9. Dezember 1896 im Wildbad ver- schied. Er war ein unverfälschter Sohn des schwäbischen Suammes, gemiit- licli formlos tmd gcprcn Aeusserlichkriten -leiehgültig, rastlos thätig und den verschiedensten ;4cisiigen Interessen zugan^iuh.

ikliwäb. Kronik vum 19. Januar 1897 (Abendblatt); abgedruckt im Mcdicinjschen CorrefpondensbUtt dei WOrtt. ärttl. Landetirereins 1897, Nr. 6.

Rudolf Krauss.

Pruckner, Dionys. Am 12. Mai 1834 zu München geboren, lernte der für Musik hochbegabte Jüngling erst bei Fr. Niest in München, rlann iR5i '55 bei Eranz Liszt in Weimar und zuletzt noch bei Czcrny in Wien, wo er sich iUs Pianist niedergelassen hatte. 1859 wurde er als Lehrer des Klavierspiels an die kurz vorher begründete Musikschule in Stuttgart, das nunmehrige K. Konservatorium für Musik, berufen. Im l.auf der Jahre stieg er zum Pro- fessor un<l K. Hofpianisteti empor. Das Sti;tti:arter Konservntorinm verdankte nicht zum wenigsten seine r.liue P. , dcsNcn Kut" und Pehrialeni eine Srlnr von Schülern und Schülerinnen weither anlockte. Im hauptstadtischen Musik- leben s|>ielte er als eifriger Förderer des TonkOnsdervereins and Stütze der Kamraermusikabende, flie er mit begründet hatte, eine wichtige Rolle. In jüngeren Jahren hatte sich P. auch auf Kunstreisen durch Deutschland, Eronk reich und Amerika als Meister im Klaviersjpiel bewtmdem lassen. Seine

Pfnckncr. NAttner.

103

Be<leuiung beruhte auf mustergikiger Interpretation der musikalischen Rkissiker. Seit Anfang 1896 nötigte ihn ein Magenleiden, die gewohnte Thätigkeit aus- zusetzen. Vergebens suchte er an verschiedenen Orten, bei verschiedenen

medizinischen Autoritäten Heilung. Die Krankheit erwies sich schliesslich

hIs bösartifre Witcherunfr, und man musste zur Opcnition sclin.-itcn, die in

der Heidelberger Klinik vulkogen wurde und n:u h einigen Tagen den Tod

des Küiistiers am 1. Üe/ember 1896 herbeiführte.

ScbwMb. XfOiiik Tom a. Dcccmbcr 1896 (Abendblstt)* Neu« MasUt^Zeituiiif 1897, Nr. I. > KottTertatioitflcdka.

Rudolf Krauss.

Natzmer, Krnst Hans Karl Gncomar von N., Königlich Preussischer i>berst zur Disposition, aus altem in Hinterpommern ansässigen Geschlechte stammend, welches dem Heere eine grosse Zahl von Offizieren, unter denen auch N.'s Vater war, gdiefert hat, am 17. Mai iS$i in dem Städtchen

Si]ii\ elbein im gleichnamigen Kjreise geboren, trat am 11. November 1850 als dreijährig Freiwülij^er mit rler Aussicht auf Beförderung zum Offizier beim Q. Infanterie-Rej^iinente in den 1 >ienst, ward am 3. April 1852 zum Sekunrl- lieutenont, an» 14. Januar 18O0 zum Prcniicrlieutenanl befordert, am 1. Juli des letzteren Jahres gelegentlich der Reorganisation des Heeres in das 49. und am 6* März 1863 in das 16. Infanterie-Regiment versetzL Bei dem Chef des letzteren Regiments, dem Prinzen Alexander von Prcussen, war er 1863/64 eini^'c /eil zur Dicnstleistunjx kommandirt bis er am 10. Novend)er tS6.}, zum Hauptmann imd Kompagniechef aufgerilckt, zum Regiraente zurückkehrte. In dieser Stellung machte er, der Elbarmee angehörend, den Feldzug vom Jahre 1866 in Böhmen mit. Bei Ausbruch des Krieges gegen Frankreich ward er zum Kommandeur des Landwehrbatiillons Unna ernannt, mit welchem er /imrtrbst an der Kinsrhliessung von Metx teil nahm; rlann erhielt er das Kornm inrlu des i. Hatiiillons des 16. Infanterie-Regiments und befehligte dieses an Feldzuge an der Loire, bis er am 30. November bei Maizi^res schwer verwundet wurde. Durch Verleihung des Eisemen Kreuzes i. Klasse ausgezeichnet kehrte er in die Heimat zurück, ward am 15. Juli 1872 als Major 7Mrr\ 15. Tnfanterie-Regimente, am 26. Januar 1875 als Bataillonskom- mandciir /um 37. FusiJier-Regimente, am 22. Januar 1S76 /um Orenadicr-Re- gimente Kronprinz No. i versetzt, am 5. Mai 1883 zum Kommandanten von Memel und am 10. Mai 1884 zum Oberst und Kommandanten von Torgau ernannt. Als solcher schied er am 13. November 1886 aus dem aktiven I>ienste und nahm seinen Wohnsitz zu Arnstadt in Thüringen. Fortan widmete er, sich Gneomar Ernst von N. ncnnenf!, seine Müsse ganz schriftstc!lcris( her Thätigkeit, welche ihn schon früher mehrfach beschäftigt hatte. Hauptgegen- stand derselben war die Gescliichte seiner Familie. Zu Anfang hatte er das Leben eines N. b^chrieben, welcher im Jahre 174s in Preussen Ulanen er- richtete und an den beiden ersten Schlesischen Kriegen teil nahm, »George Christof von Natzmer, Chef der weivseii Musaren« (Hannover i.Sytr; d.um ver- öffentlichte er l'>riefe uiul Tagebuchblatter «Aus dem Leben des ( leneraK Old- wig von Natzmer« (Berlin, 1876), welcher vor und nach den Befreumgskriegen sowie während derselben eine bedeutende militärisch«politische Rolle in der Umgebung der Könige Friedrich Wilhelm HI. und Friedrich Wilhelm IV. spielte, und als eine Fortsetzung davon »Unter den Hohen/ollern p. p.v< (Vier Bände, Goth i 1887 ff.); ferner »Lebensbilder aus dem Tnhrhitmlcrt nach dem grossen deutschen Kriege« (Gotha 1892), hauptsächlich den Feldmarschali

104

Natxner. Freiherr Kuba von Kuhoeofeld.

Bügislaw (ineumar von Natzmcr, 1654—1739) liehanclclnd, und schliesslich Hess er sidi zu einer Ungeheuerlichkeit verleiten, indm er ein Buch »Von dem Heldenleben eines Reiterführers und den 8. Dragonern bei Nacho(i<r betitelte und in demselben die Schilderung des Lebens und der Persönlichkeit seines llruders bot, welcher in dem ersten ('icfcrhtc, an dem er teilnahm, als Kskadronchcf im 2. Schlcsischen Oragoncr-Regimente No. 8 am 27. Juni 1866 bei Nachod fiel. Ein Aufsatz »Zur Geschichte der Schlacht von Beaune la Rolande«, welchen er im Jahre 1894 in den zu Berlin erscheinenden »Neuen militärischen Blattcrn<. vcrötTentlichte, gab dem Hauptmann Friu Hoenig, gegen dessen D.ustelhuiu jener Si hlaelit in rlem Werke »Der Vollöl ricir :^ti der Loire'?: N. l.insj^r.K he erhol)crn h:itte, X'eranlassung 7A1 einer in der näm- lichen Zeitscluifl abgedruckten Erwiderung, aut welche N. in einer seine Thätigkeit während des Krieges vom Jahre 1870 behandelnden Sdirift »Hei der l^dwehr vor Metz und die Schlacht bei Beaune la Rolande < (Berlin 1894") antwortete. Damit endete dieser Federkrieg, aus welchem N. nicht als Sieger hervorging (vgl. Militär-Zeitung für die Reserve- und I nndvvchr- Oftuicre des Deutschen Heeres, Berlin 1895, No. 1); der Streit betraf N. s persönliches Verdienst um die Vertheidigung des Kirchhofes von Beaune la Rolande. N. starb am 2. Oktober zu Arnstadt

V. Löl>cir$ J«brc6bcrichte Sber die VerHnderangcn vnd Fortsekrltte im Militirwesen. Jahrgang 1896, & 597, Berlin.

B. Polen.

Kuhn, Franz Freiherr K. von Kuhnenfeld, K. und K. Feldzeugmeisier, am 35. Juni 1817 zu Prossnitz in Mähren als der Sohn eines sfiäter geadelten Majors Kuhn geboren, ein Zögling der Theresianischen Militiir- Akademie zu

Wiencr-Noustadt, aus welcher er im Jalire 1837 als Lieutenant beim Infanterie- Kegimente Nr. i atisp:emustert ward. Kr war der Vor/iiuH<hste seine«; |ahr- gan<je-> uiul der Mann leistete, was der Jüngling versprut lien hatte. Schon im >\pril 1839 wurde er dem General -Quartiermeister -Stahe zugctheilt und war, am 18. Dezember 1843 zum Oberlieutenant, am 15. April 1848 zum Hauplmanne aufgerilckl, als im Frühling jenes Jahres der AuKi md im Loni- bardisch-V'cnciianischen Köniurciclie ausbrach, (ieneralstahsolfi/ier der Bri- gade Strassoldo. Sebnn beim Sirassenlcnmpfc in Mailand hatte er sich aus- gezeichnet; im Verlaute des Feldzuges ertuhren seine Leistungen auf den Schlachtfeldern von Santa-Lucia und von Montanara, von Curtatone und von ( ioito, bei <ler Finnahmc von Vicenza, bei Somnacampagna und Custoza die wiederholte und warme Anerkennung seiner Vorgesetzten. Nii li( ihm selbst, sondern K. "^r^ ihre das Verdienst, '^afjtc fieneral Strassoldo nach dem Stri\ssenkamj)lc von Maitand, und Radetzky spra<h von dem glänzenden Namen dieses vortreflTlichen ()f?iziers vom besten Rufe in der Armee. « Nicht minder gute Dienste leistete letzterer auf dem nämlichen Kriegsschauplatze in dem kurzen Feldzuge des näc hst folgenden Jahres, nach dessen rascher Beendi- gung er an dem Zuge in den Kirchenstaat und dann noch an dem Schluss- aklc des Krieges in Ungarn, der Belagerun:: von Kf>morn. teihiahiu. Schon damals erwarb er Oesterreichs höchstes Milu.uclirenzeit hcn, den Militär- Maria -lltercsien- Orden, welcher nur wegen ganz besonderer Verdienste und nachdem die Ans))rüche des Bewerbers um die Auszeichnung durch das Ordenskapitel geprüft imd für berechtigt erklärt sind, verliehen wird; den Statuten des Ordens ents|irechend erfolgte dann K.'s Anfinlime in rlcn Frci- hcnensiand. Am 2. September 1849 ward er, im GcueralquarttcrmcistQr-Staba

Freiherr Kulm von Kuhneofdd.

verbleibend, Major, am iS. Juli 1853 Oberstlieutenant. Als bald darauf der Orientkrieg ausbrach und Oesterreich einen Teil seines Heeres in Bereitschaft stellte, ward K. als Gcneralstabschef bei dem für die Mitwirkimg in Aussicht genoninienen 2. Inf^mfcrickorps verwendet: rils diese .\\issif ht sich nicht ver- wirklichte, ward er als l ehrcr der Strategie an die Rriegsschulo zu Wien be- niten; am Marz 1857 wurde er Oberst. Der Ausbruch des Krieges von 1859 in Italien traf ihn als Chef der dortigen Armee, welche durch den Feldieugmeister Graf Gyulai befehligt wurde. Aber K. konnte sich mit seines Vorgesetzten Ansichten und Massregeln nicht befreunden; die Vorschläge, die er vor T5cpnn der Feindseligkeiten für füe zu treffentlen Anordnnnfjcn gcnvirht hatte, blieben unberiicksichtigt; der Verlauf des Feldzuges war \un vurii- herein unglücklich und als K. einsah, dass er auf dem ihm angewiesenen Posten eine erspriessliche Wirksamkeit nicht ausüben könne, bat er um seine Kntlu biing. Sie wurde ihm «ugestanden. Am 21. Juni erhielt er vorttber- gt liciul das Kommnndo einer Tnfnntcn*c-T?ripide, welches er aber, da er seinem Dienstalter narli zu einer solchen Stellung noch nicht nn fler Reihe war, am II. Februar 1860 mit dem des 1 7. Infanterie-Rcginjents vertauschen musste. Erst am 3. Juni 1862 wurde er Truppenbrigadier, am 29. Oktober 1863 Generalmajor. Ein besonders giänzenries Hlatt in seiner l.ebensgeschichte ist mit der Schilderung seiner nächstfolgenden Thätigkeit beschrieben. Es ist diejcnif^e, weh Iic er während des Krieges vom Jahre 1866 an der Spitze der Landesvertheidigiing von 'i'irol entfaltete, wo er, ein Meister im Gebirgs- kriege, mit geringen Kräften einen weit überlegenen Feind im Schach hielt und das österreichische Gebiet vor dessen Einfkllen schtttste. Die Verleihung des Kommandeurkreuzes <Ks MiHtär-Maria-Theresien-Ordens sprach die An- crkcnnnn^ seiner vorzfiE:li( hen Leistungen aus. Am 17. An^rnst jenes Jahres erfolgte seine Belordcrung /um Feldmarsch.ill-Lieutenant und nach Friedens- schlüsse wurde er Oberkommandant der Landesvertheidigung in Tirol und VoraHberg, auch wurde er zum Inhaber des frtther von ihm befehligten krai» nerischen Infanterie-Regiments Nr. 1 7 ernannt. Die grÖfiSten Dienste aber, welche das österreichisch-imgarischc Heer und der Kaiserstaat ihm danken, hat er als Kriegsministcr iieleistet. .Am 18. Januar tS65? übernahm er, an Stelle des Feldzeugmeisters Freiherrn von John, die schwere .\ufgabe, das gesamte Wehr- und Heerwesen des l^des auf ganz veränderten (>rundlagcn neu aufzurichten. Er hat sie durchgeführt und glänzend gelöst, der Vergleich zwischen Jetzt und Ehemals legt ein beredtes Zeugniss daftir ab. Auf sämmtp li<:hen flcbieten seiner ausgebreiteten imd vernntwortlichen Tltätiirl cit mnvstc Feberlebtes und nicht mehr /eilgemasses beseitigt werden, nin-^sien Amde- ruiigen vorgenommen und Verbesserungen eingeführt werden, the kriegliihrung war eine von der froheren vielfach verschiedene geworden und die Wafien- technik hatte ungeheure Fortschritte gemacht; die Zustände, wie sie waren, erheischten gebieterisc !) Abhilfe und Frsntz durch Besseres. Aber so viel Dank und Anerkennun;: K.'s Wirksamkeit im Ganzen und Grossen gezollt wurden, so viele Femde und Widersacher schuf sie ihm in einzelnen und noch dazu in einflussreichen Personen, deren von ihnen fllr berechtigte ge- haltene Interessen er schädigte, indem er erfolgreich gegen das GflnsUings^ wesen einschritt, feste Normen für die Beförderungen aufstellte, manche lieb- gewordene und j?ewf)hnte I'iiiric hftmc' 1>e'^eiti;jtf', nnerbittlich ge-jen jeden Schlendrian vorging. Dabei verlel^len vielfach sein rauhes Wesen und eine freilich durch ein grosses Wohlwollen gemilderte urwüchsige Grobheit. Er

io6

Freiherr Kuhn von KidraenfdiL KShler*

kehrte sich daran jedoch nicht. Stets das Ganze vor Augen, ging er, ein ab^'cs.iKfcr ricpier alles Byzantinismus, seinen Weg p;cradc durch. Aber der hcimliclic Widerstand gegen seine Absichten und Wunsche henuiue seine Wirksamkeit^ die parlainentarisdien Körperschaften waren wenig bereit, seine Fordeningen für den Heereshaushalt zu erfiUlen und so schied er nach sechs- jälirigcr mühsamer Arbeit am 14. Juni 1874 aus dem Amte um kommandi- rentler General in C<rr\7. und Kommnndant des III. Armeekorps zu werdei^. Am I. Febninr iS6(j war er zum (Ichcuiien Rathe, nm 23. April 1873 war er /.um l eidzeu^uicister ernannt worden, im Jahre iSSb wurde er Kanzler des Militär'Mana-Theresien-Ordens. Nachdem er jenes Amt vierzehn Jahre lang innegehabt hatte, wurde er desselben dun !i ein vom 16. Juli 1886 da- tirtcs Kaiserliches Handschreiben enthoben. Die vollständige Bereitstellung der Armee mache eine anderweite Besetzung des von ihm bekleideten Postens nothwendig hiess es in dem Schreiben. Uebrigens ward K. nicht pensionirt, sondern mit Vorbehalt anderweiter Verwendung zur Dispositions gestellt. Die Anordnung machte grosses Aufsehen; K. brachte sie vidiäche Huldigungen, namendich von Seiten des ihm untergebenen Ofßzicrkor])s, ein; auch in bttr- yerlirhen Kreisen erfreute er sich alJfjemeiner I?eh'elüheit; in Steiermark l.anntc ihn Jetkrniani) ; in Tirol warrl seine Name nui all^'cnieiner Vcrehruiig ^'enaiiiu und das Heer blickte mit Vertrauen auf ihn als einen seiner Fuhrer für den Fall des Krieges, daher war das Interesse an dem Falle ein in weiten Kreisen tiefempfundenes. Aber vergeblich suchte man nac h der Lösung des Räthsels. K.'s .Alter konnte nicht der Grund sein, denn körperlich wie geistig' war er vollkommen rusti:^: ebenso weni«; konnte die Ursache in seinen mancherlei Eigentümlichkeiten und Sonderbarkeiten, in seinem häufigen Hamcgschen über die gewöhnlichen Formen gefunden werden, denn diese traten jetzt nicht mehr hervor als ehedem. Er behielt seinen Wohnsits in Grax bei, starb aber am 25. Mai 1896 zu Strassoldo bei Görz. K. war eine athletische Erschei- nung und ein h<)rh^cl)ildetcr Mann mit wciiaussrhauenrlcm staatsmiinnischen Blicke, cm gründlicher Kenner der Kricgbwissenscliafien, der daneben den Homer und den Horaz in den Ursprachen zu lesen liebte. Als SchnfLsteilcr ist er mit einer klaasischen »Studie über den Gebirgskrieg« (2. Auflage 'Wien 1 878), mit einer ohne Nennung seines N;unen8 erschienenen »Strategischen Skizze (Iber den l'cldzug von 1866 in Böhmen« und mit »Betrachtungen über die Operationen der franzosisciien Ost-, West- und Nordarmee im Januar 1871^- an die Oelfenüichkeit getreten; auch hat er maimigfach Beitrage für militä- rische 2^itscfariften geliefert.

Strcfilcur's tfsterreichifche »tlitltriBehe Zeitschrift, Wien 1883. 4. Baad. v. LöbeU's J:itirtsbericble ttber dfe V«r8ndcrtiQgcii und ForUchritte im MÜitXrwcsen. jtthrgang 1896,

Bcdm.

B. Poten.

Köhler, Karl Heinrich Gustav, Königlich Pieussischer Generallieutenant zur Disposition, am i. März 181 8 als der Sohn eines Bürgers und Buchbinder- meisters in der kleinen Stadt T iibbcn im prcussischen Theile der Lausits ge* boren, trat am \G. Mai 1835 bei der 4. Anilin l ie-Brigadc zu Magdeburg als dreijährig i rciwiiiiger in f!a<; Heer, wurde am 30. September T837 zu Portc]ice- fahnrich, am 24. September 1838 zum Sekondlieutenant befordert und durch- lief, nachdem er von 1836 bis 1839 die Artillerie- und Ingenieur-Schule, von 1842 bis 1845 die Allgemeine Kriegsschule (jetzt Kriegsakademie) besucht hatte und sowohl als Adjutant wie als Lehrer an der Kriegsschule zu Erfurt

Kdblcr. OiehrL

verwendet vrorden, auch nun Topographischen Bureau kommandirt gewesen war, alle militarisdien Rangstufen bis er am 15. September 1876 als (ieneral* major und Kommandeur der 6. Fcldartillerie-Brigade aus dem aktiven Dienste schied. Der Teilnahme am Kriege des Jahres 1866 hatte ihn seine damalige Verwendung als Artillerieoffizier vom Platz zu Danzig entzogen, den von 1870/71 gegen Frankreich machte er, am 7. Mai 1870 zum Konunandeur des Niederschlesischen Fddartfllerie-Regiments Nr. 5 ernannt, als Kommandeur der Korpsanülerie des V. Tosenschen) Armeekorps unter Genetal von Kirch» bach mit; die mnntu^f.u hcn und wii htifjen Dienste, welrhe er in flicscr Stellung, n<'^menili( Ii in den K.nnpfen von Wcissenhurfj, Wörth, Beaumoni und Sedan sowie g^legentiitlt der Kinsclilie.s.suiig von i'aris leistete, trugen iimi damals das Eiserne Kreuz i. Klasse und, nach Alnfundxwanzig Jahren, am 6. August 1895, ^'"^ dankbare Erinnerung seitens seines Kriegsherrn, die X'erleihung des Charakter als Generallieutenant ein. Nachdem er in den Rubcstfind getreten war, ^v^dmete er die ihm vergönnte Müsse, in seiner letzten (iarnison Breslau verbleibend, kriegsgeschic htliclien Studien, zu deren Betriebe er schon Veranlassung gehabt hatte als' er in den Jahren 1848 bis 1852 an der Kriegsschule zu Erfurt Militäilitteratur vortrug. Mit Vorliebe wandte er sich mittelalterlichen Begebenheiten und Verhältnissen zu. Die erste seiner im Drucke erschienenen Arbeiten war eine kurze aber klare Darstellung der Schlachten bei Nikopoli (1396) und Warna (1444^ (Breslau, 1882). Dann folgte »Die Schlacht bei Tagliacozzo am 23. August 1268« (Breslau 1884), weniger eine Schilderung der Vorgänge als eine Polemik gegen eine ohne Verständniss fiir militärische Dinge von einem Professor herrührende Beschrei- bung bietend; darauf ein sehr griindlidus und umfassendes dreibändiges Werk 'Die Entwickelunp des Kriegswesens und der Kricgfühnnig in der kitterzeit von der Mitte des 1 1 . Jahrhunderts bis zu den Hussitenkriegen« (Breslau iSS6ff.) nebst einer Ergänzung zu demselben, »Die Schlachten von Ta^acozzo und Courtrai betreffend« (Breslau 1893), wiederum gegen Dar- Stellungen di r Kjie^reignisse durch Gelehrte bürgerlichen Standes gerichtet, und s( lilicsslit h ein ebenfalls breit angelegtes, .1 if den besten O'"^'''^'^ ruhcndes, mit Skizzen und Plänen reich ausge>taiiL [c> lUich ^»fresc hichie der Feslungen Danzig und Wcichselmünde bis /.um Jaluc 1814 in Verbindung mit der Kriegsgeschichte der freien Stadt Danzig« (Breslau 1893). K. starb zu Breslau am 29. September 1896.

V. Löbcll^ Tahrc«berichte Ober dk Veriitdeningea und Fortsclintte im Bfilititwesen JiüirgajRg 1896, Biirrlixi.

B. Boten.

Gichrl, Maximilian Ritter von, Königlich Bayerischer Generallieutenaiu, im Jahre 1840 als der Sohn eines Landrichters Giehrl geboren, ward am

16. August 1858 Junker, am 6. April 1859 Unterlieutenant, 1863 Oberlieute-

nant im C',onieknr]).s, besuchte die Kriegsaknflernie, wurde 1870 zum Haupt- mann befördert und nahm während des Krieges gcge!> Frankreich mit der zum II. Armeekorps unter General von Hartmann gehörenden 7. Infanterie- Brigade an den Einmarschkämpfen, namentlich an den Schlachten bei Wörth und bei Sedan und an der EinscMiessung von Paris teil, war nach Friedens^ Schlüsse im Kriegsministerium beschäftigt, rückte 1876 zum Major auf, trat 1880, als Bataillonskommandcur in d;is 14. Regiment einrangirt. zur Infanterie über und ward 1884, nachdem er 1882 ()l)ersllieutenant geworden war, in den Generalstab versetzt, 1890 vertauschte er, ein Jalir zuvor i:uin G^^neral-

. ijui. u i.y Google

GiehrL Frommd,

major befötdeit, die von ihm zuletzt bekleidete Stellung als Chef des General* Stahes beim II. Armeekorps mit der an der Spitze der Besatzungsbrigade su Metz ihm angewiesenen und diese wiederum 1893 mit der als Kommandeur

der 2. Infantcrie-l^npaflo zu München. In diesem Jahre wnrd ihm auch, .ils Ritter des Vertlicnsiordens der Bayerischen Krone, der persönHciie Adel ver- liehen. 1895 zum Chef des GeneraJstabes der Armee ernannt und gleich- zeitig mit WaJimehmung der Geschäfte des Inspekteurs der Militär-Bildungs- anstalten beauftragt» am 29. Mür/ d. J. zum Ger^rallieutenant befördert, starb er am 17. Oczcmbcr tS()6 zu Mihichen.

Allgemeine Militarzcituag, Ditraiistadt und Leipzig 1S96, Nr. 100.

B. Poten.

Fronunel, D. Anil, Königlich Preussischer Oberkonsistorialiath und Hof* prediger, geboren am 5. Januar 1828 zu Karlsruhe im Git>ssherzogthuine

Baden, entstammte einer KUnstlerfamilie und war trotz seiner vorstehend ges- nannten Titel und Würden ein rechter imd echter Soldatenpastor. Au«; einem Hause hervorgegangen, in dem neben der Malerei, welche der Vater, der Galleried irektor war, betrieb, auch Musik und Wissenscliaft eine verständniss- volle Pflege fanden, von seiner Mutter mit tiefem religiösen GefUhle aus- gestattet, ward er im Jahre 1850 nach vollendeten üniversitätsstudien Vikarius zu Altlusslicim , einem 7wi<;rhen Heiddlicrg und Speier nm RlR-ine belciicncn Dorfe, liier staiul dri Juii.m-, hn« li^cbiMefc^ unrl ristlunisch \ cr.in]ai;ie, reli- giös gewccivie l^rolessorensohn einem alten sio( krationalisiisch gesinnten Land- pfarrer zur Seite und sandig erschien ihm vielfach die geistliche Berufsarbeit, welche er zu verrichten hatte, aber sie schuf ihm Verständniss ftlr die Herzen einfacher Menschen und legte den (Irund zu der edelen Volksthiimlirli- leir, welche spater den gefeierten Rerlticr niiszcichnete. Hier verheii.iietc er sicli im Jahre 1853 mit Amalie Bahr, der ihn uberlebenden Mutter von zwei Söhnen und drei Töchtern. Auch in Karlsruhe! wohin er 1859 als Vikarius und Stadtpfarrer llbersiedelte, ward ihm das Leben durch seine freigeistigen Amtslwiidt r vielfach schwer gemacht, doch seine Kirche war Itald, trotz rier dem ücmk he seiner I'h.mI inten nnfnni:'^ wenis: ijiinstifren Nach- ini (Uigs.stunde, Uberftlih. Indexen dankte er (iott, als nach zehn Jahren ein Ruf der lutherischen demeiiule /u li.iniicn im Wupperthale an ihn erging und bis 1869 Wer eine höchst segensreiche Wirksamkeit entfaltet, ein

at]M irv\ ,>iu s, ihm jedoch sehr zusagendes Leben geführt. Als er einen Kirchenbau beantragte, wurden ihm nicht nur die Gelder bereitwillig zur Verfügung gestellt, ^f^>ndern es wurde ihm auch die Ausführung übertrngen, ticnn, wie überall v^^hin er kam, eroberte er die Herzen im Sturme. l).i erfolgte seine Berufung als Gamisonprediger nach Berlin, zu welcher König "Wilhelm s I. Tochter, die Grossherzogin I^ouise von Baden, die Anregung gegeben hatte. Nur zögernd sagte er zu, aber es geschah Alles, um ihm den Vorschlag annehmbar erscheinen /n hssen, nn< h die Pi(ibe]>redigt blieb ihm erspart. »Der König kaufte die Katze iin .Sat kc, ^agte t . seihst hinterher. Kaum hatte er sich eingelebt, so kam der Krieg gegen I rankreich. Seine Stellung hätte ihn bestimmt zurückzubleiben, aber er drang in den Feldprobst Thielen, ihn hinauszusenden und bald stand er mit der Gardc-Landwehr- I)ivi<ir.n vor Str i -.Inirif. Als Feld-I )ivisionsprcdiger bei der Armeeabteilung des (iciicials \on Werder hat er sodann clen Krieg im Südosten von Frnnk- reich mitgemacht und mit dem Eisernen Kreuze 2. Klasse am weissen Bande geschmückt ist er nach Friedensschlüsse heimgekehrt Volle ftuifundzwanzig

Fromme]. Fircks»

Jahre hat er alsdann noch seines Amie» als (.ianusonpfaner von Berlin ge- waltet und, als er ging, trauerte eine grosse Gemeinde, die weit öber den ihm angewiesenen Sprengel hinaus ihm zugewachsen war, denn, wer ihn ein- mal kennen gelernt hatte, wollte in Verbindung mit ihm treten oder bleiben. Ki!>en höheren Wirkungskreis verschmähte er. Als nach des Feldprobst I hielen Tode Kaiser Williclm I. ihn zu dessen NacIifoJger zu machen ge- dachte, lehnte F. ab: »Lassen Euere Majestät mich bei meinen blauen Jungens^ ich tauge nicht ßlr den grünen Tische, bat er und in der That haaste er die Akten und die Arbeiten des Cieschiiftszimmcrs. Dagegen liebte er eine andere Art von schreibender Thätigkeit. Es war die, welche ihn zu einem flcr beliebtesten und pelesensten VolksschriftsteUer der (legenwart ge- macht hat, und eine grosse Zahl von liuclicrn ist aus ihr hervorgegangen. Die Geschichten, die er erzählt, die Begebenheiten, von denen er berichtet, die Pers(>nli( likcitt ii, welche er schildert, sind meist sehr einfacher Art, aber w;u> er schreibt, übt einen eigenartigen Reiz. Jedem ( legenstande, jeder (legend, jedem Menschen oder 'l'hicre weiss er bcsnnflerc Seiten abzugewinnen und mit Meisterhand zeichnet seine i'eder Alles, womit sie sich bescliäftigt; F. wirkt nicht nur unterhaltend, sondern auch veredelend und läuternd, bil- dend und erhebend. Sein grosser Gönner war Kaiser Wilhelm I., wdcher ihn vielfach in seinem persönlichen Verkehr zog unti ihn während seiner sp.-iteren T.ebensjahre sechszehn Sommer hindurch mit narli \ViUlbad-(i.istein nahm, wenn er tiori die Häder gebrauchte, und <lns Vertrauen, welches jener für den F. in seinem Herzen ein ganz besonileies Kanimerchen hatte«, ihm schenkte, ging auf dessen Grosssohn über, so dass Kaiser Wilhelm IL, nach- dem Rücksicht auf fortgeschrittenes Lel>ensalter und angegrifiene Gesundheit F. veranlasst hatten zu Ostern 1896 in tlen Ruhestand zu treten, fliesen seinen älteren Söhnen, welche nnrfi !*!ön in Holstein gesandt wurden, um mit den Zöglingen des dortigen Kadetteiihauses erzogen zu werden, und sich gleich- zeitig auf die Konfirmation vorzubereiten hatten, als ihren Religionslehra' mit- gab. Aber nicht lange war ihm vergönnt, als solcher zu wirken. Schon am 9. November 1896 ist er dort an einem inneren Leiden, welches ihn bereits /lim Rücktritte von Amte bewoiien hritte, '/esffirhen. Kitteilii li, freiiniitln'^ Hoch- stehenden gegenüber, leutselig und tVeundlu h gegen den ^^enieuien Mann, voll sprudelnden Humors ^ bei schlechtcni Wetter , voll herzlicher 'Iheilnalmie bei Kranken und Traurigen so kennzeichnet ihn in dem unten genannten Nachrufe sein Nachfolger, der Gamisonprediger Goens.

Fin Kran/ auf Emil Frominel's GtaU von IMdprobal D. Richter, Berlin 1897. Nachruf im MUilär-Wocheabiiitte Nr. 101, Berlin iä9<>.

B. Polen.

Fircks, Karl Emst Wilhelm Freiherr von F., Königlich Preussisciier Generalmajor zur Disposition, am 22. Dezember 1840 zu Breslau als der Sohn eines preussischen Generals geboren und im Jahre 1859 beim i. Garde-

Kegimente zu Fuss, in welchem er nm 12. Juli 1860 /um Scl ondleutnant beförflert wnrrle, in fl:is Heer La treten, /ei^ie sc hon tVnh inilii.iru is.^ca.seliaft- liche Begabung und Kiler tur den tiiisubentien I hensl. Nachdem er «lie Offiziers- prOfung »mit Königlicher Belobigimg« bestanden hatte und im Februar 1861 in das 3. Garde- Regiment zu Fuss, bald darauf aber in das damals zu Breslau garnisonirende (Jarde-Grenadier-Regiment Königin Klisabclh versetzt worden war, ward er zunächst n.itaillons-Adjutant, in welcher Stellung er den Feld- zug des Jahres 1866 m Böhmen mitmachte, und daim Regiments- Adjutant.

XIO

Flicks. Engelhard.

Bei Ausbruch des Krieges gegen Frankreich trat er, seit 1866 Premierlieutcnant, als KompaniefÜhrer in die Front zurück, aber schon in der Schlacht von

Gravelotte-Saint Privat am 18. August 1870 wurde er so schwer ver\»'undct, (Irsss ihm flic fernere Thciliialimc nm Knefje versagt war. Im Dc/cmbcr 1S71 zum Hauptmann und Komiia^aiio« In f aufgerückt, wani er Anfang' 187:; ais Adjutant zur i. Garde-Intanieric-Division in Berhn kommandirt und in dieser Stellung gab er, zum ersten Male im Herbst 1876, mit Genehmigung und sachlicher Unterstützung des Kriegsministeriums, einen »Taschenkaiender llir das Heer« heraus, welcher sehr bald als ein vorzüglicher Rathgeber auf allen CIcbieten der Bcfchlsfrcbiing unfl der Heeresverwaltung erknnnt wurde, sich einer stets wachsenden Beliebtheit erfreute und, als der Verfasser den letzten von ihm bearbeiteten, für das Dienstjahr vom i. Oktober 1895 bis zum 30. September 1896 bestimmten Jahrgang erscheinen liess^ zu einem fast unentbehrlichen und vielbenutzten Nachschlagebuche für die beteiligten Kreise geworden war. So gross und breit der Verfasser in seiner äusseren Erschei- nung sich darstellte, so klein und schmal war der r<ust:hciikalender, welcher dabei mit Vorliebe »der klenie Fircksc genannt ward. Der Bearbeiter des- selben trat am 14. Januar 1879 als Kompagniechef fUr das Garde-Füsilier- Regimcui /u Berlin über, rückte am 30. Januar 1880 zum Major auf, wurde am 22. März 1887 zum Obcrstlieutenant und ctatsmassigen Stabsoffizier im I. Schlesischen ( Irenndicr-Kegimente No. 10 tu Breslau, am 21. Oktober t88i) zum Ol)erst und Kommandeur des 3. OberschlesischeYi Grenadier-Regiments Nr. 6a zu Kosel, am 26. November 1892 zum Führer, am 27. Januar 1893 unter Beförderung zum Generalmajor zum Kommandeur der si. Infanterie- Brigaric zu Breslau ernannt, am 16. Juni 1894 aber in Genehmigung seines Abs* Im-dsgesuches mit Pension zur r>isposition peslelli und starb am 4. Ja- nuar 1896 zu Chariotlenburg bei Berlin, wo er seinen Wohnsitz genommen hatte.

MflitSr-Zcttnnir ftlr die Reserve* und L«ndweliT>Offi«iere des Deutschen Heeres, Berlin 1S96, Nr. 2. V. L^thell s Jahresberichte ttber die VerSndeniBKeD und Portschritt« im Müitärwesen. Jahrgang i^gb, Berlin.

B. Polen.

Engelhard, Heinrich Peter Franz Wilhelm E., Königlich Preussischer Wirklicher Cichcimer Kncg^rath, geboren zu Geldern im Regierungsbezirk Düsseldorf am 7. März 1827, studirte, nachdem er mit siebenzehn Jahren auf dem Gymnasium zu Wesel die Abiturienten] »rfifung bestanden hatte, in Bonn und in Berlin StanN- und Rechtswissensc hafit n und trat im Mär? 1848 als Auskultator beim JuhU/sciiaic /u Ehrenbreitstein in den Staatsdienst. Hier diente er zugleich als tnjjalnig-hreiwilliger beim 8. Artillerie-Regimente. Al$ im November 1850 Preussen aus Anlass der hessischen Wiiren mobil machte, war er seit Anfang jenes Jahres Gerichtsreferendar beim Landgerichte zu Coblenz, wartl für die Feldin tendantiir des dortigen VTTT. Armeekorps eingezogen, nis Expedient liesrhnfttLrt und bei der Riirkkchr des Heeres auf den Friedcnshiss mit einem vorzüglichen Zeugnisse enihisiien. Die Bekannt- schaft mit dem Dienste der Intendantur, hatte ihm Geschmack an demselben eingeftösst, er bat um Uebemahme in denselben, widmete sich, nachdem diese am I. A\>n\ 1851 erfolgt war, mit grossem Eifer seinen neuen Pflichten, bestand am 8. Ai!p;nst 1852 die Prüfuntj zum Tntendantur-Referendar mit dem Zeug- nisse -v()r/ii>:li( h' , blieb als solcher in Cohlenz, bis er im Sommer zur Intendantur de> III. Armeekorps nach Berlin versetzt wurde, ward am 26. Mai

Engdhwd.

III

1854, nachdem er die Assessorenprüfung bestanden hatte, zum Intenrlantur- j:Visessor beim VI. Armeekorps zu Breslau eriKinnt, kehrte im Ükiuber 1857 mm IIL Armeekorps nach Berlin zurttck und ward hier am 3. Dezember zum MiUtär-InCendanturrathe befördert Die Urteile seiner Vorgesetzten über seine Fähigkeiten und Leistungen waren ülierall in hohem (irade günsiiir. Um sich in der französischen Sprache auszubtlrlcn, erhielt er jetzt einen mehr- monatlichen Urlaub nach Frankreich. Als derselbe abgelaufen war, erfolgte die Mobilmachung vom Jahre 1859. E. wurde zum FeldintendÄnten des III. Armeekorps emannt, trat, nachdem der Friedenszustand hergestellt war, in sein früheres Yerhältniss zurück, wunte Ende i86x zum VIT. Anneekorps n:^rh Münster in Westflilcn versetzt und 1865 znm Kriepsministeriiim kf>m- mandirt. Der Kric^' vom jähre 1866 brachte ihm im JuÜ die Beiufun;^ in die Stellung als Feldiniendant bei dem /m Leipzig unter dem befehle des Orossherzogs JFriedrich Franz von Mecklenburg -Schwerin gebildeten II. Re> serve-Armeekorps, damit viel Arbeit, aber auch viel Anerkennung und Aus- zeichnung. Na< h Kimritt des Friedensverhaltiiisses kehrte er vorläufig' zum Kriegsministerium zurück, aber schon am ^i. Jamiar 1867 wurde er zum Älilitar-Intendanten des III. Armeekorps ernannt. Damit trat er in iialie Be- ziehungen zum kommandirenden Genial desselben, dem Prinzen Friedrich Karl von Preussen, welche veranlassten, dass E., als im Jahl% 1870 der Krieg mit Frankreich ausbrach, zum F'eld Intendanten der von diesem befi^Ugten IL .Armee gewählt %\tir(le. Als soU her erwnrb er si( Ii her^'orrr^^ende, nament- lich auch vom Prinzen anerkannte Nerdienste , welrlicr ihm u. a. schrieb: Sie sind das Muster eines vollkommenen Intendanten, mehr möchte ich nicht sagen, um Sie nicht eitel zu machen. t Alsdann wurde E. auserlesen, Uber die in GemSssheit der PViedenspräliminarien mit der französischen Re* j,'ierung zu vereinbarenrlen Anordnungen für den Unterhalt der Truppen 711 verhandeln und darauf um den Posten des Armeetntendanten bei den unter dem Uberbefehle des Feldmarschalls Freiherrn von Manteufiel in F'rankreich verbleibenden Besatzungsaimee zu übernehmen. Die Nachwirkungen seiner damaligen Thätigkeit machen sich noch heute durch das Vt^lnndensein namhafter, bleibenden Zwecken gewidmeter (Geldbeträge bemerklidi, welche F.. tror/ der reichlichen Verpflegung und vielfacher «len Offizieren wie den •M.mniichaften gemachter Zuwendungen, zu erübrigen verslanden hatte. Nach- dem im Herbst 1873 die besetzt gehaltenen Gebietsteile geräumt waren, ttbemahm dieser von neuem die Geschäfte als Intendant des III. Armee- korps, welche er noch länger als zehn Jahre geführt hat, bis er 1884 als Chef der Veriinc2:itnf:s-Abtlieilung von neuem in das Kriegsministerium be- rufen wurde. Hier widmete er seine I hätigkeit, neben seinen übrigen zahl- und umfangreichen Berufsgeschäften, mit Vorliebe einem Gegenstande, der ihn seit Jahren lebhaft beschäftigt hatte, der Heistellung von Dauemahrungs- mitteln, besonders lagen ihm die Armee-Konservenfabriken am Herzen. Die Erbswurst, welche 1870/71 vorzügliche Dienste geleistet hat, ist in erster Linie dem Srrel>en nnr! Schaffen K.'s zu danken; die für einen künftigen Krieg gctroftcnen Anordnuii^eit und die für die Feldvcrj»flegung erlassenen Vorschriften sind hervorragend sein Werk. Nachdem er am 27. Mai 1895 die erbetene Entlassung aus dem Staatsdienste erhalten hatte, machte er sich daran, seine reichen Erfahrungen schriftstellerisch zu verwerten. Das Er- Xebnis wnren Rückblicke auf die \% r|)f1eLnmfj: fler r)eutschen Armee während des Krieges 1870/71«, welche der Veröffentlichung harren. Al^ nicht lange

IIS

Engelhard* Bilhnek. ArmbnuL

Müsse war ihm mehr vergönnt, denn ttchon am 6. Juli 1897 Miarb er zu Berlin.

UUhir-Wochcnblatt Nr. 64, Berlin 1896»

B. Poten.

Bilimek, Hugo Ritter B. von Waissolm, R. ii. K. FL-ldmarsrhall-T rcntc- nant, am 28. Februar zu Stcrnlierfi in Mahren •geboren, ward bei Aus-

bruch des Krieges vom Jahic 1851; au.s der damals in Kloslerbruck bestehenden Genie-Akademie als Lieutenant ausgemustert^ nahm an diesem im 3. (lenie- Rcgtmente in Italien teil, besuchte von 1863 bis 1865 die Kriegsschule zu Wien, warf! nach Beendigung seines Kommandos zu letzterer zum Ober- lieuicnant l>Ll(»r(lort tmti dem ('icneralquarticrmeistcrstriljc zutjcteilt. machte 1866, zum Hauptmann autgeruckt, den Krieg au» dem böhmischen Schau- platze mit und verblieb alsdann im Generalstabe, bis er 1S70 als Kompagnie- kommandant beim 57, Infanterie-Regimente in den Frontdienst zurOcUeehrte. 1876 wurde er wiederum zum Generalstabe versetst, welchem er alsdannp 1879 bei der serbisrJien Grenzregutirung verwendet, zulet/t nh Clicf des Evidenzbureau, angeiiuitc, bis er, inzwischen Oberst gcwurikn, iSS(» d.is Kommando des 20. InfuiUci ie-Rcgimcnus erhielt. Dieses vcriauhchic er 1889, zum Generalmajor befördert, mit dem der 5. Gebirgsbrigade in Nevesinje, dieses wieder 1890 mit dem der 1. Infanterie-Brigade in PIcvlje, ward 1894 Fcidmarsch ill-I it titfnant und Kommandant der 32. Infanterie-Truppen-Division zu Budapest, wurde aber schoü nach wenigen Monaten als srhwerlrank mit VVariegebiihr beurlaubt und suirb dort am 21. Juni 1896. Zwei umlasseude Abhandlungen, welche er schrieb »Beitrage zur Geschichte des Generalstabes« und »Die Leitung des Kriegsspieles und die Grenzen seiner Mittel« sind im Organ der militarwissenschaftlichen Vereine abgedrucVt; ausserdem achrieb er »Der Bulgarisch-Serbische Krieg 1885«, ein wertvolles But h.

B. Polen.

Armbrust, Karl, geboren 30. Marz 1849 -^^ Hamburg, gestorben in Han- nover auf der Reise nach dem Badeorte Reichenhall am 7. Juli 1896^ be- graben am 15. in Hamburg. Schon der (irossvater, fleorg Friedrich, zeich- nete sich in Harburg als fertiger Orgelspieler aus, sein Vater, deorg, wurde in Hamburg an der Petrikirche Ori!nnist, und der Sohn, Karl, folmc ihm iSAg. Kr halte seine musikalische Ausbildung auf dem Stuttgarter Konservaionum, besonders aber durch Imanuel Faisst's Fürsorge erhalten. Durch den frühen Tot seines Vaters «nirde er seinen Studien entrissen, eilte nach Hamburg und nach abgelegter Probe erhielt er am 23. November 1869 die Organistenstelle :in St. Petri, die er bis zu seinem Lebensende l)ekleidetc. Nicht nur in der Hcmiat erwarb er sich einen Namen als betleutender Orgcl.sj»ieler, auch aus- wärts liess er sich hören, so 1872 in Leipzig und 1881 in Magdeburg, wo er in der Tonkünsticr-Vcraammlung Ritter^s grosse A-moU-Sonate mit ausser« ordentlichem F.rfolge spielte. 1874 verheirathete er sich mit seines Lehrers Faisst zweiter Tochter und vom 16. September dieses Jahres ülx^rnnlim er fiir das Hamburger Fremdcnblatt tl;iH Referat über Musi!:.iuliuhniii;icn und Oper. Einen M(*nai sjniter erfolgte auch seine xVnstcUung als Lehrer für Klavier- und Orgelspiel an dem im Oktober 1873 von Professor von Bemuth errichteten Konservatoriums. Als Lehrer im Klavierspiel vertrat er mit voller Ucberzeugung die Stuttgxirter Schule, die in Leben ihren Höhepunkt erreicht hatte. Für den Opcrnrcferentt. n war die Wagner'^« 1ie Rirhnmg sein Ide.il; 18S3 gründete er äogar einen Zweigvereiu des *Allgememcn Richard Waguer-

. ijui. u i.y Google

Armbrust. Bagge. Fleisdüiauer.

113

Vereins«, der aber nicht von langen» Leben war, dagegen gab er seit 1886 bb zu seinem Lebensende regelmässig Orgelkonzerte, die sich eines grossen

Zulaufe erfreuten. Als Orgelspieler gab er in Gemeinschaft mit Dr. lIuj;o Kiemnnn in den achtziger Jahren: Technische Studien für Orgel, ein Supple-

iiiciu m jeder Urgelschule heraus (Leipzig, Rictcr-Bicdermann\

ä«io Portrüt bringt die Sitogerhalle, Leiptig 1896, bei Siegel, S. 5. Ebendort i>, 3 «B Nekrolog; Hambuifcr Fremdenbbitt 1896^ Abend-Ztg. 14. Juli 1896.

Rob. Eitner.

Bagge, Selmar, ^^cl)oren 30. Juni 1823 zu Coburg, gestorben vom 16. 7ura 17. Juii I S()6 zu P.ascl. Sciti \"atcr, Rektor am (iymnasium r.w C'()l)urir, Hess ihn frühzeitig im Pianoforiespifl untemehten nnfl sorgte für eine tiirluige wissenschaftliche Ausbildung, nebenbei studierte er bei Kaspar Kummer Oeneralbass und betrieb mit Vorliebe bei Sdiilback das Violoncellspiel. Nach Vollendung seiner Schulstudien sandte ihn der Vater zur weiteren musikali- schen Ausbildung auf das Konservatorium zu Prag, wo I)ion)s Weber in der Komposition und Huitner im Vio!oruells])iel seine Lehrer waren, so dass er v.oiii vorbereitet 1840 ms tJrchester des Sudttheaters in Lemberg als Violon- cellist eintreten konnte. Von hier ging er nach einigen Jahren nach Wien, nahm bei Simon Sechter noch Kontrapunkt^Unterricht und bildete sich mehr zum Klavier- und Orgelspieler aus. Nun trat er auch als Komponist in die Oefifentlichkeit, wurde 1851 Professor nm Kf)nserv.itorium unrl 1.^53 Organi^^t all der cvanp^clisrhen Filinlkirrht. Krsteie Stellung gal) er jedo<-h 1855 aus Unzuiriedenheit mit dem (Jig.inisationsplane des Insiituts auf, liess sich in einen Federicrieg gegen denselben ein und wurde dadurch der Musiksdirift^ stellerei zugeführt. Die Monatsschrift für Theater und Musik wurde anfiLng« lieh das Hauptfeld seiner schriftstellerischen Thätigkeit und 1 860 war er einer der eifrigsten Mitbegründer der »Deutschen Musik^reitung«, deren Redakteur er auch wurde. Er leitete drei Jahrgänge, bis ihn 1863 die Verlag.sbuch- handlung von Brdtkopf & Haertel nadi Leipzig berief, um die Allgemeine musikalische Zeitung, die 1848 eingegangen war, als Redakteur von Neuem ins Leben zu rufen. Doch schon xwei Jahre darauf gab sie Breitkopf & Haertel an die Verl.igsbuchhandhmg von Rieter-Iiiedermann ab. In tler Mitte des Jahres 1868 erhielt er den Ruf als Direktor an die Musikschule zu Basel und gern gab er die Redaktion ab, die bei grosser Verantworüichkeit und mühevoller Arbeit kaum das tägliche Brot einbrachte. Von da ab verschwindet sein Name aus dem ötfendichen Leben und still seinen Pflichten nachgehend, stets ein Forderer und Unterstüt/enrfcr von Kunst-Unternehmungen, fand er in dt r Hdiiung seiner Zöglinge huueit licnden l>satz für die einstige auf- regende öttendiche Stellung. An Kompositionen gab er bis in die achtziger Jahre Etüden, Lieder und Klavierpiecen heraus» die bis opus aa reichen, aber nie in weitere Kreise gedrungen sind.

Menddi-IteiMiimui'i Lexikon« Ricmaon's MnsikloL Sdbsterleblea.

Rob. Fitner.

Fleischhauer, Friedhold, ge])oren den 24. Juli 1834 zu Weimar, gestorben Un 12. Dezember 189b ^u Meiiungen. lieber sein Jugendleben ist nichts bekannt, er tritt erst in den Kreis unserer Kenntnis, lUs ihn der Grosshc^og von Meiningen am 15. De/ember 1864 an seinen Hof berief, um Nachfolger

des Konzertmeisters K irl Müller, eines der vier Brüder des berühmten Streich- '{uartetts /u werden. Zu gleicher Zeit wurde als Violoncellist Leopold (»rütz- niacher l)erufen, zum Krsatze von Wilhelm Muller. Beide waren sowohl im

BioKT. Jtbrb. u. DeuUclicr Nelurolog. 8

. y 1. ^ . y Google

114

Fleischhauer. BorchArd. FArstenaa.

Orchester thätig, als auch als Quartettisten und Flcisrhhauer's Verdienst war CS, als erster Violinist fla*; Streichquartett wieder .auf flie Höhe 7v bringen, die es unter den (ieliriider Müller eingenommen hatte. Selbst Richard Wagner bat die vier Herren zu verschiedenen Zeiten nach Bayreuth, um dort sich hören su lassen. Das Musikleben in Meiningen btisst durch seinen Tod einen treuen und für die Kunst begeisterten jUnger ein. Mcinlnger Tagblatt Nr. 397» 1896.

Rob. Kimer.

Burchard, Karl, geboren um 1820 m Hamburg, gestorben in Dresden am 12. Februar 1896, ein durch seine ^Ireichen Arrangements klassischer Musikwerke wohl bekannter Musiker, der nach Vollendung setner Musikstudien

1842 nach Dresden übersiedelte und durch Musikunterricht und seine zwei- und vierb in* liefen Bearbeitungen, zum Teil mh ilern Vinlonrcllistcn W. Pnpj> für Piaiiuiurtc, V ioline und Violoncell, sich einen geat liteten Namen erw arb. Mcndcl-Kciäümatiii's Musikicx. - HüfrocUtcr's HaudbUChcr.

Rob. Eitner.

Fürstenau^ Morltx, stammt aus einer Famiüe von Musikern, die während

eines Zeitraumes von 100 Jahren sieh ;\ls FI^>ti^tc^ auszeichnete. Moritz wurde in Dresden an) Juli 1^2 \ uclxtren und starb ehendaselbst am 27. Marz 1889. Sein Vater, Anton Bernhardt, war seit 1820 an der saclisischcn Hot- kapelle erster Flötist und es wurde wie selbstverständlich angenommen, dass der Sohn, den Traditionen der Familie nadi, sich ebenfalls zum Flötisten ausbildete. Schon am 26. Oktober 1832 trat er in einem Konzerte seines Vaters auf und erntete reichen Heifall. Angespornt diirrh diesen ersten Kr- tolg machte er in Begleitung seines Vaters fast alljährlich Konzertreisen, bi:» er am i. Januar 1842 als Flötist in die Königl. Dresdner Kapelle als Ikfitglied trat Nach des Vaters Tode rttckte er in dessen Stelle als erster Flötist. Schon im Jahre 1849 hatte er sich durch seine archivarischen Forschungen im särhsischen Staatsarchive über die einstige TT(tfkaj>elIe bekannt gemacht, die er in dem Hm he Beitrhpe ^ur Geschichte der Konigl. sächs, musikal. Kapelle«, Dresden bei Meser, luederlcgte und als der Kustos der Königliclien Privatbibliothek starb, wurde er in Folge dieser Arbeit dessen Nachfolger. Leider war er zu unbewandert im Lesen alter Handschriften, so dass das Buch fast unbrauchbar durch falsch gelesene Namen ist. In spateren Artikeln hat er zwar vieles durch Wiederholungen verbessert, versäumte aber, aus falscher Schan», die erste Lesart als falsch zu bezeichnen, so dass man leicht in Zweifel kommen könnte, welche von beiden Lesarten die riclitige sei. Im Jahre 1861/62 folgte ein zweites Werk in 2 Binden, welches ebenfalls die sächsische Hofka[>elle betrifit, doch nur unter den Kurfürsten Johann Georg IL bis Johann Georg IV., also von 1656 bis ca. »763, der Kntlnssuna: Hasse's und der Faustina. Hier thut sich ein entschiedener l'ortschritt kund, sowohl im Lesen der Namen, als besonders in der Darstellungsweise. Ausser diesen zwei Werken war er fortwährend bemüht, in 2Mtschriften und besonders im Archive für die sächsische Geschichte, stowie in den Mitteilungen des Konigl. sa< lien Alf ertnmsverein und in den Mon itslu ften fiir Musikgesf hu lnc die Biographien einzelner Miinncr oder Beiträge nlx r cin/elne Zeitabschnitie der sächsi^hen Hofkapelle vmd ilirer Mitglieder aul arcluvarische Quellen gestutzt zn veröfientlichen. So ist, es ihm vornehmlich zu danken, dass wir über die historischen Musikzustände in Sachsen so vortrefflich unterrichtet sind. Auch im praktischen Leben machte er sich in Dresden durch Gründung des Ton-

. ijui. u i.y Google

Ffliffteun. CSmrtz. Gcjer,

"5

kttnsdcr-Vereins, deren Vorsitzender er bis zu seinem Tode war, verdient; ferner gründete er in den siebziger Jahren den Drestlner Wagner -Verein, war Helegierter des .\llL'«Miieinen deutschen Musiker-\''crlinnfles, sass im Axissrhusse <ier HofkapcUc, wciiiie die Programme der Sinfoniekonzerte fest.stcllte, und seit Grtindttng des Konservatoriums für Musik Lehrer des Flutenspiels. So «irlte er bis ans Ende seines Lebens als praktischer Musiker und Musik' gelehrter.

Selb5tl>in^rnp!iie \m Mendcl-ReissnuuiD. Ricnmtm's Musiklexikon. Selbsterlebtes

<iU Freund und Mitarbeiter.

Rob. Eitner.

Gartz, Friedrich, jK.omj)onist von Männerquartetten, der in den ivreisen von Männer-Gesangvereinen sich grosser Beliebtheit eifreute. Er war am 28. November 1819 zn Perver bei Salzwedel geboren und starb den 38. Januar 1896 in Salzwedel. In den sechziger Jahren begann er seine Kompositions-

thatigkeit mit Herrinsgabe voji T iedern für eine Singstimme mit Begleitung Ues Pianoftu tc und Itiarinc es Iiis zu opus 31. " l'.rsi vom Jahre 1874 wandte er sich dem iMannerquariett- Gesänge zu und erreichte bis zum Jahre 1891 die stattliche Opuszahl von 163, unter denen sich nur einige Quartette für gemischten Chor befinden.

McndcUReissmann's Musiklexikon. Hofiaeister's Handbücher.

Rob. Eitner.

Geyer, Adolf, Königlicher Musikdirektor und Gesangprofessor in Berlin, geboren iHjq, gestorben am r8, Juli i8q6 im Seebnde Prerow. F.r wilhhe 2um Lebensberufe das Schuliehrerlach und bezog zum Behufe der Ausbildung das Seminar. Seine einstige Knabensopranstimme hatte sich zu einem kräf* (igen und biegsamen Tenor gebildet und er versäumte keine Gelegenheit dieselbe, soweit die kargen Mittel reichten, auszubilden. Da er keine Neigung zur Bühne besass, fmul si( Ii IcidLi kein Gesangmeister, der die Stimnie aus- bilden wollte, um dann spateren Gcwmn davon zu /iclKii. In Berlin erhielt er eine Stelle als Lehrer an einer Gemcindeschuie und am Konigl. I>omt hore trat er als Sänger ein. In den ftinfisiger und sechziger Jahren war er bei Oratorienaufführungen, besonders in der Singakadennc. als Solist thätig und '1er Evangelist in Bach's Matthaeus-Passion war wohl eine seiner besten Lei- Muntren ; auch als Liedersänper trat er öfter in Konzerten auf. Leider fehlte ihm eme tüchtige musikalische Ausbildung und er sang eben wie ihm der Schnabel gewachsen war. Gut, dass die damalige Zeit noch nicht den idealen Massstab an die Wiedergabe des Kunstwerkes legte, denn von einer Vertiefung in dasselbe war nur wenig zu bemerken. Dennoch war ihm jeder Konzert- unfemcIiiiK'r (Lmkliar, wenn er seine Unterstützung /nsnpfc, da an Tenoristen fiir Konzerivorirage in damaliger /eil in Berlin gänzlicher Mangel war. Um etwa 1870 verschwand er von der Bildtlache als Sänger, gab seine Lehrer- Stellung auf und kündigte sich als Gesanglehrer an. Dass seine X^eistungen Anerkannt wurden, beweisen die ihm vom preussischen Ministerium verliehenen l'itel. Auch als Liederkomjionist versuchte er sich imrl schon um 1855 er- sdiicnen zwei Hefte. In den Kreisen seiner Schüler nioacn dieselben wohl ^e^ungcn worden sein, doch weiter sind sie nicht gednmgen. In späteren Jahren erschienen noch Duette und vierstimmige Chorlieder.

Mciidel>Rci«sni«JUi's Lex. Selbslerlebtc«. Hofmeister'» Handbttdier» Kritiken.

Rob. Eitner.

I

ti6 Giunbcit. llraiardn*»

Gumbert. Ferdinand, einer der beliebtesten Liederkomponisten in den Kreisen unserer l );iniLii\vcll, geboren am 21. April 1818 m Herlin, t^estorben ebendort um 6. April 1896. Besuchte das Gymnasium des gniucn Klosters zu Berlin und zeklinete sich durch seine schöne Knabenstimme aus, die sich später zur Biiritonstimme umbiklcie. Neben seinen Wissenschaft] Ii cn Studien übte er sie Ii flcissij^ auf der \'i<)Iine und erhielt von Em. Fischer Komjrosi- üonsunierric lu; dennoch warulto er sicli nie ht der Musik als Fachstudium zu, sondern ging als Lclirimg in die Buchiiandlung von Veit, setzte aber seine Musikstudien bei Cläpsiitt weit«r fort Als Mit|^ied eines DUettantenrOrdiester* Vereins fand er immer mehr Geschmack daran sich ganz der Musik ni widmen und ging 1839 als Baritonist nach Sondershausen auf die Bühne, 1840 nach Köln. Da aber seine Figur nur klein und s< fiv, v hH( Ii war, konnte er keinen rechten Erfolg als Bühnensänger erreichen, so diuss er der Hulinc cntsrigie und sich in Berlin als Gesanglehrer nicderliess. Seit etwa 1842 erschienen seine ersten Lieder, die sich durch ihre Sentimentalität und leichte Singbar^ keit sehr bald unter den singenden Damen einen ersten Platz errangen. Un- erschöpf] h war sein Brunnen, so dass er im Jahre 1859 srhon Iiis qi Lieder- hefte, jedes /u 4 bis 5 Liedern, gelangt war. Begierig grilien die Verlags- handlungen nach seiner Ware, die in gutem Preise stand und den Schöpfer zum reichen Manne machte. Tkotzdem war er noch literarisch ungemein thätig, er ttbersetste Opemtexte ins Deutsche, sowie firanzösisdie, spanische und schwedische Romanzen und Lieder, schrieb ffir Musikzeitungen Abhand- lungen flber Gesangskunst, war Konzert- und ( )[iern-Referent ftir mehrere Zeitschriften. Dabei war er ein lebenslustiger stets heiterer Kamerad, der von allen geschätzt und geachtet wurde. Er erreichte das hübsche Aller von fast 78 Jahren.

M cnd«l-R«tiniMiiD*s Lex. RiemuiB's Lex. Selbsterlebtes.

Rob. Eitner.

Meinardus, Ludwig Siegfried, geboren 17. September 1827 zu Hooksiel 341 der Uldenburgischen Küste, gestorben 10. Juh 1896 zu Bielefeld, Er be- suchte das Gynunnittm zu Jever und betrieb nebenbei unter mangelhaftem Unterrichte das ViolonceUsptel, erst als er Robert Schumann einige Kom»

Positionsversuche ohne theoretische Vorbildung emsandte und sich derselbe für seine Begabuns^ aussprach, l»est}chte er 1846 das l eipziger Konservatorium für Musik, veriauscJite aber h(»ii 1847 die Unterrii hts.instalt mit dem Privat- unterricht beim Kapellmeister A. h. Riccius, nahm 1849 eine llauilehrerstelle zu Kaputh bei Potsdam an, ging dann zur weiteren Ausbildung nach Beriin, wurde aber 1850 als Ausländer (!) ausgewiesen, verweilte einige Monate in Weimar nnrl erwnrb sich Liszt's Zuneigung, dessen dunst ihn seitdem nie \erlassen, fun^'ireie darauf als Theaterkapellmeister /u Erfurt und Nordhausen und ging dann nui hmals nach Berhn, um »ich unter A. B. Marx weiter aus- zubilden. Von 1853 bis 1865 dirigierte er die Singakademie cuGlogau und wurde in letzterem Jahre als Lehrer ans Konservatorium zu Dresden berufen, I leite 1874 nach Hamburg über und wurde Musikreferent am Correspon- denten, gab 1887 die Stellung auf und liess sich in Bielefeld nieder, wo er bis zu seinem i.ebensende wirkte. M. hat sich sowohl als Komponist, wie als Musikschriftstcllcr ausgezeichnet. Wenn auch seine Werke nicht den Stempel der Meisterschaft trugen, so erreichten sie dodi einen achtungswerten augenblicklichen Erfolg. Er schuf eine st udiche Reihe von Oratorien-Kom- positionen, die er fast durchweg in eigenen Konzerten zur Aufitthrung brachte.

. ijui. u i.y Google

Heinardni. Fleogroth. Pohl.

"7

schrieb Streichquartette, Trios, ein Oktett för Blasinstrumente, viele Lieder,

Klavierpiecen und vieles andere, das zum Teil im Druck erschienen. Ah Mnsikschriff steller hat er neben zahlreichen Arbeiten für den Tagesgel »rauch auch Manches von bleibenderem Werte geschaffen, wie »Jdh. Mattheson und seine Verdienste um die deutsche Tonkunst«, in Graf Waldersee's musikal. Vorträgen 1879. »Mozart, ein Kfbistlerieben« 1882; »Rflckblick auf die An- fange der deutschen Operc 1878. »RuIturgeschicbtUche Briefe über deutsche Tonkunst" in /wei Auflap;cn n. a.

Ucadcl-RcL&smaiiD's Lcukon. Riemann's Lexikon* i>elbstcrlebtcs.

Rob. Eitner.

Plengrotiiy Friedrich, geboren um i8s6, gestorben am 12. September 1B96 zu Elberfeld. £r bekleidete daselbst einst den Kapellmeisterposten am

Stadttheater, wurde aber bei herannahendem Alter pensioniert und zog sich

vom öffentlichen T.ebcn zuriKk, nur hin und wieder durch die Veröffent- lichung von Kompositionen Kunde ^ebeiul von seinem stillen Wirken für die Kunst. Er hat nur eine massige Anzahl von Liedern für eine bis drei Frauen- stimmen, von Männerquartetten, opus 5 bis 33 bis zum Jahre 1891, heraus* gegeben. Auch eine Kindersinfonie s( hriel) er in den sechziger Jahren, die sich an seinem Wohnorte einer pfcwissen Heliebllioit erfreute. licodel-Keiä&mann's Lexikon. Hoündster'& Handbücher.

Rob. Eitner.

Pohl, Dr. Rldiard, geboren den la. September 1826 zu Leipzig, ge- storben den 17. Dezember 1896 zu Baden>Baden. Sein Vater war Arzt in Leipzig und bestimmte den Sohn zum Ingenieurfache; P. besuchte 1841 die frcwerbeschule in Chemnitz und arbeitete dann als Volontär im Konstrul;tions- Rurean einer Mxschienenfnbrik. Musik wurde nur nebenbei betrieben, doch der innere Drang war starker als die Willenskraft des Vaters, dennoch musste er sich nodi 6 Jahre lang fiigen. Schon damals trat er in den Signalen von B. Senff in Leipzig als Schriftsteller auf und machte seinen Namen als den eines l)egeisterten Jüngers der neuesten Musikrichtung, ^gelegentlich Berlioz' Reise durch Deutschland bekannt. Auf vielfarlie Ritten willigte der Vater endlich ein, dass er aus der technischen Praxis in die theoretische Wissenschaft des Maschienenbaues treten durfte. Er besuchte nun das Pol)rtechnikum in Karls- nibe. 1849 P^K ^ Göttinger Universität, 1850 auf die Leipziger

und legte dort das Doktor-Examen ab. Eine Anstellung als Lehrer eines Pol) tci Inn'!: ums l.onnte er aber nirlit erlangen, da ihm seine 48ger Thätigkeit als Politiker stets im Wege war, er sah sich daher genötigt, sich als Frivat- gelehncf durcluuhelfen und wählte Dresden zum Wohnsitze. Von hier ab Ii 85 3) datiert seine literarische Thätigkeit ftlr die neudeutsche Schule (Berlioz, 1 iszt, Wagner). Er wurde ständiger Mitarbeiter an der Neuen Zeitsehrifi für Musik unter Brendel's Redaktion und zugleich auch Referent nn der Dresdner /^eitun^j nnter dem Psendon\ni Hoplit. Seine pnlemisc lien Artikel machten ihm viel l-einde, doch von der Partei und ihren Hauptvertretern wurde er mehr und mehr herangezogen. 1854 siedelte er mit seiner Frau, einer Haifenvirtuosin, Johanna Eyth aus Karlsruhe, nach Weimar ttber, wo seine Frau im Opernorchester unter Liszt's Direktion angestellt wurde. Hier, an

i der Qtielle aller Agitation für die neudeutschc Schule, wurde er ein bisweilen ükr alles Mass gehender Verteidiger der neuen Richtung. Später übersiedelte

j er nach Baden-Iiaden als Redakteur des Badeblattes. Von seinen Werken uid ausser einigen Heften Lieder und einer Reverie lUr 7 Streichinstrumente

. y 1. ^ . y Google

ti8

PoliL .Reichet Reiutbalcr.

zu nennen Akustische Briefe für Musiker und Musikfreunde«, 1853, »Bay- reuther Knnnerungen«, 1877, »Richard Wagner« 1883, »Hektor Berlioz« 1884, »Die Höhenzüge der musikalischen Entwickelung« 1888, Uebersetzung von Berlioz' Schriften und Dichtungen 2a Kompositionen.

Autobiographisches 1881 in Fritzsch's Mus. WochenbU S. Riemano's Lex. liofiueiätcr'ä Uaodbiicher. Kritiken. Selbsterlcbtcs.

Rob. Eitner.

Reichel, Adolf, geboren um 1817 zu Tursniu in Westpreiissen, gestorben am 5. März 1896 in Bern (Schweiz). Erhielt seine musikalische Erziehung in Elbing beim Kantor Brandt, ging dann nach Berlin und genoas um 1836 den Unterricht von S. W. Dehn und T.miis Bcr^^cr. So ausgerüstet begal) er sirli auf Reisen durch Deutschland und die S( liwci/ uiu! licss sich Hnnn in Pnris nieder, wo er bis 1857 als Musiiiieiirer wirkte. Im Sommer desselben Jahres siedelte er nach Dresden über, wurde Lehrer am dortigen Konservatorium und Direktor der Dreissig'schen Singakademie. Im Jahre 1867 ging er als städtisciwr Musikdirektor nach Bern und wirkte dort zum Segen der Kunst bis an sein T ebensende. Von seiTien Kompositionen wird eine Messe er- wrihnt, die den Ik-üaH der Kun.stkeinier sicli erwarb, ferner ers( hit-nen Klavier- picccn, meiireri; Helle Lieder kir eine Singstimme und Ücglcilung, Duette und vierstimmige Chorlieder.

Deutsche Mosikcf-Z^. 1896, Nr. la. lli>finei$ter*$ Hwidbflclicr.

Rob. Eitner.

Reinthalcr, Karl Martin, geboren am 13. Oktober 1822 zu Erfurt im dortigen I^utherhause, in dem sein Vater die unter den Namen Martinstift bekannte Erziehungsaj»talt gründete und leitete, gestorben am 13. Februar 1896 zu Bremen. Obgleich er schon frühzeitig zur Musik angehalten wurde and zum Lehrer A. (i. Ritter, den späteren Domoiganisten in Magdeburg erhielt, bestimmte ihn der Vater Theologie /,u studieren. 1841 Ite/o^ er zum Ke- hufc dessen die Berliner l; niversit.it, wo A. B. Mnrx fiber Musik las und K. privatim bei ilun Konipositions-Unterrichi nah«». Der neu errichtete Dom- chor führte von ihm einige Psalmen auf und König Friedrich Wilhelm IV. verlieh ihm ein Stipendium zu einer Reise nach Italien, um dort Studien zu machen. Nach Ablegung des theologischen Examen, gh^^ er 1850 zuerst nach I'aris und von Ha nach Italien, wo er besonders bei l)erühmien Sängern ( lesangsstudien machte. 1853 erhielt er den Ruf als Gesangslehrer an das Kölner Conservatorium für Musik. Hier schrieb er sein Oratorium )»Jcphtha< , seine beste Arbeit, die ihn mit einem Schlage zum berühmten Manne machte, denn dasselbe wurde nun aller Orten mit stetem Beifalle aufgeführt 1858 folgte er einem Rufe nach 7'remen, zuerst als Organist am Dome nebst der Leitung der Kirchcnnuisik, welchen Aemtern sich bald soviel an<lcre an- sclUossen, dass er die ganze Musik in Bremen zu leiten hatte, so die Direk- tion der Singakademie, die Liedertafel, die winterlichen Orchesterkonzerte und die Leitung des neugegründeten Domchores. Bei dieser vielseitigen Ik'si h.iftigunp hat er nur noch WeniLcs komponiert. In Konzerten k.am öfter eine seiner Sinfonicen zur Auttuhrung, auch einige Ouvertüren sind bekannt, ferner das Chorwerk ^In der NYüste«:, die Oper »Edda«, die 1875 Bremen und 1877 in Hannover zur Aufführung gelangte, dann aber verschwand; auch geisüiche und weltliche Chorsätze, sowie Männerquartette schrieb er. 1876 gewann er den Preis einer Bismarckhymne, die vielfach zur Aufführung ge- langte. Man verwtxliselc ihn übrigens nicht mit seinem Vater, der auch Karl

Rdnthaler. Ktter. Schattaiui,

119

hiess und ein frommer Beförderer von allerlei heiligen Liedern von etwa bis 1863 war. Dieselben sind mehr ihrer Curiosität halber, als ihrem Kunstwerte nach zu erwähnen.

Mcndel-Reissmaiiii*« Lexikon. Ricmann's I^kon. Sdbstcrlebtcs. Krittken.

Rob. Eitncr.

Ritter, Alexander, eine ideale Künstlernatur, die fest an dem als allein ric htig erkannten Kunstprinzipe festhielt wenn auch die cifiene 1 ehensfragc dabei ins Hintertreffen kam. R. war am 15. Juni 1833 in Narwa in Russ- land geboren, gestorben am 12. April 1896 in München. Er bildete sich txaa Geiger aus, Murde mit Hans von Bülow befreundet und vcjn demselben veranlasst, in die Weimarer Hofkapclle als Violinist einzutreten. Hier an der Quelle, ans fU r mir Ztdnmftsmusik flnss, bildete sn U sein nicht unbedeuten- des Komposiiionsialent an den Werken Wagner s, Liszt's und Berlioz' und schuf Orchesterwerke, die sich neben Liazt und Berlioz stellen können. Es ist Programmrousik in fantastischer Form: Seraphische Fantasie, Erotische 1 cgcnde, Olafs Hochzeitsreigen, Charfreitag untl Frohnleichruim, und Sursum (orda sind die Titel seiner bisher durch AtifTührungen bekannt gewordenen Orchesicrwcrkc. Von der Parteipresse mit Jubel aufgenommen, während die unbeeinflussten Pressorgane nicht recht wissen, was sie damit anfangen sollen, denn neben echt künstlerischen Momenten, kommen wieder lange öde Flächen vor voll bixarrer Harmonien und endlosen Phrasen. Auch zwei Opern bradite er schon i8gi in Weimar auf die P>üliiie, betitelt: Der faule Hans- und Wem die Krone . l- in 1' irteiltlatt si hreibt darüber: »obwohl sie sich uber- all (sie?) einer überaus günstigen Aufnahme zu erfreuen hatten, so wurden sie doch auffallend schnell wieder vom Repertoire abgesetzt«. Der Grund liegt nahe genug: Nachahmer können keinen Erfolg ersielen, ausser wenn sie das Vorbild an Genialität überbieten und schliesslich neue Bahnen betreten; dies war aber R. nicht bcsrhieden. R, gab seine Stellnnj» nach 1891 in Weimar auf und licss sich in München nieder, wo er seinen körperliclien Leiden erlag.

LcBsmanii's Miisikstg.'^896. S«lbsterlebt«s. Kritiken.

Rob. Eitner.

Schumann, Klara, Tochter des Friedr. Wieck, geboren den i -;. Sej^tem- bcr 1819 zu Leip:?ip, gestorben am 20. Mai 1896 in Fraukturi a. M., eine unserer gediegensten Meisterinnen des Klavicrspiels, die nie die V irtuosität über das Kunstwerk stellte. Schon in den frühesten Kindeijahren entwickelten sich ihre Anlagen für Musik, so dass sie unter der verständigen und sachge* missen Anleitung ihres Vaters, der zwar kein Virtuose aber ein desto besserer l'adagoge war, schon mit 9 Jahren als Klaviervirtuosin auftrat und alle Welt 111 Staunen setzte, teils wegen ihrer überrascheiuicn 1 echnik, besonders aber wegen ihrer künstlerLschen W^iedergabc des Werkes, die bei dem kindlichen Alter in Erstaunen setzte. Wie sorgsam der Vater aber auch sein Kind hütete und stets besorgt war, die körperliche Ausbildung und die Erhaltung (ics kindlichen Gcrnitts seiner Ttx hter über die öfTenilii hen Frfob^'c r.n stellen, t'weugen einige seuiier an seine zweite Vr.m, KJenuauine I'echner, gerichteten Üriefe. 1830 unternahm der Vater mit Klara eine Konzertreise nach Dresden. 'Ich bin ängstlich, schreibt er von dort aus, dass die Ehren und Auszeich- 'Hingen auf Klara einen schlimmen Finlluss üben könnten. Merke ich etwas Nachteiliges, so reLse ich sogleich ab, damit sie wieder in bürgerliche Ord- nung kommt, denn ich bin zw stolz auf ihre Anspruchslosigkeit und vertausche

lao

Schumann

dieselbe um keine Ehre der Welt.« »Man findet sie sehr liebenswürdig; sie ist vorläufig noch die alte einfache natOdiche, entwickelt oft tiefen Verstand

und reiche Phantasie, ist wild dabei, aber nobel und verständig. Sie ist beim Spiel unglaublich dreist und je grösser die Gesellschaft, desto besser spielt sie . Ktwa«? später, nachdem er schon einige sehr besuchte Kon/crle mit Klara gegeben hatte und bei der hohen Aristokratie oft mit Klara ein- geladen war, schreibt er an seine Frau einen sehr humoristischen Brief: »Es ist nicht zu beschreiben, wdches Aufsehen Deine beiden Affen (nämlid) er selbst und Kl.; Wieck war sehr hässHch von Angesicht) aus der Leipziger Men.igerie hier machen. Dass Kl. auch komponieren könnte, wollte Niemand glauben, ebenso geriet Alles in Entzücken als sie über ein aufgegebenes Thema fantasierte. Man versichert uns, dass Deine beiden Atttn das allge- meine Hof« und Stadtgespräch seien«. Im Jahre Kl. war im 12. Jahre, unternahm der Vater eine grössere Konzertreist und besuchte Gotha, Erfuf^ Arnstadt, Kassel, Weimar, Frankfurt a. M. unrl andere Städte. Iti Weimnr inieressirte sich der Adel so ftir Klara, dass alle Hindernisse, die ihnen (hir< h den Kapellmeister Nepomuck liuninicl und den Konzertmeister Kberwein in den Weg gelegt wurden, indem der eine das Theater und der andere das Orchester verweigerte, durch Anerbietungen von Sälen gehoben wurden. Zweimal spielte sie im Goethe'schen Hause, der sich an dem lebhaften auf- gewerktcn Mndehen nicht genug vergnügen konnte und ihr l)ei der Abreise sein Hrust-Medaillon verehrte mit der Ueberschrift »Der geistreichen Clara Wieck zum freundlichen Erinnern des 9. Oktober 1S31.« Von Frankfurt ging es nach Paris, doch die Cholera trieb sie bald fort, so dass sie nur ein Konzert n: 1 \ il 1832 zu Stande brachten, was aber recht gut besucht war. Von hier kelirien sie tiirekt nac 1> I.eipzi^r zurtick. Klarr\ hatte bis dahin nur Kompositionen von Her/. Kalkbrenner, Mosrbcles und l'ixis l'c- spiclt, von nun ab änderte der Vater das Programm und studierte ihr Mendelssohn, Bach, Beethoven^ Chopin und Schumann ein. Schumann ver- kehrte seit dem Jahre i8s8 freundschaftlich in Wieck's Haust , und ganz nach und nach entspross aus der anfanglichen Bewunderung für das liebliche Kind die Liebe mr Jungfrau. Aus der Zeit nach 1840 beMtren wir einen Brief von dem bekannten Kapellmeister Heinrich Dorn, worin er schreibt »Meine Klara (ein Ausdruck der damals von den Freunden des Wieck'scben Hauses durchweg gebraucht wurde) war 1831 ein reizender Backfisch von 13 Jahren (sie?), zierliche Gestalt, blühende GesichtsHirbe, zarte weisse Händchen, üppiges schwarzes Haar, kluge, irhttvolle Augen, alles war an ihr nppetidirh, und irh habe es meinem Schüler, dem jugendlichen Robert Schumann nie Nt rdaeht, dass er schon drei Jahre später für die liebliche Erscheinung, senie ehemalige Mitschülerin (seil, bei Dom) und s|iatere Gemahlin im höchsten Entzücken schwärmte. Auch Dr. Richard Pohl, der s[).itere Rieh. Wagner-Schwärmer, schreibt 18 ^5 nru h einem Kon/erie Klara's '>I)ie zarte Cl. W. trat im weissen Kleide mit ancr Kamelie im Haare aut' und sj>icltc Thalberp's Mo5es-Phflntasie.<f In diese Zeit fallen ihre kontrapunktischen und musiktheorctischen Studien, die sie beim Kantor Weinlig begann und dann bei Krupsch und Heinrich Dom fortsetzte, welch letzterer zugleich Schumann's Lehrer war. Als Frucht dieser Studien veröffendirbtc sie liber 20 Werke, darunter ein Klavierkonzert opus 7, ein Trio für Pianoturic, V'ioline und Violoncell op. 17, Fräludicn un<l Fugen op. i6, 3 Romanzen für Violine op. 22, Variationen Uber ein Thema von Rob. Schumann, Lieder op. 13 und 23 von denen Rob. Scb.

Schumaao.

121

drei in sein op. 12 aufhalun (Nr. 7, 4 und 11) und anderes. Auch Gesangs* Studien machte sie 1833 bei Miekscli in Dresden und verband damit die In- strumentationslehre l)ei Reissiger. Nach Leipzig zurückgekehrt, uiitei iiahm der Vater eine neue Konzerttour, die über Mngdt btirp:, wo sie fiint f^vit besuchte Konzerte gab, Berlin, Prag und Wien sich erstreckte. Der Berliner Recenseni, Kelbtabf der damals wie ein Orakel bei den Berlinern galt, schrieb in der Vossischen Zeitung: »Clara ist wohl ein bedeutendes Talent, aber schade, dass sie in den Händen eines Vaters Hegt, der solchen Unsinn von Chopin spielen lasst (!).« Berlin hat sirh in Kunstangclegenhcitcn oft als ein liarr- nackig Konservativer gezeigt, bei tlcm nur schwer sich enie neue Ku hiuiig einbürgerte. In Wien erzielte sie die grössten Krtolge. Die Kaiserin ernannte sie zur Kammervirtuosin und Grillparzer feierte sie in sein^ Gedichte:

Clara Wieck. P«nioU' Sonate von B«elhOTen.

Ein WundeniMiui, der Welt, des Lebens satt,

SiMoss seine Znuln-r L^mllend ein

hu festverraoltuten demanthartcD Schrein

Und warf den Schlttssel in das Meer und starb.

Die Mcnyclilfiii iniiliLn -ich Itiiftit; :il>;

Umsonst I kein öperrieug liist das Uartc ScUloss.

Und seine Zauber seblafen wie ihr Meister.

Kit) Sr!i;iferkind, am .Strand des Meeres spielend,

Sieht zu der hastig anberufnen Jagd;

Sinnvoll gedankenlos, wie Hüdchen sind.

Senkt sie die weissen Finger in die Flut

Und fnv-t lind hebt und hat's. £$ ist der Schlüssel!

Auf spriDgt sie, auf, mit höhem Hersensschlägen,

Der Schrein blinkt wie aus Augen ihr entgegen,

Der Schiflssel passt, der Deckel fliegt. Die Geister,

Sie steigen auf und senken dienend sich

Der anroutsreichcn, unschuldvollen Herrin,

Die sie, mit weissen Fingern, spielend, lenkt.

Sie brachte es bis auf acht Konzerte mit einer für jene 7eiten enormen Euinahme. 1833 war Kob. .Schumann wieder nach Leipzig zurückgekehrt und verkehrte viel im Wieck'schen Hause, nicht .allein Kl. 's halber, sondern auch um den geistessprühenden und humorreichen Umgang Wieck's zu gemessen. Das Rlavjerspiel selbst hatte er sich durch einen wunderlichen Einfall \er- dorl)en, den 4. Fin^rer der rechten Hanrl rw /wintrrn, fla<i<5 er beweglicher wurde und hat'»- /um Behufe dessen eine Schnur an der Dlm ke >-ciiies Zimmers befestigt und über Nacht den 4. Finger damit in die Hulic gezogen, so dass er durch die gewaltsame Prozedur einen verrenkten und steifen Finger erhielt. Da er nun selbst ausser Stande war, sdne Riavierkompositionen zu spielen, so studierte er seiner Angebeteten die Kompositionen ein und fand an ihr eine vor/tlpliehe Interpretin seiner Mn>,e untl d.is geheime Band peijenscitirer Zuneigung knüpfte sich durch Vermittelung der Kunst unvermerkt immer inniger. Jemehr Kl. zur Jungfrau heranreifte, jemehr fühlte Schumann, dass er sie die Seine nennen müsse und ein gleiches Gefühl trug Klara in sich; d<xh als sie dem Vater sich entdedtte, traf sie seine verwundbarste Stelle. Alle T>ioirra[»lien beider Künstler vermeiden, den rjnintleii naher /u treten, die Wieck liewogen, einer ehelichen Verbinduni^ ^eitu r T'x luer in so feind- licher Stimmung entgegen zu treten. Rob. Schumann war ihm so lieb ge- worden wie ein Sohn und doch verbot er ihm das Haus, als er seine Tochter

122

SchnnMiin.

zur Frau begehrte. Als er sah, dass sein Verbot nichts nutzte, drohte er der Tochter mit Erbentziehung. Die Konzertreisen gingen dabei ihren alten Gang weiter: 1835 spielte sie in Halle, 1836 in Breslau, 18-^7 in RerUn, 183S in Prag, 1839 in Stettin und dann in Paris, 1840 in Ikrlm und Weimar. Bis dahin hatten die Verlobten gehofft, den Sinn des Vaters zu ändern, doch da alles vergeblich war, riefen sie die Hilfe des Appellationsgerichtes an und da der Vater keinen triftigen Grund angeben und über einen Punkt keine Auskunft geben wollte (kUt konnte, so erteilte rfer Cei !( litsbof die F,r!.ml .ni-^ zur Verehelic Innig, die am 12. Sc] »ii tnhcr 1S40 in SchoiitVIW bei l.eip/.i;^ staLiland ^Wasielewski's Biogr. Schumann s: Brief von Sch. vom 6. Sept.). Am 31. März 184 1 spielte sie als Klara Schumann unter Mendelssohn's Di* rektion in Leipzig. Der Vater war 1840 nach Dresden übergesiedelt. Trotz- <lcm die Ehe eine sehr kinderreiche war, fuhr sie dennoch fort fast alljähr- lirh eine K i Mvcrtttriir , teils nllciii, teils mit Schumann zu unternehmen. Ausser pekuni.ucii Kucksiciiien, denn Sc humann hatte sein Vermögen als Junggeselle fast autgebraucht, kam nicht nur der innere Drang: ihre Kunst und Kunstfert^eit öffentlich der ganzen Welt zu oftnbaren in Betracht, viel- mehr vor Allem die Freude, selbst die Werke ihres Mannes dem Publikum bekannt 7n machen. Im Jahre 1842 konzertierte sie in Kopenhagen, 1844 in riMcrslnirg, Mftnti, Ki^a, wo sie fünf Ron/erte j^ah, dann in Moskau. Am 8. Dezember 1844 gal> sie in Leipzig eine Ai)schicds-Matin(Je und alles, was sie schätzte, &nd sidi dort zusammen, um ihr Huldigungen darzubringen. Dann zog sie nach Dresden; mit dem Vater fand wenigstens äusserlich eine Ver- söhnung statt, die von den Verehlichtcn mit voller Liebe geäussert wurde (Brief von Schumann an Wieck, Wasielewski S. 104). 1846 wurde in Be- gleitung ihres Mannes in Wien, Prag (2 Konzcrtej, Berlin (3 Konzerte) und Zwickau konzertiert. 1850 wurde Sdiumann städtischo- Mt^kdirektor in Düsseldorf, wo er mit Klara heitere und erfrischende Jahre verlebte, bis sich seine Melancholie ztt einem Grade Steigerte, dass er unfähig wurde, Chor und Orrlic^fer zu leiten, so fl^ss JuHns Timsfh fllr ilin eintreten musste. ^^^^ machten sie noch gemeinsam eine der cinüaglit li.slen Touren durch HoliantI, von denen Schumann schreibt, dass es ein wahrer Triuniphzug >Aar. 1S54 konzertierte sie in Hannover. Am 37. Februar 1854 stürzte sidi Schumann in einer Anwandlung von Irrsinn von der Rheinbrücke ins Wasser, wurde gerettet und am 4. Marz nach Endenich bei ni»nn in eine Privatheilanstalt gebracht; dort starb er am :?n. Sc|)temV>er 1S56. Erst im letzten Augenblicke wurde Klara, die ihm nach Bonn gefolgt war, von den Aerzten die Erlaubnis erteilt, ihn zu sehen. Acht vaterlose Kinder standen um sie herum, fiir acht Kinder hatte sie nun zu sorgen und im Sinne ihres Vaters zu erziehen, der gleichen Wert auf einen gesunden Körper, wie auf eine gründliche musika- lische Fr/iehung legte. Jct/t wurrle ihr die Kunst Trösterin und Ernährerin und wo sie auch als konzei tgebeiin auftrat, verehrte man nicht nur die Künstlerin, sondern zugleich die sorgende Mutter und jedes Koruert noch bis in die 70er Jahre brachte ihr künstlerischen Erfolg und reichlichen Gewinn. Im Jahre 187S bcwog sie das Dircktoruim des Hoch'schen Konservatorium fUr Musik in Frankfurt a. M., als T rlirerin des höheren Klavierspiels einzutreten und hier wirkte «^ie bis /u ihrem Ende. In flen fünfziger uttd sechziger Jahren habe ich mehrfach (iciegcnhcit gehabt, sie in Konzerten zu hören: ihr Aeussercs stand in wundervoller Harmonie mit ihrem seelenvollen, auf eine unfehlbare Technik gegründeten Vortrag. Nie hat sie nur dem auf Effekt hinzielenden

Scluunatm. Schweack«. öüeble. Wjuielewsky.

Vurtuosentum gehultiigt und selbst, wenn sie Stücke spielte, die der Virtuosität halber geschrieben waren, wie Thalberg's Moses^Phantasie, wtisste sie die

Schwierigkeiten mit Leichtigkeit als Nebensache hinzustellen und den wert- volleren Inhalt zur Hauptsache zx: machen. Doshalh war sie au«h eine vor- /iij4ljche Intcri »retin der klassisc hen Werke von Bach, Handel und Beethoven, Mendelssohn, Chopin und Schumann').

Priedr. Wicdc Ton A. won Meichsner, Leipzig 1875. S*« Wa»ielewski, Leben Kob. Schümann'.^. Derselbe: Schumanniana. Bonn 1883. 8". Derselbe; Aus siebtig J«hrep. JL«eb«oserinneruogcn. Stuttgart und Leipstg. äelbsterlebtes.

Rob. Eitner.

Schwenckc, Friedrich (jottHcb, S((hii des Johaim Fne».lrit Ii. j^ehrtren den 15. Dezember 1823 zu Hamburg, gestorben am 11. Juni 1896 cbcMd.ii.elhst. £ir stammt aus einer alten angesehenen Musikerfamilie, deren Stammvater, Johann Gottlie]>, bereits im Jahre 1776 als Ratsmusikus in Hamburg thätig war. Unter der Leitun^^ seines Vaters, der Organist an der Xil ulaikirrhe war, bildete er sich /um Klavier- und Orgelspieler aus und trat mehrla« Ii in Konzerten auf, liess sich auch 1855 m Paris ötitenüich hören, in den Jahren 1850 bis 1863 veranstaltete er mit den Herren fiöie und Lee MusikaufiÜh- rungen in Hamburg. Als 185 s sein Vater starb, wurde er dessen Nachfolger als Organist an der Nikolaikirchc. Er schrieb viele Lietler, Orgclf)i^cen, geist- liche (ksange u. n. unrl p^ab neurevidierte \m<] vermehrte Auflagen (1er ("horal- l>iicher seine.s X'aiers, sowie eine neue Ausgabe von dessen Choraivorspielen nebst einigen eigenen V orspielen 1886 heraus. Er errang sich besonders als Orgel virtuose einen weitverbreiteten Ruf.

Hembufger FremdenbUtt, Abeadxtg. 1896, Kr. 137. ^ Hofmeister s Handbttcher.

Rob. Eitner.

Stiehle, L. M. Adolf, geboren lo- August 1850 in Frankfurt a. M., ge>

storhen 6. Juli 1896 zu Mühlhauscn im lllsass. Sohn eines Vinlinisfen, war von iSfii 1863 Schüler Vieuxiemps' auf dessen T .uid-uie I )ri iLi( lienluiin, sjiater von Hermann und Joseph Joachim, gmg tlaraut n.u h Tans vnid wurde 1872 Mitglied des Alard*schen Streichquartetts, dann 1873 im Quartett des Baron von Dervie» in Nizza, 1875 Hochberg'schen Quartett imd liess sidi später in Mühlhausen nieder, wo man ihm die Direktion der |)hilharmonis(:hen Konzerte iiliertrug. Zeitweise tinterstüt;te er auch die Quartettsoireen vnn Hans Huber in Basel. Kr war em Meister im Quarietti»piel und verstand es, »eine Mitspieler in einer Weise in das vorzutragende Werk einzuweihen und sie dafür zu begeistern, dass es wie aus einem Guss vor dem Zuhörer erstand.

LetiinaBn't Musihstg. 1896, 412« Riemaim's Musik-Lexikon. Mendd^Reissidsiui's Conveisations-Lex.

Rob, Eitner.

Wasielcwsky, Joseph Wilhelm von, geboren am 17. Jutu 1822 zu Gross- Leesen bei Damig, gestorben den 13. Dezember 1896 in Sondershausen. 1826 zogen seine Eltern nach Danzig und da die Mutter vortrefflich Klavier spielte

und der Vater im Violinsi)iel niiht unbedeutende Fertigkeiten bcsass, so kf.nnte es nicht fehlen, dass fics Sohnes Sinn tür Musik früh geweckt wiirrle, schon in jungen Jaliren nahm er als Violinist Teil an tlcr Eltern Hausmusik, wahrend sich seine beiden älteren Brüder als Klavier- und Violoncellspieler

I) Vergl. (Kn Nachruf von Bernhard SohoU Im vortiegendea Bande, Abtbcilung

»Biogimphiscbes jatirbuch«.

134

Wasielewski. Zeidler.

daran beteiligten. Als dann im Jahre 1843 unter Mendelssohn's Direktion das Konservatorium in Leipzig eröfihet wurde, wusste er seinen Vater so ein* dringlich zu hcrctlen, ihn Musiker werden zu lassen und nach Leipzig zu s( birken, fiass der Vater endhch nnrhgah, obgleich derselbe schon Vorberei- tungen lUr die militärische T^ufl)ahn getroflfen hatte. Drei Jahre war er Schüler der Anstalt und genoss den Unterricht von Mendelssohn, Hauptmann und Ferd. David. Da er sich besonders als Violinist ausbilden wollte, nahm er flann noch bei David Privatunterricht, erhielt darauf am Theater und Gc« wandhausoK hcster feste Anstellung und in den Wiiiicrkonzertcn des K\!ter])c- vereins die K on/eitnieisterstelle. Auf Wunsch Rob. Schumann s veiliess er 1850 Lei^jzig und ging nacli Düsseldorf, um Schumann da-seilisi ni der Direk- tion des Gesangvereins zu untemttttzen. Nach zweijährigem Aufenthalte wurde ihm die Leitung des in Bonn errichteten Gesangvereins übertragen, nebst der Direktion der Winterkonzerte, denen sich dann noch andere Verpflichtungen anschlos«;en. Diesen Anstrengungen war sein s( hwächlicher Körper nicht ge- wachsen und er /og sich 1855 nach Dresrlcn zurück, wo er sich grösstenteils musikliterarisch beschäftigte, sowohl als Kritiker in Zeitschriften, aU besonders durch Abfassung einer Biographie von Rob. Schumann, dem er innig be- freundet war. Die erste Auflage erschien in Dresden bei Kunze 1858, die /weite verbesserte c])en(l()it 1R61). 1883 brachte er Nachträge unter dem 'i'itel Schutnatiniana. I )iesen folgte 1 .S69 sein erstes iiuisikhistöHsrhes Werk; Die Violine und ihre Meister, Leij)zig bei Breiikopt Haertel, welches 1883 in neuer Umarbeitung und 1893 zum dritten Male abermals bedeutend ver- mehrt erschien und sowohl den Bau der Geigen, die grossen (ieigenmacher, wie die Meister des Violinspiels und ihre Kompositionen in den Kreis histo- rischer und kn'fisrher Prfifung zieht. Im Jahre i8f»r) berief man ihn zum städtischen Musikdirekiur nach Bonn, und da die Amtsptlichten leichterer Art, als die frühere l'hätigkeit war und ihm Zeit Hess zu weiteren historischeu Studien, so nahm er den Ruf an und verwaltete das Amt bis zum Jahre 1884, in dem er sich nach Blankenburg a. H. zurückzog und nur den historischen Studien lebte; ein Jahi s|iiiter siedelte er nach Son'lershaiisen tibei. Mit seiner Studie nber die Cambe uikI < ias Violoncell (das Violoncell und seine ('>e>ehirbte. Leipzig 1889. Hrcitkopf & Haertel) musste er die bittere Erlalirung machen, dass er mit ungenügender Quellenforschung an die Arbeit gegangen sei. Aehn- liche absprechende Urteile erfuhr er, als er 1888 eine zweibändige Biographie Heethoven's (Berlin, Brachvogel & Ranft) veröffendirlite. Noch sind zu ver- zeichnen ' Die Violine im 17. Jahrhunderl unti rlie Anfniige der Instrumental- komposition«, mit einem Ban<le alter Musikwerke in Tartitur, in qufol. (Bonn 1874, Max Cohen & Sohn) und als letztes: »Geschichte der Instrumental- musik im 16. Jahrhundertc, mit Abbildungen alter Instrumente und 95 Seiten Musikbeilagen (Berlin 1878, Guttentag [D. Coli in]). Beides Werke von grossem Werte, die Zeugnis ablegen von seinen gründlichen historischen Studieti, die seinen Namen stets als einen der hervorragendsten Musikhistoriker erlialtcn werden.

Seine Sclbsthiographie, Stuttgart und Leipsig 1897. 8^ Seine eifencn Werke imd Selbstericbtes ah Fachgenotse.

Rob. Eitncr.

Zeidler, Charlotte, geboren um 1814, gestorben am 7. Auirust i8()6 in Berlin. Schon in früher Jugend zeigte sich ihre musikalische Veranlagung, Louis Bergar bezeichnet sie als seine begabteste Schülerin^ die trotz ihrer

Zeiüler. Zimmer, du BoiF-Kcymood. 125

Jugend von eist sechs Jahren alle Mitschüler in den Schatten stellt Frfih . verlor sie die Eltern und mit elf Jahren musste sie schon für den ßroterwerb

sorgen, um sich und ihre 14 Geschwister zu erhallen. 1826, in ihrem zwölf- ten Jahre, trat sie in einem Konzerte auf, in dem des Prinzen Louis Fcr- dinand's Kompositionen, des so frilh dem Leben entrissenen, zur Aufitihrung gelangten. Eine Aufitihrung, die Kaiser Wilhelm II. 1S95 in Sanssouci mit anderen Kräften wiederholte. Von hier ab begründet sich ihr Ruf als aus* gezeichnete Pianistin, doch musstc sie ihre Kräfte des V'erdienstes halber mehr dem Musikunterricht, als der künstkrischen Ausbihiuii;^^ widmen. Auch iiicnii war <;ie bald die l>e\ 1 ir/u^ae und selbst rlie Schwester des preussischen Kronprinzen l iiednch Wilhelm, der jetzigen Grü.-5i»herzugin von Baden, zalilt sich zu ihren Schülerinnen. Auch in dem Theologen Schleiermacher fand sie einen warmen Freund, der sie als Muster weiblicher Tugend erwähnt. Kin schweres Geschick raubte ihr tlen Verlobten Kr. \V. Lerche, den Krzieher in der Familie des Prinzen August, unfl von da ab lebte sie in den einfachsten Lebensanspriichen ihrer i^ehrthatigkeit und fand darin reichen Ersatz. Vouische Ztg. 1896, Nr. 380.

Rob. Eitner.

Zllltmer, Otto, wurde 1827 zu Priskorsine bei Herrnstadt in S( iilesien gebfiren und starb am 31. März i8i)6 /u Oe!s bei Preslau. Er besvu lue das T.elirerscminar in Breslau, war Srluilei son V.. Riclitei , auch Chorsiin^^ier in der Singakademie unter MosewiuN. 1859 wurde er als (.Organist und Musik- direktor in Ods angestellt. Ewald Röder in seinem kleinen biographischen Lexikon »Geborene Schlesier« widmet ihm diese kunee Notiz und fügt noch hinzu, djLss er für Orgel und Gesang komponierte, sowie die Zeitschrift * Fliegende Blatter für evanf^clisrhe Kirchenmusik« herausgab. Sciti Wirken niu5s sich auf so enge Kreise beschränkt haben, dass die Handbücher von Hofmeister nicht einmal seinen Namen nennen.

Ewald Röder's Lenikon, Geborene Schlesier. lfendd*Reissmanir<> Lexikon«

Rob. Eitner.

du Bois-Reymond, Emile Heinrich. Geboren 7. November 1818; ge- '^torben 26. Dezember 1896. h.niil du ii.-R. wurde ^^eboren /u berlin als Sohn eines Ministeriaibeamten. Der Vater, ursprünglich Uhrmacher, hatte sich, vom Drang nach höherer Bildung getrieben, nach der Hauptstadt des Landes, su welchem damals sein Heimatländchen gehörte, begeben und brachte es dort zu einer Stellung im auswärtigen .\mt. Später, als die Verbindung Neufchatel's mit Preussen «elösf wurde, erhielt er die Stelle eines Direktors der Kgl. Kunst- kammer, und als diese mit dem neuen Museum vcreiingi worden war, wurde er mit dem Range eines Geheimen Regierungsrats verabschiedet. Kr war ein Mann von hohem Streben und hat sich, obgleich durchaus Autodidakt, auch wissenschaftliche Verdienste erworben durch sein Werk »Kadmus«, in welchem er die l'Va^e von den Ursprüngen imd Kii4;ensehaffen iler S|ir.i< lilauie , einen «später tiurch Brin ke, Donrlers uml Helinhoitz physioiogi.s< h lie^ruiuleten Wissens- zweig, in einer für die damalige Zeit sehr verdienstlichen Weise behandelt. Zwischen ihm und dem berühmten Sohne bestand ein rührendes Pietätsverhältnis. Der jfianxösiscfae Schweizer hielt sich, durch Sprache und Confession dazu ver> anlasst, zu der damals noch viel selbständiger als jetzt dastehenden französi- schen Gemeinde Berlins. Aus ihr wählte er auch seine Gattin, eine Knkelin Daniel Chodowiecki's, Dieser Khe entsprossen zwei Söhne und zwei iöc hier. Von den Söhnen ist der jüngere, Paul, als Professor der Matliematik an der

I

. ijui. u i.y Google

126

du Boit-Re^rmofid.

technisclicn Hochschule 211 Bcrlin-Charlotlenburg, vor einigen Jahren gestorbeu. Der ältere, denen Lebensgang wir hier zu schildern haben, bezog;, nadideni er auf dem französischen Gymnasium zu Berlin und dem College zu Neuf-

chatel vorgebildet worden, zuerst die Universität Berlin, ohne recht zu wissen, wflrhcn Benif er ergreifen wolle. Kün.stlerisrbc und wissensrhaftlirhe Nei- gungen veranlassten ihn, philosophische, bist» irische, asthetisrlic iiiul ihculogische Vorlesungen zu besuchen. Als er aber zufällig in eine Vorlesung des Chemikers EUhard Mitscherlicb geriet, iand er, dass die Naturwissenschaft seinem Wesen am meisten entsprach. Er studirte nun, zuerst in Bonn, dann wieder in Berlin, verschiedene nnturwlKscnsrhnftlirhc Dis/ipliiien , besonflcrs (Teologic, wurde aber schliesslich (hirc h die IJekaiintsc h.ift mit einem jungen, talentvollen Arzt, Eduard Halimann, dem er, nach dessen frühem l ode, einen schonen Nachruf gewidmet hat, der Medizin und damit der I%ysiologie zugeführt. Bald darauf (1840) wurde er zuerst »Famulus« und kurz nachher, nach dem Abgange seines Freundes Ernst Brücke, der zum Professor der Physio- logie in Rönigsbers,' ernannt worden wnr. Assistent des berühmten Berliner Physiologen Johannes Müller. Als ihm flusi r l ine Schrift des italienischen Physikers Matteucci: ^ Essai sur les pht nomifus t kctriquts cUs animaux€ übergab, mit der Aufforderung, die darin enthaltenen Angaben nachzuunter* suchen, war seine Lebensaufgabe entschieden. Von da ab bis zum Schluss seiner wissenschaftlichen Laufbahn hat er alle seine Kraft an flie Krforsc Imng ik-r tirrist licn Klektri/ität fjesetzt. Schon i. J. 1843 veröffen du lue er in PoggeiKlortt s Annalcii der Physik und Chemie') seinen ^Vorläufigen Abriss einer Untersuchung über den sogenannten Froschstrom und über die elektro- motorischen Fische« ; aber erst i. J. 1848 erschien der erste Band seines ausführlichen Werkes: Untersuchungen über tierische Elektrizität, 1849 die erste TTalfte des zweiten Bandes; der Schhiss wnrde erst 1884 ausgegeben. 'IroLz dieser langen Verzögerung ist das Werk unvollendet geblieben. Das Material war in der langen Zeit zu sehr angewachsen, um in den Rahmeiv welchen der Verfasser beim Beginn entworfen hatte, hineinzupassen. Was du B.-R. nach 1856 zu dem Gegenstande not h beigetragen hat, veröffentlichte er in ein/einen Ahhandltin^'en in den Sit/nn^^sberichten der Berliner Akademie und in tlem von ihm herausgegebenen Archiv ftir Anatomie und Physiologie. Das wissenschaftliche Ergebnis aller dieser Untersuchungen ist der Nach- weis gesetzmässiger elektromotorischer Wirkungen der Muskeln und N^en und von Veränderungen der.selVicn während der Thätigkeit dieser Organe. Die wissenschaftliche Ik rleuiung dieses Nachweises kann hier ni« ht eingehend erörtert werden; w ir müssen diescrlialb auf die- Fachlitteraiur verweisen Nur das sei hervorgehoben, dass Muskeln und Nerven (nebst den ihnen physio- logisch sehr nahestehenden und gleichfalls elektromotorisch wirksamen Drüsen und den elektrischen Organen mancher Fische) durch die besondre Ausbildung der sogenannten >Reizl)arkeit« ausgezeichnet sind, so dass der Schluss nahe liegt, dass diese Eigen^( Ii ift \\n<\ die elektromotorische Wirksamkeit in Beziehung zu einander stehen. D;is breit umgelegte Werk, in welchem du B.-K. die Ergeb-

<) JanuM 1843. Bd. LVItl. S. i.

Genauer habe ich gcratk- tlicscn Teil von du V>. R."^ Tluitiglccit lichandclt in meiner Gedächtnisrede gehalten in der gemeinschaftlichen Sitzung der ph]r»ikali:>cbea und der physiologischen Gesellschnft in Berlin am 23. Januar 1S97, abgedruckt im Biolo» gischen Centralblatt Bd. WII, No. 3 und in d«n Vcrbandlaogcii der phjrsikalitchen Ge» Seilschaft su Berlin» XVI. Jahrgang Mo. a.

f

du Boi«-Reyn»ond.

137

nisse seiner Untcrsurhiinucn /u \ cröffentHrbert heirnnn, ist ^Icirh ausp;c/eichiiet durch die CJnlndlichkeit, mit welcher der Verhisser die Methodik seiner Ver- suche darlegt und an seinen Befunden die strengste Selbstkritik übt, wie durch die sorgfiUtige Darstellung dor Untersuchungen seiner Vorgänger, welche das Werk SU einer wichtigen (Icschichtsqucllc fiir eines der interessantesten Fächer der [>hystkalisrhen und pln siolnjiist lien Ihorst hnn«^ mnrhen. Diese (Icschichte beginnt, wenn wir von den Voriauirrn absilKii , mit (kr Kntdeckung <ler Zuckung von Froschmuskeln durch gdvaiusclie Reizung durch Galvani (1791) und der sich daran anschliefsenden Entdeckung der »Contactelektrisi- tät« durch Volta und endet zunäcll^l mit den eigenen Versuchen du B.-R.'s. Sie umfasst tlaher nahezu ein hallies Jahrhundert. In dieser Zeit hatte sich aus der unscheinbaren Entdeckung Voha's die sc hon damals mächtige Wissen- schaft der Galvani'schen oder Vulta-Elcktrizitat, wie man sie zum Unterschiede von der Reibungs^Elektrizität nannte, entwickdt und auch schon durch ihre praktische Verwertung (man denke nur an die elektrische Telegraphie) Be- deutung gewonnen. Diir(]i du R.-R.'s Untersuchungen aber wurde der Orund zu einem neuen /w eiiie der Physiologie licU f/t, der a!]L;(Miii-incn Nerven- und Muskeljiliysioiogie, deren bis dahin gewonnei^en Krgcbui.ssc er in musterhafter Weise darstellte und deren weitere Fortschritte er durcli die Schafiung exacter Untersuchungsmethoden und brauchbarer Apparate anbahnte. Gerade der Umstand, dass an seine anfangs nur auf den Nachweis der in Muskeln und Nerven vnrhnnflenen Sironic ^gerichteten Untersuchunj;en sich alsbald nach der \'en)rt'enili< huiiL' so maiinigtache an<!re Forschungen .inkniipf- ten und dass auch jenc.^ Ilaupuiei durch eigene Kntdeckungen des Verliissers eine teilweise Umformung erfutir, hat es verschuldet, dass du Bois sein Werk unvollendet gelassen hat. Er unterbrach den schon längst begonnenen Druck der Schlussabteilung des zweiten Bandes und begnügte sich schliesslich, ihm einen rein äusserlichen hurhhnndlerischen Abschluss zu geben, da er einsah, diiss ilim ein wirklicher Abschluss unmöglich war. Die Bedeutung du B.-R.'s für die Entwicklung der Physiologie in der zweiten Holfle unsres Jahrhunderts liegt daher weniger in den Entdeckungen, welche in seinem Buche nieder- gelegt sind, als in dem Einfluss. welchen er auf die Denk- und Arbeitsweise fler jün^reren Forscher aiisiihic. f ^alte T'<)rs< Inmir mit Hennt/ung aller Hilfs- mittel und auf (inind sirenL;er St huInnL; 111 den physikalischen Methoden, vkclcbe bis dahin nur vereinzelt, besunders in den Arbeiten der Gebrüder Weber sich gezeigt hatten, wurden jetzt die Losung der neuen Schule. Unter« stützt wurde diese Richtung dadurch, dass gleichzeitig mit du 1^-R. noch flrei andere Physiologen auftraten, welche von gleichem (ieiste beseelt waren lind welche fortan mit jenem als die Führer der neticTi Physiologen -Schule wirkten: Ernst Brücke, Carl Ludwig, liermami Helmiioitz. An sie und ilvre fSchfller knüpft sich fortan die Gesdiichte der Physiologie auch ausserhalb Deutschlands. Aber nidit nur die Richtung der Einseiforschungen, sondern viel mehr noch der Geist, welcher fortan alle Untersuchungen leitete, fiind seinen Aiis(irit(k III (lern Bekenntnis, das du B.-R. in der Vorrede /n seinem Buche nietierlegte, jener berühmt gewordenen Absage an die Lehre von der »Lebens- kraft«^, welche bis dahin eine unumschränkte Herrschaft in der Physiologie ausgeübt hatte. War schon in der Naturwissenschaft der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts durch den unklaren Begritf Kraft« überhaupt viel Unheil ge- stiftet worden, so galt dies in noch viel höherem (irade von der Physiologie und von der »Lebenskraft«. Wenn man von der Schwerkraft, magnetischen

128

du Uois-Rcyinoiid.

oder elektrischen Kräften sprach, so lag dem eine Art von Personifikation

von Eigenschaften oder Erscheinungsweisen zu gründe, ähnlich den Personi- fikationen der Mythologicen. In der Plnsiologie aber hinderte da«; Sincltn mit der »Lebenskraft« <la.s ci"fol(irci( hc Kindringen in flns Wesen der Krs( Ihm- Hungen. Statt diese /u /.erglietlcrn und j»oviei als ntüglich auf die Cifund- phänooiene vorzudringen, täuschte man sich über die Schwierigkeiten der Erkenntnis hinweg mit der Annahme, dass alle Naturgesetze aufgehoben oder ausser Wirkung gesetzt werden, sobald sie unter die Oberhoheit der Lebens- kraft geraten. Vergebens waren die Angriffe, welche einsichtigere Forscher, vor allen der Arzt und Philosoph Lotzc, gegen dieses Phantom gerichtet hatten. Erst du B.-R.'s schwungvoll geschriebenem und mit den achär&ten Waffen der Logik ihm am Leibe gehendem Angriff konnte es nicht wider- stehen, um.somehr da er durch seine Arbeit sogleich sell)si den Beweis lieferte, wie mnn der Erforschung von Fragen, die !)is dahin als die eigentH( he I">o- mane der 1 .elienskrnft ^cpoken hallen, der Physiologie der Muskehi viikI Nerven, mit physikalischen Methoden naher treten könne. Diese Abhandlung über die Lebenskraft') wird daher stets als ein Markstein in der Geschichte der Physiologie angesehen werden müssen. Als Johannes Müller 1858 gestor- ben war, wurde du B.-R. dessen Nachfol^^er auf dem Lehrstuhle der Physio- logie, wahrend die anatomische Professur an Bogislnus Reichert fiel. In den ersten Jalu^n war das physiologische Laboratorium auf das dürftigste aus- gestattet. Trotzdem strömten ihm sahlieidie Schttler £u, die sidb in der Physiologie oder verwandten Wissenschaften ausbilden wollten. Erst i. J. 1878 konnte du li.-R. das nach seinen Plänen gebaute neue Institut beziehen, wel- ches aiu h heute noch, trotz der seitdem in Mentsrhland und antleren Ländern errichteten vielen ähnlichen Insliiutc, eine der giossten Anstalten dieser Art ist. Schon i. J. 1851 zum Mitglied der preussischen Akademie der Wissen- schaften gewählt, wurde er im J. 1867 einer der vier beständigen -Sekretäre, welche die (leschäfte dieser gelehrten Kdrpeischaft leiten und abwechselnd den Vorsitz führen. In dieser Stellung, welche er 1895 wegen hohen Alters nieder!c<^te, lag ihm rlie Pflicht nb, in den feierhchen Sitzungen Reden /u halten, welche ihn auch weiteren Kreisen bekannt gemacht haben. Er wählte mit Vorliebe Themata aus dem I«eben der Männer, welche zur Gesdkichte der Akademie in näherer Beziehung stehn: Friedrich des Grossen und seiner Tafelrunde, Leibnitz u. s. w. In einigen behandelt er allgemeine Fragen aus dem Gebiete der NaturM'issenschaften. Zweimal wurde er zum Rektor der Berliner Universität gewählt und au< ii l»ei diesen Gelegenheiten wusste er seinen Reden einen Inhalt zu geben, der ihnen allgemeine Aufmerksamkeit zuwandte. In der That sind seine Reden nicht nur glänzend, sondern zugleich so voll von tiefen Gedanken, so reich an wichtigen Beiträgen zur Geschichte der Wissenschaften, dass ihr Studium stets von Neuem Nutzen und Gentiss bereitet. Anrli rli, wo er über die flren?cn der Naturwissenschaft hin- ausgeht und rein historische oder literarische Ihalsachen behandelt, zeigt du B.«R. eine solche Vertrautheit mit den von ihm behandelten Perioden der Geschichte, dass sie als wertvolle Beiträge zur Kenntnis der betreffenden Zeiten und der in ihnen zur Geltung kommenden Ideen angesehen werden mttssen. Von den Reden, welche die allgemeinen Gesichtspunkte der Natur-

>) Untersuchungen Uber tierische tlcktricit.lt. Bd. 1 (Berlin 1848), S. XXXIV— L; «ach abgvdnickt in den Reden, twcite Folge (Leipzig 1887}, S. 8ft

. ijui. u i.y Google

du Bou-ReToioiid.

139

wis&ciischaft, die aus unserer naturwissenschattUchcn Erkenntnis sich ergebende AATeltanschauung. zum Gegenstand haben, rattsaen wir besondeis die Rede 'über die Grenzen des Nalurerkennens« , gehalten vor der Versammlung

flcutsrher Naturforscher und Aerzte in l>ei|)zi}{ 1872, und die gleichsam als Fortsetzung und Krgän/.unfj nnztrschcnde akarfemisrhe Rede: l>ie sieben "Wclträtsel- (^1880) hervorheben. In heitlen Kcdm luhri er :iu>, (!a->s alle Naturvorgänge sich auffassen la&sen als mechanische, auf Belegungen mate- rielier Atome zurtIckfUhrbare und dass sie daher in der Theorie der mathe- matischen Berechnung zugänglich seien. Wenn, sagt er, wir uns einen Geist vf»rste!len. dem fUc l a^e all er mnterielleii Punl:te in einem «gegebenen Augenblu k und <iie ( le,s< liwindigkeiten tierÄelben in eben diesem Monieiil genau bckj.uni waren, etwa so, wie einem Astronomen die Lage und (Ge- schwind igkeiten der Körper unsres Planetensystems bekannt sind« so könnte ein solcher, faJls er hinreichende Gewandtheit in analytisch-mechanischen Rechnungen besitzt, alle Naturvorgiinge berechnen und nicht blos die zukünf- tigen Frei^missf mii Sirherheit voraussagten, sondern ntich die verfrnngenen mit einer Genauigkeit bis auf Sekunden oder Bruchteile emer Sekunde an- geben. Aber eine solche vollkommene astronomische Kenntnis der Welt- formel wOrde jenen überlegenen Geist dennoch nicht befähigen, anzugeben oder selbst zu begreifen, wie solche Bewegung materieller Teilchen, wenn sie etwa in dem Clehim eines Menschen vor sich gehen, mit den IMiänomenen iler Kmplindung, des Üeu usist in> u. s. w. verknüpft seien. Dicnc Darlegung hat ihrem Vertreter hcliigc Angriffe von seitcn aller uberzeugten Materialisten zugezogen; sie bleibt aber nichtsdestoweniger richtig. Denn wenn wir auch unbedingt annehmen, dass aUe sogenannten psychischen Erscheinungen immer nur in Verbindung mit \'or;^'nngen der Nervenerregung vorkommen, die an sich als mnterieÜe <\. h. auf Bewegung von Stnft teilrhen /ui ik k luhrlxire vor- gestellt werden können, so bleibt es doch eben so wahr, dass wir luchi be- greifen, in welcher Weise solche Bewegungen zu psychischen Vorgangen werden oder mit ihnen zusammenlallen. Zu diesem Zwecke stellte bekannt- lieh Leibnitz seine Lehre von der priLstabilirten Harmonie auf, die uns freilich weniir !>efrietligt. Ks ist nber eines er bten Naturforschers wiirdi^rer, sich rüeser (jrenze seines Krkennens bewusst zu bleiben, als sidi über seine Unkenntnis hinwegzutäuschen. Wemi du B.-R. Fragen dieser Art transcendente nennt, so spricht er damit nur aus, dass zu ihrer Beantwortung andre Grundlagen gesucht werden müssen» als diejenigen sind, über welche wir zur Zeit ver« fugen. Fraglich kantt ntir sein, ob von diesem Sfanfl|ninkt ans srin Auss])rneh ben < hti^t war: '»Ignorabiinus«, Man konnte thni liicr^ff^cn crwiedern, dass man niemals «'niemals« sagen solle. Aber wenn er ilm auch selbst in seiner zweiten Rede in das vorsichtigere »Dubitemus« abgeschwächt hat, so bleibt die Grundlage seiner Darstellung für die der jct/ii;on Naturauffassung zu- grundeliegenden mechanischen Vorstellung doch durchaus unanfechtbar. Wenn es gelingen sollte, eine Formel zu finden, welche hn Stande wäre, auch die l*hanoniene des Bewus^lhcins in eine und dieseü)e Reihe mit allen übrigen Weltvorgangen zu bringen, so wird dies el>en nicht die Vorstellung von Bewegungen materieller Atome sein können, welche uns jetzt zur Darstellung der anderen Naturvorgänge als ausreichend erscheint. Obgleich si( h du B.-R. in seinen Reden häufig kritisch und referircnd mit Fragen der rhilr>K( iphic beschäftigt und namentlich der Philosojjhie iles Leibnil/, zahlrci« lie .Studien gewidmet hat, ging er doch auf eigentlich philosophische Speculationcn nie-

13«

Boü-Reymfmd.

mals tiefer ein. Dazu war seine Anschauungsweise, wie es scheint, zu sehr mechanistiscli entwickelt Dies ericlXrt aitch wohl, warum er an den gross- artigen Teistungen Herbert Spencer's gans teilnahmlos vorübergegangen ist.

Er citirt ihn, soviel ich weiss, überhaupt nur ein einziges Mal, und auch tla nur tKl)enbei in einer untergeordneten Frage. Die speruintive Nntiir Spencer s sagte seinem Naturell, wie es scheint, nicht zu. Wie sich du B.-R. m seinen Reden an ein grösseres Tublikum wandte, so beschränkte er sieb auch in seiner Thätigkeit als Universitätslehrer nicht auf sein engeres Fach. Er sam- melte in den öffentlichen Vorlesungen, die er in den letzten 20 25 Jahren seiner Wirl siunkcit zu \vit <lcrliolteTi Malen hielt itlter physische Anthropologie und über cini<<c neuere Foitsc hi itie der Nalm wissensrhaftcn^ eine zahlreiche Zuhörerschafi um sich, nicht nur von Studirendcn aller l akukaieii, sondern auch von reiferen Männern der versdiiedensten Berufe, welche aus seinen geist- reichen, in glänzendem, bilderreichen Styl vorgetragenen Ausführungen Beleh- rung und Anrcf^nnj^ srliöpften. Hier machte er sich ntirh zum beredten Anwalt der Darwiü sr lu ii l .t hrcn, zu tleren ersten Vertretern in I )eiitsrh!f\nd er gehört hat. Auf die Ausarbeitung seiner Scliriften wie auf den mündlichen Vortrag verwandte du B.-R. die grösste Sorgalt. Sein Styl war mustergilt ig durch Klarheit und plastische Anschaulichkeit des Gedankenausdrucks, wenn auch «uwcilen etwas mit Bildern und Gleichnissen beladen. Er war in den Lite- raturen aller Culturvölker unjjemein lielesen nnrl hatte sich an <\er\ ^Tössten Schriflstelleni nicht nur DeuLsthlands, sondern namentlich auch Frankreichs gebildet. Diesen verdankt er die Vorliebe für einen gewissen Prunk der Sprache, aber auch jene Bestimmtheit des Ausdrucks, welche deutsche Schriftsteller nur zu oft vermissen lassen. Dass in seinem väterlichen Hause fnst nur französisch gesprnrhcn wiirfle imd seine Jugemkr/ifhunf: cin-^ frin- z^)si^^llt■ war, ist unter anderem ;iiich in der Worlstcllung seiner üuhcrcn Schriüen eikennbui ; al»er iiu Laufe der Zeit wurde sein Siyl freier und selbst- ständiger. Es ist, glaube ich, nicht zu viel gesagt, wenn man seine Schriften zu dem Besten zählt, w:ls in deutscher Prosa geschrieben worden ist. Bis zum Jahre 1896 war du B,-R. von seltener Rüstigkeit. Obgleich seit 1S7.' «lurch ein Hüftleiden behindert, das ihn, den eifrigen Turner, zu unbewohnter Kuhe zwang, merkte man ihm doch kaum das Alter an, bis eine schnell fortschreitende Arterienverkalkung ihn jäh dahinrafite. Im August d. J. 1896 sah ich ihn noch in voller Frische; kurz darauf erkrankte er, um nicht mehr zu genesen.

Das schriftstellerische Werk du B.-R. 's ist leicht zu übersehen, da er die liberwiegende Mehr/ald seiner Arbeiten noch selbst gesammelt hernus^cijeben hat. Ausser seiner Disscrlatiun n^Quae apud veteres de piscibus electjins ex- tant aiyuinenta. Berlin 1843), und der schon erwähnten Abhandlung: Vor- läufiger Abriss einer Untersuchung Über den sogenannten Froschstrom und über die elektromotorischen Fische«. I^oggendorflTs Annalen der Physik und Chemie, Januar 1843, Bd. LVUL S. iff. sind als besondre Schriften zu nennen:

I. Untersuchungen Hhcr tierische K Icct rici tSt. Bcdin bei G. Reimer. l>er erste Band erschien 1848, der erste l'eü des zweiten Bandes 1S49; vom tweiten Teil wur- den Bogen i^S4 I. J. 1864, Bofen 24^37, gmutenteOt schon lange nnhcr g«dnickt, 1884 avegegeben.

a. Gesammelte Abh i n il lun jjcn zur Muskel- und N crv en p h y > Jk. Lcipeig bei Veit & Co. Hd. I 1873, Bd. ü 1877. Diese .SHUuiilujig tiuhäh dit Mchr^d-kl der in den Jahren von 1855 1877 teils in «Icn Monatsberichten der pr. Akademie der Wissen- schnften, teils im Archiv nii AiMtoinie und Physiologie erschienenen AbhMMllnngco. Einige folgende (bis 1895) iu diesen Zcitüchriiten.

du Bois-RcymeiuL Freihen- ton Kuttc1ief«>Eichhn4t. Graf CboteV. 1 3 1

3. Reden, 2 Bde., 1. Fo]^c i^Sf*, ?. Folge 1887. T.t'ipzig bei Veit & Co. Entli ili die akademischen Reden nebst einigen anderweitig gehaltenen. Die nach 1887 gehaltenen findet nian in den Sitzongtbericliten der pr. Akad. d. Wii^sentcli. Mathemiitisch-physika- lieche Klnsse; tlie letzte. cr<;t nach des Verfassers Tofle hernu^t^ekommcnc i=t die Ge- dächtnisrede auf ilelniholu, sui wekher er noch während seiner Krankheit arbeitete.

4. Dr. Carl Sachs Untersuchungen am Zittemnl Gymnottu dectricttt. Nach seinem Tode beirheitet von Emil du BoifReTiDond. Mit awei Abhandlungen Ton Gnitav Frittch. 1881. Leipzig bei Veit & Co.

Was du B.-R. von Sltoien Ansätzen und Reden in die unter s. und 3.

aufgcftihrtcn Sammlungen nicht aufgenomtnen hat, beschränkt sich auf einige kleinere Aufs.itze und Vorträge in wissenschaftlichen Gesellschaften und auf «•inijje (iclegenheitssrhriffen über Turnen, in denen er namentlich das B.irren- lumen gegen die von militarturncnscher Seite erhobenen Angriffe verteidigte; sie sind bei G. Reimer in Berlin erschienen.

J. Rosenthal.

Freiherr von Katschefm-ßchtandt, Josef, österreichischer Beamter, wurde

am 6. October 18x8 in Krumau in Böhmen als Sohn eines fürstlich Schwar- zenberg's< licn Renmten f^cbnren. I'r \ Dllfndt'to seint- jiiriflischen Studien in Wien und l)c<:.inn seine l,aufl)ahi) ;ils ]i()litisrlu'i He, unter beim Magistrat fler Stadt Hudweis. Spater trat er in den Slaiilsdicnst über» war bei der SiaiL- halterei in Linx thätig und zur Zeit der centralistischen Verwaltung in Ungarn ComitatsvorsUind von Liptau. Hierauf kam er als Stattfialtereiraih nach Linz und 1868 zur Statthalterei in Wien. Hier wurde er 1870 zum Vicc]iiasi(ienten ernannt tinrl stnnr! seinem Amte bis 1891 vor. Kr entfnltefe T-timal in allen die Verwaltung Wiens betrclfciiden Fragen eine umlassendc Wirksamkeit und erwarb sich durch den Takt, mit dem er die Ans]>rUche der Staatsverwaltung mit den autonomen Rechten der Gemeinde Wien in Einklang zu bringen ver- stand, grosses Ansehen. Als er seinen Abschied aus dem Staatsdienst nahm, wurde er in den Freihermstand erhoben. £r starl) am 27. Juli tRqf».

H ei 11 r ich Friedjving.

Graf Chotek, Bob uslav, üstcncicliischer Diplomat und Herrenhausmitglied, wurde am 4. Juli 1839 geboren, widmete sich der diplomatischen Laufbahn, war zuerst bei den G^andtschaften in London und Berlin thätig und wurde 1867 (Gesandter in Stuttgart. Am 14. October 1869 wurde er zum Gesandten in Petersburg tmd zum Geheimen Rath ernannt. Dem böhmischen Hochadel angehörend, war er mit dem Grafen Heinrich Clam-Martinit/ und ilem Fürsten Georg Lobkowitz eme der nuuisgebendsten Persünlichkeitcn tler feudalen und fiSderalistischen Partei und arbeitete als solche mit Erfolg auf den Fall des liberalen Bürgerministeriums hin. Als Graf Hohenwart an die Spitze des österreichischen Ministeriums trat, wurde (iraf Cb. nm 12. September 1871 mit fler \''erwahiinfr des KöTiii^retrhs Hohmeti betraut., und /war vorerst mit dem i ilci eines provisorischen Leiters iler böhmischen Statthalterei. Seine Partei legte im Landtage ihr Prognunm, die Gründung eines gleich Ungarn selbständigen Staates der böhmischen Wenzelskrone umfas.send, in den be- kannten Fundamentalartikeln nieder. Dem Grafen Ch. oblag die Aufgabe, im !»ohmi.s<:hen I^andtage rlicsc Politik gegenüber flrr deutsrhen (>]>]>o«!itif»n zu vertreten. Aber bald unterlag das Munsterium Hohenwart dem energischen Widerspruche der Deutschen und der Magyaren, vmd Graf Ch. trat schon am 7. November 1871 von seinem Amte zurück. Er wurde darauf Gesandter in Madrid und von 1873 an Gesandu r in Brüssel; hier fiel ihm die Mission zu, die Verhandlungen zu leiten, die der Vermählung des Kronprinzen Rudolf

9*

. 1. ^ . y Google

"3*

Graf Cbotdc Graf Vriata. Gnf Tianttmanatdoifi.

von Oesterreich mit der bclf^isf hcn Prinzessin Stephanie vorangingen. Am 9. Januar 1884 wurde er als lebenslängliches Mitglied ins Herrenhaus berufen, an dessen Verhandlungen er sich indessen wenig bctheiligte. Er blieb im diplomatischen Dienst, wurde i8ft8 zum Gesandten in Dresden ernannt und starb am 11. October 1896.

Heinrich KricfJjnng. Graf Vrints, Maximilian, österreichischer Diplomat und Hcrrcnhausmit- glied, stammte aus einer niederländischen Familie, die in Oesterreidi den Freihermstand erhielt. Geboren am 4. Februar 1802, war er in mehreren diplomatischen Stellungen thätig und seit 13. Mai 1852 Gesandter in Brüssel, seit 1S57 (icheimcr T^ath. Tm Jnhrc 1860 wurde er in den Grafenstand erhoben. Als 1861 in Oesterreich Volksvertretungen in Kraft traten, wurde er vom niederösterreichischen (irossgrundbesitz in den Landtag und von die- sem in das Abgeordnetenhaus gewählt. Von da ab widmete er sieb der parlamentarischen Thätigkett und war bis an seinen Tod ein treuer Vertreter der Anschauungen Schmerlings iinrl fler rleutsrh-rontralistischcn Partei. Gegen das Fnde des Ministeriunr? S( hiiierlini; trat vr 111 den Finanzfr.igcn in Gegen- satz zur Regierung, da er nachdrticlshch aut Einschränkung der Ausgaben und Herstellung des Gleichgewidits im Staatshaushalte drang; er brachte im Jahre 1865 einen darauf zielenden Antrag ein, der beinahe einen Confiict zwischen der Regierung, die die militärischen Ausgaben nicht weiter herabsetzen konnte, imd dem Parlament hervorgerufen hütte. (iraf V. lenkte zuletzt durch einen vermittelnden Antrag ein, der die gleu Iizeitige Feststellung (\cs Budgets von 1865 und 1866 ermöglichte. Im Jalure 1871 wurde er zum lebenslänglichai, 1873 zum erblichen Mitglied des Henenhauses ernannt und blieb bis an seinem Tod Mitglied der Verfassungsjtartei. Er starb am ir. Juni 1896 als das älteste Mitglied des Herrenhauses.

Heinrich Friedjung, ürat i rauttmannsdorrt, Ferdinand, Priisident des österreit hischen Herren- hauses* Er wurde am 27. Juni 1825 geboren und widmete sich zuerst der diplomatischen Laufbahn. Am 15. October 1859 zum Gesandten in Karls- ruhe ernannt, fiel ihm tlie Aufgabe zu, den (irosshcrzog von Baden, den Schwiegersohn Kaiser Wilhelms, zum I^esiu he des Fiirstentages in Frankfurt und zur Theilnalime am Kriege gegen Preussen zu bewegen. In beiden Fällen vertrat er die Sache Oesterreichs mit Erfolg. Deshalb wurde er 1867 nadi München als Gesandter und im November 1868 nach Rom als Botschafter versetzt. Das letztere Amt besorgte er in schwerer Zeit. Garibaldi stand vor den 'l'lxiren Roms, der Pnjist ]il;intc das Unfehll)arleitsdot;ma und in rJesterreich wurden freisinnige (icscize zur Reform des Schulwesens und des Ehcrechtes erlassen, die dem mit dem Papste abgeschlossenen Concordat widersprachen. Dem Grafen T., einem strenggläubigen Katholiken, fiel es schwer, die Politik seinur Regierung ZU vertreten, besonders als er nach der VcrkündjL^iiiiu des Unfehlbarkeitsdogmas, vor fler er den päjistlirhen Stuhl zu warnen hatte, tilrlrircn musste. Oesterreich halte sich mmmehr durch das Concordat nicht niehr für gebunden und löse es aus eigenem Recht. Auch die MTiedereinfUhrimg des ]jlacetum regiimi ftir päpstliche Bullen, die damals in Ungarn angeordnet wurde, fand in Rom heftigen Widerspruch. T. gab sich Muhe, den Hrurh zwischen Oesterreil h-Ungarn und Rom zu verhindern. Der P;if>'<t liess sich wo! nicht abhalten, die bekannte Allocution zu halten, in der er die österreichische Verfassung verdammte^ doch kam es nicht zum

. ijui. Ly Google

Gnf Tfauttmuiiitdoiir* Drobisch.

133

Aeusscrsten und die österreichische Regierung vermied die Aufiiahme eines Cuhui kampfes. Crnf ' rhielt als Anerkennung für seine vermittelnden l>ieni-if" .vm 14. l'el)ruar 1870 das Clros<?kreu/ <les LeDpoldorclens, fühlte sich aber immer unbehaglicher in der schwuier werdenden Atmosphäre Roms und verliess im Juli 1870 die Stadt Er kehrte wieder jEiuUck, als er am a8. Septem* ber 1870 nach der Eimiahme Roms dmth Garibaldi ein Handschreiben Kaiser Kranz Josefs überbringen konnte, in welchem »der Ausdruck der (iefühle der Ergebenheit und des Bedauerns« über dieses Ereignis seitens des Kai"^ers atis- gesprochen wurde. Im selben Jahre wurde er lebenslängliches Mitglied des Herrenhauses und verliess, 1872 zum Vicepräsidenten dieser Körperschaft ernannt^ den diplomatischen Dienst. Als Graif TaafTe nach dem Rücktritt des liberalen Ministeriums die clerical-conservative Partei /u den Staatsgesdiiillen beran^rop, wnr die Ernennunfr des (Ir.ifen T. /um Präsidenten des TIcrrcnhnnse«; (30. Sepieniher 1879) an Steile des l ursten Karl .\iiers]Kr^^ eines der Keni\- xeichen des volkogcncn Umschwungs. Das Amt eine» i'iaaiilcnien der eisten Kammer bekleidete T. bis an sein Lebensende und verband damit seit dem 19. Miix 1884 das eines OberstkiinHiierers des Kaisers. Im Jahre 1878 er- hielt er den Orden des goldenen \'lies*;es. Als einer der ersten Hofwiirden- träger cnvics er sich als in allen lüiketteira;,'cn wol bewanderter Fachmann; tlics, sowie sein würdevolles Auftreten und seuie hohe Gestalt verscliafliten ibm in Adelskreisen den Beinamen Don Magniftco. Mit vielem Eifer hielt er denn auch auf genaue Einhaltung des Hofceremoniells. Ihm als Oberstkämmerer oblag auch die Leitung der reichen Kunstsammlungen des Kaiserhauses und dabei kamen ihm seine Neigung und sein Verständnis in Kunstfragen zu stAtten. In dieser Richtung cnifalicie er eine anerkennenswerte Thätigkeit, welche von der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens durch seine Ernennung zu ihrem Ehrenmitgliede gewürdigt wurde. Audi als Präsident dies Herrenhauses erfüllte er mit grosser Sorgfalt seine Pflichten; er waltete seines Amtes unjiarteiisch und in den vornehmen Formen, die ihn auszeich- neten. Als Cznr Nikolaus II, mit seiner Gemahlin im Herbste 1896 Wien besuchte, war Graf 1 . bereits schwer leidend; er liess es sich aber nicht nehmen» die Czarin, als sie die Hofinuseen besiditigen wollte, gemäss seines Amtes durch die Kunstsammlungen zwei Stunden lang zu begleiten. Nach Hause zurückgekehrt, fühlte er sich zu Tode matt, seine Erkrankung wurde immer schwerer, und nm 12. Derember 1896 erlöste ihn auf Schloss Friedau in Niederösterreich der 1 od von semcn Leiden.

Heinrich Fnedjung.

Drobisch, Moritz Wilhelm, war geboren am 16. August i8oa in Leipzig.

Fr wnr der Solm des damaligen T.ei])7iirer Stadtschreiber«^, eines 7x: seiner Zeit in;^esehenen Mannes. Sein jüngerer Bruder Carl Ludwig war ein bekannter Kirchen- und Oratoriencomponist, der 1854 als Kapellmeister in Augsbiu^g starb. D. besuchte zunächst die Nicolaischule in Leipzig und sodann die Fürstenschule in Grimma. Schon hier beschäftigte er sich gern und vielfach mit Mathematik und Astronomie. In diisen Fachern war sein Lehrer der Professor Töpfer, dessen er später noch mit grosser Liebe und Anerkennung gedachte. Im Jahre 1820 besuchte D. die Universität zu Leipzig, wo er vor- züglich durch Mollweide in die Mathematik eingeftihrt wurde. In der Philo- sophie aber wurde er namentlich durch Krug in die Kantische Lehre und Weltanschauung eingeführt. Er promovirte sodann im Jahre 1824 und erwarb

134

Ürobisch.

sich zugleich die Rechte eines Privatdocenten in der philosophischen Facultat durch die Dissertation: theoriae analyseos geometricac prolusio. Nachdem er

zuerst Ki'rh für eine 1 chrerstelle an einer liöheren Schule vorbereitet hattf, wurde er zum ausserordcntlit lien und nai h dein Tode Mollwcide's zum

ordciulichen Professor an der phiiosopliischen Facuitat ernaiuU. Seine V^or- lesungcn erstreckten sich hierbei yofzttgsweise auf reine Mathematik, Geometrie, Trigonometrie und Astronomie. Nach dem Tode Krug's aber würfle ihm zugleich eine ordentliche Professur der Philosophie, über welche er schon seil länj^erer 7eit Vorlesnnfjen ^eli.ilten hatte, übertragen. Im Jahre tS68 aber legte er seine malhematist lie Professur nieder unrl blieb nur Professor der Philosophie. Von seinem 84. Jalire an aber cm])fand er das BedüHhiss der Ruhe und wurde namentlich durch ein I^ungenleiden an dem weiteren Atv halten von Vorlesungen verhindert. Kr starb am 30. September 1896. Ob(ilei( h körjier!i( h leidend, war er dcu h geistig no( h verhältnissmassiii fri<eh und zeigte neben lebhafter Theilnahme für Persönliches aurh ein treues (iedächtniss für frühere Erlebnisse in dem Kreise seiner Vcrw.ti»*lien und Freunde. Als Mathematiker bat D. zwar nicht gerade zu den Epoche machen* den Geistern seiner Zeit gehört, doi h haben seine Arbeiten auf diesem ( iebiet immer noch einen bestimmten bleibenden Werth, l'nter diesen Arbeiten sind die \virhfi;^sten: Grundzüge der l ehre vnn flen höheren Gleichungen, lieber <lic Bestimmungen der uuisikahschen imcrvallc, Ueber musikalische Ton- bestimmung und Temperatur, Ueber Mtttelgrdssen und die Berechnung des Schwankens des Goldwerthcs, Ueber die wahrscheinlich zu erwartende Dauer der fiihen, Ueber- das Florentiner Problem, lieber den Raum in flrei T>inier)s!onon , Ueber die Gcvtrdf rlcs scheinbaren HiniinelsL'cwölbes, Ueber I ci Inier s psy« Ii«»- physisc hes (irundgesetz und manches Antiere. Auf dem (icbiete der Philosophie hat sich Ürabisch namenUich an die damals emporbiflhende Schule Herbart's angeschlossen , deren besonnene Nüchtern« heit im Gegensatz zu den anderen gleichzeitigen Richtungen von Fichte, Schelling und Heire! seiner gntuen (U'isfcM i< Itt luig vorzugsweise sympruliivch war. 1 )ie Bekanntschaft D.'s mii Hcrlj.trt wurde rhireh eine von «lern crstcreij in der Leipziger l.iterarurzeitung anonym erschienene Kcccnsion über des letzteren Abhandlung De attentionis mensura eingeleitet. Das spätere Verhältniss beider Manner entbehrte nicht aller Trübung, indem llir D. doch die Mathematik, für Herbart aber die Philosoj)hie die eigentliche und ent- scheidende Hauptwissensc h.'ift war. Immer aber gehört I). doch zu den bedeutendsten, sclbststandigsten und freiesten Anhängern der |)hilosophi- schen Schule Herbarts und er hat die I^hre Herbarts namentlich an der Universität Leipzig zuerst im Verein mit Hartenstein und dann im Verein mit Ziller und Strtimpell in anregender und ausgezeichneter Weise vertreten. Diese Philosophie war friiher in T eip/ij^ die t.tvt allein herrsehende und es fand eine andere su\ Hegel un<i Sclieiiing anknüpfende Richtung nur driK h Gh. Her- mann Weisse ihre Vertretung. Die Vorlesungen D.'s aber waren unmcr zahl- reich besucht und er hat einer reichen Anzahl von Schülern und Anhängern in ihnen den Stcmiiel seines (ieistes aufgedrückt. Unter I^.'s philosophi- schen Schriften aber sind die wichtigsten gewesen seine Neue Darstellung der Logik nach ihren einfachsten Verhaltnissen, seine (irnndlelneti der Rc- ligionsphilosophie, seine Empirische Psychologie nach naturwissenst luililiclier Methode, seine Ersten Grundlinien der mathematische Psychologie, seine Abhandlung De philosophia scienttae naturali insita, dann die Schrift: Die

. ijui. u i.y GoOgl

Drobiscb. von W071UU

»35

moralische Statistik und die menschliche Willensfreiheit, femer die Schrift: Philologie und Mathematik als Gegenstände des Gymnasiahinterrichts betrachtet, mit besonderer Beziehung auf Sachsens Gelehrtensrhulen, dann die Abhand- lung Uebtf mathematische Dialektik in der Leipziger Litcraturzeitung, weiter die Schrift: Die Stellung Scbiller's «ur Kantischen Ethik, nicht weniger auch die Schrift: Kant s Ding an sich und sein Erfahrungsbegriff, endUch zahl- roi<hc- .\\ifsiit/e m Oersdorfs Repcrtorium, in der Zcitsrhrifl fiir exarte Phi- losophie- und philosophische Kritik, in den Monatsblaitein zur Ergänzung der ^Vllgemt'incn Zeitung, in l'oggeudorf s Anuaicn, int itlerarischen Centraiblatt Q. s. w. Zu den [teraönli^en Eigenschaften D/s gehörte vor Allem eine streng geordnete Regelnlässigkeit und Pünktlichkeit in allen gochäftlichen Dingen. Er war u. A. längere Zeit Director actorum der philosophischen Fat 11! tat. Dann war er ein liebenswiirrlitrer Gesellschafter, der mit seinen liarmiosen Witzen ein anregendes Element in dem akademischen Berufe bil- dete. Ferner hat er mit mannhafter Standhaftigkeit dem Andrängen des Ministers von Beust auf Eintreten m den nach der Bewegung von 1848 wie- derhergestellten alten ständischen Landtag des Königreichs Sachsen Widerstand g;eleistet. Er w.ir überhaupt ein offener, gerader iinrl durchsichtiger Charakter, in dem kein Falsch wJlr untl es wird sein Andenken unter den wenigen noch überlebenden Zeitgenossen gewiss naclilialtig fortleben und in Ehren gehalten werden.

Nekrologe Aber Drobis«b «ind crtcbfenen von Heinte in 4cn Bcriditai der kflnigl.

sacli-i-cTicn Gescllsch.ift »Kt \Vis--cnsc]i.(rtcii zu Lcip/iif, dann von ProCCftdorain F«via und codlich voa dem UQterzeichQcten in der Leipziger Zeitung.

Conrad Hermann.

▼on Woyaa» Wilhelm, Königlich Preussischer General der Infonterie, am 7. Mai 18x9 als der Sohn eines Offiziers zu Trier geboren \md im Ka- flctrcnVnq)s er/oi^en , aus welchem er am 5. Anjrust 1837 als Sekondlietite- nani zum 17. Intänierie-Rcgimcnt entlassen wurde, ward 1846 zum Garde- Schützenbataillüne versetzt, in dem er den Feldzug des J;Uires 1848 gegen Dänemark mitmachte, und am 16. Januar 1865, nachdem er verschiedenen Jägerbataillonen und Infanterier^mentcrn angehört sowie die /wischenliegen- den Rangstufen durchlaufen hatte, /um Oberst und 7nni Kommandeur des in Düsseldorf garnisonirenden Nietlerrheinischen Fusilier-Regirnents Nr. 39 er- nannt. An der Spitze desselben focht er, der kombinirten Division des Ge- nerals von Beyer angehörend, im nächsten Jahre im Mainfeldzuge gegen Oesterreichs süddeutsche Verbündete in den Gefechten l)ei Hammelburg (10. Juli), Helmstädt-Uettingen (25. JuH) und Rossbrunn (26. Juli . - Als der Krieg vom Jahre 1S70 ausbrach, wurde er zum Generalmajor und /um Kom- mandeur der 28. Intaniene-Brigade ernannt, welche aus zwei am Niederrheine stehenden Regimentern, einem westfälischen tmd einem hannoverschen, Nr. 53 und Nr. 77, bestand; die Brigade gehörte zur 14. Inlanterie^Division unter dem (ienerallieutenant von Kamek^ diese ztmi VIL Armeekorfxs unter dem C.encral <ler Infintcnc von Zastrow unrl dirses znr T. Armee unter dem (ic- ncral der Infanterie von Steinmetz. (iencral von Kameke war es, der am 6. August die Schlacht von Spicberen herbeiführte; W., der wälirend des Krieges, tun ihn von einem älteren Bruder zu unterscheiden, welcher damals ebenfalls Generalmajor war und zuerst die 39. Infantene-Brigade, später die 19. Infanterie-Division befehligte, als »Woyna II.« bezeichnet wurde, hatte an

firm srhrveren Knm]ifc voüen Antheil, aber er he/aliltr denselben auch mit ein*^m Vcriiisie von 40 ( )Hizieren und 736 Mann, welchen seine üri^ade zu verzeichnen hatte. Der 14. August, der Tag von Colombey-Nouilly, l»rachte neue Arbeit. Ciegen Abend erhielt General von W. den Auftrag, gegen den iemdlichen rechten Flügel einen Angriff auszufiihren, dessen seiner Führung und der Tapferkeit seiner Tru])i)en zu dankender Erfolg wesentlich zum günstigen Ausf^nn^ic des Kampfes beitrug. Am t8. A\t<,Mtst, in der Schlacht bei Clravc- lotte-Saint-l'rivat, hatte das VH. Armeekorps den äusscrsicn rechten Flügel inne; die 28. Infanterie-Brigade half hier Point du Jour gegenüber den Feind festzuhalten. Dann blieb sie vor Metz. In der zweitägigen Schlacht von Noisseville, wo sie der 2. Infanterie-Division unter Cicneral von Pritzelwitz zur Unterstützung beigegeben war und auf dem linken Flügel hart an der Mosel ihren PIntz m^ewiesen erhalten hatte. Inm sie am 31. August nicht ins (re- fecht, am i . .September aber war ihr vergönnt durch die Wcgnalnne der Dörfer Flanville und Coincy und durch standhaftes Festhalten des Gewonnenen wichtige Dienste zu leisten, Als der Kampf um Metz beendet war, wel<i»er dem fieneral von W., der schon vorher rlas Kiserne Kreuz 2. Klasse erhalten hatte, die 1. Kla^^sc des Ehren/cirhetis cintrti^', ward dem (leneral von Kameke der Auftrag zu theil die Festimg i )ie<ienhofen einzunehmen, zu weichem Zwecke die ihm unterstellten Truppen am 9. und 10. November vor derselben eintrafen; W. führte den Befehl auf dem rechten Moselufer; schon am 34. d. M. kapitulierte die ]'esat/ung. Von hier ging es nach Montm<?dy, dessen am 14. De;'embcr ertnl^ei\de K .i])itulafion i;leiclifalls keinen K.ampf seitens der Infanterie erforderte, iLum n k Ii Mezieres, wo VV, am 25. Dezember <las Kommando der Belagcrungsiruppen übernahm; das am 31. bcgoiutenc Born* bardement ftihrte schon am i. Januar 1871 die Kapitulation herbei. Jetzt ward ihm aufgegeben einen Handstreich gegen Rocroy au.szuführen. Mit 5 BataiüoTK'n, :? S( liwadronen, 6 Hatterien Feldartillerie und 1 KomiinLnic Pioniere erschien er nm 4. vor der Festung, beschoss tliesellie am 5. und bewog dadurch noch am Abend des nämlichen Tages den Kommandanten zur Uebergabe. Die Verleihung des Ordens [>our le M^rite war sein I^hn für das gdungene Unternehmen. Aus dem Norden ging es nach dem äusaeisten Süden des Kriegsschauplat/cs, Dorthin ward das VII. Armeekorps entsendet, um unter dem (ieneral Freiherm \(>n Mnnfetiffel fler durch BourbaVi's Vor- marsch gegen die deutschen ruckN\ariigen Verbmdungcn drohenden iielahr entgegenzutreten. So konnte W. auch noch dem Schlussakte des ganzen Krieges an der Schweizergrenze beiwohnen.

Nach Friedensschltiss vertauschte er das Kommando seiner Brigade mit dem der 41. in Mainz; fÜc am 11. Ol 1. -bei 1873 erfr^li^ende Befördening zum Generallieutenant und zum Koinnuintlcui der 30. Division in Met? tuhrie ilin in die neuerworbenen Reichslande. Am 18. November i88o aber keime er, zum Gouverneur von Mainz ernannt, nach Altdeutschland zurück. In letzterer Stellung blieb er, bis er, nachdem ihm am 22. März 1883 der Cha- rrd rcr ils T.t 11. r d der Infanterie M rlichcn war, am 14. August 1886 in (ie- nehnugung seines 7\l)schiedsgcsuclies mit Pension zur Dispf»sitinn gestellt worden war. Verdienste, welche er sich um die Stadt erworben hatte, als diese 1882/S3 vom Hochwasser schwer heimgesudit war, wurden durch seine Krnennung zum Ehrenbürger anerkannt. General von W. nahm nun seinen Wohnsitz zu Bonn, wo er am 29. Dezember 1896 gestorben ist.

B. f oten*

Mau. Freifrau von Lipperlmde*

137

Manz, Hermann, geboren den 6. Mai 1839 in Rc^cnsburg war der jüngste Sohn des vielbekanntcn \jnd wegen seiner ausgebrcileten Verlagsthatigkeit nif dem Gebiete cicr katholischen Theologie berühmten Huchhändlers Georg J. Manz. Er eriemte den Buchhandel bei Ch. Muquardt in Brüssel, begab sich dann zu weiterer Ausbildung nach l-tmdon in das renommirte Haus Hermann Tnibnrr nnd nnch 2 jährigem Aufenthalt znnir l; in »i is x.iU rlii he Geschäft nai:h Rc-ensl »ur^' , CTÜnclete 186-^ in MiinclK-n <lio H. M.in/'scln- Hof- und Kunsthandlung, verkaufte diese 1870 an Schandri Comp, und ubernahm auf Wunsch seines Vaters die von seinem Onkel in Wien gegründete Manz'sche Hofbttchhandiung. Im Jahre 1883 verkaufte er auch diese zu hoher Blttthe gebrachte Firma an Gebrütler Klinkhardl in Leip/ig, gin^j; auf kurze Zeit nochmals ins väterhche Geschäft nach RegensluirLT, koi-nu aber (heser ein- seitigen Verlagsrichtung Leinen (Jeschmack abgewmnen und trat 1885 als Theühaber in die renommirte Verlagshrma Carl Gerold Sohn in Wien ein, <)ie er im Juli XS95 fUr alleinige Rechnung übernahm. Er starb 14. Octo- ber 1806.

tn.

Freifrau von Lippcrheide, Frieda, nm 35. April 1840 als Tochter des Anitsvogtes (ie^itefeld in Lüchow in Hannover geboren, gestorben am 12. Se|>- tember 1896. Auf das sorgfältigste erzogen, verliess Frieda (Sestefeld im j-^hre 1860 das Elternhaus, von dem Wunsch getrieben, eine selbständige Stellung zu erringen. Haid war sie in der Redaction des »Bazar eine ge- schätzte Kraft. Aber si< h voll /n lietli;ifipeii, war ihr erst hest hicden, nach- dem sie sich am 18. Mai 1865 mit dem Verlagsbuchhandler Fraiu Lipper- heide vermählt hatte. Ende 1864 hatte dieser den ersten Plan zur Heraus- gäbe der »Modenwelt« gefasst; im Herbst des folgenden Jahres schritt er, unterstützt von seiner Gattin Frieda, welche anfänglich die Redaction ganz allein leitete, zur Ausfnhnmij firs «^f lnvifrigen Unternehmen«; 1 >i(* «gemeinsame Arbeit wurde von ausserordeniht hcn I rfnig gekrönt. Troizdcni in die ersten Jahre des Uestehens der ^Modenwclt die Kriege gegen Oesterreich und gegen Frankreich fielen, schloss der fünfte Jahrgang des Unternehmens mit einem Al>onnenten-Stand von mehr als hunderttausend. Die Hegrinulung von fremd- sprachigen Ausgaben des HIattes begann s' hon mit der allerersten Ninnmtr, bis sich fleren 7rih! auf zwölf erhob. Beim funfunflzwanzigjahrigcn Bestehen der «Modenwelt-c schuf das Ehepiutr h. für die Angestellten de« Hauses eine Pensions-, Wittwen- und Wautenkasse mit einem Gfundkapital von zooooo Mark. Durch mehr als zweiutiddreissig Jahre leitete die Verstorbene ihr Blatt; ob sie Much fern von Berlin, sie legte an jede Nummer wenigstens die letzte Hand. lÜe Nummer vom T5.f>rtol>rr in welche hernach noch die An/eijf ihres Todes aufgenommen werden koiniie wur<le von ihr noch mit .dier Sorgfalt redigirt, troUdem sie bereits an das Krankenlager gefesselt war. Diese Arbeits- leistung bildete indessen nur einen Theil der Thätigkeit der Verstorbenen. In Gemeinschaft mit ihrem Gatten begann die Verewigte auch, eine Samm- hing von K uns(>ti( lercien mul Spitzen nn;'Mle*5cn, Längere Auf^ iKlKilte in Italien in den Jaiiren 1877, 1878, 1879 und spater boten (ieiegenheit zur Erwerbung eines reichen Schatzes .solcher Kunstgegenst;inde. Derselbe wurde nach und nadi vervollständigt und bildet auch heute noch mit seinem Be- stände von über zehntausend Nummern eine werthvolle Sammlung dieser Art, <lic sie zu einer Reihe von Muster- und Lehrbüchern fiir weibliche Hand- arbeiten der verschiedensten Techniken verwerthete. In Berlin bot das

. y 1. ^ . y Google

138

Freifrau von Lipperheide.

grosse Haus in der roisdanicr Strüsse mit rlem sich anschhesseiiden park- artigen Garleii .mgenehmen Aulcnthalt. llire Sommerfrische hielt sie bd Brixlegg. Da durchstreifte sie, eine rüstige Bergsteigerin, gern in weiten Fius^ Wanderungen das Land. Tire Verdienste um I urderung künstlerischer Zidc würdigt Julius I cssing, wie folgt: Die ci^L-ntlirhe K icidfiniodc wnr und ist dem kUnstlerist hcn Kintiusse des Kinzcliien nur in sclir ucrin^zcin (irndc uniervk'ortcn. Die Aelteren unter uns wissen, welche Verwahrlosung auf dem Gebiete der weiblichen Handarbeiten in unserem Jahrhundert eingerissen war» wie wir kurz vor 1S70 erst begannen, uns unter den Schätzen der Vorzeit umzusehen, um Auge und Hand an den alten Vorbildern zu stärken. Wir begründeten Sammlungen nn unseren Museen, Zck hen- und Stick-K lassen, an denen, wenn es hoch kam, einige zwanzig Mädchen für besseren Geschmack erzogen werden konnten. In diesem Augenblick trat für Berlin, ganz im Sinne ihres Gatten, Frieda I«. in die Bewegimg ein. Sie erkannte mit sicherem Blick, dass eine Umbildung des Geschmackes sich gerade auf dem Gebiet der weiblichen Arbeit vollziehen Insse. Schritt für Si hritt wtirrlc jcdi s flc1)iet \veih1i<'her TInnd;trl-cit flir den künsücnschen Gesrhm.irk cr(»l>cri. Der deutschen .Leincnsiickerti folgte die italienische; dann kam die Buni- und Plattstich-Stickerei heran in ihren verschiedenen Arten, die Aufiiäh- Arbeit, Goldstickerei, FUetpGuipure, Durchbruch-, die Knüpf- und Teppich -Arbeit etc., durch alle Techniken der prakti.schen Handarbeiten wie der decorativen Kunststickerei hind\irch. Wenn irgendwo in einer Lehranstalt, einer Klosterschule, einem einsamen Atelier ein Versuch auftauchte, neue Formen und Techniken zu scliaffen, oder alte neu zu beleben, sofort war F. L. ztur Hand, ennuthigend, be- lehrend und fördernd. Niemals liess sie sich an Zeichnungen oder Prospec- ten genügen, die fertige Arbeit musste vorliegen; dann aber bekam sie flur« h die Modenwelt eine Verbreif »nif,' und .\ncrkennung, wie niemals ein Kukur|>roduct durch irgend ciiic Veranstaltung hat erhalten köiinen. Dieses Wirken blieb nicht bei der Nadelarbeit stehen. Schritt für Schritt wurde alles herangezogen, was wir als Liebhaberkünste bezeichnen. Die Sammlung »Häusliche Kunst« ziddt nicht weniger als zweiundvierzig Abschnitte. Hier ist nicht so streng wie in den älteren Mustcrsammlnnt^cn nur AU1k\s ahrtes veröffentlicht; es ist dem Tapc^pesrhm.Trl mehr ii.u h-^e^^ebeii. Aber der W eg ist gewiesen, auf dem der Kun^tsinn m dius Burgerhaus emziehi, uml nu hl nur in das Bürgerhaus der grossen Residenzen, nein weit hinaus in die Pro- vinzen, in das einsame Forsthaus der entlegensten Wälder. Frieda L. war Kennerin alter Kunst so gut, wie irgendeiner von vms, aber sie war au<h Kennerin des \vcil>Hrlicn Herzens untl Köpfchens. Also führte sie ihre Cit;ineinde zielbcwusst vorwärts. Und vergessen wir nie, da-ss diese CiC- meinde nach Hunderttausenden zählt. Sehr viel schwieriger, als auf dem Gebiete der Handarbeiten, war die verwandte Arbeit auf dem Gebiete <ier Kleidermode. Hier ist es nahezu unmöglich, etwas Besonderes zu schaffen; Frieda T.. hatte mit Männern einen geistigen Verkehr wie ein Mann; niemmid von uns kunsthistorischcn Fachicuteii sah sie anders an, als einea grund- gescheidten CoUegcn, und zugleich war sie die wärmste F'reundm der fein- sinnigen Künstlerinnen; ihr Wort, ihr Rath galt so viel wie ein Werk. An den Arbeiten ihres Gatten über Kostümkunde tmd verwandte Gebiete, die in der strengsten fachwisscnschaftlichen Form geführt werden, nahm sie mit \v irmen Verständniss Thei!, So war sie in der mf>dernen kimstjjeworblichen ücwegung eine Kraft ersten Ranges. Und bei dieser erstaunlichen Inielligeiu,

. ijui. u i.y Google

Fnifna t«o Lipperbeidc Ro<)uette.

139

(lif^er gewaltigen Arbeitskraft hörte sie niemals auf, eine Frau 2U sein im besten ^mie.«

Den Andenkeii Frieda Lipper1ieide*t* Von Paul t. Scepantky undjulios Lc tsing. Die Uodenwelt 6b Heft, 1896/97. A. Gro»»e, »Die Fnn.« November 1896.

Roqoette» Otto, f 17. Mäiz 1896. An dem sonnigen wannen Nach«

mittaf^e fies 21. März 1896 geleiteten wir den lieben Sänger an seine letzte Kiihestritte. ^^il(!c Fnihlin^rsluft wehte fiber seine (rriift, junges (»nin nncl kiiosj)enclf Baume umrauschten den geweihten Ort, al:» wolUen sie den l oclten noch einmal grüssen, dessen Herz so warm schlug für die NYunder der (ik>ttcsnatur, dessen Mund so herdich und innig zu singen wusste von des Lenzes T uncl Wonnen, von MaienMütc und Blumenduft, von geheininiss- volhm Waldesrauschen, von froher Wanderhisf und von <len " S( luiiu n T i^^cn

der R^'^et\. « Ja, er liebte <iie Vntur mit tiefer und wahrer l ju|>tindung,

aus ihr :»og er stets neue Lebenskraft und trohen Muth für sein Schalten, I rieiien und Gleichgewicht für so manche Täuschung und Kränkung. Er Hebte sie ohne * Phrase und Pathos; still genoss er auf seineu Wanderungen durch Feld und AVald dius HHihen und Sprossen fies Frühlings, flie Tracht des Sommers, das Sinken des well enden Jahres. Utid was er uns in seinen Lietlcrn ueiiehen von dem Erschauten, das hatte seine Seele Alles lebhaft durch emphindcn, das war der gereimte Niederschlag der wogenden Empfindungen seiner Seele, die der Genuss der Natur in ihm erregt hatte. Dieses innige Naturempfinden wird als eine charakteristische Seite von R/s Schaffen zu betrachten sein, vir> es sich um ein nus^'eführtes Bild seiner fHrhferischen Thätigkeit haiulehi wirtl. Ks weniger avit die >Füllc der (ie.sichlc; , auf tlen blendentlen

(ilanz der ThanULMe untl die hnireissende Kraft der Bilder hingewiesen wcrtlcn können, als auf seine im tiefsten Grund zarte und sinnige Empfindung, auf sein warmes. Hebendes Herz, das sich so gern an die Jugend anlehnte, an seine unverwüsthche Lebensfris( In und seinen Jugendmuth, den er sich noch zu bewaliren wusste, als sein Rorper zu wanken begann.

Wer hebt, hat Jugend, die mit BIUtcnspro»sen Ihm iuuncr neu dos Daseins Kranz belebt Vom Wandel unberührt scm Hers erbebt. Nur wer sein Herz der Liebe zugeschlossen, Und Jugend nicht mehr zu verütchcn strebt, Der eitert, der iit todt, dieweil er lebt

Als wir am 19. April 1894 seinen 70. Geburtstag feierten und die Stadt

Darmstadt, wo er seit 1868 als Professor der Beredsamkeit an der Tcchni- srhen Hochschule wirkte, ihren Dichter gebührend ehrte, da war der Ce- feicrtc noch völhg unangetastet von der CIcl)rechliclikeil flcs Alters, er war frohgemuth und beweglich und wusste den zahlreichen Abordnungen und CHück wünschen fiisch und schlagfertig, wenn auch nur mit kurzem Worte zu antworten. Die breite pathetische Rede war ihm versagt; wenn er sprach, kl.ini: es W'ie ciiif.irhe anf:enehmc Kon^ er^^ation, ohne Pose, ohne Brustton. Als l't'i dieser Feier dni hhiliende Töchter seiner Kolletren von fler Hf)ch- schule ilin mit poeti>>chcin idtickwunscli begrüsstcn, tia liaif er sich ohne rednerische Entgegnung in hObscher und allgemeinen Frohsinn hervomifender Weise. Er sagte einfach: »Das war schön, nun kommt und gebt mir einen Kuss.cr Sprachs und nahm die HebHchen Mädchen eins nach dem Andern beim Kopfe und küsste ihnen flie erröthentle Wange. Balfl nach flieser l'eier begann sich das Alter Aihlbar zu machen; die Bewegungen und der

. y 1. ^ . y Google

140

Roqvette.

Gang des kleinen zierlichen Mannes mit den scharf geschnittenen Zügen wurden sciiwcr und schleppend, seine Spuche leiser und langsamer. Man suchte der »Muskelschwäche« durch BAossuren und Elektrizität beizukommen vergebens den Boten des nahenden Toiles wehrend. Aber frisch und genus^ fMluji Mich sein Coisf; und weim niu Ii 'r.i;^tsfrn;;en itml Pnütik ihn völlig an- bei ului Hessen, so blieben seine Augen doch der 1 Jiteratur autmcrk'^nm zugewandt und zuniaJ das Theater war bis zum letzten Augenblick seine l ieude und Erholung. Auch den letzten Abend seines Lebens brachte er im Theater zu; er wollte sich an der I )armstädtcr ErstauflUhrung der lustigen »Comiesse (juckerb erfrischen und blieb trotz eines wahrend der Aufführung sich ein- stellenden Kopfschmerzes bis zum Entlc rlersclben. Von Her S< hwester nac b Ilause geleitel, suchte er sogleich das Bett auf; bald verdunkelte sich das Bewusstsein und nach wenigen Stunden hauchte er seinen letzten Seufzer aus. Als ich wenige Stunden nach seinem Scheiden an seine Ruhestätte trat, waren seine Zttge völlig unverändert, still und friedlic h lag er fla, wie er auch still und srhmerzlos eingeschlummert ist. T( Ii k um hier keinen I ritis lien F.ss:iv libor R.'s i.)ichiungen schreiben, «1:1 ifh mir ciniLic. ^ewissemi.isM'ii |>n><»nli< hc Zuge des Dichters festhalten will einen runki al)er mochte ich auch liier hervorheben, weil er anscheinend ein psy( hologisches Problem in sich schliesst. Eins schicke ich dabei voraus. R.'s Lyrik, zumal die seiner Jugendjalire, ist allgemein bekannt und geschätzt; viele Lieder sind durch vortreffliche Kompositionen in die wei- testen Schichten fies Volles pednin^'^en. Dass seit 1880 keine neue Auflage erschienen ist, beweist an sich nichts gegen die litterarisch gesicherte Stellung seiner Gedichte; die lebende Generation hat ein kurzes Gedächtniss fUr ihre Jugendlieblinge und urtheilt nach anderen »ästhetischen« Massstäben. Sein Rhein-, Wein- und \Vandermärchen - vom »Waldmeister« ist von unverwiist- licher Lebenskraft. h;U fm Autlagen crltbt wml bildete in der letzten Zeit die einzige Quelle der liiierarischen P^tragni^se des Dichters. Und von dieser beispiellos volksbeliebien Dichtung wollte R. wenig wissen: mit allen Fibern seines Herzens strebte er nach dem Ruhm des Dramatikers. Seine Seele war freudig erregt, wenn eins seiner Dramen in Vorbereitung war, und wenn fler Krfolg seinen HoffnuTvjen nicht cntsi)ra<h, so war er keinesweps ent- miithipt, sondern sah mit StIihmk ht flem nfichsten V ersuch entgegen. Der iJarmstadter Hofbühne darf nacligesagt wcnlcn, dass sie sich mit grossem Entgegenkommen der dramatischen Schöpfungen des Dichters angenommen hat, obwohl keine derselben einen nachhaltigen oder durchschlagemlen Erfolg hatte. Wenn eine geschickte und bühnenl.nndi^e Hand die Reihe seiner Dramen revidiren wollte, so würde vielleicht »Der Feind im Hause^ xtv.f] sein ^ Sebiustiane dauernd fiir die Bühne zu gewinnen sein, von den andern Dramen lässt sich diese Hoffnung nicht aufrecht erhalten. Die dramatische Verve und Schwerkraft blieb dem Dichter ebenso versagt, wie eine scharfe und knappe Charakteristik seiner Personen; und so bringt er es wohl zu einzelnen fcs'>c!nffcn "^eencn, nie aber erregt er uns dtnrh parkende, drama- tisch wirk.same Vorgänge. Ludwig Fukla, der den poetischen Nachlass des Dichters übernommen hat, ist gewiss der geeignete Matm, sowohl das etwa Nachgelassene auf seine dramatische I^bensfähigkeit zu prüfen, als auch das bereits Vorhandene durch seine bühnentechnische Kunst zu beleben. Ich

■) Kin^i licnclc Biographie un 1 Pilliogfraphic fjab Ludwig Frinkel in dem Aufsati: Otto Ko<}uette, Biographische Blätter, II. Band, 397—413, 1896. D. Ii.

Koquctte.

habe bcgrflndete Zweifel, dass steh brauchbares Neues vorfinden wird.

Bei dem Bedürfniss des Dichters nach innerem CHeichmass und Frieden ^vim«;tc er die unaiisl>Icil>Ii< licir Knttäuschungen und Widerwärtigkeiten durch seinen immer wieder r.iseh her\ orffucllerulen Fruhimith /u bannen und in ihrer Wirkung abzustumpfen, aber doeh konnte er sich mit grimmem Humor über den durch Reklame und Cliciue gemachten »Ruhm« lustig machen, wenn auch ohne Neid und Bitterkeit. Wenn er seit einer Reihe von Jahren sich auch der Cleselligkeit mehr und mehr entzog, so konnte er doch bei gelegener Zeit immer wieder von Herzen froh und lustij^ sein, fröhlich »mfl fesschifl plaudern und seinem trockenen Humt^r, der durcii em ausgesi>rochc'nt.s ko- misches Talent wesentlich unterstützt wurde, so recht behaglich die Zügel schiessen lassen. Ich muss auch getreulich erwähnen, dass er mit wohl- klingendem Organ und warmer Beseelung vorzulesen verstand und dass die kleinen Vereinigungen in seinem duK Ii die Selnvester so belia^li< Ii uest.dietcm Heim stets einen jrefälligen und fn imdlic lien Eindruck hmtei liesst^i. < )!> seine norddeutsche Krziehung und Eigenart dm in seinem nuiersten Herzen und Wesen in Darmstadt hat heimisch werden lassen, ist eine schwer tn beantwortende Frage. Ohne Zweifel war sein Hers auf enge freundschaftliche Beziehungen gestimmt, ob er sich aber veranlasst fuhhe, den Freunden so ganz '^ein Inneres tu ersrhliessen und sie so recht tiefe und sichere Blicke in scme Denk- und tmptindungsweise thun zu lassen, das möchte ich nicht mit Sicherheit bejahen. Es scheint, dass in den ersten Jahren seines Darm- Städter Aufenthalts in R.'s Seele ein Prozess vorgegangen ist, der eine ge- wisse Vorsicht und Zurückhaltung auch den Freunden gegenüber hatte Plate gewinnen Inssen für eine so warm gestimmte Seele <re\viss eine Entbehrung, die er vielici* hl noch mehr em|>funden hat, als die I reunde. Das kleine Gedicht, das ich hersetze, selieint diese Auffassung zu bestätigen:

Du giebst ciahia dein gaaxes Wesen Du schattest aus die rolle Brust,

Du fühlst, d;A>>s Gleiches da erlesen

Um Gleiches tu empfangen inusst.

Da plötxltch trin't verwundert fragend Ein Wort dich, kalt, verstMndni«sleer; Erkenntniss, dir in's Antlitz schlagend, Zcrrcisst die Nebel um dich her.

Zu spHt hast du das letzte Siegel, Zu früh dein eiyen Merz enthQllt, Nun hühnet aus dem Täuschungsspiegcl Verzerrt dich an dein eignes Bild.

Man wird auch nicht fehlgehen, wenn man seine amtliche Thätigkeit in

Drirmsrndt mit einer ;:c\visscn inneren I'n/tifriedenheit, die auf dem r.rtmde seiner Seele fortwurherte, m einen engeren Zusammenhang luin;;!. V.\n wannher/.iger Dichter, eiti begeisterter Freund der Jugend, ein voriretiiicher Kenner der Litteratur als Dozent an einer Technischen Hochschule! Die Worte sagen Alles. Wer den Lehrplan einer solchen Anstalt auch nur ganz oberflächlich kennt, der weiss, dass litterarisch-asthetische Gegenstände neben der Fluth von mathematischen, physikalischen, chcmisrhcn, clektrotecimischen und andern, dem Gesammtgebiet der Technik unentbehrlichen Vorträgen gar nicht ins Ciewicht &llcn können, es mUsste denn sein, dass die Studirenden eine Kenntniss der vaterländischen IJtteratur als ein schdnes, ja unenthehr-

142

Koqucttc. Laistner. Graf Hoyos.

ticb«8 Bildungsmittel für jeden Gebildeten ansehen. Solche Zeiten aber liegen weit hinter uns! Und so waren die Kollegien R.'s Idein, oft sehr klein,

und dass er das schmerzlich empfunden hat, v i ich bestimmt. Denn ihm fehlte der Anreiz, die gcheimnissvoll wirkende I ricbkraft, die Air den echten Ixhrer in den gespannten Mienen und den leuchtenden Augen einer zahl- reichen Zuhörerschaft ruht, jene Triebkraft, die den Geist ansponit zum Auf- gebot seines ganzen geistigen Könnens, txan neuen und frohen Schaffen. Andererseits darf nicht verschwiegen werden, dass Dannstadt dem Dichter mit Wohlwollen und Aucrlccnnunp; cntgegeni^ekommen ist; sein 70. Geburts- tag allein hat flavon ^aiiuucndcs /cui^niss abj^clcj^i. Wenn Her Dichter m* Iii zu dcii allgemein bekannten vulksthunilichen rersuniichkeiten gehörte, so lag das zum grossen TheU an semer Eigenart, der jedes Hinaustreten in die grosse Oeffentlichkeit unsympathisch, das heimische StüUeben und die ruhig dahinfliessende Tagesarbeit, verschönt durch den Genuss guter Musik und der Schaubuhne erwünscht war. T^er neuesten Richtung der dramatischen Litteratur bat er völlig kühl gegcnUbergesUinden, auch mit Riehard Wagner s Schaffen hat er sich nie befreunden können. Mozart war fUr ihn der Grosse, Unerreichbare, dessen Tonwelt er mit feinem Verständniss und inniger Liebe umfasste. Hoher Gunst und Protektion hatte er sich nur in sehr geringem Mnssc zu erfreuen; sein 70. Geburtstag brachte ihm den an der Terhnisrhen Hochschule fiir ältere Do;^cnten üblichen I iiel des ^(ichcimen Hubaihs- ; eine Ordensauszeichnung ist ihm nie zu Theil geworden. Diis sprichwörtliche Jax» des deutschen Schriftstellers ist ihm nicht erspart geblieben er ist völlig mittellos gestorben. Seine hinterbliebene Schwester ist durch die Muni> ficenz rlcr Deutschen S«: liillei>tiftung tmd durch eine aus freiwilligen <iaben semer I reunde stammende ergiebige Rente vor jeder Sorge sichergesiellt. r^armstadt. Richard Wulckow.

Laistner, Ludwig, geboren 3. November 1845 in Esslingen, erhielt seine Sthul- und Universitätsbilflunr^ zu Stiii(p;art, Maulhronn, Tübingen, studieric Theologie, Philosophie, Geschichte und germanistische Fächer, lebte von 1870 bis 18S9 als Privatgelehrter in München, von 18S9 bis zu seinem am as.Mttrz 1896 erfolgten Tode als literarischer Berater der Cotta'schen Buchhandlung in Stuttgart, zeichnete sich als Dichter und Forst h r ms." Von seinen literar- geschichtlichen Arbeiten verdienen die über den lateinischen Rnodliebroman und über das Nibelungenlied besondere Erwäluuing. Die Sagcntorschung ist L.'s eigentliches Gebiet. Seine Hauptwerke sind die NebeLsagen, 1879, und das Rätsel der Sphinx, 1889. Aus der Ueberlieferung wird sorgsam die ursprünglichste Gestalt einer Sage erschlossen und deren Auslegung versucht, l^.'s poetische und gelehrte r)eLral>nna vereinif^en sich hier aufs ghirklirhstc. In geistvoller Weise werden die Ergebnisse der neuesten vergleichenden Sprachwissenschaft der Untersuchung nutzbar gemacht.

Genaueres ttber LMstner enthalten die Biographischen filXtter 1896, & «03 «09: Nach- ruf auf Ludwig Laistner von W. Golther. Sehwät». Kronik vom 33. Märt 1896 (Mittag^^blatt).

W. Goither.

Graf Hoyos, Rudolf. Die Anfänge rier grossen französischen Revolution

hal)en mehr ;i!s einen Oentsi hen nr»f Ii l':ir!s gelockt. Auch ein Spross märkischen üradels im damali» dem Moruenrui einer neuen Freiheit entgegen- gezogen, nicht ein jugendlicher Schwännei, vielmehr ein reifer \Liim, er- ftUlt von den Humanitätsidealen der Zeit. Hand in Hand mit dem genialen

Graf Hoyos.

143

Georg Förster wandelte Grat Gustav Schlabrendorf (^1758—1824) die hoff- nungsvoll au&teigenden und die la Bford und Gräuel absteigenden Bahnen der französischen Revolution. GiflckliGlier als Förster rettet er die reichen Gaben seines Geistes und seiius Herzens, sein seltenes, vielseitiges Wissen nus den Gefahren der Schreckenstage. Bis /.\\ seinem Lebensabende wirkte der anspruchslose Junggeselle, dieser »erennta Parisiensis«, als ein »in der Fremde angestellter Armenpfleger seiner Landslcute«. Kein Deutscher verliess Paris, ohne den ehriurchtgebietenden Greise seine Verehrung auszudrücken; und jeder gieng belehrt von dannen, Wilhelm von : il>oldl, Varnhagen, tu- deutschen Romantiker, sie alle erblicken in ihm ihren Fatriarchen. Als leuchtendes Vorliiki schritt er seiner Nichte i'herese (1781 1862) voran. Auch sie lebte und webte in flen Ideen des Jalirhunderii. der Humanität. An Geliert, dem liebenswürdigsten Frauenersieher der Aufklärungszeit, hatte sie ihre Anschauungen sich gebildet; dnnkerftillt stiftete sie ihm ein Denkmal an der Stelle, die er mit seinen Jugend^ennsscn vom Kreise der Bremer Hcifrnjrer immer wieder aufgesucht hatte, im Kosiiiih il bei Feip/i|::. Gratin Iherese Schlabrendorf verband sich mit dem österreichischen Grafen Johann Emst Hoyos (1779—1849). Der Mann ihrer Wahl entstammte spanischem Caballeroblut, das seit Jahrhunderten mit Oesterreich untrennbar verbunden ist. Im Jahre 1520 war Johann Baptist de Hoyos in den niederösterreichi- schen Herrenst.ind eiiij^etreten ; seine Nachkommen bewährten sich als treue und thatkratlige Vasallen di r lial)sl>ui^ischen Fürsten. Graf Jultunn Ernst genoss vorzüglich das Vertrauen senier k.iiser; er bekleidete die hohe Würde eines kaiserl. Oberst-Jägermeisters. Am 9. November 182 1 wurde als jüngstes Kind der Ehe Joliann Krufts und Theresens auf dem Fideicommiss-Schlosse Horn in Niederösterreich (iral Rudolf Hoyos geboren. In diesem Grossneffen des Pariser Philanthropen verband sich die hohe hist()rts( he Culiur der väterHehen •Vhnea mit der hohen geistigen Cultur der mütterlichen Familie zu einem harmonischen Ganzen. Unverkennbar war seiner äusseren Erscheinung der Stempel spanischer Abkunft aufgedrückt: die hohe imponierende, in ihren freien und doch wieder so runden Bewegungen elastische und anmutsvolle (lestalt, der scharfinnrissene, energis« lu- ('hara]:terko|if, die Glut der ticfflunklen Augen, sie liessen rux h in flem (ircise tiie bezwingende Schönheit des Jüng- lings almen; die gci.siig <.lu rehgearbeiteten Züge des Antlitzes deutete in jeder Linie auf die contemplativen Neigungen spanischen Alters. In seinen jungen Jahren Reiterof freier in einem Heere, dem seine Familie seit Jahrhimderten ihre besten Kräfte {gewidmet hatte, f^enoss er ilas 1 eben mit der vollen, vingebrochenen Stärke eines siegesgewrsscn reuiperainenies. dmi tler liedanken Blässe die angeborene Farbe der Entschliessung nicht angekränkelt hat. Das Evangelium setner Jugend war ein Evangelium der That, nicht des Wortes. Auf der Höhe männlicher Keife angelangt, sehloss er als echter Spanier diese viia activa ab, um mit plöt/Hchen Ruck in eine vita contemplativa überzu- j^ehen. Ebenso lassen sich die grossen Geister spanischer Hliitezeit, die Fope und die Calderon, in ihrer Jugend von dem vollen Strome des Lebens tragen und gewinnen einen tieferen Einblick in menschliches Treiben^ ein reicheres Weltbild, als ihre deutschen Genossen; und ebenso schwören sie in reifem •^Iter alle Weltlichkeit ab und gehen ins Geist iue über. Im 16. luid 17. Jahr- h'n lcrt tritt man in einen geistlirhen Orden; Graf Rudolf Hoyos wurde ein Piitiier der Humanität, ein Philanthrop, wie sein Gros&oheini Gustav Schla- brendorf.

144

Graf Hoyos.

Schwere Krankheit hat die seelische Wandlung bewirkt. Er Hess sich dann von weihlicher HantI in die Welt des Cicistes einführen. F-ine Frau von ungewöhnlicher kfinsticrischcr Begabung Unkte den Mann, der ihr in inniger Seelenfreundschatt anhieng. Ich habe des sehenden Auges entbehrt, Bis Du es mit Licht mir erfülltest«*, ruft er ihr ins Grab nach. Sie stand anregend und angeregt in der Mitte eines Kreises von höchster geistiger und künstlerischer Beweglichkeit. Alexander von V'illcrs, überreich an originellen ApertjUs, feinsinnig, feinfühlig, ein klein wenig bizarr, irnt in (litSLni Kreise an H. heran und wirkte hestiniinend auf ihn, wie anf den i^csinnun^ver- wandlen Nachenipfinder chissischer Landschaften, Alexander Freiherrn von Waisberg. In diesem Bunde durchgeistigter Aristokratie fiel es H. wie Schuppen von den Augen. Mit rastloser Energie lebte er sich in eine neue Welt ein. Goethe's Kaust blieb fortan sein steter IV^lritci. Wie alle jedoch, die, ein reiches Leben ihr I jgen nennend, plot/iit h vor die ^f)sse Frn^^e de^ »^arum?« treten, wantlte er sich nicht ausschliesslich der bpeculanon zu. Er baut vielmehr seine philosophischen Betrachtungen auf allerbreitester Grundlage auf; er liest und arbeitet unermüdet; er ninunt mit Villers» dem grossen Autodidakten, einen (Mieniiekurs. Doch, allem Schwankenden, Zwei- fleutigem abhold, ringt er sich rasrh von Kinzelstudien zu einer festen Lebens- anschauung empor. Als echter Sp.mu r hc w iihrt er sich nuch hier. Sein ganzes Leben steht er auf dem, vicllei< iu einseitigen, schruü unbeugsamen Ehrenstandpunkt des spanischen Hidalgo. In Fragen der Ehre kannte er keine Nachgiebigkeit; lieber opferte er den besten Freund. Wenn ein solches Naturell an Fragen der Flhik herantritt, wird sein philoso|)hisches Credo sich 7u se h.irAitnrissenen (Irundsatzen rasrh verfestigen. Eine klare, einheitliche Lebensanschauung forderte er von sich und von jedem. Wunderbar aber und nur aus den von der Mutter ihm überlieferten Humanitätsprincipien er- klärlich war die Diddsamkeit, mit der er die T^ebensanschauung anderer hin- nahm, war sie nur einheitlich und zielbewusst. Er mutete sich nicht zu, die alleinselijjmnrhenfle T clire ifcfmulen zti haben. Durch alle seine Aeusserunijen zieht sicli da.«» innntr wiederhultr Zugeständnis, dass menschiulK l'rkennlnis subjectiv sei, abl\angig von /eil und Ort, von den Fixistenzbedingungen des Einzelnen. Das »Relative« der menschlichen Anschauungen betont er mit Vorliebe; und» von diesem Relativen durchdrungen, bekämpfte er in sich jede Neigung zu Vorurtheilen. Unerträglich war und blieb ihm nur jenes vvnrhsweirhe, jeder Regung der eigenen Psyrhc nnrhijiebitrc, jedem Lufthauche nachschwingende Wesen. Solch willenloser hcultus Hess din gelegentlicti aus den sonst stets gewahrten (ircnzen gedämpft ironischer Polemik zu un- zweideutigen Worten der Abwehr fortschreiten. Brieflich wendet er sich ein- mal gegen eine Lebenskunst, die sich nur aus den Nc ^:itionen zusammensetzt: »kein Khrgeiz, keine Tvcidcnscliaft, nichts, wns den glatten Fliis'^ der Wasser irübt. i Das sei, meint er, kaum ein Recept für die Apotheke des Alters, ge- schweige die richtige Diät für das gaiuc Leben. Wer sein Leben zu einem Kunstwerk gestalten wolle, der brauche plastischen Stoff und die Idee, d. h. das lieben und ein Menschenherz, mit Allem, was sie enthalten, mit Allem, \>'Ami! sie niifeinander \\ ir1:en, :ilsf> ruieh mit F.hrc'ciz, mit I oidensrhaft, mit .StürniLti. Nil Iii dxs Leben des Mönches, nur diis künstleriscli uc tuhrie Leben des Weilmenschen sei das grösste Kunstwerk. Nur der Kämpfer könne siegen!

Selbst eine starke Kämpfematur, hat er t^rliches Ringen an anderen hochgehalten. Seines wärmsten Antheils sicher war, wer immer im Kampfe

Gnf R070«.

»45

ums T>aseins schutzlos dastand. »Wer nie fiirs Recht sein Schwert geschwungen, Der ist kein rechter Riitersmann«, ruft er einnial aus. Kin ritterHrher Schützer und Vertheidiger der Armen ist er auch geworden, in nationalokononiische Probleme hatte er genüg^den Einblick gewonnen, um ein VTort mitzureden. Stand er doch jahraehntelang, etst a)$ Verwaltungsrath, dann ab Präsident an der Sj)itzc einer der ersten und hestbegriiiidcfen Versicherungsnnstahen Oesterreichs. Seine lei/tL'n I .Ll>oiisjahre waren erfüllt von dem emsigen Streben, das Los der Enterbten zu lindern, es glUckhcher zu gestalten. So- cialen Problemen nachhängend, tritt er jetit neben seinen Grossotadm, den Pariser Philanthropen. Er sucht nach Mitteln und Wegen, den unversöhnlichen Gegensatz von Arm und Reich au&uheb«fi. Du Privateigen 1 hu m wdll i r j;ewahrt wissen, aber dem Erbrechte gieng er, wenigstens theoretisch, zu Leibe; er liess »ich nicht durch die Thatsarhe beirren, d;ij>s er selbst und seine nächsten Verwandten Nuiziiiesser des seit langer Zeit geselzhch festgelegten Besitzes ihrer Ahnen waren. Freilich kannte er das Leben zu gut, hatte er zu tief in das Treiben der Welt hineingeschaut, um durch einen vereinzelten und eben drum wirkungslosen A( i das F.rhret lii umzustürzen imd so die letzten Folgerunpen einer Theorie /u ziehen, die er selbst noch lange imlit für völlig ausgereift hielt. Ueberhaupt war er nicht ein asketischer Prophet von der Art seines Grossoheims, der seine Mansarde in Paris nur das eine Mal gegen eine andere Wohnung vertauschte, als Ihn der Cdnvent gefangen setzen Hess. H. trug die Harmonie seines innerlich gefcstetcn Wesens auch nach Aussen; seine Lebenskunst erstrei kte sieh nicht blos auf sein Innenleben, sie verlangte nach einem aut" gleichen Ton gestimmten Milieu. Wenn er andere glücklich wissen will, wenn er sociale l heorien baut, so möchte er ihnen eine gleiche Ueberetnstimmung innerer und äusserer Existenz schenken. Denn er selbst fühlte sich nur da glücklich, wo Kunst ordnend und ver- «höncrnd gewaltet hatte. Er liebte die Künste und die Künstler, weil sie ihm ermöglichten, das Dasein zu vollem Cenusse auszugestalten. Kr hat sich in Wien eine Wohnung geschaffen, die m ihrer ganzen Erscheinung ein Kunstwerk war. Gedämpfte Hannonie bei grösster Behaglichkeit strömte wann und voll dem Besucher entgegen. So mdgen die grossen Geister der Renaissance sich das Heim ihres Alters eingerichtet haben; Lenbach fand diese Räume stimmungsvoll genug, um einen Winter hindurch sein Atelier hier aufzuschlagen. Wie innig Lebensgebalirung und Milieu in H.'s Bewusst- sein zusammenhingen, beweisen Verse, die er an seinen Tapezierer richtet, die aber eben so gut zum Motto seiner ganzen Lebenskunst dienen könnten: »Steter Wechsel, doch kein Streit, üebergänge, wohl vermitte lt, Hoher Emst und Heiterkeit, Wie der Stil sieh au( h betitelt«. Aehnlich bia< hte er die Harmonie seines Wesens in den I'arkanlagen seines schlesischen Krbsehlosses Lauterbach zur Geltung, wetteifernd mit dem Fürsten Pückler, dem Scliopfer Muskaiis.

Wer Kunst als Verschönerungsmittel des Lebens fasst, der wird den Kflnstlem gegenüber zu starken Sympathien und Antipathien neigen. Zusagen wird ihm nur, was harmonisch dem Ganzen seines 1 ebcns sich einfügen lasst. L'nserem Lebenskünstler war Farbe wichtiger als Form, Malerei lieber als Plastik. Und innerhalb der Malkunst befriedigte ihn am meisten, was seiner Neigung zum gediegen Präditigen und wiederum Gedämpften, Auageglichenen entsprach, der Hochstand der italienischen Malerei, dann Rem' : M', ^ >n neueren Künstlern Lenbach, der melancholische Landschafter Schindler, die

Gnf Hoyoi.

zaxUi duftige Technik Fröschls. Wenn er selbst zu Stift und Pinsel griff und seine ungewöhnliche Begabung, Landschaftsformen und LandMÜlaftiätimmungen nachxuiUhlen, mit einer Aber die Grenzen des Dilettantismus sicher binaus- schreitendcn Fertigkeit verwertete, brachte er individuellste Effecte hervor. Unerträglich liliolan ihm die Präraphaeliten älterer tind neuerer Zeit. Der Musik stand er ferner; gleichwol zog ihn auch an ihr an, wns ihn an ricr Malerei entzückte, nicht die Form, sondern die Stimmung, die Klangfarbe. Tribweriacher Zigeunermusikt melancholischen Klängen Chopin's oder Schu- roaoa's lauschte er gem. In seinen letzten Lebensjahren liess er sich von treuer Freundeshand langausklingende Arpeggien auf dem Piano vorspielen und wiegte •^u h in den romantisch versrhwimmcndcn Acrorden.

Zur iJichiung zog ihn sein ausgebildetes Schönhcitsbedurfnis und seine Voilaebe für ethische Probleme. Innerhalb dieser Grauen liess er den grüssten Freisiiin «alten. Die Musik der Prosa Heyse*s bot ihm stets neuen Genuss: doch auch die extreme Richtung modernster Lyriker konnte auf seinen Bei- fall rechnen, wenn er in ihr gelegenilich einen verwandten Drange nach Schönheit begegnete. Ueberliaupl war H. emsig bemüht, der neuesten l.ittc- ratur gerecht zu werden. Die Berhncr und Wiener Zeitschriften moderner Eichtung, die ihrer Zeit ungeduldig vorauseüenden Werke deutscher, nordischer, französischer und englischer Litteratur fanden sich auf seinem Bücherbrette zusammen, (lerne liess er sich von einer gewandten Interpretin die Heils- lehren neuerer Aesiheiik künden. Auf .solchem Wege ist ilim auch die Schönheit J. P. Jacgbsen's aufgegangen. Ferner stand ihm dramatische Pro- duction, zumal in seinen letzten Jshren^ da hartnäckiges Lungenleiden ihm jeden Theaterbesuch verbot.

H. selbst ist erst in hohem Alter zum Dichter geworden. Der Verlust jener Frau, die ihm die Pforten einer neuen geistigen Welt aufsrhloss, haf sich in melancholischen gedeckten iönen ausgelost. Ihr widmete er seine tie&tempfundenen Verse. Auch die Dichtkunst hat er nicht um ihrer selbst willen betrieben. Sie war ihm nur ein Element, das in der Harmonie seines Ichs nicht fehlen durfte. Er ist ein Gelegenheitsdichter im besten Sinne des Wortes geworden. Was ihn liewegt, was ihn geistig anregt, es wirr! 7x\m Lied. Feinsiiuiige A]K•rcu^ enur überlegenen Natur, vom Verstände niehr, als von der PlianUü>ie diktiert ! Auch wenn er in Liebesglück sich e|geht, klingt der leise Spott des Welterfahrenen durch. Seine Ironie hindert ihn nicht, immer wieder dem Weibe zu huldigoi. £r ist Junggeselle geblieben» wie der eremita Parisiensis; gleichwol ist aus seinem Leben das weibliche Princip nicht wegzudenken. Tiefere Herzenstöne werden angeschlagen, wenn er der Mutter oder des Vaters gedenkt, oder wenn er, im höchsten Alter, eine frflhliingeschiedene Frauengestalt von seltenem Liebreiz fei^t, das nixenhaft Räthselhafte ihres Lebens und Sterbens zu deuten sucht. Gern Idht er Liebeserinnerungen das Colorit Italiens. Reiseerlebnisse und Reisereminiscenzen kehren h.infig wieder, die Wüste und das Meer mit seinen Mnven, die stets von Neuem seine Gedankenwelt in Bewegung bringen, dann i'usittaieben und Zigeunertumj die realistische Poesie der Grossstadt Wien ist ihm in zwei Stimmungsbildern aufgegangen. Gemälde in Dichtung umzusetzen, lag ihm nahe. Am liebsten jedoch und mit jedem Jahre mehr wendet er sich philo- so|ihis« ht ii Betrachtungen zu. Was er erblickt, es giebt ihm .\nlass. seine I elfensanschauung resigmeri vorzutragen, eine I andsciiaft, ein AnieisenViar., ein Irrenhaus. Politische Fragen werden selten berührt. Aphoristisch knap]»e

Graf Hojos. Scbamwsn, M.

«47

Verse hat er gerne niedergeschrieben, ebenso wie sein Grossoheim Schlabreu- dorf. EMe Fonii seiner Dichtungen ist gewandt und leicht; idt erinnert oft an Heine, zuweilen an Heine's Lehrer BrentanOi »uwcilen an seinen Schüler Scheffel. Die srinvicrifje Form des Sonettes glückte ihm meisterhaft; das metrische Problem, Walzenliythmus in Worte zu bringen, hat er einmal glänzend gelöst. Als Prosaschriftsteller hat H. sicli selten vernehmen lassen. In Ksaayform ist er fttr seinen Freund Villers eingetreten» dessen Briefe durdi ihn in zwei Sammlungen der Welt geschenkt worden sind ein Denkmal der Freundschaft zweier Lebenskünstler.

Das srhwere 1 ungenleiden, das H. seit Jahren quälte, hat seinem reichen Ijeben den ü. November 1896 ein Ende gemacht. Auf Schloss Lauterbach ist er gestorben. Seinen Freunden entschwand mit ihm ein guter Theil ihrer besten Lebensfreude. Nur grosse Naturen hinterlassen gleich unaus- fällbare Lücken.

Ueber Graf Ctistav Schlabrend-- rf (Indet man alles N*itige lusammengeslellt in Grün- iiagea « Artik«! (Aligeni. deutsche Bio^ruphie 31, 3io). Ueber den Vater <'rai Johann Emst handelt Wtirxbach 9, 346^ dicnd« & 348 knappe genealogiicbe Notizen und Littera- turaiigabcn zur ric-rhir-hte des Haii^c-^ Hnyns. l'ehcr \'illcrs und scinc Briefe vq^l. Waliel, AUgem. deutsche Biogr. 40, 779. Die (iedichtc des Grafen Rudolf iloyos er:>chicDen in twci SenunhoigcB (Wien 1W7. Drctden luLefpaig 1892). Von Nekrologen seien efwikm ' r Milvid.i-; von Meysembufj fNcuc fr. Presse S. 11582 v. 20. November) und dn Marie Herzteidj) (Wien. Krenidenblatt v. 2$. November). Dem Verfaulter »Undeii Mitteilungen der Freunde des Verbliebenen zu Gebote; sie gewibtten ihn nncb Einblick in den handacbrift- lich«» Kacblasi, fUr deaaen littecarische Verwertung bald gesorg^t werden soll.

Wien. Oskar F. Walzel.

Schumann, Matthias. Das Jahr 1896 hat drei nanihafif (kutsc liL- Sr i tistiker zum Opfer gefordert. Zu ihnen gehörte auch Sch. Wahrend aL)ei Karl Becker und Ernbt Engel hciiun in den Ruhestand zurückgetreten waren, ist er mitten aus seiner enusigen Berufsthätigkeit abberufen worden. Sch. ist als der Sohn eines Gutsbesitsers au Irxleben unweit Magdeburg am 14. Oktober 1851 geboren. Seine Schulbildung empfing er anfänglich auf f!' ni fTvmnasium des Klosters U. L. Fmtien in Magdeburg, spater durch den I rivatujUrrricht von Hauslehrern. AU jene un Frühjahr 1870 ihren Abschluss erhielt, erlernte Sch. zunächst die Londwirthschaft. Nach zweijaiiriger prak« tischer Beschäftigung mit ihr, sowie nach Ableistung seines Freiwilligendiensies, bezog er Ostern 1873 die Universität Halle in der Absicht, sich die wissan- schaftliche Ausbildung in den landw it di>c tiartüchen Lehrzweigen rin>:iieiun<?n. l)ofh schnn hald wandte er .sich, durch l'rüJessor C'onrad's fesselnüc \i)r- truge und mehr noch durch dessen geschickte Leuung der Uebungen im Staatswissenschaftlichen Seminar angezogen, gänzlich dem Studium der National« Ökonomie und Statistik zu. Com id s Persönlichkeit bestimmte Sch., bis zu Knde seiner akademi.schen Studien in Halle zu verbleiben. Lediglich, um den Doktorgrad zu erwerben, begab er sich schliesslich - und das aus formellen Cjninden nach Jena, wo er in Folge einer eingereichten Dissertation Uber die MortalitätBverhältnisse zu Halle a. S. von 1855 bis 1874 und einer gut bestandenen mündlichen Prüfung Ausgangs 1876 dieses Ziel erreichte. Sch. hatte das (ilück, unmittelbar nach erlangter Promotion in den Staats- dienst einzutreten: ?um t. Februar 1877 wurde er auf Conrad s Em- pfehlung — zum wj.sseni»challhchrn Hülfsarbeiler beim Grossherzoglichen statistischen Bureau in Oldenburg angenommen. In dieser Stelliuig, in der er später aum Regienmgsassessor ernannt wurde, verblieb er reichlich sieben

10*

148

Schumann, M<

Jalire. Inzwischen hatte er die Bekanntschaft des Leiten der deutschen Reichsstatistik, des Dr. Becker, gemacht, wenn der seine oldenburgiscbe Heimatb gelegentlich aufsuchte. Gleichzeitig war man im Kaiserlichen sta- tistischen Amte und besonders von S( heel mM" Scb. thirch einige lieachtunirs- würdige Arbeiten aufmerksam geworden, sah lU-rker sich ver.inhisst. aU der jetzige Rostocker Professor Stieda ausschied, Sch.'s Berufung zum Kaiser- lichen Kegierungsrath und Mitglied des statistischen Amtes flir den i. Oktober 1884 zu erwirken. In dieser Stellung verblieb er zwölf Jahre, während welcher er 1897 zum Geheimen Regieningsrath befördert wurde. Sch. ist als statistischer Schriftsteller wie Krhcjlt mit Frfolg hervorgetreten. Vor- zugsweise befasste er sich gerne uul schwierigen bevölkerungsstatistischen Forschungen, wovon insbesondere seine amtliche Thäti^eit Zeu^iiss abgelegt hat. Doch auch eine Reihe privater Arbeiten »nd von ihm erschienen. Die erste, aus sdner Fromotionssdmft hervorgegangen, bildet einen Theil der Untersuchungen, "des Einflxisses von Lebensstellung und Beruf auf die Mor- talitaüiverhakuisse« , herausgegeben 1877 von Conrad in der Sammlung nationalökonomischer und hUtibUbcher Abbandlungen des staatswissenschaft- lichen Seminars su Halle. Und zwar ist aus Sch.'s Feder der allerdings nur auf ziemlich bescheidenen Unterlagen fussende, aber gründlich behandelte Abschiutt über »die Sterl>hrhkeit nach dem Alters geflossen. Im T;ihre 1883 veroffenthehte er als eigene Schrift- »Die Sexualproporüon der Geborenen, eme statistische Studie«. In ihr wird die Frage erörtert, inwieweit das» Ge- schlecht der geborenen Kinder mit dem Alter der Eltern im Zusammen- hange steht. Von den verschiedenen Arbeiten, die sich mit ihr befasst haben, ist die Sch. 'sehe ohne Zweifel eine der bedeutendsten. Allerdings scheint Srh.'s Annahme, dass in erster T inic der Einfluss des Vaters zur Geltung komme, welche aus seinem noch wenig umfänglichen elsass- lothrin- gischen und norwegischen Materiale steh ihm aufgedrängt hatte, nicht mehr haltbar zu sein, seitdem ausgedehntere Forsdiungen, sumal die von Dttsing zu anderen Ergebnissen geführt haben. Indessen in methodischer Betiehung hat die Studie Sch.'s durch ihre feine Zergliederung und Behandlung des Stoffes inuner norh auf Beachtung Anspruch. I-eiiiglich das Aufnahme- und Bearbeitungsverfatnen behandeln die beiden Aufsätze »Ueber die Ermittelung des Ernte-Ertrages im Deutschen Reichec und »Zur Technik der Anbau- und Ernte-Statistik«, von denen jener 1879 Hildebrand "s Jabrbttchem für Nationalökonomie und Statistik, dieser jSgo in Mayr's Allgemeinem statisti- schen Archi\ erschienen ist. Weiter sind von ScIi. die Heilrage über »Haus- halts-« und über »Heimathsstatistik« in Conrad' s Handwörterbuch der Staats- wissenscbaften (1892) wie die, welche Deutschland betrefifen, zu den Auf- stdlung«! über »les imp6ts et les dettes hypoth^caires sur la propri^t^ foncidre rustiquc dans quelques £tats d'Europec im Bulletin de l'Institut international de Statistique 1894), endlich die inneren Wanderungen in Deutschland« in Mayr's Allgemeinem statistischem Archiv (1890). So schätzenswerth alle diese privaten Arbeiten gleich sind, so liegt doch die Bedeutung Sch.'s weniger hierin, als in seinen dienstlichen Leistungen für die amt!i< ]ie Statistik und ztunal die des deutschen Reidies, an deren glfick- lichcr Ausluhhmg ihm ein ehrenvoller Antheil zukommt. Weil er keine ki- tende Stellung einnahm, ist er freilich nach aussenhin minder hervorgetreten, und bekannt geworden; aber als Referent insbesondere für die Bevolkerungs-, die Gewerbe^ und die landwirthschaftUche Statistik im Kaiserlichen statisti-

Sctaanaim, IL AckermaiuL

*49

scheu Amie hat er Auhgezeichneiei» geschaiTen und bleibende Verdienste sich erworben. So rühren u. A. von ihm her: "Die ahsdbaulidie Sdiildening der Gcu'erbe (Bd. 6 und 7 Neuer Folge der Statistik des Deutschen Reiches, 1886) und der landwirtlisrhaftli« hen Betriebe na< h der sog. Berufszählung von 1882 (Bd. 5 N. F. i.S.S5\ die höchst an/iehcndc Durstellun^ der Statistik der öffent- lichen Armenpflege ^Bd. 29 N. F. 1887) und die abschliessende Bearbeitung des von Becker, dem ersten Direktor des KaiserHchen sutistischen Amtes begrOndeten, aber nur nun kleineren Theile sur Ausf&hrung gebrachten grossen Werkes »Stand und Bewegimg der Bevölkerung des Deutschen Reiches und fremder Staaten in den Jahren 1841 1886« (Bd. 44 X. F. 1892). Diese Arbeiten haben in tachgenössischen Kreisen begründetes Aufsehen gemacht und ihrem Verfasser die Anerkermimg eines hervorragenden statistischen Forscliers eingetragen. Was Sch. in hohem Grade eigen und was auch aus allen seinen Verüffentlichungen herausleuchtet, war neben guter Beurtheilungsgabe eine gana vortreffli« he analytisrlie Beanlagunp, vermöge deren er es meisterlich verstand, tief in den Stoff einzudringen und 'hn nach den verschiedensten Richtungen hm klar zu stellen. Namentlich waj er bestrebt, den Ursachen der Erschei- nungen nadunigefaen und sie an der Hand der gefimdenen Thatsacben zum Verständnisse zu bringen, ohne sich in voreilige Vermuthimgen zu verlieren. Denn davor bewahrte ihn seine ausserordentliche, fast ängstliche Sorgfalt und Gründlichkeit. Indem sein Absehen besonders auf die sachliche Ausbeutung und Erklärung des Stoffes gerichtet war, ergänzte er zugleich glücklich seinen ersten Direktor Becker, der als mathematiscfa geschulter Kopf mehr die methodische Seite zu er&ssen liebte. Uebrigens hat sich Sch. auch vortreff- lich bei den Arbeiten für die Organisation von Zählungen bewährt, in be- sonders hohem Maassc bei denen ftir die grosse Berufs- und Gewerbezähhmg von iSq:^, deren weitere l^earheitung, hinsichthch deren man sich Tüchtiges von ihm versprechen durfte, er indessen nicht mehr auszuführen vermochte. Unverheimtfaet geblieben, zog sich Sch. in den letsten Jahren mdir und mehr vom gesellschaftlichen Veikehr zurfick. Dazu die sitzende Lebensweise und wohl auch unzulängliche Bewegung des zur Körperfülle neigenden M.mnes machten bereits wiederholt sich störend fiihlbar. So ist er noch nutten in voller Arbeitskraft imd in den besten Mannesjahren plötzlich am 12. Juni 1896 aus seiner ergiebigen Schaffensthätigkeit geschieden. Wie er als Itberaus pAiehttreuer Beamter tn seiner Dienststellung eine empfindliche Lücke ge- lassen hat, ist sein Heimgang auch ein schwerer Verlust fOr die durch ihn wttrdig und erfolgreich vertretene statistische Foi^hung.

Oldenburg. Dr. Paul Koilmann.

Ackermann y Hans Conrad Carl Theodor A., Arzt und Professor der pathologischen Anatomie in Halle, wurde am 17. September 1835 zu Wismar in Mecklenburg geboren. Er studirte die Heilkunde in Greifswald, Würzburg, Prag und Rosk cI; und erlangte 1852 an letztgenannter Universität die Doctor- wiirde. Nachdem er hier eine Zeit lang an der damals noch veremigten chirurgisch -medizinischen Klinik die Stellung als Hilfsarzt bekleidet hatte, habtlitirte er sich daselbst 1856 mit einer Sdirift ttber die physiologischen Wirkungen der wichtigsten Brechmittel als Privatdocent. Eine Reihe weiterer Arbeiten experimentell-pathologischen und pharmakologis( hen Inhalts, -so über den Erstickungstod resp. über den Einfluss der Erstickung auf die Menge des Bluter im Gehirn, wie in den Lungen, den A. an trei>anirlcn Thieren stu- dirte, ferner Uber Wärmeregulinmg, über die Wirkung der Digitalis, Uber die

150

Ackefmano* Baun.

Choleraepuiemie des Jahres 1859, über welche er eine» sehr eingehenden, rem «ichlich gehaltenen, von aller naturphilofloplittdier Speculation jeiier Zeit freien, mit einem Atlas iUustrirten Bericht unter Berücksichtigung der Petcen'

kofer schcn Lehre von der ätiologischen IVdeutung der Bodenbeschaffenheit licforfe, versrhafTtcn A. eine aii-^serordcnllic I10 l'rofessur, die er i??5o ^iijLrKMrh nut der ( )l)t.'i lcituiit; fior cijjens für ihn cii\<:ori( IitcU'ii und mit einem l>al>ora- torium für expeiimeiitellc Pathologie vcibundeiien Toliklinik erhielt. Nachdem er einen inanrischen an ihn ergangenen Ruf zur Uebemahme der inneren Klinik in Dorpat abgelehnt hatte, wurde er 1865 zum ordentlichen Professor in Rostock ernannt zugleich mit dem Lelimuftrag für patholo^isi lic Anatomie, die, bisher von dem Lehrer der klinischen McHicin Rcmeins< h.iftli* h mit «lieser vertrelen, zu einem selbst<indigen Lehriacii erhoben wurde. lortab wjdiiictc sich A. fast ausschliesslich der pathologischen Anatomie. 1873 lulgte er einem Ruf ds ordendicher Professor desselben Faches und Director des pathologi- schen Instituts nach Halle, als Nachfolger von Julius Vogel, woselbst er bis zu «seinem durch Kränklichkeit bedingten Rücktiiii i^oe; wirkte. Seitdem lebte er im Ruiiestande und starb am 22. November 1896. A. gehörte n!k:hst Virchow zu den ältesten Lehrern der pathologischen Anatoaiie in Deutschland, sowie zu denjenigen Forschem, die von der klinischen Medicin aus zum Specialstudium der pathologischen Anatomie gelangt waren. Bcson' flers verdienstvoll sind seine Arbeiten über die T.t bt rt irrhose. A. lieferte auf lliuiul eingehender niikrosk<i|iisch-anatomischLr l'ntcrsiu lumgcn den Nachweis von der geneüsclien und anaiomisclien Versciiiedenbeit der sogenannten hyper- trophischen und atrophischen Form der Leberschrumpfung. Die betrefTende Publikation befindet sich in dem bekannten von Virchow herausgegebenen Archiv für pathologische Anatomie etc. Band CX. Weitere Arbeiten A.'s be- treffen die Schädeldeformität bei dem angeborenen HimbriK h (encei)halocclc congenita), worüber er 1882 eme iVlonographie verolicntlichte. tlrwähncm- werth niid noch zwei akademische Gelegensheitschriften kritisch-historischen Inhalts von A., nämlich: »Mechanismt» und Darwinismus in der Pathologie« (Rei loratsrcde 1888) und »die ijathologische Bindegewebsbildung in der Leber und l'f^figcr's telerjindsches Kausalgesetz« (in der Festschrift ztmi aoojührigen Jubiläum der Uni\rr>it,'it Halle 1894.

Vergl. E. Gurlt. med. naturwisscnscbaftl. Nckroloij <li> Jahres 1896 in Virchow's Arcbiv Bd. 148 S.203; ferner Th. PuAChnann in Vif hmv s Jahresbericht über die Lei* Httin^en nnH Fnrts< liritic in der gewBinitctt McdiciA voa 1896 296 und die daselbst an*

gegebenen ^>uclU■n.

Paget.

Baum, Georg Wilhelm B., Chinirg vnid leitender Arzt der städtischen Krankenanstalten in Danzig, wurde daselbst am 11. Iifai 1S36 als Sohn des damaligen Oberarztes des Stadtlasareths Wilhelm B., des späteren hoch* berühmten JChirurgen und Professors der Chirurgie in Greiiswald und (Böttingen, treboren. Kr erhielt seine Vorbildung auf den flvmnasicn in (ireifswnM u 1 ! Gotiingen und bezog 1854 am letztgenannten Ort die Universität, die er spaicr mit Berlin vertauschte, um hier 1859 mit einer in der Göttinger chirurgischen KJinik gearbeiteten Dissertation »De laesionibus aneurysmatibusque aiteriaiuin glutaeae et ischiadicae« die Doctorwürde zu erwerben. Nachdem er die Staats- pnifnng tind knr/ dnrnnf die Phvsicatsprüfung znrnrl. gelegt hatte, liepah er sich auf eme wisx n^t haltliche Rei>c ins Ausland mit hmgerem AutV-nthait in Paris, wo er sich die Specialausbildung in der Chirurgie angelegen sein hcss.

B«iiiB. CSMalohr,

»5»

t86i zuiiickpckehrt, wurde er As5;i<;tcnt an der Klinik seines Vaters. 1864 bei Ausbruch des sclilcswig-hülsteinisciicn Krieges ging B, als freiwilliger Militärarzt mit dem preu&sischen Heere im Feld; ebenso nahm er an den Kriegen von 1866 und 1870/71 ab Mitglied des preussischen Sanitätgoffider- koips bezw. als Stabsarzt Tlieil. In der Zwischenzeit war er nach Danzig nbrommandirt worden, nnhm nhcr seinen A!>schied und erliiek die

Oberleitung des Städtischen Krankenhauses in Dan/ifi, zunächst der inneren Station, 1879 der chirurgischen Station. In dieser Stellung pflegte B. u. A. auch die operative Gynäkologie und lieferte hierzu, sowie überhaupt zur Casuistik der chirurgischen Operationen wichtige Beiträge in Gestalt zahl- reicher Journalaufsalze in der Berlitier klinischen Woc lu-nsehrift, in flcn Fort- «^rbnrten der Medien», in den ( 'cntralhlaltcrn für L"hinir;zie und ( iyn;\kologic, sowie in den Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Sie betrefiien u. A. die Lehre von den indiiecten Schädelfiracturen, Ovariotomie bei constatirter Schwangerschaft, Radicaloperation des Uteruskrebses durch Totalejcstirpation des Uterus von der Scheide aus, die operative Udiandlung eitriger Pleuraergüsse, Darmresertion ele. f*.., der am i,^. Ai»ril iS()6 starb, war ein angesehener Arzt und wissenschaftlich wie praktisch verdienter ( hiruifj. Auch das Danziger Krankenhauswesen verdankt ihm wesentliche Lingestiiltung und Förderung.

Vcrgl. E. Gurlt, n.iturwis^. incil. Nekrolog etc. L C* p* 184; PnacknaBn tUkd T. Xöply in Virchow*» Jahresbericht von 1896 S. 296. Pagel

Eisenl«^, Karl, Arzt tmd Oberarzt am neuen Eppendorfer Krankenhause bei Hamburg, wurde 1842 in Pforzheim pteboren. Seine mcdi( inis( 1k* Ahs- bildunjr erhielt er hanptsnrhlirh in Heidelberg, wo er namentlich unter 1 ei- tung des Klinikers Nicolaus Friedreich die innere Medicui pflegte. Nach Beendigimg seiner Studien und Prüfungen übernahm er 1875 eine Stellung als Hilfsaxzt am alten allgemeinen Krankenhause in Hamburg, um später nach Kröffnung der neuen Anstalt in p4)i)endorf hierher überzusiedeln, wo er seit 1887 Oberarzt an der inneren Abtheihing war. Doch nöthif;tc ihn wieder- holte Erkrankung zur öfteren Unterbrechung seiner Arbeit und schliesslich zu einem Aufenthalt in Funchal auf Madeira, wo er am x8. November starb. Trotz seines kurzen Lebens und seiner Erkrankung, die ihn die letzten drei Jahre vollständig arbeitsunfähig machte, hat es £. dennoch auf eine ^ mz «tattliche Anzahl bemerkenswerther Httcrarisc lu r T.eistnnfien gebracht. Die- selben bewegen ««ich hauptsächlich auf dem Gebiet der innereri Medicin und betretten die Neuropathologie, die E. mit Vorliebe behandelte, speciell die- jenigen Erkrankungen, welche als Folge von Allgemeinerkrankungen und inneren Leiden sensu strictiori hervorgehen. So brachte er eine Publication über die Pathologie und path(il<);^ist lie Anatomie der Nervenentzündung vmd der Gürtelrose (zusammen mit Heinric h C'u rs( h man n \ u-rnor lirlVrte er Studien Uber Tabes, traumatische Neurose, Landry sehe Paralyse, Mor van sehe Krankheit, Abscesse in der Medulla oblongata, Uber Bulbärerscheinungen bei Typbus. Die meisten der Arbeiten E.'s sind in der Deutsch, med. Wochen- schrift und im Archiv für klinische Medicin publicirt. Auch Mittheilungen über die T>in*mose des Lchercchinokokkus, über arttte und rhronische Nieren- entzündung nach ansteckenden Krankheiten in ihrem Verhältniss zu einander, über die Hamburger Cboleraepidemie rühren von E. her.

Ueber die QmUco vgl. E. Gurlt I. c p. 202 und Pusckmann L c. p ,

15»

Gcflaclk Cflathcn

Gerlach, Joseph von G., Ar/t und einer der hervorragendsten Anatomen aus der zweiten Haltte des 19. Jahrhunderts, wurde am 3. April 1820 in Mainz geboren. Seine Studien machte er von 183S bis 1843 in Wlirsburg, München und Berlin und erlangte am erstgenannten Orte 1843 mit einer Tnnup;uralabhr\ndlung Uber das Fiteraiige die Doctorwürde, sowie nnch da- malif^cr heimathlicher Sitte die A])prc)batioii für die Praxis. Dann begab er sich auf wissen&chaithche Reisen mit längerem Aufenthalte in Wien, Paris unci London, kehrte 1847 in seine Vaterstadt zurück und liess sich hier zunächst als Arzt nieder, widmete sich aber neben der Praxis eingehend und mit be- sonderer Vorliebe anatomischen und mikroskojiischen Studien. Als Prodvict derselben publicirte H. bereits 1848 sein bekanntes Handbuch der allpe- meuien und speciellen Gewebelehre«, welches von iler wissenschaftlichen Welt mit grossem Beifall aufgenommen wurde und ihm zusammen mit einigen vor- her publidrten kleineren Einzelstudien die akademische Laufbahn eröflhete, indem er schon 1850 ohne Weiteres eine Ik rufung als Ordinarius der Ana- tomie nach Frlanpcn crlni-Il, der er Fcjlge leistete. Tn die<.er Stellunp hatte er nirht \)\oss die nf)rmale Anatomie, sondern am Ii die IMiysioloi^ic und [»atlid- logisclie Anatomie zu verirelen. Doch giug bereits 1865 die leiütgenanntc Disctplin als sdbständigcs akademisches Fach an Friedrich Zenker tmd die Fhjraiologie 187s an Isidor Rosenthal über. G. wirkte in dieser Stellung in ausserordentlich «segensreicher "Weise, bis er iSqt in den Ruhestand trat, feierte am 12. Augu<;t desselben Jahres sein 50 jalirifjes Doctorjubilaiim und starb als Nestor aller deutschen Anatomen erst am 17. December. Kr hat sich um den Fortschritt in der anatomischen Untersuchunptechnik ein un- sterbliches Verdienst erworben. Sein Name ist für alle Zeit mit der von ihm 1855 angegdienen künstlichen Färbemethode der mikroskopischen Präparate mittelst Carminatnmonium verknüpft, welclie für das Studium di r Hiolojjie von befruclilendsiein Kinfluss geworden ist; spater wurde die genain^le Sufjsi inz bekanntlich von ihm selbst durch die Aniliufarbstoflfc ersetzt. Von G. rührt femer als wichtige Neuerung in einer seiner Erstlingsarbeiten (1847) die Em- pfehlun^^ her, durch die Einspritzung eines Gemisches von Carminammonium mit (n'l.itine flie kleinsten T?!utpef;iHse deutlicher sirhtliar zu machen. Von spL'ciell die Anatomie betrctTcndcn Arbeiten G.'s sind mx h /u nennen ausser dem schon angeführten Handbuch der Gewebelehre: »Mikroskopische Studien« (Erlangen 1852), in welchen er die Ergebnisse einer Reihe kleinerer Detail- untersuchungen über den feineren Bau des Gehirns und Rückenmarks, der Tastkörperchen, des aquaeductus Sylvii, des menschlichen Trommelfells u. a. zusammcngefa.sst hat; «Die Photographie als Hülfsmittel mikroskopischer For- schung« (Leipzig 1863); 15 Beitrage zur normalen Anatomie des menschlichen Auges« (ebenda 1880); »Untersuchungen Uber das Verhältniss der Nerven zu den willkürlichen Muskeln der Wirbelthiere« (ebenda 1874); »Ueber die Structur der Leber <^ ; »Handbuch der topographischen Anatomie«. Im Uebrigen hat G. auch in den übrigen, früher von ihm f^emcinsrhaftlich vertretenen Di.sciplincn manche nanili afte iitterarische Leistung atit'/uw eisen. Unter anderem sei hierfür seine bekannte Monographie »Der Zoiieiikicbs und da* Osteoid« (Mainz 1852) angeführt.

Uebcr die Qnellcn »n dieser BiograpUe vgl. B. Giirlt L c. p. «04; PuscbmaDn L c.

Pagcl.

(Jünther, Karl, hervorragender Thierarzt in Hannover, wurde als Sohn des Directors der Hannoverschen Thierarzneischule Johann Heinrich Friedrich

Gttndicr. GflDtnet.

«53

G. (t 1858) ebendaselbst 1S22 geboren. ¥a erlernte «uerst die Landwirth- schaft, gin^ dann aber zum Rcnif seines \'aters über und studirte 'Ii" Vc- terinSrnicdicin in Herlin vinfl Hannover. K.nh Beendigung seiner Sludicn machte er eine wissenschaftliche Rej.se durch Frankreich und habiJitirte sich daranf 1 845 als Dooent der Chirurgie an der Berliner Thlefareneiscbule. Be- reits 1846 erhielt er eine Berufung in die Stellung als Ifauptlehrer an der gleichen Anstalt zu Hannover, die er annahm und bis zum Jahre 1880 be- kleidete, wo er in den Ruhestand trat, nachdem er 1867 zum Professor, 1870 zum Dirccior der gedachten Anstalt ernannt worden war. Kr zog sich auf sein Landgut Winne bei Wernshausen zurück und starb hier am 14. Juli. C. hat filr das Veterinlrwesen in wissensdudUicher und administrativer Be- ziehung sehr viel geleistet, letzteres in seiner Eigenschaft als Mitglied des Medicinfrlrollepums ftir Hannover und spater noch der wissensrhnftlirhen Deputation für ilas Medicinalwestti. Höchst verdienstlich ist die von ihm zu- sammen mit seinem Vater 1859 publicirte Monographie »Beurtheilungi^lchre des Pferd«« w^n der erstmaligen streng wissenscfaaftUcfaen Darlegung der Lehre von der Zahnentwickelung und den Zahnkrankheiten beim Pferde. Nicht weniger anerkennenswerth ist die topographische Myologie des Pferdes« (iS66>. Erwähnung verdienen noch seine Schriften: »Die Wuthkrankheit des Hundes« (1880); '»Ueber Hilhnerzucht« (^1890); »Die Zucht des wahren Ge- brauchs- und Ackerpferdes« (1869), endlich die historische Schrift: »Die Thier- araieischule in Haiüiover in den ersten htmdert Jahren ihres Bestehms« (1878).

PageL

Güntner, Wenzel, Arzt, emeritirter Proftssor der Chirurgie, Regierungs- rath und Sanitatsreferent in Salzburg, wurde /u Neu-I.osimthal (Kr. Eger) in Böhmen am 29. Dc/cmber 1820 ^thuien, studirte in Prag, besonders als Schüler von Pitha und Oppolzcr, erlangte daselbst 1847 die Doctorwürde und wurde noch in demselben Jahre Assistent an der chirurgischen Abtheilung unter Pitha, als welcher er succe^ive /ur Stellung als Secundärarst empor- rückte, um i??5o an die chirurgische Klinik als Assistent überzugehen. Hier wnr er hi«« iS;« thatig, dorirte seit 1855 mit besonderer Erlaubniss der iracultat, ohne sich förmhch habiiitirt zu haben, über Chirurgie und übernahm dann nachdem Pitha nach Wien berufen worden war, als dessen Nachfolger die Professur der Chiruxgi«^ sowie die Primarchirurgen-Stelle am Allgemeinen Rrankenhause in Prag. Doch folgte er bereits in demselben Jahre einem Ruf als Prnfe'Jsnr an der medicinisch-chinirp«?rhen T ehran«;<alt, sowie in Ver- bindung damit als l'rimararzt am St. Johannisspital in Salzburg, wo er bis ZU! 1875 erfolgten Aufhebung der Lehranstalt thalig war, während er seine Tbitigleit als Ptinararst noch bis 1878 betbehielt* In diesem Jahre erhielt er seine Ernennung zum Rcgierungsrath und Sanitätsreferenten, sowie zum obersten Leiter des Sanitäswesens im Herrojrthum Salzburg, Acmter, die er bis zu seinem am 9. Okto]»er i8f)6 crt'oliitcn I cbcnsende bekleidcic. f^59 und 1866 dirigirte er die clururgisclie Abtheilung in den grössesen Spitälern, wdcbe bei dem Transport von Verwundeten xur Aufnahme bestimmt waren. Von schriftstellerischen Leistungen sind nur seine 1864 erschienenen »Grundzüge der allgemeinen Chirurgie« sowie einige Aufsätze in der Prager "\'irrtc1jahr- schrift, in der Zeitschrift d. k. k. GeselKrhnft der Aerzte in Wien und in den Memorabiüen bekannt, deren Mitarbeiter er war.

OmOcb s. bei Garlt L e. soa

PageL

»54

Kinteio. Klein,

Kirstcin, Moritz, Arzt und Oeheimcr SaniLäUriiüi in Herlin, wurde 1830 daselbst geboren und auf dem (>ymnasiuin zum grauen Kloster vorgebildet. 1850 beaog er die dortige Universität zum Studium der Heilkunde, das er

1855 mit Absolvirung der Staatsprüfung beendigte. Hierauf begab er sich zwecks weiterer AusliiMung nach Prapf unrl Wien, iim die damals prävaliren- den Prag-Wiener Schulen und ihre hcrvoriagenrlen Vertreter näher kennen zu lernen, speziell jedoch in der Absicht, sich in den klinischen Untersuchungs- methoden mehr zu vervollkommnen. Ganz besonders zogen ihn die Wiener Klinilrr an: Oppolzer, Skoda, Dietl, Schuh, Hebra, deren Arbeitsstätten er eifrig frequentirfe und denen er sein irnnzcs T.cbi'n lang dankbare Krinnenmcr bewahrte. Knde des Jahres 1855 hess er si« h in Berlin als Ar/t nieder und erwarb sich bald einen ausserordenüich umfangreichen Wirkungskreis, Sein Pflichteifer und seine Gewissenhaftigkeit kannte keine Grenzen. K. gehörte /u den beliebtesten \m<\ angesehensten Aerzten der Residenz. Ein reger Wühlthätigkeitssiiin /cii lincte ihn aus; er gchrirtc zahlreichen humanitarci\ Instituten als Mitiilicd resp. Vorstanrlsfjenosst- an. Wissensrhaftltrh hat er sich dadiir< h hcrvorgcthan, dass er als einer der ersten Praktiker 1860 den Kehlkopfspiegel in der Praxis verwerthete, wie er denn überhaupt die locale Therapie der oberen Luftwege eifrig pflegte. Nach kurzer Krankheit starb K. am iz. Juli.

Pa-d.

Klein, Philipp Jacob Johann Leo, Arzt und Geheimer Sanitatsrath in Berlin, wurde hier am 15. April 1815 geboren. Sein Vater Johann Gott- lieb K. war besoldeter Stadtrath in Berlin und erhielt nach vierzigjähriger Dien-stzeit den Titel Stadtältester; sein Gross vater Philipp Jacob K. war Kaufmann in Rerlin. Nachdem er 183.^ fins nymnasinm zum Grauen Klusicr absolvirt hatte, w^i u. A. auch Fürst Bismarck sein Miisi Imlci war, bezog er zunäcIiM zum Studium der Rechte die Berliner Universität, ging aber bereilä ein Semester später zur Heilkunde über. Seine letzten zwei Studiensemester brachte er in Halle zu, um sich unter Peter Krukenberg in der klinischen Medicin und Blasius in der Chirurgie zu vervollkommnen. In Berlin waren seine Lehrer Johannes Müller, Schlemm, Schiilt/-S( liult/enstein, Ju- stus Friedrich Carl Hecker, HorU| Kluge, Barteis, Wolff, Rust, Jueng- ken und C. F. v. Graefe, Hier erwarb er auch 1837 die Doctorwürde mit der Inauguralabhandlung: »Quaedam de sudoris diflerentiis in morbisc. Nachdem er 1839 die Staatsprüfungen absolvirt hatte, liess er sich in seiner Vaterstadt nieder und erlangte sehr bald eine Armennr^t-^telhinw in der Rosenthaler Vor- stadt, in welcher er fast ein halbes Jahrhundert in segensreichster Weise thätig war, bis ihn Kränklichkeit zum Rücktritt nöthigte. Er gehörte zu den honorig- sten und geachtetsten Aerzten der Residenz. I^ge Jahre bekleidete er in der grössten wisse 11 schaftlichen Aerztegesellschaft Berlins, der Medicinischen (ie- scllschaft, das 1 Ehrenamt ciiu s Schatzmei';ters. 18R- beging er sein 5ojährigcs Doctorjubiläum, aus ueli hem Anlass er der ( Ici:« nstand m.annigfacher Ova- tionen aus CoUcgcnkrciscn wurde. Sein Tod erfolgte an Altersschwäche am 27. November 1896. In der Geschichte der Medicin ist K. insofern ein litterarisches Andenken gesichert, als der Kliniker Ludwig Traube für seine ersten berühmten Curse in den damals noch neuen physikalischen L'nter- suchungsmethoden sich des aus K.'s Medicinalbe/.irk stammenden Kranken- materiids bediente, bis später die Armendirecüon dies mhibirte. K. nahm an diesen Unterrichtscursen Traube's lebhaften Antheil und hat somit auch

"55

ein Verdienst an der £inbürgerung der phystkaliscben Untersucbungsmethoden

in Berlin. _ ,

Pagel

Lewin, Georg Sleluurd, Arzt, Professor der Haut- und syphilitischen

Krankheiten an der Berliner rnivLisitat, Dirigent der betreffenden Abtheilung an (W r Kß]. Charite dasL-lhst und ( Iclieinu-r ^^(:(li(■i^;^l^ath, wurde am lo- Aprtl iSjo zu Sondershaiisen geboren. Seine lucdit inisrhe Fat haiisl^üdnn^^ erhielt er seit 1841 in Halle und seit 1843 in Berhn, wo er sicii speciell an Johannes Malier anschloss und unter seiner Leitung /um Zwedt der Doctorpromotion die Inauguralabhandlnng »de concretione et Hquore prostatae« 1845 verfer- tigte, in der er nähere Mittheilungen tiber die Ergebnisse seiner Versuche betreffs der chemischen Ziisammensctztinfr von Niederschlägen der Vorsteher- tlrüse machte. Im folgenden Jahre absolvirte er das St;uitsexamen und begab sich dann auf eine längere Studienreise, die ihn u. a. nach Wien, Würzbuig und Paris führte. Nach der Rückkehr von derselben liess er sich in Berlin zunächst als practischer Arzt nieder und widmete sidi ncbmhcr eifrigen wissenschaftlichen Arbeiten, besonders expcrimentell-pathologis< 1km Art, als ileren Prodiu ( rr tS6i in Vir( how's Archiv (Bd. XXI) die ludcutungsvollc Abhandlung über l*hosphorvergituing publicirte. Hier erbrachte L. als einer der Ersten den Nachweis von dem Zusammenhang der fettigen l>egeneration der Leber mit der Pliosphorvergiftung. In demselben Jahre trat er auch mit -Studien über <lcn Hodeiv , die er in der «I)euts< lu-n Klinik veröffentlichte, hervor. Ausserdem i>eschafligte sich L, practisi Ii und Wissenschaft li< h mit Untersuchungen in der Laryngologie, einer Dist iplin, die um jene Zeil durch den von Manuel Garcia 1854 angefertigten und von Csermak 1858—1859 in die Praxis eingeführten Kehlkopfsspiegel in ein ganz neues Stadium gelangt war. .Auf Grund mehrjähriger Beobachtungen lieferte er in Virchow's Archiv Bd. XXIV. eine umfangreiche, wcrthvolle Arbeit »Uber Krankheiten einzelner T heile des Laryn.x bedingt durch deren physiologische und anatomische Kigcnschaftcn«, mit der er sich auch 1862 als Privatdpcent für innere Medicin habilitirte. Eingehend widmete er sich fortab spedell der Laryngoscopie und vertrat den Unterricht in dieser Fertigkeit als erster Universitätslehrer in Berlin. U. a. veröffentlichte er in dieser Zeit seine anerkannt fjediegene Moiui^rapliie: »Die Inhnlntionstherapie . ferner die r>Klinik der Krankheiten des Ivelilkopfes«, welche von 1863 64 in 2 AulLigcn erschien. Inzwischen war durch Baerensprung's Erkrankung 2863 an paralytica dementia die Leitung der Abtheilung für Dermatologie und Syphtlidologie an der Kgl. Charit^ in Berlin freigeworden und L. mit derselben 1864 betraut. Fortab widmete er «iirh nussrhiiesslirh den genanntt-n Oisciplinen und erhielt bereits 1X68 die ausserordentliche Professur. 1880 wurde er zum Mitglied des Reichs-desund- hcilsamts, 1884 nun Geheimen Medinalrath ernannt, nachdem im letz^enann- ten Jahre von seiner Klinik die Dermatologie abgezweigt und an Schweninger übertragen worden war. Bei Beginn des Sommersemesters 1896 trat er gänz- lich von der C'harit<5stellung j'unick, behielt jedoch .sein Universitätslehramt bei und versah auch seine übrige wi.ssenschaltiiche und praciischc Thätigkeit in unverdrossener Weise bis zu seinem am i. November plötzlich erfolgten Tode. Des Hauptverdtenst L.'s, durch das er sich in der Geschichte seiner Disciplin einen Namen gesichert hat, besteht in der Einführung tler subcutanen Snblim.ifinjcetionen in die Syphilisthempic, tiber rlrrm Erfolge er 1867 /nerst in der Doctordissertation eines seiner Schüler berichten liess und später selbst

156

eine zweimal aufgelegte, auch ins Russische und Englische übertragene Mono- graphie pubtictrte. Ausserdem stammen von L. nodi zahlreidie Euizekb« handlungen, meist Joumalartikel über die verschiedensten Gebiete der Der- matologie, so über Cysticercus, parasitäre Sycosis, Akromegalie, Sklerodermie, Addison'sche Krankheit, localc Argyrose, luilhseittge Atrophicen und Hyper- Irophieen u. v. A. £in grosser 'i heii seiner i'ublicationen befindet sich in den Chari^AniMlen, aber audh m vielen anderen Zeitadiriften Mntreut. L. war ein ausserordentlich gelehrter Aizt, langjähriger Iteferent ttber seine Spe» cialgebiete fSOt Virchow-HLrsch's Jahresberichte und Besitser einer ungewöhn- lich timfangreichen und reichhaltigen Bibliothek, welche /um Thcil der der- matologischen, zum Theil der medicinischen Gesellschaft m Berlin zufiel. Er- wähnt sei auch, dass als 1879 der Krankheitsfall Prokoffjew in Petersburg für Europa eine herannahende Pestepidemie befürchten liess» L. vom deutschen Keichskanxler im Einverständniss mit der russischen Regierung mit der localen Unterst! rhung und Abgabe eines Obergutachtens betraut wurde. Bekanntlich fiel dies negativ aus« sodass die bereits beabsichtigte Grenzsperre unterbleiben konnte.

Besll^ch der Quellen in L.'s Biographie Gurlt 1. c p. aoi u. PoseliinanA L c

Paget.

Lommcr. Emil L., Generalarzt I. Klasse und Korpsarzt des FV. Armee- korps mit dem Rnng als Generalmajor, war am 29. Mai 1834 als Sohn eines (ieisdichen in Schleusingen geboren. Ostern 1854 bezog er die militararzt- lichen Büdungsanstalten in Berlin. Am i. October 1858 trat er als Charit«^- Unterant in die Königliche Armee ein. Nachdem er darauf beim leichten Feldlazareth des Gardekorps, dem i. Gardedragonerregiment Königin von Grossbritannien tmd Irland, sowie bei dein Magdeburgischen Leibhusarenrcgi- ment No. 10 als Unterarzt bezw. Assistenzarzt gestanden batte, wurde er unter Hefurtierung zum Stabsar^it am 27. September 1864 zum Fnedrich-Wilhelms- Institut (der jetzigen Kaiser l¥Uhelms>Akademie) nach Berlin versetzt und blieb bei demselben bis zum 24. September 1868, wo seine Berufung als Hülfsreferent in die Militar-Medicinal-Abtheilung des Kriegsministeriums er- folgte, niese StcUung hatte er, nachdem er unter dem 5. Januar 187 1 De- cement geworden war, bis zu seiner Ernennung zum Generalarzt 2. Klasse inne, welche unter dem 4. November 1880 erfolgte und ihn an die Spitze des Sanitätskorps des IV. Armeekorps stellte. Dem letzteren Korps hat er bis zu seinem am 14, Mai während einer Dienstreise in Torgau eingetretenem Tode ununterbr()( hen angeliört. Er wurde während dieser Zeit am 7. März 1889 zum Generalarzt 1. Klasse befördert, und am 18. April 1895 wurde ihm der Rang als Generalmajor verliehen. Ausgezeichnet durch geistige und Characier- eigenschaften, unermüdlich thätig in der Erfüllung seiner Berufepffichten, war es seine T>ebensaufgabe, mit seiner grossen Thatkraft die weitere Entwickelimg des Milit irmcdicinalu csens in seinem Korps zu fördein und seinen Unter- gebenen als leuchtendes Vorbild voranzugehen.

Deutsche mUitilrärztliche Zeitschrift 1896 p. 272.

Pagel.

Meyer, JtiUiiB H.» Arzt und Geheüner Sanitätsrath in Berlin, wurde hier- selbst 1820 geboren. Er besuchte zuerst die Bartel'sche Privatschule und

später das Joachimsthal'sche Gymnasium, das er 1830 mit dem Zeiigniss der Reiie verliess, um in Bonn dem Studium der Heilkunde obzuliegen. Hier blieb er drei Semester lang imd hörte bei Wilhelm Schlegel, Ernst Moritz Arndt,

Meyer. Müller.

"57

Gottfried Kinkel tu A. geschichtliche, litterargeschichtliche und philosophi- sche, sowie bei Trevtranu^, Goldfuss, Nöggerath, Naumann, Nasse und

Weber naturwissenscbaftficb-medicinische Vorlesungen. Dann kehlte er wieder

pnrh Berlin /urCuk, wo er Johannes Müller, Schünlcin, Dieffenbach, KomliLT^, Jiingken, FrDriep, Khi^c, WoHT. Simon, hlenHn/.u Leh- rern hatte und am 29. Juh 1843 mit der inaugurulahhandlung >»dc niurbis talse recteque diagncMKixndk« den Doctortite! erwafb, einer Schrift, in der er haupt> sächhch nach Beobachtungen in der Schönlein'schen Klinik die Grundsätce schildert, die in jener Zeit bei der Dia^^mose der Krankheiten übtirli waren. Nachdem er 1845 die St Kitsexamina absolvirt hatte, Hess er sich in seiner Vaterstadt nieder und wurde hier einer der ersten Aer/te des sogenannten »Gcfwetkakrahkenveiciiisc. Li dieser Stellung war er Aber 3 Jahrzehnte thAtig. Ausserdem erwarb er eine sehr ansehnliche Privatdientel, wobei ihm nicht bloss seine wti^enschaftUch-practische Schulung, sondern auch sein aussergewöhn- Hch menschenfreundliches, und treuherzig-biederes Wesen tu Statten kamen. Mit vieler Liebe widmete er sich auch der connnunalen ArmenpHege in seiner Eigenschaft als langjähriger Magistratsdecernent und (Orderte dieselbe nach mannigiachen Richtungen. Ein besonderer Antheil gebflhrt ihm an der jähr- liehen Zusaoamenstellung d^ Formulae msgistrales Berolinenses in usum pau' perum. Sonst sind ausser einigen kleineren Aufsätzen sc]iriftstelleris< lie Lei- stungen ni< Iii von ihm bekannt geworden. iJ?<).^ konnte er noeh sein 5ojahriges l>octorjubiläuin begehen. Sein Tod erfolgte am 23, Januar.

PageL

MSOer, Max IL, Sanitätsrath und herroiragender Chirurg zu KOln a. Rh., ist als Sohn des bertthmten Berliner Physiologen Johannes M. (x8oi 58)

am 23. October 1829 zu Bonn, wo damals sein Vater noch Extraordinarius war, fjeboren. Seine medirinischc Studien machte er seit 1848 in Herlin, Bonn und Göttingen und erlangte 1852 mit emer unter i^eitung seines Vaters, den er auf seinoi besonders der vergleichenden Anatomie gewidmeten Stu- dienreisen zu begleiten pflegte, gearbeiteten Inauguralabhandlung »Observa^ tiones anatomicae de vermibus quibusdam maritimis« die Doctorwtirde» Später widmete sich M. Hist anssrhliesslirh der Chirurgie. Nach Al)soIvinmg der Staatsprüfungen trat er als Assiaient von Utto Fischer in das Burger- hospital zu Köln ein imd bheb hier 6'/^ Jalire lang, um 1864 die Leitung des damals begründeten St. Marienhospttals von Köln zu ttbemehmen. In dieser Stellung verblieb er bis zu si-iiuMn am 3. September tSq6 erfolgten Tode, fast aiissrhliesslieh litterarisrh und j>rac tis( h mit Arbeiten tut Chirurgie besrluiftigt, für die er mu h cip^t ner Mittlu-ilung sich stets diirc Ii die Arbeiten V. Langen beck 's und seiner Schüler besonders angeregi und wesentlich ge- fördert gefUhlt hatte. Während des Feldzuges von 1870/71 war er zugleich als dtrigirender bezw. consultirender Chirurg an den Kölner MiUtflrspitälem thätig. Seine Publicationen sind meist in v. Langenbeck's Archiv erfolgt, flrwähnenswerth sind besonders die Arbeiten: T^eitraj^ zur Verwendung' des halben Gipsgus.ses in der Chirurgie« ^1865); »Enterotomie zur Beheliung euicr inneren Einklemmimg« (ebenda); »Beitrag zur Statistik der Tracheotomie beim Croup« (1871); »Hemiotomie nach Massenreduction« (ebenda); »Unterbin- dungen grösserer Gefässstämme bei Nachblutungen nach Schusswunden im Kriege 1870/71 (1873)« u. V. A.

Vgl. üurlt L c. p. 196; Puschmann, Toeply L c.

Paget

15»

Oidendurtit'. Kiglcr.

Oldendorff, Adolf O., Ant und Suiitätsrath, bedeutender MedicituJsu^ tistiker in Berlin, wurde am 15. Dezember 1837 in Meseritz geboren. Er besuchte zunächst die Volksschule, dann die Realschule seiner Heimat und zuletzt das Kölnische Gymnasium in Berlin, das er 1852 mit dem Rcife- zcugniss verliess, um sich dem Studium der Heilkunde in Berhn zu widmen. Hier waren Johannes Mflller, Schlemm, Hecker, Schönlein, Traube, Josef Meyer, Romborg, Remak und v. L an gen b eck seine Lehrer. 1S56 »langte er auf Gruntl seiner Inauguralabhandlung «über die Zeichen der Orga- nist ticii Hei/tVIiler die Doctorwürde und Hess sich u.u h erfolgte r Ai>|irf >l)ati(»n in Berim als piactischer Arzt nieder, wo er bis zu seinem am 1 6. Juni eirulgtcn Tode thätig war. ü. besass ein reges Interesse für die arztlichen Standes- fragen und hat sich ausserdem durch ssdilreiche wissenschaftliche Arbeiten, welr jic iach auf dem Gebiete der Hygiene und MedtcinalsCatistik, besonders der I-t l)CTisversirhenmgsstntistik, bewegen, einen gnten Namen f;emarht. 1874 erschien sein anerkannt werihvolles Werk: »Die |alire^l>cn< lue der deutschen Lebensversicherungsgesellschalicn und ihre Bedeutung für die Medicinalstati^^tik und die Verncherungsgesetzgebungc Daran schlössen sich die nicht nninder bedeutenden Publicationen : »Der Einfluss der Beschäftigung auf die Lebens- dauer des Menschen» (Herlin 1877 78, 2 Hefte); Clrundztige der ärztlichen Versicherung»^]. raxis (Wien und Lei|)/iii 1882). Ausserdem verötfenflirhte er noch verschiedene Aufsätze ülier die von ihm gepflegten Disuplinen in mehreren Zeitschriften. In seinem letzten Lebensjalire rief er noc^ die ge- diegene »Zeitschrift für sociale Medicin« ins Leben mit der Absicht, darin alle Fragen xa behandeln, die den medicinischen Unterricht, das Rranken- hauswesen, die sociale Strllmifi der Aer/te, die Re(litc und l'fliehten der- selheri, die 1 heiiaahiiic der AcriCte an der oHciiilii licn Hygiene etc. etc. be- tieitcu. Leider ist diese Zeitschrift lucitt über den ersten Band hinaus- gekommen.

PagcL

Rigkr. Karl Theodor Johannes, Arzt und bekannter \ erfasse r eines sehr werthvolien \Verkchei\s, «Das medicinische Berlin*. ^1873), wurde am 3. August 1839 in Potsdam als Sohn eines Gymnasialdirectors geboren. Seine Schul- bildung erhielt er auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt. Dann bezog er die riiiversität Berlin zum Studium der Heilkunde, wo er 1862 mit einer Arbeit Uber tlie I eUcnswarme du, Doctorwürde erlangte und sieh naeh er- folgter Approbation aU Ar/,i lutdcrliess. Eine Stelhing als Eisen bahnkassen- arzt venichaA'te ihm die Möglichkeit zur Sammlung einer Anzahl von Beob- achtungen über die durch Eisenbahnunftlle hervorgerufene eigenthümlicfae Nerven- und RQckenmarkserscheinung, die sogenannte Railwayspine, worüber er eine Monnjjrapliie betitelt: IMK r dit Folpeti der Verletzungen auf Kisen- bahnen, insl>esoiuJL le tler \'er)cuungen des Rückenmarks^ (1870^ |jul)!ieirto. Weitere wissenschaiilu l»c Ergebnisse seiner practischcn Beobaciiiungen aus der Eisenbahnarztstellung liegen den Abhandlungen »Uber die Eisenbahn- Berufskrankheit^ , sowie »über das Kisenbahn-Rettungsxs c sen« zu Grunde. 18S6 liess sich R, als Badearzt in Bad Nenndorf nieder. Doch musste er Rränklichkeit halber seine Pnuxis aufgeben; er siedelte nach Brnunlnjre am Harz über und starb hier am 19. Dezember. Ausser den angetuiirten ir'ui)li- caticmen rühren von R. noch her einige auf Standesfragen bexttgliche Schriften, so: »über die Freigebung der ärztlichen Praxis«; »die Homöopathie und

Ri^Ier. Schitf. Schirmer.

"59

ihre Bedeutung <Ür das Mentliche Wohl« und eine geschichtliche Beschreib bung des Badeortes Benndorf zum JubUftiim desselben. ,

Schiff, Moritz, Arzt und einer der befleutendsten Physiologen des 19. Jalirhunderts, stammt aus Frankfurt a. M. und wurde daselbst ge- boren. Seine medicinischen Studien machte er zunächst an dem Sencken- berg'schen Institut seiner Vaterstadt und setxte dieselben in Heidelberg, Berlin und Göttingen fort; am letztgenannten Ort erlmigte er 1844 die 1 )octorwiirde. Dann w irlmetc er sich mit lebhaftem Kifcr experimentell phy- siologischen und -liuolü^ischen Studien, zu welchem Zwecke er Paris auisudite, um hier unter Magendie und Longe t, sowie am Jardin des plantes zu arbeiten. Ein Product dieser Forsdiungen ist die 1845 erschienene und dem Berliner Zoologen Lichtenstein gewidmete Arbeit »de vi motoria baseos encephali inquisitiones cxjjcnmentalcs . SL-inc l)c(lcuiciuii.'n Kenntnisse in der Vo^cl- "kunrle VL•r^( liaüten S. nach seiner llfimkilir eiiu- Sicllung als Kustos der Vogcisanimlung des zoologischen Museums seiner Vaterstadt, in welcher er einige Jahre thätig war imd snch dem Specialstudium der Vogelwelt Stid* amerikas widmete. Während des Revolutionsjahres 1848 betheiligte sich S. am badischen Aufstande, was zur Folge hatte, dass die später nachgesuchte Frl.uilmi'is im Hnbilitation als Privatdoretit rler Zoologie in tlöttingen ihm verweigert wurde. Er folgte daher 1^54 einem an üm ergangenen Rufe nach Bern als Professor der vergleichenden Anatomie, wo er bis 1863 wirkte, um dann diese Stellung mit dem Lehrstuhl der Physiologie am Instituto di Studii auperiori in Florenz zu vertauschen. 1876 übernahm er das gleiche T.ehramt in (ienf, wo er bis zu seinem nm 6. Ortoher iSq6 ein^'clretenen Lebensende verblieb. 1894 beging er sein 5(jjahriges i)ucioijul>i!aum. S. genosb als Leiter und Forscher, insbesondcie ah» physiologischer Experimentator einen europäüscben Ruf. Seine hervorragenden Leistungen betreffen besonders das Gebiet der Nervcnpb v siolouie und stellen eine wirkliche Bereicherung desselben dar. Zu nennen sind insbesondere seine Studien über die Physiologie und Pathologie des Nervus trigeminus, ss nipathicus und vagus, die er 1Ö55 unter dem zusammenfassenden Titel « Untersuchungen zur Physiologie des Nerven- systems mit Berücksichtigung der Pathologie i^Frankfurt) publicierte, fem» der Abschnitt »Muskel» und Nervenphysiologie« als Theil des I. Bandes eines 1858/59 erschienenen, aber nicht fortgesetzten Lehrbuchs der Physiologie des Menschen fLahr>; 'Untersuchtsn^fcn über die Z\irkerl>i!dunfr in der Leber und den Rinriuss des Nervensystems auf die Erzeugung des Oiabetes. (Würz- burg 1859); »Std sistema nervoso encefalico« (Florenz 1Ö65; 3. Ausg. 1873). Dazu kommen zahlreiche Auft&tze und Abhandlungen zu anderen Theilen der Physiologie und Pathologie, so über Entzündung und Circulation (1873), über Kmpfindungsmessiui«r fiSfic)), zur Physiolo^n« di i Verdauung (i868\ Studien über die Gallcnhihiiui^, den Saft der Hain lis|ii-i< lu l(Iiii>e, ül)cr die X'unction der Milz. Bemeriven»werth sind noch seine oriuihologiselien Arbeiicii und Forschungen über Diatomeen; erstere wurden vom Prinzen L. Buonaparte in den »M^moires presentc's etc.« und dessen »Conspectus avium« heraus« gegeben. Die Zahl seiner Gesammtpublirationcn betragt über 200.

(Quellen s. bei Garlt L c p. 199. PoscUiuanu und v. Tüply I.e.

Pagel.

Schirmen, Rudolf S., Augenarzt, Professor der Augenheilkunde, Director der AugenklinJk in Grei6wald und Geheimer Medidn^rath, wurde daselbst

i6o

Schirmer. Schlesinger. Schmidt.

am xo. IkläR 1831 geboren. Auf dem Gymmttium seiner Vaterstadt rargt- bildet, studirte er auch an der dortigen Universität seit 1852 Medicin imd

er!nn<;te 1856 mit einer Dissertation über den C'/csclimaclcssinn die Doctor- Nvurdc. 1Ü57 absolvirte er die Staatsprüfung und j^ing d;uin auf eine längere Studienreise, die ihn nach Göttingen, Berlin, Wien und Paris führte, wobei er in Berlin am längsten seinen Aufenthalt ausdehnte, um unter Albrecht von Graefe sich besonders fortab der Ophthalmiatrie zu widmen. Nach Grei^ wald zurückgekehrt habilitirte er sich dort 1860 als erster Privatdocent für dieses Fnch und erreichte durch seine Wirksamkeit, dass 1867 die Augen- heilkunde von der Chirurgie getrennt und ein besonderes Extraordinariat ge- bildet wurde, welches S. übertragen wurde. 1873 erhielt er sogar eine ordentliche Professur, die er bis zu seinem Rficktritt Ende des Sommer- semesters 1893 bekleidete. Dann lebte er im Ruhestände und starb su Greifswald nm 27. Januar i8q6. Von seinen wissensch.ifthVhon Leistungen führen wir besonders die l)ei(len Monographieen an: *l)ie Lehre \on ilen Refractions- und Accommodationsstorungcn des Auges« (Berlin i866j und »die Krankheiten der Thrttnenorgane« (als Thetl des grossen von Graefe» Saemisch'schen Handbuchs der Augenheilkunde).

Qndien t. bd Gurlt t. cp. 179 and PusckaianB-T. Toeply I.e.

Pagel.

Schlesinger, Wilhelm, Ar/t und Schriftsteller in Wien, Hegrunder der ^-Wiener Medicinischen Blatter«, wurde 1839 limye in Ungarn geboren, studirte in Wien, erlangte 1864 die Doctorwürde und habilitirte sich 1864 als Docent für Gynäkologie. Schon in jungen Jahren hatte er sich dem journalistischen Berufe zugewandt; er wurde Mitarbeiter des »Wanderer«; d<)< h trat S., als das Blatt durch Kauf in die Hände des Sistirungsministe- nunis überging, mii einer Reilie von Collegen aus, da die neue Richtung seiner Ueberzeugung widersprach und widmete sich fortab 1S78 ganz der medicinischen Forschung. 1878 im März rief er das oben genannte medici- nische Journal ins T.eben und gründete Ende der 80er Jahre das Frauen- kranlcen Institut ( harit^«, das er bis ZU seinem am 19. Juni 1896 in Vöslau erfolgten Tode leitete.

Wieaer med. Blaner 1896. ,

' Pagel.

Schmidt, Benno Gottlob S., ordentlicher Honorar-Professor der Chirurgie und iJirector des chirurgisch -yioüklinischen b^stittits in Leipzig, wurde am 3. März 1826 zu Kaditz bei Dresden geboren. Seine medicinische Fach- ausbildung erhielt er in Leipzig, besonders unter Gebrüder Weber, Clarus und Günther; unter des Letztgenannten Leitung namentlich widmete er sich chirurgischer Specialausbildung und wurde auch, nachdem er 1850 mit der Inaugurnhbhanfüunf^ *Oe tuberculosi testiculi« die Doctorwürde erworben und auf einer längeren Studienreise Prag, Wien und Paris l)esu< lu hatte, dessen Assistent an der chirurgischen Klinik des Leipziger Jakobs- Hospiiai». In dieser Stellung verblieb er bis 1857 imd habilitirte sich inzwischen als Docent für Chinirgie an der Leipziger Universität. 1865 wurde er Extra- ordinarius, 1869 Dircctor der chirurgischen Poliklinik, 1S70 l)egleitete er das sächsische Feldarmeecorjjs als consu!tireii(K.T General-Ar /.t. Si)ätcr wurde er zum Geheimen Medicinairath und ordentlichen Honorar -Professor ernannt. Sein Tod erfolgte in Wildimgen am 6. Juni, wohin er sich zur Cur begeben hatte. S. hat sich als Lehrer wie als Forscher wohlverdient gemacht. Von

1

Sduiiidt. Schndler. Wagener.

i6i

seinen zahlreichen ÜLtciarisrhcn Arbeiten erwähnen wir eine ru CUinthcr's Uperaüonslehre 1860/61 beigesteuerte Abhandlung: »Ueber künstlichen Aller, Operationen am Mastdann, am Hoden und Hodensacke, der Blasenscheiden- fistel, der Unterleibsbrüche«; ferner: »Beitiige zax chinufiachen Pathologie der Hamwerkzeuge« (1865); »Ueber die Achsendrehung d r \Vir])Lls:iuk bei hnhitueller SVoliosc und ihre Bcliaiitllung« (Leipzifj 1S82, FcsLschrift zum bojahngen Uoctor-Jubilauni von J usius Radius, überreicht von der Medicin. Gesellschaft zu Leipzigs tur Pitba-Biilrotb's grosses Handbuch der Chirurgie bearbeitete er d^ui Kapitel: »Die Unterleibsbrttche« ; ausserdem rühren von ihm noch mehrere Joumalaufsät/e her, so : über Entstehung der Oberschenkcl- Inxationen (Wiener med. Wochenschr. 1858); Uobcr Fiitstehung der Unter- leibsbruche (ebenda); lUber Temperntiir der HyilrocelenHüssigkeit'^ (Wag- ner's Archiv); «Darmcinklenimung bei grossem Nabelbruche ^Chii. Central- blatt 1880). Interessant ist noch seine »Anatomie am Lebenden« für Stu- dircmle und eine historische Schrift »Geschichte des Leipziger chirurgisch- poHkl inj sehen Instituts in dem eisten halben Jahrhundert seines Bestehens (1.830 i88o)oc.

Qqdicn s. bei Garlt Lc. p. 189; Puschmann und v. Töply 1. c

Paget.

Schneller, Johann Julius Moritz, Arzt und tüchtiger Augenarzt In Dansig; wurde am 31. Januar 1834 in Heinrichswalde, Kreis Niederung, in Ostpreussen, geboren. Kr besnrhte das ri\nMiasium in Tilsit nnd bezog 1850 die Univer- sität Königsberg, wo er besonders sich an Helmhol tz anschloss, unter dessen Leitung er die Inaugufalabhandlung »Uber die Hamstofibusacheidung im Fieber« anfutigte, mit der er 1854 in Königsberg die Doctorwürde erlangte. Nach- dem er die Staatsprüfung absolvirt hatte, ginu er h.k b Herlin, um sich hier nntcr Albr. v. Graefe dem Siueialsturlium der Aiifit iiheilkunde zu widmen. Dann licss er sich 1855 als Augenarzt m Danzig nieder, wo er 1858 eine private Augenlieilanstalt ins Leben rief und eine grosse Specialpraxis erlangte. S., der am 9. November 1896 starb, genoss auch in wissenschaftlichen Krei- , sen wegen seiner mannigfachen litterarischen Arbeiten grossen Ruf. b^ieselben betreffen die versc hifdrnsten Absc hnitte der Augenheilkunde und sind meisf als casuisii.schc Mitthciiungen in v. Gracfe's Archiv publi« irt (mit Ausnaliuie einer 1855 erfolgten Veröffentlichung über Veränderungen tler Augen bei Cholera« in Berliner Idin. Wochenschr.). Wir citiren: »Beiträge zurKenntniss ophthalmoscopisi h( r Befunde bei extrabulbärer Ursache von Amblyopien und Amaurosen« (I.e. VIT; Kin Fall von Kmbolie (Kr Centraiarterie der Retina . (ebenda VlTl, beilaiit'i«: liemerkt der erste nnrb v. Oraefe's lienihmt gewordener Beobachtung;; -Zur Lehre von der Accommodaiion und Relraciion* {ib. XVII); »Studien Uber das Blickfeld« (ebenda XXII u. XXUI); »Zur Lehre von der Emähnmg der Netahaut« (ebenda XXIV); »Betträge zur Lehre vom Schielen« (ebenda XXVIII); »f^ie Behandlung des Trachoms durch Excision der Ueber- gangsfalte ('ebenda XXX 1.

Quellen s. bei Gurlt p. 202; Puschmann, v. Toply 1. c.

Pagel.

Wageacr, Guido Richard, ordentlicher Honorar-Professor der Anatomie

in Marburg, war in Berlin am 12. Februar 1822 geboren, sludirte in seiner Vaterstadt, besonders unter Job. Miillor, \ind rrlan^Me hicrselbsl i8-|S die Doctorwürde. Bald danach wandte er sich dem Specialijiutiium der Anatomie zu, wobei er sich besonders der P'örderimg durch E. Brticke, d;mialigea Assi-

Biogr. J»tirb. u. Deutscher Mekrulug. II

i6a

Sehnellcr. Wentel. Habert.

stentcii von ]oh. Müller zu erfreuen hatte, und wurde 1857 Assistnit un anaiumischen Museum. 1861 habiliürtc er sich als rnvardocent fiir Anaionuc» folgte 1867 einem Ruf als Extraordinarius und Prosector nach Marburg und wurde hier später zvtm ordentlichen Honorar-Professor eniannt. Von den Arbeiten W,'s, der am 10. Fehn; r -^96 starb, betrifft ein 'i'heil die Knlo- molope, sporicll das Studium der 1* in;:eweidewiirmcr; ein anderer Thei) ge- hört der Eml)ryologie an. Da/u kommen Arbeiten über den feineren JJau der Muskelfaser, so Aufsätze: "lieber die (juergestreiftc Muskelfibrille« ; »Die EntWickelung der Muskelfaser«; »Die Entstehung der Querstreifung an den Muskelfasern«; »Ueber einige Krscheinungen an den Muskeln lel>endiger (V)rc iliia |)Iumicornis-Larven<; ; Ueber das Verhalten der Muskeln im Typhuso . i>ic In. iieffenden Arbeiten sinrl theils im »Arcliiv für Anat.e, theils in »Ptlü- ger's Art hiv^, sowie in den IJcrichien der Marburger Gesellschaft für Natur- und Heilkunde publicirt.

Quellen zu dieser Hiographie «ind bei Garlt 1. c. p. l8ov wywie bei Pttiehmaan- T. i nplf l,c veneicbnct

Pagel.

Wenzel, Ernst, Professor der Anatomie in Leipzig, wurde zu Uberwiiz bei Zittau als der Sohn eines Landmannes 1840 geboren, machte erst die dortige Dorfschule durch, kam darauf in das I^hrerseminar zu Bautzen, ab- solvirte die Lehrerprüfung, widmete sich dann erst gymnasialen Studien uncl begann nnrh bestandenem Maturitätsexamen 1860 d;us Studium der Heilkimde in licrlin, {»esonders als Srhiiler von Nathanacl Li eher kühn und Guido Wagencr, die beide damals noch als Prosectorcn bezw. anatomische Assisten- ten dort thätig waren, erlangte 1864 mit einer die Anatomie der Sinnesorgane betreffenden Abhandlung die Doctorwliide und bald danach die Approbation als Arzt. Dnnii wurde er Assistent rtn der rhiniririsrhen Poliklinik in Leipzig unter Benno Schmidt, habilitirte sich 1868 als Doceni für Anatomie, erlangte bereits 1872 eine ausserordentliche Professur und bekleidete dieselbe bis zu seinem am 15. October 1896 erfolgten Ableben, zugleich in einer ausgebrei* teten Praxis als Arzt thfttig. W. ist Herausgeber eines »Adas des makro- skopischen und niiVrnscopischen Baues des mensrhliehen Körpers , sowie eines eben solchen <ier Gewebelehre des Menschrii und der lioheren 'rhierc. Im Uebrigen beschäftigte er sich besonders mit der anatomisclien Unterweisung von l^ien, namendtch Lehrern, denen er die Elemente der Anatomie und Biologie beibrachte, zu welchem Z-wecke er regelmässige öffentliche Vor- lesungen ül>er Anatomie, Physiologie und Diätetik des menschlichen Körpers und einzelner Thetle desselben, sowie der Sinnesorgane, hielt.

Pagel.

Habert, Johann, Kirchenkomponist, hinteriiess folgende, hier zum ersten- mal gedruckte kurze Selbstbiographie:

»Ich bin am 18. ()( f^ber 1833 in Ober|)lan im siidli< hen Böhmen ge- boren wonlen. Mein V ater hiess T f^renz Habert, die Mutter Josefa, war die Tochter des Lehrers von Adalbert Suiier, der ebenfalls in Oberplan geboica worden ist. Neben dem Grossvater wirkte noch der Bruder der Mutter, Onkel Franz, als Lehrer. Beide ausgezeichnete Lehrer. Den Musikunterricht ertlu ilh' Onkel Franz und ich erhielt, da ich selbst den Beruf als T i liier erwählte, ein<"!i ire-Migenrlcn ITnterricht im Stimm, Ciavier-, Violin- und Orgel- sjticl, in verschic« iencn BUusinstrumenten ((Jlannclte , Horn) und lernte spater im Pädagogium noch Viola und als Lehrer Posaune. Auch im Fagott ubun

Hab«rt.

wir Miisiks( luiki uns selbst. Harmonielehre lernten wir, um bezifferte Basse spielen /u können. .Auf" unserem Chore wnrflcn Messen von Momart und Haytin und von Buhler, Schiedermayer u. dgl. Componisten aufgeführt. An Streichquartetten von Pleyel, Krommer übten wir uns im Violinspiel und erfreuten uns privat an allen Ländlern lür z Violinen, die wir von unseren Tanzgeigem erwischen konnten. Im Orgelspiel waren es die Versctten und Fugen von Alhrerhtsheriier n. .A., welche wir in grosser Zaiil nuswenfli^' lernen mus&ten. Ais Knabe versuchte ich bereits auf eigene hnusi das Coni|jüiiircn. Da wir unter uns gerne Duetten spielten, so lag es nahe, ein Duo fUr zwei Violinen zu setzen. Unser Cooperator war ein enthusiastischer Verehrer Schubert's, des^eichen mein Onkel. Durch den Linzer Dom -(Organisten Pranfjhofer. einen ^jebürfifien Oberplaner, erhielten sie die T Jeder S( luiltert's, und schriei>en sich (iiescl!)en nb. Ich h.ibe fiir den ()nkel vier liande ab- geschrieben. An Sonntagen und spater, wenn ich in den lerieii /.u Hause war, musste ich dem geistlichen Herrn die Lieder begleiten. Von Haydn waren es zwei Werke, die abw ec lisclnd in der Charwoche zur Auffiihrung k.imen, nämlich in einem J.ihre die sieben Worte, im anderen das Stabat mr^fer. Von beificn Werken wurden nicht .nlle Nummern aufgeführt, jede aber uTimcr von uns und den Zuliorern mit grosser Verehrung gehört. Im Sommer kamen immer l..ehrer auf Ferien und Studenten, dann wurden auch einzelne Nummern aus der Schöpfung versucht, die der Grossvater in Stimmen abgeschrie- ben hatte. Im September 1848 kam ich nach Linz, um mich für das Lehrfach nns/ubilden. Dn/umal waren zwei Klassen Unterrealschule (sogenannte vierte ivlasse) und zwei Jahre Pädagogium vorgeschrieben. Als Musiklchrcr hatten wir Prof. Aug. Dornberger, staiidischen Buchhalter, der tmentgeltlich lange Jahre den theoretischen Musikunterricht nach einem eigenen t«hrbuche er- theilre, und Gc^ammtiibungcn im Gesänge, sowie im Gesänge mit Orchester- l>ci;leitTuiii leitete. Tm |nhre 1852 kam irh im Herliste als Unterlehrer nach Naani, ini unteren Muhl viertel in (>l)ei -(Jesierreich, und blieb dort nicht ganz 5 Jahre. In dieser Zeit erschien der I. Band der Mus. divina von Proske und ein Theil des II. Bandes» welche Partituren ich von einem Linzer Buch' händJer ziu* Einsicht erhielt. Da mi(h die Musik, die mir bis dahin fremd war, sehr intercssirte, kaufte ich diese llande und lebte mich nn<-h und naeh in diesen Stil liineui, obwohl ich damals ganz der Schule lebte und Musik nur auf dem Chore trieb, auf welchem nur Schiedermayer, Büiiler und Con— Sorten aufgeführt wurden. Der riesige Abstand zwischen diesen Auswüchsen der Instrumentalmusik und dem l*alestrinastile wurde mir immer klarer. Im Sommer 1857 !;am i< Ii als Untcrlehrer nnrh Waizenkirchen im Hausnirkkreise, wo mein Vetter ehent.ills l'nterlehrer luid 1 lerr Josef Lanj^, eui \ i*»Iui- und Clavierspieier mit nahezu virtuoser Technik, Oberlehrer war. Dort horte ich bessere Kirchenmusik, lernte Bach's Ciavierwerke kennen und die Werke Mo- zarts, Haydn's, Beethoven's für Ciavier und für Ciavier und Violine. Hier wurden neben dem Studium Hach's, das der alte Meister aus der Mus, divina und aus l.iirk's Sammlung betrieben und wvirflen die ersten bedeutenderen Versuche m der Composition (Messen und Uttertorien) gemacht. Das war mir dazumal schon klar, dass die Schuld an der Seicht^keit gewisser Instru- mentalwerke in dem Verlassen des polyphonen Stiles lag, und dass man wie- der zu demselben zurückkcluen niiisse. au« Ii in der Instrumentalkirchenmusik. bi jener Zeit entstanden die Augustini-Messe, die sp.iter umgearbeitet wurde und die Calasaga-Messe für 4 Singst. Streichquartett imd 2 Horn,

164

Habern

Da (.lie Mt-sse im Stilo Tlottis ^es* lirirl 'Cn ist, so Hess ich /ttr VorsUirl.imp dns StrcirhquarlcU milfn_uttixni ini( den Singsiinimcn lachen, iilicr/cii^tt' mi< h ala-r tlass diese Instrumentirung überflüssig isl uiui licsa sie dalier sjjaicr weg. Im Januar 1861 kam ich als Organist nach Ginttiid«n» da es meine Freunde fllr Iksm t hielten, dass ich mich ganz der Musik widme. Hier in Gmunden wurde ich nun in den praktis« Inn (lioTal-csring eingefiihrt, wns später /wt Folp;e hatte, dass ich iiiirh noch iiielir mit ihm bcfasstc, auch in der J heone. J)aneben wurden Secliter s und Rirnberger's Schriften durchgenommen und später Marpurg's Fugeiilehre und der Gradtis von Fttx. Badi's Orgelcompo- sitionen, Beethoven's, Haydn's und Mozart's Werke wurden ausgedehnter kennen gelernt. Im Jahre 1862 vielleicht trat ich in ein Streichquartett ein, das kurz vorher errirhtef wtirde, und lernte so die Quartetten von Mozart, Haydn, Unslow und die ersien neun von Beethoven kennen; zu unseren wöchentlichen Uebungen kamen auch hie und da andere Musiker^ so dass wir Clavier-Trios u. s. w. und Symphonien im Arrangement spielen konnten. 1869 gründete ich einen Musikverein, der sich die Pflege der klassischen Orchestermusik zur AufjL'abe setzte. So sttidirte ich nur Symphonien von Mozart, Haydn, Beethoven ein, und da wir den Chorgesang eljcnialls zur Abwechslung pflegten, so kamen nach und nach grössere Chorwerke von Haydn, Beethoven, Bach, Mendelssohn sur Aufitthrung. Auf diese Cbncerte, welche der verstorbene Rönig von Hannover mit Familie regelmässig besuchte, tilgte die Anwesenheit des Clavienirtuosen Labor, Köni^l. hnnnoversrher Kammerpinnist, einen grossen PHntlus.s aus. Es kamen durch seine Miihilte verschiedene Kauunennusikwerke (Suite von Goldmark für Ciavier und Vio- line), Sonaten von Beethoven für Qavier allein oder mit Violine, das Fordlen« quintett von Schubert, das Ciavierquintett von Schumann u. A. zur AuflRib- nmg und Claviereoncerte von Mozart und Beethoven unr! die (Hiorpliantrisien von I et7tcii ni. 1868 erschien zum ersten Male die »/eitsr hiift tur kathnli- sehe Kirciicinnusik«, welche sich insbesondere auch die Verl>esserung der kirchlichen Instrumentalmusik als Aufgabe stellte. Die vielfachen Studien in alten Partituren und in modernen brachten mich xur Ue])erzeugung, dass der Verfall der katholischen Kirchenmusik den Haui)tgrund darin hat, dass man den Choral als Cantns jfirmus für flicscll>c panz ausser Gebrauch gesetzt h:it In Folge dessen wurden die contrapunktischen Studien vernaclüassigt , und die Kirchenmusik dann von Leuten geschrieben wie Schiedermayer und Bflhler, denen diese Kunst ganz und gar unbekannt war. Nach der Ver- sicherung eines Onkels von mir, der Lehrer in Urfahr war, und Schieder- m.Tver persönlieh gut gekannt hat, stammen die Versetten und fujiirten Srit^e in Schiedermayer s Me.ssen nicht von ihm, .sondern von einem andern ( )nl.el, der dazumal aüs Priester in PöstJingt>crg und .später in Linz wirkte, und ge- meinsam mit Sdiiedermayer arbeitete. Dieser Onkel war ein Contrapunktist und ich besitze von ihm »die Kunst der Fuge« von Bach. Ich habe daher in diesem Sinne in meiner Z^tschrift gewirkt und viele meiner Werke über Choral tliciucn gcst Ii riehen .

Die meisten meiner Werke smd noch Manuscript. Sie cnilialien: 38 fertige Messen (darunter 11 über Choral-Motive, alle aber im poly- phonen Stile); über 150 Einlagen zur Messe, bei so Litaneien, viele über den Choral, .^o M.i uiiifi« ;it in den 8 Kirchentonarten Uber den Choral, Vesperpsaluicn, Hynint n, Anti jdionien 11. s. w.

Für Orgel sind erschienen 4 Hefte, hauptsächlich fiir den praktischen

H«beru

Gebiauch bestimint, daher mebt kurze Nummern (Verscttcn) enthaltend. Da mit der Pflege der Kirchenmusik das Orgelspid verbunden ist, und die Er- fahrung lehrte, da» sur Ausbildung derselben eine Schule und gute Oi -eln nothwendig sind, so wurde durch die Zcits* hrift und durch den Ciic. -Verein dahin gewirkt, dass ( »iLcIn mit verstumnickeni Manuale und l'eflale nicht mehr gebaut werden dürfen, dass letzteres 27 Tasten erhallen müsse. Zugleich wurde in der Zeitschrift mit der Veröffentlichung einer praktischen Orgel* schule begonnen fiSyf . Von dieser Schule ist nun auch der 2. Bd. er- schienen. Sie ist eingetiihrt im Conservatorium in Wien, in den k irchlichen Musiksr hulen in Aachen und Mecheln. Zur ileranhiUiiin^ guter Chorkrafte, wurde eine Chorgesangschule verfasst, die in der Kbenhöch'schen Buch- handlung in Linz erschienen ist Auch in weldicher Musik habe ich manches versucht. Für Ciavier sind erschienen Op. 4. Mondnachtbilder« bei Spina in Wien; f>p. 7, Variationen in As bei Haslinger in Wien; Op. 17. Variationen in B-dtir, und Op. 38. Miniaturen ])ei Breitkopf &: Härtel in Leipzig. Im Manuscript hegen noch vur; Kleine Stücke, 2 Sonatinen für 4 Hände und andere aavieistQcke, eine grosse Sonate iUr a Qaviere zu 4 Händen, eine Sonatine für Ciavier und Violine. Von Gesängen sind erschienen: ein I<ied f'ir eine Singstimme mit Piano, Op. 5 bei Spina in Wien, drei Männerchöre i)\K .^T, und Oinf Damenquartette Op. 34 bei Breitkopf & Härtel. Andere Gesänge theiis für Singstimme mit Clavicr, fitr gemischten und Mannerclior sind noch Manuscript; desgleichen drei Streichquartette und einige Orchester- werke. Vide Werke sind im lilanuscript au%eftthrt worden, in der k. k. Hof» Capelle in Wien, in den Domkirchen in Salzburg, Linz, St. Pölten, in vielen Stiften Oesterreichs, z. B. St. Florian, Srliläul, Scitcnstetten , dann im Stifte Emsiedeln in der Schwei/ u. s. w. Streichquartette Mnd aufgeführt worden von Kretschmann in Wien und dem lünkuiisdcrvcrcin in Berlin. Orchester- werke hat Director Labitzky in Karlsbad aufgeführt, darunter in den Sym» pbonieconcerten die Miniaturen für Streichorchester aixangirt und eine Sere- nade für grosses Orchester in 6 Sätzen.

In der Musiktheorie ist ferti;?: Die Lehre vom einfachen Contra|)unkt im strengen Satze in den acht Kirchentonarten und im freien Satze in Uur und MoU. Die Lehre von der Nachahmung. Eine Harmonielehre ist halb fertig und technische Analysen des wobltemperirten Oaviers sind ebenfalls in Ar- beit.« —

Ergänzend bemerkt ein namhafter Musikhistoriker: H, wurde von der »Gesellschaft zur Förderung deutscher W issenschaft, Kunst und Litteratur In Böhmen« zum correspondirenden Miigliede emaimt. Dieselbe hat auch den I. Band seines Uber gradualis edirt in der Ges. »Ausg. s. Werke, die bei Breitkopf & Härtel erscheint. H. war ein seif- made- man und beherrschte vollkommen den a-capella-Stil des 16. Jahrhunderts. In seinen Kirrhenwerken hi\h er sich an F'ux, orchestrirt aber mit den Mitteln der kl;t:>si:>then Wiener Schule. Zu seinen weltlichen Compositionen benutzt er vielfach Formen der vorklassischen Zeit, die er thematisch ausgestaltet. In anderen hält er sich an Mendelssohn. Immer und ttbenUl Schlägt der Volkston durch, der seiner Heimath, des siidlidien Böhmerwaldes, nnfl besonders das VolV.slieil Ober- Oesterreichs, das seine zweite Hciniatli wurde. Die Ciediec^enheit seiuei Salz- tcchnik muss oft über den Mangel freier und iiUercssanier tifindung ent- schädigen. Der Emst der künstlerischen Erfahrung erhebt den Hörer. Der Mann wusste sich nicht zu insceniren und lebte als HalbverschoUener. Die

i66

Habert Sondereggcr.

scharfe l cder, die er in <ler Rirchcnmvis. 7tschr. führte, hrnrhte ihm auch keine Freunde. Erst kurze Zeit vor seinem 1 ode anerkannte man seine Ver- dknste. Er Stsab am i. September 1896 zu Gmunden, 62 Jahre alt.

Sonderegger, Jakob Laurenz wurde geboren am 2?. (Vk tober 1825 im Verwalterhnnse des Schlosses Gninenstein im St. gallischen Kheinthalc. da- selbst verlebte er auch seine ersten Jugcndjalirc. Wie alle seme Vortaiiren seit 1580 war sein Vater Gutsverwalter auf Grttnen^n und nebenbei Am- mann des Dorfes Balgach, zu dem das »Schloss« gehörte. »Kein Herr und Vein Bettler dabei, kein Berühmter, kein Beschimpfter: Volk im gesvmden Sinne des Worlesc, so sagt S. seilest von diesen Vorfahren. Die fllr bäuer- liche Verhältnisse sehr gebildete Mutter, eine herzensgute und fromme Frau mit vorzüglichen Eigenschaften des GemUtes und Verstandes, erzog den jimgen Laurent mit grosser Sorgfalt und Liebe und noch in späteren Jahren gedenkt er ihrer mit Verehrung. Der intelligente Knabe war körperlich schwächlich lind man konnte nirht daran dcnlun, ihm die Pfluj^srhar in die TTand zu g(.l)L'n, fm die seine Kr.it'i nicht ausreichte. Dafiir sollte er ein Neues |>fliigen auf anderem Ijotleul I riihe schon erwachte in ihm der (ienius, der ihm im dunkeln Drange die Wege wies, den Weg zur »gelehrten« Laufbahn. Robinson und Christoph Schmid's Iiiucndschriften waren seine treuen Begleiter, wenn er auf der Weide das \ ieii htitete, und scIkmi in den Knabenjahren regte sich m ihm der Wunsch, ein Helfer der leidenden Men«;rhhcit, ein Arzt zu werden. Nachdem er die Dorfschule zu BaJgach durchlaufen, kam er in die Sekundärschule nach Rheineck. Daselbst wirkte damals ein vorzaglicher Lehrer, der Vielen vieles gewesen ist, J. J. Arbenz, ein Mann, wie S, selbst sagt, «von der Gestalt und auch vom Geiste Job. Peter Hebcl's . Die ('»ymnasial<^tiidien absolvierte S. in St. Gallen, im sogenannten Buben- klostcr, neben einer Reihe von tüchtigen Jugendgenossen, von denen mancher mit ihm in inniger Freundschaft verbunden blieb auch im späteren Leben. Neben tüchtigen philologischen Studien wurden auch die naturwissenschaft- lichen gepflegt; hier wirkte vor allem dureh den Zlaubcr und die Macht seiner T fhrerpersönlichkeit Professor Peter heitlin, ein Weiser nirht nur, sondern em Vatcr.< auch der Armen und Huitlusun, der als (iral^schrift das Wort sich wünschte: Incitavit. Sein Schtilcr S. ist nicht umsonst zu seinen Fassen gesessen. Dagegen meint dieser letztere, in den Geist des klassischen Altertums sei er dennoch nicht eigentlich eingedrungen. Es habe ihm damals mehr nur Spass gemacht, mit Hnr,n/i«jrhcn Senfen/en nnd Honurisc hen \ ersen um sich zu werfen. -\ber darum hat er <I<m h sein 1 itein und (;ne( hisch Wühl besser und vollkommener erfasst, als der Durehschnittssiudcnt von heiiic. S. schrieb nicht nur, er sprach auch ein gutes Latein und setzte sp.uer manchmal andere, die auch stuiliert, in Verl(-;enheit durch gelegentliche lateinische .'\ns|»r:irhen. Man hatte ihm namli( li, i:s crT ^ jS nach Wien ging, gesagt, dass dort noch lateniisch doziert wenle. D irui} hin innrhfe er «;ich besonders sattelfest in dieser Sprache. In Wien wurde nun freilich deutsch gesprochen; aber sein Latein hat er behalten und das kleine Bändchen Hora/ i^< her Oden, sein Handexemplar, das er besass, ist ein so strapaziertes Stück, mit so viel Strichen, Zeichen und Anmerkungen von seiner Hand vor- gehen, dass es wohl auch im späteren Leben nicht n!s !\Trndeslück im Bucherschafte stand, sondern sein Freund und Begleiter geblieben ist. Seine spärliche Mussezeit widmete er überhaupt gerne der Lektüre und im Laufe der

Houdeseggcx,

167

Jahre sammeile er sich eine reclit schöne Bibliothek, »die von vorne anwuchs und von hinten abstarb«, wie er launig bemerkt. Da&s ihm auch neben der fachwissenschaltlichen und sch<ingetstigen Litteratur das »Buch der Bücher« nicht fremd, sondern allezeit eine Sch u/- und Rüstkammer ge- wesen ist, ans der er ^ahes und neues- hcrv(>r7nli( 1I011 \vus.stc und für sich selber Cieuinn gezogen hat, dius wtiss jeder, der seine Schrillen kennt untl den Geist, der aus ihnen spricht, den (»eist eines lebendigen Christentums. 1845 besog S. wohl ausgerüstet die Universität Zttrich, ein fleissiger Stu^ tlcnt, der »in Wonne schwelgte über den vorzüglichen Unterricht bertthmter T v hrer«, wie Oken, Oswald Heer, Nageli, Köllikcr. Hasse u. s. w. ]rh j^cuoss das filück«, schreibt er si>aier, "einen srhkn htcii Ma^en /.u haben; viele brave, junge Leute sah ich an ihrem guten iVlagen 7Ai Grunde gehen; mir war die Tugend leicht gemacht«. Er war dennoch fröhlich und genoss das Studentcnleben mit vollem Herzen. 1847 ^'^^ ^ unmittelbarer Zeuge der folgenschweren Ereignisse im Vaterlande. Er folgte nämlich als ärztlicher iJegleitcr einem 'i'rans]>ort \'er\\ luidetcr im SonflcrVninrlskriege von Gisiiskon nach Muri, spater einem solchen von Aaiau nach Zürich. Dann aber, 1^48, gings nach Deutschkmd und «war zuerst nach Wüizbu^. Auf der Durchreise Fr^kfurt berührend, versäumte er nicht, in der Paulskirche »die grossen, weisen Redner anzustaunen, die in den Wolken stritten und sich gar nicht danim kümmerten, dass sie keinen Boden unter den Füssen hatten . Im Ilerhsi 1848 treffen wir ihn in Wien, wo er sich für die grossen Lehrer be- j^cisieric, die damals dort wirkten: Hebra, Skoda, RokitaJisky, vor allem für Semmelweiss, den Geburtshelfer. Dieser machte ihm einen unauslöschlichen Eindruck durch seine erfolgreiche Bekämpfung des Puerperalfiebers, das da- mals noch eine ersrhrci kende Zahl \ on f)fifcrn forderte, und d>(> dieser Vor- gänger der aseptisi licn Meüiode mit so gro.ssem Erfolge dur( h seini' I »esm- tektionsmassregein zu bekämpfen wusste. Das Bild des verehrten Leluers schmückte später seine Studierstube und seine Hochachtung vor ihm war um »o grosser, je mehr er zusehen musste, wie dessen Ideen nur verspottet wurden und keinen Eingang faixlen. T^Lild nach seiner Ankunft in Wien brach die Ke%f)Iufion aus. S. hlie!» ruhi^^ in <ler belagerten Stadt, u. a. mit »^cniem tvomnuiitonen Carl Zehnder von Zürich, dem späteren Med. Dr. und Sanitatsrat, mit dem er in seinem Streben und nachherigen Wirken so viel Verwandtes gehabt hat. Im Mai 1849 gings nach Prag, wo ilim die wissenschafüiche Thätig- keit der dortigen Hochschule imponierte. »Vor allem ;, schreibt er, »glänzte Arlt, ein Arzt, Ol^uHst, und Lehrer von Gottes Gnaden, (Ur seine vielen Schüler und l'raktikanten so begeisterte, dass fast ausnalimslos ein Jeder sich vornahm, alles andere im Stich a:u lassen und Augenarzt zu werden.c Im Sommer so- dann hatte er Gelegenheit, eine kleinere Choleraepidemie zu beobachten. »Mir graute vor dem Würgengel, bis ich die ersten Kranken sah und den ersten T.cirlicnöffnungen bci^^nhnte, Nachher wurde die Snrbe mit aller Seelenruhe beluindelt. Die Cholera galt flamals als durchaus nicht ansteckend; die Kontagiosität wurde nur von einem Professor behauptet«, bis ein bestimm- ter Fall sie erwies. »Die Behandlung der Cholera war auf jeder Spitalabthei- lung anders; überall fleissig und gewissenhaft, aber überall nutzlos. Es starben gut die Ilalfte. In T ei]>/i:j eiulli<h, v nhin er sieh '/uletzt begeben, hörte S. bei (iunther nur kurze Zeit, d.inn kehne er iS jd nach Hause zurück, um noch im nämlichen jalire das kantonale Staatsexamen zu machen, nicht ohne Angst, den Pass in der Tasche, um im Notfalle sogleich durchbrennen zu

bOQd«:r«gger.

können, natürlich aber mit der ersten Note. Ebenfalls noch 1S49 machte

er »Summa cum laude <c das Doktor- Kxamen in Bern. Seine Dissertation handelte bo/cic hnenderweise Uber ilie Cholera. Und nun, am i. Januar 1850, bcpnnn er, mit besrheidcncn Erwartungen, fnst znphaft, in seinem Heimat- dorfe lialgach die ebenso verdienst- ais dornenvolle Laufbahn tles prak- * tischen Ante» aufieunehmen, welche er durch die Gediegenheit und den Reichtum adnes Wissens, die Weite seines Blickes, die Wärme seines Her- fens und den Adel seiner Gesinnung auf höhere Stufen zu heben erkoren war. Er lehrte seine Standespenossen, die Acrzte, nicht nur das kranke Glied, sondern den ganzen Mcn.schen, den Leib und die Seele, alle seine Verhältnisse und Umgebungen ins Auge zu fassen und 2U behandefai und nach Möglichkeit su heben. »Wissenschaftlich ist alles, wenn man es sorgfältig betreibt und menschlich bedeutungsvoll alles, wenn man nicht Mas( binen-Rcpnmteiir, sondern Arzt sein wilL , li.it er sirh später pcänsscrt. Die /all! seiner I'aiicntcii ward rasch eine f^rossc. Man hatte bald hciau»- geüindcn, dass der junge Doktor in Balgacii einer sei, der etwas verstehe, und Einen verstehe, der filr den leidenden Menschen auch ein Hen habe. »Es ist der beste Leutedoktor weit und breit«, so hiess es von S. bald im Rhein- thnlc, im npiienzcllischen Vorder- und Mittelland, und drüben tibcrm "Rhein, im N'orarlberg und Lichtenstein. Au» h ans ilcr Hauptstadt St. Gallen W'ar es eine wachsende Anzahl von Kranken, liie seinen Rat und seine Hülfe nach- suchten, so dass et sidi später veranlasst sah, jede Woche ein bis zwdmal als konsultierender Arzt dcNrthin zu gehen. Ueber die ihn bei der Praxis leitenden Grundsätze äussert er sich selber folgcndermassen : »Ohne persönliche l'mer- snrhnng habe irh nie jemanden hebrmdcU tind mich immer angcstreniit, nieinen Klienten das Widershmige des Üispensiercns auf blossen Bericht hin klar zu madien. Es half aber nicht viel. Der Mensch hat Bedürfiiisse fUr Unklares wie fUr Unverdauliches und ich galt einfiub fttr sonderbar, wo ich ehrlich gewesen. Ich musste in meiner Medinnstube immer an den Medizinmann der Indianer denVen. Er mncht einen Heidenlärm, die Sonnenfinsternis zu vertreiben, und sie vergehl auch richtig! Einen solchen Medizinmann will das Publikum haben und ein solcher darf der Arzt nicht sein: da steckt der Hacken! Ich gab Ge- bildeten «ehr oft gar nichts, Ungebildeten etwas Milchzucker, damit sie stille halten und mir nicht mit Aderlassen und Pillen den ruhigen Ablauf des Pro- zesses stören. Wo eine runde klare \uf'4.i!)c vorlag, da verordnete irh, was zur Zeit gebrauc blich war. Tn Erfaln uii^s>.i( hen und auf anderer Kesten originell zu sein, ist eine Schlechtigkeit. Gott bewahre mit Ii vur einem originellen Arzte! »Ich bin ein Narr auf eigne Hand« dieses Wort Goethe's ist noch viel zu geliiuk- für den eiteln Tropf, der seinen Patienten /u s(.inem Versuchstiere TTinrht. im Jahre 1851 findete S. durch glücklichen Ehebund seinen ei-^cnen Haus.siand, indem er sich mit Sophie Bärlocher, der Pfarrerstoi lucr \ou Rhciu- eck, verehelichte, die ilun sein Haus »zur Burg machte, in der er sicher wohnen und aus der er mutig ausbrechen konnte in die Welt voU Arbeit und Sorge und oft voll Kampf.« Nach 13 Jaliren seiner gesegneten Wiik* samkeit in Balgach aber siedelte der Vielbeschäftigte nach dem grössern Alt- stättcn über, in der Hoffnung, dort etwas mehr Ruhe zu finden. Diese war»! üim a1)er auch hier nicht zuteil, immerhin hatte er es in vieler Beziehung besser und bequemer als bislier. »Mein Haus<(, sagte er, »stand so scbfin im Garten, der Blumen und Früchte, Trauben und Feigen letchlich ge- wahrte; unter mächtigen Bäumen plätscherte em Brunnen. Von idlen Sei>

Soodetegger,

169

ten strömte Luft und Licht herbei und der Ausblick war grossartig schön. Das war eine fröhlicfae Heimat flir mich and die Meinigen.« Dodi auch ria sollte seines Bleibens nicht allziilange sein. Ein Mann, wie S., be- durfte eines noch grösseren und festeren Bodens, um die sich mehr und mehr dehnenden Kreise der p^rossen Ideen, die ihn bewegten, und der meiischenfreundhchen Zwecke, die ihm vor den Augen schwebten, sicher ziehen, um mit einem Worte noch tiefgründiger und allgemeiner wirken jcu können. Er bedurfte wohl auch der fortwährraden Anregung, der unmittel- baren Berühnmg mit den flihrenden Geistern und leitenden PersönHchkeiten. Darum verlebte er im März 1873 seinen Wohnsitz narh der St.ult Sf . Gallen, die nun tiir die Folgezeit bis zu seinem lOde die Statte seines herrlichen und gesegneten Wirkens war und bheb, und deren Ruhm und Zierde er ge- worden bt. Was hat er hier altes gethan, geleistet, erstrebt und erzielt in ricn nun folgenden 23 Jahren bis su der Stunde, da seiner mflde gewordenen H.itiij die Kelle und d.is Sthwert-, die er beide unverdrossen j^eftihrt, ent- sank! iiier erreichte er den Zenitli seiner immer \ ielseiti:xer und ausgebreiteter sich gestaltenden Wirksamkeit. Eine ganz wunderbare Fülle bcrutlicher, schriftateUerischer und philandiropischer Arbeit drängt sich in diese Jahrzehnte eine F'ülle, wie sie eben nur eine so reich organisierte Natur, ein so vielseitiger (jcist und ein so tiefgehendes Streben, der nisdose Drang zu helfen und zu retten, ein seltener Rei« lituni der Mensrhcnliebe, die ihm angeboren war, zu bewnlti^en vermochte. M»t dcnusclben Idealismus, der ihn in seinen Lehr- und Wanderjahren so glttcklich gemacht, hat er auch im späteren Leben alles erfasst und gethan und lebte und vebte er in seinem Berufe, den er mit gründlichem Wissen und reicher Erfahrung vollständig beherrschte; aber nie ist er darin auf- und untergegangen. »Es giebt auf Erden nichts Grösseres und Schöneres- , sagt er in den »Vor]>osten« (pag. 536 f.), ^als der Mensch, er ist die schwerste und erhabenste Aufgabe des Denkens und Handelns, sein Werden und Sterben, sein Leben und Leiden Alles ist im höchsten Grade merkwttrdig und rtthrend. Helle Augen und feine Ohren musst du mitbringen, ein grosses Bcoba< htungs- t.^lcnt und Geduld zum endlosen l ernen, einen klaren, kritischen KKj'f mit eisernem Willen, der in der Not erstarkt, und doch ein warmes, bewegliches Herz, das jedes Weh begreift und mitfühlt; religiösen Halt und sitUichen Kms^ der die Sinnlichkeiten, das Geld und die Ehre beherrscht; nebenbei auch ein anstandiges Aeusseres, Schliff im Umgang und Geschick in den Fingern, Gesundheit des Leibes und der Seele: das Alles musst du haben, wenn du nicht ein unglürklirher oder ein schlechter Arzt sein willst; (lu musst die Kameeliast des Vielwissers schleppen und die Frische des Poeten T>ewahren, du musst alle Kttnste der Charlatanerie aufwiegen und dabei ein ehrlicher BCann bleiben; die Medizin mtiss, darauf läuft alles hinaus, deine Religion und Politik, dein Glttck und Unglück seinl« Und wahrlich! dieses Ideal hat S, nicht bloss erstrebt, sonrlem hat es auch erreicht. T^as bezeugen die vielen Tausende, denen er Ircundlich und verständnisvoll als ein rechter Nothelfer nahe trat, nicht nur mit seiner Kunst« son- dern auch mit weisem Rat, mit einem guten, freundlich »thdlnehmenden Wort. Er selbst meint awar bescheiden am Schlüsse der von ihm selbst geschriebenen T ebensskirze, die leider nicht fiir die üeffentlichkcit bestimmt ist: »Weiui ii h ai den Himmel komme, werde ii h mich für die ersten fünf- tausend Jahre als Student der Medizin einschreiben lassen. Mit himmlischen Smsichten und Httlfemittdn die alten Rätsel 2U lösen das müsste eine

170

boiidcrcgger.

Seligkeit seini« Gewiss hat er Recht. Aber wir meinen, er habe auch schon hier auf dieser Erde etwas von himmlischer Seli^l^cit empfunden, wenn er,

der so pnnz die Bestätigung war zum Worte TÜllroth's: j^Niir eir> inirer Menscli kann ein guter Ar/t , dem l)r;inue seines liebenden ilcr/.ci»:^

genügen und seinen Mitmenschen menschlich nalie Lreien konnte. Hinter dem klaren Verstände, der mit ungewöhnlichen Scharfblicke die geheimnisvollen Vorgänge einer Krankheit zu erraten und die ersehnten Mittel zur Heilung oft die einf:u lis(cn und nnüc^uchtesten ausfindig: 7u mru hon wu«?ste, ruhte ein warmschlagendes miUuhlendes Herz, stand eben /ui^len !i der Mensch, der von sich sagen konnte: Hunumt nihil a me ahenum puto, nichts menschliches ist mir fremd, und aus diesem von liebe erfüllten Hetzen drang mit Macht die zum Erlösen bereite That. Wie gross und an>trcn::crd , ja geradezu aufreibend seine Praxis war sie würfle für ihn nur der Aniricb und AusL'angsjjunkt zu einer noch iiintasseiuieri"^ 'I häiig- kcit. »Es wachst der Mensch mit seinen grossem Zwecken.« iJ.us gilt auch für S. »Die Hindemisse und Schwierigkeiten, mit denen der emst angelegte Arzt zu kämpfen hat und an welchen schon so mancher gute, edle Geist sich abmühte, bis er schliesslich voller Bitterkeit mit Unverstand, Gleichgiltigkeit und Herzlositil^eit paktierte, der Dummheit ihre weite Domäne lassend, für sich den materiellen Lohn behallend das alles«, sagt ein Nekrolog, »forderte in ihm nur immer mächtiger den unerschütterlichen Willen, die Reform des ärztlichen Berufes, wie sie seinem innem Auge vor- schwebte, auf das allein richtige Fundament zu gründen, nämlich auf eine verständige hygienisrhe Bildung und Erziehung des VolVes in allen seinen Schichten. Panini ,:^ilir der Mann, fler den ganzen l a^' \on einem Kranken zum andern wandelte, \on allen Seiten in üVnspruch genommen, überall ge- rufen, überall gefordert, in später Stunde, wie todmüde manchmal! zur Feder; darum sprach er als Lehrer mit weithin über die Eande vernommener Stimme zu einer n.u h Millionen sich zahlenden (iemeinde, sie untenieluend imd He- iehrend über die Flemente und Vorj>osten« einer vernünftigen, aut die Kcmitnis uiul Beobachtung der ewigen Naturgesetze gegründeten Gesundheus- und Krankenpllege.« Er selber äussert sich im Vorwort zur zweiten Auflage seines Buches, das erstmalig 1873 erschien, folgendermassen: »Vorposten« möchten diese Blätter sein, abgelöst zwar von der Armee der strengen Wissenschaft, nber nicht ohne Fühhnij^ mit dersell>en; Vorposten, wi irhe, auf die Gefalu hin, zusanuiiengchauen oder vergessen zu werden, vom General- Stabe selbständiger Forscher vorgeschoben sind in Gebtete, die bisher der Gewohnheit und dem Unglttcke Tribut zahlten. Die Waffe solcher Vor- posten soll das Schwert der Selbsterkenntnis sein, und ihre Parole: Humanität. Wenn ihnen nnch l)ei dieser Expedition an Ausrüstung und Führung noch vieles feiilt, so sind sie doch erlulk vom Jiewusstsein ihrer .Sendung und ent- schlossen, sich anstandig und mit Ausdauer zu schlagen. Mögen sie manche Herzen und Häuser besetzen, wo gemUUiche und gebildete Menschen wohnen und der naturwissenst haftlichen Auffassung des Lebens nicht bloss Achtung, sondern auch Liebe erobern helfen.« Das haben sie denn auch gethan, in reichstem ^h\sse gethan. Das herrliche liuc Ii war eine grosse That. Es ver- einigt in sich alle Vorzüge, die dem Ar/.ie und Men.schenfreunde S. in so her- vorragender Weise zu Gebote standen. Sorgfältige wissenschaftliche Grundlage, scharf abgegrenzte Begriffe, klare Definitionen und eine unendlich reiche Fiilie von tie&ter Lebensweisheit, eine prägnante, bilderreiche, durch und durch

äoadeiegger.

»7»

originelle Sprache, wie sie nur einem so reich angelegten, vielseitigen, stets Iteobacbtenden und feingebildeten Geiste, wie der S/s eigen war und den Vorzug aller seiner Schriften, ihr eigentliches charaktet ist isc lies Merkmal, bildet. Wir rrni^sen es tms vcrsnpen, auf den reichen Inhalt tics fUiches näher einzutreten. Es gilt imd iiyli^; hier chen mu h das Wort: »Tolle, lege, »Nimm und Uc&U Aber das wird jcticr hestatigen, dem es vertraut geworden ist, dass er daran eine sosusagen unerschöpflidie Fundgrube an Lebensweisheit besitzt, die jedes Kapitel, ja jede Seite, zu einer Quelle der Kelrlnun- und les Genusses macht. Es ist allerdings keineswegs eine leichte, aber eine un- ficmein anregende Lektüre, ^cin Buch fiir Leute, die denken«f, ein beredtes Zeugnis von der Geist&tgrosse Eines, der uro ein^ Hau]>teä Länge über die andern limausragt. Und eine hochragende Gestalt ist er ja auch sonst gewesen, nicht bloss in seinem Heimatkanton, sondern im ganzen Schweiserlande. So recht als ein guter, tapferer Soldat ist er auf seinem Posten gestanden, alle- zeit zm Abwehr wie zum Anirriff unerschrocken bereit. Seit dem jalm- iSo:; aLs Mitghed des Sanitätsrates in die medizinische Verwaltung des Kantons St. Gallen eingetreten, hat er unentwegt seine Ziele verfolgt. Und diese giengen dahin, dem sanitarischen Schlendrian ein und Air allemal ein Ende zu machen. Er ruhte und rastete nicht, bis es ihm gelungen war, neue ge- setzliche Drdnnn^en ftir eine bessere ('cst.iltung des S anitäiswesens m schaffen. -Liebenswürdig und nai fmirbii: in N\'l)cnsachen, aber zah, kraftiu und rut:k- sichtslos, wenn es galt, einer neuen Idee zum Durchbruche zu veilieiten oder ein öfiendiches Werk zu begründen und dessen Feinde zu bekriegen« ja das ist die Art S.'s gewesen. Die Waffen gestreckt hat er, wenigstens in kantonalen l^in^rcn, nie Kr knm immer wieder mit seinen Proji-Ucn bis Nie durchflrnrigen. Der irctTHche Rufer im Streit verstand es, eine iiniiK-r ;:r()sst-r werdende Zahl von Bundesgenossen um sich zu sammein. Wer hatte auch seiner rastlosen Energie, seinem zündenden Worte zu widetstehen vermocht! In allen grossen, bedeuttmgsvollen und segensreichen Reformen, welche sich in den letzten zwei Dezennien im engern und weitern V'aterlande vollzogen hal>en auf dem Ciebiefe fler ofTenth'rlu n Gesundhcitspflepe, war er der Mittel- punkt, das eigentlich treibende Element, der Fuhrer, zu dem seine Getreuen voll Vertrauen imd Zuversicht aufblickten, und unter dem sie auch so manchen schönen Sieg erfochten haben gegen Engherzigkeit und Vorurteil. Auch in seinen spätem Lebensjahren noch besass seine originelle Persönlichkeit denn dass er in seinem grin/^n We*:en eine stark ausgesprochene Eigenart halte, geht aus all' seinen Keden und .Schriften deutlich genug hervor etwas überaus anregendes imd trotz der vorgerückten Jahre jugendlich frisches, das unwillkürlich packte und mitriss, aber auch alle, die ihm näher zu treten das Glück hatten, so angenehm und wohlthuend berührte. So erwarb er sich nach und rnch eine nnbcdini^tc Antoiitat und schwang si<h zu einem An- sehen eni|'<>r, dns seim-m ;^i-s[»ri u hcnrn dder j^esrliriehcnen Worte son vorne- herein das grossie Gewicht verheli. L'iul wenn iluu au* Ii tuclu immer alles gelang, Was seine impulsive Natiu- erzielen und sein weitausschauender Blick erstreben wollte nie hat er darum verbittert und grollend sich zurück» ^'ezogen und seine scharf geschliflenen Geisteswaffen müde liei Seite ^^clet^t. Sein Idealismus, sein r'rlrnt!)e :in das fiute im Menschen, sein Drang zu Ii* Iku lie,v»en ihn immer wieder vom schlecht unterrichteten an das besser zu unter- richtende Volk appellieren. Darin, in seiner Thatkraft, seiner Menschenliebe, seiner weisen Zurückhaltung, wo solche geboten war, und wiederum in seinem

iiondereggcr.

energischen Vorwärtsdringen, wo der Augenblick günstig sich zeigte» J^g, das Geheimnis der grossen Erfolge, die er davongetragen, das war der

Mutterschoss, ans dem all' seine Schöpfungen heransrreboren wnrfUn sin<l. Und es «?ind in der That hervorrapcndc Schöpfungen die S. ihr Da- sein verdanken und die seinen Namen ruhmvoll tragen werden auch noch auf spätere Geschlechter. Wir nennen vorab die Schaffimg des Kantonsspitals, die ganz wesentlich seiner Initiative zu verdanken ist. 1862 war er einer der Mitbegründer des ärzdichen Vereins des Kantons St. Gallen, der so recht cigentli( h unter dem Zeichen der Forderung eines K.intonsspitals ins Leben gerufen wurde. S. war 15 Jahre lang sein geistreicher Präsident. vDie Stellung«, sagte er, »wurde mir sehr lieb, denn ich war ja zum Regiments- trompeter befördert und durfte Sturm blasen im zehnjährigen Kampfe um den Kantonsspital.« Seit der Mitte der 60 er Jahre begann er mit Hochdruck die öffentliche Meinung; hit fnr /u bearlu iten. Je kühler er von den Behörden abgewiesen wurde, desto heftiger schrieb er und sprach er dafiir. »865 er- schien seine Flugschrift: »Die Spitalfrage im Kanton St. Gallen, ein Wort an alle Gebildeten und Barmherzigen.« »Die Papiermenschen des geizen Kan- tons«, sagte er, »haben den S{)ital als unnötig und als unmöglich bekämpft, der l?ure:nikrntie sind so?ia1e Fragen Torheiten, das wusste ich damals noch ni( ht; sie hebt weder Gott nocli die Menschen, wohl aber fürt htet hie die Druckerschwärze, das heng ich an zu verstehen«. Und wirklich gelang ihm, den schweren Stein ins Rollen zu bringen. Der Grosse Rat fasste den BeschluaSi fttr eine /u errichtende Anstalt eine Dotation von Fr. 300,000 aus- zusetzen. Aber noch vielfat h erhoben sich dagegen kritelnde Stimmen und fehlte es an der rechten l ntschlossenheit, den schönen Gedanken zu ver- wirkiiclicn. Da war es wiederum S., der mit scharfer Feder 1867 ein Büch- lein schrieb: »Der arme Lazarus im Culturstaate oder die öffentliche Kranken* pflege im Kanton St. Gallen.« Damit schlug er durch. »Der erste, schwerste Schritt ist gethan«, heisst es in der Vorrede. Sollen wir jetzt stille stehen und zuwarten? Und wie lanp:e? Entweder ist die Frage der öffentlichen Krankenpflege ein schöner Iraum dann hätten wir sie besser gar niciii angefasst. Oder aber sie ist eine ernste, zeitgemässe Aufjgabe, dann dürfoi wir sie nidit auf unbestimmte Zeit verschieben. Nichts ist unser als die Gegenwart: wer ein Mann ist, benutzt sie und wer auf Erden seine Schuldig- keit thun will, der miiss bei seinem Berufe damit anfatigen. Darum erachtet es der ar/tlii he Verein als sinne Ttlu ht, rlie An^elej^enlieit, für welche er zunächst vcjiintworüich isl, lüchi cinschUilcn zu lassen und beauftragt seinen Berichterstatter ferner Thatsachen xu sammeln und zu veröfientltchen.« Sechs Jahre später, im Jahre 1873, war der Kantonsspital erstellt und dem Betriebe übergeben. S. aber \\ idmete der neuen Institution, zwar nit lii behantJelnrler Ar/t, wohl ;iber als nneriniidlicher Inspektor und als idle^eit treulich i)edachtcr und besorgter medizinischer Leiter und Berater, seitdem ein voUgertttteltes Mass von hingebender, aufopfernder Liebe. Ein Jahr- zehnt später, in die achtziger Jahre, tällt die Arbeit für die Gründung des kantonalen Asyls in Wyl. S. hatte das Material gesammelt 7\\ weit her vom (l.imaliijen Ren.-Kat Dr. F. Ctirti f'nunmehr Strafhausdirektor in /urich) vcrottentlichten Broschüre »Der barmherzige Samariter«, der die vorhandenen Uebelstände mit rückhaltsloser Offenheit darlegte. Am so. Novemb«- 1884 erfolgte der Beschluss des Gr. Rates, eine Anstalt lür Altersschwache und Unheilbare £u gründen. Mit aller Eneigie arbeitete Dr. S. auf die Ver-

Sonderegger.

"73

wirkiichung des Frojckles hm. Ais VVortluhrci" des kaiit. ärzü. Vereines ver- ölientlidite er ein in diesem gehaltenes Referat: »Das Asyl für UnheUbare« Kranke und Altersschwache in Kanton St. Oallen«, wiederum ausgezeichnet

durch das Feuer, mit dem er fUr die S.u Iic der Aermsten im Volke eintrat, lind die Wucht seiner Arp;nmente, mit der er, ein ei«?eni^epnnzerter, reisiger Mann, mit Schwert und Speer auf die ölienüiche Meinung emdrang. »Die Politik«, so scUieast er, »hat in den Gemeinden vid versäumt und nüt einer oft gedankenlosen und grausamen Gewerbefreiheit viel versündigt; nun ist die Zeit gekommen einen Teil des aufgelaufenen sozialen Elendes zu heilen. Anstatt der Nebelhilder der Demokratie müssen wir dem Volke demoVriitische l'haten zeigen!« Im Sommer 1892 erfolgte die Erötthung der reich ausgestat- teten, gl ossiir Ilgen Schöpfung des St. Gallischen Gemeinsirmes, die nach veriegt worden. S. begjtlssie sie freudig, nicht am wenigsten im Hinblicke auf die allmälig unleidlich gewordenen Zustände in der chronisch über- füüten Heil- und Pflegeanstalt ftir Irre in St. Pirminsbertr, welcher er ebenfalls als ein.sK lui^^cr und treu he.sr)i i^tt^r Inspektor Jahre hindurch nalie ^estaiulen. Was der unermüdlicJie Vorkämpfer auch sonst noch ftlr die inleiessen der Gesundheits- und Krankenpflege gethan, fUr die Sache der Lebensmittel* polizei, als Hauptbegründer des kantonalen chemischen Laboratoriums, sur I'-ildung von obligatorischen OrtskranVenlnssen, als unerliittli( her Feind der Kurpfuscherei unrl de*? (»eheimmittels« inviiideis, als Herausgeber <ler Jahres- berichte der kantonalen Sanitatsverwaitung, die eine EüUe von Anregungen und geistvollen Bemerkungen entiialten, als I^ehrer und Warner in Zeiten von dro- henden und herrschenden Epidemien, in schlagfertiger Rede und mit gewandter i-'eder, das alles zu schildern, würde der Raum nicht ausreichen. Wir erhalten den Kintlnirk: Ks ist unglaublich, wie viel sich in den Rahmen eines kurzen Menschenlebens zusammendrängt, wenn einer seine Zeit auszukaufen versteht, und was ein Einsebier zu leisten vermag, wenn er fUr eine Sache begeistert ist. Und doch, wie bescheiden urteilt er selber Aber seine Lebtungen. »Bei meinem Weggange«, schreibt er, war das St. gallische Sanitätswesen etwas besser, nls es gewesen, dn ieh kam: Das ist alles. Sehr viel haben die Orts- gesuruibeii.skommis.siünen geleistet, angefeuert und geleitet durch die Wander- vorträge des Kantonschemikers und durch manche Bezirksärzte. Die Hygiene fing an, in das Offendiche Bewusstsein langsam einzudringen und als etwas Wichtiges betrachtet zu werden, nicht bloss als eine Grille der Aerzte!« AI »er auch auf eiflgenössis( liem Boden zu wirken fand der T^nermt'idlirhe Zeil und Kraft, hi seiner Stellung als Präsident des ärztlichen Central Vereins und der scliweizensclieu Aer/lckommission wurde er der häufige Berater des Bundesrates in sanitären Fragen. Da sind zu nennen: Die gesundheitspolizei» liehen Paragraphen des Fal)riksgesetzes, die Vorbereitung und Begutachtung des Gesetzes über f fcheimmittel, die ihn zu der Broschüre 'Der Geheimmittel- markt« veranlasste, vor allem aber die Redaktion und Motivierung: des eid- genössischen Epidemiegesetzes von i88i. Die Broscliüre: »Das eidgenossische Epidemiegesetz, eine Humanitätsfrage, Zürich, 1881« war sein Beitrag zur Agitation hieflir. X8S3 und 1884 war er Mitglied der eidgenössischen Cholera- Kommission. Seine populäre Schrift: »Zum Schutze gegen die Cholera« wurde wiederholt aufgelegt. Im .Auftrage von Bimrlesrat Schenk, mit dem er allezeit so trefi"lich zusammenwirkte, schrieb er 1Ö89 das Schriftchen; ^^Das Hygietne-Listitut, eine schwekerisdie Hochschule für Gesundheitspflege«, das ihm die Genugthuung bereitete, dass an mancher schweizerischen Univeisität

»71

Sonderegger.

Idi llvKi«'inr nunmelir eigentliche l^hrstühle errichtet wurden. Zweimal, 1885 tmil 1KK7, wur er Delegierter des Bnndenates hei miematimMlen KooSäenMen,

Ml Nh «Um groHsen Cholera-Konferens in Rom und 1 < im Hygieiiie-Kongress in

Wn'n, \\\u\ I ^«).> nahm er mit LT^sscm Tnfcrf-s.- Teil an ilcn Sitzuntren der Kom- /III llc^^utachtung eines ci(igcn6si»i.st licn Kranken- und l"nfallversirher\in«rs- ^.i<>»rt/<->i, Nu ht vergessen .sei auch, wie S. auf aligemein men!»chlichem Boden i'iltgi*lf(*tf*fi Im Air alles, was die Hüning der Volkswohlfahrt betraf. Wie kräftig hilt t*r drii Kiimpfem gegen das Verdeiben des Alkoholgenussc» die Arme Hi«nllll/l ! Was filr Harfe Hiebe hat er selbst in diesem Kamjife ausgeteilt, «<i /, IJ. wrtif» » r ;.'< j^'cn clen Frühschoppen^ losziehend sagte: Kr machi tluiMliK, fidel, iLa< Itixssig und arm; er ist der eleganteste und sicherste Weg /iitii Vmlertjen«. Oder l>ei anderer Gelegenhdt: »Nehmt dem Volke- die HtllMi* Mfiner Wirtshauser und ihr könnet die Hälfte seiner Zucht- und Irren- hiiii«« ! M hliessen Iv l 'nd bei dem allem stand er allezeit seinem eigentlichen Ml Mil«', dl in dii vi< l beschäftigten Arztes, mit vollster Hingabc vor; allertüngs nie /i'ii und Kraft nicht im gesellschaftlichen Vielerlei zersplitternd und selten lU AtH'iid* am Wirtstisdie sidi einfindend, sondern meist an seinem Schreib» Uttt Im* «rlM^UftMl» MamI er auf der Höhe der allgoneinen Mdung wie der mo- lU ntt-H Wi«**^»* ll«ft/ von der er aber nie hochrofltig herabsah, sondern aus deren \' 1 ,11 \iinh!^ n ff finmer wieder die Kine Folgerung zog: Liebe Heinen Nächsten |>Mh I>as Wort zeigt, wohin des nun Heimgegangenen Angesicht

tUti* Ii !*\U * hilldun h gerichtet war und woher sein Leben die tiefsten Impulse * Mi|#ffOif. Alf* <li<*fien heraus ist auch seine letzte und schönste Liebesthat er- olh'^u, /M d<-r er tillcrdingK nur noch den Grund legen, deren Vollendung er .tili t Ii»' d''ii ni' mehr schauen durfte, ziig1ci( h eine wahre Mannesthaf .ilitt Ii« siM biMigrii liir bessere N'ersorgiMig und Kr/iehung armer Waisenkinder. Ini .u.uU Si, («;ilini hatte es sich zur Khre gerechnet, den bewahrten kämj)ei» Itft WM« Tftht Mt, was wahr und gut, in die oberste I^AndesbehÖrde,

tUh h$. fäll, zu cnts<-nden, dem er schon seit 1873, erst als Vertreter seiner linm'*ty*'im'lwU' Malga« Ii, angehörte. F> ist auch in ihm eine Zierde ge- >n (iiid lial in allm d;is (lemeinwohl betreffenden Fragen eine von allen i'.itu h u ^jei( Ii gt achiele Autorität genossen, was wohl in einem so tief vom |'4iijiwrM*M dun lifurrhten Kanton viel heissen muss. Schon in der »Asyl- war iM*in llrloil von massgebendem und entscheidendem Einflüsse, und fiuil drangt'' i-k ihn, auch der armen httlfslx diirfligen Jugend sich anzunehmen, dl« in dl M Amii nli itisern neben oft sehr rragwür<ligen Existenzen und eng i^iii itii ganz r>« lihinnien Flementen zusamnu ngepferc ht, aufwuchs, und sich zu ihn Mi h'urigcii und berc<lien Sachwalter zu machen. An der Hand von lang- j(ffiM|<(*u Kifiilining«*», t>cs(mders auch auf Grund von Aussagen authentischer I 1 1 iiii'li^ iiiigen aus allen (lemeinden und Angaben der kantonalen .'1 j.il.iiisi.di lind rjei ( lerichtsslatistik schildert er in ebenso drastischer, wie j(c I /i lfvl» Iii Hill 1 Wi ise d;is l'lend und die (lefahren, in uelclien sich die ••Hii' II Wals» ntindt r befinden, ihrer (iemeinde weder zum Nutzen noch zur I hM i'> 11*1 dii* llroftrhUre, die er 1893 unter dem Titel: »Waisenkinder im t 11111111 Oiilk'ii. Kine Ilittschrift an die öffentliche Meinung als Manuscript l>i|iiMi .iiisj/cjirn Hess. Wie merkwihdig. Wahrend seiner Rheinthaler Thatig- I n Ii dl I iiniitneniihende Mann wie ein hagerer Schatten dur< h das I .ind I (dii'ii und iiiuhsie hi< h oft für seine »Cardialgien« eine Morphiumcinspruzung Im h' II. (Kit nur wieder filr den Augenblick leistungsfähig zu sein. Er hustete Ii .11 ii/uhli t'uirr seiner C*4>llegen, und man erklärte ihn damals alsPhthi*

Sondercgger.

sikcr. Das alles ward überwunden bei unvcr<li<>sscner rri( hiicher Arbeit, und wer ihn dann die späteren 20 Jahre in St. (iallen aiUral, sah ihn kräftig und gesund; nur selten befiel ihn noch ein heftiger Magenschmerz. Doch allmäJjg brach auch über seine Löwennatur das Alter mit seinen C.ebrechen herein. i8.S<S lick.mi er eine Lungenentzündung und blieb na* hlu r lair^atmig.

Ich hatte mm , sa^ie er, «den längst erwarteten Wink des Schicksals, nach fast 38 Jahren sehr angestrengter 1 hatigkeii einen dicken Strich unter meine l^bensrechnung zu machen und abzuschliessen«. Wir wissen, wie er es ge- than. Immerhin schränkte er seine ärztliche Praxis stark ein und führte ein ruhigeres lieben. Im Mai 1894 erkrankte er mit Hronrhitis, Pleuritis, Herr- sch wi« he und hatte das Cli^ftihl des nahenden Todes. Doch noch einmal rang seine zähe Natur sich empor. Aber nun musste er allerdings seine Praxis gänzlich aufgeben. »Schweren Herzens nahm ich Abschied von so manchen lieben Familien, deren Hausarzt ich gewesen.« Am 21, Oktober 1895 erlebte er seinen 70. Geburtstag, allseitig gefeiert und beglflckwünacht »Uebrigens bin ich mir«, meinte er, »an diesem Greisenta^'e vorfiekommen, wie ein Nachtwnnfller, der angerufen und aufgeweckt, seiner gciahrlichen Stellung bewusst wird und strauchelt«*. ^Vm 20. Juni Ist der seltene Mann, eine WiUirhaft monumentale Per- sönlichkeit, der durch sein garuses Leben hindurch das Wort zur Wahrheit gemacht: alib inservicndo consumor, der es verstanden, seinen ärztlichen, wie seinen .iHijemeincn mensi liUrhen TJenif in das Licht einer höheren AnflTnssung 7.U rücken, der für seine ideale allezeit unerschrocken eintrat und kein Opfer zu deren Verwirklichung scheute, der den ewigen Leitsternen in seiner Brust treu blieb bis in den Tod, der Mitwelt entrissen worden. Als die Nachricht von sein« ni Hinschiede sieh verbreite, da er\v t ( kte ^ie ni< lit nur in St. (»allen, sondern durchs uan^c schweizerische Vaterland die schmerzlichste Teilnahme, da"- (k'fulii: Nun hat es einen seiner besten nnd trenesten Söhne verloren und stille gestiindcn ist ein für seine Mitmenschen so warm schlagendes, hebe- eif&Htes Herz, das Herz eines, der so wahr gemacht das Wort: »Kin Mensch sein, heisst ein Kämpler sein!« »Der Verfasser hat allen Grund, den freund» liehen Leser um Nachsicht zu bitten für <! 1 < hrillen Misston, mit welchem er seine ernst und gut gemeinte Arbeit alist hioss mit diesen Worten beendigt S. seine «Vorposten«, in denen er zulei/.t mit bcissender Ironie den Kur- pfuscher geschildert. »So ahcr^, fährt er fort, '>sch]iessC auch manches Mensdienleben ab, welches mühevoll nach hohen Zielen strebte; so ganz besonders bricht auch mancher brave Bürger zusammen, dem das Elend seiner Mitmenschen zu Herzen ging und der in seinem Wirktm<;skreise sich ab;\rbeitete ihr Leben besser zu gestalten. Denken wir an Vmcent elc l'aula, Heinrich Pestalozzi, Gabriel Riesser, Amalie v. Lassaulx, Gustav Werner und an so viele kleinere Helden, die wohl umzubringen, aber nicht zu besiegen waren ! Ks giebt nur Kine Macht, welche den Menschen vor der Verzweiflung und die Völker vor dem I'nteriinnije bewnhrt: Das Wolilwollen, das Erbarmen mit der Not, die l*'reude am Wnlilrrmlien dei MiimenNchen , das Glück zu lielfen. Das ist jedem möglich uml tiii/.u ist jeder verpÜu hictU Ihm ist's möglich gewesen, weil er sich in seinem Innersten dazu verpflichtet fühlte. Darum war er auch in seinem Leben und Streben so froh und so glücklich. Dass er's war, das bezeugen die Worte, mit denen er seine Autobiographie beginnt und die es verdienen aueh seine (irabs( hrift tu l)ildcn: »Wandrer stehe still, hier liegt ein (jiucklicher!« Als S. an seinem Lebensende diese Worte schrieb, meinte er das nicht

176

Sondcregger. Prinr tu Hohenlohe-SchilÜngsfUrst,

SO, dass er nun froh sei, »ein Leben hinter sich zu haUen, in welchem wir

den Schmerz viel tiefer eiti}'fii^ den als die Freude«, auch nicht im Sinne »des

Unzufriedenen, dem es auf lüden recht wohl ergangen, wenn er von seiner Unverschämtheit ausriilu n darf , oder auch des * Armen, der fast nichts als Elend erlebt und sich dennoch mit Verzweitlung an sem Leben angeklammert hat«. Er fühlte sich wirklich als dn »Glücklicher, der nur mit warmem, herzlichen Danke geschieden ist«, weil er in seinem Leben »eine Unsumme von Liebe und Wohlwollen seiner Mitmenschen genossen und sich den grössten Teil seiner Jahre einer einheitlichen, widersjirurhslnsen Lebensanschanung er- treut. Diese liat er mit Schmerzen erkämpft. Seelenruhe war ihm nicht beschieden, aber er hat wie eine ordentliche Magnetnadel, wenn auch unter fortwährenden, oft un^bührlich grossen Abimingen, immer um denselben festen Punkt hcrumgeschwenkt. Er hat an Leben, Familie, Ehre und Cut viel mehr erreicht, als er je erwartet ; denn er erwartete fast nichts. Sein Leben ist köstlich gewesen, denn es war Mühe und Arbeit«.

W. Niedermann.

Prins so HoheoloheNSehlllittgaflifsty CSdnstaatin, erster Obenthofineister des Kaisers von Oesterreich, geboren s8. September 1828 zu Rotenburg, ge- storben r4. IVbiuar t8o^> Wien. Als Heinrich IV. Jemandem eine nn- schaulirlu- ( harakieristik seiner drei Minister geben wollte, Hess er zuerst VUleroi konunen und rief den» Einlretentlen entgegen: »Sehen Sie den Balken dort, der umzustünen droht?« ViUeroi hob den ehrerbietig geneigten Kopf nicht empor, er sah sich den Balken nicht an, er besass keine Ahnung, wo derselbe stand, wie er aus.sah, oh er überhaupt existierte. Olme Zweift l ! erwiderte er. 'Da muss augcnl)lickli< h .Abhilfe ^^eirt»tt"en werden. Ich ede, das Nothigc anzuordnen.* Jeannm, wclehur sodann berufen und mit cler- selben Frage empfangen wurde, antwortete nach einem kurzen scharfen Blick auf den Balken: »Man muss sich dessen jedenfalls vergewi.ssern , ich werde ihn sofort untersuchen lassen.« Der zuletzt herbeigeholte Sully besichtigte, f>hne sirli weiter nm den König zu kümmern, mit einem skeptischen Lächeln den Balken und brummte: »Aber Sirc, was fällt Urnen denn einr Der Balken wird Sie und mich überdaaem.«

Hohenlohe ist Jeannin, der Mann mit dem Muth, seine Meinung gel- »end Miarlien, jedoch auch mit der FeinfÜhligkcit für die geeignete Form. In sklavischer Unterwürfigkeit si< b der eigenen Persönlichkeit /u entänssem wie Villeroi, oder dieselbe mit der derben Rücksichtslosigkeit Sully 's auf- zudrängen: für beides war Hohenlohe zu vornehm. ^

£8 geschah im X. Jahrhundert, dass Adelheid aus dem Königshaus der Merowinger sich mit Heinrich Herzog von Franken vermählte und ihm einen Sohn f^ebar, den n.u hmabgen Kaiser Knnrad Tl. den S.dier. Die Nachkommen aus ihrer zweiten Khc mit Hermann dein Salier nennen .sieh Hohenlohe nach ihrer Stammburg, ihre Tochter Hildegarde wird die Frau Konrails von Hohen- staufen. Hujus fundatrix TempH jacet hic tumulata, Cunradi Regis Genitrix, Adilheyda vocat i heisst es auf ihrem Grabmal in der Kirche zu Oehringen. Con'^tantin Hnhcnlohe ist als schwärmerisehcr Jün^^Hntj zu der (inift seiner Urahne Adelheid gewallfahrtet, welche des salisehcn Kaisers Mutter und die gemeinsame Stammesmutter des gewaltigen Kaisergeschlechtes der Hohen- staufen, sowie des Hohenloheschen Fttrstenhauses ist. Von solcher Wall&hrt kehrt man nicht als Villeroi heim: man wird vielleicht ein höfischer Mann, jedoch nimmennehr ein Höfling. Aber auch zu einem Suily muss das Zeug

Priai SU Hohenlohft^diilliikgiftnt.

177

einem Fürsten fehlen, welchen der deutsche Kaiser als nahen Verwandten duUt und die Königin von England als Vetter anspricht. Wenn ein solcher Mann Aber das glattgebohnte HofjMmittet schreitet, vernimmt man nicht das

Stampfen genagelter Stiefel und das Poltern eines Kntittels, sondern das sachte Gleiten dünnsohli^'or Schuhe und zuweilen das Klirren eines Depens, leise, fein, mil dem Metallklang des festen und doch elastischen Stahles.

Dass er der erste Würdenirägcr am Hofe der Habsburger werden würde, mochte der jugendliche Oebringer Pilger freilidi nicht ahnen, als er aus seiner Heimath nadl Oesterreich kam. Kr tol^ic Inebei bewährten Beispielen seines ITves. So war der heldenhafte Türk enbezwinger Wolfgang Julius Hohenlohe Uli XVII. JahrhvHulert Feldniarsrhall und Hnfk rierrsrath des Kaisers Leopold gevresen« und im ülmer Dom verzeichnet ein Denkstein den Heldentod zweier Hohenlohe, die als österreichische Reiteroffiziere ^cgcn Napoleon bei Ulm gefallen sind. So blieb es auch, als nach der Auflösung des Deutschen Reiches das Fürstenthum Hohenlohe unter die Staatshoheit von Bayern und Württemberg aufpctheilt wiirde. War es ja überhaupt ein gern gcfibtet iiraurh, dass die jüngeren Söhne regierender und mediatisirter Häuser sich Beruf und Heimath in der österrdcbischen Armee suchten. Nun war Ton den Brüdern Constantins der älteste, Victor als Erbe des letzten Landgrafen Victor Amadeus von Hessen-Rhein fei s- Rotenburg Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey gew-orden. Hicdurch ging Recht und Krbe eines ersten Sohnes auf den zweiten, Chlodwig, über, welcher nun der Fürst und das Haupt der Linie wurde. Dieser, erst bayerischer Ministerpräsident, daim deutsclier Bot- schafter in Paris, suletst kaiserlicher Statthalter im Elsass, ist gegenwärtig deutscher Reic^iskanzler. Gustav, der dritte Sohn, war Cardinal -Bischof von Albano und Erzpriester von Sla. M.iria NTaggioie in Rom. Der vierte und letzte der Brüder, C'onstantin. folgte der I radition jüngerer deutscher Fürsten- söhnc und irai in das österreichische Heer.

Der junge Prins mit dem feingeschnittenen schönen Profil, den schwer- müthig verhängten Augen, der eleganten zierlichen Gestalt, der raschen und doch anmuthigen Beweglichkeit, bot in der österreichischen Uniform eine wahre Augenweide. Wie m in< hc zärtliche Frauenseelc jener empfindsamen Tage, da man noch unter 1 liränen lächelte und unter Lächeln weinte, hatte den reisenden zwanzigjährigen Lieutenant gern wie eine Meissener Porzellan- figur unter einem grossen Glassturz vor Schnee und Regen und Staub, be- sonders aber vor anderen zärtlich empfindsamen Frauenseelcn behüten wollen. Aber er taugte nicht unter den Glassturz mit seiner Thatengier und Kriegs- lust. Der schmucke Prinz war zugleich ein schneidiger Soldat, der sich nicht im mindesten um Staub und Regen, auch nicht um Flintenkugeln und Säbel- hiebe kfimmerte^ als er d^ italienischen Feldzug von 1849 mitmachte. Vier Jahre später ist er bereits Rittmeister. Im Jahre 1854, zur Vermählung des Kaisers, wird er in den k. Hofstaat eingereiht zuerst als dienstthuender Adjutant Ijei dem ( ieneral-Adjutanten Orafen ( iruane, 1S59 avancirt ah> Fiügel- udjutanl in den unuriltelbaren Dienst dca Kaisers.

Die Leitung des Obersthoftneisteramtes Übernahm Prinz Hohenlohe am 6. Juli 1866. Das Datum gicbt zugleich Beweggrund und Beleuchtung für diese Emennunfj; sie erfolgte drei Tage nach diin Unheilstap^c von König- grätz. Dieser liatte eine verzweifelte Stimmung gezeitigt, aus welcher sich das tief erschütterte Reich nur durch völlige Umgestaltung emporzunngcu getraute keine blosse Häutung, bei welcher sich auf der neu<Hi Haut die

178

Prinz zu Hohenlohe SchilliogsfOrst.

alten Flecken abheben. Das Gefühl der Bittemiss konnte sich in seiner iCkstase gar nicht genug thun. Aus Oesterreich sollte Oesterreich -Un^im» und was in jenem grossgewachsen war nicht etwa beschnitten, gepfropft,

vorerlelt - sonrlcrn sntnnU ifcr wurmstirhtigen Witr^cl herausgenV<;en und durch neues VVachsthuin ersetzt werden, Alles: Regierung, Verwaltung, Armee, Hofstaat, Hof Verwaltung.

Das war eine harte Aufgabe in harter Zeit, welche dem neuen Obetst- hofmeister zufiel. Reform und vermeintlich ersessenes Anrecht stiessen im Widerstreit aneiii.iii«ler. F.s ist so unbcf^iiem, aus den r\ltc:e\vohnten f'.clt. iscn herauszulenkcn, darin es sich hch;igli( h lialb im Schluinmcr dahinrolien iiess. Man hatte nur noch <lie 1 itel der Kapitel gelesen, nun soll man ein neues Buch Wort für Wort durchlesen. Manche verstehen es überhaupt nicht, und es ist dann wie Lichtenberg's Spiegel: wenn ein Afife hineinguckt, kann kein Apostel heraussehen. Andere sviclien den Reformator nach dem Recepte Niet?sf hcs 7\i behandeln: «Mnn lc.inn jedermann so fhirrh T^nmhen, Aengsten, Ucbcrhaulung von Arbeit und tiedanken abmatten un<l schwach machen, da&s er einer Sache, die den Schein des Compliciiten hat, nicht mehr widetstefat, sondern nachgiebt.« Jene aber, die den ehrlichen Willen haben mitsuthun, mühten einen Augiasstall mit dem Federwisch einer Kammersofe säubern.

Da wirkest nicht, Alles blcH»! 90 stttUIpf, Sei guter Dingel Der Stein im Sumpf Macht kerne Ringe

dachte (lohenlohe mit Goethe und Hess von allen Seiten frischen Quellen-

sprutlel hereinflicssen. Wo die Unken tr.äumerisch ge(juackt hatten, ruderten nun hurtige l' isrhc, untl dn^^«; ihjien kein Moos auf den KöpfcTi wachse, dafür sorgten etwelche Hechte. Man riss die Augen auf: der neue Ubersthofmeister besass so gar nichts von dem weitverbreiteten Talente, sich führen zu lassen, während man zu führen vermeint. Ja, er zeigte sogar nicht das geringste V4^tändniss dafür, wetm man die alten Thinge auf das Prokrustesbett spannen wnllrc. lim sio «rewnltsam (lern neuen Massstab anzujjassen. Dies Alles war ho( hst btiruhenti, untl es l)licb nur die Hoffnung auf die langsame aber un- widerstehliche Wirkung der Zeit, welche die schärfsten Zähne jedes Räder- werkes abweist.

Das was Prinz Hohenlohe als den leitenden Grundgedanken der Hof- verwalturiL,' vor Anisen hatte, Mar der ( 'entralismus. wfilut-nd in der Politik gleich/eilig der lJualisnius, oder etwa gar der Trialismus, als allein st liL'marlu iides jPrincip galt. Aber Hohenlohe Hess sich von politischen Strömungen und Unterstrdmungen weder fortreissen, noch legte er selbst je Hand an die Schleusen, welche dergleichen stauen oder loslnssen. Dies entsprach seinem Taktgeftihl und tiberdies dem Landesbrauche. Was anderswo den Ministem das ] eben so vergällt, dir FinmiscluinLf der Frauen tind Hof%vfirdentr;iger in die l'ohiik, pflegt am österreichischen Hofe nicht vorzukommen. Man hat zwar einmal von Hohenlohe das Gegentheil bduiuptet es war in der Zeit, welche dem Aufgange Hohenwart*» und dem Niedergange Beust*s voranging. Indess stak nichts weiter dahinter, als dass IVin/ Hohenlohe im Auftrage des Kaisers mehrrrc Staat-^männer betreffs ihres Kintrittes in che Regierung 7\% sondiren hatte. Allem V\ ^d« l^t^eit der Parteien hat er stets mit der gelassenen Zurückhaltung eines Turnici vugtes zugeschaut: laissez faire, laissez aller!

Hohenlohe brachte Einheitlichkeit in die weit auseinanderstrebenden.

Prinz zu Hohenlohe -SchiUiugsfUrst.

179

selbstherrlich aufgeschossenen Theile der Administration. Wo sich ein viet- luthigcs Strauchwerk aufgebuscht hatte, wuchs nun ein Baum. Daran war tias Obersthofmeisteramt der Stamm, die übrigen Holämter das Gcz\sci-;e, Das Vann man abschneiden, kurzen, pfropfen, zusammenbinden, in bestimmte Waciistliurasrichtungen zwingen, wofern nur der Stamm lebeniifähig bleibt. Diesen aber nährt die Wurzel« durch dieselbe sendet er die Lebenssifte em- por bis in die letzte Spitze des lebeten Blattes. Das war es: Gedanken und Wille sf>ni(-n bis in die äusserste Verästelung jedes Hofdienstes von dem ObcrsthofnK-ister ausstrahlen. Dies war von der inneren Ghith des Thnton- drangeü kühn und tapfer ersonnen, aber es ging über Menschenkraft hinaus. Darum hat es ihm auch das Leben verschattet, und man konnte nicht ohne eine gewisse unwillige Bewunderung zusehon, wie er schliesslich daran zu Grunde ging, dass er von dieser Illusion nicht bissen wollte.

Anfan<is freilich im Feuereifer des ersten Anlatifes nrhtete er nicht der Ueberlast, die er sieh aut^rdnirdei hatu:. I",r liauüe im ( ie^entheil rmgs von allen Seiten noch mehr hnizu, ja er freute sich in uljcrschaumender Schaifens- kraft auch wohl der Hemmnisse, weil er alle leichüich überwand. So konnte es nur in soldiem frischen Vollgefühl der eigenen Persönlichkeit geschehen, da-^s er das feierliche Cercmoniell, die alte spanische Etiquette, mit den An- foidcruiigen der Neuzeit /u verschmelzen suchte, ohne es, wie dies an anderen Hofen geschah, ganz preiäxugcben. Da:» halte zur i'olge, dass alle Fragen nur wQo Fall zu Fall entschieden werden konnten; denn die EventualiOten, die unsere raschlebige Zeit mit sich bringt, bedingten immer neue Formen, die mit dem Sinn der ererbten Traditionen in Einklang gebracht werden sollten. ¥.s gehörte ein grosser Wagemuth dazu und ein vermessenes Ver- trauen auf die eigenen Nerven, sich die Verantwortung noch selbst zu er- schweren für einen ehrfurchtheischenden, majestätischen, erhabenen Aufbau, welcher durch das geringste Versehen des geringsten Lakaien zusammenstürzen kann, und du sublime au ridicule il n'y a qu'un pas. Dergleichen ist von dem peinlich «genauen Ineinanderj^reifen so vieler und so verschieden gearteter Menschen abhangig, dass lii(.-])ei d.is < klitiuen jedesmal fia^lu li ers( hemt. So gilt es, tagtäglich dicht am Abgrund über eine unsuhere Siclle hinweg- zuschlüpfen. Und dies noch dazu unter den scharf und richtig blickenden Augen des Kaisers, welchem ausserhalb derartiger Feierlichkeiten wo er in der Tliat die Majestät des Herrscherthums im höchsten flrade m elufuK ht- weekeiidiT ( lehmig bringt die einengende Ktiquette tuii der schmale Herg- pfad ist, der zur weiten Rundschau freier Höhen hmaufuhrt. Denn im ge- wöhnlichen Tagesleben ist ihm eine vornehme Ungezwungenheit, eine distin» guirte Natürlichkeit eigen, um welche ihn der eleganteste Edelmann seines Reiches beneiden könnte; im Verkehr giebt er sich einfach und mehr als blos leutselig und herablassend geniüthvoll; mit dem I.andvollc geht er in treuherziger Schlichtheit und Heiterkeit um, welclie Vertrauen aus den zag- haftesten oder sprödesten Seelen und einen Redefluss von den wortkargsten Lippen lockt.

Nun trat Air Hohenlohe noch der erschwerende Umstand ein, dass sich die Zahl fler sonst tihlic ]ien Festlichkeiten rhiK Ii Ftirstenhesiirhe vervielfachte, wie sie Wien seil der (Ongres^zeit so zahlreich nicht erlel>i halle. Und ge- rade diese farbcnieiclien miialtslosen Scenen spielen sich nach einem Cere- monieil ab, das peinlich abgezirkelt, jeden Schritt regelt und nicht einmal den Dialog der Improvisation anhdmgiebt. Sultan Abdul Aziz, der Wien im

iSo

Priiu m Hohcnlohe-bcbilliogsfUrsu

Sommer besuchte, fasste freflich bei aUen diesen feierlichen Verasistal- tungen seinen Eindruck immer wieder in die Worte zusammen: »Ach, wie

lieiss ist es hier!« Auch der Schah von Persien schien sich aus der

spanischen Etiquette weit weniger zu machen als die Wiener aus seinen Diamanten. Aber dasselbe Jahr brachte Mitglieder aller europaischen Re- gentenhftuser nach Wien zur Ausstellung, und bei Hofe gab es eine &st un- unterbrochene Reihe von feierlichen Empfängen und Verabschiedungen, grossen und intimeren Festen.

Das was Prinz Hohenlohe unverändert ans seiner früheren Dienstzeit übernommen hatte, war die tägliche Dienstleistung um die Person des Kaisers. Es galt hicbei einem Herrn gerecht zu werden, welcher in emster Auffassung seiner Regentenpflichten schon am Arbeitstisdi zxx finden ist, wenn seine Unterthanen not Ii im besten Schlummer liegen; welcher sich einer Thätigkeii, die niemals eine Al)irninfj der Aufmerksamkeit gestattet, mit einer l^eispiel- losen Hin^el)im<^' widmet, ohne sich hiebei die Rast zu gönnnen, auf die auch der geringste seiner Beamten Anspruch erhebt; weither jederzeit und all- tiberall eine Widerstandskraft, Ausdauer, Elastizität entwickelt, die einen von Natur aus stahlharten und überdies kuns^erecht trainirten Sportsmann stolz mnrhcn würde. Wer um die Person eines solrhcn Herrn lieseliäftigt ist, sollte ei^'entlii h alle diese Ki^ensrhaftcn in höherer Potenz besitzen oder, weil dies hier ja kaum denkbar ist, er muss sie wenigstens in annalicrnd zu- länglichem Masse bethätigen.

Aber an Hohenlohe trat auch eine Aufgabe heran, die seinen Amtsvor- gangem nie den Schlaf gestört hatte, und deren Grösse sie im W k hen für ein phantastisches Traumbild gehalten hätten. Das kaiserliche Handst hreiben vom 20. December 1857 an den Minister Bach hatte die Beseitigung der ein- engenden Umwalhmg, m Fortificationen und Stadtgräben vcm Wien angeordnet. Freiherr von Ebner^Eschenbach, der Gemahl unserer grossen Dichterin, damals Major und Vorstand der technischen Abtheilung des f.enie-Comit^'s, legte im März 1858 in die Stadtwälle die erste Bresche. Hierbei erzielte dieser geniale und gelehrte Erfinder der eiektn.schen Zündmethode durch die gleich- zeitige Zündung schwacher aber zahlreicher Bohrschilsse die Wirkimg einer Starken Demolirungsmine, Jedoch ohne deren weitreidiende Erschütterung, welcher die Basteihäuser zum Opfer gefallen wären. Durch das Ineinander» greifen von einem hal!>en Hundert seiner verbnndei\cn Piolirschüsse warf Freihen von l,lMur-Ks(dienharh die mächtigen Walle wie Rindertand nieder. Nun War freie Kniwickiung ermöglicht, die so lange imicrhalb der Umwal- lungen gestaute Baulust warf sich mit der ganzen angesammelten Kraft auf den weiten Flächenraum .der demolirten Mauern, der ausgefüllten Stadtgräben, der (»lacisanlagen. Staats-, (lemeindt-, Privatgebäude schössen wie Pil/e empor, und der Hof bctheiligte sich in grossartiger Weise an dem Wetihauen. l)crgleichen war seit Karl VI. nicht dagewesen, und da.s war gut so: was fiir unglückliche Bauten hätte die Geschmacklosigkeit aufgehäufelt, die von jenem kunstverständigen Fürsten ab grassirte. Nun lockte der freigewordene Raum, alles Versäumte nachzuholen, und auch das war gut so: denn ein gnädiges ClcsrhifV: hatte fiir die grossen Werke, fh'c erstehen sollten, auch die p-nssen Manner erstehen lassen, Architekten, Bildhauer, Maler, Meister des Kunst* handwerks. Auf einmal trat der blendende Reichthum zu Tage, welchen Wien an aufgespeicherter verhaltener Künsderkraft besass. Dieselbe hervor« zulocken und in verständnissinniger Weise xu verwertheiv war bezüglich der

Fruu £U Hohenlohe-bchilliagsfUrst.

i8i

Hofbauten dem Obersthofineister anbeungestellt. Welche umfassende verant»

wortiingsschwere Hsätigkeit Hohenlohe in dieser Richtung zu ent&lten hatte^ !ns«;t sich daraus ermessen, Hnss die Vollendung des Opernhauses, der Hau des nanirhistnrisrhen und des kunsihistorischen Hofmuseums, des neuen Burg- theaters, der Hurgfa^aden auf dem Michaelerplatze, sowie des linken Flügels der neuen Hofburg auf dem äusseren Burgplatz in die Zeit seiner Amtsfllhrung fiJlen. Aiuii die grossen Veränderungen im Prater sind sein Werk. Die DonanTepiilining und die Weltansstellung hatten ihm theilweise Kingrifife auf- genöthii^t, und diese fjahen in der l'olf^e den Anstoss zur weiteren Umgestal« tung, die sich nach und über das Ganze erstreckte.

Die Oberleitung von Theatern ist auch inmitten normaler Zustände nie und nirgends eine Sinekure gewesen. In diesen künstlerischen Kleinstaaten ist die scheinbar ruhigste F'volution doch immer nur eine lu imlich glimmende Revolution, Nun aber hatte Prinz Hohenlohe als uheiste) Chef rler Hof- theater in diesem interessanten Ausschnitt seiner Wirkungssphäre nicht etwa einem naturgemässcn Fortgänge gemächlich zuzusehen, sondern ftir ausser- ordentliche Entwicklungsphasen ausserordentiidie Massnahmen zu trefien. Ihm fiel die Aufgabe 7u, sowohl die Oper als auch das Schauspiel aus den nhen bescheidenen Wohnsitzen in ihre neuen Prachtresi'denzen zu überpflanzen und daselbst heiniisch /ai machen. Es war eine heikle nnpjielnrbeif, die prunkvollen Pala:>ie der scJilichten Grösse einer edlen Runsiuadiiion aiuu- passen und dann diese vornehme Schlichtheit schicksam in den noch neu- grellen Prunk einzufügen.

Das Burgtheater ^^ab ul)erdics auch in seinen inneren \''erliältnisscn seinem obersten Chef zu schatten, kaum dass er dns Amt angetreten hatte. Laube, der i8 Jahre lang die Direktion ausserordentlich geschickt und erfolgreich gefühlt hatte, gerieth plötzlich in Competenzstreitigketten mit dem Freiherm von Mflncb-Bellinghausen, der Direktor mit dem Intendanten, der Dichter mit dem Dichter. Der weiche Halm obsiegte, der harte Laube unterlag und legte die Direktion 1S67 ?:nni(k. I>as Srhiftlein, welches seine rauhe Hand so lange sicher gelenkt hatte, trieb ohne Steuermann auf den Wellen. Hohenlohe berief den Mann, welcher ihm das neue Opernhaus mit der Kttnstlergenossenschaft des aJten Kämtnerthortheaters zu schöner Hannonie zusammengestimmt hatte Baron Dingelstedt. Er Vam berflber zögernd, langsam, obzwar er ungemein lansje Beine hatte, und fasste mit einer herri- schen eleganten Bewegung das Steuer. Es sah sich nonchalant an, wie er mit den langen Armen antauchte, aber es gab aus. Ein Autokrat wie Laube, herrschte er durch läcbdnde Ironie, wie jener durch die bärbeissige Rauh* heit eines alten Folizeikorporals. Er liess das Steuer auch nicht los, als er schon schwerkrank damiederlag, und wenn etwas nirht nnrh seiner Des])nten- laune ^ing, klagte er: »Weh dem, der lie^;t! . Kr starb 1882 und hinterliess Hohenlohe die Sorge, abermals nach einem Direktor zu fahnden. Die Wahl fiel auf Wilbnuid^ einen bedeutenden sinnigen Dichter und einen guten Menschen, der nicht als T> rann (Iber, sondern als Freund imd Kamerade inmitten von seinen Schauspielern dirijrircn wollte. Ks konnte nicht aus- bleiben, dass bei solrhen Regierunjrsmaxinun die zarte Üesaitung seiner Poetennatur bis zu unerträglicher Disharmonie verstimmt wiud. Die Nerven eines Theaterdirektors smd etwas Besonderes fUr sich, und. es wird schon noch kommen, dass ein scharfiichtiger Anatom das Abweichende ihrer Struktur herausfindet, Wübrandt war so einsichtig zu erkennen, dass er dergleichen

l83

Pritu sa Hohenlohe-bchiltingsfurst.

nicht besitze, und so klug, die Consequenzen aus dieser Eritenntnis zu ziehen. Er schied ireiwillig 1S87, und Hohenlohe berief den gegenwärtigen Direktor

Burkhanlt nn seine Stelle.

Ks wurde dessen allgemach zu viel und zu vielerlei, worüber dte leute Entsc heidung bei Hohenlohe lag. Wenn in einer unübersehbaren Wirkung«»- sphäre Alles bis auf das Detail von Einem Hirn und Einer Hand gelenkt werden soll, so giebt es keinen Gedanken mehr, der beim Auftauchen nicht schon von einem anderen verdrängt, kein Thun, darein sich nicht schon ein anderes men^ien würde. Eine Retorte darf nicht geschüttelt werden, wenn sich etwas krystaliisircn soll. Wenn Hohenlohe erstaunt aun)lickie, weshalb eine Sache nicht nach seiner Anordnung geschehen war, so stellte sich heraus, dass nicht die wohl ttberdachten, sondern gerade die im Drange der Geschäfte achtlos hingeworfenen Worte bestimmend eingegriffen hatten. Jene wusste man Silbr fiir Sillie, wofem er nur nicht mehr davon sprarh, hatte sie jed*»! Ii vergessen, sobald er danarh fraj^te. Elektrizitätsiciter, die ehen noch geladen waren, wurden zu tudtcn Metallen, wenn er ihnen den Rucken und sich im hastigen Arbeitseifer Anderen zugewendet hatte.

Bei allem dem musste es kommen, dass Prinz Hohenlohe, der seine Verwaltimj; derart ccntralisirte, hiedurch sein I eben decentralisirte, zer- splitterte, /erfiLserte, imd la rharpie n'est pas du lini^e. Dies konnte auf sein erregbares Temperament nachgerade nicht ohne Emtluss bleiben und er- klärt zur Genüge die zeitweilige Beweglichkeit seiner Stimmung. Wie der Wind aus einer Harfe wechselndes Cletöne lockt, das ineinander rinnt, so s|)ielte das ruhelose friedeleere Mühen auf seinen Nerven. Wenn hiebei ein- mal ein ungestümer Sturmsto^s einen Missklang hervorrief, konnte das heiss- blülige Naturell für Augenblicke auch wohl der Hut einer sorgsamen Selbst- zucht entschlüpfen. Dem folgte jedoch alsbald eine gewinneiMle Weichheit, bei welcher der betroffene Gegner die Waffen sachte hinabgleiten liess und die gekrampften Finger ausstreckte, um die entgegenkommende Hand lu fassen. Es war wie bei Vesnveniptionen : sind die .Sdilacken einmal ausge- schleudert, w.achst auf dem i.avabüden der edelste Wein.

Auch sonst wohl durchbrach diese hinreissendc Weichheit die ruhige schlichte WUrde, mit welcher Prinz Hohenlohe, ein Edelmann vom Scheitel bis zur Sohle, seinen gro.ssen Namen trug. Und mit derselben schlichten Würde trug er fÜe Fhrc, viele Feinde /u besitzen. 1 )ie Finen Vonntcn es ihm nicht verzeihen, dass er die Wahrheit nicht durch einen Schleier oder wenigstens en profil, sondern unverhüllt en face sehen liess; Andere verletzte es, da&s er seine eigenen Ansichten weder verhehlte, noch in bestri^enden Phrasen verschwemmte, no< h auf <ias Eis legte; Manche waren erbost, dass er in seinem weit Lidehntcn Sch itTensbcreich gerade ihre Interessen nicht glatihandig angcfasst hatte. Die meisten dieser Feinde schuf aber, wie gewöhnlich, der st heelsüclitige Neid auf seine Macht, auf den Glanz seiner Stellung, auf die hohen Ehren, die ihm zuströmten. Seinen sonstigen Würden hatte sich die Ernennung zum Geheimrath und Mitglied des Herrenhauses, zum Ritter des goldenen Vliesses, zum Kegimcnts-lnhabcr, zum General der Cavallerie ange- reiht, (irosskrcuze fler höchsten (Jrtlen aller Staaten «sammelten sieh \\m ihn. Er wu.s.ste jeweilig nicht mehr, ob er einen davon schon besa-ss, und es hatte ihm genau so ergehen können wie Metternich, als er in seiner Ordensamm- lung durchaus nicht das Grosskreuz jenes Landes auffinden kornite, dessen Gesandter ihm eben zu einer feierlichen Audtous angemddet worden war.

Prins Bu Hobcnlohe-SchtUinfisfllnt.

Rasch schickte er zum Juwelier um den betreffenden Orden, legte ihn an, und empfing deii Audieuzbewerber, der ebenso verblufft auf tlcn Kanzler starrte, wie dieser ftuf ihn. Der Gesandte tiberbrachte im Auftrage seines Souveiäns die Ordens-Insignien, welche Metternich in der That noch nidit besessen hatte.

Was Feinde tind Neider aufbrachten, war schliess]i< h dnch nichts An- tleres als seichte Paiaphrasen von Griilparzer's: »Mit Muii.ik hen ist s wie nut der Sonne; die Menschen, die ihr am nächsten sind, sind auch die schwaxze- sten.« Wohl aber der Weisse, der sich am Aequator ansiedelt, wird hie« durch kein K^er. Dass er als Weisser wieder heimkehrt, davon konnte sich fcdcr fiberzetijjen, dem je ein Blick in dieses Heim gef,'önnr war. Man musste H. inmitten >einer Kmder sehen, um zuerkennen, wie weich L,'e;irtet der Mann war. In der Liebe zu ihnen konnte er sieh kaum je genug thun, aus lilick und Wort sprach eine fast mtttterliche Zärdichkeit, all sem Trachten ging dArauf aus, ihnen eine Freude zn machen. Er strafte nicht, er vermochte einem Missfallen keine Worte zu geben er hörte nur auf zu liicheln. Und dies Verschwinden des Sonnenscheines wirkte mehr als bei Anderen poltern- der Donner. Mochte er auch noch so verstimmt nach Hause kommen, sobald er unter die Kinder trat, war er selbst wie ein Kind, das utpldtzlicb in seiner Verdrossenheit innehält, um höchst vergnllgt ein Zudcerplätschen su knuspern. Der ernste Mann lachte, spielte, tollte alsbald unter und mit ihnen wie eines von ihnen. Wenn er in der Welt liebenswürdig sein konnte, hier war er würdig geliebt /.u wertlen. Da trat erst zu 'läge, fi.uss sem Leben dort drausscn niu" die Kehrseite eines ungestillten gemüthsticfen Idciüismus war. Ist ihm dies etwa von seinem Ahnen, dem Minnesänger Gottfried v. H. vererbt worden? Oenug, es warf einen Witlcrstreit zwischen sein äusseres und inneres T.e1)en. Demi mittelst dernrtiLer 1 ler/ensrepfnnfren liisst sic h eltenso wenig ein HolVegimeni tuhren als ein St ha« hpiol^lLin losen. Auf dem Hinirr- grunde solcher Idcalbildung crsuiiiden Moihweiuligcr Weise manche unan- genehme Verwickelungen; andererseits wurde wieder durch das C^gengewicht henerfreucnder Illuaonen manches Widrige der Wirklichkeit ausgeglichen.

Der Adel sass ihm nicht allein im Geblüte, sondern atich im Ciemüthe fins ist der Schlüssel zu dem oft scheinbar widerspnu hsvnllem Wesen Hohenlohe s. Dies Gemüth trieb nicht blos dahenn die schonen lilüthen der Zärtlichkeit su den Kindern, sondern auch draussen einen reichen BlUthen- strauss der Anhänglichkeit an den Kaiser wie etwa ein Rosenstämmchen zur Stube herein und andererseits zum Fenster hinaus der Sonne entgegen seine Blumen lenclitcn und duften lässt. Es war rührend, wie sein Vier/ ,in dem kaiserliclien Herrn hing, wie sein Sinnen und Streben sich um ihn be- wegte, wie treu er um ihn sorgte. Man musste es sehen, wie bei der blossen Erwähnung des Kaisers die sonst das Auge schwermUthig verschattenden Lider sich auithaten und es unter ihnen sich phit/lich aufhellte gleich der Üämmonmfr, in die ein jälier Fackelschein hcreiiileuchtet.

I)ie.s Jeinbesaitete (icnuuh, wenn es versiininiL war, umzustmimen, dass es angeklungen sich wieder harmonisch austönte, ohne zu ahnen, woher ihm dies angeflogen diese schwere Kunst verstand in bewundernswürdigem (Jrade die Frau, welche ihm ein gnädiges Geschick als Lebensgefährtin be- schieden hatte. Prinzessin M n ie zu Hohenlohe wnr das einzige Kind der durch CiList und Wissen beruhinten Fürstin Caroline Wittgenstein. In GesclI- schaii dieser hochgebildcLvn Muiicr iiatte sie wäiireinl ihrer Jugendzeit Kunst

i84

Frins itt HoheuIohe^liUUngsfllrst.

und Künstler, Wissenschaft und Gelehrte allerorten in ihren Wohnsitzen auf- f^esurht, in nUer Welt das Sdiöiie, \V;'hr(\ Gute in Hie jitn^c Miidchenseele eingesogen. /nU^t/t als sei tlits Ziel soi( iicr l'ilgerschaft vor der Fursten;;ruft erreicht, in wciciier liolhe und Schiller ruhen, liess sie sich auf der ^Vitcn- burg in dem kleinen grossen Weimar heimisch nieder. Grossgezogen mit dem Gebte aller Culturvölker, aus seinen Quellen getränkt durch den Ver- kehr mit seinen grössten Trägem, geriet!) diese Kosmopolitiii als Prinzessin Hohenlohe in den kleinen Kreis, wcl( hen ciliche hundert Leute in Wien > die Welt« nennen. Ihr weiter Weitblick mochte sich wohl an dieser eng zu- sammengeschnflrten Kundlinte stossen. Gewohnt an das anziehende, fest- haltende, flberwältigend^ Wesen eigenartiger Dichter, Künstler, Gelehrter^ interessanter Menschen aus allen Ständen, mochte sie wohl ermüdet werden von der Einförmi^rkcit, manchmal n\irh von dem Mangel an Inhalt. Wie in einem streng abgeschlossenen Familicnlcl)en unterlag hier Alles unabänderlich ftir Alle einer gemeinsamen Schablone: Benelunen, Geberden, Anstditen, Ge- sprächsstoffe, seihst Worte, Ja deren Aussprache und Betonung. Sie besass ein SU zartes Taktgefühl, um sich diesem Niveau nicht äussorlich anzustimmen, aber -rlie Welt wird ntis ihrem Wesen gleichwohl bald ein Zuviel, bald ein Zuwenig hcrausgewittert haben.

Ihre Erscheinung war hoheitsvoll und poetisch zugleich: Kaulbach hat sie als Tasso's Leonore gemalt, Hähnel hat seiner Raphaelstatue ihren Kopf aufgesetzt. Die ungemein wirksam hohe schlanke Gestalt, das feingciundete Oval des Antlitzes mit der nnverimderlic licn Farbe des penteli>( heu Marmors, die tiefschwarzen Haare, deren Last das Haupt kaum zu ertragen schien, zu- mal aber tlie braunen Augen mit ihrem sammetartig weichen Glanz und den traumhaften Blicken beaauberten und hielten doch zugleich mit einer gewissen Ehrfurcht jenen zurlick, der nur die Frau sah und nicht die Fürstin kannte.

Und der letztere Fall trat oft ein. Denn sie war keine Christin der blossen Theorie nach, sondern übte praktisches C'liri>tentlnnn , indem sie imerkainu die Noth in ihren düstersten Siedlungen aufsuchte. Brentano erzahlt von einem alten General, der einmal einen höchst kummervollen Menschen in den Schlosshof hereinschleichen sah, und als dessen elendes Aussehen sein starkes Herz rührte, den Armen einem Bedienten zeigte und sprach: »Prügle er mir den Menschen dort vom Hofe hinweg, denn der Kerl erbarmt mich!« Prin- zessin H. besass die Kraft, sich zum Anblick des Elendes zu zwingen und die Scheu vor Krankheit und Siechthum zu überwinden, um eine opferbereite Mildthätigkdt in zielbewusster Weise anzuwenden. Auch bei gemeinntttztgen Unternehmungen, wie bei der Leopoldstädtcr Volksküche, bei dem Fcrien- colonien -Verein hiess sie nicht allein die Protektorin, sondern mühte sich mit Wort und That unablässig für deren Gedeihen. Diese energische Thatkraft hier und überall, wo es Noth that, ein gutes oder ein schönes Werk zu för- dern, hätte der Uneingeweihte in der Frau mit den still vor sidi hinsinnen* flcn Augen nie vermuthet. Am allerwenigsten aber, dass sie hiebei zwei Worte aus ihrem Sprachschatz p:anz nnd ^^r verbannt hatte: Klcinmuth tnid Muthlosigkeit. Seilest ihren Gemahl und ihre Kinder lehrte sie es \ erlernen, wenn dergleichen etwa in einer dunklen oder danunerungsschweren Siuniie dieselben überfallen wollte.

Sie war es auch, welche dem Prinzen H. als Egeria zur Seite stand, wo es galt, in K nns(frai;en eine inhaltst liwere Entscheidung zu trefVen. Kunst- Sinnig und eioe Kunstkennerin im umfassendsten Sinne des Wortes, mit den

Prins III Höhcnlohc^SchillingsfUnt.

185

Künstlern in aller Welt nicht bios Hüchtig bekannt geworden, sondern auch in beständiger Fühlung geblieben, mit dem anerzogenen weiten Wettblidt die jeweiligen Verhältnisse in unbefangener Freiheit ttberschanend, war sie ganz

ungewöhnlich befähigt, in 'solchen Dingen ein richtiges Urtheil abzugeben. Mit fast instinktiver Sicherheit lehnte hiebei ihre Fcitifiibligkeit jepli« be T^n- natur und Affektirthcit ab und wies dieselbe, wenn sich dreist vordrängte, in ihrer vornehm zurückhaltenden Weise in die Schranken.

Im Attgarten formte sich allgemach um und dmrch sie auch eine kleine »Welt«, wo die Herfen nicht ausschliessHch von der letzten Jagd und dem nnrhsten Rennen redeten, wo die Damen nicht allein Toiletten nnnlytisch uml flene.Tlopen s\nt}K'tis( h lichandelten, wo sich cndlirh licide nicht aus einem Sundnieer hergebraciiier Gemeinplätze zu dem grünen R^tsenfleckchen des VThisttiscbes tu retten brauchten. Das Augarten-Palais war une matson bien-causante geworden, weil die Hausfrau, von Kind auf gewohnt, eine Aristokratie des dcistcs nn/ucrkennen, auch dessen Ibxhadel um siih ver- sammelte. Es sind ni( lit immer vollendete Weltleute darunter, un<l mani heni wird in der »Gesellschaft« zu Muthe, als ob er aus seinem bequemen Maus gexerrt und in ein steifleinenes m eng verschnittenes Gewand gestopft worden wäre.

Nim war es ein interessantes Schaustück, wie Trinz H. solche \ ers( hüch- terte oder verdros-^ene Theoretiker des GeselN« haftslehens d.diin 1'rac lue, dnss sie tlicse unnaturliche (»ewandung vergassen und ganz lustig und unliefangen die Ellbogen rührten. Wie Jemand, der sich an einem Feuer, das er eigen- händig angemacht hat, selbst erwärmen kommt^ durchwärmte sich H. selbst immer mehr, je besser es ihm gelang, die vornehme Kälte äusserer Förmlich- keit durch eine Temperatur zu versrhciirhcn, in der sich Alles gemüthlich imd heimis< h luhlte. Wenn diese behagliche Stimmung einmal eine unlieb- same Geschmackseniglcisung herbeiführte, oder wenn eine Pedanterie allzu breit tu werden drohte, lenkte der Hausherr mit einer swingenden Grazie sachte ab, ohne daas der Betreffende etwas merkte. Er stak dabei voll lau- niger Einfalle, bcsnss eine starke Begabung 7\) alle/eit s( hla^^fertigem Wifxe, Var ein trefl'lic her Kr/ahler von ( »esrhielUen , in denen drollif^e ('»lanzlichter nur so herumtanzten wie die Sonnenfunken zwischen bewegtem Laube, und malte Menschen wie Dinge mit humoristischem Schnellpinsel vor seine höchst amOsinen Gäste.

Am nächsten standen ihm darunter die Musiker. Da war er vom Fach nirht in dem Sinne, als nl» ihm eine virtnosenhafte oder auch luu- be- deutende t ingertechnik auf dem Klavier zu Gebote gestanden wäre. Aber er besaas ein ridiüges Vetstindniss und ein unfehlbares GefUhl fttr gute Mmtk und einen ungemein ausdruckstiefen Vortrag. So kam es, dass er mit seiner mässigen Technik Treffliches leistete und selbst aus dem Schnörkelwerk ver- wii kclter Compositionen den sclilii hien Kern rns«;bar und schön hervorschälte. Sein Spiel blendete nicht, es enüastete und rührte das Gemüth ihm selbst sowie dem, der ihm lauschte.

Der Salon des Augarten-Palastes versammelte neben heimischen auch die jeweilig in Wien anwesenden Geistesgrössen aller Nationen. Es waren dies alte Bekannte aus den Lehr- und Wanderjahren der Prinzessin TT. oder be- deutende Männer, die noch kerne Bekannte von ihr waren, aber es werden wollten. Es waren dies dramatische Du liier und Compositeure, die ein neues Werk für das Burgtheata* oder für die Hofoper mitgebracht hatten; Maler

f86

Prisx lu Hohciilulic-^^chüiingäfQjst.

und Bildhauer, die eben in Wien auastcnien, oder schufen, oder schaden

wollten; Intendanten, Dramatuiigen, Mt^iUr. Dichter, Gelehrte, die zu einem Conpresse oder in Verfol;;un2 per^^önln iu r 7wrt l.t n.ich Wien gekommen waren. F»j fand sich da je lcr/i.'!i ciru- cllc Au'-lc-^e \(>!i intoro^anten Men- schen zusammen, weldie da» gcisii^c Niveau ihres \ ulkes oder Völkchens um einen Kopf überragten und diesen Kopf rar der Frau beugten, die alle ihre Eigenarten zu einer reizenden Harmonie zu einen wusste.

Am srhfin^tcn n!>cr wnr es an Friihlingsabenden, wenn der Empfang hin- aus verlegt wurde mitten in den herrhchen Palaisgartcn vor jenen Pavillon, in dem Josef iL so gerne gesiedelt, auf die Terrasse, von welcher aus Pius VIL das Volk von Wien feierlich gesegnet hat. Schöne und bedeutende Frauen, fremde Diplomaten, herrotfagende Männer des Hodiadels, der Kirche, der Arrtuc. Dichter, Künstler, Gelehrte bilden reizvolle Gruppen, zwischen denen <lie Causerie bald leichtbeschwingt zti den Steilhöhen des Geistes empor- schnellt, bald tieisinnig in dessen Abgrüntle niedertaucht. Nur kein Schleichen, nur nicht im Flachen, im Niederen hin! Da und dort schiebt irgend ein Sprachgewaltiger einen Monolog dazwischen, wie Kichard Wagner, der eben aus der Schweiz zu Hesuch gekommen ist. Er hat das Wort an dch gerissen unri Irisst es sirfi nii ht wieder nehmen, ob/wnr ein Vni«;erlichcr Prinz, Her ausge/cichnet inusikahsche l .r/lu r/<i?j Wilhelm, und die ut i-^t^pruhendc, gleich- falls sprachgc wältige Fürstin l'auiuie Mciiernich reclits uiul links von ihm auch etwas zu sagen hätten.

Dafür lehnt gegen das Terrassengitter ein Mann, der nichts icki und flafür eine fiL^irrctte nach der anderen raucht. Das ist der Seeheltl Tegeti- hofT. Als ihm vorhm die Prinzessin H. aus ihrem Salon ein Bild der See- s( lilacht von Ussa auf die Terrasse holen licss und seine Meinung darüber abfragte, hat er gemurmelt: »Bügeleisen!« Ob er damit tadelnd sagen wollte, dass die Landratte von Maler den SchifTcn die Gestalt dieses Hausgeräthes gegeben habe, oder ob das eine geringschätzige Nach- und Grabrede auf die furchtbaren italienischen Panzerkolosse war, rlic er vernichtet hatte hier- über lie^ er sich nicht weiter aus. Es war dies enimal so seine büudige Manier im Reden, ganz so wie damals im Handeln, als er mit seinen wenigen alten Holzschifien kurz und bündig als Keil die starke gepanzerte Schlacht- linie der Italiener durchbrach und besiegte. 'Bügeleisen!«; Er wandte sich von dem Büdf zu d<*r Prinzessin mit den Worten: 'Pardon, hab' zu Hanse ein viel schöneres Hild von l-i.ssa Luhograj)hie soll im Volk sehr be- liebt sein. Sitze da in grosser Uniform, mit dem ZweLspitz auf den flicgeii- den Haarbüscheln, hoch zu Ross und kommandire so vom Ufer aus die See> Schlacht. Seh' unglaublich imposant aus!- Damit hat er nun schon g^nz Ansserordentliches im Reden L'cleistet un^l bleibt fortnn st\imm. Dicht an seiner Seite lehnt auch gegen das Terrassengitter und r uuht, gleich stumm, eine Cigarette nach der anderen der Mann, der in Farben schwelgt und in Worten kargt, Hans Makart. Kr ist ein ebenso verhärteter Schweiger wie Tegetthofl" vielleicht weil die Welt nicht aufliort, über beide /u reden. Sic scheinen sich vorfrcfTIich mit einander ZU unterhalten, trotzdem sie noch kein Wort gewechselt haben.

Nebenbei fehlt es ihnen auch nicht an anderem Zeitvertreib in nächster Nähe: dort brennt eben Hellmesberger sein unausKtechliches Feuerwerk von Witzen ab, und Baron Leo()old Hofmann, einst »Vicekanzler.«, dann gemein- samer Finanzminister und Hoftheater^Intendant, erzählt. £r erzählt gut, inter-

Priiu £U Hohcniotie-bchillingsfttr»t,

187

cssant, pikant Er weiss Altes, er ist überall su Hause, man steht ihn bei Hof, in den Salons des Adels und der l iiiunzwelt, in Oubs, im Conserva- toriiim Tinfi in allen Ateliers, vor und hinter den CmiliKscn, auf T^.il'cn und Soireen, .nifdem Pra^videntensit/ aller erdenklichen kunsth-rix hen. liitcrarischen, gemeinnuuigtrn Veremsversammlungen. Es giebt glaubwürdige Leute, die morgen behaupten werden, dass sie ihn rar selben Zeit, v^lhrend er hier erzählt, im adeligen Casino bei einer Whistpartie angetroffen, Andere wieder, chiss sie ihn zur selben Stunde bei Fossati ein riesiges Koucjuet ankaufen ge- diehen hnhen. Wie er flas anstellt, weiss kein Mensch, aber er besitzt nun einmal die schone Gabe der Allgegenwart.

nie Sophaecke nächst der Terrassenstiege scheint der Prftdestination za unterliegen. Ein wunderlicher Zuftll fügt es nttmlich, dass diese selbe Ecke, welche heute sich I.ord Bulwcr-Lytton ausgewählt hat, in späteren Zeiten mit unwandelbarer Vorliebe (Iraf Nigra oder T^nn Juan Vnlera nursurh<*n werden

alle drei scharfsinnige Diplomaten und fcinsninige Dichter. Kilelberj^er hat sich an Semper's Seite niedergelassen, der wieder einmal nach Wien ge- eilt ist, um sich als hl. Geist Uber Hasenauer niederzulassen. Dort hat sich der ewig jugendliche Ameth zu Zumbusch gesellt, der Geschichtsschreiber Maria 'f'hercsins zu ihrem dcrcinstiuen BiMiuT.

Die liociigcwachsensteii < Ut ( 'leM lIsr li.itt ulirrr.igt um rin ;.'iii<'s Stiu k ein Mann mit feingeschnittenem l'roiii und den Aliuren eines grand scigncvu. Aus seinem ganzen Wesen spricht Jene ungezwungene Vornehmheit, die es nicht nüthig hat, jemanden nachzuahmen oder sich etwas anzumasscn, weil sie selbst Mt hochgestelh ist. Das ist flcr ehemalige ('.\ iimasiallehrer, Kreiheitsdit iiter, Demokrat, irmsim/inann und jetzige HoftheaterdiieVtor, Ifnfrafh und I ii iiierr von r;ingel*tedt. VVcmi jnan den Kopf näher betrachtet, um weichen er über die Anderen herausragt, drängt sich Einem der Gedanke auf, dass dieser grand seigneur nicht ohne Ei^lg den Mephisto spielen könnte. Und wenn man ihn reden hört, vermeint man wieder, dass dieser Mephisto nicht ohne F.rfolv den ur:ind seiirnenr spiele. I^ie grobschlächtige Satire des junj^cn demokratischen iJichtcrs war ein Kinderspiel gegen die feine Spötterei des alternden Freiherm. Das sind haarscharf zugespitzte Pfeile, die urplötzlich heranschnellen und noch hinterdrein in der Wunde zischen; sie fliegen täg- lich, zu jeder Stunde, Niemanden verschonend. One stitch in time, saves nine ein Stich zur rechten Zeit cr«;|»irt Fincm hinterdrein flercn neun de^nkt dabei der Schütze, freut sich schmun/clnd des Schreckens, der vor ihm hergeht, und züchtet ihn mit klugem Bedacht und schönem Erfolge. Jetzt spielt er eboi, wie die Katze mit der Maus, mit Mosenthal und Weilen, »den Dichtem der inneren Statit;-, wie er sie nennt. Alles dies ist aber doch nur nebensnehliehes Klei)- und St 1in<)rl- eh\ erl; . iV-r NTann isr nicht nnr Üusser- lich, soiuleni au( h innerlich hochgewachsen, und seine langen l orLschritts- beine liaiien »Inn nicht viel genützt, wenn sein (ieist nicht eben so weit und tüchtig ausschreiten würde. Man muss ihn bei der Arbeit beobachten, als Dramaturgen, als Direktor, als Regisseur; man muss es sehen, wie grossarti^ und stimmungsvoll die Scenen sich abheben, tlie seine Meisterhand gestellt hat; man muss es wie bei seinen unvergesslic hen Shakespearevorstellunf^en

erlebt haben, wie ihm auch in dem äusseriichen Nebenwerk von Schau- platz, Coulissen, CostOmen, Möbeln, Hausrath, Beleuchtung nichts zu gering- werthig erschien, um es nicht in bewundemswerther Weise zur Steigerung der Illusion heranzuziehen. Es lag in dem Mann eme grosse FOll« und Stärke

i88

Prinz zu Hoheulohe-SchiUingsfttrsu

▼on Begabung aufg^tapelt auch eine merkwürdige Vielseitigkeit. Er hätte vielleicht in Reicher Art füs Parlamentarier, als Minister, als Diplomat Grosses geleistet. Es war auch der Sc Inner/ seines Lebens, dass er nicht das Alles

und manches An<lcre zuglei( Ii sein konnte.

Ein alter Hekannter Dingelsiedi s von Weimar her hat sich in tlen Wind- schutz der Pavillonmauei geflüchtet. Wer in aller Well kennt ihn nicht, den Mann mit dem langen schlicht niedergleitenden Haupthaar, dem fiubloscn durchgeistigten Antlitz, der hohen schlanken Gestalt im Friesterkleide? Wer ist unbcwcfrt geblicl)en, wenn dieser Orpheus des 19. Jahrhunderts in die Tasten griff, wen h;it der unvergleichliche /nnher seines Geistes nicht iH-ruckt, wenn er zu reden anfing: Und wie Wenige von allen Diesen kennen das Schönste an ihm: dass er ein unvergleichUch guter Mensch ist. Liszt hat ansehnliche Vermdgen erworben und wieder verschenkt, er hat karg gelebt, um Anderen verschwenderisch zu helfen. Und dies Alles immer im Stillen, heimlich, rinss die T inke nirht wtisstc, was die Rechte that erst jetzt nach seinem Tode sickert hie und da m indiskret verotientlichten Brielwech&eln etwas hievon dmrch. Er haltte, wie der liebe Gott, vide und zuweilen wun« derliche Kostganger, auch ungeberdige und undankbare Richard Wagner dort drüben gehört zu ihnen. Aber nac 1) allem Ansturm und arpcn Ent- täuschungen blieb er wieder wie der he])e Gott unentwegt <ier All- erbarmer. Er lehnt abgemudet im Fauteuil, die lange Fahrt von Rom nach Wien scheint ihn angegriflen zu haben. Auch ist er schon in Rom vor der Abreise unwohl gewesen, so dass seine Umgebung mit drängenden Bitten nicht nachliess, bis er feierlich versprach, in der I. Wagenklasse au iGüiren. Gern hat er es nicht irethan: er ffihrt sonst immer in der II. Klasse und hat mit diesem Grundsatz im Laufe seines langen Reiselehens schon t rklcf k liehe Summen zusammengespart für Andere. Aber er hat es nun einmal ver- sprochen, und so löst er denn seu&end auf dem Römischen Bahnhof ein Billet I. Klasse zunächst bis l'riest, wo er die Fahrt einige Stunden lu unter- brechen pcflcnkt. Da er in Triest aussteigt und den Perron entlang schreitet, kommt er .m einem Mönch vorbei, der -^ich an einen Pfeiler lehnt. Ks ist ein dürftig aussehender Kapuziner in geflickter und nicht aJlzu reinlicher Rütte, mit einem bleichen wehmüUiigai G^idit, aus dem ein Paar matter Augen harmvoll in die Luft starren. Liszt kann an ihm nicht vorttber, ohne ihn anzusprechen selbstverständlich: der Mann sieht ja kummervoll aus! Der Ordensbruder klajrt über Unwohlsein tmd Schwäche vor Hunger: er hat den ganzen lag keinen warmen Bissen genossen. Es ist Freitag, und doch giebt es auf allen diesen gottlosen Stationen niur Fleischspeisen. Liszt schiebt den geflickten schäbigen Kuttenärmel unter seinen Ann, itthrt den kummer- vollen Faster zum Tcrronausgang, setzt sich mit ihm in einen Fiaker, fährt in das vornehmste Hotel von Triest, und l.isst ein grossartij^es Fastendiner auftragen, wie es der arme Mönch noch nie genossen hat und wohl nie \s tc- der geniessen wird. Was er nicht aufessen kann, muss der Kellner zu einer Flasche Bordeaux gut verpacken, worauf Lisst den Geatzten sammt dessen Froviantbttndel wieder im Fiaker nach dem Bahnhof zurtlckbringt. Der Ka- puziner scheint nirht allein etliche versäumte NT.ihlzeiten narhi^eholi, sondern sich auch vors<>rgli( h fiir einige Zeit im Vorhnieni s\tt;,'e<:essen /n haben die Hotelrechnung ist recht ansehnlich ausgefallen. Liszt lächelt darob mit seinem besten barmhetzigen Lächeln, aber dasselbe verschwindet auf einmal. Es fällt ihm da ein gewisser Brief ein, in welchem gestern em gewisser Mensch

. ^ .d by Googl

Print tu Hohenlohe-Sehilliafifltest.

189

an seinen bewährten Edelsinn appeliirt hat, natürlich auch ein kummervoller Mensch. Plötzlich rockt das Lächeln wieder auf, inuner nocdi tarmher/ig, abcs' mit ein wenig Schdmerei untermengt wie bei einem kleinen Streiche, den man guten Freunden spielen will. Dann geht er liin und löst am Schalter für die Strecke Triest— Wien ein Billet II. K!n<;<;e.

Jetzt ruhen die beiden barmherzigen Hände auf den Armlehnen aus, und Slalcait betrachtet unverwandt diese wimderbaKn Werkseuge^ wie sie die Natur vielleicht nicht ein zweites Mal schaffen wird. Aber sein Blick lässt jählings ab sie nachzuzeichnen, da eine weisse Frauenhand in seinen Seh- bereich «leriith, die sich ruhsam gejren die Wange legt. Er vergisst zu rauchen, er vergisst .sich anzulehnen, er vergis.st, wo er sich befindet. Er ist nur noch Auge. Und schon malt die gestaltende Phantasie zu dieser Hand einen Arm, eine Bflste, einen Leib. Plötzlich versagt sie, da sie den geistigen Ausdruck eines Antlitzes schaffen soll* gegen wdches sieb diese Hand stimmungsvoll lep-en Vonntc. Da ist die Grenze de«; grossen Meisters der farl)englühenden Körperlichkeit er miiss nnhalten, wo das seelisch Bedeutende bef^innt. Diese selbe Hand aber, die Hand der i'ruueüsm H. hat Carus in semci Sym- bolik abgezeichnet. Sie erschien ihm als das vollkommenste Modell fUr die vollendetste höchste, die psychische Form, für die Hand »der schönen Seele«, tier unbefangenen einfachen Cross.irtifrkeit im Geniiidie. Solche Haiulc miisste, \r\c D'.\rpentigny menit, jenes orientalisclie Weil) haben, von dem Joinville er/.ahii, dass es wahrend der Belagerung von Damaskus durch Ludwig den Heiligen ein Becken mit (Ruhenden Kohlen und ein Gefllss mit klarem Wasser dahintmg. Ein Mönch der Franken, der sie zwischen Stadt und Lager be* gegnete, fragte verwundert: »Was willst du thun mit diesem Wasser in deinem ' Irfassc , i«n«l was mit der Gliith dieser Kohlen?« Tch trage sie« er- widerte das Weib »um mit der Gluth zu verbrennen das Paradies, und mit dem Wasser zu verlöschen die Flammen der Hölle, damit die Menschen künftighin Gott lieben und ihm dienen mögen nur und ausschliessend um der Liebe willen.«

Aus dem saftstrotzenden Lenzgrün des R.isens hebt si( Ii die Terrasse mit dem feuerfarbenen Damast der Sitze wie ein gluhroiher Bluthenstand. In der Hohe haben die mächtigen Kastanien an unzählbaren Kandelabern ihre weissen und rothen Blumenlichter angezttndet, die ganze Tiefe ist ein einziger violetter Schimmer von Fliederbüschen. Der Abendli au h webt bald süssen I)uft heran, bald aus dem Baumdunkel des öffentlichen Au^'artens weirh- verhaiienden Waldhornklang, und verweht beide wieder sachte in tlcn Hl altern der Riesenplaiane, welche an der Seite der Terrasse wolkenan ragt. Pla- tanistos die Weitgebreitete: ein wohlverdienter Name für sie, die da ihre ungeheueren Aeste rings auslangend Uber den Rasenkreis gewaltig hindehnt. Sie mahnt nn jene Platane auf dem We^^c nach Sardes, welche Xerxes wegen ihrer Schönheit mit einem fjoldenen Schmucke behängte, und der er tur ewige Zeiten einen eigenen Wächter stiftete. Auch dieser herrliche bäum hat einen Wächter, wdcher ihm den Morgen tmd Abend kündet: die Amsel, die in seinem ragenden Wipfel nistet. Nun flötet sie fUr Frau und Kinder im Neste das Schlummerlied. Nach jeder Strophe setzt sie ab, um eine Weile r i< hdenklirh rlcn .Menschenstimmen atif der Terra.sse unten 7\\ hnisrhen. l>a selbst bewegt sich der Hausherr mit der ihm eigenen Beweglichkeit, die nie ein elegantes Ebenmass überschreitet, verbindend, ausgleichend, anregend zwischen den Gruppen. Die Hausfrau plaudert indessen zurückgelehnt mit

190

Prinx W Hohenlohe^hilliDgiftlrtt

dem Lächeln, das sinnt, mit dem Blicke, der träumt. Die sainniciweichen braunen Augen schauen in die Feme, in die Traumweiten der Hoffiriung oder der Erinnerung. »Flttgell Flügel sagt der sehnsüchtige Blick.

D:i.s ist nun vorüber, wie Alles voriil)ergeht, und ist, als wiire es nie ge- vest'ii. Denn es katn flnnn a\irh liier allmahlig, wie es hat Vommen müssen. Die wuchtende Bürde, welche H. zu tragen hatte, druckte ihn emptindiich, dann schmerzhaft, zuletzt mit einem dironndien WundgefiihL Er war es, der sie auf seine Schultern geladen und sich dadurch recht schlecht gegen sich selbst benommen hatte. »Ohne mich selbst ginge es mir prilchtig!« hätte auch er saL'en kön?ien. Den frisrhen Wagemuth des jungVräftigen Mannes konnte die gezeitigte Krtahnmg des altemden nicht ersetzen ihre grelle Flamme zehrte eher m beschleunigter Gier an dem Oele seines Lcbens- lämpchens. Die Hemmnisse, deren er sich ehedem gefreut hatte, weil er seine Kraft an ihnen erproben konnte, thürmten sich allgemach Hiiuel :iuf Hügel, Berg auf Berg. Tiefer senkte sii h die Beschattnni: di r I ulcr iihor das Auge wie ein stiller ruhiger Vorhang iil>er eine ruhelos bewe;^^tr Scene. Das Lächeln umselilKh die läppen nur noch als hüdiche Gewohnheit, die Miene hatte den Ausdruck weltmännisch verhaltener Enttäuschung. Es lag eine eigen thUmliche Anmuth auch noch in diesem Abblühen, eine schwer- müthige Liebenswürcligkcit tlann noch in dem Welken. Kr war sii h klar darüber, dass er vor Uel>ermiidung zusammenbreche: und dies tnii>c)rte ihn gegen sich selbst, der Stolz bäumte sich gegen die Schwäche auf, die ihn verletzte und kränkte. Mit solchen Gedanken aber wird Schweres noch schwerer zu tragen. Denn »die Seele ist unter allen Giften das stärkste« ^ sagt Novalis sie ist der durchdringlichste diflnsibelste Reiz; alle Seelen- wirl imgen sind daher bei I.ocalübeln und cntzündlirhcn KrnnVheifen ho« hsi scliadlich.« Und H. war krank. Man lehrt, (his Herz sei nichts weiter als eine fleischerne Druck- und Saugpum]>e und verspüre nicht die mindeste Empfindung, selbst wenn es blosgelcgt, angefässt, gepresst, ja sogar ange- stochen wird. Wohl wie aber dann, wenn die Pumpe ohne Rast mit iinrd>lässiger Hast und niilKilteiuien) UllL;c^t^irrl bewegt wird? Dnnn versagt sie jählings wie so häutig bei tleii uberiiastelen Menschen unserer I age mit dem Glück eines blitzschnellen Todes, oder sie versagt nach und nach

wie bei H. mit dem leiden eines langsamen Sterbens.

Wenn er sich einmal auf wenige Wochen ausspannte und nach seinem Schlosse Kriedstein im Knnsthal oder nach seinem Jagdhaus in Wildalpen niin>rnrh, voll freudiger Frsvartung, wie ein Student am ersten Ferientag, wie ein lielrciter Staatsgefangener am ersten Freiheitstag nad» der ersten Woche schon zeigte es sich: sie war nicht echt gewesen, diese Fetienstimmung, diese Freiheitslust. Die ländliche Müsse erquickte ihn nicht, weil die Gedanken in Wien weilten, die Zeit schlich endlos, weil nicht jede Minute schon im Vor- hinein ihre licstimmte Verwendung lintfe, dTs Ksscn schmeckte ihm nicht, weil er ohne Sioruag essen konnte, das behagliche Hinleben behagte ihm nicht, weil es behaglich war. Er konnte nicht mehr leben ohne die rastl<»e Be- weglichkeit, die an seinem lieben nagte. Als es damit schlimmer wurde, als die aufreibende Thätigkeit nur nu !rr mit Kämpfen aufrecht zu erhalten War, bei welchen der Sieg jedesmal durch schmerzlirfu s T t iden errnn;:;en w^rde

selbst da daeiite er nicht daran, seine Würden nieder/ulegen. Die 1 uinhe, die Aerztc bestärkten ihn darin: sie vvussten, dass bei dem vorgeschmieiien Stadium seiner Krankheit die plötzlich eintretende Ruhe sein Tod wäre. Auch

Print m Hobcnlohe-SehtlUngsfllnt. Weber.

191

(1er Kaiser wusste darum und war in nihrcnrlcr Weise bcniiiln, ihn zu ent- lasten, ohne diä&& er es merkte er woiite ihn mit der lilusjon seiner Un- efsetzlicfakeit st«'ben lassen. Vor Allem väre es H. ja ganz unTentändlicb gewesen, dass er nicht täglich den Kaiser sehen sollte. Er konnte sich auch durchaus nicht in die I.ebensphilosophie eines Metternich finden, der aus seinem Exil Brighton an Pückler- Muskau schreibt: Ich kenne auf •^ r Welt nur zwei Plätze, den auf der Huhne o<ler den in einer I.oge. Von der liUhne abgetreten, habe ich die Loge bezogen. In den Coulisisen weiss ich nicht zu stehen, im Parterre finde ich die Gesellschaft zu gemischt, und das Paradies he ich nicht in dieser Weh. Sie wissen also, wo ich zu finden bin.« H. [uitte es nie über sirli ;2;ehraeh!, sich \-f)n dt-r P.iihne in eine I o_L'e zurück - zuzielien - 11 wäre daran /u (irundc gegangen; er ist zu Grunde gegangen, weil er es nidii über suh gel»rachi hat.

Und so Hess er buchstäblich bis zum letzten Augenblick nicht ab, unent- \segt und standhaft zu erflUlen, was er als die Pflicht seines Daseins ansah. Kr hat dabei viel gelitten und ist schwer fiestorben. Aber wer in dieser Welt cfeht sonder T'iitterni^s /u dem flunklen Kahne des Schattenreiches, wer lächelt erwartungsvoll, wenn er dem düsteren Fälirmann sem Fahrgeld in die Hand druckt? Das ist Menschenloos.

Auf dem kleinen Dorftiedhof unterhalb seines steyrischen Schlosses Fried' stein hat nun der vielbeneideie mächtige Mann Frieden gefunden. Von der Abendseite finnkelt der gewahiue Fcisriese (Irimming herüber. Auch an ihm nagen die elementaren Rräfte und werden ihn dereinst dem Erdboden gleich- machen, nur dxiss es langer währt: fiir ihn zahlt es noch lange keine ganze Sekunde, das nahezu siebzigjährige Leben des stillen Mannes da unten. Auch die ungeheuren Weltoi dort oben am Himmel kreisen ihrer Vernichtung ent- gc-,'en , nur dass es Jünger währt: fiir sit- /.\h\[ es noch lanire kein Pilliontel

•iiiei Sekunde, das Leben des ganzen liesclilechtes von jener ("uniadi Regis deiuinx, Adilheyda vocata, bis zu dem stillen Schläfer hier. 1' ruher oder später zu Ende geht Alles. Jener Stern des Sternbildes Aurigae hat den- selben Strahl, welcher in diesem \ii;^Lnblick Uber dem Ckuftstein schimmert, gerade damals von sich ausgc^nmh, als der Mann, welcher unter dem Stein den letzten Schlaf schläft, seinen ersten Schlaf in fler Wiege schlief. Siebzig Jahre braucht das Licht, um von ihm zur Erde zu gelangen vieUeicht ist er inzwischen län^^t verlöscht und erstorben, indess er Dir die Erdenpilger noch fordeuchtet. Solches Leuchten nach dem Erlöschen gleicht der Erinne- rung der Nachlebenden an den Todten. Seit Jahr und Tag ruht er verlöscht

ind erstorben in der Tiefe, aber es schimmert noch etwas herauf von dem Herzen, das brechen musste, weil es sich nicht vererzen konnte.

>Vien 1S97. Rarl Erdm. Edler.

Weber, Robert, wurde den 5. August 1824 in Rapperswyl am Zürichsee geboren. N i< hdem er die Stadtschule und die Sekundärschule durchlaufen hatte, ^arn er 1840 ans obere (tymnasium nach Zürich und bezog drei Jahre später daselbst die Hochschule. Er studuie I heologie, l'hilologie, Ge- schichte und Philosophie, beeinflusst namentlich von Ferdinand Hitzig und Alexander Schwei/t r; l*ei Oken hörte er naturwissenschaftliche Collegia. Für eine von der theologischen Facultät gekrönte Preisschrift erhielt er ein Reise- stirenrHum, das er, nneh absolvirtem Staatsexamen, d;i/ii verwanrbe, sfinc Studien auf der Universität Tübingen fortzusetzen, die er im FrUhlmg 1847

1^9

Weber.

bezog. Hier hörte er namentlich den Aesthetiker Vischer und den Theologen Bauer. Als die Universität im folgenden Jahre wegen des Ausbruchs der Kevottttion geschlossen wurde, kehrte W. in die Schweiz zurück und wurde 1850 Pfarrer in Rifierswyl (im Kanton Zürich), nachdem er an zwei anderen Orten als Vikar geamtet hatte. Hierauf wurde er Pfarrer in Oberstrass-Ziirich, resignirte aber 1860 auf tlicse Stelle nach verschiedenen unliebsamen Vor- gängen und zog den j^cistlit hen Rock für immer aus. In dieser Zeit kam er auch mit Gottfried Keller ui Berührung. Von 1860 1864 führte er die Redaktion der »Bemer Zeitungc in Bern und lebte als Journalist und Privat'^ gdehrter, von Nöthen und Sorgen aller Art heimgesucht, wie er denn von Juijenrl auf mit Man<;cl zu kämpfen hatte. Von 1867 wirkte er als Lehrer und Rektor der iiezirksschule zu Seon mi Kanton Aargau, dann kam er nach Aarau als Redakteur des »Aargauer Anzeigers«, übernahm 1875 Feuilleton der »Basler Nachrichten« in Basel und hierauf die Chefredaktion des Basler »Volksfr-eundes«. 1877 verheirathete er sich zum zweiten Male, nachdem schon mehr als zwanzig Jahre vorher die erste Khe geschieden wor- flen war, um! ^rfinflete fHe illustrirte Monatsschrift »Helvetia«, die heute noch besteht. Das letzte Jahrzehnt scmes Lebens verdüsterte Krankheit aller Art und hinderte ihn beinahe gänzlich am Arbeiten. Er starb den 7. December 1896 in Basel. Robert W. entfaltete eine vielseitige schriftstellerische Thätigkeit. Aber er brachte es nirgends zu einer einigermassen bedeutenden, bleibenden Lei- stung, so dass er l)ei seinem Tode schon fast völlig in den Hintergrunc! ge- treten war. Seine poeiibchen Schöpfungen sammelte er selbst in den sieben Bänden seiner »gesammelten Schriften <c (Basel 188 1 1886). Die Bände IV bis Vn umfassen seine ziemlich belanglosen Novellen, die drei ersten seine Gedichte, deren erste Sammlung sdkon 1848, die letzte (»Wolken, letzte lie- der«) 1871 erschien. Er verftigte über eine gewandte Foini^cbung, ni<:ht selten über viel Farbe, und zuweilen uberraschen eindrin^lii hc l^ildcr; allein es mangelte ihm die Ursprünglichkeit der EmpHndung und Liündung und der Nachdruck der Individuslität. Die lateinische, von der theologischen Fa> cultät der Universität Zürich 1846 gekrönte Preisschrift wurde nie gedruckt. Die Handschrift ging zu Gnmde, und die Arbeit existirt nur noch in einer «leutschen handschriftlichen Uebersetzung, Wahrend der zwölfjährigen Thätig- keit als Seelsorger veröffentlichte W. eine Reihe von t*redigten, so 1856 seine Antrittspredigt in Oberstrass-Zürich; er pubficirte femer: »Das Evangelium Jesu, eine Kraft Gottes« u. s. w., »Die christlidie Kinderzucht als Grundlage u. s. w. > 1856; »Stimmen der Religion aus allen Jahrhunderten« 1861; »Der Geist des Christenihums im alten und neuen Testament 187^: ferner Re- ligion und Kunst, ein Dialog*; hierher gehört auch Hiob, em reiigiosei l.«fargedicht« 1882. Seine bedeutendste und umiangreichste und bei ihrem Erscheinen von Autoritäten sehr günstig aufgenommene Arbeit auf diesem Gebiet ist: Die poetischen Bücher des alten Testamentes. Neu aus der (Grundsprache des Hebrais( h< n, im W'rsmass des Orif^innls verdeuisi lu 11. < w . 1852 bis 1858. Er griiniiele au( h eine relit^uisc /cilsehrift Jur Geisliiehe- (1851-1852). Auch als Luciaiinsionkcr uui er hervor; er gab i866 und 1867 in drei Bänden heraus: »Die poetische Nationaltiteratur der deutschen Schweis. Musterstücke aus den Dichtungen der besten schweizerischen Schriftsteller von Haller bis auf die Gegenwart.« Der Werth dieses \\ eikes, das J. J. Honcgger 1876 durch cituii \uiten Rnnd vervollst.indigle, iieruht freilich so ziemiuh ausschliesslich aui den biographisc lien Skizzen, die, wenigstens im zweiten und

Weber. Bejrrl^

193

dritten Band, meistens auf diroVten schriftlirhcn Miithcilungen der Schriftsteller beruhen, so z. 15. im dritten Band diejenige (JDttfried Keller's. Eine verwandte Publication ist: »Die Schweiz, ihre Natur, Geschichte und ihr Volksleben im Spiegel der Dichtung. Basel e88o€. Er grttndete auch die »sdiweiserische Nationalbibliothek«. Schliesslich sei noch erwähnt, dass er über «die Er- nährung des Volkes« schrieb und »das Problem der Volksbildung in der schweizerischen Republik« behandelte.

Ad. Frey.

Beyrieh, Heinrich Enut. Am 9. Juli 1896 verstarb su Berlin nach kurzem Krankenlager der Verwaltungs- Direktor des dortigen Museums für Naturkunde, Geheimer Bergrath Professor Dr. T5e) i i( h im nnhclici vollendeten 81. Lebensjahre, H, K. B. ward am 31. Au;,aist 1^15 in der Hauptstadt Preussens geboren, besuchte dort das Gymniiüiuni /.mw Grauen Kloster, in dessen Prima er Mitschüler des Fttrsten Bismarck war und bezog bereits mit 16 Jahr«! die Univetsitilt, um Naturwissenschaften zu studieren. Schon als Student trat er mit einer Arbeit hervor, die in Poggendorf's Aniialen ver- öftentlR In w urde; sie l»etraf das Phenakit, dessen Vorkommen im Kls iss er entdeckt hatte. Nachdem der junge Geologe zwei Jahre lang zu Fuss Deutschr land und einen Theil von Frankreich durcbsogen hatte» brachte er 1837 Studien in Berlin durch die Doktorpromotion zum Abschlüsse und wurde hier Assistent am mineralogischen Museum. Nach dem Tode seines früheren Lehrers, des l)ck.iiinten Mineralogen und Rrystallofjraphen Chr. Sam. Weiss (Oktober 185(0, wurde B. mit der Leitung der paJaoniologischen Sammlung betraut; 1875 Nachfolger von Gustav Kose an die Spitze des

gesammten Museums. Seit 1841 .Privatdocent, wurde er 1846 ausserordentp lieber und 1865 ordentlicher Professor in der philosophischen Fakultät der Friedric h -NVilhelnis-Universitnt. Seine Lehrthätigkeit kam gleichzeitig: auch der kuniul. Hergakadeniie /u gute. Im Jahre 1S53 wnrrl er in die K()ni>;H( lie Akadcnue der Wissenschaften berufen und nahm ileii l'lalz ein, den vor ilu« Leopold von Buch inne gehabt hatte. B.'s zahlreiche paläontologische Schriften wurden entscheidend für die Altersbestimmung der (iesteinsschich- ten, zugleich aber auch bedeutsam tur das System der Zoologie. Seine strati- graphisch-fjeotektonisrhen Arbeiten erschlossen das Verstandniss des inneren Zusammenhangs emci Reihe von Gebirgszügen. Letzteres gilt insbesondere von seiner Erforschung der Tertiärgebilde des nördlichen Deutschland (1853 bis 1857). Diese Untersuchungen gingen von der Entdeckung fossiler Reste m der Mark Brandenburg aus und wirkten bahnbrechend Rir die Feststel- lung der jüngeren Formationen, indem «sie /m neuen Grupjürungen fler Schich- ten führten. F'ür alle Zeiten bleibt B.'s Name mit der Einßihrung der Oligocänformation verbunden. Schon mit 22 Jahren schrieb er seine Beiträge zur Kenntniss der Versteinerungen des rheinischen Uebergangsgebirges« (Ber- lin 1837); später dehnte er seine Forschungen auf den Harz, das Flötzgebirge S( hlesiens um\ das Musrhclf^cbir^c der Alpen nus. Seit fahrzehnten \var der X'rrstorltene der Mittelpunkt und Hanjitförderer aller j^eolo^^isc hen l 'nter- nchiiuuigen seines Vaterlandes und darüber hinaus. Als akademischer Lehrer wusste er das Interesse fUr exakte geologische Forschungen im Sinne seines Vorgängers in der Akademie der Wis.sensi liaften stets neu zu beleben. Als Mitdirektor der j^eologisi hcn T.andcsanstalt seit dem T5estehen derselben (1873) leitete er die wissenschaftlichen Arbeiten dieser Anstalt und machte sich be-

Btofr. Jalirik o, Oanttchw N*l»«to(.

>94

Bqrridi* Oajsclurd. Ebeling*

sonders um das Zustandekommen einer genauen geologischen Karte von

Deutschlnnd verdient, deren r'irundlngc die unter B.'s l.eittinfr f:cs( liatfene neue »(»eologische Karte \<»n l'reussen und den duningrsrhen Staaten war. Aiirh bei dem neuen Museum für Naturkunde bewährte sich B. s vielerprobies l>r- ganisationstalent Von den sdbstständigen VetOflendtchongen des Verstor- benen heben wir noch folgende hervor: i. Ueber einige böhmische Trilobiten (Berlin 1845); 2. Untersuchun^ien über Trilobiten (ebenda 1846, 2 Bände);

3, Ronchylien des norfidentsrhen 1 ertiär^^ebirges (das. 185;^ T857, 6 Hefte);

4. Die Krinoiden des Muschelkalks (das. «857); 5. Ucber Scmnopithecus pen- telicus (das. 1860); 6. Ueber eine Kohlenkalkfauna von Timor (das. 1865}, und 7. Ueber einige Kephalopoden aus dem Muschelkalk der Apen (das. 1S67). Zahlreich waren seine l'.eiträge zu den VeröfTendichungen der Akademie <ter Wissensrhnften , in Kachbintfern n. s. w. H. F.. V>.'s Gattin in lanpjhhn<rer glücklicher Khe war die unter dem Namen Klenieniine Hehn l)ekannte Jugendscbiiftstcllcrin. Ehrungen wurden dem Verstorbenen m reichem Masse zu Theil. Hohe Orden .schmückten seine Brust Er besass die grosse goldene Medaille für Wissenschaft und ward noch im Jahre vor seinem Tode durch die Verleihung der Comentus-MedaiUe au«geseichnet*

E. BIcnck.

Guischard, Wilhelmine Konstanze, wurde am 5. März 1826 zu Kolberg in T'ommcrn gcliorcn, verlor fn'ih/citif^ ihre FJtcrn, erhielt aber rhirrh rlie lieljevolle Unterstuuung ihrer Verwandten eme sehr sorgfältige Erziehung und Bildung. In ihren jüngeren Jahren wirkte sie längere Zeit als Enrieherin; später wurde sie Schriftstellerin und ihre Romane »Die Hunyadjr. Ein histor. Roman« III, 1858), »Black Douglas. Ein australischer Romane (1860), »Die Fosrari. Km histor. Roman« (III, 1863) und »Eine Verschwörung in Venedig. Historischer Roman aus dem 1 7. Jahrhundert- (II, tR67^ fanden wohlwollende Anerkennung. Daim iiai cu>e lange Pause in ihicr schrittstellerischen Tlutig- keit ein. Jahre lange Krankheit nötigte die Schriftstellerin teils zur Rtihe, teils zu Erholungsreisen. Erst 1877 erschien von ihr wieder ein Werk ^Vc- ne/.ia. die Königin tler Meere. Bilder und liilderunc:cn , das sie auf An- trieb ihres Verlegers schrieb, und d;is von vicU n n.irh Italien Reisenden ^c rn gelesen wird. Im Jalire 1879 wiirdc von G. im Naiionaltiieater in Berhn ein Drama »Parisina« aufgeftihrt. Seitdem härte man von der Schriftstellerin erst Wieder, als die Zeitungen ihren Tod berichteten, der im April 1 896 zu Berlin erfolgte, wo sie seit vielen Jahren ihren ständigen Wohnsitz gehabt hatte.

PenOnliche Hincilmigttn.

Franz Brummer.

Ebeling, Adolf, pehoren am 24. Oktober TR27 in Tlanihurg. war der Sohn eines protestaniis» hen, sehr angesehenen Arztes und einer katholischen, aus Brasilien stammenden Mutter. Der Vater starb schon 1633, und da der Sohn als Kind schon eine gewisse Neigung zur katholischen Religion zeigte, so wurde er nun seinem Oheim, einem dänix hen Propst, zur Erziehung über- geben. Spater genoss er den Unterric ht der berühmten Pädagogen /errenner in Magdeburif und Niemeyer ni Halle, besuchte flarauf das johai^ucuni in Hamburg und guig von hier zum Studium der Philosophie nach Heidelberg, wo er sich besonders an den Professor Freiherm von Reichlin- Meldegg an> schloss. Aus seiner Studienzeit stammen auch seine ersten »Gedichte<^ (t847)> Nachdem sich £. in Heidelberg die Würde eines Dokton der Philosophie

»95

erworben, uniernahiii er eine Reise nach Hahia in P>rasilicn /u W-iwandion ^»emer Mutter, übet welche Reise er später in seiner Schritt »Bruchstücke aus der Beschreibung einer Reise in Brasilienc (1849) berichtete. N«di Europa surückgekehrt» lebte er einige Zeit als L^irer zu Schöneberg im Medclen- burgischen und veröffentlichte in dieser 2Jeit die Novelle »Jenny, die schwe- dische Sängerin« (rS5o> und seine, auf Tlmtsai hen benilK-ndc F.rznhhmg - Kine Mutter im Irrenhause' (1851), weiche ^itisses Aufsehen tu Hamburg machte und eine ganze Rciiie von Gegenschrilien hervorrief. Inzwischen war K. za An^Eing des Jahres 1851 nach Paris gegangen, hier mit Ravignan, VcuUlot, Montalembert u. A. in Verbindung getreten und vollzog hier auch seinen Uebei tritt zur kritholisrhcn Kirche. Iiis znm Aushriuh des deutsch- französischen Rrie^a's lel)ie K. in !• rankreich, niei>i in l'ari>, und war für deutsche 2U:itungen eui tuciiiiger Korrespondent. Kin ieii dieser Artikel erschien dann später in 5 Bänden gesammelt als »Lebende Bilder aus dem modernen Paris« (1863—1867). Seit dem Jahre 1862 war E. auch Mitglied fler Universität und Professor an der kaiserlichen Handelsakademie. Seinem l'ariser Aufenthalt entstammt noch ein Bändchen (Jhaselen »Regenbogen im Ostens (1868). Als 1870 auch ihn das Ausweisungsdekret traf, liess er sich erst in Düsseldorf, später in Köln nieder und wurde nach dem Frieden durch den Civflkommissar Ktthlwetter nach Mets berufen, wo er bei dem Präsiden* ten einen Vertrauensposten bekleidete, der si( Ii besonders auf die deutschen und fr^m/ösisrlien Pressverhältnisse in den Rei< h>hinden ]>c/,0'^. Von hier aus leitete er auch einige Jahre die Redaktion des Deutschen Run.stleralbums« und sandte seine Bretonische Dorfgeschichte » ihurine« (1871) in die Welt. Im Jahre 1874 folgte er einem Rufe nach Kairo, um im dort^en Unterrichts* ministerium eine hervorragende Stellung einzunehmen und gleichzeitig als Lehrer an der dortigen Kriegsschule zu wirken. Vier Jahre blieb er in diesen Stellungen, und seine »Bilder aus Kairo« (II, 1878 '«S?«)) '^i'id eine Frucht dieses Aufenthaltes. Seit 187S lebte E. erst in Düsseldorf, dann in Köln, forigesetst litteraiisch thätig. So veröffentlichte er die Erzählungen »Fürstin und Professor« (1881), »Verloren« (1884), »Das Geheimnis des Priesters« (1887) und sein Drama »Nero« (1885), während er sich dann in der Folge ausschliesslirh flcr Mcmoiren-T.itteratnr widmete. Die Memoiren der Gräfin Remusat und ih r denerahn l>iiiand ul)er »Napoleon i. und sein Hof«. (IV, 1881) und die vom Herzog Albert von Broglie herausgegebenen ^Memoiren des Fttisten Talleyrand« (V, 1891— •1895) brachte er in deutscher Bearbeitung, während er in dem Werke »Napoleon III. und sein Tlof 1851 1873* (III, 1892— 1893) seine eigenen französischen Kriebnisse und Erinnerungen nieder- legte. E. starb in Köln am 21. Juli iS<)6.

Persönliche Mitteilungen. Jü«cpb Kebrein: Biographisch -litterariscbes Lexikon d«r kadiolischca Scbriftitcllcr pp. Wanbarg 1868—70. Bd. I, S. 80.

Franz Brammer.

Backhaus, Wilhelm Emanuel, wurde am 26. März 1826 zu Petershagen in Westfalen als der Sohn eines Ajiothekers geboren, empfing seinen Unter- richt erst in der ^lorugen Bürgerschule, dann durcli cuten akademisch ge- bildeten Privaüehrer und widmete sich darauf, den eigenen Wunsch nach Besuch einer Universität zurückdrängend und dem Willen seines Vaters fol- gend, dem Handelsstande. Nachdem er sich in einem Grosshandelshause WV-stHdens für diesen Heruf vorbereitet, ;j;eniis^te er setner Mih't.ir] ifli« Iii als Einjährig -Freiwilliger und machte sein Uftuierexamen. Dann ging er nach

«3*

196

BacUkans. Ascbaiin.

Bremen, wo er erst in ver<!rhiedcnen ^Tosscn Geschäften thätig war und 1854 ein eigenes Haiulelshaus grundete. Kinige Jalue später ward er Mitglied der gesetzgebenden Ktifpenschaft in der freien Hansestadt und gehörte dersrfben zwölf Jahre an. In dem letzten Jahrzehnt seines Lebens zog er sich von allen Geschäften ziinick und lebte nur seinen M'issenschafllic lien und poeti- schen Neigungen, fcr starb ;un 27. Februar 1896. B.'s schriftstellerische Thätigkeit war eine sehr vicistitigc. Sein erstes Buch »Schutz der Arlieii' Schuts der Freiheit [ Ein Beitrag zur Lösung der Gewerbefrage« (1S58 schrieb er im Auftrage der Bremer Gewerbekammer, miter deren Mitwirkung er dann auch eine Zeitschrift zur Fördcninfr gewerbliche und industrieller Interessen ins Lelien rief, die -Norddeutsc he Hansa«. Von seinen weiteren Schriften »Der Liberalismus, l ürst Bismarck und die Parteien« (2. Aufl. 1884', »Schutt und Aufbau« (1886) und »Allen die Erde« (1893), wurden die bei- den ersten von dem »Wettstreit zur Verbesserung der Lage der Arbeiter« in Köln 1S90 mit einem Preise gekrönt. B. nahm auch Teil an der Ghinrlun^ iinr! Pflege verschiedener gemeinnütziger Vereine, namentbeli des Bremisrhen Kunstlervcrcin.s und des Prcmtsrhen (lewerbe- und Indusnie\ ereins. Sonst isL B. liuerari.s< h noch hervorgetreten in folgenden Schriften »Zum Gedächtnis SchiJler's. Ein l)risches und allegorisches Spiel« (1860); »Hausaltäie. Ein FamilienMlbum« (1882); »Christliche Weisheit aus der vorchristlichen Zeit. Sprüche in Reimen« (1887); *Vom Baume der Erkenntnis. Gedanken und Ideen« fTI, tSSj- i8SR^; Samenkörner für Geist und Herz« (1888); »Odins- kindertf, zwei epische Dichtungen (1890) unti Litterarische Essays« (1895).

Persönliche Mitteilungen. Adolf Hinrichsen: Das litterarischc Deutschland. 2. Aufl. Btrlia 189I1 & 43.

Franz Brümmer.

Aächarin, Andreas, war russischer Nntinnnbtat und griechisch-orthodoxen Glaubens, aber in Sprache und (Jesinnung ein Deutscher und als deutscher Dichter ein Vermittler zwischen ost- und westeuropäischer Litteratur. Er wurde am 12. (24. n. St.) Juni 1843 zu Pernau in I.ivland geboren und kam frühe nach Dorpat, wo er seine Erziehung und wissenschaftliche Ausbildung erhielt. Von JtijL^'end rtnf viel krrinkelnd, so dass er off Monnte, ja Jahre !;ing ans Bett gefesselt war, absolvierte er erst spät das Ciymnasium in Dorpat und konnte erst 1865 an die dortige Universität Übertreten, an der er bis 1S74 Mathematik und Jurisprudenz studierte. Als graduirter Student der Rechte (d. h. nach Erstehung der Staatsprüfung) verliess er Dor]>at und begab sich nach Petersbnrp, wo er Mitarbeiter an einigen ausländisrhen nnd nn den beiden dculs( tien Zeitungen '>Herold« und «St. Petersburger /eitungo war. Im J;Uire 1879 erhielt er einen Ruf als Lehrer der deutschen Sprache und Litterator an das russische Alexander- und Lomonossow-Gymnasium in Rigs* an welchem er, nachtlem er 1883 noch das Oberlehrerexamen flir die ge- nnnnten Fächer abgelegt hatte, bis /um Jahre 1895 Dnnn trnt er ni

dl II Ruliestnnd; doch erfreute er sieh desselben ni( Iii lange, da er bereits am 12. ^24. n. .^t.) Dezember 1896 starb, A. bringt in seinen Uebersetzungen der »Dichtungen von Puschkin und Lermontoff« (1877) dem Geiste und Empfinden der russischen Dichter Verständnis entgegen. Das gilt auch von seinen > Nordischen Klängen, russischen Dichtungen in deutscher Uel)crtragung* (1894) und seinem »Russischen Novellen«;! hat/ (II ßde., 1882). Wie tief die deutsche Bildung auf ihn gewirkt, beweisen A. s eigejie deutsche 3^ Gedichte

Aselwkriii. Kröb«r.

197

(1878). Ausserdem war A. namhafter Schachspieler der Neu/cit. Seine letste Utternris( !ic Arl)L'it Schach-Humoresken wurde 1804 vcr<>tVemlielu.

Album Acadcmicum der Uoiverutät Dorpat, 1S67. Jcanoot Emil Freiherr von Grott« htm: Du Baltifcfae Dichterblick Reval 1894» & 339*

Frans BrQmmer.

Kr5ber, Adolph, demokradsdier Reichstagsabgeordneter/geboren in Kaisers-

lautern am 6, April 1834, gestorben in Lussin Piccolo an der dalmatinischen Küste am 2. TS96, ein selbstpemarhter Mann. Sein Vater war ein an-

geschener Ar/l, .seine Mutter stammte aus einer Hugenottenfamilie. Sein mütterlicher Onkel Franz Joseph Brunk hatte im Grossherzogthum Hes&en- Darmstadt eine politische RoUe gespielt und von 1821 bis 1848 der Stände- kammer als oppositionelles Mitglied angehört, war dann in das Frankfurter Parlament gewählt worden, srhloss sich der Linken nn ttnd stnrb niis Gram über die Fiitt.uis< hnn/jen , die das Knde des Jahres brachten. Sein Eintiuss hat sich auf die rehgiosen und politischen Anschauungen des Neffen schon früh geltend gemacht K/s Vater starb schon im Jahre 1846 und hinterliess zwar viele Kinder, aber wenig Vermögen und so war die Mutter in keiner glänzenden Lage. Adolph K. hat sich selbst das Zeugniss gegeben, dass er Vcin mtisterhafter Schüler ^e'wc'^ery sei, weder was Fleiss noch wn?; Betrafen anbetnrtt. Den Religionsunterricht liebte er ganz zu versäumen, und den Rektor der Volksschule, dem man ihn Übergeben hatte, hat er einmal sehr ernsthaft mit dem Messer bedroht Dabei liebte er doch aber ausserhalb der Schule durch Privatlektttre zu lernen und bat sich in Geschichte und Natur- wissensrhnften manche ^wlc Kenntniss erworben. Uns Jnhr 1848 erp-ifT den vierzehnjährigen Knaben mächtig; er besuchte Ücissig die Volksversammlungen und wiederhohe den Inhalt der dort gehörten Vorträge vor seinen Mitschillern im Klassenzimmer. Als die Erhebung in der FüUz und in Badm ausbrach, duldete es ihn nicht zu Hause ; in einem sehr desolaten Anzüge trat er als ein fünfzelinjahriuer Bursche in die Keihe der Freiheitskämpfer, stand unter der Mihrung von Ludwig P.lenker luul betheiügte sich an dem .ibenteuerlieh angelegten und nothwendig missiungenen Angriff auf die Festung Landau. Kr holte sich dreimal eine Verwundung und entging nur mit Noth der Gefangen- schaft und ihren Folgen. Von Rückkehr in die Schule konnte keine Rede mehr sein; er gab sich bei einem Krauer in die Lehre und bestand nach vier J iliren die Prüfung als Braumeister piit, rforh hatte dies nur die Folpre, dass er forUin unlustig war als Brauhursche zu arbeiten und als Braiuneister fand er niemals eine dauernde Stellung. So begann denn ein ziemlich abenteuer- liches Wanderleben durch Oesterreich, Ungarn, Italien, Frankreich, wobei überall das Handwerk um eit. N u htinger, einen Trunk Bkr und eine Suppe beprtisst ward. Beim .\usl»ni< h des K iimkrieiies lie'^s er sich in der Schweiz für eine eng]is( he l remdenlegiun anwerben und kam nach dem Orient. Nach dem Pariser Flieden versuchte er für kurze Zeit die Brauerarbeit wieder auf- zunehmen, gerieth aber bald in eine fifanz^toische Fremdenlegion, die nach Algier ging. Das Soldatenlebcn brachte ihm manche Domen und er hielt es für perathen, ihm /n cntflielicn, was sich niclit ohne FährÜi Iii; eilen durch- fahren licss. F.r entkam st hbesslich nach Amerika und hat noch die Ver- einigten Staaten weit durchwandert. Es ist nicht zu leugnen, dass bis hierher der Most sich recht absurd geberdet hat, und manche seiner Abenteuer, aber die hier kunc hinweggegangen ist, lesen sich wie ein Kapitel aus dem Simplicissimus. Aber schliesslich hat es doch emen Wein gegeben. Eines

198

KrObcr.

T&gis 6ng er an, über sich nachzudenken und das erste Resultat, su «edchem

er gelanp,ti.-, wir, dass es ihm bis dahin recht schlecht gcfr?^ngen war, und daran schluss sich da*; zwciit- Rcsitltnt, dass er seihst du- Schuld daran trage. Er entschloss sich einen Strich unter seine Jugeiul /u machen und fortiui ein Mann m werden. Um mit einem Jugendfehler zu brechen, der ihm bis dahin manchen schlimmen Streich gespielt, gelobte er si\ h m, für längere Zeit ilcni l'.icrc und seinen Verwandten gän/lirh fern /u hlcilien nnd sein Leben sireHger Arl)cii /u weihen. Er kehrte nach Kiiropa /uruck. un«l da seine Mutter inzwischen in die Lage gekommen w.xr, ihm mit einem kleinen Kapital beizustehen, begründete er ein Holzgesch&ft. Das geschah im Jahre 1860. Einer setner Brüder, mit welchem er zusarnnwa wirkte, hatte beob- aditet, dass die neu eröffnete Biihnstrecke Schwandorf— FürUi Aussichten ftir einen c[ünsti;^a^n Tlol/bczug l)iete; Adolph K. hatte aus Amerika Kenntnisse vom Maschinenwesen mitgebracht und so pachteten sie eine augenblicklich in schlechtem Zustand befindliche Hol/sagerei, die sie zur Blflthe brachten. In Qiam begrOodete K. damals seinen Hausstand. Nach dem französischen Kriege siedelte er aus der Pfalz nach München über, betrieb dort ein Hol«- geschnft lind eine 1>ampfsäperei, dii- ihn znm reii hen Manne machten. Seine politis< he I haiigkeit hatte er sehr liald w ieder aufgenommen. Ihr \ erdankte er es, dass er in Kaiserslautem in tien (iemeinderath gewählt wurde; m München war er von 1884 bis i8q'o Geroeindebevollmächtigter und von da ab ^fagistratsrath. Hier hat er mit praktischem T'.Iii k die Strassenpflasterung, die Strassenbahnen und ihren elektrischen Betrieb gefördert und für gerechte Besteuerung gewirkt. I>ie Lücken seiner theoretischen Rildim^ hatte er da- durch ausgefüllt, dass er sich im Jahre 1867 fiir einige Semester aus dem Geschäfte losriss und in Heidelberg in geschichtlichen Vorlesungen ho^itirte. Im Jahre 1884 hatte ihn der Wahlkreis Ansbach-Schwabach in den deutschen Reichstag gewählt, wo er sich der deutschen Volkspartei anschloss. Im Jahre 1887 unterlag; er, wie seine sämmtlichen Parteigenossen bei flen Wahlen, die in Folge der Aullösung wegen der Sej)tennaLstrage nothwendig geworden war; als aber im Jahre 1888 eine Nachwiviil erforderlich wurde, wurde er wieder gewählt und war nun der einzige Vertreter seiner Partei. Im Jahre 1890 unterlag er von Neuem» hat aber von 1893 ^^'^ seinem Tode denselben Wahlkreis wieder vertreten. K. war in seiner Jugend hoch aufgeschossen; in späteren Jahren gewann sein Körper rin Muskclkrnft, so dass er ntni den Film- druck eines Hünen machte. Seiner politischen Richtung nach war er der un- vcrtälschte Achtundvierziger geblieben, der letzte, den die deutschen Parla- mente noch aufzuweisen hatten. Die Aufrichtigkeit seiner Gesinnung und der eigenthümliche Hitmnr, mit dem er sie vorzutragen wusste, machte ihn aber auch bei Mitulicdern beliebt, die von seinen Anschaunn^rcn weit nb\vi( licn. Er war kern kunstgerechter Kedner^ er sprach unumwunden aus, was er dadtte und wurde racht befangen, wenn er mit setner Ansicht allein stand. Dass er beim Gebrauch von Fremdwörtern entglebte, konnte wohl vorkommen, aber es machte ihm keine Pein. Und es machte auch anderen keine Pein» denn er wnsstc aus seinen Erfahrungen so viel Material hei/nbrinpcn, da*;'^ man die Mangel der Form übersah. Er war ein Sachverstandiger ersten Ranges in den Eragen der Holzzölle und hier trat er mit grosser Entschieden- heit fiir den Freihandel ein, obwohl für sein persönliches hiteresse der Schutz- zoll nicht ungünstig war. Ein Sachverständiger war er audl in Fragen der UnraJUsvorsicherung, da er der Bairischen Holzindustriegenossenschaft als Vor«

. j .d by Google

Krttber» Bmmbacli,

199

stand angehörte. Wo er nicht aus dem Vollen schöpfen konnte, oder nicht über eine Sache sprechen konnte, die ihm am Herzen lag, da liebte er zu adhwdgeii. So gro» die Entschiedenheit war, mit welcher er seine Ansichten vertrat^ hat er doch niemals verletat, weil der zwar derbci aber gutmfithige Humor, den er ausgoss, mildernd wirkte. Dem deutschen Schüt/enbundc hat er Innere Jihre angehört und im T:^hre 188 1 die Orp-nnisation des SchUtzen- foics in Müiuhoii libcrnomnicii. Kr wurde Anfang 1896 von einer T.Mnpcn- enuuiulung befallen, zu der sich dann BlasenentzUndung gesellte und starb auf einer Reise, die er ni seii^ Kräftigung angetreten hatte. In ihm verlor der deutsche Reichstag eine seiner char.iktervollsten Gestalten. Er hat hand- schriftliche Aufzeichiiunf^en über sein Leben in sechszijj cn^jjcs rhriebenen Folioseiten hinterlassen, die bei dicker n:irstellung benutzt werden konnten und bis zu seiner Rückkehr aus Amerika reichen. Ein liebevoll geschriebener Nekrolog findet sich in dem haiiisdien Volkskalender ftir 1897 »der deutsche

Alexander Meyer.

Baumbach, Karl, deutscher Politiker, geboren r». l e!>ruar 1844 in Mei- ningen, gestorben 21. Januar 1896 in Dan/ig als Oberbürgermeister. Er wnr ein Sohn des Hofmusikers B. und ein Bruder des Dichters Rudolph B. Kr stodirte in Jena, Leipzig Heidelberg und Berlin Rechts- und Staatswissen» Schäften, wurde Dr. jur. und trat in den Meiningischen Justizdienst ein. Im Jahre 1878 wurtle er T.nnrirnth des industriercit heu Kreises Sonneburi; in Thüringen. Diese Stellung liat nicht wie die gleit Imaiuige in Prenssen eine kommunale Grundlage, sondern bezeiclmet lediglich einen Vcrwaltungs- beamten. Er war neben der tadellosen Ausübung seines Amtes mit vielen politischen und volkswirthschalUichen Interessen befiasst und insbesondere ein gründlicher Kenner des Genossenschaftswesens. Diese politische Thätigkeit fiihrtc ihn mit Lasker /nsnmmen, mit dem ihn bald eine innige Freundschaft verband. Lasker war seit dem Jahre 1871 Reichtagsabgeordneter für Sonne- burg, B. wurde 1880 zum ersten Male fUr den andern Meiningischen Wahl- kreis gewählt. Alsbald nach seinem Eintritt hatte er einen heftigen Zu- sammenstoss mit dem Fürsten Btunarck, der ihm vorwarf, seinen amtlichen Finflu?;s ffir die Wahl T.;iSKers eingesetzt zu haben, dem Bismarcks Sohn als (iegenkandidat entgegen gestanden hatte. B. trat ihm mit grosser Energie entgegen; er wies siegreich nach, dass er als Beamter vollste Unbefangenheit bewihrt habe, nahm es aber als sein Recht in Anspruch, nach seiner Ueber- seugang au stimmen und einen Freund in seinem Hause gasUich aufzu- nehmen, mch wenn derselbe beim Reichskan^^ler nieht lielieLi sei. P. trat 1881 mit den sogenannten Spre*isinnisten nus der nationalHberalen Partei aus und 1884 nahm er an der Fusion zwischen den Secessionisten und der Fortschrittspartei Theil. Dem Reichstage gehörte er bis zum Jahre 1893 an; als sein Meiningischer Wahlkreis ihn im Stich gelassen hatte, erhielt er ein Mandat vom fünften Berliner Wahlkreise. Von 1890 bis 1893 war er erster Vicepnisident des Rcichstasrs. Im Jahre unterlag er der Social-

demokratie, nachdem er bei der Spaltung der freisinnigen Partei, entgegen seinen früheren Freunden zur Richterschen Gruppe gehalten hatte. Im Reichs- tage Hess er es sich besonders angelegen sein, die Gewerbefreiheit gegenüber dem zünfderischen Ansturm zu vertreten. Bei Gelegenheit des grossen west- phäliscbcn Bergarbciterstrikes im Jahre 1889 entwickelte er mit Frfolg eine vermittelnde Thätigkeit. Im Jahre 1890 wurde er an Winters Stelle zum

soo

B»iimb«cb. Rüttler.

ersten Bürgermeister von Danztg gewählt und wurde in diese Stellung am 8. Januar 1891 eingeführt. Er wurde alsbald tarn Mitgliede des We»t« preussiscben Prcminziallandtages gewählt und als Vertreter der Stadt Dancig

in das Herrenhaus berufen. Im Jahre 1892 erhielt er den Titel Oberbürger- meister. Tm Jahre 1805 nahm ein Herzleiden, das im Stillen srhon längere Zeit an ihm penagt hnhcn mochte, eine bedrohliche Gestah an untl ^ute seinem Leben ein schnelles ICnde. Der Magistrai von Danzig widmete ilun die Anerkennung, dass er stets das Gute habe verwirklichen wollen, dass er endlich bemflbt gewesen sei, die geistigen, sanit<ären und wirthschaftlichen Interessen der Stadt zu fördern und seine Kräfte in dem Dienste anf;[^eopfert habe. Im war ein begaliter Mann, der mit unersrh(itterli( hem Muth für seine üel)erzeugungen eintrat luul dabei stets versöhnliche Formen mnchieit. Erst als die Krankheit ihn ergriffen hatte, begegnete es ihm einige Male, in persönliche Konflikte verwickelt zu werden. Auch schriflstellerisch hat er eine umfassende Thätigkcit entwid eit. Für das Meyerschc Konversations- lexikon hat er s.ammtürhc juristische Artikel bearbeitet; fiir denscl!>cn Verlag ein Staatslexikon her uis^'cgeben. Die »Volkswirtliiichafdichen Z ei t fragen , eine Sammlung von Flugschriften im Verlage von Leonliard Simion in Berlin hat von ihm folgende Beiträge gebiacht: »Der Kolportagebuchhandel und die (fcwerbenovelle«, »der Normalarbeitstag«, »Zünftlerthum«, »Frauenarbeit tmd !• rauenschutz«, »der Kolport.agehandel und seine Widers.u her . Die tu( ki>^( he Krankheit, der er erlag, entriss ihm dem Kreise seiner I reunde zu einem Zeitpunkt, wo man berechtigt war, auf seine Zukuali noch grosse Hoffiiungen zu setzen. Er trat für seine Übenden Anschauungen mit Ent- schlossenheit ein, obwohl seine persönliche Stellung ihm mehr Schwierig- keiten verursachte, wie einem seiner rartei^icnosscn. Wie er ein furchtloser Charakter war, war er aiu h ein grader und offener Mcnx h und manche Bitterkeit, die er in seinen letzten Jahren erhihren musste, war ein unver- dientes Schicksal.

Alexander Meyer.

Rössler, Constantin, rleuts* her Pnblieist, geboren 14. Nnveml)er 1S20, gestorben 14. Oktcibcr 1896 als wirklicher Legationstath ausser Diensten, der eifrigste Vertheidigcr der Bismarckschen Politik in der Presse. Karl Constantin R., Sohn des Superintendenten R. an der Stadtkirche in Merseburg, wurde hier geboren, erhielt von seinem Vater, den er mit neunzehn Jahren verlor, den ersten Unterrieht, bcsttrhte von 1834 bis t<Sv) das DomgA'mnasinm n; Merseburcr und studirte dann in Halle \uid in beip/ii,' zuerst Theologie, dann Philosophie und Stiiats Wissenschaften. Fr wamile sich der Hegelsclien Philo- sophie zu und blieb dem Glauben an die absolute Dialektik treu. Alle Charakterzüge des echten Hegelianers finden sich bei ihm; ein unverwüsl- lirher Ojitimismus, eine iini:laubliche, freilich nicht zerstreuende Vielseitigkeit der bueressen, die Neii;ang und Fähigkeit, sich schnell in eine fremde Ce- dankenwcit hineinzuversetzen, sie aber ein wenig anders zu wenden, so dass sie ab seine eigene Schöpfung erscheinen kann. Zeitweise sdiien e^ als ob das ästhetische Interesse bei ihm Jedes andere überwöge; zu andern Zeiten und auf die Dauer wandte er sich politischen Interessen zu. Frühzeitig wurtle er mit Gustav Frevtajr mid Julian Schmidt, deren Altersgenossen er war, innig bekannt und hat beulen treue Freundschaft fiir das Leben be- walirt. J. S. wandte er in der Allgemeinen deutschen Biographic eine sehr

ROs&Ier.

201

eingehende Lebensbeschreibung und Charakterschilderung zu; für F. trat er als ein Herold auf, der dessen poetische Hedc-utiuiir verkündete und seibat fiir die wcni^jcr anerkannten Werke wiederholt begeisterte Worte fand. Wenn in dem niittU-rn Thcile seines T.ebcns diese«; itstlictisc he Interesse mein /u- rücktrat, gewann es in den letzten Jahren wieder die Uberhand. Als sich unter Erich Schmidt's glänzender Leitung in Btflin der »Verein für deutsche Lileratu« bildete, wurde R. eines seiner eifrigsten Mitf^ieder. Seine Vor- träge fanden selten Zusnmnmng^ aber stets gespannte Aufmerksamlceit. So hielt er einst einen Vortrnj;, in welehem er (Umi Inliiili von Heinrieh von Kleists verlornem Robert (iuiscard bis in die kleinsten Einzelheiten erzahlt; E. S, fasste sein Urtheil dahin zusammen, möglich sei AJles, was er erzählt hat, aber erwiesen Nichts. Nach R. Tode widmete ihm E. S. im Verein einen Nachruf, dessen Inhalt sich in dem Worte zusammenfasst: »Eigensinnig häufig, sinnig innncr! Lange hat R. /wisrhcn dem .ikadcmisi hcn und dem jf)unia!istisrheti lierul' fjesehwankt. bn De/enilicr 1845 erwarb er in Halle die philosophische Doktorwürde, habilitirte sich 1848 als Privatdocent in Jena und wurde 1857 zvan ausserordentlichen, aber unbesoldeten Professor ernannt. In der Zwisdienmt war er aber wiederholt lange Zeit von Jena abwesend, so dass er nicht einmal Kollegien ankündigen konnte. Im Jahre 1^60 sagte er der akademisehen T^aufbahn für immer Lebewohl, ohne es zu einem Krfolg gebracht zu haben. Seine journalistische Thätigkeit hatte er 1849 bei den Grenzboten begonnen, mit deren Herausgebern F. und S. er nicht allein in literarischer, sondern auch in politischer Beziehung überein- stimmte; dann ging er nach Berlin, um unter Hayms Leitung für die >Kon> ■^tihitinnellc Zeitimg , das damalige Organ der Altliberalen, ihätig zu sein. Im Jahre 1 .S60 wvirde er dtireh das Ministerium AuerswaM vcranlnsst, von Neuem nach lierlin zu kommen, und wenn auch dieses Ministerium sehr bald vom Platz weichen musste, so nahm er doch an dem Federkriege, den die damals si lnvi benden Fragen hervorriefen, einen überaus lebhaften An- iheil, theils in der »Berliner Allj^emeinen Zeitung^, theils in selbständigen Brochuren, Seine jiclitischen leber/eiiirungen standen fest; ein unter Preussens Führung geeinigtes Deutsciiiand und eine den Grundsätzen des ge- mässigten Liberalismus entsprechende imu»re Verfiusung. Aber um das durch- zuf&hren, bedurfte es eines Helden. Dieser Held musste kommen und er würde sein Herold sein. Und dieser Held fand sich. Im September 1862 trat Bismarck sein Ministerium an und es ist bekannt, dass er in der ersten Zeit von den liberalen Parteien mit dem entschiedensten Misstrauen in seine Fähigkeiten betrachtet wurde. R. war der erste, der dieses Misstrauen über- wand. Eines Tages, als die Wortführer der liberalen Partei im vertraulichen Kreise sich über die politische Lage und die Massregeln des Ministeriums Bismarck nntcrh ilten hatten, snss R. stillsrlnveigend bei allen Klagen nnrl Vorwürfen und brach zum S< hlusse nur in die Worte nus: »Er hat aber einen w untierschönen Augenaufschlag«. Tags darauf schrieb er einen Brief an Bismarck, in welchem er seine politischen Gedanken entwickelte. Dieser Brief erregte Bismarcks Aufmerksamkeit in so hohem (>rarle, dass er den Verfasser einlud, ihn zu besuchen und sich eingehend mit ihm unterhielt. Ks ward eine Verbindung i^cl^nüpft, die zunächst den Erfolg hatte, dass R. 1865 bis i868 in Hamburg mit dem Auftrage lebte, für die Regierung joumalMtisdi thätig zu sein. Im Jahre 1879 wiu-de er zum Direktor des anter dem Muiisterium des Innern stehenden Literarischen Bureaus ernannt

202

HOMltr«

und erhielt den Titd eines Geheimen Regierungrattas. Seine Stellung brachte

CS mit sich, dass er die Journalisten, die im Sinne der Regierung thrltii: sein wollten, mit Instruktionen versah, selbst aber bei wichiif^oicn l'r.i*,'cn in allen 2Seitungen, die er sich zugänglich machen koimte, mit Arbeiten eintrat. R. war einer der lautersten Charäctar, die je auf Erden gdebt haben, ein »liebes gewaschenes Seelchenc, wie nadi Goethes Zeugniss ein Lieblings- ausdruck auf Hiddensec lautet, und wenn er viele Jahre hindurch jede "Wenrlunj: der Bi'smnT< ks( hcn Politik mit Hinjjebunji vfr"(''i'n hat, so duldet das sclilet luliiii keine :in<lerc l''rklariing, als dass er in der That der Ueber- zeuguiig war, Bisnuirck iiabc in allen Dingen Recht. Er war eine vornehm denkende Natur, die nicht gegen ihre Ue£sreeugung xu schreiben vermochte und kaum den Gedanken fiisste, dass ein Anderer so zu handeln vennöge. Aber es ist nicht zu verkennen, dass sein Fifer ihn zuweilen zu literarischen Leistungen trieb, die selbst bei (IkM^ li^^t-sinnten Bedenken erregten. Im Jahre 1875 brachte die »Post« in Berlin einen vielbesprochenen Artikel unter dem Titd: »Ist der Krieg in Sidit?«, der ein ungemessenes Au&ehen erregte. Es ist vid darüber gestritten worden, von wem der Artikel herrührt. Jetzt kann authentisch versichert werden, dass kein Anderer als R. der Ver- fasser wnr. Ob der Artikel, der unleugbar mit der Kriegsgefahr spielte. noihwtMulig utul heilsam war, darttber mag die Geschichte entsclieiden. Einige Jahre später wiederholte sielt derselbe Vorgang mit dnem ebenso häufig besprochenen Artikd, der den Titel fUhrte: »Auf des Messers Schndde«. Die Grenzboten, die längst aus den Händen von F. und S. in andere Hände überp;e^^nnf;cn wnren, brachten wierlcrholt u!itcr der Chiffre eines Kometen aufre^fcnile Artikel, Hie bald Morit/. lUisch, bald 1 .oiluir Bucher zugeschrieben wurden. Auch sie rührten von K. her. Durch alle diese Artikel ging ein stark polemischer Zug, den man dnem friedliebenden, im persönlichen Ver- kehr so Uberaus feindnmgen Mann nicht zutrauen wollte, und in allen war der leitende Gedanke der, dass Deutschland vor schweren Gefahren nur dn- flurfh besehfit/t werden könne, dnss es si< Ii widerstandslos der Fuhrung Bismarcks uberlicss. Die journalistische Thatigkeit R. war eine, so weit sie sich auf Tagessdtungen erstreckte, unabsehbare. Von Monatsschriften, für wdche er unter sdnem Namen diätig war, mögen noch die Preusstschen Jahrbücher erwähnt werden. Von Bilchern und Flugschriften, die von ihm ausgegangen sind, erwähnen wir: »System der Stantslehre«, (Leipzis? 1857% rein ]jhilosophisch gch.iltcn, das Werk, welches ihm den Professortitel ein- trug; »Sendschreiben an den Politiker der Zukunft« (1859) anonym, wurde hier und dort für dn Programm des Herrn von Bismarck gehalten» empfiahl dn Btindniss mit Oesterreich und England, als Gegenmittel gegen die drohende Allianz der >l,ivis< lien nnd romanisehen ^''ölker ; »Preussen imd die italienisrhc Fraise - (Berlin iS;<)'i cilcbtc in kurzem vier Anflapcn: nlcr (inuulsatz der Nationalitat und das europaische Siaalensysiem« ^^Ilerlin 1859); *die Krisis der preussischen Verfassung« (Berlin 1862) forderte nach dem Rücktritt des Ministeriums Hohenzollem die Annahme der Militärreform, fiir welche R. von Anfang an eingetreten war, zugleich aber ein liberales Mtiusurium; »Studien zur Fortbildung der Preussischen Verfassung«' (Zwei Abtheihinijen. Berlin 1863 und 1864). »Graf Bismarck und die deutsche Nation<< ^^Berlm 1877, Mittler und Sohn), »das deutsche Reidi und die kirchliche Frage« (Berlin 1875) auf den Kulturkampf bestiglich; diesen politisdien Schriften mögen von seinen sahlreichen politischen Artikeln^ die in Journalen etsdiienen.

Rössler. Albrecbt.

die folgenden aus den Preussischen Jahrbüchern angereiht sein: »Die Vor> gänge der inneren Politik seit der Thronbesteigung Kaiser Wilhelms U.«

(1888); »die Zukunft der Völker von Mitteleuropa« (1890), »die Socialdemo- kratie ''181)4'': »eine Weltkrisis und ihre Acrzte- fi8<)5''. Aiirh an Artikeln literaturgeschichdichen und ästheUscbcn Inlialts war er fnuhil)ar; im Jahre 1883 schrieb er in den (irenzboten über die Enisiehung des l aust und Hess nach Auffindung des Urfaust im Jahre 1887 einen zweiten Artikel in den Preussischen Jahrbüchern folgen. Seine letzte Arbeit im August 1896 galt Shakespeares Hamlet und der Beurthcihmg dieses Werkes durch Kuno Fischer. Sein Interesse für Musik l>cthnrip;tc er fhirrh eine Srlirili iilier Wagners Nibelungen (1894). Nicht verschwiegen darf werden, dass er, nach- dem Ffizst Bismarck vom Schau|date ahgetraten war, mit dessen spätovr Haltung häufig nicht übereinstimmte. Er war ein Mann von wunderbarer Vielseitigkeit der Intefcasen und unermüdlicher Regsamkeit des Geistes; Uber die Richtigkeit seiner Ansichten konnte häufig gestritten werden; über die I^uterkeit seiner Gesinnung nie.

Alexander Meyer.

Albrecht, Siegfried Wilhelm, geboren 22. Oktober i.Sj6 in Hildesheim, gestorben 25. Janu.ir iS()6 in Hannover, deutscher Politiker. F r war der Sohn des Justizrnths inul Bürgermeisters Albre<*ht in Hihieslieitn und zeigte früh eine grosse Begabung, so dass er sclion mit siebzehn Jahren die Uni- versität beziehen konnte. Er gehörte der feurigen Jugend an, welche in jenen Tagen von der festen Ueberzeugung erfüllt war, dass Deutschland an seinem grossen Wendepunkte seiner (»eschicke stehe. Mit mehreren guten Freunden, zu denen auch Planck gehörte, der in flen let/fen Jahren durch seine hervor- ragende Arbeit für das bürgerliche (»csetzbiich Deutschlands sich grosse Ver- dienste erworben Iiat, begründete er auf der Universität Göttingen einen Studentenverein »Progress«, in welchem ktthne Pläne fUr Deutschlands Einheit und Freiheit geschmiedet wurden. Als nach Beendigung seiner Studienzeit die ^^är/revolution ausbrK Ii. erhielten seine Hoffnimgen neue Nahrung; es duldete ihn nicht in der lleimarh nnrl trotz lieschränkter Mittel machte er sich auf die Reise nach I rankfutt, um dort das deutsciie l'ariamcui mit eigenen Augen za sehen und seine Redner zu hören. Was er dort erlebte, ist ihm stets eine seiner Iicl)sten Erinnenmgcn geblieben. Zurückgekehrt, nahm er seinen Wohnsitz in Hannover, und hier fand i-r rit,-le;ienlieil, rlie Pepntation, web lie unter Simsons Führung dem Roin^e I riedrich Wilhelm fV'. die Kaiserkrone anbieten sollte, in einer feurigen Rede zu begrüssen. Es geschah auf oflenem Markte, und um besser gehört zu werden, hatte er seinen Platz auf dem Rücken eines Freundes, des späteren Stadtdirektors Rasch eingenommen. Seine Begeisterung für die deutsche Einheit war so gro.ss, dass in seinem Herfen für welfischc l)e;;eisrernng kein Platz übrig blieb. Im Jahre 1852 wurde er Obergeric htsanwült, und im Jahre 1854 wurde er in die hannoversche Ständekammer gewälilt, wo er sich der Schaar anschJoss, die unter Bennigsens glänzender Leitung das System Borries bekämpfte. Er zeigte sich als glänzender und mittmter leidcnschafüicher Redner, so dass der allzeit lierlnchts.nme Bennii:*;en wohl hin und wieder zu seinen Frf,'üssen <len Kopf schüttelte. \m Jahre 1H57 trat er in den (remeinderath, von Hannover gewählt, und im Jahre 1863 Präsident dieser Versammlung; »Bürgervorsteher- Worthalter« war der hannöversche Titel fUr diese Stellung. Die Bedieiligung

Albreckt.

an kommunalen Fragen zog ihn in so hohem Grade an, dass, als er bald darauf zum Syndikus der Stadt Maimover gewählt wurde, er keinen Anstand

nahm, dem Anwaltshcnif, der sich für ihn sehr erfolgreirh jrcstaltet hatte, zu entsagen. Das Jahr 1 866 brachte ihm die Erfillhin«; seiner |)olitis( heii W un- sche und es verstand sich von selbst, dass fortan sein Platz im deutschen Reichstage war. Der Wahlkreis Einbeck-Uslar^Osterode sendete ihn in den Reichstag des Norddeutschen Bundes und blieb ihm auch treu, aJs der Nord- deutsche Bund sich zum Deutschen Reich erweitert hatte. Im Reichstage ist er als Redner nicht so hervorgetreten, wie man erwartet hatte. Seine Redner- gabe war ihm allerdings treu geblieben und er hat sie bei verschiedenen anderen Gelegenheiten bethätigt. Als die Versammlung der deutschen Aerzte und Naturforscher in Hannover tagte» als die letzten Besatzung^truppen aus Prankreich in ihre hannoversche Garnison zurückkehrte, beim deutschen Juristentajre, der 1873 in Hannover tagte, hat er in Festreden eine glrin/ende oratorische Begabung an den Tag gelegt. Im Keii hsia^'e aber s\u hte er sa h ein besonderes Arbeitsfeld; er trat in die Petiiioii.skoninui»sion ein und der Heiss» den er hier entwickelte, wurde die Ursache, dass er als Vorsitzender an die Spitze gestellt wurde. Nun war es sein eifrigstes Bemühen, dahin zu wirken, dass alle Petitionen deutscher Staatsbürger zu ihrem Rechte kämen. Das Pctitionsrerht sollte kein blosses Schaustück sein. Er beraumte tägliche Sitzungen an; jedesmal eine Stunde vor Beginn des Plenums trat die Korn- misrion zusammen und durch zweckmässige Anordnungen in Bezidiung auf die Auswahl sachverständiger Referenten brachte er es auch dahin, dass in jeder Session der grösste TheiJ der Petitionen erledigt wurde. Die Kolkuen, rlic ihm nirht arbeitslustig gcnnp^ crsrhienen, w\^s«?te er durch scher/enWe Strafpretligten anzufeuern. Korckenbeck, der damals Präsident des Reichs- tages war, hatte sich den Elircnnaraen des »grossen Tyrannen« erworben; A. erhielt fttr sein Verfahren den kaum minder ehrenden Namen des kleinen Tyrannen. Im Jahre 1877 trat der Ober\'erwaltung5gericht8hof für Preussen in (las l.cben. Zum ersten Male wurde eine F.inrirhtunp geschaflfcn, (liinh welche aueh für 1 ra^cn des öffentlichen Rechts eine geordnete Re< ht- sprechung eintrat. Zu Mitgliedern dieses Gerichtshofes wurden uberwiegend Ministerialräthe emaimt; A. war der einzige, der aus den Kreisen der Kom- munalverwaltung und des bürgerlichen Lebens hinzutrat und mit Gneis! hst der einzige, der in liberalen Anschauungen gross geworden war. Er nahm diese Stellung gern an und entsagte dem parlamentarischen Wirken im Jahre 1878 für immer. Die politische Thätigkeit hatte ihren Reiz für ihn verloren. In der Richtung des Fürsten Ksmarck war ein Umschlag eingetreten. A. konnte sich öffendtch von Bennigsen nicht gut trennen, aber innerli^ ent- stind eine Kluft zwischen den beiderseitigen Ansichten. Es war für A. eine Wohltbat, sich einem neuen Felde /umwenden, aui" den» eine sc h()| »ferische Thätigkeit möglich war. Er wurde diu» lleissigsie Mitglied des <jcrichli»hofes und hat darauf hingewirkt, dass sich feste, den ewigen Grundsätzen der Ge- rechtigkeit entsprechende Grundsätze in seiner Judikatur ausbildeten* Etwa im Jahre 1890 zeigten sich bei ihm die Spuren eines Herzleidens, das sich verschlimmerte, weil er es nicht verstand, sich bei der Arbeit tu schonen. So sah er sieh i;cnotlu;,'t , im Jahre t8o.i wine Pensioninm^ iia( h/\isuchen und verlegte seinen Wohnsitz nach Hannover zurück, wo er noch drei Jahre lebte. Er gehörte zu den Männern, die mehr gewirkt als geglänzt haben. Auf die ihm näher stehenden Kreise hat er stets einen grossen Einfluss aus>

. j .d by Googl

Albrcefat. Neomaiui.

305

geübt. Kr hat fortgo fahren, die Politik im Herzen tra^^ea und war zu jeder Zeit merkwürdig gut über alle Vorkommnisse unterrichtet. Der Mitwisser vieler Gefaeimnisae wusste unendlich gut su erzählen, ohne sich jemals einer Indiskretion schuldig zu machen. Schriftstelleriscb hat er Nichts hinterlassen; um so mehr verdient er, dass die Verdienste, die er sich erworben, nach- ilrücklirh hervorgehoben werden. Ihn zeichnete bei KrfüUung der Pflichten, die er übernommen hatte, eine Gewissenhaftigkeit aus, die durch Nichts uber- troSen werden kann. Als Reichsiagsabgcordneter versäumte er nicht allein keine Sitzung, wenn nicht dringende Nothwendigkeit ihn verhinderte, sondern folgte auch jedem Redner mit gespannter Aufmerksamkeit, oft die Hand am <>hr. In seinen scrichtlichen Urtheilcn wof; er ("iriindc und (jegenj^ründe mit <ier pcuiHrhsten Sorgfalt ah. I )a.ss die ( iewisserihaftigkeit nicht in Pedanicric umschlugt verhinderte ein Ijeliaglicliei iiiimor, der sich aber stets m strengen Grenzen der Sitte hidt. Es mag selten einen Mann gegeben haben, dem um seiner Charaktereigenschaften so viel Vertrauen entg^^engetragen wurde, wie ihm.

Alexander Meyer.

Neumaiiii, Fraaa Emat Der Wirkliche Geheime Rat, Excellenz Franz Ernst K., in dem wir den ersten Vertreter, ja den Schftpfer der mathe- matischen Physik als einer sdbatttndigen Disciplin verehren, war am 11. Sep- tember t 798 als der Sohn eines T^ndmanncs /n Joachimsthal in der Uckermark geboren und starb am 23. Mai 1895 zu Königsberg in Preussen. Er machte seine Ciymnasialstudien in Berlin und trat in seinem 16. Lebensjahre, als der Ruf an die deutsche Jugend erging, das Joch des französischen Welteroberers abzuschütteln, als freiwilliger Jager in das Colbergische Regiment ein. In der Schlacht hei Ligny erhielt er eine srhwt-re Verwundung, die ihn jedodi nicht hinderte, nai Ii 6 Wochen wieder in das Heer einzutreten und den siegreichen Freiheitskampf bis 2um Ende mitzumachen. In seine Heimat zurückgekehrt, vollendete er seine unterbrochenen Gymnasialstudien, widmete sich dann auf Wvinsch seines Vaters der Theologie, gab aber dieselbe 1819 wieder auf, da ihn seine Neigung mit unwiderstehlicher Kraft zu den Natur- wissenschaften und insbesondere zur Mineralogie j-og. Dabei betrieb er eifrig privatim mathematische Studien, da liber Mathematik damals in Berlin überhaupt nicht gelesen wurde. Von seinen durch Unglück verarmten £lt^ in keiner Weise unterstützt, hatte N. damals mit der bittersten materiellen Not zu kämpfen, aber gerade in dieser schweren Zeit machte er sich jene I'cdiirfnislosigkeit tu eigen, die ihn au( h in späteren l»el»agli< lien und gltirk- hcheii lagen inenials verliess und die (irundlage jener Zufiiedeiiheit bildete, die aus seinem ganzen Wesen sprach. Allui.lJig besserte sich jedoch seine I.age durch die werkthätige Unterstützung, die ihm sein Lehrer, der Mine- raloge Weiss, angedeihcn licss, der zuerst N.s vorzügliche Begabung erkannte, und so konnte er i.Siö seine Doktorpromotion ablegen, ging dann noch im Herbst desscll)en J. ihres, gleichzeitig mit Jarolii und Hove, als Privat- docent nach Königsberg, wurde daselbst ausserurdeiulicher und auf

eine apentSie Empfehlung Hessels schon im folgenden Jahre ordentlicher Professor lür Mineralogie. Zugleich begann er sd>er auch über Erdphysik zu lesen und beschäftigte sich mit solcher Intensität mit malhematisch-ph)'si- kalisrhen Problemen, dass er in Zeit von drei Jahren das gan^e Cebiet der theoretischen Physik in seinen Gesichtskreis gezogen hatte. Welch immense

Arbeit biebei 2U leisten war, würd man begreilen, wenn man berienkt, das& et damals noch kein Lehtbucli in diesem mnfiMsemlen GdMeie gab, so dsu er alles aus den zerstreuten Originalabhandlungen herausarbeiten nnisste.

Aber gerade hierdurch stlbltc sich N'.s geistige Kraft und Se!hstiintligkeit so, dass er schon in cfen ^frei^sip^cr J i^ir- r; bahnbrechende Untersuchungen im Gebiete der Optik, dem er m< h /unachst mit l>esonderer Vorliebe zuneigte, veröffendichen konnte. Der Ausgangspunkt setner wissenschaftticfaen Forscbiuig war die KrystaHographie. Schon in seinen Beitragen mr Kryst^dionomie von 1823, in seiner Dissertation \x>n iS.26 und in seiner umfassenden Arbeit »Dasi Kr)'str(nsv«fem fJes AlbiLs und der ihm verwnnf!ten flnttTtnirer! von tS-^o hatte er •A i(l)ti:;t nt i:<. (^lerlr^n^;en zur Untersuchung der m onntri'-* iicn Ciestaltun^ der krysudic criiMu kck, aber, was noch wertvoller \*ar, gerade diese Studien führten ihn zum Ausbau der yon Fresnel auf der Aniudune der Aeiher- schwingungen basirten theoretischen Optik. Dadurch dass er nSmIicfa die KlastizitüLstheorie zur (irundlage seiner Untersuchungen machte, gelang es ihm, die Resultate 'itrncs Vorgängers wrsentlirh /tt 'tricrholen, indem er (1835) in einer umfa.ssendcn Arbeit die Gesetze der lirechung und Reflejtion des Lidites an der Grenze krystaUinucher KUirper behandelte und 1S37 zum ersten Male die Gesetze der totalen Reflexion in befriedigender Weise ab- leitete. Den Höhepunkt setner optisdien Untersuchimgen aber bezeichnet eine Arbeit von 1841, die ftir immer :iK ein Vorbild dafiir gelten kann, wie eine mathematisch-physikaii.s(.i)c ünicisuchung gefuhrt werden muss. Alu^r nicht nur die Methode, sondern auch die Resultate, zu denen der gci^iaie Forscher in ihr gelangte, waren von hervorragendster Bedeutung. Ausser der Feststellung der Gesetze lllr die Doppelbrechung in gleichförmig comprimirtcn oder >ii! itirtrn Mitteln war namentlich die Entwickelung einer rhci>rit" (1er Farben von Withn^ki it, welrhe entstehen, wenn die TempcraturverihL iluitg in durchsichtigen unkr^siailinischen Rütteln euie vcn»chicdcne ist. Noch grossartiger als die Leistungen in der Optik waren N.s Erfolge in der mathe- matischen Beschreibung der Eiektrizitätslehre. Ihm gelang es (1845 1846) zum ersten Male, eine theoretische Ableitung der Gesetze der von Faraday in flen drcissiger J.iliron entdeckten elcktrisrhcn Induktion zu geben, das von ihm abgeleitete Grundgesetz für mducirte Strome tragt für ewige Zeiten seinen Kamen und das gleiclie gilt von seinem elektrodyittmisdien Potential zweier geschlossener Ströme aufeinander (1848). Diese beiden Entdeckungen gehören zu den »grossartigsten und wichtigsten Schöpfungen im ganz*'n Gt birir <]i r mathematisrht-n Physil. . Auch m der Wärmelehre hat N, Ijcdcuieiults geleistet, namentlich mbezug auf die Bestimmung der spezifischen Wärme, und ausserdem ist er als Elrfinder einer Reihe vorzüg- licher Messinstrumente zu nennen. Sind es auch N.'s physikalische I^istungen, 'lic seinem Namen einen PI a/ unter den hervorragendsten Gelehrten dieses Jahrhunderts anweisen, so dürfen (loch auch seine Arbeiten auf dem Gebiete der reinen Mnthcmntik kcinr^wcp'^ ^^^erinc^ angeschlagen werden. Nament- lich gilt dtcs von -seinen Abliandlungen über die Rugeitunktionen, deren Theorie N. (1S38, 1848 und 1878) wesentlich erweiterte und vervollständigte. Mit der Erwähnung dieser so verschiedenen Arbeiten ist jedoch das Ge^ samtbild der wissenschaftlichen Thädgkeit des grossen Gelehrten durchaus nicht er<^rhö].ft. Vielmehr enthalten seine Vorlesungen über mathemiti^^rhe Physik, .M>w»e die unzähligen l*roblemc, die er in seinem 1835 gegrün« Licn mathematisch-physikalischen Seminar stellte und auf das eingehendste beiian*

Ncmnaan. Wiener.

delte, eine so enorme Fülle neuer Ideen utid ori^^ineller Methoden, d^ss die Nachwelt sich glücklich schätzen darf, wenigstens einen i'heil derselben durch Veröflfentlidiung von der Hand seiner Schttler zu besitzen. Eine stattUcbe Anzabl von Jüngern der Wiasenschaft bat N. während seiner langen Lehr^ thätigkeit herangebildet, und unter ihnen finden sich die hervorragendsten Namen. Aber sein Lchrtalcnt war auch ein seltenes und wurde unterstützt von grosser Gewissenlialtigkeit und PHiclutreue, die aus der ihm eigenen idealen Aufl^issung des Lelirbcrufcs hervorging, zu dessen Gujisten er die ganze Kraft sebes mächtigen Könnens einsetzte. Trotz glänzender Aner« bietungen, die ihm gemadit wurden, hat N. Königsberg nie verlassen und daselbst seine T.chrthjiti^keit Iiis /um Jahre 1875 ausgeübt, wo er auf An- suchen vtin seinen Vorlesungen entbunden wurde. Doch auch dann war er noch nicht müssig, sondern benützte, geistig frisch bis zu seinem l'ode, die lange Zeit, die ihm noch veigönnt war, zu rasdosem Fortarbeiten in seiner Ueblingswissenschaft. N. war zweimal verheiratet, und seiner ersten Ehe enispros.sen drei Söhne, die hervorragende Universitätsstellungen einnehmen, sowie eine Tochter, welche die treue Pflegerin seines selten hohen Alters w;ir. Dieses wurde noch verschönt durch die zahlreichen Ehrungen, welche ihm, bei Gelegenheit der Feier seines fünfzig- und seduigjährigen Doktor- Jubiläums zu teil wurden und ihm bewiesen, mit welchem Stolze ihn die Universität Königsberg und die Vertreter seiner Wissenschaft den ihrigen nannten.

A, V. Braunmühl.

Wiener, Chriatlaa« Der am 5t. Juli 1896 versduedene Geheime Ifofrat Dr. Christian W. wurde zu Darmstadt am 7. December 1826 als Sohn des Grosslierzof^l. Kriminalrichters Wiener geboren. Seine besondere Begabung für mathematische und technische Studien, die sich schon frühzeitig,' ;reif^te, veranlasste ihn, sich dem Studium des Ingenieur- und Baufaches zu widmen, nach dessen Vollendung an der Universität Giesaen er seinen ersten Ldir- auftrag ftlr Physik, Mechanik und Hydraulik sowie fUr darstellende Geometrie an der höheren Gewerbeschule, der nachmaligen Technischen Hochschule zu Darmstadr. erhielt. Zwei Jahre später, 1850, erwarl) er sich den Doktorjjrad und habilitirte sich in Giessen, ging aber dann nacli Karlsruhe, namentlicli durch Redtenbacher angezogen, mit dem er in engen Verkehr trat. Schon nach einem Jahre flir das Lehramt der darstellenden Geometrie an der Poly- technischen Schule daselbst berufen, wurde er 1852 ordentlicher Professor fUr dieses Fach und blieb bis an sein Lebensende in dieser Stellung. Durc h die technische Vorbildung, die er ^'enossen und die ebenso gründlichen mathema- tischen Kenntnisse, die er sich angeeignet hatte, war er aber auch, wie kein anderer, zum Lehrer dieses Faches geeignet, und in der That erfreute er sich bald weit über die Grenzen seines engeren Vateriandes hinaus eines bedeu* tcnden Rufes und gehörte zu den beliebtesten Lehrern der Hochschule an der er wirkte. Hiezu trug übrigens auch, neben der Ruhe und Klarheit, durch weiche sich sein gehaltvoller Vortrag auszeichnete, die heizliciie Lie- benswürdigkeit bei, die aus seinem ganzen Wesen sprach, und das Wohl- wollen, dl» er namendich jüngeren Leuten stets entgegenbrachte. Schreiber dieses erinnert sich noch mit Vergnügen daran, mit welch gewinnender Freunrllirhkeit der bedeutende Mnnn ihm entge«?cnknm , als er vor mehr als cmem Jahrzehnt als junger Privatdocent bei Gelegenheit euier Versammlung

Wiener.

ihm vorgestellt wurde. W. war zweimal verheiratet und hinteriiess drei Söhne, von denen zwei in die Fussstaiileii des Vaters eintraten. Wahrend seiner vier und vierzigjährigen segensreichen Thätigkeit als Lehrer am Kails- niher Polytechnikum, welchem er dreimal als Direktor vorstand, schenkte er auch der f)rgani.sati<)n der ti-< hcn Ihx lis( liulcn seine Nolle Aufmerksam- keit; und da diese S( li(>[)fun<i;eii der neueren Zeit ihr /aihorermaterial natur- gemasä aus den alt gewordenen Mittelschulen Ijeziehen, so war ihm die Re- form der let2ta«n stets eine Hersensangelegcnheit. Davon zeugen unter an derem die Flugblätter des Vmines für Schulreform, die er noch in den letzten Jahren seines Lebens herausgab und in denen er manche beachtens- werte Gedanken niederle«,'te. IVherhaiijit war W. ein diirt haus selhstständiger Kopf. Das beweisen semc /aidreicheii stets ongmellcn untl gctiankenreichen wissenschaftlichen Abhandlungen, die die (jebiete der Mathematik, der Physik und der Philosophie in gleicher Weise umlassen. Sein zweibändiges Lehr*» buch der Darstellenden Geometrie (1884 und 1887) «eigt ihn nicht nur als Meister in seinem Fache, das er durch verschiedene neue Methoden be- reicherte, von denen wir nur die geometrische Methode des l nendiichkleinm hervorheben wollen, sondern es beweist aut h namentlich durch die vorzug- liche historische Eiideitung, die man die erste Geschidite der Darstellenden Geometrie nennen kann, wie gründlich es W. mit seinen Studien nahm und welc he Wichtigkeit er (\er Kenntnis des allmaligen Werdens und Entstehens eine) Wissensrh.ift lu'ilegte. Da er ein ausgebildetes Ansch um n^s vermögen als die sicherste (.irundlage geometrischer Forschung erkannte, so suchte er dasselbe durch geometrische Modelle, die er teils selbst schuf, teils durch seine Schüler anfertigen liess, kräftig zu unterstützen. Das reiche Kabinet der Karlsruher Sammlung giebt von dem eminenten Geschick, das er hierin entwickelte, Zeugnis, und noch bei der Ausstellung mathematts« her Modelle, die im Jahre 1893 in München stattfand, war er durch mehrere Serien der interessantesten neuen Flächenmodelle vertreten. Aber auch wissenschaftliche Abhandlungen aus den meisten Gebieten der Geometrie, ja sogu aus der ihm ferner liegenden Analysis gingen aus seiner Feder hervor, und immer waren es bedeutende, otler dorh mindestens jirnktisch interessante rritl)leme. mit denen er sich beschäftii,'te. Sem umta.ssender Geist begnügte si( h jedoch nicht nur mit den Gegenstanden seines speziellen Faches, sondern er brachte auch den Naturwissenschalten ein tiefes Verständnis entgegen. Seine Ar- beit über die Stärke der Bestrahlung der Erde durch die Sonne wird von den Meteorologen als grundlegend betrachtet, seine auf F.xperimenten be- ruhenden Arl-.citen nV>cr MnleVnlarphysik nnrl namentlirh seine hervorrniren- den Leistungen im Gebiete der Lichttheone beweisen den geschulten tihvK des physikalischen Forschers. Den Druck des letzten diesem Gebiete ange- hörigen Werkes: »Die Helligkeit des klaren Himmels«, an w^diem er zehn Jahre gearbeitet hatte, hat er leider nicht mehr erlebt. Er hatte sich hierin die schwierige Aufgabe *;estelli, die \''erteiluii^ rU r Helligkeit am Himmel auf (irund der neuesten ])hysikali.schcn 1 orsrhungen theoretisch darzustellen. Die Vielseitigkeit von W.'s Veranlagung zeigt sich aber besonders in seinen Schriften philosophischen Inhaltes. "Wie einst Galilei es sich zur Lebens- aufgabe setzte, Beobachtung und Experiment als die einzig sichere Grundlage zur Erforschung des ursächlichen Zusammenhanges der Nat!irer?;rheTnnngen zu erweisen, so hat W. in seinem i/rnssrn Werke ••l)ie ( Irund/iiLie der Wclt- ordnung« (1863) die exakte naturwissenschaftliche Methode auch auf die Er-

Wiener. SelL

forscbiuig des Geistes angewendet und auf dieser sicheren Basis ein neues System geschaffen. Da das Werk nicht von einem Berufsphilosophen stammte,

so fand es in den Kreisen jener auch nicht die ihm gebührende Beachtung, obwohl dasselbe bei wohlthuender Kinfachheit und Klarheit der Sprache eine i'ülle neuer und origineller (Icdanken enthalt und sehr wohl geeifjnet w uc, der naturwissenÄcliafÜichen Untersuchungsmethode auch in der l'hilosophie Büigerrecht zu vendhA^Sm. Auch später ist W. noch oft und gern auf die in diesem Werke niedergelegten Gedanken surUckgekommeni sowohl in ein- zelnen Publikationen als in Vorträgen und Reden, inmier und ü)>enill aber trat er ein Ci\r das Rc< lit <lor freien Forschung, in dem er nicht nur keine Gcfalir für die Sittiichkeit, sondern vielmehr dsks mächtigste Instrument nur Erkenntnis der Waluheit erbUckte.

A. V. Braunmtthl.

Seil, Eugen, wurde am 5. Apiii 1842 zu Bonn als Sühn des dortigen Professors der Rechte Geheimen Justizraths Dr. Karl S. geboren. Nach einer theils in seiner Vaterstadt, theils in London unter Leitung von A. W. HofT-

mann rrm Royal College of Chemi;^trv sowie an der S< Imol of Mines ver- . brachten Studienzeit proninvirtc ci im Juli 1S63 nn der heimischen Univer- sität als Doktor der Philosoi>hie und besumd im Mai 1864 die Prtilung als Kandidat des höheren Schulamts. Sodann widmete er sich im gleichen bezw. im nächsten Jahre in Heidelberg und Paris noch weiter chemischen Studien, arbeitete an letzterem Orte im Laboratorium der medicinisi Irii F;ilviilt at und wurde im Oktober 1865 Assistent am Univcrsitfitslaboratorium /u licrlin, in welclver Stellung er bis zum ^lärz 1868 verbheb. Kin Jahr spater habilitirte er sich ebenda, wurde 1870 Lehrer an der Königlichen Gewerbeakademie and im April 187S ausserordentlicher Professor der Chemie an der Friedrich- AVilhelms-lTniversität. Am 1. Juli 1877 erfolgte seine Berufung als Hilfe- arbeiter und technisrher Leiter des Laboratoriums in das Kaiserliche Oesund- heiisamt, welcher im Januar 1879 seine Bestallung,' als Kaiserlicher Regierungs- rath und Mitglied des bezeichneten Amtes folgic, in dem er, im Mai 1888 aiüässlich der Thronbesteigung Kaiser Friedrich's durch den Charakter als Geheimer Regierungsrath ausgezeichnet, bis zu seinem am 13. Oktober i Su6 nach lanLTcm Krankenlager erfoli^tcri Tdilc \ t rMieli. Seine Stellung im Reichs- (iesundheitsamu' gn!> S. Anluss zu einer umfassenden Thätigkeit auf dem Gebiete der Hygiene und insbesondere der Nalirungs- und Genussmittel- Gesetzgebung. Von den im Drucke erschienenen hervorragenden Arbeiten des Verstorbenen haben wir zunächst xu nennen:

t. >St'ine GrundzUge der modernen rhcmic. . i. Band. >Anorgi\niscbe Chemie^. Berlin (J. Auflage. 1877). !>cutsche Bc irbeitung der Naquet'schcn Prinoipes de chimie.

Femer tindcn wir in den Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheils- amte« folgende Aufsätse von K Sdl: s. Ucbcr Kunttbatter (Butd Tf,

3 Beitrüge zur FCenntniM der Milchbultcr nnd der sn ikfeni Eisatx in Anwendung

gebrachten Kette (ebenda).

4. Tcehaisclie BrUutcmiiir so dem Entwurf eines Gesetses, betreffend die Venrendung

geWJndhcitsschädlichcr Farben (Band II).

5. Leber Branntwein, seine Darstellung u. ». w. (Band IV).

6. Tecliniedie Grllnteningen tn dem Entwurf eines Gesetxes, betreffend die Beateue- tn&g dc> Rmnnf vv ciriv (I^uid V).

7. Ueber die Keinigung von Koli»piritus o.s. w. (Band VI). 8k Uebef CognMi Run und Ank (ebend«).

Blogr. Jahrb. ■* OavMier tfaktoler* '4

«lO

SeU. Lamczan.

9. Desgl.; II. Mittbeäung (Rand VII).

10. Bcitriige zur Brotfrage Band VITT).

11. L'eber das Butterprüfungsveit.ilircn von R. Brullc fFlnn-'l X!).

In den »Mittheiiungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte trägt seinen Namen weiter

13. dne Arbeit »Ueber Wusennalyse«: (Rand I), in den »CompU-s renduc«;'* (1865, B ind I),

13. eine solche »ücber Erytluitsäurc«! in den «Aonaltti der Ch«nie und Pbannadec (1863, Bd. 136),

eine femcre atiter dcf Beneammg »Beitrice sttr KenntaiM der Tolylrcihe, «Ib- rcnd endlich

1$. seine In«iiguMldi«ertation (1863) »De Tolnidino tnbttandisqne ab eo derivatis«

bandelte.

S. war seit dem Apni 1879 111 kinderloser Ehe vcrheiraihct. Sein r«^d riss eine schwer zu en^etzendc Lücke in den Kreis der wissenschaftlichen Hygieniker.

£. Blenck.

Lamezan, FcrJmand Freiherr von, deutscher Generalkonsul in Antwerpen. Am 10. April 1843 zu Landau in der Pfalz geboren, trat er im Mai 1859 als Junker in das 1. l>a\ > rische Artillerie-Regiment Prinz Luitpold, ward nach

etwa Monnisfiist riik'iiicufennnt tind machte 1870 als OlxTlicifcnant im 3. bayens« licn AnilkTic-Rciiinicnt den Kiu'i; ^c-lmi IVankrcirh nm, in dem er sich namendich in der Schlacht bei Bcaugency-Cravant am 8. De/ember 1870 auszeichnete; denn, obwohl ihm ein Granatsplitter den rechten Fuss zer- schmettert hatte, ftihrte er, der schweren Verwundung nicht achtend, am Boden liegend, d;is Kommando über die beiden ihm anvertrauten Geschütze fort und leitete mit grösster Kaltblütip;kcit das Feuer auf die nur noch ct\va 500 Schritt entfernten feindlichen Schulzen. Das eiserne Kreuz IL Klasse und das Ritterkreuz 2. Klasse des bayerischen IiCUitär •Verdienstordens waren sein Lohn dalUr. Infolge seiner Verwundung sah sich Frhr. v. L. genöthigt aus dem aktiven Militärdienste auszuscheiden. Er widmete sich hierauf in Minichcn dem Studium (kr Rechte und Staatswissenschaften und trat im Jahre 1874 in das Auswärtige Amt ein. Zwei Jahre sjmtcr wurde er zii- näclist als Vicekonsul an das Kaiserliche Generalkonsulat in Odessa entsandt und bekleidete dann bis zu seiner im März 1893 erfolgten Ernennung zum Generalkonsul in Antwerpen nach einander die Konsularposten in Helsingfors (April 1878), in Tiflis Nowniljcr 1884) und in St. Petersburtr (Juni 1887). Frhr. v. T,. war ein ausgezeichnciei Beamter von reicher Inegal >un,u und um- fassenden Kenniiüssen, der sich la allen ihm ubciiiagcncii Stellungen be- währte. Seine während einer langjährigen Thätigkeit in Russland erworbene Vertrautheit mit den dortigen wirthschaftlichen Verhältnissen erwies sich als besonders werthvoll bei den deutsch-russischen Handelsvertragsverhandlunccn im Jahre 1893/04, zu denen er als Kommissar zn^ej'ouen worden war. Im Jahre 1882 veroiientiichte er einen Aufsatz über »Die hntwickelung der deut- schen Kolonie in Finland« im Korrespondenzblatt des deutschen Sdiulvereins in Berlin, «884 einen eingehenden Bericht über »Die Wälder und die Wald- nut/.ungen in Finland vom wirthschaftlichen Standpunkte«, mit zwei Tafeln ^ra]ihischer und kartogra|ihisr1ier I)arstellnni:;en im XXIV. Jahrjjange der Zeit- schrift des Königl. Preussischen Statistischen Bureaus. Die Verdienste des Verstorbenen in Krieg und Frieden wurden neuerdings aus Anlass der 25- jährigen Wiederkehr des Tages von Beaugency-Cravant noch bescmders durch

Lamesan. Gcffdi«ik

311

die Verleihung des Konigiichen Kronenordens II. Klasse anerkannt. Er starb ganz plötzlidi in München am x8. September 1896. Zeitsebrift des Kttnigl. Preuss. Statist Bnrcaiis.

Geffcken, Friedrich Heinrich, ndicimcr '^fi^'i'nth. Am o. Dccember 1830 zu Hamburg gel>orcn, cntsi animlc er einer n ichen Senatorenfamilie, studierte in Boiui, Güttingen und Herlin die Rechte und wurde 1854 Legaiionssekrctär in f^ris. Kin volles Jahrzehnt war er dann Vertreter Hamburgs in Berlin, von 1856 bis 1866, zuerst als Geschäftsträger, dann als hanseatischer Minister- resident. In jener Zeit knüpfte- C tine Menge politischer, wissenschaftlicher und diplomatischer Beziehungen an. Viele Verbinchmgen aus der lierliner Zeit sind für ihn noch spater von iiedeutiuig geworden. Er war ein Mann von grosser Belesenhei^ von umfassendem Wissen» von juristischem Schatf- sinn. Deshalb gewann er einen weit über seine Amtsthätigkeit hinausreichen» den Einfluss. Dazu kam, dass ihm eine nicht gewöhnliche Darstellungsgabe 7n Citren war; er war ein guter Schriftsteller niif volkswirthschaftHclu in, finanz- wissenschafilichem und geschichdichem Gebiete, eni tu« htiger Feuillciuiiist und Essayist, und selbst an Bühnenstücke hat sich der Gelehrte gew^igt. G. er- fireute sich der Gunst des preussischen Königspaares und besonders des Ver- trauens des Kronprinzen. Auch mit Herrn von Bismarck-Schönhausen war er nahe hcVnnnt, so rlnss man in einer Den! s( Imk liber die Verf issung des deutschen Bundesstaais. ilii- Cr. wahrend des Krieiies mit Frankreich erscheinen Hess und dem Kronpriii/en in das Haupt«]uaitiLi sandte, vielfach Gedanken begegne^ die, wenn sie nicht vom Kanzler eingegeben waren, jedenfalls von ilun ausgeführt wurden. 1872 wurde G., der xuvor noch Ministerresident in London und dann Hamburgisclier Syndikus gewesen war, zum Professor der Staatswissensf haften und des otVcntlichcn Rechts an der neuen Universität Strassburg ernannt, deren Kurator sein Freund Roggenbach war. Auch in den reichsländischen Staatsrath wurde er berufen. Aber er war so unruhig, zu nervös, als dass es ihn dauernd im I.ehramte geduldet hätte. Er nahm 1882 aus Gesundheitsrücksichten Urlaub und trat aus dem Lehrkörper aus, um V;n!(l in Miinrhen, bald in Haml)urg zu leben. Kine grosse Zahl v<jn Schriften der verschiedensten Art zeugt von seiner Vielseitigkeit; insbesondere veröffentlichte er umfassende Bearbeitungen einzelner Theile des Völkerrechts in HottzendoiiTs Handbuch, wie er auch Hefiler's Lehrbuch des Völkerrechts und Martens' Guide diplomatique neu herausgab. Fbenso rühren in Marquard- sen's Handbuch grosse und wichtige Artikel namentlich nationalokonomisrher Materie von ihm her. Besondere Schriften behandeln die Reform der pitussi- schen Verfassung, den Sliiatsstrcich von 1851, tlie Aiabainafrage, die Ge- schichte der orientalischen Frage, Staat und Kirche, die Bankfrage; seine »Politischen Federzeichnungen .< wurtlen vom Allgemeinen Verein für deutsche 1 iterntnr hernnsfre^'ebcTi. In tler jüngsten /( it Iiatte G. über Tagesfragen eine Ktihe \<m AuKat/rn und Gutaclucn in /ntmiLien verriffenflieht. Dn er ?u dem engsten Vertrauenskreise des Kronprni/cn gehörte, wurden ihm auch tlie TagebÜdier des edlen Hohenzollem zugünglich. Nach dem Tode Kaiser Friedrich's, für den er beim Regierungsantritte die Aufrufe an sein Volk ver- fiisst hatte, glaubte G. dessen Kriegstagebuch im Auszuge veröftentlichen zu Collen. Fürst Bismarck •'ab darin einen srlnvercn Anirritf nnf Hv'me Srclliins:^ und einen strafbaren Landesverrath. Das Ukiobciliclt der iJeutschen Rund- schau« wurde beschlagnahmt und G. am 39. September bei seiner

14*

SIS

Gcffckeo. Spieker. Pfcil-Burghau&z.

Rückkehr von Helgoland in Hamburg verhaftet, am 5. Januar 1889 aber auf Beschluss des Reichsgerichts in Freiheit gesetzt Kirchlich war G. zu der positiven Partei, politisch za den Konservativen zu rechnen; doch war er viel zu selbständig, als dass er sich in eine Pmtcisclinlilonc hätte fiigen können. Er fand seinen Tod in MtiiK hcii am 1. Mai 1896 durch Ersticken in Folge eines Zimmerbrandes, der durch die Explosion einer Petroleumlampe hervor- gerufen war.

Vossiscite Zeitxmg.

Spieker, Dr. Paul Emaanel, König!. Preusstscher Oberbaudirektor a. D.

1826 in Trarbach geboren, studierte er in den fünfziger Jahren in Berlin und ging bald nach Ablcgung der Haumeisterprüfung (1859' in den Pri\ at<Iictr t Sf) wirkte er u. a. von 1864 1867 als Stnrltbaumeistcr in Kssen, trat .ibcr dai\n in den Stimtsdienst und zwar zunächst als Landbaunieister bei tlcr Re- gierung zu* Koblenz. Er bewährte sich hier als Künsder wie als Verwaltungs»- beamter in hohem Grade, wurde 1869 Bautnspektor, 1874 Regierungs- und Baurath und wirkte seit 1878 als vortragender Rath im Kultusministerium, bis 1892 seine Berufung zum OberbaiuiircVtor erfolgte. Vcben dem Kirchen- bau, der durch ihn eifrig gej)rtegt wurde, galt seine Hauptsorge der Hebung der wissenschafüichen Lehranstalten und Institute, für deren Verbesserung und Einrichtung nach den neuesten Erfahrungen er unermüdlich zu wirken wusste. Sein bekanntestes Werk ist die Sonnenwarte auf dem .Tel^;raphen- berf^o bei Potsflam, dns sogenannte nstrophysiV. ilisi he Oliservatorinm. für dessen Erri( htung insbosoiukre Kaiser I riedricli als Kronprinz sich mter- cssirte. Mit Maiuicrn, wie Adler und Persius, stets in enger Verbindung, war er ein warmer Freund der vaterländischen Denkmäler und ist ftir den Dom zu Köln, fUr die >Vic(k rherstellung der Marienburg und andere Arbeiten eifrig eingetreten. Durch seine frühere private Thätigkeit war er von et\v.)s freierer Anschauung als niflere Beamte, und sein nfTenes Wort hat besonders ui der Akademie des Bauwesens sowie l>ci tlcr lieralinurg von Reformen für das Baufach viel genfitzt Noch kurz vor seinem Abgange im August 1895 beschäftigten ihn die Fragen des Neubaues der Charit<? und der Verlegung des Botanischen (iartens, ferner die durch Fr. Schulze aufgestellten Entwürfe für den neuen Landtag, die er noch eingehend mit durchberathen hat. In Berlin baute er u. a. die Universitätsbibliothek in der Taubenstrassc und das metronomische Institut bei der Sternwarte, ferner das pharmakologische, phy- siologische, naturwissenschaftliche und medidnische Institut. Bei der Planung der verschiedenen grossen wissenschaftlichen Institute kam er mit Gelehrten wie Helmholtz, du Pois-Reymond unfl Siemens in nahe Beziehung. Die Universität Berlin erkaimte seine Verdienste um die vortreffliche Einrichtung ihrer Institute durch Verleihung des El)rendoktors an. Spieker starb in Wies- baden am 30. November 1896.

Vo«sitcb« Zeitung, Centralbktt der BauTerwaltiug. 1896.

Pfell-Bufghaiiss, Ludwig Graf von, erbliches Mitglied und Alterspräsident

des Herrenhauses. Geboren am 19, März 1803 in Pilgramsdorf bei Glogau wurde Graf v. Pf. in den feudalen Traditionen rler .schlesis( Iku Magnatenf imilien erzofjen. In der KonHikt-^^eit in den 50er und 6oer Jahren war er Mitglied des preussischen Abgeordnetenliauses; seine reaktionären Anschauungen, die er mit grossem Eifer auf der Parlamentstribflne vertrat, stiessen in der Aera Manteu&l selbst bei der Regierung auf Widerspruch. Ende der 80er Jahre

Pfeü-Borghausz. Zedtwits. äuker. Gtcschen. Dejanicz von Gliszczynsky. 21^

erbte er von dem Grälen Friedrich v. Burg^^usz die bedeutende Majorats-

hL i i -^chaft Laasan im Kreise Striegau und erhielt für sich und den jede»* niali^cii Vachfolgcr im TJcsii/e dieses Firleikommisses am 19. November 1 889 die Krlaiibiiiss den \amen v. Pleil-Hurghausz zu fiilircii, wurde auch am 25. Juli 1890, bereits 87 jalu alt, in das preussisclie Herrenhaus berufen, in dem er keine wesentliche Rolle mehr spidte. Er war auch viel£u:h schrift- stellerisch im Sinne seiner politischen Anschauungen thätig und kämpfte bis in die letzte Zeit rüstig gegen das allgemeine und gleiche Wahlrecht und andere Errungenschaften des modernen Staats. £r starb im 93. Lebensjahre am X . Januar 1 896 in Hirschberg.

Zedtwits, Frhr. von, Legationsrath und firüherer Gesandter des deutschen Reichs. Geboren im Jahre 1851, trat er, nachdem er die lieiden juristischen rrufunfjen bestanden hatte, im Jahre 1S78 in. den auswärtigen Dienst ein und wurde im folgenden Jahre der Botschaft in Petersburg zur Beschäftigung tiberwiesen. Noch in demselben Jahr zum LegationssekretSr ernannt» war er aJs solcher nach einander bei den Gesandtschaften in Petersburg» Tokio, Stockholm und Washington beschäftigt. 1 888 wurde er Deutscher Gesandter in Mexiko, Hess sich aber Ende 1891 nach Europa beurlauben und schied 1892 aus dem Reichsdienste aus. Seitdem lebte er semcn literarischen, künstlerischen und sportlichen Neigungen. £r verunglückte am iS. August 1896 beim Wettsegeln in South-Sea, indem seine Yacht mit der des Deut- schen Kaisers ausammenstiess, wobei er von der herunter&llenden Takelage ersidilagen wurde.

Solxer, Wirklicher Geheimer Kriegsradi. Ende der 40 er Jahre in den

preussischen Militar-Intendanturdienst getreten, wurde er 185 1 Intendnnturrath beim brandenburgischen Armeekori)S und 1859 Intendant des V. Armeekorjjs in Posen. Im Kriege 1866 war er Intendant der Elbarmee , dann wurde er Intendant d^ VllL Armeekorps in Kobleiu. Beim Ausbruch des Krieges gegen Frankreich wurde er Armee-Intendant der I. Armee, dann während der Occupation Präfekt der Picardie. Als Wirklicher Gfeh. Kriegsrath heim- gekehrt, trat er 1872 in den Ruhestand und lebte seitdem in Berlin, wo er am 18. August 1896 verstarb.

Gleschen, Dr., Mitglied der Bürgerschaft und Rechtsanwalt in Hamburg.

Im öffentlichen Leben seiner Vaterstadt bereits seit längerer Zeit thätig, wurde Dr. G. bei den di uts( hen Reichstagswnblen von 1881 von der Fort- sehnttsi)artci als Kandidat für die Wahlkreise HuMini-Tondcrn und Eim.shorn- Pinneberg aufgestellt und in beiden Kreisen gewählt. Er nahm die Walil für Ehnshom-Pinneberg an, lehnte aber nach Ablauf der Wahlperiode 1884 die Kandidatur ab und nahm seither nur dietl an dem kommunalen Leben seiner Vaterstadt, in der am 11. Mai 1896 verstarb.

Dejanies yon Gliszcxynaki, Edmund Josef, Generalmajor z. D. und preussischer LandtBgsabgeordneter. Geboren am 17. Mäns x8s5 und im

K ;(dt,-itenV.orps crznpren, trnt er 184:! nls T ientennnt 1)t'iin Kniser Frnnz-Regi- ment ein, wurde 1852 Premieriieutenani und iSq6 1 laupnn.mn. iS6(j kam er als Conipagniechef in das 4. Garde-Grenadier- Regiment, mit dem er den Krieg von 1864 in Schleswig-Holstein mitmachte. Während desselben wurde er zum Major und 1868 sum Oberstlteutenan) befördert Im Kriege gegen

214

Dcjapicz von Clisscxyii^ky. Buchks.

Frankreich kommandirte er als Oberst erst das 2. GardeoGreiiadi«r-Land->

wehr - Regiment, dann das mecklenburgische Füsilier-Regiment Nr. 90. Kr wurde am 2. Dezember 1870 bei Loicrny srlnvcr verwunflet und envnrb '•tVIi das Eiserne Kreuz I. Klasse. 1873 wurde er Kommandant von .Siralsund, nahm aber, nachdem er 1874 Generalmajor geworden war, im JuJi 1875 Abschied. 1882 wurde er zum Abgeordneten für den schlesisdien WahJknsis Kreuzburg-Rosenberg als Kandidat des Zentrums in das preussische Abgeord- rctrnhntis pcwrihlt. r\cm er seitdem nnj:chört hat. Fr starb am 15. Oktober 1896 auf meinem Gut Kostau bei Kosenberg in Uberschlesien.

Buchka« Hermann, von, T>r. Grosshensoglich Mecklenburgischer Wirk- licher Geheimer Rath. Am 19. Juni 1821 zu Schwanbeck in Mecklenburg-

Strelitz als Sohn eines Vredigers geboren, stiulirte er von 1837 an auf der 1 andestmiversiiat zu RosinrV und erlaivjte 1S41 (]ie jiiri'^tisrhc Doktorwurdc. Noch ui demselben Jahre wurde sein Name bekannt durch Herausgabe einer Umarbeitung einer von der juristischen Fakultät zu Heidelberg gekrönten Preisscbrift: »Der unvordenkliche Besitz des gemeinen deutschen Zivilrechts«^ . Am 28. Juni 1841 wurde Dr. B. als «Auditor ohne Votum« beim Amte Toitenwinkel nntrestellt, jcdrx h auf seinen Wunsch am 4. Kebruar t^^ ^ ent- lassen, da er sich als Privatdozent an der Universität zu Rostock habilitircn wollte. Bereite im Wintersemester 1843/44 begann er seine Vorlesungen Uber »Gemeinen deutschen Zivilprozess«. 1846/47 erschien im Druck: »Der Einfluss des Prozefwes auf i\ 1 iterielle Rechtsverhältnisse. Am 2. Oktober 1848 wurde H., der in/wi^i lu ii das Richterexamen bestanden hatte, von dem (Irossherzog von Mcc klenburg-Strelitz zum Justizrath bei der Jusiizkanzlei in Ncu-Strclit/, sowie zum Konsistorialratli beim Konsistorium dort ernannt. Während des Jahres 1848 erschienen im Druck: »Gedanken ttber die Reform des Mecklenburgischen Zivilprozesses nebst einleitenden Bemerkungen iiber (Vk- 1 (niftige Organisation der Mecklenburgischen Gen'i lifr . Vom 8. Sep- tcinlK i 1848 bis 1 1. Sciitember 1849 wurde T^r. B. widerrutlich mit Sitz und Summe in das Rcgierung.skollegium entsendet. 1852 erschien: ^Die Lehre von der Stellvertretung bei Eingehung von Vertilgen«. Ostern desselben Jahres wurde er zunächst zum HUIfsarbeiter bei dem Oberappcllationsgericht zu Rostock und darauf von der Landschaft beider Mecklenburg filr die oflicnc Kathsstcllc j:csvählt, am i. Februar 1853 von beiden T ..'^ndesherren zum t>i)erappeilaiiünsrath ernannt. Seit 1855 erschienen von ihm gemeinsam mit dem späteren Oberlandesgerichtspräsidenten Dr. Budde herausgegeben: »Die Entscheidungen des Oberappellationsgerichts«. Am s. Januar 1866 wurde der zum Staatsrath ernannte Dr. B. von Grossherzog Friedrich Franz II. nls N irhfolger des verstorliencn Ministers v. Schröter in das Amt des Justi/- niiiusicis eingeführt. B.'s \ eidieiisie, namentlich bei der Durchführung der neuen Rcichsgesetzgebung, ehrte der Grossherzog durch C)rdensauszeichnungen, Verleihung des Prädikats »Excellenz«^ sowie im Jahre 1880 durdi Belehnung mit dem heimgeAillenen ritterschaftlichen Lehngut Wietow. Am 2. Januar iSni \\nr'^!c B. ati-^ Anlass seines 25jährigen Ministerjubiläums durch den lirossiicizog Friedricli Franz III. geadelt. Nach 27jahriger ThatijcrVen in seinem verantwortungsvollen Amte schied er wegen zunehmender Kranhciikeit aus dem aktiven Staatsdienste und lebte von da an in Schwerin. Er starb am 15. Juni 1896I

Me«klenbwigisclie 2eltmig;

. ^ .d by Goo^l

Buie. GktstL

2X5

Busse, Karl, Geheimer Ober-Regierangsrath und früherer Direktor der

Reichscinu l.cri i in T^erliii. i^.vj jjehoren , wiirde H, nach vornus;^rf^'nnficncr praktisrhiT Tliatigkeii in 'Jucdlinlnirg und in I l.ilbersiaclt, wo er am I><>ml),ui besclialtigt war, sowie nach einer italienischen Studienreise i8ö6 als Hau- meister in die Verwaltung der preussaschen Staatsdruckerei übernommen, indem er Stellvertreter und Assistent des Direktors, Gdieimen Regierung»» raths Wedding, wurde. Die seit 1852 bestehaide preussische Staats» ciruckcrci hafte rfamals L'orafle einen grossen Aufschwung genommen, und ihr ausserordentlich vcrdienier J^irektor bedurfte bei der Ausdehnung des Instituts und seinem vorgeschrittenen Lebensalter einer jüngeren, geschickten Hülfskraft. B. bewährte sich in dieser Stellung sehr; er wurde 1869 stell« ▼ertretender Direktor, und im April 1873 nach dem Tode des Cieheimen Regieningsratbs WV-dding Direktor der St iaisrlruckerei. Unter seiner T,cittn\i? ging flic preussis( hf Staatsdruckeioi uiKcr Vereinigung mit der Decker sehen Ilofbuchdruckerci in den Besitz des deutschen Reichs ül>ei und wurde all- mählich das erste und bedeutendste Institut dieser Art. In ihm werden nicht nur die Banknoten, Kassenscheine und Postwerthzeichen angefertigt, sondern auch die meisten Dnirl sac In n der Zentralbehörden und Parlamente des Reichs und Prcti^sens werden unter den srhwicrig^stcn \''crh:iltnisscn in fler Reiebs- clruckerei hergestellt. Auch für Privatpersonen ist die Reichsdruckerei thatig, und ihre ktlnsderischen Verdienste im Gebiete der Reproduktion alter Druck- werke, Stiche u. s. w. finden überall ihre vollste Anerkennung. Als sich in den siebziger Jahren die Nothwendigkeit herausstellte, die in der Oranien- strasse gelegenen Kauten der Reichsdruckerei /u erweitern, entwarf B. selbst die Pläne für den Bau, der von 187g bis 1893 zur Ausführung gelangt ist und in seiner eigenartigen arclütektonischen Haltung auch künstlerische Be- deutung in Ansprach nehmen darf. 1879 wurde B. 2um Geheimen Regierungs- ratb und 1888 ziun Cieheimen Ober-Regierungsrath ernannt B., dessen gross- nrfiire Verdienste inf dem Gel)iete (!es Druckwesens schöpferischer Orga- tu.saior m künstlerischer und teeliniseher Beziehung überall anerkannt wurden, hatte iüs erste Autorität auf seinem Ciebiet eine grosse Anzalil von Neben- ämtern. Von 1869 bis SU seinem Tode war er Mitglied der technischen Deputation für das Ciewerbewesen. Lange Zeit gdlörte er auch als nicht- standiges Mitglied dem Keirlis-Pntentamtc an; er wnr ferner Mitglie*! des künstlerischen Sachverständiizemereins und des photographisrhen Snrhverstan- digenvereins. Seit Anfang der neunziger Jahre war er auch ausserurdcntliclies Mit^ied der preussischen Akademie des Bauwesens. 1895 ndthigte ihn Kränk- lichkeit in den Ruhestand zu treten. Er starb am 3. December 1896 in Berlin.

Glatzel, Albert, Wirklicher Geheimer Ober-Regierungsrath und Präsident des Pieussischen Oberlandeskulturgerichts, geboren 1833. Nach Vollendung seiner juristischen Studien trat er 1853 als Auskultator beim Oberlandes- gericht in Breslau in den Justizdienst, wurde im April 1855 zum Referen- darius und am 13. Juni 1858 na( h bestandener grosser Staats[)rüfung zum (icrichLsassessor ernannt und Hess sich im folgenden Jahre zu der sogenimntcn landwirthschaftlichen Verwaltung beurlauben, um bei der Generalkommission in Breslau beschäftigt zu werden. Er arbeitete sich hier in die Landeskultur- sacfaen ein und wurde dann Spezialkommissar in Kreuzburg in Oberschlesien, wo er eine selbständige Thätigkeit in der Durchführung der sogenannten Ge-

2l6

Glatxd. KxUgcx.

mdnheitstheilimgeii, Ausdnanderaetzungen n. s. w. entfeiten konnte. Im Juni 1866 schied er endgültig au.s der Justizverwaltung aus und WUrde als Regie- rungsassessor in die LiiHluirthschaftliche Verwaltung übeniommen. Baltl dar-

anT Inm er als Kc;:icriinL;>mfb rnrl ctntsmassiges Mitglietl nn die f»eneral- kommission in Breslau zurück. 1875 ^"'de er nach Berlin ah Hull:wabeite' in das landwirthsdiaftliche Kfinisterium berufen und dort im folgenden Jahie zum Geheimen Regierungsrath und Vortragenden Rath ernannt. Im Jakre 1881 wurde er Präsident des Obcrlandeskulturgerichts, des höchsten (icrichts- hofes fiir die I.andeskulturangelegenhcften in Preussen. In dieser Stellung hat er eine sehr vielseitige Thätigkeit enitaiiet und vierzehn Jahre hindurch mit unermüdlicher PflichterfiUlung die gesammten Arbeiten des Gerichtshofes ge- leitet, m dessen Kompetenz nicht nur die höchste Rechtq[»rechung in allen Auseinanderseuungs-Streit^ketten, sondern audt eine grosse Vervaltungsthltig- keit und nicht zv.m pcnnir^ten eine Mitwirkung in nllen Fragen der i^nrischen Oesetzgebung gehört. Bei seinen vielseitigen Pflichten kam ihm eme stets zum praktischen Ziele strebende juristische Verstandesscharfe und ein ausser- gewöhnliches positives Wissen zu statten. Ausserdem besass er eine' Arbeits- kraft, die den grössten Anspriichen gewachsen war mul vor keiner Mühe /u- riicksc heute. Seine ThStiultit blieb nicht auf sein Hauptamt beschrankt; abgesehen rlnvon, f!n<;^ er :u:( h Mitglied He^ T nndesnknnomie-Rollegiums, der höchsten berathenden Bclionie in allen landwirihschalüu hen Angelegenheiten, war, gehörte er seit langen Jahren, zuerst als Mitglied, dann seit x88a als Stellvertreter des Vorsitzenden der Prüfungskommission für den höheren Ver- waltungsdienst an. Er hatte in dieser Stellung (lelegenheit den jungen Nach- wuchs der preussischcn Vcrwaltunirsbeamten kennen rii lernen didiirch seine umfassenden Personalkenntnisse zu en\eiteni. Waren die Anlorderungen, die er an die Prüfungskandidaten stellte, nicht gering, wie es meist bei den- jenigen der Fall ist» die über ein bedeutendes eigenes Wissen verfügen, so waltete er doch auch hier seines Amtes mit grosster Gewissenhaftigkeit und Gerechtigkeit. Seit i. April \ wnr er ruu h Mit^lit il <lrs St.intsmrh«; und im Frühjahr 1895 wurde er aus bcsotuictetu Ailerhin hstet» \ tTtraucn ui das Hcrrenliaus berufen. Mitten in seiner umfassenden Thatigkcii erkrankte er an einer Lungenentzündung, der er am 14. Januar 1896 erlag.

Kröger, Dr. Daniel Friedrich. nMsserordentlicher Gesandter un<l l ovoll- machtigter Mnusicr der i reien uiui Hansestnrlte in Berlin. f>horen in Ltibe<:k am 22. September lisK), studirte er von 1639 bis 184J in Bonn, Berlin und Göttingen die Rechte, wurde 1844 als Advokat in Lttbeck immatrikultrt und war 1850 .Mitglied des Erfurter l'arlamenis. Im Jahre 1856 ging er zur dij)lomatischen Laufbahn über und war zunächst als hanseatischer Minister- resident in Kopenhagen thätig. 1864 wurrlc er zum Btindcstagsgesandten in Frankfurt a. M. und 1866 zum Miniüterresidenten in Berlin ernannt. Seit 186Ä vertrat er Lübeck, seit 1873 auch Hamburg und Bremen im Bundesrath. Staatsmännisdi hervorragend begabt und den schwierigsten Geschäften ge- wachsen, entwickelte er im Bundesrath eine niiif ii\-t t i h* Thätigkeit, nament- lich i?i f!on Ati-^-.. hiisscn, für die er viele wirluii^e lkri( hte orsfattcte. Kr Hess sich Siels die Erhaltung bundestreunciiicher ikv.ichung tier Bundessiailtc zu den übrigen deutschen Regierungen angelegen sein. Seine Mussestunden widmete er wissenschaftlichem und künstlerischem Schaffen u. a. der Aquarell» malcrei. Er starb nach kurzem Leiden in Berlin am 17. Januar 1896.

1- r

Lorenz, Otto Ferdinand, Konigi. prcnssisrher Oberbaudircktf»! unrl vnr- trag^ender Rath im Ministerium der öflfentlichen Arbeiten. Im Jahre 1838 in Königsberg in Preussen geboren, legte er im Jahre 1860 die Bauführer- und im Jahre 1866 die Baumeisterprüfung mit gutem Erfolge ab, wurde dann zunächst im Regierungsbezirk Potsdam mit Bauausfilhrungen beschäftigt und erhielt im Jr^hrc die specielle Hnirleitiin«; des neuen Strafgefängnisses am

iMot/ensee. Der unermüdliche, ernste und hingebende Eifer und das hervor- ragende architektonische und administrative Geschick, mit dem er diese seine erste grössere Bauausführung erfasste und zu vollem Gelingen brachte, lenkte tlie Aufmerksamkeit der Regierung auf ihn, und er wurde, nachdem er in der Zeit vom S.April 1S7:! Iiis T2.An^ni';t i<*^7.^ Landbaumeister bei der Ke- jfierung in Liegim/ tluiiig gcwc-scri war, als Bauinspektor an die Miiusttrial-, Militär- und Baukonimission in lierlui versetzt. Bei dieser Behörde, der die sämmtlichen fiskalischen Bauangelegenheiten in der Stadt Berlin übertragen sind, hatte er (ielegenheit eine umfassende Thätigkeit zu entfalten und leitete VI. a. auch flen Bau de?; grossen Kriminalgerichts^'cbiDdes in Moabit. Am 16. April 1RS4 wurde er /um Rcf.;iLrun_?s- und Bauraili in Pntsrlani criiaiuit, blie!) dort aber nicht lange, wurde vielmehr zur kommis-sanschen Beschäf- tigung in das Ministerium der öffentlichen Arbeiten einberufen. Am a6, Juni 1888 wurde er liei diesem Ministeriu|n zum Geheimen Baurath und vortragen« den Rath in der Abtheilung für die Verwaltung des Bauwesens ernannt. Im 1 ilire 1893 nirkte er zum Geheimen Oberbnnrath auf und 31. Juli iK()c; wurde er unter Ernennung zum Oberbaudirektor mit dem Range der Rathe I. Klasse mit der technischen Direktion der gesainmten Angelegenheiten des Hochbaus beauftragt. Im Nebenamt war er Mitglied des technischen Ober- Prüfungsamts und gehörte auch der ))reussischen Akademie des Bauwesens als ordendi(hes ^Titplie(l in. Kr war ein Mann von j^rosser \r^eit^l^ra^t und seltener SchattLnsiVt-ndigkeit, der flir seinen Beruf eine nnj^cniciue Begabung zeigte. In den letzten Wochen seines Lebens arbciieie er noch tlie Bau- projekte für den Neubau der Charit^ und die Neuanlage des Botanischen (^•artens in Berlin aus. Nach kurzer, ursprünglich leicht auftretender In* fluenza erlag er am 15. Januar 1896 einer hinzugetretenen Lungenentzündung.

Liebeherr, Otto Fr. Maximilian, von, Dr. theo!., jur., med. et phil.,

Vizekanzler der Universität Rostock. (leboren am 21. Februar 18 14 in Sieinhrtpcn i. MerVlenb., trat L. frühzeitig in den mecV.Icnlnirfi-srhwcrTnsrhen Staatsdienst und wurde 1849 bei Gelegenheit der Eii)liilirung emer konsti- tuti<mellen Verfassung in Mecklenburg vom Grossherzog Friedrich Franz IL an die Spitze des neugebildeten Justizministeriums berufen, blieb aber nur kurze Zeit in dieser Stellung, da die Verfassung im folgenden Jahre wieder anf^ifhoben würfle. Nach dem Tode des Unh crsitatsvizekanzlers von Booth erhielt L. die.se Wurde, auch erfolgte seine Ernennung zum Direktor des grossherzoglichen Konsistoriums. Bei der Einführung der gemeinsamen deut- schen Gerichtsverfassung am t. Oktober 1879 wurde er Präsident des Land- gerichts in Rostock und ])ekleidete diese Stellung, bis er sich 1887 in den Kuhesuind versetzen liess. £r starb in Rostock am 13. September «1896.

Vossisclie Zeitung.

Schröder, Wilhelm, niluimer Oberjustizrath und vortragender K.itli im preu.ssischen Jnsü/niinistcriuin. (Geboren 19. November 1841, trat Sch. 1865 in den preu.ssischen Justudienst, wurde 1870 Gcnchtsassessor und erhielt im

I

Schröder. Lüsen. Lcvj.

folgenden Jalire seine Anstellung als Rommerz- und Admiralitatsrichter in Daiuig. Bei der Justureorganisadon von 1879 blieb er dort als Landrichter, wurde 1881 Landgerichtsrath, 1883 Oberlandesgerichtsrath in Stettin und

1R85 Kammergcrichtsraih. 1892 wurde er unter Ernennung zum Geheimen Justi/rath in dns Justizministerium herufen, in dem er 1895 zum Geh. Ober- justi/iaili autruckte. Im Nebenamt war er lange Jahre Mitglied der Justiz- rrüfungskommission für das Staatsexamen der preussischen Juristen. El war ein ungewöhnlich begabter und kenntnissreicher Jurist, dem eine reiche Kr- falirung zur Seite Stand, und den eine nie ermll'U ndc Schaffenskraft beseelte. Seine 'Ili.iii^lrf ir ervtrerVfe strh r»uf die verschiedensten Zweige der Justiz- verwaltung und war überall truchtbringend. Nicht zu unters( h if/cn war die grosse Bedeutiuig, die er in seiner cinllussreichen Stellung hu die HersoruaJ- verhältnisse der Juristen hatte. Er starb in Berlin am 29. November 1896.

Lassen, lians, Gutsbesitzer in Lysabbel, früherer preussischer L;iü«itags- abgeordneter. C^eboren am 11. Februar 1831 auf der Insel Alsen, wurde L. unter dänischer Herrschaft erzogen lu-id ist bis an den Tod !winem Patrio- tismus dir Dänemark treu geblieben. In die Ocffentlichkeit trat er 1876,

als er als Kanflidat rlcr fl inist hen l'nrtei Vtei der Bewerbung um das Mandat für den 2. Schleswig- holsiemschen Wahlkreis (Apenratle-Sonderbuxg) des preuussischen Abgeordnetenhauses auftrat. Er wurde gewählt und gehörte seitdem ununterbrochen dem Ab|^ordnetenhause an, wo er zuletzt neben

dem Vertreter des hadersl ebener Wahlkreises der einzige sogenannte Dane war. Während der l-cgislatiirperindc von 1880 1SS3 gchör'.e er ■^\\^•h dem Reic hstage an und seil w.ir er Mitglied des ProvüuiaüandLages für

Schleswig-Holstein. I i starl) am 20. Januar i8()6.

Lev3'. Meyer, JusiizraUi, Keclitsanvsalt und Notar in Herlin. Geboren am 17. Januar 1833 Wollstein in der Provinz Posen, hat der Verstorbene, ein durch seine theoretischen wie praktischen Arbeiten ausgeseichneter Jurist, dessen tragisches Knde weite Kreise erschüttert hat, sich aus kleinen Ver- hältnissen mit bescheidenen Mitteln herausgearbeitet, iiulem er sich durch elL'ene m'ihe\o1le Arbeit den \Vcir flurch das Studium der Rechte und die Jahre unentgeltlicher Praxis bahnen musste, bis er nach mehrjähriger l häüg- kcit als Assessor in Berlin sum Rechtsanwalt in Fraustadt ernannt wurde. Schon dort entfaltete er eine reiche literarische Wirksamkeit und suchte Ixr- reits durch juristische Vorträge sein Publikum zu l)elehren. Seit dem Jahre 1872 wirV^e 1. in Herlin als Rerht-mn\alt und Not;u" zunnrh<;t beim Stadl- gericht, dann beim Landgericht I, zuletzt beim Karamergencht. Kr wai als schlagfertiger und scharfsinniger Praktiker einer der gesuchtesten und be- kanntesten Anwälte Berlins und wurde besonders gern mit grösseren Verwal- tungen und deren Regulirung betraut. Seine wissenschaftlichen Leistungen sichern ihm ein fln'iernffes Andenien in tlen Annahm flcr cletitst hen Rechts- wissensi haft. VonieluiilH Ii hat er sich durch den Kommentar zur dcuLschcn Zivilprozessordnimg bekannt gemacfit, den er in Gemeinschaft mit dem Geh. Justizrath v. Wilmowski herausgegeben hat. In den letzten Jahren hatte er sich besonders dem Deutschen BUrgerliihen Gesetzbuch gewidmet. td,er d;is er no< h zum jüngsten Juristentag ein glanzvolles Referat geliefei i Ii it. Kin gross anpeleifter Kommentar zum Biiri^\ hcn Gesetzbuch ertuUie seinen Geist noch kurz vor seinem Tode derart, dass er m Gedanken den Inhalt schon bis ins Kleinste geordnet hatte. Trotz seiner umfiissenden praktischen

Levj. Scimder. ReindL Bnusewetter.

und vissenschaftiit hcn Arbeitsleistungen fand er immer noch /cii, su.ii sowohl der Intere^en seines Sundes mit besonderem Eifer anzunehmen, wie dies auf dem leisten Anwiütstage in Berlin geschah, als auch allgemeinen socialen und wissenschaftlichen Bestrehungen ein reges Interesse zuzuwenden. Levy war Vorsit^'onder dt"- IUtIiiut Aiuvalisvcrcins , Mimlicl «loi Ainv;ilt->knmmer des Kamniergerichtshezirks , uiul gcliortc au( h (icr standigen l)e|)Utation tles deutschen Juristentagus an. Kr fiel am Morgen des 18. Oktobers 1896 Berlin den Dolchstichen von Raubmördern zum Opfer, niustr. Zeitung «le.

Schräder, Karl, Frhr. von, preussischer Ceremonienmeister. Der einem

trajjischen S<hicksa! /nin Opfer Ocfallene war am 30. Se|)tcmbcr 1848 ge- boren. Er stnncl uisprunghcli im MiHthrdicnst, würfle währencl des Krieges gcj^cn Frankreich Lieutenant im Konigs-Hasaren-Regiment Nr. 7, erwarb sich auch das Eiserne Kreuz. Nach Beendigung des Krieges trat er zu den Re- Mn-veolBzieren Utier, war dann von 1873 1875 wieder noch aktiver Offizier im 5. Ulanen-Regiment in Dttsseklorf, um demnächst wieder zur Reserve zu- rti« 'k/iifrc»cn Kr wjflmete sich nunmclir der Vc-rwaltuni? soinc*; l'irlciVnmmiss- besitzes i>ci Laucuburg, trat 1878 als Ranimerjunker in den HuUlicnst, wurde 1881 Kammerherr und 1887 Ceremonienmeister. Sein Ende hängt zusammen mit den anonymen Schmähschriften, durch die seit längerer Zeit die Berliner I^Itjfgesellschaft bis zu ihren höchsten Spitzen beunruliigt wurde. Als sich endlich, nachricm man längere Zeit die Angele^:« nlicit tler nrffVMi ii< hl cit gegenüber vcrhennliciit hatte, die Staatspolizei genodiigt '^^h I iiKi^^uchungen Ml veranstalten, gab der Ceremonieiuneister Erhr, v. Sch. an, dass er den Oremonienmeister von Kotze für den Verfasser der Schmähbriefe halte. Herr von Kotze wurde daraufhin verhaftet und vor ein Kriegsgericht gestellt, das indess auf Frcisprccliung erkaiuUe. Hierauf strengte Herr v. Rotze eine Klage VN «^ifen \Vr!<M:mfhinL' ^rL:( n I rhr. v. S( h. an, ohne itiflcss damit (hirchzudringen. Niuunehr tbrtieric von Kotze, nachdem ihn inzwischen d;is Militärgericht als satisfaktionsfähig erklärt hatte^ seinen Gegner vor die Pistole. Am 10. April fand bei Potsdam das Duell statt, bei dem Frhr. v. Sch. einen Schuss in den Unterleib erhielt^ der am folgenden Tage seinen Tod veranlasste.

Reindl, Magnus Anton, Geistlicher Rath und Stadtpfarrer in Gtinzburg a./D., deutscher Reichstags- unti bayerisclier Lanrltagsabgeorflneter. Oeboren am f;. I rcmber 1832 in Lauterschach im schwal)ischf n Hc/irksamt Obcr- dott, besuchte er von 1843 bis 1851 das Gymnasiimi in Kempten, dann bis 1854 die Universität München und demnächst bis 1856 das Seminar in Dil- lingen, wurde dann Pfarrer in Untermeitingen und 1874 Stadtpfarrer in Mem^ mingen, von wo er 1S82 als Stadtpfarrer und Hezirkskämmerer nach fliinz- biirg kam. K , dcv dun h grössere Reisen seinen Oesichtskreis crwcifcrt hatte, wurde 1881 Abgeordneier im bayerischen Landtage, <lem er sciti^lcin mit geringen Unterbrechungen angehört hat. Ebenfalls im Jahr 1881 wurde er als Kandidat des Centrums im vierten schwäbischen Wahlkreise Iliertissen in den Reichstag gewählt, dessen Mitglied er alsdann bis zu seinem Tode un- unterbrochen war. Er starb am 7. April 1896 in Rosenheim.

Bfattaewetter, Landgerichts- Direktor am Königlichen Landgeridu L zu Berlin. 1862 in den Justizdirnvf uctrere?), war Rr. Auskultator und Referen- dar im Bezirk des Ostpreussischcn Iribunals in Königsberg. Am 21. Juni 1867 zum Gericiiisiissessor ernannt, war er zunächst kommissarisch beim

220

BnuMwetter, BuhL äcUabiendorff'äeppaq. Gmelin»

Stadtgericht in Königsberg beschäftigt und wurde Aniang 1Ö70 als Kreifr* lichter in Neidenburg angestellt. Im Frühjalir 1875 kam er als Stadtrichtcr nach Berlin, wurde hier 1878 zum Stadtgericfatsratii ernannt und Uieb bei der Justizreorganisation von 1879 in der Keichshauptstadt^ indem er Rath

am T andaeri( ht T. in Berlin wurde. Am 22. Mai 1888 wurde er zum T and- gerichtsdircl tor bei demselben ( icricht crnnnnt \md übeniahm den Vorsitz in einer Strafkammer, nachdem er schon vorlier bcit langer Zeit stets in Straf- sachen beschäftigt worden war. Er leitete die Verhandlungen in vielen grösseren Strafsachen und wurde dadurch in weiten Kreisen bekamit Oft führte er unter besonrlers schwierigen Vci!ialtnissen den Vorsit/ nnd hnrte ganz besonders gcf:ciiul)ei den Vcrthciflijj;crn eine schwere Stellung,'. Sciise Thätigkeit in dem sogenannten Judenlluitenprozesse (gegen den bckamiten AntisemitenfUhrer Ahlwardt) und im »Gummischlaucfaprozesse« (gegen An> archisten) zogen ihm viele Anfeindungen zu und von seinen Aeusserungen sind manche, so vornehmlich die, dass es keine Oeffentlichkeit gebe, in ent- stellter Form in flie ( )cffentHrhkeit «gebracht und viel besprochen worden. B,, durch seine anstrengende und aufregende Thätigkeit aufgerieben, starb am 18. Januar i8q6 in einer Nervenheilanstalt bei Berlin.

Buhl, Dr. F, A., Gutsl>e.sitzer in Deidesheim, fiulicr Mitglied des deut- schen Reichstag. Am August 1839 in Ettlingen geboren, studirte B. in Heidelberg, promovirte dort und wurde dann Mitinhaber der Firma F. ?. Buhl

in Deidesheim. Kr machte sich bald einen Namen in den kommerziellen un<l laiidw i'rthsrhaftlichen Kreisen seiner entreren Hcimatli und wurde ^fitglied der plalzischen Handelskammer, Vorstand des (iremiums fiir Handel und Ge- werbe fUr den Bezirk Neusudt-Dürkheim, Vorstand des landwirthschafUichen Beztrkskomit^ Neustadt, Mitglied des Kreiskomitds für die Pfalz u. s. w. Von 1881 bis 1886 war er auch Präsident des t.andraths der Pfalz und wurde demnächst Reit:hsr.)fh der Krone Bayern auf T cbens;'cit. 1871 wurde er nis nationalliberaler \'en reter des fünften pfidzischen Wahlkreises Homberg-Kusel in den Reichstag gewählt, dem er dann bis 1893 uiumterbrochen angehört hat. Er nahm im Reichstage eine hervorragende Stellung ein und bekleidete von 1887 bis 1890 dcis Amt eines ersten Yicepräsidenten. Er starb am 5. MSrz 1896 in Deidesheim.

Schlabrendorff-Seppau, Alfred, Graf von, Mitglied des Preussischen Herren- hauses. Geboren am 7. November r83o. wnr Graf Sch. der Senior des zweiten Hauptstammes der alten schlesischen Cirafenfamilie. Er war Majoraislierr eines grossen Grundbesitzes in den Kreisen Glogau und Guhrau und wurde auf Präsentation des Verbandes des alten und befestigten Grundbesitzes im Für- stenthum Glogau und Herzogthum Sagau durch Königlichen Erlaas vom 34. AM^"ist T877 niif T ebenszeit in das Herrenhaus berufen. Er betheihVte sich Iel»haft an tlcn ^ii/viuLien und Arbeiten des Hauses, in das er am 22. Oktober 1877 eintrat. Lr hatte auch die Würde eines Erb-Oberlande.s- baudirektois im Herzogthum Schlesien. Sein Tod erfolgte am 4. Juli 1896 in Seppau.

Gmelin, Ferdinand von, Reichsgerichtsrath. Geboren am 21. Mai 1824 als Sohn des r)berjusti/i itlis C». in Esslingen, stntT<l er bis zu seiner Kniennung /um Reirhsgerichtsratli im württemberuisrlK n Justi/fliensi. 1850 w urrle G. Gerichtsaktuar in Göppingen, 1853 Uberjustizassessor in Ulm, 1861 Ober- justizrath dort und 1870 Obertribunatsrath und Vorstand der Zivilkammer des

Gmeliiu Fruü^eo. EogeL

«31

Krcisgcricbtsho£s Stuttgart. Mehrere Jahre Jährte er den Vorsiu des Stult- gajTter Handdsgerichts, bis er in das frtthere wttrttembergische Obertribunal versetzt wurde, bei dem er von 1873 bis 1879 ihätig war. Am i, Oktober 1879 VTflc V. G. in das Koirlis^ci i( hl in Leip/iK ln-iufcn und ^thörtt- hier dem IL Zivilsenat an. Am 1. Hcvcinltcr 1891 trat er in den Ruhestand und htarl) in Freiburg i. 13. am 1. Mai i^yO.

Franken, Alex, Profes«ior der Rechtswisscnsrhnft an <lt r Tniversitrit Jena. (•el>orcji uu Jahre 1^48, hat der im besten Mannesakcr Vcr.^iorliene schon seit längerer Zeit mit schweren Leiden gekämpft und sich wiederholt aller Arbeit enthalten müssen. 187S wurde er mit 30 Jahren ausserordentlicher Professor an der Universität (ireifswald, von wo er nach drei Jahren als C>rf!inantis nach Jcnn \:^m. Sein I ehraviftrag war dort sehr timf:uipreirh. Kr unterrichtete in der deutschen Rechtsgeschichte, im Zivilprozess und im Han- dels- und Wechselrecht. F. war eine eigenartige Persönlichkeit. Scharfsinnig uml dazu hinneigend eigene Wege in der Forschung zu gehen, nahm er das StiuHum gerade solcher Fragen in Angriff, die d:us Wesen des Rechts be- treffen. Seine S( hiiüen tragen /umcist mu h .'iuss(. rli< h einen ei^^enen ('harak- tcr; insbesondere liebte er es, aphorisiisf Ii /u s( hrcibcn. Diese Kigciihcit tritt am schärfsten in seinen Gelcgcnhoiisschrilien hervor. An erster Stelle ist hier das zweitheiligc Werk »Romanisten und Germanisten« zu nennen. In dessen erstem Theile erörtert F. den Dualismus, der in der Rechtswissenschaft als <lcr Kampf zwischen Romanisten unrl Ciermanisteii l>t zeichnet wird. Kr verstu hl /ti erweisen, dass dieser Gegensai/ ein allj^enieiner und flurchpfifi^ziirtT ist, der schon bei den Römern bestand unti auf der I )itierenz des gewordenen Rechts und des werdenden Rechts beruht. Er sieht in den Romanisten '-unbewusste Revolutionäre» Apostel der Idee von der Freiheit und Gleichheit des Individuums.'; Den zweiten Theil des Bu< hs bildet eine glänzende Denk- rcfle auf Karl Friedrich Kirhhorn. 7tJ erwähnen ist hier ferner F. 's Beitrag zu der Sdirift der Jenenser Juristenfakuität zu Ehren Gneist's, betitelt »Vom Juristenrecht«. Besondere Beachtung fanden darin die Auslassungen Uber das Gewohnheitsrecht. Seinen wissenschaftlichen Ruf begründete F. mit einer rei'htsgeschichtlichen Untersuchung Uber das französische Pfandrecht im Mittel- alter. Die Utitersiichung ist deswciren wiclitiL', weil in den französischen Coütumes' wichtige Aufschlüsse zum germanischen Recht enthalten sind. Bisher hatten nur wenige l'orschcr sich an diese Arbeil gewagt; sie verlangt die völlige Beherrschung von Wissen verschiedener Art. F.'s erster Versuch auf diesem CJebiet fand allgemeine Anerkennung bei seinen Fachgenossen, iMul es wurde sehr hetlauert, dass er die Arbeit ni< !it im ;ir(>*;sen Stile weiter fiihrte. Zu crNvahnen ist noch von den selbständigen Werken F. 's sein Kehr- buch des deutschen Privatrechts*, das von 1889— 1S94 erschien. F., der im Nebenamt aueh Rath bei dem Oberlandesgericht in Jena war, starb am 5. Oktober 1896.

Votttsehe ZaUmg.

EageV Emst. Am 11. December 1896 ward auf dem Trinitatiskirchhofe

zu Dresden ein Mann beigesetzt, dessen Name genannt werden wird, so lange i'v eine wissenschaftliche, ein«- nmtlirhe Statistik giebt. Von Adolf Quetelet auf den Weg zur Socialphysik gewiesen, folgte der Verstorbene jenem mit der Vorsicht des eigenen, aus sich selbst herausgewachsenen Denkers und Forschers und verstand es, mit grossem o^anisatoiischem Talente begabt.

22a

Engel.

insbesondere die preussische LandesstatisCik, die er nicht ganz ein Vieitel-

jahrhundcrt /u leiten hatte, zu einem hohen Grade der Vollendung zu füh- ren. Cliiisti.in Lorenz Krnst Engel ward am 26. Marz i8?t ntis klein- hiir;;cilic 1k I l ainilie zu Dresden irehoren. Ucher seine wissensf li:iüiH he Vor- l)ilduiig tcliien uns nähere Nachrichten. Jm Jalire 1842 hnden wir ihn aui der Bergakademie zu Freiberg in Sachsen. Nach Vollendung seiner berg- und hüttenmännischen Studien bereiste er 1846 und 1847 die Hüttendistrikte von Deutschland und Belgien, wo er in Brüssel A. Quetelet kennen lernte, sodann von ünglanrl ntul I''i;inkrci< h ; die Wintri li.ilUjahrc i^^Ct iinrl r^ iy t>c- nutzte er zu eingehenden techinscli-theoretisciien und M issenschaülichen Arbeiten in Paris. Durch seine vielseitigen Kenntnisse auf technischem und staatswissen- schaftlichem Gebiete sowie durch seine Sprachgewandtheit bereits bekannt geworden imd auch schriibtelleris( h hervorgetreten, ward der junge Berg- ingenieur K. K. 1^4?^ vom Minister OIk tlaondcr in die zur Erörterung clor Gewerl)s- und Ar[)ciis\ (.Mli iltni.vsc des KiMiiutcuhs Sachsen errichtete Koni- mission berufen. ßaUi an liire Spitze getreten, erhielt er 1850 den Auftrag, die allgemeine deutsche Gewerbeausstellung in Leipzig einzurichten, und that dies mit so ausserordentlichem Erfolge, dass er noch in demselben Jahre mit der Leitung des neu errichteten statistischen Bureaus im Königl. sächsischen Ministerium des bniern betraut wurde. l'> hatte dieses Amt, zuletzt zum Regierungsrath ernannt, bis zum August 105b mnc, wo er, der Unmöghchkeu gegeniil)er, die von ihm Air nothig erachtete Neuordnung der sächsisdien amtlichen Statistik durchzusetzen, seinen Abschied nahm. Kr wandte sich nunmehr dem (lebiete des Realkredits zu und gal) durch eine von ihm ver- fissie Denkschrift ülicr Hvpothekenversirhfnmg Anlass zur (Iründung der Säclisischen Hypothcken-V ersicherungsgescilschatt, an deren Sjjitze er trat vuid verblieb, bis er, nach dem Tode des Wirklichen Geheimen Ober-Regierungs- Raths Dr. Karl Dieterici zum Direktor des Königlich preusstschen statisti- schen Bureaus berufen wurde. Er übernahm sein, von der bisherigen Ver- bindung mit der rrofessrr tler Staalswissenschaften an der Frief!ric!i Willu 1ms- Universitiit losgelöstes neues Staatsamt am i. Aiml 1860 als (ielieiaiei Ke- gierungsrath (mit dem Range eines Ruthes III. Klasse) und behielt dasselbe, 1863 zum Geheimen Ober-Regieningsrath (mit dem Range eines Käthes n. Klasse) ernannt, bis zum 1. Juli 18S2 bei, wo er, schon seit Jahren an einem organischen Herzfehler Iciden^l, <lm< ]i die sich immer bemerkbarer machenden Folgen einer schweren Erkrankung an der Brust- und Rippenfell- Knt/ündung (1877) genoihigt und bereits vom i. April desselben Jalires ab beurlaubt, seinen Abschied nahm und seinen Wohnsitz auf sein Tuskulanum in Serkowitz bei Dresden verlegte. Hier nahm er neben einer reichen ge- meinnützigen Wirksamkeit auf gemeindlichem (iebiele sowie einer erfolgreichen Tbaligkeit als Mitglied des Aufsi( htsntht s \ crschieflencr grossen Versicherungs- und Aktiengesellschaften seine frülieren wissenschaftlichen Arbeiten luid Unter- suchungen wieder auf, insliesondere diejenigen über die Betheiligimg der Angestellten und Arbeiter am Reingewinne (Industrial Partnerships), über die Messung der l-'amilien- und Volks Wohlfahrt sowie iil»er die Lebenshaltung der vers( hiedenen Volksklassen inid ihre Haushaltungsbudgets. Mitten in .tlk diesen Arbeiten traf ihn am 14. Januar 1890 der Tod seiner Lebensgelahj tin (einer geborenen von Holleufler), mit welcher er über 41 Jahre in glück- licher läe verheirathet war, so schwer, dass er diesen Verlust nie verwinden konnte, sondern nun selbst das Ende herbeisehnte, das den bald 76 Jahre

EngcL

323

allen müden Strciici aui 8. Dccembcr 1896 abriet. Drei Knuier, eine vcr- heirathete Tochter und zwei Söhne, deren ältester auch verheirathet, betrauerten ihn. Ernst E.'s ges.iinnito Ccstrebungen auf dem (lebicte der Statistik ^ing*^'^ von der Erkennlniss der Nothwendi-l eif aus, d:iss die anUliche Statistik alle Zweige der Verwaltung f^lcirhmassii,' umfasse xmc] sich durch zweckmässige Erhebung, Sammlung, Zusummciisteliung und Verotteniiichung des betreffen- den Untofiies in einem den seiüicben Anfordemngen an diese Wissenschaft entsprechenden Geiste nützlich erweise. Die Statistik war ihm >^ZustancU- schilderung im Allgemeinen«, im engeren Sinne dagegen ^ sowohl die Schilde- rving oder Beschreibung de«^ Zustnndes menschlicher Gemeinschaften und ihrer Einrichtungen in einem gegebenen /eitmomente, als auch die Darlegung (und Erklärung?) der ununterbrochen vor sich gehenden Veränderungen dieses ZuStandes und dieser Einrichtungen innerhalb bestimmter Zeitabschnitte«. Kr folgerte hieraus, &ass die Statistik einestheils eine ganz selbständige Wissen- schaft sei, anrlcriilheils alicr auch (und /war 7eitHch noch im vorherrst heiiden (irade, ;4<.'wissr rni.isscn als Me thode; iin l>ienste aller anftercu \\ isst ii^,cluüien und so iiatuilicii auch der \ erwaliungswiiisenschaft und der V'erwaiiungspolitik stehe. Die methodische Massenbeobachtung war ihm die Grundlage aller statistischen Thätigkeit, und fort und fori war er bemüht, allen seinen Ar- beiten <lio nnttirwissenschaftlichen Methoden der hung und des Nach- weises der IJrsachlii hkeit, der Erklilninij iinri Dnrsteiiung zu (Irunrlc m legen. Dieser seiner schon iVuh ausgesprodienen und später nur im Wortausdrucke veriEnderten Ueberzeugung vom Wesen und der Aufgabe der Statistik mit allen ihren Folgerungen blieb der Verstorbene während seiner gesammten amtlichen und privaten, praktischen und wissenschaftlichen Thätigkeit -eti eu; ihr suchte er :\urh schon als Leiter des Königlich sächsischen statisiis( In 11 iUireaus, so- weit angängig, Rechnung zu tragen. Zwar musste er dort von .sciium, später in Preussen in der Hauptsache verkörperten Ideale, der Schaffung eines der statistischen Centralstelle zur Seite stehenden amtiichen Organes, das ins* Wsondere, wie die belgische statistische Centrai-Kommission, »allen Kinzel- crfulnmiien ein ircmeinschaftliches Princip unterlegt und sie r\:\rh einem ge- meuusamen Muiclpunktc leitet«, Ahstanfl nehmen; dagegen zeigten alle seine damaligen Veröffentlichungen das unausgesetzte Streben nach jenen vorangedeu- teten ii^en. In die ersten Amtsjahre E.'s (1851/52) fällt die Herausgabe der •Stattstiscben Mittheilungen aus dem Königreich Sachsen«, auf (]rund deren er unter dem 11. April 1853 an der Universität Tiii)in^en die Würde eines T>oktors der Stantswissenschaften erlangte. ^Eand und Letne. Wohnplätze und materielle Hullsqueilen« schilderte er im 1. Uande des 1^53 nachfolgen- den »Jahrbuchs fttr Statistik und Staatswirthschaft des Königreichs Sachsen« in Zahl und begleitendem Texte, gleichwie er es sich in der als Fortsetzung des Jahrbuches seit 1855 erschienenen "Zeitschrift des statistischen Burcaus (le^ Königlich snrhstsrhen Ministeriums des Innern« zur Aufgabe machte, den lodten Ziffern Leben eiruuhauchcn uiul nach und nach eine Reihe der wich- tigsten socialen und wirthschaftlichen Fragen zur Besprechung zu i)ringen. Als C^cllenwerk behandelten daneben von 1851 bis 1855 die schon er«'ähnten Statistischen Mittheilungen aus dem Königreich Sachsen« in vier Bänden Stnnfl und Bewegung, die Berufs- und Krwerbs\ eili ilttiisse sowie die Sj>ar- iliatigkeit u. s. w. der Bevölkerung. Mit Feucreiter stürzte E., entspre- chend seinen Vorstudien und persönlichen Beziehungen, sich auch in die iutematioiiale Statistik, ward bald einer ihrer HauptfÜhrer und der Mit-

224

Engel.

begrüiider des inlemationalen statistischen Kongresses» an dessen sämmtlichen neun Versa nunlungen er sich in hervorragender Weise betheUigte, wie er

denn au< Ii <ler )>ermnnentcn statistischen Kommission, so lange flie<:e]he bestantl, sowie dem i8S() uiricluelen internationalen siaUbtiijchen Insiitutc als Klirenmitjglied werktiiatig bis zu .seinem Tode angehörte und an den nationalen und internationalen Ausstellungen jeder Zeit regsten Antbeil naJim. Auf die Verbesserung und Sicherung der Metbode der Erhebung richtete er srhon in S.u hsen seine volle Aiifnierlsanikeit, wovon u. a. eine im Jahre 1855 veröltentlichte >Samnilu]ig aller hei der Volkszäliiung und Produkt ions- und Konsumtionsslatistik des Königreichs Saclisen u. s. w. zur Anwendung gekommenen Listen, Fragebogen und sonstigen Schriftstücke« Zeugniss ablegt» In Preussen ging der neue Direktor mit frischem Eifer an die Verfol^^iing jener alten Ziele. Die veröffentlichende Thätigkeit des Königlichen statisti- schen Bureaus, welche unter HofTmann und Dietcriri jin'össtcntheils mit deren eigenen wissenscliaftlicheu Arbeiten zusammenfiel, ertuhr eine vollständige Um- und Neugestaltung. Noch im Jahre 1860 erschien die Nr. i des ersten Jahr- ganges der »Zeitschrift des Königlich preussischen statistischen Bureaus«. In dem dieser Nummer beigegebenen Programme wcist der Herausgeber dar- auf liii\, dass, obwolil die statistischen Forschungen, namentlich wenn ihre Ergebnisse der Zeit und dem (iegenstande nach vergleichbar mit euiautier sind, zu immer werthvollerem geschichtlichen Stoffe heranreifen, je älter sie werden, die Gegenwart doch das nächste und unbestreitbarste Anrecht auf dieselben habe; denn die Statistik sei hauptsachUch Zustandsschilderung der <le;:cnwart. namit die Statistik aber au<-h der de^iernvart von Xiii/cn sei, mushc die l)arle^\in_n ihrer Im'^^'I )^i^se den iiegebenheiien nit lu nur >.o rasch wie mugli( h aui dem l ussc tulgcu, sondern es müsse ihr auch tlie grösst- mögliche Verbreitung deshalb gegeben werden, weil die Oeffentlichkett das befruchtende und berichtigende Element für die Statistik sei. Das neue Org;in sollte demnach insbesondere: i. den neuesten statistischen Stoff aus der Monarchie unfl fleren einzelnen Theilen veröffentlichen, und zwar, soweit angängig, sich auf das I^id und die Bevölkerung, die Wohnplatz«, die materiellen Hfilfsqucllen, die sitdichen luid geistigen Kulturverhältnise, die Staats^ wie Gemeindeverwaltung u. s. w. erstreckend, 3. wichtige, das Interesse der Gegenwart ' r shrendc statistische itnd staalv i nschaftliche Fragen be- sprechen, 3. die si t itswirtlisf ItaftHeheii Zustände l'ieussens und seiner Ge- bietslheile unter sicli selbst und mit denen antlerer Länder vergleichen, 4. ein Verzeichniss der statistischen und staatswirth -schaftlichen Litteratur geben. Nach diesem Plane bietet die Zeitschrift in den von ihrem Begründer selbst herausgegebenen Jahrgängen (1860/61 bis 1881) ein überaus reiches» für <!en Statistiker und den Volksvirtli sorzüglich brauchbares Material, dessen Vielseitigkeit sich für den bczciclineten Zeitraum aus dem im Jahre i.sso veröffentlichten Inhaltsverzeichnisse ihrer bis dahin erschienenen 20 Jalirgange ergiebt. Wenige Wochen nach der Ausgabe der ersten Nummer der »Zeit» M biift trat die 1 870 reorganisirte »preussische statistische Central^Kommission« ins Leben. Ihre Aufgabe war und ist es, /-ein einheitliches Zusammenwirken sämmdicher Zweige der Staatsverwaltung dahin 7\i vermitteln, dass auf allen der Statistik zugänglichen Gebieten sowohl für das Bedürfniss der Ge- setzgebung, der Verwaltung und des öffentlichen Lebens überhaupt, als auch mit Rücksicht auf die ^\nforderungen der Wissenschaft hinsiditlich der Grundlagen, der Ausdehnung und der Art der statistischen Erhebungen nach

EiigeL

"5

^leichmäs&igen GrundbäUen methodisch und planmässig verfahren, die Aus- Hihrung und Zumeriiangkeit der Erhebungen mit den xu Gebote stehende Mitteln sichergestellt und die Verarbeitung und Verwerthung der gewonnenen

Ergebnisse in zweckentsprechender Weise bewirkt werde«. Die neue Kom- mission begann ihre Thätigkeit bereits im Mrti iS6i und w.ir dem Direktor eine wesentliche Stutze bei der Durchführung (kr Neuordnung der amtlichen Statistik sowohl bezüglich der Metliode der Erhebaugen und der Aufbereitung des durch dieselben gewonnenen Stoffes» wie insbesondere bei der schritt« weisen Ausdehnung des Geschäftsbereiches der preusslsi lien statistischen 1 ^andcs-CentralstolIe. Sie lial in dieser Tkvieliung bis in die degenwnrt hin- ein .segenMeicii gewirkt; damals halle sie sjcli insbesondere iiui jener bekann- ten, die gesammten praktischen Verbesserungen und Fortschriue einleitenden E. 'sehen Denkschrift Uber »die Methoden der VolksKtthlung u. s. w.« su be- schäftigen, deren Hauptbedeutung in der Heranziehung und Mitwirkung der Kevölkenmg bei den Erhebun^jcn zu suchen ist. Man ging nunmehr znniirhst unt dem Boden der Volkszafilunj^ schrittweise von den Ortsü^^ten mit der Zah- lung durch Beamte über die Haushaliungs- und Hauslisten, welche von den Haushaltungsvoistttnden auszufüllen waren, zu den Zählkarten mit Haushaltungs- verseichaissen sowie zur centralisirten Aufbereitung des durch die Erhebung gewonnenen Urmaterials mit allen in dieser Methode liegenden Vortheilen über. Die Zählknrtcnmethode , auf welche der Verstorbene einen so hohen Werth legte, ward m Preussen zuerst im Jalire 1869 bei der damals neu ein- geführten Statistik der Verun^ttckungen und Selbstmorde in Anwendung ge- bracht, 187 1 bei der Volksählung weiter durchgeführt und seitdem fest- gehalten bezw, in Anwendung gebracht bei der tiberwiegenden 2^hl der fort- laufenflen, zeitweise wiederkehrenden und einmaligen Arbeiten des Königlichen statistischen Bureaus, wie wir dies für den hier in Frage kommenden Zeit- raum in unserem Berichte Uber '>Das Könighche statistische Bureau in Berlin beim Eintritte in sein neuntes Jahrzehnt«') des näheren dargelegt haben. Welche hohe Bedeutung Ernst E. der Betheiligung der Bevölkerung an den statistischen Erhebungen heimass, das zeigt auch sein, dem Jahrgange iSint »1er 'Zeitschrift mit einem \ «jllstandigen Siaiutcncntwurfe heigegebener > Aufruf zur Begründung eines siaiisiisi iien Vereinsnetzes lur die Lander deut- scher Zunge hinausgehend auf die dauernde organisirte Mitwirkung der Be- völkerung für die engeren und weiteren, aintli» hen und privaten Aufgaben der Statistik. Vow so bot hidealen Gesi» hts)ivinkten diese Gründung ausging, scheiterte sie den !i, aiu h nac h ihrer Regren/ung aut" I'reussen, an den Schwierigkeiten ihrer Durchfuhrung oder, sagen wir es otien, an der Trägheit der mensch- lichen Natur und der schon damals recht vereinsmüden Bevölkerung, und auch die Wiederaufnahme des Gedankens seitens seines Vaters im Jahre 1875 blieb erfolglos. Neben der Zeits« hrift begegnen wir im Jimi 1861 schon dem ersten Hefte der vPreussischen Statistik«, des eigentlichen amtlichen Qncllcnwcrles flir die preussischc Landeskunde. Es ist filr die Aufnahme und ausführliche tabellarische und textlich erläuternde Veröfienüichung aller derjenigen grösse- ren Arbeiten des Königlichen statistischen Bureaus b^timmt, welche in keiner Publikationsreihe desselben genügenden Platz finden. Die Ft cussische Sta- tistik« erscheint in zwanglosen Heften, von denen bis zum Ausscheiden E.'ft

') Zeilschrift des Königl. pretusiichen ttaiistisclien Boreaas, Jahrg. XXV, S. i ff.; auch im SondenbdnMke encliieiieB.

226

BngeL

aus dem prcussisclicn Staatsdienste 62 vorlagen. Im Mai 1862 erschien auch der I. Thdl des ersten Jahrganges des »Jahrbudis ftlr die amllicbe Statistä

des preussischen Suates«, dessen Zweck war» N u liric l^tc-n Uber alle Zweige der Statistik und über dns ^csammte Gcltict de? prciissisc Iil-h Staats- imrl Vt ill^^lcbcr^ in der Weise zu f^cbcii, dass die in den verschiedenen unitan^^üchen tM;^'cnt-ii und fremden (^ue)lenwerken angehäuften und dort systemaut»ch bis in tlie klein- sten Eiiuelheiten durchgearbeiteten statistischen Stoffe denjenigen, die emen häufigeren Gebrauch davon machen wollen, in gedrängter, UbersichUicher uncl leicht benutzbarer Form dargeboten werden. Auch hier lag E. das belgische Muster vor. Von dem Jahrbuche wurden von ihm, zum Theil in grris'^ercn Zwischenräumen, bis 1882 in stets erweitertem Umfange, im wesenüichcn aber unter Festhaltung der ursprünglichen Anordnung^ vier Jahrgänge ausgegeben. Emst £. war sich von Anfang an klar darüber, dass, wenn er der amt- lichen Statistik die oben angedeutete Ausdehnung über alle Zweiire der Ver- wnltunp mit Frfolg flehen wolle, es dazu der Heranbilduni^ statistisch vor- bereiteter StaatsbcaaUci bedürfe. Diese Vorbereitung niusse nach einheit- lichem Systeme und nach bestimmten, in der Centralstclle der amtlichen Statistik festgelegten Gesiditspunkten bei dieser selbst erfolgen, zumal sich das theoretische Studium auf den Universitäten mit der Lehre der eigent' liehen Teelinik der Statistik, auf wel( lie in di-r Prnxis so viel ankomme, nicht befassen könne. A\if solchen KiA\a;4un^en beruhte die im Sommer 1X62 er- folgte Kinrichtung iles iheorelisch-piakiischen Kursus ^ur Ausbildung in der amtlichen Statistik«, des s. g. »Statistischen Seminars«, dessen erster Lehr» gang im November 1862 eröffnet wurde. Die neue Bildungsgelegenheit soUte auf theoretischem (iebiele hauptsächhch die 'l'heorie mul Terhnik der Sta- tistik sowie die Werhsclbe^iehungen zwischen der Ciesct/L;el)unj^, der Verwal- tung und Statistiiv umfa.ssen, auf praktischem Gebiete sich aber auf die Aus- arbeitung statistischer Themata und die Mitwirkung bei den laufenden Arbei- ten des Bureaus erstrecken^ Bestimmt war dieselbe zunächst für diejenigen jüngeren Verwahungsbeamten, welche die letzte Prüfung fiir den höheren Verwaltungsdienst zun'trkf^clcqt hatten AK Lehrer am Seminar wirkten neben E..eine Anzalil von Beamten und Prolc.s.sorcn; er war und blieb aber die Seele des Ganzen. Wenn er in setner Gedächtnissrede') auf Adolf Quctelet gelegentlich der DC. und letzten Vosammlung des internationalen statistisdien Kongresses hervorhob, '»die Werke eines grossen Mannes seien nicht bloss das Werth, was sie lehren, sondern auch das, w'as sie anregen«, so gilt von E. als Lehrer das Gleiche. Mehr Anregungen als er hat wohl kaum je ein Lehrer gegeben; darüber sind alle die einig, welche seinem Vortrage bei- wohnen konnten» der, weit entfernt von strenger Systematik, oft an ein Tages« ereigniss anknüpfend und das Hauj>tthema nur streifend, seinen Schülern eine Menge von neuen unjreahnten f iesirhts|nnikten eröffnete, und ein Gleiches gilt von allen denen , weh lie unter und mit ilim, dem wisscn*;rhaftlirh und technisch so hoch gebildeten und viel belesenen Manne :ubeiien tlurficn. Als ganz besonders zweckdienlich für die jungen Verwaltungsbeamten erwiesen sich ttbn'gens die von Anfang m in den Lehrplan des Seminars mit auQge» nommcnen Ilesui lie von gewerblichen und Wissenschaft! ieli en , yirivatcn und staatlichen \nl:i;ien und Anstalten, welchen jeweilig einleitende und unter- richtende Vortrage seitens des Direktors u. s. w. vorangingen oder auch nach-

*) Zeittdiilft des OnigL pmus. tt»t Bureaas, Jokig. 1876, S. ao7£

EngeL

237

folgten. Gelegenheit sich in hervorragender W eise auszu2eiciinen, gab dem Ver- storl>enen auch die unter seinem Voisitze vom 4. l»s ii. Septi«iri>« 1863 in BeHin stattgehabte fünfte Tagung des internationalen statistischen Kongresses.

Im Jahre 1864 erschien das I. »Ergänzungsheft zur Zeitschrift des Königlich preussischen statistischen Bureaus« ; diese Krtrrin^rungsheftc waren und sind be- stimmt, uml'angiichere amtliche und halbamtliche Arbeiten, welche nicht auf den eigenen grösseren Erhebungen des Königlichen statistischen Bureaus be- ruhen« aufzunehmen, und behandelten in den zehn unter £. sur Ausgabe gelangten Heften : Beiträge zur Handelsstatistik» das Versicherungswesen und seine gesetz- Itrhe Regeliiii-,', (his Submissinnswesen, die I'innnT-stntistik der Gemeinden und Rreise in Preusscn, licitra^c /urStnhstik des Kci( hsheeres sowie die (iflfentlichen Volksschulen. Dem 1848 ins Leben geiieicnen, unter besonderer technischer Lei- tung stehenden und mehr äusserlich mit dem statistischen Bureau verbundenen «meteorologischen Institute konnte £• bei seiner Arbeitsuberhäufung eine besondere Aufmcrks.mikcii iiit lit zuwenden; dngcc:en wnrdeti von ihm die amtlichen Kalendermalcnalieri, weh he die 1852 mit dem Koni^dic hon statisti- schen Bureau vereinigte ^'Kalenderilejmtation« herauszugeben hat, unter Mit- wirkung der Königlichen Sternwarte in den Jahren 1869/70 nach Fonn und Inhalt einer umfassenden Umgestaltung unterzogen. Endlich gründete der Wrstorbene im J dirc 1874 die «Statistische Korrespondenz« mit der Bestim- mung, in erster Linie die Hauptergebnisse der im amtlichen Quellenwerke, im Jahrbuche und in der Zeitschrift des Königl. statistischen Bureaus ausfuhr- lich yerOffientlichten Forschungen in kurzen, für die Tagespresse geeigneten AuMtzen zur Darstellung zu bringen, zugleich aber auch die amdichen Er-* gebniase aus anderen Staaten des Reiches, aus <lem Reiche selbst und aus dem Auslande sowie die hervorrngendsten Krscheinungen der statistischen Littcratur zu berücksichtigen. Das statistische Bureau liefert damit insbe- sondere der Tagespresse die statistische Scheidemünze, deren diese für ihre Zwecke bedarf. Eine Anzahl wetterer, unter Emst E. erschienenen be- sonderer Veröffendichungcn müssen wir hier übergehen und können auch dieserhalb nur auf unsern Bericht tiber das prenssisrhe statistische Biire:m u. s. w.« ') Bezug nehmen; desgleichen weisen wir Iner nur kurz auf den vom Verstorbenen bewirkten systematischen Aus- und Fortbau der Bücherei des KÖniglidien statistischen Bureaus hin, welche zu Anfang 1882 bereits ttber 86000 (jetzt ungefähr 150000) Bände und Broschüren, abgesehen von perio- dischen Zeitschriften zählte. Für die stete Ausdehnung der Geschäfte, wie sie neben iler Versrhmclztin^r der Irülieren hannoverschen, schleswigholsteini- schen, kurhesstschen und n;i.<>^auisciien statistischen Aemter mit dem preussi- schen statistischen Bureau schon durch die weitere Durchführung der Cen- traltsation der Arbeiten lieihiigt waren, genügten bald die Diensträume des Bureaus in den von ihm seit 181 5 bewohnten Hause in der Lindenstrasse nicht mehr. Insbesondere fehlte es an Plntr für das Arrliiv, die Kattens innn- lung und die Bücherei. Ein Um- und Neubau in den Jahren 1867/O9 sowie, nadi Ankauf eines NachbargrundstQckes, ein Erweiterungsbau in den Jahren 1874/75 schafften AbhUlfe, so dass sich schon am i. Januar 1869 Kaum fiir die mit der Zunahme der eigenen Veröffentlichungen nicht länger zu um- gehende Krrichtung der eigenen «Vcrlagshandlung des Königlichen statistisrhen Bureaus« fand. In hervorragender Weise war Ernst £. auch bei dem Ausbau

>) Siehe Note 1 auf S. 225.

15*

der Reichsstatistik betheiügt. Er gehörte der »Kommission züt weiteren Au:>- bildung der Statistik des ZotiTereins«» deren so bedeutungsvoUe Arbeiten in den Jahren 1870 und 1871 die Grundlagen der Rcichsstatistik boten, wdche wiederum mit ihren erhöhten Ansprüchen an die Statistik der Einzelstaatcn rleren \rl»citspc!)iet an erster Stelle 7.. Th. weit til)er das frühere Manss hin- aus erweiterten, ais cmes der thatigsten Mitglieder an und nahm an den späteren Beratfiungen der Voistämle der statislisclien Centmlstdlen des Reiches und der Bundesstaaten in fiirdemster Weise Theil. Was der Verstorbene auf praktischem und wissenschaftlichem Gebiete, amtlich und privatim, was er auf dem Gebiete gemcinnütigcr 11. s. w. Besirehtmgen in verhältnissma«v<;Tg kurzer Zeit geleistet, übersteigt weit das Mass einer einzelnen Menschen- kraft. Vorübergehend gehörte er auch dem preussischen Abgeordneteiibause an» in welcbem er von 1867 bis 1870 den Wahlkreis Schleiden - Malmedy- Montjoie als Mi^ed der nadonaDiberalen Partei vertrat, ganz in Uebofeiii- stimmunj^ mit seiner politischen und wirthschaftspolitis( lien IVlier/eiigimg, der er, der s. g, Vater des Kaihedcrsucialismus, stets un\ erhohleii Ausdruck gab. Wir müssen schon aus Raummangel darauf verzicluen, die zahlreichen Arbeiten, Abhandlungen und Schriften aus der eigenen Feder Emst E.'8, welche er amtlich in der Zdtschrift des Königl. sächsischen und Kl&nigl. preussischen statistis( lien lUircaus «;n\vie privatim, unter seinem Namen und pseudonym, VC röffetit licht hat. hier em/eln zu verzeichnen. Ikrtihren sie dorh d;is ^anT-c. von uns gekennzeichnete Gebiet der Statistik und Volkswirihschaft und darüber hinaus besondere wirthschalUiche und technische Fragen, auf welche ihn sein Bildung»- und Lebensgang gefUhrt, und sind wir doch schon an anderer Stelle') dem Gedächtnisse Ernst E. auch in dieser Beziehung annähernd gerecht ge- worden. Nur auf das Krpebniss seiner in Scrkowitx betriebenen wissenschaft- lichen Privatarbeiten mochten wir hier noch kurz hinweisen. Emst E. wollte seine bezüglichen Forschungen unter dem Namen »Demos« zusammenfassen und damit drei Bttnde llUlen, von denen dem ersten die »Messung der Volkswohl- fahrt« (auch unter dem Titel: Die Aufgabe der amtlichen Statistik), dem zweiten die »Messung der Familienwohlfahrt ■'aiu Ii u. d. T. : Der Privatbans- halt), dem dritten die »Messung der Einzelwohlfahri« (au( h u. d. T.: l>er "Werth des Menschen) zugewiesen war. Von diesen drei Banden erschien zunächst nur der erste Theil des dritten Bandes unter dem Namen: »Dar Kostenwerth des Menschen .< *), während dem zweiten Theile der Ertrags- Werth des Men*5chen v()rl)ehalten war. Ernst K. fasst in diesem nur kleinen Büchlein von etwa 80 Seilen, das sich an einen \on ihm im November 1882 in der Volkwirthschaftlichen Gesellschaft zu Berlin gehaltenen Vortrag anschloss, das Ergebniss eigener und Iremder Untersuchungen ttber den Anschafivungs- oder Kostenwerth des Menschen, der nicht mit dessen Er> tr.ics- oder dessen ethischem Werthc verwechselt werden darf, unter Be- nutzung eines reichen statistischen Materials in musterhafter Weise zn- sammen und zeigt uns, mehr oder weniger hypothetiscli, was die Maschine kostet» der Adam Smith den Menschen vergleicht. Alles was die Menschen thun, geschieht nach E. der Consumtion wegen und lässt sich unter den Gesichtspunkt der Consumtion bringen. Davon sind nach ihm weder die feinsten Arbeiten des Geistes noch die edelsten Regungen der

*) Siehe Zettschrilt des KönigL preu&s. stat. Bureaus, Jahrg. 1896, S. 231 fil •) BeiUn 18S3.

...... ^le

JSftgcL

229

Sede ausgenomineii. Die Feststellung der menschlichen Consumtion schien ihm nur dürftig ausgebildet; hier Wandel zu schaffen, sollte das Srhhissvverk seines I.t-bcns sein. Diu letzte, auch in das »Bulletin de l'Institut intcr- natiomLl de Siatistique« übernommene Arljeit E. s knüpft an jene Schrift Über den Kmtenweräi des Menschen an; ihr Titd lautet: IMe Lebens- kosten belgischer Arbeiterftmilten früher und jetsC. Ermittelt aus Familien- Haushalts -Rechnungen und vergleichend znsammcnpcstcllt, Dresden 1SQ5. Das Krgel)niss dieser, methodologisch und wissenschaftlich hochbedeut- samen Untersuchung lässt sich dahin zusammenfassen, dass, bei nahe gleichen Prvisen der Lebennnittel, die Lebenshaltung der belgischen Arbeiteii&inilien in den Jahren 1853 bis 1891 erheblich gestiegen, ein Ziel, das nicht ohne Kampf zwischen den beiden Productionsfactoren erreicht ist. Direkt hat nun zwar die Statistik mit diesem Kampfe nichts /u thiin; indirekt aber kann und wird sie viel zur Milderung des Kampfes beitragen, wenn es ihr durch Er- forscbimg der Lebenskosten von f amüien aller Gesellscbaftsschichten gelingt, nachxuwetsen, dass die allzugroflsen Unterschiede jener Kosten sich immer mehr ausgleiclien und dass die niedrigsten Kosten dabei Schritt fUr Schritt auf die Sttife gehi)ben werden, welche st hon Jos. l ang ganz im Sinne Leo- pold Krug's als die des Volkswohlstaiules bezeichnet hat. Dieser Zustand darf als gekommen und vorhanden betrachtet werden, wenn die vernunft- gemässe physische Erhaltung nirgends mehr als 80 Hundertthcile des Ein- kommens in Anspruch nimmt inul 30 Hunderttheile desselben als freies Ein- V.ommcn, im Sinne Wilhelm Roscher s, übrig bleiben und Venveiidunf; finden. Ernst E. beabsicluigie, wie er in dem, aus Oberlössnitz - Radel)eul vom Juni 1895 datirten Vorworte zu dieser letzten Schrift sagt, wofern der all- gütige Gott ihm noch fernerhin Kraft und Gesundheit genug lasse, diesem AnHuige noch im Laufe des Jahres die Ergebnisse ähnlicher, aber in viel grösserem Massstabe unternommener Untersuchungen in den Vereinigten Staaten vc^n .Amerika folgen zu lassen, denen sicli sp.lter die Darleguiif: der Lebenskosten deutscher Familien verschiedener Wohlstandsgrade, sodann tlie der Lebenskosten fianzAsischer, schweiserischer, englischer, niederländischer, skandinavischer und russischer Familien anreihen werde. Leider konnte er seine Absicht nicht ausführen. Ein sich insbesondere auf die zusammen- fassenden l^ntersnrhnngen seiner letzten Lebcnsjalirc erstreckendes, syste- matisch geordnetes, reiches Material und wertljvoUe Manuskripte hegen filr die letzte Bearbeitung und die Veröffentlichung bereit. Die Aufgabe, welche Emst E. der Statistik im engeren und weiteren Sinne zuertheüen wollte, hat er in seinem, bereits 1851 entworfenen, von da ab weiter- gebildeten und iR-i dir die Zwei ke des statistische?- S niinars veröffent- lichten »Systeme der Demologie« ausführlichst dar^'ele^t ' % Kr unterscheidet in demselben die philosophische, die positive und die praktische Demo- logie und weist bei weitgehendster Untergliederung jener ersten zu: den Menschen und die ihn umgebende Natur nach Raum und Zeit, die mensrlilirhen (lemeinschafken, ihr pjemeinsames Prinzip und die hieraus her- vorfieheiiden Arten, das T.ehen und die 1 ebensäus-serungen der menschlichen Gemeinschaften, die Organisation der letzteren zur Feststellung und Ausfuh- nmg ihres Willens sowie die Lebensbeeinflussungen, Lebensstörungen, Krank- heiten, den Tod und Untergang jener Gemeinschaften, während er die posi'

>) Zeitschjcift 4c« KttaigL pttuss. «tatist. fiareaus, Jahzg. 187 1| S. laiE, & 198 ff.

EngeL

live Demologie in eine allgemeine (das sog. System der Staüstik enthaltend), eine konkrete (die Demologie bestimmter Gemeinschaften, bestimmter Zu- stände and Zustandsveränderungen derselben umfassend), eine vergleichende und eine pragmatisclic scheidet, unter der praktischen Demologie Statistik als Methode') aber l)ch.ui(lclt; die Methoden und Hulfsmitttl der Demologie (die Methoden der Forschung, die Quellen der Demologie, die dcmologiM iie Beobachtung, die Ermittelung des Kausakusammenhanges der beobachteten Erscheinungen, das Gesetz der grossen Zahlen und die Wahrscheinlicfakeits- rechnunfj sowie die Methoden der Darstellung der Ergebnisse), die Verft-en- dung der sämmllichen demologischen Methoden Cim l>icnste der Gesetzgebung, der Verwaltung, der Wissenschaften und Runzle sowie der l'rivatwirthschaften}, die Werkstätten und Werkplätze der Demologie und die demologischen Leistungen und Bestrebungen (Geschichte und Litteratur der Demologie). An diesem Systeme, das die Erfiissung der Durchdringung der Raum- gemeinschaften dtirc h die Tnteressencremeinschaften zum Endziele hat, liielt der Verstorbene l)ei allen seinen Arbeiten fest. Er wollte es in einem grossen wissenschafüichen Werke, einem »Systeme der Demologie« oder '^der Demo- graphie« ausführen, fand aber, solange er im aufreibenden amdichen Dienste mit dessen tätlich wachsenden Ans])rü( hm war, nicht die Müsse dazu, wäb- rcnr! ihm in der sjialcren Ruhezeit das benötliigtc Handwerkszeug geistiger imd tnerhanisrher Art abging, auch jene alten, ihn j^lei< hfalls seit vielen Jahren beschäftigenden l'ragen näher traten, von denen wir eben und weiter oben q>rachen. Emst E/s wiflsenachaftliche Bedeutung lag hauptafieUich in seiner Lehrthätigkeit, in der Verschmelzung des Abstrakten und Konkreten, der Theorie und Technik. Den leitenden Gedanken seines ganzen Lebens hat er selbst in trefflichster Weise in jener Abhandhinc:, in weh lier er «;ein System der Demologie mitthcilt, ausgesprochen, deren Schlusswune lauten: »Wer nicht von rücksichtslosem und unerschrockenem Streben nach Wahrheit beseelt ist, in wem nicht Ordnung und Fleiss zu Fletsch und Blut geworden sind, der lasse ab vom Studium der zur Naturlehre der menschlichen Gemein- strhaften er!i<i])enen Statistik. Vs hilft ihr nichts, ttnd sie liilft ihm nichts.« Der Verstorbene geborte, wie wir oben *?rhon andeuten konnten, einer grossen Anzald von wissenschaftlichen, Uich wissenschaftlichen, wirtliscliafts- politischen und gemeinnützigen Vereinigungen, Gesellschaften und Vereinen als Ehrenmitglied, ordentliches oder korrcspondircndes Mitglied an. Wir nennen ausser dem internationalen statistischen Institute nur die Gesellschaft ftlr Geographie und Statistik /u Frankfurt a. Main, die Royal Statistical So- ciety, die Soci«itü de Statistique de Paris, die schweizerische statistische Ge- sellschaft, die Königlich ungarische Akademie der V^issenscfaaflen, den Verein zur Beförderung des Gewerbfleisses, die Polytechnische Gesellschaft, die Volks- wirthschaftliche Gesellschaft zu Berlin u. a, m. Anerkennungen und Olren wurd.en ihm rei* Ii /ti Ttu il; hohe nnd lu'u hste Orden des In- und Au- slandes schnvuekten seine Brusi. Dem genialen Denker und Führer, dein schöpferischen Geiste, dem nimmermüden, zur Nacheiferung anspornenden Kämpfer, dem liebenswürdigen und gerechten Vorgesetzten werden alle die ein treues Andenken bewahren, die ihm näher zu treten und ihn näher kennen zu lernen Gelegenheit hatten, die unter ihm arbeiten und mit ihm lernen durften.

E. Bienck.

Digitized by Google

GtftiiDger.

Götzinger, Ernst, Germnnist und Historiker, pchorcn nm 23. September t8 ^7 in Schaft hausen, gestorben am jo, Aiiuust iJ^gO in St. Gallen. Gt>t/inf,rcr gehörte einer ursprünglich sächsischen Gelehrten fannlie an, in welcher der Trieb zu litenurischer Arbeit gleichsam erblich war. Der Urgrossvater Johann Karl betätigte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf theologi- schem Gebiete. Der Grossvater Wilhelm Leberecht (f 1818) schrieb ala Pastor in Neustadt bei Stoljjen ein Werk über Schandau und seine Umgebun- gen und lenkte die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Schönheiten der »Sächsischen Schweiz«. Der Vater Max Wilhelm (f 1856) wandle sich der pädagogischen Laufbahn zu, kam als Lehrer in dais Fellenberg'sche Institut nach Hoiwil und wirkte seit 1827 als Professor der deutschen Sprache und T iteratur am Gymnasium in Schafihausen. Hier lebte er sich völlig ein, er- hielt d.is P>(irucrrc( ht und \ t'rheiratete sic h mit Johanna Barbara Kirrhhofer, einer leinsinnigen und her/etihguien I rau. Er war ein Mann von unernmd- Hcher Arbeitskraft, geistvoll und kenntnisreich. Durch seine eindringenden literar-historiscben Forschungen und durch seine zahlreichen, dem Sprach» unterrichte dienenden Schriften (»Deutsche Spr u hlchrc , Stilschule«, »Dichter- saal« , »Deutsche Dichter etc.) gewann er in Schul- inui Gelehrtcnkreisen hohes Ansehen. Dem Solme gab er die Richtung auf die Wissenschaft und das ÜBine qHRachfiche FormgefiiU. In Schaffluittsen, unter ftusserlicfa beschei- denen Veibiltnissenf wuchs G. auf. Er durchlief das Gymnasium, wurde durch Rob. Adolf Mörstadt in ilie kla.ssischen Sprachen, durch den jungen Rechtshistoriker Knies in die Geschic lite eingeführt imd bezog im Frühjahr

1856 'die Universität Basel. Nach kurzem Schwanken entschied er sich für die germanistischen Studien, schloss sich eng an Wilhelm Wackcrnagel, den Freund seines Vaters, an, hörte siber auch die Philologen Wilhelm Yischer und Karl Ludwig Roth, sowie den Philosoj^lien Karl Steflensen, dessen TVr- sönlichkeit und Lehre den tiefsten Kindruck auf ihn machten. Im Merbst

1857 be^al) er sidi für zwei Seme.ster nach Bonn und lernte dort tlie Üe- rttbmiheiien jener Jahre: RiLschl, Jahn, Wclcker, Diez und Brandis kennen. Zum Abschluss seiner Universitätsstudien aber gelangte er nach drei weiteren Semestern in Göttingen, wo er in Wilhelm Müller und Leo Meyer Germar nisten fand,- die ihn auf seinem Specialgebiete weiter fülirten. Ausgedehnte Fussreisen, die er in/wisrhen als kräfti^fcr und fröhlicher Wanderer durch die Rheiniande, die Eilelgegend, durch ihuringen und Sachsen unternalim, melir- ten die Lebenserfthrung und die allgemeine Bildung. Am 10. Iklärs 1860 verlieh ihm die Göttinger philosophische Facultät nach rite bestandenem Examen »propter egregiam philologiae antiquae et literarum germanicarura scientiam« den Dortortitel. Seine Dissertation handelte über die dem Mönche Caedmon zugeschriebenen angelsachsischen Dichtungen. Noch im gleichen Frühjahr wurde ihm die Stelle eines Professors der deutschen Sprache imd der Geographie an der ein Gymnasium, eine technische und eine mercantile Abteilung umfassenden Kantonsschule in St. Gallen übertragen. An dieser Stelle blieb er 36 Jahre lang bis an flas Knrle seines Lebens. Die Schwierig- keiten, die einem akademisch gebildeten jungen Manne beim Emtritt in die pädagogische Praxis zu Ijegegnen pflegen, blieben ihm nicht erspart; allein er aberwand sie rasch und sicherte sidi unbedingte Achtung in seinem Wir- kungskreis. Unmittelbar nach seinem Antritt nahm er wissenschaftliche Ar> beiten an die Hand, die seinen Namen in weitere Rreise trugen. Eben war in St. Gallen durch den Historiker Hermann Wartmann, mit dem er in Bonn

Digitized by Google

«3« oöOMgier.

und in Gottingen enge Freundschaft geschlossen hatte, ein Historischer Verei". gegT'tndft worden. Fr stellte sich der Ciesellschaft mit den Frgebnissen seiner Studien zur V'erfügun^ und iäe bot ihm ihrerseits eine schaubare Stutze fui seine Publtcadoiien. Mindestei» seh dem Jahre 1865 lid eine Frucht seine» Schaffens nach der andern ab. Zunächst edieite er den Kopp*schen und den Miirner' sehen Kalender vom Jahre 1527 und die von Johannes Kessler Terfasste Vita Vadians. Diese Stücke führten ihn auf die ?^^.m Teil noch ungehobenen Schatze, welche die Stadtbibiiothek aus der Reformationszeit bewahrte. In den Jahren 1866 68 gab er in den -Mitteilungen« (5 10 des Histmrischen Vereins die Sabbata, die anmutigen Aufimrhnongen Jo« hannes Kesslers heraus. Zum erst«! Mal wurde dieses Werk nach dCT Originalhandschrift vollständig dargeboten und als eine Quelle erschlossen, die nicht nur wertvolle Nachrichten zur fiesrhirhte des Reformationszeitalterv in der Schweiz und in Süddcut&chland überiieiert, sondern auch einen eigen- artigen Reis durch die liebenswürdige Persönlichkeit des Verftssers übt» An Kesslo- reihte sich etwa 10 Jahre spater Vadian, dessen deutsche histo» rische Schriften, voran die Chronik der .Xebte des Klosters St. Gallen, er auf Veranstaltung des Historischen Vercir^ ;.r«! mit Uniersttit?::^;: Hes Kauf- mannischen Directoriums in drei umiangreiclita lianden dem l>rucke über- geben konnte (Su Gallen, 1875 7 9^ Vadian (Joachim ¥on Wait^ der ge- lehrte Humanist und Geschichtschreiber, der besonnene Staatsmann und Re- formator, wurde seine lieblingsgestalt und beschäftigte ihn bis zu seinem 'Pfule. No<:h 1895 schrieb er im Auftrag des \'crcnr«; ftir Rof« rmiHons- geschichte c!i> Biographie Va'üa'^s, der ^als deutscher Geschiclitschreibcr den ersten Namen seines Jahrimiiderts beigez;üilt werden muss«. Wali- rend dieser Editionsarbeiten lebte sich G. vollkommen fn die Formen des 15. und 16. Jahrhunderts ein, und es madite ihm nun Vergnügen, ge- legentlich in kleinen Schriften den treuherzigen Chronikstil mit seinem ala- mannisrh<"n 1 nnfsrand nachzuahmen. So entstanden ^>ei festlichen ^''er.^nstal- tungcn des Historischen Vereins seine »gelben Büchlein«, die verschieden- artige lokalgeschichtliche Gegenstände mit umsiditiger Kritik und suglttch kösdichem Humor behandelten. Eine dieser Gel^enheitssdiriAen, die >War> hafftige nuwe zittung des jungst vergangnen tutschen kriegSc &nd weite Vcr1victtnn£r auch in De itst lil,in<! ; sie führte mit unvergleichlicher Frische und Alls» l».tüit< hkeit die gTu.^scii K.uiipfe der Jahre 1870 und 71 vor und wurde auch von Gelelirtcn, wie Friedrich Zamcke und Julius Weizsäcker, mit Entzücken gelesen. Die schlichten Büchlein sind scheinbar leidit hingewor- fene Skizzen; bei näherer Betrachtung aber erweisen sie sich als kleine Kunst- werke von wahrhaft j>oeti'^''liem Reiz, die nur ein p^ündlicher Kenner der historischen Vorgänge vuid des sprachlichen T ehens mit siniverfiiKin liehazen formen konnte. Eben die Freude an dem urwüchsigen, kernhaften Sprach- gut der Reformationsepocbe reizte ihn auch, das »Lob der Torheit« von Erasmus in der deutschen Form, die Sebastian Frank diesem populSisten Werke des berühmten Humanisten gegeben hatte, wieder aufzuwecken und es in neuem Gewände, von zahlreichen Anmerkungen begleitet, misnehen rv. lassen (Leipzig 1S84). Aber mit derselben Lust und Kraft versenkte er sich in die neuem Peri<Mlen der deutschen Litentur. ht angestrengter Arbeit be- sorgte er neue Ausgaben des »Dichtersaals« und der »Deutschen Dich- ter« seines Vaters. Die Klassiker kannte er gründlich. Am nacMialtigsten jedoch beschäftigte er sich mit Geithe, dessen Genius er wit wenige Terstand

Digitized by Cnno

GöUinger.

233

und dessen reine Hiunanilät verwandte Suten in seiner eigenen Persönlich' keit erklingen Hess. Daneben folgte er gern den einfach innigen (Offenbarun- gen des menschlichen Gemütes. Er lauschte den Weisen des ^^)Ikslie(]es. Kr erforschte die »Geschichte des evangelischen K i rc Ii en ^iesanges « und der schon im 17, Jahrhundert gegründeten »Singgeseilschaft zum Antlitz in St Gallen« (beide Arbeiten in seinen »litteraturbeiträgen aus St. Gallen«, 1870). Ein tiefer Zug des Gemtttes ftlhrte ihn auch tu dem naturfrohen Sohne des badischen Oberlandes, Johann Peter Hebel, hin. Wiederholt kam er in tiffentlichen Vorträgen auf ihn zu sprechen, und im Jahre 1873 veranstaltete er eine neue Ausgabe seiner »Alemannischen Ge- dichte« (Arau, Sauerkiiider). Kr versah sie mit philologischem und sach- lichem Commentar und leitete sie mit einer Geschichte der oberalemannischen Mundart ein. Denn jewcilen suchte er die literarischen und sprachlichen Erschei- nvinpcn in ilueni historischen Zusammenhang /n erfassen tmd das B'inzclne in den allgemeinen Aufriss des wissensrhaftlielien ('iel)au(les ein/uftigen. So stellteer auch die »Deutsche Grammatik« in einem iö8o erschienenen Ldirbuche genetisch dar. Gegen Ende der siebeiuigcr und zu Anfang der achtziger Jahre errei^te G. die HÖheasett der Schaffensfreude und der productiven Kraft. Kaum waren die S( hriften Vadians ediert und die Deutsche Grammatik abgeschlossen, ah er im Auftrage des Leiy>/iger Verlegers Woldemar Urban das umfangreiche Reallexikon der deutschen Altertümer« in Angriff nahm und mit eisernem Fleisse in der ihm eingeräumten Frist vollendete (1882). Das Werk mochte einige von den Germanisten strenger Observanz gerügte Mängel haben; denn unmöglich konnte der Verfasser die zahllosen Gebiete, über die er sich rtns7us[»re( fu-n hatte, gleirhniassig und mit erst böpfender T?crtirksichtigimg der miussenhafien Literatur ljeherrs( hcn. Alier er wandte si< h auch nicht an Ge- lehrte von Beruf, sondern einfach an »Freunde unti Licbh.aber des deutschen Altertums, welche ohne besondere Studien dieser Art zu pflegen, einen in seiner Art ausgiebigen Ratgeber gerne zur Seite haben«. Und diesen Kreisen tat das Werk vollauf Genüge. Schon 18S5 erschien eine zweite, erweiterte Auflage, die mit gutem Recht als ein Hand- und Nachschlage! luch des deut- schen Vüikes bezeichnet werden durfte. Zwischenhinein schrieb G. eine Menge Udnerer Aufsätse ttber spmddiche, literarische und historische Gegen- stände, die er in verschiedenen Zeitschriften niederlegte. Sie bezeugten in ihrer AusDthrung, dass er immer seine Lust daran hatte, *das Lokale an das Allgemeine zu knüpfen, den Beziehungen nachzugehen, in denen das Kleine zum Grossen, das Besondere zum Allgemeinen gestanden hat«. Eingeleitet durch die schöne Abhandlung »Vaterland und Heimat« sind etwa ein Dutzend dieser Arbeiten in dem mit seinem Bildnis versehenen Buche: »Altes und Neues« (St. Gallen 1891) zusammengestellt. Durch alle Jahre war G. ein äusserst tätiges .Mitglied und neigen Hermann Wartmann, dem Herausgeber des Urkundenhuchs der Abtei St. Gallen, die Hauptstfit/e des St. Galler Historischen Vereins. Wie aus einem unergründlichen liorn des tieisies und der Kenntnisse flössen die Vorträge, die er im Schosse der Gesellschaft hielt, und die wissenschaftlichen oder populären Arbeiten . die er in ihren Publi- cationen niederlegte. Eben in der ersten Serie der Mitteilungen zur vater- l.^ndisrlien Geschichte« erschien Kesslers Sabbata. Im 14. Hefte (1872^ legte er zwei Beiträge zur St. Gallischen Reformationsgeschichte nieder. Die zweite Dekade beschloss er mit einer Ausgabe der ^eichialls der Refor- mationszeit angehörenden Chronik des BischofiEeller Klerikers Fridolin Sicher

Digitized by Google

CtfUisger.

(1885). Endlich in einem Bande der dritten Folge (XXIV, 2. 1891) ver- öffentlichte er die bedeutsamsten T^ichtungen uml Briefe des durch freie und edle Bildung ausgezeichneten StaiUialters Franz Jos. Benedict Bernold von Walenstadt, des »Barden von Riva*. Für die seit 1861 in ununter- brochener Folge erschienenen Neujahrsblätter des Vereins beliandelte er die St. Gallischen Minnesänger «IHrich von Stngenberg und Koniad von T^degg« (1866), die I\'tdnonnen hei St. Leonhard« zur Zeit der kirchlichen Umgestalrunp: in St. ( ".allen 1868), »Joa< htm von Watt als Geschichtschrciber (1873)» '^t. Gallische Herrschaft Biirgien im Turgau* (1884), die ^Ka.-

müie^ZoUikofer« (1887), tlen armen Mann im Toggeubiu-g« (18^9) und den »Statthalter Bernold von Walenstadt« (1890). Eine bemerkenswerte Arbeit» die er noch ganz ziiletzi dem Historischen Verein vorlegte, das nach der Reimart des Originals übertragene »Leben des heili^jCTi T. illusc, wurde nach seinem Tode, iSn^>, ijtvlruckt. Der Verein hewaiirt ihm das dankbarste An- denken. Mit semer Fülle der geistigen Kraft und des positiven Wissens, seiner feinen Gestaltungsgabe und der sonnigen Heiterkeit des ganzen Wesens hat er den Mitgliedern durch ein ganns Menschenalter hindurdi Anregung und Belehrung, Frhehung und edektcn Genuss bereitet. Häufig griff G. auch als Mitglied des Schwcizerisrhcn T ehrervereins zur Feder, und es mag noch erwähnt werden, dass er in dessen Auftrag eine Broschüre »Zur Durch- führung der Ürthographiereform« verlasste (Fraucnfeld 1874). Die Frage einer Veretnfiu:hung der deutschen Orthographie beschäftigte ihn au& leb> hafteste; aber angesichts der auf dem gaiuen deutschen Sprai h^^eMete herr- schenden conservativen Gep^eiiströmun;^ konnten seine entschiedenen \'()rsi ld.ii:e nicht die erhoffte Wirkung im Sinne einer folgerichtigen Umwandlung der deutschen Schreibweise üben.

Ueberschaut man seine literarischen Arbeiten, so wird man sagen dürfen» dass er als Germanist und Historiker mit seltener Kraft die wissenschaftliche Bewegung förderte und mit selbstloser Treue (lir die Verbreitung ihrer Kr- gcbnisse Sorge trug. Seine Tätigkeit als Lehrer an der Kantonschiilc nahm inzwischen ihren rulügen Fortgang. Seit 1864 war ihm der deutsche Unter- richt am obem Gymnasium, seit 1867 audi an einem neugegründeten Rtifse für Candidaten des Secundarlehramts übertragen. Sein Ansehen wuchs von Jahr zu Jahr: auf Generationen von Schülern übte er den nachhakigsten Ein- flnss Rus, Sein Unterricht regte die StreVienden unter den jugendliehen f Icisiem mächtig an und forderte in Wort und Beispiel mit ihrer intellectuellen auch ihre ethische Entwicklung. Lidern er mit grossem Silin imd weitem Blick die Muttersprache, ihre Geschichte und Literatur lehrte, war er der Verwalter und UcbermitUer des centralen (iutes der allgemeinen Bildung an der st. gallischen Schule. Immer wieder !ieh;indelte er die Nibehingcn oder die Lieder Walthers von der Votielwcide, um die Schüler in die S]>rache und Culluiiurmen des Mitieiaiiers einzuweihen und ihnen zugleich das historische Verständnis der neuhochdeutschen Sprache zu erschliessen. Am tid&ten aber wirkten seine Göthe-Sttmden. >Alle legitime Sehnsucht des jugendlichen (icistcs« so äusserte sich einer seiner verständnisvollsten Schüler , «alle Beiceisterungsfähigkcit, die noch ungestutzt geblieben, alle Ahnungen einer hohem Existeiu der Genialität drängten auf diese Stunden hin, in denen Meister G. den grossen Dichter und universalen Menschen vor uns wachsen •und ins Grandiose sich ausweiten Hess«. Er war ohne Frage ein ausgezeich- neter Lehrer, in der äussern SchuUUhrung gleich weit entfernt von fiihriger

Digitized by Google

Gotzinger. ätaub.

r>iscip]iii wie won kldnlich steifer Ordnung, im Umgang mit den Schülern v<mi jener sichern Vertraulichkeit, die das Hers gewinnt und doch jeden Miss-

T tMuch ausschliesst. Nicht anders als »Götz« nannten sie ihn unter sich; sie freuten sich der behaglich kurzen Form, aber sie lef(ten zugleich Rcspert in <liesen Namen, denn sie filhlten, dass dem Irager etwas von jener kcniluvlica Kraft und Tüchtigkeit, von jener Wahrheit, Herzlichkeit und Wärme mne- wohnte, die Göthe seinem reisigen Berlichingen zugeschrieben hat. In der («eschichte der sL gallischen Kantonsst IniU- wird ihm als einem Lehrer und Cielehrten von Heist und Kraft ein F.lncnplat^ jiesirhcrt l>lcibcn.

G. war seit 1862 verheiratet und lebte in ^Ituklichen iMniilienverhalt- nisscn. Schwer traf ihn freihch [^lü^ö) die Nachricht vom jähen Tode emer Tochter, die eine Stelle als Erzieherin in Palermo übernommen hatte. Doch überwand der starke Mann solche Schicksalsschläge rasch. Schon näherte er »ich dem sechzigsten Lebensjahre; aber noch immer erschien er kerngesund: eine breitschultrige, überragende (Icstalt, mit leicht ztir Seite geneigtem Kopf, hoher Stirn, hellen, lebhaften Augen, heiter, gesprachig, arbeitsfreudig. Da brach er beinahe plötelich zusammen. Mitte Mai 1896 zeigten sich Symptome einer Cerebralgesdiwulst, die binnen wenigen Monaten seine 1>benskraft zer- slc>rte. Am !o. August starl) er. Sein Grab auf dem städtischen Friedhof i«t durch ein schlichtes Denkmal mit seinem liilde in Marmorrelief bezeichnet.

Vgl. Ero&t Gützinger. Ein Lebensbild v<m Johannes Dicraucr. St. Gallen 1897. (Mit Portrait in HeliogniTOre und einer cbronolugiscben Uebcrsicht der literarischen Ar- beiten Gtftcingcr'i.)

J. Dierauer.

Staub, Fritz, wurde am 30. März 1826 zu Männedorf am Zürichsee ge- \)f^rcn. D l der \^iter sehr frtlh starl\ stand seine und der Cicschwister häusliche Kl Eichung ausselihcsshcli ilcr treuen und energischen Mutter zu. Der erste Unterricht wurde ihm in einer Privatschole seines Heimatortes zuteil; später l>esttchte er die dortige Sekundärschule. An dieser wirkte damals ein un« gewöhnlich tüchtiger Lehrer, von dem St., wie er stets dankbar bekannte, reiche und nachhaltige Anregung empfitiL'. Selbst der Pinn zu seinem Lebens- werke scheint damals in ihm geweckt wonlen zu sein; wenigstens begann er M:hon als Sekundarscliuler die heimatliche Mundart auJziueichnen. 1839 be- zog Sl das Gymnasium in Zürich, wo er venndge seiner Begabung und seines rastlosen Fleisses bald einer der ersten Schüler seiner Klasse wurde. Besondere Liebe wandte er von Anfang an den Sprachfächern zu, s]ii'/iell dem Deutsrhen, worin u. a. Albert Schott, der sich dnrch seine Forsc hun^^en über die Deutschen am Monte Rosa einen Namen gemacht hat, und der be- kannte Germanist Ludwig EttmfUler seuie Lehrer waren. 1845 bestand er . mit vorzüglichem Erfolg die Maturitätsprttfimg; ihm fiel es auch zu, die üb> liehe Abituriciitenrede /u halten, deren Gegenstand eine Vergleichtmg der Tb'ns mit dem Nilielungenhed bildete. An rlcr Universität, die er zu Ostern I desselben jalires bezog, liess er sich zwar als siud. theol. einschreiben, be- suchte aber von theologischen Vorlesungen fast nur diejenigen von Prof. Hitzig, der ihn als ausgezeichneter Philologe anzog, und hörte im ttbrigen an der philosophischen Fakultät vorzugsweise philologische Kollegien bei Sauppe, I. {*. von Orelli, H. Schweizer, J. Frei, S. Vogelin neben historischen bei Mutier und Hoitmger, philosophischen bei Bobrik und A. Schweizer. Als der aus dem Strausshandcl bekannte Pfarrer Bernlutxd Hirzei im Sommer XS46 an der Universität Uber zürcherische Granunatik las beüäufig be-

Digitized by Google

»$6

Stuib.

nacrkt wohl ttberhatlpt das erste und auf lange hinaus einzige Universiiats- kolk ;^ II her Mundart da befand sich unter den vier daftir eingeschnc- hencn /uhororn auch unser St., ein Reweis seines fnrtdaiiemdcn Interesse?« für die heimische Volkssprache. Nachdem St. vier Semester in Zürich s^erwcili hatte, während des letzten als erklärter stud. phil., begab er sich zum Al>> schlusa seiner Studien nadi Bonn* Aber sein sehnlidher Wunsdi, längere Zeit im Ausland bleiben zu dflrfien, ging nicht in Erfüllung: die Mutter rief ihn nnrh Hause zurück , wo in dem angesehenen Institut eines vätorlirhen Freundes (Billeter) eine Lehrstelle für ihn offen stnnd. l^nd als kurz, darauf der Leiter des Xnstilui.s in <lie kantonale Regierujig herufen wurde, licss sich St. bestimmen die Anstalt selbst su Übernehmen. Unterstützt von seiner trefflichen Mutter, die der Wirtschaft in vorzüglicher Weise vorstand, arbeitete er "^ich rasch in seine neue Stellung hinein. Dem entsprach auch der äussere Frf()I<,': (he Anstak erfreute sii Ii nus dem in- und Ausland eines steticj %vacb- sentlcn Zuspruchs. Freilich fehlten dem Liclit auch die Schatten nicht. Schwer traf St der Verlust seiner Gattin, die ihm 1855 nach kaum ein- jähriger Ehe entrissen wurde. Und dn anderer Umstand schuf ihm fort- währende Unruhe: daas ihm neben der anstrengenden Arbeit des Berufes .so wenig Zeit blich, seit^e wnssenschaftlichen Interessen zu verfolgen, insbesondere bcme sprachlichen Studien, die sich mehr und mehr auf die Mundart komeiv- trierten, fortzusetzen. So erklärt sich der bedeutsame Schritt von selbst, den er im Spätjahr 1858 that: er flbe^b das Uistitut sefaien bisherigen Mitar« heitern und siedelte nach Zürich über, um ganz der \Vis>enschaft leben zu können. Vorerst aber ver\virkli< lite er seinen alten Wunsch die We!t zu sehen; das Jahr 1850 fand ihn in England, wo er sich tüchtige Kenntnisse in der englischen Sprache erwiu-b und daneben eifrig das einheimische Volks- leben studierte. Ztirtlclcgelcehrt, ging er mit der ihm eigenen Eneigie daran, sich in die neuere germanistische Forschung, namentlich nach der spracb- lirhcn Seite hin, gründlich einzuarbeiten. Dabei erkannte er immer deut- licher den eisrentümlichen wissensrhaftliehen Wert der Volkss|)rnrlie , der schweizenschen voran, und immer deutlicher empfand er es als wissenschaft- liche imd zugleich patriotische Pflicht, die unter dem Fanfluss der modernen politischen und kulturellen Verhältnisse tasch und unwiederbringlich dahin* schwindenden Sprachschätze der Heimat zu sammdn und fUr die Nachwelt zu retten. Dieser (ledanke war freilic Ii keineswegs neu. Andere deutsche Gebiete waren mit der Sammlung ihres nuindartlic lien Wortschatzes voran- gegangen; so bcsass, um nur ein Beispiel zu nennen, das benachbarte Bayern schon seit Dezennien sein vortreffliches Sdmieliersches Wörterbuch. Aber auch auf dem Boden der Schweiz waren ähnliche Bestrebungen und Unter- nehmen längst zu l äge getreten. Srhnn 1756 suehtc der berühmte Bodmcr in Zürit Ii einige junge (Geistliche zur Anlage eines /tir« lier Idiotikons zu be- reden, und er selbst machte sich an die Arbeit, von der er 1757 eine Probe veröffentlichte. Wohl direkt durch Bodmer angeregt, ver&»te düer bemische Gymnasiarch Scbmid sein Idioticon Bemense und der Basler ProfesstMr ^reng ein »Idioticon Rauracum oder Baselisches Wörterbuch«. Weit überboten aber wurden diese an sieh recht verdienstlichen Anfänge durch Franz Joseph Staider, Pfarrer zu Fscholzmatt im Eiuiibuch, der 1806 und 1812 in zwei Bänden den »Versuch eines schweizerischen Idiotikons« veröffentlichte, in dem er zwar in erster Linie den Sprachsdiatz stmex engem Heimat nieder^ legte, diesem aber auf Grund von Beiträgen aus den Übrigen deutschen Kan-

Digitized by Google

Stettb.

237

Luiieii weiteres reiches Material beifügte. Eine zweite stark vermehrte Be- arbeitung konnte f obwohl dnickfertig, der Ungunst der Zeiten wegen nicht ZMT Ausgabe gelangen und ging nach dem Tode des Verfassers an die BUrger- bihliothek in Luzem über, mit der Bestimmung, dass das Manuskript, sofern je ein neuer, schweizerischer Sprachforscher und Liebhaber der schweizerischen Sprachkunde es zu veroftentlichen gedächte, demselben nicht verweigert werden sollte. An Staldei reihte sich 1837 der Appenzellische Sprachschat£t( des Dr. Titus Tobler, der, obschon er sich anf Ausschöpfung der Mundart eines etncelnen kleinen Kantons beschränkte, beinahe den Umfang des Stalderschen Idiotikons erreichte. Einen neuen Anlauf zur Sammlung eines umfassenden scVwvci/ordeiitschen Wörterbuchs nahm 1845, einer von rmssen an sie er- gangenen Aufforderung folgend, die Antiquarische Gesellsclia.li 111 Zürich durch einen von ihrem Vorsitzenden Ferdinand Keller und dem Germanisten Lud- wig £ttmttl]er unterzeichneten Aufruf. Es sollte nicht nur die lebende Sprache, sondern auch die ältere und älteste T-ittcratur des alemannischen Landes pfanm.Hssig ausgebeutet werden. T>cr Aufruf hatte wohl mehrere Anerbictungen und Zusicherungen der Mitarbeit zur Eoige, zum beabsiclitigten Ziele führte er nicht. Brst in St fimd sich der Mann, der mit der Binsiät in die Dring- lichkeit eines solchen Unternehmens vom sprachwissenschaftlichen und patrio- tischen Standpunkte aus und mit der notwendigen philologischen Bildung aurli (he zur Diirchfi'ihning desselben unerlassli( he Energie und Ausdauer verband und zudem über aui>reiehendc Mub^e verfugte. Am 15. Februar i86? hielt St. in der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich einen Vortrag über »Wert und Bedeutung des Dialektes«, worin er in ebenso feiner» als witziger Weise, wie der Sitzungsbericht sagt, das Verhältnis von Mundart und Schrift- sprache auseinandersetzte und riie eigentümlichen Vorzüge der erstem durch tretfend gewählte Beispiele beleuchtete. Die sich anschUessende Besprechung ergab allgemeine Zustimmung zu den Ausfuhrungen des Vortragenden und endigte mit der Wahl einer Kommission, die ttber Mittel und Wege zur Sammlung der in den sdiweizer-deutschen Dialekten enthaltenen sprachlichen Schätze beraten und von sich aas die zur Verwirklichung des Planes geeigneten Schritte thun sollte. Noch im selben Jahr erging ans Schwcizcrvolk ein von St. verfasster »Aufruf betreffend Sammlung eines schweizer-deutschcn Wurier- buchs.« Unterzeichnet war derselbe im Namen des auf Veranlassung des erwähnten Ausschusses in Zürich gegründeten »Vereins fUr das schweizer- deutsche Wörterbuch«, dem schon am Gründungstag auch aus andern Kan» tonen eine An/alil eiiirtussreiclicr .Maiuicr ])eiiraten. Binnen verhältnismässig kurzer Zeit strömte der Zentralstelle in Zürich ein gewaltiges Material zu. Es stellte sich auch heraus, dass bereits vor dem Aufruf des Jahres 1862 in vetschiedenen Teilen des Landes einzelne grössere oder kleinere Samm- lungen von Idiotismen angelegt worden waren, die jetzt dem neuen Unter- nehmen zu gute kamen; auch das schon er«'ähnte wertvolle StaJdersche Manu.skrj|*t wtirdc von der Luzerner Btirgcrbibliothek bereitwillig zur Be- nutzung au.sgcliefert. St. war, unterstützt von seinen angesehenen Freunden, von Anfang an die Seele des Unternehmens; unermüdlich war er bestrebt, der guten Sadie neue Freunde zu werben und sie zur Mitarbeit anzuleiten, (He alten Freunde zu neuen Leistungen zu ermuntern; die einlaufenden Bei- trnfre wurden gesichtet und geordnet, bereits Gedrucktes für das Wörterbuch . ausK^zogon alles in allem eine unglaubliche Arbeit, die nur ein Mann so viele Jahre hindurch zu bewältigen vermochte, der, wie St., von der idealen

I

Digitized by Google

Staub.

Bedeutung seiner Aufgabe durchdrungen, ganz in ihr aufging. 1863 eistattete er in vier Nummern der Schweiz. Lehrozdtung eingehenden Bericht über den Stand fic r Arbeiten. Die vcrs{>rochcne Fortsetzung unterblieb aus unbekannten Gründen, l-m aber bereits ungeduldi*; f^eworflenen Frcunflen mxd Mitarl>ei- tern den Beweis zu leisten, dass ihre Muhe und Teilnahme nicht »auf Ntnv merwiedersehen in einen bodenlosen Sdilund ge&llen sei,« veröffentlichte Sc. 1868 bei Hinsel in Leipzig die 186 Oktavseiten starke Schrift: »Das Brot im Spiegel schweizerdeutscher Volkssprache und Sitte. Aus den Papieren des schweizerischen Idiotikons.^ . Ks war die Krweitenin<j eines \'orfrages, den er am i. Oktober 1866 in der Anticjuarischcn Gesellschaft gchiikcii hatte. Hier koimtc nun jedermann an einem allerdings fruchtbaren Beispiele sehen, welche erstaunliche Fülle von Stoff im Laufe der verBossenen sechs Sommel« jähre sich bereits angehäuft hatte. Im Herbst desselben Jahres erschien /.u weiterer Beruhigung ailci P.eteiligten ein ausHihrlicher Rechenschaftsl>erichi der Kommission für <kxH Idiotikon, em engbetlrucktes Heft von So Seiten, ebentalls aus der t eder St. 's, wonn die bisherige Entwickelung und der gegcn- wttrtige Stand des Unternehmens mit Angabe sämtlicher Mitarbeiter und Bei- trüge dargelegt, zugleich aber auch auf die empfindlichen Lücken hingewiesen wurde, die in den Sammlungen noch vorhanden waren und noch nicht er- I:uil»ten, wie von verschiedenen Seiten gewünscht wurde, an Abschluss und VeioHeiulicliung /u denken. Schon in der Anleitung für Mitarbeiter, die dea» Aufruf von 1862 beigelegen hatte, war die Heranziehung der altem Litteratur fUr das Idiotikon als vttnschbar bezeichnet worden; noch war man aber darin nicht über die ersten Anfänge hinausgekommen, da die Sammlung di r leben- den Sprache mit Rerlii iK drini^lirhcr erschien. Krst 1874 wurde die Aus- beutung der altern Spraclie ausdrucklu h ins Arbeitsproui imm anfj^etioinmen, nac hdem durch staaUiche Zuschüsse «1;ls Luicrnehmeri eine breiiere und ge- sichertere Grundlage und der bisher einzige vielgeplagte Redaktor in der Person seiiKs l ieundes, des Germanisten Ludwig Tobler, einer^ treu« n Ge- nossen erhalten hatte, der schon früher einer der thätigsten und beiieutend- sten Mitarbeiter «gewesen w;u und nun scm vtmfasscndes Wissen vmd seine reiche Arbeiiskrali zum grossen Teil in den Dienst des Idiotikons steiite. im gleichen Jahre 1874 erschienen, 32 Quartseiten stark, die von beiden Redak- toren bearbeiteten »Proben« aus dem gesammelten Material, die in Format, Ausstattung und .\usführung der darin behandelten Artikel ein Bild von dem kfinftigen WörteHruf h <:eben sollten. Nur die Wahl der Anordnung wurde spaterem Entschlüsse vorbehalten. Zur Abklärung dieser wichtigen und schwierigen Frage schrieb St. 1876 die umfangreiche Broschüre: »lieber die Reihenfolge in mundartlichen Wörterbüchern«» deren klare und erschöpfende Ausfuhrungen die Annahme des Schmeller'schen Systems aur Folge hatten. Nun erst konnte das Material endgültig geordnet werden, wiederum eine äusserst iiiuhsnme und zeitraubende Anfirtbe. Hnrnn schlössen sich die Be- müliungen um einen Verleger und die ul>ngen Vorbereitungen für den Druck. Vor allem musste jetzt die eigentliche, abschliessende Redaktion in Angriff genommen werden. Wohl lag zu jedem Stichwort das Material auf Zetteln gesammelt vor, aber noch war viel Arbeit vonnöten, bis daraus ein druck- ferti_'ot W lu terbucluurtikel üesta'tct wrtr: nochmalige sorpfriltigc Priifutii^ und SKhiung lies .Materials, Aussciieidung aiies dessen, w;is nicht in den vor- geschriebenen Kalimen des Werkes hineinpasste, Krgäjuung ungenauer An- gaben durch Fragen an die Ibfitarbeiter, FeststeUung der Form, sowie des

Digitized by Google

Stanb.

«39

H<;^<Jeuuingsumlangs und -inhalies, etymologische uiid sachliche Erklärung u. s. w. ü^ndlich nach beinahe xwanjcig|ährigen Vorarbeiten encluen 1881 das lang- orsehnte ente Heft des Idiotikons, von der Kritik des In- und Auslandes

oinliellig mit freudiger Anerkennung begrUsst. Wie dieses erste, so wurden aticrh die niirhstfoli^enfKii Hefte von St. nnd Tol)ler allein redigiert; sehr l>:ilcl aber zwang tlcr tigcne Wunsch und das Drangen liei sul)\ cntionierenden liehördcn nach rascherem Erscheinen des Werkes zur V'ennchrung des Re- daktionspersonab. Diese brachte es mit sich, dass das JM^uskript der ver- sc>Ki«denen Redakteure, um dem Wörterbuch den einheitlichen Charakter su bewahren, einer einheitlichen Schlussredaktion unterworfen werden musstc.

verstand sich von selbst, dnss St. tliesc Aufgabe ubernahm, und er ent- ledigte sich ihrer mit bewundernswertem l akt und (icschick. Vor allem kam ihm dabei seine einzig dastehende Kenntnis der schweizerischen Mundarten, sowie des schweizerischen Volkslebens überhaupt zu statten. Und zwar ver> dankte er diese Kenntnis nicht bloss dem im Bureau aufgehäuften Material, das er allerdings wie kein /weiter beherrschte, weil ihm sozusagen jeder Zettel mehrfach durch die Hand gegangen war, sondern eltenso.sehr persönlicher Anschauung und Erfahrung. Wenn immer mögUch, pilog er auch mit den auswärtigen Mitarbeitern mUndlichen Verkehr. Selten verging eine Woche, ohne dass er einen von ihnen unter seinem gastlichen Dache bewirtete oder beherbergte und wenn sich Gelegenheit fand, erwiderte er den Besuch. T icbe /lim srhweizerisrhen Volkstum 1)ildete das einigende Band; da gabs kein An- sehen der Ronfessiun oder politischen l'arlei; so unlerhiell er, der überzeugte Protestant, mit einer Reihe katholischer Priester die ho^chsten Beziehungen. Seit Jahrzehnten verbrachte er jeden Sommer die Ferienwochen abwechselnd in dieser oder jener Oegend des Vaterlandes, wobei er mit begreiflicher Vorliebe die abgelegensten Hochthäler aufsuchte, die für seine Studien den reichsten Gewimi versprachen. Stets trachtete er mit dem Volk in vertrauliche Berfihrung zu treten, und es war köstlich, ihn erzählen zu hOren, wie ers anfing dem zugeknöpften Wesen und lifisstrauen der Leute beizuVommen, bis der Quell zu .sprudeln begann, aus dem er mit vdller Hand seine Schäf/c s( hö])fte. Ffir alK-s ( lese h.iute unrl Gehörte hatte er ein scharfes Auge und ein ungewöhnlich fenies Gehör und bewahrte es in treuem Ge- dächtnis, das ihn kaum jemals im Stiche Hess. Dazu kaui noch ein anderes. Schon in jungen Jahren hatte St. angefangen, alles, was er nur an Hand- schriftlichem und Gedrucktem schweizerischer Herkunft, an bildlichen Dar- stellungen vaterländischer Trachten, Sitten und Gebräuche, Gcgeiulen, Er- eignisse inifi rersönhVhkeiten avit'treihen konnte, zu samniehi, micl diese Thatigkeit, mit unermüdlichem Jviler Dezennien fortgesetzt und unterstutzt durch einen feinen Spürsinn, ergab schliesslich eine Sammlung von Helvetica, wie sie in ähnlicher Reichhaltigkeit kaum in den öffentlichen Bibliotheicen zu finden ist. Bei solch intimer Vertrautheit mit der Sprache, den Sitten und .Ansrhauungen des Volkes begreift sich die Sicherheit, mit der St. als Redakteur in dem zur Bearbeitung vorliegenden Material Echtes von Un- editcm, aus dem Volke Stammendes von Gemachtem, Kinheimisches von Fremdem zu sdieiden wusste. Hierin that es ihm keiner nach. Daneben verfügte er über eine gediegene philologische Bildung \m<\ war gründlich und gewissenhaft, auch im kleinen. Mit der f.u lnvisseris< lial'tüchen Forschung suchte er stets Schritt zu halten, und er sch it/te das Gluck hoch, das ihm ia der Person seines freundes Heiiiridi Schweizer einen bewährten i-ührer

Digitized by Google

StattK

auf diesem Gebiete beschieden hatte. Auch sonst ergriff er jetlc (iclciicnhcir. sich wissenschafthch zu fördern; noch in den letzten JtHren sah man ihn z. B. auf den Bänken der Zürcher Hochschule als aufmerksamen Zuhörer. Von ergiebiger litteransch«: Thätigkeit ausserhalb des Wörterbuches konnte bei St. natürlich keine Rede sein. Immerhin sind noch einige wertvolle Arbeiten zu nennen. Im 7. Bande von Frommann's Zeitschrift: die deutschen Mimdatften (1874) vcröfTentlii hte er eine l.iut^es( liirli(Ii( he .\bhandlun^' über ^die Voka- hsierun^' des \ bei den schwci/erischeti Alemannen«, die erweiterte Gestalt eines V orLragcs, den er am 5. Oktober 1873 im hitcresse des Idiotikons vor den in Zürich versanmielten Gymnasiallehrern gehalten hatte. Der Au&atx ist nach jeder Richtung, sowohl was die Fülle und Ciruppierung des Stoffes* als auch die Feinheit der Beobachtung und den Reichtum der Ergehnisse angeht, mustergültig. Nicht minder l ob verdient die fhissipe. humorvolle Diktion übrigens ein Vorzug, der :ülem, was St. geschrieben hat, eigen ist uind sein«; Arbeiten auch Aber den trockensten Gegenstand su einer anstehenden L#ek- türe macht. 1S79 besorgte er fUr A. Issels »Sammlung selten gewordener pädagogischer Sdiriften des 16. und 17. Jahrhunderts« eine Ausgabe von Zwinglts T.ehrfuK lileiti in der vom Verfasser selbst herrührenden deutschen Uebersetisung und lügte erläuternde sprachliche Anmerkungen hinzu. Als Mitglied der Kommission fiir das Pestalozzistübchen, der er von ihrer Knl- stehung an bb anfangs der 90er Jahre angehörte, nahm er hervorrageuden Antei] an der Herstellung der Jubiläumsausgabe von Pestalozzis »Lienhaid und (rertrud fiS8i 84^; ihm fiel insliesondcre die Bereinigung des Texte«; und dessen sprachliche Krklärung tu, am h die darauf bezüglichen Teile der Vor- reden scheinen, dem Stil nach zu schliessen, aus seiner Feder zu stammen. Gross war sein Einfluss auf die Gründung der sdiweizerischen Landesbiblio- thek, Uber deren Einrichtung er in einer ausführlichen Denkschrift an das eidgenössische Departement des Innern sich aussprach. Für die Bibliographie der srhwcizcrisrlicn T.andcskiinde übernahm er, [rcwrss der Berufenste daT'u, die Bearbeitung der mundanht:hen Litteratur; leider war es ilim naht mehr vergönnt, seine Zusammenstellung, die bereits auf mehrere tausend Zettel an> gewachsen war, abzuachliessen. Von 1861—1869 gehörte St. als eifriges Mit- glied der Aulsichtskommission des kantonalen Gymnasiums an. 1871 trat er, nachdem er sich Itirz zuvor dns städtische Bürgerrecht erworben hatte, in den !>ienst der Zürcher St ultliil>liothek, zuerst als zweiter, dann (von 1880 anj als erster Uittcrbiblioihekar. Im Sommer 1885 wurde ei zur MiUeitung der Bibliothek berufen. Schon im November des gleichen Jahres aber etiiat er sich einen längem Urlaub und nahm im Mai 1887 seine Entlassung, weil ihm ein stetig zunehmendes Augenleiden die gewissenhafte Erfüllung der über- nommenen Pflirhten unmöplirh machte. Weitere öffentliche Stellungen hat St. meines Wissens nicht bekleidet und sicher auch nicht gesucht; denn nichts widerstrebte seiner stillen, anspruchslosen Natur mehr, als eine sogenannte öffentliche Rolle zu spielen. Dessenungeachtet nahm er an allen Fragen, die die engere und weitere Heimat bewegten, den lebendigsten Anteil. Flreilich oline mit der neuem EntwirV:elnng der l)in2:c im Herzen einig 7\\ j^ehen; die fortschreitentlc Centrnlisalion, die wachsende I'"rei/u^Mi;keit auf allen dehieten, die ganze moderne Kuliur mit ihren ausgleichenden 1 endeiuen und ihrem internationalen Charakter sdiienen ihm in eben dem Masse, wie sie der ksn* tonalen und schweizerischen Eigenart Abbruch thaten, eine Gefahr für die schweizerische Unabhängigkeit und Freiheit. Aber wie wir der Liebe lu

Digitized by Güu

Stanb.

241

einem uns teuren Wesen erst dann recht iiine werden, wenn wir es gefährdet sehen, so wurde St.*s Liebe zu seinem Vatcrlandc dadurch nur um so inniger. Sein .Patriotismus war aber nicht von jener Art, die sich in tönender Phrase ergeht und erschöpft, sondern der wahre, der seine Befriedigung in der stillen, selbstlosen Arbeit /.um Wohl und /.iii Khrc des Can/en findet Die gewallige Arbeit für dns Idiotikon hat St. mehr als zehn Jahre hu)<4 uhne jedes Entgelt gethan, und als es seit 1874 endlich niügUch wurde, ihm eine Entschädigung zu gewahren, war sie b«cheiden genug und stand zu seinen Leistungen und Verdiensten jedenfalls in keinem VerhiUtnis. Kein Opfer an Kraft, Zeit und Geld war ihm zu hoch, das er dem nationalen Werke bringen konnte. Wclrh ein Tnuin})h wäre es für ihn gewesen, es abgeschlossen vor sich zu sehen 1 Aber er ver/ichtete gerne darauf, als er einsah, dass derselbe uur durch eine Schmälerung des Wertes des Idiotikons zu erreichen war, und er sträubte sich gegen den alles Ernstes gemachten Versuch, dieses durch Forthissung aller jener Zuljiaten, wie Sprichwörter, Redensarten, Volkswitze, Spiele, Aberglauben u. s. w. zu einem dürren Wörtcrvcrzeit hnis herabzudrücken. Solcher Sell)sd()sijikeit gesellte slt h eine ruhrende Bescheidenheit. Nichts lag St. femer, als sich auf seine Verdienste etwas einzubilden, im Gegenteil, nie- mand konnte geringer davon denken als er, während er auf der andern Seite gar zu sehr geneigt war, die Arbeit anderer ins Licht zu stellen. Niemals drängte er sich, auch wo es ihm von reehfswegen zugekommen wäre, in die vorderste Reihe. Tm Oktober TSf).S \erheh ihm die philosophische Fakultät der Ziircher Hochschule unter dem Dekanat von Professor Ci. von Wyss »auf Grund seiner fUr die Wissenschaft so bedeutenden Vorarbeiten für das Schweizer Idiotikon und w^gen seiner soeben erschienenen Schrift Uber das Brot« den Doktortitel honoris causa. Nur weils nicht wohl anders ging, nahm er die Khmng an, deren er sich für unwürdig hielt; nie hat er sich selbst mit dem doeh so wohlverdienten Titel geschmückt, und es war ilun am hebsien, wenn ihn aut Ii andere damit verschonten. Kinfach und an- s|>ruchslos war auch seine I.ebenswetse und sein Auftreten. Niemand hätte hinter dem unscheinbaren Aeussem ein so reiches inneres Leben gesucht. Wer ihm aber näher zu stehen d;us Glück hatte, erfreute sich seiner treuen Gesinnung und seines reinen, heitern Gemüts. Ktn rref!'endcs Scherzwort stand ihm, wo es am Platze war, allezeit zu Gel)ote, und oft hat .sem liebenswürdiger Humor in geselligem Kreise Sonnenschein verbreitet. Allen Armen, vom Schicksal V^olgten war er ein teilnehmender Freund, und die reinste Freude bereitete es ihm, im stillen wohlzuthun. Wo er unlauteres Wesen und selbst- süchtige ^Totive 7u erkennen glaubte, hielt er mit srharfem l^teil nicht zu- rück. Am iiebbten war ihm Her Umuan^ mit Kindern, luul gern beteiligte er sich noch im spätem Alter an ihrem harmlosen Spiel. Gross war auch seine Freude an der schönen Gottesnatur, und er konnte in heiligen Zorn geraten, wenn er sah, dass Menschenhand sich roh und gewissenlos an ihr versündigte. Auf die Ausbildung und Abhärtung des K«)r!)eis Iep;rc er grosses (iewicht; er war ein ausgezeichneter Fussgänger und jahrelang ein fleissiges Mitglied des ZUicher Männcrtumvereins. Seit längerer Zeit plagte ihn ein sdiweres Augenflbelt das er sich ohne Zweifel bei der Arbeit am Wörterbuch zugezogen hatte und das ihm schliesslich Lesen und Schreiben nur noch not" dürftig gestattete. Dass er trotzdem bis zuletrt so ausgiebig an der Redak- tionsarbcit teilnehmen konnte, dankte er seinen Anfichörifren und einer treuen Bureaugehilfin, die ihm durch Vorlesen die verlorene Sehkraft, soweit es mög-

Digitized by Google

«4«

Staub. DioBCr.

lieh war, ersetzten. Tief erschütterte ihn im Jahre 12^95 der Tod scinci» Freundes und langjährigen Mitarbeiten Ludwig ToUer, der n&dnt fhin den grössten Anteil am Gelingen des nationalen Unternehmens hat; Todesahnungen

beschlichen ihn: »Auch mein Stündlcin wird nun bald sdJage&c, äusserte er oft. Seine Ahnungen täuschten ihn nirht : mitten aus seiner Arbeit ist er nun abberufen worden. h\ Landegg bei Kurschach, wo er sich mit seiner FamiUe in den letzten Ferien einige Erholung gönnte, zog er sich bei einem Gewitter eine ErkjÜtung tu. Eine Bnistfellentzflndang entwickelte ndi, zu der eine Lungenentzündung hinzukam, und diesem wuditigcn Angriff vermochte sein ohnehin geschwächtes Herz nicht zn widerstehen. Wohl gelan^r es noch, nachdem er bereits sechs sc hwer ^'cliticn, ihn nach Hnuse über/ufuliren ; hier aber trat bald ein Scliwachezustand ein, der keine iauschung uU;i den Ausgang mehr culieas. Ohne Fieber, schmendos, bei vollem Bewusstsetn ging er am 3. August zur ewigen Ruhe ein. Das Geschick hat es gut mit flim gemeint: ein träges Siechtum blieb ihm, dem ein Dasein ohne Arbeit un- denkbar w:ir, erspart; auf dem Höhepunkt der Reife ist sein schönes, reich- gesegnetes Leben erloschen. Sein grosses Werk hat er unvulkndcl hinter- lassen, aber der W eg ist geebnet, auf dem es rüstig fortschreiten kann. Ich schliesse mit den Worten, die ein Freund dem Heüngegangenen am Grabe nachgerufen hat: »Das Denkmal, das er seinem Namen gestiftet, ist dauer- hafter nls Stein und Frz, und so Innf^e es eine schwcizcrisrlie Fi(!t;enossen- schnft giebt, wird Fritz Staub zu den besten und treuestcn ihrer Sohne ^ zahlt werden.«

A. Bachmann.

Diemer, Johannes. Wieder hat das Schicksal einen jener Auserwähltcn aus unserer Mitte gerissen, welche berufen wnrcn, die Würde xmd Weihe des Ol icr ammcrgauers Passionsspiels zu erhalten und durch ihr Beispiel auf die junget c Generation zu vererben. Johannes D., der weltbekannte Chorführer in den Passionss|Melen 1860, 70, 71 und 80 ist am $. Mai 1896 nach längerem mit unbeschreiblicher Geduld und Liebenswürdigkeit ertragenen Leiden sanft entschlafen. Juhannes I), geb. 183^ als der Sohn des damaligen niir^cnneistcrs Dieniei , entwu kelle Irtih eine eminente Begabung kir die darstellende Kunst. Die Familie stammt aller Wahrscheiiüichkeit nach aus Italien; ein Zweig derselben scheint schon zur Zeit, wo die Römerstnune ttber das BaTrisdie üebirg führte, dort zurUckgeblicIten /u sein. Ein anderer Zweig wanderte von Trier her in Fiayem ein, der ebenfalls auf römischen Trsprung hinweist. D.'s fyan/Q Persönlichkeit bestätigte diese Fnmiüentraditidn : Der südlich klassische Typus des Cieüichis, die weiche Stimme, die künstlerische Indivi- dualität. Eigenthtimlichkeiten, die ihn zum unerreicht vollendeten Darsteller jener Gestalt machten, hfi weldier sich der biblische Character mit dem Ge> danken des antiken Chorfiihrers vereint. Seine grossartige künstlerische Kegabung, mit der er Jeden entzückte, der ihn als Prolog sah. ist es iber nicht allein, was wir ihm lutch/.unihmen haben. Wenn es in Schülers Wallenstein heisst: ^denn Viele sind, die seine Anniuili und {»eiaci Suun Freundlichkeit eriiüiren,€ so ist dieses Wort vor allem auf unsetn verklärten Mitbürger anzuwenden. Nach jeder Seite unseres (iemeindelebens hat I). sich nützlich ;:*'muht und durch seine Freundlichl.eit und Sanfinuith wie durch seinen s( harten Verstand Intdlieh und segensrci( h p:c\virkt. Sowohl alü Präsident des » Lieder kramcs«, der seinem hohen musikalischen Siim, die

Digitized by Google

Diener. Dittce. S43

schönsten Anregungen verdankt, als auch auf praktisclicm (icliictc in seiner Eigeittduft ab Vorsteher gemeinnütziger Vereine, hat er gleich iVusgezeicfaneles geleistet. Ja sogar als bereits seine töddiche Krankheit die Axt an die Wund seines Lebens gelegt Iwtte, raffle er noch seine letzten Kräfte sur

Summen, um in bewtinderunpswerthcr Pflichttreue <;cinc 01)Hef;cn]ipiten zu crfullfu und l)cs(:hlcuiiigto dadunh sein Kndc. Wir haben hier nicht Raum ^enug, um uns über diesen seltenen Charakter, diese feine KunsLiernatur, deren verschlossenes Wesen nicht jedem zugänglich war, naher aussusprechen. Aber seinen Sinn ftir seine Gemeinde, seine Hilftberettsdiaft, die Sclbst- losi;/koit mit welcher er den künstlerischen Zwecken Ammcrpatis diente, können wir iiiclit unerwähnt Inssen, so r. B, wirkte er 50 Jahre lang als Sanger mit und war wahrend dieser ganzen Zeit eine Stütze unseres ivirchen- chors. Unter grossartiger Beteiligung der Gemeinde und feierlicher Grab- musik haben wir den tief Betrauerten sur letzten Ruhe bestattet. £s war ein ergreifender Anblick, als die älteren Passionsdarsteller Christus und Kaiphas tlen Krant auf das Grab ihres ein5:tigen ( 'fiorführcrs niederlegten. Und wie eine Resic«:elunj; seines j^'anzen l eljen-s luj^te es die Vorsehung, dass auf dem "Wege zu seinem Grabe die Faluien des Friedensfestes flatterten, weiches am 10. Mai 1896 in Deutschland gefeiert wurde. Friede seiner Asche!

Oberammergau. Wilhelmine von Hillern.

Dittes, Friedrich, einer <!er bedeutendsten PJifinpopen der Neuzeit und daneben ein Mann, der sich durch eisernen Meiss und nie ermüdende Zähig- keit aus den bescheidensten Verhältnissen bis zu der Höhe einer Autorität auf dem Gebiete der Erziehung und des Unterrichts emporgearbeitet hat, wurde am 83. Septbr. 1829 zu Irfersgrttn im sächsischen Vogtland als der Sohn eines schlichten, mit Kindern reich gesegneten Landmanns geboren. Er erhielt seinen Unterricht in fier norlschule luid (hirch den iMarrer des Orts, entschloss sich dann, Lehrer zu werden, uiul trat lieshalb 1844 in daä Seminar zu Plauen ein, in welchem er bis zum Jahre 1848 verbÜeb. Als Sdiulvikar in Thalheim bei Chemnitz begann er seinen Lehrerweg; ein Jahr später finden wir ihn als Bürgerschullchrer in Reichenbach, von wo aus er die in Sachsen vorgeschriebene zweite Lehrerprüfung und bald darauf auch das Rektoratsexamen ablegte. Da letzteres in Sachsen den Volksschuilehrer berechtigt, Vorlesungen an der Universität hören zu dürfen, und D. sich ausserdem seit seinem Austritt aus dem Seminar besonders dem Studium der alten Sprachen gewidmet hatte, 80 nahm er ihr anderthalb Jahre Urlaub, liess sich in Leipzig als H«>rer insrribieren unfl studierte Mathematik, Natur- wissenschaften, Cieschichte und Philosophie. Der Verl)rau(h seiner Mittel nötigte ihn, nach Reichenbach in den Volksschuldienst zurückzukehren. Im folgenden Jahre (1853) trat er an die Bürgerschule zu Plauen über, wo er vier Jahre wirkte, die er redlich benutzte, nicht nur zum tieferen Eindringen in die humanistisc hen Studien, sondern auch zur liethätigung als iitiihisoplnsch- pädagogisrher Schriftsteller. Von seinen in Plauen entstandenen Sc hnften fDas menschliche Bewusstsein , wie es psychologisch zu erklären und päda- gogisch auszubilden sei« (1^53), »Das Aesthetiscbe nach seinem eigentüm- lichen Grundwesen und seiner pädagogischen Bedeutung dargestellt« (1854)^ i^lJeber Religion und rehgiöse Menschenbildung« (1855) und »Die Naturlehrc dos ^^oraHs( heil und Kunsflehre der moralischen F!rziehung'< (1856) wurden die beiden ersten mit emem Preise gekrönt. Im Jahre 1S57 kam D. an die

i6*

Digitized by Google

2JU

tos: fir. irelciictc 1. Bargenchule in Leipzig, liolie hier 185S «b»

Abh^ricntcnexamen nach und bcxoe nun xum xacticnfnale die Univ«rsi(ät,

an fer er Hurch sier Semester bei den Frot'essoren Hartenstein, Droiwsch. ferhner. Klotz, Siiilih;iucr, \Var:h>muth, Wijitke, Handel, Moltius, Neumann. Weis-»*;, Majlnich u. a. phjla'»*^4>hiM^he, |ja(l:i;jo^i>< he, hL^orische und phil«>- krjnv.hc VofieHunjicn hörte. I>iejier Studicrueh eutitammen auch die vtm der ITnivenitAt \ja\mfiL imt «km eisten Preise gekrönte Schrift 'Ud»cr die aatt- Hrhe Freiheit, mit besonderer Beru« ksirhu^un;; der Systeme von SfWioza, I^l>nit/, Kantv '1850 und die Abhantilung Leber Eudamoni&mus^ ^iS6o. Narhdem I). im Jahre 1860 (Lls Kxamen für d.xs höhere Lehramt bestanden und «tich bald daxauf die Wurde eines Dr. j/hü. erworben hatte, «lirde er noch in detnselt^ Jahre als Siihrektor an die mk emem Prog}^iinaaiiim ver^ liundcne Realitchule zu Chemnitz berufen, vo er sich sehr bald die Achtung seiner Kollegien ZU er»'erben wu.sste, so dass sie ihn zum Vorsitzenden de» pa«la;/of£isrhcn Vereins wählten. Weil til>er die weiss-grunen Grenzpfahle des Sachstnlandoi hinaus w urde sein Name f)ekannt, als er auf der sachsischen IxfarervetsammJung in Chemniu ^8641 die sachsischen Lehrerseminare einer so M:harfen Kritik unterzog, das» die Reinenmg sich venudasst sah, diese Anstalten nicht bloss revidieren zu lassen, sondern auch zu reformicffen. Al> ciaher im fol^cntlen Jahre die j^othaisrhe Regierung an Stelle des verstorl>enen T)r. Karl Srhmidt einen neuen Direktor des Seminars zu Gotha suchte, kor"*^^' iiiesterwc^i keinen j^ecigneleren ^Lmn vorschlagen als D., der denn auch axn 15. April 1865 seine Wirksamkeit als Seminardirektor, Schuhat und Landc$> schiilins|)ektor in Gotha begann. Mit heiligem, sittlidiem Emst ging D. an seine .Aufgaben heran, die er in dem Lehrplan des Seminars sdbat in folgenden Worten formulierte:

»D.is Seminar ^oll sei- 7 .1 nicht lu routinierten SturnV riLToTjern ..nd Schul- haltern alinchtcn, welche haiid ,vi.rL-i;»iv-!{j n.ich einer gm- issen Schablone arbt:;:cD; »oll vicIriRhr erziehende I.ehrcr bilden, deren gesamte Berufith.1tiglccit saf hannoniscke Kniwi' kclunjj, .uif die IciMiche und geistige Wohlfahrt der ihnen anvertrauten Kinder ge- richtet j>t. Ihe pcrsöiiiirhc l üchtigkcit der Volk-schullehrcr ist die hcstc Garantie der Voikiir/iehufif^; sOe Aufsjchts- und Vcrwaltungsroa-ssregeln ilD Schulwesen erweisen sioh .tIs uiizuliliiglich, wenn den Lehrern die Eirri. h: in da« Wr cn ihre- KLruf-, die Fähiglett freier Bewegung n:i< b päulagogj)»chen Normen und das lebendige Interesse Ittr die Entfaltung der lundliclien Individualitäten gvbrkbt. . . . L'ebcrdics rnnis ytAn MfHdrtl^ MemchetK frcun<l wUns< heil, d.iss venilinftige Ansichten liber Eriiehung und eine richtige Wci>e der Krzivhiiiig mehr und tncbr ini Volke Fu»& f is^'cn; wer sollt« ithei {{eei^nctcr »ein, «ucb in diesem .Sinnt nis Volksbildner ru wirken, al« gerade der VoUtssebälcluer? Wenn endlich die VolksschüHehrcr in gts^et?:!'' Ii r^crcrfc'tc r Wc ;-c ui 'i ,ni der ^'cnv:^^ttlng tind Leitung dcb Sc'hulwcttciui tcilnehuieu sollen, was von erleuchteten Regierungen als heilsam, ja «1» Dotwendff aacrkanat wird, so mltoseo sie vor allem au uitcilafilhi^ Mlanem henu^gebOdct werden.«

Nur etwas über 3 Jahre war es D/heschieden, in Gotha lu wirken.

T);t tr:)f an ihn ein <'hrenvnl!cr Ruf heran, d**m er im Interesse der zt;'cn S.K.lic folgen zu müssen glaubte. Bereits im Jahre 1864 w.ir im ( iciiiciiKic- rat zu Wien die Idee aufgeiautht, das of^■entliche Schulwesen auch durch Steigerung der Lehrerbildung zu verbessern, imd zwar durch Errichtung einer Fortbildungsansfali für bereits gepnifte Lchramtskandidaicn und Lehrer, f^'mor Anstalt also, die dem seil 1855 in Oesterreich geltenden Konkordate nu ht un'( nvr»rfen wcrfirn musste. N u h !rt?ii:\vieri?en ^''erhflndlungen mit der von der licisLlichkeit becmHusslcn Staatsbehörde wurde endlich am i.Novbr. ii>6j die (jenchmigung zur Errichtung des Pädagogiums erteilt und Schultat D.

Digitized by Google

Dittcs. Harms. Gurlitt

«45

obwohl er sich gar niclu um das Ann beworben hatte mit 118 gegen s (geistliche) Stimmen zum Direktor der neuen Schöpfung gewählt, die am T2. Oktbr. 1868 eröffnet ward. Im Jahre 1870 wunk er vom Wiener Ge- meinrlerat auch in den mederösterreichischen Landesschulrat entsandt und 187;? aut h (ohne sein Zuthun"^ in (len österreirhisrhen Reichsrat crcwahlt. In allen diesen l'uhiüonen hat 1). mamihaft gegen alle Intrigen, Anleindungen und Voleamdmigen gekämpft, die ihm, dem J^testanten, nidit nur von der katholischen Geistlichkeit, aondem schliesslich auch von klerikal gesinnter Seite in den deutschen ('re])ieten zuteil wurden, und die Saat, die er durch Wort und Schrift ausgestreut hat, ist niclu vom Winde verweht worden. Das bezeugt auch die grosse Verbreitung der von 1). in Wien verfassten Schriften: »Lehrbuch der Psychologie« (7. Aull. 1882), das vom Papste 1879 auf den Index gesetzt wurde, »Lehrbuch der praktischen Logik «e (9. Aufl. 1885), ^(lrundri?is der Erziehungs- und Untcrrichtslehre« (10. Aufl. 1890), «Methodik <ier Volksschule« (.\. Aufl. 1878) und »Geschichte der Erziehung und des Unterrichts«, (9. Aufl. l890^, welche dann alle zu einer Gcsamtaus»^nhe untei dem Titel »Schule der Pädagogik« (5. Aull. 1894) vereinigt wurden. Nach 13 jährigem, höchst verdienstlichem Wirken trat I>. am i. August 1881 mit allen Ehren in den Ruhestand, auch in der Folge noch bestrebt, seinen Ein- fluss auf die Lehrer geltend zu machen. Und dazu f iTid sie Ii hinreichend (Iclegenheit in der von ihm 1^70 .L'e;,'rfiiideten Monatsschritt für Erziehung und Unterricht yPndau'o^iuin« , die er erst Usteni 1896 eingehen Hess. I). starb in Wien am 15. Mai 1896.

SonnlBgiblBtt der Preaisitcshcn Ijehimdtmig. Jahrg. 1883. Nr. 28 u. 29. Jahrg. 1896, N. s8— 3a

Franz BrUmmer.

Harms, Johann Caspar Christian Georg, geboren am B.April 1819 zu

Ellwürden im Grosslu r/oi^tuiii nif!en!>\np:. Iu-s-.k htc erst das Seminar zu Olden- burg, lim sieh /um \ Olkss» hullelirei aus/uhilden , studierte dann aber an der Univcr^im Berlin Maihemaiik. l»ci (iruiukmg der Obcr-Rcalschule in Olden- burg 1845 wurde H. als Lehrer an dieselbe berufen und hat an ihr 45 Jahre gewirkt. Im Jahre 1852 wurde er Oberlehrer und 1872 Professor; Ostern 1888 trat er in den Ruhestand. Neben seinem Lehramt versah er auch seit 1852 die T eitung der Gewerbeschule, die er auch nach seiner Pensionienmg noch eine Zeit lang führte; ferner war er 1862 77 Mitglied der Ackerbau- schul-Komnüsston, 1876—88 Mitglied der städtischen Schalkommission für höhere Schulen, 1869 Mitglied der Kommission zur Beratung des Seeschiffer- Prüfungswesens und seit 1879 mit dem wissenschaftlichen Rechnungsabschluss der I^andes- Witwen-, W^ni-^en- und Leibrcnten-Kitsse betraut. Er starb am 8. Novbr. j^r)6. Als Schi iltsieller ist er Verfasser mehrerer Unterrichtsbücher für den niaihcmalischen und Rechenunterricht, von denen besonders sem mit Dr. Kallius herausgegebenes »Rechenbuch Air Gymnasien, Realschulen etc.« (1870, 12. Aufl. 1896) die weiteste Verbreitung gefunden hat. Seine »Fabeln, Paraheln und Rätsel für die Jugend« (1847) sind Originaldichtungen.

Nach dem Seibatbericht in H. Ktthn: Lehm als Schriftsteller. Lcip/iir i SSS. S. 60.

i'ranz Brummer.

Gurlitt, Hans Christian Emanuel, wurde am 24. Januar 1826 zu Altona

als der Sohn eines Fabrikanten pebnrcn. be-^urhtc aniängürh die gewöhnliche Bürgerschule, spater das Institut von Michei Andresen d;Lselbst und trat nach

Digitized by Google

GurlitU Berthelt.

seiner Konfiimation, Ostern 1842, bei dem bekannten Cbronometermacber

der dänischen Marine, Kessels in Altona, in die Lehre mit der Ver]>fli<'htung. währenrl einer achtjährigen T.chr/eit ;iu.s/uharren. AI«; er 6 Jahre dieser T chr- zeit hinter sich halle, crlolgte tlie Erhebung des schleswig-holsteinischen Volkes gegen die dänische Herrschaft, und G. trat im Juni 1848 in die Reihen der Vaterlandsveiteidiger ein. Li der Sdilacht bei Kolding am 25. April 1849 als Fähndrich verwundet, a\ancierte er am a6. Juli 1849 sum Offizier, trag aber ein Jahr spater in der S( hlacht bei Idstcdt eine so schwere VerwnnHnn^ davon, dass er in der Folge durch Exostikulation den linken Fuss \crl> r. Im August 1851 bei Auflosung der schleswig-holsteinischen Armee Gani:- invalide unter Zusicherung einer lebendänglichen Pension entlassen, die ihm aber erst vom i. Juli 1867 ab gezahlt wurde, siedelte er, gänzlich mittellos, 1853 nach Husum über, wo er ein kleines Gewürzwaarengeschaft gründete, das er zwanzig Jahre lang weiterffihrtc. Im J.ilire 187.^ wählte ihn die Bürger- schaft von Husum zu ihrem Büigenneistcr, und dieses Amt verwaltete er bis ZU seinem Tode, den 13. Juli 1896. Auch war er wiederholt Abgeordneter zum Frovinziallandtage* G. ist mit seinem poetischoi Talent erst sehr spät hervorgetreten; seine »Weinsprossen, Lieder und Sprüche« (1876) sind erst in (Ion Jahren TS74 75 entstanden, und Kmaniicl Geibe! urteilt über sie: »Die Beeren sind noch nicht alle glei< h reif und süss, aber es sind doch treffliche darunter.« Deudicher tritt das lyrische Talent des Dichters in seinen plattdeutschen Gedichten »Von de Nordseestrand« (1880) zu Tage, während seine harmlosen Lustspiele »Der verhängnissvoUe Schlüssel« (1878);

»Der neue Schulrat- (1879); *lncognito oder ein Muster-Bürgermeister« (i87()'r;

>P>st en Näs un denn en l'.riH (iSSq) und »Hausmittel« (1893) wohi nur vorübergehende Anerkennung beanspruchen konnten. Persönliche MtUeilungeo.

Franc Brttmmer.

Berthelt, Friedrich August, wurde iSi^. lairz nach der Völkerschlacht bei Leipzig, zu (IrossrÖhrsdort bei Pulsnitz in Sa( hsen geboren, wo sein Vater Lehrer war. Dieser kam 181 7 nacli Krippen bei .Schandau, und hier verlebte der Sohn seine Kindheit. Bis zu seinem 15. Jahre genoss er des Vatets Unterricht in den einfachsten Elementanädiezn, später den Privatunterricht eines jungen Pfarrers im Nachbardorfe, worauf er 1829 in das königl. Lehrer- seminar zu Dresdcn-FriedrichstarU eintrat, das er vier Jahre lang besuchte. Nach bestandener Lehrerprüfung wurde er im Herbst 1 833 als Lehrer an der mit dem Seminar in Verbindimg stehenden sogenannten Realschule in Dresden angestellt, die später in eine Bürgerschule umgewandelt wurde, und zu An* fang des Jahres 1842 zum Direktor der L Bczirksschule in Dresden ernannt. Als solcher gehörte er aurh seit 1844 der rnlfnngsloTnmission für die An- stellungs- nnfl Befordi rungsprulungcn der \ dlkss« luiUehrer an. Im Jahre 1846 erfolgte scme Krnenijuug zum Direktor an der 1. Bürgerschule, welches Amt er bis 1874 verwaltete. In diese Zeit fällt nun die eminente, fruchtbringende Thätigkeit B.'s als Schriftsteller und Redacteur. Bereits 1845 hatte er mit seinen Freunden Jäckel, Petermann und Thomas zwei »Handbücher für Srhiii er herausgegeben, ein »grösseres fttr höhere, ein ^»kleineres^ f?ir niedere Volksschulen bestimmt, welche in Kürze den Stotf der sogenannten Realien enthielten und den Schülern sowohl zur Vorbereitung auf den Unterricht als auch zur Wiederholung dienen sollten. An diese Handbücher schlössen sich

«

Digitized by Google

BertbclU Helm.

247

eine Reihe von Kommentarai» die dem Lelirer zvl seiner Vorbereitung dienen

und auch von den Schülern zum Selbststudium benutzt werden sollten. B. vcrfasste in dieser Reihe die Kommentare über »Chemie« (rRq t;), »Cicographie« (1855), »Naturlehre (i<S53^ und »Pflaiucnkunde« (mit Ernst Besser, 1861). Auch ein Lesebuch liir Oberklassen »Lebensbilder« (IV, 1848 50) uiid »Btbltsdie Geacbichten mit Büdemc (1860) gab er mit seinen Freunden her- aus. Ein 1 1 orragende Rolle spielte B. im Vereinsleben der Volksschul- lelircr. Im Jalirc 1S44 gründete er mit andern Pcstalo/zi-Jüngern den Sat hsist lien Pestalozzi- Verein« zur ünterstut/unf; der bedrängten Hinter- l>iicl)enen der Lehrer, und Jaiirzehnte lang hat er als Vorsit2ender an seiner Spiue gestanden. Im Jahre 1848 gab er die Anregimg zur BQdung des «Allgemeinen Sädisischen Lehrervereins« und des »Allgemeinen Deutschen Lehrervereins« , und wenn der letztere auch bald wieder einging und erst nach J.ihren a]^ Allgemeine Deutsche T,ehrer\'ersnmmlung« wieder erstnnrl, so hat B. in allen diesen Vereinigungen tloch stets eine ftihrende Stellung eingenommen, wie er demi auch mit Gründimg der »Allgemeinen Deutschen Lehrerzeitung« (1849), des Organs des Deutschen Lehrervereins die Redaktion derselben ttbemahm und durch ein volles Vierteljahrhundert leitete. Mit un- erschrockenem Mut und zäher K.unjtfcsTTxnirligkeit ist er im fortsrhrirdirhen Sinne stets für die drei Haupthedingungen eines ^'uien Schulwesens eingetreten: für Lehrerbildung, Lehrcrstellung und Lehrerbesoldiuig, und wenn auf diesem Grebiete etwas erreidit worden ist, so hat B. ein grosses Verdienst daran. Im Jahre 1874 wurde B. vom sächsischen Ministerium des Kultus zum Be- zirk sschulinspektor für Dresden I. mit dem Titel Schulrat ernannt, welches Amt er zum Segen der ihm unterstellten Schulen bis zum i. April ver- w.iltetc. Dann trat er unter Verleihung des Titels Oberschuirat in den Ruhe- stand, nahm aber noch fort und fort regen Anteil an den Bestrebungen der deutschen Lehrerschaft und an ihren Verhandlungen auf den Lehrertagen. Am 26. Aptfl 1896 ist er in Dresden gestorben.

Smmtsgfbhtt cur Pteufsisclien Lchrendtung. Jahrg. 1896^ & 346.

Franz Brammer.

Helmr Ctemcntliief eine bekannte JugendschriftsteUerin, wurde am 9. Oktbr. 1835 zu Delitzsch in der Provinz Sachsen als die Tochter des

Kaufmanns Helm geboren. Früh verwaist, wurde sie im Hause ihres Onkels, (ks Schulrats Weiss in Mersehurc, und später hei dessen Bruder, dem be- karuuen Mineralogen Weiss in lierlin, erzogen, bis sie zu ihrer weiteren Aus- bildung in die königliche Luisenstiftuiig zu Berlin kam. Im Jalire 1848 ver- heiratete sie sich mit dem Professor der Geologie, Geh. Bergrat Beyrich in Deilin zu einer überaus glücklichen Ehe, die erst durch den Tod des Gatten am 9. Juli i8c)6 gelöst wurde'). Wenige Monate später, am 26. N'<^vl)r. iSnfi folgte die Witwe dem Heimgeganfienen im Tode tnuh. Clementine W. war eine sehr fruchtbare Schriftstellerin für die Jugend und besonders für heran- wachsende Mädchen; denn die Zahl ihrer Schriften, die sie in den Jahren 1859-^96 veröffentlichte, beträgt nicht weniger als 36. Der ersten, einem »Märchenbuch« (1859, 3, Aufl. 1896), folgten Kinderlieder« (1862), und dann das bekannte Buch »Backfischchens Leiden tmd Freuden« (i862\ dessen gros&er Erfolg es erlebte in 33 Jahren 15 Audagen die Schriftstellerin

>) Vgl. Bcyrich't Nekrolog von E. Bieack o. S. 193.

Digitized by Google

Helm. LodorfF. Ftck.

immer weiter in die l>;i( ktist li-I itieratur« hineinfulirie, so tla.» sie sich nicht mit eigenen trtindungen »für unsere heranwachsenden Mädchen r begnügte, sondern auch venduedendich Stoffe aus dem FnnuEfisiscIien fiir dieselben frei bearbeitete.

Penönliche liittc9iiiigen. Lcipiiger Dliistrierte Zeitung. Jahig. 1896. Bd. 107, & ijo.

Franz Brttmmer.

Lodarffy Ffsiis» geboren am 21. Mai 1852 zu Münster in Westfalen als

der Sohn eines Rendanten, besuchte seit 1861 das dortige Realgymnasium, das er 1869 mit dem Zcui^nis der Reife verliess, legte im folgenden Jahre die gymnasial -Reife] TU funi; .d> und studierte 1870 1873 in Münster und Löwen neuere Sprachen, hielt sich wahrend dieser Zeit auch vier Monate in London auf. Nachdem er im August 1873 in Giessen sum Dr. phii. promo- viert worden war und sich 1874 in Münster das Oberlehrerzeugnis erworben hatte, wurde er kommissarisch als Lehrer an der höheren Bürgerschule in Geisenheim nm Rhein beschäftigt, 1875 /nm ReVtor der höheren Hürgerschnic in Olpe belurdert und Ostern 1878 zum 1. Lehrer und sieliverireienden Kckior der höheren Llurgerschule in Köln berufen. Er leitete dieselbe bis Ostern 1882, Hess sich dann aus Gesundheitsrücksicbten pensionieren und sog sich nach seinen Vaterstadt Mfiiister /urück in der Absicht, die akademische Laun)ahn ZU erwählen. Der Erfolg iedoeh, den sein in eriiiliseher Sprache iie«;r!irie1>cnes Trntier^pic! '^Hnns Waldtuaniv f 1 886"^ 2:er.ide als I )u hiunL; erlani;te. l>estiiniiite ihn, sich ganz- lich «ler SchririsLellerei, vornehinlieh der l'ucsic, zu widmen. Kr veröffentlichte dann noch das Trauerspiel »Elgeva, Königin von England« (1888) und das Epos in 17 Gesängen »Der Heiland« (1890. 2. Aull, mit 19 C^es. 1894). Diese Dichtung behandelt das Leiden Christi im Rahmen einer grossen Faust- dichtun^^ tnid ist eine eiijen-^rti^e Schöpfituji der deutschen Litteratur. Im Jahre 1891 nahm L. zum zwciteiunalc Aufcatlialt in England und wahlie nach seiner Rückkehr Kessenidi bei Bonn zum Wohnsitz. Zu Anfang des Jahres 1896 erkrankte er schwer, weshalb ihn sein in Münster wohnender Bruder zu sich holte, und hier in Münster ist er am 31. Mai 1896 gestorben.

Persönliche Mitteilangen. Adolf lÜBricliscn: Das littcmische DcatseUand. s. Anfl.

Berlin 1891. S. 840.

Franz Brümmer.

Pick, Friedrich Alphons, geboren am 4. Juni 1808 zu Strxssburg im Elsass, absolvierte das Gymnasium und Lyceum (damals Collt^ge royal) da» selbs^ studierte an der dortigen Akademie die Rechte und suchte gleichzeitig Beschäftigung in einer Notar- Schreibstube. Da er aber fUhlte, dass ihm ein Notariat auf die Dauer kein Interesse abzwingen werfle, so wandte er sieh 1829 der Industrie zu und vereinigte sich 1839 mit seinem Schwager (iolden- berg und anderen zimi Betriebe einer Eisenwarenfabrik in Zomhoff bei Zabeni, in der er bb zum Jahre x86i das technische Fach leitete. Dann zog er sich nach Strassburg zurück, wo er seine Müsse mit kleinen litterarischen Arbeiten, mit dem Sm linni <Ier englischen S]itaehe und mit der Verwaltung kommunaler t.hrenamier austiiüte. Im Jahre 1874 wurde er Miig'ief! des ünterelsnssischeii Bezirkstags, später auch in den Landesausschuss gewählt, und m diesem hat er viele Jahre als Alterspräsident fungiert. Im Jahre 1887 zog er sich aus dem öfientlichen Leben zurück, und am 8. Milrz 1896 ist er in Strassburg gestorben. Fr veröffentlichte ein deutsches Lustspiel mit Elsasser Scenen, »Der tolle Morgen« (1S64), eine Broschüre über die Keichstagswahien« »Un«

Digitized by Google

Pick. Rflttger.

«49

scri Reichsdaa- Wahle« (1874) und gab durch seine .Schrittchen »Anno 1873. *s Ys're Mannsbüechel« (1873) und »Anno 1975. E Brief vom Ys're Maiui an syni Frind« (1875) den eisten Anstow» tun den Geschmack an Dialekt- Schriften im Elsass aufs neue zu beleben.

Elsisser ScbatskHsteL Strassbuig 1S77. S. 483. Die Gartenlaobc. Jahrgang 1893. iä. 159.

Frans Brttmmer.

SAttgcr, Radolf, geboren am si. Juli 1833 zu Braunschweig, wo sein Vater Kunsthändler und Antiquar war, besuchte bis zum Jahre 1848 das

Gymnasium daselbst vmd ging dann mit einem Verwandten nach Brasilien. Hier trat er, iS J.dirc alt, aus T.ust an Abenteuern tmd nm Kriege, und weil ihm das von seinen Verwandten Verspruchene nicht gehalten worden war, in das. deutsche l renidencorps, welches Brasilien aus den 1 riaumcrn *.lcr scWcs- wig-hobteinischen Armee geworben hatte, um Rosas zu stürzen. Nach einem Feldzuge voll entsetzlicher Strapazen kehrte R. als Offi/jer nadl Porto Alegre zurück, wo er sich noch zwei Jahre aiil hielt und Unterricht an höheren Lehr- anstalten gab, lind betrat 1854 wieder europaischen Hoden. Nach einem längeren Aufenthalte in Paris trat er im Februar 1855 im 38. Infanterie- regiment (Italiener) in österreichische Dienste, wurde Offizier, nach dem Frie- den von Villafranca Professor an der Genieakademie in Klosterbruck und ging /n F'nrle des Jahres 1851) als österreichischer Militärvertreter in das spnnis« he ilaupt(|nnrtier nach Marokko, wo er rite r)ekanntsrhaft vieler aus- landi>( iun Vertreter machte. Ueber (Gibraltar und M.idrid kehrte er im Juni 1860 heim, wurde nach Vollendung seiner Berichte dem Generalstabe zugeteilt, in dessen Auftrag er zwei grössere Reisen ins Ausland unternahm, forderte dann aber, da man ihn wohl immer \ erwendete, aber niemals beförderte, seinen Abschied und verheiratete si( Ii mit einer italienischen Sänuerin, «lic er in ihrem Valerhause zu Wien als die 'l'orhter eines Crcncrnls kennen gelernt hatte, und die er nach Lissal)on, Paris, Italien und .Spanien begleitete. Wah- rend dieser Zeit beschäftigte er sich mit kleineren titterarischen Arbeiten und Korrespondenzen und liess i86s in Frankfurt a. M. anonym seine Broschttre ■»Die deutsche Volksbewaffnung« erscheinen, in welcher er seine Gedanken über eine schnelle Bewaffnnnij des Volkes im Aufstande mitteilte, von dem er die deutsche Einigung erwartete. Von 1866 1870 hielt sich R. in Paris auf, um eine physikalische Erfindung ins Werk zu setzen, deren Gegenstand er auch in einer besonderen Schrift »La force des forces« (1869) behandelte. Bei Ausbruch des Krieges 1870 als Deutscher gefangen gesetzt und dann unter Ziirurklassung seiner sämtlirhen Effekten und seiner neuen Maschine r»('.s 1 rankrei( Ii ausgewiesen, begab er sich über Hrusst 1 na( Ii Mainz, wo er Sit Li dauernd nicdcrliess und die Redaktion erst des »Wochenblatts«, .spateren >'] ageblatts«, dann des »Anzeigers« ftihrte. Wegen seiner selbständigen Hal- tung in politischer Hinsicht aus diesen Stellungen verdrängt, beschäftigte er sich in der Folge mit schriftstellerischen Arbeiten und mit Ergründung der Wetterkunde und der Beohnrhtung des Frdmagnetismus. Ausser verschie- denen, in Zeitungen erschienenen Novellen, schrieb er die Romane *Der Jcttatore« (1879), »Das verschwundene Dokument« (1879), die Satire »Deut- scher Schwertspath« (1877) und die Erzählung aus Argentinien »Blancos und Colorados 1 1891). Als Physiker war er Erfinder einer neuen Magnetnadel, die sich durch «rrosse Emiifindlii hl. eit nnsj-cirhnet nnrl die elel; frischen Ströme leicht anzeigt. Ais Schriftsteller auf diesem Gebiete scluicb er »Die ausscr-

Digitized by Google

R(>ttgcr. Rndotph. W«giier tob Frdittlieiiii.

«rilnulirhc Wittening des Jahres 1879« (i88o), »Der Schluss der Kjettes.

(iHSii^, »Das Wetter und die Erde« (1885V l eider rnidon seine Forschungen nirhl die vdti Ihm erwartete Anerkennuni:; er \vur«ie \ersümint, nienschen- M heu, lehensuUertirüssig, und si liliessiich schied er freiwillig aus dem Lebern, indem er sich Knde Juli 1896 vergiftete. Ptnmdklie Mitteilongcii.

Franz Brümmer.

Rudolph, Ludwig, wurde am 18. August 1813 zu Beriin als der Sohn

ritu's St hncidermetsters, sjnitercn Seminardieners gehören, hesuchte die köni^- liehe Kealsehulo »Ltsill^st. die liamals unter der Leittir.f: des bcl:rin!iten Sj>i!- K'ke siand, und irai Ostern 183^, als l>Te<?er«eg <he Direktion des Seminars hu StadtM huUchrcr uhemalim, als Zi»i;ua^ in dasselbe ein, das er Ostern 1835 AhMilvicrt(>« Kr war tunächst als Lehrer an einigen PriTatschuIen Berlins Ihan^, wunlo iS^*^ HihMohrer an der ersten städtischen höheren Töchtcr- N* l\ule i,ieiJi 1 lUNcnsehnlo'' m l^crhn, iSj;o ordenlhcher Lehrer und erhielt >|»aiei den l'itel lM»erlebrvr. Im Jahre 1SS8. nachdem er 50 Jahre an ge- iMuntcr Aiu«uU |;cwirk(, trat er ix\ den Ruhestand und starb am 26. Septciu- U'r Utod». «nrnm Schriften sind henr(»zuheben «Adas der Ffluizen-

ilct*l<^ der Ki^W. |H«)*ul.ir«' l>Ar»tel!uRg der rAMuengeogniphie& (1S53); »Fkak- ÜM'hOH miuUnioh tUT den r?i:errteh: i:i den dcv:!>chcn StÖübungen.; (lY, 1859 Imn iS(M. .'lüu TeP. in S. A;:t^. ; 1>.iV:,m he Anleitung zur Krtetl tnir eines nanu^\ »«avven r:nx !:^ l>;> m u' -eicr M .tu r^^^ raehe ^ ^876'' und .>chillcr- 1 evikon, b au'.ei .vu^ Wor'.crl uv h .'u 5s. h;',icr > Dichtcrw erkenn (mit Kajl

Frani Brammer.

Wagner t«»* rvetuslicini« i^kmillo« Kat*. iiutrram. wurde am 33. Juni

»>i; > V. .-j, V 0*vn,>.:v-Tv:u> »ier Sehn des hemchaftlichen

V \>v'> K V, W ^ . r ^.'svv >v \'. t.r ' ■"•-'Vts.^ i:el>. von Hartmann, Mt l.: e >e V . .ur.- ^ ^ <f s r^r-Uu^c Krziehun^;

•vv*^ Ä v , , ^.'^c^- c v.«»r;. --ij-:_si Liiu. zwei

I t*'?v vv,,;*» A.' , VC* :. - V v.*. rer r- oji* Ronvikt zu Krems^ »•».'»VC«. >»o c *c >o''"' i, ,\'.^-*'*ie *e:* Vjt:cr eli'Knuler hatte, 'C** tf-v»-» , "»^H» > 'i.'V^ V . .-.1 V< <<:~<m A ' j-lt.;:: auf dvt

\ XV V .. ^ V- : . . "^-j: \V-;T. <-j.;:erte er die

^ •«■>,'■ . t \" ". V V ■-. ">>v ■»* '.""■ Scu.'j'tn m 5chetn-

s * >i> •■ , 'i--.- r^ch Hjü in Tirol,

, *• -"Kiv \r *M.*- ',v-. * Pcrsscn isid noch

k . v**v,- o*^ * ^ V i '-v' w«'"*» * >».•*«.>»«.'■- -.i»;* Hjtfr »vr»!* er. nach'

^ •• s-' V ^ ■-.v-, V <. ^ y -V ' Hv'Iatm u'-'i

t \ -N * *• »v. "v* i.v^. ^ ."v> - ^::ir,n^ i -> iura

.Vctfrifcs; Ȋ> s\'v,.'v-v's.* \ !rs: 1:^50 wurde er

^S»M^><ttiSU\V' » %t\. i .>.'. V •^.V'^"' M^* ' t 'i L-

Digitized by Google

f

Wagmf von Freinalicim. Heibig. Scbimpfif-Jahn. 351

Oremium des Wiener Oberlandesgerichts eingereiht, wo er, zuletzt mit dem Titel eines Hofirats gesiert, bis zum Jabre in Funktion stand. Dann liess er rieh pensionieren und wurde bei dieser Gelegenheit mit dem Prä»

dtkate »von Freinsheim« in den Adetstand erhoben. Bald danach siedelte er

nnrh Ciraz in Steiermark ü1)ct, wo er nm t5.Febniar iSrifj starb. Als s( hön- A^'issensc haftlichcr Sc hriftsteller schrieb W. unter dem rscudonym KnrMivm- iram die Rumäne »iJrei Geschwister« ^IIJ, 1847}, »Schattenspiele« 1S54), »Felicitas« (1873), die Novellensammlungen »liCit dunklem Hintergrunde« (1875), »Viola truolor und andere Novellen (1891), einen Band »Dorfgeschichten« (1889) und die beiden epischen Dichtungen Andreas llofer, der Sandwirt (1867^ und »Kaiser Karl der Fünfte« (1867^. Kine Sammlunjj seiner lyrischen Gedichte« erschien erst wenige Zeit vor seinem Tode (^1894).

Persüuliche Mitteilungen.

Franz Brttmmer.

Heibig, Friedrich, wurde am i. Dezember 1832 zu Jena geboren, erhielt daselbst und auf dem Gymnasium zu Weimar seine wissenschaftliche Vor«

bildung und studierte darauf \ 1S52 1855 in Jena Und Heidelberg Jura, nebenher auch Philosophie und schöne Wissens« haften. Nadidcm er beide Staatsexamina ali^alef^t, eröffnete si( h ihm /unat hst eine längere Wartezeit, wahrend welcher er vorübergehend das iiiirgcrmcistcramt einer kleinen thü- ringischen Stadt verwaltete. Endlich im weimartsdien Staatsdienste angestellt, wurde er zunächst der Kreisdirektion in Dermbach als Sekretär Uberwiesen, darauf als Amtsassessor in Weida und später als Kreisgerichtsrat in Arnstadt angestellt, von wo er im Herbst 1^79 als Landgerichtsrat an da-s gemein- schaftliche weimarisch - reussische Landgericht in Gera verset/.i ward. Im Herbst 1892 Uess er sich zur Disposition stellen und siedelte nach Jena über, wo er am 8. August 1896 starb. Als Schriftsteller debütierte H. 1858 mit einer Novelle in der »Gartenlaube«, und seitdem ist er dieser Zeitschrift als Mitarbeiter stets treu pcliheben, wovo'i ••Ine prossc An/ahl Itttcrarisrher, j;e- <5rhi( htlieher und jnrisiisch-volkstumlichcr Aufsätze Zeugnis ablegen. Seine Hauptneigung zog ihn indes ziu- Bühne hin. Nachdem er mit einem »grausen Buchdrama« wie er es selbst nennt mit »Kunigunde von Orlamtinde« (1859) den Burhhändlermarkt beglückte, auch sonst noch im stillen einige dramatische Sünden begangen hatte, erlebte er mit der Tragödie 'Gregor Vll.« (gedr. 1878^ einen st.irken Bühnenerfolrj , er<?t in Weimar, dann im Berliner Nauonaltheatcr. Weniger erfolgreich zeigten sich seine weiteren Bühnenstücke '»Babel«, Tragödie (1873); »Die Komödie auf der Hochschule«, Lustspiel (1878); »Lutber's Einkehr im Bären zu Jena« (1883); »Nikolaus de Smit« (1886), doch erlebten sie an verschiedenen Btthnen in MitteldeuLsthland immerhin noch einige Aufführungen. Dagegen sind seine TaistsjMcle Xaeh Goethe« (1878), »Gross-Schlemm« (1880), »Die Wacht am ( 'sterstein^ (1883), iLm Küsschen« (1887), »Die Brautfahrt« (1885) u. a. nur Lesedramen ge- blieben.

PcTsflnllcIie Mitteilnogen.

Frans Brümmer.

ScbiinpffJalm, Anna, (Moritz Horst), wurde am 15. November 1831 zu

Leipzig geboren, wo ihr (1847 f) Vater Johann Christian Jahn, der sich als Gründer und Herausgeber der »Jahrhiirhcr für Philologie tmd Padacrnptk in der Geiehrtenwelt einen Namen gemacht hat, Konrektor an der Thomasschule

Digitized by Google

war. *-eri>etraijete sich 1854 nui dem BuchhärKÜcr F. H- S< zinzpff :-

TfieK, den «ie aber vJi<>fi i Mi «iutch den Tod verior. üne cnaen Sovc-Z^r. merCfAdldichte «le m rier von RolKm Civec'te seit 1855 geloieier, >.Vo^«C^- ZeitwnjfT ; s|/at£T vhrieh Me f-ir rlen »WamlercTf m Wien, ftr fbc »Laiisach^a- Blalier* und ward rlann sL3ndl;^e Mitarbeiterin an Edmund Hoäets > Ha— blauem . ALs d)c%e crinj^inj^en, sammeÄie »ie ihre Na%eiiesi uod gab säe diu:; dem Titel -Aii> den Kufttenbnde in 4 Bdn. facnttfw Kie Kcisc^. cse

tue nüc ihrer Freundin Kmroy von Dinrkiaiv nach Paimarim aHEnuhm. ^i^» ihr den ^*to^f zu den »Dalmatiner S^i^zen , die sie zuerst m Odo iJcIitzxh •Au.% allen Weltteilen' veröflimtiichic. Sie starb m Trktt am 8. Febr. xä<.6.

Franz Brtiniiner.

SchelUnberg, Emstt Viktor, E.msi Veit , wurde am 30. Novbr. i&::7 z- Alicnbur^} im Hcr^oj^tuin S,-A. geboren, besuchte daa dornte GymnaAiuiri und 4(iidirte ^t i$46 neun Semester an der Cnivcnitäi |ena Fliilfi0O|»hi«, Cjeschicbte und Pädafeogik. Kachden er die Wfirde eines Ih'. phiL eiworben.

war er als Haii.v-, Privat- und öffentlicher Lriirer in Westpieossen, Frantreich, fler ^wei/, F^n;;!and und an den KrziehunpsanstaJten in Keilhau und Jerui 'bei Profe-v^or Stoy- thaiig und wurde 1858 Lehrer am ^SophieiiäAifl , einer höheren Tö<:hicr.schule, in Weimar, deren Direktion ihm 1S70 fibertrai^eTi ward. Daneben uniefrichtece er 1859 74 die Piiiueaftiunen Marie und EJfea« betb TOn Sachsen- Weimar in (iesrhichte und Litteratur. Im Jahre 1871 wurde er zum Professor, ("yS z'irn Hofrat ernannt, und als er 1889 in den Ruhe- stand trat, erhielt er den litel eines Cieh. Hofrats, Kr starb in Weinuir am Juli 1896. All» M:h6nwi<>scni»chaftlicher Schhft^teliej trat er zuerst anonviu mit emem Fafitnacht«»|Met »Ulk, oder: Des Guten £U vidU (1858^ in die OeflTentlirhkett; dann gab er eme Sanunitmg Gedichte unter dem Kamen Krnst Vei* Iv raus: Kleines Lieder- und Bilderbuch (1876"), köstliche Poesien, di' Iti-l. r rirlit die verdiente N'erbreitung gefunden haben. Sein lct/-tes |)oci*m1i€j> Wi r- \v jr die Dichtung »Das ^os&c Jahr 1870 71c (^1893'. Per^inJicbc Mitteilungen.

Franz BrOmmer.

Kuventhal, Hermann, wurde am 18. Januar 1837 zu Magdeburg als der Sohn des Kaufmanns Ludwig K. gel>oren. Dieser, ein hoch gebildeter Mann» der sich ursi)rUng]ich dem Bau&che gewidmet hatte und nur durch ver-

srhiedcne Verhältnisse in seinen späteren Beruf hineingeraten war, weckte frühzeitig in dem KnalK-n den Sinn für Sprachen v.nd Musik, und der 'et/tere hatte bereits den Eni-i hlnss gefasst, sich gän/iich der Musik zu widmen. Da starb der Vater 1049, und durch die verkehrte Anschauimg^'eise seines Vormundes und seiner Verwandten über seine Erziehung und seinen Beruf gezwungen, musstc der Sohn seinen Plan aufgehen. Doch gegen den Beruf eines Kaufmarins, don man ihm aufdrangen wollte, sträubte «:irh sein Inneres, und so wurde er, nachdem er in Berlin seine Rilfiun;^ xoliondete, Schrift- slcllcr und ist dies auch unter mannigfachen EnlhehiungeiT und trotz mancher her)>en Srhicksalsschläge geblieben. Seine hauptsächlichste Thätigkeit wandte er der Bühne zu, und nachdem er, um sich in der Dramaturgie zu üben und die Bühnenwirksamkeit zu er]>roben, mehrere Stucke geschriel)en, die er aber gleif'h na( h ihrem Werden wieder vernichtete, schuf er sein Schrtnspiel »Adonis« (1870), das sofort auf sechs grossen und mehreren kleineren Buhnen

Digitized by Google

Koseothal. Lenz, vom Hof.

«53

zur Atifitthning gelangte. Noch in demselben Jahre folgten die Tra^die »Kn^lhien« und das Schauspiel »Incognito«, wown das letztere Aber fast alle

deutschen Bühnen ging. 1871 schrieb er das Schauspiel »Das Vaterland ruff . 1875 »Jougou* »mfl 1S77 das Drama »Dalmar«, das wieder einen liiihnenertblg aufzuweisen Ikilic. An Schriften anderer Art sind noch /.u er- wähnen das satirische Epos » Frauenlob & (1887), seine gesammelten Humoresken und Satiren «Lerches wilde Geschichten« (1887) und die Romanglosae »Der keusche Joseph« (1894). K. starb im Juni 1896 in Berlin. Penttnliche lüttcilaagai.

Franz Brummer.

Lenz, Ludwig, geboren zu Berlin als der Sohn eines Steinmetzen am ?A. Septhr. 181 3, erhielt seine wissenschaftliche Vorbildung auf dem Jonrhims- ttialschen Gymnasium und auf dem zum grauen Kloster in Berlin und wurde nach Beendigung setner Studien Eum I)r. phil. promoviert. Er betrat darauf die journalistische Laufbahn und wurde 1839 Redacteur des »Freimttthigen«, den er zwei Jahre lan«;^ leitete. In die Zeit dieses Berliner Aufenthalts fallen eine Anzahl kK inci Wvlix^- \ oll humoristisrhei S( hilderungen Berliner 1 ebens (iH-^S pN, ffincr siinc Lebens- und Sittenbilder lU-rlin nnd die Berliner-^ (3 licUc, 1840 41) und endlich seine Lustspiele « l ausch und Tauschungcnv. ^iSjS), »Der Kolporteur« (1838) und »Das KunstVabinett« (1840). Auch gab er unter dem Titel » Walhalla altdeutsche Sagen und Volksbücher in neuer Bearbeitung heraus (1837). Im Jahre 1841 siedelte L. nach Hamburg Uber, wurde hier Redacteur der NTeiien Haml)urger Zcitung<. , erwarb aber noch in demselben Jahre das Hamburger Blatt *Der Freischütz«, das bis 1873 unter seiner Leitung efschien. Daneben redigierte er 1859—72 das illustrierte Wochenblatt »Omnibus«. Im lahre 1872 übernahm er die litte- rarische Leitung des »Allgemeinen Vereins für deutsche Litteratur<<, die er bis 1884 fiihrtc. siedelte 1875 ^'^^^ Ikrlin über und trat noch in demselben jalire in die Redaktion des belletristischen Teils des »Bn/.ir« ein, der er bis 1886 angehorte. Seitdem lebte er als unabhängiger Schriftsteller m Berlin- und starb daselbst am a. Oktbr. 1896. Sein letztes Werk führte den Titel >'I>ie Kunst zu unterhalten« (1892).

PenOplidie Mitteilungen.

Franz Brümmer.

Hof, Nanny vom, wurde am 19. Februar 1834 zu Hombressen, einem lief im Reinh.ini.sw.ilde fKiirhessen^ «^ele^^enen einsameti Dorfe, geboren. I>ie ungünstige Lage dch < )ris und !»onstige Vcrhaltinssc machten es fast unmöglich, dem Rinde die nötigen Schulkenntnisse zu verniiueln, und ein zweijähriger Besuch der Schule zu Ho%eismar (1836—38) trug auch nicht dazu bei, <tie> selben wesentlich tu erweitem. Aber filr den häuslichen Beruf» der einem jungen Mädchen auf einem grösseren Gute zufällt, gemi^^ten sie, und diesem Berufe widmete sich Nanny bis zum 25. Lebensjnhre mit gan;^er Hinsel kuil;. Dann wies ihr das Schicksal andere l'lade. Sie wurde E^^ziehenn und wirkte als solche lehrend und selbst lernend 16 Jahre lang in den verschiedensten Ländern. Im Jahre 1865 Hess sie sich dauernd in Kassel nieder und widmete sich hier vorwiegend der Erziehung des Volkes und den Bestrebungen der inneren Mission. So übernahm sie die Leitung des Kr/iehnn^'s-Vereins<( , der »Volkskmdergarten« und anderer milden Anstaiten, und al:» ^le nach einer Reihe von Jahren diese Anstalten bis zur höchsten Leistungdiahigkeit

L

Digitized by Google

*S4

vom Hof. HoDore. Eye.

gefUhit hatte, fing ihre Gesundheit an zu wanken. Sie zog deshalb wieder nach ihrein Heimatorte Hombressen, und dort ist sie nach ISngierem Leiden am a6. März 1896 gestorben. Als Schriftstellerin begann Nanny vom Hof

ihre T.aiin>nhn mit novcIlisiis< lien und ]li^toris^hcn Heitrrtfjen 711 vcrx hiedenen Zeitschriften. Als selbständiges Werk erschien zuerst eine Ueberseuung von Alfred de Vigny »Cinq-Mars. Une conjuration sous l^ub XIII.« (i86q, 15. Aufl. 1889). Nach langer Pause erschien dann der faistorisdie Roman »Krone und Kerker« (1887), welcher die Geschichte der Anna Bolcyn mit der grössten historischen Treue behandelt, und endlich das Drama »König Herwij:^ Bmutfahrt« (1889). Persüniichc Mitteilungen.

Franz Brttmmer.

Honof6, Wilhelm, enLstammte einer aus Frankreich wegen ihres Glaubens vertriebenen reformierten Familie und wurde am 24. Mai 1836 zu Friedericin in Jütland ^.'ihojen. Er al>soIvicrte das (iymnasium seiner Vatcrstndt und vollendete seine Studien an der Universität Kopenhagen. An dem danisch- deutschen Kriege 1864 nahm er ab dänischer Offizier teil und wurde für sein Verhalten im Gefecht bei Dttppel mit dem Ritterkreuz des Danebrog- rirrlens geziert. Im Jahre 1872 erwarb er die sächsische Staatsangehörigkeit, und lel)tc er seitdem als Kaufmann und Fabrikant in Lei]>zifi. Hier starb er am 29. Februuj 1896. Schon in Dänemark war H. als Schriftsteller fiii ver- schiedene 'I agcsblätter thätig gewesen und setzte er diese Tbätigkeit auch in l^eutsdiland fort. Einen Teil seiner Gedichte gab er gesammelt unter dem Titel »Rosenlicder« (1880) heraus; drei Jahre später UA^ic eine als musier- giltig anerkannte Ueltersct/img atis dem Dänischen des Christian Winther, »Die Mucht des Hirsi In s ^1883),

Persüuliche Mitteilungen.

Franz Brttmmer.

Eye, Johann Ludolf August von, wurde am 24. Mai 1S25 zu Fürsten.-wi im Hannoverschen geboren. Körpcrlirh schwächlich, aber mit liohcn Talenten begabt, wuchs er in stiller /uruckge/.ogenheit heran, bis er 1839 Ratsgymnasium in Osnabrück kam, das er nach sechs Jahren absolvierte. Durch Naturanlage den Beruf zum Küiuitler (Maler und Dichter) in sich ver- spttrend, aber durch den Wunsch seiner Eltern zum Juristen bestimmt, suchte er in (Hiftin^'en, wo er seit 1S45 sfiKÜorte, dadurt h zu vermitteln, dass er sich der ( 'li^c hi( htc und ArchauloLMe zuwandtf. N.u hdem er seit 1847 seine Studiei^ ni lierlin unter Böckh, Gcrliard u, a. fortgesetzt und 1848 in Göttingen die Würde eines Dr. phil. erworben hatte, wirkte er an versdiiedenen Orten als Hofmeister und {mvatisierte dann in Düssildorf, wo er sich wieder un- gehindert dem Kunstgenuss hingab. Hier traf ihn un Winter 185,5 <ler R if als Vorstand der Ktmst- und Altertnmssammiungen des neu ^'curuudeten Germanischen Museums zu Nürnberg, welchem er auch Folge leistete. Bis zum Jahre 1875 ^ schwierigen Verhältnissen dieses Amt verwaltet und während dieser Zeit eine Reihe wissenscfaafUicher Arbeiten auf dem Ge- biete der Kunstgeschichte und Philosophie verfasst, wie »Deutschland vor dreihundert | ilnen in T eben und Kunst aus seinen eigenen Bildern dargestellt* (1857), >^Runst und Leben der Vorzeit- (TU, 1854. 3. Aufl. 1868), «Galerie der Meisterwerke alldeutscher Holzschneidektmst« (1857 61), »Leben und

Digitized by Google

Eye Sturm.

"Wirken AJbrecht Dürers« (1860. 2. Aufl. 1869), »Wesen und Wert des Daseins« (1870. s. Aufl. x886); auch das Drama »Torquato Tasso« (1859) und »Eine

Menschensecle. Ein Spiegelbild a. d, 18. Jahrhundert« (1862), worin er, an flen Dirhtcr Clir. (liinthcr anknüpfend, seine eigenen S( iiic ksale, Empfindungen \ind (»edanken in i»chonender Form darstellt, stammen aus dieser Zeit. Im Jaiirc 1874 wurde E. eine Profcssur in Rio de Janeiro angetragen, und er begab sich, um die dortigen Verhültnisse aus persönlicher Anschauung kennen zu lernen, nach Brasilien, leimte indessen das Anerbieten ab, nahm dagegen nach seiner RückVcIir 1S75 das Amt eines Kustos und Bibliothekars nn der neu begründeten Ivunstgewerbeschulc und am königl. Kunstgewcrbennisonm iu Dresden an. Ein heftiges, langwieriges Koptleiden nötigte ihn aber schon nach einigen Jahren, diese Stelle niederzulegen. Dann beteiligte er sich an der Herausgabe der Zeitschrifk »Deutsches Familtenblatt« , weswegen er 1879 nach Berlin übersiedelte. Inrlcsscn wurden ihm hier die Verhältnisse bald verleidet, unrl so suchte er 1881 zum zweitcnmale, jetzt aber mit seiner Familie, das l'almenland Brasilien auf, wo er zu Joinville Wohnung nahm und nnt Unterbrechungen bis zum Jahre 1888 blieb. Nach seiner Rückkehr hielt er sich kurze Zeit in Charlottenburg auf, sieddte aber 1889 Nord* hausen über, wo er auch Sprecher der freien (Gemeinde wurde. Hier starb er am 10. Januar 1896. Vnn seinen späteren Schriften sind nnrh zu ver- zeichnen »Die Braut von Cy]tern fTaistsp. 1876^ Heatrice Cenci* 1 rauersp. 1881), »Johanna Grey» (Traucrsp. 1881), »Ronigin Luisc«t (Drama) und »DomriSschen« (Drama) wovon die beiden letzten in Brasilien ersdiienen sind; femer »Adas der Kulturgeschichte« (1875), »Das Reich des Schönen« (1878), >Die Deutschen in Brasilien« (1885), ^Die neue Weltanschauung» (1891) und eine Sammlunf^ von Sonetten *l)es Rätsels Lösung (rSc>i>.

HermiUiD Hartmaoo: SchaUtltistlein westfälischer Dichtkunst. Minden 18S5. 8. 401.

Franz Brümmer.

Sturm, Julius Karl Seinhold wurde am 21. Juli iSt6 zu Röstritz im Fürstentum Reuss uclioren. Sein Vater war als Kandidat ilcr Theologie Kr- zieher des j-uisti-n Heinrich LXIV. Reuss gewesen und später, nach !>cendi^tcm Studium der Kameralwissenschalten, als Rat in die Dienste seines i'iirsten getreten. Unter den Aug^ dieses gediegenen, kirchlich gesinnten Vateia und einer ebenso treflTlichen Mutter, einer gebomen Schottin, verlebte der Sohn im elterlichen Hause eine selten glückliche Kindheit. Mit dreizehn Jrihren kam er auf das Oymnasium tu (rora, dem er bis 1837 angehörte. \Vaiifend dieser Zeit starb der Vater, indessen sorgte die (irossmut des Fürsten ftir die Mittel, um den fiinf nachgelassenen Söhnen den Besuch der Univeisität zu ennöglichen. Julius studierte 1837 4t in Jena Theologie und nahm dann eine Hauslehrerstelle in Heilbronn (Württemberg) an, wo er bis \ \ l)Iieb und die Bekannisc liaft di r schwäbischen Dichter Jusfinus Kerner, Julius Krais und Nicolaus Leu iu niaf luc. Nach seiner llcimkehr war er ein Jahr lang Erzieher im Hause eines Herrn von Mctzscli zu Friesen im König- reich Sadnen und wurde darauf zum Erzieher des Erbprinzen Heinrich XIV. Reuss ernannt, den er 3 Jahre lang privatim unterrichtete und dann, zum Professor ernannt, nach Meiningen begleitete, wo der Prinz drei Jahre lang das Gymnasium besurlitc. Hier in Mcininfren begann Sf . auch, sein ])nctisrhes Talent zu erproben, und es entstanden hier jene weitlichen und teilweise auch geistlichen Lieder, die er später gesammelt als »Gedichte« (1850) herausgab.

Digitized by Google

2$6

Während des Sommers 1S50 lebte St. in der fürstlichen Famih'c *u Thallwitz und Köstritz, Ms er im Novbr. d. J. /um Pfarrer in deni eiitlcfienen Wald- dorfe G<)s< hitz S( hleiz ernannt w urde. Arn 21. )anu;vr 1851 schloss er mit der ältesten i'ochter seines Oheims, des Kirchenrais Dr. Sdioum in Köstritz, einen glücklichen Ehebund, der leider ach(m im folgenden Jahre durch den Tod der Gattin wieder gelöst wurde. In dieser Zeit der Trauer zeigte sich dem Dichter die Poesie als eine Trösterin, und die meisten seiner ersten Sammlung frommer Lieder sind rlnrnnls entstanden. Fand St. nurh ir der jiingeren Schwester seiner hcmigegangenen Ciatlin 1853 eine neue LtLcua- gcfährtin, so blieben ihm doch mancherlei andere Prüfungen nicht erspart; doch hielt ihn sein kindliches Gottvertrauen, dem er in zahllosen Liedern Ausdruck gab, immer darin aufrecht. Im Jahre I857 übernahm er auf Wunsch seines Schwiegervaters dessen Pfarramt in Kösirit/, uiul hier in seinem nebiirLs- orte hat er denn sein ferneres T,eben verl^raclu. Sein l'ursi beehrte ihn mit dem Titel eines Kirchenrats, und als St. jun 1. Oktbr. 1885 in den Kuiie- stand trat» wurde er zum Geheimen Kirchenrat ernannt. Im Frühjahr 1896 musste sich St. zu einer Operation nach Leipzig begeben, und hier ist er am Z.Mai 1896 gestorben. Seine Ruhestätte hat er in Köstritz gefunden. Die liedcutung St.'s als Lyriker ist längst anerkannt; wunderh:»r bleibt es, dass er auf diesem beschränkten Ciebiete immer wieder neue Siofte, neue Eindrucke gefunden hat, die er in ein poctischeä Kleid hällen konnte; denn er ist un- streitig der firuchtbarste lyrische Dichter des 19. Jahrhunderts. Vorwiegend getstliclie und religiöse Dichtungen enthalten seine Sammlungen »Fromme Lieder« (1852), »Neue fromme Lieder« (185^^ »Fromme Lieder . t^. Teil (1892), »Kür das Haus« (Liedergabe, iS6i\ 1 Liusandarht in frommen l^iedem unserer Tage« (1865), »Israelitische Lieder* ^^2. Aull. 1867), «Neue Haifen- klänge fllr Israel« (1891), »Von der Pilgerfahrt« (1868), »Gott grüsse Dicht« (1876), »Aufwärts!« (1881), »Dem Herrn mein Lied!« (1884), »Palme und Krone ; (1888); Dichtungen verschiedener Art bieten die »Zwei Rosen, oder: l>:ts hohe Lied (]er Liclie^. (1854), )^Neue (icdrrhtc (1856), Stilles Lebent (1865), «Lieder und l»ilder<i (II, 1870), »Kanipl- und Siegesgediclite«. (1870), »Immergrün«, (1879), »Natur, Liebe, Vaterland« (1884), «Bunte Blätter« (1885)» »Neue lyrische Gedichte« (1893) und die erst nach seinem Tode erschienenen letzten Lieder »In Freud und Leid<^ (1896). Sehr wertvoll sind auch der »S]Mei:cl rler Zeit in Fabeln* (1872) und *Neues Fabelbuch'< (1881), während er der Jugend Dns Bnrh für meine kn>der. Märchen und Lieder« (1877^ »Märchen« ^^lilusir. Aus«:. lüSi) und die »Kinderlieder« (1893) widmete.

Persnnliche Mitteilungen. Otto Kiattft: Gebdiche Lieder im 19. Jahrhundczt. Gttlcr»- loh 1879. s. S43- ^'-'i C^inil Koch: Geschichle des Kiiehcnlicdi und Kircbcngenngis» Stuttg. 1872. Bd. VII. 284.

J ranz iJrunnner.

Heizenstein, Franziska von (Franz von Nemmersdorf) wurde oni 19. Septbr. 1834 v^u. a. 1837) auf ScJiloss Hardenstein in Schwaben als die Tochter des Augsburger Oberappellationsgerichtsrats von Nyss geboren, er« hielt eine äusserst sorgfältige Erziehung und durch diese Geschmack an ernsten Studien, welche sonst dem weiblichen Unterridit fern Herren, namentlich an CIcschichte, Philosn]>hte, Vlnssisrhen Sprachen und Antluopolo^ie im weitesten Sinne. Auch korjicrlich mit allen Reizen der Schönheit ausgestattet, ver- heiratete sie sich, kaum an den Grenzen der Kindheit aii^ciangt, mit dem kOnigl. bayrischen Rittmeister bei den Ktirassieren, Freiherm von Reiaenstein,

Digitizeu lj ^oogle

Reüwntteia^ Mcngcr. t^f

flen sie aber schon nach vierjähriger Ehe durch den Tod verlor. Seitdem lebte sie der Gesellschaft, der Litteratur (Gutzkow weihte sie in die ersten Kuiuitgriife der Schriftstellerei ein) und ihren Reisen, die sie nach Italien, Frankreich und Kussland führten, und auf denen sie als eine scharfe Beob- achterin Wdt und Menschen studierte. Mit besonderer Vorliebe weilte sie in der Lagunenstadt Venedig, die denn auch den Hintergrund vieler ihrer Romane bildet, Ihr erster ent<;tanfl nnrh cinom Winteraufenthalt in Rom und Neapel; er tührtc den Titel Unter den Kuinen« (IV, 1861). Dann folgten »Moderne Gesellschaft« (IV, 1863), »La Stella« (1863), »Doge und Papst« (n, 1865), »Mein in der Welt« (III, 1868), »Unter den Waffen« (III, 1869), »Ritter unserer Zeit« QU, 1873), »Ein Gentleman« (IV, 1874), Kin Ehestandsdrama in Venedig« (IV, 1876), »Die Masken des Glücks« (1876 . Gebt Raum!« (III, 1880), »Das Rätsel des Lebens« (II, 1894) und zwei Studien aus dem Leben »Der Kampf der Geschlechter« (1891) und »Aus gärender Zeil« (1895). Die Verfasserin hat in ihrem Denken und Fühlen einen männlich-enei^(ischen Zug; sie vertritt eine freie weltmännische Auf- fassung mit vomehnicn\, aristokratischem Anstrich und giebt in einem gesundm Realismus das Spiel der mensehürhcn Leidenschaften wieder. Als KLuriosum mag noch erwähnt werden, dass sich Freifrau vun R., nachdem ihr eine Wiener Lotterie dass »grosse Loos« zugeworfen, 1882 in München, ihrem ständigen Domizil, ein Haus kaufte, das sie nach dem Vorbilde der englischen Gräfin Mary de la Torre zu einnm grossartigen KatJtenasyl einrichtete, wofllr ihr die dankbare Nachbarschaft den vulgären Beinamen »Katsenbaronin« votierte. Sie starb in München am 4. juni r8f)6.

Pcrsünlicbe MittcUungeo. Berhocr Tageblatt vom 8. juui 1S96. Frauz Bom- mtiUcr: Schriftsicller-Lerikon der Gegenwart Leips. 188a. S. 522.

Franz Brümmer.

Menger, Rudoll^ geboren am 26. Mai 1824 zu Driesen in der Neumark, erbit It st inc Gymnnsinlbildung in Züllichaii und Neustettin und widmete sich dann in Jena und Berlin philosophischen und historisi hcti Stridien. In die journalistische Laufbahn eintretend, war er zunächst Redakteur der »Stettiner Zeitung«, siedelte su Anfiuig der sechziger Jahre nach Berlin Uber und ge- hörte hier eine Zeit lang der Redaktion der »Preussischen Zeitung« und der ^National-Zeitung an. Dann wirkte er längere Zeit als V v llist und ver- offenthchte die Erzählungen »Der tolle Christel (rS6t)\ Allerhand Geister« (1869), »Graf Hadubrand IC« (1869), ^>Ein Zeuge vom Jenseits« (1870^ Nach Gründung des ^Berüner Tageblatt« (1872) wiu"de er als verantworUcher Redakteur fllr dasselbe gewonnen, doch schied er nach wenigen Jahren aus der Redaktion und gründete mit einigen Kollegen im Herbst 1875 ein Kon- kurrenzunternehmen, das -Neue Berliner Tageblatt . flas zwar fanänglirh prosperierte, aber si< Ii dann bnUl als nicht lebensfähig erwies und schon im folgenden Jahre wieder einging. Seitdem war M. wieder ausschliesslich mit Uttctarischen und kleineren journalistischen Arbeilen beschäftigt, und besonders war es das dramatische Gebiet, das er mit einer gewissen Ausdauer, aber ohne Erfolg pflegte. Seine Lustspiele »Lina das Kind« und »Diplomatie der l.iebc«, das Lessing-Festspicl , »Ein gefesselter Prometheus«, die Tragödie Manassar, der Fürst von Toledo«, das nationale Schauspiel »Herzog Radbod« sind nur als Manuscript gedruckt worden und haben nur vereiiuelt Auf- führungen erlebt. Seine Tragödie »Kaiser Otto in.« wurde vom Verwaltungs- rat der Augsburger Schillerstiftung einstimmig als preiswürdig anerkannt,

Digitized by Google

konnte aber den Preis, der statutenmässig nur jüngeren Dichtern erteilt wird, nicht erhalten , da der Dichter »den noch Vrönungstähipcn Jahrgang Irtngst überschritien halle«. Zu diesen Misserfolgcu gesellte sicli schhesslich auth ein körperliches Gebrechen: eine hochgradige Trübung der Augen, die schliesslich in einen an Blindheit grenxenden Zustand Überging und den Dichter in ziemlich dürftige Verhältnisse hineinwarf, aus denen ihn der Tod am 23. Oktbr. tRo6 herausriss. Al'^ jiolitisrhcr Di( hter gah M. sdion 1850 eine Sammhini; (kdichtt? »»Kisentrutz heraus, und seine letzte l'uiilikation waren eine Sammlung Zcitgcdichte, gewidmet »Dem Siegcskaiiscr« {16S1). Emil Kneschke: Deotocbe Lyriker seit 1850. 5. Aufl. Leipzig 1883. S. 54a

Frans BrUmmer.

Mccrhcimb, Richard von entstammte einem alten niederrheinischen Adeis- gesf lileehte, das sich virkundli« I1 !iis /.um Jahre 1216 hinauf nachweisen lä-ssi, und wurde am 14. Januar 1825 /u (irossenliain in Sachsen als der Sohn des Obersten der Kavallerie, Ludwig von M., geboren, der sich durch seinen An- teil bei der Eistflrmung der grossen Redoiite an der Moskwa (18 ta) rühm* lichst bekannt gemacht hatte. Schon frühe wurde der Knabe zu ritterlichen Uebungen angehalten; seine Begeisterung ftir die Helden des Altertums, sowie der miHiarische Geist im Vaterhause Hessen ihn den Miiitarstand als Lehern- beruf begehrenswert erscheinen. Er erhielt seit 1832, in welchem Jahre der Vater nach Dresden versetzt ward, seinen Unterricht in dem dortigen R. Voigmann'schen Institut, wurde 1839 in das Kadettencorps in Dresden auf- genommen und trat 1S42 als rortepccjimker im Leibregiment in die sächsische Armee ein. Seit 1844 ( MTizier, gab er su \\ neben seinem militärischen Beruf mit Ausdauer dem Studium dci i'liilostj]ihie, Kui^si- und Litteraturgcschichte und fremden Sprachen hin. Zahlreiche Uebersetaungen aus den modernen Sprachen legten den Grund zu der Formgewandtheit, die seine Werke aus- zeirlmen. Sein erstes Werk, ein episches Gedicht, »Gulat und Tschadra^ (1848), unter dem Pseudonym Hugo vom Meer herausgegeben, srhilfieT in vier Gesangen die Freiheitskämpfe der Tscherkessen gegen Russland, im Jahre 1 848 nahm er mit Auszeichnung teil an den Kämpfen gegen die Volks- bewegung, wurde nach Niederwerfung des Maiaufitandes 1849 Oberiieutenant und durchzog bis zum November d. J. sein Vaterland zur Bftcifisierung nach verschiedenen Richtungen. Die folgenden Jahre wurden teils durch Reisen in die A Ipcnländer, teils durch ein Inngcs Kantonnement in den von Nach- kommen der alten Wenden bewoluucn (»egenden, teils durch Studien und litterarische Arbeiten ausgeHlDt. Zu letzteren gehörten das Heldenlied »Die Sachsen an der Moskwa« (1853), die Balladen und Er/ahlungen »Soldaten- welt« (1857), die Dichtungen Poetenwelt« (1859 , das Buch für Edelfrau n un^l e^lle Frauen »Frauenwelt« (1862), die »Eriinierungen eines Veteranen aus Russland 1812« (1S60), die Scluift »Nieder mit Neu-Babyion« (1861), worin er die Zerfahrenheit des deutschen Reiches und die sittenverderbende Hmschaft des ttberrheinischen modernen Babel schildert^ und das Heldenlied »Trutz Dftnemarl und Kopenhagen« (1863). Während des Sommers der Jahre 1862 und 1S6 :; hatte der Trichter die Hohe Tatra besucht, sich infolge dessen mit der ungarischen Sj»rache vertraut gemacht und war somit Iielähigi, eine vollständige Umdichtung des ungarischen Nalional-Epos Paul Kjnischi» (1865) zu liefern. Ebenso bot die politische Umgestaltung Italiens dem Dichter auf Grund eingehender Studien Veranlassung, sein Werk »Von

Digitized by Google

Ifeerhciinb. Juk«i

«59

Palermo bis Gaeta. Der Knmpf in Ttnlien um Thron und I hroues Ehre« (1865) zu schreiben. Der Reinertrag bildete den Grundstock zur sächsischen Invalidenstifhing, der mancher brave Invalide Befreiung aus drückender Not verdankt. An dem deutschen Kriege 1866 nahm M. als Hauptmann («eit 1850^ teil. In der S( blicht bei (Ütschin am 29. Juni wurde er schwer ver- wvindet. Seine Sclii< ks ilc wfdirend dieses Feldzuges beschrieb er in seinen »Kriegs- und Leidensüihrten emes Schwerblessierten« (1866). Im Augarten- Hospital zu Wien und durch Bad Teplitz wieder hergestellt, konnte M., der inzwischen zum Idajor avanciert war, 1867 den Dienst wieder aufnehmen. Er kam als Batailloni^ommandeur im 4. In&nterieregiment Nr. 103 nadi Knmen;!', untornahm von hier nus tR68 eine Reise nach Ungarn, SiebeulMirpren, der \N al!a( !ici uiul Daliiiatit n und Nviirde norh in demselben Jnlirc na( h Bautzen vcr.scui. AuJ einer Reise durch Sudlrankreich, Korsika und die Schweiz traf ihn die Nachricht von dem Ausbruch des deutsch-franzOsischen Krieges. Als Oberstlieutenant nahm er im sächsischen Corps an den wich- tigsten Kriegsereignissen teil, licss sich aber nach dem Frieden zur I>is])Osition stellen und erhielt bei rlie«;er Gelegenheit rlas I\itcnt als Oberst. Kr nahm nun seinen ständigen Wohnsitz in Dresden ui\(l widmete seine Müsse grosseren Reisen (1873 nach Suddeutschland, 1874 nach Schweden und Norwegen, 1878 nach den Niederlanden, England und Frankreich, 1879 80 nach Italien, Griechenland, Nordafrika) und litterarischen Arbeiten. Zunächst vollendete er seine }-'iir--tL-n-\Vclt - (1873), eine Welii;L'N( 1ii( htc in i.ii-d, Wort vind Spruch fursthciicr IVrsonlirhkeiten, dann lieferte er eine freie Um( lic ht ung von Leigh Hunt's I he story of Rimini, »Die Liebesmiir von Kinuni« 11,1877), »Drei Prologe zum Wettiner Fest« (1889) und das Epos aus der Salonwelt »Eine Nacht auf dem Parkett« (1896). Das Wichtigste indessen, was M< nach dieser Seite hin leistete, waren seine monodramatischen Dichtungen, d. h. dramatische Hnndhinp;en, in denen nur eine Person spricht. Die Eigen- art dieser Dichtungen, womit M, eine abgeschlossene neue Kunstform bot, ist zwar auf manchen Widerspruch gestossen, aber die massgebende Kritik hat die geniale Begabung des Autors anerkannt, der das Möglichste geleistet, um die Schwierigkeiten, die sich solcher Art von StoflTljehandlung ganz na- türlich ent£reiron<<tcllten, dichterisch zu beseitigen. Sie erschienen als »Mono- dramen neuer Form: Psycho-Monodramen« (1879, 5. Aufl. u. d. T. "Mono- dramen-Welt* 1886) und in Auswahl als ^Psychodramen-Maieriul lur den rhetorisch-deklamatorischen Vortrag« (1888). Im Anschluss an diese poetische Thätigkeit rief M. am i. August 1892 die Litterarische Gesellschaft Psycho- drama in's Leben, die seitdem ein eigenes Organ in den »Neuen litterarischen Blättern« gründete. I-.nde 1895 erlnnnkte M. emstlirh und man brachte ihn in die deutsche Heilanstalt äu Loschwitz bei Dresden, wo er am 16. Januar 1896 starb.

Persönliche Hittdltingen. Rudolf Eckart : Der deutsche Adel in der Litterator. lierlin 1.S95. S. 47. Adolf Hioricbsen: Das litterariiclie DeattchlancL a. Aafl. Berlin i&yi. S. 876. _ ^

Franz Brümmer.

Jarke, Franziska, (£. Rudorf, wurde am 3. Dezbr. 1815 xu Königsberg

in Preussen als die Tochter eines wohlhabenden Kaufmanns, nnmcns S( lilesius, geboren, und es stanricn ihr reichlich die Mittel zur Verlugung, ihrem 1 riebe zu lernen uivl biel» auszubilden, folgen zu können. So war sie z. B. das erste junge ALidchen in ihrer Vaterstadt, welches die englische Sprache er-

i7*

Digitized by Google

Jarke. Schmieden.

lernte. Unterricht in Klavierspici und in der Musik empfing sie später im Konservatorium xa Leipzig, und gröaaei« ILeiien duidi DeutsälaiKl, Belgien und Holland vermittelten ihr eine reiche Wdt- und Menschenkenntnis. Da- neben erfuhren aber die Arbeiten, die tat Führung eines Haushalts erforder- lich sind, die ernsteste Bcriu ksirhtipmg. Am q. August 1850 verheiratete sich Fran/.iska mit dem Riticr<,nitsl>csitzer Otto Jarkc, einem edlen vielseitig gebildeten Manne, der früher Jurist gewesen war und aus einer ersten Ehe mrei Söhne besass. Die Gatten lebten eine Reibe von Jahren auf dem Lande, ganz sich selber und der Erziehung ihrer Kinder, SO dass sie von ihren Nachbarn im freundlichen Sinne »die Einsiedler« genannt wurden. First spät F. J. war schon 48 Jahre alt griff sie zur Feder, aber gleich ihre erste Erzählung »Durch Leid zum Licht« (1870) wurde von der Modezeitung »Viktoria« mit dem ersten Preise gekrönt. Spätere Novellen, zuerst in Zeit- schriften veröffentlicht, wurden dann unter folgenden Titeln herausgegeben »Deutsches Leben« (1^74); » Unterwegs (1886) und Am Ziel« (1886), ebenso der Roman »Die Tochter des Nal>ob« (1875). Durch diese Arbeiten wollte die Schriftstellerin den Scnsatioiisroman und den vielen sittlic h be- denklichen Erzählungen entgegen treten; bei ihr beruht die Spannung auf den Konflikten der Seele und nidit auf rein äusserlichen Dingen. Diesem Bestreben, eine reine,* veredelnde Lektüre zu bieten, entsprangen auch ihre Sammlungen »Stunden der Weihe« (Aussprüche Schleierm.u Hers, 1870), »Stunden der Erhebung« (Aussprüche von R. J. Nitzsch, 1877) und '»Ideale Lebensbilder in Dichtersprüchen« (1888). F. J. verlegte in späteren Jahren ihren Wohnsiu wieder nach Königsberg, und hier ist sie, nachdem sie schon 1878 ihren Gatten durch den Tod verloren hatte, am 3. August 1896 ge- storben.

PcnOnllclie Mittdlidigea.

Franz BrUmmer.

Schmieden, Else, {K. Juncker), war die Toditer des Rittergutsbesitzen Dr. Kobert und wurde am 6. November 1841 zu Berlin geboren. Sie ver* lebte den grössten Teil ihrer Kinderjahre auf dem in der Ukennark gelegenen Gute ihrer Eltern, und hier in der ländlichen Umgcbunfi erwuchs mit ihr die I icbe und das feine Verständnis ftir die Natur, deren Stimmungen und Wand- lungen sie später so treffend zu zeichnen verstand. Von entscheidendem Ein- fluss auf ihr geistiges Leben ward zunächst ihre Mutter. Voll glühender Phantasie, voll Hang zum Idealen, verstand sie besser als der energievolle, ganz auf rcnleni Boden stehende V.itcr das eigcnnrlit^e Wesen ihrer Tochter, deren Durst nach Wissen, deren Ringen narh Klarheit l>ei ihr stets Anerken- nung und Aufmunterung fand. Im Jahre 1856 verkauften die Eltern ihr Gut und sogen nach Berlin, wo Else die Wangcnheim'sche höhere Töchtersdiule besuchte, an der besonders zwei Lehrer wirkten, die von grösster Bedeutung fiir diese Phase der Entwickelung der Schfilerin wurden, Dr. Otto Lange und fler Predij^cr Svdow. Im Jr^hrc 1860 vermählte sich Else mit dem Gerichts- asscssor H. Schmieden. Die trfülhing ihrer häuslichen Pflichten, denen sie sich mit der ganzen Energie und Gewissenhaftigkeit ihres Wesens hingab, vermochte doch nicht, sie völlig su befriedigen. Da war es die schwerkranke Mutter, welche das zuerst erkannte und sie auf den schriftstdlerischen Beruf hinwies, über den sie selbst sirii noch nicht klar geworden war. Sie ver- suchte sich imn in Aufsätzen verschiedenster Art, in Uebersetzungen u. s. w.

Digitized by Google

Sctoiifidca. Wickede»

und schrie!) 1867 in Sorau, wohin ihr Gatte inzwischen .als Stnatsanwalt ver- setzt worden war, ihre erste Novelle, «Die Frau des berühmten Mannes«, zu <ler sie den Vorwurf in ihrer Umgebung gefunden, und welche sie unter dem Familiennamen ihrer Mutter, R. Juncker, im »Daheim« veröflenUichte. Das

Jahr 1S67 fiJhrtc sie nach Posen, wo ihr Gatte erst als Staatsanwalt, dann als Rai am .\|)i)ellationsgericht amtli( h thätig war. In der vornehmen, glän- zenden Gesellschaft der Pro vinzial - Hauptstadt wurden der jungen Frau viel Huldigimgen entgegengebracht; besonders verdankte sie der Freundschaft des Grafen Schweinits, des Präsidenten des Appdlationsgericfats, eines Mannes von eminenter geistiger Bedeutung die Anregung zu manchen wissenschaftlichen und philosoiihischen Studien. Im Jahre 1876 wurde ihr(" -nc als K.immergerirhts- rat nach Berlin vcrset/t, und hier in dem Hremipunkt aller geistigen und künstlerischen Interessen wurde Else Sch. der Mittelpunkt emes grossen Kreises, der in ihr nicht nur die geistreiche, sondern auch die heixenswarme, echt >veil)li( he Frau verehrte. Hier fand sie endlich auch Müsse, ihr schriftstdl^ risches Talent in ausgiebigster Weise bethätigen zu können. Es erschienen nämlich seitdem von ihr ^-T.ebensrätsel«, Roman (II, "1878. 3. Aull. 1896), »Im Zenith«, Novellen 1^x880), »Der Schleier der Maja«, Roman (IV, 1882), »Höhere Harmonie«, Erzählung (1884), »Werner Eltze«, Roman (III, 1887), »Der Verlobungstag und andere Novellen« (1888), »Im Schatten des Todes«, Roman (1890), »Im zweiten Rang und andere Erzählungen« (i89i\ Götter- lose Zeiten«, Roman fITT, iSo.^^, Die Klosterschülerin und andere Kr/.ih- lungenr {1894), »Fruhlingsstiirme , Roman (II, 1894^; und die l'rzahhmji ruter Kosaken« (^1896). Am 10. August 1896 ist Else Sch. in Berlin gestorben. Penttnlielie lüttdlnngen.

Franz BrUmmer.

Wickede, Julias von, wurde am 11. Juli 181 9 zu Schwerin in Mecklen- burg als der Sohn eines grossherzoglichen Oberforstmeisters geboren, erhielt seinen ersten Unterricht durch Hauslehrer nnrl auf dem Schweriner ( ;\ mna-siuni, besuchte dann 1833 1835 die berühmte iilochmaim'sche Erziehungsanstalt in Dresden und trat im Frühjahr 1836 als Regimentskadett in das öster- reichische Dragoner-Regiment Erzherzog Johann ein, mit dem er auf Märschen viel umher kam. Im Jahre 1S39 schied er schon wieder aus dem Wrbande des österreichischen Heeres und trat als l'ahnrit Ii in ein mecklenbur^isc lies Dragoner-Regiment, wurde bald Uftizier und diente als solcher bis 1842. Dann nahm er seinen Abschied, wn sich den Studien zu widmen. In IfOnchen und Heidelberg hfirte er 1844 1846 CoUegia ttber G^chichte und Staatswissen- scl)aften und wurde nun Mitarbeiter an versdiiedenen hervorragenden Blättern, z. B. der Allgemeinen Zeitung-^ in Augsburg, dem Morgen!)! att in Stuttgart, der »Deutschen Vierteljahrsschnft«, dem »Hamburger Korrespondent« u. a. Seil dem Sturmjahre 1848 finden wir W. stets an den Orten, wo die Geister und Menschen aufeinander platzen, und lesen seine Berichte darttber, die bei einer gewissen poetischen FlUifoung doch mit grosser Treue abgefisost sind. 2Uierst war er als Berichterstatter Uber das deutsche T'arlament in Frankfurt a. M. thatig, daiui nahm er 1849 1850 als Brigadeadjutani ir\ der schleswig- holsteinischen Armee an den Kämpfen gegen Danemark teil und diente 1851 als VolontSroflizier bei den französischen Chasseurs d'Afrique in Algier. Von 1 8^3—1855 weilte er als . Berichterstatter Ar englische Blätter in der Krim und beim türkischen Heer an der Donau, unternahm 1855 1859 grosse Reisen ztt militärischen Zwecken in Spanien, Portugal, Italien, Frankreich, durch den

Digitized by Google

36s

Wickede, ülnct.

Orient etc. und Hat dann wieder in mecklenburgische Dienste, indem er als Kittmeister b«i der Fcidgendaimerie placiert wajrd. IHe politischen Ereignisse in Italien Hessen ihn aber nicht lange ruhen. Er eüte 1860 dorthin, schlus^ sich hier zuerst im Kirchenstaate dem General T^amorici^re und 1861 m Siriüen und Cnlnbrien den 'l'ni{)]>en liefen Garibaldi an, eilte 1862 nach Serbien, Bosnien und der Herzegowina und stand bereits 1864 wieder BerichtersUtter fUr die »Kdlniache Zeitung« bei den preussiscben Truppen in Schleswig-Holstein. 1866 beland er sich im Hauptquartier des Generals Moltke in Böhmen und 1870— 1871 wieder als Berichterstatter für die »Kol- nis{ lie Zeitung 't bei den deutschen Truppen in Frr^ikrt. it ]i. AI«? er die Ziele seines Lebens, die Einigung Deutschlan'Is und <lic Vcrbchnicl/uni^ der ver- schiedenen deutschen Kontingente zu einem einigen deutschen Heere unter Freussens Führung, wofür er als äusserst thätiges Mitglied des Nationalvereins Jahre lang gewirkt hatte, erreicht sah, zog er sich vom öfifentlicben Schau- platz mehr und mehr zurück und widmete nun seine Müsse ausschliesslich litterarischer Thäti^l cit. Von (^»othn. \vn er *?cif 1^67 seinen Wohnsitz gehabt, zog er 1874 nach seiner Vaterstadt Schwerin, wo er sich 1875 zweiter Ehe vermählte, und hier ist er am 22. März 1896 gestorben. Man muss staunen über die Arbeitskraft dieses Schriftstellers, der bei seinem unsteten Wanderleben dodi noch Zeit fand, eine so zahlreiche Reihe von Werken zu veröfTeiitli« hen, die nicht weni'jor al^ C>G Bände urnfnsKcn. Sie cnthnUcn ii-':'< Hiider aus dem Kriegsleln 11 , uils Kir j4Sgcschichlc, leiis ^oUialcnm^< liw hten oder Berichte aus alten 'ragclnicliern. Von grosseren historischen Romanen seien aber erwähnt »Herzog Wallenstein in Mecklenburg» (IV, 1865), »Eine deutsche Hürgerfamilie ^ (III, 1867), vjoachim Slüter, oder: Die Einführung der Reformation in Mecklenburg (TV, i86o\ Leben, Thaten und Abenteuer des Freiherrn (lustiv von der Ostau« (IV, 1875), Streber« (Iii, 1884).

Persünliclic Mutciiunjfen.

Franz Brümmer.

Uificl, Carl, (Günther Walling), wurde am 25. Juli 1839 (n*ch setner eigenen Angabe) zu Berlin als der Sohn eines Fabrikbesitzers geboren. Nach- dem er die Realschule daselbst absohicii hitfc, verlebte er ein l.ibi auf Reisen in I )entsrhlnnfl, Italien, Nord- und SiKili uikirich und n\it d tnn in die Fabrik seines Vaters ein, in der er viele Jahre thatig war. l>och behielt er immer noch Zeit genug tibrig, sich mit litterarischen und Kunststudien zu befassen; eine Frucht der letzteren ist eine Sammlung kunstgeweiblicher Gegenstände, die wegen ihrer Reichhalliglceit zu den bedeutendsten Privat- srimmlungen dieser Art in Deutschland hört. Im Jahre tR; 5 701: er sich Viinj (leschäftsleben zurück und lebte er fortan nur seinen Studien und poeä- schen Arbeiten. Während des Jalu-es 1879 weilte er neun Monate in Spanien, woselbst er sich vorwiegend in Sevilla aufhielt. Seine damals gemachten Studien über spanische Litteratur und spanische Volkspoesie hat er in den beiden Werken »(iuitarrenklänge. Volks- u; d volkstümliche Lieder Spaniens. Uebersetzungen und eigene dedichte« (1880; und «Vom Land des Weins und der Oesangc. Wiuiderungen an der Fland der Dichtkunst. Fremdes und KigenesK (1886) dargeboten* Zwei Jahre vorher hatte er eine Sammlung eigener Gedichte unter dem Titel »Von Lenz zu Herbst« (1884) herausgegeben, die in kurzer Zeit eine bedeutend verbesserte und sehr vermehrte Ausgabe erlebte. Später erschien von ihm noch eine mehr l nltnrlii'^fritis» he \r!>i.it ^Aus den Tagen Karls V.« (1888). Ulrici, der sich bis 1884 abwechselnd in Berlin

Digitized by Google

UlricL Oppeimaiuk Roberts.

«63

i,ir»fl Dresden aufgehalten hatte, n.iliin in diesem jähre seinen dnuenulen

"Mi'ohnsitz in der sächsischen Residcn/, ujul iucr ist ei ;ini 13. Januar fnach

dem ^Bä^« am ii.) 1896 gestorben. Nach seinem Tode erschienen noch

seine »Deutsche Lieder« (1896).

Pen9ii]iclie UittdUuigen. Der Bür. Ulmtrirte Wochentdirift fllr die Gescbiclite Bcrlint. 33. J«liVK> 1895^19961 S. 199.

Franz liruninicr.

Oppcrmann, Andreas, wurde am 17. Jannnr (n. a. iSjS'^ zu Rcpens-

l)urg geboren, studierte in Krlaii,i,'en, MunclK-n und l.ei])-iig die Rc'< hte, unter- brach dann aber seine Studien» um 1852 als Begleiter seines Schwagers, des berühmten Bildhauers Emst Rietschel, nach Italien m wandern und hier ein* gehende Kunststudien zu machen. Heimgekehrt, wurde er tSjS Assessor, und 1863 Hess er sich als Advokat in Zittau nieder, wo er am 15. Januar 1896 starb. Als Reiseschilderer tritt er uns in seinen Schriften '^Aus flem Bregenzer Walde« (1859) und »Palermo« (1860) entgegen; als Kunstschrittsteller lernen wir ihn in dem mit Adolf Stern herausgegebenen Werke »Das Leben der Maler« (JH, 1861 1863) kennen» und ausserdem veröflendichte er eine er- schöpfende Biographie über »Emst Rietschel« (1863. i. Aufl. 1873).

Piaaf Boramldler: ffiogtapliiseliet 8e1iriftsteller*L«dkon. Ldpsig 18S2. S. 53S.

Franz Brammer.

Roberte» Alezander Baron von. Am 8. September 1895 '^^ ""^^ Schreibor- haii im Riesengebirpe (Ut Verfasser der preisgekrönten nf)\ ellisiischen Skizze F.S« und fies Soidatenronians, »Die schöne Helena« im Alter von ftinf/if^ Jahren gestorben. Er hat uns eine lange Reihe von Novellen, Romanen und Dramen hinterlassen» aber mit Vorbedacht werden hier die Namen just jener beiden YftAe am nächsten dem Namen ihres Autors verbunden, weil sie die- jenigen sind, in welchen seine Eigenart am schärfsten ausgeprägt ist, imd die- jenigen, welche ahnen lassen, was R. hätte werden müssen, wenn er nicht, nach vermeintlich liuliercn Zielen strebend, den Kreis seiner Begabung uber- schritten und sich auf jene anspruchslosen, darum aber nicht minder reizvollen Gebiete beschränkt hätte, auf denen seine wirkliche Gr^jsse lag. Hier hätte er ein Pieter deHooch der deutschen T lttcratur werden mtlssen, aber er wollte ein Rubens sein, wahrend auf dem Felde der Grossmalerei seine Kraft doch l;anm zu einer schwachen Nachahnnmu eines Jakob Jordaens ansreirhte. Ikiron V. R. entstammte einer in IN'ninicm ansässigen, einst aui» i^ugUiui ein- gewanderten FamiUe und ist am 23. August 1845 in Luxemburg geboren, wo sein Vater in der damals noch deutschen Btmdesfestung als Auditeur in Garnison stand. Hier besuchte er das in firanzösischera Geiste ;^eleitete .Athenäum, trat kurr vor dem Feldzuge in T?öhmen in die prcnssi>( he Armee ein, hat dann als Ingenieurofficier zumeist in rheinischen Städten gaiiusoniert und den deutsch-französischen Krieg mitgekämpft. 1873 gab er die Officiers- laufbshn zunächst auf, um sich dem SchriftsteUerbenife su widmen. Forscht man in R. Leben und Werken nach den Spuren der Kinnüsse von Geburt und l 'mp;cbiin^. so N\ird man cnp;lis( he Grundbilder in der ihm eiuenen vor- nciinien Zuruckhakunu und ni seiner Riirksirht und Milde im Unheil wieder- 6nden, die Wirkungen hixemburgi!>cher Frziehimg in seinem künstlerischen Geschmack und Takt und seiner Vorliebe iür französische Litteratur, und schliesslich wird man das fröhliche Rheinland in seiner heiteren Gemflths- Stimmung und seiner Ifinneigung zu feinem Humor erkennen» ja vielleicht wird

j

Digitized by Google

264

Roberts.

man in manchen Miner besten Dichtungen auch einen Hauch jener blnmen- haft sarten Poesie eines Meisteis Wilhelm und Stephan Lochners »eispflie», an deien lieblichen Marienbildern er si( Ii in Köln so oft wfreut hat. Des Pommern sturen Sinn, der, wie er selbst schreibt, »mit dem Kopf durch d:- WanH zu brerlicn bereit i.st*r, wird man freilich vergeblich suchen. Nacii- deni er die Armee verlassen hatte, warf er sich bald kopfüber in die Presse und begann in Paris »auf dem ftnchtbaren Amboss des Ul|^dien Artikels« seinen Stil zu schmieden. Was seinem empifingli« hen Geiste schildems-werth erschien, das wanderte zu flüchtigem Eintagsdasein in die Spalten der Kölnischen Zeitvin/^ und anderer Tagesblätter. In diesem ersten Abschnitte semcs Lebens, jedoch noch ehe er sich in das i>.raftigende, aber erregende Stablbad der Tageschriftstellerei gestUnt hatte, Teröflfentiichte er die fetn> sinnigen« poetischen »Genrebilder«, zarte, an Andersen erinnernde Ersählungs- knoBpen, die sich später zu herrlichen T51titlicn »Es und Andres«, »Un- musikalisch« — entfalten sollten. Müde des Kelsens und des irrlichteltercnden Schaffens, trat er 1875 wieder in die Arnice ein, anfangs im praktischen Dienst, spater als Lehrer der lielchtigungskvmbt an der Kriegschule in Erfurt thätig, seine Mussestunden jedoch noch immer dem geliebten Fabulieren und Dichten widmend. Im Jahre i88s errang er mit seiner Skizze »Es« in der von der Wiener Allgemeinen Zeitung ausgeschriebenen Konkurrenz den ersten Preis. Kr trat nun, iRS.i, datiemd aus dem Heere aus, wanderte wieder alleroricn m Europa herum, blieb eine Zeit lang in Dresden, ging dann nach Berlin, später nach Wiesbaden, wo er sich das von ihm lang ersehnte eigene Heim grttndete und siedelte 1887 mit seiner Gattin wieder nach Berlm Qber. Diesem zw riien Abschnitte seines Lebens verdanken wir fast alle seine grösseren Werke. Wel< he Stellung wird R. Name Hereinst in der Litteraturpesrhirhte einnehmen r Hat er die voran;.'e^.in[,'ene l.ilteratur um wirklich Neues und Bedeutendes bereichert: Hat er da-s Leben des Tages in wahrem oder in verzerrtem Spiegelbilde wiedergegeben? Hat er neue Schdnheitsschauer einer St. irker Reize bedürftigen Zeit gebracht? Die Antwort auf diese Fragen wird der kommende T.itterarhistoriker geben, hier sei nur auf ein Feld seines Schafi'cns liin^'t wicscn, auf dem er, wie sich schon jetzt fibersehen lässt, eigen- artig und von Kemem erreicht dasteht: auf seine meisterhafte Schilderung des Kasernen* und Kantinenlebens, auf seine intime Zeichnung des gemeinen Soldaten mit seinen Leiden und Freuden, seinem Hassen und Lieb«). Auf anderen Gebieten konnten Andere besseres geben, auf jenem war R. nicht nur ein Berufener, sondern auch ein Auserwählter, Der Soldatenroman '!>ie schöne Helena« ist, atirh abL^cschen von dem ganz originellem Stufte, wühl das Beste, was er überhaupt geschalten hat, sowohl inbezug auf künstlerische Gestaltung, als folgerichtige Entwickelung der Handelnden und Stfirke der dram uisi ])en Kraft. Wie schade, dass er dieses so wenig bekannte Gebiet nicht ernstlich weitergepflegt hat, wie schade, dass er nicht in der feinen Silbersiiiiinanier seiner ersten Zeit »Esv, »Die Pensionärin« auch ferner ausschliesslich Erzählungen aus dem niederen Soldatenstande gegeben hat, noch sorgfältiger vertieft als in der Helena, mit Ausscbeidimg der in dieser noch enthaltenen hässlichen Uebertreibungen und> karikaturenhaften Ver- zeichnungen. Aber er wähnte nun einmal seine Grösse auf anderen Gebieten, und im letzten Jahrzehnt seirtes T ebens war es vor allem die Biilme. die ihn verlockte. Das war sein Verhangniss, dvuu das dramatische Gestalten deckte sich nicht mit der mehr lyrischen Art semer Begabung, wenn er auch Viele

Digitized by Google

Roberts. 265

aus der Schar seiner Mitbewerber mit »Satisfaktion« und »Treue« um Hauptes- länge überragt hat Aber unter Zwergen ist es schliesslich kein Verdienst ein Riese m nein, und um so schmerzlicher fiir un<5 ist rlicscr Ikarusflug R., als wir wissen, dass er auf ilini angemessenen Boden, wenn auch nicht zu einem Riesen, so doch zu einem Grossen unter Grossen hätte heranwachsen mllssen. Den Stü seiner Dichtungen hat sich R. in emster Arbeit selbst- geschafTen, einen persönlichen, freilidh auch etwas krankhaften Stü, dem man das Mühsame und Gesuchte oft anmerkt Die Omniltiissprache der grossen Mcnpje spricht er jedenfalls nicht, und in vielen köstliclien I>et lils wird man das sorgfältige Studium des lebenden Modells und das Vorbild des grossen Meisters der naturalistischen Schule in Frankreich erkennen. Die Grundlage der Wttrdigiuig eines Dichters bilden seine Werke, aber nicht diese allein. Auch in seiner persönlichen Erscheinung und in seinem Wesen prägt sich, mehr oder minder klar, sein tiefstes Innere aus. R. war eine auf den ersten Blick sympathische Persunlirhkeit. Seine (lestalt war schlank, von mittlerer (irösse und zartem, biegsamem (ilicderbau. Wolü hatte frühzeitig körperliches I^d in dem blassen Gesidit mit feinem Grifiel seine Spuren eingegraben, aber den lebhaften C}lan2 des blauen Auges, mit dem er scharf und doch unendlich mikl die Welt um sich her betrachtete, hatte es nicht zu brechen vermocht. Noch ausdrucksvoller fast als das; Auge, noch charakteristischer, noch mehr sein tiefinnerliches Wesen verraihend, war die schmale, edelge- formte, geistreiche Hand mit ihren si)rechendcn, beweglichen, von Gelenk zu Gelenk dttnner werdenden Fingern, die Hand eines Aristokraten, eines Gelehrten, eines Dichters. Der Salon der sogenannten Gesellschaft war nirlif der l'>o<len, auf Hern er si« Ii wohlfühlte. In grossem ricwühl war er <^till. schüchtern, fast unbeholfen; er gmg unter Mensrhen, nicht um sich zu Uli tci halten, sondern um sie zu studieren. Aber zu Zweien, dem Freunde gegenüber, da war er der fr(lhlichste, witzigste und gedankenreichste Plaudeier, den man sich denken kann. Wen er liebte, dem enthüllte er seine ganze, zarte Seele, und es lohnte sich wohl, ihren Regungen rn lauschen. In solchen Sttmden, in seinem mit Büchern rings umstellten Arlienszimmer in fler Neuwcrksirasse zu Krfurt, da habe ich ihn ganz verstehen gelernt, da habe ich es oft auch schmerzUch empfunden, wie seine Erzählungsgabe, so- anmuthig und freundlich sie war, doch hinter seinem tiefem Empfinden zu- rUckblieb. Reichte doch selbst die Schilderung nebensächlicher Dinge in seinen Di< litnngen nicht an die S( harfe seiner Beobachtung heran. Wenn er aut uiiheren einsamen Spaziergängen im Steiger\\ aide plötzlich j>tehen blieb und mit wenigen Worten das Huschen eines Sonnenstrahls durch eine Buchcn- ^ru})pe malte, oder das Glänzen einer fetten A<^erkrumm, oder das Aufglühen eines fernen Fensters im scheidenden Abendlicht, oder wenn er den Ruf der vorüberschiessenden Schwalbe in ein eigen« neues Wort zu prägen versuchte, <!a musste ich mit Bedauern daran denken, wie viel von dem meisterlieh Be- obachteten auf dem Wege durch die Feder auf das Papier verloren gehen werde. Aber schliesslich, mindert es die Grösse der Dichterseele, wenn die Hand, die der Empfindung oder dem Gedanken nacharbeitet, dem höchsten Wollen nicht immer willig folgt? Götthch ist es, einer Dichterpersönlichkeit zu befjef,Tien, in der hö< Iistes Wedleii tnid hö( hstes Rönnen im Finklang steht, aber eine herrliche Berei( lierun;^ erf alirt auc h das T eben desjenigen, dem ein gütiges Geschick einen solchen Dichter nahe getulin hat, wie es Alexander von R. war, und ein Dichter war er trotz seiner Schwächen und Irrthttmer.

Digitized by Google

366

Werke (nach BrUmmer's Lexikon u.a.): Genrebilder. 1870. (Pscudnnytn Robert Alexander). HeI|[oländer Novellen. 187^ (Pseudonym Rob. Alexander). Türkische Interna. (P&eudon^ Noicditt A^b). Es und Andres. 1883. Loa (R.). 1884. Die Pensionirift (E.> 1884.

rnhindr. Mnl' »icchio. Die Trr>vatclla. Die Hnl/haiur (4 \.). fSS5. Unmusikalisch u. and. 1886. Um den Namen (R.). 1888. Revanche (R.). 1889. Satisfaktion. Da« »er- sprav^e GlBek. La Speransm (3 VtX 1889. Die schöne Helena (R.). 1889. Preisgekt«i»t (R.). i?>^^0. Aus Mitleid. Die gekauTtc Stimme. Des K.iiscrs Fünt u. s. w. (Niu). 1S92. S.ttisl.iktion (Schüp ). 1892. Qlik (Drama). 1893. Majestät (K.;. 1S93, Schlachtenbummler (Kricgserinncrungcn). 1895. Treue (Schsp. aus der Kriegszeit). 1885. Nacht^Iassene No« Vellen. 1897.

Alfred Lehmann.

Lamey, Angnst. Soweit in badischen Landen der Name L. auftritt,

führt er uns zurück auf den Sekretär der Mannheimer Akademie, den kur- pfäl/ischen Hofrat Aiiflreas L. (1726 1802), einen Klsasscr von fitburt. dessen Vater zu Münster im Gregorienthnl als ehrsamer Kütcrnuisici uiul Landwirt noch lundiich und bürgerlich Gewerbe paarte. Des Aiuireas ältester Sohn Emst ward Juristf gab »st das in fhoizäsischer Sprache erschienene »Journal de Manheimc heraus, sieddte aber nach dem Anfall der rechtsrbeinkchen Pfalz an Baden nach Karlsruhe Uber, wo ihm die Redaktion der IkuHm Inn Stnatszeitung tibertragen und der Titel eines Rates verliehen ward. N u h seinem vorzeitigen Tod fjclancr es unter schwierigen Verhältnissen der \Viiv»e, einer Krau von ebenso grosser ünisicht tind Thatkraft als reiner Güte des Herzens, ihren 3 Söhnen diejenige Ausbildung zuteil werden zu lassen, die ihren \ ielverheissenden Anlagen entsprach. Zwar raflle die beiden älteren Söhne der Tod dahin, ehe sie die Höhe des Lebens erreichten, aber <ler j(in|?ste, August, sollte die Hoffnungen der Mutter erfüllen. Franz August Friedrich L. geboren am 27. Juü 1816 zu Karlsrulie war, beim Tod des Vaters erst 6 Jahre alt Nachdem er auf dem Lyzeum seiner Geburtsstadt die Reife erlangt hatte, studierte er in Bonn, München und Heidelberg die Rechte und trat 1844 in den Staatsdienst. Nach seiner ersten Verwendung als Assessor beim Siadtamt Karlsruhe ward er ztim .Mitulied des HotV'crirhtes in Mannheim ernaniU. Schon in diese Zeit talit auch der HeL;inn seiiur politischen riialigkeit. Am 1 . Mai 1848 legte der von der Suidl Karlsruhe gewählte neu eintretende Abgeordnete L. in der zweiten badischen Kammer den Eid auf die Verfassung ab. Ein (jesinnungsrerwandter der Mathy, Bassermann, Soiron etc. nahm er an den Verhandlungen dieses Hauses l)is zum Jahre rSs;? teil, ohne dnss seine Person jedoch in dieser Zeit der Kx- treme besonders hervorgetreten wäre. Als nach dem Scheitern der nationalen Einheitäbofihungen mit den fünfziger Jahren von ob^ der Rückschlag gegen die fireiheitlichen Bestrebungen erfolgte und das politische Leben in den er* nüchterten Massen zu stocken begann, zog sicb, wie viele Andere, L. aus der Ocflentlirhkcit zurück. Seit 1849 war er anrh aus dem Staatsdienste aus;^e'>« liieden und wohnte als Ohcrcerirhtsanwalt zu Frei bürg 1. Br. Diese unabiiangige Stellung sowie die 1856 ihm übertragene juristische Professur in der stillen freundlichen Dreisamstadt mit ihrer reizvollen Umgebung ent- sprachen den ])crs{hilichen Wünschen und Neigungen L.'s ganz besonders, wie aus zahlreichen späteren Aeusseningen hervorgeht. Da erging (iSsq'^ wiederum der Ruf der Wähler diesmal des nennten Wahlbezirks (Amt Lörrach) an ihn. Nicht ohne Bedenken Hess sich L. zum abermaligen Eintritt in die zweite Kammer bestimmen. Kr sah voraus, dass, wenn er jetzt wieder hinaustrete in den Kampf der Meinungen, sein Platz in den

Lamej.

vordersten Reihen als eines Rufers im Streit sein werde. Der Zeitpunkt, in welchem L. aus seiner stUlen Gelehrtenstabe hervortrat, war bedeutmigsvolK Ein wichtiger Umschwung der öffentlichen Stimmung vollzog sich eben. In lo Jähren der Reaktion hatte man sich wieder gewöhnt Ruhe nls (K«» Bürgers erste Pflicht /u betrachten. Da crsc luiitoriun die Schlachieiidonner von Magenui und Sollerino die schwule l.uü, grelle Streiflichter fielen auf den Jammer der Deutschen Bundesvertoung, in leidenschaftlicher Parteinahme erinnerte man sich aufs neue des grossen Vaterlandes. Andererseits erregte Preussens feste /ielhewusste Haltung unter der Regentschaft des Prinzen Wilhelm in vielen Herzen neue Hoffnungen, und im »Nationalverein lc?)ten die vormarzlichen Ideale wieder auf. Auch Badens innere Entwicklung stand vor einer Krisis. Die gegen die Revolution 2u Hilfe gerufene Madit der Kirche ibig an, der Regierung selbst mehr und mehr Atrchlerlich zu werden. Man wollte die gegenseitigen Beziehimgen nun festgelegt wissen. Nach jähre» lan;:en Verlinndhinjjen mit Rom (die Kreiburger Curie hatte sich jeder Ver- «^t;i n< ]iL;uii.u iin/ii^iuiglich gc/cim'> kam am 28. Juli i^^f) ein Vertrn'^swcrk tu .Miinde, diis tler katlioUsdien Kirche in Baden nicht die Kreiheii, suntlciii tJie Herrschaft sichern sollte. Stürmisch war die Auflehnung gegen das »Konkordate im ganzen Lande, und als im Friihling des Jahres. 1860 die zweite Kammer zusammentrat, zog sie den ohne ihre Mitwirkung abgeschlossenen Vertrag mit Rom vor ihr Forum itnrl verwarf denselben. In dem ganzen Streit, sowie besonders in den denkwürdigen Verhandlungen vom 29. und jo. Marz fiel L. (neben Stabel imd Achenbach) die führende Stellung zu. Deutlich bezeichnete er bereits hier die Richtung der Kirchenpolitik, die er selbst später einschlug und festhielt. Kirche und Staiit, war seine Meinung, sollten so sehr als möL;lirli in ihre Sonderstellung gebrarht werden, wo sie in keinen K-ontlikt geraten konnten. Als aber < '»rossherzog Friedrich sich der Auffassung der Vertreter seines Volkes anschloss, das ^linisterium Stengel- Meysenbug am 3. Apzü auflöste und die Wortfithra* im Konkordatstreite Stabel und L. in den Rat der Krone berief, da ward ^ deutlich, das« fllr das Land eine neue Aera anbrach, wie sie die allerhöchste Proklamation vom 7. Afifil vcrhiess. Eine timfisscnde Neiificstaltung auf allen Clebieten des siaallichcn Lebens begann. Die (iesichtspunkte, nach welchen sich diese Neugestaltiuig vollzog, sind grosse nteib aus L.'s Geiste geboren. In gemein- samer Arbeit mit Stabel ward das Verhältnis der Kirche zum Staat neu ge- ordnet, insbesondere die Rechte des Staates in Bezug auf das öffentliche Unterrirlirswesen, die ZnlMssntitr 7.u Kirchenämtern, die Verwaltung des kirdi- lirhen Vermögens festgestellt. Km neues (»ewerbegesetz ^'ab (kni I leiss und der Intelligenz auf diesem Gebiete freiere Bahn. Die Verwaltung ward vun der Rechtssprechung getrennt, in dieser die Oeflentlichkeit und Mündlichkeit des Verfehrens durchgeführt. L.'s eigenstes Werk aber war die MOndig- erklSrung der (lemeinden nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung in der von ihm begründeten Bezirks- imd Kreisverfassung im Geiste Stcin's und Hardenberg's. Hatten sieh auf den übrigen Gebieten diese Refonnei» la-si ohne Widerspruch unter allgemeiner freudiger Zustimmung vollzogen, so stiess die Neuregelung der staatlich^kirchlichen Verhältnisse naturgemäss auf die erbitterte Gegnerschaft der Klerikalen. Aus diesen Bestrebungen ging auch der Vcrsn« h des 1 reiherrn von Andlaw hervor, durch eine Motion in der ersten Kanuiier am lo. Mar/ iS6() das MinibiL-rium /ii stürzen. Diese Motion war im Grunde nichts anderes als ein persönlicher Angriflf auf L., gestaltete

Digitized by Google

36S

LAinej. Huber.

skb aber zu einer gUnwiideii Gemigtfaaung fOr den Angegrifienen. Aber ichon der Sommer desselben Jahres gab der Geschichte Deutschlands nnc

un^renhnrc Wrivlttn^. nitselljcn r'/IorVen Liutetcn dem Deutschen Tlii-nde zu (jralic, 'lr(/hntcn 'lic j^rcussis« hcn uu<\ verkündeten hell den komnicaden

AufemeimrighUtg dc^ neuen Reiches. Wohl war es im l>aden leichter und naittrlicber ais f&r andere dentscfae Staaten, den von jetst an vm^eateicbneten Weg zu betreten, denn ffir den Fürsten und das Volk dieses Landes war derselbe vielfach nicht neu. Allein der UmschN^iing der Dinge war «K« h {rro«5s tind /n plötzlich, nis d.iss er sirh nicht sofort bemerkbar gemacht hatte. Zunächst war es sclbstvers>tandiich, dass die leitenden Staatsmänner, weiche die Kriegserklärung an Preussen tuiterzetchnet hatten, ans dem Amte sdueden. Für war dies um so sdbstmständliclier, ab er beim Sdduas der IL Kam- mer am St. Juüi sich den im Hause laut gewordenen V(jn\'ürfen gegen l'reussen angeschlossen hatte. L. zog sich in das Privaüeben /urOrk ■•. . ' schlug seinen Wohnsitz in Mannheim auf, um denselben bis 711 scnuin Tm!. nicht meiir /.u wechseln. Aber auch jetzt stellte er unverdrossen seine Kraiic in den Dienst der Allgemeinheit .Seit 1870 zu den Fitfarem der national* liberalen Partei Badens gehörend, vertrat er diese polidsche Richtung auch im ersten Beichstag 1871 74. Als die Stadt Karlsruhe 1875 ihn abermals zu ihrem Vertreter wählte, trat L. wieder in die 11. bad. Kammer ein, deren Sitzungen er als Präsident von 1876 bis 93 geleitet hat. Auch in der General- tynode der evangelischen Landeskirche Badens führte er seit Bluntschü's Tod (ai. Okt. 1891) den Vorsitz. Ebenso blieb L. im Kreisausschuss Mannhetm, man kann wohl sagen, bis zu seinem Tode eifrig bestrebt, die von ihm ge- schaffenen Ge<ict7e 7M <;ichcm nnd weiter m bilden. Seit dem Jahre rSni ward seine Gesundheit iiR-hr und mehr i rs( hiiucri, bis er den wiederholten Angriffen in der Nacht vom 13-/1 4, Januar 1896 erlag. Auf dem Friedhofe SU Heidelberg entwarf Professor ftissermann, ehe der Saig den Flammen des Krematoriums übergeben wurde, ein meisterhaft gezeichnetes Charakterbild des Heimgegangenen, von dem er mit Recht sag^n konnte: »Nichts an ihm war Schein, alles war echt.«

Prof. D. Lamey.

Hnber, Rvdolf C. Dieser hochbegabte Maler wurde am 15. August 1839

in Srlilcinz bei Wiener-Neustadt geboren. H. machte seine erste Ausbildung auf der Wiener Acadcmie der bil(lcn<len Künste durcli, dann niif kurze

Zeit nach !>itvselrlorf, ohne sich irgendwo nn den akademischen l.ehr/wang streng zu halten, weil seiue nach Unabhängigkeit strebende Natur schon von Jugend auf nur ihre eigenen Wege gehen woUte. Mit x8 Jahren malte er auf eigene Hand das »Portrait« eines sitzenden Jagdhundes (1857). Der Ausbruch des österreichischen Feldzugs in Italien (1859) veranlasst ihn, noch nicht zwanzig- jährig, den Pinsrl mit dem Schwert zu vertauschen. In allen körperlichenUebtmn^er gewandt und ;ibgchartet, galt er besonders als kiihner und geschickter Reiicr^- maiui und »Pferdebändiger«; hierin hatte er während des kurzen Krieges m> of^ (Iclegenheity sich auszuzeichnen, dass er zum Regimentsinhabo^-Adjutanten des Grafen Wengerski (v. 48. Infanterieregiment) avancirte. Nach dem schnellen Abschluss des Friedens begann er wieder als Thiermaler si( h zunächst seinem T iebHngsthier, dem l'terde, zu widmen und gewann bald einen Ruf als Sponnialer in den Kreisen des Tiirf imd der hohen Anstocrade. Mit seinem ersten grösseren Bilde »Parforcereiter« öffiiete sich dem jungen

Hnbcr.

Künstler sofort der l^tarki, dcnti der Kunsthändler Sedlmeyer in Pari» kuuüc es. Damit war sein Glück begründet. Es folgten bald m nscher Froduction eine Anzahl kleiner Reiter-, Jagd- und Parforcejagd-Darstellungen und Thies-

stücke, unter denen einige sehr fein gestimmte nach Polen verkauft wurden. Tl. 's Gcheimniss war nicht nur die genaue Kcnntniss und Wiedergabe der Erscheinung der Thiere, der Anatomie des Pferdes u. s. w., sondern er ver- tiefte sich in das eigenthümliche Instinctleben der verschiedenen Thiere. Gr hielt sich eine Menge Hunde aller Rassen, Schafe, Esel, Eichkatzen, Igel, Schildkröten, Eidechsen, Vögel in grosser Zahl, die er alle zu zähmen verstand. Sein T.ieblingspferdchen »Perla«, ein Aruber-Si himmel, fulj^ie ihm auf seinen Spazierfiangen wie ein Hund, bewcuie si(li in seinem Atelier zwischen den Bildern und duldete keinen Reiter ausser ihm. Dieser imune Verkeiir mit der Thierwelt gab seinen Darstellungen den Reiz der Unmittelbarkeit und des individuell Erfassten. Seine Eigenschaften als »Thierbändiger« und Sports- mann prädestinirten ihn zum Sportmaler und machten ihn in den Kreisen des Hocharlcls und bei Hof gesuclit und beliebt. H. ritt, jagte und piirsrhte mit, und was er sah, wurde zu Bildern, die er zumeist frei aus dem Ge- dächtniss rcpruducirte und die ihm vielfach schon »feucht von der Staffelei« weggekauft wurden, so dass er manchmal der Nadbfrage kaum zu genügen vermochte. Anlänglidi schien der Thiermaler Smitson \hm vorMidlich zu sein, später schloss er sich mehr (Tiesonders in seinen Kuh- und S( liatbildern), der Malweise Troyon's an, dessen Kraft, Tiefe und Sattheit des Tones er anstrebte, ohne indessen in unselbständige Nachahmung der beiden Meister zu verfidlen. Indem seine Entwicklung weiter schritt, brach in einigen grösseren Gemälden, vorzugsweise in verschiedenen Reiterscenen, ein gesunder feiner Humor durch, der den späteren Carricaturisten erkennen liess. Bis zur Mitte der yoger Jahre verkaufte er seine Bilder zu sehr hohen Preisen und man bezahlte ihm zuweilen die leere Leinwand, um sicher zu sein, etwas von ihm Gemaltes zu erhalten. Dieser frühe und gl^iuende Erfolg setzte H. in die Lage» auf grossem Fuss zu leben, was seiner Natur angeboren war, und das Geld floss ihm durch die Finger. Als der Rückschlag nach der »Gründerzeit^ in den 70 «^er Jahren eintrat und die Einnahmequellen sich plötzlich verstopften, irostctc sich der Künstler selbst damit: »dass es srhlicss- licb einerlei sei, denn wenn er soviele Millionen Ciulden einnaiune^ wie Kreuzer, so hätte er sie dodi in einer bestimmten Zeit alle verausgabt«! Eines der bedeutendsten Thierstttcke »Kühe unter der Brücke« stammt aus dem Jahre 1874 und erregte in der damaligen Aussteilimg im Wiener Künstlerhause Aufsehen. Mit einem andern Kühe im Wasser i-ewann der Künstler später (1887) die Karl Ludwigs-Medaille, Mehrere der wert- vollsten ThierstUcke befinden sich im Besitz der Wiener Grossindustriellen und Kunstfreundes Jean Roth, (Bruder des Architekten Roth) unter andern ein rothbrauner Ochse mit Kleinvieh im Tümpel aus dem Jahre 1884, ferner zwei Motive ans dem Waagthal tScliafhirtinnen unter Hänmen) und Im Walde« (ein Edelhirsch ins Mondlit hl aus dem Dickicht heraustretend). Eine neue Phase in H.'s Schaffen brachten ihm die blendenden, farben- schimmemden Eindrücke des Orients, wohin er in den 7oger Jahren mehrere Studienreisen unternahm. Zur Eröffiiung des Sucz-Canals ging er nach Egypten, wo er unter andern mit den Malern Leopold Carl Müller, Makart, Lenbach, (Jnauth, den Architekten Kayser und dem Dichter Georg Kbers in Cairo zusammentraf. Letzterer bat in einer kleinen (bei Gelegenheit der Nachlass-

Digitized by Google

970

Haber.

ausstellung" H.'s) veiult'eutlichten Broschüre, mit beredten Worten diis Leben der berOhmten Kflnstlerscliar, die vom Khedive »wie die Fürsten bewirtet'^ und ausgezeichnet wurden, geschildert. H. verkaufte im Orient seine Bflder direct zu den höchsten Preisen, so dass er, trotz s< hneiler Productivität, nur verhältnissmässig wenige Studien (darunter einige ihm l>esonders interessante Köpfe arabischen Typus, Beduinen und Kameelcj heimbrachte. Aber sein vortrefflidus Erinnerungsvermögen ersetzte ihm vides, yw «at an Studien entbehrte. So fest hatten sich ihm dort alle LuftefiiBcte, Farbenharmonien und die Charakteristik der Formen einge|)rägt, dass er noch nach 16 jähriger Abwesenheit %'on F.tryi>ten seine Itesten (^rientbilder mnlen konnte. Kr hatte das Wesen des Orients mit ebensoviel reidistischer ireue, wit- Humor und Feinheit in sich au%enonuucn und gab es zu beliebiger Zeil wieder, wenn ihn der Gestaltungstrieb dazu drängte. Mit Leopold Qtrl Mttller und anderen Künsdem wurde H. au< h < mf Müllers Vorschlag) nach seiner KOckk^ zu den Illustrationen zu Georg Ebers Pracht werk Kgyptcn * mit herangezogen; einige sehr wirkungsvolle Voll-HIntter und kleinere Zeichnungen stammen darin von semer Hand. Seine berühmtesten Ürientbildcr sind »Tod in der Wüste c (ein Araber ist in der Wüste vom Pferde in den Staub ge- sunken; neben dem, im weiten Burnus eingehüllten, Todten steht sein Koss, den Hals weit vorgestreckt, den hLr:ins;nisenden Wirbelstuim ängstlich mit schnaubenden Nüstern enlgegenspähend. Uns ganze von dem srhwefelifelben uniieimlich hellen kirht des Snmum beleuchtet."^ '>Pie K at/uiigraber bei J^uxor«, » üursileidende Karawane«, »Mahizeii in der Wüste« {JLni Wüstensand liegt ein verendetes Karoeel, umgcl)en von Hyänen und Aasgeiern) »Nächtliche Ausfahrt einer Haremsdame». Ein sehr charactcristis( Iks kleines Hild ist der I'ellah mit Büffel« (im Besitz der Heim Ramberg-Mayer in Wien) mit emlach"=:ten Mitteln scheint der gan^re Hauch des Orients in 1 ufi und Licht dem Beschauer entgegen. Zur Jubelfeier der Befreiung Wiens von der Belagerung durch die Türken malte H. zwei lebensgrosse ReiterbiMnissc, Rüdiger von Starhemberg und Karl von Lothringen, ersteren auf einem prächtig gemalten, kraftstrotzenden Rappen an den Wiener Basteien eiulangsprengend, Irfxteren ruif einem sieh nnfbaumenden Schimmel am .\b- hang eines Hurrels, \on dem ;ius man auf das belagerte Wien herabsieht. Beide moniwuenial aiilgekuj-^ien Gemälde fanden vielen BeifaJi und kamen zur AussteHung in München und in America. H. hatte enonne Preise für diese beiden Stucke verlangt, und SO blieben sie unverkauft und kamen später mit unter des Künstlers Nachlass.

Als drilirs Werk in diesem Stvl mnite H. seinen »Washington«^. Die Entstehung und Vollendung desselben ist sehr interessant, da sie zugleich eine Idee von der Art uud Weise giebt, in der er arbeitete und eine grosse Auf- gabe anzufassen verstand. Wir entnehmen die Schilderung dem Bricht eines nahen Freundes und Augenzeugen: "Nachdem er alle existirenden Stiche und T'ildr) WashTrt<.'tons sieh versr li.ifTlc und genau studirte, l)fpxnn er Mitte Juni 1883 .seinen W a-hiimtun /u /cii hneii. Vom fruliesten Morgen bis iiur Dunkel- heit stand er ui\ tler Siattelei; dazwischen begann er eine FiU'benükizie xxi dem Gemälde (welche bei der späteren Auction verkauft wurde); sie war am I . Juli vollendet. Am 28. wurde die Zeichnung des BUdes photographirt. Dann konnte er 8 Tage keinen Strich malen, da er wegen der \ ielen I>ct:ul.s (Farbe der Aufschlriire nm Stocke, der Cocarde am Hut u. d^l. m. 1 genaue Erkundigungen eiiuiehcn musste. Aui ix. Juli begann er dann wieder zu

Digitized by Google

Httber.

271

malen und am 26. Juli war das Bild schon bis auf einige Kleinigkeiten und Feinheiten vollende. Die vielen künstlerischen Erfolge, die H. mit diesen Werken erntete, veranlassten ihn, sich in den folgenden J;^liren auch dem Portrait mehr zuzuwenden. Zwar haue er schon früher gelcgenihche Proben seines Könnens in dieser Richtung gegeben (so mit dem Doppelbildniss der beiden jungen Grafen Stolberg im Jahre 1S73, das auf der Weltausstellung bewundert wurde). Die bekanntesten seiner Portraits sind u. A. : das Selbst- bildniss, sowie die seiner drei Kinder, ferner d.is des Inj^enieurs Mannlirher, des junjjen Altgrafen Salm, li.iron Rothsthild mit semer Schwester Alice, Baurath Franz Xoth, verschiedene Bilder seiner Gattiji, und eines jüngeren Collegen und Freundes in Cardinalstracht, der sich jetzt im Besitz des Herrn Jean Roth befindet. Ftir die Kaiserin von Oesterreich, die grosse St&cke auf H. hielt, malte er den Erzherzog Rudolf. Eines seiner letzten grösseren Portraits ist das des ("(nni)onisten Johann Strauss, der auf der Berliner Aus- stellung i8()5 lebhafte Anerkennung fand.

Di« chronologische Keihenfolgc »einer Arbeiten hat um ein naher Verwandter des Kllnttlen in dmnkeiuwerter Weiwi TOm Jahre 1878 beginnend, zur Verfügung gettellt. 1878 mähe er mehrere kleinere Sportbildcr, ferner Ga/ellcn- und mdcrc Tbierbilder. »Im Regen« (Nachlassauotion). 1879 veischiedaie Oricatbtldcr und swei Portraits seiner Bmtit, dfe er spater jedoch wieder Temiehtete, ferner eine »Landschaft mit weidenden Kühen« und einer Hirtin unter einem Weidenbaum. 1880 zwei Jagdbilder, ein Bild mit Kühen, das der Kaiser von Oesterreich kaufte; »das Gewerbe der Fleischselcher«, (aus dem Wiener Festcug); verschiedene Portraits, eine Portmitgruppe von vier KIndein und Damen und Herrenportraits tu Pferde. 1881 von Sportbildern: 2 Jagdgesellschaften, 2 Stceplcchaise, >Begegnung«, »Unfall«, «Spazierritt«, »Rast«; von anderen Bildern: drei Thierbilder, darunter ein Kuhbild; »Arabischer Wechsler, sechs Sportbilder. Ausserdem noch ftir den Grafen Kaldokjr den »Wiener Bitz-Bitz« und drei Pferdeportraits. 1882 machte H. eine Studienreise an die italienische Grenze und verbrachte ungefähr 4 Wochen auf einer Alm, in eine r Sennhütte hausend, teilweise in Gesellschaft des Professor Lichten- fels und einiger Schüler. Dort vollendete er trotz schlechter regnerischer Witterung eine Menge Studien nach ikr N.itiir, darunter auch vier f^nn? kleine, bcsontkr- feingctünte Bildchen, verschiedene Kulilulder, Schweine- und Zieyeubildcr und auch ic'm landschaft- liche Motive. Nach die>en Studien entsandcn mclneic Bilder, darunter »Vor der Scnn- b(ittC', »Kühe .Ulf (i f r Weide«, »Mutterfreuden : (eine Sihweiiuf iniiliL-), sL.md- schaft mit Kuben«., R .iiii p 1 c u d c KUhe« (vom «'tstericichiäeheu K^di&ei gekautt und zur Ausstellung nach Chicago geschickt). -- In diesem Jahre unternahm er auch eine Reise naih Paris und l.omli.n, wobei ihn besonder^; Fn^land in iMiidschaftlicher Beziehung ent- ^.Uvkte. Von ciiicui l.oudüncr Kunsthändler wurde iliui äiigcbuten, »dass er jedes Bild von tl. sofort kaufe, wenn es in England gemalt sei.« Zur dauernden (Jebersicdelung konnte sich H. .d^er in< ht cnt^cldiessen. ^>Ländliche Scenc« (eine rimppe juriL;ei Schweine, tllicr- wacht vom Muttertier beim i* uttertrog. Grosi^e 93 cm hoch, 65 cm breit. Nachlass-Auction). 1883 machte er im Winter die (schon erwähnten) Reiterbilder »Starhemberg« iwd »Loth- ringfen«, die er in kurzer Zeit mit walneni Feuereifer vollendete, in einem Zu'ije ohne Aenderungen, nachdem er vorher CostUmstudien gemacht und alle vorhandenen Bildnisse and Stiche der beiden Helden sich genau angesehen hntte. Nur su den Pferden machte er nnrh besondere Studien nich der Natur in den Kaiserlichen Stallungen; dann ging er direct an die grossen Bilder, ohne sich weitete Skizcen daxu xu luacbca. i>iese Bilder erregten anch das lebhi^e Interesse Maltarts. Im selben Sommer malte H. dann noch «meinen fWashinf^tnn <<.] tind ausserdem norh 11 andere Bilder, dar-

unter: « Ochsengespann a, »Im Walde«, »Windmühle«, »Kühe auf der Weide« u. A. 1884 vollendete er aus dem Gedüchtntss ein Portrait setner Fran, femer das Portrait einer Engländerin und des Dicliters l'eidinmil von S.i.n. n,i> Brustbild de- M.iler>. Zu mich im Nocblasii. Während eines kurzen Auicnthaltes auf den Besitxungen eines Freundes ent- standen sieben Naturstudlen (ans dem Waagthal) und das »Schenemde Ifidchenc In den hei-^en Sommermonitten fa-t panz .illcin in der Ak.uKniie .in\^e-cnd, malle H. sechs Fnun- bildcr. Da« grösste derselben »Sonnenuntergang«, benutzte er als Zielscheibe zum SdkicsscDi weil es ilm «wht iMfiiedigtel Bin anderesi welches einen allen und einen jungen

91»

Huber.

Foim, badende Frauen beobaditend, dentellte, sencknitt er. Die beiden anderen kamen

snr Verstcigerunfj im N.ic-hlass, und die Ictr.trn 7wci befinden ^\ch im Priv.uljosit/. In demselben Jahre malte er auch seine berühmten »Pferde in der Tranke«, den »k^delhir^^cb im Mondschein aus dem Walde tretend«, »Wildschwein im Mondschein, Tom Speer ge- troflen«, ein gm^sc- KiiTibild, vier Reiter mit Hunden (r;irfnrr:ejagdbild). Einem Stägig^ Aufenthalt in und bei Eger entsprungen eim seiner grossen Bilder >MUble bei Eg;er«, mehrere Ueiaere und iwei besonders sefaQne gent Ideiae Bildchen. 1S85 Portmit seines iÜtestcn Snhnc«, aii=;<erclcm zwei weitere Kinclerportr.iits. zwei Damen- und vier licrrcn- portraits. Damals malte er auch für das Lainzer Jagdschloss drei grosse Bilder und eineo Plafond: »Somroemaehtstraum«. Zu dem f^rossen Mitlebtllclt »Titania mit dem Esel« malte CT eine -^ng. i>Skizzc« .ils ferfi'^e» T?il<l und nach diesem das Rilrl <cll»st. Die rjt-^chirhte seiner Entstehung ist lehrreich für die Art des Malers: als das riesige Bild schon last fertig war« verschwanden eines Tages Titania und der Esel und er malte beide Gestalten in anderer Stellung; als die-^e fettij; waren, kam ihm eine andere Idee viml er wu^rh dlo Titania wieder fort, um sie, nachdem sie vollendet war, abermals wieder xu entfernen. Diesmal malte er eine schwarte Titania, die aber auch wieder verschwinden mnsste, end- licli l<am tlie Monde Titania mm Vorschein, die er vielleicht wieder geändert hätte, wenn das Bild nicht schon hätte abgeliefert werden mUssen, sum rechtxeitigen Termin des Be- Stichs der kaiserlich russischen Majestäten. 1886 dn neues Titania-Bild , drei DanMS- portraits und da- -einer Frau und einige kleinere. ^^Neugicrige Faune « und fFmn und Ziegenbock. 1887 Portrait seines xweiten Sohnes und ausserdem acht Herren- und sechs DamenbUdnisse. »Der Hefrotiieb«. »Ochsen am Pflu|ir«. »Qehsentrieb« (eines der schön- sten Thicrbilder, welches bei der Lotterie im Künstlerhnus angekauft war). »Ktlhe im Wasser« (Karl Ludwig Medaille). Bauer mit xwei Kthen. Bauer mit Kilbem in einem Wagen unter rothem Schirm. Verschiedene Bilder ans Ungarn. t88S 9 Oehsen mit einem Italiener, (nm Wege ein BlUthenbmttm). »Wttstenmahheit« (todtes ICameel mit Geiern und Hunden), »Muhlbach mit Kühen«. »EgermOhle jmit Kühen«. »Der Heimtrieb«. »Egypter mit todtcm Reiter«. Verschiedene kleinere Bilder. 1889 verbrachte er wieder einige Zeit auf der Besitzung eines Freundes in Ungarn und malte im Waagthal in neun- zehn Tagen neunzehn Studien, dann noch in den nächsten zwei Wochen acht grössere Studien. Im Herbst verbrachte er acht Tage in Nieder- Oesterreich, und in dieser Zeit malte er 7 Studien, die theilwcise als Bilder ausgeführt waren (darunter den »Nussbanm« mit dem Tisch und der Bank darunter). Ferner: Land<;chaft mit Weidenbäumen (unter alten WeidenbSumen weidet cuie Heerde Schafe, vom Hirten bewacht). Hirt mit Schafen auf der Weide. Dorfkirche, von einem Friedhofe umgeben. Bei der Kirche steht eine Biluerin mit fwci Kindern. Land "Schaft mit Kühen l>oi einem Wa-^er und zwei Bauernkiodcr, Gäiiüe hütend. Die Laiid^trassc; auf eiiici mit Tappelbäumen be- setsten Landstrasse eine Menge Bauemweiber gehend. Nachtliche Ausfahrt einer Haremsdame in Cairn; FackeItrH<}fer und Sklaven hei^leiten den Wnpen. Gebirgs- landschaft; iiu Vordvi^iuiid win hci.iitschleichender Fuchs; im Mittelgrund steht ein Mann auf einer Leiter und schält die Kinde einer Tanne ab. Auf der Weide; Hirtin mit einer wei-— und ^ell>t;ef1ecktcn Kuli. KnIUofen in Ni e d er- f> c: f c rrei c h ; ein Ar- beiter ist bcsclihltigt, ein Holzsclieit iu ücu (Jfen zu schieben. Aul der Weide; Baucrn- mädchen mit einer dunkelbraunen Kuh auf der Weide. Ungarische Landleute silsen im Halbkreis und schälen NUs«;e. Fitie >Teni,'e Studien und Skizzen. Bei der unj^emein raseben Produktion H.'s ist es sehr wahrscheinlich, dass nicht sämmtlichc namhaft gem.icht werden Iclfnnen, da sie auch xn einem grossen Theil gleich ins Ausland verkauft wurden. Der A it V t i o n s - K a tn 1 og der Kunsthandlung Miethke enthält den j^csammten N.tc^- lass, aber nur diesen. (31, Januar 1S97.) Im Jalir 1S90 malte er u. A. »Ländliches VergnOgen«; auf einem von Planken reehts und links dngerahmten Weg treibt ein Junge ein Sch\veinchen vor sich her. Linker Hand auf der Planke sitzend, schaut ihm ein Mädchen lachend zu. Von 1S90 bis 1896 malte H. abwechselnd Thierbildcr, Stirn- mungslandschaften, Orientbilder etc., darunter eine grosse Eberjagd; drei Reiter in mittel- olterlichcr Tracht, ein Wildschwein verffdi^end. Hierbei hatte er zuerst die Reiter im Cinqucccnto-CostUme tluti, leicht und blendend schön in der Farbe gemalt, aber ihm gefiel es nicht tmd er wMhIte ein anderes Costllm; dann passte ihm wieder irgend etwas in der Compo-iti'iii niclit, hc^ond^r- in der .Sfcllunj der Pferde, und so verschwnnden wieder Koss und Reiter. Das Gemälde musste vier vollständige Wandlungen durchmachen, bis es in der fUnften Form schliesslich blieb. In der Zwischenzeit, wfhrend der Aende*

rungen, malte er eine atidere Eliei].)<;d 'einen Kelter allein, mit dem Jagd^iieer se>ef)en iIcij

Eber erlegend), in wenigen Tagen ohne alle Aenderungen herunter. In dieser Weise malte

Hnber.

«73

er «m lii^ten, weil er nicht befriedigt war, weim er uidit ia kurzer Zeit viel entstehea sah. Putte ilun aber bei einem fertigen BQd Compotitfon oder Farbe nicht gaiu, datta itodcrte er es so lange, bis es Um tufrieden stellte, oder er vernichtete das Bild gans und gar. So berichtet ein Freund von einem p'ossen Bilde j»Amazonenjagd« (schon am Ende der siebziger Jahre gemalt): Es stellte einen Jagdzug dar, wilde Amazonen auf flüchtigen Rosten durch einen tropischen WiUd ji^end, mit einer Meute Hunde (in Lebens- grösse). Es waren schön bewegte Frauengestalten, deren wilde Schönheit besonders auf Makart fascinirend wirkten; die Pferde und Hunde erregten die Bewunderung der Kenner. Als das Bild schon ausgestellt gewetn war, im Jahre 1880, war H. zu einem Diaer ge- laden. Die festgesetzte Stunde war vortlher und der Künstler nocli nicht t r^chienen, was bei seiner gewohnten Pünktlichkeit aultiel. Ais er endlich et^chien und man ihn nach dem Grund der Verspätung fragte, nahm sein Gesicht einen eigenthUmiich schnlkhaftcn Ausdruck an. Kr hatte die ^rtn'c T t-invand zcrs^chnitten. Nr>'-lKlriii da> l^ild l)ci der Ausstellung grossen Bcildll gctuiuicu hatte, üng er im Atelier .iu, liaran zu iuulern. An jenem Tage nun war er von den Aenderungen nicht befriedigt ):;ewc<ien und so zerstörte er kurz entschlossen die Ixiescnleinwand. 1892: »Die Schafschur«. »Schafe im Sturm«. »Büftel mit einem Araber«. »Weiden mit Schafen« (statt Uc-u Schafen mit den Hirten, war zuerst an einem der Weidenbäume ein Erhängter so sehen, was aber cin<*n so «chnuerlichen Eindruck {jcmrtcht hatte, dass IT. das Hihi dann umänderte). »M lul- thiere beim Brunnen«. »Kubbccrdec (auf einer Ausstellung in Graz 1895 zu sehen). »Mädchen mit Ginsenc. Venehiedene Vierer^Zttge (die Insassen der Wagen und die Pferde als Portraits geraalt. Am mei<;ten malte er überhaupt in den letzten Jahren Portrait«. Sehr wenige von H.*s Bildnissen sind in die Ausstellungen gelangt. Sein vorletztes Portrait war dasjedge des Arste« Dr* Fleitclmuuui» deiica VoUcadang ihm sehr am Herten lag. Zwei ^rfi^sere, die sehr belouiDt gewordc» find, Job. Straais und Dr. Hollinder ge« hören zu scuieo besten.

Gerade in seinen späteren I.el)ensjahren hat H. aber auch in der hei- mischen Natvxr die künstlerischen Werte mit feinem Ciefuhi gehoben. Man muss daher einen wichtigen Tbeil seines Schaffens vom Standpunkte des Landschafters betrachten, wenn man ihm ganz gerecht werden will. Den malerischen Sinn f\ir die ^Tosse Linie des hügeligen Teirains, fUr die klaren, sonnieen oder kühlen, tlimmcrnden T.ufteflTecte, bildete er soweit in sich atis, dass ihm oh l<leine Cahinettstiu ke von aussergcwöhnlirher Karbenharmonie imd hohem Reiz gelangen. Neben diesen vielseitigen 1 hatigkeit leitete er last so Jahre hindurch die Meistersdiule fllr Thitarmalerei an der IViener Acadnnie der bildenden KttASte, und zwar ohne Entgelt, denn fttr dieses Fach war bisher lein Ressort« ausgcle^^t. ?'ine Professur dnfiir war also auch im Kunstbudget nicht ausgeworfen. Auch vertrat er mehrmals seinen Collegen Leopold Carl Mulier wahrend dessen Aui'enthalt im Orient. Doch bat die Academie ihrer Dankesschuld dadurch Ausdmck verliehen, dass sie der Witwe des iCflnstlen die volle Pension ausgesetzt. Er war in glücklichster Ehe mit Anita Mayer, (einer Schwester der Gattin des Schriftstellers und Publiztsten Dr. Wilhelm T,auscr) vcrheirathet, und lebte in dem innigsten Familienkreise I mit ihr und seinen thei Kindern, die er, von jeher ein grosser RiiuleilVeund, I zärtlich liebte. Seine körperliche Gewandtheit und Gelenkigkeit war so gross, j dass Maler Zflmich sagte: »Er mttsse in jedem Bein zwei Kniee und in jedem Arm zwei Ellenbogen haben«. Auf einem seiner Licblingspferde soll er tiluT den kleinen Neustädter Can.il gesetzt haben. Für seinen persönhchen Cli.iractcr ist Folgendes bezeichnend; Als er einmal im Kriege einem Kame- I raden Kjiochen.splitter (^vor dem Erscheinen dfö Wundarztes) aus der Wimde entfernte, bat der i'adent den herantretoiden Arzt, er möge doch seinem Freund erlauben, es weiter zu thun, und der zusehende Arzt meinte dann: »Sie machen das so wunderbar Herr College, dass es eine Freude bt, zuzu* sehen.« Auch Thiere pflegte er in hingehendster Weise. Brach sich eines

Btofr. JaM. a. DwiMb« Xakrotei. I S

Digitized by Google

Hiibcr.

ein Bein, so b;uifla[;irte er und j^ypste es selber ein, sodass es aus^'c/t'i( hnct heilte. Hatte ein Thier aber zu leiden, ohne dass ihn geholfen werden | konnte, so gab er ihm ohne Besannen die Kugel; seine Tkefincheiiieit var dabei so gross^ dass die Thiere in derselben SteUnng meist ohne die geringste . Bewc^ui^g zu mad&en, erstarrten, sowie sie der Srhu<vs traf. Seine medicmiscben | und aiKitomisrhen Kenntnisse kamen ihm selir dabei zu Statten.

Im Schlosse Lundciilnng war er ein oft und gern gesehener Gast dc^. regierenden Fürsten von Liechtenstein. Eine Anzahl von Bildern aus H. firttherer Zeit befinden sich im Besitz des teterrdchischen Kaisers^ des Fürsten Liechtenstein, der Erzheizdge Rainer und Carl Ludwig, des Forsten Aretibeig, des Grafen vnn Snlm u. A.

Neue Bahnen als Künstler zu wandeln, war II. nicht besrhieden; aber er gehört zu denen, deren Streben ein hohes und ehrliches war luid immer zum Ganzen, zur Harmonie in Form und Farbe. Sdne Thier- und Landsdiaftsbilder werden einen dauernden Wert behalten, weil er jenen feinen Untcrs( hicd im Thierbildc /.um Ausdruck brachte, zwischen dem^ was der Mensch dein Thiere im Allgemeinen andichtet und zuziis])rechen geneigt ist, und dem, was in Wirkliclikeii dem inneren Gcnuitsleben der Thiere in seinen wechselnden Aeusserungen entspricht. Seine rortnuts leiden zwar oft an einer zu schweren, dunUen Farbengebung, dodi sind sie immer le])endig erfasst und kräftig characterisirfc. Zuweilen nahm er die rersonlichlveii des narrustellenden in geschlossener Einheit in sich aut' und repKidurirte sie mit I.eii liiigkeit. Gelegentlich verschmähte er auch einen i5eiiensi)rung in das Humoristische nicht, wie seine »Atelierscene« (eiii Maler, der sich, während er sein Werk behaglich betrachtet, ahnungslos auf seine Palette gesetzt hat) und der »Wiener Piccolo« beweisen; zum Su-kasmus oder bitter Satirischen hatte er aber keine Anlagen. Li H. waren Mensdk und KfJnstler, seine Art zu leben und seine Art zu sr haffcn, untrennbar, und es crgiebt sich aus dieser völligen Zu«;animengeh()iigkeit ein Gesammtbild, das viele sympatliischc, interessante und geniale Züge aulweist, ohne indessen so abgeschlossen zu sein, wie es H/s bedeutenden Anlagen entsprochen hätte, wenn sie zur vollen, sicheren Meisterschaft hätten ausreifen können. Als seinem thätigen Leben durch ein schweres Her/leiden i in\<)r/< itigcs Ziel gesetzt wurde, hei r. inerte die grosse Zahl seiner Freunde nieht nur den Verlust des allseitig beliebten Menschen, sondern man empfand, dass der Tod wieder aus der Schaar jener Wiener Künsder, die noch zur Makarf sdien Glanzzeit gebOrt hatten, ein Opfer gefordert hatte, dessen Verlust nicht wiedenntersetzen war. Wir schliessen mit den Worten seines Freundes Geoi^ Ebers: »Das Beste, wxs er den seinen hinterliess, ist ein spiegelblanker Name, die Freundschaft, Aner- kennung und Bewunderung vieler her\ orragender Herufs- und Zeitgenossen und eine Reihe von Werken, die die Kirnst seiner Zeit mit Freuden zu den ihren zählt.« Er starb am 28. August 1896 in der Klinik des Dr. Fürth; seine Beerdigung fand im 30. statt, WO die sterblichen Uebeireste nach dem j evangelischen Friedhofe überftihrt wurden.

Kine wirkung<;vollc tmd rharnkteristische Bronzebüste Huber s hat Pro- fessor Rudolf Wey r nach des Künstlers Tode geschaffen und aus der Jugend H.'s existirt noch eine Kreidezeichnung (aus dem Jahre 1864), auf welcher die I^dschaft von Prof. Lichtenfels, das Portrait H.*s von J. Melcher und das Pferd und der Hund von H. selber gezeichnet sind. ,

W. Schölermann.

Digitized by Google

«75

Tilgncr, Victor Oscar, wurde am 25. Oktober 1S44 .ils Sohn eines Haujitmanns zu Pressburg geboren. Als er zwei Jahre alt war, siedelten seine Elteni mit ihm nach Wien tther. Da seine IcflnstJeriache Beanlagung sich schon in den Kinderjahren zeigte, so gel^uig es dem lebhaften und talent- vollen Knaben sich selbst so weit zu bringen, dass er mit fünfzehn Jahren als Schüler an der Kimstarnrlemie bei Professor Bauer aufgenommen wurde. I>er Meister, dem er die meiste Anleitung in der Bildhauerei verdankte, war der im Gebiet der kirchlichen Skulptiu- hervorragende Joseph Gasser von Walhorn, der die ungewöhnlichen Anlagen seines SdifUent erkannte und mit reger Aufmerksamkeit forderte. T. verdankte ihm namentlich seine gründliche kunstterhnis« lie Ausbildung und bewahrte ihn zeitlebens ein bebevolles Andenken. Sein Kleiss im Studium bbeb nicht unbelohnt; er er- rang wiederholt Auszeichnungen, u. a. die goldene Füger-Medaiüe, ein Preis- stipendiam und mehrere Auftrige, wie die Bflste Bellini's iHr das neue Opern- haus und das Standbild des Herzogs Leopold VI. von Babenberg fUr das Arsenal; so dass sich sein eigentlich künstlerischer Entwicklungsgang stets in .-vüfstei^fcndcr T inie bewegte. Trotzdem war seine Jugend ni« bt frei von Ent- behrungen uml oftmaii» hat er sich mit Arbeiten ftir das Handwerk durch- , schlagen müssen. Da, trotz des allgemeinen Aufschwimgs in "Wien, grössere Auftiige sich nicht einstellen wollten, war T. oft nahe daran tu versweifeln und (mit 27 Jaliren) Soldat zu werden! Seine Hauptbeschäftigung bestand damals in der Anfertigung^ zahlloser kleiner Kri|)i)enfipiiren<^, die ihn notigten Costtimstudien zu machen und seine ( lescbicklirhkeit imModellircn zur Virtnositat ausbildeten. In dieser Zeit half ihm eme zutaihge Bekanntschaft mit dem vom FOfsten Liechtenstein eingeladenen französischen Bildhauer Charles Delois, seine eigene Natur zu entdecken. Der französische Künstler veHttgte ttber eine Ver\e und Keckheit der Madie, die Tilgner den Mut gab, das zu ver- stirhen, was seiner inneren Natur entsprach und was ihm in der Academie auszubilden nicht möglich gewesen war. Er entdeckte sich, oder wie T. sich selbst ausdruckte: »Der Knopf ging mir auf« beim Anblick der Portrait- bllsten Delois*, die er dann bald aelbsttndtg in dtu-chaus freier Weise über-> treffen sollte. Seine erste Portrai tarbeit, durch die T. seinen Ruf begründete, war die der Schauspielerin Charlotte Wolter, welche mit derjcnifjen Heinrich I.anbe's auf der Wiener Weltans^^tellun^ •''^7.1 Anflehen erregte. Auf diese in der damals neuen polyrhromirten Manier ausgeführten liusten folgten eine ganze Reihe anderer, die in realistischer Trefbicherheit, verbunden mit ge- schmackvoller, malerischer Auffiusung T. in die erste Reihe der Portraitbildhauer stellten und ihn in weitesten Kreisen bekannt machten. Die Zahl dieser Bildnis btisten geht ül>er 300 hinaus, thetls fiir Bronze^rnss, thcils für die Marmoraus- fuhrung gearbeitet, darunter Männer und Frauen und Kinder der verschiedensten Klassen, fiirstliche, hocharistokratische imd bürgerliche, Dichter, Gelehrte, Kfinstler, Industrielle, die alle im scharfen Er&ssen d^ Erscheinung und in der Wiedergabe des individuellen Lebens des Dargestellten hervorragend prenannt werden mfissen. Unter den am meisten bekannt f^ewordencn seien Iner crwahtU: Dingebtedl, iKiuernfeid, der Maler H. v. An<,'Lli , der fTelehrte Alme lioue (mit der Mütze auf dem vornüber geneigten Greisenhaupt); die Maler Gelli und Brotik; Franz Liszt (in seinen letzten Jahren); Paul Lindau, JMitts Stettenheim; Schauspielerin Kronau, Odilon u. a«, Schauspieler Girardi; Hans Makart; Leopold Carl Müller; ferner das österreichische Kaiser])aiir, Kron|Minz Rudolf Fttndn Karolath (in reicher Gewandung, deren Falten Uber

Digitized by Google

9^6

das PoMameot herabwaiienj; Bischof Hcidcr von Pressburg (broozirte Gyps»> Mste); Onf E. Zidqr; Fibb Bamat Wagner ^ Johmi Sbami, Josef Wcmll, Franz Bruckner, Astronom Oppolzer and Maler Alois Sdifiim. dÜnKamlyi.

Gräfin Szechenyi-Hoyos, Baronin ÜMena-ia-, Fflntm Kinskjp Lnd«% Lob»

meyr u, A. T.'s let^^tc P.mic war die der Malerin O. Wisingcr- Florian. Der Erfolg liess den hei-^cn \VL;n>.rh T.'s, It.viieii zu sehen, nicht lange un- erfüllt. Durch den industncilen, 1 reihen* von Leitenbcrger, wuriie er 1874 in den Stand geieixt, seine erste Reise dorthin amutreten, in Begleitung seines Freundes Makart. Später machte er noch n^liicre Rcisen in das Land der .Schönheit und sagte über die Antike: »Das GrcÄStc, was die Welt aji Kunst besitzt, verdankt sie doch der Antike, aber man muss ein reifer Künstler sein, um ihren hoben Wen würdigen zu können; deshalb ist komisch und UrhffriirJi» wenn in Akademien der Umefridit mit dem Stndjum der Andke begonnen nird. Dmdi diese kommt man ewig nicht in dSe Knut; man m^\ss überhaupt scfaon mitten in dieser stehen, wenn man den Bück verstandnissvoll zu jener erbeben soW.* Zun:uh?;t tibte aber Mak.irt:s Genie einen vorübergehenden F.intbiss auf T. aus. der su h in der nach der Rück- kclir aus Italien entstandctien lirimucngiuppe loi Wiener Volksgaxten (^Triton mit Nymphe im Stil der Barock plastik) deutücfa, wenn andi nicht stfircnd, verrath. Die lebhaft bewejiten Figuren atmen glutvolles Leben und Sinnen- freudigkeit, doch war der Bildhauer selbst mit der niedri;^'cn Aufstellung; kU-t f'rnppc, die halb von Gewächsen verderbt wird, nicht ganz ein\ er>i.inde-i . in demselben Jahr (1875) entstand die lebensvolle Gladiatorengruppe ^Zwei- kampf jwischen einem rSmkchen Sdiwertkin^kfer und einem Netafechter). lüe Durchbildung der athletischen Kdrperfoimen, die Spannkraft in allen Muskeln und die leidenschaftliche Bewegung der beiden Kämpfer zeigen T.'s Bcheirschnnp: f!c«? mensrhiirhen Leiltc«; in überzeugender WVise. 1876 machte T. «rh auf der kunstgewcrbli« hen AusstellunL' in Münc hen durch die Hüste Lucas Führiclis (Sohn des Malers^ bekannt und erhielt fiu^ dieselbe die goldene Medaille. Seine reiche und glttdklidie Erfindungsgabe bekundete sicli in mehrfachen Brunnengruppen, die er im Auftrag des österreichischen Kaiseni ausführte. Für srinc \'.iterstadt Pressburg schuf T. den Cianyniedbnmnen auf dem Opernplatz und das Denkmal des Componisten Hunmiei. Auch in den zahlreichen schönen Grabdenkmälern hat T. seine Gestaltun^kraft SU wechselvollem Ausdruck gebracht. Eines der frühesten Werke dieser Art ist das gemeinsame Grabmal für die beiden Oppolaer (Astronom und Medianer) in Wien. Eine weibliche Gestalt von grosser Anmut und edler Auffiusung ist die Sfrttne am Grnbmnl T.iel)i::-Kadctzky. 1S76 entstand drts Monument für die Familie Faitis in 'Irautenau in 1 orm eines grossen Reliels, Antangs der achtziger Jahre das Marmordenkmal des Herzogs August von Sachsen- Cobwg'Gotha ftlr die Schlosskirche su Ebenthal sowie Ar den Grafen 0*SuIIivan (dem Gatten Charlotte Wolters). T.'s letzte Schöpfung auf diesem Gebiet war das gcmcin.same Grabmal für Aug^ust von Pettenkofer und Leopold Carl Müller. Ausser diesen arbeitete T. ein (Irabmal für seine Eltern, Ida und Carl Tügner und in der Gcdächtniscapelle von Meyerling hat er eine Maler Dolorosa ausgeführt. Zum Schmuck öffentlicher Gebäude und anderen decoia» tiven Bestimmungen hat T. sahlreicbe Statuen und BOsten bertthmter Gestalten der Vergangenheit, Heroen und dramatis( he Charactere, Dichter, Künstler und (klehrte geschaffen, darunter für das Reichsratsgebäude in Wien (He Marmorstatuen d^ Homer, Phidias, Aichimedes und Varro; die Ruhensstatue

Digitized by Google

Tilgner.

«77

für das Wiener Künstlerhaus; Peter von Cornelius, M. von Schwind, Rauch und Ftthrich, Aleunder vcm Humboldt, Leopold von Buch, Linn^ und Newton für die beiden neuen Hofianuteen; die Statuen RafaeFs und Rembrandt's fltr das Museumsgebäude in Savannah in den Vereinigten Staaten; in der plastischen AussrhmfickunL' des neuen Burgtheaters ist er mit Nischenfiguren in ausge- dehntem Maassc bcteilif;t, darunter Falstaif, Don Juan, Phädra, imd den Wiener »WursU« im traditionellen Costüm, ausserdem die Dichterbüsten oberhalb des hohen Mittelfensters: Leasing, Goethe, Schiller, Grillparzer, Halm, Calderon, Shakespeare und Mohere. FUr den Fries im Hochparteire der Poliklinik modellirte er die Medaillen-Portraits der Grössen der Wiener medizinischen Schule; von den Denkmälern im Arkadengang der Wiener IJniverhUat stammt die in Bronze gegossene Büste Hebra's von T.'s Hand. Das reichste und schönste rein decorative Werk T/s ist vielleicht das grosse Relief: Die Wieder* kehr des FrOhlings und des Sommers, welches der Künstler selbst in Stuck ausHUute an einem Plafond in der kaiserlichen »Villa Thiergarten« in Lainz. Die Vielseitigkeit T.'s bekundete sich durch mehrere architektonisch-plastische Entwürfe, die er auf Anregung des i'^rcihcrm v. Leitenberger für die Umge- staltung des Wiener Rathausplatzes in Angriff nahm und, im Wettbewerb mit Weyr, führte er einen Entwurf für den Platz und die Rampe vor dem Schwar/en])erg-Pa]ais aus. Für den Equitable-Palast auf dem Stock-im-Eisen- platz ii^ Wien hat T. eine wirkungsvolle PortaJgruppe nusgefÜhrt.

Zwei grosse öflentliche Denkmale auszufuhren wurde T. in den letzten Jahren seines Schaffens berufen: das Wemdl-Denkmal für die Statlt Steyr und das Moxart-Denkmal fltr Wien. Das bedeutendste, vielleicht Überhaupt das kÜnsderisch tiefste und wertvollste Werk T.'s ist das in realistisch moderner Auffassung ausgeführte grosse Denkmal für Josef Wemdl, den genialen Cic- wchrfabrikanten und Ehrenbürger von Steyr. In der Composition hat T. alle herkömmlichen symboliüchen Ausdnicksformen vermieden und ein aus der lebendigen Gegenwart herausgcgriticacs, packendes Monumentalwerk gesdiaffen. Es war ihm darum zu thun, eine doppelte Aufgabe zu lOsen, den Verstorbenen in einer für seinen Charakter und seine Thäti-V ii < I. r ikteristisi Ii f Weise /u ehren und gleichzeitig eine Verherrlichung der Arbeit darzustellen, in s( !)Ii< h- ter AUtagsblouse steht die Hünengestalt des Fabrikanten auf einem grauen Granitsockel, mit vorgestreckter Bewegung der rechten Hand, gleichsam die Arbeit Überwachend, ein Bild voll Leben und Arbeitskraft. Am Fusse des Rundsockels sitzen auf vier Eckpfeüem Arbeiter in verschiedenen Thätigkeiten, derbe Gestalten, ein Schlosser, ein Schmied, ein Monteur, ein Sc baftmarhcr, der die Mütze gelüftet hat und verehrend zum Meister aufblirkt, und ein greiser Arbeitsinvalide. Der Sockel der Hauptfigur tragt vorne nur den Namen »Josef Wemdl«, die Rückseite die Gcburts- und Sterbedaten. Der untere Sockel trSgt an der Stirnseite die Worte »Arbeit ehrt« und hinten »Die dank- baren Mitbürger 1894«. (Die Hauptfigur ist überlebensgross (8 Fuss hoch) und die erzenen Arbeitergc^^talten 7 Fuss.) Auffassung und T.ösung dieser gestellten Doppelaufgabe lassen das Werndl-Denkmal als eines der hervor- ragendsten Werke der Plastik der Gegenwart erscheinen. In seinem Mozart versudit er in den Geist des Eococco einzudringen und einen lyrisch- idealistischen Schwung mit möglichster Portraittreue zu vereinigen. Dieses schwierige Problem hat T. in dem, aus den nur spärlich vorhandenen Profil- bildnissen Mozart's ronstruirten Kopf in schöner Wei?;e gelö"?t, während die Übrige Gestalt als nicht so glücklich erfasst betrachtet werden muss. 'Iriuni-

Digitized by Google

pbe feiert T.'s Virtuo&itäi in der ÜciiandluDg der Sockel sich nimmpehxien Püttcn and Engel, vddie mit allerlei Musikinstniiiictiten «pidcad, die bcttere und die cmsle TonkniKt ijnnbolisiren , doch hat er hier sidi des Guten vte\ geleistet, so köstlich die Einzelheiten auch erscheinen. Vcrjü- »1^*^ Wiener Mozart Denkmal« (Kunstrhronik VII. Jahrgang N'o. zq). Ausser seinem Mozart hatte T. im letzten Jahre seines Lebens noch mehroc grössere beiten unter der Hand, rwti GrabnuMuimciite: das f&r die Faaiffie Sdu^Sder iind die Mannorstatne der verstorbenen Galtin des Herausgeben des »Neuen Fester Journals», Frau Brody, dann das Makart-Monument, sowie das BOi^cr- meistcr Peter^cr.-T Jt n'r mal f ir Hamburg. Beide ^el-:ören zu den reifeien und glücklichsten monurricnialcn >' hopfungen 'k-> K '.i;i-t;er>. MnVrtrt -ier N'-eder- scbrciben dieser Zciicn in der ManDorau^lutirung tuai voiicsiiici i^i ujia im H«rrb:>i dieses Jahres nimiBeiir flnVTienerStadtpaik sor AiiftteUimg gdaogt'^ steht auf einem 6 Fuss hohen Sockel in etwas über Lebensgrösse i^die Marmorstatue ist 9 Zoll grösser als das ursprüngliche Gypsmodell), bekleidet mit dem bekannten pnmVvoücn Rtibcns -fostüm, das er bei dem Festzuge zur silbernen Hochzeit des österreichischen Kaiserpaars (1879) getragen hatte. Die Züge sind uel- fend ähnlich und der Mund wie zum Sprechen geöfihei; der Ansdinc^ des •cbOnen Kopfes mit dem lebendigen Blick des Auges, ist ideaüstjscfa reiklärt, die linke Hand leicht gegen die Brust gehoben, die Rechte sttitzt sich auf dif T.chne des Stulile^. Auch das in »kr Kntfijt'^^rhen flie^^crc: in l'-<>rLre aus^efiilirte Colrt^^ iKiandbild Petersens nahl semer Vollendung, im dem malerischen Amtsornat der Hansestadt steht die schlanke Figur des Bürger- mcisteis in lebendiger Haltung neben einem Stuhl, den linken Fuss imd die rechte Hand leicht Yorwärts bewegend, wie zum Sprechen; die Züge des ausdrucksvollen, hageren, etwas vornüber gebeugten Kopfes, sind ein Meister- stück der CharaVterisininjf nnd Atiffns'^Mn^'. - Auch für d:is Wiener Gnethc- Dcnkmal hat T. zwei verschiedene Eiiiv»urfc, ciüen jugendiichc« sciuciicnden und einen älteren sitzenden Goethe, gemacht, welche indessen nicht zur Aus- mhning gekugten, doch stellte T. seine Modelle im Atelier aur Ansicht. (VgL die »Presse« vom 26. Mai, ^N. Fr. Pr.c v. 17, Juni, »Fremden Blatt« 27. Mai und N'cues Pester Journal v. q. Juni 1^04.) T. hat auch zwischen «meinen späteren grosseren Arlteiten als kunstj^ewcrblicher Plastiker sehr Schönes und Originelles (einen grossen silbernen lafelaufeatz im Kococcostü; volltmdeL Femer die polychromische kleine Terra-Cotta-Statnette »Wiener Stuben- mädchen«. Hin abschliessendes Urteil über T.'s ktinsderische Bedeutung ist nicht leicht. Als realistischer Portraitist fand er ein Gebiet, auf dem er in seiner Art wohl keinen lebenden Rivalen hatte; er offenbarte darin seine ursprünglichste und stärkste Seite in jener glücklichen Vereinigung von Treue, Wahrheit tmd Humor, von scharfer Charakteristik ohne in Car- ricatur zu verfallen, die ihn tmbestritten zum LiebIingP'Portraid>üdhauer weiter Kreise vorherbestimmte. I'r konnte wahr sein, ohnt zu schmeidwln, aber auch ohne tu kränken. Der erlu wienerische Zug seines Wesens pebnpttt auch in seiner Kinisi ulierall /um n.itürlichsten Ausdruck, und ihre Grund- züge: wciüic, bchwclicnde i urincnfullc, Liebenswürdigkeit und Sinn für das Malerische und Omamentale, mit einem vor Uebertreibungen sicheren guten Geschmack. Vielleic ht haben wir in diesen Vorzügen zugleich eine Erkl&ung fJir seine S< ]i\\ ;h hen, die in seinem Mozart-Denkmal am auftälligsten zu Tage treten. Der Künstler sollte die EnthüHunp dieses Werkes nicht mehr erleben, tin Herzschlag riss ihn wenige Tage vorher mitten aus semem Schaöen her-

Digitized by Cooc^Ie

Tjlgiicr. Richter*

*19

AUS, am i6. April 1896. Sein jähes Huischciden mehrte noch die Sympathien für T. Ganz Wien empfand den Verlust und in zahlreichen Nachrufen hicss es., dass seit Raphael Donner kein Bildhauer den Geist der Barocke und zvl- gleich den spezifischen Zug österreichisdien Wesens so urspriinghch und

]icT>onswürdig in dem Rahmen seiner Kunst Txm Ausdnuk gchradit, wie 'l\ S-'Mic sterbHchen Reste wurden .auf ciiistimmi^^en Heschluss des Heirathes der i^ii^ iiicinde Wien in einem Ehrengrabe neben den Arcaden des Ccntraltriediiofes beigesetzt. Sein froherer Schüler, der Bildhauer Arthur Strasser, nahm die Todtenmaske ab. Ein interessantes Büdniss T.'s aus jüngeren Jahren, von Franz Rxirnpler gemalt, sei hier auch erwähnt. In den letzten zwanzig Jahren seines Schaffens bcHmd sirh das Atelier T.'s in dem früher als (Gewächshaus benutzten Seitentrakte des furstUch Schwarzenberg'schcn l*alais. in den ersten zwei grosseren K^aumen sah man die Modelle seiner Arbeiten, beredte Zeugnisse für seine uner- schöpfliche Schaffenslust; das dritte und letzte Zimmer war im beha^iehsten » ICünstlerheimstiltf ausgestattet. Hier in diesem Sanctuariimi empfing er seine Freunde, deren Zahl bei seiner allseiügen persönlichen I>eliel)Lheit, eine über- aus grosse war. Die f^lücklichsten Stunden seines Lebens verbrachte er, wie er seilest erzählte, in diesem Nebenraum seiner Werkstatt. Er enthielt eine bunte Sammlung von kuns^ewerblichen Gegenständen» alten Möbeln, schweren Teppichen, seltenen Stcrf^, Schnitzwerk, Bronzen j Vasen und Majoliken, Masken, Torsos in Marmar, Holzaltären und Schreinen, grotesken Verzierungen In Holz und Stuck, alten Waffen, getrockneten Blumen, Miniaturen in Email, W achs und Elfenbein und Oelgemälden, Denn T. war in den letzten Jahren ein emsiger Sammler geworden j aber nicht um des planlosen Sammeins willen. Sein reges Mitempfinden auf allen Gebteten künstlerischer Thätigkeit nahm von Jahr zu Jahr an Umfang zu, und so entstand eine reichhaltige Collec tion il. Dnographischer Werke, Hand/eiehnungen alter Meisler i'die er auf ihre An- le^'iing hin mehr, als auf ihre absolute Ka htheit und Authentizität hin be- wertheie) und eme recht interessante klcuic Bibliothek alter Bücher und Folianten. T. war eine heitere, gesellige Natur, von echt wienerischem Typus und wusste diese Anlagen im geselligen Verkehr zur Geltung zu bringen. Seine sprudelnde Lebenslust, seine Liebenswürdigkeit und sein unverwüstlicher Humor sind sprüchwörtlich geworden in den Wiener gesellschaftlichen Kreisen, in denen er überall ein stets willkommener Gast war. In seinem eigenen gastfreundUchen Hehn versammelten sich auch fast allwöchenüich einmal eine Schaar nahestehender Freunde, yomehmlich Maler, Bildhauer und Musiker» unter den letzteren befantl sich aurli, als einer der intimsten, Johann Strauss.

Ltidwig Picfsch in Nord und Süd (Bd. 65, 17. Jnhr;^.^!^, lieft 194.) Allfremeine Kunstchronik (liigner Nummer, 1894^. Allgemciiic Kunstchronik, erstes Marzhclt 1893. Zeitschrift flbr bild. Kunst. Neue Freie Presse vom 16. April 189(5, Abendblatt. Neue Freie Pre<?e vom 17. April iSof), Morj,»enhl,itt. Die Pre5«c mm 17. und 21. April 1S06. ^ Ddn Gesanuntwerk von T. erscheint in Kepruductiun von Loevy (Text von Camilio

Sitt«). ~ Catalog des Nachlasses (Blietbke). ' ,

' \ *• Schülermann.

Richter, Heinrich. Am 22. Mai 1896 starb Heinii< h Richter, Königl. Professor, Hofschauspieler und Regisseur am Königl. Hofihealer zu Miinchcn. Ein treffendes, die Vornehmheit seiner Kunst voll bezeichnendes Wort sagte einmal von ihm, dass der Titel Hofschauspieler fllr ihn eigens hätte erfunden werden mttssen, wenn er nicht schon bestanden hätte. Der Weg, der Heinrich R. zur Sonncnliöhe des Daseins fiührtc, geht ununterbrochen aufwärts. Schwere Irrungen und Wimmgeni ohne welche das Cienic gerade auf dem Gebiete der

Digitized by Google

v«r «« «iwr. KTT. Ler/K. > IL var t9. C*::^:c«r lis« =

■•."4/..* T-^^r ' Vir'-,'» it/rr i *ir r: >Cirj: Ii-^h-rr::.

i^-^Ti*- r.^.vv:, v-'rlr^^vt r^h Bcrizr: -Kr. ij- .t3C . a»e: r-tr

»a# sv.^ |*ar. Pa..! VvxMx ▼enrir.^t, Nüeze Fresse Ec^zä*

A «ue:'i;' .r.|^ a^/v#:>»te, mar.hte «ch b ibsi der Dracz Tbeaaer xeC-^ : M9:7.»'.h jr:'.? 'l^ ic<ahri;pe Hetnzich n E^'^iaid Itevrkst. der dassjj» al«

-.sr.^er >-'t K;« am Y^f/rv^.. 5v-ha'j>;jieILac5 zc Berli:: vsxw, V'

h prjf'Ti 'j'-ti^TT'' h'cn. Atjer.rl*. betrat er schor. hi* ur. i di i--*

\^-, ,t\i*Jt Cf \1/^u:t fli': f'jT.^t v^c ThcateTsch'-;le und trat, g ^ t^» i6 im IftitßMAfa t%^6 aU Tül in Rau|«aich9 «Sthlekhfeandler« in Ptiran^tcr rlj'-vT 5v,h«le M'if. Vom Vater hatte CT keine Zuscünmuiur xu erhorer.. « ^1' Ii /l'rTin v in';' A n;r':hori;.''cn seilest sf.ater r»'ar t" ^ ju^erv^' ' . - ! - h- ;/;ir,;rrT, rii'fit ;4h»rT nriit fl'rs«*<m Benjf a'.is.sohnten. im Au^st 1037 wxr e^.

H':i:ttuh v.-jn VaftrhAU.H hcimlKh verlieiis, um mit I>irectar Lm^ r-^ch fnh'itfnn Or zu gehen, wo er am 5. d. Mis. ab Holm in MüDcis ^Schule (Hid am tß. al« iimtav in Angely's »Jugend muss austoben* leine ersten I'rohcT) vor einer, ihm fremden OejfTentliehkeit ablegte. Auguste Crelir.^r !'-rntc 'U:i\ jun^^en R, in Voscn kennen tmd schätzen. Auf ihre Empfehr^ir.: tfdt Kf t\itft Am I. Januar 1839 sein erstes Kn^agement an und machte am t%, ak ¥A%iax<i m Koteebue'a * Epigrammen t sein Debüt. Schon zwei Jahre «fiaier kam er v<m Pfinen nach Rostock und noch in demadben Jaloe als )iiK«nflJKfi'-r ficld imd Liebhaber nach Bremen, wo er »mit gioaacm. unbedingte' I'rf' .v;f'rat und L. ld d.r Liebling de- Publicums \k-urdc. Im r< briiar hatte k. eben mit dem >r i Irrheater in Leipzig abgeschlossen

alH er den Antraj^ erhielt, am Wiener Burgtheater »auf Engagement« 2u apielen, Natllrlurh nahm er mit Freaden an. Am 8. Ifai 1843 trat er dort als (;,iHt I'aU V. Wildenberg d. Jüngere in Raupachs »GesGbwister«X an» 14- Mai aln Max ri< < olomini in Wallensteins 'J'od auf. Der Erfolg m dieser Lieblings- rnlle ( ari I'icf;fn'r führte zum Engagement. Director v. Holhein musste alwr eine Convcnuonaistrafe von 100 Louisd or zahlen, um R.'s Leipziger VeqjlUf:htungen au lösen. I>en Regisseuren an der Burg: Fichtner, ^\o- M'hUla, I<<iewe, \a Roche und Koberwein kommt ein Hkuptverdienst an der Ausbildung des jungen strebsamen Künstlers zu. In der Zeit vom 8. Mai 1843 I r 30. Juni 1R.J4 ist R. 117 mal in der Burg atifpctrctcn. Per unruhige lUitng nach mehr Bcsrliaitigung liess ihn die srhöne Stellung, die er sich gf.s< haffcn, in die S( hauze schlagen. Kr kam um seine Entlassung ein, er- hielt sie nur wiilcrwillig und trat schon am 9. August desselben Jahres als pon CarlüH vor das T.cipziger Publicum. Wir haben Anlass zu glauben, dass er dicken Srhriit sp.iter mehrmals bereut hat. Das Leipziger Theater wurde an (litfscm Tage noch ancr volistündigcn Restaurirung durch eine Sonder-

Digitized by Google 1

I

Richter.

vonteniing neu eröfihet. Dreiviertel Jahre später, als an einem Abend die

neu eingerichtete Gasbeleuchtung % ersagte und eine Panik auszubrechen drohte, hatte R., der auf der '^rcne stand, Gelegenheit, durch eine längere, in völlip;er Finstemiss gehaltene Rede seine Geistesgegenwart zu beweisen und das Publicum zu beruhigen, bis es das Haus verlassen konnte. In demselben Jahre schied Albert Leitzing von Leipzig. R. war dem liebenswürdigen Mjebter näher getreten und ausersehen, in der Abschiedsfeier das Festgcdi^t zu sprechen. Im Mai 1847 Jührte ihn ein ehrenvolles Gastspiel in seine Vaterstadt, nach Berlin zurück, wo er auch zweimal zu einer Vorstellung im »Neuen Palais vor Sr. Majestätc befohlen wurde. Nach Leipzig zurückgekehrt, hatte er die Freude, mit seinem Wiener »Adoptivvater« Anschtttz als Gast in >Kdnig Heinrich IV. i. Thefl« und »König Lear« nisammen su spielen. Anschütz gab den Falstaff, R. den Prinzen von Wales; im Lear Anscfaflts die Titelrolle imd R. den Edgar. Die Stürme des Jahres 1S4S bekam auch flns Leipziger Theater zu spüren. Das ganze IVrsonal wurde vom 1. Mai an auf halbe Gage herabgesetzt. Unter dem Vorsitz zweier Comit^'s beschlossen die Mitglieder »auf Theilung« weiter zu spielen. In diese kritisdie Zeit fiel das Leipziger Gastspiel Nestroy^s. Am 27. Januar des folgenden Jahres wandte sich die Münchener Hoftheater-Intendanz, nicht zum erstenmale, an R. mit einem Gastspiel- und Engagements-Antrag. Um »sicher zu gehen- nchietc der viel umworbene Künstler gleichzeitig eine Anlrage ans Burg- tlieater, die im entgegenkommenden Sinne beantwortet wurde, aber zu spät. Ri hatte bereits mit München abgeschlossen imd war dort am so. März 1849 als Arthur in »Ein Ar/t und Richard in »Richards Wandcrlcbent auf- getreten. Don Carlos und Mortimer als letzte G:istrolle folgten. Diese*; er- folgreiche (iastspicl führte zum VertragsaKsrhlnss und zum l'ngagement, das R. am 1. August 1849 antrat. Zwei Tage spater spielte er unter der Intendanz des Freiherm von Frays und der Regie Dahns, des Vaters Felix Dahns, zum erstenmal als engagirtes Mitglied wieder den Arthur, am 10. August den Ferdinand in Kabale und Liebe, mit »ganz aussergewöhnlichcm, stürmischen Erfolge-. Vorher hatte er eine Leipziger Schönheit, die Tochter des Gross- kaufmanns Heinrich Mayer, als Gattin heinigefulirt.

Aus diesen ersten Jahren in München datirt ein Erlebniss, das für R.'s Stellung zur Kritik bestimmend geworden ist. Am 30. December 1850 spielte er ztun erstenmale den Romeo. Am n u hsten Tage fand er in einer Zeitung ttbcr seine Leistung nur bemerkt: Herr K. bätte als Romeo ^^romeesker« sein können . r>ieses Wort veranlasste ibn, den Referenten aufzusuchen und sich eine Aufki;uung, was er damit meine, auszubittcn. Der junge hübsche Mann mit dem Bande des Corpstudenten über der Brust, den er &nd, konnte ihm aber absolut nicht verständh'ch machen, was er mit diesem Ausdruck gemeint, und nach einigen Wechselreden schied R. mit den gereizten Worten: ^Dann allerdings müssen Sie die Darstellungen künftighin schon hinnebinen, wie ich sie fühle, wenn Sie mir Ihre eigenen Ausdrücke nicht besser erklären köimen.« Der junge Referent war Adolf Wilbrandt. R. hat sich seitdem angeblich »niemals mehr um irgend eine Kritik oder dergleichen gekümmert«, was nicht hinderte, dass sein Sohn und Biograph in seinem Nachlasse die unbedeutendsten »lobenden Zeitungsau.ssrhnirte-r fand und \ eröffentlichen konnte. I )as Hild des liebenswürdigen Künstlers wird durch (besei\, seinem ganzen Stande eigenen Zug kaum beeinträchtigt. Eines schönen Tages, am 1. Februar 185 1, trat Herr Dr. Dingelstedt in das Intendanz-Bureau und stellte

Digitized by Google

383

Sichler.

sif Ii ;ils eben ernannten Chef vor. Der Wechsel kam fiir alle Mitglieder sehr iihcrrasc hend, und R. scheint bis zuletzt diesem von allen seinen Chefs d?e geringsten Sympathien entgegengebracht zu haben. Am 21. Januar 1851 starb Albert Lortzing. R. bÜBmühte sieb in München umsonst, der in gröbster Dürftigkeit «urflckgebliebenen Familie seines Freundes eine unverkürste Theater* Einnahme zu verschafTen* Alle deutschen Theater karv ii damals München in dieser Ehrenpflicht zuvor. Im Juli 1851 hatte K. die Freude, seiner> Lehrer Kduard T)e\rient in Mfinrhen zu sehen und mit ihm tu spielen; 1111 Deceniber 1856 halle er als Joseph in »Deboralu die spatere berüchtigte Dachauer Bankhalterin Adele Spitzeder sor Partnerin.

R. blieb nun München treu trots den vielen Bemühungen» ihn fiir das Berliner Köni;;lic he Schauspielhaus zu gewinnen. An Gastspielen und Ehren mancher Art lelilte es ja nicht. Die Könige Max II. und Ludwig I. zeichneten ihn bei jeder (Gelegenheit persönlich aus. Am 22. September 1859 wurde R. wirklicher Regisseur, nach Dahns Demission sogar der einzige. Vom i. Januar

1863 an wurde er kOnsderiscber Beirath des neuen Intendanten Schmitt. Lange konnte er freilich diese doppelte und drei&che Belastung nicht er- tragen. Es mtisste ein weiterer Regi«;seur angestellt werrlen, nnrl am 8. ]v.ni

1864 trat ein junger Schausi)ieler von Hamburg auf, der R. l)ald ul)ertiu*;cln und am Ende sein letzter Che! werden sollte Ernst Possart. Im Mar/. 1S65 sog sich R. als erster Holk'scher Jäger in Wallensleins Lager eine Luxation seines rechten Knie's zu, die ihn mit Unterbrechungen sieben Monate der Bühne entzog, ihm freilich aber beim ersten Wiederauftreten einen begeister- ten Empfang eintrui^. Das Jahr 1867 führte ihn zu einem erfolgreichen Gastspiel nach Fraiikfurt a. M. Die 1 rankfurtcr Zeitung von damals ver- gleicht den bekannten Königslieutenant Friedrich Haase's mit dem R.'s und sagt u. A.: »So weich wie Ibase*s Thorane, so zerrissenen Gemttths war der Königslieutenant des Herrn Richter nicht, aber von seinen viel besseren Mitteln nntersttitrt, vnren die Stellen, in welchen das Gefiihl vorherrscht, gewiss ergreifender und liinreissender».

Am 12. Januar i86ö ubernahm Carl Frhr. v. Perfall definitiv die Inten- danz. Unter ihm und König Ludwig II. bat Heinrich R. seine besten Tage gesehen und seine höchste Reife erlebt. Ludwig n. sdiätste ihn besonders hoch und überschüttete ihn mit Beweisen seiner Anerkennung. Orden, Titel, Adel und Geld Alles wurde ihm angeboten. K. lehnte Alles mit den Worten ab: »Majestät, ich habe nur meine Pflicht gethanU Unvergesshche Höhepunkte der näclisten Jahre waren ihm der Abend des 17. Juli 1870, als er nach der Mobilisirung der bayerischen Armee in Anwesenheit des preussi- sehen Kronprinzen Friedrich ^Vi^helm in Wallensteins Lager, wie immer, den ersten H('U;'.s( heu T;1;;pr sprach, r"d die »Königlichen Separatvorstellungen«, die bis auf den i4.()ctot»cr 1871 zurückgehen und allen 'Iheilnchmem an- strengende Aufgaben, aber aucli königlichen Dank einbrachten. R. gehörte zu jenen wenigen, denen der unglückliche König auch mensdilich näher trat und auf deren vornehme Gesinnung er baute. Nebst zahlreichen Geschenken» Zuschriften und Bildern wurde R., als einem der ersten, am 10. Januar 1873 die neugeschaffene »goldene Medaille für Ktmst und Wissenschaft« zu Theil. Am I. August 1874 feierte er das Jubiläum semer 25jahngen Thätigkeit an der Münchener Hofbühne in aller Stille. Im März 1878 starb nach langen Leiden seine Gattin. Kun nahm R. den ihm schon wiederholt gemachten Antrag einer Lehrerstelle in der dramatischen Abdieilung der Königl. Musik-

Digitized by Google

Riohter.

schule an. Fs ist ni( ht R.'s Schuld, dass diese Abtheilung weder damals

noch später 7u IicsoikIlmlt Bedeutung kam. Woh] hai R. und manche seiner darstellenden Collcgen und Colle^inncn bis heute für S(h;uis])icl und Oper beachtenswerihe ialenie erzogen. Die Konigl, Musikschule als solche aher, die apSter den stolzeren Titel einer Königl. Akademie der Tonkunst erhielt» hat mit Ausnahme ihrer Instrumentalklassen ^ bis sum heutigen Ta^ kaum einen Künstler ersten Ranges gezeitigt. Das Loos so man^er Aka^ deraien! Den Ruheposten als dramatisrher T>ehrcr behielt R. bis an sein Knde. Nach ihm rückte Richard Stury, der gegcnwariige Hcldenspieler der ^lüncbener Hofbühne und wohl bedeutendste Schüler R. s, an tlessen Stelle. I>ie ihm später angetragene Stelle des Directors der Königl. Schauspiele ttber« Hess R. uneigennQtzig dem jüngeren Collegen Possart. - Bei den »Muster« s|.iclen des Jahres iSSo, ihc eine sehr widersprechende Beurtheilung erfahren li.ibcn, gab R. den Sultan Saladin, den Geist von Hamlets Vater, den Odo- artio Galotti, den Kammerdiener in Kabale und Liebe, in welchem Drama er übahaupt aUe männlichen Rollen mit Ausnahme des Wurm und des Kalb im Laufe der Zeiten gespielt hatte (zuletzt den alten Miller) und den Pastor Seebach in den »Jägern«. Sein 60. Geburtstag wurde in demselben Jahre besonders «»efeiert. F.r spielte an diesem seinen Ehrenabend den Thoas in der 'Ij<hi<ienie . Als im Juni des folgenden Jahres T.ewinsky aus Wien kam, um den Friuiz Moor zu spielen, gab K. zum erbieiunale tlen alten Moor, den er bis zuletzt behielt. Eine Feter, deren sich alle Theilnehmo' nur mit Rüh' rang erinnern, war die des 50jährigen Künsderjubiläums R.'s am 13. Januar 1889: er spielte w ieiler den Musikus Miller. So frisch der Schauspielervetcran an füesem Abend und noch lange nachher schien, es ging florh langsam zu pjnde. Das Gedachtniss liegann zu versagen; aber es wurde kaum bemerkt, denn der gewiegte Künstler wusste diese Mahnimg des Alters geschickt zu verbergen. Als er aber Ende August 1803 die Rolle des vom Schlag ge^ lähmten und an einem Schlaganfall sterbenden Obersten Schwartze in Suder- mann'*; Heimath spielte, traf ihn na( Ii der Vorstellung selbst ein kleiner . Sthlaganfall. Er raftte sich fiir kinve /eii wohl w ieiler auf, aber am 11. Juni desselben Jahres betrat er als Advokat Bachelin im HuilciibesiLtci zum letzten- mal die Bfihne ahnungslos, dass es das letztemal gewesen. Die Aerzte erhoben von da an Einspruch gegen tlie Aufregungen eines ' wiiicHchen Ab- schiedsabends, und so wurde Heinrich R. am 1. Januar 1894 nach .{5 jähriger Dienstzeit am Hoftheafer, nach 37 jähriger Thätigkeit als Regissem und nach 55jähiiger als darstellender Künstler pensionirt und zum Ehrenmitglied der Könif^. Hofbühne mit dem bleibenden Titel eines Kömgl. Professors enannt. R. ist aufgetreten an 7455 Abenden in 584 verschiedenen Stücken und 678 verschiedenen Rollen, darunter auch an 22 Opcm-Abenden. Er hat an 131 Abenden »gastirt- und ist an 130 Königlichen Separatvorstellungen« betheiligt gewesen. Diese Separaivorsteilungen waren es, die ihn Konig Tudwig II. nahe brachten. An diesen geheimen Abenden kamen 56 verscluedene Stücke zur Aufilihrung; der letzte war am 12. Mai 1885 und brachte »Urvasi«. Aber schon im 1 I 0 1876 hatte R. den Auftrag erhalten, Lope's Drama »El major Alcalde el Rey* aus dem Spanischen für den König zu bearbeiten. R. verschmolz dieses Stück mit noch zwei gleichartigen, und seine P.earbcitung wurde unter dem Titel »Der beste Richter ist der konig« am 31. October 1876 zum erstenmale fiir den König gegeben und am 2. November (mit R, als Nuno) wiederholt An die Oeffenüichkeit ist das Stück, tu dem der Be-

Digitized by Google

a84

Riditer. Schneider.

arbeiter eme Art Vorwort g^sdirieben, nicht gelangt. Audi die Moli^'s^dfien

Lustspiele *Der eingebildete Kranke« und »Die gelehrten Frauen« hat R. für die deutsche Bühne bearbeitet. In jener Zeit ist R. auch zu 'Richnrd Wnirf^-f"' in vorübergehende Beziehung getreten, gcle^ientlit h der ersten Auftuhruiig vi>n »Tristan und Isolde«. Elr sass nach der l'rcnüere beim Souper an Wagncr's Seite, der Um sehr scbltzte. Ab R. aber auf dessen dringende Frage, was er vom Tkistan halte, seine Laienmeinung offen bekannte: dass ihm Holländer» Tannhäuser und Lohcngrin lieber, weil vcrständliclier «^cicn, rief der Meister ontrü<;tet: Wenn Sie solche Ansichten entwickeln, kann ich iiberhatjpt nicht mehr mit ihnen reden!« und wandte ihm den Rücken für immer. Die erste Audienz, die König Ludvig nadi seinem R^enmgsantritt eitheflte, galt Heinrich R., den er später e£amal plötsUcb fiagtc, wie das Volk eigentlich über ihn denke. R. antwortete gefasst und taktvoll^ es liebe den König uikI habe nur den einen Wunsch, ihn öfter zw sehen,

R. hat die wohlverdiente Ruhe nicht lange genossen. Am i. November 1895 führte ein Bluterguss ins Gehirn Gehirnerweichung nach sich und nach kurzem Siechthum der Körper hätte noch langer Stand gehalten erlag er am 22. Mai 1896 einer himutretenden Lungenentzündung. Aus dem Kreise der Darsteller war er wohl vorricm schon geschieden, vollwerthig ersetzt ist er aber bis heute nicht. Kr war kein feuriges Genie, das Berge versetze» kann, aber ein gediegener Schauspieler der alten Schule, wie sie immer sel- tener werden em Kttnsder, der etwas gdemt hatte und immer wieder lernte. Dabei eine vornehme Natur auf und ausser der Bflhne. Er wusste die unbedeutendste, die widrigste Aufgabe durch seine edle Piction und seine würdige Frsrheinung zu adeln. Er besass die Bescheidenheit der Natur und durfte deshalb stolz nlle niedrigen Mitte! verschmähen. Was er insbesondere für die letzten Jahrzehnte der Münchener Ilofbuhne gewesen in seinen VftterroUen, deren sich die gegenwärtige Generation erinnert ist so recht erst nadi seinem Tode erkannt worden trotz aller Ehren bei seinen Leb- zeiten. Er war das wirklich, was man mit einem bequemen Chi h^« eine Stütze des Repertoire nennt. So lange sie da ist, denkt man ihrer nicht viel; fallt sie aber eines i'ages, so stürzt mit ihr mehr als man je geahnt.

Literatur: Vor und nach lUcbtcr't Tode hat tich am die ieine Gestalt des liebcsns- wflrdi^'cn SrhatispiclLTjrreises wohl eine zit-müchc Zci(ung>ilitcratur gebammelt. Aber ■•1 diesen Tagen erst ist (allerdings mit Ausschluss der Ueffenüiclikeit und nicht ftir den Buebhandd) eine sdir imifaiigTeiche Biographie erschienen, der irir in der Haaptsadie mit Benutzung unserer ei Kiinnerunj^an liier gefolgt sind. Der Titel lautet: »Heinrich Richter. Erinnerungen aus dessen Leben und Wirken. Eine biographische Skixse nach eifenhlndift«! Anfseichnungen, vorgefundenen Briefen nnd Dokumenten, sowie mBadllehen Uc^crliffcrunj^'cn des Künstlers von Ileinrich Kicliter jr. CT'>arni'ii.idt, G. Otto's Hof-Bijvli- druckcrei. 1897. 190 S. in gr. 8<>).« Die kindliche Pietät des Sohnes hat da vahllM AlJc^ tttsannnengetragen, was er im Naehlatse gefunden, aneli das Unbedeutendste. Ein gutes Tlilil (ki Künstlers, Poiti.iits der Kuni^^liclicn Grmticr, Facsimiles ihrer Briefe, aber auch von Contractformularen, Gedichte von und an Richter, Zeitungsausschnitte AUcs ist* mit manch schiefem ürtheil (Uber Andere), aber sonst stets gewissenhaft und mit siehtlich ehrlicher Ueberzeugung, in sehr bedenklichem Deutsch vom Selbstverleger gesammelt und die Freunde des Verblichenen bestimmt worden. Nicht so minutiös genau, aber darum nicht minder dankbar wird das Bild Hrinrieh Richter's im GedSchtniss Aller haften, die Kfaft vnA Nachdnidc seiner edlen Kunst an sich erfahren.

Alfred Frhr. Nfensi v. Klarbach.

Schneider, Emil, langjähriges, hervorr.igende.s Mitglied des Stadttheater«? zu I rankfurt a. M. Geb. am 23. Oktober 1832 zu Schwerin a. d. Warüic, als Sohn eines FriedensrichterB. Im Jahre 1840 übersiedelte er mit seinen

Digitized by Google

Schneider. KtfgcL

««5

KItem nach Berlin. Ursprunglich zum Baumeister bestimmt, bebuciiic er bis 1848 die Beiüner Geweibescliule, nachdem aber ein Ftobeaufkreten als Jacob in Holteis »Verrätherc in einem Privatüieater vor dem Halle'scfaen Thore, laut Dörings Gutachten, sein Talent bewiesen, widmete er sich unter Ad. Bethges Leitung der Bühne. Er trat zunächst im Frühjahr 1850 als Volontair in den Verl>and des Neuen Friedrich -Wilhelmstädtischen Theaters, 1854 übersiedelte er als erster Liebhaber an das Königl. Theater nach Haimover, 1855 gewann ihn Rodericb Benedix fllr Frankfurt a. M. Der Frankfurter Bohne blieb er, abgesehen von der kurzen Intendant Otto Devrients

unter allen Direktionen getreu und lehnte selbst Engagementsanträge an das Berliner Hoftheater und das Burgtheater, wo er 1859 erfolgreich f^antirt hatte, ab. Er feierte in Frankfurt a. M. 1880 sein 25 jähriges und 1895 .sein 40 jähriges Jubiläum und starb daselbst am 9. April 1896, an Blutvergiftung in Folge von IMabetes, nicbl gans 3 Wochen nach seinem letzten Auftreten.

In seiner 45jährigen Bühnenlaufbahn hat Schneider fast alle Fächer vom schü( htemen Liebhaber l)is zum Heldcnvater gespielt und alle mit gleichem Erlolge. In seiner Jugend waren: Ferdinand (Cabale und Liebe), Melchthal, Don Carlo», Fraiu ^Götz) seine Hauptrollen, später wurden es: Teil, Götz, Crespo (Richter von Zalamea), Macduff, König Lear, Miller, Attinghausen. Ebenso hervorragend waren seine Leistungen im Lustspiel und modernem Schauspiel, namcntliib: Fetruchio, Benedict (Viel Larm um Nirhls\ Bolz, Ringelstern, l'rachs (Attache), Derbley, Consul Bernik, Dr. Stuckmann. Neben seinen äusseren Vorzügen verdankte Sch. vor allem seiner edlen Natilriichkeit und echten &merliGhkdt seine kttnsderischen Erfolge. Nament« lieh in Rollen, deren Kern kraftvolle Männlichkeit oder weiches GemUth und warmherziger Humor war, muss er den besten Schauspidem seiner Zeit su* gezäblt werden.

Die Frankfuiter Tagcsbltiner, besonders vom 8./9. November 1&&0; i4./i5- Nuvember 1895; io./ii.April 1896.

Wilhelm P. Wolff.

ICSgtl, Rndolpli, Dr. theol., geb. am 18. Februar 1829 in Birnbaum in Posen, gestorben am 2. Juli 1896 in Berlin. Von dem höchsten Posten kirchlicher Ehren und persönlichen Vertrauens am Berliner Hofe ist K.. am 2. Juli i 8q6 durch den Tod abberufen worden, nachdem schon Jahre zuvor die Folgen eines leichten Schlaganfalls ihn von seinen ausgedehnten und einflussreichen Amtsthätigkeiten hatten zurücktreten lassen. Der Sohn des Bimbaumer Pfarr- hauses — sein Vater wurde nachmals StadtsQperintendcnt in Posen durfte auf einen höchst wc( hselreichen I.ebensgnng zurückblirkcn. Nachdem er in Halle das Gymnasium absolvirt liatte, trat er als Student dort ausser seinem späteren Schwiegervater Julius Miüler besonders Tholuck nahe, dessen Begleiter auf einer Reise nach Frankreich und Spanien er wurde. In einem spamschen Kloster haben die Beiden das Lied »Wadhet aui^ ruft uns die Stimme« ange- stimmt. Bald darauf begleitete er Herrn von Kleist-Retzow durch Oesterreich, die Schweiz und Italien. Voll von diesen Kindrücken ging er dann (1852) iiach Dresden an das weitberühmte Vitztum'sche Gymnasium, verkehrte gern auch in Künstlcrkreisen und hielt am Gründonnerstag 1854 seine erste Pre- digt vor weiterem Kreise Aber die Fusswaachung als dreifadies Bild; Abbild, Sinnbild und Vorbild. Im .selben Jahre siedelte er ab Lehrer am Seminar fiir Stadlschulen narh Berlin über, vertauschte aber nach kurzer Zeit (tioc h 1854) diesen Posten mit dem Pfarramt des Städtchens Nakel bei Bromberg.

Digitized by Google

l}</*.h auch seine ost!:che Heimat hielt ihn nicht lanee r-'r- »r-rrd« er zum Pre/ii^^ tltj deiiucben cvangeiischcn G^meiryie im u^fufen. Sech-«;

Jahre, die er ftTAtcr seibat xn den schönsten seines Lebens xsUihe. Jahre voll mchhaJcfjnter Anre^ing »im Cm^aag mit Bktidem. die iiKinfw Henen tinver- ^esslirh sirrd, »ie sie meiner Amtsfjhnxng unentbehrlich wareni, hat er dort I ^e^rirkt, nirht nur aL;f fler Kanzel der neuen Kirche, lu deren Finvrexhun^ | am 4. Au^rüi 1Ä61 er die gcisüiijge Fe^tpredizr hielt, auch u. a. ist Bibd- I atienden, die er mcmaüich zvetmal in dem Hause des gebtvoOen Stata£s- mannes Groen iran Prinsterer hielt. Setner Picdigtaibett in der TrfawatMgeit 1H62, in der er, Anregungen Thoiucks und seines Schvic^emien Jttüu:» MuIJer fol^rend, <!en ersten Petrusbrief im Zusammenhang aaslegte, entsprar.i: scme erste gedrurkte PrediiTtsammlung 1S65. III. Aull. 1890, Bremen , die nach (lern Vor«on vor allem dem vien>€klagien Mangel an SchriitversuuKini> | an ihrem Theile aUidfen sollte. Demselben Gedanken, der ihm auf der | Seele brannte, lieh er in einem Vortrage auf dem Kirchentag in Bnradenburg 1 im HerT^t 1862 AuvJruck, in dein er das Thema behandelte: >l'eber die | L'nwissenheit in christlichen Dingen in ihrer Bedcunmg für die Irreligiositai der (iegcnwan^. Zum Schlu.vs forderte er, um dem Wort die That folgen zu la&sen, die Versammlung auf, mit ihm Laut das Apostolicum zu bekennen. Ks geschah and war typisch ftir seinen ganzen spateren, nicht selten eifernden I^bcnskampf fiü" das aj)Ostolisdie Glaubensbekennmis als Banner (ihri-sti. Diese Versammlung wurde ein entM:hci<!v: IiL^^r Wcn<!c; "; ikt seines äusseren Lebens. Der Generalsüp^^nTitendent Honm.Lrri. fit r v. m Rerlin aus dem Tage beiwohnte, zog ihn im nächsten Jahre ais Hot- und i >ompreciiger nach der jireussisdien Hauptstadt Ifier voUzog sich in tascher Stofenlblge seine Beförderung zum Mitglied des Consistortoms als Oberconsistonalrath (1864) und vortragender Rath im CultUOTninisteriuni, zum EpbOTQS des L>otn- < andidaf'-nsrifts und Schlos ;.rrfHpcr ''i87-^\ nach Verdrängung nus dem Unter- richtsministerium «lurch Falk und iiernn.uvn, denen sein persuniicher Einflus> beim Kaiser zu bemerkbar wurde, zimi Mitglied des Evangelischen Ober- kirchenraihs (1878), zum Generalsuperintendenten der Ruimark (1S79), zum Oberhofprediger (1H80) bis zum Mitglied des Staatsraths (1884). Eist vom Jahre if^o? nn, ;] die Kr u l heil seine rüstige Arbeitskraft zu untergraben ttnd ?;iliiiirn Ix'-.inn, ist er nIlin.ihHfh von diesen Aemtem ruriirkiretreten. Nahe/u 30 Jaiirc oratorischer, kiri henpoiitischer und .seeisorgen^cher I hati^- keit sind ihm vergönnt gewesen. Die beiden letztgenannten Seiten seiner Bestrebungen, die um so erfolgreicher waren, da ihm Ohr und Hen seines 1 1 li criichcn Herrn von Jahr zu Jahr mehr gehörte, mögen hier nicht näher b' TMhrt wm, f]:\ es einer so starkwilligen, "^ich (Geltung verschaffcmiL'n Persoülich- ktiL naUirgeiiia.ss auch an ernstem, bcachicnswerthen Widerspruch nicht gclc-hlt hat und manchem Tieferblickenden sein Einfluss nicht überall als segensreich erscheinen mag. Ks wttrde je<loch dem Kähmen und Zweck dieses Nekrologs ni( ht entsprechen, dies näher 2U begründen. Um so rückhaltloser wird auch der kirchenpolitische (legner dns nratorische Charisma des gcistgesalblen J'redigcr*; nncrl rnnen . wie es nu lu nur beim lebendigen XOrira^ mit ergrei- fender Wu( ht dem Hörer nalictrai, .sondern auch aus den zahlreichen Predigi- sammlungen seine scharf ausgeprägte Eigenart hervortreten iSsst (und damit freilich leider auch bei Unberufenen »Schule gemacht« hat). Den Serien- predigten über den ersten Petrusbrief sind späterhin die Kanzelreden über alttestomentliche Texte »Aus dem Vorhof ins Heiligthum« (1875. 3. Auä.

Digitized by Google

KOfel. Reialceiis.

1888 \9>Q2, Bremen) gefolgt, denen bereits 1870/74 eine dreitheilige Samm- lung »Lasset euch versöhnen mit Gott« und noch früher Predigten über die Seligpreisungen der Bergpredigt (2. 'Aufl. 1869X vorausgegangen waren. Es folgten weiter »Auslegungen in Predigten« über das Vaterunser (3. Aufl. X8S9), über den lUSmerbrief (3. Aufl. 1891), über den Brief des Jacobus (1889), über d IS Kvnnfrclium St. Johannis (2 Bände tSq^/c),^). Zeitpredigten und Reden lici besonderen Cielegenheiten vereinigte er in dem Sammelbande » Wach auf, du St .idi Jerusalem« (1882), in dessen Vorwort er sich über seine Absicht bei der Verötfeni- lichung dahin ausspricht, dass sie die Gemeinde im Wirrsal der Zeiterscbei' nufigen »orientirenc, d. h. »im Sinne der Kircfaenbausprache lehren sollen, vom Altar aus die leitende Linie richtig zu ziehen oder das Zeitliche am Ewigen tm messen.'^ Seine Reden und Ansprachen bei »Vaterländischen itnd kirchlichen (icdcuktagen« (1887. 2. Aufl. 1892) haben ebenso Vergangenheit und Gegenwart im Lichte des Ewigen betrachten lehren und goldene Früchte vom Baume des Lebens pfittcken wollen. So hat auch in den schwersten Stunden des Dreikaiser];i]ires 1888 sein Wort weder dem heimgehenden linu'^lidien Herrn noch der Truncrgcmoiiule an den Särgen der cntsrhiafoncn Herrsi luT gefehlt. r)ic ( ledachtnisblattcr »Am Sterbebette und aai Sar^e Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm« sind rasch in fUnf Auflagen (1888) ins deutsdie Volk hinausgegangen. Dem Andenken Kaiser Friedrichs sind die Worte »Zur Erinnerung an den 18., 24. und 25. Juni i888< geweiht und haben dem edlen ! > :1 1er, dessen Stellung am Berliner Hofe wohl gerade durch Kögel nicht leicht war, Gedanken des Frieden«? nnrhj];errifen. In demselben Jahre Hess K. mich eine Sannnlung von kleineren Autsatzen und Gelegenheitssachen unter den» Titel »Etlüsches und Aesthetisches« erscheinen. Eine Reihe von Essays zur socialen Frage sind ebenso aus seiner Feder her- vorgegangen. Doch am Deut}i( listen wird das Bild seiner Individualität in ihren glänzenden Seiten wie in ihren Grenzen und Stlnviichcn, die um so tietVr empfunden werden, innner wieder hervortreten in seinen Kanzelreden, in denen er geradezu einen neuen iypus andnngender Rhetorik ins Leben gerufen hat» deren Vorbild wohl mit Redit in der Predigfcweise eines Chrysostomus und Basilius zu finden ist. Sein Streben nach mustergOtiger fesselnder Form- vollendung wird freilich viele über der Kunst- und KralUeistung die ursprüng- li< hr Frische ungesuchter natürlicher Unniittelliarkeit vermissen lassen. Und doch scldagen seine »Gedichte« (1892) und Kirchenlieder auch sc hlii hifrommc tief- ergreifende Töne an, und die von ihm seit 1880 mit W. Baur und L. I ronunel herausgegebene »Keae Chri8toter|>e« ist für zahllose fronmichristliche Häuser eine jährlich willkommene Weihnachtsgabe gewesen. Als der alte Berliner Dom dem ncncrstcluMulen nationalen Prachtbau den Platz räumen musste und in 1 rinnmer sank, tia hat K. auch sich selbst »das Feierabendlied von der 1 rauerweide, der Birke, der Eiche, der Tanne«, die zu Fussen und äu Häup- ten, zur Rediten und zur Linken seines Grobes stehen möchten, mit Wehmut gesungen. Seine markige und ernste Persönlichkeit, der die heitern wie die dunkeln Lose so wohl vertraut waren gerade auf den Höhen des Lebens, dahin sein Kaiser für gute und böse Tage ihn neben ';ich berufen, werden die Nachwirkungen seiner Lebensarbeit weit über die Grenzen senies Amts- kreises hinaus noch lange fortleben lassen. ... , . .

Reinkens, Joseph Hubert, Dr. theol. et phil., geb. am i. MMniSai in Burtscheid bei Aachen, gest. am 4. Januar 1896 in Bonn. Mit dem Tode

288

ReiDkens.

des eisten Bischofii der AldEatfaoliken im Deutschen Reiche hat nicht allein die innerkatholische Refoim- und Uidonsbewegung des Altkatholidsmus eineii

unersetzlichen Verlust erlitten. Nicht weniger beklagt die deutsche theologisdie "Wissenschaft in ihm einen ihrer liochsinnigsten und weitherzigsten Vertreter, dem vor allem die kirchcnhlstorisc he uiul philosopische Forschung eine Reihe eindringender und glänzender ruhhkauonen verdankt. Was er endlich in seiner grossen ungeteilten liebe und Begeisterung fürs deutsche Vaterland und sein t^eu erstandenes Kaisertum weit, über den Kreis des ihm unterstellten Klerus und seiner Gemeinden hinaus gewirkt liat, soll ihm unvergessen sein. Auch seine CJe^aiei haben seiner edlen hervorragenden l'ersönlichkeit nun bei seinem Ableben ihre Achtung reichlich bezeugt. Freilich für die von ihm vertretene Sache, den altbuftioliscfaen Gewissemqirotest und seine Ge- meindeconsolidirung, ist in den zahlreichen Nekrologen der periodischen Tagespresse nur wenig inneres Verständiüs su finden gewesen. Bei R.'s Ge- ' burt (i. März 1821) lebten seine Eltern in recht guten Verhältnissen, sodass der l)rennende Wunsch des Knaben, stufhren zu dürfen, gewiss gern von ihnen erlullt worden wäre. Aber der Zusammenbruch dcb väterlichen Ver- mögens zwangen den hochstrebenden Jüngling, zum Unterhalt der Seinen einfa« her Arbeiter am Webstuhl zu werden. Mit 19 Jahren aber durfte er auPs neue das riviimasium beziehen, um von da schon 1844 zum Studium j der Theologie in Bonn ulierzugehen, 1S47 bis 1848 hat er sodann dem Friestcrseminar zu Köln angehört und wurde am 3. September 1848 vom 1 Cardinal-Erzbischof Geissei zum Priester geweiht Der Eintritt in den prak- I tischen Seelsotgedienst unter diesem streng-hierarchischen KJrchenlUrsten lockte j ihn aber nicht. So ging er zunächst nach München und promovirte hier 18.4(7 7um Dr. theol., um ItaM d mach (1850) einer Aufforderung des milden j und weitherzigen Ftirstbisrhois \on Diepenbrock zur Habiltlalion an der Breslauer Universität zu folgen und zugleich das Amt eines Dompredigers zu übernehmen. Nach 3 Jahren wurde er zimi ausserordentlichen, 1857 zum ordendicben Professor der Kirchengeschichte befördert und um sich ganz dem akademischen Lehrberuf widmen zu ktiiuicn, trat er 185S von seinem l)om])rediger- Ami zurtick. Ks folgten nun Jahre stiller Arbeit und fruc htbarer litterarischer Produktion insbesondere über das Gebiet der alten Kirchengeschichte. An die Disserution: De Demente presbytero Alezandiino (Bredau 1851) schlössen sich eindringende Untersuchungen über Hilarius von Poitiers (1864), | die Einsiedler des hl. Hieronymus (1 864), die Geschichtsphilosophie des hl. Augu- stinus (t866\ Martin von Tours (1866). In Schlesien hatte sich indess damals j entgegen der breiten, liberal-katholischen und deutsch-nationalen Unterströmung, die in den zwanziger und dreissiger Jahren unseres Jahrhunderts unter Dereser, den BrUdem Theiner und den Hennesianem der Breslauer Fakultät eine verheissungsvolle Refonnbewegung angebahnt hatte, der heftige Wellenschlag hierarchisch-ultramontaner Reaktion erhoben. Zwar gelang es norh der Irenik des Fürstbisrhofs v, Diepenbrock und seines Nachfolgers Förster, denen bei- 1 den R. persönlich nahe stand, den ottenen Ausbrucli der Gegensauc zurück- zuhalten. Aber schon 1861 als R* zum Jubiläum der Universität eine Fest- Schrift veröffentlichte über die Geschichte derselben bis zur Vereinigung der Leopoldina mit der Frankfurter Viadrina und darin die wissenschaftliche Sterilität rler Tlorlist luile , so lange sie unter den Händen der Jesuiten war, schonungslos beleuchtete und dazu den geistigen Zustand der Breslauer Diöccse in der Gegenwart kritisch besprach, da erhob sich ein Proteststurm

Digitized by Google

Reinkens, ^Bg

der Eiferer, der auch in einer Adressen-K nndgcbunp: sirli l.uft mncbte. Noch verdächtiger war er der ultramontancn (iru])])e geworden durch seine her\'or- ragende aktive lieiheiligung an der Versamnilung katholischer Gelelirten in München unter OöUäger's Leitung. Der päpstliche Segen, den Pius IX. anfangs dieser Tagung gespendet hatte, wurde dann, als die Richtung ihrer Verhandlungen bekannt wurde, als nicht ertheilt annullirt und zurückgenommen. Der Syllabus v. 1864 war eine weitere Antwort rlnrauf. Durch das Vertrauen seiner AmtscoUegen aber wurde Reinkens, gerade im Rriegsjalire 1866, als Rektor beruüen; bei einer liegognung mit dem Kronprinzen von Preussen dem Rektor der Königsberger Universität ist er damals von diesem als »College begriisst worden. Die Jahre 1887 und 1888 sahen ihn dann in Rom, wo ihm neben den Früchten seiner histfjrisrhen Studien tiefe Kinblit le in die d;is Vaticanische Concil vorbereitenden Ströniuiif^en am pjipsili( iien licile ,si< h cigaijcn. So fand ihn die U'nfehlbarkeitserklarung vom 18, Juli 1870 nicht unvorbereitet und er irard mit DfiUinger der eigentliche Führer der damals das ganze lEatlu>lis< he Deutschland erfüllenden Gewissensbewegung, litte- riirisch und praktisch organisatorisch ist er alsbald auf dem Plan getreten. Schon sein noch während des Conrils en;rhienenes Buch über Pnpst und Papsttum nach der Zeichnung des hl. Bernhard von Clairvaux« (Munster 1870} in weldiem er diesen grossen mittelalterlichen Kirchenlehrer in einer seiner berühmtesten Schriften» der an seinen Schüler, den Papst Eugen m. gerichteten: de considcratione als 2^gen gegen das neue Dogma aufrief, hatte ihm seitens des Fürstl>is( hofs Förster eine Disriplinirunp eingetragen, die ihn natürlich /u keinerlei Widerruf l)owep;cn konnte. I- .ist gleichzeitig aber ernannte ihn die phil()st)])lusehe Fakultät ia Leipzig aus Anlai>.s seiner Schrift »Ari&toteles über Kunst, besonders über Trag^e« (Wien 1870) zu ihrem Ehrendoktor. Die wichtige Schrift vom j^eichen Jahre »lieber die päpsdiche Unfehlbarkeit« (München 1870) formulirte klar und präcis die Streitfrage dahin: »Ist der Papst für uns an die Stelle Christi getreten? Es ist die gleiche (Grundfrage, die auch m den 6 Aufsätzen »die papsthclien Decrete vom t8. Juh 1870« (Münster 1871) immer wiederkehrt Und der 26. August 1870 sah ihn Schulter an Schulter mit DfiUinger die berühmte Nürnberger Protest^klärung gegen das Infallibili» täts-Dogma vertreten. Am 10. November ward er daraufhin ab ordine sus- I)endiri : die Exkommtmikation wurde fln^^cgen erst im M.ii tS- ^ über ihn ausgc^spruchen. Der iMiin< hener I'tin>,'s(crklärung von 1871 fi)l::ten ani 22. bis 24. September die Congressiage in München, die den aaiivaiikanischen Wider^ruch suerst einigermassen zu organisieren bestimmt waren. Eine Reihe von Vortragsreisen, die iiui in dieser Zeit durch Deutschland bis in die Schweiz führten, stellten die wechselseitige Fühlung unter den Gleichgesinnten her unfl errnö^di< hten allmahh'eh die (»emeindebildung des romfreien Katholicismus in den deutschen und schweizerischen Landen; sie war unausweiclilich nötig geworden, besonders nachdem die deutschen Bischöfe nach ihrem fruchtlosen 1Viderq>rttch gegen die vatikanischen Decrete und nach ihrer Rückkehr in die Heimat einer nach dem andern dem Fait accomi)li in Rom sich beugten. In der Rrosrhfire Kniefall und Fall des Bischofs Wilhelm Kmmnnurl Frci- herm v. ivetteler 13. Aull. Üonn 1877"^ hnt Keinkcns die ganze Tragik der Situation beleuchtet. Aber es galt nun der neuen Kirchen biklung, die doch durchaus katholisch bleiben wollte^ den Zusammenhang mit der alten katho« lischen Kirchen nimmermehr preisgeben konnte, auch das leitende Oberhaupt zu geben. So ward am 4. Juni 1873 Reinkens in der St. Pantaleonskircbe

Digitized by Google

Reinkms*

in Köln zum katholischen Hischof der »im alten katholischen Glauben ver- hakenden Priester und Laien« des deutschen Reiches erwählt und am II. August von dem Bischof der Utrechter Altkatholischen »Jansenisteti«-

Kirche von Holland, Heykamp von Deventer, in Rotterdam consecriert. Vom gleichen Tage datiert sein erster Hirtenbrief an die ihm untersteHtcn Oeisi- lichen und Gemeinden, in dem er nach Begnindung des Altkaihoiischen Standpunkts und der kanonischen Rechtsgüldgkeit seiner Consectadon Geist und Ziel seiner bischöflichen Amtsführung darlegte. Die staadidie Aner« kennung und landeshetrliche Bestätigung für Preussen erfolgte sodann am 19. September, wie aus einer gleichzeitigen Aeussenmg tlcs Kronprinzen Fricflrirb 1icr\ orj,^cht, durch immittelbnr j>ersönbrhe Initiative des fvonig^** Wilhelm, der den hochgebildeten vaterlaiidsfreudigen Maiui ungcuiein hoch- schätzte. Baden und Hessen schloss sich am 7. November, und 15. Dezember an. Inzwischen hatte am 21. November Pius IX. die förmliche Verdamniungs- bulle gegen den Altkatholicismus und seinen Härcsiarchischcn T?t«^rbf>f f^e- schleudert. Reinkens ist auf die äusserst heftige Fltu hs» hrift die ruhi;^e. festevangeliscli-katholische Antwort nicht schuldig geblieben. l*iu- den neuen Bischof begann nun eist recht auf Congressen und Synoden wie durch Besuch der einzelnen Gemeinden die verantwortungpreiche Reform- und Unionsarbeit. Letztere, vor allem von DölUnger auf den sog. Bonner Unionsconferenzcn zum Zweck der Yerstiindigtinf; mit den übrigen romfreien Kirrhen f^eleitrr, hat zunSrlist weniger /ii piak tischen Kesidtnten geführt. Neueriii h haben aller- dings die letzten intenuiiionalen Alikaibulikencongresse, unter wesentlicher Mitwirkung von Reinkens» die damals angeregten Gedanken wieder lebhaft aufgenommen und zu brüderlichem Ausiausi h und praktischer Inteicommunion auch mit der griechisch- und angle )katholischen Welt weiter peführt. Das Schwcr»jc\virht aber von Kcinkens' nunmehriger, fast fiinfun(l/\vanzii:j;di nger Lebensarbeit lag in der Neuordnung des altkaihoiischen deutschen Kirchen- wesens, sowohl mit Betug auf die Reform der Lehre als der Gemeiidever-* fassung. Wackere Freunde, u. a. der nun 70jährige Geheimrath Ritter von Schulte, haben ihm dabei treu zur Seite gestanden. Aber es ^t auch manche sich andrängende unlautere Elemente fem m halten oder wieder anv:^TT- scheiden und insbesondere auf den S\ iio(len manche ulierstur/ende Ret« n m- pläne abzuweisen und in dem leicht erregten Widerstreit der Meinungen klärend und schlichtend festzustehen. Das hat Reinkens verstanden wie keiner seiner Mithelfer im Streit. Ihm hat nicht nur der deutsche Altkatho- licismus mit seinen etwa 50000 Bekcnnern, auch der ca. 80000 riemcinrlc- glieder 7nhlende Christkatholirismus der Srhweiz seine Existenz icu danken, durch ihn vor alien ists geschehen, dass die hochgehenden Wogen der Volks- entrHstung in das ruhige Strombett geordneter Gemetndepflege und Sedsorge geleitet wurden. Freilich musste dabei der Bischof, dem nur äusserst kftrg> liehe staatliche Subventionen zu Gebote standen, ja in zahlreichen praktischeTi Fragen und Einzelfällen rlas Gegcntheil von staatliclier I7n(erstiit/unpr thcil ward, an die opferfreudige Selbstbcthätigung der Gemeinden grosse Anforde- rungen stellen. Viele, die anfangs in freudiger Ueberzeugung beitraten, sind dann unter allerlei kleinen und grossen Anfeindungen der Gegner schwach geworden und nach Rom zurückgekehrt, sodass Reinkens wohl selbst be- kennen mochte, dass die Bewegung in der anfanp^ erhofften Ausdehnung' gescheitert sei. Aber wns sie nn Breite verloren, hat sie an 'l iefe gewonnen. Das kleine Bckennerliautiein mit seinem vielgeliebten Bischof an der Spitze

Digitized by Guu^i-

39t

liat in seiner innerlirli religiösen Treue und charitativen Keprsnmkeit das Üiid urchrisdichen Gcmeindelebens unter uns erneut. Dazu aus jenem Isjreise, die wertvollen Gaben enuter strenger Wiisenachaft, der auch Reiiikens durch seine seitraubenden krafbuispaimenden Amtsgesdbiilte stdi nie hat entziehen lassen. Ausser den schon oben genannten kleineren und grosseren historisch- polemisrhcn Schriften >cr:/eichnen wir hier noch ^die Lehre des Iii. ('yy)rian von der Kinl\eit der Kii< iie - (Würzhurg 1873"^, in der nnrh Härtel s \on cien rümischen Fälschungen gereinigten Cyprian-Au.sgatje dem bis dalnn üblichen Zerrbild Cyprians und seiner Auslllhrungen de unitate ecelesiae seine wahren Anschauungen gegenübergestellt werden. Diese Gedanken finden sieh weiter^ geführt und auf die Gegenwart tibertragen in der Arbeit »Uchcr die Einheit r!er katholisrhen tvirche 1 VVur/burg i>^77^ In einer andern S< hrift »Revo- lution und Kirche« (3. Aufl. Bonn 1876^1 hat er vor allem daraufhingewiesen, »wie der moderne l^pismus aus der finnzttnschen Revolution seine stttrkste Kraft sog, und wie die unmittelbar auf die Revolution folgende Reaktion auch den Qiarakter der Gegenrefonnation trug<.. Das christliche deutsche H;nis aber verdankt seiner fleissigen Mnsse die t .ebt-nsbilder zweier efller tK treligioser I'rauengestalten : »Louise Hciisel und ihre Lieiler- (2. AutL Bonn 1877) und 'Amalie von Lasaulx, eine Dekennerinü (Bonn, 1878), denen sich die umfiuigreiche Biographie seines alten Freundes und ehemaligen Fürst- bischofs »Melchior von Diepenbrix k (Leipzig 1881) anschliesst Einen schönen Einblick in die edle Weitherzigkeit seiner Geislesrichtung gewahrt ferner das köstliche Riirhlein T cssin g über Toleranz« (Leipzig »^83), in dem der katholische Bischof kraft seiner Freiheit von der Papstkirche und seiner auch die Gedanken der Gegenwart umfass«iden Geistesbildung das Problem religiöser Duldung von durchaus modernem Standpunkt aus erörtert. Eine Reihe kleinerer Arbdten, z. TM. polemisch-satirischer Gelegenhcitsschriftcn unter den Pseudonymen Pacificus, Mirabundus u. a. voll treffenden Hunuirs, um desswillen seine Freunde ihn nicht selten wohl mit Luther verglu lien z. Thl. strengwissenscbafdiche Aufsätze in dem bedeutsamen Centraiorgan der romfreten Unionsbestrebungen unserer Tage» der Bemer »Internationalen theologischen Zeitschrift, Revue internationale de thtfolo>;ie ;^ic])i 7LU-;nis von seiner unermüdlichen S( liafTc-nskr att, die l)is ans Ende ihn nicht \ er! issen liat, ftir die auch wohl jeder alljahrli( he Ferienaufenthalt bei den Schweizer Freunden ihm neue Erfrischung brachte. Noch muss auf das reiche geistliche Ver- mächtnis hingewiesen werden , was der heimgegangene Bischof in seinen all- jährlichen Hirtenbriefen neben den zahllosen Vorträgen und Ansprachen auf seinen Finnungsreisen hin und her durch Deutschland seinen Gemeinden und ihren Leitern hinterlassen hat. Nicht im (leist oberherrlif her Znrht sondern herzlicher brüderlicher Liebe, in euier Sprache voll religiöser liete, evan- gelischer Einfachheit und heiliger sitü icher Kraft und Weihe, wie sie in bisch^tflichen Hirtenbriefen schon lange nicht mehr vernommen worden war, redet er da zu den ihm anbefohlenen Seelen. Wie er es in seiner ersten An- sprache vom IT. August 1873 ausgesprochen : "Die, wehhi- dii- Schlüsselge- walt der Kirche ausitben, sind Verwalter, nichts mehr. Au< !i der Verwalter hat die Kirche zu hören, auf dass er getreu erfunden werde. Es ist das Haus Gottes, in dem er waltet; da giebt es unter den Hausgenossen keine Knechte, sondern alle sind Kinder Gottes;« nach diesem Ideal eines christ- lichen Bischofs hat er gelebt, diesem (ieist ist er treu geblieben, in christ- itcher Freiheit und Wahrhaftigkeit» wie er es in der Unterschrift seines Bildes

19*

Digitized by Google

mit dem Schriftwort kennzeichnete: »Alles, was nicht aus Ueberzeugun^- kommt, iLu> ist Sünde«. Und darum ist ihm seine Biete, die er nach seiner Biftdiofitfrsdil in Kän maspmh, »das ihm zu ktstende Gdofanis möge nicht auf (iebonmii, sondcm in altchristUcfaer Weise auf Liebe laiden,« in lachstein

Masse in KrfüIIunj? gegangen; Liebe und Verehnmg hat er genossen auch bc: vielen trefflichen Männern, die seiner Gemeinschaft nicht angehörten. Km rascher schöner Tod hat in der Nacht vom 4. zum 5. Januar seinem Lieben ein Ziel j^esctzt, nachdem er noch eine halbe Stunde zuvor zwei Freunde heiter ftchensend verabschiedet hatte. Sein Leichenbegängnis gestaltete auch auch durch die TeÜDahnie der Holländer und Schweiaer Bruderkiidien und der Vertreter der prci'^'^i-f !)cn Re;:'ierungen in C<tl>ltn7 Mrtfi Kö''^ 7". einer Kundgebung, wie ^ic (\vr {'.cdeutung diese« >i:'.icr.vn \iannes entsprach.

Wie wenig diese dürftige äkkxe ihm hat gerecht werden können, dessen Ul iich *icr VctCuser am besten bewniit. Eiagchaiderr, dm idtgBtdricfcflichMi liiain(n»d «mflilki^

lieh zeicbn?nf!c Würdigung bieten: Beyschlag, Büchof D. Rc:nkcns und «Jer deutsche Altkatholicismus Deutsche* WochenbUtt, Berlin, Walthcr 1896); Nippold, Krixine-

tongm an Biscbof Rcinkent (aai : JeiiaaKlie Zatna^, Ldpiig, Jaua* 1896) nnd die anhl- rci !.e von n ir ir i ThLol. Jahresbericht XVX« S. 431 ^ffaaaiclnreifi SAivelwhlBe B. S. 1897) ztuammeogcäteilte Ce<UkciUni«litteratuz.

KohUchmidt,

Stickcl, Johann CusUv, Dr. theol. et phil. Geboren am iS. Juli

1-05 zu Kisenach, gestorben am ?i. Jatuiar 1896 zu Jen.i. In St. ist iit nur der Nestor unter den deuisciien l iiivt'r>itiit';profe«oren und clcr weit über die Grciucn der deutschen Gclclirienwck bekannte feinsinnij^e Orientalist und Kenner der muhammedanüchen Numismatik heimgegangen» son- dern auch ein Veteran aus WMni.irs Goethe-Zeit, der bis zuletxt mit seltener Frische des Geistes und hebevoller Treue die Erinnerung an jene Ausklaube der Weimarer Glanzpenode, ins!>csonflcre an .seinen wicflerbolten amtlic hen und [lersoniichen Verkehr mit dem Mmister ujid Dichterfürsten pflegte und festhielt. Schon auf dem Gymnasiiun zu Weimar (wohin seine Eltern in dürf- tigen Verhältnissen abergesiedelt waren) trat seine hervorragende Begabung fllr Ori( iitalia hervor. Als Primaner las und übersetzte er in einem Examen vor dem (»eneralsuperintcndL-ntLn Rcilir sein hcl)r;ii5^rhcs Pensum aus unjMTfil;- tiertem Text, so dass Karl Augu^u» iVcundlu he l ursorgc ilui als viclversprce hoii- dcn Schüler (iescnius in Halle ziuufiihrcn bereit war. Herder's Buch vom («eist der hebräischen Poesie hatte ihn Air alle Zeit innerlich der reli^ös- I>octLschen Welt des Orients gewonnen. Für seine numismatische Specialitäi war Goethe's Interesse von bestimmcTulorn F.innuss. Xa( h L'l.mzender Absol- vierung der theologischen Knndidatenpnitunu U li Si. auf Anrc^^vin^f von fivtnri- gartcn-Crusius im November 1^27, miticllus, doch in echtwissenschalthchem Idealismus in die akademische Ldirthätigkcit in Jena ein, <He nach dem raschen Steigen seiner Zuhörerzahl sich bald erfolgreich gestaltete. Die Ueberreichung seiner Habilitationsschrift (über das 3. Kap. des Propheten Habakuk) bei dein leitenden Minister machte Ihn damals zuerst (ioethe bekannt. Zwei jaTire darauf, im Herbst 1829, ward ihm durch eine Staatsuntersttitzung eine wi.sj.c:n- schaftliche Reise nach Paris ermöglicht, die ilun unter Silvestre de Sacy's I«etCung weitere orientalistische Schtdung und durch ein Empfehlungsbriefchen von Goethe's Hand Zutritt in die geistig bedeutendsten Kreise der Weltstadt bot. No( h vor dem Ausbruch der Julirevolution, deren V«ii\\elicn er dort itus unolittelbarstcr Nähe miterlebte, kehrte er in das bescheidene Saaleäta<ii>

Digitized by Google

Stickcl.

«93

rhen 7\n Wiederaufnalimo seines I.cliramtes zurück, von Cioethc und der (»rossherzogin Maria Paulowna huldvoll empfangen. Das ganze tiebiet semi- tischer Sprachkunde mit j^nschliiss insbesondere des Arabischen und Persischen hat er da angebaut und wusste auch bei den Studierenden fiir diese' dem Urotstudium nicht zugehörigen Fächer ein Interesse zu wecken, das bis in rüc lct;'ten Taj^e seiner über 136 Semester sich er«?trerk enden, immer mit un- ermüdlichem l■ lei^s vorbereiteten !'>orentenarbcit sit h l)estan(lig erneut hat. Iiis 1848 gehörte St. zunächst der theologischen FaculLai an, in der er als letzter nach alter Weise durch eine flln&tttndige feierliche Disputation (ttber den Goel in Hiob 19, 25—27) rite ami Doktor promovierte und 1S33 /um ausserordentlichen Professor befördert wurde; dann trat er als ordent- licher riofessor der orientalischen Sprachen in die philosophische Fartiltät über. Die erste litterarische Fnicht seines Pariser Aufenthalts war 1834 die teflweise mit deutscher Uebersetzung besorgte Ausgabe der Sentenzen des Ali ben Ali Taleb arabisch und persisch mit grammatischen Anmerkungen und Glossar nach einer Weimarer Handschrift. Sein Hauptinteresse wurde aber bald dun h die Begründuiif< des Grossherzoglichen orientalis( lieii Münz- kal)inets, zu dem Karl Frieflrich auf St.'s \'eranlassnnfx diirc h den Krwerb einer Münzsammlung des Herrnhuters /wick in Sarepla an der Wolga den reichen (jrundstock legte, in Anspruch genommen. Unter St/s sorglichen Händen und feinfühlendem Spürsinn ist sie mit der Zeit auf soooo Nummern und zu einer der bedeutendsten und wissenschaftlich wertvollsten der Welt geworden. Die Resrhreibunj,' tnid Würdigung flicser seiner Lieblingsschöpfung ist in den Schriften *das orientalische Münzkabinet in Jena« (Heft I und II, 1845 und 1870) niedergelegt. Zahlreiche Beiträge in der »Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft,« die 1845 unter seiner Mitwirkung ins Leben getreten war, bezeugen zudem sein immer tieferes Eindringen in das endegene Fnr^rhtmgsgebiet der orien!alis< hen M(inzknnfle. Aber auch noch reiches un- ge*iiucktes Material hierüber hat der Wrstorbene hinterlassen; durch Ankauf seitens der CJrossherzoglichen Regierung ist seine weitere wissenscliafüiche Verwertung gesichert Daneben aber ruhte die Beschäftigung mit den sprach* und religionswissenschaftlichen Problemen insbesondere des Alten Testaments durrhaus nicht. Hierbei war es seine Eigenart, wie er sie in seinem handschrifdirh hinterlassenen T ebensabriss selbst beschreibt: »nur die dunk- leren Probleme reizten meine mit unermüdlicher Ausdauer und Zähigkeit be- gabte Natur.« So verttffentiicfate er 1843 eine Arbeit ttber das Buch Hiob, in dem er nach Massgabe der rabbinischen Punktation eine genaue rythmische Gliederung nachzuweisen und in einer diesem Princip bis ins Einzelnste nach- gebildeten Ueberset/unff rlem Vcrstanflnis nahe/uhrin^^en suchte. Tm Jahre TS50 folgte dann eine längere AlilKiiullung über den nnitm.issliehen Weg, den der Auszug der Israehten durch d.u» Nildella genommen, über eine Furt in einem alten Kanal zwischen dem Roten Meere und den Bittetseen nördlich vom heutigen Suez, eine Annahme, die durch Heinrich Bnigsch (I'exode et les monuments tfgyptiens, Leipzig i?^75'' indess wesentlich corrigiert worden ist. 7,1 r bibelfeier <!er Universität war er durt I1 einen freilich langst auch

als Irrweg erwiesenen Versuch, das Etruskische durch Erklärung von In- schriften und Namen als semitische Sprache festzustellen, vertreten. Gleicher- weise glaubte er in den Ephesiae literae, der Lischrift der Diana von Ephesus, semitische Sprachreste wiederfinden zu können (1860) sowenig seine darauf hissende Deutung: »Bleiche Eimtemisse sind meine Finsternisse, blicke ver-

Digitized by Google

994

Stiekel. Kable.

trniiensvoll hi das Feuer, jener ist glliiibijj der sein T.eben es reinigend, weiht- ein wirkliches X'crstandnis crmo^dit lit. Und dreissig jähre .sjjaicr (1888) hat er das Proljleni der liLierariachen Zusammensetzung des Hohenliedes durch den Aufweis eines genauen dramatischen Auf baus, der das Lied sogar als cur scenischen AuflÜhrung bestimmt erscheinen lassen soll, zu lösen sich bemüht. Auch hier kann man seine Position: »der Text des Hohenliedes ist uns durchaus richtig überliefert ' , »das Buch ist eine Einheit ohne Lücken, das Lied der Lieder ist durchweg ein siuli( lies Buch, es ist ein Drama in der vollen und strengen Geltung dieses Begriffs mit Akten und Sceneo« kaum wissenschaftlich haltbar nennen. Budde hat in den Preuss. Jahrb. 1894 Okt. S. Q2— III mit all derartigen dramaturgischen ErklärungskUnsten , die (l()(b ftir St. kt'inc Spielerei waren, wohl cndgiltig aufgennnit. So sind die Kcsuhatc von Si.'s Forsrhimgen vielfach mit Grund angct' jclitcn worden. Sein vorwiegend den dunkleren Problemen auf linguistischem und litterar- historischem Gebiet zugewandter Entdeckereifer bevorzugte mit einem bis ins hohe Alter wunderbar frischen Enthusiasmus nicht selten den Weg geistreicher Combination vor dem der exakt nüchternen Untersuchung. Sein numisma- tisches Sperinlfnrh nbcr hat seinem eigenartigen Charisma ein schönes Xcil bleibender Förderung zu verdanken. An dankbaren Schülern wie an äusseren Ehren und Ordenszeichen hals ihm nicht gefehlt. Vor Allem der Weimarer Hof, vor den er oft zu Vorträgen gdaden wurde, hielt grosse Stücke auf ihn. Die Wiener numismatische Gesellschaft ernannte ihn bei ihrer Gründung zu einem ibrcr 5 Khienmitglieder, und der intemation;!'' nricntalistcncongre5is in St. rctersburg ul>ertrug ihm ein Präsirliuni in der Sektion für Archäolnirie und Numismatik. Mancherlei Rufen, die von aufwärts zu einer VVirksamkeit in grösseren Kreisen an ihn ergingen, hat er abgesagt, um seinem Jena und seinem Fürstenhause die Treue zu lialten. An der Universität war er, auch durch manrhcrlci Nebenämter, die ihn mit den Studierenden aller Fakultäten in Tkrtihrun^ brachten, eine der bekanntesten Persönlichkeiten. Dazu der lireite geschichdiciie Rahmen, von dem das Bild dieses still bescheidenen, voll Müh und Arbeit glücklichen Gelehrtenlebens um&sst ist: er hat als Kind noch Napoleon L gesehen, hat als Mann don Dichterheros Goethe in sein geistsprühendes Auge gebildet und hat, noch wenig Jahre vor seinem Ab- scheiden, in den Jenaer Bismarlctagen dem Baumeister des nenen Reiches die Hand drücken dürfen. Wiis er so alles, regen Anteil nehmend, mit er- lebt hat und aus lebendigem Gedächtnis gerne nüiteilend ueu bewaluie, giebt seiner Persönlichkeit, die in unscheinbamr, doch ungemein charakteristiacber Erscheinung die Geschichte eines Jahrhunderts in seiner Heimatstadt reprä- sentirte, gewiss auch für weitere Kreise ein Interesse, das mit seinem Tode nicht erloschen sein wird.

Vgl. P. Holzhauscn in Deutsche Revue 1896, AugiHt. S. 233 239. K. Sic^^friod in Prot, Kirchciueitung 1896. No. 7. Sp. 145 152. M. Jacobi in Deutsch. ProtestantenbJatt 1896. No. II. Sp. 8a~83).

Kohlschmidt.

Kahle, Marie geb. Kessler, war dreissig Jahre lang (iS66 1896) eines der angesehensten Mitglieder des kCkiig^ichen Schauspiels in Berlin. Sie wurde am 17. November 1844 in Weissenfels in Sachsen geboren. Dur Vater war der am 6. Mai 1890 in Berlin verstorbene Schauspieler Albert Kessler. Unter seiner Direction begann sie 1859 in Flensburg ihre schauspielerische Laufbahn.

Digitized by Google

1860 64 gehörte sie dem Hoftheater in Hannover an, vo sie durch Karl I>evTient künsderisch gefördert wurde. 1864—66 war sie beim Deutschen T-andestheater in Prag engagirt, wo Friedrike Herbst ihre Lehrerin war. Am 2 t). Januar 1866 gastirte sie zum ersten Mal als bezähmte Widerspenstige im königlichen Schauspielh.ius in Berhn. Ihre nächsten Gastrollen waren Adel- heid Runeck in »Den Journalisten« und Alwine in Benedix's »Störenfried«. Am 20. Juni 1880 verheiratete sie sidi mit ihrem CoUegen, dem kdniglidien Schauspieler Richard Kahle. Seit 1880 gehörte zu ihren engem Berufs- t^enosscn nicht nur ihr innif; und treu geliebter ("r itfc, der sie jetzt trost- 1< »seil Herzens betrauert, sondern auch ihr einziger Bruder Oscar Kessler. Am I. Mai 1896 wurde sie auf ihren Wunsch pensionirt und bei dieser Gelegen- heit zum Ehrenmitgliede des königlidien Schauspiels enumnt Ihre Collagen verabschiedeten sich von der Sterbenskranken durch eine Adresse, in der als besondere Merkmale ihres Talents Geist, feiner Humor, eclite Vornehmheit, Bescheidenheit der Natur hervorgehoben sind. Auch wurde ihr in dieser Adresse mit Recht nachgerühmt, dass sie »die Fosaunenstusse cier Reclame« stets verschmäht habe. Noch damals Hess die Schwerleidende von der schönen freilich trfigeriscbeD HoflSntmg nicht ab, als EhienmitgUed wieder tätig sein zu können. Sie vcrliess ihr reizendes Landhaus im Grunewald, das sie eist k in /lieh erbaut und bezogen hatte, und suchte Genesung durch einen Sommer- aufcnthali in Berchtesgaden, wo sie am 10. August 1896 gcsiorl)en ist.

Ihren drei Berliner Jahrzehnten entsprachen fast genau drei Epochen ihrer Schauspielkunst. Von x866 bis ungefthr 1876 war sie, um im Theaterjargon zu. sprechen, jugendliche Liebhaberin, von 1876 bis 1886, wo Minona Frieb- Blumaucr starb, war sie Salondame, von i886 bis 1896 war sie humoristische Mutter. Ihre besten Erfolge hatte sie in der mittleren Epoche, die freilich schon im November 1S72 mit Lindau's Magdalena begann. Marie K. war eine hodigewaduene überaus schlanke und dadurch voxnebm wirkende Er- scheinung. Der feine Kopf mit dem edel geschnittenen Profil verrieth noch bi& in ihre letzten Tage die einsdge Anmutig und Zartheit der Jugend. Als sie im Afiril 1868 in der »Phaedra« des Prinzen Georg von Preussen die Ariadnc gab, fand sie Karl Frenzel, später ihr treuester Lobredner, zu sclimächtig und dürftig von Gestalt. Mit den Jahren aber ward aus der Schmächtigkeit Eleganz, aus der Dürftigkeit Noblesse. Erst die aristokratische l .rs( Ii einung gestattete ihr, sich im Spiel frei gehn zu lassen, eine saloppe, k-ic hl schaukelnde Gangart, eine ungezwungene Ilahung anzunehmen. Wie ihrer Minna von IJarnlielm zwar der Lessingis( hc Ernst, aber nicht die Lessingische Laune fehlte, so sah man es ihrem Spiel an, dass sie mit Lessing zu denen gehörte, die ihre Würde getrost von sich werfen dürfen, weil sie sich bewusst sind, sie in jedem Augenblick wieder aufiiehmen zu können. Für die Empfindimgen einer jungen Mädchenliebe fehlte ihr die Stärke des Herzens- ausdrucks. Sie trug ihr Herz auf der Zunge, nber noch mehr freilich trug diese beredte, frei und leicht und höchst anmuihig plaudernde, scharfe Zunge den geselligen Witz, besonders den saloppen, nicht allzu defen Salonwitz Paul Lindau's. Lindau und Lubliner lieferten ihr in den siebziger Jahren das bequemste und genehmste Repertoir; diese Autoren, mit denen sie etwas Neues schaffen konnte, standen ihrem Talente naher als etwa Frcytng mit seinen Journalisten . Ihre AdL-Iheid Kuneck war eine muntere, gesc heite, liebenswürdige, aber von Gemüth oberllachlichc Dame. Auch für liaucrnfcid war sie zu norddeutsch kühl. In diesem norddeutsch kühlen Wesen begegnete

Digitized by Google

296

Kühle. Miliicr.

sie sich mit dem standhaftesten Partner ihrer besten Zeit, mit Theodor

Liedtcke, ce^en den sie zuweilen spielte, eine feine RassckaUe gegen einen Bernh irdincr: ein Pfötchen im Kampf mit einer Tatze, sie die Cicsrhicktcre, I)urch(ncl)iKrc, Spitzere, er derStnrkcre, Fhrlicherc, Festere, sie witziger als er, er komischer als sie. Gingen solche Wortgefechte nicht allzu sehr in geistige oder se^ache Tiefen (lllr Benedikt und Beatrice, filr Petruocbio und Käthchen, für Minna und Tellheim reichte es nicht au$X so konnte man dodi einen frohen, feinen Gcnuss davon haben, ßenedisi^ Putlitz, Wiehert wurden in ihrer Hatisbrsrkenheit rini< Ii dieses Spiel der Klinfren »eadelt. Als ;in Liedtcke's Bouvivaiusielle ilir llrtider Oscar trat, ging sie /u ilen Mtittern u])cr und nahm mit Erfolg die gcfaiirliclie Erbschaft der grossen Fricb-BIumauer auf sich. Ein Mutterherz in seiner rddien Gttte hat sie woU nie entfiütet. Andreiseits lag ihr auch das Drastische einer sogenannten komischen Alten fem. Aber für feine nrlcr fein thuende altere Damen hatte sie viel übrig, und .\h Herzogin in I'.iilleron''^ ^Welt in der man sich langweilt« beschloss sie ehrenvoll ihre ehrenvolle Laufbahn. Besonderer Gnade erfreute sich ihre Kunst bei Kai:>er Wilhelm dem Ersten; es gehört nicht zu ihren geringsten Verdiensten, dass sie dem arbeitsvollen Leben des unermttdlidien alten Helden einige heitere Stunden verschaffte, wenn er hinter dem Vorhang seines verborgenen I^genwinkels auf die Bühne s;ih, und sie in seinen LieblingsstQcken, wie in Wiehert's »Schritt vom Wege«, auftrat.

Paul Schient her.

Müller, Theodor, Schauspieler, wiutle am 1. Januar 1832 in Stargard geboren imd st.irb am 7. September 1896 in Berlin im Krankenhaus am Friedrirh«h.iiii , wo er .Sommer fiber getrübten Geistes schwer gelitten hat. Er soll ursprunglich Conditor gewesen sein. Dann ging er zur Bühne und war nacheiiumder in Nümbetg, Bremen, Hamburg, ä«slau, Bettia tfaätig. Seinen vontiglichsten Wirkungskreis hatte er viele Jahre lang am Lobetheater in Breslau, dessen erster Komiker er gewesen ist. Nach Berlin kam er schon alternd unrl kränkelnd. S^x h mehr ;d>er, :\h er selbst, kränkelte tmd alter?? da.s einst als Possenhuhne l»eruhnUe Wallnertheater, l)ei ^lein er zunaiiiM engagirt wiu-de. D.is kümmerliche Repcrtoir dieses verendenden Instituts gab ihm in schlechten Stücken nur kleinere Episoden, in denen er seine unwider* stehli< he, urwüchsige Komik bewähren konnte. Diese Komik lag hauptsächlich im (]esichtsausdruck. Es war erstaunlich, wohin seine Unlerliiijie (iberalt n^* rathen konnte, wie sie scheinbar bnlfl über der Nase, bald unter ilein Kiim sass, wie lawinenartig sie anschwellen konnte. Dazu gnnsten die klemcn, versteckten Augen verschmitzt und listig in den Possenunfug hinein, und auch der kurze, knollige Körper bog und krOmmte sich wie ein dicker, ent- stachclter Igel. Dieser grotesken Komik aber fehlte jede äusserliche Ver- zerrung. Es waren Naturgesichter, kein Gesichterst luieirlen ! Diese Komik vermochte auch zu ergreifen. Bei den Vorstellungen des Berliner Vereins >► Freie Bühne«, hat Müller das als alter Kopelke in Holz und Schlafs »Fa- milie Selicke«, als Hausknecht Friebe in Hauptmann*s »Friedensfest« und als Lumpensammler Hornig in »den Webern« bewiesen. Hier zeigte sich, dass sciTie K I itiiik ni( ht l'loss wirken, sondern auch ^^cstalten konnte. Im eigensten Naiureü fand er volkstümliches Le!>en. Socrar sein körperlic hes Leiden, seine Athcmnoth, die ihm zuletzt nur noch den 1' iüsterlaut gestattete, wusste er zu künstlerischen Wirkungen zxl verwerthen. Aber als sidi auf der deutschen

Digitized by Google

Mflllcr. Mauric«.

297

Bohne Anf^'aben des derben Realismus mehrten, waren die Kräfte des armen »N;ist'nmüller« srhnn verbraucht. I'ur das tiaL'isflK- Missgeschick dieses gediegnen Komikers ist es bezeichnend, dass er zwei Jalire vor seinem Tode dem Ruf Otto Brahm's an s Deutsche I heater nicht folgen konnte, weil ihn ein langer Vertrag an die nichtigste Berliner Aiustattungspossenbtthne band. Wer muaste der Mann, dem seine Kunst ernst und heflig war, im letzten Winter seines Le!>ens in der »Tollen Nacht« alltäglich den Barrison- vater spielen. Darüber brach er Vf>r]-)erH( h inid i^^eistig zusammen. Auf seinen Sarg le^ie ihm der \"ercin Freie Huhne einen Kran/, und die Inschrift der Schleife enthielt ein Wort, das Müller als Hornig tief ergreifend gesprochen hat, dessen Sinn auch er in seinem Kunstleben empfunden hat: »A jeder Mensch hoot halt an'n Sahnsucht!«

Paul Schienther.

Bfaurice, Ch^ri, der Director des 'i'haliatheaters in Hamburg, war neben T^ttbe der bedeutendste deutsche Bühnenleiter in der zweiten Hälfte des 11). Jahrhunderts. Er wurde den ig. Mai 1805 in Agen, der Hauptstadt des

Departements Lot-Garonne, von ia^itbchcn Eltern geboren und hiess ur- sprünglich Charles S( hwart7enberp:er. Sein Vater, Maurice Schwnrtzenberger (1780 1853"^, siedelte Mitte der zwanziger Jahre na( h Hamburg über, wo er zunächst französische Schnäpse braute und dann, 1H27, den Tivoligarten am Besenbinderhof übernahm. An beiden Betrieben beteiligte er seinen jungen Sohn Charles, und als er 1829 in St. Georg im Tivoligarten eine SomnierNidine für Volksbelustigungen einrichtete, erhielt ( harles die Leitung. Zunächst hatte der junge Mann eine Rntsrhl)alni zu beaLifsi( litigen und ftir tüchtige Pyro- techniker, Jongleure, t'agiiazzi zu sorgen, ßaid aber lockten auch schon Angelys* und Holtei's Vaudevilles zahlreiche Gäste vor die Tivolibühne, und der junge Bfaurtce geib hier den Schauspielern des Steinstrassentheaters einen sommerlichen XJntenchlupf. Wenn der Antrieb zu dieser Veredelung des Volks\ er;^n(iirens auch von nussen an Manriee herangetreten sein mochte, so kam er diesem doch mit gutem Verständniss entgegen, und aus den dürftigen Anfangen entband sich schon früh sein Lebensberuf. Der Erste, der in diesem Berufe weiterhalf, war der I^ter des seit elf Jahren bestehenden Theaters in der Steinstraase, Cassmann; er mochte einen Wettbewerber hier heran- wachsen sehn und zog ihn iS^i als Mitdirector an seine ei^nc Bühne, die sich nun zum Tivolitheatcr \ erhielt, wie die Valte zur wannen Jahreszeit. Mit denselben Kräften wurde im Sommer hüben, im Winter drüben gespielt. Da- mit gelangte Maurice schon in die Bezirke Carl Töpfer's und Scribe*s, neben denen auch Hamburgische Localpossen im Dialect und Parodien auf die ernsten grossen Opern gerieten. Und unter den Schauspielern befand sich srhon ein Name, wie der Karl Meixner«;, fies spätem genialen Character- komikers am Wiener Burgtheater. Da ihm für sein Geschäft die französische Abkunft gedeihlicher erscheinen mochte, als die israelitische, so hatte Maurice den Vornamen des Vaters als Familiennamen angenommen; vor Allem aber strebte er danach, vollberechtigter Hamburger Bürger zu sein. Dazu trug V)ei, dass er sich am 31. Juli mit einer jungen Hnmburp-crin , Frnilie

Möller, verheiratete. Srlion snchte sein Unternehmen mit dem altehrwürdigen Stacittheater, das noch immer der treffliche Friedr. Ludw. Sclimidt leitete, zu wetteifern, und der alte Schmidt soll gesagt haben: »Der Knabe Charles Hingt an^ mir fürchterlidi zu werd^«« 1834 gelang es Maurice, für seine

Digitized by Google

Bühne vom Senat den Titd »Zweites Theater« zu envii V r. 1843 erhieU er sel!)st (lafiir die Concession, die hislici Cassmann's Schwiegermutter, die Wiiiwe ÜHiulje, besessen hatte. Alsbald wurde es seinem l^ntemehmergeist in der winkligen, schwer zugänglichen, feuergefährlichen Steini»irasse zu eng und zu unbehagtich. Am 9. November 1843 erOffiiete er in nächster NShe des inncm Alsterbassins, am Pferdemarkt, ein neu erbautes, geräumiges, statt- liches Haus, das er nher von Senatswegen mit RücVsicht auf d:is verwahr- loste alle Stadttheatcr nicht mehr »Zweites Theater nennen durfte. Nun, so nannte er es »Thaliathcater«. 42 Jahre lang hat er diese Buhne, die nur von ihm und durch ihn lebte, deren Ruhm sein Ruhm ist, selbständig geleitet. Gleich von vornherein haMe er durch günstigere Contracüiedingungen die zugkräftigen deutschen Bühnenschriftsteller für sein Untemdimen zu inter- essiren gewusst. Hei der Auswahl flessen, wa«; er l)rachte, verrieth sich frci'ith noch immer der ehemalige Rutschbahnwärter, und neben Gästen wie Wilhelm Kutist, Hendrichs, Louis Schneider, La Roche durfte sich 1844 in Raedei's »Artesischem Brunnenc audi ein lebendiges Kameel auf den Brettern des Thaliatheaters sehn lassen. Später noch tnussten es sich Grössen der Schau- sfiiclkunst, wie Döring, Dessoir, Emil De\rient, gefallen lassen, dass auf dem von ihnen geweihten S( hauplatz Bosco mit seinen Zauberkünsten unfl Klischnigg, der Affe, Athleten und Zwerge, Kinderballets und Magieprofessoren dem Hamburger Publicum näher ans Hetz wuchsen als sie. In Repertoirangclegcn- heit ist Maurice stets ziemlich frei von litterarischen VonüteQen gewesen. Schon im October 1843 sprach er den Grundsatz aus: »Der Schauspiel- dirertor ist nur den praktischen NntTren einer Biihnenarbeit zu würdi^ifi berufen«. Den praktischen Nutzen bestimmte die ivaiise, die Maurice seuicin treuen Bruder Alfons anvertraute. Diesen Grundsatz hat Maurice Zeiüebeas festgehalten. Der Litteratur stand er als Kaufinann gegenttb«. Er nahm die verkäufliche Waare, wo er sie fand. Aber, und darin liegt sein künstle- risches Verdienst, er gab die Waare nicht früher aus der Hand, als bis sie so gut und auch so solid wie möglich heransjjeputzt war. Stücke Hess er Andre schreiben, und jedes Stück, welchem Publicum zulief, war ihm rechu Demgemäss verwendete er auch auf die Aufitthning jedweden StUdces dieselbe Hebevolle Sorgfalt. Eine musterhafte Darstellung war filr ihn Ehrensache. Und wenn er Zeidebens das Gastspielunwesen eher begünstigte als bekämpfte, so sorgte er doch dafür, dass der reisende Künstler bei ihm ein Ensemble vorfand, von dem er nur dann abstach, wenn er Virtuosenmätzchen machte. 1840—80, wo Maurice s Kraft blühte, war es um die Theaterdichtung ubcl bestellt. Auf verwehender klassischer Spur quälten sidi maxUose £|ugonen mit ihren iambischen Buchdramen ab; vor dieser unlebendigen Gattung blieb M.uiri(e's scharfer Tnstinrt für l>ii1inen\virknngen immer bewahrt. Diese Gattung discreditirte ihm vom i heaterstand]iunkt aus zeitweilig auch die grossen klassischen Vorbilder der armseHgen Epigonen. Nur vorübergehend Hess er sich durch seine vortrefflichen, höher strebenden Regisseure, Heinrich Marr und C. A, Gömcr, zu Concessionen an das »Hochpoetische« verieiten. Bald nach solchen litterarischen Tollkühnheiten pflegte Bruder Alfons' Kassen- rapport zum Schmerze Marr's, Görncr's und so manches entwicklungsfähigen Schauspielers einen Riegel vorzuschieben und nachdrücklich auf die Birch- FfeiCfer, auf Gutzkow, auf Benedix und seine Nachahmer, auf fraiuösische Faiseure hinzuweisen oder gar den höheren Blödsinn der Berliner Gesangs- possen herbeizttwinken. Und, mag man's nun beklagen oder loben, alle diese

Digitized by Google

Maurice.

299

Kolissenreisser, die in ihrer Art niclil; minder leblos waren als jene Schul- meistersainben, gewannen im Hamburger Thaliatheater für die datnalige Zeit wenigstens den Schein des T.ehcns: denn die alte Hamburger Tradition des Realisnuis in der Schauspielkunst fand hier unter Maurice's Direetion einen Hegeherd. So wurde zu Hamburg unter Maurice in den fünfeiger Jahren durch Friederike Goasmann im Thaliadieater die Btrch-Ffeifier'sdie Grille, durch Marie Seebacfa die Krcb-Pleifier'sche Waise von Lowood lebendig. Als Maorice 1868 das 2 5 jährige Stiftungsfest seines Thaliatheaters feierte, machte sich sein damalif»er erster Komiker, Fmil Thomas, den sinnreichen Scherz, in einer 'I'isrhrede die Titel fast sanimtlicher im Thaliatheater seit einem ViertcljaJirimndert aufgeführten Novitäten zusammeazuCassen. Der Scherz ist ihm j^änzend gelungen und muss bei jenem Festmahl in Thoma- sens ]>ointirter Vortragsweise kräftigst eingeschlagen haben, aber welch eine Staubwolke, welch ein Modergeruch kommt einem jetzt, wo diese Stücke fast alle lodt und vergessen sind, aus den /ahllosen Titeln entgegen ! Wenn man unversehens darunter auf einen Titel, wie »Die JournaUsten« stösst, so möchte man fragen: Was wollt ihr munteren Knaben in der Todtenkammer? Schon bei Lebzeiten dieser Theatermachwerke dflrfte ein so edler und würdiger Künstler, wie Heinrich Marr, ihren Leichenduft verspürt haben; und wenn Marr 1852 nach vierjähriger heilsamer Wirksamkeit als Regisseur und Schau- spieler trotz längerem Contract seine Vaterstadt Haniburg plötzlich verliess, so mögen die Repertoirverhältnisse des Thaliathcatcrs daran nicht ganz un- schuldig gewesen sein. Aber 1857 kehrte Mair zurück und schloss mit Maurice (der ausgezeichnete Regisseur und Schauspieler mit dem imm^ vorzüglicher werdenden Dirertor"^ einen Tlvnit! der Krgänzungen, der zum Segen ihrer Bühne dauerte, bis Marr 1871 starb. Und wenn Marr's Tod keine all/u grosse Lücke riss, so lag es daran, dass Maurice und sein andrer Regisseur C. A. Gömer genug von der Regiekunst des Alten profitirt hatten. Maurice aber war von allen litterarischen Vorurteilen so frei, dass ihm auch ein Vorurtheil gegen d;us Drama hohen Stiles eigentlich fehlte. Wenn Dawison als Richard der Dritte Geschäfte machte, Ira Aldridge in seiner afrikanischen Naturfarbe den Othello spielte, die Kachel in französischer Sprache als Phaedra oder die Ristori in italienischer Sprache als Medea bei ihm auftrat, SO war ihm und seinem Bruder Kassierer das ebenso genehm, wie wenn Fanny Elssler oder die Pepita tanzten, Roger oder die Sontag sangen, Nestroy, Scholz oder Gern Possen trieben. Mit der Zeit hatte er sicli auch eine Grenze nach unten gezogen; Affen und Kameele traten im Thaliatheater nicht mehr auf. Hingegen litt er ^ bisweilen wohl, entwicklungsfähige und entwicklungsbedürfiige Talente unter seinen Schauspidem auch in klassischen Rollen vorzuführen. Die junge Lina Fuhr durfte bei ihm Maria Stuart, die junge Seebach diu-fte bei ihm zum ersten Mal ihr Gretchen, Charlotte Wolter durfte bei ihm zum ersten Mal die Ij^higenic darstellen. T'^nd wenn er diese Lichtgestalten werden sah, so hatte M. dieselbe Entdeckerfreude, wie wenn sich auf seiner Buhne ein Hamburger Droschkenkutscher als Theodor Wachtel entpuppte. Charlotte Wolter und andere Zierden des Wiener Burgtiieaters, wie Zerline Gabillon, Friederike Gossmann, Marie Bossler, Antonie Janisch, Hdene Hartmann (unter den berühmten Zöglingen des Thaliatheaters waren immer viel mehr Frauen als Männer) haben bezeugt, wie entscheidend sie ein längeres oder kürzeres Verweilen bei M. gefördert hat. Meistens war dieses Verweilen recht kurz. Denn keiner wusste die Erziehung des Thaliatheaters so ^ait z^

Digitized by Google

300

Maurice.

Würdigen, wie der Burgtbeaterdirector Heinrich Laube, den M. grollend den Ratteniknger von Hameln nannte, wenn er ihm mit seiner Wiener Lod^i^ife wieder einmal ein zartes Mäuschen weggcpfiffen hatte. Zwischen den beiden gleichaltrigen Lehrmeistern der Srhaus|tic!kunst bestand eine lierlH' Knegs- siiinnumg; wenn sie in Karlsbad /au Kur /i:Mnimentrafen, gingen s>ie scheel an einander vorüber; in der deutschen Theateigeschichte unsres Jahrhunderts aber ragen sie Hand in Hand über alle Intendanzen und Eaccellenzen ihrer Zeit hoch hervor. M.'s Verdienste sind nirgend überschwänglicher anerkannt worden, nl> in der Sch.iuspielerwelt. Wenn der Knabe rharlos einst etwas kokett seinen virspHinglichcn Vornamen änderte, so ist er im Vcrlrnif eines mehr ab neunzigjährigen, reich gesegneten I^bens denen, lur deren Kunst er länger als ein halbes Jahrhundert gewirkt hat, wirklich der Chdri ge- worden. Sein scharfer BUck fltr schauspielerische Naturbegabung hat ihn selten getäuscht. Er selbst erzählt launig, durch eine einzige Ausnahme «üe Regel aufs beste bestätigend, wie er einst eine blutjunge Tslcine blontle M.u 1 als talentlos weggesdiickt habe, und diese Naive habe Hedwig Raabe gc- heimsen.

So könnte der kleine alte Mann mit der schwarzgeiärbten Haar- tolle und dem schwaxzgefärbten Härtchen, mit dem liallifr.inzösischen Deutsch und dem klnircn sernifischen Gesichtsausdruck, mit den listig und feurig blitzenden Aeu^lein, mit *!er T eidenschaft für schöne Krauen uiv! der wunder- bar ausdauernden Lebenskraft nach seinem Tode glücklich zu preisen sein, wenn nicht auch an dieses Treben einmal die Hybris getastet und für eine kaum ganz unbegründete üble Nachrede gesorgt hätte. Der wunde Punkt in M.*s Hamburgischem 'I'lie it erleben war die Concurrenz jenes Stadttheaters, das narh dem Tode des alten iitiiiilt atif Abwcgc gerieth und dem inngen thatkräftigcn Nebenbuhler vom i'feideniarkt bald Gedanken der Zerstörung, b.'dd Gedanken der Kroberung in die ehrgeizige und ersverbslustigc Seele legte. In iThdes') allerdings oft recht gehässiger und zwar etwas spiess» bürgerlich gehässiger Darstellung spielt ' C, M. Schwartzenbcr.i,er keine sehr vortheilhafte Rolle, und flie Vt i ilieidigung Ortmann's') in seinem kritiklosen Panci^yrikus auf das Thaliathcaler und dessen r>irector widerlegt nule's An- grifte lucht scharf und schlagend genug. Zweimal hat M. den freilich miss- lungenen Versuch gemacht, die Hamburger Theater ebenso tu monopoluiren, wie es ein halbes Jahrhundert später zum schlimmes Schaden der Hannt- burger Kunstverhältnisse PoIHni tat. Als 1846 die Zustande im Stadttheater gän/lich verfahren waren, unrl die alte Dirertion Cornet-AIuliünu' v(^r ihrem Ende stand, kam M, mit tiern Berliner Hofschausi)ieler Louis .St h neu 1er, der häufiger im Thalialheatcr g.istirt hatte, daliin überein, dass sie sich sclbander um die Pachtung des Stadttheaters bewarben. Am 36. Februar 1847 nahm der Senat diese Bewerbung an; aber König Friedrich Wilhelm IV, dessen Vorleser Schneider ^^^nr, rili(*1i Einspni<li, und srhon nm if). April trat Schneider von seiner Harnburger Verpflichtung zurut k. An seiner Stelle ver- band sich mit M. der in Hiimburg sehr beliebte Heldendarsteller Jean Haptisl Baison. Am sx. April 1847 eröffiieten Baison und M. ihre Direction im Stadttheater mit (soethes »Kgmontv. Man sagte dieser Vorstellung und auch

') Das Stadttlieaur in Humburg 1 827-- 1877. Von Hermann Uhde. Stuttgart 1879W Fünfzig Jahre eines deutschen Theatetdirccton. Von R«ilib<dd Ortm.inn. Hmu- huTg t*^ST. Dazu vgl. Du Tkaliathcater ia Hamburg von 1843—1893. Von Alfred Schön-

ytald. Hamburg.

Digitized by Google

den andern SchauspielvorstelIun<,Lii nichts (liues n;i( !i. licsscr soll es mit der Oper bestellt gewesen sein. M. über gerielh m den Verdacht, du^s er zu Ctimten seines Eigenthums am Pferdenuurkt das von ihm nur mitgepachtete Maus am Dammthor absichtlich discreditiren wollte. Von diesem Verdachte war auch sein Parteigenosse Baison beseelt. Zwischen Beiden brach helle Feindschaft aus, und es kam schon im September 1847 über die Competenzen beider Theater sogar zu einem gerichtlichen Process, in dem Maurice wider Baison und Maurice Klage erhob. Am la. October 1847 wurde M. aus dem Pachtverbältniss entlassen» und das Eigebniss dieser kaum halbjährigen Sommer* campagne feindlicher Brüder war ein Fehlbetrag von 11 500 Thalem. An M.'s Stelle verband sich nun mit Raison ein p:iiter, aber geschäftsuntüchtiger Mann Namens Wurda, der sein 1 heil heiliujx, das Hamburger Stadttheater, die edle Schupfung des grossen i ricdr. Ludw. Schröder, vollends zum Schiff- bruch SU Dlhren. Als am Januar 1849 Baison starb und der susammen- krachenden Btthne auch noch den Werth seines grossen Rufes als Schauspieler nahm, war guter Rath theuer. Ungewitzigt durch trübe Erfahrungen meldete sirh wiederum M. Diesmal aber stellte er die P.edingung, dass lieide Theater nicht, wie dazumal 1847, getrennt, mit besomlerem Personal und Rcpertoir bewirthschaftet wurden, sondern dass Danunthor und Pferdemarkt, seine Pach- tung und sein Eigentfaum, zu ein und demselben Betriebe mit einander ver* wuchsen. Senat und AcCionäre Hessen sidi in ihrer Noth darauf ein, und am 1. April 1840 begann die Firma Maurire und Wurda mit einem Capital von 30000 ihaiern das Geschäft im Stnflttheaier. Die politiischen Unruhen jener nachmärzliciien Zeit wirkten nul, den unförmlichen und uimatürlichen Doppelbetrieb su erschweren. M. hetste einen Gast nach dem Andem bald Uber (Hlsc bald über jene Bretter, die Oper nahm einen ungebührlichen Raum ein, und im Schauspiel herrschten (\\c Komiker mit niedrigen pastpiillantischen Künsten vor. Man klagte, die an's kleine Thaliathenter gewöhnten

Schauspieler, tlie oft an einem Abend diesseits wie jenseits der Alsier auf- treten mussten, im grossen Staditbeater nicht zu verstehn wären. Das Pu- blicum vernachlässigte beide BUhnen. Carl Töpfer, der in seiner Zeitschrift Der Recensent« entschieden gegen Maurice Wurda Partei nahm, machte tlen Wit7: Die Vereinigten "rheater in Hnmliuig haben, wie f!i<" \\ 1 eitn'.t;ten Suiaten in Anienka, viel Krnnn mul wani^ lU-wohner«. Trotzdem hielt sich die Direction, in der Wurda nichi viel aielu als ein Strobmaim war, volle iUnf Jahre, bis zum 25. Juli 1854. Länger aber ging es nicht. Man hatte in dieser Zeit 167000 'llialer mehr ausgegeben als eingenommen. Wie bei tler ersten besten Wandertruppe, sollten die Mitglieder des vornehmen und bertibnittii Hamburger St.idttheaters aut Theilung weiter spielen. M. zog sich am 4. August 1854 schwer gerupft aus der AiTau-e, und seine Sunden gegen das tthel behandelte Stadttheater sollten ihm an Minem vielgeliebten Thalia- theater vergolten werden. Man prttfte seine Concession nach und fand, dass sie ihm 1843 "uunmehro bis auf weiteres« erteUt worden sei. Diese schein- bar nnsrhiildi^c Cl uislI l)is auf weiteres - y>nsste ^nit ftir einen Advornten- knitt, und iin NOvcniher iSq.j si't/tcn es die Aciionan,- des Stndttheaters beim Senate durch, dass auf Grund jener Ivlauhel dem i haliaiheaier die Concession »angemessen« beschränkt wurde. M., dem man vorwarf, geflissentlich das Stadttheater ruinirt zu haben, durfte nun am Thaliatheater nur »Lustspiele« geben. Als er mit dieser Einengung am 1. Marz 1855 das 'I haliaiheater wieder aufmachte, kam es zu wunderlichen Zwisten. La Roche soUte als

Digitized by Google

Shylock ga.stiren, und rlic ästhetische Kra;L:c. oh Shakespeare s Kaufmav.n von Venedig» eine Komödie oder eine i ragodie sei, wurde hier zu einem eminent praktischen Streitfall. Chatlotte Bircli-Pfeifler muaste Oir Schau« Bpid »Die Grille« als lindliches Chaiakteigiemllde beseidmen, damit die

Gossmann im Thaliatheater darin auftreten konnte; aber das Stadttheatcr merkte rlen Coup, und nnrh dem neunten Mal vcrsrhwnnd die Grille vom 1 haiiatheater. An SchiJiers hundertstem Geburtstag durfte bei der Schiller- feier im Thaliatheater von Schillers eignen Werken nur »Wallensteins Lager*, weil das »lustig« ist, eur Au0lihrang kommen. Dem nadi wie vor aufs übelste berathenen Stadttheater lialf dieser Kunstschutzzoll nicht das Kfindeste. Vom Tlialiafheater aber konnte ein Kritiker damals schreiben: »Gerade weil sich rlie ( icseilschaft unter Marr'«; Regie so hesi hran^cen miis?;, ist sie so vor- züglich geworden^*. Endlich, iü6o, hatte der Senat ein Einsehen und er- weitette die Conccssion wieder zu ihrem alten UWmg. Aber Posse nnd Lustspiel , in der Talente, wie Marie Geistinger, Anna Schramm, später Ernestine Wegner, emporkamen, blieben nach wie vor die eigentliche Domäne des Thaliatheaters, und je alter M. wurde, rlestn mehr musste er sirh mit der theatralischen Dutzendwaiire behelfen. Desto seltener wurden freilich aut.li die grossen schauspielerischen l'alente, die seiner strengen Schule entwuchsen. 1885 war er des Scepters mttd geworden. Sein Sohn Gustav trat an die Stelle, ohne den Vater eiaetzen zu können. Der Vater gab ihm daher einen schlauen Geschäftsmann, flen Siadtthe iterdircr tor roHini, an die Seite. Aber auch diese Allianz der l>ei(leii feindlu hen lUihiien hielt sich nur zM'ei Jahre. Seit 1887 führte Gustav Maurice das Thaiiadieater allein fort, bis er, kurz vor dem 5ojärigen Jubilftum seines Hauses, Anfang November 1893 starb. Nun trat der 88 jahrige Alte noch einmal an das Ruder des stark defect gewor> denen Fahrzeugs und hielt es noch ein Jahr lang nothdürftig über \N >ser. Dann erschien als Retter in der Noth wiederum Pollini, und als M. am 27. Januar 1896 endlich sanft und ohne Krankheit starb, waren Thaliatheater und Stadttbeater zu Hamburg abermals in einer Hand und diesmal auch in einem Besits.

Paul Schienther.

Bruckner, Anton. Am 1 1. Oktober i8(>6 ist 7\\ Wien in der ihm tlurch kaiserliche liuld eingerauiuten Wohnung im sogen. Kusiodentrakt des Lust- schlosses Belvedere der Tondichter Anton B. einem Herzleiden erlegen. £ine echte, ursprüngliche Künstlernatur hatte da ihren Lebenslauf vollendet. Solcher Bezeichnung Würdige sind aber nicht so viele, dass wir nicht bei dem Ge- denken fies T>nhinpcsrhiedcnen einen Augenblick verweilen sollten. Es war im April des Jahres 1865, als durch die Wiener Blätter') die Nachricht v<mi dem bedeutenden Erfolge lief, den die Aufführung einer Messe von B. in der Linzer Domkirche gehabt und der zu einer neuerlichen, ungekflizten Auf- führung in einem geisdichen Konzert ermuntert habe. B., damals Domorganist in Linz, wird als bedeutendster Schüler Sechters und renommirter OrLvl- spieler« be/,eit hnet. Sein Ruf als Ürgelvirtuose war demnach schon begruntlei, als Tonsetzer dagegen stand er, obgleich schon im 41. Lebensjahre, noch am Anfang seiner Laufbahn, seine Hauptwerite hatte er noch nidit gesdirieben, und wir können daher im Gegensatz zu so vielen frOhentwickelten Talenten

9 Neue fircie Piesie vom 11. April 1865» FrcmdenblaU vom f^. April i86s>

Digitized by Google

BraekSiCi'«

303

hier von einer Spätreife des Meisters sprechen. Seit jenem Erfolge hntte ein Teil der niass^a-bcndcn musikalischen Kreise Wiens B, im Auge behalten und nach dem Tode Sechters (12. September 1867) dessen Berufung als Nach- folger in der Lehtth&tigkeit am Wiener Konsetvatoriiun betrieben und durch- gesetzt. Im Herbst 1868 trat er sein Amt an und Ubersiedelte dauernd nach Wien. So zerfällt naturgemäss sein T.eben und Wirken in zwei Abschnitte, die erste Hälfte vcrbra< In auf dem Boden seiner engeren Heimat Oberöster- reich, der er übrigens bis zu seinem Lebensende schwärmerisch anhänglich blieb, und die zweite Hälfte, sein Wirken in der Reichshauptstadt, auf dem Boden heisser KJbnpfe für und gegen den Fortschritt in unsrer Kunst. Die äusseren Lebensverhältnisse B.'s in der ersti n Zeit haben grosse Aehn- lichkcit mit dem Srliirksale Franz Schuberts. Wie dieser als Solui eines Lehrers von !iauerli( her Abstammung geboren^), mit zahlreichen Geschwistern, aber keinen Cilucksgutem gesegnet, wurde auch B. wie Schubert zunächst als Sängerknabe ausgebildet, und nach Vollendung eines pädagogischen Kurses zum Schulgdiilfen bestellt*). Freilich, während sich für Schubert dies Alles im Weichbilde Wiens abspielte, musste B. wandern. Als Sängerknabe kam er ins Chorherren-Stift St. Florian, das dem verwaisten Knaben eine Zuflucht bot, wie es später dem jungen Lehrer eine würdigere Berulksiatte erschloss. Nach vierjähriger musikalischer Ausbildung zu St. Florian besuchte er den Präparandenkunus in Linz und wurde dann Schulgehilfe zu Windhag (Wind* hang) a. d. Maltsch (1840)*). In gleicher Eigenschaft soll er später nach Kronstorf bei Stcyr versetzt worden sein und es wfirc mö|.^li( h, dnss von jener Zeit seine Anhänglichkeit an Steyr und dessen Stadtpfarrhof herrührt, in dessen

") Nnch dem Celnirts- und Taufbuch der Pfarre Ansfciden tom. IV fol. 12 ist Aaton Josef Bruckner am 4. Septerntter 1824 su Ansfelden Nr. 29 geboren. Seine Eltern und GrpiteitefB waren:

Josef Bruckner, Frmnsilk« KleUtr* Ferdinand Helm, Aan» Maria Mayrhofer

Schullebrer Amtsverwalter

in Nmitiit ^

Aaton ftraekner, Therese Hdm

Sebnlleliivr

Aiiloii Johcf

(ncb'-t I I andcien Ge«;chw'i«!terTi, wovon noch iwei am Leben).

-) Hier und sputer, wo nicht tiuc unmittelbare c^ucUc ber.eichnct ist, folge ich nach- atehenden, unter einander in enger Ber.iehun|f ttehendcn Aufzeichnungen:

l) Johann Merheck. Ein I.ebcn>bild von meinem Sohne Ludwig. Wien 1885.

a) Karl Fg!>ch (J. N. Kersvha^;!). Ein c »tencichisthcr Schulmeister. Oesterreich. Schulzcituni;. i8<)4. Nr. 23, 8.38511'. (Ikrnft hauptsHchlicb auf persönliche Mitteilungen des Bruckner l)efreundcten Lisztschülcr.s und l,i.s/tl)ir)j:;r.iphcn Atigitst G-''lleri.li.)

3) Anton Bruckner. Zur 70. Wiederkehr seines Geburtstages von Dr. 'i heodor iielm. Deotacbe Zig. v. 3. u. 4. S^t. 1894, Nr. 8147 «nd 8148 (fnnt anf Egßdä mit Rklitigttellttng einiger Zeitangaben).

4) Franz Bruimer. Dr. Anton Bruckner. Ein Lebensbild. Aus Anlass der Enthüllung einer Gedenktafel auf (?) «ien Geburtsliante Bmckner's durch die Liedertafel »Frohsinn<' am 12. Mai 1895 herausgegeben vom Oherösterreichischen Volksbildung^vereine. Lin;: 1895. (Be- nützt die vorangefUhrten Schriften, sowie andere Mitteilungen aus Wiener und Provinzzeitungen.)

5) Anton Bruckner f. Von Dr. Robert Hirschfeld. Wiener Abcttdpost (Beilage zur Wiener Zeitung) v. 12. Oktob. 18961 Nr. 2$S («tlrt Bnumeri c^giaat ihn nach Ao&eich- nungeu von Dr. Theodor I leim).

^ Dort wurde am 4. Juli d. J. eine zur Erinnemng an BnicloBer's Aufenthalt ange> braehte Oedenistaiel eathflOt

Digitized by Google

304

Bnackner.

gastlichem Heim er später öfter geweilt hat'), und auf dessen Friedhol er begraben sein wollte« fidls er nicht in St. Florian die letetwillig angeordnete Ruhestätte fände"). Im Jahre 1845 ^■m'de B. von der damals sehr abhängi- gen, sozusagen der ganzen Oemeinde dienstpflichtigen Stellung einjea Schul- gehilfen (Untcrlchrers) befreit, indem er nach al »gelegter Prüfung' nls Tehrer nach St. Florian berufen ward. Von noch uKisseicr HedeuLunK^ wurde lur ihn das Dieiislveilialtnis, das itui seit 1851 mit der Stiftsorgel in Berüh- rung bracht^ indem er die Stelle eines Stifitsorganisten erhielt^ Die Orgel an und fUr sidi und nun gar das machtrolle, berühmte Werk au St. Florian mussten seinem aufs Kraftvolle gtTi< htctcn, mit dem Gegensatz kindlicher Zartheit gepaarten MiisiVsinn unj^emein entgegenkommen. Hier entstanden die ersten uns erhaltenen und viele imdere Kompositionen, von deren Ent- weriung oder AufiDhriing wenigstens berichtet wird. 1853 machte er den ersten Versuch, sich mit den kirchenmustkalischen Persönlichkeiten Wiens bekannt zu marhcn. Er legte vor dem Hofkapellmeister Assmayer eine Orgelprüfung ab, lernte ilen Hoforpnnisten Serliicr kennen, rlcs<;en Scliiiler er glücklicher als Schubert in diesem Falle im Jalirc 1.S56 wurde, irci- lieh nur m der Weise, dass er von seinem Berufsorte Linz zeitweilig nacli Wien fuhr, um Sechter seine kontrapunktischen Arbeiten zur Durchsidit und anknüpfenden Belehrung vorzulegen. Er war nttmUch mittlerweile im selben Jahre 1856 nach einem Probespiel mehrerer Bewerber in der T.inzer Dom- kircHe zum Domor^^n nisten daselb»<t bestellt worden und es musste sich natur- gemass mit dieser lierufung in die Landeshauj>tstadt wieder eine Erweiterung seines Cesiditskreises vollziehen. Dort wurde er auch in die heitergeselligen Kreise des Männergesanges gezogen, die in Lins su jener Zeit durch die Liedertafel »Frohsinn« , den »Sängerbund « und den Verein ' Kränzchen« ver- treten waren. Er wirkte auch zeitweilig ak Chormeister der erstgenannten Liedertafel. Diesem Umstände verdankt der qualitativ nicht allzu reiche Srhat- von Männerchören einige kräftig-schöne Beiträge, u. A. den Chor «Germane- 11- zug , dem bei dem ersten oberösterreichiscben Sängerfest (4. 6. Juni 1865) der zweite Pros zuerkannt wurde'). Die Aufführung fand im Festkonzert am 5. Juni unter Leitung (Jcs Komponisten statt. Nach Beendigung seiner Stu« dien le^'te I*.. im j.ilire 186t am Wiener Konservntorinm vor einer Kommis- sion, bestehend au?» ilcn Lehrern Sr» htt,r, Ilt-nniesber^er, HessdlT, Herberk und dem Schuliat Becker, che Reilepruluag un Kunlrapunkt ab, und zwar in der Weise, dass ilmi oblag, ein achttaktiges gegebenes Thema auf der Orgel der Josefstädter Piaristenkirche zu einer Fuge zu verarbeiten. Es wird weiter berichtet, dass er in den Jahren 1861 1863 unter dem Theaterkapellmeister Kitzler in Linz Orchesterstiidien machte. Als Frucht dieser Lehrjahre ent- steht 1864 sein erstes grosses und reifes Werk, die Messe in D, deren Aut- ftihrung im Jahre 1865 und ihre Wirkung eingani^s erwähnt worden sind. 1865 ist aber auch ein Wandeijahr B.'s. Nicht eben weit, ins benachbarte Bayerland geht die Reise. Um so tiefer und nachhaltiger ist aber der Ein-

Mindestens im Sommer 1886 und TgL unter da» Veruiclmü seiaer Werke

und du- nächste AomcrkuDg.

^) Dies bestimmt ein KoditiU de dsto St^r a$. Sept eis Erginsaiig ta den bezüglichen 1K "^timniiinren dc» Testsmenti» die man in dem unten im Anhang rnttgeteilten Auszüge &achh;»cn wolle.

*) Mit 80 fl. jührliclicm Gehalt.

*) Linier Zeitung vom 7. Juni 1865. Die Preiie waren 100 IL, 6ofl., 4ofl.

Digitized by LiOOgle

Brackner«

305

druck, den die ihm das erstemal lebendig entgegentretenden Töne von Tristan und Isolde auf seine Tonphantasie madien muistien und machten. Er lernt Richard Wagner in Mflnchen kennen und spielt ~ nicht ihm sondern BUlow Stücke aus seiner eben g«ichaffeneti ersten Symphonie vor '). Das hier

angeknüpfte persönliche Verhältnis zu Richard Wagner scheint l)!s 7.11 dessen 'i üde ein ungetrübt her?:Hrhes gewesen zu sein, während Hülow sich bald gänzlich ablehnend verhielt. Musä auch einer künftigen Lebeiii»bci>chreibung vorbehalten bleiben, diese Besiehungen vollkommen klarsulegen und womög- lich zu motivieren, so kann doch schon hier darauf hingewiesen Verden, wie dem p;rn?;?;cn Meister die kttnstlcrisrhe Natur B.'s walverwandt erscheinen mussie, ihm, der /u wiederholten Malen in seinen Schriften selbstbewusste Kraft und Stärke statt der beliebten ängstlich-vornehmen Abtönung dem Kunstleben seiner Zeit wiedergegeben wünscht. Wagner sandte ihm denn auch einen Schlusschor der noch nicht ver^Mfientlichten Meistersinger*)^ den B. in einem Fes&onaert seines G^angvereins am 4. April 1868 zur AufiÜhrung brachte. Wagner n;dim auch die symphonische Widmung B.'s ^eme cnt[/ei?en, wobei er sich von (ien beiden ihm vorgelegten Symphonien, der zweiten und dritten, für die letztere entschied*). In dieses letzte Jahr seiner Thätigkeit SU Linz fkUt noch der Versuch, seine erste Symphonie in einem Konzert (9. Mai 1868) zur AuflRIhrung zu bringen. Dieser Versuch konnte weder mit Rücksicht auf die mitwirkenden Kräfte, noch auf die musikalische Vorbildung f!er Zuhörer befriedigend ausfallen. So wandte er sich wieder der Kirchen- musik zu und schrieb zwei Messen, die eine zur Einweihung einer Votiv- kapelle im Dom zu Linz (Nu. 2 in E) und eine dritte in i*-moll, die er auch noch zu Weihnachten 1868 vollendet haben soU^). Mittlerweüe war der Wendepunkt in seinem Leben eingetreten, der ihm die grossen Anregungen und bedeutenden Kiinstmittel der Grossstadt erschliessen, ihm aber atirh neue und schwierige Kämpfe bereiten solhe. Im Schuljahre 186.S/69 erscheint B. das erstemal als Lehrer für Harmonielehre, Kontrapunkt und Orgel am Wiener Konservatorium, vom Schuljahre 1871/72 an mit dem Titel eines Professon, er wirkt an dieser Anstalt dufch ss Jahre und tritt mit dem Schuljahre 1890/91 in den Ruhestand^). Glei< h nach Abschluss des Vertrages mit der T citung der (Wiener) Gesellschaft der Musikfreunde, (bis lieute ist tlas Wiener Konservatorium eine Privatscbule di< •^er ( i eselisch aft), schlagt licrbeck, der zu- gleich Hofkapelhneister ist, in Erfuiiung seines B. gegeL»enen Versprechens in einem Beridit an das Obersthofineisteramt^ B. zum £xspektanten bei der Orgel in der kk. Hofmusikkapelle vor. Er schreibt, dass »durch B.'s An-

') S. das Datum der Beendigung des Scherzo in der ersten Bearbeitung (»Mttncken«).

*) DoA woU nidit den nur dnamtif di mttglieliett S«AhiM de* 9. Aktes, wie in der Linier Zeitung vom 7. April 1868 und danach bei BrmiiRr u. A. tu lesen ist; vielmehr dürfte aus der Bezeichnung «Uaritonsolo mit gemischtem Chor und Orche6ter)>egleitung« im betreffenden Kontertprogramm (abgedruckt in der Linter Zeitung vom 4. April 1868) zq entnehmen sein, dass das Finale des 3. Aktes gesungen wurde.

*) Josef Schalk, Anton Bruckner (Nadiruf) im 24, Jahrctberickt des W. Alcndemischen Wagnervereines. Wien 1897, S, i6.

*) Von diesen beiden Messen fanden sich die Manuskripte im Nachlass nicht vor.

^) Jahresberichte des Wiener Konservatorium. Ueber Herbeck's Bemttbuagca» fimckncr zu gewinnen, s. L. Herbeck S. 231 und Anhang S. 78 und 398. Im zweiten der bei Herbeck veröflRentlichtcn Briefe*

^ Vom 8. August 1868 Z. 74.

SfaCT. MA, a. DnHeWr Hcknlof . 90

Digitized by LiOOgle

3o6

Brackaer.

Stellung der Krds henromgender Kttnsder an der Hofimnikkapelle in wfln- schenswerter Wetae bereichert« würde, und weist auf dessen eben erfolgte Berufung an Stelle Sechter's an das Wiener Konservatorium hin. B.'s Er- nennung in obiger Eigenschnft erfolgt mit Dekret vom 8. September 1868. Fast TO Jalirc dauert die Exspektan2, mit Dekret vom 19. Januar 1878 wird er unter die wirklichen Mitglieder eingereiht '). Das Institut gewährt insofern die Vorteile einer Altersversorgung, als die wirklichen Mit^eder ohne Rttci* sieht auf Verwendbarkeit bis an ilur Lebensende volle Bezüge geniesscn. So war auch fiir 1?. die mit Dekret vom 24. Oktober 1892 erfolgte EiulTebung vom Dienste mit keiner materiellen Einbusse verbunden (ausser dem Wegfail einer etwaigen weiteren Oktennalzulage). Fügen wir hier gleich an, dass er im Jahre 1875 auch noch das sehnlich angestrebte Ziel erreichte, an der Universität Vortrttge Über Musiktheorie halten su dürfen (Lektorat), so haben wir ein Bild seiner vielseitigen äusseren Thätigkeit, die, soweit es seinen Lehrberuf betrifft, wohl bedeutender nach der nnrcpenden, als nacli der positiv-belehrenden Seite hin gewesen ist. Als freier ( )rf,'e1 virtuose war B. indessen zu einer Meisterschaft gediehen, die die Geschichte aiierdin^ nur nach der Wirkung auf die Zeitgenossen 2u beurteilen vermag. Zwei Kunst« reisen verliehen ihm europäische Bertthmtheit. Die erste, unternommen 1869 zu einem Wettspiel in Nancy, trug ihm dort und in Paris reiche Ehren ein. Ein zweiter Anlass war die Einladung, die der Ansschuss der Londoner Auü- .stellung des Jahres 1871 an die Staaten ergehen Hess, berühmte Urgcbpieler zur Prüfung einer grossen Orgel in der Albert-Halle zu entsenden. B. vertrat die deutscä-östttreichtsche Kunst in fi^änaender Weise, gab eine Reihe von Konzerten und erhielt einen e! r r vollen Antrag, sich in dereng^chen Ibni|>i- Stadt niederzulassen, den er jedoch nicht annahm. Dass er auch in der Heimat seine ^Tosse Kunst fler ÖrgelimproNisation in den Dienst festlicher Anlässe stellte, versteht sich von selbst*). Gegenüber diesen Erfolgen des Instrumentalkfinstlers B. muaste der Komponist B. aur Zeit weit zurück^hen. Sein Schaffen lag so weit ab von der Heeresstrasse des Gewohnten, dass zunächst schon die Orchesterlciter Bedenken trugen, die Werke zur AufllÜmmg zu bringen. Geschah es doch, so wurde vielfach schon im Vorhinein gegen das vorzuführende Werk Stimmun«,' ^'emacht. WoHte es dann noch das Miß- geschick, dass die Symphonie, etwa in einem Mittagskonzerte als letale Num- mer angesetzt, die Besucher um ihre gewohnte Speisestunde zu Iningen drohte, in welchem Zwiespalt das Kunstwerk ja doch meist den Kflizcren zieht, so hatte endlich auch die Kritik leichtes Spiel, ein verdammendes Urteil mit dem Hinweis auf die Halumu des Publikums zu l)ckrnftigen. Zudem fällt B.'s Auftreten in die Zeit, da noch der Parteien (junst und Hass um die Peisönlichkeit seines leuchtenden Vorbildes Richard Wagner wogte. Darunter musste der Jünger doppelt leiden und sdbst später» als das G^notum, fort- gerissen vom unerbitdichen Strome der Kunstentwicklung, sich gezwungen sah. den Meister .anzuerkennen, gab man mit einer srhirklichen Wendung zu- mindi^t die Wapriersch u I c sammt und sonders als unreif und unsell)stani lig der allgemeinen Verachtung preis. Doch unbeirrt durch diese Hindernisse,

^) Mit jährlichem Gehalt von 600 fl., ▼icrmaligcr Okteniinl/ula),'c von je 100 (1. und Quartiergcld jihrlicher 300 fl. Die Einsicht in die bctreficndcn Aktenstücke Tcrdanke ich der liebenswUrdi^n Bereitwilligkeit des Herrn Archivars Joh. N. Zocsek.

Auch hier ist dem kOnftigen Biognphcn ein weite» Fdd gcsteekl; einiges a. bei Brunoer «. a. O. S. so ff.

Digitized by LiOOgle

Bruckner.

von wenigen AuflRilmtiigen angeregt*), hatte B. seit dem Beschreiten der syrnj^nifichen Bahn, der Symphoiuen sedis geschrieben, ohne Uber den

engen Kreis seiner Gemeinde hinaus Anerkennung gefunden su haben. £rst die siebente sollte ausersehen sein, ihrem Srböjjfer einen grossen Namen zu machen, I^nd zwar vom dcutsclicn Reiche her. Arthur Nikisrh in Leipzig und Hermann Levi in München hatten faüt zu gleicher Zeit (gegen Knde des Jahm 1885) die E-dor-Sympbonie auf ihr Programm gesetzt und brachten sie b«idefseits mit durchschlagendem Eiiblg zur AuflÜhrung. Von nun an könnte man einen dritten Abs(hnitt in T^.'s Leben setzen, den der njich Aussen hin anerkannten Meisterschaft. Ehrun^^en werden ihm zu Teil, voran als kaiser- liche Auszeichnung das Ritterkreuz des Eranz Josef-Ordens*), wofür B. mit der Widmung der achten Symphonie seinen künsüerischen Vaxik abstattet. Es folgt der oberOstertdcfaische Landtag, der ihm mit BescMuss vom 51. Oktober 1390 eine Ehrengabe auf die Zeit seines Lebens im jährlichen Betrage von 400 fl. bewillifit. Im nächsten Jahre, am 7. November fSqt, beschliesst der akademische Senat der Wiener Universität, H. durch die Verleihiinf^ des Khrendoktorais der philosophischen Fakultät auszuzeichnen. Als Rektor sumd damals an der Spitze der akaidemischen Behörden der der Wissenschaft und dem Leben su Mb ent- rissene Rechtsgelehrte Adolf Exner, suletstlfit^ed des 6sterreicbischen Herren- hau^s*); dieser, obwohl Laie und mit der älteren Musik der Wiener Klassiker am vertrautesten, war dennoch durcli seine ho( hentwirkelte Ceistes- und Oe- mütsbildung in Ersetzimg des mauf^ehiden techtusc hen \'erstan(husses l»efähigt, die Bedeutung moderner Kunst zu erkennen und zu schätzen, und es ist mir erinnerlich, wie Einer nach Anhörung der aus diesem Anlasse aufgeführten ersten Symphonie, die B. in ihrer neuen Gestalt der Universität gewidmet hatte, sein Erstaunen liber die ihm geoffenbarten Schönheiten des Werkes ausdrückte. Wie von diesem Vertreter der Wissenschaft, so hat si( h auch im Bereiche der Dichtkunst eine Stimme erhoben, welche beweist, dass die künstlerische Potenz B/s nicht nur im Stande ist, Musiker mit einzelnen Scbflnheiten und technischen Zflgen zu fesseln, sondern auch den auf den (tesammtcmdruck lossteuernden gebildeten Laien mit sich fortzureissen. Der P.rief Paul Heyse's*) an B. nach Atiflfilhnmp: von dessen vierter -romnnfisrher ' Symphonie in München (1890) unter Hennann T.evi's T.eitnn^ ^iibt dafür beredtes Zeugnis. Das Büchlein von Brurmer endhch giebt auf seinem i itel- blatt den Anlass seines Entstehens an: die Enthüllung einer Gedenktafel an dem Geburtsbause B.'s, womit der Verein »Frohsinn« seinen einstmaligen Chormeister ehrte. So hatte es der arme Schulgehilfe, der um einen alten Zwanziger*) 7\\ Bauernhrn h/citcn aufspielte, durc h Meiss und Beharrlichkeit vermocht, sein latent auszubilden und die Weh /u dessen Anerkennung 7\i zwingen. Die Symphonien und Messen, das ledeum und der 150. Tsahn,

') In Wien war nach Uorbcck's Tode lauptsächlich der Akademische Wagnerverein Air B. ancmadlidi ÜtMüg.

^ Ueber Ikricht tles Dirijktors der Ilofnmsikkapellc Jos. UeJlmcsbcrgcr, der die Vcr- diensU B.'s a«f dem Gebiete der muatkali>cbcn Komposition lebiiaft hervorhebt nnd Uber den Uera vom Obcistiiofiiicislcr PrfaiseB su HohentoIieoSehUlhigtfItnt ciststteten Vortrag erfolgt die Verleihung mit allerhöchster Entschliessung de dato lieh], 8. Jfnli lS86. Zu* gleich wurde ihm eine Fcrsonalsulage jährliclwr 300 fl. bcwiUigt.

*) Nicht Rofrat, wie Öfter su lesen ist.

*) Abgedruckt bei Brunner S. 31 ohne Datierung.

*) d. i, ein Drittel-Gulden KonveniionnaUntlttst = 35 kr* Osterr. WBbr

20*

I

Dlgitized by LiOOgle

^OS Bruckner.

endlich das Streicbquintett sind Zeugnisse einer hervorragenden Erfindungs- gabe und einer Gestaltungskraft, die sich ihren eigenen Weg sucht, damit freilich viellach Anstoss erregend. Während nftmlich die Melodik der Haupi-

themen, ihre Knift utul Ausdnirks'fähif?kcit, sowie ihr ursprünglich orchestrales Kiilorit rühmend hervorgehoben oder doch nicht heanstnndet werden, hat die Rhyliimik des Satzbaus und die i uhrung der kontra|iUnktischcn Stimmen herben Tadel er&hren^). Wirkh'ch scheinen die so sehr ins Breite gehenden Sätze, die zuweilen lediglich diatonisch, zuweilen in besonderen Sprüngen verlaufenden Gegenstimmen einige Berechtigung zu diesem Tadel zu gehen. Wenn wir aber sehen, wie B. in der einen Richtung durch die Grösse und (legensätzlichkeit der Gedanken, dann durch andere Mittel, wie seme herr- lichen Orgelpunktc und gewisse trennende und zugleich verbindende Einklang- steilen *) den Hörer in Spannung zu erhalten wdss, wie er andrerseits in der kontrapunktischen Ausgestaltung als einer der Wenigen die Bccthoven'schc Forderung einer oblipaten TJegleitung« verwirklicht hat (wenn auch nicht mit der zeichnerischen l ieiheit und Feinheit eines Ri( hard Wagner), so wäre auch nach diesen beiden Seiten hin kritische Vorsicht geboten und der Zu- kunft anheimaustellen, ob nicht der Mangel auf Seite der zcitgendsstschen Hörer liegt, d. h. um mit Heyse au sprechen, in deren »Sdiwtehe, so ttber' gewaltige Eindrücke in beständiger Steigerung fast eine Stunde lang /u er- tragen. ^< Fine formale Eigenheit B. 'scher Kot)i]>ositionsweise möchte ich aber erwähnen, die m. E. noch zn wenig hervorgehol)en wurde; icli meine die Art und Weise, wie er die grossen Satzschiüsäc bildet. An anderer Stelle habe ich mir erlaubt, auf die Widitigkeit der Kadenabildung für die Er- kenntnis musikgeschicht]i( her Entwicklung hinzuweisen*). Wenn nichLs an- deres, so müsste schon das in der neueren Musik entfaltete reiche Lehen in der Kadenzierung auf die gewaltige Wcitcrcntwickhing un<?rer Kunst aufmerk- sam machen. Wo sind heule die aul um» schablonenhall wirkenden l on- schlüsse der Wiener Klassiker am Ausgang des i8. Jahrhunderts, zu Tode gehetst von der italienischen Opemschule unseres Jahrhunderls? Die Sym- phonie« lu M\isik ist ihrer unwürdigen Kolle als Tafelmusik, aus deren ge» rritischvollcn, sich oft wiederholenden Schlüssen man mit Richard Wajr'ier gleichsam da.«; Teller- und Schüsselgeklapper zu hören vermeint, langst ent- wachsen, aber auch die romantisch weichliche Art der Epigonen einschliess- lich des jungen Richard Wagner ist durch die Entwicklung seit 1850 über- holt, teilweise allerdings schon durch den seiner Zeit vorauseilenden Beethoven. Kräftige, kurz abfallende Schlussakkorde, durch verschiedene Mittel bewirkte Verschleierung rlcr Oominantharmonie, rhythmi'^che Mannigfaltigkeit sind einige der Hauptkennzeichen unserer Schlussbiidungen. B. hat nun insbeson- dere die Kadenzen mit verschleierter Dominantharmonie einer Weiterbildung

') So ticiK^tcns in dem übrigens unf^cnuMn nnrcf^end {,'cs< ]irii.'bcncri, den Kern Hnlow'- schcr Anschauung aus dessen Wort und Schrift trotx der polemischen Form übersichtlich tusMnmenfttssenden Buche ▼<m FrfedHch ROnch, Musik'lsthetitcbe Streitfnif e«. Leipzig 1897. S. 191. Zur Behauptung eines Tonlabyrinflis bei B. verleitete den Verfn^ver wnlil mehr nur das äpiel mit dem Begriff des Architektonischen. Oder waram soll B. nicht die ihr Schwer- gewicht im HttrmoBiteben stichcnde tondiehterische Freiheit rar Behandfamg de» Archi- tektonischen ebenso zuerkannt werden, wie etwa einem Liszt oder Richard Stnosst Aof die Benennung einer Komposition kann es doch wohl nicht ankommeo.

*) Z. B. im Finale der 7. Symphonie.

^) F. A. liaxer und H. Riettcfa, Die MoDdaee Wiener Liederiundschrift. Berlin 1896. & 186.

Digitized by LiOOgle

Braekncr.

309

unterzogen. Die Dominantharmonie tritt finmlicli so weit vom Schluss zu- rück, dass für den Hörer die Wirkung eines Quintschlusscs fast ganz auf- gehoben wird. So eeigt der erste Satz der dritten Symphonie die Quint A als Grundton zuletzt in den Takten 69 bis 62 vom Schlüsse'). Das volle Orchester bricht die Dominantharmonie ff ab, die Pauke allein leitet dim. bis pp vom A Twm d über und nun herrscht die tonische Hnrmonie durch volle 61 Takte bis zum Schhi^i», freilich zunächst noch mit einem hartnäckigen Bass cHBA, dann einer verminderten Sepiharmonie auf Gis, wodurch bei- Ulufig der Eindruck eines sog. Plagalschlusses hervorgebracht wird. Manchnuü ist auch schon die vorhergehende Dominantharmonie breite orgelpunkföhnlidi ausgestaltet, dabei tritt aber der ei^^entliche T.eitakkord erst immittclbar vor dem tonischen Dreiklang auf einer rhythmisch unbedeutenden Note ein, z. B. in der fiiinften Symphonie erstem Satz Takt 21 vor Schluss, in dessen letztem Viertel allein der Leiteton a erscheint, ebenso im Finale Takt 18 vor Schluss, derselbe Leiteton nur in der zweiten Hälfte dieses Taktes*). In solchen FäHen wird es Sache des Orchesterleiters sein, durch eine kleine Verzö^^erung den Vorgang für den Hörer deutlicher zu mnrhen. Kurze, kräftige Dominantsrhlüsse .kommen indes, besonders in den älteren Werken vor, so im Finale der ersten, im Scherzo der zweiten Symphonie. Hatte ich schon Veranlaflsung, Beethoven zu nennen, so möchte vielleicht auch auf die geistige Vmrandtschaft hinzuweisen sein, die das Adagio der siebenten Sym- phonie B.'s mit dem der neunten Sjrmphonie unsres grossen Altmeisters ver- bindet. Die Zeit der tief konzipierten, gross durchgeführten Adagiosätze schien nacli Beethoven unwiderruflich dahin. Nur die leichtere (Gattung des ronianzenariigeti, tonspielerischen Andante wurde in den Epigonenwerken mit Glück gepflegt. In der Rflckkdir zu jener Adagiofonn oder eigendidi zu jenem eben bezdcfaneten Adagioinhalt, wie ihn uns Beethoven gelehrt hat, offenbart sich nun am deutlichsten die Kraft und Tiefe der B. 'sehen Elmpfin- dnng, die ihm einen Khrenplatz in der Geschichte seiner Kunst sichert. Vorstehende kurze "Würdigung des dahingegangenen Meisters soll nicht ge- schlossen weiden, ohne dass wir einen Blick auf das tondichterische Element in seinen ICompositionm geworfen hätten. B. hat in der neuesten Fassung seiner Instrumental -Werke jede Bezeichnung vermieden, die auf eine aussermusik absehe Bezielnmg hir'lciitcn würde. Welches Motiv i!m hiebei geleitet haben mag, soll hier ununtcr^ucht bleiben. Dass er aber bei einzelnen Sätzen besrimmte Schilderungen im Auge gehabt hat, wird durch ältere Autographe und durch Aeusserungen aus seinem Munde bestätigt So findet sich von der vierten Symphonie, deren Bezeichnung als romantische auch in der neuesten Fassung die Phantasie schon auf eine bestimmte Richtung hin- lenkt, ein Autogra[)h vom Trio des Scherzo (in der neuen P'nssung) mit der Uebersc hrift: Tanzweise wahrend der Mahlzeit zur Jagd, ferner eine Abschrift des Fuiaie in allerer Fassung mit der von Ii. s Hand hinzugesetzten ücber- schrift: Volksfest*). Ist damit beiläufig eine allgemeine Frogrammandeutung g^eben, die nicht Uber Beetiioven's Pastoralsymphonie hinausgdit, so hat B.

>) S. 64 L der Partitar.

') S. 51 und 169 der Putltw.

^ Die Kenntnis bicvon, sowie die Einsicht in nüc jene Manuskripte, welche nicht der Wiener Hofbibliothek xur Aufbewahrung gegeben sind, verdanke ich Herrn Frofessor Ferdinand Löwe, dem ich für sein freundliches Entgegenkommen auch hier besten Dank •ige

Digitized by LiOOgle

BmdtaMr.

nii tniindlichen Verkehr noch weit cn;.crc Kiruelheiten als KrlautcnmL; hinzu- gefugL. Anlass dazu fand er gelegciitlicli in seinen Vorträgen an der Vrd- irCTsität, aber wach im gesdligen Kidse, wenn er »di angeregt und versttn- den filhlCe. So ist mir erinnerlicb, dass er an einem Abend bei Adolf Exner

es war zur Zeit seiner Ernennung zum Ehrendoktor der Wiener Univcrstät

nm Klavier «^cinc erste Symphonie anspielte mit der IJemerkung zum Haupithema: Pas ist das Buserl '), es sagt: Da bin ic. Das leitet uns zur Beobachtung des echt deutschen Himiors über, der aus B.'s Werken neben der grOsften Tragik m uns spricht. Das Kindisdi^Uebennttt^e, dann vieder unter Thränen Lädielnde kommt in seinen Scberzosätzen , zum Teil auch in den Schluss- und ersten Sätzen zu reizendem Ausdruck; in diesen beiden Charakteren stehen sich, um nur ein Beispiel zu nennen, Scheren xmd Tno des Streichquintetts gegentiber, dabei in der gedrängtesten knappsten l*orm, die ihm also, wenn er wollte, ebenfalls zu Gebote stend.

Uiid 80 wären wir denn in dieser Betrachtimg zu B., dem Bfenscfaen, gelangt, wie er uns in der Erinnemng vorschwebt. Wie sich seine Sdirift- Züge kräftig, dnbei aber /icmhch schwerfällig und unlicholfen ausnchmert. so war CS auch B.'?? fitisscrt* Krsrheiniinp. Auf einem unterset/len K«ir]>cr und kurzem Halse ruhte der ausdrucksvolle Kopf mit den hellen Augen, der Adlernase and dem rasierten Rinn, und man mochte ihn leicht fiir einen aus dem Bauemstande hervorgegangenen gebdicfaen Heim feaHen. Sein viel- fach naiv sich anlassendes r.eltahren wurde Anlass ta manch heiterer Episode, deren einige auch literarisch festpehalfoii worden «^tnd Dass H. tielreüjricw war, ist wohl schon durch den innig cni]>fiin(lenen Ausdruck seiner Kirchen- werke erwiesen. Ob er auch strengglnuhig im katholischen Sinne gewesen, darüber fehlen mir zwar bestimmte Nadiriditen, dodi dttrfte es nadi seiner ganzen Erziehung, den klösterlichen JugendeindrUcken, nach Allem, was über sein persönliches Verhalten bekannt geworden, mit ziemlicher Wahrscheinlich- keit nnrtinchmen sein; hat er sich doch aurh in seinen Messen, von denen die achtsiimmige in E moll in echt cäcilianischem Geiste gehalten ist, strenge den liturgischen Vorschriften gefügt und z. B. die Intonation des Gloria und Credo in den Chorgesang nicht aufgenommen. B. war unvermSlt geblieben. Sein ganzes Sein hatte er in den Dienst der Kunst gestellt und mit unermüd- lichem Fleisse hatte er an seiner künstlerisrhen VervollVnmmnunp jrenrbcitcf. F,s sfillen im Nachlasse sechs oder mehr umfangreiche Bande Sttuheii . u Harmonielehre imd Kontrapunkt vorhanden sein, imd wenn wir seine hanti- schrifUichen Partituren au6chlagenf bemerken wir einen IKenenfleiss in der sorgfältigen Ausfeilung der einzelnen Stimmen, die sich durch radiertei ge> strichene und überklebte Stellen bemerkbar macht, wie auch durch die mehr- fach '^irh 1i!)crh<»lenden Vollendun^isdaten nm Schluss der Manuskripte. In seinen letzten T.ebensjsdiren von schwerer Krankheit heinif;esurht, fand er nicht mehr die KraJ't, sein letztes grosses Werk, die neunte S^^mphonie durch Ausbau des vierten Satzes zu vollenden. Wenn es wahr ist, dass er gclegent- lieh geäussert hab^ er wolle itir diesen Eall sein Te Dcum als Abschluss der Symphonie angesehen wissen, so dürfen wir doch diesem Aus^iruch kein zu

') Nach B.'s Erklüning ein oberösterreicbcf Audnick fttr dMB, WM vtdleicht «m besten dos französische Wort gamin wiedergiebt

*) So bei Bnmocr a. a. O., in der Neuen Stuttgarter Zeitung, auch in hurooristisch- •adrbcliea Brotcbflven und Abbildttsgcn, auf die hier nicht dnsngdwa ist*

Digitized by LiOOgle

Bruckner.

grosses Gewicht beflegen. Zwei Gründe sprechen besonders gegen eine solche Zusammenfllgiinsr. Zunächst hatte B. nidit die Absicht und verwahrte sich auch gegen eine derartige Bemerkung ßttlow's, Beethoven's neunte Symphonie, deren Tonart zufällig mit der B.'s< hen nennten übereinstimmt, in der An- wendung des Chors nachzuahmen. Hätte er dies aber auch gewollt, so wäre es ihm doch nicht beigeiallen, die Symphonie in einer anderen Tonart zu schliessen, als in der sie begonnen hat. Das Te Deum steht aber in C dur und es giebt nicht leicht eine Tonart, welche von D moU entlegener wäre, ais jene. Da sich vom vierten Satz nur Bruchstücke von teilweise unleser- lichen Skizzen vorfinden (R. soll vor seinem Tode vieles Handschriftliche vernichtet haben), bo werden wir verzichten müssen, seine letzte Symi)honie je anders denn als einen gewaltigen Torso zu besitzen. Mit einem Verzeich- nisse der Werke B.'s nach dem mir zugänglich gewesenen handschriftlichen und gedruckten Material und einem Ausmge aus des Meisters letzter Willenserklärung scbliessc ich diese Ski/ze in Anhoffung einer nicht nl! zu fernen Zukunft, die un.s eine allgemeinere Würdigung von B.'s Schaffen briiigen möge und so auch die Teilnahme für ein ausftihriiches Lebensbild imseres deutsdien Meislers.

C

Titel des Werks

Zeitangaben

Vei^flfenditht

^ 'S

und

Aber

Widmung.

kl c U-

Haupttonart

die Konposition

bei

I

[Klavientflek] Bs dar Vt

Abendklängc e moll V4

«n P. T. Herrn

f. KI:i%'ier uDd ein In- strument

m

Vater.

3

Der 146. Psalm f. Soli, Ckof ii.Oielwst.Adur

4

ApeUomarsch f. Militär- orchest.[nuri.Abscbr.]

5

Libcni f. 5 St. Chor und Orgel mit hijuugesctz- ten Poiannca f ooll ^

6

Giadtttle: Christus fac- tus est pro nobis für Chor mit Posaunen [u. Violinen] F dur c

7

OffertoriufB «.Gradnale :

AfTcrcntur ') Regi vir- gincs f. 4 Sing»timiQcn nitPossimcn Fdor

S

LaMt JnbeltAne laut

erklingfcn f. Mrmncr- chor mit Blasinstru- rocntm Bs dnr ^

fHuldiguDgand.

Hcrr^rherp;iar Franz Josep hu. BUsabeth].

I) Richtig Adducentur u. s. f. (das nfTerentttr folgt später), Versikel im Grad. Com- mune Virgioum und Pro Virgine et Martyrc.

I

Digitized by Google

Bradmcr.

Fortlaufeode 1 Zahl 1

Titel des Werki

tmd Hanpttonart

aber die Komposition

Verdffentlicht bei

Widmung.

9

Des Landes SUbume waDea Choial f. vier MünneistiitttikenGdiir

lo

Du bist wie eine Blume f. Vier gemiscatebtun- nctt Fdorc

IT

FHiir Tanttiitt ergo I bis

IV f. 4 st. gem. Clior.

V 58t. gem. C hor nk Orgelbeglcituni;. I Es * II C c III B i IV As V D

1046 inaoi der Droekaii- gäbe]

Innsbniek, Job. Gross (S. A. Reiss)

la

[Requiem d moUs.Bniii- ner S. lo]

[14./3. 1849]

[dem Andenken eines Gänncrs ].

12

Ave Bfaria f. 4 Singst. DU OifetbcgL F dvr c

1856 [aach der Druckan-

Innsbruck, Joh. Giou

S. Hochw. b. Ig- nazTraumihlet Musikdirektor u Namensfeste.

»3

[Festkantate, Text von Dr. Pammcsbergcr, Chor mit Bas'-^olo, s. Linier Zeitung T.3./5. 1862, vergL Bnuuier S-13]

«

Zur Grundstein- legung des Mm^ ria Empfäng- nis-Domes .in Linz am i. Mai

14

«5

Der 112. Psalm f. Dop- pclchor undOrchcalcf B dur c, handschriftl. Fngm. (obaeScUuss)

Stille Betrachtung an einem Herbstabend. Klavierstück fis moll %. Skizze dazu: »HerbttacitfiMf«

Joiii 1863

lo./io. 1863

[Vielleicht iden- tisch mit der Komposition a.

Grundstein- legung d. all£. Krankenbause« Linzi 5./9.1863 s.Brunner S.13]

FcLEmmaTban- Dcr gcwidnct.

17

Messe für Chor und f >rchcstcr [und Orgel] m d moll

a) Credo 4./7. 1864. T^} Rhythmus fertig 1876

b) Gloria

e) Credo 1./9. 1864. Tneu

ver>>csscrt I2./8. 1876 d) Sanctus 6./9. 1864. 7

Rbythnni fettig 1876

Partitur u.KI.-A. mit Text (von I'crd. Lowe)

Innsbrucki Job. Gnwa

') Wo nichts bciiicrkt, steht die Zcitnng'nbe am Srh!us*c de?* Atifonjraphs. /" bedeutet, dass sich die Aiigube aul dem 1 itclblattc; A, dass sie sich aul der ersten Partiturseilc hndct. Die häufigen Namenszeichnungen sind bier nicbt viedeigegeben, da» in edcfge Klamincm GcaeUte rflbrt vom Hetansgcber ber«

Digitized by LiOOgle

Bntckiier.

313

Fortlaufende Zahl

Titel de* Werks und

Zettudgabcn aber

VerOflEeotUcbt bei

Widmung.

e) Bcncdicttu« Linz 89./9. 1864 7 Uhr Abend«. T

Rhythmus fertig 1876

f ) Agnus Dei, Lins 22J9.

18

Crcntjaoeiunif (»Gennm-

nen durcl>>cli reiten dc& Urwaldeft Nacbu), Ged.TJE>rJkoc.SUI>er> stein fttr Männerchor und Plarmoniebi^leit. d moll c

Partitur n. unter'

Icgtem Klavier« auszug. Ried, Josef Kränzl, jct/t Wien, Rc- bay Si Robit-

Prefscbor iHr das

erste oberöster- rcicbische Sin- gerfest.

19

Marsch f. Militärmusik dar

12./8. 1865

ao

1. Sympbonie c moQ

Adtere Fassung:

I. Satz: Lint I4./5- 1865 Adagio: I4./4. 1866 Scbeiso: Mflndieii 25.; 5. t86s

Nenbcarbcitnsg:

LSnU: 12./1. 1891

Wien 17./2. 1891 ji »7./10, 1890

Adsgio: 13./ 10. 1890

Wien 24./ <o. 1890 ^Stejrr 18./8. 1890

Si>h<»ryn StCVr I7./8. iSoo

A 5./;. 1890 IV.Sals: 39^/6. 1890 ia./3< ^990

Part. D.Kl.-A. lu 4 Hdn (von Ferd. Löwe).

W lCll| l>UQWi^

Doblingcr')

Universit.iti Vin dobonensi pri- mamsaamsym-

paoniam u. vcnerabundus AntoniusBrxick* ner, doetor he- noraiiiis«

ai

Pnnpi^c linfnia et T.iri- tum ergo tUr Sopran, Alt. Tenor, Basi. IL «Ith. #

Lins 3t./l. 1868

Als Tantum ergo. Innsbrnckijoh. Gross

92

Pwge lingua C d«r #

i9,/'4. 1891 restaitrirt

«3

Fantasie [ftlr Klavier] 0 dur c

Lins la/^ 1868

Fräulein Alexan- drinc Soika acbtttogsTollst gewidmet

»4

Messe für 8 stimm. Clior n. BUaorcfaester e moll

Part. u.Kl.-A. m. Text (v. Cyrill Hynais). Wien, Ludwig Dob» linger

[Zur Einweihung der Votivkapd- le am Dom zu

') Diese sowie die hier unter N. 24, 25, 27, 30, 46, 47 angefahrten KomposMonen sind Eigen ttun der Firma Jos. Eberle & Co., deren (lam.aligcr Inhaber Josef Ebcrlc die Initiative zu einem allgemeinen Honorarveitrag mit B. ergriff (s. auch unten Punkt 4 des Test«m»ts).

Digitized by Google

3U

Brockner.

Grosse Messe (Nr. 3 in fmoU) [Hb Soli, Chor und Ordietter]

Symphonie d nv)!!, von ihm als ann Ulli rt er- klttrt [D«T erste Satz tcilw. benutzt f. den er8t.Sats d. 3.äympti.J

a. Sjnipbonie e moU

3. Symphonie d moll

[Weihnachten 1868 voll- endcti 1. Branner S* tj]

8./S. bis 12./9. 1869

r. Sstc: S./7. 187«

.7 1 i.'io. 1S71 II. Satz: bciUc(sol) Wien 19./7.1872 VaioUhtMrg. Wen 25. /'7. fcrtii,'. A 18./7. »872 m.Satx: Sk. t6./7. Abends 1872, fertig 18./7. 1872 Morgens. IV. Satz: Sk. Wien 4-/8.

1872, St. Florwn fertig I1./9. 1872

A Wien 28./7. 1872 Sk. Lim 10./ 8. Beim 37. Takt nach Buch- stabe II itchi »neuer Satz (kürzer)« mit einem Zei- chen, iliis atlf die nächste Seite verweist, wo die Um- ■rbcinmg antchlieMt.

Aelteste Fassung (auch Ton der entcn Stich-

muigabe abweichend). Adagio (2. Satz) : Sk. 2./3.

1873, 34 /5' fertig ^Wien 24./2. 187 j

Nenette VtMnmg.

IV.S.itz: (Wien I7,'7. 1876 letzte Verbesserung be- endet [dni«h»tTi<£en]). Wien 2:^. '4. 1877 ganz neue Umarbeituiig fertig. Vollstindiff feittf 31./ 12. 1873 N.ichts. Sticich- musik 20./1 1. 1873 Wien. Intlrvraentation 39./ 12. Abends Wien 1873. Ma- rieubad, den 31./8. 1873. [Auf einen t]^teren lee- ren Blatt:] Wi<.n 27. i. 1877 I 38.;2. 1877 A Wien 1./8. 1873

Part. u. kl.-A. m. Text (»on Jos.

Svii.iik;. w;ct>,

Ludw.Dobün- get.

P:irt. u. Kl.-A. zu

4 Hdn. (v. Jt'>. .Schalk). W itn, L. DoUinger

Part, ältere Aus- (^abe 4", neue Ausg. 8", Kl.- A. zu 4 Hdn. (v. Fcrd.Löwe II. Jos. Schalk). Soherzo für Kl. zu 2 Hdn. V. Josef Schalk. Wien,Th.Rftt> tig.

[Die Widmung •in Fninz Liszt (Brunner ä.32) war geplant n. eine saubere Abschrift der Pardtnr sn die> sem Zweck her- gestellt, sie un- terblieb jedoch i

graph auf der Wiener Hof bi- bliothek Boeh

die DnirkriMK- gabe weisen sie anf.]

Mcistt'f Riolurd Wagner in tief- ster idirftticbt

Digitized by Cjüüglt:

3»5

Fortlaufende Zahl

Titel des Werks und ILaupttoaart

2^itan gaben über die Kompoiitioo

VerOflentUdit bei

Widmung.

4. (ronianti";c1ic') Sym- phonie Es dur

Aeltcste Fasstmg?

I. Satz: Wien 24./'%. 1^74, Sk. Streich- 10./2., In- strumcntirt 21./3. 1874, naancirt 26-/3. 1^74

A Wien 2./1. Sk. Part. 7./1. 1874

II. S.it^: Wien 10. 4. 1874, Ende 7.(6. 1874, 10. 6. 1874 zeichen ünv.

III. Satz (Scherzo): Wien 25./7. 1874

A Wien 13./6. 1874

IV. Satz: Wien 30./7. 1874, St.Klnrian S./8. Sk. 12./8. St. Florian, Streichmusik 31./8. 1874 St. Florian. Vollendet den 22./11. 1874 in Wien i/,9 Ulir Abends

IV. Sats in einer mittleren Fanimg (Aafaiig fehlt) : Finale beendet 30./9. tS-jS, instrtuueQtirta7./9. 187S, Stieiclisiiutiik St Flornn ia/8. 1878

Neoeste Fsssnag:

r. Satz: Wien zs-fCt. 1S7S A Wien 18./1. 1S78

ItSatx: Wien 31. /7. 187S T 1878 A 36./6. 1878

m. Sats: T Oexbr. 1878

IV. Satz: Wien 5./6. 1880 yjuni 1880 A 19./11. 1879

Part. u. Kl.-A. zu 4 Hdn. (von Fefd. Lttwe). Wien, A. J. GttUnann

Sr. Durchlaucht d. Prinzen Con- •tantin Fflraten TU Hohcnlohc- SchiUingstUrst in tieiatcr Ehr- erbietung ge- widmet.

30

5. ä/mpboDie B dur

1

I. SaU: Sk. Wien i>/7. 1877. Sats $./8. 1877 fer- tig, ganz fcrtif,' o./S. 1877

^ 3 /3- »875 19./$. 1877

II. Satz: Wi^ n 11. 8. 1S77,

4./1. 1878 fertig

T 4./1. 1878

A Wien 14./A. 1875 IILSatS! Wien 18./4. 1875, fertig 22./6. 1875

T 1875

A Wien 16./4. 1875

Part. u. Kl.-A. zu 4 Hdn. (t. Jos.

Sch Alk). Wien, L. Düblinger

Digitized by LiOOgle

Druckoer.

Fortlaufende Zahl

Titel des Werks und

ii*u|#iiuji4tri

ZeiUsgaben fber

VerOfiientUclit bei

Widmtmg.

IV.Sats:\Vien7./ii. iii75. ▼alleiidet 1S76,

iS.'5. 1877 [tho noch- malige Revision]

A Wien 23-/6. 1875

3'

Dm Hohelied »bnTluüe

1.1 umM ilic Mlililc« V. Heinricti v. d. Mattig. Ffir Soli und Uliiifcer- diof. A dut >/4

Wien 31./12. 1876

32

»Zwei Herzen haben sich gefunden«. Mäo- nerdior in D dur

Wien a7./ii. 1S78

.Sr. Hochgeboren

Herrn Kitter v. OdadtanrVeiw

mihugsfeier.

33

Quintett fUr 2 Violinen. 2 Bratschen und Vio- loncello F dur

I. S.it«: 1879

II. SuU; 31./3. 1879

T 6./4. 1879 io,/3. 1879

III. Satz: 12./7. 1879

IV. Satz: «3./5. 1879, Wien as.A 1879

l'art. Adagio f. Piano (v. Jos. Schalk). Wien, A. J. Gntmann

Sr.kgL Holldtd. Herzoge Max Kmanuel in Bayern in tief- ster Ehrfurcht gewidmet.

34

6b Synphoaie A dur

I. Sitz: Wien 27./9. 1880, im Iktte fusskr[Mik] lie- gend.

A Wien «4./9. 1879,

9.6. 1S80

II. S.it-t; Wicu 22./ n. j88o kk. Univcrsitit

III. Sat?: Sl. 17. 'r2. 1880, vollendet 17./1. 1S81 in der kk. UniveisiUU

IV. Satz: 2«. '6. Sk., 4. '7. btrcichcr, beendet d. 3./9. 1881 Sl Florian

[Nach ein. mBnd- liclicn 'NTittei- luw^ war eine Zueignung an R. V. Oelzelt,

Bruckner's Hausherrn, be- .^hsichtigt. Da« aulographe Ms.

trigt jedoeh keinen Ver- merk.]

35

Symphome S dur

I. Sats: Wien »9.fia, i88a

.1 23. /9. 1881 IL Satz: 32./ 1. 1883 äk., Tollendet ai.f4. 1883

III. S:üz : Sk. I4./7. iSS.- Wien, Part. 12./8. 1882 St Florian, fertig t6./io.

1882 Wien IV Satz- Sl Flarian 10 '8

1883, Wien 17./8. 1883, St. Florian 379, 1883,

5-/9'

Part K1.-A. tn

4 Hfln. (von Kranz u. Josef Sehalk). Bear-

' LÜiiiijj für J

Klaviere zu 4 Hdn.(TonHeT-

mnnn Behn). Wien n>t».

Seiner Majcstlt

dem Kfirtii'C Ludwig IL von Bayern in tief- ster l'f>rfuicht gewidmet.

36

Siingerbund »die Sän» fier - Feste iitMerer M die«, Miimerclior C dur #

Wien 3./a. 1882

Digitized by LiOOgle

Brackner.

317

Fortlaufende Zahl

TiUl de» Weri» und HaopttDiMrt

Zeitangaben «ber die Kompositiott

VeröflfeuUicht bd

Widroanc»

37 38

39

40

42

AveMariafUrAltniitDr- gel« oder HMnoBinm- bCf Icttuig F dor #

Tc Dcum f. Soli, Chor und Orchester, Orgel «d libitam C dur

Beee saeerdot nagnus,

Chor mit Po>aimcn und ' 'ip;el II autli. r

V'icrGraduülc 1. Sopiaxv, Alt, Tenor und ßass. r. Heft- T. Christus factus est. d muli c, 2. Locu<i Ute C dur c. 2. Heft: 3. Os justi meditabiturf III auth.

4. VirsAjesieflo- ruit G dur i

2 Kirchen-Chöre: N. i Antiphon [Tota pul- dm es Maria] f. gc-

iniscbt. Chnr u. f )r^el IV auth. c, N. 2 Avf M.iri.i fUrSupraii, Alt I, II, Tenor I, II und B.Las I, II, t dur c

8. Symphonie e moll

Wien S'/a- *88a

?8./9. 1883, 7./3. 1884

20./4. 188$, Wien a8./4. i88s

3: Wien ift./7. 1879 4: St. Floiiui 379* tS^S

Aetteie Pamnng:

SebcrziK 2s ^- i^^S. 20. 9. 7' l n virlicv^ert

Neucrc Fassung:

L Satt: 28./a. 1890 ganz fertig, I. Satz zuletzt neu rcstaarirt, toid Novbr.

1889 bis jSnner 1890. Am 29./ 1. letzte Note ge- schrieben. Wien 10./2.

1890 fertig. 8. Sympho- nie fertig IG. Febr. 1890, to. Mürz ganz fertig.

II. .Satz: Wien 25./9. 1889 T Verbessertes letztes nn\'lnal,?s •M'? 89 fertig

III. Satz (Aditgtü): Steyr, Stadtpfarrhof 36./8. 1886

(4- 0.)

IV. Satz: /' Verbessertes OrfginalrEode 3 i./7>i^

Part. u. Kl. -Am. Text. Wien, Tb. Rittic

Wien.Th. Kättig

Wien, Em. Wetz- 1er, jetzt Alex- Ander KoU

Part.n.ia..A.(v.

JoslT Schalk % Wien, Carl Haslinger, qu« Tobiaa

0. A. M . D. Gl.

I Heft: P. Otto I'"idol, Bene-

ilikiiiier in Krctasiaüu.ster.

2. Heft: Musik- direktor Ignaz Traumibler, St. Florian [vergl. N. 13].

Sr. k. n. k. apo- stolischen Ma- jestät Frans Jo- sef I., Kaiser

V. Oesterreich u.apo!>toliscber Kdntg von Un- garn etc. etc. in tiefster Bht- furcht.

43

>Um Mitternacht in ern- ster Stunde« f. Män- nerchor mit BvSoIo

Strassburg, Selbstverlag d. Straasbuiger

Digitized by Google

318

Titel des Werks nid Hmpttonart

Zeitai^beii Uber die Koo^oeitia

Veröffentlicht bei

Tritumen und \V:ii licij (^Schatten sind des Lebens Guter«), Ged. von Grill|j:u/er für Müanerchor u. Tenor- Solo As dar c

VexiUa regis prudeunt. II entlb. c

Männergesang- ▼creins (aas;

Strnsshrj^. SHn- j^ciihaiis.Samnii- hin«; !ti>hcr un- gedruckl. imisi- kaltsch. u. poct. Blätter u. s. w.) Wten,Tb.IUtti»;

Der t5a Psahn f. Cbor» Soli 0. Orefaest C dur

Helgoland (»iloch auf der Nordsee«), Ged. von Dr. Aug. Silber- stein, für Männercbor u. gross. Orcb. G dar

9. Sympbonie d noU

Wien 9./2. 1893 A 4./». 1892

Wien a9./6. 1893

.i893,.Sk- 27-/4. " " 1893,

24-'5-

Blech 23./7 1893, Chor

Streich T 1 s. u.

Höh 7.^7. 1893.

7./8. 1893

I. Satz: 14./ 10.

33^12. 1893

A Ende April 1891

II. Sat/.: Trio 27./». 1*93, P'ine 15./2. 1894

IIL SaU: 31./10. 30w/il. 1894 Wien

1893. Wien

189«.

1894,

Wien.Jos. Wein- berger (im» A)> bum Wiener Meister«)

Part, KL>A. n. Text (v. (>rill Hynais).Wien, Ludwig Dob- lingcr

Kl.-A. mit Text (v. C. Hynais). Wien , Ludw. Doblinger

Sr. M.ifjniflc L-nz d. lini.Kckldf') k. u. k. Hofrath Trof. Dr. Will,. K. V. Harte! ia tiebter Vereh- iniif gewidmet

DcmWieoerHin- ner-Gcsangver^

ein/.. Feier sein. 50 jähr. BcsUn- des gewidmet.

Einige Bestimmungen niis H.'^ 1 cstament.

Für den Fall meines Ablebens treffe ich nach reiüicher Erwägung folgende Ictxtwilltge VcrfllguDgen:

Ich wünsche, dass meine irdischen IVhcrrestc in einem Metallsargc beigesctrt werden, welcher in der Gruft unter der Kirche des reguiirten latcranischen Chorherrustiftcs Sanct Florian, and swar unter der grossen Orgel frei bbigcstdit werden soll, obne Tcisenlit KU vverrlen, tind habe ich mir hie/u <1ie ZustiiiiniüitO' schon bci LebsCitCV selten* dci boch^ Würdigsten Herrn Prälaten genannten Stittcs eingeholt^).

Mein Leielnain ist daher »n Jnjiclfcni

und ist Alles ordnnngsnUbisig » veimiilsascii (Ldehe oster Klasse), damit die UeberfMinmf

0 der Wiener UniTctsitlt im Stndtenjahrd 1 890/9 r.

Wie mir der Tt'st.inun(sL\cl:utor Herr Di. riicudor Rci>ch frcumnii Ii-.t mitteilte^ ii»t die Beisetzung in der hier vom Erblasser gcwUnscbtea Weise vollzogen worden.

Digitized by LiOOgl

Bruckner. Strelilkei

319

und Beisetximg in der Yon mir bcatimwten RibcsMttc tii St Florian In ObciOitend^ •nthmdrio» bewirkt vnxdta kOaiie>).

a.

3-

Zu memen Universitlerben berufe ich^

I>l«M]b«ii haben insbesondere die den Erben getetitich snttehenden und in den Verlag;«-

Verträgen seitens meiner Vcrlej^cr vLTtr.ip;sm:i->sifj den Erl)eii /u^'c^iclierteii T:iiiticmen /u bexiehen, welche sich in der Zukunft hoOentlicb reicJilichcr einstcUco werden, nachdem icb selbel bei Lebseiten Ton »einen Werken kaum irgend einen materiellen Ertrag belogen babe.

4-

Idi vemaehe dieOriginafanannserijpte meiner nacbbeieidmelen Kompotitionen, der Sym- phonien, bisher aclit an der Zahl die 9. wird, so Gott will, bald vollendet werden der 3 £ro»sen Messen, des Quintettes, de* 150. Psalms und des Chorwerkes Helgoland der k.k. Ho{- bibliothek in Wien und ersncbe die Icn. k, Diktion der genannten Stelle, für die Aafbewabrung

dieser Manuskripte gütigst Sorge tragen «u wollen. Zugleich bestimme ich, dass die Finna Jos. Eberle & Co. berechtigt sein soll, die Manuskripte der von ihr in Verlag genommenen

Kompositionen filr eine angemessene Zeit von der kJu llofbibliothek zu entlclinen.

5*

6.

Urkund dt.>scn, dnss dies mein letzter Wille, hahe ich tlenscllteii in der {gleichseitigen Anwesenheit der mitgefertigtea drei 1 cäUmcntszcugcn eigenhändig unterschrieben. Wien, den la November 1893. Dr. Anton Bruckner* nu

iFolgen 41» DatorMlifUleii der df^ Zeugen.]

Ur. Hcinr. Rietsch. Strelilke, Friedrieh, wurde den 8. "MMrz 1835 in Danztg geboren. Er studierte von 1843 4^ Berlin Philologie und widmete sich dem Lehrfach. Zttcrst unterrichtete er am riymnasiiim seiner Vaterstadt, bis er im Jahre 1864 I>ire( tor des (^yinna.siunis in M.uicnhurfj (Westprciisscn) wurde. 1878 tiher- nahm er die Leitung einer Doppelanstalt in Thorn, die Gymnasium und sugleich Realschule erster Ordnung war. Krttnklidikeit zwang ihn im Jahre 1884 den Abschied zu nehmen. Er verlegte seinen Wohnsitz nach Berlin, wo er am i. Februar 180^) starl). Kr gehörte zu jenem Typus verdienstvoller, rlciitsrher Lehrer, flcnen die Srhiilthäti^T^eif nieht genügt und die mit ihr eine eifri*,'e w issenscliaftli« Ik- Hes< häftigun^^ /u vereinigen wissen. Er wandte sich der modernen Liucraturges<*hichte zu, fand aber nicht gleicli dasjenige Gebiet, auf dem er später als Spezialist heimisch wurde. Zuerst war es die Litteratur des 17. Jahrhunderts, der seine Forschung galt. 1856 veröffendichte er eine Monographie über »Martin Opitz« (I.eipzig, Iirockhau.s\ worin er mit der Lebensbesrhreibunji des Dichters eine Chnrarteristik seiner Werke ver- band, ohne dass ihm freilich ein tieferes fcrfas.sen der Persönlichkeit, ein wirkliches ^dringen in seine Leistungen, ein eindrucksvolles Zeitbild ge- lungen wäre. Die Schrift ist mehr eine Bibliographie mit einigen dürftigen Krläuterungen als eine Biographie. 1862 gab er eine Uebersetzung des lateinis< lien Epos ()li\ctTim vnn firviihius, hcrntis (Wcimnr'^. Die Re- .s( tiaüigung mit den deutsehen Dit litern des 17. lahrhunderts lenkte den Klick St.'s notwendig auf dasjenige Land, das damals in der Litteratur den Ton angab und dessen poetische Erzeugnis.se besonders Ittr unser

') Eiac weitere Ausführung und zum i eil Abänderung dieser und der hiezu gehörigen Bettinmonffen Ober MesMtiftongen in Punkt 2 giebt das oben erwSbnte KodititL

^ Hier '^ind die zwei überlebenden Geschwister genrnnt, die sacli getetiUch als Krbcn berufen gewesen wttren.

Digitized by LiOOgle

SUchlke.

Vaterland musteigUtig varen: auf Frankreich. £ine Fracht seiner Besdtitf- tigung mit der f^mösischcn Littcratur ist eine Ausgabe ausgewählter Dra- men Cnrneilles, rüe 1S77 in Berlin [ Wcidmannschc Biichbrindlun^i'^ in \ter Hiindi-n erschien und den Cid, Honu e, Cinna und Polyciu tc enthielt. Kme allgemeine Kiiileitung, eine kurze J>arstellung von CorneiJles Leben und Schriften sowie eine gedrängte Zusanmenstenttng seiner Werice dienen dem Zweck ein Gesaaimtbild des Dichters zu entwerfen* Besondere Einleitungen zu den einzelnen Dramen, die über ihre Entstehung und die Absichten ihres Srh()|tfers berichten, snrhen das Verständnis noch genauer zu fördern. Unter dem Text wenlen einzelne Stellen erlauleil. Die bibliographische Neigung St. 's tritt auch hier hervor. Besonders eine Abart macht sich geltend, ein stärkeres Interesse ffir die Geschidite des Textes der Dramen. Schon zwischen die erste und zweite der genannten Arbeiten, nämlich ins Ende der fünfziger Jahre, fällt seine inten.sivc Beschäftigung mit Cloethe. Sie nahm bald seine Thnti«:;krit fast nu«;schliesslich in Anspruch und erst durc h sie erreichte er, dass ihm ein bescheidener Anteil an der Entwickelung der Wissenschaft zu- fiel. In der Mitte der sechsziger Jahre übertrug ihm der rührige Berliner Verleger, Gustav Hempel, die Herausgabe von Goethes Werken. Von den 36 Bänden dieser Exlition besorgte er 15 selbst Für die übrigen fand er tüchtige z. Tl. vortrefflirlie l'.earbeiter wie Düntzer, v. l.oeper, Kalisrhcr. Her Vorzug der Aus-^abe bestand einnuil tiarin, dass zum ersten Mal sämmtliehe Schöpfungen des 1 )irhters vereinigt, dann darin, dass sie nach wissenschaii- lichen Grundsätzen publidert wurden. Ward St. als Herausgeber auch von seinen Mitarbeitern meist ttbertroffen, besonders von Loeper, der den »West- östhchen Divan« und »Dichtung und Wahrheit« mit vorzügHchen Commentarcn ausstattete und /ei;j;tc er auch hier sich im Wesentlichen als Textkritiker, so war sein Verdienst doch keineswefis gering. Die Au.sgabe hat denn auch in der Geschichte der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Goeüie Epoche ge- macht und zu ihrer mächtigen Entfaltung in den letzten 30 Jahren sehr vid beigetragen. Sie ist heute no< h für jeden GoetheA^rscher unentbehrlich und wird CS trotz der Weimarer Ausgabe, schon weil diese auf Einleiningen imd Eriäuterim^en grundsätzlich \erzichtet, noch fernerhin lileiben. Noch wahrend St. an dieser Ausgabe tliätig war, schrieb er ein Programm »lieber GoeUies »Elpenor« und »Acfailleis« (Marienburg 1870), das an eine der leisvoUslen philologisdien Aufgaben rührt, an die Frage, wie fragmentarisdb gebliebene Werke im Sinne des Diditers zu Ende zu denken sind. Aber über dieses Fpns handelt er grxnz knrz und oberflächlich, tiei dem Drama kommt er iil>er die Stellung des J'roblems ni< ht hinaus, indem er sich damit begnügt, über die von verschiedenen Seiten angestellten Versuche der Fortsetzungen zu referieren. Eine andere »Zur Textkritik von Goedies Weriten« betitelte, Berlin 1873 erschienene kleine Schrift zeitigte die Herausgabe des Benvenuto Cellini. Sie ist ein Rechenschaftsbericht über sein dabei beobachtetes Ver- fahren. Sie enthält eine fresi hichte des Textes der Memoiren von dem Kr- schcinen der Uebersetzung bis 1867 und zeigt Vorzüge und Mängel emer neuen, im folgenden Jahr erschienenen Cottaschen Ausgabe, um zuletzt auf die Verbesserungen hinauweisen, die seine eigene Edition des Werkes dieser gegenüber auszeichnen. Sorgfältiges, ja liebevolles Beobachten der Ver- ändenmgen, die der Text der Memoiren im T.aufe der verschiedenen Auflagen erfuhr, glticklichcs Aufsptiren der l ehler und ihrer Quellen, methodisch not- wendiges Zuruckgehn auf die italienische Vorlage, kurz die Beherrschung

Digitized by LiOOgle

Stiehlke.

331

der für die Behandlung derartiger Ffageo erforderlichen wissenscbafUicheo

Technik wird mnn dem Schriftchen nicht absprechen können, wenn man vielleicht auch mit dem Standpunkt des Verfassers nicht ohne weiteres ein- verstanden sein wild. In der Hempelschen Ausgiibe war St. auch die Be* arbeitiing der Gedichte zugefallen. Auch hier war das Hauptgewicht auf die Herstellung des Textes gelegt worden» ein genaueres Eingehen auf die Ent- stehung der einzelnen Stücke und ihre Erklärung hatte die Anlage der Kdition nicht /ugelassen. So liess er 1886 - 88 in demselben Verlage eine neue Sammlung alier Gedichte Goethes in drei Bänden erscheinen, bei der jene beiden Momente Berücksichtigung fanden. Die Ausgabe erschien nur wenige Jahre nach der sogenannten aweiten Hempelschen, die v. Loeper besorgte» leider aber nur bis zum dritten Bande führte, so dass nicht einmal alle f'.e- dichtc Aufnahme fuulen. Ihr gegenüber l)e/ci( Imclc die St.sriic keinen l'ort- schriti, obgleich sie die in/w isc hen durch die I-jottnung des Goethe-Archivs reichlich angewachsene l.itieralur sorglältig benutzte. Sie ist meines Wissens ohne alle Nachwirkung geblieben und &nd nicht einmal in den Fachkreisen Beachtung. Ein besseres Schicksal war einem zwischen die beiden zuletzt genannten Arbeiten fallenden Werke besdiieden: einem Verzeichnis sämnit- licher von Goethe herrühreiuier Briefe. ^Goethes Briefe«. 2 Theile Herlin, Hempel 1882 84. St. zählt die Briefe 11. u h deii a!j)hnlu-fis( h georchieten Empfängern auf. Bei jedem Correspondcnlcn gibt er eine kurze Biograpliie und eine summarische Darstellung seiner Beziehungen zum Dichte. Datum und Anfang eines jeden Schreibens werden notiert. Vide bis dahin unge- druckte Briefe werden mitgeteilt, wichtigere verborgene werden neu abgedruckt oder es wird von ihnen eine kurze Inhaltsangabe geboten. T>ns Buch war wirklich [d, h. nicht in dem leise ironischen Sinn, den das Wort in dem Jargon der Kritik allmählich erhalten hat) dankenswert, wie viele M.angel ihm auch anhafteten und bd dem unglaublich zerstreuten Material anhaften mussten. Kaum einer von den vielen, die seit seinem Erscheinen mit der Detailforschung über Goethe zu thun hntten, wird es nirht benutzt und jeileni wird es viel Arbeit und Müh ersj'frt hLil»L'u. Es ist /um Handwerkszeug für den Gnethe- torschcr geworden und lieferte die wichtigste Vorarbeit für das Brielcorpus der Weimarer Goethe-Ausgabe, von der übrigens St. den dritten Band be- sorgte (1888). Zum vierten (1889) konnten noch spezielle Vorarbeiten von ihm benutzt werden. Die letzten Schriften St*s waren Paralipomcna zu Goethes Faust« (Stuttgart i8qi> d. h. eine Sammlung der Kntwürfe, Skiz/en, Vorarbeiten und Fragmente zum Drama und ein »Wörterbuch zu Goethes Faust« aus demselben Jahr. Jene ist nicht mehr als ein Neudruck der längst be- kannten, sowie der zum ersten Male in der Weimarer Ausgabe veröffentlichten Paralipomena in z. T. neuer Anordnung und von einem unbedeutenden Gommentar begleitet. Dieses ist weder lückenlos, wie Erich Schmidt im An/eif^er f. deutsches Altertum 1894 gezeigt hat, noch genügt es den An- sprüchen einer tieferen Interpretation, aber es entsprang doch cmcm glück- lichen Gedanken und behält als Vorarbeit adnen Wert. So ist das am Ende sdnes Lebenswoikes. stehende Buch bezdchnend für St. und sein Wirken und lehrt uns gleich einem Symbol seine Stellung in der Geschichte der Wissenschaft kennen. Kr war j^cwlss kein tiefer dringender Forsrher, über- hau[>t weder ein hervorragender Litierarhistoriker noch l'hilolniic. Er war mehr ein Vorarbeiter als Selb&t&chöpfer, Materialieiisamniler und Herausgeber, nicht ein den Stoff kritisdi durchdringender und gestaltender Darsteller^

Mofr. JUurb. «. 1>MttMhMr IMoMloff. 9t

Digitized by kjOOgle

322

Strehlke. Benedikt.

Aber indem der Aufschwung der modernen Litteraturgeiichichtc mit der An- wcnflung \vi<;Kcrtsrhafilichcr, der klassischen Philoloj^ie entlehnter drundNirzc xusainmcntalli unfi er /u jenen pehörte, die diese Methode auf die Behandlung der Goethischcn Werke in einer Ausgabe ul>ertrugen, die mit dem Aufblühen der GoeHieforschtttig att& innigste zusammenhängt, bat er sich in der Ge- schichte der wisseiuichaftltchen Betrachtung der modernen Littenttur, genauer in der Geschichte der Goetheforschung, ein gesichertes Plltichen erobert. Der VolLstatidiulvcit halher sei noch ein kleines, Berlin 1S.S5 von St. heraus* gegebenes Ii eltchen Deutsche Lieder in lateinischer Uebersetzung« erwähnt. Ks enthalt eine Reihe der bekanntesten Gedichte von Goethe, Schüler, Uhland, Heine u. s. w. in lateinischer Uebertragung, die sich der Form der Origin^ aufs engste, sogar bis auf den Reim anschliesst und trotz rhytfimischcn Ge* waltsamkeiten eine gewisse Gewandtheit reigt. Einen höheren Wert vermag ich dieser ;?clchrten Spielerei nicht beizume'?«;en , aber sie verrät einen Zug von St.'s üigenart, von dem sich in seine Schriften keine Spur gebuchtet hat. Aus ilmen würde man schwerlich auf Leichtigkeit der Form und Formen- sinn schliessen. Urnen fehlt alle Anmut und jäer schriftstelleriscfae Reiz. Wie sie im Wortgebrauch den S( hvilmeister verraten, so befolgen sie in der Disposition des Stoffes ganz den schablonenmässigen, von der Chrie vorpr schriebenen Gang. Wie man das öfters bei Philologen findet, scheint ihm das Handwerk Fesseln angelegt und die freie Entfaltung seiner Natur gehemmt su haben.

Berlin. Otto Pniower.

Benedikt, Rudolf, nm 5. Juli 1852 in Wien geboren, absoKirte hier die Miltclscluilc und l)e/o*i i,S6S das Polytechnikum, an wclchetn er V)is 1871 studirte. Dann ging er auf ein Semester nacli Berlin, studirte dort bei Beyer und Rose; dann nach Heidelberg, wo Bunsen und Kirchboff wirkten. Hier legte er 1872 sein Doctor-Kxamen ab. Nach seiner RttckVehr trat er als Assistent des Prof. Pohl seine akademische Carriere an. Bei Pohl verliUeb er nur ein Jahr, da er im Herbst 1873 von Prof. Hlasiwet? als Assistent der Lehrkanzel ftir allg. und analyt. Chemie angestellt wurde. Bis zum Tode des Hofrathes Hlasiwetz, 1876, verblieb B. bei ihm als Assistent. Als die Lehrkanzel getheilt und oebcn der Ldirkansd Itlr aUg. Chemie eine selbständige Lehrkanzel für analytische Chemie unter Prol Weselsky errichtet wurde, wurde 1'.. dessen Adjunkt. 1876 wurde er Docent für Chemie der Stickstoffvcrlundunf^en an der k. k. terhni'?chen iii.e.'i- schulc. Spater wurden seine venia legendi für i inctorial-Chemie, Farberei und Zeugdruck erweitert. Als im Jahre 1885 Professor Weselsky nach einer verdienstvollen jojälirigen Thätigkeit in den Ruhestand übertrat, wurden die seit dem Tode des Hofrathes Hlasiwetz getrennten Lehrkanzeln wieder vereinigt. Vorstand wurde TTofrath Bauer; B. verblieb weiter Adjunkt; doch leitete er selbständig das Laboratorium für analytische Chemie und versali aach die Vorlesungen. 1 888 wurde B. füi die Lelirkanzel ftir chemische Tech- nologie an der k. k. technischen Hochschule in &ttnn, wdche durch die Be- rufung von Professor Zulkowsky an die technische Hochschule in Prag er- ledigt worden war, vom Profcssoren-Collegiuni der Briinncr Hoehsclnile i>rimn loco als ()rdinari\is vorgeschlagen. Vom Ministerium für Cullus und Unterriehl wurde jedod» Adjunkt Donath von der Berg-Academie Leoben emaimt. 1890 wurde er zum Extraordinarius ernannt, nadidem er 14 Jahre lang Ad>

Digitized by LiOOgle

Benedikt.

3^3

junkt und 4 Jnhrc Assisteni ^^ewesen war. Bnld darauf" wurde er als Extra- ordinarius Decan der technischen Hochschule. 1893 wurde er endlich ortlent- Ikher Professor. Die vereinigten Lehrkanzeln wurden wieckr getheilt, B. fibemahm die Lehzkjuizel fUr analytische Chemie und richtete för seine Lehr- kanzel ein neues Laboratorium ein. Sein sehnlichster Wunsch war nun er- füllt ; er war Vorstand eines der srhönston T aboratorien von Wien und voll- auf mit Planen beschäftif^t, um dii- Kinrii htun^^ dieses Laboratoriums mit allen modernen Hilfsmitteln zu veivollsundigen. Voll freudiger Zuversicht ging er im Soininer des verfloaaenen Jahres in die Ferien, kehlte aber zu unser ADer Bestürzung als todtkranker Mann zurück. Als Lehrer suchte B. seinesgleichen. Schon als junger Docent im Jahre 1876 sammelte er einen zahlreichen Zu- hörerkreis \\m sich, der sich spater noch erweiterte, al<? er Färberei und Zeugdruck vortrug. Bei diesen Vorlesungen, ebenso bei jenen über analyti- sche Chemie vermied er alles Beiwerk, er suchte weder rhetorisch noch durch mehr oder minder geistreiche Witze zu glänzen. Er blieb rein sachlich. Klar und leicht verständlich trug er sein Thema vor. Nicht minder betleutcnd wie .ds T.chrer und Mensch war B. ah Fachmann. S( hon als Assistent des Prof. Pohl publicirte er zwei Arbeilen : 1. Ucbcr Destillation des Zuekers mit Kalk imd 2. Ueber das einbasische Kaiksaccharat. Durch Hofraih Hlasiwetz wurde er zu Arbeiten in der Benzolreihe angeregt. Seine Arbeiten smd der Reihe nach iblgende:*) 3. x874< Ueber Erwirkung von Jod und Queck- silbenisyd auf Metamidohenzoesäure. 4. 1875. 2^'" 1. nntnis des Phloroglu- cins. 5. 1875. Ueber Phlorein, Hämatem und Brasilein. 6. 1875. Ueber Mono- und T>iäthylpyrügallul. 7. 1876. Ueber Kinwirkun^^ der Salpeter- säure auf Tribromphloroglucin. 8. 1877. Ueber Kin Wirkung von Brom auf Pblorogludn. 9. 1S77. Zur Kenntnis des Madurins. 10. 1877. Ueber Mo- nonitrobienzcatechin. 1 1. und 13. 1878. Ueber Trinitroso-Trinitrophloroglucin. Zur Kenntnis des Pentabromresorcins. 13., 14., und 15. 1^"^) bis 1883. Ueber Hromoxylderivatc des Benzols. 16. 1880. l'^cber Dibronihydrorhinon. 17. 1883. Ueber JSitrodcnvate des Resorcins. Diese Arbeiten publicirte er allein wid die bedeutendsten darunter sind jene Uber Bromoxylderivate. Er arbeitete auch mit Professor Weselsky zusammen und zog, namentlich nach dem Jahre 1883, einzelne seiner Schüler zu seinen Arbeiten heran. Mit Prof. Weselsky publicirte er: 1878. Zur Kenntnis fies (llyriretins. 1879. Ueber einige Aznverhimlungen. 18S0. Uelier Resort uit.irbstoft'e. 1881. Ueber PyrogaHussaureather. 1881. Ueber Hydrochinon und Orcin- äther. 1889. Ueber Nitroproducte des Bienzcatechins. 1884. Ueber Re- sordnlarbstofle. Mit v. Hühl publicirte er: 1881. Ueber Pinitro und Trtni- troresorcin. 1884. Mit Julius über Diresorcin imd Diresorcinphtalein und über ein neues Tlcsorrinblau. 1884. Mit Ha7,ura zwei Abliaruihmjien über Murin und 1SS5. Ueber Chlor- und Bromderivate des l'liluroglucins. Mit dem Jahre 1885 hören B.'s Arbeiten auf dem Gebiete der organischen Chemie auf. £ine neue Epoche in seinen Arbeiten beginnt. B. wird Fettchemiker und Autorität in der Technologie der Fette. Fr i einer Ersten, welche die Bedeutung der quantitativen Reartlonen der Fette erkannten. Kr regte V. Hubl zu der Arbeit an, die Aiilnahmslahigkeit der versehiedenen Fette untl Uele gegen Chlorjod zu studircn. So entstand die Hiibl schc Jodadditions- Methode. B. erkannte den WerUi der Reichert 'sehen, Hehn er 'sehen und

^ Sieh« Ztitsclnill »Chcniicfae Kcvne«.

Digitized by CiOOgle

3«4

Köttstorfer Zahl, überprüfte die anderen alteren Mcthoilen uini <^beitete neue Methoden zur Untenudiuiig der Fette ms. Hmi ist es zq verdankeiv Venn die Fett-Industrie, vddie frOber rein emptriacli betrieben wurde, zu

einer wirklich chemischen Industrie sich entwickelt hat, B. arbeitete mit Zsigmondy 1886 eine nev.e Glycerinbestimmung aus. Dtirrh Bestimmuni; der Acetylzahl der Fette im Vereine mit Ulzer zeigte er eine neue quanu- tative Reaction. Mit Cantor arbeitete er das Acetinverlahrcn aus zur Be- stiminung des Rohproductes fllr Nitroglycerm^ebriken. Mit Mangold »r-^ beitete er über Untersuchung des Bienenwachses. Durch aIV diese Arbeiten, namentlich aber durch sein Buch »Analyse der Fette nud Wachsarten«, welches schon firei Auflagen erlebte, be;rriinfleie B. suincn Ruf nls hen*ormgendcr Fettchemiker. £s überrascht uns daher nicht, wenn er als S;ich verständiger angerufen wurde and in strittigen Fällen sich die Paitden seineni Uftbetle unterwarfen. 189a reiste er nadi Schweden, wo eme Fabrik sein Gutachten Aber SeparatMen und Emulsoren hören wollte. 1 894 wurde er nadi England berufen, um in rfcm Proccss NoTjcI contra enp-H^chc Rcp'emn^ ne1>en T.unge als Sachverstiuiiiiger zu fungiren. Auch in dem I inoliiistreite jaäi^ und Darmstätter cuntra Norddeutsche Wolikanimerei wurtic er zum Schiedsrichter angerufen. Ein zweites Weric, wdches B. publidrte, ab er noch voizQgswct»e mit der Tinctorial-Chemie sich beschäftigte, sind »Die ItQnstlichen Farbstofie , welche Kulcht ins Englische übersetzte. Auch sein Werk über Analyse der Fetie wurde in's Fnglische üVerset/t. Frne Uebersetzung ins Italienische und Russische wird vorbereitet. Auch an anderen äusseren Ehrungen hat es B. nicht gcfclilt. Die Akademie der Naturforscher zu Halle ernannte ihn zu ihreni ordentlichen Mitgliede. Von der Soctdttf industrielle de Mulhouse wurde ihm und Ulzer für eine Arbeit über Türkischrothöle die f^<ildLne Medaille verliehen* Nncli einem Vürtraj^ vati k. Ilij-nra (Wochenschrift dcs N. II. GewerbereniM.}

Vgl, auch Kliitii'nt (.'bLini- :lic Rcvtjo 1896 Nr. 35.

Kubary, Jobann Stanislaus, Reisender und Ethnograph, wurde 1846 in Warschau von einer deutschen Mutter geboren. Sein Vater, ein Ungar, starb frühe. K. erhielt nun einen Polen mm Stiefvater und es mag wohl damit nisaounenh&ngen, dass EL. schon früh aus den medicinischen Studien

herausgerissen wurde, flencn er seit 1863 auf der Warsch auer Universität oblag. Er wurde in dtn ]Miliji»chen Autstand vernickelt, vcrmu< bte si< h nur durch Flucht der Verhatiung m entidehen und lebte längere Zeil m Berlin als Stukkateur. Der Wunsch, ausserhalb Europas sein Glück zu suchen, führt ihn nach Altona und 1868 ging er im Auftrag des Hauses Godeflfroy ab Sammler ethnographischer und naturftissenschaftHcher Gegenstände in die Siidsee. Nnrh kurzem Aufenthr\!t in 'I'onprn tmd Snmon, wo er mit dem bis- her für GodcUioy thätig gcwcsctien l>r. Graüe /usaiunientraf, begann er die Durchforschung der Ebon-Gruppe im Marschall- Archipel, die sein Sammler« talent und ganz besonders in den Sprachstudien die fttr die ^hnographie der Südsee so fruchtbar gewoidene Fähigkeit bewies, mit den Eingeborenen wie ihre^dcichen zu verkehren. Nun wandte sich K. den Karolinen zu, s.mimcltc a.i! Ynp, blieb dnnn zwei Jahre auf den Pel^-Inseln und kürzere Zeit auf Mortluck und Nukuor. Ein volles Jahr verwandte er dann auf die Erforschung von Ponap^. Im Sommer 1875 kehrte er flir euüge Monate nach Europa zurück und badtete eine grosse, trefBidi ausgerüstete Expedition nach der Siidsee Rir das Museum Godeffroy vor. Von Ponap6 aus erforschte er hauptsächlich Nukuor, Ruk und das ^rtlock^Atoil Vatoau. 1879 nntei^

Digitized by LiOOgle

Knbafj. RoUft.

3>5

"brach der fall des Hauses (lodclTr'jy auch die?5e grossgeplanten TMter- nclimungcn und für K. hegrann n\in eine l)owcgie Zeil. Kr begann Pflanzungen und Handeisunternehinungen auf Ponape, sammelte dazwischen auf verschiedenen Inseln, besonders auf den Felau, für die Leidener Rijksmuseen, dann itlr daa Berliner V^SllcennuaeuxD. 1885 begleitete er ab Dolmetscher das Deutsche Kriegsschiff, das die Besitzergreifung der KaroUnen bewirken sollte, trat dann als Chef der Station Constantinhafen in die Dienste der Neu Guinea -Oesell- schaft. Sein Versuch 1891 eine Stellung in Europa zu finden blieb erfolgios. 1 895 schied er aus dem Dienste der Neu Guinea-Gesellschaft aus und siedelte nach dem ihm zur «weiten Heimath gewordenen Ponapd über. Er fend seine Ffianzung in dem Au£itand der Eingeborenen gegen die Spanier ver- wüstet. Selbst sein Besitzrecht ward in Frage gestellt. Am 9. Oktober 1896 fanden ihn die Seinen todt unter einem Baume sitzend.

K. hat als Sammler Grosses geleistet. Kr hat die Fauna der Südsee-Inseln mit einer Reihe von neuen Gattungen und Arten bereichert und wahllose neue Gegenstände in die Völkermuseen gebracht Aber seine Bedeutung für die Wissenschaft ruht in den ungemein ci li lienden Erkundigungen und Forschungen über das gesells(-haflliclie und seelisc lie I.eben der Kinj^el>orenen. DafUr besass er eine nactirliche Eignung, durch die merkwürdige Mischung von Feuer und Plil^ma in seinem Charakter und in der Unstetigkeit seines Lebensganges. Er war mit der Tochter eines Amerikaners und einer Samoanerin verheiratet, K. sti^ SU den Eingeborenen herab und gewann ihr Vertra,uen. I^er hatte er aus diesen Theilen Oceaniens mehr mitzutheilen als irgend ein Europäer vor ihm. Durch seine unifemei-i eingehenden Beschreibungen hat K. zur Ver- tiefung der Ethnologie beigetragen, oiine selbst jemals ein ethnohjgisches Problem selbständig behandeit zu liaben. kleinere Arbeiten von K. stehen vorzüglich in dem Journal des Museum Godefifroy und (über Ruk und Mort- lok) in den Mittheüungen der Hamburger Geographischen Gesellschaft. In den Originalmittheilungen des Berliner Museums für Völkerkunde sind ver- öffentlicht: Die Todtenbestattung auf den Pelau-Tnseln und die Verbrechen und das Strafverfahren auf den Pclau-Inseln. Selbständig erschien das höclist vicliiige Werk: Die socialen Einrichtungen der Pelauer, Eine Monographie über Die Religion der Pdauer hat Bastian seinem Werke AUerlei aus Volks- und Menschenkunde einverleibt. Endlich hat seit^ alter Freund Schmeltz die Ethnographischen Beiträge zur Kenntnis des Karolinen - Archipels für das Berliner Museum für \'ölkerkunde herausgegel)en. Em sehr werthvolles Kapitel über die latowierung der Mikronesier hat Kubary zu Joests Werk ÜbCT Tätowierung beigesteuert und in das Yon Schmeltz und Krause heraus- gegebene Werk Die ethnographisch-anthropologische Abtheilung des Museums Godeffroy sind ebenfalls Berichte von Kubary übergegangen.

Ausführlicher Nekrplog von J. D. £, Sduaeltz (mit Bild) im InteroaL Archiv f. Ethnographie Bd. X.

F. Ratzel.

Rtthlfry Gerhard Friedrich wurde am 14. April 1831 in dem bremischen Hsfenstädtdien Vegesack geboren als das zweitjüngste Kind eines angesehenen Arztes und aus einer seit lange in dieser Gegend ansässigen Familie. Seine Mutter war Osnabrückerin, und so entsprosste Gerhard R. Acht niedersächsi- schem Stamm. Gleich zwei älteren Brüdern sollte Gerhard Medicin studieren, ging aber 1849 unmittelbar vom Gymnasium, das er in Osnabrück und Celle bemcht hatte, als Freiwilliger zum bremischen FttalieibataiUon, aus dem er

Digitized by LiOOgle

326

1850 in schleswig-holsteinische Dienste trat. Er hat hei Idstedt mitgefochten und erhielt bei der Auflösung der kleinen schleswig-holsteinischen Armee die

Kntlassunf^ nls I ictifeiiant. IFeber seine nachfolgende Stiidicnzeit sind vir sehr unvollstanfhg unterruhtei. I.r hat in (iöttingcn, Heidelberg und \Vurzbur;i Mcdicin studiert, seine Studien aber nicht abgeschlossen. 1855 reist er durch Oesterreich, Italien und die Schweiz, wahischeinlich um Kriegsdienste au suchen, die er endlich in Algier findet. Kr ist in demselben Jahr in Algier in die Fremdenlegion eingetreten, in der er die höchste dem Fremden zu- gän^^lirhc Stufe des Sergeant erreichte und mehrere Medaillen verdiente. Naclulen» er seine sechs Jahre abgedient hatte, ging er nach Marokko in der HotTnung, dort eine Stelle in der zu reorganisierenden Armee zu finden Sein erster Versuch in Tanger Erkundigungen einausiefaen, fUhrte ihn mit dem englischen Gesandten Sir Drummond Hay zusammen, der ihm die Schwierig- keiten seines Planes offen dnriepte und ihm jede Hoffnting benalim. als Clirist » itie Stellung in Marokko zn finden. R. erfuhr liier /um ersten Mal ciie S:!«^}!- kundc und Menschenkenntnis dieses Diplomaten, dem er zeitlebens euic wanne Verehrung bewahrte; seine Wanderungen haben ihn noch öfter mit ihm au- sammengefUhrt. R. lebte sich nun in die Formen des Islam ein, lernte Arabisch, wozu er in Algier den Grund gelegt hatte, und trat die Reise nach Fes /.u Fuss nn. Der Bauer, der ihn führen sollte, beraubte ihn; R. hntte aber chus (ilut k und das (ieschick, sich aU Ar/t durchzuschlagen und m Uessan bei dem rirossscherif Sidi-el-Hadj-Absalon, einem weithin einflussreichcu geistigen Haupt, gute Aufiiahme zu finden. R. hat später noch öfter Gelegenheit ge- habt, mit Vertretern des Islam in freundschaftlichen Verkdir zu treten, aber diese Fie/.iehung crkrtnnte er selbst als die fnl^enreichste an, denn in der Nähe des (»rossscherirs w inde er in S]jrache und Haltung Mohammedaner, an dessen Aechtheit Niemand zweifelte. 1862 trat R. die erste grosse Reise an, die eine geographische Entdeckungsreise wurde. Er ging von Tanger die West» küste entlang nach Marakesch und bis Agadir, drang ins Wadi Draa ein und kam nach Tafilelt. Auf dem Wege von Tafilelt nach Kenatsa wurde er von Ranliern nusgeraubt und fiir todf lieLren f;e1nssen. Mnr;il»uts !">1'rn di n Si hwer- ver\*undeten nach zwei Tagen auf und xcrpllemen ihn, so da.ss er n.u h einii,'cn Monaten Geryville im sw. Algerien circichen konnte. R. trug die Spuicu seines Kampfes mit den Räubern in steifen Fingern einer Hand und einem verkürzten .\rm zeitlebens mit sii ]). Das Tagebuch von dieser Reise kam /uerNt nn den bekannten Bremer Nautiker l>r. Breusing, von diesem an Angust Petermann in (lotha, dessen lel)haftes Interesse es erwcrktc. Peterm.um er- kannte sofort den Wert der in unwissenschaftliclier und ungelenker Fomi dargebotenen Au&eichnungen, ermunterte R. zu weiteren Unteniehmungcn, und wesentlich Fetermann sind die Unterstfltzungen zu danken, die R. von der R. Geographica! Society in London und vom Bremer Senat 1863 für eine errosse S.ihrir.i-Rcise empfin^r, deren Ziel Tini1>uetu sein sollte. R. be- iracht« te si< h (LutmIs :ils v\n .'^( luilcr und >< hiilzlmg Leiermanns und hat noch in seinem Kufia-Buch ancrkaiuu, dass »vielleiclit Niemand so gute Katsciila^e und soviel moralische Unterstützung von ihm erhalten habec. R. dankte rlurch die VerölTendichung fast aller seiner ersten Rcisebericfate und Kalten in den Geographischen Mitteilimgcn. Im Spätsommer 1863 trnt R. seine zweite grosse Reise an, die ihn über El Aghuat nach Tuat fiihren sollte; durch Unruhen in der algerischen Sahara gehenunt, ging er zurück nach Tanger und es gelang ihm nuii, mit Empfehkuigen des Grossscheri& von Uessan

Digitizcü Ly LiüOgle

Roblfik

über Tafildt much Tuat TOrsudringen, wobei er den grossen Adas überschritt.

Ourt h Mangel an Mitteln an der geplanten Reise nach Timhiiktu gehindert, schlug,' er sich in östlicher Richtung über remnssinin und (iliadames nach Tripolis, wo er Ende 1864 ankam. Diese Reise brachte eine Menge von neuen Beobachtungen und Erkundigungen aus Gebieten, die vor K. kein EuropXier betreten hatte. Fetennann bezeichnete «e sofort als höchst wertvoll und brachte im 1865 er Jahrgang der Geographischen Mitteilungen die erste Karte zu R.'s Reise, die marokkanischen Reisewege enthaltend. R. hatte auf flie<5er Reise nicht nur, wie immer, die Entfernungen pjenau j^escliatzt und clie Richtungen mit dem Compass gepeilt, sondern auch Hohen gemessen. In Frankreich wvsste man seine Leistungen hochzuschätzen, denn sie bildeten die einsige zuverlässige Fortsetsung der bisher in Algerien bestimmten und in Marokko unsicher erkundeten Linien in die Wüste hinein. Zu dem wohl- verdienten Rufe R.'s, der erste Sahara-Kenner zu sein , hat diese Reise am meisten beigetragen. \'on diesen beiden Reisen an ist Köhlis auch der beste Kenner der Sahar.i geblieben. Kein anderer hat nach ihm die grosse Wüste auf so vielen, langen und neuen Wegen durchkreust. Der bedeutendste der französischen Sahataforsd^er, Henri Duveyrier, hat das am neidlosesten an* erkannt. Das grosse Ziel l imbuktu, das er sich auf dieser ersten Reise ge- setzt hatte, schwebte ihm auch s])Stcr vor, er hat es, chirch eine traj^ische Verkettung der Umstände, nicht erreicht. 1865 war er nach einem kurzen Aufenthalt in Deutsdiland wieder nach Afrika zortti^gekehrt, um von Tripolis durch das H<^ar-Gebirge nach dem Niger vorzudringen. Mit mäsaigen Unter- stützungen von deutscher und englischer Seite von Gotha aus waren ihm die Reste der Geldsammlung für die venin^jliickte Deutsche Afrika-Kxpedition von 1860 zugewendet worden trat er die Keise an. In Crhadames wartete er den ganzen Sommer auf günstige Nachrichten, iimssie sieh aber endlich sagen, dins fx das Land der Tuareg nicht mit heiler Haut betreten wUrde» und kehrte nach Tripolis surflck. Nun ging er auf einem neuen Wege (Iber das von Hornemann einst zuerst gequcrte Harudsch - Gebirge nach Mursuk, um von da nach Wadai zu kommen. Er hoffte die von Eduard Vogel hinter- lassenen Papiere retten zu können. Fünf Monate wartete er in Mursuk auf neue Mittel, die vom König Wilhelm, von Bremer Freunden und von der Londoner Geographischen Gesellschaft endlich ankamen. Die Hofihung Peter-- manns, dass er Tibesti durchforschen werde, blieb unerfüllt. R. ging geraden- wegs auf betretenen Pfaden über Bilma nach Bornu, wo ihn in Kuka Scheich Omar freundlich aufnahm. Da ilessen .\nf'rat;e beim Sultan von Wadai, ob es R. gestattet sei, nacli Wadai zu kommen, keine Antwort lajid, ging R. über Jakoba und Keffi an den Benu€ und von Lokodja wieder nigeraufwärts bis Rabba und quer durch Joruba nach Lagos. Das Neue, was R. vom zweiten Teil dieser Reise zu melden hatte, entschädigte einigermassen fiir die Enttäuschung, dass er weder Timbuktu noch WadaY erreicht hatte. Immer- hin hatte er eine grosse, beschwerliche Reise gemacht, der Geographie manche neue Thatsache enthüllt, und für das grosse Publikum erreichte er damit die Höbe seines Ruhmes. Diese Aufieben erregende »Durchquerung« brachte Ehrenmitgliedscbaften und Ehrendenkmünzen in mehrfacher Zahl, Empfänge bei Fürsten, besonders beim König Wilhelm. Das gebildete Deutsrliluu!, das damals für Afrika in einer politisch und wirtschaftlich naiv-uninteres-^ierteii Weise schwärmte, die wir kaum mehr verstehen, erblickte in R. einen natio- nalen Helden, und die Veteine bestürmten ihn um Vortrtige. Die Geograph!-

Digitized by LiOOgle

3a8

Rohlfs.

sehen Mitteilungen bracliten die SchOdening dieser Reise in zwei Etgtemigs- heften 1868 und 1873. Die aus^hrliche Enäblung »Quer durch AfrikA« er> schien leider erst 1874/75, als das Interesse sich schon der viel bedeutenderen

"Reise Nnrhtiijals zuzuwenden begann. Dn*? 1)e^tändipe Ringen mit der l^n- gtiiügenilheit der Mittel wirft einen Schatten iiUer diese ganze schone Rcij»e; es hat R. nicht zur Entfaltung aller Kräfte kommen lassen. Da er nun all- gemein bekannt geworden war und geschätst wurde, flössen ibm die Mittel reichlicher zu, aber da lebte in ihm nicht mehr die vorwartsdringende Knergie, die ihn in Marokko und in der westlirlicn Wüste mit den denl.l>.ir geringsten Mitteln die gröbsten T.eistiinrrcn hatte voUfüliron lassen. Mii der Durchquerung hören im Ganzen und (jrosscn die bedeutenden geographischen Erfolge auf. 1868 begleitete er die en^ische Expedition iiftch Abenimen und drang mit der Vorhut in Magdala ein, 1869 berdsle er den wenig be- kannten Nordrand der Libyschen Wüste von Tripolis bis Alexandrien, 1873/74, führte er im Auftra^^ des Klicdive die grosse Expedition in die Libysche Wüste, nn der Zittel als Geolog, jdrdan als G^odSt, Ascherson al«; Botaniker und Rcniele als Photograph teilnahmen, 1879 drang er von Benghasi in Hegleituu^ des Dr. Stecker in die bisher unbesudite Oasengruppe Kufra vor, 1880 ging er nochmals im Auftrag des Deutschen Kaisers nach Abessinien. Damit hdren seine Afrikareisen auf, wenn man nicht die kurze Reise hinzurechnet, die er nach Sansibar als Generalkonsul 1885 machte. Die abcssinisrhcn Rci«^eri haben uns lesenswerte Aufsätze und lUlcher und einige wissenschaüliciie Versuche rur Kenntniss Abessiniens gebracht. Es waren vorübergehende Besuche, deren Hauptzweck nicht die Forschung war. Meine Mission itadt Abessinien. Auf Refehl S. M. des Deutschen Kaisers, im Winter 1880/81 untemnmmcn (tSJ?^'^ ist das letzte Rciscwcrk ans R.'s Feder. Seine frischen Schilderungen lasse n vor allem bedauern, dass R. nach dem Absehhiss seiner grösseren Reisen nicht Lust und Müsse gefunden hat, das zusammenfassende Werk aber die Wflste Sahara zu schreiben, au dem er der geeignetste Mann gewesen wäre. Die KOstenreise von 1868/9 «nchien u. d. T. Von Tripolis nach Alexandrien. Beschreibung der im Auftrag S. M. des Königs von Preussen i. d. J. 1868 und \SC)() iintemommenen Reise (2 Bde., iRyi"^. Sie brachte einiges Neue über die schon öfter besuchten Oasen von Djalo, Aiuljila und Siwa, über Leptis, Kyrene, ist aber besonders wichtig geworden al» die Anregung zu der folgenden WCbtenreise din-ch die Diskussion der Depressionen. R. Ii Ute an seine Entdeckung einer Depression südlich vom Lib^'schen Plateau kühne Pläne von einer Bewässcnmg und Vc-rbesscrung der östlirhcn S;\hara geknüpft. Die, wie wir jetzt wissen, beschrimkten Dc|trcssi<)iien zwischen der Grossen Syrtc und dem Nil waren in Deutschland kritisch, in Frankreich enthusiastisch behandelt wordm. R. hofite auf die Möglichkeit den Ueber- fluss des Nilwassers hineinzuleiten, und bemOhte sich um eine Expedition zur Feststelbi L er Bodenverhältnisse. Durch den preussischen Generalkonsul erfuhr der Kiiedive von dem Plan, der die Fruchtbarmarhnnj? der Wüste zu verheixsen sc hien, und l)e\s illij,^te 80000 M. R. dachte an eine Wuslen- expedition in gros.seni Siil mit zahlrciciicn Kamelen, Wasserwagen, Wasser- dcpots» abesstnischen Brunnen u. dgl. Hauptpunkte sollten die Erforschung des angeblichen alten Nilflussbettes Bahr-bela-ma, der westlichen ]ib3rsdien O.isen, die Verbindvini: dieser mit Kufra und Fessan bilden. R. war tiber- glürklich, endlich einmal mit ausgiebigen Mitteln arbeiten zu können. ''Durch ausserordentliche Mittel lässt sich der Eingang in die libysche W^üste er-

Digitized by LiOOgl

Sohllii.

3«9

zM-ingen« hatte R. etwas zu optimistisch ausgcnifen. Die Untcrsurhuni; des fabelhaften Bahr-bcla-ma wurde aut),'c^cl)en, von Siut aus der gerade Weg nach Farairah und Dacfael eingeschlagen. Aber das Vordringen durch, die Sandxone im Westoi der libyschen Oaaen erwies sich als unmdglich. Die Expedition kehrte nach dreimonatlicher Wttstenreise reich an Wissenschaft- lieben Ergebnissen, aber ohne die erwarteten praktischen Krfolfre und geo- graphischen Entdeckungen /urtick. K. hat von dem grossen wisi,enschafthchen Bericht über diese Reise den ersten beschreibenden Teü verfasst (1883) und ein kleineres Buch »Drei Monate in der libyschen Wttste« mit Beiträgen seiner msenschaftiichen Keisegefilhrten (1S75) vorausgehen lassen. Blieb auch der Erfolg dieser Reise hinter den Erwartungen 2Ui1tclL der Haupterfblg «ar doch der negative, d'ss »lie Depressionen kleiner und weniger 7rahlrei< h waren, als man geglaubt so war docli die l'.xjjcdition durch K. enorgisih und geschickt geführt worden. Als daher 18 78 in Deutschland der Plan /u einem Vorstoss in das Gebiet zwischen Kongo und Nil der Reife nahte, bescfaloss mm, ihn mit einer Erforschung der östlichen Sahara zu verbinden und R. die Ftihntng zu übertragen. Der Plan war von R. und Nachtigal ausgegangen. Wir sthen heute, dass er viel zu umfassend war. Er verband j'wei grund- verschiedene Aufgaben. R. selbst trennte sich schwer von seinem trauten Weimarer Heim. Der junge böhmische Zoolog Stecker, den man R. zur Seite stellte» war eine schwankende Natur und ein Neuling in afrikanischen Dingen. Die Reise stiess von Aniang an auf Schwierigkeiten. R. musste die beste Zeit in Sokna mit Warten auf die Geschenke verstreichen lassen, die er vom Deutschen Kaiser dem Sultan von Wadai tu (tberbringen hatte. Nachdem er im Dezember 1878 Tripolis verhissen hatte, kam er erst im Herbst des folgenden Jahres nach Kufra, wo er von den Suya^Arabem ausgeraubt und bedroht wurde, so dass er entfioh und am 25. October 1879 in Benghan ankam. Die ganze Ausrüstung bKcb in den Händen der Araber, es war ein wahrer Schifn)mch. Die gengraphischen Ergebnisse dieser Reise liegen in der Ausdehnung unseres Wi.ssen.s in der Ostsahara und der Festlegung der bisher nur dem Namen nach bekannten Oasen von Kufra; sie sind bedeutend, waren aber mit diesen Opfern m theuer etkauft. Fflr Deutschland bedeutete dieser Misserfolg das Aufgeben der seit Barth und Orerweg so rühmlidi be* t riehen en Saharaforschung, für R, war es überhaupt die letzte grosse l iUer- nehmung. Die zweite Abcssinicnreise und die Fahrt nach Sansil>ar waren nur Episoden. R. lebte, seitdem er sich 1870 mit einer Verwandten Schwein- fiirths in Riga verheiradiet hatte» in seiner Villa in Weimar, anfiuigs häufig auf Vorttagsreisen abwesend, die ihn 1875—76 nach den Vereinigten Staaten führten. Sein Haus war ein Sammelplatz der »Afrikaner«, er selbst bei Hof gern gesehen. .\uch als leidenschafthVhcr M\isikfreund. dem die Bayreuther Blatter bis Sokna nachgesandt wurden, fand er in Weimar seine Rechnung. Bald nach der Rückkehr von Sansibar, 1885, zog sich R. auf eui kleines Gtttchen in Rungsdorf bei Godenberg zurück, wo er seltener ta Vortragsreisen ausflog und auch schriftstdlerisch nicht mehr so thätig war wie sonst. Es waren nicht bloss die Vorboten der Altersmüdigkeit, die ihn stiller machten. Er fühlte, dass er ras« h aus einer Zeit herauswuchs, in die er besser gcpasst hatte. Es gab da äussere Umge, die ihn verstimmten, und mehr noch wirkte von innen heraus das vielleicht durch die sansibarer Erlebnisse verstärkte Geitlh!, so ziemlich gethan und gesprochen su haben, was nach seiner Aiv* läge HuD zustand. Zu den Vortragen, die ihm soviel Ruhm und Ehre* und

Dlgltized by Google

330

einen nicin zu verachtenden lieitrag zu den Einnahmen gebracht hatten, fanden &ich die Hörer nicht melir so zahlreich ein wie sonst und brachten auch nicht die alte Wärme für jedweden alnkanisdien StoC R.'s Ruhm vcT' bhch neben dem eines Wissmann und Peten. R. ist am a. Juni 1896 m

Rungsdorf gestorben.

i ur uns wird (fcrhard R. immer ein achler Vertreter der heroischen Epoche der deutschen Afrikaforschung bleiben. Sein Entwickelungsgaiig und seine Leistungen haben etwas Eigenartiges, seine Persönlichkeit wirkte durch ihre Besonderheit und Selbständigkeit; selbst sein Sei! hat nichte Schuhnässiges, sondern mutet uns wie die Sprache eines Mannes an, der besser weiss, m'hs er /n safjen hat, als wie es gesagt werden muss. Dieser Stil ist njctit nmsterguliig, aber deuUii Ii und kräftig. Sehweinfurth ist neben ihm der Gelehrte und der sprühende Geist, Nachiigid der uneniallsche Diplomat und zu^eich der sorgsam feilende Stükflnstler. R. hat keinen von diesen \'<)r/Ugen in gleich grossem Masse» aber er ist die eindrudcTollste PersönHchkeit; und er ist viel juijuilnrcr geworden, als die beiden anderen, weil er die Menschen gewann und ihnen impnnierie. Und immer h.itte er doch die ungemeine Fülle der Erfahrungen, dazu, wenn auch nur gemessen ;ui der Länge seiner Reisewege, die räumliche Grösse seiner Leistimgen fiir sich. Vergessen wir nicht sein Enählertalent, das ihm in den Vorträgen und Bfichern zu statten kam. R.'s Persi^chkeit hat auch nadi hoch oben hin ihren Zauber geübt. Er hat sieh im Flnpr die Zuneigung von Köni^ren nr'^ l'rin/en erobert und Teilnehmer scuier libyschen Keise waren vuü Bewunde- rung für tlie VVurtle, die er in seinen Verkehr mit dem Khedive imd dc&sen Ministem zu legen wusste. Sdiade, dass er sich als Generalkonsul in Sansibar nicht die Zufriedenheit Bismarcks verdient hat. Ueber die Gründe seiner Ab- berufung ist viel geflOstert worden. Der einfache Verstand sagt sich, dass Deutschland an nicht minder wichtigen Stellen durch Tente verixeten war, die R. weit unterlegen waren. Und die Geschichte lehrt leider, dass in der deutschen Kolonialpolitik Fdiler begangen worden sind, zu denen ein R. nie lähig gewesen wäre. Auch die naditräf^che Fhige ist gestattet, ob wir San- sibar .so leicht verloren hätten, i m R. dort der Vertreter des Reiches ge- blieben wfire? Wer Gelegenheit aehabt hat, K. mit Nachtigal zu vergleichen, musste si( h allerdings sagen, dass jenem niclil soviel natürliches diplomatisrhcs l'alent eigen war wie diesem. Nachtigal hatte eine ins Orientalische stecliende Geschmeidigkeit, die dem aufrediten R. nicht eigen war. Daran ändert die merkwürdige Thatsache nichts, dass R. eine Zeit lang steh sehr gern in Hof- zirkeln ^ L' sich bewundern und dekorieren Hess. Eine strenge wissen- schafilu he >< huhmg hatte R. nicht empfanfjen, er hat sie auch später nicht in erschupfender Weise nathhulen können. Dazu fand er, der rastlos Thätigc, nicht mehr die Zeit. Er hat seine grössten Ergebnisse mit Kühnheit und Klugheit erzielt. In den ersten Reisen wog die Kühnheit, in den späteren die Klugheit vor. Dabei hatte er für zwei Haupi-Aufgaben des Forschungs- reisendcn von Nntnr Neigung nnd Talent. Kr liat ein scharfes Auge für ilie geographische Konhguralion eines Landes schon auf den beiden eisten Reisen gezeigt, wo seine geographische Bildimg sehr gering war; es machte ihm Freude, jene zu bestimmen und zu beschreiben. Daher die trefflichen g^ graphischen Ergebnisse, auch dort, wo er mit wenig Hilfiunitteln arbeiten musste. Für die rein geographischen Aufgaben hat er auch bei der libyschen Reise, wo er von J^'acbmännem umgaben war, entschieden Tüchtiges gleistet

Digltized by LiOOgle

Rohlft.

Die Art, wie er bei dieser F.xpeditioii die l ;u hm.inner flihrte und /usammen- hielt, hing eUen auch mit seiner richtigen Krtassung der Hauptaufgabe zu- Zum zweiten war K. ein vorzüglicher Beobachter und Schilderer de s Volkslebens. Hier zeichnete ihn eine einfache, gesunde Auf&ssung aus, die gelegentlich einmal einer leirhten Neigung ins hausbacken Alltägliche folgt, aber in der Suninic dorli immer ungemein erfretilirh wirkt. R.'s pa- litisch-geographische unti wirtsciiafls-geograj^hische ScliiUlerungen lassen sich manchmal mit denen von Heinrich Barth vergleichen, auf dessen weiten Blick und Gelehrsamkeit allerdings niemals Anspruch machte. Sehr viel gesunden Sinn und Takt zeigen seine politisdien Exkurse. Er hat des öfteren über Kolonialpolitik im Allgemeinen, französische und tnilisi lie KolonialpoHHk, besonders iiber tlie Stellung und das Vorgehen der i ranzosen in Algier und in der Wüste sich ausgesprochen. Sein letztes Sununclvverk (^uiti Novi ex Affica (1886) bringt blonden viel davon. LieblingsgegenstiUide seiner po- litisch-geographischen Betrachtungen waren Marokko und Tripolitanien. Das Schriftchen »Ueber die Bedeutung Tripolitaniens« (1873) gehört zu seinem l^csten. Sehnde, dns«; er nicht in dieser Zeit, wo er eine Autorität in afrikn- nischen Dingen war, entschiedener auf die selbstiindige iiethaligimf? Deutsch- lands gedrängt hat. Er hat das praktisch -politische Interesse l>cutschlands an Aliäca oft gestreift» hat sich aber leider vor 18S3 nie die Frage gestellt: Bedarf Deutschland der Kolonien? R. war ein fleissigcr Schriftsteller. Der deutschen Littcrntur hat er tt, sell)ständi;?c Sdirifun Über Afrika geschenkt; alle sind viel gelesen worden und haben zur Werkung des Interesses Air den dunkeln Erdteil beigetragen. Es ist darunter kein Buch, das nuui übergehen' dürfte, aber auch keines, das mij^ Barths Sdiweinfurdis oder Nachtigals Hauptwerken verglichen werden könnte. Gerade die zweite Wüstenreise, die dazu den Anlass bieten konnte, hat R. niemals erschöpfend beschrieben. Zahlreiche «rrosse und kleine Beitrfipe haben rlie f'ieograf)his( hen Mitteilungen von 186; Ins i8q5 von ihm i,'ebraelit. Daneben haben alle deutschen ^eo- graphisclicn Zeilschriften hauüg Aufsut<ce aus R.'s Fetler verotTenlhclit, die er daim z. T. in Bttchem gesammelt encfaeinen liess. Er bat 4 soldier Sammel> bände \er()rrentlicht. Auch dem kleinsten Aufsatz lag eine eigene Erfahrung oder Beoba« htnnn: zu drunde, die grösseren vertreten oft eigentümliche Auf- fassungen; aus jedem spricht die Persönlir hkeit. Nicht bloss als Reisender, auch als Scliriltsielier über Afrika bat R. eine Lücke gelassen, die kein Lebender ausfüllt. In der Beurteilung fremder I^tungen war R. eher wohlwollend als streif. Nur der Hohlheit und Ueberhebung trat R. schroff entgegen. Den ftanzdsisi hcn Plänen des Sahara-Meeres kam er vielleicht zu weit entgegen, wiihrend er den primdlDsen Plan Skcrtchlys einer Unterwassersetzung des l>juf (lej Westsahara von Anfan;,^ an verurteilte. Zwischen R. und den französisc hen .Saharaforschem bestand ein schönes Verhaltniss wechselseitiger Anerkennung, worair das scharfe Urteil R.'8 Über die französische Verwaltung und Politik in Algerien nichts ändern konnte. Wenn man auf K. gehört hätte, würden solche verlustreiche Expeditionen wie die von Largeau und von Flatters nicht aiispesandt worden sein. R. empfand es selbst als eine Sonderbarkeit, dass seine besten Leistungen praktisch nur den Franzosen zu Gute kamen, während die Deutschen nur ein theoretisches Verständniss dafür, und dieses nur in engiten Kreisen haben konnten. Wss YTunder, dass er mit Wllrme jene mit dem Beginn der 80er Jahre einsetzende neue Art deutscher Afrika- fQrsdmng begrüsstei die die nationalen Bestrebungen mit den Wissenschaft

Digitized by LiOOgle

3$2

RobU». Simooy.

liehen zu vereinigen strebte. Sein Scliriftchen über Angra Pequena (1884"^ ist ein schönes Zeugniss dafttr. Es zeigt uns aUerdiogs mdir «fen wwmlob- lendcn Patrioten als den kritischen Afrikakenner. Für den GeschicfatiChrcibeT der Anfänfjc der deutschen K(^lonial|)olitik wird R. ein interes:^antes Beispiel des Umschwunges sein, der damals iu den Gemütcn\ der Deutschen pcsrhah. In dem Kufra-Bucb von 1881 schreibt der kosmopolitische Bewundeier Living^nes und Stanleys einen Hymnus auf die grossen dvilisatorischen Ent- würfe des 'Kj^nigs der Belgier, die den Kongostaat anbahnten; K hatte auf Einladung Leopolds II. an der Vorberatung dieser Entwürfe 1876 teOgenommen. In der Kolonial-Brosrhfire von 1884 begrüsst er die koloniale Aern , der er noch selbst zu dienen henifen ward, R, war eine statüiche I-.rs( heinung, hocligewachsen, schlank, gelenkig, helläugig, blond, im Gesicht roilich, der Schnurrbart in den schmalen Kinnbart ttbeigdiend; schmaler, kräftiger, mehr fränkischer als niederdeutscher Kopf.

Eiti ^'utcs jugendliches Bild steht vor dem Titel der Betträ^^e zur Entdeckung und Erforschung Afnkas (1^76); ein Bild nvts den letztext Jahrea bringt 4ie lUustrirte Zeitung 1896. Von «mffahrlidin Nekrologen ober R. nennen wir den ran G. Scbweinfurth in der Vos-^iscliLii Zeitmg 1896 (Sonnt.-Bcil. 24 u. 25), von G. A. Krause in der Krcuxzeitun^' 1896 (3231.), von W. Wolkenhaucr in den Deaticheii Geogr. Blltteni 1896, von U. Wich- mann in den Geogr. Mitteilungen 1896.

F. Katael.

Simony, Friedrich, ist am 13. November 1813 zu Hradj<j\vteinit7 in Böhmen geboren. Sein Vater, Militärarzt ungari^icher Abkunft, i>t;ab früh. Der Knabe verbrachte in Böhmen, Mähren und Ungarn eine Jugend« die ihm trot£ setner angeborenen Heiterkeit im Zurttckschauen arm uiid tiflb erschien. Zum A]jotheker bestimmt, fiihrten den angehenden Pharmaceuten botanisdx Sttidien mit dem Botaniker Jacqtiin nn der Wiener Universität 7tisammcn. der ihn veranlasste, sich srmz dem Studium der Naturwissenschaften zu widnic"!. Da er keinen iegclmai>äigen Schulbildungsgang durdigemacht hatte, wurde ihm die VoUendung der Gymnasiabtudien durch eine besondere Erlaubniss der Regierung erlassen. S. warf sich nun mit Eifer auf das Studium der Botanik, Geologie und Meteorologie und wusste mit gutem Muth die äusseren Hemm- nisse ni überwinden, die seine Armutb immer von Neuem atifthfirmte. Viel- leicht war es von Vorteil, dass er gezwungen war, vielseitig zu sein. Als er 1840 mit wenig sauer verdientem Geld seine erste grössere Alpenreise machte, fessdte ihn noch mehr als der Bau des Gebirges selbst dessen Wirkung auf die Erscheinungen der Hydro- und Atmosphäre, der Pflanzenwelt und des Lebens der Menschen. Diese Beilinuflieitcn tm erforschen stellte er sich zur närhsten Atifgabe, und aus der Aufgabe einiger Jui;entljahre wurde die Aut^^abe eines Lebens. Ks hegt ein Anschluss an Alexander von Humboldt m diesem Plan der Erforschung teUuriscber Wechselwirkungen ; aber durch ihre Besdirfakung auf die Alpen erinnert die Lebensarbeit S.'s noch mehr an De Saussuie und Wahlenberg. Als S. 1840 in das Dachsteingebiet hineinwanderte, begann für ihn die merkwürdige räumliche Beschränkung, Verdichtung und Vertiefung auf diesen» kleinen aber reichen Abschnitt der Ali>en, die so be/cichiienii wiu"de für seine menschliche und forscherliche Eigenart. Ihre Verbindung mit einer selten vielseitigen wissenschafUicfaen und künstleiischen Anttoung und Ververthung macht S.'s Grösse aus. Hochgebirge zeigten sich ja schon öfters (Tyict, bedeutende Foischcrnnturen g.ins an sich /u fesselu: Ramund hat mit den Pyrenäen, de Saussure, Studer, £scher haben mit den Alpen derartige

Digitized by LiOOgle

Simonj.

333

enge und fruchtbare Verbindungen eingegangen. Am 8. September bestieg S* zum ersten Mal Hohen Dadistein, den er seitdem fsst unxählige Male, zuletst mit 72 Jahren, bestiegen hat. 1847 brachte er eine Reihe von Januar-

und Februartagen an und auf dem Dachstein zu und seine Beobachtungen \ibcr den winteriichen Zustand der Atmosphäre und Schneedecke erregten ibiiiials Aufsehen. S. wurde 1848 mit der Einrichtung des nalurhistorischen Museums in KJagenfurt betraut, und 1850 arbeitete er als Geolog an der Aufnahme des SsUzkammerguts. 1851 trat er als erster Professor der Geo^ graphie in den Lehrkörper der Wiener Universität. So wie in den früheren Jahren hat er niu Ii in tlen folgenden regelmässig allsommerü« h die Dachstein- gruppe anfgesiir doron Gletscher, Seen und Pflanzendecke Hauptgcjjenstand seiner wissenaclialUkhen Arbeiten waren, während er ihre landschafüichen Bilder mit dem Stift und später mit dem photographischen Appiu-ate fest* zuhalten suchte. Er ist nur vorübergehend ttber dieses Gebiet hinausgeschweift und auch dann hat er nur selten die Grenien der Ostalpen überschritten. Von den Mittclgohirpcn ist ihm nur das Riesengebirge vertrant geworflen. l>ie Westalpen hat er nur gestreiü. Aiu.h seine rege Theihmhme am Oestcr- rcichischen Alpenverein, den er 1862 gründen half, wurzelte eigenüich in seiner besondem Keigung für die Alpen des SaJzkammerguts, und die meisten von seinen zahlreichen und mannigfaltigen Beiträgen in der Zeitschrift dieses Vereines sind aus Studien in diesem Gebiet hervorgegangen. Nur seine Unter- suchungen über die Tiefe und Oest.-tlt der Seenbecken und die Sccntem])cra- luren haben ihn bis zum Achensee geführt. S.'s wichtigste Gletscherbeob- achtungcn sind auf das Dachsteingebiet beschränkt, Karl Diener hebt treffend hervor, dass man ihre Bedeutung erst recht würdigt, werai man sich daran erinnert, dass als S. seine Studien an den Gletschern des Dachsteins begann, Ami Rone iiherhaupt (he Möglichkeit von f iletsi liern in Kalkgebirgen bestritt. S. hat in seinen oft wiederholten Messtnigen und Aufnalimen eines und de«;- selben Gletschers, z. B. des Kariseisfeldes, ein ungemein reiches Material zur Kenntmss der Gletscherschwankungen geschaffen. Den Wirkungen der Eissett in den Ostalpen hat er zuerst Beachtung geschenkt Die pflanzengeographischen Studien S.'s beschäftigen sich hauptsächlich mit Höhengrenzen und Boden- bedingtheit. Auch hier zogen ihn cin/elnc Gegenstände besonders an und er ist z. B. zur Legfuhre mit mehreren Arbeiten zurückgekehrt. Zu zoologischen und prähistorischen Studien gaben ihm ebenfalls Erscheinungen seines Studien- gebietes Anlass, wie die Thierwelt der Tiefe des Hallstättersees und die pift- hist()ri>< hen P'unde auf dem Salzberg. In fest allen diesen Arbeiten ist ein morpho- logisches Element, das oft hart an der Grenze der Kunst gelegen ist. Am klarsten tntt fhcses in dem grossen Werk »Das Dachsteingebief hervor, in dein die von S. gt /ei( hnetcn oder phutographierten Bilder den an sich treff lichen Text weit überragen. In der Absicht, ein plastisches Bild der gaiuen Natur einer Ge- birgsgruppe zu geben und zugleich das Verständniss eigentOmlicher Boden- fbnnen mehr durch typische Bilder als durch morphologische Hilfsmittel zu vermitteln, liegt ebensoviel künstlerisches als w!ssen«irhafili( lies Bestreben. Die enge Verbindung beider ist eben das Eigene in der Natur S.'s. S. hat in anziehender Weise erzählt, wie er sich selbst zum Zeichner ausgebildet hat, indem er von seiner ersten Alpenwanderong mit der festen Ueberzeugung xurttdckehrte, dass die Betrachtung all dieser sdiönen Dinge nur'WerUi habe, wenn er ihre Formen zeichnend festzuhalten vermöge. Wie in der Wissen- schaft lernte er nun auch in der Kunst das beste in der Schule der Natur*

Digitized by LiOOgle

SuBODj. Siekr.

Sdne ZekJimtiigeii woDcn dufcbn» nicht gefiUleiv tondetn mir vabr kui, lie w<rflen audi nidit aUes wiedergiAm, «u man aiehl^ mmöau aar die FonDen:

diese aber wmemch.iftürh geoaiL S. hat xwar auch farbige L>arste11ungcn v^r^ncht (ein grosses »l.Ict^rherphSnomen« in Aquareü erhielt auf der 1873er Weitau-ssteilung eine goidcn^ Mcd.uüc"), aber «^eine :5Urke Hjj in der scharfen, wisseuschaftlich generaliaerenden Uiririsszeiclinung. S. hai eine Reihe von wdtrerbretteten F^uHmuMn gezddmet, so vom Schafbog, Sanstciiw Vcttiicr Kamm. Als einer der Ersten hat er 'lio wissenschaftUclie Venrendung der Photographie in die Hand genommen. Mit dieser Bevorzugung der Darstel- lung der geographischen Er^srheinun^rerj war S. in erster Linie hcvrhreibender Geograph. In der Abstraktion und Sciilu^ziehung wagte er »icli nicht gern alkavciL Hier hiek der Kümtlor deD Forscher zurück. S.'s 24]ahnge Lehr- thädg^t an der wiener Univerrität hat in Oesteireidi das Verständnis für Geographie und den geographischen Unterricht ongemem gehoben. S. hat keine Schule ;icl)il'lei, aber in cin/clncn H'njjen G-eoj;rriphert die T.tist am Mfssfii und ZcichiH'n und an fk-r liebevollen Beobä» htun^ licsonders der al- pinen Naiurer:»ciiciiinngcn geweckt. Unter ihnen ist Eduiu^d Richter in (inu, der Erforscher der Gletscher mid Seen der OsCalpen, der Bergsteiger, der Naturfreund und Naturschilderer, der beste Vertreter der S.*adien Richtung in der Geographie. Während S. ohne Au&ehen wiikte, so dass seine l~haiig- keit nach .itisscn hin selbst in Fachkreisen krrnm Bearhtiinrr fand, stattete er sein enges Lelirüimmer mit einem reichen Schatze von Karten, Zeichnungen und Photographien aus, deren Werth man erst m den letzten Jahren so recht XU schjUzen angefangen hat S. hatte ride Jahre in besdieidoier, jedes Auf- sehen vermeidender Weise gewirkt, cte seine ThtUigkeit in weiteren Rreiaen gewürfli;?t wiirrle. Pic licbcnswürflipc, dal>ei streng rechtliche Natur S.'s kannte keinen andern Kbr^ci/. als die KordL-runu der Studien seiner Schüler und die gründlichste Vollendung seiner Arbeiten. Die Verööendichung dieser Arbeiten war ihm dann Nebensache. Erat jetzt koomien in dem von Pcnck und Richter herausgegebenen »Adas der ästerreichiachen Alpenseen« die mftheroUcn Seen* messungen S.'s vollständig an die Oeffenüichkeit, In seinem Tode^ahr ver- lieh ihm die K.K. f /Copraiihis( hc Clesellschaft ihre Tlnuer-Mcflaille aus AnlM<^'= der Vollendung de.s Dacksteinwerkes. Beim Sclu-iden aus dem Amte, 1880, hatte ilun seine Regierung den i Lofratstitei gegeben. Die grösste Gcnugtiiuung bereitete ihm aber die Feier seines 80. Geburtstages unter begeisterten Kund- gebungen zahlreicher Schiller und Fachgenossen. Am ao. Juli 1896 starb S. SU St. Gallen in Steyermark.

Verxeiclmiss iJcr Werke von Dr. Förster, Wien 1896 u. bei Wurrb.ich Bd. 34- Nctcrolog'e von K. Diener iii ilcii Mitth. d. K. K.. Geographischen Ge&ellschatt zu Wien 1896, tod Richter in d«a Ifittlu dci D. u. ö. Alpen -Vereins 1896, von Supan in den Geogr. Mitth. 1S96.

F. Rätsel.

Sichr, Gustav, während der yoiger und Soiger Jahren einer der nam- haftesten Bassisten der deutsrlieii Openibtihne, wurde am 17. September tS;;- zu Arnsberg: geboren, l.r cnfst.iiimUf einer ;uifjcschenen prens<;is(liL'ii lleamit n- familie und schien selbst durch Vorbildung uud 1* amiiientradition zu einem gelehrten Berufe bestimmt. Da erwachten ob den musikaluidicn fVeuden der Berliner Studentenzeit die künstlerischen Neigungen in S. und 186s sattelte der junge Mcdiciner, von Heinrich Dom und dem Opernsänger Julius Krause wohl beraten und angeleitet, zum TJühiiensiin^rer um. Nach einer sehr kiu^en Lehrzeit öfihetcn sich dem stimmbegabten, geistig gut vorgebüdelen

Digitized by LiOOgle

SIelir. Bäucrle.

335

Bassisten 1863 die Pforten des Hoftheaters zu Neustretits, von wo seine au&teigende Laufbahn ihn bald nach (lOthenburg (1864 1865) and Prag (1865 1870) und schhesslich nach Wiesbaden führte, dessen Hofoper damals unter Wilhelm Jahns Frthnmg gerade in schöner Blüte stand. In diese Zeit 1870—1881 tällt auch die Reife von S.'s Künstlerschufi und als ihn 1876 ein glücklicher Zu£eü1 nach Bayreudi führte und zum ersten Darsteller des »Hagen« in R. Wagners »Göttodämmerung« machte, war sein Ruf in Deutsch- land begrOndet. Der Meister selbst, dem S. als Ersatz für den widerspenstigen Scaria aus arger Vcrlcgenh it half, hat dem Künstler, der in kaum zwei Wochen die ausserordentiich srhwicrit^c l'artie erlernte, seine Anerkennung ausgesprochen indem er üJi'cnilicli bekundete, S. habe sich den Charakter des Hagen »tn Sthnme, Sprache, GebArde, Bewegung, Schritt und Tritt so vollständig angeeignete, dass die Durchfllhrung der RoUe zu einer »Meister- leistung« wurde. Wer in späteren Jahren den von Dämonik allzu freien »Hagen« S.'s kennen lernte, wirrl, unbeschadet «Icr meistcrlicheti Antorität, dies Urteil etwas bestaunen. Wie hoch Waijner S.'s Leistvuig und Kini.silerschaft s( hätzte zeigt sicii aber auch diuin, dass er sogar daran dachte, ilun seinen "Wotan* anzuvertrauen (Brief y<mi is. September 1876) imd dass er ihn neben Scaria 1883 zur Darstellung des »Gumemanz« nach Bayreuth berief. Li der Rolle tlieses edeln Greises, die er während mehrerer Festspieljahre übernommen hatte, fand S. Gelegenheit zu einer seiner !>esten Kunstleistungcn, denn hier konnte sich die breite Behaglichkeit seines Wesens, die sonst meist nur den alltäglichen Ati%aben des bürgerlichen Singspiels zu gut kam, einmal auch auf höherm Kunstgebiet ausgeben. Am Mttnchner Hoftheater, dem er vom September 1881 bis zu seinem Tode angehörte, hatte S.'s nicht eben scharf ausgeprägte Künstlerart keinen leichten Stand, doeli hielten die dröhnende Wucht seiner Stimme und die sinnvoll gemessene Weise seines Vortrap^ allzeit die Teilnahme fUr seine Leistungen im seriösen Facii fest. Im jalire 1887 erhielt S. den Titel eines königl. bayr. Kammersängers. Durch schweres Leid in seinem Familienleben vor der Zeit gebrochen, starb S. am 18. Biat 1896 in München.

Heinrich Welti.

Bäuerle, Friederike, Tochter des bekannten Schriftstellers, Begründers und Redacteurs der Theaterzeitung Adolf Bäuerle aus dessen erster 1806

geschlossener Khe mit Antonie Egger wurde zu Wien 11. Dezember 1S17, nach Wurzbac Iis biograiJust licni Lexikon des Kaisertliums Oesterreich 1820 ^'choren. Fane ausge/eichnetL- Kr/,iehung, die alle wichtigen I )isciplinen inensrh- iichen Wissens und der Künste umfasste, befähigte Friederike B., die zudem von der Ni^r mit einer sdtenen Beanlagung hi Sprachen und Musik be- gnadet war, schon frühzeitig als Fianistm und Schriftstellerin erfolgreich auf- zutreten. Ent/iickte sie in eisterer Eigenschaft durch die Lieblichkeit und (W(\7\e ihres Sjtiele?;, so intercssirte sie ?n let/'terer durch die gei^^tvolle l'ikan- icne. mit welcher sie ihre S( hilderun^en /u wür/en verstand. Ihr nuisikali>ches Können stell le sie im vormärzlichen Wien fast ausschliesslich in den Dienst der Ö0entlichen Wohlthätigkeit, ihre Feder in den ihres Vaters. Die vielen mit »F.« gezeichneten Skizzen und Bluetten, welche die Theaterzeitung in den Jahren 1850 bis 1853 brachte, hatten Friederike B. zur Verfasserin. In späterer Zeit vcrwcrthcte sie ihre reichen Sprarhkenntnisse und übersetzte eine grosse Anzahl französischer und englischer Romaue, die theils imter

I

Digitized by Google

Bauerle. Berlü.

ihrem eigenen Namen tlieils mtter dem Pteudonym: Fdedrich Hom in dem von Hartleben m Pert und Wmu herausgegebenen: »Belletristischen Lcsc- kabinet« erschienen. Wir nennen von diesen ihren Arbeiten: Der Spion ! r vornehmen Welt von Saint Gfor^'cs, Miss Mary vmd Gilbert und Giibciie von Kugcii Öue, Die Wilde der Berge, der letzte Irlander und die Marqui>c von Norville von Elise Berdiet, Contino Contini, dann: Der Mensdicnjager von Gonzales, die Getftngnisse von Scblttssdbufg von Fath, die letzte der Feen von James. Gemeinsam mit Constant von Wur/.l>;n h veröffentlichte Friederike B. narh einem von dem Erstgenannten entw ortcnen Plane 1853 in der »Ostdcuisc lun l'ostr« und 1854 in Nordni.mns Salon die von der Lesewelt niii ungcwohnUchein ßeifalle aufgenommenen »Blumenbricfe^. Nach dem Ableben ihres Vatera, der zu Baad in der Nacht vom 19. auf den 20. September 1859 suirb, gab sie unter dem Titd: Der erste April Der Herzog Lorenz Bruchstücke aus ilen Erinnerungen und Erlebnissen desselben heraus, die ^'leichfalls nllgemeiiuin Interesse bege^eten und den Ruf ihres Namens förderten. Trotz dieser wiederholten und schönen Erfolge 20g «th Friederike B. plIMzliczh von der Welt xurack tmd lebte Jahnebnte hindurch von allem Verkehr abgeschlossen, auf einem kleinen Besitsthum zu Urseben' dorf nä< h^t Wit lu r Neustadt. Dortselbst s< liiud sie im hohen Greisenalter am 17. Juli 1S96 aus dem Leben. Friederike B. war unvermählt geblieben.

A. J. Weltner.

Berta, Alois, Pseudonym fllr Alois Scheichl, {jsterreidrischer Volkse dichter, wurde au Wien 7. März 1826 geboren. Ursprünglich für die musi-

kaiische Laufbahn bestimmt, widmete sich B. 1847 der Bühne und war als Schausfvieler und Sänger zunächst am Deutschen Theater zu Pest thätig. w selbst er auch ein Jahr später seine erste Bliliiiciulw htung »das Charakui- gemälde: der letzte Zopf^^ zur Auhuhrung brat hie. De» Erfolg dieses Stücket» bestimmte ihn zu weiteren Arbeiten, die von Publikum und Kritik freundlich aufgenommen wunirn und bereits im Herbste 1848 seine Berufung ab Dramaturg an das Theater an der Wien zur folge hatten. In dieser Stellung entwickelte B. eine ül)eraus fruchtbare Wirksamkeit auf dramatischem Gebiete. Er schrieb nicht nur (Jriginalwcrke, sondern übersetzte auch zahlreiche fremd- Ufndiscbe Bühnendichtungen und lieferte ausserdem Bearbeitungen beliebter norddeutscher Volksstücke. Im Theater an der Wien sowie in der in den fünfziger Jahren in Fttnfhatts bestandenen Arena hatte er seine grössten dirhterist hen Triumphe /u verzeichnen. Hier entfesselten sein Volksstück: Gervinub niit Treumaiui und luil/ in den llaupUulien, sein Schauspiel: Der Zigeuner mit Karl Rott in der 'ÜLelroUe, sein Ausstattungsstück: Die Muiik des Teufels, endlich seine Possen: Schottenfeld und Ringstrasse, dann: Unsere Lehrbuben Stürme des Beifalls. Wären in der Zeit seiner Blüthe, Ende der Sechziger- und zu Beginn der Siebziger-Jahre, Tantiemen und Honorare höher gewesen, B. müsste ein reicher Mnnn geworden sein, flenn er beherrsehte durch geraume Zeit im vollen Sinne des Wortes das W icner volkstliünilichc Theater. Bei den damaligen Verhältnissen, gelang es ihm nur, eine be- scheidene Existenz zu fristen. Wir besitzen von B. über acfatag den Abend füllende Stücke und mehr als fünfzig Einacter u. zw. Possen, Quixakterbilder, Schrtu- und T ustsi.ii lc, sowie Operettenlibretti (darunter das von Millöcker < oiuitouirle Singspiel: I ver%vtrnschene Schloss, das mit Ginirdi und Oall- ma)er grossen Erfolg hatte). Alle diese Arbeiten sind heute nahezu ver-

Digitized by Google

Berla. Curo*

337

gesseii und nur das von ihm für Wien eingerichtete norddeutsche Lebensbild Drei Paar Schuhe, in welchem Marie Geistinger briliiric, geht noch ab und zu in Scene* Wenn B. und seine Schöpfungen von der Gegenwart ignorirt werden, so darf desshalb nicht auch seine einstige Bedeutung für die YTiener Volksbühne unterschätzt werden. »Ein Possendichter der sogenannten alten Sc luilo - verstand er es, den jeweiligen T.telilingen der Wiener rlie dankbarsten Rollen auf den Leib zu schreiben, nebenher aber aiu h, imterstiUzt von einer unerschöpflichen Phantasie und einer ungemein scharfen Beobachtungsgabe fUr das sich in vielgestaltigen Formen äussernde Leben der »Kaiscistadt an der Donau« seinen Stücken durch packende Episodenfiguren reichen und fesselnden Inhalt zu geben. In den letzten Jahren lieferte B. für Wochen- und Tagesblätter novellistische und theatergeschichtliche Beiträge, für die Buhne selbst schrieb er nichts mehr. Längere Zeit kränkelnd starb er den i6. Februar 1896, drei Wochen vor seinem siebzigsten Geburtstage, welcher durch eine Aufilihrung eines B/schen Werkes im Carltheater hätte gefeiert werden sollen.

A. J. Weltner,

Carro, Karl Ritter von, als Schriftsteller und Recitator, sowie bis Mitte der Siebzigerjahre unter dem Pseudonym: Karl Carode auch als Schauspieler erfolgreich thätig, entstaounte einer alten aus Genf nach Wien emgewanderten

Familie und wurde hier am 31. März 1846 geboren. Sein Grossvater war der seinerzeit berühmte Mediciner Dr. Johann Carro, tlcr sich einerseits um die Kinfulining der von Fdtiard Jenner entdeckten K 'ili|)orkcn-lmpfung am Continent, anderseits um die Hebung iles Rurortes Karlsbad grosse Verdienste erworben hatte und, 181 3 geadelt« i8so in den österreichischen Rittetstand erhoben worden war. Karl von C., für die kaufmännische Laufbahn bestimmt, besuchte eine Wiener Handelsschule, die er aber, siebzehn Jahre alt, verliess, um sich fler Bühne, für welche er von Kindheit an das regste Intere«?«?e und eme nicht gewöhnliche Begabung gezeigt halte, zuzuwenden. Nachdem er eilf Jahre hindurch an verschiedenen Bühnen Deutschlands und Oesterreichs mit mehr oder weniger Glück gewirkt hatte, berief ihn Franz von Dingel- stedt nach dem Abgange Franz Kierschner's an das Wiener Hofburgdieater, an welchem er jedoc h kaum ein Jahr vom i. October 187.} h\s 30. Juni 1S75 verblieb. Seine erste Rolle an» 13. Ortober 1R74 war: Graf Rivers in Konji^ Richard III., seine letzte der Philosoph Grimm in iNarciss am 16. Juni 1875. Die geringe Beachtung, weldie seine schauspi^erischen Leistungen fimden, veranlassten Karl von C., sich gKnzlich auf das Fach der Recitation zu verlegen, in welchem er sich schon vor und auch während seines Wiener Engagements mit cntsrhiedenem Glück versucht hatte. F(ir *;eine Re< itatinnen walillc er mit Vorliebe Volkslücke Anzengrubers und Ganghofers. Stets frei aus dem Gedächtnis sprechend, bot er, unterstützt von der seltenen Meister- schaft, mit welcher er den österreichischen» wie den bairischen Dialekt be- herrschte, und der Modulationstähigkeit seines Organes geradezu unflbertreflP' liehe Interpretationen dieser Dirhtunpcn. Was Jmtkcrmann Fritz Reuter und dessen Werken ist Karl von C. für Ganghofer und An/engriihcr geworden und vornehmlich die Schöpfungen des Letzteren verdanken C.s Kiuist viel warmes und verständnisvoHes Interesse, das ihnen Deutschland entgegenbrächte. Zehn Jahre hindurch zog der nimmermüde Recitator in Deutschland und Oesteireich von Ort zu Ort, allttberall von einer stets wachsenden Gemeinde

Blogr. Jalurb. DmtMlicr ir«kral«gb ^9

Digitized by LiOOgle

33»

CsiTo. Cfcimts.

von Verehrern seiner Kunst treudi^' l)curusst iukI von der Presse rückhalb;- los anerkannt. Ausser den Schritten Ganghofers und Anzengrubers nahm Karl von C später noch jene Fnuiz Stdzhamer's und Kail Stiekr's id sein Fngmnm auf und enielte auch durch deren Wiedergabe anbestrittene glSnzende Erfolge. Von 1886— 1889 leitete der Künstler während der Sommermon.itc das Kurhaisstlieatcr in Cröi'sin^^en. Um dieselbe Zeit trat er auch mit seinen ersten st hrit'ti>telkris( hcn Arbeiten vor die Oeti'entlichkeit. Das Volksstück: Der Raril-Lum|) und oberbairische Gedichte unter dem Titel: In Stieler's Fussstapfen gewannen ihm manche Freunde. Im lelster^ wähnten Jahre kehrte Karl von C. nach Wien zurttck, das er aber bereiu 1890 wieder verh'ess, um die Stelle eines Vectra ^meisters an dem Institute der Frau MnvT-Pcvrimskv in Graz übernclimen. Diese Art Thittigkeit scheint ihm aber werug beiiagt zu haben, denn schon nach Jahrestrist finden wir C. wieder in Wien, woselbst er als Recitator und diamatisdier Lehrer sich recht und scMecbt fortbrachte, bis schweres Siechthum ihn dancrnd an das Krankenlager fesselte. Nach langem Leiden erlöste ihn der Tod am 22. März 1896. Ein schlichtes Denkmal nm evrtn'rcHsrhen Friedhofe nu'^'ier- halb der Mat/teinsf! orfer Linie bezeichnet die Stätte^ wo Karl von Cs irdische Ucberresie ruhen.

A. J. Weltner.

Ckenlts, IgBas, Schauspieler und Theater-Director erblickte zu Fün^

kirchen in Ungarn am 27. Mai i i ; das Licht der Welt. Kaum den Kinder- schuhen ent\^arh<;en, gicng er zur liuhne und entuirkelte sich rasch zu einem der besten Komiker des deutschen ^rheaters, Nachtlein er mehrere Jahre hindurch die Direction der Theater in seiner Vaterstadt und in Temesvar geleitet hatte, gieng er 1857 nach Gras und witkte unter Dtrector Balvanaky durch skln n Jahre als erster Komiker am dortigen Landestheater. Ostern 1864 übernahm er die Direction des von ihm ins Leben gerufenen Gramer Thali?» <y>atcren Stadt und nunmehrigen Stadtparktheaters, an welchem er vornehmlich die Posse und Operette pä^te, nebenher aber auch das Schauspiel und die Oper mit Glfick cultivirte. Unter ihm begutn Amalie Friedricb-Materaa ihre Rttnstlerlaufbahn, machten Alexander GirsnU und Ruddlf Tyrolt ihre ersten schauspielerisdien Versuche. 1866 nahm C. ein Engagement am Carltheatcr in Wien nn und dän/te hier nnmentlirh in Nestroy'schcn (^Je^tr^hen. als deren buerj»ret tr allgemem gcrulimt wunle. Nach einigen Jahicn vcrlicss der Künstler Wien und gieng nach Olmütz, wo man ihm die Direction des dortigen Theaters Ohertragen hatte. Spä- tcr finden wir ihn abwechselnd als Oirector der Bühnen in PressbuiK, Hrünn, KJagcnfuri und Innsbruck thatig. Wo immer er weilte und wirkte, genoss Igna?^ C T^L'erticine Achtung und hinterHc??^ er ehrendste An-

denken. Als iJirector wusste er sich die Liebe »eines Personals zu gewimicn, dessen Wol er stets zu tordeni trachtete. Demgemäß hatte er auch nie mit der Missgunst der Schauspieler zu kämpfen und konnte jedetaseit auf ein ge- deihliches Zmammenwirken seiner Gesellschaft rechnen. Die Vorstenmig^ die er dem Publikum bot, erhoben sich an Güte weit über das Xivcnu ge- wöhnlicher Provinzbuhncn und trugen ihm d.iher nicht Mms küiisiierischc Anerkennung sondern auch materieilen Gewinn ein. Wahrend die von ihm geleiteten Bühnen Ferien hielten, begab sich Ignaz C auf Gaslspide. In den Sethzigcr- und Sieb/iger-Jahren spielte er in Beriin, München, Würzburg, FtankhiJt am Main, Prag. Lemberg, Linx und Tiiest, ttbeiall mit Beifiül auf-

Digitized by Google

Csenitt. Dfetc.

339

genommen. Als er vor einigen Jahren die Direction des Tnnslinif kcr Thcnters niefl erlegte, um sich in das Privatleben ziiriirk^ii/iolun , s.ili ihn (hr Hau]it- stadt Tirols nur mit grossem Bedauern scheiden. In dem Städtchen Feggau bei Graz, woselbst C. sein Donsicil nahm, widmete sich der alternde Kttnsder nunmehr ganz einer zweiten Kunst, die er in jungen Jahren, freilich nur insgeheim, eifrig geübt hatte: der Malerei. Die Bilder, die er in behaglicher Ruhe schuf, machte er seinen Freunden zum C^esdienke und die Freunde wieder erinnerten sich am achtzigsten (lel)urtsi.i},'f des Künstlers: des »Vjiters C.'s« und llberraschten den Greis am 27. Mai 1894 in seinem stillen Heim ZU Peggau mit sahlloaen Beweisen der Liebe und Verehrung, die sich auch im reichen Masse einstellten, als es galt Ignaz C, der am as. Januar 1896 an den Folgen eines Sdila^^'an Talles verschieden war, auf dem Peggauer Orts- Friedhofe in das Grab 2u betten.

A. J. Weltner.

IHetx, Ludaülla, gebome Banmgartner. Schauspielerin, wurde als die

Tochter eines Kapellmeisters zu Fressburg «5, Juli 1836 geboren. Von einer mit ihren Kltcrn befreundeten reichen Dame :ni Kindesstatt angenommen, kam sie in frühen Jahren n.u Ii Prair und erhielt dort eine keineswcg"? fiir die Bühne berechnete Erziehung. Der in dem Mädchen schlummernde I heater- trieb Hess sich jedoch nidit unterdrücken und kaum sechzehn Jahre alt, ver- liess Ludmilla B. heimlich Prag und kehrte in ihre Vat<»stadt zurück, um an der dortigen Bühne ein Engagement zu finden. Director Megerle nahm sie nach gHirklirh nbgelcfijter des.inf^sunifun^' nls Chorisfin auf Diese Wirksam- keit behagte indessen der jugendliciien Runstjungenn nur wenig und schon 1853 sehen wir sie als Liebhaberin am Josefstädter Theater in Wien. Ein Jahr später machte sich Ludmilla B. unter Director Thom€ in Graz als »Local- sängerin« bemerkbar und hatte den Ausgangspunkt ihrer Carriire gewonnen. Nachdem sie drei Jahre, i'^54 bis 1857, an den vereinigten Theatern in I?uda- pest, wosell)st sie si( h aiu h mit ilnein Collegen Josef D. \ermahUi-, mn l-'r- folg thätig gewesen war, nahm sie ein Engagement am Brunner Siadttlieater an und verblieb dortaelbst der gefeierte Liebling des Publikums «-^ volle sechzehn Jahre. 1873 folgte sie einem Rufe des Director» Swoboda an die komische Oper nach Wien, um nach dem Zusammcnbhiche dieses Instituts an flem von ihrer Jugendfreundin Josephine Gallmeyer geleiteten Strampfer- Theater zu wirken. 1877 bis 1879 war Ludmilla I). unter Heinrich I,aube Mitglied des Wiener Stadttheaters und versuchte sich auf dieser Bühne aucli in Serifisen Rollen. Die Jahre 1880 und 1881 bentltzte die Künstlerin zu Gastspielreisen in Deuts( Iii and, worauf sie nach Wien zurttckgekehrt, auf kurze Zeit in den Vcrhanrl des Josefstädter Theaters trat, aus welchem sie aber Mieder schied, mn drei Jahre der Badener Biihne und einige Monate hinrlurch dem Theater an der Wien anzugehören. Von 1Ö84 bis 1894 neuerdings am Josefttildter Theater engagirt, erlebte sie als »komische Alte«, lllr welches Fach sie sich nunmehr entschieden hatte, eine zweite künstlerische Glanz^ e]-o< he, die ihren Namen dauernd eingeschrieben hat in die Geschichte der Wiener Volksbühne. Die schweren Existenzsori^^en , mit welchen d >< Joscfstadter Theater last »uumterbroch(;n tu k:\m\>fcu hntte. waren mit emeni Schlage behoben und der nie versagende Kic»senmagnet, der ganz Wien mit gleicher Kraft anzog» nannte sich T,udmilia D. Die Künstlerin als »Frau Sopherl vom Naschmarkt« oder als »Wunderdoktorin von Hemals« gesehen

2Z*

Dlgitlzed by Google

340

zu haben, palt nls gesellschaftliche Verj»tli( hlung. Wie Luclmilla D. aber auch diese und ähnliche Frauen aus dem Volke hpielen verstand l Welche un- nachahmliche Nuancen derb gemütlicher Komik, unverwiisdicfaen Humon sie in diesen ItoUen zur wirkungsvollsten Geltung brachtel Ludmilla D. mag jeder- zeit eine verwendbare Schauspielerin gewesen sein und in den verschiedensten Färbern gute Leistungen zu bieten vermocht haben, zur vollen unbestreitbaren Künstierschaft gedieh sie erst in den achtziger Jahren und wenn der Director des Josefstädter Theaters Herr Giesrau kein anderes Verdienst aufzuweisen hat, dxs, Ludmilla D. in die richtige SphMre ihres Wirkens zu ihrem und und seinem Wohle gerückt zu haben, muss ihm zugesptochen werden. Lud- milla D. war die echte und rechte Interpretin der resoluten, keinerlei con- ventionelle Beschränkung anerkennenden, laobbissigen , dabei her7ensguten Wienerin, wie sie lebte, lebt und leben wird. Die i^wenngleich nur iocaJe) .Popularität, welcher sie sich erfreute, war eine voll und wohl verdiente und der Geschichtsschreiber der deutsdien Volksbühne wird dieser ^finzcndcn Erscheinung im Rahmen des specifisch wien^schen Srbauspielthunis stets ge- tlenkeii müssen. Die I,iel)e und ^YTehrung, welche <iie Wiener Kunstfreunde ihr entgegenbrachten, äusserten sich, als sie im April iSq^ ihr vierzigjähriges KUnsdcrjubiläum feierte ^ sie gaben sich auch kund, als die Kunsüerin, die nach dem Rücktritt Director Giesiaus an das Carltheater ttbersiedelte, in Folge eines Schlaganfalles schwer erkrankte und sich von der Bühne zurück« ziehen musstc. Und als sie zu Wien 15. Juni 1896 aus dem Leben schied, war man darüber einig, dass mit ihr eine echte Volksschauspielerin gestor- ben sei.

A. J. Weltner.

Praaekel, Dr. Adolf, Schriftsteller, geboren Brünn 20. März 1823 n. A. kam, nachdem er in seiner Vaterstadt das Gymnasium absolvirt hatte, 1841 nai Ii Wien, um an der technischen Hochschule Mathematik und Mechanik itu studircn. literarische Neigungen bestimmten ihn, diese Studien abzubrechen und steh auf die Philosophie zu werfen. An dtr Universität zu Jena, wohin er sich vcm Wien begeben, erwarb sich Franckel den Doctoifaut Nach Wien zurückgekehrt, nahm er an der Bewegung des Jahres 1848 regen Antheil und musste nn f h «km Falle \Yiens seiner Sicherheit wegen Oesterreich verlassen. Kr begab ^it h nach Deuts« bland und veröffentlichte in Leipzig 1849 Bändclien ticdichte: Wiener Gräber«, das die Anfmerksamkeit der öster- reichischen Behörden neuerdings auf üm lenkte und seine persönliche Ver* folgung nach sich zog. Franckel flüchtete nach Weimar und schrieb dort das episch-lyrische Gedicht: »Der Tannhäuser«, das 1854 im Drucke erschien. Um dieselbe Zeit trat er mit Karl Gutzkow in niihere persönliihe Beziehung. 1855 wurde er gelegentlich eines Besuches in Dresden verhaftet und an Oesterreich ausgehefert. Nachdem er in Wien kurze Zeit in Haft gewesen, durfte er seinen Wohnsitz in Brünn nehmen, stand jedoch bis au der anliss- lich der Geburt des Kronprinzen Rudolf ertheilten Amnestie unter poli/ci- licher Aufsirlu. In Brünn lebte F., der sich nunmehr von jeder jiolitiNchen 'i hatigkeit fernhielt, ausschlicsslit h sc liongeistigcni SchatTen. Dramaturgische Vorträge, die er in den Winiermonaten verunstaltete, begegneten allgemeinem Interesse und bestimmten die Biünner StadtbehCftrde, ihm die Direction des dortigen Theaters zu Ubertragen, welche Dr. F. durch nahezu zehn Jahre, yon 1866 bis 1875 fUhrte. Die Jahre 1876 bis 1879 verlebte er in Deutsch-

Digitized by LiOOgle

Fnmckd. Hinch.

341

land. Im letzterwähnten Jahre erfolgte seine Berufiing als GeneralsecretSr des Wiener Stadttheaters, in welcher Stellimpj er bis rS82 verblieb. Der Drang nach sclltstancüger Wirksamkeit veranlasste ihn zum zweiten Male die Direction dts Brünner Siadllheater:» /u übernehmen und trotz der Ungunst der VerbAltniase durch drei Jahre beizubehalten. Als er sich 1885 in das Privatleben zurückzog, um sich ausschliesslich schriftstellerischen und Jour- nalistischen Arbeiten widmen m können, wurde sein Rücktritt von dem kunstverständigen Publikum Brünn's schmerzlich empfunden, denn Idealist durch und durch leitete Dr. F. seine Bühne nach den vornehmsten (irund- sätzen. Mit besonderer Vorliebe pflegte er das klassische Drama, dessen mustergütige Vorftthrtmg er fUr die Pflicht jedes Btthnenleiteis erklärte, der seinem Theater den Rang eines Bildungsinstitutes wahren wolle. 1887 wurde F. zum Secretär des Vereines des Deutschen Volkstheaters in Wien ernannt, in welcher F.igensrhafi er eine stille, aber gleichwohl nützliche I hatigkeit ent- faltete. Dr. F. starb zu Wien 30. April 1890. Seine Dichtungen, zumeist lyrischen Genres, finden sich in verschiedenen deutschen Zeitschriften. Eine Sammlung derselben fehlt bis sur Stunde.

A. J. Weltner.

Hirsch, Franz Arnold, Schriftsteller, wurde als der Sohn des jüdischen Kaufmanjis HoiLmanu Hirsch in der czechischen Stadt Horic in Böhmen am 15. Juni 18 15 geboren, und bezog nach absolvirtm Gymnasium 1838 die UniversiUlt zu Wien, um Medicin zu studiren. Sowohl als Universitätshörer, wie auch noch einige Zeit nach seiner 1841 erfolgten Prf)mo\irung zum Doctor medicinae fungirte Amiihi H. bei dem reichen Wiener (irosshämller Porges als Erzieher und lernte in dessen gastlichem Hause zahlreiche Notabilitäten kennen. In dieselbe Zeit fallen auch seine ersten poetischen Versuche. Als praktischer Arzt (Homöopath) war er bis 1852 thätig und genoss als solcher das volle Vertrauen seiner zahlreichen Patienten, die sein Entschluss, die Praxis aufzugeben, um sich ausschh'esslicli seinen literarischen Neigungen widmen zu können, mit grosser Betrübniss erfüllte. Nai Ii seiner Verehlichung mit Sophie Wehle ging IL zunächst einige Jahre auf Reisen und lebte ab- wechselnd in Dresden, Florenz, Rom, Paris tmd London. Theife unter seinem eigenen Namen, theils unter dem Pseudonym: Eginhard Quelle veröffentlichte er zahlreiche Aufsätze national -ökonomischen oder medicinischen Inhaltes, literarhistorische Essays, sowie kurze Erzählungen und Novellen, die /unicist im Familienbuche des Oesterreichischen Lloyd in Triest erschienen. Wir nennen hiervon: Helgoland als Seebad (1882), Baltlmar Stengel, dai» Grab eines Propheten in Offenbach, der Krieg unter den Thieren, der Abendberg^ Ueber Cietinismus, Zur Verstilndigung in den ärztliclien Kämpfen der Gegen- wart (1853 bis 1856^. Im Jahre 1859 debutirte er nui seiner ersten drama- tischen .\rbeit, dem Lustspiele in 3 Acten: Der Familien-Diiiiomat, das \<)m 26. Marz 1860 bis 18. Dezember 1865: n Male im K. K. Hofburgtheater zu Wien aufgeführt wurde und mit dem bertthmtan Komiker Beckmann in der Titelrolle einen grossen Lacherfolg hatte. Von seinen weiteren BOhnen- dichtungen gingen noch die Einacter: Sand in die Augen (1861), Eine Tour aus dem Contre-Tanz oder So passt's, nach dem Französischen des Fournier und Meyer (1862) und Zu jung und zu alt 11866) an der Wiener Hufbühnc unter Beifall in Scene. Bianca von Bourbon, I rauerspiel in 5 Acten, das H. dem Giosshenog von Weimar vorlesen durfte und wofür er mit der goldenen

Digitized by LiOOgle

34»

(k-ithncn-Mc-d'D.ie am Ban'le zu trafen, an<^cxei( hnet wurde, getar.^e LV?- zem':K:r 1860 im Dres^^iener Hofiheater 7"r f >'»r*reMung. Von Parts aiis, v >- iell/^i H. 1S61 seinen (jUtuemden Wobnsju gci^timmcn, schrieb er FeuiUetur^ f jr Wiener Blätter und beaiiieitetc frarar&swrhc Rcpeitohcaftcke fir die deuiMrhe Bühne, so IHc Fremde, Dora, Freund Fritz u. A. m. A_ > die •id£e^ VajFf^iconiennes^ , in welchen der nachmalige Kaiser Napoleon HI- iS.^o sctn [y.ihtjv }itrs Proirramm nieder^elesrt liatie, übersetzte H. ins I>eutscbc. Ir. dt-n Sicij/i;rerjahren mit seiner (iemalilin nach Wien zurückgekehrt, führte er hier ein oü'enes Haus, in vclchem sich namentiicb Gaste aus Fnuikreicfa ein- fanden. Als offizieller A'eiucter der Soäetii des amems druntHiiies m P!ui5 für Oesterreirh-L'n^.'am und Deutschland, welche Stellung H. erst ktHX **or seinem Abieben niedcrlc^'te, erwarb er sich um die Förderung der hterarisrhen iU:/Ath\:n'^cn zwischen Frankreich und Deutschland iinlaugbaie Ventteniice. hi. starb hochbeiagt zu Wien 24. November 1^96.

A. J. Weimer.

Kanxenberg, Hogo, recte Ranzeabefger, Scb >; ieler. Zu Budapest 1 3. September 1852, n. A. 1S54 gcl>oren, empfing Hu^o R. in Wien an Kierschncrs Theater-Akademie und von Karl 'Ireum-^nn den ersten draman- sci>en L*nterri*-hi und dcbutirte 1871 in Pola. Niu:h<icui er Kürzer oder langer in Triest, Gän, Buda{jest, Wien (Karltheater und Theater an der Wien engagirt war, berief ihn I^ube Ende 1S75 an das Wiener Scadttheater« welchem Institute er bis 1884 angehörte. Unter der zielliewussten Leitung Faijl>e's reifte R.'s s<:haus|)ieleris( hes Können und eignete er sich jene Viel- seiti^rkeii an, die spater den grössten Vorzug seiner kiinsilerischen Indivi- dualiuit bildete. Am Staduheater zahlte R. neben Katharina Schratt und den Herren Tyrolt und Bukovics au den ausgesprochenen Lieblingen des Pubhkums und die Erinnerung an seine eifreulichen Ldstungen war noch nirht vcrbiasst, als er nach langer Abwesenheit von Wien in dem neu ge- srhaffenen Kaimundiheater wieder auf der Scenc cr-^rhien. Von Wien aus begab sich der Künstler Ende 1884 nach Berlin und uar dort an den ersten Bühnen, am längsten im Lessing-Theater in liervorragcnder SceUung thätig. Ab Mitglied der letztgenannten Bühne creirte R. <üe schwierige Rolle des jungen Heinekc in Sudermanns »Ehre« und trug zu dem glänzenden Erfolge des Werkes wesentlich bei. Der dankbare Dichter I-egrüsste ihn denn auch als seinen besten Mitarbeiter«^. Nachdem er et.'ii::c Zeit dem Hotj>aur'schen Münchner Ensemble mit (ilück angehört hatte, berief ihn Director Müiler- (vuttenbninn als Regisseur und Schauspieler an das neu erOffiiete Raimund' theater in Wien. In beiden Eigenschaften entfaltete der Künstler eine ebenso rege als ersj»riessli( he Wirksamkeit, die das Gedeihen des jungen Institutes erheblich forderte. Den Umtrieben, welche den Rücktritt Miiller-Oirttenbrunns zum Ziele hatten und auch durclisetitten, stand R. vollkommen ferne und als ihm die erledigte Directton angel>oten wurde, lehnte er die Uebemahme der^ selben rückhaltslos ab. Wäre R. ein längeres Leben beschieden gewesen, würde es ihm wohl gelungen sein, sich zur höchsten künstlerischen VoUendung emporzuarbeiten, unrl rlies um so gewisser, hritte sich ihm, woran nicht zti zweifeln, ein grosserer und besserer Wirtungskreis nh der eines X'orstadi- thcaters erschlossen. Brachte er doch ;üle Vorbedingungen hie/u mit. Sein JH^her Tod knickte alle auf ihn gesetzten Hoffiiungen. Nachdem er noch am 18. September 1896, obscbon tmwobl, den Doctor MtiHer in Leon's; Gebildete

Digitized by kjOOgle

Ranselberg. Tbalbofh.

343

Menschen gespielt hatte, starb 6t drd Tage spftter, am 21. September Mittags, Alls R.'s tL'ii Iicin Rollenschat/e seien als seine vorzüglichsten T);irbietvnigen er\».ahm. Teil, Egmont, Posa, Ks>»ex, Uriel. Acosta, Hamlet, Karl Moor, Pitt und 1 ux, Guldmensch, karlschüier (Schiller), Journalisten ^Holz), ivriscn s^liolien- berg)^ Cato von Eisen, Daniel Rochat» Bttrgerlich und Romantisch (Ringclstem), Welt in der . man ncli langweilt (Bellac).

A. J, Wcltner.

Tbalboth, Heinrich, Tseudonym ftlr Heinrich Razga von Ra^ztoka, ScJiauspieler uud Bühnendichter wurde zu Prag 15. Juli 1841 geboren. Sein Vater, Faul Ra^ga, evangelischer 'Püiter, übersiedelte später nach Presshurg,

nahm dort an der Gründung des Nationalvereins und der Organisation der National^'anlc regen Antlu-il uml wurde 1849, obschon si( Ii der Vorsit/eiule de*^ Miliiargeri( htes l'urst Windisc h^rat/., der Razga von l'ra^ lier kannte, ]»er- sonlich fiir seine Rettung vcrvvciulcle, in Folge seines rückhaltslosen (icstantl- nisses, die revolutionäre Bewegung gefördert su haben, zum Tode verurtheilt und hingerichtet Der damab achtjährige Heinrich winde zunächst im Press- burger "Waisenhausc untergebrac ht, dann aber von A' rwandten in Pflege und Erasiehung iiV>cmommen. Nachdem er die Realschule absol\iert hntte, kam er 1858 an die Technik nach Wien, welche er aber 1850 verlies?», um als Kfcis^illiger in die österreichische Armee cinzuircien. Nach sechsjähriger IMenstzeit zog er den Soldatenrodt aus, ging zur Btthne und debutirte am 15. ^rai 1865 im deutschen Sommertbeater in Ofen. 1868 trat Th., der bis- her .ibweehselnd in Krcnr^, Igbiu, Karlsbad, Marburg und Tei)lit7 [gespielt bitte, ttnfer Direetor Str unpfer sein Engagement am Theater aq der Wien an und wirkte an diesem Institute bis 1877 als Schauspieler, Regisseur und Se- cretär; in letzterer Eigenschaft seit dem Jahre 187 1. Von September 1877 bis 'Mai 1884 war er am Wiener Stadttheater als darstesUender Kftnstter wie als Secretär thätig und erwarb sich namentlich im administrativen Fache om die Reoffjnnisation de»? technisclien Körpers und des Tlieateihnnshnbc'; L'rosse Verdienste. Nach dem Brande des Stadttheaters kehrte er wieder an das T'heater an der Wien zurück. Während der Kunst- und Theater-Ausstellung an Wien 1892 war Th. verantwortlicher Leiter des Ausstellungstheaters, ftir welchen Posten er vermdge seiner Sprachkenntnisse prädestbiirt erscliien. T)ie künstlerischen und materiellen Erfolge dieser Bühne waren denn auch Th.'s verständnisvoller und unermiklbVher Gest h.iflsRilirnnfx zu verdanken. Im M;ii 1893 feierte der Künstler das Jubiläum seiner tunluud/wanzigjährigen Bühnen- UiäUgkcit und empfing aus diesem Anlasse zahlreiche Beweise der .rVnerkennuiig. Bei der Grttndung des Raimundtheaters wurde Th. als Directionssecretär be- rufen, musste von dieser Stellung jedoch nach wenigen Wochen wegen an- dauernder Kranklirlikeit znriit Vtrctcn und verVira< Iite die letzten T.cltenstage in vollkoniniener Zurückgezogenlieit. Th. «^tarh /u Wien tq- bnni ir 1896. I>ie schauspielerischen Leistungen Th.'s er spielte zumeist ChargenroUen waren nicht gende bedeutend, um so hervoiragender war seine Wirksamkeit auf administrativem Gebiete. Eine umiassende Bildung, das richtige Verständ- niss für die Erfordernisse der Btthne, ung^wönliche Sprachkenntnisse und con- ciliinte l''m!:anpr*'formen machten ihn /m nie versagen rlcn Stütze jedes Dircctors und wurden ihn l)etaliin;t haben, jede Bühne mit (iluck ^u leiten. Als Theater- dichter lieferte 1 h. verschiedene Schauspiele, CharaktcrgemäJde und Possen, welche, wenn^dcb sie auf keinen höheren poetischen Werth Anspruch zu

Digitized by LiOOgle

344

erheben vermögen, immerhin als die Fnirh'. ci';t> elirachen gesunden Strebens Anerkennung verdienen und zum grossen l eii auch geiundten haben. Wir nennen ynm «einen diosbcfOi^idien Asbeiten: Ein «aluter Demoknt. Ein Wiener Briefträger, Troppmann, Die luftigen Wetber von Wien, Eine heim- liche Leidenschaft, Der Wiener Festzag» Eine Kldnigkeit, Oesterreich-Ungarn, V, fe leibt und liebt, l'n«cr ^^' !V. in Waffen, Ein alter Hallodri, Gross-Wien, 'lurrjbio, Jugendsünden, (iebrandmarkt. Eine seiner le?2teri S<:höpfungcn war die gemeinsam mit iL Anthony verlasste, von Keuicrer ui Musik gesetzte Gesan^ilMiletke: Unser Wien im XX. Jahrfaimdert, vddie 1891 nn Culäienicr wiederholt mit ßeifall gegeben wurde. Nocfa Witt za erwähnen, dass Tb. auc li zahlreiche ftansösische Stücke übersetzte imd Ar die Wiener Verfaütaisse bearbeitete.

A. J. Wehnen

VersittgJlMiptimuui» Ann«, Schanspiderin vid Schriftstellerin. Ort and

Tag der Geburt dieser bedeutenden Frau, die in ihrer Doppjeleigen- »rhnft nls f!:»r»;fel?cnrlc KfinstlLTin \m(] Dichterin ebenso oft flber-<b\v. ingliche Hui' liuuDgen als denuiihi^ende Herabsetzungen /u crf.ihren hatte, lassen sich nicht genau bestimmen. Nach E. W. Uettinger wurde sie zu Mainz 14. October 1834, nach dem Nenen Theaterahnanacb pro 1897 am s.October 1832, nach Sachcr-Masoch , Brtlmmer und Wurzbach zu Prag 183$ geboten. Ihr Vater war am dortigen deutschen Theater als Tlaritonist, ihre Mutter Anirn^tc ;::Tiorene S mber, von der Immermann ^nc(lcrholt mit Anerkennung sitriclii, als Schauspielerin engagirt. Ein Jahr all, kam Anna V. mit ihren Eltern nach St. Petersburg, woselbst sie bis 1846 verblieb. Schon damals ▼erriet sie ein lebhaftes Verlangen, sich gleich&lls der Bühnenlaufbahn zu widmen, das aber vorerst unLerücksichtigt blieb. Erst als sie dreizehn Jahre zahlte, gab die Mutter den Bitten der To< bter nnrh tmd übeniahm selbst ihre Aii^^MldünL'. 1840 debutirte .^nna V. zu Olniiii/ mit ( iliick als Königin von sechzehn Jahren und kam sofort an das Präger standische J heater, wo ihre Darbietungen ebenfalls freundliche Aufiiahme fiuiden. 1850 bis 185a war sie mit Erfolg in Brünn th&tig, zog sich aber nach ihrer im letztgedachten Jahre erfolgten Verehclichung mit dem Buchhändler A. Hauptmann von der Bühne zurück und lehnte WTerkrlu*]! p:l;irven<k' Atifr.ipc ab, die ihr u. A. von Wien, Berlin und Hann<>\i r ^t in.u ht wurden. Tloi/Iit h, 1859, ervviichte in ihr die aJte Thcaterlust und iiaclidem sie in 1 raiikhirL am Main mit schoiiem Erfolg gastirt hatte, trat sie sofort in den Verband der dortigen Btthne, sah sich jedoch bald, von Fräulein Janauscheck, die damals in Frankfurt die erste Rolle si)ie!tc, verdunkelt und suchte ihren Vertrag zu lösen. Da ihre diess- ])eziiglichen Bcm»ihim;?en erfolglos blieben, benutzte sie die unfreiwillige Mu««:e, welche ihr die Njchivcrwendung in Frankfurt gewährte, zu Gastspielen in Bres- lau, Magdeburg, Görlitz, Berlin, Brünn, Pest und Prag. Im Mai 1860 erschien Anna V.-H. auch am Wiener Hofburgtheater und spielte <)ie Jeanne d' Are in Jungfrau von Orleans, die Marie Stuart und Adrienne Lecouvreur. Während <1< r Tlof un<l <\a> Pnbliknm von ihren r.cistnngen befriedigt schienen, fand »h'c Kritik letztere völlig un;:etiugcnd und Director T.aulio nuissie unter dein Drucke der Presse von dem geplanten Engagement der Künstlerin abstehen. In Prag, wohin sich V.-H. von Wien begab, wurde ihr volle Genugükuui^. Sie s]jielte mit Beifall überschüttet bei geräumten Orchester; dieselbe au$> gezeichnete Auftiahme üind sie in Coburgs wosdlbst sie sofort auf Lebensdauer

Dlgitized by LiOOgle

Vasiiig<HauptiiMiiii. Wiesbcfg.

345

engagirt und gleichzeitig zur Vorleserin der Herzogin ernannt wurde. Nahezu vier Jahre konnte sonnte tSdti die Klinstlerin xu Cobmig in der vollen Gmwt des Hofes und des Publikums, dodi als sie von einem im IflTinter 1864 in St. Petersburg absolvirten längeren Gastspiele zurückkehrte, fand sie in Coburg

vollständic^ veränderte Verhältnisse, die ihr ein weiteres Verbleiben verleifleten. Sie erbat und erhielt ihre Kntlassung und bcf^.il) sich zunächst auf (liistspiel- reisen, welche sie' in zahlreiche deutsche Städte führten. 1867 trat sie neuer- lich in den Verband des deutschen Theaters su Fkag, als dessen Mitglied sie im Mai 1868 zum zweiten Male im Wiener Hofhurgdieater als Gast ers( InVn. Sie gah, wenig beachtet, die Kiisaheth in Maria Stuart und die Titelrolle in der Braut von Messina. in Prag glän/te sie unbestritten als erste Heroine und tragische Liebhaberini bis Anfangs 1877 einige Zeitungsstimmen ihr riethen, in das jiltere Fach überzugeben. Durch ein offenes Schreiben, in welchem sie dieses Ansinnen nicht gerade glttcklich surttckwtes, eracfafitterte sie selbst ihre künstlerische Stellung und verliess, da alle ihre Bemühungen, die ver- lorne Position zurückzuj^ewinnen , scheiterten, 1S79 Prag. Nachdem sie vor- übergehend, 1880 auf iSSi, am Wiener Stadttheater thätig gewesen, wirkte sie durch kurze Zeit in Hamburg und unternahm schliesslich eine Gastspielreise nach Amerika, wdche ihr aber auch mehr Enttäuschungen als Erfolge ein- brachte. Nach Europa zurttdcgekdut, liess sie sich dauernd in Prag nieder und lebte, zurückgezogen von der Piihne, in ihrer Familie. Anna V.-Haupt- mann starb r.n Prag 8. September 1896. Wahrend so die Wiener Blfifter V.'s Talent und Darstellungsgabe rundweg absprat hen, wurden ihre küi»st- lerischen Darbietungen in den reichsdeutschen sowie in den l-rager Journalen als grossartige Leistungen gepriesen. Gerade diese verschiedene Beurthetlung- lässt den Schluss su, dass die Künstlerin ihre Aufgaben häufig befriedi- gend /II lösen verstand. Zudem kommt ihr das Verdienst zu, wo immer sie wirkiMi mochte, das Interesse für dn«? klassische Drama uinl ivuncnt- lich für das antikisirende belebt zu haben. In ihrer (ihuuzeit spiciie sie: Fhiltpptne Welser, Ihbria Stuart, Judith, MoUy in Em deutsches Diditer- leben, Donna, Diana, Jungfrau von Orleans, Gretchen, Iptiigenia, Anti- gone, Phädra, Sappho, Medea, Deborah. Durch die von ihr creirte Rolle der Maria There«?ia in Sacher-Masnrhs: Der Mann ohne Vorurtheil erwarb sie sich die begeisterte Verehnmg dieses Dichters, der denn aiu h wieder- holt für ihre Bc<leutung als Darstellerin wie als Dichterin eine Lanze brach. Als Didtterin und Schriftstellerin debutirte sie 1861 mit einem Bflndchen lyrischer Gedichte, dem sie 1866 drei Novellen: Aus meinem Frauenleben, die Philosophin und Carla Colomba folgen Hess. 1881 liess sie em Buch: betitelt »Ju2;endl!eder tmd T.ebeiislulder er<^rheincn. Für das -Präger Tag- blatt« schrieb sie noch in den letzten Jahren Feuilletons und theatergeschicht- liche Erinnerungen.

A. J* Weltner.

Wiesberg, Wilhelm, (isterrcirbisrher Volkssr hriftsteller. wurde, einer klemlHirgerhchen 1 ainilie entstanunend , zu Wien am 13. September 1850 geboren. Da er frühzeitig den Vater durch den Tod verlor und seine Mutter sich und die Ihrigen mit ihrer Hände Arbeit nur mühselig fortbringen konnte, blieb der Wunsdi des mit lebhafter Phantasie und regem Lerneifer ausgestatteten Knaben, studiren zu dürfen, unerfüllt und W. musste sich sein Wissen auf autodidaktischem Wege erwerben. Seine rastlosen Be-

Digitized by LiOOgle

346

W Jesberg.

mühungen waren keine vergeblichen, denn es gelang ihm, sich einen nicht gewöhnlichen Grad allicmeiner Bildung anzueignen. Zwölf Jahre alt, begann er dem von O. F. Berg ins Leben gerufenen Wiener Witzblatte »Kikeriki l'.ilderideen einzusenden und erhielt für dieselben kleine Honorare, die ihn rn weiteren Versuchen anspornten. Er lieferte für Figaro, Zeitgeist, Graöer Michel und wie die damaligen Witzblätter Wiens ^hienen, kleine Artikel und Scbenreime und sah sich duich den besdieidenen Erwctb, den ihm diese Arbeiten eintrugen, m den Stand gesetzt, sich weiter für die literarische Lauf- bahn vorzubereiten. 1864 schrieb er eine Kinderkomödie: Fragaria, die Erd- beerenfee, wehlic im März 1865 im Theater an der Wien rm Auflftihnmg gelangte und ireuruUichc Auüiahrae fand. Um dieselbe Zeit trat er mit den Volkasängem Nagel und Amon' in Verbmdung und lieferte densetben unge> zählte Couplets, Duette und komische Scenen, von welchen manche grosse Popularität gewannen. Einige Volksstückc dir d;is Fitrsttheater, sowie die 1867 und 1868 verfassten Kinderkomödien: Rolands Knappen, das tapfere Schneiderlein und Peter Bloch, weh he im Joscfstädter Theater in Scene gingen, wiu'den gleichfalls mit Erfolg gegeben und machten den Namen ilires Autors immer mehr bekannt. 1870 wurde W. ständiger Mitarbeiter des neu be- grihidctcn Wiener Witzblattes: Der Floh, 1873 trat er in die Redaction der Humoristischen Blätter von Klic ein, aus welcher er aber bereits 1874 wieder schied. Nachdem sich ihm auijenbliekUrh kein enfs]ircrhcndcs l'^ntcrkommen bei einer Zeitung bot, wurde Wilhelm W, kurz entschlossen Voikssanger und debutirte als solcher in der Gesdlschaft Scbieferl am 23. Octobei 1874. Im Män des nächsten Jahres wurde er von Amon fttr dessen Sing- spielhalle als Darsteller, Coupletsänger und Hausdichter g^en ein Tages- honornr von 4, sj)äter 5 fl. enp^apirt und entfaltete nun namentlich in der letzteren Eigenschaft eine ungemein fni< litbare und verdienstHche Thätigkeit, indem er in raclir als einer I)eziehung reformaloriiich in das Wesen dc>> Volkssängerthums, das zu jener Zeit auf ein ziemlich tiefes Niveau gesunken war, eingriff. ISx darf als der siegreiche Bahnbrecher einer edleren vmd sittlicheren Richtung dieses für d;is Leben und Weben des Volkes bedeut- sameii Culturgenres bezeichnet werden und sein nicht zu »mtersrhärzenties Verdienst ist es, die herrschende Zote und gemeinlusterne Zweideutigkeu vom »Brettel« verdrängt und durch echte volksthttmUche» von natürlichem Humor getragene Vorträge ersetzt zu haben. 1879 verband sich W. mit dem Volksänger Scidl und am 13. März des erwähnten Jahres stellten sich Beide zum ersten Male als I)iiettisten dem Wiener Publikum vor, d.^s sie mit dem von W. ;:e(li< htc tin ( (uii^let Uns hab'n 's b'halten im Sturme eroberten. Das Wiener \'ulkssängerihum, das seine Existeiu Jalirc hindiuch sich nur nothdürftig fortgefnstet hatte und dessen Veranstaltungen bloss von der Hefe des Volkes besucht waren,, vmrde durch die Firma »Seidl und Wiesberg- w'ieder '>gesellschafb}ähig« gemacht und durchlebte eine neue BlÜthenepoche. Am 4. Mni 1896 beschloss W. seine Wirksamkeit als Voikssanger, um sieh ausschhessli< h seinem literarischen Schaffen widmen zu können. Mehrere Romane, die im Extrablatt und in der Vorstadtzeitung erschienen, Die Posse; »a la Klap{)hom«, das Volksstttck mit Gesang: Der Greissler und sein Hund, das mit Musik von Adolf (iiesser i8qi wiederholt im Volkstheater im Pratcr zur Darstellung gelangte, die Posse: die zwölf Himmelszci< lien und das Volks- stttck : Falscher (»lau/ und erhtc Wichs (Musik von Sioly waren die letzten grösseren Arbeiten W.'s, der zu früh für seine Familie und fiir das echte

Digitized by LiOOgle

Wi^bc^. Lioibaclier.

347

Wiener Schriftthum, das er wolil nodi mit manchem guten Werke bereichert hätte, am 9$. Angust 1896 in Wien starb. Von W.'s Liedern, Couplets und Duetten» von welchen bei KriUner .m Wien 180 in 18 Bänden als Aus- lese erschienen siml, haljen nicht wenige die augenl»li( kliclie zündende Wir- kung sich durch tlic Jahre her erhalten und werden not h heute überall, wo das Wiener Lied i'.reunde besitzt und Pflege findet, freudig gesungen und freudig gehört, ao dis achoo erwMImle: lA» hab'n 's b'baltenl dann Die Mondschcinbr^erl Die Spinaleierl Die Deutsdunetster san dal Dass er a davon \^as hatl So a Congoneger der bafs gut! Eine Specialität W.*s waren seine 1 H.fler ernsten (Genres, welche mit den heiteren Srhöpfunj^en seines Geistes an Beliebtheit im Publikum wetteiferten. Wir nennen hiervon: I">ns hnt ka (Juethe g'scliriebcii, das, von Udel meisterhaft inierpretirt, ein Liebluigslied weiland des Kronprinsen Rudolf war, dann: Der erste Scbnee, Der Wasdbub, Die Witfrau. Alle diese Lieder, zu welchen Sioly stinunungsvolle Melodien schuf, bieten trefTlichc gemütbvollc Zeichnungen unverfälschter Wiener Typen und verdienen gewiss nicht den in jüngster Zeit wiederholt gegen sie erhobenen \ orwurf, im Wiener V'^olke eine gewisse sentimental angehauchte Eigenliebe und SelbstttberschäUiiuig grossszuziehen. Der vorurtheilsfreie Culturhistoriker der Zukunft, der das Volkdeben Wiens in unserer Zeit xum Thema seiner Arbeit macht, wird gewiss im strikten Gegensatze zu dieser Be- oder Vct- urtheilung, die letzterwähnten Dichtungen W.'s, weil auf das Herz und die Seele des Volkes gleichmnssig klärend, erhebend und ermuthigend einwirkend -Volkserziehungsmittel im besten Sinne des Wortes« nennen. Von W.'s Bübnenwerken , Possen und Soloscenen er schrieb deren ttber achtzig die zum Theile in Romer's Verlag in Wien gedruckt erschienen sind» seien ausser den bereits genannten, noch angeführt : Der Polsterltanz, Dämon Rausch, Die drei Verliebten, Frau Wienerisch und ilire zwei Zimmerherren, Vor der Lotterie, Wien \or hundert Jahren. relierfliessend von Witz und Humor wollen diese leicht uiul tluthiig gezcichncicn, aber trotzdem den scharleii und sichern Blick ihres Autors nie verläugnenden »Bilder und Skizzen aus dem Wiener Volksleben« nichts als unterhalten. Diesen ihren Endzweck werden sie so lange erfüllen, als die actuellen Fragen, welche sie behandeln, Ver- siändniss finden, bezw. nicht veraltet und vergessen sind.

A, J. Weltner.

lieabacher, Georg, österreichischer Abgeordneter, wurde am 18. April

1822 als neunzehntes Kind verarmter Bauersleute zu Kuchl im Herzogthume Salzburg geboren. Sein \ ater liliersiedehe, als der Knabe acht Jahre alt war, nn( I) Halli-ni unr} ernalirte sich dort tluix h 1 »arhschindeUehnciden. Der älteste Bruder Cieorgs, iM.iUiiiis L., später Domdechant in Salzburg, der treu ftlr die Ersiehung der jüngeren Geschwister sorgte, wie drei andere Brüder wählten den priesterlichen Beruf; Georg sdbst widmete sich nach Absolvirung des (Gymnasiums 1842 den juristischen Studien in Wien und dann der rich- terlichen Laufbahn. Er wiirde, da Ungarn flamals dtirch deutsche TVamte regiert wurde, 1854 Staatsanwalt in Ofen und darauf 1859 in Wien. In diesem Amt, sowie seit i86i als Gesetzgebungsreferent im Justizministerium entwickelte er eine einschneidende Thätigkeit Als strenger Conservativer trat er mit Schärfe freien Aeusserungen in der Presse wie im politischen Leben entgegen. Der von ihm herrührende Entwurf eines Pressgesetzes, lockerte nur weni^ die den Zeitungen während der absolutistiscbcu Periode

343

LienbacbCT.

angelegten Fesseln; und als die Vorlage mit einigen vom Abgeordnetenhanse eixielten Müderungen am 17. December 1863 Geaets wurde (das jeCat geltende

Pressgesetz), hatte L. an seiner Ausführung theilzunehmen. Dies geschah in dem Sinne, dass er der Schöpfer des >ol)jectivcii Verfahrens^ in Press- sachen wurde, das in der Heschla«]n"i''^lim^* von Zeitungen olmc gleichzeitige Versetzung des Kedacteurs oder Autori. in den Anklagestand bestellt. Dieses Verfahren wird in Oesterreich angewendet, so oft der Staatsanwalt annimmt eine Venxrtheilung des Angeklagten durch die Gerichte sei nicht zu erzielen. T,. rechtfertigte diese seine Erfindung später im Abgeordnetenhause mit der Begriindung, er habe jedesmal den verantwortlichen Redarteur vor die Wahl gestellt, ob er lieber angeklagt werden und sich vor dem Richter vertheidigen wolle, aber niemals habe einer der Betroffenen die Einleitung des Strafrer- fohrens vorgezogen. Das ist allerdings sehr begreiflich, da erst 1869 Geschwo- renengeri( Iite in Presssachen eingefLihrt wurden. Von den zahlreidien jtuisti- srhen Schriften l./s sind drei dem Pressrechte gewidmet; 1861 erschien ^'T)\e Pressfreiheit und die Regierungsvorlage«, 1863 «Historisch-genetische 1 rläu- terungsversucbe des österreichischen Pressgesetzes« und 1868 »Praktisclui Erläuterungen des Osterreichischen Pressgesetsesc, Von 186S bis 1870 war er dem Ministerrathspräaidium sugewiesen und wurde im letzteren Jahre zum OberlandesgerichtsraUie in Wien ernannt.

Jetzt erst widmete er sich <\cm i>oHtischen Leben, indem er 1870 zum Abgeordneten im Salburger I.anctUig und 1873 in den Reiciisrath gewählt wurde. In den nächsten Jahren war er das hervorragendste Mitglied der clericalen Partei des Abgeordnetenhauses, deren Anschauungen er in klaren, nii( hternen, den Juristen nie verleugnenden Reden vertrat Die Clericalen bildeten den TIauptstock der Rechtspartei, die au( h Slaven und andere Föde- ralisten in sich vereinigte und unter Leitung des (irafen Hohenwart stnn'l; L. wurde die Hauptstut/e dieses eintiussreichen Parteiführers. Am 13. Novem- ber 1873 brachte er den Antrag auf Niedersetzung eines Ausschusses zur PrUlVing der Ursadien der Bdrsenkrisis ein, in der Absiebt, damit einen Schlag gegen die herrschende liberale Partei zu führen; es war ein Erfolg, als nahezu das ganze HaUS seinem Vorsc hlagc zustimmte. Als Graf Taaffe 1879 ans Ruder kam und dem Abgeordnetenh.iiise eine conservative, aus Clericalen, l*ulen untl i'schct hen bestehende Mehrheil zuführte, war L. der hervorragendste juristische Kopf unter den Leitem des »eisernen Ringes«. Von ihm ging dann die Anregung und theil weise Formulirung zweier wich- tiger Gesetze aus. Das eine ist die Novelle zur Reichsrathswahlordnung, erlassen am 4. October 1S82, dtirrh welche der bis dahin geltende Census von zehn auf fünf Gulden herabgesetzt wurde. Durch diese an sich frei- sinnige Mlassregel wurde vorwiegend den kleinsten Handwerkern das Wahl- recht erliieil^ die dadurch fttr die conservative Partei gewonnen wurden, von der sie auch eine ;:inifilerische Organisation des Gewerbes erhofften. Sodann war er einer der Urheber der Novelle zum Volksschulgesetze vom 2. Mai 1883, durch welche einerseits der Kinfluss des katholischen Clerus eine Stär- kung erfulir und auch die Bestellung protestantischer Lehrer zur Leitung einer öfientUchen Volksschule unm<lglicfa gemacht wurde, andrerseits die Her- absetzung der Schulpflicht auf dem flachen Lande von acht auf sechs Jahre gestattet wurde. Durch diese letztere Massregel wurde der Bauemstand in •den Alpcnländern, der sich durch die Scluili)flichtigkcit der 12 bis 14jährigen Kinder wirthschaftlicb geschädigt glaubte, dauernd der liberalen Partei ab-

Digitized by LiOOgle

349

wendig gemacht. T.. scHist hielt die achtjährige Schulpflicht, /iimal in den ein- und xweiklassigen Schulen der Gcbirgsländer fiir eine unpraktische Ein- richtung. Da er wählend dieser Debatten seinen G^ensats rar liberalen Kichtung scharf ram Ausdradc brachte^ war er damab in Wim ein unpopu- iSrer Mann. Er hatte im Kampfe gegen die achtjährige Schulpflic ht in seiner Kede vom 25. Februar 1881 den starken Sa(/ 'jeIcTstct: *Wenn Sie sich üher- zeu,cen wollen, welche Wirkung cUe nchljahngc Schulpflicht uusiiht, dann gehen Sie vor die Linien "Wiens ^unl allerhochsien Heurigen« (Winhshäuser, in denen junger Wein geschenkt wird). Als Erwiderung darauf brachten ihm die Wiener Studenten einen Tag später eine greuliche Katxenmusik.

Aber schon damals bereitete sich seine Trennung von seinen bisherigen }' uteigenosscn vor. Seitdem die slavisch-clericale Partei im Abgeordneten- hauac die Mehrheil gewonnen hatte, lehnte sich T^. mehrfach gegen ihre föde- ralistische Politik auf; denn er war seit der Zeit, da er als gcrmanisirender Beamter in Ungarn gewirkt hatte, Centraiist geblieben. Sodann widerstrebte ihm auch die Begünstigung der Slaven, die seit 1879 (deutsches Wesen immer mehr verdrängten. Diese seine Anh.ängli( hkeit an deutsche Art und S[)rache war den Ronilingen nnd Slaven innerhall) seiner eigenen Partei stets miss- liebig gewesen, und da er ihnen auf ihren Wegen nicht folgen wollte, trat er 1884 aus dem Rechten Centrum, wie die von Hohenwart geführte Partei damals hiess^ aus. Er stand auch der jung-dericalen Schule mit ihren demap gogischen Künsten ablehnend gegenüber; die Führung der Qericalen ging aher immer mehr an den Prinzen Alois T iechtenstein, in den meisten Dingen 1 . s Ciegcnbild, über. Ueberhaujit l.ig in T,.'s Wesen etwas knorriges und unbeugsames; so brachte er ei» nie über sich, seine Ueberzeugung der Partei- doctrin unterzuordnen. Aber seine im guten wie an ungünstigen Sinne scharfe Eigenart, sein tadelloses Privat- und Familienleben^ seine genaue Kenntnis der Sitten und Bedürfnisse des Bauernstandes, aus dem er hervorgegangen war, verschafften ihm im Parlament . und noch mehr in seinem Heiniathlande Salzburg grosses Ansehen; seine hohe, bis ins Alter ungebeugte Gestalt, seine eiiidnidcsvoUe Physiognomie, in der sich der Bauemsohn imd der strenge Jurist in merkwürdiger Verbindung ausprägte, ttbten gleich&lls ihre Wirkung. Auch als er sich von den Qericalen trennte, blieben ihm die Salzburger Bauern znm gtiten Thcile treu. Der Gegensatz zu dem Grafen Chorinsky, der von nvin ab Führer der Salzburger t'Ieri<alen war, erhielt eine persön- liche Spitze, als L., seit 1S80 Hofrath beim obersten Gerichtshofe, von der Rqgienmg bei der Bewerbung um einen Idtenden Riditerposten übergangen und statt seiner gerade sein Gegner zum Frftsidenten des Salsburger Landes* gerichtes ernannt wurde. L. stand im Vereine mit seinen engeren Gesinnungs- genossen nicht an, mit den T.ibernlen des Lande«? eine Verbindung einzu- gehen, durch welche die eigentlichen Clericjilen bis an seinen lud von der Mehrheit in der Salzburgcr Landstube ausgeschlossen wurden; er beherrschte auch i^terlnn den Ijuidtag seiner Heimat und blieb sonach *Hersog von Salsbui^tE, wie man ihn halb anerkennend, halb spöttisch nannte. Im Abge- ordnetenhnuse aber stand er vereinsamt, tmd dies besonders, da es ihm nicht gelang, in Salzburg die Wahl des Freiherrn Alexander von Barh durchzu- setzen, des in den fünfziger Jahren allmächtigen Ministers, mit dem ihn die conservative und zugleich centnüistiscfae Gesinnung verband. So konnte er seinen Lieblingsgedankefi nicht durchfuhren, im itoterreichiscfaen Abgeordneten- hause ein »Caitrumc gleich dem im deutschen Reichstage xu grOnden, in

Digitized by CjüOgle

350

Lacnbadier. flnkdabuvg.

dem die Clericalen, losgelöst vom Slavemhum, ihre kirchlichen Anschauungen rein vertreten sollten. Ex sonderte sich vielmehr immer bestimmter von seinen clericalen Freunden ab, da er es unter anderem sdiarf taddte» dass sie den

Polen zu Liebe auf die Rückerstattung der mehr als loo MDlionen Golden betr.igciulcn Summe verzichteten, welche das Kronland Galizien aus Anla&fi 4er Grundenüa.siini^^ dem Reiche schuldete.

Im Jalire 18Ö7 trat er als Richter in den Ruhestand und widmete sich vorwiegend den wirtfaschaftlidten Angelegenheiten seiner Heimat, in der er das Jahr daianf £um Präsidenten der landwirthschalUicben Gesdlschalt gewählt wurde. Er lebte ztuneist in seinem Geburtsorte Kuchl, wo er das Gütchen Georgenberg nnjicVnuft hatte nnrl selbst bewirthsrhnftetc. In den von ihm herausge^'ebLiien /eit>( hriften «Der Agrarier.' unfl sjiater »Der Volksfreund- wirkte er n.achhakig auf die kleinen Landwirte Salzburgs. Auch wählte ihn die agrarische Vereinigung des österreidiischen Abgeordnetenhauses su ihrem Vorsitxehden. Fleissig seinen Pflichten nachkommend, kehrte er im Mai 1S96 ermüdet und erschöpft aus dem Abgeordnetenhause in seine Wohnung zurück, siechte seit der Zeit dahin un<l wählte sich zur Stätte seines Todes, den er kommen sah, sein von ihm liebevoll gehegtes Gütchen, wo er aip 14. Se^ tember 1896 starb.

Sein Wirken zeigt leider, dass auch eine nicht gewöhnliche Erscheinung wie die seinige nicht imstande war, die deutschen Qericalen Oesterreichs von den Sla\en loszulösen und sie, tmd sei es anch mir in nationalen Fragen, ihren Vülks;fenu.ssen näher zu brini^'eii. Das politisc he Cieschick der Deutschen Oesterreichs würde sich zum Bessern wenden, wcnri L.'s Art, nationale und kirchliche Fragen an trennen, ausser seiner Heimat Anhänger fände.

Ausser den oben erwähnten Schriften erschienen von L.; 1S71 »Samm- lung oberstbehördlicher Entscheidungen in Polizeistrafeachen« ; 1873 »Das österreirhisclie Polizei-Strafrecht ; T877 Sammlung? der Gesetze unfl Verord- nungen in lle/ug aul die oltentliche Sicherheit«. Durch zehn Jahre hesi. I.. auch eine Monatsschrift unter dem Titel *Oeffentliche Sicherheit« erscheinen (1869 1879). Ausserdem erschienen in Fach- und Tagesblättem zahlreiche Artikel aus seiner Feder.

nuclK n zu seiner Biop^rapliic: Hi.früli Georg Licnbach er fXckroIog)« in den :-Mit- thcilungcn der Gc&ellschat( für Salxburger Landeskunde« XXXV I. B.ia<J. Oesterreich isdic» »Parlanciitarilches Tsscfaenbiichc, heraoigegeben von Sigm. Hahn. Wien 1891.

Heinrich Friedjung.

Finkelnbttfg, Carl Maria, geb. den 16. Juni 1832 in Marialmden in der

Rheinprovinz, widmete sich in Bonn, Wtirzburg und Bertin den medicinischen Studien, erlangte an dem letzteren Ort 185;^ die mcflirinische Doktor-Wtirdc und legte dann das ai/tliche Staatsexamen al). Ilieraiif wirkte er einige Zeit als Assistenz-Arzt am katholischen St. Hedwigs-Krankenhause zu Berlin, trat dann als Militärarzt in die englische Armee ein und machte den Rrimkrieg mit, blieb nach der Beendigung desselben tn London und erhielt die Stelle eines Assistenten am St. Thoinas-Hospital. lieber Paris, wo er Kliniken he- su« litc unil seine är/tlir lic Hihhing vervollständigte, Vehrte er in seine Heimath zurüc k und wurde als Assiblen/ar/l an »kr Irrenanstalt zu Siegburg angestellt, wo er unter Jacobi's Leitung nahezu 4 Jahre thatig war. Er wurde dann beauftragt, das Physikat des Kreises Kochern a./d. Mosel zu verwalten, ver- Hess aber bald den Staatsdienst und übernahm die Direktion der Kaltwasser- Heilanstalt zu Godesberg bei Bonn, wo er sich 186a als Privatdocent för

Digitized by Googk

FinkelntNitg. Kenchtniteiner*

Psychiatrie und gerichtliche Medicin hribilitirte und ausserdem Vorträge über öfientliche Gesundheitspflege hielt. Ali» 1872 dort eine ausserordentliche rrofessur der Hygiene errichtet wurde, wurde ihm dieselbe übertragen. Im Jahre 1876 woide er als CSeb. Regierun^rath in das K. Deutsche Reichs» gesundhcits-Amt nach Berlin berufen, trat aber schon 1880 aus demselben aus und kehrte in seine frtihere Stelltmj; nach Bonn ziirlick. Kränklichkeit und das Bedürfniss nach Ruhe veranlassten ihn, 1893 auf das Lehramt Ver- zicht zu leisten. Seine schriftstellerische Thätigkcit war eine sehr frii< btb.irc und bcJiandelte hauptsächlich die Psychiatrie und öfiendicheGesundheiisptlcgc. Es gab Icaum eine bedeutende Frage auf diesen Gebieten, mit der er sich nicht beschäftigte. In hohem Grade bcsas» er die Gabe, schwierige Themata in klarer, allgemein verständlicher Weise vorzutragen. Er hat dadurch das Interesse für wissen s< ha ft liehe Forschungen, namentlirh filr die Fortschritte der Hygiene, in Kreise getragen, die denselben bis daliin ganxlich fernstanden. Dabei arbeitete er mit iinermttdlichem Eifer an dem Aufbau der Wissenschaft mit. Als sich die Bakteriologie zu einer 1»eson(lcien Disciplin entwickelte, eignete ersieh mit tiberraschender Schnelligkeit deren Untersuchungs-Methoden an, so dass er auch hier bald zum Meister wurde. Von seinen psychiatris( lien Schriften verdienen hervorgehoben zu werden: »Ueber Willcnsstörungen ohne Intelligenzstörung«, und »Ueber den Einfluss des Nachahmungstriebes auf die Entstehung des Irreseins.« Seine Arbeiten Uber die Errichtung Ton Volks- Sanatorien für Lungensdhwindsiichtige, Uber die Öffentliche Gesundheitspflege in Faii^laml nach ihrer fjescbirbdirbcn Entwickeltinji, filier den heutigen Stand der internationalen Gesundheiis])llege u. a. m. fanden all^iemeine Beachtung. Gleichzeitig wirkte er als praktischer Arzt, iianienilich als l'sychiater, besonders nachdem er seinen dauernden Aufenthalt in Godesberg genommen hatte. Am ärztlichen Vereinsleben betheiligtc er sich in hervorragender Weise. Im Niederrhein- Verein für öffentliche (iesundheitspflegc bekleidete er dius Ehren- amt des Bibliothekars; nuch gab er mit T.cnt das Organ dieses Vereins, clas Centraiblatt fiir allgeuieine Gesundhcits])flegc heraus. Ausserdem war er ein flelssiger Mitarbeiter der deutschen Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesund- heitspflege. Von X.874 76 war er Mitglied des Medidnal-Collegiums der Rheinprovinz, von 1876—80 Mitglied der wissenschaftlichen Deputation ftir d;is Medicinalwescn des Königreichs Preussen. Im Reirhs;resundheits- Amt bearbeitete er mehrere wichtige gesctzgeberisrhe Vorlaf^en, w ie das Nahrungs- mittel-Gesetz und die Prüfungsordnung für die deutschen Aerzte. Während des deutsch-französischen Krieges leistete er den Truppen Dienste und wurde zum Generalarst in der Landwehr ernannt Er starb am ti. Mai 1896.

Dctttsclu» Vfertdjahmelir. f, Bffend. Gcsundhelttpfleg«, kemn^treg. v. SpicM 11. Pistor. H.r. Th. Puschmann.

Kerschensteincr, Joset von, wurde am 23. Mai 1831 zu München ge- uorcn. Er besuchte die dortige Schule gleichzeitig mit Nussbaum, dem späteren Chirurgen, und zeichnete sich durch seine Vorliebe ftir Geschichte und durch seine musikalische Begabung aus. Im Alter von 17 Jahren be- um er das Studium der Medicin an der Universität München. Nach der Beendigung desselben würfle er Assistent, zuerst am Hauner'schen Kinder- spital, dann an der medicinisehen Klinik, die damals unter der Leitung des Professors v. Pfeuffer stand. Die machtvolle Persönlichkeit des letzteren, der sich Niemand entziehen konnte. Übte auch auf K. einen grossen Einfluss aus. Zur Vervollständigung seiner ärztlichen Ausbildung begab er sich dann nach

Digitized by Google

Wien und lie&s sich als piaku&cixs Am m Mezing beä A;:^buxg racici.

vo er bald eine grosse Cüentei erwarb. Im Jafaie iS6x wurde «r xsm Bc- ziricsam m Augsbuig emaiiiit, 1872 mn Mei^ciruJnäi be^onieft cmI ^>

SaniiäU-Referoit der Regicnmg von Mineifranken ia Ansiiach ruirei}:el:. Schon im nächsten Jahre vurdc er in gleicher t:^en>chan n^ch Mxr.^her: verbetzt. Im Jahre 1879 trat er als OWr-MedjcjnaiTaih hi dzs 3»iimster: jm des Innern ein ur*d erhielt die Leitung der g:esamnii<m Saii2LaisTTerm-jLl:-.7^ Bayernsw Er geborte durch längere Zeh zn den Henwsgebeni <ier Mänrherc? medicinis^hen Wochen&chnft; auch war er em fleissiger MjLiri>ei:eT TvC Fne<ireic h s Biaitem. Seine Arl>ciien betrafen d>e j»r3j:ü>cbe Meüicin, ^-c- v^nders die Kinderheilkunde, femer die gerichüiche Mrdion. Medici:---^- Ftiiizet und Geschichte der 31ediciju In wciiercB Kreiä^o» bc-kai;r.l «.^•jea seine Aufsätze Uber die Fürtber Industiie, die MöDCheaet Canalwanon. d:e Mortalstätsstatistik und Kinderheil&tatten, die Ifetboden der epademiscbcn Foiscbung, die Verschleppung der Xtasera, des Sdiarlacbs und der Blaucrr, firr^^h Hesunde P'^r^^men, die Krankenhäuser für kleinere SLädie und LmdlK^,t.• Kieji>e und 'he i><rKampfung der Cholera, sowie 5eir>e hi^torT>chen Schi^c^f- rungen von Theophra^iiis Faracel^is, Xlalachias Geiger unQ i-ranz Hu^rmaytr. In seiner amtlichen Stellung erwarb er sich grosse Vcidiensie dadi die vuh'«- woUende Forderung, die er den Aerrtekammero und ärztlkfaen Bearksver- cinen zu Theil werden liess, durch die Verl>es>crung der Morbidiiaissiatisnk der Infel-tionskrankheiten, und der Anzeigej>rtichi l>ei ansteckenden Rranv- heiten, durch die Vervollkommnung des Impfwesens, durch die Vorschnite:i über Leichenbeschau, durch den trlass einer neuen Helianamen-IniCruktJvii ond einer neuen Bader-Ordnung. Auch nahm er an der Dnrcfafohnmg der sociaJpoUtHchen Gesetzgebung, namentlich an den Vorbereitungen für ein Seuchengesetz, an der Regelung des Apoihekcrwcsens, an der HersteIJU^^^ der neuen deuLsrhen Phannakoi>oe und an den Verhandlungen über die ärzthchc Prüfungsordnung 'I beii. Er war ein hervorragendes Mitglied de» deutschen Vereins für öffentliche GeMmdheitsi^>tlege und des irsBcbai Vereins in Htinchen und stand an der Spitze mehrerer Untentälzungs> und Pensiom- ▼ereine für Aerzie. Desgleichen förderte er den Volksbildungsrerein in München und rief dort die populären wissen^' ' heben Vorträge ins I^ben. In der neu gegründeten HaushaJtungs-Schule crtiieilte er selb*^». »^?»wohI mii Gest haften überlastet, den L'ntcmchi in der Gesundheiispfic^c. i»abei war er auch als JPrakUker thätig und wurde gern zu Consuliatioiien gerufen. K. wurde zum Geheimrath ernannt» in den AdelsLind erhol>en und mit bajnriscben •"n*^! fremden hohen Orden reich geschmückte (ileichwohl blieb tr escheiden und einfach, ein Gegner alles Streberthums. Sein klares kluges dunkles Auge wusste den Leuten in die Seele zu scliauen. Sein dcrl>es knorriges Aeussere barg ein edles Gcmath, welches jederzeit bereit war, das Gute zu unterstüuen. Den ihm unterstellten Aerzten war er ein wohlwoDender Voigesetztar.

Ein überaus glückliches Familienleben gab ihm die notliwendige Er- holung von seiner anstrengenden Beruf- :. I'i^V^^:!. üicr und im Kreise seiner Freunde, denen er treu blieb, pflegte er der heueren Geselligkeil; als vor- iicii lidier Sänger und Fldtenbläser, sowie als witziger, gcistspriibender Tisch- redner war er überall beliebt. In den letzten Jahien wurde er stiller; ein Herzleiden quälte ihn und führte am s. September 1896 seinen Tod herbei.

G. Merkel in der IfOncbencr medicin. WoebcDschrift. 1896. No. 43.

Th. Puschmann.

Digitized by LiOOgle

Rudinger.

353

RfidJnger, Nikolaus war ein Sdf-made Bilaiui in des Wortes edelster Bedeutung. Von der untersten Stufe des medicinischen Handwerks hat er

sich unter den grössten Sch>\ierigk^ten zu den lichtvollen Hohen der Wissen- schaft cmporgearheitet. Alles, was er geschaffen und erreicht hat, verdankt er seinem Fleiss, seinen Talenten, seiner 1 uchiigkeit. Kr wurde 1832 /w Erbes-Büdesheim in Rheinhessen geboren. Sein Vater war ein mit Kindern reich gesegneter kleiner Grundbesitzer, der seinem Sohne nicht die Mittel zum Studium bieten konnte. Da er eine unbesiegbare Liebe zum itoilichen Beruf in sith fühlte, so lernte er bei dem Landwundarzt seines Heimaths- ortes die täglichen Verrichtungen der niedern Heilkunst; gleichzeitig nahm er bei dem tiortigen Pfarrer Unterricht in den Gymnasialfächem. Im Jahre 1850 bezog er die Universität Heidelberg, hdrte medicinische und klinische Vorlesungen und bildete sidi unter der Leitung von Arnold und Henle in der Anatomie aus. Im Winter von 1S54/55 siedelte er nach Glessen Uber lind :il)s()l\ irtc den nnntnmisclieii Theil der rriifiing für Landchinir^en. Bei diLSL-r ( iclegeiihcit erkannte 'Ih. Bischofl", \selchcr die Professur der Anatomie innc halle, seine aussergewöhnliche liegabung für Praparir-'l eclniik und suchte sie für wissenschaftliche Zwecke zu verwerthen. Er machte ihn su seinem AsMsteiUen und bewog ihn, als er 1855 nach München berufen wurde, ihn dorthin zu begleiten. Hier schuf R. eine Sammlung anatomischer Präparate, \\ clrhe Meisterwerke der anatomischen Kunstfertigkeit enthfilt, wie sein Schuler und Nachfolger RUckert sagt. Gleichzeitig half er beim praktischen Unterricht im Secirsaale und bereitete sich fUr das Maturitats-Examen vor, das er 1859 am Gymnasium zu Darmstadt ablegte. Dadurch wurde ihm die Aus- sicht auf die akademische Carriere eröffnet; die kleinen Geister, weidie ihm den Mangel der humanistischen Vorbildung rum Vorwurf gema« lit hatten, konnten der Energie, mit der er das ohne seine Schuld Versäumte nachholte, ihre Anerkennung niclit versagen. Im Jahre 1860 wurde er zum Adjunkten an der anatomischen Anstalt, 1868 zum Professor honorarius und 1870 zum Extraordinarius ernannt. Als nach BischofiTs Tode die Lehrkanzel getheilt wurde, wurde er 1880 zum Ordinarius befördert und übernahm als zweiter Vorstnnd der nnatomischen Anstalt dert Unterric ht in der m.ikroskopisrhen Anatomie und bei den Praparir-Uebungen. Er lehrte descriptive und topo- graphische Anatomie. Von seinen Uterarischen Leistungen erregte sein »Adas des peripherischen Nervensystems des menschlichen Körpers (München 1861 bis 1867)« zuerst die öfientiiche Aufmerksamkeit. Die darin enthaltenen D;irstclhingcn wnren mit einer früher nicht erreichten Vnturtreue ausgeftihrt. Zum ersten Male wurde die Photographie zur Abbildung anatomischer Weich- praparate verwendet. Die Tafeln, die aus dem weltbekannten Atelier von Albert hervorgingen, sind nach dem Urtheil der Fachmänner bis heute nicht ttbertroffen worden. Um sie dem grossen ärztlichen Publikum au^Uiglich zu machen, wurden billige Ausgaben einzelner \l)st hnitio veranstaltet (Anatomie der mensrhlirhen Gchirnner\''en. München 1868. Anatomie der menschlichen Ruckenmarksners en, Münrhen 1870^. Ausserdem veroffen tli< lite er Abhandlungen über die Gelenknerven und über den Sympathicus, Sein »Atlas des mensch- lichen Gehörorgans (München 1867 70) <c &nd allgemeine Bewunderung. Aber das bedeuUmdste Werk, das er hinterlassen hat, ist seine »Top« "graphisch- chirurgische Anatomie des Menschen (Stuttgart 1873— 78 ; die Abbildungen haben unverganglu hen Werth. R. verfasste ferner eine pi eisgekrönte Schrift Uber die Muskeln der vordem Extremitäten der jReptilien und Vogel (Harlem

Biofr. Jahrb. n. DcnUcher Nekrolog. 23

Digltized by LiOOgle

354

Rudinger. Späth.

1868) und kleinere Arbeiten tfber den Kehlkopf dafrCrameoMgel, die Hinie

verschiedener Thiere a. a. m. Er beschränkte >icb bei seinen Untersuchungen nif lit avif die makroskopische Anatomie, sondern 7.0g auch die feinere Strvi'kiur und die Knt\vi( kclungsgeschichte der Organe in Betracht. Daiini ;;eln»ren seine Abhandlungen über die Anatomie der Prostata und des Ductiu» ejacu- latorius, ttber die bistologische Umbildung der lieberkflbn'scben Drttsen durch die Solitärfollikel im Wurmfortsatz (1891), tmd aber die Leucocytcn-Ein- wanderung in den Schleimhäuten des I>unnkanals (1895).

Mehrere J^ihre hindurch bekleidete er die Würde des Vorsitzenden der anthropologii»€hcii Cxesellschaft zu Miinclien. Auch die junge Wijöen&cha.fi der Antluopologie bereicherte er durch wcrihvolle Beiträge, wie seine Arbeiten »Uber künstlich deformirte SchJIdd und Gehirne von Südsee-Insulaneni (Mün- chen 1887)« und über Rassenschädel (1892) beweisen. Eingehend sttuurte er den F.influss von Rasse, Alter, Geschlecht und Individualitat auf die Bildung des S( iiädels luul Gehirns. Die Mikrokephalie ui\d Tolydaktylie erklärte er fux Missbiidungen, mcht für Rückschläge. Im Jaiire 1883 wurde er zum Mitg^ede der k. bayr. Akademie der UVinenBdiaAen gewählt Sein Vortrag war streng sachlich, klar, leicht verständlich, auweilen gewOrst durch einen liebenswürdigen Humor. Als Lehrer war er pflichttreu und gewissenhaft und bewahrte seinen Srhiilcm ein aufrii htiges Wohlwollen durch das gan?e T.cT>en. Seine kraftstrotzende, gedrungene äussere Krscheinung herechtigte zu der Hofihuiig, dasjj er ein hohe» Aller erreichen werde; aber es war. als ob ihn die Ahnung seines Todes schon seit Jahren eriüilte. Kurs nach Beginn der Sommerferien 1896 erkrankte er an Darmverschlingung, der er am <$. August erlag.

Rttckert ia der MäDcbeaer medicio. Wochenschrift. 1896. No. 42.

Tb. Puscbmanu.

Spltii, Josef. »Noth und Entbehrung kennzeichnete seine Jugend,

Schmerz und Krankheit sein Alter«, sdireibt Schauta, der langjährige Assistent

und s|»atere Nachfolger J. S.'^. Gclinren am 13. M.irz 1S23 in Bozen als der Soim eines Aintsdienerb beim (dortigen Magistrat, wuchs S. unter den ärmUchsien Verhältnissen heran, absolvuie das Gymnasium seiner Vaterstadt imd dann die beiden philosophischen Jahrgänge, welche damals die Allgemein- bildung vervollständigten und den Ueb^i^uig au den Fachstudien bfldeten, und begab sich in das geistliche Seminar nach Brixen, um Theologie zu Studiren. Aber schon im nächsten Sernester siedelte er na( h Wien über und wurde Mediciner: ein kiilmes Unternehmen, da er bei seiner gänzlichen Mittellosigkeit genöthigt war, sicli den Lebensunterlialt grösstentheils durch das Ertheilen von Lektionen zu erwerben. Im Jahre 1848 trat er in die Tiroler Studenten-Compagnie ein, die sich sum Schutz dst Tandesgränzcn bildete, und machte die Gefechte nm Ponte tedc<iro und am C'atiaro mit. Nach seiner Rückkehr nach Wien wvucle er /um Offizier der akadcnnschen Legion gewählt und diente in derselben Abtheilung mit Skoda, Rokitansky, Hebra u. A. Gleichseitig arbeitete er als Volontär in der chirurgischen Klinik des Professors v. Dumreicher, der sich seiner in wohlwollender Weise annahm. Am 20, November 1 849 wurde er sum Doktor der Medicin promovirt. Bald darauf erhielt er die Stelle eines Assistenten an der gynäkologist hen Abtheilung des allgemeinen Krankenhauses, die damals unter der Leitung des Primararztes Chiari stand. Im folgenden Jalue wurde er zum Assistenten

Digitized by LiOOgle

Spitli. Weraich.

35S

an der geburtshilflichen KJinik ernannt. In dieser Zeit veröffentlichte er in Gemdiischaft mit Wedl eine Abhandlung »über mdurere AnomaUen der die Fracht umgebenden Eiüiefle« (1S51) und bald nachher allein eine Arbeit »Über das Zeireiiten der Nabelschnur in füronsischer Beziehung (1852)«. Im Jnhre 1853 wurde er beauftragt, die Lehrkanzel an der Hebcammensrhule in Sal/burg zu sui)i>Hren, und 1855 übernahm er in derselben Kiyenschaft die Professur der Geburtshilfe an der wieder errichteten Josefs-Akademie in Wen. Hier wurde er 1856 zum oardentlichen Professor ernannt. Aus dieser Periode stammen mehrere ausgezeichnete Arbeiten, wie die »Beschreibung eines Beckens mit Verschiebung des letzten Lendenwirbels nach vorn (1854)«, die Abhandlungen »Icterus in gravidis (1854V , die künstliche Einleitung der Frühgeburt nach Scanzoni (1856)«, »die operative Behandlung der Gebär- mutter-Polypen (1856)«, seine »Erfahrungen über Querlagen und StirnJagen (1857)«, seine »Studien Uber Zwillinge (1860)«, sein »Compendium der Ge- burtshilfe für Studirende (iS56)< und die »Klinik der Geburtshilfe und Gynäkologie ('185 5V , welche er zusammen mit Carl Hmun xmd Cbiari be- arbeitete und herausgab. Leider hatte S. das Ihiglück, sich l)ei der Unter- suchung einer Schwangeren zu inliciren, und damit begarui eine Kette von Leiden» welche bis an sein Lebensende dauerten. Er bekam em Geschwür der Hornhaut mit Vorfiül der Iru und nachfolgender Einheilung derselben. l>azu trat eine AfTektion der Stimmbänder, welche chronische Heiserkeit zur Folge hatte und 1880 zur Lähmung der Stimmbänder führte. Später ent- wickelte sich eine Cataract des !)is dahin gesundei\ Auges und vollständige Krblindung, welche ihn 1886 nöihigte, sein Lciiiaiiu niederzulegen. Im Jahre 1861 wurde er zum Vorstand der Hebammenschule an der Univenität Wien ernannt, und 1875 übernahm er die Leitung der neu errichteten IL Klinik für (ieliurtshilfe vnid Gynäkologie an der Universität. Trotz der unbeschreiblichen Schwierigkeiten, die ihm die zunehmende Schwache des Sehvermögens und das allmähliche Erlöschen der Stimme bereiteten, übte er die Lehrthätigkeit aus und verftsste wissenschaftliche Arbeiten. Er veröfl^t* lichte eine »Statistik des Gebürfaauses in den letzten 30 Jahren unter be» sonderer Berttcksichtigung der Puerperal-Erk rankungen (1864)« und sor-r flir die Assanirung seiner Klinik, so dass die Mortalität zuletzt bis auf 0,4 0,6 \>Ct. herabsank. Anfangs ein (iegner von Semnieiweiss, war er spater ein über- zeugter Anhänger und V'crthcidiger der Uesinfektions-Massregela. Die letzten Lebensjahre verbrachte S. in stiller Ztirttckgezugcnheit in seiner Villa in Dombach bei Wien, wo ihn der Tod am 29. März 1896 erKiste. Seine Gattin, welche beständig leidend war, ging ihm im Tode voran; seine Ehe blieb kinderlos. Zum Erben seines bedeutenden Vermögens setzte er die Universität Wien ein.

Schauta: Erinnerungei) an Jos. Späth ia der Witruer klm. VVochenschriÜ 1896. No. 17*

Th. Puschmann.

Wcmich, Agathon, wurde am 15. Juli 1845 zu Elbin«; j^eboren, absol- virte die medicinischen Studien in Köni^^sberg und wurde dort 1867 zum l>oktor der Heilkunde promovirt. Zur Vervollständigung seiner faclunännischen Ausbildung begab er sich nach Berlin, wo er das ärztliche Staatsexamen ab* legte. Er war dann ab Hflfsarzt ah einem dortigen Kjankenhause beschäHigt und nahm am deutsch-französisehen Kriege Theil. Im Jahre 1872 habilitirte er sidi an der Universität Berlin als Privatdocent flir Geburtshilfe und Gynä*

23*

Digitized by Google

356

Wemidu Brasdnci;

kulugie und veröffentlichte seine werthvollen Untersuchungen über das Mutter- korn. Im Jahre 1874 folgte er einer Berufung an die medkk^die Hoch- schule zu Tokio (Japan), wo er die Leitung der Kliniken für innere Medicin und für Geburtshilfe übernahm. Hier hatte er Gelegenheit, Beoluirhtungen über die Beriberi-K rank heil und über den Aussatz zn m;i(hen, welche 1878 erschienen. Nach einem kaum dreijährigen Aufenthalt verSiess er Japan uiiü kehrte nach Deutschland zurück. Seine ärztlichen Erfahrung^ in firemden Erdtheilen legte er in dem Werk nieder: »Geognqihisch'-medidnische Studien nach den Erlebnissen einer Reise um die Erde. Berlin 1878.« Er begann nun seine T.ehrthätigkeit wieder, riehtete dieselbe aber liavi])tsä< lilirh ai.f" Kpidemiült>^ie , Geschichte der Medicin und medicinische Ge<)ura]ihie. im Jahre 1881 trat er in den Staatsdienst und wurde zum Bezirk s-Fhysikus in Berlin ernannt. Schon 1884 wurde er zum Medictnalratfa befördert und als Sanitätsreferent der Regierung in K^talin in Pommern zugetheilt. Im Jahre 1891 wurde er in derselben Eigenschaft an das Berliner Polizei-Präsidium versetzt. Ans dieser Periode stammen seine vortrefflichen Arbeiten über die Entwickclung der organisirten Krankheitsgifte und über die aromatischen Fäulnissproducte in ihrer Einwirkung auf Spalt- xxnd Sprosspilze (1880)^ in denen er Anschauungen vertrat, die ihrer Zeit vomtiaeilten. Bald darauf gab er ein Lehrbuch der Desinfectionslehre heraus. Er sdhrieb ferner Ober die Medicin der Gegenwart (i8Sr und stellte frurhrhringende Untersiirhtmgen über das Wesen des Abdominal-'l'xplnis an (1882', welche überall Interesse erregten. Durch seine Thätigkcit als Medicinalbeamter wurde er veranlasst, ein t^ehrbuch ffkr Heildiener, sowie eine Zusammenstdlung der Medicinal- gesetze Preussens au verftunen. Ausserdem bearbeitete er die mediciniache Geographie in den von Virchow und Hirsch herausgegebenen Jahresberichten und lieferte /:ililrei< lie IkMtrüf^^e für Zeitschriften und Sannneiwerke. W. besass ein universelles niedicinisches Wissen und war in i'heorie und Praxis gleich erfaliren. Von unermüdlicher Arbeitslust, Mar er stets bereit, neue Aufgaben zu übernehmen, und bewältigte sie in dem Masse, dass man glauben konnte, er habe sich lediglich dieser S]>ecialfragc gewidmet. Er war nicht blos ein gründlicher Forscher mit weiten Gesichtspunkten, sondern vermochte nneh die Ergebnisse seiner irntersuchungen klar und verstaut lli< Ii dar/ustellen. Em harmonisch entwickelter Geist, der in einem kräftigen Korper wohnte, schien er für ein langes thatenreiches T^ben geschafifcn; da machte der Tod allen Erwartungen, welche daran geknüpft wurden, am 19. Mai 1896 ein jähes Ende.

Euknbttrg' in der Dcttttcliett medldD, Wochentebiift 1896. No. aa und in der Bediaer Uia. Woehauchr. No. ai.

Th. Puschmann.

Bnmdaer, Fratis, Br. Geboren za. Ha3tcin am 13. Februar iSai trat er 6 Jahre alt in die dortige Volksschule. Von Geburt an gänzlich arm und

körperlich schwach, weder für das Handwerk, noch für den Bauemstand tauglich, aber geistig begabt, wendete er sich den Studien ?n. Fin edler Priester war ihm hiebei behilflich; er bereitete den Knaben für dii.s (iyni- nasium vor, führte ihn nach Salzburg und verscliafitc ihm daselbst Kostortc. B. machte glänzende Fortschritte und war in seiner Qasse fiist immer der erste. Nach Vollendung der damaligen 6 Gymnasialcla^n wurde er en(l]!< Ii der ;:rössten Noth enthoben. Ftldninrs< ImII-T ieittcnnnt Herbert Baron Kathkeal nahm ihn als Hofmeister seiner jungeu Söhne in sein Jtiaus und mit sich

Digitized by LiOOgle

357

nach Verona und Mailand, woselbst B, die zwei pTiilosophischen Jahrgänge absolvierte. Mit dankbarem Herzen erinnerte er sich jederzeit der in dem freiherrlichen Hause verlebten Jahre. Im Herbste 1841 trat B. als Alumnus in's f. e. Priesterhauü zu Salzburg. Immer kränklich, oblag er doch mit Eiter seinen Studien. Am i. August 1844 vom Cardinal Fttnten Schwarzenberg zum Priester geweiht und am 17. Juli 1845 mit der Ciuu. betraut, war sein erster Posten Neukirrhen im Pin/gau, wo er bis Mai 1848 segensreich wirkte. Von diesem für ihn \ iel zu beschwerlic hen Posten wurde Franz B. als Siipj)lent für Religionswissenschaft und Pädagogik an das damalige Lyceum berufen und Nachfolger des seineneit sebr hochgeschätzten Professors Dr. Josef Buchnor. Als sodann im Jahre 1849 ^ Lyoeum und damit die philosophische Facultät aufgehoben ward, wurde B. Studienadjunct mit 100 fl. Salair und freier Verpfllegimg im Friesterhnnse und zugleich seit Dr. Job. N. l-ahians Beförderung auch Supplent des neutest:tn>*-ntarischen Bibelstudiunis und Mitglied des vom l-ürsten Schwaizcubcig eingesetzten Redactions-Comit^'s der Salsburger constitutionellen Zeitimg, in welchem der überaus vorsichtige, jeder Neuerung abholde B. das Gegengewicht seines Collegen, des feiuigen und freisinnigen Redacteurs Dr. Josef Schöpf bildete. Nachdem B. bald flnmarh den Concurs für die Lehrkanzel gemacht, wurde er im Juli 1852 dehnitiv mit 600 fl. C.-M. Anfangsgehall und 150 fl. Remuneration für den Vortrag der höheren Exegese angestellt imd behauptete diese Professur volle 40 Jahre bis su seiner Pensionierung (1893). Seine Beettge aus dieser Lehr- kanzel steigerten sich inzwischen infolge Organisierung der theologischen Fap cultätcn auf fast 3000 fl ö. W. Tm Jahre rS53 j^romovierte er zum Dortor der Theologie, war S mal hintereinander Decan und /ulet/t Siibsenior dieser Facultät. Am i. Jänner 1896, halb 10 Uhr, wurde er vom Schlage getroften und blieb augenbUcUich todt. In seinem Testamente hatte & beinahe sein ganzes Vermögen dem f. e. Borromäum vermacht, in welchem er in früherer Zeit durch viele Jahre im Lehramte Aushilfe geleistet und fast regelmäang seine Abende in einem Kreise Gleichgesinnter zugebracht hatte. Fr war Consistorialrath , Defensor matrimonii. Kitter des Ordens der eisernen Krone und Ehrencanonicus von Mattsee. Dem grossen i'ublicum war er aber dem« ungeachtet ein Unbeltannter. Denn niemals trat er in der Oeffentlichkeit vor der er eine heilige Scheu trug hervor, betheiligte sich an keinem Vereine activ, trat nie als Redner auf, schrieb mit einer einzigen Aus- nahme (1S49) weder in Zeitungen noch I'a( hblätter, publicierte keine einzige Schrift, kurz er führte ein stilles zurückgezogenes Leben. Dabei be- fand er sich wohl und wurde alt, obgleich er von Kindheit auf körperlich sehr schwach und so leidend war, dass er durch vide Jahre hindurch sich sogar ausserstande sah, die Messe zu celebrieren. Trotz seiner mias- h*( licn ( iesundheitszustände und seines stillen, srhtirhtemon Wesens war Professor Dr. B. dennoch von harmlos heiterer (iemiithsart und in jeder (ie- sellschatt ein gern gesehener Ciast, ja sogar witzig und schlagfertig; ein starker Gdst, in schwachem Leib I Sein treffender Witt zeigte sich glänzend bei der im Jahre 1863 von Döllinger nach München einberufenen Gelehrten-Ver- samnilung, welche Professor Dr. Josef Schöpf und sein College Dr. Franz B. hiezu geladen liesuchten. «Mit glänzend gewichsten Kanonenstiefeln« betraten sie den Versammlungssaal. Der päpstliche Nuntius lächelte über die Kanonen der beiden Sakbiurger Geldirten, während andere lachten »Tbut nichts« bemerkte B. schlagend »da kommt's auf den

Digitized by LiOOgle

35«

Braadacr. Tttf.

Ko])r und nicht auf die Stiefel a»-'' Es war die^ wohl dns einrigemal in seinem Lehen, dass der schüchterne, stille Mann einen Augenblick den Res[)C( t vor der ihm heiligen Auetori tat vergass.

Der Berichterstatter io der Mitth. des Vereins ftir Salxburger Landeskunde scbopit ans den Nekrolog von Profeuor Dr. Joeef ScMpf im neuen Sakbrnser Hane- und Wtk- •clMÜt»>KaIcDder 1897.

Frey, Carl von, wnr der ^ohn de«; k. V.. Kreis/.ei< hners fTn*ren!eur<^''i Carl von F. in Salzburg uiul seiner Gattin Marie, geburnen von Helüer; er wurde am 3. Juni 1826 geboren und vorlor noch nicht ganz 9 Jahre alt den Vater, welcher viel tn früh am 14. April iSsS starb. Seine Erziehung blieb daher der Mutter und den Grosseltern Anton und Therese von Heflfter überlassen. Er besuchte die Schule und sodann nurh das Cvni nasium seiner Vaterstadt, verliess aber 1841 letzteres wieder, um als Frak- ticant in da& Handelsgeschäft »Gebrüder Heffter« einsutreten, welches damals Martin yon Reichl innehatte. Nachdem am 36. Jum 1844 auch der Gro»' vater, Anton von Heffter, gestorben war, kam Carl von F. 1845 das Bankhaus Hefner und Prevot in Frankfurt nm Main, in v rlthcni er bis rvm April 1847 verblieb. Naeli einer grossen Rei.se auf dem kliein, na( h lielgien, London, Paris und durch Deutschland nahm er im October desselben Jahres eine Stelle in der Handlung der Gebrüder Steinbrecher in Wien ein, wo er die ersten StOrme des Bewegungqahres 1848 mit erlebte. Im Mai kehrte er nach Salzburg zurück, erwarb am i. Juli 1850 von Martin von Reichl dvirrh Kauf das Heflfter'sche Handelsgesrhäft und verehelichte sirh nur»- niclir selbständig am 22. August de.Hselben Jahres mit Anna Ciugg. Am 2. Juli 187 1 übergab er das Handelsgeschäft, welches seinen Neigungen nie- mals entsprochen, käuflich an Josef Zulehner. Jetst durfte er ganz und un- gestört scinc-r Fiebe zur Kunst und Natur sich hingeben, konnte dieser und seiner Tamilie allein leben. Fine gleichgestimmte, liebende Gattin und fimf blühende, hotfnungsvollc Kinder theilten mit ihm flas sclbstgcsehatTene Heim auf einem der herrlichsten Punkte des Mönchsberges oder die trauten Ge- mächer im Hause der Gros8> und Urgrosaeltem am Marktplätze unten in der Stadt 0er Gesellschaft fllr Salsburger l^deskunde gehörte er seit ihrem Grün* dungsjahre (1860) ununterbrochen an und hier stiftete er sich durdi seine Mit- arl)eittrs( liaft an dem von Professor Dr. Michael Walz herausgegebenen vortreff- lichen Werke; »Die Grabtienkmäler von St. Peter und Nonnberg zu Sakburg' (1867 71 und 74) ein bleibendes Andenken. Sein Antheü hieran war die Herstdlung der tlaitdzeichnungen für die Illustrationen. Die Heraldik und ins- besonders die gothischcn Stylformen, blieben seither ein Lieblingsstudium für ihn. Auch seine Vorliebe für Alterthümliche«; ttnd sein Sammeleifer, hei dem Ankaufe des rothen i hurmes oder der nach ihm sobenannlen »Freyburg« etc.) stand mit seinen künstlerischen Neigungen im engsten Zusammenhange; ferne davon einer blossen Modethorheit tu huldigen, gieng seine Freude am Alten aus wahrem Kunsteifer, gepaart mit Kunstverstiindnis und Geschmack hervor. Obwohl Carl von F. schwere Verluste, welche sein Familienglttck sertrttmmert hatten, mit ungebeugtem Starkmutb trnpen schien, «?o 70g er sich doch in letzter Zeit melir lux h als frtiher aus der ( Jesellseliaft /uru( k. Fr suchte auch seinen Lieblingssiu auf der Hohe des Berges seltener auf und ver- weilte nun Öfter in seinem Stadthause oder auf Kelsen. Er beg^b sich behu6

Digitized by LiOOgle

I

r

einer Cur nach Berlin, wo er am 24. Juli 1Ü96, 71 Jahre aU, uneru'artet einer Lungenentzändung erlag.

Hilft. 4er G«Mlbeb. ftr SiOabwircr LradokoBde. XXXVL Bd.

Hoermann, Franz Xaver. Am t. April i8f)6 starV) in Traunstein Frnnz Xaver H., Bildhauer aus Hur^' l)ci 'l'cngling. Derselltc erhli(ktc als Sohn des Tischlermeisters Mathia:» H. in Burg und seiner Khefrau Iheresia, ge- borenen WoUfthrtsttttter, am 99. Kovember i3da das Licht der Welt. Im /ohnten Lebensjahre bereits hatte er, sowie seine etwas ältere Schwester riuresia, den Verlust seiner Mutter zu heklaiicn. Auf ausdrückliches Ver- langen seines Vaters \m<\ seiner Stiefmutter erlernte der junge H. rins 'f'isrhler- handwerk im elterlichen Hause, gieng, den damals für das Handwerk be- s teilenden Vorschriften entsprechend, in die Fremde und arbeitete 3 Jahre lang als Geselle in Banmburg und Tittmoning. Nachdem er von seinem Gross- Tater, dem Bildhauer Mathias H. den ersten Unterricht im Zeichnen, >!o<lcl!ieren u. dgl. erhalten, hefjab er sich auf dessen Antrieb im Jahre 184;? an die polytechnische Scluile in München, Wu er nn dem damnlifxen Schüler untl später bekannten Bildhauer Halbig einen ihn ancifcniden Freiind land. Im folgenden Jahre besuchte H. die unter Schwanthalers Leitung stehende königl. Akademie und war mit anderen Schttlem an der Ausflihrung <ler Werke Schwanthalers beschäftigt. Die Realisierung eines Stijjendiums, besonders eines ihm von Schwnnthaler wiederholt nngebotenen R<Mvesti|)rndinms nach Italien, ward leider unmöglich, da er kein Dürfiigkeiis/eu^uis seines in ziemlich guten Verhältnissen lebenden, seinen studierenden Sohn jedoch sehr karg haltenden und auf Nebenverdienst anwdsenden Vaters beizubringen ver- mochte. In die Zeit seiner akademischen Ausbildung fiel auch das Revolutions- jahr 1848 vuid der 25jährige Akademieschiilcr war Zcupe der Münrhenpr Bierkrnwalle und des Lola-Sturmes. Vorhandene C»edi( lue flessell>en lej^en von seiner damaligen Freiheitsbegeistenmg Zeugnis ab. Im Jahre 1850 uber- nahm H. das väterliche Anwesen in Burg und verehelichte steh 1854 mit Anna Maria Diraberger aus Tengling. Bis xum Jahre 1890 nun war er auf dem Gebiete der kirchlichen Innenarchitektur (Bildhauerei und Architektur- schreincrei* cifrij^ in Burg thätig und rnhlreiche Kirchen in näherer tmd fernerer Umgebung: legen Zeugnis von seiner fruchtbaren und sidi stetig ver- vollkommnenden künstlerischen l'hätigkeit ab. Neben dieser seiner Berufe* thfttigkeit bildete das edle Waidwerk seine Erholung; er war &st 50 Jahre lang Pächter der Getneindejagden und als vorzüglicher Schütze in weiten Jrigerkrcisen l)ekannt. Eifrig best liäftigtc sieh der Verlebte auch mit geschicht- li( lien und literarist hcn Studien, mit Hotanik und besonders in den letzten Jahrzehnten, mit Sozialpolitik. Fruchtbare Anregungen, vorzugsweise auf den Gebieten da* Cultur- und der Localgeschichte, erhielt er durdb den mit ihm enge befreundeten Gcschichtsfoischa', köni^. Legationsrath Ritter von Koch-Sternfeld, seit 1835 auf dem Schlosse Lampoding, später, bis zu seinem t866 erfolgenden Tode, in Tittmoning wohnend. Mehrere vor- handene Briefe von Ko( h -Sternfeld's /eigen noch von dem regen geistigen Verkehre, im Jahre 1890 siedelte H. nach Traunstein über, wo ibu in den letzten Jahren die Geschichte und die Sagen setner Heimat viel be- sdiftftigten.

MitfhcOancen der Gcwlhwbaft Or Salchnger Ltodeikaiide XXXVI. Baad.

Digitized by LiOOgle

Rtlhlniaiin«

Kühlmann, Christian Moritz, geboren am 15. Februar 181 1 in Dresden als Sohn eines Handwerkers, besuchte nach seinem Abgang von emer Bttiger-

siluilc von 1829 an die technische Bildungsanatait seiner Vaterstadt» hörte

gleichzeitig Vorträge an der dortigen n.ius( liulo und wühlte nach Beendi^un^ dieser Kurse das Lehrfach der reinen Mathcni.itik und Mechanik nis seinen Beruf. Im Jahre 1835 wurde er Hülfsichrer der Mathemauk an der teciini- schen BQdungsanstalt seiner Vaterstadt und unternahm in demselben Jahre» untersttltzt durch die sächsische Regierung, seiiw eiste grössere technisdhe Heise nach Kärnthen und Oesterreich. Im folgenden Jahre erfolgte seine Er- nennung zum ordentlichen T ^hrcr der anpe\van<lten Mathematik an der reu errichteten Königlichen (k-w cr])e^rhule /u C hcmnit/; vor Antritt dieser Stel- lung hatte er noch Gelegenheil, einige Vorlesungen a,n der Universität l^eij>- xig zu hören. Von dieser Zeit an widmete sich R. yorwiegend der mecha- nischen l'cchnologie und dem ^L'lschinenwesen und unternahm zwecks weiterer Ausbildung in diesen Fächern mit Unterstützung der sächsischen Regierung in den Jahren 1837 und iS^S längere Reisen nach Frankreich, Belgien tind der Schweiz. Im Jahre 1838 wurde R. in Chemnitz als Techniker fiir Zoll- und Privilcgiensachen verpflichtet, und zwei Jahre später erhielt er den Ruf an die höhere Gewerbeschule in Hannover, aus welcher die Technische Hochschule sich entvickelt hat, mit dem Titel »Professor«, nachdem er in demselben Jahre an der Univer^iität Jena die jihilosophische I"^()k torwürde erworben battc. In Hannover wurde K. im Jahre 1841 zum Mitgliede der Direktion <lc> Oc- werbcvereins gewählt und im folgenden Jahre vom Konigl. Hannoverschen Mintsterium in die damalige Eisenbahnkommission berufen. Die Stadt Han- nover verlieh ihm 1846 das Ehrenbflrgerredit, und 1855 wurde ihm im Be^ zirke der Polizeidirektion Hannover die Beaufsiditigung älmdicher Damjif- kcsselanlagen übertragen, ein Amt, welches er bis vor \\cni^cn Jahren stetig beibehalten h.it. Im vorhergehenden Jahre wurde R. dureh Verleihung der 4. Klasse und 1856 durcli das KiiLerkreuz des Guelphenordcns ausgezeichnet, hn ersterwähnten Jahre wurde er auch Mitglied der Bamp&chiff-Revistons- kommission für die Weser. Den Kommissionen zur Prüfung der Techniker für den höheren Staatsdienst bat er sowohl unter der hannovcrsrhen Regie- ntnp als attrh späterhin bis an sein Lebensende anschürt, /n allen [grösseren Indu:>trieausstcllungen erfolgte seine Entsendung durch die hannoversche Re- gierung, so 1844 nach Paris, 1845 Wien, 185 1 nach London; ausser^ dem machte er Reisen nach London 1853 cum Ankauf landwirtschaftlicher Mustermaschinen, 1854 zur Eröffnung des Krystallpalastes zu Sydenham und 1858 7ur Untersuchung der Arbeiterver1\ände in Kn^'Iand und Schottland. Iiti Jahre 1S61 unternahm er eine Reise zur Besieh ti^nni«: des Mont Cenis-Tunnels. 1862 erfolgte seine Ernennung ^um Mitglied der Jury der Weltausstellung zu London und tum »Offister des öffentlichen Unterttchts in Frankreidi«, unter gleichzeitiger Verleihung des Ordens der Ehrenlegion. Am i. April 1886 konnte R. das Jubiläum .seiner fünfzigjährigen Lehrthätigkeit feiern, bei wel- cher Gelegenheit seine Verdienste seitens des Kaisers durch Verleihung des Kronenordens II. Kl. mit dem Abzeichen für Jubilare und vom Konig von Sachsen diu-cb Verleihung des Komthurkreuzes U. Kl. des Sächsischen Ai- brechtsordens anerkannt wurden. R/s Th&tigkeit als Lehrer an der Gewerbe- achule, dem Polytechnikum imd der technischen Hochschule kann nicht mit wenigen Worten, also hier nicht eingehend, iiel- enn/ei< hnet werden; dazu A^'äre es erforderlich, die Entwicklung der Schule selbst in ausgedehnter Weise

Digitized by LiOOgl

RflUnmui.* Bnumcnmevter.

3*1

zu erörtern. Seine Starke als Lehrer la^ nicht in der Ausfühnm«! eigener bahnbrechender kleen, sie lag vornehnihch in der Darstellung der Entwicklung des Maschinenw^ns und der technischen Mechanik; auf die^m Gebiete hat er Grosses geleistet und höchst anregend gewirkt. Sdne zahkeichen Hdrer, seine »jüngeren Freundet, wie er sie bezeichnete und behandelte, haben in diesem Sinne vielen Nutzen aus seinen Vorträgen ^^ezop:cn tmc! werden sein Andenken stets hoch halten. R.'s Wirken ah Srhriftsteller auf technischem Gebiet ist ausserordentlich umfangreich und vielseitig. erschien seine

erste Abhandlung über sächsische Mahhntthlen und deren Mahlmethoden. 1837 erfolgte die Herausgabe seiner bekannten Logarithmentafeln, welche 1S79 in 8. Auflage erschienen. Von seinen sonstigen Werken sind besonders zu nennen: Die horizontalen Wasserräder, Turbinen oder Kreiselräder. 1840: die technische Mechanik: i. Abteilung (Geosiatik^ 1840, 2. Abteilung j^tieo- dynamik) 1841, 3. Abteilung (Hydromechanik) 1854, von welchen Abteilungen 3. und 3. Auflagen ersdiienen sind; allgemeine Maüschinenlehre: der erste Band 1862, der vierte 1874. Nachdem von den ersten Bänden dieses Werkes l)e- reits eine zweite Auflage erschienen war, ist R. mit einer neuen Auflage des letzten Bandes bis zu seinem Ab leben bes( häfii^^t gewesen. Seine Vorträge über die Geschichte der technischen Mechanik und der theoretischen Ma- schinenlehre« erschienen 1881 bis 1885. Von 1843 bis 1844 war R. Mit> redakteur des Hannoverschen Gewerbeblattes und von 1858 1877 Redakteur der Mitteilungen des Hannoverschen Gewerbeverein hat R. auch in den an- deren technischen \'creinen zu Hannover eine hervorragende und anregenrle 'rhaU;^^keit entfaltet. Er war Ehrenmitglied des Hannoversrhen .'Vr« liitektcii- und ingenieiu- -Vereines und des Hannoverschen Bezirksvereines deuLscher Ingenieure, welch letzterer ihm diese Wfirde anittsslich der Feier seines acht- zigsten Geburtstages verlieh. Die gleiche Wdrde bekleidete er ausserdem noch in vielen technischen und gewerblichen Vereinen Deutschlands und Oesterreichs. R. war niisserordentlich Reissig und stets bei der Arbeit tu finden. Trotz seiner unermüdlichen I häligkeit war er aber auch ein freund- licher Gesellschafter und die sprüchwörtliche Gemütlichkeit seines Heimat- landes hat ihn nie verlassen. Zweimal verheiratet gewesen, hinterlässt er eine Wiltwe, aber keine Kinder; die aus der ersten im Jahre 1838 in Chemnitz geschlossenen Ehe entstammenden Kinder sind, c])ensn wie .ein Schw iegersohn, ihm im Tode vorausgeg.vnt^en. Sein Wunsch in den letzten Lebensjahren, ejnmal wahrend seiner Berufsthatigkeit vom Tode ereilt zu werden, ist ihm nahezu erfüllt worden, denn nach kurzem schmerzlosen Krankenlager, auf dem er sich nwA mit seinen Arbeiten beschäftigte, isut er sanft entschlafen. Mit R. ist ein Veteran des deutschen Gewerblebens tmd der technischen Wissen- schaften hingeschieden, der fast zwei Menschcnaltcr hindnreh freudig und unermüdhch in seinem Berufe [gew irkt hat. In der (ieschii lite der deuLsehen Industrie und tler technischen Wissenschaften wird sein Name inmier mit Ehren genannt werden.

Zrittdir. des Veiciiis deatkcli. iDgCbicure. 1896. Bd. XXX. No. 6.

Brunnenmeister, Emil. Als Sohn eines Handwerkerhanse? ist er am 5. Mai 1854 in Kreuzlmgen am Bodcnsec, CarUon Thurgau, geboren worden. Das Verhältniss der trefflichen Eltern der Vater war Tischlenneister zu dem Sohne» dessen Begabung sich frtth zeigte, ist ein wunderschönes ge- wesen. In' demselben Hause wohnte auch Jakob Etter, der Prilsident des

Digitized by LiOOgle

36s

Tbiirgaurs<;b«n BcxirV.sgericht«: er war des Knaben Pathe, «'^--r'sr sein V:>r- büd, wohl setn Fulirer zur Junspnodenz, fux die sich in dcoi k.nab<aa cznc finihe Kei^^ing entwickelte. Setnem 'väitcrlkfaen Fiecnde oid Xjdknr» bat er 1879 tiefeter Dankbarkeit« seine «Quellen der Banibergensis« grwidzcct.

Karh Verla.-H.sen fies Con.stanzer Ojinna-iums, an dem er die feieriicbc A'-r- srhied.srede zu halten hatte, ging R. auf die Academie nach Ne'-t< hirt;!. Dort ei;rnete er .vich iMTsonrleni tiie £raiucteis<;he Sprache an. Seine an- muüiige Feinheit der Umgangsformen hat m wohl schon donfain mttgenomnien. Thum wandte er sich nach Ileutscfaland und stodiote in Heidclbei^ Göctinger und Leipzig. Den tiefsten Einfluvs während der Stodiemeit durften Wind- scheid, Wach, Roscher und Hindinj: auf ihn ge\i'onnen haben. Spalter, als er s<hon Privatrlorent in Fia-sel geworden, hat noch .Andreas Heusler tiefer auf ihn eingewirkt. Besonders auf dem Gebtete des Ci^ilprocesses l>e- trachtete er sich gerne ab dessen Schttlcr. Schon in Bindinf» I^acncum waren seine schriftlichen Arbeiten zum TheO «usgezetchoet. Gerne hat er sich auch an den n>:i'.vr?r- betheihgt, und es bedurfte keiner grossen I*rophetcngat>e, um ihm die Y'r'rj-^nKe d*^r Beredsamkeit zu stellen. Kr spater ein ausgezeichneter l>u<:ciiit geworden; er sprach klar, einfach, der Rede vollkommen machtig, mit feinem Sinne fiir die Schönheiten der Sprache. Überzeugend, weil nach allen Seiten gründlich durchdacht, crwümend und erhebend, weil ihm di< Wissenschaft Herzenssache und be&ig war. Die schönen, schwungvollen Worte, die er «^r äter am 22. DeccmVcr T*^SS bei Windschcid's 5ojährigcm Doctorjubilaum nl*^ Dekan der H dlcnNcr i aciilt.Tii an den Jubilar gerichtet, haben bei Jedem, der sie horte, den nefstcn Ein- druck hinteriassen. Die Preisfrage des cximinalistischcn Scminais nach den »Quellen der Bambeiigensis und der Art ihrer Verwendungc wurde das Tbenu, an dcs<«n Bearbeitung B. sich ztim wissenschaftlichen Forscher ausbildete. So fi.if er tn verhältnismässig kurzer Zeit eine sehr gute Arbeit ferfi- aestelh, du /Uli,»« lisf <\vn Preis erhielt und die nach einer sorsrt iltiLcn l ni.irUeitung zu einem Mu.stcrwerkc der deutschen rechtsgeschichtlichcn Lueratur geworden ist. Als »nie Quellen der Bambergensis. Ein Beitrag cur Geschichte des deutschen Strafrechts« erschienen, war der Vcrfa-sser kaum 9$ Jahre alt. Anderthalb Jahre vorher hatte er die Studienzeit abgeschlossen und in Leijizig nm ji.Decembcr 1^77 mit dem daselbst sehr selteri ertheilten Pradicate f^unima cum laude jiromovirt. Unschlüssig, wo er sich niederlassen wollte, nahm er nach der Promotion die Stelle eines HU&arbeiters an der Bibliothdc m Göttingen an. Michaelis 1878 habilitirte er sidi filr Stiafredit in Basd. Dort hat er sidi ausserordentlich \s<>lil Lefühlt: er erwarb sich die all- ^'etneine Achtung und fnnd alsbal«! lUilall hei den Studenten. Al*^ er nach kaum Jahresfrist den Ruf als Nat hfol^er Osenbrü^'i^en's nach /.uri< h er- hielt, löste er sich schwer von der ilun lieb gewordenen Rhemsuadt, und auch dort hätte man ihn gern gehalten. Er ging Ostern 1880 nach Zürich und wurde 1882 durch einen Ruf nach Halle Deutschland aurttckgewonnen, dem er ein treuer Sohn geworden ist. Sieben Jahre ist er dann in Halle gel»]ie|)rn. Kr wurde ein beliebter Lehrer, stand in den angenehmsten persön- lichen Bc/.ieliungen zu den Coilegen, und die Nähe von Leipzig ermöglichte ihm, mit den alten Lehrern in erwünschter Fühlung zu bleiben. Schon in Zürich (Juni 1881) war er mit wahrer Begeisterung auf Bindings Antrag ein- getreten, «die Bearbeitung des römischen Strafrechts und Strafprocesses fär dessen Himdbuch su ttbemehmen* Diese römischen Studien haben B. bis

Digitized by Google

Snm&ciiiiiclBtcv*

an das Ende seines Lebens ni( hl mehr los^^elnssen. Ans ihnen ist nnsser einer einziehenden Kritik von J^antisberg' s Injuria ' i seine zweite grossere Monographie hervorgewachsen: »Das Tcnltungs verbrechen im alt- römischen Recht.« Leipzig 1886. Die Behandlung des ganzen Problems durch B. ist wieder durchaus mustergültig. Emt grosse Erregung in dies stille Gclehrtenleben brachte die Berufung nach Wien. Am 24. Juni 1889 \v ir der österreichische Ministerialrath Rittner in B.'s Vorlesung rn Halle erschienen und hatte ihn Nachmitt.igs aufgefordert, zum nächsten Hert)st eine der beiden in Wien erledigten Professuren (der Glaser' sehen und der Wahlberg' sehen) su Übernehmen. Mit dieser Uebersiedelung beginnt die Peripetie dieses bisher so glttckltchen Lebens. Seine Zubdrer sMhlten nach Hunderten, sein rrartirnm pewnnn steigenden Beifall: ein j^rosser l.elirerfol:^ ist ihm zweifellos xu Theil geworden. Aber er zahlte dafür den theuersten Preis! Den neuen Wiener I*rofcssor erwartete eine grosse Last neuer Arbeit. Er rousste die Cbllegien neu gestalten, sich in ein langst Yeraltetes wenig erquickliches Strafgesetzbudi einarbeiten und eine Fülle von Rigorosen wollte erledigt sein. Bei seiner grossen Pflirhttreuc waren diese Arbeiten fUr ihn wohl anstrengender als für manchen Anderen. TVfs d'iukte um so schwerer, als ihn schon im letzten (^)nartnl 1889 seine sonst so solide (»esundheit stellenweise im Stich Hess. Im December 1890 plagt ihn ein Halsleiden (Pharjrngitis) und wieder hält ihn eine heftige Erkältung in Wien fest. Nach Ostern 189 1 aus Abmia nach Wien surUdtgekehrt filhlte er sich au dend, um seine Vorlesimgen zu beginnen vmd mu'^'^rc nm Urlaub einVommen. (Offenbar hatte sich eine schwere Krankheit Jan^'sani vorbereitet nnd diese brach mit furchtbarer Heftigkeit im Mai 1S91 in Gestalt einer schweren, sein Leben tief gefährdenden acuten Gdiimkrankheit aus. Aber er genas und konnte ab Reconvalescent im Winter iS^r/^s in Meran seine wissenschaft- lichen Arbeiten wieder aufnehmen. Dort hat er seinen »Grundriss zur

^''orlesnnp Über nsf erreii hisrhes St rafproressrerht ' mit seinen klaren und lichtvollen IJeilapt-n l»evJ"!uicn. der freili( h erst 1893 in Wien er- schienen ist. Ks war an ihn die i rage gestellt wurtlen, ob er das arbeits- reiche und seitraubende Decanat der Facultät fibemehmen wolle. Seine Gesundheit erlaubte ihm das, so durfte er sich nicht weigern: mit allen gegen seine eigene Stimme ward er gewählt, \md er hat das Amt bis Knde des Sommers t8o4 leirhf nnd mflhelos \er\vaUet. Allein schon im Juli i?^o5 brach er, nachdem er sich mit beispielloser Energie aufrecht erhalten und rücksichtslos seine Pflicht gethan hatte, zusammen und am 22. Januar 1896 starb er. So fallen auf die Wiener Zeit tiefe Schatten , aber nicht nur die, welche die Krankheit warf. B. hatte sich in Wien besonders an Exner, den »Lebenskfinsfler«, wie er ihn so schön genannt hnt, nn Demelius nnd an GrUnhiJt ani:esrhlossen. Da musste ihn der dopiicke Schmerz treffen, erst den ganz vortrefflichen Demelius und einige Jahre später auch den liebenswürdigen Exner ^ einen in Jeder Besiehung so wohlüiuenden Freund zu verlieren. Die Nachricht von Exner 's Tode hatte ihn in der Sonuner* frische zu Vulpera getroffen und aufs Tiefste crschtittert. Wenden wir unsere Augen von dem wehmtlthigen Ausgange des Mannes nochmals aiif seine Cle- stalt in ihrer ungebrochenen Kraft mit cicni .schunen Kopie, den hellen Augen, die so klug und so herzlich blickten , so sehen sie in Emil B.

*) ZcHachiift Ar Reehtsgetdddit« Bd. XX}, Rom. Abih. S. J65

Digitized by Google

BrBB»eaaci»tcr. Srfcirha«

den erJiten deuttchcn Gdehrten and Lclirer wie er sein «ofl. Auch flm

hatte die WLs»easr haft geadeit. Alle UnhiiteiiMh blieb ihm fem. L'nge- wohnlifh turhtig als HL«»torikeT weilte er gerne l>ei detn Rechte der Ver- j^anp^enheii; als geschulter Oogmatiker beherrschte er voUstajidig das der Cfefeenw^n und als warmer Freund fortschreitender Gerecibti^eii iotefe&siru:^ ihn <ülc Ideen einer gesunden Reform.

Nadb doi Rckmlor iw« Karl Bindisf Cerielitwal, Bd. $3. Htfk

Skbichaa, Ferdinand, liestorben am 23. Januar 1896 in Elbing. In f^=f h/i^^iahrigcr, ebenso rastloser wie erfolgreicher Thatigkeit hat er ver- wirKluin, wa& er im Beginn seiner Laufbahn al& junger Ingtaüeur und In> rlustridler in Aiitiidit nhn, imd vid mdir ab das. Er sclnkb damals: MMchinenbatianttalt. Untencidineicr fertigt Dampftnasdunen» sowohl M'att' »che Maschinen als Rondenaationsmaschincn mit Expansion nnd Hochdruck- mT-^hinen, cisomc ^V .-^serrrider icifer Art, T'fen!egöpel, hydraulische Pressen, VVaiiWcrke, Appaiaie ^uin ALti si pl-jn 'IL^ /j< kcps im luftverdiinnten Raum u, a». w-, auch übernimmt derscibc, gaiue Aniagen, als: Oeimühlen, Sage- mühlen, Rnnkdrüben-Zuckerfidniken, emrarichten. Elbing, den 4. Oktober 1837. I''. Schichau, Altstädtische Walbtrasse No. 10.

Wahrlich, für einen jungen Ingenieur Sch. war am 30. Januar 1 8 1 4 jn Klhmp pcborcn \m(\ hatte sich in seiner Vitcr«5tnflt durch fleissigen h il- benurii und praKtische Arbeit die nötige Vorbildung erworben , der soelx-n er»t seine Studien auf dem königl. Gewerbeinstitut in Beriin vollendet hatte und nur ttber bescheidene Mittel ^erittgte, ein kithnes Programm! Aber nicht genug, das» Sch. die Aufgaben, die er sich damals seHist stdlte, in voUen Maassc IcMc: er '/ing später weit übtr jenes TVotn-nrnm hinaus, imkin er vor n\]fm null den Bau von Lokumoiiveti und eisernen Dampfsi huieii unter- nahm. Binnen weniger Jahrzehnte erwarb ihm die Vorzuglicijkeit seiner I^eistungen Achtung und Anerkennung weit Ober die engeren Krdse seiner Heimat hinaus, und vollends Weltruf erlangte er, als er 1877 mit dem B^iu von Torpedobooten begann. Auf allen Meeren, bei allen schiffahrttreibenden Nationen fintlot mnn rlic Boote, die seinen Namen trajjen und dnrrh Oiite der Ausfuhrung, bchnelligkeit und Betriebsicherheit vor allen anderen berühmt geworden sind. Bei solchen Erfolgen hat es Sch. auch an äusseren Ehren nicht gefehlt. Schon im Jahre 1860 zum Konmienienrat ernannt, erhielt er bei Gelegenheit des fünfzigjährigen Jubiläums seiner Fabrik im Jahre 1887 den 'Pitvl ils (Jcheimcr Kommcrzicnrat; ausserdem vcrh'eli ihm seine Vater- stndi fjeren FnfwirVlun^ mit derjenigen meiner Werkstatten aufs innigste

vcrknü]>lt war, die Ehrenbiirgerschaft, und zahlreiche Ordensauszeichimngcn wurden ihm suteiL Für Sch.'s Auffilssung seiner Stellung als Inhaber vmd Leiter grossartiger Werke ist es kennzeichnend, dass er wiederholt grämende Anerbieten: »sieh gründen zu lassen«, tapfer ablehnte; und nicht minder l)t irhtenswert ist die umsiehfice Sorpfnit, die er seinen Arbeitern und der Krliaiiung eines tüehtif^en Ailteitei Stammes widmcle. Stets fanden seine Ar- beiter ihn bereit, raicn und helfen. Wurden bisweilen die Aufträge knapp, so sdieute er selbst schwere Opfer nicht, um den Betrieb aufrecht SU erhalten und wenigstens den älteren, verheirateten Aibeitem Vcrdi«QSt au verschaffen. IV-sli ilb hingen auch seine Arbeiter an ihm mit lier/lirher Ver- ehrung, und wenig l'.rfoli; hatten in ihren Reihen die Bestrebungen der Sozial- demokraten. Sch. hinterlasst zwei Kinder, einen Sohn und emc Tochter.

Digitized by Googl

Schichau. Schiefl'er.

365

In den Händen seines Schwiegetsohnes Carl H. Ztese liegt seit Jahren die technische Leitung der Werkstätten und Werften ni Elbing und Danxig; er*

probte Mitarbeiter stehen diesem /a\t Seite, und «n vorztiglich geschulter Arbeiterstamm sichert die tndellosc Austühninjr srhvvieriffster Aufgaben. So werden die Schöpfungen Sch. s, Meisterwerke praktischen Sini\es, richtig an- gewandter Ingenieufkunst und weitblickender gcschafthcher Klugheit, in seinem Geiste erhalten und weitergefUhrt werden, mm Ruhme deutscher Technik» 2um Segen Deutschlands.

Zeittclur. de* Yereiiis dcuticli. lagenieure* 1896. Bd. XXX. No. 8.

SchiefTer, Ferdinand. Am 10. December starb plötzlich infolge eines Hersschlages in Wien, wo er sich in dienstliclien Angelegenheiten aufhielt, der Kaiserliche Regierungsrath Ferd. Sch. aus Strassburg i. Mitglied der Generaldirectton der Reichseisenbahnen in EIsass-Lotlirin^^en. Sch. war am 18. Februar in Blumenthal im Re<;!eninf^sbczirk Aii< licn geboren und

gehörte vor semem Uebertritt in den Reichsdienst der jireussischen Bau- und Ei>enbahnverwaltung an. Als Bauführer war er zunäclist im Bezirke der Königlichen Regierung in Düsseldorf, dann der Reihe nach bei Eisenbahn- Bauausfiihrungen der Oberschicsischen, Rheinischen und der Berliner Ver- bindungsbahn (Ringbahn) beschäftigt. Den Feldzug 1870/71 machte Sch. in rler Felfleiscnbahn-Abtheilung Nr. i mit und verblieb von da ab auch nach seiner Ernennung zum preussischen Baumeister Anfang 1873 im Dienste der Reichsbahnen in den neu erworbenen Landesthcilcn. 1880 wurde er zum Eisenbahn Bauinspector und 1889 z\nß Regierungsrath und Mitglied der Generaldirection der Eisenbahnen in Elsass-Lothringen ernannt, nachdem ihm bereits 1 888 die r.eschäfte eines B;ilnil)<. \()llmächtif;ten in eisenbahn-militäri- schen Angelegenheiten übertrn«^en worden waren, ein Amt, das er als Mitglied der LinicncQmmi&sion in Str^issburg bis zu seinem l^benscnde mit ebenso grosser Hingabe wie Sachkunde verwaltet hat. Ueber diese Seite seiner Thätigkeit spricht sich ein dem Verstorbenen gewidmeter Nachruf im Militär» Wochenblatt in folgenden Worten warmer Anerkennung aus: der Tod dieses pflichttreuen Beamten wird von seinen vorgesetzten Behörden unrl seinen He- rutsgenossen tief beklagt, ebenso wie vom grossen Generalstabe, iia besonderen von den Militär - Eiscnbahnbehorden. Er hat als BahnbcvoUmächtigtcr in Militärangelcgenheiten, sowie als technisches Mitglied der Eisenbahnlinien* Commission in Strassburg E. seit vielen Jahren sdn reiches n und

Können, sowie seine nie ermüdende Arbeitskraft vorzugsweise dem Militär- Eisenbahnwesen gewidmet. An dem Atishau der Reirhseiscnbahnen in Elsa&s- JLothringen im Interesse der l^andcsvertheidigung hat der Verstorbene hervor- ragenden Antheil genommen. Wusste er doch schon aus seiner erfolgreichen Thätigkeit bei der Feldeisenbahn^Abtheilung Nr. x während des deutsch- franz^Ssischen Krieges 1870/7 welche hervorragenden Aufgaben die Eisen- bahnen in den Kriefjen unserer 7eit 7M hisen hal)en. Daher war er auch unauspeset/i bcnuilii, sowohl die- Kriefis\ orbereiiun^^en der von ihm vertretenen Eisenbahiu er Wallung bis in alle Einzelheiten persönlich durchzuxirbeiten, wie auch allen Fragen, betreffend die Fortentwicklung des Militär^Eisenbahnwesens im allgemeinen seine Arbeitskraft zu widmen. Sein sachverständiges und praktisches Urtheil, verbunden mit initiativem Handeln, waren fiir die Militär- Eisenbahnhehörden vnn hohem Werth. Eine grössere Anzahl von Dfticieren des Generalstabes sind bei ihrem Commando zur Kaiserlichen Generaldirection

r

Digitized by LiOOgle

366

Schieffer* Gotsweyler. Oer.

der Reiclij»eiä»enbitlinen in Elsa^js-Lothringen durch den Verstorbenen über das Wesen des Eisenbahiibetriebes im Hinblick auf die militärische Ausnutzung der Schienenwege im Kriege untemchtet worden. Die Pflicht der Dankbar* keit gebietet es auch weiteren Kreisen der Armee bekannt zu geben, da^s man einen bcsoiulcrs vortrefTli( lien -Munii hegniben hat, der in aller Stille f Heer und A'aierland Her\ orra<;cn(les leistete und dessen Verdienste auch über das Grab hinaus im grossen Gcneralstabe unvergessen bleiben werden. Ofttralblatt der Bau Verwaltung. 1896. No. 52.

Goösweyler, Theodor. Am 4. Deceinbcr starb in Karlsruhe nach langem schweren Leiden der Grossherzogliche Baudirector G. in seinem 54. Lebens^ jähre. Geboren in Karlsruhe im Jahre 1843, empfing er seine Ausbildung

auf dem C'.\ iiinasium und dem Polytechnicum seiner Vaterstadt und trat nach :il>^clc<;UT St.i;its]mifung für Bauingenieure im J;ihre 1863 in den Dienst der l)adischcn Hau Verwaltung. Nach eini<<en l'raktikantenjahren bei Kisenbahn- bauten in Kngen, Stockach, Triberg, Donauesc hingen und bei der obersten Behörde in Kaiisruhe wurde er w^en seiner hervorragenden TQchtigkeit schon im Jahre 1871 zum Bahnbauinspector bei der Grossherzoglichen Gcncral- direction der Staatseisenbahnen ernannt imd in rascher Folge 1881 zum Ban- rath, 1889 zum Oberhaurnth, 1892 zum Bnudirector und Vorstnnd der tcrh nischen Abtheilung betordert. Dem Prüfungsamt für Staatsingenieure gehörte er seit dem Jahre 1892 als Mitglied an. Seine Thätigkeit um&sste sänunt- Kche Gebiete des Eisenbahnbauwesens: Neubau von Eisenbahnen, Umbau von Bahnhofsanlagen, Gleisoberbau, Bahnunterhaltung, Die hohe Ausbildung und der treffliche Zustand des badisehen BalinoberliAucs sind vomchniHrh seinen Bemühungen zu/usrhreiben. Von j^rosseren Hauausführungen, die unter seiner Überleitung entstanden, seien hier nur die strategische Balm Graben-Karlsruhe- Rastadt>Rhein, die Bahnlinie Stahiingen-Ueberlingen , die bedeutenden Bahn- hofsumbauten Karlsruhe, Singen, Appenweier, die letzten Erweiterungen des Mannheimer Rheinhafens genannt. G. war ein Mann von hervorragenden Kii^enschaften des Geistes und des Herzens. Kin !Hisfje?:cichneter Ingenieur von scharfem Verstände, weitem Blicke und reicher Erfahrung, ein Mann von allgemeinem Wissen und vielseitigen geistigen Interessen, streng gerecht, g^ wissenhaft, von feinem Takt und liebenswürdigem Wesen, war er in hohem Masse für das schwierige Amt emes Baudnx^f tors geeignet. Den seiner Ob- sorge unterstellten Beamten war er ein wohlwollender Vorgesetzter xmd treuer Berater. Den Hestrebimgen der Ingenieure, ihre Stellung /u hel»en, brachte er die wärmste 1 heiinahme entgegen, und seine Bcn^uhungen haben zu den erzielten Erfolgen wesentlich beigetragen. Seit 1873 haiMe G. gegen ein schweres, unaufhaltsam wachsendes Brustleiden anzukämpfen; es ist ein Zei' chen seiner bewunderungswürdigen Willensstärke, dass er dem tÜckisrhen Feinde bis zuletzt Stand hielt und sein Amt in musterhafter Weise verwaltete. Von allen, die ihn kannten, geliebt und hoch verehrt, wird der Heimgegangene in treuem Gcdächtniss fortleben.

Ccntnlblttt dtx Bawrerwaltvog. 1896. No. 50.

Fr. Engesser.

Oer, Alcxioder Freiherr voll, entstammte einer alten reichsfreiherrlichen Familie WestfiUens. Dresden war seine Heimat, denn hier wurde er am 26. August 1841 geboren. Rasch durchlief er das Gymnasialinstitut des Dr. ächmerbauch, so^e die damalige Polytechnische Schule; Ostern x86i

Digitized by Googl

Oer. Egli.

367

sehen wir üm bereits im Besitze des »Zeugnisses der Reife lllr Strassen-, Wasser- und Eisenbahnbau.« Seine Lehr- und Wanderjahre Men zusammen

mit dem immer volleren Ausbaue des sächsischen Eisenbahnnetzes. Eingeführt in die prnl;tis( lie ThUtigkeit wnrd er im Jahre 1861, er beteiligte sich an den Vorarbeiten für die C hemnitz- Annaberger Staatseisenbahn. Als Ingenieur- aiiäistenl 1&62 bei dem Baue in Wolkenstein thatig, übernahm er 1865 bereits die Leitung der Vorarbeiten flir die Linien Chemnits^Freiberg und Franken* berg-Hainichen. Am 20. November des gleichen Jahres bestand er sein Staatsexamen als peprtifter Civibiigeiiievir; liieran sclilcjss er eine Studienreise flurrh Belgien, England, i'Vankrei( h und ( )l)er-It;ilien. N;u h seiner Rückkehr übernahm er unter dem i. Apnl 1866 die bteliung eines Seküonsingenieurs in Fkankenberg ttUr den Bau der Franlcenberg-Hainidiener Staatsbahn. In gleicher Eigensdiaft fttr den Bau der i . Sdction der Chemnitz-Leipziger Bahn ernannt, siedelte er nach Chemnitz Uber, leitete unter anderem den Regiebau des Bahnmühlen -Viadukts bei Wittgensdorf und übernahm als Betriebsinp;enieur nm T. Se])tember i86<) die Ingenieiirabtcilung Flöha. Als im Jahre 1S71 mehrere Privatbahiien auf dem Wege der General-EnLruprii.e gebaut werden sollten, wurde der Baugesdlschaft seitens der Regierung die Annahme eines sächsischen geprüften Ingenieurs vorgeschrieben und Frhr. v. Oer unter Er- theilung eines dreijährigen Urlaubs mit dem Bau der Linien Chemnitz-Komo- tan, Zwickau -Falkenstein und Gaschwitz -Mcusehvitz betraut. Nach Ablauf seines Urlaubs übernahm Frhr. v. Oer, unmiiielbiir der Generaldirektion der Staatsbahnen unterstellt, die Leitung des Umbaues d^ Altenburger Bahnhofes und eine Reihe wichtiger, damit im Zusammenhange stehender Arbeiten, die ihn bis Ende des Jahres 1B79 ^ Altenburg fesselten. Während diesa Zeit machte er auch einen Access im Betriebsdienste durch. Der l-.rncnnung zum Vorstande des Inpcnieurliezirkes T,cipztg I (1. De7:em!)er 1879) folgten weitere Emenrfungen 1884 zum Betriebsüberinspektor und 1885 zum Betriebsdirektor in Leipzig. Bis i. April 1889 in der Verwaltung seines Bezirkes thätig, ward er am I. AjaÜ genannten Jahres als Finanzrat und Mitglied der Küfiiglichen Gcncraldircktion nach Dresden berufen. Vom i. September 1890 an zugleich technisches Mitglied der T.inienkommission K, fibernahm er, einem Auftrage des Rultusministeriums folgend, von Ostern 1891 an der Dresdener techni- schen Hochschule die Vorlesungen über Tunnelbau, während des Sommer- semesters 1894 auch jene Ober Erd- und Strassenbau. Mit dem i. Oktober 1894 widmete er sich ganz dem akademischen Lehrfache und übernahm mit Titel und Rang eines Geheimen ITofrates die ordentli( he l'rofessur für Strassen- und ?asenljahnl)au, einschlicHsItrh Krdbau, Tunnelbau und Trassieren. Schon wahrend seiner Studienzeit stand er stets an der Spitze jener Bestreburjgen, die auf freiere Ausbildung abzielten und zugleich auf eine echt wissenschaft- liche Richtung im Studitmi. Wo immer im späteren Berui&leben die Gelegen^« hcit sich bot, so namentlich in den Jahren 1891/93 als Vorsitzender des Verwaltungsrntes des Särhsischen Ingenieur- und Architektenvereins, trat er uiederliolt und warm ein für alle auf l'esserung in den Veriiallaii^cn der Bauingenieure abzielenden üesUebungen. Am 9. Januar zum Rector gcwatill,

Starb er am 90. April.

Bericht Uber die kgl. ^Iisische technuche Hochschule in Dresden für d. Jahr 1895/96.

Egli, Dr. Johann Jakob, schweizerischer Geograph, der sich als Begrün- der und Altmeister der geographisrhcn Namenkunde hervorrngenric Verdienste erworben hat, starb am 24. August 1896 im 72. Lebensjalire zu Zürich. Oe-

Digitized by Google

36»

Egli. Kapp.

boren am 17. Mai 1825 in Uhwiesen -Laufen im Kanton Zflrich, wurde er

jEiinächst Volksschullehrer, dann Sekundarlehrer in Fla.n h, in Winterthur und 185^ in St. Gallen; i.SAT) lial)ilitirte er sich in Ziirii h als Prix atdorent für Kidkuiuk-, wurde Professor dieses l a(hs an der Züricher Kantonsschule und 1883 ausserordentlicher Professor an der Universität daselbst. K.'s Haupt- werk ist: »Nomina geographica. Versuch einer allgeraemen gcographisdioi Onomatologie« (Leipzig 1873), das 1893 noch einmal in einer viel veibesser* ten und vermehrten Auflage erschien. Als Ergänzung dient die kleine Schrift »Der Völkergeist in den peojfraphischen Nnmen»^ (I.ei]>^ip iJ^94). In seiner »(Jeschichte der geographischen Namenkunde« (Leipzig i886) zeichnete K. den Entwickelungsgang» den die Namenkunde bei allen Völkern, vom Alter- tum bis zur Gejsenwart herab, genommen und in H. Wagncr's »Geographi- schem Jahrbuch« berichtete er seit 1883 bis zu seinem Tode sechsmal Ueber die Fortschritte der f^eographisrhcn N.imcnVnndc . Xel»eti diesen .Arbeiten hat F.. aiK h ik« h t'ur viele f^engrapliische /eits( hriften fleitra^'e f,'e)ieferl und eine Reihe geographischer Leitfaden veröttcnilicht, unter denen scuic Neue Erdkunde« (St. Gallen» 8. Aufl. 1891) und »Neue Handelsgeographie i^Sc Gallen, 5. Aufl. 189a) am bekanntesten sind. E.'$ reiche Specialbibliothek von Namenschriften ist an die Züricher Stadtbibliothek glommen. Sind heute die «geographischen Namen nicht mehr wie früher die »nuda nomina-, so ist «lies wesentlich ein Verdienst E,'s,

Ürcnien. W. VVolkenha u er.

lüiipPt Dr. Emst, durch seine »Philosophische Erdkunde« als ein Haupt- vertreter der Karl Ritter'schen Schule bekannt, starb am 30. Januar iS.q6 l^üsseldorf in dem hohen Alter von 88 Jahren. Clebnrcn am 15. Oktober 180S /u Ludwigstadt in 01)erfrnnFen, stiulierte er in P><)nn und war von 1830 bis

1848 als Lehrer am Ciymnasiun» zu Minden in Westfalen thätig. Im Jalu^e

1849 wanderte er infolge dci politischen Bewegung mit seiner Familie nach Texas aus, wo er viele Jahre als Farmer ansässig war; 1866 kehrte er nach Deutschland zurück und lebte seitdem in Düsseldorf in stiller Zurttckgezogen- heit philosophischen Studien. K.'s H.ni|)tucrl, ist seine 1845 er*:ehierene »-Philosophist he (xk r vergleicliende allgemeine Erdkunde, nls xMsscnsi hattlichc Darsicilung der Lrd Verhältnisse und des Menschenlebens nach ihrem inneren Zusammenhange« (Braunschweig 1845, Georg Westermann, a Bände. Zweite stark veränderte Auflage unter dem Titel: Vergleichende allgemeine Erdkunde, 1868; XVI, 704 S.), in der er sich als ein echter Anhänger des grossen Geogrn])hen Karl Ritter zeigte. V'om Standpunkte rlcr Hcp;ersrhen Philosophie aus suchte er hier m geistreicher Weise nachzuweisen, wie der Entwicklungs- gang der mensciüichen Gesittimg von der Natur der Erdfesten beherrscht woiden ist. Als I^ker der menschlichen Gesittung erscheint K. das Wasser, und darum unterscheidet er in der Weltgeschichte eine potamisch-orientali- sfhe, eine ihalassisi h - kIas^is< lie und eine ozeanisch -germanisrhe Welt, d. Ii. CS entstehen Staaten /uersi an grossen Strinnen, flnnn an einem Mniclmeere und endlich jin einem ottenen Wckmccre. Gleichfalls im Verlage von G. Westermann veröffentlichte K. im Jahre 1877 seine »Grundlinien einer Phflo> Sophie der Technik, zur Entstehungsgeschichte der Kultur aus neuen Gesichts- punkten«, ein Buch, in welchem er als erste Bedingung der Entwickelung des Mensrhen rwm Selbstbewnsstsein die Fntstehitnf^ und Vervollkommnung der aus der Hand des Menschen stammenden Werkzeuge darzulegen su< hte.

Bremen. W. Wolkenhauer.

Digitized by kjOOgle

Leusinger. Seelstrang. Humann.

369

Leuxinger, Rodolf, ein hervonagendor Schweuser Lithograph und Karto- graph, starb eben 69 Jahre alt am 11. Januar 1896 m KfoUis (Ranton Glarus)^ wohin er sich seit 1S81 zurttckgesogen hatte. Geboren am 17. Dezember i8a6 AU Netstal (Glarus'^, wurde er in seinem 17. T.cl)Ciis];i!irc ein Zöglin^^ der im Jahre 1842 von Dr. Jak. Melchior Ziegler be^^ründctcn und nm die Kntwicke- lung der Kartographie so hoch verdient gewordenen lithographischen und topographischen Anstalt von Wurster & Comp, in YTintertfaur. Nach einem kttzzeren Aufenthalt in Paris in dem Erhard'schen Karteninstitute kehrte L. später nach Winterthiir in dieselbe Anstalt surück. Im Jahre 1861 wurde er in das Eidgenössische t()pogra]ihische Bureau zu Bern benifen, um an der Ausführung des bekannten Siegfried-Atias mitzuwirken und der mit durch seine Leistung zu einem Musterwerk der neuen Kartographie geworden ist. Be- sonders in der naturgetreuen und zugleich künstlerisch aufge&ssten Wieder- gäbe des Hochgebirges auf Stein war L. ein klaasischer Meister. Unter seinw znlilrciclicn eigenen Karten verdienen vor allem seine verschiedenen Karten der Schwei/, in l'':^r1 Ptnöncn, sowie seine orohydrogrnphisrhe Karte der Sclnvei/. im Massstabe 1:500000 und diejenige von gleichem Massstab mit Niveau- kuTven von 100 m Distanz genannt zu werden.

Bremen. W. Wolkenhauer.

Seelstrang, Arthur von, Professor der Mathematik an der Universität Cordoba in Argentinien, starb daselbst am 38. November 1896. Geborener Ostpreusse, wanderte er im Jahre 1863, nachdem er zuvor vier Jahre als

Offizier im 2. Garderegimcnt gedient liattc, n.ich Argentinien aus, war hier hinfjere Zeit T andinesser und wurde im Jalire 1880 an die Universität zu Cordoba als Dozent für Mathematik berufen. Im Jahre 1884 leitete er als Kommissar der argentinischen Regierung die von der geographischen Gesdl- schait in Bremen veranstaltete argentinische Ausstellung und veröffentlichte 1884 1887 mehrere Aufsätze über Argentinien und Patagonien. Seit 1886 erschien unter seiner Leitung ein erster grosser •'Atlas de la Repiiblica Ar- gentina«, der leider infolge der finanziellen Schwierigkeiten der argentinischen Republik noch unvollendet geblieben ist.

Bremen. W. Wolkenhauer.

Carl Humann wurde geboren am 4. Januar 1 839 in Steele bei Essen, an der Grenze von Wes^halen und Rheinprovinz, seinem Wesen nach ein Sohn dieser beiden Provinzen. Seine erste Jugend verlebte er theils im glttck-

lichen Genüsse der ungebenden freien Natur an seinem Geburtsorte» wo seine

Eltern im Besitze eines (Jasthaiises und grosser Steinlirüche waren, theils in Essen, wo er das Gymnasiuni besuchte unfl im Jalne 1859 das .\hiturienten- Examen bestand. So in seiner V'orbilduug auch dem klassischen Akerihunie nicht fem geblieben, ergriff er den Beruf des Ingenieurs, zuerst mit einem Jahre praktischer Uebung, dann auf der KönigUchen Bauakademie in Berlin. Im Kreise seiner Genossen war er dort ein beliebtes Mitglied des akademi- schen Vereins ^Motiv?. Neben seinen Fachvorlesnngen nahm er von Universität und Mu.seumsbesuch reiche Anregungen in sich auf, wohl noch ohne eine Ahnung, wie er sie einst zu entgekeii berufen war. Diesem seinen Berufe führte ihn ein anscheinendes Missgeschick entgegen. Durch ein Brusüeiden wurde er an dem vollen Abschlüsse seiner Akademie-Studien gehindert und bereits im Jahre 1861 veranlasst den Süden aufzusuchen. Fr wandte sidi nach Samos, wo ein älterer Bruder als Ingenieur thätig war. Mit iiun

Blogr. Jabrb. n. DmtMbtr K*lu«lo(. '4

Digitized by LiOOgle

37«

Himaiiib

arbeitete er an der Hafenanlage von Ttgani auf Samos. Hier war e> ' I ihn die crs*^c Auflfordcruni; fintl, nn die antiken Baureste dc> Lande- 1 untersuchen«.! c 1 Imd zu legen, llcinrii h Strack kam auf scukp Kei.sc, Ui Athen zur Aufdeckung des Dionysostheaters führte, nach ^anios und la- I lasste Humann eine Venuchsausgrabung am Heratempd tu machen. Hsen : war vordeutend der Weg gewiesen, den H. später so erfolgreich betn:: und auf dem er zu einem Gipfel seiner Leistungen geführt weiticn < Daneben führte ihn seine Berufsneip:uni: als Ingenieur zu immer weiter t r gesetzter Uebung in Karten- und l'lanaufnahmen, wozu ihm die f Je!ef:cT,'. - mannigfach geboten ward. Eine besondere Genugtlmung gewäiirie e:» hierdurch mit Heinrich Kiepert in Verbindung zu treten und zu dessen kkr asiatischem Kartenwerke, wo er konnte, beizusteuern.

Von Samos p'nt: H. dlar Smyrna nach Konstantinopel, beschäftigte bis -mm Mni t^o j fixiw illii^' fin den englischen Botschafter Sir Henry BuIul- unternahm vom Mai bis zum Augu.st 1864 Vermessungen für die damals }." jektirte Eisenbahn von Jaffa nach Jerusalem, bereiste am Ende des Jahres lUi die europttische Tttrkei bis zur Donau hinauf, immer mit Routen-AuihahiDc? und riaiueichnen beschäftigt, und wurde in den Jahren 1865 und 1866 br flcn ]^.intcn des (irossunfemebmers 1 otiis Merton rxtif den Prinzenin^^eln «i> weilig angestellt, im Sommer 1 S6(' ■J.u'i'fi er nnch Kleinasieii hintihcr.

Auf den kleinasiaiischen Führten wurde er wiederholt und liann iLi Jahre 1869, als er den Bau einer Landstrasse von Pergamon nach dem Hafcn- platze Dikeli übernahm, ftir längere Zeit nach Pergamon gefiUirL Ne)»<r; einzelnen hochragenden Ueberresten der römischen Kaiserzeit, wie sie in de: hcutii^cn Starb cn1por'^tciJ^en, war es der nl)er der Stadt sich erhebende Ber^, der, heule unbewohnt, einst die Koni-sstadt der Atudiden trug, welcher <U> Auge schon manches flüchtig duichiciehciulcn Reisenden gefesselt hatte, ohne dass es zu einer eingehenden Untersuchung gekommen wäre. Auch va» Texicr in seinem Werke über Kleinasien an Plänen und Aufnahmen bietet, gab nur eine oberflächliche und vielfach ungenaue Kunde.

Gleich das erste Mal, n!> II. den Starltbcrg von l'erfinmon \m Winier 1864/65 lietrat, sah er mit den Ruinen zugleicli die schon so lange ungehin- dert in ihnen hausende Zerstörungs;u-beit namentlicli der Kalkbrenner, denen er gleif^ bemüht war, ihr H^dwerk zu legen. Als er sie bei einem zweiten Besuche im Jahre 1866 doch wieder am Werke fand, that er aber- mals Schritte dacje^'^en bei der türkischen Regienr : H es Mal mit dauerndem Krfoljre. Aber mehr aN das zit tinin, (huu wurde Ii. walireml meines längeren Aufenthaltes in Pergamon im Jahre 1871 die Anregung zu Theil, als Ernit Curtius mit seinen Reisegefährten ihn in l'ergamon besuchte. Das ideale Streben, so sagt H. selbst, brach wieder frisch auf, als er zu Männern sprechen konnte, die ihm wanne und aurmi iuernde Theilnahme schenkten. Er machte für Curtius, dem er später auch die erste Xacliricht von seiner Kntderkung des zweiten Se>ostri>i LÜcfs des Herodot unweit Nymphio zu- kommen Hess, die Pianski/./.c vuu l'crgamon, welche in dessen »Beiträgen zur l opograj^hie Kleinasiens« herausgegeben wurde, und liess aus einer gewaltiigen Mauer auf der Burg Bruchstücke grosser Marroorreliefs herausbrechen und brachte sie /ur Versendung nach Berlin. Niemand wusste damals was es war, a1)er es waren fbe Samenkörner, aus denen mit der Zeit die grösste ünler- nehmung erNvuchs, tlie H. einmal in die Hand nehmen sollte.

Wie das weiter verlief und wie H. die Durchführung des Unlcrnelimcns

Digitized by Google

Uttinanii.

37»

n Angriff nahm, hat er selbst in einer durcii keine andere Darstellung leicht :u ersetzenden Weise erzählt in dem ersten vorläufigen Berichte über die Er- {cbnisfle der Ausgrabungen m Pergamon, welcher 1880 im ersten Bande des

'• 'fahrbuchs der K. preussischen Kunstsammlungen erschien.

H. hatio si( h tn/\visrhen einen Hausstand in Smyrnn ge^nindet. Durch -icine Vcrheirathun},' mit Louise Wenver, auch sie aus seiner engeren Heimath

- geburtig, wurde ihm die Lebensgel. ihrtin gegeben, die, sorgsam und energisch, ' - voll in den nun bald neu sich gestaltenden Beruf des Mannes eintrat und so

" seine Kraft v^oppelnd ihm zxa Seite stand, r . Er war jetzt voll gerüstet für sdne Hauptlebcnsarbeit. Seine Cicsundheit,

i wenn auch sein T,eiden nicht ganz versrlnvinrloii konnte, wnr bei beständiger l^hätigkeit im Freien in dem günstigen Klima \\ escntli( h gefestigt; war doch sein Körper, von dem örtlichen Uebcl abgesehen, von kräftigster Anlage. Zu seinem technischen Können, fttr das er in sein^ ersten Praxis und in r Berlin den Grund gelegt und das er durch beständige mit Passion betriebene : Uebung weiter ausgebildet hatte, konnte er die besondere Fähigkeit erwerben, es f^era^Ie :\\\( dem Borlen, auf den er versetzt war und wo die grossen Auf- r gaben lagen, mit Erfolg m Thaten umzusetzen. Durch den jahrelangen Auf- . enthalt in türkischen Landen hatte er die türkische und neugriechische Sprache neben der levantinischen Salonsprache mit Leichtigkeit handhaben gelernt. Aber nicht nur in die Sprachen, in die ganze Eigenart der Bevölkerungen hatte er sieh eini^'elebt tmd namentlieh in den Ans( liatnmgen und Umpnngs- formeu der auf uralten Wurzeln rulienden nsmnnis« lu n Welt sich in einer i-. Weise heimisch gemacht, durch die er Hohen und Niedrigen muhelos im Ver- kehr wirklich nahe zu treten wusste. Er kannte sie aus dem Grunde, die Schwächen wie die Vorzüge der Wdt, die ihn umgab, und verband sich ihr mit Sympathie, ohne darum den alten biederen Untergrund seiner heimischen Stammesart /u verlieren. Fr hatte sich einmal zum Scherze in der Umhül-

- Inn«? eines orientalisc^hen Ko>tunu's selbst photographirt , aber, als das iiikl ^.cmen Berliner Freunden zuging, s;igte iCiner: man erkennt doch gleich unter der Maske das gut westphälische Gesicht Brdt gebaut, blond von Haar, mit seinem Vollbart, sah er freundlich gewinnend aus seinen blauen Augen. Aeusserst jovial, ein unübertroffener Zecher, so lernte man ihn leicht kennen, nnfl er crwcrkte Vertrauen bei Jedem, der ihm nahe trat, gleichviel ob Türke, orthodoxer Christ oder Europäer. Er selbst war von der Heimath her Katholik, frei dabei in seinem Denken, begeistert fiir »Kaiser und Reich«, nicht ohne eine poetische Ader und erfUUt von unserer Dtchterwett. . Mit welchem Entzücken am Wohllaute wusste er ls herzusagen: »Rausche Fluss, das Thal entlang, olme Rast und Ruh, Rausche. Flüstrc meinem Sang Melo- dien zu«. Nicht gerade musikalisch beanlajit, mischte er L'ern seine Stimme in den Gesang eines deutschen Liedes. Hochherzig und gern hulfreich, hatte er, auf das Eigene vielleicht nur zu wenig bedadit, eine stets offene Hand und besass audi damit eine nach Landesart besonders gewinnende Eigen* Schaft.

Dieser ganTie Mensrb, an den, wer ihn kannte, nicht ohne Herzbewegimg ?unirkdenken kami. .L^'lujrte dazu, H. so crful.^rcich in seinem Wirken zu : machen, sobald er dafür an die rechte Stelle kam.

I Aber, um den Faden wieder aufzunehmen, zunächst vergingen noch Jahre

der Wünsche, des Wartens, ausgefüllt auch mit der Betheiligung an der mer- kantilen Unternehmung in Gewinnung und Vertriebe des Schmiergels. Im

I I

Digitized by Google

37«

Jahre 1873 legte er wieder einmal Hand in Fergamon an und machte eine» der grossen Relief bruchstücke, deren swei schon in Berlin waren, aus der Mauer auf der Burg frei und barg es in seinem Hause. Dann kam Gustav Hirsdifeld ins Land und ihm machte H. die Freude, wieder ein Stück herausnehmen rw lassen. Man machte auch einen Anlauf ernstlicher vorzu- gehen. Doch jei/t stieg die Sonne der Aufdeckung von Olympia empor unU Hess Anderes in Schatten zurücktreten.

Erst im Jabre 1877 richtete man wem Untenriditsmioisterium und den Museen in Berlin das Auge auch auf das» was in den ersten Proben durch H.'s Sendung der Reliefbruchstücke aus der Attalidenresidenz geboten war. Man bfscbloss nach mehr davon zu suchen und H. musstc der AusJlilirenrf-^ sein. Ziemlich eni Jahr verging, bis alle Vorbereitungen geirotfen waren. Der 9. September 1878 war der grosse Tag in H.'s Leben, als er mit seinen Arbeitern ans Werk ging, mit dem Spruche wie er erzählt: »Im Namen des Protektors der Königlichen Museen, des glücUichsten allgdiebten Manne:», des nie besiegten Kriegers, des F.rhcn des schönsten Thrones der Welt, im Namen unseres Kronprinzen möge (lies Werk zu Glüclc und Segen gefleihen!^ Seine Arbeiter halten gemeint, er spräche eine Zauberformel uud sie hauen nicht ganz Unrecht gehabt. Am 11. September ging bereits das Telegramin ab: »Elf Reliefs und der Altar gefunden«. Unter einem hflgelartigen Schutt- haufen oberhalb der grossen Mauer, welche die Reliefe barg, war H. in der That auf den l^nterbau des Altars gestossen; denn einem gewaltigen Alfarc mit Reliefs der Gigantomachie galt das Suchen, seit man die zuerst nach Berlin gelangten Proben mit einer unscheinbaren SchrifLstellemachricht aus dem Alterthume combinirt hatte. Nun ging die Arbeit und das Finden mit einem ungeahnten Erfolge weiter. H.'8 Enthusiasmus entzOndete sich mehr und mehr. »Wir haben eine ganze Kunstepoche gefunden«, schrieb er und in Wahrheit sollte es zum Frksteine des Aufbaus der Geschichte der helle- nistischen Kunst werden, wius er Tag um Tag vollzähHger ans Licht zog. Am letzten Tage des Jahres zählte H. die neununddreissigste Platte der Gi- gantomachie. Nicht gern an einer Stelle sich genügen lassend, reoognoadrte er zugleich weiter abwärts am Stadtberge eine Ruine römischer Zeit, ein Crymnasium, und es ist unmöglich, hier im Rahmen der kurzen Lebensbe- schreibung /u er/ahlen, wie die Ausgrabung auf der Stadthöhe von Pergamon immer weitere Kreise zog und sich von der Nachforschung nach dem AUajt: zu einer Untersuchung erweiterte, welche die ganze Königsstadt im Auge hatte, von einer Suche nach Erwerbungen für die Museen zu einer Untemeb» mung mit einem weiten wissenschaftlichen Zidie* Ueber neun Jahre long wurde das Ziel Ncrfolgt und H. hielt wahrend der ganzen Zeit am Werke aus.

Die Entdeckerfreu'ien haben ihn w ie ni( ht leicht einen /weiten beloimt, aber er setzte auch alle seine Krati daran. Nach euier Theilung der Funde mit der Türkei war die erste grosse Sendung nach Berlin unterwegs, an die 700 Centner davon hatte unser Stationär, der Komet, von Dikeli nach Smyrna geschafft und dort waren sie dem Lloyd für Triest und so weiter über- liefert. Da mtisste sich H. zu Bett legen, aus dem ihn der Arzt erst nad) drei Wochen enlliess.

Nach der Winterpause wurde die Arbeit in Pergamon im Frühjahr 1879 wieder aufgenommen und bald sah die Sonne wieder eine grosse Zahl neuer Schöpfungen des hellenistischen Meisseis aus der Verschüttung her>'orsteig;en. Im Juli wurde die ibuptgruppe des kämpfenden Zeus aufgedeckt. H. settte

Digitized by Google

Humonn.

373

sich auf den Gott nieder und machte in Freudenthtänen seinem Entzücken I^uft. Am a. September gehörte nach loyaler Al machung mit der ottomani-

sehen Regierung Alles, was gefunden war und in dem Jahre noch gefunden w urde, fleii Berliner Museen, welche damit fiir die Ktmst der hellcnistis« Ikmi Zeit, der Skulptur nicht nur, sondern auch der Architektur, die Sauunlung ersten lUnges wurden. Wieder begann die Verschifiung, dieses Mal mit Httlfe S. lif. Schiffes »Loreleyc, des auci nun inawischen au den Vätern versam- melten.

Mehr und mehr trat neben dem Finden das Untersuchen in seine Rechte ein. Am ii. September kam Richard Bohn in Pergamon an, der in treuer Arbeitsgenossenschaft neben H. mit geringer Unterbrechung bis zum Schlüsse der Arbeiten am Platze blieb, seitweise ihn auch vertrat, und sonst die Auf> nähme und Rekonstruktion der Architektur durchftihrte, wodurch erst der ttrsprünglielie 7Aisnmmcnh.nnp der l'nndstiieke mehr uud mehr wiedergewonnen wurde. Am 3. Oktober kam weitere Hülfe in Hermann Stiller und Otto Rasch- dorSf um das damals vermeintliche Augusteum auf der Höhe der Burg zu untersttdien. H., der von Anfang an sämmttiche Stttdce der Gigantomadiie- Reliefit gleich nach der Auffindung in eigenen Zeichnungen nadi Berlin ge- liefert hatte, gewann nun die Müsse» seine geliebte kartographische Kunst auch für Pergamon in Anwendung rn bringen. Dandien setzten sich die Transporte der l undstut ke bi.s in das Frühjahr 1880 fort. Dann wurde eine grosse Arbeitspause gemacht.

Und nun folgte H/s Trinmphreise nach Berlin. Selten ist dort einem anderen als den Siegern auf dem Schlachtfeld ein so warmer, so von allen Seiten herzlicher Empfang bereitet worden, wie er H. zu Theil wurde. Kronprinz Friedrich Wilhelm ging flabel voran. Den sonst offiziellen Ausdruck fand die Anerkennung der so weit glänzend durchgeführten Ent- deckimg durch ein Festmahl im Zoologischen Garten, wo H. zwischen den 'Wfirdentrttgem des Staates im Sänklange der Freude von einigen Hundert Vertretern und Freunden der wissenschaftlichen und kfinsderischen !Literessen sich umgeben sah.

Im August desselben Jahres l)e<jr!nn tiie Ausgrabungsarbeit in Pergamon dann von Neuem. Sie gritt jetzt weiter über den Altar hinaus, das Athena- heiHgthum wurde entdeckt und ganz frei gelegt, während noch beständig weitere Ergänzungen der Altar-Fundstttcke gewonnen wurden. Man arbeitete den Winter hindurch und den folgenden Sommer (i88x). Im Herbste fanden wieder die Transporte statt.

»Werden wir wieder dort graben? ich liolte es.:. So s( bloss H. seinen zweiten Bericht im Jahrbuch der preussischen Kunstsammlungen.

Und die Hofihung erlttllte sich. Es folgte die längste, leider vorläu6g letzte Campagne vom April 1883 bis zum December 1886.

Inzwischen war H.'s jetzt voll erkannte Kraft für noch andere wissen- schaftliche Zwecke in Anspruch f^enommen.

Seinen Besuch einer I clsenstadt hoch am Sipylos hat er selbst in Wester- .mann's Monatsheften (188 1) geschildert. Im Sommer 1882 übernahm er es aber im Auftrag der K. preussischen Akademie der Wissenschaften die Königin der Inschriften in Kleinasien, Kaiser Augiistus' eigenes Verzeichniss seiner Regieninfjsthntcn, in dem vollständigsten erhaltenen Kxcnii>lare in der Ruine des Tempels zu Aucyra '.\r]p:oYa) im (Gipsabgüsse der KL-nntniss zuganglicher zu machen und zur Bewahrung zu gewinnen. Er unternahm die Expedition

Digitized by LiOOgle

374

lliiiw^tiiti.

gemeinsam mit Alfred von Domaszewski. Ihren Verlauf hat er in der neuen

Ausgabe des Monumentum Anrymnitm von Mommsen 'Berlin iSS;^) selbst kurz er/ahlt. 1 )ic Tempelrviiiie liegt itn 15c/irk eiiu-r Moschee, die In>-f hrift war zum Thcü durch türkische Privathäuser verdeckt, die vor der Inschnitwand stan- den imd theüweise abgerissen werden mussten. Der Gips war aus dem Roh-^ roateriale in der Umgegend erst au gewinnen und herzustellen, dann in Ver- bindung mit Leinewand zu den transportabeln, nicht leicht zerbrc« !^ enden Abgüssen zu vernrbeiten, diese dann sorgtfiltic; zu verpacken und au! Maul- thieren siclicn/iii Stunden weit nach Ismid am Mai niarameerc im Einschiffung zu trausporlircn. ^Mks, und man ermisst leicht, mit wie vielerlei Schwierig- keiten, gelang. In 194 Theilstttcken ruht der Abguss jetzt in den Archiven der Berliner Museen und hat als Unterlage ftkr die schon erwähnte Mömmsen*- sehe Edition gedient.

Und noch einen zweiten Auftrafr der Berliner Akademie hatte H. ru er- ledigen, bevor er abermals zur Arbeit in Pergamon, bei deren Witdcranlaug ihn inzwischen Richard Bohn vertrat, zurückkehren durfte. Es handelte sich darum, die Frilchte einer merkwOrdigen Entdeckung vollständig einzubringen. T)ur( h die Notiz eines Herrn Sesier war ,in die Akademie die Kunde von den Ruinen eines prassen Denkmals auf dem heute sogenannten Ncmrud-Dag im nördlichen Euphradande gelangt, von dem jede L'ennuere Keiintni'js fehlte. Die Akademie hatte im Jahre 1882 Otto Puchstein in Hegleitung des Herrn Sester dorthin entsandt und Otto Puchstein hatte in glänzender Erf%lUung dieses Auftrags das Nöthige zum Verständnisse des Denkmals heimgebracht, das auch der Generaldirektor des ottomanischen Museums, der Entdecker der SarliopliafTP von Sidon, TTanuli Tie)', /ieinlirli ^gleichzeitig erl<u!nlete. Man wussie danach, namentlich aus der i^rosscn Sliltungsinschrift des Denkmals, dass CS das Grabmal eines Königs von Kommagene, Aniioclios, aus dem ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung war. Es handelte sich danach weiter darum, genaue Aufnahmen des Denkmxds und Proben seiner Bildwerke in Gipsabgüssen zu gewinnen. Hierfür wurde H. in Anspruch genommen unff cjemeinsam mit Otto Puchstein unrl Felix von Luschan erreichte er die«;cn Zsveck in eben so befriedigender Weise wie die Abformung der Augustus- inschrift von Aiigora.

Ueber beide Expeditionen giebt ein im Jahre 1890 bei Dietrich Reimer in Berlin erschienenes Werk eingehenden Bericht: Reisen in Kleinasien und Nordsyrien, ausgeftihrt im Auftmi^e der KkI. Preussisrhen Akademie der Wissenschaften, beschrieben von Carl Humann und Otto l'urbstein. Die Reise nach dem Nemrud-Dag ergab ausser der genauen Kenntniss des dortigen Denkmals eine FttUe von Aufiiahmen und Nachrichten archäologischen und topographischen Inhalts, welchen Heinrich Kiepert kartographische Gestalt gab.

Nachdem das vollbracht war, kehrte H. im Sommer 1883 nach Pergamon zurück, wo nun mit \erstarV.ten Kräften Emst Fnliricitis, Karl Srhurhliardt und Andere traten init ein die Arbeiten im Sinne eines Ab.sclihissts des bisher Unternommenen bis zum Jahre 1886 fortgeführt wurden. Zur Ent- deckung des Altars, des Trajaneums, das erst jetzt in seiner wahren Bedeu« . tung erkannt wurde, und des Athenaheiligthums traten die Entdeckungen und Aufdeckungen des Theaters, der königlichen Paläste und des Marktplatzes hinzu. ^V^t dem letzteren war der Srhliissel rm Topographie der Attaliden- rcsideiu, die nuamehr gegenüber früiicrcn Aulnahmen eine ganz neue Gestalt gewann, gefmiden. Eine Inschrift, ihr volles von Adolf Kirclihoflf erschlossenes

Digitized by LiOOgl

Hamann.

375

Verständntss hatte dazu die Handhabe geboten. Also immer neue Ergebnisse der Ausgrabungen, Aufnahme der IMane, Rekonstruktion der Bauten, sorg- fähigstes Copiren der Inschriften, dazu wieder Transporte von Fundstücken

für die l'jerlincr Museen machten auch diese Campagne zu einer ungemein reichen und arbeits vollen. Was H. dabei leistete, mag wieilur der im Jahr- buche der K. preussischcn Kunstsammlungen 1888 gedruckte Bericht einigcr- massen erkennen lassen.

Was er aber nicht erkennen lassen kann, ist, was Allen, die mit an der ArVieii waren oder den Arbeitsplatz besu( hfen, unvergesslich bleibt, der per- sönliche Zauber, den vor Allem H.'s Persönlichkeit über das Ganze ergoss. Allen, die dort gewesen sind, ist es wohl gewesen, schwerlich eine ernstliche Störung der vielen penfinltcben Beziehungen ist eingetreten. Daftlr hat auch gewiss ein Jeder der Mitarbeiter selbst dazu beigetragen war H. der Hausherr. Tages Arbeit, Abends Gftste, saure Wochen, frohe Feste, das hat er noch den letzten Wochen in Per«?amon zum Wahlspruche uej^eben. Aber seine CIc';talt svar nicht mehr ganz wie im Anfange der Unteisiu hung, die das hüchste tilück seines Berufslebens war. Er erschien uns zuweilen gealtert, wenn er mülisomcr als sonst den Weg zur Höhe der Burg, immer zu Fusse, antrat. Der Arbeit die ihn noch länger in Pergamon hätte halten können, war er etwas milde. Entdecken war seine Freude Und davon war nach seiner Meinim<( das Beste dort am Platze gethan. Der Rahm ist al>ues( höpft, sagte er wohl mit einem ähnlichen türkischen Sprichworte, den Kest auszuessen wollte ihm nicht mehr behagen. Lag doch vor seinen Augen ausgebreitet die ganze unendliche Fülle von halb und ganz vergrabenen Schätzen des klassischen Alterthums in Kleinasien. An immer wieder neuen Stellen in diesen Reichthum einzu- dringen, lockte es ihn mit unwiderstehlicher Zanlierni K In. Kr warf seine Augen auf Magnesia am Mäaniler, dessen Tempeltrummer verlockend hart an der Kisenbahn, von Smyrna aus leicht zugänglich, lagen. Darüber hinaus sah er im Geiste, angeregt durch faclunännische Rathschläge, immer neue Unter- nehmungen möglich. Wer möchte den Reiz solcher Lockungen verkennen?

Die Verwaltung der K. Museen zu Berlin ging zunächst auf eine Unter- sMchnn^r in Mapiesia ein. Vorher wurde aber H. erst noch nach anrlercr -^titc hin in Anspruch genommen. Seine ganze Kraft stand um so mehr den tlcutschen archäologischen Untersuchungen in der 1 urkei, tlcnen sie seit dem Beginn der pergamenischen Ausgrabungen unausgesetzt gedient hatte, zur VcarfUgung, als er am 23. Mai 1S84 dem Titel Direktor an den K. Mu- seen zu BerKn, aber mit dem Wohnsitze in Smyrna, eine feste preussische Sta.itsanstellung erhielt. Weit über die nächste Aufgrabe die«;er Stellung hinaus wusste der Unermuiliiche ihr den Charakter einer Station für ilic gesammte dterthums wissenschaftliche und kartographische Erforschung Kleinasiens und angrenzender Länder zu geben.

Bei dem ersten Verstösse, der von Berlin aus mit der Expedition nach dem Nemrud-Dag über Syrien nach Mesopotamien hinein gemacht war, und durch HamfH-P»ev's eben flahin ijerirhtete Reise war man auf eine Ruincn- slätte bei Sendschirli in Nurd.syrien aufmerksam geworden. Diese auszubeuten nahm sich das von opferwilligen Privatleuten im Jalire 1887 gegründete Comiü! zur Erforschung der TrOmmerstätten des alten Orients vor. Im Sommer 1888 ging die erste vom Comit<S ausgerüstete Expedition dahin unter H.'s Führung, in der ihn dann Ft !ix von Luschan iblöste, ab, der einer zweiten vom Januar bis Juni 1890 und einer dritten vom Oktober 1890 bis

Digitized by LiOOgle

376

Httmum.

April 1891 vorstand. Wie H. diese Unternehmungen das erste Mal peisÖnJicb

an Ort und Stelle eingeleitet hatte, so führte er die Verhamllunf^en mit stetem, der Forschung geneigtem Entgegenkommen des Chefs der Oiiomani- schen Fürsorge flir die Altcrihümer, Hamdi-Bey's, zu einem jedesmal erfreu- lichen Abschlüsse für alle drei Expeditionen.

Während aller dieser BemOhnngen, welche auch wiederholte Reisen nach Constantinopel mit sich l)rachtcn, begann dann die neue Th&tigkeit der Ber- liner Museen, zu der Friedrich Hillcr, Freiherr von Gärtringen, persönlich nnr' mit eigenen Mitteln sich gesellte, in Magnesia am Mäander. Xa( h einer vom deutschen archäologischen Institut übernommenen Versuchsgrabung im No- vember 1890 folgte die Hauptausgrabung vom März 1891 bis in den Juli 1S93. Während HiUer das Theater ausgrub, war die Museumsausgnibung an erster Stelle auf den b : Imten Tempel der Artemis Leukophryene gerichtet, dessen Untersuchung ersc h()]>fen(l durchgeführt wurde. Daneben wnsste aber IT. mit sicherem Blicke in einer Bodensenkung die T.age eines weiten, mit Hallen umgebenen Platzes der alten Stadt zu erkennen, und auf diesen erstreckte sich die Untersuchung dann weiter. Der Architelct Heyne, mit der Aufiiahmc der Architektur betraut, und der Philologe Kern, namentlidi mit der Ver- werthung der überaus reichen Inschriftenfunde beschäftigt, standen H. zur Seite. Sein 1 indergltirk !)lieb ihm auch mit der Entdeckung von Skulpturen, die zwischen Const intine}>el nnd Herlin getheilt wurden, rm Seite. Die Schwierigkeiten, wclclic dem Gelingen im Wege standen und eine völlige Freilegung des grossen Marktplatzes auch nicht suliessen, bestanden in dem übermächtigen Grundwasser, das durch Ableitung nicht völlig beseitigt Wer- den konnte und die Ausgrabungsstelle m einer dauernd schwer zugSii{|licfacn machte.

Der Gesundheit konnte die Arbeit auf solchem Terrain auch nicht zu- träglich sein und mit B^orgniss sahen die Seinen H.*s Kräfte immer stärker angegriffen. Aber er liess nicht nach. Nur ein Mal nach seiner perganeni-

sehen Triumphjeise hat er im Jahre 1890 die Erholung einer Reise nach

Deutschland genossen, wo er seine Kinder, Tt)chter und Sohn, Schulen untergebracht hatte. Zwei andere Kinder halle ihm vorher der Tod genommen. In den Pausen zwischen den Ausgrabungsarbciten wurden immer wieder Reisen nach Constantinopel »ttthig, wo er an Hamdi-Bey's zn warmer persdnlicher Freundsdiaft sich steigernden Zuneigung seinen besten Halt fiuid. Blieb er in Smyma, so nahmen die ausgedehnte Correspondenz, die Abrechnungen und Berichte und seine stets besondere Lieblingsbeschäftigung des Arts^eirh- nens der Karlen und Pläne der Ausgrabungsj»]at/e und die Operationen des von ihm mil einiger Leidenschaft geübten Photographirens ihn ständig in Anspruch, daneben der immer wachsende persönlidbe Verkehr in seinem Hause, in dem die Smymacr Gesellschaft einen beliebten Mittelpunkt fand und in dem Alles aus und einging, was vom Botschafter bis zum Marinekadetten und von zahllo*;en anderen mit ernsteren /werVen oder nur der Unterhaltimg wegen Reis.tiulen nach Smyrna kam. Auch mit den Vertretern der ottoma- nisclien Regierung in Smyma stand H. dauernd auf dem besten Fusse. je weiter die Kreise seiner persönlichen Verbindungen sich zogen, desto mehr kam davon auch seinen Amtsaufgaben zu Gute. Sein Wort reichte weithin. Er war in seinen Dingen wie ein Virekönig \on Kleinasien, sagte einer un- .serer Diplomaten in Constantinopel, der sein Wirken zu verfolgen beständige Gelegenheit iiatte.

Digitized by LiOOgle

Humana. Trcitscbkc

377

Ein treuer Helfer und Berather war H. neben den deutschen Unterneh- mungen auch den österreichischen, die sich in einer gsuvsen Keihe von Ex« peditionen das südwestliche Kleinasien mit grossem Erfolge zum Arbeitsfdd nahmen und noch die pe^^cnwärtig im Gan^'c l)cfiiulli( hc umra.s?;ende öster- reichische Ausgrabiings-Untersuchung in Kphcsos wurde im Jahre 1895 unter schweren Anstrengungen von Benndorf an H.'s Seite in Szene gesetzt. Die Berliner Museumsvefwaltuiig aber nahm ihren Weg auf die merkwürdige Berg- stadt Priene am Rande des Mäanderthals hin. Hier baute H. fttr sich und das übrige Untersuchungspersonal das anmuthige Haus auf der Höhe bei Gclembesch , dessen Anlage noch einmal alle Erfahrungen, die er mit der Ausrü.stung vmd Kinrichtung von Ausgral)ungsarlieiten gesammelt hatte, zu (Jute kamen. Auch begann er selbst noch im Jahre die Ausgrabung der

hdlenistischen Stadt, wieder wie in Magnesia von Heyne als Architekten be- gleitet, von Theodor Wiegand*s jugendlicher Kraft unterstUtst und nur zu bald ersetzt.

nie Zügel entfielen seiner Hand. Immer neue Anfälle schweren Uebels zwangen ihn, in der Pflege der Seinen in Smyma Zuflucht zu suchen. Was früher hatte heilen helfen, schlug zimi Verderben um. Die Aerzte wollten ihn in Aegypten, wollten ihn in Deutschland noch Rettung suchen lassen, abet der Verfall war zu reissend. Inmier noch hing er in Gedanken an seinen Ausgrabungen, thätig noch auf seinein Schmerzenslager oder nach Thatigkeit sieh sehnend. Am 12. April ging Carl Humann zur Ruhe ein. Die letzte Inschrift, die er in Priene las, so wird uns erzählt, war ein Altar ge- wesen mit der Lischrift »dem Heros«.

Conae.

Treitschke, Heinrich von, wurde am 15. September 1H34 in Dresden geboren. Der Vater, Heinrich Eduard, einer aus bohmen eingewanderten jirotestantischen Familie entstammend, am 25. Juli 1821 geadelt, war in die Sächsische Armee eingetreten, in der er als tüchtiger und pflichttreuer Offizier rasch vorwärts kam. Er war hochgebildet, als Mib'tärschnftsteller thätig, auch etwas Poet, dabei von fester aber heiterer Frömmigkeit; die Mutter, eine ge- borene von Oppen, eine nach innen gewandte, bei häufiger Kränklichkeit ernste und schwerblütige Natur; beide Gatten trotz der Verschiedenheit der Charaktere glücklich in der Harmonie ihrer Ehe. In diesem frommen und tapferen Hause, in dem neben einem specifisch sächsischen Patriotismus auch <lie Erinnerung an die grosse Zeit der Freiheitskriege ge])flegt wurde, wuchs der Knabe heran, heftig und leiflenschaftlirh , ein kleines wildes l'ohlen -, wie die Mutter den Dreijährigen nennt, :djer von reiner und edler (lemiiths- art, und von frtlh bemerkbarer, ungewöhnlicher Begabung, »Seine von Ciott empfangenen sch&ien Gaben«, so schreibt der Vater 1844, »und ein Fleiss, der nicht geringer ist ab diese, berechtigen zu schönen Hoffiiungen.« Eine schwere Krankheit, die den neunjährigen Knaben ergriff und ein allmählich bis 7.U völliger Taubheit fortschreitendes Ohrenleiden zurückliess, hat, wie es scheint, die fest im innersten Wesen T.'s ruhenden edlen Eigenschaften nur noch gesteigert Auf der Kreuzschule in Dresden, die er nach kurzem Untenidit in einer Frivatschule seit 1846 besuchte, wurde er bald der erste in jeder Klasse und der Liebling der Lehrer, des Direktors Klee, des Histo- rikers Heibig, des Philologen Köchly, die seine besondere Begabung fiir histo- rische und poetische Darstellung, sowie die Reinheit und den Schwung seines

Digitized by LiOOgle

37»

Treitschke.

Wesens früh erkannten und für die Zukunft Grosses von ihm erwarteten. Hier erlebte er den Frühlingssturm des Jahres 1848, des »merkwürdigsten

Jahres seines Lebens, wie es ihm srhien, dessen Freipiisscn er mit !cl>liaf- testom Interesse und reifendem L rtheil folgte. Immer hat er der chrlu hen nationalen Begeisterung jener Tage seine iheilnahme bewahrt, und wenn er die schülerhafte republikanische Sdiwäimerei, von der auch er nidit frei blieb, rasch wieder ablegte, so hielt er desto fester an dem Gedanken der Einigung Deutschlands durch Preussen, den er einmal, noch auf der Schule, in Gegenwart Bcust's, der selbst in seinen ^Temo^ren darüber berichtet, in s^h^v\!n£^^'o1^en Worten, mii sicherem und selbst gewonnenem Verständniss verherrlitht h.it. Ostern 1S51, erst 16 Jahre alt, bestand er mit höchster Auszeiclmunj^ «iic Abgangsprüfung von der Kreuzschule, wobei er in dem deutschen Aulbats über die Verse »Wer recht will thun immer und mit Lust, Der hege wabre Lieb' in Sinn und Brust» 'den Gedanken der wahren Liebe in Verbindung; mit dem (lednnken der sittlichen Freiheit feierte, in der französischen Arbeil »on peut marcher ä sa ruine par une loute loute couverte d'arcs de triomphe« den weiten Umfang seiner Geschichtskenntnisse bewies. Bei der Entlassungs- feier trug er ein eigenes Gedicht vor über den Untergang der Ditbmarscben, das mit einer Anspielung auf die rreis^rehung Schleswig-Holsteins's, zugJeicb aber mit dem hoffnungsfrolien Ausblick in eine .glücklic here Zukunft al>s< l^loss, 7ai Ende April 1851 ging i". zum Studium der Suuitswissensehalten zu- nächst nach Bonn. Obgleich sein Ohrenleiden ihm das Anhören der Vor- träge sehr erschwerte, oft selbst unmöglich machte, so dass er zu den Heften guter Freunde seine Zuflucht nehmen musste, so folgte er doch fleissig juristi» sehen, philologischen und historischen Vorlesungen bei Böcking, Loebell, llemnys, Haels( hner, Schaarschmidt, K. M. Arndt, O. Abel und Simrock, der Siciiie poetisf luMi \'ersuehc mit ermunterndem Beifall begleitete. \'on allen Lehrern der Universität aber fesselte ihn am meisten Dahlmann, bei dem er skandinavisdie Geschichte, Politik und »deutsche Geschichte von Karl V. bis auf die neueste Zeit« hdrte. Es ist kein Zweifel, dass Dahlmann's htstorisch- politische Anschauungen flir T. entscheidend und bestimmend wurden, wenn er sie auch in dem Feuer seiner sitüirhcn Persönlichkeit umgcschmolzen hat. Von Dahlmann uliern.ihm er die Auffassung, flie in dem Staat »eine ur- sprüngliche Ordntuig, einen nothwendigen Zustaiul, ein Vermögen der Mensch- heit« erblickt, ebenso wie jene Form des Liberalismus, welche die franasösiscben Lehren von Natur« und Menschenrechten verwirft und in Anlehnung an Eng- land Selbstverwaltung und Verfassung als nothwenfligcs Kr^abniss der ge- schichtlichen Entwicklung Deutschlands fordert. Der sittliche Ern^t und die Strenge des Pflichtgefühls, die seinem Wesen ohnehin eigen w^aren, vertieften sich in der Scliule Dahlmann's, in dem Studium der Helden des protestan- tischen Deutschlands, Luthers, Friedrichs des Grossen, des Freiherm vom Stein, den er besonders verehrte. Zugleich haben sidl dort T.'s preussische Nei- gungen aus Stimmungen inu! riefiihlen y.u einer festen ]>ren5sisehen Staatsjjesin- nung abgeklärt, die ihn sehr bald mit Hemiaih und J'aniüie iii einen unlös- baren Gegensatz bringen sollte. Aehnliclie Eindrucke gewann i . auch in der sdir natimwl gesinnten Buischenschaft Franconia, der er sich seit Weihnachten 1851 anschloss und zu der er als »einer heiteren Pflansstätte fUr Freundschaft und Jugendlust, ftir Freisinn und deutsche Gesiimnng« immer treu gehalten hat. Seine glänzende und hinreissende Unterlialttmps- tmd Rednergabe, die Ueberlegeiüieit seines Geistes imd seines Wissens, sein kameradschaftliche:»

Digitized by LiOOgl(

Treitschkc.

379

West 11, gewannen ihm auch hier aller Herzen. Kin ernster und fleissiger Student, der die Probleme des Staatslebeiis ttnd der Volkswirthschaft zu durch« dringen strebte und bereits auf Dahlmann's Anregung eine Ausarbeitung über die ('ics( hic der englischen Vcrfissnn;? beiinnn, ;;enoss T. doch ziiL:!ei( b in vollen Zügen die l-reuden des l'iuischenlel)eiis am schuneii Rhein, das ihn zu juihlreichen Gedichten begeisterte und ihm imjuer als die herrlichste Zeit seiner Jugend erscliieneik tsL Zögernd nur und widerstrebend gehorchte et dem Vater, der den Besuch der sächsischen Landesuniversität verhingte, und ging nach Leipzig, WO CT sich am 23. Oktober 1853 immatrikuliroi liess. Er besurhtc die "\V>rlcsungcn von Roscher, Hiilnn, Albrecht, Biedcrmnnn. Wtittke, doch ohne \iel Kifolt;, und sah sich bald mehr und mehr auf das Durch- arbeiten von lielien und häusliches Studium angewiesen, wobei er damals besonders Macaulay und Gervinus bevorzugte. Neben diesen Studien erftischte er sich an dichterischen Arbeiten, einer Verherrlichung jenes »wunderbar I)han tastischen Sängerkönigthums, des Königthums der Spielleute und fahren- den Sänger, denen die Grafen von Rap]>oltstein im Elsass im Mittelalter vor- standen«, und einem Drama, das den Kampf Erzbischof Annos von Köln mit den Bürgern seiner Stadt behandeln sollte. Schon nach zwei Semestern ver- liess T. Leipzig, das seinem strebenden Geist die rechte Anregung versagte, und kehrte im Oktober 1853 nach Bonn zurück, wo er neben landwirthschalt- liehen Studien bei Hartstein in Poppelsdorf hau) itsächlich wieder Staat swissen- schatt und Stantswirth'^ehaft pflegte. Ks verräth seinen der historist lien Hc- trachtungsweise zugewandten Sinn, wenn er es dabei l)esonders anzieliend fand, »in dem lebensvollen wechselreichen Gang der Geschichte die allge- meinen Gesetze bestätigt zu finden, die wir theoretisch in der Wissenschaft gelernt haben«. In diese Zeit fällt seine Bekanntschaft mit der eben er- «^rhiencncn Schrift Rodiau's über »Realpohtik«, deren l ehre von der Einigung ilei /erspiitterten <leuischcn Kräfte nicht durch eine Idee, noch durch ein Prmcip oder einen Vertrag, sondern durch die Ucbcrlegcnheit einer die an- deren verschlingenden Kraft nach T.*s Zeugniss »wie ein Blitzstrahl in die besseren Köpfe der Jugend einschlüge. Die Mängel der Universitätsbibliothek in Bonn, die sich ihm bei den Vorarbeiten für seine Dissertation fühlbar machten, auch wohl die mnnnichfachen Zerstreuungen des kameradschaftlichen Trebens mit den alten Freurulen von der »Franconia«, veranlassten T. bereits Ostern 1854 von Bonn nach Tübingen überzusiedeln. Hier besuchte er eine Vorlesung über Technologie, begann- aber zugleich seine Dissertation ttber die »Productivität der Arbeit«, die er in Freibuig beendete und unter dem Titel -^quibusnnm operis vera confirinntur linna oeconomica« ins Lateinische über- setzte und deren Einscndui\^ ihm von der l eipziger Universität den Doctor- grad erwarb (30. November iJJ54). Dort m Freiburg hat T. auch in einem Kreise von FreundeUi zu denen namentlidi die Brüder Nokk gehörten, seine ersten Vorlesungen Uber Nationalökonomie gehalten, mit solchem Erfolg, dass er schon für Ostern 1856 an eine llaV ilitation dachte. Zunächst jedoch ging er noch im Winter 1854 nneh Heidell )erjx, wo er unter der Leitung Kiessel- l)ach's Gesrhiehte der [»olitist hen Oekononiie und deutsche Wirtbschafts- gcschicht^, sowie Werke von Mohl, Kau, Ricardo, Nebenius studirie.

Mit der Uebersiedelung von Heidelberg nach Dresden, die im März 1855 erfolgte, schliessen die vier ^flddichen Studienjahre, in denen T.'s Entwicke- lung fest und folgerichtig vorwärtsgeschritten war, und es beginnt ei>ie Zeit unsicheren tastenden Schwankens. Der Eintritt in den sächsischen Staatsdienst,

Digitized by LiOOgle

Trcitschke.

den der Vater gewünscht hätte, entsprach weder der Neigung T.'s, noch wäre er bei seinem körperlichen Leiden durchiUhrbar gewesen. Auch die Fort*

Setzung aber der Stuciien in Dresden bis zur Habilitation zeigte sich bei der Liirkenhaftigkeit der dortigen "Biljliotliekeii, T)ei dem Mani^L'! jedes \\ isscn- sthaftluh nnregenden Umgangs unmof^lich. So folgte T. im Oktober 1855 einer Kinlatlung des Privatdocenten Aegidi nach Göttingen, um sich an der dortigen Univenität für Nationalökonomie tu habüttiren. Allein dieser Plan scheiterte, mehr noch aus Gründen, die in T. sdbst lag^ als infolge der Ungunst der äusseren Verhältnisse. Wohl begann T. mit dem ihm eigenen planmässigen und gewissenhaften Flcisse, als Vorl»ereitnng fiir seine Habili- tationsschrift, von neuem daü Studium dci» Aristcjieles und des Macchiavcll, aus dem er die Macht als das Wesen des Staates begreifen lernte, und las fleissig die neuere staatswissenschaftiiche und historische Litteratur, Stabl's christliche Staatsldur^ Häusser's Deutsche (beschichte, Mommsen's Römische Geschichte, die er »unbedingt für das beste Geschichtswerk in deutscher Sprache« erklärte. Kr bearbeitete zugleich fiir Bluntsrhli's deutsches Staats- wörterbuch die Artikel Civilliste, Domänen und Gemeinlicitstheilung, nach seiner Weise mehr historisch entwickelnd, als systematisch darstellend. Daneben aber wurde die Neigung zu dichterischer I^oduktion mächtig genug, um den Gedanken an die Habilitation, an eine wissenschaftlic he Laufbahn ftberhaupt, zeitAveihg ;:unickzudrängen. T. fühlte, wie er damals schrieb, dass nur das »Schaffen dem Leben Werth giebt , und in unruhigem Thatendrang, aber unsicher tiber die wirkliche Richtung seiner Begabung, glaubte er sich zu- nächst in beidem, in der Wissenschaft wie in der Didilfmst, versuchen ati müssen. &i einer journalistischen Stellung, die ihm zug^eicfa die ersehnte wirthschafUiche Selbständigkeit bringen sollte, meinte er seinen Zweck er- reichen zu können, aber die Verhandlungen, die er fleswegen in Nürnberg und Berhn anknti]ifte, blieben erfolglos. Auch die beiden Gedic hfsamniluiigen, div er damals veröffentlichte, »Vaterländische Gedichte« ^,1^56) und »Studien« (1^57)' Früchte mehr seiner historischen Studien als seiner innersten Erlebnisse, hatten nicht den erwarteten Erfolg. Doch konnte er nur schwer von semen Dichterträumen lassen; wir hören von dramatischen Entwürfen, die ihn damals beschäftigten und von ricncn einer Heinrich von Plauen kürzlich bekannt geworden ist. Zu diesem inneren Zwiespalt kam noch körperliche Krankheit, ein schwerer Armbruch, eine Verschlimmerung des Ohrenleidens, und ernste Meinungsverschiedenheiten mit dem Vater, dem die entschieden preussische Gesinnung und die freiere Form der religiösen Ueberseugungen des Sohnes Anstoss erregten. Diese Göttinger Tage mit ihren äusseren Leiden und in- neren Kämpfen waren T.'s schwerste Zeit; aber in ihnen hat der hot hsinnige imd überreich begabte Jüngling zur Klarheit und Selbsterkermtniss kämpfend sich hindurchgerungen.

Nach Ueberwindtmg dieser Krisis, deren NachklUnge den Schriften T.'s aus den nächsten Jahren, namentlich dem herrlichen Heinrich von KJeis^ einen geheimntssvollen Reiz geben, entschloss sich T. im Friilijahr 1S57 von der I.)it hlkiuijii und von Göttingen m scheiden, und nach dem Wunsche (k.s Vaters und seines allen Lchrei» Klee sich in Leipzig als Dozent zu habiiiiiren. Die Zeit der Vorbereitimg dazu verfloss in froher und gesegneter Arbeit. Durch R. Haym wurde T. für die eben begründeten Preussischen Jahrbücher, die »blauen Hefte«, gewonnen; durch M. Busch für die »grünen Hefte« der Grenzboten. Dort erschien (April xSs^) seine erste grössere, im Jahre 1857

Digitized by LiOOgle

Treitschke.

3«!

geschriebene Arbeit über »die Grundlagen der englischen I reiheit«, im An- scIUiiss an Gneist's Werk: »Das heutige englische Veriassungs- und Verwai- tungsrecht«. Zugleich trat er in Verbindung mit dem »Litterarischen Centrai- Matt«, ftir das er von 1858 bis 1863 eine lange Reihe von Rccensionen be- sonders über staatswissensch.iftlit he und historisrhe Werke verfasste. (Neuer- dings wieder abgedruckt im Anhaivg zu »Historische und Politische Aufsätze von Heinrich von T.«, 4. Band. 1897.) Bereits im September 1858 konnte er seine HabilitationSKhrift einreichen, eine dem Vater gewidmete Unter- suchung Aber »die Gesellschaftswissenschaft«, die sich in scharfer Polemik gegen die Versuche von Mohl unci Riehl wendet, aus den Staatswissenschaften die Lelire von der Gesellschaft als eine selbständige Wissenschaft herauszu- lösen (Leipzig 1859 erschienen). Neben ausserordentlichem Fleisse und um- fassender Kenntniss in Staatswiasenschaft und Gesdiichte aeigt diese Schrift in der Auffittsung vom Staat und dessen sitdichem Berufe schon die deuüidien Anfänge eines T. ganz eigenen, ganz persönlichen Systems.

Die Grundlage der Ansrhauungen T.'s bildet ursprünglich, wie mir scheint, der Gednnke der l''reiheit, der persönlichen und der politischen i-reilieit. Den Gedanken der persönliclien Freiheit schöpft er aui> meinem innersten Selbst; das Recht der Persönlichkeit erkämpft er sich im Gegensatz zu seiner Heimath wie zu seinem Vaterhaus. Den Gedanken der politischen Freiheit übernimmt er, wie Dahlmann und Gneist, aus den Lehren der englischen Geschichte und der englischen Verfassung. Die VerAvirVlichung der Freiheit aber denkt er sich nur im Staate, wo persönli( he und politische Freiheit untrennbar ver- bimden sind. Den Staat fasst er, wie Dahlmann (Einleitung zur »Politik«), als eine ursprünglidie Ordnung, als die unabhängige Macht des rechdich ge- einten Volkes, zugleich als eine Persönlichkeit im Sinne der Ethik, die, mit Willen begabt, als Culturstaat erzieherisch wirken und der Ausl)ildung eines gereiften Volkscharaklers dienen soll. Dazu bedarf der Stint der Macht, die zu erhalten und für die zu sorgen die höchste sitUiche Ptlicht des Staates bildet. Wenn der Staat und seine Erhaltung der ethischen Weltordnung an- gehören, so muss» was ihm frommt, was am meisten politisch ist, auch am meisten sittlich sein. Persönliche Freiheit und Staatsgewalt, mit eigenem Recht und doch in gegenseitiger Abhängigkeit, vereinigen sich in der S[)hare der Siitiiihkeit zw harmonischem Leben und Wirken. Wird aber die Eintracht gestört, verletzt der Staat das Gewissen seiner Bürger, greift der Staat in das HeiligUium der Persönlichkeit, in die sittliche Freiheit des Einzelnen, so erkennt T. dem Einzelnen eine sitdtche Berechtigung zum Widerstande ebenso zu, wie er auch eine gewaltsame Umwälzung unter Umständen für sittlich berechtigt ansah. Es sind Gedanken Hegel's und Fichte's, die uns in diesen Anschauungen begegnen, die aber T. durchdringt mit dem besten Theile seines Selbst, mit seiner idealen Auüa^isung von der persönlichen F'reilieü, die immer zugleich eme sitUiche sein soll, wie sie Luther lehrt in der Schrift von der »Freiheit eines Christenmenschen«. T.'s Welt ist eine Welt der persön- lichen Freiheit, in der das Sollen herrscht. In ihm selbst aber flössen Sollen und Wollen in einander, also dass Alles, was er als recht empfunden oder als richtig erkannt, sich ihm zum festen Entschluss, zu einem sein Leben be- herrschenden sitdichen Gebot steigerte.

Mit dieser Weltanschauung T.'s hlUigen seine politischen Ueberzeugungen innigst zusammen. Die Einheit Deutsclilands, der Gedanke seines Lebens, folgte mit Nothwendtgkeit aus setner Auffassung von dem sittlichen Berufe

Dlgitizeö by LiOOgle

Treitscbkc

des Staates» sie war ihm mehr ein ethisches als ein politisches Postulat^ mehr Mittel als Zweck. Bäne »mechanische Einh^t« verwarf er, ebenso wie ihm Macht und Grösse als Selbstzweck unsittlich erschienen. In der Kleinstaaterei

sah er, Symjjfom und Ursache viellcitht vcrwcrhselnd, den Qiicll der Ver- kümmerung (K s (lcu(s( licn Chnrakler.s; nur in einem ^'rossen deutsi hen Staate crwuiLcic VI die Krlullung der höclistcn sittlichen Aufgaben und die t,nt£id- tung des deutsdien Charakters in freier und vornehmer Eigenart. So ver* langte T. in der dumpfen Knge der sächsischen Kleinstaaterei nach der sitt- lichen l.el)ensgemeinschaft mit einem grossen Staate, und so erschien ihm seine akademische imrl litterarisrhe Thatigkeit fllr den Aufbau des deutschen Staiites wie ein »sitdiciies Apostclamt«.

Am ID. Dezember 1S58 hielt T. seine Probevorlesimg »Uber den Cha- rakter der Hauptvölker Europas in Besug auf ihr Verhältniss zimi Staat«, deren Gedanken er später in der Abhandlung über »Bundesstaat und Einheits- staat wieder uufnahm. Am T3. J-'^i^^i-tt '^5^) eiliielt er die venia legendi; bald 'daraul bei; ann er, trotz der nnmmsÜL'eii Zeit vor 20 /aihurern, seine erste Öffentliche Vorlesung über »die deutsclic V'ertassungsgeschichte seit dem west- fälischen Frieden«. Der Erfolg des jugendlichen Lehrers, eines E«dneis von (lOttes Gnaden, dem die Worte aus den Tiefen des Hersens mit ursprfing- 1 icher Kraft und Wahrhaftigkeit entsrömten, war hinreissend. (Vgl. die schöne Schilderung eines Zuhörers in den Grenzboten, 7. Mai 1896.) Er las im Sommer i85o, bereits vor So /uliorern, > T'reussisi he Geschichte«, die Vor- lesung, aus der spater die Abiiandlung »Uber da» deutsche Ordensland Preussen, her^-orging, und 1862, fUr einen Privatdozenten ein ungewöhnlidies Wagnias, zvmi ersten Mal ein Privatkolleg über »Geschichte von England«, zu dem sich gleich anfangs 79 zahlende Zuhörer einfanden. Dieser reichen akademischen \Virksnnikeit enlsprat Ii eine ebenso reiche srhriftstellerische Thatigkeit, anfangs mehr litierarisciic I'ojLiati,, dann mit dem steigenden politischen Interesse, mehr staatswissenschaftliche und politische Schriften. So entstanden in Leijt/.ig Heinrich von Kleist (1858); Otto Ludwig (1859); Gottfried Keller, Friedricli Hebbel, das Selfgo\ enu iiu iu, Milton (1860); die Freiheit, I^ms von Gagexn (1861); die Zustände des Königreichs Sachsen unter dem Beust'schen Regi- ment, das deutsche Ordenslnnrl Pren-^scn, Fichte und die nationale Idee ; T??f>T^; Karl August von Wangenheim, Lord Byron und der Radicalismus, Ludwig Uhland, Lessing (1863). Alle diese Arbeiten sind von der Persönlichkeit T/s, von seinen Idealen» gleichsam durchtränkt. Verherrlicht er in den Bildern freier und kfihner, kämpfender und ringender Männer das Recht der in sich selbst ruhcnflen T^ersönlielikeit , so untersucht er in den histori^^cli-politisf lien Abhandlungen den Staat und dessen Wesen, die M:\rht, seinen L iuerluiu und Inhalt, Selbstverwaltung und wirtlischafUich-sü/.iale V erhältnisse. Zugleicii aber erfasst er näher und näher, in Vorträgen wie in Auisätisen, das grosse Pro» blem der Einigung Deutschlands und mit wachsender Entschiedenheit ver- kündet er die Lehre, dass es dazu der Macht bedürfe und dass Macht nur sei im preussischen Staate; er fordert die Vernichtung der Kleinsiaaierei und die Einigung selbst auf »revolutionärem Wege»(. »Nur ein Heil giebt es, einen Suiat, ein monarchisches Deutscliland unter der Dynastie der Hohcn- zoltem, Vertreibung der Fürstenhäuser, Annexion an Freussen, das ist rund und nett mein Programm. ^ Es begreift sich, dass T. mit diesen Anschauungen, die sein beredter Mund mit ungestümer Begeisterung verkündete, in Sachsen, namentlich in den amtlichen Kreisen, ernsten Anstoss erregte. Er selbst litt

Digitized by LiOOgl

TreiUchke.

383

am schwersten darunter, da&s auch sein Vater die Mutter starb 15. Juli i86t wiederholt sein Missfidlen Uber die religiöse und politische Ridhtung des Sohnes aussprach. Dieser Gegensatz zwischen dem Vater, der die alten deutschen Stammesunterschiede zäh fcsihicU, und dem Sohne, in dem die starke Kigennrt fies obcrsärhsisrhcn Staiiinies durch feste preussissche Stants- gesiniuaig schon tiberw unden war, ein Gegensatz zweier Generationen unserer nationalen Entwicklung, hat T.'s beste Jalue mit Kampf und Zwiespalt er- itUlt. In dieser Zeit (i 860/1 861) entstand auch bereits der Plan zvl dem grossen J^enswerke T.'s, einer für Hirzel bestimmten »Geschichte des (Icutsrhcn Ktmde«; , in der er »kur^, scharf, AcilHg rücksichtslos, deiii faulen Haufen /.eigen wollte, dass uns die Grundlaiicn alles staatlichen Daseins, Kecht, Macht und Freiheit fehlen, und dass keine KcLiung anders möglich ist, als durch Vernichtung der Kleinstaaten«. So entsprang der Cedanke zu dem grossen Werke, das T.'s Namen unsterblich machen wird, aus dem Wunsche, die öffentliche Meinung Deutschlands aufzurütteln, zugleich aber auch aus dem Verlangen des seiner Kraft bewussten nentiis, sich in einem grossen und bleibenden Werke zu offenbaren. Um in Ruhe hieran arbeiten zu können, verliess T. im April 1861 Leipzig vmd ging nach München, WO er fleissig die Bibliothek benutzte, dabei den süddeutschen Particularis- mus und Iltrainontanismus mit aufaierksamen Augen beobachtete und jfUr die Vreu ssisehen Jalirbücher politische Korrespondenzen schrieb, Anfang Januar 1862 nach Leipzig zurückgekehrt, sah er sich halrl wieder von den ruhigen Studien in den Lärm der lagespolitik hineingerissen. So sehr er, in Gemeinschaft mit den im »Kitzing« zur »Verschwörung« vereinigten Freim- den, Mathy, Hinsel, lif. Busch, Julian Schmidt, G. Freytag, für Deutschlands Zukunft seine festeste Hoffoung auf Preussen setzte, so gerieth er doch durch flen Verfassungskampf in Preussen in eine leidenschaftliche Verstimmung, also dass ihm selbst eine Revolution dnrrhans erlaubt schien, und riicksic litslos, in einer von den »(irenzboten« verottentiicliten Erklärung über »das Schweigen der Presse in Preussen«, brach er mit den »Preussischen Jahrbttchem«, die sich den preussischen Pressedtcten vom i. Juni 1863 filgen zu wollen erklärt hatten (]\üi 1863).

Bei dieser Stimmung war es wohl ein Glück für ihn, dass er einen Ruf an die Universität Freiburcr erhielt, fleii er doch erst annahm, na( luleni seine Anfrage in Dresden wegen der Aub^iducn auf licförderung kühl ablehnend beantwortet war. Vor der Abreise von Leipzig hielt er, zur Erinnerung an die Lei])ziger S< hiacht, am 5. August 1863 jene gewaltige Rede an die deutsche Turnerschaft, in der er unter dem stürmischen Jubel von Tausenden das deutsche Parlament und den Einen dentsriien Staat verherrlichte. In Freiburg, wo er nach einer längeren Reise durch Oesterreich Anfang Oktober 1863 eintraf, erwartete ihn eine gesegnete Wirksamkeit als ausserordentlicher Pro- fessor der Staatswissenschaften und drei Jahre ruhiger litterarischer Arbeit. Er veröfifentlichte (1864) eine erste Sanunlung »historischer und politischer Aufsätze«, welche neben älteren Al^liandlunp^cn eine Tliouraphie Dahlmann's enthält, die zugleifh in der Srliilderung der Bonner Zeit etM'as Auto- biographie ist, und das nach Schmolier s Urtheü »glänzendste Product seiner publicistischen Feder«, die Schrift »Bundesstaat und Einheitsstaat«, eine ver- nichtende Anklage der Kleinstaaterei und eine glänzende Würdigung der staatsbildenden Krafl Preussens, Diese Arbeit, die die Mögliclikeit einer bundesstaatlichen Entwickeiung Deutschlands leugnet und als nothwendigen

Digitized by Google

384

Treitschkc

Abschliiss der deutschen Entwickeliuig nur den Einheitsstaat anerkennt, zeigt

zugleich die Ausgestaltung der [Xilitischen Anschauungen T.'s, der im Ange- sicht des süddeutschen Particularismus nicht mehr mit seinen liberalen Freun- den von fricdhrhen Eroberungen« trätimte, sondern das Heil nur noch von einem »revolutionären Entschluss« der preussischen Krone und von der Ent- scheidung durch die Waffen erwartete. "Während noch im Beginn der schleswig-holsteinischen Bewegung T. ganx auf Seiten der Augustenbuiger stand und sogar aus seinem schmalen C^ldbeutd mit einer Anleihe von loo Thalem für den Prätendenten si( li l)ei heil igte, wich allniählich vor dem kühnen Vorgehen Bismnrrk's seine trul»c und \ erbitterte Sünuruinj:, tmd er begann in dem preussischen Staatsmann den Mann zu erkennen, an den ex flir Deutschland dadite, als er damals die schdne Abhandlung Ober C^voor zu schreiben anfing, den Staatsmann der revolutionSren That, nach dem er gerufen hatte mit aOer Kraft seiner leidenschaftlichen Seele. Diese Krkcnnt- niss einmal ergriffen, verthcidi^te er sie auch in den Jahren 1S64 l)is 1866, wo so viele gute Freunde I'reussens schwankten oder abticien, in den Fliii'- schriften über »die Losung der schleswig-i 10 Isteinischen Frage«, »die Parteien und die Herzogthtimerc, »der Krieg und die Bundesreform«, mit rflcksicbts- loser Wahrhaftigkeit und mit hinreissendem Schwung da Ueberzengung (vergl. »Zehn Jahre Deutscher Kämpfe«, 1. Aufl. 1874, 3. Aufl. in zwei Bänden, Berlin, Reimer iSqj ! Doch lehnte er ab, als im Frühsommer

1866 Bismarck ihn nach Berlin zur Mitarbeit an den Staatsschriften und Aufrufen filr den Krieg einlud, in Bedenken über die Lösung des Ver- lassung^conflictes in Preussen und in Sorge um seme Unabhängigkeit. Als dann aber Baden sich den »Rheinbundataaten« gegen Preussen anschloss» verliess er Freiburg, nachdem er sich am 18. Jimi tS66 mit Freiin Fmma von Rodniaun, einer Tochter des Breisgaus, verlobt hatte, und eilte nach Berlin, wo er niit der Nachricht von dem Siege bei Königgrätz gleichzeitig anlangte. In dem heissen Verlangen, auch seinerseits zu einem vollen und ergebnissreidien Siege Freussens beizutragen, übernahm er hier die Redaktion der ^Preussischen Jahrbücher« und schrieb Ende Juli die berufene Flugschrift über ' die Zukunft der mirddeiitschen ^^ittelstaaten i'i der cinj^estanderjen Absicht, die öffentliche Meinung in Preussen zu einem bturmc ge^^en das l ui L- bcstehen des Königreichs Sachsen auizurufen, während er gleichzeitig G. Frey- tag zu einer Agitation in Sachsen sdbst für die Einverleibung zu bestimmen suchte. Gegen diese Schrift, welche ausser den Weifen und dem kuibessischen Hause besonders die Dynastie der Albertiner mit verletzender Schärfe angriff, crlic^s r. 's Vater, der als General und Adjutant dem sächsischen Königshau^e besonders nahe stand, eine öffenüiche Erklärung, in der er seinen Schmerz und seine Entrüstung über die Schrift des Sohnes aussprach. Ein Briefwechsel swischen Vater und Sohn stellte jedoch bald die alten hetzUchen Besiehungen wieder her, wenn auch der Bruch mit der Heimath unheilbar blieb, waa sidi für T. im nrtrhstcn Jahre l)ei der Bestattung des am 7. März 1867 verstor- benen Vaters fuhll>ar ni;u lite. Inzwischen war T. von fler preussischen Re- gierung als ordentlicher Professor der Geschichte und Politik nach Kjei be- rufen, wo er schon im Oktober 1866 mit Vorlesimgen über die Geschichte der Jahre 1848 bis 1850 seine akademische Wirksamkeit begann. Im Februar

1867 führte er hier seine Braut heim. Doch hatte er kaum begonnen, sich in die nacli der Annexion recht srhwierij^en Verhältnisse S( hleswig-Hol- stein's und Kiel s ciiuulcben, als im Juli 1867 die badische Regierung ihn

Digitized by LiOOgle

TfcitiehlBe.

38s

einlud, rite durch Ludwig Hausser's Tnd frei <je\vorrlene Professur der (ic- .scliichte »n Heidelherj: zu übeniehmen. ( >bschon diese Stellung T.'s Wniisrhen entsprach, so nahm er sie doch erst an, nachdem die preussische Regierung, der er sich in dankbarer Pflichttreue verbunden fühlte^ ihm volle Freiheit dazu gegeben hatte. In Heidelberg, wohin er schon im H<vbst 1867 iiber- •-iidtliL-, fand T. freundliche Aufnahme und einen grossen akademischen \\ ii kunuskrei.s; gerade süddeutsche Studenten strömten zahlreich in seine Vorlesungen, in denen die Umwälzung Deutschlands als eine geschichtlich nothvendige und ethisch berechtigte mit warmherziger Beredsamkeit nach> gewiesen wurde. Ttots angestrengter akademischer Thätigkeit konnte T. gleich in den ersten Jahren seines Heiddberger Aufenthaltes eine Anzahl inhaltreicher inid geistvoller Abhandlungen beenrlen, die er im Januar 1870 in. einem 2. Bande historix h-politisclu-r Aufsätze gcs.uniuclt herausgab. In - Fnmkreirhs Staatsleben und der lionaiiartismus« , einer Arbeit, die er sclion 1865 nach einem Aufenthalt in Frankreich begonnen hatte, unteisucht T., oft in Anleh- nung an A. von TocquevUle tmd an Rochau's »Geschichte Frankreichs«, die Ursache des Scheiterns der Versuche einer freiheitlichen und parlamentarischen Regierungsform unter deu Bourbonen imd Orleans und er findet sie in fler Tliatsache, d.ass auch nach der Vertreibung Napoleon s das fran/osis( he Staatswesen napoleonisdi blieb. In »Cavour« zeichnet er das Bild eines ge- nialen Realpolitikers und zugleich die Auferstehung eines grossen Volkes, das die Einheit will und nichts als die Einheit. So erscheint ihm die verschlagene Politik des italienischen Staatsmannes geweiht durch einen ethischen Grund- gedanken. In flor Abhandlung über die Republik der vereinigten Niederlande, hei der er in dem Gegensatz zwischen Holland luid Spanien den Segen freier Arbeit und den Fluch der Knechtschaft in herrlicher Schilderung einander gegenüberstellt, erörtert T., wie der niederländische Staatenbund als der einzige in der Geschichte zum monarchisc hen Kinheitsstaalc wurde, also die KntM'irkelung nahm, rfie sich na( Ii T.'s Wunsch im norddeutschen Runde vollziehen sollti-. 1 )er letzte Aufsatz dieser Sanindung »das constiuitioncllc Königthum in DeuLschiand« zieht aus der Entwickelung in Frankreich, Italien und Holland die Folgerungen für Deutschland, ftir die Bedingungen parlamen- tarischer Freiheit auf dem Boden der starken preussischen Monarchie. In den Ansichten über die Bedeutungslosigkeit der stlddeutschen Verfassungs- kämpfe und die Bedeutung der preussischen Krone verräth diese Abh:i'vlli>ng zugleich die aus T.'s damaligen archivalischen Forschungen gewonnenen Kr- gebnLsse, deren weitere Ausgestaltung im 2. Bande der deutschen Creschichte später so viel Aufiehen erregte. Mitten in diese mit wachsendem Eifer be- triebenen Arbeiten sur deutschen Geschi< hie fiel der Ausbruch des dcutsch- französisf hon Krieges, und damit wohl die glücklichste Zeit in T.'s T.clien. jiEs war ihm, so schrieb er flamnls, als oh alle Mensf hen besser und reiner würden, als ob das Kieine und Niedrige abtiele von den Geistern.« Gleich nach den ersten Siegen, in der wunderschönen Abhandlung '>Wa8 wir von Frankreich fordern«, einem der glänzendsten Zeugnisse ftlr seine ungemeine Gabe landschaftlicher und geschichUicher Schilderung und für das, was Schopenhauer dxs ^Autoptischc in Gedanken und Ausdrücleri' genannt hat, begründete er die Ansprüche Deutschlands auf die ilcrausi^ahe von Flsass und Lothringen (vgl. den hübschen Aufs.iu von Du Moulin-Kckart »Treitschke und der l^sass« in den Neuen Heidelberger Jahrbüchern Vn, i). Der Gang der deutschen Dinge entsprach dagegen keineswegs seinen hohen Erwartungen;

Digitized by Google

386

Trcitachke.

er missbilligte die von I'rcussen den Süddeutschen gemachten Zugeständnisse, besonders das Veto der vierzehn Mittelstaatsstimmen, tröstete sich indcaecn mit der Erwägung, das« einer realen Staatsmacht und einem vaterländischen Geiste gegenüber Verfassungsparagraphen bedeutungslos bleiben und dass ciie in der deutschen EntwicV.clunfi; Iclicndig fortuirl^enden Kräfte doch ztir Zer- setzung der Kleinstaaten und zur Bildung des Kinheilsstaaies ftilireii inüssten (»Parteien und Fractionentc, Preuss. Jahrb. Anfang 1Ö71). Eine nationale Monarchie über emem mächtigen hohen Adel und seUMständigen Ftoviiuen. das schien ihm das Ziel der deutschen Entwickdung, das war sein Fi ^i^rftpini für das neue deutsche Reich.

Inzwischen hatte T.'s Haus sich gefüllt; gegen Ende de«^ Jahres 1867 war ihm ein »schwarzkoi^tincs Törhtcrlein« geboren, nicht lange darauf ein Sohn, dem noch eine /weile lochler folgte, im I ruhjuhr 1871 wurde er, hauptsächlich auf Betreiben seines alten Freundes von Frantsius, in den deutschen Reichstag gewählt, dem er asunächst als Mitglied der nationalen Par- tei, dann als »Wilder« bis 1888 angehörte. Seine Reden, welche konstitutionelle und wirthsrhaftlichc Frapcn, Tabaltsmonopol, Heere<;verfas.sung, Sozialisten- gesetz, F.lsass-Loihrmgen u. s. w. behandelten, zeigten, wie ihr Herausgeber jungst mit Recht bemerkt hat, sachlichen Inliali, Gedaiikenreichtbum, geist- vollen und schlagfertigen Ausdruck (vgl. Keden von H. v. Tteitschke im deutschen Reichstage 1871 1884; herausgegeben von O. Mittelstadt; Leipzig, 1896). Im Fnilijahr wuffle er auf den Vorschlag der Berliner philo-

sophischen 1 aeult at , die iinn eine m schwierigen Lebenslagen bewiesene Eestigkcit des Charakters und Lauterkeit der Gesinnung« nachrühmte, an tJic Universität Berlin berufeup wohin er im Frühjahr 1874 ttbersiedelte. Hier entstand von wissenschaftlichen Arbeiten zunächst der Essay über Saanuel Pufendorf, den grossen Publicisten des 1 7. Jahrhunderts, aus dessen mit kon- genialem \'erständniss \md mit landsmannschaftlicher T.iebe gezeichnetem Hilde T.'s eigene Züge kanii>riiistig uns anschauen. Dann ging er daran, für die deutsche Geschichte, deren zweiten Band er schon fast beendet hatte, eine | einleitende Uebersicht über die deutsche Entwickelung von 1648 bis 18x5 zu ; schreiben, die als erster Band im l ruhjahr 1879 erschien. Der zweite Band \ (von 181 5 bis 1820) folgte erst im Herbst 1882, der dritte (1820 bis 1830) im j I)ezember r8.S5, der vierte (i<^,>n bis 1840) im Dezember tSSq. In geduldiger und gewisseniiafter Arbeit unter den ungeheuren Aktennuussen und Drucksciirif- ten, die das schreibselige 19. Jahrhundert angehäuft hat, bemächtigte T. sich des gewaltigen Stoffes und formte daraus die Geschichte eines Volksthums, das eines und tausendfältig, seine lebendige Kraft bewährend in allen Zweigea mens( lili( heil S(1i,ifTeMs, aus der Zersplitterung hernus nach der Verkörperung in einem Stxiate ringt. T., der die deutsche Entwickelung in dem Lichte der Einigung durch Prciissen sieht, beurtheilt deshalb die historische Bedeutung der einseinen Erscheinungen im Wesentlichen je nach ihrer hemmenden oder fördernden Einwirkung auf diese Entwickelung, und insofern kann man das grosse Werk, das, gleich Sybel's Geschichte der Revolutionszeit, wie eine politische riclcgcnheit'^srhrift entstanden ist, nis ein Stück von T.'s pnliti«;rhcr Arbeit bezeichnen. i>amit verringert sicli um nichts der wissenscIiatUKhe Werth des Werkes, in dem die volle und reiche Arbeit eines Menschenlebens ruht (1860 bis 1894). An der Feststellung der Thatsachen, an der riditigen ! Erfassung der l'ersonen und Ereignisse, hat T. langsun, kritisch und melo- disch gearbeitet, in strenger Selbstsucht gegen sein Blut, dessen Ungestüm

Digitized by LiOOgle

Trettsehke.

3«7

niemand besser kannte, als er selbst. Wahrend der erste Hand sich mehr an die Ergebnisse fremder Forscher, namentlich Max Duncker s anschliesst, die bei der kritisdien Nachprüfung nicht immer Probe halten, beginnt mit dem zweiten Bande schon T.*s eigene umfassende tmd eindringende Forsdiungs- ftrbeit, deren Resultate, so vielen Widerspruch sie zunächst £uiden, doch all- mählich sirli durchgesetzt haben. Mehr und mehr wird anerkannt, was T, selbst ■/n seiner ei^^enen Ueberrnsrhunu fand, dnss dns konstitutionelle Deutschland trotz Verfassungen und Landtiigen an den Karlsbader ßesclilüsscn und ahn- lichen leactionifen Mis^^en mitschuldig war, während andrerseits in den verrufenen Jahren nach 1815 die so viel angefochtene preussische Krone und das preussisdu- Beamtendium in stiller und pflichttreuer Arbeit den Grund riir die wirihschaftliche und militärische Einigung Deutschlands legten. Der zweite 15an<I, der diese kaum noch anfechtbaren Wahrheiten enthält, zeigt zugleich in tier wunderbaren Schilderung des Wiederaufbaus des preussischen Staates und der Eigenart seiner Landestheile, wie T. einen bedeutenden Theil seiner deutschen Geschichte nach seinem eigenen Worte sieh »erwandert« hat. Ans- dem dritten und vierten TheÜe mögen neben der Darstellung der Keformthätigkeit Hardcnberg's, auf deren Ergebnissen der preussische Staat so lange geruht hat, die Kapitel tiber die deutsche liaiidelspolitik des Mi- nisters Motz und die Geschichte des Zollvereins hervorgehoben werden, glän- zende Muster der Verschmelsung von politisdier Geschichte tmd WirdiscfaAfiS' geschichte, deren Werhselwirkimg ebenso wie die iwischen politischer Ge- schichte und politisi lien Theorien mcisterliaft erl.intert wird.

Mit dieser gro.ssca national-politis( hen und w issenscliaftlichcn Bedeut\ins; des Werkes verbindet sich die Vollendung der Form, die Kraft und Fülle der Sprache, um T.'s deutsche Geschichte xu dem schönsten deutsdien Ge- schichtswerke der Gegenwart zu erheben (vergl. auch die schöne Würdigung von T.'s deutscher Geschichte als eines nationalen Geschichtswerks und litte- rarisrhen Kunstwerks in Herman Grimm, Beiträge zur deutschen Cultur- geschuhie. Berlin, 1897. S. i 74).

Neben diesem monumentalen Werke entstanden in den Jaliren seit 1876 noch eine grosse Anzahl von Abhandlungen und Vorträgen, alle gebtvoll und formvollendet, so Königin Luise (Vortrag zum 10. März 1876), Luther und die deutsche Nation (^'^ortrag zum 7. November 1883), Max Duncker (1886), dn? [>oliti.sche Königthum des Anti-Mr»rchiavell (rHS7\ Gustav Adolf und Deutschlands Freiheit (1894), zum Gedachtniss des grossen Krieges (1895). (Alle, mit Ausnahme dea letzteren, jetzt gesammelt in dem von E. Liesegang heianiiqjiegebenen 4. Band der historischen und politischen Aufsätze, 1897.)

Wahrend T.'s wissenschaftlich-historische Arbeit stolz immer noch auf- wärts schritt, hatte er der ])olitisrh-]nd)lirisiis( hen Thätigkeit nielir und nielir entsagt. Mit der ])olitis( hen (iesiuitung des Reiches, das seinem unitarist hen JdejU so wenig entspracli, hatte er sich abgefunden; es erschien ihm doch schon nicht nur als ein Bundesstaat, sondern als eine nationale Monarchie mit bündischen Institutionen, oder, wie er es bezeichnete, als »der die Mehr- heit der Nation unmittelbar beherrschende nationale Einheitsstaat mit den Nebenlanden, welche seiner Krone in föderativen Formen untergeordnet sind ('>l{und und Reich , 1874). Dagegen beunruhigte und verletzte ihn gleichsam persönlich der Gang der wirthschafüichen Entwickelung und die anschwellende sozialistische Bewegung, deren Lehren seiner AuÜ&issung von der sittlichen Freiheit der Persönlichkeit und den ethischen Aufgaben des Staates so ganz

Digitized by LiOOgle

Treittehkfc

entgegenliefen. Hierin noch mehr als in theoretischen Meintmgsverschictien- heiten über die Gliederung der Gesellschaft, den Arbeitsertrag, das eherne Lolingesets u. s. w. möchte ich den Grund sehen, dass T,, der schon 187 a ein soziales Refonnprogramm aufgestellt hatte, doch von 1874 bis 1877 in

den Abhandlungen »der SoxiaÜnnus und seine Gönner«, »die gerechte Ver-

theihing der Güter«, '►noch ein Wort zur Arbeiterfrage«, (Icn Sozialismus und hesonflers die Kathedersozi. ilisten Icidensrhnftlit Ii beknmiiftc. I>nmit liiiij; es auch zusammen, wenn er von dem mudernen Lilicralismus und der modtiri^en Gesellschaft, deren unter der Wirkung des allgemeinen Stinunrecbts unauf- haltsam fortschreitende Demokratbirung sein Ideal persönlicher Freibett durch den Druck einer tyrannischen Öffendichen Meinung gefährdete, sich abwandte und den Umschwung zu der nationalen und realen Wirtbsrhnftspolitik T?is- nuuck s in den Jahren 1878 und 1879 mit freudiger Zustimmung begrursaie. Er wollte jetzt von »absoluten« Wahrheiten in der Volkswirthschaft so wenig wissen, wie er auch in der Staatswissenschaft längst nur »historisch bedingte«., »relative« Wahrheiten anerkannte. 7,uglci( h gehorchte er nur dem Gesetz seiner liuli\ idualität, wenn er in dem mächtigen Kampfe der Geister, der seit den ^(.■n. muten jähren Deutschland erschütterte, nn einem besonders hitHfr umstrit- tenen Funkte eingrift" und in einer Reihe von Aulsiitzen die undeuusche und unduldsame Ueberhebung einzelner Juden heftig angriff und die Deutschen zu einer kräftigeren Betonung ihrer nationalen Eigenart auftief. (Unsere Aussiditen; Herr Graetz und sein Judenthum 1879. Noch einige Bemerkungen zur Juden- frage 1880. Diese Aufsätze sind jetzt mit anderen mehr politisrhen Inhalts aus den Jahren 1870 bis 1802 gesammeh in dem von E. Liesegang heraus- gegebenen Bande: Deutsche Kampfe, neue Folge. 1896.) Die gehässigen Anfeindungen, die ihm diese Artikel zuzogen und die auch durch persön> liehe ZerwOtftiisse venchärft wurden» trafen seine reizbare Klinstlerseele um so empfindlicher, als er eigentlich auf die Zustimmung der weitesten Kreise, selbst unter den Juden, si« Ii Hoffnung gemncht hatte. Dazu kamen dnnn bald tlie S( hick.salbst lilagc, die den letzten Tlieil seines Lebens verdii>torU'i^ der lod seines eiiuigcn Sohnes (1882), ein uniieilbares Gemuibsleideu seiner Gattin r und eine schwere Erkrankung seiner Augen, die ihn mitten in der Arbeit zum 5. Bande seines grossen Werkes befiel und ihm fiir lange die Feder aus der Hand nahm. Unter dem Eindrucke solcher Erschütterungen begann T. sieh nm dem öffentlichen Leben mehr und mehr mriirkzuziehen ; er trat aus dem Reichstage aus (1888) und legte die Redaktion der jireussi- schen Jalirbüchcr nieder (1889). Um so eifriger, unter allen seelischen und körperlichen Leiden, aber nach seinem alten Walirs]:>ruch: tu ne cede maJis, arbeitete er an dem 5. Bande der deutschen Geschichte, dc!>sen glückliche Vollendung: und X'eroftenllic hnnp; im Herbst 1804 mit fast einstimmiger .'\n- erkcnnung l ej^russt wurtle. l nd unzweifelhaft ist er der bedeutendste des ganzen Werkes, weniger durch die Summe neuer Forschungsergebnisse, die nicht allzu erheblich ist» als durch die künstlerisch vollendete Darstellung der tragischen Entwickelung jener Jahre von 1840 bis 1848, die »mit hohen Ent« würfen, glänzenden Hoffiiungen, tiberschwänglichen Träumen« beginnt, um »in klägliclieni Misslinrrcn und unvermetdlirhcm Zusjunmenliruth« zu enden, sowie durch die mit feinsinnig eindrin^'endem Verständniss und mit hohem Freimuiti gezeichnete Charakteristik des im Mittelpunkt jener Entwickelung stehenden unglücklichen Königs Friedrich Wilhelm IV. Ermuntert und gestftrkt durch den kaum bestrittenen Erfolg dieses Bandes ging T. mit rttstigem Eifer an

Digitized by Google

r

Treilselike. Bacr. 389

I die Arbeiten zu dem 6. Bande, als deren Frucht er in der »historisdicn Zeit- sc hrift« den Aufsat/ das dofct In von Eckernförde« veröfTentlirhcn Vonnte (i 896).

j 1 )azwisrhcn untcniahm er im Herbst 1895 eine Reise tkk h England, die er langst geplant hatte und von der er mit starken tindrücken, im besten Wohl- sein, zurttckkam. Doch schon biirg er den Keim der Todeskrankheit in sich. UebermasB der Arbeit hatte den gewaltigen Körper, dessen Kraft nicht ge- s<'hont noch gepflegt wurde, erschöpft, so dass ein Nierenleiden, das im l"'e!irunr 1896 ausbrach, bald sich als unheilbar herausstellte. Thm selbst verliülhe ein Lniridiges (ieschick die hoffnungslose Zukunli; er meinte nicht sterben zu duricn, bevor er seine deutsche Geschichte vollendet, und er sprach sdbst noch von dem anderen Werke, das er schon seit 1866 plante, einer »Politik«, in der er seinem gdiebten deutschen Volke die Summe seines Wissens und seiner Erfahrungen als Vermächtniss zu hinterlassen dachte. So verschied er sanft und still, in kindlich frommer Hingebung an Gott, am 28. April 1896.

Vcrgl. Heinrich von Treitschkc's Lehr- und Wanderjahre 1834 bis 1866, erzählt von Th. Schienann. 1896. ¥Lv. Treitschke von P. BtJllcu in der Deutschen Rtindtdiau, 1896. T>ie Politik«^, nach Treit^chke'^ VorletuDgcn TOB Comicditts bearbeitet, Ist beieit» im

Druck und wird dcnmäcbst veröffentlicht.

P. Bailleu.

Bacr, Karl Anton Ernst, badisi her Jurist uiul Parlamentarier, wurde zu Bruchsal am 24. Oktober 1833 geboren. Sein Vater war ein tüchtiger Rciter- ollizier, im aktiven Dienst suletst Oberst und Kommandeur des badischen I^eibdragonerregiments, bei seiner Verabschiedung als Generalmajor charak-

tcrisirt. B, besuchte die Lyceen zu Bruchsal und Karlsruhe und wurde, nn( !idem er im SeptciiilH r 1852 das Abituricntonexamen bestanden hatte, 1111 Herbst dieses J'ibres an der Universität Ileiilcllierg immatrikulirt, wo er bis zur Vollendung seiner juristischen Studien, Herbst 1856 blieb. Er ge- hörte dem Corps Suevia an und blieb sein Leben lang diesem Corps und den vielen Freunden, die er in diesem während seiner Studienzeit und später noch gewonnen hatte, treu verbunden. Im Juni 1857 als Rechtspraktikant recipirt, wurde B. im November 1860 zum Referendar ernannt. Fin Jahr früher hatte der von seinem Vater ererbte miiiuirische (icist ilm bewogen, beim Ausbruche des Krieges zwischen Oesterreich einer-, Frankreich und Sardinien anderseits sich zum Eintritt in die zu Karlsruhe gebildete Aspir;uiten- kompagnie zu melden. Im Juni 1859 zum Lieutenant auf Kriegsdauer er- nannt und dem 2. Infankricrei^iment »Prinz von Preussen« in Mannheim zu- tjetheilt. wnr er von dort mii dem Re^^imcnt .in dessen neuen ( larnisonsort Konstanz marschirt, nach dem Friedensschlüsse im Oktober 1859 suchen aus dem Militärdienst entlassen worden. Seine juristische Laufbahn begann B. 1857 bei den Oberämtem Bruchsal und Emmendingen und setzte sie von 1858 61 als Volontär beim Amtsgericht Bruchsal und beim dortigen }-jfifj^eri( ht fort. Von i9>6t Ins if^f).} hatte er flie Stelle eines Garnisons- atülitors in Kasiatt inne. Walirend dieser Zeit veraiilav>te ihn die lebhafte Theilnahme an der nationalen Bewegxmg für die Befreiung der Herzogthümcr Schleswig-Holstein p den Eintritt in die zu bildende schleswig-holsteinische Armeej fUr welche Cadres in Baden aufgestellt werden sdltsn» emsdich in's Auge zu fiissen und sich in diesem Sinne an das badische Kriegsministerium zu wenden unter plcichzciti^'^er Bitte um Genehmi^mp seines Wiedereintritts in die Reihen der Combattanten für den Fall einer Mobilmachung des

Digitized by Google

39°

Baer.

badischen Armccc nrps zu Ounsten des HeizOgiS Friedrich. 1864 auf An- suchen wieder in den ClMlstaatsdiL-nst ül)or2:ctrctcn, wiinlc 15. /nnäc hst Amts- richter und im März 1866 AiniHKUui in Frciluirg. Ein ultcrzcnuter An- hänger der Idee, dass nur ein Hundessta^it unter preussischer l'iüirung die nationale Einheit zu begründen vermöge, hat er demgemäss bei der badkchcn MobUnuu:hong im Juni 1866, die su seinem tieften Bedauern sein Heimatb- land zur Theilnahme an dem Feldzuge gegen Freussen führte, sein Gesuch 11m Wicflcrcirnntt Offizier nicht erneuert. Seinem unabhangif^cn Ch.Trakier entsprach die '['hatii^kcit des \\'r\\ altiiii;:,f«;l)cnmtcn nicht. Er l>c\\arli suh dcslialb meiumals um eine Collegi;dsteIle an einem Gerichtshofe und wurde, diesem Wunsdie entsprechend, 1867 als Assessor an das Kreisgerkfat zu Waldshut berufen, 1868 zum Kreisgericbtsratb daselbst befördert und in gleicher Eigenschaft i^-ji an das Kreis- und Hofgericht Mannheim versetzt. Bei Ausbruch des deuts( h-tV mzösischen Krieges war R. zum l andwehrhaupt- munii auf Kricfisdauer ernannt und wiihrend einiger Zeil /um Dienste der Militärverwaltung im Hauptquartier der Iii. Armee verwendet worden. Da diese Stellung, in welcher er u. a. die Karlsruher Zeitung mit Berichten vom Kriegsschauplatze versehen sollte, seinen Neigungen nicht entsprach, kehrte B. bald wieder in die Heimath zurück. Hei der Verlegung des badischen obersten Gerichtshofes nach Karlsruhe i. J. 1879 wwde B. zum Oberlandesgerichtsrath ernannt und blieb in dieser Stellung bis zu seinem Lebensende mit Auszeichnung thätig. Nach mehijäliriger Kränklichkeit, die er mit männlichem Gleichmudi ertrug, starb er zu Montreux, wo er Undening seiner Leiden gesucht hatte, am 8. Mai 1896. Nur das Maditwort des Ar/tcs hatte ihn vermocht, am ?o. April im Interesse der angeordneten Kur sein amtliches Wirken zu unlerbreclicn , dem er wenit^e Wochen spater Air immer entrissen wurde. Neben seiner amtlichen Wirksamkeit war B, im öffendichen Leben thätig als Vertreter seiner Vaterstadt Bruchsal in der badischen zweiten Kammer von 1873-^1882 und als Mitglied des deutschen Reichstages für den 7. badischen Wahlkreis Offenbiu'g-Oberkirch-Kchl von 1874 187«). Kr ^c'hörU' der nntinnnl-libcralen Partei an und iL-istetr rliesor Partei in drn hcidcn parlaiiKMitaris« hni Koi pcrst haften als Redner wie jds tüchtiger Berichierstuiler und nicht nuuder als Pubheist hervorragende und allgemein anerkannte Dienste, insbesondere durch die längere Zeit von ihm geleitete Redaktion der Badischen National-liberalen Korrespondenz. Als Richter, nicht nur weil es die Pflicht gebot, sondern auch weil seine ganze Veranlagung ihn dazu trieb, von einer jeder Art von Beeinflussung unzu- gänglichen Objectivität, an streng logisches Denken gewöhnt und jedem Paktiren mit abweidienden Meinimgen abgeneigt, konnte er in der Liuer- ordnung unter eine Parteidisciplin, die sich vielfach von o])portun]stischen Erwägungen leiten liess, keine volle Befriedigung finden und trat aus dem öffentlichen Wirken in T and- und Reichstag zurück, als in seiner Partei zur Zeit der Heidelberger l.rklarung und des Offenburger P.irteitages von »S85 Tendenzen die Oberliand gewannen, mit denen er sich nicht belreundcti konnte. Aber wie er früher innerhalb des Parteiverbandes sich doch stets so weit als irgend möglich die Selbständigkeit seiner Meinungen gewahrt und namentlich in den Fragen, die den sog. Kulturkampf betrafen, sidi nie zu einem gehässigen Auffrcfcn wider (]u' Oe^ner hatte fnrtreissen lassen, so achtele er auch nach der einf^etrcicncn 1 .ntfrcnnhniu /wi^t hen ihm und seinen alten Parteigenossen deren abwciciiende Ansichten und blieb mit ihnen m

Digitized by Google

Bmt. Behagliel.

391

^Verbindung, soweit es sich um die grundlegenden Fragen h.mdelte, die von dem Ktnflusse momentaner Strömungen unberührt blieben. Die Selbständig- keit, Objectivität und Gerechtigkeit seines Urtheils bildet die Gnindlage zweier in den letzten Jahren von B. verfassten Sdlriften: »Geschichte und Kritik

der Vcrfnssungsrcvisionsfrngc sowie der gefjenwiirtigcn ?;irlei\ erliältnissc im T^ande Baden». Lörrach 1.S92 und liiedrich Kiefer. Ein Lebensbild. Seinen Bekarmten, Freunden und Verehrern gewidmet«. Karlsruhe 1895. Es ist zu bedauern, dass er die Absicht, dem Andenken Lameya eine bio- fOraphtsche Arbeit zu widmen, nicht mehr ausfuhren konnte. Dem Vater- lancle in begeisterter (Besinnung ergeben, die Freiheit des Individuums in Staat, Kirche und r'.cKcllschaft mit Entschiedctiheit vcrtreicnd, unter Festhalten an den diese nuüiwendiger Weise beschraukciiden (iclxucn der staatlichen Ordnung, seinen Beruf hochhaltend und liebend, seinen Freunden ein treuer, uneigennfltziger und zuverlässiger Freund, denoi, mit denen er einen Strauss acu bestehen hatte, ein ritterlicher Gegner, darum auch von Angehörigen aller Parteien hochgeachtet, war er im öffentlichen Leben Badens eine Er- scheinung, die sich filier das Niveau der sich gerade auf pnlitischcm Gebiete oft genug breit machenden Mittelmaüsigkeit sehr bemerkiich erhob. Un- vcrheirathety ein anregender Gesellschafter, in den Kreisen, in denen er sich bewegte, nicht zum mindesten auch durch sein Talent gut zu erzählen wenn es ihn auch zuweilen auf etwas schlüpfrige Pfade fortriss beliebt, gehörte B. zu den durchaus oripncllcn l'ctsönüchkeitcn , die in unseren Tagen immer seltener werden und swh daher dem Andenken derer, denen sie näher treten, mit besonderer Starke einprägen.

F. V. Weech.

Bdii^el, Wilhelm Jakob, Professor der Rechte an der Universität Frei>

l>urg, würfle am 25. April 1824 zu Elberfeld gclxircn, wo sein Vater, Johann (leorg Hcha<ibel, der Abl.unin^Iini: einer hoiian( iis( hcn Familie, damals als (lymnasiallehrer wirkte. Da dieser als Professor an das Lyceuni in Heidel- berg berufen wurde, wo die Familie schon früher heimisch gewesen war, verlebte Wilhelm seine Knabenzeit sowie die Jahre seines Gymnasial- und Universitätsstudiums in dieser Stadt. 1845 ^urde er Rechtspraktikant und war in den Jahren 1848 bis auf den Sekretariaten des Hofp;erirhts in

Mannheim und des Ministeriums des Innern verwendet. Vom Oktober 1849 bis November 1850 gehörte er als jurisdschcs Mitglied der vom Kriegs- ministerium niedergesetzten Kommission zur Liquidation und Betreibung der kriegsärarischen Ersatzforderungen an. 185s erhielt er seine erste feste An- stcllun^f als Assessor beim Bezirksamt T">(>naueschingen. 1855 dem Hof- j;cri(ht in Mannheim zur Aushilfe beigegeben, wurde er an fliesein dericht zum Assessor, 1860 zum Rath, und ziun Stellvertreter des Staatsanwalts emaiuit. 186 1 wurde B. ab Nachfolger des zum Präsidenten des Ministeriums des Innern ernannten Lamey als Professor an die juristische Fakultät der Univeiskttt Freiburg berufen. Der Kreis der Vorlesungen, zu deren Ab- haltung er verj*ni< htet war, umfasstc frinzösischcs Civil- und badisches I.and- rerht, Leineinen deutschen und badischen ( i\ iljjrocess, Civilprocesspraktikum und Relaloriiun, deutschen Strafprocess nüi besonderer Rücksicht auf das Strafrerfahren in Baden. Hiezu kam 1 883 auch noch Handels- und Wedisel- recht In dieser Stellung hat er während mehr als 30 Jahren den grössten TbeQ der J^st^z- und Verwaltungsbeamten des Grossherzogthums Baden auf

Digltized by LiOOgle

39*

ihren Berul vorberciiet und daduich ohne Zweifel auf die Methode, welche seine Zuliörcr in ihrer späteren Lebensstellung zur Anwendung brachten» den massgebenden Etnfluss ausgeübt. Hand in Hand mit seiner akademischen

ging eine reiche littcrarisc he Wirksamkeit, die, wie jene, der Verbreitung und Vertiefung des juristischen Wissens diente. Die Klarheit und Kinfach- heit, flic seine Vorträge auszeichnete, ist nurli ein \'or/ii^ seiner Schriften. Er wollte aber auch an der (iestaltung der politischen Verhaltnisse des Lantic^ Antfaeü nehmen. Von 1863—1866 gehörte Befaaghd als Vertreter des 31. Wahlkreises (Aemter Philippsburg und Schwetzingen) der zweiten Kammer des badischen Landtags an und während der Landtage von 1873 1882 war er dttrrh fUe Wahl des Lehrkörpers der Freihtirger Universität Mitrrlied ('er Lrsteti Ivammer, nachdem ihn das Vertrauen seiner C'ollcgen im Studjcajal<re 1872 73 aium Prorektor erwählt hatte. Von 1888 an war er Direktor der akademischen Wtrthschafts-Deputation, in welcher Eigenschaft er in wichtigem Zeitpunkte, da die Hochschule einen gewaltigen Aufschwung nahm, ihre Ver- mögensverwaltung zu leiten hatte und namentlich auch die Vertheilung der Stipendien und die Verftipung ilher die andern Stiftungen entstammenden Mittel zu seinen Obliegeniieiien gehörte. -~ Wie Ii. das Vertrauen und die Zuneigung seiner CoUegen, die Verehrung seiner Schüler und die Hochach- tnng seiner Freiburger Mitbürger sich' durch die Schliditheit und Lauterkeit seines Characters, die Milde seines Urthdls, das Wohlwollen, das sein ganzes Tliun liestimmte. erworben hatte, so erfreute er si( h der grössten Iklicbth'.-il bei Allen, mit denen er in Üerulnung kam. Fin leideaschaliliehcr i reund der N.aur, ein rüstiger Wanderer, ansjjruchsios und gefiüJig, wo er anderen begegnete, hatte er seinem Namen in der Schweiz, in den bairischen Bergen, m Schwarzwald, wohin er, das Ränzel auf dem Rücken, den Bergstock in der Hand, seine Schritte lenkte, einen guten Klang zu verschaffen verstanden. Am meisten wohl war ihm der heimische Schwarzwald vertraut. Lnd > > erg.ii» CS sid> wie \(in selbst, da.ss der badische Schwar/waldverein ihn i<Söi zu seinem Präsidenlcn erkor. Er ergriff die ihm unter schwierigen Ver- hältnissen (denn der Verein stand dicht vor völligem Zeriall) tibertragcne Aufgabe mit Eifer, Freud i-keit und der Gewissenhaftigkeit, die eine besonders hervorstechende Eigenschaft seines Charakters war. Der Erfolg bliel» nicht aus. Die Mitglieder/ahl des Vereins erhob sieh von 500 auf 6000, umfassic, als er 1891 mit Rucksicht auf sein Alter und die wachsende Geschäftshist sein Amt einer jüngeren Kraft abtrat, nicht weniger als 48 nach dem Muster des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins geschaffene Sektionen und gebot Uber eine Jahreseinnahme von c. 30000 M. Unter .seiner Verwaltung wurden zahlreiche We^'e ■^i.'bMul, We^iweiser errichtet, die Wirihs« liafts^ erlu'ilrnisse verbessert, kttr/ es erj>ehluss sich d;us praehüge Waldgebirge der Wandern nj in vorher kaum geahnter Weise. Der mehr als 70jährige, der sich immer noch grosser Rüstigkeit erfreute, wurde im Winter 1895/96 von schwerer Erkrankung heimgesucht. Im April 1896 sah er sich genöthigt, fttr das Sommersemester Urlaub zu erbitten und seine Vorlesungen auszusetzen. Aber TKH Ii che er den zu seiner Erholung ausgewählten Aufenthaltsort aufsuchen koiuite, traten bei ihm Schwächezustände ein, die seinem Leben am 18. Mai 1896 ein schmerzloses Ende bereiteten.

Schriften:

Vortrilge Uber d. «llgcm. dentsche Httndck-Gcaetibueh flir den FVeibuifer Haaddsstand. Ab Ms. f. d. ZtthOrer gedruckt, Druck v. Wangler, Freiburg i. B. O. J. S*«

Digitized by Google

BcbagliGl. Fürst zu Fllntenberg.

393

D«8 nette Grossberxogl. Badische Presf-Gesetz t. a. April 1868. Freibarg i. B., L. Sdimidt, 1868. 8«.

Tiaa badischc bürgerliche Recht u. der Code Napoleon. Freibarg i. B., L. ächmidt, 1869. 8^. --2. Aufl. Bd. 1—3. Karlsruhe, Bielefeld, 1875—80. 8». - 3- .t !• 2. Tauberbischoftheim, J. Lang, 1892. 8".

CIcdächtnissredc nuf F. A, v. Woringcn. Freiburg i. B., II. M. Poijpcii SoT\n, 1S71. 4''. Uic Güterverhältiu>sc dei AualaaUcr, welche während bestehender Ehe in das ürosshcrzog- thum Baden mit Einfuhrung des Landrechts eingezogen sind oder eiiuieheii «erdea» Pro<;;rnmm. Freiburg i. B., fl. M. Poppen Sohn, 1872. 4*, - Andere Ausgabe: Freiburg i. B., L. Schmidt, 1S73. 8"*. Der Ebcvcrtrag nach französisch-badiscbem Rechte. Freiburg i. B., L. Schmidt, 1871. 8". nie riuellen des tjadischen Poliieisf r.ifrechtc^. Freiburg i. B., T.. Schmidt, 1872. 8*'. i.>esetze Uber Erwerb uad Belastung des Grundeigentbams. Freiburg i. B., J. C B. Möhr, 1888. (Roda's Rwdbibliothek Badischer Gesetse. 3.) S*.

Reden bei der öffentlichen Feier der Ucbcrgabe des Prnrcrtnrats der Universität Frcibiir^ am 13. Mai 1873, gehalten v. d. abg. Trorcctor W. Bchaghcl u. d. antreU Prarcctor O. Ponke. Fretbiurf, H. M. Poppen Ü Sohn* 4^»

Der B-idischc Schwarzwrdd verein und sein Wirken. Zur FcicT seines 3$ jlhrigen Bcftehetis. Freiburg L B., Ch. Lebmann, 1889. 8^.

F. V. Weech.

Fui^t zu Fürstenberg, Karl Egon (IV.), Landgraf in der Baar und zu Stühlingcn, Gnf zu Heiligenbcrg und Werdenberg, Freiherr zu Gundelfingen, Herr zu Hausen im Kinzigtha], Messkirch, Hoheidiewen, Wildenstein, WiUds- perg, Werenwag, Immendingen, Weitra und Pürglitz etc. etc. wurde am

25. August 1852 /II Kruschwitz in llcihnie-n als ein/iirer Sohn des damalifjcn Krhprinzen (des 1892 verstorbenen Fürsten 1 Karl K^on (IIL) und der Erb- pntuessin ElisabeUi, geborenen Prinzessin von Keuss allerer Linie (gestorben 1861) geboren. Durah Hofimeister Torgebfldet, bezog er im Jahre 1872 die Universität Heidelberg» wo er bis 1874 vorzugsweise juristische Vorlesungen besuchte, aber auch bei Bartsch, Kirchhof!" und namentlich bei Trcitschke (alle dessen Vorlesungen in den betreffenden Semestern) hörte. 1874 und 1875 sctJite er >c]]\e Stndien auf der Universität Strassbur«? fort. Nnrhdem er hierauf grossere Reisen gemacht, insbesondere in Paris einen längeren Aufenthalt genommen hatte, trat er am 1. Februar 1877 als Secondelieute- nant ä la Suite des Gardehusarenregiments in die preussische Armee ein und erhielt, nachdem er im Juni d. J. das Offiziersexamen bestanden hatte, ein Pitont seiner Charge. Von November i88r l)is September 1884 war er Adjutant fier 28. Cavalleriebrigade in Karlsruhe. Im Jahre 1884 als Premier- lieutenant in das 2. Dragonerregiment versetzt und in diesem 1886 zum Ritt- meister befördert, begleitete er im März 1888 den ausserordendicben Ge- sandten, der beauftragt war, Papst Leo Xm. die Thronbesteigung des Kai- sers imd Königs Frieilri( Ii III. anzuzeigen, nach Rom. Im Jahre 1890 nahm er den Absrhierl, erhielt rSc) ^ die Ernennung zum Major und 1896 wurde er von Kaiser Wilhelm iL zum Uberstmarschall ernannt. Am 6. Juli 1881 hatte sich Erbprinz Karl Egon mit der Gräfin Dorothea von Talleyrand-Perigurd, Tochter des Herzoge Ludwig von Sagan, vermählt. Die Ehe bfaeb kinderlos. Am 15. März 1892 wurde er der Nachfolger seines Vaters in dem schwäbi- schen Hanstrut und damit aurh erbliches Mitglied des prcussis< hen Herren- hauses, der w (irltc nibergischen Kammer f!cr Standc^llerren und der badischen Ersten Kammer. Am 11. November 1893 wahkc ihn der II. badische Reichs- tagswahlkreis in den Deutschen Reidistag. Im Jahre 1896 schwer erkrankt, suchte er Linderung seines Leidens in Nizza, starb jedoch nach kurzem Auf- enthalt daselbst am 37. November d. J. Seine Leiche wurde am 4. Dezember

Digitized by Google

394

Fürst zu Fürstenberg. Gleichauf.

in der uralten Familiengruft der Fürstenberger zu Neidini^ bdgesetst.

Der Fürst war gut veranlagt, von regem Geiste, im WrVtiire liebenswiiidip

\inr! IciitsHig. Kr lichte die K^nst und wnrrle in ilircr Pflege von seiner femsinni^icii und ^csi;hmackvolien (ienKihlm unterstützt, insbesondere auch bei der Umgestaltung des Schlosses und Parkes in seinem Stammsitz zu Donau- eschingen, wobei er audi nandiafte Bfldhauer, wie Kopf in Rom und Heer in Karlsruhe, beschäftigte. In dem durch den Umbau erweiterten und vcr* schönerten Schlosse wollte das ftirstUche Paar einen mäcenntischcn Hofh.^t entfnlten, KtinsLcii unr! Wissensc luiflen eine Stätte bereiten. 1 )es 1- urstcn TofI vereileke alle diese l'lane. I )ie .Schöpfungen seinej» Vaters imd ( iroivi.vuten? hat der l urst nut Icblialicm persönlichen Interesse gepflegt: die Bibliothek, die Kunst- und Münzsanmilung; im Archiv wurde nach Abschluss des sieben- bändigen Fürstenbergischen Urkundcnbuches auf seine Anordnung eine neue Serie von Veröffentlichungen unter dem Titel Mittheilungen aus dem fürst- lichen Archiv begonnen, Der Fürst wnr ein warmherzirrcr dctit>« her Pa- triot, die Errichtung eines Denkmals Kaiser Willielms 1. und cine^ Kiieges- denkmals in Donaucschijigen hat er eifrig gctördert. In den Reichstag wurde er gegen einen Bewerber des Centnims gewählt. Er trat kdner Fraktion bei, nalim aber seinen Platz in der Nähe der NationalHberalen. Als Redner trat er nicht auf, aber in manchen Fragen, so l>ei dem Zustandekommen ries tleuLsch-russischcn Handelsvertrages, übte er durch pcrsönürhe Verinittelung bei Abgeordneten und I raktionen einen nicht imbedeuienden Lmtluss aia>. Seine finanzielle Betheiligung an der Mündiener Allgemeinen Zeitung erfolgte in der Absicht, ein angesehenes Organ der süddeutschen Fresse in zuverlässiger Weise der Verfechtimg der nationalen und gemässigt liberalen Ideen zu cr- hrdtrn. Der Fürst /nliltc /vi den entsrliiedenstcn Anhrinprern tmd Verehrern des l''ürsten Bismarrl:. l^s inac hie ihm ;,'rnssc 1 leude, dass auf dem l"eldl>eri; ein Bismarckdcnkmal auf seinem Boden errichtet wurde und nur ungern v er- zichtete er, schon schwer krank, auf die Theilnahme an der Enthüllung^feier. Durch einen Vertreter liess er das Denkmal in seinen und seines Hauses Schutz und Schirm nehmen. Einer der grössten Grundbesitzer des l>ettt* sf-hen Rei( hos w.ar der l-'tirst crftillt von dem Streben, den Anf« irflernnticn der heuti-eii Zelt hinsic liili« h ilci W olilfahrtseinricliiungen für die arbeiiendcn Kreise der Bevölkerung sowie zur Herstellung eines zielbewussten Zusammen- wirkens von Landwirthschaft und Industrie gerecht zu werden. In der Für- sorge für die Pflege aUer humanitären Bestrebungen faiirl der Fürst die ver- stitndnissvüllste Unterstützung bei seiner (icmahlin, welche auf diesem Gebiete durch die Fordeninfj rler Frauen- und Samaritervereine eine nachhaltige untl erfolgreiche ThaUgkcii ciufaltete. Die deutsche Pferdezucht und der Sport hatten an dem Fürsten einen stets opferwilligen Göimer. Als Vicepräsident des Unionklubs, der leitenden sportlichen Vereinigung in Deutschland, und als Regenerator der internationalen Rennen auf dem Ifiezheimer Rennplatz hat er sich ein hohes Verdienst um den deutschen Spnrt erworben. Alles in Allem ein achter (irand Scigneur, der vielseitigen \ erpliiclitun>;en, tu flencn seine hohe Stellung und seine grossen Mittel ihn beriefen, stets bewusst und zu ihrer ErflUltmg mit Einsetzung seiner Person und sdbncs Rdchthums immer bereit, ist er zu früh abberufen worden, um die Aufgaben, die er sich gestdlt, in dem zu erwartenden noch weiteren Umfange vollkommen ZU lösen.

Gleichauf, Rudolf, wurde am 2n. Juli 1826 Tliifirigen in der b.idis» hcn Baar geboren. Kaum den Kinderschuhen entwachsen erhielt der Knabe, der.

Digitized by Google

GlcidMot

395

seit seine liand einen Siift halten konnte, versucht hatte. Wände, Thüren und Schränke mit Zeichnungen zu bedecken, von seinem Pathen, dem Lehrer Reich, Unterricht im Zeichnen, später von dessen Söhnen, dem Bildhauer Xaver und dem Maler Lucian Reich. Bescmdets Lucian verstand es, die

l*hnntnsic des Schulers zum Selbsterfinden, ritr Komposition anzure<,'en und aiiziilciicn. Als er 15 Jahre /.ahlte, setzte ihn die Munificenz fies Inirsten zu l' iirstenberg in den Stand, die Akademie in München zu besuclien, wo er unter der Leitung der Professoren Zimmmnann, He» und Sdmorr von Ca- rolsfeld sich ausbildete. Cornelius hatte damals München schon verlassen. Hier blieb G. bis ihn die Pflicht, sich bei der Aushebung der Rekruten zu stellen, in die Heimath zurückrief. Aber schon bald folgte er seinem Lehrer St hnorr nach I)rcsden, wo er etwa 2 Jahre verblicl). Wicfler nach Hause zurückgekehrt, beschäfügte er sich mit Studien imtl kleineren Compositionen, bis er nach Frankfurt, wo er einen Onkel hatte, übersiedelte, das Städel'sche Institut besuchte, sich viel mit X4mdschaftsstu<Iicn beschäftigte und durch Knbeilen von rnterricht einen längeren Aufenthalt möglich machte. Die be- deutendste Krnm;;ens< baft seines Aufenthaltes in Frankfurt wnr .seine Belsnnnt- schaft mit Moriz von Schwnid, zu dem er sich als Mcu.st h wie als Kunstler mächdg hingezogen fühlte. £r war aber nicht etwa ein geistloser Nachahmer <lieses Meisters, sondern G. war von der gleichen Gemüthsstimmung beseelt und lebte, wie Schwind, in der reichen Gedankenwelt der Romantik, welche einen Hauch edelster Poesie über alle seine Sc liöiifiinueii breitete. Nach /.weij ah Heuern Aut'entliait in Frankfurt folgte er einen; Rute des Baudirelctors Hiibs« h, um die ihm zugetheilten Arbeiten in dein neuen Hoftheatergebaudc in Karlsruhe zu übernehmen und gemeinsam mit Heinemann auscufllhren. Von da an hatte er seinen ständigen Wohnsitz in der hadischen Residenzstadt. Doch maclite er wiederholt kleinere und grössere Studienreisen unter anderm auch na< h Ttnlien, und sein Aufenthalt in Rom btlflete eine der ihm liebsten T.ebens- eriruierimgen. Auch seine Heimath, der er die treueste Anhänglit hkcit be- walute, suchte er von Zeit zu Zeit auf. Hier entwarf er die im Auftrage des >tinisteriums ausgeführten und in Farbendrucken weit verbreiteten Darstel- lungen der badischen Landestrachten. Aufträge seiner Frcun<le, der Hrüder Klose, des früheren österrei< bis» ben Flatiptmanns und des Malers, sowie ins- besondere lies [renialen Architekten Durm, des b.idischcn Oberbaudirektors, ^ gaben ihm wahrend einer langen Reihe von Jahren Gelegenheit, in der von ihm beherrschten Richtung, deren Hauptvertreter er nach Schwind's Ableben unbestritten war, eine grössere Zahl von Werken monumentalen Charakters von bleibendem Wcrthe zu schaffen. Die namhaftesten sind: der Kinderfries in der Trinkhalle zw Ü.nlen l"resrfi\ der l'ries im Kaiserin AuLMista-Bad da- selbst (üel\ das l)c( keuueni;il<!e nn heiigymnastischen S.iale dieses Rades ;^ücl), die allegorischen Figuren der Weltlhcile im Sanunlung-sgcbaude zu KarUuruhe (Fresco), Wandgemälde in der Festhalle (Gel), Giebelgemälde am Vierordtsbad (Fresco, später nach rlem Karton in Fayencemalerei umgeset/.t), 2 Giebelgemalde an der Villa Klose (Fresco, später in Terracottenreliefs umsesctzt'», ein Halbrundfries am Stibadium im Klose'srhen (iarten '^f>el), Decken- und Wandgemälde im grossen Saal und im Treppenhaus des Schmie- der'schen Palais (Oel), Deckenbilder im Treppenhaus des Generalintendanten Dr. Bttrklin (Oel), Lunettenbilder im Treppenhaus der Galerie und WandbÜder im neuen Flügel derselben (Oel), grosses Altarbild in der neuen Friedhofs- kapelle (Oel), alle diese in Karlsruhe; grosser Wand£ries: Heini von Steyer

Digitized by LiOOgle

396

Glcichaiif. MjOtch.

nach V. v. Scheffel in der Villa Klose in Thun ^Schweiz) (Oel), vier grosse Deckengemälde (die Fakultäten) in der Aula der Umveiritit Hdddberg (Oe]\ die Kartons fllr die Glasgemälde im Bemer Münster, im Auftrage des Dr.

Stanz in Bern gefertigt. Alle diese Werke sind durch die Klarheit und Tlarmonie der Komposition, die Korrcl.thcit der Zcirhminfr \m(\ die Helle des Kolorits orleichmässig ausgezeichnet. Ein Vcrtrcicr der alten S( Inile« in der Kunst, gehörte G. auch im Leben der Richtung an, die treu am Alten fest- hält und sich von Reklame und Selbstverherrlichung bewusst fernhält Er hatte keinen Feind, seme Freunde aber wussten seinen vollen Werth ab Künstler wie als Mensch zu schätzen. In seinem letzten Lebensjahre von schwerer Erkrankung heimgesucht» starb G. in Karlsruhe am 15. Oktober 1S96.

F, V. Weech.

Malsch, Jakob, Oberbürgermeister von Karlsruhe (Baden), wurde am 19. Januar 1809 in dieser Stadt geboren. Die ärmlichen Verhältnisse, in

denen er aufwuchs, gestatteten ihm nicht, wie er es wünschte, den Henif eines VolksschuUchrers r.n ergreifen, er musste vielmehr, um frfih7eitig etwas verdienen zu können, als Lehrling in die G. Braun'sche Hofbuchdruckerei eintreten, wo er seine Lehrzeit während der damals vorgeschriebenen Zeit- dauer durchmachte. Nachdem er freigesprodien war, wanderte er, wie es Sitte war, durch einen grossen Theil von Deutschland, um nach vollendeter Wandersi Iiaft als Setzer, zuerst in rier Herder'schen Dnukerei in Freibur;^ und dann wieder bei Braun in K irlsnilu- thiitit,' 7.\\ sein. Tin Jahre 1831 war er Faktor der Haspcr'schcn liuclulruikerei, u\ welcher der »Zeitgeist« ge- druckt wurde, eine Zeitung von ausgesprochen liberaler Tendenz, die denn auch mit der Censur in fortwährender Fehde lag, bis sie im Jahre 1834 den Kami)f aufgab und ihr mühseliges Dasein abschloss. Die Thäti^eit In dieser DriH lerei Itraclite den strebsamen jtmi^en Maini, der rastlo«: an .seiner Fort- bildung arbeitete, mit dem tlanialiuen K uneralpraktikanten Karl Mathy, dem späteren Staatsminister, welcher die Redaktion des »Zeitgeist« leitete, in enge Bertthrung, aus welchor eine treue Freundschaft, die den Wechsel der Zeiten ttberdauerte, erwuchs. 1839 sah M. sich in den Stand gesetzt, mit dem Buchdrucker Job. Georg Vogel unter der Firma »Malsdl und Vogel« eine j Druckerei in Karlsruhe zu gründen, die er bis jru dessen Torle 1866 mit ' fhesem und vuu 1874 an mit desvcn Solme Christian Voj^el l)etMeb. Neben j seiner gcdeüilichen Thaugkcit nalun M., den dai» V'eriiaucn seiner Mitbürger in den Gemeinderath gewählt hatte, auch an den öflentlichen Angelegenheiten | seiner Vaters^t lebhaften Antheil, seit dem Monat Mai 1848 auch als einer j der 3 Vertreter Karlsruhes in der Zweiten Kammer des Landtags, wozu er mit 38 von 71 Stimmen ;:c\vählt worden war. Er gehörte der Zweiten Kammer bis 1851 an. Bei den Kaniuiervcihandlungen, bei denen es nicht an beredten Mitgliedern gebrach, trat M. weder als Redner, noch als Bcriclitcrstatter in den Vordergrund, wohl aber traf er bei den Abstimmungen, geleitet von einem nie versagenden, ruhig erwägenden Urthefl, stets das Ricluige im Inter- esse des Landes und seiner Vaterstadt. Xur 2 Monate nnrh seiner Wahl zum Abgeordneten wurde M. mit 97 von 131 Slnnmen zum Oberbürgermeister von Karlsruhe erwählt. Seine Walil bedeutete einen Sieg des gemässigten Liberalismus über die auch in den Gemeindebehörden vortretene radikale Partei und war von grosser Wichtigkeit für die Gestaltung der Verhältnisse, als im Jahre 1849 die Revolution ausbradi und durch die in Karlsruhe steg«

Digltized by Google

$91

reiche Militärmeuterei auch die Bürger und Einwohner der Hauptstadt in Mitleidenschaft zog. In der »ehr schwierigen Lage, in welche dabei die Ge- meindebehörde sidi versetst sah, verstand es M. meisterhaft, ohne die Treue gegen den Grossherzog auch nur einen Augenblick zu verletzen, sich mit den revohitionären Machthabcm «;o zu stellen, wie es die Interessen der Stadt und ihrer IJewohner verlan<(tcn. Der aus der Bürgerschaft hervorgegangenen liürgerwclu geliorte er nicht nur als Mitglied an, sondern er Uat auch in dem Kampfe, den sie in der Nacht vom 13./ 1 4- Mai bei der Vertfaeidigung des Zeughauses zu bestehen hatte, ebenso wie später in ihren verschiedenen Con- flicten mit der provisorischen Regierung mit der grössten Entschiedenheit auf, «m ihr die Krlullinig ihrer Verpflichtungen möglich zu machen und sie in der Gchenihn.u Inin;^ der ihr durch ein Gesetz von 1848 eingeräumten Rechte zu schlitzen. Nach Niederwerfung des Aufetandes war M. der erste, der nicht ohne Gefahr für Freiheit und Leben -~ dem Prinzen von Preussen entgegeneilte^ um dessen von der Karlsruher Bürgerschaft wohl verdiente Be- rücksichtigung ihrer eigenartigen Lage zu erwirken. Sein Schritt war von Krfol^ begleitet, der Prinz bewies ihm und der Stadt alsbald die wohlwol- lendste (iesianung, die auch der Grossherzog Leopold nach seiner Rückkelir an den Tag legte. Wie er den Radikalen mit ruhiger Entschiedenheit ent- gegengetreten war, so machte M. mmmehr auch der mit grosser Schärfe auf- tretenden Reaktion gegenüber seinen Einfluss gdtend und vermittelte mit gutem Krgebniss zwischen Behnrrlen und Bürf^em im wolih erstandenen Inter- esse der Gesammtheit, Nacli jedem Ablauf seiner \V:ilil]ieriüde von neuem zum Oberbürgermeister gewaiik, liatte er dieses Amt bis zum Jahre 1870 inne, in welchem er freiwillig zurücktrat. Das hohe Vertrauen, welches ihm Gross- heneog Friedrich und dessen Regierung entgegenbrachte, fand sehnen Ausdruck u.a. in seiner Ernennung' zum Mitglied der Ersten Kammer clcs I,;uultags, welcher er von 1869 bis 1878 angehörte. Niemand hatte dem h()(h<;e- wachsenen, staidichen Manne mit den klugen und ernsten Ciesichtszugcn, der sich in dem vornehmen und gelehrten Kreise seiner neuen Kollegen mit grösster Sicherheit bewegte, angesehen, aus welch bescheidenen Anfängen er sich au Ansehen und Wohlstand emporgearbeitet hatte. Seine Leitung der städtischen Verwaltung zeichnete sirli durch eine in den wirthschaftlichen Verhältnissen jener Zeit sehr wolil hc^^iindete Sparsamkeit aus. I).-iss sie nicht aus Mangel an Um- und Voraussicht, noch aus Engherzigkeit entsprang, beweist der Umstand, dass aus der 2Eeit seiner Verwaltung drei sehr wohl rendrende und fOr die Stadt bedeutsame Unternehmungen herrühren, die Er- bauung einer Eisenl)ahn an den Rhein nach Maxau, die Herstellung des Wasserwerkes und die Uc1>ernalime des Gaswerkes durch rhe Stadt. Her Ertrag dieser Untenuhnnm^cn ist, »anz ahpesclien von ihrem unniillelbaien Werth für tlie wirtliM haftlic:hen Verhältnisse Karlsruhes, so erheblich, dass wesendich die aus ihnen erzielten Einnahmen die Ursache des immer noch im Vergleich zu anderen Städten sehr niedrigen Umlageiusses der badischen Haupt- und Residenzstadt bilden. Nach seinem Rücktritt von der Stelle des Oberbürgermeisters f^ehörte M. noch einige Zeit dem Burgerausschtisse .nn, aher bald zog er sich völlig in das TrivaUeben zurück. An den (ieschaften der Druckerei nahm er bis in seine letzten Lebensjahre noch eifrigen und sachkundigen Andieil. Er starb im 88. Lebensjahre am is. Dezember 18^. Durch seine selbstlose und erfolgreiche Thädgkeit hat er dafür ge- sorgt, dass, wie er die Verehrung seiner Mitbürger genoss, sein Andenken

Dlgitized by LiOOgle

39»

Mabcb. Roos.

in Segen l'oiücbcn wiitl auch [bei den konunendca Geschlechtern seiner Vaterstadt.

F. Weech.

Roos, Johannes Christian, Erzbischof von Freiburg, wurde als Sohn eines VVin/.er.s m kiinip .im Rhein am 28. April 1828 geboren. Er machu seine Studien am Progymnaüium zu Boppard, an den Gymnasien zu Weüburg und Hadamar und an den Universitäten München und Bonn. Am 22. August 1853 /iini Priester geweiht, wirkte er in den nächsten Jahren in der Seclsorfic als Kaplan an der Deutschordcnskirche zu Sk h>^enli,iuscn bei Frankfurt a. M.. zu Ransel und Oberlahnstein und als Pfarrverwalti r in Hochheim. Im Jahre 1860 berief ihn liischof Blum von Limburg m seuiem Sekretär und ernannte ihn 1863 zum Donrvikar und Sekretär des Ordinariats. Von 1864 an wirkte B.. als Professor der Moral und der Pastoraltheologte, als Subregens und später als Regens am Priesterseminar zu Limburg. 1869 wurde er zum Domcapitul ir cnvalilt und zum Stadl |»farrer von T iniburi,' ern:itint. In allen diesen *^iel- lungen, in denen er >i( h ii'ii lu- K fnntni>sc' auf alU-n ( Icl »ictc-n des l;ii< hlRhcn Lebens erwarb, gewann er auch die Hochat htung und Zuneigung der weitesten Kreise der Didcese Limburg. Als nach dem Abteben des Bischofr Peter Josef Blum am 19. Februar 1885 die Wahl zu dessen Nachfolger auf R. fiel, herrschte darü])er bei den Angehörigen dieser Diöcese die grö.sste Refriedigung. Audi mit ricr Kep'erunsr, insbesondere dem ( )lKt|)rasidenten der Provinz TTc»*«sen- N;u»sau, liral Botho zu Eulenburg, verstand 1\. rUirch sein conciiiantes Wesen jiich in gute Beziehungen zu stellen. Kr lublie bich in der neuen hohen Stellung in der ihm so lieb gewordenen Diöcese sehr gliicklich und war daher nicht geneigt, die nach kaum einjähriger Wirksamkeit als Bischof von Limburg; auf ihn gefallene Wahl zum Krzbischof von Freiburg anzunehmen. Seil län- gerer Zeit leidend, erhielt er die Nachricht seiner Erhebung, als er auf der Reise nach Karlsbarl in» l'larrhause zu Frankluri sveilte. Nur das Machtwon des Papstes Leo XIIL vermochte die mancherlei Bedenken atu beseitigen, die er gegen die Annahme der Wahl hegte. Am 21. September 1886 wurde er durch Bischof Haffner von Mainz, seinen Studienfreund, im Münster zu Frei- bürg inthronisirt. Ks erwartete ihn in <lcm neuen Amte eine schwierige Auf- f^nhe. Wie der St.-wrsminister Nokk bei dem Festmahle, das seiner Inthroni- sation folgte, es ausdruckte, auserkoren, »unter dem Schutze des Landesherrn das Werk des friedlichen Ausgleichs weiterzu(&hren und zu arbeiten an der Verbreitung religiöser Bildung« fand er in der Gesetzgebung des Landes und in der Praxis der Re^erung dne Reihe von Hindernissen, um in seinem Sinne dieser Anfpr.ihe L^n>re<ht rw werden. Nach Lage der ^^erhältnisse konnf " die Forderungen, die der neue Kr/bischof am 12. April 1887 nn die Re^te- rung stellte (Rückgabe der freien bischöflichen Jurisdiction, der kirchlichen Heranbildung der Geistlichen, der kirchengcsetzmässigen Besetsung der zur AiLsÜbung der kirchlichen Jurisdiction erforderlichen Stellen, Freiheit der Niederlassung der religiösen Vereine, Ausübung des Berufes derselben in der Scclsorge und Freiheit des Unterrichts für deren Mitglierler^ keine AtT^^idU auf Erfüllung durch die Regierung haben; dagegen erreichte er, dass Kiiabememinare und das theologische Convict in Freiburg wieder eröffiwt werden konnten, dass die von der mehrjährigen Sedisvakanz herrtthrendefi Sperrgelder zur Dotierung der Münster] »farrei imd AiiH'esserung der Munster- fabrik herausbezablt wurden und dass wieder Volksmissionen durch Ordens-

Digitized by Googl«

Roos* Dengler.

399

priester abgehalten werden durften. Für das kirrhlirhe T uben der Diocese Freiburg war von Bedeutung die Kinluhrung eines neuen t*esangbuches (»Magiuficat«) und eines neuen Rituals. An diesen beiden Werken hatte man im Onünamt tn Fieiburg seit langer Zeit gearbeitet. Da durch sie die

letzten Ueberbleibsel der Wessenbergischen Richtung, insbesondere auch ein ansp;L'dclinkrer ricbraiu h der deiUs< IuMi Sprarlic im Gottesdienst beseitigt wurxien, konnien sie sich nicht all{,'enieiiien Deifalles urtVeuen. I)()<h wurde, wie es dem Wesen iles Erzbischofe cnusprach, bei ihrer Einfuhrung mit scho- nender Hand vorgegangen, SO dass sich nirgend ein störender Widerstand erhob. Dem Ansinnen, dem oppositionellen Auftreten des Klerus auf politi- schem Gebiet sich entgegenzustellen oder seinen Einfluss in polidschen An- irelegenheiten, z. B. bei der Frage des Septcnnntes, zu Cninsten des Regienings- staiidpunktes einzusetzen, entsprach Krzbischot R. nicht; um so mehr wurde ihm die Auszeichnung des geistlichen Führers der badischen Ccntrumspartci, des Ptoeis Wacker, bei Anlass seines »5. Priesterjubiläums verübelt. Fast unausgesetzt leidend, seit er den erzbischöflichen Stuhl von Freiburg bestiegen, l r»nntc er nnr walirend kurzer Zeit die !)is< lu)t*lii Iumi Functionen, die ihn iini dem Lande in iialiere iJeziehun^en l)r.u Ilten 1 1' ii munden, Rirchencinwci- iiungcn) ausüben und scm (Gesundheitszustand, der die Kinsetzung eines Weih- bi9cho& nöthig machte, war auch sonst seiner Wirksamkeit ungünstig, indem er ihn mehr isolirte, als im Interesse der vielfadien und vielseitigen Bezie- hmiutrn zu den Angelegenheiten der Diöcese vortheilhaft war, und seine Ent- sf !u i(Iuni,'en von dem übermiirhtigen FJnflusse von Personen abh.inpi^ machte, die eine \\ei\iger irenisi he 1 emlenz verfolgten, als sie bei Erzbisi liof R. per- sordicli vorausgesetzt wertlcn duifie. Der kirchhrhcn Kunst brachte er Vcr- stjindniss und Interesse entgegen, wie die Berufung des bekannten Architecten Meckel zum Direktor des kirchlichen Bauwesens der Diöcese Freiburg und der F.rlxss einer Verordnung zum Schutze und zur Erhahung der kirchlichen Kunstdenkmäler beweist. Im pcrsönbrhen Vcrkclir freundlirh nnd leiitselif^ gcnoss Fr7bjs<-hof R. flie T.icbc unfl Vei Lhunij; seiner Ditu es inen und anderer Personen, die nul ihm iit liciuhrung Uaicn. Im Somrnci i8«;0 nalim sein chronisches Leiden nach mner scheinbar erfolgreichen Kur im Jordansbad einen akuten Charakter an. Kr starb am sa. Oktober und am 27. wurde seine Leiche im Freiburger Münster beigesetzt.

Dcngler, Georg, gcistHcher Rat und Domvikar, geboren am 31. Deccm- ber 1839 in München als der Sohn eines Hartschiers der Leibgarde. Nach- dem er die Lateinschule in Regensburg durchgemacht, kam er an das Gym- nasium in Metten. I> i er den Wunsch hatte, Priester zu werden, so widmete er sich am Lyceum in Rcgensliurg dem Studium tler Philosophie und der rbeolo^ric, i86t erhielt er <lie Siibdiakonats-, 1K62 die Diakonatsweihe. Als der Bischof 1862 zur Feier der Kanonisation der japancsLschen Märtyrer nach Rom reiste, nahm er D. als Bereiter mit ach in der Absicht, ihn in der ewigen Stadt zum Priester weihen zu lassen. Diese fUr den jungen Mann so ehrende Ronifahrt wirkte machtig auf ihn. Damals gab es noch keine P.rcnin rbahn. i )Ie Reise, weli he der Erzbischof von Münr!ien und die Hischult viin Re^enshnrj?, \ViiryJ»urg, Speyer nnd Strassburg gemeinsam mach- ten, ging von München Uber Speyer, Strassb\irg, Dijon, Lyon nach ÄLu-seille, von dort über das Meer nach Civttavecchia und dann per Bahn nach Rom. Am 25. Mai 1S63 ward D. von Kardinal Karl August Graf von Reisach tum

Digitized by Google

400

Denkler.

Priester geweiht. Der heitere und kunstverständige junge Priester war voll des Glückes und bentttzte die Zdt seioes Aufendialtes in der ewigen Stadt, um durch den Besuch der Kirchen und der xahbreichen Sammlungen seinen Kunstgeschmack und sein Kunst\crst.indnis zu bOden. Wieder nach Itegens-

burg zurückgekehrt, wurde er als Hilfspriester nach Kchlheim angewiesen, .-»Ijer schon nach sechs Wochen, am 13. Se|ttcnil)cr, als t'oopcrator nnrh Deggen- dorf versetzt. I)iuselbst verblieb er nur ein Juhr; denn am 25. November 1S63 wurde er als Kanzlist an der bischöflichen Curie und Provisor des St. Set»]« dus-Bcnefiziums an die Domkirche nach Regensbuig berufen, da ihm der Bischof zur weiteren Ausbildung und zur Verwertung seiner Kunstkenntnisse Gelc<)jenheit bieten wollte. Am r. Juni erfolgte seine Ernennung zum

Domvikar und dann zum bischoflichen Zc-rcmonKu, der den Oberhirten auf seinen PastonUreisen durch die Diözese zu begleiten hatte. Sein Cieschic k bekundete sich in hervorragender Weise bei der grossen neunhundertjährigen Jubiläumsfeier des heiligen Wolfgang 1894, weshalb er nach dem Schlüsse derselben am 31. Oktober durch die Verleihung des Titels eines Bischöflichen geistlichen Rntes ausgezeichnet wurde. Mit Beginn des Jahres 1896 wurde er zum fretjucniicrendcn Mitghede des Ordinariates ernannt, konnte aber dieser neuen Stellung nur wenige Wochen sich erfreuen, da das Leiden, welches ihm den Tod brachte, sich geltend zu machen begann. In der ersten Woche nach Ostern begab er sich nach JordansI)ad, um dort Heilung zu suchen, kam aber nach kurzer Zeit völlig erschöpft wieder zurück und ward am 8. Jimi 1H96 plötzlich vom l'ode ereilt. Mnn hnt l>. bei seinen I.eh:^eiten und dann nach seinem Abieben gerne als »Diozesanarchiiektcn«; bezeichnet. Kr fertigte Zeichnungen und Pläne ohne Zahl filr Kirchenbauten, Kirchenrestau- rationen, Kircheneinrichtungsgegenständen, vom kunstvollsten Hochaltäre bis zum einfachen Messpulte, und für Paramente, aber auch Pläne für Profan- baiiten und gab zu zahllosen Bauten nnrl Restaurationen Anregimg und Rat. Die Restaurationen der Kirchen von St. Jakol). St. Leonhard, St. Agidius, St. Blasius, St. Klara, von der St, VVoJlg.uigskrypia m Si. Kmmeram und der St. Erhardskryi)ta bei Niedermünster in Regensburg wurde nach seinen Plänen und Angaben durchgeführt. Die neuen Kirchen in Wunsiedel, Alsberg, Selb und Redwitz sind seine Schöjifungen. Die Erweiterung und innere Aus- schmückung der Stadtpfarrkirrhe in Kehlheim voll?'nir sieh nach seinen Plänen unr! unter seiner l eitung, weshalb ihn die Sladigcnicinde zu ihrem Khrcn- büigcf ernannte. Ein nach D.'s Angaben gefertigter Altar wurde als Geschenk der Diözese Regensburg I^o Xm. zum ftteifingjährigen Bischo^ubtläum 189.^ überreicht, so dass auch der Vatikan in Rom ein Monument der künstlerisc]i< n Thätigkeit D.'s aufzuweisen hat. Der Altar wird, wie wir wissen, vom hl. Vnter fleissig benützt. Als vor zwei Dezennien die Gebäude der herrlichen Henediktincrabtei Reichenbach im Regenüialc auf Abbruch versteigert werden sollten, war es D., welcher das Kloster rettete. Er erwarb die Ge- bäulichketten auf seine eigenen Kosten, restaurierte sie mit grossem Verständ- nisse unter vielen persönlichen Opfern und überg.ib ^ie dann einem entstehen- den Missionsseminare. Gcpienw irtii,' befindet sich das Kloster in f»ntem 7u- .stande und bietet Kranken und Leidenden eine sehr emj-telilcnswerie lleil- und Pflege-Anstall unter der Leitung der barmherzigen Brüder. Auch d.ts St, Erhardihaus in Regensburg ist grösstenteils D.'s Werk und Schöpfung. In diesen Käumen hat D. viel verkehrt. Wenn er des abends müde war von seinen Arbeiten, dann lenkte er seine Schritte hin, um den Gesellenvereins«

Digitized by Google

Deaglcr. Clrast.

40t

mui^liedern Zeichmingsuntericht zu erteilen. .^2 Jahre Inng war er Vizepräses des Gesellenvereines und bei allen Veranstaltungen die leitende Seele, nament- lich auch bei theatralischen Voistellungen. Um stets entsprechende Stttcice für solche VorsteUungen zu haben, gab er selbst eine »TheaterbibUothek«

heraus. Auch auf stylgerechte Ausführung mancher Privatbauten in Regens- b\ir<r übte n. günstigen Einfluss aus. Als es sich darum bandelte, ein neues I )stL;ehau(Ie ;^ejzemiber dem Dom aufzuführen, da trat er erfolgreich fiir die Idee ein, bei dieser (ielegenheit einen freieren Blick auf die herrliche Süd- seite des Domes zu schaffen. Jahrelang stand D. in Besiehung zum ober- piälzer historischen Verein. Seit 1873 leitete D. auch die Zeitschrift: »Der Kirchenschmuck«. Wesentliche Verdienste erwarb er sich um die Vertretung der Repensburger Künstler und Meister auf der Nürnberger Kunstgewerbe- ausste]!uii[^ von 1896. Hie scliöne ronianisclie Kapelle in der Oberpfälzer Abteilung, welche sich ungeteilten üeifalls erfreute, war eine Verkörperung seiner Ideen.

Nach einem Sep.-Abd.

Dr. Kagerer.

Clausz, Heinrich Wilhelm August, wurde am i. August 1830 zu Thune im Herzogthuuie Braunschweig als Sohn des Gutsbesitzers Job. Heinr. Clausz und seiner Gattin Auguste Luise, geb. Meyer, geboren. Er besuchte bis Ostern 1847 das Realgymnasium zu Braunschweig und, nachdem er in der Zwis( liciizeit practisch gearbeitet hatte, von 184S bis i«^5o das Colleyiiim Carolmum daselbst, um sich dem Masrhinenbaufac h zu widmen. Nat hdem er dann einen practischen Cursus in den herzoglichen Eisenbahnwerksiattcn durcligemacht und bei dem Civilingenieur Wildhagen in Nordhausen, sowie in der G. Bgestorftchen Maschinenfabrik zu Linden bei Hannover als Ma- schinenconstructeur und Werkmeister gearbeitet hatte, wurde er zum i. Juli 1858 als Maschineningenieur ])ei der Braiinsrhweigischen Staatsbahn, ])ei der er schon einige Zeit vorher beschäftigt gewesen war, fest anj^estellt. Am 1. Januar 1871 wurde er zum Obenngenieur befördert und ihm die Uber- leitung des gesammten Werkstättenwesens übertragen. Nadi dem Uebergange der Braunschweigischen Eisenbahnen an den preussiscfaen Staat (i. April 1885) war er kurze Zeit Keferent für die maschinentedmische Abtheilung in der vorübergehend in Braunsrhweig eingesetzten königl, K{senl>ahndirertion , bis er am i.Jnn. iSSO fiic l)ire< ti()i\ der neu cinfjenchtcten Hraunsclnveigisc lien Landeseisenb liuigesellschaft ubernahm, die er bidd allein und bii» zu .seinem Tode erfolgreich führte. 1887 war ihm der Titel eines herzoglichen Bahn- directors verliehen. Nach kurzem Unwohlsein (billuenza) starb er in voller Rüstigkeit am 26. März 1896 an einem Herzschlage. Seit dem 25. Sept. 1856 war er mit Kmma Bosse, der Tochter des Kaserneninspertors l^osse in Braun- üchweig, \ erheirathet. C's von Fachmännern geschätzte Verdienste um das Eisenbaluiwesen besteben hauptsächlich in Verbesserungen im Wagcn- und Signalbau. Auf seine Veranlassung und mit seinen Mittdn wurde 1871 in Braunsc liweig eine Eisenbahnsignalbauanstalt errichtet, von der er sich aber schon nach einem Jahre wieder zurückziehen musste, da die Leitung eines solchen Werkes, das der Eisenbahn Arbeiten lieferte, die er dann abnehmen musste, sich mit seiner dienstlichen Stellung nicht vertrug. Er verkaufte die Anstalt, die im folgenden Jahre daim Max Judel erwarb, unter dem sie bald einen Weltruf errang. C. bewahrte jedoch diesen Fragen grosses Interesse,

Bl«gr. Jalkrb. ■. OMtoebw Rekwlof

Digitized by Google

403

Clflins. Fiadier,

wie seine Schrift über »Weichenthurme und verwandte Sicherheitsvomchtungeii auf Staatsbahnen« (1878) beweist. £r schxkh ferner achon in Haimover fitr das von Heustnger und WaldefB^ herausgegebene Werk über das Eisenbahih Wesen dasCapitel »Locomotitrbau«, später »über die Anla-e, Au^rü-tung und Betrieb von normalspurigen Scrun(l;irbahncii '1S77' und /.ihlrcu iie Aufsaue in FachzciLschriften. Daneben war (". auch auf anderen Ciebieten th^\ti2 In Gemeinschaft mit liauraih l äppe erbaute er 1865 das erste stadtische Wasser- werit in Braunsdiweig, Uber das er auch (Hannover 1S69) eine Schrift rer- öffeftüichte. Gasanstalten oder Wasserwerke sind von ihm in Notdhausen. Osterode a. H., Schöningen, Wolfenbüttel, Seesen, Holzmimlen u. s. w. erbaut worden. Zuletzt entfaltete C, der als fleissifier Mitarbeiter des I^r.innsrhweigcr Tageblatts über 30 Jalirc lanj^ rnii Krnsi und Humor allerlei Tages fragen be- handelte, auch eine eifrige gemcmnuuige i iiatigkeii, indem er vor allem fu: die VerBchönerung, die Hebung des Fremdenverkehrs, die Bessening der Verkehrs- und Gesundheitsverhältnisse der Stadt Brauns( hweig mit Entschieden- heit eintrat. Seine Freunde rühmen seine kameiadschaftUche Gesinnung und seine muntere Unterhai tunp;sgabc.

Vergl. A. Schneider in der Zeitung de» Vereins deatacbcr Eisen bahnTerwaltuogexw 36. Jahrg. No. S. 5 1 3 f. Im Mi^onim MonatibUtt t Offenti. Gentndhdt^flege. 19. Jüag. No. 8.

P. Zimmermann.

Fischer, Karl Christian Julius Oscar, wurde am 30. August 1840 zn Schleswig al*^ Sohn des Srhauspiclers und Sänpers Karl I riedr. Fischer ge- boren. Auch seine Mutter i herese Luise Auguste, geb. Schmidt, war Schau- spielerin, so dass es nicht zu verwundem ist, wenn Anlage und Neigung für das Theater auf den Sohn übergingen. Dennoch ward er von den ElCecn liir eine andere Laufbahn bestimmt. Ex besuchte in Posen, WO der Vater am Stadttheatcr als Tiissist angestellt war, das (iymnasium und war dann über ein Jahr lang Lehrling in einer Apotheke. Aber lange hielt es. ihn hier nicht: er machte sich heimlich davon, um einer fahrenden SclwispielergescUschoii sich ansuschliessen. Li dies«' trat er auerst in Zörbig und Mttchebi in Hcldcrh rollen auf. DerDtrector einer anderen Truppe, zu der er in Schleusingen stiess, erkannte zuerst seine Anlage als Komiker. Da er bald des Umher/iehens müde sich nach fest geregelten Vcr!\ältni«;sen sehnte, so nahm er 1859» am Hof- theater zu Meiningen mit einem gcrin;^cn KoUenfache ftirlieb. Nachdem er dann in Cannstatt, i86u am VV allnenheater in Berlin, 1661 am Hoftheater zu Altenburg lkschäftigung gefunden hatte, kam er im folgenden Jahre mit einer Empfehlung des Prinzen Moritz von Altenburg nach Braunschweig, wo er am 25. Juli 1862 als »Lerchenschlag« im »Sächsischen Dorfschulmeister:, seine erste Gastrolle gab und als neu engagirtcs ^fitplied zuerst am 10. Aug. als »Kilian« im »Freischütz« auftrat. Da zu derselben Zeit der Komiker Karl Fischer aus Graz am Hofüieater angestellt war, so wurde O. V. die eisten Jahre (— Juli 1865) zum Unterschiede von ihm Herr Oscar genaimt. An- fangs wurde F. auch in kleinen Spielopern beschäftigt, doch erschwerte ihm später ein Gehörleiden aHmählich diese Thatii^kcii; sein Hau|jifach war und blieb das des Komikers. A1"^ solcher gelang es ihm, sich di^ Gimst des Braunschweigischen Publicums, dessen ausgesprochener Liebling' er bald wurde, in ungewöhnlichem Maasse zu erringen. SduHi am 19. De- cember 1863, wo er sich mit Alwine Friederike Römer, einer Enkelin des Consbtorialraths Jac. Ludw. Römer, verheirathete, gründete er sich in fiiauiH

Digitized by Google

r

Fischer. FJftch«mAehtiMi| 403

schweig ein eigenes Hauswesen. Er kam bald in umfangreichen geselligen Verkehr und war in Vereinen wie in Privatkreisen ein stets freudig begrüsster Gesellschafter, der durch seinen unverwüstlichen, mitunter derben, aber nie verletzenden Humor überall, WO er erschien, die grösste Heiterkeit hervorrief. So wurde ihm die Stadt Braunschweig, wo er in seinem öffentlirhen Auftreten n!s Komiker den Localton stets auf das glücklichste zu treffen wusste, zur zweiten Heimath, mit der er, eine stadtbekannte und belieble Persunlichkeit, auf das innigste verwuchs. Daher blieb er auch, als ein selir günstiges An- erbieten vom Wallnertheater in Berlin an ihn erging, der alten Wirkensstätte treu. Mit grossen Khren und gewaltigem Beifall feierte er am 27. Mai 1887 als »AugTist Srhultzc in \Vilkens Klirlirhe Arbeit« sein 2 5 jähriges Jubilänm am Hoftheater und alluenu-in war d.is iiedaiiern, als eine starke Verschlim- merung seines Ohrieidens ihn zwang, der Bühne zu entsagen. Er verab- sdiiedete sich hier am 29. Mai 1890 als »Valentin Holnrarm« in Raimunds »Verschwender«. Er blieb in Braunschweig wohnen und gab auch in der Folge noch bei öffentlichen Veranstaltungen humoristische Vorträge und Dar- . Stellungen 7\\m besten. So wollte er in dem r)f)rfe I.auinpcn in einem Con- certc mitwirken, als er auf der Fahrt dahin (Ii< ht hinter Konigshiiicr von einem Gehirnschlage getroffen wurde, der am Mittag des folgenden Tages (7. April 1896) seinen Tod herbeiführte. Er wurde auf dem Centralfriedhofe zu Braunschweig bestattet, wo jetzt seine zahlreichen Verehrer ihm em Grab- denkmal zu errichten gedenken.

P. Zimmermann. Fischer-Achten, Caroline, wurde am 29. Januar 1806 in Wien geboren. Ihr Vater Anton Achten war Hauptmann gewesen und hatte eine bescheidene Anstellung bei der Armee^Intendantur erhalten, die ihn zum Nachtheil der Krziehung der Kinder zu häufigem Wohnungswec hsel V.r war musi-

' .ilis( h und wurde der erste Lehrmeister der Tochter, die früh eine prächtige Stimme zeigte. Auch die Mutter JnrUth Achten stammte aus guter gebildeter Familie. Als Solistin in einem Kirchenchore erregte Karoline in Stock erau die Aufmerksamkeit wohlhabender Kunstfreunde (der Familie Fürlinger), die sich ihrer in liebenswürdigster Weise annahmen und sie in Wien durch Cid- mara und Röckl für die Bühnenlaufbahn ausbilden liessen, worauf ihr dann aurh noch l'rau Lang, die Schwärmerin Mo/arts, ans freien Stfifken in He- wunderung ihrer Ktmst Unterriehl ertheilte. Nach nicht ganz halbjährigem eisernem Studium trat sie zuerst am 9. Dec. 1827 als »Rosa« im »Blinden Harfner« auf, und zwar mit durchschlagendem Erfolge. Sie wurde sogleich an der Wiener Hofoper engagirt, wo sie etwa 5 Jahre verblieb. In dieser Zeit vermählte sie sich im Jahre 1 830 mit dem Bassisten Friedr. Fisdier, dem ^>ohne eines Forstbeamten m Pressburg; es kostete sie viel Anstrengung bei ihren Fitem, die stren<^ kadiolisch waren, die Heirath durchzusetzen. l)enn Fischer war Protesiani, ja er hatte einige Zeit Theologie studirt und nur wegen seiner schönen Stimme und der liebe zu Karoline A. den Künstler- heruf ergriffen. Im folgenden Jahre fand Karoline F.-A. auf einer Kunstreise flurch Ungarn und Deutschland begeisterte Aufnahme und 1832 eine Anstel- lung in Frankfurt a, M., von wo sie 1836 ein lehenslängHches Engagement an das Irioftheater zu Braunschweig zog. Ihre Antrittsrulle war hier am 27. Juli 1836 die -Aiicci in »Robert dem Teufel«, der 'Bertram« zugleich die ilües Mannes. Funfieehn Jahre hindurch war Frau F.-A. die Zierde der Braun- schweiger Oper. Ihr Repertoire umfasste bei dem bewunderungswürdigen Um-

a6»

Digitized by Google

494

Fiicher'Aditen. Onwtein.

fange ihrer Stimme sowohl das cifjcntlirhc Koluratui t u h, wie auch dn<; (»e- biet der dramatischen Sängerin. l>ie Kraft und bezaubernd weiche Riang- farbe ihres Org^ms, die Natttrlichkett und Anmuth ihres Spiels und die Sditfn* heit ihrer Erscheinung bildeten damals das all^mdne EntzQcken und stehen bei den alten Theaterbesuchern Braunschweigs noch jetzt in lebendigster Er- innerung; auch auswärts stand ihre Kunst in höchster Achtung; in öster- reichischen Blättern wurde sie als »die grösste Mozartsängerin « geprit -»»n. Dabei erfreute sie sich im Leben bei allen, die ihr näher traten, durcii liir edles bescheidenes Wesen und ihren selbstlosen Charakter der grössten Hoch* achtung. Sie wurde im Jahre 1851, wo sie als letzte Rolle am 25. Mai die »Alice« in »Robert dem Teufel« gab, j)ensionirt, und auch der Con- tract mit ihrem (Jattcn wurde im folgenden Jahre nicht erneuert. Zum letzten Male aufgetreten ist Frau F.-A. in liraunsc h\\ ei^r am 23. April 1853 als »Susanne« in »Figaros Hochzeit«, wo sie von dem begeisterten Publicum ergreifenden Abschied nahm. Das Ehepaar zog sich nun nach Graz zurQck und bewohnte hier in heniicher Lage ein Landhaus, das sich die Gatten von ihren Ersparnissen gekauft hatten. Eine Feuersbrunst brachte ihnen einen beträchtlichen Vermö^ensvcrlust. Nach dem Tode ihres Mannes ^+ to. April 1871) verkaufte die Wittwe ihr Besitzthum, und es lebte nun meistens ihr ältester Sohn Louis bei ihr, der Tenorist in Stockholm gewesen und ujivcr- heirathet war, bis auch dieser ihr 1890 entrissen wurde. In hohes Alter hinein t-rfreute sie sich Vr>ri>erUcher und geistiger Rüstigkeit, l)is ein ungltick« liehet l'.il] ihr die Krilftc nalim; nm 13. Sei)tem1)L-r i S()6 ist sie in Friedens- heim bei Gta/, ivm U s( hwercr Krankheit gestorben. Unter den drei Söhnen ist die Anlage der Mutter besonders auf Erail übergegangen, der als Bassist an der grossen Oper zu Neu York in hohem Ansehen steht. Von den Brü- dern, die namendich die Schwester hat erziehen lassen, ist Joseph Aditen, der Maler war, bevor er einem höchst willkommenen Rufe :Us Professor an die Af ulemic in Graz Folge leisten ^ Minte, am 10. Nov. 1867 in Meran ge- storben. I^ie Jugendgesehirhte von k.uoline A. ist von Fräulein Julie Dede- kind, der auch viele der obigen Angaben verdankt werden, in der »Achtcn-Lim^ (Braunschweig, 1890) in anmuthiger Weise novellistisch bearbeitet worden.

P. Zimmermann. Ornstcin, Bernhard, wurde am 2. Mai 1809 zu Scliöningen als Sohn des israelitischen Handclsmnnns Beruh. Ornstein iintl seiner l lietiavi Rebecca, geb. Meier, geboren. Er bc>ui hte flas ( )\ innnsimn /.u Helmstedt, \ on dem er im Mai 1829 auf das CoUegium Ciuulnuun m liraunsdiweig uberging. Dvinn bezog er, um Medicin zu studiren, die Universität Berlin, darauf die zu Er- langen und zuletzt die zu Glessen, an der er am a6. Sept. 1833 zum Doctor der Medicin promovirte. Kurze Zeit darauf wandte er sich nach Griechen- land, wo er im neugebildeten national-prieebi«5rhen Heere als einer der ersten Militärärzte Anstellung fand. Er weilte zelin Jalirc in Lamia, dann als Vor- stand des Spitals in der Festung Nauplia bis zum Jahre 1862. Als zu dieser Zeit hier ein MilitflrauHitand ausbrach, blieb er dem Könige Otto treu und stellte sii h ihm in Athen zur Verfügung. Er wurde deshalb, als der König das Land verlassen hatte, seines Amtes entsetzt und nach T.eonidi, ei!-,cni kleinen Flecken de*^ Peloponnes, verbannt. König Georg rief ihn /war 1863 sogleicli wieder zurück und ernannte ihn /.um Chef des Sanitätswesens. Da aber die Kammer diese Stelle aus Geldmangel strich, so blieb O. vorläufig zur Disposition gestellt. Als dann 1866 die Cholera das I^d bedrohte, bc>

Digitized by Google

Onuleifl. Schmdakopf.

rief man ihn an rlic Sjiit/.c der Cholerarommission mit dein Sit/e anf I')clf)s, lind Dank seinen /.w eckniassigen Vf)rkehrungen glückte es, das Kindnngen der Seuche in Grieclicnlaiid zu verhindern. Aus ci|$enem Antriebe ordnete ü. im folgenden Jahre das Sanitätswesen der Kretor in ihrem Kampfe gegen die Türken. Als er von dort zurückkehrte, bewilligte seinetwegen die Kammer die Stelle eines C.eneralarztes des griechischen Heeres» die er nodb 15 Jahre lang inne hatte. Dann trat er in den Ruhestand, nm vor Allem noch seinen wissenschaflhchen Arbeiten zu leben. Kr war als S( hrilt.steller seiir tliati^ und beherrschte mit gleicher Gewandtheit die deutsche, französische uiui griechische Sprache. Neben medidnischen Arbeiten verfasste er, durch die Bekanntschaft mit Virchow angeregt, auch solche auf anthropologischem und ethnologischem Gebiete, die grosse Anerkennung fanden. Er war Mitglied und Ehrenmirglicfl zahlreicher wissenschaftlicher Körpersrhaften in den ver- schiedensten Landern Europas. Mit seiner deutschen Heimath blieb er in beständiger Verbindung; er hat die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen ihr und seinem neuen Vaterlande mit Erfolg zu fördern gesucht; er liess u. a. im Globus, im Ausland, im Archiv fiir Anthropologie und in den Ver- handlungen der berliner anthropoloKiselicn Gesellschaft Aufsätze ersc heinen. Noch im Sommer 1895 ^^'^'^ 150jährigen Jnhelfeier des Collegium Ca-

Toiinum getzt technischen Hochschule Carolo-Wilheimina) nach Braunschweig geeilt und hier als ältester lebender Schüler der Anstalt besonders gefeiert. Nicht lange nach seiner Rückkehr ist er am 26. Febr. 1S86 xu Athen ver- storben. — O. hatte sich am 18. Febr. 1844 mit Wilhelmine Gladen, einer geborenen Braunschweigcrin, in Athen verheirathet, nachdem er sich vorher der hitlierisrhen Kirehe angeschlossen hatte, und hinterlässt ausser seiner Wittwe drei Sohne, von denen einer Arzt in Chios, der andere in Mersine und der ,dritte Kaufmann in Gardelegen ist, während seine beiden Töchter die eine in Bukarest, die andere in London verheiratliet sind. VcigL R. Aadice im Globus. Bd. 69 (1896) S. 21$.

P. Zimmermann.

Schmelzkopf, Heinrich Kobcrt Eduard, wurde am 23. Juni 1814 als ältester Sohn des Pastors Ferdinand Karl l'hil, Scbraelzkopf (f 9. Febr. 1869) zu Saalsdorf im Herzogthume Braunschweig geboren. Den ersten Unterricht ertheilten ihm seine Eltern; besonders dankbar erinnerte er sich stets seiner Mutter Dorodiee, geb. Fricke, (f 11. Febr. 1845). Im Jahre 1827 kam er rinf das ( iymnasium zu Helmstedt, das er Ostern mit einem vorzüglichen

/.eu}:;nisäe verliess, nm in rTÖiiin^en 'l lieoloj^ie und Philologie zu studiren. liaid wandte er sich ganx tler Alterthumskunde zu; er schloss sich besonders an Karl Otfried Müller an. Da sein von Natur schwächlicher Körper durch anhaltendes Studiren erschöpft war, musste er längere Zeit in der Heimath seiner Gesundheit leben. Darauf begab er sich fiir einen Winter (1837/38) zu fiottfr. Hermann nach Leipzig. F!r wurde flann Hauslehrer in der Familie des Amtsassessors Lueder in Moringen imd unterrichtete den Winter 1839 auf 40 . als i'robecandidat zu Draunschweig. Die schrifüichen Arbeiten, die er zur Staatsprüfung eingereicht hatte, waren ausgezeichnet, doch sum münd- lichen Examen blieb er aus. Er verzichtete auf jede Anstellung und führte seitdem '-das unstäte Leben eines fahrenden Scholaren, eines minelalu rlu licn Vaganten . Ihn beseelte ein unbändiges Freihcitspicfnhl, das keinerlei Zwang sich untcr\^crfcn wollte; seine erstaunliche Bedürlnisslusigkcit gestattete ilun völlige Ungebundcnheit des Lebens. Er verweilte an den versdiiedensten

Digitized by Google

406

ScbmeUkopf» Stdnnianii.

Orten, studirte in Leipzig inid Berlin Medicin, war dann 1846 wieder in

Kraunschweig, wo er die Frf;ibningen, die er als sein eigener Ar^t an «leir^enn s( hwächlichen, durch planniassige Hebungen und feste Lebensweise gekrattigten Körper gemacht liatte, in dem Volksbuchc: »Over de kumt jcsunt te sin< veröffentlichte und später in der tollen Zeit von 1848 als Redner und Schrift- steller eine grosse Rolle spielte. Die Erfolglosigkeit der damaligen Bcstrc^ bungen machte auf ihn einen ersc hütternden Eindruck, doch hat er den Stand- juinkt von 1848 als grossdeutscher Idealist sein I.elien hindurch beharrlich lest geliaitiMi. Er ging wieder nuf Reisen und weilte nemi Jahre in Meklen- burg, wu er eine Erziehungsanstalt gründen wullie und sieh ohne Erfolg in der Landwirthschaft versuchte. Um den Anfang d. J. 1 85 7 schloss er mit Aug. Möller, der Tochter des Gutsbesitzers Rud. MOlIer in Brandenbaum bei Lttbedc, eine unglückliche Ehe, die nach etwas über Jahresfrist wieder getrennt wurde. Eine gliicklirhc Zeit verlebte er in Zürich (1867 74\ auch in Rom, wo er viel in Künsilerkreisen verkehrte. Mit Vorliebe beschäftigte er sich mit der Erziehung schwach begabter oder körperlich zurückgebliebener Kinder, die sehr an ihm hingen. Er gewann dadtirch Beziehimgcn zu dankbaren Eltern in den verschiedensten Ländern, die ihm auf seinen Reisen oft zu gute kamen. Denn sehr lan^^e litt es ihn nir<;ends. So niac lUe er durch Italien, Skandinavien und Cirnsshritannien ausj^edehnte Wanderungen. Vorübergehend hielt er sich zwiscliendiu-ch wieder m Braunschweig auf, bis das Alter ihn uberwand und er die letzten Jahre stQl und zurückgezogen bei Verwandten in Bevem ver* brachte, wo er nach langem schmerzvollem Krankenlager am 18. Mai 1896 einem Schlagflusse erlag. Sch. war ein Mann von bedeutenden Anlagen, der als Philolop Hervorragendes hätte leisten l:«)nnen, wenn er sii h seligst 711 sammeln und im Zaume zu halten verstanden hatte. Er besass ein um- fassendes Wissen und eine gute Daxstellungsgabe und beschäftigte sich unab- lässig mit Plänen und Arbeiten auf den verschiedensten Gebieten der Wissen- schaft, Kunst, Technik und Gewobe, stets origindl, aber fast niemals mit einem wirklichen, bleibenden Ergebniss. Er verÜEUste in vollendeter Form griechische und latcinis(he Oden und Fpipramme (Nures amarae. Br, i846\ Am meisten werden sein (iedächtniss i»euie plattdeutschen (iedi< lite erhalter» (»Scheppenstiddesche Streiche« imd »Immen«), denen ein berufener K.enucr, wie Klaus Groth, volle Anerkennung zollte, die aber dennoch eine grössere Verbreitung niemals fanden. Sein iitterarischer Nachlass ist sehr umfassend er schrieb und dichtete bis in hohes Alter hinauf und testamentarisch der Bremer Stadtbibliothek bestimmt. Aus ihm soll demnächst unter dem von Sch. selbst gewählten Titel »Kinder des Herzens« ein erster Banii er- scheinen, der plattdeutsche Gedichte enthalten soll, imd dem wahrscheinlich in kurzer Zeit ein zweiter Band mit hochdeutschen Dichtungen folgen wird. Auch in seiner Erscheinung tru- Sdj, nicht i>hne den Anschein Eitelkeit den Sonderling zur Schau, der in der ^'■crna( lilässigung des Aeussern an die cynischen Philosophen des Alteithums erinnerte. So hat dieses Leben, dessen Anfänge zu den grössten Hoflhungen berechtigten, nur wenig erfüllt von dem, was es versprach.

Vergl. im Braunschw. Msgssin 1896 S* lOpff. den Aufsatz von Fr. CSmue, <tem VIMI dem Verstorbenen die Sicktong und HerattBcabe seines Nachlasses übertraf^en ht,

P. Zimmermann.

Steinmann, Karl Hcinr. Aug., wurde am 4. Februar 1823 /u ilr.uip- schweig geboren, wo sein Vater Karl Ludw. Albr, Sl eine Brajmtwembrcn-

Digitized by Google

Steinmaoo» Stdnway.

nerei besass. Nach dessen Tode (f ii. Oct. 1846) setzte der Sohn das Ge- schäft fort, doch nicht mit Erfolg, so dass er etwa 1866 sich gezwungen sah, es aufzugeben. Einige Jahre führte er darauf, ebenfalls ohne Glück, eine Steiti- kohlenhandhing. Dann wandte er sich ganz der schriftstellerischen Laufbahn zu. Von Jugend ;uif liatte er sicli eifrig mit der Geschichte seiner engeren Heiniaih hesrhaftiui, Hilcicr, vXutograiihen u, s. w. gesammelt und darüber wohl die Interessen seines Geschäftes vernachlässigt. Er hatte sich auch schcm seit 1S56 auf dem Gebiete der Braunschweigischen Geschichte als Schriftsteller versucht, wocu ihn eine leichte und gefiülige Darstellung be- fä.higten. Aber es fehlte ihm an wissenschaftlicher Vorbildung; er besass umfassende S])e< ialkenntnisse, .iber niif kleinem Gebiete. So konnte es nicht ausbleiben, «lass er sich bald ausschrieb, dann mehr und mehr sich wieder- holte. Die Noth und Sorge, die nur zu oft das berufsmässige Schriftsieller- thum mit sich bringt, hat er bitter empfinden müssen. Er war seit dem 13. Juli 1857 mit fitetene Schneider verheirathet und hatte nun durch seine Feder fiir die Bedürfnisse einer Famihe zu sorgen. Dazii kamen mannigfache Krankheiten, so dass die Körjterkrfifte in den letzten Jahren bedenklich nach- messen und der Tod für ihn am 21. Juli i8q6 eine Erlösung war. St. schrieb fiir verschiedene Zeitungen und Zeitschriften, insbesontlcre für die Bratunschw. Anzeigen und hat hier das Verdienst, durch zahllose geschicht- liche Aufsätze den Sinn und die Liebe fiir die heimische Geschichte in den verschiedensten Kreisen geweckt und lebendig erhalten zu haben. Als selb- •-•mdiges grösseres Werk gal) er 1885 nhe Grabstätten der Fürsten des \\ c Ifenhauses« heraus, das seinen Namen in der Litteratur vor allem erhallen wird.

Vergl. Bnranscliw» Magaii» 1896 S. ]f7£

P. Zimmermann.

Steinway, William, wurde als Sohn des danialigen Tischlermeisters, spateren Pianofortefabrikanten Heinrich ^^Engeihard) Steinweg (^vergl. Allgem. deutsche Biographie B. 36 S. 2 2if) zu Seesen im Heizogthume Braunschweig geboren am 5. März 1835 (so laut Kirchenbuch, nidit 1836, wie allgemein angegeben \vir(r; und auf die Namen Johann Heinrich Wilhelm getauft. Er besuchte in seiner Vaterstadt Seesen nur die dortige BUrgerscInile. Im Mai 1850 wanderte er mit dem \'ater und drei i?rüdeni lein vierter, der älteste, Theodor bücb zurück; nach New York aus, wo Vater und Söhne zunäclist in verschiedenen Pianofbrte&briken arbeiteten, Wühdim in der von W. Nunns u. Comp. Am 5. März rSsa errichteten sie dann zusammen eine eigene Piano- fortefahrilc, die aus bescheidenen Anfängen emporwachsend unter der Firma »Steinway anil Sons« sich schnell einen Weltruf errnng. Das Arbeitsgebiet der Brüder hatte sieh allmählich getheilt: W. fiel hauptsächlich die rmaii/ielle und kaufmannische Verwaltung des Geschäfts zu. Als im März 1865 die Brüder Heinrich und Karl, jener in New York, dieser in Braunschweig ge- storben waren, siedelte auch Theodor im Oct. 1865 von Braunschweig, wo er zuletzt das väterliche Geschäft fortgesetzt hatte, nach Amerika über, um in die technische Leitung der Fabrik, die jenen besonders obgelegen hatte, eiiuiiireten. Als er am 26. März 1889 in Hraunschwcig starb, war William, da der Vater bereits am 7. Febr. 1871 und der vierte Bruder Karl am 14. Mai 1877 verschieden waren, der letste Vertreter der älteren Generation in dem Gescbäkc, in das inzwischen auch sein Sohn Georg, sowie die Kinder Karls,

Digitized by Google

Steinway. Strombcdk.

Karl unil Friedrich, uml sein Si hwestersohn lieinnch Zie^lct tinnctrt-i en sind. Von der gewaltigen Ausdehnung des St.'scben Gesctiattcs zu reden, für das in und bei Neu York ffir die venduedensten Zwedce iiagdictietc: Bauten, Lagmäume u. s. w. errichtet, in London und (seit 4. OcL 1880) in

Hamburg Vertretungen angelegt wurden, ist hier nicht der Ort; ebenso wenig soll die Rede sein von den Fortschritten, die die Kl;n*ierfalirirati<.)n t!er Steinwayschen Firma verdankt und von den \'or/.ugen ihrer insiriimentc, (iie auf zahlreichen Ausstellungen erste Preise, von den berufensten BeiirLheilcm, wie Liazt und R. Wagner, die höchste Anerkainung fanden. Nidit nitr «Ja Geschäftsmann, auch im politischen Leben stand W. St. in hohem Ansehen« wenn er sich auch nicht entscliliessen konnte, ein besoldetes politisches Amt nnziinehmen. So soll er die ihm von seinem Freunde, dem Präsidenten ClexehinH, an^e])Otenc Stantssekret-itstcUc abgelehnt haben und auch niclit m bewegen gewesen sein, üu einer VValil für das wichtige Amt des Mayorä von New York sich au&tellen su husen. Seine Tttchtigkeit, sein Chaiakter und seine ausgebreitete Woblthätigkeit machten ihn noch mehr als seine ge- schäftlichen Erfolge zu einer bekannten und beliebten Persönlichkeit. Kr war in seinem neuen Vaterlande einer der würdi^rsten Vertreter der nlren Heimath, der .sich um die Entwickelung des Deut.schihums in New York liic grösstcn Verdienste erworben liat. Er förderte das deutsche Vereinswesen und gans besonders auch die deutsche Kunst; manchem künstlerischen Talente hat er die Wege gebahnt. Wiederholt wurde er zum Präsidenten des deutsdicai LiederkimTies gewählt, auch noch t8q6 zum Ju])ilaumsjahre, wo für iSqy eine Rundrei.se des Vereins durch Euroi.a geplant war. Kr sollte sie rtirht mehr erleben. Am 30. Nov. 1896 nuichie ein Nervenfieber .seinem Leben ein plötzliches Ende. Sein Freund Karl Schiui: sprach an seinem Grabe. W. St. war zweimal verheuathet. Seine erste Frau starb im Jahre 1876, die zweite Eli.sabeth geb. Ramft, aus Dresden gebürtig, 1893. Von jener über- leben ihn ein Sohn und eine Tochter, von dieser eine Tcx hier und rwei Söhne, Viele Auszeichnungen hat W. St. aiu h in Europa davon getragen, König Karl XV. von Schweden verlieh ihm 1868 die grosse goldene National- m«;daille; die Ktfnigoi von En^and gab ihm 1S90 den Titd dnes Hofi»ano- labrikanten; 1894 ward er Eluenmit^ied der St. Cädlien Academie in Rom; schon 1867 war er Mitglied der Academie der Künste in Berlin geworden, wo ihn sjiäter fTR()2'i Kaiser Willielm II. durch Orden und andere Khren auszeichnete. Seiner \ aterst idt Seesen, die ihn 1888 zum Ehrenbürger ernannte, hat er stets ein neues Andenken bewahrt und zu verschiedenen öffentlichen Zwecken seine grosse Opferwilligkeit bewiesen.

Ver^l. den (etwas ubcrsehwingUchen) Aufsati Aber W. St von Otto Ploasbein te

)Nord und Süd« Bd. 66 H. 198. Portraits u. ßiog^raphicn von Ceicr, F.. Stcinway, C V. Theodor St., WillioiD St. Special- Ab druck aus Th. Lemke'& »Geschichte des Deutschthums ▼on NeU'Yorit« (Neu York i89o>

P. Zimmermann.

Strombeck, Frledr. Herrn. Richard, Freiherr wurde am J3. Mai 1834

in Braunschwetg geboren. Etwa vier Jahre darauf trat sein ViUer Hermann v. St, Sohn des ( : ' imraths Friedr. Karl v. St. in Wolfenbttttel (vefgL AUgem. deutsche

Biographie Bd. 36, S. 6i4ff. , der l»is dnhin Finnnzassessor in Braunschweig gewesen war, in preusbisclic 1 )ienstc uhcr und kam nach Potsdam; er ist als Regiei ungsrath in Magdeburg am 8. August 1846 gestorben. Schon nach dem Tode seiner Mutter Leopoldine , einer Tochter des Domänenraths Apel

Digitized by Google

4

Strombeck. Vdthetm. 409

(t a. November 1839) wufde R. v. St. mit seinen beiden Schwestern in das Hana der müttcrli« lun Grosscltem nach Magdeburg gebracht; von hier kam er etwa neun Jahr alt zu den väterlichen (irosseltem nach Wolfonbüttel, wo er einige Jahre ohne Krfol^^ flns Gymnasium l»e<;uchte. Seine weitere Kr/iehunj^ erhielt er seit 1846 in dem Kudettenhau^e zu Potüdani, von 1850 ab in tlem 2tt Berlin, ha Mai 1853 trat er bei dem 7. Künuwiatregimente in Halberstadt ein, in dem er Anfang December 1864 zum Offizier ernannt wurde. Einige Jnhrc lag er zunächst in Quedlinburg, wo er die LebensgeOlhrtin, Mathilde Ihec k, eine Tochter des verstorl)cnen Rürpermeisters dase1b<?t, fand, mit der er sich im Juni 1850 vermahlte. Im folgenden Jahre war v. St. bei der Schwadron, die /um neuerrichlelen n. Ulanen- Regimen te ^rerleberg) abgege- ben wurde, und kam nach Wusterhausen in Garnison. In diesem Regimente machte er den Feldzug von 1864, während dessen er kurze Zeit in dänischer Gefimgenschaft war, und den von 1866 mit. Als d.örauf das Regiment zum 9. Armeecorps gezogen war, wurde v. St. am 30. October 1866 Ksradron- chef in Itzehoe. Im Kriege von 1870 nahm sein Regiment Anfangs an der ICüstenwacht in Holstein, dann in dem Corps des Grossherzogs von Mecklen- burg namenHich an den Loirekämpfen theil. Es blieb nach dem Frieden auch noch bei der Occupationsarmee, doch wurde St. schon im Herbst 1871 zu der Frsatzsrlnvadron nach Perlelierg versetzt. Hier wurde er n.nch Riirkkehr des Regiments im September 1874 Major, im Januar 1877 etat.s- massiger Stabsofficjer und im September 1882 Uberstlieutenant. Im Novem- ber x88a erhielt er das Commando des a. Fommerschen UUnen-Regiments No. 9 in Demmin, im Mai 1886 wurde er zum Oberst befördert Im April

1888 zum Commandanten der Festung Glatz ernannt, wurde er im August

1889 Generalmajor. Im Frühjahr 1891 erhielt er seinen Abschied und zoe^ nach [Blankenburg a. H., wo er sich nach dem Tode seines Oheims, des Rittmeisters Eggeling v. St. in Wolfenbuitel, den er beerbte, em eigejies Be- sitzthmn erwarb, dessen er sich nicht lange erfreuen sollte. In der Privat- klinik des Dr. Kehr in Halberstadt ist er nach einer Operation am xa. Ja> nuar 1896 gestorben. Als Schriftsteller hat Mch v. St. durch fachwissen- srhaftlic he Artikel an der .Mlgem. Militärzeitung und dem Miltfärwof IienWatte hciheiligt. Sellisiandig erst'hienen \on ihm seine »Kricp<;-Tagel)U< her aus den Jahren 1864 und 1866a (Darm.siiidt und Leipzig, Zernin 1869) und ^Fünfzig Jahre aus meinem Leben« (Leipzig, Gmnow 1894).

P. Zimmermann.

Veltheim, Karl Friedrich Hilmar von,'>rwurdc am ii. März 1824 m Helmstedt geboren, wo sein Vater Hans von V. damals Forst- und Jagd- junker war. Dieser wurde 1826 als Forstmeister nach Stadtoldendorf, 1830 an die Forstdirection nach Braunschweig versetzt, wo er als Oberjägermeister und Finanzdirector am 24. Juli 1868 gestorben ist. Seine Gemalilin Bertha, geb. Gräfin v. Oberg, ist ihm am 27. April 1876 im Tode nachgefolgt. Ihr Sohn Fritz besuchte vom ro. Jahre ah das Gymna*^ium in Braunschweig, diis er zu Ostern 1841 aus Unterprima verliess, um sich dem Forstfache zu wid- men. Nach einer zweijährigen practischen Thätigkeit beim Oberförster Scbmalbruch in Schiesshaus am Sollinge bezog er Ostern 1843 zu theoretischer Ausbfldung das CoU^um Carolit^um m Braunschweig, das er zwei Jahre lang he^^uchte. Dann ging er auf ein Jahr (Ostern 1845 4*^^ nach Göltingen, um dort juristische und kameralistische Studien zu betieiben. Nachdem er darauf

DIgitIzed by Google

Veltheim.

das Examen ^sehr gut« be&tanden liatie, wurde er unterm 25. December 1846 zum Auditor bei herzoglicher Kammer (Direction der Forsten und Jagden^ und etwa gleichzeitig zum Holjagdjunker ernannt. Längere Zeit war Holzminden thätig, wo ihm zu seiner weiteren practischen Ausbildung die Verwaltung von zwei Revieren tihcrtnifxcn wurde. Im Januar 1840 trat er als Einjahrig-Freiwilliger beim Leibbataillon ein, unterm 13. September iS^o wurde er zum Seconde-Licutenant der Landwehr befördert. Schon etwas vorher, unterm 19. März 1850, war er an das Oberforstamt in Blankenburg versetzt worden, wo er zugleich die Verwaltung der hensoglicben Jagden zu besorgen hatte. Im Jahre 1S54 s<hied er ans dem Stnntsdienste aus, und seitdem beschränkte er sich ii.in/ auf seine Hotcharf;e. Kr war zum 1. Ja- nuar 1852 zum Jagermeister, wurde zum 25. April 1860 zum Holjägermeister, unterm 20. August 1881 zum Oba>kammerherm mit dem Prftdicate »Excdlenz« und unterm za. October 1886 zum Oberjägermeister ernannt. Er behielt zu» nächst seinen Wohnsitz in Blankenburg. Da hier Herzog Wilhelm jährlidi längere Zeit hauptsrirhlirh der Jagd wegen zu verweilen pflegte, so kam v. V. mit ihm bnld in nalierc Verbindung, die ni( ht rdmo Finflnss war. So sollen v. V. s Rathschlage u. a. mitgewirkt haben, den Herzog 1866 von dem Anschlüsse an Oesterreich zurückzuhalten. Später, als ihm dmdtt den Tod seines Oheims Karl Friedrich v. Veltheim, Probst, zu Steterburg (f 5. November 1868), die Guter Destedt und Cremlingen zugefallen waren, nahm er nn erstcrem Orte seinen Aufenthalt. Seit December 1872 war v. V. Mitglied des Braunschwei- gischen Landtiigs, in dem er b.iKI eine wichtige Rolle sjiielte. Xuchtemen und klaren Verstandes vertrat er hier mit Entschiedenheit die materiellen In- teressen des Herzogthums, insbesondere die des ländlidien Grundbeatzes, hinter denen die Fragen mehr idealer Art sehr zurücktreten mussten ; er trug zu engem Zusammenschluss der ländlichen Abgeordneten und der in den kleinen Städten gewählten wesentlich bei. So entstand eine Partei, die bald grossen, nicht selten massgebenden Eintluss m der Landes versanmdung gc- wajin, hauptsächlich den Fordcrimgen der Stadt Braunscbweig das Widerspiel hielt und trotz manchoni guten, was ihre Opposition schuf, doch durch ihre zu einseitige, mitunter ans Kleinliche streifende Interessenvertretung das Wohl des Ganzen nicht nach Wunsch förderte. T^ioer Partcistclhmg nicht minder als seinem alten Namen und seiner Geschuitsficwamlthcit hatte v. V. es wohl vor allem zu danken, dass er am 13. December 1878 zum Vicepräsidenien und am 18. Män i88e zum Präsidenten da* Landesversammlung gewählt wurde. Als solcher war er nach dem Tode Herzog Wilhelms (f 18. Octo> her 1884) Mitglied des Regentschaftsrathes, der ein Jahr lang die Landes- regierung; fiilirte, bis sie Frin/ Albrecht von Prcnssen anstatt des noch behin- derten reclitmässigen Thronerben als Regent ul>ernahm. Fs ^c^chah dies aut Grund des Regentschaftsgesetzes vom 16. Februar 1879, dessen Erlass v. V. durch einen Antrag im Landtage am 13. December 1878 selbst veranlasst hatte. Er hat das Präsidium des Landtags bis zu seinem Tode geftUirt. Eine Reihe von J tlircn (1884 1891) war er auch MitgUed der Landessynode. Er erfroiitc sich bis zuletzt einer grossen Rüstigkeit, die ihn noc Ii immer seiner Litblini^sncigung, der Jagd, mit Eifer nachgehen liess: er war ein \ or/ut;Iii Iser Schütze und hat ruich seinen eigenen Jagdbüchern im Ganzen nicht weniger als 38,423 Stück Wild, darunter 748 Rothhirsche, 1145 Stttck Schwarzwild, 10,186 Hasen u. s. w. erlegt. Zugleich war er ein tue htiger Bergsteiger; als Mitglied der Rauriser Jagdgesellschaft hat er zahlreiche Gemsen (168) ge-

Digltized by Google

Veitheim. BtUtag. Curtnaann. Feck.

411

schössen. Neben der Ja^r! war der Wald seine Freude; seine eigenen Forsten pflegte er mit Liebe und Sorgfalt. Als er ]>lüuli€h an tiner Lungenentzün- dung erkrankte, ist er nach kurzem Krankenlager am 28. März 1896 in De- stedt gestorben. Missionsdirector v. Sdiwartz aus Leipzig (früher Superinten« dent in Cremlingen) sprach an seinem Sarge und rühmte neben seinem öffentlichen Wirken die Vorzüge seines Charakter*;, die Selbständigkeit seiner (lesinnunu, die ( )tfenlH it seines Wesens, seinen ehrlichen Christenglauben, den er erst ailmahiicli in den Schicksalen des Lebens sich emmgen habe. v. V. war dreimal verheurathet. Seine «ate Frau Anna (Armgard) v. VeUhelm ans dem Hause Ostrau, die er am 33. Juni 1S51 geheirathet hatte, starb schon am 30. Män 1852. Kr vermählte sich dann (3. Juni 1855) mit Marie v. Bose, und als die^e nm 16. ]xm\ 1873 gestorben wnr, nm 26. November 1874 mit Elisabeth V. Krosiuk, der l'ochter des Anhaltischen St;uitsnn*nistcrs Anton v. Krosigk, die den Gatten mit drei Söhnen und vier Töchtern überlebt. Der älteste der Söhne Friedrich Bertram Hans, ist am 5. September 1881 geboren.

P. Zimmermann.

Ball in g, Carl M., wurde am 14. Mai 1835 zu Prag geboren. Sein Vater

war der bekannte Gährungschemiker Prof. C. J. N. B. Der junge B. studierte zunächst am Polytechnikum seiner Vaterstadt und setzte seine Studien sjiritcr an der Bergakademie zu Pribrani fort, wo er sich vollip der Hiilicncliemie zuwandte. 1860 wurde er Assistent für Probier- und Hüttenkunde an der Bergakademie zu Pribram. In den folgenden Jahren bekleidete er verscbie« dene Aemter an den Hütten in Brixlegg und Pribram und wurde schliesslicht im J.ihre 1875, als Professor an die Bergakademie zu Pribram benilcn. Hier war 1>. bis zu seinem Tode thätig und erhielt in Anerkennung seiner Lei- stungen den Titel eine.s Kaiserl. Königl. (iberbergrats. B. hat im Lauf der Jahre eine sehr grosse Anzahl von Büchern und Abhandlungen herausgegeben, von denen besonders seine »Probierkunde«, das »Compendium der metallur- gischen Chemie , die »Fortschritti- im ?robierv\'esen€, sowie die »Metallhüttcn- kundc hervorzuheben sind, die sich in l ;u hkreisen grosser Beliebtheit erfreuen. B. starb am 31. April 1896 im Alter von fast 61 Jahren.

Dr. Posner.

Curtmann, O., starb am 22. April 1896 in .St. Louis in Amerika. C, der auch im Austand stets ein echter Deutscher geblieben ist, war 1828 in Giessen geboren worden. Er genoss seine Ausbildung %i der Heimat und zwar war das Ibuptfadi seiner Studien Pharmazie. Im Jahre 1858 begab sich C. nach

Ampfik:!, wo er zunächst als Apolhckor ihätii; wnr. Später wandte er sich ganz der Wi.ssensrhnft zu und gab :ni( h eine .Anz.ilil vor\ Büchern heraus, die in Amerika sehr beliebt sind. Zuletzt war C. Professor an» Missouri Medical College und am College of Pharmacy in St. liouis. Auch als Mitarbeiter des amerikanischen Arzneibuch bt C. in Amerika bekannt geworden.

Dr. T'osner.

Feck. Hugo, stnrh nm 9. April t8()6 in Dresden. F., der Professor an der techniichca Ilutlisclmle zu Dresden und Vorsteher der chcnusclien Ccntral- stellc für öffentliche Gesundheitspflege daselbst war, ist ausser durch Unter- suchungen über Benzoesäure^ Carbolsäure, Salicylsäure und Zimmtsäure, sowie Versuche ttber Clährung und Fäulnis, besonders durch ein im Jahre 1862 er- schienenes Buch : »Fabrikation chemischer Producte aus thierischen Abfällen«, bekannt geworden. p p

Digitized by Google

Kekoli.

Kckulc, August'). Am 13. Juli 1896, Nachmittags 5 Uhr, starb in Bauo, der Stätte seiner langjährigen, luhmg^rifoiten Thätigkeit K,« neben Hofmann unstreitig der bedeutendste Chemiker seiner 2^it, dessen Arbeiten das Fun- dament geliefert haben filr das ganze Riesengebäude der modernen orgnni>* I en Chemie. K. \)t'urde nm 7. September i8?n in Darmstadt geboren. Er be- suchte das Gymnnsiiitii seiner ^'alerstadt und erwarb sich auf demselben das Zeugnis der Rcile. Da er sich schon frühzeitig im Zeichnen und in der Mathematik besonders hervortiiat, wollten seine Eltern ihn gern 2um Archi» tekten ausbilden lassen, aber die geistvollen Vorlesungen Liebigs über Chemie, die der junge K. hörte, liessen bald in ihm den Entschluss reifen, sich ganz- lich dieser Wissenschaft zu widmen. Bestrebt, seine Bildung mÖrr]irh<:t viel- seitig zu gesiaUen, setzte er seine Studien im Ausland fort, ui^d s»u linden wir ihn zunächst in Paris als Schüler von Dumas, Wurtz und Gerhardt, mit wekhem letzteren er in ein enges Freundschaftsverhältnis trat. Dann weilte er einige Zeit in London und knüpfte während dieser Zeit Verbindungen mit Williamson nn. Nach Deuist lilnnd zurück gekehrt habilitierte sich K.. im Jahre 1856 in Heidelberg als Privatdorent für Chemie. Bereits zwei Jahre vorher hatte er eme l)edeutsame Arbeit über die Thiacetsäure verortentlicht. Sdion in dieser Arbeit schliesst er sich der damals neu auftretenden 'lypen- theorie an» die, eine Schöpfung seiner beiden Lehrer Dumas und Gerhardt, mit den damals hen sc henden chemischen Anschauungen völlig brach. In der kurz nach seiner Habiiitation erscheinenden Arbeit iilier das K nallquerksilber bringt der junge Gelehrte bereits eine wesentliche Krweiterung dieser Theorie, welche als Grtuullage seiner eigenen späteren Forschungen geradezu bahn- brechend wurde. Zu den bis dahin angenommenen drei typischen Verbin* düngen Chlorwasserstoff, Wasser und Ammoniak stellt K. das Grubengas ^ethan) als vierte Verbindungstype auf. Auf dieser Grundlage weiter fort- batienrl folgen nun in den nächsten Abhandlungen zuerst (He Einführung <lcs Hegrihs der geniis« hien Radiknie und daiui die Aufklärung der Wenigkeit oder Atomigkeit der Radikide, die K. aus der Valenz der Elemente ableitete, und die der Ausgangspunkt für die Entwicklung der jetet die gesamte chemi- sche Anschauung leitenden Strukturchemie wurde. Diese G^anken ünden sich hauptsächlich in der 185*8 erschienenen grundlegenden Arbeit: »Uebcr die Constitution und die Metamorphose der chemischen Verbindimgen und über die chemische Natur des Kohlenstoffs«. Hier wird attrh ausgeführt, wie die Zusammensetzung der organischen Verbindungen d;Lzu zwingt, die Vier- wertigkeit des Rohlenstofls und bei RohlenstofTcomplexen die gegenseitige Bindung einer oder mehrerer dieser Valenzen anzunehmen. Geradezu un- glaublich erscheint die Bescheidenheit, mit der K. diese Anschauungen, denen die moderne Wissenschaft so unendlich viel verdankt, vorträgt. Er schliesst seine Abhandlung mit folgenden Worten: »Schliesslich glaube ich noch her- vorheben zu müssen, dass ich selbst auf Betrachtungen dieser Art nur unter- geordneten Wert lege. Da man sich indess in der Chemie bei dem gänz- lichen Mangel exact wissenschafUicher Prinzipien mit Wahrscheinlich k ei ts- und Zweckniässiul cilsvorstellungcn begnügen muss, S( hien es geeignet, diese Tic trachtungen mitzuteilen, weil sie, wie mir scheint, einen einfachen und /leui- lich allgemeinen Ausdrucic gerade für die neuesten Kntdeckimgen geben und weil deshalb ihre Anwendung vielleicht das Auffinden neuer Thatnchen ver-

^) Vgl. J. H. van't Hoff Biognphitehe BlKtter, 1896^ S. 414—415.

Digitized by Google

ICekule^

413

niiiteln kann. Im Jahre 1858 folgte K. einem Ruf als Professor der Chemie nacii (.jent 111 Helgien, wo er bis zum Jahre 1S65 blieb. Auch hier arbeitete er unennftdltch weiter. Aus dieser Zeit stammt die bedeutende Arbeit Über die Bromderivate der Bemsteinsäure und deren UeberfUhrung in Aepfelsäure und Weinsäure, sowie Untersuchungen über die Constitution anderer (Spani- scher Säuren. In den Jahren 1S60 und i86i erschien auch der crsiL- Dmd seines pressen *T,ehrbnrh<; der or^nnisrhen Chemie , dns von der ;^^es:uiuen Fachwelt mit Begeisterung begrushi wurde. Leider ist dies Werk, von dem 1866 und i88s noch zwei weitere Bände ersditenen, unvollendet geblieben. Im Jahre 1866 verdfiendichte K. in den »Bulletins de la sod^te chimique (Paris)K seine zweite gTO.«e und bahnbrechende Theorie unter dem Titel: 'Recherches sur les combinaisons aromatiques«. Auch diese .Abhandlung ist wie die vorher erwähnten spater in »Liebig's Annalen der Chemie« in deut- scher Sprache ausfuhrlicher erschienen. Hier erkannte K. zuerst richtig, dass man als Grundlage flir alle aromatischen Verbindungen einen gemeinsamen Kohlenstofibomplex von sechs KohlenstofTatomen (Benzol, Hexamethin) an- nehmen mftsse, wnt] dass die seclis Ki)hlcn<^tofTntonie innerhalb desselbcin ringförmig und /war abwechselnd mit einer und mit zwei Valenzen aneinander gebunden seien. Hierdurch wurde mit einem Sclilage Licht über die Con- stitution der mannigfaltigen Derivate des Benzols verbreitet, denn K. erkannte auch sofort richtige dass bei mehrfacher Ersetzung der sechs an die Kohlen* stofiatome gebundenen Wasserstotibtome durch andere Elemente oder Radikale stets mehrere gleich zusammengesetzte, n])cr durch den Ort der Frsetzimp s< h.irf unterschiedene Verbindungen entstehen müssen. Auch der l'rage nach der Ortsbestimmung für diese Ersetzungen tritt K. bereits näher. Von welcher unftbersehboren Tiragweite diese Ideen R/s iür die Erforschung des weit- verbreiteten und oomplicierten Gebietes der aromatischen Verbindungen und von wdchem eminenten Einfluss die Klarstellung dieser wissenschaflüdien Fragen auf die Entwicl;lung der chemischen Technik waren, braucht Vaum hervorgehoben zu werden. Auch hier, bei der VeroÜentiichung dieser fun- damenuden Lehren finden wir dieselbe zurückhaltende Bescheidenheit, die sich am besten in den eigenen Schlusswortra des Forschers kundgiebt: »Ich lege diföen Betrachtungen nicht mehr Wert bei, als sie verdienen, und ich glaube, dass noch viel Arbeitskraft aufgewendet werden muss, bis derartige Spekulationen für etwas Anderes pehnlten werden können, als ftir mehr oder weniger elegante Hypothesen ; aber i( h giaul)e doch, d.u^s wenigstens versuch.s- wcise Betrachttmgen der Art in die Chemie eingefiilirt werden müssen.« Eine gläiuende Kundgebung der Wertschätzung dieser Theorien seitens der Fach- genossen war das grosse Fest, durch das die »Deutsche chemische Gesell- schafte am n. März 1890 im Saale des Berliner RathanscK den Schöpfer der Benzolihcorie zw deren 25 jährigem Bestehen ehrte. Der Bericht über fliese Leier 'j und besonders die dort wortlich \\ iedeigegebene glänzende Erwide- ning^ede K.'s, kann Jedem, der sich ftir diesen geistvollen Gelehrten inter- essiert, zur Lecture warm empfohlen werden. Im Horbst wurde K. als Nach- folger A. W. Hofmann's an die l'niversität Bonn berufen, wo er bis zu seinem Tode wirkte. Aus dieser Zeit stammt der erste Band der ("hcmic der Benzolderivate«. Leider ist auch dies gross angelegte Werk niui llendct geblieben. Audi zahlreiche bedeutende Experimen talarbeiten veroticniiichtc

^) Berichte der Dcntachen ehem. Ges. 33. tyn.

Digitized by Google

4»4

KekiUe. Schöne.

K. von Bonn aus, so über die Condensationsprodukte des Aldehyds, über die Constitution des Kampfaers und andere mehr. Die Bedeutung K.*s als I.^rer kann nur derjenige vollkommen >Kilrdigen, der selbst das Glüd^ hatte, zu

Füssen dieses jrenialcn (klclntcn sitzen und seinen klaren lichtvollen Worten lauschen /,u dürfen. iJass em Mann von dieser Persönlichkeit das Haupt einer weitver/.weigten Schule jüngerer Forscher geworden ist, unter denen sich be- reits mancher Name von gutem Klange findet» nimmt nicht Wunder. X^eider war in den letzten Lebensjahren K.'s seine Arbeitskraft durch fortvähretule Krankheit gehihmt. Kurz vor seinem Tode hörte man noch von der Emeue- rtmff eines alten Ai lelstitcis seiner Familie. Sein voller Name i«;t demnach A ugut»L Kckule von Stradoniiz, doch als Aupusi Kekule ist er berühmt geworden, und so wird sein Name wohl im Gedächtnis der Gebildeten aller Nationen fortleben. Das deutsche Volk aber kann stols sein, dass aus ihm diese leuchtende Gestalt hervorgegangen ist, der Mann, dessen geniale Theorien bestimmend für die ganze Entwicklung der modernen Wissenschaft f^eworden sind, und den Schädier mit Kecht den »Philosophen der organischen Che- mie« nennt. Dr. Posner.

Schöne, Emil. Am 18. Mai 1896 starb in Moskau E. Sch., der sowohl als Lehrer, wie auch als Gelehrter in weiteren Kreisen bekannt und beliebt war. Sch. war am 7. April 1838 in Halberstadt geboren Worden. Sein Vater war dort Gymnasi.ililircetor nnd er besuchte die von seinem Vater ^^eleiiete Anstalt bis zur Erlangung des Reilczeugnisses. Dann be^^ili er sich nach l^iille, um zuerst dort, später in Jierim, Mathematik und Naturwissenschaften zu studieren. In Göttingen promovierte er zum Doctor der Philosophie und war dann einige Jahre lang als Assistent von Rammeisberg am chemischen Laboratotiutn des Berlmer Gewebe-Instituts thätig. Im Jahre 1863 ging Sch. nach Russland und nahm /nerst in Moskau eine Anstellung als praktischer Chemiker an. Bald sah er ein, rlnss diese Thätt^keit ihm auf die T')auer nicht die iie\\ unschtc Kcfriedigung gewahren könne, und so gnig er als Assistent an die im Ja.iire 1864 in Moskau gegründete landwirtschaftliche Hochschule, die Petrowsky sehe Agrar- und Forstakademie. Neben seinen Fachstudien beschäftigte sich Sch. mit bewundernswertem Fleiss und grosser Energie mit der russischen .'Sprache, und bereits nach vier Jahren beherrschte er dieselbe so vollkommen, dass er eine vakant gewordene Lehrkanzel an Her genannten Anstalt besieiji^en komite. Ausserdem genUgten die in Deutscliland abgelegten Elxamina nicht, um ihm eine feste Anstellung als Professor an einer russischen Lehranstalt zu ermög^chen, und so erwarb sich Sch. an der Universität Moskau im Jahre 1875 den Ma^ristcrgrad und im Jahre 1881 ebendaselbst den russischen Doctor- titel, und zwar mit einer Arbeit »Ueber clie Gesetzmässigkeit in den Schwan- kungen des atmospiiarischen Wasserstoffhyperoxyds«. Bald erhielt auch Sch. eine Professur an der Petrowsky' sehen Akademie, der er bis zitm Tode sein ganses Können widmete. Auch an äusserlichen Ehrungen fehlte es Sch. nicht, so erhielt er den Rang eines wirklichen Staatsrats, welcher in Russland mit dem Anrecht auf erblichen Adel verkniii>ft ist, und den Stern des Stanislaus- Ordens I. Klasse, sowie andere Auszeic hnungen. Von seinen Arbeiten ist, ausser der schon erwähnten rttssi&chen Dissertation, noch eine Untersuchung^ über Schwefelverbindungen der alkalischen Erdmetalle besonders zu erwähnen. Auch für die spedelle Agrikulturchemie ist ein von ihm angegebener Schlemm- apparat 2ur Analyse der Ackerkrume von Bedeutung geworden.

Dr. Posner,

Digitized by Google

Sttflsd. Berlepsch. Schnorr.

Stdlzel, Carl. St. wurde am 17. Februar 1826 zu Gotha geboren. Nach- dem ^ die Schule absolviert hatte» widmete er sich dem StacUmn der Chemie und Technologie und promovierte mit einer Dissertation aus dem Gebiet der Chemie. Im Jahre 1849 habilitiertL sich St. als Privatdocent der chemischen

Technolope an der Universität HeidL-lberg. 1868 wurde er an die technisrhc Hochschule zu München lieruten, wo er zunächst als ausscrurdentlif her, schliess- lich als ordenüicher Trufessor für technische Chemie lange Jahre hindurch thätig war. Von den Bttchem SVs sind besonders zwei zu nennen, die all- gemeiner bekannt geworden sind: »Die Entstehung und Fortentwicklung der Rübenzucker-Industrie«, das er im Jahre 1851 herausgab, und »Die Metal- lurgie«, welches letztere im Jahre 1886 erschien. Am 4. Februar 1896 starb St. in Karlsruhe, kurx vor seinem siebzigsten Geburtstage.

Dr. Posner.

Berlepsch, Dietrich Otto von, Präsident des evangelisch-lutherischen

I.andesconsistoriums des Königreichs Sachsen, wurde in Dresden am 22. Septem- ber 1823 als Sohn des im Jahre 1864 vcrstorl^enen Olierlnndforsimeisters von B. geboren. Er studierte die Rechtswissenschaften und fing seine juristi- sche Carriere als Referendar im Jahre 1851 in der Kreisdirection zu Bautzen an, ging dann aber zur Verwaltung über und kam im Jahre 1858 als Regie- ningsrat in die Kreisdirection zu Leii)zig. Bei der Errichtung des evangelisch- iutheriselien T.andesconsistoriums im Jahre 1874 wurde er als zweiter Con- sisiorialrat nach Dresden berufen und nu kte bereits im jähre 1876 /um ersten Consistorialrat auf. Am i. Oktober 1883 trat er als Präsident an die Spitze des Consistoriums und vertrat als solcher das Kirchenregiment bei den Landes» Synoden der Jahre 1886 und 1891. Nach Schluss der letzteren Synode wurde er zum Wirklichen Geheimen Rat ernannt und honoris causa zum Dr. theol. befördert. Als er sich am 1. Oktolter 1892 in den Ruhestand zurückzog, wurde er durch die Verleihung des ( "irosskreu/es dis Allirerhts-Ordens aus- gezeichnet imd dxirch Königliches Dekret zum Mitglied der ersten Siande- kammer boufen, sowie zum Domherrn von Meissen gewählt. Er starb in Dres- den am 15. Januar 1896. Unter seiner Leitung wurde das neue allgemeine Landesgesangbuch ein;^efÜhrt und die revidierte Perikoi)enordnung fertig ge- stellt. Namendich aber war er bemüht, Auspfarrungen und Neul)egrundungen von Parochien zu crmo^ilu iien und Mittel und Wege zur Errichtung neuer geisthcher Steilen rings im Lande aufzutreiben. Wegen seiner persönlichen Liebenswürdigkeit war er bei seinen Untergebenen gern gesdien.

V),'l. : Der Haasvater. Ev.-uigelisch-kirclüiches Monatsblatt für Leipzitf und Umgegend. Leipzig 1.S93. II, 34. Amtskaleiulcr fur evangelisch-lutherische Geistliche im Ktfiiig;reicb Stetigen auf das Jahr 1897. Frankenberg o. J. S. iSi, 182.

H. A. Lier.

Schnorr, Fedor, Commerzienrat, Mitinhaber der Firma Schnorr & Stein- häuser in Plauen im Voigtlande, f in Plauen am 20. Januar 1896, 78 Jahre alt. 5. hat sidi dadurch um die Industrie des sächsischen Voigtlandes ein grosses Verdienst erworben, dass er eine von Heilmann aus Milhihausen im Elsass bereits im Jahre 1829 erfundene und im Jahre 1840 verbesserte Stickm:isrhine, die bereits seit dem Jahre 1852 in St. Gallen mit Erfolg benutzt wurde, iin November 1857 in seinem Geschäfte in Plauen probeweise einfiüirte und ün Januar 1858 in Betrieb setzte. Der erwähnte Versuch S.'s übertraf alle Er- wartungen und brachte fllr die gesammte voigdändische Industrie eine totale

Digitized by Google

4i6

Schnorr. Seidel. Trttbenbach.

ümwaizung hervor, soda.ss von der Einfülirung der M;i.schine»siickerei eine neue Epoche in der Geschichte der voigtländisdien Weiaswaarenindustrie m rechnen ist, die einen ungeahnten Aufschwung und eine voo Jahr zu Jahr

wachsende Ausdcliming dieses Fabrikationszweiges herbeiführte.

\ gl. lllii>trirte Zcituii<^\ Leipzig 1896. Nr. 2744. S. 136. Louis Bein, Die Industrie de& sächsi5ichcn Voigtlandes. Leipzig 18S4. II, 363. Heinr. Gebauer, Die Volkswirtschaft Im Kfinigreieh Steluen. Drad«» 1896. III, 863.

H. Lier.

Seidel y Traugott Jakob Hermaim, Kunst- und HandelsgSrtner in Dres- den, wurde in Dresden am 26. Dezember 1833 als Sohn eines Gärtners ge- boren und erlernte die Gärtnerei bei Himmelstoss in Dresden-Xeustadt. Spater war er in dem seiner Zeit berühmten Etablissement von J. J. Liel»ip thati^' Hierauf besuchte er England und trat nach seiner Ruckkehr von dort im Jahre 1856 in das Geschäft seines Vaters ein, das sich damals noch auf der Rampischen Strasse in Dresden-Altstadt beland, und dessen Leitung er bald darauf selbst Übernahm. Die Stadten\'eitening nötigte ihn, sein Etablissement n.u h Striessen zu vcrlejjcn. Kr betrieb hauptsächlich die Züchtung von vvinier- luirten Rhododendren und A/aleen und brachte es auf diesem Gebiete zu einem Weltruf. Sem Verdienst war es. vurnehmhch, dass im Jahre die erste internationale Gartenbauausstellung in Dresden unternommen werden konnte. Als im Jahre 1896 eine Wiederholung dieses Unternehmens zu Stande kam, wurde er in den Repräsentationsausschuss der Ausstellung gewählt, ol»- wohl er seine (Tnrtncrei inzwischen seinen Söhnen überlassen hatte. Er starli jedoch noch Nor der l-".r()n'inin^' der Ausstelhin^ zn I )resden, Augsbiir^^erstr. 71 (nicht in Laubcgiist) am 28. April 1896, S. bekleidete auch tine Zeit lang das Amt eines Voraitaenden des Gartenbaitvereins im Königreich Sachsen.

Vgl. 7. Beüsge Nr. 118 des Dresdener Aaicigers vom 39. April 18961,

H. A. Lier.

Trübenbach, Heinrich August, Pfarrer, wurde am 13. Dezember 1823 in Mittweida als Sohn eines Diakonus geboren, mit dem er zu Ostern 1894 in die Pßurei Püchau übersiedelte. Seine Vorbildung erhidt er von Michaelis

1834 an auf der Nikolaischule zu Leipzig und seit Ostern 1837 an der F*ürstcn- schnle zu Grimma. Zu Ostern 1842 bezo^ er die Universität Leipzig, um Tlieo'oL'ir /.u studieren, wo die Professoren Niedner und Winer grossen Einfluss auf ihn gewannen. Eine gewisse AengsÜichkeit Jiielt ihn ab, nach Bestehung des eisten theologischen Examens, einen Versuch als Prediger zu machen. Er zog es vor, in das Lehrfach überzugehen, und übernahm zunächst für das "Winterhalbjahr 1846 1847 eine Hauslehrerstelle in der Familie des Rechts- anw.iltes und Kramerkonsulcnten Dr. August Ludwig Mothes in Leipzig, blie'> jedoch in diesem Hause vier Jahre lang, bis ihm nach Absolvirung seiner zweiten Prüfung zu Ostern 1851 das Pfarramt zu Dittersdorf bei Lauensttin übertragen wurde. Im Sommer 1S54 erhielt er die Pfarrstelle zu Kayna bei Zeitz, die er bis zu seiner Emeritirung im Jahre 1894 inne hatte. Er sieddte nach Dresflen über und starb hier am 18. Februar 1896. T. verw^-idr.,- seine Mussestunden mit Vorltelie n\tf historische Studien. Im Jahre 1877 verotic '^- lichte er eine Chronik von Zeitz, und im Jahre 1886 erschienen die Beitrag«- zur Cicschichte der Stiftes und Kreises Zeitz, sowie 1887 eine »Kune Chronik des Marktfleckens Kayna« (Halle 1887). Ausserdem verfasste er eine Schrift über »die christliche Armenpflege in ihrer geschichtlichen Entwicklung und

Digitized by Google

SddeL TiObeabacb. WiD.

4x7

neuester Ccstnlnirtg i^Lcip/ig 1889) und zeichnete fÜr seine Rinder seine »Familien- und l.ehens-Erinncrungcn« (^1887) auf.

VgL Herrn. Wunder, Grimmaiscbe Ecce. 1896. 17. Heft. Meissen iS<jh. S. 25 30.

H. A. Li er.

Will, Karl Petrus, Kouigl. sächsischer Hofkaplan und Präses des katho- li&chcn geistlichen Konsistoriums in Dresden, wurde am 8. Januar 1822 in Dresden geboren. Nacbdm er die dortige katholische Hauptschtde besucht hatte, studierte er katholische Theologie und widmete sich nach seiner Or- dination am 25. Juli 1847 dem Priester- und Ordensstande, indem er dem Benedictinerorden beitrat und sich als Conventual in das Benedictinerstift Metten in Nieflerbayern aufnelimen Hess. Da er jedoch fiir seine aJlein- stelieude Mutlei zu sorgen hatte, bemühte er sicli, durch ein päpstliches Breve seine Entlassung aus dem Benedictinerorden zu erhalten. Er wurde Weltpriester und fand zunächst bis zum Jahre 1861 Anstellung als Präfect am Königl. Erziehungsinstitute für Studierende in München, dann wurde er Ka- plan in Andechs, später bei St. Bonifiiz in München und zuletzt in Stephans- posching. Nach seiner Rückkehr nach Sachsen wurde er Pfarradministrator in Meissen, 1871 Pfarrer zu Zwickau, 1877 Superior imd Pfarrer in Leipzig, 1883 Superior und Pfarrer der Hofkkche zu Dresden und 1892 Königl. Hof- kaplan daselbst. Gegen Ende des Jahres 1883 wurde er in das katholisch« geistlic he Konsistorium in Dresden berufen, als dessen Präses er vom 1. Okto- ber 1895 bis an sein Knde wirkte. Seit dem Jahre 1892 war er .luch Canomcus an dci Domkirche St. Petri zu Bautzen, und im April 1 894 wurde er durch die Verleihung des Ritterkreuzes I. Klasse vom Königl. sächsischen Verdienstorden ausgezeichnet. Er starb am 34. Mai 1896 in Pillnits im 75. Lebensjahre in Folge eines starken asthmatischen Leidens, das ihn schon seil Jahrzehnten ^Tosse Beschwerden verursacht hatte. W. hntte sich die Aufgabe gestellt, den Kultus de^ heili^eii P.enno, den er in ikiyern und als i^larradministrator in Meissen eingezogen hatte, in Sachsen neu zu beleben, und suchte auf diesem Wege Verbreitung des Katholidsmus in Sachsen zu fiirdem. Als Frucht seiner Studien veröfienUichte er in dem Jahrgang 1886 des katholischen Kirchenblattes für Sachsen und im Sanct-Bennokalender Air 1896 ein l eben des Heiligen, das nni Ii als besondere Brochüre im Buch- Imulel ers( luencn ist, das aber dem kritischen Historiker viel Anlass zu Be- denken bietet.

Vgl. Kft«]ioU»cli«« RirchenbUtt filr Sacl»eii. Dresden 1896. 8. 217.

H. A4 Lien

Hg, Albert, Kunstschriftsteller, wurde am 11. Oktober i8.t7 Wien geboren, studierte daselbst zuerst Oerm:mi^lik, dann Kunstgest liiehte, wurde 1871 Hilfsarl>eiter im ( )esterrcic hisehen Museum für Kunsi und Industrie, 1873 Dozent der Kunstgeschichte und 1873 Kustos an demselben. Im Jalire 1876 wurde er zum Kustos der Sammlungen von Waffen und kunstindustriel- len Gegenständen des Kaiserhauses und 1884 zum Direktor dieser Samm* Hingen ernannt. Gelegentlich der Eröffnung des kunsthistorischen Museums des Kaiserhauses (1891) erhielt er den Charakter als V. k. Rc<:ierungsrat. Daneben war 1. Dozent für Kuiistgcscliichte an der k. k. i achschule für Kunststickerei, seit 1885 Kunstreferent der »Presse«, femer Lehrer der Erz-

Blogr. Jahrb. a. Deutscher Nekrolog. 2^

Digitized by Google

4i8

WiU. Alexander. Glümer.

herzogin Valeria und des ErshenEOgs Ferdtnand, Mitglied der k. k. Cential-

kommission für Erhaltung der Kuurtp und historischen Denkmäler und nach Eitel})erpers Tode Ilcrmisgcbcr der »Quellenschriften fifr Kunstgeschichte .

1. starb am 2q. November iS(j6. \'on seinen selbständigen Werken sind fj ei Widmen »Ueber den kunsthistorischen Wert der Hypncrotomachia Poiiphui (1872), »Die Glasindustrie« (mit Lobmcyr und Boehesin, 1874), »Die kunst- geweri>lichen Fachschulen des k. k. Handelsministeriuros« (1876), »Geschichte und Terminologie der alten Spitzen« (1876), »Ornamente für Architektur und Kitnstindustric ^1876^ »Wiener Srhmiedewerk des iS. Jahrhunderts (mit Kribdebo, 1878), »Zeitstimmen über Kunst und Künstler der Verganj^'onheitt (1881), »Messerschmidts Leben und Werke« (1885), »Kunsthistorihchc Cha- rakterbilder aus Oesteireich^Ungam« (1893), »DieFisdier von Eriadi« (1895 . Daneben lieferte er XJebersetzungen und Bearbeitungen der Weike itaUeniscfaer KunstachriftsteUer.

Ludwig Eiüenberg: Das K'^i^ti^^c Wien. t. Bd. 1893. S. 2yK Broddutts' KWf vertations-Lexikon. 14. Aod. 9. B4. S. 522.

Franz BrUmmer.

Alexander, Prinz von Preussen, General der infimteri^ geboren 2 1 . Juni 1820, gestorben 4. Januar 1896 in Berlin, Sohn des Prinzen Friedrich von

IVcnssen, des Neffen Königs Friedrich Wilhelm III., und der Prinzessin Wil- hc'lniine Luise von An)i:\]t-P>crnburg. 1830 Sekonrl-Licutcnant ä In suitc des

2. (»arde-Landweln -Kcyiments, 12. Marz 1S42 Trcmier - Lieutenant , ^1. Juni 1844 Hauptmann, ig, Oktober 1S46 Major, 21. Juni 1849 Oberst, 23. Juni

1851 X. Kommandeur des m. Bataillons i. Garde-Landwehr^Regiments, 30. Mai

1852 Generalmajor, 15. Oktober 1856 Generallieutenant. Am 18. Oktober 1861 wurde der Prinz zum Chef des 3, "NVestfälischen Infanterie-Regiments No. 16 (heute: »Graf Sparr«) in Düsseldorf ernannt, bei dem er wiederhoh Dienst gethan, da sein Vater von 1821 1838 die Düsseldorfer 14. Division kommandirt hatte. 25. Juni 1864 General der Infanterie, i. Januar 1873 2. Chef des 2. Garde-Landwehr-R^liments. Ln Feldzuge von 1S66 war der Prinz in der Schla« lit von Königgrätz zugegen, son<;t war es ihm nirbt ver- gönnt an den Ruhmestiiaten der Armee iheilzunehmen , der er, nac h den Worten Sr. Maj. des Deutschen Kaisers, »jederzeit mit so warmem Herzen und treuer Hingabe angehört« hat.

Berlin. Hermann Granier.

Glümcr, Adolf von, Königlich Preussischcr Ccneral der Infinteric, ge- boren 5. Juni 1814 zu Lengefeld bei Naumburg a. d. Saale, gestorben 3. J ' nuar 1896 in Freiburg im Breisgau. G. trat mit 17 Jahren am 1. hlun in das a6. Infanterie -Reghncnt in Magdeburg ein, wurde 14. Juni 1832 Be- kond-Lieutenant, besuchte von 1835 bis 1838 die Allgemeine Kriegssdiole (Kriegsakademie), war 1843 1846 zum topographischen Bureau des General- stabes kommandirt, fungirte 1847 1849 als Landwelir-Brigade-Adjutant und wurde 25. April 1848 zum Premier-Lievuenant licfiirdcrt. Im Badischen Feld- zuge von 1849 Adjutant der 2. mobilen Division des II. Rheincorps unter General Graf Groeben und bewährte sich in dieser Stdlung so, dass er, | 6. December 185 t zum Hauptmann befördert, in den Generalstab versetst wurde, dem er bis zum Jahre 1859, zumeist beim VI. Anneecorps^ angefaulte.

Digltized by Google

22. April 1856 wurde er Major, 12. März 1859 Kommandeur des T'i^ÜMr- Bataiilons des 23. Infanterie -Regiments in Neisse, wo er auch vom Mai bis Oktober iftöo Direktor der Diirisioiiaschule (Krie^^scbule) war. i. Juli x86o zum OberstUeutenant befbrdert, erhielt er 13. Augast 1861 das Kommando

des I. Westpreusaiachen Grenadiei^Regiments No. 6 in Posen, am 18. Okto-

hcr d. T- wurde er zum Obersten ernannt. Der Feldzug von 1^66 rief O. als < ieneralmajor (15. Juni) an die Spit/c einer kombinirten Brigade (20. und 36. Regiment) der Division Beyer in der Mainarmee; bei Hamraelburg, Uettin- gen und Rossbrunn und vor WOrsburg kam er ins Gefedit Er erwarb das Kom&urkreuz des Hbhensollemschen Hausordens, und flbemalun am 15. Sep- tember 1866 das Kommando der ^2. Brigade in Trier. Beim Kriegsausbruche 1870 wurde er am 26. Juli zum Generallieutenant und Kommandeur der 13. Division in Munster ernainu. (jleich '/u Beginn des Feldzuges l^i Spicheren am 6. August hatte sich G. die Gelegenlieit geboten, durch energi- sches Vorrücken auf Forbach die französische Röckzugslime zu durchschneiden und die Ergebnisse des blutigen Tages zum glänzenden Siege zu gestalten. Doch besass G, diese Initiative nicht, er hielt sich an den "Wordaut der Be- fehle des Oberkommandos, die indess von den Ereignissen überholt waren. Immerhin bleibt zu berücksichtigen, dass General v. Steinmetz sein Armee- Befehlshaber War, dem gegenüber selbstständige Entschlüsse ganz besonders vorsichtig erwogen sein wollten. Am 14. August bei Colombey-Nouilly schritt G.'s Brigadekomoumdeur, General v. d. Golts, aus eigenem Entschlüsse zum Anirriff; als Avantg.irdenführer des Armeecorps stnnd v. d. Goltz direkt unter ticin ( leneralkomniando. G.'s Verdienst ist, dass er, nach anfänglicher Miss- htimminig, sich rasch von der Nothwendigkeit dieses selbstständigen Vorgehens Überzeugte, und nun für das Vorführen des Restes seiner Division die Initia- tive ergriff. Während der Einschliessung von Metz schwor erkrankt» konnte Km. das ihm am 30. September übertragene Kommando der Badischen Divi!;ion erst am 9. Dercmher übernehmen; nm 18. Oerember kam er bei Nuitz in«< (icfecht, das er trotz eines Schusses (lur( h tlen .Arm elirenvoll durchführte. *\nfang Januar 187 1 war G. bereits wieder hergestellt und bei Vesoul (5. Ja- nuar) wie bei Villersexel (9. Januar) wieder im Feuer. In der Lisaineschlacht (15.-17. Januar) stand G.'s Divnion auf beiden FH^ln der ausgedehnten Verthcidigungsstellung vertheilt, links bei Montb^li;u-d, rechts bei Chenebier und Chagcy: hier, an der getährdetsten Stelle, griff G. namentlich am 16, Ja- nuar personliili ein und tiug durch sein ennunierndes l'eispicl wesentlich zum Festhidtcti seiner Badener bei. Nach dem Feldzuge, aus dem G. das Kiseme Kreuz I. und n. Klasse, den Orden Pour le m<Srite» den Rothen Adler- orden II. Klasse mit dem Stern und den Badischen Militair -Verdienstorden heimbrachte, erhielt er am 3. Juni 1871 die 29. Division des Badischen Armee- corps in Freiburg im Breisgau. Am 8. M.irz 1873 wurde er zum Komman- danten von Metz ernannt, legte diese Stellung aber bereits am 11. Uklober d. J. nieder, hauptsächlich wohl in Folge persönlicher Reibungen, die seiner lliätigkeit dort in den Weg traten. Nachdem er unter Ernennung zum General derlnf. i * ie zur Disposition gestellt war, lebte G, in Freiburg i. B., und widmete sich dort den .st;idtis< lien Angelegenheiten mit solchem Eifer \\rtf\ Verständnisse, dass ihn die St.uli im Jahre 1892 zu ihrem Ehrenbürger w.ihlic. Auch für die Kriegervereine bewies G. ein lebhaftes Interesse; einer Anregung des Kaisers Wilhelm I. entsprechend, machte er den Versuch, die sänmitUdhen deutschen Kriegervereine zu einem einhddichen Garnen zu.

a7*

Digitized by Google

41 8

hcrzo,L''in \'::

I. starb ;.n< crw£lbni'!i

-t.,u<:rqr. Merten».

. iidie Streben fehl. Ein Feldherr war G •:äer und handdiider Offider von rittafiditf •lulitairische Encheiniing and nm edit ciuii:-

Hermann Granier.

II'

(t^7- ^ ili^lich Preufisischer Generalfiemeowi^ geboret

\' * .Lm>üorf in Pommern, gestorben 7a. Tr^'^uar iSc

Marz 1832 beim 4. Infanterie- Rtj.:rriv:ite (1icu:l . lUAiicr- Regiment No. 4) in Uatmg em and wurde vi^Lieutenant Von 1840 ab BataQlons-Adjutauit, wuid«; ^ .«er- Lieutenant» 22. Juni 1852 zum Hanptmann be> September d. J. Compagniechef. 23, November 185S . ukI Hataillons-Rommandeur zum 13. Landv. ehr-Regimemc 1 Westfalen versetzt, i. Juli 1860 bei der Retjrganlsation ..^.aUort formirie F'üsilier-liaiaillüu des 5. WesUaiischen ln£an- "^^o 53' '7* Män 1863 zum Oberstlieutenant befördert, Spitze seiner Füsiliere rühmlichen AntheÜ an den Kämi>feri . ^K>>.\ Schmid im Feldziigc vnn 1864, bei Düppel und auf Aben. .> wurde er zum Kommandeur des 4. Ostpreussischen Gren idie'- V \v>. 5 in Danzig ernannt und am 8. Jum d. J. zum Obersten wt- .11 tcklzuge von i866 kam er nur bei Trautenau (27. Junij in> ^ « ivim Kriegsausbrudie 1870 wurde er unter Belbrderung zum General- luli) zum Kommandeur der 3. Infanterie»Brigade (4. und 44. Re- it i>anzig ernannt, mit der er am 14. August hei Colombe\ -Nott'?'' \;nhehste focht. Fast 1000 Mann verlor die lirigade an diesem Tage. ' »vi Noisseville am 31. August und i. September lag seiner Brigade wiiivr Kampf ob: über 800 Mann Hess sie auf dem Platze. Während SMKM'hliessung von Metz erkrankte M., und konnte sein Kommando erst \^ ni U l feidzuge gegen die französische Nordarmee wieder Übernehmen. In ,.n lietfi-n hei Tertry -Poenilly (westlich von St. Quentin), am iS. Januar X i. wurtie er als F'ulircr einer kombinirten Division des 1. Cori»s schwer vs,*wnUct. Mit dem Eisernen Rreuic I. und 11. Klasse und dem Orden Pour ^ iMvrit« geschmückt» kehrte er aus dem Feldzuge heim» wurde am 3. No- ^^mticr 187 1 zum Kommandanten von Danzig ernannt und 18. Januar 1875 juv ("lenerallieuleiiant befordert. Am 14. Aii-u.st 1875 nahm er den Al>- Ined, am 9. Oktober d. J. wurde er zur Disposition gestellt. Bei den zähen K vmpfen des Ostpreussischen Armeecorps vor Metz wird M.'s Name stets mit tUtcn genannt werden.

Berlin. Hermann Granier.

Mertens, Friedrich von, Königlich Preussischer Generallieutenant, geboren 13. Mftrz 1808 zu Kottbus, gestört^ 8. April 1896 zu Pfaffisndorf bei Koblou. M. studirte erst 2 Jahre lang das Baufach, trat dami aber i* Oktober iSzS

Kinjährig-Frciwilliger bei der Garde-Pionier-Abtheilung in Berlin zur Mi- hlttirlaufbahn über, wurde 21. August 1820 Portepee-Fähnnrh, 28. Derember »H^o Rekond-I ieutenant, ? 8. Marz 1844 Premier-Lieutenant im Ingeiiieurcorps. VV.tluciid dieser Zeil WiU er zum Fortifikationsdienste in Posen, Spai^dau uud Wittenberg kommandirt. 39. Jimi 1849 wurde er Adjutant der a. Pionier* liiHpektion in Glogau, 27. März 1848 Kompagnieflihrer bei der 3. Pionier- Abtheilung in Ma^eburg» am i. Juli 1848 Himptmann und Kompagniechet.

Digitized by Google

la tlen Jahren 1849 185^ war er bei den Foriilikationen in Neisse und in Sftandao tbätig; in Spandau wurde er 23. December 1852 i . Ingenieur-Officier vom FlatE. i. November 1856 wurde er nun Major, 18. Oktober 1861 zum

Obcrstlicutenant befördert; am 30. November 1861 %v !i er auf 5 Monate ri^T TclcgTaphen-Direktion in Berlin Icommmdirt. Bis Anfang 1S63 Mitglied t'tcr Kommission zm Befestigiuig der Ktisten des deutschen Bundesgebietes, Vi. urde M. 10. Januar 1863 Inspekteur der 6. Festungs-Inspektion in Köln; fun X 7. MMrz d. J. wurde ar Oberst, am 5. August geadelt. So war M. in den naonigiachsten Stellungen des Ihgcnieurfiidies bewährt und mit dem Dienste nach jeder Richtung hin vertraut, als er im deutsch-dltnischen Kriege von 1864 zuerst zu kriegerischer Thätigkcit gelangte. Als i. Ingenieur-Officier beiiii Oberkouimando der alliirten i»reussisch- österreichischen Armee, leitete ti die Besdbiessung von Fredericia {2o./2i. Marz), die allerdings erfolglos blieb, dann aber die Belagerung der Düppeler Schanzen, die, sobald nur da- mit £mst gemacht wurde, durchaus von Erfolg begleitet war. »Oberst Mer« lens hat die Sache energisch und gut angefasst« berichtete der Generalstabs- chef des Corps vor Düppel, Oberst von Blumenthal, an den General \ . Moltke. Auch an dem Uebergnnge nach Alsen .21). Juni) nahm M. Theil; Neine Lei- stungen wurden mit dem Kriegsorden Pour le nicrite belohnt. Nach dem Frieden wurde M, am ss. August 1865 zum Gouvernement von Schleswig kommandirt,. um die Befestigungen von Sonderburg auf Alsen und die des Kieler Hafens zu leiten. Am 12. September 1865 wurde M. Inspekteur der 3. Pionier- Inspektion m Koblenz, zugleich aber Hafenkommandant von Kiel. Im Feldzuge von 1866, wo die Ingenieure kein Feld der Thatigkeit fanden, wurde M. mit der provisorischen Befestigung von Dresden betraut; am 30. Olctober d. J. wurde er zum Generalmajor befördert. 4. Mai 1867 wurde er zum Kommandanten von Mainz ernatnu, am 3. Oktober d. J. aber als Inspekteur zur 3. Ingenieur -Tnsjjektion ehendort ven;etzt. Seine militairische Laufljahn schien geendet; am 6. Juni 1868 schied er aus dem aktiven T>ienstc. Da rief ihn der Ausbruch des Krieges von 1870 wieder zu den Fahnen, er wurde zuerst (18. Juli) zum Kommandanten v<m Magdeburg bestimmt, bald (14. August) aber ins Feld berufen, tun als Ingenieur en chef die Bdagerung von Strassburg zu leiten. Ifier betonte M. von vom herein die Notliwendig- keit, zur förmlirhen Belagerung zu schreiten; doch entschied sich der koni- mandirende General, v. Werder, um die Kiuseheichmg mögliehst bald zu er- zwingen, für den Bombardements -Versuch, dem das gewünschte Resultat versagt Uieb. Die Belagerung wurde nun mit der grössten Umsicht und Energie dordigefllhr^ musterhaft waren die Anordnungen, bewunderungswerth die Ausführung; noch 7 Tage firflher, als M. berechnet hatte, wurde der ent- sagungsvollen Kriegsarbeit, an der M. wohl den entscheidendsten Anthcil hiitc, ihr l.(jhn: Strassburg capituiirte 12 7 . September"*, noch ehe die Hresclie gangbar war. M. wurde zum Kommandanten der eroberten Festung ernannt, und leitete deren fortifikatorische Armirung bis er am 11. November 1870 zum Belagerungscorps vor Beifort berufen wurde. Der grossen natürlichen Stärke dieser Bergfestung gegenüber konnten die nur allmählig wachsenden Bclage- rungsmittel ein rasches Resultat nicht erzielen; doch erlagen die beiden Haupt-Forts, Des Hautes Perches und Des Basses Perches am 8. Februar 1871 der Kunst des preussischen Ingenieurs, dem namenUich die felsige Boden- beschaffenheit die erheblichsten Schwierigkeiten in den Weg gelegt hatte. Dadurch war der Fall Bdforts bedingt: am 18. Februar capituiirte die Festung,

Digitized by Google

Merten». StoKtu

v.i -UiCii Abzug ehrenvoll crk.aiii|>ft hatte. Bereite air. \i. .'Ulli Ucnerallieutenant befördot «orden, das Ettcme V .i«iäc» ^owie das Eichenlaub zum Pcmt 1e mtfrite bezeugten . , Iwit .stfiMS Kriegsherrn. Nachdem M. noch die Retablistt-

' '""^ Belfort pcleitct hatte, trat er am 25. Mnrz 187 1 i" » ^ ,: t »i>|M'>!ti"ii /uruck. und lebte seitrlerr» !m w ohl\ erdk^ntcii V . \i. > Njtuie wird mit Düppel, Strii^hhurj^ uika ÜelJ'ort immci \xt-

■t. Hermann Granier.

Nu*.'k<^> Albrccht von, Köni).ili( h Prciissisrher CVeneni? der Infnnterie unri ^lIkux'U 24. April iSi<S zu Koblenz als Sohn des <.ienerailieiitenaTit> .. ^wu St., gestorben 29. Februar 1896 zu Oestrich im Rheingau, t . Kodetfeencorps kam St. la. August 1835 als Sekond-Iieutenan:

'^i, hi&mleric-Regimente (heute 3. Rheinisches) ni Kobleni, war vm j tH4» rur Allgemeinen Kriegssrhnle (Kricgsacademie^ kommanrlirt, Junt . . , , \ \ ein Jahr znr Garde-Artilkrie-Hrigade, 1844 1847 zum topogr.i- 1 ^ Hureau des (icneralstabes, wurde 24. Oktober 1848 Adjiitarit dti i 1 .mdwehr-Brigade in Trier und 23. Juni 1849 /um Premier-Lieutenant l>e- Hiiik'tC« 29. Januar 1S52 wurde er Adjutant der 16. Division in Trier und iiu i2. Juni d. J. Hauptmann. Im Juli 1855 wurde er Kompaniefilhrer uu S. kombiniiioii Reserve-Bataillon in Koblenz, 18. Juli iS;5 hIut zum ^ .k.M\rralstabe versetzt, wo er 22. Aiiril 1856 /um Major, i. jali 1S60 zum S M»crsliieutenant, 18. Oktober 1861 zum Obersten aufstieg. Ais CieneraisUii*s- i>nu icr war er dem Vm., V. und IV. Armeeoorps zugctheOt. Im Feld»i|:( 1866 wurde St. am 15. Juni sum Generalmajor befördert und sum Ober- (,>uarticrmeistcr der Tl. Armee, der des Kronprinzen xon T'retissen, onannt; seine Ver(liensre wurden mit dem Orden Pom' le murrte belohnt. N'.irh dem Frietlcns- hchlu.sse wunle er 27. Sei)tember zum KrKT^smnnstei ium kommandin und am 18. Dccember d. J. zum Chef des Militär- Oekonomie- Departements ernannt. Beim Kriegsausbruche 1870 wurde St. unter Befttrdcfung zum GenefsJ- lieutenant (s6. Juli) zum General-Intendanten der Armee eniannt, eine Stellung von der grö.ssten Verantwordichkeit, die er aber mit höchster Auszeichnung bekleidete. -\ns Versailles wurde St. am 26. November als Chef des Stabes zvir Annec-Al>theihuiu des (in>ssherzogs von Mecklenburg an die 1 oir*,- ent- sandt, so schwer er auch hier üu entbehren war; dort aber lagen die Dinge SO, dass ein energisches Eingreifen nöthig war, wozu St. mit seiner Umsidit und Tbatkraft, auch durch seine hervoitagende Stellung, und namentlich durch sein Vertrautsein mit den Anschauungen Moltkes, das jede besondere Instruktion rrs])arte, wie kein anderer geeignet war. Seine hervorragende Befiihi^uug bewahrte St. hier vor dem Feinde aufs glänzendste: das Haupt- quartier musste von ihm erst eigentlich forrairt werden, imi den ftir das Ge- deihen der Operationen so nöthigen glatten Geschäftsgang zu ermöglichen, dann aber kam ein neuer Zug in die Kriegführung, und als er nach den glorreichen Tagen von Orl<fans und Beaugency sich bei Moltke in Versailles zurückmeldete, da ^ab ihm dieser das glänzendste Zeugniss m den schlichten Worten: »Wir haben hier überall Ihre starke Hand gespurt«. Sc's Haupt- verdienst ist woU darin su eiblicken, dass er die Annee-AbUie0ung cur Offensive in der entscheidenden Kichtung auf Orleans endlich fortitsSy und damit die taktischen Erfolge zeitigte^ die der Giosshenog stets enefant hatte;

Digitized by Google

Stotdi* Fib«r.

423

Bis ziim 19. Decembcr währte diese Feldthätigkeit, dann übernahm St. u ieder seine Funktionen im Grossen Hauptcjuartiere. Nach Beendigung des Krieges wurde St. im Juli 1871 nls Chef des Stabes der Okkupations-Armee unter GenöraJ von Manteuftel zugetheilt, am 26. Oktober 1871 aber zur Disposition des Kriegs- und Marine -Ministers von Roon gestellt, woraus ihm am 31. December cL J. seine Ernennung xum Chef dier Admiralität, 7.um Staatsminister und Bevolfai^ditigten beim Bundesrathe und Mil^gliede des Ausschusses fiir das Seewesen erwuchs. Auch auf diesem neuen CTe- hietc leistete St. Hervorragendes von bleibender Bedeutung ; an Vorein- genommenheit gegen den zum Seemanne gestempelten »bifanteristen« fehlte es nicht, obwohl auf der Hand liegt, dass die deutsche Marine damals eben noch keinen Seeoffider besass, der tat leitenden Stelle bitte be- rufen werden können. »In kaum zn hoffender Weise« förderte St. in elf- jähriger Thätipkeit -«die Entwicklung der jungen Marine" , und leistete »in ihr in der Tliat l'nuewöhnliche«; ^ wie ihm »las sein dankbarer König am 20. Marz 18Ö3 bei seinem Scheiden aus dem aktiven Dienste aussprach. St. war währenddem am 33. IfiUz 1875 zum General der bifimterie befördert und am 32. September d. J. mit dem Range als Admifal k la suite des See- bataillons gestellt worden; auch der hohv Orden vom Sdiwanen Adler ward ihm /u Thcil. Aurli im Rullestande, den er auf seinem Gute Oestrich im Rheingau verlebte wurde St. in den Listen der Marine h la suite des Seebataillons fortgeführt und er feierte am 12. August 1895 sein 60. jähriges Diens^ubiläum. St. ist unter die bedeutendsten Persdn> lichkeiten aus der Zeit der NeugrOndung des Deutschen Reiches zu zählen. Mit aussergewöhnlicher Arbeitskraft und Arbeitslust verband er eine be- wunderungswürdige Vielseitigkeit, die Fähigkeit, sich in neue Gebiete rasch hineinzuarbeiten und das einmal für Richtig erkannte mit Energie durch- zuführen. Seiner imponirenden Erscheinung entsprach seine eiserne Con- stittttton, der Ermfldung fremd war und die ihm noch im hohen Alter Geistesfrische und Thätigkeitslust bewahrte. Als Soldat» als Verwaltungs- beamter und als Organisator hat St* Grosses und Dauenides geleistet und geschaffen.

Berlin. Hermann Granier.

Faber, Freiherr Lothar von, geboren 13. Juni 181 zu Stein bei Nürn- berg, gestorben 26. Juli 1896 ebendaselbst wird immer genannt werden nicht

nur im goldenen Buche der Weli-TTandelsheeren, in welchem ihm eine hcr- vorrapende Stelle gebiihri, s(jmlern auch als grosse und bedeutende Persön- lichkeit, wenn die ganze Summe seines Wirkens und Schaffens zusammenge- fasst wird. YTahlsprüche für das Leben, wie oft bleiben sie nur sdiön tönende Worte, und wie selten spiegelt ein Lebensgang Ins zu seinem Ab- schlüsse sie in so ungetrübter Reinheit und Klarheit wieder, als es bei F. mit der von ihm gew.ihltcn, den ganzen Mann kennzeichnenden Devise: »Walirheit, Sittlichkeit, P'lciss der Fall wnr. Wie wnre es anders denkbar, dass er, dessen Urgrossvalei Kaspar taber die Fabrikation der nun weltbekannten und berflhmten Faberbleistifte als Besitzer eines kleinen Häus- chens und Gärtchens, zu Stein an der Rednitz gelegen, begann und bei einer Aufeeichnung des ganzen Besitzstandes fiir sich und seine Familie im Jahre 1781 ein Baarvermögen von 59 Gulden (!) aufführen konnte , dass er, dem sein Vater Georg Leonhard F., die Fabrik im Jahre 1839 ^ einem unerfreulichen

Digitized by Google

4»4

Fäbo^

Zf"* T'^''!, rr.ff einem Bestände von nur 20 Arbeitern und emctn Jahren vrivsAV I 2000 Ii. hinterliess, bei seinem Ableben Besitzer eines Weltetal)li*Äeiiieiirs. ct-;-- inehr als fürstlichen Vermögens, von Auszeichnungen und Ehren alkr ui>d hö<:r- fter Alt iem konnte? »Wahrheit, SittUdhkdt und Fldisc, ühnb beg€gr.«s wir auf Schritt tiiid Tritt, wenn wir F. auf setncm Wege von Uenst» Verhalt* nlssen, von enger Thalsohle bis zum höchsten, weit von der Sonae ("llfi'kes bestrahlten Gipfel begleiten. ?clb«itvcrst;ir,d!:rh rrtv^ hieb« seir-er hi^". fisrhaft nii'l 1 h ingkeit als HeaiLzer uivi Leiter der weitbekannten Bl^^i- Stiftfabrik A. VV. 1 .iLcr zu Stein in erster Reihe gedacht werden. E& wurcc •oeben schon angedeutet, wie «lansduiiicii nach BetriA and Umsaiz das «co dem Vater auf den Scrfui übergegangene Geschäft war. Zn den hicraiw scfkon sich ergebenden besonderen Schwierigkeiten kamen andere allgemein«^ nicht minder schwerwiegende und nachteilig wirkende Verh\ltTii>';c'. V n dem trau- ri^'en Ki'.flt r;;angc, m welchem s'u h ilie alte Rck h^iä<it Nur- i>erg bei ihrer Aufiialiiiic la das Königreich Bayern zu Anfang dc:> Jahrhuaiicrts befand, war auch ihr Handel und Gewerbe nicht verschont geblieben. Derselbe Ues noch Jahrzehnte später keinen Aufschwung erkennen; es war so weit gdcommen, dass der auf die Gewissenhaftigkeit und Strebsamkeit des Nürnberger Kau:- manns und fTewerbe^rtandes beprfindete, im besten Sinne gemeinte Spruch: »Nürnberger Tand gehl durch s ganze Laiul,« in das Gegenteil sich umkehru. dxiss Nürnberger Waare in den üblen Ruf schlechtester Bcschaffenheii immer tiefer geriet. Diese Schwierigkeiten za flberwinden, galt es die Wiedefau^* richtung strenger Re< htüicbkeit, die Herstellung von Waaren» die an Gäte und Preis mit den besten rlnmaliger Zeit in Wetil)c\verl» treten Vonnten, j,'aJ: es vor Allen die Wiederanknüpfung alter, die Anbidiinni^ neuer f?enehiTnwen mit den grossen Haiidelsstaaten, England, Frankreich, Holland, die Krweiit- ntng des Wiekes und der Kenntnisse durch eigene Besichtigung derselben, ihrer kommerriellen, maschineUen Einrichtungen u. s. w. Dies erkannt und hiemach mit zäher Entschiedenheit gehandelt su haben« ist höchstes und eip:enstes Verdienst F. 's, umsomelir, als ihm hiejru von Aussen eine Anrepiui^ naht zuging, drt er seine kaufmannrsrhe Auslnldung, wenn auch urimr!Jf<h, doch nur in Nürnberg empfing. Um dieses Verdienst seiner vollen Bedeuiua^ nach XU würdigen, darf nicht vergessen werden, dass vor dem Jahre 1S39 bei den Bestrebungen, von welchen F. geleitet wurde, ganz andere Hinder- nisse im Wege lagen und zu Uberwinden waren, als heutzutage. Heute, tla Deutschland geeinigt ebenbürtig tmter den Wellhandelsstaaten steht und zahlt, da die Worte "Made in Germany« eine immer ^r()>scre iiedeutung auf dem WcUmaiklc gcwiaaca, ist es ja ganz natürlich, dass der deutsche Kaufmann und Fabrikant den Blick in das Weite gerichtet hat. Danuüs aber, ab Deutschland kaum mehr als ein leerer Begriff war, der deutsche Kaufinann im Auslande sich in der unterwürfigen Rolle eines SchtÜcrs gefallen musste, der kaum weniger nls' Alles erst noch erlernen hatte damals gehörte etwas «»an/ Anderes als jetzt dazu, um duith/ufuhicn, was F. sich zum Ziele gesetzt h ute. Natli grösseren und längeren Reisen im Auslande, mit Verwertung der hicbei er- worbenen Kenntnisse für die eigene, nunmehr übernommene Fabrik gelang CR F. imnu r mehr, den Ruf seiner Erzeugnisse zu verbreiten und ein grosses Handelsgebiet nach dem andeien fin deren Absatz zu erobern, fest an dem Grnnr|sat7e haltend, diesellien für Kunst, S( hii!c, Geschäftszimmer und Tiuis gleit h gut und zu so niedrigen Preisen lierzustellen, als es mit der Taiicl- lüsigkcit des Produktes niur immer zu vereinen war. Zweckmässige, dem

Digitized by Google

l*'abcr.

immennehr zunehmenden AbsaUe entsprechende Vergrösserungen und Ver- besserungen der Fabrikeinricbtungen im Vereine mit einem wachsenden Stamme geschulter ttichtiger Beamten und Arbeiter setzten die Firma F. bald in den Stand, der einheimischen und auswärtigen ConciuTenz den Rang abzuge- winnen.

Auch der englischen gegenüber, welche durch die Ausbeute der berühm- ten Cumberland-Graphitgrube zu Borrowdale bislang noch eine Ausnahm»* Stellung behauptete, trat für die deutsche Industrie die günstige Entscheidung ein, als es Dank der uncrmiidÜchcn langjährigen Thätigkeit des Kaufmanns JohriTin Pctcr Alibcrt von Tabasthus (Sibinen"^ gelang, auf der Höhe des Feisengebirges Batougol wesüich von IrkuLsk ein uneri»chopfliches Lager besten, dem Cumberlandgrapiiit glddtwertigen reinen Graphites aulzudecken und im Jahre 1856 zwischen ihm und der Firma F. der yon der russischen Regierung genehmigte Vertrag zu Stande kam, welcher die Firma in den Alleinbesitz alles aus dieser Grube kommenden Graphites setzte. Ks w(irde /ai weil filhren, wenn wir hier alle für die Entwicklung der l abrik von F. bis zu ihrer jetzi- gcn, den Weltmarkt beherrschenden Höhe bedeutsamen einzelnen Momente und Ereignisse aufflihren wollten. Es mag in dieser Beziehung auf die auch hier vielfiudi bentttzte, anlässlich der Wiener WeltaussteDimg 1873 von der Firma in Druck gegebene Skizze der Fabrik verwiesen und sich hier auf die F>wähnung beschränkt werden, dass Anfang der f[inf/iger Jahre ein Filialhaus f\er Firma in New- York unter l.ciiung des jüngsten lirvulcrs Eberhard F., nicht lange daiaul em solches zu Faris errichtet, im Jahre 1877 ein grosses Geschäftshaus zu Berlin im Jahre 1 881 in Noiry le See. bei Paris eine eigene Fabrik zur Herstdiung von Tinten, Farben und Tuschen erbaut, dass ferner im Jahre 1861 zu Geroldsgrün in Oberfranken die Schiefertafelfabrik in Betrieb gesetzt wnrdc, wclrlie, wenn s'u h um h ihre Thätigkeit auf die Verarbeitung des tloriigen, in riesigen Mengen zu Tage kommenden Schiefers in allen Formen und zu den verschiedensten Zwecken erstreckt, doch zumeist die Herstellung yorzUglicher Schiefertafeln betreibt, damit dem Handel in diesem bei aller Unscheinbarkeit so wichtigen Gegenstand einen ungeahnten Aufschwung verlieli und zum Segen fiir die dortige, früher zur Erlangung kärglichsten Lehensunicrhaltcs baupisiu hlii h auf mühselige Waldlohnarbcit an- gewiesene Bevölkerung wurde. Nicht minder müssen wir es uns versagen, auch nur die bedeutendsten der Finna F. fUr ihre Leistungen im Laufe der Jahre in grösster Zahl zu Teil gewordenen Auszeichnungen, Främiirungen u. s. w. auf- zuführen. — Es wird l>ei einem Manne wie F. Niemand Wunder nehmen, dass derselbe der Verpflic hiungcn gegen Diejenigen, weit he ihm seine aussergewöhn- li< hcn l-'rfolge milerringen halfen, insbesondere die Arbeiter seiner F.ibrik, stets eingedenk blieb- Die Errichtung von guten Arbeiterwohnungen, einer KJein- kinderbewaluanstalt, die Neuorganisation des den gesteigerten Bedürfiiissen idchfc mehr entsprechenden Schulwesens» die Crründung einer Arbeitersparkasse, die Anlage eines Schulgartens mit dem Zwecke, ebeittO der Erholung, als auch der Erlangung naturwissensrhaftlirher Kenntnisse zu dienen, die Errichtung eines Arbciterconsumvcreins, die St iKittung von Fabrikstatuten, weiche sich das gute sittliche Verhallen der Arbeiter vor Allem angelegen sein hessen alle diese Unternehmungen schufen den Arbeitern möglichst günstige Lebensbedingungen und vereinigten ihre Interessen mit denjenigen der Firma, die auch die ge» s^elligen Annehmlichkeiten den Arbeitern nach Kräften und mit dem schönen Erfolge zu vermehren wusste, derart, dass Fabrikleitung und Arbeiter gleich-

Digitized by Google

426

tsiu sidi ZV €tner f^Fotutn Familie gebfing ftUtm, wo/von dSt bei bciowicff p

Anlassen vcramtaJteten kleineren und grösseren Arbeiterfcsie 5prrcl>eT>d^ Zeugnis pal>en. So häufig solche Anlasse bei einer Firma sieb erget*?^. d:-. «m nur Einzelnes hcr\orzuheben, im Stande war, 1R86 das Gedächtnis i'*:r-,^ 125jährigen Bestehens, 1889 das 50jährige Geschäfi^ubiläum rhres InKil-er* m feiern« so zahlreich und aussergewöhnlich waren die Ehnmgeii, vdcbe «i?: Person des Fabrikberrn

gem im Laufe der Jahre zugeteilt winden. Im Jahre 1S57 erhich F. de*i

königl. bayer. ^'•-Trh'enst-Orden I. Classe vom heiligen Michael, 1S62 der. ir ' H^m jHrrsönlichen Adel verbundenen Civil Verdienstorden der königi. baver. kröne, 1865 den Civil Verdienstorden der königL vurnaobergbcben Kxcuc. im gleichen Jahn wurde CT sum lebenaläi^idieii Reidunie dar Knme Baycm« ernannt, im Jahre 18S1 erfolgte seine Eriiebmig in den erUidhen FieilK.ii. - stand, iSSa die Verleihung des Komfbiiitieuzes des Vcrdiemiofdego^ rem heiligen Michael, i88c *!i zum erblichen Reichsrate der Krore

Bayerns. Von weiteren ihm veriiehcnen Auszeichnungen sei die im Jahre 1867 erfolgte Verleihung des Ordens der französischen Ehrcnlegioo genanr/>. Die Stadt Nürnberg ehrte F. und sidit indem sie ihm anliasGdi da Fder des toojähfigen Bestehens der Fabrik (1861) das Ehfenbflfgcnccht verlidi. Nicht unerwähnt soll endlich bleil>en, weil es eine ganz ungewöhnliche Aner- V**nnMng des Wirkens F. fir die HeVa^nq' «j^^th'chen ur ! n. iteriellen Wohle-^ der Arbeiter enthält, d <h<: durch Dekret vom 9. Jurti i S'-O r'i Paris nieder- gesetzte Kommission zur Ausicichnmig der Verdienste 1 intellckiu- dle Entwicklung tmd leibliches WoU der Arbeitskräfte im Gebiete der In- dustrie, wie der Agrikultur durch ihr Preisgericht F. >ehrenvo!le Er»-ähming- zuerkannle. Seine Kinberufung in die Kammer der Reichsrate gab ilim willkommene r,c!''^enhcit, seinen weitausholenden ArT^rha'.jt.nfrcn ~i\:f dem Gc- biete der .«»uz-iaka ( iesetzgcbung, bei Beratung der (itftuciiiwurk; uLer Heimnt. Aufenthalt, Verehelichung, Krwerbsgenossenschaften, Gemeindewesen etc. im Sinne der Rechte des Einaebien sowohl, als der freiheitfichen Entwicklun;; im Ganzen zur Geltung zu bringen. Insbesondere war es der im Jahre 1S68 eingebrachte Entwurf zur gc«;ct/H< bt.11 N'curcgelung des Ce werbe we^ens in i^.iycrii, bczichttnirswci'sc das von ihm zur Grundlage genia< htc }'r:;iztp der ficwerbcircilicit, welches an F. den warnu>ten und entschiedensten Vertreter fand und als die unerlässltche Bedingung bezeichnet wurde, auch dem Ge- werbe das Gedeihen su bringen» welches die Industrie in der ihr bereits ge- glhinten freieren Bewegung gefunden hatte. Die Annahme dieses durch die spätere Keirltsjrcsetj'jrrhtin^ ersetzten, nirht fi!)ertri)ffenon Gesetze«; .ircretr?:te F. zur ^iiosstrii iJelriedi^iin;: , wie andererseits nirht minder m lehiutt'restcm Be- dauern, dass auf anderem Gebiete, dem des Voiksunlerncluci und Schul- wesens ~ es nicht gelang, einen Geseteentwuif duichsubfingen, der nebr als die bestehenden Bestimmungen den Anschauungen Rechnung getragen hätte, welche F. mit den Besten seiner Zeit teilte, dass nur Bildung den Menschen wahrhaft frei mnrht, d:i<^^ die Me/udiebkeir der Erwerbung derselben in immer weiteren Kreisen rias beste Mmel /ur friedlichen l.cjsunu der so/i.Jen Frage ist und gute Schulen am meisten da/u beitragen, die Krfolge der In- dustrie fllr die gesammte Volkswirtschaft zu dauernden zu machen. Konnte F. auch gesetzgeberisch in diesem Sinne nicht lange thätig seien, da ihn die immer mehr sich häufenden Geschäftslasten veranlassten, um Entbindung von der Würde des Reichsrates nachzusuchen, welche ihm 1869 unter Bezeigoog

Digitized by Google

Faber.

437

kunigUcher Huld bewilligt wurde, so fand er doch bald Veranlassung und Gelegenheit, seine hchea Ideen Aber den Wert der Unterrichtung auf gc- verbliclieni Gebiete, den ungemeinen Nutzen, den die eigiene Anschauung der besten Erzeugnisse, Vorbilder, Maschinen u. s. w. gewährt, bei der Begrfin-

Hrmf^ des bayerischen Gewerbe-Museums zu Nürnborf;, die srinem und dem i >\>t"errnute seines gleich^esinnten grossen Nürnberger Industricilen, Keirhi^rat Freiherr von Cramer-Klett, hauptsächlich zu verdanken ist, Geltung zu ver- schaflen. Nach dem Mnster der grossen Museen dieser Art in England, Fratilcreich soU das bayerisdie Gewerbemuseum den Fortschritt des Gewerbes» insbesondere durch Aneiferung zur Veredehing und Verschönerung seiner Er- zeugnisse üirdcrn und stntutenpemriss als Mittel hiezu hauptsächlich benützen stänclific K unst|;ewerbesaTTnnlungen, permanente Ausstellung neuer ( lej^enstande, temporäre Ausstellungen von Kunstgewerbe- und Induslrieerzeugiiissen, \V«uider- ausst^ungen, Fachbibliothele, &dbmlinnische Vorträge, Auskunftserteilungen und Herausgabe eines eigenen Organes. Es ist unvergessitches Verdienst F.'s, dass er im Verein mit wenigen getreuen Helfern vor keinem der Gründung einer solchen Anstalt sich entgegenstellenden Hindernisse darunter nicht <las geringste dius Hereinbrechen des grossen Krieges 1870/71 zurii( k- schreckte und so die Errichtung der Anstalt in Nürnberg, als dem einzigen hiefÜT geeigneten Platze zu Stande kam. F. hatte die Genugthutmg, sich von der g^eihlichen Kntw irlselung und dem gehofften, segensreichen Wirken der Anstnlt filr Industrie und Gewerbe noch seI1)st (iberzeugen zu können, wenn es ibni auch nicht mehr vergönnt war, zu erleben, dass dieselbe, wck he jaht- /.ehnte hindurch an dem Mangel eines passenden, eigenen Heimes krankte, im Jahre 1897 endlich ein solches beziehen konnte, das allen Anforderungen auf hmge Zeiten genügen dttrfte. Ein weiteres Verdienst erwarb sich F. nicht nur ftir Handel, Gewerbe und Industrie, sondern für die Hebung imd Untcrstiitztnig des Kredites im Allgemeinen durch die im Ji^hre 1871 erfolgte Miturundun^ der Vereinsbank /u Nilrni)erg, welche in ihren beiden Haupt- sparten als Bank- und Bodenkreditanstalt zu hoher Bedeutung gelangte und der F. bis zu seinem Tode ab Vorsitiender des Aufinchtsrates angehärte. Dieselbe Stelle bekleidete er auch vom Jahre 1884 an in der unter seiner Mitwirkung in diesem Jahre ins Leben gerufenen Nürnberger Lebens- und Unfnllversicherun{^sbnnk, f leren Statuten, insofern sie höhere Gesichtspunkte als ül)li( h erkennen lassen, j^leichfaJls ihm zumeist ihre Fasstmg verdanken. Auch auf land- und forstwirtschaftlichem Ciebicie begegnet uns F. mit seinem Schafien in Gestalt der Anlage einer landwirtschaftlichen Musterwirtschaft in Unterweibensbuch, der (iründung des landwirtschaftlichen Vereins daselbst, dem gute Anwartschaft auf den gewünschten Erfolg gebenden Versuch der rcbcrtragung der Produktion des für flie lUeistift-Industrie so wichtigen Roh- siütfes, des Cedernholzcs, auf heimischen H<i(len durch Anpflanzung des Flo- ridacedernholzbaumes in grossem Style /u Stein und Unterweihersbuch. Wahrlich em Leben so überreich an Thaten und Erfolgen, wie es nur Wenigen beschieden. Und als es F. auch nadi Jahre langen heissen K u >fen gelungen war, den unlauteren Wettbewerb zu Tlndcn zw schlagen, der durch Lug und Trug auf den gewundensten Wegen in jeder nvn- denkbaren Weise die Früchte seines Fleisses, den Ruf des Namens und der l^irma F. an sich zu reissen versuchte, da schien er wohl Allen zu den wenig Auserlesenen zu gehören, auf welche das Leben nur das schönste und beste aus seinem FOll- hom eigiesst. Aber auch F. sollte es nicht erspart bleiben, die schwere

I

Digitized by Google

428

Pabcr. Sohadenbcfx.

Hand des Schicksales an anderer Stelle zu empfinden. Seit dem cnmi Aujrust 1847 "^'^ Ottilie Richter, Tochter des Appellationsgerich ts.i<sessor«i Frieilrich Richter in Ki< hstätt in glücklichster Khe verbunden, w urcie die schöne Häuslichkeit, die er an der Seite der mit aller Fraueniugend ausge- statteten Gattin genoss, duidi die Gd>urt eines Sohnes (Willielm), des cbuigen Kindes, welches sie ihm sdienkte, verschont und gdkrOnt. Diesem reicii be- gabten Sohne Hess F. die sorgfältigste Bildung und firzidiung angedeihen und erlangte auch bald die freudige Ueberzeugung, dass sie die Fijrcnschaften sicher imd voll zur Reife bringen werde, itm ihn als künftiges Haupt dcf Weithauses F. in die Loge zu setzen, dasselbe auf seiner Höbe zu erhalten. Als nun der Ehe, wdche Wilhebn F. am a. Oktober 1876 mit der ebenso anmutsvollen als feingebildeten Tochter des eben schon genannten Vaters- Bruders Eberhard F. von New- York schloss, ein Kranz von lieblichen Kindern. 7\vei Söhnen \m<\ drei Törbtern erblühte, da s( liien das Haus F. auf festesten Fels gegründet. Doch unerbittlirh raubte der Tod dem jvin^en l'aare zuer^-i den alteren, dann auch den jüngeren Sohn beide noch im zartesten Kindesalter und zerstörte die Hoffnungen, die auf sie gebaut waren und welchen F. im Jahre 18S7 durch Errichtung eines auft Reichste dotirten Fideikom- misses Ausdruck gegeben hatte. Der schwerste Schlag aber traf ihn durch den plötzlich und unerwartet, während F. selbst ferne der Heimat war, ein- tretenden Tod seines Sohnes Wilhelm von 30. Juni 1893, womit der letzte männliche Krbe seines Namens, seines grossen Besitzes dahinschied. Wenn auch die zärtliche Liebe^ die unermttdliche Sorge der Gattin, der Schwiegertochter und sich hold entfidtenden Enkelinnen Alles aufbot, den Schmerz über diesen Verlust zu lindem, und wenn auch F. na< ]i seinera äusseren Verhalten fliefse Bemühungen zu lohnen schien der Stamm war in der Wur/.el getroften und nicht mehr kräftig genug, dem schweren kör]><^r- Uchen Leiden, welches ihn, der bis dahin das eine imd andere Gebreste immer wieder Überwunden hatte, im Jahre 1895 ttberiiel, siegreichen Wiederstand ztt leisten am 26. Juli 1896 erlag er und schloss die Augen fiir immer Seine Beiset/unir in der 1- aniibcngruft zu Stein, an der ni< ht Stein, nicht Nümbt r;: allein, an der das ganze Land sich beteiligte, gal) Zeugnis von der Bedeutung und Grösse des Mannes, dem sie galt, der Verehrimg und Liebe, die er, dem alle Erfolge, alle Auszeichnungen nicht die sddldite und ruhige, bei allem Bewusstaein seines Wertes gewinnend bescheidene Art zu beein- trächtigen Termochten, bei Allen sich zu erwerben verstanden. Wenn jetzt sein Geburts-, sein Wohn- und sein Sterbeort Stein, der F. so viel dire' t (Frbannng einer neuen Kir< he, Stiftung zur Ausbildung von Söhnen Stein >t In ! Ortsangehörigen, zuerst Arbeiicrsöhne, ferner solche ziu: Selbstandigmachunjj junger Gewerbetreibender u. A.) wie indirekt verdankt, sidi rüstet, dem Verstorbenen ein würdiges Denkmal zu setzen, erfüllt er damit nur eine wahre Dankespflicht. Als Inschrift für dasselbe Hessen sich schönere und passendere Worte nicht finden, als: »Wahrheit, Sittlichkeit, Fleiss!«

Wunder.

Sehadenberg, Alexander» Dr., der berühmte Philippinen-Forscher, wurde

zu Breslau am 27. Juni (nicht: Mai) 1852 geboren und starb am 15, Januar in Capiz (Insel Panay). Er absolvierte das Magdalenen-Gymnasium und bezog die Universität seiner Vaterstadt, an welcher er tu den speciellen Zuhörern und bchlüern des berühmten Botanikers Goeppert gehörte. Mit 23 Jahrefl

Digitized by Google

SclMdenbei:^.

erhielt er die Stelle eines zweiten Dirigenten der vereinigte» chemischen Fa- briken zu Stassfiift^ welchen Posten er durdi drei Jaliie liiiidiitch bel^letdete. Es sog ihn aber in die Feme und swur waren es die PhiUpiiinen, die ihn mäd&tig anzogen. Er mnsste hier seine deittsdien Diplome erst durch ein

spanisches Stnntsexr^men notificircn lassen, was 1870 frcsrhnh. Zuerst ver- teilte er in Cebu, d.inn nahm er die Stelle eines ("heiuikcrs in dem welt- berühmten Hause Sariorius (Apotheke und Droguenc) m Manila ein, die ihm Gelegenheit gab, gute Verbindungen im Lande anxuknttpfen. Seine freie Zeit wandte er eduiographischen Fonchungen und xwar zunächst den Urbewoh- nem des Landes, den Negritos, zu, über welche er im J. 1880 eine Abhand- liinr; in der «Berliner Zeitschrift ftlr Ethnologie- veröffentlichte. Diese Schrift lenkte die allgemeine Aufmerksamkeit der Fachgeleluten auf S. und erweckte grosse Hoffnungen, die nicht täuschten, denn S. war ein fleissiger und ge- wissenhafter Forscher und von einem unennOdlichen Sammeleifer beseelt, der durch glückliche und swar nicht sutällige Funde reichliche Belohnung fiuid. Im J. 1S80 kehrte er nach Europa fiir kurze Zeit zurück, um dann im Ver- eine mit dem auf Cehi'j lebenden Detttsrhcn Dr. Koch einen Streifzug nach dem südiiclien und ostlichen Theile der liisel Mindanao zu unternehmen, welcher sowohl der £rd- und Länderkunde, als der Botanik und Sprach* Wissenschaft eine reichliche Ausbeute brachte (1881). Er erstieg sweimal den Vulcan Ap6, der bis dahin von niemandem erstiegen worden war. Kurs vorher hatten der französisi lie Forschun^sreisende Dr. Moninno und der spa- nische Provinz-Gouverneur Don Joaquin Kajal verixcbcns es \ ersucht, den Ciipfei dieses nach Ansicht der Eingebomen von cinern büsen Dämon beherrschten Vulcanes xu erklimmen. Schtfdelmessungen, eine Beschreibung der Bagobos und Samales, ein Vocabuhu- der Bagobo-Sprache, eine Karten* Skizze des Golfes von Ddvao waren das Ergebniss dieser Expedition. Von den Pflanjren, \vel< he S. auf dieser Reise entdeckte, sind zwei hier m erwähnen; die «^'rosste Blume der Welt (Rafflesia Schadenl)eruiana . GOEPPERr) und eine neue Myrthe, Glaphyria Annae, SIEIN, so be- nannt nach S.'s muthtger Frau Anna geb. Haendler. Als sich S. als sdbst* Ständiger Apotheker in Bigan, in Nord-Luzön, niederliess, betrachtete er diese seine Station als den Ausgangspunkt zahlreicher F^xpeditionen in das Innere jenes wilden Rcrplandes, auf welchen ihn auch seine unerschrockene Gemahlin bcgieilclt:. Eine der ergel)nissrei< hsten Züge unternahm er i. J. 1886, er durch- zog zunächst das Gebiet der 'ünguianen, Ubersdeg die Vorkelte der Gran Cordillera und besuchte zunächst die am Rio Saltan wohnenden Banaos, dann kam er bei Pagpagö über einen sooo m Pass über den Hauptstock der Cordillcrc in das (iebict der Ciuinaanen, deren Sprache ihn so interessirtc, dass er ein Vocabular derselben, das 700 Worte umfasste, anlcjite. Von hier aus kehrte er in einem Bogen über die Länder der Igonoten zurück. Später besudite er dann die Länder der Silfpanen, Kianganen, Bontok- Igorroten, Apayaosi die Resultate dieser Streifsttge legte er in dem von ihm und Dr. A. B. Meyer herausgegebenen vm. Bde. der Fublicationen des Kgl, Ethnogr. Museums zu Dresden und dann in dem von diesen beiden I'ors* hern in ficutscher wie spanisriier Ausgabe edirten AIIkuu von i'hih]iiMncn-"t'ypcn. Nordluzon« nieder, ausserdem verööentlichte er noch meluere ethnogr. Ab- handlungen über diese Völker auch in Zeitsdiriften, besonders in der Ber- liner Zeitschrift für Ethnologie. Er war inzwischen wieder in Europa ge* Wesen und ttbemahm dann mit Bote die Apotheke Sartorius in Manila. Hier

Digitized by Google

430

Schadenberg. MerkeL

entwkkdte er eine wahrhaft aufreibende ThStigkeitp denn iilr sein Gcschift arbeitete er mit unverdrossenem Fleiflse, dabei beniitzte er jede Cclggeahcit

Forschungszüge durch Ccntrallttzon und die anliegenden Tn>cln 7V. 'intemeh- men, um allerlei, vorwiegend ethno.irr;u>histhe, Objecte zu ^ammeln, so dass er eine prachtvolle philippinische buminlung zusammenbrachte, obwohl er anaserdem die ethnographischen Museen von Dresden» Berlin^ Wien und Lä> den, (wahrBcheinUch auch nodi andere) reichlich bedaciile. In der letzcen Zeit richtete er seine Aufmerksamkeit auf die groese^ aber nur an den Küsten bewohnte Insc! Mindoro. Hier lockten ihn rlie nur dem Namen nach be- kannten Manguianen, aber auch die J hier- und Pflanzenwelt, konnie doch S. von Mindoro endlich Skelete und Haitte jenes Thicres bringen, dessen Namen »Tamarao« zwar bekannt war, sonst nichts, so dasa nach den nnzaveiüasigen Beschreibungen der Eingebomen man nicht Moisste, in welche Qasse der Säugethiere man diesen Tamarao stellen sollte. S. hat nun diesen Zweifeln ein Ende bereitet, (rrossartip war auch die Entdeckung S.'s, dass die Man- guianen nicht nur eine eigene Schnft bcsa:»«»cn, sondern dass auch diese noch im Brauche sei. S. verschaffie sich derartige Schriftstücke und arbeitete nun im Vereine mit Dr. A. B. Meyer und Dr. W. Foy eine Abhandlung darüber aus, deren Erscheinen er nidit mehr erleben sollte. Seine ^ine schwollen an, er fühlte sich elend, dennoch wollte er sich nicht dani entschliessen, in Europa dur< h -»Auswinterung' den Körper wieder /u erfrischen, er wollte vorher noch einen Versuch machen, ob nicht durch Luftwechsel im Archipel selbst ihm geholfen werden konnte. So begab er sich nach der Insel Panay za dem mit ihm befreundeten Gouverneur, hier aber überraschte ihn ein plötzlicher Tod. Ehre seinem Andenken I

F. Blumentritt.

Merkel, Adol£. Einer der hervorragendsten, wenn nicht der hervorra- j^ndste CriminaliBt und Redit^hilosoph der Gegenwart. M. ürt am it. Ja- nuar 1856 zu Mainz als Sohn eines Oberappellationsratfaes geboren, erwarb

1858 in Glessen den Doctor-Grad der Rechte und habilitirte sich daselbst nach kurzer praktischer Thätigkeit 1S62 als Privatdocent auf Grund einer Arbeit »Zur Lehre voni fortt^e«?et/ten Verbrechen . i8(^>8 zum ausser« uiient- lichcn l^rofiessor in Gleesen ernannt, wurde er noch im gleichen Jahre aU ordentlicher Pnrfessw nadi Prag und 1872 nach Wien, als Nachfolger Glaser's, berufen. 1674 kehrte er in das Deutadie Reich, an die Univenttttt Stiass- burg zurück, woselbst er, alle weiteren Rufe ablehnend, bis zu seinem nach schweren [ eiden, in letzter Linie wohl in Folge Ueberanstrengung, am ;^o. Märr i8()6 ertoljz,ien lode verblieb. Von den wissenschafthchen Arbeiten M.'s waren bereits bahnbrechend seine 1867 erschienenen «Cnaiinal istischen Al>- handlungencc, deren I. Bd. die Ueberschrift »Zur Lehre von den Grundein* theilungen des Unrechts und seiner rechtiichen Folgen, auch als Prolegomena zur Lehre vom strafbaren Betrug« trägt, während der TL Bd. letztere Lehre selbst darstellt. Durch diese mustergiltigen Monogr f '^:een hat M. mit Ent- schiedenheit die Suahcchüjwissenschaft von dem Banne der Hcgerschen Phi- losophie losgelöst, deren aprioristische Deductionen bis dahin verhindert hatten, die Fundamente des Strafrechtes in emer dem positiven KecfatssCttf und den diesen zu Grunde liegenden Bedürfnissen entsprechenden Wci^ <;h einer dem Stoff :i(l;iquatcn Methode auf/ubauen. M.'s Forscliunjjcn /ei<-hncti sich hier wie m seinen späteren Scbiiiten vor Allem durch eine auf seincoi

Digitized by Google

Merkel.

43»

Arbeitsidde imenreichte Sicherheit der wissenschafdichen Fundirung und Vor- mtheilslosiglieit aus. Bei Darstellung der EinseUebren ist sein Blick ohne Vernachlässigung von Details stets auüT den Zusammenhang mit allgemeineren

Problemen gerichtet. Diese aber werden unter unübertrofTen allseitiger Wür- tii.m-iTiy des gesanimten RechtsstDtl'es sowohl nh auch der mannigfachen Fak- toren, die auf die Kechtsbildung Einfiuss nehmen, erörtert, Angesichts der diveiiginndeii» reladr berechtigten Anforderungen, die an die Gesetzgebung herantreten, lehnt es M. stets ab, von dieser die folgeriditige Durchführung eines Princips zu erwarten oder zu verlangen so folgerichtig er selbst auch in seinen Ausfühnmi^en ist. Durch seine ganze Geistesrirhtimg wurde M. ge- d raiigt, als Erster eine die gemeinsamen Grundzüge und Entu'icklungsgeseue des positiven Rechtes darstellende, allen Rechtstheilen gleichmässig gerecht werdende allgemeine Reditslehre zu entwerfen. Berdts 1874, an der Spitse der neu gegründeten Zeitschrift filr das Privat- und öffentliche Recht in Wien, hat er das Programm einer solchen allgemeinen Recht^ehre in positivistischem Sinn aufgestellt, welche an Stelle der bisherigen, einem unauffindbaren sein- sollenden Recht zugewendeten Rechtsiihilosophie, deren Unhaltbaj keil er dar- thut, treten soll. Diesem Programm entspricht die nach Verofleuilichung mehrerer einschlägiger Special^Arbeiten 1885 erschienene kuxzgefiuste, aber tief durchdachte und formvollendete »Juristische Encyklopädie« in ihrem ersten, grösserem Theile der »Allgemeinen Rccluslehre . Hier wird, vorwiegend mit Erfolg, getrachtet, die bis dahin fast durchwegs nur in den verschiedenen juristischen Theil-Disciplinen getrennt und vielfach divergirend entwickelten, theüweise sogar gänzlich übersehenen allgemeinen Lehre einheitlich zu be- handeln. Eine Ergänzung hinsiditlidi einzelner Lehren, insbesondere eine nähere Darlegung des Verhältnisses von Gerechtigkeit und Z-weckniiissigkeit denen M. gleiche T^edeutung für das Recht vindicirt - bietet besonders die von ihm verfasstc Einleitung zur V. Auflage der Holtzendorffschen En- cyklopädie des Rechtes; »Elemente der allgemeinen Rechtsiehre« ^1890). Durch diese umässenderen Arbeilen wurde M. jedoch sein«- S|>ecialoDisciplin, dem Strairecht, keineswegs entfremdet. Hier ist ausser den ausgezeichneten, umfangreichen Beiträgen zum allgemeinen und besonderen Theil des Holtzen- dorff'schen Ilandbuclie?? des Strafrechtes vor Allem noch hervorzuheben das 1889 erschienene Lehrbuch des Deutsrhen Strafret htes, welches an innerer Harmonie, gleichmässiger Durcharbeitung des Stoffes und GedankenUefe alle anderen GeMinmt-I^urstellungen <Ueses Gebietes überragt. In diesem Buch, wie theilweise auch in früheren und späteren Arbeiten, insbesondere in der 1892 veröffentlichten Schrift »Vergeltungsidee und Zweckgedanke im Straf- re< ht , hat M. die deterministische Anschauung überzeugend vertreten und gezeigt, dass die strritVet htliche Verantwortlichkeit von der Hyf>othese einer Willensfreiheit in indeterministischem Sinne unabhängig sei. Von grosser Be- deutung ist auch die im Lehrbuch gegebene eingehende Analysis des Straf*» Begriffes und der (in der eben citirten Schrift) weitergeführte Nachweis der Vereinbarkeit von Vergeltungs- und Zweckstrafe. Damit hat sich M. gleicher M.iassen in Gegensatz gesetzt zu den Anhängern der reinen Vergeltungs-Idee, Wie sie bis vor Kurzem vorherrschend in der deutschen \Vis.senschaft ver- standen wurde als auch zu der rein utilitaristischen Richtung, welche seit den Achtziger Jahren unter dem Einfluss der yon v. Lisct gegründeten »Interner tionalen OiminaJtStischen Vereinigung«c zu neuem Ansehen gekmgte. Die in der ktzteren vorhemchende agitatorische Axt und die damit vielfach Ter«*

Digitized by Google

43*

Merkel GmbUloo.

bundenen Uebertrabungeii, Eiiisettigkeiten und Uebereilungen in den Reform- PoMulaten haben IL's abgeUärte und vornehme Natnr abgcstoasen. Dennoch

bewegen sich seine eigenen ReformA'orschlä^^e in Uebereiiistimmung mit seinen Grundanschauunpren vielfach in gleicher Richtung, wenn awch mit mehr Sicher- heit, Vorsicht und Selbstkritik, wie jene der Vereinigung' . (leren Auftreten auch sein für die Bedürfnisse des praktischen Kechtsiebens oöenes Auge auf manche Schattenseiten des besiehenden Rechtszustandes erat intensiver anfinerk- sam gemacht. Ab Lehrer hat M.» der im Vortrag vor den Hörem den Stoff immer erst neu durchdachte und in neue Gedanken -Verbindungen brachte, einen auserlesenen Kreis von Zuhörern mächtig gefes>elt. Für den Durclix hnitt der Hörer vind Leser aber waren Miine Ideen zu sul^til. war seine .M neigung gegen ungenaue Schlag\Äorte zu gross. Dies und die Richtung des Zeitgeistes, der Zauber, den gegenwärtig nun Theil solche Schlagworte und der Ansporn impulsiver Naturen, zum Theil auch rein foimalistische und doctrinäre Behaiid* lungsweise gerade im wisscnschaftHchen Arbeitsgebiete M.'s üben, erklären es, dnss seine l^edentung in vollem Maasse 2u Würdigen wohl erst der Zukunft

VOrliehalteii l)Ieil)t.

Vgl. L i c puiuii Ii , Die Bc<k'utuiig Adolf M.'s fUr 6ti.ilrecht und Rechtspbilo>ophir in der Zeitschrift für die ge<sainmte Strafrcchtswisscnsdiaft, XVII, S. 638 ff., woselbst aock

cii> \'cr/ciclini^- der Pulilikationen M."- enthalten i^t. sowie meiiii.- Kritik d«S Ldurbuchc* in tit r /t it^chrifi tUr das l'nvat- und otienthchc Recht, XXII, S. 075 ff.

Wien. Prof. Dr. Otto Fried mann.

Gabillon, Ludwig, 1825 1896. Ludwig oder (wie er sich wohl in dem Bestreben, seinen Taufhamen mit der aweifdios franafiabdiefl Form des Zunamens in Einklang zu bringen, in jüngeren Jahren nannte) Louis

G. steht als ein scharf markirter Charakterkopf mit freundlichen und offenen, entsrhicden männlichen Zügen in der stolzen (ialerie von darstellenden Künstlern, über die das Hurgthcntcr seil <!em 1 intritt Laubes gebot, beüie Anfänge ausserhalb des Burgiheaters bedeuten lucht viel. Nirgends, so vici ich sehe, hat er voriier eine entscheidende Anregung oder Richtung erlahivn; und auf neun kurze Wanderjahre, die ihm Crdegenheit gaben sich auf mittleren Bühnen (Rostock, Oldenburg, Schwerin, KajESd imd Hannover) so sicher m spielen, da.ss l'mil Devrient den Fiinfnndzwanzijjjährigen schon für sein ("»astspiel in London brauchen lonnte, foluieii bei ihm erst die rechten J.ehrjahre, als ilin l>aube, durch gian/cnde Mitlei stets leicht bestochen, in das Burgtheater einfthrte. Ihm hat 6. nahezu ein halbes Jahrhundert lang, von 1H53— 1895, angehört, und in diesen 42 Jahren mit aussergewöhnlicJiem Flei.ss, den ihm schon das von Jugend auf mühsame Erlernen des Textes in erhöhtem Maas zur Pflicht machte, nahezu vicrthalbhundert (bis 1S93 ungefähr 320) Rollen gespielt, von denen er mehr als die Hälfte für das Burgtheater ganz neu geschaffen hat. Von diesen Rollen sind kaum mehr als ein halbes Dutzend dankbare Titelrollen, und selbst diese ge- hören der ersten und mittleren Periode an. Später ist G. nie mehr als Protn^!')nist aufgetreten. 7n einem Theik- aus rtihnilicher Sellistbesi Iieidung, die ihn liindertc, sich in den Vordergrund zu drangen; denn Rollen wie den i alstatf oder den Wallenstein hätte er wohl ein Anrecht gehabt zu erlangen oder zu behalten. Zum andern Theil Ireilich audi «us einer Beschränkung seines Talentes, die ihn hinderte, altein ein ganzes Stück zu tragen. In den weiten Oesit htskreis seiner sehr scharfen Beobachtung und stets wahrhaftigen Darstellung fiel zunächst das^ was sich äussexlich m

DIgitIzed by Google

433

BiJfl und in Fnrbc sichtbar verrlith: die Hantininpen und die Cclicrden der Jäger und der Schiftsleme, der Krieger, der Käufer und der Fechter, hatte er, selber ein Meister in allen diesen Stücken, mit dem Scharfblick des sach- verständigen Kennen lieobachtet und mit der Tre^cterheit des Jägers aa6 Korn genommen. Alles» was körperlich und geistig Ober die durch- schnittliche Menschengrösse hinausstrebte, gewann ihm ein erhöhtes Interesse, nbr ein warmes gcmitthhches, wenn es echt, und ein humoristisch ironisches, wenn es entweder blos unbewusste oder bewusste Renommisterei war. Und wie es der baumlange Mann liebte, sich im Vollbewusstsein seiner Kraft m dehnen und zu stredken; wie er in der Conversation mit besonderer Vorliebe, halb aus künsderischem Drange imd halb aus dem Bedttrfiiis heiterer Selbst- ironie, Jägerlatein redete und den Münchhausen s|)ie]te (der er gar nicht war, denn das Dur< hsch.uiiweiden gehcirtc 7u seiner Al)si( lit und den hätte er ftir seinen imr!ankl)arsien und schleclitcsten Zuliorer geliakcn, der ihm von An- lang an nur Ein Wort geglaubt hätte) su hat er auch als Küniitler alles, was sich über Lebensgrösse ausstreckte, ernst oder parodistisch mit uner* reichter Meisterschaft dargestellt und Mer eine unausgefüllte Lücke in der deutschen Schauspielerwelt zurückgelassen. Denn wie seine Kunst weniger auf der Verleufjnunp; seiner Person, der Verstellung, als auf der Darstellung^ seiner Pcrsönlithkeii beruhte, so war sie auch nicht übertragbar und nicht im Stande, Tradition zu bilden oder Schule zu machen. Unzählige Rollen, * denen es in der Dichtung, besonders im modernen Gesellschaftsstttck, gan2 an unterscheidenden Zügen fehlte, haben durch G. erst eine äussere Physio- gnomie und eine interessante Kr^< heinung erhalten. Starke gemüthliche Wir- kung war ihm nicht unerreichbar, wie der wilde Aufschrei des alten York gegen die tigerherzige Schlächterei seines Kindes gezeigt hat. Aber was dem lauten Ausbruch im Innern vorausging, das stille Vorbereiten und aUmähliche Steigern der Afiecte, die innerlidie Motivirung der Charaktere, lag mehr im Bereich seiner Intelligenz, als seiner Kunst; und vollends nnt Charak- teren, die der Dichter unbestimmt gelassen oder problematisch gehalten hatte, <lorr also wo Mitterwurzer zu bohren anfing, wusste er, wie besonders sein Juhus Casar gezeigt hat, wenig anzufangen. Er bedurfte scharf umrissener Aussenlinien; und nur was als Gestalt deutlich vor ihm stand, das verstand er aus seinem Innern zu speisen. Charaktere ohne einen gewissen Grad von Aufrichtigkeit, Geradheit und Ehrlichkeit (nicht die dumpfe und geisUose, 'sondern die sich gegebenen Falles auch mit Spott imd Tronic zu behaupten weiss:, und besonders Charakieie ohne physische Kraft und Muth gelangen ihm nur ausnahmsweise, nach dem Gesetz des Contrastes, das man bei allen Künstlern, am meisten aber bei den darstdlenden, in Rechnung su sieben hat. Denn jeder bedeutende Schauspider, der es zur Meisterschaft gebracht hat, besitzt eine Anzahl besonders von episodischen Rollen, die er nicht aus dem Mittelpunkte seines Talentes, sondern rein künstlerisch mit den Mitteln der Technik zu bestreiten im Stande ist. Wie sehr aber gerade uuseremG. diese äusseren Mittel zu Gebote standen imd wie marmigfaitig sich seine so festbestimmte Individualität auf Grund dieser reichen Mittel ge- staltete, das wird sogleich nach allen Seiten deutlich werden.

Ein Brustbild aus G.'s jüngeren Jahren zeigt nicht blos regelmässige, sondern au( h feine, fast weiche Züge. Ks liegt eine leichte Wolke von iäcbwermuth darüber, die sich aus der ungewöhnlich herben Kindheit des Kttnstlers genügend erklärt. Denn der unverwüstliche Frohsinn wurde nicht

Bio^r. Jahrb. n. OoutiK-her Nekrolog. 38

DIgitized by Google

4J4

dem Kind in die Wiege gelegt; ihn hat sich der Jiin^ing, um aufrecht r. bleiben, adhuthätif^ erworben. Und so ist auch den Zuges xvar die Rege!- inäfMgkeit geblieben, aber sie haben cnica fciwii^— i imd kfühqpeten« I»: nultiämcheBf imnier aber freien and frohen, heiicien and oicnen Aaatex»

ajigcnommen. Ebenso ruhte auch die hdbt md adtkbena schlanke ¥ig-js n'if kräftigen Kjjor 'n- r. . Nerven und Sehnen; sie war massv ohne Sch»er- fäHigkeit, und bei aiicr i < -'i^rkeit 'iberaus biegsam und t-le^.v.i. In dieser Verbindung von Wucht und Leichtigkeit finde ich da» eigentliche Ker.>- xeichen timcffee Kflratlen. Etvas Autoebendes (die Fianioaen haben daf^ das Wort fltm) lag in feinem ganzen Wesen und offenbaru; sich in dcr Sprache ww in dem (^nge. Von Natur schon aoffiütend durch die Länge. w:hien #^ immer noch über sirh »reit st hinausstreben zu woller. '^^e er auch auf der Buline gern den Kopl kühn uic» Gcntci. warf. Er ging 'aic einer, der einen hoben Berg zu besteigen vor bat; mit weitmachtigen Schlitten und etwas eingebogenen Knien. So liebte er es auch, vcnn eriüleinatifder Scene oder im Vordergrande stand, die schmale Bflhne des altai Boigthealeis mit m.1rhti;:'rn S< Itritten zu durchqueren; und wenn ihm dann die erste Prosce- {liuMislo^^f.' nur zu liaid Hn5r gehnt, «;et7tc das linkt- Hein srhfjn zur Bewegunt: nach der entgegengej»ct/ten Richtung ciii, wahrend der ivorper aut der SoWe des rechten Fusses eine rasche und leichte Drehung machte. Für ihn gab es keinen StiUstand, irenn er einmal in Bewegung war. Er ist darin der gerade Ccgensats tu Baumeister, der sich möfl^lichsc wenig Bewcsgung xor muthet.

Und wie in der Bewegung, so schien er au* h im Ton immer auffliegen zu wollen. Die meisten, die sich in dem^ gar nicht schweren, KunststucL vertuclien, seine ausgeprägte Sprechart tu copiren, ndimen doch smmer un- willkürlich den Ton tu tief und den Mund zu voÜ. Das macht, sein Oigsn besam eine solche Kraft und Fülle, einen SO männlichen Ton, dam ate den meisten nur mit sehr \iol Ansirenpim«^ und in der tiefsten l a^e erreichbar Htnd. In Wahrheit war seine Stuutne kein besonders tiefer Hass, uiid er be- wegte sich sogar um Vorliebe in der tiolicren Lage, die ^ich glaube an un- bewussten RindButt Dawisons) durch einen, am deutlichften beim Vokal a bemerkbaren nasalen Ansatz eine angenehme, keineswegs veiletzende Scharfe erhielt und zur feineren und leiseren Pointirung ebenso wie zur Ironie un<l Sarlasmtis liesrhirkt wnrrle. während die Fülle und Breite der tieferen Lage Kraft und Üicdcrkeit muliclos und unaufdringlich zum Ausdruck zu bringeu verstand. G.'s Organ bcsass nicht den Zauber seelischer Tiefe oder innerer Wärme, der oft auch unschönen Stimmen eigen ist. Aber es war, schon rdn lihysisch betrachtet, ein herrliches Instrument, und von dem Besitzer vortrefflich ausgeliildci. In freiem und f>frenfn Ansatz, voll aber nirlit dirk, strömten die reinen meiaHnen Tone aus der lirust heraus; nichts kam aus der Kehle, nichts blieb im Oaumen oder zwischen den Zähnen stecken. Er konnte in den Saal hinein schmettern, ohne sich und die Zuhörer anzustrengen oder au ermüden. Und wenn Frau Zerline auch nodi spät einmal ^gen dss Zuviel des ^lauten Organes« einen Einspruch machen muss, so verstand es ihr Mann dnrli aurh mit imterdrürktcr oder verstellter Stimme ?.\\ spielen. Seme Zecher ^roltcn in liefen, raulien imd vom Weine heiseren Tönen: manche Charakici rollen, ernste wie den Cahgula und komische wie den Undcnschmied im »ErbfÖrster«, spielte er ganz dflnn und hoch aus der Fistel heraus, mit doppelter Wirkung auf ein Publikum, das seine kräftigen Stimm- mittel kannte und erstaunt vcrmisste.

Digltized by Google

Das was ich oben den /km genannt habe, trat namentlich in der höchst eigenthtimHchen S|»rL-chwei«;e hervor, die G. mit seiner Frau gemein hatte. Ich glaube nicht zu irren, wenn icli dieser unvergesslichen und einzigen Frau, die ihrem Mann nicht an Herzen, aber an Geist und wohl auch an Kunst überlegen war, einen sehr bedetttenden Einflnss auf den Gatten mscbieibe. Hier, in der Sprechweise, ist mir weiblicher Einfluss aus zwei Gründen wahr- scheinlich. Erstens findet sich diese Art am häufigsten bei Frauen, besonders bei solchen, die ihren eigenen Kopf und einen männlichen Willen haben; die Dichterin Mariott z. B. besitzt sie gleichfalls. Zweitens aber erklart sich mir ihre Entstehung bei Frau Zerline leichter aus den natürlichen Bedin- gungen als bei ihrem Manne. Frau G. besaas ein viel aarterea und achwftcberes Organ und sie war genttdiig^ nomcnüich in der Tragödie, den Mund etwas voll zu nehmen. Das ist es, was man ihr oft, und in fr-ilicren Zeiten vielleicht nicht ganz (jhne Grund, als falsches Pathos zum Vorwurf gemacht hat. Der Nachdruck oder Accent, den sie auf eine Silbe legte, kostete sie mehr Kraft und Mühe, ak einem andern mit dem »lauten (h»an«. Es war nur eine natürlii^e Folge, dass die geistvolle Frau, die ausserdem nach scharfen Pointen strebte, sich mit besonderer Kraft auf die betonten Silben legte und Uber die unbetonten moL-Ürhsi leicht hinwegzukommen strebte. Nicht als ob sie etwa in <!en .Siumiuhalern physisch Unverstand lieh geworden wäre <Mier gar die feinere Nuancirung des Sinnes durch Abstufung der Accente hatte ver- missen lassen 1 Das wird niemand ihrem Mann und noch weniger ihr selber vorwerfen dürfen. Nur um eine Eigenthümlichkeit im Tempo der Rede handelt es sich. Die G. liebten es nemlich auf der betonten Silbe auffallend lang zu verweilen und dann sehr leirht und elegant, aber immer deutiic h über die weniger betonten Silben hinwegzueilen, bis ein neuer Gipfel Aufenthalt bot u. s. w. Diese Sprechweise ist den J ranzosen eigen, und wie G., der kerndeutsche Mann, einen franaösischen Namen trug, ao hatte er auch den dan der franaiisischen Sprechweise. Im Deutschen ftUt sie auf und sie kann hier einmal der natürliche Ausdruck eines geistig aufgeweckten Wesens sein, das andere mal aber auch sehr ktinstlich und affectirt ers( heineii. I >arum eignet sie sich auch sehr gut zur parodistischen Uebertreibung; ich erinnere nur an die unnachahmliche Weise, in der Frau G. in den ersten Worten der Beatrice: »Nun, Signor Benedikt, wie viele Feinde habt ihr denn aufgefressen«, wobei der ganze Nachdruck auf das Wort »aufgefressen« fiel, ihrem Gegen- spieler den H.mdsrhuh hinwarf. Man kann sich aber denken, welche Wirkung dieses Ehepaar als Benedikt iui<i Healrice liervorbringen musste, wenn sie beide auf denselben und noch dazu auf einen ganx besondern i on gesiimnii waren, auf einen Ton, der zudem etwas Herausfordemdes und Uebertreibendes an sidi hat. War Zerline-Beatrice ihrem Mann an Geist überlegen, so wurde das zum Theil durch den gleichen Vortrag wettgemacht, und die beiden Viimpften als ebenbürtige Gegner mit den gleic hen Waffen. Heute spielen \ (»rtreftli<:he Kunstler im lUirgtheater Henedikt und Heatrue; al)cr sie wandeln gclreimte i'fade und treflen darum nicht aufeuiander. Wo er sich ihr mit seiner ttbertriebenen und erzwungenen Männlichkeit, die nicht Kraft, sondern nur eine andere Fonn der Koketterie ist, entgegenstellt, da weicht sie scheu aus und zieht sich keusch und kichernd in sich selbst zurück. Dann wieder fordert sie ihn nie bt mit scharfer Zunge, sondern minnurfierend heraus; und wenn er die Auslordurung annimmt, stellt sie sich nicht. >^ sijid awei ganz vortreffliche und lustige Leute, aber grundverschieden von einander,

a8»

Digitized by Google

4ji 0*nm.

t\>€n (Umm afier auch mdit Benedikt and fiealrioe. Dom dät pebBtct rz-

asaamen, sie »irvi Kins.

G. hat vie iMwitcm als Liebhaber begoimeai, und er st ^ das Ljc-:> halwrtkch von Laube ms Burgihealcr gezogen «onlcp» «o er •säd± f-'erdsnaod und den achdoeo Lionel und da KjiliKhäkr SdeZcr. mksr

«uch im f^tsptel Don Omt 'in Donna Diana gespteli hax- .Kbez rr,.r Iteincr dieser Rollen hat er einen nachhaltigen Erfolg erndt: und sie fr\gc" l*ald darauf in den B^»»7. Sofinenth^V« »jK^ nach dessen ^f*^iciJjcbc:= l>ebut alt Mortimer da» Brautpaar G. ücui ij»uector Laube i^oüutobrcc r. mfteen glaubte» der aber docb der von Laube gmuhü lecte lifWa^wr wir. In O.'t Liebhaberrolian mooB etwas zam Vorschem gdbommcn se=r. was nach dem Charakterfach wies: tmrcine, frevelhafte Leidenschaft D:- Carks . franz im Götz) gelang ihm augenscheinlich am besten und sein von Mcran in Grillparzer's »Treueni Diener seines Herrn« ist als onc bedei:- tendc lycifttimg nicht bios im Bilde, sondoD auch im Gedächtnis der Zesi- genoisen lebendig geblieben« Auch ipftter noch hat er ■cjwtyiit od dreiste Licbhalier, die nicht Wethen sondern frisch zugreifen, ^ic den Zavisch jsiS den OdowaLsky, unterstützt durch seine fesve!r.r!.. Er^i r.cir-r.z. Fravo'jr und mi»^ ('Anr.z r: ^pi'»len verstanden, während für die schwachen •c:hwankenden Liebhaber von der Art der Weisshngen und Leicester seme Männlichkeit doch zu k^lftig war. Die abgewies^ieo Liebhaber dagegec die sich dem Publikum meistens so unangenehm machen wie den Helden und (leidinnen, denen sie Rache fdiwOien und Fallen legen, hat er mehrere Jahrzehnte lang mit erst, iiJTiIi« hem !*flirhtpcffil)! und \v ,ihr(.-r Aut' >i/fen:nr ^respiclc (Fricdrirh von Rosen, l'< n jo« ha) , nel>cn Franz Kieischner eine Zeitlan|^ kogar Mittcrwurzer zu ihncTi verurtheiit blieb.

Auf den Fingcr/,ci^ lau, der in seinen perversen Liebhabern la|& hat ihn dann I^be nach dem Abgang Dawisons, den er kun tnvor gmir dieselbe SttSfsc geleitet hatte, in die tragischen Charakterrollen hinittieigeffihrt G. hat. vor <lem Kintritt T,«'wtnsVv's, mehrere J-ihri: hindurch I>on Carlos (im Cla\-igo\ Mnrinellf, M'i>lii^ti)|)li<.'lfs, |n<!o, nni öftesten wohl Richard III. gespielt uml mit dem stark, in d»c Cliarge Jallendea CaUgula i^in lialms »Fechter von Kavemia«) einen unbestrittenen und dauernden Erfolg errungen. Aber auch hier war seines Bleibens nicht; und Laube stand nun vor der schwierigen Aufgabe, einem begabten Schauspieler, der als Liebhaber nach dem Charakter- fach wies, lind ftlr das Charakterfacb doc h wieder zu wenig dämonische Bos- heit und energische Leidenschaft besa.ss, so dass ein offener, ehrliclier, helden- hafter Mensch hinter seinen Böscwichtem überall sichtbar bhcb, eine so merkwürdige künstlerische Doppelnatur hatte Laube zwischen den beiden ex- tremen Fächern an den richtigen Posten zu stellen. Er hat es in genialer Weise gethan. Den Kfinsth r, dt.-r als l iehhabcr und rharaktcrsj>ieler ein Schauspieler zweiten oder ^ar dritten (irades war, hat er zu einem Schau- spieler ersten Ranges in seinem Fache gemacht; und er hat die Grenzen dieses Faches so weit gezogen, dass G. swischen den grossen Fächern einen viel grosseren Spielraum fand, als er je in einem von diesem hätte finden ki'tnnen, dass er SU einem der meist beschäftigten und uneniljelirlichsten Mitglieder des Insilnite«^ wurde. Mit ehrlicher Selbsterkenntnis und Selhstbescheidung hat sich ti. ohntr sk htlirhes Widerstrehen in dieses Fach einfuhren lassen, und CS dann mit seuicr eigenartigen IVrsonliclikeit so voUstuiulig nacli allen Seiten ausgefüllt, da« sie mit ihm und ts mit ihr wie susammengewadisen ciscbien*

Digitized by Google

437

Ausser doi Resten seiner Liebhabeiieit verbfieben flim zanadist die Jn» triganten olme dämonisdie Lddenschaft und obne Cynismus, die mehr aus i

Malice als aus Bosheit arbeiten, oder ihre Bosheit wenigstens hinter vornehmen und eleganten ^fanicren verl>ereen, wie der Prinz Bouillon in Adrienne Le- <:ovivreur oder im modernen (ieseilschaftsstück der unvertrorcne Hochstapler von Kohden (in Mautners »Elglajitine«), der sich nach gelungenem Gesdiaft den Selbstvorwurf madit: »Ich war ein Narr mit meiner Noblesse, ich hätte das T>oppeIte begehren sollen Oder das Urbild des Moli^'schen Tartuffe, das zuletzt doch mit dem blossen Verlacht werden davonkommt. Ferner die Tyrannen, die O. am besten gelangen, wenn sie in ihrer Inuncnhnften Unbe- rechenljarkeit auch grossmüthigen Anwandhingen nicht unzuganghch waren: I^udwig XI. im »Gringoire« war eine gar schöne Rulle und auch den Gessler hat G. nicht als finsteren Balladentyrannen oder gar Kartendespoten gespielt» sondern ihm durch den freien befehlenden Ton wirkhch eine gewisse Ikrr- lichkeit verliehen. Dann das grosse Corps der Gegenspieler, die den Helden nicht feig und hinterlistig, sondern offen tind gerade bekämpfen oder durch männliche Kraft und heldenhaften Sinn troL^ ihren schwarzen Anschlägen im- poniren. Da war neben dem Bastard Edmund, dessen kühnes und verwegenes Spiel den Zuschauer fiut verblttffl; der schlaue Bolingbroke und wieder der offene Sapicha. Wo solche oder ähnliche Figuren aber als Protagonisten in die erste l.inie treten, da freilich wusstc sich G. nirlit /u behaupten: für den Macbeth fehlte es ihm Anfangs an Unentschiosscnheit und dann an I-eiden- Schaft; und für den Wallenstein, dessen Aussenhnien ^^d. h. alles, was den Feldherm und den Diplomaten ae%t) sehr sicher gezogen waren, an Vertie- fung und innerer Gedankenarbeit. Freilich hat er den Wallenstein auch in verhältnismässig jungen Jahren gespielt; und sich in seiner jovialen Weise, die das Kopfzcrbrerhen lieber andern iiberliess, bald darauf mit dem Buttler tm- frieden gegei)en, an dem er auch weniger dn5 innerlich kochenfle Gift (icr Rache und den beleidigten Kmporkommhng als die lauten Aus.brucl)e ilcr Wuth und der Keue zur Geltung bradite. Nach dem Berliner Bemdal dürfte G. der beste Buttler gewesen sein, den die deutsche Bühne besessen hat In einer Linie stehen dann sein Talbot, dessen nüchterner Rationalismus durch Cr., flcn Feind alles unklaren, gut hernuslcam; die beiden Alba, von denen der minder geratliene Srhiller'sche (iure Ii G.'s äussere Erscheinung und Per- sönlichkeit über das Niveau eines blossen Hofschraiuen und Emporkömm- ling9 last bis zur Htthe des geschichtlichen Alba gehoben wurde, während bei Goethe die geheimnisvolle Verschlossenheit in den einleitenden Scenen weniger wirkte als die staatsrechtlichen Debatten in der Sccne mit Egmont; und end- lich der echteste aller (»abillon's, der >;rimme Hagen in Hebbel's Nibelungen, leider blos im Bilde für alle Zeiten festgehalten in der Erzstatue der Villa Gabülon, dem sinnigen Geschenk der CoOegen vom Burgtheater an den Ju- bilar. Was von Kunst und von Fertigkeiten in dem vielbegabten Manne steckte, das trat in dieser einzigen Rolle in die Erecheinung ; und umgekehrt: sie verlangte nichts, was er uicht wirkhch besnss. G. war der Ha^^en, nicht blos des Burgtheaters, sondern ülterhaupt. V.r spicke die Rolle in der Maske des Dichters, der ja in dem knorrigen Kecken so tief aus dem eigenen ge- schöpft hat und den G. nur aus dem lichten Blond ins finstere Schwarz über- setste. Der Hagen gab ihm freien Spieiranm Itlr das Mass von äusserer Be* Regung, dessen er m jeder Rolle bedurfte: hier konnte er Speere schleudern, hier war er Jäger, Fährmann, Kämpfer. £s war ein Büd, strotzend von ge*

Digitized by Google

CabiUoiw

ttttider münnlidier Kiaft» ein wtederetsbuidener Recke. Und vie die Freuck an dem Gelingen in dem Schauspieksv dem eine Rolle ganz auf dem l^Ixr

sitzt, im Innern oft nngealiiite Schleusen öflfrict, "^o kamen nuch hier Ton* ■Aum \'ors( lu-in, die (i. i»unsi nirht oft /u (Icbote standen, wie der EpHo;; auf (iisjcliier voll schöner männlicher Riihrung: »Wir hüllen uns in Todo tiete Scliattcn, und nur auf ihn filUt noch ein AbendroChIc

Der Hagen ist selber schon einen Kopf über Lebensgrösse gcrathen. I>ie Kraftmenschen, die wahren und die felsc:hen, gehörten alle in das Repertoire G.'s; nur dem Hebl>chs( hen Holofeme^, dessen T'^eberlcq:cnheit nicht bJos in der physischen Kraft liegt und der ohne hiurci.sscnde LeideaschafL nicht zu spielen ist, ist er noch in der letzten Stimde vorsichtig aus dem Wege ge- gangen. Hiehcr gehören die Riesengestalten aus dem antiken und aus deoi ronuuntischen Mflrchen: der Cyklop Polyphem und Grillparzer's Mann vom Felsen. Aber auch von der humoristisrlKn Seite verstand fler Af inn der heitersten Selbstironie solche Charaktere /u nelunen, w enn sie sh h n<imli( h als blosse Pralühän&e und Aufschneider, selber für ubcrlebcnsgross gelicxi. Alles was, wie G. selber, Jägerlatein liebte, oder was falsches PaduM hoauv forderte und vertrug, war seine unbestrittene Domäne. Er war der getreue Darsteller f 1er modernen Ausläufer des Capitano Spavento. Er hat sogar noch den alten Dom Pedro in Wolffs Preziosn - ^e<;|tielt, der l^ei der pTo««;en Re- tirade seinen l uss verloren hat. Auch in seinem sehr gelungenen Sjueuclbcrf:, dessen Sprunggeschichie ihm wieder Gelegenheit zu einer ergötzlichen Leibe;»- llbung gab, kam mehr der Auftchneider und Prahlhans^ als der bmteilistige Feigling zur Geltung. Veredelt fand man den Typus Maulhelden in seinem prächtigen Kenedikt wieder: war es sonst mehr seine Sache mit dem Sc hlüter als mit dem Def^en rv Vämfifen, so hatte ihm hier in den Wort- ducilen mit lieairice l-'rau /erlinc die /imiie yest liarft, walirend seine eigene heUlcnhallc Persönlichkeit hinter dem Wortemacher doch einen gan^ea Mann ahnen liess. Was für ein Jubel im alten Burgtfaeater, wenn sich die LippeUi welche die Herzen so lange spottend verläugnet hatten, endltcli im ersten Kuss zusammenfanden! Ja, diese Beiden, Benedikt und Beairice, Zerline und Ludwig gehörten fürs Leben rnsammen, und der triviale Holtei'sche Schluss- satz: »Viel Lärm um nithü» und wa-s sich liebt, das neckt sich«, die Devise des Hauses Gabillon, wiydc von Jung und Alt im Chorus mitgesprochen.

Der rohere Typus des alten Capitano Spavento liebt starke physische Genflsse und leitet zvl den Schlemmern und Wüstlingen hinüber, die G. ntit rauher, kratzender Stimme unübertrefflirli spielte. Den geilen frianettino hat i'r. in seinen jungen Jahren vielleicht zu edel, nicht brinrisch stolz« ge- nug gehalten. Aber Meisterroilcn seiner besten Jahre waren der unersätUich durstige Raubritter Boflesen (in Bauemfeld's »Landfrieden«) und der ebenso unersätdicfa hungrige ICattwald mit seiner stets leckenden schweren Zunge. Von dem ungeschlachten Schlemmer Tobias in »Was ihr wollt« war eigent- lich nur mehr ein Schritt zu dem Oberhaupt der ganzen Fanulie: dem unsterblii hrn FnlsfafT. Sehr cnLsagiingsvoll hat G. diesen Schritt nie i^ernnrhi, weil er aus dem lublicbcn Corpsgeist des guten alten Burgtheaters Baumeisicr's altere und wohl auch nähere Redite achtete. Noch mehr, er ersditen neben Baumeister-Falstaff mit der Branntweinrolhen Nase des misenUen Bardolph. So innig aber war der lustige, niemals bewusstlose Zecher G. mit dem Rollenfach der Betrunkenen verwaehsen. dnss er in Ibsen's »Volksfeind blos ein Wort in die Versammlung hineindonnerte, um sogleich darauf an die Lufi

Digitized by Google

üabiiion.

439

gcsetst zu werden. Auch die jungen und alten Haudegen, der brave Sdbtts im Götz und der kösüiche Don Lope im Richter von Zalamea, eine seiner besten Rollen, fielen ihm zu, ebenso die Kaufer, wie Tybalt, wo es was zu fechten ^jab.

Aber mit diesen Leibrollen ist G. s Repertoire noch lange nicht crscbopti. Eine grosse Anzahl konnte er, wie gei»agt, als fertiger Meister allein mit seiner Technik bestreiten. Auch hier aber offenbart sidi seine Doppehiatur: Rollen, die Wucht, Schwere, Würde im Aufb-eten verlangen und dann wieder solche, die gerade das nicht vertragen, die er nur seines dians wegen spielen komitc. Zu den ersteren gehören zunarhst die RoMK rlielden: Octavianus in s Antonius und Kleopatrat, der Gegenspieler des Coriolan TuUus Aufidius; endlich der edle Marc Anton in »Julius Cäsar«, wo G. wohl die gewandte 2^iige, aber nicht so sdu" das voÜe Heiz fUr den toten Cäsar mitbrachte, rler ihm vielmehr nur ein VcttWand zu sein schien, die Ifördcr auszustechen. In der Rede auf dem Forum zog er die Worte »ehrenwerthe Männer an- fangs sehr lan^^sam und gedehnt durch die Nase, brachte sie aber, je (»lier der Redner sie wiederholt und je sicherer er den Sieg in der Hand hat, intmer schneller, bis er zuletzt nur mehr auf den betonten Silben Halt machte und seiner Gewohnheit nach über die unbetonten rasdi hinwegsetzte. Ebenso hat er wegen seines schneidigen Auftretens und seines scharfen, befehlenden Tones höhere Militärs im ('o?;tiim und in der modernen Uniform gespielt; vind aus demsellien ('.runde waren die Staatsanwälte und Polizeiräthc sein Krblheil und allci>, was einen langen Talar trägt, sei es nun der Karchenturst Kiesel, den G. gar imposant vorstellte, oder der Lord Oberrichter von Eng- land in »Heinrich VI.« Auch Schifl^heder und Capitäne, die ihren kräftigen Leib auf ausgekrätschten Beinen schaukeln, hat er oft genug gespielt.

Auf seinem t?lan dagegen beruhten die C.ep;cnfü.ssler dieser massiven und schweren Charaktere, die G. gerade um seiner relativen Leichtigkeit wegen spielte. Den Römern dort stehen hier windbeuthge Franzosen (La Coste in «Andreas Hofer«); den schweren Militärs stehen die leichten und flotten i änzer (Bevallan im »Verarmten Edelmann«, von Werben in Wenn man nicht tanzt«); den pflirhtstrcngen Beamten die Gecken und Tlotlinge gep:;en- üher, wo (r. für den kapitalen Kalb indessen doch immer noch zu schwer und zu intelligent geblieben ist, wahrend er die Kpisodenhgur des l*rinzen von Arragonien im »KauJmann von Venedig« sehr glücklich zur Geltung brachte. Völlig ^eidi standen sich die Wagschalen indessen nicht: während (/, im Ausdruck der Kraft niemals etwas zu Wünschen übrig liess, war seinem vh\u durch die natürliche S( hwcre seiner Person Und Figur doch eine Grenze gezogen, die er nicht ül)crs( lireiten durfte.

Es sei nur ini Vorbeigehen crwaiint, dasi> G. als ein klarer, deutlicher und temperamentvoller Redner, gelegentlich in einer ^nzen Reihe von episodi' sehen Sprechrollen (Soldat in der »Ahnfrau«, Schauspieler im »^mlet«, Raoul in der »Jungfrau Orleans«, Berengar in der »Braut von Messina«) in Vertretung des anderwiuts verwendeten Lcwinsky beschäftigt wurde, wie er ja auch als Erdgeist im »Faust« und als Marc Anton Proben seiner Be- redsamkeit gegeben und sich auch in Vorlesungen und in selbsterfundenen Erzähltmgen tüs Landsmann Fritz Reuter's bewfihrt hat Bei dem reichen Repertoire von Salonrollen indessen müssen wir noch einen Augenblick Halt machen. Es begegnen uns hier dieselben Typen und Gruppen wie im CostUmstück. Natürlich waren auch hier die Glücksritter und die Grecs

Digitized by Google

44^

GabÜloil,

und die geiährlichen Fmuentlbiger von der Art jenes Frondeville im »Anaxh€t seine Spezialität. Ebenso alles, was einen exotischen Anstrich hatte oder den heute so genannten intcrcssanion N^ationen angehört, wie der köstliche »Abdallah« in den »Ciuten Freunden*, und die russischen Fürsten, die seit Frey tag' s Udaschkin, dem Typus der ganzen Gattung, ab und zu auftraten. Femer die dedass^ der Franzosen, unter denen sein unerreichbarer Delo- belle obenansteht, der komödiantische Poseur und Vertreter des falschen Pa- thos im Salon, das gesellschaftliche Seitcn«;tiick zu den zahlreichen Costüm- rollen G.'s, die von einem parodistischen Tiithos lebten. In die intriguen- spinnenden Diplomaten liieille er sich zum Theii mit Sonnenthal, für den der Diplomat hinter dem warmherzigen Menschen und dem Liebhaber zurUcktrat, während (i. in den Choiseul, RicheHeu und Bolingbroke nur den Freund der Intriguen spielte; doch blieb sein Bolingbroke, de.ssen rasche Reden frcilit h nirb in seinem Gedächtniss niemals fest wur/ehcn, ciniiicrm rissen hinter der F>\\ arnnsg zurück. Aus der Erbschaft La Roche's fielen ihm zuletzt alte Kjiabcn, wie der Graf Feldern in »Aus der G^Uschaft« zu, die er gern und mitC^flck spidte; wie er ja auch geseUschafUiche Originale (Partie Fiquet) interessant zu ge- stalten wusste. Von dem allerhöchsten Werthe für das Institut aber waren die zahlreichen physiognomielosen zweiten und dritten Rollen in fran/o-^i- schen Stücken, denen G. seine Thv siognomie und sein elL•^^nUes Auftreten lieh. Der Herzog von Penn Marr in den »Feenhanden« wird vielleicht auch kflnftig mit Beifall gespielt werden, obwohl das ästhetisch und social gleich bedeutende Lustspiel leider jetzt vom Repertoire venchwunden ist. Wer aber weiss heute nodl etwas von Herrn Ton Moy in »Feuer in der Mädchenschule«? und doch hat unser T.ieMing seinerzeit mit dem crht Gabillon'srhen »So et- was kann nur mir pas^sieren , wo er mit ^Inn iibcr ein halbes Dutzend von Silben liinwegseLzte, die lauteste Heiterkeit hervorgerufen.

In G. haben wir eine der festesten Stützen des alten Buigtheaters be- graben. Mancher Protagonist, sogar ein wirklich bedeutender, wird sich leichter ersetzen lassen als er, dessen Rollenkrcis ganz auf seinen |)ersönlichen Eigenschaften ruhte nnd der mit seinen breiten Rücken und seinen langen Extremitäten mehr als ein ganzes Fach umspannte und deckte. Es ist leider nicht bloss ein Fach am Burgtheater verwaist, sondern eine starke Individua- tität dahingegangen. Einen tüchtigen Fachspieler findet man immer wieder, eine Individualität kehrt nie zurück. Bei d ^ T i' 1 i feier für G. konnte man es von vielen T ippen hören: wir werrlen die Mehrzahl seiner Rollen nicht mehr so gespielt sehen, wie von ihm. Ein Stück von dem, was die Ereude in unserem Leben ausmachte, ist mit ihm dahingegangen.

Litteratui: Die anschaulichste Schilderung des Menschea bat die Tochter, Frau Helene Bettetheim-Gabülon, in diesen »Biographischen Blttttetnc IL Bd. 4. Heft entworfen; der

Gatte Zcrline's kommt in L. Hevcsi's feiner Monographie über die Frau Gabillon (Stott* gart, Booz 1894) zu seinem Rechte. Ein Fragment aus der Geschichte seiner Kindheit, von Gabillon selbst erzählt, ist 1897 in der Zeitschrift »Cosmopolis« erschienen. Ein Ver- zcichniss seiner Rollen hat der Schwiegersohn, Anton Bettelheim, itun Jubiläum (1893) drucken lassen; ich vermisse auf Grund der Erinnerung d-^rin nur den La Roquette ira Urbild des TartuflTe. Seit 1893 sind die folgenden Rolk'u hinzugekommen: Saweljew in Kriemhild, Maurer Mattern in Hannele, Mörder Dismas in Hans Sachs' »Tod im Stocicc; Graf in Eine I flf^e. lieber den Mann und Künstler vcri^l. uich Pnul Sclilenther in der »Nation« 1895 21 S. 324f. und die Jubüäums-Artikcl von Hevesi und bpeidcl im Frem- denblatt nnd in der Neuen freien Presse (Oktober 1893).

J. Minor.

Digitized by Google

de la Ccoiz.. Fntssch«.

441-

de la Croix, Otto, Dr. theo!., starb am 21. Mai 1896 als Consistorial- präsident and Oberregierungsrakli a. D., neun und siebzig Jahre alt, in Wies- baden, der Stätte seiner langlshrigen Wirksamkeit, nachdem ihm schon am I. April 1892 die erbetene Entlassung von seinen Aemtem nach fttnlund- fÜnfzigj ähriger Dienstzeit gewährt worricn war. Fast zweiitnclzwanzig Jahre lang, von 1870 an, in einer für die kirt hlu hc F.ntwirkelung des Wiesbadener Bezirks reclu bedeutsamen Zeit hat er dem dorügt;n Consistorium als Leiter und seit 1883 ofBdell als Präsident angehört. Insbesondere ist die nette «Kirchgemeinde- und Synodalordnung für den Consistoriall>ezirk Wiesbaden« ■wesentlich unter seiner Mithülfe nach langwierigen Vorbereitungen zu Stande und 7ur Durrhfühning gekommen. Die Dankadresse, die ihm bei seinem F-ininlt in den Ruhestanrl vom Synodaiausschuss und im Nanien der Detuine überreiclit wurde, spricht in beredten Worten sein grosses Verdienst um die ihm unterstellte Kirchenprovins aus» and die Marburger Facultät hat aus gleichem Aiilass ihn mit der Würde eines Dr. tlieol. ausgezeichnet. Daneben wird seiner Mitarbeit hei der Bezirkssynode, die zweimal in ausserordentbcher, fünfmal in orrlentli( iier Tagung wahrend der Zeit seiner Amtsthäti.frkeit zu- sammentrat, wobei er viermal als landesherrlicher Commissar zugeordnet war, sowie seiner steten Theilnahme an den Arbeiten des Bezirkssynodalausschusses ehrend und dankbar gedacht. Seine ganze Persönlichkeit aber ward geadelt durch eine aufrichtige warmherzige FrtMnmigkmt, durch stetes fr 1 Iliches Entgegenkommen und Wolilwollen auch im amtlichen Verkelir, durch eine edle Weitberzigkeit, die doch dem eignen Standpunkt nirgends etwas vergab.

Kohischmidt.

Fritnchc, Otto Fridolin, Dr. theol. et phil., geboren am «3. Septem- ber 181a in Dobrilugk, gesidrlan am 10. März 1896 in Zürich. Im Alter ' M ^! Jahren nnd nach mehr als fiiivfzigjähri^er Amtsthätigkeit als Professor der Kircheiigcschichte ist der Beni(tr der theologischen Facultät in Ztirich heimgegangen, tmter herzlicher Theilnahme seiner zahlreichen Schüler und Freunde nicht nur in der Schweiz, die ihm allerdings, innolich wie äuasor« lich, zu einer zweiten Heimat geworden war. Die Fder seines fünfzigjährigen Docentenjubfl.äums im Frühjahr 1887 wie die 1892 folgende festlidi " Be- gehung seines 8ojähngcn Geburtstages hatten dem jiründlich und vielseitig arbeitenden (ielehrten und dabei so bescheidenen und iiebenswflrfligen Manne bewiesen, wie auch die Fachgenossen im deutschen Vaterlandc, insbeson- dere die Collegen von Heidelberg, Jena, Strassburg, Tübingen, Glessen, Halle und Hrcslau, mit freudiger Anerkennung und warmem Dank "für seine fruchtbare wissenschaftliche Lebensarbeit ihm sich verbunden wussten. F. entstammte einem gelehrten Vaterhause. Sowohl sein Vater, Christian Friedrich F. als sein (frühverstorbener) älterer Bruder Carl Friedrich August haben den Beruf des Pfarrers mit dem des Professors vertauscht, ersterer in Halle, letzterer in Rostock und nachmals in Giessen. Als Otto F. geboren wurde, war sein Vater seit drei Jaliren Superintendent in Dobrilugk, einem *^tadtrhcn der Nicderlausitz im Kreise Frankfurt a. O., von wo er 1827 nach 1 Lille l)erufen wurde. So war der strebsame Jüngling gleich von Anfang an auf einen Boden, in eine Umgebung versetzt, wo sem wissenschaftliches reges Interesse reidiUdi Nahrung &iid. 24 Jahre alt habilitierte er sidi in Halle mit einer gediegenen Untersuchung über Theodor von Mopsvestia, von dessen Leben und wissenschafUicher Bedeutung im Zusammenhang mit der für die

Digltized by Google

44*

FüUschc

Geisteaentwickdung des 4. christlichen Jahrhunderts hodiwichtigen Andodie» iiische Schule er nach (kn nur sparlidi vorhandenen und ttberaU xentnmten

Fragmenten seiner Schriften ein zusammenhängendes Bild zu zeichnen suchte (De Theodori Mopsvesteni vita et srriptis commcntntio historira philologii a, Halle 1836). Diese Schrift verschaffte ihm schon im folgenden Jahre den Ruf als ausserordcnü icher Professor nach Zürich, wo er fünf Jahre darauf (1842) zum ordentlichen "Ptofeasot der Kirchengesdiicbte befördert wurde, nachdem schon 1841 seine Heimatsuniversität Halle ihn mit der Würde eines Dr. theo!, honoris ransa ntisp-czcifhnct hatte. Nehen seinem kir<'hcnhist<iri>rhen Hauptfach hat er anfangs auch neutostanientürhe Collcgs gelesen; vor alK m aber seit 1844 Nel)enamt eines Oberbibliothckars der Kantonsbibhotiiek, als Nachfolger Sauppe's, dies Institut dun^ uncfmfldlicfaen Eifer, bd aller Beschränktheit der verfügbaren Mittel, su grosser Blüthe, auf einen Bestand von Uber 70000 P>anrion in einem neuen zweckdienltdien Heim zu bringen verstanden nnd der liriiutzung für weiteste Kreise bequem zugänglich gema< ht. DücJi am Ii seiner kin hengesrhic htlit hcn Arbeit kam vor Allem «seine jjnnitl- liche philologische \ urbildung zu gute. Seiner kritischen Ausgabe des i^c- tans (s Bde. Leipzig 184a und 1844) folgten die »Exegetischen Fragmente des Theodor von Mopsvestec (Zürich 1847) und weiter die Neuedition von Anselm's dogmatischem Hauptwerk: libri duo »Cur Deus homo« (Zürich 1868 und T 886"^. Daneben fring eine äusserst fleissipe, excpretisrh-textkritische biblische Arbe it, /Ullaehst in dum mit seinem Tenenser I reunde Willibald Grimm gemein- sam herausgegebenen "kurzgeku^stcn Handbuch zu den Apokryphen des Alten Testaments« (6 BAnde, Leipzig 1 851— 1860), für das F. in den Lieferungen I, U u. V das 3. Esral)uch, die Zusätze zu Esther und Daniel, das Gcbci Manasse, das Buch Haruch, den Brief Jeremia, die Bücher Tobias und Judith und die Sprfiche Jesu Sirarh bearbeitete. Dem schloss sich 1871 die Tcxt- ausgalie tler Iibri apocryphi Veteris Testiunenti und der als Anhang beigegebenen sog. Fseudcpigraphen an. Ebenso hat er einer Keihe alttestamentlich kano- nischer Bflcfaer (Esther» Ruth und Richter) sein textkritisches Studium äuge- wandt, indem er durch genauste Sichtung der zaliheidien Varianten des Septuagintatextes eine zuverlässige Purification der ^rict hrsehen Version ilicscr Bücher ernio^üi hte (^1848, 1864, 1867"^. Diesen Studien erwiu hsen terni*r die Abhandlungen in Herzog's Realencyclopädie über die alexandrmische Bibelübersetzung und die Vulgata, in denen der weitBchichtige Stoff in präciser Kflrze und übersichtlicher Klarheit venurbeilet ist und auch heute noch nach Nesüe's Compendium dankenswerte Orientierung über die einschlägigen Fragen geboten wird. ^^och auch um die reformierte Kirche seines Schweizer Vaterlandes im Besonderen hat er (hir( h seine kir( henges( iii< iitlu heu For- schungen sich verdient gemacht: schon 1839 gab er die Hauptui künde des scbweteerischen und deutschen reformierten Kirchentums, die Confessto helve> tica posterior mit Ergänzungen und Berichtigungen 2. Tbl. nach handsduift- lichen Originalquellen neu heraus, und in einer Züricher Jubelfestrede am 18. Juli 1866 zur Feier des drcihnndertjährigen Bestands dieser Confession hat er sie noch prnicipieli in ihrem bleibenden Werthe dargestellt. Wie luer insbesondere Bullinger's Verdienste hervorgehoben wurden, so hatte er zwei Jahre zuvor, am 27. Mai 1864 zum Gedächtnis des 300jährigen Todestages Calvin's eine treffende Charakteristik des gewaltigen Kirchenmannes und Theo- logen geboten (Zürich, 1864); zwei weitere Monographieen tibcr J. H. Hot- ttnger (Uilgeofeld's Zeitschrift f. wissenschaitL Theol. Bd. XI) und j. jac.

Digitized by Google

Fnt«sciie. HeiAzecUng. Heriog.

441

Zimmermann (viiaj. J. Zmimermanni celebcrrimi quond.un theol. Turic. 1841), dazQ eine stattliche Reihe wissenschaftlicher Pn^ramme bezeugten ebenso» dass »das Land, in wcldiem er die Stätte seines Wirkens gefunden, ihm mit der Zeit auch zur geistigen Heimat geworden war.« So hat die Stadt Zürich in dankbarer Anerkennung seiner Verdienste ihm 1S75 dn«? Bürgerehrenrerht verliehen und an den beiden Jubellciern, die den Leljcnsabend des greisen Gelehrten mit freundlichen Sonnenschein umleuchteten, regen Antheü ge- nommen. Die Fracht seines arbeitsreichen Lebenswerkes aber gehört in dank« barem Gedächtnis der gesamten wissenschaftlichen Theologie.

Kohlschmid t.

Heinzcriing. Wilhelm, cjestnrTicn 3. Juni 1896 in Darmstadt. !>ns Crnss- bcrzogthum Hessen hat in Uberiaiidesgerichtsrath H. einen seiner tüchtigsten, praktisch wie wissenschaftlich vielthätigen Juristen verloren. Doch auch die evangelische Landeskirche des Grosshenogthums beklagt in ihm einen Dir die kirchlichen Aufgaben und Arbeiten warm interessirten Mann, der lange Jahre als Präsident der Landessynode und als Vorsitzender des (aistav-Adolph-Lan- flesvereins willig und unermüdlich seine Kraft in den Dienst der cvnnjjeüsrhcn Sache gestellt hat. Seinem Beruf als Lehrer der Rechtswissenschaft und Volks- wirthschaft an der technischen Hochschule tu Dannstadt und mgieich als Mit- glied der juristischen PrOftingSGommission seines Heimathstaates ging zur Seite seine ausgedehnte literarische Thätigkeit jüs Herausgeber des »Archivs fiir prak- tische Re( hts\vissens( haft.^. Zugleich bekleidete er das verantwortunusvoUe Amt eines* Sei retars in der II. hessischen Kammer. So wird in Weiten Krei- sen sein \ erh»ät schmerzlich empfunden werden.

Kohlschroidt.

Heraog, Theodor, Dekan, geboren am 24. Febraar 1846 in Esslingen»

gestorben am 10. April 1896 in ReuUingen. In der Vollkraft der Mannes- jahre, ans wirksamer Arbeit fiir seine IIeiniallikir< he und wie verlautete uninUltIl>ar vor der Ijcfurdervm;^ in eui lu)liert.'s Icitendub Kuchenamt ist De- kan H. in Reutlingen durch einen raschen 1 ud abberufen worden. Eine reiche Lebenserfahrung verbunden mit einer umfassenden wissenschaftlichen Geiste«- ausrüstui^^, d:uu ein klarer und ruhiger Charakter bei ausgesprodien ]>ositiver tbeologis( her Richtung waren ihm eigen und er wusste seine schönen (laben mit praktischem Hlick und viel F.nergie fiir den Dienst seiner T nndeskirche frucht- l)ar zu machen. Das erste kirchliche Amt, dius er bekleidete, führte ihn allerdings nach Paris (1869). Doch nur für ein Jahr. Während des Krieges wurde er von dort wie tausend andere Deutsche ausgewiesen. So ward er daheim zunächst Pfarrhelfer in dem Städtchen Ebingen im S< Invarzwaldkreis. Eünf T'ihre spntcr '1876"! \\ur<le ihm die Pfarrei Eeuerbach im Neekar-Kreis iibt-rtra^en , wo ehedem All'ert Knapji Vicar gewesen war. 1883 wurde er alsdann als Dekan und Bezirksschulins[>ector nach Langenburg im Jaxtkreis l>erufen, um von da nach weiteren 7 Jahren das Decanat der Dificese Reut* lingen au ttberaefamen. So war es ihm vergönnt, in den verschiedensten Gegenden seines Vaterlandes Wurzel zu fassen und aus eigner Erfahrung die lokalen Besonderheiten nnd Ik'diirfin'ssc des kirchlichen Cemeindelebens kennen -/n lernen. Bei der V. üfdentli( hen Landessynode iS<).j, an der er in ' "Ige iandesherriicher Ernennung theilnahin, wurde er durch das Vertrauen der Körperschaft zum Vicepräsidenten bestellt, wie er auch in dem »Königlichen DiscipUnargerichtshof ftUr Geistliche« thätiges Mitglied war. So bedeutet sein frtthseitiges Hinscheiden ftlr die ganse Wttrtemberger Landeskirche, gerade in

Digitized by Google

444

. Herzog. Freger.

ihren gegenwärtigen inneren und antirömischen Lebenskämpicn, einen beUa- genswertben Verlust

Kohlschroidt

Preger. Joh. Wilhelm, Dr. thcol., '^v\>. am 25. August 1827 zu Schwein- furt, gestorben am 30. Januar 1896 m München. Mehr als gelehrter Tbeolog, denn als praktischer Kirchenmann hat Oberconsistorialrath P. sidi einen hochverdienten Namen erworben, der in wissenschaftlichen Kreisen noch lange nach seinem nun erfolgten Abscheiden mit allen Ehren genannt werden wird. Nach Absolvirunf? seiner theologischen Studien in Erlangen utid Hcrün wvink' i-r dreiund^wanzi^ährip: in das protestantisihe Prediger- seminar /,u München berufen, um schon das Jahr darauf 1^1851 j zum Professor der Religion und Geschichte an den Mflnchener Gymnasien befördert su werden. In Anerkennung seiner grundgelehrten Leistungen hat ihn nachmals die Münchener Kgl. Akademie der Wissenschaften 1 868 zum ausserordentlichen und 1X75 zum ordentlichen Mii'jli''«! ihrer historischen Klasse ernannt. Im Jahre 1890 endlich wurde ihm VN urtle untl Ami cmes Oberconsistorialratlis zu Theü. Sein litterarisches Interesse war zunäclist der älteren protestanti- schen Kirchen- und Dogmengeschichte gewidmet Diesen Studien erwuchs 1857 die »Geschichte der Lehre vom geistlichen Amt auf Grund der Ge- schichte der Rechtfertigungslehre« und bald darauf die zweibändige Mono- graphie über »Matthias Flacius Tllyrirus und seine Zeit, in der er sich als gediegensten Kenner jener durch die \ erw ickeltsten und IcidenschaftJich- sten Lehrstreitigkeiten so stark getrübten Epigonenzeit der Refofmationsperiode auswies, sodass er als der berufene Geschichtsschreiber der lutherischen Dogmenentwickelung gelten durfte. Doch bereits hatte ein »anderes entlege- neres Specialgebiet seine 1 iclie «gewonnen, die Mystik des deulst hen Mittel- alters, deren vielfxestalii^en Krst heinunpen und Abzweigtinucn er mit ausge- breiteter Quellenforschung und zartem Nachempfinden nachging. 1867 gab er die Briefe Heinrich Suso's nach einer neu gefundenen Handschrift des 1 5 . Jahr* hunderts heraus, denen sich 1875 ^^14 > gr^Sssere Abhandlungen Ober Dante's »Matelda«, (die Magdeburger Beghine Me<ithildis, die in ihrem Cister- cienscrkloster Helfta bei Eisleben um 1270 die nj>okalyptisch-mystische Schrift »das fliessciifle I.irhr der Gottheit- abfasste, inid deren Prophczeih\ingen Dante in seiner Divina Coniedia benutzte; und über die als evangelium aeternum zu- sammengefiassten drd Sdniften des spiritualistischen Franziskanerabtes Joaidiim von Floris (dessen Autorschaft F. mit guten Gründen bestritt) anschlössen. Diesen Einzclvorarbeiten en\'uchs sodann 1874 1881 die umfassende »Ge- schichte der deutschen Mystik im Mittelalter« in 2 Bänden, die zahlreiche neue Palmen ^\ ies und alsbald nach ihrem Erscheinen von der wissei\schaft- Uchen Kniik als ein Standard werk begrüsst wurde. Dem Gcsammtwerk sind weiterhin noch eine Anzahl Beiträge zur Geschichte der Waldenser im Mittel- alter (1875) speciell Über den Traktat des David von Augsburg über die Waldcsier (1878) und über die Verfassung der fran/ösischen Waldesier in der alten Zeit (1890) gefo!;j;t. Daneben beschäftigten ihn die matu herlei kirchen- puüiisclien und Veriassungskampfe, in denen Ludwig der Baier mit Papst Johann XXU. so hart zusammengerieth : Der kirchenpoUtische Kampf luiter Ludwig dem Baier und sein Einfluss auf die öffentliche Meinung in Deutsch- land (1877 und 1882); Beiträge und Erörterungen zur Geschif hte des deut- schen Reichs in den Jahren 1330-^1334 (1880); die Verträge Ludwigs des

Digltized by Google

445

Baiem mit Friedrich dem Schönen (iSR^^ die Politik fies P.ij)stcs Johann XXJI. (1885). Ausserdem verdankt ihm die Keformationsgei>chidjLj.sdircibung eine kridsdie Bearbeitung von Luthers Tischreden aus dem Jahre 1531 und 1532 (1888) und das christliche deutsche Hans, eine Sammlung »deutscher Lieder- weisen: Stimmen aus dem Heiligthum a (II. Aufl. 1888). So zeigt auch sein littcnxrisrhes Erbe die beiden Seiten seiner liehcnswiirdigen, still bescheidenen PtTsonhchkeit: ernste srhnrfsinni^'e ( lelehrsaniKeit mit feinsinnif^er gemiithvnller Nachempfindung in sclioner Harmonie vereinigt, Eigenschaften, die ihm seinen Platz im Leben allerdings mehr auf dem Lehrstuhl ab in Idtenden Kirehenamt zuwiesen.

Kohl Schmidt.

Rüling, Louis Bernhard, Dr. theol., geb. am i. August 1822 in Ocderan, gest. am 12. November 1896 in Dresden. Dem Diaconus R. in dem säch- sischen Stttdtchen Oedenm im Ziridtauer Bezirk wurde am t. August 188 s ein Sohn geboren, Louis Bernhard, der nachmals berufen war, an der Neu- Ordnung des Kirchenwesens im Königreich Sachsen in hervorragender Weise mitzuwirken. Xachdcm er die I'"(lrstcnH< hiile /u Meissen ehrenvoll absolviert hatte, ging er /um Stufhum der l'lieologie nac h l.eip/iu, das in jenen Jahren auch durch eine Reihe kirclUicher und ausserkirchlicher Versammlungen in die religiöse Zeitbewegung tiefe Einblicke bot So tagten dort 1S4S die »Lichtfreunde« in erster constituirender Versammlung und im gleichen Jahre fand dort der Zusammenschluss der seit 1832 hier und dort in Deuis< bland entstandenen Ortsvereine der Gustav-Adolpli-Stiftung Ureter der seitlier an Leipzig gebundenen) Zentralleitung statt. Da^ nächste Jahr brachte dortseibst die Begründung streng-lutherischer Pastoralconferenzen für das Königreich Sachsen. Dem Leipziger Bekenntnisstreit von 1844 folgte 1845 unter Ronge die erste Generalversammlung der deutSch-katholischen Bewegung. Gewiss eine Fülle von Finflriicken al)lehnender und zustimmender Art ist von alle- dem auih in dem empfänglichen Geiste rles jungen K. haften geblieben. Die Stille einer Hauslehrerstellung bei dem Rechtsanwalt l'ischer in Oberlossniti bei Dresden bot ihm dann noch weitere Gelegenheit ztur Vorbereitung iUr den praktischen kirchlichen Beruf, in den er endlich sechsundzwanzigifthrig im Sturmjahre TS4S als .Vrchidiaconus in Oschatz eintreten durfte. Seine glänzende Gabe als Kanzelredner l)ra( hie ihm nach wenig Jahren (185 einen Ruf an die Dreikönigskirche in 1 )resden-Neustidt, wo er das Diat onai, spä- terhin das Archidiaconat bis 1855 verwaltete. Von hier berief ihn die St. Petri-Gemeinde m Bautzen zu ihrem Pastor primarius, zugleich wurde er mit dem Amt eines geistlichen Beisitzers im Senat Air Ehesachen beim königlichen Appellationsgericht in seiner neuen Heimatstadt betraut. 10 Jahre hat er hier gewirkt, bis ihm 1866 dns Amt eines IL Hofpredii^ers und Consistorialraths in Dresden übertragen wurde; 1S7 } ist er sodann zum ersten Holprcdigcr und Oberconsistorialrath befördert wurden. In dieser Stellung hat er bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand (1888) eine vielseitige Wirksamkeit als Kirchenmann, Prediger und Seelsorger ausgeübt. Schon 1871 hatten ihn die in evangelicis beauftragten Minister als Mitglied der ersten ordentlichen Syn- ode der sächsischen Landeskirche Itcrufen. Er hat ihr weiterhin sowohl bei der ausserordendichen Tagung im J. 1874 als bei den ordentliehen 1H75, 1881 und 1886 in gleicher Eigenschaft angehört. Durch die Anerkennung seines Königs wurde er zum Komthur des Kgl. Sächsischen Civüverdienstoi^'

Digitized by Google

446

Rttllng. Sax.

dens ernannt »md vom Orossherzo^' von Mecklenburg mit dem Konithurkreuz des Hausordens der wendischen Krone ausgezeichnet. Ueber die grosse Hörergeniemde binaus, die er durch seine Idwnsvolle Kanzelbcredtsamkeit an sich fesselte, ha])cn zwei Sammlungen im Druck erschienener Predigten: »Grüsse an die Gemeinde« und »das irdische und himmh'sche Zion< , eine weite Verbreitung gefunden und werden sein Gedächtnis in dankbaren Herzen nachleben lassen.

Kohlschmidt.

Sax, Emanuel, Hans, Dr. jur., wurde am 28. Februar 1857 au Mikitlt-

schitz in Mähren geboren. Nach vorzüglicher Beendigung seiner Studien an der Wiener Universität, an welcher er 1879 clen Doctorgrad erwarb, und nach vollendeter Gerichtspraxis, begab er sich an deutsche Universitäten, um auf dem Gebiete der Volkswirtschaftslehre und Statistik seine bisherigen Studien zu erweitem und au vertiefen. Durch drei Semester war er ein un- gemein fleissiges Mitglied des von Prof. Dr. Johannes Conrad in Halle ge- leiteten stnatswissenschaftlichen Seminars, sowie 1880— i Volontär des unter der Leitung Krnst Kngel's stehenden königl. preussiscben statistis( hen Hurcnvi's in Berlin, im Jahre 1882 veröfientiichie er als Frucht dieser Studien den eisten Teil seines ökonomischen Lebenswerkes: »Die Hausindustrie in ThQ- ringen«, der 1885 in zweiter Auflage erschien; der zweite Teil folgte im Jahre 1884, der dritte und letzte 1888. Das Werk wurde nach Anlage und Methode vorbildlich für eine Reihe von Monographien über die Hausindustrie, nament- lich filr die vom Vereine f^ir Soziali»olitik im Jahre 1S89 herausgegebenen Berichte aus der Hau.sindustrie vieler anderer Landesteile des deutschen Reiches. S. hat vielfach mit ungemein glücklichem Griffe aus axdiivalischen und statistischen Materialien, aus Erschautem und Erfragtem plastische Bilder des TIeimindustrielebens ZU gestalten gewusst, wahre Cabinetstücke so/ialge- schu htlirher nncf beschreibender Kleinkunst, welchen der tiefere Sini^ wissen- schaftlicher Krkenntniss nicht fehlt. Am Schlüsse seines Werkes zog der thatsachendurstige fahrende Schüler der Nationalökonomie sein Ergcbniss über die Aussichten der hausindustriellen Betriebsweise. Sein Urteil lautet ver- nichtend: »Die Illusionen sind verschwunden, man erkennt in der Heimarbeit eine rückständige Betriebsform, bei welcher, unkonlrollirt und unkontrollirbir, die grösstc Ausdehnung des Arheitstiges mit Anspannung der ganzen Fannlie und besonders niedrigen Löhnen Hand in Hand geht. Ungeschnnnki muss der gegenwärtige Zustand dargestellt werden, wenn er je einer besseren Zu- kunft Platz machen soll etc.« (Die Hausindustrie in Thüringen HI. Thl. Jena 1888 S. 120.) Dass Fachschulen und Genossenschaften den Misständcn der Heimarbeit nur in l)tschränktem Umfange steuern können, das bcioni zu haben gehört glcuhfaJls zu seinen Verdiensten, Der lebliafte Widersiand gegen die Behauptimgen S., der von Hausindustriebaronen nach dem Kr- scheinen seines Buches laut wurde (vgl. S. Hausindustrie in Thttringen, n. Theil, S. Vm), ist verstummt; die späteren Forschungen haben seine An- schauungen über das Wesen der modernen Heimarbeit vollauf bestätigt.

Am 1. Juni iS8j trat S. als Concipist für den statistischen Dienst, in das Bureau der Wiener Handels- und Gewerbekammer ein. Die statistischen Berichte über Industrie und Gewerbe des Erzherzogtums Oesterreich unter der Ems für die Jahre x88o und 1885, die er in dieser amtlichen Stellung ver&sste» tragen die Spur seiner organisatorisch wie kridsdi begabten Pe»0n>

Digitized by Google

Sftju Noi.

447

lichlcelt. Im Jahre 1885 habilitirte sich S. als Privatdocent an der k.k. Hoch- schule für Bodenkultur, hielt 1887 8 nuch Vorträge im technologischen Oewerbemuseum, und wurde 1889 rwm ausserord. Professor, sowie zum Mit- gliede der Staau>prülungb-Commis&ion an der Hochschule emanni. Ein Lungen- leiden, das sich S. durch «eine Anhllnglichkeit an seine tuberkulösen Haus* leute sttgezogen, zwang ihn, im September 1890 bei der Handelskammer um Versetzung in den zeidichen Ruhe^and zu ersuchen. Er suchte im Süden Heilung. In Meran, wo er an seiner späteren Frau eine hingebungsvolle I^llcgerin fand, erwachten von neuem die künstlerischen Regungen seiner Jugend, und ein Band reizender »Mädchenlieder«: enthielt die letzten Grüsse an Fkeunde und Mitstrebende. Am 3. Juli 1896 ist mit S. eine ebenso ernste und wahtheitsliebende wie liebensw ürdige Persönlichkeit aus der jün- geren Generation österreichischer Sosialschrifistdler aus dem Leben ge* schieden.

St* Bauer.

N08, Heinrich August, berühmter Reiseschriltsteller» worde am x6. Juli 1835 zu München geboren, erhielt dort, sowie in Augsburg und AschaiTen-

huT^ seine ri}nuiasialliil(lung imd studierte seit 1853 in München und Er- hm^^en Naturwissenschaften und vergleichende Sjirnrhwissenschaft. Nach Be- endigung semer Studien erlangte er 1857 eine Stellung bei der königlichen Hof- und Staatsbibliothek su München, gab dieselbe aber 1863 eines Augen- leidens wegen auf^ erwarb sich 1864 in Erlangen die Doktorwürde und be- gab sich dann auf Reisen, die ihn besonders durch Italien und die Gebiete der slavischen Volker ftihrten. T^ie Kindri'K ke, welche N. auf diesen Reisen empfing, Mtclue er nach seiner Rückkehr nach München schriftstellerisch zu verwerten, und bei dieser Aufgabe bildete er sich bald zu einem der ge- wandtesten und anziehendsten Reiseschriftsteller aus. Das bezeugen seine Werke »Bayrisches Seebuch« (1865), »Oesteneichisches Seebuch« (1867), »Neue Studien aus den Alpen« (1868), »Der Frühling von Meran« (1868), »Rrenncrbuch. (rS6o\ »Dalmatien und seine Inselwelt« (1870), Bilder aus Siidiirol und vom < iardasee« (T87T), -In den Voraljien : (tSyf^, Italienisches Scebuch« (1872), »Elsass-Lothringen« ^1872), Erzählungen und liilder« (1873), »Der Zauberer des Hochgebirges. Erzählung« (1874). Am x. Kovbr. 1875 siedelte N. nach Wien über, um die Redakrion der »Alpenseitung<; zu über- nehmen; do( h legte er dieselbe bald wieder nieder und weilte in den fol- genden Jaliren meist in Tirol, Käniten und Istrien, während des WiTiicrs in Italien, bis er sich 1884 in Gor,6 und 1890 in Abhazia niedcrlicss. irlier traf ihn ein schwerer Schicksalsschlag: er verlor seine noch junge, geistvolle Tochter Walburgis, seine getreue Mitarbeiterin, durch den Tod, und seitdem war er ein gebrochener Mann. Dazu gesellte sich sein altes, jetzt in erhöhtem Crade auftretendes Aupcnlciden, das ihm die gewohnte Arbeit ers< hwerte. Vergebens suchte er in einer Münchener Heilanstah (lenesung, er wandte sich schliesslich (1895) ^^ch Gries bei Bozen, und im dortigen Spital ist er am 26. August X 896 gestorben. An Reiseschriften veröffentlichte N. noch: »Winter und Sommer in Tirol« (1876), »Deutsches Alpenbuch« (U, 1875— 76), »Reisehandbuch Tür die deutschen Alpen« (II, 1877), »Ein Tagebuch aus Abbazia« (1884), »Sinnbildliche*? aus der Natur« (1884), >'Die Jahres- zeiten. Naturhilder« fT888\ SinnhildHc hes aus der Alpcnwelt« (1890), i^bergfahrten und Raststätten« (1892), »UcuUchcs VValdbuch. Erinnerungen«

Digitized by Google

448

NbC Ruik.

(1894), »Edelweiss und T.orbeer. Neue Bilder aus 'l'irol (1R05). Sjiezicll als Novellist truL N. m folgenden Werken auf: ^(ia^teiner Novellen« (1875V »Kobinson in den Hohen Tauem« (III, 1875), »Die Reise in den Nasswald « (1886), '>Dic Pioniere der Unterwelt« (1886), »Am Hofe der Babenbeiser« (xS86) und »Geschichten aus der Unterwelt« (1893).

PcrsOidiclie Mlttdlm^en. Leiptiger lUtutrlerte Mtmg, Bd. 107 (Jtäug, 1896}. Seite 317.

Franz Brumuier.

Rank, Joseph, wurde am 10. Juni (nicht 181 5) zu Friedrichsthal

im Böhmerwalde, nahe der bayrischen Grenze, geboren. Sein Vater bcsass dort einen ansehnlichen U;uiernhof und hatte daneben eine grosse Niederlage von Bettfedem, welcljc au.s dem Innern Böhmens bezogen und weit hinaus über die Grenzen Deutschlands vertrieben wurden. Mit dem 11. Jahre kam R. in' die Landschule seines Dorfes, erhielt aber nebenher Privatuntetricbt durch den Ortsgeistlichen und bezog mit 14 Jahren das Gymnasium au Klaitau, nnch dessen Absolvierung (1836) er nnrh Wien ^inp, wo ein ä!rcre'- Bruder bereits die Josc]»hsakadcmic besuchte, in seinem ferneren Fortkommen auf sich selbst angewiesen, hatte er bald das Gluck, in dem Hause des Hof- und Gerichtsadvokaten von Planer eine Stellung als Ho&aeister zu erhalten, die ihn aller Sorgen um die Mittel iUr seinen Unterhalt Qberhob. In diesem Hause empfing R, auch mannigfache Anregung zu schriftstellerischen Arbeiten, und nachdem T,. A. I'r mkl, der Förderer aller jüngeren Talente, ihn freund- lich zu Beiträgen für sein ( )estcrreichisches Morgenblatt« aufgenumtcrt, schrieb K. seine Bilder und Krzälilungen »Aus dem Böhmerwalde« (gesuminelt 1842. Neue Folge 1847. Gesamtausg. III, 1851), die ihn nicht nur in den Dichterkreisen Wiens, sondern auch in seiner Heimat schnell bekannt machten. Inz\^'ischen hatte R. seine philosophisdien Studien beendet und sieb dami ficm Studium fler Rechte rncrcwantlt. Hand in Hand dann't tnn^ seine schriftslellerisi he Produktion, bis vr s( iihesslich bei der letzteren verblieb. In dieser Zeit entstiinden seine Romane »Vier Bruder aus dem Volke« (11, 1844) und »Waldmeister« (III, 1846) und die Erzählungen' »Eine Mutter vom Lande« (1848), »Weissdomblttten« (1848). Das Jahr 1848 machte seinem schrift- stellerischen Schaffen für einige Zeit ein Ende und führte ihn auf das (iebiet der Politik, indem er von seiner Böhmcrwald-Heimat in das Frankfurter Par- lament gcwähk wurde, wo er sich der liberalen und grobsdeutschen Partei anschloss. In Frankfurt hatte R. auch Uliland kennen gelernt, dessen Ein- ladung nach Tübingen er gern Folge leistete, und in dessen Hause er den bekanntesten Professoren vorgestellt wurde. Während eines längeren Aufent* halts in Stuttgart verkehrte er viel mit den schwäbisc hen T)i(htcm. Im Jahre 1851 siedelte er nach Frankfurt a, M. über, wo er sich au( h \ci- heiratete, wandte sich 1854 nach Weimar, 1859 nach Nürnberg und verwiric- lichte endlich i86z mit seiner Uebersiedelung nach Wien einen schon langst gehegten Wunsch. Doch war das letzte Jah»ehnt trotz aller Wanderfiduten auf schriftstellerischem Gebiete ein recht ergiebiges gewesen; es erschienen in dieser Zeit ans 'deiner Feder die Fa/ählune Moorgarten«; (II, 1851); »Der poetische Pilger durch l>euts< bland und die Schweiz« (1852'«; »Geschichten armer Leute<c (1853); Poetisches Rcisealbum« (1855); »SchiÜerhäuser« (i856)j »Von Haus zu Haus. Kleine Dorfchronik« (1856); »Aus Dorf und Stsdt. Neue Büder und Erzählungen« (ß, 1859}; die Ei^Uilungen »Schön^BIiimele

Digitized by Google

Raak* Hobenlobe.

449

(II, 1853% »Florian« (II, 1853), »Sage und Lebai« (1854), »Das Hofer-Käth- chen« »Sein Ideal (1856), die Volksromane »Achtspännip. (TT, 1857^,

Ein Dorfbruuis (II, 1860) und endlich eine von R. selbst sorgfähig gesic h- tete Sammlung seiner »Ausgewählten Werke« (XI, 1859 60). In Wien war R. zunächst längere Zeit stfindiger Mitarbeiter der »Oesterreichischen Zeitung«, erhielt dann aber zunächst provisorisch und 1865 definitiv die Stelle eines Direktions-Sekretärs des k. k. Hoftheaters, die er bis zum Sommer 1875 i'.r.ter den Direktionen Salvi, Dingelstedt und Herbeck mit Auszeichnung ver- -^.ih. Nur kurze Zeit \ erblieb R. im Ruhestande; (ienn im Frilhjahr 1876 gt;\vann ihn schon Heinrich Laube als Geiieral-Sekretar des Wiener Stadl- theaters, in welcher Stellung R. bis zu Laube*s Rücktritt (Ende 1879) ver- blieb. Ein Nervenleiden, das sich bei R. eingestellt hatte, l)ewog ihn, sich von allen amtlichen Arbeiten zurückzuziehen und ein milderes Klima aufzu- snrhcn. Fr wählte (iörz zu seinem Wohnsitze und weilte hier zwei Jahre. r>a erhielt er den Ruf als Redacteur der Wiener belletristischen Zeitschrift »Die Heimat«, dem er Folge leistete. Er kdurte nach Wien zurück und widbmete in Gemeinschaft mit L. Amsengruber vom t. April x88s ab dem genannten Wochenblatte drei Jahre lang seine volle erspn>ssliche Thätigkeit. Darnuf ro^ er sich gänzlich ins Privatleben nach Hietzing zurück, und hier ist er am 27. März i8()6 p;estorben. Von seinen S( hriften sukI noch zu er- wähnen: »Aus meinen Wandcnagenvc ^1863), »Sieini^ciken. Bilder aus dem Dorf^ und Staddeben« (1867), »Drei Erzäihlungen« (1867), »Burgei, oder: Die drei Wünschec (1866), die Romane »Im Klosterhof« (II, 1875), Seelentänger« (1876), zwei Dorfgeschichten »Das Birkengräflein. Muckerl, der Taubennair« (1878) und endlich seine »Erinnerungen aus meinem Leben« (1896).

Wanbachs Lexikon, Bd. 24, S. 336. Böhmeos deutsche Poesie und Kunst von Ed. F. Kästner. Bd. s, S. 375 ^ Bd. 6, & II83. AdoIf Hinrichscn, Du littenriache DeatscbJADd, S. 1076.

Franz Brümmer.

Hohenlohe, Cardinal. Am 30. UcLober 1896 meldete der Telegraph das Ableben des Cardinais Hohenlohe: sein Name imd seine i'ersönlichkeit recht- ffntigen es, wenn wir ihm hier ein Blatt der Erinnerung widmen*). Der Prinz Gustav Adolf von H. war am 26. Febr. 1823 zu Rothenburg an der FuMa Hessen) als vierter Solin des Fürsten Franz Joseph zu Hohenlohe- Schiilingsrürst und der Intrstin Constanze geb. Hohenlohe-Langenburg geboren. Von seinen vier Brüdern ist der Prinz Ernst (geb. 1820) am 3. Mai 1845, der älteste, der Herzog von Ratibor, am 30. Jan. 1893, der Jüngste, Prinz Constantin'), Oberhofmebter des Kaisers von Oesterreid^, am 14. Febr. 1896 gestorben; der zweitgeborene ist der gegenwärtige Reit hskanzler. Der künf- tige Cardinal erliiclt seine GymnasiallHlilunp; in Ansbach und Erfurt und stu- dierte dann die Rechte in Bonn. Unter dem Kinflnsse des edlen Diepenbrock cntschloss er sich zur Wahl des geistliclien Sundes, fiir den er sich zimächst durch das Studium der Theologie auf den Universitäten Breslau und München vorbereitete. Hier, in München schloss er jene Verbindung mit seinem Lehrer, dem Professor DöUinger, welche bis an des letztem Tod erhalten blieb. 1846

') Das Werk Hermann Kust's Reichskanzler Fürst Hohenlohe und seine Brüder, DttBSeldorf 1897, in welchem das Leben des CardiiMb, IL 837^909» behtnddt tat, luuia aar als vorläufige Mater! aUammlaiig einigvrmasscik in Betracht konunen*

») Vgl. o. S. 176 191. D. H.

Bioyr. Jabib. n. Dcutoclter NckruU*K. 29^

Digitized by Google

450

Hohenlohe.

hc^^al) er sich nach Rom, wo er in tlic der Ausbildung der kimrti^en päpst- lichen liiplomaten und anderer der höheren Carri^re bestimmten Kleriker diwende Accademia ecdesiastica eintrat und sehr bald m die Umgebung de» Papstes aufgenommen wurde. Am Hofe Pius' IX. erlebte er die Eretgnisae von 1848, welche zur Flucht des Papstes nach GaSta führten, wohin ihm der junge Prin? nachfolgte. In Oactri empfing H. im Januar 1840 die Priester- weihe. T)cr Aufenthalt in diesem Kxil war für ihn namentlich dcshalh be- deutsam, well er iner den grossen Philosophen Antonio Rosmini kennen lernte, der bis kurz vorher als ausserordentlicher Gesandter des Königs von Sardinien bei Pius IX. beglaubigt war, dem dann in den Tagen vor seiner Flucht dieser die Ministerpräsidentscliaft angeboten hatte und der nun ebenfalls nach Ciaeia gekommen war, um dem Papst seine treue Cresinnung zu en\'eisen. Hier er- lebte denn Rosmini den Umschlag ui der Stimmung Pius IX., den Ueberganj: desselben von den constitutioncllen Neigungen zur absoluten Rcgicrungsform und dem Wiederanschluss an Oesterreich; diesem Wechsel fiel Rosmini als Opfer, und da Antonelli als Haupturheber der in den Gesinnungen des Papste» eingetretenen Veränderung anzusehen war, mag srhnn damals der Grund /u der Verstimmung H.'s gegen den immer allmachtiger werdenden Stnatssecretar gelegt worden sein. Indessen blieb H. in hoher Gunst bei Pius, woran auch die frtth hervortretende Gegnerschaft der Jesuiten nichts änderte, indem Pius DC. selbst diesen zu Anfang seiner Kegiertmg ungünstig und auch später, als er sich ihrer Führung hingab, niemals innerlicli günstig gesinnt war. Vom Cameri^re segreto avancirte der junge deuts( he Prinz InUd zum Gross-Almo- senier des Vaticans und zum Titularbischof von Fdessa. Tn dieser Stellung des (iross-Almoseniers hatte er willkommene Gelegenheit, den äusserst frei- gebigen Sinn des Papstes zu befriedigen und seiner eigenen Neigung zum Wohlthun und allen Werken der Barmherzigkeit nachzugeben. Diese edle Neigung führte ihn nicht selten über die Grenzen Miner Mittel hinaus und legte den Grund zti manchen Verdriesslichkeiten , welche die späteren Jahre des Canhn.ds \ Liilusterten. Als der Cardinal Diciienltrock 1853 starb, wurde über H. i. Wahl ^um Fürstbischof von Breslau verhandelt: Diepenbrock selbst hatte sich ihn als Nachfolger gedacht Indessen zerschlugen sich diese Dinge. Fs wird behauptet, dass seit 1864 ern.sdich über seine Coadju torschaft, bezw. Nachfolge im Frzbisthum Köln verhandelt worden sei, was nicht ganz zwei- fellos ist. Frnstlichcr scheint man für ihn an Pamber;z ^»edacht zu haben. Indessen scheiterten diese Aussichten, wie es einige Jahre später auch in fiaden nicht gelaug, ihm das Erzbisthum von Freiburg nach Herman von Vicari's Tode zuzuwenden. Pius IX. entschädigte seinen Ck06S-AImo> senier, indem er ihm am 22. Juni 1866 die Cardinalswürde Ubertrug. Bis 7um Jahre 1S70 verlebte H. im ('ranzen ruhige Zeiten. Fr «^tand der Politik ferne und lelitc L^enie auf dci Mlla d'^wSte in Tivoli, welche der letzte Be- sitzer, der Herzog von Mudena, ihm auf Zeitlebens als Villeggiatura hinter- hasesk hatte ^. Hier empfing er mit Vorliebe die zahlrddien Gaste, welche das Vaterland dem deutschen Fttrstensohne zusandte; hier fand auch Franz Liszt, der seiner Freundin, der Fürstin Caroline von Wittgenstein, seit tH5i nacli Rom i^efolgt war, ein Asyl. Die l'ürstin, Mutter der Gemahlin des Obcrbofmcistcrs l'riuzcn Constantin Hohenlohe, war die nahe Verwandte des

') Nach dem Tode Hohenlohc's ist der Genius der Villa d'Este an den jetiigen Eigen thflincr, den Btshcnog Franz FcfdinAad von Oestencteh-Este, safflfikgefalleik

Digitized by Google

Hobenlehe.

Cardinais; die Liebe zur Musik und manchfachc Uebcreinstimmttng des Na- tUiells bildete ein weiteres Band zwischen diesem und dem p-ossen Künstler'). Als TJs7:t zur l^cberrasrhun;; der panzen "Welt sich zum Kmtrilt in den j;eist- iichen Stand entschlossen hatte, gab ihm H. am 25. April 1865, die niederen Weihen. Mit den Ereignissen ron 1870 Änderte sidi die Situation des Car- dinais. Sein Bruder, der Fürst Chlodwig, war inzwisdien als Kgl. Bayriscber Ministerpräsident in die kirchenpolitische Action eingetreten. Sein staats- männischer Blick hatte klar erkannt, M^elt fien (iofn! ren der Friede zwischen Staat und Kirche durch die von den Jesuiten betriebene, von Vio IX. als eine persönliche Herzensangelcgenlicit seit langem ins Auge get'assie Declaration der päpsdichen Unfehlbarkeit ausgesetzt sein werde. Aus dieser Erwägung und dem Verkehr des Fürsten mit DöUinger ging die bekannte Orculardepescbe vom 9. April 1869 hervor, welche (In Zweck hatte, die europäischen Höfe au einer gemeinsamen A( tion gegenüber den zu erwartenden l^eschlüsscn der römischen Curie einzuladen. Ks konnte nicht fehlen, dass der Cardinal in diese Bewegung hineingezogen wurde. Seine alten Beziehungen zu ÜöUinger, seine kaum minder alte Antipathie gegen die jesuitische Partei und deren Absichten drängten ihn trotz seiner grossen persönlichen Verehrung flir Pius IX. anf ilie Seite der Opposition. Es gelang weder seinen noch anderen Be- mühungen, die ( iiric rlavon zw nbcrzcuiien, d.iss es un;ingänglich sei, das Concil zu halten, ohne diiss die beiden ^•«'^'^ttJn Theologen der damaligen Zeit, DöUinger und Newman zur Theilnalunc an den Verhandlungen einge- laden würden. Da DöUinger nicht kam, lud sich Cardinal Hohenlohe dessen Schtüer, den Profes.sor Friedrich, ab Con« Ilstheologcn nach Rom ein, und so ward Hohenlohc's Wohnung an V\n7.7.:\ degli Apostoli, der Palazzo Valentini, eines der Haujitt entren der antimüdlibilistisrhen Hewegnn;::. M.an weiss, dass dieselbe am 18. Juh 1870 unterlegen ist. Noch am selben läge Üess der CanUnal dem hl. Vater seine nachträgliche Zustimmung zu dem Decrete an- gehen. Seine SteUung zu der Sache war ttbtigens niemals eine so ausge- sprochene, wie etwa diejenige Hefele's und Kaynald's, wie auch später seine Auflfassung des Derrets sieh wesentlich von derjenigen der Extremen unterschied. Manning, der nls der eigentliche Führer der sieurcic lu ti Majorität tw betrach- ten ist, war Holienlohe .seit seiner ersten Ankunü in Rom ^^nach ..seinem Ueber- tritt) ein guter Freund und ist ihm das auch bis zuletzt geblieben. Man kann somit Hohenlohe's theologische Stellung als eine mittlere und vermittelnde bezeichnen. Indessen hatten die Kämpfe dieses Jahres H.'s Verhältnis« zum Papst griinrllirh verdorben. Als am 20. September die Itahener durch Porta Pia eingerückt waren, sali man die deutsche Fahne auf Palazzo Valentini wehen; am 22. September verliess der Cardinal Rom, mit Zustimmung des Papstes, wie der Fürst Chlodwig am 14. Mai 1878 im Reichstage erklärte. Er hegkh sich auf die Familienbesitzungen in SchiUingsftlrst, WO er sich mit der Grimdimg eines Erziehungsinstitutes befassrc. das seither segensrcit h fort- wirkt. Sehr bald brachen die Sttirme des Culturkampfe«? ans: noch im Jahre 1872 glaubte der Fürst Bismiirck zu einem Modus vivendi mit dem hl. Stuhl gelangen zu können, und aus dieser Absicht erklärt sich, dass er den Cardi- nal zum Botschafter am Vatican vorschlug. In der denkwürdigen Sitzung des Reichstags vom 16. Mai 1872 gab der Reichskanzler selbst die Erklärung ab, dasa er diese Wahl und ihre Annahme als ein Pfiuid friedUcher und entgegen-

>) VgL Uber diese Dinge L. Ramano Fruu Lisxt. Leipzig 1894. IL 433 f*

29*

Digitized by Google

45»

Hohenlobe.

kommcnflcr r,c>iiinr.n[rcn betrachtet haben wolle. A!jcr d.\> Mi=;«tTauen und die fMhiucriHi^^ war schon /u hoch emporgewachsen; die C cntruinspartei ^■>e- fehdetc die gctroltene Wahl auts Aeussersie und der hl. Stuhl lehnte H. als BotschaAer tu en^fimgen ab. Das Schreiben des Caidiiuds AnUmelli rem 2. Mai gab als Grund an, Se. Hdli^eit kOnne einen Cardinal der U. römi- schen Kirche, auch wegen der augenblicklichen Umstände des hl, Stuhles, zur Aiui.ihmc eines tn delicaten und wiVhti^en Amtes nicht autoris:Ten. Im November i '^74 war H. wieder in Ikriin, am 2 ^. Januar 1Ü76 kchnc er nach mehr als funtjahrigcr Abwesenheit niich Rom zurück, wo iruwischen das Pontificat Pius DC. sich dem Ende entgegenneigte, bk dem Condave^ weldics auf dessen Tode folgte, übte H. «nen nicht unbeträchtlidien Einfluß auf die Wahl eines Papstes aus, welchem man allgemtin friedliche und versöhnliche Absichten zuschrieb. Als solrber war Pem* si hon htncre in Aussicht certr>mmcn und es handelte sich nur ihirum, rhirt h HcNic^ung des ihm Icindiichcn jesui- tischen Einflusses seine Krwahlung zu sichern. Mit Franchi bat sich m diesem Sinne wesentlich bemCiht, und seiner Einwirkung war es su verdanken, wenn der neugewählte Papst, der momentanen Eingebung nachgeben«!, sich schon anschickte, nach alter Uebung sich auf den Balcon der Peterskirche zu begeben, um dem versammelten \''olke die Bencdiction zu ertheilen. F-s kam nicht dazu, indem andere Lardinale sich an Leo herandrängten un<l ihn bewogen, eine Ceremonie zu untcrkssen, welche als ein Unterpfand d^ Ver- söhnung mit Italien angesehen worden wäre. Leo Xm. emamite bald darauf (Juli 1S78) H. zum Erzi)riestcr von S. M.oria Maggiore, wo letzterer (l. i seine Amtswohnung, im TalazT-o von S. Maria Ma^';.;ii>re dicht liintor der lia- siüVn, bezo^r: am 12. Mai iSyq ward er /u einem iler sulnirlucanschcn ilis- thumer, und zwar für Albano, ernannt. Die Friedensverhandlungen zwischen Berlin und Rom, wdche seit der Indironisation Leo^s Xm. eingdeitet waren, hatten an H. einen warmen Fdrderer; gerade dies und seine unverhohlene Befürwortung einer Verständigung mit dem Quirinal verdarben aber seine Stelhmi,', nnmentHrh seit dem Augcnblirk, wo Leo XIIL, nach dem plötz- lichen l üde Franchi i>, eine Schwenkung in seiner Politik \()I!/og. H. hat kein Geheimniss daraus gcmaclit, dass seiner Ucberzcugung nach der Cardinal Franchi als Opfer seiner condlianten Politik gefiülen und durdi Gift aus dem Wege geräumt wurde; wie er denn auch den tiefen Eindruck be- zeugte, welchen dies Ereignis« auf Se. Heiliulseit machte. Er selbst hielt sich in dieser Hinsicht bedroht, namentlich seit den Krfahrnniren, welche er iielegent- lich des Mordver-^ui hcs gemacht, dem seine Verwandte, <lie Fürstin Ratharina von HohenzoUern, in Rom ausgesetzt war. Am 21. October 1880 kam H. wieder nach Deutschland, besuchte den Herzog von Ratibor in Randau und seinen erkrankten Bruder Chlodwig in Berlin {13. Nov.) und kehrte am 22. Dez. wieder nach Rom zurück. Wiefler hatte man fiir ihn an ein deutsche> V-'\- thum gedacht. Ks waren Bamberg, Breslau und Freiburg nacheinander in Betracht gekommen, und er seihst wäre gern nach der Heimat übergesiedelt, da seine Position am römischen Hofe sich immer weniger erfreulich gestaltet hatte. Die Cturie lehnte ihn indessen für jedes deutsche Btsthum, das in Betracht kam, ab; (Iber diese Behandlung erbittert^ bot er seinen Rflcktritt von dem r!i>tlumi Albano an, welche^ ilim nicht nur nichts eintrnj:. sondern ihm najnbatte ( )\>i\ r auferlegte, denen er, !iei den schweren Au>la^'en. welche ihm schon die Vüia d'F^te verursachte, nicht mehr glaubte nachkommen zu können. H., verstimmt ttber die Weigerung des Papstes, diesen Voxidit an*

I

Digitized by Google

Hohenlohei

453

x^unehmcTi, reiste wieder nach Deutschland, wo er am 15. NovemlnT bei seinem lirudcr Ratibor, dann in Gotha bei dem Herzog und aiulcreu \'er- »vandten vorsprach. Eine andere Reise führte ihn 1883, 2. Octobcr wieder Uber die Alpen. Sein Besuch in Mflnchen, wo er DöUinger und den königL italienisdien Gesandten sah, brachte ihn in einen neuen Ctonflict mit dem A^Ttican, und 70p ihm starke Angriffe der Centrumspresse zu. In i'erlin, •wo er ;im kaiserlichen Hofe sehr ehrenvoll cmpfanficn wurde, sprach man damals von seiner Ernennung zum papsihchen Xunüus für Preussen eine Combination, welche nur aus gänzlicher Unkenntniss der Verhältnisse hervorgehen konnte. In jene Zeit &llen auch die längeren Besuche des Cardinais in Oberschlesien, ('orvey, Stuttgart und Scbillingsfürst ; jetzt willigte endlich T,cn XIII. in den Verzicht nuf Alhnno, und Hohenlolie trnt drimit in die Klasse der C ardinalpriester zurück das erste Heispiel dafür, dass ein Cardinalbischof wieder in den Ordo der Presbyter zurückkehrte. Von da ab gestaltete taxh Leben des Cardinals immer stiller. Sein Veihältniss zum Papst war durdiaus getrttbt, und ward es noch mehr, als der Cardinal einem von dem Minister des Auswärtigen Baron Blanc gegebenen Diner bei- wohnte und bei dieser Gelegenheit mit Crispi auf den guten Ausfall der künftigen Wahlen ansties^. Dies und die Unterstützung, welche der Cardinal dem in Tivoli candidirenden Sohn des Unterrichtsmmisters angedeihen Hess, musste natürlich im Vatican tiefe Verstimmung hervorrufen; der Papst berief H., ad audiendum Verbum su sidi und es scheint su einer sehr scharfen Auseinandersetzung gekommen zu sein. Der Cardinal verliess Rom, um drei Monate lang in stren^jcr Abijeschiedenhcit in dem Bergstädtchen Montefalco zuzubringen. Man sai^te, es sei dies Kxil eine ihm v(.)m Tapst auferlegte Strafe gewesen. Deutschland, wo er im Jalire 1893 sich zuletzt zeigte, hat er seither nicht wiedergesehen. Er verbradite die letzten Jahre seines Lebens still, abwechselnd tn Tivoli und in S. Maria Maggiore sich aufhaltend. Die Sitzungen der Congregationen, deren Mitglied er war, besuchte er gewissen- haft, aber an der allgemeinen Leitung der Ccschäftc an der Curie hatte er keinerlei Antheil, auch musste er an manchen kleinen Kränkungen und Zurücksetzungen die ungebrochene Fortdauer der ihm zugewandten Ge- sinnung erfeluren. Seinerseits war er freilich auch nicht von manchen Un> klugheiten freizusprechen. Seine offene heitere Natur ertrug nur ungern die Schranken, welche seine amtliche Beziehung zum hl. Stuhl ihm im Verkehr mit denjenigen Kreisen vorschrieb, welche von der Curie offu iell ignorirt oder als Feinde behandelt wurden. Auch manches Bonmot, das der Cardinal nicht zu unterdrUdcen vermochte und das seiner witzigen und mtmteren Zunge entfloh, madite seinen Weg dvach Rom und brachte ihm reidilkdie Feindschaft zu. Daftir tröstete er sich im Umgang mit Freunden, die ihn aus der Heimnt liesurhten, die er freme und oft um sich sah und denen gegenfil>er er eine Ciastfreundschaft im edelsten Snine ausübte. Wie denn überhaupt die Treue gegen die Freunde zu den besten Eigenschaften dieses Kirchenfllisten zählte, dessen ganze Erscheinung wie ein Stück vergangener Welt in diese Gegenwart hineinragte.

Es ist nicht leicht, eine so vielfach angefochtene, sich wenigen auf- schliessendc Persönlichkeit wie diejenige des Cardinais H., richtig: /u beurteilen. Er war kein Gelehrter, aber er hatte viel gesehen und \vu>äic von den Zeit- läuften mehr als die meisten Anderen, welche mit ihm zugleich den Purpur getragen haben. Als Schriftsteller ist er nicht aufgetreten, doch existireo

Digitized by Google

454

Hohenlohe.

von ihm handschriftlich einige bearhtcnswerthe Gutachten, wfe ftber die Er- ziehunfT des Klerus xmd jenes Promcmoria , in welchem er sich gegen die Abreise des Papstes von Rom aussprach. I>alur war er Gelehrten urui Künstlern in allweg behiilflich und unterstützte Jeden, der ach an üm wandte. Den Armen war er ein wahrer Vater und manches woUdAtige Institut hatte ihn unter seine Wohlthäter zu zählen. Insbesondere gilt das von dem Campo<=anto Terlcsco nni Vatirnn; auch für die 'RestatTration seiner Pnsiükn war er eifrig beiimht. So reich wie seine ( ivitihatcn, war der Un- dank, mit dem ihm gelohnt wurde. Persönlich bescheidenen und einlachen Wesens, unendlidi frri von jedem gektlkhcn Hodmuidi, war und bUeh er stets der echte Grandseigneur» wdcher genau wusste, was er sich und was Andere seiner Geburt und seiner Stellung schuldig waren. Die Verpflich- tungen, welche sein dc\itsrher Fürstentitel mr\ die nahe Vervvand'^rh-jft des Kaisers ihm anferlepten, hat er Niemanden gegenüber preiNi^eiichcn. I »le C*.?ne verlor in iiiin einen Rathgeber, den sie geflissentlich und nicht immer ilircin VortheQ vcmadilässigt hat. Zum Bischof war er, sagte man, nicht geeignet ; aber er musste sehen, wie viele andere die Mitra erhielten und trugen, die es noch viel weniger waren. Man affichirte die Verachtung seiner Rathschlage; aber wenn rüe N'oth an den Mann kam, nahmen doch manche von deren, welclie sich Lagtäglich an ihm versündigten, ihre Zuflucht zu ihm. I)ass er ein aufrichdges und iiuieres Interesse an den Schicksalen und der Zukunft der Kirche nahm, bekundete schon, wie erwShnt, seine überaus warme Ver- ehrung f&r Antonio Rosmini, in dessen Person und in dessen Ideen er das Beste verVöqiert gesehen hatte, was das religiöse Leben Italiens nm die Mitte dieses Jahrhunderts aufzuweisen hatte. Und so hnt er auch, trotz aller An- fechtungen, sowol dem Namen Rosmini's als dessen Institut seine Liebe luxl Theibiahme bewahrt.

Die weiche, mehr receptive als impnUire Natur des Gatdinals war nicht dazu angethan, aus ihm den Führer einer Partei oder überhaupt eine leitende PersÖnlif hlveit zn machen. Zum tonanjrcl »enden Staatsmann war er nicht angelegt, aber er hetirtcihe die p<jliiis<-hen VerhivhnivNe -•ehr ,uut nnd überaus viel richtiger als viele semer Standesgenossen. Seit fast seciizig Jahren Be- obachter der in Italien sich abspielenden Ereignisse, hatte er die leste Ueber- seugung, dass eine Restauration der weltlichen Herrschaft des Papstes voll- kommen ausgeschlossen sei und er forderte daher ganz offen die Verständigung zwischen Quirinal und V'atican. So war dieser Deuf-rlie tl atsar h^ich der einzige offenkundige "Italicner* im Sacro Collegio. Was ihm \(>r Allem fest- stand, war, dass Italiens Zukunft ganz durch sein Festliaiicn an dem l>und- nisse mit Deutschland bedingt sei. Die Tripebllianz hatte demgcmSss an ihm wie an Galimberti die eifrigsten Fürsprecher, während beide die Zu- neigung des Vaticans zu ?>ankreich und der Demokratie aufs üefste be- klagten. Niemand 1 onntc fc^^tcr iind tiefer als er davon durchdrungen sein, dai» der iricdc und tlie Wuhlüirt i.uroj)a's in einem geeinigten starken Deutschland ihre beste Bürgschaft haben. Auf Kaiser Wilhelm U setzte er hohe und glänzende Hoffiiungen. Nach Galimberti's frohem Tode war er in Wirklichkeit der einzige Freund, den Deutsdiland unter den 'nsgem des Pur[)urs bcsass.

Die äussere Erscheinung des Cardinais w.ir 5*attlit h and sehr disünguirt. In seinen jungem Jaluen waren seine Züge überaus weich imd milde ^ auch im Alter wohnte auf seinen Lippen und in seinen Augen ein Zog schalk-

Digitized by Google

Hohenlohe.

455

Hn.ftcn Humors, fler ihm Uber manche mrttcriiUe Sorc:cn und über die An- fzriifc seiner Gegner hinwcjzhnlf. Seine Gesundheit wai- im Allgemeinen vor- trefriich. Zwei Jahre vor seinem lode hatte er sich wegen eines Geschwüres &n der Brost eino* Operation unterziehen müssen. Auch im November 1895 war er vorübergehend krank, dann hatte er sich vortrefflich erholt. Ln Sommer 1 896 begann er in Tivoli zu kränkebi. Sein Zustand verschlimmerte 5iTch im 01;tnber, sodnss er sich die Sterbsacrnmentc reichen Hess. Am 26. Ok- tohcr keime er nach Rom zurück, liier wurde er am 30. Oktober Iruh morgens 7'/^ Uhr von einer Ohnmacht befallen, welche in einigen Minuten den Tod herbeiführte. Ganz aufgeklärt sind die Umstände seiner letzten ^Irkrankung nicht, wie es scheint, konnte Niemand ihm in den Wochen, die seinem Ende vorausgingen, nahen. Am i. November ward er in der KapeUe des Camposanto Tedesco betircsetzt. In gewissen Kreisen vernahm man cien Hin.:iaii^^ des Cardinais mit sichtbarer Krleiehteiung. In Italien, wo er sich sehr ausgebreiteter Populantal erlVcui halle, betrauerte man den Tod dieses Freundes der Causa Italiana. Die deutschen Freunde verbargen sich nicht, dass mit diesem »letzten deutsciu 11 Cardinal < mehr als seine Person zu (irabc gestiegen war. Sein kleiner »Hof - war der letzte Nachklang jener einst so potenten Existenzen, wie die Famesc und andere der Renaissance- Cardinäle sie führten: aber immerhin ein Nachklang von Zeiten, die auf immer dahin sind, und von deren Herrlichkeit die trauernden Cypressen der nun völlig verödeten und zerfallenden Villa D'Este erzählen.

F. X. KRAUS.

Digitized by Google

Alpliabetiisclies Namenverzeiclmias

tmn

Deutschen Nekrolog vom i. Januar bis 31. December 1896.

Ackermann, Theodor

Aliireorit, Siepfr. Wilhelm

Alexander Meyer

Akxandcr l'rin/ von FrctUSCn

fFfrmann Grnnirr

418

Ambt-rtjer, Uust. Ad.

Dr. Bergnoefer, un nachüten Bande

Appell, J. W.

3

Annbrast» Xatl

IM. SUmr

tit

Amold, HenDana

Bi Htttmd

47

Ascbaii&p Andreas

Franz BrAwmtr

196

ATenMins» KichArd H. L.

Fr» Canka^m

5

Backhaus, Wilh. Em.

Franz Brummer

«95

BMTf Karl Abioa Enit

3^

BMffivald, Rob.

Dr. Btr^fi^ttt im nichsten Binde

Binerlc, Friederike

A. 7. WeHittr

33S

Rob. Fifrier

"3

BiUin-, <"arl M.

Dr. Postur

411

Baum, Georg

Fagü

150

Bftmunn, Eugen

RttA, Kramtt

93

Bsunbeclii Kerl

Akxmdtr äüyir

■99

Becker, Emst Albert

Dr* Btr^io^mr, bn nicluteti Bande

Becker, Karl

Dr. Paul Koltmam

it

Beckerath, Morir v.

H. Holland

48

Behaghcl, Wilhelm Jacob

F. V. Weeck

391

Benedikt, Rudolf

Nach K. Nazura

322

BexehciD'HMinhaiiiCQ, Gref Haas Emst

A, V* Ohtrmmftr

32

Beriet Alois

y. WtUmr

336

Berlepsch, Dietrich Otto

ff, A. Lier

415

Berthelt, Aii^n^t F.

Franz Brnmmtr

246

Bcyrich, Heinrich Emst

E. Bknek

BUimek, Hugo R. »,

D. Poten

112

Digitized by Google

457

Name

Verfasser

ä e 1 1

Bode, Georg Wilhelm

//r. Bcrghotgtr, un nächsten Bande

Bouer, Ludwig

iL Btnuma

49

Braftdaer, Ftau

a£B.a n_ «» .»»»^

Ahm xir. Sutojf

35»

Bfaasenelter

Bruckner, Anton

301

BrucKner, Alexander

Brunncmam), Karl

£. Gugita

44

Bnmtimaster, &ai]

361

BttcblEB, Hcnuua

an

BflfUe, Maitm J.

BnUf F* Am

2ao

Bansen, Geoi^ v.

Alexander Mtytr

34

BuTchard, Karl

Robert Eitner

114

BtU)äe, Karl

215

CanphauscD, Otto von

Z7r. /.(>/ir, im Diensten Bande

Carro, K.irT K. t.

337

Chotek. Grnf Rolmslaw

Heinrkk Friedjung

131

Christaller, Theodor

fytd^ Krams

99

<;^iify, "WUlidni

P, Zimmtrmaim

401

Cnrfen» Bmst

AMT Ähmu

94

CartiiMi Emst

Ad0^ MkkotSt

S6

Curtmann, O.

Dr. Posner

411

Ca«niits, Ignatz

Ä. y, WktHur

33S

De la Cniix, Otto

441

Da^hr» Georg

399

IHeUts. Juliui

Dr. Berghoeffer, im nidisten Bande

Diemcr. Johannes

Wilhelmint v. HHkrm

242

Dietz, I iidniilla

A. J, Weltner

339

Dittes, Friedrich

i^ranz Brümmer

343

Dohne, Robert

Dr* Berghoeffer, im nichst«n Bande

Dfobiseh, Moritt Wilheliii

Cmr0i fftrmtim

133

Du Boit-Rqpmead, Bmfl

las

Ebelmg, Adolf

Franz Brummer

«94

Bggert, Sigmund

49

Cgli, Joh. Jakob

Eitenbardt, Johann

Ih^, Bttgkt^ßir, in nftcbsten Bande

Eisenlohr, Karl

Pagel

«51

d'Elvert. CbrUtian

E. Gu^^ua

45

Engel, Emst

Ii. Bktuk

221

Engelhard, Wilhelm

B. Paten

HO

Eje, August v.

jrmem X^WOImmmr

»54

Faber, T,othar, Freiherr v.

Wundtr

423

Feck, Hugo

Dr. Fosner

41 1

Finkdnburg, ^rl Maria

TS» Aescktiuunt

350

Fisdker^AehtCB, Casoline

403

Digitized by Google

45S

Intuüu

Name

Verfasser

Seite.

FltcheTf Oscai

P. ZuitmitiiMiuf

Firekti WUbetm, Freiherr v.

B. Potm

Fleischhauer, Fricdhold

Roh. I'itner

IIS

Franckcl, Adolf

A, ^. WtUmtt

Franken, Alex.

2SI

Frey, Karl v.

Fritiichei Otto Pfidolin

JßMttkmuU

441

Fronmel, Enkü

108

Fürstenau, Moritz

Rob. Kitner

tS4

Ffirstcoberg, K«rl Egon, Fürst sn

Gabillon, Ludwig

Miaar

Garts, Fii«diidk

JM, Eitler

1 1 ^

GeffekeHt FHediieh Heinricli

211

Geiger-Thartni^, Angiiit

Ä HtUattd

Georgii, Ludwig

Rud. Kramu

100

Gcrlach, Josef T.

Geyer, Adolf

K&b. liitner

1 1 ^

Gichrl« MsximiUaD R. t.

ß. Poten

I07

Gieschen, Dr.

Glalsel. Albeit

Gleichauf, Rudolf

V. Wuck

Glisrrin^'ki, Edmund v. JD^anica

y 1 ?

GlUnuir, Adolf von

JiermanH üranitr

Gmclin, Ferdinand v.

220

Goeler von Ravensburg

Dr. Berg/u'ij/cr, im idchstcn Bande

Gdacblt Heinrich

H. HMmd

C|

Göttinger, Kxn-i

J. Duromer

Go^^Tveyler, Theodor

Fr. Ent^iner

(iritiini, |o«ef

//. I/JIanJ

Gruiicitwuld, Jakob

Rud. A'rauss

101

Gruppe, Gott Ad.

Dr, Btrghoeff'er, im nidisti

IB Bande

Gunther» Karl

15»

Gftntner« Wensel

Piigfl

Gaischard, Wi?lic!rnine Constanse

F^am Brummer

194

Gumbert, Kertimind

Rai. Eitner

116

Guntram s. Wagner

Franz Brummer

2 so

Gurlitt, Emanucl

Franz ßrümmer

24s

Habert, Job.

16a

Häcker, Gustav

fyidolf Kram»

Harms, Chri«tinn

Franz Brummer

Rudr-Jf Krams

96

Hcincbuch, Karl Christoph

K, V. Ltiuncron

I

Heinserling, Wilhdm

Kekhrknidf

443

Hdbig, Friedrich

A'mm Britwmur

aSi

Hehn, Qemenfine (vgL Bcyrich)

Franz Brümmer

»47

fienke, Wilhelm

R»da(f Krmue

96

Digitized by Google

459

Name RcsMf , T&eodor Huach, AmoU F.

IToermajin, Flau X*

Hol, Nanny vom

Hoffin.inn, Utinr.

Hohenlohe, Coustantio, Ftmx zu

Hobcnlob^ Owtav, Carfinil

Honegeer, Jobann Jakob

HoDore, WUbda

Hopfgarten, August

Hoyos, Rtido!f, Graf v.

Huber, Rudolf C.

Himaiui, Carl

Hg, Albcit

Ireland, £. A.

[ irlcc, Franziska (£. Rudotff)

Ilmberg, Aug.

Juuker (s. Else Sdimiedea)

KaUe, Marie

Kipp, Ernst

Karl Lud ig, Enhersog

Kekule, Augtut

Keller, Franz

Kerfdieiutemer, Joäcf

KifStetB. Möriti

Klein, Leo

Klünsch, Eugen

Kögel, Rudolph

Köhler, Gii?tav

Kops, Franx

Krflbcr, Adolf

Krflger, Daniel Friedrieb

Kub iry, Joh. Stanislaus

Kuhn, Franz, Frcih. v. Kulmcnfeld.

Kut&chera, Josef, Freih. v. Eicbiandt

Li^tneTf Ludwig Lamejr, Avgast Lajnesaa, Ferd«, Freib. t.

Langko, Diedfttb Lassen. Ilms Lenz, Ludwig Lcuzingcr, Rudolf Levy, Meyer Lewin, Georg Liebeberrt Otto Fr. Max

Verfasser Seitcw

lÜSjifkmUC 445

A, 7. tVUHur 34t

359

Fr am Brümmtr 253

/V. ßiT!^ki>'fffr , im nlchitcn Bande

Jfütrt Jiräm. Edier 176

F. X. J&mi* 449

E. CmgSm 38

Frans Brümmer 254

Dr. Berghotffert im ttlchsten Bande

Ofcar F. IVfskel 142

IV. SchoUrmann 268

Cum 369

Framm Bt amma 417 Dr* Ber^kMftr, im aicbsten Bande

Franz Brümmer 359

JJr. Fir^kfifßfr. ina nächsten Hände

Fr am Brummer 261

Am/ ^kkmßkr 394

IV. mikenhauer 368 Prof. Jlh'rü/i, im niebaten Bande

f>r. Postxr ^12

Dr, Bergfunffer, im nächsten Bande

TK PmAmmm 351

■flv' «54

Ftga IS4 Dr. Bergfunffir, im niebsten Bande

KoMsckmUt 285

B. Foien 106 Dr, Berghoher, im nächsten Bande Akxamkr 197

216

Friedrich Rahel 324

B Feten 104

Ileiurieh Fritd/ung 131

W, C&Uker t42

Prtf, D. Lamey 266

210

H. HoUand 53

218

Franz Brümmer 253

W, WoÜutüiauer 369

ai8

P9gtl tSS

217

Digitized by Google

460

Name Verfattec Seite.

Lieabaehcr, Geofg HümHck FrU^mig S47

Lindler, Job. Wilh. Dr, Btr^l»4^» in itfcksteft Buile

Lipperhcidc. Fried«,* Fieifna 137

Lommer, Emil Pa^ 150

Lorenz, Otto Ferdinand 217

Liidorfl^ Ffwis i¥mm Brümmtv j^S

Malsch, Jakob ^. v. mtck 396

Manz, Hermann ^ ih. %yj

Maurice, Chcri Pauf S!ck!tntftrr t^J

Meerbeiiiib, Richard v. tram Brummtr 258

Meinardus, Ludwig i». Rat. EUmtr 116

Mcokcrty, Albert tob Btrmmmm Gramkr 4J0

Mciigcr, Kvdolf />i<wwy JBrMmauf 257

Merkel, Adolf O. Friedmann 430

Mertens, Friedrich VOD Hermann Grämir 4JO

Meyer, Julia« Pogt^ 156

Müller, iMax 157

M «Oer» Theodor A«/ &iUi»llfr 396

MuBsefa, JoMf ^ /MW 54

Mimtfcet Lndwig /V. Beri^k§0tr, im niehsICB Bande

Nat^mer, Krnst B- Pßtfn IO3

Naude, Albert £. Gugita 42

Nemnendorf, F. t. s. Reiienjtcin /Wm Brümaur 356

ffenmami, Fiau AiWBWii/ ao$

KeS, Heiarieh Brmm A'SmMii 447

Oer, Alexander, Frcih. v, 366

Otterdinger, T iidwig /iuJ. Krams 99

Oldendorff, Adolf Pagcl 15S

Oppeinuum, Andreas Ä-aw SrBmmer 263

Ointteta, Bernhard Am/ ^SataMnmN» 404

Pendl, Frani Xaver f'ergho^fffr, Jm nilcli-ten B-uulc

PfeifTer, Engelbert Dr. Ber^tatffer, im aSchsten Bande

Pfeil- Burgbausz, Ludwig, Graf von 112

Pick, Alphon» F. Fram ßi-mmmtr 24S

Pill, Vineena /V. Btrgk»^», in lachaten Bande

Pleogrotb, Friedrich ^Eätatr 1x7

Pohl, Richard £itf**r 117

Preger, Jr.ri. "^N'ü'iclm Kchh:hmidt 444

Pruckner, Dionys AW. Krauts 102

Sank, Joief A'ms BfUmmtr 448

Raaaenbcfir» Hugo X. 7 mtimt 34a

Keclam, Ant. Philipp G. tVustmamm SS

Reichel. Adolf AM. i&Awr iiS

Digitized by Google

461

Name Vcffaster Seite.

Keindi, Magnus Antnn 2iu

Reixikens, Josef Hubert Kohlukmidt -2^7

RdQtluder, X«il Maitio Mthtri EUmr 118

ReittBStctBtFnnisisluiT.(P.v.Nemmmdorf) FtrmK Brihmiur S56

Renx, Wilhelm Theodor Ridolf Krmu» lOa

Richter, Heinrich Alfred FrWtirr v. Mtnn 279

Rt>1er, lohanne« Pagtl 158

Ritter, Alexander Hob. FAtner 119

Roberts, Alexander, Baron y. A^td Ltkmaim 363

ROiiler, Constantm Mexmdtr Mtftr 200

Rfitiiig» Julias Dr, Btr^h»0§rt im nlcbitcn Bande

Rjittgvr, Rudolf Franz Brümmtr 249

Rolilf^, Gerhard K. FHtdrkk üatttl 3*5

Koos, Jobannes Christian 398

Roquette, Otto Kkhard WuUkirw 139

Rotcnthal» Heiauim Piram SHimiur 353

Roit, Ludwqr Adolf Hcnnaim G. Wutimomm 89

Rotbbart, Georg Ihr, -Bergkc^itr, im alehitea B«nde

Rudolph, Ludwig Fratn Brummer 250

RndorflF, E. (s. F. Jarkc} Fr an-; Brümmer 259

Rtldinger, Nikolaus Tk, Fusckmann 353

RfUtlmann, Christian Moiitx 360

lUUiiig, Louis Berahaid IMbcimidt 44S

RwB|^f, Philipp iV. Sirglkotfir, im nKdisten Btnde

Saurma-Jclt^ch, HqgOi FrcOir. V0& ^r. BergAo^ir, im nichstcn Bande

Snx, Emanuel 5/. Bauer 446

bchadenberg, Alexander Bhtmetttritt 428

SdidQcBbcTg, VOctor E. /hwn Brümmtr ^%^

Sehidum, Fcrdisutnd 364

Schieffer, Ferdinand 3^5

Scbimpff-Jahn, Anna Frans Brümmtr 251

Schiff, MoritE Bogel 1 ^9

Schirtner, Rudolf Bogel 159

Sdüabrendorff, Alfred Graf von 320

Sdilesinger, Willielm 160

Sclnaelshoplt Sdaaid R. R. Smmtrmmm 405

Schmieden, Else (E. Jmker) Frans Brümmtr 260

Schmidt, Benno Bagel 160

Schneller, Job. Julias Bogel 161

Schneider, Emil IVilJulm Hoiff 2S4

Scimoir, Fcdor A, Utr 415

Sdhttne, Bnul Dr, Amtr 414

Sdirsder, K«r], Frcib. t. 219

Schröder, Wilhelm 217

Schumann, Clara A'oi. F.jfmr 119

Schumann, Matthias Faul Koilmann 147

Schweinitz, Rudolf Dr, Birghoeffer, im nächsten Bande

Digitized by Google

462

Inhik.

Name

V ertasser

Seit

acnwiicRei mcatiCB woitBCD

ÜB», BUMt

fitfUtnng, Ardmr t.

aciad, Tmgptt J. lt.

/f. j«. Zier

416

r'cil, r.ugcn

yv, Ditnn

Sieht, GtKtav

Jnctnrun rrtiti

334

SimoDsod, i^ä'iid

UT» lytrgnotp Cr , US oT ua<d> DmMtOßS

SimoDy, Friedrich

rriearuM Anau

Sttttdtttggett Jftltob XMUtnt

SMNMmiUHl, Friis

Späth, Joseph

354

Spieker Paul Emanucl

STB

Staackmaüii, Johannes Au|^t Ludwig

Ol

otaub» rriU

y(. ßaciitiuijm

235

amner» seoftstuii

iMfgiu>epfr, HB bbcbwbb onao

omnifiiBii| Aiul

ffY-jjJ

^ 40b

oceinwaji «1 ""WHiii

sncnart, Alexander

olicKei, jouaun 'lusiav

392

otienle, L.. M. Aüoll

ty r Ca «

hitner

123

Stockbauer, Dr.

/^r. ikrgaMffer, im iirfcii>teti banoe

sNnueit van

ZV« AfMBT

5

StolbeiK-Weiiiigerode» Otto^ FOf»t nt

ZV. ^Mjr, im BicbsteQ Bude

Stoscb, Albrecht von

Hermann Cranier

4»»

AtrecKiuss, \»uf)i-ir.i

Zv'r. i>erghotffer, m OaCBSCtn oaiMM

Streblke, Vr'.cdrich

Strootbcck, Richardf Frcih. t.

Paul /Am$nerm<mtt

snuxui, juimt

^^^^ ^KffSÜf ^^K^^iiÄPW^Ä^S^'

aij

T J

Tbadcn, Ludwig

tataolf Aratttt

93

Thalboth, Heinridl

A. 7. Jf//r*i^

343

Tilgner, Victor

/K Scht>lerm(mn

Trautmannsdorff, Ferd. Franz Graf

BeinrkA Fritdpuig

Tidlschke^ Heuuidi von

Pmt ßmäem

377

Trossi&i Robert

Dr. Btr^kHftr, öb Biobstcn Baade

Trtbmh»ch, Haaricli Angnst

416

bind, Cad (GOntbcr Walling)

262

Veltheim, Fiiediidi

Vos«t Kail

VriBlf,

» Graf

r.

Dr. BtrfftM0»^ im

409 344

13»

Wagener, 0»i'do. Richard P'^^f^ '6'

Wagner v. i- rctusbeim, Camillo Fran% Brümmar 250

WalUac, Günther (s. Ubici) Mmmt 26t

WasüewaU, Joacph t. jBiA <£«6Mr tS3

Digitized by Google

Name

Weber, Robert Woudi Emst WeiBid»» AgathoD

Wickede, Julius v.

Wiener, Cliristian

Wk'sLcrg, Willicliu

Wilhelm V. Württemberg, Herzog

Wm, Karl Petyos

Wiadmaferi Anton

Winkelmann, Eduard

WolfT. Emil

Woyna, WUhehn r.

Zcdtwiu, Freiherr, Zeidler, Gbarlotte Ziebland, Hennann Zimmer, Ottu Zur Strastoi, Melchior

Inhdt 463

Verfasser Seite.

Ad. Frey J9I

^«M» Brammer 261

A. V. Braunmühl 207

A. J. Weltner 345

Rttd. Krauss , 98

JK A, Litt 417

IL Hoüumd 55

E. Guglia 40

^M</. Kratm 100

i?. /'«»ito» 135

313

^ NUBoBi SS

O, WMstmMm 90

Digitized by Google

Digitized by Google

Digitized by Google

:.v ,• Digitized by Google